Schwesternspiegel im 15. Jahrhundert: Gattungskonstitution - Editionen - Untersuchungen 9783110210767, 9783110200706

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Schwesternspiegel im 15. Jahrhundert: Gattungskonstitution - Editionen - Untersuchungen
 9783110210767, 9783110200706

Table of contents :
Frontmatter
Vorwort
Inhalt
I. Einleitung
1. Zur Forschungssituation
2. Die besessene Schwester Agnes: Ein Text als Leitmodell
3. Ziele und Vorgehensweise
II. Die besessene Schwester Agnes: Überlieferung und Textgeschichte
1. Zur Erarbeitung der Überlieferung
2. Die Handschriften
3. Ursprung und Verbreitung des Textes
III. Vorstudien zur Edition des Textes
1. Einleitende Überlegungen
2. Die Abhängigkeitsverhältnisse der Textzeugen
3. Schematische Darstellung der wahrscheinlichen Textentwicklung
4. Eine Mehrfassungs-Edition als Konzept
5. Die Anlage der Edition
IV. Edition des Redaktionstextes 1 nach SG2
1. Editionsprinzipien
2. Editionsrichtlinien
3. Sprachbeschreibung des Textes in der Handschrift SG2
4. Edition Die besessene Schwester Agnes nach SG2 (Redaktion 1)
5. Stellenkommentar zum Redaktionstext 1
V. Teileditionen des Redaktionstextes 2 aus C und SG1
1. Hinweise zur Teiledition von C
2. Sprachbeschreibung des Textes in der Handschrift C
3. Teiledition Die besessene Schwester Agnes nach C (Redaktion 2)
4. Hinweise zur Teiledition von SG1
5. Sprachbeschreibung des Textes in der Handschrift SG1
6. Teiledition Die besessene Schwester Agnes nach SG1 (Redaktion 2)
VI. Untersuchungen zum Text
1. Sprachelemente und Stilmittel
2. Textstrukturen
3. Die Textinhalte im Einzelnen
4. Bemerkungen zur Autorschaft
5. Intentionen der ’Autoren‘ und Funktionen des Textes
6. Aspekte der Textrezeption
VII. Der Text als Gattungsmodell
1. Einführende Bemerkungen
2. Die Gattungsermittlung des Textes
3. Schwesternspiegel als Forschungsdesiderat
4. Merkmale des Modelltextes als Paradigmen des Texttyps
VIII. Ein Textkorpus als Aufgabe
1. Texttitel und Textadressierungen: Probleme und ihre Überwindung
2. Die Gattungskonstitution: Der Texttyp als Reihe mit Randtexten und Mustertexten
3. Textbeispiele zur Demonstration von Ausgrenzungsentscheidungen
IX. Das Textkorpus:Schwesternspiegel des 15. Jahrhunderts
1. Beispiele für Randtexte
2. Beispiele für Mustertexte
3. Weitere Beispiele des Texttyps
X. Literar- und frömmigkeitshistorische Einordnung
1. Zum problematischen Gebrauch des Begriffs ’Frauenmystik‘
2. Monastische Frauenfrömmigkeit im 15. Jahrhundert
3. Literatur für Schwestern: Die didaktische Funktion bestimmt die sprachlichen Mittel
4. Schwesternbücher als Vergleichstexte
XI. Ergebnisse
1. Der Modelltext
2. Die ermittelten Schwesternspiegel
Verzeichnisse und Register
Abkürzungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Register

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Ekkehard Borries Schwesternspiegel im 15. Jahrhundert



Ekkehard Borries

Schwesternspiegel im 15. Jahrhundert Gattungskonstitution - Editionen - Untersuchungen

Walter de Gruyter · Berlin · New York

Gedruckt mit Hilfe der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein.

Einbandabbildung: Courtesy Lilly Library, Indiana University, Bloomington, IN. Das Bild ist dem Codex Ricketts mss. 198 (fol. ) entnommen, der aus dem Katharinenkloster in Nürnberg stammt. Es zeigt den dominikanischen Ordensreformer Johannes Meyer (1422-1485) bei der Unterweisung von Schwestern. In der Handschrift ist die Abbildung dem Buch der Ersetzung Meyers vorangestellt. Auf dem Spruchband steht: Audi filia et vide et inclina aureum tuam quia.

앝 Gedruckt auf säurefreiem Papier, 앪 das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

ISBN 978-3-11-020070-6 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. 쑔 Copyright 2008 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, 10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Einbandgestaltung: Christopher Schneider, Berlin

Für D.

