Gedruckte Bilder in handgeschriebenen Büchern: Zum Gebrauch der Druckgraphik im 15. Jahrhundert 9783412324889, 3412119024, 9783412119027

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Gedruckte Bilder in handgeschriebenen Büchern: Zum Gebrauch der Druckgraphik im 15. Jahrhundert
 9783412324889, 3412119024, 9783412119027

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P I C T U R A ET POESIS I n t e r d i s z i p l i n ä r e Studien zum Verhältnis von Literatur und Kunst H e r a u s g e g e b e n von Ulrich Ernst • Joachim Gaus • Christel Meier B a n d 16

GEDRUCKTE BILDER IN HANDGESCHRIEBENEN BÜCHERN Zum Gebrauch von Druckgraphik im 15. Jahrhundert

VON PETER SCHMIDT

§

2003

BÖHLAU V E R L A G KÖLN W E I M A R W I E N

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Umschlagabbildung: Kolorierter Holzschnitt der hl. Birgitta von Schweden am Schreibpult (Nürnberg, Stadtbibliothek, Cent. VI, 43 f , fol. 236 v ) © 2003 by Böhlau Verlag G m b H & Cie, Köln Ursulaplatz 1, D-50668 Köln Tel. (0221) 91 39 00, Fax (0221) 91 39 011 [email protected] Alle Rechte vorbehalten Druck und Bindung: Druckerei Runge GmbH, Cloppenburg Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in Germany ISBN 3-412-11902-4

VORWORT

Das vorliegende Buch ist die leicht überarbeitete Fassung meiner 1995 vom Fachbereich Kommunikations- und Geschichtswissenschaften der Technischen Universität Berlin angenommenen Dissertation. Die Arbeit hätte nicht entstehen können ohne die Anregung und Hilfe vieler. An erster Stelle sei Robert Suckale genannt, der mein Interesse für die Kunst des Mittelalters geweckt und schließlich die Dissertation betreut und in jeder Hinsicht gefördert hat. Dieter Wuttke hat die Arbeit mit Rat und steter Ermutigung zum interdisziplinären Wagnis verfolgt. Diskussion, Anregung, Kritik und Hilfe verdanke ich insbesondere auch Regina Cermann, Derick F. W. Dreher, Falk Eisermann, Richard S. Field, Sabine Griese, Jeffrey F. Hamburger, Markus Hörsch, Volker Honemann, Nigel F. Palmer, Rainer Schoch, Eva Schurr, Gregor Wedekind und Wolfgang Wolters. Ohne die Hilfe und den Rat der Mitarbeiter zahlreicher Bibliotheken und Sammlungen im In- und Ausland, die hier im einzelnen nicht genannt werden können, wäre die Arbeit nicht möglich gewesen. Meinen Eltern Gudrun und Hermann Schmidt danke ich für ihre Unterstützung, meiner Frau Regina Hanemann für Geduld und Hilfe aller Art. Die Studienstiftung des deutschen Volkes förderte die Dissertation durch ein Stipendium. Besonders verbunden bin ich Christel Meier-Staubach für die Aufnahme in die Schriftenreihe pictura etpoesis. Die Drucklegung finanzierte die VG WORT. Ihnen allen gilt mein Dank.

INHALT

VORWORT I.

EINLEITUNG

1

II. DRUCKGRAPHIK IN SÜDDEUTSCHEN KLOSTERBIBLIOTHEKEN

1. Das Dominikanerinnenkloster St. Katharina in Nürnberg 1.1. Das Katharinenkloster und die Holzschnittforschung 1.2. Das 'Gulden puchlein' und die Beziehung zwischen Dominikanerinnen und Dominikanern 1.3. Die Wirkung des 'Gulden puchlein': Ein Marienleben von 1466 1.4. Austausch von Bildern und Büchern: Eine weitere Handschrift der Nürnberger Dominikaner im Katharinenkloster 1.5. Exkurs: Kupferstiche aus dem Nürnberger Dominikanerkloster 1.6. Weitere Formen der Handschriftenausstattung mit Druckgraphik im Katharinenkloster 1.6.1. Eingebundene Titelbilder und die Zusammenarbeit von Frauen- und Männerkloster 1.6.2. Holzschnitte in den Buchdeckeln 1.6.3. Eingebundene Illustrationen 1.6.4. Beim Schreiben integrierte Holzschnitte 1.6.5. Ordnungsbuchstaben als Hilfsmittel zur Koordination 1.6.6. Ein eingeklebtes Geschenk einer Schwester 1.7. Eine Bildtafel mit Holzschnitten 1.8. Zur Frage der Produktion von Bilddrucken im Kloster 1.9. Reform, Literatur und Handschriftenschmuck im Katharinenkloster 1.10. Klosterreform und 'cura monialium' 1.11. Illustrationsbedarf und Graphikangebot 1.12. Holzschnitte in anderen Dominikanerinnenklöstern Süddeutschlands 1.13. Exkurs: Druckgraphik bei den Nürnberger Klarissen 2. Holzschnitte aus der Bibliothek des Augustiner-Chorfrauenstifts Inzigkofen Exkurs: Inzigkofen und Pillenreuth

19 19 20 40 48 49 53 53 62 66 69 71 76 78 84 86 94 99 101 116 120 140

Inhalt

VIII

3. Druckgraphik in den Handschriften des Klosters Tegernsee 3.1. Frühe Holzschnitte aus Tegernsee in der Staatlichen Graphischen Sammlung in München 3.2. Holzschnitte der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts in Tegernseer Codices 3.3. Eine Cusanus-Handschrift und die Verwendung von Druckgraphik in den 1450er Jahren 3.4. Bilddrucke in Handschriften des Tegernseer Tochterklosters Andechs 3.5. Die Handschriften Paulus Stegers und andere bebilderte lateinische Gebetbücher im dritten Viertel des 15. Jahrhunderts 3.6. Nachträgliche Einfügungen im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts 3.7. Die Rolle der Buchbinderei 3.8. Zur Herkunft der in den Tegernseer Handschriften verwendeten Druckgraphiken 3.9. Holzschnittproduktion im Kloster? 3.10. Reform und Handschriftenproduktion in Tegernsee 3.11. Exkurs: Die Benutzungsspuren eines Holzschnitts und der Austausch von Bildern zwischen Subiaco und Tegernsee 4. Druckgraphik in St. Emmeram 5. Ein Brevier aus dem Kloster Kastl

146 146 151 161 164

168 182 184 188 190 194 202 208 217

III. DIE VERWENDUNG VON DRUCKGRAPHIK DURCH GEWERBLICHE BUCHSCHREIBER

1. Leonhard Taichstetter von München und seine Heilsspiegel 2. Konrad Bollstatter von Öttingen: Profane Handschriften und Kupferstiche 3. Exkurs: Druckgraphik als Ersatz für nicht ausgeführte Miniaturen ein weiterer Beleg

225 239 249

I V . DIE VERWENDUNG VON DRUCKGRAPHIK ZUR ILLUSTRATION EINER BESTIMMTEN TEXTART: D A S BEISPIEL DER PASSIONSGEBETBÜCHER

1. Ein Holzschnitt-Bilderbüchlein zur Passionsandacht 2. Ein ungewöhnliches Gebetbuch für den Laiengebrauch mit eingedruckten Holzschnitten 3. Ein neuer Typ von Passionsgebetbüchern mit gedruckten Illustrationen 3.1. Die *Nonnberger Passion' 3.2. Zwei Andachtsbücher aus Basel und Benediktbeuern 3.3. Passionsgebetbücher mit den Metallschnitten der 'Stöger-Passion' und verwandte Handschriften 3.4. Das Verhältnis der Texte

251 254 265 267 273 279

Inhalt

IX

3.5. Die Nonnberger Kupferstichfolge 3.6. Ein Holzschnitt-Gebetbüchlein und seine Textbeziehungen 3.7. Überlieferungskontext und Gebrauchsfunktion 3.8. Verstreute Gebetbuchfragmente 4. Texte und druckgraphische Passionsfolgen im zweiten Drittel des 15. Jahrhunderts

292 293 296 300

V . SCHLUSS

309

303

VERZEICHNISSE

Verzeichnis der besprochenen Handschriften und Fragmente Literatur Abkürzungen Register 1. Handschriften und Handschriftenfragmente 2. Orte und Personen Abbildungsnachweis

317 457 498 501 501 506 512

I. EINLEITUNG

Das 15. Jahrhundert als Zeitalter der „ersten Medienrevolution": Während der Millenniumsfeierlichkeiten des „Gutenbergjahres" 2000 rückte diese keineswegs neue Charakterisierung wieder verstärkt in die Schlagzeilen und Publikationstitel.1 Die „zweite Medienrevolution", wie die aktuelle medientechnologische Entwicklung bisweilen bezeichnet wird, suchte ihren historischen Vorläufer. 2 Den Ahnherren fand sie dabei in Johannes Gutenberg. Weniger gern hörten die Feiernden dabei die Frage, ob die Einführung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern denn wirklich eine Revolution war. Denn kritische buchgeschichtliche Untersuchungen jüngerer Zeit meldeten aufgrund statistischer Auswertung des Materials und einer Zusammenschau der Entwicklung von Handschriften- und Druckproduktion gut begründete Zweifel an der Berechtigung eines solchen Begriffes an. 3 Im Millenniumsjubel war freilich wenig Platz für die Erinnerung an solche Studien, die zu einer differenzierten Sichtweise auf das komplexe Verhältnis verschiedener Verfahren der manuellen und mechanischen Informationsvervielfaltigung im 15. Jahrhundert mahnen. Unbestritten ist jedoch, daß sich das gedruckte Buch - wenn auch erst längerfristig - als das Medium durchsetzte, das tiefgreifende Umwälzungen im öffentlichen Informationsaustausch bewirken sollte. Am Beginn der mechanischen Vervielfaltigungstechniken stand allerdings nicht der gedruckte Text, sondern das gedruckte Bild. Schon ein halbes Jahrhundert vor Gutenbergs technischem Durchbruch beim Druck mit beweglichen Lettern wurden Bilder mittels druck-

1

So etwa im Untertitel „Vom Geheimunternehmen zur ersten Medienrevolution" der Mainzer Ausstellung Gutenberg - aventur und kunst 2000. Von den älteren wirkungsmächtigen Anwendungen des Ausdrucks „Medienrevolution" oder sinngemäßer Begriffe auf die Epoche des frühen Buchdrucks seien nur die Schriften von GIESECKE 1991 genannt oder NIKLAS LUHMANN, Das Problem der Epochenbildung und die Evolutionstheorie, in: HANS ULRICH GUMPRECHT - URSULA LINK-HEER (Hgg.), Epochenschwellen und Epochenstrukturen im Dis-

kurs der Literatur- und Sprachhistorie, Frankfurt a. M. 1985, S. 11-33, dort u. a. S. 20 f. Eine grundlegende Diskussion der Revolutions-Terminologie im Zusammenhang mit dem frühen Buchdruck bei SCHANZE 1999.

2

3

Der Konnex zwischen der „ersten Medienrevolution" des 15. Jahrhunderts und der „zweiten" an der Wende vom 20. zum 21. Jahrhundert wurde vielfach bemüht, auch etwa im Vorwort zu Gutenberg - aventur und kunst 2000, S. 12. Provokativ zugespitzt im Titel „Der Buchdruck eine Medienrevolution?" von SCHANZE 1999, der diese Frage klar verneint. Derselbe Schluß auf breiter Basis statistisch belegt u. a. von KÜNAST, Augsburger Frühdrucker 1995, und NEDDERMEYER 1998, der resümiert: „Die Gutenbergsche Erfindung markierte somit weder hinsichtlich der äußeren Form und der Buchinhalte, noch was Rezeption und Rezipienten angeht, einen scharfen Einschnitt oder gar Bruch in der Geschichte des Buches" (ebd., Bd. 1, S. 552).

Einleitung

2

graphischer Verfahren massenhaft reproduziert. Dies setzte um die Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert mit dem Holzschnitt ein, gefolgt vom Kupferstich in den 1430er Jahren und schließlich nach der Jahrhundertmitte vom Metallschnitt und vom Teigdruck. Der kulturhistorischen Bedeutung dieses Phänomens entspricht jedoch nicht die Intensität seiner Erforschung, besonders in neuerer Zeit. Zwar kann die Druckgraphik des 15. Jahrhunderts als das am besten erfaßte Bildmedium des späten Mittelalters gelten: Wilhelm Ludwig Schreiber und Max Lehrs verzeichneten in ihren monumentalen Corpuswerken im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert das Material mit dem Anspruch auf Vollständigkeit; Ergänzungen und Abbildungen brachten die Werke von Geisberg und Heitz4 sowie die neueren Katalogisierungsunternehmen von Graphik wie Hollstein oder Illustrated Bartsch. In eigenartigem Kontrast zu dieser guten Dokumentation eines Bildmediums im ersten Jahrhundert seiner Existenz steht jedoch die jüngere Forschungsgeschichte. Auch wenn einige neuere Arbeiten wichtige Erkenntnisse erbrachten, Ausstellungen das Material erneut ins Bewußtsein riefen 5 und gerade in den letzten Jahren ein wieder auflebendes wissenschaftliches Interesse festzustellen ist,6 müssen als wichtigste Grundlagen für die heutige Forschung noch die genannten Katalogwerke gelten. Tatsächlich hatte das 19. und das erste Drittel des 20. Jahrhunderts die intensivste Beschäftigung mit dem Thema gebracht, während die Zahl der Publikationen seit den vierziger Jahren rapide abnahm. Die Gründe dafür dürften vielfältig gewesen sein. Von Bedeutung war sicher, daß mit Wilhelm Ludwig Schreiber, Max Lehrs, Max Geisberg, Paul Heitz und anderen in den 1930er und 1940er Jahren die Generation von Kunsthistorikern ausstarb, die für die Erforschung der Druckgraphik des 15. Jahrhunderts die wichtigsten Grundlagen geschaffen hatten. Andere hervorragende Forscher mußten während des Nationalsozialismus emi-

4

Geschichte und Kritischer Katalog; GEISBERG 1 9 2 3 und 1 9 3 6 ; SCHREIBER, Handbuch Einblattdrucke. Von den umfangreicheren Forschungsarbeiten sind unter anderen die von FIELD, COOMBS FARRELL - FIELD, KÖRNER, KORENY, PALMER und LANDAU - PARSHALL ZU erwähnen. Wissenschaftlich ambitionierte Ausstellungen zur frühen Druckgraphik sind ab den 1960er Jahren verstärkt zu verzeichnen. Hervorzuheben ist dabei die Serie bemerkenswerter Ausstellungen in den USA, darunter Fifteenth Century Woodcuts and Metalcuts, Washington 1965, Fifteenth Century Engravings of Northern Europe, Washington 1967, und Master E. S., Philadelphia 1967. In Deutschland folgte die wichtige Schau Frühzeit des Holzschnitts 1970, aus jüngerer Zeit ist die vorbildliche Ausstellung Meister E. S., München und Berlin 1986, besonders zu erwähnen. Wichtiges Material präsentierten die Ausstellungen zur Graphiksammlung des Humanisten Hartmann Schedel, München 1990, und Blockbücher des Mittelalters, Mainz 1991. Bezeichnend ist aber auch ein Projekt wie die Basler Schau Einblattdrucke des XV. Jahrhunderts von 1994/95, deren Reflexions- und Kenntnisstand sich nur unwesentlich von dem in WILHELM LUDWIG SCHREIBERS Handbuch von 1930 dargebotenen unterscheidet. Vgl. z. B. das Forschungsprojekt „Textierte Einblattdrucke im Deutschen Reich bis 1500 als Ausdruck pragmatischer Schriftlichkeit", Teilprojekt N des Sonderforschungsbereichs 231 an der Universität Münster, mit zahlreichen in diesem Zusammenhang entstandenen Studien. Vgl. auch einige jüngere und noch laufenden Dissertationen, wenn auch nicht immer - am wenigsten FLEISCHMANN 1998 - von nennenswertem Ertrag.

LEHRS,

1 9 2 6 - 1 9 3 0 ; HEITZ,

5

6

Einleitung

3

grieren.7 Sie hinterließen ein in wenigen Jahrzehnten sehr gründlich bestelltes Feld, die großen Gesamtverzeichnisse und Referenzwerke lagen vor, mit ihrem beeindruckenden - vielleicht auch erdrückenden? - Vollständigkeitsanspruch. Nach dem Ende des Dritten Reiches mag schließlich die Fragwürdigkeit des nationalen Symbols, zu dem schon seit dem 19. Jahrhundert die deutsche Druckgraphik stilisiert worden war, 8 und eine veränderte ästhetische Wertschätzung in der Nachkriegszeit eine Rolle gespielt haben. Wichtig aber erscheint vor allem, daß sich genau das, was für die Forscher des 19. und frühen 20. Jahrhunderts eine wesentliche Motivation zur Beschäftigung mit frühen Bilddrucken war, später zum Hindernis wandelte: Die Betrachtung von Druckgraphik als Gebrauchskunst. In der Zeit der technischen und sozialen Umwälzungen des 19. Jahrhunderts war man nicht nur fasziniert von der Verbindung zwischen technischer Erfindung und Kunst, für die die neuen Bildmedien des 15. Jahrhunderts standen.9 Auch konnte man im massenhaft vervielfältigten Bild ein Vorbild für die sozialutopische Versöhnung von Kunst und Volk sehen. 10 Ähnliche Gründe hatte die Rezeption des Holzschnitts im Arts and Crafts Movement. Die Qualitäten der Bilddrucke des 15. Jahrhunderts wurden von vielen Forschern dieser Zeit nicht mit den üblichen Maßstäben einer vorgeblich autonomen Kunst mit absoluten ästhetischen Werten gemessen, sondern am Massen- und Gebrauchscharakter. Eine solche Sichtweise auf die vervielfältigenden Bildmedien wurde jedoch, so jedenfalls muß man aus der Forschungslage schließen, nach dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts zur Ausnahme. 11 Es war jedoch nicht das Interesse an Druckgraphik des 15. Jahrhunderts allgemein, das nachließ. An Literatur über Dürer und die berühmten „altdeutschen" Holzschneider des 16. Jahrhunderts herrschte auch weiterhin kein Mangel. Auch den Produkten der ersten Jahrzehnte der Holzschneidekunst sicherte die Faszination der „Erfindung" einer neuen Technik und, auf der ästhetischen Seite, ihrer „ursprünglichen" Ausdruckskraft noch eine gewisse Aufmerksamkeit. So 7

Darauf machte HEUSINGER 1982, S. 409 aufmerksam. Von den bedeutenden Graphikforschern emigrierte etwa WERNER COHN, dem die bis heute wichtigste Arbeit über den Holzschnitt des zweiten Drittels des 15. Jahrhunderts zu verdanken ist; vgl. ULRIKE WENDLAND, Biographisches Handbuch deutschsprachiger Kunsthistoriker im Exil. Leben und Werk der unter dem Nationalsozialismus verfolgten und vertriebenen Wissenschaftler, Bd. 1, München 1999, S. 9 5 - 9 8 .

8

9

10

11

So KÖRNER 1979, S. 21 f. Wie sich dies zu der Beobachtung der Kontinuitäten der deutschen Kunstgeschichte zwischen Drittem Reich und Nachkriegszeit verhält, wäre aber noch zu überdenken (vgl. dazu etwa HEINRICH DILLY, Deutsche Kunsthistoriker 1933-1945, München 1 9 8 8 , S. 8 1 ff.). So tragt SOTZMANNS wichtige „Älteste Geschichte der Xylographie und der Druckkunst" aus dem Jahr 1837 den aufschlußreichen Untertitel „Ein Beitrag zur Erfindungs- und Kunstgeschichte". Bezeichnend ist etwa die Passage in ROUGETS Geschichte der Holzschneidekunst von 1878, nach der „die gewöhnliche Gesellschaft (Handwerker, die nicht verbildet sind, Landleute) am meisten Sinn für einen guten Holzschnitt" habe; ROUGET 1878, S. 34 f. Nicht erst nach dem zweiten Weltkrieg, wie KÖRNER 1979, S. 22 meinte. HEUSINGER 1982, S. 409 wies nach, daß schon während des Dritten Reiches kaum Literatur zu diesem Thema erschien.

4

Einleitung

schrieb noch 1970 Bernhard Degenhart in Bezug auf die frühesten Holzschnitte von der „Schönheit allererster Verwirklichungen eines künstlerischen Ausdrucksmittels, vergleichbar dem archaischen Geiste der griechischen Plastik" 12 . Zwischen den Anfangen von primitiver Größe und der Blütezeit - um die Begriffe eines immer noch nicht aus dem Gebrauch gekommenen kunsthistorischen Entwicklungsdenkens zu benutzen, das für die Forschungssituation mitverantwortlich ist - liegen die größten Forschungslücken. Schon vor Dürer durften freilich etwa Martin Schongauer, der den Vorteil eines faßbaren Künstlernamens, und auch der Meister E. S., der zwar keinen Namen, doch wenigstens ein Monogramm und ein großes geschlossenes Œuvre vorzuweisen hat, Aufmerksamkeit beanspruchen. Anders dagegen die anonymen Bilddrucke des zweiten Drittels des Jahrhunderts: heterogenes Material ohne Namen, Monogramme und Jahreszahlen. Sie stehen im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit. Der Mangel an fundierten Detailstudien zu dieser Gruppe von Graphiken ist nur der eine Aspekt der Forschungslage. Der andere ist das Fehlen neuer methodischer Reflexionen über die Beschäftigung mit gedruckten Bildern. Wie üblich standen bislang vor allem Stil- und Formfragen im Vordergrund - doch selbst auf diesem scheinbar sicheren Terrain klassischen kunsthistorischen Arbeitens offenbaren sich grundlegende Probleme. Denn bei Lichte besehen entbehren die herkömmlichen Lokalisierungen und Datierungen früher Holz- und Metallschnitte, die mangels besserer Vorschläge bis heute vorzugsweise nach Schreibers Handbuch wiedergegeben werden, 13 meist einer historisch solide belegten Basis oder gründen sich bestenfalls auf Vergleiche mit Werken in anderen Techniken. 14 Solcherlei Stilkritik verkennt aber die Medialität ihres Gegenstandes: Mobilität und Reproduktionscharakter der Druckgraphik, also auch die Tatsache, daß nahezu alle Arbeiten aus den ersten beiden Dritteln des Jahrhunderts als Glieder von unbestimmt langen Ketten von Kopien angesehen werden müssen, machen es unmöglich, in simpler Weise mit Lokal- und Zeitstil zu argumentieren. Wie noch auszuführen sein wird, demonstrieren detaillierte Studien, die diesen Aspekt berücksichtigen, daß sich das Gerüst der seit Schreiber tradierten Einordnungen als sehr brüchig erweisen kann.15 Formale und stilistische Fragen sind, so sehr auch Bedarf nach einer neuen Reflexion ihrer Grundlagen besteht, doch keineswegs die wichtigsten, die auf dem Gebiet der frühen Druckgraphik noch zu klären sind. Gerade die Anfange des Mediums verlangen in besonderem Maße nach anderen Forschungsansätzen. 12

BERNHARD DEGENHART, in: Die Frühzeit des Holzschnitts 1970, S. VII.

13

Vgl. zuletzt etwa den Basler Katalog Einblattholzschnitte des XV. Jahrhunderts 1995, der Schreibers Angaben präzise wiederholt. Exemplarisch dafür sei nur die bezeichnende Formulierung von APPUHN - HEUSINGER 1965, S. 204 genannt, daß es „keinen Grund gibt, die Holzschnitte von der allgemeinen Stilentwicklung auszunehmen". Vgl. SCHMIDT 1998 über die methodischen Probleme v. a. der Lokalisierung von bisher als oberrheinisch gehandelten Graphikzyklen der Jahrhundertmitte. Vgl. auch unten Kap. II.3.9. und IV.3.3. zu falschen Lokalisierungen und Datierungen aufgrund der Vernachlässigung des reproduktiven Charakters und der Mobilität von Bilddrucken.

14

15

Einleitung

5

Denn die Möglichkeit der massenhaften Vervielfältigung, die seit der Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert in Europa erstmals genutzt wurde, bedeutete eine tiefgreifende Veränderung des Publikums privater Bilder und neue Formen des Bildgebrauchs. Druckgraphik ist konstitutiv für das, was Hans Belting als die „Ära des Privatbildes" bezeichnete.16 Die Frage nach der Funktionsgeschichte der frühen Bilddrucke rückt damit in den Vordergrund - und sie zielt nicht nur auf einen von vielen unbeachteten Teilaspekten, sondern unmittelbar auf die Gründe und Auswirkungen der Entstehung und Verbreitung des neuen Bildmediums. Funktionsgeschichtliche Ansätze werden, nachdem sie schon Jakob Burckhardt angeregt hatte, in der Kunstgeschichte seit jüngerer Zeit wieder konsequenter verfolgt. 17 Die Forschung zur Druckgraphik haben sie jedoch noch kaum erreicht. Das kommt nicht von ungefähr. Hans Körner hat in seiner Arbeit über die Anfange des Holzschnitts die 'Ortlosigkeit' als wesentliche Eigenschaft der frühen Bilddrucke beschrieben, also die Tatsache, daß sie nicht für einen vorgegebenen Kontext produziert wurden. 18 Doch ist der freudig aufgenommene und häufig wiederholte Begriff der 'Ortlosigkeit' eher in seiner griffigen Formulierung verlockend denn historisch unbedingt aussagekräftig. Die gründliche Rekonstruktion originaler Verwendungszusammenhänge erweist ihn als Vereinfachung. Viele Druckgraphiken wurden für eingrenzbare Funktionen produziert, und letztlich gingen auch diese mobilen Bilder in feste Gebrauchszusammenhänge über, an denen die 'Ortlosigkeit' endet. Daß diese historischen 'Orte' jedoch kaum untersucht wurden, ist wiederum die Folge der Neigung, Druckgraphik im kontextlosen Raum zu betrachten - und so schließt sich der Kreis. Wie Wolfgang Kemp feststellte, hat die Kunstgeschichte besondere Schwierigkeiten mit dem, was er „wilden Kontext" nannte - mit Ortsbindungen und Gebrauchszusammenhängen, die nicht das „Gütesiegel des Programms" 19 und der künstlerischen Intention tragen. Genau das ist auch das Problem der frühen Bilddrucke. Findet man einen solchen ausnahmsweise noch in einem historischen Gebrauchszusammenhang vor, so haftet ihm der Charakter des Zufalligen und Uneigentlichen an, mithin des für die „Wesensbestimmung" des Werkes Irrelevanten. Doch sorgte die im großen Maßstab im 19. Jahrhundert einsetzende Sammlerpraxis ohnehin dafür, daß die Bilddrucke weitgehend von Spuren ursprünglicher Funktionszusammenhänge befreit wurden. Ein großer Teil der

16

BELTING 1 9 9 0 , S. 4 5 7 f f . , b e s . S. 4 8 3 .

17

Zu Burckhardts „Kunstgeschichte nach Aufgaben" vgl. HUSE 1977, S. 157 ff. Einen Überblick über den Funktionsbegriff in der Kunstgeschichte gibt BELTING 1986, S. 188-192. Die Einforderung der Erforschung von Bildfunktionen seitens der Geschichtswissenschaft bei SIGNORI 1996, v. a. S. 24-27. Von fiinktionsgeschichtlichen Studien zu den historischen Orten einzelner Werke und Werkgruppen sind Reflexionen über die Funktion von Kunst im allgemeinen jenseits historisch-kritischer Kontextrekonstruktion im Einzelfall - zu unterscheiden, die hier nicht zur Diskussion stehen (z. B. GOMBRICH 1999 oder GEORGES DIDI-HUBERMAN, Imitation, représentation, fonction. Remarques sur un mythe épistémologique, in: BASCHET - SCHMITT

18

KÖRNER 1 9 7 9 , S. 3 9 f.

19

KEMP 1 9 9 1 , S . 9 6 .

1996, S. 5 9 - 8 6 ) .

6

Einleitung

Objekte wurde - radikaler noch als andere mittelalterliche Kunstwerke - aus den ursprünglichen historischen Beziehungen gerissen und in die kontextfreie Welt der Passepartouts der graphischen Sammlungen überführt. 20 Doch wäre es falsch, zu behaupten, die Funktionen der neuen Bildmedien wären bislang überhaupt nicht reflektiert worden. Bezeichnend ist aber, welcher Bereich dabei im Vordergrund stand. In den großen Katalogwerken der Forscher des 19. und frühen 20. Jahrhunderts finden sich wenigstens einige verstreute Informationen über Gebrauchsformen, zusammengetragen eher aus positivistischem Sammeleifer denn aus systematischem Interesse. Wirkliche Aufmerksamkeit wurde allein dem Gebrauch von Druckgraphik als Vorlagenmaterial für andere Künstler bzw. Handwerker zuteil.21 Nur solange die Verwendung von Bildern wieder Bilder hervorbringt, scheint ihre Untersuchung gerechtfertigt. Etwas anders war in dieser Hinsicht der Blickwinkel von Forschern mit volkskundlichem Ansatz, von denen als wirkungsmächtigster Spamer zu nennen ist und symptomatisch Nockemann. 22 Hier wurden Indizien aller Art gesammelt, etwa über Einklebungen in Holzkästchen und Möbeln, über Spielkarten, Andachts- und Wallfahrtsbildchen.23 Das Problem an diesen Arbeiten, am deutlichsten der von Nockemann, ist jedoch ihre mangelnde historische Präzision. Nockemann arbeitet mit zum größten Teil undatierten, undatierbaren oder gar neuzeitlichen Belegen, fragwürdigen Rückschlüssen von Form und Ikonographie auf den Gebrauch und unbelegten Platitüden über das „spätmittelalterliche Volksleben" 24 - ahistorische Vereinfachungen, die noch bis in jüngste Zeit die Beschäftigung mit früher Druckgraphik bestimmen sollten.25 Was sie als Analyse der Gebrauchssituation bezeichnet, ist einmal mehr im wesentlichen der Rückschluß von der Ikonographie der Graphiken, der allerdings methodisch problema20

Selbst ein umsichtiger Forscher wie MAX LEHRS, der in seinem Kupferstichkatalog Spuren von Kontexten gewissenhaft notierte, plädierte noch am Ende des 19. Jahrhunderts fiir die Entfernung von Druckgraphiken aus ihren originalen Zusammenhängen in Handschriften. So rühmte er etwa die Praxis des Großherzogl. Hessischen Staatsmuseums in Darmstadt mit den Worten: „Wenn dieser Brauch, dem leider noch der traurige Ressort-Particularismus der meisten Bibliotheksverwaltungen hindernd im Wege steht, allgemeiner würde, so gewännen wir unschätzbares Material fiir die Urgeschichte des Kunstdruckes, während jetzt die kostbarsten Denkmale des Holzschnittes und Kupferstiches in den Deckeln verstaubter Manuscripte, fiir den Bibliophilen wertlos, dem Ikonographen verborgen bleiben, um schließlich den Würmern als Speise zu dienen." (LEHRS 1889, S. 250; ähnlich schreibt er 1891, S. 9 über die Hof- und Staatsbibliothek München).

21

Z. B . bei LEHRS, Krit. Kat. B d . I, S. 2 2 - 2 8 , MATTHEWS 1 9 6 8 o d e r VAN BUREN 1974.

22

SPAMER 1 9 3 0 , S . 7 ff.; NOCKEMANN 1 9 4 0 , p a s s i m . .

23

Schon GEISBERG 1923, S. 20 f. und LEHRS 1908, S. 183 ff. stellten einige Belege über praktische Verwendungen zusammen. Für den Holzschnitt faßte HIND derlei in dem „Applied and decorative uses" überschriebenen Abschnitt seines Handbuches zusammen; s. HIND 1935,

24

NOCKEMANN 1940, u. a. S. 25. Als eines von vielen Beispielen sei nur die Passage angeführt, in der sie fiir das Beten vor Holzschnitten des 15. Jahrhunderts einen Beleg des Jahres 1550 anfuhrt, der sich zudem auf ein beliebiges Gemälde beziehen kann, nicht unbedingt auf einen Druck. Z. B. auch VAVRA 1992, S. 369-378.

EDMUNDS

S. 7 6 - 7 8 .

25

Ginleitung

7

tisch ist. Eine neue Untersuchung von Quellenmaterial, das in konkreten historischen Einzelfallen über die praktische Verwendung Auskunft geben könnte, findet auch hier nicht statt. Spamers Verdienst war es, 1930 das damals publizierte Material erstmals grundlegend auf Anhaltspunkte für die Verwendung befragt zu haben. Er bietet ein Sammelsurium von Beobachtungen, das in der funktionalen Bestimmung der Bilder angesichts des damaligen Erkenntnisstandes durchaus interessant ist; doch subsumiert er das Material unter einem Begriff, der sich für die weitere Erforschung der Druckgraphik als eher kontraproduktiv erweisen sollte: dem des „kleinen Andachtsbildes".26 Auf die lange Geschichte dieses problematischen Begriffs einzugehen, würde hier zu weit fuhren. 27 Man kann aber nicht umhin, zu konstatieren, daß er für die konkrete funktionsgeschichtliche Bestimmung von Bildern selten von Nutzen gewesen ist. Nicht nur, weil er noch heute oftmals zur formalen oder ikonographischen Definition von Bildern benutzt wird (z. B. Darstellungen des Schmerzensmannes oder Christus-Johannes-Gruppen) und nicht etwa zur historisch-funktionalen, wie es der Wortlaut eigentlich nahelegen würde 28 Das größte Hindernis scheint vielmehr zu sein, daß mit der Klassifizierung eines Kunstwerks als „Andachtsbild" - nach welcher willkürlichen Begriffssetzung auch immer - die Gebrauchsbestimmung schon erschöpfend bezeichnet zu sein scheint, so daß die weitere Erforschung des Verwendungskontexts nicht mehr nötig ist. Das gilt vor allem für Druckgraphiken als „kleine Andachtsbilder". Symptomatisch für den Einsatz dieses Begriffs ist etwa die Arbeit von Körner, die sich selbst „eine phänomenologische Bestimmung der Seinsweise" 29 des frühen Holzschnitts zum Ziel setzt und dabei wieder zum „Andachtsbild" gelangt, aber über den universalen Aussagen versäumt, das Material auf die tatsächlichen Spuren der historischen Verwendung hin zu befragen. 30 So versucht Körner mit einer Zusammenstellung von Verwendungsbereichen zu zeigen, daß „der frühe Holzschnitt für verschiedene Arten der Bildnerei als Surrogat einstehen" 31 sollte, wobei er Miniatur, Altarbild, Möbel- und Wandschmuck, Haus-

26

Differenzierter als SPAMER in seiner Neigung, jeden Bilddruck religiösen Gegenstandes als Andachtsbild zu bezeichnen, sind die Arbeiten von APPUHN- HEUSINGER 1965, S. 157-178 und APPUHN 1978, der mit dem Bilderfund im Kloster Wienhausen von einem gleichsam archäologisch gegebenem funktionalen Kontext ausgeht. Keine begriffliche Klärung bringt BRÜCKNER 1969, S. 17-24, der in der Bestimmung des „volkstümlichen" Gebrauchs von Bilddrucken fast ausschließlich von der Ikonographie ausgeht. Zum grundlegenden Problem des Andachtsbildes zwischen formaler und funktionaler Definition s. die Überlegungen von

27 28

Vgl. dazu die Begriffsgeschichte von SCHADE 1996. Zur formalen und ikonographischen Definition, fllr die u. a. WILHELM PINDER und ERWIN PANOFSKY stehen, vgl. zusammenfassend SCHADE 1996, S. 46-81. Grundlegende Kritik daran und die Forderung nach streng funktionaler Bestimmung bei SUCKALE 1977, S. 198.

SUCKALE 1 9 7 7 , S. 1 9 7 f.

29

KÖRNER 1 9 7 9 , S . 2 3 .

30

Überlieferungszusammenhänge von Holzschnitten in Handschriften des 15. Jahrhunderts etwa werden konsequent ignoriert, allenfalls unzulässige Schlüsse bezüglich des Produktionsortes daraus gezogen; s. KÖRNER 1979, u. a. S. 90.

31

KÖRNER 1 9 7 9 , S. 3 8 .

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segen und Wallfahrtsbild nennt. Doch erweist die kritische Überprüfung die meisten seiner Belege als untauglich für die Argumentation.32 Sie sind vielmehr bezeichnend für sein Verfahren, das Schlüsse nicht aus der Materialbasis gewinnt, sondern das Material den Bedürfnissen seiner Urteile gefügig zu machen versucht.33 Auch erfolgt seine generelle Bestimmung früher Holzschnitte als Andachtsbilder aufgrund rein formaler und ikonographischer, nicht aber funktionaler Argumente - der nun schon bekannte unzulässige Schluß. Die konkreten Quellen, die ihm für die Funktionsbestimmung tatsächlich zur Verfügung gestanden hätten, wertet er dagegen nicht aus. Handschriften, in denen sich von ihm diskutierte Holzschnitte noch im ursprünglichen Gebrauchszusammenhang befinden, werden bestenfalls als Lokalisierungshilfe verwendet, wobei er zu teilweise absurden Folgerungen kommt.34 In dieser festgefahrenen Situation, in der sich die spärlichen Beiträge zum Thema vor allem auf das altbekannte und publizierte Material stützen, scheint es dringend geboten, sich auf die Quellen zu besinnen. Dazu soll zunächst an die Stelle des vieldeutigen Begriffs der Funktion - unter dem in der kunsthistorischen Diskussion gemeinhin auch etwa die Funktion von Bildern im Kommunikationsprozeß in einem allgemeinen Sinn oder Aspekte wie die darstellende oder ästhetische Funktion etc., die Funktion formaler Bildmittel und andere immanente Faktoren gefaßt werden35 - der Begriff des Gebrauchs gesetzt werden. Bevor nicht die praktische Verwendungssituation der Bilddrucke geklärt ist, sind alle 32

33 34

35

Zumal diese Belege meist selektiv aus der älteren Literatur übernommen werden, ohne sie kritisch zu prüfen oder am Material selbst zu verifizieren. Die Autopsie der Originale erweist viele von Körners Argumenten als schlichtweg falsch oder zumindest untauglich, begrifflich schief (wenn z. B. von „Hausaltärchen" die Rede ist, doch ein Beispiel aus einem Kloster zitiert wird, S. 34) oder nicht gründlich beobachtet (z. B. das angebliche Triptychon, als dessen Rest er die Kreuzigung Sehr. 395a sieht, die aber wohl nur Teil einer auf einen Bogen gedruckten Passionsfolge ist), die Arbeit mit Handschriften sporadisch und dann unsauber. Nach Belieben werden späte Beispiele vom Ende des 15. Jahrhunderts herangezogen, um über den „frühesten deutschen Einblattholzschnitt" zu sprechen, bisweilen undatierbare Belege (etwa die Einklebungen in Möbeln, S. 35), oder höchst dubiose Verwendungen wie die in Grabkammern (S. 35), die schon SCHREIBER 1900, S. 39 angezweifelt hatte und vermutlich tatsächlich Fälschungen sind, die von KÖRNER aber dennoch gern angeführt werden, weil sie in seine Argumentation passen. Zur Kritik dieser Methode s. auch HEUSINGER 1982, S. 406 in seiner Rezension von KÖRNERS Dissertation. Eines von zahlreichen Beispielen ist etwa die Argumentationskette, die KÖRNER 1979, S. 90 auf der Tatsache aufbaut, daß die Kreuzigung Sehr. 387 im Rückdeckel der Handschrift Cgm 281 der BSB München klebt: Ihre Herkunft ist unbekannt, doch enthält sie u. a. Texte des Autors Johannes von Indersdorf. Vom bayerischen Indersdorf aus, so ein kühner Gedankengang Körners, wäre u. a. das schwäbische Kloster Inzigkofen reformiert worden; aus diesem wiederum stammt die Handschrift Hs 28441 des Germanischen Nationalmuseums, in der der Verkündigungsholzschnitt Sehr. 34 klebt. Das nimmt er als Beleg für die Lokalisierung dieses Blattes nach Bayern. Dieses Konstrukt krankt nicht nur daran, daß Inzigkofen keineswegs von Indersdorf aus reformiert worden war (s. u. Kap. II.2.); es ist methodisch mehr als abenteuerlich, von der Wirkungsstätte des Autors eines in einer Handschrift überlieferten Textes auf den Entstehungsort eines eingeklebten Holzschnitts zu schließen. Vgl. zu dieser Unterscheidung etwa BELTING 1986, S. 188 f.; JÉRÔME BASCHET, L'imageo b j e t , in: BASCHET - SCHMITT 1 9 9 6 , S. 1 5 - 2 1 .

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vermeintlich subtileren Spekulationen müßig. Zur Bestimmung der historischen Gebrauchssituation steht nach der gründlichen Zerstörung der Kontexte - bei einem wenig stabilen Medium wie dem einzelnen Blatt Papier bedeutete Gebrauch allzu oft auch Verbrauch - im wesentlichen nur ein Quellenbereich zur Verfugung. Dieser ist jedoch erstaunlich umfangreich und ergiebig, gleichwohl bislang kaum ausgewertet: In Handschriften des 15. Jahrhunderts haben sich Bilddrucke noch in großer Zahl in den ursprünglichen Verwendungszusammenhängen des 15. Jahrhunderts erhalten.36 Zur Ausstattung der Codices wurden Holz- oder Metallschnitte, Kupferstiche und Teigdrucke eingeklebt, eingebunden, auch eingedruckt oder nur eingelegt. Die meisten der heute bekannten Graphiken des 15. Jahrhunderts dürften nur so, geschützt zwischen Buchdeckeln, die Zeiten überdauert haben, auch die, die heute losgelöst von jedem Gebrauchszusammenhang in den Mappen der Graphiksammlungen liegen. Für die Staatliche Graphische Sammlung in München zum Beispiel, deren Bestände des 15. Jahrhunderts zum großen Teil aus den Bänden der damaligen Hofbibliothek und damit letztlich aus den Bibliotheken der säkularisierten bayerischen Klöster stammen, steht dies zweifelsfrei fest (s. Kap. II.3.1.), für andere Museen ist es zu vermuten. Bilddrucke, die noch im originalen Kontext der Handschriften vorzufinden sind, bieten eine Fülle von Informationen. Über die Bibliotheken, denen die Handschriften entstammen, lassen sich Kreise von Benutzern erschließen. In glücklichen Fällen läßt sich etwa der Schreiber bzw. die Schreiberin bestimmen, die eine Druckgraphik in eine Handschrift einfügten, lassen sich eventuell über deren Person und Tätigkeit weitere Anhaltspunkte gewinnen. Schlüsse können auch aus den Texten gezogen werden, mit denen zusammen sich das Bild in einem Buch befindet - solche, zu deren Illustration es unmittelbar eingesetzt wurde oder auch solche, mit denen es sich nur in losem Zusammenhang zwischen den Buchdeckeln befindet, die aber unter dem Gesichtspunkt der Mitüberlieferung, um einen methodischen Ansatz aus der Philologie anzuwenden, 37 ebenfalls interessant sein können. Über die Buchdeckel hinaus kann die Beschaffenheit der Bibliothek, deren Teil ein Band mit Bilddrucken ist, Informationen über den Kontext liefern. Die Bibliotheksgeschichte wird in der Philologie seit jüngerer Zeit erfolgreich zur Interpretation von Texten herangezogen.38 Es wird zu erproben sein, inwieweit sie unter der vorliegenden Fragestellung auch für die Kunstgeschichte von Nutzen sein kann. Das Material mußte zu diesem Zweck neu erschlossen werden. Die wichtigsten Hilfsmittel waren dabei auf der einen Seite die schon erwähnten Katalog36

37 38

Wichtige Arbeiten, die die Verwendung von Druckgraphik in bestimmten Buchbeständen untersuchten, sind die von WEINBERGER, Formschnitte 1925, der allerdings weniger an den einzelnen Handschriften als vielmehr an der Lokalisierung der Graphiken durch die Provenienz interessiert war (s. u. Kap. II. 1.1.). Differenzierter ist dagegen der Aufsatz von FIELD 1969 über Holzschnitte aus Altomünster, der jedoch weit ins 16. Jahrhundert ausgreift. Einen privaten Graphikbestand sichtete HERNAD im Münchner Ausstellungskatalog Graphiksammlung 1990. Siehe dazu SCHNELL 1985, S. 221. Vgl. programmatisch etwa SCHNELL 1985, S. 221 ff. und RUH 1985, S. 267 f.

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werke zur Druckgraphik des 15. Jahrhunderts39 - die aber in ihrer Konzentration auf das reine Bild nur spärliche Informationen über originale Verwendungskontexte bereitstellen; auf der anderen die Handschriftenkataloge und -inventare der verschiedenen Bibliotheken. Dann aber war die Autopsie der Handschriften und Einzelblätter unabdingbar: Kaum ein Katalog, kaum eine Beschreibung oder Abbildung einer Graphik liefert die Informationen, die nötig sind, um die Art ihrer Verwendung in einem Codex zu beurteilen - die Frage, wie sie sich chronologisch zur Schrift verhält, zur Bindung, zur Lagenstruktur, zu den Texten eines Buches, welche Benutzungsspuren noch zu finden sind. Bei der Untersuchung der Handschriften wie auch ihrer Einordnung etwa in die Geschichte der Bibliotheken, der Literatur- und Buchproduktion der einzelnen Klöster standen nur teilweise gute Vorarbeiten zur Verfügung; in anderen Fällen war die nötige philologische, kodikologische und bibliotheksgeschichtliche Arbeit noch zu leisten, die die Voraussetzung für das Verständnis der Gebrauchssituation der Bilddrucke ist. Bei der Fülle unbearbeiteter Handschriften bestand somit freilich die Gefahr des Dilettierens in den Nachbardisziplinen. Diese aber mußte in Kauf genommen werden, in der Hoffnung auf die Nachsicht der Spezialisten. Da das 19. Jahrhundert die Ablösung eines beträchtlichen Teiles der Bilddrucke aus den Handschriften mit sich brachte, war auch der Blick auf die Einzelblätter in den graphischen Sammlungen nötig. Es wurde versucht, Provenienzen solcher Bilddrucke aus Codices zu rekonstruieren. Voraussetzung war nicht zuletzt die Untersuchung von handschriftlichen Spuren vor allem auf den Rückseiten. Das war nicht flächendeckend möglich, brachte aber in einigen Fällen sehr interessante Ergebnisse. Die kaum mehr zu überblickende Fülle von unbearbeitetem Material, die so zutage trat, machte eine Einschränkung des Gegenstandsbereichs der Arbeit notwendig. Die Beschränkung auf einige Fallstudien aus Süddeutschland lag aus verschiedenen Gründen nahe: Hier liegen die Anfänge aller druckgraphischen Techniken vom Holzschnitt über den Kupferstich bis zum Metallschnitt und Teigdruck. Auch was die Verbreitung von Bilddrucken betrifft, lassen sich etwa im monastischen Bereich Zusammenhänge mit den Ordensprovinzen und Wirkungsbereichen lokaler Observanzen feststellen. Ausgeschlossen wurde so der große Bereich der mit Kupferstichen illustrierten Gebet- und Stundenbücher aus dem Verbreitungsgebiet der Devotio moderna in den Niederlanden und am Niederrhein, der den Rahmen der Arbeit gesprengt hätte. 40 Methodisch war dies nicht nur durch die grundlegend anderen Zusammenhänge der Ordenskongregationen und Observanzen zu rechtfertigen, sondern auch durch die gegenüber der

39

40

Zusammen mit neueren Ergänzungen, von denen vor allem WEND 1975, der Census von FIELD 1985 und 1995 sowie die gegenüber SCHREIBERS Handbuch aktualisierten Angaben des Illustrated Bartsch, Bd. 161-164 zu nennen sind. Ihn aufzuarbeiten versprach die 1988 abgeschlossene Dissertation von SCHUPPISSER (nach der kurzen Zusammenfassung in SCHUPPISSER, Passionsfolgen 1991), die aber bis zur Drucklegung der vorliegenden Arbeit unpubliziert und unzugänglich geblieben ist.

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Entwicklung in Süddeutschland großen Unterschiede in den mit gedruckten Bildern illustrierten Handschriftentypen und Texten. Die zeitliche Untergrenze der Arbeit ergibt sich von selbst aus der Entstehung der druckgraphischen Techniken - des Holzschnitts etwa um 1400, des Kupferstichs in den 1430er Jahren, des Metallschnitts und des von ihm abhängigen Teigdrucks um die Mitte des Jahrhunderts. Die Obergrenze um etwa 1470 mag auf den ersten Blick willkürlich erscheinen, ist jedoch aus dem Material heraus historisch zu rechtfertigen und damit weniger zweifelhaft als die in den meisten Handbüchern, Katalogen wie auch Einzeluntersuchungen gängige Eingrenzung auf „das 15. Jahrhundert". Die Einteilung nach Jahrhunderten ist suggestiv, doch arbiträr. Die Probleme, die sie mit sich bringt, wurden für die Inkunabelforschung, deren Zuständigkeitsbereich exakt am 31. Dezember 1500 um Mitternacht endet, deutlicher problematisiert als für die Kunstgeschichte. Dieser Zeitpunkt ist weder durch historische Prozesse noch durch Entwicklungen im Druckwesen zu rechtfertigen.41 Als sinnvollerer Einschnitt - wenn es denn überhaupt eines solchen bedarf - wurden in der Inkunabelforschung die 1470er Jahre vorgeschlagen, die durch grundlegende Umwälzungen im Buchdruck, ja im gesamten Buchwesen gekennzeichnet sind.42 Dieser Zeitpunkt erscheint auch für den Bilddruck sinnvoll. Tatsächlich setzt nach einer eher zögerlichen Verbreitung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern eine große Welle der Gründung von Offizinen ab etwa 1470 ein. Erst zu dieser Zeit, ein Jahrzehnt nach den ersten Versuchen Albrecht Pfisters und eines anonymen Druckers, kommt es zu einer rapide ansteigenden Produktion von Drucken mit Holzschnittillustrationen.43 Das hatte unübersehbare Auswirkungen auf die Produktion von Druckgraphik. Die Verschiebung der Aufgaben der Holz- und Metallschneider und die damit verbundenen ökonomischen Veränderungen, die der neue Bedarf an Druckillustrationen mit sich brachte, werden schlaglichtartig am Konflikt zwischen dem ersten Drucker und Produzenten der ersten illustrierten Inkunabeln Augsburgs, Günther Zainer, und den Holzschneidern der Stadt sichtbar. Diese sahen - falls die späte sekundäre Überlieferung dieser Episode den historischen Tatsachen entspricht44 -

41

V g l . SCHANZE 2 0 0 0 .

42

Zum Umbruch um

1470/1480 s. etwa WEHMER 1971, S.

12, SCARPATETTI,

Bildungs-

geschichtliches Instrument 1983, S. 60, und den Diskussionsbericht von WERNER HÖVER in GRENZMANN -

43

44

STACKMANN 1984, S. 194. KÜNAST 1995, S. 5 spricht von einem tiefen

Einschnitt in der Handschriftenproduktion zwischen 1470 und 1480, WEHMER 1940, S. 226 von der Grenze des mittelalterlichen Buchwesens um 1480, ebenso BRANDIS 1997, S. 27, S. 55. Auch NEDDERMEYER 1998, passim und S. 553 zusammenfassend, konstatierte eine Trendwende um etwa 1470. Schon ein kurzer Blick auf die Druckdaten bei SCHRAMM, Bilderschmuck der Frühdrucke, zeigt das eindrücklich. Zu diesem Phänomen KÜNAST 1997, S. 7 Anm. 24: „Zwar ist mit Ulrich Boners 'Edelstein' der erste deutsche illustrierte Druck in Bamberg bei Albrecht Pfister 1461 (GW 4839) erschienen, aber diese Publikationsform hat sich erst durch die Tätigkeit der Augsburger Drucker, beginnend mit Günther Zainers 'Heiligenleben' von 1471, auf dem Buchmarkt dauerhaft etabliert." Der Konflikt wird häufig und ohne Quellenangabe in der Inkunabel- und Holzschnittliteratur zitiert ( v g l . u. a. HIND 1 9 3 5 , S. 9 1 , 2 7 9 ; GELDNER 1 9 6 8 , S. 1 3 5 ; SEEBODE 1 9 7 7 , S.

103).

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offenbar ihren Markt gefährdet und wehrten sich 1468 massiv gegen die Einbürgerung des Buchdruckers und die Gewährung von Privilegien. Der Streit konnte schließlich durch die Intervention des Abtes von St. Ulrich und Afra geschlichtet werden, als sich Zainer bereiterklärte, nur Holzschnitte der zünfitisch organisierten Augsburger Holzschneider zu verwenden. Ab 1471 produzierte er dann zahlreiche umfangreich illustrierte Drucke. Daß der große Umbruch in der Vervielfältigung von Texten und Bildern nicht gleich mit den ersten Inkunabeldrucken der 1450er Jahre erfolgte, konnte auch Kiepe zeigen. Seine Statistik des Zuzugs von gewerblichen Buchschreibern nach Nürnberg zeigt noch nach der Mitte des Jahrhunderts eine Steigerung; der große Abstieg erfolgte erst in den Jahren nach 1470.45 Bis zu dieser Zeit war folglich auch noch ein großer Markt für Druckgraphik zur Verwendung durch Schreiber gegeben, während sich dann der Einfluß des Buchdrucks verstärkt bemerkbar machte. Das im Laufe der vorliegenden Arbeit gesammelte Material erhärtet die Feststellung des Umbruchs um 1470-80: Tatsächlich geht etwa zu dieser Zeit die Zahl der mit umfangreichen gedruckten Bildfolgen illustrierten Handschriften deutlich zurück. Veränderungen zeigen sich auch im Formalen: Im Holzschnitt ist eine technische und ästhetische Standardisierung z. B. bei der Umsetzung von Helligkeitswerten und plastischer Modellierung durch Schrafftiren zu beobachten, die ihren Ausgang in den Buchillustrationen jenes Jahrzehnts nimmt. Es wäre noch zu untersuchen, inwieweit etwa das Aufkommen größerformatiger Kupferstiche zu dieser Zeit und die Verfeinerung der ästhetischen Mittel bei gleichzeitiger Perfektionierung einer ökonomischen Stichtechnik, die etwa in Martin Schongauers Stichen sichtbar wird, mit einer Veränderung der Gebrauchsformen und des Publikums im Zuge der angedeuteten Entwicklungen in Verbindung zu bringen ist.46 Trotz dieser Eingrenzung des Quellenmaterials erwies sich angesichts dessen Menge und Vielfalt eine exemplarische Form der Darstellung als notwendig. Sie wird durch die Beschaffenheit des Materials selbst gerechtfertigt. Zeigte doch die Sichtung aller feststellbaren Codices mit druckgraphischer Ausstattung und der Einzelblätter mit Provenienzen aus Handschriften, daß hier keine auch nur annähernd gleichmäßige Verteilung über die historischen Bücherbestände - es handelt sich fast ausschließlich um Klosterbibliotheken - festzustellen ist. Vielmehr waren einige Bestände auszumachen, in denen eine erstaunlich große Zahl von Bilddrucken überliefert ist, während sich in anderen wenig oder nichts fand.

KÜNAST 1995, S. 87 f. weist daraufhin, daß die Überlieferung letztendlich auf MURRS Journal Bd. 2, S. 144 f., aus dem Jahr 1776 zurückgeht. Murr gibt seinerseits keine Quelle an, und KÜNAST konnte keine zeitgenössischen Belege dafür finden. Doch ist kaum einsichtig, wieso MURR diese Episode hätte erfinden sollen. 45

KIEPE 1 9 8 4 , S. 1 5 1 .

46

Zu Schongauers Perfektionierung einer Technik, die nicht nur ästhetisch einen neuen Stand erreichte, sondern auch höhere Auflagen ermöglichte, vgl. FILEDT KOK, in: Vom Leben im späten Mittelalter 1985, S. 65.

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Dieses Bild hält auch unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Erhaltungssituationen und ursprünglichen Größenverhältnisse der Bibliotheken stand. Exemplarisch wurden mit den Klöstern der Nürnberger Dominikanerinnen, der Augustiner-Chorfrauen von Inzigkofen und der Benediktiner von Tegernsee drei Häuser verschiedener Orden herausgegriffen, deren Handschriften bezüglich der Verwendung von Druckgraphik quantitativ und qualitativ herausragen. Dem schließt sich die Untersuchung der Bestände von St. Emmeram in Regensburg an, die zwar etwas über die gesetzte Zeitgrenze hinausgehen, aber gerade auch deshalb besonders geeignet sind, im Vergleich zu Tegernsee auf individuelle Unterschiede im Graphikgebrauch, die nicht zuletzt die Chronologie betreffen, hinzuweisen. Aufgenommen wurde auch das Benediktinerkloster Kastl. Dessen Bibliothek ist fast völlig untergegangen; um so interessanter ist die Tatsache, daß eines der fünf erhaltenen Bücher mit Bilddrucken ausgestattet ist. Es handelt sich um eines der wenigen Zeugnisse des fast völlig verlorenen Bildbesitzes dieser einst so bedeutenden Abtei. Gemeinsam waren diesen Klöstern außergewöhnliche Bibliotheken. Es wird zu zeigen sein, daß das besondere Verhältnis dieser Institutionen zu Büchern kein Zufall ist, sondern das Ergebnis historischer Prozesse, deren Gemeinsamkeit im Anschluß an monastische Reformbewegungen liegt. Die Buchausstattung mit Bilddrucken muß im Zusammenhang mit der gesamten Handschriftenproduktion gesehen werden, die im hier untersuchten Zeitraum in enger Verbindung mit den Reformtendenzen steht. Die Kontinuität der geistlichen Institutionen bis zur Säkularisation und die daraus resultierende relativ gute Erhaltungssituation ihrer Bibliotheken hat das Bild von der Bedeutung privater Buchbesitzer des Mittelalters verzerrt. Denn viele Privatbibliotheken, vor allem bürgerliche, gingen in geistlichen Institutionen auf oder wurden auf andere Weise zerstreut.47 Laien sind deshalb auch als Graphikbenutzer nur selten nachzuweisen. Zu den herausragenden Ausnahmen gehört dabei die durch glückliche Umstände weitgehend geschlossen erhaltene Bibliothek des Nürnberger Gelehrten Hartmann Schedel (1440-1514), der in seine Bücher eine große Zahl von Miniaturen, Zeichnungen und Druckgraphiken eingefugt hatte. Sie ist gleichzeitig der einzige größere historische Graphikbestand des 15. Jahrhunderts, der jemals eine umfassende Bearbeitung erfuhr. Im Katalog zur Ausstellung der Bayerischen Staatsbibliothek von 1990 verzeichnete Béatrice Hernad Schedels Graphikbesitz.48 Nachdem dieser Bestand gründlich 47

Vgl. SCHNEIDER 1981, S. 52, S. 56. Eine Privatbibliothek eines Geistlichen, die eine beachtliche Anzahl von zumeist nur eingelegten Graphiken enthielt, ist die nach langer Odyssee ihres Besitzers in der Stiftsbibliothek St. Gallen und der Zentralbibliothek Zürich gelandete Büchersammlung des Geistlichen Gallus Kemli (1417 - ca. 1481). Zu den Holz- und Metallschnitten, die heute in alle Welt zerstreut und teilweise unauffindbar sind, s. FÄH in HEITZ, Einblattd r u c k e B d . 3 u n d M A X LEHRS in HEITZ, E i n b l a t t d r u c k e B d . 4 .

48

S i e h e HOLTORF i n

2

V L Bd. 4,

Sp. 1107-1112 mit weiterer Literatur zu seinem bewegten Leben und seinen literarischen Aktivitäten. Graphiksammlung 1990. Mißverständlich blieb dabei allerdings der Begriff der „Sammlung" im Titel, der dem Charakter dieses Bestandes historisch nicht ganz adäquat ist.

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publiziert ist und es zu den wesentlichen Zielen der vorliegenden Arbeit gehört, unbekanntes Material bekanntzumachen, soll hier nicht nochmals auf Schedel eingegangen, sondern, was weltliche Privatpersonen als Benutzer von Druckgraphik betrifft, vielmehr auf eine bislang völlig unbeachtete Gruppe hingewiesen werden: Anhand zweier Beispiele läßt sich zeigen, wie auch gewerbliche Buchschreiber verstanden, von den neuen Bildmedien zu profitieren - wegen ihrer leichten Verfügbarkeit und der Möglichkeit, die Produktion zu rationalisieren. Während diese Fallstudien den Gebrauch von Bilddrucken durch bestimmte Gruppen und Einzelpersonen erläutern, soll das Phänomen im letzten Teil aus einer anderen Perspektive betrachtet werden. Nach dem horizontalen Schnitt durch größere Bücherbestände wird an einer Stelle ein in die Tiefe gehender vertikaler Schnitt durch einen bestimmten Buchtyp angelegt. Anhand einer Gruppe von Handschriften läßt sich zeigen, wie wenig der Gebrauch von Bilddrucken dort Zufallsprodukt oder Notlösung ist, sondern das Ergebnis genau geplanter Text-Bild-Kombination. Die Verwendung von Druckgraphiken ist hier konstitutiv für einen bestimmten Typ von Passionsgebetbüchern. Daß dieser schließlich zum Vorbild für einen der ersten illustrierten Drucke mit beweglichen Lettern wurde, erhellt schlaglichtartig die Bedeutung, die der Handschriftenillustration mit Druckgraphik in der Geschichte des illustrierten Buches zwischen rein manueller und mechanischer Reproduktion zukommt.49 Gewiß handelt es sich dabei nur um eine von vielen möglichen historischen Verwendungsformen von Bilddrucken im 15. Jahrhundert. Der Schutz der Bücher sicherte ihnen in diesen Gebrauchszusammenhängen eine überdurchschnittlich gute Erhaltung. Ein Holzschnitt, der als Andachts- oder Schutzbild an der Wand hing,50 hatte dagegen kaum Chancen, zu überdauern.51 Dennoch ist die Verwendung zur Illustration von Handschriften sicher nicht nur eine beliebige und zufal49

Einer der ersten, der nachdrücklich auf die Verflechtungen zwischen Bilddruck, Handschriftenproduktion, Miniaturmalerei und Buchdruck hinwies, war KAUTZSCH 1894, S. 79 ff. Wenig Beachtung in der Kunstgeschichte fanden die Hinweise von BÜHLER 1960, S. 84 f. zu diesem Thema. HINDMAN 1977, S. 104 ff. machte die Beziehungen zwischen den verschiedenen Bild- und Schriftmedien im 15. Jahrhundert ausführlich zum Thema; ihr Aufsatz, der sich im wesentlichen auf publiziertes Material gründet und deshalb nur in beschränktem Maße neue Aussagen bringt, war dennoch eine nötige Erinnerung an Forschungsdesiderate. Neue Handschriften, beschränkt auf den Niederrhein und die Niederlande, wurden durch Arbeiten w i e d i e v o n MARROW 1 9 7 8 u n d SCHUPPISSER 1 9 9 1 b e k a n n t .

50

51

Diese Verwendungsart legen mehrere Tafelgemälde des 15. Jahrhunderts nahe, auf denen an Wänden hängende Holzschnitte zu sehen sind: So etwa das Brüsseler Tafelgemälde der Verkündigung aus dem Umkreis des Meisters von Flémalle (Brüssel, Musées Royaux des Beaux Arts, Inv.-Nr. 3937, vgl. dazu zuletzt STEPHAN KEMPERDICK, Der Meister von Flémalle. Die Werkstatt Robert Campins und Rogiers van der Weyden, Turnhout 1997, S. 77-99, Detailabbildung in RdK Bd. 4, Sp. 974) oder das Bild einer Stifterin von Petrus Christus (Washington, NGA, Samuel H. Kress Collection, Inv.-Nr. 1368). In diesen Gemälden unmittelbar historische Bildquellen sehen zu wollen, greift jedoch zu kurz, vgl. SCHMIDT, Bildgebrauch 2000, S. 71-73. Zu den methodischen Problemen, die Überlieferungszufälle des Quellenmaterials für die Interpretation historischer Sachverhalte aufwerfen, s. ARNOLD ESCH, Überlieferungs-Chance und Überlieferungs-Zufall als methodisches Problem des Historikers, in: Historische Zeitschrift 240, 1985, S. 529-570; dort S. 568 auch zu Holzschnitten.

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lig dokumentierte, sondern eine der wichtigsten und für die vervielfältigten Bilder konstitutiven Gebrauchsfunktionen: Wie zu zeigen sein wird, war die Produktion von Druckgraphik im zweiten Drittel des 15. Jahrhunderts zu einem beträchtlichen Teil darauf ausgerichtet. So schwierig sich die Bestimmung der Funktionszusammenhänge auch oft gestaltet, kommt man doch zu dem Schluß, daß die Verwendungsorte häufiger präzise zu benennen sind als die Produktionsorte der Bilddrucke. Die schon angedeuteten Probleme der Stilkritik auf dem Gebiet der Druckgraphik wurden im Laufe dieser Arbeit sehr deutlich. Die Gewinnung von Kompositionen durch Kopieren und die nachweisliche Mobilität der Papierbildchen wie auch der Druckstöcke machen die sichere örtliche und zeitliche Einordnung nahezu unmöglich. Einige aufgrund der Verflechtung kodikologischer und sprachgeographischer Indizien genau lokalisierbare Beispiele werden auch in der vorliegenden Studie belegen, daß in Nürnberg und München, in Basel und am bayerischen Alpenrand fast identische Holzschnitte gedruckt wurden, die nach den gleichen Vorbildern kopiert oder gar abgepaust wurden und nur noch im minutiösen Vergleich kleinster Details voneinander zu unterscheiden sind.52 Daß es dabei zum sinnlosen Unterfangen wird, kunstgeographische Aussagen treffen zu wollen, wurde jüngst exemplarisch für angeblich oberrheinische Druckgraphiken des 15. Jahrhunderts aufgezeigt und bedarf an dieser Stelle keiner weiteren Erörterung.53 Ähnliches gilt für die Datierung. So beweist etwa die Wasserzeichenforschung immer wieder, daß ein großer Teil der Holzschnitte aufgrund rein stilkritischer Argumente zu früh datiert wurde. Eines der eklatantesten Beispiele hierfür ist der Tegernseer Kruzifix (Sehr. 932), den man bislang meist um 142030 datierte, der aber nach dem Papier beider erhaltener Exemplare erst in den 1480er Jahren gedruckt sein kann.54 Reproduktion, jahrzehntelanges Kopieren alter Vorlagen, retrospektive Tendenzen und die Möglichkeit langer Aufbewahrung von Modeln machen die rein formanalytische Stilkritik als alleiniges Mittel zur Datierung von Druckgraphiken untauglich. Keineswegs übertrieben ist die Feststellung, daß - unabhängig von allen in der Literatur referierten und immer wieder ungeprüft wiederholten Angaben - für nahezu alle in dieser Arbeit behandelten Druckgraphiken, vor allem für Holz- und Metallschnitte, die räumliche und zeitliche Einordnung als ungeklärt gelten muß.55 Eine brauchbare neue Grundlage

52

53 54 55

Vgl. die Holzschnitte der 'Gulden puchlein-Gruppe' mit den für Nürnberg (Kap. IV. 1) und München (Kap. III.l.) gesicherten Passionsfolgen oder die beiden Kopien einer anderen Passion, die am Oberrhein und in Bayern gedruckt wurden (Kap. IV.3.2.). Vgl. SCHMIDT 1998 zum rein spekulativen Charakter vermeintlich sicherer Lokalisierungen von Holz- und Metallschnitten an den „Oberrhein". Siehe dazu Kap. II.3.9. Die Lokalisierungen in Schreibers Handbuch sind mit großer Vorsicht zu genießen. Sie entspringen meist rein kennerschaftlichem Urteil, für das es allerdings in diesem Bereich nur wenige feste Eckpunkte gibt. Die Nonnberger Holzschnittpassion (s. u. Kap. IV.3.1.) bietet ein typisches Beispiel für die Bandbreite kunsthistorischen Ratens: Deren Entstehung nahm TIETZE in S a l z b u r g u m 1 4 3 5 , GUGENBAUER in U l m u m 1 4 4 0 u n d SCHREIBER in A u g s b u r g z w i s c h e n 1 4 4 0 u n d 1 4 5 0 a n (TIETZE 1 9 0 5 , S. 8 5 ; GUGENBAUER i n HEITZ, E i n b l a t t d r u c k e B d .

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wäre erst zu erarbeiten. Sie müßte auf der Zusammenstellung der wenigen festen Datierungs- und Lokalisierungsbelege basieren; erst von dort aus ließe sich ein tragfähiges Raster für die Einordnung der Bilddrucke gewinnen - freilich unter steter Berücksichtigung der genannten, alle Datierungen und Lokalisierungen relativierenden Faktoren. Von punktuellen Ausnahmen abgesehen existiert dergleichen bis heute jedoch noch nicht. Solche Defizite sollen und können in der vorliegenden Studie nicht nachgeholt werden. Lokalisierungen und Datierungen von Graphiken werden deshalb mit größter Vorsicht behandelt - das heißt: vermieden, sofern es nicht ausnahmsweise verläßliche Anhaltspunkte gibt. So darf es nicht verwundern, wenn selbst im Verzeichnis der besprochenen Werke, das der Arbeit angeschlossen ist, entgegen den kennerschaftlich-kunsthistorischen Gepflogenheiten oft keine genauen Angaben zu Entstehungsort und -zeit der Blätter zu finden sind. Der vorläufige Verzicht schien ehrlicher als die Wiedergabe alter oder die Formulierung neuer unbegründbarer Spekulationen.56 Gegebenenfalls wurde mit möglichst weit gefaßten Angaben und Fragezeichen gearbeitet. An einigen Stellen aber bot es sich an, der Lokalisierung wenigstens ansatzweise nachzugehen - etwa bei den Holzschnitten des Nürnberger Katharinenklosters oder den Gebetbüchern mit Metallschnittpassionen, wo das Material Schlüsse bezüglich der Frage erlaubte, wie das Verhältnis von nachweisbarem Verwendungsort und fraglichem Entstehungsort zu denken ist. Solche Informationen wurden dann nicht zugunsten der methodischen Reinheit verschwiegen, sondern - wenn es lohnend erschien vorzugsweise im Verzeichnis der besprochenen Objekte mitgeteilt. Die künstlerische Einordnung der Graphiken in den Katalognummern geriet aus diesem Grund verschieden ausfuhrlich. Doch schien die Weitergabe von Informationen, auch wenn diese über den ursprünglichen Zweck des Verzeichnisses hinausgehen, wichtiger als ein Gleichmaß der Darstellung. Das gilt für die gesamte Arbeit: Unter den gegebenen Bedingungen - den problematischen kunsthistorischen Grundlagen, den zerstreuten Beständen, ihrer mangelnden Erfassung, den Zufällen der Erhaltung, den historisch so unterschiedlichen Gebrauchssituationen, die sich einfacher Thesenbildung widersetzten - konnte nur der Versuch gemacht werden, einige Mosaiksteinchen zusammenzufügen. Sie ergeben kein geschlossenes Bild, doch werden gewisse Umrisse sichtbar. Das unordentliche Material zwang zu einer unordentlichen Darstellung, zum Exemplarischen und auch zum Exkurs, um die vielfachen Verbindungslinien auch am Rande der Fallbeispiele sichtbar zu machen. Doch sei an dieser Stelle an

56

35; SCHREIBER, Handbuch Bd. I, unter Nr. 152b). Selten sind Lokalisierungsvorschläge, die das Eingeständnis der Unsicherheit implizit enthalten, etwa die Angabe „Basel, Köln, Grenoble oder Nürnberg?" zu einem Holzschnitt durch FIELD (Fifteenth Century Woodcuts and Metalcuts 1965, Nr. 178 zu Sehr. 1184m). Auch in der neueren Literatur mangelt es nicht an Beispielen für unkritische Angaben solcher Art: Unter ihnen sei nur der Basler Katalog Einblattholzschnitte des XV. Jahrhunderts 1994 genannt, wo ausgerechnet diese unsichersten aller Informationen - meist auf dem Stand von Schreibers Handbuch - ohne die Andeutung eines Zweifels gleich in den Titelzeilen der Katalogbeiträge stehen.

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Jacob Burckhardts Entschuldigung für die Unterwerfung unter die Unebenheiten der Geschichte erinnert: „Mit dem Fachwerk des Buches möge man Nachsicht üben und erwägen, daß dasselbe nicht auf rein theoretischem Wege angelegt werden konnte, sondern sich größtenteils nach der zufallig vorhandenen Masse der wirklich vorhandenen Kunstwerke und Kunstaussagen richten mußte." 57

57

JACOB BURCKHARDT, D i e Kunst der Renaissance in Italien, hg. v o n HEINRICH WÖLFFLIN (JACOB BURCKHARDT Gesamtausgabe, hrsg. v. EMIL DÜRR U. a. Bd. V I ) Tübingen 1932,

S. XXI.

II. DRUCKGRAPHIK IN SÜDDEUTSCHEN KLOSTERBIBLIOTHEKEN

1. Das Dominikanerinnenkloster St. Katharina in Nürnberg 1.1. Das Katharinenkloster und die Holzschnittforschung Zu den seltenen Fällen, in denen der ursprüngliche Verwendungszusammenhang von Druckgraphik Aufmerksamkeit fand, gehören die aus dem Nürnberger Dominikanerinnenkloster St. Katharina stammenden Blätter. Schon 1884 hatte Wilhelm Schmidt auf eine 'Gulden puchlein' genannte Handschrift aufmerksam gemacht, die mit einer Vielzahl von Holzschnitten ausgestattet ist. In ihr sah er ein Produkt der Nürnberger Dominikanerinnen. Nach Meinung anderer Autoren wurden in diesem Kloster Bilddrucke nicht nur eingeklebt, sondern auch hergestellt. Forrer vermutete 1898, daß in dem Konvent Zeugdrucke entstanden;1 Stengel veröffentlichte 1913 eine Reihe von Holzschnitten, die von einer Holztafel aus der Dominikanerinnenkirche stammen und seiner Meinung nach nicht nur im Kloster gedruckt, sondern auch dort geschnitten worden wären. 2 Ob diese Vermutungen - in jüngerer Zeit schließlich von Schraut sogar als Gewißheiten formuliert 3 - jedoch aufrechtzuerhalten sind, wird zu fragen sein. Spätestens seit den Untersuchungen von Weigmann über „Die Holzschnitte aus dem Gulden Püchlein" (1918) und Weinberger über „Die Formschnitte des Katharinenklosters zu Nürnberg" (1925), in denen die Bilddrucke in Handschriften der Dominikanerinnen-Bibliothek vorgestellt wurden, taucht der Name des Konvents in der Literatur regelmäßig auf Zu Studien, die über diese Werke hinausgegangen wären, kam es danach allerdings nicht mehr; vielmehr wurden die älteren Untersuchungen ohne neuerliche Prüfung immer wieder zitiert. Im Mittelpunkt der Untersuchungen von Weigmann und Weinberger stand jedoch nicht der spezifische Umgang der Schwestern mit den Graphiken. Näheres über die Handschriften, über die Art der Einfügung der Bilder, kurz: über den gesam-

1

FORRER 1898, S. 21; in der Literatur oft wiederholt, so u. a. von WEINBERGER, Formschnitte 1 9 2 5 , S. 15 f.; DERS., M a d o n n e n h o l z s c h n i t t 1 9 2 5 , S. 9 1 ; HIND 1 9 3 5 , S. 6 9 A n m . 2 ; SCHOCH 1 9 8 6 , S. 9 5 .

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3

Stengel in HEITZ, Einblattdrucke Bd. 37, S. 7. WEINBERGER, Formschnitte 1925, S. 12 bezweifelte dies und vertrat die Meinung, die Stöcke könnten im Predigerkloster geschnitten worden sein. SCHRAUT 1991, S. 103 spricht vom „Zeugdruck, der nachweislich im Katharinenkloster betrieben wurde". Ebenso SCHRAUT 1987, S. 58 f. Sie brachte die Nonnen nicht nur als Druckerinnen, sondern auch als Herstellerinnen der Druckstöcke wieder in die Diskussion.

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Druckgraphik in süddeutschen Klosterbibliotheken

ten Kontext, ist aus diesen Werken freilich kaum zu erfahren. Entsprechend den zeitgebundenen Erkenntnisinteressen war die Provenienz der Graphiken aus dem Nürnberger Kloster in erster Linie als Lokalisierungsmerkmal und als Ausgangspunkt für Überlegungen über die Herstellung von Holzschnitten wichtig. Das schmälert das Verdienst dieser Forscher nicht. Blieb doch das Buch Weinbergers bis zum heutigen Tag eine der wenigen Studien über den Druckgraphikbestand einer Klosterbibliothek des 15. Jahrhunderts; erst Field unternahm mit seiner Arbeit aus dem Jahr 1969 über das Birgittinnenkloster Altomünster wieder etwas Vergleichbares.4 So oft Forrer und Weinberger von den nachfolgenden Forschern zitiert wurden, so oft wurden jedoch auch ihre Fehler übernommen.5 Erst eine neuerliche Untersuchung des Quellenmaterials unter erweitertem Blickwinkel und mit breiterer Materialkenntnis6 vermag ein neues Bild von einem der interessantesten Zentren des konsequenten Einsatzes von Bilddrucken zu geben. Tatsächlich gibt es kein anderes Kloster, für das um die Mitte des 15. Jahrhunderts ein ähnlich reicher Besitz an Druckgraphik zu rekonstruieren ist. Insgesamt waren 23 Handschriften aus der Bibliothek des Nürnberger Dominikanerinnenklosters zu ermitteln, die - zusammen mit einigen Fragmenten - über 130 Holz- und Metallschnitte des 15. Jahrhunderts enthalten. Hinzu kommen die 85 Holzschnitte, die auf eine Holztafel des Konvents aufgezogen waren.

1.2. Das 'Gulden puchlein' und die Beziehung zwischen Dominikanerinnen und Dominikanern Unter dem Titel 'Gulden puchlein'7 wurde eine Handschrift bekannt, die wegen ihrer 70 eingeklebten Holzschnitte schon früh die Aufmerksamkeit auf sich zog. In der Forschungsliteratur zum Graphikbesitz des Katharinenklosters nimmt das Buch wegen seines ungewöhnlich reichen Bildschmucks und seiner sicheren Datierung eine zentrale Stellung ein. Nicht nur deshalb soll es hier an erster Stelle besprochen werden; schlaglichtartig erhellt es auch die Notwendigkeit, durch genauere Untersuchung der gesamten Handschrift und ihres Umfeldes ältere kunsthistorische Urteile zu revidieren. Weigmann veröffentlichte 1918 den druckgraphischen Bildschmuck des Buches in einer aufwendigen Publikation. Wenn auch sein ästhetisches Urteil 4 5

FIELD 1969, der bewußt an die Arbeit Weinbergers anknüpft. So etwa die höchst fragwürdige These vom Zeugdruck im Kloster; in neuerer Zeit etwa noch bei SCHOCH 1986, S. 95 zu finden, ebenso bei SCHRAUT 1991, S. 103.

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7

So berücksichtigte WEINBERGER im wesentlichen nur die Handschriften der Nürnberger Stadtbibliothek, nicht die versprengten Bestände der Klosterbibliothek; auch in der Stadtbibliothek waren ihm einige Graphiken unbekannt geblieben. Die in der Literatur gängige Schreibweise 'Gulden püchlein' wird hier durch 'Gulden puchlein' ersetzt, da in der Handschrift eindeutig ein u steht, und kein ü (fol. I1); die von WEIGMANN gewählte Schreibweise mit ü ist entweder eine künstliche Angleichung an den modernen Sprachgebrauch oder ein Lesefehler.

Dominikanerinnenkloster St. Katharina in Nürnberg

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wegen der seiner Meinung nach „derben Handwerklichkeit" der Graphiken und der „Mängel der Schnittechnik"8 wenig positiv ausfiel, so erkannte er doch die „kunstgeschichtliche Bedeutung [...] hauptsächlich in ihrer ikonographischen Vollständigkeit und genauen Datierbarkeit".9 Denn der reiche Bilderschmuck der Handschrift, die sich heute als Dauerleihgabe der Staatlichen Graphischen Sammlung München in der Bayerischen Staatsbibliothek befindet, wurde ohne Zweifel schon während des Schreibens eingefugt. Der hauptsächlich illustrierte Teil, das Marienleben des Heinrich von St. Gallen, war am 19. Oktober 1450 Anno domini MCCCCL an dem nechsten montag vor der eyljf tausend meyd nach der prenn reys (fol. 164r) - vollendet. Der Hinweis auf die prenn reys, einen verheerenden Kriegszug,10 lenkte zusammen mit der Schreibsprache des Textes den Verdacht auf Nürnberg als Entstehungsort: Bei der prenn reys dürfte es sich um den Kriegszug des Markgrafen Albrecht Achilles gegen die Stadt in den Jahren 1449/50 gehandelt haben.11 Die Einleitungsminiaturen mit dem Dominikanerheiligen Petrus Martyr12 und der hl. Katharina13 (Abb. 1, 2) sowie zwei mutmaßlich von Nonnenhand stammende Miniaturen14 ließen schon Wilhelm Schmidt 1884 an das Nürnberger Dominikanerinnenkloster St. Katharina als Entstehungsort des Buches denken;15 diese Ansicht fand seither allgemeine Zustimmung.16 Tatsächlich legen diese und weitere Indizien - etwa die Beziehungen der Katharinen-Miniatur zu anderen Werken aus dem Kloster,17 ein weiteres Bild der Patronin in der Handschrift18 oder die Verwendung von Holzschnitten, die sich auch in anderen Büchern dieses Konvents finden - den Schluß nahe, daß der

8

WEIGMANN 1 9 1 8 , S. 11.

9 10 11 12

13 14

Ebd., S. 6. SCHMELLER, Bayerisches Wörterbuch, Bd. 2,1, Sp. 139: rays bairisch/fränkisch für Kriegszug. Diese These ist erstmals bei WEIGMANN 1918, S. 4 ausgeführt. Zur Bedeutung des Petrus Martyr für den Dominikanerorden: Das Generalkapitel von 1254 und 1256 hatte bestimmt, daß jede Predigerkirche wenigstens ein Bild des hl. Dominikus und des hl. Petrus Martyr besitzen sollte, s. HAMBURGER 1989, S. 28. Auf fol. 2xr und fol. 3x v . Hl. Agnes und Verkündigung auf fol. 165v und fol. 167v.

15 16

SCHMIDT 1 8 8 4 , S. 3 3 2 . Z. B . WEIGMANN 1 9 1 8 , S. 4; WEINBERGER, Formschnitte 1 9 2 5 , S. 18.

17

Das Motiv des Christuskindes findet sich genau auf der Vermählungsszene eines 1455-61 von den Dominikanerinnen gewebten Antependiums wieder (Nürnberg, GNM, Gew. 4216 u. 3723; Abb. bei SCHRAUT 1987, S. 61). Die Komposition der Miniatur entspricht dem im Katharinenkloster gängigen Typus. Einige Jahre später tritt er noch auf der Außenseite des linken Flügels des Landauer-Retabels aus der Dominikanerinnen-Klosterkirche (heute Nürnberg, GNM, Gm 880-883, s. STRIEDER 1993, Abb. 67) und dem sog. Behaimschen Altar, einem Retabel derselben Kirche (um 1470, heute GNM, Inv.-Nr. Pl.o. 138, Abb. in Nürnberg 13001550, 1986, S. 159) in Erscheinung. Eine Vermählung der Katharina des gleichen Typus zeigt auch die um 1440 entstandene Nothelfertafel, die sich heute in der Nürnberger Friedenskirche befindet; sie stammt aber wohl nicht aus der Katharinenkirche (von THODE 1891, S. 30 ohne stichhaltige Argumente vermutet; fraglich ist nach kritischer Prüfung der Quellen durch GERHARD WEILANDT, dem ich für die Auskunft danke, aber auch die heute meist angenommene Provenienz aus der Heiligkreuzkapelle in Nürnberg - zuletzt vertreten von STRIEDER 1993, S. 1 7 6 f.). Der Holzschnitt Sehr. 1153 auf fol. 213V.

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Druckgraphik in süddeutschen Klosterbibliotheken

Codex zumindest für das Katharinenkloster bestimmt war. 19 Ob das zwangsläufig auch der Schreibort sein muß, ist eine andere Frage, die bislang noch nicht gestellt wurde. Das Hauptstück der Handschrift ist das Marienleben des Heinrich von St. Gallen; daneben enthält sie 'Die goldene Schmiede' des Konrad von Würzburg, gereimte Mariengrüße und fünf Kapitel der 'Meditationes vitae Christi' in deutscher Übertragung. Illustriert wurde hauptsächlich das Marienleben mit kleinformatigen Holzschnitten. Vor und nach diesem Text wurden je fünf ganzseitige Bilder - drei Holzschnitte und zwei Miniaturen - eingesetzt. Am Anfang (fol. lx v -3x v ) stehen ein Kreuzigungs-Holzschnitt (Sehr. 432), die Miniatur mit Madonna und Petrus Martyr (Abb. 1), die Holzschnitte der heiligen Eremiten Antonius und Paulus von Theben (Sehr. 1650) sowie der Erhebung der hl. Magdalena (Sehr. 1598) und schließlich die Miniatur mit der mystischen Vermählung der hl. Katharina (Abb. 2, 3). Zunächst erscheint dieser Block von ganzseitigen Bildern, die dem Text des Buches vorangehen, ohne mit seinem Inhalt in direktem Zusammenhang zu stehen, ungewöhnlich. Die Anregung könnte von Psalterien oder Privatgebetbüchern ausgegangen sein, denen häufig eigenständige textlose Bildteile vorgeschaltet wurden. 20 Die auf den ersten Blick etwas wirr erscheinende ikonographische Zusammenstellung aber läßt sich nur im Kontext der Bestimmung der Handschrift für das Dominikanerinnenkloster St. Katharina verstehen. Um mit den beiden Miniaturen zu beginnen, die auffalligerweise in den Figuren der Madonna fast identisch sind: Sie verweisen mit dem hl. Petrus von Mailand, dem ersten Märtyrer des Predigerordens, auf den dominikanischen Kontext und mit der hl. Katharina von Alexandrien auf die Patronin des Nürnberger Frauenklosters. Die Szene der Ringübergabe Christi an diese Heilige gewinnt in einem Frauenkloster mit strenger Klausur eine zusätzliche Bedeutungsebene. Sie wird zum Ab- und Vorbild der geistlichen Vermählung, welche die Schwestern mit Christus bei ihrem Eintritt ins Kloster eingingen und die bei ihrer Konsekration liturgisch gefeiert wurde.21 Das an erster Stelle stehende Kreuzigungsblatt kann zum einen mit der Tatsache in Verbindung gebracht werden, daß der folgende Text des Marienlebens in weiten Teilen eine Betrachtung des Mitleidens Mariae und dadurch auch des Leidens Christi darstellt. Der Text beginnt mit dem Fall Adams; das Bild der Erlösungstat Christi am Kreuz als Überwindung des alten Adam gewinnt so seine heilsgeschichtliche Einordnung. Doch besitzt die Darstellung auch im 19

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21

Auch die Erwähnung der prenn rays im Kolophon (s. o.), der Kriegszug des Markgrafen Albrecht Achilles gegen die Stadt Nürnberg 1449/50, betraf den Dominikanerinnenkonvent ganz unmittelbar. In dem Streit ging es u. a. auch um die Ausübung des Schutzrechts über dieses Kloster (FRIES 1924, S. 29). Zu Psalterien vgl. ACHTEN 1987, S. 13; BÜTTNER 1992, S. 13, S. 19. Diese Praxis bei Psalterien war möglicherweise das Vorbild für ähnliche Gestaltungen bei Privatgebetbüchern, z. B. das Gebetbuch der Margarete von Rodemachern in Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibliothek, Q 59, fol. 2 v - 1 5 r . Abb. bei KRATZSCH 1978, S. 8-31. HAMBURGER 1997, S. 56 f. zu Darstellungen der Ringübergabe im Kontext der Klausur von Nonnenklöstern.

Dominikanerinnenkloster St. Katharina in Nürnberg

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Kontext des dominikanischen Bildgebrauchs eine besondere Bedeutung: Hatte doch die erste Generation der Dominikaner, die der Macht des Bildes noch kritisch gegenüberstand, allein den Besitz von Darstellungen des Gekreuzigten und Mariae und später auch der Heiligen Dominikus und Petrus Martyr erlaubt.22 Bis auf den Ordensgründer sind diese im einleitenden Bildteil des 'Gulden puchlein' versammelt. Auf die besondere Rolle von Kreuzigungsbildern in der Klausur von reformierten Frauenklöstern des Predigerordens wird noch zurückzukommen sein (Kap. II. 1.10). Auch die Holzschnitte der beiden Eremitenheiligen, die im Text der Handschrift keine unmittelbare Entsprechung haben, sind aus dem dominikanischen Kontext heraus zu erklären. Jeffrey Hamburger machte auf die Bedeutung der Wüstenväter - die populärsten von ihnen waren Antonius und Paulus, der erste Eremit - in Verehrung und Bildgebrauch der Dominikaner aufmerksam. Sie galten als herausragende exempla in bußfertiger Lebensführung und Weisheit.23 Im gleichen Zusammenhang ist deshalb wohl auch der Holzschnitt der Erhebung der Maria Magdalena im Haarkleid zu sehen, der den beiden Eremiten gegenübersteht. Die Kombination von Darstellungen dieser büßenden Heiligen mit den Wüstenvätern Antonius und Paulus ist nicht ohne Parallelen.24 Diese Doppelseite des 'Gulden puchlein' gilt also der Präsentation von Vorbildern für das monastische Leben. Auf die Graphik der Magdalena als weibliche Vertreterin des Anachoretentums - also in besonderem Bezug zum weiblichen Publikum der Handschrift - folgt dann, den einleitenden Bildteil des Buches abschließend, das Bild der Madonna mit der hl. Katharina, das verschiedene Aspekte bündelt: Den mariologischen Schwerpunkt der Handschrift, das Patrozinium des Klosters sowie die Erinnerung an das Selbstverständnis der Leserinnen als Bräute Christi. Unmittelbar nach dem Ende des Marienlebens (fol. 164r) folgen die Holzschnitte mit dem von einem Engel gehaltenen Leichnam Christi (Sehr. 987, fol. 164v, s. Abb. 20) und Christus in der Kelter (Sehr. 843, fol. 165r, s. Abb. 22), die zum einen auf die Eucharistieverehrung, zum anderen wieder auf die Betrachtung des Opfertods Christi, die im Marienleben des Heinrich von St. Gallen so breiten Raum einnimmt, zu beziehen sind. In diesem Zusammenhang sind auch die Holzschnitte des von Petrus und Paulus gehaltenen Schweißtuchs der Veronika (Sehr. 1661, fol. 166 v ) und der Gregorsmesse (Sehr. 1480, fol. 167r) zu sehen. Ohne unmittelbaren Bezug zum umgebenden Text ist die Miniatur der hl. Agnes, die als fol. 165 an einen Falz geklebt wurde. Da sie als vorbildliche heilige Jungfrau und Märtyrerin besonders in Frauenklöstern hohe Verehrung genoß, könnte sie in die Reihe der genannten exempla für weibliche Religiösen gestellt werden. 22

LENTES 1 9 9 6 , S. 182.

23

1989, S. 30-32; DERS. 1990, S. 151-153. So stattete Heinrich Seuse nicht nur seine Kapelle mit Gemälden der Wüstenväter aus, sondern sandte auch der von ihm geistlich betreuten Schwester Elsbeth Stagl ein Andachtsbüchlein mit deren Darstellungen. Die Dominikanerheilige Katharina von Siena soll die Bußübungen der Wüstenväter imitiert haben; s. WEINSTEIN - BELL 1982, S. 38. Auch die Bibliothek des Nürnberger Katharinenklosters spiegelt das dortige Interesse an den Wüstenvätern wider (vgl. die Signaturengruppe J im alten Katalog mit mehreren diesbezüglichen Texten, MBK Bd. 111,3, S. 615 f.)

24

V g l . HAMBURGER 1 9 9 0 , S. 1 5 3 .

HAMBURGER

24

Druckgraphik in süddeutschen Klosterbibliotheken

Als Einleitungsbilder der folgenden Texte sind die anderen ganzseitigen Illustrationen zu verstehen: Die Verkündigungs-Miniatur auf fol. 167v steht vor dem Beginn des Mariengedichts 'Die goldenen Schmiede' des Konrad von Würzburg.25 Die darauf folgenden Mariengrüße werden von einem Holzschnitt der zwischen den Heiligen Barbara und Katharina thronenden Madonna (fol. 213 v ) eingeleitet, die 'Meditationes vitae Christi1 von einer kolorierten Federzeichnung des Kalvarienbergs (fol. 217 v ). Während Anfang und Ende des Marienlebens des Heinrich von St. Gallen von ganzseitigen Bildern markiert werden, ist der Text selbst mit 61 kleinformatigen (durchschnittlich 65-72 x 55-62 mm) Holzschnitten und drei kolorierten Federzeichnungen ausgestattet. Sie sind planvoll in den Text integriert: An den passenden Textstellen wurde der entsprechende Platz beim Schreiben ausgespart, um dann die Bilder dort einzukleben. Auf fol. 98 r , wo zwar der Text rechts unten eingerückt, doch durch einen Planungsfehler nie ein Bild eingeklebt wurde, wird dieses Verfahren besonders deutlich sichtbar. Damit ist das 'Gulden puchlein' einer der ältesten vollständig erhaltenen Codices mit umfangreicher, genau geplanter Textillustration durch Druckgraphik. Was die Handschrift darüber hinaus so bemerkenswert macht, ist die schon von Weigmann hervorgehobene „ikonographische Vollständigkeit"26 der druckgraphischen Ausstattung. Denn der Band erlaubt einen umfassenden Blick auf die Holzschnittzyklen zum Marienund Christusleben, die damals zur gleichen Zeit am gleichen Ort zu bekommen waren - sechs verschiedene sind als Illustrationen des Marienlebens des Heinrich von St. Gallen vertreten. Die Hauptfolge - sie umfaßt 49 Blätter - ist gleichzeitig der vollständigste erhaltene druckgraphische Zyklus jener Zeit. Die kleinformatigen Bilder wurden stets an den Ecken der Seiten plaziert. In einigen Fällen stehen je zwei nebeneinander am oberen oder unteren Seitenrand. Wie die Schreiberin bzw. der Schreiber bei der Einrichtung der Illustrationen vorging, sei an einigen Beispielen erläutert. Auf fol. 7V war sie / er im Text bei der Verkündigung des Engels an Anna und Joachim angelangt (Abb. 4). In der 17. Zeile - es waren noch sieben Zeilen bis zum Ende der Seite - begann sie / er den Satz, der die Begegnung an der goldenen Pforte schildert:27 Do sach er, daz der rauch auff dranck durch die wölken vor die äugen gotz, vnd bekant do mit werlich, daz got het gehört sein gepet nach der red des engels, vnd ginge wider zu seiner wirtin, vnd komen zu einander vnder den gülden porten, als im der engel verkundt het, vnd gingen mit einander in frew- // den haym in ir hauß vnd danckten got der potschafft, die in verkunt was worden von dem engel.

Dort, wo der Satz beginnt, wäre am unteren Seitenrand noch Raum für das Bild gewesen. Doch hätte sich durch den Platzbedarf des Bildes der Text so verschoben, daß die Stelle mit der Begegnung unter der Pforte dann erst auf der folgen-

25

Vgl. BRUNNER in 2 V L Bd. 5, Sp. 1 8 4 - 2 8 6 , mit Lit.

26

WEIGMANN 1 9 1 8 , S. 6 .

27

Fol. 7 v /8 r . Der Text entspricht Kap. I, Z. 177-182 in der Ausgabe von HILG 1981.

Dominikanerinnenkloster St. Katharina in Nürnberg

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den Seite zu lesen gewesen wäre. So beschloß die Schreiberin bzw. der Schreiber, das Bild (Sehr. 627) erst auf fol. 8 r am oberen Rand einzufügen. Wenn also Text und Bild nicht auf die gleiche Seite zu setzen waren, geht die Textstelle immer dem zugehörigen Bild voraus. Dieses Prinzip findet sich durchgängig in der Handschrift. Nicht immer kleben die Bilder, wie im eben beschriebenen Fall, genau dort, wo auch die entsprechende Szene erzählt ist. So dient etwa der Holzschnitt der Taufe (Sehr. 132) vielmehr als Einleitungsbild eines Kapitels (Abb. 5). Er wurde links oben auf fol. 89 r angebracht. Unter dem Holzschnitt folgt in roter Tinte als Überschrift des folgenden Kapitels: Von der tauffung vnsers Herren Ihesu Christi schreibt Mattheus. Es enthält einen kurzen Rückblick auf die Kindheit und Jugend Christi von seinem zwölften Lebensjahr bis zur Taufe. 28 Die Schreiberin bzw. der Schreiber mußte die Länge des verbleibenden Textes des vorausgehenden Kapitels, der neben dem Bild noch weiterläuft, genau abschätzen, um gleich am unteren Rand des Bildes die Rubrik plazieren zu können. Ebenfalls als Einleitungs-, doch gleichzeitig auch als Überleitungsbilder sind die Holzschnitte des bethlehemitischen Kindermordes (Sehr. 126) und der Flucht nach Ägypten (Sehr. 124) zu verstehen. Sie kleben nebeneinander über dem Anfang des zehnten Kapitels, das Flucht, Exil und Rückkehr der heiligen Familie thematisiert (fol. 77 r , s. Abb. 6). Doch auch die vier letzten Zeilen des vorangehenden Kapitels stehen noch auf dieser Seite; der Befehl zum Kindermord wird genau dort im Text erwähnt: Vnd er gab snellicklich ein gepot, als er im das iar erdacht hett, als er außen waz zu Rome, wie er den zarten kunig der eren wolt lassen [fol. 77 r , oben die zwei Holzschnitte] suchen vnd toten alle kind, die do warn von zwe(ien iaren biß auff) 2 9 einen tag. Vnd das gepot (mocht niemand) vndersten wann sein poß{heit) waz so vberflussig groß. Von dem fliehen in Egipten?® Sanctus Matheus schreibt vns in seinem ewangelio, daz der engel vnsers herrn erschein Ioseph in dem slaff vnd sprach zu im: 'Stee auff vnd nym daz kint vnd sein muter vndfleuch in Egipten lant...

So leiten die beiden Bilder vom neunten zum zehnten Kapitel über; gleichzeitig gibt das erste Bild die handlungsmäßige Begründung für das zweite. Als Illustration eines Kapitelanfangs fungiert auch der Holzschnitt der Anbetung (Sehr. 109 auf fol. 59r)- Der auf dieser Seite beginnende Abschnitt behandelt die Geschichte der Heiligen Drei Könige von der Beobachtung des Sterns bis zu ihrem Tod. 31 Von der Anbetung des Kindes selbst ist auf dieser Seite noch nicht die Rede. Da die Schreiberin oder der Schreiber jedoch zwei verschiedene Holzschnitte dieses Gegenstands zur Verfügung hatte, konnte sie / er den einen als Einleitungsbild, den anderen zur Illustration der konkreten Textstelle verwenden. Dabei berücksichtigte sie oder er den unterschiedlichen Charakter der beiden Bilder: Die zu der kleinformatigen Serie gehörende Graphik 28 29 30

Kapitel XII in der Ausgabe von HlLG 1981. Textverlust durch Tintenfraß, ergänzt nach der Ausgabe von HILG 1981, Kap. IX, Z. 191 f. Überschrift von Kap. X. Rubrikation hier durch gesperrten Druck gekennzeichnet.

31

F o l . 6 5 R / V . K a p . V I I I i n d e r A u s g a b e v o n HILG 1 9 8 1 .

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Druckgraphik in süddeutschen Klosterbibliotheken

benutzte sie oder er als Eingangsbild, während die zweite - ganzseitig und im Unterschied zu der kleinen eine wesentlich reichere Erzählung mit detaillierter Darstellung der Landschaft und des Gefolges der Könige bietend (Sehr. 105, s. Abb. 7) - auf einer eigenen Seite (fol. 66r) in eine Textpassage eingefügt wurde, die den Zug der Könige in allen Einzelheiten beschreibt. Mit Zitaten der theologischen Autoritäten werden hier verschiedenste Fragen des Anbetungsvorgangs minutiös beantwortet. Auf der Seite, die dem ganzseitigen Holzschnitt gegenüberliegt (fol. 65v), geht es um die ...frag, wie sich die kunige haben gestellt, do sie traten unter die schupjfen. Die frag verantwurt Origines vnd spricht, daz der lieb Caspar [...] stund do // auff mit großen forchten vnd tratt hin zu vnd kniet aber demuticklich nyder für den kunig der eren vnd petet in an in grosser andacht, mynne vnd lieb seins herezen vnd tet do auff sein gefeß vnd reichet im dar sein gab, golt, mirre vnd Weyrauch. Nu ist hie ein frag, ob sich daz lieb kint Ihesus icht freuntlich hab erpoten gegen im, dem lieben kunig. Die frag verantwort Remigius vnd spricht, daz sich daz kint Ihesus gar mit großen frewden gen im erezeigt hab vnd hub auff sein hentlein...32

Innerhalb der langen Beschreibung der Anbetung wählte die Schreiberin bzw. der Schreiber jene Stelle zur Anbringung der Illustration aus, an welcher der erste König vor dem Kind niederkniet - jenen Moment, der gemäß dem gängigsten ikonographischen Typus der Zeit auch im Holzschnitt dargestellt ist. Es finden sich aber auch einige Holzschnitte, die mit keiner Textstelle direkt korrespondieren. Es handelt sich dabei um Passionsdarstellungen. Denn die Holzschnittzyklen boten reiches Illustrationsmaterial zu diesem Abschnitt der Vita Christi - insgesamt 23 der 61 kleinformatigen Drucke der Handschrift thematisieren die Leidensgeschichte33 - während im Text des Heinrich von St. Gallen manche Szenen daraus nur sehr knapp oder gar nicht ausgeführt sind. Im Zentrum steht dort das Mitleiden Mariae.34 Szenen wie etwa die Gefangennahme, bei der Maria nicht anwesend war, werden nur kurz erwähnt. Den zwei Holzschnitten, die die vor Christus niederfallenden Soldaten sowie Verrat und Gefangennahme zeigen (Sehr. 216 und 229 auf fol. 115r), steht im Text nur ein lapidarer Satz gegenüber: Darnach gingk er williklichen in die hende seiner veind (Abb. 8). Weiter wird das Geschehen nicht ausgeführt. Hier kann weniger von einer Illustration des Textes gesprochen werden als vielmehr von einer Ergänzung. Auch die Verleugnung Christi durch Petrus, die der erste Holzschnitt auf der nächsten Seite zeigt (fol. 115v, Abb. 9), kommt im Text nicht vor. Doch wollte die Schreiberin / der Schreiber auf diese Bilder, welche die zur Verfügung stehende umfangreiche Graphikfolge nun einmal enthielt, nicht verzichten. Ähnlich verhält es sich mit der kolorierten Federzeichnung auf fol. 99r. Sie stellt ikonographisch auf den ersten Blick die Salbung des Hauptes Christi durch die Frau im Hause des Aussätzigen Simon (Mt 26, 6-14) dar. Dabei wäre jedoch 32 33

Vgl. Ausgabe von HILG 1981, Kap. VIII, Z. 166-179. Gezählt sind hier nur Passionsdarstellungen im engeren Sinn, vom Abendmahl bis zur Grablegung.

34

V g l . HILG 1 9 8 1 , S. 3 8 5 .

Dominikanerinnenkloster St. Katharina in Nürnberg

27

die zweite Frau am Tisch fehl am Platze. Vermutlich ist in diesem Bild die genannte biblische Szene mit der anderen Bethanienszene im Hause des Lazarus (Jo 12, 1-8) verschmolzen, wobei die zweite Frau mit Martha zu identifizieren wäre. Der Handschrifitentext stützt sich an dieser Stelle eindeutig auf die Szene im Haus des Lazarus nach dem Johannesevangelium;35 doch erwähnt er die Salbung überhaupt nicht. Der Text reduziert die Szene auf den Neid der Juden auf Lazarus. Das Bild zeigt also, daß die Schreiberin bzw. der Schreiber aus eigener Bibelkenntnis über den tatsächlich geschriebenen Text hinausdachte und die nach dem Evangelium folgende, doch im Text des Heinrich von St. Gallen weggelassene Stelle illustrierte. Einblick in die Arbeitsweise des Schreibers gewährt die Aussparung im Text auf fol. 98 r (Abb. 10). Hier wurde nicht, wie Weigmann behauptete, 36 ein Bild entfernt, sondern nie eines eingeklebt. Im Text, der diese Lücke umgibt, ist von Zachäus zu lesen, der beim Einzug Jesu in Jericho auf einen Maulbeerbaum steigt, um ihn besser zu sehen: Vnd also gingk vnser herr Ihesus durch Jericho, als vns schreibt Lucas. Do Zacheus den herrn gern gesehen hett, do was er ein clein person, vnd mocht in nit gesehen vor dem volck. Vnd für lieff das volck vns steig auff einen dürren maulperpawm, daz er mocht gesehen den herren...37

Für welche Darstellung mag die Schreiberin / der Schreiber hier den Platz freigelassen haben? Vermutlich wollte sie / er den Holzschnitt des Einzugs in Jerusalem (Sehr. 154, s. Abb. 11) einkleben: Dort ist ein kleiner Mann gezeigt, der auf einen Baum gestiegen ist, um den in die Stadt einziehenden Christus zu sehen. Die Möglichkeit der Verwechslung liegt schon in der gängigen Ikonographie des Einzugs nach Jerusalem begründet: Das Männlein auf dem Baum, das zum Standardtypus gehört, kommt in den einschlägigen Evangelientexten nicht vor, 38 sondern geht auf die Kombination mit der eigentlich zum Einzug nach Jericho gehörenden Zachäus-Szene zurück.39 Doch erkannte die Schreiberin / der Schreiber bald, daß sie / er sich geirrt hatte und das Bild wenige Seiten später für die tatsächlich passende Textstelle benötigte (fol. 100v). Für die Arbeitsweise ist daraus zu schließen: Sie / er hatte die Illustrationen beim Schreiben in wohlgeordneter Reihenfolge bereitliegen. Als die Federzeichnung mit der Darstellung des predigenden Jesus auf fol. 97 v eingefugt war, lag als nächstes Bild der Sammlung der Holzschnitt des Einzugs in Jerusalem bereit. So konnte es geschehen, daß sie / er - nicht ganz aufmerksam - bei der nächsten Passage, die ihm auf den ersten Blick inhaltlich passend erschien, zu früh den Platz dafür freiließ.

35

Kap. X V , Z. 1 - 5 in der A u s g a b e von HILG 1981.

36

WEIGMANN 1 9 1 8 , S . 1 9 .

37 38

Fol. 98R, Kap. XIV, Z. 154-157 in der Ausgabe von HILG 1981. Die Szene folgt Lk 19, 1-4. Dort ist nur vom Abschlagen von Zweigen die Rede (Mt 21, 8 u. Mk 11, 8), nicht aber von einem Mann, der auf einen Baum klettert. Vgl. Lei Bd. 1, Sp. 594. Zur ursprünglichen Trennung von Jericho- und Jerusalemszene s. ERICH DINKLER, Der Einzug in Jerusalem. Ikonographische Untersuchungen im Anschluß an ein bisher unbekanntes Sarkophagfragment, Opladen 1960, S. 36-42.

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Vielleicht geben auch einige Buchstaben von einer Hand des 15. Jahrhunderts, die am linken Papierrand des Holzschnittes mit dem Tod Mariae zu sehen sind, einen Hinweis auf den Arbeitsvorgang (Sehr. 721 auf fol. 159r, s. Abb. 12). Dort ist noch das Wort bzw. Wortfragment mich zu lesen.40 Offensichtlich gehörte es zu einem Schriftzug, der schon vor der Beschneidung auf die zum Einkleben erforderlichen Maße auf dem Blatt stand. Es kann sich nur um wenige Wörter gehandelt haben, da der Papierrand kaum mehr als einige Zentimeter breiter gewesen sein kann. Vielleicht ist dies der Rest einer Art Reklamante, die analog zu Lagenreklamanten für Buchbinder - demjenigen, der das Einkleben der Blätter übernahm, helfen sollte, die richtige Seite zu finden, für die das Bild gedacht war. Das Wort mich auf dem Papierrand könnte der Rest des Verweises auf die Anfangsworte der Seite sein - sie lauten du mich. Die Seite, auf welcher der Holzschnitt klebt, bildet den Anfang einer Lage; auf der vorausgehenden Seite fol. 158v stehen rechts unten als Lagenreklamante ebenfalls die Worte du mich41 Wäre der Vermerk mich auf dem Holzschnitt tatsächlich als Rest einer Reklamante für das Bild zu deuten, könnte man daraus schließen, daß die Schreiberin oder der Schreiber zwar die Bilder zur Verfügung hatte und anhand ihrer Themen und Maße die entsprechenden Stellen im Text aussparte, sie jedoch nicht sofort einklebte, so daß Hilfsmittel zur Erinnerung nötig wurden. Für dieses Vorgehen spricht auch die schon erwähnte Stelle auf fol. 98r, wo der Freiraum für das Bild des Einzugs in Jerusalem aus Versehen mehrere Seiten zu früh ausgespart worden war. Das Bild wurde nicht sofort dort eingeklebt; die Schreiberin bzw. der Schreiber hatte vielmehr noch einige Seiten lang Zeit, den Irrtum zu bemerken. Doch wer war nun diese Person? Wie oben ausgeführt, spricht alles dafür, daß das Buch im oder für das Nürnberger Dominikanerinnenkloster angefertigt wurde. Hilg vermutete mit guten Gründen, daß das Buch im Männerkloster gebunden wurde. Denn auch die Schwestern des Katharinenklosters gaben ihre Handschriften zum größten Teil in die berühmte Buchbinderei des Predigerklosters.42 Der 1405 vom Generalmagister des Predigerordens ausgestellte Ablaßbrief43, der beim Binden verwertet wurde, bestätigt das. Über Hilgs Vermutung hinaus gibt die Untersuchung des Einbands (Abb. 13) letzte Sicherheit: Er weist die ab dem zweiten Viertel des 15. Jahrhunderts in der Werkstätte der Dominikaner zur Lederprägung verwendeten Einzelstempel auf - am auffalligsten der Drache im Kreis, Löwe, Adler und die kleine Lilie in Rauten.44 Die ganze Gestaltung mit den doppelten Streicheisenrauten, an deren Kreuzungspunkten die kleine Lilie oder - an den Rändern - der Adler eingepreßt ist, und den abwechselnd in die Rautenfelder eingefügten Drachen- und Löwenstempeln entspricht den Gepflogenheiten der Dominikaner-Buchbinderei (vgl. Abb. 14). Hilg vermutete, 40 41

Unklar ist, ob der Haken darüber evtl. ein Kürzungsstrich ist. Auf Abb. 12 nicht zu sehen, da beim Photographieren leider abgeschnitten.

42

SCHNEIDER

43 44

S. u. Verzeichnis der Handschriften. Vgl. die bei KYRISS, Tafelbd. I, Taf. 47 abgebildeten Stempel des Predigerklosters.

1965, S. XXXIII; KYRISS 1940, S. 81.

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daß der Codex dem Männerkloster geschenkt oder auch nur zum Binden dorthin gegeben wurde, vielleicht aber im Frauenkloster entstanden war. 45 Doch zeigt der Vergleich mit den Schriftproben der Schwestern, die Schneider publiziert hat,46 daß das Buch nicht von einer Hand des Katharinenklosters geschrieben wurde. Ein positives Ergebnis brachte dagegen der Vergleich mit Schreiberhänden des Predigerklosters: Die charakteristische Schrift ist die gleiche wie die der Handschrift Cent. VI, 43 e der Nürnberger Stadtbibliothek, die zwar aus der Bücherei des Dominikanerinnenkonvents stammt, doch nicht dort geschrieben worden war. 47 Der Schreiber verschwieg im Kolophon allerdings seinen Namen: Diß puch ist geschriben worden von eim prüder prediger orden hin in der stat zu Nueremberg. Got helf vns uff der selikeit weg. Sein namen hat er nit genant, er ist sust wol bekant. Nach Christi gepurt vierczehenhundert vnd in dem liiii iar in dem prach monet.*s

Doch signierte er an einer anderen Stelle des Buches 49 mit den Initialen C. Ff. (Abb. 15). Unter den Brüdern, die zu jener Zeit im Nürnberger Predigerkloster lebten, kommt dafür nur einer in Frage: Conrad Forster. 50 Er ist in der Buchgeschichte kein Unbekannter, wie noch auszuführen sein wird. Dennoch war in der Literatur bislang kein von ihm geschriebener Text bekannt; die erwähnte Handschrift war übersehen worden. Nicht unerwähnt soll bleiben, daß auf dem Vorsatzblatt dieses von Forster geschriebenen Buches Cent. VI, 43 e ein Metallschnitt einer Madonna (Sehr. 2497) klebte (Abb. 48). Dafür muß jedoch nicht unbedingt Forster verantwortlich sein; er kann auch von den Dominikanerinnen eingefugt worden sein, als der Codex in ihre Bibliothek kam. Conrad Forster ging durch seine innovative Tätigkeit in der Buchbinderei seines Klosters in die Geschichte der Einbandkunst und in die Vorgeschichte des Buchdrucks ein. Er benutzte zwischen 1433 und 1459 bewegliche Letternstempel zur Prägung längerer Schriftzüge auf Ledereinbänden. „Wegen des Schriftsatzes auf den Deckeln zählen Forsters Einbände zu den berühmtesten der vorreformatorischen Zeit", wie Kyriß konstatierte.51 Unter Forsters Leitung entstand auch der Einband des 'Gulden puchlein'.52 Er ist z. B. dem des Codex Cent. VI, 43 e , der 45 46 47 48 49 50 51

So die etwas unklare Formulierung von HELG 1981, S. 37 ANM. 61. Schriftproben von 27 Schreiberinnen abgebildet bei SCHNEIDER 1965, S. XVII-XXXIII. KARIN SCHNEIDER bestätigte mir freundlicherweise die Identität der Schreiberhände. Fol. 226 v . Fol. 136r. Seit 1431 ist er im Dominikanerkloster nachgewiesen; s. BOCK 1928, S. 18. So KYRISS 1951, S. 25. Allein in der Stadtbibliothek Nürnberg befinden sich heute noch 37 signierte Einbände von seiner Hand; s. SCHNEIDER 1967, S. 388. Siehe zu Forster u. a. SCHOTTENLOHER 1 9 1 2 / 1 3 , S. 1 3 2 ; BOCK 1 9 2 8 ; KYRISS 1 9 4 0 , S. 1 1 - 2 3 ; DERS. 1 9 4 2 / 4 3 , S. 4 0 4 8 ; DERS. 1 9 5 0 ; KUNZE 1 9 7 5 , S. 7 8 f.; STROMER 1 9 9 2 , S. 3 4 9 - 3 6 6 ; STROMER 1 9 9 3 .

52

Die Einzelstempel des Einbandes des 'Gulden puchlein' finden sich auf von Forster gebundenen Handschriften; vgl. KYRISS, 1. Tafelband 1954, Taf. 47, und den Katalog der Stempel

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auch von seiner eigenen Hand stammt, ganz ähnlich (Abb. 13, 14). Vom Schreiben bis zum Binden ist das 'Gulden puchlein' also das Werk dieses Dominikaners. Auch die Ausstattung mit Holzschnitten muß ihm zugeschrieben werden. 53 Doch lassen sich, wie oben ausgeführt, die Verbindungen mit dem Katharinenkloster, die vor allem in der Betonung der Patronin und im ikonographischen Programm der Ausstattung der Handschrift mit ganzseitigen Bildern deutlich werden, nicht von der Hand weisen. Auf den Dominikanerinnenkonvent als Bestimmungsort könnten auch Material und Färbung des Einbands - er ist aus rotem Schafleder - einen, wenn auch nur vagen, Hinweis geben. Conrad Forster verwendete vorwiegend ungefärbtes, nur einmal auch braun gefärbtes Schweinsleder.54 Neben dem 'Gulden puchlein' sind drei weitere Handschriften mit rotem Schafledereinband bekannt - und alle waren für das Katharinenkloster bestimmt.55 Zudem sind zwei der Miniaturen - die der hl. Agnes und der Verkündigung 56 - ohne Zweifel Nonnenarbeiten. Der Stil der Verkündigung (Abb. 16) erinnert an zeitgenössische Miniaturen aus oberrheinischen Frauenklöstern.57 Mit solchen stehen auch die Arbeiten der Nürnberger Dominikanerin Barbara Gwichtmacherin in Verbindung, die mehrere Bücher ihres Klosters mit bescheidenen Miniaturen schmückte.58 Der Bezug zum Oberrhein verwundert wenig, da Barbara Gwichtmacherin aus dem Elsaß kam, vermutlich aus Schönensteinbach, dem Mutterkloster der Reform von St. Katharina.59 Doch wirkt die Verkündigung des 'Gulden puchlein' in der Linienführung etwas flüssiger und präziser als die Arbeiten, die man mit einiger Wahrscheinlichkeit der Gwichtmacherin zuschreiben kann.60 Ob das Blatt also ihr selbst zuzuweisen ist oder dem vermutlich elsässischen Umkreis, in dem sie ihren Stil entwickelt hatte, ist deshalb schwer zu beurteilen.61 Noch schwieriger ist der Stil der hl. Agnes (Abb. 17) zu fassen. Nicht nur die ganze Linienführung, sondern auch die Reste von Schraffuren am

53

Conrad Forsters bei BOCK 1928, S. 22-25, Taf. 4-5. Sehr ähnlich ist der Einband des von Forster selbst geschriebenen Bandes Cent. VI, 43 e der Stadtbibliothek Nürnberg (s. o). Durch die Identifizierung der Schrift Conrad Forsters wird die These von STROMER 1992, S. 360 f., das 'Gulden puchlein' wäre von den Schwestern des Katharinenklosters für Forster geschrieben worden, gegenstandslos.

54

BOCK 1 9 2 8 , S. 19.

55

56

BOCK 1928, S. 19, S. 29. Er kannte nur einen roten Einband Forsters. Hinzuzufügen sind die Handschriften Cent. V, App. 81 und Cent. VI, 43 e der Nürnberger Stadtbibliothek. Zu anderen Handschriften, die Forster für das Katharinenkloster einband, s. BOCK 1928, S. 32. Auffol. 165 v undfol. 167 v .

57

Vgl. dazu HEUSINGER 1959.

58 59

Siehe zu ihren Arbeiten FISCHER 1928, S. 69-78. Die von ihr geschriebenen Texte zeigen elsässische Schreibsprache. Vermutlich war sie verwandt mit Gertraud Gewichtmacherin, die als erste Reformpriorin des Katharinenklosters (1428-1469 im Amt) aus Schönensteinbach kam, vgl. SCHNEIDER 1965, S. XX f.

60

Vgl. das bei FISCHER 1928, S. 6 9 - 7 6 zusammengestellte Material.

61

Barbara Gwichtmacherin ist erstmals 1452 im Katharinenkloster nachgewiesen - was freilich nicht gegen die Zuweisung der Miniatur im 'Gulden puchlein' an ihre Hand sprechen muß, da sie selbstverständlich auch schon vor der zufälligen Erstnennung dort gewesen sein kann. Sie starb 1491, s. SCHNEIDER 1965, S. X X .

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unteren Rand des Gewandes verraten, daß ein Holzschnitt der ersten Jahrhunderthälfte das Vorbild war. Der schwunglose, zittrige Federstrich läßt vermuten, daß die Vorlage von einer unprofessionellen Hand sehr genau kopiert oder gar abgepaust wurde. Tatsächlich existiert mit Sehr. 1180(j. (Abb. 18)62 ein Holzschnitt einer hl. Agnes, der das identische Motiv zeigt. Da dieser allerdings erst im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts entstanden ist, muß er als späte Wiederholung eines verlorenen, vor 1450 produzierten Bilddrucks angesehen werden, dem auch die Miniatur genau folgt. Daß Holzschnitte häufig durch Abpausen kopiert wurden, wozu sie sich ja aufgrund ihrer einfachen Linienstruktur besonders eigneten, ist nachgewiesen.63 Sehr aufschlußreich sind die Notizen, die sich auf den Rückseiten der Nonnenminiaturen finden. Auf der Verkündigung steht der Vermerk: dem erwürdigen geistlichen herrn dem supriol zu den predigern hört dieser heilig.64 Wer um 1450 Subprior des Predigerklosters war, ließ sich aufgrund der gedruckten Quellen nicht sicher feststellen; möglicherweise aber war es noch Johannes Forster, der Bruder des Schreibers und Buchbinders Conrad, der 1431 und 1435 in diesem Amt nachgewiesen ist und mindestens bis 1474 lebte.65 Die Miniatur der hl. Agnes trägt rückseitig die Notiz: Dem erwirdigen liben vater Cunrat Förster mit dem Hinweis, das Bild wäre von einer Schwester gemalt.66 Beide Blätter wurden offenbar den Brüdern Forster von Frauen gesandt.67 Vielleicht schickten die Dominikanerinnen die Miniatur schon in der Absicht an Forster, daß er die Handschrift, die er für sie schreiben sollte, damit schmückte; vielleicht verwendete Forster aber auch schon ein früher von den Frauen erhaltenes Bild. Auf jeden Fall dokumentieren die beiden Miniaturen, wie auch das ganze 'Gulden puchlein', den Austausch zwischen dem Frauen- und dem Männerkloster.68 62

Washington, NGA. Dazu FLELD in Fifteenth Century Woodcuts 1965, Nr. 180, der Nürnberg als Entstehungsort in Erwägung zieht. Die hl. Agnes ist Teil eines Blattes mit sechs Heiligen, deren Auswahl - unter ihnen die Kartäuserheiligen Hugo von Grenoble, Hugo von Lincoln und Bruno - auf einen kartäusischen Auftraggeber oder zumindest kartäusisches Publikum weist.

63

SCHMIDT 1998, passim.

64

Zit. nach SCHMIDT 1884, S. 333. Ich konnte die Notiz wegen des schlechten Zustands der Handschrift nicht überprüfen. Zu übersetzen etwa: „Dem ehrwürdigen geistlichen Herrn, dem Subprior des Predigerklosters, gehört dieses Heiligenbild." Der Nachweis von 1431 und 1435 bei BOCK 1924, S. 179. BOCK war der Beleg aus dem Jahr 1474 noch nicht bekannt, nach dem Johannes Forster Bücher aus der Bibliothek der Dominikanerinnen auslieh; der Leihschein ist erhalten (abgedruckt in MBK Bd. 111,3, Nr. 117). Die Notiz, die ich wegen des Erhaltungszustands der Handschrift nicht prüfen konnte, gibt SCHMIDT 1884, S. 333, wieder; erwähnt auch von BOCK 1928, S. 18. Daß Conrad Forster die Buchmalerei des Frauenklosters kannte, vor allem die der Barbara Gwichtmacherin, zeigt der von ihm für das Katharinenkloster gefertigte Einband einer Handschrift, in den er mit seinen Lettemstempeln ihren Namen einprägte: Lectionarius iste scriptus per sororem Margaretham Carteuserin & illuminatus per barbaram gwichtmacherin Monasterii sanete katharine in Nuremberg deo gracias (Leipzig, Museum für Buch und Schrift, Kl. I, 42, Bd. I, Außenseite des hinteren Deckels, zitiert nach STROMER 1993, S. 55; vgl. dazu

65

66 67

auch FISCHER 1928, S. 70).

68

Einige weitere Handschriften aus der nicht sehr umfangreichen eigenen Produktion der Predigerbrüder gelangten ins Katharinenkloster. (Zur geringen Eigenproduktion s. SCHNEIDER

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Verbindungen zwischen dem 'Gulden puchlein1 und Handschriften des Katharinenklosters gibt es auch in der Holzschnittausstattung. Um die beiden Kreuzigungen Sehr. 432 (Abb. 1) und Sehr. 433 (Abb. 25), den Keltertreter Sehr. 843 (Abb. 22) und die Gregorsmesse Sehr. 1480 69 des 'Gulden puchlein' ist die gleiche Holzschnittbordüre abgedruckt (Bordüre A). Von dieser ist nur ein weiteres Exemplar erhalten: In einer Handschrift, die 1 4 4 5 ^ 8 von Schwestern des Katharinenklosters geschrieben wurde, rahmt die Bordüre eine hl. Birgitta (Sehr. 1292c, s. Umschlagbild). 70 Ein anderer Holzschnittrahmen (Bordüre B) umgibt die Drucke des Marientodes (Sehr. 711, s. Abb. 24), der Madonna mit Barbara und Katharina (Sehr. 1153, s. Abb. 19) und der Eremitenheiligen (Sehr. 1650, s. Abb. 2). 71 Er findet sich auch bei dem Gnadenstuhl Sehr. 74 ld, der in einer 1446-47 geschriebenen Handschrift des Katharinenklosters klebte (Abb. 46). 72 Die Ausbruchstellen an den Rändern sind weitgehend identisch, doch fehlt beim Gnadenstuhl noch der durchgehende Riß in der oberen Leiste. Dieser Druck dürfte also etwas älter sein. Eine Variante dieses Rahmenholzschnittes ziert - zusammen mit dem zentralen Bild in einen Stock geschnitten - Sehr. 1321a, eine hl. Katharina, die als Titelbild einer von der Nürnberger Dominikanerin Kunigund Niklasin 1451 beendeten Handschrift eingebunden ist (Abb. 43). 73 Ein dritter Rahmenholzschnitt (Bordüre C) umgibt die Holzschnitte der hl. Magdalena (Sehr. 1598, s. Abb. 2) und des Engels mit dem toten Christus (Sehr. 987, s. Abb. 20) im 'Gulden puchlein'.74 Ein weiteres Mal wurde er um die

69 70

71 72

73

74

1967, passim; zu Codices des Katharinenklosters, die im Predigerkloster geschrieben worden waren, s. das Register bei SCHNEIDER 1965, S. 525 f.) Fol. lx v , 122r, 165 r und 167r. Nürnberg, StB, Cent. VI, 43 f , fol. 236 v ; s. Kap. II. 1.6.1. Nicht identisch, doch eine genaue Wiederholung desselben Motivs ist die Bordüre, die den hl. Augustinus Sehr. VIII * 1244c (Berlin, KK) umgibt; eine sehr ähnliche rahmt das Hl. Antlitz Sehr. 762 (Basel, ÖK). Ebenfalls Wiederholungen, doch mit schwarzen Eckquadraten versehen, sind die Umrahmungen des hl. Augustinus Sehr. 1244b (Darmstadt, Hochschul- und Landesbibliothek), der hl. Birgitta Sehr. 1287 (Braunschweig, Herzog Anton Ulrich-Museum) und eines bei SCHREIBER nicht verzeichneten hl. Hieronymus (HEITZ, Einblattdrucke Bd. 74, Nr. 6). Nur noch motivisch angelehnt an diese Gruppe ist die Bordüre der Himmelfahrt Christi Sehr. 586a (ehem. Metten, Bibliothek der Abtei). Fol. 162v, 213 v und 2x v . Nürnberg, StB Cent. VI, 56. Der Holzschnitt war ursprünglich als drittes Blatt der Handschrift an einen Falz geklebt. Heute befindet er sich - nachdem er zwischenzeitlich aus dem Buch gelöst worden war - zwischen fol. 1 und 2 eingefügt. Bamberg, SB, Msc. hist. 154, fol. l v ; s. Kap. II. 1.6.1. Andere Varianten dieser Bordüre umgeben die hl. Margaretha Sehr. 1608 (nicht identisch mit der Bordüre von Sehr. 1321a, wie Weinberger fälschlich annahm) und, mit Kreuzigungsdarstellungen in den gleichen Holzblock geschnitten, auf Sehr. 962 (München, BSB, in Clm 12714) und Sehr. VIII *470ha (Oxford, Bodleian Library, in der Handschrift MS. Canon. Liturg. 334). Ein Fragment einer weiteren Wiederholung ist über dem Schmerzensmann Sehr. 868 (Hannover, Kestner-Museum) abgedruckt. Außerdem eine Verkündigung unbekannter Provenienz (Sehr. 34b) in Wien. Alle drei weisen nürnbergische Stilmerkmale auf. Das Wiener Blatt ist der älteste Abdruck; ihm fehlt noch der Ausbruch in der äußeren Umfassungslinie, der bei Sehr. 1598 oben und Sehr. 987 unten (gegenüber den anderen um 180' gedreht abgedruckt) zu beobachten ist.

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Verkündigungsdarstellung Sehr. 34b, heute in der Albertina in Wien, abgedruckt (Abb. 21); 75 eine sehr genaue gleichseitige Wiederholung desselben Vorbildes schmückt eine Handschrift des Katharinenklosters76 (Abb. 49). W. L. Schreiber wies alle drei Holzschnittbordüren zu Recht derselben Werkstatt zu. 77 Erhalten sind deren Werke neben dem 'Gulden puchlein' fast ausschließlich in Handschriften des Katharinenklosters. Ein Blatt, das Schreiber nicht kannte, beweist, daß die Rahmen- und Bildholzstöcke dieser Werkstatt in unterschiedlichen Kombinationen miteinander abgedruckt wurden. In einer Handschrift aus dem Kloster der Augustiner-Eremiten im fränkischen Windsheim klebt ein Holzschnitt Christi in der Kelter (Sehr. 843), von dem auch das 'Gulden puchlein' ein Exemplar enthält (Abb. 22). 78 Während letzteres aber von der Bordüre A umgeben ist, wurde das Windsheimer Exemplar mit der Bordüre C kombiniert. Die Windsheimer Handschrift zeigt zudem, daß diese Werkstatt noch weitere Holzstöcke für ornamentale Rahmenleisten besaß: Der zweite Holzschnitt, den der Codex enthält, eine Ölberg-Darstellung, ist mit einer von Fabelwesen bewohnten Bordüre eingefaßt.79 Der Zusammengehörigkeit der Bordüren steht jedoch die stilistische Divergenz der Holzschnitte, die von ihnen umschlossen sind, gegenüber. Da die gemeinsamen Rahmenholzschnitte jedoch den Druck in ein- und derselben Werkstatt beweisen, sind die stilistischen Unterschiede eher durch die Arbeitspraktiken im damaligen druckgraphischen Gewerbe denn durch Händescheidung zu erklären: Zum einen konnte die Benutzung von Vorlagen verschiedener Herkunft bei ein- und demselben Formschneider zu formal sehr unterschiedlichen Ergebnissen

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SCHREIBER betont in seinem Eintrag unter Sehr. 34b, daß die Bordüre nicht identisch ist mit der von Sehr. 987 und 1598, doch beweisen die übereinstimmenden Ausbruchsstellen, daß er sich irrte; es handelt sich nur um verschieden fette Drucke. Eine Variante dieser Bordüre umgibt den Kreuzigungsholzschnitt Sehr. 961. Nürnberg, StB, Cent. IV, 31, vorderer Deckelspiegel; s. Kap. II. 1.6.2. SCHNEIDER 1965 bezeichnete die Nürnberger Verkündigung fälschlich als identisch mit Sehr. 34b; tatsächlich unterscheiden sich die beiden Holzschnitte aber in einigen - wenngleich nur winzigen Details. Das Wiener Exemplar ist eine etwas gröbere Wiederholung nach dem gleichen Vorbild. Zu dieser Gruppe wäre vielleicht noch die Bordüre um den hl. Bernhard Sehr. 1272 (Bamberg, SB), hinzuzufügen. Der Holzschnitt stammt aus dem Einbanddeckel eines nicht bekannten Buches, vermutlich jedoch fränkischer Herkunft. Bad Windsheim, StB, Hs. 74, Vd. Die Handschrift ist 1456 datiert. Vgl. HÖHN 1921, S. 183 f. (Nr. 3) und STAHLEDER 1963, S. 125 f. STAHLEDER bezeichnete den Holzschnitt fälschlich als „Variante" von Sehr. 843 - der genaue Vergleich zeigt aber, daß sie tatsächlich vom gleichen Holzstock gedruckt sind. Das Exemplar des 'Gulden puchlein' befindet sich dort auf fol. 165 r . Das Windsheimer Blatt ist etwas älter, da hier sowohl Bild- als auch Rahmenholzschnitt geringere Ausbrüche aufweisen als der Druck im 'Gulden puchlein'. Bad Windsheim, StB, Hs. 74, Rd. Vgl. HÖHN 1921, S. 184 f. (Nr. 4). Eine sehr genaue gleichseitige Wiederholung nach derselben Vorlage wie Sehr. 194a (oder ein zweites Exemplar vom selben Holzstock - die Entscheidung war mir v. a. wegen der starken Übermalung allein aufgrund von Abbildungen nicht möglich). Dieses Blatt in Augsburg, UB, Cod. 1.3.8° 5, fol. 190 v (vgl. u. Verzeichnis der Handschriften).

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führen; 80 zum anderen scheinen schon um die Mitte des 15. Jahrhunderts die Vorgänge des Schneidens und des Druckens von Holzstöcken nicht unbedingt in einer Hand bzw. Werkstatt gelegen zu haben. Daß ein Drucker über Holzstöcke ganz verschiedener stilistischer Herkunft verfügen konnte, belegen eindeutig die Illustrationen des Marienleben von 1466 (s. u. Kap. II. 1.3). Doch lassen sich einige der Holzschnitte des 'Gulden puchlein' zu Gruppen ordnen, deren Vorlagen vermutlich gleicher Herkunft waren. So etwa die Holzschnitte mit Petrus und Paulus (Sehr. 1661), den beiden Eremiten (Sehr. 1650, s. Abb. 2) 81 und Christus in der Kelter (Sehr. 843, s. Abb. 22), deren Figuren die gleichen markanten Gesichtszüge, besonders die kantige Nasen-AugenbrauenPartie, aufweisen. Hier sind die Vorläufer des fränkischen Passionszyklus Sehr. 127 etc. (vgl. Abb. 204, 238) und der eng damit verwandten Illustrationen der um 1462 bei Albrecht Pfister in Bamberg gedruckten Biblia pauperum 82 zu suchen (Abb. 23, Propheten links). Dem Keltertreter ist von der Linienführung her besonders deutlich im Bereich von Körper, Beinen und Lendentuch Christi auch die Kreuzigung Sehr. 432 (Abb. 1) zuzuordnen. Zwar sind dort die Gesichter völlig verschieden von denen der genannten Blätter; beachtet man jedoch, daß schon innerhalb dieses Kreuzigungsbildes jedes Gesicht anders gestaltet ist, erkennt man, daß auch dieser Holzschnitt aus verschiedenen Vorlagen zusammengesetzt wurde. Bei der Kreuzigung Sehr. 432 irritieren im Vergleich z. B. mit den Eremitenheiligen Sehr. 1650 nicht nur die schlankeren Figuren, sondern auch Details wie die Parallelschraffuren beim Gewand des Johannes. Wenn solche auch nicht bei den Kleidern der Wüstenväter eingesetzt wurden, so finden wir sie dort doch in der Landschaft angewandt; die Modellierung des Felsens der Kreuzigung durch Reihen von kurzen Strichen hat ebenfalls Entsprechungen auf dem Eremiten-Holzschnitt. Solche Details sprechen, zusammen mit der insgesamt einheitlichen Art der dünnen, eckig und schwunglos geführten Linien für denselben Formschneider - der sich seine Kompositionen allerdings aus heterogenen Quellen zusammenstellte: das Hauptproblem jeder Stilkritik in dem fast ausschließlich reproduzierenden Medium des Holzschnitts. Der Vergleich der himmlischen Wolke auf dem Blatt des Keltertreters im 'Gulden puchlein' mit der Visionsdarstellung im Holzschnitt der hl. Birgitta (Sehr. 1292c, s. Umschlagbild), die sich in einer anderen Handschrift des Katharinenklosters findet, 83 belegt ebenfalls, daß diese Holzstöcke vom gleichen Formschneider stammen. Zusammenschließen lassen sich auch die Gregorsmesse (Sehr. 1480) und die Madonna mit den beiden weiblichen Heiligen (Sehr. 1153, s. Abb. 19). Die plumpe Figuren- und Gewandbildung Gregors ist zwar auf den

80

81 82

Daß Formschneider um die Mitte des 15. Jahrhunderts ihr Vorlagenmaterial oft einfach durch Abpausen anderer auf dem Markt befindlicher Holzschnitte gewannen, ist vielfach nachzuweisen, s. SCHMIDT 1998, S. 71-75. Fol. 166 v und fol. 2x v . GW 4325. Zu neueren Datierungsansätzen der Albrecht Pfister zugeschriebenen Drucke

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Nürnberg, Stadtbibliothek, Cent. VI, 43 f , fol. 236 v .

s. THOMAS 1 9 9 4 .

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ersten Blick kaum mit dem üppigen Faltenfluß der heiligen Frauen zu vereinen auch hierfür hat man heterogenes Vorlagenmaterial verantwortlich zu machen - , doch verrät der Vergleich der Gesichter, besonders der Augenpartie, die Nähe. Mit diesen beiden Holzschnitten könnte auch der Gnadenstuhl Sehr. 74 ld aus der Handschrift des Katharinenklosters zusammengehören (Abb. 46). Er geht auf die gleiche Vorlage zurück wie der Holzschnitt gleichen Themas des Benediktbeuern-Basler Passionszyklus.84 Doch beweisen die Gesichter, besonders die Augenpartien, und die Linienführung die Verwandtschaft mit den genannten Blättern.85 In die Richtung, aus der das Vorbild für das Blatt mit Maria, Barbara und Katharina kam, weist die spiegelverkehrte Variante Sehr. 1150b im Berliner Kupferstichkabinett; sie gibt das unbekannte Original sicher getreuer wieder als das Blatt im 'Gulden puchlein', wie ein Blick auf das unverständliche Faltengewirr der Maria in letzterer Darstellung und das mißverstandene Vermählungsmotiv zeigen. 86 Zu dieser Gruppe dürfte auch Sehr. 987 (Abb. 20) gehören, der jedoch eine stilistisch ganz verschiedene Vorlage reflektiert. In den Gesichtstypen ungleich differenzierter ist das Blatt des Marientodes (Sehr. 711, s. Abb. 24). Ähnliches ist beim Johannes der Kreuzigung (Sehr. 433, s. Abb. 25) zu beobachten. Auch wenn hier die eigenartige Schraffur des Gewandes der Maria irritiert,87 die wiederum mit einer hl. Birgitta in einer anderen Handschrift des Katharinenklosters in Verbindung steht (s. Umschlagbild)88, gibt es eine weitere Gemeinsamkeit im Detail: Die in Häkchen endenden geraden Faltenlinien, die besonders bei der Bettdecke der sterbenden Maria wie auch beim Ärmel des Johannes und im unteren Gewandbereich bei Maria auffallen. Während sich bei dieser Gruppe von Holzschnitten die Herkunft aus einer gemeinsamen Werkstatt - zumindest aber vom gleichen Drucker - ausgehend von den Bordüren rekonstruieren läßt, ist die stilistische Beurteilung der kleineren Blätter des 'Gulden puchlein' noch schwieriger. Diese 61 Holzschnitte sind nicht einheitlich. Sie lassen sich klar in vier Gruppen aufteilen (hier Folgen A-D genannt). Die Folge A, der die meisten der kleinformatigen Illustrationen des Marienlebens (fol. l r -164 v ) angehören, ist Teil einer Gruppe von zahlreichen Zyklen, die von verschiedenen Holzstöcken gedruckt sind, doch exakt dieselbe

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87 88

Nicht bei SCHREIBER. Eingedruckt in die Handschriften München, BSB, Cgm 105, fol. 146r und Wien, ÖNB, Ink. 2. H. 131, fol. 38 v (Näheres dazu s. u. Verzeichnis der Handschriften und Kap. IV.3.2.). Stilistisch gehört auch die Verkündigung Sehr. 35b (München, BSB, in der aus dem Augsburger Kloster St. Ulrich und Afra stammenden Handschrift Cgm 4594) in die Nähe dieser Blätter. COHN lokalisierte das Blatt Sehr. 1150b, das von der Kopiengruppe (Sehr. 1150, 1150a, 1150b, 1151, 1153) dem Vorbild wohl am nächsten steht, am Oberrhein, s. COHN 1934, S. 8 und Abb. 1. Zu dieser Kopiengruppe gehört auch ein anderer Holzschnitt in einer Handschrift des Katharinenklosters (Sehr. 1150a in Hs 86409 des GNM Nürnberg, s. Abb. 65). Eine vielleicht bayerische - seitenverkehrte Kopie danach ist Sehr. 1150 in München, BSB, eingeklebt in CLM 12714. Ähnliche Schraffiiren finden sich jedoch auch bei anderen nürnbergischen Holzschnitten der Zeit, etwa der hl. Birgitta Sehr. 1292c (s. Umschlagbild). Sehr. 1292c in Nürnberg, StB, Cent. VI, 43 f .

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Vorlage wiederholen. Ihre Zahl ist wegen der meist verstreuten Fragmente, die aufgrund ihrer Ähnlichkeit schwer gemeinsamen Zyklen zuzuordnen sind, kaum zu bestimmen. Die erhaltenen Reste lassen aber mindestens 15 ursprüngliche Folgen von Holzstöcken annehmen. Die verschiedenen Nachschnitte ähneln sich zum Teil so sehr, daß einige von ihnen bislang für identisch gehalten wurden, minimale Abweichungen aber den Druck von verschiedenen Stöcken beweisen. 89 Diese Kopienreihe wird im folgenden - wie an anderer Stelle schon in die Literatur eingeführt - als 'Gulden puchlein-Gruppe1 bezeichnet, weil die Münchner Handschrift die umfangreichste und am vollständigsten erhaltene Variante enthält. Wie das Verhältnis dieser Folgen zueinander und zum angenommenen gemeinsamen Urbild ist, läßt sich kaum mehr klären. Ebensowenig ist dieser Archetyp, bei dem es sich um einen der meistkopierten Zyklen des 15. Jahrhunderts handeln dürfte, zu lokalisieren. Daß er am Oberrhein oder in Schwaben zu suchen sei, wie zumeist behauptet, ist rein spekulativ und bei kritischer Betrachtung durch nichts zu belegen, wie an anderer Stelle gezeigt wurde. 90 Noch weniger läßt sich beurteilen, wo die verschiedenen Kopien entstanden sind - Kategorien wie Lokal- oder Individualstil versagen bei solcher Reproduktionsware. Die belegbaren Verwendungsorte reichen von Österreich, Bayern, Schwaben, Franken bis in den Harz.91 Zwar erinnern manche Merkmale der Schnittechnik zumindest einer der im 'Gulden puchlein1 eingeklebten Folgen - die etwas plumpe und kantige Linienführung oder die Bildung der Augen mit den auffalligen Pupillen - an die großformatigen Holzschnitte der Gregorsmesse und der Madonna mit den zwei weiblichen Heiligen in derselben Handschrift. Doch reicht das kaum aus, um der Folge den gleichen Ursprung wie die ganzseitigen Holzschnitte der Handschrift zu bescheinigen. Wenn es sich auch nicht beweisen läßt, so ist es freilich nicht unwahrscheinlich, daß auch diese Bildchen in Nürnberg erworben und vielleicht hergestellt wurden. Erwähnt sei in diesem Zusammenhang, daß Fragmente eines zweiten Druckes der Folge existieren, die sich in einer

89

WEIGMANN 1918, S. 6-11 rekonstruierte aus den ihm bekannten Blättern acht verschiedene Zyklen dieser Gruppe. Deren Zusammenstellung erscheint teilweise willkürlich; die verstreuten Einzelblätter können durchaus auch einer größeren Zahl von Folgen entstammen. Von den zahlreichen weiteren, in der Literatur bislang unbekannten bzw. nicht als Drucke von unterschiedlichen Holzmodeln erkannten Folgen seien an dieser Stelle nur einige umfangreich erhaltene hinzugefugt: Eine in den Handschriften New York, PL, Ms 77 und London, BL, Add. ms. 15712 überlieferte sowie eine in Nürnberg, StB, Cent. VII, 38 und Will. II, 19.8° fragmentarisch erhaltene (s. u. Verzeichnis der Handschriften) - alle mit Nürnberger Provenienz. Die Folge Sehr. 45 etc. in Berlin, KK erklärten KRISTELLER 1915, S. 8 und SCHREIBER in seinem Handbuch für identisch mit Sehr. 46 etc. (die Folge im 'Gulden puchlein') - genau untersucht, unterscheidet sie sich jedoch in winzigen Details von dieser (s. Kap. IV. 1.). Späte Kopien dieser Gruppe wurden zur Illustration von Basler Inkunabeln verwendet, etwa LUDWIG MOSER, Bereitung zu dem heiligen Sakrament, Basel: Johann Amerbach und Johann Petri de Langendorff, nicht nach 1489 (COPINGER 4368; SCHRAMM Bd. 22, Nr. 420-471). Eine Zusammenstellung der zahlreichen weiteren Einzelblätter, die WEIGMANN noch nicht kannte, würde hier zu weit fuhren. Eine vorläufige Zusammenstellung der bekannten Provenienzen bei SCHMIDT 1998, S. 76 f.

90

SCHMIDT 1 9 9 8 , S. 7 2 - 7 7 .

91

Vgl. die Liste der nachweisbaren Verwendungsorte bei SCHMIDT 1998, S. 76 f.

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im Benediktinerkloster Kastl geschriebenen Handschrift erhalten haben (s. Kap. II.5.).92 Kastl liegt nicht nur unweit von Nürnberg, sondern war auch eng mit dem Nürnberger Kloster St. Egidien verbunden.93 Zu einer anderen Folge 94 (B) gehören die Holzschnitte auf fol. 89 r (Sehr. 132, s. Abb. 5), 90 v (Sehr. 134), 94 v (Sehr. 147) und 101 v (Sehr. 158), die der Londoner Passion Sehr. 127 etc. und der Nonnberger Passion Sehr. 152b etc. nahestehen95, die vermutlich in Franken entstanden sind (s. Kap. IV.3.1). Zu einer dritten Folge (C) gehören die Blätter auf fol. 92 r (Sehr. 136), 114v (Sehr. 183, s. Abb. 8, 1. o.), 142r (Sehr. 566), 148r (Sehr. 578); diese sehr groben Produkte sind in enge Beziehung zu einem bislang unbeschriebenen Holzschnitt der Gregorsmesse in einer Handschrift aus dem Katharinenkloster zu setzen.96 Einiges spricht dafür, daß auch sie bzw. ihre Vorbilder in Nürnberg entstanden sind: etwa die Nähe zum chiro-xylographischen Blockbuch 'Der Antichrist und die fünfzehn Zeichen', das nachweislich in einer Nürnberger Werkstatt gebunden und dort wohl auch vom Erstbesitzer erworben wurde. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist es um 1450 auch in dieser Stadt entstanden (Abb. 26). 97 Die Nachfolge dieser Stilrichtung wird in Albrecht Pfisters illustriertem Druck der 'Vier Historien', Bamberg 1462, sichtbar (Abb. 27). 98 Aus einer weiteren Kopienfolge der 'Gulden puchlein-Gruppe' stammen die Drucke auf fol. 110v (Sehr. 164) und fol. 114v (Sehr. 207). 99 Jeweils anderen Folgen nürnbergischen Ursprungs gehören die Holzschnitte auf fol. 121v (Sehr. 493) 100 und fol. 130v (Sehr. 980) an; letzterer ist in der Gewandstruktur mit den Häkchenfalten und Schraffuransätzen der hl. Agnes (Sehr. 1181a) ähnlich, die in ein Gebetbuch aus dem Katharinenkloster eingebunden ist (s. Kap. II.1.6.3.)101. Die Holzstöcke aller Folgen waren nicht mehr ganz neu, als die hier besprochenen Exemplare spätestens 1450 gedruckt wurden. An einigen Stellen sind die Grate für die Einfassungslinien

92 93

New York, Public Libraiy, Spencer Collection, MS 39. In St. Egidien wurde im Jahr 1418 von Kloster Reichenbach aus die Kastler Reform eingeführt; s. WÖHRMÜLLER 1 9 2 3 / 1 9 2 4 , S. 2 4 f.

94 95 96 97

Diese Blätter sind bei WEIGMANN 1918 unter den Kopienfolgen der hier sog. 'Gulden puchlein-Gruppe' als Folge IX verzeichnet. Besonders deutlich bei Sehr. 147 und Sehr. 158, während Sehr. 132 und Sehr. 134 nach anderen Vorbildern kopiert sind (s. v.a. die eigenartige Schraffierung in Sehr. 132). Nürnberg, StB, Will II, 19.8°, fol. 98 r . Siehe dazu Kap. II. 1.6.5. Zur Bestimmung der Buchbinderwerkstatt s. ERNST KYRISS, Einbände der Nürnberger Werkstatt S mit Krone, in: MUSPER 1970, S. 60-65. Das Papier ist nach den Wasserzeichen auf etwa 1450 zu datieren, s. MUSPER 1970, S. 28.

98

HAIN 8749. Trotz der Entstellung durch den plumpen Schnitt erkennt man auch noch eine weitläufige Beziehung zu Nürnberger Graphiken wie der "Nonnberger Passion' Sehr. 152b etc. (s. Kap. IV.3.1.). 99 WEIGMANN 1918, S. 8, stellte zugehörige Blätter unter „Folge IV" zusammen. Als stilistisch nicht zugehörig sind jedoch die Blätter Sehr. 180, 304a, 360, 437, 695 abzuziehen. 100 Dieses Blatt steht Sehr. 147 (fol. 94 v dieser Hs.) nahe; besonders die Bildung des Gesichts Christi verrät die Nähe zu den Nürnbergischen Zyklen Sehr. 152b ("Nonnberger Passion') und Sehr. 127 etc. (s. Kap. IV.3.1.). 101 London, BM, Department of Prints and Drawings, Signatur 158* b.3.

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ausgebrochen 102 (s. Abb. 8 u. 177). Der Druck der Hauptfolge ist ungleichmäßig und nicht sehr sauber; etwas besser sind die Abzüge der anderen kleinformatigen Folgen (B-D). Kleinere Ausbrüche sind auch bei den großformatigen Holzschnitten der Handschrift zu beobachten; am gravierendsten beim Marientod. 103 Die Graphiken sind mit wäßrigen Farben relativ sauber koloriert, wobei mit Farbtonabstufungen und durch das Nachziehen von Faltenlinien bescheidene plastische Wirkungen angestrebt wurden. Für die Rekonstruktion des Fertigungsprozesses ist die Beobachtung von Interesse, daß alle Holzschnitte der Handschrift, unabhängig von der Zugehörigkeit zu verschiedenen Folgen und stilistischen Unterschieden, in ähnlicher Art und von der gleichen Hand koloriert zu sein scheinen. Sollte sich das verifizieren lassen,104 hätte der Schreiber der Handschrift also sein gesamtes Illustrationsmaterial aus einer einzigen Quelle bezogen, vielleicht vom Maler als dem letzten Glied in der arbeitsteiligen Produktionskette der Holzschnitte. Dieser müßte dann unkolorierte Holzschnitte erworben und „veredelt" haben. Doch auch der Druck muß nicht dort erfolgt sein, wo die Stöcke geschnitten worden waren. Dieses Problem warf ja schon die Beobachtung stilistisch divergenter Holzschnitte mit gleichen Rahmenleisten auf. So belegen die Illustrationen des 'Gulden puchlein1 die oft behauptete und auch naheliegende, doch für die Frühzeit noch kaum am Material nachgewiesene Trennung von Schnitt, Druck und Kolorierung von Holzschnitten. Ob es zu dieser Zeit auch schon die Arbeitsteilung zwischen Zeichner, Reißer und Schneider gab, wie sie erst im späteren 15. Jahrhundert nachzuweisen ist, 105 läßt sich nicht beurteilen. Fest steht, daß heterogenes Vorlagenmaterial oft in ein und demselben Holzschnitt (z. B. der Kreuzigung auf fol. 122r, s. Abb. 25) zusammengefügt wurde; und daß die Kopien, wo sie nachweisbar sind, oft sklavisch genau und in der exakten Übereinstimmung aller Maße und Proportionen wohl zum Teil durch Abpausen entstanden sind (so auf jeden Fall die Hauptfolge A). 106 Die Notwendigkeit einer Differenzierung in Entwerfer und Reißer darf bei diesem simplen Verfahren bezweifelt werden. Daß in Nürnberg zur fraglichen Zeit jedenfalls Formschneider, Aufdrucker bzw. Briefdrucker sowie Brief- oder Kartenma-

102

Z . B . bei Sehr. 183 (fol. 114 V ), Sehr. 5 3 3 (fol. 131 1 ), Sehr. 5 6 3 (fol. 136 V ), Sehr. 7 2 1 (fol. 159 1 ).

103 Sehr. 711 auf fol. 162V, Ausbruch der Einfassung rechts unten. 104 Erst die Autopsie der Handschrift, die wegen des Erhaltungszustandes bislang verwehrt wurde, könnte hier weitere Klarheit bringen. 105 Vgl. STADLER 1913, S. 4-9. Eine der wichtigsten Quellen hierfür sind die Dokumente zu dem von Sebald Schreyer finanzierten, doch nie erschienenen Druckwerk Archetypus triumphantis Romae (vgl. Lukas Cranach 1994, S. 262 f. mit Lit.). E. FLECHSIG, Albrecht Dürer, Berlin 1928, Bd. I, S. 74 ff., und WINKLER 1949, S. 64 postulieren die Arbeitsteilung auch für das frühere 15. Jahrhundert, ohne allerdings einen Beleg nennen zu können. - Das Nördlinger Blockbuch der Biblia pauperum von 1470 (SCHREIBER, Manuel Bd. IV, S. 94) belegt die Zusammenarbeit eines Zeichners mit einem Holzschneider; der Kolophon nennt Friedrich Walther, der als Glasmaler, und Hans Hurning, der als Schreiner bezeugt ist (SCHREIBER, Manuel Bd. 4, S. 94, und SCHREIBER, Handbuch Bd. 7, S. 22; zur Frage der Identität Hurnings v g l . TIMANN 1 9 9 3 , S. 13). 106

V g l . d a z u SCHMIDT 1 9 9 8 , S. 7 1 - 7 5 .

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ler als getrennte Berufsbezeichnungen in den Quellen dokumentiert sind, 107 korrespondiert mit der im 'Gulden puchlein' nachweisbaren Arbeitsteilung. Doch fuhrt dies weit über den Rahmen der vorliegenden Untersuchung hinaus. Dem Maler, der die schließlich ins 'Gulden puchlein1 gelangten Holzschnitte weiterverarbeitet hatte, lassen sich vom charakteristischen Farbauftrag und den verwendeten Farbtönen her möglicherweise noch weitere Blätter zuweisen: So wäre dies z. B. für einen Kreuzigungsholzschnitt in Erwägung zu ziehen, von dem sich ein Exemplar in der aus dem Katharinenkloster stammenden Handschrift Cent. VI, 60 der Stadtbibliothek Nürnberg befindet (Abb. 28). 108 Ein etwas älterer Druck 109 vom gleichen Stock hat sich in der Guildhall Library in London erhalten.110 Die Kolorierung ist dort sehr ähnlich (Abb. 29). So schwierig es auch angesichts der einfachen und flüchtigen Machart ist, die Hand eines bestimmten Malers erkennen zu wollen, fällt doch in dieser mit dem Katharinenkloster verbundenen Gruppe von Holzschnitten ein charakteristischer Modus des Farbauftrags auf. Diesem Maler, den man - unter allen gebotenen Vorbehalten gegen die unklare Berufsbezeichnung - in der Gruppe der zahlreich dokumentierten Nürnberger Brief- oder Kartenmaler vermuten darf, könnte versuchsweise auch die Kolorierung der Holzschnitte des Gnadenstuhls (Sehr. 74ld) und der hl. Birgitta (Sehr. 1292c), die in 1446-47 und 1 4 4 5 ^ 8 im Katharinenkloster geschriebenen Handschriften kleben,111 sowie des hl. Bernhard (Sehr. 1276e) und des Credo-Holzschnitts (Sehr. 930m) in weiteren Bänden des Konvents zuge-

107 In der für das 'Gulden puchlein' in Frage kommenden Periode - hier sei für die Statistik das zweite Drittel des 15. Jahrhunderts (1434-1466) herausgegriffen - sind in Nürnberg 3 Formschneider, 6 Brief- oder Aufdrucker und 11-12 Brief- oder Kartenmaler registriert (nach der Zusammenstellung bei KIEPE 1984, S. 129-130). Was diese Bezeichnungen in der Mitte des 15. Jahrhunderts ganz genau bedeuten und wie sie sich unterscheiden, muß jedoch bei kritischer Betrachtung als kaum geklärt gelten - auch wenn sie in der kunsthistorischen Literatur zu oft als eindeutige Begriffe gehandhabt werden. Als Beispiel sei nur der Nürnberger Hans Spoerer genannt, der sich 1478 in einer Kalendertafel Briefmaler, in einem RegiomontanKalender jedoch Hans briefftruck nennt (SCHREIBER 1932, S. 53 f.). Im Nürnberger Neubürgerverzeichnis ist er als Briefmaler registriert, obwohl er sicher auch als Drucker sowie als Formschneider tätig war (KIEPE 1984, S. 131, S. 143), ebenso 1494 in einem Ratsverlaß (TIMANN 1993, S. 20). Ob jedoch alle in den Quellen als Briefmaler bezeichneten Personen auch selbst gedruckt oder gar geschnitten hatten, entbehrt der Belege. Der Beruf des Briefmalers erscheint im Nürnberg des späteren 15. Jahrhunderts in der Diskussion um die Handwerksordnungen: 1479 und 1482 lehnte der Rat das Ansinnen der Briefmaler ab, sich eine Ordnung zu geben; somit gehörten sie nicht zu den Handwerken, sondern zu den in Nürnberg 'freie Künste' genannten Berufen ohne geschworene Meister und Ordnung, die von jedermann betrieben werden konnten (LENTZE 1964, S. 249). - Eine Bewertung der älteren kunsthistorischen Literatur zum Thema bei KIEPE 1984, S. 124-149; zusammenfassend ohne neue Ergebnisse TIMANN 1993, S. 7-31, sowie DIES., Nürnberger Kartenmaler im 15. und 16. Jahrhundert, in: HOFFMANN 1993, S. 4 5 - 5 1 .

108 Nicht bei SCHREIBER, doch identisch mit Sehr. VIII *458a. 109 Das Exemplar der Stadtbibliothek Nürnberg weist einige kleine Ausbrüche auf, die dem Londoner Exemplar fehlen. 110 London, Guildhall Library; Inv. Nr. Ws. I I I . Das Blatt, vorne und hinten mit lateinischen Gebeten bedeckt, befand sich einst in einer Handschrift. Auf der Rückseite eine Notiz aus dem Jahr 1457: Anno domini M CCCC LVII ineipitfrater Stejfanus etc. precedentem orationem... 111 Nürnberg, StB, Cent. VI, 56 und Cent VI, 43 f .

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schrieben werden. 112 Seine Werkstatt wäre dann schon vor der Anfertigung des 'Gulden puchlein' eine der Bezugsquellen für den Bildbedarf der Schwestern und Brüder der beiden Nürnberger Häuser des Dominikanerordens gewesen.

1.3. Die Wirkung des 'Gulden puchlein': Ein Marienleben von 1466 Die Werke, die Heinrich von St. Gallen zugewiesen werden - ob es sich dabei wirklich um eine einzelne Person handelt, ist noch nicht restlos geklärt 113 - gehören zur meistgelesenen Erbauungsliteratur des 15. Jahrhunderts. 114 Kein ProsaMarienleben dieser Zeit fand so reiche handschriftliche Überlieferung wie das des Heinrich von St. Gallen, 115 der zunächst in Prag und nach dem Abzug der Deutschen von der dortigen Universität (1409) im nordbairischen Raum gewirkt hatte. 116 Eine seiner Schriften belegt seine Beziehung zum Nürnberger Dominikanerinnenkloster St. Katharina: die 'Hindernisse zu geistlicher Vollkommenheit' verfaßte er vermutlich im Auftrag dieses Konvents. 117 In der gesamten Überlieferung des Marienlebens sind neben dem 'Gulden puchlein' nur zwei weitere Handschriften mit ausführlichen Illustrationszyklen bekannt. Die eine, heute in der Universitätsbibliothek Leipzig, wurde um 1476 im östlichen Schwaben geschrieben. Sie stammt aus dem Augsburger Dominikanerinnenkloster und enthält einige kolorierte Federzeichnungen.118 Die andere, die sich in der Universitätsbibliothek Augsburg befindet, entstand 1466 in Nürnberg und wurde mit 20 Holzschnitten ausgestattet.119 Zwei der drei illustrierten Marienleben enthalten also Druckgraphik - diese Illustrationsart nimmt in der Überlieferung des Textes eine besondere Stellung ein. Die Augsburger Handschrift enthält nach verschiedenen Gebeten und einigen Kapiteln der 'Meditationes vitae Christi' hauptsächlich mariologische Texte. Neben den Abschnitten über Geburt und Tempelgang Mariae aus den '24 Alten' Ottos von Passau und dem Prosalegendar 'Der Heiligen Leben' sind dies vor

112 Nürnberg, StB, Cent. VI, 52 und Cent. V, App. 81. Die genaue Identifizierung der Malerhand ist wegen der einfachen Muster nicht leicht. 113 Vgl. zum Zuschreibungsproblem zusammenfassend HILG - RUH in 2 VL Bd. 3, Sp. 738. Zur Zuschreibung des Marienlebens s. ebd. Sp. 743 und ausführlich HILG 1981, S. 367-382. 114 RUH 1980, S. 584. 115 HILG 1981, S. 1. KURT RUH bezeichnete es als „repräsentativstes deutsches Prosa-Marienleben" (Das 'Compendium Anticlaudiani' als Quelle des Prosa-Marienlebens 'Da got der vater schuof Adam und Eva', in: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 98, 1969, S. 109-116, dort S. 109). Eine Liste der Überlieferung bei HILG 1981, S. 7; zu Exzerpten s. HILG 1 9 8 1 , S. 3 9 1 . 116

H I L G - R U H in 2 V L Bd. 3, Sp. 7 3 8 .

117 HILG 1981, S. 388. Überliefert nur in Nürnberg, StB, Cent. VI, 431, geschrieben 1446 von der Dominikanerin Kunigund Niklasin. 118

L e i p z i g , U B , M s 1 5 5 2 ; b e s c h r i e b e n v o n HILG 1 9 8 1 , S. 3 4 f.; FRANZJOSEF P E N S E L - IRENE

STAHL, Verzeichnis der deutschen mittelalterlichen Handschriften in der Universitätsbibliothek Leipzig (Deutsche Texte des Mittelalters LXX,3) Berlin 1998, S. 216-218. 119 Augsburg, UB, Cod. 1.3.8° 5; aus der Oettingen-Wallersteinschen Bibliothek.

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allem die letzten zehn Kapitel aus dem Marienleben des Heinrich von St. Gallen. Dabei steht eigenartigerweise das letzte Kapitel (19) über den Tod der Jungfrau am Anfang, erst dann folgt die Geschichte von der Flucht nach Ägypten bis zur Ausgießung des Hl. Geistes und dem Leben Mariae nach der Himmelfahrt ihres Sohnes (Kap. 10-18). Die illustrierenden Holzschnitte wurden nicht, wie etwa im 'Gulden puchlein', eingeklebt, sondern direkt auf die Seiten des Buches gedruckt. Sie gehören zum Marienleben des Heinrich von St. Gallen (fol. 94 r -287 v ), bis auf ein Kreuzigungsbild, das auf fol. 30 r zwischen den 'Meditationes vitae Christi1 und Mariengrüßen angebracht ist, dem Holzschnitt des Marientodes, der vor den Text Ottos von Passau zur Geburt der Gottesmutter gedruckt wurde (fol. 42 r ) und dem Bild des Tempelgangs, das den entsprechenden Abschnitt aus dem Prosalegendar illustriert (fol. 62 r ). Da das Format des Buches wesentlich kleiner ist als etwa das des 'Gulden puchlein', stehen die Holzschnitte jeweils allein auf einer Seite, ohne von Text umgeben zu sein. Der Druck ist schwach und ungleichmäßig. Auch die Kolorierung ist flüchtig und wenig sorgfaltig; an einigen Stellen wurden die Linien mit schwarzer Tinte nachgezogen und die silbernen Nimben strukturiert. Die meisten der kleinformatigen Holzschnitte sind von Rankenbordüren umgeben, die mit Feder und schwarzer Tinte gezeichnet und laviert sind. Die äußeren Einfassungen dieser Bordüren beziehen die vorgezeichneten Linien ein, die den Schriftraum begrenzen. Über und unter den Darstellungen befinden sich Ranken mit Blüten, Früchten oder Eicheln, die stets nach dem gleichen Muster gestaltet sind. Diese Umrahmungen ähneln den Holzschnitt-Bordüren, die etwa Sehr. 695 und Sehr. 562 (Abb. 95, 96) umfassen. Bei den großformatigen Holzschnitten fällt auf, daß der Druck am oberen und unteren Rand wie abgeschnitten wirkt. 120 Das ist nur so zu erklären, daß die entsprechenden Handschriftenseiten beim Druck oben und unten, bei der Darstellung des Ölbergs auch links mit einer Maske, wohl aus Papierstreifen, abgedeckt wurden. 121 Sie sollte - aus welchen Gründen auch immer - gewährleisten, daß ein genügend breiter Papierrand unbedruckt blieb. Die Holzschnitte stammen aus sechs verschiedenen Folgen. Am zahlreichsten ist die kleinformatige Folge A vertreten, deren neun Bilder mit den Rankenzeichnungen umgeben wurden. 122 Stilistisch ist sie den Holzschnitt-Illustrationen der um 1462 von Albrecht Pfister in Bamberg gedruckten Biblia pauperum 123 ähnlich. Das Blatt der Taufe Christi (Sehr. 132a, Abb. 32) geht auf einen der Holzschnitte der Folge B des 'Gulden puchlein' zurück (Sehr. 132, Abb. 5), die 120 Die Kreuzigung (Sehr. 470h) auf fol. 30 r und fol. 205 v , Ölberg (Sehr. 194a) fol. 190 v , Geißelung (Sehr. 291c) fol. 194r, Dornenkrönung (Sehr. 322a) fol. 195r, Kreuztragung (Sehr. 345a) fol. 197r. 121 Der Abbruch der Druckfarbe auf einer exakten Linie schließt aus, daß der Holzstock dort nur nicht eingefärbt wurde, w i e THOMAS RAFF (in FRANKENBERGER- RUPP 1987, S. 9 3 ) behauptet.

122 Sehr. 723 auf fol. 42 r , Sehr. 630b auf fol. 62 r , Sehr. 122a auf fol. 107r, Sehr. 132a auf fol. 135 v , Sehr. 503a auf fol. 226 r , Sehr. 530a auf fol. 228 r , Sehr. 543d auf fol. 233 r , Sehr. 584a auf fol. 277 r , Sehr. 594a auf fol. 283 v . 123 GW 4325.

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oben als nürnbergisch bestimmt wurde. Etwas größer im Format sind die Holzschnitte des Abendmahls, der Verleugnung durch Petrus, der Handwaschung des Pilatus und das Fragment der Vorführung Christi vor Pilatus aus einem anderen Passionszyklus (Folge B). 124 Sie stehen stilistisch den Holzschnitten der vor 1461 entstandenen Londoner Handschrift des Katharinenklosters125 nahe. Das Abendmahlsbild (Sehr. 175c) ist eine gleichseitige Variante des Holzschnittes in jenem Buch (Sehr. 175b, s. Abb. 34, 35). Die etwas unverstanden wirkenden Schraffüren an einem Faltenzug des Gewandes Christi in der Handwaschungs-Szene (Sehr. 278b, s. Abb. 40) finden sich mehrfach in dem Londoner Codex, etwa bei der Beweinung Christi (Sehr. 510a, s. Abb. 39). Aus einer dritten Passionsfolge (C) stammen drei der größeren, seitenfüllenden Bilder (Geißelung, Dornenkrönung und Verspottung, Kreuztragung);126 für die Lokalisierung in den BambergNürnberger Raum spricht die Nähe zu den Holzschnitten der Pfister-Drucke. Die Holzschnitte des Ölbergs, der Kreuzigung und des Marientodes stehen stilistisch jeweils allein. 127 Auch sie sind nürnbergisch; so ist der Tod der Gottesmutter (Sehr. 711a) eine jüngere Wiederholung des Holzschnittes gleichen Themas im 'Gulden puchlein' (Sehr. 711), und auch die Figuren des Kreuzigungsbildes lassen sich auf ältere Nürnberger Bilddrucke zurückfuhren. 128 Zum Zeitpunkt des Druckes waren die Holzstöcke der Folge A am längsten im Gebrauch. Hier sind zahlreiche Ausbrüche bei den Einfassungen zu beobachten (s. z. B. Abb. 37). 129 Am unverbrauchtesten erscheinen dagegen die Holzstöcke der Folge C. Bis auf ein Bild 130 illustrieren die Holzschnitte genau die Textpassagen, die sie umgeben. Einige dienen dabei als Kapitel-Einleitungsbilder. So wird etwa das Kapitel des Marienlebens über die Taufe Christi (Kap. XII) auf fol. 135r unten mit dem Rubrum Item wie Christus getauffi ward angekündigt; blättert man um, folgt der entsprechende Holzschnitt mit der roten Überschrift Cristus ward getaufft (Abb. 31, 32), auf der nächsten Seite schließlich der Textanfang des Kapitels (fol. 136r): Do nu vnser herr Ihesus Cristus dreißig jaer alt was, da kom er zu dem Jordan zu Sant Johannsen dem tauffer, daz er von im getauffi würd... Jeweils auf der Seite nach dem Beginn eines Kapitels stehen die Holzschnitte der 124 Sehr. 175c auf fol. 185r, Sehr. 247a auf fol. 192r, Sehr. 278b auf fol. 193r, das Fragment der Vorführung Christi vor Pilatus nicht bei SCHREIBER. 125 London, BM, Department of Prints and Drawings, 158* b.3, s. Kap. II. 1.6.3. 126 Sehr. 291c auf fol. 194r, Sehr. 322a auf fol. 195r, Sehr. 345a auf fol. 197r. 127 Sehr. 470h auf fol. 30 r und 205 v , Sehr. 194a auf fol. 190 v , Sehr. 711a auf fol. 103 v . Baumeister in HEITZ, Einblattdrucke Bd. 52, Nr. 19-21 und SCHNEIDER 1988, S. 129 rechneten sie der gleichen Folge zu, was aber sowohl stilistisch als auch von den Maßen her ausgeschlossen ist. 128 Der Gekreuzigte geht motivisch auf die Holzschnitte Sehr. 444a und 447 - aus der als nürnbergisch bestimmten "Nonnberger Passion' und der Londoner Serie Sehr. 127 etc. (s. Kap. IV.3.1.) - zurück. Der Aufbau der Gewandfigur der Maria verweist auf die nürnbergischen Blätter Sehr. 417, 417a, VIII •417b und 418, die mit Sehr. 403 aus einer Pillenreuther Handschrift zusammenhängen (Nürnberg, GNM, Hs 2261, s. u. Verzeichnis der Handschriften). 129 Wegen des ungleichmäßigen Drucks ist an vielen Stellen schwer zu beurteilen, was Ausbrüche und was nur Folgen zu schwachen Drucks sind; s. etwa der Körper Christi im Kreuzigungsholzschnitt (Abb. 25). 130 Die Himmelfahrt Mariae, die vor dem Beginn des Textes Ottos von Passau über ihre Geburt steht (fol. 42 r ). Doch sollte dieses Bild ursprünglich vielleicht an anderer Stelle stehen, s. u.

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Auferstehung (Kap. XVI) 131 , Himmelfahrt Christi (Kap. XVII) 132 und Ausgießung des Hl. Geistes (Kap. XVIII)133. Die anderen Bilder, die mitten in den Kapiteln stehen, sind so eingedruckt, daß stets auf der Seite davor oder danach die illustrierte Textpassage steht. So beginnt etwa auf der letzten Zeile der Seite vor dem Geißelungsholzschnitt der Text dazu, der sich auf der Seite danach fortsetzt: [fol. 193 v :] Do warst du gegeysselt

daz // [fol. 194 r : Bildseite Geißelung, s. Abb. 33]

v

U [fol. 194 :] nichts gancz belayb an allen deynem heyligen leichnam, vnd würdt gekrönt mit einer dürnen krön, da von du enpflengst allain wol tausent wunden. Danach namen sy dich, lieber Jhesus, vnd verspotten dich mit einem purpuren clayd vnd seczten dich aujf einen Stull vnd gaben dir ein rör in dein hant vnd verspotten dich...134

// [fol. 195 r : Bildseite Dornenkrönung und Verspottung]

Beim Textabschnitt über das letzte Abendmahl, der sich über fol. 176v—189v erstreckt, gab es mehr als eine mögliche Stelle, an der man den Holzschnitt hätte einfügen können. Das Austeilen von Brot und Wein, das auf fol. 179 r/v behandelt wird, hätte sich als eucharistisches Kernstück der Szene am ehesten zur Illustration angeboten; doch wurde das Bild erst mehrere Seiten später, auf fol. 185r, eingedruckt (Abb. 34). Hier wird deutlich, daß sich der verantwortliche Schreiber eingehend mit den Details des Bildes bzw. Holzstockes befaßt hatte, bevor er die zu illustrierende Textstelle auswählte. Denn es heißt auf den Seiten vor und nach dem Bild: [Fol. 184 v :] Da sprach Ihesus: Nun ist verclert des menschen (kint) vnd got ist verclert in im. Vnd hub da an zu reden vil schöner red... H [fol. 185 r : Holzschnitt] // [fol. 185 v :] Da sprach Petrus: Wo gest du hin, daz ich dir nit mag geuolgen? Nu seczt ich doch mein sei für dich. Da sprach Ihesus: Du würst dein sei wol seczen für mich...135

Es ist die Schilderung eines längeren Gesprächs zwischen Jesus und Petrus nach der Austeilung des Abendmahls. Vielleicht war dem Schreiber auf dem Holzschnitt der Redegestus Petri und die auffällige und ikonographisch ungewöhnliche Zuwendung Christi zu diesem Apostel aufgefallen, so daß er ihn nicht zur Einsetzung der Eucharistie, sondern zu dieser Gesprächsszene einfügte. An einigen Stellen der Handschrift bemerkt man ein Mißverhältnis zwischen Text- und Bildinhalt. So etwa beim Holzschnitt des Marientodes (Abb. 36). Auf den Textseiten vor und nach dem Bild liest man: [Fol. 102 v :] Es spricht hie ein maister: Ich mein, das der wirdig leichnam Marie nie ward berurt von dem erdreich, wand do die zeit H [fol. 103 r :] kam, als eß dem herren gevellig was. Spricht Symon von Cassia: Do warde ir sele wider vereinet mit dem 131 Fol. 232 v Kapitelbeginn mit dem Rubrum Von der vrstend vnssers herren Cristi, auf fol. 233 r dann das Bild. 132 Fol. 276 v beginnt das Kapitel mit dem Rubrum Von dem auffertag, fol. 277 r folgt der Holzschnitt. 133 Fol. 283R unten Kapitelbeginn mit dem Rubrum Von dem pßngstag, fol. 283 V das entsprechende Bild. 134 Vgl. die Edition von HILG 1981, Kap. XV, Z. 447-452; der Text folgt hier der Lesart von X 2 . 135

Entspricht Kap. X V , Z. 3 5 2 - 3 6 1 in der Edition von HILG 1981.

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leichnam vnd mit dem ward er verclert, vnd alß ward sie mit leib vnd mit sele, als gütlich zu gelauben ist, gefürt mit grossen frewden vnd Schönheit in daß ewig leben mit allem himelischen here v(nd)' 3 6 ward do gesczt a(uff den) stul der heiligen /(riualtigkeit), das sie geeret ward v(on) // [fol. 103 v : Holzschnitt] // [fol. 104r:] allem, das so ist im himel vnd in erden..}*1

Es geht an dieser Stelle um die leibliche Himmelfahrt Mariae. Die Szene auf dem Totenbett ist dafür nicht die ideale Illustration - bedenkt man vor allem, daß ein Holzschnitt der Himmelfahrt an eine andere Stelle der Handschrift (fol. 42 r ) gedruckt wurde (Abb. 37). Dort jedoch ist er fehl am Platze, denn es ist der Beginn des Textes von Otto von Passau über die Geburt der Gottesmutter. Die Vermutung liegt nahe, daß hier ein Organisationsfehler vorliegt: Die Auffahrt Mariae, die sich fälschlich auf fol. 42 r befindet, war ursprünglich für die Stelle gedacht, die jetzt der Marientod schmückt. Zwei weitere Fehler in der Text-Bild-Beziehung geben näheren Aufschluß über den Entstehungsprozeß der Illustrationen. Der Holzschnitt der Verleugnung Christi durch Petrus (Abb. 38) hat keine Entsprechung im Text. Diese Szene wird im Marienleben des Heinrich von St. Gallen nicht geschildert. Tatsächlich sollte hier auch ein anderes Bild eingedruckt werden. Das verrät die kleine Notiz rechts unten auf der Seite; sie lautet: für Annam pischoff, wobei für Annam zunächst das schließlich durchgestrichene Pilatum stand. Sie stammt von der Schreiberhand des Buches. Eine nachträgliche Bildunterschrift kann es wegen der unterschiedlichen Angabe des Themas nicht sein; vielmehr muß es sich um eine Anweisung für denjenigen handeln, der die Holzschnitte auf die Seiten drucken sollte. Das geforderte Bild der Vorführung Christi vor Annas wäre in Übereinstimmung mit dem Text gewesen. Ähnlich verhält es sich mit dem Holzschnitt der Handwaschung des Pilatus auf fol. 193r (Abb. 40). Auch diese Szene kommt im Text des Heinrich von St. Gallen nicht vor, wo die Leidensstationen, bei denen Maria nicht zugegen war, sehr knapp abgehandelt werden. Nach der Anweisung für den Drucker sollte auch ein anderes Bild eingefügt werden, nämlich die Vorführung vor Pilatus; diese ist im Text kurz erwähnt. 138 Nun erkennt man am linken Rand der Seite Spuren eines schwachen Abdrucks von einem anderen Holzstock. Tatsächlich findet man auf der anderen Hälfte des Doppelblattes im zweiten Teil der Lage die Fortsetzung dieses Abdrucks (fol. 198v): Er läßt sich als Holzschnitt der Vorführung vor Pilatus ergänzen. Dieser sollte eigentlich auf fol. 193r gedruckt werden. Wie es zu dem schwachen Abdruck links neben der falschlich eingefugten Handwaschung auf dem Doppelblatt fol. 193 r /189 v kam, ist schwer zu sagen. Die Farbspuren sind so dünn, daß man nicht von einem richtigen Druckvorgang mit Reiber ausgehen kann. Es sieht so aus, als wäre das Blatt nur auf den Holzstock gelegt worden (oder umgekehrt), wobei etwas Farbe haften blieb, dann aber wieder weggenommen, als der Drucker erkannte, daß es nicht an diese Stelle 136 Textverlust durch Beschädigung des Papiers. 137 Entspricht Kap. XIX, Z. 9 6 - 1 0 4 in der Edition von HILG 1981.

138 Vgl. Kap. XV, Z. 432 f. nach der Ausgabe von HILG 1981.

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gehörte. Es gibt keinen zweiten, vollständigeren Abdruck von diesem Stock in der Handschrift. 139 Doch gibt der Fehldruck weiteren Einblick in den Entstehungsprozeß des Codex und seiner Illustrationen. Denn auf fol. 198v, der zweiten Hälfte der verdruckten Doppelseite, liegt die Tinte der Schrift eindeutig über der Druckfarbe. Das bedeutet: Es ist unmöglich, daß zunächst das ganze Buch - unter Reservierung der entsprechenden Leerräume für die Bilder - geschrieben worden war und erst danach in einem zusammenhängenden Arbeitsgang alle Holzschnitte hineingedruckt wurden. Vielmehr muß diese Lage 140 mindestens ab fol. 198 v noch unbeschriftet gewesen sein, als der Druck auf fol. 193r - und damit versehentlich auch der Fehldruck auf die andere Doppelblatthälfte fol. 198v - erfolgte (s. u. Schemazeichnung auf S. 46). Als der Schreiber schließlich zur Beschriftung von fol. 198v kam, mußte er auf die falschlich schwach bedruckte Seite schreiben. Das ist nur so zu erklären, daß es mehrere Druckkampagnen gab, zwischen denen wieder der Schreiber an der Handschrift arbeitete. Fest steht, daß der Schreiber, sobald er an eine Textstelle gelangte, für die er über eine Illustration verfugte, die entsprechende Seite frei ließ und in kleinen Notizen am oberen oder unteren Rand - viele davon sind heute leider durch die rigorose Beschneidung des Buchblocks im 18. Jahrhundert verlorengegangen den Gegenstand für den Drucker angab. Erhalten sind die Anweisungen Cristus wardgetaujft (fol. 135v oben, Abb. 32), die als einzige in roter Tinte geschrieben wurde und gleichzeitig als Bildüberschrift dienen sollte, abent essen (fol. 185r unten, Abb. 34), für (pilatum durchgestrichen) Annam pischoff (fol. 192r unten rechts, Abb. 38), für Pilatum (fol. 193r unten rechts, Abb. 40), gayslung (fol. 194r unten, Abb. 33), krönung (fol. 195r unten), tregt das creucz (fol. 197r unten), vom creücz (fol. 226 r oben rechts), in daz grab (fol. 228 r unten rechts), vrstend Cr(isti) (fol. 233 r unten rechts). Kurz zusammengefaßt, stellt sich der Herstellungsprozeß des Buches folgendermaßen dar: Die Holzschnitte druckte kaum der Schreiber auf die ungebundenen Doppelblätter der Handschrift. Wäre er selbst dafür verantwortlich gewesen, wäre es wohl auch nicht zu den Fehlern gekommen. Vermutlich beauftragte er einen Drucker, der Holzstöcke aus unterschiedlichen Quellen besaß: Das gleiche Phänomen also wie beim 'Gulden puchlein', dessen Holzschnittlieferant auch über Stöcke aus verschiedenen Werkstätten verfügte. Der Schreiber muß sich mit der zur Verfügung stehenden Auswahl von Stöcken vertraut gemacht haben, um an den richtigen Stellen der Handschrift die Leerseiten freizuhalten. Diese kennzeichnete er dann mit den kurzen Themenangaben für denjenigen, der die Holzstöcke vermutlich mit dem Reiber auf die Blätter druckte. Über diesen Vorgang hatte der Schreiber keine Kontrolle, sonst wäre es nicht zu den Verwechslungen gekommen; vermutlich hatte er also

139 Auch sonst ist kein weiteres Exemplar bekannt. seinem Handbuch nicht. 140 DerSexternio VI 2 0 1 .

SCHREIBER

verzeichnete den Fehldruck in

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die jeweiligen Lagen in die Werkstatt des Druckers gebracht. Danach wurden die Holzschnitte von einer einzigen Hand koloriert und mit den Rankenbordüren versehen. fol. 195

fol. 196

Den Namen des Schreibers kennen wir aus dem Kolophon. Auf den letzten beiden Seiten schrieb er: [fol. 287 v ] Der daß fint, der sol daß wider geben dem Hannßen Lidrer oder seinen erben. Vnd hat es geschriben H [fol. 288 r ] vnd ist gewest zw der selben zeit probst zu dem newen spitall, vnd ist geendet woren [!] am sandt Phylipen vnd Jacobs tag abent nach Crist gepurt tawsent fierhundert vnd in den LXVI jar in vigilia Balpurgis oder an sandt Walpurgen abent [= 30. April] in der selben jaerzeit.

Hanns Lidrer war also nicht nur der Schreiber des 1466 fertiggestellten Buches, sondern hatte es auch selbst in Gebrauch; nur so erklärt sich die Aufforderung, es ihm selbst oder seinen Erben zurückzugeben. Da der Text, nach der Schreibsprache zu schließen, in Nürnberg geschrieben wurde, 141 dürfte mit dem genannten newen spitall das Nürnberger Heilig-Geist-Spital gemeint sein, das auch so bezeichnet wurde. 142 Doch die Tätigkeit Lidrers dort bleibt rätselhaft: es gab keinen probst am Neuen Spital. Auch kein anderes Amt der städtischen Einrichtung läßt sich mit diesem Begriff in Verbindung bringen, und ein Mann mit dem Namen Hanns Lidrer ist in keiner der gut dokumentierten Positionen dort verzeichnet. 143 Am ehesten käme noch eine der 15 Priesterstellen am Spital in 141

Vgl. HILG1981,S. 26.

142 Vgl. E. MUMMENHOFF, Das Spital zum heiligen Geist, Nürnberg 1926, passim; SIEGFRIED REICKE, Das deutsche Spital und sein Recht im Mittelalter, Stuttgart 1932, S. 129, S. 270 f. 143 Die Inhaber der Ämter (Pfleger, Meister, Kornschreiber, Überreiter etc.) am Nürnberger Heilig-Geist-Spital verzeichnet ULRICH KNEFELKAMP, Das Heilig-Geist-Spital in Nürnberg

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Frage; doch die Namen der Inhaber sind bekannt, und ein Lidrer war nicht unter ihnen.144 Dagegen verzeichnet Kist in seinen Matrikeln des Bistums Bamberg für das Jahr 1462 einen Johann Lederer als Schaffer von St. Lorenz in Nürnberg. 145 Als 1470 verstorben ist er in den Totengeläutbüchern der Stadt erwähnt. 146 Da zur fraglichen Zeit kein anderer Geistlicher eines ähnlichen Namens in den publizierten Nürnberger Quellen bekannt ist, ist es möglich, daß dieser mit dem Schreiber der Handschrift identisch ist. Doch bleibt fraglich, wieso er dann ausgerechnet als probst zu dem newen spitall hätte signieren sollen - selbst wenn er, wie Hilg spekulierte, eventuell eine geistliche Nebentätigkeit am Heilig-GeistSpital wahrgenommen hätte. 147 Ein fast gleichlautender Name erscheint in einem weltlichen Beruf, der allerdings in bezug auf unsere Handschrift sehr verdächtig ist, in einer Quelle. Ein Johannes Lyedrer ist 1452 im Neubürgerverzeichnis der Stadt als gewerblicher Schreiber aufgeführt. 148 Es ist nicht völlig ausgeschlossen, daß diese Erwähnungen die gleiche Person meinen. Denn freie Schreibtätigkeit war oft ein „Durchgangs- und Nebenberuf' 149 für Geistliche, etwa beim Warten auf eine Pfründe. Präziseres läßt sich zur Person des Schreibers der Augsburger Handschrift im Augenblick nicht beitragen. Nach Wortlaut des Kolophons steht fest, daß er das Marienleben weder für eine geistliche Institution noch zum Verkauf, sondern für sich selbst geschrieben hatte. Um so erstaunlicher ist dann der Aufwand für den Bildschmuck. Und wie kam er auf die Idee, ausgerechnet diese Form der Illustration zu wählen? Ohne Zweifel war zu dieser Zeit in Nürnberg ein reiches Angebot an Graphik auf dem Markt, wie oben deutlich wurde. Doch die Anregung für die Holzschnittausstattung dieses Buches läßt sich konkreter benennen. Denn die Analyse des Textes durch Hilg ergab, daß das Marienleben im Augsburger Codex eine wörtliche Abschrift des 'Gulden puchlein' ist. Die Texte entsprechen sich bis in orthographische Eigenheiten.150 Hanns Lidrer muß sich deshalb das 'Gulden puchlein' ausgeliehen und kopiert haben. Dabei beeindruckte ihn offenkundig der graphische Schmuck so sehr, daß er ähnliches für seine eigene Kopie wünschte. Die im Dominikanerinnen- und Dominikanerkloster praktizierte Illustration mit

vom 14.-17. Jahrhundert. Geschichte, Struktur, Alltag (Nürnberger Forschungen 26) Nürnberg 1989, S. 374-380. 144 Bei der Stiftung des Spitals gab es sechs Priesterstellen; ihre Zahl wuchs aber durch Zustiftungen im Laufe des 15. Jahrhunderts auf 15 an. Die Namen sind publiziert bei KNEFELKAMP (wie vorangegangene Anm.), S. 112-119. 145 KIST 1965, S. 253 (Nr. 3854). 146 HELENE BURGER, Nürnberger Totengeläutbücher, Bd. 1: St. Sebald, 1439-1517, Neustadt/ Aisch 1961, Nr. 2233; Bd. 2: St. Lorenz, 1454-1517, Neustadt / Aisch 1967, Nr. 1099. Erwähnt von HILG 1981, S. 26 Anm. 32. 147

HILG 1 9 8 1 , S . 2 6 A n m . 3 2 .

148

1984, S . 150. SCHNEIDER 1988, S . 129, erwähnt ihn im Zusammenhang mit der Augsburger Handschrift. So KIEPE 1 9 8 4 , S . 1 5 2 . SKRZYPCZAK 1 9 5 6 , S. 9 5 spricht vom „klerikalen Proletariat", das sich mit Schreiben über Wasser hielt. Zu Studenten und Geistlichen als Lohnschreiber s. auch

149

KIEPE

WATTENBACH 1 8 7 5 , S. 4 7 5 , BÜHLER 1 9 6 0 , S . 2 2 . 150

HILG 1 9 8 1 , S . 7 8 .

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Holzschnitten wurde zum Vorbild für eine privat hergestellte Handschrift. Wieso Hanns Lidrer die Holzschnitte aber eindrucken ließ, was mit wesentlich größerem Aufwand verbunden war als das Einkleben fertiger Bilder, bleibt ungeklärt. Wir kennen weitere Handschriften, in denen Holzstöcke direkt abgedruckt wurden; etwa die 1461 und 1463 entstandenen Heilsspiegel Leonhard Taichstetters aus München (s. u.). Doch war dieser ein gewerbsmäßiger Schreiber, der mehrere Exemplare des gleichen Textes mit gleichem Bildschmuck herstellte; das Verfahren läßt sich dort ökonomisch erklären. Sollte auch Hanns Lidrer geplant haben, mehrere illustrierte Exemplare des Marienlebens zu produzieren? Sollte der Schreiber tatsächlich mit dem 1452 eingebürgerten Johannes Lyedrer identisch sein und sich in früheren Jahren als Berufsschreiber betätigt haben, wäre das um so einleuchtender. Kam es nicht zur Ausführung weiterer Abschriften oder blieb zufällig nur die für seinen eigenen Gebrauch - eventuell als Vorlage für künftige Kopien - bestimmte Ausführung erhalten? Darüber kann nur spekuliert werden. Doch beweist seine Handschrift, daß das 'Gulden puchlein' über die Mauern der beiden Nürnberger Konvente des Dominikanerordens bekannt war und die Art seiner Bildausstattung Nachahmung fand.

1.4. Austausch von Bildern und Büchern: Eine weitere Handschrift der Nürnberger Dominikaner im Katharinenkloster Neben dem im Dominikanerkloster geschriebenen 'Gulden puchlein' dokumentiert ein weiterer Codex den Austausch von druckgraphisch illustrierten Handschriften zwischen den beiden Nürnberger Konventen des Predigerordens. Der Dominikaner Matthias Weinsperger schenkte der Schwester Margaretha Vornan ein Gebetbuch,151 das sich als Cent. V, App. 81 in der Nürnberger Stadtbibliothek erhalten hat. Margaretha war eine der zur Reformierung des Katharinenklosters aus Schönensteinbach im Elsaß gekommenen Schwestern. Das Buch war kurz nach der Mitte des Jahrhunderts vermutlich im Predigerkloster gefertigt worden. Dabei hatte der Schreiber zwei Exemplare des gleichen Holzschnittes, der die Umarmung des hl. Bernhard durch Christus zeigt, in den Text eingefügt (Abb. 41). Es handelt sich beide Male um die gleiche Passage des zweimal abgeschriebenen Gebets, einer deutschen Prosaübersetzung des dem hl. Bernhard zugeschriebenen 'Salve mundi salutare'.152 Der gleiche Text ist auch in Cent. VI, 43 e zu finden, einem von Conrad Forster geschriebenen, mit einem Metallschnitt geschmückten Buch (s. o.). Einer der Schreiber hatte ihn entweder vom anderen

151 Nach Eintrag im alten Katalog unter der Signatur M XVI, s. MBK Bd. 111,3, S. 626. Zu Weinsperger s. BOCK 1924, S. 180 f. Margaretha Vornan war 1419 in Schönensteinbach eingetreten und kam 1428 in das Katharinenkloster nach Nürnberg, wo sie 1475 starb; vgl. WÜRFEL 1 7 6 9 , S. 3 1 ; KERN 1 8 6 3 , S. 8 f.; FRIES 1 9 2 4 , S. 2 5 ; BORIS 1 9 9 6 , S. 3 6 0 N r . 8 1 7 2 .

152 Lateinischer Text s. MIGNE, PL 184, Sp. 1319 ff.

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kopiert, oder sie hatten eine gemeinsame Vorlage. 153 Am Ende des Gebets wird beschrieben, wie Christus sich zu Bernhard herunterneigt, nachdem dieser das vorangegangene Gebet gesprochen hatte; genau an diese Stellen klebte der Schreiber die Holzschnitte: Als nu sant Bernhart in großer begirli // eher innikeit dise wort gesprochen het, da neigt sich das marter pild ab dem krewtz vnd vmb vieng in mit seinen verwunten armen zu einem waren zeichen, das im diß gepet gar angenem were. [Holzschnitt] Dar nach petet er für baß...154 Das andere Exemplar des Holzschnittes wurde exakt an der gleichen Stelle des Textes eingeklebt (fol. 77 r ); nur wurde das Bild durch den anderen Umbruch dort in der oberen Hälfte des Seite plaziert. Wieso der Schreiber in ein und dieselbe Handschrift das gleiche Gebet zweimal kopierte und beide Male mit einem Holzschnitt schmückte, entzieht sich unserer Kenntnis. Fest steht, daß die Graphiken beim Schreiben des Buches im Nürnberger Predigerkloster eingeplant und eingefugt wurden und der Codex schließlich einer Dominikanerin geschenkt wurde. Der alte Bibliothekskatalog des Katharinenklosters verzeichnet zwei weitere Handschriften, die Matthias Weinsperger, Kantor und Bibliothekar des Predigerklosters, für die Dominikanerinnen geschrieben hatte. 155 Die Holzschnitte, die er verwendete, stehen stilistisch in der Nähe der großformatigen Blätter des 'Gulden puchlein'; die Kolorierung könnte aus der gleichen Werkstatt stammen. Die Bezugsquelle, aus der die beiden Darstellungen des hl. Bernhard ins Predigerkloster kamen, dürfte also dieselbe sein, aus der Conrad Forster, mit dem Weinsperger zusammenarbeitete (sein Name ist auf mehreren Bucheinbänden Forsters genannt) 1 5 6 , die Bilddrucke für sein Marienleben hatte.

1.5. Exkurs: Kupferstiche aus dem Nürnberger Dominikanerkloster Das genannte Gebetbuch zeigt, daß Conrad Forsters 'Gulden puchlein' nicht die einzige Handschrift war, die von Nürnberger Dominikanern für die Schwestern ihres Ordens gefertigt und mit Bilddrucken illustriert wurde. Es lag deshalb nahe, den gesamten bekannten Handschriftenbestand des Klosters, soweit er erschlossen ist, auf eventuelle Ausstattung mit Bilddrucken zu untersuchen. 157 Doch war 153 Cent. VI, 43 e , fol. 282 v -290 r . Das genaue Verhältnis der beiden Texte zueinander wäre noch zu untersuchen. In beiden Handschriften ist auch der gleiche Marienrosenkranz überliefert (Cent. V, App. 81, fol. 12 v -130 v und Cent. VI, 43 e , fol. 290 r -298 v ). 154 Fol. 121 r/v . 155 Die Handschrift unter der Signatur M XVII, die nicht mehr erhalten zu sein scheint, enthielt Passionstexte und eine 'Ars moriendi' (MBK Bd. 111,3, S. 626), der wohl ebenfalls verlorene Band E XXXI einen 'Stimulus amoris' und Gebete (MBK Bd. 111,3, S. 6 0 7 ) . BOCK 1 9 2 4 , S. 1 8 0 f. nennt als Schenkungen Weinspergers über Cent. V, App. 81 {M XVI) hinaus fälschlich noch die alten Signaturen MXXVI und MXXVII, wohl eine Verwechslung mit den genannten Handschriften. 156

BOCK 1 9 2 4 , S. 1 8 0 f.

157 Verzeichnet bei KRÄMER in MBK Erg.-Bd. I, S. 610-613. Der größte Teil der Handschriften befindet sich heute in der Stadtbibliothek Nürnberg.

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das Ergebnis negativ. Die Predigerbrüder scheinen kein - zumindest heute noch bekanntes 158 - Buch mit druckgraphischem Schmuck für sich selbst behalten zu haben. Überraschenderweise ließ sich jedoch ein einzelnes Blatt, das in der Literatur zum frühen Kupferstich eine wichtige Rolle spielte, ins Predigerkloster lokalisieren. Max Lehrs gab einem der ältesten Kupferstecher, den er in der Nachfolge des Spielkartenmeisters sah, den Notnamen 'Meister von 1462' und ordnete ihm 20 Blätter zu. 159 Später jedoch erkannte Geisberg - und Lehrs folgte ihm dabei - , daß gerade der namengebende Stich, die handschriftlich datierte Darstellung eines Gnadenstuhls (Abb. 42) 160 , dem Meister mit den Bandrollen zugewiesen werde müßte. 161 Die vorher unter dem Namen des Meisters von 1462 versammelte Kupferstichgruppe lief fortan, nach der markantesten Darstellung (L. I, 163, 16) benannt, unter dem Namen des 'Meisters der Weibermacht'. Nachdem der alte Notname obsolet geworden war, wurde auch niemand mehr auf die Tatsache aufmerksam, daß dieser auf einem Lesefehler beruht: Die Jahreszahl ist nicht als 1462, sondern 1463 zu lesen. Die Inschrift auf dem Dreifaltigkeits-Stich ist aber nicht nur wegen der wechselhaften Zuschreibung interessant. In großen, mit roter Tinte geschriebenen Buchstaben hat sich Frater Conradus Bamberger de Tzeyll • 1463 • auf dem Stich verewigt. Kein Kupferstichbesitzer jener Zeit hat seinen Namen in so unübersehbarer Weise aufgetragen. Doch galt dieser Vermerk nicht nur der Graphik, sondern einer ganzen Handschrift, in deren hinterem Deckel sie sich befand. Erhalten ist nur dieser Buchdeckel mit dem eingeklebten Stich.162 Lehrs gab als Provenienz des Buchdeckels die Kartause Buxheim an. 163 Ein Bruder namens Conradus Bamberger de Tzeyll (wohl aus Zeil am Main, nahe Bamberg) ist jedoch in den Buxheimer Konventslisten nicht nachzuweisen. 164 Dagegen ließ sich eine aus der Bibliothek des Regensburger Predigerklosters stammende165 Handschrift der Bayerischen Staatsbibliothek München ermitteln, deren Kolophon folgendermaßen lautet: 158 Zu dem noch relativ gut erhaltenen Bücherbestand des Klosters vgl. den Überblick von KRÄMER in MBK Erg.-Bd. I, S. 6 1 0 - 6 1 3 . 159 LEHRS, Krit. Kat. Bd. I, S. 226-248. Diesen Notnamen verwendete schon WlLLSHlRE 1883, Bd. 2, S. 138, der dem Meister aber keine weiteren Arbeiten zuwies. 160 L. I, 244, 17. Ein zweites Exemplar in der Staatlichen Graphischen Sammlung München, weniger klar im Druck; Abb. GEISBERG 1923, Taf. 64. 161 GEISBERG 1918, S. 18. LEHRS verzeichnete den Stich dann im Œuvre des Bandrollenmeisters unter L. IV, 322, 109; bei GEISBERG 1923 als G . 109. 162 München, BSB, Rar. 24. 163 LEHRS, Krit. Kat. Bd. I, S. 226 u. 245. Aus dem Besitz der Kartause stammen mehrere noch erhaltenene Holzschnitte, darunter der wegen der xylographischen Jahreszahl 1423 ebenso berühmte wie umstrittene Buxheimer Christopherus (Sehr. 1349) und eine Verkündigung von der gleichen Hand (Sehr. 28) in Manchester, John Rylands Library. Zu der Handschrift, in deren Deckel sie kleben, s. DIBDIN 1814, S. I-IV. 164 FRIEDRICH STÖHLKER, Die Kartause Buxheim 1402-1803, Folge 4: Der Personalschematismus I, 1402-1554, Gießen 1978. 165 Aus den Beständen der Regensburger Stadtbibliothek in die BSB München gekommen; zur Provenienz s. auch KRÄMER in MBK Erg.-Bd. 1,3, S. 375.

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Expliciunt ewangelia Conradum Bamberger Heroldi166 anno vero Nurnberge,167

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dominicalia de tempore anno domini 1461 per fratrem de Tzeyll que tempore dyaconatus sui collegit ex postilla etatis eiusdem 21. In vigilia apostolonim Symonis et lüde

Das Regensburger Dominikanerkloster war offenbar nur der letzte Aufenthalts-, nicht der Entstehungsort der Handschrift. 168 Geschrieben wurde sie nach Aussage des Kolophons in Nürnberg. Und die Einzelstempel des Einbands beweisen, daß das Buch tatsächlich im Nürnberger Predigerkloster gebunden worden war. 169 Auch ein Eintrag des späten 15. Jahrhunderts auf fol. I r belegt die Benutzung an diesem Ort. Kist verzeichnet in seinen Matrikeln der Geistlichkeit des Bistums Bamberg einen Conrad Bamberger, der Nürnberger Dominikaner war und am 26. Mai 1464 zum Priester geweiht wurde. 170 Er muß identisch sein mit dem Schreiber von Clm 26769 und dem Beschrifter des Trinitäts-Kupferstichs. Letzte Gewißheit verschafft die Untersuchung des Buchdeckels, in dem dieser Stich klebt: Auch wenn die Montierung des 19. Jahrhunderts nur noch zwei kleine Einzelstempel auf dem Lederüberzug sichtbar ließ, erweisen diese den Einband doch eindeutig als Produkt der Buchbinderwerkstätte des Nürnberger Predigerklosters.171 Die Erkenntnis der Provenienz dieser Druckgraphik aus dem Nürnberger Predigerkloster verhalf nun dazu, die Verwendung eines weiteren Kupferstichs im gleichen Konvent nachzuweisen. Die hagiographische Handschrift Cgm 361 der Bayerischen Staatsbibliothek wurde - der Schriftvergleich beweist es - von Conrad Forster, dem Verfertiger des 'Gulden puchlein1, im Jahr 1454 geschrieben. Auch der Einband weist die Einzelstempel seiner Buchbinderei auf. Auf dem ehemaligen vorderen Deckelspiegel, der abgelöst wurde und heute das erste Blatt des Buches ist, erkennt man noch den schwachen Abklatsch des schwarzen Liniengerüsts eines Bildes. Hier haben sich durch Druck und Feuchtigkeit die Umrisse eines Kupferstichs übertragen, der sich ursprünglich auf der gegenüberliegenden Recto-Seite des ersten Blattes befand, heute aber verloren ist. 172 Den Darstellungsgegenstand kann man nur noch erahnen: Zu erkennen ist die Silhouette einer Figur mit Nimbus auf einem Thron, auf ihrem Schoß eine zweite Gestalt mit Heiligenschein. Karin Schneider dachte deshalb an eine Pietà. 173 Tatsächlich aber handelt es sich um den Abklatsch eines Gnadenstuhls - und zwar eines weiteren Exemplares eben jenes Kupferstichs, von dem auch 166 Gemeint ist Johannes Herold (ca. 1416-1468), um 1438 als Prior des Nürnberger Predigerklosters bezeugt, s. BOCK. 1924, S. 171. Seine bekannteste Schrift ist ein Predigtzyklus über die Episteln und Evangelien der Sonntage - dieser dürfte hier gemeint sein. 167 München BSB, Clm 26769, fol. 80r. Der Kolophon genannt in: Colophons de manuscrits occidentaux des origines au XVI e siècle, Bd. 2, Fribourg 1965, S. 359, Nr. 2871. 168 Im späten 15. Jahrhundert kam eine große Zahl von Handschriften der Nürnberger Dominikaner in das Regensburger Predigerkloster; s. INEICHEN-EDER in MBK Bd. IV, 1, S . 4 5 1 . 1 6 9 Vgl. KYRISS 1 9 5 4 , Tafelbd. I, Tai 4 7 . 170

KIST 1 9 6 5 , S . 1 6 , N r . 1 8 3 .

171 Sie entsprechen den bei KYRISS 1954, Tafelbd. I, Taf. 47, Nr. 4 und 9 verzeichneten Stempeln. 172 An seiner Stelle sind auf fol. IIr noch die Leimspuren zu sehen. 173 SCHNEIDER, Die deutschen Handschriften 1973, S. 56.

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Conradus Bamberger ein Blatt in Gebrauch hatte. Maße und Form der Umrisse stimmen genau überein. Die Nürnberger Dominikaner besaßen also mindestens zwei Abzüge dieses Stichs. Conrad Forster klebte sein Blatt vermutlich in Hinblick auf den Anfang des ersten Textes von Cgm 361 ein. Zwar scheint dieses Apostelbuch zunächst nichts mit dem Bildgegenstand der Trinität zu tun zu haben, doch beginnt es mit dem Satz: In der heiligen drivaltikeit ere... hebt sich an daz leben der heiligen zwelifpoten.114 Weil das Buch deutschsprachige Texte enthält, hatte es Conrad Forster vermutlich für einen Abnehmer bzw. eine Abnehmerin außerhalb des Predigerklosters gefertigt. Denn die Bibliothek des Männerklosters, soweit sie noch rekonstruierbar ist, bestand fast ausschließlich aus lateinische Handschriften. Die im Kloster geschriebenen deutschen Texte wurden in der Regel im Auftrag geschrieben oder verschenkt - vor allem an die Schwestern des Katharinenklosters. Forsters Handschrift Cgm 361 enthält leider keine Hinweise auf den Abnehmer bzw. die Abnehmerin. Fest steht aber, daß sie sich schon im 16. Jahrhundert in Privatbesitz, nicht im Predigerkloster befand. 175 Dieser auf der ersten Seite eines Buches befestigte Stich erinnert an einen anderen von Conrad Forster geschriebenen Codex. Auf dem Vorsatzblatt seiner Handschrift Cent. VI, 43 e der Nürnberger Stadtbibliothek klebte ursprünglich ein früher Metallschnitt der Madonna im Strahlenkranz auf dem Halbmond (Sehr. 2497, s. Abb. 48). 176 Auch dieses Buch war für eine Frau geschrieben; es kam aus dem Besitz einer Barbara Prucklerin177 schließlich in die Bibliothek des Katharinenklosters. In diesem Fall ist aber nicht eindeutig zu bestimmen, ob der Bilddruck schon von Forster, dem Schreiber und Binder, oder erst von den Dominikanerinnen beim Eintritt in ihre Bibliothek angebracht worden war. 178 Die Praktiken des Bruders und der Schwestern bei der Verwendung von Druckgraphik sind zu ähnlich, um hier eine Entscheidung zu treffen. In diesem Fall handelt es sich jedenfalls um eine Ausschmückung, die nicht in unmittelbarer Beziehung zu den Texten steht. 179

174 Fol. l r . Das Apostelbuch, erstes Stück der Handschrift, ist eine Prosaauflösung des gereimten Passionais, den zweiten Teil bilden Auszüge aus 'Der Heiligen Leben'; s. SCHNEIDER, Die deutschen Handschriften 1973, S. 56 f. 175 SCHNEIDER, Die deutschen Handschriften 1973, S. 56: auf fol. IIV die Besitzeinträge dreier Frauen von Königsfeld aus dem 16. Jahrhundert. 176 Das ursprünglich mit dem Rand am Vorsatzblatt fol. I v angeklebte Blatt wurde abgelöst, 1992 aber vor fol. 1 zwischen Seidenpapier wieder eingefügt. 177 Lt. Notiz im Vd. und fol. 298 v . Barbara Prucklerin war keine Schwester des Katharinenklosters; über ihre Person ist bislang nichts bekannt. 178 Das Buch kam erst nach 1457 ins Katharinenkloster, da es im Katalog der Kunigund Niklasin von 1455-57 noch nicht verzeichnet ist. 179 Der erste Text ist der Eucharistietraktat des Marquard von Lindau. Mariologisch ist nur das letzte Stück des Buches (fol. 290 r -298 v ), ein Bernhard von Clairvaux zugeschriebener Marienrosenkranz (s. SCHNEIDER 1965, S . 96).

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1.6. Weitere Formen der Handschriftenausstattung mit Druckgraphik im Katharinenkloster Die Handschriften, deren Ausstattung mit Druckgraphik sich als Werk der Dominikaner Conrad Forster, Matthias Weinsperger und Conrad Bamberger erwiesen hat, mahnen zur Vorsicht bei der Beurteilung weiterer nach traditioneller Meinung im Katharinenkloster eingefugter Holzschnitte. Beim Buchschmuck des Frauenklosters ist der Austausch und die Zusammenarbeit mit dem Männerkloster stets in Betracht zu ziehen. Dies gilt auch für die verbleibenden 21 Handschriften und ein Fragment, die mit dem Katharinenkloster in Verbindung zu bringen sind. Bei etwa der Hälfte der Bücher sind Ort und Zeitpunkt der Ausstattung relativ genau eingrenzbar, da sie im Kloster geschrieben oder neu zusammengestellt wurden und die Bilder fest eingebunden oder beim Schreiben in den Text eingebettet wurden; bei anderen, in denen sich die Graphiken im Vorderdeckel oder an anderer Stelle nachträglich eingeklebt finden, kann wahrscheinlich gemacht werden, daß die Bildausstattung erfolgte, als sie ins Kloster kamen.

1.6.1. Eingebundene Titelbilder und die Zusammenarbeit von Frauen- und Männerkloster In der Staatsbibliothek Bamberg befindet sich mit Msc. hist. 154 eine Handschrift, die nicht nur den Besitzvermerk des Katharinenklosters trägt, 180 sondern auch die Signatur, die bei der Katalogisierung in den 1450er Jahren angebracht worden war. Durch sie ist der Band im Bücherverzeichnis des Konvents zu identifizieren. 181 Als Schreiberin, die das Buch 1451 beendete (fol. 163r), ist durch Schriftvergleich eindeutig Kunigund Niklasin zu bestimmen 182 - und damit eine der für die Gestaltung und Verwaltung des Bücherschatzes des Klosters wichtigsten Persönlichkeiten Sie war Inhaberin des Amtes der Buchmeisterin, also für alle Bibliotheksbelange zuständig, Verfasserin des berühmten Bücherkatalogs und gleichzeitig eine der eifrigsten Schreiberinnen des Konvents. 183 Die VersoSeite des ersten Blattes der Handschrift ziert ein kräftig, doch sehr sorgfaltig kolorierter Holzschnitt der hl. Katharina (Sehr. 1321a, s. Abb. 43). Er dürfte im fünften Jahrzehnt des Jahrhunderts entstanden sein und gehört zu einer ganzen Reihe von Drucken dieser Heiligen, die auf dieselbe Vorlage zurückgehen. 184 Im Besitz der Dominikanerinnen befanden sich zwei weitere Kopien dieses Typs, bei 180 Fol. l r : Dazpuch gehört in daz closter zu sant Kathr(cin) in A'wr(nberg)prediger ordens. 181 L XIX (io\. 21), vgl. MBK Bd. 111,3, S. 616. 182 Nicht Margareta Kartäuserin, wie LEITSCHUH Bd. 1,2, S. 253 vermutete. Der ganze Band stammt von der Niklasin; zur Bestimmung ihrer Hand vgl. die Schriftprobe bei SCHNEIDER 1965, S. XVII, Abb. 1. 183

V g l . SCHNEIDER 1 9 6 5 , S. X V I .

184 Die Darstellung folgt einem Figurentyp und Gewandformeln, die um die Mitte des 15. Jahrhunderts in allen Regionen Süddeutschlands verbreitet waren. Zu dieser Gruppe und ihrer Lokalisierung bzw. Unlokalisierbarkeit s. SCHMIDT 1998, S. 72 f. Nicht verifizierbar sind die Einordnungen WEINBERGERS, Formschnitte 1925, S. 3 5 - 3 8 .