Vorwort Die Arbeit wurde im August 2001 abgeschlossen und Ende Oktober 2002 von der Philosophischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen als Dissertation angenommen. Die vorliegende Druckfassung erscheint mit einem Register versehen, insgesamt überarbeitet und um knapp einhundert Seiten gekürzt. Getilgt wurden Exkurse über Editionsmethoden für mittelalterliche Texte, über Mentalitäten und Mentalitätsforschung, über Ordensreformen im 15. Jahrhundert sowie Überlegungen zur Bildung von Schwestern im späten Mittelalter. Die Sprachbeschreibungen, die Stellenkommentare und der Umfang des zehnten Kapitels wurden deutlich verschlankt. Die Vorlage für den Druck habe ich mit dem Textverarbeitungsprogramm Word erstellt und dem de Gruyter Verlag als Datei (PDF) übermittelt. Für die Begutachtung der Arbeit danke ich Herrn Prof. Dr. Jürgen Gidion (Göttingen), Herrn Prof. Dr. Volker Honemann (Münster), Herrn Prof. Dr. Fidel Rädle (Göttingen) und Herrn Prof. Dr. Hans-Jochen Schiewer (Freiburg i. Br.). Die Verzögerung, mit der die Studie vorgelegt werden kann, haben weder Mitarbeiter des Verlags noch ich zu verantworten. Forschungsliteratur, die nach dem Abschluss der Arbeit erschienen ist, konnte nur in Ausnahmefällen berücksichtigt werden. Für Anregungen und Unterstützung gilt mein Dank Herrn Dr. Werner Alberts (Göttingen), Frau Dr. Petty Bange (Nimwegen), Herrn Dr. André Th. Bouwman (Leiden), Herrn Dr. Rudolf Th. M. van Dijk (Nimwegen), Herrn Dr. Ludger Grenzmann (Göttingen), Herrn Prof. Dr. Burkhard Hasebrink (Freiburg i. Br.), Frau Gisela Kornrumpf (München), Herrn Prof. Dr. Thom Mertens (Antwerpen), Herrn Dr. Christian Naser (Würzburg), Herrn Dr. Reinhard M. G. Nickisch (Göttingen), Herrn Prof. Dr. Peter Ochsenbein (†), Herrn Prof. Dr. Nigel F. Palmer (Oxford), Herrn Dr. Wybren F. Scheepsma (Leiden), Herrn Prof. Dr. Bernhard Schemmel (Bamberg), Frau Prof. Dr. Uta Störmer-Caysa (Mainz) sowie Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Werner Williams (Augsburg). Ich danke auch Mitarbeitern aller Bibliotheken, mit denen ich Kontakt hatte, insbesondere für die Anfertigung von Reader-Printer-Kopien und Mikrofilmen, Beschäftigten bei der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek vor allem für die Beschaffung zahlreicher Fernleihen. Der Stiftung der Georg-August-Universität und der Deutschen Forschungsgemeinschaft möchte ich für Sachkostenzuschüsse danken, Herrn Prof. Dr. Friedrich Junge (Göttingen) für die erfolgreichen Bemühungen um ein halbjähriges Forschungsstipendium der Soltenborn-Stiftung. Göttingen, im Dezember 2007

Ekkehard Borries

Hinweis zur Kennzeichnung von Texttiteln: Texttitel von ungedruckten Quellen, deren Verifikation meiner Ansicht nach einer genaueren Untersuchung der jeweiligen Textinhalte bedürfte (siehe dazu Kap. VIII, Pkt. 1), sind in der Arbeit – wie alle Texttitel – kursiviert, aber zusätzlich durch doppelte typographische Anführungszeichen gekennzeichnet. Bei einigen Quellen stehen nach den Titelangaben abweichende Texttitel in eckigen Klammern. Diese Textbenennungen sind in Forschungsbeiträgen zu finden. Sie wurden von mir modifiziert oder ersetzt, weil sie die Inhalte der Schriften entweder gar nicht oder nur sehr unzureichend erfassen. Solche Präzisierungen von Texttiteln werden an den entsprechenden Stellen der Arbeit jeweils begründet. Wird ein Text in der Forschung unter zwei verschiedenen Titeln angeführt, steht die Textbenennung, die ich für weniger geeignet halte, ebenfalls in eckigen Klammern.

Inhalt I. Einleitung .................................................................................................................1 1. Zur Forschungssituation ............................................................................ 1 2. Die besessene Schwester Agnes: Ein Text als Leitmodell............................. 5 3. Ziele und Vorgehensweise ......................................................................... 6 II. Die besessene Schwester Agnes: Überlieferung und Textgeschichte.................................................................9 1. Zur Erarbeitung der Überlieferung........................................................... 9 2. Die Handschriften ..................................................................................... 10 2.1. Bamberg, Staatsbibliothek, Msc. Lit. 178 (Ed. VIII. 6) (= B)........... 12 2.2. Berlin, Staatsbibliothek, – PK, mgq 1122 (= Bln) .............................. 14 2.3. Brüssel, Koninklijke Bibliotheek Albert I, Hs. 8849-8859 (= Br).... 15 2.4. Colmar, Bibliothèque de la Ville, Ms. 272 (= C) ................................. 16 2.5. München, Bayerische Staatsbibliothek, cgm 836 (= M)..................... 17 2.6. Sankt Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 969 (= SG1) .................... 18 2.7. Sankt Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 973 (= SG2) .................... 20 2.8. Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 3006 (= W)........... 22 3. Ursprung und Verbreitung des Textes................................................... 23 III. Vorstudien zur Edition des Textes .................................................... 34 1. Einleitende Überlegungen ........................................................................ 34 2. Die Abhängigkeitsverhältnisse der Textzeugen .................................... 36 2.1. Vergleich der Textträger nach Sinneinheiten: B, W, SG2 und M als Referenztextgruppe ............................................................................. 37 2.1.1. Zur Varianz der Textabfolge und Modifikation der Sinneinheiten in C und SG1 ...................................................................... 43 2.1.2. Die Zusammenstellung der Sinneinheiten in Bln und Br ....... 44 2.2. Zusätze, Auslassungen und Umstellungen als Indikatoren von Abhängigkeitsbeziehungen ...................................................................... 44 2.3. Fehleruntersuchung.................................................................................. 48 2.4. Folgerungen............................................................................................... 50 3. Schematische Darstellung der wahrscheinlichen Textentwicklung ... 53 4. Eine Mehrfassungs-Edition als Konzept ............................................... 54 5. Die Anlage der Edition .............................................................................. 57

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Inhalt

IV. Edition des Redaktionstextes 1 nach SG2 ........................................ 58 1. Editionsprinzipien ..................................................................................... 58 1.1. Der dreiteilige Apparat ............................................................................ 58 1.1.1. Die Dokumentation der Lesarten ............................................... 59 1.1.2. Kommentare zur Sprache und zum Inhalt als Angebot.......... 61 1.2. Das Problem ’Normalisierung‘............................................................... 63 2. Editionsrichtlinien ..................................................................................... 66 3. Sprachbeschreibung des Textes in der Handschrift SG2.................... 69 3.1. Zur Schreibung und Lautung ................................................................. 70 3.2. Besonderheiten von Formen und Syntax ............................................. 75 3.2.1. Verben und Negation des Verbs ................................................. 75 3.2.2. Adjektive und Substantive............................................................ 78 3.2.3. Präpositionen .................................................................................. 79 3.2.4. Ersparungen und Periphrasen ..................................................... 80 3.2.5. Inkongruenzen und Perspektivenwechsel ................................. 81 4. Edition Die besessene Schwester Agnes nach SG2 (Redaktion 1) ............ 84 5. Stellenkommentar zum Redaktionstext 1 ............................................ 153 V. Teileditionen des Redaktionstextes 2 aus C und SG1.................... 216 1. Hinweise zur Teiledition von C............................................................. 216 2. Sprachbeschreibung des Textes in der Handschrift C....................... 217 2.1. Auffälligkeiten von Schreibung und Lautung .................................... 217 2.2. Besonderheiten von Formen und Syntax ........................................... 219 2.2.1. Spezielle Verbformen und die Negation des Verbs ............... 219 2.2.2. Adjektive, Pronomina und Präpositionen................................ 221 2.2.3. Ersparungen und Periphrasen ................................................... 221 2.2.4. Inkongruenzen.............................................................................. 222 3. Teiledition Die besessene Schwester Agnes nach C (Redaktion 2).......... 223 4. Hinweise zur Teiledition von SG1........................................................ 274 5. Sprachbeschreibung des Textes in der Handschrift SG1.................. 275 5.1. Auffälligkeiten von Schreibung und Lautung .................................... 275 5.2. Besonderheiten von Formen und Syntax ........................................... 278 5.2.1. Verben und Negation des Verbs ............................................... 278 5.2.2. Adverbien, Adjektive und Pronomina...................................... 279 5.2.3. Inkongruenzen und Ersparungen ............................................. 279 6. Teiledition Die besessene Schwester Agnes nach SG1 (Redaktion 2)..... 280

Inhalt

XI

VI. Untersuchungen zum Text ................................................................. 301 1. Sprachelemente und Stilmittel ............................................................... 301 2. Textstrukturen.......................................................................................... 304 2.1. Ein geistliches ’Lehr-Interview‘ in Sinneinheiten.............................. 305 2.2. Zum Aufbau der Sinneinheiten: Abbild und Idealbild als Struktur... 309 2.3. Der Text als ein Ganzes: Zur Verkettung der Sinneinheiten.......... 312 2.4. Die Anordnung der Textinhalte........................................................... 314 3. Die Textinhalte im Einzelnen................................................................ 322 3.1. Beispiele wichtiger Topoi des Textes .................................................. 325 3.2. Anweisungen für die vita communis im Konvent................................. 331 3.3. Weisungen für die innere geistliche Entwicklung ............................. 333 3.4. Zur Signifikanz von inhaltlichen Modifikationen der Textzeugen .... 338 4. Bemerkungen zur Autorschaft .............................................................. 341 4.1. Texturheber, Redaktoren, Bearbeiter und Übersetzer ..................... 341 4.2. Exkurs: Johann(es) Heilmann von Lindenfels (OFM)..................... 344 5. Intentionen der ’Autoren‘ und Funktionen des Textes ..................... 349 5.1. Ziele von Ordensreformern als Impetus für die Textproduktion ..... 349 5.2. Exkurs: Zur Bedeutung und Funktion von Dämonen im Spätmittelater .................................................................................................. 354 5.3. Das didaktische Konzept: Dämonische Besessenheit als ’heilsamer Schrecken‘.............................................................................. 358 5.4. Besessene Schwestern in Texten des Mittelalters ............................. 363 6. Aspekte der Textrezeption ..................................................................... 365 6.1. Bestandsaufnahme und Vorbemerkungen ......................................... 365 6.2. Versuch einer Zielgruppeneingrenzung.............................................. 368 6.3. Tischlesung, Kollation und Privatlektüre ........................................... 371 6.4. Die Mitschrift im Kreislauf von Rezeption und Produktion .......... 377 VII. Der Text als Gattungsmodell ........................................................... 379 1. Einführende Bemerkungen .................................................................... 379 2. Die Gattungsermittlung des Textes ...................................................... 382 2.1. Zur Alterität der überlieferten Textbezeichnungen .......................... 382 2.2. Die Notwendigkeit einer Merkmalanalyse.......................................... 386 2.3. Von der Merkmalanalyse zur Gattungsspezifizierung...................... 388 2.4. Gattung: Spiegelliteratur – Textgruppe: Ständespiegel – Texttyp: Schwesternspiegel .................................................................. 391 3. Schwesternspiegel als Forschungsdesiderat......................................... 394 4. Merkmale des Modelltextes als Paradigmen des Texttyps ................ 396