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dem es sich um eine der am weitesten verbreiteten Bildprägungen dieser Heiligen gehandelt haben dürfte (vgl. Abb. 44). 185 Die Handschrift enthält ausschließlich Texte, die sich auf die hl. Katharina von Alexandrien beziehen. Den breitesten Raum nimmt eine Legende der Heiligen ein, deren Prolog auf fol. 2 r - also auf der dem Bild unmittelbar gegenüberliegenden Seite - mit dem Rubrum beginnt: Von der hochwirdigen iunckfrawen vnd trewen nothelferin sant Katherina, als ir leben vnd leiden nach ein ander, vnd dar nach ir groß zeichen vnd wunder, die der almechtig got, ir gemahel Ihesus Christus, durch iren willen getan hat. Das ist ein schone vorred,186

Am Schluß des Bandes folgt auf die Legende noch eine schöne lob red von sant Katherina. Der Holzschnitt wurde als eine Art Titelbild dem Buch vorangestellt, das allein der dargestellten Heiligen und Patronin des Klosters gewidmet ist. Während der ganze Text auf Papier geschrieben wurde, ist der Holzschnitt auf ein Pergamentblatt gedruckt. Schon dieses wertvollere Material zeigt - zusammen mit der vergleichsweise aufwendigen Kolorierung mit Wasser- und Deckfarben unter reichlicher Verwendung von Gold und Silber, die von professioneller Hand stammen muß - daß der Holzschnitt hier kein billiger Notbehelf ist; vielmehr zählt das Blatt zu den anspruchsvolleren Bildern, die zu dieser Zeit zur Illustration von Handschriften des Klosters verwendet wurden. Bilddrucke auf Pergament sind ein relativ seltenes Phänomen; die erhaltenen Exemplare, zu denen auch ganze Zyklen in Handschriften gehören,187 belegen die Differenzierung der Anspruchsniveaus eines Holzschnittes durch das Material. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang, daß dem Text dieser Handschrift im geistlichen Leben des Katharinenklosters eine besondere Bedeutung zugemessen wurde. Das Buch gehört zu den 53 Handschriften, die aus dem damals etwa 300 Bände umfassenden Bibliotheksbestand für die Tischlesungen ausgewählt worden waren. 188 Hasebrink betonte die Bedeutung des Kataloges der Tischlesungen - der im übrigen von Kunigund Niklasin, der Schreiberin des Bamberger Legendenbuches, in ihrer Eigenschaft als Buchmeisterin des Konvents verfaßt wurde - für die Kenntnis des Rezeptionsverhaltens im Katharinenkloster. 189 Das Pergamentblatt mit der Darstellung der hl. Katharina wurde, wie die Untersuchung der Lagenstruktur zeigt, nicht nachträglich eingeschaltet, sondern 185 Sehr. 1321b (Abb. 44) in der Handschrift Cent. VI, 43 n und Sehr. 1320b von der Bildtafel aus der Kirche des Katharinenklosters (s. u.). Daneben gehören zu dieser Kopienreihe die Blätter Sehr. 1321 (London, BM), Sehr. 1321c (Strasbourg, BNU), Sehr. 1322a (München, BSB, in Clm 12666 aus Kloster Ranshofen) und 1322b (München, BSB, in Clm 3112a aus Andechs) an; vgl. zu dieser Gruppe SCHMIDT 1998, S. 72 f. 186 Fol. 2 r . Der folgende Text ist eine Interpolation der Katharinenlegende aus dem Prosalegendar 'Der Heiligen Leben'; zu dieser Überlieferungsgruppe s. ASSION 1969, S. 82-94, Edition auf S. 5 1 3 - 5 8 8 ; WILLIAMS-KRAPP 1 9 8 6 , S. 3 4 3 , 4 2 6 .

187 Vgl. den Passionszyklus in der Benediktbeuerner Handschrift Cgm 105 und die Folge Sehr. 45 etc. (Kap. IV.3.2.). 188

HASEBRINK 1 9 9 6 , S. 2 0 5 m i t A n m . 5 2 .

189

HASEBRINK 1 9 9 6 , S. 2 1 3 - 2 1 5 .

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gehört zur ursprünglichen Konzeption der Handschrift. Es ist fest eingebunden und umschließt die erste Papierlage (s. u. Schemazeichnung). Der rechte Rand des Blattes bildet einen Umbug am Ende der Lage, an den als fol. 12 ein Papierblatt angeklebt ist; dieses ist mit fortlaufendem Text von Kunigund Niklasin beschrieben, was beweist, daß das Bildblatt schon zum Zeitpunkt des Schreibens für die jetzige Stelle der Lage vorgesehen war. fol. 6

fol. 7

Schema der ersten Lage der Handschrift Msc. hist. 154 mit Position des Holzschnitts Sehr ähnlich ist der Bildschmuck einer anderen Handschrift. Auch der 1445—48 im Kloster geschriebene Codex Cent. VI, 43 f der Stadtbibliothek Nürnberg enthält Legenden, hier der hl. Ursula und Birgitta. Wie in der Bamberger Handschrift ist vor dem Beginn des Textes ein Pergamentblatt mit aufgedrucktem ganzseitigem Holzschnitt eingebunden (Abb. 45). Entsprechend dem Inhalt der folgenden Legende stellt er die hl. Ursula dar; er ist von der gleichen Hand geschnitten wie die erwähnte hl. Katharina. Gegenüber dieser ist die Kolorierung der hl. Ursula deckender und selbständiger, sie nimmt kaum mehr Rücksicht auf die Binnenlinien des Holzschnittes. Vergleicht man die Anfange - d. h. die Doppelseite aus Bild und Textbeginn - der Bamberger Katharinen- und der Nürnberger Ursula-Legende, wird deutlich, daß in beiden Fällen nicht nur das gleiche Konzept vorliegt, sondern auch die Ausführung von den gleichen Händen stammt. Das Pergamentblatt mit dem Holzschnitt sitzt auch in der Nürnberger Handschrift fest im Lagenverband:

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fol. 7

fol.

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Schema der ersten Lage der Handschrift Nürnberg, Stadtbibliothek, Cent. VI, 43f Die Schreiberin des Textes war in beiden Fällen Kunigund Niklasin, die Buchmeisterin des Klosters. Auch die Initialen der Anfangsseiten beider Handschriften gehen auf die gleiche Hand zurück. Kunigund Niklasin beendete im Jahr 1448 den ersten und größeren Teil der Handschrift, der die UrsulaLegende und die Visionen der Elisabeth von Schönau über die elftausend Jungfrauen umfaßt. Ursprünglich sollte das Buch hier zu Ende sein, wie der Kolophon zeigt. 190 Der sich heute anschließende Teil, eine Legende und Gebete zur hl. Birgitta, ist schon 1445 datiert191; er wurde mit der drei Jahre später entstandenen Ursula-Legende zusammengebunden. Der Bamberger Codex von 1451 und der Kernteil des Nürnberger Bandes von 1448 sind also von der gleichen Schreiberin des Katharinenklosters nach dem gleichen Muster ausgeführte Legendenbücher, denen als Titelblatt je ein Holzschnitt der entsprechenden Heiligen vorgebunden wurde. Auch der in roter Tinte über den Holzschnitt der hl. Ursula geschriebene Name der Heiligen, der ebenfalls von Kunigund Niklasin angebracht wurde, belegt, daß dieser Bildschmuck zur ursprünglichen Planung gehörte, die vielleicht von der Schreiberin ausging. Die Datierungen des Textes sind deshalb auch als terminus ante quem für die Graphiken verbindlich. Weinberger schrieb die hl. Ursula mit Recht der gleichen Hand zu wie den Madonnenholzschnitt Sehr. 1087a in einer anderen Handschrift 190 Fol. 233 v : Das puch ist außgeschriben worden als man czalt nach vnsers lieben herren Ihesu Christi gepurt M°CCCC° vnd in dem CLVII1 [verbessert: XLVIII] jar, achttag noch vnsers heiling wirding vater sanetus Dominicus tag [ = 1 3 . August 1448]. Pit got vnd die heiling wirding junckfraw sant Vrsula vnd ir geselschaft für die Schreiberin, die das puch geschriben hat. 191 Fol. 384 v .

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des Katharinenklosters.192 Das Vorbild der Katharina in der Bamberger Handschrift kommt aus dem gleichen Kreis, der Schnitt ist dagegen in seiner schärferen Linienführung wohl nicht derselben Hand zuzuschreiben. Außergewöhnlich ist die sorgfältige Bemalung dieser beiden Holzschnitte. Ihre Qualität unterscheidet sie von den wenig präzisen und flächenhaften Kolorierungen mit Wasserfarben, die die meisten Blätter dieser Zeit aufweisen, etwa die Werke des Kartenmalers, der die Holzschnitte des 'Gulden puchlein' und weiterer Handschriften des Katharinenklosters weiterverarbeitet und vielleicht auch vertrieben hatte. Der Bemaler bzw. die Bemalerin der hl. Ursula dagegen nimmt die Linien des Drucks nur noch als Grundgerüst, das er durch die kräftigen Deckfarben fast vollständig verschwinden läßt. Er erzielt plastische Wirkungen durch Farbabstufungen und Schraffuren in dunkleren Tönen. Das Blatt ist die Arbeit eines Buchmalers, der anstelle einer Vorzeichnung einen Holzschnitt als Grundlage nahm. Auch der zweite Teil von Cent. VI, 43^ mit Texten über die hl. Birgitta, der an die Ursula-Legende angebunden wurde, besitzt ein eigenes Einleitungsbild. Vor dem Beginn der Legende der hl. Birgitta ist ein Holzschnitt dieser Heiligen (Sehr. 1292c, s. Umschlagbild) als fol. 236, das erste Blatt einer Lage, 193 an einen eingebundenen Falzstreifen aus Pergament angeklebt (s. Schemazeichnung auf S. 58). Dieser wurde jedoch erst beim Binden um die Lage geschlagen; das Bild war also nicht schon beim Schreiben dieses Handschriftenteiles im Jahr 1445 eingeplant, sondern wurde beim Zusammenbinden mit der Ursulalegende eingefügt. Nachdem dort, wie gezeigt, das Bild zur ursprünglichen Konzeption der Handschrift gehört, wurde der Holzschnitt der hl. Birgitta vermutlich in Anlehnung an das Titelbild des ersten Teiles hinzugefugt, als beide zusammengebunden wurden. 194 Die von einem getrennten Stock gedruckte Bordüre von Sehr. 1292c umgibt vier weitere Holzschnitte, die sich alle im 'Gulden puchlein' befinden. 195 Auch die Kolorierung dieser Blätter und der hl. Birgitta stammt von der gleichen Hand. Offensichtlich stammen alle diese Bilddrucke aus derselben Bezugsquelle. An dieser Stelle sei nochmals die Frage gestellt, wer für diese Art der Einfügung von Holzschnitten in die Handschriften verantwortlich gewesen sein mag. Die Konzeption scheint jeweils von Kunigund Niklasin ausgegangen zu sein. Einen sicheren Beweis dafür lieferte die Bamberger Katharinenlegende, bei der die Buchmeisterin schon beim Schreiben die Änderung der Lagenstruktur durch den später einzubindenden Titelholzschnitt berücksichtigte (vgl. Schemazeichnung S. 55). Vollendet wurde dieser Illustrationsplan letztendlich jedoch erst mit

192 Nürnberg, Stadtbibliothek, Cent. VI, 70, s. u. In beiden Blättern sah WEINBERGER, Formschnitte 1925, S. 37. Kopien unbekannter oberrheinischer Originale. 193 Die Lage (VI + l ) 2 4 8 . 194 Dem gleichen Darstellungstypus folgt das Tafelgemälde der hl. Birgitta vom Epitaph für Brigitte Topler (f 1483) aus der Kirche des Katharinenklosters; heute im Germanischen Nationalmuseum (Inv.-Nr. Gm 151, vgl. STRIEDER 1994, S . 198 u. Abb. 314). 195 Die beiden Kreuzigungen Sehr. 432 (Abb. 1) und 433 (Abb. 25), Christus in der Kelter Sehr. 843 (Abb. 22) und die Gregorsmesse Sehr. 1480 auf fol. lx v , 122r, 165r und 167r.

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der Bindung des Buches. Das gilt auch für die Ursula- und Birgitta-Legenden. Gebunden aber wurden die Codices der Dominikanerinnen nicht in ihrem Kloster, sondern in der Regel von den Brüdern des Predigerklosters - in der berühmten, von Conrad Forster geleiteten Buchbinderei. 196 Leider ist der originale Einband des Bamberger Katharinenbuches verloren; der rote Ledereinband der Ursula- und Birgitta-Legenden ist nicht gestempelt, doch dürfte er wie üblich der Werkstatt des Predigerklosters entstammen. Die Planung durch die Dominikanerin und die Ausfuhrung durch die Brüder läßt einmal mehr den intensiven Austausch zwischen den beiden Klöstern erkennen. Daß gerade Kunigund Niklasin Illustrationen plante, die diesen Kontakt erforderten, erklärt sich wohl nicht zuletzt aus ihrer Funktion als Buchmeisterin. fol. 242

fol. 243

Schema der Lage (VI+1)248 der Handschrift Nürnberg, Stadtbibliothek, Cent. VI, 43f Gerade diese beiden Legendenhandschriften mit den eingebundenen Titelbildern werfen aber weitere Fragen nach der Zusammenarbeit von Frauen- und Männerkloster auf. Die Textanfänge sind mit großen, neun- bis zehnzeiligen fleuronnierten Initialen geschmückt, die mit blauer und roter Deckfarbe sowie mehreren farbigen Tinten verziert sind. Die Buchstabenschäfte sind von Fabeltieren bewohnt. Genauso gestaltete Initialen mit der gleichen Ornamentik, Farbwahl und den gleichen Figuren von Fabeltieren finden sich nun aber auch in Handschriften Conrad Forsters. Zum Vergleich mit dem Anfangsbuchstaben der Bamberger Katharinenlegende sei etwa die Initiale von Conrad Forsters 1454 fertiggestellter Handschrift Cgm 361 der Bayerischen Staatsbibliothek genannt, die vom etwas zittrigen mehrfarbigen Fleuronnée bis zum Tiermotiv des Schaftes

196

V g l . SCHNEIDER 1 9 6 5 , S . X X X I I I ; KYRISS 1 9 4 0 , S . 8 1 .

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dieselbe Hand zeigt.197 Bescheidener, doch ebenfalls von dieser Hand ist die Initiale am Textbeginn des 'Gulden puchlein'. Dies läßt die Vermutung zu, daß Conrad Forster - der sich auch in seiner Buchbinderei um Schmuckformen und Schriftgestaltung bemühte - selbst der Maler dieser Zierbuchstaben war. Freilich ist auch die umgekehrte Möglichkeit, daß die Initialen von den Schwestern gemalt wurden - Forster also diese Handschriften zur Ausfuhrung der Zierbuchstaben ins Katharinenkloster sandte, um sie dann zurückzuholen und zu binden nicht auszuschließen. Es dürfte allerdings weniger wahrscheinlich sein, zumal für Cgm 361 keine Berührung mit dem Katharinenkloster nachgewiesen ist. Definitiv zu klären wäre diese Frage allerdings erst bei umfassenderer Kenntnis des Initialschmucks und seiner Produzenten bzw. Produzentinnen in den beiden Klöstern. Festzuhalten bleibt bis dahin, daß sich in den von der Buchmeisterin und dem Buchbinder geschriebenen Codices Initialen von der gleichen Hand finden, auch in zwei Handschriften, für welche die Buchmeisterin die Ausstattung mit Holzschnitt-Titelbildern ersann, um sie letztlich in der Buchbinderei vollenden zu lassen: Ein weiteres Beispiel für das Zusammenwirken von Frauen- und Männerkloster bei Buchproduktion und Buchschmuck. Etwa zur gleichen Zeit wie die beiden Legendenhandschriften wurde der Band Cent. VI, 56 der Stadtbibliothek Nürnberg im Katharinenkloster geschrieben (um 1446-47). Auch er enthielt einen - heute leider an falscher Stelle wieder eingefügten - Holzschnitt des Gnadenstuhls (Sehr. 74ld) als Einleitungsbild (Abb. 46). Er war ursprünglich als drittes Blatt (nach zwei unbeschriebenen Blättern) an einem Pergamentfalz angeklebt, wobei die Darstellung der ersten Textseite (fol. l r ) gegenüberstand.198 Auf dieser beginnt das erste Stück des Buches, eine Reihe deutscher Übersetzungen von Hymnen zum Heiligen Geist mit Kommentar. Die erste Seite beginnt mit dem Veni sanete spiritus. Kvm got, heiliger geist, erfölle die herezen diner gelevbigen,199 Als Titelbild für diese Texte wählte man den Holzschnitt der Trinität, der auch die Taube des Heiligen Geistes zeigt. Dies geschah schon bei der Zusammenstellung der Stücke vor dem Binden; es ist zu vermuten, daß der Pergamentfalz dabei schon in Hinblick auf den daran zu befestigenden Bilddruck eingefugt wurde. Die Handschrift Cent. VI, 52 der Stadtbibliothek Nürnberg zeigt, wie auch ein Text, der nicht im Katharinenkloster geschrieben worden war, dort zu einem Holzschnitt als Titelbild kommen konnte. Der erste Teil der Handschrift, der Traktat 'Vom geistlichen Aufsteigen der Seele' des Gerhard Zerbolt van Zutphen, ist ein Autograph des Übersetzers Egidius Schwertmann.200 Er war zunächst Bruder im Nürnberger Predigerkloster, spätestens seit 1454 Prior des Eichstätter

197 Cgm 361, fol. l r . In dieser Handschrift befand sich auch ein Kupferstich, s. Kap. II.1.5. 198 Das beweisen die Klebespuren am Falz zwischen fol. II und 1 sowie die alte Blattzählung 3, die rechts oben auf der Rückseite des Holzschnittes steht. 199 Chev. 21252; vgl. SCHNEIDER 1965, S. 184. 200

V g l . SCHNEIDER 1 9 6 5 , S. 1 6 4 .

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Predigerklosters201 und hatte die Handschrift den Dominikanerinnen geschenkt.202 Der Text war jedoch nicht vollständig und wurde im Katharinenkloster fertiggeschrieben, 203 wo dann auch verschiedene Predigttexte hinzugefügt wurden. Dies muß zwischen 1449, dem Datum einer der Predigten, und der Abfassung des Bibliothekskataloges (145 5-57), 204 in dem das Buch verzeichnet ist, geschehen sein. Beim Binden wurde auch der Holzschnitt eingefügt, der Arma Christi und simultan drei Passionsszenen zeigt - Pilatus, der sich die Hände wäscht, Christus am Kreuz und die Grablegung (Sehr. 930m, s. Abb. 47). 205 Für eine narrative Passionsdarstellung, als die das Blatt in der Literatur immer angesprochen wurde, wäre die Zusammenstellung dieser drei Stationen ungewöhnlich. Verständlich wird sie hingegen, wenn man sie als Verbildlichung eines Credo-Satzes begreift „gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben". Dieselbe Ikonographie und Anordnung der Szenen findet sich in den 'Symbolum apostolicum'-Blockbüchern als Illustration des vierten Glaubenssatzes. 206 Der Holzschnitt ist also der einzig erhaltene Teil einer Credo-Folge, im Unterschied zu den Blockbüchern ohne den Text und die zugehörigen Aposteldarstellungen. Parallelen sind etwa aus der Wandmalerei bekannt: So zeigt das entsprechende Bild der Credo-Illustrationen in Schaffhausen die gleiche Anordnung der Szenen bis hin zum Einbezug der Arma Christi im Hintergrund.207 Das Blatt wurde vor dem von Schwertmann geschriebenen Text Gerhard Zerbolts van Zutphen eingefugt. 208 Es klebte an einem Pergamentfalz, der wohl zu diesem Zweck eingebunden worden war. Voraus geht eine Lage von 12 Blättern, die beim Binden eingefügt wurde und bis auf ein unvollständiges Register auf fol. IIP" leer geblieben ist. Der Bezug zum nachfolgenden Text erschließt sich nicht, wie in den genannten Heiligenlegenden, gleich auf den ersten Seiten. Weder Passion noch Credo werden am Anfang behandelt. Doch spielt die

201 BOCK 1924, S. 183. Mehr ist über ihn bislang nicht bekannt; vgl. SCHNEIDER 1965, S. 164. Zu seiner literarischen Tätigkeit s. HONEMANN in 2 VL Bd. 8, Sp. 946 f. (dort auch die Hs. Cent. VI, 52 erwähnt, doch die falsche Jahreszahl 1474 für den Nachweis Schwertmanns als Prior in Eichstätt). 202 So die Notiz im Katalog der Kunigund Niklasin: Das vorgeschriben puch das erst teil hat uns der vater prior zu Aystet Egidius Swerstman gegeben... (MBK Bd. 111,3, S. 624). 203 Ab fol. 47 v . Zur Vollendung im Kloster vgl. MBK Bd. 111,3, S. 624. 204 Die zeitliche Eingrenzung 1455-61, von der PAUL RUF noch ausgehen mußte (MBK Bd. 111,3, S. 596-98) konnte SCHNEIDER 1965, S. XIII durch die Feststellung der Schreiberhand der Kunigund Niklasin und deren Todesdatum auf 1455-57 präzisieren. 205 Stilistisch fällt das Blatt aus dem Rahmen dessen, was sich, ausgehend von den Holzschnitten des 'Gulden puchlein', mit Nürnberg in Verbindung bringen läßt. WEINBERGER, Formschnitte 1925, S. 41 hält es für „oberrheinisch (?)". 206 Siehe SCHREIBER, Manuel Bd. 4, S. 239. Vgl. etwa die Darstellung der Ausgabe in Wien, ÖNB, Ink. 2. D. 42, fol. 4 r . 207 Das Wandgemälde stammt aus dem zweiten Viertel des 15. Jahrhunderts. Abgebildet bei JÜRGEN MICHLER, Gotische Wandmalerei am Bodensee, Friedrichshafen 1992, S. 99 Abb. 253. 208 Heute befindet sich das Blatt an der falschen Stelle. Nachdem es vor längerer Zeit herausgelöst worden war, wurde es im April 1992 wieder eingefügt-jedoch vor fol. I anstatt vor fol. 1. Der Charakter als Titelblatt für den Text Gerhard Zerbolts ist damit nicht mehr erkennbar.

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Leidensgeschichte später durchaus eine Rolle: Der Traktat Gerhard Zerbolts will zum mystischen Aufstieg der Seele anleiten. Dabei nimmt die Betrachtung des Leidens Christi eine zentrale Position ein. Auf fol. 50v beginnt eine Passionsbetrachtung, die die einzelnen Leidensstationen behandelt. Die entsprechende Anleitung findet sich auf fol. 55v: Wie ein andechtiger mensch in seinem aufsteigen sull betrachten daz leiden Cristi, also daz er durch die forcht vber sich steig, durch die hoffitung zu neme vnd durch die lieb got anhang vnd daz sein verstandnusß enczundt werde... Der Holzschnitt wurde also nicht als Credo-Illustration aufgefaßt - als solche ist sie ohne den vollständigen Zusammenhang auch schwer zu verstehen - sondern als Passionsdarstellung. Aus diesem Grund wurde sie dem Text vorangestellt. Etwa in dessen zweiter Hälfte wird die Bedeutung der Passionsbetrachtung als Mittel zum Aufsteigen der Seele entwickelt - an jener Stelle also, an der die Nürnberger Schwestern den von Egidius Schwertmann begonnenen Text fortsetzten.209 Deshalb trat den Klosterschreiberinnen die Bedeutung des Passionsteils stärker ins Bewußtsein, was vielleicht den Ausschlag zur Wahl eines Bilddrucks mit Leidensszenen als Einleitungsbild gab. Zur Passionsmeditation war das Bild ohne Zweifel geeignet. Es gibt nicht nur die Leidensstationen in lesbarer Folge wieder, sondern verbindet sie durch die verteilten Arma Christi und macht sie dadurch auch besser simultan wahrnehmbar. Die Arma sind keiner der einzelnen Szenen zugeordnet, sondern vergegenwärtigen zeichenhaft die gesamte Passion; ihre Verteilung fordert die Imagination über den Ausschnitt der erzählenden Szenenfolge hinaus.210 All diese Handschriften waren im Kloster geschrieben oder fertiggeschrieben worden, wobei spätestens bei ihrer Zusammenstellung vor dem Binden thematisch passende Holzschnitte an den Anfang gestellt wurden. Titelbildartig eingefügte Druckgraphiken enthalten noch zwei weitere Codices der Klosterbibliothek. Einer dieser Bände wurde schon erwähnt: An der Rückseite des PergamentVorsatzblattes der von Conrad Forster geschriebenen Handschrift Cent. VI, 43e der Nürnberger Stadtbibliothek war ein Metallschnitt der Madonna angeklebt (Sehr. 2497, s. Abb. 48). Wann er dort befestigt wurde - ob schon vom Schreiber, dessen Erfahrung in der Ausstattung von Handschriften mit Bilddrucken mehrere Handschriften beweisen, oder erst von den Dominikanerinnen, in deren Bibliothek das Buch schließlich gelangte211 - läßt sich nicht sagen. Zu den Texten des Buches steht er nicht in unmittelbarer Beziehung. Nachträglich wurde auch einer der bekanntesten Holzschnitte aus jener Zeit, das Fragment einer Madonna im Strahlenkranz (Sehr. 1048b), in ein Buch des Katharinenklosters eingefugt. Das große Blatt (heute 290 x 204 mm, ehemals jedoch noch größer) klebte vor seiner Ablösung212 auf dem ersten Blatt einer

209 Die Passionsbetrachtung beginnt fol. 50 v ; ab fol. 47 v ist sie von einer Hand des Katharinenklosters geschrieben. 210 Vgl. SUCKALE 1977, bes. S. 186-188, zu Anordnung und Rezeptionsweise von Arma Christi. 211 Wohl erst nach 1457, da es im Katalog der Kunigund Niklasin noch nicht verzeichnet ist. 212 Dann zur Graphiksammlung der Stadtbibliothek Nürnberg genommen.

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deutschsprachigen Historienbibel aus dem ersten Viertel des 15. Jahrhunderts. 213 Das Blatt war eine wichtige Stütze der These, daß im Katharinenkloster Zeugdrucke hergestellt wurde - sah man doch im großen Format und in dem ungewöhnlichen Druck in weißer Farbe auf grünem Papier den Übergang vom Stoffdruck zum Bilddruck auf Papier. 214 Wenn auch, wie unten zu zeigen sein wird, diese Theorie kritischer Überprüfung nicht standhält, so ist der Holzschnitt doch eines der technisch ungewöhnlichsten Blätter, die um diese Zeit entstanden sind. Die Historienbibel war nicht im Konvent geschrieben, sondern zusammen mit mindestens 25 weiteren Bänden von der wohlhabenden Witwe Katharina Tucher bei ihrem Eintritt ins Kloster 1433 mitgebracht worden. 215 Dort vermutlich wurde dann, entsprechend der Praxis der Ausstattung von im Kloster geschriebenen Codices mit Titelbildern, der Holzschnitt auf das erste Blatt geklebt. Zum Inhalt des Buches steht er in keiner Beziehung. Wichtiger war es offenbar, überhaupt ein Bild dort zu haben, verbunden mit der auch unabhängig von komplexeren Bezügen stets anzunehmenden Funktion als Andachtshilfe und grundlage. Die Herkunft der Historienbibel bezeichnet eine der wichtigen Quellen für den Reichtum der Bibliothek der Dominikanerinnen: Den Bücherbesitz von Nürnberger Bürgerinnen, die ins Kloster eintraten. Der Konvent bestand zum größten Teil aus Angehörigen der städtischen Oberschicht, der ratsfahigen Patrizier- und der sog. ehrbaren Familien. Etwa die Hälfte des Bibliotheksbestandes wurde im Kloster selbst geschrieben, die andere Hälfte aber kam durch Schenkungen und den Privatbesitz der Schwestern zusammen. 216 Die Sammlung der Katharina Tucher ist die größte Privatbibliothek, die so ins Katharinenkloster wechselte. Bisweilen erhielten die Bände, die auf diese Weise der Bibliothek eingegliedert oder von den Besitzerinnen privat weiter benutzt wurden - sie waren offenbar von dem seit der Reform des Klosters sehr streng gehandhabten Verbot des Privatbesitzes ausgenommen 217 - im Kloster nachträglich druckgraphischen Schmuck.

1.6.2. Holzschnitte in den Buchdeckeln Katharina Tucher brachte auch die Sammelhandschrift, die heute als Cent. IV, 31 in der Nürnberger Stadtbibliothek aufbewahrt wird, im Jahr 1433 ins Kloster. 218

213 Nürnberg, StB, Cent. V, 2; s. SCHNEIDER 1965, S. 63. 214 WEINBERGER, Formschnitte 1925, S. 16; s. u. die Diskussion seiner Thesen. 215 Laut Eintrag im Bibliothekskatalog, s. MBK Bd. 111,3, S. 600. Zum Bücherbesitz der Katharina Tucher s. SCHNEIDER 1983, S. 7 3 - 7 5 ; VOLKER HONEMANN, Die 'Epistola ad fratres de

Monte Dei1 des Wilhelm von Saint-Thierry. Lateinische Überlieferung und mittelalterliche T e x t z e u g e n ( M T U 6 1 ) M ü n c h e n 1 9 7 8 , S. 1 2 2 ; WILLIAMS - WILLIAMS-KRAPP 1 9 9 8 , S. 1 3 - 2 3

mit der neuesten Zusammenstellung sowie Angaben zur Person und Biographie. 216

SCHNEIDER 1 9 8 3 , S. 7 1 f.

217

V g l . PAUL RUF in M B K B d . 111,3, S. 5 7 9 .

218 Eintrag im alten Katalog (MBK Bd. 111,3, S. 601).

63

Dominikanerinnenkloster St. Katharina in Nürnberg

Dort wurde der Holzschnitt der Verkündigung 219 auf den vorderen Deckelspiegel, der mit Notizen und Federproben 220 bedeckt ist, geklebt (Abb. 49). Einen terminus ante quem gibt der Inhaltszettel, den die Buchmeisterin Kunigund Niklasin im Zuge ihrer Katalogisierungsaktion um 1455 unter dem Holzschnitt eingeklebt hatte. 221 Sie pflegte diese Zettel sonst in der Mitte der Deckelspiegel anzubringen, nahm hier jedoch auf das schon vorhandene Bild Rücksicht. 222 In ganz ähnlicher Weise wurde ein Madonnenholzschnitt (Sehr. 1087a) auf dem vorderen Deckelspiegel einer anderen von Katharina Tucher ins Kloster gebrachten Sammelhandschrift befestigt 223 (Abb. 50). Auch hier verrät der Inhaltszettel der Buchmeisterin, der über dem unteren Rand des Bildes klebt, 224 daß sich dieses schon vor der Katalogisierung im Buchdeckel befand. Die Holzschnitte dieser beiden Bände sind nicht nur mit den gleichen Farben und in der gleichen Weise koloriert, sondern wurden auch von derselben Hand geschnitten, wie etwa Gesichtsbildung, Faltenführung und die Formen der Gewandsäume zeigen. 225 Aufschlußreich für die Verwendung dieser Blätter sind die Nagellöcher, die an ihren Ecken zu beobachten sind. Sie lassen auf eine andere Verwendungsart vor der Einfügung in das Buch schließen. Zunächst denkt man dabei an eine Befestigung an der Wand. Doch spricht der geringe Durchmesser und die quadratische Form der Löcher dafür, daß die Nägel nicht ganz durchs Papier geschlagen waren. Denkbar wäre deshalb auch, daß man die Drucke damit nur vorsichtig auf einer Unterlage fixiert hat - vielleicht zusammen mit einem darüber gelegten Blatt, um sie abzupausen? Daß im Katharinenkloster Druckgraphiken abgepaust wurden, ließ ja schon die kolorierte Federzeichnung der hl. Agnes

2 1 9 Nicht bei SCHREIBER. Seine Entstehung vor 1433 ist ausgeschlossen, so daß er zweifellos erst im Kloster eingefugt wurde. WEINBERGER hielt den Holzschnitt für ein schlechter gedrucktes zweites Ex. von Sehr. 34b (Wien, Albertina, s. Abb. 21). Tatsächlich stammt der Druck jedoch von einem anderen Holzstock. Das Wiener Blatt ist eine Wiederholung nach dem gleichen Vorbild. Die Holzschnittbordüre der Wiener Verkündigung umgibt jedoch auch die nürnbergischen Holzschnitte Sehr. 987 und 1598 (beide im 'Gulden puchlein'); sie könnte deshalb ebenfalls in Nürnberg entstanden, zumindest gedruckt worden sein. 2 2 0 Ein Makulaturblatt, dessen Notizen u. a. über Schuldner aus der Oberpfalz wohl im Zusammenhang der Geschäfte ihres Mannes stehen dürften. Vgl. WILLIAMS- WILLIAMSKRAPP 1 9 9 8 , S. 1 5 .

221

Item an dem puch stet zu dem ersten: Das erst die X gepot. den heiligen. Dar nach von vnsers hern leiden.

222

V g l . SCHNEIDER 1 9 6 5 , S . 2 6 .

Dar nach vil schöner

sprüch

von

2 2 3 Nürnberg, Stadtbibliothek, Cent. VI, 70; geschrieben in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. 2 2 4 Item an dem puch Stent die epistel vnd ewangelio durch das gancz ior vnd die IIII paßio an ir stat. Dar nach Stent die episteln vnd ewangelio von den heiligen. 225 Der Vergleich der Madonna mit einem Werk der Nürnberger Tafelmalerei wie der hl. Cäcilie vom linken Seitenflügel des Cadolzburger Altars (Abb. 51, Berlin, Jagdschloß Grunewald, Inv.-Nr. GK 8997; gestiftet von dem Nürnberger Burggrafen Friedrich VI., der sich 1 4 2 6 1440 auf die Cadolzburg zurückgezogen hatte) erweist so große Ähnlichkeiten im Aufbau der Figur und der Gestaltung des Gewandes, daß man nicht, wie WEINBERGER, Formschnitte 1925, S. 19 u. 37 ein oberrheinisches Vorbild postulieren muß, sondern auch eine nürnbergische Vorlage denkbar ist. D o c h sind diese Faltenformeln um diese Zeit in Süddeutschland so allgemein verbreitet, daß eine sichere Lokalisierung nicht möglich ist.

Druckgraphik in süddeutschen Klosterbibliotheken

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im 'Gulden puchlein' vermuten, die sich als exakt liniengetreue Kopie nach einem Holzschnitt erwies (Abb. 17, 18). Weder die Verkündigung noch die Madonna stehen in konkreter Beziehung zu den Texten der Handschriften, in denen sich nichts explizit Mariologisches findet. Doch war die Verkündigung in jedem Fall ein geeignetes „Eingangsbild" - steht sie doch am Beginn der Erlösungsgeschichte, weshalb sie auch von anderen Schreiberinnen als Eröffnungsbild von Handschriften verwendet wurde. 226 Der Holzschnitt des Jesuskindes im Heiligen Herzen vor dem Kreuz und den fünf Wunden (Abb. 52) 227 läßt sich unmittelbarer mit den Texten der Handschrift Cent. VI, 81, auf deren vorderem Deckelspiegel er klebte, in Verbindung bringen. 228 Das erste Stück ist Heinrich Seuses 'Büchlein der ewigen Weisheit'. Zum einen wird darin das Herz Jesu als Ort der Liebe Christi angesprochen. 229 Die Verehrung des Herzens Jesu hatte im Dominikanerorden, vor allem in den reformierten Frauenklöstern, einen hohen Stellenwert.230 Zum anderen beginnt der Text mit der Klage des Predigerbruders, der vor dem Kruzifix steht und nicht zur rechten Betrachtung der Marter Christi finden kann. 231 Der Holzschnitt - ein Andachtsbild, das auf der einen Seite die Passion Christi zeichenhaft konzentriert, auf der anderen die Kindlichkeit (d. h. Menschlichkeit) ausdrückt und sich überdies auf den Gedanken der Geburt Jesu im Herzen des Gläubigen bezieht 232 - mag auch in Hinblick auf diese Thematik eingeklebt worden sein. Auch diese Handschrift gehörte zur Büchersammlung der Katharina Tucher. 233 Das Blatt ist kaum vor der Mitte des Jahrhunderts zu datieren; vermutlich kam es also erst in das Buch, nachdem dessen Erstbesitzerin 1448 verstorben war. 234 Die anderen Holzschnitte, die ihre Bücher schmücken, dürften kurz vor 1450 entstanden sein. Der Holzschnitt der Madonna in Cent. VI, 70 stammt aus 226 So etwa von der Inzigkofener Priorin Anna Jäck in ihrer Handschrift der Vita Christi, s. Kapitel II.2. 227 Nicht bei SCHREIBER. SCHNEIDER 1965, S. 221, hielt den Holzschnitt für ein unbeschriebenes Exemplar von Sehr. 801 (London, BM, und Zürich, ETH). Doch handelt es sich um gleichseitige Wiederholungen desselben Motivs, die von verschiedenen Holzstöcken gedruckt sind. Deutlich verschieden ist z. B. die Gestaltung der Wolken über den Füßen, die im Vergleich zu Sehr. 801 ein Mißverstehen der Vorlage verrät. Näher steht das Nürnberger Blatt dem Holzschnitt Sehr. 801a (Paris, BN), auf dem die Wolken ähnlich gestaltet sind; doch auch dieser ist von einem anderen Holzstock gedruckt. 228 Das Blatt war abgelöst, doch im April 1992 auf einem neuen Blatt am Deckelspiegel wieder angeklebt worden. 2 2 9 Zu Seuses Herz-Jesu-Verehrung s. RlCHSTÄTTER 1 9 2 4 , S. 1 0 8 f. 230 Vgl. MEDARD BARTH, Die Herz-Jesu-Verehrung im Elsaß vom 12. Jahrhundert bis auf die Gegenwart,

Freiburg

i. Br.

1928,

S.

57-64;

RICHSTÄTTER

1924,

S.

95-117,

S.

205;

HAMBURGER 1 9 9 7 , S. 1 0 1 - 1 7 5 .

231

Vgl. Seuse, ed. BIHLMEYER 1907, S. 196 f.

232 Zur Bedeutung der 'infantia Christi' in der Nonnenliteratur und -kunst vgl. VAVRA 1985, S. 206-221, mit weiterer Literatur. Zur komplexen Interpretation des um das Kind erweiterten Fünf-Wunden-Bildes s. JEAN WIRTH, in: GEISSMAR-BRANDI - L o u i s 1995, S. 148 f.; vgl. auch

H. RAHNER, Die Gottesgeburt. Die Lehre der Kirchenväter von der Geburt Christi im Herzen des Gläubigen, in: Zeitschrift für katholische Theologie 59, 1935, S. 3 3 3 ^ 1 8 . 233 Eintrag im alten Katalog, s. MBK Bd. 111,3, S. 615. 234

WÜRFEL 1 7 6 9 , S. 3 0 .

Dominikanerinnenkloster St. Katharina in Nürnberg

65

der gleichen Werkstatt wie die hl. Ursula, die 1448 oder kurz danach in die Handschrift Cent. VI, 43 ^ eingefügt worden war. Die Bordüre des Holzschnittes Sehr. 34b, der die selbe Vorlage wie die Verkündigung in Cent. IV, 31 sehr genau wiederholt, war um 1450 in Verwendung. Das belegt die Verwendung anderer Holzschnitte mit diesem Holzschnittrahmen im 'Gulden puchlein'. Lediglich die halbfigurige Madonna aus Cent. V, 2 könnte etwas älter sein; doch deutet alles darauf hin, daß dieses Blatt seine erheblichen Beschädigungen schon aufwies, als es in das Buch geklebt wurde. Vermutlich handelt es sich um eine Zweitverwendung. So läßt sich der Zeitpunkt der Einfügung der Bilddrucke zwischen etwa 1448 und 1455 (s. die Inhaltszettel der Kunigund Niklasin) 235 eingrenzen. Ein Zusammenhang mit dem Tod der Katharina Tucher im Jahr 1448 liegt nahe. Wahrscheinlich wurden die Bände mit gedruckten Bildern ausgestattet, als sie danach aus dem privaten Bücherbesitz der Schwester in die Bibliothek des Klosters übergingen. Eine andere Handschrift belegt, daß nicht nur die Bücher von Schwestern, die starben, sondern auch von solchen, die ins Kloster eintraten, zu jener Zeit mit Holzschnitten ausgestattet wurden. So brachte Ursula Hoschlin einen Sammelband mit, 236 auf dessen vorderen Deckelspiegel ein Holzschnitt der hl. Katharina geklebt wurde (Abb. 44). Er ist um die Mitte des Jahrhunderts entstanden und gehört zu der Kopiengruppe, von der sich insgesamt noch drei Ausführungen im Besitz der Dominikanerinnen nachweisen lassen (s. o., vgl. Abb. 43). Nachdem keiner der Texte des Buches in irgendeinem Bezug zu dieser Heiligen steht, 237 liegt die Annahme nahe, daß die Wahl des Bildgegenstands auf das Patrozinium des Klosters rekurriert, in das Ursula Hoschlin mit diesem Buch eingezogen war. 238 Eine Ausnahme unter den Handschriften mit Druckgraphiken, die in die Vorderdeckel eingeklebt wurden, ist der Band Cent. VII, 21 der Stadtbibliothek Nürnberg. Er ist der einzige in dieser Gruppe, der nicht als Privatbesitz einer Schwester ins Kloster kam, sondern dort selbst geschrieben wurde. 239 Auf dem vorderen Spiegel wurde ein wohl in Nürnberg entstandener Holzschnitt mit der Darstellung des Todes der hl. Klara angebracht (Abb. 53). Eine Beziehung 235 Siehe SCHNEIDER 1965, S. 26 zum Datum der Einfügung der Inhaltszettel. 236 Nürnberg, Stadtbibliothek, Cent. VI, 43 f . Wann Ursula Hoschlin ins Kloster aufgenommen wurde, ist nicht bekannt. WÜRFEL 1769, S. 28 verzeichnet sie als 1495 verstorben. Da die Handschrift um die Mitte des 15. Jahrhunderts entstanden ist (s. SCHNEIDER 1965, S. 118) und von ihr mitgebracht wurde (s. MBK Bd. 111,3, S. 617 f.), läßt sich nur sagen, daß sie nach der Mitte des 15. Jahrhunderts eingetreten sein muß. 237 Er enthält Standardstücke der Erbauungs- und Unterweisungsliteratur wie den 'Stimulus amoris', Heinrich Seuses 'Büchlein der ewigen Weisheit' und die Dekalog-Auslegung des Marquard von Lindau. 238 Der Zeitpunkt der Einklebung ist zwar nicht genau zu bestimmen; doch ist es unwahrscheinlich, daß ein Bilddruck, der um die Jahrhundertmitte entstanden ist, im Katharinenkloster allzu lange unbenutzt blieb. Die große Phase der Einfügung von Holzschnitten dauerte nur vom Ende der 40er bis in die 50er Jahre des Jahrhunderts. 239 Etwa um 1460; sie muß auf jeden Fall vor 1469 entstanden sein (s. DE TROEYEN in 2 V L Bd. 3, Sp. 1 1 3 0 ) .

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Druckgraphik in süddeutschen Klosterbibliotheken

zwischen dem Gegenstand des Bildes und dem Inhalt des Buches ist nicht auf den ersten Blick zu erkennen. Dabei ist zu bedenken, daß die Sterbende mangels deutlicher Attribute wohl auch von den Benutzerinnen des 15. Jahrhunderts nicht sofort als hl. Klara identifiziert werden konnte. Klar erkennbar ist zunächst nur der Tod einer heiligen Ordensfrau mit drei weiteren weiblichen Heiligen. Ob die für den Buchschmuck verantwortliche Schwester beim Einkleben des Bildes an dieser Stelle eventuell an die im Text - Hendrik Herps 'Spiegel der Vollkommenheit' 240 - behandelten 12 Tode dachte, kann höchstens vermutet werden. Der Titel, der dem Text im Inhaltsverzeichnis auf fol. l r - dem Holzschnitt unmittelbar gegenüber - gegeben wurde, lautet: Item an dem puchlein stet von XII sterben vnd dornach von einem volkumen wurckenden leben. Mit dem sterben meinte Hendrik Herp allerdings nicht den leiblichen Tod, wie er auf dem Holzschnitt dargestellt ist, sondern das Absterben der Laster, das erst das vollkommene Leben ermöglicht. Für die Verwendung des Blattes im Katharinenkloster war wohl auch die Tatsache von Bedeutung, daß eine der Frauen am Sterbebett die hl. Katharina ist. Ob die Wahl der Darstellung auf die Schreiberin zurückgeht, welche die Handschrift vollendete und deren Namenspatronin die dargestellte Heilige war - die Schwester Klara Keiperin241 - kann nur spekuliert werden. Sie war nicht nur die wichtigste Schreiberin des Klosters neben Kunigund Niklasin, die ja für die Graphikausstattung mehrerer Codices gesorgt hatte, sondern folgte dieser auch im Amt der Buchmeisterin nach. 242

1.6.3. Eingebundene

Illustrationen

Das British Museum besitzt ein Brevier, in das 17 beidseitig mit Holzschnitten bedruckte Pergamentblätter eingebunden sind 243 Scharfsinnig hatte Dodgson 1903 die Provenienz des Buches aus dem Nürnberger Katharinenkloster erkannt. 244 Denn auf den Dominikanerorden weist die Hervorhebung der entsprechenden Heiligen im Kalender sowie die Miniatur des hl. Dominikus. Daß es sich um ein Frauenkloster handeln muß, zeigen die weiblichen Formen in den Rubriken. 245 Die Hervorhebung der hl. Katharina im Kalender und die besondere Verehrung dieser Heiligen, die etwa die von späterer Hand am Ende des Buches

240 Zur oberdeutschen Übertragung des Textes in dieser Handschrift s. DE TROEYEN in 2 V L Bd. 3, Sp. 1130. 241 Von ihr stammen die Seiten fol. 166 r -198 r . 242 Sie war 1447 ins Kloster eingetreten und starb dort 1498. 18 Handschriften, ganz oder teilweise von ihrer Hand, sind nachzuweisen. Sie führte den Katalog fort und versah viele Bücher mit Bibliotheksvermerken. Zu ihrer Tätigkeit s. SCHNEIDER 1965, S. XXIX. 243 Department of Prints and Drawings, Signatur 158* b.3, Inv.-Nr. 1890-10-13-54. 244

DODGSON 1 9 0 3 , B d . 1, S. 1 3 8 f.

245 So etwa die Anweisung auf fol. 59 v : So man die disciplin nympt der convent spricht: confiteor. Die wochnerin: misereatur... (Die wochnerin: Nonne, die Wochendienst hat, vgl. SCHMELLER Bd. 2,2, Sp. 836). Eine Hymne, die am Ende des Buches (fol. 355 v ) nachgetragen ist, läßt auf eine weibliche Beterin schließen (ora pro me peccatrice).

Dominikanerinnenkloster St. Katharina in Nürnberg

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nachgetragene Hymne bezeugt,246 läßt auf ein entsprechendes Patrozinium schließen. Schließlich wird durch die Heiligen des Bistums Bamberg (Heinrich, Kunigunde, Otto) und die Nürnberger Lokalheiligen (Sebald und Lorenz), die im Kalender herausgehoben sind, evident, daß das Brevier nur für das Nürnberger Dominikanerinnenkloster gefertigt sein kann. Die Abfassungszeit muß um 1461, dem Jahr der Heiligsprechung der Katharina von Siena, liegen. Denn diese Dominikanerheilige kommt weder im Kalender noch in den von der ersten Hand geschriebenen Texten vor, während sie in einem Einschub von der zweiten Hand bereits erwähnt wird. 247 Die Schreiberhände sind keine des Katharinenklosters. Wie die meisten ihrer lateinischen Breviere ließen die Schwestern auch dieses anderswo schreiben. 248 Auf die Anforderungen für den Gebrauch im Frauenkloster wurde dabei mit volkssprachigen Rubriken Rücksicht genommen. Vermutlich gaben die Schwestern nach der ihnen vertrauten Praxis auch die Ausstattung mit Holzschnitten in Auftrag - oder ihre geistlichen Betreuer aus dem Predigerkloster produzierten sie. Die Bildblätter sitzen fest im Lagenverband, wurden also als integraler Bestandteil der Handschrift mit eingebunden (s. Schemazeichnung auf S. 68). Die Holzschnitte sind auf Pergamentblätter gedruckt, die das gleiche vorgezeichnete Liniennetz249 tragen wie die Textblätter (s. Abb. 54). Es handelt sich also um Beschreibstoff aus dem Skriptorium, in der die Handschrift gefertigt wurde. Das läßt darauf schließen, daß die Bilddrucke nicht irgendwo gekauft wurden, sondern der Druck auf dem eigenen Material von der Schreibwerkstatt in Auftrag gegeben wurde. Dabei verwundert jedoch die Tatsache, daß die Anordnung der Bilder so wenig auf die Erfordernisse des Textes abgestimmt wurde. Denn bei den zweiseitig bedruckten Blättern können nur selten beide Darstellungen zur umgebenden Textstelle passen; am wenigsten die Heiligenbilder. Keine gründliche Koordination der Bildfolge mit der Textfolge ist erkennbar. Bei den 24 Darstellungen aus der Vita Christi befinden sich jeweils aufeinanderfolgende Szenen auf Vorder- und Rückseite eines Blattes. 250 246 Hymne zur hl. Katharina auf fol. 355 v . 247 1461 kann also nicht der terminus ante quem für die Einfügung der Holzschnitte sein, wie DODGSON 1903, Bd. 1, S. 139 meinte. Er sah in den Texten der zweiten Hand eine wesentlich spätere Zutat, was jedoch nicht haltbar ist. Die Holzschnitte kamen sicher erst in das Buch, als alle Stücke beendet waren und zusammengebunden wurden, d. h. nach 1461. 248 In der Stadtbibliothek Nürnberg sind noch 14 Breviere aus dem Katharinenkloster erhalten, zum großen Teil mit deutschen Rubriken (Cent. IV, 84; IV, 98; V, 6; V, 32; V, 33; VI, 63; VI, 66 (fraglich); VI, 95; VII, 4; VII, 6; VII, 18; VII, 19; VII, 36; VIII, 17). Sicher von einer Schwester geschrieben ist nur Cent. V, 33 (Kunigunde Holzschuhin, s. NESKE 1987, S. 59). Das mag mit dem Mangel an lateinkundigen Schreiberinnen zusammenhängen. Zwar sind für einige der Schwestern gute Lateinkenntnisse bezeugt, so etwa für Klara Keiperin, Margareta Kartäuserin, die „4. Hand" und die „9. Hand" (SCHNEIDER 1965, S. XIX, XXVI, XXVIII f.); doch war das wohl nicht die Regel. Eine differenzierte Betrachtung des Problems von Latein und Deutsch in Dominikanerinnenklöstern bei OCHSENBEIN 1992, zum Katharinenkloster vgl. NIKOLAUS HENKEL, Eine deutsche Apokalypse des 15. Jahrhunderts. Ein Fundbericht, in: Vestigia Bibliae 9/10, 1987/88, S. 172-180, dort S. 179. 249 In den Abmessungen, Farbe und Art des Strichs identisch. 250 Lediglich bei den Holzschnitten von fol. 105 unterlief ein Fehler, als das Bild der Kreuzannagelung mit dem der Fußwaschung kombiniert wurde.

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Druckgraphik in süddeutschen Klosterbibliotheken

Wenn dies auch das naheliegendste und einfachste Anordnungsprinzip ist, das sich etwa für Gebetszyklen eignete (vgl. Kap. IV.3.), so war es doch nicht für die Illustration des Breviers geeignet, das keinen längeren zusammenhängenden Passionstext bietet. Das Problem, das der beidseitige Druck bei mangelnder Koordination der Szenenfolge bereitete, offenbart sich etwa bei dem Blatt mit den Darstellungen des Noli me tangere und der Ausgießung des Hl. Geistes (fol. 134 r/v ). Der Holzschnitt auf der Verso-Seite paßt zwar zu den Texten zum Pfingstsonntag, die auf fol. 135 folgen, doch fehlt dem Bild der Recto-Seite jeder Bezug. Nach welchen Prinzipien die Darstellungen der einzelnen Heiligen zusammen abgedruckt wurden, ist noch unklarer. Die hier gewählten Kombinationen finden keine Entsprechung z. B. im Ablauf des Festkalenders.251 fol. 13

fol. 14

Schema der zweiten Lage (V+2)19 der Handschrift 158* b.3 So lassen sich unmittelbare Bezüge zwischen Text und Bild nicht immer erkennen. Die Szenen der Verkündigung und Heimsuchung (fol. nach dem Kalender unmittelbar am Beginn des Breviers eingebunden, illustrieren keine konkrete Textstelle, doch sind sie als Moment der Menschwerdung Christi und Beginn des Neuen Bundes an dieser Stelle verständlich. Das übernächste Bildblatt mit der Geburt Christi und Anbetung der Könige (fol. 28 r / v , Abb. 54) steht am Anfang des 'Cursus de beate virgine Marie'; der Text auf der Seite vor und nach den Holzschnitten ist Psalm 94 (Venite exultemus...), der auf die Anbetung der Könige bezogen werden konnte. Das Blatt mit den Holzschnitten der Madonna und der Marienkrönung (fol. Abb. 56) steht thematisch richtig am 251 Bei der Madonna im Strahlenkranz mit der Marienkrönung auf der anderen Seite (fol. 62) bereitet die Kombination keine Probleme, ebensowenig bei den beiden Johannes' (fol. 260). Die Verbindungen Katharina-Agnes (fol. 17), Petrus u. Paulus-Hieronymus (fol. 255) und Elisabeth-Ursula (fol. 272) sind weniger einsichtig.

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Anfang des Abschnitts, der unter der Rubrik Zu dem advent von vnser lieben firawen Antiphonen, Hymnen und Gebete zur Gottesmutter enthält. Die folgenden Passionsholzschnitte scheinen dagegen willkürlich über das Buch verteilt zu sein; ihre Anordnung ist im großen und ganzen chronologisch,252 doch Bezüge zu den unmittelbar umgebenden Texten sind hier kaum mehr zu finden. Die mangelnde Koordination läßt zusammen mit der Tatsache, daß die Bilder auf vorliniierten Handschriftenblättern abgedruckt wurden, darauf schließen, daß die Schreiber bzw. Schreiberwerkstatt ihr eigenes vorbereitetes Pergament zum Bedrucken an die Werkstatt gaben, die im Besitz der Holzstöcke war, doch keine genaueren Vorgaben zur Anordnung der Bilder machten bzw. noch keine machen konnten - anders als etwa der Schreiber Hanns Lidrer, der präzise Druckanweisungen auf den entsprechenden Seiten seiner Kopie des 'Gulden puchlein' anbrachte (s. o.). Die Holzschnitte des Breviers sind, wie die stilistische Untersuchung zeigt, vermutlich in Nürnberg entstanden.253 Alle sind Unika - nur von der Vermählung der hl. Katharina existiert ein zweites Exemplar: eingebunden in ein Gebetbuch des Katharinenklosters (Abb. 57, 58).254 Die Produkte der Nürnberger Werkstatt, die über die Holzstöcke verfugte, waren den Schwestern also durchaus bekannt. Sie erwarben dort offenbar selbst Bildmaterial für ihre eigene Illustrationsarbeit.

1.6.4. Beim Schreiben integrierte

Holzschnitte

Alle bislang erwähnten Bilddrucke in Handschriften, die im Katharinenkloster entstanden, sind eingebunden oder eingeklebt. Die besprochenen Bücher der Klosterbibliothek, in welche die Holzschnittillustrationen unmittelbar beim Schreiben des Textes integriert wurden - Cent. V, App. 81 und das 'Gulden puchlein1 - sind von Predigerbrüdern geschrieben. Doch diese Form der Ausstattung mit Graphik praktizierten auch die Schwestern selbst. Als Fragment einer solchen Handschrift konnte ein Holzschnitt identifiziert werden, der sich als

252 Abgesehen von fol. 95 (mit den Holzschnitten Einzug in Jerusalem und Abendmahl) sowie fol. 124 (mit Ölberg und Verrat), die an falscher Stelle eingefügt wurden. 253 S. u. im Verzeichnis der Handschriften. 254 Nürnberg, StB, Cent. VII, 67. Das Buch muß vor 1471, als die Schwester Gertraud Tetzlin ihren Besitzvermerk in den Vorderdeckel schrieb, beendet gewesen sein. Die erste Lage stammt von der eigenen Hand dieser Schwester, die es ins Kloster brachte. (Zu ihrer Schreibtätigkeit SCHNEIDER 1965, S. XXXII). Der Holzschnitt war vorher schon in einem anderen Zusammenhang - wohl in einer anderen Handschrift - verwendet worden, wie die abgeschnittene Rahmung und der Falz am rechten Rand zeigen. Der aus diesem Grund nicht mehr sehr stabile Holzschnitt wurde an der Rückseite mit einem Rahmen von Pergamentstreifen stabilisiert, bevor er gegenüber einem Gebet zur hl. Katharina in der Lagenmitte eingebunden wurde. - Unterschiede im Zustand der Holzstöcke beim Abdruck des Londoner und Nürnberger Exemplars sind nicht festzustellen. Kleine Fehlstellen der Linien des Londoner Blattes sind auf den schlechteren Druck zurückzuführen.

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Druckgraphik in süddeutschen Klosterbibliotheken

Einzelblatt in der Guildhall Library in London befindet (Abb. 59). 255 Er zeigt die Ölbergszene und dürfte um 1440 nach einem älteren, wohl oberrheinischen Vorbild entstanden sein. 256 Bislang war die Tatsache völlig unbeachtet geblieben, daß sich auf der Rückseite handschriftlicher Text befindet, der zeigt, daß das Blatt aus einer deutschsprachigen Handschrift des 15. Jahrhunderts herausgeschnitten wurde (Abb. 61). Am linken Rand ist die Begrenzungslinie des Spaltengerüstes zu sehen; dies beweist, daß es sich nicht um ein zufällig beschriftetes Einzelblatt, sondern um ein Handschriftenfragment handelt. Bei dem Text handelt es sich um Teile einer Gebetsanweisung257 und eines dialogartig aufgebauten Traktats über die Liebe Gottes. 258 Sie sind von zwei verschiedenen Händen geschrieben. Die obere davon ist eindeutig als die einer Schwester des Katharinenklosters zu bestimmen. Es ist die namentlich nicht identifizierbare „3. Hand", die um 1440-50 in acht Handschriften der Klosterbibliothek und verschiedenen Textergänzungen nachweisbar ist (Abb. 62). 259 Da sich der Text direkt auf der Rückseite des Bildblattes befindet, muß der Holzschnitt unmittelbar auf die Buchseite gedruckt (wie etwa in Hanns Lidrers Marienleben) oder aber das Bild eingebunden und mit dem Spaltengerüst der Handschrift versehen worden sein. Vermutlich war es eine Sammelhandschrift, die auch Gebete enthielt. Zwischen den beiden Textstücken auf dem Blatt besteht kein Zusammenhang; der zweite Teil scheint ein Nachtrag zu sein, der nach dem Ende der Gebetsanweisung bezuglos angefügt worden war. In einer Handschrift der Stadtbibliothek Nürnberg hat sich ein Holzschnitt noch an der Stelle erhalten, an der er in den Text eingebaut worden war. Der Band Cent. VI, 60 wurde etwa 1450-60 von Schwestern des Katharinenklosters geschrieben und enthält im ersten Teil den Passionstraktat des Heinrich von St. Gallen, einen der populärsten Texte des 15. Jahrhunderts zur Betrachtung des Leidens Christi 260 Auf fol. 26 r klebt ein Holzschnitt, Christus am Kreuz zwischen Maria und Johannes darstellend (Abb. 28). 261 Die Schreiberin ließ die untere Hälfte der Seite für den Holzschnitt frei und setzte den Text auf der nächsten Seite fort. Vermutlich stammt auch das einfache Rankenornament auf dem

255 Sehr. VIII *209a; Inv.-Nr. Ws. I. 9 (a). Eine gleichseitige Variante ist Sehr. 213 in Washington, NGA (Abb. 60). Dieses Blatt gehört zum Rest (fünf Blätter) einer der ältesten erhaltenen Passionsfolgen (früher Maihingen, (Dettingen-Wallersteinsche Sammlung); das Blatt wurde aus dem Deckel eines leider nicht mehr zu identifizierenden Gebetbuches des 15. Jahrhunderts gelöst. 256 Zur stilistischen Einordnung s. u. Verzeichnis der Handschriften. 257 Sie weist verschiedene Gebete, darunter 3 Pater noster, den Seelen der Verstorbenen, den Wunden und dem Blutvergießen Christi sowie der Barmherzigkeit Gottes zu. 258 Der Text (Nu sprichst oder fregstu vileicht, waz die lieb gotes sey...) erinnert an die Traktate Marquards von Lindau (z. B. dessen Buch der zehn Gebote, vgl. die Ausgabe von JACOBUS WILLEM VAN MAREN, Amsterdam 1 9 8 4 ) . Identifizieren ließ sich der Text noch nicht; ich danke Karin Schneider für ihren Rat. 259 Zu dieser Schreiberin s. SCHNEIDER 1965, S. XXV. 260 RUH 1980, S. 584. 261 Sehr. VIII *458a, ohne dieses Ex.; SCHREIBER kannte nur das Ex. in London, Guildhall Library. Nicht Sehr. 459a, wie bei SCHNEIDER -ZIRNBAUER 1965, S. 208 zu lesen ist.

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breiten Papierrand der Graphik, das mit Feder und der gleichen roten Tinte verziert ist, in der auch die Rubrik darüber geschrieben ist, von ihrer Hand. 262 Die Textstelle ist gut gewählt: Mit der Rubrik, die sich unmittelbar über dem Bild befindet - Hye hebt sich an die marter Cristi dis kreuczigsten herren - beginnt der Abschnitt des Passionstraktats, der die eigentliche Leidensgeschichte behandelt; 263 sie setzt auf der nächsten Seite (fol. 26 v ) mit einer Erinnerung an die zwelff ding, die im besunder marter haben geben,264 ein. Der Holzschnitt wurde als Einleitungsbild zur Passion verstanden. Ein zweites Exemplar dieser Kreuzigungsdarstellung befindet sich als Einzelblatt in der Guildhall Library in London (Abb. 29) 265 Die Untersuchung der Rückseite ergab, daß der Holzschnitt aus einer 1457 datierten Handschrift stammt.266 Auch wenn die Schreiberhand keine des Katharinenklosters ist,267 gibt es doch eine interessante Übereinstimmung mit dem anderen Exemplar, das von einer Dominikanerin in den Passionstraktat des Heinrich von St. Gallen geklebt wurde: Die Kolorierung stammt von der gleichen Hand. Und diese ist wiederum identisch mit der, welche die Holzschnitte des 'Gulden puchlein' bemalt hatte. Frater Steffanus, der Schreiber des Gebets auf dem Londoner Blatt, oder seine Ordensbrüder bezogen ihren Buchschmuck vom gleichen Briefmaler, bei dem sich die Brüder und Schwestern des Nürnberger Dominikanerordens einen großen Teil ihres druckgraphischen Illustrationsmaterials besorgten. 268

1.6.5. Ordnungsbuchstaben

als Hilfsmittel zur

Koordination

In der Handschrift Will II, 19.8° der Stadtbibliothek Nürnberg kleben Holzschnitte einer in Schreibers Handbuch nicht verzeichneten weiteren Folge der 'Gulden puchlein-Gruppe'. Erwähnt wurden sie nur von Schneider und Zirnbauer, die die Blätter in ihrem Handschriftenkatalog von 1965 als Exemplare der gleichen Holzschnittfolge bezeichneten, die oben als Folge A des 'Gulden puchlein' beschrieben wurde. 269 Doch die genaue Untersuchung zeigt, daß sie

262 Von ihrer Hand auch die Lagensignatur a ii mit dem eigenartigen Doppelpfeil unter dem Holzschnitt. Es ist der Beginn der dritten Lage (VI 3 7 ). 263 Vor dieser Stelle geht es in dem Traktat um das Wirken Jesu bis zum letzten Abendmahl. 264 In der Edition von RUH 1940, S. 30, Z. 30 ff. 265 Inv.-Nr. Ws. I. 11. 266 Er klebt auf einer aus einer Handschrift herausgeschnittenen Seite. Vorne unter dem Bild und auf der Rückseite lateinische Gebete, am Ende datiert Anno domini M cccc Ivii incipit frater Steffanus etc. precedentem orationem... 267 Zudem sind die Gebete lateinisch, was die Entstehung im Katharinenkloster ohnehin unwahrscheinlich gemacht hätte. 268 Es ist durchaus denkbar, daß Steffanus einem Nürnberger Kloster, vielleicht dem der Dominikaner, angehörte; doch ist es unmöglich zu belegen. (In der Konventsliste bei BOCK 1924, S. 181 f., sind drei in Frage kommende Brüder namens Stephan zu finden; da mit ihnen bislang keine Handschriften in Verbindung zu bringen sind, ist ein Schriftvergleich nicht möglich.) 269

SCHNEIDER 1 9 6 5 , S. 4 1 6 f.

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nicht von den selben Stöcken gedruckt wurden. Das beweisen einige kleine Abweichungen in der Zeichnung ebenso wie das Mißverständnis, daß in der Darstellung des Marientodes dieser Folge im Unterschied zum entsprechenden Blatt des 'Gulden puchlein' beim Kopieren der Vorlage der in den Rahmen reichende Nimbus Gottes vergessen wurde. Zu der Folge gehören die Erschaffung Adams (fol. 94 r ) 270 , die Kreuztragung (fol. 104r, s. Abb. 66) 271 und der Tod Mariae (fol. 101 r ) 272 . Vermutlich in der gleichen Werkstatt geschnitten, doch nach einer stilistisch ganz unterschiedlichen Vorlage kopiert, ist das Blatt der Gregorsmesse273 auf fol. 98 r (Abb. 67). Stilistisch weist es in die Richtung der Folge C im 'Gulden puchlein' (vgl. Abb. 8, 1. o.); wie dort gezeigt, ist diese aufgrund der Nähe zum Blockbuch 'Der Antichrist und die fünfzehn Zeichen' und der späteren Illustrationen zu Albrecht Pfisters 'Vier Historien' (Abb. 26, 27) als nürnbergisches Produkt anzusprechen. Vermutlich sind also auch die drei anderen genannten Holzschnitte der Handschrift Nürnberger Kopien der 'Gulden puchlein-Gruppe'.274 Der qualitätvollste Holzschnitt des Buches stammt aus einer anderen Werkstatt und zeigt das Jesuskind in einer Phantasieblüte sitzend (Abb. 68).275 Die Holzschnitte waren beim Schreiben eingeplant. Das beweist die Tatsache, daß man für die Blätter der Kreuztragung, des Marientodes und der Gregorsmesse Platz aussparte und die Rubriken entsprechend der Position der Illustrationen plazierte (Abb. 66, 67). Am unteren Rand jedes dieser Blätter, zwischen den beiden Einfassungslinien, fallt jeweils ein kleiner Buchstabe in roter Tinte auf. Die Erschaffung Adams trägt ein a, die Gregorsmesse ein c, der Marientod ein d, die Kreuztragung ein e und das Jesuskind ein / . Wahrscheinlich stammen sie vom Schreiber bzw. der Schreiberin der umgebenden Texte, die mit keiner der bislang bekannten Hände von Schwestern des Katharinenklosters zu identifizieren ist. 276 Es handelt sich vermutlich um Ordnungsbuchstaben, die dem Schreiber oder der Schreiberin dazu dienten, das Illustrationsmaterial zu strukturieren. Es ist denkbar, daß beim Schreiben der Texte die Leerräume, für die Holzschnitte ausersehen waren, mit dem jeweils entsprechenden Buchstaben gekennzeichnet worden waren oder zumindest kennzeichnen werden sollten, um nach der Fertigstellung des Textes die Bilder in der richtigen Reihenfolge einzukleben. Durch die starke Kolorierung der Blätter hindurch ist leider nicht zu erkennen, ob 2 7 0 Nicht bei SCHREIBER.

271 Sehr ähnlich, doch nicht identisch mit Sehr. 359. 272 Sehr ähnlich, doch nicht identisch mit Sehr. 721. 2 7 3 Nicht bei SCHREIBER.

274 Auch in der Kolorierung, vor allem in der Art der Akzentuierung der Gewandfalten, ähneln die Blätter denen des 'Gulden puchlein'. Doch ist die Bemalung gröber und schematischer, vgl. etwa die durchgehende blaue Strichelung des Himmels. 275 Sehr. 817, ohne dieses Exemplar; ein anderer Abdruck befindet sich in Darmstadt, Hessisches Landesmuseum. Vermutlich am Oberrhein um die Mitte des 15. Jahrhunderts entstanden. 276 Ein ganz sicheres Urteil ist aufgrund von nur sechs Buchstaben nicht möglich. Der Vergleich mit den Schreiberhänden des Katharinenklosters (vgl. die Schriftproben bei SCHNEIDER 1965, S. XVII-XXXIII) macht es jedoch unwahrscheinlich, daß die Blätter dort mit den Buchstaben versehen wurden.

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sich darunter vielleicht die Pendants der Ordnungsbuchstaben auf den Handschriftenseiten befinden. Auch im 'Gulden puchlein' ist, wie oben erwähnt, an einer Stelle eine Hilfe zum Wiederfinden der richtigen Stelle fiir die Einklebung zu erkennen - dort ist es eine Wortreklamante auf dem Holzschnitt, die auf das Anfangswort der Seite verweist. Nun befindet sich in einer anderen Handschrift aus dem Katharinenkloster, heute Cent. VII, 38 der Stadtbibliothek Nürnberg, ein einzelner Holzschnitt der Fußwaschung, der am unteren Rand ebenfalls einen einzelnen Buchstaben in roter Tinte - ein kleines g - von derselben Hand trägt (Abb. 69). Der Holzschnitt gehört zur gleichen Folge, auch die Kolorierung stimmt überein. Dieses Buch ist aus zahlreichen Stücken von verschiedenen Händen, die unabhängig voneinander geschrieben wurden, zusammengebunden.277 Die Lage, in welcher der Holzschnitt klebt (fol. 216 r -229 r ), ist jedoch von der gleichen Hand geschrieben wie der illustrierte Teil von Will II, 19.8°. Da auch die Gestaltung der Rubrik, die Maße des Schriftraums, die Zeilenzahl und die Wasserzeichen die gleichen sind, liegt die Vermutung nahe, daß dieses Stück aus Cent. VII, 38 vielleicht eine versprengte Lage ist, die ursprünglich zu Will II, 19.8° gehören sollte.278 Auch inhaltlich würde sich das Stück - Gebete zur Passion, vom Mitleiden Mariae und zum Leib Christi - in den Aufbau dieses Andachtsbuches einfügen. Entweder wurde die Holzschnittserie abweichend von der ursprünglichen Planung auseinandergerissen und endete in verschiedenen Textstücken, die auf unterschiedliche Bücher verteilt wurden, oder die schon fertig geschriebenen und illustrierten Lagen eines Gebetbuches wurden durcheinandergebracht, so daß mindestens eine (mit dem Holzschnitt b) verlorenging und eine weitere in einem anderen Sammelband endete. Nur noch die Blätter a, c, d, e folgen in der Ordnung ihrer „Signaturen" aufeinander. Zwischen a und c fehlt der Holzschnitt b, der sich auch sicher nie in der Handschrift befand.279 Vielleicht wurde er, wie Blatt g, in eine andere Handschrift versprengt, die heute allerdings verloren ist. Der Holzschnitt/klebt, entgegen der Buchstabenfolge, weit vor den Blättern a-e. Ein einziger zusammenhängender Text kann es nicht gewesen sein, der mit der Bilderreihe illustriert werden sollte. Die Szenenfolge ist zu wenig konsistent. Das verdeutlicht die tabellarische Zusammenstellung:

277 Insgesamt sind 12 Hände festzustellen, die stets am Beginn neuer Lagen einsetzen (bis auf Hand 5 und 6, die auf fol. 36 r -107 v zusammenarbeiteten); vgl. SCHNEIDER 1965, S . 328. 278 Die Schreiberhand setzt mit dem Beginn einer neuen Lage (VI 2 2 7 ) ein, deren Wasserzeichen (s. u. Verzeichnis der Handschriften) sich von denen der anderen Stücke des Bandes unterscheidet. Die Lage war nicht vollständig beschrieben; denn die beiden letzten Blätter sind von einer anderen Hand beschriftet, welche die Handschrift bis zum Ende weiterführte. 279 Es gibt in dem Codex keinen Leerraum mit Klebespuren, der auf die Entfernung eines Blattes schließen ließe.

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Buchstabe

Gegenstand des Holzschnittes

Hs., Blatt

Gegenstand des zugehörigen Textes

a

Erschaffung Adams

Will 11,19.8°, fol. 94 r

Nach dem Ende des 'Stabat mater', vor Beginn der Hymnen zur Osterzeit

b

[fehlt]

c

Gregorsmesse

Will 11,19.8°, fol. 98 r

Osterhymnen; auf der nächsten Seite Christus im Limbus

d

Tod Mariae

Will 11,19.8°, fol. 101r

Vor Sequenz vom Hl. Geist

e

Kreuztragung

Will 11,19.8°, fol. I04 r

Vor Passionsgebet

f

Jesuskind

Will 11,19.8°, fol. 44 v

Vor Gebet zu Gottvater und Trinität

g

Fußwaschung

Cent. VII, 38, fol. 225 v

Vor Hymne vom Leib Christi

Die Abfolge der ikonographischen Themen nach der alphabetischen „Signierung" ist so unregelmäßig, daß die Serie von vornherein für eine lose Textsammlung gedacht gewesen sein muß - etwa eine Sammelhandschrift von kurzen Gebeten, wie sie mit Will II, 19.8° tatsächlich vorliegt. Doch ist in diesem Codex der Bezug zwischen den Bildern und den umgebenden Texten nicht sehr eng. Am konkretesten ist er noch bei dem Holzschnitt des kreuztragenden Christus, der vor einem Passionsgebet klebt. Dieses thematisiert das Leiden des Herrn in allgemeiner Form, nicht etwa speziell die Kreuztragung; das Kreuz kommt nur in der üblichen allgemeinen Bedeutung vor - Des heyliges frones krewcz sey mir ein sterck wider drey geistlich veint...2i0 Auch beim Bild der Fußwaschung läßt sich wenigstens noch erahnen, was sich der Schreiber bzw. die Schreiberin dachte, als er oder sie das Bild vor das 'Ave hostia vivens' klebte: Ein Abendmahlsbild hätte gewiß besser zum eucharistischen Thema gepaßt, doch stand wohl keines zur Verfügung, so daß statt dessen die Szene genügen mußte, die in der Passionsgeschichte unmittelbar auf das Abendmahl folgt. Der Holzschnitt des Jesuskindes geht einem Gebet zu Gott und Dreifaltigkeit voran. Die Bedeutung der Darstellung des Kindes in der Blume ist vielschichtig; einen trinitarischen Aspekt hat sie allerdings nicht. Der Bezug dürfte hier eher assoziativ durch die Darstellung Christi als Teil der Dreieinigkeit hergestellt worden sein. 281 Für die Holzschnitte Adams, der Gregorsmesse und des Todes Mariae läßt sich dagegen kaum ein Bezug zu den Texten, die sie umgeben, erkennen. Allenfalls das Bild der Erschaf280 Fol. 104 v /105 r . 281 Gerade der im Bild ausgedrückte Aspekt der Kindlichkeit, d. h. auch Menschlichkeit Christi und der Inkarnation findet im Gebet keine Entsprechung; ihn verdeutlicht explizit eine Zeichnung des Christuskindes in der Blume mit dem Text Verbum caro factum est (ehem. Wien, Slg. Figdor, s. SPAMER 1930 Taf. 8 Abb. 1). Zu weiteren Bedeutungsnuancen des Bildtyps, der öfters in Neujahrsgrüßen integriert wurde, vgl. HAMBURGER 1997, S. 66 f.

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fung Adams ließe sich über einen typologischen Umweg auf die zugehörigen Ostertexte beziehen. Beim Bild des Marientodes ist eventuell denkbar, daß diese Darstellung Mariae im Kreis der Jünger mit der Ausgießung des Hl. Geistes verwechselt oder bewußt in Beziehung gesetzt wurde: Dient doch die Graphik als Einleitung zu einer Sequenzen von heiligen geist.2S2 Das vorausgehende Gebet von der compassio Mariae endet mit der Erinnerung an die Auferstehung Christi und seiner Erscheinung vor den Jüngern und vor seiner Mutter, deren Tod auch dort nicht vorkommt. Das Buch Will II, 19.8° ist aus zwei Teilen unterschiedlicher Herkunft zusammengebunden. Der zweite Teil stammt aus dem Besitz von Katharina Tucher, der mit Holzschnitten illustrierte erste Teil wurde laut Bibliothekskatalog von Kunigund Schreiberin ins Kloster gebracht.283 Um die Mitte des Jahrhunderts, wohl nach dem Tod der Katharina Tucher, wurden sie vereinigt. 284 Der andere Band, Cent. VII, 38, ist ohne Herkunftsangabe im Katalog verzeichnet.285 Anzunehmen ist jedoch, daß die Lage mit dem Holzschnitt aufgrund der festgestellten Übereinstimmungen aus dem Besitz derselben Schwester stammt. Kunigund Schreiberin lebte von 1428 bis zu ihrem Tod 1470 im Kloster. Diese Patriziertochter spielte eine wichtige Rolle bei der Reformierung des Konvents. Laut Johannes Meyer, dem Ordenschronisten und -reformator des 15. Jahrhunderts, wollte sie nach dem Tod ihres Ehemannes in das reformierte Dominikanerinnenkloster Schönensteinbach eintreten, um dort ein Ordensleben zu führen, das bei der mangelnden Disziplin im Nürnberger Konvent nicht möglich gewesen wäre. Die daraus erwachsende Gefahr der Abwanderung ihres beträchtlichen Vermögens soll ein wesentlicher Grund für den Nürnberger Rat gewesen sein, von neuem auf die Reform des Ordens zu dringen, um Kunigund Schreiberin und andere Patrizierinnen in der Stadt zu halten. 286 Sie brachte 19 Handschriften, zum großen Teil mit Gebet- und Erbauungsliteratur, in die Klosterbibliothek.287 Wie Karin Schneider feststellte, wirken ihre Bücher „wie aus persönlichem Interesse und in eigener Initiative von der Besitzerin angeschafft im Hinblick auf ihr angestrebtes Ordensleben" 288 . Doch kann weder Will II, 19.8° noch Cent. VII, 38 zu den Bänden gehören, die sie 1428 mit ins Kloster brachte. Aufgrund des Wasserzeichens der Handschriftenteile, das die Beschriftung vor etwa 1436 ausschließt, 289 muß Schneiders

282 Rubrum unter dem Holzschnitt auf fol. 101r. 283 Siehe MBK Bd. 111,2, S. 631 f. 284 SCHNEIDER 1965, S. 416. Im Katalog der Kunigund Niklasin sind sie als ein Band verzeichnet, sie waren also schon vor 1457 gebunden. 285 MBK Bd. 111,3, S. 633. 2 8 6 Johannes Meyer, ed. REICHERT 1908/09, H. 3, S. 6 6 f.; s. auch SCHNEIDER 1983, S. 76.

287 Zehn von ihnen sind noch erhalten; s. die Zusammenstellung der Codices bei SCHNEIDER 1983, S. 76 Anm. 30. 288

SCHNEIDER 1 9 8 3 , S. 7 7 f.

289 Ochsenkopf mit fiinfblättriger Blume und Dreieck; gehört zur Gruppe Picc. XII, 761-878, die erst ab 1436 nachgewiesen ist.

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Datierung ins erste Viertel des 15. Jahrhunderts revidiert werden. 290 Vor allem aber verbieten die Holzschnitte, die frühestens gegen Ende der 1440er Jahre entstanden sind, eine Datierung der Handschriftenteile vor diesem Zeitpunkt, da sie in Abstimmung mit dem Text eingefügt wurden. Es dürfte sich also entweder um eine Anschaffung der Kunigund Schreiberin handeln, die sie um die Mitte des 15. Jahrhunderts der Klosterbücherei beisteuerte, oder der Eintrag im alten Bibliothekskatalog über beruht auf einem Irrtum. Falls die Gebetbuchteile von einem Schreiber außerhalb des Klosters angefertigt und illustriert wurden, ist doch der Umstand bemerkenswert, daß sie ausgerechnet von der Schwester eines Klosters angeschafft wurden, das zu jener Zeit ein Zentrum der Ausstattung von Handschriften mit Druckgraphiken war. Sollte das tatsächlich reiner Zufall sein, oder kann man vielmehr vermuten, daß Kunigund Schreiberin, die mit dieser Illustrationspraxis vertraut war, bei der Beschaffung eines Gebetbuches auf diese Art der Ausstattung achtete? Wenn diese Frage auch nicht zu beantworten ist, so sind die Stücke dieses Gebetbuchs doch aufschlußreich für den Prozeß der Illustration von Handschriften mit Bilddrucken: Mit ihrem alphabetischen Ordnungssystem geben sie einen Hinweis auf eines der Hilfsmittel, deren sich ein Schreiber oder eine Schreiberin zur Strukturierung des druckgraphischen Illustrationsmaterials bedienen konnte.

1.6.6. Ein eingeklebtes Geschenk einer

Schwester

Im Gegensatz zu einer solcherart geplanten Graphikausstattung steht der Kreuzigungsholzschnitt, der in eine andere um 1460 entstandene Handschrift des Klosters (Cent. VH, 88 der Nürnberger Stadtbibliothek) eingefügt wurde (Abb. 63).291 Er geht in den Figuren Mariae und Johannes' auf die gleiche Vorlage zurück wie das Blatt in dem Nürnberger Codex Cent. VI, 60 (Abb. 28). 292 Erst nachträglich und wenig sorgfältig wurde er am linken Rand der Seite angeklebt. Zum Text einem 'Spiegel des kranken und sterbenden Menschen' 293 - steht er auf den ersten Blick nicht in Beziehung. Zunächst liegt der Gedanke nahe, daß ihn eine Schwester sicher und allgemein zugänglich verwahren wollte; sie wählte zu diesem Zweck ein Buch und brachte das Blatt gleich auf der ersten - d. h. der im wahrsten Sinn des Wortes naheliegendsten - Textseite unter. Macht man sich aber klar, daß das Vorzeigen oder Auflegen eines Kreuzes oder Kruzifixus' beim spätmittelalterlichen Sterberitus von großer Bedeutung war, so scheint die Stelle

290 SCHNEIDER 1965, S. 416. Die genauere Bestimmung der Wasserzeichen war damals noch nicht möglich, da die entsprechenden Bände von PICCARDS Repertorium noch nicht zur Verfugung standen. Doch datierte SCHNEIDER auch die Handschriftenteile, die von der gleichen Schreiberhand stammen, in Will II, 19.8° ins 1. Viertel, in Cent. VII, 38 in die zweite Hälfte des 291

15. Jahrhunderts (SCHNEIDER 1965, S. 328, 416). Nicht bei SCHREIBER.

292 Sehr. VIII *458a. 293 Eines der zahlreichen Sterbebüchlein des 15. Jahrhunderts; vgl. RUDOLF 1957, S. 87.

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zur Einklebung des Bildes doch in Hinblick auf den Text, einen Sterbetraktat, gewählt worden zu sein. 294 Auch im Sterbetraktat der Handschrift Cent. VII, 88 steht das Gedenken an den Gekreuzigten im Vordergrund; so etwa heißt es auf fol. 17 r :... vnd man sol auch wissen dz Innocencius der babst sprich dz vnser herr Ihesus Christus an dem kreucz erscheinet einem iglichen menschen der kristen ist so er verschoiden schol. Darüberhinaus ist die Herkunft dieses Holzschnittes von großem Interesse. Sie geht aus einer Notiz auf der Rückseite hervor: Muter Elisabeth Gotlingerin von ¿"(wester) Martha Peurlin. Eine Nonne des Katharinenklosters hatte das Bild also von einer ehemaligen Mitschwester erhalten. Denn Martha Peurlin war 1457 zusammen mit drei weiteren Nürnberger Schwestern ins Heiliggrab-Kloster in Bamberg geschickt worden, um dort die Observanz einzuführen; 295 vielleicht sandte sie das Kreuzigungsbild von dort aus nach Nürnberg zu Elisabeth Gotlingerin.296 Vielleicht war sie es, die den Holzschnitt dann in der Handschrift befestigte. Für die Versendung von Druckgraphiken zwischen Klosterschwestern gibt es einen weiteren Beleg aus dem niederdeutschen Bereich. In dem Codex Hs 393 der Universitätsbibliothek Münster, der 1496 wahrscheinlich in einem westfälischen Zisterzienserinnenkloster entstand, klebt ein Metallschnitt der Verkündigung (Sehr. 2179b). Dieser wurde im 15. Jahrhunderts als Brief benutzt - er weist deutliche Faltspuren auf - und trägt auf der Rückseite eine Botschaft an eine Nonne. 297 Das Blatt wurde wohl auch hier nach dem Erhalt von der Schwester in der Handschrift gesichert. Bildgeschenke spielten eine wichtige Rolle in der Kommunikation zwischen den Religiösen in verschiedenen Klöstern, ebenso zwischen den geistlichen Betreuern und ihren Schützlingen im Rahmen der 'cura monialium' und zwischen Schwestern und ihren Verwandten außerhalb der Klostermauern. 298 Leicht verfugbare Druckgraphiken kamen diesem Gebrauch entgegen. Für die Frage nach 294 Zur Kreuzweisung beim Sterberitus s. KLAUS SCHREINER, Fetisch oder Heilszeichen? Kreuzsymbolik und Passionsfrömmigkeit im Angesicht des Todes, in: Zeitschrift für Historische Forschung 20, 1993, S. 417-461. 295 So der Ordenschronist Johannes Meyer (ed. REICHERT 1908/09, H. 3, S. 108): ...do wurdent us erlesen IV andechtig, gaistlich, wol geschickt swöstren von dem loblichen closter zu sant Katherina von Nürenberg, die da gefürt wurdent in daz selb closter zu dem halgen grab, da an zu fachent die halgen observantz; und sind dis die namen der swöstren: swöster Anna Piberin, swöster Martha Paurlin, swöster Anna Kopin. - Der private Handschriftenbesitz der Schwester ist im alten Katalog des Katharinenklosters verzeichnet (MBK Bd. 111,3, S. 593 f.). 296 Von Elisabeth Gotlingerin ist nur ihr Todesjahr 1494 bekannt; s. WÜRFEL 1769, S. 22, BORIS 1 9 9 6 , S. 3 7 4 N r . 8 4 5 4 .

297 Als fol. II eingefügt; recto befindet sich der heute zum großen Teil unleserliche Brieftext, verso das Bild. Die Empfängerin wird als leyve vrou und leyven junferen angesprochen und ihr Grüße an modderen und proren aufgetragen. Die Handschrift ist beschrieben bei EEF OVERGAAUW, Die mittelalterlichen Handschriften der Universitätsbibliothek Münster, Wiesbaden 1996, S. 132-135. Ich danke Eef Overgaauw für den Hinweis. Der Metallschnitt ist als Kopie nach einem Kupferstich des Meisters E. S. erwähnt bei LEHRS, Krit. Kat. Bd. II, S. 54 f. 298 Vgl. zu diesem Komplex HAMBURGER 1989, S. 30-32; HAMBURGER 1990, S. 151-153; HAMBURGER 1997, S. 1 9 2 - 2 1 1 .

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der Privatheit des Gebrauchs solcher Bilder im Kloster ist die Beobachtung von Interesse, daß beide genannten Bilddrucke zwar an bestimmte Schwestern persönlich gerichtet waren, nach dem Erhalt aber durch die Einfügung in Handschriften in der Bibliothek quasi konventsöffentlich zugänglich gemacht wurden. Mit der Nürnberger Dominikanerin Martha Peurlin kann ein weiterer Holzschnitt in Verbindung gebracht werden. In ihrer Bamberger Zeit (1465-66) schrieb sie einen Codex mit Legenden der hl. Katharina von Alexandria, Katharina von Siena und Vinzenz Ferrer - Texte also, die sowohl mit dem Dominikanerorden als auch mit dem Patrozinium des Mutterklosters in Verbindung standen.299 Lose beigelegt fand sich in dem Band ein bislang unbekannter Holzschnitt der erstgenannten Heiligen, der etwa um 1460 entstanden sein dürfte (Abb. 64). Der Zeitpunkt, zu dem ein loses Blatt in ein Buch kam, läßt sich freilich kaum bestimmen; doch ist es unwahrscheinlich, daß noch nach dem 15. Jahrhundert ein thematisch zu den Texten passender Holzschnitt von etwa 1460 in eine Handschrift von 1465-66 gelegt worden wäre - zumal über die Schreiberin Peurlin, die nachweislich einen anderen losen Holzschnitt besessen und nach Nürnberg gesandt hatte, die Beziehung zu dem im 15. Jahrhundert an Holzschnitten reichen Katharinenkloster gegeben ist. Auf jeden Fall aber läßt das Blatt vermuten, daß der Gebrauch von Druckgraphik im Heiliggrab-Kloster mit dem Vorbild der Nürnberger Dominikanerinnen zusammenhängt, die die Observanz in Bamberg einführten. 300

1.7. Eine Bildtafel mit Holzschnitten Die Schwestern des Katharinenklosters verwendeten Druckgraphiken nicht nur in ihren Büchern. Im Germanischen Nationalmuseum befindet sich eine Mappe mit 85 Holzschnitten, die im 19. Jahrhundert von einem Holztriptychon gelöst wurden (Abb. 70, 71, 74, 145).301 Dieses stammte aus der Klosterkirche der 299 Heute Augsburg, Universitätsbibliothek, Cod. III 1.2° 12. 300 Lose eingelegt in eine Nürnberger Handschrift wurden auch fünf Blätter einer Holzschnittpassion (Sehr. 267a, 312, 498, 526, 670) gefunden, von denen eines handschriftlich 1442 datiert ist; heute in der Staatsbibliothek Bamberg, Sign. VI. Aa, 2-6. Josef Heller, der sie aus der Handschrift entnahm (s. PFEIFFER in HEITZ, Einblattdrucke Bd. 19, S. 10, und FRIEDRICH LEITSCHUH, Führer durch die Kgl. Bibliothek zu Bamberg, Bamberg 2 1889, S. 157), vermerkte jedoch weder deren Standort noch die Provenienz. Nachdem der größte Teil der Nürnberger Handschriften mit Holzschnitten aus dem Katharinenkloster stammt, liegt die Vermutung nahe, daß dies auch die Provenienz der fünf Bamberger Passionsblätter ist. Doch gibt es keine weiteren Anhaltspunkte dafür. Weiteres zu diesen Holzschnitten im Verzeichnis der Handschriften unter Wien, ÖNB, Ink. 2. H. 131 und in Kap. IV.3.2. 3 0 1 Kapsel 1 4 5 0 , Inv. Nr. StN 1 3 7 8 4 - 1 3 8 3 8 . Veröffentlicht von STENGEL in HEITZ, Einblattdrucke Bd. 37, Nr. 5-29. Im einzelnen: Eine heilsgeschichtliche Folge (von der Erschaffung Evas bis zum Jüngsten Gericht), von SCHREIBER zusammen unter 8a aufgeführt, doch wohl von mindestens zwei Händen nach unterschiedlichem Vorlagenmaterial: Sehr. 8a, 15a, 16a, 18h, 35c, 53a, 65a, 125a, 131a, 133a, 140a, 230m, 250x, 266a, 364a, 579a, 586m, 597o, 625m, 627m, 629m, 701a, 712a, 731a, 740b, 971a, 996m, 996o. Die italienische Passionsfolge: 34c, 90a, 93w, 101c, 124w, 126w,

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Dominikanerinnen und wurde im Jahre 1811 zunächst in die Kunstsammlung der Stadt Nürnberg auf die Burg geschafft. 302 Später sandte man es nach Berlin, wo die Graphiken abgelöst wurden und man versuchte, die Bemalung zu entfernen, 303 was die Blätter in ruinösem Zustand hinterließ. Eine Dokumentation fand nicht statt, 304 die Holztafeln wurden offenbar nicht aufbewahrt. So ist man auf die knappe Bemerkung Passavants angewiesen, der die Bildtafel vor 1860 noch im ursprünglichen Zustand sah: Très-interessante pour l'histoire de l'art à Nuremberg est une série de gravures sur bois collée sur une espèce de tabernacle d'autel en plusieurs divisions. Cet ornement fut transporté en 1811 de l'église de Ste. Catherine au Château et se trouve actuellement dans la Collection de la ville.305 Wann die Drucke auf das Holz aufgezogen wurden, ist schwer zu beurteilen. 306 Bei den verwendeten Bildern handelt es sich jedenfalls - bei allen stilistischen Unterschieden der Holzschnitte - nicht um eine Sammlung von später aus verschiedenen Quellen zusammengetragenem Material. 307 Das Papier zumindest einer Gruppe der Drucke wurde nach den Wasserzeichen um 1452-55 geschöpft. 308 Einheitlich ist die Kolorierung und das Rahmennetz aus roter Farbe und Silber, das alle Blätter überzieht und sicher dazu diente, die große Bildtafel zu strukturieren. Die Farbreste, die die Reinigung überstanden haben, sprechen für eine Datierung der Bemalung ins 15. Jahrhundert. Die Holzschnitt-Bildtafel ist zwar die größte, doch nicht die einzige bekannte dieser Art. 309 So befand sich in der reich mit Bildwerken des 15. Jahrhunderts ausgestatteten Wallfahrtskirche St. Leonhard ob Tamsweg (Land Salzburg) ein 150a, 166c, 191b, 216w, 250w, 255w, 273w, 287a, 327a, 340a, 468b, 495a, 517a, 538m, 548w, 554d, 567m, 668w, 688a. Heiligendarstellungen etc. von verschiedenen Händen: Sehr. 1251a, 1320b, 1380a, 1408m, 1432h, 1477a, 1517a, 1587a, 1593e, 1598a, 1627b, 1646b, 1661a, 1687a, 1694m, 1708a, 1756a, 1759c, 1838n, 1838x, 1929m. 302

PASSAVANT 1 8 6 0 , B d . 1, S . 3 3 .

303 Siehe dazu LEHRS 1908, S. 192. 304 Auch in den Akten des Germanischen Nationalmuseums findet sich nach frdl. Mitteilung von Rainer Schoch keine Dokumentation des Vorgangs. 305

PASSAVANT 1 8 6 0 , B d . 1, S. 3 3 .

306 KRISTELLER 1909, S. 4 vertritt die Meinung, die Bilder der Tafel wären erst lange nach ihrer Entstehung so zusammengestellt worden; vermutlich verleitete ihn dazu die stilistische Verschiedenartigkeit der Blätter. Daß sie etwa gleichzeitig abgedruckt und koloriert wurden, beachtete er nicht. 307 Die Fragen bezüglich der Produktion dieser Holzschnitte, die die Zusammenstellung stilistisch so heterogenen Materials und die offenkundige Verwendung unterschiedlichster Vorlagen in ein- und derselben Werkstatt aufwirft, können an dieser Stelle nicht diskutiert werden, ebensowenig die Probleme, die sich aus der Verwendung der ältesten italienischen Holzschnittpassion an dieser Stelle ergeben. Sie sollen Gegenstand einer späteren Studie sein. 308 Nach Mitteilung von Gerhard Piccard; Notiz auf den Passepartouts in der Kapsel 1450 der Graphischen Sammlung des Germanischen Nationalmuseums. 309 Gelegentlich wurden auch ausgeschnittene Miniaturen auf Holztafeln aufgeklebt. So befindet sich z. B. eine unpublizierte Tafel mit 8 aufgeklebten niederländischen Miniaturen (2. Hälfte 15. Jahrhundert, Montage wohl 16. Jahrhundert) im Domschatz von Auxerre. Auf Holztafeln aufgeklebt wurden auch ausgeschnittene Miniaturen Jean Fouquets, s. Das Stundenbuch des Etienne Chevalier. Musée Condé, Chantilly. Vorwort von CHARLES STERLING, Einleitung und Bildlegenden von CLAUDE SCHAEFER, München - Wien - Zürich 1971.

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Druckgraphik in süddeutschen Klosterbibliotheken

Diptychon aus Holz, auf dessen Vorderseite Pergamentblätter mit der Entstehungsgeschichte der Wallfahrt und auf dessen Rückseite ein oberitalienischer Holzschnitt der Madonna mit Johannes dem Täufer aus den 1460er bis 1470er Jahren aufgezogen war. 310 Drei Holzschnitte aus der Mitte des 15. Jahrhunderts wurden von der Rückseite eines Kreuzigungsgemäldes aus dem Refektorium des Klosters Sonnenburg (Südtirol), heute im Museum Ferdinandeum in Innsbruck, gelöst.311 Holzschnitte, die um 1480 entstanden sind, kleben auf den Flügelaußenseiten eines vermutlich mittelrheinischen Privataltärchens, dessen Innenbilder etwa zur gleichen Zeit gemalt wurden. 312 Wann diese Blätter auf die Tafeln aufgezogen wurden, ist jedoch in keinem der genannten Fälle genau zu bestimmen.313 Daß diese Praxis noch im 16. Jahrhundert geübt wurde, demonstriert ein Altarretabel im Diözesanmuseum Klagenfurt, das mit großformatigen Holzschnitten beklebt ist. Die keineswegs anspruchslos gezimmerte Holzkonstruktion ist hier eindeutig auf die Maße der Drucke zugeschnitten. 314 Von solchen pragmatischen Verwendungen als Tafelbildersatz sind an Altarbilder erinnernde Formen zu unterscheiden, die in die Druckgraphiken selbst eingingen. Wie Körner richtig feststellte, bedeuten solche Formen nicht, daß Holzschnitte wie etwa Sehr. 1283, die sich in der Form kleiner Triptychen präsentieren, tatsächlich auch als Klappaltärchen verwendet wurden. 315 Es handelt sich um Erinnerungen an Funktionstypen, die dem Betrachter bekannt waren, die aber nicht als praktischer Verwendungsvorschlag verstanden werden müssen. Tatsächlich gibt es keine Belege für den praktischen Einsatz solcher Blätter, während ausschließlich andere, die für den heutigen Betrachter als Tafelbildersatz denkbar ungeeignet erscheinen - es sei an das Beispiel der eigenartigen Kollage aus dem Katharinenkloster erinnert - in dieser Funktion nachgewiesen sind. Das zeigt, daß man sich vor voreiligen Schlüssen von der Form auf die

310 Sehr. VIII 1148m. Siehe Österreichische Kunsttopographie Bd. 22, S. 261 u. Abb. 327. Das Bild ist dort heute nicht mehr aufzufinden; der heutige Verbleib war nicht zu eruieren. 311 Anna Selbdritt (nicht bei SCHREIBER, eine Variante zu Sehr. 1190), hl. Georg (nicht bei SCHREIBER, Wiederholung von Sehr. 1442a) und sechs Szenen der Passion (nicht bei SCHREIBER). Alle Blätter sind wohl um die Jahrhundertmitte entstanden, die Passion in Oberitalien. Abb. bei HEITZ, Einblattdrucke Bd. 93, Nr. 1-3, ohne Verweis auf die Herkunft. Heute abgelöst in der Graphischen Sammlung des Landesmuseums (Inv. Nr. AD 46-50). 312 Sammlung Heinz Kisters. Beschrieben in Himmel, Hölle, Fegefeuer 1994, S. 342 f. 313 Vermutlich handelt es sich bei der Tafel aus St. Leonhard noch um eine Konstruktion des 15. Jahrhunderts, als sich der Wallfahrtsbetrieb auf dem Höhepunkt befand. Das Pergamentblatt mit dem Text stammt aus der zweiten Hälfte des Jahrhunderts (Österreichische Kunsttopographie Bd. 22, S. 261). Dagegen ist bei den Innsbrucker Holzschnitten zu vermuten, daß sie erst in der Neuzeit auf das Holz geklebt wurden (frdl. Hinweis von Günther Dankl, Innsbruck). 314 Siehe dazu KOBLER 1987, S. 253-263. KOBLER fragt zudem, ob vielleicht aus einer Quellennotiz von 1521 über den Kauf eines gemallen papier auf den hohen altar für die Stiftskirche von Klosterneuburg auf ein ähnliches Phänomen zu schließen ist (ebd., S. 262, Anm. 4). 315 KÖRNER 1979, S. 34: „Wenn Altarformen ins gedruckte Bild eingehen, heißt das also nicht, daß ein solches Blatt als Applik auf ein Hausaltärchen gedacht war. Derartige Sonderformen zeigen als aufschlußreiche Chiffren nur an, daß das frühe gedruckte Bild als Surrogat auch für die höhere Kunstform des Altars einstehen will, ein Anspruch, der unabhängig von einer möglichen praktischen Verwendung bestehen kann."

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Funktion zu hüten hat, bevor nicht die tatsächliche praktische Verwendung untersucht ist.316 Auf der Nürnberger Bildtafel waren die verschiedensten ikonographischen Themen vertreten - von Szenen der Vita Christi und Mariae über diverse Heiligen- und Apostelbilder mit Credo über Engelsdarstellungen bis hin zu ungewöhnlichen Legendenszenen wie dem Maria-Schnee-Wunder317 (Abb. 70, 71). Zwar scheinen wenigstens in manchen Bildgruppen Zusammenhänge auf, doch ist es kaum möglich, ein umfassendes Programm zu erkennen. Die Bestimmung eventueller ikonographischer Beziehungen wird allerdings auch dadurch erschwert, daß die Papierbögen in sehr unterschiedlich große Stücke zerschnitten wurden, deren ursprünglicher Gesamtzusammenhang nicht mehr erkennbar ist. Festzuhalten bleibt, daß eine Tafel mit so inkohärentem Inhalt kaum als Altarbild zu denken ist, als das sie in der Literatur immer bezeichnet wurde. Man sollte nur von einer Bildtafel sprechen; vielleicht diente sie der persönlichen Andacht der Schwestern, doch in liturgischer Funktion dürfte sie nicht gestanden haben. Stilistisch sind die Holzschnitte völlig uneinheitlich. Die Bandbreite reicht dabei von Teilen einer sehr rohen, dilettantisch gezeichneten süddeutschen Folge des Christuslebens (vgl. Abb. 71) bis zu den qualitätvollen Kompositionen einer Passion, die zu den ältesten italienischen Holzschnitten gezählt wird.318 Doch steht fest, daß die ganze Sammlung so unterschiedlicher Holzstöcke - allenfalls mit Ausnahme der italienischen Folge - einem Drucker zur gleichen Zeit zur Verfugung stand. Dies geschah in wenig sorgfältiger Art und Weise; so wurde nicht genau darauf geachtet, Überschneidungen der Einfassungslinien zu vermeiden. Ist es vorstellbar, daß ein Drucker eine solche Sammlung von originalen Holzstöcken verschiedener Provenienz zusammengetragen hatte? Diese Merkwürdigkeit verweist zusammen mit anderen Beobachtungen - etwa technischen Ähnlichkeiten im Schnitt der einzelnen stilistisch scheinbar so weit voneinander entfernten Drucke - auf die große Bedeutung, die diesen Bögen auch jenseits der Frage des Gebrauchs zukommt: Diese Bögen vermögen Einblick in die Produktpalette einer Holzschneiderwerkstatt zu gewähren, die Drucke verschiedenster Herkunft und Qualität genau kopierte.319 Das wäre für die Druckgraphik der Mitte des 15. Jahrhundert nicht ungewöhnlich, als das Abpausen von Holzschnitten auf neue Druckstöcke eine der gängigsten Beschaffungsmethoden von

316 Solche Schlüsse zieht etwa NOCKEMANN 1940, S. 28. Vorsichtiger argumentiert KÖRNER 1979, doch sieht auch er von der Untersuchung der vorhandenen Quellen ab. 317 Sehr. 1929m wurde bei SCHREIBER nicht als Maria Schnee-Bild erkannt, sondern als „Unglück fällt vom Himmel herab" bezeichnet; eine Variante in dem Codex New York, Public Library, Ms 77, S. 26 (s. u. Verzeichnis der Handschriften). 318 Sehr. 34c etc. SCHREIBER bezeichnet sie in seinem Handbuch als venezianisch. KRISTELLER 1909, S. 4 hält die Passion für eine Kopie nach dem italienischen Blockbuch im Berliner Kupferstichkabinett, Cim. 13 (vgl. SCHREIBER, Manuel Bd. 4, S. 325). 319 WEINBERGER, Formschnitte 1925, S. 12 hielt die Blätter für Probedrucke oder Abfall einer Nürnberger Werkstatt. Eine Erklärung für das Problem der stilistischen Divergenz der einzelnen Darstellungen bot er dabei aber nicht an.

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Vorlagen für Holzschneider war;320 doch ist - außer den Papierbögen der Nürnberger Tafel - nirgends mehr ein größeres zusammenhängendes Konvolut aus ein- und derselben Werkstatt erhalten. Die weitere Untersuchung des Entstehungsprozesses dieser Sammlung von Holzschnitten würde den Rahmen dieser Studie sprengen, in deren Mittelpunkt doch allein ihre Verwendung durch die Nürnberger Dominikanerinnen stehen soll. Doch gibt es einen Berührungspunkt zwischen der Produktion dieser rätselhaften Druckwerkstatt und der Handschriftenillustration im Katharinenkloster. Laut Schreibers Handbuch sind alle Holzschnitte dieser Bögen Unikate. Zwei der Drucke sind aber tatsächlich in jeweils zwei Exemplaren erhalten. Schreiber listete die Kreuzigung (Sehr. 971a, Abb. 71) und die Pietà (Sehr. 976a, Abb. 74) der Tafel getrennt von den in Boston aufbewahrten Blättern Sehr. 971 (Abb. 72) und 977 (Abb. 73) als Wiederholungen des gleichen Motivs auf.321 Der genaue Vergleich zeigt jedoch, daß es sich jeweils um Drucke von denselben Stöcken handelt. Selbst die Ausbruchsstellen sind identisch, etwa in der oberen Einfassungslinie der Pietà (Abb. 73, 74). Diese belegen auch, daß die Exemplare etwa zur gleichen Zeit gedruckt wurden. Die Bostoner Holzschnitte befinden sich in einer um 1445 entstandenen Handschrift im Isabella Stewart Gardner Museum. Sie sind auf Vorder- und Rückseite eines Blattes gedruckt, das zwischen der ersten und zweiten Lage des Buches eingebunden ist.322 Der Handschriftenkatalog von De Ricci gibt als Provenienz des Codex „Dominicans of St. Catherine at Nimegen" an.323 Daß es sich dabei um einen Irrtum handeln muß, ergibt sich nicht nur aus dem Umstand, daß es in Nijmegen kein Dominikaner- oder Dominikanerinnenkloster dieses Patroziniums gab,324 sondern schon aus dem in De Riccis Katalog wiedergegebenen Incipit des Textes, das eindeutig oberdeutsche Schreibsprache aufweist. Die Autopsie der Handschrift bestätigte den Verdacht, daß De Ricci den Besitzvermerk des Codex falsch gelesen hatte. Auf der ersten Seite steht nämlich keineswegs „Nimegen"; vielmehr lautet der Besitzvermerk, der sich dort unter einem Inhaltsverzeichnis befindet: Das puchlein gehört in das closter zu sani katherinen prediger orden in nürwerg.325 Die Handschrift stammt also aus der Bibliothek der Nürnberger Dominikanerinnen. Besitznotiz und Inhaltsverzeichnis 320

V g l . SCHMIDT 1 9 9 8 .

321

SCHREIBER

323

D E RICCI 1 9 3 5 , B d . 1, S . 9 3 0 .

war sich bei der Lokalisierung der Folge, der die Drucke angehören, nicht sicher; er schwankte zwischen venezianisch und deutsch, einen Teil hielt er sicher für deutsch, wobei er sich aber nicht näher festlegen wollte (SCHREIBER, Handbuch, bei Nr. 8a und 15a). 322 Signatur 2.a. 1 / 1 , D E RICCI Nr. 1. Nähere Angaben s. u. Verzeichnis der Handschriften. 324 Zwar gab es ein Katharinenkloster in der Stadt, doch gehörte dies der Windesheimer Kongregation an, s. WILHELM KOHL - ERNEST PERSOONS - ANTON G . WEILER (Hgg.), Monasticon Windeshemense, Teil 3: Niederlande, bearb. von G . WEILER - NOEL GEIRMAERT, Brüssel 1980, S. 335. Für den Hinweis danke ich Eef Overgaauw. 325 Fol. Ir. Ich danke Richard S. Field, der mir Photographien der Handschriften zugänglich machte und mir so die Identifizierung ermöglichte, bevor ich unmittelbar vor Drucklegung dieser Arbeit dank der Freundlichkeit von Alan Chong und Kristin Parker das Original noch untersuchen konnte.

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stammen eindeutig von der Hand der Buchmeisterin Kunigund Niklasin, die solche Vermerke im Zuge ihrer Katalogisierungsarbeit anzubringen pflegte. Auf der Rückseite desselben Blattes befindet sich auch die alte Signatur der Bücherei des Katharinenklosters. Unter dieser ist die Handschrift im Bibliothekskatalog der Kunigund Niklasin verzeichnet: Item ein puchlein; sten an schone gepet von den festen unsers herrn, unser liben frawen und den heiligen und ander matery,326 Dies entspricht genau dem tatsächlichen Inhalt der Handschrift, einem Zyklus von Gebeten zu den Festen des Kirchenjahres, angeordnet in der im Katalog beschriebenen Weise. Das Holzschnittblatt besteht aus anderem Papier als der Rest der um 1445 geschriebenen Handschrift und war erst beim Binden eingefugt worden. Die Haupthand dieses deutschen Gebetbuchs in nürnbergischer Schreibsprache ist weder die der Kunigund Niklasin noch die einer anderen Schreiberin des Katharinenklosters. Es ist also anzunehmen, daß die Handschrift ungebunden vom Katharinenkloster erworben wurde, vielleicht als Geschenk; beim Binden wurde dann der Holzschnitt und gemäß den Gepflogenheiten der Buchmeisterin Niklasin das Inhaltsverzeichnis sowie das Holzschnittblatt eingefügt. Dabei benutzten die Schwestern ein Blatt aus derselben Werkstatt, von der sie auch die Holzschnitte zum Schmuck der Bildtafel in ihrer Kirche bezogen hatten. Vorder- und rückseitig bedruckte Holzschnitte sind zu jener Zeit nicht häufig. Einige Zyklen auf beidseitig bedruckten Blätter sind jedoch nachgewiesen. Erwähnt sei nur ein ursprünglich gebundenes Bilderbüchlein aus Pergament mit Holzschnitten der Passion und ein Fragment eines ähnlichen Bilderhefts, das ebenfalls Holzschnitte der 'Gulden puchlein'-Gruppe enthielt (s. u. Kap. IV. 1) sowie die oben behandelte Holzschnittfolge, die in einem Brevier des Katharinenklosters (London, BM, 158* b.3) Verwendung fand. Die Kombination von Kreuzigung und Beweinung, die in der Leidensgeschichte aufeinander folgen, 327 läßt vermuten, daß das Bostoner Blatt Teil einer in dieser Art aufgebauten Bilderfolge des Lebens oder der Passion Christi war. Bemerkenswert ist, daß die Schwestern auch mit dem Blatt in dem Bostoner Gebetbuch nur ein Fragment einer ursprünglich vermutlich vollständigen Folge verwendeten - ebensowenig wie das Sammelsurium von Drucken auf den Bögen der Bildtafel also ein fertiges professionelles Endprodukt der Druckwerkstatt. Auch das Fehlen der Kolorierung weist in diese Richtung.

326 Fol. I v . Der zu dieser Signatur L xlv gehörige Eintrag im Bibliothekskatalog zitiert nach MBK Bd. 111,3, S. 624. 327 In kürzeren Zyklen fehlt die Kreuzabnahme bisweilen.

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1.8. Zur Frage der Produktion von Bilddrucken im Kloster Die Holzschnitte der Bildtafel dienten häufig zur Untermauerung der These, die Dominikanerinnen von St. Katharina hätten selbst Holzschnitte gedruckt oder gar geschnitten. Die Argumente dafür waren von unterschiedlicher Qualität: Stengels Feststellung, daß weibliche Heilige dargestellt sind, was für das Frauenkloster spreche, ist als Beleg nicht weiter ernst zu nehmen. Ebenso kann seine Behauptung stilistischer Verwandtschaft der Holzschnitte mit Bildteppichen, die tatsächlich im Kloster hergestellt wurden, angesichts der stilistischen Vielfalt der Drucke auf der Tafel nicht überzeugen.328 Nachdem die Holzschnitte selbst keine stichhaltigen Belege liefern können, fragt man sich, wie es zur Verfestigung einer solchen Meinung kommen konnte. Der Grund dafür liegt wohl in der Gewißheit, in der man sich seit Forrers Publikation von 1898 wiegte, daß im Katharinenkloster Zeugdruck betrieben wurde. Die Überlegung, daß mit den gleichen technischen Mitteln nicht nur auf Stoff, sondern auch auf Papier gedruckt werden konnte, lag nahe. Kritische Überprüfung erweist jedoch, daß die Zeugdruckthese auf tönernen Füßen steht. Forrer und seine Nachfolger gründeten ihre Annahme auf die Überlieferung von Farbrezepten und Anleitungen für den Abdruck von Modeln auf Stoff in einer Handschrift des Katharinenklosters.329 Dagegen ist zunächst einzuwenden, daß die bloße Überlieferung eines Rezeptes noch lange kein Beleg für die Ausübung der dort beschriebenen Tätigkeit ist. Das widerspräche jeder überlieferungsgeschichtlichen Erfahrung mit spätmittelalterlicher Fachliteratur. Die Bibliothek des Katharinenklosters war die größte heute bekannte deutschsprachige Büchersammlung des späten Mittelalters.330 Dort wurden solche Mengen an Literatur zusammengetragen und kopiert, daß aus einer Rezeptüberlieferung keine Schlüsse auf die Praxis zu ziehen sind. Während mehrere Bildteppiche bekannt sind, die vermutlich von den Dominikanerinnen gefertigt wurden, läßt sich kein einziger erhaltener Zeugdruck mit dem Katharinenkloster in Verbindung bringen.331

328 Stengel in HEITZ, Einblattdrucke Bd. 37, S. 7. 329

FORRER 1 8 9 8 , S. 2 1 ; in d e r F o l g e u. a. WEINBERGER, F o r m s c h n i t t e

1 9 2 5 , S. 15 f.; DERS.,

Madonnenholzschnitt 1925, S. 91; SCHREIBER, Handbuch Bd. VII, S. 19. Noch SCHOCH 1986, S. 95 spricht unter Berufung auf das Rezeptbuch davon, daß Zeugdruck „nachweislich im Kloster betrieben wurde"; diese Formulierung im gleichen Wortlaut bei SCHRAUT 1991, S. 103. - Es handelt sich um die Handschrift Cent. VI, 89 der Stadtbibliothek Nürnberg; die Rezepte dort auf fol. 2 r -55 v . Im Auszug erstmals abgedruckt von HANS BOESCH, Zur Geschichte und technischen Verwendung von Papier, in: Mitteilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum 1893, S. 7, und FORRER 1898, S. 16-19; vollständig wiedergegeben bei PLOSS 1962, S. 103-125. 330

SCHNEIDER 1 9 8 3 , S. 7 0 .

331 Vgl. auch den kritischen Überblick von WILCKENS 1983. Sie nennt eine neue Quelle von 1444 aus dem Kloster Heilsbronn, die die Ausübung des Zeugdrucks in Nürnberg wahrscheinlich macht (dort ist von casulis fiendis in Nürnberg dy man ytz und aufdruckt die Rede, S. 8); doch gibt es weiterhin keinen Anhaltspunkt für die Lokalisierung der Produktionsstätte im Katharinenkloster.

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Die so entstandene Vorstellung vom Stoffdruck der Dominikanerinnen verleitete Weinberger dann auch dazu, im Fragment eines Madonnenholzschnittes, das in einer Handschrift des Konvents klebte, wegen des großen Formates und der grünen Färbung des Papiers den Übergang vom Zeug- zum Papierdruck zu sehen 332 - eine These, die auch von späteren Autoren ungeprüft wiederholt wurde. 333 Davon abgesehen, daß der Entwicklungsgedanke von der Entstehung des Papierdrucks aus dem Zeugdruck nach heutiger Kenntnis nicht mehr aufrechtzuerhalten ist,334 ist Weinbergers Vermutung, die grüne Farbe des Papiers wäre nach einem der Farbrezepte der Nürnberger Handschrift hergestellt worden, bloße Spekulation.335 Die Datierung des Rezeptbuches aber entzieht all diesen Behauptungen endgültig den Boden: Die Handschrift wurde erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts geschrieben, also nach der Entstehung der meisten der in St. Katharina verwendeten Holzschnitte.336 Von den Argumenten, die für die Ausübung des Zeugdrucks im Katharinenkloster ins Feld gefuhrt wurden, hat also keines Bestand. Da die Annahme, die Nürnberger Dominikanerinnen hätten auch auf Papier Bilder gedruckt, letztlich nur von der Zeugdruck-Hypothese abgeleitet ist, muß auch sie als unbewiesen verworfen werden. Das bedeutet nicht, daß das Phänomen des Bilddrucks in Frauenklöstern überhaupt nicht existierte. In einem anderen süddeutschen Konvent - im Klarissenkloster Söflingen bei Ulm - befand sich vermutlich eine Sammlung von Holzstöcken des 15. Jahrhunderts. Zumindest wurde sie mit dieser Provenienzangabe vom Germanischen Nationalmuseum erworben. Doch ist fraglich, wann und ob sie wirklich im Kloster benutzt worden war. Merkwürdigerweise läßt sich kein einziger alter Abdruck von diesen Modeln mit dem Kloster in Verbindung bringen. 337 Auch in den erhaltenen Handschriften des Konvents ist keiner nachweisbar. 338 Die Datierungen der Stöcke, die sehr unterschiedlicher künstlerischer Herkunft sind, reichen etwa von der Mitte bis zum Ende des 15. Jahrhunderts. Zu vermuten ist also, daß die Sammlung erst später im Kloster zusammengekommen ist. Ob es je zum Abdruck für den Gebrauch im Kloster kam, darf bezweifelt werden. Dagegen ist der Druck von Bildern im bayerischen Birgittinnenkloster Altomünster sowohl durch die Überlieferung zahlreicher Holzschnitte vom späten 15. bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts in Handschriften des Klosters als auch

332 WEINBERGER, Formschnitte 1925, S. 16, zu Sehr. 1048b aus Cent. V, 2. 333

Z . B . SCHOCH 1 9 8 6 , S. 9 5 ; SCHRAUT 1 9 9 1 , S. 1 0 3 .

334 Vgl. WILCKENS 1983, die zeigt, daß Zeug- und Papierdruck gleichzeitig entstanden sind. 335 WEINBERGER, Madonnenholzschnitt 1925, S. 91. Er beruft sich dabei auf den Vergleich des Farbtons mit einer nach der Anleitung der Handschrift gemischten Substanz. 336 Wasserzeichen des Papiers: Dreiberg, Picc. VII, 1885 (nachgewiesen 1456) und ähnlich Picc. VII, 1889 (nachgewiesen 1455). Das Buch dürfte also nicht vor etwa 1455 geschrieben worden sein. 337 Katalog der im Germanischen Museum vorhandenen zum Abdrucke bestimmten geschnittenen Holzstöcke 1892, S. 5-34. Die Holzstöcke gehören zu den Kriegsverlusten des Museums. 338 Zu den Söflinger Hss. KRÄMER in MBK Erg.-Bd. I, S. 717 f. Die Überprüfung der Handschriften auf Druckgraphik nach den Katalogen und Originalen brachte kein Ergebnis.

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durch eine Quelle belegt. Richard Field hat den Besitz des Klosters an Bilddrucken rekonstruiert.339 Weitere Nachweise gibt es nur für den niederländischen Bereich ab dem letzten Viertel des 15. Jahrhunderts: Hier sind vor allem das Bethanienkloster zu Mecheln, der Birgittinnenkonvent Maria-Sterre in Gouda und das Kloster Onze Lieve Vrouw ten Troost in Vilvoorde zu nennen, am besten dokumentiert ist die Produktion des Birgittinnenkonvents Marienwater bei s'Hertogenbosch 3 4 0 Für die Nürnberger Dominikanerinnen aber bleibt festzuhalten: Nachweisbar sind sie als Benutzerinnen, nicht als Produzentinnen von Druckgraphik.341 Unwahrscheinlich ist auch, daß sie Holzschnitte für ihre Zwecke in Auftrag gaben, wie Weinberger vermutete.342 Denn bis auf drei Bilder, die in jeweils zwei Exemplaren erhalten sind, sind alle Bilddrucke im Besitz des Klosters Unikate. Bei einem Auftrag an einen weltlichen Holzschneider für die Vervielfältigung eines Bildes wäre zu erwarten, daß in der Regel mehr als nur je ein Abzug in der Bibliothek zu finden wäre. Auch mit Überlieferungsverlusten ist dies nicht zu erklären, denn der Bücherbestand ist außerordentlich gut erhalten.343

1.9. Reform, Literatur und Handschriftenschmuck im Katharinenkloster Wie kam es dazu, daß die Dominikanerinnen von St. Katharina Holz- und Metallschnitte in so ungewöhnlich hoher Zahl verwendeten? Um einer Antwort auf diese Frage wenigstens näherzukommen, ist der Blick vor allem auf die Beschaffenheit der Bibliothek zu lenken, deren Bestandteil diese Codices waren. Die 339 FIELD 1969. Er veröffentlichte auch den Eintrag im Rechnungsbuch von Altomünster über Ausgaben von vii Ib [Pfund] xxii d [Pfennig] für papier un sant Brigiten zu trucken (FIELD 1969, S. 184). 340 Xylographische Vermerke auf einigen Holzschnitten belegen dies, z. B. Geprent te Marienwater auf Sehr. 1154; vgl. die Zusammenstellung der Blätter mit nachgewiesener und vermuteter Herkunft aus Marienwater bei DE KREEK 1986. Dasselbe gilt für die Holzschnitte, die im Birgittinnenkloster Maria-Sterre in Gouda - oder zumindest für den Konvent - hergestellt wurden (s. Sehr. 1302). Zu den Bilddrucken des Klosters O. L. Vrouw ter Troost in Vilvoorde s. DE MEYER 1970, S. 13 f. Für die Produktion im Bethanienkloster zu Mecheln sprechen nicht nur die xylographischen Vermerke des Druckorts auf einigen Blättern, sondern auch eine Notiz im 1465 aufgenommenen Inventar des Nachlasses der Jacoba van Looz-Hensberge, die Äbtissin des Klosters Thorn bei Maastricht gewesen war, bevor sie sich ins Bethanienkloster zurückgezogen hatte: sie verfugte über unum instrumentum ad imprimendas scripturas et ymagines sowie novem printe lignee ad imprimendas ymagines - also Geräte und Holzmodeln zum Bilddruck (abgedruckt bei LIPPMANN 1876, S. 221 Anm. * [!]). Vgl. dazu auch PERSOONS 1980, S. 9 7 , 1 0 4 f. u n d HAMBURGER 1992, S. 120, S. 131 A n m . 1 3 8 , MAUQUOY-HENDRICKX

1974 sowie VAN DER STOCK 1998, S. 31.

341 SCHRAUT 1987, S. 59 verwechselt den überlegten Gebrauch der Druckgraphiken mit einem Argument für deren Herstellung durch Nonnen: „Die Bildthemen der Holzschnitte des Katharinenklosters stehen in einem weitaus engeren Zusammenhang mit deren Inhalt, als dies sonst üblich war. Normalerweise wird dies als starkes Indiz für die Entstehung vor Ort gewertet." Im gleichen Wortlaut SCHRAUT 1991, S. 104. 342 WEINBERGER, Formschnitte 1925, S. 12. 343

V g l . SCHNEIDER 1 9 8 3 , S 70.

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Entstehung der Büchersammlung ist wiederum nur im Zusammenhang der Reformgeschichte des Katharinenklosters im 15. Jahrhundert zu verstehen. Im Jahr 1295 war eine von Nürnberger Bürgersfrauen betriebene Pflegestätte für Arme und Kranke in ein Dominikanerinnenkloster umgewandelt worden. 344 Der Nürnberger Patrizier Konrad von Neumarkt stiftete den Grund und Boden sowie die nötigen Güter. Die ersten vier Dominikanerinnen kamen aus dem Kloster in Frauenaurach; die übrigen Schwestern waren, wie auch in der weiteren Geschichte des Konvents, Frauen aus den sog. ehrbaren und Patrizierfamilien Nürnbergs. Im Laufe des 14. Jahrhunderts wurde der Grundbesitz vergrößert, die Klostergebäude erweitert und ausgestattet.345 Eine Klosterbibliothek von bescheidenem Umfang ist seit der Mitte des Jahrhunderts nachweisbar. 346 Gegen Ende des 14. Jahrhunderts wird die Geschichte bewegter. Seit 1388 betrieb der Ordensgeneral Raimund von Capua energisch seine Politik der Reform des Dominikanerordens, in welchem er die konsequente Beachtung der Regel und die Besinnung auf die ursprünglichen Leitbilder der Gemeinschaft vermißte. 347 Die Reformer beklagten unter anderem die mangelnde Einhaltung der Besitzlosigkeit, der Klausur und den Mißbrauch der Klöster aus Standesinteressen.348 Johannes Nider, führender Observant der nächsten Generation, sah in der fehlenden Disziplin ein zentrales Problem nicht nur des Ordens, sondern der ganzen Gesellschaft; 349 so brachte er etwa das Phänomen des Hussitismus mit dem Widerstand gegen Reformen in den Klöstern in Verbindung. 350 Doch hatte Raimund von Capua mit hartem Widerstand einzelner Klöster zu kämpfen, die sich seinen als unzulässige Einmischung betrachteten radikalen Plänen verweigerten. Eines der Klöster, das er jedoch auf seiner Seite wußte, war das in der Reichsstadt Nürnberg. Raimund von Capua war persönlich an den Rat der Stadt herangetreten, um ihn um Hilfe bei seinen Reformbemühungen zu ersuchen. Er setzte einen seiner eifrigsten Helfer, den Kölner Dominikaner Konrad von Preußen, als Prior des Konvents ein. Das Nürnberger Kloster wurde ein Stützpunkt der Observanzbewegung, deren Gegner verließen die Stadt. Die Leitung des Konvents trachtete bald danach, auch das Frauenkloster des Ordens zu reformieren. Der Ordenschronist Johannes Meyer berichtete, daß dort ungaistlichait und grosse verlasse-

344 Zur Gründungsgeschichte s. FRIES 1924, S. 8 ff.; dort auch zu der strittigen Frage, ob die Besiedlung durch Schwestern aus Frauenaurach schon 1294 erfolgte. 345

V g l . FRIES 1 9 2 4 , S. 1 1 - 1 9 .

346

R U F in M B K B d . 111,3, S . 5 7 0 ; SCHNEIDER 1 9 6 5 , S. X I I .

347 Zur Reform des Predigerordens vgl. den zusammenfassenden Aufsatz von HILLENBRAND 1989, S. 225 ff. 348 Zu den Mißständen in den Bettelorden am Ende des 14. Jahrhunderts siehe den kritischen Überblick von ELM 1980, bes. S. 197-200. 3 4 9 Zu Nider und seinen Reformschriften s. HILLENBRAND 1 9 8 9 , S. 2 2 0 - 2 2 4 , mit Lit. 350 All laygen ruffend und sprechent, daz der Hussen ketzery uf erstanden sig von dem, daz die pfaffliait und münch und frowen in clöstern nit reformiert sind. (So wiedergegeben vom Ordenschronisten Johannes Meyer im 'Buch der Reformado Predigerordens1, ed. REICHERT 1908/09, H. 3, S. 62).

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hait herrschte und daz der bös gaist da selbs vil gewannen hett351 Konrad von Preußen erwirkte deshalb 1396 die Vollmacht, auch bei den Frauen die strenge Observanz einzuführen. 352 Mit einer Abordnung des Rates der Stadt und einigen Brüdern zog er in diesem Jahr zum Kloster, um auf die Einhaltung der Regel zu dringen. Doch zwang der erbitterte Widerstand der Schwestern, bei dem es auch zu Tätlichkeiten kam, die Delegation zum Rückzug: mit grossen unzüchtigen sitten und unfröwlichen wisen und unperd wider streptend yy sich der päbstlichen und götlichen gehorsami, wie Johannes Meyer berichtet.353 Beim zweiten Versuch jedoch war die Abordnung trotz der Gegenwehr - so sollen zwei Schwestern versucht haben, dem Prior ein Kruzifix auf das Haupt zu schlagen - erfolgreicher, da sie mit List vorgingen: Sie verschafften sich mit Hilfe von Handwerkern Eintritt ins Kloster und setzten die Schwestern mit Mehl, das sie ihnen in die Augen streuten, außer Gefecht. 354 Doch erhoben die Frauen gegen die Disziplinierung beim Ordensgeneral Einspruch; dieser entschied, daß die Schwestern nicht gegen ihren Willen zur Observanz gezwungen werden könnten und verpflichtete sie lediglich zur Einhaltung der Klausur.355 Zu einem neuerlichen Versuch, das Katharinenkloster zu reformieren, kam es im Jahr 1428. Inzwischen hatte sich mit dem Generalmagister Bartholomäus Texerius und dem Nürnberger Prior und Reformtheoretiker Johannes Nider eine gemäßigtere Richtung der Observanten durchgesetzt, die gegenüber der harten Linie eines Konrad von Preußen mit mehr Umsicht und Sinn für das Machbare vorging. 356 Größte Unterstützung fanden die Reformer beim Rat der Stadt Nürnberg. Es war wohl unter anderem die Angst der Stadt vor der Abwanderung von Schwestern oder potentiellen zukünftigen Schwestern des Katharinenklosters - meist Frauen aus Familien der bürgerlichen Oberschicht, oft Witwen - mitsamt ihrem beträchtlichen Vermögen in bereits reformierte Klöster. 357 Endres Tucher spricht in seinem Memorial (1421-40) die Auswirkung mangelnder Klosterzucht deutlich an: wan das macht, das gar reich junkfraw und witiben gros gut in ander kloster füreten aus der stat, so enikait was in anderen klostern.35S So wollte etwa Kunigund Schreiberin, die wegen ihres Bücherbesitzes schon erwähnt wurde, nach dem Tod ihres Ehemannes 1428 zusammen mit ihrer Tochter in das reformierte Dominikanerinnenkloster Schönensteinbach eintreten, um dort ein Ordensleben zu führen, das bei der mangelnden Disziplin im Nürnberger Konvent

351 Johannes Meyer in seinem 1468 entstandenen 'Buch der Reformacio Predigerordens', ed. REICHERT 1908/09, H. 3, S. 12. 352

KIST 1 9 6 3 , S. 3 4 .

353 So Meyer im 'Buch der Reformacio Predigerordens', ed. REICHERT 1908/09, H. 3, S. 13. 354 Ebd., S. 14. 355

KIST 1 9 6 3 , S. 3 4 ; HILLENBRAND 1 9 8 9 , S. 2 4 1 .

356

HILLENBRAND 1 9 8 9 , S. 2 3 5 .

357

WILMS 1 9 2 0 , S. 1 5 7 ; KIST 1 9 6 3 , S. 3 4 f.; HILLENBRAND 1 9 8 9 , S. 2 4 5 .

358 Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert, hg. durch die hist. Kommission der Bayerischen Akademie der Wiss., Bd. II, Leipzig 1864, S. 18. Vgl. dazu auch HILLENBRAND 1 9 8 9 , S. 2 4 5 .

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nicht möglich gewesen wäre. 359 Der Rat verbot dies mit der Begründung, es hätten schon genug Frauen mit ihrem Besitz die Stadt verlassen. Doch scheint ihr Ansinnen für den Rat der Stadt einer der Auslöser gewesen zu sein, zusammen mit der Führung des Predigerordens nochmals einen Reformversuch zu unternehmen. Der Rat ersuchte gleichzeitig mit Johannes Nider das Dominikanerinnenkloster Schönensteinbach im Elsaß, seit 1397 Ausgangspunkt und Aushängeschild der Reform der Frauenkonvente, einige Schwestern zur Einführung der Observanz nach Nürnberg zu senden. Am 6. Dezember 1428 trafen die zehn Nonnen ein. Der Empfang im Nürnberger Konvent war auch diesmal nicht freundlich; doch gelang es Johannes Nider in schwierigen Verhandlungen, die Nürnbergerinnen zur Aufnahme der elsässischen Schwestern zu bewegen. Es war wohl Niders geschicktes Taktieren, das diesmal den Widerstand der Schwestern unterlief: So erlaubte er etwa den Schwestern, die sich zu schwach für die strenge Askese fühlten, Erleichterungen bei den Speisevorschriften, beim Tragen von weicherer Kleidung und bei der Benutzung weicher Betten. 360 Auch wurde ihnen zugestanden, sich erst nach einer bestimmten Zeit für oder gegen die strenge Observanz entscheiden zu müssen. 361 Sämtliche Klosterämter besetzte Nider mit reformierten Schönensteinbacher Schwestern. Sie waren zum Teil gebürtige Nürnbergerinnen, die auf diese Weise in ihre Heimatstadt zurückgeholt werden konnten. Erstaunlich schnell setzte sich der Reformgeist im Katharinenkloster durch. Es wurde bald selbst zu dem neben Schönensteinbach fuhrenden Zentrum der Observanz. Ab 1436 reformierten die Nürnberger Dominikanerinnen selbst andere süddeutsche Klöster des Ordens. 362 Die erfolgreiche Reform führte in vieler Hinsicht zu einem Aufschwung des Katharinenklosters.363 Die strenge Observanz belebte vor allem die geistigen Interessen. Während aus der Zeit vor der Reform kaum etwas über die Aktivitäten der Schwestern bekannt ist, treten sie nun als Schreiberinnen, Buchmalerinnen und Textilkünstlerinnen364 in Erscheinung. Am deutlichsten ist die Entwicklung am Bücherbesitz des Katharinenklosters ablesbar. Aus dem vor der Reform recht unbedeutenden Buchbestand bauten die Schwestern binnen kurzer Zeit eine Bibliothek auf, die schließlich gegen Ende des Jahrhunderts die größte bekannte Sammlung deutschsprachiger Literatur werden sollte.365 Etwa die Hälfte der Handschriften kam durch Schenkung oder als privater Besitz der Schwestern ans Kloster. In der emsigen Schreibtätigkeit, die mit der Reform einsetzte, wurde die andere Hälfte - zum größten Teil geistliche deutsche Literatur, aber auch einige Johannes Meyer, ed. REICHERT 1 9 0 8 / 0 9 , H . 3 , S . 6 6 f.; s. auch SCHNEIDER 1 9 8 3 , S . 7 6 . Johannes Meyer, ed. REICHERT 1908/09, H. 3, S. 67. Doch verließen schließlich nur 8 vom 35 Schwestern das Kloster; s. KIST 1963, S. 35. Tulln a. d. Donau war 1436 das erste, dem viele weitere folgten; s. KIST 1963, S. 36. Die positiven Auswirkungen der Reform schildert Johannes Meyer, ed. REICHERT 1908/09, in seinem 3. Buch. 364 Zur Produktion von Bildteppichen im Kloster s. den Überblick bei SCHRAUT 1987, S . 59-64, mit weiterer Lit. 365 Sie wird gegen Ende des Jahrhunderts auf etwa 500-600 Bände geschätzt, von denen etwa die Hälfte noch erhalten ist (SCHNEIDER 1983, S. 70). 359

360 361 362 363

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lateinische Liturgica - von den Schwestern selbst produziert. Das Katharinenkloster wurde zu einer „Abschreibezentrale für mystisch-aszetische Literatur". 366 Das entspricht der Grundtendenz in den reformierten Klöstern seit dem zweiten Viertel des 15. Jahrhunderts. Die Reformer, so etwa der für Nürnberg bestimmende Johannes Nider, legten großen Wert auf die verstärkte Ausstattung der Konvente mit geistlicher Literatur.367 Bei den Frauenklöstern mußten das wegen der eingeschränkten Lateinkenntnisse in erster Linie deutsche Texte sein. So war es eine wichtige Aufgabe der männlichen Klosterreformer, durch Verfassen und Übersetzen die geeignete Literatur für die Frauen zur Verfügung zu stellen. 368 Ebenso wurde das Schreiben selbst als Akt der Erbauung propagiert. Die gelegentlich als explosionsartig beschriebene Verbreitung von deutscher Literatur seit dieser Zeit 369 steht in unübersehbarem Zusammenhang mit den monastischen Reformen. 370 Bei den süddeutschen Dominikanerinnen wird dies besonders deutlich sichtbar.371 Das Nürnberger Katharinenkloster ist vom Umfang seiner Handschrifitenproduktion her ein herausragendes Beispiel für diese Entwicklung. 372 Die Menge der kopierten geistlichen Texte machte bald die Katalogisierung der Bibliothek nötig, die - in Übereinstimmung mit den Vorstellungen der Ordensreformer - zwischen 1451 und 1457 durchgeführt wurde. 373 Die Verfasserin dieses Katalogs und Inhaberin des Amtes der Buchmeisterin, Kunigund Niklasin, war gleichzeitig eine der eifrigsten Schreiberinnen des Konvents.374 Sie wird nicht nur als Begründerin der Schreibschule des Katharinenklosters angesehen;375 Hasebrink bezeichnete 366

S o HAAGE 1 9 6 8 , S. 2 1 6 A n m . 9.

367 Zur allgemeinen Bedeutung monastischer Reformen als „Schubkraft von Schriftkultur" (S. 42) s. SCHREINER 1 9 9 1 .

368 Vgl. WERNER WILLIAMS-KRAPP, Studien zu 'Der Heiligen Leben', in: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 105, 1976, S. 274-303, dort S. 293. 369

S o e t w a WILIAMS-KRAPP 1 9 8 6 / 8 7 , S. 4 1 .

3 7 0 Vgl. u. a. HILG 1981, S. 390, 392. WILLIAMS-KRAPP 1986/87, S. 51 konstatiert: „Die große

Verbreitung geistlicher Literatur im 15. Jahrhundert war ein letztlich so gut wie ausschließlich auf die Reformbewegungen zurückgehendes Phänomen." Zum gleichen Thema s. WILLIAMSKRAPP 1995. Der Versuch GRAFS, allzu enge Zusammenhänge zwischen Klosterreform und Literaturüberlieferung zu bestreiten (GRAF 1995, u. a. S. 137, S. 152-157), mag fiir einige seiner ausgesuchten Augsburger Beispiele und v. a. im späteren 15. Jahrhundert diskutabel sein, ist aber nicht repräsentativ und ließe sich aber anhand des Nürnberger Katharinenklosters keinesfalls exemplifizieren. Vgl. die Kritik an GRAF bei WILLIAMS-KRAPP 1995, S. 1 Anm. 2. Zur Auswirkung der Ordensreformen auf die Überlieferung bestimmter geistlicher Texte vgl. u. a. a u c h HAAGE 1 9 7 6 , S. 1 2 3 , S. 1 2 5 ; HOHMANN 1 9 7 7 , S. 2 7 2 - 2 7 6 ; SCHNELL 1 9 8 4 , S. 2 6 0 -

284; EISERMANN 1997, S. 222. Den Zusammenhang zwischen der Konstitution einer Klosterbibliothek und der monastischen Reform untersucht ROTH 1999 exemplarisch. 371 372

WILLIAMS-KRAPP 1 9 8 6 / 8 7 , S. 4 7 . V g l . WILLIAMS-KRAPP 1 9 9 5 , S. 3.

373 Die Anregung dazu ging wohl von den Nürnberger Predigerbrüdern aus. Vorbild war vermutlich das System zur Bibliothekskatalogisierung, das der Dominikaner Johannes Meyer 1454 entworfen hatte. Siehe RUF in MBK Bd. 111,3, S. 598; HASEBRINK 1996, S. 202. 374 18 Bücher von ihrer Hand sind in der Nürnberger Stadtbibliothek erhalten, 13 weitere aus dem Katalog erschlossen. Siehe SCHNEIDER 1965, S. XVI. 375 SCHNEIDER 1965, S. XVI, zur Anwendung des Begriffs der 'Schreibschule' im Katharinenkloster.

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sie überhaupt als „die herausragende Figur der klösterlichen Bildungswelt". 376 Von ihrer Hand stammen auch zwei der ältesten Handschriften (1448 und 1451) mit druckgraphischem Schmuck. Die Holzschnitte waren dort von vornherein als Titelbilder eingeplant. 377 Der älteste druckgraphische Handschriftenschmuck des Katharinenklosters steht also in Zusammenhang mit der Tätigkeit der für die Buchkultur des Katharinenklosters zu dieser Zeit bestimmenden Schwester. Daß sie als Buchmeisterin auch Einfluß auf die Ausstattung der Bände nahm, die aus dem Privatbesitz der Schwestern in die Bibliothek kamen - etwa die Bücher der 1448 verstorbenen Katharina Tucher, von denen vier mit Holzschnitten in den Vorderdeckeln geschmückt wurden - kann nur vermutet werden. Fest steht auf jeden Fall, daß ein großer Teil der Ausstattungen mit Druckgraphik zu der Zeit erfolgt sein muß, als Kunigund Niklasin für das Buchwesen im Katharinenkloster verantwortlich war. In späteren Handschriften folgte man offenbar diesen Vorbildern. Wie sich die Buchmeisterin um den Bildschmuck der von ihr geschriebenen Codices kümmerte, zeigen ihre Anweisungen für den Schmuck historisierter Initialen in einer von ihr 1445 vollendeten deutschen Bibel. Beim Schreiben ließ sie an den Anfängen der entsprechenden Abschnitte Platz für die Initialen frei, die später von einem Buchmaler eingefügt werden sollten. Den Darstellungsgegenstand beschrieb sie auf kleinen Zettelchen, die sie mit Garn und wenigen Stichen am unteren Rand der betreffenden Seiten annähte (Abb. 75). 378 Vermutlich sollten sie nach Vollendung der Miniaturen wieder entfernt werden. Dies aber unterblieb, was diesen interessanten Beleg für die Tatsache, daß Kunigund Niklasin das Illustrationskonzept für diese Handschrift entworfen hatte, der Nachwelt bewahrte. Der flott hingeworfene, doch sichere Duktus dieser kolorierten Federzeichnungen weist auf die Arbeit eines professionellen Buchmalers. 379 Das erklärt auch die Ausführlichkeit der Anweisungen, die bei engerem Kontakt zwischen einer Schreiberin und einer Malerin nicht notwendig gewesen wäre. Bei der Vergabe des Auftrags außerhalb der Klausur war diese Form der Vermittlung der Inhalte unabdingbar. Der Maler hielt sich dann auch bemerkenswert eng an die Vorgaben. Die Illustrationen unterscheiden sich stilistisch und maltechnisch stark von den Miniaturen, die als Arbeiten von Schwestern des Katharinenklosters wahrscheinlich zu machen sind. Namentlich bekannt ist Barbara Gwichtmacherin, die vermutlich aus Schönensteinbach gekommen war und zwischen 1452 und 1457 erstmals als Buchmalerin bezeugt ist. Von ihr stammt eine Reihe

376

HASEBRINK 1 9 9 6 , S . 2 1 5 .

377 Bamberg, SB, Msc. hist. 154 und Nürnberg, StB, Cent. VI, 43 f (s. o.). 378 Nürnberg, StB, Cent. III, 40. Beschreibung des Bildschmucks bei SCHNEIDER 1965, S. 1 f. Vgl. zu den Miniaturen RASPE 1905, S. 53; FISCHER 1928, S. 50 f. 3 7 9 FISCHER 1 9 2 8 , S. 5 0 nimmt - ohne Begründung - eine Schwester des Katharinenklosters als Malerin an und verkennt die gravierenden Unterschiede zu den bezeugten Arbeiten der Nonnen. SCHRAUT 1 9 8 7 , S. 5 6 läßt es dagegen im unklaren, ob sie eine Nürnberger Dominikanerin für die Künstlerin hält.

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kleinformatiger Bilder, vor allem historisierte Initialen, die keine professionelle Ausbildung verraten. 380 Ob sie die einzige Buchmalerin im Kloster war oder manche der ihr zugeschriebenen Bilder von anderen, in ihrem Stil arbeitenden Schwestern stammen, bedürfte noch der Klärung. 381 All diese Miniaturen sind bescheiden, es sind ausschließlich sehr kleine Darstellungen, meist historisierte Initialen.382 Professionelle Buchmalerarbeiten sind aus diesen Jahrzehnten fast ausschließlich in Codices vorhanden, die dem Kloster geschenkt wurden. 383 Dieser Charakter der Buchausstattung verwundert wenig angesichts der Ziele, die die reformeifrigen Schwestern mit dem Bücherschreiben verfolgten. Sie versorgten sich mit geistlicher Gebrauchsliteratur; als Repräsentationsobjekte spielten Bücher keine Rolle. Daneben wurde das Schreiben selbst, wie auch das Illuminieren und andere handwerkliche Arbeiten, von den Reformern als geistliche Übung und nützliche Betätigung zur Abwehr schädlichen Müßiggangs aufgefaßt. 384 Der Ordensreformer Johannes Meyer hebt immer wieder den Fleiß der reformierten Schwestern bei solchen Tätigkeiten lobend hervor; so würdigt er etwa eine wol geschickte swöster zu malen, schriben und war zu man ir bedurft im Dominikanerinnenkloster Unterlinden zu Colmar. 385 Auch wenn er sich an anderer Stelle durchaus kritisch zu Auswüchsen des Bildgebrauchs in Frauenklöstern äußert (s. u.), wertet er das Schreiben und Illustrieren von Büchern als Ausdruck individuellen Tugendstrebens und kollektiv nützlichen Handelns stets positiv. Dieser Einstellung zum Buchschmuck kamen Holzschnitte sehr entgegen. Sie waren leicht verfugbar und entsprachen der Praxis der Schwestern, ihre Bücher selbst zu schreiben und auszustatten. Auch die Geschwindigkeit der Handschriftenproduktion im Kloster legte die Verwendung von vorgefertigtem Illustrationsmaterial nahe. Mit Holzschnitten konnte das Bedürfnis der Klosterfrauen nach Illustrationen befriedigt werden; das durch einfache Materialien und formale Mittel zum Ausdruck kommende niedrige Anspruchsniveau 386 signalisierte 380 Sie starb 1491; s. WÜRFEL 1769, S. 28. Zu ihr und ihren Arbeiten s. FISCHER 1928, S. 69-78; SCHNEIDER 1965, S. XX f.; SCHRAUT 1987, S. 56 f. Eine detailliertere und vor allem differenziertere Untersuchung dieser Miniaturen fehlt noch. 381 Z. B. in Cent. V, 10a: FISCHER 1928, S. 72 bezeichnete die Initialen als mißlungene Arbeiten der Gwichtmacherin, während SCHRAUT 1987, S . 57 f. darin Werke ihrer Schülerinnen sah. Zu vergleichbaren Nonnenarbeiten aus oberrheinischen Dominikanerinnenklöstern s. HEUSINGER 1959. 382 Selten sind größerformatige Darstellungen wie die aus der Nürnberger Kopie des 'Buches der Ersetzung1 des Ordensreformers Johannes Meyer (Bloomington, University of Indiana, Lilly Library, MS Ricketts 1 9 8 , fol. 1 3 4 V ) , die HAMBURGER 1 9 9 8 , S. 1 9 - 2 1 und Taf. I, erstmals vorstellte. 3 8 3 Vgl. die Übersicht über den Buchschmuck des Klosters bei FISCHER 1 9 2 8 . 3 8 4 Siehe WILLIAMS-KRAPP 1 9 8 6 / 8 7 , S. 4 3 . 385 'Buch der Reformado Predigerordens', ed. REICHERT 1908/09, H . 3, S. 114. 386 Dem entsprach vermutlich auch der tatsächlich niedrige Preis. Zwar existieren aus dieser Zeit keine Belege über die Preise von Bilddrucken, doch ist schon aus dem Produktionsvorgang zu schließen, daß sie ohne Zweifel deutlich billiger als Miniaturen gewesen sein müssen. Verläßliche Preisangaben sind bislang erst für die frühe Neuzeit bekannt, vgl. etwa VAN DER STOCK 1998, S . 118, S . 122 f. mit Belegen ab 1511, SCHILLING 1990, S . 3 8 ^ 1 mit Belegen

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dabei jedoch die nötige Bescheidenheit, um nicht als falscher Prunk verdächtig zu werden. Denn Askese und Besitzlosigkeit als Forderungen der Reform wurden im Katharinenkloster streng durchgehalten.387 Mit Druckgraphik wurden, mit Ausnahme des Breviers im British Museum, ausschließlich deutschsprachige geistliche Sammelhandschriften ausgestattet, die vor allem Erbauungs- und Gebetsliteratur enthalten. Etwa die Hälfte dieser Handschriften kam als Eigenbesitz von Schwestern oder als Geschenke von Dominikanern ins Kloster; hier wurden die Holzschnitte meist nachträglich in den Buchdeckeln angebracht. In die anderen, von den Schwestern selbst geschriebenen Codices wurden die Bilder entweder schon beim Schreiben in den Text integriert oder danach als Einleitungsbilder eingebunden. Beim Schmuck der Deckel konnten die Frauen relativ unabhängig vom Inhalt des Buches verfahren. Interessanter ist die Frage, zu welchen Texten die Graphiken schon beim Schreibvorgang - von den Dominikanerinnen, den Dominikanern oder in deren Auftrag eingefügt wurden. In drei der Handschriften kombinierte man deutsche Gebete mit Holzschnitten. 388 Schon diskutiert wurde das Marienleben des Heinrich von St. Gallen, das im 'Gulden puchlein' reich illustriert wurde. Der dem gleichen Verfasser zugeschriebene Passionstraktat wurde in einer anderen Handschrift mit einem Holzschnitt ausgestattet. 389 Beide Texte gehören nicht nur zur meistgelesenen Erbauungslektüre des 15. Jahrhunderts, sondern auch zu der in reformierten Klöstern - vor allem Frauenkonventen - besonders beliebten Literatur. 390 Hilg zeigte für das Marienleben, daß dessen Verbreitung „offenbar mit der in Südostdeutschland erst seit den dreißiger Jahren sich entfaltenden Aufnahmebereitschaft des Publikums infolge der von Nürnberg ausstrahlenden Reform der Dominikanerklöster einschließlich ihres weiblichen Zweiges und der Initialwirkung dieser Reformen auf das Lesebedürfnis" zusammenhängt.391 Das Beispiel dieses Marienlebens zeigt auch, daß es solche besonders in den reformierten Dominikanerinnenklöstern benutzten Texte waren, die bevorzugt mit Druckgraphik illustriert wurden: Von den drei erhaltenen (in zwei Fällen mit Holzschnitten) illustrierten Handschriften des Marienlebens des Heinrich von St. Gallen stammen zwei aus Dominikanerinnenklöstern, die dritte ist von einer dieser beiden in Text und Bildschmuck direkt abhängig.

387 388 389 390

aus dem 17. Jahrhundert. Für das 15. und frühe 16. Jahrhundert herrschen Spekulationen vor. Doch könnten vorsichtige Rückschlüsse auf die ungefähre Größenordnung aus den Preisen typographischer Einblattdrucke gezogen werden, für die einige Quellen existieren. Um eine Vorstellung von der Dimension zu geben, seien z.B. die 1500 Abzüge eines Fehdebriefs genannt, für die der in Bamberg tätige Drucker Georg Erlinger im Jahr 1537 insgesamt acht rheinischen Gulden erhielt; s. dazu mit weiteren Belegen über Druckpreise KARL SCHOTTENLOHER, Der Frühdruck im Dienste der öffentlichen Verwaltung, in: GutenbergJahrbuch 1944/1949, S. 138-148, dort S. 146. Vgl. Johannes Meyer, ed. REICHERT 1908/09, H. 3, S. 67 ff. Nürnberg, StB, Cent. V, App. 81; Cent. VII, 38; Will II, 19.8°; Nürnberg, StB, Cent. VI, 60. RUH 1980, S. 584.

391

HILG 1 9 8 1 , S. 3 9 0 .

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1.10. Klosterreform und 'cura monialium' Die Untersuchung hat gezeigt, daß keineswegs so vereinfachend wie bislang üblich von den „Formschnitten des Katharinenklosters" - um den Titel von Martin Weinbergers anstoßgebender Studie zu zitieren - gesprochen werden kann. Vielmehr stellt sich der Bilderschmuck von Büchern, die letztendlich in der Bibliothek dieses Konvents Aufnahme fanden, in mehreren Fällen als Produkt des vielfaltigen Austausches und der Zusammenarbeit zwischen dem Nürnberger Männer- und Frauenkloster des Dominikanerordens dar. Mehrere dieser mit Holz- und Metallschnitten geschmückten Bände gehören zu den Handschriften, welche die Schwestern von den Brüdern des Ordens erhalten hatten. 392 Auch die Konzeption von Büchern mit eingebundenen Holzschnitten als Eingangsbilder geschah in Abstimmung mit der Buchbinderei der Predigerbrüder. Diese hatten nicht nur die Reform des Klosters initiiert, sondern waren als Beichtväter und Kapläne auch für die 'cura monialium', die geistliche Betreuung der Frauen, zuständig. Dazu gehörte die Versorgung mit der richtigen Literatur. 393 Die Brüder übersetzten 394 und schrieben395 Bücher für die Schwestern oder liehen ihnen solche zum Kopieren. 396 In der Bibliotheksorganisation waren sie beratend tätig. 397 Zudem fand zwischen dem Prediger- und dem Katharinenkloster nicht nur Handschriften-, sondern auch Bilderaustausch statt: Das 'Gulden puchlein' wurde zwar von einem Bruder höchstwahrscheinlich für die Frauen geschrieben; doch hatten Schwestern wenigstens einen Teil des Illustrationsmaterials dafür ins Männerkloster gesandt. Offenkundig ist mit wechselseitiger Anregung und Ausführung von Holzschnittausstattungen zwischen dem Männer- und Frauenkloster zu rechnen. Das wirft die Frage nach der Bedeutung von Bildern in der geistlichen Betreuung von Klosterfrauen durch die Brüder des Ordens auf. Wie Jeffrey

392

V g l . SCHNEIDER 1 9 6 5 , S . X I V .

393 Vgl. WILLIAMS-KRAPP 1986/87, S. 44. 394 Ein Beichtvater als Auftraggeber einer Predigtübersetzung ist etwa im alten Bücherkatalog unter der Signatur M XXIII erwähnt: Item dise II puchlein haben die swestern geschriben, und hat gepredigt und gemacht der erwirdig vater prior zu den predigern, Peter Kirchslag, und unser peichtiger, vater Haß, hat sy uns teutzsch lasen machen. (MBK Bd. 111,3, S. 627). 395 Zahlreiche Belege dafür finden sich im Bibliothekskatalog; z. B. der Eintrag unter dem Band B IX: Item ein langen sextern in eym conpert; daran Stent die VII tod sund und die X gepot etc. Den hat unser peichtvater Heynrich Krauter selig geschriben. (MBK Bd. 111,3, S. 602). Von Heinrich Krauter stammen weitere Bücher des Nonnenklosters, etwa Cent. VII, 94 (vgl. MBK Bd. 111,3, S. 610) und Cent. VIII, 4 der Stadtbibliothek Nürnberg. Zu Krauter s. BOCK 1924, S. 180 Nr. 39. 396 Ein von den Dominikanern entliehenes Buch ist Cent. VII, 42 der Nürnberger Stadtbibliothek. Auf fol. 177 v findet sich der Vermerk: Item wann die vetter hie von den predigern daz puchlin •wider wollen haben, so süll wir in daz antwurten an all widerred. Offenbar verlangten sie es jedoch nicht zurück, wie der später darunter gesetzte Besitzvermerk des Katharinenklosters zeigt. Aus dem Jahr 1474 ist eine Liste von Büchern erhalten, die der Bruder Hans - vermutlich ein Dominikaner - den Nonnen geliehen hatte. (MBK Bd. 111,3, S. 637). 397 So geht wohl die Anlage des Bücherkatalogs auf ihre Anregung zurück (RUF in MBK B d . 111,3, S. 5 9 8 ; SCHNEIDER 1 9 8 3 , S. 71).

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Hamburger für das 14. Jahrhundert zeigen konnte, spielte in der 'cura monialium' der Austausch von Andachtsbildern ebenso eine Rolle wie der von illustrierten Handschriften. 398 Wenn es auch für das 15. Jahrhundert an vergleichbaren Untersuchungen noch mangelt, 399 so legt doch die Praxis der beiden Nürnberger Klöster des Predigerordens Ähnliches nahe. In den programmatischen Schriften zur dominikanischen Reform des 15. Jahrhunderts kann von genereller Bilderfeindlichkeit keine Rede sein.400 Johannes Meyer beweist in seinem 'Buch der Reformacio Predigerordens' von 1468 eine kritische und vorsichtige, doch nicht ablehnende Einstellung gegenüber materiellen Bildern.401 Im Bewußtsein der in den Frauenklöstern gängigen visuell geprägten Andachtspraktiken mahnt er zum moralisch disziplinierten Umgang mit Bildern. Gegen die visionäre Tendenz der Schwestern, in den Bildern die Heiligen gegenwärtig zu sehen und ihnen folglich besondere Wirkkraft zuzumessen, setzt er die Tugendschulung, die er einzig als Zweck von Bildern akzeptiert.402 Entsprechend sparsam ist Meyer mit Schilderungen von Bildwundern und Erscheinungen bei seinen Beschreibungen des Wirkens reformierter Schwestern, was seinen Text grundlegend von den visionären dominikanischen Nonnenviten des 14. Jahrhunderts abhebt. 403 Wenn er dennoch gelegentlich Wunder im Zusammenhang mit Bildwerken mitteilt, hat das programmatische Bedeutung. So z. B. thematisiert ein Mirakel im Kloster Schönensteinbach letztendlich die Frage nach dem Privatbesitz von Bildern: Eine Schwester bekommt eine Elfenbeinmadonna geschenkt und putzt sie. Bald aber trägt sie ein Vogel davon. Als die Schwestern das Bild wiederfinden, nachdem ein Vogelschwarm ihnen den Ort gezeigt hat, stellen sie es in einem Schrein aus, wo Maria durch das Bild Heilungswunder vollbringt. Ein Privatbild aus wertvollem Material wird also einer Nonne durch höhere Einwirkung weggenommen und danach für alle Konventualinnen zugänglich ausgestellt. Die folgende Wundertätigkeit zeigt an, daß

398

HAMBURGER 1 9 8 9 , S. 42-A5;

399

A u s n a h m e n s i n d d i e S t u d i e n JEFFREY HAMBURGERS u n d v o n THOMAS LENTES 1 9 9 6 .

HAMBURGER 1 9 9 2 , S. 1 1 9 f.

400 Siehe zu diesem Thema v. a. die Studien von HAMBURGER 1989, 1992 und 1995 sowie LENTES 1996. Zum Bildgebrauch bei den Dominikanerinnen vor der Reform ist vor allem aus den oberrheinischen Klöstern mehr bekannt - hauptsächlich durch die Nonnenviten des 14. und 15. Jahrhunderts. Deren Quellenwert kritisch zu hinterfragen ist jedoch vor allem von kunsthistorischer Seite oft versäumt worden. (Zuletzt von VAVRA 1985; dort mit Angabe älterer Lit. Zu den Viten s. den Überblick bei BLANK 1962, S. 45-81; zur kritischen Beurteilung ihres R e a l i t ä t s g e h a l t s s. RINGLER 1 9 8 0 , u. a. S. 3 5 2 , 3 5 6 , OCHSENBEIN 1 9 9 2 , S. 4 3 f.).

401 Zur wichtigen Unterscheidung von inneren und äußeren Bildern am Beispiel Johannes Meyers s. LENTES 1 9 9 6 , S. 1 7 8 .

402 Vgl. REICHERT in der Einleitung zu Johannes Meyer, ed. REICHERT 1908/09, H. 2, S. XI; FECHTER in 2 V L Bd. 6, Sp. 487; v. a. die gründliche Analyse von LENTES 1996, S. 188.

403 Zur kritischen Einstellung Meyers gegenüber erlebnismystischen und spekulativen Texten sowie der Schilderung von übernatürlichen Geschehnissen s. WILLIAMS-KRAPP 1993, S. 303 f. Seine differenzierte Sichtweise von Gnadenerweisen äußert sich etwa auch darin, daß er zwar einige der Schwesternbücher des 14. Jahrhunderts, die voll von Wundergeschehnissen sind, in Anerkennung des Nutzens motivierender Exempel neu herausgab, doch mit Pro- und Epilogen versah, die zum kritischen Umgang mahnen.

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der Wechsel von der individuellen zur gemeinsamen Benutzung richtig war. 4 0 4 Denn das Zurückdrängen der vita privata in den Konventen gehörte nicht nur bei den Dominikanern zu den allgemeinen Anliegen der Klosterreform. Auch wenn ein Bildwerk in dieser Episode Wunderbares vollbringt, ist es nicht das Ziel Meyers, seine Wirkkraft vorzufuhren, sondern im Wunder selbst moralisierend zum Bildgebrauch Stellung zu beziehen. 405 Am interessantesten ist in unserem Zusammenhang die Tatsache, daß nach dem Bericht Johannes Meyers sogar die Reform des Klosters Schönensteinbach die Keimzelle der Observanz bei den Dominikanerinnen der deutschen Ordensprovinz - im Jahr 1397 mit einem Bildwunder beginnt. 406 Bei der Einsetzungszeremonie der Schwestern beschreibt er vor dem für die Reform entscheidenden Akt, der Beschließung der Klausur, folgende Szene: Nun het der wirdig vatter brüder Cünrat gern den swöstren etwas geben glich ainer als der andren; do hat er bildlin von liden unsers heren, die warent aber unglich, anes wie er gegaislet ward, ans die krönung, ans sust, daz ander so; do verwandlet unser lieber her mit ainem grossen zaichen die bildlin alle, also daz sy alle glich förmige crucifix wurdent, und Maria und Johannes under dem crütz stündent. Also da gab der selig vatter jetlicher swöster ain bild des gecrützgen Christus; do namen sy die crucifix und gesegneten den selben vatter und die hertzogin und gnadetent aller wellt und gabent der wellt und alles daz dar in ist ain fiyeges lediges urlob und giengen wiliklich in das closter,407 Konrad von Preußen, den Raimund von Capua mit der Leitung der drei Klöster der Dominikaner und Dominikanerinnen von Colmar betraut hatte, wollte in Anwesenheit der Herzogin und anderen adeligen und geistlichen Publikums am Ende der Zeremonie den Schwestern kleine Bilder mit auf den Weg in die Klausur geben. 4 0 8 Raimund hatte zu diesem Zweck verschiedene Passionsdarstellungen bei sich; doch wurden diese durch ein Wunder verwandelt, so daß schließlich alle Frauen identische Kreuzigungsbilder bekamen. Zum einen bedeutet die Übergabe von Kreuzigungsdarstellungen vor dem Rückzug der Schwestern in die Klausur - und damit ins observante Ordensleben,

404 Die programmatische Umwandlung von privaten in (zumindest für den Konvent) öffentliche Bilder ist auch in den Reformschriften anderer Orden zu finden. So berichtet der Windesheimer Reformer Johannes Busch aus dem Heilig Kreuz-Kloster in Erfurt, daß er in den Chorstallen der Nonnen private gemalte und geschnitzte Bilder von Christus und den Heiligen fand. Er läßt alle an einer Wand in der Kirche befestigen, damit sie von allen in der Gemeinschaft gleichermaßen andächtig verehrt werden können (ut omnes eas equaliter aspicerent, devotionem in communi ab eis haberent). K. GRUBE (Hg.), Des Augustinerpropstes Johannes Busch Chronicon Windeshemense und Uber de reformatione monasteriorum, Halle 1886, S. 610 f. 405 Auch andere von Meyer geschilderte Wunder zeigen, daß er dem Bild keine eigene Kraft zuspricht, sondern es vielmehr als Gegenstand und Mittel göttlicher Ermahnung sieht (vgl. auch Johannes Meyer, ed. REICHERT 1908/09, H. 2, S. 62). 406 Neuerdings hat auch LENTES 1996, S. 179 f. auf diese Tatsache aufmerksam gemacht. 4 0 7 Johannes Meyer, ed. REICHERT 1908/09, H. 2, S. 35.

408 LENTES 1996, S. 180 weist auf die Bedeutung der Klausur als „Errichtung eines visuellen Innenraumes fllr die memoria passionis und die imitatio crucis•" hin; das äußere Bild soll den Nonnen helfen, statt der Bilder der Welt nun das Bild des Gekreuzigten in ihrem Inneren zu tragen.

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zu dessen Hauptforderungen die strenge Einhaltung der Klausur gehörte - den Verweis auf den leidenden Christus auch als inneres Vor-Bild. Zum anderen bewirkt das Verwandlungswunder die Vereinheitlichung der verschiedenen Bilder bzw. die Vervielfältigung ein und derselben Darstellung. Dies ist wohl nicht zuletzt im Zusammenhang mit der erwähnten Forderung nach Gleichheit in der Gemeinschaft und nach Aufgabe von Privatheit zu sehen. 409 Es wäre verlockend, dieses Wunder der Bildvervielfältigung in Bezug zur Entstehung druckgraphisch vervielfältigter Bilder zu setzen, die etwa zur gleichen Zeit anzusetzen ist. Auch wenn es sich hierbei nur um die Feststellung einer Analogie handeln kann, bleibt doch zu bemerken, daß der normierte Charakter von Druckgraphik der Idealvorstellung von vereinheitlichten Bildern, die in Meyers Reformbuch sichtbar wird, entgegengekommen sein dürfte. Was die Kritik an persönlich benutzten Bildern als Ausdruck der einzudämmenden vita privata betrifft und die Bevorzugung von solchen, die dem gesamten Konvent zur Verfügung stehen, läßt sich aber in anderer Hinsicht eine Parallele zum 'Gulden puchlein' ziehen. Der geistliche Vater Conrad Forster kleidete zum einen die Bilder, die er von den Schwestern erhalten hatte, in einen Text, überließ sie also nicht ihrer eigenständigen visuellen Wirkung, sondern wies ihnen ihre Funktion im Dienst eines Erbauungsbuches zu. Zum anderen gab er dadurch den Nonnen die Bilder, die sie an ihn und seinen Bruder persönlich gerichtet hatten, wieder - und zwar im Rahmen eines Buches, das vermutlich in der Bibliothek allen Schwestern gleichermaßen zugänglich war. Auch darin kann man ein vom geistlichen Vater statuiertes Exempel über das Verhältnis von privaten und konventsöffentlichen Bildern sehen. Das 'Gulden puchlein' hat ohnehin deutlich gemacht, daß die Brüder des Nürnberger Predigerklosters sich ihren Aufgaben im Kontext der 'cura monialium' nicht nur in der Versorgung der Schwestern mit volkssprachiger Erbauungsliteratur - vom Schreiben bis zum Binden der Bücher - nachkamen, sondern sich auch der visuellen Bedürfnisse ihrer geistlichen Töchter annahmen. Das Bewußtsein des Schreibers Conrad Forster für die Aufgaben der 'cura monialium' wird in besonderer Weise in der Zusammenstellung des eigenständigen Bildteils am Anfang der Handschrift deutlich, der mit dem Inhalt des Buches nicht unmittelbar in Beziehung steht, doch keineswegs nur als eine beliebige Reihung von „Andachtsbildern" anzusehen ist: So ist die Kreuzigungsdarstellung am Beginn des Buches nicht allein in ihrer ganzen heilsgeschichtlichen Präsenz von Bedeutung, sondern auch als Teil eines Minimalkanons wichtiger Bilder, wie er in der Frühzeit des Ordens akzeptiert war und von den Ordensreformern - siehe das Wunder von Schönensteinbach im Rahmen der 'cura monialium' - wieder ins Bewußtsein gerufen wurde. Dazu gehörten auch die Darstellungen der Muttergottes und des Ordensmärtyrers Petrus, die Conrad Forster ebenfalls als Einlei409

verweist auch darauf, daß die bei diesem Wunder erfolgte Reduktion verschiedener Passionsszenen auf die Kreuzigungsdarstellung eine Rückbindung auf die Frühzeit des Ordens bedeutet, in der den Angehörigen nur der Besitz eines Bildes des Gekreuzigten, Mariae und des Ordensstifters erlaubt war. LENTES 1 9 9 6 , S. 1 8 2

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tungsbilder des 'Gulden puchlein' auswählte. Die Holzschnitte der heiligen Wüstenväter sollten als exempla eines asketischen und tugendhaften Lebens dienen, besonders in Hinblick auf die strenge Klausur des reformierten Klosters, ebenso wie das Bild der büßenden Magdalena, die als weibliches Vorbild eines solchen bußfertigen Eremitentums steht. Darstellungen der Wüstenväter benutzte schon der Dominikaner Heinrich Seuse als Mittel der 'cura monialium', als er der von ihm geistlich betreuten Schwester Elsbeth Stagl ein Andachtsbüchlein mit Bildern von ihnen sandte. 410 An den Schluß des einleitenden Bildteils stellte Forster dann die Miniatur der mystischen Vermählung der hl. Katharina, die nicht nur die Patronin des Klosters in Erinnerung ruft, sondern die Betrachterinnen auf einer weiteren Bedeutungsebene auch auf die geistliche Vermählung verweist, die sie bei ihrem Eintritt ins Kloster mit Christus eingegangen waren. 411 Der Zusammenhang zwischen der 'cura monialium' und der Schenkung eines mit vier Bildern - zwei davon Holzschnitte - versehenen Buches von Bruder Matthias Weinsperger an Schwester Margarethe Vornan ist ebenso offensichtlich (s. o. Kap. II. 1.4). Schon die Auswahl der Texte war unter dem Aspekt der spirituellen Führung der geistlichen Tochter erfolgt. Der Band enthält neben Gebeten auch solche Stücke, die sich unmittelbar auf das monastische Leben beziehen, darunter die Allegorie vom geistlichen Kloster, zwei Traktate über das rechte Klosterleben 412 oder den Brief eines Beichtvaters an eine Klosterschwester mit Anweisungen zur wahren Andacht. 413 Der Schreiber war sich der didaktischen Anforderungen wohl bewußt und markierte etwa in der letztgenannten Anleitung die besonders wichtigen Stellen am Rand durch rote Hinweise wie merck oder hie merck eben. Gleichzeitig setzte er Bilder zur Vermittlung der Andacht ein. Weil er offenkundig selbst des Malens nicht mächtig war, griff er auch in diesem Fall zu Druckgraphiken, also vorgefertigtem Bildmaterial. Im Kontext des Gebets, dem sie beigegeben wurden, sollen sie als äußere Bilder jene Imagination innerer Bilder visuell unterstützen, die zahlreiche spätmittelalterliche Meditationsanleitungen als Voraussetzung der Andacht empfahlen. Der Schwester diese vergegenwärtigende Meditation zu erleichtern, dürfte die Absicht des Bruders beim Einsatz von Bildern an dieser wichtigen Stelle gewesen sein.

410

HAMBURGER 1 9 8 9 , S. 3 0 - 3 2 ; HAMBURGER 1 9 9 0 , S. 1 5 1 - 1 5 3 .

411 Vgl. dazu die Analyse dieses textlosen Bildteils im 'Gulden puchlein' in Kap. II. 1.2. 412 Nürnberg, Stadtbibliothek, Cent. V, App. 81, fol. 153 v -154 v , 154 v -157 r und 175 v -186 v . 413 Ebd., fol. 157 r -175 v . Doch auch andere geistliche Texte der Handschrift, etwa gleich der erste, 'Von der ewigen Weisheit Gemaheischaft' (Übersetzung nach Heinrich Seuses 'Horologium sapientiae', fol. 3 r -22 v ), konnten von der Leserin in besonderer Weise auf die Situation einer Klosterschwester bezogen werden.

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1.11. Illustrationsbedarf und Graphikangebot Auffallig an den Druckgraphiken des Katharinenklosters ist der eng begrenzte Zeitraum, in dem sie verwendet wurden, und die Beschränkung auf eine einzige Technik. Es handelt sich fast ausschließlich um Holzschnitte; die Ausnahmen sind ein einziger Metallschnitt und zwei Kupferstiche, die aber in Handschriften zu finden sind, die nachweislich im Männerkloster des Ordens geschrieben wurden. Bislang ist die Herstellung von Kupferstichen in Nürnberg zu dieser Zeit nicht nachzuweisen. 414 Ist also das Fehlen von Blättern dieser Technik die Folge einer Fixierung auf das lokale Angebot, nachdem die verwendeten Holzschnitte soweit sie überhaupt lokalisierbar sind - zum großen Teil der offenbar gut entwickelten Nürnberger Holzschnittproduktion entsprungen zu sein scheinen? Doch ist es kaum denkbar, daß damals in einer Handelsmetropole wie Nürnberg keine Kupferstiche auf dem Markt waren. Produziert wurden sie zur fraglichen Zeit in Bayern ebenso wie am Oberrhein;415 zudem war auch in Süddeutschland schon in den 1450er Jahren niederländische Importware zu bekommen. 416 Daß dies auch in Nürnberg möglich war, beweisen die beiden Exemplare des GnadenstuhlStiches vom Meister mit den Bandrollen, den die Nürnberger Dominikaner Conrad Bamberger und Conrad Forster in ihre Handschriften einklebten (s. Kap. II. 1.5.). Sollte also die fast ausschließliche Verwendung der in ihrer Wirkung gegenüber den Stichen weniger subtilen Holzschnitte doch eine bewußte Entscheidung der Nonnen sein? Eine definitive Antwort wird kaum zu geben sein. Auch die zeitliche Begrenzung ist nicht leicht zu erklären. Um 1448 wurden im Katharinenkloster die ersten Handschriften mit geplantem Holzschnittschmuck geschrieben. Noch vor 1457 war zumindest der größere Teil der Blätter in den Buchdeckel eingeklebt. Nicht lange nach 1460 dürften die meisten der besprochenen Codices mit Graphiken versehen gewesen sein. Noch einmal wurde nach 1480 die Tradition der Einfügung von Holzschnitten als Einleitungsbilder längerer Texte aufgegriffen: In dieser Funktion enthält der bislang noch nicht als Arbeit des Katharinenklosters erkannte Codex Hs 86409 des Germanischen Nationalmuseums zwei Bilddrucke (Abb. 65) 4 1 7 Doch handelt es sich hier nur um einen einzelnen Nachzügler, der an die ältere Praxis anknüpft. 418 Die Jahr414 Doch müßten deren Lokalisierungen grundlegend neu untersucht werden; vgl. SUCKALE 1987, S. 9 6 ; SCHMIDT 1 9 9 2 , S. 7 1 .

415 Unbestritten ist bis heute die oberrheinische Herkunft des Meister der Spielkarten und seiner Nachfolger (von LEHRS, Krit. Kat. Bd. I, S. 63 ff. bis WOLFF 1979). Zu Regensburger Kupfers t i c h e n s. SUCKALE 1 9 8 7 , S . 9 6 ; SCHMIDT 1 9 9 2 .

416 Siehe Kap. II.3.8. und 11.4. 417 Den Band konnte ich durch Schriftvergleich dem Katharinenkloster zuweisen (s. u. Verzeichnis der Handschriften; bei KURRAS 1974, S. 119, noch mit unbekannter Provenienz verzeichnet). Er enthält eine Madonna zwischen den Hll. Katharina und Barbara (Sehr. 1150a, s. Abb. 65), vor dem Beginn einer Katharinenlegende angeklebt (fol. 181). Ein Holzschnitt der hl. Barbara (Sehr. 1250a) klebte vor dem Anfang einer Legende dieser Heiligen (fol. 18r)418 Die Katharinenlegende, vor der das Blatt der Madonna zwischen Katharina und Barbara klebte, ist eine Interpolation aus dem Prosalegendar 'Der Heiligen Leben1. Die älteste Überlieferung dieses Textes (s. WILLIAMS-KRAPP 1986, S. 426) liegt in dem Codex Bamberg, SB,

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zehnte, in denen der Schwerpunkt der Holzschnittverwendung liegt, fallen ungefähr mit dem Höhepunkt der Handschriftenproduktion im Kloster zusammen. 419 Wenn auch im letzten Viertel des Jahrhunderts etwas weniger Bücher entstanden, 420 so wurde doch noch fleißig geschrieben, während Druckgraphik keine Verwendung mehr fand. Vielleicht besteht ein Zusammenhang mit dem Umstand, daß nach der Mitte des Jahrhunderts die erste Reformgeneration des Konvents auszusterben begann. 421 So starb etwa im Jahr 1457 Kunigund Niklasin; ihr Tod war ein großer Verlust für die von ihr so vorbildlich organisierte und mit Handschriften bereicherte Bibliothek und das gesamte Buchwesen des Klosters. Ob auch die plötzliche Verfügbarkeit großer Mengen illustrierter Drucke seit den 1470er Jahren, die eventuell die traditionelle Illustrationspraxis überflüssig erscheinen ließ, eine Rolle spielte, kann nur als Frage in den Raum gestellt werden. Was den Beginn der Zeitspanne betrifft, ist zu fragen, wann in Nürnberg überhaupt Holzschnitte zur Verfugung standen. Über die frühe Holzschnittproduktion in der Stadt liegen keine brauchbaren Erkenntnisse vor. Was ausgehend von den Holzschnitten des 'Gulden puchlein1 für die Mitte des 15. Jahrhunderts nur angedeutet werden konnte, wäre auch für die Zeit vorher noch zu leisten - die Entwicklung eines soliden Rasters zur lokalen Einordnung der Bilddrucke, das die Bestimmung Nürnberger Bilddrucke erst ermöglichen würde. 422 Die traditionellen, meist auf W. L. Schreibers kunstgeographische Intuition zurückgehenden Bezeichnungen einzelner Druckgraphiken als „nürnbergisch" gründen sich fast durchweg nicht auf handfeste Belege. Exemplarisch deutlich wird die Notwendigkeit einer neuerlichen Überprüfung an der kritiklos wiederholten Lokalisierung einiger Holzschnitte, die um den frühen Marientod Sehr. 705 im Germanischen Nationalmuseum gruppiert wurden, nach Nürnberg: Sie entbehrt jedes überzeugenden Belegs - wenngleich sie freilich auch nicht auszuschließen ist.423 Was jüngst für den kunstgeographischen Sammelbegriff „Oberrhein"

Msc. hist. 154 vor, der 1451 von der Nürnberger Dominikanerin Kunigund Niklasin geschrieben worden war; dort ist der Legende ein Holzschnitt der hl. Katharina vorgebunden. Es ist also durchaus denkbar, daß der Bildschmuck von Hs 86409 an dieser Handschrift orientiert ist. 419 Das wird bei einer Zusammenschau der Schreibdaten der von SCHNEIDER 1965 katalogisierten Handschriften des Katharinenklosters in der Stadtbibliothek Nürnberg deutlich. 420

SCHNEIDER 1 9 6 5 , S. X X X I I I .

421 Vgl. die Todesdaten in dem von WÜRFEL 1769 veröffentlichten Nekrolog. 422 KÖRNER 1979, S. 84-138 kennt für die Holzschnitte des ersten Jahrhundertdrittels nur die Entstehungsgebiete Böhmen / Mähren, Altbayern / Salzburg und Schwaben. Lediglich drei Blätter (Sehr. 102, 705, 1172) lokalisiert er nach „Schwaben oder Franken" (!), doch ohne brauchbare Argumente. Die Ausklammerung einer ganzen Region durch KÖRNER kritisierte am Beispiel des Oberrheins schon STAMM 1982, S. 134 Anm. 13. 423 Als Argument für die Lokalisierung des Marientodes Sehr. 705 wurde allein dessen Wasserzeichen genannt, das aus der Stromerschen Papiermühle stammt (u. a. von WILCKENS 1978, S. 8 f. und WILCKENS 1996, S. 65, sowie SCHOCH 1986, S. 94). Dies aber hat aufgrund der weiträumigen Verbreitung der Stromerschen Papiere keinerlei Aussagekraft. Daß gerade Papier zu jener Zeit Fernhandelsgut par excellence war, ist allgemein bekannt. Um nur ein Nürnberger Beispiel zu nennen: das Hausbuch I der Mendelschen Zwölfbrüderstiftung, das ohne jeden Zweifel in Nürnberg angelegt wurde, besteht keineswegs aus lokalem, sondern aus

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ansatzweise geleistet wurde - die Entlarvung vermeintlich sicherer Lokalisierungen von Druckgraphik als Produkte von zwar erfolgreich tradierten, doch haltlosen Spekulationen424 - muß für Nürnberg erst noch angegangen werden. Die ersten urkundlichen Erwähnungen von Handwerkern, die eventuell mit Holzschneidern oder -druckern identifiziert werden können, sind in Nürnberg erst 1438 und 1440 zu finden.425 Tatsächlich in Nürnberg benutzte Holzschnitte sind im Jahr 1442 zum ersten Mal nachweisbar: Fünf Blätter einer der ältesten bekannten Holzschnittpassionen, heute in der Staatsbibliothek Bamberg, hatte im 19. Jahrhundert Josef Heller aus einer Nürnberger Handschrift entfernt, zu der jedoch keine näheren Angaben existieren. Eines ist auf der Rückseite von einem bislang weiter nicht nachweisbaren Hans Gug handschriftlich 1442 datiert. 426 Wie noch zu zeigen sein wird, kam es gerade in den 1440er Jahren zu einem starken Anstieg der Holzschnittproduktion, was mit dem durch die monastischen Reformen ausgelösten erhöhten Bücher- und damit auch Illustrationsbedarf in Zusammenhang stehen dürfte. Zyklen, die zur Illustration von längeren Passionstexten (-gebeten, -traktaten) und Marienleben etc. geeignet waren, treten nicht vor etwa 1440 auf 427 Diese Situation deckt sich mit der, die Hilg für die Literatur mit dem „erst kurz vor der Jahrhundertmitte auf breiter Front sich durchsetzenden Interesse der Reformklöster an volkssprachlichem Erbauungsschrifttum" beschreibt 428 Damit wird verständlicher, wieso erst in den späten 1440er Jahren Holzschnitte im Katharinenkloster - wie überhaupt in süddeutschen Konventen nachzuweisen sind.

1.12. Holzschnitte in anderen Dominikanerinnenklöstern Süddeutschlands Angesichts des Zusammenhangs, der zwischen der Verwendung von Druckgraphik und der Reform im Katharinenkloster offensichtlich wurde, liegt die Frage nahe, ob das Phänomen auch in anderen observanten Dominikanerinnenoberitalienischem Papier von etwa 1 4 2 5 (vgl. STROMER 1 9 9 0 , S . 1 6 0 Dok. 4 3 ) . Die von WILCKENS 1 9 7 8 , S . 9 umrissene Gruppe von Holzschnitten bedarf überdies der Überprüfung, weil man überzeugende Vergleiche mit gesicherten Nürnberger Werken vermißt. 424

V g l . SCHMIDT 1 9 9 8 .

1 4 3 8 Hans Aufdrucker, 1 4 4 0 Hans Rotenfels, Brif auf drucker (KIEPE 1 9 8 4 , S. 1 2 9 ) . Die Bezeichnungen Brief- oder Karten maier tauchen schon seit 1414 in Nürnberg auf; doch ermangelt die in der Literatur häufig anzutreffende stillschweigende Annahme, diese MalerHandwerker hätten auch gedruckt (zuletzt bei URSULA TIMANN, in HOFFMANN 1 9 9 3 , S. 4 6 ) , der Grundlage. Wenn es auch Fälle wie den Nürnberger Hans Spoerer gibt, der sich das eine Mal Briefmaler, ein anderes Mal Briefftruck nennt (s. SCHREIBER 1 9 3 2 , S. 5 3 f.), so kann das keine Begründung dafür sein, die Begriffe Briefmaler und -drucker stets synonym zu verstehen. 426 Sehr. 267a, 312, 498, 526, 670. Bamberg, SB, Sign. VI. Aa, 2-6. Der Eintrag von Hans Gug auf Sehr. 526 ( V I . Aa, 6). Zur Herkunft aus einer Nürnberger Handschrift s. PFEIFFER in HEITZ, Einblattdrucke Bd. 19, S. 10, und FRIEDRICH LEITSCHUH, Führer durch die Kgl. Bibliothek zu Bamberg, Bamberg 2 1889, S. 157. Zur kunstgeschichtlichen Stellung dieser Folge s. SCHMIDT 1998. 427 Siehe Kap. IV.4. 425

428

HILG 1 9 8 1 , S . 3 9 2 .

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klöstern zu finden ist. Über das Mutterkloster der Reform, Schönensteinbach, läßt sich in dieser Beziehung nicht mehr viel sagen. Die Bibliothek ist zum größten Teil verloren.429 Dagegen sind in den elsässischen Konventen, die wie das Nürnberger Katharinenkloster von Schönensteinbach aus zur Observanz geführt wurden, noch einige Bände mit druckgraphischer Ausstattung nachzuweisen. Colmar Das erste Kloster, das von Schönensteinbacher Schwestern reformiert wurde, war Unterlinden in Colmar (14 1 9). 430 Dieser Konvent stand auch im Handschrifitenaustausch mit anderen reformierten Dominikanerinnenklöstern, u. a. mit der Niederlassung in Nürnberg.431 Vier der etwa 70 erhaltenen Codices aus der Bibliothek des Colmarer Klosters enthalten Druckgraphik aus dem 15. Jahrhundert.432 Das ist im Vergleich mit der Katharinenkloster nicht viel, doch sind diese Handschriften aufschlußreiche Zeugnisse dafür, wie die Schwestern die vorgefertigten Bilddrucke in ihrem Sinne interpretieren und ihren spezifischen Interessen anpassen konnten. An erster Stelle ist der 'Liber miraculorum' zu nennen, eine kleinformatige Pergamenthandschrift in der Bibliothèque de la ville de Colmar, die von den Wundern eines Marienbildes auf der Nonnenempore der Klosterkirche berichtet. 433 Im vorderen Deckel klebt der Metallschnitt einer halbfigurigen Madonna (Sehr. 2487, Abb. 76), im hinteren ein Holzschnittfragment, das einen Engel und drei Bischöfe bei einer Weihehandlung zeigt (Sehr. 1942m, Abb. 77). Beide sind etwa 1450-60 entstanden. Die Handschrift wurde im dritten Viertel des 15. Jahrhunderts geschrieben, die Bilddrucke wahrscheinlich nicht lange danach eingeklebt.434 Die Themen der Graphiken stehen in unmittelbarer Beziehung zum Inhalt der Handschrift. Der Metallschnitt der Madonna wurde nicht zufällig als Einleitungsbild des Bandes eingefügt, der von dem wundertätigen Marienbild des Klosters Unterlinden handelt. Das Blatt gehört zu den qualitätvollsten frühen Werken in dieser Technik. Seine seit W. L. Schreiber tradierte Lokalisierung an den Ober-

429 Verzeichnet bei KRÄMER in MBK Erg.-Bd. I, S. 715 f. Das Dutzend Handschriften, das noch bekannt ist, enthält keine Bilddrucke. 430 Siehe Johannes Meyer, 'Buch der Reformacio Predigerordens', ed. REICHERT 1908/09, H. 3, S. 49. Details sind nicht bekannt; denn Meyer verweist bei seiner kurzen Erwähnung der Reform von Unterlinden auf ein sunderlich buch, das allerdings nicht überliefert ist. (Vgl. HILLENBRAND 1 9 8 9 , S . 2 4 7 ) .

431 Vgl. etwa MBK Bd. 111,3, S. 612. 432 In eine fünfte, Ms 270, ist zwar ein Holzschnitt des späten 15. oder frühen 16. Jahrhunderts eingeklebt (Schmerzensmann, Sehr. 890, s. Abb. in HEITZ, Einblattdrucke Bd. 17, Nr. 8), doch wurde der Codex erst Ende 16. / Anfang 17. Jahrhundert geschrieben. Er enthält neben diesem Holzschnitt zahlreiche Druckgraphiken des 16. Jahrhunderts; s. u. S. 110. 433 Colmar, Bibliothèque de la ville, Ms 495. 434 Zur Datierung der Handschrift vgl. HAMBURGER 1995, S. 148. Daß die Bilddrucke noch im 15. Jahrhundert eingeklebt wurden, legt der enge Bezug der Bildthemen zum Inhalt des Buches und die Veränderung des Blattes im hinteren Deckel durch eine frühe Benutzerin nahe.

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rhein ist jedoch nach neuer kritischer Analyse seines Zusammenhangs mit weiteren Werken der ersten Jahrzehnte dieser druckgraphischen Technik zu revidieren. Alles spricht vielmehr dafür, daß dieses Blatt im bayerischen Raum entstanden ist, wo auch der Schwerpunkt seiner Verbreitung liegt. Mit der nicht mehr haltbaren Lokalisierung an den Oberrhein ist aber auch die Vermutung hinfallig, der Metallschnitt wäre eine direkte Kopie des Gnadenbildes von Unterlinden. 435 Die Beziehung der Metallschnitt-Madonna zum verehrten Marienbild des Colmarer Klosters besteht also nicht in einem etwaigen Abbildcharakter, der schon bei der Herstellung intendiert gewesen wäre, sondern in der erst von den Schwestern bei der Einklebung in das Mirakelbuch konstituierten Funktion als visuelle Erinnerung an das im Text beschriebene Bild. Vom Typus her eignete sich der Metallschnitt dafür ausgezeichnet. Der ikonenhafite halbfigurige Typ der Madonna stammt ursprünglich aus Italien und wurde im 14. Jahrhundert zunächst in Böhmen rezipiert. Er war in Süddeutschland zu einem noch bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts sehr wirksamen Standardtyp des Madonnenbildes geworden. 436 Die Nonnen von Unterlinden hatten also - auf welchem Weg auch immer, vielleicht als Geschenk - eine Madonnengraphik aus dem bayerischen Raum erworben und in Assoziation mit ihrer Marienikone in das Mirakelbuch eingeklebt. Dieses auf der Nonnenempore der Klosterkirche verehrte Gnadenbild wird gleich am Beginn der Mirakelerzählung als Kopie einer Lukasikone geschildert: Imago hec gloriose virginis Marie sub testitudine que tarn magna miracula operatur, formata juit secundum ymaginem quam sanctus Lucas evangelista fecit et ipsam ymaginem transmisit nobis quidam provincialis de Saxonia,437 Das Mirakelbuch ist ein außergewöhnliches Zeugnis der Bilderverehrung im Dominikanerinnenkloster Unterlinden. Die Ikone spielte eine wichtige Rolle im geist-

435 Zur Lokalisierung dieses Metallschnittes s. u. ausfuhrlich im Verzeichnis der Handschriften sowie SCHMIDT, L'usage 2000, S. 226-230. Zur Revision der These von der Entstehung der frühesten Metallschnitte am Oberrhein s. u. Kap. IV.3.3. Gegen die These HAMBURGERS, es handle sich um eine Kopie der Gnadenmadonna von Unterlinden, spricht zudem die Tatsache, daß nur ein einziges Exemplar in Colmar erhalten ist, drei weitere Drucke bzw. Wiederholungen des Motivs in Handschriften aus dem bayerischen Raum, wo der lokale Kult des Gnadenbildes von Unterlinden unbekannt war. 436 Die Art, wie die Maria des Metallschnittes das völlig nackte Kind hält, sowie dessen eigenartig liegende, doch in sich bewegte Position weisen noch auf das Erbe der „Schönen Madonnen" der Zeit um 1400. Vgl. zu deren späten süddeutschen Rezeption RAINER KAHSNITZ, Der Freisinger Hochaltar des Jakob Kaschauer, in: RAINER KAHSNITZ - PETER VOLK (Hgg.), Skulptur in Süddeutschland 1400-1770. Festschrift für Alfred Schädler, München 1998, S. 51-98, dort bes. S. 78-83. 437 Nach der Edition bei INGOLD 1897, S. 101. Im deutschsprachigen Teil derselben Handschriftdie Mirakel sind zweisprachig wiedergegeben - lautet die Stelle: Das selbe [Bild] der werden Junkfrowen Marien uff des egenannlen closters Ambon, do durch so grosse zeichen geschehen, das wart vor ziten eigentlichen formiert vnd gebildet nach dem heiligen bilde, das der heilige ewangelist sant Lucas selbs hat gemacht; vnd das bracht gen Vnter Linden ein furnemiger man, do zu mal ein prouincial von Sassenlant. (Nach INGOLD 1897, 106). Die lateinische Fassung des Textes bezeichnet den Ort des Bildes - die Nonnenempore der Kirche - als sub testitudine (unter dem Gewölbe), der deutsche Text präziser als uff dem gewelbe der bore (INGOLD 1 8 9 7 , S. 1 0 6 ) .

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liehen Leben des Konvents. 438 Die Wunderepisoden des Tafelbildes wurden in der Handschrift durch 21 Federzeichnungen illustriert. Doch gibt keine davon das verehrte Bild in Nahansicht wieder, sondern nur schematisch abgekürzt in der Ferne. Eine präzise Wiedergabe des Gnadenbildes scheint hier nicht das Hauptanliegen gewesen zu sein: In den einzelnen erzählenden Szenen sind dessen Umrisse stets etwas unterschiedlich wiedergegeben, sogar die Position des Kindes auf der rechten oder linken Seite der Muttergottes variiert. Gemeinsam ist den Zeichnungen nur der Typus einer sitzenden gekrönten Madonna mit Kind. Bei der Darstellung des Kultbildes in den Miniaturen scheint es weniger auf das genaue Detail angekommen zu sein als vielmehr auf eine nur allgemeine Erinnerung an seine Form. Die Vermittlung des mit dem Bild verbundenen Heils war unabhängig von einer präzisen Kopie der äußeren Erscheinung. Nur so ist auch die Einfügung des Metallschnittes in den 'Liber miraculorum' zu verstehen. Das Blatt diente am Beginn des Buches als eine Art „Titelbild". Es stand für das verehrte Gemälde, ohne es genau wiedergeben zu müssen. Auf den Metallschnitt folgen drei Seiten, die keinen Text enthalten, sondern nur Miniaturen, die die Geschichte der Ikone erzählen. Sie zeigen zuerst die Herstellung eines Marienbildes durch den Evangelisten Lukas und das Kopieren dieses Bildes unter der Aufsicht eines Dominikaners. Auf diesen Miniaturen ist die Ikone selbst jedoch nur sehr klein und undeutlich dargestellt, da sie Teil eines narrativen Zyklus ist. Der Metallschnitt könnte deshalb Ausdruck des Bedürfnisses sein, auch ein ganzseitiges Madonnenbild in dem Buch zu haben, das als Medium für die im Text beschriebenen Devotionsübungen besser geeignet war. Gerade für solche Zwecke waren Druckgraphiken prädestiniert: Für das Einfügen eines standardisierten, unspezifischen Bildes in einen spezifischen Kontext, in dem es eine ganz konkrete Bedeutung annahm. Im konkreten Fall wurde dies durch zwei Charakteristika der Graphik erleichtert: Zum einen durch die halbfigurige Präsentation der Madonna - einen Darstellungstyp, der letztlich tatsächlich auf byzantinische bzw. italo-byzantinische Ikonen zurückgeht und deshalb geeignet war, die in Unterlinden überlieferte Herkunft des Kultbildes auf eine Lukas-Ikone zu transportieren; zum anderen vielleicht auch durch das an die Muster der gravierten Hintergründe von Tafelbildern erinnernde Ornament. Das Fragment des Holzschnittes, der sich im hinteren Buchdeckel befindet, zeigt in noch deutlicherer Form, wie vorgegebenes Bildmaterial durch einen neuen Kontext und physische Veränderung ikonographisch so uminterpretiert wurde, daß es schließlich als Illustration des Textes der Handschrift verstanden werden konnte (Abb. 77). Auf die Innenseite des hinteren Buchdeckels klebten die Schwestern das Fragment eines sehr qualitätvollen Holzschnittes aus der Mitte des 15. Jahrhunderts (Sehr. 1942m). Das Blatt wurde vertikal durchgetrennt, erhalten ist nur das rechte Drittel. Dargestellt sind drei Bischöfe oder Äbte, die jeweils durch liturgische Kleidung, Mitra, Krummstab und Nimbus ausgezeichnet sind. Rechts erhebt sich ein Berg, links ist noch der Rest eines 438 Vgl. dazu die Analyse von HAMBURGER 1995.

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Gebäudes zu sehen, über dem ein Engel schwebt. Die Ergänzung der Architektur durch einen Altar wurde nachträglich mit Tinte angebracht. Der erste der Bischöfe hält ein Aspergill in der rechten Hand und ist offenbar gerade im Begriff, das Gebäude zu weihen. Der Gegenstand des fragmentierten Holzschnittes ist nur durch den Vergleich mit vollständigen Darstellungen des gleichen Themas zu identifizieren. Es handelt sich um die sogenannte Engelweihe von Einsiedeln, deren Ikonographie aus mehreren Kupferstichen, Holzschnitten und Pilgerplaketten bekannt ist. 439 Diese Bilder stellen ein Wunder dar, das sich nach der Legende im Jahr 948 im Benediktinerkloster Einsiedeln in der Schweiz zugetragen haben soll. In Einsiedeln stand die verfallene Zelle, in der angeblich der heilige Eremit Meinrad im 9. Jahrhundert gelebt hatte. Als diese wiederaufgebaut worden war und durch den zuständigen Konstanzer Weihbischof Konrad, dem späteren Heiligen, als Kapelle geweiht werden sollte, wurde dieser durch die Stimme eines Engels daran gehindert, die bekräftigte, der Ort wäre schon von Gott selbst konsekriert worden. 440 Genau diese Szene zeigt auch der Holzschnitt im 'Liber miraculorum'. Auf dem Rest des Schriftbandes des Himmelsboten ist noch das letzte Wort consecr{atus) zu lesen, das den hl. Konrad von Konstanz und sein Gefolge auf die bereits durch göttliche Hand erfolgte Weihe der Kapelle hinweist. Der größte Teil dieses Gebäudes wurde aber durch einen vertikalen Schnitt abgetrennt. Dabei handelt es sich wohl kaum um eine zufällige Beschädigung des Holzschnittes, der dann in fragmentiertem Zustand in der Handschrift seine Zweitverwendung fand, sondern um einen bewußten Eingriff zum Zweck der Uminterpretation der Ikonographie. Dazu gehörte auch das Ausradieren der xylographischen Schriftzeile, die der Holzschnitt in einem durch eine Linie abgetrennten Feld am unteren Rand trug. Sie wurde so gründlich abgeschabt, daß von dem Text, der sich vermutlich auf die Engelweihe bezog, heute kein Wort mehr zu lesen ist. Dann wurden die wenigen Linien, die auf dem Fragment des Holzschnittes noch an die Kapelle erinnerten, mit Tinte und Feder zum Bild eines Altares mit einem Triptychon ergänzt. Dessen Form entspricht genau der in den Miniaturen des 'Liber miraculorum' wiedergegebenen Gestalt des Altares, der das Retabel mit der verehrten Marienikone von Unterlinden trug 441 Dies beweist zweifelsfrei, daß die Veränderungen des Holzschnittes von einer Nonne in Kenntnis der Miniaturen des 'Liber miraculorum' durchgeführt wurden. Der verwandelte Bilddruck diente nun der Illustration der Weihe des Altares auf der Nonnenempore des

439 Denselben Typus zeigt der Holzschnitt der Engelweihszene im Blockbuch des Lebens des hl. Meinrad (Einsiedeln, Stiftsarchiv, DB 5, S. 49); publiziert von HELBLING 1961. Zur ikonographischen Tradition der Szene s. SCHUPPISSER 1986 und SCHMIDT 1994. Zum Verhältnis der Szene im Blockbuch zu dem Holzschnitt im 'Liber miraculorum' s. u. Verzeichnis der Handschriften sowie SCHMIDT, L'usage 2000, S. 230-233. 440 Zu dieser Legende und ihrer Ikonographie s. R. BAUERREISS - K. A. WIRTH, [Art.] Engelweihe, in: RdK Bd. 5, Sp. 6 7 5 - 6 8 4 . Ältere Literatur bei SCHUPPISSER 1986, SCHMIDT 1994, WELZEL1995.

441 Vgl. die zahlreichen Miniaturen zwischen fol. l r und 26 r der Handschrift, abgebildet bei HAMBURGER 1995, Abb. 7 5 - 8 6 .

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Klosters, auf dem das wundertätige Marienbild stand. Hier zeigt sich - wie schon bei dem Metallschnitt am Beginn des Buches - daß die Positionen der Druckgraphiken im Buch genau ausgewählt wurden: Im letzten Teil der Handschrift, auf den das Fragment des Holzschnittes unmittelbar folgt, sind nämlich die Heiligen des Altares und der Ablaß genannt, der den Gläubigen dort gewährt wird, vor allem aber ist die Weihe des Altares besonders hervorgehoben. 442 Doch enthält der Text der Handschrift noch eine weitere Passage, die die Wahl des Holzschnittes der Engelweihe von Einsiedeln zur Illustration der Altarweihe von Unterlinden erhellt. In einer der geschilderten Wunderepisoden um das Marienbild und seinen Altar heißt es: Una vice soror quedam vidit in visione spirituali quod multi domini ibi ierant quidam ut sacerdotes quidam ut subdiaconi et quidam ut diaconi, habentes omnia apud semetipsos que ad consecrationem dinoscuntur pertinere. Quesiuitque ab eis quid pretenderent: et responsum est ei quod ilîud altare consecrare vellent et omnia alia pertinencia ad altare et ista visio tribus vicibus apparuit predicte soror;.443

Die Schwester schaute in drei Visionen einen Zug von Geistlichen, die sich anschickten, den bis dahin offenbar noch ungeweihten Standort des Marienbildes zu konsekrieren. Die Vision enthält das Motiv der himmlischen Altarweihe - wie auch die Legende der Gnadenkapelle von Einsiedeln. Damit bot es sich geradezu an, einen Holzschnitt dieser bekanntesten Engelsweihe auf die Gegebenheiten von Unterlinden im wahrsten Sinne des Wortes zuzuschneiden. Die Federzeichnungen der Handschrift stellten der Nonne sogar eine unmittelbare Vorlage zur Verfügung: Die Illustration auf fol. 12r zeigt genau jene Vision. Die Darstellung des Altares, die in den Bilddruck eingezeichnet wurde, folgt dieser Miniatur. 444 Die Bilddrucke in dieser Handschrift zeigen exemplarisch zwei Möglichkeiten auf, vorgegebenes standardisiertes Bildmaterial, wie es mit Druckgraphiken zur Verfugung stand, flexibel in Bezug zu bestimmten Texten und Kultzusammenhängen zu setzen: Durch den allgemeinen Verweis- und Erinnerungswert auch unspezifischer ikonographischer Typen auf der einen, durch selbständige Veränderung und Anpassung des Bildmaterials durch die Benutzerinnen auf der anderen Seite. Einen ähnlichen Umgang mit Druckgraphiken belegt auch eine weitere Handschrift aus dem Dominikanerinnenkloster. Ms 7171 der Bibliothèque de la

442 In der Edition von INGOLD 1897, S. 115.

443 Nach INGOLD 1897, S. 102. Die Übersetzung im deutschsprachigen Teil derselben Handschrift lautet: Es beschach eins mals das einer swester geoffenbart wart eine minreche vnd geistliche gesicht vnd sach das vil Herren zu der egenanten statt giengen; etliche in gestalt vnd gezierde als prister, etliche in gewant vnd form als ewangelier, etliche als epystler, und warent mit in selbs dar bringen alles das von recht zu gehört so man einen altar oder kilchen wihen sol und consecriren. Also frage sye die vnd was begeren von innen zu wissen was sy alle gemein hie tun woltent oder mut hettent. Do wart ir zu geantwurtet das si den altar der Muter gottes woltent wihen, vnd alle andere dinge siner zu gehörde wolte consecriren. Dise gesicht wart zu dem dritten male in diser wise der egenannten Swester geoffenbart. (Zit. nach INGOLD 1897, S. 108.) 444 Abgebildet bei HAMBURGER 1995, Abb. 81.

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ville de Colmar ist eine Sammlung von Heiligenlegenden, die nach den Wasserzeichen des Papiers etwa um 1460-80 geschrieben wurde. 445 An einem Falz aus Pergament, der schon beim Binden des Buches eingefügt worden war, klebt ein Holzschnitt (Sehr. 1380x) von der Größe einer Buchseite, der so wie ein integraler Teil der Handschrift wirkt. Der handschriftliche Eintrag des Heiligennamens Sanctus Ambrosius am oberen Rand stammt von der Schreiberhand, die auch die Rubriken in der Handschrift anbrachte. Auch dies spricht dafür, daß der Holzschnitt Teil der Konzeption der Handschrift war und nicht erst nachträglich eingefügt wurde. Ursprünglich handelte es bei dem dargestellten Heiligen allerdings nicht um den Kirchenvater Ambrosius, sondern um den hl. Konrad. Der xylographische Text S • Cûnrat am oberen Rand des Holzschnitts wurde mit blauer und roter Farbe übermalt und der Heilige umbenannt. Tatsächlich gibt es in dem Buch keinen Text, der sich auf den hl. Konrad bezieht. Die Legende, die dem Holzschnitt folgt, ist aber auch nicht die des hl. Ambrosius, sondern die des hl. Alexius (fol. 123r). Im ganzen Buch gibt es keine Legende des Kirchenvaters. Es wäre nur denkbar, daß ein solcher Text auf dem Blatt stand, das zwischen den heute als fol. 122 und 123 numerierten Blättern herausgerissen wurde und dessen Reste noch zu sehen sind. Doch auch im erhaltenen Textbestand des Buches gibt es heute noch eine Passage mit Bezug zu Ambrosius. Am Ende der Handschrift steht eine Legende der hl. Agnes, die als vorbildliche heilige Jungfrau und Märtyrerin besonders in Frauenklöstern - auch in Unterlinden - hohe Verehrung genoß. Eines der frühesten hagiographischen Zeugnisse für diese Heilige findet sich in der Schrift 'De virginibus' des Ambrosius - ein Text, der für die Verehrung weiblicher Heiliger von exemplarischer Lebensführung von großer Bedeutung war. 446 In dem Abschnitt von Ms 7171, der von Agnes handelt, wird explizit auf den Bericht des hl. Ambrosius über diese Heilige verwiesen (fol. 235 v ). Der Name des Heiligen ist hier mit roter Tinte hervorgehoben - von der gleichen Hand, die auch den Namenszug auf dem Holzschnitt anbrachte und ihn so ihren Illustrationsbedürfnissen gefügig machte. An anderer Stelle verwendeten die Nonnen von Unterlinden jedoch auch Holzschnitte ohne weitere Manipulation und in weniger dezidierter Abstimmung mit dem Text, dennoch in bewußter Wahl von Position und Funktion innerhalb eines Buches. Am Beginn von Ms 271 der Bibliothèque de la ville de Colmar befindet sich der Holzschnitt der Madonna mit der Rose im Hortus conclusus (Sehr. 1060a). Er ist als erstes Blatt des in Unterlinden entstandenen Gebetbuchs an einen Pergamentfalz angeklebt, der die erste Lage umschließt. Das Buch besteht aus mehreren, von verschiedenen Händen geschriebenen Teilen, die in einem Band vereinigt wurden. Die älteren Teile stammen aus den 1430er Jahren, 445 WILLIAMS-KRAPP hielt es für wahrscheinlich, daß die Legendentexte dieser Handschrift - wie auch die von Ms 71711 - von Dorothea von Kippenheim übersetzt worden wären, die 1425 in das Kloster Unterlinden eingetreten war ( 2 VL Bd. 2, Sp. 217 f.). GEITH 1997, S. 111 wies jedoch nach, daß Ms 71711 tatsächlich erst im frühen 16. Jahrhundert geschrieben wurde. 446

MIGNE, P L 16, S p . 1 8 7 - 2 3 2 .

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die jüngeren sind vermutlich um 1460 entstanden.447 Erst danach kann das Buch also gebunden und der Holzschnitt eingefugt worden sein. Die Handschrift enthält eine Sammlung deutschsprachiger Gebete. Der größte Teil ist an Christus gerichtet, hat die Passion und im letzten Teil des Buches die Eucharistie zum Gegenstand. Nur wenige Texte sind allein an Maria adressiert; diese befinden sich aber im ersten Abschnitt der Handschrift nach dem Kalender 448 Der Holzschnitt der Madonna wurde von den Nonnen hier also nicht in direktem Bezug zu einem bestimmten Text eingeklebt - wie etwa im 'Liber miraculorum' - , sondern als ein allgemeines einleitendes Bild einem Buch vorangestellt, das Gebete zu Gottesmutter und Gottessohn enthält. Dabei darf nicht vergessen werden, daß eine Madonnendarstellung wie die des Holzschnittes nicht nur als Bild Mariae, sondern auch Christi betrachtet wurde. Daß dieses der Wahrnehmung der Schwestern von Unterlinden entsprach, beweist der Schriftzug, der in großen Buchstaben auf fol. 2 r dem Holzschnitt unmittelbar gegenübersteht: Ave benigne Ihesu miserere mei. Er bezieht sich zweifellos auf den Holzschnitt und belegt, daß dieser - im Unterschied zu unserer heutigen Sichtweise - zuerst als ein Bild des Christuskindes aufgefaßt wurde 4 4 9 Diese Grußund Gebetsformel zeigt aber gleichzeitig, daß das Bild als visuelle Meditationshilfe für die Gebetstexte des Buches diente. Entstanden ist dieser Holzschnitt nicht vor der Mitte des 15. Jahrhunderts. Die Zuschreibung an den Meister des Frankfurter Paradiesgärtleins, die Kurt Bauch 1932 begründete, verkennt auch hier den reproduktiven Charakter des Mediums 450 Zwar lassen sich viele Merkmale des Holzschnitts tatsächlich mit einer Gruppe von oberrheinischen Gemälden aus den ersten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts in Verbindung bringen, die um die kleine Tafel des Paradiesgärtleins im Städelschen Kunstinstitut in Frankfurt gruppiert wurden. Doch betreffen diese allein die Komposition und die Motivik. Die Art der kantigen Linienführung und einige Mißverständnisse verraten jedoch, daß es sich bei der Colmarer Madonna nur um eine späte Kopie nach einer Vorlage aus diesem Kreis oberrheinischer Gemälde des frühen 15. Jahrhunderts handeln kann. 451 Bezüglich der üblichen Kopierpraxis dieser Zeit wie auch des Graphikbesitzes von Unterlinden sind zwei Holzschnitte sehr aufschlußreich, die sich ebenfalls in der Bibliothèque de la ville in Colmar befinden. 452 Die Darstellung einer

447 Anhaltspunkte für die Datierung geben die Wasserzeichen des Papiers. Die Hand der Priorin Elisabeth Kempf (1415-1485) läßt sich - entgegen der Vermutung im Catalogue général des manuscrits Bd. 56, S. 95 - in Ms 271 nicht nachweisen, s. GEITH in 2 V L Bd. 4, Sp. 1117, und GEITH 1980/81, S. 59 f.

448 Ms 271, fol. 21 r : Te Deutn laudamus von vnser lieben frowen, fol. 22 v : Die sequencie Ave Maria in tutsche. 449 Eine Sichtweise, die in den Viten von Nonnen des 14. und 15. Jahrhunderts immer wieder zu erkennen ist, wenn das Beten vor Madonnenfiguren beschrieben wird. Einige Belege bei VAVRA 1985, S. 201-230. 450 BAUCH 1932, S. 165. Ihm folgte unter anderen FISCHEL 1951, S. 90. 451 Zum Kreis der Vorbilder s. die stilkritischen Bemerkungen im Verzeichnis der Handschriften. 452 Signatur A 6534 supl.