XII

Inhalt

VIII. Ein Textkorpus als Aufgabe ........................................................... 398 1. Texttitel und Textadressierungen: Probleme und ihre Überwindung.. 398 2. Die Gattungskonstitution: Der Texttyp als Reihe mit Randtexten und Mustertexten .................................................................................... 404 3. Textbeispiele zur Demonstration von Ausgrenzungsentscheidungen ...................................................................................................... 407 3.1. Erhart Gross (OCart), ”Nonnenwerk“ (1432)...................................... 407 3.2. Johannes Kreutzer (OP), Unterweisung einer Klosterfrau (Mitte 15. Jh.)... 412 IX. Das Textkorpus: Schwesternspiegel des 15. Jahrhunderts........ 415 1. Beispiele für Randtexte ........................................................................... 415 1.1. Eberhard Mardach (OP), Sendbrief an eine Nonne über wahre Frömmigkeit [Sendbrief von wahrer Andacht] (1422).......................................... 415 1.2. Johannes Meyer (OP), Buch der Ämter (1454) ..................................... 418 1.3. Johannes Meyer (OP), Buch der Ersetzung (1455)................................ 421 1.4. Heinrich Vigilis von Weißenburg (OFM), Ermahnung zu einem wahren klösterlichen Leben (um 1480) ...................................................... 426 2. Beispiele für Mustertexte........................................................................ 428 2.1. Apotheke der Schwestern (2. Hälfte 15. Jh.) ............................................. 429 2.2. Sendschreiben an eine Klosterfrau über Observanz im Ordensleben [Carissima soror Agnes] (frühes 15. Jh.)................................................... 434 2.3. Spiegel der Schwestern (spätes 15. Jh.) ...................................................... 441 3. Weitere Beispiele des Texttyps .............................................................. 445 X. Literar- und frömmigkeitshistorische Einordnung....................... 450 1. Zum problematischen Gebrauch des Begriffs ’Frauenmystik‘......... 451 2. Monastische Frauenfrömmigkeit im 15. Jahrhundert ........................ 454 3. Literatur für Schwestern: Die didaktische Funktion bestimmt die sprachlichen Mittel ................................................................................... 460 4. Schwesternbücher als Vergleichstexte.................................................. 468 4.1. Gestaltungsprinzipien und Funktionen von Schwesternbüchern...... 469 4.2. Zur Historizität der Schilderungen in Schwesternviten ................... 474 4.3. Schwesternbücher versus Schwesternspiegel..................................... 476 XI. Ergebnisse................................................................................................ 479 1. Der Modelltext......................................................................................... 479 2. Die ermittelten Schwesternspiegel ........................................................ 482

Inhalt

XIII

Verzeichnisse und Register........................................................................ 487 Abkürzungsverzeichnis ............................................................................... 487 Literaturverzeichnis ..................................................................................... 489 Ungedruckte Quellen..................................................................................... 489 Gedruckte Quellen......................................................................................... 492 Nachschlagewerke.......................................................................................... 498 Monographien und Beiträge aus Periodika und Sammelwerken ........... 503 Register .......................................................................................................... 535 Handschriften ................................................................................................. 535 Personen und Werke ..................................................................................... 536

I. Einleitung 1. Zur Forschungssituation In der mediävistischen Forschung hat seit geraumer Zeit das Interesse an den spätmittelalterlichen Lebensweisen von Frauen erheblich zugenommen. Texten, die über und für geistlich lebende Frauen verfasst wurden, ist deshalb erhebliche Aufmerksamkeit gewidmet worden.1 Gabriela Signori spricht von einer „Flut an jährlichen Neuerscheinungen, die sich der Klosterreform, dem regulierten Klosterleben, der ’Frauenmystik‘ oder einzelnen, herausragenden Heiligen widmen.“2 Ein Blick auf Untersuchungen zu solchen Texten des 14. und 15. Jahrhunderts, die in letzter Zeit erschienen sind, und auf Zusammenstellungen geplanter Editionen solcher Schriften macht deutlich, dass sich diese Tendenz fortsetzt und in den nächsten Jahren noch verstärken wird.3 Befasst man sich mit diesen Untersuchungen und Editionsvorhaben näher, fällt auf, dass Zentren monastischen Lebens aus Norddeutschland generell weniger Gegenstand von (philologischen) Forschungsarbeiten sind als die entsprechenden südlichen Zentren.4 Auffällig ist auch, dass gerade den Schwesternbüchern, also Sammlungen von Schwesternviten, ein ganz _____________ 1

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Einige Arbeiten werden beispielsweise von Susanne Bürkle angeführt; dies., Literatur im Kloster. Historische Funktion und rhetorische Legitimation frauenmystischer Texte des 14. Jahrhunderts, Tübingen/Basel 1999 (= Bibliotheca Germanica 38), S. 1, Anm. 1. – Weitere Forschungsarbeiten, die sich mit religiös lebenden Frauen im Mittelalter befassen, findet man auch bei Amalie Fößel und Anette Hettinger, Klosterfrauen, Beginen, Ketzerinnen. Religiöse Lebensformen von Frauen im Mittelalter, Idstein 2000 (= Historisches Seminar N. F. 12); siehe dazu ebd. bes. S. 9-13, Anm. 1, 3, 5. Gabriela Signori, Leere Seiten: Zur Memorialkultur eines nicht regulierten Augustiner-Chorfrauenstifts im ausgehenden 15. Jahrhundert, in: dies. (Hg.), Lesen, Schreiben, Sticken und Erinnern. Beiträge zur Kultur- und Sozialgeschichte mittelalterlicher Frauenklöster, Bielefeld 2000 (= Religion in der Geschichte, Kirche, Kultur und Gesellschaft 7), S. 149-184, hier S. 151. Siehe dazu die letzten zehn Jahrgänge der Zeitschrift Germanistik unter Editionsvorhaben. In dem von Signori herausgegebenen Sammelband (siehe Anm. 2) findet man zudem Beiträge, aus denen hervorgeht, dass weitere Forschungsarbeiten zur Sozial- und Kulturgeschichte mittelalterlicher Frauenklöster zu erwarten sind. Gemeint sind hier etwa Adelshausen (Baden), Engelporten (Gebweiler), Engelthal (bei Nürnberg), Inzigkofen (Sigmaringen), Kirchberg (bei Sulz am Neckar), Oetenbach (Zürich), Schönensteinbach (Gebweiler), Silo (Schlettstadt im Elsass), St. Katharina (Nürnberg), St. Katharinen (St. Gallen), St. Katharinental (Schaffhausen), Töss (Winterthur bei Zürich), Unterlinden (Colmar), Weil (Esslingen) und Wittichen (Baden).

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Einleitung

besonderes Interesse entgegengebracht wird. Neben Studien über einzelne Frauengestalten und Arbeiten zu den Ordensreformen in Frauenkonventen sind also sowohl Editionen von Schwesternbüchern als auch Untersuchungen zu diesen Texten ein Forschungsschwerpunkt über die mulieres religiosae. Mit den Inhalten dominikanischer Schwesternbücher hat sich zunächst Hieronymus Wilms intensiver beschäftigt.5 In den letzten Jahrzehnten wurde insbesondere auch die (frömmigkeits)historische Bedeutung von Schwesternbüchern untersucht.6 Béatrice Acklin Zimmermann etwa befasst sich in ihrer theologiehistorischen Arbeit7 mit der Frage nach einer impliziten Theologie dieser Texte und zeigt, dass die süddeutschen und schweizerischen Dominikanerinnen des 14. Jahrhunderts zu einem breiten Spektrum theologischer Denkrichtungen einen Zugang gehabt haben. Susanne Bürkle sieht in den Schwesternbüchern Klosterhistoriographie und -hagiographie vereinigt. In diesen Texten sei jeweils die historia sancta bestimmter Konvente gesammelt.8 Am Untersuchungsgegenstand des Engelthaler Klosters und der dort entstandenen Texte versucht Bürkle überdies, den Ort der Produktion und Rezeption von Schwesternbüchern, Gnadenviten und Offenbarungstexten des 14. Jahrhunderts als Voraussetzung der Genese dieser Texte zu erweisen.9 Schon seit den fünfziger Jahren gibt es Studien, in denen Schwesternbücher auch mit literaturwissenschaftlichen Erkenntnisinteressen analysiert und untersucht werden. Arbeiten beispielsweise von Georg Kunze,10 Wal_____________ 5

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Hieronymus Wilms O.P., Das Beten der Mystikerinnen, dargestellt nach den Chroniken der Dominikanerinnen-Klöster zu Adelhausen, Diessenhofen, Engeltal, Kirchberg, Oetenbach, Töß und Unterlinden, Leipzig 1916, 2. verb. u. erw. Aufl., Freiburg i. Br. 1923 (= Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens in Deutschland 11). Etwa von Otto Langer, Mystische Erfahrung und spirituelle Theologie. Zu Meister Eckharts Auseinandersetzung mit der Frauenfrömmigkeit seiner Zeit, München 1987 (= MTU 91), Peter Dinzelbacher, Religiöse Frauenbewegungen und mystische Frömmigkeit im Mittelalter, Köln/Wien 1988 und Gertrud Jaron Lewis, By Women, for Women, about Women: The Sister-Books of Fourteenth-Century Germany, Toronto 1996 (= Studies and Texts 125). Acklin Zimmermann, Gott im Denken berühren. Die theologischen Implikationen der Nonnenviten, Freiburg/Schweiz 1993 (= Dokimion 14). Bürkle, Literatur im Kloster, S. 318. Kloster und Orden sind als determinierende Institutionen der Entstehung dominikanischer Nonnenliteratur allerdings schon von Ursula Peters erkannt worden; dies., Religiöse Erfahrung als literarisches Faktum. Zur Vorgeschichte und Genese frauenmystischer Texte des 13. und 14. Jahrhunderts, Tübingen 1986 (= Hermaea 56), S. 27ff. und dies., Vita religiosa und spirituelles Erleben. Frauenmystik und frauenmystische Literatur im 13. und 14. Jahrhundert, in: G. Brinker-Gabler (Hg.), Deutsche Literatur von Frauen, Bd. 1: Vom Mittelalter bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, München 1988, S. 88-109, hier S. 91ff. Georg Kunze, Studien zu den Nonnenviten des deutschen Mittelalters. Ein Beitrag zur religiösen Literatur im Mittelalter, Diss. (masch.), Hamburg 1953.