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Madonna mit weiblichen Heiligen im Garten (Sehr. 1168m) ist zusammen mit einer Verkündigung (Sehr. 35g) auf dasselbe Blatt gedruckt. 453 Beide Holzschnitte zeigen die gleiche grobe graphische Ausführung wie die Madonna mit der Rose in Ms 271 und folgen älteren Vorlagen. Doch gibt es erhebliche stilistische Unterschiede zwischen den zwei Darstellungen auf diesem Blatt: Die simple Gestaltung der Faltenzüge mit langen, geraden Linien unterscheidet die Figuren der Verkündigung von der kleinteiligen, vielfach gebrochenen Struktur der Gewandfalten im Bild der Heiligen im Garten. Ohne Zweifel wurden die zwei Darstellungen, die nicht nur auf einem gemeinsamen Blatt abgedruckt sind, sondern auch dasselbe Format besitzen, von derselben Hand geschnitten. Dies aber beweist, daß der Holzschneider über heterogenes Vorlagenmaterial verfugte, das er kopierte, ohne es stilistisch zu vereinheitlichen.454 Heute als Einzelblatt unbekannter Provenienz aufbewahrt, verrät die Rückseite dieses Doppelholzschnittes aber noch die Herkunft aus einer Handschrift: Dort ist der seitenverkehrte Abklatsch einer Handschriftenseite des 15. Jahrhunderts zu erkennen. Es ist anzunehmen, daß es aus einer der elsässischen Klosterund Kirchenbibliotheken stammt, deren Bestände in die Bibliothèque de la ville gelangten. Daß dies die Bibliothek des Klosters Unterlinden war, ist nicht zu beweisen. Die Vermutung ist jedoch naheliegend, zumal sich mit der Madonna in Ms 271 ein Holzschnitt vermutlich aus der gleichen Kopistenwerkstatt im Kloster befand. 455 Im Unterschied zu den beschriebenen Druckgraphiken, die von den Nonnen für einen individuellen Kontext ausgewählt und teilweise angepaßt worden waren, zeigt ein vierter Codex aus der Bibliothek von Unterlinden, daß ein Holzschnitt auch in eine traditionelle Bildfunktion in einem liturgischen Buch eintreten konnte. In das Missale Ms 260 der Bibliothèque de la ville wurde auf fol. 48 v ein großformatiger Holzschnitt der Kreuzigung (Sehr. 949d) als Kanonbild eingeklebt. Die Handschrift wurde in den 1450er Jahren geschrieben - doch sicher nicht von den Nonnen in Colmar, da er dem Gebrauch von Straßburg entspricht (Colmar lag in der Diözese Basel). Er könnte etwa als Schenkung oder

453 Abgebildet bei SCHMIDT, L'usage 2000, S. 240. 454 Ein weiterer Holzschnitt, der mit Sicherheit aus der gleichen Werkstatt stammt, hat sich in Bamberg erhalten (Sehr. 556, Bamberg, SB, Signatur VI Aa 15, Abb. in HEITZ, Einblattdrucke 19, Nr. 16, und bei SCHMIDT, L'usage 2000, S. 242). Diese Darstellung des Noli me tangere hat nicht nur das gleiche, für diese Zeit ungewöhnliche Querformat, sondern stimmt auch stilistisch mit dem Colmarer Blatt der weiblichen Heiligen im Garten überein. Ebenso ist die Kolorierung dieser Holzschnitte technisch und farblich sehr ähnlich. Auf dem Colmarer Blatt ist ein vollständiges Wasserzeichen sichtbar, auf dem Bamberger ein Fragment. Beide gehören zur gleichen Gruppe eines Kronen-Wasserzeichens; das Papier stammt aus einer Papiermühle im Bereich von Oberrhein und Vogesen. Papiere mit vergleichbaren Wasserzeichen sind zwischen 1448 und 1470 nachgewiesen (Colmar: Krone, ähnlich Picc. I, 321, nachgewiesen 1448-1466; Bamberg: Krone, ähnlich Picc. I, 325a, nachgewiesen 1454-1470). Keines der beiden Wasserzeichen stimmt genau mit einem der bei PLCCARD abgebildeten überein, doch gehören sie ohne Zweifel zu der sehr kleinen Gruppe vom Typ Picc. I, 321-327, der in diesen Jahren im Raum Oberrhein-Vogesen entstanden ist. 455 Zur stilistischen Einordnung der Holzschnitte s. SCHMIDT, L'usage 2000, S. 237-241.

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Mitgift in den Besitz des Konvents von Colmar gekommen sein, ohne dort in der liturgischen Praxis verwendet werden zu können. Ob der Holzschnitt schon bei der Fertigung - also an einem unbekannten Ort der Diözese Straßburg - als Kanonbild eingeplant, ob er nachträglich von den Erstbesitzern als Ersatz für eine nicht ausgeführte Miniatur oder erst von den Colmarer Schwestern nach deren Inbesitznahme eingefügt worden war, läßt sich nicht entscheiden. 456 Doch macht der Band deutlich, daß diese Illustrationspraxis auch im weiteren elsässischen Umfeld geübt wurde und mit verschiedenen Vermittlungs- und Austauschwegen gerechnet werden muß. Noch bis ins 18. Jahrhundert schrieben Schwestern von Unterlinden Bücher von Hand - als religiöse Übung und für den persönlichen Gebrauch. Auch die Praxis, Druckgraphiken in Handschriften einzukleben, wurde bis in diese Zeit fortgeführt. Die interessanteste Handschrift ist dabei das Gebetbuch der Elisabeth von Ursa, heute als Ms 270 in der Bibliothèque de la ville in Colmar aufbewahrt. Die Schreiberin, die 1563 Profeß im Kloster Unterlinden abgelegt hatte, fügte in Abstimmung mit den Gebeten 12 Kupferstiche und 3 Holzschnitte ein, die vom frühen bis ins ausgehende 16. Jahrhundert zu datieren sind. Sie sind zum größten Teil in den Niederlanden entstanden, doch ist auch ein Blatt eines Nürnberger Kupferstechers dabei. 457 Die keineswegs oberrheinischen Herkunftsorte dieser Blätter erinnern nochmals an die Frage, woher die Nonnen des 15. Jahrhunderts ihre Druckgraphiken bezogen haben mögen. Für den Holzschnitt der Engelweihe im 'Liber miraculorum' ist die Herkunft aus Einsiedeln wahrscheinlich. Dieser Wallfahrtsort war von überregionaler Bedeutung, wie die Funde von Pilgerplaketten an entfernten Orten etwa in den Niederlanden, in Norddeutschland oder Dänemark zeigen. 458 Mehrere Kupferstiche des 17. und 18. Jahrhunderts aus Einsiedeln, die sich im Besitz von Colmarer Dominikanerinnen befanden, 459 beweisen, daß diese schweizerische Wallfahrtsstätte bis in die frühe Neuzeit auch für Colmar wichtig war. Die andere im 'Liber miraculorum' verwendete Graphik, der Metallschnitt der Madonna, stammt dagegen aus dem bayerisch-österreichischen Raum. Beides sind also keine Produkte aus Colmar oder Umgebung. Wie sie in die Klausur des Klosters Unterlinden gelangten, ist eine nicht mehr zu beantwortende Frage. Wie im Fall des Nürnberger Katharinenklosters ist auch hier an die Rolle zu erinnern, die kleine Bilder in der Kommunikation durch Geschenke zwischen dem Kloster und der Außenwelt spielten - zwischen den Nonnen und ihren Verwandten, ihren Beichtvätern und anderen Klöstern. 456 Das Wasserzeichen des Buches ist 1453/54 nachgewiesen (Ochsenkopf, Picc. VII, 259); der Holzschnitt ist keinesfalls früher entstanden (s. u. Verzeichnis der Handschriften). 457 Vgl. zur Handschrift L. PFLEGER, Die Mystik im Kloster Unterlinden, in: Colmarer Jahrbuch / Annuaire de Colmar 1937, S. 35-45, dort S. 45; Catalogue général des manuscrits Bd. 56, S. 101 f.; Mémoire des siècles 1988, S. 60, S. 223; CAMES 1989, S. 169 f.; SCHMIDT, L'usage 2000, S. 243 f. 458

V g l . SCHMIDT 1 9 9 4 , S . 3 0 2 A n m . 17.

459 Heute in einer Privatsammlung, s. Les Dominicaines d'Unterlinden 2001, Bd. 2, S. 141 (Nr. 209), S. 152 (Nr. 259 u. 260), S. 156 (Nr. 278).

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Straßburg Im Jahr 1431, drei Jahre nach St. Katharina in Nürnberg, konnte St. Nikolaus in undis als erstes der sieben Straßburger Dominikanerinnenklöster von Schönensteinbach aus reformiert werden - wenn auch erst nach zähem Ringen. 460 Von der Bibliothek dieses Konvents sind noch knapp 60 Handschriften erhalten.461 Zwei Bände, die vermutlich dazugehörten, sind mit Druckgraphik ausgestattet. Eine als Teil der ehemaligen Fürstlich Fürstenbergischen Hofbibliothek heute in der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe aufbewahrte liturgische Handschrift (Hs. Donaueschingen 424) enthält acht beidseitig mit Holzschnitten bedruckte Blätter, die als 'Donaueschinger Passion' in die Literatur eingegangen sind. 462 Die Texte entsprechen dem dominikanischen Ritus, die grammatikalischen Formen in den Gebeten weisen auf ein Frauenkloster; zusammen mit der elsässischen Schreibsprache und der doppelten Anrufung des hl. Nikolaus in der Litanei spricht dies dafür, daß das Buch für St. Nikolaus in undis bestimmt war. 463 Es enthält Texte zum Kranken-, Sterbe- und Begräbnisritus, ein Prozessionale und die Evangelienlesungen der Passion. Die Blätter mit den Bilddrucken wurden an den entsprechenden Stellen des Passionsteils in „Fenster" eingeklebt, die aus den leeren Seiten des Buches ausgeschnitten worden waren, um beide Seiten der Bildblätter sichtbar zu lassen. Während die Entstehung der Handschrift früher in der ersten Hälfte des Jahrhunderts vermutet wurde, 464 zeigte die jüngst durchgeführte Untersuchung der Wasserzeichen, daß sie erst um 1490 bis 1500 geschrieben wurde. 465 Ähnlich verhält es sich mit den bislang zu früh datierten Holzschnitten: Schreiber nahm ihre Entstehung um die Mitte des 15. Jahrhunderts an, doch sind auch hier offensichtlich Kopien nach älteren Vorlagen anzunehmen. Somit erübrigt sich auch die Vorstellung, daß ein schon ein halbes Jahrhundert alter Zyklus als Bildschmuck der Handschrift verwendet wurde. Ein anderes Buch aber, eine vermutlich aus St. Nikolaus in undis in die Berliner Staatsbibliothek gelangte deutschsprachige Sammelhandschrift (Ms. germ. oct. 37) 466 , fällt noch in den Untersuchungszeitraum der vorliegenden Arbeit. Der Anfang des ersten Stücks, einer 1458 datierten 467 Vaterunser-Erklärung, ist mit zwei Holzschnitten - einer Initiale D und einem Neujahrsgruß, der ein mit Pfeil und Bogen Glückwünsche verschießendes Christuskind zeigt geschmückt (fol. l r , s. Abb. 79). Sie sind nicht eingeklebt, sondern auf die Seiten 460 Zur Geschichte des Klosters im 15. Jahrhundert s. HORNUNG 1959, S. 3 8 5 - 3 9 1 ; über die Reform, ihre Schwierigkeiten und ihr letztendliches Gelingen, berichtet Johannes Meyer, •Buch der Reformacio Predigerordens', ed. REICHERT 1908/09, H. 3, S. 8 0 - 9 5 . 461

V e r z e i c h n e t b e i HORNUNG 1 9 5 6 , T. II.; KRÄMER in M B K E r g . - B d . I, T . 1/2, S. 7 4 6 f.

Der

ursprüngliche Umfang der Bibliothek ist nicht bekannt. 462 Bei SCHREIBER unter Nr. 152a etc. verzeichnet. 463 FELIX HEINZER in Unberechenbare Zinsen 1993, S. 114. Ich danke Thomas Lentes für die Bestätigung der wahrscheinlichen Herkunft aus St. Nikolaus in undis. 464

BARACK 1 8 6 5 , S. 2 9 4 .

465

FELIX HEINZER in U n b e r e c h e n b a r e Z i n s e n 1 9 9 3 , S. 1 1 4 .

466

Z u r L o k a l i s i e r u n g s. HEUSINGER, N e u j a h r s g r u ß 1 9 5 9 , S. 3 6 - 4 0 .

467 Nicht 1459, wie REHM 1994, S. 173 angibt.

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des Buches gedruckt. Ein unmittelbarer Textbezug ist dabei nicht gegeben. Die Verbindung zwischen dem Text über das Pater noster und der thematisch kaum passenden Graphik mußte der Schreiber erst durch eine gereimte Bildüberschrift herstellen, die er in der Banderole über dem Holzschnitt unterbrachte: Wer dis pater noster spricht zwor / den schüßt Jhesus mit eim guten ior. Die Verteilung von Text (der Rubrik zur folgenden Vaterunser-Auslegung), gedruckter Initiale, gedrucktem Bild und Spruchband sind jedoch planvoll aufeinander abgestimmt. Der Schreiber hatte die Position der Bilder berechnet, ließ sie eindrucken (oder druckte selbst) und schrieb erst dann seinen Text.468 Der Kolophon am Ende der Lage zeigt, daß es sich tatsächlich um einen männlichen Schreiber handelte.469 Da jedoch der weitaus größere Rest der Handschrift weibliche grammatikalische Formen aufweist,470 ist davon auszugehen, daß die Nonnen - vermutlich die von St. Nikolaus in undis - eine von einem männlichen Schreiber erworbene oder geschenkte Lage mit von ihnen selbst geschriebenen Teilen zusammenbinden ließen. Der rätselhafte Text-Bild-Bezug könnte angesichts dessen vielleicht auch Anlaß zu der Überlegung geben, ob es sich bei der fraglichen Lage mit dem Neujahrsbild und der Vaterunser-Auslegung um ein Neujahrsgeschenk an die Klosterschwestern gehandelt hatte, was die Wahl des Bildes erklären könnte. Die Illustration muß jedenfalls den Interessen der Dominikanerinnen gut entsprochen haben - spielte doch die Verehrung der Kindheit Christi im religiösen Leben der Schwestern von St. Nikolaus in undis eine große Rolle.471 Das Eindrucken solch kleiner Figuren zu handgeschriebenen Texten war zu jener Zeit am Oberrhein keine singuläre Erscheinung. Das zeigt die Handschrift, die Wilhelm Gralap vermutlich ein weltlicher Schreiber - 1456 in Straßburg vollendet hatte: Zum Schmuck der ersten Seite wurden fünf kleine Holzschnitte, die die Madonna und das Jesuskind mit verschiedenem Spielzeug zeigen, abgedruckt.472 Wenn die Holzschnitte des Neujahrsgrußes und der Initiale heute auch der einzige Bildschmuck der Berliner Handschrift sind, so war sie doch einst reicher ausgestattet. Der Teil mit der deutschen Bearbeitung der 65 Artikel zur Passion von Jordan von Quedlinburg - eine im späten Mittelalter beliebte Passionsbetrachtung473 - enthielt ursprünglich sechs eingeklebte Bilder, von denen heute nur noch Leim- und Farbspuren zu sehen sind. Wahrscheinlich waren es Holzschnitte, wie die Standardmaße und die Farbreste, die auf die für Holzschnitte dieser Zeit übliche Wasserfarben-Kolorierung schließen lassen, zeigen. Aus Straßburger Dominikanerinnenklöstern, die sich aber nicht genau bestimmen lassen, stammen vermutlich zwei weitere Codices mit Holzschnitt468 469 470 471

Das beweisen zwei Stellen, an denen die Tinte deutlich über der Druckfarbe liegt. Fol. 1 l r : Betten dem schriber ein aue • 1458 • vigilia Thome. Z. B. die Form sünderin fur die Sprecherin der Passionsgebete fol. 29 r -78 r . Siehe dazu FRANCIS RAPP, La dévotion à l'enfant Jésus en Alsace: La piété des moniales dominicaines, in: Archives de l'église d'Alsace 22, 1975, S. 131-139. Im Mittelpunkt steht hier St. Nikolaus in undis. 472 Wien, ÖNB, Cod. 2913, mit Eberhard Windeckes Lebensbeschreibung Kaiser Sigismunds. Siehe dazu HOLTER 1939, S. 41-43. 473 In dieser Handschrift nur 64 Artikel. Zu dem Text s. Kap. IV.3.2.

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schmuck. Hervorzuheben ist MS 2743 der Straßburger Universitätsbibliothek, dessen Herkunft schon im Nürnberger Katharinenkloster vermutet wurde. 474 Der Inhalt ist dominikanisch (u. a. die Legende der Katharina von Siena des Raimund von Capua),475 doch weist die Schreibsprache an den Oberrhein.476 Auf fol. 7V befindet sich eine Verkündigung, die Schreiber (als Sehr. 34d) und noch 1952 Steingräber für einen Holzschnitt hielten, bis sie Heusinger 1953 als Federzeichnung erkannte.477 Die Beobachtung, daß der vermeintliche Holzschnitt stilistisch in der Nähe oberrheinischer Nonnenmalereien steht, wurde zu einem der zahlreichen falschen Argumente für die These, in Klöstern wären Bilddrucke hergestellt worden. 478 Um einen echten Holzschnitt handelt es sich dagegen bei der Darstellung Mariae als Tempeljungfrau (Abb. 80), die als fol. 44 v an einem breiten Falz klebt, der vermutlich zu diesem Zweck eingebunden wurde. 479 Der Codex wurde in den 1450er Jahren geschrieben; gegen Ende dieses Zeitraums ist auch die Graphik zu datieren. Sie dient als einleitende Illustration zu einer Ave MariaAuslegung. 480 Neben dem Nürnberger Konvent besaßen also auch andere Dominikanerinnenklöster, die zum Schönensteinbacher Reformkreis gehörten, einige Handschriften mit bemerkenswerter druckgraphischer Ausstattung. Doch zeigt schon deren Zahl, daß diese Praxis dort nicht so konsequent wie in Nürnberg geübt 474 Die Provenienz ist mit Fragezeichen angegeben bei KRÄMER in MBK Erg.-Bd. I, T. 1/2, S. 624. (Dort versehentlich die Signatur MS 2746; die alte Signatur 640 stimmt jedoch, und auch nach der kurzen Inhaltsangabe ist eindeutig diese Handschrift gemeint). 475 In der deutschen Ubersetzung 'Ein geistlicher Rosengarten'; s. dazu WILLIAMS-KRAPP in 2 VL Bd. 7, Sp. 984, mit dieser Handschrift. 476 Auch die Schreiberhand ist keine des Nürnberger Dominikanerinnenklosters. 4 7 7 SCHREIBERS Bestimmung übernahmen COHN 1 9 3 4 , S . 1 8 ; STEINGRÄBER 1 9 5 2 , S . 2 4 0 . 478

COHN 1 9 3 4 , S . 1 8 f .

479 In der Handschrift befinden sich sonst keine breiten Falze; auch HEUSINGER 1953, S. 226, kommt zu dem Schluß, daß der Holzschnitt auf diese Weise beim Binden in den Codex gekommen sein muß. 480 Die zweite evtl. einem Straßburger Kloster zuzuordnende Handschrift ist ein Obsequíale im Augustinermuseum Freiburg (Inv.-Nr. 13068), das aus dem Dominikanerinnenkloster Adelhausen bei Freiburg stammt, doch wahrscheinlich nicht dort entstanden ist (s. u. Verzeichnis der Handschriften). Weder der Zeitpunkt der Einfügung des Holzschnittes (Geißelung Christi, nicht bei SCHREIBER, Mitte 15. Jahrhundert) noch der Entstehungs- bzw. Bestimmungsort der Handschrift sind sicher. HEUSINGER 1953, S. 91 u. 166 hielt die Entstehung in der Diözese Straßburg wegen der zweimaligen Nennung des hl. Adelphus in der Litanei für möglich, meldete aber 1959, S. 147 Anm. 47 Zweifel an. - Aus einem Straßburger Dominikanerinnenkloster stammt möglicherweise auch MS 1991 der BNU Straßburg. Im hinteren Deckel kleben zwei Holzschnitte (Geburt und Anbetung), die allerdings dem 16. Jahrhundert angehören (s. BECKER 1914, S. 2; WICKERSHEIMER in Catalogue générale des manuscrits Bd. 47, S. 409). In keinem der elsässischen Klöster ist die Handschrift entstanden, die sich als MS 1989 (olim L. germ. 72. 8°) in Straßburg befindet (s. BECKER 1914, S. 2, WICKERSHEIMER in Catalogue générale des manuscrits Bd. 47, S. 480). Sie wurde 1454 von einer Schwester Anna Brechtein geschrieben und enthält, auf fol. I v eingeklebt, ein Fragment eines im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts entstandenen Kreuzigungsholzschnittes (nicht bei SCHREIBER). Der Schreibsprache nach stammt sie nicht aus dem Elsaß, sondern aus Bayern, evtl. Franken. Bei Stichproben in verschiedenen Konventslisten (z. B. der Nürnberger Frauenklöster) und in den Registern der einschlägigen Handschriftenkataloge war der Name der Schreiberin nicht ausfindig zu machen. Möglich ist jedoch, daß eines der elsässischen Frauenklöster Zweitbesitzer war.

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Druckgraphik in süddeutschen Klosterbibliotheken

wurde. Auch wenn man die unterschiedliche Erhaltungssituation berücksichtigt die Verluste waren in Nürnberg vermutlich geringer als in anderen Klöstern des Ordens erscheinen die 14 Blätter, die im Untersuchungszeitraum für die elsässischen Konvente belegt sind, gegenüber den über 200 für das Nürnberger Kloster nachgewiesenen Bilddrucken gering.481 Auch läßt sich der druckgraphische Schmuck keines der elsässischen Codices vor die frühesten Holzschnittausstattungen des Katharinenklosters datieren.

Bamberg, Altenhohenau, St. Gallen Weniger ergiebig war die Suche nach Bilddrucken in anderen süddeutschen Dominikanerinnenklöstern außer Nürnberg und dem Elsaß. 482 Auch bei der Auswertung der relativ bescheidenen erhaltenen Handschriftenbestände der sieben Dominikanerinnenkonvente, die zwischen 1436 und 1513 vom Nürnberger Katharinenkloster aus reformiert worden waren, 483 fanden sich nur in zwei Codices Holzschnitte. Der eine stammt von der Hand einer früheren Schwester des Katharinenklosters: es ist der schon besprochene Band, 484 den Martha Peurlin im Bamberger Heiliggrab-Kloster geschrieben hatte, wo sie zusammen mit anderen Nürnberger Dominikanerinnen die Reform durchgeführt hatte. Der andere ist ein Brevier aus Altenhohenau, in dem ein um 1460 entstandener Holzschnitt der Auferstehung Christi (Sehr. 543c) klebt.485 Mit diesem stimmt die Darstellung Sehr. 543d - bis auf wenige Details und den etwas plumperen Schnitt - genau überein. Sie findet sich eingedruckt in die Nürnberger Handschrift Hanns 481 Aus dem Nürnberger Kloster sind weit über 200 Handschriften erhalten, was etwa der Hälfte der Bibliothek des 15. Jahrhunderts entspricht. Die Zahl der erhaltenen Bände aus Unterlinden beläuft sich etwa auf ein Drittel des Nürnberger Bestandes, die aus St. Nikolaus auf etwa ein Viertel, s. die Verzeichnisse bei KRÄMER in MBK Erg.-Bd. I, T. 1/2, S. 151-153, S. 613-625, S. 646 f. Allerdings ist dort im Unterschied zu Nürnberg auch der ursprüngliche Umfang der Bibliotheken mangels alter Kataloge unbekannt. 482 Zu nennen sind noch drei Handschriften, die sicher aus Dominikanerinnenklöstern stammen: Ein Codex aus dem Augsburger Konvent, 1449 geschrieben, doch erst nachträglich mit einem Holzschnitt der hl. Magdalena aus den 1450er Jahren (unpubliziert, s. Abb. 81) geschmückt (Augsburg, UB, Cod. 111.1.8° 3). Ein Gebetbuch aus dem letzten Viertel des 15. Jahrhunderts mit einem eingeklebten Holzschnitt (Jesuskind im hl. Herzen mit den fünf Wundmalen, Sehr. 807a) aus einem nordostbayerischen, vielleicht oberpfälzischen Dominikanerinnenkloster (Augsburg, UB, Cod. 111.1.8° 7). Das Gebetbuch Cgm 124 der BSB München stammt aus einem bayerischen Konvent des Ordens und enthält in den Deckeln zwei Apostelholzschnitte aus den 1450er Jahren. S. u. die Beschreibungen dieser Codices im Verzeichnis der Handschriften. 483 1436 Tulln a. d. Donau, 1443 Pforzheim, 1451 Bamberg, 1465 Altenhohenau (bei Wasserburg), 1472 Medingen (bei Dillingen a. d. Donau), 1478 Gotteszell (bei Schwäbisch-Gmünd), 1483 Heilig Kreuz in Regensburg, 1513 Engelthal, s. FRIES 1924, S. 27-32, KIST 1963, S. 36. Die Handschriftenbestände dieser Konvente verzeichnet bei KRÄMER in MBK Erg.-Bd. I, T. 1/2, S. 11 f., S. 208, S. 563 f., S. 659 f., S. 680 f. 484 Augsburg, UB, Cod. 111.1.2° 12; ihm lag ein um 1460 entstandener Holzschnitt der hl. Katharina lose bei. 485 München, BSB, Clm 2909, geschrieben in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts; das Bild wurde - passend zum Text - auf fol. 8V zwischen dem Kalender und dem Auferstehungsoffizium eingeklebt.

Dominikanerinnenkloster St. Katharina in Nürnberg

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Lidrers, 486 die das 'Gulden puchlein' kopiert. Das Altenhohenauer Blatt folgt offenbar der gleichen Vorlage, die nur noch in diesen beiden Drucken sichtbar ist. Es ist nicht zwingend, aber sehr wahrscheinlich, daß es ebenfalls in Nürnberg entstanden ist. Vielleicht kam es also mit den Nürnberger Dominikanerinnen, die nachweislich mehrere Handschriften mitbrachten, in das reformierte Kloster am Inn. 487 Nur noch kurz zu erwähnen sind zwei mit Druckgraphik illustrierte Handschriften, die sich unter den Beständen aus dem Dominikanerinnenkloster von St. Gallen heute in der dortigen Bibliothek des Benediktinerstifts befinden. Sie entstanden erst in den letzten beiden Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts. In der einen - nicht im Kloster geschrieben und illustriert, sondern dorthin geschenkt kleben mit kräftigen Deckfarben kolorierte Kupferstich-Medaillons als Initialfüllungen. 488 Die andere enthält den Holzschnitt einer Anbetung der Könige. 489 Die Überlieferung von Holz- und Metallschnitten in den aufgeführten Handschriftenbeständen läßt ein besonderes Interesse der Dominikanerinnen der zweiten Reformgeneration 490 an graphischem Handschriftenschmuck erkennen. Doch zeigt die herausragende Stellung des Nürnberger Klosters, daß es in der Ausprägung dieses Interesses große Unterschiede von Konvent zu Konvent gab. Am Verhältnis zwischen dem Nürnberger Katharinenkloster und den von dort aus reformierten Konventen wird auch deutlich, daß die Praxis nicht selbstverständlich auf diesem Wege übertragen wurde. In welchem Maße und in welcher Form Druckgraphik verwendet wurde, hing von individuellen Faktoren ab, die im einzelnen schwer zu bestimmen sind. Dabei spielten vermutlich auch die Interessen einzelner Persönlichkeiten eine Rolle, wie etwa die Auseinandersetzung des Nürnberger Dominikaners Conrad Forster mit neuen buchkünstlerischen Techniken und Methoden zum Schmuck von Codices oder die Beschäftigung der Buchmeisterin Kunigund Niklasin mit Problemen der Handschriftenausstattung nahelegen. Auch die Frage, ob - wie in Nürnberg - ein florierender Markt für Holzschnitte am Ort bestand, ist zu berücksichtigen. Festzuhalten bleibt jedoch, daß all diese Faktoren ohne die Klosterreform kaum zum Tragen gekommen wären: Brachte doch die Observanzbewegung erst das neue Interesse der Konvente an Literatur hervor, das zum plötzlichen Aufschwung der Buchherstellung und damit zu einem verstärkten Bedarf an Illustrationsmaterial führte. Gleichzeitig propa-

486

A u g s b u r g , U B , C o d . 1 . 3 . 8 ° 5 (s. K a p . II. 1.3.).

487 Siehe SCHNEIDER 1975 zum Handschriftenaustausch der beiden Klöster in der Folge der Reform. - Eine weitere Altenhohenauer Handschrift mit einem Einblattdruck befindet sich in der LB Karlsruhe (St. Peter perg. 60). Der Codex wurde jedoch erst 1501 geschrieben, auch der Druck - Ermahnung gegen das Fluchen - ist Anfang des 16. Jahrhunderts zu datieren (s. HEITZ, Einblattdrucke Bd. 27, Nr. 16). 488 Cod. Sang. 479. Geschrieben wurde das Stundenbuch 1483 von Dorothea von Hof. Die Stiche sind Kopien nach dem Meister E. S.; s. SCHERRER 1875, S. 154; MAX LEHRS, Vorlagen für Goldschmiede-Gravierungen vom Meister E. S., in: Zeitschrift für christliche Kunst 7, 1894, S p . 2 3 5 - 2 4 4 ; OCHSENBEIN 1 9 9 5 , S. 1 4 4 f.

489

Cod. Sang. 1854, s. SCARPATETTI 1983, S. 97.

490 Als die erste Generation und Ausgangspunkt ist allein Schönensteinbach anzusehen.

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Druckgraphik in süddeutschen Klosterbibliotheken

gierten die Reformer intensive geistliche Übungen, zu der sie - wie Johannes Meyers 'Buch der Reformatio Predigerordens' zeigt - als Hilfsmittel Bilder zumindest akzeptierten, bisweilen aber sogar zur Verfügung stellten. Gefragt waren dabei jedoch keine prächtigen Darstellungen, sondern Bildmaterial, das bei bescheidenem Aufwand diesen Zweck erfüllen konnte. Für die Holz- und Metallschnitte traf dies offenbar zu.491

1.13. Exkurs: Druckgraphik bei den Nürnberger Klarissen Selten genug läßt sich der ursprüngliche Kontext von Druckgraphiken rekonstruieren, wenn sie, aus Handschriften gelöst, einmal in den Kunsthandel gelangt waren. Ein Holzschnitt der Maria als Tempeljungfrau (Sehr. 1002, s. Abb. 82) gehört zu den wenigen, wo dies jedoch glückte. Das ist vor allem der Ausführlichkeit des Katalogs der Weigelschen Sammlung von 1866 zu verdanken, in der sich das Blatt vor dem Ankauf durch das Germanische Nationalmuseum befand.492 Weigel zitiert in seinem Katalogeintrag nach der Auskunft des Vorbesitzers, des Kunsthändlers J. A. Boerner, den Kolophon der Handschrift, aus deren Deckel der Holzschnitt gelöst worden war.493 Demnach war das Buch von einer Barbara Geuderin geschrieben worden, die es später einer Verwandten, deren Name mit Margarethe Geuntherin angegeben ist, geschickt hatte. Aufgrund dieser - wenngleich fehlerhaften494 - Angaben ließ sich der Codex wiederfinden. Der Kolophon der Handschrift Ms. germ. fol. 654 der Staatsbibliothek Berlin stimmt mit dem bei Weigel angegebenen überein: Das puch hat geschriben dy Barbara Gewderin, vnd Hub an der fasnacht an vnd vollendet es zu sant Merteins tag anno domino [!] m ccccP vnd im Ix iar; got sey gelobt vnd helff got den menschen, dy es brauchen, das sy im hundertualtige frucht prengen. [Von anderer Hand hinzugefügt:] Amen dise junckfraw starb im Ixijjar vmb sant Merthen tag vnd schiket diez buch gen sant Klarn ir mumen Margreth Gruntherrin.^5

Auf dem hinteren Deckelspiegel des Buches finden sich die Reste eines Papierblattes, das herausgeschnitten wurde - dort also klebte einst der Holzschnitt. Die Schreiberin hatte die Handschrift mit dem Traktat 'Kern der göttlichen Wahr491 Auch für die elsässischen Konvente ist auf die Tatsache hinzuweisen, daß in keinem auch nur ein einziger Kupferstich belegt ist - obwohl doch der Oberrhein als eines der Zentren der frühen Kupferstichproduktion gilt. Das erhärtet die schon am Bestand des Katharinenklosters entwickelte Vermutung, daß hier mit einer bewußten Entscheidung filr die weniger subtilen Techniken des Holz- und Metallschnittes zu rechnen ist. 492 Heute in der Graphischen Sammlung, Inv.-Nr. H 10. 493

WEIGEL - ZESTERMANN 1 8 6 6 , B d . I, S. 5 7 ( N r . 2 6 ) .

494 Die Angaben enthalten vor allem zwei gravierende Lesefehler: statt 1455 muß das Schreibdatum korrekt 1460 heißen, der als Geuntherin wiedergegebene Name lautet tatsächlich Gruntherrin. 495 Fol. IIr.

Dominikanerinnenkloster St. Katharina in Nürnberg

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heit'496 im Jahr 1460 vollendet und nach ihrem Tod ihrer Verwandten 497 vermacht, die im Nürnberger Klarissenkloster lebte. Im Vorderdeckel befindet sich noch die Notiz zur Übersendung (Gen sant Clarn in Nürnberg). Von der Schreiberin ist mit Cgm 516 ein weiterer Codex erhalten; er ist 1459 datiert, doch sein Entstehungsort - wie der der Berliner Handschrift - unbekannt. 498 Die Schreibsprache des Textes weist nach Nürnberg; auch gab es dort eine Patrizierfamilie namens Geuder. Doch kann die Schreiberin nicht die von Schneider vorgeschlagene Barbara Ortolphin, geb. Geuder sein, da diese 1487 noch lebte 499 Wahrscheinlicher ist es, daß sie mit der Barbara Geuder d. Ä. identisch ist, die 1460 in der Konventsliste des Augustiner-Chorfrauenstifts Pillenreuth zu finden ist.500 Die Bedeutung dieses Klosters für die Überlieferung deutscher geistlicher Literatur wurde, ausgehend von der Beziehung zum Stift Inzigkofen, schon erwähnt. Margarethe Grundherrin, an die der Band im Jahr 1462 fiel, kam ebenfalls aus einer der angesehenen Nürnberger Familien; 501 sie war 1451 ins Klarissenkloster der Stadt eingetreten, wo sie zwischen 1470 und 1488 Äbtissin war und 1494 starb. 502 Ob der Holzschnitt noch von der Schreiberin in Pillenreuth oder erst im Klarenkloster eingeklebt wurde, ist schwer zu beurteilen. Auf jeden Fall handelt es sich um eine nachträgliche Einfügung, die in keiner Beziehung zum Text steht. Die Farben und die wenig sorgfaltige, flächige Art des Auftrags erinnern stark an den Holzschnitt einer Madonna mit den Hll. Barbara und Katharina (Sehr. 1150a, s. Abb. 65), der erst um 1480 in ein Buch des Katharinenklosters gekommen sein dürfte. 503 Sie sprechen eher für ein Datum nach dem Tod der Schreiberin im Jahr 1462, also für die Einfügung im Klarenkloster. Das kann nicht mehr als eine Vermutung sein; doch wird sie gestützt durch die Tatsache, daß Margarethe Grundherrin auch an anderer Stelle als Benutzerin von Druckgraphik nachgewiesen ist. In eine Handschrift des Passionstraktats des Heinrich von St. Gallen hatte sie beim Schreiben 13 Bildchen integriert, die heute leider fehlen. An den passenden Stellen ließ sie jeweils eine ganze Seite des kleinformatigen Büchleins 496 Der eklektizistische Text zum geistlichen Leben ist nur in dieser Handschrift überliefert; s. dazu HONEMANN in 2 V L Bd. 4, Sp. 1135f. 497 'Mume' bedeutet zu jener Zeit nicht nur 'Tante', sondern auch allgemein 'weibliche Verwandte', v g l . LEXER 1 8 8 5 / 1 9 8 3 , S. 1 4 5 . 498

SCHNEIDER 1 9 7 8 , S. 4 4 f.

499

SCHNEIDER 1 9 7 5 , S. 2 1 7 .

500 Publiziert von SCHIEBER 1993, dort S. 86. Im Jahr 1460 sind zwei Schwestern des gleichen Namens Barbara Geuder - d. Ä und d. J. - bei der Wahl der Pröpstin verzeichnet. Angesichts des Todesdatums 1462 ist eher anzunehmen, daß es die Ältere war. 501 Ein Michael Grundherr etwa war 1448-52 Pfleger von St. Lorenz; sein Nachfolger wurde 1452-64 Georg Geuder (ANDREAS WÜRFEL, Diptycha ecclesiae Laurentianae, das ist: Verzeichnüß und Lebensbeschreibung der Herren Prediger, Herren Schaffer und Herren Diaconorum..., Nürnberg 1756, S. 49). 502 KIST 1929, S. 130, S. 134. - Als Schreiberin ist sie in dem Codex Will II, 22.8° der Stadtbibliothek Nürnberg bezeugt (s. SCHNEIDER 1965, S. 464 f.). 503 Aus dem Band Hs 86409 des Germanischen Nationalmuseums; s. u. Verzeichnis der Handschriften. Keiner der Holzschnitte, die in Nürnberg in den 1440er und 1450er Jahren verwendet wurden, wurde mit dieser Art von leuchtenden Farben und rotem Lack koloriert.

118

Druckgraphik in süddeutschen Klosterbibliotheken

frei, um dort ein Blatt einzukleben.504 Eine Notiz des 16. Jahrhunderts auf dem vorderen Deckelspiegel bezeichnet die Handschrift als Werk der Margarethe Grundherrin. 505 Die Klebespuren haben die einheitliche Größe von etwa 80 x 55 mm, was an einen der kleinformatigen Kupferstich- oder Metallschnittzyklen jener Zeit denken läßt. Vom Format her kämen dabei die kleinen niederländischen Kupferstichzyklen etwa vom Meister des Dutuitschen Ölbergs in Frage (Einfassung durchschnittlich ca. 62 x 44 mm, zuzüglich des üblichen Papierrands ergäbe sich die entsprechende Größe), Holzschnittfolgen wie z. B. Sehr. 153a etc., um 1470 entstanden (durchschnittlich etwa 70 x 50 mm) oder Metallschnittzyklen in der Art des um 1470-80 geschnittenen Sehr. 2183 etc. (durchschnittlich etwa 70 x 50 mm). Sowohl St. Klara als auch das Pillenreuther Stift unterhielten enge Beziehungen zum Nürnberger Dominikanerinnenkloster. Der Handschriftenaustausch zwischen Pillenreuth und St. Katharina wurde schon erwähnt; 506 auch verwandtschaftliche Beziehungen bestanden: So war eine Anna Geuder, die sicher mit der Schreiberin des Berliner Codex verwandt war, Nonne im Katharinenkloster. 507 Zwischen diesem Konvent und St. Klara wurden ebenfalls Handschriften ausgetauscht. 508 Eine Kopie des von Barbara Geuderin geschriebenen Cgm 516 befand sich im Dominikanerinnenkloster Altenhohenau, wohin der Text wohl durch die Schwestern des Nürnberger Katharinenklosters gekommen war. 509 Dort könnten also die druckgraphischen Buchausstattungen der Dominikanerinnen bekannt gewesen sein. Aus dem Klarissenkloster stammt vermutlich auch eine bislang unbeachtete Handschrift, die sich als Cim. 27 im Berliner Kupferstichkabinett befindet. Das legt der Besitzvermerk im hinteren Deckel - der passian [!] ist swester Gerhaus Meyerin closter frawen czu sant Clarn kloster510 (Abb. 83) - zusammen mit der nürnbergischen Schreibsprache des Bandes nahe. Er enthält einen aus dem Marienleben und dem Passionstraktat des Heinrich von Sankt Gallen zusammengestellten Text. Von derselben Schreiberin stammt auch der letzte Teil der Hand-

504 Nürnberg, Stadtbibliothek, Will II, 22.8°. Die Bilder müssen schon früh entfernt worden sein; das belegt eine Notiz des 16. oder 17. Jahrhunderts, die auf der leeren Seite an der Stelle eines damals schon fehlenden Blattes auf fol. 179 v zu finden ist. 505 Anno 1494 starb die wirdig muter Margreta Grundtherrin in closter S. Ciaren, war 43 jähr priorin alda geweßen, starb in dem 56 jahrre ihrres alters. Dieße wierdig Margreta Grundtherrin had dißes büchlein auß bergmendt gechriben, ligdt in der kirchen zu S. Ciaren. 506 Siehe Kap. II.2. 507 Nachgewiesen im Bibliothekskatalog des Klosters (MBK Bd. 111,3, S. 592). 508 MBK Bd. 111,3, S. 573. 509 SCHNEIDER 1978, S. 44 f. Die Altenhohenauer Abschrift ist Cgm 518. 510 Vermutlich ist sie identisch mit der im Nekrolog des Nürnberger (s. Schreibsprache des Textes) Klarissenklosters als Gertrud Mair verzeichneten Schwester (1451 eingetreten, t 1501, s. KIST 1929, S. 134). Unter den Schwestern, die zur entsprechenden Zeit dem Konvent angehörten, nur diese in Frage - auch wenn der Vorname abweicht, was sich aber wohl noch im möglichen Variationsspielraum der Schreibweise bewegt (vgl. die Austauschbarkeit von Gerhaus und Gertrud bei einer anderen Nonne des Klarissenklosters, Gertraut / Gerhaus F l a s c h , s. BORIS 1 9 9 6 , S. 3 2 2 , N r . 5 1 2 2 ) .

Dominikanerinnenkloster St. Katharina in Nürnberg

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schrift, eine persönliche Exzerptsammlung. 511 Auf dem vorderen Deckelspiegel klebt ein Holzschnitt der hl. Birgitta, der um die Jahrhundertmitte entstanden sein dürfte (Abb. 84), also etwa zur gleichen Zeit wie die Handschrift. Wann das Blatt tatsächlich in den Band geklebt wurde, muß jedoch offen bleiben. Ein jüngerer Beleg für den Gebrauch von Druckgraphik im Konvent der Klarissen hat sich in einer Handschrift des Staatsarchivs Nürnberg erhalten. Am Ende des 15. Jahrhunderts wurden hier Urkundenkopien und chronikalische Texte zum Klarissenorden und dessen Nürnberger Konvent zusammengestellt. 512 An einer Stelle der ansonsten schmucklosen Gebrauchshandschrift wurde in Abstimmung mit dem Seitenlayout eine kolorierte Federzeichnung des Christuskindes im Gespräch mit Gottvater sowie ein Holzschnitt der hl. Klara eingeklebt. Er steht zu den Texten dieser Seite nur in ganz allgemeiner Beziehung: Voran geht ein Abschnitt über die 1364 gestorbene Königin Agnes von Ungarn, Mitstifterin des Klarissenklosters Königsfelden; dem Holzschnitt folgt das 1309 gemachte Testament der Helena von Sachsen, Frau des Burggrafen Friedrich IV., beides also Erinnerungen an Wohltäterinnen der Klarissen. Wieso die Schreiberin den Holzschnitt der hl. Klara ausgerechnet an dieser Stelle des Buches, das doch ausschließlich vom Klarissenorden handelt, einfugte, läßt sich nicht bestimmen. Fest steht aber, daß sie das Bild ihrer Ordensheiligen zur Verfügung hatte und es in Verbindung mit dem Text, der in so engem Bezug zur Geschichte ihres Ordens stand, bringen wollte.

511 Fol. 138 r -144 r . Neben Sprüchen u. a. von Augustinus findet sich darin ein Abschnitt mit dem Rubrum: Item diß her nach geschriben stucklein hab ich der predig gehrt [!] vnd etlich sust czu vnerweißung. 512 Rst. Nürnberg, Kloster St. Klara, Akten und Bände Nr. 2, s. Handschriftenverzeichnis. Zu dem Band vgl. Ausstellungskatalog Caritas Pirckheimer 1982, S. 98 (Nr. 87); HAMBURGER 1997, S. 192 f.

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Druckgraphik in süddeutschen Klosterbibliotheken

2. Holzschnitte aus der Bibliothek des AugustinerChorfrauenstifts Inzigkofen Eines der bekanntesten und am häufigsten abgebildeten1 Blätter aus den ersten Jahrzehnten des Holzschnitts ist die Verkündigungsdarstellung Sehr. 34, von der sich je ein Exemplar in Paris und im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg erhalten hat2 (Abb. 85). Die Meinungen um ihre Datierung und vor allem Lokalisierung gehen weit auseinander und offenbaren einmal mehr die Schwierigkeiten, die nicht nur aus einer oberflächlichen Stilkritik resultieren, die Motiv und Stil verwechselt, sondern auch aus der methodisch ungenügenden Reflexion von Mobilität und Reproduktionscharakter früher Druckgraphik. So nahm Körner die Entstehung dieses Holzschnittes in „Altbayern"3 an; dabei stellte er das Blatt in eine Gruppe anderer unsicher lokalisierter Holzschnitte, die nur durch ihre Provenienz aus bayerischen Handschriften verbunden sind.4 Seine „Stilanalyse" beschränkt sich jedoch auf den Vergleich des Engelskopfes der Verkündigung mit einigen Figuren der von ihm konstruierten „altbairischen Gruppe".5 In einem Stilvergleich auf breiterer Basis hatte dagegen Heusinger schon 1953 den Holzschnitt in Zusammenhang mit einer Gruppe oberrheinischer Miniaturen gebracht, wobei tatsächlich Berührungspunkte in der Figuren- und Gewandbildung sowie Linienführung erkennbar wurden.6 Diese Buchmalereien bezeichnen jedoch eher das Vorlagenmaterial - oder noch vorsichtiger formuliert: die Richtung, aus der das Vorlagenmaterial gekommen sein mag - als das unmittel-

1

A b g e b i l d e t u . a. b e i WEIGEL - ZESTERMANN 1 8 6 6 B d . 1, N r . 2 3 ; ESSENWEIN 1 8 7 4 , N r . 11, T a f . X I I ; STENGEL 1 9 1 3 , T a f . V ; MANTEUFFEL 1 9 2 1 , S. 2 2 ; GLASER 1 9 2 4 , T a f . 1 5 ; BIALOSTOCKI 1 9 7 2 , S. 2 5 4 , A b b . 1 6 8 b ; KÖRNER 1 9 7 9 , S. 8 8 - 9 0 u . A b b . 14.

2

Paris, Petit Palais, Coli. Dutuit (früher Rouen); Nürnberg, GNM, Graph. Slg., Inv.-Nr. H 12.

3

KÖRNER 1 9 7 9 , S. 8 8 .

4

Sehr. 709 (Marientod, Staatliche Graphische Sammlung München; 1835 aus der Hofbibliothek überwiesen); Sehr. 729 (Marienkrönung, gleiche Sammlung, ebenso aus der Münchner Hofbibliothek), Sehr. 387 (Kreuzigung; München, BSB, eingeklebt in Cgm 281). Siehe KÖRNER 1979, S. 88-91. Schon HIND 1935, S. 117 hatte die drei Blätter einer Hand zugeordnet und etwas vorsichtiger - „Austrian, Bohemian or Upper German origin" vermutet. KÖRNER 1979, S. 90. Die Ausklammerung des Oberrheins bei Körners Lokalisierungen kritisiert STAMM 1982, S. 134 Anm. 13. - Schreiber gibt keine Lokalisierung an und datiert das Blatt auf 1440-50 - offenbar nach dem Fundort, der 1449 beendeten Handschrift. HEUSINGER 1953, S. 49. Die schlanke Engelsfigur, deren Gewandfalten durch einfache, knappe Linien skizziert sind, hat wenig gemein mit den voluminösen Faltengehängen z. B. auf den Holzschnitten Sehr. 709, 729, 387, mit denen KÖRNER die Verkündigung Sehr. 34 vergleicht. Näher als die bayerische Kunst dieser Zeit liegt in den Merkmalen der Figurenbildung und Linienführung der Vergleich mit den Illustrationen der Handschriften des Freiburger

5

6

Schreibers R ü d i g e r S c h o p f (s. HEUSINGER 1953, S. 4 9 - 5 3 ; zu S c h o p f vgl. STAMM 1981), der

aber eher das ältere Vorlagenmaterial bezeichnet. - WEINBERGER, Formschnitte 1925, S. 38 Anm. 18, hielt das Nürnberger Blatt für eine schwäbische Kopie nach einer oberrheinischen Arbeit aus dem Kreis des Buxheimer Christopherus (Sehr. 1349) und der Rylandschen Verkündigung (Sehr. 28). Die Verkündigungsengel, die er vergleicht, haben aber weder in der Behandlung der Gewandfalten und der Gesichter noch in der Linienführung viel gemeinsam.

Augustiner-Chorfrauenstift Inzigkofen

121

bare Umfeld der Entstehung.7 Nicht unerwähnt sollte eine in der Literatur bislang ignorierte Fußnote zu einem angeblichen Vorbild des Holzschnitts bleiben. Sie findet sich im 1866 gedruckten Katalog der Sammlung Theodor Otto Weigels, aus der das Pariser Exemplar stammt. Dort wird ein Brief des Universalgelehrten und Kunstforschers Konrad Dietrich Haßler zitiert, des Vorbesitzers des Nürnberger Exemplars, nach dem sich in der Barfüßerkirche zu Ulm ein damals gerade übertünchtes Wandgemälde befunden hatte, „dessen Gegenstand genau mit dem Inhalte unseres Bildes [d. h. des Holzschnitts Sehr. 34, Anm. d. Verf.] überein stimmt".8 Nachdem dieses Bild aber nicht mehr existiert und die Kriterien dieses Ulmer Kunstkenners für das, was er Übereinstimmung nennt, nicht mehr zu beurteilen sind, ist seine Behauptung als stilkritisches Argument heute leider von fraglichem Wert.9 Ein eindeutiger motivischer Zusammenhang besteht dagegen mit der lavierten Federzeichnung der Verkündigung in dem um 1410 entstandenen Fragment einer oberrheinischen Bilderbibel in der Pierpont Morgan Library (Abb. 86). 10 Die Figur der Maria, der Aufbau ihres Gewandes, die Sitzhaltung auf dem Thron, die Grundform der Lilienvase, die räumliche Anordnung von Thron, Gefäß, Taube und Engel verraten eine gemeinsame Vorlage. Obgleich die Illustration der Bilderbibel im Vergleich und zur eleganten und elaborierten Linienführung des 7

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9

10

Auch die Bergheimer Tafeln des Musée d'Unterlinden in Colmar sind diesem Kreis zuzurechnen, deren Entstehungszeit um 1420 kann für den Holzschnitt jedoch nicht mehr als einen terminus post quem bieten (Colmar, Musée d'Unterlinden, Inv. Nr. 62, 63, s. C. HECK E. MOENCH-SCHERER, Catalogue général des peintures du Musée d'Unterlinden, Colmar 1990, Nr. 537; zuletzt Kat. Stefan Lochner 1993, S. 250 f.). Die Übereinstimmungen liegen unter anderem in der Linienführung der Gewandfalten und besonders -säume, vgl. etwa den unteren Mantelsaum der Maria in Sehr. 34 mit dem der Muttergottes in der Anbetung der Könige der Bergheimer Tafeln; hinzuweisen ist auch auf die Locken des Engels, die Parallelen in den Colmarer Tafeln haben. WEIGEL - ZESTERMANN 1866, Bd. 1, S. 54. Dort heißt es weiter, daß Haßler über eine Handzeichnung nach dem Ulmer Wandbild verfügte, die seiner Meinung nach „keinen Zweifel zuläßt, dass das Gemälde das Vorbild gerade für diesen Metallschnitt, nämlich die Verkündigung, wovon gleichmässig im Weigel'schen und meinem Besitze ein Original ist". Mit dem „Metallschnitt" ist eindeutig Sehr. 34 gemeint; viele Holzschnitte wurden damals aufgrund schärferer Konturen, härterer Linienführung etc. fälschlich für Metallschnitte gehalten. Zu berücksichtigen ist dabei auch, daß Konrad Dietrich Haßler an einer Geschichte der ulmischen Holzschneidekunst gearbeitet hatte, die aber nie fertiggestellt wurde (s. SCHENK 1966, S. 369). Es ist nicht auszuschließen, daß die Herleitung des Verkündigungsblattes von einem konkreten Ulmer Vorbild mit dem Bemühen um die Konstruktion einer frühen Ulmer Holzschnittgruppe zusammenhängt. Haßler, ein vielseitiger Gelehrter wie auch Politiker, hatte sich neben seiner Tätigkeit als Orientalist und Theologe u. a. als württembergischer Landeskonservator, Leiter der Staatssammlung für vaterländische Kunst- und Altertumsdenkmäler, Erforscher des Ulmer Münsters und Autor einer Kunstgeschichte der Stadt Ulm hervorgetan (vgl. SCHENK 1966 mit weiterer Literatur). N e w York, PML, M. 719-720, fol. 3R. Abgebildet im Faksimile von BECKMANN - SCHROTH;

dort im Kommentarheft, S. 12, auch der Hinweis auf Sehr. 34. Als verfehlt muß dagegen die dort vermutete Verbindung mit dem Symbolum apostolicum-Blockbuch der Bayerischen Staatsbibliothek in München (Xyl. 40) bezeichnet werden. Die kodikologischen Zusammenhänge der von BECKMANN - SCHROTH zusammen publizierten Handschriften in New York und Freiburg korrigierte STAMM 1986. Vgl. auch Katalog der deutschsprachigen illustrierten Handschriften Bd. 2, S. 225-227, 239 f.; Karlsruher Passion 1996, S. 232 (Nr. 53).

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Druckgraphik in süddeutschen Klosterbibliotheken

Holzschnitts sehr flüchtig wirkt, wurde hier das Vorbild doch besser verstanden. In Sehr. 34 nämlich scheint Maria ohne jede räumliche Beziehung zur Sitzfläche und zum Boden vor dem Thron zu schweben; und die elegant geschwungene Linienführung des unteren Teiles ihres Gewandes darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß die sich aus der Sitzhaltung ergebende Position der beiden Knie nicht richtig umgesetzt wurde. Dem schönen, wenngleich etwas schematischen Fluß der Linien steht eine mangelnde Reflexion des Verhältnisses von Raum, Gewand und Körper gegenüber. Bezüglich der Lokalisierung läßt die motivische Übereinstimmung mit der Miniatur der Bilderbibel wiederum nur auf den Kreis der Vorlagen des Holzschnitts schließen, nicht aber unmittelbar auf seinen Entstehungsort. Was die Datierung des Holzschnitts betrifft, ist vor jeder stilkritischen Überlegung zunächst das Wasserzeichen des Nürnberger Exemplars zu berücksichtigen. Entgegen der gängigen Frühdatierung legt dieses einen Zeitpunkt des Drucks nicht vor ca. 1445-1448 nahe.11 Da das Blatt 1449 oder nur wenig später in eine Handschrift geklebt wurde (s. u.), dürfte es etwa zwischen 1445 und 1449 gedruckt worden sein. Wegen kleiner Ausbrüche bei den Einfassungslinien und aus stilistischen Gründen ist jedoch davon auszugehen, daß der Holzstock zu diesem Zeitpunkt nicht mehr frisch war. Ein Entstehungszeitraum zwischen etwa 1440 und dem von der Handschrift vorgegebenen terminus ante quem 1449 erscheint daher plausibel. Das Vorbild dürfte jedoch mehrere Jahrzehnte älter gewesen sein, wie der Vergleich mit der um 1410/20 illustrierten Bilderbibel zeigt. Einmal mehr wird damit der Charakter der Druckgraphik als kopierendes Medium deutlich, das Vorlagenmaterial oftmals mit größerer Zeitverzögerung wiedergibt - eine Beobachtung, die in stilkritische Überlegungen bei Druckgraphik zu selten einbezogen wird. 12 So kontrovers der Holzschnitt auch in der Frage der künstlerischen Herkunft diskutiert wurde, so wenig beachtete man doch seine Provenienz und den aus ihr zu erschließenden Kontext. Das in Nürnberg aufbewahrte Exemplar wurde aus dem Deckel eines 1449 im Augustiner-Chorfrauenstift Inzigkofen vollendeten Codex gelöst. Er kam 1872 aus der Sammlung Konrad Dietrich Haßlers aus Ulm an das Germanische Nationalmuseum (heute Hs 28441). 13 In der Literatur ist übereinstimmend zu lesen, daß das zweite Blatt der Collection Dutuit in Paris 14 11 12

13

Das Wasserzeichen ist nach Gerhard Piccard (Mitteilung an das GNM vom 3.5.1973, Notiz auf dem Passepartout des Blattes) 1445-1448 nachgewiesen. KÖRNER 1979, S. 89 nimmt, ohne weitere Begründung, 1420-30 als Entstehungszeit für Sehr. 34 an. HEUSINGER 1953, S. 49 u. 53, geht nach seinem Vergleich mit dem Kreis der Rüdiger Schopf-Illustrationen von einer Datierung des Holzschnitts ins erste Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts aus. Er bemerkt ganz richtig, daß die Übereinstimmungen eher auf einen gemeinsamen Vorlagenkomplex denn auf einen Werkstattzusammenhang zurückzuführen sind, ohne aber damit eine wesentlich spätere Datierung des Holzstocks in Betracht ziehen zu wollen. KURRAS 1974, S. 101. Zum Ankauf der Sammlung Konrad Dietrich Haßler vgl. MONIKA HEFFELS - FRITZ ZINK in: DENEKE - KAHSNITZ 1 9 7 8 , S. 6 3 9 . H a ß l e r w a r d e m G e r m a n i s c h e n

Museum eng verbunden; von 1861-1873 war er Mitglied des Verwaltungsrates (s. DENEKE KAHSNITZ 1 9 7 8 , S. 1 0 4 6 ) .

14

Paris, Petit Palais, Collection Dutuit; früher in Rouen. Vgl. DUTUIT 1881, Bd. 1, S. 22.

Augustiner-Chorfrauenstift Inzigkofen

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aus der gleichen Handschrift stammt:15 ein Fehler, der seit W. L. Schreibers Handbuch unüberprüfit übernommen wurde. Tatsächlich kam das Pariser Exemplar jedoch aus der Weigelschen Sammlung in Dutuits Besitz. Aus dem Katalog Weigels geht eindeutig hervor, daß sein Verkündigungsholzschnitt nicht identisch mit demjenigen aus Haßlers Handschrift ist; diese wird nur zum Vergleich erwähnt.16 Darüber hinaus enthält Weigels Katalog eine andere interessante, doch bislang übersehene Information. Auf seinem Exemplar des Holzschnitts stand von alter Hand die Notiz: Diß buoch gehert in die gemain deutsch liberey yn dz gotzhauß (}.17 Am Ende ist ein Wort ausradiert - offenkundig der Name des Ortes, in dem sich das Gotteshaus befand. Es handelt sich also um den Besitzvermerk der deutschsprachigen Bibliothek einer Kirche oder eines Klosters. Der Holzschnitt muß sich auf dem Deckelspiegel oder dem ersten Blatt eines Buches befunden haben, an der Stelle eben, an die solche Vermerke üblicherweise geschrieben wurden. Trotz des fehlenden Ortsnamens läßt sich die Provenienz des Blattes aufgrund der Formulierung der Notiz genau bestimmen. Es handelt sich um einen der nur im Wortlaut gering variierenden Einträge, die um die Mitte des 16. Jahrhunderts in den Handschriften, Inkunabeln und Frühdrucken des AugustinerChorfrauenstifits Inzigkofen angebracht worden waren. Noch vollständig erhaltene Beispiele lauten etwa Diß buoch gehört in die gemain deutsch liberey in dz gotzhauß Vntzkoffen,18 Der Ortsname wurde in den meisten Fällen - wie auch bei dem aus der Weigelschen Sammlung stammenden Holzschnitt - später ausradiert, gelegentlich ist er jedoch noch lesbar. Die beiden Exemplare des Verkündigungsholzschnitts Sehr. 34 stammen also ohne Zweifel aus zwei verschiedenen Handschriften, die jedoch ein- und demselben Kloster gehört hatten. Der gleiche Besitzvermerk, den das eine der Verkündigungsblätter trägt, verrät auch die Provenienz weiterer Holzschnitte, die - aus Büchern gelöst - in verschiedene graphische Sammlungen gelangten. So das 1918 von Emil Major publizierte Blatt eines Symbolum apostolicum-Blockbuches, das sich, eingeklebt im vorderen Deckel einer Handschrift, damals in der Sammlung Otto Wessner in St. Gallen befand (Abb. 87).19 Es trägt am unteren Rand die mit der Notiz auf dem Weigelschen Verkündigungsholzschnitt fast gleichlautende Aufschrift: Diß buoch gehört in die gemain teütsch liberey in das gotzhauß (Üntzkoffen). Der Ortsname ist auch hier ausradiert, aber noch als Inzigkofen zu identifizieren. Die Sammlung Wessner wurde bald nach der Publikation des Blattes zerstreut;20 die 15

SCHREIBER, H a n d b u c h B d . 1, S. 15 ( u n t e r N r . 3 4 ) ; HEUSINGER 1 9 5 3 , S. 4 9 A n m . 4 ; KÖRNER 1 9 7 9 , S. 8 8 .

16

WEIGEL-ZESTERMANN 1 8 6 6 , B d . 1, S. 5 4 .

17 18

Ebd. Eine Autopsie des Pariser Blattes war dem Verf. noch nicht möglich. Zu diesen Besitzvermerken s. HAUBER 1914, S. 373; ENGELMANN 1976, S. 523 (dort Abb. 1 ein Besitzvermerk dieser Schreiberin); FECHTER 1997, S. 45. MAJOR in HEITZ, Einblattdrucke Bd. 50, S. 9 f. (Nr. 4). Dort eine ausführliche Beschreibung des Blattes. Die Sammlung wurde in mehreren Auktionen zwischen 1912 und 1950 verkauft: am 2. 5. 1912 bei Helbing, München, die Kupferstichsammlung; Weiteres, auch noch einzelne

19 20

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Druckgraphik in süddeutschen Klosterbibliotheken

Spur des Blockbuchfragments verliert sich damit, in die Forschungsliteratur ging es nicht mehr weiter ein.21 Die einzige spätere Erwähnung durch Heusinger im Jahr 1979 verrät, daß auch ihm der neue Aufenthaltsort nicht bekannt war.22 Tatsächlich aber war die Handschrift mit diesem Holzschnitt schließlich in die Bayerische Staatsbibliothek gelangt, wo sie heute als Cgm 7248 aufbewahrt wird. Diese Sammelhandschrift enthält verschiedene deutschsprachige geistliche Texte (darunter das "Neunfelsenbuch', Johann Müntzigers Auslegung des Pater noster, Bonaventuras 'De triplici via' in schwäbischer Übertragung, eine Passionsbetrachtung, Gebete etc.) und dürfte um die Mitte des Jahrhunderts in Augsburg entstanden sein.23 Auf der Innenseite des vorderen Deckels wurde der Holzschnitt angebracht. Ob dies schon beim Binden geschah, ist nicht mit Bestimmtheit zu sagen.24 Es illustriert mit der Darstellung des mit Tiara gekrönten hl. Petrus vor einem Kirchengebäude, über dem in der himmlischen Sphäre Christus mit vier Heiligen erscheint, die Credo-Zeile In die haiigen kirchen der cristenhait gemainsamin der haiigen, die dem Apostel Jakobus d. J. zugeordnet ist. In der Blockbuch-Literatur ist das Blatt unbekannt. Es gehört keiner der bislang beschriebenen drei Ausgaben des Symbolum apostolicum an.25 Das Inzigkofener Fragment ist dem entsprechenden Blatt des Wiener Blockbuchs, dessen Text lateinisch ist, sehr ähnlich. Beide gehen möglicherweise auf eine gemeinsame bildliche Vorlage zurück.26 Der Bezug zum Text der Handschrift, der Anlaß für die Wahl eines Bildes dieses Themas war, ist wohl in der deutschen Übertragung des Symbolum apostolicum zu sehen, die eines der letzten Stücke des Sammelbandes bildet.27 Auch ein Holzschnitt des heiligen Antlitz' (Sehr. 769), der im unteren Teil ein deutsches Gebet mit Ablaßverheißung enthält, stammt aus Inzigkofen (Abb.

21

22 23

24 25 26

27

Graphiken, bei Messikommer, Zürich, am 20.-22. 11. 1922; Helbing 8. 6. 1926, Mincieux, Genf-Zürich, 18.-21. 5. 1927; Fischer, Luzern, 7.-12. 11. 1949 und 13.-17. 6. 1950. SCHREIBER, Manuel Bd. 4, kannte diese Ausgabe noch nicht. MUSPER 1976 nahm die Publikation durch MAJOR 1918 nicht zur Kenntnis, wie HEUSINGER 1979, S. 239, zu Recht kritisierte. Noch der Ausstellungskatalog Blockbücher des Mittelalters 1991, S. 412 gibt nur die Heidelberger, Münchner und Wiener Ausgabe an. HEUSINGER 1979, S. 239 gibt fälschlich noch die Sammlung Otto Wessner an. Die Abbildung des Blattes, die er gibt, ist offensichtlich eine Reproduktion nach MAJORS Publikation. Datierung nach den Wasserzeichen und nach der Identifizierung eines der Schreiber durch FECHTER 1997, S. 69, der ihm zwei 1440 in Augsburg entstandene Codices zuweisen konnte (s. Anhang 1). Das Blatt scheint als Spiegel direkt auf dem Holz des Deckels zu kleben, was sich jedoch allein aufgrund des Augenscheins nicht sicher beurteilen läßt. Heidelberg, UB (in Cod. pal. germ. 438); München, BSB (Xyl. 40); Wien, ÖNB (Inc. 2. D. 42). Siehe SCHREIBER, Manuel Bd. 4, S. 239; Blockbücher des Mittelalters 1991, S. 412. Das Inzigkofener Blatt folgt diesem angenommenen gemeinsamen Urbild präziser. Im Wiener Blockbuch sind die Vergröberung mancher Details und kleine Mißverständnisse zu beobachten, etwa die doppelte Linie links an der Frontfassade des Mittelschiffs der Kirche, die aus der Weiterfuhrung der unverstandenen Dachgesimse der Vorlage resultiert. Ein Stemma der Blockbuchausgaben des Symbolum apostolicum fehlt noch; über die Beziehungen zwischen dem Wiener Blockbuch und dem Münchner Fragment aus Inzigkofen können in diesem Rahmen keine weiteren Aussagen getroffen werden. Fol. 164 r -165 v .

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88).28 Das um 1482 von Conrad Dinckmut in Ulm gedruckte Blatt trägt am oberen Rand die Aufschrift (T))iß buoch gehört in die gemain deutsch liberey (). Obwohl auch hier der Ortsname nicht vorkommt, ist es doch wieder die gleiche Hand und genau die Formel, mit der die Inzigkofener Handschriften gekennzeichnet waren. Das Zahlenfragment 31 am Schluß stammt von einer späteren Hand.29 Auch dieser Einblattdruck klebte zweifellos einst im Vorderdeckel eines Buches der Chorfrauen. Es ist anzunehmen, daß noch weitere Holzschnitte, die heute im Besitz graphischer Sammlungen sind, sich ehemals in Büchern dieses Klosters befanden. Zu identifizieren sind nur diejenigen, auf die zufallig der Besitzvermerk der entsprechenden Handschrift eingetragen wurde; und das geschah allenfalls, wenn die Graphik im Deckel oder auf dem Vorsatzblatt klebte. Einen Hinweis auf die Herkunft aus Inzigkofen gaben Essenwein und Stengel auch für die Handschrift Hs 28860 des Germanischen Nationalmuseums, in die als Deckelspiegel ein Kreuzigungsholzschnitt eingeklebt und ausfuhrlich beschriftet wurde.30 Diese Provenienzangabe ist jedoch durch nichts zu belegen und vermutlich eine Verwechslung mit Hs 28441, die bairische Schreibsprache des Textes schließt die Herstellung in Inzigkofen jedenfalls aus.31 Die Handschrift aus der Inzigkofener Bibliothek mit der umfangreichsten und sicher rekonstruierbaren Graphikausstattung ist der Band Hs 28441 im Germanischen Nationalmuseum, aus dem unter anderem das Nürnberger Exemplar der erwähnten Verkündigung Sehr. 34 gelöst wurde (Abb. 85). Nach Stengels Angabe klebte es auf der Innenseite des hinteren Buchdeckels.32 Zu überprüfen ist dies nach der Restaurierung der Deckel nicht mehr. Gemäß Weigels Information befand sich jedoch „am Ende des Buches"33 eine heute verschollene Pergamenturkunde aus Inzigkofen. Sollte diese wirklich den hinteren Deckelspiegel gebildet haben, so wäre es unwahrscheinlich, daß dort auch der Holzschnitt klebte; unter dem großen Blatt nämlich hätte man von der Urkunde wenig sehen können. Nach der Formulierung im Katalog der Weigelschen Sammlung könnte die Urkunde allerdings auch das Hintersatzblatt gewesen sein.34 Die Verkündigung könnte sich dann tatsächlich im hinteren Deckel befunden haben, ohne auf der Urkunde zu kleben. Vielleicht aber war der Holzschnitt im vorderen Deckel angebracht, was Stengel - dessen Angaben nicht immer ganz 28

London, BM, Inv.-Nr. 1895-1-22-23. DODGSON 1903, S. 59 f. (A 26); DODGSON 1903, DODGSON 1934 Bd. 1, S. 16, Nr. 103. Zum Text und seiner Überlieferung auf Einblattdrucken

29

HAUBER 1 9 1 4 , S. 3 7 3 .

30

Bei ESSENWEIN 1872, Sp. 275 und ESSENWEIN 1874, S. 2, ist zu lesen, der Codex „gehörte den Frauenklöstern in Untersdorf und Inzigkofen". STENGEL 1913, Nr. XI, und SCHREIBER, Handbuch Bd. 2, S. 86 (bei Nr. 961), wiederholen diese Angabe. Untersdorf ist eine ältere Schreibweise für Indersdorf; dort gab es allerdings kein Frauenkloster, sondern ein AugustinerChorherrenstift. Die Handschrift enthält jedoch einen Text des Johannes von Indersdorf, so daß hier wohl der Grund für die Verwechslung zu suchen ist. S. u. Verzeichnis der Handschriften. STENGEL 1913, Hinweis unter Nr. XI.

v g l . EISERMANN 1 9 9 8 , S. 4 2 f.

31 32 33

W E I G E L - ZESTERMANN 1 8 6 6 , B d . 1, S. 5 4 .

34

Nicht nur der Deckelspiegel, wie KURRAS 1974, S. 100 schreibt.

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verläßlich sind - verwechselt haben könnte; vorne wäre das Verkündigungsbild thematisch sinnvoller. Wenn sich auch die Meinung, die beiden erhaltenen Abzüge des Verkündigungsholzschnitts würden aus Hs 28441 stammen, als falsch erwiesen hat, so bleibt die Graphikausstattung der Handschrift doch auch quantitativ immer noch bemerkenswert. Denn außer Sehr. 34 waren 18 weitere Holzschnitte zur Illustration des Textes verwendet worden. Auch sie wurden leider aus der Handschrift gelöst und in die Graphische Sammlung des Germanischen Nationalmuseums überwiesen. Zwölf eingeklebte Miniaturen - meist einfache, mit wässrigen Farben kolorierte Federzeichnungen - befinden sich noch in dem Buch, mindestens dreizehn andere wurden entfernt.35 Nicht allein wegen dieser hohen Zahl von eingeklebten Holzschnitten ist die Handschrift von besonderem Interesse, sondern vor allem wegen des durchdachten Planes ihrer Ausstattung sowie der Tatsache, daß die Urheberin dieses Bildschmucks ebenso bekannt ist wie der Zeitpunkt, zu dem die Graphiken eingefugt worden waren. Der Codex enthält eine deutschsprachige Vita Christi auf 218 Papierblättern. Sie ist das Werk einer einzigen Schreiberin, die sich im Kolophon auf fol. 218 ra nennt: Anno domini M° CCCC0 xlviiii0 an sant Augustinus ottaf do ward disz buch vss geschriben von mir (Eingefügt: swester) Anna Jakin zu den selben ziten ptyorin disz gotzhus. Gedenkent ir durch den honyg fließenden süßen namen Ihesus mit ainem aue Maria. Amen.

Es war die Pröpstin des Inzigkofener Stiftes, Anna Jäck, die die Handschrift 1449 beendet hatte. Sie hatte beim Schreiben auch die Graphiken eingefugt. Diese können nicht nachträglich eingeklebt worden sein, da sie genau in den fortlaufenden Text eingepaßt sind. Die Struktur der Verbindung von Text und Bild ist immer die gleiche (vgl. Abb. 91): Eingeleitet wird jedes Kapitel durch eine rubrizierte Überschrift, die die Lebensstation Christi kurz bezeichnet; danach ließ die Schreiberin den entsprechenden Platz für das Bildchen frei und fuhr fort mit dem Haupttext des Kapitels, eingeleitet von einem roten Initialbuchstaben. So lautet zum Beispiel die Rubrik auf fol. 29 rb : Hie betracht wie die iunkfrow Maria Ihesum gebirt zu Bethleem in größer armüt (Abb. 89). Es folgte der Holzschnitt der Geburt Christi (Sehr. 76, s. Abb. 90)36, der genau in die Textspalte paßte. Nach dem Bild beginnt mit einer zweizeiligen roten Lombarde der eigentliche Text zur Geburt Christi. Die Spalten messen in der Handschrift zwischen 67 und 72 mm; das Bild der Geburt ist mit dem Papierrand 68-72 mm breit. Die Maße der anderen Holzschnitte schwanken zwischen 55 und 78 mm Papierbreite, der Durchschnittswert beträgt ca. 67 mm. Die Maße der Blätter harmonieren also, auch wenn sie nicht ganz gleichmäßig zugeschnitten wurden, mit dem Schriftspiegel.

35 36

Auch sie in der Graphischen Sammlung des GNM. Zwei Blätter sind verloren; ob es Holzschnitte oder Miniaturen waren, ist nicht bekannt (s. u.). GNM, Graphische Sammlung, H. 23.

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Jedes der Bilder - Miniaturen wie Holzschnitte - wurde am Beginn eines Kapitels zu einer der Stationen eingeklebt. Das Verfahren der Schreiberin wird an einem kleinem Verfahrensfehler besonders deutlich. Eine kurzzeitige Unaufmerksamkeit von Anna Jäck kam durch die Entfernung der entsprechenden Illustration wieder zum Vorschein: Nach der Rubrik Hie betracht wie Maria treit Jesum in Egypten klebte ursprünglich eine Miniatur mit der Darstellung der Flucht der Heiligen Familie (fol. 44 vb ). 37 Die Ablösung des Blattes im 19. Jahrhundert brachte nun ans Tageslicht, daß die Pröpstin schon unmittelbar nach der Überschrift mit dem Text des Kapitels fortfahren wollte. Wir lesen dort noch ihren Ansatz Do Jos. Hier hielt sie jedoch plötzlich inne und bemerkte wohl, daß sie auch für diese Stelle ein Bild zur Verfugung hatte. Sie ließ dann den genau abgemessenen Platz frei und begann darunter einmal mehr den Satz Do Joseph vnd Maria mit vnserm herren Ihesum... Schließlich klebte sie den Holzschnitt an die vorbestimmte Stelle und über das verschriebene Do Jos. Auf diese Weise gelang es Anna Jäck, 45 der über 50 Kapitel des Christuslebens zu illustrieren.38 Alle Bilder sind präzise in den Text eingepaßt, und abgesehen von der erwähnten Unachtsamkeit unterliefen der Schreiberin keine Fehler. Zahl und Position der Freiräume waren genau berechnet, nirgends wurde auf Verdacht Platz freigelassen, kein Leerraum blieb ohne Bild. Anna Jäck muß ein genaues Konzept gehabt haben, welche Kapitel mit welchen Bildern zu versehen waren. Da ihr offenbar keine Buchmalerin zur Verfügung stand, die dies hätte umsetzen können, sammelte sie so lange vorgefertigte Bilder der entsprechenden Ikonographie, bis ihr der gesamte Satz von 45 Illustrationen vorlag. Erst dann begann sie zu schreiben und konnte dank der genauen Planung ihr TextBild-Konzept bruchlos verwirklichen. Unabhängig von der unmittelbaren Textillustration fugte sie dann noch den Holzschnitt der Verkündigung ein. Die Auswahl dieses Themas war kaum Zufall. Vermutlich im vorderen Deckel der Handschrift angebracht, fungierte das Blatt als Einleitungsbild zum Text der Vita Christi, so wie die Verkündigung den Beginn des Menschseins Christi markiert.39

37 38

39

Die kolorierte Federzeichnung heute in der Graphischen Sammlung des GNM, Inv.-Nr. Hz. 378. Für 43 der noch in situ sowie in der Graphischen Sammlung erhaltenen Bilder läßt sich der Sitz im Text noch rekonstruieren. Auf zwei weitere lassen Klebespuren im Codex schließen, doch läßt sich keine passende Graphik oder Miniatur in der Graphischen Sammlung mehr auffinden. KÖRNER 1979, S. 88 begründet die Einfügung des Verkündigungsbildes anders: „Die Schreiberin schließt nämlich mit der Bitte an den Leser, ihrer mit einem Ave-Maria zu gedenken. Im Hinblick darauf hat sie die „Ave-Maria-Bilder" wohl selbst eingeklebt." Er bezieht sich auf der Kolophon fol. 218 ra ; jedoch ist die Aufforderung an den Leser, ein Ave Maria zu beten, in Schreiberformeln der Zeit gang und gäbe. Eine inhaltliche Begründung fiir das Einkleben eines Verkündigungsbildes ist in dieser Formel kaum zu sehen. KÖRNER nimmt den Zusammenhang zwischen der Ikonographie des Holzschnitts und dem Kolophon als Beweis dafür, daß die Graphik von der Schreiberin eingefügt wurde. Er beachtet nicht, daß dies schon aus dem Charakter der Ausschmückung der übrigen Handschrift mit Passionsholzschnitten diese nimmt er nicht zur Kenntnis - hervorgeht.

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Es scheint jedoch nicht ganz einfach gewesen zu sein, das gewünschte Bildmaterial zusammenzutragen. Der Vergleich aller verwendeten Illustrationen zeigt, daß sie aus unterschiedlichen Quellen stammen. Die Miniaturen sind drei grundverschiedenen Händen zuzuweisen. Der größte Teil geht auf einen versierten, mit flottem Strich zeichnenden und ökonomisch lavierenden Buchmaler zurück, dem sich oberrheinische Arbeiten dieser Zeit an die Seite stellen lassen (Abb. 91). 40 Eine zweite Hand zeichnet unbeholfener, mit zittrigem Strich und kopiert in einer der Illustrationen sklavisch genau einen Kupferstich.41 Von einer dritten stammen die mit kräftigeren Deckfarben auf Pergament gemalten Miniaturen. 42 Auch die Holzschnitte, die Anna Jäck verwendete, gehören nicht etwa einem einzigen Leben-Christi-Zyklus an, sondern sind Bruchstücke von vier verschiedenen Folgen. Die Holzschnitte der umfangreichsten der verwendeten Folgen (Folge A), aus der unter anderem die Blätter der Geburt (Sehr. 76, Abb 90) und Kreuzigung (Sehr. 458, s. Abb. 92) stammen, sind sehr gute Abdrücke von fein geschnittenen und kaum beschädigten Stöcken. Sowohl gröber im Schnitt als auch schlechter im Druck sind die Blätter der Folge B, der unter anderem die Darstellung Christi im Tempel (Sehr. 115, s. Abb. 93) angehört. Etwas ungleichmäßiger im Druck, doch von guter Qualität sind die Bilder (Folge D) des Zwölfjährigen Jesus im Tempel (Sehr. 128) und der Kreuzannagelung (Sehr. 679, Abb. 94). Bei den übrigen Holzschnitten, die einer weiteren Folge (C) angehören - darunter Christus in der Vorhölle (Sehr. 695, s. Abb. 95) und Noli me tangere (Sehr. 562, s. Abb. 96) - fällt auf, daß sie von Rankenbordüren umgeben sind, die in der Größe nicht exakt zu den Bildern passen und nachträglich mit dunklerer Farbe aufgedruckt wurden. Die Rahmenholzstöcke wurden dabei wenig sorgfaltig positioniert, der Druck ist unregelmäßig und zu fett. Diese Blätter wurden in einem zweiten Arbeitsgang (vielleicht sogar in einer zweiten Werkstatt?) auf wenig professionelle Art weiterverarbeitet 43 Ebenso unsorgfaltig ist die Kolorierung der Bordüren. Von der gleichen Hand stammt auch die Bemalung der Bilder, die sich auf das Ausfullen größerer Flächen wie den Gewandpartien und einige grobe Striche in stark deckenden Farben (z. B. Flammen und Kreuzesfahne auf dem Bild Christi in der Vorhölle) beschränkt. An dieser Folge ist ein für Druckgraphiken dieser Zeit typischer Weg des Bildmaterials zu verfolgen: Die 40

41

42 43

Vgl. etwa die stilistisch verwandten um 1450 entstandenen kolorierten Federzeichnungen in der Handschrift Karlsruhe, BLB, Lichtenthai 70, erwähnt und abgebildet in Bibelhandschriften - Bibeldrucke 1980, S. 43-47, sowie in 750 Jahre Zisterzienserinnen-Abtei Lichtenthai 1995, S. 64 u. 255 f. Christus vor Pilatus, gelöst von fol. 158 ra (heute GNM, Graphische Sammlung, Hz. 374, s. Abb. 235). Kopie nach einem Kupferstich aus der 'Schule des Meisters der Spielkarten' (L. I, 152, 4). Von dieser Hand auch Hz. 372 und Hz. 373 in der Graphischen Sammlung des Germanischen Nationalmuseums sowie die noch im Codex klebenden Blätter auf fol. 71 v a , 195 rb , 209 rb . Taufe Christi auf fol. 6 1 v a und Christus vor Herodes, gelöst von fol. 155 v b (heute Graphische Sammlung, Hz. 375). Reste ähnlicher Bordüren, die ebenfalls nachträglich mit anderer Farbe um Holzschnitte gedruckt wurden, finden sich bei Sehr. 261a und Sehr. 272a (Berlin, K K , s. KRISTELLER 1915, Nr. 27 u. 28).

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stereotype Behandlung der Gesichter und Augen sowie die Linienführung verrät zwar die Hand ein und desselben Holzschneiders, doch die Vorlagen waren unterschiedlicher Herkunft. Am deutlichsten zeigt das der Vergleich des Blattes Christi in der Vorhölle mit dem des Noli me tangere (Abb. 95, 96). Die plumpen und teilweise gänzlich mißverstandenen Falten- und Gewandformen sind völlig verschieden von der Darstellung des Tuches Christi in der Vorhölle, das der Bewegung und der Schwerkraft folgt. Das Vorhöllen-Bild gehört zur 'Gulden puchlein-Gruppe' und verhält sich seitenverkehrt etwa zu Sehr. 697 (Abb. 176, 177)44 Darstellungen der gleichen Passionsfolge waren auch die Vorbilder für das Abendmahl (Sehr. 180)45 und die Kreuztragung (Sehr. 360) 46 . Die Vermählung Mariae (Sehr. 635) folgt dagegen einem unbekannten Vorbild, das nicht zu dieser Kopienreihe gehört. Die Holzstöcke dieser Folge waren möglicherweise in die Hände eines wenig geübten zweiten Druckers gelangt, der sie mit einer dilettantisch geschnittenen Bordüre umgab - vielleicht, um die kleinformatigen Bilder durch eine Rahmung attraktiver zu machen - und eventuell selbst kolorierte. Von dort kamen sie ins Stift Inzigkofen. Die Ikonographie und Größe der Bilder eignete sich für Anna Jäcks Ausstattungskonzept der Handschrift. Die Bordüren jedoch störten: Die Pröpstin schnitt sie kurzerhand wieder ab. Unerläßlich war das links und rechts, da die Blätter sonst die vorgegebene Breite der Textspalten gesprengt hätten. Die Höhe war dagegen variabel. So wurde die Bordüre am oberen Rand ganz abgeschnitten, am unteren jedoch blieb je ein Stück davon erhalten. Sehr aufschlußreich ist der druckgraphische Schmuck der Handschrift für die Verbreitung der Passionszyklen der 'Gulden puchlein-Gruppe'. Denn die meisten Holzschnitte der Inzigkofener Handschrift gehen auf den Motivschatz dieser Kopienreihe und damit letztlich auf das unbekannte gemeinsame Vorbild zurück - obwohl sie vier unabhängigen Folgen angehören! Der Codex demonstriert damit den überragenden Erfolg dieses Passionszyklus: Selbst beim Erwerb von Holzschnitten aus vier verschiedenen Quellen stieß man um die Mitte des 15. Jahrhunderts in Süddeutschland unweigerlich auf dessen Kopien (vgl. auch Kap. IV.4).47 Woher Anna Jäck auch immer ihre Graphiken bezogen haben mag: Bevor sie das Christusleben zu schreiben begann, muß es ihr gelungen sein, einen Satz etwa gleichformatiger Holzschnitte und Miniaturen zu sammeln, die geeignet waren, Rubriken der Handschrift mit nur wenigen Ausnahmen zu illustrieren. Diese Vorgehensweise setzt voraus, daß sich Anna Jäck gründlich mit dem Text auseinandergesetzt hatte, bevor sie daran ging, ihn zu kopieren und die Bilder einzupassen. 44 45 46 47

Im 'Gulden puchlein', fol. 131r, und im Kastler Brevier von 1454 (s. Kap. II. 1.2. und II.5.). Gleichseitige Varianten sind Sehr. 178 (im 'Gulden puchlein' auf fol. 11 l v ) und Sehr. 178a (in Clm 21543 und Cgm 1126, Kap. XVI und XLIV). Gleichseitige Varianten: Sehr. 356, Sehr. 359 (im 'Gulden puchlein' fol. 1181); seitenverkehrt Sehr. 359a (in Clm 21543 und Cgm 1126, Kap. XXII und XLIV). Vgl. dazu SCHMIDT 1998, S. 72-78.

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Das Illustrationsverfahren Anna Jäcks war jedoch ausgesprochen mühselig, zumal es ihr nicht gelungen war, einen zusammenhängenden Zyklus zu erwerben, sondern Bilder aus verschiedenen Quellen zusammengetragen werden mußten. Die Hartnäckigkeit, mit der sie dieses Ziel verfolgte, wirft die Frage auf, wieso sie gerade dieser Text zu einem solchen Vorgehen inspiriert hatte. Der Handschriftenkatalog des Germanischen Nationalmuseums bezeichnet den Inhalt der Handschrift als eine deutsche Fassung der 'Vita Christi' des Ludolf von Sachsen.48 Die Inzigkofener Handschrift wäre somit ein Überlieferungszeuge des berühmten Prosatextes, den Kurt Ruh „das verbreitetste, berühmteste Buch des Jahrhunderts" nannte. 49 Doch ist der Inhalt der Handschrift damit nicht richtig identifiziert - und dies hat Auswirkungen auf die Untersuchung ihrer Illustrationen. In seltener Deutlichkeit zeigt sich hier, wie sehr bei solch engem Text-BildBezug die richtige Einordnung der Illustrationspraxis von der Bestimmung des Textes abhängt. Den entscheidenden Hinweis zur korrekten Einordnung des Inhalts der Inzigkofener Handschrift gab Karl-Ernst Geith 1990. Demnach enthält sie keineswegs den Text Ludolfs von Sachsen, sondern eine deutsche Übersetzung einer lateinischen Vita Christi, die dem 1337 gestorbenen Augustinereremiten Michael de Massa zugeschrieben wird. Dieses Werk scheint von ungeheurer Wirkung im niederländischen und deutschsprachigen Raum gewesen zu sein. Eine erste vorläufige Zusammenstellung durch Geith umfaßt schon etwa 70 Handschriften von verschiedenen Übersetzungszweigen des lateinischen Christuslebens.50 Die Inzigkofener Handschrift gehört einem oberdeutschen Zweig an, dessen Überlieferungsschwerpunkt im südwestdeutschen Raum liegt. Bislang sind zehn Handschriften dieses Textes - alle zwischen den 1440er Jahren und dem Ende des 15. Jahrhunderts entstanden - identifiziert worden. 51 Nach der Schreiberin einer der Handschriften, die Geith ebenso wie Stamm auch für die Übersetzerin und Bearbeiterin hielten (was inzwischen mit guten Gründen bezweifelt wird) 52 , ging sie als 'Leben Jesu der Schwester Regula' in die Literatur ein. Daß es zu der Verwechslung dieses Textes mit einer Übersetzung der 'Vita Christi' des Ludolf von Sachsen kommen konnte, liegt zum einen am gleichlautenden Incipit, zum anderen aber wohl auch an der sehr ähnlichen Struktur. Denn wie das Werk Ludolfs ist auch das in der Inzigkofener Handschrift überlieferte 'Leben Jesu der Schwester Regula' durch das Ziel charakterisiert, den Leser zur Meditation des Lebens und Leidens Christi, zur compassio durch vergegenwärtigende Imagination anzuleiten. Der Text appelliert in jedem Kapitel 48

KURRAS 1 9 7 4 , S . 1 0 0 f.

49

RUH 1956, S. 55.

50

GEITH 1 9 9 0 , S . 2 9 .

51

eine weitere Handschrift identifizierte FECHTER 1 9 9 7 , S . 8 4 . 1990, S. 32; GERHARD STAMM in 2 VL Bd. 7, Sp. 1133. Berechtigte Zweifel meldete FECHTER 1997, S. 84 an. Schon GEITH 1990, S. 35 f., hatte vorsichtigerweise auch die Argumente für die tatsächlich überzeugendere Sichtweise aufgeführt, Schwester Regula, Schreib- und Lesemeisterin im Zisterzienserinnenkloster Lichtenthai, wäre lediglich eine Schreiberin, nicht aber die Übersetzerin des Textes.

52

GEITH 1 9 9 0 , S . 2 9 ; GEITH

Augustiner-Chorfrauenstift Inzigkofen

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aufs neue an den Leser, sich die Lebensstationen Christi, den Gang der Handlung, die genauen Umstände bis hin zu den zugehörigen Requisiten des heiligen Geschehens genau vor Augen zu fuhren. So heißt es etwa in der Vorrede, die eine Gebrauchsanleitung des Textes enthält: Wenn Du wilt erwerben frucht vnd sälikait diner sei in disen gesagten artikeln vnd die man noch erzellen wird von dem leben vnsers herren Ihesu Christi, so solt du alle weltlich bekumernüß schließen vß dinem herczen, vnd secz dich selb in dinen gedenken // mit flyßiger begerung für vnsern herren Ihesum Christum, als ob er selb liplichen vor dinen ögen stund, vnd ob du hortist vnd sahist mit dinen liplichen ören vnd ögen alle sini werk, die er gewurket hat,..53

Hier wird der Leser aufgefordert, sich Christus im Wortsinne so 'einzubilden1, als ob er ihm in leiblicher Präsenz gegenüberstünde. Die programmatische Vorrede geht aber noch weiter. Sie rät dem Leser, sich selbst so in den Handlungsverlauf zu versetzen, als ob er unmittelbarer Teilnehmer am Geschehen wäre. Sie macht ihm konkrete Vorschläge, welche Rollen er in der Handlung übernehmen könnte - so soll er sich etwa vorstellen, dem heiligen Elternpaar das Christuskind in den Tempel tragen zu helfen oder mit Maria unter dem Kreuz zu stehen und sie in ihrem Leid zu trösten. 54 Die Anregung zur sinnlichen Vergegenwärtigung geht bis zur Aufforderung, sich die Seitenwunde Christi tastend vorzustellen.55 Im Mittelpunkt der Vergegenwärtigungs-Appelle an den Leser steht aber in erster Linie die regelmäßige Erinnerung an das Schauen des Geschehens, die visuelle Vorstellung vor dem inneren Auge also. Im Text der einzelnen Lebenskapitel werden die Betrachtungsaufforderungen immer wieder konkretisiert. So heißt es etwa im Kapitel der Kreuzannagelung: Du solt hier, liebes mensch, in großem herczklichem mitliden betrachten vnd sehen, wie vnbarmherczklichen sü Ihesum bringent vnd mit Sailen furent vff den berg Caluarie... H Acha ja, sih, wie farwlos vnd wie änmächtig Ihesus yeczond ist. Sih, wie sü in wellent laben vnd gebent im win mit mirren vnd gallen gemischet ze trinkend. Sih, wie die andern zu beraitend alle beraitschaft, wie des stokers knecht ainen ieglichen schächer vff ain crücz bindent. Ach ja, nun griffent sü och Ihesum vnsern herren yeczond an, vnd ziehend im sini klaider ab. O we, sih, wie der vnderrok verbachen ist in dem blüt...56

Dieses Verfahren, den Leser eines Textes zur Vergegenwärtigung des Leidens Christi durch Imagination zu fuhren, ist konstitutiv für verschiedene Gruppen spätmittelalterlicher Andachtstexte von Passionstraktaten bis hin zu Privatgebeten zum Leiden Christi. Betrachtung und Gebet sollen sich dort als innerer Visualisierungsprozeß vollziehen; die nach lectio und meditatio der ausmalenden Schilderungen des Textes erzeugten inneren Bilder sollen den Leser zur memoria

53 54 55 56

Nürnberg, GNM, Hs 28441, fol. 9 v b / l 0 f a . Nürnberg, GNM, Hs 28441, fol. 4 v a / v b . Nürnberg, GNM, Hs 28441, fol. 4 v b : Tast vnd griff an die haiigen wunda (!) vnd besufcz ainen ieglichen schmerczen dines gesundmachers, der vm dich gestorben ist... Nürnberg, GNM, Hs 28441, fol. 167 ra/rb .

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passionis führen. 57 Einer der bekanntesten Texte, der sich dieser Technik bedient, ist sicher die Vita Christi des Ludolf von Sachsen; ähnlich verfahren aber auch etwa Zyklen von Passionsgebeten und andere Betrachtungstexte, unter denen das Christusleben des Michael von Massa und seine Übersetzungen in ihrer Bedeutung und Verbreitung bis zu den Studien Geiths verkannt worden sind. 58 In der zuletzt zitierten Passage der Inzigkofener Handschrift fällt der wiederholend reihende Gebrauch des Imperativs sih auf, der mit Nachdruck zum Blick auf das Passionsgeschehen mahnt. Formeln wie Hie betracht und Nun sih kennzeichnen nun auch die Rubriken der meisten Kapitelanfänge, die in der Inzigkofener Handschrift der Ort für die Anbringung der Illustrationen waren. So spricht etwa am Kapitelanfang der Vorführung Christi vor Annas die rubrizierte Überschrift des Kapitels den Leser mit den Worten an: Hie betracht wie Ihesus stät vor Annas gebunden.59 Danach folgt die eingeklebte Miniatur, die diese Szene darstellt (Abb. 91). Die Aufforderung Hie betracht bezieht sich hier offenkundig sowohl auf das im Text geschilderte Geschehen - im Sinne meditativer, innerer Schau - als auch auf die Miniatur im Sinne äußerer, visueller Betrachtung. Das Verb betrachten kann zu dieser Zeit sowohl eine geistige Bedeutung haben, etwa im Sinne von meditari oder cogitare,60 doch gleichzeitig auch schon die heutige, in erster Linie visuelle.61 In der unmittelbaren Konfrontation mit der Miniatur ist aber offensichtlich, daß hier auch auf das konkrete äußere Bild, also die gemalte Illustration, hingewiesen wird. Nach Rubrik und Bild beginnt der eigentliche Text des Kapitels dann mit den Worten: Nun sih, wie die obrosten von den luden zu loffent alle mit ain ander... Diese Formulierungen legen die Vermutung nahe, daß zumindest der Text der Rubriken auf das Zusammenspiel mit Bildern hin konzipiert ist. Auch ist die Funktion der Illustrationen derjenigen der Rubriken ähnlich: So wie diese den Handlungskern des jeweils folgenden Kapitels in einem Satz kurz darstellen, bieten die Miniaturen und Graphiken gleichsam eine bildliche Zusammenfassung des Hauptgeschehens. Der Text verweist hier auf die Bilder, und die Bilder korrespondieren mit der gesamten Struktur des Textes, der den Leser zur visuellen Vergegenwärtigung der Stationen des Lebens Jesu auffordert. Nun aber stellt sich angesichts dieser Feststellungen die ungewöhnliche Art und Weise, wie der Text illustriert wurde, in neuem Lichte dar. Reagierte die Schreiberin Anna Jäck mit dem Sammeln von Illustrationsmaterial auf den von 57

58

Vgl. zu diesem Komplex u. a. SCHUPPISSER 1993, bes. S. 180-183; BESTUL 1996, u. a. S. 3 9 42; THOMAS LENTES, Gebet und Buch. Studien und Texte zu Produktion, Funktion und Gebrauch spätmittelalterlicher Gebetbücher (1350-1550), Diss. masch. Münster 1997, passim. Zur 'Vita Christi' Michaels von Massa s. KARL-ERNST GEITH, Ludolf von Sachsen und Michael von Massa. Zur Chronologie von zwei Leben Jesu-Texten, in: Ons geestelijk Erf 61, 1987, S. 304-336; KARL-ERNST GEITH, Die Vita Christi des Michael von Massa, in: Augustiniana 3 8 , 1 9 8 8 , S. 9 9 - 1 1 7 ; GEITH 1 9 9 0 .

59

Nürnberg, GNM, Hs 28441, fol. 149 va .

60

LEXER, H a n d w ö r t e r b u c h B d . 1, S p . 2 3 9 ; JACOB u n d WILHELM GRIMM, D e u t s c h e s W ö r t e r b u c h Bd. 1, Sp. 1 7 0 6 .

61

Ich danke VOLKER HONEMANN für die freundliche Mitteilung.

Augustiner-Chorfrauenstift Inzigkofen

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ihr erkannten Charakter des Textes als geistliche Imaginationsanleitung? Fügte sie vielleicht sogar die Rubriken mir dem expliziten Hinweis auf die einzuklebenden Illustrationen eigenständig hinzu? Diese Fragen können nur beantwortet werden, wenn man auch die anderen Überlieferungszeugen des Textes in Hinblick auf die Struktur der Kapitelanfange und Rubriken untersucht. Tatsächlich erweist sich bei der Zusammenstellung aller Textzeugen des 'Lebens Jesu der Schwester Regula1, daß die meisten von ihnen illustriert sind oder zumindest zur Illustration vorgesehen waren. 62 Dabei entspricht die Struktur der Illustrationen dem, was wir beim Inzigkofener Codex festgestellt haben. Die Kapitelanfange bestehen jeweils aus einer Überschrift, die den inhaltlichen Kern nennt, oft verbunden mit einer Betrachtungsaufforderung, gefolgt von dem entsprechenden Bild. Die Rubriken entsprechen bei den meisten Handschriften im Wortlaut denen des Inzigkofener Codex. Der Vergleich etwa mit der ebenfalls um die Mitte des 15. Jahrhunderts entstandenen Karlsruher Handschrift Donaueschingen 436, die 42 Illustrationen enthält, zeigt,63 daß sich Anna Jäck an der Text-Bild-Struktur orientierte, an die sich die meisten Überlieferungszeugen des 'Lebens Jesu der Schwester Regula' hielten. Auch die Überschriften der Kapitel sind also keine eigenständigen Zutaten der Inzigkofener Schreiberin, sondern gehören zur Texttradition. Die richtige Identifizierung des Textes der Inzigkofener Handschrift als 'Leben Jesu der Schwester Regula', nicht als Vita Christi des Ludolf von Sachsen, wirft also neues Licht auf die Beweggründe der Schreiberin, so konsequent nach Illustrationen zu suchen. Die Illustrationen, die die Textzeugen dieses Überlieferungszweiges besitzen, folgen demselben Schema und derselben Auswahl von etwa 40 bis 42 bebilderten Szenen.64 Dies läßt nur den Schluß zu, daß diese 62

Vgl. die Handschriftenliste bei GEITH 1900, S. 29. Kunsthistorisch bearbeitet wurden davon bislang nur die Handschriften in Karlsruhe, Chantilly und Liège, jedoch ohne Beachtung des Zusammenhangs ihrer Illustrationsprogramme: BARBARA MODLER, „Lichtenthai 70". Eine spätmittelalterliche Bilderhandschrift der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe. Magisterarbeit masch. Freiburg i. Br. 1980; HEINZER - STAMM 1987, S. 175-179 (mit weiterer Lit.); GERHARD STAMM in: 7 5 0 Jahre Zisterzienserinnen-Abtei Lichtenthai 1995, S. 2 5 5 f.; HANS-

WALTER STORK, Eine Handschrift des Leben Jesu in Lüttich - aus Trier? - MS Lüttich UB fonds Wittert 71, in: Ars et Ecclesia. Festschrift für FRANZ J. RONIG zum 60. Geburtstag, hg. v. HANS-WALTER STORK -

CHRISTOPH GERHARDT -

ALOIS THOMAS ( V e r ö f f e n t l i c h u n g e n

des

Bistumsarchiv Trier 26) Trier 1989, S. 411-434; DERS.: Zwei illustrierte „Leben-Jesu"-Texte des 15. Jahrhunderts in Lüttich und Chantilly, in: Masters and Miniatures 1991, S. 287-294; DERS. (Hg.): Betrachtungen zum Leben Jesu. Liège, Bibliothèque de l'Université, Ms. Wittert 71, Farbmicrofiche-Edition (Codices illuminati 22) München 1991. 63

64

Hs. D o n a u e s c h i n g e n 4 3 6 . Zur Handschrift vgl. BARACK 1865, S. 3 0 0 f.; GERHARD STAMM in

„Unberechenbare Zinsen" 1993, S. 112 f.; GEITH 1990, S. 29. Vgl. das Stemma bei GEITH 1990, S. 36. Das Bildprogramm von 40 Szenen besitzen die Handschriften in Chantilly, Musée Condé, Ms 1455, Karlsruhe, BLB, Lichtenthai 70 und Liège, Bibliothèque de l'Université, Ms. Wittert 71. Karlsruhe, BLB, Hs. Donaueschingen 436 hat 42 Illustrationen. Die Handschriften eines anderen Überlieferungszweiges weisen ein umfangreicheres Bildprogramm auf: Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod. Guelf. 1.11. Aug. fol., mit mehreren hundert Miniaturen; Zürich, Zentralbibliothek, C 10 K, sowie weitere bei GEITH 1990, S. 29 u. 36 noch nicht verzeichnete Handschriften, die noch auf ihr Illustrationsprogramm hin zu untersuchen wären.

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Übersetzung der Vita Christi des Michael de Massa offenkundig von vorneherein auf das Zusammenspiel von Text und Bild hin konzipiert war. In Bezug auf die Inzigkofener Handschrift ist damit anzunehmen, daß die Vorlage, nach der Anna Jäck ihr Buch kopierte, ebenfalls illustriert war. Angesichts der Tatsache, daß die Pröpstin offenbar keine Möglichkeit hatte, auch die Miniaturen kopieren zu lassen oder dies selbst zu tun, 65 hätte sie beim Abschreiben auch ohne weiteres über die Bilder hinwegsehen können, was ihr die Sache erheblich erleichtert hätte. Diesen Weg wählte etwa der Nürnberger Dominikaner, der in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts eine Bearbeitung des Textes unter Verzicht auf die Illustrationen schrieb.66 Anna Jäck jedoch war offenbar zu der Überzeugung gelangt, daß diesem Text ohne die vorgesehene Bebilderung einer seiner wesentlichen Wirkungsmechanismen fehlt. Dies muß den Ausschlag gegeben haben, sich auf die mühsame Suche nach Illustrationen aus zweiter Hand zu machen. Das Programm von etwa 40 bebilderten Kapitelanfangen konnte sie auf diese Weise verwirklichen und sogar erweitern; bei ihrer Suche nach Bildmaterial war die Pröpstin offenbar so erfolgreich gewesen, daß sie auch einige in der sonstigen Handschriftenüberlieferung unillustrierte Szenen mit Bildern versehen konnte. Es ist ein Glücksfall, daß sich diese interessante Schreiberin im Kolophon namentlich genannt hat. Dies erlaubt, das Entstehungsumfeld der Handschrift näher zu beleuchten. Das Stift Inzigkofen war 1354 von zwei Sigmaringer Bürgerstöchtern gegründet worden. 67 Im Jahr 1394 wollten die Schwestern, nachdem sie bis dahin als Franziskaner-Tertiarinnen gelebt hatten, aus eigenem Willen eine strengere monastische Lebensweise und eine richtige Ordensregel annehmen. Nach Verhandlungen mit dem Bischof von Konstanz und dem Propst von Langenzenn wurden aus den Tertiarinnen Augustiner-Chorfrauen. 68 Kurz darauf wurden sie von der Seelsorge des Leutpriesters befreit, der Aufsicht des Priors der Chorherren von Beerenberg unterstellt und erhielten das Recht auf Empfang des Sakraments in der eigenen Kirche, die im Jahr 1388 errichtet worden war. 1412 nahmen die 13 Schwestern69 die strenge Klausur an, nachdem 65

66

67

Kein anderes der sechs erhaltenen Bücher von ihrer Hand enthält Miniaturen: Berlin, Staatsbibliothek, Ms. germ. fol. 1041 und Ms. germ. qu. 1110; München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 5292; Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 12759; Wien, Bibliothek des Schottenklosters, Cod. 308 (234); ehemals Reichenberg, Sammlung F. Katzer, Dt. Hs. 13 (verschollen). Nürnberg, Stadtbibliothek, Cent. VII, 22. Der Text wurde identifiziert durch GEITH 1990, S. 29. Der Band gehört zu einer Gruppe von Handschriften, die dem Nürnberger Katharinenkloster vom Dominikanerbruder Johannes Forster geliehen worden waren; vermutlich war er auch in dessen Kloster geschrieben worden, vgl. SCHNEIDER 1965, S. 295 f. Zur Geschichte des Klosters vgl. die von GEISSENHOF 1894 veröffentlichte Chronik des Klosters (Kurzfassung einer in einer Kopie des 18. Jahrhunderts erhaltenen Chronik, die bis in die Gründungszeit des Inzigkofener Konvents zurückgeht), Sp. 405—409, 421—424, 441—444 und die u. a. darauf basierenden Studien von EISELE 1925, EISELE 1937, ENGELMANN 1968, HEINRICHSPERGER 1 9 7 0 , RINGLER 1 9 8 0 , S. 3 8 - 4 4 , FECHTER 1 9 9 7 , S. 5 - 1 8 .

68 69

Geißenhof sehe Chronik, Sp. 422. 1394 war die Zahl der Klosterinsassinnen auf 13 Chorfrauen und eine variable Anzahl von Laienschwestern festgelegt worden; RINGLER 1980, S. 39.

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sie sich über Störungen bei ihren geistlichen Verrichtungen beklagt hatten. 70 Doch verlangten sie schon bald darauf nach noch strengeren Statuten. Sie wandten sich an den Propst von Langenzenn, der sie an das Chorfrauenstift Pillenreuth verwies. Sie studierten die dortigen Statuten und lehnten daran im Jahr 1430 ihre eigenen an; im darauffolgenden Jahr wurden diese durch den päpstlichen Legaten bestätigt.71 Die Beichtväter kamen nun aus dem AugustinerChorherrenstift Langenzenn, später auch aus Indersdorf.72 Die hohe Ordensdisziplin des Klosters, um die sich die Schwestern durch immer neue Reformen bemühten, ließ durch das gesamte 15. Jahrhundert hindurch nicht nach. 73 Inzigkofen war kein wohlhabendes oder einflußreiches Kloster. Dennoch hat es gerade in der deutschen Philologie große Beachtung gefunden. Das hat seinen Grund in den Schätzen der Klosterbibliothek, die erstaunlich reich gewesen sein müssen. Leider wurde der Bücherbesitz nach Auflösung des Klosters zerstreut und zum Teil vermutlich vernichtet; doch läßt noch der Restbestand, der rekonstruierbar ist, eine bemerkenswert emsige und kenntnisreiche Sammel- und Schreibtätigkeit erkennen. Ihr sind unter anderem einige wichtige Mystikerhandschriften zu verdanken. 74 Nach der Zusammenstellung von Fechter gehören etwa 50 der noch erhaltenen und der Inzigkofener Bibliothek zuzuweisenden Handschriften dem 15. Jahrhundert an, die meisten davon sind deutschsprachig.75 Bei einem Blick auf die Datierungen der Handschriften stellt man fest, daß sie zum größten Teil nach der Übernahme der Pillenreuther Statuten entstanden sind. Der Aufschwung der Schriftkultur war ohne Zweifel eine Folge der Reform von 1430. Ringler machte darauf aufmerksam, daß die Übernahme der Pillenreuther Statuten nicht nur eine Äußerlichkeit war.76 Vielmehr suchten die Inzigkofener Frauen damit Anschluß an die besten Reformbestrebungen jener Zeit. Das Kloster Pillenreuth hatte 1422 von Kardinal Branda di Castiglione selbst, der damals gerade zum deutschen 'Reformator generalis' ernannt worden war, ein Reformstatut erhalten, das in weiten Teilen mit dem Dekret übereinstimmt, das der Kardinal im gleichen Jahr zur Reform im Mainzer Bistum erlassen hatte.77 Die Inzigkofener Augustinerinnen bemühten sich aus eigenem Antrieb um den

70

Geißenhofsche Chronik, Sp. 423; EISELE 1925, S. 59; DERS. 1937, S. 144.

71 72 73

Geißenhofsche Chronik, Sp. 441^143; EISELE 1925, S. 60; DERS. 1937, S. 132. Geißenhofsche Chronik, Sp. 442 f. Wie HEINRICHSPERGER 1970, S. 132 bemerkt, „eine Verweltlichung im Sinne des Abfalls der Disziplin gab es in Inzigkofen nicht". Zu Bestand und Rekonstruktion der Büchersammlung s. die grundlegende Arbeit FECHTER 1997. Unter den früheren Würdigungen der literaturgeschichtlichen Bedeutung des Stifts seien

74

hier nur HAUBER 1914 und RINGLER 1980, besonders S. 3 7 - 5 9 u. 381 f. erwähnt.

75

Auf den Handschriftenbestand von Inzigkofen machte zuerst HAUBER 1914, S. 364—373 aufmerksam; KRÄMER stellte ihn zusammen in MBK Erg.-Bd. I, S. 377 f. Eine ausführliche Rekonstruktion des Handschriftenbesitzes des Klosters leistete FECHTER 1997.

76

RINGLER 1 9 8 0 , S . 4 1 .

77

Das unpublizierte, von FRANZ MACHILEK entdeckte Dokument erwähnt HERMANN TÜCHLE,

Das Mainzer Reformdekret des Kardinals Branda, in: Von Konstanz nach Trient. Beiträge zur Geschichte der Kirche von den Reformkonzilien bis zum Tridentinum. Festgabe fiir August Franzen, hg. von REMIGIUS BÄUMER, Paderborn 1972, S. 1 0 1 - 1 1 7 , dort S. 117.

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Statutenwechsel; sie schickten Schwestern nach Pillenreuth zum Studium der dortigen Bestimmungen. Geprägt wurde die Entwicklung Inzigkofens als Reformkonvent durch Persönlichkeiten wie die Pröpstin Anna Jäck. Sie war auch die herausragende Schreiberin der ersten Jahrzehnte nach der Reformierung. Sieben Handschriften können ihr aufgrund des Kolophons oder durch Schriftvergleich noch zugewiesen werden: Außer der 'Vita Christi' im Germanischen Nationalmuseum sind zwei Codices in der Berliner Staatsbibliothek zu nennen, die Anna Jäck 1430 geschrieben hatte, vielleicht im Zusammenhang mit der Klosterreform, wie Nigel Palmer sicher zu Recht vermutete.78 Außerdem stammen eine Handschrift von 1448 in München,79 eine aus dem Jahr 1472 in der Österreichischen Nationalbibliothek,80 ein Nachtrag von 1457 in einer Handschrift im Wiener Schottenkloster81 und ein verschollener Codex von 146482 mit Sicherheit von ihr. Zudem findet sich in einem Bücherverzeichnis des Zisterzienserinnenklosters Kirchheim von 1436/37 der Eintrag über ein Uber Jeggin - möglicherweise ebenfalls ein Buch aus ihrer Feder?83 Paul Ruf nahm an, daß es sich bei Jeggin um den Namen einer Buchbesitzerin handelt; ebenso kann es jedoch der einer Schreiberin und/oder Geberin sein. Da es damals so viele Buchbesitzerinnen bzw. Schreiberinnen mit Namen Jeggin bzw. Jäckin - der weiblichen Form von Jäck, welche die Inzigkofener Schreiberin in den Kolophonen ihrer Handschriften selbst benutzte - nicht gegeben haben dürfte, halte ich es für durchaus möglich, daß ein von Anna Jäck geschriebener Codex in die Kirchheimer Bibliothek gelangt war.84 Produzierten doch die dortigen Zisterzienserinnen im 15. Jahrhundert kaum Handschriften selbst,85 sondern erwarben sie auswärts, während die Inzigkofener

78

Ms. germ. fol. 1041; Ms. germ. qu. 1110, hier ab S. 101. Vgl. dazu HAUBER 1914, S. 368; FECHTER 1997, S. 5 6 f., 5 9 f.

Z u m Zusammenhang mit der Reform s. NIGEL F. PALMER,

Beobachtungen zu einer Gruppe von schwäbischen Mystik-Handschriften des 15. Jahrhunderts. Mit dem Textabdruck einer mystischen Spruchsammlung der Handschrift Reading, UL, M S . 137, in: WALTER HAUG -

79

WOLFRAM SCHEIDER-LASTIN (Hgg.), Deutsche Mystik im

abendländischen Zusammenhang. Neu erschlossene Texte, neue methodische Ansätze, neue theoretische Konzepte. Kolloquium Kloster Fischingen 1998, Tübingen 2000, S. 605-652, dort S. 607. Cgm 5292, s. Kolophon fol. 21 l r , in dem sich Anna Jäck Priorin nennt. Zur Handschrift FECHTER 1 9 9 7 , S. 8 0 - 8 3 .

80

Wien, ÖNB, Cod. 12759. Erwähnt von DIETER RICHTER, Eine weitere Handschrift der 'Soliloquien'-Übersetzung Johanns von Neumarkt, in: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 98, 1969, S. 319, dort das Kolophon abgebildet; vgl. auch FECHTER 1997, S. 1 0 0 f.

81

Bibliothek des Schottenklosters, Cod. 308 (234). Vgl. dazu FECHTER 1997, S. 8 7 - 9 0 .

82

Ehemals Sammlung F. Katzer, Reichenberg, Dt. Hs. 13; s. RICHTER (wie Anm. 80), S. 319; KRÄMER in M B K E r g . - B d . I, S. 3 7 8 ; FECHTER 1 9 9 7 , S. 9 5 f.

83

84 85

Der bislang noch nicht mit Anna Jäck in Verbindung gebrachte Eintrag Item Uber Jeggin im Bücherverzeichnis eines Kirchheimer Resignationsprotokolls (publiziert in MBK Bd. 111,1, S. 144 f.). SCHROMM 1998, S. 83 hält Jeggin für den Namen einer Vorbesitzerin namens Heideck; Jäck dürfte jedoch die wahrscheinlichere Deutung sein. S i e h e SCHNEIDER 1 9 8 8 , S. 13 f.; SCHROMM 1 9 9 8 , S . 3 4 , S. 3 6 .

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Nonnen sogar Bücher zum Gelderwerb schrieben und verkauften. 86 Für Beziehungen zwischen Kirchheim und Inzigkofen gibt es Anhaltspunkte.87 Anna Jäck stammte aus dem Bürgertum der freien Reichstadt Biberach, ist 1430 erstmals als Schreiberin, 1445 als Pröpstin des Klosters bezeugt und starb 1481.88 Zwei ihrer Familienmitglieder zeichneten sich ebenfalls durch literarische Tätigkeit aus: Ein Johannes Jäck hatte an der Wiener Artistenfakultät studiert und war ab 1459 Prediger in Biberach und Kaplan am dortigen Heiliggeist-Spital, bis er 1466 starb.89 In einer Inzigkofener Handschrift erscheint er als Übersetzer und Schreiber.90 Sein Bruder Heinrich Jäck, wie dieser seit 1456 Magister der freien Künste, war zunächst als Pfarrer tätig und nach dem Tod seines Bruders dessen Nachfolger als Prediger und Kaplan in Biberach; er besaß eine bedeutende Privatbibliothek, deren Bestände er wohl zum Teil während seines Studiums in Wien erworben hatte.91 Die dortige Universität war einer der Ausgangspunkte der Klosterreformbewegungen des 15. Jahrhunderts; 92 in der Person der Pröpstin Jäck traf der so geprägte geistige Hintergrund der Familie mit der Reformtradition des Inzigkofener Konvents zusammen. „Anna Jäck gehört damit [...] jener bildungsbeflissenen, zu geistlichen Berufen aufstrebenden Schicht des städtischen Bürgertums an, die in den Reformbestrebungen jener Zeit eine so hervorragende Rolle einnimmt"93, um die Pröpstin, Schreiberin und Buchausstatterin mit den Worten Ringlers zu charakterisieren. Das Beispiel Inzigkofen zeigt, wie verschieden doch die Gesichter von Reformklöstern jener Zeit sein konnten. Anders als etwa St. Katharina in Nürnberg war Inzigkofen ein kleiner, aus anfänglich recht bescheidenen Verhältnissen hervorgegangener Konvent abseits der großen städtischen Zentren. Doch ein erstaunlicher Bildungs- und Erneuerungswille weckte ein umfassendes Interesse an geistlicher Literatur und ließ die Schwestern den Anschluß an die monastischen Reformbestrebungen der Zeit suchen. Während in andere Klöster die Erneuerungsbemühungen oft von außen und gegen den hartnäckigen Widerstand der Konventualinnen herangetragen werden mußten, ging in Inzigkofen jede der Reformstufen von 1394, 1412 und 1430 auf die Initiative der Nonnen selbst 86

87

So die Geißenhof sehe Chronik, Sp. 442; s. dazu auch HEINRICHSPERGER 1970, S. 132. Zu möglichen Beziehungen zwischen den Klöstern von Kirchheim und Inzigkofen s. FECHTER 1997, S. 185. FECHTER 1997, S. 185 hält eine solche Beziehung für möglich, auch wenn sie aus den Handschriften nicht konkret zu beweisen ist. Zu konstatieren sind Parallelüberlieferungen von Texten in Handschriften beider Klöster, s. FECHTER 1997, S. 65, 94, 161.

88

ENGELMANN 1 9 6 8 , S. 4 5 4 ; FECHTER 1 9 9 7 , S. 2 3 .

89

Das Verwandtschaftsverhältnis ist nicht ganz klar, dem Altersunterschied nach könnten es eher Neffen als Brüder von Anna Jäck gewesen sein. Berlin, SB, Ms. germ. fol. 1045; s. HAUBER 1914, S. 367. Zu Johannes Jäck s. RUH in 2 V L Bd. 4, Sp. 435 f. Zu Heinrich Jäck s. FECHTER in 2 VL Bd. 4, Sp. 433^435. Es gibt einen Katalog seiner Bibliothek aus dem Jahr 1477, publiziert in MBK Bd. I, S. 8-11. Zum erhaltenen Rest seiner Bibliothek s. HELMUT BOESE, Die Handschriften des Spitalarchivs zu Biberach, Wiesbaden 1979, S. 24-30.

90 91

92 93

S i e h e REDLICH 1 9 3 1 , S. 8 - 7 1 ; v g l . K a p . I I . 3 . 1 0 . S o RINGLER 1 9 8 0 , S. 3 7 .

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zurück. Die letzte des Jahres 1430 läßt sich keiner der großen monastischen Erneuerungsbewegungen der Zeit eindeutig zuordnen. Die Reform der Augustiner-Chorherren war, orientiert an den Raudnitzer Statuten, in Süddeutschland von Neunkirchen am Brand ausgegangen; 1417 hatte sie Indersdorf erfaßt, das aber bald selbst zu einem eigenständigen, sehr aktiven Reformzentrum unter dem Einfluß der Melker Observanz wurde. 94 Eine direkte Abhängigkeit Inzigkofens von dieser Reformlinie läßt sich aber nicht nachweisen; 95 das Frauenkloster suchte sich seine eigene. Auf diesem Weg prägten engagierte, literarisch interessierte und kundige Persönlichkeiten wie die Pröpstin Anna Jäck das Gesicht des Klosters und seiner Bibliothek. In ihren sieben erhaltenen Handschriften kopierte sie u. a. Texte von Gertrud von Helfta, Marquard von Lindau, Jan van Ruusbroec und andere deutschsprachige Andachts- und Erbauungsliteratur. Zur Zeit ihres Wirkens steuerten weitere Schreiberinnen des Klosters Werke u. a. von Bonaventura, Meister Eckhart, Seuse, Rulman Merswin, Johann von Neumarkt, Thomas von Kempen, Christine Ebner der Bibliothek bei. Durch Schenkungen und intensiven Bücheraustausch konnte diese Sammlung weiter ausgebaut werden. 96 Das von Anna Jäck geschriebene 'Leben Jesu der Schwester Regula' fugt sich in das hier erkennbare Interesse an deutschsprachiger geistlicher Prosa nahtlos ein. Der Epilog dieser mit Graphiken ausgestatteten Handschrift thematisiert den Zweck der Volkssprachigkeit und generell den Nutzen dieses Erbauungstextes (fol. 2i7ra/rb) : Diß buch nempt man das leben Ihesus vnd ist genomen vß dem latin der haiigen ewangelyen vnd der haiigen geschrift vnd vff das kûrczost in tütsch geseczet durch liebi vnd mynn willen der vngelerten, die das latin nit verstand vnd dar vmb zu menger wil verdryeßen hând vnd vil ander bûcher vberlesen. Denen ist in disem buch gegeben ain form, wie su sich inwendig selb sollent erweken, in ainer mitlidenlicher betrachtung vnd lieblicher klag Ihesu vnserm herren danken sins großen Uderts, vnd dar zü H groß hail hie in zit vnd salikait ir seien in disem leben mugent erwerben vnd dort vmmer werend glory. Vnd da mit hând su och die frucht vnd end aller bûcher von der alten vnd der nüwen e, die die hailig kirch hett.

94

V g l . THOMA 1 9 2 7 , S. 147; MACHILEK 1 9 7 4 , S. 7 2 .

95

Die in der Literatur immer wieder zu lesende, doch nie mit solider Quellenangabe belegte Feststellung (z. B. bei ANGERPOINTNER 1969, S. 14; BACKMUND 1966, S. 94), Inzigkofen wäre von Indersdorf aus reformiert worden, geht vermutlich auf das von F. X. THOMA zitierte 'Chronicon Understorfense' von G. Morhard zurück (von THOMA 1927, S. 147 Anm. 3 genannt, doch ohne Angabe der Entstehungszeit), das Inzigkofen dem „Indersdorfer Reformkreis" (THOMA 1927, S. 147) zuordnet. Das ist so nicht ganz korrekt; denn es kann kein Zweifel daran bestehen, daß das direkte Vorbild für die reformwilligen Inzigkofener Frauen Pillenreuth war. Richtig daran ist nur, daß Inzigkofen damit in den Kreis der reformierten Augustiner-Chorherren- bzw. -frauenstifte eintrat, in dem Indersdorf eine führende Rolle spielte. Zwischen Inzigkofen und Indersdorf gab es intensive Beziehungen, unter anderen eine Gebetsverbrüderung seit 1445, in den 1460er Jahren ist ein Beichtvater aus Indersdorf in Inzigkofen belegt, s. Geißenhof sehe Chronik, Sp. 443-444, FECHTER 1997, S. 8-14. Vgl. zum Inhalt der Bibliothek die Zusammenstellung bei FECHTER 1997, S. 53-172. Der Epilog ist als „Einleitung zu einem deutschen Leben Jesu" abgedruckt bei STAMMLER 1933, S. 29.

96 97

Augustiner-Chorfrauenstift Inzigkofen

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Die deutsche Übersetzung wird damit begründet, daß sie Gläubigen, die kein Latein verstehen - und das traf für den größeren Teil der Klosterfrauen jener Zeit zu - , Zugang zu Büchern eröffnet, die ihnen sonst verschlossen blieben.98 Die Lektüre soll zu mitleidender Betrachtung, also memoria passionis und compassio führen und damit den Leser bzw. die Leserin inwendig erweken. Letztendliches Ziel sei also das Seelenheil der Rezipienten. Selbstbewußt wird am Schluß behauptet, der Text biete eine Quintessenz aller Schriften über die Bibel. Die Rolle, die Büchern, speziell deutschsprachigen, darin zugewiesen wird, dürfte den allgemeinen Beweggründen für die Handschriftensammlung der Inzigkofener Augustinerinnen genau entsprochen haben. Für Anna Jäck scheinen jedoch nicht nur diese Qualitäten des Textes wichtig gewesen zu sein, sondern auch der Aspekt der Erleichterung vergegenwärtigender Andacht durch visuelle Mittel, also der Ergänzung der gemäß der Gebrauchsanweisung zu evozierenden inneren Bilder durch äußere. Dies und die Treue gegenüber der vermutlich ebenfalls illustrierten Vorlage bewogen sie zu der Entscheidung, ihre Kopie ebenfalls mit Bildern nach dem gleichen Programm auszustatten. Die Untersuchung der erhaltenen Handschriften aus Inzigkofen in Hinblick auf ihre bildliche Ausstattung erbrachte das Ergebnis, daß es im 15. Jahrhundert keine Buchmalerin im Kloster gab. Die wenigen illuminierten Codices, die sich in der Bibliothek befanden, wurden andernorts erworben oder dem Konvent geschenkt." Unter diesen Bedingungen blieben Anna Jäck nur die beiden Möglichkeiten, zur Verwirklichung ihres Illustrationsplanes für das Christusleben entweder einen professionellen Buchmaler zu engagieren oder sich nach lose erhältlichen Bildchen umzusehen. Ersteres aber wäre nicht nur mit einem gewissen Organisationsaufwand verbunden gewesen, sondern vielleicht auch mit finanziellen Problemen, da die Einkünfte des Klosters zu jener Zeit nicht allzu üppig gewesen zu sein scheinen.100 Nach der sog. Geißenhof sehen Klosterchronik schrieben die Schwestern Bücher nicht nur für ihren eigenen Gebrauch, sondern verkauften sie auch zum Gelderwerb.101 In dieser Situation kam der Pröpstin das neue Medium der Druckgraphik entgegen: Es ermöglichte ihr, die Illustration ihres Buches selbst in die Hand zu nehmen. Zwar lassen die kolorierten Federzeichnungen, die sie neben den 98

Zu den geringen Lateinkenntnissen - nicht nur bei Laienschwestern und Novizinnen - vgl. HOHMANN 1977, S. 2 7 6 , OCHSENBEIN 1992, S. 4 2 - 5 1 . D i e Rechtfertigung volkssprachlicher

Übersetzungen mit dem Argument, sie würden Ungelehrten Zugang zu heilswichtigen Schriften eröffnen, findet sich häufig in Prologen von Bibelübersetzungen; s. FREIMUT LÖSER CHRISTINE STÖLLINGER-LÖSER, Verteidigung der Laienbibel. Zwei programmatische Vorreden des Österreichischen Bibelübersetzers der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, in: Überlieferungsgeschichtliche Editionen und Studien zur deutschen Literatur des Mittelalters. KURT RUH z u m 7 5 . G e b u r t s t a g , h g . v o n KONRAD KUNZE - JOHANNES G . MAYER - BERNHARD SCHNELL,

Tübingen 1985, S. 2 4 5 - 3 1 3 ; dort S. 2 5 6 - 2 5 8 .

99

Dazu die demnächst erscheinende Studie des Verfassers über die illustrierten Handschriften des Augustiner-Chorfrauenstifts Inzigkofen. 100 Geißenhof sehe Chronik, Sp. 443. 101 Geißenhof sehe Chronik, Sp. 442.

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Holzschnitten zum Schmuck ihres Buches besorgen konnte, erkennen, daß auch im deutschen Südwesten ein Markt für lose vertriebene Einblatt-Miniaturen existiert zu haben scheint. Die unbeschriebenen Rückseiten dieser Blätter zeigen, daß es sich nicht um Ausschnitte aus anderen Handschriften in Zweitverwendung handelte, sondern um neue Produkte eines professionellen Miniators. In den Niederlanden ist spätestens seit dem Beginn des 15. Jahrhunderts der Handel mit Einblatt-Miniaturen belegt; für den süddeutschen Raum fehlen dazu noch gründliche Untersuchungen.102 Der Befund der erhaltenen Blätter belegt aber, daß um die Mitte des 15. Jahrhunderts druckgraphisch reproduzierte Einzelblätter auf dem Markt wesentlich weiter verbreitet und vermutlich auch kostengünstiger waren als Miniaturen. Das Beispiel der Inzigkofener Handschrift demonstriert, daß die vorgefertigten Holzschnittzyklen jener Zeit eine Marktlücke ausfüllen konnten: Sie deckten den neuen Bedarf an Bildern zur Illustration von handgeschriebenen Texten, deren Produktion nicht zuletzt im Zuge der Ordensreformen stark angestiegen war, und deren bildliche Ausstattung durch traditionelle Buchmalerei aus praktischen oder auch finanziellen Gründen nicht zu leisten war. Exkurs: Inzigkofen und Pillenreuth Parallele Phänomene in anderen Klöstern bestärken diesen Befund. Deutsche geistliche Literatur mit Hilfe von Druckgraphik selbst zu illustrieren, wie es Anna Jäck in ihrer Handschrift tat, war auch eine Vorliebe der Nürnberger Dominikanerinnen. Könnte sie zwischen den beiden Klöstern vermittelt worden sein? Doch geben weder die historischen Fakten noch die Handschriftenüberlieferung Hinweise auf direkte Beziehungen zwischen den Konventen. Ringler konstatierte, daß zwar zahlreiche Texte in den beiden Bibliotheken parallel überliefert sind, doch nicht unmittelbar voneinander abhängen. Doch gibt es wenigstens einen Beleg für direkten Handschriftenaustausch, den Ringler noch nicht kannte. Die Notiz einer Schreiberin, die Korrekturen in einer heute in Stuttgart aufbewahrten Handschrift aus der Inzigkofener Bibliothek anbrachte, besagt, daß der Codex nach Nürnberg - vermutlich ins Dominikanerinnenkloster - gesandt werden sollte.103 Zudem ließ sich als Grundlage der Korrekturen der Tauler-Predigten in

102 So ist etwa belegt, daß Brügger Maler seit den 1420er Jahren lose Einblatt-Miniaturen produzierten; ein Prozess von 1457 zeigt, daß sie große Mengen davon in andere niederländische Städte exportierten. Vgl. LORNE CAMPBELL, The Art Market in the Southern Netherlands in the Fifteenth Century, in: Burlington Magazin 118, 1976, S. 188-198, dort S. 190; JAMES DOUGLAS FARQUHAR, Identity in an Anonymous Age: Bruges Manuscript Illuminators and their Signs, in: Viator 11, 1980, S. 371-383. 103 Stuttgart, LB, Cod. theol. et phil. 2° 283, fol. 217 v ; s. dazu JOHANNES G. MAYER, Tauler in der Bibliothek der Laienbrüder von Rebdorf, in: Überlieferungsgeschichtliche Editionen und Studien zur deutschen Literatur des Mittelalters. KURT RUH zum 75. Geburtstag, hg. von KONRAD KUNZE - JOHANNES G. MAYER - BERNHARD SCHNELL, T ü b i n g e n 1 9 8 5 , S . 3 6 5 - 3 9 0 ;

dort S. 377.

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diesem Band eine Handschrift des Katharinenklosters nachweisen. 104 Eine weitere Verbindung zwischen Inzigkofen und St. Katharina lief über ein drittes Kloster: Von den Pillenreuther Augustinerinnen bekamen die Inzigkofener Frauen nicht nur die Reformstatuten, sondern auch Handschriften. 105 Pillenreuth wiederum erhielt Vorlagen aus der Bibliothek des Nürnberger Katharinenklosters.106 Wenigstens dem Inhalt nach waren also Handschriften des Katharinenklosters direkt oder über den Umweg Pillenreuth in Inzigkofen bekannt. Ob es allerdings einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der etwa zur gleichen Zeit in beiden Klöstern einsetzenden Praxis der Handschriftenillustration mit Holzschnitten gibt, muß dahingestellt bleiben - und ist zur Erklärung des Phänomens angesichts der ähnlichen literarischen Interessen und Praktiken der Handschriftenproduktion auch keineswegs notwendig. In welchem Maße auch in Pillenreuth die Ausstattung von Codices mit Druckgraphik gepflegt wurde, ist schwer zu sagen; denn die Bibliothek des Klosters ist zum größten Teil verloren.107 Doch hat sich wenigstens eine Handschrift, die in dem Konvent entstanden und ursprünglich mit einem Holzschnitt geschmückt war, erhalten. 108 Geschrieben wurde sie von der Pröpstin Anna Ebin, die für die Übersetzung und Überlieferung von Mystikertexten im Pillenreuther Skriptorium eine herausragende Rolle spielte.109 Bücher aus ihrer Feder befanden sich auch in der Inzigkofener Bibliothek;110 ihre Wertschätzung im dortigen Kloster zeigt die Tatsache, daß sie der Inzigkofener Konvent im Jahr 1481 als Einzelperson in die Gebetsbruderschaft aufnahm - fünf Jahre vor der allgemeinen Gebetsverbrüderung der beiden Stifte. 111 Anna Ebin war es auch, die einen Kreuzigungsholzschnitt in die von ihr geschriebene Legendensammlung klebte. Das Bild wurde aus dem Band gelöst und liegt heute in der Graphischen Sammlung des Germanischen Nationalmuseums (Sehr. 403, Abb. 97); 112 seine ursprüngliche Position läßt sich aufgrund der Färb- und Leimspuren aber noch bestimmen. Merkwürdigerweise wurden aus dem Blatt vor dem Einkleben die Figuren von Maria und Johannes herausgeschnitten, so daß nur ein Kruzifixus mit Rahmen übrigblieb. Das so behandelte 104 ADOLF SPAMER, Über die Zersetzung und Vererbung in den deutschen Mystikertexten, Diss. Gießen 1910, S. 98 f.; FECHTER 1997, S. 79.

105 Zum Handschriftenaustausch zwischen Pillenreuth und Inzigkofen s. FECHTER 1997, S. 174 u. 178.

106 Auch von den Dominikanerinnen in Schönensteinbach, denen St. Katharina die Reform verdankt, bekam Pillenreuth Texte, s. RINGLER 1980, S. 49-58. Zur Beziehung InzigkofenPillenreuth s. auch SCHRAUT 1987, S. 67-69. 107 RINGLER 1980, S. 50. Zum erhaltenen Handschriftenbestand s. KRÄMER in MBK Erg.-Bd. I, S. 660; die Bibliothek rekonstruierte SCHIEBER 1993, S. 6 4 - 6 7 .

108 Nürnberg, GNM, Hs 2261; s. u. Verzeichnis der Handschriften. Geschrieben wurde das Buch z w i s c h e n 1 4 6 5 u n d 1 4 8 2 , s. KURRAS 1 9 7 4 , S. 3 8 - 4 1 .

109 Zu Anna Ebin s. RINGLER in 2 VL Bd. 2, Sp. 295-297; SCHRAUT 1987, S. 65-69, die Hs 2261 dort erwähnt S. 73; SCHIEBER 1993, S. 61-64. 110 111

FECHTER 1 9 9 7 , S. 1 2 1 f., 1 7 4 . SCHRAUT 1 9 8 7 , S. 6 7 ; FECHTER 1 9 9 7 , S. 9.

112 Nürnberg, GNM, Graphische Sammlung, Inv. Nr. H 48. Zu dem Blatt s. ESSENWEIN 1874, S. 3 (Nr. 57) u. Taf. XXX.

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Blatt befestigte die Pröpstin auf einer eigens für das Bild freigelassenen Seite.113 Die Antwort auf die Frage, wieso sie das Bild zerschnitt, ergibt sich aus dem vorangehenden Text, den es illustriert. In der Legende der hl. Lidwina von Schiedam ist dort von der Vision der Heiligen die Rede, wie sie auf ein zeyt sach ein gecrewtziget kindlein114. Kurzerhand also gewann die Pröpstin mit Hilfe der Schere aus dem Kalvarienberg mit Maria und Johannes die Einzeldarstellung eines Gekreuzigten, die nun besser zur Textstelle paßte. Bislang unbekannt waren die Spuren von Holzschnitten in einer Handschrift, die nicht nur die Beziehung zwischen Inzigkofen und Pillenreuth erkennen läßt, sondern an der auch Anna Ebin beteiligt war. Dieser Band der Universitätsbibliothek Freiburg i. Br. trägt den üblichen Inzigkofener Besitzvermerk aus der Mitte des 16. Jahrhunderts. Er ist aus verschiedenen Teilen zusammengebunden, die zwischen 1463 und 1492 geschrieben wurden.115 Er ist eines der interessantesten Beispiele für den Austausch zwischen verschiedenen Klöstern - auch unterschiedlicher Orden - , der in den Büchern der Inzigkofener Bibliothek mehrfach sichtbar wird. Die Handschrift enthält an sieben Stellen Farbspuren, die von Bildern stammen müssen, die sich einst auf den jeweils gegenüberliegenden Seiten befunden hatten oder dort nur lose eingelegt waren.116 Für letzteres spricht die Tatsache, daß dort keine Leimspuren oder Reste anderer Befestigungsarten zu sehen sind. An einigen Stellen fehlen jedoch die nachfolgenden Blätter ganz, so daß die Frage nicht eindeutig zu beantworten ist, ob die Abdrücke dort von eingelegten oder ehemals fest angebrachten Illustrationen stammen.117 Die Farbreste sind in den meisten Fällen so schwach, daß sich weder über den Gegenstand der Darstellung noch über die Technik etwas sagen läßt. An zwei Stellen sind diese Abklatsche, welche die Bilder auf den vermutlich feucht gewordenen Papierblättern der Handschrift hinterlassen haben, aber so deutlich, daß sie zweifellos als Spuren von Holzschnitten erkennbar sind.118 Auf fol. 103v ist der schwarze Abdruck eines Bildes mit doppelten Einfassungslinien zu sehen, wie sie für Holzschnitte dieser Zeit typisch sind. Die Gleichmäßigkeit und Stärke der Linien spricht ebenfalls für diese Technik. Dargestellt ist eine 113 Fol. 180 v der Handschrift, wo sich noch die entsprechenden Färb- und Leimspuren finden. 114 Nürnberg, GNM, Hs 2261, fol. 179 v . Zur Rezeption der Lidwina-Legende vgl. NIKOLAUS STAUBACH, Von der persönlichen Erfahrung zur Gemeinschaftsliteratur. Entstehungs- und Rezeptionsbedingungen geistlicher Reformtexte im Spätmittelalter, in: Ons geestelijk erf 68, 1994, S. 200-228, dort S. 217, und WERNER WILLIAMS-KRAPP, [Art.] 'Lidwina von Schiedam', in: 2 V L Bd. 5, Sp. 779. 115 Freiburg, UB, Hs. 490. Zur Handschrift s. HAGENMAIER 1988, S. 123-129; FECHTER 1997, S. 120-126. 116 Fol. 101r, 101 v , 102 v , 103 v , 149 v , 151 v , 152 v . 117 Die auf die Farbspuren von fol. 101 v ursprünglich folgenden zwei (wohl textlosen) Blätter sind herausgerissen; ebenso die zwei Blätter nach dem Abklatsch auf fol. 102 v . 118 Auf einen Holzschnitt deuten auch die Spuren von roter Lackfarbe, wie sie vor allem zum Kolorieren von Holzschnitten verwendet wurde, auf fol. 102 v . Der Abdruck eines Kreuznimbus auf fol. 152 v , der von einer Darstellung aus dem Leben Christi stammen muß, läßt von der Struktur der schwarzen Linien her auch auf ein Blatt dieser Technik schließen.

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wahrscheinlich weibliche Figur mit Nimbus am linken Rand, die ihren Kopf in Richtung Bildmitte zurückwendet. Auf den Gegenstand könnte die Notiz S. Cecilia von einer Hand des 15. oder frühen 16. Jahrhunderts am unteren Rand von fol. 104r, also unter dem dort ursprünglich befindlichen Holzschnitt, deuten.119 Am besten erhalten sind die Farbspuren auf fol. 149v. Umgeben von doppelten Einfassungslinien ist dort am linken Rand des Bildfeldes ein bärtiger Heiliger mit schütterem Haarkranz und einem einzelnen Haarbüschel auf der Stirn zu sehen (Abb. 98).120 Dieser Kopfitypus entspricht der Darstellungstradition des Apostels Petrus. Möglicherweise handelte es sich um eine Darstellung Christi am Ölberg mit dem schlafenden Petrus am Rand. Die Spuren stimmen mit keinem der erhaltenen Holzschnitte dieses Themas genau überein und gehen wohl auf einen bislang unbekannten Holzschnitt zurück. Der umgebende Text der Handschrift vermag keine Hinweise zur Identifizierung der Darstellung zu geben. Die meisten der Abklatsche befinden sich auf leer gebliebenen Blättern am Beginn oder Ende der Lagen. Auch das verlorene Bild, auf dessen Thema die Beschriftung S. Cecilia weist, hat keinen konkreten Bezug zu den vorangehenden oder nachfolgenden Texten.121 Das wirft die Frage nach der Systematik und dem Zeitpunkt der Einfügung der Bilder auf. Wie erwähnt, handelt es sich bei der Handschrift um einen Sammelband aus heterogenen Teilen verschiedener Herkunft. Das einzige Bild, das offensichtlich fest eingeklebt war und nicht nur eingelegt oder lose befestigt seine Farbspuren hinterließ, befand sich auf fol. 197r. Es überklebte ursprünglich den Beginn eines Textabschnittes und war vermutlich erst in jüngerer Zeit herausgerissen worden - entweder, um diesen Text wieder lesbar zu machen, oder um sich schlicht und einfach der kolorierten Federzeichnung zu bemächtigen. Die verbliebenen Ecken des Blattes lassen jedoch noch erkennen, daß es sich um eine Darstellung der Arma Christi handelte. Dieser Teil VII der Handschrift (fol. 173 r -197 v ) war nicht in Inzigkofen geschrieben worden, sondern im Jahr 1465 im Dominikanerinnenkloster Schönensteinbach von einer Schwester Dorothea Leynacher.122 Er gelangte dann ins Augustiner-Chorfrauenstift Pillenreuth, vermutlich über das sowohl mit Schönensteinbach als auch mit Pillenreuth verbundene Katharinenkloster in Nürnberg. Anna Ebin, die Pröpstin des Pillenreuther Konvents, trug Ergänzungen nach - ihre Hand ist dort eindeutig zu identifizieren - und gab den Block schließlich nach Inzigkofen.123 Das Blatt mit dem Arma Christi-Bild war mit

119 Aus dem 15. Jahrhundert ist allerdings kein Holzschnitt der hl. Cäcilie erhalten, s. SCHREIBER, Handbuch. Von den Spuren der Komposition her würde man zunächst auch an eine Darstellung der Verkündigung an Maria denken. 120 Die Maße der äußeren Einfassungslinie betragen 87-88 x 63 mm. 121 Vorangehend Pseudo-Albertus Magnus, 'Paradisus animae', danach ein Thomas von Aquin zugeschriebenes Dictum und eine Predigt über diesen Kirchenlehrer. 122 Nachtrag auf fol. 197r von der Hand der Anna Ebin (s. u.): Geschryben in Elsaß in dem convent der swester prediger ordens genant zu SchSnensteinpach anno domini M CCCC LXV von swester Dorothee Leynacherin von Wyndsheym... 123 Vgl. die Rekonstruktion der Geschichte dieses Blockes durch FECHTER 1997, S. 121 f. Von der Hand der Anna Ebin stammen die Notizen über Schreiberin und Herkunft dieses Blocks

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großer Wahrscheinlichkeit von der Pillenreuther Pröpstin selbst aufgeklebt worden. Denn sie hatte sich intensiv mit dem Text beschäftigt und Kapitelüberschriften sowie Notizen über die Schönensteinbacher Schreiberin hinzugefugt. Dabei war ihr vermutlich aufgefallen, daß der letzte Teil des Handschriftenblockes, die Legende der hl. Anastasia, unvollständig war und mitten in einem Satz abbrach. Deshalb überklebte sie diesen in ihren Augen unbrauchbaren Textanfang auf fol. 197r mit einem Bild. Die eingelegten Blätter, die ihre Farbspuren auf den leeren Seiten an den Lagenenden hinterlassen hatten, gehen dagegen nicht auf Anna Ebin zurück. So wurde Teil I, an dessen Ende die Abdrücke von vier Bildblättern erkennbar sind, weder in Pillenreuth noch in Inzigkofen oder Schönensteinbach geschrieben, sondern von einem Mann an einem unbekannten Ort. 124 Teil IV, an dessen Ende sich die Spuren des erwähnten Holzschnittes befinden, ist sicher im Kloster St. Katharina in St. Gallen entstanden, wie möglicherweise auch Teil V, in dem sich neben zwei Abklatschen von verlorenen Holzschnitten ein mit roter Tinte gezeichnetes Tugenddiagramm befindet. 125 Die in diese Stücke unterschiedlicher Herkunft eingelegten Blätter müssen also zu einem Zeitpunkt zusammen in das Buch gekommen sein, als es schon gebunden bzw. die unterschiedlichen Teile schon vereinigt waren. Das muß in Inzigkofen geschehen sein, auf jeden Fall nach 1492, dem Schreibdatum des jüngsten Teiles. 126 Den Terminus ante quem für die Zusammenstellung des Sammelbandes gibt der Eintrag auf dem Vorderdeckel von der Hand der Schwester Elisabeth Muntprat, die 1486 in den Inzigkofener Konvent eintrat, 1500 und nach 1525 als Schreiberin nachgewiesen ist und 1551 oder 1555 starb. 127 Der Holzschnitt eines männlichen Heiligen - evtl. Petrus - , dessen Abklatsch als einziger so gut erkennbar ist, daß er einen Schluß erlaubt, weist zweifellos noch ins 15. Jahrhundert. So ist anzunehmen, daß in Inzigkofen bald nach der Bindung der Sammelhandschrift eine Reihe von im

auf fol. 197 v und die nachgetragenen Kapitelüberschriften, ebenso in Block VIII fol. 198r226r und einige Nachträge, vgl. HAGENMAIER 1988, S. 125. Schon OTTO SIMON hatte die Hand der Ebin in der Handschrift erkannt: Überlieferung und Handschriftenverhältnis des Traktates 'Schwester Katrei'. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Mystik, Diss. Halle 1906, S. 38 u. 40. 124 Aufgrund der ostalemannischen Schreibsprache hielt FECHTER 1988, S. 126, Inzigkofen ftlr unwahrscheinlich, das elsässische Schönensteinbach und das fränkische Pillenreuth kommen aus diesem Grund ohnehin nicht in Frage. Der Schreiber war auf jeden Fall männlich (s. HAGENMAIER 1988, S. 124). Dieser Teil des Sammelbandes enthält den Text 'De veris virtutibus sive Paradisus animae' des Pseudo-Albertus Magnus. Abklatsche und Farbspuren von Bildern auf fol. 101r, 101 v , 102 v und 103 v . 125 Die Abklatsche auf fol. 151 v und 152 v , an letzterer Stelle ist noch ein Kreuznimbus zu erkennen. Das Diagramm auf fol. 166r bezieht sich auf den Text 'De mensuratione crucis' des Pseudo-Anselm von Canterbury. Die ostalemannische Schreibsprache macht Inzigkofen als Entstehungsort unwahrscheinlich. FECHTER 1997, S. 124 hält auch für diesen Teil das Katharinenkloster in St. Gallen als Schreibort für möglich, vgl. auch DERS., Wer war Justina Blarerin?, in: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 108, 1979, S. 430-442, dort S. 439. 126 Datierung auf fol. 100r. 127

FECHTER 1 9 9 7 , S . 2 8 u. 1 2 0 .

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Kloster vorhandenen Bildchen, alle oder teilweise Holzschnitte, eingefügt worden war. Die Freiburger Handschrift veranschaulicht das komplexe Beziehungsgeflecht verschiedener Frauenklöster, das in einem einzigen Sammelband zum Ausdruck kommen kann.128 Sie zeigt aber auch, daß Anna Jäck nicht die einzige Schwester des Konvents geblieben ist, die Gebrauch von Druckgraphik machte. Im Jahr 1531 wurde die Idee noch einmal aufgegriffen, als die Inzigkofener Schwester Elisabeth Vogt beim Schreiben eines Gebetbuches, heute in der Bayerischen Staatsbibliothek, nicht weniger als 32 Holzschnitte verschiedener Heiliger einklebte. 129 In der konsequenten Umsetzung eines Illustrationsplanes für einen umfangreichen Text mit Hilfe von Holzschnitten bleibt Anna Jäcks Christusleben von 1449 jedoch eines der frühesten und in der Reflexion über Struktur und Wirkungsweise der Text-Bild-Kombination beeindruckendsten Beispiele.

128 Zu den Klöstern, die in Beziehung zu Inzigkofen standen, gehört auch das Augustiner-Chorherrenstift von Langenzenn. Ein früher Holzschnitt der Geißelung Christi, ehemals in der Albertina in Wien, soll aus einem Manuskript dieses Klosters stammen - Sehr. 285o, etwa um 1440 möglicherweise nach älterem Vorbild entstanden. Abb. bei HEITZ, Einblattdrucke Bd. 26, Nr. 2. Die Provenienz aus Langenzenn überliefert W. L. SCHREIBER in seinem Handbuch; nähere Angaben über die Handschrift, aus der das Blatt stammen soll, waren nicht zu ermitteln. Für weitere Handschriften dieses Klosters, von dem aus Inzigkofen visitiert wurde, ist jedoch kein druckgraphischer Bildschmuck zu rekonstruieren. 129 Cgm 8333. Elisabeth Vogt, 1488 geboren, war 1502 in den Inzigkofener Konvent eingetreten und 1553 dort gestorben. Ihr Kolophon auf fol. 179r. Eine Beschreibung der Handschrift bei FECHTER 1997, S. 156-158. Die Graphiken sind auch in diesem Fall unterschiedlicher Herkunft; merkwürdigerweise handelt es sich zum größten Teil um Ausschnitte aus mehreren illustrierten Frühdrucken, darunter etwa ein hl. Johannes Baptist von Erhard Schön aus einer der Ausgaben des 'Hortulus animae', die zwischen 1516 und 1522 für die Verleger Johann und Anton Koberger in Lyon und Nürnberg gedruckt wurden (B. 18, vgl. Illustrated Bartsch Bd. 13,1, S. 55, ,007(al); M. CONSUELO OLDENBOURG, Hortulus animae [1494] - 1523. Bibliographie und Illustration, Hamburg 1973, S. 38. Für die Identifizierung des Blattes danke ich Rainer Schoch).

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3. Druckgraphik in den Handschriften des Klosters Tegernsee Ähnlich dem Nürnberger Katharinenkloster taucht auch der Name der Benediktinerabtei Tegernsee in der Literatur zum frühen Holzschnitt nicht selten auf. Das hat seinen Grund vor allem in einem Holzschnitt, der einen Kruzifix mit den Wappen des Klosters - gekreuzten Seerosenblättern - zeigt (Sehr. 932, Abb. 99). Besondere Aufmerksamkeit fand er, weil er zum einen zu den ältesten erhaltenen Holzschnitten gezählt wurde, zum anderen die aufgedruckten Wappen als willkommener Hinweis auf die Entstehung des Mediums Holzschnitt in Klosterwerkstätten dienen konnten. Doch wird zu zeigen sein, daß gerade an diesem Kruzifix und seiner Interpretation grundsätzliche methodische Probleme der Holzschnittforschung sichtbar werden. Die Fixierung der älteren Literatur auf die Frage nach der Entstehung von Holzschnitten ließ für lange Zeit die Tatsache unbeachtet, daß Tegernsee vor allem für deren Verwendung interessantes Quellenmaterial bietet. Das Beispiel des Katharinenklosters hat gezeigt, daß zunächst diese Frage zu klären ist, bevor man voreilige Schlüsse über die Produktion ziehen sollte.

3.1. Frühe Holzschnitte aus Tegernsee in der Staatlichen Graphischen Sammlung in München Was die Provenienzen der zwei erhaltenen Exemplare des genannten Kruzifix1 mit den Klosterwappen betrifft, so ist wenigstens für das Blatt in der Staatlichen Graphischen Sammlung München die Herkunft aus Tegernsee gesichert. Das Blatt war spätestens 1835 aus der Hof- und Centraibibliothek an das Kgl. Bayerische Kupferstichkabinett, das später zur Staatlichen Graphischen Sammlung wurde, überwiesen worden. Aus welchem Buch es gelöst wurde, ist unbekannt, doch verrät der Schriftzug Attinet monasterio Tegernsee von einer Hand des 15. Jahrhunderts - es ist unverkennbar die des Klosterbibliothekars Ambrosius Schwerzenbeck1 - den Verwendungsort. Es ist der typische Besitzvermerk, der sich auf den Deckelspiegeln oder Vorsatzblättern von Handschriften und Inkunabeln der Tegernseer Klosterbibliothek findet. Auch beim zweiten Exemplar des Holzschnittes im Germanischen Nationalmuseum spricht alles für die Herkunft aus Tegernsee.2

1

Er war von ca. 1481-1500 in dieser Funktion tätig. Zu seiner Person s. REDLICH 1931, S. 78; GLAUCHE in M B K B d . I V , 2 , S . 7 4 3 .

2

Das Nürnberger Blatt (Inv.-Nr. H 5583) wurde von der Kgl. Hofbibliothek in München (s. auch Stempel auf der Rückseite) vermutlich als Dublette verkauft und gelangte schließlich 1893 über die Auktion bei Gutekunst nach Nürnberg (freundliche Auskunft von Rainer Schoch, Germanisches Nationalmuseum). Die Herkunft dürfte also - wie die des Münchner Exemplars - in den Tegernseer Buchbeständen der Hofbibliothek liegen. Auch die Kolorierung der beiden Blätter ist von gleicher Art.

Benediktinerkloster Tegernsee

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Diese Feststellung gibt Anlaß zu einer allgemeinen Vorbemerkung über das Schicksal der Holzschnitte aus den Klosterbibliotheken von Tegernsee und anderen bayerischen Klöstern. Kaum eine Institution besitzt einen so großen Bestand an früher Druckgraphik wie die Staatliche Graphische Sammlung in München. Ein großer Teil dieser Blätter, vor allem der Holzschnitte, ist jedoch nicht - wie etwa im British Museum in London oder in der Bibliothèque Nationale in Paris das Ergebnis geschickter Sammlungs- und Erwerbungspolitik, sondern wurde im Laufe des 19. Jahrhunderts von der Münchner Hof- und Centraibibliothek (der späteren Staatsbibliothek) abgegeben; dort waren die Graphiken aus den Handschriften und Drucken gelöst worden. In den Inventarbänden sind vor allem in den Jahren 1826, 1835, 1884 und 1887 umfangreiche Überweisungen aus der Bibliothek dokumentiert. Möglicherweise bezeichnen diese Daten jedoch nur größere Inventarisierungskampagnen, denen eine kontinuierlichere Abgabe aus der Bibliothek vorausging.3 Die Entfernung der Bilddrucke aus den Büchern erfolgte nicht systematisch. Man ging nicht etwa nach bestimmten Signaturengruppen oder Provenienzen vor. Die Beliebigkeit des Vorgehens demonstriert auch die Tatsache, daß aus so manchem Codex einige Bilddrucke entfernt, andere aber im gleichen Band belassen wurden. 4 Welcher Prozentsatz des Bildschmucks der Handschriften der bayerischen Klöster dieser Praxis zum Opfer fiel, läßt sich noch nicht genau angeben; man muß jedoch davon ausgehen, daß der größere Teil der ursprünglich vorhandenen Druckgraphiken des 15. Jahrhunderts aus den Bänden der Bibliothek entfernt wurde. 5 Wenn es auch kein System bei der Ablösung der Druckgraphik gab, so scheinen doch gewisse vage Wertvorstellungen eine Rolle gespielt zu haben. So befinden sich auffallend viele der frühesten - grob eingegrenzt: aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts stammenden - Holzschnitte in der Graphischen Sammlung, während aus dieser Zeit nur noch sehr wenig in den Handschriften der Staatsbibliothek erhalten ist. Das Verhältnis ändert sich, je mehr man sich dem Ende des 15. Jahrhunderts nähert. Dieser Tatsache muß man sich bei der Beurteilung des Bestandes an Druck3

Ich danke Tilman Falk ñir die Einsichtnahme in die Inventarbände und die Diskussion dieser Frage. Daß die genannten Daten eher die Inventarisierung als den Eingang bezeichnen, belegt etwa der frühe Holzschnitt der hl. Dorothea (Sehr. 1400): Er kam lt. Inventar im Jahr 1884 aus der Hofbibliothek (Inv.-Nr. 171555, s. dazu KUHRMANN in: Frühzeit des Holzschnittes 1970, Nr. 22), trägt aber auf der Rückseite eine Notiz, nach der er schon 1871 aus einem Band der Bibliothek abgelöst wurde. KUHRMANN hatte die Datumsangaben der Inventare mit den Zeitpunkten der Übergabe aus der Bibliothek gleichgesetzt (in Frühzeit des Holzschnittes 1970, passim); dasselbe gilt für die Daten, die BEVERS (in Meister E. S. 1986, passim) für die Abgabe der Stiche des Meisters E. S. aus Bänden der Bayerischen Staatsbibliothek angibt. In der Bayerischen Staatsbibliothek existieren keine Aufzeichnungen über die Ablösung von Graphiken aus Handschriften; für ihre Auskünfte danke ich Hermann Hauke und Stephan Kellner.

4

Z. B. Clm 14790, 19352, 20007, Clm 20021 (s. u. Verzeichnis der Handschriften), um nur einige zu nennen. Diese Schätzung stützt sich auf meine Auswertung der Kataloge, Karteien und Originale der Bayerischen Staatsbibliothek auf druckgraphischen Schmuck in den Handschriften und den Einblick in die Inventarbücher des 19. Jahrhunderts der Graphischen Sammlung.

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Druckgraphik in süddeutschen Klosterbibliotheken

graphik in den bayerischen Klosterbibliotheken - so gut die Erhaltungssituation dank der gründlichen Säkularisation und der Überführung in die Bayerische Hofund Centraibibliothek generell auch ist - bewußt bleiben.6 Zum Verlust von Bilddrucken kam es nicht nur durch die von offizieller Seite veranlaßte Ablösung und undokumentierte Abgabe an das Kgl. Bayerische Kupferstichkabinett. Abgesehen davon, daß der Bilderschmuck vielleicht auch schon vor der Säkularisation von Kunstkennern dezimiert wurde - schon für das 18. Jahrhundert gibt es Belege für die Ablösung von Graphiken durch Klosterbibliothekare7 - , waren die Handschriften auch in der Hof- und Centraibibliothek vor Plünderung nicht sicher. So gibt es Grund zu der Annahme, daß ein Teil der ältesten Holzschnitte im Département des Estampes der Bibliothèque Nationale in Paris aus Büchern der säkularisierten bayerischen Klöster stammt. Dort befindet sich eine erstaunlich große Sammlung früher Holzschnitte, die in den bayerisch-österreichischen Raum zu lokalisieren sind. Die meisten stammen interessanterweise aus der im Jahr 1839 angekauften Sammlung des Chevalier Michel Hennin. Wenigstens für einen Teil dieser Blätter ist belegt, daß er sie in Bayern erworben hatte.8 Wo genau dies geschah, läßt die Tatsache vermuten, daß Hennin zwischen 1814 und 1824 Kammerherr des Herzogs Eugen von Leuchtenberg war, des Stiefsohns Napoleons und Schwiegersohns des Königs Maximilian I. Joseph von Bayern. Es ist fraglich, ob er ganz zufallig eine so große Zahl von bedeutenden Blättern auf dem Kunstmarkt erwerben konnte. Vielmehr gibt es auch Grund für den Verdacht, daß er sich während seines Aufenthalts in Bayern in den Bänden der Hof- und Centraibibliothek bediente. Sie waren zu jener Zeit provisorisch und wohl eher unübersichtlich auf 56 Räume der durch das Säkularisationsgut hoffnungslos überforderten Bibliothek verteilt.9 Neben der erstaunlichen Konzentration bayerischer Druckgraphik in Hennins Kollektion, die Spuren der Herkunft aus Buchdeckeln aufweisen, gibt es zwei wichtige Indizien: Das erste ist der wohl im bayerisch-salzburgischen Raum noch im ersten Drittel des 15. Jahrhunderts entstandene Holzschnitt Christi am Ölberg (Sehr. 185, s. Abb. 101), der aus Hennins Kollektion in die Bibliothèque Nationale kam. 10 Nun befindet sich in der 6

7

8

Vgl. den Überblick von PAUL RUF, Die bayerische Staatsbibliothek und die Säkularisation, in: Bayerland. Sonderheft Bayerische Bibliotheken [1964], sowie HAUKE 1991 zur Säkularisation der bayerischen Klosterbibliotheken. So berichtet Christoph Gottlieb von Murr im Jahr 1787 etwa über den Klosterbibliothekar von St. Blasien im Schwarzwald, der einen Holzschnitt der Sebastiansmarter (er muß nach der Beschreibung mit Sehr. 1684, heute Albertina Wien, identisch sein) aus einer FolioHandschrift des Klosters entfernte, „weil der Codex nicht viel bedeutet, und über dieses auch sehr übel zugerichtet ist"; der Bibliothekar hatte damals eben eine Sammlung von Holzschnitten und Kupferstichen angelegt, von denen zu vermuten ist, daß sie - wenigstens zum Teil - ebenfalls aus Bänden der Klosterbücherei stammten (s. MURR 1787, S. 124). Es ist anzunehmen, daß auch die Graphik-Klebebände, die in anderen Klosterbibliotheken - etwa Prüfening bei Regensburg (s. FALK 1994, S. 7) - schon vor der Säkularisation angelegt worden waren, wenigstens zum Teil das Ergebnis von Ablösungen aus Codices waren. Nach Anmerkungen im Register der Erwerbungen der Bibliothèque Nationale, s. KÖRNER 1979, S. 95.

9

HAUKE 1 9 9 1 , S. 9 5 .

10

Dazu KÖRNER 1979, S. 95-97 mit weiterer Literatur.

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Staatlichen Graphischen Sammlung München ein Kreuzigungsholzschnitt, der nicht nur von derselben Hand geschnitten ist und ganz ähnliche Maße hat, sondern auch genauso koloriert ist - mit der leichten Lavierung der Figuren vor dem ungewöhnlichen tiefschwarzen Hintergrund (Sehr. 389, s. Abb. 102).11 Er wurde 1835 von der Hof- und Centraibibliothek abgegeben.12 Aus den ersten Jahrzehnten des Holzschnittes sind so wenige Blätter erhalten, daß man nur selten zwei Drucke findet, die in der gleichen Werkstatt geschnitten und auch noch von der gleichen Hand bemalt wurden - es sei denn, sie stammen aus demselben ursprünglichen Verwendungszusammenhang, etwa den zwei Deckeln einer Handschrift. 13 Es ist also nicht unwahrscheinlich, daß das Pariser und das Münchner Blatt aus ein- und demselben Band der Bibliothek gelöst wurden - das eine schon von Hennin, das andere später im offiziellen Auftrag, um in die königliche Kupferstichsammlung eingegliedert zu werden. Zwingender ist das andere Indiz: Johann Christian von Aretin, der Leiter der Bibliothekskommission, die 1802 mit der Sichtung und Beschlagnahme des Schrifttums der bayerischen Klöster beauftragt worden war, hatte in den „Briefen über meine literarische Geschäftsreise in die baierischen Abteyen" unter dem eingezogenen Gut des Klosters Tegernsee einen Holzschnitt mit einer Darstellung der zehn Gebote, dem Klosterwappen und der Aufschrift Tegernsee beschrieben.14 Als um 1820 ein Verzeichnis der 'Xylographa' der Kgl. Bibliothek angelegt wurde, 15 war das Blatt verschwunden. Doch tauchte in der 1839 verkauften Sammlung Hennins ein Holzschnitt auf, der mit dem von Aretin beschriebenen identisch ist (Sehr. 1849, s. Abb. 153); ihn erwarb schließlich die Bibliothèque Nationale. 16 Das läßt kaum Zweifel daran, daß sich Hennin den Druck unbemerkt angeeignet hatte.17 Der Versuch, die Provenienz von Druckgraphiken der Graphischen Sammlung in München aus bestimmten Handschriften festzustellen, zeitigte nur geringen Erfolg. Die Ablösung war weder dort noch in der Bayerischen Staatsbibliothek dokumentiert worden. In wenigen Fällen hatte man jedoch die Handschriftensignaturen auf den Blättern notiert. So konnte durch die Untersuchung der Rückseiten aller Druckgraphiken des 15. Jahrhunderts in der Münchner 11

12 13

Diese ungewöhnliche Farbverteilung findet sich nur bei wenigen der frühesten Holzschnitte aus diesem Raum; auch auf Sehr. 385a und 1585a im Codex 243 der Universitätsbibliothek Graz. Lt. Inventarband, Inv.-Nr. 118123. Beispiele sind etwa die Holzschnitte Sehr. 385a und 1585a (s. zwei Anm. weiter oben) oder Sehr. 637 und 1536 (Wien, Albertina, aus dem 1434 datierten cod. 2800 der Österreichischen Nationalbibliothek).

14

ARETIN 1 8 0 3 B d . I, T. 2 , S. 6 9 .

15

München, BSB, Cbm Cat. 100(5.

16

Beschrieben bei BOUCHOT 1903, Nr. 173, und LEMOISNE 1930, Nr. 102. S c h o n SCHREIBER,

17

Handbuch Bd. IV, S. 34 wies auf die Identität mit dem aus München verschwundenen Blatt hin. Ein ähnlicher Holzschnitt der zehn Gebote, der auch aus Tegernsee stammt, befindet sich mit Sehr. 1848m in der Bayerischen Staatsbibliothek (Xyl. 55). Die Provenienz aus Tegernsee ist vermerkt in dem um 1820 angelegten Verzeichnis Cbm Cat. 100(5 der Bibliothek. Er kann jedoch keinesfalls mit dem von Aretin beschriebenen Druck identisch sein, da er weder das beschriebene Wappen noch den Schriftzug Tegernsee aufweist.

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Druckgraphik in suddeutschen Klosterbibliotheken

Sammlung wenigstens für einige Blätter die Herkunft aus identifizierbaren Codices bayerischen Klöster in der Staatsbibliothek ermittelt werden. 18 Elf davon stammen aus Tegernsee; auf fünf weiteren verraten alte Tegernseer Besitzvermerke die Provenienz, ohne daß sich die Handschriften bestimmen ließen.19 Wann man in Tegernsee begonnen hatte, Druckgraphik zur Buchausstattung heranzuziehen, läßt sich kaum mehr beurteilen. Von allen Bilddrucken, die sich heute noch in den Tegernseer Handschriften in der Bayerischen Staatsbibliothek oder mit gesicherter Herkunft aus diesem Kloster in der Staatlichen Graphischen Sammlung in München befinden, ist nur ein sehr geringer Teil vor die Mitte des Jahrhunderts zu datieren. Doch läßt sich daraus keine unmittelbare Schlußfolgerung für die zeitliche Entwicklung der Verwendung von Druckgraphik im Kloster ziehen - zu unwägbar sind die Kriterien für die Abgabe der Blätter in die Graphische Sammlung, zu sporadisch die Dokumentation ihrer Herkunft. Für keinen der Holzschnitte der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, die in der Graphischen Sammlung München aufbewahrt werden, ist die Herkunft aus Tegernsee heute noch nachzuweisen.20 Umso interessanter ist deshalb die Tatsache, daß Passavant im ersten Band seines 'Peintre-Graveur' aus dem Jahr 1860, der u. a. die Erfassung der damals bekannten frühen Druckgraphik zum Ziel hatte, unter den ältesten Holzschnitten eine Reihe von Blättern des Münchner Kupferstichkabinetts nennt, die aus Tegernsee stammen sollen.21 Passavant, der in seinem Werk die Graphiken nach Anschauung der Originale in den großen Sammlungen beschrieb, gibt das Kloster als unzweifelhafte Provenienz an. 22 Es ist denkbar, daß es zur Zeit seiner Forschungsreisen (teils lange vor der Publikation im Jahr 1860) noch Aufzeichnungen oder mündliche Informationen über die Herkunft der 1835 inventarisierten, also in diesem Jahr oder kurz vorher aus der Hofbibliothek ins Kupferstichkabinett übersandten Holzschnitte gab. Die von Passavant aufgezählten Drucke lassen sich aufgrund der Beschreibung zum größten Teil noch identifizieren. Er nennt einen hl. Georg (nicht zu bestimmen), einen Kruzifixus (Sehr. 932, das schon erwähnte Blatt mit den Tegernseer Klosterwappen, s. Abb. 99), Verkündigung und Geburt auf einem 18

19

20

Gründlicher vermerkt wurden die Provenienzen aus Codices und Inkunabeln Hartmann Schedels, die hier nicht berücksichtigt wurden. Sie wurden schon von HERNAD in Graphiksammlung 1990, S. 331-333, zusammengestellt. S. u. Verzeichnis der Handschriften unter Clm 19926, Clm 20001, Clm 20007. Darüber hinaus stammt ein Holzschnitt des Christuskindes mit der Weltkugel (Sehr. 812, Inv.-Nr. 171547) aus Cgm 790, ein Metallschnitt des hl. Franziskus (Sehr. 2628, Inv.-Nr. 171452) aus Clm 18102 und ein Stich des Ecce homo vom Meister des hl. Erasmus (L. 40) aus Clm 20014. Die Handschriften wurden jedoch entweder erst gegen Ende des 15. Jahrhunderts geschrieben (Clm 18102: 1483/84, Clm 20014: 1499, 1502), oder der Zeitpunkt der Einfügung ist nicht zu bestimmen (bei Cgm 790 im vorderen Buchdeckel). Tegernseer Besitzvermerke tragen die Holzschnitte Sehr. 612, Sehr. 932 (Inv.-Nr. 118120, s. u.), Sehr. 1656 (Inv.-Nr. 118267), Sehr. 1666 (Inv.-Nr. 68734, s. u.) und Sehr. 1695 (Inv.-Nr. 118307). Abgesehen von dem Kruzifix Sehr. 932, der für gewöhnlich ca. 1420-30 datiert wird, tatsächlich jedoch ein Abdruck von 1486/87 ist (s. u.).

21

PASSAVANT, P e i n t r e - G r a v e u r B d . I, S. 2 9 f.

22

Nach der Auflistung der Holzschnitte gibt er die lapidare Bemerkung: „Elles provennient toutes du monastère de Tegernsée." (PASSAVANT, Peintre-Graveur Bd. I, S. 30).

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Blatt (Sehr. 51/65)23, Christus am Kreuz (Sehr. 389, s. Abb. 102)24, Tod Mariae (Sehr. 709) 25 , Krönung Mariae (Sehr. 729)26, Christus am Ölberg (nicht sicher identifizierbar, evtl. Sehr. 185)27, hl. Dorothea (Sehr. 1394)28 und ein Blatt mit den beiden Johannes', dem hl. Sebastian und hl. Antonius (Sehr. 1771 ) 29 . Die Blätter, die alle noch im ersten Drittel des Jahrhunderts entstanden sein dürften, 30 hängen stilistisch eng zusammen.31 Tod und Krönung Mariae sind nicht nur von derselben Hand geschnitten, sondern auch in der gleichen Art koloriert - möglicherweise stammen sie also aus den Deckeln ein- und derselben Handschrift.

3.2. Holzschnitte der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts in Tegernseer Codices Sollte Passavant die Herkunft dieser Holzschnitte aus Tegernsee nicht erfunden oder von dem Besitzvermerk auf dem Kruzifix (Sehr. 932) kurzerhand auf alle Blätter dieser Gruppe geschlossen haben, bewahrte das Kloster in seinen Handschriften eine Reihe der frühesten erhaltenen Bilddrucke. Doch sind wir dabei auf die Angabe Passavants angewiesen, sichere Belege fehlen. Der älteste Holzschnitt, der sich heute tatsächlich noch in einer Handschrift aus Tegernsee befindet, ist die Kreuzigungsdarstellung (Sehr. 395a) in Clm 18663 (Abb. 100). Es handelt sich um einen späten Druck von einem schon stark abgenutzten Holzstock, der schwer zu datieren ist: Die stark vereinfachte Linienführung, die die ursprüngliche Logik der Gewand- und Figurenbildung verschleiert (vgl. den Beinbereich von Maria und Johannes), weist darauf, daß hier eine ältere Vorlage vom Anfang des Jahrhunderts kopiert wurde. Das mangelnde Verständnis des Verhältnisses von Gewand und Körper läßt auf eine erhebliche Entfernung zwischen Vorlage und Kopie schließen.32

23 24 25 26 27

28 29 30 31

32

München, SGS, Inv.-Nr. 118163. München, SGS, Inv.-Nr. 118123. München, SGS, Inv.-Nr. 118110. München, SGS, Inv.-Nr. 118195. Auch KÖRNER 1979, S. 166 Anm. 375 erwägt, die Ölbergdarstellung mit Sehr. 185 gleichzusetzen; das Blatt befindet sich - aus der Sammlung Hennins stammend! - in der Bibliothèque Nationale, Paris. Inv.-Nr. 118118. Inv.-Nr. 118261. Laut KÖRNER teils in Bayern, teils in Salzburg - wobei er diese Regionen klar trennt, was allerdings weder historisch noch stilistisch nachzuvollziehen ist. Siehe dazu KÖRNER 1979, S. 86-88, S. 91-102, S. 105-107, mit Literatur. KÖRNER datiert alle etwa 1410-1420. Jeweils von der gleichen Hand sind die Darstellungen des Todes und der Krönung Mariae geschnitten, von einer anderen vielleicht das Doppelblatt mit Verkündigung / Geburt und die Kreuzigung (Sehr. 389). HEUSINGER 1982, S. 407 berücksichtigt mit seinem Hinweis auf die Ähnlichkeit mit dem Wittingauer Altar und die daraus gefolgerte Datierung der Gruppe von Holzschnitten auf 1380 nicht die bei frühen Druckgraphiken stets in Betracht zu ziehende zeitliche Verzögerung durch Kopie und lange Verwendung von Vorlagen (s. u.). KÖRNER 1979, in dessen Untersuchungszeitraum der Holzschnitt fällt, bildet das Blatt zwar ab (Abb. 60), doch bespricht es nicht.

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Druckgraphik in süddeutschen Klosterbibliotheken

Der Holzschnitt klebte auf dem vorderen Deckelspiegel eines 1412 vollendeten Neuen Testaments. 33 Zu diesem Zeitpunkt existierte der Holzschnitt sicher noch nicht; er wurde nachträglich aufgeklebt - wann genau, läßt sich nicht sagen. Geldner wollte in dieser Kreuzigung einen der ältesten im Kloster selbst oder in dessen Auftrag hergestellten Holzschnitte sehen.34 Doch abgesehen von der noch genauer zu erörternden Frage nach der Holzschnittproduktion in Tegernsee spricht in diesem Fall schon die Geschichte der Handschrift dagegen. Auf fol. I v des Bandes findet sich folgender Besitzvermerk, den der Tegernseer Klosterbibliothekar Ambrosius Schwerzenbeck anbrachte: Anno domini 1497 contulit hunc librum monasterio pro suo et suorum salute honestus vir Johannes Leytner de Schliersee. Der Band ist also nicht in Tegernsee entstanden, sondern erst mit einer Schenkung des Jahres 1497 dorthin gelangt. Jener honestus vir Johannes Leytner hatte dem Kloster seinen gesamten Bücherbesitz vermacht. Wie Christian Bauer zeigen konnte, war Leytner Küster des Stiftes Schliersee, bis dieses 1495 aufgrund seiner wirtschaftlichen Probleme von Herzog Albrecht VI. aufgelöst wurde. Vermutlich erwarb Leytner bei dieser Gelegenheit Handschriften, die er zusammen mit seinem eigenen älteren Bücherbestand im Jahr 1497 an Tegernsee schenkte.35 Vielleicht also war Clm 18663 im Stift Schliersee mit dem Holzschnitt ausgestattet worden. Ob man am Ende des Jahrhunderts in Tegernsee noch einen so alten Bilddruck verwendete, ist fraglich, wenn auch nicht auszuschließen. Etwa zwei Jahrzehnte später dürfte eine Gruppe von Holzschnitten entstanden sein, bei der es sich nach der genannten Kreuzigung um die ältesten noch in Tegernseer Handschriften erhaltenen Bilddrucke handelt. Vor allem die ornamentale Bordüre,36 die diese Holzschnitte umgibt, vermochte das kunsthistorische Interesse auf diese um die Jahrhundertmitte entstandene Gruppe zu lenken:37 Boten doch die Fürstenwappen in den Ecken der von einem gesonderten Stock gedruckten Randleisten die so seltene Gelegenheit, in der frühen Druckgraphik heraldisch-genealogische Dokumente zu sehen38 (Abb. 103-109). Die Bordüre 33

Heute klebt das Blatt auf einem bei der Restaurierung von 1965 neu eingefügten Deckelspiegel aus Papier; der alte Deckelspiegel aus Pergament, der die gleichen Wurmlöcher wie der Holzschnitt aufweist, wurde als erstes Blatt eingehängt.

34

GELDNER 1 9 8 0 , S. 2 2 6 f.

35

Siehe BAUER 1996, S. 71 f. REDLICH 1931, S. 171 hielt die Büchersammlung fälschlich für ein Geschenk Thomas Leitners, der in Tegernsee Profeß ablegte; doch mag ein Zusammenhang zwischen dem Eintritt dieses Verwandten Johannes Leytners und dessen Bücherschenkung bestehen. Auch bei GLAUCHE, MBK Bd. IV,2, S. 745, die seit BAUERS Untersuchung überholte Angabe, Johannes Leytner selbst hätte in Tegernsee Profeß abgelegt und die Bücher mitgebracht. Von SCHREIBER, Handbuch Bd. VI, S. 122 unter den Holzschnittbordüren als Nr. 40 beschrieben.

36 37

38

V g l . u. a. SCHMIDT 1 8 8 3 , N r . 9 7 , 1 0 0 , 1 0 3 ; MOLSDORF 1 9 1 4 , S. 2 2 ; M U S P E R - SCHREIBER

1976, S. 14. Die gründlichste Arbeit, die sich mit der Gruppe beschäftigte und dabei auch den Blick auf die Handschriften-Ausstattungspraxis in Tegernsee lenkte, ist die von GELDNER 1980. Neben dem Kruzifix Sehr. 932 mit dem Tegernseer Stempel ist die Holzschnittbordüre das älteste Beispiel für ein Wappen auf einer Druckgraphik.

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besteht aus Leisten mit schwarzem Vierpaßmuster und Eckquadraten, in die je ein Kreis mit einem Wappenschild eingeschrieben ist, umgeben von einer einfachen Einfassungslinie. Links oben befindet sich das bayerische Rautenwappen, rechts oben der Pfalzer Löwe, links unten ein bayerisch-österreichisches Allianzwappen mit Rauten im ersten und vierten und österreichischen Binden im zweiten und dritten Feld, und schließlich gegenüber der österreichische Schild. Die einzige zu dieser Zeit in Frage kommende bayerisch-österreichische Verbindung ist die Heirat des Herzogs Heinrich des Reichen von Bayern-Landshut (1386-1450) mit Margarethe von Österreich (1397-1447). 39 Wilckens schlug die einleuchtende Deutung vor, daß das Allianzwappen auf die Tochter dieses Paares, Johanna von Bayern (1413-1444), und der Löwe auf den Pfalzgrafen Otto I. von Mosbach (1390-1461), den sie 1430 heiratete, zu beziehen ist.40 Damit dürfte die Entstehungszeit des Holzschnittrahmens nicht später als 1444, dem Todesjahr Johannas, liegen. Bemerkenswert an dieser Bordüre ist auch, daß sich die ungewöhnlich hohe Zahl von sieben Abzügen erhalten hat. Nicht weniger als sechs davon befinden sich in Handschriften des Klosters Tegernsee. Der Rahmen wurde mit fünf verschiedenen Darstellungen im Inneren abgedruckt: Je einmal mit einer Kreuzigung (Sehr. 962a) 41 , mit einer Darstellung der Sebastiansmarter (Sehr. 1681)42, der Gregorsmesse (Sehr. 1466)43 und der hl. Dorothea (Sehr. 1397)44; von der Kreuzigung existiert ein zweiter Abdruck, ebenfalls in einer Handschrift aus Tegernsee, doch mit einem anderen Holzschnittrahmen (Abb. 103, 104, 105-107, 109).45 Drei Blätter zeigen die Bordüre zusammen mit der ikonographisch ungewöhnlichen Darstellung von Maria, die unter zwei in der Höhe schwebenden Engeln ihren Sohn, der nur mit Dornenkrone und Lendentuch bekleidet ist, umarmt und ihm ihren Mantel um die Schultern legt (Sehr. 700, s. Abb. 103— 105).46 Benennungen wie die von Schreiber als „Christus erscheint nach seiner Auferstehung seiner Mutter" oder von Koegler als „Der gegeißelte Christus umarmt seine Mutter" treffen den Sachverhalt nicht oder werden der komplexen Bedeutung dieser Darstellung nicht gerecht.47 Sie erzählt keine konkrete Szene 39

Heraldisch wäre auch die Hochzeit Albrechts IV. mit Kunigunde, der Schwester des späteren Kaisers Maximilian I., im Jahre 1487 denkbar. Sie liegt jedoch für die Entstehungszeit des Holzschnittes viel zu spät.

40 41

WILCKENS 1 9 7 8 , S. 10. CLM 1 8 1 3 2 , V d .

42 43

In Clm 18252, Vd. links. In Clm 18252, Rd. rechts.

44

B e r l i n , K K . V g l . d a z u LEHRS 1 9 0 8 , T a f . I V ; GLASER 1 9 2 4 , T a f . 2 2 ; MUSPER 1 9 7 6 , S. 14 u.

46

Abb. 6. Von SCHREIBER, Handbuch Bd. VI S. 119, als Bordüre Nr. 16 beschrieben. Seiner Meinung nach stammt sie von der gleichen Hand wie die Wappenbordüre (Nr. 40). In Clm 18673, Vd.; Clm 18252, Vd. und Rd.

47

KOEGLERS Benennung in HEITZ, Einblattdrucke Bd. 16, Nr. 17; SCHREIBER begründet in

45

seinem Handbuch, unter Sehr. 700, seine Deutung mit dem Hinweis auf die sichtbaren Handund Fußwunden. Dem schloß sich GELDNER 1980, S. 212 an. Jedoch vertritt Christus halbnackt, mit Dornenkrone und kraftlos nach vorne gebeugt noch den Leidenden, nicht den mit der Auferstehung über den Tod Triumphierenden. Das belegen auch die beiden Engel, deren

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des Lebens Jesu, sondern ist eine ungewöhnlich vielschichtige Bildprägung, die zur Veranschaulichung der compassio Mariae die Szene des Abschieds Christi von seiner Mutter 48 mit der Figur des Schmerzensmanns, dem Motiv der sog. Engelpietä und Elementen der Beweinung49 vereinigt. Der besondere Gefuhlsgehalt wird dabei nicht zuletzt von der engen körperlichen Berührung und dem Kußmotiv transportiert, das wiederum auf das Sponsus-Sponsa-Motiv des Hohenliedes verweist, das auch auf die Beziehung zwischen Christus/Ecclesia und Christus/Maria übertragen wurde. Hinzu kommt die Anspielung auf das Motiv des Schutzmantels. Eine vor allem in der Figur der Maria sehr ähnliche Komposition, die ebenfalls eine aus dem Erzählzusammenhang gelöste innige Umarmung von Mutter und Sohn zeigt - jedoch ohne die auf die Passion verweisenden Elemente - gibt eine Miniatur im Prager Passionale der Äbtissin Kunigunde aus dem frühen 14. Jahrhundert, ohne daß sich aber eine unmittelbare Abhängigkeit annehmen ließe.50 Offensichtlich wurden die Holzschnitte, die stilistisch zusammengehören, nicht zufällig zusammen mit der gleichen Wappenbordüre abgedruckt, sondern in Abstimmung mit deren Abmessungen angefertigt. Die Mittelbilder wirken zwar etwas unregelmäßig in den Rahmen eingepaßt; doch rührt dies hauptsächlich daher, daß sie beim Druck verrutscht sind, wie die unterschiedlich positionierten Abzüge von Sehr. 700 zeigen (Abb. 103-105). Es kann kein Zufall sein, daß die Einfassungslinien der Szenen in der Höhe so exakt dem Abstand zwischen den Eckquadraten des Rahmens entsprechen. In der Breite gab der Holzschneider einige Millimeter zu, um das Bildfeld nicht zu schmal werden zu lassen. Nur bei der hl. Dorothea war eine schlankere Proportion des Feldes möglich, da keine mehrfigurige Szene untergebracht werden mußte; hier paßt das Bild ganz genau zwischen die Eckquadrate des Rahmens. Da man annehmen kann, daß der Holzstock der Wappenbordüre in Bayern sowohl entstanden ist als auch verwendet wurde, ist auch die Entstehung der Bildholzschnitte in dieser Region wahrscheinlich. Die Frage, ob dies mit dem stilistischen Befund übereinstimmt, ist nicht einfach zu beantworten. Welche Holzschnitte der fraglichen Zeit (bzw. ganz allgemein des zweiten Drittels des 15. Jahrhunderts) lassen sich überhaupt mit

48

Gesten Entsetzen und Mitleiden zeigen und die auf die Kombination mit dem Typ der Engelpietä weisen. Die Szene der Begegnung Mariae mit dem Auferstandenen ist dagegen in der Regel durch erschreckte Distanz der Mutter gekennzeichnet, nicht durch innige Umarmung wie auf Sehr. 700, s. SCHILLER, Ikonographie Bd. 4,2, S. 54 Anm. 178 zum Unterschied der beiden Szenen. Siehe dazu OTTO SCHMITT, [Art.] Abschied Christi von Maria, in: RdK Bd. 1, Sp. 102-105; SCHILLER, Ikonographie Bd. 4,2, S. 53 f.

49

50

Neben dem Bezug zur Engelpietä ist dabei v. a. die Berührung der Wangen zu nennen (vgl. Pietro Lorenzettis folgenreiche Prägung des Motivs der Wangenberührung in seinem Fresko der Kreuzabnahme in der Unterkirche von San Francesco in Assisi). Prag, Nationalbibliothek, Cod. XIV A 17, fol. 16V. Entstanden zwischen 1314 und 1321. Abb. u. a bei ANTONIN MATEJCEK, Le Passionaire de 1'Abesse Cunögonde, Prag 1922, unpaginiert, und KAREL STEJSKAL, Karl IV. und die Kultur und Kunst seiner Zeit, Hanau 1978, S. 2 3 .

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stichhaltigen Gründen als bayerisch bezeichnen? Kristeller und Cohn stellten kleine Gruppen zusammen,51 in denen die genannten Münchner Blätter nicht berücksichtigt sind; doch decken diese Gruppen nur einen Bruchteil dessen ab, was damals in Bayern an Bilddrucken entstanden sein dürfte. Vergleicht man die verschiedenen mit der Wappenbordüre gedruckten Holzschnitte, erkennt man auch hier wieder das Hauptproblem der stilistischen Beurteilung von Druckgraphiken dieser Zeit: Sie geben Vorlagen unterschiedlicher Herkunft wieder, selbst wenn sie möglicherweise von der gleichen Hand geschnitten sind. Das wird an dem Holzschnitt der hl. Dorothea (Sehr. 1397, s. Abb. 109) deutlich, dem einzigen der Blätter mit der Wappenbordüre, das sich heute nicht in einem Tegernseer Codex befindet (gleichwohl aus einem solchen stammen kann). 52 Auch dieser Holzschnitt paßt exakt in den Abstand zwischen den Eckquadraten des Rahmens, wurde also - wie die anderen vier - vermutlich dafür konzipiert. Auf den ersten Blick scheint die Heilige mit den anderen vier Darstellungen stilistisch kaum vereinbar. Der Aufbau der Gewandfigur weist auf einen altertümlicheren Typus als die Figuren der Münchner Blätter, er erinnert an Skulpturen aus der Spätzeit des „Schönen Stils". Die bildfullende Monumentalität unterscheidet die Dorothea von der leichteren Art, in der die Personen auf den Münchner Blättern im Raum gruppiert sind. Doch zeigen all diese Holzschnitte die gleichen geraden und schmalen Grate; die Art der sehr gleichmäßigen Linienführung und die charakteristischen Ösen, in denen einige der Faltenlinien enden, lassen es denkbar erscheinen, daß die Berliner Dorothea und die Münchner Holzschnitte aus der gleichen Produktion stammen. Das Vorbild für das Berliner Blatt ist bei Holzschnitten in der Art des hl. Erasmus (Sehr. 1315, s. Abb. 110) zu suchen, der etwa im dritten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts im bayerisch-salzburgischen Raum entstanden sein dürfte oder seinerseits auf ein Vorbild aus diesem Bereich zurückgeht.53 Gewandstil, Faltengestaltung und statuarischer Aufbau der Figuren lassen eine sehr nahe Verwandtschaft der Vorbilder annehmen.54 Aus stilistisch anderer - und etwas jüngerer - Richtung kamen die Vorbil51

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53

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1917, S. 4 - 6 gruppierte eine Reihe von Blättern um das Symbolum apostolicumBlockbuch der BSB München (Sign. Xyl. 40), dessen Provenienz (Kloster Weyarn) und der mittelbairische Text die Entstehung in Bayern sehr wahrscheinlich machen. COHN 1934, S. 44—49 stellt eine Gruppe zusammen, deren Kern aus den Drucken Sehr. 149m, 166a, 266 und 604 besteht. Cohns Arbeit ist noch bis heute der gründlichste Versuch einer Gruppierung der Holzschnitte dieser Zeit; doch mußte auch er die Unsicherheit in der Bestimmung einer bayerisch-salzburgischen Gruppe eingestehen (COHN 1934, S. 49). Berlin, KK; die Provenienz läßt sich über die 1835 erworbene Sammlung Nagler hinaus nicht verfolgen. Vgl. zu dem Blatt HiND 1935, S. 134. Eine seitenverkehrte Variante ist Sehr. 1399; dieses Blatt stammt aus einer Handschrift der BSB München, höchstwahrscheinlich also aus einem bayerischen Kloster. Die Provenienz des hl. Erasmus weist in die gleiche Richtung: Die Graphik kam aus der Sammlung Hennin im Jahr 1839 an die Bibliothèque Nationale; Hennin hatte auch dieses Blatt vermutlich während seines Aufenthalts in München in seinen Besitz gebracht, vgl. KORNER 1979, S. 99; dort auch ausführliche Bibliographie zu dem Blatt. KÖRNER datiert das Blatt wohl etwas zu früh - auf 1410-20. WILCKENS' Lokalisierung „Oberpfalz (?)" ist stilistisch nicht begründet. Sie stützt sich nur auf die Vermutung, der Holzschnitt stünde in Zusammenhang mit der Geburt von Dorothea

KRISTELLER

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Druckgraphik in süddeutschen Klosterbibliotheken

der der Darstellungen von Sebastiansmarter, Gregorsmesse und Begegnung Mariae mit Christus. Doch sind in der letztgenannten Darstellung beim Gewand Mariae noch Reste des Ösenstils zu beobachten, der auch die Führung der Faltenlinien der hl. Dorothea bestimmt. Das Vorbild der Kreuzigung Sehr. 962a von der im übrigen ein weiterer, bislang falsch eingeordneter Abdruck aus einem anderen bayerischen Kloster existiert55 - könnte in der Richtung des Holzschnittes Sehr. 965 zu suchen sein, der aus einer im mittelbairischen Sprachraum entstandenen Handschrift gelöst wurde (Abb. 108).56 Wenn auch hier keine nähere stilkritische Einordnung geleistet werden kann, so machen doch diese Indizien die Entstehung im bairisch-österreichischen Gebiet wahrscheinlich. Doch zurück zum Fundort der Holzschnitte: Zwar stammen alle fünf Handschriften, in denen sie sich befinden, aus Tegernsee. Untersucht man deren Provenienz jedoch genauer, stellt man fest, daß keine dort geschrieben wurde. Alle kamen mit den Bücherschenkungen zweier Brüder, Ekhart und Johann Teubler, an das Kloster. Im folgenden eine kurze Zusammenstellung der Codices: - Clm 18132: Enthält die 'Postilla in Psalterium' des Nikolaus von Lyra. Auf der Innenseite des Vorderdeckels klebt der Kreuzigungsholzschnitt Sehr. 962a mit dem Wappenrahmen (Abb. 106). Johann Teubler vermachte den Band 1482 dem Kloster Tegernsee. 57 - Clm 18252: Die Papierhandschrift enthält Predigten des Nikolaus von Dinkelsbühl, die 'Biblia aurea' des Antonius Rampegolus und das 'Quadragesimale' des Jacobus de Voragine. Die Predigten wurden im Jahr 1432 von einem Pater Erhard Ruösler beendet (fol. 109r)58. In den Buchdeckeln vier Holzschnitte: Auf der Innenseite des Vorderdeckels links die Sebastiansmarter (Sehr. 1681) und rechts Maria, ihren Sohn umarmend (Sehr. 700), jeweils von der Wappenbordüre umgeben; beide Bilder sind gemeinsam auf ein Blatt gedruckt. Auf der Innenseite des Rückdeckeis links nochmals Sehr. 700 und rechts die Gregorsmesse (Sehr. 1466), diesmal auf getrennten Blättern, jeweils mit Wappenbordüre (Abb. 103, 104). Den Band schenkte ebenfalls Johann Teubler dem Kloster.

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56

57 58

(1439), der Tochter Johannas von Bayern, auf deren Eltern wiederum die Wappen des Rahmens weisen; s. WILCKENS 1978, S. 10. Sehr. 963a in der Handschrift Clm 17019 aus Kloster Schäftlarn. Diese Kreuzigung ist vom gleichen Holzstock gedruckt wie Sehr. 962a (in Clm 18132) und Sehr. 962a II (in Clm 18311), wie auch die identischen Ausbrüche der Einfassungslinien beweisen. Von SCHREIBER wurde sie fälschlich unter einer eigenen Nummer aufgenommen. Der Druck ist schlechter und weist vermehrte Ausbrüchen gegenüber den Tegernseer Exemplaren auf. Das Blatt, heute in der Albertina, befand sich einst zwischen fol. 1 und 2 von Cod. 2862 der ÖNB Wien (s. u. Verzeichnis der Handschriften). Die Handschrift wurde 1434 und in den 1470er Jahren geschrieben; vielleicht in einem Kloster aus dem Kreis der Melk-Tegernseer Reformbewegung, da eine Chronik des Tegernseer Tochterklosters Andechs enthalten ist. Auf fol. l r der Eintrag: Hurte libro obtulit deo et saneto Quirino regi et martiri in Tegernsee venerabilis dominus Johannes Teüblär olim plebanus in Egern. Fiktive Blattzählung; die Blätter sind nicht foliiert.

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- Clm 18311: Oswald Reinlein,59 'Sermones de decem praeceptis', erster Teil. Im Vorderdeckel klebt ein zweites Exemplar der Kreuzigung Sehr. 962a, wie in Clm 18132;60 hier jedoch nicht mit dem Wappenrahmen, sondern mit einer Laubstabbordüre (Abb. 107). Die Handschrift, wie auch die beiden folgenden zugehörigen Bände, schenkte Ekhart Teubler dem Kloster. - Clm 18312 ist die Fortsetzung von Clm 18311 mit dem zweiten Teil von Reinleins 'Sermones de decem praeceptis'. Auch dieser Band enthält, aufgeklebt auf der Innenseite des Vorderdeckels, einen Holzschnitt. Diesen hl. Georg (Sehr. 1436)61 umgibt keine Wappenbordüre; seine Höhe entspricht jedoch genau der der genannten Holzschnitte, in der Breite ist er nur wenige Millimeter schmaler; auch er würde also perfekt in den Holzschnittrahmen passen. - Clm 18673: Enthält den dritten Teil von Oswald Reinleins 'Sermones de decem praeceptis', geschrieben 1431 und 1436. Im Vorderdeckel klebt ein drittes Exemplar von Sehr. 700, die Umarmung Mariae und Christi (Abb. 105). Im Rückdeckel befand sich vermutlich ein zweiter Holzschnitt. Der Deckelspiegel ist neu, doch finden sich auf der Verso-Seite des letzten Blattes Farbspuren, die von einem kolorierten Holzschnitt im Rückdeckel herrühren dürften. Diese fünf Bände aus dem Teublerschen Besitz enthalten acht der interessantesten und qualitätvollsten Holzschnitte ihrer Zeit - eine bemerkenswerte Konzentration. Zu klären ist aber noch, wann die Graphiken in die Handschriften eingefügt wurden. Ekhart Teubler stammte aus Schliersee,62 hatte ab 1439 in Wien studiert63 und starb als Canonicus des Stiftes Habach (unweit von Weilheim), vermutlich kurz vor seinem Bruder. 64 Er hinterließ Tegernsee 20 Gulden und vier Bücher.65 Drei davon (Clm 18311, 18312 und 18673) sind mit Holzschnitten ausstattet. Sein Bruder Johann Teubler war von 1464 bis 1476 Vikar der dem Kloster Tegernsee inkorporierten Pfarrei Egern, danach zog er

59

Reinlein war Magister der Wiener Universität und Prior der Nürnberger Augustiner-Eremiten, er starb nach 1 4 6 6 (s. BAUERREISS Bd. V , S. 75; ZUMKELLER 1959, S. 3 0 6 ff.; ZUMKELLER

60 61

62 63 64

65

1966, S. 340-443). Die 'Sermones de decem praeceptis1 sind im Verzeichnis der Schriften Reinleins bei ZUMKELLER 1966 nicht enthalten. Der Ginband, dessen Lederdecke stark zerstört ist, wurde 1970 restauriert, der Holzschnitt an alter Stelle neu eingeklebt, vgl. GELDNER 1980, S. 213. Nicht Michael, wie LEIDINGER (in HEITZ, Einblattdrucke Bd. 21, Nr. 42) schreibt. Die vermeintlichen Flügel sind tatsächlich Zaddelärmel des Gewandes. - Der Einband wurde in neuerer Zeit restauriert, wobei der Holzschnitt offenbar gelöst, doch wieder an der gleichen Stelle eingefügt wurde. So GLAUCHE in MBK Bd. IV,2, S. 741, über Johann Teubler, was dann wohl auch für seinen Bruder Ekhart gilt. Siehe Matrikel der Universität Wien 1954, S. 211 Z. 78. Der Zeitpunkt seines Todes ist unbekannt. Er ist aber kurz vor dem seines Bruders Johann anzunehmen, denn der Büchernachlaß beider wurde gleichzeitig in die Bibliothek von Tegernsee eingegliedert, wobei sich damals schon ein Codex Ekharts (Clm 18401, 1458 in Habach geschrieben) im Nachlaß Johanns fand, wohin er am wahrscheinlichsten durch das Ableben des Bruders gekommen war. Das Tegernseer Verbrüderungsbuch vermerkt: Dominus Eckhardus Tewbler o., germanus domini Johannis, canonicus in Habach obiit, legavit monasterio 20 fl. et quatuor Volumina. (Nach REDLICH 1931, S. 220).

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Druckgraphik in süddeutschen Klosterbibliotheken

sich auf eine Hofstatt in Tegernsee zurück.66 1473 wurde er in die Verbrüderung mit Tegernsee aufgenommen und machte dem Kloster reiche Stiftungen; unter anderem ein Glasfenster im Kreuzgang, einen Kelch und mindestens 200 Gulden 67 . 1479 gab er einen Teil seiner Bücher ab, 68 die übrigen vermachte er dem Kloster mit anderen beträchtlichen Gütern bei seinem Tod im Jahr 1482.69 Insgesamt sind noch 33 Handschriften unter den Tegernseer Beständen der Münchner Staatsbibliothek als ehemaliger Besitz Johann Teublers kenntlich 70 für eine private Büchersammlung jener Zeit ein stattlicher Bestand. Die Pfarrei Egern71 war für das Kloster auch später eine reiche Quelle für Handschriften: Auch Johann Teublers Nachfolger Thomas Haimpucher und Johann Pächter vermachten Tegernsee ihre außerordentlich reichen Bibliotheken und weitere Güter. 72 Ebenso hatte Tegernsee im Stift Habach schenkungsfreudige Unterstützer. Zur Zeit Ekhart Teublers war Johannes Wildsgfert Propst in Habach. Wildsgfert war zugleich Archidiakon und Augsburger Domherr und genoß das besondere Vertrauen des Tegernseer Reformabtes Kaspar Ayndorffer. 73 Er war an mehreren Klostervisitationen beteiligt und ein „glühender Anhänger der Melker Reform" 74 , weshalb er dem Kloster Tegernsee mehrere wertvolle Handschriften schenkte.75 Geldner vermutete nun, daß die Codices der Gebrüder Teubler in der Werkstatt des Klosters Tegernsee gebunden wurden und die Buchdeckel dabei ihren Graphikschmuck erhielten.76 Die für Johann Teubler als Pfarrer von Egern nächstgelegene Buchbinderei befand sich in Tegernsee. Diese war sehr aktiv; war 66 67

68 69

Zu Johann Teubler s. REDLICH 1931, S. 31, 86 f. HUSUNG 1937, S. 264 spricht sogar, allerdings ohne Quellenangabe, von 700 Gulden zu seinen Lebzeiten und 400 nach der Aufgabe seiner Pfarrstelle. Von den 200 Gulden berichtet das Verbrüderungsbuch, s. übernächste Anm. Elf davon sind erhalten und als solche kenntlich; s. REDLICH 1931, S. 87. Im Tegernseer Verbrüderungsbuch ist über ihn vermerkt: Dominus Johannes Tewbler viceplebanus noster in Egern obiit S. Luce Ew. 1482, sepultus in ecclesia circa aspersorium et fuit nobis multum beneficus et multum dedit monasterio, comparavit vitrum in ambitu et dedit omnes libros suos, comparavit calicem pro 22 fl. et [centum fl. ist getilgt] 200 fl. [und alles Silbergeschirr - Einfügung Redlichs] valuit pei 60 pf. ad structuram et adfraternitatem 1473, et in morte testatus est monasterio 200 fl. et sua argentiola et omnem suppelectilem. (Zit. nach REDLICH 1 9 3 1 , S. 2 2 0 ) .

70

A u s der S c h e n k u n g v o n

1479: Clm

18134,

18247,

18258,

18299,

18300,

18318,

18360,

18361, 18414, 18607, 18786 (s. Redlich S. 87, Anm. 9 0 ) und C g m 6 4 2 als einzige deutsche Handschrift. N a c h seinem Tode kamen Clm 18032, 18034, 18091, 18132, 18226, 18231, 18249,

18250,

18252,

18254, 18336,

18401, 18701,

18703, 18761,

18839,

18953,

18957,

19117, 19547, 1 9 6 3 7 nach Tegernsee (s. GELDNER 1980, S. 2 1 9 ) . Zu den Schenkungen der

71

Brüder Teubler s. auch GLAUCHE in MBK Bd. IV,2, S. 742. Nach ANGERER 1968, S. 32 Anm. 59 ist die Zahl der Pfarreien, die damals der Abtei Tegernsee inkorporiert waren, nicht genau bekannt bzw. erforscht. Er nennt nur fünf: neben Egern die Pfarreien Gmund (am Tegernsee), Kreuth, Achleiten und Loiben (Niederösterreich).

72

REDLICH 1931, S. 8 7 - 8 9 . Z u Haimpuchers Bücherschenkung s. GLAUCHE in M B K Bd. IV,2,

73

REDLICH 1 9 3 1 , S . 1 6 3 f.; SCHNELL 1 9 8 4 , S. 2 6 9 f.

S. 7 4 4 . 74

S o WILLIAMS-KRAPP 1 9 8 6 / 8 7 , S. 5 0 .

75

Ebd., S. 50.

76

GELDNER 1 9 8 0 , S. 2 1 9 .

Benediktinerkloster Tegernsee

159

es doch ihre Aufgabe, die seit der Reform gewaltig angewachsene Handschriftenproduktion des Klosters zu verarbeiten. Handschriften anderer Provenienzen mit Tegernseer Lederstempeln belegen, daß die Werkstatt auch für Auftraggeber außerhalb des Konvents tätig war, besonders für Geistliche, die eng mit dem Kloster verbunden waren. 77 Geldner stützte seine These auch auf die Behauptung, die Holzschnitte seien gleich beim Binden als Deckelspiegel eingefügt worden. 78 Doch hält diese der kritischen Nachprüfung nicht stand: Nur in Clm 18252 kleben die Graphiken wahrscheinlich - ganz sicher ist nicht zu beurteilen, ob sich unter ihnen noch ein Blatt als eigentlicher Deckelspiegel befindet unmittelbar auf dem Holz. In Clm 18132 und Clm 18312 wurden die Holzschnitte auf schon bestehende Spiegel geklebt. In diesen Fällen ist es somit fraglich, ob die Bilder tatsächlich schon beim Binden in die Bücher kamen. In Clm 18311 und Clm 18673 klebte man die Holzschnitte bei jüngeren Restaurierungen auf neue Deckelspiegel; über die ursprüngliche Befestigung läßt sich damit nichts mehr sagen. Nicht nur diese Beobachtungen sprechen gegen Geldners These. Alle Bände wurden in den 1430er Jahren geschrieben. Clm 18673, der letzte der drei Oswald Reinlein-Bände, ist 1431 und 1436 datiert; Clm 18252 wurde 1432 beendet. Die Holzschnitte können jedoch nicht vor etwa 1440-50 entstanden sein. Sollten die Bände so lange ohne Bindung benutzt worden sein? Auch hatte Ekhart Teubler erst 1439 sein Studium in Wien begonnen. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, daß er sich schon viele Jahre davor so sehr für die 'Sermones de decem praeceptis' interessierte, daß er sie abschrieb oder schreiben ließ. Vermutlich also erwarb er die fertigen Bände; es ist deshalb kaum anzunehmen, daß die Tegernseer Werkstatt etwas mit ihrer Bindung zu tun hat. Zudem ist der Umstand, daß die Bücher der beiden Teublers mit den Holzschnitten der gleichen Serie geschmückt wurden, nicht selbstverständlich. Auch wenn sie Brüder waren, lebten sie relativ weit voneinander entfernt. Sollten sie beschlossen haben, ihre auf unerklärliche Art lange ohne Bindung benutzten Codices plötzlich zum gleichen Zeitpunkt nach Tegernsee zu bringen und ausstatten zu lassen? Das ist höchst unwahrscheinlich. Zudem würde dann die Tatsache verwundern, daß jeder der Einbände aus unterschiedlichem Material und ganz verschieden gestaltet ist. Anstatt sich auf die Verwandtschaft der Teublers zu berufen, die allein noch keine direkten Auswirkungen auf die Ausstattung ihrer Bücher haben muß, sollte man fragen, wo und wann sich ihre Bücherbestände konkret berührten. Der einzig faßbare Punkt ist deren Übergang an das Kloster Tegernsee nach dem Tod ihrer Besitzer. Vor der Eingliederung in die Bestände des Klosters wurden sie vom Bibliothekar Ambrosius Schwerzenbeck erfaßt. Er fertigte jeweils ein Blatt mit der Angabe von Herkunft und Inhalt des Buches an und klebte es am Anfang ein. Diese Blätter sind bei den Hand77

Zur Tegernseer Buchbinderei s. SCHOTTENLOHER 1948, GELDNER 1955 und 1960, S. 155; KYRISS 1951, S. 31; DERS. 1954, S. 16, Taf. 69 u. 70. Zur buchbinderischen Versorgung der

78

GELDNER 1 9 8 0 , S. 2 1 9 .

mit Tegernsee verbundenen Säkulargeistlichen s. GELDNER 1955, S. 172.

160

Druckgraphik in süddeutschen Klosterbibliotheken

Schriften der beiden Brüder gleich gestaltet; sie wurden wohl gleichzeitig eingefügt. Es ist denkbar, daß zu diesem Zeitpunkt - im Jahr 1482 - auch die Graphiken in den Deckeln befestigt wurden. 79 Ein anderer Codex beweist, daß man sich in Tegernsee nach dem Erhalt des Teublerschen Bücherbestandes um die Einbände kümmerte: Der aus dem Besitz Johann Teublers stammende Clm 18414 erhielt zu dieser Zeit in der Klosterwerkstatt einen wertvollen Lederschnitteinband.80 Dieses Ergebnis ist allerdings schwer mit der Datierung der Graphiken zu vereinbaren. Die Holzstöcke sind kaum nach der Mitte des Jahrhunderts entstanden. Zudem geht aus den weitgehend fehlerlosen Linien hervor, daß die Holzstöcke zum Zeitpunkt des Drucks noch nicht sehr stark beansprucht waren. Nur die Bordüren, die älter sein müssen, weisen Ausbrüche und verwaschene Konturen auf. Sollten die Bilder in Tegernsee mehrere Jahrzehnte ungenutzt aufgehoben worden sein, um erst um 1480 verwendet zu werden? Handelt es sich um späte Abzüge von wenig benutzten Stöcken? Oder konnte die Buchbinderei des Klosters zu diesem Zeitpunkt Altbestände einer Bilddruckerwerkstatt erwerben? Eine Antwort ist kaum zu geben. Hinzuweisen ist aber auf den schon genannten Holzschnitt des Kruzifix' mit den Tegernseer Klosterwappen (Sehr. 932), der in der kunsthistorischen Literatur aus stilistischen Gründen einhellig noch ins erste Drittel des 15. Jahrhunderts datiert wird, während das Wasserzeichen ein Druckdatum erst um 1486/87 und auch der Schriftzug von der Hand Ambrosius Schwerzenbecks ein Verwendungsdatum erst nach 1481 zuläßt.81 Man muß also in Tegernsee damit rechnen, daß Bilder noch angeschafft und benutzt wurden, als sie von der Formensprache her schon lange nicht mehr als modern gelten konnten. Fest steht, daß Tegernsee - wie oder wann auch immer das Kloster an die Holzschnitte gekommen sein mag - wahrscheinlich mit der Ausstattung der Teublerschen Codices in Verbindung steht. Es ist auch kaum Zufall, daß die Überlieferung der Holzschnittbordüre mit den österreichisch-bayerischen Wappen ausschließlich an dieses Kloster gebunden ist - stand doch Tegernsee in enger Verbindung mit dem bayerischen Herzogshaus.82 79

Ein weiterer Band mit Holzschnitten in den Deckeln, den Schwerzenbeck 1482 als Schenkung verzeichnete, ist Clm 18294. Ein Leonardus Schönperger alias Halpmair brachte es bei seinem Eintritt zusammen mit vier weiteren Bände mit (s. GLAUCHE in MBK Bd. IV,2, S. 743). Doch waren die Holzschnitte vielleicht schon beim Binden in die 1471 beendete Handschrift gekommen, nicht erst in Tegernsee (s. u. Verzeichnis der Handschriften).

80

GELDNER 1 9 5 5 , S. 2 7 2 ; DERS. 1 9 5 8 , S. 2 2 .

81

Zur Datierung s. KÖRNER 1979, S. 91, mit Angabe älterer Literatur. Das Wasserzeichen des Nürnberger Exemplars untersuchte G. Piccard, s. seine Mitteilung an die Graphische Sammlung des Germanischen Nationalmuseums vom 3.5.1973 (Notiz auf dem Passepartout des Holzschnittes). Der Bibliothekar Schwerzenbeck übte sein Amt, mit dem die Anbringung der Besitzvermerke verbunden ist, erst ab 1481 aus (s. REDLICH 1931, S. 78; GLAUCHE in MBK Bd. IV,2). So war Herzog Wilhelm von Bayern, der 1397-1435 regierte, die treibende Kraft und Stütze der Tegernseer Reform gewesen; sein Neffe und Nachfolger Albrecht III. (1438-1460) setzte diese Politik fort (s. BECKER 1980, S. 176). Die Verbundenheit zeigt auch die Tatsache, daß Albrecht III. das von ihm zum Haus- und Grabkloster ausersehene Andechs von Tegernseer Mönchen besetzen ließ (s. STÜRMER 1993, S. 57). Dort schrieb - und soviel nur zur Beziehung

82

Benediktinerkloster Tegernsee

161

Keiner der Bände der Tegernseer Klosterbibliothek, in denen noch Druckgraphik aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts nachzuweisen ist, wurde also im Kloster geschrieben. Ob dies nur das zufällige Ergebnis der unberechenbaren Ablösung im 19. Jahrhundert ist oder ob zu dieser Zeit in Tegernsee tatsächlich nur wenig Gebrauch von Druckgraphik gemacht wurde, ist freilich nicht eindeutig zu beurteilen.83

3.3. Eine Cusanus-Handschrift und die Verwendung von Druckgraphik in den 1450er Jahren Die frühesten genau datierbaren Einklebungen finden sich in Clm 19352, einer Tegernseer Handschrift von 1453-1455. Von deren Bildschmuck, der ursprünglich 19 oder 20 Blätter - wahrscheinlich alles Druckgraphiken84 - umfaßte, sind nur noch drei vorhanden: Ein Metallschnitt, der Christus am Kreuz zwischen Maria und Johannes zeigt, die in ungewöhnlicher 'humilitas'-Haltung am Boden sitzen (Sehr. 2323, s. Abb. 111), ein Kupferstich des Meisters mit den Blumenrahmen, der die Stigmatisierung des hl. Franziskus zeigt (L. 104, s. Abb. 112) und eine Darstellung Christi vor Pilatus, ein der 'Schule des Meisters der Spielkarten' zugewiesener Kupferstich (L. 4, s. Abb. 113). Nun ist gerade diese Handschrift für die Geistesgeschichte Tegernsees von großer Bedeutung. Ihr Hauptstück ist der Traktat 'De visione dei' des Nikolaus von Kues. Dieser hatte den Text den Tegernseer Mönchen im Jahr 1453 gewidmet. Vorausgegangen war eine Kontroverse zwischen dem Kartäuser Vinzenz von Aggsbach auf der einen und Marquard Sprenger, dem Tegernseer Prior Bernhard von Waging und dem Abt Kaspar Ayndorffer auf der anderen Seite. Sie war um das von verschiedenen Seiten angefeindete Werk 'De docta ignorantia' des Kardinallegaten Nikolaus von Kues entbrannt, gegen das - und gegen dessen Verteidigung im 'Laudatorium doctae ignorantiae' Bernhards von Waging85 auch Vinzenz von Aggsbach Position bezogen hatte.86 Im Mittelpunkt stand die Frage, „ob Gott ohne Vernunfterkenntnis oder gar ohne vorausgehendes oder

zu Österreich, die über das dem Herzogshaus eng verbundene Kloster Melk ohnehin gegeben war - der Tegernseer Mönch Anton Pelchinger 1457 eine Chronik des Heiligen Berges zu Andechs für den österreichischen Herzog Sigismund ab (Wien, ÖNB, Cod. 2676, s. dazu BRACKMANN 1 9 2 9 , S. 16).