Zur Forschungssituation

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ter Blank,11 Klaus Grubmüller,12 Karl-Ernst Geith,13 Ruth Meyer14 sowie Ursula Peters15 sind hier zu nennen. Herauszuheben ist die umfängliche und profunde Untersuchung von Siegfried Ringler,16 der die Schwesternviten nicht nur als hagiographische, sondern vor allem auch als belehrende Texte erkennt.17 Durch diesen funktionsgeschichtlichen Ansatz wurde ein Zugriff auf Schwesternbücher möglich, der von Vergleichen mit Texten mystischen Inhalts losgelöst ist. Solche vergleichenden Ansätze hatten vor allem Kunze und Blank zu abwertenden Beurteilungen der Schwesternbücher veranlasst,18 aber auch Langer, der die theologischen Auffassungen von Meister Eckhart wesentlich auf dessen Tätigkeit als Seelsorger zurückführte und sie deshalb der mystischen Spiritualität der Dominikanerinnen gegenüberstellte.19 Außer mit Schwesternbüchern haben sich Forscher auch mit Texten beschäftigt, die in den Orden und geistlichen Gemeinschaften besonders im 15. Jahrhundert von Vertretern der Reformbewegungen verfasst wurden und ein in mehrfacher Hinsicht facettenreiches Spektrum von Schriften zu den verschiedensten Themen monastischen Lebens von Frauen darstellen.20 Neben Regeln und deren Auslegungen sind in diesem Zusammen_____________ 11 12 13 14 15 16 17 18 19

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Walter Blank, Die Nonnenviten des 14. Jahrhunderts. Eine Studie zur hagiographischen Literatur des Mittelalters unter besonderer Berücksichtigung der Visionen und ihrer Lichtphänomene, Freiburg i. Br. 1962. Klaus Grubmüller, Die Viten der Schwestern von Töss und Elsbeth Stagel (Überlieferung und literarische Einheit), in: ZfdA 98 (1969), S. 171-204. Karl-Ernst Geith, Zur Textgeschichte der ’Vitae Sororum‘ (Unterlindener Schwesternbuch) der Katharina von Gueberschwihr, in: Mittellateinisches Jb. 21 (1986), S. 230-238. Ruth Meyer, Das ’St. Katharinentaler Schwesternbuch‘. Untersuchung, Edition, Kommentar, Tübingen 1995 (= MTU 104). Siehe dafür ihre bereits angeführte Studie, Religiöse Erfahrung als literarisches Faktum. Siegfried Ringler, Viten- und Offenbarungsliteratur in Frauenklöstern des Mittelalters, Quellen und Studien, München 1980 (= MTU 72). Ebd. S. 13f. – Ringlers Zuordnung der Schwesternviten zur Hagiographie wurde von Peters und Bürkle aufgegriffen und durch Überlegungen zu den kulturhistorischen Voraussetzungen der Texte gestützt. Kunze, Studien zu den Nonnenviten des deutschen Mittelalters, S. 198; Blank, Die Nonnenviten des 14. Jahrhunderts, S. 186 und 259-270. Für weitere abwertende Einschätzungen in der Forschung siehe Bürkle, Literatur im Kloster, S. 37, Anm. 105. Langer, Mystische Erfahrung und spirituelle Theologie, S. 225 und 234. Zur Beurteilung der Theologie Eckharts dazu siehe auch Kurt Ruh, Meister Eckhart. Theologe, Prediger, Mystiker, 2. überarb. Aufl., München 1989, S. 111. Zur nicht ganz unberechtigten Kritik an dieser Methode siehe Bürkle, Literatur im Kloster, bes. S. 43. Im 15. Jahrhundert nimmt die Produktion von volkssprachigen Gebrauchstexten erheblich zu. Diese auffällige Steigerung, die auch als „Literaturexplosion“ bezeichnet wurde (dazu Kuhn, Versuch über das 15. Jahrhundert in der deutschen Literatur, in: ders., Entwürfe zu einer Literatursystematik des Spätmittelalters, Tübingen 1980, S. 77-101, hier S. 78), ist im Wesentlichen eine Folge vielfältigster seelsorgerischer Bemühungen in dieser Zeit.

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Einleitung

hang Statuten und Konstitutionen anzuführen, aber auch geistliche Sendbriefe, Predigten und Traktate.21 Regeln und Statuten wurden ebenso wie Konstitutionen des Öfteren in historischen und theologischen Untersuchungen eingehender behandelt.22 Auch der Predigt, die bis ins 13. Jahrhundert die dominante Prosagattung war und das zentrale Medium zur Unterweisung christlicher Glaubenslehre,23 hat man sich intensiver gewidmet.24 So arbeiten vor allem Forscher um Volker Mertens an einem Repertorium der ungedruckten deutschsprachigen Predigten, das den verschiedenen mediävistischen Disziplinen die gesamte deutsche Predigt erschließen soll.25 Von der Forschung vernachlässigt wurden dagegen Unterweisungstexte für geistlich lebende Frauen, die eine normative Funktion haben und gleichzeitig narrative Strukturen und andere literarische Elemente aufweisen und deswegen gerade in literaturwissenschaftlicher Hinsicht besonders interessant sind.26 Sondiert man solche Unterweisungsschriften, kann man rasch erste Differenzierungen vornehmen. Es gibt einerseits meist kurze Texte, in denen im Wesentlichen ein bestimmter Aspekt des geistlich-klösterlichen Lebens abgehandelt wird, also zum Beispiel Texte über die einzelnen monastischen Gelübde, über die Gelassenheit, die Geduld, die wahre Andacht oder über verschiedene Klostertugenden und monastische Verhaltensweisen, 27 und andererseits Schriften, in denen Belehrungen, Mahnungen und _____________ 21

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Ida-Christine Riggert hat in einer Studie über Lüneburger Frauenklöster auch aus Urkunden, Chroniken und „chronikartigen Aufzeichnungen“ (S. 14) das monastische Leben in den Benediktiner- und Zisterzienserinnenklöstern Ebstorf, Isenhagen, Lüne, Medingen, Walsrode und Wienhausen ermittelt (S. 267-301), wenngleich ihr Schwerpunkt auf der Untersuchung der mittelalterlichen Verfassungs- und Sozialgeschichte dieser Frauenklöster liegt; siehe dies., Die Lüneburger Frauenklöster, Hannover 1996 (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen 37; Quellen und Untersuchungen zur Geschichte Niedersachsens im Mittelalter 19). Siehe dafür etwa Hans Urs von Balthasar (Hg.), Die großen Ordensregeln, Einsiedeln 21961 (= Menschen der Kirche in Zeugnis und Urkunden 8). Vgl. Hans-Jochen Schiewer, ’Die Schwarzwälder Predigten‘. Entstehungs- und Überlieferungsgeschichte der Sonntags- und Heiligenpredigten. Mit einer Musteredition, Tübingen 1996 (= MTU 105), S. 10. Dazu Karin Morvay und Dagmar Grube, Bibliographie der deutschen Predigt des Mittelalters. Veröffentlichte Predigten, hrsg. v. der Forschungsstelle für deutsche Prosa des Mittelalters am Seminar für deutsche Philologie der Universität Würzburg unter der Leitung von Kurt Ruh, München 1974 (= MTU 47). Dazu Volker Mertens u. Hans-Jochen Schiewer, Erschließung einer Gattung. Edition, Katalogisierung und Abbildung der deutschsprachigen Predigt des Mittelalters, in: editio 4 (1990), S. 93-111, hier S. 94. Das mangelnde Interesse von Forschern an diesen Texten kann also kaum mit den fehlenden Qualitäten der Schriften begründet werden. Ein Systematisierungsversuch von solchen Texten hat im Verfasserlexikon zu dem sehr begrüßenswerten Artikel von Bernhard D. Haage und Christine Stöllinger-Löser über Privatbesitz im Ordensleben (deutsche Predigten und Traktate) geführt; siehe 2VL 7, Sp. 845-850.

Zur Forschungssituation

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Anweisungen zu den verschiedensten Handlungen des monastischen Alltags vermittelt werden. Die vorliegende Arbeit wird sich diesen umfassenderen Unterweisungstexten für religiöse Frauen, die in geistlichen Kommunitäten lebten, widmen. Einen dieser Texte aus dem 15. Jahrhundert, in dem verschiedenste Materien des monastischen Lebens von Frauen thematisiert werden, habe ich vor einiger Zeit in der mittelniederländischen Redaktion seiner Kurzfassung ediert und untersucht.28 Es handelt sich um den Text Die besessene Schwester Agnes.29

2. Die besessene Schwester Agnes: Ein Text als Leitmodell Auf der Grundlage meiner Edition der Kurzfassung dieses Textes konnte ich durch Strukturanalysen und im Abgrenzungsverfahren gegenüber anderen Gattungen den Text als ’Schwesternspiegel‘ charakterisieren. 30 Die Untersuchungen zur Kurzfassung des Textes haben außerdem gezeigt, dass es lohnend ist, diesen Schwesternspiegel in seinen verschiedenen Fassungen zugänglich zu machen. Seine beachtenswerten textgeographischen und textsoziologischen Überlieferungsbefunde,31 seine findige didaktische Konzeption und auffällige literarische Gestaltung sowie seine frömmigkeitshistorisch aufschlussreichen Inhalte32 rechtfertigen seine umfassende Edition und eingehendere Untersuchung. Während meiner Studien zur mittelniederländischen Redaktion dieses Textes wurde ich außerdem auf umfangreichere Schriften aus dem 15. Jahrhundert aufmerksam, die mit diesem Schwesternspiegel vergleichbar sind und in mehrfacher Hinsicht deutliche Ähnlichkeiten mit dem Text von der besessenen Schwester Agnes aufweisen. Um diese umfangreicheren Schriften einem eingehenden Vergleich mit dem Text von der besessenen Schwester Agnes zu unterziehen, diesen Text also als Referenztext und Leitmodell für die Konstitution des Texttyps ’Schwesternspiegel‘ heranziehen zu können, sind weitreichende Analysen _____________ 28 29 30 31