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85 86

Es ist generell zu vermuten, daß die Graphiken in den Bänden der Hof- und Staatsbibliothek umso gefährdeter von der Ablösung waren, je höher ihr Alter eingeschätzt wurde. Diesen Schluß legt die grobe Schätzung nahe, nach der das Zahlenverhältnis der Graphiken der ersten Jahrhunderthälfte zu den Graphiken der zweiten Jahrhunderthälfte in der Graphischen Sammlung höher ist als in der Staatsbibliothek. Eingeklebte Miniaturen sind in solchen Mengen nicht zu erwarten. Die Fälle, in denen sich die Bilder für solche Leerstellen rekonstruieren lassen, erweisen, daß es sich dabei in der Regel um Druckgraphiken handelte. Siehe dazu HÖVER in 2 V L Bd. 1, Sp. 781 f. Siehe VANSTEENBERGHE 1915, S. 109-113.

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Druckgraphik in süddeutschen Klosterbibliotheken

begleitendes Denken allein affektiv berührt werden könne". 87 Bernhard von Waging, selbst ein profilierter Theologe, Kaspar Ayndorffer und Nikolaus von Kues standen seit 1451 miteinander in Verbindung; ein Jahr später hielt sich der Kardinallegat auf seiner Reise nach Böhmen für einige Tage in Tegernsee auf. 88 Aus Anlaß des erwähnten Streits richteten die Tegernseer Mönche eine Anfrage an Cusanus. Er beantwortete sie mit dem Traktat 'De visione dei', in dem er nochmals die Erfahrungsmöglichkeiten des Göttlichen behandelte. Von den vier ältesten Abschriften, die in den Jahren 1452 und 1455 in Tegernsee angefertigt wurden, 89 ist Clm 19352 die aufwendigste. Der Codex ist im Unterschied zu den anderen auf Pergament geschrieben, durch eine Schriftart von höherem Anspruch ausgezeichnet und mit zahlreichen Initialen und Blattranken geschmückt - für Tegernseer Verhältnisse dieser Zeit relativ reich. Außerdem wurden ihm vier reine Bildseiten vorangestellt, auf denen ursprünglich 12 Druckgraphiken aufgeklebt waren. 90 Die Bilder wurden nicht erst nachträglich eingefügt, sondern gehören zur Konzeption der Handschrift. Für das Blatt, von dem heute nur noch die Leimspuren auf fol. l v übrig sind (Abb. 114), wurde der entsprechende Platz beim Schreiben ausgespart. Es handelte sich sicher um eine Darstellung der Vera icon, da sie das bekannte Versgebet Salve sancta facies91 illustrierte. Auch die vorangegangene und die nachfolgenden ganzen Bildseiten gehörten zu dieser Planung. Sie waren nicht etwa zufallig leer geblieben und erst nachträglich beklebt worden. Dagegen spricht ihre geplante Anordnung und der feste Lagenverband, in dem sie sich befinden: Fol. l r : Metallschnitt der Kreuzigung; fol. l v : abgelöstes Bild mit Gebet zum hl. Antlitz; fol. 2 r : Inhaltsverzeichnis (nicht nachträglich, sondern von der gleichen Hand wie 'De visione dei' geschrieben); fol. 2V: Bildseite; fol. 3 r : Bildseite; fol. 3V: Bildseite; fol. 4 r : Textbeginn {Ex manuali beati Augustini episcopi...). Auch der Platz für das auf fol. 140r eingeklebte, heute nicht mehr vorhandene Blatt war eindeutig schon beim Schreiben ausgespart worden. 92 Bei dem Kupferstich, der auf fol. 32 v nach Ende des Cusanus-Textes klebt, ist nicht zu entscheiden, wann er in die Handschrift kam. Es spricht aber nichts gegen die Annahme, daß er gleichzeitig mit den anderen Graphiken eingefugt wurde. Die Darstellung der Vera icon von fol. l v illustrierte nicht nur das darunter angebrachte Gebet. Sicher bezog sie sich auch auf den Traktat des Nikolaus von Kues. Dieser nämlich beginnt mit folgendem Gleichnis: „Wenn ich euch auf 87

So SENGER in 2 V L Bd. 6, Sp. 1093-1113, dort Sp. 1105.

88

REDLICH 1 9 3 1 , S. 9 5 .

89

Neben Clm 19352 sind dies Clm 18570, dort fol. l r -26 r , Clm 18592, fol. 100 r -124 r , und Clm 18711. Fol. l v , 2V, 3 r und 3 V (s. u. Verzeichnis der Handschriften). Chev. 18189. Weitere Tegernseer Handschriften, in denen dieses Gebet mit eingeklebten (heute verlorenen) Bildern, wahrscheinlich Druckgraphiken, versehen wurde, sind Clm 20007, fol. 30 v und Clm 20021, fol. 53 v . - Am unteren Seitenrand eine Notiz von späterer Hand, die die Ablässe verschiedener Päpste aufzählt. Vor dem Totengebet Avete omnes Christifideles anime.

90 91

92

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menschliche Weise zum Göttlichen hin zu geleiten trachte, muß dies auf gewissem Gleichnisweg geschehen. Unter den menschlichen Werken aber konnte ich keine für unser Vorhaben geeignetere Abbildung finden als das Bild des Allsehenden, insofern nämlich dieses mit vollendetster Kunst gemalte Antlitz sich so verhält, daß es gleichsam alles rings umher ansieht. Von dieser Art sind wohl viele aufs beste gemalte Bilder anzutreffen, wie das des Bogenschützen am Nürnberger Markte, in Brüssel das Bild Rogers, des größten Malers, auf einem höchst wertvollen Gemälde im dortigen Rathaus, das Bild in meiner VeronikaKapelle zu Koblenz, in der Burg zu Brixen das Bild des Engels, der das Wappen der Kirche hält, und viele andere allerwärts sonst. Doch damit ihr bei eurem Vorgehen, das eine derartige sinnliche wahrnehmbare Abbildung erfordert, nicht ermüdet und nachlaßt, schicke ich euch, geliebte Brüder, eine kleine Bildtafel, wie ich sie bekommen konnte, die einen alles Ansehenden darstellt; ich nenne die Darstellung Bild Gottes." 93 Cusanus sandte den Tegernseer Mönchen zusammen mit seinem Traktat also eine kleine Darstellung der Vera icon, die den Betrachter unabhängig von seinem Standpunkt stets anzublicken scheint. Dieses Beispiel sollte den Brüdern erläutern, wie Gott alles zugleich und doch auch jede Kreatur individuell sieht.94 Es lag deshalb nahe, an den Anfang einer Abschrift des Traktats ein solches Bild zu stellen. Auch eine andere Tegernseer Kopie des Textes (in Clm 18711) enthält im Zusammenhang mit dem Traktat eine eingeklebte Miniatur des hl. Antlitz'.95 Auch wenn keine dieser beiden Vera icon-Darstellungen das von Cusanus gesandte Original sein sollte (was freilich auch nicht ausgeschlossen ist), so bezogen sie sich doch auf das Vorbild. Bei den verlorenen Blättern auf den einleitenden Bildseiten des Buches handelte es sich, wie aus dem erhaltenen Metallschnitt der Kreuzigung und dem Kupferstich der Stigmatisierung des hl. Franziskus nur noch zu erahnen ist, wohl um eine Sammlung verschiedener Heiligen- und Passionsbilder. Über einen unmittelbaren Zusammenhang mit den darauf folgenden Texten läßt sich nichts sagen. Die noch vorhandenen Bilder weisen jedenfalls keine Bezüge auf, ebensowenig wie die Darstellung Christi vor Pilatus, die nach dem Ende von 'De visione dei' und vor dem Secundus prologus der Handschrift klebt. Gerade dieser Kupferstich gehört mit seiner bemerkenswert präzisen und differenzierten Kolo93 94

Nikolaus von Kues, De visione dei, in der Übersetzung von BOHNENSTAEDT 1944, S. 54. Die entsprechende Passage findet sich in Clm 19352 auf fol. 13r. Von kunsthistorischer Seite machten BRANDT 1913 und KAUFFMANN 1916 vor allem wegen der Nennung Rogier van der Weydens auf die Stelle aufmerksam, RATHE 1938, S. 20 f. wegen des Phänomens des „allsehenden" Bildes. Zu den erkenntnistheoretischen Implikationen s. MEIER 1990, S. 55 f., ebenso MICHEL DE CERTEAU, Nikolaus von Kues: Das Geheimnis eines Blickes, in: VOLKER BOHN (Hg.), Bildlichkeit. Internationale Beiträge zur Poetik, Frankfurt a. M. 1990, S. 325-356; NORBERT HEROLD, Bild der Wahrheit - Wahrheit des Bildes. Zur Deutung des Blicks aus dem Bild in der Cusanischen Schrift „De Visione Dei", in: VOLKER GERHARDT - NORBERT HEROLD (Hgg.), Wahrheit und Begründung, Würzburg 1985, S. 7 1 - 9 8 .

95

Vgl. RATHE 1938, S. 49 Anm. 30. Zu Clm 18711 und den darin enthaltenen Cusanus-Texten vgl. Nicolai de Cusa opera omnia, Bd. V, Hamburg 1983, S. XXV. Die anderen beiden frühen Handschriften des Traktats, Clm 18570 und Clm 18592, enthielten nie ein Bild.

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rierung zu den qualitätvollsten Druckgraphiken, die in jenen Jahrzehnten in Tegernsee verwendet wurden. Auch der Kreuzigungsmetallschnitt wurde sorgfältig mit den Versen - ein Zwiegespräch zwischen Christus am Kreuz und Maria in Auszeichnungsschrift kombiniert. Diente der graphische Bildschmuck in erster Linie dazu, das für das Kloster sehr wichtige Buch aufzuwerten? Oder wurde er wie die Vera icon - von den Ausstattern auch auf die Thematisierung des visuellen Erkennens als Gleichnis der Gotteserkenntnis im Traktat des Nikolaus von Kues bezogen? Hier sei darauf hingewiesen, daß Cusanus seinen Text auch als Andachtsübung verstanden haben wollte. So beschließt er die Widmung seiner Schrift: „Von solch sinnlich erfahrbarer Erscheinung ausgehend möchte ich euch, liebe Brüder, in einer Art Andachts-Übung (praxis devotionis) zum verborgenen Gespräch mit Gott erheben".96 In diesem Sinn wurde der Text in Tegernsee auch verstanden. Das belegt sowohl die Mitüberlieferung (zahlreiche Gebete, Heinrich Seuses 'Cursus de aeterna sapientia1 etc.) als auch die Tatsache, daß dem Buch ein eigener Name gegeben wurde, wie die Rubrik des Inhaltsverzeichnisses belegt: Sit libri titulus amantium ßoridus muscus. Contenta in hoc libro hic infra signantur aut sunt singula diuini amoris summa incitamenta. Intitulatur autem Uber muscus devocionis. An einer anderen Stelle ist nochmals vermerkt, daß man, wenn man dieses Buch sucht, dies unter dem Titel Muscus devocionis tun soll.97 So sehr die mystische Phantasie, die hinter dem Titel 'Moos der Andacht' oder 'Blühendes Moos der Liebenden' steckt, heute vielleicht verwundern mag, so deutlich macht sie doch, daß die Abschreiber bzw. Redakteure in dem Band auch ein Andachtsbuch sahen. Deshalb stellte man an den Beginn keinen der theologischen Texte, sondern das Gebet zum hl. Antlitz, versehen mit der auf 'De visione dei' vorausweisenden Vera icon und eingebettet in weitere Bilder. Auch die Seiten am Anfang, die ausschließlich Bilder enthielten, deuten auf diesen Charakter der Handschrift. Vorangestellte textlose Bildseiten sind seit dem 11. Jahrhundert in Psalterien - die stets auch im privaten Bereich als Gebetbücher dienten98 - anzutreffen und finden, meist mit Passionsdarstellungen, im 15. Jahrhundert Eingang in Privatgebetbücher.99

3.4. Bilddrucke in Handschriften des Tegernseer Tochterklosters Andechs Kurz nach dem Muscus devocionis entstand eine weitere Handschrift, die sich unter den Tegernseer Beständen in der Bayerische Staatsbibliothek befindet. Das lateinische Gebetbuch Clm 20131, das zwischen 1454 und 1458 geschrieben 96

Übersetzung von BODENSTAEDT 1944, S. 56.

97

Fol. 33 v .

98

S i e h e ACHTEN 1 9 8 7 , S. 13; BÜTTNER 1 9 9 2 , S. 13, S . 19.

99

Siehe OCHSENBEIN 1988, S. 391. Beispiele sind etwa die Gebetbücher Berlin, SB, Ms. germ, oct. 489 (um 1400, s. OCHSENBEIN 1988, S. 384), Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibliothek, Q 59 (um 1470, s. KRATZSCH 1978) oder die Holzschnittfolge Sehr. 45 etc. in Berlin, KK (s. Kap. IV. 1.).

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wurde, ist mit drei Holzschnitten und einem Metallschnitt ausgestattet. Zwei der Holzschnitte wurden mit Sicherheit schon beim Schreibvorgang eingeplant und eingeklebt: Die Darstellung der Gefangennahme Christi steht am Beginn des 'Cursus de passione' domini auf fol. 8V (Sehr. 229a, s. Abb. 115), die Grablegung unmittelbar nach dem Ende dieses 1456 datierten Textes auf fol. 18r (Sehr. 535a, s. Abb. 116). Diese Seite wurde eindeutig für das Bild freigelassen, derselbe Schreiber arbeitete auf der folgenden Seite weiter. Die Gleichzeitigkeit der Einklebung ist auch durch die Tatsache belegt, daß die Anrufung unter dem Beweinungsbild {Orate pro me • N • Maria) von der Schreiberhand des Textes in dem gröberen Duktus, den sie etwa für die Schlußschrift auf fol. 26 v benutzte - mit der gleichen roten Tinte wie die Rubriken, Datierungen und Kolophone angebracht wurde. An den Ecken des Holzschnittes und in der Anrufung finden sich rote Häkchen von der Form, die der Schreiber gelegentlich in den Rubra gebrauchte (s. fol. 17v unten, Abb. 116). Auch die Anrufungsformel kehrt im Kolophon von fol. 26 v wieder. Die Bilder bezeichnen die erste und letzte Leidensstation Christi, die am Anfang und am Schluß des 'Cursus de passione' stehen. So beginnt das Invitatorium auf fol. 9 r (Abb. 115, dritte Zeile) mit Christum captum et irrisum...\ der letzte Abschnitt thematisiert die Grablegung: Domine Ihesu Christe, fili dei viui, cuius sudor hora completory /actus est sangwineus, et es sepultus et a mulieribus lamentatus... (fol. 17v unten, Abb. 116). Wann der Holzschnitt der Kreuztragung auf den hinteren Deckelspiegel geklebt wurde (Sehr. 359a), ist nicht so eindeutig zu bestimmen. Doch gehört er zur selben Passionsfolge wie die beiden genannten Darstellungen; auch die Kolorierung stammt zweifellos von der gleichen Hand.100 Deshalb ist davon auszugehen, daß das Blatt nicht lange nach der Vollendung der Handschrift angebracht wurde. Das Bild der Kreuztragung läßt sich sogar mit einem der Texte der Handschrift in unmittelbare Verbindung bringen. Auf fol. 60 r/v findet sich ein Passionsgebet101, für das die Rubrik am Ende 5460 Jahre Ablaß verheißt - wenn es vor einem Bild des kreuztragenden Christus gesprochen wird: Quicumque dixerit oracionem precedentem ante imaginem Cristi portantis crucem habeat indulgenciam quinqué milium quadringentorum et sexaginta dierum a XXX apostolicis et XX archiepiscopis concessam (fol. 60v). Es ist denkbar, daß der Holzschnitt ursprünglich direkt zu diesem Text geklebt werden sollte, dann aber vergessen wurde, weshalb er nachträglich im Deckel untergebracht werden mußte. Dieses Buch kam zwar aus den Beständen des Klosters Tegernsee in die Bayerische Staatsbibliothek; der Abfassungsort war jedoch ein anderer. Im Kolophon auf fol. 26 v ist zu lesen: 1458 in monte saneto Andachs. Orate pro me • N l.E. Aufgrund der Initialen und durch Schriftvergleich ließ sich der Schrei100 Drei weitere Tegernseer Handschriften wurden mit Holzschnitten dieser Folge ausgestattet: Clm 19957, Clm 20132 und Clm 20162 (Abb. 185-187, s. u. sowie Verzeichnis der Handschriften). 101 [Inc.] Domine Ihesu Christe, fili dei viui, mundi creator et redemptor, qui ad passionem iturus...

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ber identifizieren: Es handelt sich um Leonhard Eggerer, der 1447 in Tegernsee Profeß abgelegt hatte. 102 Eggerer war einer der produktivsten Tegernseer Schreiber. 103 Er gehörte zum ersten, ausschließlich aus Tegernseer Mönchen bestehenden Konvent, der im Jahr 1455 das Kloster Andechs besiedelte. Herzog Albrecht III. von Bayern-München war mit der Betreuung der Wallfahrt zu dem 1388 unter wunderbaren Umständen aufgefundenen Heiltumsschatz auf dem heiligen Berg zu Andechs, die sein Vater 1438 in die Hände eines Kollegiatstifts gelegt hatte, nicht mehr zufrieden und wollte den Ort zum wittelsbachischen Hauskloster ausbauen. 104 Nachdem das Augustiner-Chorherrenstift Indersdorf nicht bereit war, mehrere Mönche dorthin zu entsenden, wandte sich der Herzog an Tegernsee. Auch wenn sich der dortige Abt Kaspar Ayndorffer wegen des personellen Verlustes, den dies für sein eigenes Haus bedeuten würde, zunächst sträubte, kam es schließlich 1455 (und erst 1458 offiziell beurkundet) zur Gründung eines Benediktinerklosters. Ayndorffer sandte sieben Tegernseer Mönche als Gründungskonvent auf den Heiligen Berg nach Andechs. 105 Es war wohl kaum Zufall, daß darunter einige der profiliertesten Tegernseer Schreiber waren - Matthias Praittenwieser, Oswald Nott, Anton Pelchinger und Leonhard Eggerer. 106 Auch Ambrosius Schwerzenbeck, der berühmte spätere Tegernseer Klosterbibliothekar, gehörte zu dieser Gruppe. 107 Entsprechend den Idealen der Melker Klosterreform, zu deren Hauptverfechtern Tegernsee geworden war, sah man eines der ersten Ziele darin, möglichst schnell eine gute Bibliothek als Grundvoraussetzung eines observanten Klosterlebens in der Tochtergründung zu schaffen. Das Gebetbuch Clm 20131 gehört zu den frühen in Andechs geschriebenen Codices. Man verwendete zu seiner Zusammenstellung auch einen Faszikel, der noch in Tegernsee 1454 entstanden war. 108 Später gelangte die Handschrift dann wieder ins Mutterkloster. Direkt aus der säkularisierten Andechser Bibliothek kam Clm 3079 in die Bayerische Staatsbibliothek. Der um 1460 von einer Hand geschriebene Band enthält hauptsächlich die Epistellesungen sowie die 'Summa de casibus' (Beichtsumme) Raimunds von Penafort. Ausgeschmückt wurde er mit zwei Kupferstichen des niederrheinischen Meisters mit den Blumenrahmen, einem hl. Bartholomäus (L. 83) und einem hl. Franziskus (L. 104, s. Abb. 117) sowie sieben kleinen Vögeln und Blumen, die aus einem Kupferstich-Kartenspiel

102 Mit derselben Formel und den charakteristischen Initialen mit kleinem l und großem E signierte er unter anderem auch Clm 18172, fol. 113 v . Zu dieser Handschrift als Werk Eggerers s. GLAUCHE in MBK IV,2, S. 742. Zu seiner Person s. REDLICH 1931, S. 37, S. 93 Anm. 7, S. 146, S. 153. 103 Zu seiner Tätigkeit s. REDLICH 1931, S. 146; GLAUCHE in M B K Bd. IV,2, S. 7 3 7 f., S. 742.

104 Zur Geschichte des Reliquienschatzes s. SCHÜTZ 1993; KÜHNE 2000, S. 352-377. 105

Z u r G r ü n d u n g s g e s c h i c h t e s. SATTLER 1 8 7 7 , S . 1 4 2 - 1 7 9 , b e s . S. 1 5 3 ; REDLICH 1 9 3 1 , S . 1 4 5 ; STÜRMER 1 9 9 3 , S. 5 7 .

106 Siehe REDLICH 1931, S. 145 f.

107 REDLICH 1931, S. 77. Die Nennung eines 1461 verstorbenen Ambrosius Schmerzenböck Mitglied des Andechser Gründungskonvents beruht auf einem Mißverständnis. 108 Siehe die Datierung auf fol. 178r.

als

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ausgeschnitten sind. 109 Die Blättchen kleben jeweils in Leerräumen am linken Seitenrand. Diese waren beim Schreiben freigelassen worden - jedoch nicht für Illustrationen, sondern für Initialen oder Lombarden. 110 Nachdem aber keine davon zur Ausführung gekommen war, beschloß man, die Freiräume auf andere Weise zu füllen. Einen Bezug zum Text versuchte man herzustellen, indem man den hl. Bartholomäus mit einigen Federstrichen in einen hl. Petrus verwandelte, der besser an den Anfang der Lesungen der Petrusbriefe paßte. Die Stigmatisierung des Franziskus steht nicht in direktem Zusammenhang mit dem umgebenden Text, die Akeleien und Vögel erfüllen ohnehin rein dekorativen Zweck. Letztere demonstrieren in dieser klösterlichen Verwendung einmal mehr, daß Spielkarten keineswegs in erster Linie zum Kartenspielen hergestellt und benutzt wurden, sondern nicht zuletzt als dekorativer Motivschatz. Eingeklebt wurden die Blättchen nicht lange nach der Vollendung des Codex. Denn der Schreiber des Textes überarbeitete das Buch nach der Einfügung nochmals: An einigen Stellen, wo die Graphiken schlecht zugeschnitten waren und so den Text etwas überklebten, trug er die verdeckten Buchstaben auf den Kupferstichen nach (s. Abb. 117); die Ergänzungen stammen eindeutig von der Haupthand des Buches. Zwei weitere Codices, die zur frühen Handschriftenproduktion des von Tegernsee aus besiedelten Andechs gehören, erhielten druckgraphischen Schmuck in den Deckeln. Die Sammelhandschrift Clm 18964 befand sich, wie der genannte Clm 20131, bei der Säkularisation zwar in der Tegernseer Bibliothek, war jedoch in Andechs geschrieben worden. Unter den zahlreichen Datierungen zwischen 1460 und 1466 findet sich bei einer der Vermerk in monte. Dies - oder die Formulierung in monte sacro - ist die übliche Ortsangabe in Handschriften vom „heiligen Berg" Andechs. Ausgestattet wurde das Buch mit zwei Teigdrucken. Im vorderen Deckel klebt eine Darstellung des Pfingstwunders (Sehr. 2810), im hinteren eine Beweinung unter dem Kreuz (Sehr. 2807=2806, s. Abb. 118). Sie wurden wahrscheinlich schon beim Binden, d.h. bald nach 1466, eingefügt. Denn das Pfingstbild klebt direkt auf dem Holz des Deckels, ist als Spiegel also wohl integraler Bestandteil des gebundenen Buches. Das Gebet zu Christus am oberen Rand der Beweinung stammt von der Schreiberhand des Codex, wurde also wohl nicht allzu lange nach der Vollendung des Bandes angebracht. Dabei wird einmal mehr deutlich, daß es den Herstellern von Handschriften - womit in diesem Fall vor allem Schreiber und Binder gemeint sind in dieser Zeit keine Probleme bereitete, in den Deckelspiegeln Bilder anzubringen, die thematisch mit den Inhalten nicht direkt in Verbindung standen. Wohlgemerkt: nicht d i r e k t ; denn bei erbaulichen Sammelhandschriften dieser Art war es meist nicht schwierig, eine Textstelle zu finden, die sich mit einer passio und compassio evozierenden Darstellung wie der Beweinung Christi assoLEHRS reihte sie der 'Schule des Meisters der Spielkarten' ein ( L . 86a-g), während GEISBERG sie für Werke des Meisters mit den Bandrollen hielt ( G . 1 2 4 - 1 2 5 , s. GEISBERG 1 9 2 3 , S. 7). Fest steht nur, daß es sich um Kopien nach dem Meister der Spielkarten handelt. 110 Das ist aus der Beobachtung, daß jeweils der erste Buchstabe der ersten Zeile fehlt, zu schließen. 109

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ziieren ließ. Auch im vorliegenden Fall sind zahlreiche Gebete und Betrachtungen zur Passion über das Buch verstreut.111 Mit Matthias Praittenwieser war ein weiterer der genannten Tegernseer Schreiber, die 1455 nach Andechs gegangen waren, im Jahr 1460 an der Anfertigung der geistlichen Sammelhandschrift Clm 3131 beteiligt.112 Im hinteren Buchdeckel des Bandes klebt ein Holzschnitt einer hl. Agnes (Sehr. 1180a) mit ungewöhnlicher Ikonographie: Sie macht sich mit dem Christuskind, anstatt sich wie üblich mystisch mit ihm zu verloben, an einem Holzfaß zu schaffen. Das Blatt dürfte kurz vor der Vollendung der Handschrift entstanden sein. Zum Inhalt des Buches steht es nicht in Beziehung; ob es schon beim Binden oder erst nachträglich eingeklebt wurde, ist nach dem Austausch des alten Einbands bei einer Restaurierung nicht mehr zu klären. Fest steht, daß die Praxis des Illustrierens von Handschriften mit Bilddrucken, die in Tegernsee seit der Mitte der 1450er Jahre nachzuweisen ist, etwa zur gleichen Zeit mit den Tegernseer Schreibern nach Andechs kam. Während außer den genannten Fällen keine Bilddrucke in Codices des 15. Jahrhunderts auf dem Heiligen Berg festzustellen waren - eine systematische Untersuchung auf Spuren der Ablösung von Bildern wäre noch zu leisten - nahm die Verwendung von Holzschnitten im frühen 16. Jahrhundert nochmals großen Aufschwung. Es existieren noch mindestens sieben Handschriften dieser Zeit, in die eine große Zahl von Holzschnitten beim Schreiben eingeklebt wurde (Abb. 119, 161) darunter etwa 30 Blätter, die noch ins 15. Jahrhundert zu datieren sind. 113 Bei vielen handelt es sich um Zweitverwendungen. Vielleicht wurden sie aus „ausrangierten" Handschriften gewonnen, vielleicht war man in Andechs auch auf andere Weise zu einem älteren Holzschnittbestand gekommen. Es erscheint jedoch wenig sinnvoll, hieran Spekulationen über die frühe Verwendung von Holzschnitten im Kloster Andechs (bzw. Tegernsee, mit dem Andechs in Bibliotheksfragen aufs engste verbunden ist), die weit über die wenigen noch nachweisbaren Handschriften hinausging, zu knüpfen.

3.5. Die Handschriften Paulus Stegers und andere bebilderte lateinische Gebetbücher im dritten Viertel des 15. Jahrhunderts In der Staatlichen Graphischen Sammlungen München befinden sich zwei Einzelblätter mit aufgeklebten Kupferstichen, die offensichtlich aus der gleichen Handschrift gelöst worden waren. Auf dem einen klebt ein ehemals Israhel van

111 Z. B. ein Passionshymnus auf fol. 16r ff. oder ein Auszug aus Heinrich Seuses 'Horologium sapientiae', fol. 214 v ff. 112 Sein Kolophon auf fol. 35V. Er lebte ab 1451 in Tegernsee, 1452 legte er Profeß ab. 1455 ging er nach Andechs, kehrte später ins Mutterkloster zurück, wo er 1491 starb (zu seiner Person LINDNER 1 8 9 7 , S. 9 5 [Nr. 4 6 0 ] ; REDLICH 1 9 3 1 , S. 4 0 A n m . 1 5 5 ; S . 9 3 ; BAUER 1 9 9 6 , S. 1 3 2 ) .

113 Clm 3112a, Clm 3112b, Clm 3112c, Clm 3112d, Clm 24002, Clm 27404, Clm 27405.

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Meckenem zugeschriebener Kupferstich der Verkündigung (L. 11, Abb. 120).114 Der untere Papierrand ist von einer Hand des 15. Jahrhunderts mit acht Zeilen eines lateinischen Marienhymnus' beschriftet. 115 Noch im 15. Jahrhundert war dieses Blatt zerschnitten und auf eine größere Buchseite geklebt worden. Die dabei abgetrennten Teile des Textes wurden sorgfaltig von einer anderen Hand ergänzt, die versuchte, sich dem Schriftduktus des Originalblattes anzugleichen. Dasselbe Phänomen findet sich auf einem anderen Blatt, das den Kupferstich eines Kalvarienbergs trägt - dem Meister des Dutuitschen Ölbergs zugeschrieben (L. 38), eher jedoch ein Werk des Meisters des hl. Erasmus (Abb. 121).116 Über dem Bild befinden sich vier Zeilen lateinischen Textes - eine gereimte Aufforderung zur Vergegenwärtigung der compassio Mariae darunter sieben Zeilen eines Gebets zum hl. Kreuz, das Bonaventuras 'Lignum vitae' entnommen ist. Die Hände sind die gleichen, die das genannte Verkündigungsblatt beschrieben. 117 Auch hier war der beschriftete Kupferstich beschnitten, auf eine neue Buchseite geklebt und die Schrift von der zweiten Hand ergänzt worden. Beide Stiche wurden laut Inventarbuch im Jahr 1884 aus der Hof- und Staatsbibliothek an das Kgl. Kupferstichkabinett überwiesen. Auf der Rückseite des Kreuzigungsblattes hatte man mit Bleistift die Herkunft festgehalten: Clm 19926. Dieser Vermerk fehlt zwar auf der Verkündigung, doch ist durch die gleiche Beschriftung, das Format und die aufeinanderfolgenden Inventarnummern gesichert, daß die beiden Blätter aus dem gleichen Codex gelöst und zusammen an das Kupferstichkabinett abgegeben wurden. Clm 19926 ist ein Brevier, das im dritten Viertel des 15. Jahrhunderts im Kloster Tegernsee geschrieben wurde.

114 Koreny schied den Stich zu Recht aus dem Werk Israhels van Meckenem, dem es MAX LEHRS zugeschlagen hatte (L. IX, 14, 11), wieder aus (KORENY in HOLLSTEIN, German Engravings B d . X X I V , S. 4 ) .

115 Der Text auf dem Münchner Blatt lautet: (Femina) Stella maris • sie virgo Maria vocaris (... \)olucrum penne • quot sunt super ethera stelle... Dieser Hymnus ist auch in Clm 20021, fol. 195V und Clm 20110, fol. 240R überliefert (freundliche Auskunft von Christian Bauer). Letztere Handschrift stammt vom gleichen Schreiber wie das Münchner Einzelblatt. 116 Inv.-Nr. 171464. Ein zweites Exemplar in der Tegernseer Handschrift Clm 20110, fol. 159V, die vom gleichen Schreiber stammt. 117 Omnis homo scire potest in quanto tune Maria Dolore cordis steterit cum in agonía Mortis suum filium vidit et extensum Manibus et pedibus cruci quam suspensum. [Bild] O crux frutex saluificus • vivo fönte rigatus Cuius flos aromaticus • fruetus desideratus Hiis nos crux eiba fructibus • illustra cogitatus Sacris repla fulgoribus • spira pios afflatus {...)ectis duc itineribus • hostis frange conatus (...)s que Christum timentibus • tranquillus vite status (...)mplus mortem • finis amen beatus. Der zweite Teil stammt aus Bonaventura, 'Lignum vitae' (s. Bonaventura, Opera omnia Bd. 8, S. 69 f.).

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Mehrere Seiten des Buches sind herausgerissen; an welchen Stellen sich nun die zwei Blätter mit den Kupferstichen genau befanden, ist nicht mehr zu klären. Doch ist die Schreiberhand, von der die Texte auf den Papierrändern der Stiche stammen, in dem Band wiederzufinden. Sie ist von ungewöhnlichem Duktus, der Züge einer Goticoantiqua aufweist 118 und durch die deutliche Trennung der einzelnen Buchstaben, das Fehlen von Schleifen bei den Ober- und Unterlängen sowie das etwas ungleichmäßige Gesamtbild auffällt. Sie läßt sich damit leicht von anderen Tegernseer Händen unterscheiden. In Clm 19926 ist sie in den Korrekturen, Randnotizen und Ergänzungen sowie einem Einschub von drei Seiten vor dem Marienoffizium 119 wiederzuerkennen. Auf der letzten Seite dieses Einschubs steht ein Marienhymnus, der in ganz ähnlicher Weise wie auf den beiden Blättern in der Graphischen Sammlung mit einem Bild kombiniert war, von dem jedoch nur noch Leimspuren übrig sind (Abb. 122). 120 Vermutlich handelte es sich auch hier um eine Druckgraphik, die zwischen den Versen eingebettet war. 121 Dieser Schreiber hatte offenbar eine besondere Vorliebe für die Kombination lateinischer Verse mit Bilddrucken. Von seiner Hand stammt auch der Tegernseer Codex Clm 20110, eine in den 1460er Jahren122 entstandene Sammlung von lateinischen Reimgebeten und geistlichen Liedern, durchsetzt auch von einigen deutschsprachigen Liedern und Versen 123 . Diese besitzt die umfangreichste Bildausstattung, die in einem Tegernseer Codex erhalten ist. Der Schreiber,

118 V g l . zu d i e s e r S c h r i f t a r t CROUS - KIRCHNER 1928, S. 18 u. A b b . 2 6 .

119 Ohne Blattzählung; das Officium beginnt beim zehnten Blattweiser. 120 Sic inter spinas solet • pullulare rosa Sic floruit pre ceteris • virgo gloriosa Vt omnibus pre floribus • lilium candescit Sic inter omnes virgines • eius laus nitescit. [fehlendes Bild] Erat enim humilis • pudica et discreta Mitis et amabilis • obediens mansueta Moribus composita • benigna et quieta Ac virtutum titulis • in summo adimpleta. Dieser Text ist unter der Überschrift Devocio de vita et moribus dulcissime virginis Marie auch in der Handschrift Clm 20110 vom gleichen Schreiber überliefert (fol. 112 v ). 121 In den beiden Deckeln der Handschrift befinden sich noch je ein Metall- und Holzschnitt (Gregorsmesse, Sehr. 2653, und Christus im hl. Herzen mit den fünf Wunden, Sehr. 800a), die den 1460er oder 1470er Jahren angehören. Sie können dort jedoch frühestens eingefügt worden sein, als das Buch zu Beginn des 16. Jahrhunderts neu gebunden wurde. Die Lederstempel des Einbands wurden in Tegernsee erst ab dem letzten Viertel des 15. Jahrhunderts verwendet (KYRISS, Der gotische Bucheinband, Tafelbd. I, Taf. 69, Nr. 1, 5, a); die unbeschriebenen Blätter, die dabei am Ende eingefügt wurden, tragen ein Wasserzeichen des frühen 16. Jahrhunderts (Salzfaß ähnl. Br. 2171, nachgewiesen 1507-08), während der Hauptteil des Buches Papiermarken des dritten Jahrhundertviertels aufweist (Turm, ähnl. Picc. II, 355 u. 365, nachgewiesen 1457-66). Möglich ist freilich, daß sich die Graphiken schon in der alten Bindung befunden hatten, aus der sie gelöst und in der neuen wieder befestigt worden waren. Die starke Beschädigung des Holzschnittes spricht für eine Zweitverwendung. 122 Nach den Wasserzeichen, s. u. Verzeichnis der Handschriften. 123 Ich danke Christian Bauer, mir seine Forschungsergebnisse zum Textbestand der Handschriften zur Verfügung gestellt zu haben.

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dessen Namen wir nun in dieser Handschrift erfahren - er signierte am Schluß als frater Paulus Steger in Tegernsee124 - klebte in Koordination mit dem Text 14 Metallschnitte und 8 Kupferstiche ein. Darunter ist auch ein zweites Exemplar des Kalvarienbergs, der sich auf dem genannten Fragment in der Graphischen Sammlung befindet (fol. 159v). Die erste und die letzte Graphik des Buches ist jeweils einem geistlichen Lied vorangestellt. Der auf fol. 3 r eingeklebte Kupferstich vom Meister des hl. Erasmus, der den Einzug in Jerusalem darstellt (L. 7, s. Abb. 123), geht dem ersten Stück der Handschrift voran, einem Hymnus zu Christus und Maria, der auf dem nächsten Blatt beginnt: [Rubr.:] Incipit psalterium de dulcissimo domino nostro Jesu Christo dei et filio. Quinquagenaprima. [Inc.:] Ave beatissime • Ihesu rex iustorum...

Marie

Es handelt sich um eine der als Psalterien bezeichneten Dichtungen Ulrich Stöcklins, von denen eine große Zahl in dieser Handschrift überliefert ist.125 Stöcklin war spätestens seit 1418 Mönch in Tegernsee, 1431 wurde er Prior.126 Er gehört zu den großen Autoren, die das Kloster hervorgebracht hat, und gilt als einer „der fruchtbarsten Rhythmendichter des späten, vielleicht des ganzen Mittelalters"127. Der Metallschnitt der Geburt Christi (Sehr. 2195a, s. Abb. 124) auf fol. 232 v geht ebenfalls einem Hymnus voran. Er beginnt auf der folgenden Seite: [Rubr.:] Oracio ad amantissimum Ihesum sub specie pueruli tem. [Inc.:] Ave Ihesu parvule • rex regum sublimis...128

in matris sinu

pausan-

Alle anderen Graphiken der Handschrift dienen als Illustrationen eines Marienund Christuslebens, das hier vita et conversacio domini nostri Iesu et eius dulcissime matris überschrieben ist und das längste zusammenhängende Stück des Bandes bildet. Es handelt sich dabei um einen Auszug der als 'Vita beatae virginis Mariae et salvatoris rhythmica' bekannten Dichtung des 13. Jahrhunderts.129 Daß die Graphiken während des Schreibvorgangs eingefügt wurden, beweisen neben der lückenlosen Koordination der Bildseiten mit dem Text vor allem jene Blätter, bei denen sich die zugehörige Schrift sowohl auf den Papierrand der Graphik als auch auf das Handschriftenblatt, auf dem diese klebt, erstreckt (z. B. Abb. 130). Dem Beginn des Textes stellte Paulus Steger als Einleitungsbild einen Metallschnitt der Madonna voran, die mit einem verhältnismäßig aufwendigen

124 Fol. 370 v . 125 AH 38, 86 (Nr. VI). Der Begriff 'Psalterium' meint hier eine zyklische Form der (Marien-) Dichtung, die entsprechend der Zahl der Psalmen jeweils 150 Strophen umfassen, aufgeteilt in drei Quinquagenen. Siehe zu dieser Form KLINKHAMMER in 2 V L Bd. 6, Sp. 42-50. 126 127

WORSTBROCK in 2 V L B d . 9 , S p . 3 4 6 . D R E V E S i n A H 6, S. 15 f.

128 Fol. 233 r . Bei dem Text handelt es sich um das Lied AH 31, 26 (Nr. 23). 129 Auf fol. 111 r -20Ö v der Handschrift. Der Anfang fehlt, weshalb der Text bislang noch nicht identifiziert wurde. Der Textbeginn ist identisch mit der Überlieferung in Clm 12518, fol. 9r. Die Edition von VÖGTLIN 1888 folgt letzterer Handschrift. Zu diesem Text s. GERHARD EIS in ! V L Bd. 4, Sp. 710-713.

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mehrteiligen Rahmen mit Stufenbandbordüre versehen ist.130 Auch die weiteren Bilddrucke dienen zur Illustration der einzelnen Kapitelanfänge. So folgt als nächstes Bild der Kupferstich der Madonna auf der Schlange vom Meister E. S. (Abb. 125), der den Abschnitt über die Verkündigung - überschrieben Gaudia Marie virginis ab angelo dicta antequam deifilium conciperet - einleitet;131 dann ein Stich der Anbetung der Könige vom Meister mit den Bandrollen (Abb. 126), der dem Kapitelanfang mit der Rubrik De tribus regibus gegenübergestellt ist.132 Wenn der Schreiber für eine Episode der Vita kein adäquates Bild zur Verfugung hatte, verwendete er lieber ein thematisch unpassendes, als ganz auf eine Illustration zu verzichten. So klebte er vor die Rubrik De waptismo domini Iesu einen Kupferstich des Bandrollen-Meisters, der das Jesuskind im verwundeten Herzen mit Kreuz und Dornenkrone zeigt (L. 81, s. Abb. 127). Die Kombination der Leidenswerkzeuge mit dem Thema der Kindheit bzw. Kindlichkeit, d. h. Menschlichkeit Christi macht die Darstellung zwar als Andachtsbild vielfältig verwendbar, will aber gerade zum darauffolgenden Text - er beginnt nach der Rubrik ausgerechnet mit der Altersangabe Cum viginti nove annos Ihesus implevisset - nicht so ganz passen. Bis auf diese Ausnahme gelang es dem Schreiber jedoch, die wichtigen Kapitelanfänge mit den thematisch entsprechenden Bildern aus mehreren Metallschnitt- und Kupferstichfolgen zu illustrieren. Einige der Graphiken versah er zusätzlich mit Gebetsaufforderungen und lateinischen Versen zur Passionsmeditation. So steht etwa unter dem Metallschnitt der Ölbergszene die direkt an den Leser bzw. Betrachter gerichtete Aufforderung (Abb. 128): Hic flecte genua sudorem meum adora133

Der blutige Schweiß, den er anbeten soll, wird dem Betrachter im Bild deutlich vor Augen geführt. Auch unter den Metallschnitt der Dornenkrönung, der dem entsprechenden Kapitel vorangestellt ist, wird der Beschauer und Beter unmittelbar angesprochen (Abb. 129): Aspice peccator • ne sim verus amator Vt viuas morior non est dilectio maior Si mala fecisti • tunc inspice wlnera Christi Flecte genu plora • crucifixum super adora134

Das aspice kann als Aufforderung sowohl zur rein geistigen wie auch zur visuellen Betrachtung verstanden werden. Damit war dieser Vers besonders geeignet, im Zusammenspiel mit einem Bild zur Vergegenwärtigung der Passion aufzurufen. Christus spricht in dem Text den Leser an, durch das Beschauen der 130 131 132 133 134

Sehr. 2510m, fol. 110V. Der Stich (L. 64) auf fol. 114V, die Rubrik auf fol. 115r. Der Stich (L. 26) auf fol. 119 v , Rubrik fol. 120r. Fol. 146r, unter dem Metallschnitt Sehr. 2247a. Fol. 153r mit dem Bilddruck Sehr. 2292a. Der Text ist mit dem bei WALTHER 1969, Nr. 1588 verzeichneten identisch. Er ist auch in zwei späteren Tegernseer Handschriften überliefert (Cgm 809, fol. 34 v -35 r , Cgm 817, fol. l r - 2 v , s. SCHNEIDER 1984, S. 400).

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Wunden, das der Metallschnitt der Dornenkrönung auch visuell ermöglicht (sie sind durch zahllose rote Farbtupfer auf dem Haupt, Gewand, Brust, Armen und Füßen Jesu besonders hervorgehoben), seine göttliche Liebe zu erkennen. Unter dem Blatt der Kreuztragung brachte der Schreiber eine ähnliche gereimte Erinnerung an das Leiden Christi an (Abb. 130); in bezug auf die Darstellung steht hier das Kreuz im Mittelpunkt: Passio divina • tibi sit medicina In cruce sacrata • tibi sit vita beata Sit tibi sermo crucis • quasi fons et copia lucis Sub cruce stans plora • cruciflxum super honora Vt gaudere queas • mortis cum venerit Aoro135

In konkretem Bezug zum Bild stehen auch die Verse, die Paulus Steger auf den unteren Papierrand des Kreuzigungskupferstichs schrieb (Abb. 131): Rex sum celorum terre maris anglorum Pro mundi vita • sum crucifixus /Ya136

Beim Einleitungsbild des Kapitels über die Geißelung ordnete der Schreiber die Verse über und unter dem Bild an (Abb. 132): Pro nobis triste • probrum pateris pie Christe.

[Metallschnitt] Ecce pro impio pietas flagellatur Pro stulto sapiencia illuditur Pro mendace veritas necatur137

In der einzelnen Zeile über dem Bild steht so eine allgemeinere Erinnerung an das Leiden des Erlösers, während unten drei speziellere Aspekte zum Ausdruck kommen. Diese unteren drei Zeilen sind den 'Meditationes' des Johannes de Turrecremata entnommen; die erste von ihnen bezieht sich direkt auf den Bildgegenstand, die Geißelung. 138 Gerade diese Verse zum Metallschnitt der Geißelung sind erhellend bezüglich der Frage, welche Texte Steger für besonders geeignet hielt, bebildert zu werden. Denn dieselben Verse finden sich auch in dem Diurnale Clm 19301, in dem Steger - ähnlich wie in Clm 19926 - einige eingeschobene Blätter beschrieb, die nicht zum Breviertext gehören, sowie einige Glossen und Nachträge einfügte. Auf dem zweiten Vorsatzblatt (fol. IIV) heißt es dort (Abb. 133): Ecce pro impio pietas flagellatur Pro stulto sapiencia illuditur Pro mendace veritas necatur

[Klebespur eines Bildes] 135 Fol. 156 v mit dem Metallschnitt Sehr. 2308a. Der Text ist identisch ist mit WALTHER 1969, Nr. 13772. 136 Fol. 158 v , mit dem Druck Sehr. 2418a. 137 Fol. 15 l v , mit dem Metallschnitt Sehr. 2285a. Weitere Verse stehen auf folgenden Bildseiten: fol. 143r, 158r, 162 v , 164 v . 138 Vgl. Johannes de Turrecremata, Meditationes, Faksimile-Ausgabe des Erstdrucks von 1467 nach dem Exemplar der Stadtbibliothek Nürnberg, hg. von HEINZ ZIRNBAUER, Wiesbaden 1968, am Ende des Kapitels zu Christus vor Pilatus (ohne Foliierung).

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Pro nobis triste • probrum pateris pie Christe Stat pius ecce Ihesus • flagrorum verberis cesus Heu gloria angelorum illuditur Dominus omnium flagellatur

Gegenüber dem Text in Clm 20110 wurde die erste Verszeile umgestellt und drei weitere Zeilen hinzugefugt. Doch auch in dieser Handschrift umschloß der kurze Text ein eingeklebtes Bild. Geblieben sind von diesem nur noch die Leimspuren. Es ist anzunehmen, daß es sich - entsprechend der aus anderen Handschriften Stegers bekannten Praxis - auch hier um eine Druckgraphik gehandelt hatte. Das gibt Grund zu der Vermutung, daß Paulus Steger diesen Text, der bislang nur in Tegernseer Handschriften nachzuweisen war 139 , zur Kombination mit Bildern für besonders geeignet hielt. Doch offenbar nicht nur diesen einen Text: In seinen Handschriften erscheinen Bilder meist im Zusammenhang mit solchen gereimten Passionsmahnungen. Auf der anderen Seite des Vorsatzblattes, das die eben zitierten Verse zur Geißelung trägt, hatte Steger ebenfalls ein - heute fehlendes - Bild in den Text integriert. Er lautet: Nulla valet tantum • virtus paciencia quantum Est virtus vidua • quam non paciencia firmat

[...] At quando deifilius • mortem passus fuit In orbis terre partibus • de celo sanguipluit [fehlendes Bild]

Meror • sudor • fr aus • comitum fuga • capcio • v/«c(vla) Mendax lingua • mine • Sputum • velacio wltus Cedes in faciem • colaphi • derisio • clamor Verbera • post coccus • spine • calamusque • salutans Sarcina • latro • comes • nudacio • flxio • partes Potus • blasphemans • mors • lancea • tumba • clientes140

Bei dem entfernten Blatt muß es sich um eine Passionsdarstellung gehandelt haben; näheres über den Gegenstand läßt der Text nicht erschließen. Hinzuweisen ist aber besonders auf den zweiten Teil: Eine Reihung von Worten, die ohne Bindung in ein Satzgefüge Leidensstationen und Leidenswerkzeuge bezeichnen. Diese Reihe wirkt wie eine literarische Entsprechung zu Bildern der Arma Christi, auf denen Passionsinstrumente ohne konkreten szenischen Zusammenhang im Bildraum verteilt sind.141 Allein durch die Nennung eines Gegenstandes

139 Als einzelner Text ist er nur in der Überlieferung der beiden Steger-Handschriften und in den gegen Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts geschriebenen Tegernseer Codices Cgm 809 (fol. 3 ( ^ - 3 1 0 und Cgm 817 (fol. 300 V -Rd.) nachgewiesen. Ob er vielleicht aus einem größeren Zusammenhang - z. B. einer gereimten Christusvita oder einem Hymnus - herausgelöst wurde, war bislang nicht zu klären. 140 Der erste Teil ist nachgewiesen bei WALTHER 1965, Nr. 18971. 141 Tatsächlich sind auf einigen Bildern der Arma Christi die Gegenstände auch beschriftet; vgl. SUCKALE 1 9 7 7 , S. 181 A b b . 3.

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soll beim Leser die entsprechende Passionsszene wachgerufen werden. 142 Eine Ordnung erhalten die Begriffe durch die chronologische Folge von der Gefangennahme bis zum Begräbnis. Der kurze Text ist eine konzentrierte Darstellung der gesamten Passion in 30 Schlagworten. Eine ähnlich repetierende Betrachtung einzelner Gegenstände und Stationen des Leidens Christi empfiehlt Bonaventura in seiner Novizenunterweisung. 143 Ein direkter Schluß auf das Thema des verlorenen Bildes, das Steger über diesen Text geklebt hatte, läßt sich daraus sicher nicht ziehen. Naheliegend wäre ein Bild der Arma Christi, wie es etwa ein Kupferstich oder Metallschnitt der Gregorsmesse geboten haben könnte; doch sind auch andere Passionsthemen denkbar. Die Erwähnung dieser Verse soll hier auch weniger der Rekonstruktion eines entfernten Blattes dienen, sondern verdeutlichen, welche Art von Betrachtungstexten der Schreiber vorzugsweise mit Bildern in Verbindung brachte. Lateinische Reimgebete und Verse von der Art, wie sie in den Nachträgen und Einschüben von Clm 19301 und 19926 bebildert waren, hatte Paulus Steger konsequent in dem ausschließlich von ihm geschriebenen Clm 20110 gesammelt. In diesem Codex finden sich auch Parallelüberlieferungen einiger der versprengten Texte; so etwa die ehemals mit Graphiken illustrierten Verse Pro nobis triste... (Clm 19301) 144 und Sic inter spinas solet... (Clm 19926) 145 . Clm 20110, der auch das reich mit Bilddrucken illustrierte Christus- und Marienleben enthält, ist ein Gebetbuch von bemerkenswerter Zusammenstellung. Ungewöhnlich für Tegernsee sind vor allem die deutschen Lieder und Verse, die dort zu finden sind. Christian Bauer machte erstmals auf die Bedeutung der Handschrift für die Überlieferung deutschsprachiger Literatur in diesem Kloster aufmerksam. 146 In diesem Zusammenhang ist noch darauf hinzuweisen, daß sich kurze deutsche Sprüche, wie sie in Clm 20110 zahlreich enthalten sind, auch in den Nachträgen Paulus Stegers in anderen Handschriften finden.147 Clm 20110 gehört zu den wenigen Fällen, in denen in Tegernsee deutschsprachige Gebetslyrik neben lateinischer in

142 Ähnlich resümiert SUCKALE 1977, S. 192 den Charakter von Darstellungen der Arma Christi: Sie „wollen analog einem Text abgelesen und 'Wort für Wort' betrachtet werden. [...] Sie konzentrieren die gesamte Passion in einem Bild, in dem die ganze Fülle der einzelnen Ereignisse wie das Ganze, zugleich gemeint in dem Reichtum seiner inhaltlichen Bezüge, zur Anschauung kommen. Sie summieren und konzentrieren zugleich." 143 Sich an den plätigen schwais, die lestrung seiner baggenschleg, die hertikait seiner gaiselung, die durnin krön, die Verspottung, die spaichlen, die annaglung an das creutz, die aufrichtung des galgen, die siechen äugen, die blaiche des munds, die galten speis, daz geessichet trank, das ganaig hapt, die pein des tods. So im 'Büchlin von der vnderweysung der iungen vnd nouitzen des heiligen lerers Bonaventura', die deutsche Übertragung der 'Regula novitiorum' Bonaventuras durch Bruder Conrad Nater, zit. nach RUH 1965, S. 134 f. Z. 123-127. 144 Fol. 1IV; der Text auch in Clm 20110, fol. 151 v , dem Geißelungsbild beigeschrieben. 145 Dort vor dem Marienoffizium (keine Blattzählung); der Text auch in Clm 20110, fol. 112 v . 146

BAUER 1 9 9 6 , S. 5 A n m . 14, S. 1 5 7 , S. 2 1 0 .

147 So z . B . Gwalt, gab vnd gunst/ pricht brieff, recht vnd kunst (Clm 19301, fol. 21"). Ein einfacher Spruch vergleichbarer Art - hier von etwas derb wirkender moralischer Aussage - ist etwa der folgende aus Clm 20110 (fol. 201 r ): Wer sein zeit also lebt / Und nur wider gottes willen strebt / Und in den sündten nit erkendt sich / Der lebt als ein vich.

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Überlieferungsgemeinschaft auftritt. 148 Sicher ist jedoch, daß dies für Tegernsee, wo man im 15. Jahrhundert bis auf den Bereich der Laienseelsorge und -Unterweisung sowie der Lektüre für die Konversen im wesentlichen am Latein festhielt, 149 kein typisches Phänomen ist; vielmehr legt die Untersuchung der Handschriften des Bruders Paulus Steger den Schluß nahe, daß hier auch die Vorliebe eines einzelnen Schreibers für bestimmte Textarten eine Rolle spielte. Neben den deutschen Liedern und Versen waren dies vor allem gereimte lateinische Sprüche, die er gelegentlich mit Bildern kombinierte, oder kurze Sentenzen lateinischer Dichter (u. a. Ovid, Iuvenal, Fulgentius), wie er sie etwa an den Seitenrändern von Clm 19926 in großer Zahl nachtrug. Ähnliches läßt sich vom Bildschmuck seiner Codices sagen. In Tegernsee gibt es keine Parallele für eine so konsequente Illustration von Texten mit Druckgraphik, wie sie in Clm 20110 vorliegt. Codices wie das Gebetbuch Clm 20021 (s. u.), die ähnlich aufgebaut sind, sind später entstanden und vielleicht an Stegers Vorbild orientiert. Die Zusammenstellung aller bislang bekannten Handschriften, in denen sich Stegers Hand findet, führt zu einem interessanten Ergebnis: Jeder der sechs Bände ist bzw. war mit Druckgraphik ausgestattet. Außer den drei schon erwähnten Codices ist noch Clm 19034 zu nennen, eine allein von Steger geschriebene lateinische Exzerptsammlung. Von den zwei Graphiken, die in die Buchdeckel geklebt worden waren, ist noch der anonyme Kupferstich einer hl. Katharina erhalten (Abb. 134).150 Die Kolorierung ist von der gleichen Art wie die der Stiche des Clm 20110, die auch zum größeren Teil Werke des gleichen Stechers sind. Das läßt vermuten, daß die hl. Katharina aus der gleichen Bezugsquelle stammt, d. h. vom gleichen Kartenmaler, der offenbar Kupferstiche verschiedener Meister als auch Metallschnitte bezog, kolorierte und weiterverkaufte. 151 Nachdem die Handschrift etwa zur gleichen Zeit gebunden wurde wie Clm 20110, 152 kann vermutet werden, daß der Schreiber beider Bücher, Paulus Steger, auch hier die Ausstattung mit einem der Stiche aus der gleichen Werkstatt angeregt hatte. 153 148

BAUER 1 9 9 6 , S. 5, 2 1 0 .

149 Ebd., S. 5. 150 Clm 19034, vorderer Deckelspiegel. Der Kupferstich wurde von LEHRS 1891, S. 18 zunächst unter „Unbekannte" erwähnt, dann in seinem kritischen Katalog Israhel van Meckenem zugeschrieben (L. IX, 320, 400). KORENY aber schloß den Stich mit gutem Grund wieder aus dem Werk Israhels aus (in HOLLSTEIN, German Engravings Bd. XXIV, S. 157). 151 Alle Graphiken der Handschrift, die nicht der Metallschnitt-Passionsfolge angehören, wurden in dieser Werkstatt koloriert. 152 Beide haben Einbände aus dem gleichen roten, unverzierten Leder; diese sind charakteristisch fiir die Tegernseer Buchbinderei vor der Einfuhrung der charakteristischen Einzelstempel, die KYRISS zusammengestellt hat (KYRISS, Der gotische Bucheinband, Tafelbd. I, Taf. 69), also vor dem letzten Viertel des Jahrhunderts. 153 Bei dem Brevier Clm 19293, in dem sich ein Nachtrag Stegers findet, ist hingegen fraglich, ob der Schreiber mit dem Bildschmuck - ein Holzschnitt des hl. Hieronymus auf dem hinteren Deckel - etwas zu tun hat. Vielleicht kam das Bild bei der Bindung, die etwa zur gleichen Zeit wie die von Clm 20110 und 19034 erfolgt sein dürfte (wie aus den Einbänden zu schließen ist, s. die vorangegangene Anm.) in das Buch. Steger schrieb einen Nachtrag auf fol. 84r. Mehrere Texte von Stegers Hand enthält die Sammelhandschrift Clm 20177; sie erhielt ihren

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Über die Biographie Stegers ist wenig bekannt. Er stammte aus einer Münchner Bürgerfamilie 154 und studierte ab 1441 in Wien. 155 Am 8. Dezember 1447 legte er Profeß in Tegernsee ab; am 11. August 1480 starb er dort. 156 Auch Steger gehörte also zu der für das Tegernseer Geistesleben so bestimmenden Gruppe von Mönchen, die ihre Ausbildung in Wien erhalten hatten - an der Universität, die nicht nur der Ausgangspunkt der Melker Reformbewegung war, sondern auch im weiteren Verlauf des 15. Jahrhunderts die Kräfte ausbildete, die die Geschicke der reformierten Konvente lenkten.157 So verwundert es auch nicht, daß die Texte seines Gebetbuches Clm 20110 als Eigengut der Klöster des Einflußbereichs der Melker Reform zu identifizieren sind. 158 Eine Handschrift, die Stegers Clm 20110 vom Aufbau her sehr ähnlich ist und zum Teil die gleichen Texte enthält, ist das Gebetbuch Clm 20021. Auch die Form der Illustration verbindet die beiden Codices: Clm 20021 enthielt einst zahlreiche Graphiken, für die schon beim Schreiben der jeweils entsprechende Platz im Text ausgespart worden war. Davon ist lediglich ein Kreuzigungs-Holzschnitt erhalten; Ausschneide- und Klebespuren dokumentieren die Existenz von mindestens 12 weiteren eingeklebten Blättern. Alle waren lateinischen Gebeten beigefügt worden. Aus den Inhalten der Gebete lassen sich die Themen der Bilder zumeist noch wenigstens erahnen; 159 doch ließ sich kein einziges etwa durch Herkunftsvermerke auf Blättern der Graphischen Sammlung München rekonstruieren. Noch erhalten ist der etwa zwischen 1460 und 1470 entstandene Holzschnitt der Kreuzigung auf fol. 19v (Sehr. 435d, s. Abb. 135). Der Schreiber ließ nach der Rubrik zum folgenden Text am unteren Rand von fol. 19v eine Seite für den Holzschnitt frei, der als einleitende Illustration dienen sollte. Die Rubrik besagt, das Gebet zu den Gliedern Christi am Kreuz 160 wäre vom angeblichen Verfasser, dem hl. Bernhard, vor einem Kruzifix gesprochen worden:

druckgraphischen Schmuck allerdings erst gegen Ende des 15. Jahrhunderts (der Madonnenholzschnitt Sehr. 1062 vom Quirinus-Meister, der sicher erst nach Stegers Tod 1480 entstand, im Vorderdeckel). 154

REDLICH 1 9 3 1 , S. 1 5 3 A n m . 1 0 1 .

155 In diesem Jahr ist im Matrikelbuch Paulus Steger de Monaco verzeichnet, s. Matrikel der Universität Wien 1954, S. 212 Z. 118. 156 157

LINDNER 1 8 9 7 , S. 7 4 . REDLICH 1 9 3 1 , S. 3 4 ff.

158 So das Ergebnis der Untersuchung der Parallelüberlieferung der Texte des Clm 20110 durch Christian Bauer, dem ich fiir seine Auskünfte danke. 159 Vera icon (fol. 53r), Kreuzigung (fol. 384 r , 3861), Mariologisches (fol. 186 v , 288"), hl. Barbara (fol. 348 r , 349 v ), hl. Katharina (fol. 338 v , 341 v ); vgl. u. die Belege im Verzeichnis der Handschriften. 160 Ps.-Bernhard, abgedruckt in MIGNE, PL 184, Sp. 1319-1324. Verzeichnet bei Chev. 1 8 0 5 6 = 1 8 0 7 3 u n d MONE I, 1 6 2 . Z u r Ü b e r l i e f e r u n g in T e g e r n s e e v g l . HAIMERL 1 9 5 2 , S . 6 6 ,

S. 7 8 , S. 1 0 9 .

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Druckgraphik in süddeutschen Klosterbibliotheken

Planctus beati Bernhardi abbatis coram crucißxo. Et sunt deuotissime salutaciones ipsius deuoti Bernhardi ad membra Ihesu Christi pro nobis crucißxi. Et primo salutacio ad pedes.161

Um dem Leser und Beter diese Situation besser nachvollziehbar zu machen, schien dem Schreiber ein Bild des Gekreuzigten geeignet. Er klebte es auf fol. 19v und begann auf der gegenüberliegenden Seite fol. 20 r mit dem Text Salve meum [!] salutare.162 Der Codex entstand zwischen 1471 und 1472. Der gleiche Schreiber - einer der produktivsten des Klosters, der sich bislang allerdings noch nicht namentlich identifizieren ließ - war an einem weiteren lateinischen Gebetbuch, dem zwischen 1466-68 datierten Clm 19991, beteiligt.163 Darin finden sich die Spuren von fünf abgelösten Bildern, bei denen es sich - bei allen Erfahrungen mit Tegernseer Handschriften dieser Art - wahrscheinlich um Druckgraphiken gehandelt hatte. Sie waren schon beim Schreiben der lateinischen Gebete eingeplant und mit einfachen Umrahmungen versehen worden (Abb. 136). An dem Codex arbeiteten drei Schreiber koordiniert zusammen. Die Bilder finden sich jedoch nur in dem Teil, der von der Hand des Clm 20021 gefertigt ist. Clm 19991 und Clm 20021 sind Gebetbücher von sehr ähnlicher Art und mit einigen gemeinsamen Texten. 164 Ein versprengtes Gebetbuchfragment von der gleichen Schreiberhand, das noch in den 1460er Jahren entstanden ist,165 findet sich eingebunden in die erst Anfang des 16. Jahrhunderts zusammengestellte Tegernseer Handschrift Clm 20019. Auch hier war ein heute verlorenes Bild in den Text integriert. Wenn auch dessen Thema nicht zu erschließen ist, so belegt das Fragment doch, daß dieser Schreiber mehrfach lateinische Gebetssammlungen mit Bilddrucken ausstattete. Das in der Rubrik als Planctus sancti Bernhardi coram crucißxo bezeichnete Gebet Salve mundi salutare,166 dem dieser Schreiber in Clm 20021 einen Kreuzigungsholzschnitt vorangestellt hatte, wurde in Tegernsee auffallend häufig bebildert. Auch das nach 1480 entstandene lateinische Gebetbuch Clm 20001 enthält diesen Text; an dessen Anfang finden sich die Leimspuren eines abgelösten Bildchens. Die Handschrift ist ähnlich Clm 20021 aufgebaut und hat einige Texte mit diesem gemeinsam, darunter Dichtungen des ehemaligen Tegernseer Priors Ulrich Stöcklin.167 Ein anderes Gebetbuch, Clm 20007, wurde im Jahr 1485 von

Clm 20021, fol. 19r. In der Regel Salve mundi (!) salutare-, vermutlich ein Abschreibefehler. Von seiner Hand stammen die Teile fol. 14 v -143 v und 302 r -320 v . Mehrere Gebete und vor allem Mariendichtungen Ulrich Stöcklins; zu den Haupthandschriften ihrer Überlieferung gehören Clm 19991 und 20021 (vgl. WORSTBROCK: in 2 VL Bd. 9, Sp. 349). 165 Die Lage IV 65 , davon fol. 58 r -60 r von der Hand des Clm 20021 beschriftet. Wasserzeichen Krone, Typ Picc. I, 311-316 (1430-1468 nachgewiesen). 166 Ps.-Bernhard, MIGNE, PL 184, Sp. 1319-1324; MONE I, 162; Chev. 18056=18073. 167 Beide gehören zu den Haupthandschriften der Überlieferung der Werke Ulrich Stöcklins (vgl.

161 162 163 164

WORSTBROCK in 2 V L B d . 9 , Sp. 3 4 9 ) .

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einem Tegernseer Mönch geschrieben.168 Auf fol. 22 v klebte ein ganzseitiges Blatt, wie die Leim- und Farbspuren beweisen, die einzig davon übriggeblieben sind. Auf der nächsten Seite (fol. 23 r ) folgt wieder das dem hl. Bernhard zugeschriebene Gebet zu den Gliedern des Gekreuzigten, auch hier von der Rubrik Planctus sancti Bernhardi coram crucifixo eingeleitet (Abb. 137). Das verlorene Blatt hatte ähnliche Maße (ca. 140-145 x 95-100 mm) wie die Graphik in Clm 20021; es ist anzunehmen, daß sich auch hier ein Bilddruck der Kreuzigung befand. 169 In diesem Band finden sich 17 weitere Leerstellen, die auf abgelöste und herausgeschnittene Druckgraphiken schließen lassen. Eine Notiz auf der Innenseite des hinteren Deckels bestätigt, daß ein Metallschnitt an das Kgl. Kupferstichkabinett abgegeben wurde. 170 Für fünf Holzschnitte der Staatlichen Graphischen Sammlung in München ließ sich die Herkunft aus diesem Band bestimmen. 171 Ein Metallschnitt der Himmelfahrt Christi (Sehr. 2397c), vom dem Tegernsee also mehrere Exemplare erworben hatte, ist noch in der Handschrift erhalten.172 Doch anders als bei der Illustration des Planctus sancti Bernhardi wurden diese Bilder erst nachträglich in den vollendeten Codex eingefügt. 173 Offenbar gab die eine Graphik, die schon beim Schreiben eingeklebt worden war, später den Anstoß, die fertige Handschrift weiter auszustatten. Ein älteres Gebetbuch ähnlicher Art ist Clm 20132. Es enthält in beiden Deckeln Holzschnitte, eine Ölbergszene (Sehr. 207a, s. Abb. 185) und eine Kreuzabnahme (Sehr. 506a). Sie gehören zu der gleichen Passionsfolge, aus der drei Blätter zur Ausstattung des schon erwähnten, 1454-58 in Andechs geschriebenen Gebetbuchs Clm 20131 und des Tegernseer Clm 19957 (Abb. 115, 116, 186) verwendet wurden. Wann die beiden Holzschnitte, die um 1450 entstanden sind, eingeklebt wurden, ist nicht genau zu sagen. 174 Doch enthielt der Codex, der 168 Auch diese Handschrift hat mit Clm 20021 mehrere Gebete und Hymnen gemeinsam, darunter Ihesu dulcis memoria (Chev. 9541), in Clm 20007 fol. 29 r ff., Clm 20021 fol. 17r ff.; Salve mundi salutare (Chev. 18056=18073), in Clm 20007 fol. 23 r , Clm 20021 fol. 20 r . 169 Von den Graphiken dieses Themas, die aus Bänden der Münchner Hofbibliothek in das Kgl. Kupferstichkabinett gelangten und mit dem Schreibdatum des Codex' vereinbar sind, käme dafür der Holzschnitt Sehr. 426 in Frage; er mißt 140 x 93 mm und ist wahrscheinlich um 1470 in Ulm entstanden. Abb. des Blattes der SGS München in HEITZ, Einblattdrucke Bd. 31, Nr. 81. 170 Ein Schrotblatt aus diesem Codex wurde im Mai 1887 an das x. Kupferstichkabinett abgegeben. Riezler. Um welches Blatt der Graphischen Sammlung München es sich dabei handelt, war nicht festzustellen. 171 S. u. Verzeichnis der Handschriften. 172 Clm 20007, fol. 176r. Ein zweites Exemplar hatte Paulus Steger in Clm 20110, fol. 174 v eingeklebt. 173 Bei keiner der Klebespuren ist erkennbar, daß der Platz für die Bilder beim Schreiben ausgespart worden war; sie wurden vielmehr an zufallig freigebliebenen Stellen angebracht. 174 Vielleicht bezog man sie beim Einkleben auf die zahlreichen Passionsgebete, die das Buch enthält. Unmittelbar auf den Ölberg-Holzschnitt folgt eine Oracio beati Ambrosii episcopi de passione domini. \Dieses Gebet erwähnen HAIMERL 1952, S. 69, und ACHTEN 1972, S. 85). Auf fol. 28 r -33 r steht das Aegidius Romanus zugeschriebene Tagzeitengedicht (vgl. AH 30, 32, Nr. 13), das die Passion von der Ölbergszene an behandelt: Patris sapiencia • veritas divina • Christus homo captus est • hora matutina...

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etwa 1450-60 geschrieben wurde, 175 fünf weitere Bilder, die heute leider verloren sind. Sie waren schon beim Schreiben eingeplant worden. Das beweisen die ornamentalen Bordüren, z. T. mit Palmetten-Zickzackbändern, die mit Feder und Tinte in mehreren Farben angelegt sind, um die Bilder zu umfassen. Vermutlich stammen sie vom Hauptschreiber des Textes; er zeichnete nämlich eine dilettantische kleine Vera icon (fol. 73 r , s. Abb. 138)176 mit den gleichen farbigen Tinten und versah sie mit der Unterschrift Salve sancta facies, die seine Hand verrät. Ein weiteres Bild des hl. Antlitz' war es vermutlich auch, das er auf fol. 49 v einklebte und mit einer Bordüre versah; denn auf der gegenüberliegenden Seite folgt das bekannte Gebet Salve sancta facies}11 Zur Einleitung eines Marienhymnus 178 legte er eine Doppelseite mit zwei eingeklebten Bildern an, die er mit der aufwendigsten Rahmung der Handschrift versah (fol. 73v/74r, Abb. 139). Auch hier kann man annehmen, daß es sich um Druckgraphiken handelte. Die genannten Gebetbücher sind im Abstand von nur wenigen Jahren entstanden. In der Chronologie dürfte Clm 20132 an erster Stelle stehen, gefolgt von Paulus Stegers Clm 20110 mit der konsequentesten und reichsten druckgraphischen Ausstattung. Ob eines dieser Bücher die Anregung für die anderen genannten gab, ist nicht zu entscheiden. Allen jedoch ist die Idee gemeinsam, lockere Gebetssammlungen - die einen ähnlichen und für Klöster der Melker Reform typischen Textbestand repräsentieren179 - mit druckgraphischen Bildern zu versehen. Besonders am Beispiel der Bebilderung des Gebets Salve mundi salutare, das nach Angabe der Rubriken aus der Andacht des hl. Bernhard vor einem Kruzifix entstanden sein soll, wird deutlich, daß die Graphiken mit der Darstellung des Gekreuzigten vor allem Andachtshilfe durch visuelle Vergegenwärtigung leisten sollten. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang noch auf ein lateinisches Gebetbuch ähnlichen Typs, das aus dem mit Tegernsee in enger Verbindung und im Austausch von Handschriften stehenden Kloster Indersdorf stammt. 180 In die etwa zwischen den 1460er bis 1480er Jahren 181 entstandene Handschrift Clm 7836 wurden beim Schreiben mehrere Druckgraphiken eingeklebt, von denen jedoch nur zwei erhalten geblieben sind. Vor den dem hl. Gregor zugeschriebenen Gebeten zum Gekreuzigten schob der Schreiber eine Bildseite ein, auf die er

175 176 177 178 179

Datiert nach den Wasserzeichen, s. u. Verzeichnis der Handschriften. Fol. 73r. Chev. 18189. Chev. 2098, von Konrad von Haimburg (s. dazu 2 VL Bd. 5, Sp. 184). Nach den Forschungsergebnissen Christian Bauers, dem ich für die freundliche Auskunft danke, zum Überlieferungsschwerpunkt der Texte der beiden Handschriften. 180 Indersdorf war das Zentrum der Reform der bayerischen Augustiner-Chorherrenstifte und mit dem Melker Reformzentrum Tegernsee verbunden. Zur Beziehung zwischen den beiden K l ö s t e r n s. THOMA 1 9 2 7 , S. 1 3 2 ; REDLICH 1 9 3 1 , S. 1 7 f., S. 1 3 1 , S. 1 4 0 - 1 4 2 ; ANGERER 1 9 6 8 ,

S. 21, S. 39. Ein Beleg für den Austausch von Handschriften bei GLAUCHE in MBK Bd. IV,2, S. 7 4 3 .

181 Aufgrund der Wasserzeichen ist nur diese grobe Datierung möglich, s.u. Verzeichnis der Handschriften.

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einen Kupferstich der Gregorsmesse vom Meister des hl. Erasmus 182 klebte - ein Stich, von dem sich ein zweites Exemplar in einer Tegernseer Handschrift erhalten hat. 183 Er umgab es mit einer Rubrik, die demjenigen, der die nachfolgenden Gebete vor dem Bild betet, 2024 Jahre und 23 Tage Ablaß verspricht: 184 Quicumque infrascriptas oraciones dixerit flexis genibus deuoto corde et contrito coram tali ymagine concessit beatus Gregorius papa annos XIIII milia de vera indulgencia. Multique pontifices ita qui insumma sunt de vera indulgencia XX milia et XXIIII annorum cum diebus XXIII.

Das Gebet, auf das sich diese Rubrik bezieht, ist das schon aus Clm 20007 und 20021 bekannte O domine Ihesu Christe, fili dei v/v/, adoro te in cruce

penden-

m

tem... In beiden Tegernseer Handschriften waren diesem Text Bilder beigefügt. Wir kennen ihren Gegenstand nicht, da sie verloren sind. Doch ist anzunehmen, daß es sich um Darstellungen der Gregorsmesse, des Gekreuzigten oder des Schmerzensmannes handelte. Seit dem frühen 15. Jahrhundert wurden Bilder der Gregorsmesse mit päpstlichen Ablässen in Verbindung gebracht. Das Ablaßmotiv wurde schließlich einer der Hauptgründe für die Beliebtheit des Themas. 186 Etwa seit der Mitte des Jahrhunderts erschienen zahlreiche Holzschnitte und Kupferstiche mit solchen Darstellungen, die in Bildunterschriften päpstliche Ablaßverheißungen auflisten. 187 Der Schreiber dieser Handschrift war offenbar sehr um Sündenablaß besorgt. Schrieb er doch unter den zweiten Kupferstich, der in dem Codex noch erhalten ist - eine Darstellung der Grablegung Christi aus der 'Schule des Meisters der Spielkarten' (fol. 254 v , Abb. 141)188 - folgende Worte: Da nobis domine locum sepulture tue ita digne venerari ut indulgenciam propter mereamur peccatorum qui cum deo patre et spiritu sancto amen.

Auch dieses Bild wurde zu passenden Gebeten eingeklebt. Auf fol. 252 v schrieb die gleiche Hand eine Oracio devota de sepultura,189 die ursprünglich - bevor später ein Blatt (heute fol. 253) in Zerstörung des Sinnzusammenhangs dazwischengeklebt wurde - dem Bild links gegenüberstand. Auch der nachfolgende Text, ein Gebet zur compassio Mariae angesichts der Grablegung ihres Sohnes, bezieht sich auf das Bild. 190 Wenn auch hier keine konkrete Verheißung wie bei

182 L. III, 276, 85, auf fol. 14 v aufgeklebt. 183 Clm 20096, auf fol. l v geklebt. Das Blatt wurde nachträglich ohne Textbezug eingeklebt. Das älteste Stück der Handschrift stammt aus dem Jahr 1473 (s. fol. 14 v ), die jüngeren frühestens aus den 1480er Jahren (Wz. ähnlich Br. 11806, nachgewiesen 1482-90). 184 Zu den Ablässen ftir das Gebet vor Bildern der Gregorsmesse s. WESTFEHLING, in: Die Messe Gregors 1982, S. 25; RINGBOM 1983, T. II, S. 15.

185 Das Gebet bei HAIMERL 1952, S. 92 Anm. 542 verzeichnet. Clm 20007, fol. 119r, Clm 20021, fol. 384 r . Umfassend zur Tradition dieses Textes s. ROTH 2000. 186 Vgl. WESTFEHLING, in: D i e Messe Gregors 1982, S. 22; RINGBOM 1983, T. II, S. 15.

187 188 189 190

Zur Tradition des Textes, besonders auf Einblattdrucken, s. ROTH 2000. L. I, 156, 9 auf fol. 254 r . [Inc.:] Domine Ihesu Christe qui hora completorii aromatibus... Propter singultus et suspiria indicibilia, que tormenta, quibus affligebaris quando dulcem Ihesum, filium tuum, vnicum anime nostre solacium, sepultum

virgo gloriosa, videbas...

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dem Kupferstich der Gregorsmesse gegeben ist, so verrät doch die Bildunterschrift, daß selbstverständlich davon ausgegangen wurde, bei „würdiger Verehrung" des Grabes Christi Ablaß zu erhalten. Ein Mittel zu dieser würdigen Verehrung war das eingeklebte Bild. Kennzeichnend für die Funktion dieser Kupferstiche ist die Verbindung von Gebeten und Bildern, vor denen bzw. mit deren Hilfe sie gesprochen werden können, um den entsprechenden Ablaß zu sichern.191

3.6. Nachträgliche Einfügungen im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts Die meisten der zahlreichen Druckgraphiken, die sich außer den genannten noch in Tegernseer Handschriften befinden, wurden erst nachträglich eingeklebt; nur wenige davon auf Textseiten, die meisten in die Buchdeckel. Bei dieser Art der Anbringung läßt sich der Zeitpunkt der Einfügung fast nie bestimmen. Ab dem letzten Viertel des 15. Jahrhunderts gibt es kaum noch Codices, in welche die Bilddrucke schon beim Schreiben integriert wurden. Einige Ausnahmen wurden mit den Andechser Codices aus dem frühen 16. Jahrhundert schon erwähnt (vgl. Abb. 161). Bei den Graphiken in den Buchdeckeln läßt sich für die Einklebung meist nur der terminus post quem der Vollendung der Handschrift und ihrer Bindung angeben. Meist sind die Blätter auf den Deckelspiegeln aus Papier oder Pergament befestigt. Als typisches Beispiel sei nur Cgm 486 genannt, der vor allem deutsche Texte zur Eucharistie enthält. Ein Lohnschreiber, der für mehrere bayerische Benediktinerklöster arbeitete, fertigte ihn zwischen 1471 und 1477 im Auftrag des Klosters Tegernsee. Vermutlich war der Band - was nach den Forschungen Christian Bauers ganz allgemein für deutschsprachige Literatur in diesem Kloster anzunehmen ist - für die Laienbrüder bestimmt.192 Der Holzschnitt des hl. Christopherus (Sehr. 1374, s. Abb. 142) dürfte zwar etwa zur gleichen Zeit wie der Codex entstanden sein, doch muß unbestimmt bleiben, wann er eingefügt wurde. Weder dieses Bild noch der Teigdruck der hl. Katharina auf dem hinteren Spiegel (Sehr. 2836) stehen in irgendeiner Beziehung zu den Texten des Buches. Häufig klebte man Druckgraphiken nachträglich in die Deckel von Brevieren. Auch hier sind - abgesehen von der Tatsache, daß etwa Passionsbilder in den meisten geistlichen Büchern nie ganz fehl am Platze sind - im allgemeinen keine

191 Zwar mahnten gerade die Klosterreformer des 15. Jahrhunderts zu vorsichtiger Ablaßverkündung - die 'Consuetudines Tegernseenses' enthalten z. B. eine entsprechende Anweisung fiir den Pleban (in der Edition von ANGERER 1968, S. 229). Doch brachten die Schreiber etwa von Tegernseer und Indersdorfer Handschriften in den Rubriken und in nachgetragenen Randnotizen zu Gebeten in großer Zahl Ablaßversprechen an. 192 Tatsächlich findet sich in der Handschrift eine Widmung an den Tegernseer Konversen Jodocus (fol. 269 V ). Siehe zu diesem Problem die grundlegende Studie von BAUER 1996, speziell zu Jodocus und zu Cgm 486 s. dort v. a. S. 18 Anm. 63, S. 115 und Register S. 301.

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direkten Zusammenhänge mit dem Inhalt festzustellen. Wenig eindrucksvolle, doch sehr typische Beispiele sind etwa der kleine Holzschnitt der Dornenkrönung (Sehr. 319b) und der Metallschnitt der hl. Apollonia (Sehr. 2541o, s. Abb. 143), die auf den Deckeln des Breviers Clm 20081 kleben. Nicht einmal die Inschrift, die eine Tegernseer Hand des späten 15. Jahrhunderts über der hl. Apollonia anbrachte, bezieht sich auf das Bild: Libri conservantur a vermibus... - sie handelt davon, wie man Bücher vor Wurmbefall bewahren kann. Gelegentlich aber kleben die Graphiken direkt auf dem Holz der Deckel. Nur in diesen Fällen kann angenommen werden, daß die Blätter schon beim Binden des Buches eingefugt wurden. Sie dienten dann selbst als Spiegel, der in der Regel bei jeder Bindung auf das Holz geklebt wurde, um die Lederränder abzudecken und das erste und letzte Blatt zu schützen. Ein solcher Fall liegt etwa bei Clm 19007 vor. Diese Handschrift, die vor allem lateinische Gebete und Hymnen enthält, wurde aus Teilen unterschiedlichen Alters - der früheste stammt etwa aus der Jahrhundertmitte des 15. Jahrhunderts - im letzten Viertel des Jahrhunderts zusammengebunden. Das belegen die Einzelstempel des Ledereinbands, die erst zu dieser Zeit in der Tegernseer Buchbinderei verwendet wurden.193 In dieser Werkstatt wurden dann vermutlich die beiden Holzschnitte des hl. Petrus (Sehr. 1653a) und hl. Bartholomäus (Sehr. 1267a, s. Abb. 144) aus einer Apostelfolge als Spiegel in die Holzdeckel geklebt. Sie sind Teil einer Kopienreihe, deren älteste datierbare Drucke um die Mitte des 15. Jahrhunderts entstanden.194 Doch befanden sie sich zum Zeitpunkt des Abdrucks nicht mehr im besten Zustand, wie die zahlreichen Ausbrüche zeigen. Der Codex enthält zwar ein Gebet zu Bartholomäus (fol. 161r/v), doch ist fraglich, ob der Bezug zu einem so kleinen Textstück bei der Auswahl des Deckelschmucks eine Rolle spielte. Nachträglich wurden Bilddrucke nicht nur in die Deckel, sondern gelegentlich auch in zufällig freigebliebene Räume zwischen den Textstücken geklebt. Mit einem Teil des verlorenen Bildschmucks der Gebetssammlung Clm 20007 wurde schon ein solcher Fall genannt. Ein weiteres Beispiel ist Clm 20020, der Texte zum Kranken-, Sterbe- und Begräbnisritus enthält. Hier klebte man einen Holzschnitt des hl. Bernhard, der von Christus umarmt wird (Sehr. 1276f), nach dem Ende eines Augustinus zugeschriebenen Gebets für die Sterbestunde ein, wo zufallig eine halbe Seite freigeblieben war (Abb. 146). Die Darstellung bezieht sich nicht konkret auf den Text - es sei denn, man sähe in ihr ein Exempel für den im Sterbegebet erbetenen göttlichen Gnadenerweis. Auch hier ist eine beträchtliche zeitliche Differenz zwischen der Entstehung des Bildes und des

193 Hier die Stempel KYRISS 1954, Taf. 69, Nr. 1, 2, 6. Zu ihrer Verwendung in der Buchbinderei von Tegernsee s. KYRISS 1951, S. 31. 194 Die Münchner Blätter sind gegenseitige Varianten der Apostel-Credo-Folge Sehr. 1759c (vgl. den Bartholomäus mit Sehr. 1759c-8, s. Abb. 145), die ca. 1452-55 abgedruckt wurde und im Nürnberger Katharinenkloster Verwendung fand (s. Kap. II. 1.7.). Diese ist nicht die direkte Vorlage, wie unterschiedliche Mißverständnisse in der Faltenführung zeigen. Die Vorbilder sind vielleicht in Nürnberg zu suchen; vgl. die gedrungenen, blockhaften Figuren des Meisters des Tucher-Altares.

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Textes zu beobachten: Der Holzstock dürfte nicht lange nach 1450 geschnitten worden sein, während der Codex erst nach 1480 entstanden ist.195

3.7. Die Rolle der Buchbinderei Ein ähnlicher Fall scheint auf den ersten Blick Clm 19802 zu sein. Das Buch ist aus heterogenen Stücken zusammengebunden. Zwischen Teilen, die in den 60er und 70er Jahren des 15. Jahrhunderts auf Papier geschrieben wurden, 196 befindet sich ein aus 27 Pergamentblättern bestehendes Stück aus dem 14. Jahrhundert. Die Handschrift enthält Passionsbetrachtungen und -gebete, diverse theologische Exzerpte und Heiligengebete.197 Zu den Orationen im letzten Teil des Buches wurden neun Holzschnitte und ein Kupferstich verschiedener Heiliger eingeklebt, ein Holzschnitt der Kreuzigung illustriert die Passionsmeditationen, ein weiterer der hl. Gertrud befindet sich im hinteren Deckel. Die Holzschnitte der Heiligen, die etwa 1470—80 entstanden sein dürften, kleben vor oder nach Gebeten auf zufällig freigebliebenen Räumen oder auf ganz leeren Seiten. An keiner Stelle ist zu erkennen, daß die Plazierung der Graphiken und die Einrichtung der Schrift koordiniert wurden. Am deutlichsten wird das am Bild der hl. Apollonia (Sehr. 1239a): Es sollte mit einem Gebet zu dieser Heiligen in Verbindung gebracht werden, das auf fol. 239 r beginnt. Platz dafür war nur auf der vorausgehenden Seite fol. 238 v - und dieser war so beschränkt, daß man den Holzschnitt kurzerhand um 90° gekippt einklebte. Auch den Umstand, daß er sich so mit Gebeten zur hl. Scholastica auf einer Seite befindet und der Leser bzw. Beter erst nach dem Umblättern auf den zugehörigen Text stößt, nahm man in Kauf. An anderer Stelle traf man es etwas glücklicher. Unter dem Marienlied 198 auf fol. 192v war noch genug Platz, um den Verkündigungsholzschnitt (Sehr. 49a, s. Abb. 147) aufzukleben. Es ist zwar anzunehmen, daß man das Blatt lieber dem Text auf fol. 190r^v beifügen wollte, der explizit die Verkündigung behandelt, doch war dort kein freier Raum mehr. Auch an der jetzigen Stelle paßt er thematisch, zumal auf der nächsten Seite ein Gebet zu den Engeln beginnt und auch in den Text über dem Bild als Versikel das auf die Verkündigung bezogene Ave Maria eingeschaltet ist (Z. 9). 195 Datierung der Handschrift durch Wasserzeichen. Zum Holzschnitt vgl. die Varianten der gleichen Darstellung, die in dem um die Jahrhundertmitte entstandenen Codex Cent. V, App. 81 der Nürnberger Stadtbibliothek beim Schreiben eingeklebt wurden. 196 Datiert 1461 (fol. 250 1 ), die jüngeren Teile nach den Wasserzeichen (s.u. Verzeichnis der Handschriften). 197 HAIMERL 1952, S. 66 nannte sie wegen einer an Thomas von Kempens 'De imitatione Christi' angelehnten Passionsbetrachtung (fol. 38 V ) eine der „Devotio moderna nahestehende Handschrift". Die Heiligengebete sind zum großen Teil liturgischer Herkunft, z. T. Antiphonen und Responsorien (zur Scheidung von Gebeten liturgischer Provenienz von solchen außerliturgischen Ursprungs s. OCHSENBEIN 1988, S. 380). 198 Salue Maria regina, quae deum genuisti... Auch in Cgm 716, fol. 133 v ; als Motette verzeichnet bei FRIEDRICH GENNRICH, Bibliographie der ältesten französischen und lateinischen Motetten (Summa musicae medii aevi 2) Darmstadt 1957, Nr. 945.

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Bezüglich der Art und des Zeitpunkts der Einfügung fällt der Kupferstich der hl. Dorothea vom Meister mit den Blumenrahmen (L. 99) auf fol. 235 r aus der Reihe: Er ist genau in das Layout der Seite eingebunden (Abb. 148). Der Schreiber ließ in der linken oberen Ecke den entsprechenden Platz frei, um den Stich einzukleben. Zudem trägt das Blatt am unteren Rand eine zweizeilige Anrufung der hl. Dorothea, die von seiner Hand stammt. Es war also ohne Zweifel der Schreiber dieses 1461 fertiggestellten Teiles der Handschrift, 199 der den Kupferstich einklebte bzw. einkleben ließ. Ein weiteres Blatt plante er vielleicht auf fol. 244 v anzubringen. Denn über dem Beginn des Responsoriums zum hl. Antonius ließ er zwei Drittel der Seite frei, Platz genug, um ein Bild von der Größe des Kupferstichs der hl. Dorothea einzukleben. Da sich auch die nachträglich angebrachten Holzschnitte in diesem Teil des Buches befinden, liegt die Vermutung nahe, daß der Kupferstich, der schon beim Schreiben als Gebetsillustration integriert worden war, später die Anregung gab, weitere Blätter einzukleben. Gebunden wurde die Handschrift in ihrer heutigen Form vermutlich im achten oder neunten Jahrzehnt des Jahrhunderts; das Wasserzeichen des jüngsten Teils weist auf diesen Zeitraum. Das Inhaltsverzeichnis und die Besitzvermerke auf den Deckelspiegeln stammen von der Hand des Bibliothekars Ambrosius Schwerzenbeck, der von 1481 bis etwa 1500 die neuen Bücher erfaßte. 200 Eine der Einklebungen beweist nun, daß die Holzschnitte in der Tegernseer Buchbinderwerkstatt in die Handschrift eingefugt wurden. Der Holzschnitt der hl. Afra (Sehr. 177a) auf fol. 249 r wurde nämlich, wie so viele der in Handschriften eingeklebten druckgraphischen Blättchen, mit einer ornamentalen Bordüre umgeben (Abb. 149). In diesem Fall besteht sie jedoch aus dreizehn schwarzen Abdrücken von quadratischen Stempeln, die zusammen ein Rautenmuster mit Lilien ergeben. Es handelt sich um Prägestempel, wie sie zur Bearbeitung des Leders auf Einbänden in der Tegernseer Buchbinderei verwendet wurden. Auf den Holzschnitt selbst wurden weitere kleine Stempel in Blütenform abgedruckt.201 Einer davon findet sich auch auf dem Einband von Clm 19802 wieder. Lederprägungen mit dem Lilienstempel, der zur Umrahmung des Bildes der hl. Afra verwendet wurde, sind auf zahlreichen Einbänden von Tegernseer Handschriften und Drucken erhalten, darunter Clm 19002, Clm 19232, Clm 19908, Clm 19956, Clm 19840 und Clm 20081, Clm 20109 sowie L. impr. membr. 3 (Bd. 1) der Bayerischen Staatsbibliothek (Abb. 150).202 Sie entstanden ab dem letzten Viertel des 15. Jahrhunderts; der Stempel war noch im Jahr 1534 in

199 Datiert auf fol. 250 r . 200

REDLICH 1 9 3 1 , S . 7 8 .

201 Einen der Blütenstempel nennt KYRISS unter den Tegernseer Einzelstempeln der von ihm ab 1478 angesetzten Phase (KYRISS 1954, Taf. 69, Nr. 5). Zur gleichen Gruppe gehört einer der Stempel des Einbandes von Clm 19802 (KYRISS 1954, Taf. 69, Nr. 3).

202 KYRISS kennt diesen Stempel nicht. Er dürfte aber zeitlich zu der gleichen Gruppe gehören, die er ab 1478 ansetzt (s. KYRISS 1951, S. 31).

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Gebrauch. 203 Bezeichnenderweise kleben in den Deckeln dieser genannten Bücher auch Holzschnitte. 204 Man kann also davon ausgehen, daß der Holzschnitt der hl. Afra in der Buchbinderei des Klosters eingefügt und unter Zweckentfremdung ihrer Werkzeuge verziert wurde. Das bestärkt die Vermutung, daß diese Werkstatt für die Anbringung zumindest eines Teils der Graphiken in den Buchdeckeln verantwortlich ist. Schon Geldner hatte dies angenommen, jedoch mit zum Teil falschen Argumenten. 205 Der bestempelte Holzschnitt in Clm 19802 liefert ein sicheres Argument für den Zusammenhang zwischen Graphikeinklebungen und der Tätigkeit der Buchbinderwerkstatt. Zudem belegt die Handschrift, daß die frühe Phase der Ausstattung von Tegernseer Handschriften mit Druckgraphik, die etwa in das sechste und siebte Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts fällt, Anregungen für die Einklebepraxis gegen Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts gegeben hatte. In Clm 19802 wurde die etwa 1461 erfolgte planmäßige Illustration des Gebets zur hl. Dorothea durch einen Kupferstich möglicherweise zum Vorbild für den von den Buchbindern nachträglich ausgeführten Schmuck anderer Heiligengebete. Es war damals wohl gerade eine Holzschnittserie verfügbar, die sich zum Schmuck der Heiligengebete eignete. Da die Auswahl der zur Verfügung stehenden Bilder nicht völlig mit der vorgegebenen Zusammenstellung von Heiligengebeten übereinstimmte, wurden einige Blätter nicht konform mit dem Inhalt eingeklebt. Es schien wichtiger, nach dem Vorbild des schon vorhandenen Kupferstichs überhaupt Buchschmuck einzufügen, als diesen in perfekte Harmonie mit dem Inhalt zu bringen. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, daß es zumindest für spätere Zeit Grund zu der Vermutung gibt, daß der Tegernseer Klosterbibliothekar selbst Einfluß auf die Ausstattung von Buchdeckeln mit Bilddrucken nahm. Ambrosius Schwerzenbeck, der in den letzten beiden Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts in dieser Funktion tätig war, schrieb zwischen 1493 und 1504 die Handschrift Clm 20006, die Hymnen und Rosarien enthält. Er bemühte sich, dem Text eine besondere äußere Form zu geben: So schrieb er mit drei verschiedenfarbigen Tinten und stellte jedem Stück eine Titelseite voran, die er selbst mit der Feder und diesen Tinten eigenwillig fleuronnierte. Auch die Deckelspiegel wurden geschmückt. Noch erhalten ist davon auf dem hinteren Spiegel der Holzschnitt der hl. Dorothea (Abb. 151), der das Christuskind eine Rose überreicht 203 Die Entstehungsdaten der von mir - zufällig und ohne systematische Suche - nachgewiesenen Handschriften, die den Einbandstempel tragen: Clm 20081: 4.V. 15. Jh.; die Inkunabel L. impr. membr. 3: gedruckt 1500; Clm 19232: 1513 (Einband mit diesem Datum gestempelt); Clm 19840: 1519; Clm 19956: ca. 2. Jahrzehnt des 16. Jh.; Clm 19002: 1527; Clm 20109: 1534. 204 In L. impr. membr. 3 klebt der Holzschnitt im zweiten Band, während sich der Stempel nur auf dem ersten findet. Doch waren die beiden Teile dieses Breviers gleichzeitig in der Buchbinderei. 205 GELDNER 1980, S. 219. Er bezeichnete die Druckgraphiken, die tatsächlich auf einem Deckelspiegel befestigt sind, als direkt auf das Holz geklebt. Siehe dazu oben Kap. II.3.2.

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(Sehr. 1399a). Der Bildgegenstand wurde in Assoziation mit dem Rosenkranzthema der Texte ausgewählt. Ambrosius Schwerzenbeck bestimmte selbst die Gestaltung des Einbandes: Dieser ist außen nicht nur mit Blüten-, Eichel- und Herzstempeln verziert, sondern auch mit dem Schriftzug frater ambro, der mit Letterstempeln eingeprägt ist.206 Der Schluß liegt nahe, daß der Bibliothekar auch für die Gestaltung der Innenseite der Deckel mit Holzschnitten verantwortlich ist. Ein anderer zum Teil von Schwerzenbeck geschriebener Codex ist Clm 18741. Auch die Deckel dieses zwischen 1473 und 1500 datierten Buches sind mit Graphiken geschmückt, die jedoch mehrere Jahrzehnte älter sind. Vorne klebt ein Holzschnitt des hl. Augustinus (Sehr. 1244), hinten ein Metallschnitt der Stigmatisierung des hl. Franziskus (Sehr. 2626 II, s. Abb. 152).207 Letzterer läßt sich mit zwei Hymnen zu diesem Heiligen in Verbindung bringen, die Schwerzenbeck auf fol. 18r geschrieben hatte. Nun stammt auch der Eintrag zwischen den beiden Spruchbändern auf dem Metallschnitt eindeutig von der charakteristischen Hand des Bibliothekars. Auch wenn ihr Sinn im Zusammenhang mit dem Bild nicht klar ist,208 so beweist sie doch, daß er sich mit der Darstellung auseinandergesetzt und sie benutzt hat. Schwerzenbecks Aufgaben waren vielfältig. Er hatte nicht nur den riesigen und ständig anwachsenden Bestand zu systematisieren und zu katalogisieren, sondern auch zu prüfen und zu korrigieren. Er organisierte die Tischlesungen, legte Inhaltsverzeichnisse und Register an. 209 Handschriften wie Clm 20006 und die kleinen Federzeichnungen von Tegernseer Seerosen, die er in vielen Handschriften und Inkunabeln anbrachte, zeigen sein persönliches Interesse auch an der äußeren Gestaltung von Büchern. Er kümmerte sich offenbar auch um die Bindung; denn öfters vermerkte er, wann - und manchmal von wem - die Bücher eingebunden wurden. 210 Das stärkt die Annahme, daß Schwerzenbeck wenigstens bei den genannten, von ihm selbst geschriebenen Codices Einfluß auf die Einfügung von Druckgraphiken in die Deckel genommen hatte. Solche Fälle lassen sich in Tegernseer Codices in großer Zahl anfuhren. Fast immer weisen dann die Schreibdaten, Wasserzeichen oder Einzelstempel des Einbandes in das letzte Viertel des 15. oder gar auf den Beginn des 16. Jahrhunderts.

206 REDLICH 1931, S. 78 nahm sogar an, Schwerzenbeck hätte den Einband selbst gepreßt. 207 Von SCHREIBER 1926, S. 27 dem Meister der Aachener Madonna zugeschrieben. Er dürfte um etwa 1460 geschnitten worden sein. 208 Es handelt sich um sieben Verben, die mit kleinen darilbergestellten Ziffern von 1 bis 7 numeriert sind: Aptant • dant • occupant • assuescant • delectant • mitigant • arcent. 209 Zu seiner Tätigkeit s. REDLICH 1931, S. 78-84, HAUKE 1972, S. 224 f. Zur Tegernseer Bibliotheksorganisation BAUER 1996, S. 40-44. 210

S i e h e REDLICH 1 9 3 1 , S. 7 8 A N M . 3 9 ; SCHOTTENLOHER 1 9 4 8 , S . 9 1 .

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3.8. Zur Herkunft der in den Tegernseer Handschriften verwendeten Druckgraphiken Die Entstehungsorte der Druckgraphiken, die in den Tegernseer Handschriften verwendet wurden, sind - soweit sie nach dem Stand der Forschung und angesichts der methodischen Probleme bei der Lokalisierung früher Druckgraphik überhaupt konkret zu benennen sind211 - weit gestreut. Anders als im Nürnberger Katharinenkloster, wo die lokale Produktion deutlich im Vordergrund steht, findet man in einer Tegernseer Handschrift wie dem Muscus devotionis Clm 19352 einen möglicherweise bayerischen Metallschnitt mit einem obersowie einem niederrheinischen Kupferstich vereint. Man war also in Tegernsee in den 1450er Jahren in der Lage, druckgraphische Erzeugnisse verschiedenster Regionen zu beschaffen: Kupferstiche aus oberrheinischer ('Schule des Meisters der Spielkarten', Meister E. S.) wie auch aus niederrheinischer Produktion (Meister des hl. Erasmus, des Dutuitschen Ölbergs, Meister mit den Blumenrahmen etc.), Metallschnitte aus Köln ebenso wie Holzschnitte aus Bayern (wie die Passionsblätter von Clm 19957, 20131, 20132 und 20162, die wahrscheinlich in München gedruckt wurden, s. Kap. III.l.). Der süddeutsche Graphikmarkt dieser Zeit ist noch kaum erforscht. Die Grundlage müßte eine Zusammenstellung der für das 15. Jahrhundert gesicherten Besitzer und -benutzer von Druckgraphik sein, was in der vorliegenden Arbeit nicht zu leisten war. So ist an dieser Stelle nur festzuhalten, daß sich bayerische Klöster wie Tegernsee oder St. Emmeram (s. u.) in keiner Weise auf regionale Quellen beschränken mußten. Ein wesentlicher Unterschied zum Katharinenkloster ist der, daß Tegernsee nicht wie das Nürnberger Kloster aus der städtischen Produktion schöpfen konnte. Die Benediktinerabtei lag relativ weit abgeschieden von größeren Zentren. Doch verfugte sie wie kaum ein anderes süddeutsches Kloster zu dieser Zeit über weitgespannte, auch internationale Beziehungen, die wohl für den Erwerb von Bilddrucken eine Rolle gespielt haben dürften. Tegernsee besaß von manchen Graphiken mehrere Exemplare. Ein solcher Fall wurde mit den beiden Stichen des Kalvarienbergs vom Meister des Dutuitschen Ölbergs (L. 38) schon genannt, die Paulus Steger in zwei seiner Handschriften einklebte. Als weitere Beispiele von Handschriftenpaaren, die Exemplare der jeweils gleichen Darstellung enthalten, seien nur Cgpn4590- Clm 18964, Clm 3079 - Clm 19352, Clm 5011 - Clm 19930212 und Clm 20007 - Clm 20110 genannt.213 Im Fall des Teigdruckes der Beweinung (Sehr. 2807=2806), von dem

211 Vgl. zu diesem Komplex SCHMIDT 1998. 212 Clm 5011 kam zwar aus dem Kloster Benediktbeuern in die Münchner Hof- und Centraibibliothek; der Codex wurde aber in Tegernsee geschrieben und gebunden, wie die Einbandstempel beweisen. Er wurde also vermutlich nach Benediktbeuern getauscht oder geschenkt. Zum Handschriftentausch zwischen diesen beiden Klöstern s. den Überblick zur Bibliotheksgeschichte Benediktbeuerns bei GLAUCHE 1994, S. VII-XVIII. 213 S. u. im Verzeichnis der Handschriften zu den Druckgraphiken, die in mehreren Exemplaren in diesen Codices überliefert sind.

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sich Exemplare nicht nur in dem Tegernseer Cgm 4590 und dem Andechser Clm 18964, sondern auch in Clm 9483 aus dem Benediktinerkloster Niederaltaich finden, 214 wäre zu überlegen, ob dieser Befund im Zusammenhang mit dem Kontakt dieser Klöster zu sehen ist.215 Dasselbe gilt für den Kupferstich der Gregorsmesse, der sich im Tegernseer Codex Clm 20096 wie auch in Clm 7836, der aus dem mit Tegernsee eng verbundenen Stift Indersdorf stammt, findet. Zu fragen wäre auch, ob der Gebrauch von Druckgraphiken zum Handschriftenschmuck in Ebersberg auf Tegernseer Anregung zurückgeht. In sieben Bänden aus diesem Benediktinerkloster sind noch acht Holz-, Metallschnitte und Teigdrucke erhalten 2 , 6 Das ist wenig im Vergleich mit Tegernsee, liegt aber deutlich über dem Durchschnitt der bayerischen Klöster. Einer dieser Ebersberger Codices, die 1465 vollendete Sammelhandschrift Clm 6043, enthält zwei Teigdrucke (Sehr. 2783 und 2804), die der gleichen Folge angehören und mit den gleichen charakteristischen orange-braunen Prägeschichten hergestellt wurden wie die genannten Exemplare der Beweinung (Sehr. 2807=2806), die in einem Niederaltaicher und zwei Tegernseer Codices Verwendung fanden. Sie stammen vermutlich aus derselben Werkstatt. Ebersberg stand durch die Beziehung zum Melker Reformkreis mit Tegernsee in Verbindung und wurde von dort aus visitiert.217 Bei der Visitation von 1450, die der Tegernseer Abt Kaspar Ayndorffer und der Freisinger Generalvikar Johannes Grünwalder durchführten, wurde explizit die Katalogisierung, sachgerechte Aufstellung und Aufbewahrung der Bücher angemahnt. 218 Doch wird kaum je zu klären sein, ob in solchen Fällen tatsächlich eine Beziehung der Klöster oder eine nur zufällig gemeinsame Bezugsquelle der Bilder der Grund für die parallele Verwendung von Druckgraphiken ist. Das gleiche gilt für das Benediktinerkloster Weihenstephan, aus dessen Besitz noch elf Bilddrucke in fünf Handschriften 219 sowie ein mit 192

214 Sie sind nicht nur mit derselben Platte gedruckt; auch die Zusammensetzung und Färbung der Prägeschichten - soweit dies aufgrund des Augenscheins ohne technologische Hilfsmittel zu beurteilen ist - gleichen sich. 215 Zum Kontakt zwischen Tegernsee und Niederaltaich s. REDLICH 1931, S. 51, S. 149. 216 Clm 5897: Zeugdruck Kreuzigung (Sehr. 2568). Clm 5918: Metallschnitt Bernhardin von Siena (Sehr. 2568). Clm 5945: Holzschnitt Bernhardin von Siena (Sehr. 1279a). Clm 5999: Metallschnitt hl. Christopherus (Sehr. 2599). Clm 6000: Metallschnitt hl. Antonius (Sehr. 2538). Clm 6019: Teigdruck Schmerzensmann (Sehr. 2817). Clm 6043: Teigdruck Geißelung (Sehr. 2783). 217 ANGERER 1974, S. 64 bezeichnet neben Tegernsee nur folgende bayerische Klöster als wirklich von der Melker Reform erfaßt: Andechs, Ebersberg, Weihenstephan, Benediktbeuern, Scheyern, Wessobrunn. Zu den Visitationen des Klosters Ebersberg s. NIEDERKORN-BRUCK 1994, S. 185. Im Jahr 1449 ging Ebersberg mit Tegernsee eine Gebetsverbrüderung ein, s. NIEDERKORN-BRUCK 1 9 9 4 , S. 1 8 5 . 218

NIEDERKORN-BRUCK 1 9 9 4 , S. 1 8 5 .

219 Clm 21593: Holzschnitte Schutzmantelmadonna (Sehr. 819a), Christkind mit Blume (Sehr. 1009a) und hl. Christopherus (Sehr. 1376b). Clm 21647: Metallschnitt hl. Leonhard (nicht bei SCHREIBER). Clm 21704: Holzschnitt Sturz der Soldaten vor Christus am Ölberg (Sehr. 214). Clm 21708: Holzschnitt Vera icon (Sehr. 754b). Clm 21725: Kupferstich hl. Katharina,

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Druckgraphik in süddeutschen Klosterbibliotheken

eingedruckten Holzschnitten ausgestatteter, doch von einem gewerblichen Schreiber erworbener Heilsspiegel (s. Kap. III. 1) erhalten sind. Auch Weihenstephan gehörte zu den bayerischen Klöstern des Melker Reformkreises, die mit Tegernsee in engem Austausch standen.220 Auch hier sind keine präziseren Aussagen über den Zusammenhang dieser Tatsache mit der druckgraphischen Illustrationspraxis zu treffen. Festzuhalten bleibt vorerst nur die Beobachtung, daß Ebersberg und Weihenstephan in der Statistik des nachweisbaren Druckgraphikbesitzes bayerischer Klöster - die freilich nur sehr bedingt aussagekräftig ist - gleich auf Tegernsee, Andechs und St. Emmeram (von dem noch zu handeln sein wird) folgen.

3.9. Holzschnittproduktion im Kloster? Was die Herkunft der Bilddrucke in den Tegernseer Handschriften betrifft, darf die in der Literatur öfter angestellte Vermutung nicht unerwähnt bleiben, im Kloster wären selbst Holzschnitte hergestellt worden. Ausgangspunkt war der Kruzifixus mit den Tegernseer Seerosenwappen (Sehr. 932, s. Abb. 99). 221 „Zweifellos waren in Tegernsee auch Holzschneider tätig", schrieb Geldner im Jahr 1955.222 „Als frühe Klosterwerkstatt läßt sich z. B. mit einiger Wahrscheinlichkeit Tegernsee nennen", bemerkte Kuhrmann noch 1970.223 Wieso der Holzschnitt nicht auch eine Auftragsarbeit sein kann, wurde dabei nie begründet. 224 Auch empfand man keinen Erklärungsbedarf in der Frage, wieso von den Holzschnitten, wenn sie doch aus der Massenproduktion des eigenen Hauses stammen sollen, nur Unikate bzw. jeweils maximal zwei Exemplare in Tegernseer Besitz nachzuweisen sind. Zwischen Besteller und Entstehungsort wurde nicht differenziert.225 Ebensowenig zwischen Überlieferungs- und Ursprungsort: So hielt Kopie nach Meister E. S. (L. 166), Holzschnitt Domenkrönung (Sehr. 319a), Holzschnitt Madonna in der Glorie (Sehr. 1093a), Holzschnittfragment hl. Jakob (Sehr. 1752e). 220 Zur Beziehung zwischen Weihenstephan und Tegernsee s. REDLICH 1931, S. 133, S. 149. 221

U . a. v o n HIND 1 9 3 5 , S. 1 0 8 ; HÖHN 1 9 3 6 , S. 4 ; SCHREIBER in HEITZ, E i n b l a t t d r u c k e B d . 3 0 ,

S. 22 (Nr. 9): „So werden wir das Kloster auch weiterhin als den Entstehungsort betrachten müssen." GELDNER 1980, S. 227 sagt von Sehr. 932, daß er „durch das zweimal eingestempelte Wappen nicht als Tegernseer Besitz, sondern als Erzeugnis der Klosterwerkstatt bezeugt ist." Vorsichtiger ist KÖRNER 1979, S. 94: Sehr. 932 wäre „in oder für Tegernsee gefertigt". 222

GELDNER 1 9 5 5 , S. 2 7 4 .

223 KUHRMANN in Frühzeit des Holzschnittes 1970, S. XI. 224 Etwas vorsichtiger als die zitierten Autoren formulierte STEWART 1980, S. 189, daß der Tegernseer Kruzifix das Produkt eines wandernden Holzschneiders sein könnte, der vielleicht im Kloster für die Mönche arbeitete. Von der Vorstellung der Entstehung innerhalb der Klostermauern wollte aber auch er sich nicht grundsätzlich lösen. 225 Ganz abgesehen davon, daß die Wappen von getrennten kleinen Holzstöcken aufgedruckt wurden (ihre Position gegenüber dem Kruzifix ist bei dem Münchner Exemplar eine etwas andere als bei dem Nürnberger). Das kann sogar nachträglich auf die Blätter des Kruzifix' geschehen sein, die dann vielleicht auch anderweitig - ohne Bezug zu Tegernsee - verwendet werden konnten. - Nur GELDNER 1980, S. 226 konstruierte kühn auch einen Graphikhersteller,

Benediktinerkloster Tegernsee

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Geldner die erwähnte Kreuzigung Sehr. 395a (Abb. 100) für einen der ältesten Tegernseer Holzschnitte, nur weil sie in einer Handschrift der Klosterbibliothek (Clm 18663) klebt. 226 Besonders dieses Beispiel demonstriert, wieviel Vorsicht bei solchen Schlüssen angebracht ist: Zeigt doch die genauere Untersuchung des Codex, daß er dem Kloster erst Ende des 15. Jahrhunderts geschenkt worden war (s. o. Kap. II.3.2). Die kunsthistorische Literatur bietet in dieser Hinsicht ein ähnliches Bild wie im Fall des Nürnberger Katharinenklosters: Die These von der Holzschnittproduktion in Tegernsee entspringt letztendlich der romantischen Vorstellung von frommer künstlerischer Tätigkeit im Kloster. 227 Diese geht jedoch an der Realität des 15. Jahrhunderts vorbei; das zeigt schon die Tatsache, daß in dieser Zeit bis auf einige dilettantisch federzeichnende Schreiber kein als Buchmaler tätiger Mönch im Kloster nachzuweisen ist. 228 Tegernsee hatte sich bei der Massenherstellung von Handschriften auf die rationellen Produktionsstrukturen der Zeit eingestellt. Überhaupt ist der Kruzifix Sehr. 932 ein Lehrstück undifferenzierter kunsthistorischer Urteile - nicht nur, was die mangelnde Unterscheidung zwischen Überlieferungs- und Ursprungsort sowie Be- und Hersteller betrifft, sondern auch in Datierungsfragen. Bewies doch die Untersuchung der Wasserzeichen beider Exemplare, daß sie erst um 1486/87, also mindestens ein halbes Jahrhundert nach der aufgrund rein stilistischer Argumente allgemein angenommenen Datierung gedruckt wurden. 229 Die späten Wasserzeichen korrespondieren mit dem Besitzvermerk auf dem Münchner Exemplar, der von der Hand des zwischen 1481 und 1500 tätigen Bibliothekars Ambrosius Schwerzenbeck stammt. 230 Diese Fakten konnten jedoch das kunsthistorische Beharren auf der stilistischen Datierung ins frühe 15. Jahrhundert nicht erschüttern. Eine etwas hilflose Lösung des Widerspruchs suchte man etwa in dem Hinweis, daß der Druckstock wohl schon sehr lange in Benutzung war, als die erhaltenen Abzüge entstanden. 231 Dem steht jedoch der relativ gute Zustand des Holzstocks entgegen: Er zeigt zwar einige kleinere Ausbrüche, die aber keinesfalls von einer Verwendungszeit von etwa 50-60 Jahren zeugen. Bevor man zur letzten verbleibenden hypothetischen Erklä-

der für Tegernsee tätig gewesen sein soll: Einen Münchner Bürger Christoph Sintter, der in einer Gebetsverbrüderung mit Tegernsee stand, deutete er als „Snitter", d. h. Holzschneider, der nach Vorzeichnungen von Gabriel Mäleskircher für das Kloster gearbeitet haben könnte. 226

GELDNER 1 9 8 0 , S. 2 2 7 .

227

SCHREIBER

231

S o MÖHRING 1 9 9 7 , S . 1 9 6 .

1895, S . 257 schloß allein aus den Themen, daß die Heiligen-Holzschnitte vermutlich hauptsächlich von „Geistlichen" hergestellt wurden. 228 Zur Frage der Buchmalerei im Kloster Tegernsee zu jener Zeit und der irrtümlichen Bezeichnung von Schreibern wie Bruder Anton Pelchinger als Illuminatoren s. u. 229 Vgl. für das Nürnberger Exemplar die Mitteilung Piccards an die Graphische Sammlung vom 3.5.1973 (Notiz auf dem Passepartout), für das Münchner vgl. Frühzeit des Holzschnittes 1970, S. 4. 230 Auch das Exemplar des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg (Inv.-Nr. H 5583) kommt mit großer Wahrscheinlichkeit aus einer Tegernseer Handschrift oder Inkunabel. Es stammt wohl aus dem Dublettenverkauf der Kgl. Hofbibliothek in München und gelangte schließlich 1893 über die Auktion von Gutekunst nach Nürnberg.

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Druckgraphik in süddeutschen Klosterbibliotheken

rungsmöglichkeit greift - die Annahme, der Holzstock wäre ein halbes Jahrhundert unbenutzt gelagert worden, bis man in den 1480er Jahren unverhofft wieder auf die Idee kam, ihn abzudrucken - sollten besser Überlegungen über Kopien nach älteren Vorbildern und retrospektive Tendenzen im Holzschnitt angestellt werden. Unbestritten sei, daß etwa die Faltenformen des Lendentuchs Christi motivisch auf das frühe 15. Jahrhundert weisen. Doch muß zwischen Motiv und Ausführung unterschieden werden: Tatsächlich ist es fraglich, ob die harte Linienführung und die Gesichtszüge des Kruzifix überhaupt eine Datierung des Stocks um 1420-30, wie allgemein angenommen, 232 erlauben. Dieser Frage kann hier nicht weiter nachgegangen werden. Doch zeigt der Kruzifix einmal mehr die Notwendigkeit, beim Holzschnitt als reproduktivem Medium eine zeitliche Trennung von Schnitt und Druck wie auch von Vorlage und Schnitt ins Auge zu fassen und methodische Konsequenzen für Datierungsfragen zu ziehen. Doch auch wenn der Holzschnitt eine späte Auftragsarbeit sein sollte, bleibt die Frage von Interesse, wieso das Kloster einen Bildruck dieses Themas mit seinem Wappen versehen ließ - und ob es nur Zufall ist, daß auf eine so veraltete Vorlage bzw. altertümliche Formensprache zurückgegriffen wurde. Festzustellen ist, daß in Tegernsee mindestens ein wundertätiges Bild des Gekreuzigten verehrt wurde. Es gab einen Kruzifix, vor dem nach der Legende schon Kaiser Heinrich II. gebetet haben soll. 233 Ein anderes Tegernseer Bild des Gekreuzigten, sculpta in marmoreum lapidem, soll im Jahr 1370 wunderbarerweise geweint haben. 234 Es ist ein reizvoller - wenngleich nicht zu beweisender - Gedanke, daß der Holzschnitt eine durch das Wappen bezeugte Gnadenbild-„Kopie" eines wundertätigen, in Tegernsee verehrten Kruzifix ist. Ob ein Zusammenhang mit einem im Deckel einer Tegernseer Handschrift erhaltenen Gemälde auf Papier besteht, das um etwa 1420-30 zu datieren ist und einen Kruzifix mit dem gleichen Kopftyp des Holzschnittes (geschlossene Augen, hängende Mundwinkel und nach links herabfallende Haare) sowie sehr ähnlicher Handhaltung zeigt, sei dahingestellt. 235 Ganz konkret als Tegernseer Auftrag ist nur ein einziger weiterer Bilddruck nachgewiesen. Es ist das frühestens um 1480 anzusetzende Blatt, das die zehn Gebote, fünf Sinne und sieben Todsünden mnemotechnisch verbildlicht (Sehr. 1849, s. Abb. 153). 236 Rechts unten befindet sich das Tegernseer Wappen mit der 232 Siehe KÖRNER 1979, S. 91-94 mit weiterer Literatur. 233

MÖHRING 1 9 9 7 , S. 6 1 f.

234 Das Wunder wird in der Tegernseer Handschrift München, BSB, Clm 27164, fol. 10r berichtet. Der steinerne Kruzifix befand sich beim Grab des 1186 verstorbenen Abtes Rupert. Daß es wohl nicht mit dem angeblich von Kaiser Heinrich II. verehrten Bild identisch ist, ist nur aus der Tatsache zu schließen, daß in der genannten Handschrift dieses legendarische Alter nicht erwähnt wird. Vgl. zu dem Wunderbericht auch MÖHRING 1997, S. 62. 235 München, BSB, Clm 18095, eingeklebt auf der Innenseite des vorderen Deckels. Die Handschrift stammt aus dem 13. Jahrhundert, wurde aber in den letzten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts neu gebunden und bekam damals neue Vorsatzblätter mit einem 1489 datiertem Inhaltsverzeichnis (auch das Papier stammt aus dieser Zeit, Wz. Ochsenkopf mit Krone ähnlich Picc. XV, 371, nachgewiesen 1489). Das Bild erwähnt auch MÖHRING 1997, S. 196 und Abb. 68. 236

Paris, BN; s. BOUCHOT 1903, Nr. 173.

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xylographischen Beischrift Tegerensee. Wie oben erwähnt, hatte Aretin das Blatt bei der Säkularisation des Klosters beschrieben, bis es in der Sammlung Hennin verschwand und schließlich in die Bibliothèque Nationale gelangte. Während in Tegernsee von jeder Druckgraphik in der Regel nur einer, nie aber mehr als zwei Abzüge nachzuweisen sind, gibt es eine noch weitgehend unbekannte Gruppe von Holzschnitten von einer sehr markanten Hand des letzten Viertels des 15. Jahrhunderts, die mit der erstaunlichen Zahl von insgesamt 18 Blättern von 8 Darstellungen fast ausschließlich Tegernseer Provenienz überliefert ist. Unter diesen Holzschnitten befinden sich drei Exemplare eines hl. Quirinus mit einem Wappenschild, das zwar leer ist, auf zwei Exemplaren jedoch mit Feder und Tinte die Tegernseer Seerosen erhielt (Abb. 154, 155).237 Quirinus war der Patron von Tegernsee, seine Reliquien in der Klosterkirche ein verehrtes Wallfahrtsziel.238 Unzweifelhaft steht dieser Holzschnitt im Zusammenhang mit dem Kloster. Die Häufung weiterer Blätter von derselben Hand in verschiedenen Bänden der Bibliothek läßt vermuten, daß dieser Holzschneider, dem hier aus praktischen Gründen der Notname Quirinus-Meister gegeben werden soll, im Auftrag des Tegernseer Konvents arbeitete. Von der Rahmung her gehört der Holzschnitt einer Madonna (Abb. 156) zur gleichen Heiligenfolge wie der Quirinus. Drei Exemplare davon sind in Tegernseer Codices und einem Druck erhalten. Ein viertes befindet sich in der Bibliothèque Nationale, stammt aber aus der Sammlung Michel Hennins, der ja nachweislich bayerische Zimelien geplündert hatte.239 Aus dem Leben Mariae und Christi ist ein Holzschnitt der Verkündigung in zwei,240 der Kreuztragung241 in drei und der Kreuzigung242 in vier Exemplaren erhalten, die sich alle in Handschriften und Inkunabeln der Tegernseer Bibliothek befinden oder befanden (Abb. 157-159). Aus dem Kloster stammt auch eine Gregorsmesse von der Hand

237 Sehr. 1666. Ein Exemplar in Paris, CR, dessen Provenienz sich nur bis in die Sammlung Weigel zurückverfolgen läßt (WEIGEL- ZESTERMANN 1866, Nr. 307; beschrieben bei BLUM 1956, Nr. 22). Die mit Feder in das Wappenschild eingetragenen Tegernseer Seerosen beweisen jedoch die Herkunft aus dem Kloster, ebenso wie auch auf dem Exemplar in München, SGS (Inv.-Nr. 68734), das am unteren Rand zudem den Besitzvermerk Tegernsees trägt. Ein dritter Abdruck im hinteren Deckel eines 1500 gedruckten Breviers aus der Tegernseer Bibliothek (München, BSB, L. impr. membr. 3, Bd. 2; GW 5188, s. Bayerische Staatsbibliothek, Inkunabelkatalog Bd. 1, S. 560). 238 Zum Kult des hl. Quirinus in Tegernsee vgl. WEISSENSTEINER 1982, S. 35-41, 83-100. 239 Sehr. 1062. Die Münchner Exemplare in Clm 19840, Rd., Clm 20177, Vd. und L. impr. membr. 3, Bd. 2, Vd. (s. zu diesen und den im folgenden genannten Handschriften die Einträge im Verzeichnis der Handschriften). 240 Sehr. 38. In München, BSB, Clm 19999, fol. 57 v und München, SGS, Inv.-Nr. 171502. Letzteres Blatt stammt aus einer Inkunabel der Tegernseer Klosterbibliothek (München, BSB, Inc. s. a. 162g). Vom gleichen Holzstock gedruckt ist vermutlich die von Schreiber getrennt aufgenommene Verkündigung Sehr. 36 (London, BM), doch war dies ohne Autopsie nicht sicher zu entscheiden. 241 Nicht bei SCHREIBER. In den Tegernseer Codices Cgm 116, als fol. III (ungez.) an einen Papierfalz geklebt; C l m 1 9 9 2 4 , Vd.; C l m 2 0 0 0 2 , Rd.

242 Nicht bei SCHREIBER. In Cgm 116, als vorletztes Blatt eingeklebt, Clm 19924, fol. 2 r , zwei Exemplare in Clm 19999, fol. 48 r , fol. 75 r .

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Druckgraphik in süddeutschen Klosterbibliotheken

des Quirinus-Meisters (Abb. 160).243 Angesichts der engen Verbindung zwischen Tegernsee und Andechs verwundert es nicht, den Holzschnitt eines hl. Nikolaus dieses Meisters in einer Handschrift vom Heiligen Berg zu finden (Abb. 161).244 Die Werke dieses Holzschneiders zeigen, wie sich die Überlieferung von Bilddrucken darstellt, die mit großer Wahrscheinlichkeit im Klosterauftrag geschaffen wurden. Es ist dann auf jeden Fall mit der Verwendung einer größeren Zahl von Blättern in jeweils mehreren Exemplaren zu rechnen. Derlei ist früher jedoch nicht festzustellen. Solange keine neuen Beweise erbracht werden, muß man davon ausgehen, daß bis auf den Kruzifix mit den Klosterwappen (Sehr. 932) und dem katechetischen Blatt (Sehr. 1849) vor der Tätigkeit des QuirinusMeisters keine Bilddrucke im Tegernseer Auftrag hergestellt wurden.

3.10. Reform und Handschriftenproduktion in Tegernsee Ob es um die Geschichte der Theologie, Philosophie oder Literatur des 15. Jahrhunderts geht - die Bibliothek des Klosters Tegernsee, die im Jahr 1494 nicht weniger als 1738 Bände besaß, 245 ist für die Erforschung der verschiedensten Bereiche der Kulturgeschichte eine der berühmtesten Quellenfundgruben. „Wenn ein Kloster im fünfzehnten Jahrhundert den Rahmen vorwiegend konservierender Geistespflege sprengte, dann war es Tegernsee", wie Hubert Glaser feststellte. 246 Die Voraussetzung für diese Entwicklung war jedoch erst der Anschluß des Klosters an die von dem österreichischen Benediktinerstift Melk ausgehende Reformbewegung. Zu Beginn des Jahrhunderts war die Lage des Klosters durch wirtschaftliche Schwierigkeiten, mangelnde Ordensdisziplin und kulturelle Unproduktivität gekennzeichnet - Faktoren, die sich gegenseitig bedingten. 247 So hatte Abt Ayndorffer bei seinem Amtsantritt im Jahr 1426 die gewaltige Schuldenlast von 13000 fl zu beklagen. 248 Den Zustand der Bibliothek beschrieb er als desolat, Handschriften scheinen zu dieser Zeit kaum angefertigt worden zu sein. 249 Die Visitatoren fanden es zu dieser Zeit nötig, Trinkgelage und Würfelspiel zu verbieten, Jagdhunde und Frauen aus dem Kloster zu verbannen und den Mönchen die Anfertigung von Kleidern durch eigene Schneider zu untersagen. 250 Ähnliche Zustande sind auch für andere Klöster in Österreich und Bayern

243 Sehr. 1480a. Erhalten in Clm 19824, fol. 40 v . 244 Clm 3112d, fol. 18 v . Nicht bei SCHREIBER. 245 Der Klosterbibliothekar Ambrosius Schwerzenbeck zählte in jenem Jahr diese Büchermenge. Dabei wurde nicht zwischen Handschriften und Inkunabeln unterschieden; s. REDLICH 1931, S. 80 Anm. 53. 246

GLASER 1 9 6 9 , S. 7 2 2 .

247 Zu den allgemeinen Problemen des Ordenswesens im späten Mittelalter s. ELM 1980 (mit älterer Literatur), der sich auch mit den gängigen Krisentheorien kritisch auseinandersetzt. 248

WESSINGER 1 8 8 5 , S. 2 2 8 .

249

REDLICH 1 9 3 1 , S . 7 2 ; GLAUCHE in M B K B d . I V , 2 , S . 7 3 6 .

250

ANGERER 1 9 6 8 , S. 8.

Benediktinerkloster Tegernsee

195

dokumentiert.251 In dieser Situation ergriff zuerst der österreichische Herzog Albrecht V. die Initiative zur Sanierung der für ihn ökonomisch und politisch wichtigen Benediktinerklöster.252 Zu der Zeit, als auch auf dem Konzil von Konstanz die Reform der Kirche an Haupt und Gliedern diskutiert wurde und von dem 1417 in Petershausen bei Konstanz zusammengetretenen Äbtekapitel der Provinz Mainz-Bamberg konkrete Anweisungen zur Erneuerung der Benediktinerkonvente ausgingen, trug sich der österreichische Herzog mit dem Plan zur Gründung eines Reformklosters. 253 Das traf sich mit den Reformgedanken, die damals an der Wiener Universität entwickelt wurden. Deren Rektor Nikolaus von Dinkelsbühl hatte dort 1415 den Traktat 'Reformationis methodus' 254 mit detaillierten Vorschlägen zur Erneuerung des Ordenswesens erarbeitet. Er riet dem Herzog nicht zur Neugründung eines Klosters, sondern zur Berufung von Mönchen aus dem italienischen Benediktinerkonvent Subiaco, in dem seit 1364 die strenge Observanz vorbildlich durchgeführt wurde, in ein schon bestehendes zentrales Kloster. 255 Zur Durchführung bat Nikolaus von Dinkelsbühl den ehemaligen Wiener Universitätsrektor Nikolaus Seyringer, der sich nach Subiaco zurückgezogen hatte, zur Rückkehr nach Österreich. Am 2. Juli 1418 wurde er zum Abt des Benediktinerklosters Melk bestimmt und die alte Führung abgesetzt.256 Melk wurde zum Ausgangspunkt einer wirkungsvollen, auf die 'Consuetudines Sublacenses' gegründeten Erneuerungsbewegung, im Zuge derer ein großer Teil der österreichischen Benediktinerkonvente visitiert und zur Observanz geführt wurde. Dabei untersuchte eine Kommission die Einhaltung der Regel und den wirtschaftlichen Zustand, verordnete ihnen Korrekturmaßnahmen, vereidigte den Abt auf die Reformvorschriften oder setzte ihn gegebenenfalls ab und legte unwilligen Konventualen das Verlassen des Klosters nahe. 257 Wenn auch die Visitationen sehr mühsam waren und zum Teil auf zähen Widerstand stießen,258 so führte doch die Reform in den Klöstern, in denen sie gelang, stets zur Verbesserung der ökonomischen Lage und kulturellen Tätigkeit. 259 Dieser Erfolg veranlaßte bald auch den Bischof von Freising sowie Herzog Wilhelm III. von Bayern, die Erneuerung der bayerischen Klöster in Angriff zu nehmen. 260 Sie beauftragten Petrus von Rosenheim, ehemaliger Prior von Melk, 251 Die wichtigsten Quellen sind die von den Reformatoren angefertigten Visitationsberichte. S i e h e THOMA 1 9 2 7 , S. 1 2 9 - 1 3 7 ; ANGERER 1 9 6 8 , S. 7 - 1 1 ; DERS. 1 9 7 4 , S. 3 2 - 4 4 ; BRUCK 1 9 8 6 ,

passim. 252 Zum politischen Interesse der Territorialherren an der Klosterreform als Mittel zur Machtkonsolidierung s. ELM 1980, S. 224-228 und DERS. 1989, S. 14 f. 253 Nach BRUCK 1985, S. 3 ging das Vorhaben Albrechts dem Konzil von Konstanz zeitlich voraus. 254 MADRE in 2 V L Bd. 6, Sp. 1048-1059, dort Sp. 1055. BRUCK 1985, S. 4 nennt dagegen die Entstehungszeit 1416/17. 255

ANGERER 1 9 7 4 , S. 4 6 ; BRUCK 1 9 8 5 , S. 4 .

256

ANGERER 1 9 7 4 , S. 4 9 f.

257 Siehe die ausfuhrliche Auswertung der Visitationscharten und -rezesse durch BRUCK 1986. 258 Siehe die Berichte der Visitatoren, bei BRUCK 1986, passim; vgl. auch ANGERER 1968, S. 17. 259 ANGERER 1968, S. 18-20. 260

WESSINGER 1 8 8 5 , S. 1 9 7 .

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sowie Johannes von Ochsenhausen, ebenfalls Melker Konventuale, den Freisinger Generalvikar Johannes Grünwalder und Johannes Rothuet, Dekan von Indersdorf und engagierter Reformer der Augustinerchorherren, mit der Visitation. 261 Ihr erstes Ziel war Tegernsee. Mit der Einsetzung des Abtes Kaspar Ayndorffer im Jahr 1426 begann dort das Reformwerk. Über seine Vorgehensweise bei der Neuordnung des klösterlichen Lebens ist wenig bekannt, deutlich sichtbar sind dagegen die Auswirkungen. Es gelang ihm, die Besitzverhältnisse zu ordnen, die finanziellen Verhältnisse zu konsolidieren, die Gebäude und die Ausstattung des Klosters mit Kultgegenständen zu erweitern. 262 Vor allem ließ er die vernachlässigte Bibliothek rasch ausbauen, so daß sie bald zu den bedeutendsten Ordensbibliotheken des deutschsprachigen Raumes gehörte. 263 Die eigenen Mönche waren nicht in der Lage, den hohen Literaturbedarf zu decken; Handschriften wurden auch gekauft und bei Lohnschreibern in Auftrag gegeben. 264 Darin spiegelt sich der Stellenwert, den die Buchpflege in der Melker Reformbewegung hatte. Die Erneuerung der Liturgie verlangte nach neuen Büchern auf diesem Gebiet und nach der Korrektur der alten. 265 Hinzu kam, daß das Bildungsniveau der Konventualen durch die Beseitigung des Adelsprivilegs angestiegen war; denn auch die Entwicklung Tegernsees war nun vor allem von bürgerlichen, an der Wiener Universität ausgebildeten Mönchen getragen. Das brachte die Bereicherung der Bibliothek um theologische und wissenschaftliche Literatur mit sich; einen besonders großen Stellenwert hatten dabei naturgemäß die Texte der 'Wiener Schule'.266 Wichtig war auch die spirituelle Versorgung mit Gebets- und Erbauungsliteratur.267 Generell wachte man streng über eine im Einklang mit den Reformzielen stehende Auswahl der Texte 268 und hatte besonderes Augenmerk auf die Reinheit ihrer Überlieferung. 269 Die Melker

261 262

THOMA 1 9 2 7 , S. 1 2 7 f. S i e h e WESSINGER 1 8 8 5 , S. 2 1 9 ff.; THOMA 1 9 2 7 , S. 1 4 3 f.; REDLICH 1 9 3 1 , S . 9 3 ; STRIEDER 1 9 4 6 , p a s s i m ; ANGERER 1 9 6 8 , S. 3 5 - 3 7 .

263 Die jüngsten Zusammenfassungen der Tegernseer Bibliotheksgeschichte im 15. Jahrhundert bei GLAUCHE in MBK Bd. IV,2, S. 736-746 sowie BAUER 1996, S. 40-44. 2 6 4 THOMA 1927, S. 143; REDLICH 1931, S. 7 2 - 9 0 . Eine Zusammenstellung von Ausgaben für

Schreiber und Material aus dem Rechnungsbuch des Klosters bei BAUER 1996, S. 40 Anm. 49. 265 Zur Neuordnung der Liturgie im Zuge der Melker Reform s. NIEDERKORN-BRUCK 1994, S. 125-149, zur Brevierreform ebd. S. 133-136. 266 Zum Schrifttum der 'Wiener Schule' und dessen Bedeutung für die Klöster des Melker und T e g e r n s e e r R e f o r m b e r e i c h s s. REDLICH 1 9 3 1 , S. 8 - 7 1 ; HOHMANN 1 9 7 7 , S . 2 5 7 - 2 7 6 ; SCHNELL 1 9 8 4 , S. 2 6 2 f.; BRUCK 1 9 8 5 , S. 1 9 1 - 1 9 8 . 267

BRUCK 1 9 8 5 , S. 1 9 4 .

268 Dazu gehörten die korrigierten liturgischen Texte, das Schrifttum der 'Wiener Schule', die Klassiker der mystisch-aszetischen Literatur sowie Erbauungs- und Gebetstexte, Katechetisches zur Novizenunterweisung und Seelsorge etc. Zur Charakteristik der Bibliothekszusammensetzung der reformierten Klöster s. BRUCK 1985, S. 191-198, speziell zur Zusammensetzung der deutschsprachigen Büchersammlung Tegernsees s. BAUER 1996, S. 44 ff. 269

WILLIAMS-KRAPP

1986/87,

S.

50;

NIEDERKORN-BRUCK

1994,

S.

173.

Die

Tegernseer

Bibliothekare waren stets auch für die Überprüfung und Korrektur der Texte zuständig; s. die 'Consuetudines Tegemseenses' in der Edition von ANGERER 1968, S. 165 Z. 9 - S. 166 Z. 3. In diesem Zusammenhang sind auch die textkritischen Bemühungen in den Klöstern der Melker Reform zu sehen; s. BURKHART ELLEGAST, Die Anfänge einer Textkritik zur Regel des

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Reformer maßen nicht nur der privaten Lektüre, sondern auch dem Schreiben von Texten große Bedeutung als geistliche Übung und Schutz vor schädlichem Müßiggang zu. 270 Zur Grundausstattung jeder Mönchszelle sollten nach Meinung der Melker Visitatoren ein Schreibpult, Feder, Tinte und Papier gehören. 271 Das Schreiben sollte also nicht nur Sache des Skriptoriums, sondern, wie etwa die geistliche Erbauungslektüre, individuelle Übung jedes Einzelnen sein. Welche Wertschätzung man Büchern entgegenbrachte, belegt die Einstufung unerlaubten Radierens oder Beschreibens in den 'Consuetudines Tegernseenses' als Vergehen, von dem nur der Abt selbst absolvieren konnte, 272 oder die Bestimmung, daß die Mönche sich die Hände waschen sollten, bevor sie Bücher in die Zellen nahmen. 273 Die Zahl der Bände stieg so schnell an, daß im Laufe des 15. und frühen 16. Jahrhunderts drei Kataloge angelegt und 1488 ein neues Bibliotheksgebäude errichtet werden mußte. 274 Die Ausstattung von Tegernseer Handschriften mit Druckgraphik ist also im Rahmen dieser neuen, durch die Reform bedingten Buchkultur zu sehen. Während deren Bedeutung für die Inhalte der Handschriften schon verschiedentlich thematisiert wurde, 275 ist die Frage, wie sie sich auf deren äußere Gestaltung auswirkte, noch kaum untersucht. 276 Die Menge von Handschriften, nach denen ein reformierter Konvent wie Tegernsee verlangte, mußte nicht nur geschrieben, sondern auch ausgestattet werden. Zumindest mußten die Bücher gebunden werden, was in Tegernsee in einer leistungsfähigen Klosterwerkstatt geschah. 277 Hergestellt wurden zunächst hauptsächlich schlichte, kaum verzierte Ledereinbände, bis erst im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts umfangreiche Blindstempelverzierungen angebracht und einige wenige figürliche Lederschnittbände

heiligen Benedikt in den Kreisen der Melker Reform, in: Stift Melk. Geschichte und Gegenwart 3, 1983, S. 8-91. 270 NIEDERKORN-BRUCK 1994, S. 164, S. 173. Die Melker Consuetudines erkennen das Schreiben nicht nur als nützliches opus manum, sondern auch als gleichwertig mit der geistlichen lectio an. Das Abschreiben von Büchern als Schutz vor Laster nennt auch ein 'Modus introducendi reformationem' aus dem 1419 von Melk aus visitierten Benediktinerstift Kremsmünster, abgedruckt bei WILLIBROD NEUMÜLLER, Fragmente und Handschriften alter Mönchsgewohnheiten in Kremsmünster (97. Jahresbericht Obergymnasium der Benediktiner zu Kremsmünster) Kremsmünster 1954, S. 115 f. Vgl. zu dieser Frage auch Kap. II.5. 271

NIEDERKORN-BRUCK 1 9 9 4 , S. 1 6 4 .

272 In der Edition von ANGERER 1968, S. 155 Z. 14 (dort im kritischen Apparat als Hinzufiigung verzeichnet). 273

HOLTER 1 9 7 8 , S. 3 0 7 .

2 7 4 Zu den Katalogen s. GLAUCHE in M B K Bd. IV,2, S. 743 ff.; zum System s. BAUER 1996, S. 4 2 - 4 4 . Z u m B i b l i o t h e k s g e b ä u d e s. REDLICH 1 9 3 1 , S. 8 1 - 8 3 .

275 Zur Auswirkung der Melker Reform auf die Überlieferung bestimmter Texte s. u. a. HAAGE 1 9 7 6 , S. 1 2 3 , S . 1 2 5 ; HOHMANN 1 9 7 7 , S. 2 7 2 - 2 7 6 ; SCHNELL 1 9 8 4 , S . 2 6 0 - 2 8 4 ; WILLIAMSKRAPP 1 9 8 6 / 8 7 , S. 4 8 - 5 0 .

276 Die einzige Arbeit, die sich speziell diesem Thema widmet, ist der Aufsatz von HOLTER 1978, der sich jedoch auf Österreich beschränkt und vor allem einen Materialüberblick ohne konkrete Schlüsse über die Beziehung zwischen Buchschmuck und Reform bietet. Zu Schreibanweisungen aus dem Kreis der Melker Reform s. STEINBERG 1941. 277 Zum Aufschwung der Klosterbuchbindereien im Kreis der Melker Reform s. HOLTER 1978, S. 3 1 6 - 3 1 8 .

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hergestellt wurden. 278 Wie sich die Melker Reform auf die Buchmalerei auswirkte, ist noch nicht systematisch untersucht.279 Für Melk selbst geht aus der Zusammenstellung der illuminierten Handschriften des Klosters durch Gerhard Schmidt hervor, daß dort aus der Zeit nach der Reform nur einige Handschriften mit bescheidenem Ranken- und Initialenschmuck, doch ohne umfangreichere Illustration mit Vollbildern erhalten sind. 280 Ähnliches ist auch für andere Klöster des Melker Einflußbereichs festzustellen: Der gewaltigen Handschriftenproduktion steht eine vergleichsweise bescheidene buchkünstlerische Ausstattung gegenüber.281 Das gilt auch für Tegernsee. Prachthandschriften mit repräsentativen Miniaturen finden sich in der Klosterbibliothek nach 1426 kaum. Zu den anspruchsvollsten Arbeiten gehören die Miniaturen des Lohnschreibers und -illuminators Heinrich Molitor 282 , die von 1448-51 und 1474-79 für Tegernsee 283 und 1453— 69 für das von einem aus Tegernsee stammenden Abt geführte Kloster Scheyern ausgeführt wurden. 284 Molitor vermerkte in einer der Handschriften, daß er sie in Tegernsee selbst geschrieben hatte, andere hatte er in Augsburg fertiggestellt und

278

Zur Tegernseer Buchbinderei allgemein s. SCHOTTENLOHER 1 9 4 8 . Zu den Tegernseer Einzelstempeln s. KYRISS 1 9 5 1 , S. 3 1 , und DERS. 1 9 5 4 , Taf. 6 9 , zu den Lederschnittbänden GELDNER

279

Einige grundlegende Bemerkungen dazu bei SUCKALE 1 9 7 5 , u. a. Bd. 1, S. 1 9 1 . Vgl. auch die Bemerkungen bei HOLTER 1 9 7 8 , S. 3 1 6 - 3 1 8 . SCHMIDT 1963, S. 109 f. Das einzige Werk mit einer größeren Anzahl von Vollbildern, das sich mit Melk in Verbindung bringen läßt, war nicht für den Verbleib in der dortigen Bibliothek bestimmt: Das Gebetbuch für Herzog Albrecht VI. (Wien, ÖNB, Cod. 1846), das um 1455/60 vielleicht im Kloster geschrieben wurde, seinen Miniaturenschmuck jedoch nicht dort erhalten haben muß. HOLTER 1978, S. 315 muß - nachdem er etwas hilflos um einen positiven Zusammenhang zwischen dem reformbedingten Aufschwung im Buchwesen und der Miniaturmalerei ringt doch feststellen, daß der Schwerpunkt der Miniaturen in den von ihm untersuchten österreichischen Klöstern erst im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts liegt. Zu eigener Buchmalertätigkeit scheint es in den Klöstern kaum gekommen zu sein, wie HOLTER 1982, S. 165 konstatiert. Molitor gilt in der Literatur als der herausragendste der für die bayerischen Klöster dieser Zeit tätigen Buchmaler; s. RIEHL 1 8 9 5 / 9 6 , S . 8 6 - 9 4 ; WEHMER 1 9 2 8 ; STEINGRÄBER, Kirchliche Buchmalerei, S. 1 4 - 1 8 . Zusammenfassende Überlegungen zu seiner Tätigkeit bei KÖNIG 1 9 8 4 , S. 9 4 - 1 0 2 und SCHNEIDER 1 9 9 5 , S. 13. Molitor signierte nur als Schreiber; daß er nicht mit einem Illuminator zusammengearbeitet hat, sondern die Miniaturen seiner Codices von ihm selbst stammen, ist vor allem aus der Tatsache zu schließen, daß seine Bücher, obwohl an verschiedenen Orten gefertigt, stilistisch einheitliche Miniaturen besitzen (und ihm kaum ein Buchmaler auf Schritt und Tritt gefolgt sein dürfte). Vgl. dazu KÖNIG 1 9 8 4 , S. 9 7 . Clm 18075 und 18076, eine zweibändige 'Vita Christi' Ludolfs von Sachsen (1448 u. 1451); Clm 18093, 'Vitaspatrum' etc. (1474); Clm 18074, Cassian etc. (1475), der zweibändige Clm 18025, Gregor, 'Moralium in lob' (1477 u. 1479) und der undatierte Clm 18081, Cassiodor. Alle nur mit Rankenwerk und Initialen, lediglich in Clm 18025 auf fol. I v ein kleines Vollbild der Hll. Gregor und Hieronymus. Molitor schrieb auch noch für das Kloster Tegernsee, als er in seinen letzten Lebensjahren nach Augsburg zurückgekehrt war; s. SCHNEIDER 1995, S. 13.

1 9 5 5 , S. 2 6 5 - 2 7 6 .

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I n C l m 1 7 4 0 2 , 1 7 4 1 3 , 1 7 4 1 4 , 1 7 4 1 6 - 1 7 4 1 8 , 1 7 4 2 2 , 1 7 4 2 6 (s. RIEHL 1 8 9 5 / 9 6 , S . 8 6 - 1 0 5 , HARTIG 1 9 1 4 , S. 13 f., WEHMER 1 9 2 8 , S. 1 2 4 - 1 2 6 , SCHNEIDER 1 9 9 5 , S, 2 4 ) .

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in das Kloster gesandt.285 Er scheint einer jener Buchkünstler gewesen zu sein, die nicht nur von der Arbeit für Klöster, sondern zeitweilig auch in diesen Klöstern lebten. 286 Zu seinen wichtigsten Abnehmern gehörten Tegernsee, Scheyern sowie die reformierte Benediktinerabtei St. Ulrich und Afra in Augsburg.287 Beim Buchschmuck handelt es sich hauptsächlich um dekorative Ranken und Initialen288 (vgl. Abb. 162). Es gibt es keine nennenswerten Vollbilder; derlei war bei den Bestellern anscheinend nicht gefragt. Zu den wenigen bemerkenswerten Miniaturen in Tegernseer Codices dieser Zeit gehören auch die Initialen und die künstlerisch sehr qualitätvollen Dedikationsbilder der Hrabanus Maurus-Handschrift Clm 18077 sowie die einfacheren Federzeichnungen in demselben 1459 datierten Band, die das 'Defensorium inviolatae virginitatis beatae Mariae' illustrieren. Sie wurden in der Literatur als Werke des Tegernseer Mönchs Anton Pelchinger bezeichnet. 289 Doch ergibt eine kritische Nachprüfung, daß dieser zwar als Schreiber vielfach dokumentiert ist, es jedoch keinen stichhaltigen Beleg für seine Tätigkeit als Illuminator gibt. 290 Man wird also davon ausgehen müssen, daß es sich auch hierbei um Auftragsarbeiten handelt und im Tegernseer Skriptorium zu dieser Zeit keine Buchmalereien zumindest von der Hand von Mönchen - entstanden. Woher auch immer die Miniaturen stammen: ganzseitige repräsentative Darstellungen wie die Dedikationsbilder der Hrabanus Maurus-Handschrift sind die Ausnahme. Ebenso selten sind Illustrationszyklen wie der des genannten 'Defensorium inviolatae virginitatis beatae Mariae' - und dieser ist mit seinen einfachen lavierten Federzeichnungen von zurückhaltendem Anspruchsniveau.291 Alle anderen Miniaturen, die 285 Clm 18076 ist 1451 in Tegernsee entstanden, die Handschriften der späteren Phase (Clm 18025, 18074, 18093, dat. 1474-79) in Augsburg; s. WEHMER 1928, S. 112. 286 Vgl. zu dieser Form der Erwerbstätigkeit von Buchmalern in jenen Jahrzehnten EBERHARD KÖNIG, Für Johannes Fust, in: Ars impressoria. Entstehung und Entwicklung des Buchdrucks. Eine internationale Festgabe für Severin Corsten zum 65. Geburtstag, München u. a. 1986, S. 285-313, dort S. 307. 287 Zu Molitors Tätigkeit für St. Ulrich und Afra s. KÖNIG 1984, S. 97 f. 288 In dieser Art verzierte er auch Inkunabeln; s. KÖNIG 1984, S. 95 ff. 289 RIEHL 1895/96, S. 98-104; REDLICH 1931, S. 146 f.; THOMA 1910, S. 39 schreibt Pelchinger nur die Initialen und Dedikationsbilder, nicht die Illustrationen des 'Defensorium' zu. 290 Sein Eintrag auf fol. 49 v von Clm 18077 gibt keinen Hinweis darauf; es ist ein gewöhnliches Schreiber-Explicit. Keiner der genannten Autoren vermochte anzugeben, worauf sich die Zuschreibung der Bilder an Pelchinger konkret gründet. Es scheint sich um eine simple Gleichsetzung von Schreiber und Maler zu handeln, zu der Kunsthistoriker auf der Suche nach namentlich faßbaren Künstlerpersönlichkeiten griffen. Schon STANGE Bd. 10, S. 67 bestritt die Identität des Buchmalers mit Pelchinger und schrieb die Dedikationsbilder stattdessen dem Tafelmaler der Tegernseer Tabula magna zu. Die Tätigkeit Pelchingers als einer der eifrigsten Tegernseer Schreiber umriß GLAUCHE in MBK Bd. IV,2, S. 736 f.; vgl. auch SCHNEIDER 1995, S. 18 Anm. 26. 291 Das 1466 datierte und mit sehr bescheidenen lavierten Federzeichnungen ausgestattete 'Speculum humanae salvationis' in Clm 18377, fol. 3 R -102 V , wurde nicht von Tegernsee angeschafft, sondern dem Kloster 1472 geschenkt (Notiz fol. I1)- Für die mit Federzeichnungen illustrierte, um die Jahrhundertmitte entstandene 'Biblia pauperum' Cgm 297 ist die Provenienz aus T e g e r n s e e , die bei REDLICH 1931, S. 188 und SCHNEIDER 1970, S. 2 6 0 nur mit Frage-

zeichen vermerkt ist, sehr zweifelhaft; in den alten Bibliothekskatalogen des Klosters ist sie nicht verzeichnet (s. die Zusammenstellung bei BAUER 1996, S. 46-115).

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Eduard Thoma in Tegernseer Handschriften gesichtet hatte, bezeichnete er als „viele Stufen tiefer" als die Werke Molitors und (Pseudo-) Pelchingers stehend.292 Es finden sich vor allem Rankenmalereien und einfache Initialen in der Art Molitors, doch meist künstlerisch noch bescheidener. Ein ganzseitiges Kanonbild wie das im Missale Clm 19236 aus dem Jahr 1460 oder die Kreuzigung, die im Deckel von Clm 19991 klebt (Abb. 163), sind seltene Funde. 293 Auffallend ist - bei der letztgenannten Miniatur ebenso wie bei den Dedikationsbildern von Clm 18077 - der retrospektive Charakter der Darstellungen. Häufiger anzutreffen sind dagegen kleine dilettantische Federzeichnungen, die tatsächlich von den Mönchen beim Schreiben angebracht wurden. Besonders beliebt war das hl. Antlitz (Abb. 138),294 doch finden sich auch ikonographisch originellere, wenn auch schwerer zu deutende Schöpfungen der mönchischen Phantasie wie der völlig nackt auf einem Kissen sitzende Christus mit einem Vogel auf der Schulter in dem Gebetbuch Clm 20132.295 Zu den qualitativ besten Zeichnungen dieser Art gehört die Darstellung der Hll. Vitus, Modestus und Crescentia in Clm 19007 (Abb. 164).296 Bei Bedarf klebten die Schreiber auch Blättchen mit fertigen Ranken und Initialen ein, die entweder aus einem anderen Verwendungszusammenhang gelöst oder von einem Buchmaler, der sie auf Vorrat gearbeitet bzw. als Ausschuß angeboten hatte, erworben worden waren (Abb. 165).297 Der gewiß nur sehr lückenhafte Einblick in die Illustration von Tegernseer Handschriften des 15. Jahrhunderts zeigt, daß der relativ bescheidene Bestand sowohl quantitativ als auch qualitativ deutlich im Mißverhältnis zu den ungeheuren Anstrengungen zum Ausbau der Bibliothek sowie zum Reichtum des Klosters, der sich der Sanierung der ökonomischen Verhältnisse seit 1426 verdankt, steht. 298 Den Wert der Handschriften sah man dort wie auch in anderen Klöstern der Melker Reform hauptsächlich in ihrem geistlichen Nutzen, also eher in ihrem textlichen Inhalt als in der äußeren Ausstattung. 299 Darin spiegelt sich nach Meinung Robert Suckales nicht nur das wiederbelebte benediktinische Ideal, sondern auch die von ausgeprägterem Effizienzdenken bestimmte bürgerliche Herkunft eines beträchtlichen Teils der Konventualen nach der Abschaffung

292 THOMA 1910, S. 39. Auch RIEHL 1895/96, S. 104 konstatierte, daß die Richtung der Miniaturen des Clm 18077 - bescheiden genug - keine Nachfolge fand. 293

S i e h e d i e Z u s a m m e n s t e l l u n g e n b e i RIEHL 1 8 9 5 / 9 6 , S. 8 6 - 1 0 5 , u n d THOMA 1 9 1 0 , S. 3 9 f.

294 Die Abbildung zeigt eine Zeichnung auf fol. 73 r des etwa in den 1450er Jahren entstandenen Gebetbuchs Clm 20132 (s. u. Verzeichnis der Handschriften). 295 Fol. 82V. Zu der Handschrift s. u. Verzeichnis der Handschriften. 296 Fol. 156r. Wohl aus dem dritten Viertel des 15. Jahrhunderts. 297 Clm 19351, fol. 3R. Der Stil der Ranken und der Initiale ähnelt dem Heinrich Molitors. 298 Nach LIEDKE 1980, S. 54 stellt sich in einer Steueranlage um 1475/80 die Steuerkraft so dar: Auf Tegernsee mit 1000 fl folgt erst in weitem Abstand Ettal mit 600 fl, dann Indersdorf mit 500 fl; der Durchschnitt der bayerischen Klöster liegt weit darunter. 299 Vergleichbares wurde auch für andere Reformbewegungen der Zeit festgestellt, etwa für die Klöster der Windesheimer Kongregation: „Die Devotio moderna maß einem guten Text viel größere Bedeutung zu als einer äußerlich gut ausgestatteten Handschrift." (PERSOONS 1980, S. 9 7 ) .

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des Adelsprivilegs.300 Selbst liturgische Handschriften, die vorher gerade in Benediktinerklöstern ihrem kultischen Rang entsprechend bevorzugt reiche künstlerische Gestaltung fanden, wurden in Tegernsee - obgleich sie nach der Reform der Liturgie in größerer Zahl neu angeschafft werden mußten - nur vergleichsweise bescheiden ausgestattet. Das kann nicht simplifizierend auf das erneuerte Armutsideal zurückgeführt werden, wie die umfangreichen baulichen Maßnahmen unter dem ersten Reformabt Kaspar Ayndorffer und der Auftrag für monumentale Tafelgemälde von höchster künstlerischer Qualität demonstrieren. 301 Möhrings Forschungen zu diesen Tafeln haben gezeigt, daß hier ein differenziertes Bild zwischen tatsächlichem Ausstattungsaufwand und Bescheidenheitsformeln zu zeichnen ist.302 Bücher scheint man in besonderem Maße frei von repräsentativen Ansprüchen betrachtet zu haben, was im Zusammenhang mit der erwähnten pragmatischen Bedeutung der Schrift in dieser Reformbewegung zu sehen ist. Der Drang nach schneller, effektiver Buchherstellung, das Fehlen eigener Miniatoren und die Individualisierung der Schreibtätigkeit scheinen auch die Grundbedingungen für die Verwendung von Druckgraphik zur Illustration gewesen zu sein. Einem Schreiber wie Paulus Steger ermöglichten die Metallschnitte und Kupferstiche, ein Gebetbuch wie Clm 20110 völlig selbständig zu bebildern, ohne daß aufwendige Koordination mit einem Buchmaler außerhalb des Klosters nötig war. Doch bedeutete Druckgraphik in diesem Fall nicht einfach nur Arbeitsersparnis. Denn eine lockere Gebetssammlung wie Clm 20110 hätte kaum eine Miniaturenausstattung erhalten. Für außerliturgische Gebetbücher dieser Art - zumal dieses niedrigen Anspruchsniveaus und im monastischen Bereich - sind Illustrationen im 15. Jahrhundert alles andere als gewöhnlich. Aufwendig bebilderte Stundenbücher, Psalterien und liturgische Handschriften haben den kunsthistorischen Blick für die Tatsache verstellt, daß Bildlosigkeit für den hier besprochenen Typ von Sammelhandschriften, dem jedoch der bei weitem größte Anteil der Gebetsüberlieferung dieser Zeit zukommt, die Regel ist. So ergibt sich das nur scheinbar paradoxe Bild, daß der Einsatz von Druckgraphik Hand in Hand mit dem Streben nach Effektivität bei der Buchproduktion ging, andererseits aber die leichte Verfügbarkeit des Bildmediums auch Texten zur Illustration verhalf, die sonst ohne Bilder geblieben wären. Tatsächlich diente ein großer Teil der Bilddrucke, die in Handschriften der 1450er bis 1470er Jahre noch erhalten oder durch Klebespuren dokumentiert sind, der Bebilderung solcher Andachtsund Gebetbücher.

300 SUCKALE 1975 Bd. 1, S. 191: „Gerade die Klöster der jüngeren Melker Reform sahen in Handschriften mehr das nach bürgerlichen Maßstäben Nützliche als das Wertvolle, künstlerisch kostbare." 301 Zur Bautätigkeit Kaspar Ayndorffers s. STRIEDER 1946, passim; REDLICH 1931, S. 93 bezeichnete ihn gar als „Bauabt". 3 0 2 Vgl. MÖHRING 1997, S. 1 4 6 - 1 5 8 zu den Anschaffungen und Ausstattungsarbeiten für das

Kloster unter Kaspar Ayndorffer.

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3.11. Exkurs: Die Benutzungsspuren eines Holzschnitts und der Austausch von Bildern zwischen Subiaco und Tegernsee In der Sorge um die Richtigkeit der geistlichen Texte erklärten die 'Consuetudines Tegernseenses' das eigenmächtige nachträgliche Beschreiben von Büchern ausdrücklich zu einem schweren Vergehen.303 Doch ist es mehr als fraglich, ob die zahlreichen Notizen, mit denen oft auch die Druckgraphiken bekritzelt wurden, tatsächlich alle vom Bibliothekar autorisiert waren. Eindrucksvolle Beispiele sind der Apostel-Kupferstich des Meisters E. S. (L. 197) und der HerzJesu-Holzschnitt (Sehr. 1793a), die dem 1473 datierten Brevier Clm 19933 vorgebunden wurden (Abb. 165, 166).304 Der Stich wurde mit Sprüchen bedeckt, die hier unter anderem Augustinus, Basilius oder Hieronymus zugeschrieben sind. Am rechten Rand erklärt etwa ein Kirchenväterzitat Grundlegendes zum Bildthema: Ieronimus in omelia: Discipuli dicti sunt a discendo appostoli... Der Stich dient als Titelbild der folgenden Antiphon über die Apostel. Keinen unmittelbaren Bezug zu diesem Text hat dagegen der Holzschnitt des hl. Herzens, der auf den Kupferstich folgt. Doch ist dieses Blatt in Bezug auf seine Benutzungsspuren, die Schrift, Bemalung und Verletzung des Papiers umfassen, besonders interessant. Bekritzelt wurde der Holzschnitt von der gleichen Hand wie der vorausgehende Kupferstich, auch hier mit Zitaten der Kirchenväter und -lehrer Gregor, Augustinus, Caesarius von Arles und der 'Glossa ordinaria'. Die Identifizierung und Interpretation dieser Textstücke ergab folgenden Befund:305 Zwar beziehen sie sich jeweils auf das Thema 'Herz' und sind so mit dem Bildgegenstand unmittelbar in Verbindung zu bringen - doch ist in den Notizen das menschliche, nicht das göttliche Herz gemeint, das auf dem Bild dargestellt ist. Zunächst liegt also die Vermutung nahe, daß die Textstücke von den Bildbenutzern gleichsam nach dem Stichwort 'Herz' assoziativ und unabhängig von dessen spezifischer Bedeutung ausgewählt wurden. Möglicherweise aber entspringt es auch bewußter Anordnung, um das zentrale Herz Jesu als dem heilseröffnenden Idealbild die Ausfuhrungen über das menschliche Herz zu gruppieren. Letzteres wird in den Zitaten als ein gefährdetes beschrieben, um dessen Reinhaltung sich der Gläubige mit göttlicher Hilfe bemühen muß. So steht etwa rechts unten auf dem Holzschnitt der handschriftliche Satz: Augustinus: Et felix qui quotidie mundat cor suum, vt suseipiat habitatorem deum. Diese Stelle ließ sich zwar nicht bei Augustinus, doch in der 'Glossa ordinaria' identifizieren. Sie gehört dort zur Auslegung des Liber ecclesiasticus 2,20:306 Dieser biblische Vers 303 Unter den sog. Reservatsfällen, von denen nur der Abt selbst absolvieren kann, wird genannt: rädere libros, scribere ad libros. (In der Edition von ANGERER 1968, S. 155 Z. 14). 304 Die Blätter 1-6 wurden dem Breviertext nachträglich vorgebunden. Fol. 3 bildet der an einem Falz klebende auf Pergament gedruckte Kupferstich, dem eine Antiphon zu den Aposteln folgt, auf fol. 6 V klebt der Holzschnitt. 305 Vgl. die Analyse im ikonographischen Kontext bei SCHMIDT, Bemalt 2000, S. 251 f. 306 MLGNE, PL 113, Sp. 1187, Vers 20: Felix anima, quae quotidie mundat cor suum ut suseipiat habitatorem Deum, cujus possessor nullo eget bono, quia omnium bonorum auetorem in se habet.

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rät denen, die Gott fürchten, ihr Herz für ihn zu bereiten (qui timent Dominum praeparabunt corda sua, et in conspectu illius sanctificabunt animas suas). Das Blatt weist nicht nur schriftliche Benutzungsspuren auf. Zunächst fällt der Schlitz im Papier im Bereich der Herzwunde auf. Das erinnert zum einen an die Nürnberger Praxis, bei der Weisung der Reichsreliquien Holzschnitte des Herzens Jesu zu verkaufen, die mit einem angeblich von der hl. Lanze herrührenden Schlitz versehen sind und so die heilswirkende Kraft der Reliquie auf das Bildchen übertragen sollten. Doch ist die letztlich auf Adolf Spamer zurückgehende 307 und seither die gesamte kunsthistorische Literatur durchziehende Tradition, alle Herz-Jesu-Bildchen mit Schlitz als 'Speerbildchen' zu bezeichnen und in Zusammenhang mit der Nürnberger Reliquienweisung, dem sog. Speerfest, zu bringen, in dieser Verallgemeinerung verfehlt. Sie verkennt die Funktion des Schnittes im Papier als Mittel der physischen Vergegenwärtigung der Wunde als allgemeine Heilstatsache, die auch unabhängig von der Reliquienweisung gesehen werden muß. 308 So ist auch der Schlitz im Tegernseer Holzschnitt zu interpretieren: Wie der Körper Christi am Kreuz verwundet wurde, so ist das Papier hier verletzt. Der Einschnitt dient so dem Betrachter und Beter zur physischen Vergegenwärtigung der Marter Christi und der Seitenwunde in ihren vielfaltigen heilsgeschichtlichen Konnotationen.309 Freilich ist nicht definitiv zu klären, ob er von den Benutzern des Blattes, den Tegernseer Mönchen, oder schon vom Hersteller des Blattes angebracht wurde; einiges spricht aber für erstere. 310 Eine Veränderung des Holzschnittes, die sicher im Kloster Tegernsee vorgenommen wurde, ist das Kreuz mit den drei Nägeln, das mit schwarzer Tinte sowie brauner und grauer Farbe in das Herz gemalt wurde. Zunächst scheint dies nur eine Erweiterung der Ikonographie auf einen auch sonst gebräuchlichen Typus zu sein. 311 Kreuz, Nägel und Seitenwunde gehören zu den wichtigsten Bestandteilen von Darstellungen der Arma Christi. 312 Doch hat diese Form des Kreuzes für Tegernsee eine besondere Bedeutung. In der gleichen Gestalt, mit den gleichen Farben von derselben Hand gemalt findet es sich in einer anderen

307 SPAMER 1930, S. 36-38. 308 Nur wenige Blätter - darunter das Berliner Exemplar Sehr. 1803c - geben expressis verbis Hinweise auf Nürnberg. Eine differenzierte Deutung des Schnittes bei THOMAS LENTES, Nur der geöffnete Körper schafft Heil. Das Bild als Verdoppelung des Körpers, in: GEISSMARBRANDI - Louis 1995, S. 152-155. 309 Vgl. dazu, ausgehend von dem Tegernseer Beispiel, mit weiterer Literatur SCHMIDT, Bemalt 2000. 310 Bei anderen Blättern, die wohl schon mit dem fertigen Schnitt angeboten wurden, ist dieser nicht nur einfach ein-, sondern sehr gleichmäßig ausgeschnitten, dem Querschnitt der Lanze entsprechend (vgl. z. B. den Holzschnitt des verwundeten Herzens Sehr. 1803c in Berlin, SB, Ms. theol. lat. fol. 448, hinterer Deckelspiegel). 311 Zahlreiche Holzschnitte des 15. Jahrhunderts zeigen das Herz am Kreuz (Sehr. 796-808a). Ein von einem Engel gehaltenes verwundetes Herz mit Nägeln und anderen Arma Christi etwa auf einem Fresko von 1464 in Mellaun, Südtirol (s. Lei Bd. 2, Sp. 250). 312 SUCKALE 1977, S. 185 zeigte, daß die Wunden Christi - nur scheinbar paradox - selbst zu den arma gezählt wurden.

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Handschrift. In Clm 20020 wurde es, ohne den Herz-Jesu-Kontext, in den Seitenspiegel von fol. 1 l r integriert (Abb. 167). Erklärt wird es unter dem Querbalken: Hoc signum magni regis est Ihesu Christi. In manu tuas commendo spiritum meum. Der letzte Satz erklärt sich aus dem vorangehenden Text, einem Modus disponendi se ad mortem, d. h. einem Sterbetraktat.313 Die Anbringung des Bildchens in diesem Kontext erklärt sich vermutlich aus der großen Bedeutung des Kreuzeszeichens und der Kreuzweisung beim monastischen Sterberitus.314 Auf der nächsten Seite aber wird die Herkunft des Bildmotivs näher erklärt: Hec crux posita vicesies [!] ducta repraesentat veram longitudinem corporis domini nostri Ihesu Christi, et quis eam devote osculatus fuerit, ea die non tangetur epilencia nec subita morte morietur. Hec ex sacro specu sunt [!] nobis missa anno domini 1457.

Das Kreuz bezeichnet also, wenn man es mit 20 multipliziert, die wahre Körpergröße Christi. Es gehört damit zur Gruppe der Bilder und Zeichen, welche die 'wahre Länge' heiliger Personen repräsentieren und vergegenwärtigen sollen. Solche kursierten das ganze Mittelalter hindurch und noch bis in jüngere Zeit.315 Doch hat das Tegernseer Beispiel noch eine weitere Bedeutung. Der Text nennt neben den nützlichen Auswirkungen des Küssens der Kreuzesdarstellung auch die Herkunft des Bildes: Die Tegernseer Mönche bekamen es - d. h. das Vorbild, dem diese Kopie folgt - aus Sacro Speco, dem Benediktinerkloster in Subiaco, im Jahr 1457 zugesandt.316 Dieses Kreuzesbild genoß in Tegernsee offenbar große Verehrung, wie aus der Zahl der Kopien zu schließen ist. Eine einfachere Variante befindet sich in Clm 19824, fol. 215r (Abb. 168), wo es als Titelseite des folgenden Liedes über die Passion Christi dient.317 Die Rubrik oben rechts vom Kreuz bietet den gleichen Text über die 'Länge Christi' wie das letztgenannte Beispiel, gefolgt von

313 Der Text ist der bei RUDOLF 1957, S. 84 f. genannten 'Ars moriendi'. 314 Vgl. dazu KLAUS SCHREINER, Fetisch oder Heilszeichen? Kreuzsymbolik und Passionsfrömmigkeit im Angesicht des Todes, in: Zeitschrift für historische Forschung 20, 1993, S. 417— 461. Verschiedene monastische consuetudines schreiben die Kreuzweisung vor, und auch der Tegernseer Prior Bernhard von Waging empfiehlt in seinem 1458 verfaßten Sterbetraktat das Vorhalten und Küssen eines Kreuzesbildes (s. SCHREINER, wie oben, S. 421 f., S. 432 f.). 315 Zu den Bezügen der Tegernseer 'Länge-Christi'-Darstellung s. SCHMIDT, Bemalt 2000, S. 254262. Zum Phänomen allgemein vgl. ADOLF JACOBY, Heilige Längenmasse. Eine Untersuchung zur Geschichte der Amulette, in: Schweizerisches Archiv für Volkskunde 19, 1929, S. 1-17, S. 181-216; zur 'Länge Christi' GOUGAUD 1925, S. 99 f.; zur Länge des Körpers, der Wunde und verschiedener Leidenswerkzeuge Christi Louis GOUGAUD, La prière dite de Charlemagne, in: Revue d'histoire ecclesiastique 20, 1924, S. 211-238, S. 223-227; KRISS-RETTENBECK 1963, S. 4 0 f., S. 138 A n m . 7 0 ; HANNS OTTO MÜNSTERER, Amulettkreuze und Kreuzamulette.

Studien zur religiösen Volkskunde, Regensburg 1983, S. 161 f.; THOMAS LENTES, Die Vermessung des Körpers Christi, in: GEISSMAR-BRANDI - Louis 1995, S. 144-147; AREFORD

1998. Zum Kontext der spätmittelalterlichen Heilsarithmetik, in dem das Phänomen zu sehen ist, vgl. LENTES, Gezählte Frömmigkeit 1995, S. 43-71.

316 Die gleiche Darstellung des Kreuzes, wohl von der gleichen Hand gemalt ebenfalls mit dem Text Hoc Signum magni regis..., doch ohne den Hinweis auf Sacro Speco, findet sich auch in der Tegernseer Handschrift Clm 19840, fol. 433r. 317 [Inc.] Ave Ihesu fili dei • ave salus mee spei... (AH 36, 211).

Benediktinerkloster Tegernsee

205

einem Gebet, das die heiligste Gestalt Christ (sanctissimam staturam corporis tui) verehrt. Die Notiz am linken Rand präzisiert die Angaben und verweist wieder auf die nützlichen Auswirkungen der Verehrung: Hec mensura dei quam damnaverunt pharisei. Visa malum pellit, quoque nociua repellit. Non pacietur epilenciam, nec morte subitanea peribit illa die qua quis deuote fuerit osculatus.

Die Schrift auf dem Längsbalken gibt nun aber einen konkurrierenden Berechnungsschlüssel: Hec intirior [!] linea secundum Ieronimum siue crux ducta bis duodecies tat veram longitudinem Jesu Christi.

repraesen-

Während also die Maße des ganzen Kreuzes mit 20 multipliziert werden müssen, um auf die Körpergröße des Heilands zu kommen, ist für die innere Linie gemeint ist der Abschnitt des Balkens bis zu dem Teilungsstrich am unteren Ende - unter Berufung auf Hieronymus der Faktor 24 nötig. Beide Berechnungsschlüssel, der aus Subiaco stammende und der angeblich auf Hieronymus zurückgehende, stimmen aber im Ergebnis etwa überein - einem Wert von etwa 2 Metern. Am unteren Rand der Seite findet sich auch hier nochmals der Hinweis auf die Herkunft des verehrten Kreuzesbildchens aus Sacro Speco. Eine weitere Kopie danach stellt eine bislang unbeachtet gebliebene kolorierte Federzeichnung des späteren 15. Jahrhunderts in der Staatlichen Graphischen Sammlung in München dar. 318 Auch sie zeigt die charakteristische Form des Kreuzes und die typische Position der Nägel, diesmal in Rankenwerk eingebunden. Tatsächlich findet sich auf der Rückseite nicht nur eine Notiz des 19. Jahrhunderts, welche die Herkunft des Blättchens aus einer Tegernseer Handschrift verrät, 319 sondern auch der bekannte Text, der nahezu identisch ist mit dem in Clm 20020, fol. 1 l v : Hec crux [ibi] posita vicesies [!] ducta representat veram longitudinem corporis Ihesu Cristi, et qui eam deuote osculatus fuerit, ea die non tangetur epilentia nec subita morte morietur. Hec ex sacro specu sunt [!] nobis missa anno domini 1457.

Eine noch einfachere Kopie des Längenmaßes findet sich auf fol. I v des Tegernseer Gebetbuches Clm 20002. Am unteren Seitenrand steht die schon bekannte Erklärung der Bedeutung und hilfreichen Wirkung der Figur im fast gleichen Wortlaut sowie die verkürzte Herkunftsangabe Hec ex specu. Bemerkenswert ist hier die Tatsache, daß die Vorderseite dieses Blattes ein von der gleichen Hand mit schwarzer Feder gezeichnetes und mit rosa Farbe ausgefülltes Herz Jesu trägt. Der Holzschnitt von Clm 19933 ist also nicht der einzige Fall, in dem das Motiv des Kreuzes aus Sacro Speco visuell mit dem hl. Herzen in Verbindung gebracht wurde. 320 318 Inv.-Nr. 28390. Ausfuhrlicher dazu SCHMIDT, Bemalt 2000, S. 255. 319 Clm 19002 der Bayerischen Staatsbibliothek München. 320 Beispiele dafür, daß die Verehrung der Wunden Christi und des Kruzifix' ineinander übergingen, bei GOUGAUD 1925, S. 84 f. und SUCKALE 1977, S. 194. Noch zu klären wäre, ob ein Zusammenhang zwischen diesen Tegernseer Darstellungen und einer Gruppe von

206

Druckgraphik in süddeutschen Klosterbibliotheken

Das Beispiel des Herz-Jesu-Holzschnittes, der Ausgangspunkt dieser Überlegungen war, demonstriert eine wesentliche Eigenschaft von Druckgraphik: Sie ist veränderbar. Zumindest in Tegernsee ist kein Fall nachweisbar, wo man ähnliche Eingriffe an Miniaturen vorgenommen hätte. Druckgraphik scheint nahbarer gewesen zu sein: Man beschriftete sie ohne Bedenken mit mehr oder weniger passenden Sprüchen, Zitaten und Gebetsanrufungen, die man mit ihnen assoziierte. Ebenso veränderbar war ihr Gegenstand, wenn es erforderlich war: So verwandelte der Tegernseer Schreiber des Andechser Clm 3079 den hl. Bartholomäus eines Kupferstichs mit einigen Strichen in eine Darstellung des Apostels Petrus, als er diese zur Illustration der Petrusbriefe benötigte. 321 Es ist also kein Zufall, daß gerade ein einfacher Holzschnitt zum Träger einer Kopie des in Tegernsee verehrten 'Länge Christi'-Kreuzes aus Subiaco wurde. Formale Qualitäten spielten keine Rolle; worauf es den Benutzern in Tegernsee ankam, war der zeichenhafte Verweischarakter eines solchen Bildes. Durch das Multiplizieren der Abmessung des Kreuzesbildes reproduzierte der Beter spirituell die leibhaftige Gestalt Christi.322 Die Bildtradition des Herz-JesuHolzschnittes macht nun, wie an anderer Stelle gezeigt wurde, deutlich, daß auch die unförmige Darstellung der klaffenden Wunde als Abbild der wahren Größe der Seitenwunde zu lesen ist. 323 Sowohl die Wunde des Holzschnittes als auch das Kreuz seiner gemalten Erweiterung repräsentieren also heilige Längenmaße und waren somit Medien der physischen Vergegenwärtigung. Interessant ist diese Verwandlung des Holzschnittes vor allem insofern, als er damit unmittelbar mit dem Ausgangspunkt der Klosterreform in Verbindung steht. Das originale 'Länge-Christi'-Bild war ein Geschenk des Konvents von Sacro Speco in Subiaco, dem Vorbild der Melker Reform. Von diesem Kloster, in dem die strenge Observanz seit der Zeit, als der hl. Benedikt von Nursia sich hierher zurückgezogen und seine Regel ausgearbeitet hatte, nie zum Erliegen gekommen sein soll, leiteten Melk und damit auch Tegernsee ihre Consuetudines ab. Sacro Speco galt in diesen Klöstern als das Urbild observanten monastischen Lebens. 324 Über direkte Beziehungen zwischen Subiaco und Tegernsee ist

Holzschnitten besteht, die das Kreuz in der Seitenwunde zeigen. Der xylographische Text z. B. von Sehr. 1789 ähnelt auffallend der lateinischen Erklärung des Tegernseer 'Länge Christi'Kreuzes aus Subiaco: Item die leng des kreutz ob dem hertzen, so mans XX mal myst, bedeyt die rechten leng des leychnams vnsers herren Ihesu Christi; vnd wer das selbig kreutz kust vnd ansieht andächtiklich, der wirt des selbigen tags behüet vor dem gachen tod auch vor der kranckayt di man nendt den schlag. (Berlin, KK, gegen Ende des 15. Jahrhunderts entstanden; Abb. bei KRISTELLER 1915, Taf. L, Nr. 99). Der Holzschnitt Sehr. 1795 zeigt die Wunden Christi und die Darstellung eines Kreuzes, das mit 40 multipliziert die Körpergröße Christi ergibt. Vgl. zu diesen Zusammenhängen SCHMIDT, Bemalt 2000, S. 259-262. 321 Clm 3079, fol. l r . S. o. Kap. II.3.4. 322 Das belegt auch das Gebet, das in der Darstellung in Clm 19824, fol. 215 r neben dem Längenmaß steht: Adoro te domine Ihesu Christe et sanetissimam staturam corporis tui... 323 Das belegen andere Holzschnitte mit ähnlichen Darstellungen des Herzens mit klaffender Wunde, die jedoch den expliziten Hinweis auf die Abbildung der Wunde in den wahren Abmessungen enthalten; s. SCHMIDT, Bemalt 2000, S. 259-262. 324

S i e h e ANGERER 1 9 6 8 , S. 3 1 , S. 5 1 f.

Benediktinerkloster Tegernsee

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bislang aber erstaunlich wenig bekannt. Doch scheinen sie sich in den 1450er Jahren intensiviert zu haben. So wissen wir etwa, daß der um die Reform besorgte Tegernseer Prior Bernhard von Waging einen Mönch dorthin sandte, um das Klosterleben zu studieren.325 1 45 5 richtete Tegernsee 60 Fragen zur Liturgie und zum monastischen Leben an Subiaco, die beantwortet wurden. Im selben Jahr wurde eine Gebetsverbrüderung zwischen Tegernsee und dem italienischen Konvent geschlossen. 326 Wahrscheinlich ist auch, daß eine Abschrift des Cusanus-Traktats 'De visione dei' von Tegernsee nach Sacro Speco gelangte.327 Im Zusammenhang mit diesen neuen Kontakten steht vermutlich die Bildersendung von 1457. Das ist umso interessanter, als über die Rolle von Bildern in den Beziehungen zwischen diesen benediktinischen Reformklöstern bislang nichts bekannt war. Daß im Kontext geistlichen Austausches gelegentlich auch Bilder verschickt wurden, zeigte schon die Vera icon, die Tegernsee mit Nikolaus von Kues' Schrift 'De visione dei' erhalten hatte. Die Bedeutung solcher Geschenke in der Kommunikation zwischen den Klöstern - besonders solchen, die durch gemeinsame Observanzbestrebungen verbunden waren - betrifft also keineswegs nur die am Beispiel der Nürnberger Dominikanerinnen beschriebene Beziehung zwischen Frauen- und Männerklöstern im Rahmen der 'cura monialium'.

325

REDLICH 1 9 3 1 , S . 1 0 3 .

326 Ebd., S. 116mitAnm. 8. 327 Ebd., S. 99 mit Anm. 34.

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Druckgraphik in süddeutschen Klosterbibliotheken

4. Druckgraphik in St. Emmeram Kein anderes Kloster in Bayern besaß im 15. Jahrhundert eine so umfangreiche Bibliothek wie Tegernsee. Deshalb könnte die Frage berechtigt erscheinen, ob nicht vielleicht der Umfang der dort erhaltenen druckgraphischen Handschriftenillustrationen mit dieser Situation und der guten Überlieferungslage zusammenhängt. Läßt man die Frage beiseite, inwieweit derartige statistischen Überlegungen sinnvoll sind, ist jedoch festzustellen, daß Tegernsee, selbst wenn man die Zahlen der überlieferten Druckgraphiken zur Größe der Bibliotheken ins Verhältnis setzt, unter allen süddeutschen Klöstern an der Spitze steht. Diesen Platz teilt es sich nur mit den Nürnberger Dominikanerinnen. Gerade der Vergleich zwischen den Praktiken der druckgraphischen Handschriftenausstattung in diesen beiden Konventen macht indes deutlich, daß die detaillierte Untersuchung der jeweiligen Praktiken aufschlußreicher ist als die einfache Feststellung der Zahlenverhältnisse. Um den Gedanken weiter zu verfolgen, daß die Beobachtung der Verwendung von Druckgraphik nicht nur auf Überlieferungszufallen, sondern tatsächlich auf unterschiedlichen Gepflogenheiten in den Klöstern beruht, soll im Folgenden ein Blick auf die nach Tegernsee größte Klosterbibliothek geworfen werden, die mit der Säkularisation in die Bayerische Hof- bzw. spätere Staatsbibliothek kam und von daher unter ähnlichen Bedingungen erhalten ist: die der Benediktinerabtei St. Emmeram in Regensburg. Im Unterschied zu den oben genannten Klöstern stand St. Emmeram nicht unter dem Einfluß von Tegernsee;1 insofern ist die Untersuchung dieser Bibliothek aufschlußreich für die Situation außerhalb dieses Reformkreises. Tatsächlich befinden sich unter den erhaltenen Handschriften der Abtei außergewöhnlich viele, die mit Druckgraphik geschmückt worden waren. Doch zeigt sich, daß sich die Ausstattungspraxis im Detail von der des Klosters Tegernsee unterscheidet. In immerhin 18 Handschriften 2 lassen sich noch insgesamt 33 gedruckte Bilder des 15. Jahrhunderts nachweisen.3 Das reicht bei weitem nicht an den Tegernseer Bestand heran, doch rangiert St. Emmeram mit dieser Zahl rein statistisch gesehen unter den süddeutschen Klöstern an dritter Stelle, nach Tegernsee und dem Nürnberger Dominikanerinnenkloster. Es sei 1

2

3

Nach der Visitation durch den päpstlichen Legaten Nikolaus von Kues 1452 schloß sich das Kloster der Kastler Observanz an. Die Kontakte mit Tegernsee, das sonst über ein sehr dichtes Beziehungsnetz zu verschiedenen Klöstern verfügte, waren auffallend spärlich, s. REDLICH 1931, S. 133. Mit Clm 14053 befindet sich eine neunzehnte Handschrift mit Graphikschmuck - 4 Totentanzholzschnitte des späten 15. Jahrhunderts - unter den St. Emmeramer Beständen der BSB München; doch gehört sie nicht mehr dem 15. Jahrhundert an (sie wurde nach 1514 beendet) und wurde nicht in St. Emmeram, sondern von dem Augustiner-Eremiten Hieronymus Streitel geschrieben. Sie kam vermutlich erst nach dem Tod Streiteis 1519 in die Bibliothek von St. Emmeram, s. BISCHOFF 1953/54, S. 185 f. Die Verluste sind auch beim Bestand dieses Klosters nicht abzuschätzen. Allein in den genannten 18 Codices zeugen Klebespuren von mindestens 22 abgelösten Bildern, bei denen es sich um Graphiken gehandelt haben könnte.

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auch hier betont, daß die Überlieferungsstatistik nur bedingt aussagekräftig ist, doch vermag sie wenigstens die ungefähre Relation der Bestände im 15. Jahrhundert widerzuspiegeln. Die Untersuchung der Handschriften von St. Emmeram ergab nun, daß keine Druckgraphik vor dem achten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts eingefügt wurde. Nach den Schreibervermerken und Wasserzeichen entstanden die meisten der so ausgestatteten Handschriften in den 1470er und 1480er Jahren.4 Fragt man nach dem Bild/Text-Verhältnis und der Art der Einfügung in die Handschriften, kommt man zu einem überraschend einheitlichen Ergebnis: Bis auf eventuell eine Ausnahme5 ist bei keinem der Bilder eine Koordination mit der Einrichtung des Textes festzustellen. Alle Illustrationen wurden erst nachträglich eingefugt. Dies muß jedoch schon bald nach der Fertigstellung der Bände geschehen sein. Denn alle Graphiken lassen sich vor ca. 1480 datieren. Die Handschriften wurden sämtlich im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts geschrieben, und auch die Ausstattung der Bücher muß auch innerhalb dieses Zeitraums erfolgt sein. Wäre dies später noch praktiziert worden, wären wohl auch Bilder in den Handschriften zu finden, die am Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts entstanden. Das bedeutet: Zwar wurde bei der Anfertigung keiner der Handschriften die Illustration mit Druckgraphik geplant - zu einer Zeit, da etwa in Tegernsee diese Praxis schon lange geübt wurde doch schon kurz nach ihrer Beendigung erfolgte sie nachträglich. Gelegentlich gelang es dabei, Beziehungen zum schon vorhandenen Text herzustellen: So etwa beim Kupferstich des hl. Dionysius, der in den Rückdeckel des Breviers Clm 14866 geklebt wurde, womit er einem Gebet gegenüberstand, in dem Gott im Namen Mariae und der Klosterpatrone Emmeram, Wolfgang und Dionysius um Gnade angerufen wird (Abb. 175). Die Bilddrucke wurden dabei nicht nur in den Deckeln plaziert, sondern zum größeren Teil an zufallig freigebliebenen Stellen zwischen verschiedenen Textabschnitten. So wurden etwa in dem Brevier Clm 14790 auf einer Seite (fol. 26 v ), die nach einer Arbeitspause des St. Emmeramer Schreibers Narcissus von Oetting6 (er gab auf fol. 26 r das Datum 1478 an) und vor dem Beginn eines größeren zusammenhängenden Abschnitts (den Lesungen für den ersten Advents4

5

6

Eine Ausnahme ist nur Clm 14810, der am Ende des ersten Stücks, eines Martyrologiums, 1448 datiert ist (fol. 106 v ); auch der eingeklebte Holzschnitt der Grablegung Christi (Sehr. 532a, s. Abb. 172) dürfte etwa zu dieser Zeit entstanden sein. Doch sind die weiteren Textteile der Handschrift jünger, und auch die Einfügung der Graphik ist später anzusetzen; sie erfolgte nachträglich und ohne direkten Textbezug (s. Handschriftenverzeichnis zu möglichen Assoziationen). Es kann nur vermutet werden, daß sie zu der Zeit, als die anderen Codices von St. Emmeram ihre graphischen Illustrationen erhielten, in die Handschrift kam. Die Ausnahme ist möglicherweise der Holzschnitt der Madonna auf dem Strahlenkranz, der in dem Gebetbuch Clm 14930 auf fol. 54 r klebt. Er befindet sich auf dem oberen Teil der Seite; der zugehörige Text, ein Mariengebet, beginnt direkt unter dem unteren Rand des Bildes. Der Anschluß paßt so gut, daß man annehmen kann, der Platz für genau diesen Holzschnitt wäre beim Schreiben ausgespart worden. Er ist wohl identisch mit dem in der Profeßliste als 1495 an der Pest verstorben verzeichneten Bruder Narcissus Wager; s. Catalogus religiosorum professorum monasterii S. Emmerami, Regensburg 1734, S. 7.

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Druckgraphik in süddeutschen Klosterbibliotheken

Sonntag, ab fol. 27 r ) freigeblieben war, vier Bilder aufgeklebt. Von ihnen hat sich nur eines erhalten, ein Holzschnitt des thronenden Christus als Salvator mit vier anbetenden Engeln (Sehr. 835d, s. Abb. 169). Ein unmittelbarer inhaltlicher Bezug zu den vorausgehenden und nachfolgenden Texten besteht nicht; ebensowenig bei dem Kupferstich der Kleinen Madonna von Einsiedeln des Meisters E. S. (L. 72, s. Abb. 170), der auf der Verso-Seite eines vor Beginn des Proprium de sanetis leer gelassenen Blattes (fol. 211) klebt. Überhaupt fällt auf, daß selbst bei den Graphiken, die nicht in die Deckel, sondern in den Text eingefügt wurden, sehr oft kein Bezug zu diesem zu erkennen ist. So wurde etwa in das 1488 beendete Brevier Clm 14865 ein Holzschnitt der hl. Barbara (Sehr. 1262c) zwischen dem Ende des Cursus beatissime virginis Marie und dem Beginn eines Gebetes zum hl. Kreuz eingeklebt (fol. 307 v ). Im Brevier Clm 14911 klebt ein Kupferstich des hl. Paulus vom Meister des hl. Dionys7 dem Text zum hl. Andreas (Abb. 171) im Proprium de sanetis gegenüber. Ein ikonographischer Zusammenhang ist nur mit Mühe zu erkennen; er besteht allenfalls darin, daß Paulus auch ein Heiliger ist - die Lesungen zu seinem Fest folgen in dem Brevier jedoch erst sehr viel später. Insgesamt besteht nur bei 4 der 18 Handschriften ein unmittelbarer Bezug zwischen den Druckgraphiken und den umgebenden Texten. Dazu gehört etwa der bislang unbekannte Kupferstich des hl. Andreas 8 - er läßt sich wohl dem Meister h w zuschreiben - der in das um 1488 entstandene Brevier Clm 148619 vor dem mit dem hl. Andreas beginnenden Proprium de sanetis eingeklebt wurde; oder der Teigdruck des Pfingstwunders (Sehr. 2809), der sich auf dem ersten Blatt der 1474 vollendeten Handschrift Clm 14906, die Evangelienlesungen und Predigten für die Sonntage enthält, vor dem Text zum Pfingstfest befindet. 10 Zu anderen Graphiken wurden nachträglich passende Gebete hinzugefügt: So zu dem Teigdruck11 im hinteren Deckel des 1478 datierten Clm 14816 ein Gebet zum hl. Christopherus von einer Hand des 15. oder frühen 16. Jahrhunderts,12 oder zu dem Kupferstich der Pietà 13 im Brevier Clm 14861, den eine spätere Hand (die noch dem 15. oder beginnenden 16. Jahrhundert angehört, doch nicht zu den Schreiberhänden der Handschrift gehört) mit dem Text des 'Salve regina1 umgab.

7 8 9

10 11 12

13

L. IV, 204, 2, auf fol. 350 v . Das Brevier läßt sich nur nach dem Wasserzeichen etwa in die letzten beiden Jahrzehnte des 15. Jahrhunderts datieren. Auf fol. 57V des letzten gezählten Abschnitts. Nicht bei LEHRS, HOLLSTEIN etc. Clm 14861 wurde nach den Wasserzeichen und der Form des Einbands, die genau mit dem 1488 entstandenen Clm 14865 übereinstimmen, etwa zur gleichen Zeit wie jene Handschrift geschrieben. Die anderen beiden Handschriften, in denen sich Bilddrucke mit direktem Textbezug befinden, sind Clm 14600 und 14930 (s. u. Verzeichnis der Handschriften). Von der Darstellung sind nur noch Reste von schwarzer Masse und Farbspuren übrig, der Gegenstand ist nur noch zu erahnen; nicht bei SCHREIBER und LEIDINGER 1908. Cristofore sanete, virtutes sunt tibi tante... Dieses Gebet (verzeichnet bei WALTHER 1959, Nr. 2755) wurde mehrfach auf Holzschnitten des hl. Christophorus angebracht, z. B. auf Sehr. 1356 (Berlin, KK). Nicht bei LEHRS; SCHUPPISSER 1993, S. 189, schreibt ihn dem Meister des Dutuitschen Ölbergs zu.

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Insgesamt aber herrscht der Eindruck vor, daß vorhandene Bilddrucke frisch geschriebene Handschriften zieren sollten. Diese boten allerdings in der Regel wenig freien Raum dafür, weshalb auf inhaltliche Übereinstimmung nicht viel Wert gelegt werden konnte. Nach einer Erklärung verlangt aber überhaupt die Beobachtung, daß in St. Emmeram die Buchausstattung mit Druckgraphik vor allem in einem kurzen Zeitraum von etwa zwei Jahrzehnten ab etwa 1475 praktiziert wurde und daß fast ausschließlich fertig geschriebene Bände nachträglich geschmückt wurden. Auch entsprachen viele der Bilddrucke zum Zeitpunkt ihrer Verwendung in St. Emmeram nicht mehr der aktuellen Kunstentwicklung. Der älteste ist wohl der Holzschnitt der Grablegung Christi (Sehr. 532a) in Clm 14810, der noch vor der Jahrhundertmitte anzusetzen ist (Abb. 172).14 Doch wurde dieses Buch nicht in St. Emmeram geschrieben, sondern kam im Jahr 1469 als Vermächtnis des Rektors der Klosterschule, Hermann Pötzlinger, in die Bibliothek.15 Es ist nicht zu klären, ob sich das Blatt zu diesem Zeitpunkt schon in der Handschrift befand oder erst in St. Emmeram eingefügt wurde. In einem eindeutigeren Fall trennen aber immerhin 14 Jahre die Entstehung des 1466 datierten Kupferstichs der 'Kleinen Madonna von Einsiedeln' des Meisters E. S. von seiner Einklebung in ein 1480 datiertes Brevier (Clm 14790). Die EinsiedelnMadonnen des Meisters E. S. dürften zum größten Teil bei der Engelweihwallfahrt von 1466, für die sie produziert worden waren, verkauft worden sein. Dieses Engelweihjubiläum war eines der größten Wallfahrtsereignisse des 15. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum, bei dem die Abtei Einsiedeln ein großangelegtes Geschäft mit Pilgerandenken betrieben hatte. 16 Möglicherweise also gab es Bilddrucke, die schon länger im Kloster vorhanden waren, bis sie erst im letzten Jahrhundertviertel in Codices untergebracht wurden. Damit wäre jedoch noch nicht erklärt, wieso man in St. Emmeram gerade in den Jahrzehnten nach ca. 1475 druckgraphischen Buchschmuck einsetzte. Bei einem Blick in die Klostergeschichte fällt auf, daß alle hier besprochenen Codices ihren Graphikschmuck vermutlich in der Amtszeit des Abtes Johannes Tegernbeck (1471-1493) erhielten. Während es vor seiner Zeit kaum Mönche mit Universitätsstudium in St. Emmeram gab - ein grundlegender Unterschied zu Tegernsee, das seine Reformkraft zum großen Teil aus den in Wien ausgebildeten Professen bezog 17 - war Tegernbeck einer der wenigen Studierten im Konvent. 18 Seine literarischen Interessen sind in den von ihm geschriebenen und erworbenen 14

Auf fol. 175 v ; der Hauptteil der Handschrift, ein Martyrologium, ist zwar schon 1448 datiert (fol. 106 v ), doch stammt der letzte Teil, in dem sich der Holzschnitt befindet, von einer jüngeren Hand, die eher dem späteren 15. Jahrhundert angehört.

15

RUMBOLD 1 9 8 5 , S. 3 3 4 , 3 3 9 .

16

Zum Pilgerbetrieb in Einsiedeln und den Stichen des Meisters E. S. vgl. zuletzt SCHMIDT 1994 und WELZEL 1995 mit älterer Literatur. BISCHOFF 1967, S. 129 f.: „In diesem Verhältnis zur Universität offenbart sich ein weiter Abstand von den Klöstern der Melker Reform, deren eine Wurzel von der Wiener Universität ausgegangen war, und fiir die noch in der zweiten Jahrhunderthälfte die enge Verbindung mit der Universität überaus fruchtbar gewesen ist." Wie auch die wenigen anderen St. Emmeramer Mönche mit Universitätsausbildung hatte er in Leipzig studiert; s. BISCHOFF 1953/54, S. 171.

17

18

212

Druckgraphik in süddeutschen Klosterbibliotheken

Büchern dokumentiert.19 Während seiner Amtszeit wurde unter anderem der Kirchenschatz erweitert, aber auch der Bücherbestand ausgebaut.20 Die Bibliotheksgeschichte des Klosters im 15. Jahrhundert ist noch nicht systematisch untersucht.21 Fest steht jedoch, daß der Bücherzuwachs vor der Reform des Klosters unter Abt Härtung Pfersfelder (1452-1458) nur gering war.22 Tatsächlich waren bei der Visitation von 1452 im Rahmen der Reformtätigkeit des päpstlichen Legaten Nikolaus von Kues die wirtschaftlichen Verhältnisse für ordentlich, die Disziplin jedoch für graviter collapsum a vita regulari23 befunden worden. Deshalb wurde der Konvent angewiesen, die Vorschriften der Melker Observanz einzuführen; der Abt und einige Mönche sollten aus einem Kloster dieser Richtung berufen werden, um die Melker Consuetudines einzuführen.24 Doch entgegen der Visitationscharta schloß sich der Konvent unter dem neuen Abt Pfersfelder, der auch nicht den Vorstellungen der Visitatoren entsprach,25 der Kastler Reformrichtung an.26 Auch weiterhin war nur wenig Bereitschaft zum Universitätsstudium vorhanden. Von Kastl kam wohl kaum Anstoß dazu, denn die Klöster dieses Reformkreises legten im Vergleich zu denen der Melk/Tegernseer Richtung geringeren Wert auf gelehrtes Studium. Die Querelen um die Nachfolge Pfersfelders, die schließlich gegen den päpstlichen Willen zur eiligen Besetzung mit dem eigenen Konventualen Konrad Pepenhauser (1459— 65) führten, um keinen unbequemen fremden Abt vorgesetzt zu bekommen, belegen den reformfeindlichen Eigensinn des Klosters.27 Erst spät ließ man sich auf den Kontakt zum benediktinischen Reformzentrum Tegernsee ein.28 Äußere Rückschläge wirkten sich nachteilig auf die Produktivität der Abtei aus, auch im Bereich des Buchwesens. Unter Abt Pepenhauser dezimierte die Pest den Konvent um 16 Brüder.29 Der Personalmangel wurde so groß, daß man einen der 19

Darunter findet sich auch eine bemerkenswerte Sammlung von Texten humanistischer und italienischer Autoren, u. a. Petrarca, Boccaccio, Datus, Leonardo Bruni, Aeneas Sylvio P i c c o l o m i n i etc., s. BISCHOFF 1 9 6 7 , S. 131.

20

21

BISCHOFF 1 9 5 3 / 5 4 , S. 171.

Wichtig und detailreich jedoch die entsprechenden Passagen bei INEICHEN-EDER in MBK B d . I V , 1 , S. 1 1 7 f f . , bei BISCHOFF 1 9 5 3 / 5 4 u n d BISCHOFF 1 9 6 7 , S. WUNDERLE 1 9 9 5 , S. I X - X V I I I .

22

N a c h REDLICH 1 9 3 1 , S.

12. INEICHEN-EDER in M B K B d . I V , 1, S.

115-155

sowie

bei

1 1 7 n e n n t nur e i n i g e

Codices, die Pfersfelders Vorgänger, Abt Wolfhard, von Regensburger Lohnschreibern herstellen ließ. 23 24

ZlBERMAYR 1 9 0 9 , S. 2 7 4 . MAIER 1 9 9 1 , S. 1 6 3 .

25

Er kam nicht aus einem Kloster der Melker Reform und war schon vor der Visitation zum Abt bestimmt worden. Das zeitliche Zusammentreffen von Visitation mit dem Amtsantritt Pfersfelders ist rein zufällig; 1451 hatte der Vorgänger Wolfhard u.a. aus gesundheitlichen Gründen resigniert, s. MAIER 1991, S. 162 f.

26 27

MAIER 1 9 9 1 , S. 1 6 2 - 1 6 6 . BISCHOFF 1 9 5 3 / 5 4 , S. 165.

28

Schon bald nach der Visitation von 1452 hatte Tegernsee den Kontakt zu St. Emmeram gesucht; Abt Kaspar Ayndorffer von Tegernsee bemühte sich 1455 vergebens um die Erneuerung einer Gebetsverbrüderung, die erst 1466 zustandekam. Erst später sind Abschriften von Tegernseer Codices im Regensburger Kloster nachgewiesen; s. REDLICH 1931, S. 133.

29

BISCHOFF 1 9 6 7 , S. 1 2 9 A n m . 8 5 .

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wenigen St. Emmeramer Universitätsstudenten, den späteren Abt Johannes Tegernbeck, noch kurz vor seiner Magisterprüfung 1466 aus Leipzig nach Regensburg zurückrief. Dabei wurde er angewiesen, die Bücher aus St. Emmeramer Besitz, die an einen Magister in Leipzig ausgeliehen waren, zurückzufordern und mitzubringen.30 Ein deutlicher Aufschwung der Handschriftenproduktion und neue Bemühungen um die Bibliothek sind jedoch zu Tegernbecks Regierungszeit als Abt zu verzeichnen. In den 1470er Jahren ordnete der Bibliothekar Laurentius Aicher die Bücherei neu. Er signierte die Bände erstmals und erweiterte ca. 1476-81 den alten Bibliothekskatalog, der 1449-52 von Konrad Pleystainer verfaßt worden war; außerdem ließ er viele Codices neu binden. 31 Diese Kampagne fällt mit dem Beginn des Zeitraums zusammen, in dem die Codices mit druckgraphischer Ausstattung geschaffen wurden. Unter diesen Handschriften fällt der große Anteil von Brevieren (10 der 18 Handschriften) 32 auf, die alle im achten und neunten Jahrzehnt des Jahrhunderts geschrieben wurden. Der Bestand an grundlegenden Büchern für den täglichen Gebrauch - dazu gehörten zuvorderst Breviere - scheint entscheidend aufgestockt oder erneuert worden zu sein. Eine Brevierreform war schon unter Abt Härtung Pfersfelder erfolgt und hatte die Korrektur alter oder die Anschaffung neuer Handschriften erfordert. 33 Bei den anderen Bänden mit druckgraphischer Ausstattung handelt es sich um ein Gebetbuch, 34 einen Band mit Evangelienlesungen und Sonntagspredigten35 und drei Sammelhandschriften verschiedenen geistlichen Inhalts.36 Von den beiden theologischen Sammelhandschriften,37 die sich unter den mit Bilddrucken versehenen Bänden befinden, enthält der eine typische Texte der in Reformkreisen verbreiteten Autoren der Wiener Schule38 (z. B. Clm 14142 mit Nikolaus von Dinkelsbühl, Heinrich von Langenstein etc.). Auch solche Schriften wurden im Zuge der Bemühungen um den Bibliotheksaufbau unter Abt Tegernbeck neu zusammengestellt. Clm 14142 etwa besteht aus verschiedenen, ab 1455 über

30

INEICHEN-EDER in M B K B d . I V , 1 , S. 1 1 8 .

31

BISCHOFF 1 9 6 7 , S. 1 4 2 f.; INEICHEN-EDER in M B K B d . I V , 1 , S. 1 2 2 f.

32 33

Clm 14600, 14774, 14790, 14861, 14865, 14866, 14911, 14915, 14937, 14938. INEICHEN-EDER in MBK Bd. IV,1, S. 118. Das Beispiel Tegernsee lehrt, daß die Revision der liturgischen Bücher nach einer Reform lange dauern konnte: dort war sie erst nach ca. 3 Jahrzehnten abgeschlossen, s. ANGERER 1968, S. 33. Clm 14930. Clm 14906. Hauptstück von Clm 14810 ist ein Martyrologium, daneben das Leben Christi nach Birgitta von Schweden, Freuden Mariae, Gebete etc. Clm 14816 enthält Texte zur Beichte, Kirchenlehrerexzerpte etc.; Clm 14951 Brevierteile, Gebete, einen 'Cursus de passione domini' etc. Hier sind rein theologische Werke im engeren Sinn gemeint, nicht Sammlungen mit anderem thematischem Schwerpunkt, in denen sich nur eingestreute theologische Exzerpte finden (wie etwa Clm 14816, der diverse Texte zur Beichte mit praktischer Ausrichtung sowie einen Lasterkatalog enthält, aber auch Kirchenväterexzerpte in deutscher Übersetzung). Zur Überlieferung dieser Autoren in den reformierten Klöstern vgl. u. a. REDLICH 1931, S. 12;

34 35 36

37

38

HOHMANN 1 9 7 7 , S. 2 7 4 .

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Druckgraphik in süddeutschen Klosterbibliotheken

einen längeren Zeitraum von mehreren Händen geschriebenen Faszikeln,39 die erst kurz nach 1476, dem Datum des jüngsten Stücks, zusammengebunden wurden; also zu der Zeit, da der St. Emmeramer Bibliotheksreformer Laurentius Aicher viele Codices neu binden ließ. Es kann nur spekuliert werden, ob die Graphiken vielleicht - wie es oben für eine Tegernseer Handschrift bewiesen wurde - in der Buchbinderei des Klosters eingeklebt wurden. Das würde erklären, daß nicht auch ältere, sondern nur in einem eng begrenzten Zeitraum geschriebene oder gebundene Bücher so ausgestattet wurden. Dafür spricht auch die Tatsache, daß die großformatigen, etwa in den 1470er Jahren entstandenen Holzschnitte40 der theologischen Sammelhandschrift Clm 14177, deren jüngste Teile 1474 beendet wurden, direkt auf dem Holz des Buchdeckels kleben; sie wurden vermutlich von der Binderei ohne darunterliegendes Papierblatt als Deckelspiegel benutzt. Auch der Teigdruck des Pfingstwunders (Sehr. 2809) kam wohl beim Binden in den Clm 14906. Das Bild klebt auf der Verso-Seite des ersten Blattes der Handschrift. Dieses sitzt vor der ersten Lage des Buches, einem Quaternio, ist jedoch nicht nur angeklebt, sondern fest eingebunden. Der auf diesem Blatt aufgeklebte Teigdruck reicht mit seinem rechten Rand so tief in den Falz, daß er kaum nachträglich so eingeklebt worden sein kann; er dürfte sich schon auf dem Blatt befunden haben, als es eingebunden wurde. Auf jeden Fall scheinen die neuen Bemühungen im Bibliotheksbereich die Basis für den plötzlichen Einsatz von Bilddrucken gewesen zu sein. Wieso es diesen vorher nicht gegeben hatte, kann vielleicht mit dem relativ geringen Interesse des Regensburger Konvents an einer Erneuerung seiner Bücherei in Verbindung gebracht werden. Was an den Handschriften von St. Emmeram außerdem auffallt, ist das ungewöhnliche Zahlenverhältnis von Blättern der verschiedenen graphischen Techniken, die verwendet wurden. Es sind fünfzehn Kupferstiche und Kupferstichfragmente (in neun Handschriften) erhalten,41 acht Holzschnitte,42 acht Metallschnitte43 (z. B. Abb. 174) und zwei Teigdrucke44. Das ist im Vergleich zu anderen süddeutschen Klöstern überraschend. Denn andernorts ist der Holzschnitt das am häufigsten verwendete Medium, gefolgt vom Metallschnitt, während der Kupferstich nur eine untergeordnete Rolle spielt. Die Nürnberger Dominikanerinnen zum Beispiel benutzten keinen einzigen Stich als Buchschmuck; in Tegernsee verwendete man zwar einige Kupferstiche, doch bei 39 40 41

42 43 44

Fünf bis sechs Hände; Datierungen: fol. 94 v : 1465; fol. 132 v : Swaingdorff [= Schwandorf?] 1458; fol. 153 v : 1453; fol. 175r: Leipzig 1455; fol. 219 r : Ebenriet 1476. Versuchung des hl. Antonius, Sehr. 1219c, und Tanz wilder Leute, Sehr. 1988m. Clm 14774: 1 Kupferstichfragment; Clm 14790: 1 Kupferstich; Clm 14861: 2; Clm 14865: 1; Clm 14866: 2; Clm 14911: 1; Clm 14915: 1 Fragment; Clm 14937: 2; Clm 14951: 2 vollständige und 2 Fragmente. Clm 14142: 1 Holzschnitt; Clm 14177: 2; Clm 14790: 1; Clm 14810: 1; Clm 14865: 1; Clm 14866: 1; Clm 14930: 1. Clm 14600: 4 Metallschnitte; Clm 14865: 1; Clm 14866: 1; Clm 14623: 1; Clm 14938: 1. Clm 14816: 1 Teigdruck; Clm 14906: 1.

Benediktinerkloster St. Emmeram

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weitem mehr Holz- und Metallschnitte. Eine Erklärung für dieses Phänomen ist nicht leicht zu geben. Das Übergewicht der Kupferstiche ist mit den Überlieferungszufallen, vor allem mit der nicht mehr rekonstruierbaren Ablösung von Bildern im 19. Jahrhundert (und z. T. schon vorher)45, nicht zu begründen. Denn aller Erfahrung nach wurden Kupferstiche noch eher ausgelöst als die Blätter der „gröberen" graphischen Techniken, so daß die heute feststellbare Überzahl von Stichen in den St. Emmeramer Handschriften unter diesem Gesichtspunkt umso erstaunlicher ist. Auch mit den relativ späten Datierungen der St. Emmeramer Handschriften kann es nicht zusammenhängen. Selbst wenn man nur die etwa zur gleichen Zeit, also im letzten Jahrhundertviertel, in Tegernsee entstandenen Codices herausgreift, kommt man dort auf einen verschwindend geringen Anteil von Kupferstichen. Zudem sind einige der Kupferstiche aus St. Emmeram schon Jahrzehnte vor ihrer Verwendung entstanden. Nun könnte man in dem Zahlenverhältnis auch nur ein Ergebnis des Zufalls sehen; es könnte etwa in den 1470er Jahren ein Bündel von Kupferstichen auf den Regensburger Kunstmarkt und so in die Schreibwerkstatt oder Buchbinderei von St. Emmeram gelangt sein. Dagegen spricht jedoch die Feststellung, daß die Stiche wahrscheinlich aus unterschiedlichen Quellen ins Kloster kamen. So finden sich auf der einen Seite mehrere Blätter, die erst über einen weiteren Handelsweg nach Regensburg gekommen sein müssen: es sind die in Niederdeutschland und in den Niederlanden entstandenen Stiche vom Meister der Berliner Passion,46 Meister mit den Blumenrahmen (Abb. 173),47 Meister des Dutuitschen Ölbergs,48 Meister mit den Bandrollen 49 und Meister des hl. Erasmus. 50 Denen aber stehen die Einklebungen von Kupferstichen des Meisters des hl. Dionys (Abb. 171, 175) gegenüber, 51 dessen Tätigkeit Lehrs mit guten Gründen in Regensburg annahm. Daß von seinen vier erhaltenen Stichen zwei spezifisch regensburgische Ikonographie aufweisen 52 und zwei in St. Emmeramer Handschriften überliefert sind, ist tatsächlich ein gewichtiges - wenn auch nicht zwingendes - Argument für die Aktivität des Meisters in dieser Stadt. Daß er gar im Auftrag der Abtei St. Emmeram gearbeitet 45

46 47 48

So fehlt im vorderen Deckel von Clm 14600 ein Bild von 152 x 98 mm, dessen Klebespuren und mit Tinte gezeichnete Umrahmung noch sichtbar sind; an seiner Stelle klebt jedoch heute ein noch aus dem 18. Jahrhundert stammendes Exlibris von St. Emmeram, das die Ablösung vor der Säkularisation belegt. Clm 14774, fol. l r : Fragment eines Passionswappens (L. 81). Clm 14865, fol. 316 v : Pietà (L. 3). Clm 14951, fol. 171 v : hl. Ursula (L. 101). Clm 14951, Vd.: Johannes Ev. (L. 55). Clm 14861, fol. 65 v des letzten gezählten Abschnitts. Pietà, nicht bei LEHRS, Zuschreibung an den Meister des Dutuitschen Ölbergs durch SCHUPPISSER 1 9 9 3 , S . 1 8 9 .

49 50 51 52

Clm 14937, fol. 338 v : Geburt Christi (L. IV, 53,25). Clm 14937, fol. 362 v : Ecce homo (L. III, 253, 40); zweites Exemplar in München, SGS, aus dem Tegernseer Codex Clm 20014. Clm 14911, fol. 350 v : hl. Paulus (L. IV, 204, 2). Clm 14866, Rd.: hl. Dionysius (L. IV, 205, 4). L. IV, 204, 3 zeigt das Regensburger Stadtwappen und die drei in dieser Stadt verehrten Heiligen Wolfgang, Emmeram und Dionysius; die Reliquien der letzteren beiden wurden in St. Emmeram verehrt. L. IV, 205, 4 stellt den hl. Dionysius allein dar (LEHRS kannte nur das Exemplar im Berliner Kupferstichkabinett, nicht das in Clm 14866).

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Druckgraphik in süddeutschen Klosterbibliotheken

hat, wie Bernhard Bischoff vermutete, läßt sich nicht belegen.53 Die 'Kleine Madonna von Einsiedeln1 des oberrheinischen Meisters E. S. könnte, wie schon erwähnt, vielleicht direkt am schweizerischen Wallfahrtsort erworben und so nach St. Emmeram gekommen sein. Auf jeden Fall ist zu vermuten, daß das Kloster auf verschiedenen Wegen Kupferstiche bezog. Das läßt die Annahme zu, daß die relativ große Zahl von Stichen in den Handschriften nicht nur Zufall ist, sondern daß es in St. Emmeram eine Vorliebe für Kupferstiche gegenüber den „gröberen" druckgraphischen Bildmedien gab. Die Gründe dafür werden kaum aufzuklären sein. Es soll aber in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben, daß Regensburg in der Geschichte des Kupferstichs eine besondere Rolle spielte: Stammen doch mit den um den Stich der Großen Schlacht gruppierten Blättern der 1430er und 1440er Jahre einige der ältesten und bemerkenswertesten Produkte dieses neuen Bildmediums vermutlich aus dieser Stadt.54 Von diesen Anfängen bis zum Meister des hl. Dionys hat der Kupferstich in Regensburg eine besondere, bislang jedoch noch kaum untersuchte Tradition. Das Beispiel St. Emmeram zeigt im Vergleich mit anderen Klöstern einmal mehr, daß es bei der Verwendung von Bilddrucken individuelle Unterschiede von Konvent zu Konvent gab. Druckgraphik wurde nicht überall verwendet, sobald sie zur Verfügung stand; viel später als etwa in Tegernsee beginnt in St. Emmeram die Beschäftigung mit diesem Bildmedium. Ihr Gebrauch in den Handschriften läuft parallel zu den neuen Bemühungen um Ordnung und Ausbau der Bibliothek von St. Emmeram, zum geistigen Aufschwung nach einer Zeit der Stagnation. Von daher ähneln die Grundvoraussetzungen für den Gebrauch von Bilddrucken denen von Tegernsee in gewisser Weise, doch traten sie zu einem späteren Zeitpunkt ein. Bei der unterschiedlichen Auswahl der Blätter könnten auch lokale Traditionen eine Rolle gespielt haben. Über „geschmackliche" Neigungen zu bestimmten graphischen Techniken in St. Emmeram wird man allenfalls spekulieren können.

53

BISCHOFF 1 9 5 3 / 5 4 , S. 1 7 1 .

54

V g l . SCHMIDT 1 9 9 2 .

Benediktinerkloster Kastl

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5. Ein Brevier aus dem Kloster Kastl Nicht allen Klosterbibliotheken wurde ein so günstiges Schicksal zuteil wie den bislang behandelten, die im Laufe ihrer Geschichte und schließlich zur Zeit der Säkularisation vor Zerstörung und Zerstreuung weitgehend verschont geblieben waren. Weniger Glück hatte die Benediktinerabtei Kastl, der Ursprungsort jener Observanz, der sich auch St. Emmeram - wenn auch relativ spät - angeschlossen hatte. Die Bibliothek dieses bedeutenden Klosters in der Oberpfalz ist fast vollständig verloren. Doch gehört zu den geringen Überresten ein 1454 beendetes Brevier in der Spencer Collection der New York Public Library, das vier zur ursprünglichen Konzeption der Handschrift gehörende Holzschnitte enthält.1 Besonders interessant ist es wegen seiner sicheren und relativ frühen Datierung. Denn das Beispiel St. Emmeram zeigte, daß dort in den Deckeln, auf den Vorsatzblättern oder anderen zufällig freigebliebenen Stellen nachträglich angebrachte Bilder die Regel waren, und diese Einfügungen meist erst ins letzte Viertel des 15. Jahrhunderts zu datieren sind. Aufmerksamkeit erregte das kleinformatige Brevier bislang vor allem wegen seines Einbandes - ist es doch eines der wenigen erhaltenen Beutelbücher (Abb. 178).2 Der Schmuck mit Druckgraphiken war ursprünglich noch reicher als heute. Die ehemals erste und letzte Seite, auf denen sich, wie Papierreste und Farbspuren beweisen, kolorierte Holzschnitte befanden, sind herausgetrennt.3 Die vier Holzschnitte, die noch erhalten sind, dürften kurz vor der Mitte des 15. Jahrhunderts entstanden sein. Sie sind stilistisch nicht einheitlich und stammen aus drei verschiedenen Folgen. Zwei Blätter befinden sich in den Deckeln des Buches, zwei wurden zur Illustration des Text untergebracht. Im vorderen Deckel klebt eine Darstellung des hl. Franziskus (Sehr. 1432c, s. Abb. 179), der die Stigmata empfangt. Im hinteren Deckel befindet sich ein Holzschnitt mit Johannes dem Evangelisten (nicht bei Schreiber, Wiederholung von Sehr. 1523a),4 der in der

1

MS 39. Eine Beschreibung der Handschrift bei KÜP 1939, erwähnt bei FAYE - BOND 1962, S. 3 3 2 u n d BÜHLER 1 9 6 0 , S. 8 5 .

2

NEUMÜLLERS-KLAUSER - OPPITZ 1996, S. 78 sprechen von gegenwärtig 24 erhaltenen und 4 verschollenen Beutelbüchern. Ungleich zahlreicher sind bildliche Darstellungen von Beutelbüchern in der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Kunst. Aus der umfangreichen Literatur dazu seien hier nur die grundlegenden Studien von LOUBIER 1926, S. 93-95 und ALKER 1966 sowie die neueren Arbeiten von BRUCKNER 1995 und NEUMÜLLERS-KLAUSER - OPPITZ

3 4

1996 genannt. Weitere Literatur, die den Beutelbuch-Katalog von ALKER 1966 ergänzt, ist bei MERKL 1997, S. 303 Anm. 2 aufgelistet. Unter den erhaltenen Beutelbüchern sind zahlreiche Breviere, so etwa Hs 17231 in Nürnberg, GNM, oder Clm 19309 (aus Kloster Tegernsee) in München, BSB. Siehe KÜP 1939, S. 471. Die beiden Holzschnitte sind besprochen und abgebildet bei MABBOT in HEITZ, Einblattdrucke Bd. 99, als Nr. 1 (hl. Franziskus) und Nr. 2 (hl. Johannes). KÜP benannte letzteren als * 1523a; doch erkannte MABBOT ganz richtig, daß der Johannes in der New Yorker Handschrift von einem anderen Stock gedruckt ist als der Holzschnitt im British Museum, dem Schreiber die Nummer 1523a gegeben hatte. Beide folgen ihrer gemeinsamen Vorlage sehr genau; sogar die

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Druckgraphik in süddeutschen Klosterbibliotheken

Rechten den Kelch mit der Schlange, in der Linken einen Zweig hält, der vom Formschneider wohl nicht richtig verstanden worden war. Beide Blätter wurden mit aufgeklebten Papierstreifen mit ornamentalem Textilmuster gerahmt.5 Sie füllen zusammen mit den graphischen Blättern die Deckelspiegel vollständig aus. Die beiden anderen Holzschnitte, die zu einer gemeinsamen Passionsfolge gehören,6 kleben auf Textseiten im Inneren des Buches. Der eine, Christus in der Vorhölle (Sehr. 697)7, steht über dem Anfang der Hymne zur Vesper des Ostersamstages8 (Abb. 176). Der andere stellt die Auferstehung Christi dar (Sehr. 546) und leitet die Vesper des Ostersonntags9 ein (Abb. 178). Die Holzschnitte stammen nicht nur aus drei verschiedenen Folgen, sondern sind auch unterschiedlich bemalt.10 Der Ausstatter der Handschrift hatte also fertig koloriertes Material unterschiedlicher Herkunft zur Verfügung und klebte es ein, wo es ihm passend erschien. Die Verteilung von Schrift und Bild auf den Seiten beweist, daß die Einklebung der Graphiken an diesen Stellen schon beim Schreiben geplant war. Dabei fällt auf, daß das Blatt mit Christus in der Vorhölle den oberen Rand des Textes etwas überschneidet. Um nicht noch mehr Schrift zu verdecken, wurde der untere Rand des Blattes abgeschnitten - jedoch nicht einfach weggeworfen, sondern rechts an die Seite geklebt, die abgetrennte obere Rahmenleiste links. Man vermag so die Reihenfolge des Vorgehens zu erkennen: Beim Schreiben des Textes wurde der offenbar nur grob geschätzte Platz für die Holzschnitte freigelassen, um sie erst später einzukleben. Küps These, 11 die Einfügung von Illustrationen wäre beim Schreiben noch nicht geplant gewesen, ist nicht richtig: Denn über den Textanfängen wurde ausreichend Platz für die Illustrationen freigelassen. Der Auferstehungs-Holzschnitt paßt sehr genau in den ausgesparten Raum; nur im Falle des Vorhöllen-Bildes scheint bei der Berechnung ein Fehler unterlaufen zu sein, weshalb es zu der Überschneidung kam. 12 Aus der Einpassung in das Gefüge des Textes ist zu schließen, daß die Bilder vom Schreiber selbst eingeklebt wurden. Der Text ist das Werk einer einzigen Schreiberhand, die in etwas eigenwilliger Art und Weise nicht nur die Ausstat-

5

6 7 8 9 10

11 12

unregelmäßigen Winkel der Eckschrägen zwischen den Einfassungslinien (v.a. rechts unten) gleichen sich. Vergleichbare Beispiele für Stoffmusterdrucke auf Papier sind etwa in den Handschriften Clm 5875 (vorderer Deckel) und Clm 8685 (im hinteren Deckel) erhalten; vgl. zu diesem Phänomen WILCKENS 1983, S. 14. Weniger überzeugend ist die Meinung von KÜP 1939, S. 477, nach der die Papierstreifen Bordüren von Miniaturen imitieren sollten. Die bei Schreiber unter Nr. 46 beschriebene, am vollständigsten im 'Gulden puchlein' der BSB München erhalten (s. Kap. II. 1.2). Mangels Paginierung sind keine Seitenangaben zu der Handschrift möglich. Ad cenam agniprovidi... (AH 51, 83; Chev. 110). Expurgate vetus fermentum... (1. Kor. 5, 7). Lediglich der Auferstehungs-Holzschnitt ist so schlecht und unprofessionell koloriert, daß an eine Bemalung durch einen dilettierenden Benutzer, eventuell den Schreiber der Handschrift, zu denken ist. KÜP 1939, S. 478. Oder war eventuell zunächst ein etwas kleineres Bild geplant? Irgendeine Illustration auf jeden Fall - das belegt der freigelassene Raum. Auch dem Auferstehungs-Holzschnitt fehlt die untere Rahmenleiste.

Benediktinerkloster Kastl

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tung mit Schrift, sondern auch mit Bildern in eigener Regie durchführte. In den beiden Blättern in den Buchdeckeln und den heute fehlenden Bildseiten am Beginn äußert sich sein Bemühen, gerade Anfang und Ende des Buches schmuckvoll zu gestalten. Nun waren damals, wie die vorliegende Untersuchung an anderen Stellen zeigt, die Buchdeckel beliebte Plätze, um druckgraphische Blätter auch mehr oder weniger ikonographisch unabhängig unterzubringen. Jedoch findet sich kaum eine zweite Handschrift im Untersuchungszeitraum, bei der so viel Wert auf die im wahrsten Sinne des Wortes lückenlose Gestaltung des Deckelspiegels durch die Umkleidung des Bildes mit Ornamentpapier gelegt wurde. Was mag den Schreiber zur Verteilung der ihm zur Verfügung stehenden Druckgraphik in der vorliegenden Art und Weise bewogen haben? Die Vorhöllen-Szene klebt vor den Texten zum Ostersamstag, die Auferstehung vor denen zum Ostersonntag an geeigneter Stelle. Nicht so offensichtlich sind die Gründe für die Plazierung der zwei Heiligenbilder in den Deckeln. Auch für sie hätten sich innerhalb des Breviers Stellen mit unmittelbarem Textbezug gefunden, etwa im Sanctorale. Stattdessen bevorzugte der Schreiber und Einkleber die Deckel, also die „äußeren", von konkreten Textinhalten unabhängigeren Anfangs- und Endpunkte des Buches. Offenbar unterschied der Schreiber bei den Bildern zwischen den statischen Einzelfiguren und den erzählenden christologischen Szenen. Den narrativen Bildern wies er ihren Platz im Text zu, gleichsam innerhalb der erzählenden Schrift, den statischen Heiligenfiguren den Raum außerhalb. Zudem lagen mit den letzteren die Bilder herausragender Heiliger vor: Vielleicht spielte es eine Rolle, daß man das Buch durch den hl. Franziskus mit einem besonderen Vorbild der Christusnachfolge und Christuskontemplation beginnen lassen konnte; auch das Ende mit Johannes als Christus besonders nahestehendem Jünger und Evangelienschreiber könnte von dem Schreiber der Handschrift beziehungsreich konstruiert sein. Die Herkunft der Holzschnitte liegt möglicherweise in Nürnberg. Vielleicht sind sie in dieser Stadt entstanden, auf jeden Fall aber waren sie dort erhältlich. Denn Teile der zugehörigen Folgen und stilistisch verwandte Blätter sind in Nürnberger Handschriften überliefert. Weitere Drucke des Christus in der Vorhölle und der Auferstehung finden sich in dem im dortigen Dominikanerkloster geschriebenen 'Gulden puchlein'13 (s. Abb. 177); diese Folge ist die vielleicht in Nürnberg entstandene Wiederholung der weit verbreiteten Kopienreihe. Der Holzschnitt eines hl. Johannes, der dem Exemplar im Kastler Brevier so ähnlich ist, daß Küp annahm, die beiden Blätter wären vom gleichen Holzstock gedruckt, ist in eine ebenfalls in Nürnberg entstandene Handschrift eingebunden. 14

13

14

Die betreifenden Holzschnitte dort auf fol. 13l r (Vorhölle, Sehr. 697) und fol. 133R (Auferstehung, Sehr. 546), abgebildet bei WEIGMANN 1918, Nr. 51 u. 52. KÜP 1939, S. 480 ist nicht sicher, ob die Holzschnitte der Kastler Handschrift nur Kopien nach denen der Nürnberger sind, oder ob die Kastler Exemplare spätere Abzüge vom abgenutzten Stock sind. Soweit dies nach den Abbildungen zu beurteilen ist, stammen sie jedoch vom selben Stock; bei den New Yorker Blättern handelt es sich um schlechtere Abdrücke. Das 1461 geschriebene Gebetbuch in London, BM, 158* b.3., fol. 260 r ; s. dazu Kap. II.1.6.3.

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Druckgraphik in süddeutschen Klosterbibliotheken

Der hl. Franziskus (Abb. 179) gehört stilistisch und von der groben Technik des Schnittes mit den Blättern einer anderen Leben Christi-Folge zusammen, die ebenfalls im 'Gulden puchlein' überliefert ist15 (vgl. z.B. Sehr. 183, s. Abb. 180) und Parallelen in anderen Nürnberger Holzschnitten hat (s. Kap. II. 1.2.). Die bessere Nachfolge dieser grob vereinfachenden Stilrichtung ist in den Illustrationen zu Pfisters Druck der 'Vier Historien' von 1462 (Abb. 27), die in Bamberg oder Nürnberg geschnitten wurden, sichtbar. Auch die Bemalung ist sehr ähnlich: charakteristisch etwa die mit dicken dunklen Pinselstrichen nachgezogenen Faltenlinien der Gewänder, die das grobe Liniengerüst des Holzschnitts noch ungeschlachter erscheinen lassen. Auch von dem Franziskus-Holzschnitt hat sich ein zweites Exemplar erhalten, das sich heute in Washington befindet. 16 Dabei handelt es sich nach Ausweis der ausgebrochenen Grate um einen späteren Abzug. Vermutlich stammt aber die charakteristische Kolorierung beider Drucke von der gleichen Hand; gemeinsam sind den Blättern nicht nur die erwähnten grob nachgefahrenen Faltenlinien, sondern auch das Schema der zu bemalenden und weiß zu lassenden Partien etwa bei dem kleinen Hügel und der Wolkengloriole Christi. Ein- und derselbe Kartenmaler scheint die Produktion dieses Holzschnitts vom relativ unverbrauchten bis zum beschädigten Holzstock weiterverarbeitet zu haben. Doch von der Produktion nun wieder zur Verwendung der Graphiken. Wir kennen den Namen ihres Benutzers, d. h. des Schreibers des Kastler Breviers. Er hat sich im Kolophon genannt: Finito libro sit laus et gloria deo anno 1454 septima nonas maii per manum Sebaldi in Castello prioris per hanc scripturam ocium devitantis et aliorum deservientis. Orans in hoc libro memor sit scriptorispropicio [!]. Amen.17

fratris utilitati

Es war also der Prior des Benediktinerklosters Kastl, der das Buch im Jahre 1454 vollendete. Der Kalender des Breviers bestätigt die Herkunft aus dem zur Diözese Eichstätt gehörigen Kloster.18 Die Nachforschung nach der Person des Schreibers ergab, daß erstmals 1446 ein Sebald als Kastler Prior 19 erscheint. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist er mit dem Verfertiger der Handschrift identisch. Eine Kastler Chronik nennt auch seinen Nachnamen: Sebaldus Sachs ist noch im Jahr 1459 als Prior erwähnt. 20 Ob der in einer Admonter Totenrotel von 1485 als 1483/84 verstorben eingetragene Frater Sebaldus aus Kastl 21 der Prior und Schreiber des Beutelbuches ist, kann nur vermutet werden.

20

S. u. Verzeichnis der Handschriften unter München, BSB, 'Gulden puchlein1; dort als Folge C. Washington, NGA, Inv.-Nr. B-3161. Abb. in Fifteenth Century Woodcuts and Metalcuts 1965, Nr. 118. Vor dem Beginn des letzten Teils der Handschrift, dem Commune sanctorum. Zur Analyse des Kalenders KÜP 1939, S. 473^175. Vgl. Bosls Rekonstruktion einer Liste der Kastler Professen. Die Nennung Sebalds als Prior von 1446 erscheint in einem Kastler Kopialbuch des 17. Jahrhunderts, s. BOSL 1939, S. 161. Kastler Chronik im Ordinariatsarchiv Eichstätt (B 263); genannt bei BOSL 1939, S. 161.

21

BOSL 1 9 3 9 , S. 1 6 2 .

15 16 17 18 19

Benediktinerkloster Kastl

221

Die Hand des Schreibers ist wenig sorgfältig und wird gegen Ende immer flüchtiger. In den für die Rubrizierung freizulassenden Stellen verschätzt er sich oft, im Kalender macht er eine Anzahl von Fehlern22 - alles in allem eine Arbeit, die keinen professionellen Schliff zeigt.23 Nehmen wir die im Kolophon genannte Motivation des Schreibers beim Wort, ging es ihm auch um etwas anderes: per hanc scripturam ocium devitantis - durch die Schreibarbeit vermied er schädlichen Müßiggang. Im Mittelpunkt stand der Text sowie die Arbeit des Schreibens selbst, nicht anspruchsvolle und aufwendige Gestaltung. Dennoch war er Illustrationen nicht abgeneigt. Die Voraussetzung dafür war aber die Tatsache, daß ihm Bilder zum selbstbestimmten Gebrauch von niedrigem Anspruchsniveau verfügbar waren - Bilder, wie sie erst durch die massenhaft vervielfältigte Druckgraphik zur Verfügung standen. Die Holzschnitte passen zum flüchtigen Charakter seiner Handschrift. Woher er die Blätter bezogen hatte, wissen wir nicht. Der Stil und die Überlieferung weiterer Exemplare weisen jedoch nach Nürnberg - wie auch der Name Sebaldus Sachs.24 Der Schreiber war nicht irgendein Mönch, sondern bekleidete immerhin das Amt des Priors. Selbst das „Führungspersonal" eines Klosters machte also Gebrauch von Druckgraphik bei der Handschriftenausstattung, wie schon die Handschriften der Pröpstinnen von Inzigkofen und Pillenreuth, Anna Jäck und Anna Ebin, gezeigt hatten. Das belegt einmal mehr, daß es sich dabei nicht nur um ein untergeordnetes Randphänomen handelt.25 Herausragende Bedeutung hatte Kastl als Zentrum der ältesten benediktinischen Reformbewegung des Spätmittelalters im deutschsprachigen Raum erlangt.26 Die 'Consuetudines Castellenses1 zielten - orientiert unter anderem an den Consuetudines von Cluny und Hirsau und beeinflußt von der Raudnitzer Reformbewegung - auf eine durchgreifende Erneuerung des klösterlichen Lebens durch die Rückführung auf die benediktinischen Ideale.27 Die Kodifizierung der Reformbräuche begann 1378; von Neufassungen wird 1417 und nach 1430 22 23

24

25

26

27

KÜP 1939, S. 471 f. KÜP 1939, S. 472 charakterisiert die Schrift in etwas übertriebener Weise so: "near the end we find ourselves often in a bewildering world of meaningless jumbles of consonants and vowels. His pen, steady at the start with strong, energetic strokes, loses itself soon in fancy and flowery mannerisms." Über die Herkunft des Schreibers ist nichts bekannt. Die Verehrung des hl. Sebald und damit auch die Namensgebung hat zu jener Zeit jedoch einen deutlichen Schwerpunkt im Nürnberger Raum. Auch Hanns Lidrer, der im Jahre 1466 eine Handschrift mit 19 Holzschnitten vollendet hatte (Augsburg, UB, Cod. I. 3. 8° 5), nennt sich Probst. Es ist jedoch nicht genau zu sagen, welche Bedeutung diese Bezeichnung in diesem Fall hat; Stiftspropst scheint er nicht gewesen zu sein (s.Kap. II. 1.3.). Zur Kastler R e f o r m s. v.a. WÖHRMÜLLER 1 9 2 4 ; BOSL 1 9 3 9 , v. a. S. 1 5 3 - 1 5 6 ; WEISSENBERGER

1950, S. 101-106; C. WOLFF in 2 LThK Bd. 6, Sp. 14-16; BECKER 1980, u. a. S. 173, S. 175, S. 179; ELM 1980, u. a. S. 210; BECKER 1989, S. 24 f.; die neueste Zusammenfassung des Forschungsstandes bei MAIER 1991. WÖHRMÜLLER 1924, S. 17, zur Ableitung von den Consuetudines Cluniacenses und Hirsaugienses. Vgl. auch BOSL 1939, S. 118, LThK Bd. 5, Sp. 864. Zum Einfluß der böhmischen Reformwelle am deutlichsten MAIER 1991, S. 97-102.

222

Druckgraphik in süddeutschen Klosterbibliotheken

berichtet.28 Ihr Einfluß wirkte bis über die Mitte des 15. Jahrhunderts hinaus auf eine große Zahl von Benediktinerklöstern29 wie auch auf die Reformbewegungen anderer Orden30, wenn sie auch nicht die Wirkung wie später etwa die Melker Observanz entfalten konnte.31 Zum Zeitpunkt der Entstehung des Breviers von Prior Sebaldus waren die Reformbemühungen in Kastl noch keineswegs erlahmt. 1454, im Jahr der Fertigstellung der Handschrift, begannen die Unionsverhandlungen Kastls mit den Melker und Bursfelder Verbänden,32 mit denen - wenn sie letztendlich auch scheiterten - eine große einheitliche Reformkongregation geschaffen werden sollte. 33 Die Kastler Reform war in der Praxis weniger radikal und ausschließlicher auf die Restauration alter Verhältnisse konzentriert als etwa die Melker Observanz oder die der deutschen Dominikaner. Wie sich die Reform auf den Umgang mit Kunst in Kastl auswirkte, ist kaum mehr zu beurteilen. Von den ersten Klöstern der Kastler Reform sind so gut wie keine Denkmäler erhalten.34 Auch von der Kastler Klosterbibliothek ist fast nichts geblieben. 35 Nur fünf Handschriften, verstreut auf ebensoviele Bibliotheken, sind heute noch zu ermitteln. 36 Die besondere Bedeutung des New Yorker Buches liegt darin, zu den wenigen Zeugen des Bücherbestandes eines der wichtigsten süddeutschen Klöster zu gehören37 und überdies Einblick in den persönlichen Buch- und Bildgebrauch eines führenden Mitglieds geben zu können. 28

BECKER 1 9 8 0 , S. 173.

29

Während anfangs an eine Verbreitung der Reform noch gar nicht gedacht war (s. C. WOLFF in 2 LThK Bd. 6, Sp. 15), griff die Kastler Reform ab 1394 auf andere Konvente über, als erstes auf Kloster Reichenbach. In den 50er Jahren standen über 25 süddeutsche Klöster direkt unter ihrem Einfluß; s. BECKER 1980, S. 175, BOSL 1939, S. 188. Zur Ausbreitung der Reform s. a u c h WÖHRMÜLLER 1924, S. 1 8 - 3 8 .

30

So fußten die Reformbeschlüsse des Mainz-Bamberger Provinzialkapitels in Petershausen von 1417, die auch in anderen Kirchenprovinzen übernommen wurden (s. BECKER 1980, S. 174) sowie die monastischen Erneuerungsbemühungen im Umfeld des Basler Konzils zu nicht geringem Teil auf dem Vorbild der Kastler Bräuche. Häufig wurden Kastler Mönche als Visitatoren bestellt (s. C. WOLFF in 2 LThK Bd. 6, Sp. 16).

31

V g l . SUCKALE 1 9 8 2 , S. 9.

32

'LThKBd. 5, Sp. 864.

33

Zu den Unionsversuchen s. BECKER 1980, S. 183.

34

SUCKALE 1 9 7 5 B d . 2, S. 112 A n m . 3 3 .

35

Zur Bibliothek von Kastl s. SUDBRACK 1967 Bd. 2, S. 160-187. Die Zerstreuung und Zerstörung der Bibliothek begann vermutlich schon, als nach der Einführung der Kirchenordnung des Kurfürsten Ottheinrich die Klosterschätze fortgeschafft und das Kloster in den folgenden Jahrzehnten „übel zugerichtet" wurde, wie es in Johannes Brauns Sultzbachischem Chronicon heißt (um 1648 geschrieben; München, BSB, Cgm 2111, 1. Buch Kap. 12); vgl. auch Kunstdenkmäler Bayern Bd. 2, Heft 17, S. 140. Verzeichnet bei KRÄMER in MBK Erg.-Bd. I, S. 389. SUDBRACK 1967, Bd. 2 S. 160, spricht nur von drei erhaltenen Handschriften: Clm 14940 in der BSB München (dazu HAIMERL 1952, S. 75 f.), Cod. 215 in der Gräflich von Schönbornschen Bibliothek zu Pommersfelden (dazu s. SUCKALE 1993 S. 139, dort S. 194 Anm. 31) und das New Yorker Brevier, das er jedoch verschollen glaubte. KRÄMER gibt darüber hinaus British Library, Arundel 339, München, BSB, Clm 28880 (fraglicher Provenienz) und Stockholm, Kgl. Bibl., A. 155 an. SUDBRACK 1967 Bd. 2, S. 161-187, hat den Buchbestand des Klosters nach Katalogen von 1556 und 1600 ausgewertet. Das New Yorker Brevier ist jedoch unter den dort aufgeführten Codices nicht genau zu identifizieren.

36

37

Benediktinerkloster Kastl

223

Es ist davon auszugehen, daß der Schreiber Sebaldus als Prior mit den Reformzielen genauestens vertraut war. Schon in der Begründung, die er im Kolophon für das Schreiben gibt - per hanc scripturam ocium devitantis et aliorum utilitati deservientis, als Mittel gegen den schädlichen Müßiggang und zum Nutzen der Mitbrüder - vernimmt man den Widerhall der Reformideale. 3 8 Die gleiche programmatische Motivation für das Abschreiben geistlicher Texte findet man in einem anderen Zentrum der monastischen Reform, in der Windesheimer Kongregation: Auch hier sah man das Ziel in der Selbstdisziplinierung des Schreibers und im Nutzen für andere. 39 Von der Bedeutung der Schriftkultur in der Dominikanerobservanz war oben schon die Rede. Ein 'Modus introducendi reformationem' aus Kremsmünster, also aus dem Bereich der Melker Reform, gibt in ganz ähnlicher Form den praktischen Nutzen und das Vertreiben von schlechtem Müßiggang als Beweggrund für das Schreiben von Büchern an: ut fratres numquam vagari et otiari permittantur, quia, ut dicit sanctus pater Benedictas in regula, otiositas inimica est anime. Et quia otia dant vitia, procurentur igitur fratribus labores utiles, videlicet tractatuli, codices, libri, devotionalia, et alia necessaria et utilia ad rescribendum et rubricandum etc.40 Die 'Consuetudines Castellenses' selbst sind in bezug auf die praktischen Arbeiten der Mönche sehr unbestimmt gehalten; die einzige explizit empfohlene Tätigkeit ist jedoch auch hier das Abschreiben von Büchern. 41 Die Gestalt der Kastler Handschrift bestätigt, daß die Formulierung des Priors im Kolophon nicht nur ein leerer Topos war: Die kunstlose und flüchtige Schreibarbeit zeigt, daß es tatsächlich weniger um ein anspruchsvolles und ansprechendes Ergebnis als um den Nutzen des Schreibaktes und des Geschriebenen - inklusive der improvisierten Bildausstattung - ging. 42

38

Die Formulierung gehört nicht zu den gängigen Topoi von Handschriftenkolophonen, wie die Durchsicht der Sammlung Colophons de manuscrits occidentaux des origines au XVI E siècle, Fribourg 1965 ff. zeigt. Zu Begriff und Bedeutung von 'otium' vgl. J. M. ANDRÉ, L'otium dans la vie morale et intellectuelle romaine. Paris 1966. JEAN LECLERCQ behandelt vor allem den positiven Aspekt von 'otium': Otia monastica. Études sur le vocabulaire de la contemplation au moyen âge (Studia Anselmiana 51) Rom 1963; DERS., 'Otium Monasticum' as a Context for A r t i s t i c C r e a t i v i t y , in : TIMOTHY GREGORY VERDÓN - JOHN DALLY ( H g g . ) , M o n a s t i c i s m a n d

the Arts, Syracuse 1984, S. 63-80. 39

WILLIAMS-KRAPP 1 9 8 6 / 8 7 , S. 4 3 .

40

Kremsmünster, Stiftsbibliothek, CC 75, fol. 116R. Abgedruckt bei WILLIBRORD NEUMÜLLER, Fragmente und Handschriften alter Mönchsgewohnheiten in Kremsmünster (97. Jahresbericht Obergymnasium der Benediktiner zu Kremsmünster) Kremsmünster 1954, S. 115 f.

41

WÖHRMÜLLER 1 9 2 4 , S. 17.

42

Es ist auch zu bedenken, daß zur Entstehungszeit vermutlich ein erhöhter Bedarf an neuen Handschriften bestand - denn 1452 hatte ein Brand einen Teil der Klosterbibliothek vernichtet. Schon 1438 war die Bibliothek durch einen Brand dezimiert worden, s. SUDBRACK 1967 Bd. 2, S. 161. Den Brand von 1438 erwähnt auch Johannes Brauns Sultzbachisches Chronicon, München, BSB, Cgm 2111, 1. Buch, Kap. 14: dabei wären herrliche Bücher und sehr köstliche Antiquiteten zugrunde gegangen; vgl. auch Kunstdenkmäler Bayern Bd. 2, Heft 17, S. 140.

III. DIE VERWENDUNG VON DRUCKGRAPHIK DURCH GEWERBLICHE BUCHSCHREIBER

1. Leonhard Taichstetter von München und seine Heilsspiegel Die Bayerische Staatsbibliothek in München besitzt mit Clm 21543 und Cgm 1126 zwei Handschriften, die vom Umfang ihrer Ausstattung her unangefochten an der Spitze aller mit Druckgraphik geschmückten Codices stehen: Jedes der Bücher besitzt 192 Holzschnitte, die nicht eingeklebt, sondern direkt auf das Papier der Handschriften gedruckt sind. Sie stammen vom selben Schreiber, der mit L. T und Le fSí T. signierte; es handelt sich dabei, wie der Vergleich mit anderen Handschriften zeigt, die mit seinem vollen Namen gezeichnet sind, um den in München tätigen Leonhard Taichstetter. Es ist bezeichnend für das Interesse, das die Kunstgeschichte dieser Art von Handschriften entgegengebracht hat, daß die Holzschnitte in der Literatur noch keine Behandlung erfahren haben, die über die bloße Erwähnung ihrer Existenz hinausginge.1 Selbst W. L. Schreiber, der wenigstens von einer der beiden Handschriften wußte, 2 verzeichnete in seinem Handbuch der Holz- und Metallschnitte nur einen kleinen Teil der Graphiken, nämlich die zu einer Passionsfolge gehörenden.3 Über den Grund für diese Inkonsequenz kann man nur spekulieren: Einen kompletten Satz von Heilsspiegel-Illustrationen scheint er nicht als Einzelholzschnitte anerkannt zu haben; doch auch in seinem Werk über die Blockbücher ist die Folge nicht aufgenommen. Für Handschriften wie Clm 21543 und Cgm 1126 hatten weder W. L. Schreiber noch seine Nachfolger auf dem Gebiet der Graphikforschung eine Kategorie in der säuberlichen Aufteilung zwischen Einzelholzschnitt, Blockbuch und Inkunabelillustration. Schon eher interessierten 1 2

3

Eine Ausnahme ist BAURMEISTER 1994, S. 148, die Clm 21543 (nicht aber Cgm 1126) im Kontext neuer Techniken druckgraphischen Buchschmucks erwähnt. Neben Clm 21543 erwähnte SCHREIBER 1895, S. 211 Anm. 3 die Existenz einer ähnlich aufgebauten zweiten Handschrift, Uber die ihm aber offensichtlich keine weiteren Informationen, auch nicht über ihren Aufbewahrungsort, vorlagen. Es ist anzunehmen, daß er Cgm 1126 meinte. SCHREIBER führt in seinem Handbuch unter der Nummer 49Í2 18 der Holzschnitte auf. 1895 erwähnt er Clm 21543 in einer Anmerkung (S. 211 Anm. 3). Am ausführlichsten sind die Holzschnitte bei WEIGMANN 1918, S. 10 f, behandelt. Er bespricht allerdings ebenfalls nur die 18 zum Christusleben gehörenden Bilder der Handschrift, alle anderen 174 Drucke bleiben unbesprochen. Nur ganz allgemein erwähnt (in der Auflistung möglicherweise bayerischer Holzschnitte) werden sie von KRISTELLER 1917, S. 6. Beide Autoren kannten nur Clm 21543, nicht Cgm 1126.

226

Verwendung von Druckgraphik durch gewerbliche Buchschreiber

die beiden Heilsspiegel einen Ikonographen wie Breitenbach. Er listete in seiner Arbeit zum 'Speculum humanae salvationis' beide Codices auf, interessierte sich aber - entsprechend seiner Zielsetzung - nicht weiter für die ungewöhnliche Art des Bilderschmucks.4 Die beiden Handschriften sind grundsätzlich gleich aufgebaut und mit dem gleichen Satz von Holzschnitten illustriert. Nur ist Clm 21543 ausschließlich in Latein geschrieben, während Cgm 1126 - eine ungewöhnliche Art der Textüberlieferung - in jedem Kapitel zuerst eine deutsche Übertragung, dann die lateinische Fassung bringt (Abb. 181). In der für Heilsspiegel üblichen Weise beginnt jedes der ersten 42 Kapitel mit vier Kolumnen, in denen die figurae aus Neuem und Altem Testament nebeneinander angeordnet sind. Sie sind jeweils aus Bildüberschrift, koloriertem Holzschnitt und Erklärung aufgebaut (vgl. Abb. 181183). Diesem Kernstück des Buches geht eine bilderlose Vorrede voraus. Am Ende stehen als Kapitel 43 bis 45 Betrachtungen des Leidens Christi sowie der sieben Schmerzen und sieben Freuden Mariae nach den kanonischen Stunden, die mit je einem Holzschnitt aus Passion und Marienleben illustriert sind. Der Text der Handschriften ist eine Kompilation mit dem 'Speculum sanctae Mariae virginis', die sonst nur in zwei späteren Augsburger Drucken nachgewiesen ist. In der Bildfolge gibt es keine gravierenden Abweichungen gegenüber der Standard-Ikonographie5 des Heilsspiegels. Breitenbach ordnete die beiden Münchener Codices einer Gruppe um eine etwa 1440 in Franken entstandene Handschrift6 zu, der unter anderem auch die Augsburger Drucke des 'Speculum' angehören.7 Eine grundsätzliche Abweichung vom Bilderkanon wie etwa die Darstellung Christi am Kreuz statt der üblichen Kreuzannagelung (Kap. XXIII) wiegt thematisch in diesem Fall nicht schwer, da sie wohl durch das Fehlen eines entsprechenden Holzstocks zu erklären ist.8 Zwischen den Bildanordnungen der beiden Handschriften gibt es nur geringfügige Unterschiede. So ist etwa in Cgm 1126 die Schutzmantelmadonna, die eigentlich zu Kapitel XXXVIII gehört (wo sie sich in Clm 21543 auch befindet), ins Kapitel XXXVII vorgezogen; das normalerweise dem Kapitel XXXVII zugeordnete Bild der Fürsprache Mariae für die Gläubigen vor Gott folgt dafür erst im nächsten Abschnitt. Zu der Verwechslung konnte es durch die inhaltliche Ähnlichkeit dieser Eingangsszenen, die beide Schutz und Fürbitte Mariae behandeln, kommen. In Cgm 1126 sind die Bilder der zweiten und dritten Szene der Kapitel IX und XXV gegenüber Clm 21543, der auch hier der Norm entspricht, vertauscht. In der 1463 vollendeten zweisprachigen Fassung haben sich also im 4

BREITENBACH 1 9 3 0 , S . 13 ( N r . 1 0 4 ) , S. 19 ( N r . 2 0 2 ) .

5

Wie BREITENBACH 1930 bemerkte, bleibt die Szenenfolge in der großen Zahl von SpeculumHandschriften - im Unterschied etwa zur Biblia pauperum - generell relativ starr. Abweichungen gibt es im wesentlichen nur in der Ausgestaltung der einzelnen typologischen Figuren. Wolfenbüttel, HAB, 1.12. Aug. fol., im Katalog von BREITENBACH 1930 als Nr. 225. Zu der Gruppe BREITENBACH 1930, S. 73 f. Zur Stellung der Textkompilation unter den

6 7

S p e c u l u m - Ü b e r s e t z u n g e n s. STORK - WACHINGER in 2 V L B d . 9 , S p . 6 1 .

8

BREITENBACH 1930, S. 194 Anm. 5, kennt nur zwei weitere Handschriften, die hier Christus am Kreuz zeigen.

Leonhard Taichstetter von München und seine Heilsspiegel

227

Vergleich zu der zwei Jahre früher entstandenen lateinischen kleine Unregelmäßigkeiten eingeschlichen. Dagegen weist die lateinische Handschrift Unstimmigkeiten im Layout auf, die sich in Cgm 1126 nicht finden. In Clm 21543 wurden etwa die vier Bilder des Kapitels XLII nicht, wie üblich, auf einer Doppelseite abgedruckt, wo sie auf einen Blick nebeneinander zu erfassen gewesen wären, sondern auf der Recto- und Verso-Seite ein und desselben Blattes;9 der Leser und Betrachter muß nun umblättern, um die typologische Reihe vollständig zu sehen. Ein ähnlicher Berechnungsfehler führte im fünften Kapitel dazu, daß nur drei Bilder auf der Doppelseite nebeneinander stehen, zum vierten aber umgeblättert werden muß.10 Zwei Jahre später dagegen unterliefen solche Fehler nicht mehr: In der deutsch-lateinischen Fassung gibt es ausschließlich regelmäßige Vierer-Reihen. Der Schreiber hatte inzwischen mehr Erfahrung im genauen Abschätzen der Textlängen gewonnen, um die bebilderten Kapitelanfänge stets auf eine neue Doppelseite zu bekommen. Wer waren die Besitzer der Handschriften? Der lateinische Heilsspiegel stammt aus der Bibliothek der Benediktinerabtei Weihenstephan. Die Provenienz der zweisprachigen Fassung ist dagegen unbekannt. Denn im Unterschied zu den lateinischen wurden die deutschen Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek großenteils ohne Dokumentation aus dem Zusammenhang ihrer Herkunftsbibliotheken gerissen. Redlich führte Cgm 1126 unter den Tegernseer Handschriften auf,11 doch berichtigte Karin Schneider, daß es weder für diese noch für eine andere Provenienz einen Beleg in der Handschrift gibt.12 Untersucht man jedoch die Tegernseer Bibliothekskataloge, die von Ambrosius Schwerzenbeck 1483/8413 und von Konrad Sartori 1500-150414 angelegt worden waren, stößt man auf zwei Bände, von denen einer tatsächlich mit Cgm 1126 identisch sein könnte. Sartori nennt ein Speculum humanae salvationis in Latino et vulgäri cum picturis depictis domini Andree sacerdotis mit zwei Signaturen (J 36; 3 7).15 Es waren also zwei Bände dieses Inhalts vorhanden. Auch Schwerzenbeck nennt unter dem Titel Speculum sancte Marie quod ipse per se intitulat vel speculum humanae salvationis cum figuris depictis in latino et vulgari habens devotissimas materias zwei Signaturen, kXXI und O 31.16 Nun sind deutsch-lateinische Heilsspiegel etwas sehr Ungewöhnliches. In der gesamten Überlieferung des 15. Jahrhunderts sind neben Cgm 1126 nur eine weitere Handschrift17 und eine etwa 1473 im Augsburger Kloster St. Ulrich und Afra entstandene Druckausgabe

9 10 11

Clm 21543, fol. 101 r/v . Clm 21543, fol. 18 v b -19 v a . REDLICH 1931, S. 188; dort nur genannt, ohne Begründung. VOLLMER 1938, S. 60 Anm. 12, übernahm diese Provenienzangabe.

12

SCHNEIDER 1 9 9 1 , S. 1 3 0 .

13 14 15 16

Veröffentlicht in MBK Bd. IV,2, S. 751-849. Publiziert in MBK Bd. IV,2, S. 849-863. MBK Bd. IV,2, S. 862 Z. 542 f. MBK Bd. IV,2, S. 764 Z. 389-393.

17

B e r l i n , S B , M s . lat. f o l . 9 3 7 ; v g l . STORK - WACHINGER in 2 V L B d . 9 , S p . 6 1 .

228

Verwendung von Druckgraphik durch gewerbliche Buchschreiber

bekannt.18 Auf diese Gruppe deutet auch die Benennung als Speculum sancte Marie in Schwerzenbecks Katalog; denn nur in diesem Überlieferungszweig ist der Text mit dem 'Speculum sanctae Mariae virginis' kompiliert.19 Der Haupttext der beiden Taichstetter-Handschrifiten wie auch der Augsburger Inkunabel beginnt nach dem Proömium mit Incipit speculum sancte virginis...20 Ein Text dieses Überlieferungszweiges ist tatsächlich im Besitz des Klosters Tegernsee nachgewiesen. Ein Exemplar des Augsburger Drucks in der Bayerischen Staatsbibliothek trägt einen Tegernseer Besitzvermerk.21 Er wurde dem Kloster allerdings erst 1491 vermacht22 und kann deshalb mit keinem der in Schwerzenbecks Katalog von 1483/84 verzeichneten Exemplare identisch sein. In Frage käme dafür jedoch Cgm 1126.23 In der Handschrift wird auch der im Katalog als Autor erwähnte Priester Andreas genannt: Mit Andreas nacione ytalus officio presbiter beginnt die Vorrede der Handschrift.24 Der Hersteller der beiden 'Speculum humanae salvationis'-Handschriften versuchte durch das Angebot einer zweisprachigen neben einer rein lateinischen Fassung den Ansprüchen unterschiedlicher Publikumsgruppen zu entsprechen. Zweisprachigkeit ist in Handschriften und Frühdrucken gelegentlich und auffallend häufig in Blockbüchern anzutreffen.25 Im Publikum der lateinisch-deutschen Blockbücher etwa vermutete Nigel F. Palmer „gebildete lateinkundige Geistliche oder Laien, die die Kombination von Bildern mit lateinischem und deutschem Text für ihre eigene Unterweisung oder für die Unterweisung anderer benötigten."26 Nun wäre die Annahme falsch, daß in einem gelehrten und die Kenntnisse lateinischer theologischer Literatur fordernden Kloster wie Tegernsee ein teilweise volkssprachiger Heilsspiegel fehl am Platze wäre. Wie Christian Bauer zeigen konnte, existierte in Tegernsee mit den Laienbrüdern eine durchaus relevante Lesergruppe für deutschsprachige Literatur.27 Der Bestand an deutschen Texten in der Tegernseer Bibliothek „korrespondiert mit der in den Regeln für Laienbrüder vorgesehenen Kombination von direkter, mündlicher 18 19

H a i n 1 4 9 2 9 . V g l . SEEBODE 1 9 7 7 , S. 1 0 8 - 1 1 0 ; ROLF SCHMIDT 1 9 9 0 , S . 5 9 . V g l . STORK - WACHINGER i n 2 V L B d . 9 , S p . 6 1 .

20 21

26

In Clm 21543 fol. l v a . München, BSB, 2° Inc. s. a. 1087; auf S. 1 unten der Tegernseer Besitzvermerk von 1491. Ein altes Signaturenschildchen ist nicht enthalten, der Einband ist neu. Anno domini 1491° testatus est ille Uber deo et sancto Quirino martire et patrono in Tegernsee per dominum Ottonem premissarium in hospitali in Monaco cuius anima requiescat in pace. Amen. (Eintrag von der Hand des Bibliothekars Ambrosius Schwerzenbeck aufS. 1). BAUER 1996, S. 52, vermutet in seiner Aufstellung der deutschsprachigen Texte Tegernsees nach den Bibliothekskatalogen in dem bei Sartori und Schwerzenbeck genannten zweisprachigen Heilsspiegel den Druck Hain 14929, nicht aber Cgm 1126. Cgm 1126, fol. l r a ; im lateinischen Pendant Clm 21543 fol. 2 r . Mit den Tegernseer Codices verbindet Cgm 1126 auch das Titelschild auf dem vorderen Buchdeckel; doch sind ähnliche Schilder ebenso in anderen Bibliotheken anzutreffen. Vgl. dazu die wegweisende Arbeit von PALMER, Latein und deutsch 1992 sowie DERS., Apokalypse 1992. PALMER, Latein und deutsch 1992, S. 329.

27

BAUER 1 9 9 6 , S. 7 - 2 8 .

22

23

24

25

Leonhard Taichstetter von München und seine Heilsspiegel

229

geistlicher Unterweisung durch den magister oder praedicator conversorum und gemeinsamer und auch, wenngleich in den Regeln nicht genannt, privater Lektüre der Konversen"28. Ein bebilderter, auch deutschsprachiger Heilsspiegel fügt sich gut in die Auswahl von Texten ein, die nach Bauers Untersuchung den Konversen des Klosters Tegernsee zur Verfügung gestellt wurde.29 Die Melker Reform hatte eine Aufwertung des Konverseninstituts und eine stärkere Einbindung der Laienbrüder ins monastische Leben mit sich gebracht. Gleichzeitig bemühten sich die Reformklöster verstärkt um die geistliche Unterweisung der Laienbrüder. In Tegernsee wurde eine beachtliche Menge an deutschsprachiger Literatur für sie angeschafft.30 In diesem Licht betrachtet ist es sicher auch kein Zufall, daß zu den wenigen in der Druckerei des in enger Verbindung zu Tegernsee stehenden Augsburger Reformklosters St. Ulrich und Afra produzierten Büchern ein 'Speculum humanae salvationis' mit einer der Handschrift Cgm 1126 sehr ähnlichen Kombination von deutschem und lateinischem Text gehört.31 Daß das Tegernseer Exemplar dieses Drucks tatsächlich für die Laienlektüre gedacht war, belegen rote Randnotizen von einer Tegernseer Hand, die in deutscher Sprache vor Fehlern warnen.32 Volkssprachigkeit war die Voraussetzung für die Rezeption von Literatur durch Konversen und Laien. Daß man auch Bilder für geeignet hielt, deren Lektüre zu unterstützen und die Betrachtung der Heilsgeschichte zu fördern, kann nur vermutet werden. Immerhin gibt Dionys Menger, Klosterbibliothekar von St. Emmeram, in seinem Bibliothekskatalog von 1500/1501 einen Hinweis auf die Verbindung von Konversenliteratur und Bildern: er nennt einen Uber contemplacionis habens a principio passionem Christi depictam adiunctis theoreumatis depassione Domini: [...] et hunc librum habuerunt conversi, et hocpropterpicturam, cum tarnen eis alias in nullo deserviat, quia omnia in Latino scripta sunt, que in eo continentur.33 Es gibt also einige Argumente dafür, daß sich Cgm 1126 im Besitz des Klosters Tegernsee befunden haben könnte; schlüssig zu beweisen ist es allerdings nicht. Auf jeden Fall aber wäre das Buch dann durch eine Schenkung dorthin gelangt; denn auf fol. 2401"'3 findet sich ein Vermerk des 15. Jahrhunderts: Item der Anthoni Gebolczhauser, dem got genedig sey, der hat das puech dem heyligen goczhauss geschafft. Leider war über die Person dieses Spenders bislang nichts Näheres in Erfahrung zu bringen. Für das Publikum des Schreibers aber bedeutet es, daß - falls Anton Geboltzhauser tatsächlich der Erstbesitzer war 28

BAUER 1 9 9 6 , S . 2 5 2 .

29

BAUER 1996, S. 249-254.

30

BAUER 1 9 9 6 , S. 7 - 2 8 , 2 4 9 .

31

Das genaue Verhältnis des Textes von Druck und Handschrift wäre noch zu untersuchen. Die Holzschnitte sind nicht voneinander abhängig. Z. B. auf S. 181, wo daraufhingewiesen wird, daß mit der Gefangennahme das falsche Bild an erster Stelle des 17. Kapitels steht: Dy figur solt steen an der negsten h(er?)nach stat vnd dy selb an dieser stat. MBK Bd. IV, 1, S. 255 Z. 2759 f., Z. 2890 f. Den Hinweis auf diese Stelle verdanke ich Christian Bauer.

32

33

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Verwendung von Druckgraphik durch gewerbliche Buchschreiber

ein Privatmann der Abnehmer des Buches war, das erst durch ihn in ein Kloster kam.34 Über Leben und Tätigkeit des Schreibers Leonhard Taichstetter ist kaum mehr herauszufinden als das, was seine Handschriften verraten - und das ist nicht viel. Im Unterschied etwa zu den Handschriften seines Zeitgenossen und „Berufskollegen" Konrad Bollstatter (s. u.) enthalten Taichstetters Kolophone außer den Fertigstellungsdaten so gut wie keine biographisch aufschlußreichen Informationen. Sicher ist, daß er mindestens zwischen 1445 und 1470 als Schreiber produktiv war. Die bislang nachweisbaren Handschriften aus seiner Feder tragen die Fertigstellungsdaten 1445, 1447, 1450, 1451, 1453, 1459, 1468-70.35 1450 war er in München ansässig, denn in einem Kolophon dieses Jahres nennt er sich als Leonhardum Taichstetter monacensis.36 Die Abnehmer seiner Bücher waren zum größeren Teil Klöster. Je eine seiner Handschriften stammt aus den Benediktinerabteien Tegernsee37 und Weihenstephan38 sowie den Augustiner-Chorherrenstiften in Beyharting39 und Polling40. Diese Provenienzen sagen zwar nicht mit Sicherheit, daß diese Codices schon im 15. Jahrhundert von den Klöstern angeschafft wurden. Theoretisch könnte es sich auch um spätere Schenkungen handeln. Doch findet sich in keinem der Bücher eine diesbezügliche Notiz. Cgm 1126 ist, falls er denn aus Tegernsee stammt, mit gewisser Wahrscheinlichkeit schon 1483/84 in der dortigen Bibliothek belegt. Alle diese Bände enthalten geistliche Literatur, neben den beiden 'Specula humanae salvationis' ausschließlich theologische Texte. Bis auf den zweisprachigen Heilsspiegel sind alle in Latein abgefaßt. Die Taichstetter-Handschrift Clm 6948 befindet sich in der Bayerischen Staatsbibliothek zwar unter den Beständen der Fürstenfelder Zisterzienser, wurde aber nachweislich nicht für das Kloster geschrieben. Der Band kam 1488 durch eine Schenkung Otto Ebners, damals Kaplan an der Heiliggeist-Kirche in München, nach Fürstenfeld.41 Er hatte Handschriften auch an andere Klöster der 34

35

36 37 38 39 40 41

Im Unterschied zum heutigen Gebrauch bedeutet 'Gotteshaus' damals nicht nur Kirche, sondern ebenso Kloster. So benutzt etwa der Tegernseer Abt Kaspar Ayndorffer in einem Brief den Begriff gotzhaus fiir sein Kloster; s. SEBASTIAN GÜNTHNER, Geschichte der literarischen Anstalten in Baiern, Bd. 2, München 1815, S. 24 Anm. 11. 1445: München, BSB, Clm 18325, fol. 377 r . 1447: Luzern, Zentralbibliothek, KB 30 f o l , fol. 449 v a ; s. SCARPATETTI, Katalog der datierten Handschriften 1983, S. 173. 1450: Clm 5147, fol. 420 v ; Clm 6948, fol. 112 r , fol. 201 r . 1451: Clm 6948, fol. 418 r . 1453: Clm 11414, fol. 347 v . 1459: München, BSB, Cgm 273, fol. l r ; s. SCHNEIDER 1970, S. 212. 1468-70: München, BSB, Cgm 393, fol. 112 r , fol. 131 r , 182 v ; s. SCHNEIDER 1973, S. 139-141. Clm 5174, fol. 420 v . Clm 18325 (Thomas von Aquin); evtl. auch Cgm 1126 (s. o.), doch letztere Handschrift allenfalls durch Schenkung. Clm 21543 (s.o.). Clm 5174 (Bonaventura). Clm 11414 (Bonaventura, Nicolaus de Graetz). Der Eintrag über die Schenkung auf der Innenseite des Vorderdeckels. Es handelt sich um eine theologische Sammelhandschrift (Bernhardin von Siena, Petrus Damiani, Caesarius, Hieronymus, Bernhard etc.). Zu der Schenkung Ebners nach Fürstenfeld s. GLAUCHE in MBK Bd. IV,2, S. 653.

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Umgebung gestiftet, darunter Tegernsee und das Augustiner-Chorherrenstift Diessen.42 Einige der Bücher hatte er selbst geschrieben, andere in Auftrag gegeben.43 Zu letzterer Gruppe gehörte offenbar auch Clm 6948, den Ebner wohl erst einige Zeit nach der Anfertigung des Bandes44 - schließlich nach Fürstenfeld gab. Obwohl vermutlich für einen Privatmann geschrieben, bewegte sich auch diese Arbeit Leonhard Taichstetters noch im klerikalen Umfeld. Doch sind auch Handschriften erhalten, die er für weltliche Privatleute schrieb. Cgm 273 enthält profane und geistliche Stücke in deutscher Sprache (u. a. 'Barlaam und Josaphat' des Rudolf von Ems, Bispelreden des Strickers, 'Vom Antichrist'). Dieser Band ist eine Auftragsarbeit für Veit von Egloffstein, Pfleger zu Vohburg.45 Auf fol. l r trug der Besteller selbst folgende Notiz ein: Das puech hab ich Veit von Eglofstain pfleger zue Vochburg mir schreiben lasen yn dem LVIIII jar der geburt Christi. Das literarische Interesse dieses Bestellers belegt neben diesem Codex auch Cgm 255, eine von ihm in Auftrag gegebene Abschrift des Gebetbuchs für Frau Elisabeth Ebran mit den Texten des Johannes von Indersdorf 46 Taichstetter signierte Cgm 273 nicht, doch ist der Text durchgehend seiner Hand zuzuweisen. Die Münchner Handschrift Cgm 393 enthält chronikalische und geistliche deutsche Texte. Hier ist der Auftraggeber nicht genannt, doch ist sie durch Besitzvermerke seit dem Beginn des 16. Jahrhunderts als Eigentum von Münchner Bürgern nachgewiesen und wird vermutlich auch für einen Kunden aus diesem Kreis geschrieben worden sein.47 Und auch Cgm 1126 befand sich, wie erwähnt, im 15. Jahrhundert vor der Schenkung an ein Kloster oder an eine Kirche im Besitz eines Privatmannes. Einzelne Faszikel oder kürzere Stücke aus der Feder Taichstetters gelangten auch außerhalb des bayerischen Raums, auf den die Abnehmerschaft seiner vollständigen Handschriften beschränkt ist. Eine von Taichstetter 1447 datierte Abschrift des 'Communiloquium' von Johannes Walensis findet sich als Teil eines theologischen Sammelbandes des Luzerner Franziskanerklosters.48 1472 ließ Georg Türck, Pfarrer der Marienkirche zu Ellwangen, von dem Nördlinger Kaplan Hans Stumpf 49 einen Codex binden, der einen einzelnen, etwa 1469-72

42 43

44

Zu Otto Ebner und seinen Bücherschenkungen s. RUF in MBK 3,1, S. 107 f. Von Ebners eigener Hand Clm 8858 (datiert 1438-1449) und Clm 8893 (datiert 1441); vgl. MBK Bd. IV,2, S. 653. In seinem Auftrag entstanden z. B. der nach Diessen gestiftete Codex Clm 5597; s. -dort fol. 267 v : finitum... adprocuracionem Ottonis Ebner. Nach 1472 sind keine Handschriften Taichstetters mehr nachweisbar; s. u.

45

Siehe SCHNEIDER 1970, S. 212; zu der Schenkung s. SCHNEIDER 1981, S. 55 f.

46 47

Siehe dazu Kap. IV.3.4. Im Vd. Sigmund Myttermeier, 16. Jh.; im RD Sigmund Zollner weinschenck, als Münchner Bürger 1509-1532 erwähnt, s. SCHNEIDER 1973, S. 136. Eine Abschrift der Chroniken von Cgm 393 aus dem 18. Jahrhundert enthält Clm 1377; irreführend im Handschriftenkatalog von HALM Bd. 1,1, S. 259 die Angabe Taichstetters als Schreiber. Luzern, Zentralbibliothek, KB 30 fol., dort fol. 3 0 1 r M 4 9 r a ; s. SCARPATETTI, Katalog der datierten Handschriften 1983, S. 173. Zu Stumpf s. KYRISS, Textband S. 47 f.

48 49

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von Taichstetter geschriebenen Lagenfaszikel enthält. 50 Wie und wo Türck ihn erworben hat, um ihn in seinen Sammelband einzufügen, muß offen bleiben; es kann nur spekuliert werden, ob er vielleicht aus der Auflösung der Hinterlassenschaft des Schreibers nach dessen Tod stammt, denn dieser Faszikel ist die letzte nachgewiesene Arbeit Taichstetters. Was die Bildung dieses Schreibers betrifft, so verfügte er auf jeden Fall über solide Lateinkenntnisse. Er hätte den Schwerpunkt seiner Arbeit sicher nicht auf lateinische Texte gelegt, hätte er sie nur ohne Verständnis des Inhalts kopieren können.51 Die Handschrift Clm 11414 gibt Anlaß zu weiterreichenden Überlegungen: Der Schreiber selbst versah sie auch mit sehr ausfuhrlichen Randglossen, die Quellenverweise und Kommentare mit Bibel- und Theologenzitaten umfassen. Diese dichte Glossierung sieht nicht nach verständnisloser Kopistenarbeit aus; es wäre vielmehr zu überlegen, ob Taichstetter vielleicht sogar über eine theologische Ausbildung verfugte. Für sein Interesse am aktuellen kirchenpolitischen Geschehen spricht sein Kolophon auf fol. 20 l r der Handschrift Clm 6948: (Explicit) Anno 1450 die uero xiii mensis decembris sacro Basiliensis concilio durante per me Leon. Taich. Bedenkt man, wie spärlich Taichstetters Kolophone sonst gehalten sind, ist die Erwähnung des Basler Konzils als Datierungsmerkmal umso bemerkenswerter. Eine Erklärung dafür gibt ein Matrikeleintrag der Wiener Universität. Am 14. April 1434 wurde dort ein Leonhardus Taigstetter de Monaco eingeschrieben.52 Mit höchster Wahrscheinlichkeit ist er identisch mit unserem Münchner Schreiber. Dieser hatte also ein Universitätsstudium hinter sich, nach welchem er vermutlich eine geistliche Laufbahn anstrebte. Mönch wurde er allerdings nicht; dagegen spricht die breite Streuung seiner Handschriften ohne Konzentration in einem bestimmten Konvent ebenso wie seine Codices profanen Inhalts. In den Konventslisten der Klöster, die Bücher von seiner Hand besaßen, ist er nicht nachgewiesen. Wenn überhaupt, dann dürfte er Weltgeistlicher gewesen sein. Sollte sich Taichstetter neben einem nicht mehr nachweisbaren Klerikerberuf als Schreiber betätigt haben? Kommerzielles Schreiben war ein häufiger „Durchgangs- und Nebenberuf' 53 für ausgebildete Geistliche. Skrzypczak spricht vom „klerikalen Proletariat",54 das sich als Schreiber verdingte. Vielleicht aber hatte sich Leonhard Taichstetter, abseits einer geistlichen Laufbahn, als Berufsschreiber selbständig gemacht. Für die reformierten Klöster, die zu jener Zeit ihren

50

51

München, UB, Cod. ms. 89, fol. 283 v -304 r . Datierung nach den Wasserzeichen. Der Besteller nennt sich im Vd. Geiorgius Durge plebanus in Elwang, s. DANIEL - KORNRUMPF - SCHOTT 1974, S. 144. Zu den Erfordernissen von Lateinkenntnissen an einen durchschnittlichen Lohnschreiber jener Zeit vgl. SCHNEIDER 1973, S. 40.

52

Die Matrikel der Universität Wien. Im Auftrage des akademischen Senates hrsg. vom Institut für österreichische Geschichtsforschung, I. Band: 1377-1450 (Publikationen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung, VI. Reihe, Bd. 1) Graz-Köln 1954, S. 185 Z. 61 f. Der H i n w e i s darauf bei DANIEL - KORNRUMPF - SCHOTT 1974, S. 144.

53

SKRZYPCZAK 1 9 5 6 , S. 9 0 .

54

SKRZYPCZAK 1 9 5 6 , S. 9 5 .

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enormen Bücherbedarf nur durch die Vergabe von Kopieraufträgen auch an private Schreiber decken konnten,55 galt Taichstetter sicher als hervorragend qualifizierter Schreiber, da er an der Wiener Universität studiert hatte, dem Ausgangspunkt der Melker Reformbewegung und bevorzugten Ausbildungsort für die bayerischen Reformkonvente. Eine eigene Werkstatt mit weiteren Mitarbeitern betrieb Taichstetter wohl nicht. Wenn sich seine Schrift zusammen mit fremden Händen in einem Codex findet, handelt es sich um später zufällig zusammengebundene Texte oder um schon angefangene Bände, die er nur vervollständigte.56 Wo seine Bücher gebunden wurden, läßt sich nicht sagen. Die Einbände lassen sich keiner Klosterwerkstatt zuordnen. Das 'Speculum humanae salvationis' Cgm 1126 weist die gleichen Einbandstempel auf wie Cgm 273 und 393, die Taichstetter für weltliche Auftraggeber geschrieben hatte. Diese Stempel finden sich auch auf Cgm 503 und Cgm 529, die nicht von Taichstetter stammen und an verschiedenen Orten entstanden sind. 57 Vermutlich wurden sie in einer weltlichen Werkstatt eingebunden. Wie ging nun die Ausstattung der Heilsspiegel mit Holzschnitten im einzelnen vor sich? Zunächst ist festzustellen, daß die Holzstöcke, die in den Handschriften abgedruckt wurden, aus drei verschiedenen Quellen stammen. Die größte zusammengehörende Gruppe besteht aus 164 Bildern. Die Passionsdarstellungen, insgesamt 25 Drucke von 18 Holzstöcken, unterscheiden sich von diesen schon in dem etwas schmaleren Format und der anderen Art der Komposition. Zu keiner dieser beiden Folgen gehört der Holzschnitt Christi am Kreuz, 55

56

57

Manche von diesen arbeiteten dabei auch im klösterlichen Skriptorium. So waren etwa für den Schreiber und Buchmaler Heinrich Molitor, hinter dem gelegentlich der Bruder des unten noch zu behandelnden Lohnschreibers Konrad Molitor alias Bollstatter vermutet wurde, die Klöster Tegernsee und Scheyern nicht nur Auftraggeber, sondern stellten - wenigstens zeitweise - auch seine Arbeitsstätte, obwohl er dort weder Mönch noch Konverse war. 1448-51 ist Molitors Tätigkeit für Tegernsee, 1453-69 für Scheyern, 1474-79 wieder für Tegernsee nachgewiesen. In Clm 18076 (Vita Christi des Ludolf von Sachsen, zweiter Teil) gab er an, daß der Band in Tegernsee abgefaßt wurde. Die Handschriften, die er 1474-79 für Tegernsee fertigte, entstanden dagegen in Augsburg, wo er wohl als Berufsschreiber ansässig war (s. WEHMER 1928, S. 112). Doch gibt es keinerlei Hinweise auf eine derartige Tätigkeit Taichstetters im Dienste eines Klosters. Z. B. befindet sich in dem Sammelcodex Cgm 393 ein Faszikel (fol. 116r—1311) von der Hand des Matthias von Guntzburg, von dem - vermutlich war auch er als Lohnschreiber tätig mehrere Codices erhalten sind. Doch zeigt die Schreibsprache von Guntzburgs Texten, daß er im Ostschwäbischen ansässig war. (Zu Guntzburg s. H. NIEWÖHNER in 1 VL Bd. 5, Sp. 670 f., CURSCHMANN in 2 VL Bd. 6, Sp. 182 f.) Von drei fremden Händen stammt der größte Teil der Sammelhandschrift Clm 11414, lediglich das letzte Stück (Predigten des Nicolaus de Graetz, ab fol. 330RA) von Taichstetter. Das Inhaltsverzeichnis von seiner Hand am Anfang des Buches (fol. l r a - 1 0 v b ) zeigt, daß er hier eine von anderen begonnene Handschrift abschloß. Das ist jedoch noch kein Indiz für einen Werkstattbetrieb; er kann den fremden Text irgendwoher bezogen, ergänzt und nach Polling verkauft haben oder im Auftrag des Klosters ein schon vorhandenes Handschriftenstück ergänzt haben. Cgm 503 stammt aus dem Kloster Rottenbuch, war aber 1463 in Regensburg geschrieben worden. Cgm 529 kam aus dem Franziskanerkloster München, wo der Band in den 1460er bis 1470er Jahren vielleicht auch geschrieben wurde, in die Bayerische Staatsbibliothek. Siehe SCHNEIDER 1 9 7 8 , S. 2 1 , S. 7 5 .

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der dreimal abgedruckt wurde. 58 Von den Bildern der Hauptgruppe läßt sich lediglich ein einziger mit einem anderen Holzschnitt der Zeit in Verbindung bringen.59 Abgesehen davon sind diese Holzschnitte ohne motivische Parallelen in der zeitgenössischen Druckgraphik.60 Auch stilistisch stehen sie erstaunlich isoliert da. Kristeller, der sich neben Cohn als einziger um eine Zusammenstellung südostdeutscher Holzschnitte aus dem zweiten Drittel des 15. Jahrhunderts bemüht hatte, schlug sie dieser Gruppe zu.61 Zwar läßt sich - soweit das kleine Format und der wenig sorgfältige Schnitt überhaupt ein Urteil zulassen keine engere Verbindung mit den von Kristeller und Cohn um das Münchner Symbolum apostolicum-Blockbuch62 gruppierten Blättern feststellen. Doch ist mit diesen das ganze Spektrum des bayerischen Holzschnitts bei weitem noch nicht erfaßt. Hinzuweisen ist etwa auf ein Werk wie die rein xylographische Ausgabe des Blockbuches vom Antichrist, auf dessen Entstehung in Bayern nicht zuletzt die Schreibsprache hinweist. Von der Vorliebe für bestimmte Kopfitypen und Bewegungsmotive sowie der Gestaltungsweise von Details wie der Augenpartien her läßt es sich in die Nähe der Holzschnitte des Heilsspiegels setzen.63 Solange keine überzeugenden Gegenargumente gefunden werden, wird man den Ort, an dem die Holzschnitte der beiden 'Specula humanae salvationis' abgedruckt wurden - zweifellos Bayern, vielleicht München - auch als den Entstehungsort der Holzstöcke anzunehmen haben. 64 Der dreifach abgedruckte Holzstock der Kreuzigung, der abseits von den beiden großen Holzschnitt-Gruppen dieser Heilsspiegel steht, läßt sich ebenfalls keiner Motivgruppe unter den Bilddrucken des 15. Jahrhunderts anschließen. Anders die 18 Passionsholzschnitte: Sie gehören zu der 'Gulden puchlein'Gruppe, deren zahlreiche Kopienfolgen einem unbekannten gemeinsamen Vorbild folgen. 65 Doch sind beim Vergleich mit den entsprechenden Holzschnitten anderer Folgen dieser Gruppe kleine Unterschiede festzustellen. Auffallend

58 59 60

61

62 63 64

65

Fol. 57 v a /120 v a , im Passionsteil fol. 106 ra /223 va und bei den Schmerzen Mariae fol. 109 ra /229 va . (Die Folio-Angaben, wie auch im Folgenden, für Clm 21543/Cgm 1126). Das Bild des Jüngsten Gerichts (97 v a /205 v a ) ist eine gleichseitige Variante zu Sehr. 620. Beide gehen motivisch auf die 'Gulden puchlein'-Gruppe zurück. Bei den an die Heilsspiegel-Ikonographie gebundenen alttestamentlichen Szenen ist das nicht verwunderlich, doch fiir die zahlreichen Darstellungen des Neuen Testaments gibt es reiches ikonographisches Vergleichsmaterial unter den Holzschnitten des 15. Jahrhunderts. KRISTELLER 1917, S. 4. COHN 1934, S. 4 4 f. bezeichnete die Heilsspiegel-Holzschnitte als „zu

dürftig, als dass sich überhaupt etwas Massgebliches über sie aussagen Hesse". Mit „Südostdeutschland" ist dort das Gebiet des heutigen Oberbayern, des Salzburger Landes und Tirols gemeint. München, BSB, Xyl. 40. Der mittelbairische xylographische Text sichert die Lokalisierung; dem entspricht auch die Provenienz (Kloster Weyarn). Ausgabe I nach SCHREIBER, Manuel Bd. 4, S. 219; s. auch MUSPER 1976, S. 53. Was das Verhältnis zu bayerischen Buchmalereien der Zeit betrifft, ließen sich etwa die Figuren- und Gewandbildung der Frauengestalten in den Holzschnitten von Kap. XX (Abb. 182) mit den Federzeichnungen des 1454 entstandenen Cgm 775 aus dem Münchner Püttrichkloster vergleichen. Kap. II. 1.2. und Kap. IV.4; zur Stellung dieser Holzschnitte in der 'Gulden puchlein'-Gruppe v g l . SCHMIDT 1 9 9 8 , S. 7 5 - 7 7 .

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ist vor allem die Gestaltung der Gesichter, die den Münchner Druck von den anderen abhebt. So ist etwa der Glatzkopf auf der rechten Seite der Geißelung Christi und Achiors ein für die Hauptgruppe der Heilsspiegel-Holzschnitte charakteristischer Typ (Abb. 182). Auch der etwas kantige Schnitt und das Übergehen von Details, z. B. der Linien der Rippen Christi, verbinden diese Geißelung mit der Hauptgruppe. Vermutlich sind also die nach einem Vorbild aus der 'Gulden puchlein'-Gruppe geschaffenen Passionsholzschnitte etwas ältere Produkte, nachgeschnitten aber möglicherweise in der gleichen Werkstatt, die den Hauptteil der 'Speculum humanae salvationis'-Illustrationen fertigte. Im Vergleich zu den noch relativ unbeschädigten Holzschnitten der Hauptgruppe sind an den Einfassungslinien der Passionsbilder stärkere Ausbrüche zu beobachten. 66 Der Holzschneider, der mit der Anfertigung der Illustrationen für den Heilsspiegel beauftragt wurde, nahm also eine schon vorhandene Passionsfolge und den erwähnten einzelnen Kreuzigungsholzschnitt zum Zweck der Arbeitsersparnis als Grundstock und stellte nur die restlichen 164 Bilder neu her. Von den Holzschnitten der Passionsfolge haben sich weitere Exemplare erhalten. Alle kleben in Tegernseer Handschriften. Verrat (Sehr. 229a, s. Abb. 115), Kreuztragung (Sehr. 359a) und Grablegung (Sehr. 535a, s. Abb. 116) befinden sich in Clm 20131, einem Gebetbuch, das 1454-58 von Tegernseer Mönchen im neu gegründeten Tochterkloster Andechs geschrieben und mit den Bilddrucken ausgestattet wurde. Ein etwa zur gleichen Zeit entstandenes Tegernseer Gebetbuch ist Clm 20132, das die Holzschnitte des Ölbergs (Sehr. 207a, s. Abb. 185, vgl. mit Abb. 184) und der Kreuzabnahme (Sehr. 506a) enthält. Ein Holzschnitt Christi am Kreuz mit Maria und Johannes (Sehr. 460a, s. Abb. 186) klebt im Vorderdeckel des ebenfalls in den 50er Jahren geschriebenen Bandes Clm 19957. In den Taichstetter-Heilsspiegeln gibt es kein zweites Exemplar, er gehört aber zur selben Passionsfolge und ist von der gleichen etwas zu fetten, verschwommenen Druckqualität wie die anderen Tegernseer Exemplare. Auch die Kolorierung all dieser Blätter in den Handschriften des Klosters stammt aus der gleichen Werkstatt. Die Farben und die Art des Auftrags sind identisch. Bis auf das folgende Blatt sind alle in der gleichen Weise koloriert. Der Einzug in Jerusalem (Sehr. 154a), der in der Sammelhandschrift Clm 20162 klebt, ist noch dilettantischer und mit anderen Farben bemalt (Abb. 187, vgl. mit Abb. 181). Auch der Druck ist viel magerer als der der anderen Blätter. Dieses Exemplar scheint in einer anderen Werkstatt gedruckt und koloriert worden zu sein. Der Grad der Abnutzung der Druckstöcke ist in den Tegernseer und den Taichstetter-Handschriften etwa der gleiche. Erstere wurden jedoch einige Jahre früher abgedruckt. Das Kloster Tegernsee war spätestens 1456 - aus diesem Jahr stammt der Teil der Handschrift Clm 20131, in den die Graphik während des Schreibens eingefügt worden war 67 - in den Besitz der Passionsblätter gekommen. Zu diesem Zeitpunkt waren einige der Stöcke schon schwer beschädigt. Es 66 67

Am gravierendsten bei den Holzschnitten des Ölbergs und des Verrats (vgl. Abb. 184, 185). Siehe Kap. II.3.4.

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ist also anzunehmen, daß sie schon vor 1456 geraume Zeit in Benutzung waren. Verwunderlich, daß in den weiteren Jahren bis zum Abdruck in den Heilsspiegeln von 1461 und 1463 keine weiteren Schäden in der schon brüchigen Substanz aufgetreten sind. Der Schluß liegt nahe, daß die Stöcke in einer bayerischen Werkstatt in Verwendung waren, jedoch bald nach der Herstellung der in Tegernsee überlieferten Passionsfolge wegen der Ausbrüche nicht mehr benutzt wurden. Nach Jahren wurden sie dann wieder hervorgeholt, um bei der Illustration von Taichstetters Heilsspiegeln die Neuanfertigung von Druckstöcken zu sparen. Zwischen den Fertigstellungsdaten der beiden 'Specula humanae salvationis' liegen zwei weitere Jahre, in denen keinerlei Unterschied im Zustand der Holzstöcke festzustellen ist. Auch Druckfarbe und -qualität sind identisch. Auffallig ist zudem die Tatsache, daß es in der Kolorierung der beiden Handschriften weder in den Farben noch in der Art des Auftrags wesentliche Unterschiede gibt. Die Führung der Pinselstriche bei den Gewandschattierungen folgt in den sich entsprechenden Bildern der beiden Handschriften oft dem gleichen Muster. Diese Beobachtungen legen die Vermutung nahe, daß die Handschriften zwar vom Schreiber in zwei Jahren Abstand vollendet wurden, die Bilder jedoch etwa gleichzeitig eingedruckt und koloriert wurden. Erst nachdem sich mehrere fertig geschriebene Exemplare - zwei sind noch erhalten, es könnten jedoch mehr gewesen sein - mit den entsprechenden Leerräumen68 für die Bilder „angesammelt" hatten, wären demnach die Illustrationen in einer Kampagne frühestens 1463 gedruckt und koloriert worden. Bei der Planung dieser Serienproduktion von Heilsspiegeln wurde auch bedacht, verschiedene Publikumsgruppen und Gebrauchsfunktionen anzusprechen. So wurden ein lateinischer und ein zweisprachiger Heilsspiegel hergestellt; ob es eventuell auch einen rein deutschen gab, kann nur spekuliert werden. Die Eignung als Laien- oder Konversenliteratur und die Aufgabe der Unterweisungshilfe für nicht Lateinkundige wurde oben schon angesprochen. Die Koordination, die der Herstellungsprozeß erforderte, die Anfertigung von Handschriften auf Vorrat, die Auffacherung des Angebots für verschiedene Lesergruppen und schließlich der Druck der Illustrationen lassen ein durchdachtes Produktionskonzept erahnen. Ob Leonhard Taichstetter dieses Unternehmen in eigener Regie betrieb, ob er mit einem Holzschneider zusammenarbeitete oder nur als Lohnschreiber von einer Art Verleger bezahlt wurde, der das Unternehmen organisierte, muß dahingestellt bleiben. Die Geschichte des frühen Buchdrucks zeigt, daß mehrere Drucker ursprünglich als Schreiber begonnen hatten. Beispielhaft sei hier nur die Karriere von Johannes Bämler genannt, dem neben Günter Zainer ersten Augsburger Drucker. Bevor er 1472 seine Presse in Betrieb nahm, ist er spätestens seit 1453 68

Außer Zweifel steht, daß die Bücher schon vollständig geschrieben waren, bevor die Holzschnitte eingedruckt wurden. Dies liegt in der Logik des Herstellungsprozesses, und dies zeigen auch einige Stellen, an denen die Druckfarbe eindeutig über der Schreibertinte liegt (z. B. auf Clm 21543, fol.37 1 ).

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als professioneller Schreiber, Rubrikator und Buchmaler dokumentiert.69 Auch noch nach 1472 ist er in den Steuerlisten als Schreiber registriert, erst 1477 erscheint er als Drucker. 70 Offenbar betrieb er neben der Produktion von gedruckten Büchern die von geschriebenen parallel weiter. Bämlers Karriere scheint nicht untypisch für einen Frühdrucker zu sein. Auch in anderen Ländern gab es vergleichbare Wege von Schreibern zu Druckern.71 Zu Recht wird in der neueren Literatur die „Erfindung" des Buchdrucks nicht mehr als revolutionäre Ablösung der Handschrift gesehen. Vielmehr wurde hervorgehoben, daß die Handschriftenproduktion gerade während der ersten Jahrzehnte des Drucks ihren Höhepunkt erreichte;72 die weitere Professionalisierung des Schreibergewerbes und die neue Technik des Buchdrucks sind demnach zumindest für das 15. Jahrhundert als zwei unterschiedliche, doch noch ähnlich erfolgreiche Reaktionen auf den erhöhten Literaturbedarf der Zeit zu betrachten.73 Wenn sich die Handschrift erstaunlich lange erfolgreich hielt, ist dies wohl nicht zuletzt auf die Überlebensfähigkeit bewährter Strukturen wie etwa der Klosterskriptorien zurückzufuhren, wo die Arbeitszeit als Kostenfaktor eine untergeordnete Rolle spielte, läßt sich aber auch im städtischen Bereich beobachten, wenn etwa in Augsburg noch im 16. Jahrhundert eine größere Zahl von Berufsschreibern in den Steuerbüchern nachweisbar ist.74 Letztendlich aber erwies sich der Druck dennoch als das ökonomischere Verfahren. Gegen Ende des Jahrhunderts ist schließlich mit einem Kostenverhältnis von 1:5 zwischen Druck und Handschrift zu rechnen.75 Ähnliches gilt sicher für das Verhältnis zwischen gemalten und gedruckten Illustrationen. So ist es verständlich, daß ein ökonomisch denkender Handschriftenhersteller bei einem Text wie dem

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70

71

Siehe KLEMPERER 1927, S. 50-52. Ab 1453 ist er als Schreiber in Augsburg registriert, 1457 signierte und datierte er 1457 zwei Miniaturen (s. HLNDMANN 1977, S. 129 u. Abb. 52 u. 53, auf eine weitere Miniatur Bämlers machte OTT, Handschriften-Tradition 1995, S. 105 f. aufmerksam). 1468 signierte er als Illuminator, 1466 und 1468 ist er als Rubrikator von Drucken aus der Straßburger Offizin Mentelins nachgewiesen, s. KLEMPERER 1927, S. 50-52. Zu Bämlers vielseitiger Tätigkeit s. auch KÜNAST 1995, S. 35-38, S. 73. Zum Verhältnis von Handschriften- und Inkunabelproduzenten in Augsburg vgl. KÜNAST 1995, u. a. S. 5, S. 35, S. 73. KÜNAST 1995, S. 48 weist allerdings am Beispiel Johann Bämlers darauf hin, daß sich die Berufsbezeichnungen in den Steuerlisten erst langsam differenzieren und der Begriff des Druckers in der Frühzeit der Augsburger Inkunabelproduktion noch nicht selbstverständlich ist. So ist Colard Mansion, aus dessen Presse 1476 mit Boccaccios De la ruine des nobles hommes et femmes der erste datierte Brügger Druck hervorging, lange vorher - mindestens seit 1450 als Schreiber dokumentiert. Er fertigte Luxushandschriften für anspruchsvolle Auftraggeber, wobei er vielleicht auch als Übersetzer und Illuminator tätig war; s. HINDMAN 1977, S. 122125. Zu Schreibern, die Drucker wurden, s. allgemein BÜHLER 1960, S. 27, und EDMUNDS 1 9 9 1 , S. 21—40.

72

73

So erreichte etwa in Nürnberg der Zuzug von gewerbsmäßigen Schreibern erst zwischen 1460 und 1469 den Höhepunkt, wie KIEPE 1984, S. 151, zeigen konnte. Zur Handschriftenproduktion in Klöstern während der Frühdruckzeit vgl. BÜHLER 1960, S. 27. Vgl. dazu NEDDERMEYER 1998, passim.

74

KÜNAST 1 9 9 5 , S. 5.

75

KIEPE 1 9 8 4 , S. 1 8 3 .

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'Speculum humanae salvationis', das eine sehr hohe Zahl von Bildern erforderte, sich das Mittel des gedruckten Bildes zueigen machte - vier Jahre bevor das erste Blockbuch, und zehn Jahre bevor der erste illustrierte Typendruck eines Heilsspiegels erschien.76

76

Zur Datierung des ersten Blockbuches des 'Speculum humanae salvationis' s. STEVENSON 1991 [1966], S. 253. Der erste illustrierte Druck ist HAIN 14929.

Konrad Bollstatter: Profane Handschriften und Kupferstiche

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2. Konrad Bollstatter von Oettingen: Profane Handschriften und Kupferstiche Zu den wenigen erhaltenen Handschriften profanen Inhalts, die mit druckgraphischem Schmuck ausgestattet wurden, gehören die Bände Cgm 312 und Cgm 252 der Bayerischen Staatsbibliothek München sowie Cod. pal. germ. 4 der Universitätsbibliothek Heidelberg. Alle drei stammen durchgehend von derselben Hand: Es ist die eines Schreibers, aus dessen Produktion sich eine ganze Reihe weiterer Codices erhalten hat; er nennt sich Konrad Müller, Molitor oder Bollstatter, bisweilen auch scherzhaft Amerel oder Lappleder, und verdiente seinen Lebensunterhalt spätestens seit der Mitte des Jahrhunderts bis etwa 1482 als Kanzlist und privater Lohnschreiber. Seine mit Druckgraphik ausgestatteten Bücher erlauben trotz ihrer geringen Zahl interessante Aufschlüsse, in welcher Weise und unter welchen Voraussetzungen sich ein weiterer Berufsschreiber der Druckgraphik bedienen konnte. Die Münchner Handschrift Cgm 312 ist eine Sammlung von Losbüchern. Diese Art von Literatur bot den Benutzern OrakelsprüGhe an, die - eher zur geselligen Unterhaltung, denn zur tatsächlichen Zukunftsschau und Entscheidungsfindung1 - durch Würfeln oder andere Losverfahren bestimmt wurden. Die einzelnen Teile des Buches wurden von Konrad Bollstatter zwischen 1450 und 1473 geschrieben.2 Am Ende des ersten Stücks signierte der Schreiber mit seinem Namen: Exsplicit [!] sortilogiumper me Conradum Mulitorem de ötingen tempore isto erat in cantzelleria Üdalrici comitis de ötingen in vigilia Symonis et Jude apostolorum anno domini millesimo CCCCmo Lmo [=27. Okt. 1450] in Castro Paldern? Erst nach 1473 wurden die Einzelteile zu einem Band vereinigt. Die Losbücher sind reich mit qualitätvollen kolorierten Federzeichnungen illustriert. Die meisten sind direkt auf dem Papier der Handschrift ausgeführt, einige aber auch eingeklebt.4 Unter den Illustrationen befindet sich auf fol. 63r auch ein Kupferstich: Neben den Orakelspruch, der Mayster Lott, ain cristen (= Lot) in den Mund gelegt ist, klebte der Schreiber die aus einer KupferstichSpielkarte ausgeschnittene Figur eines Buben ein (Abb. 188). Max Lehrs wies sie der Schule des oberrheinischen Meisters der Spielkarten zu (L. I, 206, 87), Geisberg dagegen dem in den östlichen Niederlanden tätigen Meister mit den Bandrollen, der dabei ein Vorbild des Spielkarten-Meisters kopierte.5 Das 1 2 3

Vgl. GERHARD EIS, Mittelalterliche Fachliteratur, Stuttgart 1962, S. 44. Datierungen: fol. 30 r : 1450; 44 v : 1454; 65 r : 1455; 87r, 88 r , 94 r , 97 r : 1461; 80 v : 1473. Cgm 312, fol. 30r.

4

Z u d e n I l l u s t r a t i o n e n s. LEHMANN-HAUPT 1 9 2 9 , S. 1 2 2 - 1 2 5 , S. 2 0 2 - 2 0 6 .

5

Bei GEISBERG 1923, S. 6 f., als G. 127 beim Meister mit den Bandrollen. Zur Lokalisierung dieses Meisters s. u.a. GEISBERG 1923, S. 76, KORENY 1968, S. 51. Kopiert wurde der WildenOber des Originalspiels des Meisters der Spielkarten (L. I, 106, 55). Der Versuch der Zuschreibung an konkrete Stecherpersönlichkeiten erscheint bei solch präzisen Kopistenarbeiten allerdings als ein müßiges Unterfangen.

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Würfelbuch, in dem sich das Blatt befindet, wurde im Jahr 1455 geschrieben und als fol. 46 r -65 r in Cgm 312 eingebunden.6 Es umfaßt die Sprüche von 49 berühmten Männern, die als stehende Figuren jeweils an den linken Seitenrand gezeichnet sind, während rechts die Zahlenbilder der drei Würfel dargestellt sind. Auf den letzten vier Seiten des Würfelbuches, ab fol. 63 v , fehlen jedoch die Federzeichnungen. Der Kupferstich markiert genau die Stelle, an der die Folge der direkt aufs Papier der Handschrift gezeichneten Illustrationen abbricht. Der Schreiber hatte also den Kupferstich als Ersatz für wenigstens eine Miniatur eingefugt, als der Illustrator aus irgendeinem Grund nicht mehr zur Verfugung stand.7 Von den Abmessungen sowie der Haltung der Figur fugt sich der KartenBube sehr gut in die Reihe der vorausgehenden Illustrationen ein. Es fällt auf, daß die Kolorierung der Federzeichnungen und des Kupferstichs in einem Zug und mit denselben Farben ausgeführt wurde. Sie kann also nicht auf den Zeichner zurückgehen, sondern muß nach der Einfügung des Stichs ausgeführt worden sein. Dafür spricht auch die wenig sorgfaltige Ausführung. Es war eine ungeübtere Hand; vielleicht sogar Bollstatter selbst? Wenn er auch sicher keine buchmalerische Ausbildung hatte, so verfügte er doch über ein gewisses zeichnerisches Geschick, wie die Initialen, Diagramme oder die Würfelbilder in den Losbüchern aus seiner eigenen Feder zeigen. Einen Kupferstich klebte Bollstatter auch in die von ihm gefertigte Heidelberger Handschrift Cod. pal. germ. 4 ein. Sie enthält das Versepos 'Willehalm von Orlens' des Rudolf von Ems8 und einige kleinere Stücke. Wie bei Cgm 312 sind auch die Texte dieses Buches über einen längeren Zeitraum hinweg entstanden und erst spät zusammengebunden worden. 'Willehalm von Orlens' wurde 1455 begonnen (fol. 3 r ) und drei Jahre später beendet: Amen 1458. Ditz buch ward geendet in Hochstetten uff donrstag vor dem Sunntag Cantate vor Waltburgen von Conradus Schreyber von Ötingen anno domini MCCCCmo LVIIP° [!] (fol. 197v). 'Der Schüler von Paris' war 1466 fertig, der 1478 beendete Text 'Der Borte' wurde ihm jedoch vorgebunden. Die letzten beiden Texte, 'Minner und Trinker' und Peter Suchenwirts 'Liebe und Schönheit', wurden 1479 beendet.9

6

Unterbrochen von Planetenversen fol. 51 v -58 r . Die Datierung 1455 findet sich am Anfang (fol. 46 r ) und Ende des Würfelbuchs (fol. 65 r ). Die Wasserzeichen von fol. 46-47 und 50-64 sind 1448-1453 nachgewiesen, fol. 48 und 49 sind neuere Blätter mit Ergänzungen (SCHNEIDER, Losbuch 1973, S. 50).

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8 9

Von dieser Stelle an scheint Bollstatter überhaupt Schwierigkeiten gehabt zu haben, die Texte der Handschrift konsequent mit Bildern zu schmücken. Auch in den zwei nachfolgenden Losbüchern gibt es keine direkt in die Handschrift gezeichneten Illustrationen. In das Würfelbuch auf fol. 66 r -71 r klebte Bollstatter ausgeschnittene Federzeichnungen; im nächsten (fol. 7 1 v - 8 0 v ) gibt es nur ein einziges eingeklebtes Bild (fol. 71 v ), danach fehlen - bis auf die von Bollstatter selbst gezeichneten schlichten Würfelbilder - die Illustrationen völlig. Das TierWürfelbuch auf fol. 11 l r - l 18r hat nur auf den ersten beiden Seiten Bilder, danach bricht auch hier die Illustration ab. Nicht der ganze Codex wurde nach seiner Zusammenstellung in einer Kampagne illustriert, sondern die einzelnen Teile jeweils zu ihren Entstehungszeiten und von verschiedenen Händen. Vgl. zu dem Werk WALLICZICK in 2 VL Bd. 8, Sp. 334-338, mit weiterer Literatur. Zur Datierung der einzelnen Teile s. u. Verzeichnis der Handschriften.

Konrad Bollstatter: Profane Handschriften und Kupferstiche

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Illustrationen gibt es nur zum 'Willehalm von Orlens1: zwei kolorierte Federzeichnungen und den eingeklebten Kupferstich. Der Abschnitt des Textes, in dem sich die drei Bilder befinden, wurde 1455 und 1456 geschrieben.10 Für die Zeichnungen wurde beim Schreiben an den entsprechenden Textstellen Platz freigelassen und später das jeweils entsprechende Bild vom Buchmaler eingefügt. Das Bild auf fol. 66 r zeigt den Abschied des jungen Willehalm vom englischen König,11 fol. 167v Duzabel, die Anspruch auf Willehalm erhebt, mit Amelie und die Äbtissin Sofie vor dem König und der Königin von Norwegen. 12 Auf fol. 50r klebt der Kupferstich, der ein sich umarmendes und küssendes Liebespaar darstellt (Abb. 189). Die Figuren und die Bodenfläche sind knapp um die Umrißlinie herum ausgeschnitten. Sie wurden aufgeklebt, dann mit einem farbigen Hintergrund mit Rankenmuster und Umrahmung versehen. Die Figuren selbst blieben bis auf Spuren von Inkarnat unbemalt. Das verrät - im Unterschied zu anderen Kupferstich-Kolorierungen, bei denen die Darstellungen oft so kräftig koloriert wurden, daß die Wirkung von Linien und Schraffuren zum großen Teil verloren ging - das Verständnis der feinen graphischen Werte des Blattes. Das Blatt ist in der Kupferstich-Literatur noch nicht verzeichnet. Vom Aufbau der Figuren, von der Art der Haar- und Gewandfaltenbildung sowie von der Schraffierung her steht es dem Meister der Weibermacht am nächsten.13 Konrad Bollstatter hatte ursprünglich geplant, die Handschrift mit einer größeren Zahl von Illustrationen auszustatten. Das verraten die vielen Stellen, an denen er Platz ausgespart hatte, der aber nie mit Bildern gefüllt wurde. Zum Teil sind dort noch Bildbeischriften bzw. Maleranweisungen von Bollstatters Hand zu finden. Nun könnte man vermuten, daß er den Kupferstich des Liebespaares nachträglich an eine der für Illustrationen freigelassenen Stellen einfügte, nachdem die beabsichtigte Ausstattung mit kolorierten Federzeichnungen aus unbekannten Gründen nicht in der vorgesehenen Form zur Ausfuhrung gekommen war. Dagegen spricht jedoch die Beobachtung, daß der Stich zusammen mit der Umrahmung ganz exakt in die leergebliebene Fläche paßt. Es ist außerordentlich unwahrscheinlich, daß das Blatt nur ganz zufällig sowohl in der Höhe als auch in der Breite dem ausgesparten Feld so genau entspricht - zumal die anderen vorhandenen und geplanten Miniaturen durchweg größerformatig sind. Vielmehr muß Bollstatter den Stich schon besessen haben und reservierte beim Schreiben des Textes an einer Stelle, für deren Illustration er ihm passend erschien, den nötigen Platz. 10

Datiert fol. 3r: 1455; fol. 169r: 1456.

11

S i e h e WEGENER 1 9 2 7 , S . 5 6 ; LEHMANN-HAUPT 1 9 2 9 , A b b . 5 4 .

12

Siehe WEGENER 1927, S. 56; LEHMANN-HAUPT 1929, Abb. 55. Beide Miniaturen besprochen ebd. S. 119 f., erwähnt auch bei HARTONG 1938, S. 131 f. Zu diesem Stecher GEISBERG 1923, S. 38-47. GEISBERG versammelte unter dem Namen des Meisters der Weibermacht die von LEHRS ursprünglich dem 'Meister von 1462' zugewiesenen Blätter (nach der Zuschreibung des namengebenden 1462 [eigentlich 1463, zu dieser falschen Lesung durch LEHRS s. O. Kap. II. 1.5] datierten Stichs an den Bandrollenmeister, was LEHRS' Zustimmung fand) und brachte einige Korrekturen an LEHRS' Zusammenstellung an. Näheres zum Verhältnis des Blattes zum Meister der Weibermacht s. u. Verzeichnis der Handschriften.

13

2 4 2

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Die Auswahl der am besten geeigneten Textpassage erfolgte nach genauer Abwägung. Auf fol. 49 v beginnt der Abschnitt, der dem Stich unmittelbar vorangeht, folgendermaßen: Wie Wilhalm uon liebe entzunt warde. Vnd begunde in der biten Das er seiner swere Ain taile durch sie verbere Vnd küßte in dicke durch das So sie des tätt so vergaß Er seiner senenden swere ain taile Vnd ward denne aber mit ir gayle...14

In dieser Passage ist von der langsamen Entdeckung der Liebe zwischen Willehalm und Amelie und von ihrem ersten Kuß zu lesen. Der Stich war dafür zweifellos geeignet. Doch hatte der Schreiber ursprünglich geplant, ihn schon früher einzufügen. Das beweist eine Aussparung auf fol. 1 l r am Anfang des Abschnitts, der davon handelt, Wie Wilhelm von Orlens von seiner frawen Ylyen schiede vnd in den streyt wolte1S. Die freigelassene Fläche mißt 120 x 66 mm - das entspricht fast auf den Millimeter genau dem Raum, den der Kupferstich benötigt hätte; in seiner endgültigen Position auf fol. 50r betragen die Abmessungen der Einfassung 118 x 66-68 mm. Die Vermutung wird durch die darunter in kleiner Schrift angebrachte Zeile Do kußt er sie be(\or) er sich von ir schiede, die als Bildunterschrift und als Erinnerung an das einzuklebende Blatt dienen sollte, bestätigt. Bollstatter hatte also, nachdem die Einfügung des Blattes dort beschlossen war, den entsprechenden Platz freigelassen; er wartete jedoch mit dem Einkleben und schrieb zunächst weiter. Doch scheint er bald gemerkt zu haben, daß es eine Textstelle gab, für die er das Bild besser gebrauchen konnte. Die Abschiedsszene zwischen Willehalms Vater gleichen Namens und seiner Mutter Elye, die er auf fol. 1 l r zunächst illustrieren wollte, gehört zur Vorgeschichte und geht dem Tod des Vaters im Kampf voraus. Mit der Kußszene zwischen den Hauptpersonen Willehalm und Amelie meinte er dann jedoch, eine für den Gang der Handlung wichtigere Episode mit dem Bild hervorheben zu können; begründet doch die Entdeckung der Liebe zwischen der englischen Königstochter Amelie und ihrem Spielgefährten Willehalm die ganze folgenreiche Minnehandlung. Konrad Bollstatter wußte nicht nur gedruckte Bilder, sondern auch Initialen in seinen Handschriften einzusetzen. In seine Sammelhandschrift Cgm 252 klebte er auf fol. 2r, im Text von Ludolf von Sudheims Reise ins Heilige Land, und fol. 185r, am Anfang der 'Melusine' von Thüring von Ringoltingen, die Holzschnittinitialen D und R ein (Abb. 190). Sie stammen von Holzstöcken, die für den Buchdruck hergestellt wurden: Das D verwendete der Augsburger Drucker Ludwig Hohenwang. Bollstatter, der zu dieser Zeit in Augsburg lebte, hatte sich die Holzschnitt-Buchstaben also vermutlich aus dem Ausschuß dieser Drucker14

15

Entspricht der Ausgabe von JUNK, Rudolf von Ems 1 9 0 5 , Z . 4 0 9 0 - 4 0 9 6 . Rubrik auf fol. l l r . Die Abschiedsszene in der Ausgabe von JUNK, Rudolf von Ems 1905, Z. 574 ff.

Konrad Bollstatter: Profane Handschriften und Kupferstiche

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Werkstatt besorgt. 16 In der ganzen Handschrift hatte er für unzählige Initialen Platz ausgespart. Angesichts ihrer Menge ist es kein Wunder, daß nur die wenigsten davon ausgeführt wurden; außer den beiden Holzschnitten sind dies einfache, vermutlich von Bollstatter selbst mit Feder und farbiger Tinte gezeichnete und fleuronnierte Initialen.17 Die Tätigkeit des Druckers Ludwig Hohenwang in Augsburg ist zwischen 1475 und 1477 nachgewiesen; 18 erst zu dieser Zeit kann Bollstatter zu den gedruckten Initialen gekommen sein. Die beiden Texte, die sie zieren, sind nicht datiert. Sie dürften aber etwa zur gleichen Zeit entstanden sein: Sie sind zum Teil auf Papier des gleichen Wasserzeichens geschrieben, das 1476-78 nachgewiesen ist.19 Die D-Initiale auf fol. 2 r paßt ganz genau in die ausgesparte Fläche. Der Schreiber umgab sie mit einer zusätzlichen Einfassungslinie, die mit der gleichen Tinte wie der umgebende Text gezogen wurde. Eigenartigerweise wurde die Initiale über ein aus dem Handschriftenblatt herausgeschnittenes Loch geklebt. Die Schrift der Verso-Seite befindet sich an jener Stelle direkt auf der Rückseite des eingeklebten Blättchens. Das beweist, daß es sich zum Zeitpunkt der Beschriftung der Seite fol. 2V schon an dieser Stelle befand. Wieso aber das Loch an dieser Stelle in das Blatt geschnitten wurde, bleibt unklar - vielleicht war eine andere, eventuell mißratene Initiale wieder herausgetrennt worden. Deutliche Indizien gibt es auch dafür, daß die Holzschnitt-Initiale R auf fol. 185r zu Beginn des Schreibvorgangs eingeklebt wurde. Denn die rosa Tinte des Fleuronnee-Ornaments, das die Initiale umgibt, wird an einer Stelle von der braunen und roten Tinte des Textes überlappt. Die Initiale sitzt nicht an einer beliebigen Stelle; vielmehr markiert sie den Beginn der 'Melusine'. Dieser Text ist auch der einzige des Codex, für den Illustrationen vorgesehen waren. Eine fast ganzseitige Federzeichnung kam davon zur Ausführung. 20 Wie in den beiden anderen besprochenen Handschriften sind auch hier Texte, die über einen langen Zeitraum hinweg (1455-1477) entstanden waren, zusammengebunden. Inhaltlich sind sie völlig verschiedenartig; die Bandbreite reicht von Ludolf von Sudheims Reise ins Heilige Land über den Lucidarius, das Nicodemus-Evangelium bis hin zu einem juristischen Prozeßbüchlein. Doch sind alle Texte bruchstückhaft. Viele von ihnen hatte er in anderen Codices vollständig 16

17

Vgl. WEHMER 1955, Taf. 33. Hohenwang bezog seinerseits Druckstöcke fiir Initialen aus der Klosterdruckerei von St. Ulrich und Afra; er ist 1475-77 in den Augsburger Steuerlisten nachgewiesen (GELDNER 1968, S. 144). SCHNEIDER, Losbuch 1973, S. 36 zur Frage der von Bollstatter selbst gezeichneten Initialen.

18

GELDNER 1 9 6 8 , S. 1 4 4 .

19

Die beiden Texte befinden sich auf der ersten und 19. Lage, die Papier mit dem Ochsenkopf Picc. XIII, 742 (1476-1478) gemeinsam haben; die 19. Lage hat zusätzlich einen Ochsenkopf ähnl. Picc. XI, 342 (1470-75) und eine Säule Br. 4409 (1468-71). Die Texte des Codex waren noch nie in chronologischer Reihenfolge zusammengebunden, auch bevor sie im 19. Jahrhundert Docen auseinandernahm und in eine neue Ordnung brachte (s. seine Inhaltsverzeichnisse auf den beiden Vorsatzblättern, nach denen Steinhöwels 'Melusine' ursprünglich nicht das 15., sondern das siebte Stück war, während Ludolf von Sudheims Reisebeschreibung schon immer am Anfang stand).

20

A u f fol. 190 v ; s. dazu LEHMANN-HAUPT 1929, S. 2 0 6 f.

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aufgezeichnet. Deshalb handelt es sich wahrscheinlich um eine Sammlung verschriebener oder aus anderen Gründen ausgeschiedener Lagen und eine Materialsammlung zum eigenen Gebrauch.21 So kamen die beiden mit Initialen geschmückten Texte wohl eher zufällig in dem Band zusammen. Ihren gedruckten Schmuck verdanken sie vermutlich der Tatsache, daß sie beide zu der gleichen Zeit geschrieben wurden, als Bollstatter gerade über Holzschnittinitialen aus Augsburger Druckereien verfügte. Bollstatter war nicht der einzige Schreiber, der Holzschnittinitialen verwendete; man findet zu jener Zeit einige wenige weitere Handschriften mit solchem Schmuck.22 Stets handelt es sich um eher zufallige Rationalisierungsmaßnahmen der Ausstattungsarbeit durch solche Abfallprodukte des Buchdruckergewerbes - nicht anders bei Bollstatter. Über Konrad Bollstatters „Buchprogramm", Leben und Tätigkeit sind wir durch die zahlreichen biographischen Notizen in seinen Kolophonen, die wesentlich informativer sind als die Leonhard Taichstetters, und die Texte der Handschriften relativ gut unterrichtet.23 Abgesehen von Scherznamen wie Konrad Lappleder und Johannes Seydenswantz24, unter denen er sich gelegentlich nennt, verwundern seine Signaturen mit zwei verschiedenen Namen - sowohl Bollstatter als auch Müller bzw. Molitor oder Mulitor. Karin Schneider stellte fest, daß er sich Bollstatter nannte, wenn er als Autor oder Redaktor erschien oder wenn es darauf ankam, durch würdiges Auftreten Eindruck zu machen, wie etwa in einer Handschrift, die er für einen prominenten Kunden wie den Augsburger Bürgermeister schrieb.25 Das Wappen, das er dort verwendete, ist das der adeligen Familie von Bollstatt, deren Stammsitz der gleichnamige Ort bei Nördlingen war. In den Augsburger Steuerlisten erscheint er dagegen nicht unter diesem Namen, sondern als Müller. 26 Schneider nahm uneheliche Abstammung aus dieser Familie als möglichen Grund für das Wechselspiel mit den beiden Namen an. 27 Es wurde mehrfach vermutet, daß er mit dem etwa zur gleichen Zeit tätigen Schreiber und

21 22

23

SCHNEIDER, Losbuch 1973, S. 53 vermutete, daß der Band auch als Muster fiir potentielle Kunden gedient haben könnte. So wurden z. B. in der Handschrift Cgm 282 der Bayerischen Staatsbibliothek, die im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts in Schwaben entstand und Predigten Taulers enthält, zwei Initialen nicht nur eingeklebt, sondern eingedruckt (fol. IIr: D, fol. l r : M). Eine große Zahl von gedruckten Initialen des 15. Jahrhunderts fanden in den Andechser Handschriften Clm 3112a-d und Clm 24002 Verwendung, die allerdings erst zu Beginn des 16. Jahrhunderts geschrieben wurden. Zu seiner Biographie und Schreibtätigkeit s. vor allem LEHMANN-HAUPT 1929, S. 97-127 (besonders in bezug auf seine illustrierten Handschriften); HEINRICH NIEWÖHNER in 1 VL Bd. 1, Sp. 2 5 3 f.; GERHARD EIS in 1 V L Bd. 5, Sp. 6 9 5 - 6 9 7 ; die neuesten Zusammenstellungen bei SCHNEIDER i n

2

V L B d . 1, S p . 9 3 1 - 9 3 3 , SCHNEIDER, L o s b u c h 1 9 7 3 , u n d SCHNEIDER 1 9 9 5 ,

f. In Cgm 252, fol. 96 ra . Prag, Nationalbibliothek, Cod. X V I A 6. Ein Cunrad Müller oder auch Conrad Schreiber ist 1466-1482 verzeichnet (SCHNEIDER, Losbuch 1973, S. 30); die Identität mit Bollstatter alias Müller ist nicht ganz sicher, doch sehr wahrscheinlich. S. 19

24 25 26

27

SCHNEIDER, Losbuch 1973, S. 22.

Konrad Bollstatter: Profane Handschriften und Kupferstiche

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Buchmaler Heinrich Molitor, der unter anderem für das Kloster Tegernsee arbeitete, verwandt wäre;28 das ist durchaus denkbar, aber nicht zu beweisen. Eines der Losbücher in Cgm 312 datierte Bollstatter 1450 in Castro Paldern, wobei es sich um Schloß Baldern im Ries, damals Oettingischer Besitz, handeln muß. Daß er zu der Zeit als Kanzleischreiber der Grafen von (Dettingen tätig war, belegen Einträge von seiner Hand in deren Lehenbuch zwischen 1446 und 1452.29 Spätestens 1455 waren seine Dienste dort beendet, denn von diesem Jahr bis 1458 signierte er seine Handschriften in Höchstädt an der Donau.30 Dort schrieb er auch an dem Heidelberger 'Willehalm von Orlens' und fügte vermutlich den Kupferstich des Liebespaares ein.31 Während dieser Zeit entstand auch das Losbuch in Cgm 312, das er mit dem Ausschnitt der Kupferstichspielkarte schmückte. Die unfertige Willehalm von Orlens-Handschrift nahm er von Höchstädt mit nach Schloß Hohenrechberg, wo er vermutlich als Kanzleischreiber arbeitete.32 1466 ist er erstmals in Augsburg nachgewiesen, wo er bis zu seinem Tod - vermutlich 1482 - wohnte.33 Konrad Bollstatter scheint kein offizielles Schreiberamt bekleidet zu haben, sondern verdingte sich zunächst als Kanzlist bei mehreren Adeligen, bis er sich in Augsburg als Lohnschreiber niederließ. Eine Schreiberwerkstatt betrieb er nicht, da sich keine zeitgenössischen fremden Hände in seinen Büchern finden. Sehr gut kann er nicht verdient haben, denn er zahlte in Augsburg stets den niedrigsten Steuersatz.34 Über seinen Kundenkreis läßt sich nicht viel Konkretes sagen. Nur von der Armenbibel in Prag35 wissen wir, daß er sie für den Augsburger Bürgermeister Jörg Sulzer geschrieben hatte. Darüber hinaus fehlen jedoch in Bollstatters Büchern Einträge über Erstbesitzer oder Widmungen.36 Doch weist Jörg Sulzer wohl in die Richtung, in der die Besteller und Abnehmer von Bollstatters Handschriften zu suchen sein dürften - im gehobenen städtischen Bürgertum und

28

U . a. WEHMER 1 9 5 5 , S. 158; SCHNEIDER, L o s b u c h 1 9 7 3 , S. 3 7 .

29 30 31

SCHNEIDER, Losbuch 1973, S. 21, 23. Cgm 252, fol. 156 v und Cod. pal. germ. 4, fol. 197 v . Cod. pal. germ. 4, fol. 197 v : Amen 1458. Ditz buch ward geendet in Hochstetten uff donrstag vor dem Sunntag Cantate vor Waltburgen von Conradus Schreyber von Olingen anno domini MCCCC10 LVIIP0 [!]. Cod. pal. germ. 4, fol. 187 v oben links: donstag vor Judica [=16. März] Rechberg-, fol. 190 v unten links: am osteraubent [= 1. April] zu Rechberg. Im Lageninneren sind zur Verstärkung Streifen einer zerschnittenen Pergamenturkunde eines verstorbenen Hans von Rechberg eingebunden (SCHNEIDER, Losbuch 1973, S. 25). Nach 1482 ist er nicht mehr nachzuweisen. In Cgm 312 findet sich ein Nachtrag aus dem Jahr 1482 von einer anderen Hand - ein Indiz für sein Ableben, da sich der Codex zu Bollstatters Lebzeiten immer in seinem eigenen Besitz befunden hatte (SCHNEIDER, Losbuch 1973, S. 27-29). Falls der 1466-1482 in den Steuerlisten verzeichnete Cunrad Müller bzw. Schreiber mit ihm identisch ist; vgl. Schneider, Losbuch 1973, S. 30. Prag, Nationalbibliothek, Cod. X V I A 6; dat. 1481. Das Titelbild der Meisterlin-Chronik Cgm 213 mit der Überreichung des Buches an den Augsburger Rat geht nur auf die Handschriftenvorlage zurück (SCHNEIDER, Losbuch 1973, S. 28). Die ältesten Provenienzen sind nicht aussagekräftig; keine geht nachweisbar ins 15. Jahrhundert zurück (vgl. SCHNEIDER, Losbuch 1973, S. 39).

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wohl auch in den adeligen Kreisen der Gegend.37 Im Unterschied zu Leonhard Taichstetter arbeitete Bollstatter kaum für Klöster. Von den 14 erhaltenen Handschriften 38 aus seiner Feder sind nur vier geistlichen Inhalts;39 und selbst eine von diesen, die Prager Armenbibel, hatte mit dem Augsburger Bürgermeister nachweislich einen weltlichen Besteller. Für keines der Bücher läßt sich eine klösterliche Provenienz bis ins 15. Jahrhundert zurückverfolgen.40 Hauptsächlich bot Bollstatter eine breite Palette profaner Literatur an. Von höfischen Epen, Gedichten und Prosasprüchen reichte sie über Chroniken, Reisebeschreibungen und Losbücher bis hin zu Steinhöwel und Boccaccio. An einer günstigen Materialquelle für höfische Epenliteratur saß Bollstatter während seiner Tätigkeit für den Grafen von (Dettingen. Die Bibliothek dieses Hofes scheint ein „Reservat"41 für solche Literatur gewesen zu sein. Auch eine 'Willehalm von Orlens'-Handschrift ist dort nachgewiesen.42 Vor allem dort scheint sich Bollstatter seine erstaunlich großen Kenntnisse der deutschsprachigen Literatur angeeignet zu haben. 43 Sie treten hauptsächlich dort in Erscheinung, wo er als Redaktor tätig wurde. 44 Und nicht zuletzt war Bollstatter auch selbst als Autor tätig: Zumindest für ein Gedicht gilt dies als sicher, vielleicht stammen auch mehrere Sprüche und ein Pilgerratgeber von ihm.45 Daß er auch historisch interessiert war, beweist seine Chroniksammlung in Cgm 725. Insgesamt erscheint Konrad Bollstatter als ein „zwar nicht gelehrter, doch vielseitig interessierter und belesener Mann, der seine Kenntnisse auch literarisch in bescheidenem Ausmaße zu verwerten verstand" 46 Vor allem aber war er ein Handwerker von hohem Können, der Bücher von beachtlicher gestalterischer und kalligraphischer Qualität produzierte. Luxushandschriften von materieller Opulenz entsprachen nicht seinem Programm und Kundenkreis; doch legte er von der Schrift über den Seitenspiegel bis hin zum Bildschmuck viel Wert auf die Gesamterscheinung jeder Seite. Mehrfarbige Überschriften und einfachere Initialen führte

37 38 39

40

Auf adelige Kreise weist die Epenliteratur (z. B. 'Willehalm von Orlens'), die vor allem dort noch im 15. Jahrhundert großes Interesse fand (SCHNEIDER, Losbuch 1973, S. 41). Eine Zusammenstellung bei SCHNEIDER, Losbuch 1973, S. 17-19. Berlin, SB, Ms. germ. fol. 722: Weltgerichtsspiel; München, BSB, Cgm 463: Zwei erbauliche Traktate von Meister Heinzelin; München, BSB, Cgm 758: Sterbebücher, Eucharistietraktat des Marquard von Lindau; Prag, Nationalbibliothek, Cod. X V I A 6: Armenbibel. Cgm 312 kam aus St. Ulrich und Afra in die Münchner Hof- und Staatsbibliothek, jedoch wurde die Handschrift sicher nicht für das Kloster geschrieben; auch ist nicht gewiß, wann sie überhaupt in die Klosterbibliothek gelangte (im Katalog von 1512 ist sie nicht erwähnt,

41

s. SCHNEIDER, Losbuch 1973, S. 49). So SCHNEIDER, Losbuch 1973, S. 42.

42

Ebd., S. 42.

43 44 45

SCHNEIDER in 2 V L Bd. 1, Sp. 931; Schneider 1995, S. 15. SCHNEIDER, Losbuch 1973, S. 41. Siehe SCHNEIDER in 2 V L Bd. 1, Sp. 932.

46

So die Charakterisierung von SCHNEIDER, Losbuch 1973, S. 46 f. Lateinkundig war Bollstatter wohl nur soweit, wie es für einen professionellen Schreiber damals erforderlich war. Er mußte ein lateinisches Zitat halbwegs verstehen und richtig abschreiben können, doch nicht unbedingt mehr (s. SCHNEIDER, Losbuch 1973, S. 40). Längere lateinische Texte finden sich in seinen Handschriften nicht.

Konrad Bollstatter: Profane Handschriften und Kupferstiche

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er selbst aus, während er die Illustrationen bei professionellen Buchmalern in Auftrag geben mußte. 47 Fragt man nochmals nach der Stellung der mit Druckgraphik ausgestatteten Handschriftenbände innerhalb des erhaltenen Œuvres von Konrad Bollstatter, stellt man fest, daß alle drei zu seinen Lebzeiten nie verkauft wurden, sondern sich stets in seinem Besitz befanden. Das ist bei Cgm 252 am wenigsten verwunderlich, der als Ausschuß- und Materialsammlung wohl nie zur Veräußerung gedacht war. 48 Doch die Losbücher von Cgm 312 sind zum großen Teil von professionellen Illustratoren bebildert; Bollstatter hatte also einiges Geld in sie investiert, was zu seinem Privatvergnügen - denkt man an sein durch den Steuersatz in Augsburg dokumentiertes geringes Einkommen - nur schwer vorstellbar ist. Jedoch ist auch Cgm 312 kein einheitlich konzipiertes Buch, sondern eine Sammlung von thematisch zusammenpassenden Stücken, die über 23 Jahre hinweg entstanden waren und schließlich in einem Band vereinigt wurden. Einige der Losbücher - so auch das, in dem sich der Kupferstich befindet - blieben von den Illustrationen her unvollendet. Die eingeklebte Spielkartenfigur war wohl der Versuch, die Bildausstattung auch ohne Miniator noch fortzusetzen, doch blieb der Text danach bilderlos. Vielleicht kam das Losbuch aus diesem Grund nicht in einen Band, der verkauft wurde, sondern in eine aus ähnlichem, z. T. unfertigem Material bestehende Sammlung, die er schließlich binden ließ - und entweder nicht verkaufen konnte oder von vorneherein zum Gebrauch im eigenen Bekanntenkreis 49 oder als Materialquelle vorsah. Der Kupferstich dürfte etwa zur gleichen Zeit eingefügt worden sein wie der in der Heidelberger 'Willehalm von Orlens'-Handschrift (1455). In letzterer ist der Text jedoch vollständig und besitzt zwei Miniaturen. Das nur acht Blätter umfassende Losbuch von Cgm 312 für den Verkauf aufzugeben und in eine private Sammlung aufzunehmen war vergleichsweise leichter zu verschmerzen als die 195 Blätter des 'Willehalm von Orlens', in denen doch ein beträchtlicher Aufwand an Material und Arbeit steckte. Vielleicht war diese Handschrift ursprünglich durchaus für den Verkauf gedacht, doch konnten die zu üppig angelegten Illustrationen nicht nach Plan vollendet werden. Wieso er sie weiterhin unvollständig ließ und die Handschrift behielt, wird kaum zu klären sein. Bollstatters Handschriften zeichnen sich weder durch umfangreiche noch durch besonders konsequente Druckgraphik-Ausstattung aus. Interessant sind sie aus anderen Gründen: Sie zeigen, wie ein Schreiber, der Bücher in erster Linie zum Gelderwerb produzierte, vom leicht verfügbaren vervielfältigten Bild zu profitieren wußte - auf eine andere Art als sein Berufskollege Leonhard Taich47

Die Handschriften Bollstatters geben keinen brauchbaren Beleg für die These, daß er selbst der Illuminator seiner Handschriften war. Dies hielt BLOSEN 1990, S. 224 für denkbar, ebenso SCHULZE 1 9 9 1 , S. 13 u n t e r B e r u f u n g a u f BLOSEN.

48 49

SCHNEIDER 1995, S. 15 wies im Werk Bollstatters auf den großen Anteil von Handschriften hin, die er offenbar als private Textsammlungen und Arbeitsmanuskripte angelegt hatte. Den Gebrauch zur eigenen Unterhaltung im Familien- und Freundeskreis vermutete SCHNEIDER, Losbuch 1973, S. 52.

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stetter. Konrad Bollstatter hatte sich nicht prinzipiell auf die Möglichkeit der Handschriftenillustration mit gedruckten Bildern eingestellt. Wenn er Bücher illustrierte bzw. illustrieren ließ, so tat er das meist mit konventionellen Federzeichnungen auf einfache, doch qualitätvolle Weise. Das war auch bei den Themen, die er in seinem „Programm" hatte, kaum anders möglich: Es waren vor allem profane Texte, für deren Illustrationen kaum Druckgraphik verfügbar war. Gedruckte Bilder benutzte er nur als „Gelegenheitsillustrationen". Sowohl bei seinem Losbuch in München als auch bei dem Heidelberger 'Willehalm von Orlens' war sein Konzept der Illustration mit Federzeichnungen nicht in der geplanten Weise zur Durchführung gekommen. Er verstand die Druckgraphiken dann aber geschickt als Ersatz in seine Texte zu integrieren. Seine Erfahrung bei der Herstellung illustrierter Bücher kamen ihm dabei zugute. Im Unterschied zu so mancher Klosterhandschrift sind seine Graphiken mit Rücksicht auf gehobenen Geschmack ausgesucht - er verwendete qualitätvolle Kupferstiche, keine „gröberen" Bilddrucke wie Metall- und Holzschnitte.50 Richtige Größenverhältnisse und gute Einpassung der Druckgraphiken in den Schriftspiegel wurden beachtet, die Kolorierung auf das nötigste beschränkt, um die graphische Wirkung der Kupferstiche nicht zu entwerten. Die Stiche, die sein Zeitgenosse Paulus Steger im Kloster Tegernsee verwendete, sind im Gegensatz dazu oft ohne Rücksicht auf die Eigenheit der graphischen Technik bemalt. Bollstatters Gebrauch von Bilddrucken war ganz pragmatischer Art: Er benutzte sie nur, wenn es ihm an anderen Illustrationen fehlte und wenn sie sich gut in das Illustrationskonzept einfugten. Was die künstlerische Qualität betrifft, orientierte er sich an den Ansprüchen, die seine gewohnte Adressatenschicht an ein illustriertes Buch stellte.

50

Abgesehen von den unfigürlichen Initialen, filr die ein anderer Anspruch gilt als für die Bilder.

Ersatz fllr nicht ausgeführte Miniaturen

249

3. Exkurs: Druckgraphik als Ersatz für nicht ausgeführte Miniaturen - ein weiterer Beleg Bollstatter war nicht der einzige, der sich mit Druckgraphik behalf, wenn ein Plan zur Illustration einer Handschrift nicht zur Ausfuhrung kommen konnte. Ein Heilsspiegel in der Bibliothek des Germanischen Nationalmuseums (Hs 28607) zeigt, wie der Schreiber dieses Bandes die umfangreiche Bildausstattung, von der lediglich eine einzige Federzeichnung zur Ausfuhrung gekommen war, wenigstens teilweise durch etwa 30 Teigdrucke und Holzschnitte zu ersetzen versuchte. Die Handschrift wurde etwa 1456-58 von einem Michael Guldin, der sich auch Michael de Schonberg nannte,51 angefertigt. Sie befand sich spätestens seit dem 17. Jahrhundert im Benediktinerkloster Elchingen bei Ulm.52 Ob sie auch dort entstand, ist sehr fraglich; der Schreiber nennt sich nicht mit einer der bei Klosterbrüdern üblichen Formeln. Auch wenn dies kein zwingender Grund ist, ist es doch nicht unwahrscheinlich, daß er ein weltlicher Schreiber war. Er hatte durchgängig die üblichen Illustrationen für den Spiegel der menschlichen betrachtnüß, wie die deutsche Prosabearbeitung des 'Speculum humanae salvationis' hier genannt ist,53 geplant und an den entsprechenden Stellen - auch wenn sie zum Teil etwas wirr und unübersichtlich angeordnet sind - Platz dafür ausgespart. Über diesen Leerräumen hatte er die Themen der Bilder mit roter Tinte angegeben, wohl gleichzeitig als Bildüberschriften wie auch als Anweisungen für den Illustrator (Abb. 191). Aus irgendeinem Grund kam es jedoch nur zur Ausführung einer einzigen Federzeichnung, der Verkündigung an Abraham und Sara auf fol. 46r (Abb. 192).54 Nach dem Scheitern seines ursprünglichen Planes behalf man sich mit Teigdrucken und einigen Holzschnitten. Ein Glücksfall in der Geschichte der Druckgraphik: Sind doch Teigdrucke in der Regel nur als Einzelstücke oder Paare, meist aus Buchdeckeln, erhalten. Die hier im gleichen Verwendungszusammenhang vorhandenen bzw. rekonstruierbaren 19 Teile einer Folge sind einmalig.55 Die gedruckten Bilder wurden in die Freiräume geklebt und zum Teil mit Tinte und Feder mit einfachen Bordüren verziert. Die alttestamentlichen

51 52

53 54

55

Signiert auf fol. 2 V und fol. 114V. Die Datierung nach den Wasserzeichen, s. KURRAS 1974, S. 1 0 1 . Sie ist mit zwei Postinkunabeln zusammengebunden. Auf dem Titelblatt der ersten, 'Die 24 Alten' Ottos von Passau, 1508 in Straßburg gedruckt, befindet sich der Vermerk Monasterii Elchingensis. Fol. l r . Nach Gen. 18, 1-15. Es verwundert, daß diese einzige ausgeführte Federzeichnung sich mitten im Text befindet. Theoretisch wäre auch denkbar, daß sie erst nachträglich angebracht wurde. Die gute Einpassung in den Bildraum spricht jedoch für eine genauere Auseinandersetzung mit dem Illustrationsplan und gegen ein späteres zufalliges Einzelbild. Leider wurde der größere Teil davon im 19. Jahrhundert ohne Rücksicht auf die Handschrift herausgeschnitten und dem Kupferstichkabinett einverleibt. In dem Codex kleben noch elf Teigdrucke; sechs Holzschnitte und acht Teigdrucke befinden sich im Kupferstichkabinett (s. u. die Rekonstruktion im Verzeichnis der Handschriften).

250

Verwendung von Druckgraphik durch gewerbliche Buchschreiber

Szenen mußten dabei freilich unillustriert bleiben; aus der Produktion druckgraphischer Einzelblätter dieser Zeit standen passend zum Heilsspiegel nur Szenen des Lebens und Leidens Christi und Mariae zur Verfügung. Die Größe der Bilddrucke entsprach ungefähr derjenigen der ursprünglich geplanten Illustrationen. Nur an einigen Stellen ergaben sich Mißverhältnisse, an denen man sich aber nicht weiter störte (Abb. 193). An anderer Stelle wurden zwei Teigdrucke nebeneinander eingefügt, obwohl nur für einen Platz war (Abb. 194): Im vorgesehenen Freiraum klebt unter dem Rubrum Ihesus war gebunden vnd gaiselt ein Teigdruck der Entkleidung Christi.56 Erst rechts daneben wurde das thematisch tatsächlich passende Blatt angebracht (heute in der Graphischen Sammlung)57 - doch überklebte man dabei den Anfang des zugehörigen Textabschnitts. Vielleicht hatte man den Fehler erst bemerkt, als die Entkleidungsszene schon befestigt war, wollte das Blatt aber nicht überdecken oder heraustrennen und fügte das richtige Blatt daneben ein. Das Bild scheint dabei wichtiger gewesen zu sein als der so verlorene Text; tatsächlich gab dieser, wie der Beginn jedes Kapitels der Handschrift, im wesentlichen nur eine kurze Zusammenfassung des vorangegangenen Abschnitts {In dem vordem capitel hend wir gehört, wie Christus (...)). Auf einer anderen Seite (fol. 591-) wurde der gesamte Text mit einem heute herausgeschnittenen Teigdruck der Kreuzigung überklebt (Abb. 195).58 Diese Stelle ist besonders interessant bezüglich der Frage nach dem Zeitpunkt, zu dem die Illustrationen eingefügt wurden. Den hier verdeckten Text über die Verspottung Christi am Kreuz wollte man nämlich nicht verloren geben und schrieb ihn nochmals unter das Bild. Der Vergleich dieser Sätze mit den neben den Papierrändern des eingeklebten Blattes noch lesbaren Schriftresten beweist, daß es sich tatsächlich um eine Abschrift handelt. Sie stammt nun eindeutig von der Schreiberhand des ganzen Buches. Der Teigdruck muß also von ihm selbst eingefügt worden sein. Er kopierte nach Abschätzung bzw. Abmessung des anzubringenden Bildes den Text auf den unteren Seitenrand und überklebte ihn dann. Der Schriftduktus ist derselbe wie im Rest des Bandes; es scheint kein großer Zeitabstand zwischen der Vollendung des Heilsspiegels gegen Ende der 1450er Jahre und dem Nachtrag der Druckgraphiken gelegen zu haben.59 56 57 58

59

Die Bezeichnung „Christus gebunden mit der Dornenkrone" durch KISTNER 1950, S. 95 ist falsch. Sehr. 2784, Inv.-Nr. K. 16. Sehr. 2801, bei KISTNER 1950, S. 86 als verschollen nicht aufgenommen. Heute als Inv.-Nr. K. 5 (Kapsel 98) wieder im Kupferstichkabinett. Maße, Form des Papierausschnitts und die Randbemalung stimmen überein. Die Holzschnitte gehören der Kopienreihe der 'Gulden puchlein-Gruppe' an. Die Metallplatten, mit denen die Teigdrucke hergestellt wurden, sind Werke des Meisters mit der Hausmarke £ . Schreiber, dem diese Handschrift nicht bekannt war, konnte ihm nur ein kleines Œuvre zuweisen (SCHREIBER 1926, S. 76). FŒLD 1986, S. 214 f. schrieb ihm auch die Kopie der StögerPassion Sehr. 2233 etc. zu (s. dazu Kap. IV.3.4. und Verzeichnis der Handschriften, unter Chicago, Art Institute). Er lokalisiert ihn nach Franken oder Bayern. Ob der Metallschneider der Stöger-Kopie und der Meister mit der Hausmarke £ tatsächlich identisch sind, ist fraglich; gibt es doch beträchtliche Unterschiede in der Gestaltung der Gesichter oder der Punzierung.

I V . DIE VERWENDUNG VON DRUCKGRAPHIK ZUR ILLUSTRATION EINER BESTIMMTEN TEXTART: D A S BEISPIEL DER PASSIONSGEBETBÜCHER

Die bisher behandelten Beispiele haben gezeigt, daß druckgraphische Illustrationen - ihre geplante, nicht erst nachträgliche Einfügung vorausgesetzt - bevorzugt für bestimmte Textsorten verwendet wurden. Zu den wichtigsten gehören dabei Gebete. In einigen Nürnberger und Tegernseer Sammelhandschriften hatten die Schreiberinnen und Schreiber einzelnen Gebetstexten gedruckte Bilder bewußt voran- oder gegenübergestellt. Doch gibt es auch eine erstaunlich große, bis auf wenige Ausnahmen in der Literatur kaum bekannte Gruppe von Gebetbüchern, deren gesamte Struktur durch die druckgraphischen Illustrationen bestimmt ist. In den konsequentesten Ausführungen wird dabei ein Handschriftentyp sichtbar, bei dem komplette Text- und Bilddruckzyklen planvoll aufeinander bezogen wurden.

1. Ein Holzschnitt-Bilderbüchlein zur Passionsandacht Schon mehrere Beispiele in den ersten Kapiteln dieser Studie haben gezeigt, daß sich in graphischen Sammlungen aufbewahrte Einzelblätter gelegentlich als Handschriftenfragmente erweisen. Um einen ähnlichen Fall handelt es sich bei sieben Pergamentblättern im Berliner Kupferstichkabinett. 1 Doch anders als üblich verraten nicht Leimspuren oder handschriftliche Texte auf den Rückseiten die ursprüngliche Verwendung. Vielmehr ist jedes der Blättchen auf Vorder- wie auch Rückseite mit je einem Holzschnitt bedruckt; der Text beschränkt sich auf eine Titelzeile über jedem Bild, die in deutscher Sprache den Inhalt der Szene umreißt (Abb. 196-198). Ursprünglich bildeten die sieben Blätter ein kleines Büchlein: Das beweisen Klebespuren an den Rändern, aus denen zu erschließen ist, an welcher Seite sie an Falze geklebt waren. Mit Hilfe dieser waren sie zu einem kleinen Heft zusammengebunden. Daß sie nicht etwa weit verteilt in eine Handschrift eingeschaltet waren - wie in dem Brevier aus dem Katharinenkloster im British Museum 2 - , zeigen die Reste einer durchgehenden alten Foliierung, die

1 2

Sehr. 45 etc., Inv.-Nr. 7-13, Mappe 107 A 1. Department of Prints and Drawings, 158* b.3, s. Kap. II. 1.6.3.

252

Passionsgebetbücher

trotz der Beschneidung noch auf drei Blättern erhalten ist (s. Abb. 197).3 Mit Hilfe dieser Spuren läßt sich die ursprüngliche Anordnung rekonstruieren (Vorder- / Rückseite): 1. Verkündigung / Geburt 2. Tod Mariae / Madonna in der Landschaft 3. Verrat / Christus vor Pilatus 4. Geißelung / Dornenkrönung 5. Kreuztragung / Kreuzannagelung 6. Kreuzabnahme / Christus am Kreuz (hier waren offenbar beim Ankleben Vorderund Rückseite vertauscht worden!) 7. noli me tangere / Ölberg (ein Anordnungsfehler des Druckers?)

Am Anfang stand also ein auf Maria bezogener Teil von vier Bildern, dem die Passion Christi vom Verrat bis zur Kreuzabnahme folgte. Das Pergament-Bilderbüchlein erinnert an einen Typus textloser kleinformatiger Andachtsbücher, der seit dem 14. Jahrhundert Verbreitung fand. Das bekannteste Beispiel ist das etwa 1330-50 entstandene Büchlein im Victoria and Albert Museum, das auf sieben bemalten Elfenbeintäfelchen von 10,5 x 6 cm die Passionsgeschichte in neun Szenen zeigt, gefolgt von einer Vera icon und vier Seiten mit Arma Christi.4 Hamburger brachte diesen Typ mit der Andachtspraxis von Frauen und Laien in Verbindung, zu deren Unterstützung auch die Seelsorger jener Zeit Bildern einen hohen Stellenwert einräumten.5 Bei den Holzschnitten in Berlin könnte das im Vergleich zum Papier wertvollere Material des Pergaments nicht nur ein Signal gesteigerten Anspruchsniveaus sein, sondern auch auf die höhere Stabilität deuten, die bei der Verwendung der Folge als eigenständiges Büchlein vonnöten war. Denkbar wäre jedoch auch, daß die Holzschnittfolge einer umfangreicheren Handschrift als eigenständiger Bildteil vorgebunden war. Solche nicht unmittelbar mit Texten in Bezug gesetzte Bildfolgen finden sich, meist mit Passionsdarstellungen, im 15. Jahrhundert gelegentlich am Beginn von Privatgebetbüchern.6 Als Beispiel sei das um 1470 vermutlich in Mainz entstandene Gebetbuch der Margarete von Rodemachern genannt, dem 24 ganzseitige Miniaturen vorausgehen.7 Wie die Holzschnitte des Berliner Kupferstichkabinetts hat jedes Bild eine Überschrift, welche die Szene benennt (Abb. 199). Als Vorläufer für solche textlosen Bildteile sind vielleicht Psalterien zu betrachten, denen schon seit dem 11. Jahr3

4

Auf der Verkündigung (Sehr. 45) die Blattnummer 1, auf der Geißelung (Sehr. 302) die 4 sowie auf der Kreuztragung (Sehr. 356) die 5. Diese Foliierung, die der chronologischen Anordnung der Szenen entspricht, ist wohl nicht mehr mittelalterlich, doch war sie schon vorhanden, bevor das Büchlein auseinandergenommen und beschnitten wurde; auf den meisten Blätter ist sie weggeschnitten. I n v . N r . 1 1 - 1 8 7 2 . S i e h e d a z u WENTZEL 1 9 6 2 ; HAMBURGER 1 9 8 9 , S . 3 0 ; VAN O S 1 9 9 4 , S . 1 1 4 ,

S. 1 8 2 (Nr. 3 5 ) . 5

HAMBURGER 1 9 8 9 , S . 3 0 .

6

Siehe OCHSENBEIN 1988, S. 391. Ein frühes Beispiel für ein deutschsprachiges Gebetbuch ist etwa Berlin, SB, Ms. germ. oct. 489 (um 1400, s. OCHSENBEIN 1988, S. 384). Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibliothek (ehem. Zentralbibliothek der deutschen Klassik),

7

Q 5 9 , f o l . 2 V - 1 5 R . A b b . b e i KRATZSCH 1 9 7 8 , S . 8 - 3 1 .

Ein Holzschnitt-Bilderbüchlein zur Passionsandacht

253

hundert bisweilen reine Bildblöcke vorgeschaltet wurden. 8 Nur aus textlosen Bildseiten bestehende Codices wie das Andachtsbuch der Marie de Gavre sind dagegen die Ausnahme.9 In welchem dieser denkbaren ursprünglichen Zusammenhänge sich die Holzschnitte auch befunden haben mögen: In jedem Fall dienten sie der Bildandacht ob als eigenständiges Heft, das, obwohl (fast) textlos, die ursprünglich textbezogene Form des Buches aufnimmt, oder als Einleitungsteil eines Gebetbuches, der zur vorbereitenden Bildmeditation vor den unillustrierten Gebetstexten bestimmt war. In welcher Region die Bildfolge benutzt wurde, läßt sich durch die Schreibsprache der Texte wenigstens grob eingrenzen. Die Texte sind für eine genauere Bestimmung zu kurz, doch weisen einige Merkmale in den bayerischen oder fränkischen Raum. Schwaben und der Oberrhein sind ausgeschlossen.10 Die Holzschnitte hielten Kristeller und Schreiber für ältere Abzüge von denselben Modeln, von denen die Blätter der Hauptfolge des 'Gulden puchlein' gedruckt wurden. Doch gibt es kleine Unterschiede, die zweifelsfrei beweisen, daß sie von verschiedenen Stöcken stammen.11 Die Madonna (Abb. 196), deren Vorbild nicht in dieser Kopienreihe liegt, die aber vermutlich in der gleichen Werkstatt geschnitten wurde, vermag einen Hinweis auf die Lokalisierung zu geben. Die ungewöhnlichen Schraffuren wie auch die Art der Faltenbildung der unteren Gewandpartie verbinden sie mit der als nürnbergisch bestimmten hl. Birgitta in einer Handschrift des Katharinenklosters (s. Umschlagbild). Zumindest die Herkunft der Vorlage mag also in Franken zu suchen sein. Was den Typus des „Passionsbilderbüchleins" betrifft, das aus vorder- und rückseitig bedruckten Blättern mit einem fortlaufenden Passionszyklus bestand, so ist möglicherweise zumindest noch ein Fragment eines weiteren Exemplars erhalten. Ein Papierblatt in Washington zeigt auf der einen Seite die Handwaschung des Pilatus, auf der anderen das Ecce homo. Wie die Berliner Folge gehören auch diese beiden Holzschnitte zur Gulden puchlein-Gruppe. Der doppelseitige Druck ist zusammen mit der Anordnung der narrativ aufeinanderfolgenden Szenen kaum anders zu erklären als mit der ursprünglichen Bestimmung des Blattes in einem Bilderheft des hier vorgestellten Typs. 12

8

S i e h e ACHTEN 1 9 8 7 , S. 13; BÜTTNER 1 9 9 2 , S. 13, S. 19.

9

ANDREAS BRÄM, Das Andachtsbuch der Marie de Gavre. Paris, Bibliothèque Nationale, Ms. nouv. acq. fr. 16251. Buchmalerei in der Diözese Cambrai im letzten Viertel des 13. Jahrhunderts, Wiesbaden 1997. Die Diphthongierung des mhd. /iu/ in kreutz (über der Kreuztragung Sehr. 356) sowie des mhd. /u/ in auf (über dem Ölberg Sehr. 205) sind nach BESCH 1967, S. 75-77 hierfür im 15. Jahrhundert klare sprachgeographische Merkmale. KRISTELLER 1915, S. 8; SCHREIBER, Handbuch Bd. 1, Nr. 45. Zu den Unterschieden der beiden Folgen im einzelnen s. u. Verzeichnis der Handschriften. Sehr. 282a und 335 m in Washington, NGA, Inv.-Nr. B-3414. Das Blättchen wurde aus einer Handschrift von 1518 gelöst, doch dürfte es sich schon dabei um eine Sekundärverwendung gehandelt haben. Weitere Angaben und Abb. bei BAUMEISTER in Heitz, Einblattdrucke Bd. 52, Nr. 16. u. 17, und FIELD in Fifteenth Century Woodcuts and Metalcuts 1965, Nr. 44 u. 45.

10

11 12

254

Passionsgebetbücher

2. Ein ungewöhnliches Gebetbuch für den Laiengebrauch mit eingedruckten Holzschnitten Die „marktfuhrende" Stellung der Holzschnitte der 'Gulden puchlein-Gruppe' belegt eine weitere auf Pergament gedruckte Folge. Sie befindet sich in einer der interessantesten Handschriften mit druckgraphischen Illustrationen, die jedoch der Kunstgeschichte bis heute unbekannt geblieben ist. Zwar hatte Weitenkampf im Jahr 1934 eine kurze Beschreibung des Bilderschmucks der Handschrift 77 der New York Public Library veröffentlicht,1 doch fand diese offenbar keine Beachtung. Die aber hätte die Handschrift verdient: Enthält sie doch nicht weniger als 69 kolorierte Holzschnitte, die in Schreibers Handbuch nicht verzeichnet sind. Doch ist sie nicht nur eine Fundgrube unbekannter Graphiken, sondern auch höchst aufschlußreich für eine kaum bekannte Illustrationspraxis. Die Holzschnitte sind in genau durchdachter Anordnung mit dem Text kombiniert und direkt auf die 17 Pergamentseiten gedruckt. Ein ähnliches Phänomen wurde oben schon bei dem Marienleben Hanns Lidrers beschrieben (Kap. II. 1.3.). Bei der New Yorker Handschrift tritt es in noch reicherer Bildauswahl, in anderer Gestaltung der Anordnung von Schrift und Bild und in Verbindung mit anderen Texten in Erscheinung. Schon allein vom Aufbau her ist dieses deutschsprachige Gebetbuch ungewöhnlich. Leider ist es nicht mehr vollständig. Am Ende und auch innerhalb des bestehenden Buchblocks fehlen mehrere Seiten. Auch wurde der erhaltene Teil der Handschrift zweimal auseinandergenommen und jeweils falsch wieder zusammengesetzt. Das ist aus den Bindefehlern zu schließen, durch die zusammengehörende Texte auseinandergerissen wurden, und aus den Spuren einer älteren (doch sicher nachmittelalterlichen), von der heute gültigen Paginierung abweichenden Foliierung, nach der die Blätter jedoch auch falsch angeordnet waren. Zur Rekonstruktion s. u. den Eintrag im Verzeichnis der Handschriften. Der Prolog der Handschrift belehrt den Leser zunächst über den Nutzen frommer Betrachtung. Er beruft sich dabei auf Kirchenväter und -lehrer, so daß verständlich wird, wieso am Anfang ein kleiner Holzschnitt des hl. Hieronymus eingedruckt wurde: Ein vorrede. Das puch haist wochenlich andacht zu seligkait der weltlichen menschen. Dye gemain aller lerer schreiben vil gutter nütz vnd frücht, die den menschen bekumen, wer gern pett oder betracht die guttat gottes, auch leben vnd 1

Auf dem Signaturenschild die ältere Signatur Cod. membr. occ. 77. Zum Codex WEITENKAMPF 1934, S. 921-924, unverändert nochmals publiziert in: Fifteenth and Sixteenth Century Prints in the Collection of the New York Public Library, New York 1935. Es handelt sich nur um eine Liste der Holzschnitte; Texte und Kodikologisches werden dort nicht behandelt. Die Publikation der Holzschnitte war in der Reihe Einblattdrucke des XV. Jahrhunderts geplant, so jedenfalls die Ankündigung MABBOTS in deren 95. Band vom Jahr 1938, S. 13. Der Band 99, im Jahr 1939 der vorletzte vor der Einstellung der Reihe, enthält einige Holzschnitte der New York Public Library, jedoch nicht die der hier behandelten Handschrift. Zur Veröffentlichung kam es nie, die Handschrift geriet wieder in Vergessenheit.

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Ein ungewöhnliches Gebetbuch mit eingedruckten Holzschnitten

leyden Ihesu, nemlich XXV dugent frücht vnd gnad, die lanck wem, da her zu schreiben. Item sant Ieronimus vnd Albertus magnus schreiben, es sey aynem menschen ayn betrachtung nützer, dann das er ein ganz iar mit wasser vnd brot vastet. Oder das er altag ein ganczenpsaltter pettet vndslug sich mit gertten zum plutvergissen...

Als Mittel zur Andacht, die nach diesen Worten sinnvoller ist als körperliche Kasteiung, stellt das Buch dann drei größere Textabschnitte zur Verfugung. Der erste Teil enthält eine erzählende Betrachtung der guttetten - d. h. der Wohltaten bzw. Gnaden - Gottes, die im Alten und Neuen Testament offenbar wurden. Sie ist über die Wochentage verteilt: Am Montag wird von den Wohltaten anhand ausgesuchter Episoden des Alten Testaments gehandelt, am Dienstag von der Kindheit Christi, und so fort bis schließlich zur Passion am Freitag. Samstag und Sonntag sind verloren. Der zweite Teil besteht aus Gebeten zu verschiedenen Heiligen, einzeln oder in Gruppen zusammengefaßt. Auch sie sind in Abschnitte zu den sieben Wochentagen eingeteilt, die immer eine Doppelseite füllen und ihrerseits aus jeweils sieben Gebeten bestehen. Das Thema des ersten ist stets durch eine Rubrik hervorgehoben. Durch diese Überschriften ergibt sich die Zuordnung des Montags vermutlich zu Gottvater (der Anfang ist verloren), des Dienstags zu seinem Sohn, des Mittwochs zum Heiligen Geist. Die erste Seite des Donnerstags fehlt, war aber vielleicht Maria zugewiesen, Freitag ist der Passion Christi gewidmet, Samstag der Dankbarkeit gegenüber Gott und Sonntag der Einkehr zu Gott. Nach dem Einschub eines Gebets von der Bereitschaft zum Sterben folgt der dritte Teil, der nun Betrachtungen über die Schmerzen Mariae nach einzelnen Wochentagen enthält. Im Folgenden eine Übersicht des Aufbaus in der rekonstruierten ursprünglichen Folge der Blätter (die Sprünge in den Seitenzahlen haben ihren Grund in der falschen Neubindung, s. u. die Rekonstruktion im Verzeichnis der Handschriften): Vorrede Wohltaten Gottes aus Altem und Neuem Testament Montag: Altes Testament Dienstag: Kindheit Christi [Mittwoch:] Wirken und Wundertätigkeit Christi [Donnerstag:] Christus in Jerusalem; Beginn der Passion (bis Verspottung durch die Juden) Freitag: Passion Christi (ab Vorführung vor Pilatus) [Samstag: vollständig verloren] [Sonntag: vollständig verloren] Gebete zu einzelnen Heiligen: Montag: [Erste Seite mit 4 Gebeten verloren. Einleitungsthema: Gottvater?]; erhaltene Gebete: hl. Paulus, Schutzengel, div. Märtyrerinnen (hl. Katharina u. a.) Dienstag: Einleitungsthema: Sohn Gottes. Weitere Gebete: Geburt Mariae, Tempelgang Mariae, hl. Andreas, hl. Jakob d. Ä., hl. Mönche, hl. Nonnen Mittwoch: Einleitungsthema: Heiliger Geist. Weitere Gebete: Verkündigung an Maria, Heimsuchung, hl. Johannes Ev. [Zweite Seite mit 4 Gebeten fehlt]

S. 2-3 S. 4-7 S. 8 S. 9 S. 10-13 S. 14-18

S. 19 S. 20 S. 21 S. 22

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Passionsgebetbücher

Donnerstag: [Erste Seite mit 4 Gebeten fehlt; Einleitungsthema: ?]. Erhaltene Gebete: hl. Jakob d. J., Kirchenväter, hl. Witwen Freitag: Einleitungsthema: Leiden Christi. Weitere Gebete: Compassio Mariae, hl. Matthäus, hl. Bartholomäus, div. hl. Märtyrer (Lorenz u. a.), hl. Magdalena, hl. Kinder von Bethlehem Samstag: Einleitungsthema: Dankbarkeit gegenüber Gott. Weitere Gebete: Himmelfahrt Mariae, hl. Simon Zelotes, hl. Judas Thaddäus; div. hl. Bischöfe u. a. männl. Heilige, hl. Martha Sonntag: Anfangsthema: Einkehr zu Gott. Weitere Gebete: Krönung und Freude Mariae; MariaSchnee-Wunder, hl. Matthias, hl. Johannes d. T., Fürbitte für die Seelen, sieben Gruppen von Heiligen und sieben Gaben des Hl. Geistes Gebet von der Bereitschaft zum Sterben Gebete von den Schmerzen Mariae Montag: Allgemeines über das Leiden Mariae; Leiden während der Zeit im Tempel Dienstag: Schmerz über die Leidensankündigung Simeons Mittwoch: Schmerz über den verlorenen zwölQährigen Jesus und den bethlehemitischen Kindermord Donnerstag: Schmerz über Gefangennahme und Verspottung Christi

S. 23 S. 24 S. 33 S. 34 S. 25

S. 26 S. 27 S. 28-29

S. 30-31 S. 31 S. 32 S. 32

Die Verteilung von Gebeten auf die Wochentage hat eine lange Tradition. Sie läßt sich bis zu den ältesten bekanntesten Sammlungen verfolgen und schon in den um 850 wohl zum Laiengebrauch entstandenen, früher Alkuin zugeschriebenen 'Officia per ferias' 2 feststellen. Dort sind die Gebete über die sieben Tage verteilt, denen jeweils ein bestimmtes Gebetsmotiv zugeordnet ist: Sonntag der Lobpreis Gottes, Montag Sündennachlaß, Dienstag Sündenbekenntnis und Bitte um Tugend, Mittwoch Bitten in allgemeinen Nöten und Fürbitten, Donnerstag ebenfalls Fürbitten, Freitag Menschwerdung, Leiden, Auferstehung und Himmelfahrt Christi, Samstag Erweckung „himmlischer Begierden".3 Passionsgebete für die einzelnen Tage führt ein St. Emmeramer Gebetbuch aus dem 14. Jahrhundert an.4 Jean Gerson empfahl seinen Schwestern in einem Brief, ihre Gebete an den sieben Tagen jeweils bestimmten Gruppen von Heiligen, Gaben des Hl. Geistes und anderen ausgewählten Motiven bzw. Adressaten zu widmen.5 Eine Handschrift aus Kloster Rheinau enthält eine Folge von Gebeten für die Wochentage, die Gottvater, -söhn und Heiligem Geist, der Trinität, Maria, den Engeln und dem Evangelisten Johannes gewidmet sind.6 Auch Dominikanerinnen pflegten eine 2

Publiziert in MlGNE, PL 101, Sp. 509-612.

3

HAIMERL 1 9 5 2 , S. 5, 1 4 f.

4 5

München, BSB, Clm 14850, auf fol. 119r ff. E. VANSTEENBERGHE, Quelques écrits de Jean Gerson. Textes inédits et études. V: Lettre à ses sœurs sur la méditation et les dévotions quotidiennes, in: Revue des sciences religieuses 14, 1934, S. 370-386, dort v. a. S. 373, 378. Zürich, Zentralbibl., Rh. 156, datiert 1499; s. HAIMERL 1952, S. 81.

6

Ein ungewöhnliches Gebetbuch mit eingedruckten Holzschnitten

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ähnliche Praxis; so sind etwa in einem Gebetbuch von 1486 aus dem Nürnberger Katharinenkloster7 die Gebete zu den Tagzeiten des Leidens Christi wie auch des Mitleidens Mariae auf die Wochentage umgelegt. Zahlreiche weitere Beispiele ließen sich anfuhren.8 Auch die Lektüreanweisungen von Erzählungen des Lebens Christi empfehlen bisweilen die Verteilung auf die sieben Tage. Die franziskanischen 'Meditationes vitae Christi' weisen dem Montag den Abschnitt bis zur Flucht nach Ägypten zu, Dienstag bis zur Schriftlesung Christi in der Synagoge von Nazareth, Mittwoch bis zum Besuch bei Maria und Martha, Donnerstag bis zum Beginn der Passion und so fort.9 Dem Leser der sogenannten 'Vita Christi der Schwester Regula' wird ebenfalls geraten, die Lektüre auf die Wochentage zu verteilen: Montags von der Verkündigung bis zur Geburt Christi, dienstags von der Geburt bis zur Taufe, mittwochs bis zur Berufung der Jünger, donnerstags bis zum Einzug und Wirken in Jerusalem, freitags die Passion bis zur Gefangennahme, samstags bis zur Auferstehung und sonntags von der Auferstehung bisz an das ende.10 Ähnlich ist die Erzählung des Lebens Christi im ersten Teil der New Yorker Handschrift strukturiert. Hier allerdings wird heilsgeschichtlich noch weiter ausgeholt, so daß auf den Montag das Alte Testament fallt. Wenn auch die Zuordnung verschiedener Andachtsthemen und Abschnitte der Heilsgeschichte zu den Wochentagen ein gängiges Prinzip der Andachtsliteratur ist, so wurde doch bislang kein deutschsprachiges Privatgebetbuch11 bekannt, in dem diese Einteilung so konsequent alle Teile bestimmt wie bei der New Yorker Handschrift.12 Ebensowenig konnte eine Gebetssammlung gefunden werden, die die gleiche Zuweisung der Andachtsthemen zu den Tagen aufweist. Im ersten Stück wird jeweils eine ausgewählte Episode der Heilsgeschichte dargestellt, die darin erzeigte Gnade Gottes erläutert und - stets in der Ich-Form als Gespräch des Lesers mit Gott - Unwürdigkeit und Reue beteuert. So beginnt der Montag mit der Erschaffung der Engel und Verstoßung der Teufel (S. 4): Am montag von den guttetten gottes. Almechtiger got, aller pestes gut vnd genüge aller begir, wan du kainer creatur nye bedinst zu deinem nucz, gut noch ere vnd 7 8

Berlin, SB, Ms. germ. oct. 567; vgl. HAIMERL 1952, S. 51. Davon seien nur noch genannt: Das Gebetbuch, das Johannes von Indersdorf 1437 für Herzog Albrecht von Bayern verfaßte, enthält über die Woche verteilte Betrachtungen (München, BSB, Cgm 357). Das Laiengebetbuch des Nürnberger Patriziers Nikolaus Muffel von 1462 (Sigmaringen, Fürstlich Hohenzollernsche Hofbibliothek, Cod. 23) ist nach Wochentagen strukturiert, ebenso ein Ebersberger Gebetbuch aus dem späteren 15. Jahrhundert (Clm 5974). Das Blockbuch der 'Septimania poenalis' (Heidelberg, UB, in Cod. pal. germ. 438, s. SCHREIBER, Manuel Bd. IV, S. 349, Abb. bei KRISTELLER 1907) enthält über die Woche verteilte Bußgebete zu verschiedenen Arma Christi. Ein Exercitium Geilers von Kaysersberg für die Dominikanerinnen von St. Agnes und St. Margaretha in Straßburg besteht aus je sieben Betrachtungsthemen für jeden Wochentag, die aber nicht mit denen der New Yorker Handschrift identisch sind (vgl. RAPP 1985, S. 353 f., MATHEIS-REBAUD 1991, v. a. S. 213 f., 239).

9

RAGUSA- GREEN 1 9 6 1 , S. 3 8 7 f.

10 11

Karlsruhe, BLB, Lichtenthai 70, fol. 186r. Zu einer Terminologie der Gebetbücher, innerhalb derer die New Yorker Handschrift diesem Typus entspricht, s. OCHSENBEIN 1988, S. 379 f. Für ihren Rat danke ich Karin Schneider.

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Passionsgebetbücher

allain darzue geschaffen hast, das wir deiner vnmessigen guttat auch michet teilhafftig wurden, vnd zu voran die engel in hochwirdiger genad geschaffen hast. Do waren etlich vntter in, die sich der gnaden vnwirdig machten vnd sazten sich wider dein götlichen willen mit sunden, hoffart, eyttel ere vnd aygen willen. £>(arnach?) ubermandestu sie mit recht vnd verstiest sie in die ewige verdampnus... Aber wie wol ich das erkant hab an dir ()13 noch han ich dich nit gefurcht mit kintlicher lieb, auch die sund nit gelassen vnd die hymlischen früd in meiner vnschuld nit gehalten, darczu du mich gehaissen hast... Zur Illustration wurde links oben in den präzise dafür ausgesparten Raum der Holzschnitt gedruckt, der Gott mit der Engelsschar und Luzifer zeigt, den er in die Höllenflammen stürzt.14 Die nächste Seite beginnt rechts oben mit der Darstellung der Vertreibung aus dem Paradies. Sie illustriert die thematisch entsprechende Passage, die unmittelbar daneben zu lesen ist. Unten links ist der Holzschnitt mit Noah und seiner Frau beim Betreten der Arche eingedruckt. Der zugehörige Textabschnitt beginnt mit der roten Lombarde sechs Zeilen über dem Bild (S. 5): Noe macht die arch nach deinem gehais, vm in der sint flut (zu bewaren) 15 menschlich natur vnd aller lay dier von besundertlicher (art) 16 nach der weit schöppfung, nemlich von dein zukünftigen menschen wegen, ob wir vns (czu)17 deiner glori keren wollen, dartzu du vns geschaffen hast. Aber ich han das nye volacht, ob ich wol betracht vnd danck der guttet gottes, auch das leben vnd leyden Ihesu, so han ichs doch nit mit solchem fleiß betracht noch voldanckt als got, die heilig driueltigkaitt hochwirdig ist, mein arme sei notturfftig. Der Aufbau der Passage aus einer kurzen Erwähnung der biblischen Szene, einer ausführlichen Moralisierung in bezug auf die Gnade Gottes und die Unwürdigkeit des gläubigen Lesers sowie einer Illustration wird auch hier deutlich. Nach diesem Prinzip ist der ganze erste Teil der Handschrift gestaltet. So auch der Beginn des Abschnitts für den Dienstag, der auf S. 8 mit der Überschrift Am eritag von kinthait Ihesu Cristi beginnt (Abb. 200). 18 Links oben befindet sich der Verkündigungsholzschnitt, der die im Text moralisierte Szene illustriert: Ich sündiger mensch wais nit, was ich vmb so groß (liebe)19 bezalen sol, das du almechtiger hymlischer vater, von lieb zu erlösen vns sündiger menschen, woltestu, das dein sun mensch solt wem. O nach verkündung des ertzengel Gabriel zu der iunckfrawen Maria, ein diemütige dochter sant Anna, gleich als du egenannter hochwirdiger vater zu uns menschen von lieb sprechst: ich gib euch mein andre 13 14

15 16 17 18

19

Hier hat der Schreiber offensichtlich einen Satzteil vergessen. Die Themen der alttestamentlichen Holzschnitte sind Teil der 'Speculum humanae salvationis'Ikonographie. (Sturz Luzifers: Kap. 1,1; Vertreibung: Kap. 11,2; Arche Noah: Kap. 11,4; Opferung Isaaks: Kap. XII,2 nach der Zusammenstellung von BREITENBACH 1930). Evtl. stammen die Vorlagen aus diesem Bereich. Nicht geklärt ist nur die Bedeutung des Holzschnitts mit Moses, der einen Stab in der Hand hält, und den toten Männern vor ihm (in der New Yorker Handschrift S. 6 unten, s. u. Verzeichnis der Handschriften). Wörter unlesbar, sinngemäß erschlossen. Wort unlesbar, sinngemäß erschlossen. Eingefügt von der Korrekturhand. Eritag: nhd. Dienstag, vgl. SCHMELLER 1872 Bd. 1, S. 127, LEXER 1885, S. 49. Von der Korrekturhand eingefügt.

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person von meiner driueltigkayt, das sie menschlich natur an sich nemen solt in mitwurckung des heyligen geystes. Vnd das ir sündig menschen meins aingeporn suns menschait möcht beingen vnd martern nach eurem willen vnd euch damit ledigen von eur verdienten schuld vnd pein. O herr, solcher vnerforschenlich lieb, trew vndfreuntschafft han ich ich dir nye mitfleiß bedacht...

Schließlich beginnt auf S. 14 mit dem Rubrum Am freitag von dem leyden Ihesu der Passionsabschnitt, eingeleitet von dem Holzschnitt, der Christus vor Pilatus zeigt. Hier erhält auch die Wochentags-Einteilung eine typologische Begründung: Ach, wer gibt mir dürren, stayn hertzigen, verstockten menschen zeher, clag vnd hertzenlich mitleydung, wan am freitag ist Adam geschaffen, geuallen vnd erlost, auch die weit erarmet, am freitag giengen die kinder von Israhel durch das rotmer mit trucken fussen, am freitag ist der künigk der eren auch gestorben an dem heyligen creuz, zu bezaln genuglich vnser verdiente schuld vnd ewige pein. O dugentreicher vnzellich gutter vnd vnschuldiger mensch, ich man dich, das du am karfreitag frue wardest von Cayphas zu Pylato gefurt durch vnsern willen...

Im ganzen ersten Teil ist die Anordnung von je einem Holzschnitt in der linken oberen und in der rechten unteren Ecke jeder Seite streng durchgehalten. Die Länge der Texte bzw. das Layout der Seiten ist so bemessen, daß die zugehörigen Passagen der heilsgeschichtlichen Betrachtung stets unmittelbar neben oder wenigstens in der Nähe der entsprechenden Bilder zu lesen sind. Nur bei der Passion kam es aufgrund der Ausführlichkeit der Leidensschilderung zu einer Verschiebung, so daß man schließlich auf S. 18 nur einen einzigen Holzschnitt die Kreuzannagelung - statt der sonst üblichen zwei anbrachte. Diese genaue Übereinstimmung bei gleichmäßiger Bildfolge kann kein Zufall sein; man vergleiche nur die völlig unregelmäßige Anordnung der Illustrationen im 'Gulden puchlein'. Es ist anzunehmen, daß die Auswahl der Holzschnitte und die Länge der entsprechenden Textpassagen aufeinander abgestimmt wurden. Tatsächlich handelt es sich nicht um einen gängigen Text. Kein weiterer Überlieferungszeuge ist bekannt.20 Es ist denkbar, daß er in Hinblick auf die Illustration zusammengestellt oder bearbeitet wurde. Etwas unübersichtlicher wird der Aufbau im nächsten Teil der Handschrift, wo es galt, die sieben Gebete für jeden Wochentag auf einer Doppelseite unterzubringen und zu illustrieren. Die hier einsetzende zweite Schreiberhand, die nicht mehr mit der ordentlichen Textura des ersten Teils, sondern mit einer unregelmäßigen Bastarda - einer Schrift von niedrigerem Anspruchsniveau arbeitet, trägt nicht unwesentlich zur geringeren Klarheit bei. In der Regel stehen auf den Verso- (bzw. geraden) Seiten vier, auf den folgenden Recto- (bzw. ungeraden) Seiten drei Gebete und Holzschnitte.21 So beginnt der Abschnitt für den 20 21

Ich danke Karin Schneider, München, und Eef Overgaauw, Berlin, für ihre Bemühungen bei der Suche nach weiteren Überlieferungszeugen. Eine Ausnahme sind die Gebete für den Freitag, wo auf der Verso-Seite nur drei Holzschnitte stehen. Das Gebet Von Marie mitleydung hat kein eigenes Bild - vermutlich, weil kein speziell dafür geeigneter Holzschnitt zur Verfügung stand und das Thema auch von dem Bild zu dem vorausgehenden Text zum Leiden Christi, einer Kreuzigungsdarstellung, abgedeckt werden konnte.

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Mittwoch (Abb. 201) mit einem Gebet, das nach dem Rubrum das Thema dieses Tages vorgibt: Am mitwoch von dem heiligen geist (S. 22). Der Holzschnitt daneben zeigt dessen Herabkunft beim Pfingstwunder. Die Themen der weiteren Orationen der Seite, die jeweils mit einem thematisch entsprechenden Holzschnitt am linken Rand versehen sind und mit einer zweizeiligen Lombarde beginnen, sind die Verkundung Marie, Als Maria heymsuchet Elizabeth ir mumen und Johannes Ewangeliste (so die Rubra). Auf der gegenüberliegenden Seite (S. 23) sind Gebete mit den Themen Jacob der myner XJIpot22, Gregorius, Ieronimus vnd alle lerer sowie Von witwen zu lesen. Für die Kirchenväter und -lehrer wurde stellvertretend das Bild der Gregorsmesse gewählt, für die heiligen Witwen, von denen explizit Hanna (die Prophetin)23, Elisabeth (von Thüringen), Helena und Birgitta genannt sind, ein Holzschnitt zweier unbestimmbarer weiblicher Heiliger.24 Nachdem der Abschnitt für den Sonntag mit Gebeten für die Seelen der Verstorbenen und zu allen Heiligen beendet ist (S. 27), folgt auf S. 23 eine Betrachtung über die Voraussetzungen eines ruhigen Todes in Form eines Gebets.25 Hier wird Einsicht in die schlechten Taten und die Reue angesichts der unverdienten Gnade Gottvaters und -sohnes beteuert, Barmherzigkeit erbeten und zum Schluß des Jüngsten Gerichtes gedacht. An den passenden Stellen wurden die Holzschnitte eingedruckt: Ganz am Anfang (S. 28 oben) das Bild des Sterbenden zwischen Engel und Teufel, zum Schluß (S. 29 unten), neben der Erinnerung an das Jüngste Gericht, das Bild zu diesem Thema. Nach diesem Einschub von zwei Seiten setzt wieder die Wochentagsstruktur mit den Betrachtungen zu den sieben Schmerzen Mariae ein: Wir süllen auch eren vnd anrußen die mitleyden Marie, das ist got auch Marie wircken vnd entzunt andacht, auch mag man das teylen in ein wochen vnd anheben am montag. Aller hochwirdigste iunchfraw Marie... ich ermane dich deiner diemütigen vntterwerffunge vnd gehorsam, do dich dein erwirdiger vater Ioachim vnd sant Anna, dein liebe muter, in deinen iugenttagen, o aller edelste iunckfraw, in den tempel oppferten, da vntterdeniglich zu dienen... Zur Illustration verwendete man nicht den Holzschnitt des Tempelgangs Mariae, mit dem auf S. 20 schon ein Gebet zu diesem Thema versehen worden war, zum 22 23 24

25

Xllpot: Zwelfpot, d. h. Apostel; vgl. LEXER 1885, S. 342. Siehe Lk 2, 37, wo sie als Witwe genannt ist. Kaum Birgitta und ihre Tochter Katharina von Schweden, wie WEITENKAMPF 1934, S. 922 schreibt. Der Kult Katharinas wurde erst 1484 bestätigt, die Erhebung der Reliquien erfolgte 1 4 8 9 (LEI Bd. 7, Sp. 3 0 0 ) . Sie gehört nicht zu der Textgruppe, die in den Blockbüchern und Kupferstichfolgen der ars moriendi zu finden ist; in deren Mittelpunkt stehen die Anfechtungen der Sterbestunde, die in der New Yorker Handschrift überhaupt nicht thematisiert werden. Einen weiteren Überlieferungszeugen konnte ich jedoch in der Münchner Handschrift Cgm 234, fol. 122 v a -124 r a ermitteln. Dazu s. RUDOLF 1957, S. 99 f. u. 123. Dieser Text gehört zu einer Gruppe von südund südostdeutschen 'artes moriendi', die den Stoff weitgehend unabhängig von den großen Vorläufern (vor allem den 'artes moriendi' von Johannes von Kastl und Gerson und ihren Weiterverarbeitungen oder der sog. 'Bilder-ars' der Blockbücher, vgl. RUDOLF 1957, S. 98) in Form eines Gebetes behandeln.

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zweiten Mal, sondern druckte eine Darstellung ab, die Maria zusammen mit anderen Tempeljungfrauen beim Weben zeigt.26 Was den Entstehungsprozeß betrifft, lassen sich wenigstens einige Informationen erschließen. Offensichtlich ist, daß zuerst der Text unter Aussparung des für die Bilder nötigen Raumes geschrieben wurde. Dabei war sehr genau geplant, an welcher Stelle welcher Holzschnitt eingedruckt werden sollte: Obwohl sie unterschiedliche Formate haben, sind alle präzise und fehlerlos eingepaßt. Ein Hilfsmittel waren dabei kurze Themenangaben, die als Anweisung für den Drucker angebracht wurden und an einigen Stellen noch sichtbar sind: Johannes d. T. (S. 2 7 oben): Johan taufer (links oben) Befreiung der Seele aus dem Fegefeuer (S. 27): sei (links v o m Holzschnitt) Alle Heiligen (Umwandlung des Pfingstbildes, S. 27): al heiligen (links unten) Der Sterbende (S. 28): sterb (links oben auf der Seite) Maria als Tempeljungfrau webend (S. 30): Maria wurckt (links oben) Darbringung im Tempel (S. 31): liechtmes (unter der oberen Einfassungslinie) Zwölfjähriger Jesus im Tempel (S. 32): sinago (links oben) Verrat Christi (S. 32): iudaskus (links unten).

Bei den Holzschnitten auf S. 30 und 31 liegt die Druckfarbe eindeutig über der Tinte der Schriftzüge Maria wurckt und liechtmess.21 Es handelt sich also keinesfalls um nachträgliche Notizen, sondern um Angaben der Bildinhalte, die in die noch leeren Räume eingetragen worden waren.28 Der Schriftvergleich zeigt, daß sie von der gleichen Hand stammen, die das gesamte Buch korrigiert hatte (vgl. z. B. S. 12 rechts oben, oder S. 9 am rechten Rand, s. Abb. 200). Die Korrekturen wurden also nicht erst lange später angebracht, sondern von einer Hand, die am Herstellungsprozeß des Codex beteiligt war. Sie verfügte offenbar über eine Vorlage, mit der sie den Text verglich. Denn sie berichtigt nicht nur offensichtliche Fehler und Auslassungen, sondern nimmt auch dort Ergänzungen vor, wo sich eine Lücke nicht durch Sinn- oder Satzbaustörung bemerkbar macht, sondern nur durch die Gegenüberstellung mit einem korrekten Text auffallen konnte.29 Rubriziert wurde die Handschrift jedoch erst, nachdem die Holzschnitte abgedruckt und auch koloriert waren. Denn die Tinte roter Lombarden überdeckt an einigen Stellen deutlich die Druckfarbe von Holzschnitten wie auch ihre Bemalung. So läßt sich die Abfolge des Arbeitsprozesses folgendermaßen 26

27 28 29

Der Beginn eines Schmerzen-Mariae-Zyklus mit dem Tempelgang ist ungewöhnlich unter den mittelalterlichen Texten; vgl. die Zusammenstellung bei HILG 1981, S. 395-433. Zur Ikonographie der webenden Tempeljungfrauen vgl. das Marienleben des Heinrich von St. Gallen, in der Ausgabe von HILG 1981, Kap. III Z. 32-37. Ich danke Hanns Hubach für die Untersuchung dieser Fragen am Original, bevor ich erst unmittelbar vor der Drucklegung der Arbeit die Handschrift selbst einsehen konnte. Ob für weitere außer den genannten Bildern solche Druckeranweisungen existierten, die durch das Beschneiden der Blätter oder durch Rasur verloren sind, ist nicht zu sagen. Z. B. auf S. 5 oben (Korrektur in Klammer): du hast vns zu huet (vnd dinstperkait) geben die egenannten engel. Auf S. 9 fügt sie hinzu: du hast... wasser zu wein gemacht, (auch den plint geporn erleucht vnd den plinten am weg sehend gemacht,) vor du hast III totten erkückt. [Erkückt: nhd. erweckt]. Auf S. 12 ergänzt sie: sie hielten (und handelten) dich vnerlich die ganzen nacht.

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zusammenfassen: Schreiben des Textes unter Berücksichtigung der Holzschnittpositionen —• Anbringen der Druckeranweisungen, evtl. schon Korrektur des Textes von der gleichen Hand —* Eindrucken der Holzschnitte —• Kolorieren —• Rubrizieren. Was die Holzschnitte betrifft, ist nur für einen einzigen ein zweiter Abdruck bei Schreiber verzeichnet (die Kreuzigung Sehr. 459a auf S. 24). Alle anderen sind bislang unbekannt. Sie gehören verschiedenen Folgen an; 30 diese bezeichnen jedoch nur unterschiedliches Vorlagenmaterial, während der Schnitt wohl aus ein- und derselben Werkstatt stammt, wie die einheitliche Linienführung und Details wie die Behandlung von Haaren und Augen zeigt. Die Darstellungen aus Leben und Passion Christi und Mariae gehören zur 'Gulden puchlein-Gruppe'. Weitenkampf hielt einige Blätter sogar für identisch mit den entsprechenden Holzschnitten, die im 'Gulden puchlein' selbst überliefert sind;31 doch handelt es sich lediglich um präzise Kopien nach den gleichen Vorbildern. Eine Folge, die jedoch tatsächlich von den gleichen Stöcken gedruckt ist, wurde neu entdeckt: In der 1459 geschriebenen Handschrift Add. ms. 15712 der British Library, die fränkische schriftsprachliche Merkmale aufweist, wurde der Passionstraktat des Heinrich von St. Gallen mit 26 eingeklebten Holzschnitten illustriert. Diese sind jedoch ebensowenig bei Schreiber verzeichnet und in die kunsthistorische Literatur eingegangen wie die der New Yorker Handschrift. Daß die beiden Folgen nicht nur präzise Kopien sind, sondern tatsächlich von den gleichen Modeln stammen, beweisen die identischen Ausbrüche.32 Auf Franken weisen auch im Gebetbuch der New York Public Library mehrere Indizien. So klebt das zweite Exemplar des Kreuzigungsholzschnitts Sehr. 459a, das vom gleichen Stock gedruckt ist wie das Bild auf S. 24, in einer aus Kloster Banz stammenden Handschrift der Bamberger Staatsbibliothek.33 Zwei der Illustrationen hängen kompositorisch eng mit den nürnbergischen Holzschnitten zusammen, die sich eingedruckt in das 1466 von Hanns Lidrer geschriebene Marienleben (s. Kap. II. 1.3.) finden. 34 30 31

32

33

Näheres s. u. Verzeichnis der Handschriften. Er identifizierte fälschlich folgende Holzschnitte mit denen des 'Gulden puchlein': Die Soldaten stürzen am Ölberg vor Christus nieder (S. 11) mit Sehr. 216; Christus vor Pilatus (S. 14) mit Sehr. 261; Dornenkrönung (S. 15) mit Sehr. 315 bzw. 317; Kreuzannagelung (S. 18) mit Sehr. 679; Darstellung im Tempel (S. 31) mit Sehr. 116a; der zwölfjährige Jesus im Tempel (S. 32) mit Sehr. 128. Die kleinen Unterschiede in den Maßangaben beruhen entweder auf Meßfehlern Weitenkampfs oder auf dem unterschiedlichen Ausdehnungsverhalten der Materialien Papier (London) und Pergament (New York). - Der Codex der British Library - s. u. Verzeichnis der Handschriften - stammt aus dem Zisterzienserinnenkloster Kirchheim im Ries, wurde aber wahrscheinlich nicht dort geschrieben. Zu den Handschriften dieses Klosters s. SCHNEIDER 1988, S. 13 f. und SCHROMM 1998. Die dortigen Nonnen schrieben im 15. Jahrhundert kaum Handschriften selbst; die meisten wurden geschenkt, gekauft oder aus dem Privatbesitz der Schwestern ins Kloster gebracht (SCHNEIDER 1988, S. 13 f., SCHROMM 1998, S. 34, S. 36). Msc. patr. 42, fol. 59V. Die Handschrift ist 1469 datiert. Siehe dazu LEITSCHUH Bd. 1,1, S. 4 0 3 - 4 0 5 ; PFEIFFER i n HEITZ, E i n b l a t t d r u c k e B d . 1 9 , N r . 13 ( m i t A b b . ) .

34

Die Himmelfahrt Mariae auf S. 34 ist eine genaue Kopie nach der gleichen Vorlage wie Sehr. 723, der sich auf fol. 277 r des Buches (Augsburg, UB, Cod. 1.3.8° 5) befindet. Die Verleug-

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Damit stellt sich die Frage nach der Herkunft und Bestimmung des Gebetbuchs. Einen Hinweis auf den Entstehungsort gibt die Zusammenstellung der Heiligen. In dem Gebet, das an heilige Bischöfe und Bekenner gerichtet ist (S. 25, überschrieben Von den peichtigern), ist einer der vier genannten Bischöfe der hl. Otto. Unter den drei genannten Bekennern sind die Heiligen Sebald und Kaiser Heinrich - alles lokal verehrte, mit dem Bistum Bamberg und speziell mit Nürnberg in Verbindung stehende Heilige. Auch der hl. Lorenz, der in Nürnberg besondere Verehrung genoß, ist hervorgehoben: Im Gebet zu den hl. Märtyrern ist allein sein Name im Rubrum genannt.35 Da auch die Schreibsprache des Textes nach Nürnberg weist, dürfte die Entstehung des Gebetbuches in dieser Stadt als gesichert gelten.36 Was die Datierung betrifft, so bietet die 1459 datierte Londoner Handschrift Add. ms. 15712 einen Anhaltspunkt. Wie die identischen Ausbrüche von Graten der Holzschnitte beider Handschriften zeigen, wurden sie etwa zur gleichen Zeit abgedruckt. Da die Bilder beim Schreiben in den Londoner Codex eingeklebt wurden, müssen die dortigen Exemplare vor 1459 entstanden sein. Dies markiert folglich auch den terminus ante quem für die New Yorker Handschrift. Auf die Gruppe, für die das Buch bestimmt war, läßt schon die Überschrift des Prologs einen Schluß zu: Das puch haist wochenlich andacht zu seligkait der weltlichen menschen. Daß es tatsächlich für weltliche Menschen, d. h. für Laien konzipiert war, bestätigt auch das Fehlen aller Hinweise auf klösterliches Leben, Liturgisches sowie spezielle Ordensheilige. Zwar gibt es je ein Gebet Von munichen und Von den closterfrawen, doch sind sie nur Teil einer Reihe zusammenfassender Anrufungen verschiedener Gruppen von Heiligen. Kein Ordensgründer ist besonders hervorgehoben. Die Reihenfolge, in der die Heiligen verschiedener Orden genannt sind, ist bei den Mönchen eine völlig andere als bei den Nonnen. Dagegen ist der hl. Martha - dem besonderen Vorbild für das praktische Leben, der vita activa, Patronin u. a. der Hausfrauen und anderer im weltlichen Leben tätigen Personen37 - ein ganzes Gebet gewidmet; diese Ehre wird keinem der großen Ordensheiligen in dem Buch zuteil. Doch gibt es keine Hinweise auf den Gebrauch speziell durch Frauen. Weibliche grammatikalische Formen, die Frauengebetbücher bisweilen charakterisieren, kommen in den Gebeten nicht vor. Das Wappen, das vermutlich erst im 16. Jahrhundert auf den

35 36

nung Petri auf S. 12 folgt in der Komposition Sehr. 247a (Cod. 1.3.8° 5, fol. 192") sowie Sehr. 247, der der ebenfalls als nürnbergisch bestimmten Folge Sehr. 127 etc. in London, BM (s. Kap. IV.3.1.) angehört. Von sant Lorentzen vnd all martrern (S. 33). Für den nordbairischen Bereich sprechen u. a. die Monophthongierung von /uo/ zu /u:/ (PAUL - WIEHL - GROSSE 1 9 8 9 , § 1 6 1 , 2 ) . M h d . l a n g e s /a:/ e r s c h e i n t o f t a l s / o : / ( v g l . PFANNER 1 9 5 4 ,

37

S. 171). Die häufige Schreibweise von werlt für weit weist in den Nürnberger Raum (BESCH 1967, S. 122 u. Karte S. 120: im Bairischen tritt werlt im 15. Jahrhundert südlich von Nürnberg nicht auf). Gegen den mittelbairischen und für den Nürnberger Raum spricht, daß anlautendes /k/ nie als wollest verratten werden von de{m) Iudas vnd von den bösen iuden (gt)fangen vnd gebunden werden v«(d) mit halsschlegen vnd mit stössen (ge)martert werden, vmb daz dis d{as) vnser band der Sünden lösen möch(t)...

Domine lesu Christe, qui hora matutina pro salute humani generis tradi, capi, ligari, flagellari, colaphis caedi et conspui voluisti...

Die Struktur dieser Gebete - Anrufung, Erinnerung an die Details einer Leidensstation und Bitte um Heil - ist eine seit langer Zeit gängige, wie das Beispiel Bonaventuras zeigt. Die schon erwähnten Orationen Jordans von Quedlinburg, 87

88

89

90

91

92 93

So etwa am Ende des Textes der Verspottung (Rückseite von Stix 39, Inv.-Nr. 733/1929): ...O herr Ihesu Christe, setz dein tod vnd dein martter vnd dein parmhertzichait zwischen meiner armen sei vnd deines strengen gerichtz. Amen. Ebenso in den Gebeten zur Gefangennahme (Stix 38, Inv.-Nr. 732/1929), Dornenkrönung (Stix 40, Inv.-Nr. 734/1929), Christus am Kreuz (Stix 41, Inv.-Nr. 735/1929), Kreuzabnahme (Stix 42, Inv.-Nr. 736/1929), Tod Christi am Kreuz (Stix 49, Inv.-Nr. 743/1929) und Grablegung (Stix 50, Inv.-Nr. 744/1929). Ein anderes Beispiel ist der Schlußsatz: ...las dein hailige bittre marter an mir nijmmer uerloren werden (Berlin, KK, Cim. 23, Gebet zur Geißelung fol. 271). Er findet sich etwa auch im Gebet zur Kreuzigung im Münchner Druck (BSB, 8° Inc. s. a. 104 m , fol. 21 v ): ...las deinpitre marter vnd creuczigung an mir armen sunder nimer verloren werden, vnd nach diesem leben gyb vns das ewig leben amen. HM 195, fol. 103V (Inc.: O gewaltiger schepher himels vnd der erden vnd chunig der eren vnd der ewigen glori, herr Ihesu Christe du sterkcher leo von iuda...). Die älteste Überlieferung dieser 1432 entstandenen Gebete für Wilhelm III. in Cgm 29, fol. 65 R -67 V , das Auferstehungsgebet dort fol. 67R (das Initium bei HAIMERL 1952, S. 156 Anm. 976). Das Gebet zur Grablegung in HM 195, fol. 100 v (Inc.: O du anfankch vnd das endt, herr Ihesu Christe, des waren lemtigen gocz sun, zu der complet tzeytt in ein news grab gelegt woldest werden...) benutzt die Oration des 65. Artikels (vgl. die Überlieferung in Wien, ÖNB, Cod. 2777, fol. 87 r , zitiert bei NIMMERVOLL 1973, S. 317). O pys gegrusset dü heiligs antlucz vnsers herren Ihesu Criste, das da getruckt ist in ein weis tuech...). München, BSB, Inc. s. a. 104 m , fol. 19r. Die Blätter der Berliner wie auch der Wiener Stöger-Folgen mit handschriftlichem Text sind verloren (s. die Rekonstruktionen). Chev. 18189. Eine andere der zahlreichen deutschen Prosaübertragungen in Nürnberg, GNM, Hs 1734, fol. 2 r (s.Abb. 244). Opera omnia, Bd. 8, S. 154.

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die Passionstagzeiten Johanns von Neumarkt oder die Ebran-Gebete Johannes' von Indersdorf folgen alle diesem Prinzip. Man merkt den Texten der Metallschnitt-Büchlein an, daß sie aus Bausteinen verschiedener Vorlagen zusammengesetzt wurden. Zu offensichtlich sind häufig die Nähte. So fällt etwa im Gebet der Berliner Handschrift über das Jüngste Gericht der unverständliche Satzteil auf: ...secz dein vnschuldigen tod zwischen (de)z'w strengz gericht, auf das ich, dein arme creatur zu genaden kom. Das zweite Objekt des Satzes, welches das Wort zwischen erfordert, fehlt. Im Text des Johannes von Indersdorf heißt es: Setz deinen vnschuldigen tod vnd deyn gross leyden czwischen deynem gericht vnd meyner eilenden seil, das ich, dein armew creatur, ze genaden kom... Bei dem Versuch, diese zu lange Vorlage zu kürzen, wurde ein für den Sinn unerläßlicher Teil des Satzes weggelassen. Insgesamt aber dürften die genannten Beispiele die Behauptung Fields, es gäbe keine gemeinsame Texttradition der Gebete, widerlegt haben.94 Die Zusammenhänge der Texte im Detail zu klären, bedürfte einer genaueren philologischen Untersuchung. Daß vielfältige Verbindungen bestehen, ist jedoch offensichtlich. Die folgende Tabelle faßt zusammen, welche Druckgraphikfolgen durch einen gemeinsamen Gebetstext zu einer Leidensstation verbunden sind:95 Gebet

Berlin, Cim. 23

Wien

Druckausgaben

Paris

San Marino

Einzug

X

X

X

X

Abendmahl

X

X

X

X

Ölberg

X

X X

Geißelung

Washington

X

Gefangennahme Chr. vor Kaiphas

London

X

X

X

X

X

X

X

X

X

Dornenkrönung X

Chr. vor Pilatus

X

X

X

Hl. Antlitz Kreuztragung

X

X

Annagelung X

Tod am Kreuz Kreuzabnahme und Beweinung

X

X

Grablegung

X

X

94 95

FlELD 1986, S. 201 mit Anm. 5. Auflösung der Ortssiglen: Berlin, KK, Cim. 23 (Stöger-Passion mit handschriftlichem Text). Wien, Albertina, Inv.-Nr. 727-744/1929 (Stöger-Passion mit handschriftlichem Text). Druck: Stöger-Passion mit Typentext, nach der vollständigsten Ausgabe in München, BSB, 8° Inc. s. a. 104 m . Paris, BN, Res. xylo 46 (Kopie der Stöger-Passion mit xylographischem Text). San Marino, Huntington Library, HM 195 (mit Holzschnitten illustrierter Passionsteil der Handschrift). London, BL, IA. 25 (Fragment eines Passionsblockbuches, s. Schreiber, Manuel Bd. IX, S. 338 f.). Washington, NGA, Inv.-Nr. B-25,262 - B-25,272 (Blockbuchfragment, s. SCHREIBER, Manuel Bd. IX, S. 336).

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Ein neuer Typ mit gedruckten Illustrationen

Gebet

Berlin, Cim. 23

Chr. in der Vorhölle

X

Wien X

Druckausgaben X

Auferstehung

X

X

Chr. und Magdalena

X

X

Himmelfahrt

X

X

Pfingsten Jüngstes Gericht

X

X

Paris X

San Marino

London

Washington

X X X

X

X

X

X

X

X

Nicht in diesen Komplex von Texten einzuordnen sind die Gebete der Detroiter und Pariser Fragmente der Stöger-Passion. Für den Text über die Kreuzannagelung auf dem Blatt in Detroit war keine andere Überlieferung ausfindig zu machen. Anders für die Gebete der beiden Pariser Blätter. Der Erläuterung ist zunächst eine Bemerkung über die Wirkung der Stöger-Passion vorauszuschicken: Die Gebetbüchlein mit diesem Metallschnittzyklus erfreuten sich offensichtlich solcher Beliebtheit, daß bald ein Nachschnitt, ebenfalls in Metall, angefertigt und zur Herstellung von Gebetbüchern desselben Typs benutzt wurde (Sehr. 2233 etc., s. Abb. 229 und 230 mit einem Beispiel für Vorbild und Kopie). Hiervon ist je eine Folge mit handschriftlichem und xylographischem Text erhalten. Beide befanden sich in der Sammlung Theodor Otto Weigels, in deren Katalog sie 1866 beschrieben wurden.96 Heute gehören die 15 Blätter mit handschriftlichem Text dem Art Institute of Chicago, die sechs xylographischen Blätter der Bibliothèque Nationale in Paris.97 Letztere sind jünger, wie die Überarbeitungen gegenüber der Folge in Chicago beweisen.98 Beide Exemplare folgen jedenfalls dem bekannten Prinzip: Auf der Rückseite jedes Bildes steht der Gebetstext, der sich auf die vorausgehende oder nachfolgende Passionsszene bezieht. Bei den handgeschriebenen Blättern sind Texte und Bilder so verteilt, daß sich ein Büchlein rekonstruieren läßt, dessen Struktur dem Passionsteil der Berliner Handschrift Cim. 23 mit den Original-Metallschnitten der StögerPassion entspricht (Abb. 230 und Schemazeichnungen auf S. 276 und S. 288). 99 Auch das Konstruktionsprinzip der Kopienfolge orientierte sich also an dem des Vorbilds - ein Faszikel aus neun Doppelblättern, die jeweils mit zwei nebeneinander angeordneten Metallschnitten bedruckt und rückseitig beschrieben wurden. In der Lagenmitte mußte ein einzelnes beidseitig beschriftetes Blatt eingefügt werden, das den Wechsel vom „links Bild - rechts Text" zum „links Text - rechts Bild" ermöglichte. 96

WEIGEL - ZESTERMANN 1 8 6 6 , B d . 2, N r . 3 5 9 u n d 3 6 0 .

97

Die Folge in Chicago beschrieb FIELD 1986, ohne Signatur. Die xylographische Ausgabe als Rés. xylo 46 in der Bibliothèque Nationale. Siehe FIELD 1 9 8 6 , S. 2 1 0 . FIELDS Feststellung, es wäre nicht klar, ob die Metallschnitte als Buch gebunden oder einzeln verkauft worden waren, erübrigt sich durch die zwingende Rekonstruktion eines solchen Faszikels.

98

99

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Rekonstruktion des Gebetbüchleins aus den Fragmenten in Chicago (gestrichelte Linien bezeichnen rekonstruierbare Blätter und Verbindungen) Was nun die Texte des Exemplars in Chicago betrifft, so lassen sie sich nicht mit der oben umrissenen Gruppe von Gebeten um die Originalfolgen der StögerPassion in Verbindung bringen. Sie entsprechen jedoch den Texten, die die Pariser Fragmente der Originalfolge tragen. Das sei anhand der Gebete veranschaulicht, die sich auf die Geißelung Christi beziehen und sich jeweils auf den Rückseiten der Kreuztragungs-Bilder befinden: Paris, Stöger-Original: 100

Chicago, Stöger-Kopie: 101

O du süsser lipplicher Spiegel der ewigen freüd, wye pist dw so gar vngestalt. Ich bekenn vnd betracht deyn smerczen, den dw gelitten hast yn deiner kronung, vnd erman dich der scharffen dornen, dy dir durch dayn miniklich hirn schal sint getruckt worden, vndpitt dich, dw süsser Ihesu, das dw mit deyn dornen hud machst yn maynem herczen, das ich dich ewiklich müss sehen amen.

O dw süsser lieplicher Spiegel der ewigen frewd, wie pistu so gar vngestalt. Ich wechen vnd wetracht dein smerczen, den dw geliten hast in der kronung, vnd erman dich der scharpffen dorn, die dir durch dein minicklich hiren schal gedruckt sind Warden, vnd pitt dich, dw süsser Ihesus, daz dw mir dein dorn lind [!] machst in meinem herczen, daz ich dich ewicklich nieß amen.

Bis auf kleine Schreibeigenheiten und Kopierfehler (z. B. dorn lind statt dornen hud) in Chicago stimmen die Texte wörtlich überein. Dasselbe gilt für die Gebete

100 Rückseite von Sehr. 2302, in Ea. 2. rös, fol. 103v. 101 Rückseite von Sehr. 2303.

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zu Christus am Kreuz, die auf den Rückseiten der Metallschnitte der Vera icon stehen. 102 Wie die Metallschnitte die Stöger-Passion kopieren, gehen auch die Texte auf eine mit jener Vorlage verbundene Tradition zurück. Nähme man nun mit Field 103 an, daß ein Formschneider den erfolgreichen Stöger-Zyklus reproduzierte und ohne jeden Text an Benutzer verkaufte, die die Blätter selbst individuell beschrieben, so wäre es sehr erstaunlich, daß einer dieser Käufer rein zufallig den gleichen Text fand und abzuschreiben beschloß, der schon mit der Vorlage des Metallschneiders verbunden war. Denn die hier verwendete Zusammenstellung von Gebeten gehört sicher nicht zu den Standardzyklen der Zeit - in diesem Falle wären weitere Überlieferungen zu finden - sondern ist nach bisheriger Kenntnis allein in den Metallschnittbüchlein sichtbar. Wahrscheinlicher ist es also, in der Kopie der Stöger-Passion und ihres Textes ein geplantes Unternehmen zu sehen: Ein Schreiber und ein Metallschneider, die im Besitz einer Originalfolge der Stöger-Passion mit handschriftlichem Text waren, arbeiteten zusammen, um am Erfolg eines solchen Büchleins teilzuhaben. Der eine kopierte die Bilder, der andere dann handschriftlich die Texte der gemeinsamen Vorlage. Es ist kaum anzunehmen, daß die Pariser Blätter die Überreste des Exemplars sind, das ganz konkret dem Schreiber der Texte von Chicago vorlag. Schließlich ist davon auszugehen, daß die Pariser Fragmente nur der zufallig erhaltene Bruchteil einer umfangreichen Serienproduktion solcher Büchlein mit den jeweils gleichen Gebetszyklen sind. Eines davon dürfte jedenfalls dem Kopisten, der die Metallschnitte von Chicago beschriftete, vorgelegen haben. Das Schicksal der Druckplatten der Kopienfolge war dem der Original-Folge ähnlich: Nach einer gewissen Zeit dienten sie nicht mehr der Produktion von Gebetbüchern mit handgeschriebenem Text, sondern kamen in den Besitz eines rationeller arbeitenden Herstellers. So wie die Platten der Stöger-Passion schließlich von einem Buchdrucker erworben wurden, kamen die Druckstöcke der Kopie, die schon abgenutzt waren und überarbeitet werden mußten, in den Besitz eines Herstellers, der sie mit xylographischen Texten versah. Als Vorlage für diese diente ihm interessanterweise aber nicht der Gebetszyklus, der in dem handgeschriebenen Exemplar in Chicago überliefert ist, sondern derjenige der Druckausgaben mit den Originalplatten der Stöger-Passion.104 Auch in anderen Passionsbüchlein, die von den Stöger-Metallschnitten unabhängig sind, aber dem gleichen Prinzip des Aufbaus aus ganzseitigen Bilddrucken und gegenüberliegenden Gebeten folgen, finden sich die Texte der Druckausgabe wieder. So etwa in dem Fragment eines um 1470 entstandenen Blockbuches in 102 Rückseite von Sehr. 2443 in Chicago, in Paris Ea. 2. r6s, fol. 116 v . 103

FIELD 1 9 8 6 , S . 2 0 1 A n m . 5.

104 Die Texte der xylographischen Ausgabe sind abgedruckt bei WEIGEL - ZESTERMANN 1866, Bd. 2, S. 282-285. Für die Datierung der xylographischen Fassung bedeutet dies, daß sie nach ca. 1461, dem ungefähren Datum der Typendrucke, entstanden sein muß. In der Schreibweise einzelner Wörter gibt es zahlreiche Abweichungen, abgesehen von solchen Details stimmen die Texte jedoch überein. Ob also die xylographische Ausgabe unmittelbar auf einen der Drucke oder auf eine verschollene andere - etwa handschriftliche - Fassung zurückgeht, kann hier nicht diskutiert werden.

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der British Library: Auf der Vorderseite des ersten Blattes ist ein xylographisches Gebet zur Gefangennahme zu lesen, das Wort für Wort, wenn auch mit kleinen orthographischen Unterschieden, dem Text des Druckes folgt. Die Rückseite zeigt einen Holzschnitt mit der Darstellung Christi vor Pilatus. Das zweite Blatt trägt vorne einen Holzschnitt der Auferstehung, hinten das Gebet zum noli me tangere. 105 Nur einzelne Versatzstücke der Texte des Druckes finden sich in den Resten eines weiteren Blockbuchs mit Passionsgebeten, das dem als Ludwig Maler zu Ulm dokumentierten Formschneider zugeschrieben wird (vgl. die Tabelle oben). 106 Während also die Gebete des Stöger-Komplexes häufig rezipiert wurden, ist das Fragment einer Handschrift erhalten, das belegt, daß die Originalfolge der Stöger-Passion wenigstens in einem Fall auch mit einem anderen Text abgedruckt wurde. Das Germanische Nationalmuseum besitzt ein Exemplar der Darstellung Christi vor Kaiphas, das auf der Rückseite 15 Zeilen handschriftlichen Textes trägt (Abb. 231, 232). 107 Dabei handelt es sich nicht um ein Gebet: (...) huß brachten, da santen sie zu Pylato vnd hiessen in biten, daz er zu in köm für daz huß vnd nemen iren gefangen vnd den hieß töten. Da gieng Pilatus her für vnd trat vnder die tür vnd sprach: „ Waz schuld gebend ir dem menschen? " Da sprachen die iuden: „ Vnd wer er nit ein übel tetiger mensch, wir heten dir nicht bracht." Josephus spricht, daz der iuden gewonheit waz, alle (...)

Das Textbruchstück ließ sich identifizieren: Es handelt sich um einen Ausschnitt aus dem Passionstraktat des Heinrich von St. Gallen, von dem schon mehrmals die Rede war. 108 Wie man sich die ganze Handschrift vorzustellen hat, aus der dieses Blatt herausgeschnitten wurde, ist nicht ganz klar. In der Handschrift Cgm 105, die diesen Passionstraktat zusammen mit eingedruckten Holzschnitten enthält, steht die gleiche Stelle auf fol. 84 v . Auf der Vorderseite des Blattes befindet sich dort der Holzschnitt mit der Darstellung Christi vor Pilatus. Einen

105 London, BL, IA. 25. Siehe SCHREIBER, Manuel Bd. IX, S. 338 f.; Catalogue of Books Printed in the XV. Century, now in the British Museum, London 1908, S. 8. Der Text der Gefangennahme ist abgedruckt bei WEIGEL - ZESTERMANN 1866, Bd. 2, S. 111. Er entspricht der Münchner Ausgabe des Drucks, fol. 13v. Das Bild der Auferstehung und der Text zum noli me tangere, der im Münchner Druck fol. 27r entspricht, ist in einem Nachschnitt bei WEIGEL ZESTERMANN gegenüber S. 110 abgebildet. 106 Washington, NGA, Inv.-Nr. B-25,262 - B 25,272. Siehe SCHREIBER, Manuel Bd. IX, S. 336; vgl. die gründliche Untersuchung von FIELD 1968. 107 Sehr. 2262 (Graphische Sammlung, Inv.-Nr. H 1794). Zwei weitere Blätter der Stöger-Passion im gleichen Museum, Christus im Limbus (Sehr. 2424, Inv.-Nr. H. 1795) und Auferstehung (Sehr. 2376, Inv.-Nr. H. 1796), wurden gelegentlich als zusammengehörig genannt (FBELD 1986, S. 204). Das ist jedoch fraglich; denn der Katalog der Sammlung Weigel, aus der sie stammen, fuhrt keine gemeinsame Provenienz an (WEIGEL - ZESTERMANN 1866 Bd. 2, Nr. 340, 341).

108 In der Edition von RUH 1940 S. 43, Z. 12-19: Do die juden den herren brachten vor das hus Pilati, do santen die juden czu Pilato und liezsen in bitten, das her vor das hus ginge czu in und neme iren gevangenen und totte den. Pilatus ginc und trat under sin hus tor und sprach: „ Was claget ir of desen menschen? " Do sprach Caifas: „ Und were deser mensch nicht ein obilteter, wir hetten dir in nicht bracht". Josephus spricht, das der juden gewonhait was, das alle, die sie vingen...

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ähnlichen Aufbau könnte man sich für den Codex vorstellen, dem der Metallschnitt entstammt. Da die Stöger-Passion keine Darstellung der Vorführung vor Pilatus enthält, könnte man die ikonographisch kaum zu unterscheidende Szene vor Kaiphas dafür benutzt haben. Tatsächlich findet sich am Anfang der ersten abgeschnittenen Zeile des Textes der Rest einer zweizeiligen roten Lombarde. Er stand also, wie auch die entsprechende Stelle in Cgm 105, am Beginn eines deutlich abgesetzten neuen Abschnitts. Dieses Fragment ist das einzige, auf das Schreibers Behauptung zutrifft, die Mundarten der handschriftlichen Texte der verschiedenen Exemplare der StögerPassion seien alemannisch. 109 Bei allen anderen Texten irrte Schreiber jedoch: Sie ist, wie oben schon ausgeführt, in allen Fällen bis auf das Nürnberger Blatt eindeutig mittelbairisch. Nun hatte Schreiber - und bislang wurde seine Meinung in dieser Frage noch nie ernstlich angezweifelt 110 - seine Lokalisierung auf zwei Argumente gestützt: Auf einige Motive, die der Metallschneider von Blättern des unzweifelhaft oberrheinischen111 Meisters der Spielkarten und seiner Schule kopiert hatte, sowie auf die angebliche Mundart der Texte. Nachdem aber das letztere Argument tatsächlich jeder Grundlage entbehrt, bleibt nur das erste aber auch dieses ist angesichts der Mobilität von Druckgraphiken zu dieser Zeit unhaltbar. Jedes stilkritische Urteil, will man sich auf der Basis des Vergleiches mit lokalisierbaren Buch- und Tafelgemälden bewegen, muß zum einen an der ungewöhnlichen Technik des Metallschneiders und zum anderen an der Erkenntnis scheitern, daß er seine Darstellungen offenbar baukastenartig aus kopierten Motiven zusammensetzte. 112 Das wichtigste Indiz für eine Lokalisierung bleibt 109 Auf alemannisches Gebiet weist etwa der erhaltene Monophthong in huß, der im Mittelbairischen nicht auftritt, sondern nur westlich des Lechs (vgl. BESCH 1967, S. 77), oder der Dentalplural der 2. Person in gebend (vgl. BESCH 1967, S. 311). 110 Vgl. z. B. Kunst der Graphik 1963, S. 40, wo wieder ungeprüft von alemannischer Mundart gesprochen wurde. Die Lokalisierung der Metallschnitte in Mainz, im Umkreis Gutenbergs, ist ein reines Hirngespinst und ein Produkt romantischen Bemühens, den Urvater der Druckkunst durch die sehr bemühte Konstruktion von Verdiensten um den Bilddruck gänzlich zum Universalgenie aufzubauen (s. LEHMANN-HAUPT 1962 u. 1966, GELDNER 1979, S. 36 f.).

111 Die letzte größere Arbeit dazu MARTHA WOLFF 1979; sie untersuchte u. a. die Beziehung des Spielkartenmeisters zur oberrheinischen Malerei. 112 Die Zusammenstellung der Kupferstichvorlagen mag das verdeutlichen: Der Einzug in Jerusalem (Sehr. 2222) ist linksseitig nach einem Stich des Meisters der Spielkarten (L. I, 78, 12) kopiert, ebenso die Gefangennahme (Sehr. 2253 nach L. I, 80, 16). In der Dornenkrönung (Sehr. 2288) sind die Figuren Christi, des Spötters links unten und die Form des Gewölbes ohne Seitenverkehrung von einem Kupferstich aus der 'Schule des Meisters der Spielkarten' (L. I, 154, 6) übernommen. Die Kreuztragung (Sehr. 2302) ist eine stark reduzierte gleichseitige Kopie (nur die vier Figuren wurden übernommen) nach einem Stich aus der 'Schule des Meisters der Spielkarten' (nicht bei LEHRS, Wien Albertina, Inv. Nr. 599/1926), die Grablegung (Sehr. 2364) eine seitenverkehrte (nach L. I, 156, 9). Die Darstellung Christi in der Vorhölle (Sehr. 2424) geht auf die gleiche nicht erhaltene Komposition zurück wie mehrere etwa gleichzeitig entstandene Holzschnitte (Sehr. 695-697a). Die Beweinung Christi durch Maria, Johannes und Magdalena (Sehr. 2474) ist aus verschiedenen Versatzstücken aus der 'Schule des Meisters der Spielkarten' kompiliert: die Pietà stammt aus einem Stich der Beweinung (nicht bei Lehrs; Wien, Albertina, Inv.-Nr. 602/1926), die Figur des Johannes ist eine Kombination aus dem Körper bzw. Gewand der linken Frau und dem Kopf des Johannes dieses Kupferstichs. Magdalena ist nach der Figur einer der Frauen auf dem Stich der Grab-

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die Mundart bzw. Schreibsprache der Texte. Vier Handschriften und sieben typographische Ausgaben in mittelbairischer Schreibsprache stehen nur einem versprengten alemannischen Fragment gegenüber. Wenn also die Platten hauptsächlich in Bayern benutzt wurden, sollte man - bei aller wegen der Mobilität von Druckstöcken angebrachten Vorsicht - die Entstehung am ehesten dort vermuten.

3.5. Die Nonnberger Kupferstichfolge Alemannische Merkmale weisen dagegen die Fragmente eines Passionsgebetbuches auf, die, wie auch die Wiener Folge der Stöger-Passion und die Handschrift in San Marino, aus dem Benediktinerinnenstift Nonnberg in Salzburg stammen und sich heute in der Albertina befinden. Sie belegen, daß tatsächlich jede der druckgraphischen Techniken des 15. Jahrhunderts (bis auf den hierfür wenig geeigneten Teigdruck) zur Herstellung solcher Büchlein verwendet wurde: Es handelt sich um 11 Kupferstiche aus der Nachfolge des Meisters der Spielkarten, die in der nun hinlänglich bekannten Weise auf den Rückseiten Gebete tragen, die zum jeweils folgenden Bild passen (Abb. 233, 234). 113 Die Tätigkeit des Spielkartenmeisters und seiner unmittelbaren Nachfolger am Oberrhein ist unbestritten.114 Auch wenn diese Lokalisierung noch wenig präzise ist und auf der anderen Seite auch eine genauere Analyse der Schreibsprache des Textes der Nonnberger Kupferstichfolge noch zu leisten wäre, 115 steht doch fest, daß das fertige Büchlein aus dem deutschen Südwesten nach Salzburg kam. Zur Datierung ist zu bemerken, daß die Kupferstichfolge schon 1449 verbreitet war. In diesem Jahr nämlich klebte die Inzigkofener Priorin Anna Jäck eine kolorierte Federzeichnung, die den Stich Christi vor Pilatus kopiert (Abb. 235), in eine von

legung (L. I, 156, 9) kopiert. Die Auferstehung (Sehr. 2376) schließlich folgt ebenfalls einem Stich ('Schule des Meisters der Spielkarten', L. I, 157, 10). - Einige der Figurentypen erinnern an die bayerische Malerei der Mitte des 15. Jahrhunderts. Der mit sehr kräftigem Körperbau dargestellte nackte Christus an der Geißelsäule (Sehr. 2281) erinnert an die Körperlichkeit von Figuren, wie sie etwa in der Tegernseer Tabula Magna zu finden sind (z. B. der Schacher der Kreuztragung, München, Bayerisches Nationalmuseum, oder der gegeißelte Quirinus, Bad Feilnbach, Pfarrkirche, Abb. bei LIEDKE 1982, S. 11). Ebenso die übertrieben starken Schenkel der Peiniger auf diesem Metallschnitt. 1 1 3 Wien, Albertina, Inv.-Nr. 5 9 4 - 6 0 4 / 1 9 2 6 . Nach LEHRS 'Schule des Meisters der Spielkarten'; Lehrs war nur das Blatt der Geißelung bekannt (L. I, 153, 5), damals noch in Nonnberg. GEISBERG schrieb die Folge dem Meister der Nürnberger Passion, der auch zu den Nachfolgern des Spielkartenmeisters gezählt wird, zu (G. 8-18). Dem sind allerdings große Unterschiede im Handschriftlichen zu den Passionsblättern im Germanischen Nationalmuseum (L. I, 2 5 3 275, 2-8), nach denen der Meister benannt ist, entgegenzuhalten. 114 Seit LEHRS, Krit. Kat. Bd. I, S. 65-68 Argumente für die Heimat des Stechers im deutschen Südwesten zusammengestellt hatte, gab es keine Zweifel an dieser Lokalisierung (mit neuen Belegen etwa KORENY 1 9 6 8 , S. 5 9 ff., WOLFF 1 9 7 9 , passim). 115 Unzweifelhaft alemannische Merkmale sind etwa die Bewahrung des alten mhd. Monophthongs /!/ (z. B. pinlichen, Rückseite der Dornenkrönung Inv. Nr. 598/1926) und /iu/ (z. B. crucz, crücz, passim), vgl. BESCH 1967, S. 75-76 und Karte S. 77.

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ihr gefertigte Handschrift. 116 Die Nonnberger Kupferstiche sind sehr gute Drucke von kaum verbrauchten Platten; ihr Zustand liegt vor den Überarbeitungen, die andere Exemplare zeigen. 117 Die Abzüge dürften also nicht allzu lange nach dem erwähnten terminus ante quem für die Entstehung der Platten liegen. Aufgebaut war das Gebetbüchlein aus einzelnen Blättern, die beschriftet und zusammengeheftet wurden, vermutlich mittels Papierfalzen 118 . Die Anordnung der Drucke auf den Seiten wurde also nicht, wie etwa bei der Berliner Handschrift mit den Stöger-Metallschnitten, in Hinblick auf die Lagenstruktur des Büchleins eingerichtet. Drucker und Schreiber arbeiteten wohl nicht zusammen. Die erste Seite blieb leer; eine nachmittelalterliche Hand brachte auf ihr den Titel und eine Signatur an: Vom leiden Christi. O. 23. Dann folgen die Bilder jeweils auf den Verso-, die Texte auf den gegenüberliegenden Recto-Seiten. Am Ende der so rekonstruierten Folge, die abrupt mit dem Bild der Auferstehung ohne zugehöriges Gebet endet, fehlt vermutlich mindestens ein weiteres Blatt mit dem Gebet zur Auferstehung und dem Bild des Jüngsten Gerichts, vielleicht ein weiteres mit dem Gebet zu dieser Darstellung und einer - analog zum ersten Blatt leeren Rückseite. 119 Die Texte dieser Folge gehören nicht zu dem Komplex von Gebeten, die mit der Stöger-Passion verbunden sind. Sie sind zwar ganz ähnlich aufgebaut, stimmen aber im Detail mit keinem der Gebete überein. Auch sonst war keine andere Überlieferung ausfindig zu machen. Mit der Technik des Kupferstichs und der südwestdeutschen Herkunft ist diese Folge die Ausnahme unter den Passionsgebetbüchern dieses Typs. Alle anderen sind ausnahmslos in Bayern unter Verwendung von Holz- und Metallschnitten entstanden. Benutzt wurde jedoch auch dieses im bayerisch-österreichischen Gebiet - in einem Kloster, in dem eine erstaunliche Konzentration von druckgraphisch illustrierten Gebetbüchern dieser Art festzustellen ist. Das Stift Nonnberg besaß von jeder Technik eines - Holzschnitt, Metallschnitt und Kupferstich.

3.6. Ein Holzschnitt-Gebetbüchlein und seine Textbeziehungen Eine letzte Passionsfolge dieser Art soll noch erwähnt werden, weil dabei nicht nur der ursprüngliche Zusammenhang als Büchlein sichtbar ist, sondern für den gesamten Gebetszyklus eine Parallelüberlieferung ausfindig zu machen war. Das 116 Nürnberg, GNM, Hz. 374. Gelöst aus dem Codex Hs 28441, fol. 158 ra (s. u. Verzeichnis der Handschriften); nicht aus Hs. 28860, wie im Ausstellungskatalog Kulturdokumente 1956, Nr. 5 zu lesen ist. 117 Siehe Verzeichnis der Handschriften. 118 Die Ränder der Blätter sind so stark beschnitten, daß keine Spuren mehr von der Art der Bindung zu erkennen sind. Doch ist das Ankleben an Falze die wahrscheinlichste Möglichkeit. Bei dem Holzschnitt-Gebetbüchlein Cim. 22 im Berliner Kupferstichkabinett sind noch Reste davon zu sehen. 119 Auf diese Weise endet auch die Wiener Folge der Stöger-Passion.

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Bändchen Cim. 22 des Berliner Kupferstichkabinetts besteht aus 12 auf den Rückseiten mit Passionsgebeten beschriebenen Holzschnitten (Abb. 236) und einem beidseitig beschrifteten Blatt. Der alte Pappeinband, der mit dem Papier einer liturgischen Inkunabel überzogen ist, und das frühneuzeitliche Titelschildchen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, daß das Büchlein mindestens einmal auseinandergenommen worden war - wobei man die ursprünglich einen regelmäßigen Faszikel bildenden Doppelblätter auseinandergeschnitten und als einzelne Blätter in der falschen Reihenfolge wieder zusammengesetzt hatte. Doch läßt die Zuordnung von Texten und Bildern auch hier die ursprüngliche Zusammenstellung rekonstruieren: heute fol. 2

Demnach war dieser Band, ebenso wie einige der Metallschnittbüchlein, ursprünglich aus mit je zwei Bildern bedruckten Doppelblättern zusammengesetzt. In der Mitte dieses Faszikels, in dem sich nach diesem Konstruktionsprinzip zwei Bildblätter gegenüberstanden, wurde ein einzelnes Blatt befestigt, das auf beiden Seiten nur Texte enthält, die sich auf die jeweiligen Bilder dieses mittleren Doppelblattes beziehen (heute falschlich als fol. 2 eingebunden). Auch hier hatte also der Schreiber nicht etwa eine fertig kolorierte Holzschnittfolge aus Einzelblättern erworben und einfach die Rückseiten beschriftet, sondern einen speziell zum Zweck der Herstellung eines solchen Büchleins gedruckten Faszikel. Der Schreiber arbeitete mit dem Briefmaler zusammen oder war mit diesem identisch: Die mehrfarbigen Lombarden, mit denen jedes Gebet beginnt, wurden mit denselben Farben ausgeführt, die sich auch in der Kolorierung des jeweils gegenüberliegenden Holzschnitts finden.

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Die Gebete in mittelbairischer Schreibsprache120 sind wieder aus Anrufung, ausfuhrlicher Erinnerung an eine oder zwei Leidensstationen, Bekenntnis von Schuld und Unwürdigkeit sowie Bitte um Heil aufgebaut. Sie sind etwas umfangreicher als die des Stöger-Komplexes und stehen mit ihnen nicht unmittelbar in Verbindung. Besonders interessant sind diese Texte, weil eine Handschrift ausfindig zu machen war, die den gleichen vollständigen Gebetszyklus hat. Es handelt sich um Hs 1735 des Germanischen Nationalmuseums, etwa 1465-67 in Bayern entstanden. 121 Die Texte unterscheiden sich nur in den Sündenbekenntnissen und Heilsbitten am Schluß von denen der Holzschnittfolge Cim. 22 in Berlin. Als Beispiel seien nur die Anfänge des jeweils ersten Gebetes zitiert: Cim. 22, fol. 5V:

Hs 1735, fol. 72r (auch fol. 93 r ):

O du frewdenreicher trost aller betrübten herczen, ich dannck dir vnd man dich, das du nach dem abent essen deinen lieben iungern ir heilig fuezz twugst vnd sprachst czu in in grosser pittrichait: „ Mein geist ist betrübt vncz in den tod", vnd von in gingt auf den berg Oliueti...

O dw frewdenreicher trost aller betrübten herczen, ich danck dir vnd man dich, das dw nach dem abentessen deinen lieben iungern die fueß twuegst vnd sprachst zw in in grosser pitterchait: „ Mein geist ist betruebt pis in den tod", vnd gingst von in auff den perg Oliveti...

Haimerl nahm die Entstehung von Hs 1735 im Nürnberger Katharinenkloster an; doch reichen die Orationen zur hl. Katharina am Schluß des Buches als Begründung dafür nicht aus, zumal die Schreibsprache nicht nürnbergisch ist und keine der bekannten Schreiberinnenhände des Kloster in dem Band zu erkennen ist. Eher noch wäre Regensburg in Betracht zu ziehen, da dem Lokalheiligen Bischof Erhard ein ausfuhrliches Gedicht gewidmet ist. 122 Doch auch das kann über die reine Vermutung nicht hinausgehen. Auf fol. 91 r -102 r steht nun der Zyklus von 12 Passionsgebeten. 123 Sie nehmen jeweils eine Recto-Seite ein, während die vorausgehende Verso-Seite leer blieb. Ohne Zweifel waren also Illustrationen zu den Gebeten geplant - ob in Form von Miniaturen oder Druckgraphiken - die nie zur Ausfuhrung kamen. Das belegt, daß auch diese Gruppe von Texten für einen festen funktionalen Zusammenhang mit Bildern gedacht war.

120 Bairische Merkmale sind etwa das Auftreten des Diphthongs /ue/ anstatt /uo/; aus letzterer Form war speziell im Mittel- und Südbairischen /ue/ hervorgegangen (PAUL - WIEHL - GROSSE 1989, § 82; § 159,17); die Unterscheidung zwischen (ai) und (ei) für den primären und sekundären Diphthong (BESCH 1967, S. 79); /au/ statt /ou/ (BESCH 1967, S. 83, Karte S. 81); 'scharff, das statt 'scharpf im 15. Jahrhundert nur östlich des Lechs auftritt (BESCH 1967, S. 125); die vorwiegende Diphthongierung der alten Monophthonge N , IvJ und /iu/ (BESCH 1967, S. 75-76 und Karte S. 77). 121 Nach Wasserzeichen und mittelbairischer Schreibsprache, s. KURRAS 1974, S. 26. 122 HAIMERL 1952, S. 47. Die Gebete zu Katharina auf fol. 165 R -166 V , das Gedicht zum hl. Erhard auf fol. 114V—117R. KURRAS 1974, S. 26 äußert keine Vermutung zur Provenienz. 123 Einen ähnlichen, doch nicht identischen Zyklus von Passionsgebeten enthält Cgm 845, fol. 57 r -65 r . Die Handschrift wurde 1469-70 in Bayern geschrieben (vgl. SCHNEIDER 1984, S. 599). Einzelne Gebete sind auch in Cgm 124 überliefert und in Hs. 213 der UB Freiburg (vor 1504).

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3.7. Überlieferungskontext und Gebrauchsfunktion Diese Handschrift, Hs 1735 des Germanischen Nationalmuseums, bietet nun die Möglichkeit, über die Mitüberlieferung, d. h. die anderen in ihr enthaltenen Texte, Schlüsse bezüglich der gebrauchsfunktionalen Einbindung der Passionsgebete zu ziehen. 124 Neben verschiedenen Gebeten und Texten zur Vorbereitung auf die Kommunion, darunter Auszüge aus dem Eucharistietraktat Marquards von Lindau, bilden Schriften Johannes' von Indersdorf einen inhaltlichen Schwerpunkt des Buches. Am Anfang steht das von ihm verfaßte Gebetbuch für Elisabeth Ebran. 125 Von ihm war schon die Rede: Es gehört zu den Quellen der Gebete des Stöger-Komplexes. Darauf folgen in der Handschrift die Gebete für Herzog Wilhelm III.,126 die oben ebenfalls als Vorlage für einen der Texte der Nonnberger Holzschnittpassion in San Marino bestimmt werden konnten. Auch andere Texte gehen in ihrer Zusammenstellung auf die älteste Abschrift dieser Gebetszyklen in der Münchner Handschrift Cgm 29 zurück, 127 die vermutlich in den 1430er Jahren in Indersdorf selbst entstand, also noch zu Lebzeiten und am Wirkungsort des Verfassers. 128 Johannes Rothuet, bekannt als Johannes von Indersdorf, war eine der für die Einfuhrung der Klosterreform im Herzogtum Bayern-München wichtigsten Persönlichkeiten. Ab 1415 Dekan des Augustiner-Chorherrenstifts Indersdorf, war er zusammen mit dem Propst, seinem Stiefbruder, für die Einfuhrung der Raudnitzer Reformstatuten verantwortlich.129 Wohl aufgrund des Erfolges wurde er zum Mitglied des Gremiums bestimmt, das 1426 die Visitation der bayerischen Klöster - unter anderem des späteren Reformzentrums Tegernsee - in Angriff nahm. 130 Herzog Wilhelm III., treibende Kraft hinter den Reformbemühungen, machte den Dekan Johannes schließlich zu seinem Beichtvater. Er vermittelte im Streit zwischen Herzog Ernst und seinem Sohn, dem späteren Albrecht III., der durch die Ermordung der Agnes Bernauer entbrannt war, und wurde Albrechts Beichtvater. Zu seinen seelsorgerischen Bemühungen gehören die Schriften, die er für das Herzogshaus (die Gebete für Wilhelm III., Fürstenlehren und Tisch-

124 Die Untersuchung der Mitüberlieferung wurde in der Germanistik in den letzten Jahren zu einem wirkungsvollen Instrument entwickelt, die Situation eines Textes in seinem Kontext zu erfassen. Vgl. dazu SCHNELL 1985 und STEER 1985 mit weiterer Literatur. 125

D a z u HAIMERL 1 9 5 2 , S. 1 5 1 - 1 5 7 ; HAAGE 1 9 6 8 , S. 4 9 ff., S. 5 3 3 f.; WEISKE 1 9 9 3 .

126

Z u d e m Z y k l u s s. HAIMERL 1 9 5 2 , S . 1 5 5 f.; HAAGE 1 9 6 8 , S . 5 3 .

127 Weitere Stücke, die aufgrund ihrer Kombination Hs 1735 mit Cgm 29 verbinden, sind die '12 Hindernisse' (Hs 1735, fol. 49 r : Cgm 29, fol. 49r), die 'Goldene Kette' Bernhards (Hs 1735, fol. 49 r/v : Cgm 29, fol. 64 v ), die Gebete zum hl. Johannes Ev. und zu Maria Magdalena (Hs 1745, fol. 54 v -56 r : Cgm 29, fol. 54 r -55 r ) sowie der Prosatraktat Tochter Sion' (Hs 1735, fol. 56 r -62 v , Cgm 29, fol. 31 r -33 r ). 128 Das Buch muß zwischen 1432 (der Datierung des jüngsten enthaltenen Textes) und 1448 (dem Jahr der ältesten datierten Kopie) geschrieben worden sein. Der Stil der Miniaturen spricht eher für den Anfang dieses Zeitraums. Zur Datierung und Provenienz s. PETZET 1920, S. 48; HAAGE 1 9 6 8 , S. 4 9 f f . , WEISKE 1 9 9 3 , S. 1 1 7 . 129

ANGERPOINTNER 1 9 6 9 , S. 12.

130

ANGERER 1 9 6 8 , S. 2 6 .

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lesungen)131, aber auch für bürgerliche Privatpersonen (die Gebetbücher für Frau Elisabeth Ebran) verfaßte. Die Ziele wie auch die Struktur der seelsorgerischen Schriften Johannes' von Indersdorf stehen dabei vergleichbaren Texten der 'Wiener Schule' nahe, d. h. der an der Wiener Universität, dem geistigen Motor der Klosterreformbewegung, entstandenen deutschsprachigen Literatur. 132 Deren Ziel war es, durch Verfassen und Übersetzen volkssprachlicher religiöser Belehrungs- und Erbauungsliteratur breitere Schichten zu erreichen. 133 Johannes von Indersdorf gelang dies ohne Zweifel: Die starke Überlieferung belegt die enorme Wirkung seiner Texte im süddeutschen Raum. Auf den gleichen Kontext weist auch die Mitüberlieferung der mit Holzschnitten illustrierten Passionsgebete der Nonnberger Handschrift in San Marino. Die katechetischen Stücke, die den ersten Teil bilden, gehen zum Teil auf Thomas Peuntner zurück, den bekanntesten Autor deutschsprachiger Literatur der Wiener Schule, der im Dienste der Melker Reform tätig war. 134 Auf diesen Entstehungszusammenhang weisen auch die anderen, anonymen Stücke zur geistlichen Belehrung in diesem Teil des Buches. 135 Abgesehen davon, daß die Ebran-Gebete des Johannes von Indersdorf eine der Quellen für den Zyklus darstellen, zu dem die Holzschnitte eingedruckt wurden, finden sich auch die Gebete dieses Autors für Herzog Wilhelm III. in der Handschrift. 136 Weitere Texte, die sich in dieser Zusammenstellung zuerst im Indersdorfer Cgm 29 finden, verraten diesen Codex als eine der Quellen der Nonnberger Handschrift. 137 Quellenmaterial und Überlieferungskontext der Passionsgebete, die zur Herstellung der illustrierten Büchlein verwendet wurden, verweisen auf die im Kreis der bayerisch-österreichischen Reformbewegung entstandene Erbauungsliteratur. Es wäre zu fragen, ob die seelsorgerischen Bemühungen, denen das Übersetzen und Verfassen von deutschsprachigen Gebeten entspringt, vielleicht auch mit dem Einsatz von Illustrationen in Verbindung gebracht werden können. An anderer Stelle wurde schon festgestellt, daß illustrierte Privatgebetbücher im gesamten Mittelalter die Ausnahme waren. Im Unterschied zu Psalterien und Andachtsbüchern liturgischer Herkunft wie den Stundenbüchern, die aber in Süddeutschland im 15. Jahrhundert kaum Verbreitung fanden, ist die überwältigende Mehrheit der Privatgebetbücher bilderlos138 - ein von der Kunstgeschichte kaum zur

131

HAAGE 1 9 6 8 , S . 5 3 3 ff. Z u s a m m e n f a s s e n d m i t Lit. s. HAAGE i n 2 V L B d . 4 , S p . 6 4 9 f.

132

WEISKE 1 9 9 3 , S. 1 4 7 .

133 Vgl. HOHMANN 1977, S. 2 5 7 f.; Schnell 1984, S. 269. 134

V g l . SCHNELL 1 9 8 4 .

135

V g l . WEBBER 1 9 9 0 , S . 7 ff.

136 San Marino, HM 195, fol. I08 v -115 v . 137 Die Eucharistiegebete (HM 195, fol. 123 v -130 r : s. Cgm 29, fol. 33 v -34 r ), Gebet zum hl. Johannes Ev„ zu Maria Magdalena (HM 195, fol. 130 r -132 r : s. Cgm 29, fol. 54 r -55 r ), die 'Golden Kette' Bernhards (HM 195, fol. 135r: s. Cgm 29, fol. 64 v ). 138 Vgl. OCHSENBEIN 1988, S. 391. Zur Abgrenzung des Privatgebetbuchs von anderen Typen s. ebd., S. 379 f. Eine Geschichte der Illustration von Gebeten im Mittelalter ist noch nicht geschrieben; zu den frühen Beispielen aus dem 12. Jahrhundert s. HAMBURGER 1991.

Passionsgebetbücher

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Kenntnis genommener Umstand. 139 Umso interessanter ist die Tatsache, daß für die Passionsgebete, die Johannes von Indersdorf für Frau Elisabeth Ebran verfaßte, die Kombination mit Bildern von vornherein geplant war. In der noch zu Lebzeiten des Verfassers wohl in Indersdorf entstandenen Handschrift Cgm 29, der ältesten Überlieferung der Texte, besteht jede Seite des Passionsteils aus einer Miniatur, welche die obere, und dem Gebetstext, welcher die untere Seitenhälfte einnimmt (Abb. 237). 140 Die Texte und Bilder thematisieren nach der einleitenden Szene der Geburt Christi die Passion in 16 Stationen vom Einzug in Jerusalem bis zum Jüngsten Gericht. Die Miniaturen der Pergamenthandschrift sind künstlerisch von hoher Qualität, blieben aber unvollendet. 141 Die Adressatin des Gebetbuches, eine weltliche Frau, gehörte vermutlich zu den Beichtkindern des Dekans Johannes. 142 Frauen waren generell die wichtigste Rezipientengruppe deutschsprachiger Privatgebetbücher.143 Das Verfassen der Gebete war Teil der seelsorgerischen Tätigkeit des Indersdorfer Dekans. Es ist denkbar, daß er auch Illustrationen zur Unterstützung der Andacht bei einer geistlich wenig geschulten Person für sinnvoll hielt. Jeffrey Hamburger vermutete als Grund für die Entstehung schon der frühesten erhaltenen illustrierten Gebetbücher des 12. Jahrhunderts seelsorgerisches Bemühen um Frauen. 144 Er wies daraufhin, daß die bildlose Meditation zwar in der Theorie weiterhin das Ideal darstellte, in der seelsorgerischen Praxis aber dessenungeachtet Illustrationen als sinnliche Andachtshilfe eingesetzt wurden. 145 Wenn also der Gebetszyklus des Johannes von Indersdorf, einer der wirkungsmächtigsten seiner Art in Süddeutschland, in der Verbindung mit Bildern konzipiert war, wäre zu fragen, ob in ihm nicht ein wichtiges Vorbild für die serienmäßige Herstellung von druckgraphisch illustrierten Gebetbüchlein, auf die er auch textlich unverkennbare Wirkung hatte, zu sehen ist. Wenn auch einer Antwort auf diese Frage kaum näher zu kommen sein wird, so lassen doch auf jeden Fall die druckgraphisch illustrierten Gebete, die noch in umfangreicheren 139 Liest man etwa den Überblick über „Die Illumination mittelalterlicher Andachtsbücher" bei BÜTTNER 1992, gewinnt man den Eindruck, Illustrationen gehörten selbstverständlich zur Andachtsliteratur. Durch welche Selektion aus der Masse der unillustrierten Bücher dieses Bild gewonnen wurde, wird dabei nicht erwähnt. 140 Fol. 37v—45v. 141 Stilistisch stehen sie dem regensburgischen Meister der sog. Weigelschen Biblia pauperum sehr nahe (New York, Pierpont Morgan Library, M. 230, s. dazu SUCKALE 1987, S. 106 f.). In Cgm 255, eine im Auftrag des Münchner Stadtrichters und späteren Kammermeisters Herzog Albrechts III. angefertigte Kopie nach Cgm 29, ließ man an der Stelle der Miniaturen Platz frei (fol. 43 v -51 v ), der aber nie mit Bilder gefüllt wurde. Vgl. zu der Handschrift HAAGE 1968, S. 4 9 f f . , 5 4 f f . ; SCHNEIDER 1 9 7 0 , S . 1 5 2 ff. 142

S o HAAGE in 2 V L B d . 4 , S p . 6 4 7 .

143 OCHSENBEIN 1988, S. 392. Zu deutschsprachiger geistlicher Literatur im Besitz weltlicher Frauen am Beispiel der später ins Nürnberger Katharinenkloster eingetretenen Bürgerinnen s. SCHNEIDER 1 9 8 3 , S . 7 1 f f .

144 HAMBURGER 1991, S. 234, hier allerdings auf die cura monialium, die Betreuung von Klosterfrauen durch Brüder, bezogen. Auf die Seelsorge weltlicher Frauen ist seine These jedoch durchaus übertragbar. 145

HAMBURGER 1 9 9 1 , S . 2 3 2 f. V g l . a u c h HAMBURGER 1 9 8 9 , S. 4 5 .

Ein neuer Typ mit gedruckten Illustrationen

299

Handschriften erhalten sind, 146 einen Überlieferungskontext von katechetischen und erbaulichen Schriften erkennen, der dem des Ebran-Gebetbuches Cgm 29 sehr ähnlich ist. Über das Zielpublikum der druckgraphisch illustrierten Passionsgebetbücher ist nur noch wenig in Erfahrung zu bringen. Zunächst ist generell mit den Lesergruppen zu rechnen, die für deutschsprachige Literatur dieser Zeit in Frage kommen: Laien (vor allem Frauen), Konversen und Ordensfrauen. 147 In wenigen Fällen liegen konkretere Informationen vor: Die Berliner Handschrift Cim. 23 richtet sich an weibliche Leser, wie grammatikalische Formen zeigen. Besonders bemerkenswert ist der Umstand, daß gleich drei der Gebetszyklen aus dem Salzburger Frauenkloster auf dem Nonnberg stammen. Dieser Typus scheint bei den Schwestern besonderen Anklang gefunden zu haben. Überhaupt verfügten sie über eine für Benediktinerinnen erstaunlich große Bibliothek deutschsprachiger Literatur. 148 Nonnberg war nicht nur eines der ältesten Benediktinerinnenklöster auf deutschsprachigem Gebiet, sondern im Unterschied zu anderen Stiften des Ordens auch eines der wenigen, das von den Melker Reformatoren erfolgreich zur Observanz gefuhrt werden konnte. Nur bei den Frauen von St. Peter in Salzburg und in Nonnberg war es gelungen, die strenge Regel durchzusetzen. 149 Das fand seinen Niederschlag in der Literaturpflege: So wies Williams-Krapp darauf hin, daß Thomas Peuntners 'Büchlein von der Liebhabung Gottes', eines der meistüberlieferten Werke der Übersetzungsliteratur der Wiener Schule, die unter anderem die Verbreitung der Gedanken der Melker Reformer in der Volkssprache zum Ziel hatte, zwar in zahlreichen reformierten Männerklöstern, doch von allen Benediktinerinnenstiften nur in den beiden Salzburger Häusern überliefert ist. Die Verbreitung dieses Werks ist ein Anzeichen für die Wirksamkeit der Melker Reform. 150 Es ist charakteristisch, daß sich im gleichen Bibliothekszusammenhang die erstaunliche Konzentration der bebilderten Gebetbüchlein findet. 151

146 Berlin, KK, Cim. 23; San Marino, HM 195; Nürnberg, GNM, Hs 1735. 147

V g l . SCHNEIDER 1 9 8 1 .

Vgl. WEBBER 1 9 9 0 , S . 9 ff. Bis heute ist die Bibliothek jedoch kaum erforscht. 149 Vgl. den bei ZIBERMAYR 1909, S. 272 abgedruckten Visitationsbefund aus dem Jahr 1451; s. auch ESTERL 1841, S . 64. SIGLOCH 1930, S . 48 schreibt zur Reform der Frauenklöster im Melker Wirkungsbereich: „Wenig durchgedrungen war die Regel bei den Nonnenklöstern, die teilweise sogar leugneten, überhaupt dem Benediktinerorden anzugehören, wie Ober-, Mittelund Niedermünster, oder sich den Anordnungen der Visitatoren widersetzten, wie in Frauenchiemsee oder Erlakloster [...]. Angenommen war die strenge Regel nur in St. Peter und Nonnberg in Salzburg worden, offenbar unter dem Einfluß des Männerklosters St. Peter." 148

150

WILLIAMS-KRAPP 1 9 8 6 / 8 7 , S . 4 8 f.

151 Auch darüber hinaus besaß Nonnberg bis zum Beginn unseres Jahrhunderts eine beachtliche Sammlung von Druckgraphiken des 15. Jahrhunderts. Sie stammen vermutlich aus Büchern, wurden jedoch, vermutlich im 19. Jahrhundert, ohne jeden Hinweis auf die Herkunft gelöst, so daß keine Aussagen mehr über Gebrauchszusammenhänge in Handschriften zu treffen sind. Die Graphiksammlung wurde veröffentlicht von GUGENBAUER in HEITZ, Einblattdrucke Bd. 35, nachdem TIETZE schon 1911 in Österreichische Kunsttopographie Bd. 7, S. 191-196 einen Teil bekannt gemacht hatte. Aus wirtschaftlichen Schwierigkeiten verkaufte das Kloster 1915 sowie in den 20er Jahren den gesamten Bestand, der heute in alle Welt zerstreut ist.

300

Passionsgebetbücher

Die genannten Büchlein dieses Typs, die durch die Zuordnung von gedruckten Bildern und Passionsgebeten auf Doppelseiten bestimmt sind, waren ausschließlich in Bayern verbreitet.152 Alle sind ins vierte Viertel des 15. Jahrhunderts zu datieren. Die ältesten sind etwa um die Mitte des Jahrhunderts entstanden; im letzten Viertel des Jahrhunderts scheint jedoch kein Bedarf mehr dafür bestanden zu haben. Vermutlich ist auch hierfür die Flut von illustrierten Inkunabeln verantwortlich, die ab den 1470er Jahren den Herstellern dieser Handschriften den Markt nahm. Bezeichnend für die große Beliebtheit dieser Büchlein vor diesem Zeitpunkt ist jedoch gerade die Tatsache, daß eben dieser druckgraphisch bebilderte Handschriftentyp zum Vorbild für einen der ersten illustrierten Drucke mit beweglichen Lettern wurde. Festzuhalten bleibt, daß in der hier zusammengestellten Handschriftengruppe die Druckgraphik nicht zufälliges Klebematerial ist, sondern konstitutiver Teil eines neuen vervielfältigten Buchtyps, der erst durch die Techniken des Bilddrucks möglich geworden war. Die Untersuchung der Gebete zeigte, daß ein großer Teil der Texte einer Tradition angehört, die an diesen Typ gebunden ist und eventuell speziell für ihn kompiliert worden war. Diese gedruckten Passionen stellen eine wichtige Stufe im Einsatz von Bilddrucken zur Serienproduktion von Büchern dar.

3.8. Verstreute Gebetbuchfragmente Es ist wohl überflüssig, daraufhinzuweisen, daß trotz der nicht geringen Zahl der hier zusammengetragenen Passionsgebetbücher bzw. -hefte dieses Typs die Verluste kaum abzuschätzen sind. Bedenkt man, daß selbst von den Druckausgaben der Stöger-Passion, die bestimmt in größerer Auflage hergestellt wurden, jeweils nur noch ein Exemplar, und dies meist fragmentarisch, erhalten ist, erahnt man das Verhältnis zwischen Erhaltenem und Verlorenem. Man muß auch annehmen, daß sich hinter vielen gedruckten Passionsdarstellungen, die sich als versprengte Einzelblätter in den graphischen Sammlungen befinden, noch Reste solcher Handschriften verbergen. Einige solcher Fragmente seien abschließend wenigstens noch erwähnt. Sie wurden bei der konsequenten Untersuchung der Rückseiten von Druckgraphiken des 15. Jahrhunderts gefunden. Da derlei nicht in allen Sammlungen erlaubt wird und häufig durch die feste Montierung auf den Passepartouts überhaupt nicht möglich ist, könnte sich noch so mancher Text unentdeckt auf Rückseiten druckgraphischer Blätter befinden. Andere müßten nicht erst entdeckt werden, doch verhindert ihre Befestigung und das Desinteresse der Sammlungsleitung ihre Erforschung: So verrät die durch die Pergamentblätter durchscheinende Schrift, daß einer der interessantesten und qualitätvollsten Holzschnittzyklen der Zeit, die 1457 datierte 28teilige Folge (Sehr. 127 etc.) 152 Selbst die Nonnberger Kupferstichfolge, die nach der Schreibsprache im alemannischen Gebiet entstanden ist, wurde in Bayern benutzt.

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im British Museum, der Rest einer zerlegten Handschrift mit eingedruckten Bildern ist.153 Es ist anzunehmen, daß es sich um ein deutschsprachiges Gebetbuch - einige Wörter sind in spiegelverkehrter Aufnahme zu entziffern (Abb. 238) - des besprochenen Typs handelte. Es wäre eines der umfangreichsten seiner Art.154 Durch die Untersuchung der Rückseiten erwiesen sich zwei Holzschnitte des Germanischen Nationalmuseums, die um die Mitte des 15. Jahrhunderts entstanden sein dürften, als Fragmente solcher Bücher. Das Gebet auf dem Blatt der Gefangennahme (Sehr. 220, s. Abb. 239, 240) bezieht sich auf das Abendmahl auf ein Bild also, das sich auf der Verso-Seite des vorausgegangenen Blattes befunden und so dem erhaltenen Text gegenübergestanden haben muß.155 Das ist ein sicheres Indiz dafür, daß es sich nicht um ein Einzelblatt, sondern um den Rest eines Gebetbuches handelt. Zu einer anderen Folge gehört die Darstellung der Geburt Christi (Sehr. 69, s. Abb. 241). Das Gebet, das ein zeitgenössischer Schreiber auf der Rückseite anbrachte, thematisiert die gleiche Szene (Abb. 242).156 Eine Text-Bild-Anordnung wie im vorausgegangenen Fall läßt sich also nicht erschließen; doch sei daran erinnert, daß auch bei den Fragmenten des Wiener Gebetbuchs mit den Stöger-Metallschnitten die Texte der ersten Blätter versehentlich auf den Rückseiten der zugehörigen Darstellungen stehen, so daß beides nicht zugleich erfaßt werden kann. Die angezeichnete Begrenzungslinie des Schriftspiegels und die rote Lombarde am Anfang des Textes auf dem Nürnberger Blatt sprechen jedoch auch hier dafür, daß es Teil einer Handschrift war. Zum Schluß sei noch auf den Codex Hs 1734 im Germanischen Nationalmuseum hingewiesen, der zeigt, daß ähnlich aufgebaute Gebetbücher auch durch das Einkleben von Bildfolgen hergestellt wurden. Seine Provenienz ist unbekannt; nach den Wasserzeichen und der Schreibsprache entstand er zwischen 1461 und 1477 in Bayern,157 aufgrund des Schreibervermerks bruder Augustein vermutlich in einem Kloster.158 Abgesehen von einem kurzen Abschnitt über Ablässe und geistliche Hilfen gegen Unglück159 enthält er ausschließlich deutschsprachige Gebete. In den ersten, an Maria, Christus und die Dreifaltigkeit gerichteten Abschnitten wurde dabei jeder einzelne dieser Texte mit einem Bild 153 Department of Prints and Drawings, Inv.-Nr. 1856-10-11. 154 Näheres über den Charakter des Buches wird vorerst aber nicht zu erfahren zu sein, da die Leitung der Sammlung die Ansicht vertritt, das Ablösen wenigstens eines der Blätter vom Passepartout verspreche keine im Verhältnis zum Aufwand stehende Erkenntnis... 155 Graphische Sammlung, Inv.-Nr. H. 1512. Der Text lautet: In deinem gotlichen herezn gedenck der pitterkeit vnd der betrüpniß, das du hest in deinem gemüt, als do du in deinem leezten abent eßn deinen iungern deinen leichnam vnd dein plut gabst vnd in (die füß) wuschest, sie h() tröstest vnd in dein(e) kvmende martter verkündest. 156 GNM, Graphische Sammlung, Inv.-Nr. H 46. Der Text (die erste Zeile fehlt völlig): () milteste magt Mar(\& ...), wunderlich fruchtbar b(), das du den hast geborn, der a(in gl)ast vnd schin ist des gotlichn Hechts, mach vns fruchtbar mit (d)einer fruchtbaren vnd aller hailigasten frucht vnd auch in guten werken, wan wir ains vnfruchtbaren hertzen sint. Amen. 157

KURRAS 1 9 7 4 , S. 2 2 .

158 Fol. U2 V . 159 Fol. 137 r -156 r .

302

Passionsgebetbücher

versehen, von den Heiligengebeten wenigstens ein großer Teil. Insgesamt verwendete man dazu 33 Kupferstiche des niederrheinischen Meisters des hl. Erasmus und des Meisters mit den Blumenrahmen (Abb. 243) sowie ein Schrotblatt und sieben Holzschnitte. Sie wurden im vorigen Jahrhundert aus dem Buch gelöst und in die Graphische Sammlung abgegeben; doch läßt sich die Bildausstattung fast vollständig rekonstruieren.160 Die Bilder klebten stets auf VersoSeiten, die man zu diesem Zweck vor dem Beginn der jeweiligen Texte freigelassen hatte. Auf diese Weise wurde etwa jedem der 25 Gebete, die die Stationen des Lebens und Leidens Christi von der Anbetung der Könige bis zur Himmelfahrt thematisieren, 161 ein entsprechendes Bild gegenübergestellt. Die Tatsache, daß es in diesem Abschnitt keine Lücke, kein einziges unbebildertes Gebet gibt, läßt vermuten, daß die Auswahl der aufzunehmenden Gebete und der zur Verfügung stehenden Bilder vor dem Schreiben koordiniert wurde. 162

160 S. u. Verzeichnis der Handschriften. 161 Fol. 12 v -62 r . 162 Die Handschrift besteht aus zwei unterschiedlich alten Teilen. Die Wasserzeichen der Blätter 1-84 weisen auf die Zeit von 1461-63, die der nachfolgenden Teile auf 1475-77. Zwischen diesen Stücken wechseln auch die Hände. Doch setzte die zweite - jener bruder Augustein, der zweimal signierte (Fol. 112 v , 137 v , 147r und fol. 166 v ) - die Handschrift thematisch und auch vom Aufbau her in der gleichen Art fort. Alle Kupferstiche - und damit der größte Teil der Druckgraphiken - befinden sich im älteren Teil. Der Schreiber des jüngeren Stückes nahm diese Anregung auf und versuchte die Bildausstattung nach dem gleichen Prinzip fortzuführen, wozu er allerdings Holzschnitte und einen Metallschnitt verwendete.

Texte und druckgraphische Passionsfolgen

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4. Texte und druckgraphische Passionsfolgen im zweiten Drittel des 15. Jahrhunderts

Vielteilige Passionsfolgen, die die Voraussetzung für die Illustration eines großen Teils der genannten Handschriften darstellen, sind nicht gleich in den ersten Jahrzehnten der Druckgraphik festzustellen. Zwar gibt es aus dieser Zeit - dem ersten Drittel des Jahrhunderts - einige seltene Fälle, in denen sich zwei stilistisch zusammengehörige Holzschnitte der Passion oder des Marienlebens erhalten haben, aus denen sich eventuell eine Folge rekonstruieren ließe.1 Auffallend ist jedoch, daß in Handschriften keine zusammenhängenden Folgen aus diesem Zeitraum überliefert sind. Mit unwägbaren Überlieferungsverlusten ist dies nicht zu erklären. Denn ab den 1440er Jahren findet sich eine beachtliche Zahl vielteiliger Zyklen2 in Codices; die Erhaltungsbedingungen von Handschriften und Graphiken haben sich in diesen Jahrzehnten jedoch nicht wesentlich verändert. Festzustellen ist auch, daß die erwähnten Fragmente eventueller Zyklen aus dem ersten Drittel des Jahrhunderts relativ großformatig sind3 - wie fast alle Holzschnitte dieser Zeit, die in der Regel auf die Größe von halben oder viertel Papierbögen berechnet sind.4 Zur Illustration von Handschriften der Art, in denen die späteren vielteiligen und kleinerformatigen Folgen benutzt wurden, hätten diese Bilddrucke allein von den Maßen her keine Verwendung finden können. Die wenigen Holzschnitte dieser Zeit, die noch in Codices erhalten sind, kleben einzeln in den Deckeln. Ein neuer Abschnitt in der Geschichte der Druckgraphik beginnt spätestens um etwa 1440: Die Zeit der kleinformatigen Zyklen, die fortan einen großen Teil der Produktion ausmachen sollten. Eine der ältesten Passionsfolgen ist bruchstückhaft in fünf Holzschnitten der National Gallery in Washington sichtbar (Sehr. 213 etc.);5 ein einzelnes Ölberg-Bild, das Fragment einer Kopie nach der gleichen Vorlage, befand sich in einer Handschrift des Nürnberger Katharinenklosters (Abb. 59, 60). Nach dem Zyklus, der in dem Berliner Gebetbüchlein Cim. 22 verwendet wurde und sicher noch vor der Jahrhundertmitte entstand, ist die älteste wenigstens grob datierbare Gruppe von Passionen diejenige, deren 1 2

3 4 5

Z. B. der Ölberg Sehr. 185 und die Kreuzigung Sehr. 389 (s. Kap. IV.3.1.) oder die Verkündigung Sehr. 51 und die Geburt Sehr. 65 auf einem Blatt (s. KÖRNER 1979, Abb. 19). Die Begriffe Zyklus und Folge werden hier synonym verwendet. Spitzfindigen, dennoch rein willkürlich gesetzten Definitionen, die den Zyklus im Unterschied zur Folge nur für geschlossene Konzepte mit Kontinuitäten und erzählerischen Übergängen etc. gelten lassen wollen, wird keine Beachtung geschenkt. Die erwähnte Darstellung des Ölbergs Sehr. 185 (s. vorangegangene Fußnote) mißt etwa 255 x 185 mm, das Doppelblatt Sehr. 51/65 mit Verkündigung und Geburt 280 x 198 mm. Vgl. KÖRNER 1979, S. 35 zur fast ausschließlichen Verwendung dieser Papierformate. Washington, NGA, Inv.-Nr. B-3022 etc. Sie stammen aus einer Handschrift des 15. Jahrhunderts der ehem. Oettingen-Wallersteinschen Bibliothek; aus welcher, ist leider nicht dokumentiert. Siehe dazu BAUMEISTER in HEITZ, Einblattdrucke Bd. 40, Nr. 3-7, sowie FIELD in Fifteenth Century Woodcuts 1965, Nr. 37-41 mit Abb.

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Passionsgebetbücher

Schwestemkopien in den Gebetbüchern Cgm 105 und dem Wiener Ink. 2. H. 131 sichtbar sind. Die Bamberger Folge dieser Kopienreihe trägt eine handschriftliche Notiz aus dem Jahr 1442.6 Etwa zu dieser Zeit kamen auch die ersten Kupferstich-Passionszyklen vom Meister der Spielkarten und einem seiner Nachfolger auf den Markt. Die Folge des Letzteren muß vor 1449 entstanden sein und wurde zur Herstellung eines der Nonnberger Gebetbüchlein verwendet.7 Fest datiert ist der Rest einer Passionsfolge von Kupferstichen des Meisters von 1446.8 Der mit Abstand umfang- wie auch erfolgreichste Holzschnittzyklus des Lebens und Leidens Christi und Mariae ist die Kopienreihe der 'Gulden puchlein-Gruppe', deren ältere Kopien der Zeit vor 1450, dem Datum der namengebenden Handschrift, angehören müssen. Mindestens elf Folgen, die letztendlich auf eine unbekannte Vorlage zurückgehen, lassen sich zusammenstellen. Es ist davon auszugehen, daß ein Teil davon selbst nur von Kopien abhängig ist, doch werden sich die Verhältnisse dieser Folgen zueinander kaum entwirren lassen. Charakteristisch ist das Format, das mit durchschnittlich etwa 68 x 58 mm noch kleiner ist als das der genannten Zyklen. Bald nach 1450 setzte eine Massenproduktion von Kupferstichpassionen am Niederrhein und in den Niederlanden ein, von denen die anspruchsvollste und meistkopierte die des Meisters der Berliner Passion ist.9 In Süddeutschland ist die Gruppe von fränkischen Holzschnittzyklen dieser Zeit hervorzuheben, der unter anderem die TSIonnberger Passion' in San Marino, die 1457 datierte Londoner Passion (Sehr. 127 etc.) und die Holzschnitte von Hanns Lidrers Marienleben-Handschrift angehören. Es ist interessant festzustellen, daß zwischen diesen Folgen vielfache Verbindungen bestehen. So gehen zahlreiche Darstellungen der 'Gulden puchlein-Gruppe' auf das gleiche Vorlagenmaterial zurück wie die Holzschnitte der Gruppe Cgm 105 / Ink. 2. H. 131.10 Die Metallschnitte der Stöger-Passion wiederum schöpfen aus dem Motivschatz der Kupferstiche des Meisters der Spielkarten und seiner Nachfolge. 11 Weitgehend unabhängig davon sind die Nürnberger Folgen, die jedoch untereinander motivisch und kompositionell vielfältig verknüpft sind und so auf unbekannte gemeinsame Vorlagen verweisen. 12 6

7

8 9 10 11 12

Die Dornenkrönung in Bamberg, SB (Sehr. 312, Inv.-Nr. VI. Aa, 3), Teil eines fünfteiligen Fragments dieses Passionszyklus' (s. u. Verzeichnis der Handschriften, unter Wien, ÖNB, Ink. 2. H. 131). Vgl. u. Verzeichnis der Handschriften unter Wien, Albertina, Passionsfolge aus der Schule des Spielkartenmeisters. Die einzige Folge, die LEHRS für ein Werk des Meisters selbst hielt, ist in Dresden, KK nur in einem stark retuschierten Exemplar erhalten (L. 4-27). Nach SCHUPPISSER, Passionsfolgen 1991, S. 60 reflektiert sie möglicherweise eine verschollene Vorlage. L. 1-7, später erweitert durch LEHRS 1920, S. 192 mit zwei als L. 7A und L. 7B bezeichneten Blättern. Vgl. dazu den Überblick bei SCHUPPISSER, Copper Engravings 1991. S. u. die Zusammenstellung der Kopiengruppe im Verzeichnis der Handschriften unter Wien, ÖNB, Ink. 2. H. 131. S. u. Verzeichnis der Handschriften unter Wien, Albertina, Stöger-Passion (Sehr. 2222 etc.), wo die Kupferstich-Vorbilder identifiziert sind. Vgl. etwa die im Verzeichnis der Handschriften unter Augsburg, UB, Cod. 1.3.8° 5 (das von Hanns Lidrer in Nürnberg geschriebene Marienleben) und London, BM, 158* b.3 gemachten Andeutungen über das Verhältnis zu den anderen fränkischen Holzschnittfolgen. - Über die

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Die Aufzählung soll nicht noch weitergeführt werden. Fest steht jedoch, daß all diese Folgen zur Illustration von Handschriften herangezogen wurden. Rekapituliert man die Art der Texte, in die sie integriert wurden, stellt man deutliche Schwerpunkte fest: Passionsgebete, Christus- und Marienleben und Passionstraktate. Am Beispiel des Marienlebens des Heinrich von St. Gallen wurde oben gezeigt, daß die Ausstattung mit Druckgraphik dort dominiert - zwei von drei erhaltenen illustrierten Handschriften erhielten auf diese Weise ihren Bildschmuck. Wie Hilgs Untersuchung der Überlieferungsgeschichte dieses Werkes zeigte, setzte die große Welle handschriftlicher Kopien des schon zu Beginn des 15. Jahrhunderts entstandenen Textes erst kurz vor 1450 ein. Hilg erklärte dies mit dem Interesse der reformierten Klöster, das erst zu diesem Zeitpunkt auf breiter Front wirksam wurde. 13 Das Aufkommen der kleinformatigen, zur Handschriftenillustration geeigneten Zyklen fallt ungefähr zusammen mit dem zeitlichen Schwerpunkt der Überlieferung nicht nur dieses Textes. Auch für andere deutschsprachige Schriften, deren Verbreitung eindeutig mit der Wirkung der Klosterreform zusammenhängt, konnte eine vergleichbare zeitliche Entwicklung der handschriftlichen Überlieferung festgestellt werden. 14 Nun stellt sich die Frage, zu welchem Zweck eine mindestens 47teilige Folge - so viele Blätter umfaßt das vollständigste Exemplar im 'Gulden puchlein' - von sehr kleinen Holzschnitten bestimmt gewesen sein könnte. Die plausibelste Vermutung ist die, daß sie für Gebrauchszusammenhänge von eben der Art produziert wurden, wie sie heute noch in einigen Fällen sichtbar sind: Für die Ausstattung von Handschriften. Angesichts der ungewöhnlich umfangreichen ikonographischen Szenenfolge der Holzschnitte des 'Gulden puchlein' stellt sich als nächstes die Frage, an welche Texte dabei gedacht wurde. Die Auswahl geht weit über die üblichen Leidensstationen Christi hinaus; sie beginnt mit der Vorgeschichte der Geburt Mariae und thematisiert relativ ausführlich die Vita der Gottesmutter.15 Die apokryphen Szenen lassen die Bestimmung etwa zur Vorlagen der verschiedenen druckgraphischen Passionszyklen dieser Zeit in anderen Medien wurde bislang nur spekuliert, doch konnten noch keine ganz konkreten Vorbilder genannt werden: Es bleibt ein Forschungsdesiderat. Was die reduzierte Ikonographie, das Figurenrepertoire und die charakteristischen Kompositionen etwa der Holzschnitte der 'Gulden puchlein-Gruppe' und der verwandten Folgen betrifft, soll hier nur auf die aus vielen kleinformatigen Bildern bestehenden Tafeln der Vita Christi hingewiesen werden, die seit dem frühen 15. Jahrhundert vor allem in Köln verbreitet waren (z.B. Gemäldegalerie Berlin, SMBPK, Inv.-Nr. 1224; Abb. in Gemäldegalerie Berlin 1975, S. 217). Das kleine Format der einzelnen Bilder und ihre Einbindung in einen erzählenden Zyklus zwangen zu einer Konzentration der Darstellungen, die den Erfordernissen des Holzschnitts entsprachen. Was die Reduzierung der Figuren- und Kompositionstypen betrifft, wäre auch an die Serienproduktion von elsässischen Bilderhandschriften in den ersten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts zu denken. Doch ist auf diesem Gebiet noch gründliche Arbeit zu leisten. 13

HILG 1 9 8 1 , S. 3 9 2 .

14

So etwa die Untersuchung von Thomas Peuntners 'Büchlein von der Liebhabung Gottes', eines Standardtextes in den Bibliotheken der Melker Reformklöster, durch SCHNELL 1984, S. 236 f. Auch dessen Verbreitung läuft in großem Maßstab erst im zweiten Drittel des Jahrhunderts an. Vgl. die Zusammenstellung der Themen im Verzeichnis der Handschriften unter München, Bayerische Staatsbibliothek, 'Gulden puchlein'.

15

306

Passionsgebetbücher

Bibelillustration unwahrscheinlich erscheinen. Die einzige Textgruppe, für deren Illustration sie voll und ganz geeignet war, sind tatsächlich Marienleben. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch die Darstellung des Versuchs der Juden, Christus zu steinigen (Sehr. 143). Sie gehört zu den ausgesprochenen ikonographischen Seltenheiten in Bildzyklen der Vita Christi. 16 Einer der populären Texte der Zeit, der diese Szene wiedergibt, ist aber das Marienleben des Heinrich von St. Gallen. 17 Tatsächlich klebt der Holzschnitt im 'Gulden puchlein' in unmittelbarer Nähe dieser Passage.18 Die 47 im 'Gulden puchlein' erhaltenen Szenen bezeichnen das maximal verfügbare ikonographische Material dieser Gruppe von Bilddrucken. Teile davon waren selbstverständlich auch für Texte zu verwenden, in denen allein die Passion im Vordergrund steht. Das 'Gulden puchlein' selbst hat gezeigt, daß die Verwendung aller zur Verfügung stehenden Passionsbilder im Zusammenhang des Marienlebens des Heinrich von St. Gallen sogar zu einer sehr gedrängten Anordnung führte; sind doch in dem Text, dem mariologischen Schwerpunkt entsprechend, manche Leidensstationen, für die der Holzschnittzyklus ein Bild bereitstellte, nur ganz knapp oder überhaupt nicht abgehandelt. Ausgewogener erscheint das Text-Bild-Verhältnis, wenn die Bilder der Leidensstationen aus dieser Gruppe zur Illustration etwa des Passionstraktats des Heinrich von St. Gallen verwendet wurden, wie das Beispiel der 1459 datierten Handschrift in der British Library zeigt (Abb. 202). 19 In diesem Licht erscheinen die Holzschnitte der 'Gulden puchlein-Gruppe' als ein Unternehmen, das im Hinblick auf die seit dem zweiten Drittel des Jahrhunderts sprunghaft gesteigerte handschriftliche Verbreitung geistlicher Literatur, in deren Mittelpunkt zu einem nicht geringen Teil das Leben und Leiden Mariae und Christi stand, eine ikonographisch breit angelegte und deshalb vielfaltig einsetzbare Palette von Bildern zur Handschriftenausstattung bereitstellte. Sie konnten auch in einer moralisierenden Bibelerzählung verwendet werden, 20 im Passionsteil des Speculum humanae salvationis21 oder als textloses Andachtsbüchlein.22 Am konkreten Beispiel der Passionsgebete konnte demonstriert werden, daß die Kombination bestimmter druckgraphischer Folgen und handschriftlicher Texte kein Ergebnis des Zufalls ist, sondern das bewußt geplante Zusammenspiel von Bilddruck und Schrift voraussetzt. Alles spricht dafür, daß die große Zahl von gedruckten Bildfolgen, die seit etwa 1440 zu beobachten sind, zumindest zum großen Teil in Hinblick auf die Illustration bestimmter Gruppen von Texten 16 17

18 19 20 21 22

HAUSHERR 1986, S. 127 bezeichnete die Szene als eine der „ausgemachten Raritäten unter den Christusszenen in allen Bildkünsten". In der Ausgabe von HILG 1981 in Kap. XIV, Z. 55-56. - Die Herleitung der Szene aus den Evangelienperikopen durch HAUSHERR 1986, S. 125, ist in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung. Fol. 94 r links oben. Add. ms. 15712, s. u. im Verzeichnis der Handschriften. In New York, PL, Ms 77. In München, BSB, Cgm 1126 und Clm 21543. Sehr. 45 etc. in Berlin, KK.

Texte und druckgraphische Passionsfolgen

307

hergestellt wurden, deren handschriftliche Vervielfältigung zur gleichen Zeit in einem gelegentlich als explosionsartig beschriebenen Maße anstieg.23 Die Produktion von Druckgraphik stellte sich auf einen Illustrationsbedarf ein, der mit dem neuen Literaturbedarf dieser Zeit einherging.

23

WILLIAMS-KRAPP

1986/87, S. 41.

V . SCHLUSS

Die Fallstudien dieser Arbeit haben deutlich gemacht, daß es keine einfachen Antworten auf die Frage nach dem Gebrauch von Druckgraphik im 15. Jahrhundert gibt. Je mehr Quellenmaterial man untersucht, desto vielfaltiger stellen sich die Formen des Gebrauchs von Bilddrucken dar und desto komplexer die historischen Situationen, in denen sie angesiedelt sind. Die Arbeit konnte deshalb nur in begrenzten Ausschnitten darstellen, was durch die Überlieferung ohnehin nur noch ausschnitthaft zu erfassen ist. Die Aussagen, die so zu gewinnen waren, weisen aber weit über die Einzelfalle hinaus und lassen Schlüsse auf das gesamte Gebiet des frühen vervielfältigten Bildes zu. Die Verwendung in Handschriften ist zwar nur ein Teil des 'Sitzes im Leben' von Druckgraphik - ein Teil, der durch die unterschiedlichen Überlebenschancen der Blätter in verschiedenen Kontexten sicher überrepräsentiert ist. Doch ist dieser Bereich nicht nur der einzige, für den noch in größerem Umfang Quellen vorhanden sind, sondern tatsächlich auch konstitutiv für die neuen vervielfältigenden Bildmedien. Zunächst wurde in ausgewählten Fallstudien der Gebrauch von Bilddrucken durch bestimmte Gruppen und Einzelpersonen untersucht. Die wichtigste Rolle spielen dabei die Klöster. So unterschiedlich sich die Situation in den exemplarisch untersuchten Konventen auch darstellt, besteht doch eine Gemeinsamkeit im starken Anwachsen ihrer Bibliotheken etwa seit dem zweiten Viertel des 15. Jahrhunderts. Das Nürnberger Katharinenkloster besaß die größte Sammlung deutschsprachiger Literatur, die aus jener Zeit bekannt ist, die Tegernseer Bibliothek war in Bayern von unerreichter Größe, und für einen relativ kleinen und abgelegenen Konvent wie den von Inzigkofen sind selbst die nur noch mühsam rekonstruierbaren versprengten Reste erstaunlich reichhaltig. Die entscheidendsten Faktoren für den Aufbau dieser Buchbestände waren in allen Fällen die jeweiligen Ordensreformen. Sie führten in diesen Jahrzehnten zu einem rasanten Anstieg der Handschriftenproduktion, die den Buchmarkt vor neue Aufgaben stellte - und zu neuen Überlegungen bezüglich der Handschriftenillustration führen mußte. Auch die traditionellen Buchmaler reagierten darauf, etwa mit der Herstellung und dem Verkauf von losen Einzelblättern zum individuellen Einkleben durch Schreiber.1 Wie gezeigt wurde, ist es kaum Zufall,

1

Vgl. dazu LORNE CAMPBELL, The Art Market in the Southern Netherlands in the Fifteenth Century, in: Burlington Magazin 118, 1976, S. 188-198, dort S. 190; JAMES DOUGLAS FARQUHAR, Identity in an Anonymous Age: Bruges Manuscript Illuminators and their Signs,

Schluß

310

daß die Verlagerung des Schwerpunkts von großformatigen Einzelholzschnitten zu kleineren Darstellungen, vorzugsweise in umfangreichen Folgen, mit dieser Welle zusammenfällt, die ihre größte Kraft um die Mitte des 15. Jahrhunderts erreichte. Die Verwendung zur Handschriftenillustration wurde spätestens ab den 1440er Jahren zu einer der wichtigsten Aufgaben der Druckgraphik. Soweit kann der Zusammenhang zwischen monastischer Reform und Druckgraphik vor allem pragmatisch gesehen werden - durch das Entstehen eines neuen Bedarfs. Es ist fraglich, ob auch ideelle Verbindungen zu konstruieren sind - im Sinne von Druckgraphik als Reformkunst, beruhend auf formaler Reduktion als Bescheidenheitsgestus.2 So verlockend diese These auch wäre, so wenig läßt sie sich doch verifizieren. 3 Die Ordensreformer äußerten sich nur in wenigen Fällen programmatisch zu Bildern, während etwa Speisepläne in den entsprechenden Bestimmungen von größerer Bedeutung sind. Für die Wiederherstellung der Ordensdisziplin, um die es im wesentlichen ging, scheinen Bilder kein vordringliches Thema gewesen zu sein. Gewiß gibt es Ausnahmen wie den observanten Dominikaner Johannes Meyer, der in seinem 'Buch der Reformacio Predigerordens1, das chronikalisch angelegt ist, doch programmatischen Charakter hat, gelegentlich in exemplarischer Form auf den Gebrauch von Bildern eingeht. Doch von Bilderkritik im Sinne einer Bescheidenheitsforderung ist auch hier keine Rede. 4 Vielmehr verdeutlicht das von Johannes Meyer geschilderte Wunder von Schönensteinbach, daß dem Einsatz von Bildern in der Praxis der reformerischen 'cura monialium1 eine gewisse Aufmerksamkeit geschenkt wurde, was etwa mit dem Befund der mit Druckgraphik illustrierten Handschriften, die die Nürnberger Dominikanerinnen von ihren männlichen Betreuern bekamen, konform geht. Auch für die aus Bilddrucken aufgebauten Passionsgebetbücher, die im letzten Teil der Arbeit besprochen wurden, wurde aus dem Überlieferungskontext deutlich, daß sie mit dem katechetisch-seelsorgerischen Bereich zusammenhängen. Tatsächlich aber lassen die Codices, die im Zuge der Reformbestrebungen entstanden, im Durchschnitt ein vergleichsweise niedriges Anspruchsniveau erkennen. Es sind in der Regel Gebrauchshandschriften, meist auf Papier und in ökonomischer Kursive oder Bastarda geschrieben. Im Mittelpunkt der Buchproduktion stand der Nutzen der Texte als geistliches Rüstzeug der Observanz. Ausstattungsaufwand war nicht gefragt, sondern zügige und korrekte Bereitstelin: Viator 11, 1980, S. 371-383; JAMES MARROW, in: Die goldene Zeit der holländischen B u c h m a l e r e i 1 9 9 0 , S. 14; HENRI L. M . DEFOER, e b d . S. 2 4 5 . 2

S o SUCKALE 1 9 9 3 , S. 6 9 .

3

Ein seltener Beleg für die Verknüpfung von Druckgraphik und Bescheidenheit stammt aus dem frühen 16. Jahrhundert: Sabina, Äbtissin des Benediktinerinnenklosters Bergen, erwähnt in einem Brief an ihren Bruder Willibald Pirckheimer die „Kargheit" von Einblattdrucken: ...den druckten briefen hat es kein not, es sind die auch gut, wenn man die andern nit kann haben, ich rieht mich allenthalben nach der karkheit an. Zit. nach LOCHNER, Briefe der Aebtissin Sabina im Kloster zum heiligen Kreuz in Bergen an ihren Bruder Willibald Pirkheimer, in: Zeitschrift für historische Theologie 1866, S. 518-566, dort S. 556 (Brief 14).

4

Vgl. dazu LENTES 1996, S. 191.

Schluß

311

lung der wichtigen Texte. Es verwundert nicht, daß reformierte Klöster später zu den wichtigsten Kunden der frühen Buchdrucker gehören sollten.5 In diese Produktionsbedingungen fugten sich gedruckte Illustrationen gut ein: Sie waren leicht erhältlich, schnell und ohne Organisationsaufwand, den etwa die Zusammenarbeit mit einem Buchmaler bedeutete, einzukleben und in ihrer standardisierten Ikonographie und ihrem reduzierten Typenvorrat vielfältig einsetzbar. Damit kamen sie auch der Individualisierung der Schreibtätigkeit in den reformierten Klöstern entgegen, die das Kopieren geistlicher Texte in die Nähe der privaten Andacht rückte. Druckgraphik ermöglichte buchkünstlerisch nicht ausgebildeten Schreiberinnen und Schreibern, ihre Texte selbst zu illustrieren. Auf diese Weise kam es auch zur Bebilderung von Texten, die kaum jemals herkömmlichen Miniaturenschmuck erhalten hätten - etwa einzelne Gebete in Sammelhandschriften, denen zur Förderung und Erweiterung der Meditation Bilddrucke beigefügt wurden. Doch dienten Bilddrucke nicht nur als disponibles Bildmaterial für improvisierte Buchausstattungen. Die im letzten Teil der Arbeit vorgestellte Gruppe von Passionsgebetbüchern machte deutlich, daß Druckgraphik zum integralen Bestandteil eines neuen Typs von Bilderhandschriften wurde. Auch dieser ist nur im Zusammenhang mit dem zunehmenden Bedürfnis an geistlicher Literatur in den Klöstern wie auch in Laienkreisen zu sehen, das die Buchhersteller nach neuen Möglichkeiten zur effektiveren Produktion suchen ließ. Daß gerade diese Gruppe der Forschung zum großen Teil unbekannt blieb, ist das bedauerliche Ergebnis von starren Gattungs- und Fachgrenzen: Die Kunstgeschichte interessierte sich nicht für die Texte auf den Rückseiten der Graphiken, die deren Bestimmung verraten; in der Abgeschiedenheit der graphischen Sammlungen bleiben sie jedoch auch den Philologen verborgen.6 Als hinderlich erwies sich auch die Trennung von Einblattdruck- und Blockbuchforschung. So entging mit dem Wiener Gebetbuch Ink. 2. H. 131 einer der vollständigsten frühen Holzschnittzyklen der kunsthistorischen Aufmerksamkeit, weil er - obwohl in engstem Zusammenhang mit anderen, in der Literatur unter den Einzelholzschnitten verzeichneten Blättern stehend - als 'chiroxylographisches Blockbuch' behandelt wurde und so in der Druckgraphik-Literatur so gut wie unbekannt blieb. Tatsächlich aber gehört das Wiener Büchlein in den größeren Zusammenhang einer Handschriftengruppe, für welche die seitenweise Zuordnung von Gebeten und gedruckten Bildern charakteristisch ist. Das soll nicht heißen, daß die Kategorie des 'chiroxylographischen Blockbuches' prinzipiell überflüssig ist. Gibt es doch Holzschnittfolgen, die offensichtlich für die Aufnahme handschriftlichen Textes innerhalb des Bildgerüstes 5

V g l . SEEBODE 1 9 7 7 , S . 5 8 f f . ; KÖNIG 1 9 8 4 , S. 1 0 2 .

6

Handschriften, die sich in Graphischen Sammlungen befinden, entgingen bislang zum Teil den intensiven Erfassungs- und Katalogisierungsbemühungen der letzten Jahrzehnte. Als Beispiel seien nur die als 'Cimelien' (Signaturengruppe 'Cim.') geführten Handschriften des Berliner Kupferstichkabinetts genannt, die nicht im „Handschriftenerbe des deutschen Mittelalters" von KRÄMER in MBK Ergänzungsband I, erfaßt wurden.

312

Schluß

entworfen waren (z. B. die 'chiroxylographische' Biblia pauperum) 7 und solche, bei denen die parallele Existenz von rein xylographischen und 'chiroxylographischen' Ausgaben mit Texten der gleichen Tradition beweist, daß es sich um zwei unterschiedliche Herstellungsarten des gleichen Buchtyps handelt (z. B. die handschriftlichen Ars moriendi-Ausgaben)8. Schon von der Begriffsbildung her sollte als das entscheidende Charakteristikum des Blockbuchs der in einen Holzblock geschnittene Text gelten. Ursprünglich diente der Begriff zur Scheidung der Drucktechnik des Textes von der des typographischen Buches. Die Definition des 'chiroxylographischen' Blockbuchs müßte sich hieran anschließen: Es wäre dann nur sinnvoll umschrieben als ein vom Aufbau und Text her dem rein xylographischen ähnliches Buch, bei dem jedoch - aus welchen Gründen auch immer - die Schrift manuell angebracht ist. Jede Holzschnittfolge mit handschriftlichem Text unter die Blockbuch einreihen zu wollen, ist dagegen wenig zweckmäßig, wie die Fülle des in der vorliegenden Arbeit untersuchten Materials deutlich gemacht haben sollte.9 Die Wiederholungen der Kopienreihe, der auch die Wiener Holzschnittpassion in Ink. 2. H. 131 angehört, wurden mit verschiedenen Texten verbunden, aber auch ohne jede Schrift verwendet: ein ganz anderes Phänomen als etwa die an eine bestimmte Texttradition gebundenen Ars moriendi-Folgen. Ähnliches gilt für die Kopienreihe der 'Gulden puchlein-Gruppe'. Es ist zwar anzunehmen, daß die Bildfolgen vom Typ der Wiener Handschrift oder der Stöger-Passion im Hinblick auf die Produktion solcher Büchlein hergestellt wurden, doch waren sie von den Textbeziehungen her offen: Von Passionstraktaten und -gebeten bis zu Christus- und Marienleben standen sie zur Illustration eines breiten Spektrums der großenteils auf die Passion bezogenen geistlichen Literatur der Zeit zur Verfugung. Es gälte, im Zusammenhang mit druckgraphischen Illustrationen an die Stelle des Schubladendenkens Handschrift Blockbuch - Inkunabel mit seinen fragwürdigen entwicklungsgeschichtlichen Implikationen eine offenere Vorstellung von der parallelen Existenz verschiedener Buchtypen zu setzen, die sich in Reaktion auf den erhöhten Literaturbedarf der Zeit der Möglichkeiten mechanischer Vervielfältigung von Schrift und Bild auf unterschiedliche Weise bedienten.10 Daß dabei mit verschiedenen medialen

7 8

Heidelberg, UB, in Cod.pal. germ. 438 (SCHREIBER, Manuel Bd. IV, S. 90). Zum Verhältnis der xylographischen und chiroxylographischen Ausgaben der Ars moriendi s. den Überblick von ZERNER 1971, S. 13; zu den Ars moriendi-Büchlein mit handgeschrieben e m T e x t s. RENGER 1 9 9 4 u n d BAURMEISTER 1 9 9 4 , S . 153 f.

9

10

Auf die Existenz weiterer komplexer Mischformen machte SCHEPERS 1999, S. 80 aufmerksam: Ein xylographisches Blockbuch ('Exercitium super pater noster', Ausgabe IIb in Paris, BN), das auseinandergeschnitten und mit handschriftlichem Text kombiniert wurde. Auch SCHEPERS lehnt hier die Bezeichnung als chiroxylographisches Blockbuch ab. Unter den wenigen Studien, die diesen Ansatz vertreten, ist der umsichtige Aufsatz von BAURMEISTER 1994 zu nennen. - Die trotzdem immer noch gängige Meinung von der chronologischen Folge dieser Typen vertrat z. B. MUSPER 1970, S. 24 f., zuletzt MERTENS in Blockbücher des Mittelalters 1991, S. 30 f. Die alte Vermutung, Blockbücher seien die Vorstufe des Druckes mit beweglichen Lettern, entbehrt jedoch jeder Grundlage. Die Anfänge der Buchproduktion mit beweglichen Lettern und Holztafeldruck sind nach den erhaltenen Zeugnissen etwa zur gleichen Zeit anzusetzen. MUSPERS unter Mißachtung des Reproduktions-

Schluß

313

Mischformen experimentiert wurde, fand in jüngerer Zeit verstärkt das Interesse der Forschung. Dazu gehört nicht nur das handgeschriebene Buch mit gedruckten Bildern, sondern auch umgekehrt das gedruckte Buch mit handgemalten Illustrationen - rechnen doch etwa einige der frühen Mainzer Inkunabeln von vorneherein mit ihrer manuellen Vollendung erst durch den Rubrikator und Buchmaler.11 Druckgraphiken, die Gemälde kopieren sind in jenen Jahrzehnten ebenso gängig wie Buchmalereien, die auf Kupferstiche zurückgehen; per Typendruck werden nicht nur bis dahin handschriftlich überlieferte Texte vervielfältigt, sondern umgekehrt werden gedruckte Texte auch noch per Hand abgeschrieben.12 Fest steht, daß die Verwendung von Bilddrucken zur Illustration von Handschriften eine wichtige Stellung im Veränderungsprozeß von der rein manuellen zur zunehmend mechanischen Vervielfältigung von Schrift und Bild einnimmt, der gerade das zweite Drittel des 15. Jahrhunderts kennzeichnet - ein Prozeß, der für die Kulturgeschichte des 15. Jahrhunderts bestimmend war wie kaum ein anderer.13 Doch sind große Entwicklungen wie diese nicht durch unbelegte Gemeinplätze zu erfassen, wie sie bislang die kunsthistorische Diskussion Charakters von Holzschnitten konstruierte Frühdatierung der ältesten Blockbücher um 1420 wird zwar bis in neueste Zeit wiederholt (vgl. MUSPER 1964, S. 78; ders. 1970, S. 25; ders. 1976, S. 49; zuletzt HELLMUT ROSENFELD in Blockbücher des Mittelalters 1991, S. 221), ohne dadurch überzeugender zu werden: Bislang konnten keine Beweise für die Entstehung eines Blockbuchs vor etwa 1450 angeführt werden (s. die Wasserzeichen-Untersuchungen von STEVENSON 1 9 6 7 u . 1 9 9 1 , v g l . a u c h BAURMEISTER 1 9 9 4 , S. 1 5 6 , PALMER 1 9 9 2 , S . 3 1 1 u n d

11

SCHEPERS 1999, S. 87). Die Chronologie zeigt, daß es sich vielmehr um verschiedene Arten der Reaktion auf den erhöhten Bedarf an Literatur handelt, die für ein Entwicklungsmodell nicht taugen. Die gleichzeitige Existenz von Blockbuch, Handschrift mit Graphikausstattung und illustriertem Inkunabeldruck hat ihren Grund sicher auch in verschieden organisierten und ökonomisch ausgestatteten Gruppen von Herstellern: Während der Druck mit beweglichen Lettern großen Kapitaleinsatz erforderte, konnte ein Formschneider ohne großen Aufwand ein Blockbuch, oder ein Schreiber eine Handschrift mit druckgraphischen Illustrationen herstellen. So enthalten die frühen juristischen Drucke Peter Schöffers Freiraum für gemalte Initialen und Illustrationen - was Schöffer in der Werbeanzeige für sein 'Decretum Gratiani' explizit als Vorzug der Ausgabe anpreist - und wurden teilweise schon im Auftrag des Druckers illuminiert und erst so „fertig" ausgestattet verkauft. Vgl. für die manuelle Vollendung der Gutenbergbibel die zahlreichen Beiträge von KÖNIG, U. a. 1983, 1984, 1987 und 1991; zu Schöffer etwa LOTTE HELLINGA, Peter Schoeffer and the Book-Trade in Mainz: Evidence for the Organization, in: DENNIS E. RHODES (Hg.), Bookbindings & Other Bibliophily. Essays in Honour of Anthony Hobson, Verona 1994, S. 131-183, sowie EBERHARD KÖNIG, Buchschmuck zwischen Druckhaus und Vertrieb in ganz Europa. Peter Schöffers Hieronymus-Briefe von 1470, in: Johannes Gutenberg - Regionale Aspekte des frühen Buchdrucks. Vorträge der internationalen Konferenz zum 550. Jubiläum der Buchdruckerkunst am 26. und 27. Juni 1990 in Berlin (Beiträge aus der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz 1) Berlin 1993, S. 1 3 0 - 1 4 8 .

12 13

Vgl. dazu etwa GRIESE 1996. Unter dem Begriff des 'Medienwechsels 1 rückt dieser Aspekt seit einigen Jahren verstärkt in den Blickpunkt der Forschung, ausgehend vor allem von der Philologie und Buchgeschichte. Zu den Arbeiten, die sich grundsätzlich mit dem Verhältnis der verschiedenen Bild- und Schriftmedien in dieser Umbruchszeit auseinandersetzen, gehören u. a. die von HINDMAN 1 9 7 7 , STAMM 1 9 8 3 , KÖNIG 1 9 8 7 , BELTING 1 9 9 0 , S . 4 7 4 ff., HELLINGA 1 9 9 1 , O r r 1 9 9 2 , BAURMEISTER 1 9 9 4 , RENGER 1 9 9 4 , EISERMANN 1 9 9 8 , NEDDERMEYER 1 9 9 8 . D e r g e r a d e i m

Druck befindliche B a n d von KLAUS GRUBMÜLLER - GERD DICKE, Die Gleichzeitigkeit von

Handschrift und Buchdruck, 2002, konnte nicht mehr rezipiert werden.

314

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bestimmten, sondern nur durch die genaue Untersuchung der historischen Zeugnisse. Der liebe Gott steckt auch hier, um Aby M. Warburgs Diktum aufzunehmen, im Detail. Zu den Voraussetzungen für eine differenziertere Sichtweise würde etwa gehören, den naturgemäß in den Kupferstichkabinetten geschulten kunsthistorischen Blick auf die Druckgraphik über deren Passepartouts hinweg auch auf die Bibliotheken zu richten; nötig ist vor allem die Überwindung der Fachgrenzen zwischen Kunstgeschichte auf der einen und Philologie sowie Buchund Bibliothekswissenschaft auf der anderen Seite, ja die Aneignung philologischer Arbeitsweisen durch die Kunstwissenschaft selbst. Nur so ist das reiche kulturgeschichtliche Studienfeld, welches das Verhältnis von Texten und Bildern zur großen Umbruchszeit ihrer Vervielfältigung bietet, mit Gewinn zu bestellen. Das in dieser Arbeit gewonnene Bild ließe sich durch das Einbeziehen weiteren Materials differenzieren und erweitern. So konnte hier etwa die Tatsache nicht berücksichtigt werden, daß in Handschriften des Klosters Tegernsee auch gegen Ende des 15. und in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts noch zahlreiche Druckgraphiken verwendet wurden - zu einer Zeit, als man die Bibliothek der Abtei schon mit zahlreichen Inkunabeln und Frühdrucken erweiterte. Auch in den Beständen anderer Klosterbibliotheken finden sich einzelne Handschriften mit Bilddrucken, die hier aufgrund des Gebotes der exemplarischen Beschränkung ausgeklammert werden mußten.14 Meist sind diese Bestände jedoch weniger dicht als die der oben behandelten Konvente, die Einklebungen spät und schwer datierbar oder aus anderen Gründen weniger aussagekräftig. Insofern kann die getroffene Auswahl von Fallbeispielen beanspruchen, an besonders charakteristischen Beständen wichtige Tendenzen aufgezeigt zu haben - ohne freilich das ganze Spektrum des Phänomens erfassen zu können. Deshalb wird jede Untersuchung neuen Quellenmaterials den Blickwinkel erweitern. Dies wäre eine wichtige Aufgabe künftiger Druckgraphikforschung. Auch gälte es, das Phänomen jenseits der hier gesetzten Zeitgrenze zu untersuchen. Denn selbst nach dem steilen Anstieg der Produktion illustrierter Inkunabeln zwischen etwa 1470-80 werden weiter Handschriften geschrieben und bisweilen mit Bilddrucken ausgestattet - unter veränderten Bedingungen und folglich in anderer Art und Weise. Gleichzeitig aber beginnt die Druckgraphik auch zum Sammlerobjekt im neuzeitlichen Sinn zu werden, das um seines „Kunstcharakters" willen, unabhängig von den traditionellen pragmatischen Gebrauchsbestimmungen, geschätzt wird. Das

14

So etwa der bemerkenswerte Druckgraphikbesitz österreichischer Klöster wie des Benediktinerinnenstifts Nonnberg, das in dieser Arbeit mehrfach nur am Rande berührt wurde, oder des Benediktinerklosters Mondsee. Der alte Nonnberger Bestand ist heute großenteils verstreut (vgl. HEITZ, Einblattdrucke Bd. 35, und Österreichische Kunsttopographie 7, S. 191-196, weitere noch in den Handschriften erhaltene unpublizierte Holzschnitte etwa in der BSB München; auch Blockbücher mit Nonnberger Provenienz sind erhalten). Zu den reichen, v. a. aus dem späten 15. und frühen 16. Jahrhundert stammenden druckgraphischen Handschriftenillustrationen aus dem Benediktinerkloster Mondsee vgl. GUGENBAUER 1912. Einen Einblick in den druckgraphischen Schmuck von Handschriften weiterer österreichischer Klöster geben u. a. GUGENBAUER i n HEITZ, E i n b l a t t d r u c k e B d . 3 5 , SCHREIBER in HEITZ, E i n b l a t t d r u c k e B d . 6 3 u n d HOLTER 1 9 5 9 .

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315

Spannungsfeld zwischen Funktionswandel und Weiterexistenz traditioneller Aufgaben wäre für die Druckgraphik des späten 15. und frühen 16. Jahrhunderts neu in den Blick zu nehmen. 15 Ein geschlossenes Bild von den Gebrauchsfunktionen der Druckgraphik des 15. Jahrhunderts wird wegen der Zerstörung allzu vieler Kontexte kaum je zu gewinnen sein. Doch vermag die Untersuchung jedes Bilddruckes, der originale Gebrauchsspuren in sein Passepartout eines Kupferstichkabinetts hinüberretten konnte, und jedes Blattes, das sich glücklicherweise am ursprünglichen Ort etwa in einer Handschrift - erhalten hat, dazu beizutragen, die frühe Druckgraphik besser in ihrer Historizität zu verstehen.

15

Dieses Spannungsfeld zwischen traditionellen Illustrationsfunktionen von Druckgraphik in Handschriften und der Betrachtung als Sammlungsgegenstand im neuzeitlichen Sinn wäre selbst am Beispiel des Bildbesitzes von Hartmann Schedel noch mit Gewinn zu untersuchen die Münchner Ausstellung von 1990 wurde dem mit einem wenig differenziert gebrauchten Begriff von „Graphiksammlung" nur bedingt gerecht. Was die Reflexion des Neben- und Miteinander von pragmatischer Gebrauchsbestimmung und „Kunst"-Charakter betrifft, liegt das Gewicht der meisten Studien zum 16. Jahrhundert (z. B. LANDAU - PARSHALL 1994) deutlich auf letzterem.

VERZEICHNISSE

Verzeichnis der besprochenen Handschriften und Fragmente Das Verzeichnis umfaßt die zentralen in der Arbeit besprochenen Handschriften mit druckgraphischer Ausstattung und Fragmente von solchen. Es dient der Entlastung des Textteils von Detailinformationen und ist nicht als Katalog des gesamten erfaßten oder gar erfaßbaren Materials zu verstehen. Ein solcher hätte den Rahmen der Publikation gesprengt. Die Sammlungen sind in der alphabetischen Reihenfolge der Ortsnamen aufgeführt. Zuerst werden jeweils die Handschriften nach aufsteigenden Signaturen, dann die aus Codices stammenden Einzelblätter nach den Nummern in den Katalogen von Schreiber und Lehrs genannt. Die Katalogeinträge dieser beiden Autoren sind nicht nochmals in der jeweiligen Literaturangabe aufgeführt, ebensowenig die Abbildungen in den bis Sehr. 1593 fortgeschrittenen Bänden des Illustrated Bartsch. Um die Liste nicht ausufern zu lassen, wurde bei den Handschriftenbeschreibungen versucht, eine knappe Form zu finden, die die wichtigsten kodikologischen Informationen und Angaben zu den druckgraphischen Illustrationen enthält. Da ein großer Teil der Einzelblätter bei Schreiber und Lehrs verzeichnet sowie in der Reihe Einblattdrucke des 15. Jahrhunderts, im Illustrated Bartsch, bei Lehrs und Hollstein abgebildet ist, wurden die Beschreibungen möglichst kurz gehalten und nur das genannt, was für das Phänomen der druckgraphischen Handschriftenillustration relevant ist oder neue Informationen bzgl. der Einordnung der Blätter vermittelt. Es wurde versucht, Wiederholungen gegenüber dem Textteil der vorliegenden Arbeit gering zu halten. Bei bislang unbeschriebenen Handschriften, unbekannten Blättern und dort, wo neue Zusammenhänge mitteilenswert erschienen, sind jedoch, auch auf die Gefahr von Ungleichgewichten hin, bisweilen ausführlichere Erläuterungen zu finden. Auch praktische Gegebenheiten - nicht alle Handschriften konnten gleich gründlich studiert werden - bedingten Ungleichmäßigkeiten. Der Kopf der Katalogeinträge ist angelehnt an die Richtlinien der DFG zur Katalogisierung mittelalterlicher Handschriften, insgesamt aber wurden die Beschreibungen der speziellen Fragestellung und dem Gebot der Kürze angepaßt.

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Verzeichnisse

Zum Aufbau der Handschriftenbeschreibungen: Signatur Kurzangabe des Inhalts Provenienz. Material; Blätter- bzw. Seitenzahl; Maße; Entstehungsort und -zeit (soweit bekannt) Schreiber, Datierungen, Besitzvermerke, ggfs. Schreibsprache etc. Einband Buchschmuck (außer Druckgraphik)

Erhaltene und ggfs. verlorene Ausstattung mit Druckgraphik (mit den Standardangaben; bei den Maßangaben: „?" bedeutet ein aufgrund von Fehlstellen, Beschädigungen o. ä. nicht bestimmbares Maß) Literatur

Beschreibungen von Einzelblättern: Inventarnummer Bildgegenstand ggfs. Provenienz Technik, Katalognummer bei Schreiber bzw. Lehrs Beschreibung Literatur

Handschriften

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Augsburg, Universitätsbibliothek

Cod. 1.3.8° 5 Sammelhandschrift, dt. (Gebete; Marienlegenden aus Otto von Passau, 'Die 24 Alten', und aus 'Der Heiligen Leben'; Heinrich von St. Gallen, Marienleben) Hanns Lidrer (wohl Nürnberg); Sammlung D. G. Schöber, Gera; OettingenWallersteinsche Bibliothek (seit 18. Jh.). Papier; 288 Bl.; 13,7 x 9,5 cm; Nürnberg (?), 1466 Einspaltig, drei Hände, davon Hanns Lidrer fol. l r , 10 r -288 r . Von ihm, der auch der erste Besitzer war, 1466 beendet, s. Kolophon fol. 287 v -288 r , in dem er sich probst zu dem newen spitall nennt. Rubriziert. Schreibsprache nürnbergisch. Roter Maroquin-Einband des 18. Jh. mit Wappen des Fürsten Kraft Ernst zu Oettingen-Wallerstein; Goldschnitt, Buchblock stark beschnitten, z. T. unter Textverlust.

Ausstattung mit Holzschnitten: - Fol. 30 r : Kreuzigung (Sehr. 470h, BAUMEISTER Nr. 19); zweiter Abdruck auf fol. 205 v . ? x 82 mm (beim Druck oben und unten abgedeckt). Die Figur des Gekreuzigten geht motivisch auf die als nürnbergisch (s. unter San Marino, Huntington Library, HM 195) bestimmten Holzschnitte Sehr. 444a und 447 zurück. Im Aufbau der Gewandfigur der Maria ähnlich den nürnbergischen Kreuzigungsblättern Sehr. 417, 417a, VIII *417b und 418 (s. u. bei Nürnberg, GNM, Hs 2261). -Fol. 42 r (Abb. 37): Himmelfahrt Mariae (Sehr. 723, BAUMEISTER Nr. 15). 111-112 x 71-72 mm. Zur Folge A gehörig (in dieser Hs. Holzschnitte von drei verschiedenen Folgen, hier A, B und C genannt). Links oben Ausbruch in der Einfassungslinie. Die Darstellung hängt motivisch mit keiner anderen in der Druckgraphik des 15. Jh. zusammen. Umgeben von mit Feder gezeichneter und lavierter Rankenbordüre. - Fol. 62r: Tempelgang Mariae (Sehr. 630b, BAUMEISTER Nr. 7). 73 x 60 mm. Folge A. Umgeben von der mit Feder gezeichneten Rankenbordüre. Unmittelbar nach dem Anfang (fol. 61 v unten) der Legende von Mariae Opferung (aus dem Prosalegendar 'Der Heiligen Leben') eingedruckt. - Fol. 103v (Abb. 36): Tod Mariae (Sehr. 711a; BAUMEISTER Nr. 21). ? x 94 mm (beim Druck oben und unten abgedeckt). Etwas jüngere, gleichseitige Wiederholung von Sehr. 711 (s. 'Gulden puchlein1, dort als nürnbergisch bestimmt); angelehnt an eines dieser Blätter bzw. an die Kopiengruppe ist der jüngere Holzschnitt Sehr. 710a. - Fol. 107r: Flucht nach Ägypten (Sehr. 122a; BAUMEISTER Nr. 8). 70 x 60 mm. Folge A. Umgeben von der mit Feder gezeichneten und lavierten Rankenbordüre. - Fol. 135v (Abb. 32): Taufe Christi (Sehr. 132a; BAUMEISTER Nr. 9). Einf. 70 x 57 mm. Folge A. Umgeben von der mit Feder gezeichneten und lavierten Rankenbordüre. Oben Anweisung für den Drucker: Cristus ward getaufft. Geht - bis in die Schraffur- und Faltengestaltung des Gewandes Christi - motivisch auf Sehr. 132 (bzw. dessen Vorbilder) zurück. -Fol. 185r (Abb. 34): Abendmahl (Sehr. 175c; BAUMEISTER Nr. 4). 83 x 63-64 mm. Unten Anweisung für den Drucker: abent essen. Folge B. Wiederholung des nürnbergi-

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Verzeichnisse

sehen Holzschnittes Sehr. 175b, der in einer Hs. des Katharinenklosters (London, BM, 158* b.3) klebt. - Fol. 190v: Ölberg (Sehr. 194a; BAUMEISTER Nr. 20). ? x 68 mm (oben und unten beim Druck abgedeckt). Hängt stilistisch mit keinem anderen Holzschnitte der Hs. zusammen. Eine sehr genaue gleichseitige Wiederholung (oder ein zweites Exemplar vom selben Holzstock - die Entscheidung war mir v. a. wegen der starken Übermalung nicht möglich) ist der bei SCHREIBER nicht verzeichnete Holzschnitt in Bad Windsheim, StB, Hs. 74, Rd. (s. HÖHN 1921, S. 184 f., Nr. 4, Abb. 7). Er ist dort zusammen mit einem Holzschnitt des Keltertreters (Sehr. 843) überliefert, von dem ein zweites Exemplar im 'Gulden puchlein' klebt, was auf die Herkunft aus dieser Werkstatt der Bordüren-Holzschnitte verweist (s. u. München, BSB, 'Gulden puchlein', bei fol. 1650- Fol. 192r (Abb. 38): Petrus verleugnet Christus (Sehr. 247a; BAUMEISTER Nr. 5). 83-85 x 64 mm. Unten rechts Anweisung für den Drucker: für {pilatum durchgestrichen) Annam pischoff. Folge B. Geht motivisch auf die gleiche Quelle zurück wie das Blatt Sehr. 247, das der in Nürnberg entstandenen Passionsfolge Sehr. 127 etc. in London, BM angehört. - Fol. 193r (Abb. 40 rechts): Pilatus wäscht sich die Hände (Sehr. 278b; BAUMEISTER Nr. 6). 83 x 63 mm. Unten Anweisung für den Drucker: für Pilatum. Folge B. Ohne Parallele in der Druckgraphik ist das Motiv der Schüssel, die zwischen Pilatus und Christus gehalten wird. Die Darstellung ist motivisch nichts anderes als die Erweiterung von Sehr. 259b (Christus vor Pilatus, in der Londoner Hs. 158* b.3 aus dem Nürnberger Katharinenkloster) um die Schüssel und ihren Träger. -Fol. 193r/198v (Abb. 40): Christus vor Pilatus, Spuren eines Fehldrucks (nicht bei SCHREIBER). 83 x ? mm. Gehört zu Folge B und geht auf die gleiche Vorlage zurück wie Sehr. 259b in der Londoner Hs. des Katharinenklosters (s. vorangegangener Holzschnitt). - Fol. 194r (Abb. 33): Geißelung (Sehr. 291c; BAUMEISTER Nr. 1). ? x 82 mm (oben und unten beim Druck abgedeckt). Unten Druckeranweisung: gayslung. Gehört der Folge C an, die stilistisch in der Nähe der Holzschnitte von Albrecht Pfisters Bamberger Druck des 'Ackermann aus Böhmen1 anzusiedeln ist. - Fol. 195r: Domenkrönung und Verspottung (Sehr. 322a; BAUMEISTER Nr. 2). ? x 83 mm. Unten Anweisung für den Drucker: krönung. Folge C. Die Figur rechts unten kommt auch in Sehr. 322c vor, der der in Nürnberg geschnittenen "Nonnberger Passion' angehört (s. Kap. IV.3.1.). -Fol. 197r: Kreuztragung (Sehr. 345a, BAUMEISTER Nr. 3). ? x 7 9 - 8 0 mm (beim Druck oben und unten abgedeckt). Folge C. Oben rechts Druckeranweisung: tregt das creucz. - Fol. 205 v : Kreuzigung (Sehr. 470h); anderer Abdruck auf fol. 30 r , s. dort. - Fol. 226 r : Kreuzabnahme (Sehr. 503a; BAUMEISTER Nr. 10). 71 x 60 mm. Oben rechts Anweisung für den Drucker: vom creücz. Folge A. Gleichseitige Wiederholung des Holzschnittes Sehr. 499, der der nürnbergischen Folge Sehr. 127 etc. in London, BM (s. dazu Kap. IV.3.1.), angehört. Von der gezeichneten Rankenbordüre umgeben (wie oben). -Fol. 228 r : Grablegung (Sehr. 530a, BAUMEISTER Nr. 11). 72-73 x 59-60 mm. Unten rechts Druckeranweisung: in daz grab. Folge A. Rechts unten kleiner Ausbruch der Einfassung. Mit gezeichneter Rankenbordüre. - Fol. 233 r : Auferstehung (Sehr. 543d; BAUMEISTER Nr. 12). 72 x 60 mm. Unten rechts Anweisung für den Drucker: vrstend O(isti). Folge A. Seitenverkehrte Wiederholung von Sehr. 543c; die Blätter hängen motivisch eng mit Sehr. 543 und 543a zusammen, die den nürnbergischen Folgen Sehr. 152b etc. CNonnberger Passion') und Sehr. 127 etc. angehören. Mit gezeichneter Rankenbordüre.

Handschriften

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- Fol. 21T: Himmelfahrt (Sehr. 584a; BAUMEISTER Nr. 13). 71-72 x 60-61 mm. Folge A. Motivisch Sehr. 582a nahestehend, aus der 'Nonnberger Passion'. Sehr schwacher Druck; umgeben von der gezeichneten Rankenbordüre. - Fol. 283 v (Abb. 30): Ausgießung des Hl. Geistes (Sehr. 594a; BAUMEISTER Nr. 14). 697 1 x 6 1 mm. Folge A. Rechts oben kleiner Ausbruch der Einfassung. Mit der gezeichneten Rankenbordüre. Kol. Blau, Grün, Gelb, Rot, Rosa, Braun, Graubraun, Zinnober, Inkarnat, Pudersilber und -gold (Nimben, Rüstungsteile u. ä.). Einige Linien mit schwarzer Tinte nachgezogen und Nimben verziert. Rankenbordüren Feder mit schwarzer Tinte, grün, gelb, braun und orange laviert. - Nürnberg, um 1460. Lit.: BAUMEISTER in HEITZ, Einblattdrucke Bd. 52, Nr. 1 - 1 5 , 1 9 - 2 1 , m. Abb.; MUSPER

1970,

Kommentarband, S. 5 7 ; HILG 1981, S. 2 6 - 2 9 ; FRANKENBERGER - RUPP 1 9 8 7 , S. 9 3 - 9 5 (Nr. 2 6 ) ; SCHNEIDER 1 9 8 8 , S. 1 2 8 - 1 3 1 ; SCHMIDT 1 9 9 8 , S. 7 6 , S. 8 5 A n m . 7 7 .

Cod. 111.1.2° 12 Legenden der hl. Katharina von Alexandria, Katharina von Siena und Vinzenz Ferrer Bamberg, Dominikanerinnenkloster Heiliggrab; Oettingen-Wallersteinsche Bibliothek (erworben 1812). Papier; 1 + 247 Bl.; 30,8 x 21,2 cm; Bamberg, 1465-66 Bastarda von verschiedenen Händen, darunter Martha Peurlin (fol. 8^-160 R A ), die 1457 aus dem Nürnberger Katharinenkloster nach Bamberg gekommen war. Von ihr datiert 1465 (fol. 7 5 ^ ) und 1466 (fol. 159 VB ). Rubriziert, fol. l r a und 4RA rote Initialen mit einfacher Rankenverzierung. Alter Einband, heller Lederüberzug mit Streicheisenmuster und Einzelstempeln; die zwei Schließen fehlen.

Ausstattung mit Druckgraphik (Abb. 64): Ehemals lose beiliegend (bei der Katalogisierung durch Karin Schneider zwischen fol. 234 und 235 gefunden), heute getrennt aufbewahrt: Holzschnitt hl. Katharina von Alexandria (nicht bei SCHREIBER, bislang unbekannt). Innere Einf. 69 x 49 mm, Bl. 92-93 x 69-71 mm. Kol. Grün, Rot, Ockergelb, unsorgfältig bemalt; Tintenflecken. - Der Holzschnitt war auf einen Bogen mit mehreren Darstellungen gedruckt, wie die Reste eines äußeren Rahmensystems zeigen. Weitere Blätter dieser Folge waren bislang nicht zu finden; doch scheint die hl. Barbara Sehr. VIII * 1260c (Zürich, ETH) eine etwas jüngere Kopie nach einem Holzschnitt dieser Folge zu sein. Eine seitenverkehrte Wiederholung der hl. Katharina (Kopie nach diesem oder einem motivgleichen Blatt?) aus dem letzten Viertel des 15. Jh. ist Sehr. 1333 (Wien, Albertina). - Süddeutsch, um 1460. Lit.: SCHNEIDER 1 9 8 8 , S. 1 6 8 - 1 7 0 ; WILLIAMS-KRAPP 1 9 9 8 , S. 1 5 8 - 1 6 0 .

Cod. 111.1.8° 3 Sammelhandschrift, dt. (Sprüche, Exempel, Gebete, div. Exzerpte etc.) Augsburg, Dominikanerinnen. Papier; I + 161 Bl.; 14,2 x 10 cm; Augsburg, 1449

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Verzeichnisse

Eine Hand (Schreiber: evtl. der auf fol. 106 v genannte Andreas), Nachtrag (fol. 159 v ) von der Augsburger Dominikanerin Elisabeth Warausin. Rubriziert, rote Lombarden. Roter Maroquin-Einband des 18. Jh. mit Supralibros des Fürsten Kraft Ernst von OettingenWallerstein. Auf fol. I v vier Miniaturen des 15. Jh. auf Pergament eingeklebt (Kreuzigung, Kreuzabnahme, Grablegung, Auferstehung).

Ausstattung mit Druckgraphik (Abb. 81): Auf fol. 141v am linken Seitenrand aufgeklebt: Hl. Magdalena, Holzschnitt (nicht bei SCHREIBER). Einf. ? (links, rechts und unten beschnitten); Bl. 65 x 21-22 mm. Kol. Grün, Blau, Rotbraun, Gelb, Braun, sulfidiertes Silber, Inkarnat. Das Blatt wurde nachträglich (der Zeitpunkt ist nicht genau bestimmbar) auf den linken Seitensteg neben den Anfang eines Gebetes zur hl. Magdalena1 geklebt. - Süddeutsch, ca. 1450-60, vermutlich nach einem Vorbild des zweiten Viertels des 15. Jh. Lit.: SCHNEIDER 1988, S. 373-386.

Cod. 111.1.8° 7 Gebete und Betrachtungen, dt. Nordostbayerisches, vielleicht oberpfälzisches Dominikanerinnenkloster. Papier; 304 Bl.; 10 x 7 cm; 1470er/80er Jahre (u. a. 1476) Eine Haupthand, unterbrochen von mehreren gleichzeitigen Händen. Auf fol. 230 v datiert 1476 per me Johannes New[... Rest getilgt], nicht die Haupthand. Rubriziert, rote Lombarden. Wasserzeichen u. a. Ochsenkopf Picc. Typ XV, 341-344 (1476-82). Alter Einband, roter Lederüberzug mit Streicheisenmuster und Einzelstempel, eine Schließe ohne Riemen. Ganzseitige kol. Federzeichnungen: fol. 108 r Jesuskind im Hl. Herzen, fol. 173 r hl. Margarethe.

Mehrere eingeklebte Bilder wurden entfernt (fol. 2V, 32v, 205v, 226v), darunter evtl. auch Drucke. Auf fol. 2V war es, nach dem Gebet zu schließen, etwa eine Vera icon, auf fol. 226v eine Darstellung der arbeitenden Ureltern (s. Beschriftung am Rand: Da Adam hacht vnd Eva spann, wer was da ein edelmann...); mehrere Holzschnitte dieses Themas existieren (Sehr. 14m, 14n, 14o). Ausstattung mit Druckgraphik: Auf fol. 120v eingeklebt: Christuskind im Hl. Herzen mit Lanzenstich, vor dem Kreuz und den Wundmalen; Holzschnitt auf Pergament (Sehr. 807a). Einf. 67 x 55 mm. Kol. Grün, Gelb, Rot, Blau, Gold; Umrandung Rot. Das Thema ist im Holzschnitt des 15. Jh. sehr beliebt; SCHREIBER verzeichnet 20 verschiedene Ausführungen (Sehr. 796-808a). Dieses Blatt gehört ikonographisch zur Gruppe Sehr. 807, 807b, VIII *807c. Es wurde vor dem Weihnachtsgebet Gegrüsset

seystu liebes kint Ihesus... (fol. 121 r -122 r ) eingeklebt,

wahrscheinlich war es schon beim Schreiben eingeplant. - Süddeutsch, 4. V. 15. Jh.

1

Aus dem Ebran-Gebetbuch des Johannes von Indersdorf (München, BSB, Cgm 29, s. HAIMERL 1952, S. 155 Anm. 958).

Handschriften

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Lit.: BAUMEISTER in HEITZ, Einblattdrucke Bd. 52, Nr. 35; Auktionskatalog Karl und Faber, München, Auktion 9, II. Mai 1934, S. 14 (Nr. 67); SCHNEIDER 1988, S. 406-422.

Bamberg, Staatsbibliothek

Msc. hist. 154 Legende der hl. Katharina von Alexandria,2 Lobrede auf Katharina Nürnberg, Dominikanerinnen. Papier (fol. 1 Pergament); 164 Bl.; 22 x 14,6 cm; Nürnberg, 1451 Eine Hand: Kunigund Niklasin (nicht Margareta Kartäuserin wie lt. LEITSCHUH S. 253). Auch im Katalog des 15. Jh. ist Niklasin als Schreiberin genannt (MBK Bd. 111,3, S. 616). Rubriziert, einfache rote Lombarden. Dat. 1451 (fol. 1631)- Fol. l r Besitzvermerk des Nürnberger Dominikanerinnenklosters, fol. 2R Bibliothekssignatur L XIX (darunter im alten Katalog verzeichnet, s. MBK Bd. 111,3, S. 6 1 6 ) .

Moderner Pappeinband. Auf fol. l r und 8V neunzeilige fleuronnierte Initialen E, rote und braune Tinte und Deckfarben, von Fabeltieren bewohnt.

Ausstattung mit Druckgraphik (Abb. 43): Fol. l v : Hl. Katharina, Holzschnitt (Sehr. 1321a). Einf. 134 x 73-74 mm; umgeben von einer von getrenntem Stock gedruckten Bordüre, 186 x 126-128 mm (sehr ähnlich, doch nicht identisch mit der Bordüre, die Sehr. 711, 741 d, 1153 und 1650 - alle in Handschriften des Katharinenklosters - umgibt). Kol. Grün, Ocker, Blau, Violett, Grau, Rot, Gelb, Weiß, Schwarz, Inkarnat, Gold, Silber, Hintergrund in Rosa mit goldenen und schwarzen (sulfidiertes Silber?) Ranken. Einige Konturen, Augen und Haare schwarz nachgezogen. Der Holzschnitt ist auf ein Pergamentblatt gedruckt, das fest im Lagenverband sitzt und zur ursprünglichen Konzeption der Handschrift gehört (s. o. Schemazeichnung auf S. 55). - Er folgt der gleichen Vorlage wie Sehr. 1321, 1321b, 1321c, 1322a und 1322b. (Zum Problem der Lokalisierung der Vorlage s. u. bei Cent. VI, 43 n ). - Süddeutsch (evtl. nürnbergisch?), 1440er Jahre. Lit.: LEITSCHUH B d . 1,2, S. 2 5 2 f.; RASPE 1 9 0 5 , S. 2 9 A n m . 5; PFEIFFER in HEITZ, E i n b l a t t d r u c k e B d . 19, N r . 8; WEINBERGER, F o r m s c h n i t t e 1 9 2 5 , S. 2 7 A n m . 2 2 , S. 3 7 ; M B K B d . 111,3, S. 5 7 3 ; WILUAMS-KRAPP 1 9 8 6 , S. 3 4 3 u. 4 2 6 ; HASEBRINK 1 9 9 6 , S. 2 0 5 ; SCHMIDT 1 9 9 8 , S . 7 2 f., S. 8 4

Anm. 3 9 .

2

Interpolation der Legende aus 'Der Heiligen Leben'; zu dieser Überlieferungsgruppe s. ASSION 1969, S. 82-94, Edition S. 513-588; WILLIAMS-KRAPP 1986, S. 343 u. 426.

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Verzeichnisse

Berlin, Kupferstichkabinett SMPK Cim. 22 Passionsgebete, dt. Slg. v. Nagler. Papier; I + 13 + 1 Bl.; 13,2-13,9 x 9,4-10,2 cm; Bayern, M. 15. Jh. Eine Hand. Rot gestrichelt; grüne, rote und hellbraune Lombarden. Die Blätter des Büchleins sind heute in der falschen Reihenfolge gebunden. Ursprünglich bestand es aus Doppelblättern, die jeweils auf den Vorderseiten zwei nebeneinander gedruckte Holzschnitte trugen, auf den Rückseiten die Texte, die sich auf die nach der Bindung gegenüberliegenden Bilder bezogen (s. Rekonstruktion in Textabbildung S. 294). Sie bildeten einen Faszikel, in dessen Mitte sich das heutige Bl. 2 mit beidseitigen Gebetstexten befand. Pappeinband, überzogen mit dem Papier einer liturgischen Inkunabel. Vorne neuzeitliches Titelschildchen Passio domini nostri Jesu Christi.

Druckgraphik: - Fol. l r : Einzug in Jerusalem (Sehr. 151a). Einf. 128 x 86 mm. Rückseite leer. - Fol. 2 r : Gebet über die Mißhandlung und Verspottung durch die Juden (vgl. Nürnberg, GNM, Hs 1735, fol. 970- Fol. 2V: Gebet zur Dornenkrönung (vgl. GNM, Hs 1735, fol. 960-

- Fol. 3 r : Abendmahl (Sehr. 170a). Einf. 134 (?) x 91 mm. Fol. 3V: Gebet zum Einzug in Jerusalem (vgl. GNM, Hs 1735, fol. 91r). - Fol. 4 r : Ölberg (Sehr. 193a). Einf. 133 x 92 mm. Fol. 4V: Gebet zum Abendmahl (vgl. GNM, Hs 1735, fol. 920- Fol. 5 r : Christus vor Pilatus (Sehr. 257a). Einf. 131 x 83 mm. Vom Schreiber des Büchleins zu Annas uminterpretiert, wie die Notiz Annas in roter Tinte zeigt. Damit konnte der Bilderzyklus, dem offenbar eine Darstellung Christi vor Annas fehlte, mit dem Textzyklus koordiniert werden Fol. 5V: Gebet zur Fußwaschung und zur Verzweiflung am Ölberg (vgl. GNM, Hs 1735, fol. 930- Fol. 6 r : Dornenkrönung (Sehr. 310a). Einf. 139 x 93 mm. Fol. 6V: Gebet zur Geißelung und Verspottung (vgl. GNM, Hs 1735, fol. 95r). - Fol. 7r: Geißelung (Sehr. 290a). Einf. 125 x 95 mm. Fol. 7V: Gebet zur Gefangennahme und Vorführung vor Annas (vgl. GNM, Hs 1735, fol. 94v). - Fol. 8r: Ecce homo (Sehr. 329a). Einf. 131 x 83 mm. Fol. 8V: Gebet zur Kreuztragung und Entkleidung (vgl. GNM, Hs 1735, fol. 980- Fol. 9 r : Kreuztragung (Sehr. 343a). Einf. 130 x 85 mm. Fol. 9V: Gebet zur Kreuzigung (vgl. GNM, Hs 1735, fol. 991). - Fol. 10r: Christus am Kreuz zwischen Maria und Johannes (Sehr. 435b). Einf. 128 x 87 mm. Fol. 10v: Gebet zur Kreuzabnahme und Beweinung (vgl. GNM, Hs 1735, fol. 100r)- Fol. 1 l r : Grablegung (Sehr. 519a). Einf. 132 x 86 mm. Fol. 1 l v : Gebet zur Auferstehung (vgl. GNM, Hs 1735, fol. 1020-Fol. 12r: Auferstehung (Sehr. 538o, s. Abb. 236). Einf. 138 x 91 mm. Gleichseitige Wiederholung im Blockbuch des Symbolum apostolicum in Wien, ÖNB, Ink. 2. D. 42, 7. Blatt (hl. Philippus, Vorhölle und Auferstehung), vgl. SCHREIBER, Manuel Bd. IV, S. 239. - Fol. 12v leer. - Fol. 13r: Pietà unter dem Kreuz mit Arma Christi (Sehr. 977b). Einf. 138 x 85 mm.

Handschriften

325

Kol. Grün, Blau, Zinnober, Hell- und Dunkelbraun, Gelb. D i e Holzschnitte reflektieren sehr unterschiedliche V o r l a g e n (s. das unterschiedliche Körperverständnis, vgl. etwa den langgestreckten

Körper Christi

in der Geißelung mit den gestauchten Figuren

des

Einzugs). Es ist daher fraglich, ob man die Ölbergszene mit HEUSINGER 1953, S. 2 5 tatsächlich einer anderen Hand zuschreiben muß (zumal seine Behauptung, das Format wäre größer, nicht richtig ist); eher sollte man ein anderes Vorbild annehmen. HEUSINGER stellte, in der N a c h f o l g e COHNS, die Blätter in die N ä h e des Elsässischen Meisters v o n 1418. D a s ist für die Holzschnitte z w e i f e l l o s zu früh; z u überlegen wäre allenfalls, o b ein Teil des Vorlagenmaterials aus d i e s e m Kreis g e k o m m e n sein könnte. D i e Blätter sind nicht vor 1 4 4 0 z u datieren. Der Schreibsprache nach ist die Hs. j e d o c h in Bayern entstanden. D i e Texte sind auch in dem bayerischen C o d e x H s 1735 in Nürnberg, G N M , überliefert. Dort stehen sie leergebliebenen Seiten gegenüber, auf denen ursprünglich Illustrationen (Miniaturen oder einzuklebende Graphiken?) geplant waren. Lit.: LEHRS 1908, N r . 1 3 - 2 4 ; COHN 1934, S. 19 f.; HEUSINGER 1953, S. 2 5 f.; JÄNECKE 1964, S. 1 4 1 - 1 4 3 ; CHRISTIAN VON HEUSINGER, W a r D i e b o l d L a u b e r V e r l e g e r ? , in: WOLFGANG MILDE -

WERNER SCHUDER (Hgg.), de captu lectoris. Wirkungen des Buches im 15. und 16. Jahrhundert, dargestellt an ausgewählten Handschriften und Drucken, Berlin - New York 1988, S. 145-154, dort S. 149 f.; HOLM BEVERS in DÜCKERS 1994, S. 93; G u t e n b e r g 2 0 0 0 , S. 2 6 9 ; REGINA CERMANN,

Katalog der deutschsprachigen illustrierten Handschriften des Mittelalters (Veröffentlichungen für deutsche Literatur des Mittelalters der Bayerischen Akademie der Wissenschaften), Bd. 5: Gebetbücher (im Druck), S. 4 7 - 5 0 (Kat. Nr. 43.1.15).

Cim. 23 Gebetbuch, dt. 3 Prov. unbekannt. Pergament u. Papier; I + 36 + I Bl. (Vor- und Hintersatzblatt modern); 13,2 x 8,6 cm; Bayern, ca. 1450-1460 Textualis und Bastarda, drei Hände. Rubriziert, rote Lombarden. Weibliche grammatikalische Formen in den Gebeten deuten auf die Bestimmung für eine Frau. Aus zwei unterschiedlichen Teilen (aus Pergament, fol. 1-19, und Papier, fol. 20-36) zusammengebunden. Der zweite besteht aus mit Metallschnitten bedruckten Blättern. Hier ist die originale Lagenstruktur gestört, die Doppelblätter waren getrennt und an Papierfalzen in anderer Ordnung wieder zusammengefügt worden (s. Rekonstruktion in Textabb. S. 276). Ursprünglich bestand dieser Teil aus einem regelmäßigen Faszikel von Doppelblättern, die jeweils auf der einen Seite zwei nebeneinander gedruckte Metallschnitte enthielten, auf der anderen den Text zweier Seiten, der sich auf die in der fertigen

3

Fol. l r - 8 r : Kurze Passionsgebete (Mahnungen an Christus). Fol. 8 r - 1 0 r : Mahnungen an die sieben Freuden Mariae. Fol. 10 r -12 r : Eucharistiegebete (ähnlich, doch nicht ident. mit Johannes von Neumarkt, vgl. KLAPPER 1935, Nr. 58 u. 66). Fol. 12 v : Heinrich Seuse, Gebet zu Christus (aus dem Büchlein der ewigen Weisheit, Ausg. von BIHLMEYER 1907, S. 303; s. auch Johannes von Neumarkt, KLAPPER 1935, Nr. 99, dort durch die Rubrik als Eucharistiegebet ausgewiesen). Fol. 1 3 r - 1 4 v : Heinrich Seuse, Gebet zu Christus (aus Seuses Büchlein der ewigen Weisheit; Ausg. von BIHLMEYER 1907, S. 303; s. auch Johannes von Neumarkt, s. KLAPPER 1935, Nr. 99). Fol. 15 r -19 r : div. Gebete, das erste dem Papst Cölestinus zugeschrieben. Fol. 1 6 r - 1 7 v : Passionsgebete (Mahnungen an Christus). Fol. 17 v : Bearbeitung von Johannes von Neumarkt, Reuegebet zu Christus (KLAPPER 1935, Nr. 46). Fol. 18 r -19 r : Bitten und Anrufungen an Gottvater und -söhn. Fol. 2 0 r - 3 6 v : Illustrierte Gebete zu den einzelnen Leidenstationen.

Verzeichnisse

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Lage jeweils gegenüberliegenden Bilder bezog (vgl. o. Cim. 22 in der selben Sammlung, sowie den Metallschnittzyklus im Art Institute of Chicago, s. u.). An den Längsseiten beschnitten, teilweise unter Textverlust. Pappeinband mit Pergamentüberzug, Streicheisenlinien, wohl 19. Jh. Druckgraphik: Zur Texttradition der Gebete s. o. Kap. IV.3.4. Die Metallschnitte ('Stöger-Passion') sind ausführlich unter Wien, Albertina beschrieben, wo die Folge vollständiger erhalten ist. Hier zur Vermeidung von Wiederholungen nur Kurzangaben: - D a s Gebet auf fol. 21 r läßt auf ein vorangegangenes, heute fehlendes Blatt mit dem Metallschnitt des Einzugs in Jerusalem schließen. - Fol. 21 v : Abendmahl und Fußwaschung (Sehr. 2232). Gebet dazu auf fol. 22 r . - Fol. 22 v : Christus am Ölberg (Sehr. 2243). Gebet dazu fol. 23 r . - Fol. 23 v : Gefangennahme (Sehr. 2253). Zugehöriges Gebet auf fol. 24 r . - Fol. 24 v : Christus vor Kaiphas (Sehr. 2262). Gebet dazu fol. 25 r . - Fol. 25 v : Christus vor Pilatus, der sich die Hände wäscht (Sehr. 2273). Gebet dazu auf fol. 26 r . - Fol. 26 v : Geißelung (Sehr. 2281). Einf. 102 x 76 mm. Zugehöriger Text fol. 27 r . - Fol. 27 v : Dornenkrönung (Sehr. 2288). Das zugehörige Gebet befand sich auf einem nachfolgenden Blatt, das heute fehlt. - Fol. 28: Beidseitig nur Text, auf fol. 28 r Gebet zur Kreuztragung, auf 28 v zum Hl. Antlitz. Diese Gebete bezogen sich auf die entsprechenden Metallschnitte eines dieses Einzelblatt umschließenden Doppelblattes, das heute verloren ist. In der Wiener Folge der Stöger-Passion sind diese beiden Metallschnitte jedoch noch erhalten. - Fol. 29 r : Christus am Kreuz zwischen Maria und Johannes (Sehr. 2324). Das Gebet dazu befand sich auf der Verso-Seite des verlorenen Blattes, das recto wahrscheinlich den Metallschnitt der Vera icon trug. - Fol. 30 r : Beweinung (Sehr. 2474). Zugehöriges Gebet fol. 29 v . - Fol. 31 r : Grablegung (Sehr. 2364). Gebet dazu fol. 30 v . - Fol. 32 r : Christus in der Vorhölle (Sehr. 2424). Gebet dazu fol. 31 v . - Fol. 33 r : Auferstehung (Sehr. 2376). Zugehöriges Gebet fol. 32 v . - Fol. 34 r : Noli me tangere (Sehr. 2386). Gebet dazu fol. 33 v . - Fol. 35 r : Himmelfahrt (Sehr. 2395). Zugehöriges Gebet fol. 34 v . - Auf fol. 35 v Gebet über das Jüngste Gericht, was ein heute verlorenes Blatt mit dem Metallschnitt des Jüngsten Gerichtes rekonstruieren läßt (noch vorhanden in der Wiener Folge, vgl. Schema auf S. 276). Danach heute auf fol. 36 r / v ein Gebet zu Johannes d. T., das am Ende von fol. 36 v mitten im Satz abbricht. Auch hier also Textverlust. Alle Metallschnitte kol. mit Grün, Gelb, rotbraunem Lack. Lit.:

LEHRS,

Krit. Kat. Bd.

I,

S.

158;

Sux

1920,

S.

8; SCHREIBER 1 9 2 6 ,

S.

18

f.;

HAEBLER 1 9 2 7 ,

S. 2 1 ; DODGSON 1 9 3 7 , S. 5 2 - 5 7 ( a l s M s 3 5 ) ; GELDNER 1 9 7 9 , S. 2 1 ; FIELD 1 9 8 6 , S . 2 0 4 ; SCHMIDT 1 9 9 8 , S. 8 1 f., S. 8 7 ; REGINA CERMANN, Katalog der deutschsprachigen illustrierten Handschriften des Mittelalters (Veröffentlichungen für deutsche Literatur des Mittelalters der Bayerischen Akademie der Wissenschaften), Bd. 5: Gebetbücher (im Druck), S. 5 0 - 5 3 (Kat. Nr. 4 3 . 1 . 1 6 ) .

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Cim. 27 Heinrich von St. Gallen, Teile aus dem Marienleben und dem Passionstraktat;4 Osterhymnus, Sprüche, Exzerpte, dt. Vermutlich Nürnberg, Klarissen. Papier; I + 146 + I Bl.; 15,5 x 10,4 cm; Nürnberg, 2. H. 15. Jh. Vier Hände; von der vierten (fol. 138r-144r) stammt auch der Besitzeintrag im Rd.: Gerhaus Meyerin, closter frawen czu sant Clarn kloster (Abb. 83).5 Rote Lombarden, rote Strichelung. Schreibsprache nürnbergisch. Alter Einband, rotes Leder, unverziert. Die zwei Schließen fehlen. Ausstattung mit Druckgraphik (Abb. 84): Auf dem vorderen Deckelspiegel (Papier) klebt ein Holzschnitt der hl. Birgitta (Sehr. 1292a). Einf. 143 x 97 mm, Bl. 145 x 98 mm. Kol. Rotlack, Gelbbraun, Olivgrün, Ocker, Rand Gelb. Gleichseitige Wiederholungen sind Sehr. 1292b und 1301, etwa zur gleichen Zeit entstanden; seitenverkehrt Sehr. 1291 aus dem letzten Viertel des 15. Jh. Süddeutsch, um 1450. Lit.: KRISTELLER 1 9 1 5 , N r . 127.

Inv.-Nr. 7-13 (Mappe 107 A 1) Folge von 14 Holzschnitten aus dem Leben Mariae und der Passion Christi Sehr. 45 etc. Prov.: Slg. vonNagler Die sieben Blätter sind beidseitig bedruckt und bildeten einst ein kleines Büchlein oder einen eigenständigen Bildteil einer Hs. An den Rändern sind noch die Spuren von Falzen zu sehen, an denen sie angeklebt waren; unter den Darstellungen der Verkündigung, der Geißelung und Kreuztragung Spuren einer alten Foliierung. Sie ist nachmittelalterlich, doch war sie schon angebracht, bevor das Büchlein auseinandergenommen und beschnitten wurde, denn auf den meisten Blättern ist sie weggeschnitten. Über jeder Darstellung befindet sich eine Schriftzeile von einer Hand des 15. Jh., die den Inhalt des Bildes bezeichnet. Ihr Schreiber stammte aus dem bairischen oder fränkischen Raum. 6 Die Reihenfolge der Aufzählung entspricht dem rekonstruierten Aufbau des Büchleins, der etwas von der chronologischen Folge der Leidensstationen abweicht: 4

5

Fol. l r -15 v : Heinrich von St. Gallen, Marienleben (entspricht nach der Ausgabe von HILG 1981 Kap. XV, Z. 1-242). Dann fol. 15 v -129 v Fortsetzung mit dem Passionstraktat (entspricht der Ausgabe von RUH 1940, S. 32 Z. 7 ff.). Diese Handschriften nicht in den Verzeichnissen von HILG und RUH. Möglicherweise identisch mit der im Nekrolog des Nürnberger Klarissenklosters (s. Schreibsprache des Textes) als Gertrud Mair verzeichneten Schwester (1451 eingetreten, f 1501, s. KJST 1 9 2 9 , S. 134).

6

Die Diphthongierung des mhd. /iu/ in kreutz sowie des mhd. /u/ in auf weisen in dieser Zeit nach BESCH 1967, S. 75-77 eindeutig in einen Raum, der Bayern, Mainfranken und die Nürnberger Gegend umfaßt. Schwaben und der Oberrhein sind eindeutig ausgeschlossen.

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- Verkündigung (Sehr. 45). Einf. 69 x 58 mm. Oben der Schriftzug: vnsers herrn kundug [!]. Links Klebespuren eines Falzes. Rechts unten Rest einer alten Foliierung (/). Auf der Rückseite die Darstellung: - Geburt Christi (Sehr. 72). Einf. 70 x 58 mm. Überschrift: vnsers herrnpurt. - Tod Mariae (Sehr. 721). Einf. 69 x 57 mm. Überschrift: vnser frawen schiedung. Auf der Rückseite: - Stehende Madonna mit Kind in der Landschaft (Sehr. 1074, s. Abb. 196). Einf. 70 x 58 mm. Überschrift: vnser fraw alls sie ir kint am arm hot. Rechts Klebespuren eines Falzes. - Gefangennahme (Sehr. 227). Einf. 70 x 58. Überschrift: als der herr gefangen wart. Rückseite: - Christus vor Pilatus, der sich die Hände wäscht (Sehr. 282). Einf. 70 x 59 mm. Überschrift: als der herr für gericht wart gefurt. Am rechten Rand Klebespuren eines Falzes. - Geißelung (Sehr. 302). Einf. 70 x 58 mm. Überschrift: als der herr gegeiselt wart. Am linken Rand Klebespuren des Falzes. Die rechte untere Ecke des Blattes ist mit einem aufgeklebten Pergamentstück ausgebessert. Darauf Rest einer alten Foliierung (4). Auf der Rückseite: - Dornenkrönung (Sehr. 315). Einf. 70 x 58 mm. Überschrift: als der herr gekrunt wart. - Kreuztragung (Sehr. 356, s. Abb. 197). Einf. 70x 58 mm. Überschrift: als der herr dz kreutz auß trug. Am linken Rand Spuren eines angeklebten Falzes. Rechts unten Rest einer alten Foliierung (5). Auf der Rückseite: - Kreuzannagelung (Sehr. 680, s. Abb. 198). Einf. 70 x 58 mm. Überschrift: als der herr an dz kreutz genagelt wart. - Kreuzabnahme (Sehr. 504). Einf. 70 x 58 mm. Überschrift: (als m)an herrn vom kreutz nam vnd begraben wart. Auf der Rückseite: - Christus am Kreuz zwischen Maria mit dem Schwert im Herzen und Johannes (Sehr. 686). Einf. 70 x 58 mm. Überschrift: als der herr am kreuez hing. Am rechten Rand Spuren eines angeklebten Falzes. -Noli me tangere (Sehr. 561). Einf. 70 x 58 mm. Überschrift: als der herr am ostertag Maria Magdalen erschein. Am linken Rand Spuren eines angeklebten Falzes. Auf der Rückseite: - Ölberg (Sehr. 205). Einf. 70 x 58 mm. Überschrift: als der herr pet auf dem olperg. Kol. Tiefblau, Grün, Rot (zwei Töne), Zinnober, Inkarnat, Braun, Silber (Nimben, Waffen), Rahmen Gelb. Einfassungslinien und einige Konturen mit schwarzer Tinte nachgezogen. Die Farben teilweise berieben und verwaschen, wohl bei einem Versuch, sie zu entfernen. Die Holzschnitte sind nicht von denselben Holzstöcken gedruckt wie die entsprechenden Darstellungen im 'Gulden puchlein1 der Bayerischen Staatsbibliothek (Sehr. 46 etc.). SCHREIBER hatte die beiden Folgen in der ersten Auflage seines Manuel von 1891 getrennt verzeichnet, sie aber in der zweiten Auflage von 1926 in der Nachfolge KRISTELLERS 1915, S. 8 als Drucke von denselben Modeln aufgenommen. Doch gibt es kleine Unterschiede, die zweifelsfrei beweisen, daß sie von verschiedenen Stöcken stammen. Davon seien nur die markantesten genannt: Auf den Verkündigungsbildern hat der Strahl zwischen Gott und Maria unter der Heiliggeist-Taube in Berlin vier Linien, in München nur drei. Bei der Geburt ist am rechten Arm Christi in Berlin eine entstellende, wohl mißverstandene Linie zu beobachten, die in München fehlt. Auf den Darstellungen des Verrats ist der linke untere Gewandzipfel des Judas im 'Gulden puchlein' näher an der Einfassung als in der Berliner Folge, die Schulterklappe des zweiten Soldaten von rechts ist verschieden gestaltet. Bei den Holzschnitten der Vorführung Christi vor dem hände-

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waschenden Pilatus sind u. a. die Schärpen des Pilatus und die Wasserschüsseln unterschiedlich gestaltet. Lit.: KRISTELLER 1915, N r . 1 3 - 1 5 u. 105; WEIGMANN 1918, S. 11 u n d p a s s i m ; SCHMIDT 1998, S.

74-77, S. 85 Anm. 56; REGINA CERMANN, Katalog der deutschsprachigen illustrierten Handschriften des Mittelalters (Veröffentlichungen für deutsche Literatur des Mittelalters der Bayerischen Akademie der Wissenschaften), Bd. 5: Gebetbücher (im Druck), S. 68-71 (Kat. Nr. 43.1.19).

Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz

Ms. germ. fol. 654 'Kern der göttlichen Wahrheit', dt. Barbara Geuderin, Pillenreuth; 1462 Nürnberg, Klarissen; 1850 Bibliothek Freiherr K. H. G. von Meusebach. Papier; II + 217 + XX (ungez.) Bl.; 31,3 x 21,5 cm; Pillenreuth 1460 Eine Hand: Barbara Geuderin, Nonne des Augustiner-Chorfrauenstifts Pillenreuth, 7 von ihr 1460 beendet (fol. IIr)- Nach ihrem Tod bekam ihre Verwandte Margarethe Gruntherrin (1470-88 Äbtissin des Nürnberger Klarissenklosters) 8 das Buch (lt. Eintrag fol. II1). Im Vd. die Notiz (15. Jh.) Gen sant clarn in Nürnberg. Rubriziert, rote und blaue Lombarden. Alter Einband, roter Lederüberzug mit Streicheisenmuster, die Beschläge fehlen, die zwei Schließen nur noch fragmentarisch erhalten. Fol. 3R einfache Initiale, fleuronniert mit roter und blauer Tinte.

Ausstattung mit Druckgraphik (Abb. 82): Auf dem hinteren Deckelspiegel klebte einst ein Holzschnitt Mariae als Tempeljungfrau (Sehr. 1002)9; er war schon vor 1866 herausgeschnitten worden (s. WEIGEL - ZESTERMANN 1866, S. 57) und kam über die Slg. Weigel in die Graphische Sammlung des GNM nach Nürnberg. Dort heute als Inv.-Nr. H 10. Einf. 136 x 72 mm; Kol. Rotlack, Graubraun, Ocker, Grün, Gelb. - Süddeutsch, 3. V. 15. Jh. Lit.: WEIGEL - ZESTERMANN 1866, S. 5 7 (Nr. 2 6 ) ; ESSENWEIN 1874, N r . 11; DEGERING 1925, S. 7 2 ; HONEMANN in 2 V L B d . 4, Sp. 1135 f.

Ms. germ. oct. 37 Sammelhandschrift, dt. (Pater noster-Auslegung; Betrachtungen zur Passion, darunter Jordan von Quedlinburg, '65 Artikel'; Mechthild von Hackeborn, fünf Ave Maria aus dem 'Liber specialis gratiae' etc.) 7

Verzeichnet in der Konventsliste bei SCHIEBER 1993, S. 86.

8

KIST 1929, S. 130 u. 134.

9

SCHREIBER verzeichnet unter Sehr. 1001, 1004, 1005a, 1005b, VIII * 1005c weitere Holzschnitte Mariae als Tempeljungfrau, die er als Ährenkleidmaria ohne Ähren bezeichnet.

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Wahrscheinlich Straßburg, Dominikanerinnenkloster St. Nikolaus in undis. Papier; III + 133 + XI Bl.; 14,8 x 10,8 cm; Straßburg, 1458 Fünf Hände. Erste Lage (fol. l r - l l r ) männlicher Schreiber, s. Kolophon fol. 1 l r , dort dat. 1458; der Rest von Frauen geschrieben (weibliche grammatikalische Formen). Das auf fol. 2 r von jüngerer Hand nachgetragene Datum 1478 ist ein Lesefehler des Kolophons von fol. 1 l r . Rubriziert. Wz. ca. 1450-60 (s. Hornung 1956, S. 120 f.). Alter Einband, Pergamentumschlag, Fragment einer Urkunde, in der St. Nikolaus in undis genannt ist.

Entfernte Druckgraphiken: Sechs Bilder, vermutlich Holzschnitte (Leimspuren und Farbspuren noch zu erkennen), klebten in dem Teil mit der deutschen Bearbeitung der 65 Artikel zur Passion von Jordan von Quedlinburg vor den entsprechenden Artikeln: - Fol. 28 r : Maße des abgelösten Blattes ca. 110 (?) x 70 mm. Klebte vor dem Artikel zur Prim (behandelt Christus vor Pilatus etc.). - Fol. 44 v : ca. 107 x 72 mm, Fol. 49 v : ca. 108 x 80 (?) mm, vor den Texten zur Terz (Ecce homo etc.). - Fol. 61 v : ca. 107 x 75 (?) mm, vor den Texten zur Sext (Entkleidung Christi etc.). - Fol. 74 v : Maße nicht genau bestimmbar, vor den Artikeln zur Vesper (Kreuzabnahme etc.). - Fol. 76 v : ca. 105 x 78 mm; vor den Artikeln zur Complet (Grablegung etc.). Noch vorhandene Druckgraphikausstattung (Abb. 79): -Fol. l r oben: Holzschnittinitiale D mit Blumenornament, unmittelbar auf die Seite der Hs. gedruckt, im Binnenfeld Gesicht mit schwarzer und roter Tinte gezeichnet. Kol. Rosa, Grün, Gelb. - Fol. l r unten: Holzschnitt Neujahrsgruß (nicht bei S C H R E I B E R ) , Jesuskind schießt Pfeile mit Schriftbändern (Ein gut iore, Ein gut ior) ab. Direkt auf das Papier der Hs. gedruckt. Einf. 41^42 x 67 mm. Kol. Grün, Gelb. Umgeben von einer zweiten Umfassungslinie in schwarzer Tinte, an die sich oben ein Schriftband mit handschriftlichem Text (Wer dis pater noster spricht zwor / den schüßt Ihesus mit eim guten ior) v o m Schreiber der ersten

Lage anschließt. Die Holzschnitte müssen nach dessen Anweisung oder von ihm selbst eingedruckt worden sein. Lit.: DEGERING 1 9 3 2 , S. 15 f.; HORNUNG 1 9 5 6 , S. X , S. 1 1 9 - 1 2 2 ; HEUSINGER, N e u j a h r s g r u ß 1 9 5 9 ; REHM 1 9 9 4 , S . 1 7 3 f.

Boston, Isabella Stewart Gardner Museum 2.a.l/l Gebetbuch, dt. Nürnberg, Dominikanerinnen. Papier; 122 Bl.; 1 6 x 1 1 cm; Nürnberg, ca. 1445 Der Band stammt nicht, wie De Ricci aufgrund falscher Lesung des Besitzvermerks angibt, von den

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„Dominicans of St. Catherine at Nimegen". Die Notiz auf fol. Ir stammt vielmehr von der Hand der Buchmeisterin des Nürnberger Katharinenklosters, Kunigund Niklasin, und lautet: Das puchlein gehobrt in das closter zu sani kather prediger orden in närwerg. Darüber das Inhaltsverzeichnis des Buches von der Hand der Niklasin - diese Seite entspricht somit ganz der üblichen Art der von ihr nachträglich im Zuge der Katalogisierung in die Bände der Bibliothek eingefugten Vermerke. Auf fol. I v befindet sich auch die alte Signatur der Bücherei des Katharinenklosters, L xlv. Unter dieser ist die Hs. auch im Bibliothekskatalog des 15. Jahrhunderts verzeichnet: Item ein puchlein; sten an schone gepet von den festen unsers herrn, unser liben frawen und den heiligen und ander matery (MBK Bd. 111,3, S. 624). Dies entspricht genau dem tatsächlichen Inhalt der Hs. (ein Zyklus von Gebeten zu den Festen des Kirchenjahres, angeordnet in der im Katalog beschriebenen Weise), so daß kein Zweifel an der Identität bestehen kann. Das auf fol. l r angegebene Datum 1445 bezieht sich auf die Abfassung des Textes und ist kein Vermerk des Schreibers. Doch korrespondiert es mit dem Wasserzeichen des Papiers (Turm, Picc. II, 408), das in Nürnberg 1445 nachgewiesen ist. Die Haupthand ist mit keiner des Katharinenklosters identisch, so daß das Buch vermutlich als Schenkung an das Kloster kam und dort die Seite mit Inhaltsverzeichnis und Besitznotiz sowie das Holzschnittblatt eingefügt wurde. Alter Pergamentumschlag mit Lederrücken.

Ausstattung mit Druckgraphik (Abb. 72, 73): Zwischen der ersten und zweiten Lage (nach fol. 12) ist ein beidseitig bedrucktes Papierblatt eingebunden. Der breite Papierrand des Blattes umschließt die ersten Lagen des Buches, der Faden der Bindung geht sowohl durch die Lagenfalze, das Blatt und den Lederrücken. Der Holzschnitt wurde also zweifellos beim Binden eingefugt. Die Darstellungen der beiden Seiten: Recto die Kreuzigung (Sehr. 971), 139 x 101 mm. Unkoloriert, nur die Wunden Christi mit Zinnober aufgetragen, möglicherweise vom Rubrikator (der mit dem Schreiber identisch ist) der Handschrift. Verso: Pietà (Sehr. 977), 141 x 101 mm. Unkoloriert. Von den gleichen Stöcken gedruckt, obwohl von SCHREIBER gesondert aufgelistet, sind die Blätter Sehr. 971a und 976a (Nürnberg, GNM), die von der Bildtafel aus der Katharinenkirche stammen (s. Kap. II. 1.7.). - SCHREIBER wollte sich bei der Lokalisierung der Folge nicht festlegen (SCHREIBER, Handbuch, bei Nr. 8a und 15a). Die ungewöhnliche Figurenkonstellation mit Johannes und der leicht von hinten gesehenen Maria in der Kreuzigungsszene (Sehr. 971a) hängt mit dem gleichen Motiv im Holzschnitt Sehr. 433 des 'Gulden puchlein' zusammen. Eine Parallele für dieses sehr ungewöhnliche Motiv ist in der Figur des Johannes der in den 1430er Jahren entstandenen Kreuzigungstafel in St. Peter und Paul in Nürnberg (s. S T A N G E , Deutsche Malerei Bd. IX, Abb. 24, dem Meister des Cadolzburger Altares zugeschrieben) zu finden, die in der gleichen Ansicht gegeben ist wie die Maria auf den beiden Holzschnitten. Doch ist daran zu erinnern, daß der Kontext der großen Druckbögen von der Bildtafel der Nürnberger Dominikanerinnenkirche eine Werkstatt erkennen läßt, die Vorlagen verschiedenster Herkunft kopierte (s. Kap. II. 1.7). Das Papierwasserzeichen der Nürnberger Exemplare weist auf ein Druckdatum um 1452-55 (nach Mitteilung von Gerhard Piccard, Notiz auf den Passepartouts in der Kapsel 1450 der Graphischen Sammlung des GNM). Die Bostoner Exemplare dürften um die gleiche Zeit gedruckt worden sein, da die Ausbrüche der Holzstöcke identisch sind. Das Wasserzeichen des Bostoner Blattes, ein Ochsenkopf der Gruppe Picc. VII, bedarf noch der genaueren Bestimung. Lit.: OTTLEY 1 8 6 3 , S. 1 9 0 - 1 9 3 ; HUGHES WILLIAM WILLSHIRE, I n t r o d u c t i o n t o t h e S t u d y and C o l -

lection of Ancient Prints, Bd. 1, London 2 1877, S. 173; GEORGE E. WOODBERRY, A History of Woodengraving, New York 1883, S. 24 f.; A Choice of Books From the Library of Isabella Stewart Gardner, Fenway Court, o. O. 1906, S. 70 f., 1922; A Choice of Manuscripts and Bookbindings

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From the Library of Isabella Stewart Gardner, Fenway Court, o. 0.1922, S. 4 f ; DE RICCI 193 5, Bd. 1, S. 9 3 0 (Nr. 1).

Chicago, The Art Institute of Chicago Clarence Buckingham Collection, Inv.-Nr. 1983.13 15 Blätter einer Metallschnitt-Passionsfolge (Sehr. 2233 etc.) Prov.: Slg. Theodor Otto Weigel; Ludwig Rosenthal, München; August Laube, Zürich. Die meisten Metallschnitte der Folge sind Kopien der sog. Stöger-Passion (Sehr. 2222 etc., ausführlich zu diesem Zyklus s. u. unter Wien, Albertina). Auf den Rückseiten jeweils ein deutschsprachiges Gebet (Schreibsprache mittelbairisch), das sich auf das vorangegangene bzw. nachfolgende Bild bezieht. Zu den Texten s. Kap. IV.3.3. u. IV.3.4.; ein Vorschlag zur Rekonstruktion des Gebetbüchleins, das die Blätter einst bildeten, oben in Textabb. S. 288. Der Aufbau war das gleiche wie der der handschriftlichen Passionsgebetbücher der Stöger-Passion, s. u. bei Berlin, KK, Cim. 23, und Wien, Albertina, mit den entsprechenden Rekonstruktionen - ein regelmäßiger Faszikel von Doppelblättern, die auf der einen Seite mit je zwei Metallschnitten bedruckt waren und auf der anderen mit Gebetstexten beschriftet wurden. - Abendmahl und Fußwaschung (Sehr. 2233, s. Abb. 230). Der Metallschnitt ist eine Kopie nach Sehr. 2232 der Stöger-Passion. Auf der Rückseite Gebet zum Einzug in Jerusalem. - Christus am Ölberg (Sehr. 2244). Kopie nach Sehr. 2243. Rückseite: Gebet zum letzten Abendmahl. - Gefangennahme (Sehr. 2254). Rückseite: Gebet über den Schmerz Christi am Ölberg. - Christus vor Kaiphas (Sehr. 2268). Motivisch angelehnt an Sehr. 2262 der StögerPassion; andere Motive finden sich in dem Holzschnitt Sehr. 259b (London, BM, 158* b.3, fol. 68 v , eine Hs. aus dem Nürnberger Katharinenkloster, Beschreibung s. u.) wieder; evtl. gab es eine gemeinsame Vorlage. Rückseite: Gebet zur Gefangennahme. - Christus vor Pilatus, der sich die Hände wäscht (Sehr. 2274). Kombination von Motiven aus Sehr. 2262 und 2273 der Stöger-Passion. Rückseite: Gebet über Verspottung und Mißhandlung Christi vor Annas. - Geißelung (Sehr. 2283). Vorbild ist hier nicht die Stöger-Passion; vielmehr handelt es sich um eine gegenseitige Wiederholung der Figurenkonstellation des Holzschnitts Sehr. 298 (Paris, BN). Rückseite: Gebet über die Vorführung vor Pilatus. - Kreuztragung (Sehr. 2303). Übernimmt Motive aus der Stöger-Passion (Sehr. 2302) und aus den Holzschnitten der 'Gulden puchlein-Gruppe' (Sehr. 356-360). Rückseite: Gebet zur Dornenkrönung. - Vera icon (Sehr. 2447). Angelehnt an Sehr. 2442 aus der Stöger-Passion. Rückseite: Gebet zum Tod Christi am Kreuz. - Kalvarienberg (Sehr. 2347). Motivisch an den Kupferstich des Meisters des Dutuitschen Ölbergs (L. 38) angelehnt (s. München, BSB, Clm 20110, fol. 159v). Rückseite: Gebet zu Christus am Kreuz.

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- Beweinung (Sehr. 2475). Kopie nach Sehr. 2474 der Stöger-Passion. Rückseite: Gebet zur Grablegung. - Grablegung (Sehr. 2366). Kopie nach Sehr. 2364, Stöger-Passion. Auf der Rückseite Gebet zu Christus in der Vorhölle. - Christus in der Vorhölle (Sehr. 2425). Kopie nach Sehr. 2424, Stöger-Passion. Auf der Rückseite Gebet zur Auferstehung Christi. - Auferstehung (Sehr. 2377). Kopie nach Sehr. 2376, Stöger-Passion. Rückseite: Gebet zur Begegnung Magdalenas mit Christus. -Noli me tangere (Sehr. 2387). Kopie nach Sehr. 2386, Stöger-Passion. Rückseite: Gebet zur Himmelfahrt. - Himmelfahrt Christi (Sehr. 2396). Kopie nach Sehr. 2395, Stöger-Passion. Auf der Rückseite Gebet zum Jüngsten Gericht. Einf. durchschnittlich 102 x 78 mm, was ungefähr den Maßen der Stöger-Passion entspricht. Sechs Blätter eines jüngeren Drucks von den gleichen Platten (Sehr. 2 2 7 4 , 2 2 8 3 , 2 2 8 9 , 2 3 0 3 , 2 3 6 6 , 2 4 4 7 ) mit xylographischen Gebeten auf den Rückseiten befinden sich in Paris, BN, Rés. xylo 4 6 . FLELD 1 9 8 6 , S. 2 1 4 - 2 1 6 hielt den Schneider der Platten für identisch mit dem Meister mit der Hausmarke ; doch gibt es bei aller Ähnlichkeit auch Unterschiede in der Gestaltung der Gesichter und der Handhabung der Punzen. Bayern (s. Schreibsprache der Texte und Verbreitungsgebiet der Vorlage), ca. 1 4 6 0 - 7 0 . Lit.: WEIGEL - ZESTERMANN 1866, Bd. 2, Nr. 359; Antiquariat Ludwig Rosenthal, Katalog 90, 1 8 9 2 , N r . 1 1 8 ; SCHREIBER 1 9 2 6 , S . 3 8 ; GARDNER 1 9 3 7 , S. 8 ff.; DONATI 1 9 5 4 , S. 1 9 8 ; A u g u s t

Laube, Fine Books and Prints. Second International Book Fair, Los Angeles 1967, Nr. 11; FIELD 1986; Bibliothèque Nationale, Catalogue des incunables, Bd. 1.1, S. XXIII; SCHMIDT 1998, S. 82 ; REGINA CERMANN, Katalog der deutschsprachigen illustrierten Handschriften des Mittelalters (Veröffentlichungen für deutsche Literatur des Mittelalters der Bayerischen Akademie der Wissenschaften), Bd. 5: Gebetbücher (im Druck), S. S. 162-164 (Kat. Nr. 43.1.40).

Colmar, Bibliothèque de la ville

Ms 260 Missale Colmar, Dominikanerinnenkloster Unterlinden. Papier; III + 167 Bl.; 29 x 19,8 cm; Bistum Straßburg, 1450er Jahre Textualis, mehrere Hände. Rubriziert, rote und blaue Lombarden. Wz. u. a. Picc. VII, 259 (1453-54). Alter Einband, rotes Leder (Rücken mit braunem Leder erneuert), Streicheisenlinien, Beschläge und die Schließe fehlen. Mehrere Initialen in Deckfarben und Gold; Rankenbordüren; fol. 52 v Miniatur Vera icon.

Ausstattung mit Druckgraphik: Auf fol. 48 v als Kanonbild eingeklebt: Christus am Kreuz zwischen Maria und Johannes, Holzschnitt (Sehr. 949d). Einf. 277 x 193 mm, Bl. 283 x 198 mm. Kol. Blau, Rotlack,

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Graubraun, Gelb, Grün, Rosa, Grau, Inkarnat, Gold (Nimben und Kelche). Das Blatt gehört zu den außergewöhnlichsten Leistungen der Holzschnittkunst der Jahre um etwa 1460. Es zeigt aber auch, daß selbst die besten Druckgraphiken dieser Jahrzehnte keine originalen Erfindungen, sondern Kopien von meist verlorenen Vorbildern sind. Sieben heute noch erhaltene Exemplare, die von fünf verschiedenen Holzstöcken gedruckt sind, geben dieselbe Komposition gleichseitig, in denselben Abmessungen und mit nur sehr geringen Abweichungen wieder [Sehr. 949 (Berlin, KK; Washington, NGA), Sehr. 949a (Linz, Studienbibliothek), Sehr. 949b (Oxford, Ashmolean Museum), Sehr. 949c (Mainz, StB), Sehr. 949e (New York, Metropolitan Museum), Sehr. VIII *949f (1929 bei Hollstein & Puppel verkauft, heutiger Aufbewahrungsort unbekannt)]. Die Frage von R. S . FIELD (in Fifteenth Century Woodcuts and Metalcuts 1965, Nr. 138), ob eines der erhaltenen Blätter - er spricht von Sehr. 949 - das „Original" der Gruppe ist, ist falsch gestellt: Die gesamte Gruppe geht offensichtlich auf ein gemeinsames nicht mehr bekanntes Vorbild zurück. Diese Kreuzigungskompositionen war eine der beliebtesten jener Jahre. Von ähnlicher Wirkung war später erst wieder der Kanon-Holzschnitt der ab 1483 gedruckten Missalien des Mainzer Druckers Peter Schöffer, dessen Komposition die Kenntnis eines Holzschnittes der Gruppe Sehr. 9 4 9 - 949d verrät ( S C H R A M M XIV, 38; vgl. dazu F U C H S 1958, S . 19-24, sowie S C H M I D T , Zur Produktion 2000, S. 588). Tatsächlich ist die ruhige Monumentalität der Figuren, die geschlossene Anlage der Gruppe, die raffinierte graphische Umsetzung und die feine Gestaltung der Gesichter unter den Holzschnitten jener Jahre außergewöhnlich. Eine ähnliche Monumentalisierung blockhafter Figuren hatte zuvor in der Druckgraphik der Meister der Nürnberger Passion mit seiner um die Mitte des 15. Jahrhunderts entstandenen Kreuzigung (L. I, 257, 9, s. GEISBERG 1923, Taf. 35) versucht. Von einigen Exemplaren der Kopiengruppe Sehr. 949 - 949d sind noch die Orte bekannt, an denen die Blätter im 15. Jahrhundert verwendet wurden: Eines stammt aus dem Benediktinerinnenkloster St. Walburg in Eichstätt (Sehr. 949), eines aus einer österreichischen Klosterbibliothek (Sehr. 949a) und eines wurde in Basel oder Mainz benutzt (Sehr. 949c, s. SCHMIDT, Zur Produktion 2000, S . 587). Diese Verbreitung demonstriert, wie problematisch die Lokalisierung allein aufgrund stilistischer Argumente ist. Das Missale nach dem Gebrauch von Straßburg kann nicht für Colmar, das zum Bistum Basel gehörte, geschaffen worden sein. Ob es noch im 15. Jh. nach Unterlinden gekommen war und ob der Holzschnitt erst hier eingefügt wurde, ist nicht zu klären. Lit.: CLAUSS in HEITZ, Einblattdrucke Bd. 17, Nr. 1; Catalogue général des manuscrits Bd. 56, S. 1 0 4 f.; CAMES 1 9 8 9 ,

S.

125-127;

Mémoire des siècles

1988,

S. 2 8 - 2 9 ,

S. 2 1 9 f. (Nr.

45);

HAMBURGER, L a b i b l i o t h è q u e 2 0 0 0 , S. 154; SCHMIDT, L ' U s a g e 2 0 0 0 , S. 2 4 1 - 2 4 3 ; L e s d o m i n i c a i n e s

d'Unterlinden 2001, Bd. 2, S. 83 f. (Nr. 117).

Ms 271 Gebete und Betrachtungen, dt. Colmar, Dominikanerinnenkloster Unterlinden. Papier (fol. 92, 97 Pergament); 172 Bl.; 14,5 x 10,5 cm; Colmar, ca. 1430er bis 1460er Jahre Mehrere Hände, wohl keine davon die der Priorin Elisabeth Kempf (1415-1485), wie im Catalogue général des manuscrits Bd. 56, S. 95 vermutet wird; die Argumente dagegen bei GEITH, s. u. Lit. Rubriziert, rote und blaue Lombarden. Das Buch ist aus verschieden alten Teilen zusammengebun-

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den; Wz. u. a. Ochsenkopf ähnl. Picc. VII, 551 (1431-46), Ochse ähnl. Picc. VI, 899-926 (143441), Krone Picc. I, 321 (1448-66). Alter Einband, roter Lederüberzug; die Schließe fehlt.

Ausstattung mit Druckgraphik: Als fol. 1 (Bildseite fol. l v ) an einen Pergamentfalz geklebt, der die erste Lage umschließt: Sitzende Madonna mit Rose, Holzschnitt (Sehr. 1060a). Einf. 126 x 86-88 mm, Bl. 143 x 105 mm. Kol. Rot, Grün, Gelb, Graubraun, Inkarnat. Das Blatt steht nicht in unmittelbarem Bezug zu den Texten der Hs. Der Schriftzug (Ave benigne Ihesu miserere mei) auf dem gegenüberstehenden fol. 2 r zeigt aber, daß das Bild als allgemeine visuelle Meditationshilfe für die Gebetstexte des Buches diente. - B A U C H schrieb das Blatt 1932 dem Meister des Frankfurter Paradiesgärtleins zu, eine These, die schon C O H N 1934, S. 17, zu Recht demontierte. Zwar erinnern die qualitätvolle Komposition, Gesichts- und Kopftyp Mariae, die Gestaltung der Haare, der reiche Fluß der Gewandfalten und das Motiv des Schleiers, der die Haare eher exponiert als verdeckt, tatsächlich an das Paradiesgärtlein in Frankfurt oder das Gemälde des Zweifels Josephs in St. Marx in Straßburg (vgl. dazu mit weiterer Literatur die neuesten Forschungen zu dieser Gruppe von Gemälden bei S U C K A L E 1998, S. 58-57). Der Gesichtstyp findet sich auch in weiteren Marienbildern dieser zwischen Colmar, Schlettstadt und Straßburg anzusiedelnden Gruppe wieder, etwa der 'Madonna in den Erdbeeren' in Solothurn oder der Verkündigung der Sammlung Reinhart in Winterthur (vgl. S U C K A L E 1998, S. 61). Diese Gruppe oberrheinischer Werke des frühen 15. Jahrhunderts bezeichnet aber nur den Kreis, aus dem das Vorbild des Holzschnittes stammte. Die graphische Ausfuhrung zeigt dagegen, daß das Bild nicht vor der Mitte des 15. Jahrhunderts entstanden sein kann. Es läßt sich mit anderen vermutlich elsässischen Holzschnitten in Verbindung bringen (Sehr. 556, Sehr. 1168m), die in jenen Jahren entstanden sind, aber ebenfalls ältere Vorlagen kopieren. Wie unterschiedlich im graphischen Detail die Ausfuhrung von zwei Holzschnitten sein kann, die offenkundig auf dem gleichem Kreis von Vorbildern basieren, zeigt der Vergleich von Sehr. 1060a mit dem Holzschnitt einer Madonna in Halbfigur (Sehr. 1025), der sich in Paris, BN, befindet. Auffällig ist die große Ähnlichkeit des Kopftyps und der Motivik des locker über die Haare gelegten Schleiers. Erhebliche Unterschiede zwischen den beiden Holzschnitten liegen aber im graphischen Detail: Die Linien des Colmarer Blattes sind gröber, weniger fließend durchgezogen, stärker gebrochen und schwanken in der Stärke. In der nicht immer logischen Faltenfuhrung werden Mißverständnisse der Vorlage deutlich. Die Madonna in Paris scheint in ihrer souveränen graphischen Umsetzung dagegen etwas näher am unbekannten Vorbild zu sein. - Oberrhein, ca. 1460 (?). Lit.: CLAUSS in HEITZ, Einblattdrucke Bd. 17, Nr. 2; I. BEUCHOT, Das frühere Unterlindenkloster zu

Colmar in seiner Blütezeit, Colmar 1916, S. 44 f.; PFISTER 1922, Taf. 38; BAUCH 1932, S. 164-166; COHN 1 9 3 4 , S. 1 6 ; STANGE B d . 4 , S . 6 5 u. A b b . 8 9 ; FISCHEL 1 9 5 1 , S. 9 0 ; EWALD VETTER, M a r i a i m

Rosenhag, Düsseldorf 1956, S. 16 m. Abb. IV; Catalogue général des manuscrits Bd. 56, S. 93-95; KARL-ERNST GEITH, [Art.] Kempf, Elisabeth, in: 2 V L Bd. 4, Sp. 1 1 1 5 - 1 1 1 7 , dort Sp. 1117; DERS.,

Elisabeth Kempf (1415-1485). Priorin und Übersetzerin in Unterlinden zu Colmar, in: Annuaire de la Société d'histoire et d'archéologie de Colmar 29, 1980/81, S. 47-73, dort S. 59 f.; SCHMIDT, L'usage 2000, S. 237-241; Les dominicaines d'Unterlinden 2001, Bd. 2, S. 90 (Nr. 125).

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Ms 495 'Liber miraculorum' (Mirakel des Marienbildes von Unterlinden, lat. u. dt.); Mariengebete, dt.; Angaben zur Weihe des Marienaltares, lat. u. dt. Colmar, Dominikanerinnenkloster Unterlinden. Pergament; 42 Bl.; 12,5 x 9 cm; Colmar, 3. V. 15. Jh. Alter Einband, roter Lederüberzug, Metallbeschläge; Reste von zwei Schließen. 21 Miniaturen illustrieren die Geschichte des Kultbildes. Ausstattung mit Druckgraphik: - Als erstes Blatt eingefügt (ungezählt): Metallschnitt der Madonna in Halbfigur (Sehr. 2487, s. Abb. 76). Einf. 9 8 x 7 1 mm, unkoloriert. Stellenweise berieben und verschmutzt. Das Blatt ist an einen Pergamentfalz angeklebt (die Darstellung bildet die Verso-Seite), der im Lagenverbund sitzt, aber nicht zwingend zur Befestigung des Bildes eingebunden worden sein muß. Es dient als Erinnerung an das in der Hs. beschriebene Mariengnadenbild, das sich auf der Nonnenempore der Klosterkirche von Unterlinden befand. - Seit SCHREIBERS Handbuch sowie SCHREIBER 1926, S. 36 wird der Metallschnitt als oberrheinisches Werk bezeichnet. Da jedoch eines von SCHREIBERS Hauptargumenten für die Lokalisierung dieses und anderer früher Metallschnitte seine geographische Einordnung der Stöger-Passion ist, die aber heute nicht als oberrheinisches, sondern als bayerisches Werk gelten muß (s. u. Kap. IV.3.3.), erscheinen die Grundlagen für diese Verortung zweifelhaft. Die genauere Untersuchung dieser Gruppe zeigt, daß auch der Ursprung der Madonna Sehr. 2487 eher in Bayern zu suchen ist. Weitere Exemplare des Metallschnittes befinden sich in Kobenhavn, Kongelige Bibliotek, und in der Tegernseer Hs. Clm 20010 der BSB München. In dieses 1464-1478 datierte Buch war die Graphik ursprünglich fest eingebunden. Eine sehr genaue seitenverkehrte Kopie ist Sehr. 2486. Von den drei erhaltenen Exemplaren stammt eines vermutlich aus einem österreichischen Kloster (Wien, Albertina, Abb. bei STIX 1920, Nr. 86, Taf. XXVII und HEITZ, Einblattdrucke Bd. 62, Nr. 121), ein anderes - SCHREIBER noch nicht bekanntes - befindet sich in einer 145758 geschriebenen österreichischen Hs. (Bücher - Autographen. Auktion 14, 19.-20. November 1975. Härtung & Karl München, S. 7 f. [Nr. 8], Abbildung auf S. 4). In letzterem Codex ist die Madonna zusammen mit weiteren Metallschnitten überliefert, die mit der bayerischen Stöger-Passion zusammenhängen (vgl. SCHMIDT, L'usage 2000, S. 2 2 6 233). Der gesamte Überlieferungsbefund weist also eher auf den bayerisch-österreichischen Raum denn auf den Oberrhein. - Auf die Rectoseite des letzten Pergamentblattes (ungezählt), das an einem Falz befestigt ist, geklebt: Fragment eines Holzschnitts der Engelweihe von Einsiedeln (Sehr. 1942m, s. Abb. 77). Einf. 107 x ? mm (links abgerissen). Kol. Gelb, Rotbraun, Grün, bräunliches Grün, Graubraun, Blau, Rahmung Orange. Dargestellt ist der Moment, als der Engel den hl. Konrad und zwei weitere Bischöfe auf die bereits durch göttliche Hand erfolgte Weihe der Kapelle hinweist, vgl. den Rest des Schriftbandes consecr{atiis). Die Kapelle auf der fragmentierten linken Seite des Blattes wurde - in Bezugnahme auf eine im Text der Hs. geschilderte Vision - mit einigen Federstrichen in einen Altar umgewandelt und illustriert so nun die Weihe des Altares auf der Nonnenempore in Unterlinden, auf dem das verehrte Gnadenbild stand. Die ursprüngliche Ikonographie des beschädigten Blattes ist aus dem Holzschnitt der Engelweihszene im Blockbuch des Lebens des hl. Meinrad, der einem

Handschriften

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ähnlichen Typus folgt, zu erschließen (Einsiedeln, Stiftsarchiv, DB 5, S. 49). Doch gibt es auch wesentliche Unterschiede zwischen der Ikonographie des Colmarer Blattes und der Darstellung des Blockbuches, die eine direkte gegenseitige Abhängigkeit ausschließen: Im Blockbuch besteht die rechte Gruppe aus Christus (in Gestalt eines Bischofs), Petrus und einem weiteren Heiligen, der nicht genau zu identifizieren ist; auf dem Colmarer Blatt sind es aber drei Bischöfe oder Äbte. Diese würden damit eher der linken Gruppe im Blockbuch entsprechen. Dort aber hat nur der erste Bischof, der hl. Konrad einen Nimbus, während im 'Liber miraculorum' alle drei Geistlichen als Heilige dargestellt sind; und die Figur des ersten Bischofs auf dem Colmarer Blatt entspricht motivisch nicht dem Konrad des Blockbuches, sondern Christus. Der Engel, der ja gemäß der Legende den hl. Konrad ermahnt, spricht aber eindeutig dafür, daß es sich auf dem Colmarer Holzschnitt um den Konstanzer Bischof und sein Gefolge handelt. Was irritiert, ist vor allem der Kreuznimbus des ersten Bischofs - dieser ist allerdings nicht gedruckt, sondern nachträglich von einer Benutzerin aufgemalt worden. Der Colmarer Holzschnitt folgt also zwar dem gleichen Kompositionsschema der Engelweihe wie die Darstellung im Blockbuch, doch ikonographisch in seitenverkehrter Anordnung. Die Reihe der drei Bischöfe oder Äbte, die durch die Nimben als Heilige gekennzeichnet sind, unterscheidet den Holzschnitt im 'Liber miraculorum' vom Blockbuch, verbindet ihn aber mit dem Text der Legende bzw. der päpstlichen Bulle, die einen Bericht über das Wunder enthält. Dieser ist in deutscher Übersetzung dem Blockbuch zwar als Anhang beigegeben (Einsiedeln, Stiftsarchiv, DB 5, p. 58 f.), war aber offenbar nicht die unmittelbare Quelle für den entsprechenden Holzschnitt im selben Buch. Dort werden Konrad, Bischof von Konstanz, Ulrich, Bischof von Augsburg, Gregor, englischer Königssohn und späterer Abt von Einsiedeln, sowie Tietland, zu jener Zeit Abt des Klosters Einsiedeln, als Zeugen des Wunders genannt und sämtlich als Heilige bezeichnet (obwohl nicht alle kanonisiert waren). Drei davon sind Bischöfe oder Äbte, die also mit Mitra, Krummstab und Nimbus darzustellen waren. Es ist deshalb zu vermuten, daß dieser Text der päpstlichen Bulle die Grundlage für die Ikonographie des Colmarer Holzschnitts war. Auch stilistisch hat dieser mit dem MeinradBlockbuch nichts zu tun. Die eleganten Figuren des Colmarer Blattes mit ihren gestreckten Proportionen und die Gewandbildung mit den fließenden parallelen Faltenlinien sind künstlerisch von höherer Qualität und früher zu datieren als die Holzschnitte des Blockbuches mit ihren kleinteiligen Formen, die häufig Mißverständnisse besonders in den Gewandformen erkennen lassen. - Schweiz oder Oberrhein, M. 15. Jh. Lit.: INGOLD 1 8 9 7 , S. 1 0 1 - 1 1 6 ; CLAUSS in HEITZ, E i n b l a t t d r u c k e B d . 17, N r . 6 - 7 ; SCHREIBER 1 9 2 6 ,

S. 36; Guide illustré de l'exposition historique du livre à Colmar. Ausst. Colmar, Salle du Koïfhus, Colmar 1926, S. 43 ; Catalogue général des manuscrits Bd. 56, S. 263; La Mémoire des siècles 1 9 8 8 , S. 2 1 8 ( N r . 4 0 ) ; CAMES 1 9 8 9 , S. 1 3 4 ; SCHMIDT 1 9 9 4 , S . 3 0 9 ; HAMBURGER 1 9 9 5 ; HAMBURGER

1998, S. 279-315; Trésors des Bibliothèques 1998, S. 40 (Nr. 16); HAMBURGER, Liber miraculorum 2000; SCHMIDT, L'usage 2000, S. 226-233; Les dominicaines d'Unterlinden 2001, Bd. 2, S. 95 f. (Nr. 130).

Ms 7171 Heiligenlegenden, dt. Colmar, Dominikanerinnenkloster Unterlinden. Papier; 237 (gez.) + III (ungez.) Bl.; 21,5 x 14,5 cm; Colmar, um 1460-80

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Eine Hand; rubriziert. Wz. gotisches P, ähnl. Gruppe Picc. XI, 870-1074 (1457-1479). 1 0 Alter Einband, roter Lederüberzug, die zwei Schließen fehlen. Fol. 123 v , fol. 135 v Initialen (Deckfarben, Gold), fol. 188 v historisierte Initiale (Martyrium der hl. Agnes), am rechten Rand von fol. 147 v klebt eine kleine kolorierte Federzeichnung auf Papier (Christuskind).

Ausstattung mit Druckgraphik: Als fol. 122 (Bildseite 1220 an einen Papierfalz geklebt: Holzschnitt hl. Konrad (Sehr. 1380x, s. Abb. 78). Einf. 187 x 117-119 mm; Bl. 208 x 144 mm. Kol. Grün, Rot, Gelb, Blau, Rosa, Braunorange, Inkarnat; mit roter und blauer Tinte kleine Rosetten auf den Hintergrund gesetzt. Der alte xylographische Text (wohl S. Cunrat) übermalt und mit roter Tinte von der Hand des Rubrikators durch Sanctus Ambrosius ersetzt. Die einzige bekannte Einzeldarstellung des Konstanzer Bistumsheiligen Konrad im Holzschnitt gehörte zu einer Serie von Heiligendarstellungen, von der heute nur noch ein einziges weiteres Blatt zu bestimmen ist, eine hl. Dorothea (Sehr. VIII * 1396a in Providence, Brown University, John Hay Library, s. S C H M I D T , L'usage 2000, S. 235). Die zwei Blätter entsprechen einander auch im Format und in der Gestaltung des Hintergrundes mit Wellenlinien. Charakteristisch für beide ist die Art der parallelen Schrafïuren, mit der er vor allem die Schatten der Faltenzüge kennzeichnet. Es sind Lagen von kurzen Strichen, die in relativ großen Abständen angeordnet sind. Die Konturen der Gewandfalten sind mit hart gebrochenen, eckigen Linien gezeichnet. Typisch für diesen Holzschneider sind auch die Linienformen, mit denen er die Gesichter modelliert - die Zeichnung des Nasenflügels mit einem klaren U-fÖrmigen Bogen, die zwei parallelen Linien zwischen Nase und Mund und die sehr vollen Lippen mit der gespaltenen Unterlippe. Diese Kennzeichen lassen auch Blätter außerhalb der Heiligenserie als Werk dieses Meisters erkennen, so etwa einen Holzschnitt der Madonna im Strahlenkranz in Berlin (Sehr. 1099). Die Heiligenfolge ist nicht vor den 1460er Jahren zu datieren, jedoch nach einer älteren Vorlage kopiert. Auf diese geht auch eine andere, etwas ältere Folge zurück, von der noch ein hl. Dionysisus in Berlin (Sehr. 1384) erhalten ist. Zu einer anderen Kopie der Serie gehört die hl. Dorothea in Paris (Sehr. 1396), die dem erwähnten Blatt derselben Heiligen in Providence in den großen Linien genau und seitengleich entspricht, in einigen Details wie Schraffiiren und kleineren Faltenlinien die gemeinsame Vorlage jedoch vereinfachend wiedergibt. Oberrhein oder Bodenseegebiet (?), um 1460-70. Lit.: CLAUSS in HEITZ, Einblattdrucke Bd. 17, Nr. 3; I. BEUCHOT, Das frühere Kloster Unterlinden zu Colmar im 15. und 16. Jahrhundert, Colmar 1917, S. 16; Catalogue général des manuscrits Bd. 5 6 , S. 8 7 f.; WERNER WILLIAMS-KRAPP in in 2 V L B d . 2 , S p . 2 1 7 f. ; WERNER HÖVER in 2 V L B d . 4 ,

Sp. 688; La Mémoire des siècles 1988, S. 216 (Nr. 34); CAMES 1989, S. 132 f.; Trésors des B i b l i o t h è q u e s 1 9 9 8 , S. 4 2 ( N r . 2 1 ) ; HAMBURGER, L a b i b l i o t h è q u e 2 0 0 0 , S. 1 2 7 - 1 3 2 ; SCHMIDT,

L'usage 2000, S. 233-236; Les dominicaines d'Unterlinden 2001, Bd. 2, S. 85 f. (Nr. 120).

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Diese Datierung durch das Wasserzeichen spricht gegen die Zuschreibung der Übersetzung der Heiligenlegenden an Dorothea von Kippenheim (WILLIAMS-KRAPP in 2 VL Bd. 2, Sp. 217 f.) wenn man GEITH 1997, S. 111 folgt, der die Schaffenszeit von Dorothea mit guten Gründen erst in das frühe 16. Jahrhundert setzt.

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Detroit, Institute of Arts Inv.-Nr. 09.1S338 Christus am Kreuz zwischen Maria und Johannes, Metallschnitt (Sehr. 2324) Provenienz: F. Meder (bis 1890); James E. Scripps (bis 1909). Einf. 102 x 76 mm. Kol. Grün, Gelb, Rot. - Das Blatt (Abb. 222, 223) gehört zur 'StögerPassion' (Sehr. 2222 etc., ausfuhrlich zu diesem Zyklus s. u. unter Wien, Albertina). Auf der Rückseite ein Gebet über die Kreuzannagelung (Text s. o. in Kap. IV.3.4.), das sich auf ein vorangegangenes Bild beziehen muß und so das Blatt als Fragment eines handschriftlichen Gebetbuchs ausweist. Lit.: SCHREIBER 1926, S. 18 f.; FIELD 1986, S. 2 0 4 ; SCHMIDT 1998, S. 82, S. 8 7 A n m . 130.

Freiburg i. Br., Augustinermuseum Inv.-Nr. 13068 Obsequiale Adelhausen, Dominikanerinnen. Pergament; 61 BI.; 18,5 x 14 cm; evtl. Straßburger Dominikanerinnenkloster, vor 1456? Textualis, eine Hand. Rubriziert, rote u. blaue Lombarden. Für eine Datierung vor 1456 spricht lt. GOTTWALD 1979, S. 161 das Fehlen des hl. Vinzenz Ferrer. HEUSINGER 1953, S. 91 u. 166 hielt die Entstehung in der Diözese Straßburg wegen der zweimaligen Nennung des hl. Adelphus in der Litanei für möglich, meldete aber 1959, S. 147 Anm. 47 Zweifel wegen des Fehlens anderer elsässischer Heiliger und wegen der Aufschrift der Namen des hl. Adelphus auf Rasuren an. Alter Einband, rotes Leder, Streicheisenlinien, zwei Schließen. Federzeichnungen: Fol. 2R Schweißtuch der Veronika; fol. 14V sitzendes Christuskind; Rd. weibliche Heilige mit Krug.

Ausstattung mit Druckgraphik: Vd.: Holzschnitt Geißelung Christi (nicht bei SCHREIBER). 143 x 105 mm. Kol. Gelb, Rosa, Blau, Grün, Braun. Zeitpunkt der Einfügung unklar. - Süddeutsch, ca. 1450-60. Lit.: JOSEF REST in HEITZ, E i n b l a t t d r u c k e B d . 94, N r . 2 3 ; HEUSINGER 1 9 5 3 , S. 9 1 , S. 166 f. ( K a t . N r .

14); HEUSINGER 1959, S. 147 Anm. 47; Kunstepochen der Stadt Freiburg 1970, S. 138 (Nr. 146); GOTTWALD 1979, S. 161 f.

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Heidelberg, Universitätsbibliothek

Cod. pal. germ. 4 Rudolf von Ems, 'Willehalm von Orlens'; Minnereden, Gedichte etc.11, dt. Konrad Bollstatter; Bibliotheca Palatina12. Papier u. Pergament; III (modern) + III + 232 + III (modern) Bl.; 21,3 x 30,8 cm; Hohenrechberg, Augsburg, 14551479 Eine Hand (Konrad Bollstatter). Rubriziert. Dat. 1455 (fol. 3 r ), Hohenrechberg 1456 (fol. 169 r ), Hohenrechberg 1458 (fol. 197 v ), Schloß Wallerstein 1466 (fol. 225 v ), Augsburg 1478 (fol. 208 v ), 1479 (fol. 230 v ). Neuer Einband (1970), Holzdeckel mit braunem Halblederüberzug. Buchschmuck: Kalligraphisch reich gestaltet (z. B. Überschrift fol. 3 r in altertümlichen Majuskeln, eingeschrieben in konzentrische Kreise); fol. 2 r ' v : Schemazeichnung der Verwandtschaftsgrade (aus einer anderen Hs.); mehrere fleuronnierte Feder- und Deckfarbeninitialen; rote und gelbgrüne, z. T. fleuronnierte Lombarden; bei manchen Satzanfängen im Text große fleuronnierte Majuskeln in schwarzbrauner Tinte. Kolorierte Federzeichnungen: Fol. 66 r : Abschied des jungen Willehalm vom König (LEHMANN-HAUPT 1929, Abb. 54); fol. 167 v : Duzabel, die Anspruch auf Willehalm erhebt, mit Amelie und der Äbtissin Sofie vor dem König und der Königin von Norwegen (LEHMANNHAUPT 1929, Abb. 55). Zahlreiche Illustrationen geplant (Freiräume mit Maleranweisungen), doch nicht zur Ausführung gekommen. Ausstattung mit Druckgraphik: Auf fol. 50 r eingeklebt: Kupferstich eines sich umarmenden Liebespaars (Abb. 189). U m die Umrisse ausgeschnitten, Bl. 110 x 63 mm (max. Abmessungen). B i s auf Spuren von Inkarnat auf Wangen und Gewand der Frau unkoloriert; Linien des Gewandes des Mannes an einer abgeschabten Stelle rechts unten mit brauner Tinte nachgezeichnet. U m die Figuren gelbgrüner Hintergrund, darauf Ranken mit dunkelbrauner Tinte, umgeben von einer doppelten Einfassungslinie mit ebensolcher Tinte (118 x 6 6 - 6 8 mm), Zwischenraum rot gefüllt. Nicht bei L E H R S , G E I S B E R G , HOLLSTEIN. Der Stil weist in die Richtung des Meisters der Weibermacht. Das gleiche Fußbodenmuster kommt auch in der Dornenkrönung dieses Stechers vor (L. I, 313, 5; G. 6); der Meister mit den Bandrollen kopierte es in seinem Stich des Gnadenstuhls (L. IV, 117, 83). Eine Kopie nach dem Kupferstich des Liebespaares ist der Holzschnitt Sehr. 1976m 1 3 , Ende 15. Jh. - Das Blatt klebt unter dem 11

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Im Detail: Fol. 3 r - 1 9 7 v Rudolf von Ems, 'Willehalm von Orlens'; fol. 198 r -230 v einige Gedichte und kürzere Texte ('Der Borte', 'Die Graserin1, 'Der Schüler von Paris', 'Minner und Trinker' (s. 2 VL Bd. 6, Sp. 594 f.), Peter Suchenwirt, Rede von Liebe und Schönheit (gedruckt bei ALOIS PRIMMER, Peter Suchenwirts Werke aus dem 14. Jahrhundert, Wien 1827, Nr. 46, S. 150-152). HARTONG 1938, S. 31 vermutete, daß die Handschrift durch Maria Jakobine von (Dettingen, die 1554 den Pfalzgrafen Johann II. von Simmern heiratete, in die kurfürstliche Bibliothek gekommen sein könnte. Doch ist durch nichts belegt, daß sich die Handschrift jemals in der Bibliothek der Grafen von (Dettingen befand. München, SGS, Inv.-Nr. 179603. Gegenüber dem Stich ergänzt um ein Hündchen links unten und zwei Spruchbänder. Bei SCHREIBER nochmals unter Sehr. 2151m als Fälschung geführt; der Holzschnitt ist aber sicher alt, da er mit anderen, zweifellos echten Holzschnitten auf demselben Blatt abdruckt wurde. Abb. in HEITZ, Einblattdrucke Bd. 30, Nr. 68.

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Abschnitt (fol. 49 v -50 r ), in dem der erste Kuß zwischen Willehalm und Amelie beschrieben ist. L i t . : GOEDEKE 1 8 8 4 , S . 1 2 5 ; BARTSCH 1 8 8 7 , S . 4 f.; WEGENER 1 9 2 7 , S . 5 6 f . ; LEHMANN-HAUPT 1 9 2 9 , S. 1 9 3 - 1 9 5 ; HARTONG 1 9 3 8 , S. 3 1 f.; BÜHLER 1 9 6 0 , S . 8 5 ; WOLFGANG STAMMLER, B e b i l d e r t e E p e n h a n d s c h r i f t e n , in: DERS., 1 9 6 2 ,

1 3 6 - 1 6 0 , d o r t S. 1 4 9 f.; TILO BRANDIS,

Mittelhochdeutsche,

mittelniederdeutsche und mittelniederländische Minnereden. Verzeichnis der Handschriften und Drucke (MTU 25) München 1968, S. 234; SCHNEIDER, Losbuch 1973, S. 17, S. 20, S. 23, S. 25, S. 27, S. 53; HANS-JOACHIM ZIEGLER, Kleinepik im spätmittelalterlichen Augsburg - Autoren und S a m m e l t ä t i g k e i t , in: J A N O T A - KRAPP 1 9 9 5 , S . 3 0 8 - 3 2 9 , d o r t S . 3 1 6 .

Karlsruhe, Badische Landesbibliothek Hs. Donaueschingen 424 Liturgische Texte zum Kranken-, Sterbe- und Begräbnisritus; Prozessionale; Evangelienlesungen der Passion; lat. u. dt. Straßburg, Dominikanerinnenkloster St. Nikolaus in undis (?). Papier; 246 Bl.; 14 x 10 cm; wohl Straßburg, Ende 15. Jh. Nach den Wasserzeichen etwa 1490-1500 geschrieben (s. HEINZER in: Unberechenbare Zinsen 1993, S.l 14). Die Texte entsprechen dominikanischem Ritus, die grammatikalischen Formen in den Gebeten weisen auf ein Frauenkloster; zusammen mit der elsässischen Schreibsprache und der doppelten Anrufung des hl. Nikolaus in der Litanei spricht dies dafür, daß das Buch für St. Nikolaus in undis bestimmt war; HEINZER 1993, S. 114 hält auch das Kloster Silo in Schlettstadt für möglich. Alter Einband, roter Lederüberzug.

Ausstattung mit Druckgraphik: An den entsprechenden Stellen des Passionsteils (Evangelienlesungen für die Karwoche) sind acht beidseitig mit den Holzschnitten einer löteiligen Passionsfolge ('Donaueschinger Passion') bedruckte Blätter in 'Fenster' eingeklebt, die aus den leeren Seiten des Buches ausgeschnitten worden waren. Diese sitzen fest im Lagenverband, so daß die Illustrationen zum ursprünglichen Konzept gehören und nicht erst nachträglich eingefügt wurden. - Fol. 194r/v: Einzug in Jerusalem (Sehr. 152a) / Fußwaschung (Sehr. 160a) - Fol. 197r/v: letztes Abendmahl (Sehr. 173b) / Christus am Ölberg (Sehr. 195a) - Fol. 208 r/v : Gefangennahme (Sehr. 218a) / Christus vor Pilatus (Sehr. 258b) - Fol. 21 l r / v : Geißelung (Sehr. 291b) / Dornenkrönung (Sehr. 322b) - Fol. 220 r/v : Ecce homo (Sehr. 329b) / Kreuztragung (Sehr. 345c) - Fol. 222 r/v : Entkleidung Christi (Sehr. 655m) / Kreuzannagelung (Sehr. 669c) - Fol. 229 r/v : Kreuzigung (Sehr. 487a) / Beweinung unter dem Kreuz (Sehr. 508a) - Fol. 23 l r/v : Grablegung (Sehr. 523b) / Auferstehung (Sehr. 541d). Einf. ca. 104-110 x 73-75 mm, meist 108 x 75 mm. Kol. Gelb, Grün, Graubraun, Rosa. Der Zyklus läßt sich keiner der großen ikonographischen Gruppen von druckgraphischen Passionsfolgen der Zeit (s. Kap. IV.4.) zuordnen. Der Stil weist auf eine Vorlage, die in die Mitte des Jahrhunderts zu setzen ist. Das dürfte allerdings nicht auch den Zeitpunkt des

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Verzeichnisse

Schnittes bezeichnen. Einiges spricht dafür, daß die Holzschnitte selbst erst mehrere Jahrzehnte später entstanden sind. Es ist nicht einmal ausgeschlossen, daß die Datierung der Hs. aufgrund der Wasserzeichen auf das Ende des 15. Jahrhunderts auch für die Holzschnitte einen Anhaltspunkt gibt. Es ist dabei etwa an die Kopistenwerkstatt zu erinnern, die in Basel am Ende des 15. Jahrhunderts die Holzschnitte des 'Gulden puchlein' nachschnitt, deren Kompositionen zu jener Zeit schon ein halbes Jahrhundert alt waren (COPINGER 4 3 6 8 , SCHRAMM B d . 2 2 , N r . 4 2 0 - 4 7 1 , vgl. d a z u SCHMIDT 1998, S. 7 6 ) .

Ungeachtet der neueren Erkenntnisse zum Kopien- und Reproduktionscharakter von Holzschnitten dieser Zeit ist die herkömmliche Frühdatierung des Holzschnittzyklus allerdings kritiklos bis in jüngste Zeit wiederholt worden (zuletzt in Spätmittelalter am Oberrhein 2002, S. 365). Lit.: BARACK 1865, S. 294 f.; SCHREIBER in HEITZ, Einblattdrucke Bd. 8, S. 7-10; HEITZ, Einzelbilder 1918, Abb. 28-38, 40-44; HEUSINGER 1959, S. 145 Anm. 40; HEINZER in: Unberechenbare Zinsen 1993, S. 114; Karlsruher Passion 1996, S. 235 (Nr. 62); Spätmittelalter am Oberrhein 2002, S. 365 (Nr. 205).

London, British Library

Add. ms. 15712 Heinrich von St. Gallen, Passionstraktat Kirchheim / Ries, Zisterzienserinnen; Neresheim, Benediktiner; A. Asher, Berlin (bis 1846). Papier; 149 Bl.; 15,3 x 10,7 cm; Nürnberg (?), 1459 Eine Hand. Rubriziert, rote Lombarden. Dat. 1459 (fol. 145V). Im Vd. Notiz S. Ioana Schmidin (Kirchheimer Nonne, F 1764, wohl im Amt der Bibliothekarin tätig, s. SCHROMM 1998, S. 35). Fol. l v Vermerk Ex dono monalium in Kirchheim 1789 (Hand des Neresheimer Klosterbibliothekars Karl Nack, s. SCHROMM 1998, S. 22, S. 308). Der Codex gelangte also aus Kirchheim nach Neresheim und von dort - wohl nach der Säkularisation - in den Kunsthandel. - Schreibsprache nürnbergisch, deshalb wohl nicht in Kirchheim geschrieben (wie die meisten Hss. des 15. Jahrhunderts aus der Bibliothek dieses Zisterzienserinnenklosters). Alter Pergamentumschlag. (Priebsch sprach im Jahr 1901 von einem „Schweinslederband". Was damit gemeint ist, ist nicht ganz klar; Holzdeckel aber, die er in seinem Katalog sonst zu beschreiben pflegt, erwähnt er hier nicht).

Ausstattung mit Holzschnitten: Beim Schreiben war an den entsprechenden Stellen des Passionstraktats der Platz für die Bilder ausgespart worden, bevor sie eingeklebt wurden. Keiner der Holzschnitte ist bei SCHREIBER verzeichnet. Sie gehören zur 'Gulden puchlein'-Gruppe; weitere Abdrücke dieser Holzstöcke im Gebetbuch New York, PL, Ms 77 (s. u.). Alle sind von der gleichen Hand kräftig koloriert. - Fol. 2 r : Fußwaschung. Einf. 69 x 59 mm. Seitenverkehrte Wiederholung von Sehr. 164a (in Nürnberg, StB, Cent. VII, 38, aus dem Katharinenkloster). - Fol. 14r: Christus am Ölberg. Einf. 72 x 60 mm. Weiteres Ex. in der Handschrift New York, PL, Ms 77, S. 11.

Handschriften

343

- Fol. 28 r : Die Soldaten stürzen vor Christus nieder. Einf. 68 x 57 mm. Weiteres Ex. in New York, PL, Ms 77, S. 11. Gleichseitige Wiederholungen von Sehr. 215a, 216. - Fol. 29 r : Verrat. Einf. 71 x 59 mm. Weitere Exx. in New York, PL, Ms 77, S. 12 u. 32. - Fol. 29 v : Verrat, vom gleichen Stock wie 29r, nur besserer Abdruck. - Fol. 32 v : Christus vor Annas. Einf. 68 x 58 mm. Gleichseitige Wiederholung von Sehr. 244, 244a. - Fol. 34r: Verspottung Christi. Einf. 70 x 58 mm. Weiteres Ex. in New York, PL, Ms 77, S. 13. Gleichseitige Wiederholung von Sehr. 254, seitenverkehrt Sehr. 254a. - Fol. 36 v : Christus vor Pilatus. Einf. 68 x 57 mm. Weiteres Ex. auf fol. 41 v und in New York, PL, Ms 77, S. 14. Gleichseitige Wiederholung von Sehr. 261, 261a. - Fol. 39r: Ecce homo. Einf. 68 x 59 mm. Weiteres Ex. in New York, PL, Ms 77, S. 16. Gleichseitige Wiederholung von Sehr. 335m-336a. - Fol. 41 v : Christus vor Pilatus; Abdruck vom gleichen Stock wie fol. 36 v . - Fol. 45 r : Christus vor Herodes (Abb. 202). Einf. 70 x 59 mm. Weiteres Ex. in New York, PL, Ms 77, S. 14. - Fol. 46 r : Christus vor Herodes; Abdruck vom gleichen Stock wie fol. 45 r . - Fol. 55r: Dornenkrönung. Einf. 67 x 58 mm. Weiteres Ex. in New York, PL, Ms 77, S. 15. Gleichseitige Wiederholung von Sehr. 315-318. - Fol. 58v: Pilatus wäscht seine Hände. Einf. 70 x 58 mm. Weiteres Ex. in New York, PL, Ms 77, S. 16. Gleichseitige Wiederholung von Sehr. 282, 182a, 283. - Fol. 67r: Kreuztragung. Einf. 68 x 58 mm. Weiteres Ex. in New York, PL, Ms 77, S. 17. Gleichseitige Wiederholung von Sehr. 356, 359, seitenverkehrt Sehr. 359a; dort fehlt jedoch das Stadttor am linken Rand. - Fol. 71 r : Kreuzannagelung. Einf. 69 x 60 mm. Weiteres Ex. in New York, PL, Ms 77, S. 18. Gleichseitige Wiederholung von Sehr. 679-681. - Fol. 74 v : Christus am Kreuz. Einf. 70 x 59 mm. Gleichseitige Wiederholung von Sehr. 458a, 459a. - Fol. 89r: Christus am Kreuz. Vom gleichen Holzstock wie fol. 74 v , doch fetterer Druck. -Fol. 100v: Kreuzabnahme. Einf. 68 x 59 mm. Gleichseitige Wiederholung von Sehr. 404-406a. -Fol. 104r: Grablegung. Einf. 71 x 60 mm. Gleichseitige Wiederholung von Sehr. 533, 535, 536, seitenverkehrt Sehr. 535a. - Fol. 109r: Auferstehung. Einf. 68 x 60 mm. Gleichseitige Wiederholung von Sehr. 546. - Fol. 115r: Der auferstandene Christus erscheint Maria. Einf. 6 8 x 6 1 1 mm. Gleichseitige Wiederholung von Sehr. 704. - Fol. 117r: Noli me tangere. Einf. 68 x 60 mm. - Fol. 125r: Christus und der ungläubige Thomas. Einf. 69 x 60 mm. Gleichseitige Wiederholung von Sehr. 571-575. - Fol. 139r: Himmelfahrt Christi. Einf. 70 x 59 mm. Gleichseitige Wiederholung von Sehr. 585, 586. - Fol. 145r: Pfingstwunder. Einf. 68 x 60 mm. Weitere Exx. in New York, PL, Ms 77, S. 10, S. 22, S. 27. Gleichseitige Wiederholungen von Sehr. 595, 596, seitenverkehrt Sehr. 597. Lit.: Catalogue o f Additions 1 8 4 6 - 4 7 , S. 14; PRIEBSCH 1901, S. 141 f. (Nr. 166); WEINBERGER, F o r m s c h n i t t e 1 9 2 5 , S. 4 3 ; R U H 1 9 4 0 , S . X V I I ( N r . 4 3 ) ; BÜHLER 1 9 6 0 , S . 8 5 f, S . 1 7 4 A n m .

101;

WATSON 1 9 7 9 , B d . 1, S . 4 4 ; SCHMIDT 1 9 9 8 , S . 7 5 , S . 7 8 , S . 8 5 A n m . 6 2 u. 7 6 ; SCHROMM 1 9 9 8 , S. 2 2 , S . 2 9 , S . 3 0 8 .

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Verzeichnisse

London, British Museum, Department of Prints and Drawings 158* b.3 [Inv.-Nr. 1890-10-13-54] Dominikanisches Brevier Nürnberg, Dominikanerinnen. Papier u. Perg.; 360 Bl. (ungez.); 1 1 x 8 cm; Nürnberg, um 1450-1460 Textualis und Bastarda von drei Händen. Rubriziert, rote und blaue Lombarden. Alter Einband, braunes Leder, zwei Messingschließen. Fol. 9 r einfache Initiale, Deckfarben Blau, Rot und Weiß. Fol. 249 r bescheidene Miniatur hl. Dominikus.

Ausstattung mit Druckgraphik: 17 eingebundene Pergamentblätter, die beidseitig mit Holzschnitten bedruckt sind: - Fol. 8 r : Verkündigung (Sehr. 41a, DODGSON A 142-1), Einf. 82 x 63 mm. - Fol. 8V: Heimsuchung (Sehr. 56a, DODGSON A 142-2), 83 x 63 mm. -Fol. 17r: Mystische Vermählung der hl. Katharina von Alexandrien (Sehr. 1142a, DODGSON A 1 4 2 - 2 8 , s. A b b . 58), 7 1 x 6 0 m m .

- Fol. 17v: hl. Agnes mit dem Lamm (Sehr. 1181a, DODGSON A 142-27), 69 x53 mm. - Fol. 28 r : Geburt Christi (Sehr. 69c, DODGSON A 142-3), 83 x 63 mm. - Fol. 28 v : Anbetung der Könige (Sehr. 108c, DODGSON A 142-4, s. Abb. 54), 83 x 63 mm. - Fol. 62 r : Madonna im Strahlenkranz mit zwei Engeln (Sehr. 1109a, DODGSON A 14226), 71 x 60 mm. - Fol. 62 v : Krönung Mariae (Sehr. 732a, DODGSON A 142-33), 93 x ? mm (am linken Rand beschnitten; Abb. 56). -Fol. 68 r : Die Soldaten stürzen am Ölberg vor Christus nieder (Sehr. 215a, DODGSON A 142-23), 68 x 57 mm. - Fol. 68 v : Christus vor Pilatus (Sehr. 259b, DODGSON A 142-10), 82 x 63 mm. - Fol. 77 r : Geißelung Christi (Sehr. 298a, DODGSON A 142-11), 81 x 62 mm. - Fol. I T : Domenkrönung (Sehr. 314a, DODGSON A 142-12), 82 x 62 mm. -Fol. 82 r : Kreuztragung (Sehr. 351b, DODGSON A 142-13), 83 x ? mm (rechts beschnitten). - Fol. 82 v : Entkleidung Christi (Sehr. 658m, DODGSON A 142-24), 70 x ca. 59 mm (links beschnitten). - Fol. 87 r : Kreuzannagelung (Sehr. 676a, DODGSON A 142-14), 82 x 62 mm. -Fol. 87 v : Christus am Kreuz zwischen Maria und Johannes (Sehr. 448a, DODGSON A 142-15), 83 x 6 3 mm. - Fol. 95 r : Einzug in Jerusalem (Sehr. 152d, DODGSON A 142-5), 82 x 62 mm. - Fol. 95 v : Abendmahl (Sehr. 175b, DODGSON A 142-6, s. Abb. 35), 82 x 63 mm. - Fol. 105r: Kreuzabnahme (Sehr. 500a, DODGSON A 142-16), 82 x 62 mm. - Fol. 105v: Fußwaschung (Sehr. 161a, DODGSON A 142-7), 82 x 62 mm. - Fol. 11 l r : Beweinung Christi unter dem Kreuz (Sehr. 510a, DODGSON A 142-17, s. Abb. 39), 82 x 64 mm. - Fol. 11 l v : Grablegung (Sehr. 528a, DODGSON A 142-18), 82 x 63 mm.

Handschriften

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- Fol. 124r: Christus am Ölberg (Sehr. 199a, DODGSON A 142-8), 83 x 63 mm. - Fol. 124v: Gefangennahme (Sehr. 222b, DODGSON A 142-9), 82 x 62 mm. - Fol. 134r: Noli me tangere (Sehr. 558a, DODGSON A 142-19), 82 x 63 mm. - Fol. 134v: Ausgießung des Hl. Geistes (Sehr. 590a, DODGSON A 142-21), 82 x 62 mm. - Fol. 206 r : Himmelfahrt Christi (Sehr. 583a, DODGSON A 142-20), 83 x 63 mm. - Fol. 206 v : Jüngstes Gericht (Sehr. 616a, DODGSON A 142-22), 82 x 62 mm. - Fol. 255 r : Petrus und Paulus (Sehr. 1662c, DODGSON A 142-31), 74 x 63 mm. - Fol. 255 v : Hl. Hieronymus (Sehr. 1564a, DODGSON A 142-34, s. Abb. 55), 107 x 68 mm. - Fol. 260 r : Hl. Johannes Ev. (Sehr. 1523a, DODGSON A 142-30), 74 x 55 mm. - Fol. 260 v : Hl. Johannes Bapt. (Sehr. 1515a, DODGSON A 142-29), 70 x 60 mm. - Fol. 272 r : Hl. Elisabeth von Thüringen 14 (Sehr. 998p, DODGSON A 142-25), 67 x 55 mm. - Fol. 272 v : Hl. Ursula im Schiff (Sehr. 1716a, DODGSON A 142-32), 67 x 57 mm. Kol. Karminrot, Violett, Zinnober, Gelb, Braun, Grün (mehrere Töne), Blau, Schwarz, Weiß, sulfidiertes Silber (Waffen, Rüstungen etc.), Gold (Nimben). Einfassungen Gelb, gelegentlich zusätzlich Zinnober. Bemalung grob, bei einigen Bildern wie der hl. Elisabeth auf fol. 272 r völlig deckend, die Wirkung der Holzschnitte durch die häufig mit Feder und schwarzer Tinte nachgezogenen Linien entstellt. Die Holzschnitte gehören verschiedenen Folgen an bzw. sind nach verschiedenen Vorlagen kopiert: 15 Die umfangreichste umfaßt die Passionsszenen, bis auf das Bild der niederstürzenden Soldaten am Ölberg, das einzige Blatt eines anderen, zur 'Gulden puchlein-Gruppe' zählenden Passionszyklus, vielleicht von der gleichen Hand wie die hl. Elisabeth auf fol. 272 r und die Entkleidung Christi (fol. 82 v ), die mit der Madonna im Strahlenkranz (fol. 62") zusammengehört. Einer anderen Heiligenfolge lassen sich die Darstellungen der hl. Ursula (fol. 272 v ) und evtl. Johannes des Täufers (fol. 260 v ) zuweisen. Jeweils allein stehen - schon von den unterschiedlichen Formaten her - die Darstellungen der hl. Katharina (fol. 17r, s. Abb. 58) und Agnes (fol. 17v), der Marienkrönung (fol. 62 v ), Johannes' des Evangelisten (fol. 260 r ), Petrus und Paulus (fol. 255 r ) und Hieronymus (fol. 255 v , s. Abb. 55). DODGSON, der eine ausfuhrliche Beschreibung der Graphiken lieferte, enthielt sich vorsichtshalber eines Kommentars zur Lokalisierung (DODGSON 1903, S. 138-148) Doch gibt es deutliche Beziehungen dieses Passionszyklus zu nürnbergischen Folgen. So stimmt etwa die Beweinung unter dem Kreuz (Sehr. 510a) in der Komposition mit dem entsprechenden Blatt (Sehr. 509) der nümbergischen Folge Sehr. 127 etc. (London, BM, s. dazu Kap. IV.3.1.) überein. Das Abendmahl (Sehr. 175b) ist eine seitenverkehrte Wiederholung derselben Szene aus der Folge B des 'Gulden puchlein' (Sehr. 175c); die Komposition der Darstellung Christi vor Pilatus (Sehr. 259b) findet sich erweitert in der Händewaschung des Pilatus (Sehr. 278b, s. Abb. 40) wieder, die in die Hs. des Nürnbergers Hanns Lidrer (Augsburg, UB, Cod. 1.3.8° 5, s. o.) gedruckt ist. Mit diesem Passionszyklus - der Folge A der Lidrer-Hs. - sind die Holzschnitte des Londoner Breviers auch stilistisch in Verbindung zu bringen. Eine Eigenart wie die unverstanden wirkenden Schraffuren, die in mehreren der Londoner Passionsszenen zu beobachten sind (z. B. der Beweinung, s. Abb. 39) ist etwa am Gewand Christi in der Handwaschungs-Szene der Lidrer-Hs. (Sehr. 278b, s. Abb. 40) wiederzufinden. - Die Blätter der Hs., die zu anderen Folgen gehören, stehen der 14 15

Bei SCHREIBER als Maria gefuhrt, auch noch von DODGSON 1903, Bd. 1, S. 146 so bezeichnet, doch von ihm 1934, Bd. 1, S. 10 wegen der Attribute der drei Brote als Elisabeth erkannt. DODGSON 1903, Bd. 1, S. 140 unterschied nur zwei Folgen, was aber weder ikonographisch noch von den Formaten her haltbar ist.

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Verzeichnisse

Passion sehr nahe; vielleicht stammen sie aus derselben Werkstatt und sind nur nach anderen Vorlagen kopiert. Dafür spricht etwa der hl. Hieronymus (fol. 255 v , s. Abb. 55), auf dessen Gewand die gleichen Schraffiiren zu finden sind wie auf der Heimsuchung (fol. 8V) oder der Beweinung (fol. l l l r , s. Abb. 39) der Londoner Hs., dessen Gewandaufbau jedoch ein älteres Vorbild verrät. Die Schwierigkeit bei der stilistischen Beurteilung liegt einmal mehr darin, daß offenbar Vorlagen unterschiedlicher Herkunft herangezogen wurden, deren Formengut bis in die Details übernommen wurde. Die Marienkrönung (Abb. 56) zeigt das am deutlichsten: Die Faltenlinien der drei Figuren unterscheiden sich stark voneinander. Die weich geschwungenen Linien, in denen das Gewand Mariae beim Auftreffen am Boden zu den Seiten fließt, fehlen den anderen Figuren. Dort sind die Falten durch gröbere, kurze Linien angegeben; während diese jedoch bei der rechten Gestalt in kurzen Häkchen enden, laufen sie bei der linken zumeist gerade aus. Lit.: DODGSON

1903, Bd.

1, S . 1 3 8 - 1 4 8 ( K a t . A

1 4 2 ) ; WEINBERGER, F o r m s c h n i t t e

1 9 2 5 , S.

29,

S . 4 3 f . ; D O D G S O N 1 9 3 4 , S . 8 ; H I N D 1 9 3 5 , S . 2 8 1 ; KRÄMER i n M B K E r g . - B d . I, S . 6 1 7 ; SCHMIDT 1 9 9 8 , S. 7 6 , S. 8 5

Anm. 6 6 f.

Einzelblätter: Inv.-Nr. 1895-1-22-23 Hl. Antlitz mit Gebet, Holzschnitt und typographischer Text (Sehr. 769; Einbl. 643=656a) Prov.: Inzigkofen, Augustiner-Chorfrauen; W. Mitchell; Museum geschenkt

1895 dem

British

Einf. 129 x 112 mm, Bl. 258 x 149 mm; Kol. Rotlack, Hellbraun, Grün, Einf. Gelb. Unter dem Holzschnitt (Abb. 88) ein deutsches Gebet mit Ablaßverheißung (Griest siestu hailiges antlit vnsers behalten..., eine Übertragung des Versgebets 'Salve saneta facies'), mit den Typen Conrad Dinckmuts in Ulm ca. 1482 gedruckt (DODGSON 1903, S. 60). Am oberen Rand die Aufschrift (D)iß buoch gehört in die gemain deutsch liberey (..)31, Bibliothekseintrag des Augustiner-Chorfrauenstifts Inzigkofen, der Ortsname ausradiert, die Zahl evtl. Teil einer Signatur; zweifellos klebte das Blatt einst im Vorderdeckel eines Buches dieses Konvents. Weitere Drucke des gleichen Holzstocks, z. T. ohne Text, in München, BSB, Nürnberg, GNM (s. ESSENWEIN 1874, Taf. 152, und HELLWIG 1970, S. 122 Nr. 402), Oxford, Ashmolean Museum (s. DODGSON 1929, Taf. XVIII, Nr. 29). Eine gleichseitige Wiederholung des Holzschnittes ist Sehr. 763. - Schwäbisch, um 1480 Lit.: DODGSON 1903, Bd. 1, S. 59 f. (Nr. A 26); Catalogue of Books Printed in the X V . Century, now in the British Museum, Bd. 2: Germany: Eltvil - Trier, London 1912, S. 533; Einbl. 643=656a;

SCHRAMM B d . 6 , N r . 2 3 ; DODGSON 1 9 3 4 B d .

1, S . 1 6 , N r .

1 0 3 , m i t A b b . ; PROCTOR

2559A; Illustrated Bartsch Bd. 82, S. 311 (Nr. 1482/129); ISTC io00065970; EISERMANN 1998, S . 43 Anm. 23.

Handschriften

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London, Guildhall Library Inv.-Nr. Ws. I. 9 (a) Christus am Ölberg, Holzschnitt (Sehr. VIII *209a) Prov.: Nürnberg, Dominikanerinnen 66 x 59 mm; Kol. Grün, Gelb, Graubraun, Rot. - Blatt aus einer Hs. Auf der Rückseite deutscher Text (Bruchstücke einer Gebetsanweisung und eines dialogartig aufgebauten Traktats über die Liebe Gottes, s. Abb. 61) von zwei Händen, eine davon einer Schreiberin des Nürnberger Katharinenklosters, die zwischen 1440 und 1450 nachgewiesen ist (die „3. Hand" nach SCHNEIDER 1965). Figuren und Linienführung weisen auf ein Vorbild aus dem Kreis der Illustrationen der Rüdiger Schopf-Hss. (vgl. etwa den Ölberg in Karlsruhe, LB, Ten. 8, fol. 79; Abb. bei STAMM 1981, S. 109). Das Figurenarrangement mit den drei Aposteln folgt einem am Oberrhein gängigen Muster (vgl. den Kupferstich des Meisters von 1446, L. I, 215, 1). Eine gleichseitige Wiederholung, etwa zur gleichen Zeit entstanden, ist Sehr. 213 (Washington, NGA, s. Abb. 60). Dieses Blatt gehört zum Rest von fünf Blättern, die eine der ältesten kleinformatigen Passionsfolgen reflektieren (früher Maihingen, (Dettingen-Wallerstein'sche Sammlung). Sie wurden aus dem Deckel eines nicht mehr zu identifizierenden Gebetbuches des 15. Jh. gelöst (s. HEITZ, Einblattdrucke Bd. 40, Nr. 3). Stilistisch ganz ähnlich ist die Anbetung der Könige (Sehr. 102, Washington, NGA; vgl. KÖRNER 1979, S. 127, mit Lit.). - Oberrhein (?), um 1440 Lit.: ARTHUR M. HIND, [unpublizierter Druckgraphik-Katalog der Guildhall-Library, masch.], ca. 1914, S. 1, Nr. 1; DODGSON 1936, S. 249, Nr. 1; FIELD in Fifteenth Century Woodcuts 1965, bei Nr. 37.

Inv.-Nr. Ws. 1.11 Christus am Kreuz zwischen Maria und Johannes, Holzschnitt (Sehr. VIII *458a) 68 x 58 mm; Kol. Blau, Grün, Gelb, Rot, Rosa. Rechte obere Ecke abgerissen, Linien dort mit Feder nachgezogen. Klebt auf einem aus einer Hs. gelösten Blatt. Oben handschriftlich in Majuskeln INRI, unter dem Bild und auf der Rückseite lateinische Gebete, 1457 datiert (Anno domini M cccc Ivii ineipit frater Steffanus etc. precedentem orationem...) Ein zweites, bei SCHREIBER nicht verzeichnetes Ex. befindet sich in Nürnberg, StB, Cent. r V I , 60, f. 26 (s. u., dieses bei SCHNEIDER 1965, S. 208, fälschlich als Sehr. 459a identifiziert, doch ist jener Holzschnitt der SB Bamberg - eingeklebt in Msc. patr. 42, fol. 52 v nur eine gleichseitige Wiederholung in plumperem Schnitt). Beide Exx. von der gleichen Hand koloriert, von der der auch die Bemalung der Graphiken des 'Gulden puchlein1 in der BSB München stammt. - Süddeutsch (Nürnberg?), um 1450. Lit.: ARTHUR M. HIND, [unpublizierter Druckgraphik-Katalog der Guildhall-Library, masch. ca. 1914]; DODGSON 1936, S. 252, Nr. 8.

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Verzeichnisse

München, Bayerische Staatsbibliothek Handschriften:

'Gulden puchlein'; ohne Signatur, Dauerleihgabe der SGS München. Heinrich von St. Gallen, Marienleben; Konrad von Würzburg, 'Die goldene Schmiede'; gereimte Mariengrüße; Ps.-Bonaventura, 'Meditationes vitae Christi' (Kap. 80-84), dt. Nürnberg, Dominikaner, dann vermutl. Dominikanerinnen; Antiquariat Clemens Steyrer, München (um 1880); Antiquariat Ludwig Rosenthal, München; seit 1891 Kgl. bayerisches Kupferstichkabinett (Staatliche Graphische Sammlung München). Papier (fol. lx-3x Pergament); 3 + 227 Bl.; 21,3 x 15,1 mm; Nürnberg, 1450 Eine Hand: Conrad Forster, Nürnberger Dominikaner. Rubriziert, rote Lombarden, fol. l r einfache fleuronnierte Initiale D. Dat. fol. 164 r : Anno domini MCCCCL an dem nechsten montag vor der eylff tausend meyd [= 19. Oktober 1450] nach der prenn reys etc. Als fol. 222 ein Ablaßbrief eingebunden, der 1405 von Thomas de Firmo, dem Generalmagister des Predigerordens, an Alheydi vidue Bambergensis diocese in Nürnberg ausgestellt ist. Miniaturen: Fol. 2x r ganzseitig: sitzende Maria mit Kind und hl. Petrus Martyr (Abb. 1), Deckfarben und Tinte. Fol. 3x v ganzseitig: sitzende Maria mit Kind und mystische Vermählung der hl. Katharina (Abb. 3), Komposition sehr ähnlich der vorhergehenden Miniatur und von der gleichen Hand. Fol. 97 v 1. u. (Abb. 10): Bergpredigt, lavierte Federzeichnung (von SCHREIBER, Manuel Bd. 1, Nr. 138 fälschlich als Holzschnitt verzeichnet). Fol. 99 r r. o.: Christus im Haus des Simon von Bethanien oder Lazarus, lavierte Federzeichnung (von SCHREIBER, Manuel Bd. 1, falschlich als Holzschnitt Nr. 149 aufgenommen), von der gleichen Hand wie die Miniatur auf fol. 97 v , ebenso wie fol. 108 v : Die Jünger begegnen dem Mann mit dem Krug (von SCHREIBER, Manuel Bd. 1, Nr. 159 falschlich als Holzschnitt verzeichnet). Von anderer Hand fol. 165 v : hl. Agnes, lavierte Federzeichnung, ganzseitig (Abb. 17), nach dem Vorbild eines Holzschnitts der 1. H. 15. Jh., von dem nur eine spätere Wiederholung in Sehr. 1180(1 erhalten ist (Abb. 18). Fol. 167 v : Verkündigung Mariae, ganzseitig (Abb. 16), im Stil oberrheinischer Nonnenmalereien, ähnlich den Miniaturen der Schwester Barbara Gwichtmacherin. Fol. 217 v : Kalvarienberg, ganzseitig, gleiche Hand wie die Miniaturen fol. 97 v , 99 r , 108 v . Alter Einband, rotes Leder mit Streicheisen und Einzelstempeln, aus der Buchbinderei der Nürnberger Dominikaner (Abb. 13).

Holzschnittausstattung:16 Zugehörigkeit zu verschiedenen Folgen: Die meisten der kleinformatigen Blätter, die das Marienleben (fol. l r -164 v ) illustrieren, gehören zur Hauptfolge (Folge A); zu einer ande-

16

Wegen des schlechten Erhaltungszustandes (fortgeschrittener Tintenfraß) wurde mir die Autopsie des Originals nicht gewährt. Grundlage der Untersuchung waren Mikrofilm, Fotos und vorhandene Beschreibungen. Um die Liste der Graphiken nicht ausufern zu lassen, wurde die Kolorierung, zumal sie von einer einzigen Hand stammt, nicht für jedes einzelne Blatt, sondern nur summarisch angegeben. Einzelheiten sind bei WEIGMANN 1918 und in SCHREIBERS Handbuch angegeben.

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ren 17 (Folge B) die Holzschnitte auf fol. 89r (Sehr. 132), 90 v (Sehr. 134), 94 v (Sehr. 147) und 101v (Sehr. 158). Zu einer dritten Folge (C) gehören die Blätter auf fol. 92r (Sehr. 136), 114v (Sehr. 183), 142r (Sehr. 566), 148r (Sehr. 578). Aus einer weiteren Serie (D) stammen die Drucke auf fol. 110v (Sehr. 164) fol. 114v (Sehr. 207). 18 Jeweils anderen Folgen nürnbergischen Ursprungs gehören die Holzschnitte auf fol. 121v (Sehr. 493) 19 und fol. 130v (Sehr. 980) 20 an. Alle ganzseitigen Blätter, die sich vor und nach dem Marienleben befinden, stammen vermutlich aus einer gemeinsamen Werkstatt. Für die Darstellungen, die von getrennt gedruckten Holzschnittbordüren umgeben sind, ist das sicher. Drei unterschiedliche Rahmenholzstöcke fanden Verwendung: Bordüre A: Sehr. 432 (fol. lx v ), 433 (fol. 1220, 843 (fol. 165r), 1480 (fol. 167r); Bordüre B: Sehr. 711 (fol. 162v), 1153 (fol. 213 v ), 1650 (fol. 2x v ); Bordüre C: Sehr. 987, 1598 (diese auch um Sehr. 34b, Wien, Albertina, 21 und um das Bad Windsheimer Exemplar von Sehr. 843, s. dazu unten bei fol. 1651). Die formalen Unterschiede der figürlichen Holzschnitte sind auf Vorlagenmaterial aus verschiedenen Quellen zurückzuführen. Dabei lassen sich folgende Gruppen bilden: Sehr. 432 (fol. l v ), Sehr. 843 (fol. 1650, Sehr. 1650 (fol. 2x v ) und Sehr. 1661 (fol. 166v); weiterhin Sehr. 1153 (fol. 213 v ) und Sehr. 1480 (fol. 1670, evtl. auch Sehr. 987 (fol. 164v); Verbindungen gibt es auch zwischen Sehr. 433 (fol. 1220 und Sehr. 711 (fol. 162v). Für einige der Blätter sind Beziehungen zu fest nach Nürnberg lokalisierbaren Werken festzustellen (s. Kap. II. 1.2). Die Kolorierung aller Blätter scheint von der gleichen Hand zu stammen, unabhängig davon, welcher Folge sie angehören: Blau, Grün, Gelb, Rosa, Rot, Gold (Nimben); Einfassungen Gelb. Öfter wurden mit Feder und schwarzer Tinte Linien nachgezogen und Nimben verziert. - Fol. lx v (Abb. 1): Christus am Kreuz mit Maria und Johannes (Sehr. 4 3 2 , WEIGMANN Nr. 63). Einf. 181 x 123 mm. Bordüre A. Zweites Ex. in Augsburg, Stadt- und Staatsbibliothek. Ähnliche Rankenleisten in der Bemalung des Hintergrunds in Sehr. 398 und Sehr. 400, die aber weder in Schnitt noch in Kolorierung mit Sehr. 432 etwas zu tun haben. - Fol. 2x v (Abb. 2): Die Hll. Antonius und Paulus von Theben (Sehr. 1650, WEIGMANN Nr. 64). Einf. 180 x 130 mm. Bordüre B. - Fol. 3xr (Abb. 2): Die hl. Magdalena im Haarkleid wird von sechs Engeln erhoben (Sehr. 1598, WEIGMANN Nr. 65). Einf. 192 x 126 mm. Bordüre C. - Fol. 6V links oben: Zurückweisung von Joachims Opfer (Sehr. 625, WEIGMANN Nr. 1). Einf. 69 x 57 mm. Text der Seite (die Passage des Marienlebens des Heinrich von St. Gallen, die auf der Seite der jeweilige Illustration steht, ist im Folgenden jeweils nach der Edition von HLLG 1981 identifiziert und angegeben): Kap. I, Z. 143-157 . 17 18 19

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Diese Blätter sind bei WEIGMANN 1918 unter den Kopienfolgen der hier sog. 'Gulden puchlein-Gruppe' als Folge IX verzeichnet. WEIGMANN 1918, S. 8, stellte zugehörige Blätter unter „Folge IV" zusammen. Dieses Blatt steht Sehr. 147 (fol. 94 v dieser Hs.) nahe; besonders die Bildung des Gesichts Christi verrät die Nähe zu den Nürnbergischen Zyklen Sehr. 152b CNonnberger Passion') und Sehr. 127 etc. (s. Kap. III.3.1). Die eigenartige Gewandstruktur mit den Häkchenfalten und SchrafTuransätzen erinnert an die hl. Agnes (Sehr. 1181a), die in eine Handschrift des Katharinenklosters gebunden ist (London, BM, 158* b.3). SCHREIBER betont in seinem Eintrag unter Sehr. 34b, die Bordüre sei nicht identisch mit der von Sehr. 987 und 1598, doch beweisen selbst die übereinstimmenden Ausbruchsstellen, daß er sich irrte; es handelt sich nur um verschieden fette Drucke.

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Verzeichnisse

- Fol. 7R rechts unten: Verkündigung an Joachim (Sehr. 9 3 , WEIGMANN Nr. 2 ) . Einf. 6 9 x 60 mm. Ein zweites Exemplar des gleichen Holzschnitts unten als Verkündigung an die Hirten, f. 56 R . Text der Seite Kap. I, Z. 1 5 7 - 1 6 8 . - Fol. 8 r r. o. (Abb. 4): Begegnung unter der goldenen Pforte (Sehr. 627, WEIGMANN Nr. 3). 66 x 56 mm. Text Kap. I, Z. 181-192. - Fol. 9V 1. o.: Geburt Mariae (Sehr. 628, WEIGMANN Nr. 4). Text Kap. I, Z. 218 - Kap. II, Z. 7.

- Fol. 18v 1. u.: Tempelgang Mariae (Sehr. 631, WEIGMANN Nr. 5). Einf. 69 x 59 mm. Text Kap. II, Z. 2 3 0 - K a p . III, Z. 1. - Fol. 22 r 1. u.: Josefs blühender Stab (Sehr. 633, WEIGMANN Nr. 6), daneben r. u.: Vermählung Mariae mit Josef (Sehr. 634, WEIGMANN Nr. 7). Einf. 70 x 57 mm. Die Bilder kleben nach dem Ende des entsprechenden Kapitels (Text Kap. III, Z. 77-84). - Fol. 2 4 V 1. u.: Verkündigung Mariae (Sehr. 4 6 , WEIGMANN Nr. 8 ) . Einf. 6 9 x 5 8 mm. Nicht identisch mit Sehr. 4 5 (Berlin, KK), wie seit SCHREIBER - nachdem er in der zweiten Ausgabe seines Handbuches die ursprünglich unter getrennten Nummern verzeichneten Folgen als identisch bezeichnete - allgemein angenommen. Text Kap. IV, Z. 5 3 - 6 3 .

- Fol. 42 r r. o.: Heimsuchung (Sehr. 58, WEIGMANN Nr. 9). Einf. 71 x 59 mm. Text Kap. V, Z. 8-17. - Fol. 49 R r. o.: Josef will Maria verlassen (Sehr. 6 1 , WEIGMANN Nr. 10). Einf. 4 8 x 5 8 mm. Text Kap. V, Z. 205-215. - Fol. 51 R r. u.: Geburt Christi (Sehr. 7 3 , WEIGMANN Nr. 11). Einf. 7 0 x 5 8 mm. Nicht identisch mit Sehr. 72 (Berlin, KK), wie bislang angenommen. Text Kap. V, Z. 260 - Kap. VI, Z. 8. - Fol. 56 R r. o.: Verkündigung an die Hirten (Sehr. 9 3 , WEIGMANN Nr. 12). Einf. 6 9 x 6 0 mm. Anderes Exemplar dieses Druckes als Verkündigung an Joachim auf fol. 7 r . Text Kap. V I , Z . 132-142.

- Fol. 58r r. u.: Beschneidung (Sehr. 95, WEIGMANN Nr. 13). 70 x 59 mm. Text Kap. VI, Z. 180 - K a p . VII, Z. 10. - Fol. 59r r. u.: Anbetung der Könige (Sehr. 109, WEIGMANN Nr. 14). Einf. 70 x 60 mm. Text Kap. VII, Z. 24 - Kap. VIII, Z. 6. - Fol. 66 r ganzseitig (Abb. 7): Anbetung der Könige (Sehr. 105, WEIGMANN Nr. 15). Einf. 128 x 110 mm. Text auf der Seite gegenüber (fol. 65 v ) Kap. VIII, Z. 172-185. Gehört nicht zur kleinformatigen Hauptfolge. WEIGMANN 1918, S. 5, wies ganz richtig auf die Verbindung des Blattes mit den Holzschnitten der Geburt und Anbetung Sehr. 84 und 98 (ehemals St. Gallen) hin, die am Oberrhein entstanden sein dürften - doch ist es zunächst eine rein motivische, nicht zwingend auch eine stilistische. MOLSDORF 1911, S. 51 nahm die Entstehung am Bodensee an; auch WEINBERGER, Formschnitte 1925, S. 19 hält Sehr. 105 für ein „oberrheinisches Original". - Fol. 70 v 1. u.: Darstellung Christi im Tempel (Sehr. 116a, WEIGMANN Nr. 16). Einf. 69 x 59 mm. Text Kap. IX, Z. 14-23. - Fol. IT (Abb. 6): 1. o.: Bethlehemitischer Kindermord (Sehr. 126, WEIGMANN Nr. 17), 69 x 57 mm; daneben r. o.: Flucht nach Ägypten (Sehr. 124, WEIGMANN Nr. 18), 68 x 59 mm. Text Kap. IX, Z. 190 - Kap. X, Z. 4. - Fol. 80v r. u.: ZwölQähriger Jesus im Tempel (Sehr. 129, WEIGMANN Nr. 19). Einf. 68 x 60 mm. Text Kap. X, Z. 85 - Kap. XI, Z. 6.

Handschriften

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- Fol. 89r 1. o. (Abb. 5): Taufe Christi (Sehr. 132, WEIGMANN Nr. 20). Einf. 65 x 55 mm. Gehört der Folge B an. Text Kap. XI, Z. 223 - Kap. XII, Z. 7. - Fol. 90 v 1. u.: Versuchung Christi in der Wüste (Sehr. 134, WEIGMANN Nr. 21). Einf. 68 x 56 mm. Folge B. Daneben r. u.: Versuchung Christi auf der Tempelzinne (Sehr. 135, WEIGMANN Nr. 22). Einf. 65 x 55 mm. Text Kap. XIII, Z. 2-9. - Fol. 92r 1. o.: Hochzeit zu Kana (Sehr. 136, WEIGMANN Nr. 23). Einf. 72 x 58 mm. Folge C. Text Kap. XIV, Z. 6-16. - Fol. 94 r 1. o.: Die Juden versuchen, Christus zu steinigen (Sehr. 143, WEIGMANN Nr. 24). Einf. 68 x 59 mm. Text Kap. XIV, Z. 55-56. - Fol. 94 V 1. o.: Auferweckung des Lazarus (Sehr. 147, WEIGMANN Nr. 25), Einf. 67 x 57 mm. Folge B. Text Kap. XIV, Z. 65-75. - Fol. 100v 1. u. (Abb. 11): Einzug in Jerusalem (Sehr. 154, WEIGMANN Nr. 26). Einf. 70 x 58 mm. Text Kap. XV, Z. 46-58. - Fol. 101v 1. o.: Christus vertreibt die Händler aus dem Tempel (Sehr. 158, WEIGMANN Nr. 27). Einf. 67 x 56 mm. Folge B. Text Kap. XV, Z. 73-82. - Fol. 110 V r. u.: Christus wäscht den Jüngern die Füße (Sehr. 164, WEIGMANN Nr. 2 8 ) . Einf. 6 5 x 5 7 mm. Folge D. Text Kap. XV, Z. 3 0 6 - 3 1 5 . - Fol. 11 l v r. u.: Abendmahl (Sehr. 178, WEIGMANN Nr. 29). Einf. 69 x 58 mm. Text Kap. XV, Z. 328-338. - Fol. 114v (Abb. 8) 1. o.: Christus geht mit den Jüngern über den Bach Kidron (Sehr. 183, WEIGMANN Nr. 30), Einf. 70 x 58 mm. Folge C. Daneben r. o.: Christus am Ölberg (Sehr. 207, WEIGMANN Nr. 31), Einf. 69 x 62 mm. Folge D. Text Kap. XV, Z. 408-415. - Fol. 115r (Abb. 8) 1. u.: Die Soldaten fallen am Ölberg vor Christus nieder (Sehr. 216, WEIGMANN Nr. 32), Einf. 66 x 58 mm. Daneben r. u.: Gefangennahme (Sehr. 229, WEIGMANN Nr. 33), Einf. 70 x 58 mm. Nicht identisch mit Sehr. 227 (Berlin, KK), wie bislang angenommen. Text Kap. XV, Z. 415-423. - Fol. 115V (Abb. 9) 1. o.: Christus vor Hannas (Kaiphas?) und Verleugnung durch Petrus (Sehr. 246, WEIGMANN Nr. 34), Einf. 68 x 58 mm. Daneben r. o.: Christus vor Kaiphas, der sein Gewand zerreißt (Sehr. 244, WEIGMANN Nr. 35), Einf. 69 x 58 mm. Text Kap. XV, Z. 423—430. - Fol. 116r (Abb. 9) 1. u.: Verspottung Christi (Sehr. 254, WEIGMANN Nr. 36), Einf. 70 x 56 mm. Daneben r. u.: Christus vor Pilatus (Sehr. 261, WEIGMANN Nr. 37), 68 x 57 mm. Text Kap. XV, Z. 430-436. -Fol. 116v 1. o.: Christus vor Herodes (Sehr. 272, WEIGMANN Nr. 38), 70 x 58 mm. Daneben r. o.: Geißelung (Sehr. 304, WEIGMANN Nr. 39), 70 x 58 mm. Nicht identisch mit Sehr. 302 (Berlin, KK), wie bislang angenommen. Text Kap. XV, Z. 37-43. - Fol. 117r 1. u.: Dornenkrönung (Sehr. 317, WEIGMANN Nr. 40). Einf. 70 x 58 mm. Nicht identisch mit Sehr. 315 (Berlin, KK), wie bislang angenommen. Text Kap. XV, Z. 443452. - Fol. 117 V r. o.: Christus wird dem Volk gezeigt (Ecce homo, Sehr. 3 3 6 , WEIGMANN Nr. 41). Einf. 68 x 59 mm. Text Kap. XV, Z. 4 5 2 ^ 6 1 . - Fol. 118 R 1. o: Christus vor Pilatus, der sich die Hände wäscht (Sehr. 2 8 3 , WEIGMANN Nr. 42), 70 x 59 mm; nicht identisch mit Sehr. 282 (Berlin, KK). R. o.: Kreuztragung (Sehr. 359, WEIGMANN Nr. 43), 70 x 58 mm; nicht identisch mit Sehr. 356 (Berlin, KK), wie bislang angenommen. Text Kap. XV, Z. 461-467. - Fol. 120r r. o.: Entkleidung Christi (Sehr. 368, WEIGMANN Nr. 44). Einf. 70 x 59 mm. Text Kap. XV, Z. 508-518.

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- F o l . 12 l r r. o.: K r e u z a n n a g e l u n g (Sehr. 6 8 1 , WEIGMANN N r . 4 5 ) . Einf. 6 9 x 5 6 mm. Text

Kap. XV, Z. 532-541. - Fol. 12 LV r. o.: Christus am Kreuz mit Maria und Johannes (Sehr. 4 9 3 , WEIGMANN Nr. 46). Einf. 67 x 55 mm. Zu keiner der mehrteiligen Holzschnittfolgen der Hs. gehörig. Text Kap. X V , Z. 541-548.

- Fol. 122r ganzseitig: Christus am Kreuz mit Maria und Johannes (Sehr. 433, WEIGMANN Nr. 47). Einf. 132 x 73 mm. Bordüre A. Gehört nicht zur kleinformatigen Hauptfolge. - Fol. 130 R 1. u.: Kreuzabnahme (Sehr. 5 0 5 , WEIGMANN Nr. 4 8 ) . Einf. 6 8 x 5 8 mm. Nicht identisch mit Sehr. 5 0 4 (Berlin, KK), wie bislang angenomen. Text Kap. XV, 7 4 4 - 7 5 5 . - Fol. 130v r. o.: Pietà unter dem Kreuz (Sehr. 980, WEIGMANN Nr. 49). Einf. 70 x 59 mm. Gehört zu keiner der mehrteiligen Holzschnittfolgen der Hs. Spätere Wiederholungen sind Sehr. 979 u. 981. Die Faltenbildung des Gewandes aus kaum zusammenhängenden Häkchen und die angedeuteten Schraffiiren verbinden das Blatt stilistisch mit den Holzschnitten der hl. Agnes Sehr. 1181 u. 1181a; letzterer, präziser im Detail und in der Linienführung, in einer Hs. aus dem Katharinenkloster (London, BM, 158"" b.3, s. o.). Text Kap. XV, Z. 756-765. - Fol. 13 l r 1. u.: Grablegung (Sehr. 533, WEIGMANN Nr. 50), Einf. 70 x 56 mm. Daneben r. u.: Christus in der Vorhölle (Sehr. 697, WEIGMANN Nr. 51), Einf. 67 x 57 mm; weitere Exemplare in dem Kastler Brevier von 1454 (s. u. New York, PL, Spencer Collection) und in Prag, Nationalbibliothek (DELUGA 2000, S. 38 f.). - Text Kap. XV, Z. 766-772. - Fol. 133r 1. u.: Auferstehung (Sehr. 546, WEIGMANN Nr. 52). Einf. 67 x 59 mm. Text Kap. XV, Z. 808 - Kap. XVI, Z. 4. - Fol. 133v r. o.: Christus erscheint seiner Mutter (Sehr. 704, WEIGMANN Nr. 53). Einf. 68 x 57 mm. Text Kap. XVI, Z. 5-15. - Fol. 136r r. u.: Die drei Frauen und der Engel am leeren Grab (Sehr. 552, WEIGMANN Nr. 54). Einf. 69 x 58 mm. Text Kap. XVI, Z. 66-76. - Fol. 136 V 1. u.: Christus erscheint Maria Magdalena (Sehr. 5 6 3 , WEIGMANN Nr. 55). Einf. 6 8 x 5 9 mm. Text Kap. XVI, Z. 7 6 - 8 6 . Nicht identisch mit Sehr. 5 6 1 (Berlin, KK), wie bislang angenomen. - Fol. 142r r. u.: Christus mit den Emmaus-Jüngern (Sehr. 566, WEIGMANN Nr. 56). Einf. 69 x 59 mm. Folge C. Text Kap. XVI, Z. 217-227. - Fol. 147r r. u.: Der ungläubige Thomas (Sehr. 571, WEIGMANN Nr. 57). Einf. 69 x 58 mm. Text Kap. XVI, Z. 345-356. - Fol. 148 R r. u.: Erscheinung Christi am See Genezareth (Sehr. 5 7 8 , WEIGMANN Nr. 5 8 ) . Einf. 6 8 x 5 6 mm. Folge C. Text Kap. XVI, 3 7 1 - 3 8 3 . - Fol. 152r 1. u.: Himmelfahrt Christi (Sehr. 585, WEIGMANN Nr. 59). Einf. 68 x 58 mm. Text Kap. XVI, Z. 474 - Kap. XVI, Z. 10. - Fol. 155r r. o.: Ausgießung des HL. Geistes (Sehr. 595, WEIGMANN Nr. 60). Einf. 70 x 58 mm. Text Kap. XVII, Z. 71 - Kap. XVIII, Z. 9. - Fol. 159r r. o. (Abb. 12): Tod Mariae (Sehr. 721, WEIGMANN Nr. 61). Einf. 69 x 57 mm. Der bei SCHREIBER unter dieser Nummer als zweites Exemplar geführte Holzschnitt in Berlin, KK, stammt von einem anderen Stock. Text Kap. XIX, Z. 6-16. - Fol. 162v ganzseitig (Abb. 24): Tod Mariae (Sehr. 711, WEIGMANN Nr. 62). 180 x 130 mm. Text fol. 163r Kap. XIX, Z. 86-98. Bordüre B. Äußere Einfassung links unten ausgebrochen. Eine jüngere Wiederholung ist Sehr. 711a (s. o. Augsburg, UB, Cod. 1.3.8° 5, fol. 103v). - Fol. 164v ganzseitig (Abb. 20): Engelpietà (Leichnam Christi über dem Grab, von einem

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Engel gehalten, Sehr. 987, WEIGMANN Nr. 66). 140 x 88 mm. Bordüre C. Ikonographisch in der Druckgraphik ohne Parallele. Nach dem Ende des Marienlebens eingeklebt, wie auch die folgenden Holzschnitte ohne unmittelbaren Textbezug. - Fol. 165r (Abb. 22): Christus in der Kelter (Sehr. 843, WEIGMANN Nr. 67). Einf. 181 x 123 mm. Bordüre A. Zweites Ex., ohne Bordüre, in Paris, CR (s. BLUM 1956, Nr. 27), mit etwa in gleichem Maße beschädigten Graten. Etwas älter ist das W. L. SCHREIBER nicht bekannte Exemplar in Bad Windsheim, StB, Hs. 74, Vd. (s. HÖHN 1921, S. 183 f., Nr. 3, Abb. 6). Dieses ist jedoch von Bordüre C derselben Werkstatt umgeben. STAHLEDER 1963, S. 126 bezeichnete den Holzschnitt fälschlich als „Variante" von Sehr. 843 - der genaue Vergleich zeigt aber, daß sie vom gleichen Holzstock gedruckt sind. Das Windsheimer Blatt ist etwas älter, da hier sowohl Bild- als auch Rahmenholzschnitt geringere Ausbrüche aufweisen. - Fol. 166v ganzseitig, an einen Falz angeklebt: Petrus und Paulus mit dem Schweißtuch Christi (Sehr. 1661, WEIGMANN Nr. 68). Einf. 143 x 95 mm. Wz. Ochsenkopf ähnl. Br. 15023 (1447). WARREN HOFFMAN 1961, S. 236 f., will den Holzschnitt zeitlich nach den 1467 datierten Kupferstich des gleichen Themas von der Hand des Meisters E. S. (L. 190) setzen; doch widerlegen sowohl der Stil als auch das Wasserzeichen des Holzschnitts sowie die unverrückbare Datierung der Hs. auf 1450 diese These. - Fol. 167R: Messe des hl. Gregor (Sehr. 1480, WEIGMANN Nr. 69). Einf. 181 x 123 mm. Bordüre A. - Fol. 213 v ganzseitig (Abb. 19): Madonna mit Kind zwischen den Hll. Barbara (rechts von ihr) und Katharina (links) in Nischenarchitektur (Sehr. 1153, WEIGMANN Nr. 70). Einf. 115 x 93 mm. Bordüre B. Kompositionen sehr ähnlich Sehr. 1150, 1150a, VIII *1150b, 1151. - Das Blatt klebt vor dem Beginn (fol. 214 r ) der Mariengrüße. - Fol. 227 v : runder Holzschnitt der Grablegung Christi, 16. Jh., eingeklebt. Lit.: SCHMIDT 1884, S. 333; Catalogue XXXIX de Ludwig Rosenthal's Antiquariat à Munich (Bavière). O. O. u. J. [München ca. 1890], Nr. 1; DODGSON 1903, Bd. 1, S. 139 Anm. 1; WEIGMANN 1918; SCHREIBER, Handbuch Bd. 1, unter Nr. 46; WEINBERGER, Formschnitte 1925, S. 18; HIND 1935 Bd. 1, S. 280; HILG 1981, S. 35-40; BAURMEISTER 1994, S. 147; STROMER 1992, S. 360 f.; STROMER 1993, S. 58; SCHMIDT 1998, S. 71-77; SCHMIDT, Bildgebrauch 2000, S. 74 f.

Cgm 105 Cursus Beatae Mariae Virginis, dt.; Heinrich von St. Gallen, Passionstraktat; Johannes von Indersdorf, Passionsgebete; div. Sprüche, Gebete Benediktbeuern, Benediktiner. Pergament; II + 199 + II Bl.; 14 x 10 cm; Mitte 15. Jh. Eine Hand, Nachträge von einer zweiten. Rubriziert, rote und blaue Lombarden und einfache Initiale. Die Jahreszahl 1412 auf fol. 199r nachträglich hinzugefugt, kein Schreibdatum, denn aufgrund der Holzschnitte kann die Hs. nicht vor 1440 entstanden sein. Weißer Ledereinband des 18. Jh. Auf fol. I (erst bei der Neubindung eingefugtes Vorsatzblatt?) Miniatur Madonna in Halbfigur, Deckfarben, Goldgrund, M. 15. Jh.

Die Holzschnitte sind direkt auf das Pergament der Hs. gedruckt (zu Details über die

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Verbindungen mit anderen Holzschnitten, Datierung etc. s. u. die Folge in Wien, ÖNB, die nach der gleichen Vorlage kopiert ist). Nach dem Stammbaum Christi, der auf fol. l r als Titelbild des ganzen Buches eingedruckt ist, stehen die Darstellungen von der Verkündigung bis zur Flucht nach Ägypten jeweils vor dem Beginn der Tagzeiten im Cursus von unser frawen (fol. 4 r -48 r ). Alle weiteren 30 Bilder illustrieren den Passionsteil der Hs. (fol. 49 r -167 v ). Es handelt sich um eine Kombination des Passionstraktats des Heinrich von St. Gallen mit Evangelienzitaten und den Passionsgebeten des Johannes von Indersdorf aus dem ersten Gebetbuch für Frau Elisabeth Ebran. 22 - Fol. l r : Stammbaum Christi. Einf. 96 x 78 mm. - Fol. 3V: Verkündigung (Abb. 213). Auf dem Schriftband der xylographische Text: aue graciaplena

dominus.

Einf. 95 x 80 m m .

- Fol. 20 r : Heimsuchung (Abb. 212). Einf. 96 x 79 mm. - Fol. 24 r : Geburt Christi (Abb. 214). Einf. 94-98 x 79-80 mm. - Fol. 27 v : Beschneidung. Einf. 94 x 82 mm. - Fol. 30 v : Anbetung. Einf. 96-98 x 80 mm. - Fol. 39 r : Darstellung im Tempel. Einf. 93-94 x 82-83 mm. - Fol. 40 r : Bethlehemitischer Kindermord. Einf. 97 x 81 mm. - Fol. 44 v : Flucht nach Ägypten. Einf. 98 x 81 mm. - Fol. 48 v : Einzug in Jerusalem (Abb. 211). Einf. 96-97 x 79 mm. - Fol. 50 v : Abendmahl. Einf. 97-98 x 80 mm. - Fol. 54r: Fußwaschung. Einf. 98 x 81-82 mm. - Fol. 64 r : Christus am Ölberg. Einf. 97 x 80 mm. - Fol. 71 v : Gefangennahme. Einf. 98 x 82 mm. - Fol. 76r: Christus vor Annas und Verleugnung durch Petrus. Einf. 96-97 x 80 mm. - Fol. 79r: Verspottung Christi. Einf. 98 x 80 mm. - Fol. 81r: Christus vor Kaiphas. Einf. 95 x 80 mm. - Fol. 84r: Christus vor Pilatus. Einf. 98 x 82 mm. - Fol. 89 v : Christus vor Herodes. Einf. 97-98 x 80-81 mm. - Fol. 93 v : Christus vor Pilatus. Abdruck vom gleichen Stock wie oben, fol. 84r. - Fol. 96r: Geißelung. Einf. 96-97 x 81-82 mm. - Fol. 99 v : Dornenkrönung. Einf. 97 x 82 mm. -Fol. 102r: Ecce homo. Xylographischer Text in den Schriftbändern: Ecce homo und crucifige

crucifige

ei [!]. Einf. 9 8 x 81 m m .

- Fol. 107r: Pilatus wäscht sich die Hände. Einf. 97-98 x 81 mm. - Fol. 110r: Kreuztragung. Einf. 97 x 81-82 mm. - Fol. 114r: Entkleidung Christi. Einf. 96-97 x 82 mm. - Fol. 117r: Kreuzannagelung. Einf. 96 x 81 mm. Eine gleichseitige Wiederholung ist Sehr. 670 (Bamberg, SB, und Berlin, KK). - Fol. 12 l r : Christus am Kreuz zwischen Maria und Johannes. Auf dem Kreuzestitulus der xylographische Text i n ri. Einf. 96 x 81 mm. Eine gleichseitige Wiederholung ist Sehr. 961.

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WEISKE 1993, S. 120 bezeichnete den Text in der Nachfolge PETZETS als „Evangelienerzählung". Die Gebete Johannes' von Indersdorf hatte schon HAAGE 1968, S. 533 in der Handschrift erkannt. Der Beginn des Passionstraktas auf fol. 51 r mit Unser lieber herr Ihesus Cristus kom zu dem abent essen, daz man im osterleych beraytt het, das was in einem hochen haus gemacht zu Ierusalem... (vgl. die Edition von RUH 1940, S. 22 Z. 15) kennzeichnet den Text als zum Überlieferungstypus C nach RUHS Einteilung gehörig (RUH 1940, S. CHI).

Handschriften

355

- Fol. 134r: Kreuzabnahme. Einf. 97-98 x 78-80 mm. - Fol. 135r: Grablegung. Einf. 96-98 x 78-79 mm. - Fol. 137v: Auferstehung. Einf. 97 x 79 mm. - Fol. 139r: Noli me tangere. Einf. 96-98 x 81 mm. - Fol. 14 l v : Himmelfahrt. Einf. 97 x 79 mm. - Fol. 143r: Pfingstwunder. Einf. 96-98 x 79-80 mm. - Fol. 146r: Gnadenstuhl. Einf. 97-98 x 80 mm. - Fol. 150r: Tod Mariae. Einf. 97 x 80 mm. - Fol. 155r: Christus und die gekrönte Maria auf dem Thron. Einf. 96 x 80 mm. - Fol. 161v: Veronika mit dem Schweißtuch. Einf. 98 x 69 mm. - Fol. 163r: Jüngstes Gericht. Einf. 95-97 x 80 mm. Mit stark deckenden Farben in reicher Palette (Blau, Grün, Rot, Rosa, Gelb, Braun, Grau, Schwarz, Zinnober, jeweils in mehreren Tönen, Pudergold und -silber) koloriert, so daß die Linien des Holzschnitts stellenweise kaum mehr sichtbar sind. Gelegentlich aber wurden die Binnenstrukturen mit einem dunkleren Farbton oder mit Schwarz nachgezeichnet. Besonders die Gesichter sind unabhängig vom graphischen Gerüst mit Inkarnat, Orange- und Weißhöhungen plastisch gestaltet. Insgesamt eher das Werk eines professionellen Buchmalers als eine der für Holzschnitte der Zeit üblichen flüchtigen Briefmalerabeiten. Die Holzschnittfolge ist nicht - wie von P E T Z E T 1920, S. 188, und zuletzt von W E I S K E 1993, S. 118 behauptet - mit der identisch, die sich in der mißverständlicherweise allgemein als Blockbuch bezeichneten Handschrift Ink. 2. H. 131 in Wien, ÖNB, befindet. (Details s. u. bei der Beschreibung dieser Hs., dort auch Beziehungen der einzelnen Holzschnitte zu anderen Graphiken). Beide folgen einer gemeinsamen Vorlage; dabei ging der Schneider der Wiener Darstellungen vereinfachend vor, ist aber in der Linienführung etwas flüssiger als der der Münchner Schnitte. Während es Argumente für die Entstehung der Wiener Folge im deutschen Südwesten gibt, wurden die Holzschnitte von Cgm 105 zweifellos in Bayern in die Handschrift gedruckt. Daß sie auch dort entstanden, kann höchstens vermutet werden. - Folgende Szenen der Wiener Handschrift fehlen Cgm 105: Taufe Christi (fol. 7V), Christus in der Vorhölle (fol. 29v), Marien am leeren Grab (fol. 31v), der ungläubige Thomas (fol. 33v). Cgm 105 hat dafür an Darstellungen, die in Wien fehlen: Stammbaum Christi (fol. l r , vom Holzschneider aus einer anderen Quelle kopiert als der Rest des Zyklus), Kindermord (fol. 400, Flucht nach Ägypten (fol. 44v), Kreuzannagelung (fol. 1170, Veronika (fol. 161v). Lit.: PETZET 1 9 2 0 , S. 1 8 8 - 1 9 1 ; SPAMER 1 9 3 0 , S. 38—40; VOLLMER 1 9 3 8 , S. 6 0 f.; HAIMERL 1 9 5 2 , S. 1 5 7 f.; JÄNECKE 1 9 6 4 , S. 1 6 9 ; HAAGE 1 9 6 8 , S. 5 3 3 ; WEISKE 1 9 9 3 , S . 1 1 8 - 1 2 1 ; HAMBURGER

1997, S. 23 Abb. 10; SCHMIDT 1998, S. 7 7 - 8 1 .

Cgm 116 Engelhart von Ebrach, Spruchsammlung, dt. Tegernsee, Benediktiner. Papier; III + 149 BL; 12,9 x 9,2 cm; vor 1484 Zwei Hände. Rubriziert, rote Lombarden, einfache fleuronnierte Initialen. Auf fol. IIr Tegernseer Besitzvermerk von der Hand des Bibliothekars Ambrosius Schwerzenbeck, dat. 1484.

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Verzeichnisse

Alter Einband, hellbraunes (ehem. weißes) Leder, Streicheisenlinien, Tegernseer Einzelstempel (KYRISS 1 9 5 4 , Taf. 6 9 , Nr. 1, 5, 6).

Im Vd. Seerosen des Tegernseer Wappens, Fz. von der Hand Schwerzenbecks (vgl. REDLICH 1931, S. 79).

Ausstattung mit Druckgraphik: - Als fol. III (ungez.) an einen Papierfalz geklebt: Kreuztragung, Holzschnitt (nicht bei SCHREIBER). Einf. 112-114 X 82 mm; Bl. 127-128 x 92 mm. Kol. Grün, Blau (in mehreren Mischtönen), Rot, Braun, Gelb, Holzmaserung des Kreuzes mit brauner Tinte eingezeichnet. Stark abgegriffen, 1. o. Ecke restauriert. Das Blatt klebte ursprünglich auf fol. II (ungez.), wie die Leim- und Farbspuren dort zeigen, und wurde bei einer Restaurierung gelöst. Weitere Exx. in Clm 19924 u. Clm 20002. - Als vorletztes Bl. (ungez.) an einen Papierfalz geklebt: Christus am Kreuz zwischen Maria und Johannes, Holzschnitt (nicht bei SCHREIBER). Einf. ? (beschnitten; andere Ex.: 114-115 x 80-82 mm), Bl. 127 x 90 mm. Kol. Grün, Blau, Rostrot, Braun, Gelb, Inkarnat. Das Bl. klebte ursprünglich im Rd. (noch 1920, s. PETZET 1920, S. 205), wurde aber bei einer Restaurierung gelöst (hinterer Deckelspiegel: modernes Papier). Weitere Exx. in Clm 19924 u. Clm 19999. - Beide Bl. wurden wohl nachträglich in die Hs. eingefugt. Sie stammen von Quirinus-Meister; Bayern, 4. V. 15. Jh. Lit.: PETZET 1 9 2 0 , S. 2 0 5 - 2 1 3 ; HONEMANN in 2 V L B d . 2, Sp. 5 5 5 f.; BAUER 1 9 9 6 , S. 122.

Cgm 124 Gebete und Hymnen, lat. u. dt. Bayerisches Dominikanerinnenkloster (Altenhohenau?). Pergament; 96 Bl.; 12,2 x 9 cm; 2. H. 15. Jh. Eine Haupthand; Nachtrag (fol. 9 4 v - 9 6 r ) von einer zweiten. Rubriziert, rote Lombarden. Die Vermutung bzgl. der Herkunft stützt sich auf die mittelbairische Schreibsprache, die weiblichen grammatikalischen Formen und das dominikanische Gebet fol. 94 v -96 r . Alter Einband, roter Lederüberzug; die Schließe fehlt. Kol. Federzeichnungen auf fol. 37 v , 59 r und 70 r .

Ausstattung mit Druckgraphik: - Auf den vorderen Deckelspiegel geklebt: männl. Heiliger mit Keule und Dornenkrone, Holzschnitt (Sehr. 1697a). Kaum der Apostel Simon Zelotes, als der er von SCHREIBER dort mit Fragezeichen - und LEIDINGER bezeichnet wurde; vgl. zur Ikonographie LEI Bd. 8, Sp. 369 f. Die beiden Autoren beriefen sich auf den handschriftlichen Eintrag aus dem 15. Jh. am oberen Rand; daß sich der Schreiber dieser Notiz selbst unsicher war, zeigt die zuerst angebrachte, dann durchgestrichene und durch Symon ersetzte Bezeichnung Thomas. Aufgrund der Keule eher der Apostel Judas Thaddäus, wobei jedoch der Kranz (Dornenkrone?) unerklärlich bleibt. Einf. 83 x 61 mm, Bl. 107-109 x 66 mm; Kol. Rostrot, Grün, Blau, Dunkelbraun, Inkarnat, Nimbus sulfidiertes Silber, Rahmen Gelb. - Auf den hinteren Deckelspiegel geklebt: Holzschnitt eines männl. Heiligen mit Schwert und einem Stab mit undefinierbarem Dreieck am oberen Ende (Sehr. 1624a); kaum der Apostel Judas Thaddäus, als den ihn die alte Beschriftung des 15. Jh. ausweist (zu seinen

Handschriften

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Attributen vgl. Lei Bd. 8, Sp. 426 f.). Vielleicht der Apostel Jakobus d. Ä. mit seinen Attributen Schwert und Pilgerstab, wobei das merkwürdige Dreieck als Mißverständnis der auf dem Stab üblichen Muschel oder des Pilgerhutes zu erklären wäre. Evtl. auch der Apostel Matthäus (als solcher bei SCHREIBER verzeichnet), wenn man den Stab als mißverstandene Hellebarde interpretiert. Einf. 84 x 61 mm, Bl. 108-111 x 65 mm; Kol. wie oben. Die beiden Holzschnitte gehören zur einer (Apostel-) Folge; von den gleichen Händen geschnitten, gedruckt und koloriert ist auch die Kreuzigung Sehr. 460a (eingeklebt in Clm 19957). - Süddeutsch (bayerisch?), Mitte 15. Jh. Lit.: LEIDINGER in HEITZ, E i n b l a t t d r u c k e B d . 2 1 , N r . 4 1 u. 4 6 ; PETZET 1 9 2 0 , S. 2 2 6 - 2 2 8 .

Cgm 252 Sammelhandschrift (Ludolf von Sudheitn; Mandeville; Thüring von Ringoltingen etc.)

Lucidarius;

Johannes

von

Prov. unbekannt. Papier; VI + 223 Bl.; 30,5 x 21,5 cm; Augsburg 1455-77 Eine Hand (Konrad Bollstatter), mit Fragmenten aus dem 14. und frühen 15. Jh. Datiert Höchstädt a. d. Donau 1455 (fol. 126 v ); 1468 (fol. 1761); 1475 (fol. 137 r ); 1477 (fol. 209 r ). Zum großen Teil rubriziert, auch blaue und violette Überschriften. Neuerer Einband, Pappdeckel mit Papierüberzug. Auf fol. 146 r -200 r Platz für Illustrationen freigelassen, davon nur die kol. Federzeichnung fol. 190 v ausgeführt (s. dazu LEHMANN-HAUPT 1929, S. 206 f.). Einige mehrfarbige und Fleuronnée- und Blattwerkinitialen sowie einfache einfarbige Initialen.

Eingeklebte Drucke: Fol. 2 r : Holzschnittinitiale D (wie in den Inkunabeln Ludwigs von Hohenwang verwendet), 64 x 58 mm, unkoloriert. Klebt über einem aus dem Papier der Hs. geschnittenen Loch von 58 x 52 mm. Fol. 185r Holzschnittinitiale R, 40 x 38 mm, mit rotem und grünem Rahmen und rotem Fleuronnée umgeben. Lit.: SCHNEIDER 1 9 7 0 , S. 1 3 9 - 1 4 6 ; SCHNEIDER, L o s b u c h 1973, S. 2 5 , S. 53.

Cgm 312 Sammlung von Losbüchern Augsburg, Benediktinerkloster St. Ulrich und Afra. Papier; 1 + 1 7 7 Bl.; 29,5 x 20,5 cm; 1450-1473 Fast durchgehend von einer Hand (Konrad Bollstatter). Rubriziert. Dat. 1450 (fol. 30 1 ); 1454 (fol. 42 r ); 1455 (fol. 46 r , 65 r ); 1459 (fol. 127 r ); 1461 (fol. 87 r , 88 r , 92 r , 93 r , 93 v , 94 r , 96 v ); 1473 (fol. 80 v ); 1482 (fol. 154 v , Nachtrag von anderer Hand). Alter Einband, braunes Leder, am Rücken und an den Rändern erneuert, Streicheisenmuster und Stempel, z. T. mit Goldprägung, die die Beschläge und zwei Schließen fehlen. Reich illustriert mit Federzeichnungen, z. gr. T. koloriert, einige davon eingeklebt. Einfachere Zeichnungen (Würfelbilder) wohl von Bollstatters Hand. Mehrfarbige fleuronnierte Lombarden und Initialen.

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Verzeichnisse

Ausstattung mit Druckgraphik: Fol. 63r: Eingeklebter Kupferstich, Bube ohne Farbzeichen, aus einer Spielkarte um die Kontur ausgeschnitten (Abb. 188). Bl. 109 x 48 mm. Etwas unklarer Abdruck. Mit Blau, Rot und Gelb leicht laviert. Bei L E H R S unter der 'Schule des Meisters der Spielkarten' verzeichnet (L. I, 206, 87); G E I S B E R G 1923, S. 6 f. wies ihn - wenig überzeugend - dem Meister mit den Bandrollen zu (dort als G. 127). Auf jeden Fall aber eine Kopie des Wilden-Obers aus dem Originalspiel des Meister der Spielkarten (L. I, 106, 55). Lit.: GEISBERG 1 9 2 3 , S. 6 f.; LEHMANN-HAUPT 1 9 2 9 , S. 2 0 2 - 2 0 6 ; SCHNEIDER 1 9 7 0 ,

S.295-301;

SCHNEIDER, Losbuch 1973, passim.

Cgm 361 Apostelbuch, dt.; 'Der Heiligen Leben' Nürnberg, Dominikaner; Helena, Magdalena und Katharina von Königsfeld (16. Jh.). Papier, fol. I - V Perg.; V + 455 Bl.; 22 x 15,5 cm; Nürnberg, 1454 Eine Hand (Conrad Forster). Rubriziert, rote Strichelung. Rote Lombarden, fol. l r und 80 r fleuronnierte Initialen rot und blau, auf fol. l r bewohnt von Fabelwesen. Auf fol. IIV Besitzeinträge der Schwestern Helena, Magdalena und Katharina von Königsfeld aus dem 16. Jh. Alter Einband, rotes Leder mit Streicheisenmuster und Einzelstempeln (Werkstatt des Nürnberger Dominikanerklosters). Beschläge und zwei Schließen fehlen.

Ehemalige Ausstattung mit Druckgraphik: Auf fol. I v (ehemals vorderer Deckelspiegel, der abgelöst wurde) schwacher Abklatsch der schwarzen Linien eines Kupferstichs, der sich ursprünglich auf der gegenüberliegenden Recto-Seite des ehemals ersten Blattes (heute fol. IIr) befunden hatte, heute aber verloren ist. Dort noch Leimspuren zu sehen. Das Blatt wurde über den nach neun Zeilen verworfenen Anfang des Apostelregisters geklebt (zum Apostelbuch fol. l r -80 v gehörig), das dann auf dem nächsten Blatt neu begonnen wurde. Keine Pietà, wie S C H N E I D E R 1973, S. 56 vermutete, sondern seitenverkehrter Abklatsch des Kupferstichs des Gnadenstuhls vom Meister mit den Bandrollen (L. IV, 322, 109; G. 109; ursprünglich bei L E H R S unter dem Namen des Meisters von 1462, L. I, 244, 17 verzeichnet). Umrisse und Maße stimmen genau überein. Ein zweites Exemplar aus dem Nürnberger Predigerkloster befindet sich in München, BSB, Rar. 24 (s. u.). Lit.: SCHNEIDER, D i e deutschen Handschriften 1973, S. 5 5 - 5 7 .

Cgm 486 Sammelhandschrift (Eucharistietraktat; Nikolaus von Dinkelsbühl, Eucharistiepredigten; Ps.-Anselmus etc.) Tegernsee, Benediktiner. Papier; II + 275 Bl.; 11 x 7,5 cm; 1471-77 Eine Hand (Johannes Clingenstam, als Lohnschreiber für mehrere bayerische Benediktinerklöster tätig, s. BAUER 1996, S. 125). Rubriziert, rote Lombarden, einfache Initialen rote und blaue Tinte m.

Handschriften

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gelber Füllung. Dat. 1471 (fol. 208R), 1477 (fol. 269V). Gewidmet Frater Jodocus (fol. 269V), der 1 4 5 5 - 1 4 9 9 Konverse in Tegernsee war (s. LINDNER 1897, S. 77, Nr. 458; BAUER 1996, S. 18 Anm.

63, S. 24). Fol. IIV Tegernseer Besitzvermerk. Alter Einband, helles rauhes Leder, Streicheisenlinien. Beschläge und die Schließe fehlen. Ausstattung mit Druckgraphik: - Vd.: Hl. Christopherus, Holzschnitt (Sehr. 1374). Einf. 82 x 61 mm, Bl. 104-105 x 7 0 71 mm. Kol. Rotlack, Graubraun, Gelb, Rosa. Zweites Ex. in Paris, B N (s. B O U C H O T 1903, Nr. 90). Oben und unten von Händen des 15. und 16. Jh. mit dem Namen des Heiligen beschriftet. Eine schlechtere Kopie nach der gleichen Vorlage ist Sehr. 1374b (Dresden, KK). Klebt auf dem Deckelspiegel aus Papier. Süddeutsch, um 1470. - Rd.: Hl. Katharina, Teigdruck (Sehr. 2836). Rand 105 x 74 mm, Bl. 106-108 x 7 2 - 7 4 mm. Sichtbare Folge der Schichten: Grund Hellbraun - Rostbraun - Grau - glänzendes Schwarz - Weiß. R. o. Loch von einem Beschlagnagel. Kopie nach einem Kupferstich des Meisters E. S. (L. 166). Süddeutsch, ca. 1470er-1480er Jahre? - Das Blatt klebt auf dem Deckelspiegel aus Papier. Keines der beiden Blätter bezieht sich unmittelbar auf einen der Texte der Hs. Lit.: LEIDINGER, T e i g d r u c k e

1908, N r . 2 1 ; SCHNEIDER 1973, S. 4 4 2 - 4 4 5 ; BAUER 1 9 9 6 p a s s i m

(s. Register S. 290).

Cgm 1126 Speculutn humanae salvationis, lat. u. dt. Prov. unbekannt, evtl. Tegernsee (?). Papier; I + 242 Bl.; 30 x 20,6 cm; Bayern (München?), 1463 Eine Hand (Leonhard Taichstetter). Dat. 1463 (fol. 240 rb : Finitus est ille Uber anno domini M° CCCC 63 feria sexta post conversionem saneti Pauli [= 28. Januar] quasi hora nona etc. L. 71). Fol. 240 rb Schenkungsvermerk (15. Jh.): Item der Anthoni Gebolczhauser dem got genedig sey der hat das puech dem heyligen goezhauss geschafft. Rubriziert, rote Lombarden. Fol. l r a u. 10 va : Zwei Deckfarbeninitialen auf Silbergrund in farbigem Rahmen. Alter Einband, roter Lederüberzug, Streicheisenlinien und Einzelstempel (wie auch auf den von Taichstetter geschriebenen Bänden Cgm 273 und Cgm 393 sowie Cgm 503 und Cgm 529 aus verschiedenen Provenienzen). Altes Papierschild auf dem Vorderdeckel, z. T. abgerissen: 5pec(ulum)... latine et theutonice scriptum). Gleicher Aufbau (bis auf den deutschen Text) und gleiche Illustrationen wie Clm 21543, ebenfalls von Taichstetter geschrieben. Ausstattung mit Druckgraphik: s. u. die Konkordanz der Holzschnitte von Cgm 1126 und Clm 21543 bei München, BSB, Clm 21543. Lit.: SCHREIBER 1895, S. 211 Anm. 3 (ohne Kenntnis von Aufenthaltsort und Signatur); LUTZPERDRIZET 1907, S. XVII, Nr. 202 (dort die Holzschnitte fälschlich als Miniaturen bezeichnet); BREITENBACH 1 9 3 0 , S. 19 ( N r . 2 0 2 ) ; REDLICH 1931, S. 188; VOLLMER 1 9 3 8 , S. 6 0 A n m .

12;

SCHNEIDER 1 9 9 1 , S. 130 f.; REHM 1 9 9 2 , S. 180, A b b . 132, 136; STORK - WACHINGER in 2 V L B d . 9, S p . 5 3 - 6 5 , d o r t S p . 6 1 ; SCHMIDT 1998, S. 7 5 - 7 7 , S. 85 A n m . 5 7 f. u. 6 8 .

360

Verzeichnisse

Cgm 4590 Sammelhandschrift, dt. (Thomas Peuntner, Gebete, Exzerpte und Notizen) Tegernsee, Benediktiner. Papier; 136 Bl.; 15,8 x 10,5 cm; Tegernsee, 4. V. 15. Jh. Eine Hand (Oswald Nott, zu diesem Tegernseer Schreiber s. REDLICH 1931 passim, Register S. 258). Der auf fol. 113 r genannte Name Christiannus Widennhofferr de Pirchvelt ist wohl nur aus der Vorlage abgeschrieben. Rubriziert. Wz. Ochsenkopf, nicht bei Picc. und Br.; Dreiberg Br. 11806 (1482-1513); Krone Typ Picc. XII, 34 (1493-1527). Auf dem Holz des Vorderdeckels und auf dem Rückendeckel die alte Signatur OO 25, unter der der Band in dem um 1500 begonnenen Tegernseer Bibliothekskatalog von Konrad Sartori aufgeführt ist (s. MBK IV,2, S. 856 Z. 280 f.; BAUER 1996, S. 82 f.) Alter Einband, Halbleder braun, Streicheisen und Tegernseer Einzelstempel (KYRISS 1954, Taf. 69, Nr. 1 und 5). Die Schließe und die Beschläge fehlen.

Ausstattung mit Druckgraphik: - Vd.: Beweinung unter dem Kreuz, Teigdruck (Sehr. 2 8 0 7 = 2 8 0 6 , LEIDINGER, Teigdrucke 1908, Nr. 9) 23 . Rand 110 x 75 mm, Bl. 128 x 85-91 mm. Sichtbare Folge der farbigen Schichten Orangebraun - Rostrotbraun - Schwarz - Spuren von Weiß. Das Blatt klebt auf dem Deckelspiegel. Weitere Teigdrucke von der gleichen Platte in Clm 9 4 8 3 (Niederaltaich) und Clm 1 8 9 6 4 (Tegernsee). - fol. l v : Hl. Hieronymus, Metallschnitt (Sehr. 2685a). Einf. 58 x 43 mm, Bl. 81 x 64 mm. Kol. Gelb, Grün, Rotlack. Die Textzeilen darüber, die von Luzifer handeln und nicht in Bezug zur Darstellung stehen, stammen von der Hand Oswald Notts. Das Blatt wurde also noch zu Lebzeiten dieses Tegernseer Schreibers eingeklebt. - Rd.: Hl. Bartholomäus, Holzschnitt (Sehr. 1267c). Einf. 85 x 54 mm, Bl. 92 x 65 mm. Kol. Grün, Rot, Gelb, Grau, Inkarnat, Einfassung Gelb. Die gedruckten Linien oben und rechts lassen erkennen, daß das Blatt aus einem Bogen mit mehreren Darstellungen vermutlich einer Apostelfolge - geschnitten wurde. Das Blatt erinnert in Stil und Kolorierung stark an die Holzschnitte in Clm 19802. Da für jene Blätter der Nachweis erbracht wurde, daß sie in der Tegernseer Buchbinderei in die Hs. geklebt wurden, ist zu überlegen, ob dies nicht auch für Cgm 4590 zutreffen könnte. Keine der Graphiken steht in unmittelbarer Beziehung zu den Tetxten des Buches. Doch steht auch für den Holzschnitt im Rückdeckel fest, daß er - wie der Metallschnitt auf fol. l v - noch zu Lebzeiten des Schreibers Oswald Nott in die Hs. gekommen sein muß, da dieser den hinteren Deckelspiegel mit nachträglichen Notizen um das Blatt herum bedeckte, als es dort schon klebte. Lit.: LEIDINGER in HEITZ, E i n b l a t t d r u c k e B d . 10, N r . 2 8 u n d B d . 2 1 , N r . 2 9 ; SCHNELL 1 9 8 4 , S. 2 0 1 2 0 3 ; BAUER 1 9 9 6 , S. 8 2 f.; SCHNEIDER 1 9 9 6 , S. 2 0 9 - 2 1 3 .

Cgm 7248 Sammelhandschrift, dt. ('Buch von den neun Felsen', Gebete, 'Speculum artis bene moriendi' etc.) 23

KISTNER 1950, S. 81 u. S. 96 vertritt die Ansicht, daß auch der von SCHREIBER als Sehr. 2822 aufgenommene Teigdruck (Nürnberg, GNM) von der gleichen Platte gedruckt ist, was noch zu überprüfen wäre.

Handschriften

361

Inzigkofen; Bibliothek des Regierungsgebäudes von St. Gallen; Slg. Otto Wessner, St. Gallen. Papier; 178 Bl. (mit Paginierungsfehler); 20,5 x 14,5 cm; vermutlich Augsburg, M. 15. Jh. Fünf Hände. Von einem der Schreiber wies FECHTER 1997, S. 69 zwei Hss. nach, die 1440 in Augsburg entstanden sind. Wz. u. a. Typ Br. 11845-11846 (1441-1469). Alter Einband, weißes Leder, Streicheisenlinien, eine Schließe. Vorne altes Papierschildchen (15. Jh.?), nicht mehr lesbar; darüber Spuren alter Schrift auf dem Leder, ebenfalls unleserlich. Vorderer Deckelspiegel Holzschnitt; hinterer Deckelspiegel Papier, darauf klebt ein Brief von 1505 mit Nennung zweier Beichtväter des Klosters Inzigkofen aus Indersdorf. Auf fol. 179 v Eintrag vermutl. von Otto Wessner: Dieses Buch war in der Bibliothek des Regierungsgebäudes „St. Gallen" - und stammt wahrscheinlich aus dem Kloster „ Pfaeffers ". (Kloster Pfäfers im Bistum Chur, eine höchst unsichere, ja unwahrscheinliche Angabe). Raum für Initialen ausgespart, keine ausgeführt; fol. 144 r mit Feder und brauner und roter Tinte dilettantisches Männchen und Hinweisfinger gezeichnet.

Ausstattung mit Druckgraphik: Vd.: Holzschnitt, Fragment eines Blockbuches des Symbolum apostolicum (Abb. 87). Bl. 215-218 x 145 mm; Einf. 192 x 127-128 mm. Druckstock unten verrutscht. Es trägt die zu Jacobus minor (bezeichnet: S. Jacob der minder) gehörende xylographische CredoZeile In die haiigen kirchen der cristenhait gemainsamin der haiigen. Kol. Rot (Krapplack) in mehreren Tönen, Ocker, Türkis, Grün, Blau. Rahmung Rot. Am unteren Rand handschriftlicher Besitzvermerk von Inzigkofen. In der Blockbuchliteratur bislang unbekannt, weder bei S C H R E I B E R , Manuel Bd. 4, noch bei M U S P E R 1976, noch im BlockbuchKurzzensus des Katalogs Blockbücher des Mittelalters 1991, S. 412. Das Blatt ist mit keiner der drei bekannten Ausgaben dieses Blockbuches (Heidelberg, UB, in Cod. pal. germ. 438; München, BSB, Xyl. 40; Wien, ÖNB, Ink. 2. D. 42) identisch. Das Inzigkofener Fragment ist der Wiener Ausgabe mit lateinischem Text sehr ähnlich, steht dem anzunehmenden gemeinsamen Vorbild jedoch näher als die Wiener Ausgabe (kleine Mißverständnisse und Vergröberungen in Wien). E M I L M A J O R publizierte das Blatt 1918, als sich der Codex in der Sammlung O. Wessner in St. Gallen befand. Nach dem Verkauf der Sammlung war der Aufenthaltsort unbekannt; H E U S I N G E R erwähnte das Blatt 1979 ohne Wissen um seinen Verbleib. Die Wahl eines Holzschnitts dieses Themas bezieht sich vermutlich auf die deutsche Übertragung des Symbolum apostolicum, das in der Hs. auf fol. 164 r -165 v enthalten ist. Das Blatt klebt möglicherweise direkt auf dem Holz des Deckels, was durch bloßen Augenschein aber schwer zu beurteilen ist. Der Brief von 1505 im hinteren Deckel weist auf das Verhältnis zwischen Inzigkofen und dem bayerischen Indersdorf. Entweder handelt es sich bei dem Codex also um ein Geschenk der Indersdorfer Beichtväter an die geistlichen Töchter in Inzigkofen, oder ein schon in Inzigkofen befindlicher Brief des bayerischen Klosters wurde im schwäbischen Konvent eingeklebt. Um die Mitte des 16. Jh., als der Besitzvermerk auf dem Holzschnitt im Vorderdeckel angebracht wurde, war der Band jedoch schon Besitz des Augustiner-Chorfrauen. Lit.: MAJOR i n HEITZ, E i n b l a t t d r u c k e B d . 5 0 , S . 1 0 ( N r . 4 ) ; RUH 1 9 5 6 , S . 1 0 0 f.; HEUSINGER 1 9 7 9 , S . 2 3 9 ; HERNAD 1 9 8 7 , S . 4 6 u. A b b . 4 7 ; FECHTER 1 9 9 7 , S . 6 8 - 7 3 .

362

Verzeichnisse

Clm 2909 Brevier Altenhohenau, Dominikanerinnen. 2. H. 15. Jh.

Pergament;

245 + I Bl.;

16,8 x 11,5 cm;

Textualis, eine Hand. Rubriziert, rote Lombarden. Besitzeintrag fol. l r : Das puch gehört closter zu Altenhohenaw prediger ordens zu sant Peter und Pauls.

in das

Alter Einband, rotes Leder mit Streicheisenmuster, die zwei Schließen fehlen. Fol. 8 V : fleuronnierte Initiale A, blaue Deckfarbe und rote Tinte.

Ausstattung mit Druckgraphik: Auf fol. 8V oben aufgeklebt: Auferstehung Christi, Holzschnitt (Sehr. 543c). Einf. ? (ca. 74) x 62-63 mm, Bl. 70-71 x 74-75 mm. Kol. Grün, Gelb, Rotlack, Inkarnat, Braun, Zinnober, sulfidiertes Silber (Nimbus), Grau. Oben und unten beschnitten. Der Holzschnitt ist eine gleichseitige Wiederholung von Sehr. 543d, der in eine Nürnberger Hs. von 1466 (Augsburg, UB, Cod. 1.3.8° 5, s. o.) eingedruckt ist. Das Blatt klebt über dem Beginn des Auferstehungsoffiziums. Vielleicht war der freigelassene Platz über dem Textbeginn schon beim Schreiben für den Holzschnitt reserviert worden. - Süddeutschland (Nürnberg?), um 1460. L i t . : HALM B d . 1,2, S . 4 9 ; LEIDINGER i n HEITZ, E i n b l a t t d r u c k e B d . 1 0 , N r . 1 1 .

Clm 3079 Sammelhandschrift, lat. (Epistellesungen; Raimund von Penafort, 'Summa de casibus'; 'Chiromantia spiritualis') Andechs, Benediktiner. Papier; 211 Bl.; 30,7 x 20,2 cm; um 1460 Eine Hand u. Ergänzungen. Nur stellenweise rote Strichelung. Einfache fleuronnierte Initialen. Wz. Turm Picc. I, 297 (1459-61); Turm ähnl. Picc. II, 346 (1457-65); Ochsenkopf ähnl. Picc. XII, 253 (1454-58), ähnl. XII, 657 (1455-60). Alter Einband, weißes Leder, Streicheisenlinien und Einzelstempel (nicht bei KYRISS). Fol. 2 0 6 v - 2 0 7 r chiromantische Schemazeichnung. Entfernte Illustrationen:

Fol. 30: Ein Stück von 58 x 51 mm aus dem Papier geschnitten; evtl. wegen eines Bildes auf der Verso-Seite. Vorhandene Ausstattung mit Druckgraphik: Kupferstichfragmente, die an Stellen kleben, die ursprünglich für Initialen oder Lombarden freigelassenen worden waren: - Fol. l r : Hl. Bartholomäus, Kupferstich des Meisters mit den Blumenrahmen (L. III, 208, 83). Mit Feder, brauner und roter Tinte in einen hl. Petrus verwandelt (das Blatt klebt am Beginn der Petrusbriefe). Einf. ? (beschnitten, nach anderem Ex.: 54 x 34 mm), Bl. 50 x 24 mm.

Handschriften

363

- Fol. 18r: Akelei, aus einer Kupferstich-Spielkarte ausgeschnitten (bei LEHRS Schule des Meisters der Spielkarten, L. I, 205, 86e; nach GEISBERG Meister mit den Bandrollen, G. 125). Bl. max. 41 x 30 mm. Unkoloriert. - Fol. 19v: Vogel, aus einer Kupferstich-Spielkarte ausgeschnitten (bei LEHRS Schule des Meisters der Spielkarten, L. I, 205, 86a; nach GEISBERG Meister mit den Bandrollen, G. 124). Bl. max. 52 x 17 mm. Unkoloriert. - Fol. 35 v : Akelei, aus einer Kupferstich-Spielkarte ausgeschnitten (bei LEHRS Schule des Meisters der Spielkarten, L. I, 205, 86f; nach GEISBERG Meister mit den Bandrollen, G. 125). Bl. 34 x 16 mm. -Fol. 75v: Vogel, der sich putzt; ausgeschnitten aus einer Kupferstich-Spielkarte (bei LEHRS Schule des Meisters der Spielkarten, L. I, 205, 86b; nach GEISBERG Meister mit den Bandrollen, G. 124). Bl. max. 51 x 30 mm. Mit roter Tinte einige Punkte und Striche aufgesetzt. - Fol. 109r: Schwan, aus einer Kupferstich-Spielkarte (bei LEHRS Schule des Meisters der Spielkarten, L. I, 205, 86c; nach GEISBERG Meister mit den Bandrollen, G. 124). In Form eines Wappenschildes ausgeschnitten, Bl. 43 x 32 mm. Einige Punkte und Striche mit roter Tinte aufgesetzt. - Fol. 126v: Stigmatisierung des hl. Franziskus, Kupferstich vom Meister mit den Blumenrahmen (L. III, 218, 104). Bl. 48 x 34 mm. Einige rote Tintenstriche aufgesetzt. Zweites Ex. inClm 19352 (s. u.). - Fol. 148v: Vogel, ausgeschnitten aus einer Kupferstich-Spielkarte (bei LEHRS Schule des Meisters der Spielkarten, L. I, 205, 86d; nach GEISBERG Meister mit den Bandrollen, G. 124). Bl. ursprünglich 43 x 32 mm, links beschädigt. Bl. 34 x 32 mm, mit Feder und roter Tinte verziert. - Fol. 172r: Akelei, aus einer Kupferstich-Spielkarte (bei LEHRS Schule des Meisters der Spielkarten, L. I, 205, 86g; nach GEISBERG Meister mit den Bandrollen, G. 125). Bl. 33 x 26 mm. Mit roter Tinte Striche aufgesetzt. Diese Karten-Points sind Kopien nach dem Meister der Spielkarten; eine präzisere Zuschreibimg, wie sie etwa GEISBERG an den Meister mit den Bandrollen macht, scheint nicht begründbar. Lit.: HALM Bd. 1,2, S. 72; GEISBERG 1918, S. 32; GEISBERG 1923, S. 7.

Clin 3131 Sammelhandschrift, lat. (Passionsbetrachtung;24 Ps.-Bernhard, Passionstraktat;25 Vorbereitungsgebete und Unterweisungen zur Messe26; div. Gebete etc.) Andechs, Benediktiner. Papier; I + 182 + 1 BL; 14 x 10,2 cm; Andechs, 1459-60 Mehrere Hände. Rubriziert, rote Lombarden. Signiert und datiert 1459 von Bruder Johannes von

24 25 26

Inc. fehlt; s. dazu HAIMERL 1952, S. 68. Adoramus te Christe Ihesum... Überliefert auch in Würzburg, UB, M.ch.q. 412, fol. 63 v -67 v . Siehe HAIMERL 1952, S. 60,70.

Verzeichnisse

364

Isny (fol. 125 v ), 2 7 1460 von Matthias Praittenwieser28 (fol. 35 v ). Wz. u. a Ochsenkopf Typ Picc. XV, 807-811 (1461-62).

Neuer Pappeinband, 19. Jh. Ausstattung mit Druckgraphik: Rd.: Hl. Agnes mit dem Christuskind an einem Faß, Holzschnitt (Sehr. 1180a). Einf. 92 x 98 mm, Bl. 102 x 101 mm. Kol. Grün, Zinnober, Blau, Braun, Ocker, Inkarnat. Gehörte zu einem größeren Bogen mit mehreren Darstellungen (s. Einfassungslinien 1. o. und r. u.). Süddeutsch, M. 15. Jh. L. u. klebt ein Lederstück mit der Aufschrift (19. Jh.) S. Agnes. Holzschnitt. Es handelt sich wohl um einen Rest des alten Einbandes, der bei der Neubindung der Hs. im 19. Jh. entfernt worden war. Über die ursprüngliche Art der Befestigung des Holzschnitts im Deckel läßt sich wegen dieser Restaurierung nichts mehr aussagen. Lit.:

HALM

Bd.

1,2, S. 7 9 ; LEIDINGER

in

HEITZ,

Einblattdrucke Bd.

21,

Nr.

1 9 ; HAIMERL

1952,

S. 6 8 - 7 0 .

Clm 7836 Gebetbuch, lat. Indersdorf, Augustinerchorherren. Papier; 257 Bl.; 10,2 x 7,4 cm; 3. Dr. 15. Jh. Zwei Hände. Rubriziert, rote Lombarden, einfache Initialen. Wz. u. a. Schere ähnl. Picc. IV, 59 (1465), Berg ähnl. Br. 11349 (1475-1484). Alter Einband, braunes Leder, stark beschädigt, Rücken ergänzt; Streicheisenverzierung und Einzels t e m p e l ( n i c h t b e i KYRISS).

Entfernte Illustrationen (alle waren beim Schreiben mit dem Text koordiniert worden): - Fol. 19r: Leim- und Farbspuren eines abgelösten Bildes, wohl einer Druckgraphik, von ca. 97 x 71 mm. Umgebender Text: Gebet zu Christus am Kreuz. - Fol. 21 v : Klebespuren eines Bildes, das in eine doppelte Umrahmung mit roter Tinte und umlaufender Schriftzeile (Salve crux saneta • salve mundi gloria..., vom Schreiber des Buches) eingeklebt war. Auf fol. 22 r folgt ein Gebet zum hl. Kreuz. - Fol. 164r: Spuren eines entfernten Blattes (ca. 61 x 41 mm), umgeben von einer roten Rahmenlinie. Darunter Versgebet zur hl. Dorothea. - Vor fol. 169 wurde ein Blatt der Hs. herausgeschnitten, evtl. wegen eines Bildes. Ausstattung mit Druckgraphik: - Auf fol. 14v aufgeklebt: Messe des hl. Gregor, Kupferstich vom Meister des hl. Erasmus (L. III, 276, 85). Einf. u. Bl. ca. 71 x 50 mm. Kol. mit Strichen grüner und roter Tinte, die die Kanten der Gegenstände und die Gewandfalten nachzeichnen. Das Blatt befand sich vorher schon in einer anderen Hs.: Soweit zu erkennen, ist die ganze (heute zugeklebte) Rückseite des Blattes beschriftet. Anderes Ex. in Clm 20096 (s. u.), dieses nicht bei LEHRS. Der Kupferstich wurde bewußt in eine Reihe von Passionsgebeten integriert, die 27 28

REDLICH 1931, S. 147 Anm. 69 nennt drei in einer Andechser Verbrüderungsliste von 1460 genannte Mönche namens Johannes. Einer von ihnen muß der Schreiber sein. Ab 1451 in Tegernsee, 1452 Profeß, ab 1455 in Andechs, 1491 gestorben (s. LINDNER 1897, S . 9 5 , N r . 4 6 0 , REDLICH 1 9 3 1 , S . 4 0 A n m . 1 5 5 , S . 9 3 , BAUER 1 9 9 6 , S. 1 3 2 - 1 3 4 ) .

365

Handschriften

hier dem hl. Gregor zugeschrieben werden. 29 Daneben eine Ablaßverheißung für das Beten vor dem Bild. - Auf fol. 254 r eingeklebt: Grablegung, Kupferstich, von L E H R S der Schule des Meisters der Spielkarten zugeschrieben (L. I, 156, 9), von G E I S B E R G dem Meister der Spielkarten selbst (G. 4). Einf. ? (oben beschnitten) x 62 mm, Bl. 67 x 63-64 mm. Unkoloriert. Darunter ein Gebet zum Thema vom Schreiber des Codex eingetragen; da die Oberlängen auf das Papier des Kupferstiches reichen, muß dieser zum Zeitpunkt der Beschriftung schon auf der Buchseite geklebt haben. Das Gebet zur Grablegung auf fol. 252 v stand ursprünglich dem Bild gegenüber, da das heutige fol. 253 (mit Passionsgebet) nachträglich an einen Pergamentfalz angeklebt wurde. Auch auf fol. 254 v ein Gebet über das Mitleiden Mariae angesichts der Grablegung Christi. Lit.: HALM B d . 1,3, S . 2 0 3 ; SCHMIDT 1 8 8 7 , N r . 2 1 ; LEHRS 1 8 9 1 , S . 1 4 , S . 1 7 f . ; GEISBERG 1 9 2 3 , S . 1, T a f . 12; HAIMERL 1 9 5 2 , S . 1 0 2 f.; SCHMIDT 1 9 9 8 , S . 8 7 , S . 8 8 A n m . 1 3 8 .

Clm14142 Sammelhandschrift, lat. (Nikolaus von Dinkelsbühl; Heinrich von Langenstein etc.) Regensburg, St. Emmeram. Papier; II + 219 Bl.; 31 x 21,5 cm; 1455-1476 Mehrere Hände. Dat. Leipzig 1455 (fol. 175 r ), Swaingdorff(= (fol. 9 4 v ) u. 1476 (fol. 219 v ). Rubriziert.

Schwandorf?) 1458 (fol. 132 v ), 1465

Alter Einband, Holzdeckel mit hellem Lederüberzug, Streicheisenlinien u. Rollenstempel, Metallbuckel entfernt, Ränder und Rücken erneuert.

Ausstattung mit Druckgraphik: Vd.: Hl. Antlitz, Holzschnitt (Sehr. 753a). Bl. 280-282 x 189-192 mm. Kol. mehrere Brauntöne, Schwarz, Grün, Zinnober, Gelb, Rotlack, Rahmen Dunkelrosa. Bei der Restaurierung der Hs. neu auf dem papierenen Deckelspiegel festgeklebt. Zeitpunkt der Einfügung: nach dem Binden des Buches, näher nicht zu bestimmen. Auf das gleiche Vorbild geht Sehr. 753b (Tübingen, UB) zurück, dort auch die kleinen Kronen an den Enden des Nimbuskreuzes. - Süddeutsch, 4. V. 15. Jh. L i t . : HALM B d . 11,2, S . 1 3 5 f . ; LEIDINGER i n HEITZ, E i n b l a t t d r u c k e B d . 1 0 , N r . 1 4 .

Clm 14177 Sammelhandschrift, lat. (Bericht über Regensburger Synode von 1465; Thomas von Aquin; Heinrich von Friemar; Johannes Urbach u. a.) Regensburg, St. Emmeram. Papier; 257 Bl.; 31,2 x 21,5 cm; 1455-1474 29

O domine Ihesu Christe, fili dei vivi, adoro te in crucem pendentem... Dazu HAIMERL 1952, S. 92 Anm. 542, und ROTH 2000, passim; dasselbe Gebet in ähnlichem Zusammenhang auch in Clm 20007, fol. 119 r , Clm 20021, fol. 384 r , jeweils ursprünglich mit eingeklebten Bildern geschmückt.

366

Verzeichnisse

Mehrere Hände. Dat. 1474 (fol. 7 V ), Johannes Sawlndorff (?) de Nappurg (fol. 28 v ), 1455 (fol. 138r), 1457 (fol. 153r). Rubriziert, rote Lombarden, einfache Initialen (Feder mit roter Tinte, z. T. fleuronniert). Alter Einband, Holzdeckel mit hellem Lederüberzug, Streicheisenlinien und Einzelstempel. Metallbuckel und zwei Schließen entfernt.

Ausstattung mit Druckgraphik: Vd.: Versuchung des hl. Antonius, Holzschnitt (Sehr. 1219c). Einf. 262-264 x 189-190 mm, Bl. 310-315 x 215-219 mm. Ungleichmäßiger Druck. Kol. Rotlack, Grün, Gelb, Braun, Grau, Graubraun, Inkarnat. Es sind vier weitere Wiederholungen erhalten (Sehr. 1219—1219d). - Süddeutsch, ca. 1470-1480. Rd.: Tanz dreier wilder Leute, Holzschnitt (Sehr. 1988m). Bl. 317 x 215 mm, keine Einf. sichtbar. Kol. Rotlack, Grün, Gelb, Braun (gleiche Hand wie beim Holzschnitt im Vd.). Süddeutsch, ca. 1470-1480. Beide Blätter kleben - soweit nach dem Augenschein zu beurteilen - wohl nicht auf einem schon vorhandenen Deckelspiegel, sondern direkt auf dem Holz der Buchdeckel; deshalb möglicherweise gleichzeitig beim Binden eingefugt. Lit.: HALM Bd. 11,2, S. 140; LEIDINGER in HEITZ, Einblattdrucke Bd. 10, Nr. 2 5 u. 46; CARLO GINZBURG, Die Benandanti. Feldkultur und Hexenwesen im 16. und 17. Jahrhundert, Frankfurt a. M. 1980 (Sehr. 1988m auf dem Umschlag abgebildet).

Clm14600

Brevier Regensburg, St. Emmeram. Papier u. Perg.; 460 Bl.; 20,7 x 14,6 cm; 2. H. 15. Jh. Mehrere Hände. Rubriziert. Einfache fleuronnierte Initialen (Feder und Tinte). Wz. u. a. Ochsenkopf ähnlich Typ XII, 860-878 (1436-1474). Alter Einband, Holzdeckel mit dunkelbraunem Lederüberzug, heute z. T. schwarz geworden und beschädigt; von zwei Schließen noch eine erhalten. Fol. 148 v eingeklebte Fz. hl. Dionysius, braune Tinte, 69-72 x 55 mm, 4. V. 15. Jh.; einfache Rahmung mit Feder und brauner Tinte; steht ohne Textbezug am Ende des 'Cursus de passione domini'. - Fol. 198 v eingeklebte Miniatur: Christus nimmt Abschied von seiner Mutter, Deckfarben und Gold, 97-98 x 72 mm, 4. V. 15. Jh.; mit Tinte umrahmt wie oben, doch scheint an der Stelle vorher ein anderes Blatt geklebt zu haben, da die Rahmung für das jetzige Bild zu klein ist und links Klebespuren des alten Blattes zu sehen sind.

Verlorener Bildschmuck: Vd.: Blatt ausgelöst (ca. 152 x 98 mm); umrahmt mit roter und dunkelbrauner Tinte, einfaches Fleuronnöe. Schon vor der Säkularisation entfernt, da an der Stelle ein St. Emmeramer Exlibris des 18. Jh. klebt. - Fol. l v : ebenso umrahmtes Blatt, querformatig eingeklebt (ca. 48? x 102? mm), abgelöst; darunter Schrift zu sehen, die schon vor der Anlage der Rahmung vorhanden gewesen sein muß. Erhaltene Ausstattung mit Druckgraphik: Fol. 111r: Die untere Hälfte der Seite (incl. Text) ist mit einem Papierblatt (119 x 111 mm) überklebt, auf das vier kleine Metallschnitte gedruckt sind: 1. o. hl. Klara (Sehr.

Handschriften

367

2605), Einf. 47 x 36 mm; r. o. Christus und die Samariterin am Brunnen (Sehr. 2217), Einf. 47 x 37 mm; 1. u. hl. Margarethe (Sehr. 2699a), Einf. 45 x 35 mm; r. u. hl. Elisabeth (Sehr. 2617), 45 x 36 mm. Teil eines größeren Bogens mit Heiligendarstellungen. Kol. Rotlack, Grün, Gelb. Die Ecken der Druckstöcke z. T. nicht eingefärbt oder ausgebrochen. Das Blatt wurde mit Feder und roter Tinte mit einem Fleuronnöe-Muster verziert. Köln oder Niederrhein (?), um 1470. - Textbezug: fol. 110v— 111r De virginibus, das zu den Cantica dominicalis diebus (ab fol. 1051) gehört. Wenn auch die in den Metallschnitten dargestellten weiblichen Heiligen nicht explizit im Text vorkommen, ist doch darin die Motivation zur Einfügung der Graphik zu sehen, die - wie auch die Einklebung der Zeichnungen, der Miniatur und der heute fehlenden, vermutlich druckgraphischen Blätter einige Zeit nach Vollendung der Hs. vermutlich im letzten Viertel des 15. Jh. erfolgte. L i t . : HALM B d . 11,2, S . 2 0 0 ; RIEHL 1 8 9 5 / 9 6 , S . 1 4 4 ; LEIDINGER i n HEITZ, E i n b l a t t d r u c k e B d .

15,

Nr. 1 , 3 4 , 4 1 , 4 2 .

Clm 14623 Missale Regensburg, St. Emmeram. Perg.; I + 306 +1 Bl.; 20,3 x 14 cm; 12.-15. Jh. Aus den verschiedenen Teilen im 15., vielleicht erst im 16. Jh. (s. Einband) zusammengefügt. Rubriziert, rote und blaue Lombarden, Initialen 12., 14., 15. Jh.

Alter Einband, braunes Leder, Platten- und Rollenstempel des 16. Jh. Fol. 130 v Kanonbild, Miniatur 2. H. 15. Jh.

Ausstattung mit Druckgraphik: Fol. 137v: Veronika mit dem Schweißtuch, Metallschnitt (Sehr. 2738). Einf. ? x 44 mm, Bl. 41 x 44 mm. Kol. nur an wenigen Stellen Rot. Nachträglich auf den unteren Seitenrand geklebt. Zweites Ex. in Clm 14938. - Niederrhein oder Köln (?), ca. 1470. L i t . : HALM B d . 11,2, S . 2 0 4 ; LEIDINGER i n HEITZ, E i n b l a t t d r u c k e B d . 1 5 , N r . 5 2 .

Clin 14774 Brevier Regensburg, St. Emmeram. Perg.; 559 Bl.; 15,2 x 10,3 cm; 2. H. 15. Jh., mit älteren Teilen Mehrere Hände, rubriziert. Rote u. blaue Lombarden, einfache fleuronnierte Initiale fol. 10 r . Die Hs. ist aus verschieden alten Teilen zusammengebunden. Alter Einband, Holzdeckel mit rotem Lederüberzug, Einzelstempel; Beschläge fehlen, zwei Schließen fragmentarisch erhalten.

Ausstattung mit Druckgraphik: Fol. l r : Kupferstichfragment, Passionswappen vom Meister der Berliner Passion (L. 81); nur noch rechte untere Ecke und ein Rest des Kreuzesstammes zu sehen; nicht koloriert.

368

Verzeichnisse

Maße des Blattes ursprünglich 112-116 x 92-93 mm. Zerstörung vor der Anbringung des Stempels der Hofbibliothek. Zeitpunkt der Einfügung der Graphik nicht näher zu bestimmen. L i t . : HALM B d . 11,2, S . 2 3 1 .

Clm 14790 Brevier Regensburg, St. Emmeram. St. Emmeram 1478-1480

Papier u. Perg.;

576 Bl.;

15,3 x 10,8 cm;

Eine Hand (Narcissus Wager von Otting, von ihm dat. fol. 26r: 1478, fol. 210v: 1478, fol. 523r: 1480). Vermutlich identisch mit dem 1495 an der Pest verstorben frater Narcissus (s. Catalogus religiosorum, professorum monasterii S. Emmerami. Regensburg 1734, S. 7). Rubriziert, mehrfarbige Lombarden, Fz.-Initialen, z. T. fleuronniert. Alter Einband, rotes Leder, Rollen- und Einzelstempel (darunter zwei Schließen fragmentarisch erhalten.

KYRISS

1954, Taf. 65, Nr. 3, 7); die

Verlorene Illustrationen: - Von fol. 26 v drei Blätter abgelöst, Klebespuren 1. o. 72 x 43 mm, 1. u. 55 x 38 mm, r. u. 60 x 47 mm. Die Füllung einer roten Fz.-Initiale auf fol. 214 r (zu Beginn eines Hymnus zur hl. Barbara) war ein eingeklebtes Blatt, Klebespuren 50 x 32 mm. Erhaltene Ausstattung mit Druckgraphik: - Fol. 26 v (Abb. 169): r. o. thronender Christus als Salvator mit vier anbetenden Engeln. Holzschnitt (Sehr. 835d), Einf. 66 x 55 mm, Bl. 67 x 56 mm. Kol. Braun, Gelb, Grün, Blau, Zinnober, Inkarnat, Nimbus sulfidiertes Silber, Rahmen Gelb. Ca. 1450er/60er Jahre, wohl nach einem vor der Jahrhundertmitte entstandenen Vorbild aus dem Kreis der Benediktbeuern-Basler Holzschnitt-Passion, vgl. Cgm 105, fol. 146r; zu dieser Gruppe s. u. Wien, ÖNB, Ink. 2. H. 131. Die Kolorierung ist, was Farben und Art des Auftrags betrifft, sehr ähnlich den Holzschnitten in der Hs. Cgm 124 (Sehr. 1624a, 1697a), die evtl. von der Hand des gleichen Holzschneiders stammen. - Fol. 21 l v (Abb. 170): Kupferstich der 'Kleinen Madonna von Einsiedeln' des Meisters E. S. (L. 72); Einf. 133 x 87 mm, Bl. 139 x 98 mm. Nicht koloriert. Klebt auf der leergebliebenen Seite. Lit.:

HALM

Bd. 11,2, S. 234;

LEHRS

1891, S. 10;

LEIDINGER

in

HEITZ,

Einblattdrucke Bd. 21, Nr. 15;

GEISBERG 1 9 2 4 , S . 5 1 ; BEVERS 1 9 8 7 , S . 4 3 ; WELZEL 1 9 9 5 , S . 1 3 3 ; SCHMIDT 1 9 9 8 , S . 7 6 , S .

85

Anm. 79.

Clm 14810 Sammelhandschrift, lat. (Usuardus, Martyrologium; Gebete etc.) Hermann Pötzlinger; Regensburg, St. Emmeram. Papier; 181 Bl. (gez. 179); 14,5 x 10,5 cm; St. Emmeram, 1448 u. 2. H. 15. Jh.

Handschriften

369

Mehrere Hände (fol. 1-106 v lt. Kolophon in St. Emmeram geschrieben, nach BISCHOFF 1967, S. 130 Anm 87 die Hand Hermann Pötzlingers). Rubriziert, rote Lombarden. Erster Teil dat. 1448 (fol. 106 v ); weitere Teile 2. H. 15. Jh. Alter Einband, Holzdeckel mit hellem Lederüberzug, Streicheisenlinien, die Schließe fehlt. Ausstattung mit Druckgraphik:

Fol. 175v unten (Abb. 172): Grablegung Christi, Holzschnitt (Sehr. 532a), Einf. 60 x 86 mm, Bl. 69-70 x 100 mm. Kol. Zinnober, Rot, Gelb, Grün, Braun, Hintergrund Schwarz; außerhalb der Einfassung des Druckes zweifache Rahmenlinie Schwarz und Zinnober. Auf dem schwarzen Hintergrund mit roter Tinte von einer Hd. des 15. Jh. der Schriftzug Sepultura domini. Der Holzschnitt stammt wohl aus einer größeren Passionsfolge, von der jedoch sonst nichts erhalten ist. Stilistisch ließe er sich am ehesten in die Nachfolge des Marientodes Sehr. 705 einordnen (vgl. v. a. Gesichtstypen und Haare; zu diesem Blatt s. K Ö R N E R 1979, S. 126 mit Lit. u. Abb. 46, dort als Lokalisierung „Schwaben oder Franken", 1420-1430, ohne Belege). - Süddeutsch, um 1440. Wann das Blatt in die Hs. geklebt wurde, ist nicht zu bestimmen. Der mit roter Tinte auf dem schwarzen Hintergrund angebrachte Schriftzug ist zu kurz und vom Anspruchsniveau der Schriftart zu unterschiedlich, um ihm dem Schreiber und Rubrikator des darüber befindlichen Buchtextes zu- oder abzuschreiben; es ist jedoch durchaus möglich, daß es dieselbe Hand ist. Ungeklärt bleibt also auch, ob der Holzschnitt die Hs. schon schmückte, als diese sich noch im Besitz von Hermann Pötzlinger befand, rector der Klosterschule von St. Emmeram, mit dessen privater Bücherei von 110 Bänden sie nach dessen Tod im Jahr 1469 an die Klosterbibliothek überging (s. R U M B O L D 1985, S. 331). Über dem Holzschnitt steht ein Gebet zur Dreifaltigkeit, der ab fol. 176r folgende Teil enthält Texte zur Beichte und zur Kommunion. Ein unmittelbarer Bezug zwischen Bild und Text, der über den sehr allgemeinen Anknüpfungspunkt des in der Grablegungsszene dargestellten Christus als Teil der im Gebet angesprochenen Trinität hinausginge, ist also nicht gegeben. Lit.: HALM B d . 11,2, S. 2 3 6 ; BISCHOFF 1 9 6 7 , S. 1 3 0 A n m . 8 7 ; DAGMAR PAULI, S t u d i e n

zum

sogenannten Codex St. Emmeram. Entstehung, Datierung und Besitzer der Handschrift München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 14274 (Olim Mus. ms. 3232a), in: Kirchenmusikalisches Jahrbuch 6 6 , 1 9 8 2 , S. 1 - 4 8 , dort A n m . 1 8 1 ; RUMBOLD 1 9 8 5 , S. 3 3 4 , 3 3 9 .

Clm14816 Sammelhandschrift, lat. u. dt. (Antoninus Florentinus, Confessionale; div. Stücke über die Beichte; Silvester von Rebdorf etc.) Regensburg, St. Emmeram. Papier; 114 Bl. (ungez.); 14,8 x 10,4 cm; 1478 Mehrere Hände. Rubriziert, rote und grüne Lombarden. Dat. 1478 (fol. 30 r , fiktive Zählung). Wz. Ochsenkopf, Picc. XII, 860 (1469-1474) Alter Einband, Holzdeckel mit hellem Lederüberzug, Streicheisenlinien und Einzelstempel, eine Schließe; die Beschläge fehlen.

Ausstattung mit Druckgraphik: Rd.: Teigdruck, Gegenstand nicht zu erkennen, hl. Christopherus nur aus dem Text zu erschließen. Erhalten ist nur noch eine schwarze brüchige Masse mit gelben und roten Farbresten. Rand 50-51 x 36 mm, Bl. 74 x 52 mm. (Nicht bei SCHREIBER und LEIDINGER,

Verzeichnisse

370

Teigdrucke 1908). Darunter dreizeiliges Gebet zum hl. Christopherus (Cristofore sanete, virtutes sunt tibi tante..., = WALTHER 1959, Nr. 2755) von einer Hd. des 15. Jh., jedoch von keinem der Schreiber des Bandes. Die Hs. wurde aus verschiedenen unabhängig entstandenen Faszikeln nach 1478 zusammengebunden, vielleicht dabei der Teigdruck eingeklebt. Lit.: HALM Bd. 11,2, S. 237.

Clm14861

Brevier Regensburg, St. Emmeram. Papier u. Perg.; 303 gez. Bl. (doch nicht durchgehend gez.); 1 0 x 7 cm; St. Emmeram, um 1488 Mehrere Hände. Rubriziert, rote Lombarden, mit Feder gezeichnete Hinweishände, einfache Initialen (roter Tinte). Wz. Krone, Typ Picc. XII, 26-28 (1474-1488), identisch mit dem Wz. von Clm 14865, der 1488 datiert ist. Alter Einband, rotes Leder, Einzelstempel; oben abgeschnittener Lederüberstand (früher evtl. Beutelbuch?). Form des Einbandes und Stempel stimmen, wie auch die Wasserzeichen, genau mit Clm 14865 überein; die beiden Codices wurden demnach etwa gleichzeitig gefertigt. Ausstattung mit Druckgraphik: - Auf fol. 57 v des letzten gezählten Abschnitts klebt ein Kupferstich des hl. Andreas. PI. ? x 55 mm, Einf. 88 x 54 mm, Bl. 100 x 79 mm. Kol. Gelb, Grün, Grau, Inkarnat. Guter Druck, v. a. links etwas verschmutzt. Bislang unbekannt (nicht bei LEHRS, HOLLSTEIN etc.). Stilistisch dem Meister h w sehr ähnlich, der in Bayern tätig war; drei seiner Stiche sind 1481 und 1482 datiert. 30 Das Blatt klebt vor dem mit einem Responsorium zum hl. Andreas beginnenden Proprium de sanetis. - Auf fol. 65 v des letzten gezählten Abschnitts klebt der Kupferstich einer Pietà. PI. ? x 50 mm, Bl. 100 x 69 mm. Guter Druck, nicht koloriert. Nicht bei LEHRS; von SCHUPPISSER dem Meister des Dutuitschen Ölbergs zugeschrieben. Der Stich klebt vor einer Antiphon De commemoracione beate virginis Marie und wurde von einer späteren Hand, die aber noch dem 15. Jh. angehört, mit dem Text des Salve regina umgeben. Lit.: HALM Bd. 11,2, S. 243; SCHUPPISSER 1993, S. 189 f.

Clm 14865

Brevier Regensburg, St. Emmeram. Papier u. Perg.; 366 Bl. (alte Zählung bis 349); 9,3 x 6,4 cm; St. Emmeram, 1488 30

Zu h w s. LEHRS, Krit. Kat. Bd. VIII, S. 220-242; S. 226 zur bayerischen Herkunft. LEHRS schließt sich mit Vorbehalt der schon vor ihm geäußerten These an, daß h w als Hans von Windsheim, ein im späten 15. Jh. in München nachweisbarer Goldschmied, aufzulösen sein könnte (ebd., S. 222-226). Doch stichhaltige Beweise dafür wurden bislang noch nicht erbracht.

Handschriften

371

Zwei Hände. Rubriziert, fol. l r (alte Zählung) Deckfarbeninitiale. Finitus est iste libellus ... per me fratrem Benedictum professum huius monasterii anno domini 1488 (fol. 348 r der alten Zählung, = 365 r der fiktiven Gesamtzählung). Alter Einband, Holzdeckel mit rotem Lederüberzug, oben abgeschnittener Lederüberstand; Einzelstempel (KYRISS 1954, Taf. 65, Nr. 3, 7). Gleicher Einband wie Clm 14861, auch gleiche Wasserzeichen des Papiers, deshalb wohl zusammen gefertigt.

Entfernte Illustrationen: Fol. 226 v (alte Zählung): Blatt von 77 x 49 mm ausgelöst; Rd.: Blatt von 62 x 45 mm entfernt. Verbliebene Ausstattung mit Druckgraphik: -Fol. 252 v : Hl. Thomas mit Christus, Metallschnitt (Sehr. 2392); Bl. 59-61 x 45 mm, Einf. etwa die gleichen Maße. Kol. Braun, Grün, Rotbraun, Gelb. Rechtes unteres Eck fehlt. Kopie nach dem Stich des Meisters der Berliner Passion (LEHRS, Krit. Kat. Bd. III, S. 33 u. 75). Kein konkreter Textbezug; steht am Anfang des Proprium de sanetis. - Fol. 307 v : Holzschnitt hl. Barbara (Sehr. 1262c); Einf. 41 x 42 mm, Bl. 64-65 x 54-56 mm. Kol. Gelb, Grün, Rot, Inkarnat. Stammt aus einem größeren Bogen mit Heiligenbildern (s. Einfassungslinien). - Süddeutsch ca. 1460-70. Kein Textbezug (klebt zwischen dem Cursus beatissime virginis Marie und einem Gebet zum hl. Kreuz). - Fol. 316 v : Pietà, Kupferstich vom Meister mit den Blumenrahmen (L. 3); Bl. 63 x 43 mm, beschnitten, deshalb Einf. u. PI. nicht zu erkennen; unkoloriert. Kein Textbezug. Alle Druckgraphiken wurden erst nachträglich in noch freie Räume eingefugt. Lit.:

HALM

LEIDINGER

Bd. 11,2, S. 243; LEHRS 1891, S. 12; LEIDINGER in in HEITZ, Einblattdrucke Bd. 15, Nr. 16

HEITZ,

Einblattdrucke Bd. 10, Nr. 27;

Clm14866 Brevier Regensburg, St. Emmeram. Papier (fol. I u. 13 Perg.); 1 + 451 Bl.; 10,8 x 8 cm; St. Emmeram, Ende 15. Jh. Zwei Haupthände. Rubriziert, rote Lombarden, gezeichnete Hinweishände, fol. 14r einfache fleuronnierte Initiale B. Wz. Krone, Typ Picc. XII, 27-45 (ab den 1480er Jahren nachgewiesen). Alter Einband, Holzdeckel mit braunem Lederüberzug, restauriert und z. T. auf Leinen aufgezogen; Streicheisenlinien und Einzelstempel, die Beschläge und die zwei Schließen fehlen.

Entfernte Illustrationen: Auf fol. 284 v (vor dem Proprium sanetorum, beginnend mit dem hl. Andreas) Klebespuren 57-59 x 45-47 mm. Auf fol. 353 v Klebespuren 50 x 45 mm und Papierreste. Erhaltene Ausstattung mit Druckgraphik: - Fol. 366 v : Zwei silhouettierte Holzschnittfragmente (nicht bei S C H R E I B E R ) aufgeklebt: Württembergisches Wappen mit Halter, Höhe 65 mm. Links davon kniende Figur (nicht zu dem anderen Blatt gehörig), die einen runden Gegenstand nach oben hält. Kol. Ocker, Inkarnat, Wappenfelder Grün, Rot, Ocker, Rosa. Beide 4. V. 15. Jh. - Fol. 392 v : aufgeklebtes Kupferstich-Medaillon, Engel mit betendem Kind auf dem Arm stößt den Teufel mit der Kreuzlanze in die Tiefe; 0 42 mm; an den Rändern beschädigt,

372

Verzeichnisse

wohl durch einen Versuch, das Blatt abzulösen. Unkoloriert.

4.

V.

15.

Jh., nicht bei

LEHRS,

HOLLSTEIN e t c . r

-Fol. 44 t : Metallschnitt hl. Gertrud. Einf. 48 x 35 mm, Bl. 49 x 36 mm. Kol. Grün, Rotbraun, Gelb. Kein Textbezug: das Blatt klebt zwischen Gebeten zum hl. Kreuz und zum Fest des hl. Dionysius. -Rd.: Hl. Dionysius, Kupferstich vom Meister des hl. Dionys (L. IV, 205, 4, ohne dieses Exemplar, s. Abb 175); Einf., PI. ? (beschnitten, anderes Ex. PI. 111 x 78 mm); Bl. 104 x 69 mm. Unkoloriert, in der Mitte ein rotbrauner Fleck. Stark beschädigt, vor allem der rechte Rand eingerissen, Löcher in der Mitte. Bei der Restaurierung des Bandes auf ein als Deckelspiegel eingeklebtes neues Papierblatt montiert. Textbezug: Auf der Verso-Seite des letzten Blattes steht dem Bild ein Gebet gegenüber, in dem die Klosterpatrone Emmeram, Wolfgang und Dionysius um intercessio angerufen werden. Lit.: HALM B d . 11,2, S. 2 4 3 .

Clm 14906 Evangelienlesungen und Predigten, lat. Regensburg, St. Emmeram. Papier; I + 281 Bl.; 15,4 x 10,5 cm; 1474 Eine Hand. Rubriziert. 1474 in Parsberg beendet (fol. 2811)Alter Einband, Holzdeckel mit braunem Lederüberzug, Streicheisenlinien und Einzelstempel (nicht bei K YRISS). Einfache Lombarden und Initialen in roter Tinte.

Ausstattung mit Druckgraphik: Auf fol. I v klebt ein Teigdruck der Ausgießung des Hl. Geistes (Sehr. 2809); Einf. 107109 x 76 mm, Bl. 136 x 91 mm. Aufgetragen auf grünlichem Papier, umgeben mit einem Rahmen in Zinnober. Die sichtbaren Schichten sind Dunkelocker (Grund), Dunkelbraun, Spuren von Hellbraun, eine sehr zerfallene schwarze Schicht. Darauf Reste von Weiß und Rosa. Die Masse ist insgesamt relativ gut erhalten. Vorbild der zugrundeliegenden Metallschnittplatte, die etwa in die 1460er-l 470er Jahre zu datieren ist, ist der Kupferstich des Pfingstwunders vom Meister der Berliner Passion (L. 25). Zum Zeitpunkt der Einfügung: Fol. I r ist vor dem ersten Quaternio fest eingebunden. Der auf diesem Blatt aufgeklebte Teigdruck reicht mit seinem rechten Rand so tief in den Falz, daß er keinesfalls nachträglich so eingeklebt worden sein kann; er muß sich schon auf dem Blatt befunden haben, als es eingebunden wurde. Lit.:

HALM

Bd. 11,2, S. 250;

LEIDINGER,

Teigdrucke 1908, Nr. 11.

Clm14911 Brevier Regensburg, St. Emmeram. Papier; 1 + 416 Bl.; 15,8 x 10,8 cm; 4. V. 15. Jh. Mehrere Hände. Rubriziert, rote Lombarden. Fol. 15r u. 283 r Initialen (Goldgrund, Deckfarben). Wz. Krone, Typ Picc. XII (ab 1480 nachgewiesen), Dreiberg ähnl. Br. 11810-11812 (1480-1506).

Handschriften

373

Alter Einband, dunkelbraunes Leder, Streicheisenverzierung, Einzelstempel; die Beschläge und die zwei Schließen fehlen. Fol. 4 0 1 v eingeklebt: Fz. hl. Philippus, signiert M + S (Martin Schongauer, s. Bartsch, Peintre graveur Bd. IV, Nr. 44).

Entfernte Illustrationen: Fol. 212 v : Klebespuren eines abgelösten Blattes 98 x ca. 60-70 (?) mm; Rd.: Klebespuren 122 x 89 mm. Erhaltene Ausstattung mit Druckgraphik: Fol. 350 v eingeklebt: Hl. Paulus, Kupferstich vom Meister des hl. Dionys (L. IV, 204, 2, s. Abb. 171). PI. 117 x 79-80 mm, Einf. 112 x 75-76 mm, Bl. 139-141 x 99-102 mm. L i t . : HALM B d . 11,2, S . 2 5 1 ; LEHRS 1 8 9 1 , S . 1 8 ; RIEHL 1 8 9 5 / 9 6 , S . 1 4 3 .

Clm14915

Brevier Regensburg, St. Emmeram. Papier; XI + 367 + 1 Bl.; 15,2 x 10,8 cm; E. 15. Jh. Rubriziert, rote Lombarden, einfache Initialen (Feder, Tinte). Wz. u. a. Ochsenkopf ähnl. Picc. XVI,

208 (1490-1501). Alter Einband, braunes Halbleder, 1954 restauriert (neue Holzdeckel).

Ausstattung mit Druckgraphik: Vd.: Reste eines Kupferstichs einer hl. Katharina (Teile von Schwert, Rad und Ring sind noch zu erkennen), nicht bestimmbar. Einf. 117 x ? mm, Bl. 150 x 26-49 mm. Kol. Grün, Gelb, Rosa, Braun, blauer Hintergrund mit gelben Sternen, am Boden Grasbüschel mit schwarzer Tinte nachgetragen. L i t . : HALM B d . 11,2, S . 2 5 1 .

Clm14930

Gebete, lat. Regensburg, St. Emmeram. Papier; II + 131 +1 Bl.; 14,6 x 10,6 cm; 4. V. 15. Jh. Rubriziert, rote Lombarden. Wz. Krone Typ Picc. Gruppe XII (ab ca. 1470), Anker Typ Picc. Gruppe IV u. V (ab ca. 1480). Alter Einband, hellbraunes Leder, Einzelstempel (wie Clm 14861, 14865). Entfernte Illustrationen:

Vd.: Leimreste. Fol. 17r: Klebespuren eines abgelösten Bildes, ca. 95 x 71 mm. Fol. 41 r : Klebespuren ca. 56 x 47 mm. Fol. 59r: Klebespuren ca. 83 x 65 mm. Fol. 64 r : Klebespuren ca. 80 x 66 mm. Fol. 78r: Klebespuren und Farbreste auf fol. 77 v . Fol. 116r: Klebespuren ca. 85 x 61 mm.

374

Verzeichnisse

Noch vorhandene Ausstattung mit Druckgraphik: - Fol. 54r: Madonna im Strahlenkranz, Holzschnitt (nicht bei S C H R E I B E R ) . Einf. 60 x 42 mm, Bl. 75 x 61-63 mm. Kol. Rotlack, Gelb, Grün, Blau, Braun, Inkarnat, sulfidiertes Silber (Nimben), Umrahmung Zinnober. Eck r. o. abgerissen. Süddeutsch, ca. 1460-70. Klebt über der Rubrik eines Mariengebets (Inc.: Sanctissima et gloriosissima, piissima et clementissima virgo Maria, commendo tibi...), der Platz dafür wurde beim Schreiben ausgespart. - Fol. 87 v : Christus am Kreuz zwischen Maria und Johannes, Kupferstich von Daniel Hopfer (16. Jh.). Lit.: HALM B d . 11,2, S. 2 5 2 .

Clm 14937 Brevier Regensburg, St. Emmeram. Papier; 362 Bl.; 10,5 x 7,2 cm; 1474 Mehrere Hände. Rubriziert, rote Lombarden, auf fol. 15r siebenzeilige Initiale B, Deckfarben, braune Tinte. Alter Einband, braunes Leder, vorne und hinten noch je ein Messingbuckel erhalten, die zwei Schließen fehlen.

Ausstattung mit Druckgraphik: - Fol. 338 v : Geburt Christi, Kupferstich des Meisters mit den Bandrollen (L. 25). Einf. ? x 51 mm (unterer Rand beschnitten), Bl. 77 x 54 mm. Unkoloriert. Kopie nach dem Meister der Spielkarten (L. 6a). Ohne Textbezug eingeklebt. - Fol. 362v (letztes Bl.): Ecce homo, Kupferstich des Meisters des hl. Erasmus (L. 40). Bl. unregelmäßig beschnitten, abgerissene Ränder, max. 53 x 45 mm. Zweites Exemplar in München, SGS, aus dem Tegernseer Codex Clm 20014. - Beide Graphiken wurden nachträglich auf leere Seiten geklebt. Lit.: HALM B d . 11,2, S . 2 5 2 ; SCHMIDT 1 8 8 7 , Taf. V I , N r . 11; LEHRS 1 8 9 1 , S. 12.

Clm 14938 Brevier Regensburg, St. Emmeram. Papier; 243 Bl.; 10 x 7,1 cm; 1470er Jahre Rubriziert, rote Lombarden, einfache Initialen. Wz. Ochsenkopf, u. a. Picc. XII, 863 (1470-72). Alter Einband, braunes Leder, stark beschädigt, Streicheisenlinien, die zwei Schließen fehlen.

Ausstattung mit Druckgraphik: Rd.: Fragment eines Metallschnittes, Veronika mit dem Schweißtuch (Sehr. 2738), zum großen Teil weggerissen. Bl. max. 35 x 49 mm. Kol. mit Spuren von Ocker. Zweites Exemplar in Clm 14623 (s. o.). - Köln oder Niederrhein (?), ca. 1470. Lit.: HALM B d . 11,2, S. 2 5 2 ; LEIDINGER in HEITZ, E i n b l a t t d r u c k e B d . 1 5 , N r . 5 2 .

Handschriften

375

Clm14951 Sammelhandschrift, lat. (Gebete; Anweisungen Brevierteile)

zum

Altarsakrament;

Regensburg, St. Emmeram. Papier u. Perg.; 171 Bl.; 8,4 x 6 cm; 4. V. 15. Jh. Mehrere Hände. Rubriziert, rote Lombarden. Alter Einband, braunes Leder, Einzelstempel (kaum mehr sichtbar), Beschläge und die Schließe fehlen.

Entfernte Illustrationen: Fol. l r : Bild abgelöst, 81-82 x 55 mm, rote Umrahmung noch sichtbar. Fol. 1 l v : Vor dem Beginn des 'Cursus de passione domini' Bild entfernt, 73 x 48-49 mm, unten grüne Farbreste. Fol. 44 v : Kupferstich des 15. Jh. abgelöst, Teile der Einfassungslinie noch zu erkennen. Einf. ca. 63 x 43 (?) mm, Bl. 68 x 50 mm. Vor den auf fol. 45 r beginnenden Mariengebeten. Fol. 90 v : Bild abgelöst, Papierreste noch vorhanden, ehemals die ganze Seite bedeckend. Danach (fol. 91 r ) beginnt das 'Officium defunctorum'. Fol. 134 v : Bild abgelöst, das ganzseitig auf einem angeleimten Pergamentblatt klebte; es folgen (fol. 1351) Oraciones ante sacram communionem. Fol. 154v: Bild abgelöst, Maße nicht genau bestimmbar, ihm folgten Oraciones satis bone post sanctam communionem. Fol. 159 v : Bild abgelöst, ca. 48 x 34 mm, vor dem Recessus altaris post missam. Erhaltene Ausstattung mit Druckgraphik: - Vd.: Hl. Johannes, Kupferstich des Meisters des Dutuitschen Ölbergs (L. 55). Einf. u. PI. nicht zu erkennen, Bl. 56 x 35 mm. Kol. leicht laviert mit Gelb, Spuren von Grün, Rot. Klebt auf dem Spiegel. - Fol. 125v (Abb. 174): Metallschnitt Christus am Kreuz, umgeben von Leidenswerkzeugen (Sehr. 2467). Einf. 64 x 49 mm, Bl. 79 x 59 mm. Leicht laviert Grün u. Rosa. Vor dem Accessus altaris (fol. 126r). - Fol. 171v (Abb. 173): Hl. Ursula, Kupferstich vom Meister mit den Blumenrahmen (L. 101). Einf. 54 x 35 mm (ohne Blumenbordüre), Bl. 80 x 57 mm. Kol. Rot- und Grünlack, Rahmen grob mit Grün eingefärbt. Lit.:

HALM

Bd. 11,2, S. 253;

LEHRS

1891, S. 13; LEIDINGER in

HEITZ,

Einblattdrucke Bd. 15, Nr. 20.

Clm 17019 Missale Kloster Schäftlarn. Pergament; 1+ 188 (190 gez.) + 1 Bl.; 23,3 x 13,4 cm; Bistum Freising, 12. u. 15 Jh. Mehrere Hände; fol. 87-95 aus dem 15. Jh., der Rest 12. Jh; das Buch wurde im 15. Jh. neu gebunden. Rubriziert, rote Lombarden; einfache Initialen, braune Tinte und Deckfarbe rot u. blau. Alter Einband, braunes Leder mit Streicheisenmuster, Beschläge und die zwei Schließen entfernt, Rücken mit Leinen erneuert; bei der Restaurierung (1919) auch neue Deckelspiegel aus Papier eingefügt.

376

Verzeichnisse

Ausstattung mit Druckgraphik: Fol. 91 v : Christus am Kreuz, Holzschnitt (Sehr. 963a), als Kanonbild eingeklebt. Einf. 140 x 81 mm, Bl. 167 x 106 mm. Kol. Grün, Blau, Violett, Ocker, Inkarnat. Vom gleichen Holzstock gedruckt wie Sehr. 962a (in Clm 18132) und Sehr. 962a II (in Clm 18311), wie die identischen Ausbrüche der Einfassungslinien beweisen; von SCHREIBER fälschlich unter eigener Nummer aufgenommen. Jedoch schlechterer und späterer Druck mit vermehrten Ausbrüchen. Weiteres s. bei Clm 18132. Das Blatt wurde vermutlich bei der Neubindung eingefugt. - Bayern, ca. 1440-50. Lit.: HALM B d . 11,3, S. 7 5 ; LEIDINGER in HEITZ, Einblattdrucke B d . 10, N r . 19; ELISABETH KLEMM,

Die romanischen Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek, Teil 2: Die Bistümer Freising und Augsburg, verschiedene deutsche Provenienzen, Textband (Katalog der illuminierten Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek in München 3,2) Wiesbaden 1988, S. 86 f.

Clm 18132 Nikolaus von Lyra, 'Postilla in psalterium' Johann Teubler; Tegernsee, Benediktiner. Papier; I + 227 + I Bl.; 31 x 21,3 cm; l . H . 15. Jh. Drei Hände. Rubriziert, rote Lombarden, einfache fleuronnierte Fz.-Initialen rot und braun, auf fol. 217 v von einem Drachen bewohnt. Fol. l r Tegernseer Herkunfts- und Besitzvermerk: Hunc libro obtulit deo et saneto Quirino regi et martiri in Tegernsee venerabilis dominus Johannes Teüblär olim plebanus in Egern. Alter Einband, graubraunes, rauhes Leder, stark zerschlissen. Beschläge entfernt, die zwei Schließen nur noch fragmentarisch erhalten.

Ausstattung mit Druckgraphik: Auf den vorderen Deckelspiegel geklebt: Christus am Kreuz zwischen Maria und Johannes, Holzschnitt (Sehr. 962a), umgeben von der Bordüre (von einem getrennten Stock gedruckt) mit den bayerischen und österreichischen Wappen (von SCHREIBER, Handbuch Bd. VI S. 122, als Bordüre Nr. 40 aufgeführt). Einf. (ohne Bordüre) 140 x 81 mm, Bordüre 204 x 143-145 mm. Kol. Grün, Rot, Ockergelb, Grau, Braun, Inkarnat, Zinnober. Bordüre Rot, Wappen Zinnober, Graubraun, Ockergelb. Ein anderer Abdruck vom gleichen Stock, der die gleichen kleinen Ausbrüche der Einfassungslinie zeigt, klebt in Clm 18311, umgeben von einer anderen Bordüre (Sehr. 962a II). Ein dritter Abdruck ist das Blatt Sehr. 963a, eingeklebt in Clm 17019, das SCHREIBER fälschlich für einen Abzug von einem anderen Stock hielt. Holzschnitt und Kolorierung stammen aus den gleichen Werkstätten wie die Blätter in 18252, 18311 und 18673. - Von den Faltenmotiven wie auch der Linienführung her sehr verwandt ist die Kreuzigung Sehr. 965 (Wien, Albertina), die xylographischen Text mit mittelbairischen Merkmalen enthält. Motivisch gehört auch Sehr. 961 (Nürnberg, GNM, aus Hs 28860) zu dieser Gruppe, motivisch angelehnt ist Sehr. 962 (München, BSB, in Clm 12714, s. SCHMIDT 1883, Nr. 108); alle Blätter kleben oder klebten in bayerischen Handschriften. - Bayern, ca. 1440-50. Lit.: HALM B d . 11,3, S. 1 3 5 ; WILCKENS 1 9 7 8 , S. 11; GLAUCHE in M B K B d . I V , 2 , S. 7 4 2 ; GELDNER 1980,

S. 2 1 3 f., Abb. 1.

Handschriften

377

Clin 18252 Sammelhandschrift, Iat. (Nikolaus von Dinkelsbühl, Predigten; Antonius Rampegolus, 'Biblia aurea'; Jacobus de Voragine, 'Quadragesimale') Johann Teubler; Tegernsee, Benediktiner. Papier; 313 Bl.; 30,3 x 21,3 cm; 1432 Mehrere Hände. Rubriziert, rote Lombarden, einfach fleuronnierte Initialen. Das erste Stück (Nikolaus von Dinkelsbühl) von einem Pater Erhard Ruösler 1432 in Aibling beendet (fol. 109r, fiktive Zählung). Wz. Ochsenköpfe, ähnl. Picc. XII, 73 (1429-34), ähnl. Picc. XII, 386 (1429). Fol. l r Herkunfts- und Besitzvermerk von der Hand des Tegernseer Bibliothekars Schwerzenbeck. Alter Einband, gelblichbraunes Leder, abgeschabt; die Beschläge und die zwei Schließen fehlen.

Ausstattung mit Druckgraphik: Auf die Innenseite des Vorderdeckels eingeklebt (vermutlich direkt auf das Holz, doch nicht genau zu erkennen) ein Blatt mit zwei Holzschnitten: Unten Martyrium des hl. Sebastian, Holzschnitt (Sehr. 1681). Einf. 135 x 80 mm. Umgeben von einer Bordüre mit den bayerischen und österreichischen Wappen (von SCHREIBER, Handbuch Bd. VI S. 122, als Bordüre Nr. 40 aufgeführt, vgl. o. Clm 18132), gedruckt von einem getrennten Stock; Maße 204 x 143-145 mm. Kol. Grün, Rot, Ockergelb, Rosa, Grau, Braun, Zinnober; Bordüre Rot, Wappen Zinnober, Graubraun, Ockergelb. Oben: Maria, ihren Sohn umarmend (Sehr. 700); umgeben von der gleichen Bordüre. Einf. 137 x 82 mm. Kol. wie oben, nur Bordüre außen rot. Das Blatt (ca. 210 x 305 mm) von den Beschlagnägeln beschädigt, oben und links mit Papierstreifen überklebt. Sehr ähnlich, doch nicht vom gleichen Holzstock und im Detail weniger präzise ist Sehr. 700a (klebt in einer Inkunabel der UB Basel, F. P. VI. 4 [HAIN 10992], aus der Basler Kartause). In den hinteren Deckel geklebt (vermutlich direkt auf das Holz, doch nach Augenschein nicht genau zu erkennen) zwei Holzschnitte: Oben Maria, ihren Sohn umarmend (Sehr. 700), wie im Vd., ebenfalls mit der Wappenbordüre. Bl. 210 x 157 mm. An den Rändern Federproben des 15. Jh. Unten Messe des hl. Gregor (Sehr. 1466). Einf. 135 x 80-82 mm, Bl. 210 x 154—155 mm. Kol. wie oben, hier jedoch die Bordüren außen grün. Mit Feder und brauner Tinte dilettantische Ornamentstücke in der Bordüre und Schrafiuren am Gewand des hl. Gregor angebracht (wohl noch 15. Jh.). Mehrere Löcher durch die Beschlagnägel. - Bayern, ca. 1440-50. (Zur künstlerischen Einordnung s. Kap. II.3.2. Die Holzschnitte und die Kolorierung aus den gleichen Werkstätten wie die Blätter in Clm 18132, 18311 und 18673). Lit.: HALM B d . 11,3, S. 1 4 7 ; SCHMIDT 1 8 8 3 , N r . 9 7 , 1 0 0 , 1 0 3 ; MOLSDORF 1 9 1 1 , S. 2 2 ; REDLICH 1 9 3 1 , S. 8 7 ; WILCKENS 1 9 7 8 , S. 11; GLAUCHE in M B K B d . I V , 2 , S. 7 4 2 ; GELDNER 1 9 8 0 , S. 2 1 3 -

219.

Clm 18294 Nikolaus von Dinkelsbühl, Eucharistiepredigten; Hieronymus Posser von Salzburg, Jahrespredigten; Franciscus von Retz, 'Sermo contra Hussites' Tegernsee, Benediktiner. Papier; 284 + IV Bl.; 30,4 x 20,8 cm; 1471

Verzeichnisse

378

Eine Hand, Nachtrag von einer zweiten. Rubriziert, rote Lombarden. Wz. Ochsenkopf, Picc. XII, 8 6 1 ( 1 4 7 0 - 7 2 ) . D a t . 1 4 7 1 ( f o l . 29 R , 2 5 2 R , 2 6 1 1 ) ; S c h r e i b e r s i g n a t u r e n : 1471

per

me h p de k. ( f o l .

181V), h. p. de k. (fol. 282 R )- 31 Tegernseer Besitzvermerk von der Hand Ambrosius Schwerzenbecks: 1482°. Hunc librum obtulit Leonardus Schönperger alias Halpmair... Er brachte das Buch also bei seinem Eintritt ins Kloster mit (Profeß 1483, F 1497, s. LINDNER 1897, S. 89 Nr. 493). Alter Einband, braunes Leder, Streicheisenmuster und Einzelstempel (nicht aus Tegernsee, nicht bei KYRISS verzeichnet).

Fol. 282 r : Fz. Aderlaßfigur.

Ausstattung mit Druckgraphik: - Vd.: Hl. Hieronymus im Gehäuse, der dem Löwen den Dorn aus der Pfote zieht; Holzschnitt (Sehr. 1534). Einf. 277-279 x 198 mm, Bl. 296-297 x 202-205 mm. Kol. Ockergelb, Rosarot, Grün, Zinnober, Graubraun, Rot. Das Blatt klebt direkt auf dem Holz des Buchdeckels. Süddeutsch, vielleicht um die Mitte des 15. Jh., nach einer älteren Vorlage. - Rd.: Madonna im Strahlenkranz auf der Mondsichel, umgeben von den Evangelistensymbolen; Holzschnitt (Sehr. 1100). Einf. 255-257 x 182 mm, Bl. 289-294 x 197-200 mm. Kol. Rosarot, Ockergelb, Graubraun (von der gleichen Hand wie das Blatt im Vd.). Klebt direkt auf dem Holz des Buchdeckels. Eine genaue seitenverkehrte Wiederholung ist Sehr. 1098; ob einer der beiden Holzschnitte nach dem anderen kopiert ist, läßt sich nicht entscheiden. Der Holzstock war beim Abdruck schon stark beschädigt. - Süddeutsch, ca. 1450-1460? L i t . : HALM B d . 11,3, S. 1 5 0 ; RIEHL 1 8 9 5 / 9 6 , S . 4 5 f . ; HELDWEIN 1 9 1 3 , S . 1 3 0 ; REDLICH 1 9 3 1 S . 1 5 9 A n m . 1 4 0 , S . 1 9 3 ; BAUER 1 9 9 6 , S. 5 A n m . 13.

Clm 18311 Oswald Reinlein, 'Sermones de decem praeeeptis', erster Teil, lat. Ekhart Teubler; Tegernsee, Benediktiner. Papier (fol. I, 1 u. letztes Bl. Perg.); I + 323 + I Bl.; 30 x 20,9 cm; 1430er Jahre Eine Hand. Zweispaltig. Rubriziert, rote Lombarden. Wz. Ochsenkopf ähnl. Picc. XII, 123 (1434), Picc. XII, 707 (1432). Fol. l r Notiz über die Herkunft von der Hand Ambrosius Schwerzenbecks. Alter Einband, graugrünes Leder, Streicheisenlinien; die Beschläge und die zwei Schließen fehlen, Rücken erneuert.

Ausstattung mit Druckgraphik: Vd. (der Holzschnitt wurde bei der Restaurierung von 1970 auf einem Deckelspiegel aus neuem Papier befestigt): Christus am Kreuz zwischen Maria und Johannes, Holzschnitt (Sehr. 962a II). Umgeben von einer Laubstabbordüre, die von einem getrennten Stock gedruckt ist (bei S C H R E I B E R , Handbuch Bd. VI S . 119 als Bordüre Nr. 16 verzeichnet). Einf. (ohne Bordüre) 140 x 81 mm, Bl. 183-185 x 124-125 mm. Kol. Grün, Violett, Rot, Blau, Grau, Braun, Ocker, Zinnober, Silber (Nimben). Bordüre Grün, Purpurrot, Ocker.

31

Die Behauptung REDLICHS 1931, S. 159 Anm. 140 und S. 193, es müsse sich um Johannes Piscator von Freising, Capellanus in Kirchdorf, handeln, ist ungesichert.

Handschriften

379

Abdruck vom gleichen Stock wie Sehr. 962a in Clm 18132 (näheres s. dort), jedoch mit einem anderen Bordürenholzschnitt kombiniert. - Bayern, ca. 1440-50.

Lit.: HALM B d . 11,3, S. 1 5 2 ; GELDNER 1 9 8 0 , S. 2 1 3 , 2 1 5 .

Clm 18312 Oswald Reinlein, 'Sermones de decem praeeeptis', zweiter Teil, lat. Ekhart Teubler; Tegernsee, Benediktiner. Papier; 334 Bl.; 30,2 x 21,2 cm; 1430er Jahre Eine Hand. Zweispaltig. Rubriziert, rote Lombarden. Wz. Ochsenkopf ähnl. Picc. XII, 195 (1432— 1440). Im Vd. Besitzvermerk Tegernsees, fol. l r Inhaltsangabe von der Hand des Ambrosius Schwerzenbeck. Der Band ist die Fortsetzung von Clm 18311. Alter Einband, rotes Leder, Streichseisenlinien, Einzelstempel (kleine achtblättrige Rosette, nicht bei KYRISS). Beschläge und die zwei Schließen fehlen.

Ausstattung mit Druckgraphik: Auf dem hinteren Deckelspiegel aus Pergament aufgeklebt (bei einer Restaurierung jüngerer Zeit offenbar gelöst, doch wieder an gleicher Stelle eingefügt): hl. Georg, Holzschnitt (Sehr. 1436a=1627a). Einf. 137 x 73 mm, Bl. 137-138 x 75-78 mm. Kol.: Hintergrund Schwarz mit kleinen Rosetten aus roten Farbpunkten, Grün, Rosarot, Blau, Gelb, Orange. Von LEIDINGER als hl. Michael beschrieben, doch sind die vermeintlichen Flügel in Wirklichkeit Zaddelärmel des Gewandes. - Süddeutsch (bayerisch?), ca. 1440-50. Lit.: HALM B d . 11,3, S. 1 5 2 ; LEIDINGER in HEITZ, Einblattdrucke B d . 2 1 , N r . 4 2 ; GELDNER 1 9 8 0 , S.

215 f.

Clin 18663 Neues Testament, lat. Johannes Leytner, Schliersee; Tegernsee, Benediktiner. Papier; II (ungez.) + II + 344 + 1 Bl.; 1 2 , 5 x 1 4 , 6 cm; 1416 Zwei Hände; Rubriziert. Dat. 1412 (fol. 343 r ). Besitzvermerk von der Hand Ambrosius Schwerzenbecks fol. I v : Anno domini ¡497 contulit hunc Uber monasterio pro sua [!] et suorum salute honestus vir Johannes Leytner de Schliersee. Leytner war Küster des Stifts Schliersee, das 1495 aufgelöst worden war; 1497 schenkte er dem Kloster Tegernsee seinen reichen Bücherbesitz (s. BAUER 1 9 9 6 , S. 7 1 f.).

Alter Einband, braunes Leder mit Streicheisenlinien. Beschläge entfernt, Rücken und Ränder der Deckel 1965 erneuert.

Ausstattung mit Druckgraphik: Vd. (Abb. 100): Christus am Kreuz zwischen Maria und Johannes (Sehr. 395a). Einf. ? x 96 mm; Bl. 205 x 118 mm. Kol. Blau, Rot, Grünbraun, Rosa, Rahmen Zinnober. Links oben Tegernseer Besitzvermerk von der Hand Schwerzenbecks. Das Blatt klebt heute auf dem bei der Restaurierung von 1965 neu eingefügten Deckelspiegel aus Papier; der alte

380

Verzeichnisse

Deckelspiegel aus Pergament, auf dem es einst befestigt war (mit dem gleichen Muster von Wurmlöchern wie der Holzschnitt), wurde als erstes Blatt eingehängt. - Später Druck von einem schon stark zerstörten Holzstock. Auf dem gleichen Bogen befand sich mindestens ein weiterer Holzschnitt, wie der Rest der Einfassungslinie rechts zeigt - evtl. eine Grablegung, die Linienfragmente rechts unten könnten zum Sockel der Grabtumba gehört haben. Die stark vereinfachte Linienführung, die die ursprüngliche Logik der Gewand- und Figurenbildung kaum mehr erkennen läßt (vgl. den Beinbereich von Maria und Johannes), weist darauf, daß hier eine ältere Vorlage vom Anfang des Jahrhunderts (ca. 1410-20?) kopiert wurde, sicher noch vor der Jahrhundertmitte. Lit.: HALM B d . 11,3, S. 1 9 8 ; LEIDINGER in HEITZ, E i n b l a t t d r u c k e B d . 2 1 , N r . 4 ; KÖRNER 1 9 7 9 , A b b . 6 0 ; REDLICH 1 9 3 1 , S. 1 7 2 A n m . 11; GLAUCHE in M B K B d . I V , 2 , S. 7 4 5 ; BAUER 1 9 9 6 , S. 7 1 .

Clm 18673 Oswald Reinlein, 'Sermones de decem praeceptis', dritter Teil, lat. Ekhart Teubler; Tegernsee, Benediktiner. Papier; II + 299 Bl.; 21,3 x 15,3 cm; 1431 Eine Hand. Rubriziert, rote Lombarden. Dat. 1431 (fol. 298 r ). Wz. u. a Ochsenkopf ähnl. Picc. XII, 70 (1432-33). Der Band ist die Fortsetzung von Clm 18311 und 18312. Fol. l r Besitzvermerk des Klosters Tegernsee, darunter Inhaltsverzeichnis von der Hand Ambrosius Schwerzenbecks. Alter Einband, hellbraunes Leder, Streicheisenmuster; Beschläge und die Schließe fehlen, Rücken erneuert.

Ausstattung mit Druckgraphik: Vd.: Auf dem Deckelspiegel (neu eingefügt bei der Restaurierung 1905) klebt der Holzschnitt: Maria, ihren Sohn umarmend (Sehr. 700). Einf. 137 x 82 mm, Bl. 210-211 x 148 mm. Kol. Rosarot, Grün, Graubraun, Ocker, Inkarnat, Zinnober. Holzschnitt und Kolorierung aus den gleichen Werkstätten wie die Holzschnitte in Clm 18132, 18252 und 18311. - Bayern, ca. 1440-50 (zur künstlerischen Einordnung s. Kap. II.3.2.). Auch im Rd. befand sich einst ein Holzschnitt, wie die Farbspuren auf der Verso-Seite des letzten Blattes beweisen. Lit.: HALM B d . 11,3, S. 1 9 9 ; SCHMIDT 1 8 8 3 , Nr. 9 7 ; GLAUCHE in M B K B d . I V , 2 , S. 7 4 2 ; GELDNER

1980, S. 215.

Clm 18741 Sammelhandschrift, lat. (Gebete; Psalterien; Rosarien etc.32) Tegernsee, Benediktiner. Papier; I + 155 +1 Bl.; 21,5 x 15,5 cm; 1473-1500 Mehrere Hände, darunter Ambrosius Schwerzenbeck. Dat. 1473 (fol. 16 v , 41 v , 99 1 ), 1474 (fol. l r ), 1476 (fol. 105r, 109 v ), 1477 (fol. 1101), 1479 (fol. 2 r ), 1500 (mehrfach zw. 114 v u. 149 v ). Rubriziert, rote u. grüne Lombarden, einfache fleuronnierte Initialen (rote u. grüne Tinte). 32

U. a. Gebete Engelberts von Admont, Psalmenflorilegium des Prudentius.

Handschriften

381

Alter Einband, rotes Leder, Streicheisenlinien, Tegernseer Einzelstempel (KYRISS 1954, Taf. 69, Nr.

1,2, 6). Ausstattung mit Druckgraphik: - Vd.: Hl. Augustinus, Holzschnitt (Sehr. 1242). Einf. ? (ca. 219) x 149 mm, Bl. 213-218 x 147-149 mm. Kol. Rotlack, Grün, Graubraun, Rotbraun, Blau, Zinnober, Inkarnat. Klebt auf dem Papier des Spiegels. - Rd.: Stigmatisierung des hl. Franziskus, Metallschnitt (Sehr. 2626 II). Platte der Darstellung 183 x 122 mm, Bordüre von getrenntem Stock gedruckt. Bl. 216-219 x 154 mm. Kol. Grün, Gelb, Rot. Von S C H R E I B E R dem Meister der Aachener Madonna zugeschrieben. Die gleiche Bordüre findet sich um Sehr. 2567 und Sehr. 2635 gedruckt. Klebt auf dem Spiegel aus Papier. - Um 1460. Lit.:

HALM

Bd. 11,3,

S.

204;

SCHMIDT

1883, Nr. 92;

LEIDINGER

in

HEITZ,

Einblattdrucke Bd. 15, Nr.

4 9 ; SCHREIBER 1 9 2 6 , S . 1 6 f . , S . 2 7 ; REDLICH 1 9 3 1 , S . 7 7 , S . 8 0 A n m . 5 0 ; HAUKE 1 9 7 2 , S . 2 2 5 ;

Die romanischen Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek, Teil 2: Die Bistümer Freising und Augsburg, verschiedene deutsche Provenienzen, Textband (Katalog der illuminierten Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek in München 3,2) Wiesbaden 1988, S . 41.

ELISABETH KLEMM,

Clm18964 Sammelhandschrift (Gebete und Unterweisungen zum Altarsakrament; div. Exzerpte33 und Gebete) Tegernsee, Benediktiner. Papier; 246 Bl.; 15,1 x 10,5 cm; Andechs, 1460-66. Eine Hand. Rubriziert. Dat. 1460 (fol. 57r, 74r, 76 v , 100 v , 188 v ), 1461 (fol. 101 v , 157r, 207 r , 214 r in Andechs), 1462 (fol. 229 v ), 1465 (fol. 241 r ), 1466 (fol. 119 v , 162 v , 222 r , 232 v ). Alter Einband, braunes Leder, Streicheisenverzierung. Beschläge und die Schließe entfernt.

Ausstattung mit Druckgraphik: - Vd.: Pfingstwunder, Teigdruck (Sehr. 2810, L E I D I N G E R Nr. 12). Rand der Darstellung 104-105 x 75 mm, Bl. 127 x 95-97 mm. Sichtbare Folge der farbigen Schichten: Ocker Rotbraun - Hellbraun - Schwarz - Weiß u. Rosa. Drei Löcher von Beschlagnägeln. Unter dem Blatt ein Pergamentstreifen mit Ornamentband von Dilettantenhand, Feder und mehrfarbige Tinten, das den unteren Teil des Deckels abdeckt. - Rd. (Abb. 118): Beweinung unter dem Kreuz, Teigdruck (Sehr. 2807=2806, L E I D I N G E R Nr. 9b) 34 . Rand 109-110 x 75 mm, Bl. 149 x 97-100 mm. Sichtbare Folge der farbigen Schichten wie oben, mit den gleichen Materialien hergestellt. Umrahmt mit Zinnoberrot und Linien in schwarzer Tinte, an den Ecken rot, gelb und blau gefüllte Blätter. Weitere Teigdrucke von der gleichen Platte in Cgm 4590 (aus Tegernsee) und Clm 9483 (aus Niederaltaich). 33

34

U. a. aus aus Gerson, 'Soliloquium ad eucharistiam', Nikolaus von Kues, 'De visione dei', Thomas von Kempen, 'De imitatione Christi' (viertes Buch, über das Altarsakrament), Augustinus, Heinrich von Langenstein, Heinrich Seuse, 'Horologium sapientiae' etc. KISTNER 1950, S. 81 u. S. 96 vertritt die Ansicht, daß auch der von SCHREIBER als Sehr. 2822 aufgenommene Teigdruck (Nürnberg, GNM) von der gleichen Platte gedruckt ist, was ich noch nicht überprüfen konnte.

382

Verzeichnisse

Die Teigdrucke wurden vermutlich schon beim Binden (1466 oder bald danach) eingefugt. Das Pfingstbild klebt direkt auf dem Holz des Deckels. Das Gebet zu Christus am oberen Rand der Beweinung stammt von der Schreiberhand des Codex, wurde also wohl nicht allzu lange nach der Vollendung des Bandes angebracht. Lit.: HALM B d . 11,3, S. 2 2 6 ; LEIDINGER, T e i g d r u c k e 1 9 0 8 , Nr. 9 b , 12.

Clm19007

Gebete, Hymnen, lat.35 Tegernsee, Benediktiner. Papier; 166 Bl.; 15 x 10,4 cm; Mitte u. 2. H. 15. Jh. Mehrere Hände. Rubriziert, rote Lombarden. Aus Teilen unterschiedlichen Alters zusammengebunden, älteste Teile mit Wz. Berg, Br. 11822 (1447), gebunden in Tegernsee im 4. V. 15. Jh. (Einzelstempel KYRISS 1951, S. 31).

Alter Einband, helles Leder, Streicheisenlinien, Tegernseer Einzelstempel (u. a. KYRISS 1954, Taf. 6 9 Nr. 1 , 2 , 6 ) . Buchschmuck: Fol. 156r Federzeichnung, die Hll. Vitus, Modestus und Crescentia (Abb. 164), Mitte 15. Jh.

Entfernte Bilder: Fol. 151r: Eingeklebtes Blatt abgelöst (67 x 35 mm). Der Raum dafür war beim Schreiben ausgespart worden. Aus dem danebenstehenden Gebet zum Hl. Antlitz ist zu schließen, daß es sich wahrscheinlich um eine Vera icon handelte. Erhaltene Ausstattung mit Druckgraphik: - Vd.: Hl. Petrus, Holzschnitt (Sehr. 1653a). Einf. 134 x 74 mm, Bl. 148-153 x 100-103 mm. Kol. Rotlack, Gelb, Grün, Graubraun. -Rd. (Abb. 144): Hl. Bartholomäus, Holzschnitt (Sehr. 1267a). Einf. 142 x 74 mm, Bl. 148-149 x 98-100 mm. Kol. wie Vd. Beide Blätter gehören zu derselben Apostelfolge, von der außerdem noch ein hl. Andreas in Boston, Museum of Fine Arts, erhalten ist (Sehr. 1188b). Sie sind seitenverkehrte Wiederholungen der Apostel-Credo-Folge Sehr. 1759c (vgl. den Bartholomäus mit Sehr. 1759c-8, s. Abb. 145), die ca. 1452-55 von schon beschädigten Stöcken gedruckt wurde und im Nürnberger Katharinenkloster Verwendung fand (s. Kap. II. 1.7.). Diese ist nicht die direkte Vorlage, wie unterschiedliche Mißverständnisse in der Faltenführung zeigen. Die gemeinsamen Vorbilder sind vielleicht in Nürnberg zu suchen; vgl. die gedrungenen, blockhaften Figuren des Meisters des Tucher-Altares. - Die Holzschnitte kleben unmittelbar auf dem Holz der Buchdeckel, wurden also vermutlich schon beim Binden eingefugt. Lit.: HALM B d . 11,3, S. 2 3 0 ; RIEHL 1 8 9 5 / 9 6 , S. 4 5 f.; THOMA 1 9 1 0 , S . 4 6 ; LEIDINGER in HEITZ,

Einblattdrucke Bd. 21, Nr. 2 6 u. 45; HAIMERL 1952, S. 71.

35

U. a. Heinrich Seuses 'Centum meditationes' (fol. 2V ff.)

Handschriften

383

Clm19034 Sammlung theologischer Exzerpte (Gregor, Augustinus, Albertus Magnus, Petrus Damiani etc.)36, Kurzfassung der Benediktregel etc., lat. Tegernsee, Benediktiner. Papier; 369 Bl.; 10,5 x 7,5 cm; Tegernsee, 3. V. 15. Jh. Eine Hand (Paulus Steger, sein Schreibervermerk auf dem letzten Blatt verso). Rubriziert. Wz. u. a. Turm, ähnl. Picc. II, 326 (1454-55); Ochsenkopf, ähnl. Picc. XII, 646 (1467). Im Vd. Tegernseer Besitzeintrag aus dem 15. Jh. Alter Einband, unverzierter roter Lederüberzug; Beschläge entfernt, von der Schließe noch ein Rest erhalten.

Entfernte Illustrationen: Vom hinteren Deckelspiegel wurde ein Blatt (ca. 87 x 58 mm) gelöst. Vorhandene Ausstattung mit Druckgraphik: Auf dem vorderen Deckelspiegel klebt ein Kupferstich der hl. Katharina, der von L E H R S 1891, S. 18 zunächst unter „Unbekannte" erwähnt, schließlich in seinem Kritischen Katalog Israhel van Meckenem (L. IX, 320, 400) zugeschrieben wurde. K O R E N Y schloß den Stich mit gutem Grund aus dem Werk Israhels wieder aus. Das Blatt kopiert eine Vorlage des Meisters der Berliner Passion (unter den Kopien als L. III, 111, 72a). Einf. 70 x 48 mm, PI. 74 x ca. 51 mm, Bl. 90 x 63-65 mm. Kol. Grün, Dunkelviolett, Rot, Braun, Gelb; Rahmung Violett, Zinnober, Grün, zwei Einfassungslinien mit schwarzer Tinte. Die Bemalung stammt vielleicht von der gleichen Hand wie die Kupferstiche in Paulus Stegers Hs. Clm 20110. Lit.: HALM B d . 11,3, S . 2 3 0 ; LEHRS 1 8 9 1 , S . 18; RIEHL 1 8 9 5 / 9 6 , S. 4 5 ; MAX LEHRS, N e u e s ü b e r

Israhel van Meckenem (gelegentlich des Buches von Max Geisberg), in: Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst 1906, S. 38-44, dort S. 43 Nr. 19; KORENY in HOLLSTEIN, German Engravings Bd. XXIV, S. 157, Abb. in Bd. XXIVa, S. 165 Nr. 400.

Clm19293 Brevier Tegernsee, Benediktiner. Pergament; I + 449 Bl.; 17,5 x 12,2 cm; Tegernsee, vor 1480 Mehrere Hände. Rubriziert, rote Lombarden. Aus verschieden alten Teilen zusammengestellt, doch sicher vor 1480 gebunden, da von dem in jenem Jahr verstorbenen Paulus Steger (seine Hand in einem Nachtrag auf fol. 84 r ) benutzt. Alter Einband, rotes Leder mit Streicheisenverzierung.

Ausstattung mit Druckgraphik: Auf dem Pergament des hinteren Deckelspiegels klebt ein Holzschnitt eines hl. Hieronymus (Sehr. 1554). Einf. u. Bl. 155-157 x 107 mm; Kol. Grün, Grau, Gelb, Rosa, Blaugrau, 36

Der thematische Schwerpunkt liegt auf der Behandlung von Tugenden (v. a. solchen des Mönches) und Lastern.

Verzeichnisse

384

Braun, Zinnober, Nimbus sulfidiertes Silber, Rahmen Rosa; mit Feder und roter Tinte Punkte aufgesetzt und einige Linien nachgezogen, mit roter und brauner Tinte über dem Thron und dem Pult des Heiligen Fleuronnöe-Verzierungen. Der Zeitpunkt der Einfügung ist nicht zu bestimmen. - Süddeutsch, Mitte 15. Jh. Lit.: HALM B d . 11,3, S. 2 3 9 ; LEIDINGER in HEITZ, E i n b l a t t d r u c k e , B d . 2 1 , N r . 36.

Clm19301 Diurnale Tegernsee, Benediktiner. Papier u. Pergament; 254 + IV Bl.; 1 5 x 1 0 cm; Tegernsee, 1444-1451 Mehrere Hände; Nachträge von Paulus Steger; im Kalender wurde zum 11. August dessen Tod nachgetragen (fol. 5V: Hic obiit pater Paulus Steger qui scripsit hoc diurnale). Dat. 1444 (fol. 10r, 10v), 1451 (fol. 245 v ). Rubriziert, rote Lombarden; fol. 13r einfache Initiale B, rote Tinte. Alter Einband, braunes Leder mit Streicheisenmuster und Einzelstempeln (KYRISS 1954, Tai 69, Nr. 1 u. Nr. 5). Entfernte Illustrationen: Von fol. IIr wurde ein eingeklebtes Bild (ca. 78 x 58 mm) entfernt. Die Verse des Textes, der sich auf die Passion bezieht, waren vom Schreiber Paulus Steger bewußt um das Bild gruppiert worden. Ebenso fehlt das Bild auf fol. IIV (ca. 47 x 45 mm); der Text, auf den es sich bezog, behandelt die Geißelung Christi. Die gleichen Verse umgeben in Clm 20110 einen Metallschnitt dieses Themas (Sehr. 2285a auf fol. 15 l v ). Lit.: HALM B d . 11,3, S. 2 4 0 .

Clm 19352 Sammelhandschrift (Nikolaus von Kues, 'De visione dei'; Exzerpte, v. a. zur Eucharistie, von div. Kirchenlehrern, Heinrich Seuse, Heinrich von Langenstein etc.) Tegernsee, Benediktiner. Pergament (fol. 100-101, 108-109 Papier); 163 Bl.; 14,8 x 10,2 cm; Tegernsee 1453-55 Mehrere Hände. Rubriziert, rote und blaue Lombarden, zahlreiche Initialen, z. T. fleuronniert, z. T. Blattranken ausstrahlend. Dat. 1453 (fol. 112v), 1454 (fol. 32 v , 86v, 89r, 113r, 114v, 120v, 124v, 128r), 1455 (fol. 151v). Fol. 163v Benutzungsvermerk Pro usufratris Mathiae Praytinwiß(er> 68.37 Alter Einband, braunes Leder, Streicheisenverzierung. Beschläge und zwei Schließen fehlen.

37

Matthias Praittenwieser hatte ab 1443 in Wien studiert (s. Matrikel der Universität Wien 1954, S. 233 Z. 136), 1452 in Tegernsee Profeß abgelegt, war 1460 Subprior von Andechs und starb 1 4 9 1 in T e g e r n s e e (s. LINDNER 1897, S. 9 5 , N r . 4 6 0 ) .

Handschriften

385

Entfernte Illustrationen: - Vom vorderen Deckelspiegel wurde ein aufgeklebtes Blatt (ca. 125 x 95 mm) abgelöst. Es handelte sich vermutlich um ein Bild. - Fol. l v (Abb. 114): Oben ein Bildblatt abgelöst (47^49 x 47 mm). Es war wahrscheinlich eine Vera icon, da es das Gebet 'Salve sancta facies' (Chev. 18189) illustrierte. - Fol. 2V (Abb. 112): Zwei Bilder abgelöst, ein Kupferstich (s. u.) daneben noch erhalten. Klebespuren oben ca. 62 x 66 mm, unten ca. 63 x 43 mm. Am oberen Seitenrand noch blaue und rote Farbreste. - Fol. 3r: Vier Bilder abgelöst, je ca. 64-66 x 40-43 mm. - Fol. 3V: Vier Bilder abgelöst, je ca. 64-66 x 40-45 mm. - Zwischen fol. 11 u. 12: Ein Blatt herausgeschnitten; am verbliebenen Falz noch Spuren einer gemalten Umrahmung (schwarze Tinte, rote und grüne Deckfarbe), wie sie in Tegernsee öfter zur Einfassung von Druckgraphiken verwendet wurde. - Zwischen fol. 32 u. 33: Vermutlich ein Blatt mit Bildschmuck herausgeschnitten, da sich am verbliebenen Falz und auf der gegenüberliegenden Seite fol. 33r Farbspuren finden. - Fol. 138r: Eingeklebtes Bild (111 x ca. 91 mm) gelöst. - Fol. 140r: Ebenso (ca. 90 x 70 mm). Es folgt das Totengebet Avete omnes Christi fldeles anime...38 - Fol. 142r: Eingeklebtes Bild (ca. 90 x 70 mm) abgelöst; es war schon beim Schreiben eingefugt worden. - Fol. 142v: Ein oder zwei Bilder abgelöst, die nahezu die ganze Seite bedeckten. Auf der nächsten Seite folgt der Auszug [Rubr.:] Ex libro collacionum alias illuminacionum domini Bonaventure. Noch vorhandene Ausstattung mit Druckgraphik: -Fol. l r (Abb. 111): Christus am Kreuz zwischen Maria und Johannes, die am Boden sitzen, Metallschnitt (Sehr. 2323). Einf. 100 x 73 mm, Bl. 111-113 x 84-86 mm. Kol. Grün, Gelb, Rot. Darunter von einer der Schreiberhände des Codex die Verse: Mater • quid fili • quid agis • fleo • cur • quia vili/ Pena muletaris • volo sie • cur • ut redimaris. Rechts oben von späterer Hand des 15. Jh. beschriftet: Salve lux mundi (...) vera viva caro deitas item verus homo. - Ein weiteres Ex. des Metallschnittes in London, BM (s. DODGSON 1903, S. 175, Kat. B 6). SCHREIBER 1926, S. 31 f. setzte ihn in die Nähe des Meisters mit dem Keulenwappen, so auch STIX 1920, S. 10). Dieser verwendet jedoch in seinen anderen Werken die Punze ganz anders und und erzielt damit bessere plastische Differenzierungen (vgl. Sehr. 2342, aus der bayerischen Hs. Cgm 796). In seinem Kreis dürfte jedoch das Vorlagematerial für Sehr. 2323 zu suchen sein; auch das Hintergrundmuster ist eine Vereinfachung von Sehr. 2342=2341. Zu hinterfragen wäre die seit SCHREIBER allgemein anerkannte, doch nie begründete Lokalisierung an den Oberrhein. Hier soll nur auf die motivische Nähe der Figuren Christi und der Schächer zu bayerischen Tafelbildern hingewiesen werden (Kreuzigung in Törwang, s. RIEHL 1895/96, Taf. 18; STANGE Bd. 10, S. 68; Kalvarienberg aus Benediktbeuern, München, Alte Pinakothek, s. STANGE Bd. 10, S. 56 u. Abb. 86. Zum Lokalisierungsproblem dieser frühen Gruppe von Metallschnitten s. Kap. IV.3.3/4). - Fol. 2V (Abb. 112): R .u. aufgeklebt: Stigmatisierung des hl. Franziskus, Kupferstich vom Meister mit den Blumenrahmen (L. III, 218, 104). Einf. 54 x 34 mm, Bl. 64 x 44 mm. Kol. Gelb (nur Nimben und Kreuz Christi). Zweites Ex. in der Andechser Hs. Clm 3079. 38

Vgl. Stuttgart, LB, Cod. Brev. 113, fol. 7 4 v . Siehe FIALA - IRTENKAUF 1977, S. 146.

386

Verzeichnisse

Einzige erhaltene Graphik der Bildseiten fol. 2V u. 3 r/v , auf denen einst 11 Blätter klebten. -Fol. 32 v (Abb. 113): Christus vor Pilatus, Kupferstich, 'Schule des Meisters der Spielkarten' (L. I, 152, 4). Einf. 87 x 61-62 mm, Bl. 96-97 x 72 mm. Kol. Grün, Rot, Zinnober, Gelb, Rosa, Graubraun, Blau, Rosa, Gold (Nimbus Christi); Einrahmung Zinnober. Außergewöhnlich sorgfältig bemalt. Andere Exemplare in Nürnberg, GNM, und Wien, Albertina (s. Kap. IV.3.5.). Eine Kopie aus der 1449 datierten Inzigkofener Handschrift Hs 28441 in Nürnberg, GNM (s. o.) gibt den terminus ante quem (heute abgelöst im GNM, Hz. 374; Abb. 235). Der Kupferstich klebt unter der 1454 datierten Schlußschrift des Cusanus-Traktats 'De visione dei'. L i t . : HALM B d . 11,3, S . 2 4 1 ; LEHRS 1 8 9 7 , S . 5 7 ; SCHREIBER 1 9 2 6 , S . 3 1 f.; LEIDINGER i n HEITZ,

Einblattdrucke Bd. 15, Nr. 11; S. 146.

REDLICH

1931, S. 99;

MÜLLER

1981, S. 53;

EISERMANN

2001,

Clm 19802 Sammelhandschrift, lat. (Ludolf von Sachsen, Teil der 'Vita Christi'; lat. Gebete, Hymnen, Responsorien, div. Exzerpte, u. a. Boethius, Heinrich von Langenstein, Raimund von Penafort, Petrus de Alliaco) etc. Tegernsee, Benediktiner. Papier u. Pergament; 255 Bl.; 14,7-15,6 x 10,8 cm; Tegernsee, 14. Jh., 1461, 4. V. 15. Jh. Fünf Hände. Rubriziert, rote Lombarden. Im 4. V. des 15. Jh. aus kurzen Stücken verschiedenen Alters zusammengebunden (fol. 135-161 Pergament, 14. Jh., Text: Raimund von Peflafort, 'Summa de casibus'); 39 auf fol. 250 r dat. 1461. Wz. u. a. Turm Picc. II, 482 (1462-65), Krone ähnl. Picc. XII, 27(1474-82). Alter Einband, dunkelbraunes Leder, Streicheisenverzierung, Tegernseer Einzelstempel, Beschläge und die Schließe fehlen. Auf fol. 62 v eingeklebte Vera icon, Miniatur, wohl ein Ausschnitt aus einer anderen Hs., wie die Schriftzüge am rechten Rand vermuten lassen.

Entfernte Bilder (wahrscheinlich Druckgraphiken): Fol. 63 r ein kleines Blättchen; fol. 250 v (ca. 64 x 61 mm); fol. 25 l r (ca. 64 x 40 mm). Vorhandene Ausstattung mit Druckgraphik: - Fol. 23 v : Christus am Kreuz zwischen Maria und Johannes, Holzschnitt (nicht bei S C H R E I B E R ; L E I D I N G E R Nr. 8). Einf. 64 x 52 mm, Bl. 67 x 54-56 mm. Kol. Rotlack, Grün, Gelb, Hellbraun, Rosa; so auch die Bemalung der anderen Holzschnitte der Hs. - Fol. 192v (Abb. 147): Verkündigung, Holzschnitt (Sehr. 49a, L E I D I N G E R Nr. 1). Einf. 61-63 x 41 mm, Bl. 65 x 46 mm. Klebt auf der unteren Hälfte der Seite, nach einem Marienlied; 40 auf der nächsten Seite beginnt ein Gebet De sanetis angelis. Die Verkündigung wird auf fol. 190 r/v behandelt, doch war dort kein Platz mehr für ein Bild, so daß man es zwischen die Texte zu Maria und zu den Engeln plazierte. 39 40

Siehe dazu Scriptorium 27, 1973, S. 197. Salue Maria regina, quae deum genuisti... (Auch in Cgm 716, fol. 133 v ; als Motette verzeichnet bei F. GENNRICH, Bibliographie der ältesten französischen und lateinischen Motetten (Summa musicae medii aevi 2) Darmstadt 1957, Nr. 945.

Handschriften

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- Fol. 199v: Holzschnitt einer weiblichen Heiligen mit einem Engel, beide betend vor einem Altar (Sehr. 1005b, LEIDINGER Nr. 43); wahrscheinlich Maria als Tempeljungfrau, nach LEIDINGER aber eher die hl. Ottilie 41 . Einf. 60 x 42 mm, Bl. 66 x 48 mm. Kein Bezug zum umgebenden Text, der sich auf die Apostel bezieht. - Fol. 229 v : hl. Agnes, Holzschnitt (Sehr. 1181b, LEIDINGER Nr. 20). Einf. 65 x 41 mm, Bl. 67 x 44 mm. Textbezug: fol. 230 r/v Lied über die hl. Agnes. - Fol. 23 l v : hl. Christina, Holzschnitt (Sehr. 1347m, LEIDINGER Nr. 29) 42 . Einf. 61 x 4 1 mm, Bl. 67 x 49 mm. Es folgen Gebete zur hl. Katharina von Alexandrien (fol. 232 r 2340. - Fol. 235 r (Abb. 148): hl. Dorothea, Kupferstich vom Meister mit den Blumenrahmen (L. III, 216, 99) 43 . PI. 75 x 56 mm, Bl. 89 x 70 mm. Auf dem unteren Papierrand des Blattes zweizeilige Anrufung der Heiligen. Der Text der Seite (fol. 234 v -236 v Responsorien, Gebete zur hl. Dorothea) wurde im Format des Stiches ausgespart. - Fol. 2 3 7 R : hl. Kümmernis, Holzschnitt (Sehr. 1580m, LEIDINGER Nr. 40). Einf. 60 x 45 mm, Bl. 66-68 x 49-51 mm. Bei dem Text dieser Seite handelt es sich jedoch um ein Gebet zur hl. Margaretha. - Fol. 238V: hl. Apollonia, Holzschnitt (Sehr. 1239a, LEIDINGER Nr. 24). Einf. 59 x 42 mm, Bl. 66 x 49 mm. Am unteren Rand der Seite quer eingeklebt; fol. 23 9 r folgt ein Gebet zur hl. Apollonia. - Fol. 240 v : hl. Dorothea, Holzschnitt (Sehr. 1404a, LEIDINGER Nr. 30). Einf. 5 9 x 41 mm, Bl. 65 x 47-48 mm. Auf fol. 241 r/v folgt ein Gebet zu den 11000 Jungfrauen. - Fol. 2 4 2 V : Anna selbdritt, stehend, Holzschnitt (Sehr. 1210a, LEIDINGER Nr. 2 2 ) . Einf. 6 0 x 4 0 mm, Bl. 6 6 x 5 0 mm. Fol. 2 4 3 R - 2 4 4 R folgt ein Gebet zur hl. Anna, fol. 2 4 4 V Mariengebete. - Fol. 249 r (Abb. 149): hl. Königin, die eine Säule umfaßt, wahrscheinlich Afra, Holzschnitt (Sehr. 1177a, LEIDINGER Nr. 18). Einf. 59 x 45 mm, Bl. ca. 65 x 51 mm. Das Blatt ist umgeben von Abdrücken ornamentaler Lederprägestempel (doppelte Lilie in Raute), auf dem Bild Blütenstempel, die in der Tegernseer Buchbinderei nachgewiesen sind. Auf fol. 248 v -249 r Gebet zur hl. Afra. - Rd.: hl. Gertrud von Nivelles, Holzschnitt (Sehr. 1454b, LEIDINGER Nr. 35). Einf. 60 x 41 mm, Bl. 68 x 50 mm. Auf dem oberen Papierrand Tegernseer Besitzvermerk von der Hand Ambrosius Schwerzenbecks, rechts lat. Anrufung Gottes (nicht der dargestellten Heiligen). Darunter zwei gedruckte Initialen L und M, 16. Jh. Später eingeklebt, sie überlappen den unteren Rand des Holzschnittes.44 Stilistisch stehen die Holzschnitte den in die Tegernseer Hs. Cgm 4590 eingeklebten sehr nahe; auch bestehen Ähnlichkeiten mit Sehr. 623a etc. und Augsburger Buchillustrationen von ca. 1475 (vgl. D O M A S Z E W S K A 1993, S. 22 f., Nr. 4; Schramm Bd. III, Taf. 108, Abb. 759). Bayern oder Augsburg?, um 1475. Lit.: HALM B d . 11,3, S. 2 7 3 ; LEHRS 1 8 9 1 , S. 13; RIEHL 1 8 9 5 / 9 6 , S . 4 5 f.; J. GESSLER, D e V l a a m s c h e

Baardheilige Wilgefortis of Ontcommer, Antwerpen - s'Gravenhage 1937, S. 113-116 (Holzschnitt

41

LEIDINGER in HEITZ, E i n b l a t t d r u c k e B d . 2 1 , N r . 4 3 .

42 43

Dieser Holzschnitt erwähnt im Lei Bd. 5, Sp. 493 (Art. Christina von Bolsena). Eine Kopie wohl nach dem gleichen gemeinsamen Vorbild ist der Metallschnitt in Rückdeckel von Clm 20124. Sie könnten sich evtl. auf Maurus Leyrer beziehen, der 1490 Profeß ablegte, bald Cellerar und

44

1 5 1 2 s c h l i e ß l i c h A b t d e s K l o s t e r s w u r d e (s. REDLICH 1 9 3 1 , S. 1 9 2 ; LINDNER 1 8 9 7 , S. 9 0 f.,

Nr. 500).

388

Verzeichnisse

Sehr. 1580m); HAIMERL 1952, S. 60, 66; REGINE SCHWEIZER-VÜLLERS, Die Heilige am Kreuz.

Studien zum Gottesbild im späten Mittelalter und in der Barockzeit, Bern u. a. 1997, S. 69, S. 77 Abb. 24 (Holzschnitt Sehr. 1580m).

Clm 19824 Gebete (Heinrich Seuse, 'Centum meditationes', etc.), Hymnen (u. a. Ulrich Stöcklin), lat. Tegernsee, Benediktiner. 15.Jh.

Papier; 337 Bl.;

15,2 x 10,8 cm; Tegernsee, Ende

Eine Haupthand u. versch. Nachträge. Rubriziert, rote Lombarden. Wz. Ochsenkopf Picc. XV, 371 (1489).

Alter Einband, rotes Leder, Streicheisenlinien, Tegernseer Einzelstempel. Fol. 215R: Kreuz, die wahre Länge Christi bezeichnend, kol. Fz.; daneben die Erklärung als Geschenk aus Subiaco (s. o. Kap. II.3.11.).

Ausstattung mit Druckgraphik: Fol. 40v: Messe des hl. Gregor, Holzschnitt (Sehr. 1480a). Einf. 115 x 92 mm, Bl. 147149 x 93-94 mm. Kol. Blau, Grün, Zinnober, Purpurrot, Rotlack. Vom Quirinus-Meister (s. Kap. H.3.9.). - Bayern, 4. V. 15. Jh. Lit.: HALM B d . 11,3, S. 2 7 5 ; LEIDINGER in HEITZ, E i n b l a t t d r u c k e B d . 10, N r . 3 4 ; WORSTBROCK in 2

V L Bd. 9, Sp. 3 4 6 - 3 5 2 , dort Sp. 349; SCHMIDT, Bemalt 2000, S. 256 u. 270.

Clm 19840 Texte zur Beichte und Buße, lat. Tegernsee, Benediktiner. Papier; 441 Bl.; 15,6 x 10,6 cm; Tegernsee, 1519 Rubriziert, rote Lombarden. Dat. 1519 (fol. 422 v ). Alter Einband, braunes Leder; Streicheisenlinien und Tegernseer Einzelstempel. Messingbuckel z. T. erhalten, die Schließe nur fragmentarisch. Mehrere Hinweishände, auf fol. 369 Vogel und Ranke (Feder mit schwarzer und roter Tinte) von ungeübter Hand.

Ausstattung mit Druckgraphik: Rd.: Thronende Madonna mit Krone und Lilienszepter (Sehr. 1062). Einf. 115 x 80-82, Bl. 144 x 93-94 mm. Kol. Grün, Ockergelb, Grau, Zinnober. Weitere Exemplare in Clm 20177 (aus Tegernsee), in einem gedruckten Tegernseer Brevier (München, BSB, L. impr. membr. 3, Bd. 2, Vd.) und in Paris, BN. Das Blatt klebt auf dem Deckelspiegel aus Papier. - Vom Quirinus-Meister (s. Kap. II.3.9.); Bayern, 4. V. 15. Jh. Lit.: HALM B d . 11,3, S. 2 7 7 ; GELDNER 1980, S. 2 2 7 .

Handschriften

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Clm19924

Brevier Tegernsee, Benediktiner. Papier; 328 Bl.; 154 x 109 cm; Tegernsee, 1520 Eine Hand, vielleicht jener Bruder Sebastian, der den Holzschnitt im Vd. im Jahr 1522 beschriftete. Rubriziert, rote Lombarden. Dat. 1520 (fol. 20"). Alter Einband, braunes Leder, Rollen- und Einzelstempel. Die Beschläge und die Schließe fehlen.

Ausstattung mit Druckgraphik: Vd.: Kreuztragung, Holzschnitt (nicht bei SCHREIBER). Einf. 112-114 x 82 mm. Bl. 153— 155 x 105 mm. Kol. Braun, Rosa (mehrere Töne), Grün, Blaugrau. Unten der Schriftzug frater Sebastianus 1522. Das Blatt ist an den Ecken von Beschlagnägeln beschädigt. Es klebt direkt auf dem Holz des Deckels und wurde schon beim Binden angebracht. Weitere Exx. in Cgm 116 u. Clm 20002. Als fol. 2 eingebunden (Bildseite fol. 21): Christus am Kreuz zwischen Maria und Johannes, Holzschnitt (nicht bei SCHREIBER). Einf. 114-115 x 80-82 mm, Bl. 154 x 105 mm. Kol. Grün, Rosa (meherere Töne), Grünblau, Gelb. Weitere Exx. in Cgm 116 u. Clm 20002. - Beide Bl. stammen von Quirinus-Meister; Bayern, 4. V. 15. Jh. Lit.: HALM B d . 11,3, S. 2 8 3 .

Clm19926

Brevier Tegernsee, Benediktiner. Papier u. Pergament; 114 Bl. (ungez.); 15 x 10 cm; Tegernsee, ca. 1460-70 Mehrere Hände; Korrekturen, Randglossen und Nachträge von Paulus Steger, ausschließlich von seiner Hand die drei Seiten vor Beginn des 'Officium beatissime Marie' (ungez.). Rubriziert, rote Lombarden. Wz. Turm, ähnl. Picc. II, 355, 365 (1457-1466); im unbeschriebenen Teil am Ende Wz. Salzfaß, ähnl. Br. 2171 (1507-1508), wohl erst bei der Neubindung Anf. des 16. Jh. eingefügt. Alter Einband, dunkelbrauner Lederüberzug, Streicheisenlinien, Tegernseer Einzelstempel (KYRISS 1954, Taf. 69, Nr. 1, 5, a).

Fehlende Illustrationen: Auf der Versoseite (ungez.) vor dem 'Officium beatissime Marie' wurde ein von Paulus Steger zu einem Marienhymnus eingeklebtes Bild (ca. 95 x 80-90 mm) entfernt, vermutlich eine Graphik mit Marienthema. Das Blatt mit dem Kupferstich der Verkündigung, das aus dieser Hs. gelöst und an die Graphische Sammlung München gegeben wurde, ist für die besagte Fehlstelle jedoch zu groß. Ausgelöste Druckgraphik, heute in München, SGS: - Verkündigung, Kupferstich, ehemals Israhel van Meckenem zugeschrieben (L. 11). L E H R S bezeichnete den Stich als „frühe Arbeit nach einem verschollenen Original des Meisters der Berliner Passion" (Krit. Kat. Bd. IX, S. 14), K O R E N Y aber schied das Blatt ganz zu Recht aus dem Werk Israhels wieder aus (in HOLLSTEIN, German Engravings Bd. XXIV, S. 4). Inv.-Nr. 171463. PI. 75 x 53 mm, Kol. Grün, Grünbraun, Zinnober, Rosa,

390

Verzeichnisse

Gelb, umgeben von doppelten Einfassungslinien in brauner Tinte. Der Stich (unregelmäßig beschnitten, 63-75 x 100 mm) klebt auf einem größeren Blatt (143 x 90 mm), das nach der Art der Beschriftung und den aufeinanderfolgenden Inventarnummern mit dem unten genannten Kupferstich zusammengehört, der lt. Notiz auf der Rückseite aus Clm 19926 stammt. Unter dem Bild acht Zeilen eines Marienhymnus. Wie der beschnittene Text von der Hand Paulus Stegers auf dem Papierrand des Stiches zeigt, wurde dieser vermutlich aus einer anderen Hs. ausgeschnitten und noch im 15. Jh. in Clm 19926 eingeklebt, wobei eine zweite Hand den verlorenen Text ergänzte. - Kalvarienberg, Kupferstich, nach L E H R S vom Meister des Dutuitschen Ölbergs ( L . 3 8 ) , Zuschreibung jedoch fraglich. Inv.-Nr. 171464. PI. 74 x 53 mm. Kol. Blau, Grün, Gelb, Zinnober, Rosa; Rahmung Rosa, umgeben von schwarzer Einfassungslinie. Der Stich (Bl. 127 x 85 mm) klebt auf einem größeren Blatt (147 x 93 mm), das aus Clm 19926 stammt (lt. Notiz auf der Rückseite). Über dem Bild vier lateinische Verse über die compassio Mariae, darunter sieben Zeilen eines Hymnus zum hl. Kreuz. - Die beiden Stiche wurden 1884 aus der Hof- und Staatsbibliothek überwiesen. Aus der Hs. wurden mehrere Seiten herausgerissen; an welchen Stellen sich die beiden Seiten mit den Kupferstichen befanden, ist nicht mehr zu klären (oder waren sie evtl. nur lose eingelegt?). Vorhandene Ausstattung mit Druckgraphik: - Vd.: Messe des hl. Gregor, Metallschnitt (Sehr. 2653), klebt auf dem vorderen Deckelspiegel. Bordüre 109 x 76 mm, Bild 81 x 45 mm, Bl. 116 x 83 mm. Kol. Grün, dünnes Rosa. Leicht fleckig, 1. o. Wurmlöcher, zwei vertikale Risse durch den angebrochenen Buchdeckel. Zwei weitere Exemplare in München, SGS; eines davon (Inv.-Nr. 174034) stammt aus dem Tegernseer Codex Clm 20001, das andere (Inv.-Nr. 171447) wurde ebenfalls aus einem Band der Staatsbibliothek - vermutlich auch aus Tegernsee, was jedoch nicht mehr festzustellen ist - gelöst. - Köln oder Niederrhein (?), ca. 1460-70. - Rd.: Christuskind im Hl. Herzen am Kreuz, eine Rute in der Hand, umgeben von den Wundmalen; Holzschnitt (Sehr. 800a), klebt auf dem Deckelspiegel. Einf. 125 x ? mm, Bl. 129-131 x 89 mm; Kol. Rotlack, Braun, Grün; fehlende Stellen der Einfassungslinie und die drei Kreuzesnägel mit schwarzer Tinte ergänzt. Das Blatt ist links beschnitten, der rechte Rand und die linke untere Ecke abgerissen; vermutlich eine Zweitverwendung. Nach derselben Vorlage ist Sehr. 800b kopiert. Dem gleichen ikonographischen Typ gehören weitere 19 erhaltene Holzschnitte an (Sehr. 796-808a). - Süddeutsch, um 1460. Lit.:

Bd. 11,3, S. 283; LEIDINGER in HEITZ, Einblattdrucke Bd. 10, Nr. 17; LEIDINGER in Einblattdrucke Bd. 15, Nr. 36; PETER STRIEDER, Folk Art Sources of Cranach's Woodcut of the Sacred Heart, in: Print Review 5, 1974, S. 160-166, dort S. 164 f. HALM

HEITZ,

Clm19933 Brevier Tegernsee, Benediktiner. Papier; 215 Bl.; 13,9 x 9,9 cm; Tegernsee, 1473 Eine Haupthand u. mehrere Nachträge. Rubriziert, rote Lombarden, fol. 87 r fleuronnierte Initiale; Hinweishände, rote Tinte. Dat. 1473 (fol. 1951)Alter Einband, dunkelbraunes Leder, Stempel 16. Jh.

Handschriften

391

Entfernte Illustrationen: Der vordere Deckelspiegel wurde herausgerissen, vermutlich wegen eines dort befindlichen Bildes; vom hinteren Deckelspiegel wurde ein eingeklebtes Bild entfernt. Lt. Notiz auf der letzten Seite vom Mai 1887 wurden von fol. 215V zwei Miniaturen - Christus am Kreuz mit Maria und Johannes sowie ein hl. Benedikt mit anbetendem Mönch - gelöst und an das Kgl. Kupferstichkabinett abgegeben. Erhaltene Ausstattung mit Druckgraphik: - Als fol. 3 an einen eingebundenen Falz geklebt: Kupferstich des Meisters E. S., sechs Rundbilder mit Apostelpaaren (L. 197), auf Pergament gedruckt. PI. 114 x 75 mm, jedes Medaillon 0 31 mm. Unkoloriert. Die freien Stellen von der Tegernseer Hand, die auch in der Hs. Randglossen anbrachte, mit Zitaten (Augustinus, Hieronymus, Basilius etc.) bedeckt. Die Rückseite von einem anderen Schreiber des Klosters mit lat. Sprüchen beschriftet. Textbezug: auf fol. 4 r -6 r folgt eine Antiphon De apostolis et euangelistas (Rubrik auf fol. 4 r ). - Auf fol. 6V geklebt: Hl. Herz mit Wunde vor einem Tuch, das ein Engel hält; Holzschnitt (Sehr. 1793a). Einf. ? (beschnitten), Bl. 135 x 95 mm. Kol. Rot (mehrere Töne), Braun, Grün, Zinnober, Grau. Die Wunde ist durch einen Schlitz im Papier physisch verdeutlicht. In das Herz wurde ein Kreuz mit drei Nägeln gemalt (schwarze Tinte, braune Farbe); es hat die gleiche Form und stammt wohl von derselben Hand wie das Kreuz in Clm 20020, fol. 1 l v , das dort als Kopie eines von Subiaco gesandten Bildes der Länge Christi bezeichnet ist (vgl. auch die weiteren Kopien in Clm 20002 und Clm 19824). Der gleiche Tegernseer Schreiber, der den Kupferstich auf fol. 3 r beschriftete, umgab auch das Hl. Herz mit lat. Sprüchen (Augustinus, Caesarius, Gregor etc.). Der Holzschnitt steht den Werken des Quirinus-Meisters nahe, vgl. Gesichtstypen und Haarbildung mit den Figuren der Verkündigung (Abb. 157) und der Kreuzigung (Abb. 159); vermutlich Bayern, 4. V. 15. Jh. Beide Blätter wurden zusammen mit fol. 1-6 nachträglich, vielleicht bei der Neubindung, dem Brevier vorangestellt. Möglicherweise befanden sie sich vorher in einer anderen Hs. Lit.: HALM Bd. 11,3, S. 283; GEISBERG 1924, S. 46; 40; SCHMIDT, Bemalt 2000, passim.

LEIDINGER

in

HEITZ,

Einblattdrucke Bd. 10, Nr.

Clm 19957 Invitatorien, Responsorien und Lesungen des Breviers Tegernsee, Benediktiner. Papier (fol. 1 u. 461 Perg.); 461 Bl.; 13,7 x 10 cm; Tegernsee, ca. 1450-60. Eine Hand. Rubriziert, rote Lombarden. Wz. Ochsenkopf Picc. XI, 216 (1451-1453), Kronen Typ Picc. 1,311-316(1437-1468). Alter Einband, rauhes weißes Leder, unverziert, die Schließe fragmentarisch erhalten.

Ausstattung mit Druckgraphik: Vd. (Abb. 186): Christus am Kreuz zwischen Maria und Johannes, Holzschnitt (Sehr. 460a), klebt auf dem Deckelspiegel aus Pergament. Einf. 68 x 56 mm, Bl. 60 x 50 mm. Kol. Rot, Grün , Blau, Gelb, Rosa, Pudergold (Nimben). Der Holzschnitt zählt zur Kopienreihe der 'Gulden puchlein-Gruppe'. Zur gleichen Folge - auch von der gleichen Hand

392

Verzeichnisse

bemalt - gehören die Blätter in Clm 20131, Clm 20132 sowie, in schlechterer Druckqualität und mit andersartiger Kolorierung, in Clm 20162. W E I G M A N N 1918, S . 7 u. 11 zählte die Kreuzigung versehentlich zu zwei unterschiedlichen Folgen (Sehr. 96 etc., s. u. als Folge B in Nürnberg, GNM, Hs 28441, sowie Sehr. 154a etc., s. u. bei Clm 21543). Lit.: HALM B d . 11,3, S. 2 8 3 f.; KRISTELLER 1 9 1 5 , S. 8 (bei N r . 2 2 ) ; WEIGMANN 1 9 1 8 , S. 7, 11; SCHMIDT 1 9 9 8 , S. 8 5 A n m . 7 0 u. 8 0 .

Clm 19991 Gebete, Hymnen, lat. Tegernsee, Benediktiner. Papier; 314 Bl.; 15 x 10,5 cm; Tegernsee, 1466-68 Drei Hände (fol. 14 v -143 v , 302 v -320 v dieselbe wie Clm 20021). Rubriziert, rote und grüne Lombarden, einfache Initialen. Dat. 1466 (fol. 276 v , 291 v ), 1467 (fol. 16 v , 125 v , 233 v , 307 v , 320 v ), 1468 (fol. 116 v ). Alter Einband, grünlich-graues Leder, Streicheisenverzierung, eine Schließe. Im Vd. Miniatur auf Pergament, Christus am Kreuz zwischen Maria und Johannes, Rahmenleiste mit Evangelistensymbolen in den Ecken (in retrospektiven Formen). Mitte 15. Jh.

Entfernte Illustrationen (alle beim Schreiben eingeplant der entsprechende Platz dafür ausgespart): - Fol. 26 v : In einem mit brauner und roter Tinte gezeichneten Rahmen befand sich einst ein eingeklebtes ein Bild, ca. 44 x 33 mm. Darunter ein Passionsgebet.45 - Fol. 48 v : In einem Rahmen, ähnlich dem auf fol. 48v, klebte ein Bild von ca. 43 x 33 mm. Darunter ein Gebet zu Christus.46 - Fol. 50v: Bild abgelöst (ca. 70 x 53 mm), das in einen mit schwarzer Tinte, roter und grüner Deckfarbe gemalten Rahmen geklebt war. Darunter eine heute unleserliche Schriftzeile, bei der es sich evtl. um eine Anweisung für das einzuklebende Blatt handelte. Vorangehender Text: Kurze Gebete zur compassio Mariae nach den kanonischen Stunden;47 nachfolgend: Gebet zu den Gliedern Christi.48 -Fol. 51v: Rahmung (wie oben), doch ohne Leimspuren; war möglicherweise nie mit einem Bild gefüllt. - Fol. 89v: Klebespur eines Bildes über dem Beginn eines Marienhymnus'.49 - Fol. 126v: Gemalter Rahmen mit Spuren eines abgelösten Blattes (ca. 82 x 50 mm), nach einem Gebet zu den Aposteln50 und vor dem Beginn eines Gebets zu Christus.51 Lit.: HALM B d . 11,3, S. 2 8 4 .

45 46 47 48

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[Rubr.:] Oracio multum denota et valde effìcax de passione domini. Ora sepe. [Inc.:] Domine sanetepater eterne respice... Adoro te mi dilecte rex israelis... Beginn auf fol. 50r: Mater sapientiae • rosa sine spina... (AH 30, 99). Beginn auf fol. 51r: Salve tremendum cunctis potestatibus caput saluatoris... (vgl. HAIMERL 1952, S. 80 Anm. 458, S. 92 Anm. 543). In dieser Handschrift Papst Innozenz III. zugeschrieben. Ave fragrantissime... von dem mit Tegernsee eng verbundenen Lieddichter Ulrich Stöcklin (AH 38, 70); auch in Clm 20021, fol. 57 r ff. Fol. 125 v : [Rubr.:] Aliud generale suffragium de apostolis sanetis. [Inc.:] Creator optime... Fol. 127r: O bone Ihesu • o dulcis Ihesu... (HAIMERL 1952, S. 81).

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Clm19999 Psalmen, Lieder, Gebete, lat. Tegernsee, Benediktiner. Papier; 226 Bl.; 14,6 x 10,4 cm; Tegernsee, E. 15. Jh. Zwei Hände. Rubriziert, rote Lombarden. Wz. Ochsenkopf, u. a. Typ Picc. XV, 401 (1493-1499). Alter Einband, Halbleder, Streicheisenlinien, Einzelstempel. Ausstattung mit Druckgraphik: - Auf fol. 48R eingeklebt: Christus am Kreuz zwischen Maria und Johannes, Holzschnitt (nicht bei SCHREIBER). Einf. ? (beschnitten, bei anderen Exx. 114-115) x 80 mm, Bl. 99105 x 80-83 mm. Kol. Blau (mehrere Töne), Grün, helles Rotbraun, Braun, Gelb, gelbliches Inkarnat. Weitere Exx. in Cgm 116 u. Clm 19924. Das Blatt klebt zwischen den Psalmen 3 0 {In te Domine speravi..., fol. 47 R / V ) und 2 1 (Deus Deus respice in me..., fol. 4 8 V ) . - Auf fol. 5T eingeklebt: Verkündigung, Holzschnitt (Sehr. 38 = 36). Einf. ? (beschnitten; Londoner Ex.: 112 x 96 äußere Einf.). Bl. 103-104 x 75-79 mm. Kol. Grün, Rot, Gelb, Inkarnat. Andere Exx. in München, SGS (Sehr. 38), London, BM (Sehr. 36). Diese beiden Holzschnitte nahm SCHREIBER falschlich unter verschiedenen Nummern auf; doch zeigt der genaue Vergleich, daß sie vom gleichen Holzstock gedruckt wurden. Das Exemplar in Clm 19999 kannte er nicht. Es klebt am Ende von Psalm 85 (Inclina Domine aurem tuam..., fol. 56 r -57 v ). - Auf fol. 75 r eingeklebt: gleicher Holzschnitt wie auf fol. 48 r . Bl. 103 x 77-79. Kol. Grün, helles Rotbraun, Braunviolett, Zinnober, Inkarnat. - Alle drei Holzschnitte stammen vom Quirinus-Meister (s. Kap. II.3.9.); Bayern, 4. V. 15. Jh. Lit.: HALM B d . 11,3, S. 2 8 4 ; GELDNER 1980, S. 227, S. 2 3 2 A b b . 13, S. 233 A b b . 14.

Clm 20001 Gebete, Lieder, lat. Tegernsee, Benediktiner. Papier; 266 Bl.; 16 x 5,2 cm; Tegernsee, 4. V. 15. Jh. Eine Hand. Rubriziert, rote und blaue Lombarden, einfache Initialen (Feder und Tinte). Wz. Krone, Typ Picc. XII (nach 1480). Alter Einband, rotes Leder, Streicheisenlinien und Tegernseer Einzelstempel (u. a. KYRISS 1954, Taf. 69 Nr. 5). Fol. Iv: Seitenwunde Christi mit brauner Tinte und roter Deckfarbe von Dilettantenhand gemalt. Entfernte Illustrationen: - Fol. I r : Zwei eingeklebte Bilder gelöst; oben ca. 74 x ca. 45 mm, unten ? x ca. 45 mm. - Fol. 12v: Eingeklebtes Bild abgelöst, ca. 48 x 43 mm. Nachfolgender Text: [Rubr.:] Planctus beati Bernhardi circa dominum crucifixum. [Inc.] Salve mundi salutare... (Chev. 18056=18073, Mone Bd. I, 162; vgl. u. Clm 20007, fol. 23 r , Clm 20021, fol. 201"). - Zwischen fol. 180 u. 181 ein Bl. herausgerissen. - Aus dieser Hs. wurde ein heute in München, SGS, aufbewahrter Metallschnitt (Inv.-Nr.

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174034) lt. Notiz auf der Rückseite des Blattes gelöst - der ursprüngliche Ort innerhalb der Handschrift ist jedoch nicht mehr genau zu bestimmen, evtl. auf dem vor fol. 181 herausgerissenen Blatt: Messe des hl. Gregor (Sehr. 2653). Einf. 81 x 45 mm, Bl. 99-100 x 69 mm. Kol. Rot, Grün, Gelb, Braun. Weitere Exx. in München, SGS, Inv.-Nr. 171447 (aus der Hof- und Staatsbibliothek, doch Genaueres über die Herkunft nicht feststellbar) und in Clm 19926, Vd. Ein Teigdruck von derselben Platte ist Sehr. 2848a (Abb. in HEITZ, Einblattdrucke Bd. 18, Nr. 36). Lit.: HALM B d . 11,3, S. 2 8 4 ; WORSTBROCK in 2 V L B d . 9, Sp. 3 4 9 .

Clm 20002 Gebete, Psalterien, Rosarien, lat. Tegernsee, Benediktiner. Papier (fol. I Perg.); 1 + 1 4 6 Bl.; 14,5 x 10,4 cm; Tegernsee, ca. 1460-70 Rubriziert, rote Lombarden. Wz. u. a. Waage, ähnl. Picc. VII, 289-291 (1460-62). Alter Einband, stark abgeschabtes ehem. braunes Leder; Beschläge und die Schließe fehlen. Pergamentblatt, vor der ersten Lage eingefügt: Fol. Ir: Hl. Herz mit Wunde, schwarze Tinte, mit rosa Deckfarbe gefüllt und mit Rot umgeben, von ungeübter Hand; ebenso fol. I v : Kreuz, schwarze Tinte, mit rosa und grüner Deckfarbe gefüllt. Darunter Erklärung des Bildes als Maß der wahren Länge Christi, das aus Subiaco gesandt wurde (s. dazu Kap. II.3.11.). Entfernte Illustrationen: Vd.: eingeklebtes Bild herausgeschnitten bzw. aus dem Holz des Deckels gestemmt. Vorhandene Ausstattung mit Druckgraphik: Rd.: Kreuztragung, Holzschnitt (nicht bei SCHREIBER). Einf. 112-114 x 82 mm; Bl. 144146 x 91-93 mm. Kol. Zinnober, Hellgrün, Dunkles Grün, Grünbraun, Rotlack. Vom Quirinus-Meister (s. Kap. II.3.9.). - Bayern, 4. V. 15. Jh. Lit.: HALM B d . 11,3, S. 2 8 4 ; GELDNER 1980, S. 2 2 7 , S. 2 3 1 A b b . 12; SCHMIDT, B e m a l t 2 0 0 0 , S. 2 5 6

u. 2 6 9 .

Clm 20006 Rosarien, Hymnen, lat. Tegernsee, Benediktiner. Papier; 183 Bl.; 14,5 x 10,3 cm; 1493-1504 Eine Hand (Ambrosius Schwerzenbeck), bis auf f. 42M4 V . Dat. 1493 (fol. l v , 50 v , 89v), 1499 (fol. 8 r , 81r, 97r), 1500 (fol. 1 l r , 17v, 21r, 53 r/v , 84r, 101r), 1504 (fol. 35 v , 44 v , 74r, 183r). In schwarzer, roter und grüner Tinte geschrieben. Lombarden, einfache fleuronnierte Initialen, Überschriften in diesen farbigen Tinten mit Fleuronnee verziert. Alter Einband, braunes Leder, Streicheisenlinien und Tegernseer Einzelstempel (u. a. KYRISS 1954, Taf. 69, Nr. 2), auf dem Vd. mit Letternstempeln geprägter Schriftzug frater ambro (= Ambrosius Schwerzenbeck).

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Entfernte Illustrationen: Vom Vd. und fol. 84 v je ein Blatt abgelöst. Verbliebene Ausstattung mit Druckgraphik: Rd.: Hl. Dorothea, Holzschnitt (Sehr. 1399a). Einf. 116 x 77 mm, Bl. 133-134 x 90-94 mm. Kol. Rot, Gelb, Grün, Zinnober. Die Bordüre gehört zum selben Druckstock. Zur gleichen Heiligenfolge gehört die hl. Barbara Sehr. 1255=1258 (München, SGS u. Stuttgart, SG) und die hl. Margaretha Sehr. 1612 (Washington, NGA, s. Fifteenth Century Woodcuts and Metalcuts 1965, Nr. 243). - Süddeutsch, Ende 15. Jh. Lit.: HALM B d . 11,3, S. 2 8 4 ; LEIDINGER in HEITZ, E i n b l a t t d r u c k e B d . 15, N r . 3 1 ; REDLICH 1 9 3 1 , S. 7 8 m. A n m . 3 7 ; HAUKE 1 9 7 2 , S. 2 2 5 .

Clm20007 Gebetbuch, Iat. Tegernsee, Benediktiner. Papier (fol. I u. 207 Perg.); 207 Bl.; 15,8 x 10,6 cm; Tegernsee, 1485 Eine Haupthand. Rubriziert, rote Lombarden. Dat. 1485 (fol. 174 v ). Alter Einband, dunkelbraunes Leder mit Streicheisenlinien; Rücken fehlt, Beschläge und Schließe fehlen.

Entfernte Illustrationen: Notiz auf der Innenseite des hinteren Deckels: Ein Schrotblatt aus diesem Codex wurde im Mai 1887 an das x. Kupferstichkabinett abgegeben. Riezler. Um welches Blatt der Graphischen Sammlung München es sich dabei handelt, ist nicht mehr zu eruieren. Andere Bilddrucke waren offenbar schon früher entfernt worden (sie waren, bis auf fol. 22 v , erst nachträglich an zufällig noch freie Stellen der Handschruft geklebt worden): - Vd.: Deckelspiegel, ca. 147-150 x 98-100 mm, entfernt; vermutlich wegen eines Bildes. -Fol. 22 v : Farbspuren ca. 140-145 x 90-100 (?) mm. Es handelte sich vermutlich um einen Holzschnitt einer Kreuzigung; er war als Einleitungsbild zum nachfolgenden Text eingeklebt, dem Planctus Sancti Bernhardi coram cruciflxo (Chev. 18056=18073, MONE Bd. I, 162). Eine genauso gestaltete Kombination aus einem ähnlich großen Holzschnitt und dem gleichen Text findet sich in Clm 20021 (fol. 19v) vom gleichen Schreiber. Eine spätere Hand brachte unter dem Bild ein Zitat Johannes Gersons an (Gerson. Spes mea crux Christi. Gratia non opera.) - Fol. 28 r : Klebespuren ca. 60 x 34 mm. Text dazu: Gebet zum Hl. Antlitz (Chev. 17986). - Fol. 30 v : Klebespuren ca. 52 x 37 mm; danach (fol. 311) folgt ein Gebet zum Hl. Antlitz (Chev. 18189, W A L T H E R 17153; auch in Clm 20021, fol. 53 v ); am Rand von fol. 31 r nachgetragene Ablaßnotiz über das anteymaginem Veronice zu sprechende Gebet. - Fol. 35 r : Klebespuren 67 x 58 mm; darunter Gebet zur Trinität. - Fol. 37 v : Klebespuren 78 x 60 mm. Darunter ein weiteres Gebet zur Trinität. - Fol. 38a v : Eingeklebtes Blatt, ca. 99 x 94 mm, abgelöst; gegenüber (fol. 39 r ) Gebete zur Trinität und contra temptaciones carnis. - Fol. 63 r : Klebespuren ca. 73-74 x 37 mm; darüber Gebet zum hl. Kreuz. - Fol.l 18v: Klebespuren 99-101 x 74 mm; gegenüber (fol. 1191) Gebet zum Gekreuzigten

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(Domine Ihesu Christe adoro te in crucem pendentem..., s. HAIMERL 1952, S. 92 Anm. 542, und ROTH 2000, passim; dieser Text in ähnlichem Kontext auch in Clm 20021, fol. 3840- Fol. 143r: Klebespuren ca. 64 x 48 mm; zwischen zwei Mariengebeten. - Fol. 148r: Klebespuren 59 x 47 mm; zwischen zwei Mariengebeten. - Fol. 172v: Klebespuren 137-139 x 98 mm; vor dem Beginn eines Rosarium beatissime Marie virginis. - Fol. 174v: Klebespuren ca. 104 x 99 (?) mm; nach dem Ende des Rosarium, vor einem Gebet über das Mitleiden Mariae (Chev. 17043). - Fol. 177v: Klebespuren ca. 95 x 70 mm, am Ende eines Mariengebets. - Fol. 19 l v : Klebespuren ca. 140 (?) x 100 (?) mm. - Fol. 194r: Klebespuren ca. 87 x 66 mm, nach Fünf-Wunden-Gebet. - Rd.: Deckelspiegel ganz entfernt (160 x 98 mm). Zudem sind mehrere Blätter der Hs. ganz herausgeschnitten. Für folgende Holzschnitte der SGS München ist die Herkunft aus dieser Hs. durch entsprechende Notizen auf den Rückseiten gesichert: -Heimsuchung (Sehr. 54, Inv.-Nr. 171514). Einf. 131 x 89 mm; Kol. Rotlack, Ocker, Blaßgrau, Grün. - Grablegung (Sehr. 524, Inv.-Nr. 171516). Einf. ? (beschnitten, > 103 mm) x 93 mm; Kol. Blaßbraun, Rotlack, Gelb, Grün, Grau. -Auferstehung (Sehr. 540, Inv.-Nr. 171517). Einf. 132 x 94 mm; Kol. Gelb, Braun, Rotlack, Grün. -Himmelfahrt Christi (Sehr. 580, Inv.-Nr. 171518). Einf. 131 x 80 mm. Kol. Ocker, Hellbraun, Grün, Rotlack. - Tod Mariae (Sehr. 713, Inv.-Nr. 171519). Einf. 132 x 93 mm. Rotlack, Ocker, Blaßgrau. Die Blätter sind Teile einer Folge, die stilistisch dem Kreuzigungsholzschnitt Sehr. 435d (in Clm 200021, fol. 19v) sehr nahesteht (vgl. Abb. 135). Beide Gruppen haben vor allem in der harten, geraden Linienführung Gemeinsamkeiten mit der Passionsfolge des Holzschneiders Ludwig Maler zu Ulm (vgl. zu dessen Werk FIELD 1968). - Schwäbisch (?), um 1470. Zum ursprünglichen Sitz in der Hs.: Auf dem Blatt des Marientodes steht mit lila Tinte die typische Foliierungsnotiz der Hss. der Hofbibliothek (dat. 19.7.1856). Der Holzschnitt diente also ursprünglich als hinterer Deckelspiegel, wo dieser Vermerk stets angebracht wurde. Eine andere der Graphiken klebte sicher im vorderen Deckel, was mit den Maßen des fehlenden Blattes übereinstimmt. Wo sich die übrigen drei befanden, ist dagegen unklar; bis auf fol. 19 l v (Leimreste ca. 140 x 100 mm) sind die Klebespuren für die Holzschnitte dieser Folge zu klein. Vermutlich wurden sie von Blättern abgelöst, die ganz aus dem Codex geschnitten wurden. In der Hs. erhaltene Druckgraphik: Fol. 176v: Himmelfahrt Christi, Metallschnitt (Sehr. 2397c). Einf. 62 x 47 mm, Bl. 62-64 x 47 mm. Kol. leichtes Grün. Anderes Ex. in der Tegernseer Hs. Clm 20110, fol. 174v; in dieser Hs. weitere Blätter der Folge (Sehr. 2237a etc.). Nach LEHRS ist der Metallschnitt eine Kopie nach einem verlorenen Kupferstich des Meisters der Berliner Passion. Das Bild klebt nach dem Ende des Gebets Stabat mater dolorosa... mit Ablaßverheißung und vor dem Beginn eines dem hl. Bernhard zugeschriebenen Mariengebets (Domina mundi mundissima...)

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Lit.: HALM B d . 11,3, S. 2 8 4 ; LEIDINGER in HEITZ, E i n b l a t t d r u c k e B d . 15, N r . 17; LEIDINGER, V i e r z i g M e t a l l s c h n i t t e 1 9 0 8 , S. 3 5 ; SCHREIBER, in HEITZ, E i n b l a t t d r u c k e B d . 3 1 , N r . 80, 8 2 - 8 5 ; LEHRS, Krit. K a t . B d . III, S. 75; HAIMERL 1952, S. 62, S. 6 6 , S. 6 8 .

Clin 20019 Gebete, Lieder, lat. Tegernsee, Benediktiner. Papier; 180 Bl.; 15x10 cm; Tegernsee, 1464-1521 Mehrere Hände (fol. 58R-60R von der Hand des Clm 20021). Rubriziert, rote Lombarden. Aus mehreren Stücken verschiedenen Alters zusammengebunden; dat. 1464 (fol. 112R), 1521 (fol. 11 l v ). Alter Einband, dunkelbraunes Leder, Streicheisenlinien und Tegernseer Einzelstempel (KYRISS 1954, Taf. 6 9 , Nr. 1 , 2 , 5). Entfernte Illustrationen: Fol. 60 v : Ein Bild, wahrscheinlich eine Druckgraphik, von ca. 75 x 64 mm abgelöst. Der Gegenstand ist aus dem Gebetstext darüber 5 2 nicht zu erschließen; dieser stammt von der Hand, die auch Clm 20021 schrieb (Wz. der Lage IV 6 5 : Krone, Typ Picc. I, 311-316, nachgewiesen 1430-1468). Noch vorhandene Ausstattung mit Druckgraphik: Fol. 31 v : Unten ein Metallschnitt des Todes Mariae (Sehr. 2434) nachträglich eingeklebt. Einf. ca. 60 x 45 (beschnitten), Bl. 59 x 44 mm. Kol. Rotlack, Gelb, Grün. Dieses Ex. SCHREIBER nicht bekannt; anderes Ex. in Paris, BN ( B O U C H O T 1903, Nr. 58). - Köln oder Niederrhein (?), ca. 1480-90. Lit.: HALM B d . 11,3, S. 2 8 4 f.; WORSTBROCK in 2 V L B d . 9, Sp. 3 4 6 - 3 5 2 , d o r t Sp. 3 4 9 .

Clm 20020 Texte zum Kranken-, Sterbe- und Begräbnisritus, lat. Tegernsee, Benediktiner. Papier; 94 Bl. (92 gez.); 16,2 x 10,5 cm; Tegernsee, um 1500 Mehrere (mindestens fünf) Hände. Rubriziert, rote Lombarden. Wz. Dreiberg, Picc. VII, 2438 (1500).

Alter Einband, Halbleder braun, Streicheisenlinien und Tegernseer Einzelstempel (darunter KYRISS 1954, Taf. 69, Nr. 1). 1924 restauriert; dabei wurden die alten Deckelspiegel gelöst und vor fol. 1 sowie nach fol. 92 an Falze geklebt. Mehrere kol. Fzz.: Fol. l r : Wappen von Tegernsee. Fol. 1 l r : Kreuz mit drei Nägeln (auf fol. 1 l v als Maß der wahren Länge Christi, aus Sacro Speco in Subiaco gesandt, erklärt; s. dazu Kap. II.3.11.). Eingeklebte und in den Text integrierte kol. Fzz.: Fol. 13R: Christus im weißen Gewand mit verhüllten Händen; fol. 14R: Christus als Schmerzensmann mit rotem Gewand; fol. 16R: Schmer-

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Conscienciam meam queso domine...: Vorbereitungsgebet zum Altarsakrament (vgl. Stuttgart, W L B , H B 1 1 7 7 , fol. 2 0 r ; s. AUTENRIETH - FIALA 1968, S. 52, 2 4 7 .

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zensmann ohne Gewand; fol. 18R: kniender Mönch in Orantenhaltung; 53 fol. 31V Fz. Christus am Kreuz mit Hostie auf der Brust; 54 fol. 52 r : Fz. Christus als Weltenrichter in der Mandorla, am Ende einer Passionserzählung. 55 Ausstattung mit Druckgraphik: - Fol. 45 r : Christus neigt sich vom Kreuz zum hl. Bernhard, eingeklebter Holzschnitt (Sehr. 1276f). Einf. 71 x 59 mm, Bl. 73 x 62 mm. Kol. Rot, Grün, Graubraun, Braun. Eingeklebt am Ende eines hier Augustinus zugeschriebenen Gebets für die Sterbestunde. 5 6 Eine seitenverkehrte Wiederholung ist Sehr. 1276e (s. Nürnberg, StB, Cent. V, App. 81). - Süddeutsch, ca. 1450-60. - Fol. 47 r : letztes Abendmahl, eingeklebter Metallschnitt. (Sehr. 2238). Einf. ca. 49 x 35 mm (beschnitten), Bl. 48 x 34 mm. Kol. Rotlack, Grün, Gelb. Klebt am Beginn einer Passionserzählung nach den Evangelien; um den Metallschnitt die Zeilen: Desiderio. Desidera hoc pasca manducare vobiscum ante quam pascior... (Lk. 22, 15).- Köln (?), 4. V. 15. Jh. Lit.: HALM B d . 11,3, S. 2 8 4 f.; LEIDINGER in HEITZ, E i n b l a t t d r u c k e B d . 15, N r . 3 ; SCHMIDT, B e m a l t 2 0 0 0 , S. 2 5 4 f. u. 2 6 6 .

Clm20021 Gebete, Lieder, Sprüche, lat. u. dt. Tegernsee, Benediktiner. Papier; 404 Bl. (402 gez., + fol. 196a u. 218a); 14,6 x 10,3 cm; Tegernsee, 1470-71 Eine Haupt- und eine Nachtragshand; von einem der produktivsten, doch namentlich noch nicht identifizierten Tegemseer Schreiber (s. o. Clm 20007). Dat. 1470 (fol. 186R), 1471 (fol. 291 V ). 1471

wurde der Band von einem Ebersberger Mönch kopiert (Eintrag fol. 29 l v ). Rubriziert, rote Lombarden. Alter Einband, rotes Leder mit Streicheisenmuster und Tegernseer Einzelstempeln (KYRISS 1954, Taf. 69, Nr. 1), der Rücken und ein Teil des Vorderdeckels erneuert; Beschläge entfernt, eine neue Schließe vorhanden. Entfernte Illustrationen, vermutlich Holz- oder Metallschnitte (der Platz für alle war schon beim Schreiben ausgespart worden): - Fol. 52 r : Blatt von 7 3 - 7 5 x 55 mm aus der Handschriftenseite herausgeschnitten. Text dazu: Hymnus mit Anrufungen Christi (Chev. 1845, WALTHER 1924). - Fol. 53 v : Eingeklebtes Blatt, 76 x 60 mm, abgelöst; Rahmung (braune Tinte und Deckfarben) noch erhalten. Text: Gebet zum Hl. Antlitz (Chev. 18189, WALTHER 17153). - Fol. 56 v : Mehrere kleine Blätter entfernt, die nachträglich über den Text geklebt waren.

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Die vier Fzz. illustrieren die 'ars moriendi' auf fol. 12 r -18 r (nicht bei RUDOLF 1957), [Rubr.:] Sciendi que morituri in externis... [Inc.:] Prima temptacio est in fide...). Am Anfang des Textes mit den Bestimungen über den Umgang mit in der Nacht Verstorbenen eingeklebt. Fol. 47 v -52 r . Inc.: In isto tempore egressus est Ihesus cum diseipulis suis trans torrentem Cedron... (Der gleiche Text in dt. Übersetzung auf fol. 52 v -58 v ). Fol. 44v—45r. [Rubr.:] Hie sequenes oracio sancii Augustini cuilibet cristiano est necessario et per vtilis in hora mortis. [Inc.:] Deus meus deus meus... ad te confugio...

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- Fol. 186v: Eingeklebtes Blatt, ca. 90 x 65-67 mm, abgelöst; Beginn des Psalterium vel jubilus

beatissime

virginis Marie ( A H 38, 213, Nr. XVI, von Ulrich Stöcklin) 5 7 .

- Fol. 196: Etwa zwei Drittel der Seite weggeschnitten, wegen eines Bildes auf fol. 196v. - Fol. 252 v : Unten ein über den Text geklebtes Blatt abgelöst. - Fol. 288 r : Über dem Beginn des Rosarium beatissime virginis Marie wurde etwa eine halbe Seite für ein nie eingefugtes Bild ausgespart. - Fol. 313r: Blatt von 73 x 50 mm aus der Handschriftenseite geschnitten, vor dem Beginn des Liedes Cristiane

vir

fldelis...

- Fol. 338 v : Oben eingeklebtes Blatt, 65 x 68 mm, gelöst. Am Beginn des Gebetes zur hl. Katharina (AH 33, 114, Nr. 140). - Fol. 34 l v : Oben eingeklebtes Blatt, 72 x ? ( > 55 mm), gelöst; darunter weiteres Gebet zur hl. Katharina (AH 33, 110, Nr. 132). - Fol. 348 r : Links eingeklebtes Blatt, ca. 67 x (40?) mm, gelöst; Text dazu: Gebet zur hl. Barbara (AH 3, 91, Nr. 6). - Fol. 349 v : Rechts eingeklebtes Blatt, ca. 67 x 45 mm, gelöst; Text: Gebet zur hl. Barbara. - Fol. 384r: Eingeklebtes Blatt, ca. 75 x (70?) mm, gelöst; darunter das Gregor d. Gr. zugeschriebene O domine Ihesu Christe adoro te in crucem pendentem..., s. H A I M E R L 1952, S. 92 Anm. 542, umfassend ROTH 2000, passim). - Fol. 386r: Eingeklebtes Blatt, ca. 72 x 54 mm, gelöst; darunter gleicher Text wie fol. 384r. Erhaltene Druckgraphik: Fol. 19v: eingeklebter Holzschnitt Christus am Kreuz zwischen Maria und Johannes (Sehr. 435d). Einf. 125 x 87 mm, Bl. 135-136 x 87 mm. Kol. Graubraun, Rotlack, Grün, Ockergelb, Braun. Der Holzschnitt steht stilistisch Ludwig Maler zu Ulm nahe (vgl. Sehr. 438a), s. FIELD 1968, S. 29. Das Blatt wurde bewußt als Einleitungsbild zu dem Planctus beati Bernhardi abbatis coram crucifixo... (Rubrik fol. 19r, Text fol. 20 r -24 v ; Chev. 18056=18073, M O N E Bd. I, 162) ganzseitig eingeklebt, der Platz dafür beim Schreiben ausgespart. - Ulm?, ca. 1465-70. Lit.: HALM B d . 11,3, S. 2 8 4 f.; LEIDINGER in HEITZ, E i n b l a t t d r u c k e B d .

10, N r . 6 ; ZOEGE v .

MANTEUFFEL 1 9 2 1 , A b b . S. 2 5 ; BAUER 1 9 9 6 , S. 5 A n m . 14, 1 5 7 , 2 1 0 ; ; EISERMANN 2 0 0 1 , S. 1 4 7 .

Clm20081

Brevier Tegernsee, Benediktiner. Papier (fol. 191 Perg.); 191 Bl.; 1 2 x 7 cm; 4. V. 15. Jh. Mehrere Hände. Rubriziert, rote Lombarden. Wz. u. a Ochsenkopf ähnl. Picc. XV, 391 (14841495). Auf fol. 191 v Datum 1491, doch nachträglich eingetragen. Alter Einband, braunes Leder, Streicheisenlinien und Tegernseer Einzelstempel (KYRISS 1954, Taf. 69 Nr. 4, a).

Ausstattung mit Druckgraphik: - Vd.: Dornenkrönung Christi, Holzschnitt (Sehr. 319b). Einf. 61 x 42 mm. Bayern?, 57

Stöcklin war Prior in Tegernsee 1431-1434, danach Abt in Wessobrunn; einer der wichtigen bayerischen Klosterreformer (s. LINDNER 1897, S. 4 2 - 4 5 ; REDLICH 1931, S. 132).

400

Verzeichnisse

Augsburg? (vgl. Sehr. 623a etc. aus einem Augsburger Kalender, s. DOMASZEWSKA 1993, Nr. 4), ca. 1470-80. - Rd. (Abb. 143): Hl. Apollonia, Metallschnitt (Sehr. 2541o). Einf. 48 x 35 mm, Bl. 70 x 52 mm. Kol. Rotlack, Grün, Gelb. - Köln oder Niederrhein (?), ca. 1480. Lit.: HALM Bd. 11,3, S. 285; LEIDINGER in Einblattdrucke Bd. 15, Nr. 27.

HEITZ,

Einblattdrucke Bd. 10, Nr. 4;

LEIDINGER

in

HEITZ,

Clin 20096 Sammelhandschrift, lat. ('Curaus de saneta trinitate', 'Curaus de passione Christi', 'Curaus de sanetis angelis', div. Gebete etc.) Tegernsee, Benediktiner. Papier; 157 Bl.; 10,8 x 7,8 cm; 1473 u. 4. V. 15. Jh. Mehrere Hände. Rubriziert, mehrfarbige Lombarden, einfache fleuronnierte Initialen. Fol. 14 v Notiz von 1473. Spätere Teile u. a. mit Wz. Berg ähnl. Br. 11806 (1481-1490). Alter Einband, dunkelbraunes Leder, Streicheisenverzierung. Auf dem vorderen Deckel fünf Metallbuckel, auf dem hinteren vier erhalten. Von der Schließe nur noch die Beschläge vorhanden.

Ausstattung mit Druckgraphik: Auf fol. l v (Vorsatzblatt aus Pergament) aufgeklebt: Messe des hl. Gregor, Kupferstich des Meisters des hl. Erasmus ( L . I I I , 276, 85), dieses Ex. aber LEHRS nicht bekannt. Einf. 71 x 50 mm, Bl. 73-74 x 63-64 mm. Kol. Grün, Gelb, Rot, Orange, Weiß. Beim Bemalen wurden die Arma Christi des Stichs zugedeckt, jedoch neue hinzugefügt. Der Stich wurde nachträglich eingefugt, ohne unmittelbaren Bezug zu den folgenden Texten. Zweites Ex. in Clm 7836, fol. 14v. Das Blatt ist in der Mitte eingerissen, evtl. bei einem Versuch, es abzulösen. L i t . : HALM B d . 11,3, S . 2 8 5 .

Clm 20110 Gebete, Hymnen, Sprüche, 'Vita beatae virginis Mariae et salvatoris rhythmica', lat. u. dt. Tegernsee, Benediktiner. Papier; 372 Bl (371 gez., doch fehlerhaft 58 ); 10,4 x 7,7 cm; Tegernsee, ca. 1460-70 Eine Hand (Paulus Steger, s. Schreibervermerk fol. 370 v ). Rubriziert, rote Lombarden. Wz. Turm, ähnl. Picc. II, 481—482 (1462-65); Ochsenkopf ähnl. Picc. XII, 646 (1467). Alter Einband, roter Lederüberzug, Tegernseer Einzelstempel (KYRISS 1954, Taf. 69, Nr. 1). Entfernte Illustrationen:

Die beiden Deckelspiegel wurden abgelöst (vor 1856, s. Foliierungsnotiz auf dem Holz des Rd.), Leim- und Papierreste sind noch zu erkennen. Die Farbspuren auf den gegenüberliegenden Seiten zeigen, daß sich hier kolorierte Graphiken befanden. 58

Zwei Blätter sind als 331 foliiert.

Handschriften

401

Ausstattung mit Druckgraphik: - Fol. 3r: Einzug in Jerusalem, Kupferstich des Meisters des hl. Erasmus (L. 7). Einf. 58 x 38 mm, PI. 64 x 39 mm, Bl. 89 x 65-67 mm. Kol. Grün, Rot, Braun, Violett, Blau, Gelb. -Fol. 110V: Maria im Strahlenkranz auf der Mondsichel, Metallschnitt (Sehr. 2510m, LEIDINGER Nr. 23). Einf. 60 x 45 mm, Bl. 79 x 65 mm. Kol. Gelb, Blau, Grün, Rot, Braun, Inkarnat; gerahmt mit einer Stufenbandbordüre: Zinnober, Rot, Gelb, Grün, Braun, Violett. - Fol. 114v: Madonna auf der Schlange, Kupferstich des Meisters E. S. (L. 64). Einf. 63 x 42 mm, PI. Bl. 84-86 x 76 mm. Kol. Blau, Violett, Grün, Gelb, Zinnober; Stufenbandbordüre: Blau, Gelb, Zinnober, Braun. - Fol. 119V: Anbetung der Könige, Kupferstich vom Meister mit den Bandrollen (L. 26). Einf. 74 x 51 mm, PI. ?, Bl. 92 x 69 mm. Kol. Grün, Violett, Blau, Rot, Braun, Gelb; Rahmung Violett, Zinnober, Weiß. - Fol. 130v: Jesuskind im Hl. Herzen mit Kreuz und Dornenkrone, Kupferstich vom Meister mit den Bandrollen (L. 81). Äußere Einf. 77 x 57 mm, PI. nicht erkennbar, Bl. 9496 x 70 mm. Kol. Zinnober, Graubraun, Grün, Gelb, Rot, Blau, Violett; Rahmung Violett, Zinnober, Gelb, Grün, Weiß. - Fol. 143r: Abendmahl, Metallschnitt (Sehr. 2237a, LEIDINGER Nr. 2). Einf. 62 x 47 mm, Bl. 77 x 64-66 mm. Kol. Grün, Zinnober, Rosa, Rot, Blau, Braun. - Fol. 146r: Christus am Ölberg, Metallschnitt (Sehr. 2247a, LEIDINGER Nr. 4). Einf. 62 x 47 mm, Bl. 78-79 x 68-70 mm. Kol. Grün, Braun, Blau, Gelb, Rot. - Fol. 1 4 7 V : Gefangennahme Christi, Metallschnitt (Sehr. 2256a, LEIDINGER Nr. 5). Einf. 62 x 47 mm, Bl. 83 x 65 mm. Kol. Braun, Zinnober, Grün, Gelb, Blau. - Fol. 149v: Christus vor Pilatus, Metallschnitt (Sehr. 2270a, LEIDINGER Nr. 6). Vorbild ist ein Kupferstich des Meisters der Berliner Passion (L. 18). Einf. 62 x 47 mm, Bl. 76-78 x 63 mm. Kol. Grün, Braun, Gelb, Zinnober, Blau. - Fol. 15 L V : Geißelung Christi, Metallschnitt (Sehr. 2285a, LEIDINGER Nr. 8). Einf. 61 x 45 mm, Bl. 80-81 x 66 mm. Kol. Rot- und Grünlack, Zinnober, Gelb, Braun; Rahmung Blau. - Fol. 153 R : Dornenkrönung, Metallschnitt (Sehr. 2292a, LEIDINGER Nr. 9). Einf. 61-62 x 46 mm, Bl. 82 x 70 mm. Kol. Grün, Gelb, Zinnober, Hellbraun, Dunkelbraun, Blau. - Fol. 155r: Christus vor Pilatus, der sich die Hände wäscht, Metallschnitt (Sehr. 2276a, LEIDINGER Nr. 7). Einf. 62 x 47 mm, Bl. 82 x 83 x 67 mm. Kol. Grün, Braun, Gelb, Zinnober, Rot Blau. - Fol. 156r: Kreuztragung, Metallschnitt (Sehr. 2308a, LEIDINGER Nr. 10). Einf. 62 x 48 mm, Bl. 80 x 66-68 mm. Kol. Braun (versch. Töne), Grün, Rot, Zinnober, Blau. - Fol. 158r: Annagelung ans Kreuz, Metallschnitt (Sehr. 2418a, LEIDINGER Nr. 19). Einf. 62 x 46 mm, Bl. 86 x 68-69 mm. Kol. Grün, Braun, Gelb, Rot, Blau. Kopie nach einem Stich des Meisters der Berliner Passion (L. 20). -Fol. 159v: Kalvarienberg, Kupferstich, nach LEHRS Meister des Dutuitschen Ölbergs (L. 38), Zuschreibung jedoch fraglich. PI. ca. 74 x 53 mm, Bl. 91-92 x 68 mm. Kol. Grün, Dunkelviolett, Braun, Gelb, Rot, Blau, Grau; auf Hintergrund und Boden zahlreiche einfache Rosetten aus je sechs Farbpunkten (Rot, Gelb, Blau, Grün). - Fol. 162v: Kreuzabnahme, Kupferstich vom Meister des hl. Erasmus (L. 55). Einf. u. PI. nicht erkennbar, Bl. 78 x 52 mm. Kol. Grün, Violett, Zinnober, Blau, Gelb, Inkarnat; Rahmung Zinnober, Violett, Gelb. Bemalung von der gleichen Hand wie der Stich auf fol. 130v. - Fol. 1 6 4 V : Beweinung unter dem Kreuz, Metallschnitt (Sehr. 2 4 7 6 , LEIDINGER Nr. 1 5 ) .

402

Verzeichnisse

Einf. 62 x 47 mm, Bl. 80 x 65-68 mm. Kol. Grün, Rotbraun, Braun, Blau, Gelb. Kopie nach einem Stich des Meisters der Berliner Passion (L. 22). - Fol. 169v: Grablegung, Stich vom Meister des hl. Erasmus (L. 58). Innere Einf. 57 x 38 mm, Bl. 92 x 67 mm. Kol. Grün, Violett, Blau, Zinnober, Gelb; Blattranken- und Stufenbandbordüre Zinnober, Grün, Braun, Gelb, Violett. - Fol. 170v: Christus in der Vorhölle, Kupferstich vom Meister des hl. Erasmus (L. 60). Einf. 58 x 38 mm, PI. 65 x 44 mm, Bl. 92 x 64-66 mm. Kol. Blau, Violett, Zinnober, Gelb; Blattranken- und Stufenbandbordüre Grün, Zinnober, Rot, Gelb. - Fol. 174v: Himmelfahrt Christi, Metallschnitt (Sehr. 2397c, LEIDINGER Nr. 17). Einf. 62 x 47 mm, Bl. 83 x 70-71 mm. Kol. Grün, Braun, Zinnober, Gelb, Blau. Zweites Ex. in der Tegernseer Hs. Clm 20007. LEHRS, Krit. Kat. Bd. III, S. 75 vermutete in dem Blatt eine Kopie nach einem verlorenen Stich des Meisters der Berliner Passion. - Fol. 175v: Ausgießung des Hl. Geistes, Metallschnitt (Sehr. 2402b, LEIDINGER Nr. 18). Einf. 61 x 46 mm, Bl. 85 x 67-69 mm. Kol. Braun, Ocker, Orange, Grün, Blau, Rot. Kopie nach dem Stich des Meisters der Berliner Passion (L. 25). - Fol. 232 v : Geburt Christi, Metallschnitt (Sehr. 2195a, LEIDINGER Nr. 5). Einf. 57 x 43 mm, Bl. 85-89 x 62 mm. Kol. Grün, Blau, Gelb, Rot, Zinnober. Rahmung Zinnober, Violett, Gelb, Braun, Blau. Gehört zur Folge Sehr. 2173b etc. (s. LEIDINGER, Vierzig Metallschnitte 1908, S. 12). Die Metallschnitte der Passion gehören bis auf die Darstellungen der Maria (fol. 110v), der Beweinung (fol. 164v) und der Geburt Christi (fol. 232 v ) zu einer gemeinsamen Folge (Sehr. 2237a etc.). Diese geht - wie auch eine Anzahl weiterer Holz- und Metallschnittzyklen - auf die Kupferstich-Passion des Meisters der Berliner Passion (L. 14-25) zurück. LEIDINGER hielt sie für seitenverkehrte Nachschnitte nach der Serie Sehr. 2173 etc., die am vollständigsten in London, BM, erhalten ist (von LEIDINGER, Vierzig Metallschnitte 1908, publiziert). LEHRS, Krit. Kat. Bd. III, S. 33 u. 62 und SCHREIBER 1926, S. 72 hielten diese Metallschnittfolgen für Kölner Arbeiten, obgleich schon Schreiber einräumen mußte, daß eine Stilbestimmung bei diesen Kopistenarbeiten kaum mehr möglich ist. Die sparsame Kolorierung der Passionsblätter stammt von einer Hand. Aufwendiger sind alle Kupferstiche sowie die Metallschnitte der Madonna (fol. 110v) und der Geburt (fol. 232 v ) bemalt (mit mehrfarbigen Rahmenleisten, Stufenband- und Palmettenbordüren). Von der gleichen Hand wurde auch der Stich im Vorderdeckel von Clm 19034 (s. o.) koloriert. Bis auf fol. 3 r und 232 v dienen die Graphiken als Einleitungsbilder der thematisch entsprechenden Kapitel des 'Vita beatae virginis Mariae et salvatoris rhythmica' (fol. 11 l r 200 v ), 59 die hier Vita et conversacio domini nostri Iesu et eius dulcissime matris et que passi sunt in presenti vita überschrieben ist. Am Anfang fehlt ein Stück, der Textbeginn ist jedoch identisch mit dem Überlieferungszeugen Clm 12518, fol. 9 r . Der Kupferstich auf fol. 3 r dient als Einleitungsbild des auf fol. 4 r beginnenden Liedes Ulrich Stöcklins (Ave beatissime • Ihesu rex iustorum..., AH 38, 86), der Metallschnitt auf fol. 232 v leitet den Hymnus Ave Ihesu parvule • rex regum sublimis... (AH 31, 26, Nr. 23), ein. Auf einigen der Blätter brachte der Scheiber des Codex zusätzlich lateinische Verse zur Passionsbetrachtung an. Der Kupferstich des Einzugs (fol. 31) hat keinen unmittelbaren Textbezug, sondern bildet das Anfangsbild der ganzen Hs.; der Metallschnitt der Geburt (fol. 232 v ) leitet ein Gebet über Christus im Leib Mariae (AH 31, 26 Nr. 23) ein.

59

Vgl. zu diesem Text die Edition von VÖGTLIN 1888 sowie GERHARD EIS in ' V L Bd. 4, Sp. 710-713.

Handschriften

403

Lit.: HALM Bd. 11,3, S. 285; LEIDINGER in HEITZ, Einblattdrucke Bd. 15, passim (s. o. die einzelnen Nummern); LEIDINGER, Vierzig Metallschnitte 1908, S. 12 f.; LEHRS, Krit. Kat. Bd. III, S. 33 u. 62; BEVERS 1 9 8 7 , S. 4 2 f.; WELZEL 1 9 9 5 , S . 1 3 2 A b b . 10, S. 1 3 3 ; BAUER 1 9 9 6 , S . 5 A n m . 1 4 , S . 1 5 7 , 2 1 0 ; SCHMIDT 1 9 9 8 , S. 8 3 A n m . 1 3 .

Clm 20131 Sammelhandschrift, Iat. (Heinrich Seuse, 'Cursus de eterna sapientia'; 'Cursus de passione Christi'; 'Cursus de spiritu sancto'; Petrus de Alliaco, 'Confessionale'; div. Gebete und Hymnen, Meßanweisungen etc.) Tegernsee, Benediktiner. Papier (fol. 1 u. 229 Perg.); 229 Bl.; 10,5 x 7,6 cm; Andechs, 1 4 5 4 - 5 8 Mehrere Hände (fol. 2 r -44 v Leonhard Eggerer). 60 Rubriziert, rote Lombarden. Dat. 1454 (fol. 178r), 1456 (fol. 17 v ), 1458 (fol. 21 v u. 44 v , fol. 26 v zudem mit Ortsangabe Andechs). Alter Einband, hellbraunes Leder, Streicheisenlinien, Tegernseer Einzelstempel (darunter 1954, Taf. 69, Nr. 1, 4, 5). Beschläge und die Schließe entfernt.

KYRISS

Entfernte Illustrationen: Fol. 179V: Klebespuren eines abgelösten Bildes. Dieses bezog sich evtl. auf den nachfolgenden Text (fol. 1 8 0 R - 1 8 7 V ) , einen Modus disponendi se ad mortem (vgl. zu diesem Text RUDOLF 1 9 5 7 , S . 8 4 f . ) .

Noch vorhandene Ausstattung mit Druckgraphik: - Fol. 8V: Gefangennahme Christi, Holzschnitt (Sehr. 229a). Einf. 67 x 56 mm, Bl. 78-79 x 70-72 mm. Kol. Grün, Rotlack, Blau, Gelb, Inkarnat, sulfidiertes Silber (Nimben), Rahmen Gelb. Einfassungslinie links und oben ausgebrochen. Andere Drucke von demselben Stock in Cgm 1126, fol. 95 va u. 228 va , Clm 21543, fol. 47 v a u. 108 va (Leonhard Taichstetters 'Specula humanae salvationis', s. u.). - Fol. 18r: Grablegung, Holzschnitt (Sehr. 535a). Einf. 67 x 55 mm, Bl. 78 x 70 mm. Kol. Grün, Rotlack, Blau, Gelb, Braun, Rotbraun, Inkarnat, sulfidiertes Silber (Nimben). An den Ecken der Einfassung Häkchen mit roter Tinte vom Schreiber (Leonhard Eggerer), der darunter die Fürbittaufforderung Orate pro me • N • Maria anbrachte. Andere Drucke in Cgm 1126, fol. 140 va , Clm 21543, fol. 65 va . -Fol. 189 v : Stigmatisierung des hl. Franziskus, Metallschnitt (Sehr. 2631, Leidinger Nr. 50). Einf. 65 x 42 mm, Bl. 80 x 70 mm, Kol. Grün, Rotlack, Gelb. - Rd.: Kreuztragung, Holzschnitt (Sehr. 359a). Einf. 68 x 55 mm, Bl. 86 x 70 mm. Kol. Grün, Rotlack, Braun, Blau, Gelb, Inkarnat, sulfidiertes Silber (Nimben). Rechtes oberes Eck abgerissen, dort auch stark abgegriffen. Auf dem unteren Papierrand die Foliierungsnotiz aus dem Jahr 1856. Weitere Abdrücke des Holzschnitts in Cgm 1126, fol. 115 va u. 216 va , Clm 21543, fol. 56 v a u. 102 va . - Mit dem Bild läßt sich vielleicht das Passionsgebet auf fol. 60 r/v in Verbindung bringen, für das die Rubrik am Ende (fol. 60 v ) Ablaß verheißt, wenn es vor einem Kreuztragungsbild gesprochen wird (Quicumque dixerit oracionem precedentem ante imaginem Cristi portantis crucem habeat indulgenciam quinque milium

60

Zu Eggerer, der zahlreiche Bücher in Tegernsee und Andechs, wo er ab 1455 zum ersten Konvent gehörte, schrieb, s. REDLICH 1 9 3 1 , S . 1 4 6 und GLAUCHE in MBK Bd. IV,2, S , 7 3 8 .

404

Verzeichnisse

quadragentorum et sexaginta dierum a XXX apostolicis et XX archiepiscopis concessas). Die drei Holzschnitte gehören zur Kopienreihe der 'Gulden puchlein-Gruppe'. Die anderen erhaltenen Exemplare der Folge sind in die 1461 und 1463 datierten Handschriften Leonhard Taichstetters Cgm 1126 und Clm 21543 eingedruckt. Auch die Ausbrüche sind dort identisch. Zur gleichen Serie - auch von der gleichen Hand bemalt - gehören die Blätter in Clm 19957 und Clm 20132 sowie, in schlechterer Druckqualität und mit anderer Kolorierung, in Clm 20162. Lit.: HALM B d . 11,3, S. 2 8 5 f.; LEIDINGER in HEITZ, E i n b l a t t d r u c k e B d . 15, N r . 5 0 ; WEIGMANN 1 9 1 8 , S. 11; HAIMERL 1 9 5 2 , S . 6 8 ; SCHMIDT 1 9 9 8 , S. 8 5 A n m . 7 0 u. 8 0 .

Clm 20132 Gebete, Hymnen, lat. Tegernsee, Benediktiner. Papier (fol. 234 Perg); 234 Bl.; 10,5 x 7 cm; ca. 1450—

60 Mehrere Hände. Rubriziert, rote Lombarden; fol. 80 v , 83 r einfache fleuronnierte Initialen. Wz. Berg Br. 11822 (1447), Waage ähnl. Picc VII, 283-290 (1454-1461), Turm u.a. ähnl. Picc. II, 331 (1454), ähnl. Picc. I, 294 (1456). Alter Einband, rotes Leder. Bildschmuck: Fol. 73 r (Abb. 138): Dilettantische Federzeichnung (Tinte braun, rot, grün) einer Vera icon, vielleicht vom Schreiber, von dem der Text darüber (Marienhymnus, AH 3, 26, Nr. 3) und die rote Bildunterschrift Salve sancta facies stammt. Fol. 82 v : Dilettantische Federzeichnung, nachträglich flächig grün eingefärbt: Nackter Christus, auf einem Stein sitzend, mit einem Vogel auf der Schulter.

Entfernte Illustrationen (alle beim Schreiben eingeplant): - Fol. 49 v : Ornamentaler Rahmen (Palmettenband, Feder mit mehrfarbigen Tinten), der einst ein eingeklebtes, heute fehlendes Bild umschloß. Dieses bezog sich wahrscheinlich auf das Gebet 'Salve sancta facies' (Chev. 18189) auf der gegenüberliegenden Seite (fol. 50 r ). - Fol. 61 v : Rahmung (blaue und rote Balken und Reste einer ornamentalen Leiste, ähnl. fol. 73 v , in brauner Tinte), die ein aufgeklebtes, heute abgelöstes Bild umgab. Bezog sich vermutlich auf das Gebet zur hl. Barbara auf der folgenden Seite (fol. 62 r ). -Fol. 73 v /74 r (Abb. 139): Ornamentaler Rahmen (Palmetten-Zickzackband, Feder mit mehrfarbigen Tinten) um die Doppelseite, der zwei heute fehlende Bilder umschloß. Vielleicht Einleitungsbilder zu dem auf der folgenden Seite (fol. 74 v ) beginnenden Marienhymnus Konrads von Haimburg (Chev. 2098, vgl. 2 VL Bd. 5, Sp. 184). - Fol. 85 v : Ornamentaler Rahmen wie fol. 73 v /74 r , der ein eingeklebtes, heute fehlendes Blatt umschloß. Auf den folgenden Seiten verschiedene Betrachtungen und Gebete. Ausstattung mit Druckgraphik: - V d . (Abb. 185): Auf den Deckelspiegel aufgeklebt: Christus am Ölberg, Holzschnitt (Sehr. 207a). Einf. 68 x 55 mm, Bl. 73-74 x 65 mm. Kol. Grün, Blau, Rotbraun, Ocker, Silber (Nimben). Andere Abdrücke in den 'Specula humanae salvationis' Leonhard Taichstetters, Cgm 1126, fol. 218 va , und Clm 21543, fol. 103 va (s. u.). Möglicher Text-

405

Handschriften

bezug: Unmittelbar auf den Ölberg-Holzschnitt folgt eine Oracio beati Ambrosii episcopi de passione domini.61 Auf fol. 28 r -33 r steht das Aegidius Romanus zugeschriebene Tagzeitengedicht (vgl. AH 30, 32, Nr. 13), das die Passion von der Ölbergszene an behandelt (Inc.: Patris sapiencia • veritas divina • Christus a suis discipulis • et notis derelictus...

homo captus est • hora matutina •

- Rd.: Auf dem Deckelspiegel aufgeklebt: Kreuzabnahme, Holzschnitt (Sehr. 506a). Einf. 68 x 55 mm, Bl. 73-74 x 67 mm. Kol. Blau, Grün, Rotbraun, Gelb, Inkarnat, sulfidiertes Silber (Nimben). Andere Abdrücke in Cgm 1126, fol. 135va u. 230 va , Clm 21543, fol. 63 v a u. 109va. Die Holzschnitte gehören zur Kopienreihe der 'Gulden puchlein-Gruppe'. Beides sind schlechte Abdrücke von teilweise beschädigten Stöcken (Ausbrüche der Einfassungslinie von Sehr. 207a). Zur gleichen Serie - auch von der gleichen Hand bemalt - gehören die Blätter in Clm 19957 und Clm 20131 sowie, in schlechterer Druckqualität und mit anderer Kolorierung, in Clm 20162. Lit.: HALM B d . 11,3, S. 2 8 5 f.; SCHMIDT 1 9 9 8 , S. 8 5 A n m . 7 0 u. 8 0 .

Clm 20162 Sammelhandschrift, lat. (Ps.-Augustinus, 'Speculum mortis';62 Teile aus Thomas von Kempen, 'De imitatione Christi'; Hugo von St. Victor, 'De oratione'; 'Regula Benedicta etc.) Tegernsee, Benediktiner. Papier; 200 Bl.; 10,7 x 8 cm; Tegernsee, ca. 1450-60 u. 4. V. 15. Jh. Mehrere Hände. Rubriziert. Das Buch ist aus verschieden alten Teilen zusammengebunden; der erste mit Wz. Turm Picc. II, 331 (1451-54), spätere aus dem 4. V. 15. Jh. Alter Einband, Halbleder braun, Streicheisenverzierung und Tegernseer Einzelstempel (darunter KYRISS 1954, Taf. 69, Nr. 1). Die Schließe ist verloren.

Ausstattung mit Druckgraphik: - Vd.: Apostel Paulus, Holzschnitt (nicht bei S C H R E I B E R ) . Einf. 102 x 63 mm, Bl. 111 x 65 mm. Ende 15. Jh. Fol. l v (Abb. 187): Einzug Christi in Jerusalem, Holzschnitt (Sehr. 154a). Einf. 66 x 55 mm, Bl. 80-81 x 68-72 mm. Schlechter Druck. Kol. Rosa, Braun, Zinnober, unsorgfältig aufgetragen. Der Holzschnitt gehört zur Kopienreihe der 'Gulden puchlein-Gruppe'. Drucke vom gleichen Stock in den 1461 und 1463 datierten Hss. Leonhard Taichstetters Cgm 1126, fol. 80 va , und Clm 21543, fol. 40 va (s. u.). Zur gleichen Folge gehören die Blätter in Clm 19957, Clm 20131 und Clm 20132, die jedoch von anderer Hand koloriert sind. - Dem Bild folgt das Ps.-Augustinische 'Speculum mortis', zu dem es in keinem inhaltlichen Bezug steht. - Rd.: Hl. Bartholomäus, Holzschnitt (nicht bei S C H R E I B E R ) . Einf. 101 x 62 mm, Bl. 111 x 66 mm. Ende 15. Jh., aus der gleichen Apostelfolge wie das Blatt im Vd. 61

Inc.: Domine Ihesu Christe, fili dei v/vi, creator et reuscitator... (auch in Clm 20131, fol. 27 r ff.

62

Vgl. zu dem Text ACHTEN 1972, S. 85, Nr. 12).

Dieser Text verzeichnet bei RUDOLF 1957, S. 14.

406

Verzeichnisse

Lit.: HALM Bd. 11,3, S. 2 8 6 ; RJEHL 1895/96, S. 4 5 f.; BAUER 1996, S. 2 0 2 A n m . 3 3 8 ; SCHMIDT 1998, S. 85 Anm. 7 0 u. 80.

Clm 20177 Exzerptsammlung (Gregor, Bernhard, Heinrich Seuse etc.) Tegernsee, Benediktiner. Papier; nicht durchgehend gez. (letzter gez. Teil 287 Bl.); 10,9 x 7,7 cm; Tegernsee, 2. H. 15. Jh. Mehrere Hände (darunter Paulus Steger); Rubriziert, rote Lombarden. Verschiedene, unabhängig voneinander geschriebene Teile sind hier zusammengebunden (s. die eigenständigen alten Blattzählungen verschiedener Teile). Alter Einband, unverziertes dunkelbraunes Leder; die Schließe fehlt. Ausstattung mit Druckgraphik: Auf dem vorderen Deckelspiegel klebt der Holzschnitt einer thronenden Madonna mit Lilienszepter (Sehr. 1062); Einf. nicht zu erkennen (beschnitten, bei anderen Exx. 115 x 81), Bl. 112 x 76 mm. Kol. Grün, Zinnober, Inkarnat. Weitere Exx. in einem gedruckten Tegernseer Brevier (München, BSB, L. impr. membr. 3 (2), Vd.) und in Paris, BN. Ein Werk des Quirinus-Meisters (s. Kap. H.3.9.), Bayern, 4. V. 15. Jh. Lit.: HALM Bd. 11,3, S. 2 8 7 f.

Clm 21543 Speculum humanae salvationis, lat. Weihenstephan, Benediktiner. Papier; 115 Bl.; 28,3 x 21 cm; Bayern (München?) 1461 Eine Hand (Leonhard Taichstetter). Dat. 1461 mit Taichstetters Monogramm (fol. 114v). Rubriziert, rote Lombarden. Bis auf das Fehlen des deutschen Textes gleich aufgebaut und illustriert wie Cgm 1126 vom gleichen Schreiber. Alter Einband, roter Lederüberzug, verziert mit Streicheisenverzierung und Einzelstempeln (einige identisch mit denen auf Cgm 1126), Rücken mit Papier eines Druckes überklebt. Tabelle der Ausstattung mit 192 eingedruckten Holzschnitten (bis auf die 18 Holzschnitte, bei denen dies eigens vermerkt ist, nicht bei SCHREIBER; s. Abb. 181-184), die mit denen von Cgm 1126 identisch sind: Kapitel u. Darstellung Kap. I: 1. Sturz Luzifers 2. Erschaffung Adams 3. Vermählung Adams mit Eva 4. Eva und die Schlange

Clm 21543, fol. 9va 9vb 10 ra 10 rb

Cgm 1126, fol. 10va 10vb

11 ra U

rb

407

Handschriften

Kap. II: 1. Sündenfall 2. Vertreibung aus dem Paradies 3. Adam und Eva bei der Arbeit 4. Die Arche Noah Kap. III: 1. Verkündigung an Anna 2. Traum des Astyages 3. Der versiegelte Brunnen 4. Bileam und der Esel Kap. IV: 1. Geburt Mariae 2. Wurzel Jesse 3. Die verschlossene Tempelpforte 4. Tempel Salomonis Kap. V.: 1. Tempelgang Mariae 2. Fischer heben den Tisch der Sonne 3. Jephte enthauptet seine Tochter 4. Die Königin von Persien im Garten Kap. VI: 1. Verlobung Mariae 2. Verlobung von Tobias und Sarah 3. Der Turm Baris 4. Der Turm Davids Kap. VII: 1. Verkündigung an Maria (Sehr. 49fl, zweiter Abdruck auf fol. 22 va /40 va ) 2. Moses und der brennende Dornbusch 3. Gideon kniet vor dem Vlies und sieht die Hand Gottes 4. Rebekka und Eleasar am Brunnen Kap. VIII: 1. Geburt Christi 2. Traum der gefesselten Weinschenken 3. Der grünende Aaronsstab 4. Die tiburtinische Sibylle und Augustus In Cgm 1126 wurde vom Holzschnitt auf fol. 46 rb das Visionsbild des Christuskindes herausgeschnitten. Kap. IX: 1. Anbetung der hl. drei Könige 2. Die hl. drei Könige sehen den Stern, darin das Bild des Christuskindes 3. Die drei Helden vor Salomo 4. Thron Salomonis Abweichende Anordnung der Figuren. Clm 21543 entspricht der normalen Abfolge, in Cgm 1126 sind die Bilder 2. und 3. fälschlich vertauscht. In Clm 21543, fol. 27 va befindet sich das Bild ausnahmsweise am unteren Rand der Seite.

12va 12 vb 13ra 13rb

15va 15 vb 16ra 16rb

14 va 14 vb 15ra 15rb

20 va 20 vb 21 ra 21 rb

16 va 16 vb 17ra 17rb

25 va 25 vb 26ra 26rb

18 vb 19ra 19rb 19 va

30va

20 v a 20 v b 21 ra 21 rb

35 va

22 v a 22 vb 23 ra 23 rb

40 va 4Qvb

25 va 25 v b 26 ra 26 rb

45 va 45 vb 46 ra 46 rb

27 va

50 va

27 v b 28 ra 28 rb

51ra

30 vb 31 ra 3 lrb

35vb

36 ra 36 rb

41ra

41 rb

50 vb 51 rb

408

Verzeichnisse

Kap. X 1. Darstellung Christi im Tempel 2. Die Bundeslade 3. Der siebenarmige Leuchter 4. Darstellung Samuels im Tempel Kap. XI: 1. Flucht nach Ägypten 2. Die ägyptische Madonna 3. Moses zerbricht die Krone des Pharao 4. Nebukadnezar sieht im Traum den Götzen Kap. XII: 1. Taufe Christi 2. Das eherne Meer 3. Naaman wird im Jordan vom Aussatz befreit 4. Die Bundeslade wird trocken durch den Jordan getragen Kap. XIII: 1. Versuchung Christi 2. Daniel tötet den Drachen 3. David tötet Goliath 4. David tötet den Löwen und den Bären Kap. XIV: 1. Magdalena wäscht Christus die Füße 2. Der gefesselte Manasses 3. Die Rückkehr des verlorenen Sohnes 4. David bereut seine Vergehen Kap. XV: 1. Einzug Christi in Jerusalem (Sehr. 154a) 2. Jeremia weint über die Zerstörung Jerusalems 3. David mit dem Haupt Goliaths wird in der Stadt empfangen 4. Geißelung Heliodors Kap. XVI: 1. Abendmahl Christi (Sehr. 178a, zweiter Abdruck auf fol. 103 ra /217 va ) 2. Mannalese 3. Passahlamm 4. Abraham und Melchisedek Kap. XVII: 1. Die Häscher fallen vor Christus zu Boden (Sehr. 216a) 2. Simson tötet die Feinde 3. Samgar tötet die Feinde 4. David tötet die Feinde Kap. XVIII: 1. Gefangennahme Christi (Sehr. 229a, zweiter Abdruck auf fol. 108 va /228 va ) 2. Joab tötet Amasa 3. David spielt vor dem mit einem Schwert bewaffneten Saulauf der Harfe 4. Kain und Abel

29 va 29 vb 30 ra 30 rb

55va 55 vb 56 ra 56 rb

31 va 3 lvb 32 ra 32 rb

60 va 60 vb 61 ra 61 rb

34 va 34 vb 35 ra

65 va 65 vb 66 ra

35 rb

66 rb

36 va 36 vb 37 ra 37 rb

71 va 71 vb 72 ra 72 rb

3 8va 38 vb 39 ra 39 rb

75 va 75 vb 76 ra 76 rb

40 va 40 v b 41 ra 41 rb

80 va 80 vb 81 ra 81 rb

42 va 42 v b 43 ra 43 rb

85 va 85 vb 86 ra 86 rb

45 va 45 v b 46 ra 46 rb

90 va 90 vb 91 ra 91 rb

47 va 47 vb

95 va 95 vb

48 ra 48 rb

96 ra 96 rb

Handschriften

409

Figur 3 ist ein Mißverständnis des Angriffs Sauls auf David ( v g l . BREITENBACH 1 9 3 0 , S . 1 7 4 m . A n m . 2 ) .

Kap. XIX: 1. Verspottung Christi (Sehr. 254a) 2. Hur wird bespien 3. Noahs Schande 4. Simson wird von den Philistern verspottet Kap. XX: 1. Geißelung Christi (Sehr. 304b, zweiter Abdruck auf fol. 105 ra /221 va ) 2. Geißelung Achiors 3. Geißelung Lamechs 4. Geißelung Hiobs Kap. XXI: 1. Dornenkrönung Christi (Sehr. 316a) 2. Darius und Apamene 3. Simei bewirft David mit Steinen 4. Der König von Amnion mißhandelt den Gesandten Davids Kap. XXII: 1. Kreuztragung Christi (Sehr. 359a, zweiter Abdruck fol. 102 va /216 va ) 2. Opferung Isaaks 3. Das Erbe des Weinbergs 4. Die Traube mit den Trägern Kap. XXIII: 1. Christus am Kreuz mit Maria und Johannes (weitere Abdrücke des Holzschnitts unten im Passionsteil fol. 106ra/223va und bei den Schmerzen Mariae fol. 109ra/229va 2. Jubal und Tubal-Kain 3. Jesaja wird zersägt 4. Der König von Moab opfert seinen Sohn In der Regel steht an erster Stelle die Kreuzannagelung; BREITENBACH 1930, S. 194 Anm. 5 kennt nur zwei weitere Hss., die die hier dargestellte Szene zeigen. Kap. XXIV: 1. Christus zwischen den Schächern am Kreuz 2. Der Traum Nebukadnezars 3. Der Opfertod des Königs Kodros 4. Eleasar und der Elefant Kap. XXV: 1. Christus wird am Kreuz verspottet 2. Sauls Tochter verspottet David 3. Absaloms Tod 4. Evil-Merodach teilt seines Vaters Leichnam Figur 2 und 3 sind in Cgm 1126 gegenüber Clm 21543 vertauscht; die Reihenfolge in der letzteren Hs. entspricht dem Normalfall (BREITENBACH 1930, S. 206-209).

49 va 49

vb

50 ra 50 rb

52 va

100va 100vb 101ra 101rb

53 ra 53 rb

105va 105vb 106ra 106rb

54 va 54 vb 55 ra 55 rb

110va 110vb lllra lllrb

56 va 56 vb 57 ra 57 rb

115va 115vb 116ra 116rb

57 va 58 ra 58 rb

120va 120vb 121ra 121rb

60 va 60 vb 61 ra 61 rb

125va 125vb 126ra 126rb

61 va 61 vb 62ra 62rb

130va 131ra

52

57

vb

vb

130

vb

131rb

410

Verzeichnisse

Kap. XXVI: 1. Abnahme Christi vom Kreuz (Sehr. 506a, zweiter Abdruck auf fol. 109 va /230 va ) 2. Jakob weint über den Rock Josephs 3. Adam und Eva trauern um Abel 4. Naemi trauert um ihren Mann und ihre Söhne Kap. XXVII: 1. Grablegung Christi (Sehr. 535a) 2. Davids Trauer bei Abners Begräbnis 3. Joseph wird in die Grube geworfen 4. Jonas wird ins Meer geworfen Kap. XXVIII: 1. Die vier Regionen des Totenreiches 2. Die drei Jünglinge im Feuerofen 3. Daniel in der Löwengrube 4. Der Strauß befreit sein Junges Kap. XXIX: 1. Christus mit dem besiegten Teufel 2. Benaia tötet einen Löwen 3. Simson tötet den Löwen 4. Ehud tötet den König Eglon Kap. XXX: 1. Maria geißelt den Teufel 2. Judith tötet Holofernes 3. Jael tötet Sisara 4. Tomyris tötet den König Kyrus Kap. XXXI: 1. Christus in der Vorhölle (Sehr. 697a) 2. Auszug der Israeliten aus Ägypten 3. Abraham wird aus dem Feuer der Chaldäer befreit 4. Lots Auszug aus Sodom Kap. XXXII: 1. Auferstehung Christi (Sehr. 546a) 2. Simson hebt die Tore von Gaza aus 3. Jonas wird vom Wal ausgespien 4. Der Schlußstein des Tempels am Kran

63 v a 64 ra 64 r b

135 va 135 vb 136 ra 136 rb

65 v a 65 v b 66 ra 66 rb

140 va 140 vb 141 ra 141 rb

67 v a

145 va 145 vb 146 ra 146 rb

63

vb

67vb

68 ra 68 rb 70 v a 70

vb

71 ra 71 rb 72 v a 72 v b 73 ra 73

rb

74 v a 74

vb

75 ra 75 rb 77

va

77

vb

78 ra 78

rb

150 va 150 vb 151 ra 15 l r b 155 va 155 vb 156 ra 156 rb 160 va 160 vb 161 ra 161 rb 165 va 165 vb 166 ra 166 rb

Kap. XXXIII: 1. Himmelfahrt Christi (Sehr. 586b, zweiter Abdruck auf fol. 110 ra /231 va ) 2. Die Jakobsleiter 3. Der gute Hirte 4. Elias Himmelfahrt

79 v a 7 9vb 80ra 80 rb

170 va

Kap. XXXIV 1. Ausgießung des Hl. Geistes (Sehr. 596a) 2. Turmbau zu Babel 3. Übergabe der Gesetzestafeln an Mose 4. Die Witwe mit dem Ölkrüglein

82 va 82 vb 83 ra 83 rb

175 va 175 vb 176 ra 176 rb

170

vb

171 ra 171 rb

Handschriften

Kap. XXXV 1. Trauer Mariae nach der Himmelfahrt ihres Sohnes 2. Die Mutter Tobias' trauert um ihren Sohn 3. Der verlorene Groschen 4. Saul und Michal In Cgm 1126 wurde vom Holzschnitt auf fol. 181rb die Krone Sauls herausgeschnitten. Kap. XXXVI: 1. Aufnahme Mariae in den Himmel (zweiter Abdruck unten, fol. 114ra/239va) 2. David bringt die Bundeslade nach Jerusalem 3. Das apokalyptische Weib 4. Salomo weist seiner Mutter einen Platz neben sich an In Cgm 1126 zwei in die Bilder auf fol. 186ra geschnittene Löcher. Kap. XXXVII: 1. Maria spricht vor Gott für die Gläubigen 2. David mit den gewappneten Rittern vor der Burg 3. Abigail besänftigt David 4. Die weise Frau wirft den Kopf Sebas von der Mauer der Stadt Abel und besänftigt so Joab 63 In Cgm 1126 ist die Schutzmantelmadonna, die eigentlich zu Kap. XXXVIII gehört, hier vorgezogen;64 die Holzstöcke für Kap. XXXVII und XXXVIII wurden vertauscht. - Das Bild Abigails, die David besänftigt, ist fälschlich von der zweiten an die dritte Stelle gerückt. Das Bild, das dafür als zweite Figur abgedruckt wurde, gibt es in keiner anderen Speculum-Hs.65 Es steht nicht mit dem Text in Beziehung; eigentlich müßte hier die Besänftigung des Zorns Davids durch das Weib von Tekoa stehen. Kap. XXXVIII: 1. Schutzmantelmadonna weist Pfeile Gottes ab 2. Moses belagert Saba 3. Abimelech wird getötet 4. Michol verhilft David zur Flucht Kap. XXXIX: 1. Christus zeigt Gottvater seine Wunden 2. Antipater zeigt Julius Caesar seine Wunden 3. Maria zeigt Christus ihre Brüste 4. Esther bittet für das Volk Israel Kap. XL: 1. Jüngstes Gericht (gleichseitige Wiederholung von Sehr. 620) 2. Gleichnis von den anvertrauten Pfunden 3. Kluge und törichte Jungfrauen 4. Gottes Hand schreibt das Menetekel an die Wand

411

84 va 84 vb 85 ra 85 rb

180va 180vb 181ra 181rb

87 va 87 vb 88ra 88rb

185va 185vb 186ra 186rb

90 va

195va 190vb 191ra

90vb

91 ra rb

191rb

91 va 91 vb 92 ra 92 rb

190va 195vb 196ra 196rb

95 va 95 vb 96 ra 96 rb

200 va 200 vb 201 ra 201 rb

97 va 97 vb 98 ra 98 rb

205 va 205 vb 206 ra 206 rb

91

63

Die Szene der weisen Frau mit dem Kopf Sebas geht zurück auf 2. Samuel 20, 13-22. Das Bild der weisen Frau, die Joab besänftigt, ist in den Handschriften vielfach abgewandelt oder

64

Nach BREITENBACH 1930 taucht die Schutzmantelmadonna nur in sehr wenigen Fällen schon im Kap. XXXVII auf.

65

BREITENBACH 1930, S. 2 5 7 A n m . 4.

entstellt (BREITENBACH 1930, S. 258 f. mit Anm. 2 u. 4).

412

Verzeichnisse

Kap. XLI: 1. Die Qualen der Hölle 2. Davids Rache 3. Gideons Rache 4. Der Untergang Pharaos Kap. XLII: 1. Die Freuden der Seligen 2. Salomo und die Königin von Saba 3. Das Gastmahl des Königs Assuerus 4. Das Mahl der Kinder Hiobs

100 ra 100rb

209 va 209 vb 210 ra 210 rb

101ra 101rb 101va 101 vb

213 va 213 vb 214 ra 214 rb

102va

216 va

103ra 103 va 104ra 104 va

217 va 218 va 219 va 220 va

105ra

221 va

105va

222 va

106ra

223 va

106 va

224 va

107ra

225 va

107 va

226 va

108ra

227 va

108 va

228 va

109ra

229 va

109 va

230 va

110ra

231 va

qqxb

Passion (Kap. XLIII): Einleitungsbild des Kapitels (Rubrik: Iesus portans crucem suam. Capitulum quadragesimumSeptem höre de passione Christi Iesu): Kreuztragung (Sehr. 359a, gleicher Holzschnitt wie oben, Kap. XXII, 1) Zur Vesper: Abendmahl (Sehr. 178a, gleicher Holzschnitt wie oben, Kap. XVI, 1) Zur Komplet: Ölberg (Sehr. 207a) Zur Matutin: Christus vor Kaiphas Zur Prim: Christus vor Pilatus (Sehr.261b) Zur Terz: Geißelung Christi (Sehr. 304b, gleicher Holzschnitt wie oben, Kap. XX, 1) Zur Sext: Pilatus wäscht sich die Hände (Sehr. 282b); spiegelverkehrte Wiederholung von Sehr. 282=283, 282a) Zur Non: Christus am Kreuz zwischen Maria und Johannes (gleicher Holschnitt wie oben, Kap. XXIII, und unten, fol. 109 ra /229 va ) Sieben Schmerzen Mariae (Kap. XLIV): Einleitungsbild des Kapitels (Rubrik beginnt Incipiunt Septem tristicie Marie. Gladius in corde fratris predicatoris): Dominikaner mit Schwert in der Brust Erster Schmerz: Darstellung im Tempel (gleicher Holzschnitt wie oben, Kap. X,l, und unten, fol. 113 ra /237 va ) Zweiter Schmerz: Flucht nach Ägypten (gleicher Holzschnitt wie oben, Kap. XI, 1), Dritter Schmerz: Der zwölfj ährige Jesus im Tempel (zweiter Abdruck unten, fol. 113 va /238 va ) Vierter Schmerz: Gefangennahme (Sehr. 229a, gleicher Holzschnitt wie oben, Kap. XVIII) Fünfter Schmerz: Christus am Kreuz zwischen Maria und Johannes (gleicher Holzschnitt wie oben, Kap. XXIII, 1, und im Passionsteil fol. 106 ra /223 va ) Sechster Schmerz: Kreuzabnahme (Sehr. 506a, gleicher Holzschnitt wie oben, Kap. XXVI, 1) Siebter Schmerz: Himmelfahrt Christi (Sehr. 586b, gleicher Holzschnitt wie oben, Kap. XXXIII, 1)

Handschriften

413

Sieben Freuden Mariae (Kap. XLV): Einleitungsbild des Kapitels (Rubrik beginnt: Sacerdos quidam uidit miraculum de septem gaudys beate uirginis): Maria am Bett eines Mönchs Erste Freude: Verkündigung (Sehr. 49Q, gleicher Holzschnitt wie oben, Kap. VII, 1, fol. 22 va /40 va ) Zweite Freude: Heimsuchung (auf fol. 234 v a von Cgm 1126 ist der Nimbus Mariae herausgeschnitten) Dritte Freude: Geburt Christi (gleicher Holzschnitt wie oben, Kap. VIII, 1) Vierte Freude: Anbetung der Könige (gleicher Holzschnitt wie oben, Kap. IX, 1) Fünfte Freude: Darstellung Christi im Tempel (gleicher Holzschnitt wie oben, Kap. X, 1, fol. 107 ra /225 va ) Sechste Freude: Der zwölfjährige Jesus im Tempel (gleicher Holzschnitt wie oben, Schmerzen Mariae, fol. 108 ra /227 va ) Siebte Freude: Aufnahme Mariae in den Himmel (gleicher Holzschnitt wie oben, Kap. XXXVI, 1)

110 va

232 v a

11 l r a 11 l v a

233 v a 234 v a

112 ra

235 v a

112 va

236 v a

113 ra

237 v a

113 va

238 v a

114 ra

239 v a

Bis auf die 18 Holzschnitte, bei denen dies eigens vermerkt ist, nicht bei S C H R E I B E R , auch sonst in der Literatur nirgends einzeln verzeichnet. Maße: Einf. 67-68 x 55-59 mm. Kol. Grün, Blau, Gelb, Braun, Rot (mehrere Töne), Zinnober, Grau; Nimben, Waffen und Rüstungsteile etc. Gold und Silber, z. T. mit schwarzen Linien; Einfassung Zinnober oder Gelb. Kol. von einer Hand. 164 der Speculum-Holzschnitte stammen aus ein- und derselben Werkstatt; einer älteren Folge aus der 'Gulden puchlein-Gruppe' (s. Kap. II. 1.2., IV.4.) gehören die meisten Szenen aus dem Leben und Leiden Christi an: Sehr. 49Q. (fol. 22 v a /40 v a und 11 l r a /233 v a ), 154a (fol. 40 va /80 va ), 178a (fol. 42 v a /85 v a und 103 ra /217 va ), 207a (fol. 103 va /218 va ), 216a (fol. 45 va /90 va ), 229a (fol. 47 v a /95 v a und 108 va /228 va ), 254a (fol. 49 va /100 va ), 261b (fol. 104 va /220 va ), 282b (fol. 105 va /222 va ), 304b (fol. 52 va /105 va und 105 ra /221 va ), 316a (fol. 54 va /110 va ), 359a (fol. 56 va /115 va und 102 va /l 16 va ), 506a (fol. 63 v a /135 v a und 109 va /230 va ), 535a (fol. 65 va /140 va ), 546a (fol. 77 va /165 va ), 586b (fol. 79 v a /170 v a und 110 ra /231 va ), 596a (fol. 82 va /175 va ) und 697a (fol. 74 va /160 va ). - Zu keiner der genannten zwei Gruppen gehört die Darstellung Christi am Kreuz (fol. 57 va /120 va , fol. 106 ra /223 va , fol. 109 ra /229 va ). Lit.: HALM B d . 11,4, S. 4 ; SCHREIBER 1 8 9 5 , S. 2 1 1 A n m . 3; LUTZ - PERDRIZET 1 9 0 7 B d . 1, S . XIII, Nr. 1 0 4 ; KRISTELLER 1 9 1 7 , S. 6; WEIGMANN 1 9 1 8 , S. 1 0 f.; BREITENBACH 1 9 3 0 , S. 13 (Kat. N r .

104); COHN 1934, S. 44 Anm. 2; Freising, 1250 Jahre geistliche Stadt, Ausst. Diözesanmuseum Freising, München - Dillingen 1989, S. 260; STORK - WACHINGER in 2 V L Bd. 9, Sp. 53-65, dort S p . 6 1 ; BAURMEISTER 1 9 9 4 , S. 1 4 8 , S. 1 5 8 A b b . 2; SCHMIDT 1 9 9 8 , S. 7 4 - 7 7 , S. 8 5 A n m . 5 7 f. u. 6 8 .

Clm 23204 Sammelhandschrift, lat. (Psalmen; Marienofflzium; 'Cursus de passione domini' etc.) Tegernsee, Benediktiner. 15. Jh.

Papier und Pergament;

156 Bl.; 10 x 7,4 cm; 2. H.

414

Verzeichnisse

Drei Hände (eine davon die von Clm 20021); Rubriziert, rote Lombarden, einfache fleuronnierte Initialen (Tinte, schwarz und rot), Notenzeilen zu den Antiphonen. Alter Einband, braunes Leder mit Streicheisenmuster und Tegemseer Einzelstempeln (KYRISS 1954, Taf. 6 9 , Nr. 1).

Entfernte Illustrationen: Der vordere Deckelspiegel wurde herausgestemmt - vermutlich, um ein dort eingeklebtes Bild zu entfernen. Ausstattung mit Druckgraphik: Rd.: Christus vor Pilatus, der sich die Hände wäscht, Metallschnitt (Sehr. 2276; nicht bei LEIDINGER in HEITZ, Einblattdrucke Bd. 15). Einf. 62-63 x 46 mm, Bl. 85 x 61 mm. Die Gewänder Christi und Pilati sind mit Rotlack grob eingefärbt. Oben eine Schriftzeile des 15. Jh.: Jesu Nazarene sis mihipropitius, keiner der Schreiber der Hs. Ein seitenverkehrter Nachschnitt ist Sehr. 2276a, der in Clm 20110 auf fol. 155r klebt. Lit.: HALM B d . 11,3, S. 5 9 .

Rar. 24 Einzelner Rückdeckel einer Handschrift, 161 x 107 m m ; Nürnberg, Dominikanerkloster, um 1463 Holzdeckel mit bräunlichem, ehem. hellem Leder; mit marmoriertem Papier, das den größten Teil des Leders verdeckt, in einen roten Pappumschlag des 19. Jh. montiert. Streicheisenverzierung und Einzelstempel des Nürnberger Dominikanerklosters (KYRISS 1954, Taf. 47, Nr. 4 u. 9). Dies macht wahrscheinlich, daß die von LEHRS, Krit. Kat. Bd. I, S. 226 u. 245 ohne Begründung angegebene Provenienz aus der Kartause Buxheim auf einem Mißverständnis beruht.

Auf dem Deckelspiegel (Papier, 156-158 x 104 mm) klebt der Kupferstich eines Gnadenstuhls (Abb. 42) vom Meister mit den Bandrollen (L. IV, 322, 109; G. 109; zunächst bei L E H R S unter dem Namen des Meisters von 1462, L. I, 244, 17). Um die Umrißlinien wenig sorgfältig ausgeschnitten; max. Abmessungen des Bl. 117 x 95; (PI. des vollständiger erhaltenen Exemplars in München, SGS: 128-132 x 109 mm). Klarer Druck. Auf dem Deckelspiegel oben die Notiz Frater Conradus Bamberger de Tzeyll • 1463 • in roter Tinte, die Jahreszahl überlappt den oberen Rand des Kupferstichs. Mit der gleichen Tinte sind Teile des Mantelsaums Gottvaters und dessen Krone in wenigen feinen Linien koloriert. Auf dem Kupferstich bräunliche Flecken. Conrad Bamberger aus Zeil ist als Bruder des Nürnberger Dominikanerklosters nachweisbar ( K I S T 1965, S. 16, Nr. 183), 1461 als Schreiber eines Codex (München BSB, Clm 26769, fol. 80r, nicht bei K I S T ) , 1464 wurde er zum Priester geweiht. Lit.: LEHRS 1 8 9 1 , S. 9; LEHRS, Krit. Kat. B d . I, S. 2 4 4 ; e b d . , B d . I V , S. 3 2 2 ; GEISBERG 1 9 2 3 , S. 3 8 .

Handschriften

415

München, Staatliche Graphische Sammlung Folgende Druckgraphiken der Sammlung sind unter den Handschriften aufgeführt, aus denen sie gelöst wurden: Holzschnitte: Heimsuchung (Sehr. 54, Inv.-Nr. 171514), Grablegung Christi (Sehr. 524, Inv.-Nr. 171516), Auferstehung (Sehr. 540, Inv.-Nr. 171517), Himmelfahrt Christi (Sehr. 580, Inv.-Nr. 171518), Tod Mariae (Sehr. 713, Inv.-Nr. 171519): s. München, BSB, Clm 20007. Metallschnitte: Messe des hl. Gregor (Sehr. 2653, Inv.-Nr. 174034): s. München, BSB, Clm 20001. Kupferstiche: Israhel van Meckenem, Verkündigung (L. 11, Inv.-Nr. 171463): s. München, BSB, Clm 19926. Meister des Dutuitschen Ölbergs (L. 38, Inv.-Nr. 171464): s. München, BSB, Clm 19926.

New York Public Library Ms 77

Gebetbuch, dt. Friedrich Culemann; Quaritch (1870); J. Lennox (1874). 33 x 23 cm; Nürnberg, ca. 1450

Pergament;

34 S.;

Zwei Hände, Textura (S. 2-19) und Bastarda (S. 19-34), Korrekturen von einer dritten. Rubriziert, rote Lombarden. Auf dem vorderen Deckelspiegel mit Feder gezeichnetes Wappen (16. Jh.), Rad mit acht Speichen im vertikal geteilten Schild, darunter die Jahreszahl 1546. Auf S. 1 Notizen des 16. Jh. Die Schreibsprache wie auch die Hervorhebung der Heiligen Heinrich, Otto, Sebald, Lorenz deuten auf Nürnberg als Entstehungsort. Mehrere Blätter fehlen; bei zwei Neubindungen wurde die Hs. falsch zusammengesetzt. Die heutige letzte Seite befand sich nicht ursprünglich in dieser Position. Tatsächlich muß statt S. 34 die S. 32 an letzter Stelle des noch vorhandenen Buchblocks stehen. Hier jedoch bricht der Text unvermittelt mitten im Satz ab. Ursprünglich folgten also noch mehrere Seiten; wieviele, ist nicht mehr zu sagen. Auch innerhalb des erhaltenen Buchblocks fehlen mindestens fünf Blätter, wie Fehlstellen im Text erkennen lassen. Die ältere Foliierung ist auf den Recto-Seiten, d. h. neben den ungeraden Seitennummern, schwach zu erkennen. Die erste identifizierbare Ziffer ist 4 auf S. 7; rechnet man zurück, begann die Zählung also ganz regelmäßig auf dem ersten der noch vorhandenen Blätter mit 1. An mehreren Stellen springt sie jedoch gegenüber der Paginierung: Auf den Seiten 13-21 läuft nach der heutigen Reihenfolge die Blattnumerierung 7-10-8-9-11. Würde man die Blätter nach dieser Foliierung anordnen, wäre die ursprüngliche Abfolge der Texte in diesem Teil des Buches gestört; hier

416

Verzeichnisse

stimmt die neuere Paginierung. Von da an entspricht jedoch die ältere Foliierung der korrekten Abfolge der Texte, während die Anordnung nach der heutigen Zählung einen Fehler enthält S. 33/34 (alt: fol. 13) gehört zwischen S. 23/34 (alt: fol. 12) und S. 25/26 (alt: fol. 14). Daraus ist zu folgern, daß die Hs. zweimal auseinandergenommen und neu zusammengesetzt worden war - das erste Mal vor der Anbringung der Blatt-, das zweite Mal vor der Seitenzählung, jedesmal aber fehlerhaft. Im Folgenden eine Konkordanz der beiden Zählungen in der Reihenfolge der rekonstruierten richtigen Anordnung (vgl. die Inhaltsübersicht in Kap. IV.2): Neue Paginierung S. S. S. S.

Ältere Foliierung

1/2 3/4 5/6 7/8

Lücke (vermutl. 1 Bl.) S. 9/10 Lücke (vermutl. 1 Bl.) S. 11/12 S. 13/14 S. 15/16

[fol. 1] [fol. 2] [fol. 3] fol. 4 fol. 5 fol. 6 fol. 7 fol. 10

Neue Paginierung

Ältere Foliierung

S. 17/18 Lücke (mehrere Bl.) S. 19/20 S. 21/22 Lücke (1 Bl.) S. 23/24 S. 33/34 S. 25/26 S. 27/28 S. 29/30 S. 31/32

fol. 8 fol. 9 fol. 11 fol. 12 fol. 13 fol. 14 [fol. 15] fol. 16 fol. 17

Alter Einband, Leder, stark beschädigt; ehemals zwei Schließen.

Ausstattung mit Holzschnitten: Bis auf Sehr. 459a auf S. 24 ist keiner der 69 Holzschnitte bei SCHREIBER verzeichnet oder identisch mit einem in der Literatur bekannten Holzschnitt. Die Darstellungen aus dem Leben Jesu gehören zur 'Gulden puchlein'-Gruppe, weitere Abdrücke von den Holzstöcken kleben in der Hs. London, BL, Add. ms. 15712, die 1459 vollendet wurde. Die Holzschnitte wurden jeweils am linken Seitenrand auf das Pergament des Buches gedruckt, nachdem beim Schreiben der entsprechende Platz ausgespart worden war. Zum inhaltlichen Aufbau der Hs. und den Textbezügen der Bilder s. Kap. IV.2. mit Inhaltsverzeichnis. - S. 2: Hl. Hieronymus mit dem Löwen. Einf. 46 x 22 mm (nicht 70 x 60 mm, wie WEITENKAMPF 1934, S. 921 schreibt). Kol. Rotlack, Grün, Gelb. Gehört keiner der anderen in der Hs. vertretenen Holzschnittfolgen an. - S. 4: Gott verstößt Luzifer. 70 x 60 mm. Kol. Blau, Rotlack, Grau, Grün, Hellocker, Gelb, Einfassung Gelb. Bei SCHREIBER sind nur drei Darstellungen dieses Themas verzeichnet (Sehr. 597x, 699, 699a). Es ist aber Teil des 'Speculum humanae salvationis' (Kap. 1,1; motivisch ähnlich, doch nicht unmittelbar mit dieser Darstellung zusammenhängend die Holzschnitte in Cgm 1126, fol. 10va, Clm 21543, fol. 9 va , s. o.). Unten ist etwa ein Drittel der Seite weggeschnitten. Dort befand sich vermutlich ein Holzschnitt; als Thema käme die Erschaffung Adams in Frage. - S. 5 oben: Vertreibung der Ureltern aus dem Paradies. 70 x 55 mm. Kol. Grün, Rosa, Gelb, Einfassung Gelb. - S. 5 unten: Noah und seine Frau gehen an Bord der Arche. 65 x 60 mm. Kol. Ocker, Schwarz, Rotlack, Blau, Grün, Gelb, Einfassung Gelb. Etwa ein Drittel der Seite ist unten weggeschnitten; dort könnte sich ein Holzschnitt, evtl. die Erschaffung Adams, befunden haben. Wie schon der Sturz Luzifers, gehören auch die letzen beiden Bilder zur Ikonographie des 'Speculum humanae salvationis' (Kap. 11,4 u. XII,2). Sie folgen evtl. Vorlagen aus diesem Bereich. - S. 6 oben: Opferung Isaaks. 68 x 61 mm. Kol. Blau, Grün, Rosa, Violett, Gelb, Einfassung Gelb.

Handschriften

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- S. 6 unten: Moses mit einem Stab in der Hand, vor ihm drei leblose Männer am Boden; die Bedeutung der Szene ist nicht klar. 66 65 x 62 mm. Kol. Blau, Rotlack, Grün, Gelb, Rahmen Gelb. - S. 7: Der Priester weist Joachims Opfer zurück. 69 x 57 mm. Kol. Gelb, Rot, Grün. Gleichseitige Wiederholung des Holzschnitts Sehr. 625. - S. 8 oben (Abb. 200): Verkündigung an Maria. 69 x 58 mm. Kol. Gelb, Rot, Grün, Blau. Ein weiterer Abdruck auf S. 22 der Hs. Gleichseitige Wiederholung von Sehr. 45-49£2. - S. 8 unten: Geburt Christi. 70 x 58 mm. Gleichseitige Wiederholung von Sehr. 72-77. - S. 9 oben: Erste Versuchung Christi in der Wüste. 68 x 56 mm. Kol. Gelb, Grün, Rotbraun, Schwarz. Gleichseitige Wiederholung von Sehr. 134. - S. 9 unten: Verklärung Christi auf dem Berg Tabor. 64 x 62 mm. Kol. Blau, Hellocker, Rotlack, Gelb, Rahmen Gelb. - S. 10 oben: Pfingstwunder. Die von oben kommende Taube des Hl. Geistes wurde beim Druck abgedeckt, um das Bild in eine Darstellung der Predigt der acht Seligkeiten umzuwandeln, die der Text auf dieser Seite behandelt, was aber nur unvollständig gelang. Durch die unsaubere Abdeckung kam oben und rechts die innere Einfassungslinie nur unvollständig zum Abdruck. Vermutlich sollte mittels der Kolorierung auch die Gestalt der Maria in Christus verwandelt werden. 66 x 57 mm. Kol. Violett, Gelb, Rot, Grün, Schwarz. Am oberen Rand von der Hand, die die Korrekturen in der Hs. anbrachte, beschriftet: Ihesses brediget die acht selikat. Weitere Abdrücke vom gleichen Stock auf S. 22 und 27 der Hs. Ein zweites Exemplar in London, BL, Add. ms. 15712, fol. 145r. Gleichseitige Wiederholungen von Sehr. 595, 596, seitenverkehrt Sehr. 597. - S. 10 unten: Die Juden versuchen, Christus zu steinigen. 65 x 57 mm. Kol. Violett, Gelb, Rot, Grün, Blaugrau, Einfassung Gelb. In der Komposition ähnlich Sehr. 143a, doch keine genaue Wiederholung (die Decke des Raumes und die Haltung der Steinewerfer sind unterschiedlich). - S. 11 oben: Christus am Ölberg. 69 x 59 mm. Kol. Blau, Grün, Rotlack, Violett, Gelb, Einfassung Gelb. Weiteres Ex. in London, BL, Add. ms. 15712, fol. 14r. - S. 11 unten: Die Soldaten stürzen am Ölberg vor Christus nieder. 68 x 57 mm. Kol. Gelb, Blau, Grün, Rot, Braun, Einfassung Gelb. Zweites Exemplar vom gleichen Stock in London, BL, Add. ms. 15712, fol. 28r. Gleichseitige Wiederholungen von Sehr. 215a, 216. Nicht identisch mit Sehr. 216, wie W E I T E N K A M P F 1934, S. 921 behauptet. - S. 12 oben: Verrat Christi. 71 x 59 mm. Kol. Blau, Rotlack, Grün, Ocker, Violett, Gelb, Einfassung Gelb. Rechts oben Knick im Pergament. Zweiter Abdruck auf S. 32 derselben Hs. Weitere Exemplare in London, BL, Add. ms. 15712, fol. 29 r und 29 v . - S. 12 unten: Petrus verleugnet Christus. 71 x 59 mm. Kol. Blau, Rotlack, Grün, Gelb, Einfassung Gelb. Die Komposition stimmt mit der des Holzschnitts Sehr. 247a (Augsburg, UB, Cod. I. 3. 8° 5, eingedruckt auf fol. 192r, s. o.) überein, sehr ähnlich auch das Blatt Sehr. 247 (London, BM). Beide Folgen sind wohl in Nürnberg entstanden. - S. 13: Verspottung Christi. 70 x 58 mm. Kol. Gelb, Grün, Rot, Blau, Ocker, Rahmen 66

Möglicherweise meint die von der Erdscholle deutlich abgesetzte Fläche, auf der die Männer liegen, die Wasserfläche des Roten Meeres mit den ertrunkenen Ägyptern; so die Meinung von WEITENKAMPF 1934, S. 921. Tatsächlich ist diese Szene in ähnlicher Form etwa in der Wenzelsbibel gegeben (Wien, ÖNB, Cod. 2759, fol. 68 1 ). Man könnte auch an das Wunder der Quelle denken, die Mose in der Wüste mit seinem Stab aus dem Fels schlug; dabei ergäben allerdings die toten Männer keinen Sinn. Vom Text der Handschrift her wäre beides denkbar: Einige Zeilen über dem Bild wird die Durchquerung des Meeres erwähnt, unmittelbar neben dem Holzschnitt das Quellwunder.

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Verzeichnisse

Gelb. Zweites Ex. in London, BL, Add. ms. 15712, fol. 34 r . Gleichseitige Wiederholung von Sehr. 254, seitenverkehrt Sehr. 254a. - S. 14 oben: Christus vor Pilatus. 68 x 57 mm. Kol. Gelb, Grün, Rot, Blau, Schwarz, Rahmen Gelb. Zweites Ex. in London, BL, Add. ms. 15712, fol. 36 v u. 41 v . Gleichseitige Wiederholungen von Sehr. 261, 261a. Nicht identisch mit Sehr. 261, wie WEITENKAMPF 1934, S. 922 annimmt. - S. 14 unten: Christus vor Herodes. 70 x 59 mm. Kol. Rotlack, Grün, Gelb, Rahmen Gelb. Zweites Ex. in London, Add. ms. 15712, fol. 45 r . - S. 15 oben: Geißelung. 69 x 58 mm. Kol. Gelb, Grün, Rot, Blau. Gleichseitige Wiederholungen sind Sehr. 302-304b. - S. 15 unten: Dornenkrönung. 69 x 58 mm. Kol. Gelb, Grün, Rot, Blau, Schwarz. Zweites Ex. in London, Add. ms. 15712, fol. 55 r . Gleichseitige Wiederholungen sind Sehr. 315318. Nicht identisch mit Sehr. 315, wie WEITENKAMPF 1934, S. 922 angibt. - S. 16 oben: Ecce homo. 68 x 59 mm. Kol. Gelb, Grün, Rot, Blau, Schwarz, Rahmen Gelb. Zweites Ex. in London, BL, Add. ms. 15712, fol. 39 r . Gleichseitige Wiederholungen sind Sehr. 335m-336a. - S. 16 unten: Pilatus wäscht seine Hände. 67 x 57 mm. Kol. Gelb, Grün, Rot, Blau, Ocker, Schwarz, Rahmen Gelb. Zweites Ex. in Add. ms. 15712, fol. 58 v . Gleichseitige Wiederholungen Sehr. 282, 282a, 283. - S. 17 oben: Kreuztragung. 67 x 58 mm. Zweites Ex. in Add. ms. 15712, fol. 67 r . Gleichseitige Wiederholungen Sehr. 356, 359, seitenverkehrt Sehr. 359a; dort fehlt jedoch das Stadttor am linken Rand. - S. 17 unten: Entkleidung Christi. 69 x 57 mm. Kol. Gelb, Blau, Rot, Grün, Rotbraun, Schwarz. Gleichseitige Wiederholungen sind Sehr. 368, 369. - S. 18: Kreuzannagelung. 69 x 59 mm. Zweites Ex. in London, BM, Add. ms. 15712, fol. IV. Gleichseitige Wiederholungen Sehr. 679-681. Nicht, wie WEITENKAMPF 1934, S. 922 fälschlich annimmt, identisch mit Sehr. 679. - S. 19 oben: Hl. Paulus. 72 x 56 mm. Links xylographische Bezeichnung Paulus. Kol. Blau, Grün, Silber (sulfidiert), Gelb, Einfassung Gelb. Gehört zur gleichen Heiligenfolge wie der hl. Andreas (S. 20 unten), Jakobus d. Ä. (S. 21 oben), Jakobus d. J. (S. 23 oben), Matthäus und Bartholomäus (S. 24 Mitte und unten), Judas (S. 25 oben), Matthias (S. 26 unten), Laurentius (S. 33 oben). Sie ist eine Wiederholung einer Heiligenfolge mit dem charakteristischen Wolkenband am unteren Rand, von der noch die hl. Agatha Sehr. 1178 (Wien, Albertina) und die hl. Klara Sehr. VIII *1380e (Washington, NGA) erhalten sind. - S. 19 Mitte: Zwei Engel empfehlen Gott zwei Gläubige. 70 x 60 mm. Kol. Schwarz, Blau, Rotlack, Hellbraun, Gelb, Einfassung Gelb. - S. 19 unten: Hl. Katharina von Alexandrien. 67 x 55 mm. Kol. Blau, Grün, Rot, Gelb, Silber (sulfidiert), Rahmen Gelb. - S. 20 oben: Christuskind im Hl. Herzen am Kreuz, umgeben von den Hand- und Fußwunden. 67 x 57 mm. Kol. Gelb, Rot, Rotbraun, Grün, Blau. Gleichseitige Wiederholung Sehr. 807a, 808a. - S. 20, zweites Bild von oben: Geburt Mariae. 68 x 58 mm. Kol. Gelb, Rot, Grün, Blau, Schwarz. Gleichseitige Wiederholung Sehr. 628. - S. 20, drittes Bild von oben: Tempelgang Mariae. 68 x 59 mm. Kol. Gelb, Rot, Rotbraun, Grün, Blau. Gleichseitige Wiederholung Sehr 631. - S. 20 unten: Hl. Andreas. 69 x 56 mm. Xylographischer Text Andreas. Kol. Blau, Grün, Rot, Silber (sulfidiert), Gelb, Rahmen Gelb. Gehört zu der Heiligenfolge, von der sich neun Holzschnitte in der Hs. befinden (s. o. bei S. 19, hl. Paulus).

Handschriften

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- S. 21 oben: Der hl. Jakobus d. Ä. Einf. 72 x 57 mm. Xylographische Bezeichnung Jacob der gro{s). Kol. Gelb, Ocker, Grün, Schwarz, Blau. Evtl. identisch mit Sehr. 1504 (Bamberg, SB, aus der Slg. Josef Hellers; Abb. in HEITZ, Einblattdrucke Bd. 19, Nr. 24). Gehört zu der Heiligenfolge, deren andere Teile oben beim hl. Paulus (S. 19) aufgezählt sind. - S. 21, zweites Bild von oben: Der Gekreuzigte umarmt den hl. Bernhard. 71 x 60 mm. Kol. Gelb, Rot, Grün, Blau, Braun, Schwarz, Rahmen Gelb. Gleichseitige Wiederholung Sehr. 1276e, 1276f (Abb. 31, 146). Nicht identisch mit Sehr. 1276e, wie WEITENKAMPF 1934, S. 922 annimmt. - S. 21 unten: Die hl. Ottilie errettet durch ihr Gebet die Seele ihres Vaters aus dem Fegefeuer. 57 x 48 mm. Kol. Blau, Braun, Grün, Rot, Gelb, Rahmen Gelb. - S. 22 oben (Abb. 201): Pfingstwunder, Abdruck vom gleichen Stock wie S. 10. Kol. Gelb, Rot, Braun, Blau, Grün, Schwarz. - S. 22, zweites Bild von oben: Verkündigung. Abdruck vom gleichen Stock wie S. 8. Kol. Gelb, Grün, Blau, Rot. - S. 22, drittes Bild: Heimsuchung. 69 x 59 mm. Kol. Gelb, Rot, Blau, Grün, Schwarz, Rahmen Gelb. Gleichseitige Wiederholung Sehr. 57a, 58. - S. 22 unten: Hl. Johannes Ev. 68 x 58 mm. Kol. Blau, Rotlack, Grün, Gelb, Rahmen Gelb. - S. 23 oben: Hl. Jakobus d. J. 72 x 56 mm. Xylographischer Text Jacob der min{der). Kol. Rotlack, Grün, Silber (sulfidiert), Gelb, Rahmen Gelb. - S. 23, Mitte: Messe des hl. Gregor. 67 x 55 mm. Kol. Blau, Rotlack, Grün, Gelb, Rahmen Gelb. - S.23 unten: Zwei unbestimmte weibliche Heilige (kaum Birgitta und ihre Tochter Katharina von Schweden, wie WEITENKAMPF 1934, S. 922 annimmt; der Kult Katharinas wurde erst 1484 bestätigt, die Erhebung der Reliquien erfolgte 1489, vgl. Lei Bd. 7, Sp. 300). 72 x 59 mm. Doppelte, oben nur einfache Einfassung. Kol. Blau, Braun, Rotlack, Grün, Gelb, Rahmen Gelb. Oben Notiz von der Hand, die die Druckeranweisungen anbrachte und den Codex korrigierte: witben. - S. 24 oben: Christus am Kreuz zwischen Maria und Johannes. 68 x 59 mm. Nicht Sehr. 458, wie WEITENKAMPF 1934, S. 923 annimmt. Vielmehr vom gleichen Stock gedruckt wie Sehr. 459a - mit den gleichen Ausbruchsstellen der äußeren Einfassung wie das Exemplar in der Staatsbibliothek Bamberg. Dieses klebt auf fol. 59 v einer Hs. des Benediktinerklosters Banz von 1469, in die es aber auch erst nachträglich eingefügt worden sein kann (s. PFEIFFER in HEITZ, Einblattdrucke Bd. 19, Nr. 13; LEITSCHUH Bd. 1,1, S. 403-405). - S. 24 Mitte: Hl. Matthäus. 75 x 55 mm. Links xylographischer Text Maiheus. Kol. Blau, Ocker, Grün, Rosa, Silber (sulfidiert), Gelb, Rahmen Gelb. Gehört zur Heiligenfolge, deren andere Teile oben beim hl. Paulus (S. 19) aufgezählt sind. - S. 24 unten: Hl. Bartholomäus. 75 x 55 mm. Links xylographische Bezeichnung Bartholome. Kol. Blau, Ocker, Grün, Rot, Gelb, Silber (sulfidiert), Rahmen Gelb. Teil der Heiligenfolge (s. S. 19). - S. 25 oben: Hl. Judas Thaddäus. 70 x 55 mm. Links oben xylographischer Text Iudas. Kol. Grün, Silber (sulfidiert), Gelb, Rahmen Gelb. Teil der Heiligenfolge (s. o. S. 19). - S. 25 Mitte: Hl. Nikolaus von Myra. 70 x 56 mm. Einfache Einfassungslinie. Kol. Blau, Rotlack, Grün, Gelb, Rahmen Gelb. Gehört keiner anderen in der Hs. vertretenen Heiligenfolgen an.

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Verzeichnisse

- S. 25 unten: Martha (?) empfängt Christus und seine Jünger. 70 x 56 mm. Kol. Blau, Rotlack, Grün, Rosa, Gelb, Rahmen Gelb. In der Druckgraphik dieser Zeit ist keine andere Darstellung dieser Szene bekannt. - S. 26 oben: Ein Priester vor dem Altar zeigt den Gläubigen die Hostie. 70 x 59 mm. Kol. Blau, Ocker, Rotlack, Grün, Gelb, Rahmen Gelb. - S 26, zweites Bild von oben: Krönung Mariae. 70 x 59 mm. Kol. Gelb, Rot, Blau, Grün, Ocker, Schwarz, Rahmen Gelb. Gleichseitige Wiederholung von Sehr. 735a. - S. 26, drittes Bild: Maria-Schnee-Wunder. 72 x 59 mm. Kol. Blau, Grün, Rot, Gelb, Rahmen Gelb. Seitenverkehrte Wiederholung von Sehr. 1929m (von SCHREIBER fälschlich als „Unglück fällt vom Himmel herab" bezeichnet). - S. 26 unten: Hl. Matthias. 72 x 58 mm. Oben rechts xylographischer Text Mathias. Kol. Rotlack, Grün, Rosa, Silber (sulfidiert), Gelb, Rahmen Gelb. Gehört zur Heiligenfolge, deren andere Teile oben beim hl. Paulus (S. 19) aufgezählt sind. - S. 27 oben: Hl. Johannes d. T. 72 x 58 mm. Kol. Rotlack, Grün, Rosa, Silber (sulfidiert), Gelb, Rahmen Gelb. Links oben Druckeranweisung: Johan taufer. Gehört keiner der anderen Heiligenfolgen der Hs. an. Doch hat sich aus dieser Heiligenserie noch ein hl. Onophrius erhalten (Sehr. VIII *1642, Washington, NGA). - S. 27 Mitte: Zwei Engel heben eine Seele aus dem Fegefeuer. 72 x 58 mm. Kol. Schwarz, Rotlack, Grün, Gelb, Rahmen Gelb. Links Druckeranweisung: sei. - S. 27 unten: Pfingstwunder. Abdruck vom gleichen Stock wie S. 10 u. 22. Beim Druck wurde die Taube abgedeckt (wodurch auch der obere Teil der Einfassungslinie fehlt), um das Bild in eine Darstellung Mariae und aller Heiligen zu verwandeln. Kol. Gelb, Rot, Grün, Blau, Ocker. Oben Aufschrift von der Hand, die den Codex korrigierte: Ein betutung Maria vnd all heyligen. Links unten auf der Seite Druckeranweisung: al heiligen. - S. 28 oben: Sterbender, mit einem Engel am Kopf- und einem Teufel am Fußende des Bettes (nicht Teil einer Ars moriendi-Folge). 65 x 60 mm. Blau, Rot, Grau, Grün, Gelb, Rahmen Gelb. Links oben Druckeranweisung: sterb. - S. 29 unten: Christus als Weltenrichter. 68 x 57 mm. Kol. Gelb, Rot, Grün, Blau, Ocker. Gleichseitige Wiederholung von Sehr. 620. - S. 30 oben: Maria mit zwei anderen Tempeljungfrauen am Webstuhl. 75 x 65 mm. Kol. Rotlack, Grün, Ocker, Rosa, Gelb, Rahmen Gelb. Oben links die Druckeranweisung: Maria wurckt. - S. 31 Mitte: Darstellung im Tempel. 69 x 58 mm. Kol. Gelb, Grün, Blau, Rot, Dunkelbraun. Gleichseitige Wiederholung von Sehr. 115-116a (nicht identisch mit Sehr. 116a, wie WEITENKAMPF 1934, S. 923 annimmt). Unter der oberen Einfassungslinie die Druckeranweisung: liechtmes. - S. 32 oben: Der zwölfjährige Jesus im Tempel. 69 x 58 mm. Kol. Gelb, Rot, Grün, Blau, Schwarz, Rotbraun. Oben links auf der Seite die zugehörige Druckeranweisung: sinago, durchgestrichen. Gleichseitige Wiederholung von Sehr. 128 u. 129, jedoch nicht identisch mit Sehr. 128, wie WEITENKAMPF 1934, S. 923 fälschlich angibt. - S. 32 unten: Verrat Christi. Abdruck vom gleichen Stock wie S. 12 oben. Kol. Gelb, Rot, Grau, Blau, Rotbraun, Schwarz, Silber (sulfidiert). Links unten die Druckeranweisung: iudaskus. - S. 33 oben: Hl. Laurentius. 72 x 57 mm. Kol. Blau, Rotlack, Grün, Gelb, Silber (sulfidiert). Gehört zur Heiligenfolge, die beim hl. Paulus (S. 19) aufgeführt ist. - S. 33 Mitte: Himmelfahrt der hl. Magdalena. 72 x 55 mm. Kol. Grün, Rot, Gelb, Silber (sulfidiert).

Handschriften

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- S. 33 unten: Bethlehemitischer Kindermord. 69 x 58 mm. Kol. Gelb, Grün, Rot, Rotbraun, Blau, Grau. Gleichseitige Wiederholung von Sehr. 126. - S. 34 oben: Schmerzensmann mit Arma Christi. 72 x 58 mm. Kol. Rotlack, Grün, Gelb, Rahmen Gelb. Kompositioneil ähnlich Sehr. 884 u. 886. - S. 34 Mitte: Himmelfahrt Mariae. 70 x 59 mm. Kol. Gelb, Rot, Grün, Blau, Grau, Rotbraun. Gleichseitige Wiederholung von Sehr. 723. - S. 34 unten: Hl. Judas Thaddäus. Vom gleichen Stock wie S. 25, hier jedoch der xylographische Namenszug abgedeckt und zu einem Gebet zum hl. Simon Zelotes eingedruckt. Kol. Gelb, Rot, Blau, Grün, Schwarz. Lit.: Catalogue Quaritch 1874, Nr. 17540; T. O. MABBOT in HEITZ, Einblattdrucke Bd. 95, S. 13; WEITENKAMPF 1 9 3 4 , S. 9 2 1 - 9 2 4 ; D E RICCI 1 9 3 7 , B d . 2 , S. 1 3 2 7 ; FIELD, C e n s u s , p a s s i m ; HANNS

HUBACH, Matthias Grünewald: Der Aschaffenburger Maria-Schnee-Altar. Geschichte - Rekonstruktion - Ikonographie, Mainz 1996, S. 149 f.; SCHMIDT 1998, S. 75 f.

New York Public Library, Spencer Collection MS 39

Brevier Kastl, Benediktiner. Papier; 457 Bl. (ungez.); 7,5 x 10,4 cm; Kastl 1454 Eine Hand (Prior Sebaldus Sachs), Ergänzungen von einer späteren. Rubriziert, einfache rote Lombarden. Dat. 1454 (vor dem Commune sanetorum, ungez.): Finito libro sit laus et gloria deo anno 1454 septima nonas maiiper manum fratris Sebaldi in castelloprioris... Wz. Kreuz Br. 5549 ( u m 1 4 5 3 ) , S ä u l e Br. 4 4 0 7 ( 1 4 5 1 - 5 2 ) , W e i n t r a u b e Br. 1 3 0 0 6 ( 1 4 5 1 ) .

Beuteleinband aus braunem, oben hellgrünem Leder; Messingbuckel und zwei Schließen.

Fehlende Druckgraphiken: Die ehemals erste und letzte Seite, auf denen sich Holzschnitte befanden (Papierreste und Farbspuren), fehlen. Noch vorhandener Holzschnittschmuck: - Vd.: Hl. Franziskus, Holzschnitt (Sehr. 1432c, s. Abb. 179). Einf. 70 x 58 mm . Kol. Blaugrau, Gelb, Blau, Hellrot, Nimbus sulfidiertes Silber, Einfassung Gelb. Mit Streifen von gemustertem Papier umklebt. Ein zweites Exemplar heute in Washington, NGA (Abb. in Fifteenth Century Woodcuts and Metalcuts 1965, Nr. 118); dabei handelt es sich nach Ausweis der ausgebrochenen Grate um einen späteren Abzug. Interessant ist dabei die Feststellung, daß die charakteristische Kolorierung von der gleichen Hand stammt und genau dem gleichen Schema der zu bemalenden und weiß zu lassenden Partien folgt wie die des Kastler Exemplars. Ein- und derselbe Kartenmaler scheint die Produktion von den Abzügen des relativ unverbrauchten bis zu denen des beschädigten Holzstock weiterverarbeitet zu haben. - Die Graphik steht stilistisch in der Nähe der im 'Gulden puchlein' überlieferten nürnbergischen Gruppe der Holzschnitte Sehr. 136, Sehr. 183, Sehr. 566 und Sehr. 578 (s. o. bei München, BSB, Gulden puchlein, dort als Folge C verzeichnet), die mit der in einer anderen Nürnberger Hs. überlieferten Gregorsmesse (nicht bei SCHREIBER, in Nürnberg, StB, Will II, 19.8°, fol. 98 r ) verwandt ist.

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- Über dem Beginn der Hymne zur Vesper des Ostersamstages (ungez.): Christus in der Vorhölle (Sehr. 697, s. Abb. 176), Einf. 67 x 57 mm. Kol. Purpurrot, Blau, Grün, Inkarnat, Zinnoberrot. - Über dem Beginn der Vesper des Ostersonntags (ungez.): Auferstehung Christi (Sehr. 546, s. Abb. 178), Einf. 67 x 59 mm. Kol. stark deckend Grün und Rot. Beide Holzschnitte gehören zur Hauptgruppe des 'Gulden puchlein', sind jedoch schlechter im Druck. - Rd.: Johannes Ev. (nicht bei S C H R E I B E R ) , Einf. 74 x 55 mm. Kol. Hellbraun, Grün, Blau, Rot, Nimbus sulfidiertes Silber auf rötlichem Grund. Mit Streifen von Ornamentpapier umklebt. Sehr ähnlich (nicht identisch, wie KÜP 1939, S. 477 meinte) mit Sehr. 1523a, eine genaue Kopie nach derselben Vorlage. Sehr. 1523a ist zusammen mit anderen nürnbergischen Holzschnitten in einer Hs. des Katharinenklosters eingebunden (London, BM, 158* b.3) und vermutlich auch in dieser Stadt entstanden. - Die Blätter sind von verschiedenen Händen bemalt; der Farbauftrag beim hl. Franziskus ist ganz ähnlich den Holzschnitten des 'Gulden puchlein'. Lit.: KÜP 1 9 3 9 ; HEITZ, E i n b l a t t d r u c k e B d . 9 9 , N r . 1 u. 2 ; BÜHLER 1 9 6 0 , S . 8 5 ; F A Y E - B O N D 1 9 6 2 ,

S. 332; Treasures from the New York Public Library, [Ausst. New York Public Library 1985], New Y o r k 1 9 8 5 , S. 1 2 3 ; MARSHALL B . DAVIDSON - BERNARD MCTIGUE, T r e a s u r e s o f t h e N e w

York

Public Library, New York 1988, Taf. 1-10; SCHMIDT 1998, S. 76, S. 85 Anm. 78.

Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Bibliothek

Hs1734 Gebetbuch, dt. Prov. unbekannt. Papier; 168 Bl.; 9 x 7,5 cm; ca. 1461-63 u. 1475-77 Mehrere Hände. Rubriziert, rote Lombarden. Wz. von fol. 1-84: nachgewiesen 1461-63, danach 1475-77 (KURRAS 1974, S. 22). Signiert fol. 112V von bruder Augustein, fol. 137V, 147V, 166V: Augustinus. Schreibsprache mittelbairisch. Alter Einband, braunes Leder mit Rollenstempeln, 16. Jh. (Monogramm E F, nicht bei Haebler 1928. Sehr ähnlich, doch nicht identisch die Apostelrollen von Clm 17426 (Kloster Seemannshausen, Bayern) sowie die bei VÄTH 1993, Abb. 94 Nr. 1, und CHRISTEL SCHMIDT, Jakob Krause. Ein sächsischer Hofbuchbinder des 16. Jahrhunderts, Leipzig 1923, S. 11 Abb. 1, abgebildeten). Buchschmuck: Fol. l r aufgeklebtes Fragment einer Federzeichnung, Kruzifix. Fol. 81R u. 161R einfache kol. Federzeichnungen, Arma Christi.

Ehemalige Ausstattung mit Druckgraphik: Die Blätter wurden im 19. Jh. abgelöst und an das Kupferstichkabinett abgegeben. Sie befanden sich jeweils auf Verso-Seiten vor dem Beginn von thematisch entsprechenden Gebeten auf den gegenüberliegenden Recto-Seiten. Im Folgenden die Rekonstruktion: - Fol. l v : Vor einem Veronika-Gebet auf fol. 2 r (Gegrießt seyest du, hailiges angesicht vnsers erlösers..., Chev. 18189 in dt. Übertragung) wurde ein Blatt abgelöst, das nicht rekonstruierbar ist.

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- Fol. 4V: Klebespuren, auf fol. 5 r folgt ein Mariengebet (O aller gutiguste vnd aller süßeste [?] iunckfraw, haylge Maria...), das fehlende Blatt läßt sich nicht rekonstruieren. - Fol. 8V: Heimsuchung, Kupferstich vom Meister mit den Blumenrahmen (L. 42), GNM Inv.-Nr. K 4033. Gegenüber (fol. 91) Gebet über die Verkündigung: Ich pitt dich, du wirdige junckfraw Maria, durch die grösser frewd, die du heftest, da du von stund nach deiner heyligen verkundung... - Fol. 12v: Beschneidung Christi, Kupferstich des Meisters mit den Blumenrahmen (L. 44), GNM Inv.-Nr. K 4034 (s. Abb. 243). Gegenüber Gebet zum Thema: Lieber herr Ihesu Criste, der da zu aym anfanck vnßrer erlößung dein haylges wirdigesplut... - Fol. 14v: Anbetung der Könige, Kupferstich des Meisters mit den Blumenrahmen (L. 43), GNM Inv.-Nr. K 4035. Gegenüber Gebet: Ich erman dich, herr Iesu Criste, der grossen er, lob vnd wirdikait, die dir erputen dye haylgen trey küng... - Fol. 16v: Darstellung im Tempel, Kupferstich vom Meister mit den Blumenrahmen (L. 45), GNM Inv.-Nr. K 4036. Gebet gegenüber: Ich erman dich hewt, lieber herr Iesu Criste, der haylgen oppfrung, als dich deyn rayne müter... - Fol. 18v: Flucht nach Ägypten, Kupferstich vom Meister mit den Blumenrahmen (L. 46), GNM Inv.-Nr. K 4038. Gebet gegenüber: Uarter [!] herr Iesu Criste, ich erman dich der erbarmenden flucht... - Fol. 20r: nach dem Ende des Gebets Klebspuren, ca. 63 x 60 mm, abgelöster Bilddruck nicht rekonstruierbar. - Fol. 20 v : Bethlehemitischer Kindermord, Kupferstich vom Meister mit den Blumenrahmen (L. 47), GNM Inv.-Nr. K 4037. Gegenüber Gebet: Ich pitt dich, gutter herr Iesu Criste, durch die marter der vnschuldigen kindlein... - Fol. 22v: Einzug in Jerusalem, Kupferstich vom Meister mit den Blumenrahmen (L. 48), GNM Inv.-Nr. K 4039. Gebet gegenüber: O lieber her Ihesu Criste, eyn ewiger wirdiger kunig der eren, der du auf den hayligen palmtag... - Fol. 24r: nach Ende des Gebets Klebspuren, ca. 58 x 40 mm, ursprünglich dort befindliche Graphik nicht rekonstruierbar. - Fol. 24 v : Abendmahl, Kupferstich vom Meister mit den Blumenrahmen (L. 49), GNM Inv.-Nr. K 4040. Gebet gegenüber: Du wirdigs lemlein herr Iesu Criste, der da in deinem haylgen abentessen... - Fol. 27 v : Ölberg, Kupferstich vom Meister mit den Blumenrahmen (L. 50), GNM Inv.-Nr. K 4041. Gebet gegenüber: Milter her Ihesu Criste, ich pitt dich durch dein pitterß leyden, daz deinplutiger swaiß... - Fol. 30v: Christus vor Kaiphas, Kupferstich vom Meister mit den Blumenrahmen (L. 52), GNM Inv.-Nr. K 4042. Gegenüber Gebet zum Thema: O aller liebster herr Iesu Criste, der da hörticlich gepunden vndschäntlich gefürt... - Fol. 32v: Entkleidung Christi, Kupferstich vom Meister mit den Blumenrahmen (L. 53), GNM Inv.-Nr. K 4046. Gegenüber Gebet zum Thema: Mein aller höchstes gilt, herr Iesu Criste, ich armer sunder danck dir mit allem fleiß... - Fol. 34v: Geißelung Christi, Kupferstich vom Meister mit den Blumenrahmen (L. 54), GNM Inv.-Nr. K 4043. Gegenüber Gebet zum Thema: Ich pitt dich, zarter her Ihesu Criste, durch daz hayligplüt, daz du vergossen hast... - Fol. 36 v : Dornenkrönung, Kupferstich vom Meister mit den Blumenrahmen (L. 55), GNM Inv.-Nr. K 4044. Gegenüber Gebet zum gleichen Thema: Barmhercziger got, her Ihesu Criste, ich pitt dich fleisßiclich durch dein aller süsße militikait... - Fol. 38v: Kreuztragung, Kupferstich vom Meister mit den Blumenrahmen (L. 56), GNM

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Inv.-Nr. K 4045. Gegenüber Gebet zum Thema: Oller [!] liebster herre Ihesu Criste, verleich mir durch dein schamlichen weg... - Fol. 40 v : Christus vor Pilatus, Kupferstich vom Meister mit den Blumenrahmen (L. 65), GNM Inv.-Nr. K 4062. Gegenüber Gebet: Her Ihesu Criste, dich beschwur Kayphas vnd fragt dich... - Fol. 41 v : Ecce homo, Kupferstich vom Meister mit den Blumenrahmen (L. 69 I), GNM Inv.-Nr. K 4063. Gegenüber Gebet: Lieber herr Ihesu Criste, Pylatus nam dich vnd furt dich herauß... - Fol. 42 v : Kreuzannagelung, Kupferstich vom Meister mit den Blumenrahmen (L. 57), GNM Inv.-Nr. K 4047. Gegenüber Gebet zur Kreuzigung: O du aller susßter her Ihesu Criste, der du für mich armen sünder willclichen... - Fol. 44 v : Christus am Kreuz, Kupferstich vom Meister mit den Blumenrahmen (L. 71), GNM Inv.-Nr. K 4064. Gegenüber Gebet: Wirdigster her vnd allerliebster erloser Ihesu Criste, ich armer sünder danck dir hewt... - Fol. 49 v : Kreuzabnahme, Kupferstich vom Meister mit den Blumenrahmen (L. 58), GNM Inv.-Nr. K 4048. Gegenüber Gebet zum Thema: Aller süsßter her Ihesu Criste, ich pitt dich fleißlich von grund meins herczen, daz du abnemest al wunden... - Fol. 51v: Grablegung, Kupferstich vom Meister mit den Blumenrahmen (L. 59), GNM Inv.-Nr. K 4040. Gebet gegenüber: Dy hayler aller weit, zarter her Ihesu Criste, ich pitt dich diemütiklich durch dein haiige begrebnuß... - Fol. 53v: Christus in der Vorhölle, Kupferstich vom Meister mit den Blumenrahmen (L. 60), GNM Inv.-Nr. K 4050. Gegenüber Gebet zum Thema: Dv widerpringer aller verlust deyner auß erweiten, zarter herr Ihesu Criste, ich erman dich vnd danck... - Fol. 55v: Auferstehung Christi, Kupferstich vom Meister mit den Blumenrahmen (L. 61), GNM Inv.-Nr. K 4051. Auf der Rückseite hl. Franziskus (L. 98). Das Gebet gegenüber bezieht sich auf die Auferstehung: Starcker got, her Ihesu Criste, ich armer sünder mit frawe mich hewt mit deiner hayligen leiplichen vrstend... - Fol. 58v: Noli me tangere. Kupferstich vom Meister mit den Blumenrahmen (L. 62), GNM Inv.-Nr. K 4052. Gegenüber Gebet: Gvtiger troster aller, der die in dich hoffend, herr Ihesu Criste, der die [!] dein dienerin Mariam Magdalenam... - Fol. 60v: Himmelfahrt Christi. Kupferstich vom Meister mit den Blumenrahmen (L. 63), GNM Inv.-Nr. K 4053. Gegenüber Gebet über die Erscheinungen vor Maria, den Jüngern, Pfingsten Himmelfahrt: Wirdiger herr Ihesu Criste, als du nach deiner hayligen vrstend vierczig tag... - Fol. 62v: Pfingstwunder. Kupferstich vom Meister mit den Blumenrahmen (L. 64), GNM Inv.-Nr. K 4054. Gegenüber Gebet zur Dreifaltigkeit über die Erlösung: Almechtiger got, her, hayliger gayst, ein troster aller betrübten mitwesen vnd ewig mit got, dem hymlischen vater vnd mit got, seym ayn gepornen sun... - Fol. 65v: Trinität, Kupferstich vom Meister mit den Blumenrahmen (L. 95), GNM Inv.-Nr. K 4055. Gegenüber Gebet: O aller höchstes hayl, obriste sälikayt, erwirdige vnd anpettliche triualtikait... - Fol. 67v: Jüngstes Gericht, Kupferstich vom Meister mit den Blumenrahmen (L. 77), GNM Inv.-Nr. K 4065. Gegenüber Gebet gleichen Themas: O du milter behalter herr Iesu Criste, du mit grossem gewalt vnd mechtiger maiestatt künftigpist zerichten... - Fol. 70v: ursprünglich Christus mit der Weltkugel, von einem Benutzer in Johannes d. T. verwandelt (aus der Weltkugel wurde mit Feder und Tinte ein Lamm; oben als Sant Johans der deuffer beschriftet, Hand des 15. Jh.). Kupferstich vom Meister mit den

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Blumenrahmen (L. 96), GNM Inv.-Nr. K 4056. Gegenüber Gebet: O du heiliger taufer vnnsers Herren Ihesu Cristi, sanct Johannes, du edels klainat der liebe, du spiegel der heilikait... - Fol. 72 v : Maria mit Kind, Kupferstich vom Meister mit den Blumenrahmen (L. 97), GNM Inv.-Nr. K 4057. Gegenüber Gebet: O du kewsche iunckfraw Maria, o du trösterin aller betrübten menschen, in deine hende enpfilch ich meine arme sele... - Fol. 77 v : Jakobus d. Ä., Holzschnitt (Sehr. 1508). GNM Inv.-Nr. H 1532. Gegenüber das Gebet: O du aller heiligoster lieber her sanct Jacob, wann dw durch deines keuschen lautern lebens willen... - Fol. 84 v : Noli me tangere. Kupferstich vom Meister des hl. Erasmus (L. 66), GNM Inv.Nr. K 4059. Gegenüber: Von sanct Maria Magdalena ain schön gebett. O lieber herr Ihesu Criste, ain hoffhung aller büßwertigen menschen... - Fol. 86 v : Anna selbdritt, Holzschnitt (Sehr. 1209), GNM Inv.-Nr. H 1534. Gebet gegenüber: Ich grüß dich, du sälige müter der müter Ihesu Cristi... - Fol. 88 v : Hl. Sebastian, Holzschnitt (Sehr. 1692). GNM Inv.-Nr. H 1533. Gebet gegenüber: O du hailiger martrer vnd diener gotz sanct Sebastian, ich pitt dich... - Fol. 91 v : Hl. Veit, Metallschnitt (Sehr. 2743a). GNM Inv.-Nr. H 1535. Gebet gegenüber: O du edler jüngling, du strenger martrer vnnsers herren sanct Veitt, mich berüfft.... - Fol. 93 v : Hl. Leonhard, Holzschnitt (Sehr. 1591). GNM Inv.-Nr. H 1531. Gebet gegenüber: Heiliger beichtiger Christe Leonharde, der dw bist gewest... - Fol. 98 v : Hl. Barbara, Holzschnitt (Sehr. 1260). GNM Inv.-Nr. H 1528. Gebet gegenüber: O du aller gütigliste vnd aller hailigste iunckfraw sant Barbara, wie gar vil groß gab... - Fol. 103v: Hl. Margaretha, Holzschnitt (Sehr. 1614). GNM Inv.-Nr. H 1530. Gebet gegenüber: O du hailige iunckfraw sant Margareta, ain gesponß... - Fol. 108v: Hl. Katharina, Holzschnitt (Sehr. 1328). GNM Inv.-Nr. H 1529. In ein Gebet zu dieser Heiligen integriert (Inc. fol. 106r: O du aller hailigeste vnd [fol. 106 v ] erendreichste iunckfraw sant Katherina...). - Für drei Blätter, die aus der Hs. stammen sollen, ist der genaue Ort der ursprünglichen Verwendung nicht rekonstruierbar: Christus vor Pilatus, der sich die Hände wäscht, Kupferstich vom Meister des hl. Erasmus (L. 32), GNM Inv.-Nr. K 4060; Himmelfahrt Christi, Kupferstich vom Meister des hl. Erasmus (L. 74), GNM Inv.-Nr. K 4061; Christus und der ungläubige Thomas, Kupferstich des Meisters des hl. Erasmus (L. 71), GNM Inv.Nr. K 4058. Zur Datierung der Graphiken: Das Wasserzeichen des Ölberg-Kupferstichs vom Meister mit den Blumenrahmen wurde durch Gerhard Piccard 1449 in Köln und Koblenz nachgewiesen (Notiz auf dem Passepartout von Inv.-Nr. K 4041, Kapsel 86). Die Holzschnitte gehören einer süddeutschen Heiligenfolge an; das Papier der hl. Katharina (Sehr. 1328) ist 1478-80 nachgewiesen (Mitteilung von Gerhard Piccard, Notiz auf dem Passepartout von Inv.-Nr. H 1529 in Kapsel 5). Die Holzschnitte befinden sich ausschließlich im jüngeren, von brüder Augustein signierten Teil, die Kupferstiche im älteren. Lit.:

1887, S. 16, Nr. 10-12, Nr. 15-18, Nr. 46-71; KURRAS 1974, S. 22-26; REGINA Katalog der deutschsprachigen illustrierten Handschriften des Mittelalters (Veröffentlichungen für deutsche Literatur des Mittelalters der Bayerischen Akademie der Wissenschaften), Bd. 5: Gebetbücher (im Druck), Kat. Nr. 43.1.145. LEHRS

CERMANN,

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Hs 2261 Sammelhandschrift, dt. (div. Heiligenlegenden; 'Schwester Katrei' etc.) Pillenreuth, Augustiner-Chorfrauen. Papier; 243 Bl.; 21,5 x 15,5 cm; Pillenreuth 1465-82 Bastarda von einer Hand (Anna Ebin bzw. Eyb), die sich mehrmals mit Datierung nennt (fol. 159 v : 1465 bis fol. 229 v : 1482). Rote Überschriften, Unterstreichungen; rote und blaue Lombarden, z. T. mit einfachem Fleuronnde. Nach fol. 8 Doppelblatt mit Wendelin-Legende aus einem Druck von 'Der Heiligen Leben' eingebunden. Alter Einband, rotes Leder mit Streicheisenverzierung, zwei Schließen.

Ausstattung mit Druckgraphik (Abb. 97): Der Holzschnitt Christus am Kreuz (Sehr. 403), der ursprünglich ganzseitig auf fol. 180v klebte (dort Färb- und Leimspuren), wurde abgelöst; heute in der Graphischen Sammlung des GNM (Inv.-Nr. H 48, Kapsel 2) 67 . 190 x 135 mm Einf.; Kol. Gelb, Grau, Grün, Rosa (Inkarnat), Rot, Zinnober, Braun. Die Figuren Mariae und Johannes' neben dem Kreuz sind herausgeschnitten. Das Blatt klebte in der Legende der hl. Lidwina (einer deutschen Übersetzung der lateinischen Legende des Kanonikers Hugo, BHL Nr. 4923, s. WLLLIAMSKRAPP, nicht Jan Brugman, wie KURRAS 1974, S. 38 f. schreibt); die Seite wurde von der Schreiberin eigens für den Holzschnitt freigelassen. Der umgebende Text handelt von einer Vision der Heiligen: Wye sie daz heylig sacrament enpfmg, vnd wie sie auf ein zeyt sach ein gecrewtziget kindlein, daz verwandelt sich in die form eyner hostien mit fünf plutigen wunden (fol. 179v, Rubrik zum 33. Kapitel). Um den Holzschnitt für die Darstellung des allein am Kreuz hängenden Christuskindes geeigneter zu machen, wurden die Assistenzfiguren weggeschnitten. Wiederholungen des Holzschnittes sind Sehr. 417, Sehr. 417a, Sehr. VIII *417b und Sehr. 418. Motivisch und stilistisch eng verwandt ist die Passionsfolge Sehr. 152b etc. (in der Hs. in San Marino, Huntington Library, HM 195, s. Kap. IV.3.1.). Der Vergleich mit den Figuren des Gekreuzigten (Sehr. 444a und 447, s. Abb. 205, 206) dieser Folge, besonders der Brustpartie und der markanten Gesichtszüge mit den spitzwinkligen Augenbrauen, zeigt das deutlich. Der Holzschnitt muß, wie diese Folge (s. Kap. IV.3.1.), auch in Nürnberg entstanden sein. Lit.: ESSENWEIN 1 8 7 4 , S. 3, N r . 5 7 , T a f . X X X ; KURRAS 1 9 7 4 , S. 3 8 - 4 1 ; WERNER WILLIAMS-KRAPP,

[Art.] 'Lidwina von Schiedam', in: 2 V L Bd. 5, Sp. 779; SCHMIDT, Bildgebrauch 2000, S. 78 f.

Hs 28441 'Leben Jesu der Schwester Regula', dt. Inzigkofen, Augustiner-Chorfrauen; Konrad Dietrich Haßler, Ulm; 1872 vom Germanisches Nationalmuseum erworben. Papier; 225 Bl.; 32 x 22 cm; Inzigkofen 1449

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Nicht H 717, wie ESSENWEIN 1874, S. 3, und in der Folge KURRAS 1974, S. 38, angeben.

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Eine Hand (Priorin Anna Jäck, Schreibervermerk fol. 218 r a ), zweispaltig. Rubriziert, zweizeilige rote Lombarden; nach den Überschriften ursprünglich meist je eine kolorierte Federzeichnung oder ein Holzschnitt aufgeklebt. Alter Einband, Holzdeckel mit hellem Lederüberzug, Streicheisenlinien, j e vier Buckel, zwei Schließen abgerissen, vorne altes Titelschildchen Vita xp. Kolorierte Federzeichnungen, noch in der Hs.: Fol. 61 v a : Taufe Christi, auf Pergament, Nimben und Wassergefäß Gold und Silber. Fol. 66 v a : Versuchung Christi in der Wüste, auf Papier (wie auch die folgenden). Fol. 71 v a : Hochzeit zu Kana. Fol. 78 r b : Berufung der Jünger. Fol. 82 r b : Heilung eines Aussätzigen. Fol. 109 v a : Auferweckung des Lazarus. Fol. 115 v a : Einzug in Jerusalem. Fol. 149 v a : Christus vor Hannas (Abb. 91). Fol. 151 rb : Christus vor Kaiphas. Fol. 178 v a : Kreuzabnahme. Fol. 195 rb : Weg nach Emmaus. Fol. 209 r b : Pfingstwunder. Kolorierte Federzeichnungen, jetzt in der Graphischen Sammlung des GNM: Abgelöst von fol. l r a : Segnender Christus vor Moses und drei weiteren Personen (GNM Inv.-Nr. Hz. 379). Gelöst von fol. 12 ra : Die Alten beten vor Gott (Inv.-Nr. Hz. 377). Von fol. 22 r a : Heimsuchung (Inv.-Nr. Hz. 384). Von fol. 24 v b : Spinnende Frau und ruhender Mann, hier ehemals zum Text der Verkündigung des Engels an Joseph eingeklebt, Inv.-Nr. Hz. 376. Als Vorbild wurde die Melancholie-Illustration eines Planetenbuches benutzt. 6 8 Von fol. 40 v b : Maria wärmt Christus an dem von Josef geschürten Feuer (Inv.-Nr. Hz. 373). Von fol. 44 v b : Flucht nach Ägypten (Inv.-Nr. Hz. 378). Von fol. 50 v b : Rückkehr aus Ägypten (Inv.-Nr. Hz. 372). Von fol. 56 r a : Hl. Familie bei häuslichen Arbeiten (Inv.-Nr. Hz. 381). Von fol. 102 v b : Verklärung Christi am Berg Tabor (Inv.-Nr. Hz. 383). Von fol. 113 v b : Christus mit Lazarus, Martha und Magdalena, die ihm die Füße salbt (Inv.-Nr. Hz. 380). Von fol. 155 v b : Christus vor Herodes (Inv.-Nr. Hz. 375). Von fol. 158 ra : Christus vor Pilatus (Inv.-Nr. Hz. 374, s. Abb. 235); Kopie nach einem Kupferstich aus der 'Schule des Meisters der Spielkarten' (L. I, 152, 4). Die Angabe bei LEHRS 1897, S. 57 f., die im Ausstellungskatalog Kulturdokumente 1956, Nr. 5 übernommen wurde, das Blatt stamme aus Hs 28860, ist falsch. Von fol. 187 ra : Auferstehung Christi (Inv.-Nr. Hz. 382). Die Federzeichnungen stammen von drei Händen. Es gehören zusammen: Hz. 372, 373, 374 und die auf fol. 71 v a , 195 rb , 209 r b noch im Codex klebenden Blätter. Dieser Gruppe ganz ähnlich, doch von einer anderen Hand die Zeichnungen auf Pergament auf fol. 6 1 v a und Hz. 375. Alle weiteren Federzeichnungen stammen von einer dritten Hand, die am Oberrhein oder im Bodenseegebiet zu lokalisieren sein dürfte (vgl. etwa die um 1450 entstandenen kolorierten Federzeichnungen in der Hs. Lichtenthai 70 in Karlsruhe, LB; s. dazu Bibelhandschriften - Bibeldrucke 1980, S. 4 3 - 4 7 sowie 750 Jahre Zisterzienserinnen-Abtei Lichtenthai 1995, S. 64 u. 255 f.). Abgelöste Bilder, die verloren sind bzw. in der Graphischen Sammlung nicht aufzufinden waren (anhand der Leerstellen und Rubriken zu rekonstruieren): Fol. 192 v b : Christus offenbart sich den drei Marien. Fol. 203 v b : Himmelfahrt Christi.

Herausgelöste Holzschnitte, heute in der Graphischen Sammlung des GNM: Vd. oder Rd.: Verkündigung (Sehr. 34, s. Abb. 85). GNM Inv.-Nr. H 12. Einf. 178 x 273 mm. Bl. 213-215 x 305-310 mm. Kol. Spuren von Hellgrün, Braun, Weiß. Wz. (lt. Gerhard Piccard, Notiz auf dem Passepartout) nachgew. 1445-1448. - Fol. 14rb: Vermählung Mariae (Sehr. 635). Inv.-Nr. H 32. Einf. 70 x 55 mm. Bl. 76-77 x 56-58 mm.

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Das gleiche Motiv in einer Federzeichnung der Melancholie eines süddeutschen Planetenbuches des 15. Jh. in amerikanischem Privatbesitz sowie in der astrologisch-medizinischen Handschrift München, BSB, Cgm 28, fol. 29 v ; den Hinweis verdanke ich Hanns Hubach. Einen ähnlichen Darstellungstyp zeigt die Melancholie-Illustration eines gedruckten Augsb u r g e r K a l e n d e r s u m 1 4 8 0 , v g l . RAYMOND KLIBANSKY- ERWIN P A N O F S K Y - FRITZ SAXL,

Saturn und Melancholie, Frankfurt a. M. 1990, Abb. 91.

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Verzeichnisse

- Fol. 17ra: Verkündigung (Sehr. 47). Inv.-Nr H 22. Einf. 69 x 58 mm, Bl. 84 x 73 mm. - Fol. 29 rb : Geburt Christi (Sehr. 76, s. Abb. 90). Inv.-Nr. H 23. Einf. 69 x 58 mm, Bl. 8385 x 68-73 mm. - Fol. 35 rb : Beschneidung (Sehr. 96). Inv.-Nr. H 37. Einf. 67 x 54 mm, Bl. 85-86 x 69-70 mm. - Fol. 37 va : Anbetung der Könige (Sehr. 110). Inv.-Nr. H 38. Einf. 69 x 55mm, Bl. 82-83 x 66-68 mm. - Fol. 42 va : Darstellung im Tempel (Sehr. 115, s. Abb. 93). Inv.-Nr. H 39. Einf. 70 x 56 mm, Bl. 80-82 x 63-65 mm. - Fol. 52 vb : Der zwölQährige Jesus im Tempel (Sehr. 128). Inv.-Nr. H 30. Einf. 70 x 60 mm, Bl. 73-74 x 63-64 mm. - Fol. 126vb: Abendmahl (Sehr. 180). Inv.-Nr. H 34. Einf. 60 x 55 mm, Bl. 73-74 x 53-55 mm. - Fol. 141ra: Christus am Ölberg (Sehr. 208). Inv.-Nr. H 24. Einf. 69 x 58 mm, Bl. 72-74 x 61 mm. - Fol. 159ra: Geißelung (Sehr. 303). Inv.-Nr. H 25. Einf. 70 x 58 mm, Bl. 78-80 x 70-71 mm. - Fol. 161va: Doraenkrönung (Sehr. 316). Inv.-Nr. H 26. Einf. 69 x 58 mm, Bl. 83-85 x 77-78 mm. - Fol. 164rb: Kreuztragung (Sehr. 360). Inv.-Nr. H 35. Einf. 65 x 61 mm, Bl. 76-78 x 69 mm. - Fol. 167ra: Kreuzannagelung (Sehr. 679, s. Abb. 94). Inv.-Nr. H 31. Einf. 70 x 60 mm, Bl. 7 5 - 7 7 x 7 1 - 7 2 mm. - Fol. 174vb: Christus am Kreuz zwischen Maria und Johannes (Sehr. 458, s. Abb. 92). Inv.-Nr. H 27. Einf. 69 x 58 mm, Bl. 83-85 x 73 mm. - Fol. 180va: Grablegung (Sehr. 535). Inv.-Nr. H 28. Einf. 69 x 58 nun, Bl. 76 x 72 mm. - Fol. 185vb: Christus in der Vorhölle (Sehr. 695, s. Abb. 95). Inv.-Nr. H 36. Einf. 70 x 55 mm, Bl. 89-90 x 58 mm. - Fol. 190va: Noli me tangere (Sehr. 562, s. Abb. 96). Inv.-Nr. H 33. Einf. 69 x 61 mm, Bl. 89-90 x 62-63 mm. - Fol. 198vb: Der ungläubige Thomas (Sehr. 572). Inv.-Nr. H 29. Einf. 69 x 58 mm, Bl. 90 x 72 mm. Kol. (bis auf Sehr. 34, s. o.): Gelb, Grün, Blau, Blaßbraun, Zinnober, Gold (Nimben). Zusammen zu je einer Folge gehören: A : Sehr. 4 7 , 7 6 , 2 0 8 , 3 0 3 , 3 1 6 , 4 5 8 , 5 3 5 , 5 7 2 . 6 9 Lt. G E I S B E R G (in H E I T Z , Einblattdrucke Bd. 22, Nr. 18) sind von Holzstöcken dieser Folge auch die Bll. Sehr. 746 (Bamberg, SB) und Sehr. 847 (Dresden, KK) gedruckt, was jedoch keineswegs als sicher gelten kann. B: Sehr. 9 6 , 1 1 0 , 1 1 5 . Lt. SCHREIBER gehören sie evtl. zusammen mit Sehr. 7 7 (Bamberg, SB), 123 (Zürich, ETH), 735 (Berlin, KK). C: Sehr. 180, 360, 562, 635, 695. D: Sehr. 128, 679.

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STENGEL schrieb - aufgrund ungenügender Untersuchung - zur Provenienz dieser Gruppe: „Ob diese aus der Hs. 28441 der Bibl. des Germ. Mus. oder aus Nr. 28607 herausgelöst sind, läßt sich nicht mehr feststellen." (STENGEL in HEITZ, Einblattdrucke Bd. 37, bei Nr. XI). Er hält sie für stilistisch verwandt mit Sehr. 961 aus der bayerischen Handschrift Hs 28860 in Nürnberg, GNM.

Handschriften

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Lit.: PASSAVANT 1 8 6 0 , B d . I, S. 3 1 ; W E I G E L - ZESTERMANN 1 8 6 6 , B d . 1, S. 5 4 ; ESSENWEIN 1 8 7 4 ,

S. 2-4 (Nr. 11, 20—44), Taf. XII, XXI-XXIV; LEHRS 1897, S. 57 f. (mit falscher Provenienzangabe H s 2 8 8 6 0 statt H s 2 8 4 4 1 ) ; STENGEL, H o l z s c h n i t t e 1 9 1 3 , N r . V ; MANTEUFFEL 1 9 2 1 , S. 2 2 ; GLASER 1 9 2 4 , Nr. 15; ZIRNBAUER 1 9 2 7 , S. 5 1 - 5 3 ; STAMMLER 1 9 3 3 , S. 2 9 ; HIND 1 9 3 5 , S. 1 2 3 ; HÖHN 1 9 3 8 ,

Abb. 30; Kulturdokumente 1956, Nr. 5 (zu Sehr. 34 mit falscher Provenienzangabe Hs 28860), Nr. 3 5 ; BECKMANN - SCHROTH 1 9 6 0 , K o m m e n t a r h e f t S. 18 A b b . 17; BIALOSTOCKI 1 9 7 2 , S. 2 5 4 , A b b .

168b; KURRAS 1974, S. 100 f.; KÖRNER 1979, S. 88-91; Kloster Inzigkofen 1982 (einige der Holzschnitte o h n e H e r k u n f t s a n g a b e u n d Erläuterung a b g e b i l d e t ) ; GEITH 1 9 9 0 , S. 2 9 ; EWALD M . VETTER,

Maria mit dem Kind an der Hand, in: Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte 46/47, 1993/94, S. 7 7 5 7 9 6 , dort S. 7 8 7 u n d A b b . 1 0 ( z u H z . 3 7 2 a u s d i e s e r H s . ) ; FECHTER 1 9 9 7 , S. 8 3 - 8 5 ; SCHMIDT 1 9 9 8 ,

S. 77, S. 86 Anm. 85.

Hs 28607 (angebunden an Postinkunabel Rl. 3490) Speculum humanae salvationis, dt. Elchingen, Benediktiner; Konrad Dietrich Haßler, Ulm. Papier; 114 Bl.; 29 x 20 cm; ca. 1456-58 Eine Hand: Michael Guldin scriptor huius libri (fol. 2 V ), Et sie est finis per me Michahelem de Schonberg (fol. 114 v ). Rote Bildüberschriften, Strichelung, rote Lombarden. Wz. nachgew. 145658 (KURRAS 1974, S. 101). Zusammengebunden mit zwei Frühdrucken: Otto von Passau, Die 24 Alten, Straßburg: Knobloch 1506, sowie: Der text des passions (...) uss den vier evangelien, Straßburg: Knobloch 1506. Alter Einband, helles Leder, Plattenstempel, 16. Jh. Fz. aus der Entstehungszeit der Hs. Verkündigung an Abraham und Sara auf fol. 46 v .

Entfernte Bilddrucke, heute in der Graphischen Sammlung des GNM: - Aus fol. 13r geschnitten: Verkündigung, Teigdruck (Sehr. 2769, K I S T N E R 1950, S. 86 f.). Inv.-Nr. K U . Prägemasse 110 x 76 mm, Bl. 116 x 85 mm. - Zwischen fol. 14 u. fol. 15 fehlt ein Blatt, lt. Notiz auf fol. 15r schon vor 1872 entfernt. Farbspuren auf fol. 14v zeigen, daß sich darauf ein Bild befand. - Zwischen fol. 14 u. fol. 16 fehlt ein Blatt, schon vor 1872 entfernt. Auf der Recto-Seite befand sich ein Teigdruck, wie die Spuren auf fol. 15r beweisen. - Aus fol. 47 v geschnitten: Fußwaschung, Teigdruck (Sehr. 2777, KISTNER 1950, S. 89). Inv.-Nr K 13. Prägemasse 69 x 54 mm, Bl. 73 x 59 mm. - Aus fol. 55 r geschnitten: Die Soldaten fallen vor Christus nieder, Teigdruck (Sehr. 2779, KISTNER 1950, S. 90). Inv.-Nr. K 12. Prägemasse 67 x 54 mm, Bl. 72 x 58 mm. - Aus fol. 58 r geschnitten: Christus vor Pilatus, Teigdruck (Sehr. 2781, KLSTNER 1950, S. 91). Inv.-Nr. K 15. Prägemasse 69 x 53, B1.73 x 58 mm. - Aus fol. 59 r (s. Abb. 195) geschnitten: Kreuzigung, Teigdruck (Sehr. 2801). Inv.-Nr. K 5. Bl. 144 x 108 mm. - Zwischen fol. 60 u. 61 fehlt ein Blatt, schon vor 1872 entfernt. Auf der Recto-Seite befand sich ein Teigdruck, wie die Spuren auf fol. 60 v beweisen. - Aus fol. 62 r geschnitten: Geißelung, Teigdruck (Sehr. 2784, K I S T N E R 1950, S. 91 f.). Inv.-Nr. K 16. Prägemasse 69 x 54 mm, Bl. 74 x 59 mm. - Aus fol. 64 r geschnitten: Dornenkrönung, Teigdruck (Sehr. 2787, KLSTNER 1950, S. 92). Inv.-Nr. K 18. Prägemasse 68 x 54 mm, Bl. 73 x 58 mm.

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Verzeichnisse

- Aus fol. 7 1 v geschnitten: Gefangennahme, Teigdruck (Sehr. 2780, KISTNER 1950, S. 91). Inv.-Nr. K 14. Prägemasse 66 x 54 mm, Bl. 72 x 59 mm. - Aus fol. 7 3 v geschnitten: Kalvarienberg, Teigdruck (Sehr. 2802, KISTNER 1950, S. 93 f.). Inv.-Nr. K 17. Prägemasse 71 x 53 mm, Bl. 75 x 58 mm. - Von fol. 76 v gelöst: Christus in der Vorhölle, Holzschnitt (Sehr. 696). Inv.-Nr. H 41. Einf. 68 x 55 mm. Kol. Blau, Rosa, Zinnober, Grün, Hellbraun, Blaßgelb, Gold; so auch die anderen Holzschnitte in dieser Hs. Gleichseitige Wiederholungen Sehr. 697, 697a, seitenverkehrt Sehr. 695. - Von fol. 87 v gelöst: Die drei Frauen am leeren Grab mit dem Engel, Holzschnitt (Sehr. 553). Inv.-Nr. H 40. Einf. 68 x 55 mm. Seitenverkehrte Wiederholung Sehr. 552 ('Gulden puchlein', fol. 136 r ). - Aus fol. 90 r geschnitten: Noli me tangere, Holzschnitt (Sehr. 564). Inv.-Nr. H 43. Einf. 67 x 55 mm. Gleichseitige Wiederholung Sehr. 561, 563, 565 sowie der Holzschnitt (nicht bei SCHREIBER) in London, B L , Add. ms. 15712, fol. 117 r . - Von fol. 9 2 v gelöst: Christus und der ungläubige Thomas, Holzschnitt (Sehr. 573). Inv.Nr. H 42. Einf. 68 x 56 mm. Gleichseitige Wiederholungen Sehr. 571 - 575 sowie London, B L , Add. ms. 15712, fol. 125 r . - Aus fol. 94 r geschnitten: Christus und der ungläubige Thomas sowie Himmelfahrt Christi, Holzschnitte, zusammen auf ein Blatt gedruckt (Sehr. 573, anderes Ex. s. o. fol. 92 v , und Sehr. 586). Inv.-Nr. 44. Sehr. 586: Einf. 68 x 55 m, gleichseitige Wiederholungen Sehr. 585, 586b sowie London, B L , Add. ms. 15712, fol. 139 r . - Von fol. 96 r gelöst: Pfingstwunder, Holzschnitt (Sehr. 596). Inv.-Nr. H 45. Einf. 68 x 55 mm. Gleichseitige Wiederholungen Sehr. 595, 596a sowie London, B L , Add. ms. 15712, fol. 15 r und New York, PL, Ms 77, S. 10, S. 22, S. 27. Was die Teigdrucke der Pietà (Sehr. 2 8 2 2 ) und der Madonna in der Glorie (Sehr. 2 8 2 7 ) in der Graphischen Sammlung des GNM betrifft, die KLSTNER noch nennt, sind keine Stellen in der Hs. eindeutig erkennbar, von denen sie gelöst sein könnten. In der Hs. verbliebene Teigdrucke (die Aufzählung bei KURRAS 1974, S. 101 ist lückenhaft): - Fol. 20 R : Darstellung im Tempel (nicht bei SCHREIBER; KISTNER 1950, S. 87 f.). Prägemasse 71 x 53 mm, Bl. 98 x 92 mm. - Fol. 22 R : Flucht nach Ägypten (nicht bei SCHREIBER, KISTNER 1950, S. 88). Prägemasse 59 x 55 mm, Bl. 102 x 92 mm. - Fol. 42 V (Abb. 193): Einzug in Jerusalem (nicht bei SCHREIBER; KISTNER 1950, S. 88). Prägemasse 70 x 52 mm, B l .103 x 93 mm. - Fol. 44 v : Abendmahl (Sehr. 2774, KISTNER 1950, S. 89). Prägemasse 70 x 53 mm, Bl. 1 0 9 x 9 1 - 9 5 mm. - Fol. 54 r : Ölberg (nicht bei SCHREIBER; KISTNER 1950, S. 90). Prägemasse 68 x 53 mm, Bl. 104 x 9 0 mm. - Fol. 62R (Abb. 194): Entkleidung Christi (nicht bei SCHREIBER). Von KISTNER 1950, S. 95 fälschlich als „Christus gebunden mit der Dornenkrone" bezeichnet. Prägemasse 66 x 60 mm, Bl. 95 x 85 mm. - Fol. 67 r r. o.: Kreuzannagelung (nicht bei SCHREIBER; KISTNER 1950, S. 95 f.). Prägemasse 67 x 58 mm, Bl. 88 x 84 mm. - Fol. 67 r , unten: Christus in der Rast (nicht bei SCHREIBER). Nicht „Christus wird dem Volk gezeigt", wie KlSTNER 1950, S. 92 f. schreibt.

Handschriften

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- Fol. 69r: Christus am Kreuz zwischen Maria und Johannes (nicht bei SCHREIBER; KISTNER 1950, S. 93). Prägemasse 68 x 60 mm, Bl. 90 x 83 mm. - Fol. 73 v : Beweinung (Sehr. 2807c, KISTNER 1950, S. 94 f.). Prägemasse 66 x 57 mm, Bl. 90 x 88 mm. Die Teigdrucke sind von Platten des Meisters mit der Hausmarke £ gedruckt, dessen Zeichen auf mehreren Blättern erkennbar ist (z. B. auf den Darstellungen der Flucht nach Ägypten, fol. 22r, Einzug, fol. 42 v , Ölberg, fol. 54r etc.). SCHREIBER, der diese Hs. nicht kannte, konnte ihm erst ein kleines Œuvre zuweisen (SCHREIBER 1926, S. 76). FIELD 1986, S. 214 f. schrieb ihm auch die Kopie der Stöger-Passion (Sehr. 2233 etc.) zu. Er lokalisiert ihn nach Franken oder Bayern, wobei er die Zuweisung nach Franken auf die falsche Annahme stützte, die Hss., in denen sich die Teigdrucke befinden, stammten aus Nürnberg (sie befinden sich jedoch nur in Bibliotheken dieser Stadt, ohne dort entstanden zu sein). Ob der Metallschneider der Stöger-Kopie und der Meister mit der Hausmarke £ tatsächlich identisch sind, ist fraglich; gibt es doch bei aller nicht zu leugnenden Ähnlichkeit beträchtliche Unterschiede in der Gestaltung der Gesichter und der Punzierung. - Die Holzschnitte gehören alle zur Kopienreihe der 'Gulden puchlein-Gruppe' und dürften noch in den 1450er Jahren entstanden sein. Lit.: ESSENWEIN 1872, Nr. 22, 1 - 6 (nur zu den Holzschnitten); KISTNER 1950; KURRAS 1974, S. 101 f.; FIELD 1986, S. 216 m. Anm. 60; SCHMIDT 1998, S. 77, S. 86 Anm. 88.

Hs 28860 Sammelhandschrift, dt. (Johannes von Indersdorf; Konrad Bömlin etc.) Prov. unbekannt. Papier; 95 Bl.; 29,5 x 21,5 cm; Bayern, 15. Jh. Eine Hand. Rubriziert, rote Lombarden. - Bei ESSENWEIN 1872, Sp. 275 und ESSENWEIN 1874, S. 2, ist zu lesen, der Codex „gehörte den Frauenklöstern in Untersdorf und Inzigkofen". STENGEL 1913, Nr. XI, und SCHREIBER, Handbuch Bd. 2, S. 86 (bei Nr. 961), wiederholen diese Angabe. Untersdorf ist eine ältere Schreibweise für Indersdorf; dort gab es allerdings kein Frauenkloster, sondern ein Augustiner-Chorherrenstift. Die Hs. enthält jedoch einen Text des Johannes von Indersdorf, was offensichtlich fälschlicherweise als Provenienz interpretiert worden ist. Die bei ESSENWEIN 1872, S. 275 angegebene Datierung 1441 (fol. 90 v ) bezieht sich ebenfalls auf die Entstehung des Textes und ist kein Schreibdatum. Wz. u. a. Ochsenkopf Typ Picc. XIII, 593 (1450-1463). Alter Einband, helles Leder, Streicheisenlinien, eine Schließe, Metallbuckel fehlen.

Ehemalige Ausstattung mit Druckgraphik: Der vordere Deckelspiegel, auf dem ein Holzschnitt klebt, wurde entfernt und in die Graphische Sammlung abgegeben. Dort Inv.-Nr. H 20 (nicht H 684, wie KURRAS 1974, S. 102 schreibt; diese Nr. bei ESSENWEIN 1874, S. 2 genannt, doch nicht mehr die heute gültige): Christus am Kreuz zwischen Maria und Johannes mit drei Engeln, die das Blut auffangen (Sehr. 961). Einf. 122 x 78 mm, Bordüre 187 x 129 mm (zur Bordüre s. SCHREIBER, Handbuch Bd. VI, S. 119). Kol. Blau, Grau, Grün, Ziegelrot, Blaßgelb, Gold, Silber. Das Blatt ist beschriftet mit deutschen Sprüchen von Augustinus, Origines, Bernhard, Hieronymus über das Leiden Christi - von einer Hand des 15. Jh., die der Schreiberhand des Codex' zwar ähnlich, doch nicht mit ihr identisch ist, wie ESSENWEIN 1872, S. 275 behauptete. Die Bordüre, die von einem gesonderten Stock gedruckt wurde,

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Verzeichnisse

ist eine - wohl jüngere - Wiederholung derjenigen, die Sehr. 34b, 987 und 1598 (im 'Gulden puchlein') und das Bad Windsheimer Exemplar von Sehr. 843 umgibt. Gleichseitige Wiederholungen sind die Kreuzigungsholzschnitte (nicht bei S C H R E I B E R ) in Cgm 105, fol. 121v und Wien, ÖNB, Ink. 2. H. 131, fol. 25v. Aus dem gleichen Vorrat von Figurenmotiven schöpfen die vermutlich bayerischen Kreuzigungsholzschnitte Sehr. 962, 962a, 963a, das älteste Blatt dieser Gruppe dürfte Sehr. 965a sein. - Bayern (?), ca. 1450. Lit.: ESSENWEIN 1 8 7 2 , S. 2 7 5 ; ESSENWEIN 1 8 7 4 , S. 2 (Nr. 18); STENGEL 1 9 1 3 , N r . X I ; WEIGMANN

1918, S. 2 9 (bei Nr. 65); PAUL GERHARD VÖLKER, D i e deutschen Schriften des Franziskaners Konrad Bömlin ( M T U 8) München 1964, S. 8 1 - 8 4 ; KURRAS 1974, S. 1 0 2 - 1 0 4 .

Hs 86409 Heiligenleben etc. Nürnberg, Dominikanerinnen. Papier; 73 Bl.; 19 x 14,5 cm; ca. 1440-1465 Aus drei verschieden alten Teilen zusammengebunden (fol. 1-17, nach Wz. ca. 1460-65; fol. 1852, nach Wz. um 1450; fol. 53-73, nach Wz. ca. 1443-48). Bastarda, mehrere Hände; fol. 1 8 M l v von der „4. Hand" des Katharinenklosters (vgl. mit der Schriftprobe bei SCHNEIDER 1965, S. XXV; bei KURRAS 1974, S. 119, ist die Hs. noch mit unbekannter Provenienz verzeichnet). W. L. SCHREIBER teilt mit (unter Nr. 1150a), er hätte die Hs. 1894 noch zusammengebunden mit einer 1480 gedruckten Inkunabel gesehen; um welche es sich handelte, gibt er nicht an. Rubriziert. Neuer Pappeinband.

Ausstattung mit Druckgraphik: - Am rechten Rand von fol. 18r war ein Holzschnitt angeklebt: Sitzende Madonna zwischen hl. Katharina (bei der Ringübergabe durch Christus) und hl. Barbara (Sehr. 1150a, s. Abb. 65). 1895 abgelöst und in die Graphische Sammlung des GNM überwiesen (Inv.-Nr. H 5588). Einf. ? x ca. 127 mm (unten und rechts beschnitten), Bl. 191 x 140-145 mm. Kol. rotbrauner Lack, Grün, Ocker, Graubraun, Rosa, Blau. Das Blatt klebte vor dem Beginn einer Legende der hl. Katharina.70 Von der Struktur der Gewandfalten mit den in Häkchen endenden Linien und den Gesichtstypen her steht es dem Holzschnitt des Todes der hl. Klara (Sehr. 1380d) sehr nahe, der in einer Hs. aus dem Katharinenkloster (Cent. VII, 21) klebt (Abb. 53). Zur Komposition vgl. die bei München BSB, 'Gulden puchlein', fol. 213 v , genannte ältere Gruppe. - Süddeutsch (Nürnberg ?), um 1460. - Am rechten Rand von fol. 49 r war ein Holzschnitt der hl. Barbara (Sehr. 1250a) angeklebt. 1895 abgelöst und in die Graphische Sammlung des GNM überwiesen (Inv.-Nr. H 5589). Einf. 179 x 123 mm, Bl. 191-192 x 141-143 mm. Kol. rotbrauner Lack, Grün, Hellbraun, Graubraun, Rosa, Ocker, (von der gleichen Hand wie der Holzschnitt oben). Verso am rechten Rand Klebespuren. Süddeutsch, um 1470. - Die Bilder wurden vielleicht eingeklebt, als die verschieden alten Handschriftenteile mit einer 1480 gedruckten Inkunabel zusammengebunden wurden. Lit.: STENGEL, Holzschnitte 1913, Nr. XXVIII; KURRAS 1974, S. 119-122. 70

Die gleiche Interpolation aus dem Prosalegendar 'Der Heiligen Leben' wie in der 1451 von Kunigund Niklasin geschriebenen und mit einem Holzschnitt geschmückten Handschrift Bamberg, SB, Msc. hist. 154 (s. WILLIAMS-KRAPP 1986, S. 426), der ältesten bekannten Überlieferung dieser Bearbeitung.

Handschriften

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Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Graphische Sammlung Druckgraphiken, die aus Handschriften der Bibliothek des Germanischen Nationalmuseums gelöst und an die Graphische Sammlung abgegeben wurden, sind unter den entsprechenden Signaturen dieser Bibliothek besprochen: Hs 1734; Hs 2261; Hs 28441; Hs 28607; Hs 28860; Hs 86409. Außerdem: Berlin, SB, Ms. germ. fol. 654. Einzelblätter aus Handschriften, deren Herkunft nicht festzustellen ist:

Inv.-Nr. H 1794 Christus vor Kaiphas, Metallschnitt (Sehr. 2262) Prov.: Slg. Weigel. Einf. 102 x 76 mm, Bl. 101-104 x 78 mm. Nur leicht koloriert mit Gelb, Grün, rotbraunem Lack. Das Blatt (Abb. 231) gehört zur Metallschnittfolge der Stöger-Passion (s. die ausfuhrliche Beschreibung der vollständigeren Folge unter Wien, Albertina, Sehr. 2222 etc.). Vom Plattenzustand her (Nagellöcher 1. u., r. o., nicht überarbeitet) steht der Abdruck auf der Stufe der Folgen in Berlin, KK, Cim. 23, und Wien, Albertina. Er liegt vor der Überarbeitung für die typographischen Ausgaben, muß also vor etwa 1461 entstanden sein. Der Text auf der Rückseite verrät, daß das Blatt in eine Hs. mit dem Passionstraktat des Heinrich von St. Gallen eingedruckt war (er entspricht der Edition des Textes von RUH 1940 S. 43, Z. 12-19). Die Schreibsprache ist alemannisch, im Unterschied zu den bairischen Texten auf anderen Blättern der Stöger-Passion (s. o. Kap. IV.3.3.). Die anderen beiden Blätter dieser Metallschnittfolge, die das Germanische Nationalmuseum besitzt (Christus in der Vorhölle, Sehr. 2424, Inv.-Nr. H 1795, und Auferstehung, Sehr. 2376, Inv.-Nr. H 1796), tragen keinen Text und sind anderer Provenienz. Sehr. 2376 stammt nicht aus der gleichen Sammlung (wie fälschlich bei SCHULZ - BEZOLD, Nr. 8 angegeben) und Sehr. 2424 ist im Katalog der Weigeliana (Nr. 340) nicht als mit Sehr. 2262 (Nr. 341) zusammengehörig verzeichnet. Zudem ist das Papier beider Blätter von anderer, dünnerer Qualität als das von Sehr. 2262. Lit.: WEIGEL - ZESTERMANN 1866 Bd. 2, Nr. 341; DODGSON 1903, S. 172; SCHULZ - BEZOLD in

HEITZ, Einblattdrucke Bd. 13, Nr. 3; Kulturdokumente 1958, S. 10 (Nr. 21); FIELD 1986, S. 204.

Inv.-Nr. H 46 Geburt Christi, Holzschnitt (Sehr. 69) Erworben 1873. Einf. 95 x 72 mm. Kol. hellgrün, hellbraun, blau, rosa, rot. Auf der Rückseite des Blattes (Abb. 241) zehn Zeilen eines oberdeutschen Gebets über die Geburt Christi, Bastarda von einer Hand des 15. Jh.; rot gestrichelt, am Anfang zweizeilige rote Lombarde, Begrenzungslinien des Seitenspiegels. Es handelt sich also um das

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Verzeichnisse

Fragment eines Gebetbuches. Zum Text s. o. Kap. IV.3.8. - Eine gleichseitige Wiederholung ist Sehr. 67 (London, BM). Süddeutsch, M. 15. Jh.

L i t . : ESSENWEIN 1 8 7 4 , N r . 4 5 .

Inv.-Nr. H 1512 Gefangennahme, Holzschnitt (Sehr. 220) Einf. ? (unten beschnitten) x 70 mm. Kol. Graubraun, Braun, Zinnober, Grün, Blau, Rosa. Auf der Rückseite des Blattes (Abb. 239) oberdeutsches Gebet über das Abendmahl, 12 Zeilen, Bastarda des 15. Jh. Der Text muß sich auf ein in der ursprünglichen Bindung vorangegangenes Bild beziehen; es handelt sich bei dem Blatt also um ein Fragment eines Gebetbuches. Zum Text s. o. Kap. IV.3.8. - Der Holzschnitt dürfte um die Mitte des 15. Jh. in Süddeutschland entstanden sein. Eine gleichseitige Wiederholung nach demselben Vorbild liegt in einem 1953 aufgefundenen und bei SCHREIBER nicht verzeichneten Blatt in Kloster Wienhausen vor (Abb. bei APPUHN- HEUSINGER 1965, S. 209, Nr. 52, Abb. 177; APPUHN 1973, S. 44). In beiden Holzschnitten zeigen grobe Vereinfachungen und Mißverständnisse - allerdings unterschiedlicher Art! - in der Figurenkonstellation und Gewandbildung die weite Entfernung von der ursprünglichen Bilderfindung an. Lit.: SCHMIDT, Bildgebrauch 2000, S. 72 f.

Nürnberg, Staatsarchiv Rst. Nürnberg, Kloster St. Klara, Akten und Bände Nr. 2 Urkundenabschriften, Chronik des Klarissenordens und des Nürnberger Klarissenklosters, lat. u. dt. Nürnberg, Klarissen. Papier; 198 S. (beschr. bis S. 195); 33 x 22,5 cm; E. 15. Jh. Bastarda, wohl zwei Hände. Wz. Ochsenkopf Picc. XVI, 194 (1492-99). Auf S. 117 Datierung 1499; der letzte Nachtrag in der Reihe der Äbtissinnen ist die Wahl von Caritas Pirckheimer im Jahr 1503 (S. 46). Ungebundene Faszikel in Aktendeckel. Buchschmuck: Auf S. 51 dreifarbige Initiale ohne figürlichen Schmuck oder Fleuronnde; S. 68 in der linken Spalte eingeklebte kolorierte Federzeichnung Christuskind mit Kreuz, Geißel und Säule vor Gottvater in einer Wolke (Bl. 75 x 63 mm, Einf. 48 x 40 mm).

Ausstattung mit Druckgraphik: Auf S. 68 in der rechten Spalte eingeklebter Holzschnitt der hl. Klara mit Buch und Monstranz (Bl. 75-76 x 57 mm, Einf. 73 x 53 mm). Doppelte Einfassungslinie. Nicht bei SCHREIBER. Süddeutsch, 4. V. 15. Jh., nach einem Vorbild um die Jahrhundertmitte. Kol. Graubraun, Grün, Blau, Ocker; eingefaßt mit dicken Rahmenlinien in Rot und Grün, die auf dem Papier des Holzschnittes wie auch der Hs. liegen, also nach dem Einkleben

Handschriften

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angebracht worden sind. Sowohl der Holzschnitt als auch die Miniatur auf derselben Seite waren beim Schreiben eingeplant, der entsprechende Platz wurde freigelassen. Zum umgebenden Text besteht nur eine allgemeine Beziehung (linke Spalte Erinnerung an Königin Agnes von Ungarn ( t 1364), rechts Testament der Helena, Frau des Nürnberger Burggrafen Friedrich IV., von 1309, beides Wohltäterinnen der Klarissen). Lit.: Caritas Pirckheimer 1982, S. 98 (Nr. 87); HAMBURGER 1997, S. 192 f.

Nürnberg, Stadtbibliothek

Cent. IV, 31 Sammelhandschrift, dt. (Marquard von Lindau, Auslegung der 10 Gebote; Sprüche der Kirchenväter und -lehrer; Gebete; 'Christi Leiden, in einer Vision geschaut') Katharina Tucher; Nürnberg, Dominikanerinnen. Papier; 169 Bl.; 30,5 x 21 cm; 1421 Bastarda von einer Hand. Rubriziert, rote Lombarden. Ins Kloster gebracht von Katharina Tucher (lt. altem Katalog, MBK Bd. 111,3, S. 601). Alte Signatur B IUI (fol. 4r), Besitzvermerk des Katharinenklosters im Vd. u. fol. 169v. Alter Einband, roter Lederüberzug, Beschläge und zwei Schließen fehlen. Ausstattung mit Druckgraphik (Abb. 49): Auf den vorderen Deckelspiegel geklebt: Verkündigung, Holzschnitt (nicht bei SCHREIBER). Einf. 129 x 70 mm, Bl. 147-148 x 92 mm. Kol. Schwarz, Grün, Grau, Gelb, Zinnober, Blau, Nimben Pudergold und -silber. Nimben mit schwarzen Linien verziert. Die Kol. stammt von der gleichen Hand wie die von Sehr. 1087a in Cent. VI, 70. WEINBERGER hielt den Holzschnitt (den er unter der falschen Signatur Cent. III, 31 nannte) für ein schlechter gedrucktes zweites Ex. von Sehr. 34b (Abb. 21; Wien, Albertina, s. Singer 1895, Nr. 29, HABERDITZL 1920, Nr. 38). Doch verraten einige Details, daß der Druck von einem anderen Holzstock stammt. Das Wiener Blatt ist eine gröbere Wiederholung nach dem gleichen Vorbild; es könnte jedoch auch in Nürnberg entstanden, zumindest gedruckt worden sein, da es von der Holzschnittbordüre umgeben ist, mit der auch die nürnbergischen Holzschnitte Sehr. 987 und 1598 - beide im 'Gulden puchlein' - sowie das Bad Windsheimer Exemplar von Sehr. 843 und die Wiener Verkündigung Sehr. 34b abgedruckt wurden. Die Verkündigung in der Nürnberger Hs. stammt aus derselben Werkstatt wie die Madonna Sehr. 1087a in Cent. VI, 70, ebenfalls einer Hs. der Katharina Tucher (zur künstlerischen Herkunft s. dort); auch die Kolorierung ist die gleiche. Das Blatt wurde vor 1455 eingefugt, da der Inhaltszettel, den Kunigund Niklasin etwa um diese Zeit darunterklebte, auf das Blatt Rücksicht nimmt (in der Regel befestigte Niklasin diese Zettel in der Mitte des Deckelspiegels, s. SCHNEIDER 1965, S. 26). Lit.: WEINBERGER, Formschnitte 1925, S. 19; RUF in M B K B d . 111,3, S. 574; SCHNEIDER 1965, S. 2 5 - 2 7 ; SCHNEIDER 1983, S. 7 3 A n m . 8; WILLIAMS - WILLIAMS-KRAPP 1998, S. 15.

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Cent. V, 2 Deutsche Historien bibel (Altes Testament) Katharina Tucher; Nürnberg, Dominikanerinnen. Papier; 269 Bl.; 29,7 x 21,5 cm; I . V . 15. Jh. Eine Hand; Rubriziert, rote Lombarden. Mit der Büchersammlung der Katharina Tucher 1433 ins Kloster gekommen. Bibliotheksvermerke des Katharinenklosters im Vd. u. fol. 270 v . Alte Signatur A XII (fol. 2 r , vgl. MBK Bd. 111,3, S. 600). Heller Lederumschlag, brauner Rücken mit Streicheisenverzierung.

Ausstattung mit Druckgraphik: Auf fol. 1 der Hs., das sich heute abgelöst in der Grapiksammlung der Stadtbibliothek Nürnberg befindet, klebt das Fragment eines Holzschnitts einer halbfigurigen gekrönten Madonna im Strahlenkranz (Sehr. 1048b). 290 x 204 mm; weiße Druckfarbe auf grünem Papier. W E I N B E R G E R , Madonnenholzschnitt 1925, S. 93 f. hält das Blatt für ein in Nürnberg - vielleicht im Dominikanerkloster - unter oberrheinischem Einfluß entstandenes Werk, wofür er jedoch keine überzeugenden Vergleichsbeispiele zu bringen vermag. Der Gesichtstyp entspricht dem der halbfigurigen Madonnenholzschnitte Sehr. 1021, 1023 u. 1024, von denen keiner vor der Jahrhundertmitte entstanden ist. - Süddeutsch, um 1440. Lit.: WEINBERGER, F o r m s c h n i t t e 1 9 2 5 , S. 1 3 - 1 6 , S. 3 3 - 3 5 ( N r . 1), A b b . T a f . 1; WEINBERGER, M a d o n n e n h o l z s c h n i t t 1 9 2 5 ; RUF in M B K B d . 111,3, S. 5 7 5 ; SCHNEIDER 1 9 6 5 , S. 6 3 f.; SCHNEIDER 1983, S. 7 3 A n m . 8, S. 7 5 A n m . 2 3 ; SCHOCH 1986, S. 104 f.; WILLIAMS - WILLIAMS-KRAPP 1 9 9 8 , S. 16.

Cent. V, App. 81 Sammelhandschrift, dt. (Heinrich Seuse, 'Horologium sapientiae', dt.; div. Gebete etc.) Matthias Weinsperger (Nürnberg, Dominikaner); Margaretha Vornan (Nürnberg, Dominikanerinnen). Papier und Pergament; 207 + V Bl.; 15,8 x 10,5 cm; Mitte 15. Jh. Eine Hand; vermutlich im Predigerkloster geschrieben. Rubriziert. Wz. Dreiberg mit Kreuz, ähnl. Br. 11787 (1447—48), 11797 (1446-55). Schenkung des Nürnberger Dominikaners Matthias Weinsperger an die Dominikanerin Margaretha Vornan (Eintrag im alten Katalog, MBK Bd. 111,3, S. 626). Alte Signatur MXVI. Alter Einband, rotes Leder, Streicheisen und Stempel aus der Werkstatt des Dominikaners Conrad Forsters. Fleuronnee-Randstäbe, z. T. mit Drolerien (gleiche Hand wie in Cent. VI, 43 e ?), s. u., Rosetten in Deckfarben, passim; fol. l r Initiale, Deckfarben und Fleuronnde. Die bei SCHNEIDER 1965, S. 73, als Holzschnitte bezeichneten Bilder des durchstoßenen Herzens Jesu auf fol. 96 v und 97 v sind tatsächlich Federzeichnungen. Nur die Fleuronnöe-Umrahmung stammt von der gleichen Hand wie die der Holzschnitte auf fol.77 v und 121 v .

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Ausstattung mit Druckgraphik (Abb. 41): Fol. 77 v und 12 l v : zwei Exemplare eines Holzschnitts mit der Darstellung des hl. Bernhard, zu dem sich Christus zur Umarmung vom Kreuz neigt (Sehr. 1276e). Einf. 71 x 60 mm. Ausbrüche der äußeren Einfassungslinie r. o. und r. u. Süddeutsch, Mitte 15. Jh. Kol. Grün, Blau, Hellpurpur, Graubraun, Braun, Gelb, Inkarnat, Zinnober, Gold, Silber. Vermutlich von der gleichen Hand koloriert sind die Graphiken des 'Gulden puchlein' sowie Sehr. 74 ld, 930m, 1292c (alle aus Hss. des Katharinenklosters). Beide Exemplare des Holzschnitts mit roten und grünen Fleuronnee-Rahmen umgeben. Eine gleichseitige Wiederholung ist Sehr. 1276f (München, BSB, in Clm 20020). WEINBERGER hielt sie für Kopien eines verlorenen oberrheinischen Originals, was nicht ausgeschlossen, doch ebensowenig zu belegen ist. Beide wurden beim Schreiben in Abstimmung mit dem Text, in beiden Fällen die dt. Prosaübersetzung des Gebets 'Salve mundi salutare' (Ps.-Bernhard, MIGNE, PL 184, Sp. 1319 ff.), eingeklebt. Lit.: WEFNBERGER, Formschnitte 1925, S. 2 5 , 4 3 f. (Kat. Nr. 9); SCHNEIDER 1965, S. 72-78.

Cent. VI, 43 e Sammelhandschrift, dt. (Marquard von Lindau, Eucharistietraktat; Ps.-Albertus Magnus, 'Paradisus animae' dt.; 'Stimulus amoris' dt.; div. kurze Sprüche, geistl. Allegorien etc.) Conrad Forster (Nürnberg, Dominikaner); Barbara Prucklerin; Nürnberg, Dominikanerinnen. Papier; I + 300 Bl.; 21,8 x 15,5 cm; 1454-55 Laut Eintrag im Vd. u. fol. 2 9 8 v Schenkung einer junckfraw Barbra Prucklerin. Geschrieben von Conrad Forster (Initialen fol. 136 r ), dat. 1454 (fol. 226 v ), 1455 (fol. 5 2 v ) . 7 1 Rubriziert, rote Lombarden, Tabellen und Schemazeichnungen (fol. 184 v -184 r , 198 v , 233 v ). Keine alte Signatur. Alter Einband, roter Lederüberzug, Streicheisenmuster mit Stempeln aus der Werkstatt Conrad Forsters im Dominikanerkloster. Fol. l r u. 53 r Initialen, rote und blaue Deckfarbe, Fleuronnöefüllung; fol. 53 r Blattranke, Deckfarben; fol. 188 v schematische Federzeichnung der 'geistlichen Geißel' von der Hand Conrad Forsters.

Ausstattung mit Druckgraphik (Abb. 48): Vor fol. 1 zwischen Seidenpapier wieder eingefugt (im April 1992, ursprünglich war das Blatt mit dem Rand am Vorsatzblatt fol. I v angeklebt): Madonna in der Glorie auf dem Halbmond, Metallschnitt (Sehr. 2497). Einf. 155 x 116 mm, Bl. 214-216 x 139-144 mm. Kol. Grün, Rotlack, Gelb, Blau. R. o., evtl. auch 1. u., Spuren eines Nagellochs in der Platte. Weitere Exemplare in Paris, BN (s. BOUCHOT 1903, S. 219, Nr. 67, Taf. 34) und in München, BSB (in Cgm 840, s. HEITZ, Einblattdrucke 15, Nr. 48). Das Münchner Blatt ist das älteste, dort fehlt noch das Nagelloch rechts oben, das im Pariser Ex. schon vorhanden ist. SCHREIBER wies den Metallschnitt dem 'Meister des Namenszugs Christi' (benannt nach Sehr. 2754) zu. Entstanden um 1450 in Süddeutschland. - Wann die Graphik in die Hs. kam - ob schon durch Conrad Forster oder erst im Katharinenkloster - läßt sich nicht bestimmen. 71

Aus der Schenkung der Barbara Prucklerin, ebenfalls von Conrad Forster geschrieben, die Bände Cent. VI, 85 und Cent. VI, 97.

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L i t . : SCHREIBER 1 9 2 6 , S. 3 7 f . ; FRIES 1 9 2 4 , S . 1 3 6 ; RUF in M B K B d . 111,3, S . 5 7 1 , 5 7 5 ; SCHNEIDER

1965, S. 8 6 - 9 6 ; ; EISERMANN 2001, passim (s. Register, bes. S. 487 f.).

Cent. VI, 43f Legenden der hl. Ursula und hl. Birgitta, dt. Nürnberg, Dominikanerinnen. Papier u. Pergament; I + 396 Bl.; 20,5 x 14,5 cm; Nürnberg, 1445-1448 Im Kloster geschrieben; Bastarda von mehreren Händen, darunter Kunigund Niklasin (fol. l r - 2 3 3 v ) , Ursula Geiselherin (fol. 282 r -348 v ). Datiert 1445 (fol. 384 v ), 1448 (fol. 2 3 3 v ) . 7 2 Rubriziert, rote Lombarden. Besitzvermerke des Klosters fol. I r u. 396 v ; fol. l r alte Signatur JXXV (unter dieser im Katalog, vgl. MBK Bd. 111,3, S. 617). Alter Einband, roter Lederüberzug, Spuren von Streicheisenlinien; ehemals zwei Schließen. Auf fol. l r , 2 r , 3 V , 5 V , 13 v , 98 v , 107 v Initialen, meist blaue Deckfarbe auf rotem Fleuronnde, z. T. von Fabeltieren bewohnt.

Ausstattung mit Druckgraphik (Abb. 45 u. Umschlagbild): - Fol. l v : hl. Ursula, Holzschnitt (Sehr. 1707a). Einf. 132 x 71 mm; umgeben von einer Bordüre mit Lambrequin-Ornament, 177-178 x 117-120 mm, die von einem getrennten Stock gedruckt ist. Kol. mit stark deckenden Farben, Blau, Zinnober, dunkleres Rot, Grün, Gelb, Inkarnat, Nimbus und Metallteile Pudergold; schwarz konturiert; Hintergrund in Gold und Grün kariert. Süddeutsch (Nürnberg?), 1440-50. Aus der gleichen Werkstatt wie Sehr. 1087a in Cent. VI, 70. - Fol. 236 v : hl. Birgitta (Sehr. 1292c). Einf. 133 x 80 mm. Umgeben von einer von getrenntem Stock gedruckten Bordüre (183 x 120 mm), die auch Sehr. 432, 433, 843 und 1480 umgibt (alle im 'Gulden puchlein). Kol. Grau, Grün, Blau, Rosa, Zinnober, Nimben Pudersilber. Das Blatt hängt stilistisch zusammen mit Sehr. 433 und Sehr. 1074. Süddeutsch (Nürnberg?), 1440-50. L i t . : WEINBERGER, F o r m s c h n i t t e 1 9 2 5 , S . 3 8 - 4 1 ( K a t . N r . 4 , 5 ) ; R U F i n M B K B d . 111,3, S . 5 7 5 ; SCHNEIDER 1 9 6 5 , S. 9 6 - 9 8 ; SCHRAUT 1 9 8 7 , S . 8 ( T a f . 8 ) , 5 9 , 7 7 .

Cent. VI, 43 n Sammelhandschrift, dt. ('Stimulus amoris' dt.; Marquard von Lindau, Auslegung der 10 Gebote; Seuse, 'Büchlein der ewigen Weisheit') Ursula Hoschlin; Nürnberg, Dominikanerinnen. Papier; 214 Bl.; 21,2 x 15 cm; Mitte 15. Jh. Zwei Hände; Rubriziert, rote Lombarden. Ins Kloster gebracht von Ursula Hoschlin ( | 1495), s. MBK Bd. 111,3, S. 617 f. Alte Signatur JXXXV. Alter Einband, Holzdeckel mit unverziertem roten Lederüberzug, Beschläge und zwei Schließen fehlen. 72

Bei SCHREIBER unter Nr. 1707a die falsche Datierung der Handschrift auf 1458.

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Fol. l r vierzeilige Initiale N, rot und braun, fleuronniert.

Ausstattung mit Druckgraphik (Abb. 44): Ehemals auf den vorderen Deckelspiegel geklebt, 1992 vor fol. 1 zwischen Seidenpapier neu eingefugt: hl. Katharina, Holzschnitt (Sehr. 1321b), mit ornamentaler Bordüre, die zum selben Druckstock gehört. Einf. 193 x ? (Bordüre), 172 x 137 mm (Einf. ohne Bordüre). Kol. Rot, Gelb, Blaßbraun, Zinnober, Gelbgrün, Rand Gelb. Auf der Rückseite Leimspuren mit Abklatsch der Schrift des Deckelspiegels, auf dem das Blatt klebte. Die Darstellung war mit mindestens einer weiteren auf ein Blatt gedruckt, da links der angeschnittene Rest eines Omamentstreifens zu sehen ist, der wohl zu einer zweiten (Heiligen?-) Darstellung überleitete. Die Darstellung der Heiligen folgt dem gleichen Vorbild wie Sehr. 1320b (von der Bildtafel des Katharinenklosters, s. Kap. II. 1.7), Sehr. 1321 (London, BM), 1321a (Bamberg, SB, in Msc. hist. 154, einer Hs. des Katharinenklosters, s. o.), Sehr. 1321c (Straßburg, BNU, wohl aus einem elsässischen Dominikanerinnenkloster), Sehr. 1322a, Sehr. 1322b (München, BSB, Clm 3112a). W E I N B E R G E R bezeichnet den Holzschnitt als eine schwäbische Kopie nach einer oberrheinischen Vorlage. Belege gibt es weder für die von ihm postulierten verschiedenen Entstehungsorte der Kopien noch für die Lokalisierung der Vorlage (vgl. S C H M I D T 1998, S. 72 f.). Die Darstellung folgt einem Figurentyp und Gewandformeln, die um die Mitte des 15. Jh. in allen Regionen Süddeutschlands verbreitet waren. - Süddeutsch, um 1450. Lit.: FRIES 1 9 2 4 , S. 1 3 6 ; WEINBERGER, F o r m s c h n i t t e 1 9 2 5 , S. 3 5 - 3 8 , Kat. N r . 2 ; RUF in M B K B d . 111,3, S. 5 7 5 ; SCHNEIDER 1 9 6 5 , S. 1 1 8 f.; SCHMIDT 1 9 9 8 , S. 7 2 f.; EISERMANN 2 0 0 1 , p a s s i m (s.

Register, bes. S. 3 8 0 f., 3 9 1 - 3 9 5 .

Cent. VI, 52 Sammelhandschrift, dt. (Gerhard Zerbolt von Zutphen, 'Vom Geistlichen Aufsteigen der Seele'; div. Predigten) Nürnberg, Dominikanerinnen. Papier; XII + 404 Bl.; 21,7 x 15,5 cm; 1. H. 15. Jh. u. ca. 1449-57 Erster Teil (fol. 1—48): Geschrieben von Egidius Schwertmann (Dominikaner in Nürnberg, spätestens 1454 Prior des Predigerklosters Eichstätt), der die Hs. dem Katharinenkloster schenkte. Der unvollständige Text wurde von den Dominikanerinnen fortgeführt (fol. 47 V -394 V , vgl. MBK Bd. 111,3, S. 624), zwischen 1449 (Predigt fol. 205 1 ) und dem Eintrag im Katalog (1455-57, vgl. MBK Bd. 111,3, S. 624). Bastarda von mehreren Händen, u. a. fol. 75R-95R die „4. Hand" des Katharinenklosters (s. SCHNEIDER 1965, S. XXV, s. o. auch Nürnberg, GNM, Hs 86409). Rubriziert, rote Lombarden. Besitzvermerke des Klosters im Vd. u. Rd., fol. l r alte Signatur MIII. Alter Einband, heller Lederüberzug, Streicheisenverzierung, die zwei Schließen fehlen.

Ausstattung mit Druckgraphik (Abb. 47): Fälschlich vor fol. I wieder eingefugt (April 1992, nachdem es vor längerer Zeit abgelöst worden war), ursprünglich jedoch vor fol. 1 (= 13. Bl. der Hs.) eingeklebt: Holzschnitt mit drei Passionsszenen - Handwaschung des Pilatus, Christus am Kreuz, Grablegung - und Arma Christi (Sehr. 930m), also Illustration eines Credo-Satzes, vgl. viertes Bild der Blockbuchausgaben ( S C H R E I B E R , Manuel Bd. 4, S . 239). Einf. 165 x 127 mm, Bl. 211— 213 x 138-143 mm. Kol. Grün, Zinnober, Blau, Dunkelviolett, Grau, Gelb, sulfidiertes

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Silber (Nimben und Werkzeuge etc.). Mehrere kleine Ausbrüche der Einfassungslinien. Süddeutsch (nürnbergisch?), M. 15. Jh. Lit.: WEINBERGER, Formschnitte 1925, S. 41 ff. (Kat. Nr. 7); RUF in M B K Bd. 111,3, S. 575; SCHNEIDER 1965, S. 1 6 4 - 1 6 8 .

Cent. VI, 56 Sammelhandschrift, dt. (Hymne 'Veni sancte spiritus', dt.; Auslegung des Symbolum Athanasianum; Marquard von Lindau, Eucharistietraktat; div. Traktat-, Predigtstücke etc.) Nürnberg, Dominikanerinnen. Papier; 11 + 315 Bl.; 20,5 x 14,5 cm; um 1446-47 Mehrere Hände. Im Kloster geschrieben (vgl. MBK Bd. 111,3, S. 607). Rubriziert, rote Lombarden. Alte Signatur EXXXIII{fol. l r ), Besitzvermerk im Vd. und auf fol. 315r. Alter Einband, heller Lederüberzug, Streicheisenverzierung, zwei Schließen fehlen. Ausstattung mit Druckgraphik (Abb. 46): Holzschnitt Gnadenstuhl (Sehr. 74 ld). Einf. 129 x 84 mm. Die Bordüre (182 x 130-132 mm), von getrenntem Stock gedruckt, umgibt auch Sehr. 711, 1153, 1650 (alle im 'Gulden puchlein'). Kol. Zinnober, Blau, Rosa, Gelb, Braun, Karmesin, Gelbgrün, Gold. Das Blatt war herausgelöst worden und wurde im April 1992 fälschlich zwischen fol. 1 und 2 wieder eingefugt. Klebespuren und die alte Blattzählung 3 auf dem Holzschnitt beweisen, daß es ursprünglich als drittes Blatt (zwischen fol. II und 1) an einem Pergamentfalz klebte. Lit.: WEINBERGER, Formschnitte 1925, S. 39 (Kat. Nr. 5); RUF in M B K Bd. 111,3, S. 575; SCHNEIDER 1965, S. 1 8 4 - 1 8 8 .

Cent. VI, 60 Sammelhandschrift, dt. (Heinrich von St. Gallen, Passionstraktat; div. Predigten; Sammlungen von Sprüchen der Kirchenväter, Quaestiones etc.) Nürnberg, Dominikanerinnen. Papier und Pergament; 386 Bl.; 21,5 x 15,5 cm; ca. 1450-60 Bastarda von mehreren Schreiberinnen des Katharinenklosters. Rubriziert, rote Lombarden. Wz. u. a. Dreiberg Br. 11788 (1454-55), Waage Picc. I, 403 od. 404 (1459-62). Fol. l r Besitzvermerk des Katharinenklosters; fol. 3 r alte Signatur E LXIIII. Alter Einband, heller Lederüberzug, Streicheisenmuster; ehemals zwei Schließen. Mehrere einfache Initialen, 2-7 Zeilen, Feder rot und schwarz. Ausstattung mit Druckgraphik: Auf fol. 26 r eingeklebt (Abb. 28): Christus am Kreuz zwischen Maria und Johannes (Sehr. VIII *458a, ohne dieses Ex.; anderes Ex. in London, Guildhall Library, s. Abb. 29), das durch seine handschriftliche Datierung den terminus ante quem 1457 gibt. Nicht identisch mit Sehr. 459a, wie bei SCHNEIDER- ZlRNBAUER 1965, S. 208 zu lesen ist; jener

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Holzschnitt (Bamberg, SB) ist eine gleichseitige Wiederholung in plumperem Schnitt. Einf. 68 x 58 mm, Bl. 99-100 x 88-90 mm. Kol. Blau, Rotbraun, Grau, Gelb, Grün, Rot, Nimben sulfidiertes Silber. Von dilettantischer Rankenbordüre mit Feder und roter Tinte umgeben, vielleicht von der Schreiberin. Als Einleitungsbild des Abschnitts über die Kreuzigung des Passionstraktats des Heinrich von St. Gallen eingeklebt. - Süddeutsch (nürnbergisch?), um 1450. Lit.: SCHNEIDER 1 9 6 5 , S . 2 0 7 - 2 1 7 .

Cent. VI, 70 Sammelhandschrift, dt. (Slg. von Texten zum Abendmahl; Lektionar; geistliche Sprüche) Katharina Tucher; Nürnberg, Dominikanerinnen. Papier; 242 + II Bl.; 21 x 14,7 cm; I.V. 15. Jh. Hauptteil von einer Hand, kurze Zusätze von drei weiteren. Rubriziert, rote Lombarden. Besitzvermerke des Katharinenklosters im Vd. u. fol. 242 v . Alte Signatur D IX. Lt. altem Katalog von Katharina Tucher ins Kloster gebracht (MBK Bd. 111,3, S. 603). Alter Einband, roter Lederüberzug, Streicheisenverzierung, Messingbeschläge, die Schließe fehlt.

Ausstattung mit Druckgraphik (Abb. 50): Im Vd. eingeklebt: Madonna im Strahlenkranz, Holzschnitt (Sehr. 1087a). Einf. 130 x 71 mm, Bl. 149 x 89-92 mm. Kol. Schwarz, Gelb, Grün, Graubraun, Blau, Nimben sulfidiertes Silber auf gelbem Grund; Rahmung Zinnober, innen dunkleres Rot. Einige Linien schwarz nachgezogen. Wurmlöcher, in den Ecken r. o. und 1. o. Nagellöcher. Über dem unteren Rand klebt der spätestens 1457 eingefugte Inhaltszettel von der Hand der Kunigund Niklasin. - W E I N B E R G E R zählte den Holzschnitt zu den nürnbergischen Kopien unbekannter oberrheinischer Originale. Doch erweist der Vergleich der Madonna mit einem Werk der Nürnberger Tafelmalerei wie der hl. Cäcilie vom linken Seitenflügel des Cadolzburger Altars (Abb. 51, Berlin, Jagdschloß Grunewald, Inv.-Nr. 8997; gestiftet von dem Nürnberger Burggrafen Friedrich VI., der sich 1426-1440 auf die Cadolzburg zurückgezogen hatte) 73 so große Ähnlichkeiten im Aufbau der Figur und der Gestaltung des Gewandes, daß man nicht, wie WEINBERGER, ein oberrheinisches Vorbild postulieren muß (WEINBERGER, Formschnitte 1925, S. 19 u. 37, nicht durch konkrete Vergleichsbeispiele belegt), sondern auch eine Vorlage aus Nürnberg denkbar ist. - Gleichseitige Wiederholungen sind die Holzschnitte Sehr. 1077, 1087 und 1089a; dem anzunehmenden gemeinsamen Vorbild steht das Blatt in der Nürnberger Hs. am nächsten. Lit.: WEINBERGER, F o r m s c h n i t t e 1 9 2 5 , S. 3 7 f. ( K a t . N r . 3 ) ; FRIES 1 9 2 4 , S . 1 3 7 ; RUF i n M B K B d . 111,3, S. 5 7 5 ; SCHNEIDER 1 9 6 5 , S . 2 1 8 - 2 2 0 ; SCHNEIDER 1 9 8 3 , S. 7 3 A n m . 8 ; WILLIAMS - WILLIAMSKRAPP 1 9 9 8 , S . 1 7 .

73

Vgl. dazu zuletzt den Ausstellungskatalog 4 5 0 Jahre Jagdschloß Grunewald, Bd. 2: Aus der Gemäldesammlung, hg. v. HELMUT BÖRSCH-SUPAN, Berlin 1992, S. 8, Abb. S. 9 (ohne S e i t e n f l ü g e l ) ; STRIEDER 1 9 9 4 , S. 3 2 f . , 1 7 2 , m i t L i t .

STRIEDER b e z e i c h n e t i h n m i t ALFRED

STANGE, Deutsche Malerei der Gotik Bd. 9, S. 15 f., als einen Schüler des Meisters des Bamberger Altars.

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Verzeichnisse

Cent. VI, 81 Sammelhandschrift, dt. (Heinrich Seuse, 'Büchlein von der ewigen Weisheit'; Traktat von der Geduld; Artikel einer christlichen Lebenslehre; Allegorie vom geistlichen Kloster) Katharina Tucher; Nürnberg, Dominikanerinnen. Papier; 282 Bl.; 15,5 x 10,3 cm; I . V . 15. Jh. Zwei Hände, eine davon Katharina Tücher; großenteils rubriziert, rote Lombarden. Von Katharina Tucher ins Kloster gebracht (MBK Bd. 111,3, S. 615). Besitzvermerk des Katharinenklosters fol. l r und im Rd.; alte Signatur J V fol. l r . Alter Einband, roter Lederüberzug, Beschläge und zwei Schließen fehlen bis auf zwei Messingknöpfe auf dem hinteren Deckel.

Ausstattung mit Druckgraphik (Abb. 52): Ehemals in den Vd. geklebt, nach der Ablösung heute wieder auf einem neuen Blatt am Deckelspiegel befestigt (April 1992): Christuskind im Heiligen Herzen am Kreuz, umgeben von den fünf Wunden; Holzschnitt (nicht bei SCHREIBER). Einf.: 114 x 89 mm. Kol. Rotlack, Ocker, Grün. SCHNEIDER 1965, S. 221 hielt den Holzschnitt für ein unbekanntes Exemplar von Sehr. 801 (London, BM, s. DODGSON 1903, A 29, und Zürich, ETH, s. HEITZ, Einblattdrucke Bd. 3, Nr. 31). Doch handelt es sich um eine gleichseitige Wiederholung, die von einem anderen Holzstock gedruckt ist. Unterschiedlich ist z. B. die Gestaltung der Wolken über den Füßen, die im Vergleich zu Sehr. 801 ein Mißverstehen der Vorlage verrät. Näher steht dem Nürnberger Blatt der Holzschnitt Sehr. 801 a (Paris, BN, s. BOUCHOT 1903 Nr. 146, Taf. 79), auf dem die Wolken ähnlich gestaltet sind; doch auch dieser ist von einem anderen Holzstock gedruckt. Zum Bildthema vgl. GOUGAUD 1925, S.78 ff., SUCKALE 1977, S . 185, m. weiterer Lit. - Süddeutsch, 1450er Jahre. L i t . : RUF in M B K B d . 111,3, S . 5 7 5 ; SCHNEIDER 1 9 6 5 , S . 2 2 0 - 2 2 2 ; SCHNEIDER 1 9 8 3 , S. 7 3 A n m . 8 ; WILLIAMS - WILLIAMS-KRAPP 1 9 9 8 , S . 17.

Cent. VII, 21 Hendrik Herp, 'Spiegel der Vollkommenheit', dt., erster Teil74 Nürnberg, Dominikanerinnen. Papier; I + 235 Bl.; 15,4 x 10,5 cm; 3. V. 15. Jh. (vor 1469) Mehrere Hände des Katharinenklosters (vgl. MBK Bd. 111,3, S. 627), darunter Ursula Geiselherin (fol. 9 8 r - l 14 r ), Klara Keiperin (fol. 166 r -198 r ). Lt. DE TROEYEN in ^VL Bd. 3, Sp. 1130 vor 1469 entstanden, was mit den Wasserzeichen korrespondiert (s. SCHNEIDER 1965, S. 294). Rubriziert, rote Lombarden, Initiale in roter Tinte fol. 2 r . Bibliotheksvermerk des Katharinenklosters im Vd., alte Signatur M XXIII auf fol. l r . Alter Einband, roter Lederüberzug, Streicheisenverzierung; eine Schließe ganz, von der zweiten nur die Messingschnalle erhalten. 74

Im Text hier als Predigt des Dominikaners Peter Kirchschlag bezeichnet; der zweite Teil in Cent. VI, 96.

Handschriften

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Ausstattung mit Druckgraphik (Abb. 53): Ehemals auf den vorderen Deckelspiegel geklebt, heute an der Innenseite des Vorderdeckels neu befestigt (April 1992): Tod der hl. Klara, Holzschnitt (Sehr. 1380d). Einf. 82 x 63 mm, Bl. 101-104 x 91-92 mm. Kol. Rotlack, Grün, Hellgelb, Braun, Rosa, Rand Rot. Das Blatt steht stilistisch der Londoner Passion Sehr. 127 etc. und der 'Nonnberger Passion' (Sehr. 152b etc.) sehr nahe, die wiederum durch ihre Verwandtschaft mit den Pfister-Illustrationen als fränkische Produkte ausgewiesen sind (s. Kap. IV.3.1.). Nürnberg, um 1460. Lit.:

WEINBERGER,

Formschnitte 1925, S. 44-46 u. Tai IV;

RUF

in MBK Bd. 111,3, S. 575;

SCHNEIDER 1 9 6 5 , S. 2 9 4 f.; DE TROEYEN in 2 V L B d . 3, S p . 1130.

Cent. VII, 38 Sammelhandschrift, dt. (Meßerklärung nach Marquart von Lindau; Bußpsalmen dt.; Gebete etc.) Nürnberg, Dominikanerinnen. Papier; VI + 249 Bl.; 14,6 x 10 cm; 1. H. (fol. 216-249: 2. H.) 15. Jh. Mehrere Hände (fol. 216r-229r gleiche Hand wie Will II, 19.8°), nicht in St. Katharina geschrieben (nicht von Klara Keiperin, wie WEINBERGER, Formschnitte 1925, S. 42 angibt, der die Hs. mit dem im Katalog unter M XXVI genannten verwechselte). Teilweise rubriziert. Alte Signatur N XXVI (im Katalog der Klosterbibliothek, s. MBK Bd. 111,3, S. 633). Alter Einband, heller Lederüberzug, Streicheisenmuster. Ausstattung mit Druckgraphik (Abb. 69): Fol. 225 v : kolorierter Holzschnitt, Christus wäscht die Füße der Jünger (Sehr. 164a). Einf. 68 x 57 mm. Kol. Blau, Rot, Grün, Gelb, Silber. Gehört zur gleichen Folge wie die Holzschnitte in Will II, 19.8°, dort auch die Gebetstexte von der gleichen Hand geschrieben. Am unteren Rand handschriftlich der Buchstabe a, der zu dem von der Benutzerin oder dem Benutzer angewandten System der „Signierung" der Holzschnitte gehört (s. o. Kap. II. 1.6.5). Lit.: FRIES 1924, S. 138; WEINBERGER, Formschnitte 1925, S. 42 f. (Kat. Nr. 8), Abb. Taf. VIII; in MBK Bd. 111,3, S. 575; SCHNEIDER 1965, S. 328-332; SCHMIDT 1998, S. 85 Anm. 75.

RUF

Cent. VII, 67 Gebetbuch, dt. Gertrud Tetzlin; Nürnberg, Dominikanerinnen. Papier; 142 Bl.; 10,5-11 x 7,5-8 cm; 2. V. 15. Jh. Mehrere Hände, darunter Gertrud Tetzlin (fol. 1V-8V). Rubriziert, rote Lombarden. Im Vd. Besitzvermerk S{wester) Gertrawt Teczlyn ¡471. Alter Einband, Umschlag aus Pergament (Hs. 15. Jh.), Rest einer Verschlußschnur an einem Lederstreifen am hinteren Deckel.

Verzeichnisse

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Ausstattung mit Druckgraphik (Abb. 57): Als fol. 14 (Bildseite 141") eingebunden: Mystische Vermählung der hl. Katharina von Alexandrien, Holzschnitt (Sehr. 1142a). Einf. 71 x 59 mm. Kol. Rotlack, Grün, Blau, Hellgelb, Inkarnat, Silber. Zweites Ex. in einer anderen Hs. des Katharinenklosters (s. o. London, BM, 158* b.3, fol. 171). Das Blatt ist nicht, wie WEINBERGER, Formschnitte 1925, S. 44 schreibt, auf „die zu diesem Zweck freigelassene Seite 14 [...] eingeklebt", sondern wurde auf der Rückseite mit Pergamentstreifen verstärkt und beim Binden als fol. 14 in der Lagenmitte (Lage (IV + l) 1 8 eingefügt; die Bindefäden sind durch Holzschnitt und Pergamentstreifen gezogen. Stilistisch steht es der Hauptfolge der Holzschnitte in der Hs. London, BM, 1 SS* b.3 nahe (zur Einordnung s. dort). - Nürnberg, ca. 1450-60. Lit.:

WEINBERGER,

Formschnitte 1925, S. 44 (Kat. Nr. 10); SCHNEIDER 1965, S. 378-386.

Cent. VII, 88 Sammelhandschrift, dt. (div. Stücke über das Sterben, u. a von Heinrich Seuse, Marquard von Lindau, aus dem 'Speculum artis bene moriendi' etc.) Nürnberg, Dominikanerinnen. Papier und Pergament; 45 Bl.; 22 x 16 cm; um 1460 Zwei Hände („9. Hand", vgl. Schriftprobe bei SCHNEIDER 1965, S. XXVIII, und Dorothea Schurstabin) des Katharinenklosters. Wz. Waage ähnl. Br. 2404 (1459-62). Rubriziert, rote Lombarden. Fol. l v Bibliotheksvermerk, fol. 2 r alte Signatur L XLII. Alter Einband, Umschlag aus Pergament (Hs. des 14. Jh.), Rückenverstärkung aus rotem Leder. Ausstattung mit Druckgraphik (Abb. 63): Mit dem umgefalzten linken Rand an fol. 2 r links angeklebt: Christus am Kreuz mit Maria und Johannes, Holzschnitt (nicht bei SCHREIBER). Die Figuren von Maria und Johannes sind gleichseitige Wiederholungen derselben Vorlage wie Sehr. VIII *458a (s. Abb. 28, 29), der Körper Christi ist jedoch anders gedreht. Einf. 71-72 x 57-58 mm. Bl. 84-86 x ? (82 mm bis zum Falz). Kol. Rot, Ocker, Grün. Auf der Rückseite von Hand des 15. Jh. Widmung Muter Elisabeth Gotlingerin von ¿'(wester) Martha Peurlin (zu dieser Schwester s. auch oben bei Augsburg, UB, Cod. 111.1.2° 12). Es handelt sich also um ein nachträglich in die Hs. eingefügtes Bildgeschenk einer Nonne des Katharinenklosters. - Süddeutsch (Nürnberg?), 1450-60. Lit.: SCHNEIDER 1965, S. 401-403; Bildgebrauch 2000, S. 75.

SCHMIDT

1998, S. 77,

S.

83 Anm. 17,

S.

85 Anm. 73;

SCHMIDT,

Will II, 19.8° Gebetbuch, dt. Nürnberg, Dominikanerinnen. Papier; 259 Bl.; 15 x 10,5 cm; 1. H. u. Mitte 15. Jh. Mehrere Hände. Erster Teil (fol. 1-120) aus dem zweiten Drittel des 15. Jh. (Wz. Ochsenkopf mit filnfblättriger Blume und Dreieck, nicht bei Br. und Picc., doch gehört es zur Gruppe Picc. XII,

Handschriften

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761-878, die erst ab 1436 nachgewiesen ist). Durchgehend von einer Hand geschrieben; in diesem Teil die Holzschnitte. Im zweiten Teil (fol. 121-259) dat. 1424 (fol. 228 v ). Rubriziert, rote Lombarden. Eine ehemals zu dem Buch gehörende Lage heute als Cgm 8498 in München, BSB (s. SCHNEIDER 1988, S. 76 Anm. 30). Alte Signatur M XV; nach dem Katalog des Klosters (MBK Bd. 111,3, S. 631 f.) der erste Teil von Kunigund Schreiberin, der zweite von Katharina Tucher ins Kloster gebracht. Dort wurden die Teile zu einem Band vereinigt. Alter Einband, brauner Lederüberzug, Streicheisenlinien.

Ausstattung mit Druckgraphik (zu den Textbezügen s. Tabelle in Kap. II. 1.6.5.): - Fol. 44 v (Abb. 68): Jesuskind in einer Blüte (Sehr. 817, ohne dieses Blatt, anderes Exemplar in Darmstadt, Hessisches Landesmuseum). 90 x 79 mm. Kol. Karminrot, Zinnober, Blau, Ocker, Graubraun. Ikonographisch sehr ähnlich der später entstandene Kupferstich L. 50 des Meisters E. S., der das Jesuskind stehend in einer großen Blüte zeigt; er diente, wie das Schriftband hier deutlich zeigt, als Neujahrsgruß. - Fol. 94r: Erschaffung Adams (nicht bei SCHREIBER). Einf. 68 x 57 mm. Kol. Grün, Blau, Violett, Rosa, Nimbus sulfidiertes Silber. - Fol. 98 r (Abb. 67): Gregorsmesse (nicht bei SCHREIBER). Einf. 7 1 x 6 1 mm. Kol. Blau, Violett, Grün, Ocker, Graubraun, Nimben und Werkzeugteile sulfidiertes Silber. Gehört nicht zur gleichen Folge wie die anderen Holzschnitte der Hs.; vielmehr weist der Schnitt stilistisch in die Richtung der Folge C des 'Gulden puchlein' (s. dort). - Fol. 101r: Tod Mariae (nicht bei SCHREIBER). Einf. 67 x 57 mm. Kol. Violett, Blau, Grün, Ocker, Gelb, Nimben sulfidiertes Silber. Sehr ähnlich, doch nicht identisch mit Sehr. 721. - Fol. 104r (Abb. 66): Kreuztragung (nicht bei SCHREIBER, nicht identisch mit Sehr. 356, wie SCHNEIDER 1965, S. 417 angibt). Einf. 67 x 56 mm. Kol. Blau, Grün, Braun (verschiedene Töne), Nimben und Waffenteile sulfidiertes Silber. Sehr ähnlich, doch nicht identisch mit Sehr. 359. Bis auf das Jesuskind und die Gregorsmesse sind die Blätter Kopien (in Nürnberg entstanden?) der 'Gulden puchlein-Gruppe'. Lit.:

SCHNEIDER

1965,

S.

416-424;

SCHNEIDER

1988,

S.

76 Anm. 30;

WILLIAMS -

WILLIAMS-KRAPP

1 9 9 8 , S. 1 8 ; SCHMIDT 1 9 9 8 , S. 8 5 A n m . 7 5 .

Will II, 22.8° Heinrich von St. Gallen, Passionstraktat Nürnberg, Klarissen. Pergament; II + 234 + II Bl.; 10 x 7,2 cm; 2. H. 15. Jh. Eine Hand, Margarethe Grundherrin (t 1494). Rote Lombarden, rote Strichelung und Unterstreichungen. Im Vorderdeckel Notiz des 16. Jh.: Anno 1494 starb die wirdig muter Margreta Grundtherrin in closter S. Ciaren, war 43 jähr priorin alda geweßen, starb in dem 56 jahrre ihrres alters. Dieße wierdig Margreta Grundtherrin had dißes büchlein auß bergmendt gechriben, ligdt in der kirchen zu S. Ciaren. Alter Einband, braunes Leder mit Streicheisenmuster. Reste von zwei Schließen Ehemalige Ausstattung mit Druckgraphik:

In den Text des Passionstraktats waren beim Schreiben 13 eingeklebte Bildchen integriert worden, die schon früh entfernt wurden (s. die Notiz des 16. oder 17. Jh. auf fol. 179v, die

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Verzeichnisse

auf der leeren Seite an der Stelle eines damals schon fehlenden Blattes steht). Die Bilder waren nach den deutlichen Klebespuren einheitlich etwa 80 x 55 mm groß. Sie befanden sich auf fol. 62 v , 89v, 128r, 140r, 160v, 165r, 179r, 192r, 193r, 195r, 201 v , 212 r , 212 v . Lit.: SCHNEIDER 1 9 6 5 , S. 4 6 4 f.

Paris, Bibliothèque Nationale, Département des Estampes Ea. 2. rés. Sammelhandschrift, Iat. u. dt. (Thomas von Kempen, 'De imitatione Christi', drittes u. viertes Buch, div. Exzerpte etc.) Prov. unbekannt. Papier; 207 Bl.; 15 x 10,5 cm; 2. H. 15. Jh. Mehrere Hände. Für die Herkunft der Hs. aus dem bairisch-österreichischen Raum spricht die mittelbairische Schreibsprache der deutschen Teile sowie die Nennung eines Heinrich Karlbicz von Admont auf der letzten Seite (fol. 207 V , z. T. radierte nachgetragene Notizen). Das von DELABORDE 1869, S. 240 genannte Datum 1406 ist falsch (s. LIPPMANN 1876, S. 247 f.). Moderner Einband.

Ausstattung mit Druckgraphik: In Zweitverwendung wurden zwei Metallschnitte der sog. Stöger-Passion (Sehr. 2222 etc., ausführlich zu diesem Zyklus s. u. unter Wien, Albertina) eingebunden, die durch die deutschsprachigen Passionsgebete als Fragmente von Gebetbüchern ausgewiesen sind: - Hl. Antlitz auf dem Schweißtuch (Sehr. 2442). Einf. 99 x 74 mm. Kol. Gelb, Rot. Auf der Rückseite ein Gebet zu Christus am Kreuz, das sich auf ein im ursprünglichen Zusammenhang vorangegangenes Bild bezogen haben muß. - Fol. 103v: Kreuztragung (Sehr. 2302). Einf. 101 x 75 mm. Kol. Rotlack, Gelb, Grün. Auf der Rückseite ein Gebet über die Dornenkrönung, das sich auf ein ursprünglich vorangegangenes Bild bezog. Zu den Texten s. Kap. IV.3.3. und IV.3.4. Lit.: DELABORDE 1 8 6 9 ; DUTUIT, M a n u e l B d . 1, S. 2 3 ; DELABORDE 1 8 8 2 , S. 4 7 ; LIPPMANN 1 8 7 6 , S. 2 4 7 f.; COURBOIN 1 9 0 1 , Nr. 2 5 4 , N r . 2 5 7 ; BOUCHOT 1 9 0 3 , N r . 2 8 , N r . 154; SCHREIBER 1 9 2 6 , S. 18f.;FLELD 1 9 8 6 , S. 2 0 4 .

San Marino (California), The Huntington Library HM 195 Katechetische Texte und Gebete, dt. Nonnberg (Salzburg), Benediktinerinnen. Pergament; III + 159 + III Bl.; 10,9 x 7,4 cm; 3. V. 15. Jh.

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Eine Hand, Nachträge von einer zweiten. Rubriziert, rote und blaue Lombarden, mehrere Initialen auf Goldgrund. Fol. IIIV radierter Besitzvermerk Auß der nunbergisch liberei. Einband des 18. Jh., Pappe mit Pergamentüberzug. Ganzseitige kolorierte Federzeichnungen: Fol. 92 v : Vera icon; fol. 157 v : Schmerzensmann.

Ausstattung mit Holzschnitten, die direkt auf das Pergament der Hs. gedruckt sind (gezählt nach der neuen Foliierung, auf den Abbildungen ist noch eine abweichende ältere zu sehen): - Fol. 79 v (Abb. 227): Einzug in Jerusalem (Sehr. 152b, GUGENBAUER Nr. 9). Einf. 94 x 63 mm. Eingedruckt vor dem Gebet zu diesem Thema auf fol. 80 r/v . - Fol. 81r (Abb. 203): Abendmahl (Sehr. 174a, GUGENBAUER Nr. 10). Einf. 92 x 64 mm. Vor dem entsprechenden Gebet (fol. 81 v -82 v ). - Fol. 83r: Christus am Ölberg (Sehr. 196c, GUGENBAUER Nr. 11). Einf. 92 x 63 mm. Zugehöriges Gebet fol. 83 v -84 v . - Fol. 85r: Verrat Christi (Sehr. 219a, GUGENBAUER Nr. 12). Einf. 92 x 63 mm. Gebet zum gleichen Thema fol. 85 v -86 r . - Fol. 86v: Christus vor Kaiphas (Sehr. 258c, GUGENBAUER Nr. 13). Einf. 92 x 62 mm. Gebet dazu fol. 87 r/v . - Fol. 88r: Christus vor Pilatus (Sehr. 276a, GUGENBAUER Nr. 14). Einf. 94 x 63 mm. Gebet dazu fol. 88 v -89 r . - Fol. 89v: Geißelung (Sehr. 295a, GUGENBAUER Nr. 15). Einf. 94 x 63 mm. Gebet dazu fol. 90 r/v . - Fol. 91r: Dornenkrönung (Sehr. 322c, GUGENBAUER Nr. 16). Einf. 93 x 63 mm. Zugehöriges Gebet fol. 91 v -92 r . - Fol. 94 v : Kreuztragung (Sehr. 349a, GUGENBAUER Nr. 17). Einf. 94 x 63 mm. Zum Gebet fol. 95 r -96 r . - Fol. 96 v (Abb. 205): Christus am Kreuz zwischen Maria und Johannes (Sehr. 444a, r r GUGENBAUER Nr. 18). Einf. 93 X 63 mm. Zum Gebet fol. 97 -98 . v - Fol. 98 : Beweinung unter dem Kreuz (Sehr. 508b, GUGENBAUER Nr. 19). Einf. 92 x 63 mm. Zum Gebet fol. 99 r/v . - Fol. 100r (Abb. 207): Grablegung (Sehr. 526a, GUGENBAUER Nr. 20). Einf. 92 x 64 mm. Zum Gebet fol. 100 v -101 r . - Fol. 10 l v : Christus in der Vorhölle (Sehr. 689a, GUGENBAUER Nr. 21). Einf. 94 x 63 mm. Zum Gebet fol. 102r/v. - Fol. 103r: Auferstehung (Sehr. 542a, GUGENBAUER Nr. 22). Einf. 92 x 64 mm. Zum Gebet fol. 103v. - Fol. 104r: Himmelfahrt (Sehr. 582a, GUGENBAUER Nr. 23). Einf. 92 x 64 mm. Zum Gebet fol. 104 v -105 r . - Fol. 1 0 5 v : Pfingstwunder ( S e h r . 5 8 9 a , GUGENBAUER N r . 2 4 ) . Einf. 9 1 x 6 3 m m . Z u m

Gebet fol. 106 r/v .

- Fol. 107v (Abb. 209): Jüngstes Gericht (Sehr. 615a, GUGENBAUER Nr. 25). Einf. 91 x 64 mm. Zum Gebet fol. 108r. - Fol. 108v: Gnadenstuhl (Sehr. 743a, GUGENBAUER Nr. 26). Einf. 91 x 64 mm. Zum Gebet fol. 10,9r. Kol. Blau, Grün, Gelb, Braunrot, Braun, Violett, Zinnober (mit kleineren Abweichungen). Stilistisch hängen die Holzschnitte eng mit den Illustrationen der Bamberger Drucke Albrecht Pfisters (Biblia pauperum von ca. 1462, GW 4325, SCHRAMM Bd. I, Nr. 167-

448

Verzeichnisse

268, s. Abb. 23, und Ackermann von Böhmen, GW 193, S C H R A M M Bd. I, Nr. 1-6) sowie mit der 1457 datierten Holzschnittfolge Sehr. 127 etc. (Abb. 204, 206, 208) zusammen. Gerade der Vergleich mit letzterer Folge (London, BM, Inv.-Nr. 1856-10-11 (1-28), D O D G S O N 1903, A 7) ist aufschlußreich in Bezug auf den Typen- und Motivschatz, der innerhalb dieser Gruppe (zu der auch Sehr. 41a etc. in der Nürnberger Hs. 158* b.3. in London, BM, gehört, s. o.) vielfach variiert wird, sich aber grundlegend von den meisten anderen um die Mitte des 15. Jahrhunderts entstandenen Passionsfolgen unterscheidet. Der Vergleich der Kreuzigungen der Serie Sehr. 127 etc. und der Nonnberger Folge (Sehr. 444a und 447, s. Abb. 205, 206) offenbart, wie selbst Einzelmotive wie der von der verhüllten Hand des Johannes fallende Faltenzug von der einen zur anderen Körperseite ausgetauscht werden, die Figuren also offenbar nach einem Baukastensystem von Einzelmotiven konstruiert sind. Auch beim Vergleich der anderen ikonographisch entsprechenden Blätter der beiden Folgen wird deutlich, daß oft gleiche Kompositionsschemata (vgl. auch Abb. 207, 208) wie auch Muster für einzelne Figuren zugrunde liegen, niemals jedoch eine Szene vollständig, d. h. sowohl im Aufbau als auch in den meisten Einzelmotiven, der anderen entspricht. Das zugrundeliegende Mustermaterial wurde jeweils unterschiedlich neu zusammengesetzt. Die Gemeinsamkeiten dieser Folgen liegen aber nicht nur im Motivischen, sondern auch im Aufbau der kleinen, gedrungen proportionierten Figuren mit kompakten Konturen, der Gewandstrukturierung und den Kürzeln für bestimmte Faltenformen. Die Haare sind in beiden Folgen auf die gleiche Art aus kurzen, S-formigen Strähnen zusammengesetzt; identisch sind auch die Gesichtstypen und die charakteristische Form der geraden, nach innen etwas hochgezogenen Augenbrauen mit ihrem scharfen Abknicken zur Nasenlinie. Lit.: TIETZE 1 9 0 5 , S. 8 5 ( N r . 1 1 2 ) ; GUGENBAUER in HEITZ, E i n b l a t t d r u c k e B d . 3 5 , N r . 9 - 2 6 ; SCHULZ

1953; NORMA B. CUTHBERT- HAYDEE NOYA, Ten Centuries o f Manuscripts in the Huntington Library, S a n M a r i n o 1 9 6 2 , S . 8; DUTSCHKE 1 9 8 9 , S. 2 1 9 - 2 2 6 ; WEBBER 1 9 9 0 ; HAMBURGER 1 9 9 7 , S. 8 0 f.; SCHMIDT 1 9 9 8 , S. 8 2 , S. 8 8 A n m . 1 3 9

Strasbourg, Bibliothèque Nationale et Universitaire MS 2743 (olim L. germ. 640. 4°) Sammelhandschrift, dt. (Ave Maria-Auslegung; Legende der hl. Katharina von Alexandria;75 Raimund von Capua, Legende der hl. Katharina von Siena)76 Straßburger Dominikanerinnenkloster (?). ca. 1450er Jahre

Papier;

303 Bl.;

21,2 x 14,5 cm;

Eine Haupthand. Rubriziert, rote Lombarden. Wz. u. a Ochsenkopf ähnl. Picc. VII, 259 (1453-54). Alter Einband, roter Lederüberzug; zwei Schließen fehlen. 75

Interpolation der Legende aus 'Der Heiligen Leben'; zu dieser Überlieferungsgruppe vgl. WILLIAMS-KRAPP 1 9 8 6 , S. 3 4 3 , 4 2 6 .

76

Bekannt als 'Ein geistlicher Rosengarten'. Zur Legende und dieser Übersetzung vgl. WILLIAMSKRAPP in 2 VL Bd. 7, Sp. 984, mit dieser Handschrift.

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Fol. 8R einfache Initiale in Blau und Rot, mit rotem und braunem Fleuronnée. Fol. 7V kol. Federzeichnung Verkündigung, früher falschlich als Holzschnitt beschrieben (Sehr. 34d).

Ausstattung mit Druckgraphik (Abb. 80): Als fol. 44 an einen Papierfalz angeklebt (Bildseite fol. 44 v ), der vermutlich zur Befestigung des Bildes eingebunden worden war: Maria als Tempeljungfrau (Sehr. 1005a), mit offenem Haar, im Untergewand mit langem Gürtel und Strahlenkragen, im Typus der Ährenkleidmaria also, doch ohne Ährenmuster auf dem Gewand. Einf. 175 x 124 mm; Kol. Grau, Gelb, Grün, Rotlack, Inkarnat; Bordüre Rotlack, Grün, Gelb. Steht stilistisch der Kreuzigung Sehr. 949d (in einem Missale aus Unterlinden, Ms. 260 der Bibliothèque de la ville, Colmar, s. o.) nahe, vgl. die Form der Faltenlinien, leicht geschwungen mit kürzeren geraden Stücken und Häkchen an den Enden. - Oberrhein (?), um 1460. Lit.: BECKER 1914, S. 36 f.; WICKERSHEIMER in Catalogue général des manuscrits Bd. 47, S. 551 f.; SCHREIBER in HEITZ, E i n b l a t t d r u c k e B d . 6 1 , N r . 4 ; BAUCH 1 9 3 2 , S. 1 6 8 f.; COHN 1 9 3 4 , S. 18 f.; STEINGRÄBER 1 9 5 2 , S. 2 4 0 ; HEUSINGER 1 9 5 3 , S. 8 4 - 8 6 , 2 2 6 f.; HEUSINGER 1 9 5 9 , S. 1 4 9 ; CAMES 1 9 8 9 , S. 1 1 0 ; WILLIAMS-KRAPP 1 9 9 8 , S. 1 6 2 .

Wien, Graphische Sammlung Albertina

Holzschnitt der Kreuzigung (Sehr. 965): besprochen unter der Handschrift, aus der er gelöst wurde, s. u. Wien, ÖNB, Cod. 2862.

Inv.-Nr. 727-744/1929 Passionsfolge von 18 Metallschnitten ('Stöger-Passion', Sehr. 2222 etc.) Prov. Nonnberg (Salzburg), Benediktinerinnen; 1915 für die Hofbibliothek in Wien erworben. Bis auf Auferstehung und Jüngstes Gericht trägt jedes Blatt (Maße durchschnittlich 113 x 84 mm) ein deutschsprachiges Passionsgebet auf der Rückseite (zwei Hände des 15. Jh.). Zur Texttradition s. o. Kap. III.3.4. Die Rekonstruktion der originalen Anordnung in einem Gebetbüchlein ist hier schwieriger als in der Folge in Berlin, KK (Cim. 23) oder der Kopienfolge in Chicago (s. o.). Die wichtigsten Anhaltspunkte für die Rekonstruktion der dortigen Lagenstrukturen, der feste Bezug zwischen einander gegenüberstehenden Bildern und Gebetstexten, sind in Wien nur unzureichend vorhanden, da den beiden Schreiberinnen oder Schreibern der Texte bei der Reihenfolge Fehler unterlaufen sind. In der zweiten Hälfte des ursprünglichen Faszikels, vom Blatt mit der Vera icon an, bezieht sich der Gebetstext der Versoseiten regelmäßig auf das jeweils nachfolgende Bild. Im ersten Teil jedoch (Einzug in Jerusalem bis Christus vor Kaiphas) befinden sich die jeweils zueinander gehörigen Bilder und Texte auf Recto- und Versoseite ein- und desselben Blattes, was nicht dem eigentlichen Konzept der gemeinsamen Rezeption entspricht. Die folgenden Blätter bis zum Metallschnitt der Kreuztragung (hier ein Gebet zu Christus am Kreuz auf der Rückseite, ein anderes zum gleichen Thema - an der richtigen Stelle in der Abfolge auf der Verso-Seite des Vera icon-Metallschnitts) zeigen unsystematische Zuordnungen

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von Gebet und Graphik, bis dann die regelmäßige Abfolge einsetzt. Es ist wahrscheinlich, daß auch dieser Faszikel so gedruckt war wie in den genannten Beispielen, mit je zwei Metallschnitten nebeneinander auf je einem Doppelblatt (s. Rekonstruktionen in Textabb. S. 276 und 288). Doch ist in diesem Fall auch ein anderes Prinzip nicht auszuschließen, z. B. vorder- und rückseitig mit je einem Bild bedruckte Doppelblätter. - Einzug in Jerusalem (Inv.-Nr. 727/1929, Sehr. 2222, STIX 33; s. Abb. 225). Einf. 101 x 75 mm. Seitenverkehrte Teilkopie nach einem Stich des Meisters der Spielkarten (L. I, 78, 12). Auf der Rückseite Gebet zum gleichen Thema. - Abendmahl und Fußwaschung (Inv.-Nr. 728/1929, Sehr. 2232, STIX 34; s. Abb. 229). Einf. 101 x 74 mm. Rückseite: Gebet zum gleichen Thema. - Christus am Ölberg (Inv.-Nr. 729/1929, Sehr. 2243, STIX 35). Einf. 100 x 74 mm. Rückseite: Gebet zum gleichen Thema. - Gefangennahme (Inv.-Nr. 730/1929, Sehr. 2253, STIX 36). Einf. 103 x 76 mm. Geht spiegelverkehrt auf einen Stich des Meisters der Spielkarten (L. I, 80, 16) zurück. Rückseite: Gebet zum gleichen Thema. - Christus vor Kaiphas (Inv.-Nr. 731/1929, Sehr. 2262, STIX 37). Einf. 102 x 76 mm. Rückseite: Gebet zum gleichen Thema. - Christus vor Pilatus, der sich die Hände wäscht (Inv.-Nr. 732/1929, Sehr. 2273, STIX 38). Einf. 102 x 76 mm. Rückseite: Gebet über Verrat, Gefangennahme und Mißhandlung. - Geißelung (Inv.-Nr. 733/1929, Sehr. 2281, STIX 39). Einf. 102 x 76 mm. Rückseite: Gebet über die Vorführung vor Pilatus und Verspottung. - Dornenkrönung (Inv.-Nr. 734/1929, Sehr. 2288, STIX 40). Einf. 101 x 74 mm. Die Figur Christi, des Spötters links unten und die Form des Gewölbes sind gleichseitig übernommen aus einem Kupferstich aus der 'Schule des Meisters der Spielkarten1 (L. I, 154, 6). Rückseite: Gebet zur Geißelung, Verspottung, Dornenkrönung und Kreuztragung. - Kreuztragung (Inv.-Nr. 735/1929, Sehr. 2302, STIX 41). Einf. 101 x 75 mm. Die vier Figuren sind aus einem Stich der 'Schule des Meisters der Spielkarten' (Wien Albertina, Inv. Nr. 599/1926, nicht bei LEHRS) übernommen. Rückseite: Gebet zu Christus am Kreuz. - Vera icon (Inv.-Nr. 743/1929, Sehr. 2442, STIX 49). Einf. 99 x 74 mm. Rückseite: Gebet zum Tod Christi am Kreuz. - Christus am Kreuz zwischen Maria und Johannes (Inv.-Nr. 736/1929, Sehr. 2324, STIX 42). Einf. 102 x 76 mm. Rückseite: Gebet zur Kreuzabnahme. - Beweinung (Inv.-Nr. 744/1929, Sehr. 2474, STIX 50). Einf. 102 x 76 mm. Die Komposition besteht aus Versatzstücken zweier Kupferstiche der 'Schule des Meisters der Spielkarten': die Pietà stammt aus dem Stich der Beweinung (Wien, Albertina, Inv.-Nr. 602/1926, nicht bei LEHRS), die Figur des Johannes ist eine Kombination aus dem Kopf des Johannes und dem Körper bzw. Gewand der linken Frau dieses Kupferstichs. Magdalena ist nach der Figur einer der Frauen auf dem Stich der Grablegung (L. I, 156, 9) kopiert. - Rückseite: Gebet zur Grablegung. - Grablegung (Inv.-Nr. 737/1929, Sehr. 2364, STIX 43). Einf. 103 x 77 mm. Reduzierte, spiegelverkehrte Kopie nach dem Stich aus der 'Schule des Meisters der Spielkarten' (L. I, 156, 9). Rückseite: Gebet zum Tod am Kreuz und Abstieg in die Vorhölle. - Christus in der Vorhölle (Inv.-Nr. 742/1929, Sehr. 2424, STIX 48). Einf. 101 x 77 mm. Auf die gleiche Komposition gehen die Holzschnitte Sehr. 695, 696, 697, 697a (Kopienreihe der 'Gulden puchlein-Gruppe') zurück. Rückseite: Gebet zur Auferstehung. - Auferstehung (Inv.-Nr. 738/1929, Sehr. 2376, STIX 44). Einf. 101 x 75 mm. Seitenver-

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kehrte Kopie nach einem Stich aus der 'Schule des Meisters der Spielkarten' (L. I, 157, 10). Rückseite ohne Text. - Noli me tangere (Inv.-Nr. 739/1929, Sehr. 2386, STIX 45). Einf. 101 x 75 mm. Komposition und Gewandformen ähnlich dem Holzschnitt Sehr. 555 (London, BM). Rückseite: Gebet zur Himmelfahrt. - Himmelfahrt (Inv.-Nr. 740/1929, Sehr. 2395, STIX 46). Einf. 102 x 77 mm. Komposition und Gewandformen der Hauptfiguren entsprechen den Holzschnitten der 'Gulden puchlein'-Gruppe (gegenseitig Sehr. 585 und 586, gleichseitig 586a und 586b). Rückseite: Gebet zum Jüngsten Gericht. - Jüngstes Gericht (Inv.-Nr. 741/1929, Sehr. 2408, STIX 47; s. Abb. 228). Einf. 103 x 78 mm. Rückseite ohne Text. Alle Blätter sind nur sehr sparsam mit Rotlack, Grün und Gelb koloriert. Der Zustand der Platten (Anzahl der Nagellöcher) entspricht dem der anderen Drucke der Folge mit handschriftlichem Text (Berlin, KK, Detroit, Art Institute, Paris, BN). STIX 1920, S. 8, dem nur ein Teil der Vorlagen aus der Schule des Spielkartenmeisters bekannt war, meinte, die Schrotblätter würden vielleicht direkt auf verlorene Originale des Spielkartenmeisters zurückgehen, da die Übernahmen von Stichen aus dessen Schule gleichseitig und deshalb nicht direkt auf sie zurückzuführen wären. Tatsächlich sind die beiden noch existierenden Originale des Spielkartenmeisters (L. I, 78, 12 und L. I, 80, 16), die der Stöger-Passion als Vorlage dienten, seitenverkehrt kopiert; jedoch gibt es auch von STIX nicht erkannte Vorlagen aus der Schule des Stechers, die spiegelverkehrt übernommen wurden. Der Metallschneider muß also sowohl Originale als auch eine erste Kopiengeneration nach dem Meister der Spielkarten gekannt haben, oder aber eine unbekannte Zwischenstufe. Daraus ist jedoch nicht mit SCHREIBER ZU schließen, daß die Metallschnitte, wie auch die Kupferstiche, am Oberrhein entstanden sein müssen. Zu groß ist die Mobilität von Stichen schon zu dieser Zeit. GEISBERG 1939, S. 47 lokalisiert sie nach Bamberg; der - nicht explizit ausgeführte - Grund dafür ist wohl die Type der Münchner Druckausgabe mit diesen Metallschnitten, die er falschlich noch für die Albrecht Pfisters hielt (nach neueren Erkenntnissen, vgl. den Forschungsbericht bei GELDNER 1979, ist sie die eines aus Mainz kommenden, in Bayern tätigen Druckers). Da fast alle Gebetbüchlein, die mit dem Zyklus illustriert wurden, mittelbairischen Text tragen, sind auch die Metallschnitte am ehesten in Bayern anzusiedeln. Lit.: TIETZE in Österreichische Kunsttopographie Bd. 7, S. 193; STIX 1920, S. 5 - 8 (Nr. 33-50);

SCHREIBER 1926, S. 18 f.; GEISBERG 1939, S. 47; Kunst der Graphik 1963, S. 40; Fifteenth Century W o o d c u t s 1977, Nr. 38; GELDNER 1979, S. 21; FIELD 1986, S. 2 0 4 ; SCHMIDT 1998, S. 81 f.;

FLEISCHMANN 1998, S. 130-138; REGINA CERMANN, Katalog der deutschsprachigen illustrierten

Handschriften des Mittelalters (Veröffentlichungen für deutsche Literatur des Mittelalters der Bayerischen Akademie der Wissenschaften), Bd. 5: Gebetbücher (im Druck), Kat. Nr. 43.1.154.

Inv.-Nr. 594-604/1926 Passionsfolge von 11 Kupferstichen, 'Schule des Meisters der Spielkarten'77 Prov. Nonnberg (Salzburg), Benediktinerinnen.

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Zuschreibung nach LEHRS, L. I, 153, 5. LEHRS war damals nur ein Blatt der Folge, die damals noch in Nonnberg befindliche Geißelung, bekannt. GEISBERG dagegen wies die Folge dem Meister der Nürnberger Passion zu (G. 8-18).

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Die Blätter, die einst ein Passionsgebetbüchlein bildeten, im einzelnen: - Ölberg. Inv.-Nr. 594/1926. Einf. 90 x 60 mm, Bl. 111 x 78 mm. Gleichseitige Kopie nach L. I, 155, 7. Rückseite ohne Text, sehr verschmutzt, daraufklebt ein von neuzeitlicher Hand beschriftetes Papierschildchen: Vom leiden Christi. O. 23. Sie war vermutlich die Titelseite des Passionsheftchens - ob eigenständig oder eingebunden in ein größeres Buch - bevor es zerlegt wurde. - Gefangennahme. Inv.-Nr. 595/1926. Einf. 88 x 62 mm, Bl. 111 x 79 mm. Auf der Rückseite deutsches Gebet zu Christus am Ölberg. Die zentrale Gruppe mit Christus, Judas, dem auf dem Boden ausgestreckten Malchus und Petrus kehrt in dem Holzschnitt Sehr. 216m (London, Guildhall Library) seitenverkehrt wieder. - Christus vor Pilatus (L. I, 152, 4, ohne dieses Ex.). Inv.-Nr. 596/1926. Einf. 88 x 61 mm, Bl. 111 x 78 mm. Auf der Rückseite deutsches Gebet zur Gefangennahme Christi (s. Abb. 233, 234). Andere Exx. in München, BSB, Clm 19352, f. 32 v (s. o.), und Nürnberg, GNM. - Geißelung (L. I, 153, 5, ohne dieses Ex.). Inv.-Nr. 597/1926. Einf. 87 x 61 mm, Bl. 111 x 79 mm. Auf der Rückseite Gebet über Christus vor Pilatus. Die Albertina besitzt einen bei LEHRS nicht verzeichneten Kupferstich, Inv.-Nr. 361/1926, der von der gleichen, jedoch retuschierten Platte gedruckt ist. Der Druck liegt zwischen den bei LEHRS als I (Nonnberger Ex. und London, BM) und II (Paris, BN) bezeichneten Zuständen. Vor allem die Konturen sind gegenüber I nachgeschnitten. - Dornenkrönung (L. I, 154, 6). Inv.-Nr. 598/1926. Einf. 89 x 61 mm, Bl. 110 x 78 mm. Der Druck liegt vor dem bei LEHRS als II. Zustand genannten Berliner Exemplar (Berlin, KK, Inv.-Nr. 448-1); die Konturen und Schraffierungen sind noch nicht verstärkt, die weißen Bodenfliesen am rechten Rand sind noch nicht schraffiert. Ob es dem I. Zustand des Darmstadter Exemplars entspricht, wäre noch zu klären. - Kreuztragung. Inv.-Nr. 599/1926. Einf. 88 x 62 mm, Bl. 110 x 78 mm. Rückseitig Gebet über die Dornenkrönung und Verspottung. - Entkleidung Christi. Inv.-Nr. 600/1926. Einf. 86 x 62 mm, Bl. 111 x 77 mm. Die vorderen drei Figuren gehen auf die gleiche Komposition zurück wie der Kupferstich der Entkleidung vom Meisters der Nürnberger Passion (L. I, 256, 7). Rückseitig ein Gebet über die Kreuztragung. - Christus am Kreuz mit zwei Marien, Johannes und dem Hauptmann. Inv.-Nr. 601/1926. Einf. 87 x 62 mm, Bl. 111 x 79 mm. Kopie nach L. I, 155, 8. Auf der Rückseite Gebet über die Entkleidung. - Beweinung. Inv.-Nr. 602/1926. Einf. 86 x 60 mm, Bl. 111 x 79 mm. Auf der Rückseite Gebet über den Tod Christi am Kreuz. - Grablegung. Inv.-Nr. 603/1926. Einf. 89 x 62 mm, Bl. 111 x 79 mm. Seitenverkehrte Kopie nach L. I, 156, 9. Auf der Rückseite ein Gebet über die Beweinung durch Maria. - Auferstehung. Inv.-Nr. 604/1926. Einf. 86 x 61 mm, Bl. 111 x 77 mm. Seitenverkehrte Kopie nach L. I, 157, 10. Rückseitig Gebet über die Grablegung. Kol. aller Blätter, mit kleinen Abweichungen: Grün, Rot, Blau, Grau, Gelb, Grünbraun. Die Entstehung der Folge vor 1449 belegt eine kolorierte Federzeichnung (Nürnberg, GNM, Hz. 374), die beim Schreiben in eine 1449 datierte Hs. (GNM, Hs 28441, s. o.) eingeklebt worden war. Die Blätter waren einst zu einem Gebetbüchlein zusammengeheftet, wobei die erste Seite, die Rückseite der Darstellung des Einzugs in Jerusalem, leer blieb, dann die Bilder jeweils auf den Verso-, die Texte auf den Recto-Seiten standen. Am Ende fehlen vermutlich zwei Blätter; der heute erhaltene Teil der Folge endet mit der Auferstehung, zu der es sicher noch ein Gebet auf einem folgenden Blatt gab, auf dessen

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Rückseite sich wiederum die Darstellung des Jüngsten Gerichts befunden haben dürfte. Ein letztes Blatt mit dem Gebet zu diesem Bild, auf der Rückseite leer, wäre vorstellbar (so endet auch das Wiener Passionsbüchlein mit den Metallschnitten der 'Stöger-Passion'). Gegen G E I S B E R G S Zuschreibung der Folge an den Meister der Nürnberger Passion (G. 8 18) sprechen wesentliche Unterschiede zu den Passionsblättern im Germanischen Nationalmuseum (L. I, 253-275, 2-8), nach denen der Meister benannt ist. Nachdem auch der Meister der Nürnberger Passion in der Tradition des Spielkartenmeisters steht, wäre im Anschluß an L E H R S die vorsichtigere und nicht an eine bestimmte Künstlerpersönlichkeit gebundene Bezeichnung "Nachfolge des Meisters der Spielkarten' angemessener. Lit.: HETZE in Österreichische Kunsttopographie Bd. 7, S. 193, Abb. 1 7 1 - 1 8 1 ; LEHRS 1920, S. 191; GEISBERG 1923, S. 4; Kunst der Graphik 1963, S. 58 f. (Nr. 1 0 4 - 1 1 4 ) ; ERB 1997, S. 151, 1 6 6 - 1 6 8 ; SCHMIDT 1 9 9 8 , S. 8 1 f.

Wien, Österreichische Nationalbibliothek

Cod. 2862 Sammelhandschrift, dt. ('Die neue Ee und das Passional von Mariae und Jesu Leben'; Heinrich Seuse, 'Büchlein der ewigen Weisheit', dritter Teil; Chronik von Andechs etc.) Wien, Augustinerkloster. Papier; I + 130 Bl.; 30 x 19,5 cm; bairisch-österreichischer Sprachraum, 1434 und ca. 1470 Drei Hände. Rubriziert, rote Lombarden. Dat. 1434 (fol. 86V), die folgenden Teile etwa um 1470 (lt. MENHARDT 1 9 6 0 , S. 4 8 4 ) .

Alter Einband, Halbleder, braun. In den 'Betrachtungen der neuen Ee' (fol. 87R-92R) an 31 Stellen Raum für nie ausgeführte Illustrationen freigelassen.

Entfernte Illustrationen: Zwischen fol. 1 und 2 war ein Holzschnitt der Kreuzigung (Sehr. 965) eingeklebt; heute in Wien, Albertina. Einf. 277 x 99 mm, Kol. Gelb, Zinnober, Rotlack, Graubraun, Dunkelgrün. Unten ein xylographisches Gebet zum leidenden Christus mit ostoberdeutschen Mundartmerkmalen (O Ihesus durch ein leiden groß vnd durch deines heiligen blutes floß...). Motivisch und stilistisch gehört das Blatt mit den Holzschnitten Sehr. 961, 962, 962a, 963a zusammen, die alle im bayerischen Bereich überliefert sind (s. dazu unter München, BSB, Clm 18132). Es war nachträglich zwischen die Seiten des Inhaltsverzeichnisses der Hs. (fol. l r - 2 v ) geklebt worden. Eine unmittelbare Beziehung zum Text ist also nicht gegeben, wenngleich das auf fol. 3 r beginnende Christus- und Marienlebens den großen Bezugsrahmen darstellt. Lit.: HOFFMANN VON FALLERSLEBEN 1841, S. 333 (Nr. CCCXXVII); Tabulae codicum manv scriptor u m B d . II 1 8 6 8 , S. 1 4 6 ; HABERDITZL 1 9 2 0 , N r . 6 0 ; MENHARDT 1 9 6 0 , S. 4 8 2 - 4 8 4 .

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Ink. 2. H. 131 Passionsgebete, lat.; Marquard von Lindau, Eucharistietraktat, dt. (Auszug) Basel, Kartause. Papier; IV + 48 + IV Bl.; 14 x 10 cm; um 1460 Mehrere (drei?) Hände. Rote Lombarden. Auf fol. 48 v Besitzeintrag der Kartause Basel. Schreibsprache des dt. Textes alemannisch. Wz. Ochsenkopf, Typ Picc. VII, 155 (1458). Schwarzer Samteinband (wohl 19. Jh.), bei der Neubindung beschnitten und Schnitt vergoldet.

Jeweils auf den Verso-Seiten befinden sich Holzschnitte, direkt auf die Doppelblätter der Hs. gedruckt, wobei die Anordnung der Bilder im Lagenverband auf ein schon beim Druck vorliegendes Layout-Konzept des Buches schließen läßt. Die den Bildern folgenden Recto-Seiten enthalten jeweils ein lateinisches Gebet (Hauptquelle für die Texte zur Passion sind die 'Articuli LXV de passione domini' Jordans von Quedlinburg). - Fol. l v : Verkündigung (Abb. 215). Einf. 97 x 79 mm. Auf dem Schriftband der xylographische Text: aue gracia plena dominus. - Fol. 2V: Heimsuchung (Abb. 216). Einf. 96 x 79 mm. - Fol. 3V: Geburt (Abb. 217). Einf. 97 x 79-80 mm. Jüngere gleichseitige Wiederholung: Sehr. 91 (Berlin, KK). - Fol. 4V: Beschneidung. Einf. 95 x 82 mm. Dieselbe Komposition in kleinerem Format in Sehr. 95 u. 96. - Fol. 5V: Anbetung der Könige. Einf. 97-98 x 79 mm. - Fol. 6V: Darstellung im Tempel. Einf. 95 x 80 mm. Dieselbe Komposition in kleinerem Format in Sehr. 115, 116 u. 116a aus der 'Gulden puchlein-Gruppe'. - Fol. 7V: Taufe Christi. Einf. 98 x 79 mm. - Fol. 8V: Einzug in Jerusalem. Einf. 95 x 79 mm. Dieselbe Komposition motivgleich in kleinerem Format in der 'Gulden puchlein-Gruppe': Sehr. 154a (gleichseitig, s. Abb. 187) und Sehr. 154 (seitenverkehrt). - Fol. 9V: Abendmahl. Einf. 97-98 x 78-79 mm. -Fol. 10v: Fußwaschung. Einf. 96 x 80 mm. Motivisch und kompositioneil auf die gleichen Quellen zurückgehend, doch von der Personenzahl reduziert sind Sehr. 164 (seitenverkehrt) u. Sehr. 164a (gleichseitig) aus der 'Gulden puchlein-Gruppe'. - Fol. 1 l v : Christus am Ölberg. Einf. 96-97 x 80 mm. - Fol. 12v: Gefangennahme. Einf. 96-97 x 80 mm. - Fol. 13v: Christus vor Annas und die Verleugnung durch Petrus. Einf. 97 x 78-79 mm. Von einer Hand des 15. Jh. mit petrus beschriftet. - Fol. 14v: Verspottung Christi. Einf. 97-98 x 80-81 mm. - Fol. 15v: Christus vor Kaiphas, der sein Gewand zerreißt. Einf. 95-96 x 79 mm. - Fol. 16v: Christus vor Pilatus (Abb. 218). Einf. 97-98 x 80 mm. Gleichseitige Wiederholungen sind Sehr. 267 (ehem. St. Gallen, Stiftsbibliothek) und Sehr. 267a (Bamberg, SB); diese bei SCHREIBER fälschlich als Christus vor Herodes verzeichnet. -Fol. 17v: Christus vor Herodes. Einf. 96 x 79-80 mm. Ein fragmentarischer Abdruck einer bislang unbekannten gleichseitigen Wiederholung befindet sich in München, BSB, Cgm 466, auf fol. 118v. - Fol. 18v: Christus vor Pilatus. Abdruck vom gleichen Stock wie oben, fol. 16v. - Fol. 19v: Geißelung. Einf. 97-98 x 80-81 mm. Eine ganz ähnliche Konstellation der drei Peiniger und Konstruktion des Raumes mit der Mittelsäule und dem Gewölbe findet sich

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im Kupferstich aus der 'Schule des Meisters der Spielkarten' (L. I, 153, 5), so daß gemeinsame Quellen anzunehmen sind. - Fol. 20v: Dornenkrönung. Einf. 95 x 79-80 mm. Gleichseitige Wiederholungen: Sehr. 312 (Zürich, ETH) und Sehr. 312a (Bamberg, SB). - Fol. 21v: Ecce homo. Einf. 97 x 81-82 mm. Xylographischer Text in den Schriftbändern: Ecce homo und crucißge crucißge ei [!]. Wiederholungen in kleinerem Format aus der 'Gulden puchlein-Gruppe' sind Sehr. 335m, 336, 336a, ebenso ein Kupferstich vom Meister mit den Blumenrahmen (L. 69). - Fol. 22 v : Pilatus wäscht sich die Hände. Einf. 97 x 80 mm. Um eine gleichseitige Wiederholung handelt es sich bei Sehr. 275. - Fol. 23 v : Kreuztragung. Einf. 96 x 80 mm. Gleichseitige Wiederholung: Sehr. 349. - Fol. 24 v : Entkleidung Christi. Einf. 97 x 79-80 mm. Gleichseitige Wiederholung: Sehr. 365a. Wiederholung der Figuren Christi und zweier Schergen in Sehr. 368 u. 369. - Fol. 25 v : Christus am Kreuz zwischen Maria und Johannes. Einf. 96-97 x 81 mm. Auf dem Kreuzestitulus der xylographische Schriftzug i n r i. Eine gleichseitige Wiederholung ist Sehr. 961. - Fol. 26 v : Kreuzabnahme. Einf. 98 x 81 mm. Gleichseitige Wiederholung Sehr. 498 (Bamberg, SB). -Fol. 27v: Grablegung. Einf. 97 x 82 mm. Gleichseitige Wiederholung Sehr. 526 (Bamberg, SB). - Fol. 29 v : Christus in der Vorhölle. Einf. 98 x 81 mm. - Fol. 30v: Auferstehung. Einf. 97 x 80 mm. Die Figur Christi geht auf die gleiche Vorlage zurück wie Sehr. 538o und der Holzschnitt des siebten Blattes im Blockbuch des Symbolum apostolicum in Wien, ÖNB, Ink. 2. D. 42 (hl. Philippus, Vorhölle und Auferstehung). - Fol. 31 v : Die drei Marien am leeren Grab. Einf. 98 x 79 mm. Oben der xylographische Text: Ihesum suchend ir von Nazaret er ist nit hie. Wiederholung in kleinerem Format aus der 'Gulden puchlein-Gruppe': Sehr. 552. - Fol. 32 v : Noli me tangere. Im Spruchband der xylographische Text maria noli me tangere. Einf. 96-97 x 80 mm. - Fol. 33v: Christus und der ungläubige Thomas. Einf. 95 x 81 mm. - Fol. 35v: Himmelfahrt Christi. Einf. 97 x 78 mm. - Fol. 37v: Pfingsten. Einf. 97 x 79 mm. Jüngere gleichseitige Wiederholung: Sehr. 589. - Fol. 38v: Gnadenstuhl. 98 x 81-82 mm. Jüngere gleichseitige Wiederholung: Sehr. 743, eng verwandt auch Sehr. 741b-741d. - Fol. 39v: Tod Mariae. Einf. 98 x 80-81 mm. Gleichseitige Wiederholungen: Sehr. 715 u. 716. - Fol. 40v: Christus und die gekrönte Maria auf dem Thron. Einf. 98 x 79-80 mm. - Fol. 41v: Jüngstes Gericht. Einf. 98 x 81-82 mm. Die Holzschnitte sind einheitlich koloriert mit Gelb, Grün, Rotlack in mehreren Tönen, Orange, Graubraun, Hellbraun, alle Einfassungen Gelb. Diese Holzschnittfolge ist nicht mit der in München, BSB, Cgm 105 identisch, wie von PETZET 1920, S. 188 und WEISKE 1993 behauptet. Zwar ist sie ihr in den Kompositionen und Formaten (geringe Abweichungen in den Abmessungen dürften nicht zuletzt durch die unterschiedlichen Veränderungen der Materialien Papier und Pergament bedingt sein) zum Verwechseln ähnlich, doch wurde sie zweifelsfrei von anderen Holzstöcken gedruckt. Die beiden Folgen wurden vermutlich nach derselben Vorlage durch Pausen exakt kopiert. Bei den Wiener Holzschnitten sind einige Vereinfachungen in den Details gegenüber den

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Münchner Holzschnitten festzustellen. Folgende Holzschnitte der Wiener Hs. fehlen Cgm 105: Taufe Christi (fol. 7V), Christus in der Vorhölle (fol. 29 v ), Marien am leeren Grab (fol. 31 v ), der ungläubige Thomas (fol. 33v). Cgm 105 hat dafür folgende Szenen, die in Wien fehlen: Stammbaum Christi (fol. IT), Kindermord (fol. 40 r ), Flucht nach Ägypten (fol. 44 v ), Kreuzannagelung (fol. 1170, Veronika (fol. 16 l v ). Für die Entstehung der Wiener Folge im deutschen Südwesten spricht der xylographische Text des Holzschnitts auf fol. 3 l v : Der Dentalplural suchend für die zweite Person kommt vor allem im alemannischen Sprachgebiet vor (vgl. BESCH 1967, S. 311). Diese Darstellung fehlt aber in den anderen Wiederholungen der Folge, so daß für diese andere Entstehungsorte denkbar sind. Wahrscheinlich ist das nicht nur für die in Bayern gedruckte Folge in Cgm 105, sondern auch für ein in eine Augsburger Hs. eingedrucktes Fragment. Nicht nur die nachweisbaren Druckorte, sondern auch die Provenienzen sind gestreut: zwei weitere Wiederholungen befanden sich im 15. Jahrhundert in St. Gallen und vermutlich in Nürnberg (s. SCHMIDT 1998, S. 80). Ein Anhaltspunkt für die Datierung ist die gleichseitige Wiederholung von fünf Blättern der Folge in Bamberg, SB. Die Holzschnitte der Domenkrönung (Sehr. 312a) und der Kreuzannagelung (Sehr. 670) tragen auf der Rückseite jeweils die handschriftliche Datierung 1442 (s. SCHMIDT 1998, S. 86 Anm. 98). Die Wiener Folge dürfte jedoch etwas jünger sein; sie ist keinesfalls - das zeigen die Vereinfachungen - das Vorbild für die Bamberger Holzschnitte, wie FLELD meinte (in Fifteenth Century Woodcuts 1965, bei Nr. 106). Daß sie später abgedruckt wurde als die Bamberger Folge, belegen auf jeden Fall die Wasserzeichen, die einen Zeitpunkt Ende der 1450er Jahre nahelegen. Die traditionelle Lokalisierung der Gruppe an den Oberrhein wurde bisweilen mit der angeblichen Beziehung zum Heidelberger Blockbuch der Biblia pauperum (Heidelberg, U B , in Cod. pal. germ. 438) begründet, so von COHN 1934, S. 1012, zuletzt von FIELD in Fifteenth Century Woodcuts and Metalcuts 1965, Nr. 106. Eine kritische Überprüfung aber ergibt, daß kein Holzschnitt der Cgm 105-Gruppe kompositioneil oder stilistisch von den Passionsszenen des Heidelberger Blockbuches abhängt, einige sporadische Berührungspunkte allenfalls auf eine entfernte gemeinsame Gruppe von Vorbildern schließen lassen (vgl. SCHMIDT 1998, S. 80 f., dort S. 86 Anm. 94 f. eine Zusammenstellung aller Folgen der Kopiengruppe um die Wiener Hs. und ihr Münchner Pendant in Cgm 105). Lit.: SCHREIBER, Manuel Bd. IV, S . 321-325; SCHREIBER 1909, S . 38 f.; PETZET 1920, S. 188; COHN 1934, S . 9 f.; HEUSINGER 1953, S. 68; FIELD in Fifteenth Century Woodcuts 1965, bei Nr. 106; Blockbücher des Mittelalters 1991, S . 393, S . 410; WEISKE 1993, S . 118 f.; SCHMIDT 1998, S . 77-81.

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jac ft"^1*^ $ 4 MtC fay tncUK » t t i A * 'vevtta* A b b . 131 Kreuzigung, Kupferstich, dem Meister des Dutuitschen Olbergs zugeschrieben (L. 38). München, BSB, Clm 20110, fol. 159v

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Abb. 133 Verse zur Geißelung Christi mit Spuren eines abgelösten Bildes. München, BSB, Clm 19301, fol. Ilv

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Abb. 135 Kreuzigung, Holzschnitt (Sehr. 435d) mit zugehörigem Gebet. München, BSB, Clm 20021, fol. 19v/20r

Abb. 136 Spuren eines abgelösten Bildes vor dem Beginn eines Marienliedes. München, BSB, Clm 19991, fol. 89v

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