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Ekkehard Borries, Die besessene Schwester Agnes. Ein Schwesternspiegel des 15. Jahrhunderts aus dem Haus Ten Orten in Herzogenbusch. Edition der Berliner Handschrift mit Kommentaren und Untersuchungen, in: OGE 70 (1996), S. 10-61. Zur Titelgebung für den Text siehe die Ausführungen im Kapitel VIII, Pkt. 1. Borries, Die besessene Schwester Agnes, S. 42-49. Kurt Ruh bezeichnet die textgeographische, die textsoziologische und die textchronologische Ebene als die „Hauptindikatoren handschriftlicher Entfaltung“, durch welche Textgeschichten konstituiert werden; ders., Überlieferungsgeschichte mittelalterlicher Texte als methodischer Ansatz zu einer erweiterten Konzeption von Literaturgeschichte, in: ders. (Hg.), Überlieferungsgeschichtliche Prosaforschung, Tübingen 1985 (= TTG 19), S. 262-272, hier S. 268. Dazu Borries, Die besessene Schwester Agnes, S. 10-19, 33-42 und 50-60.

Einleitung

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und exakte gattungstypologische Untersuchungen des Textes erforderlich. Die Ergebnisse der Studien zu seiner Kurzfassung lassen die Eignung dieses Schwesternspiegels als Leitmodell für einen solchen Textvergleich vermuten.33

3. Ziele und Vorgehensweise Ausgehend von den Überlieferungsbefunden des Textes von der besessenen Schwester Agnes ist zunächst ein geeignetes Editionskonzept zu entwickeln, wobei eine gegenstandsbezogene Begründung der Editionsmethode entfaltet werden soll. Anschließend sollen die einzelnen Zeugen des Textes verglichen werden, was in textgeschichtlicher Hinsicht zu aufschlussreichen Erkenntnissen führen könnte. Da zum Verständnis des Textes eine Kommentierung sprachlich und inhaltlich schwieriger Stellen unerlässlich ist, sind sowohl ein Stellenkommentar zur Textedition als auch gesonderte Beschreibungen der Sprache von Textzeugen anzufertigen. Zudem sollen spezielle Untersuchungen zu Sprachelementen, Stilmitteln, Textstrukturen und -inhalten durchgeführt werden sowie Studien zur Autorschaft, Funktion und Rezeption. Diese sind nicht nur für die Zuweisung des Textes zu bestimmten Lebens- und Gebrauchsräumen, sondern auch für die Beurteilung seiner frömmigkeitshistorischen und literaturwissenschaftlichen Bedeutung erforderlich. Siegfried Ringler hat an zahlreichen Textbeispielen nachgewiesen, dass ein angemessener Zugang zu den von ihm als „Nonnenliteratur“ bezeichneten Schriften einzig über die Erfassung ihrer literarischen Struktur zu finden sei.34 Die gattungsspezifische Struktur bestimme, was innerhalb einer Gattung erforderlich und überhaupt möglich sei,35 die literarische Form insgesamt lege fest, in welcher Weise ein Text Wirklichkeit erschließe. Ihre genaue Ermittlung sei deshalb für das Textverständnis besonders wichtig.36 Ringler konstatiert außerdem, dass es nicht genüge für eine bestimmte Gruppe literarischer Werke eine bestimmte Struktur nachzuweisen; vielmehr müssen daraus auch konkrete Folgerungen gezogen werden: die einzelnen Elemente eines Werkes dürfen nicht je für sich genommen und interpretiert, sondern nur innerhalb des Strukturzusammenhanges betrachtet werden;

_____________ 33 34 35 36

Dazu Borries, Die besessene Schwester Agnes, besonders S. 42-49. Ringler, Viten- und Offenbarungsliteratur, unter anderem S. 175-177, 157f. und 221-226. Ebd. S. 376f. Vgl. dazu Siegfried Ringler, Die Rezeption mittelalterlicher Frauenmystik als wissenschaftliches Problem, dargestellt am Werk der Christine Ebner, in: P. Dinzelbacher und D. R. Bauer (Hgg.), Frauenmystik im Mittelalter, Ostfildern/Stuttgart, 21990, S. 178-200, hier S. 184.

Ziele und Vorgehensweise

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erst unter Berücksichtigung dessen, was innerhalb dieser Struktur überhaupt gesagt werden s o l l und k a n n, lassen sich die Einzelelemente auf ihren spezifischen Aussagewert hin analysieren.37

Auf der Grundlage dieser Einsichten Ringlers sollen Struktur- und Formanalysen einen Schwerpunkt des Untersuchungsteiles darstellen. Ein Schwerpunkt der gesamten Arbeit soll darin bestehen, die Eignung des Textes von der besessenen Schwester Agnes als Texttypmodell zu verifizieren, weshalb die texttypdeterminierenden Merkmale dieses Schwesternspiegels mit einem weiten Beziehungsrahmen möglichst präzise zu bestimmen sind. Bei der Recherche nach brauchbaren Texten für ein Textkorpus ist dann von diesen Merkmalen als Paradigmen des Texttyps ’Schwesternspiegel‘ auszugehen. Anschließend ist zu entscheiden, ob die ermittelten Schriften diesem Texttyp zugeordnet werden können oder nicht. Bei diesen Ausgrenzungs- und Zuordnungsentscheidungen sind jeweils die texttypdeterminierenden Merkmale der Vergleichstexte zu verifizieren.38 Schriften, die in ein Textkorpus ’Schwesternspiegel‘ aufgenommen werden können, sollen zudem wenigstens durch Paraphrasen ihrer wesentlichen Inhalte und durch die Erläuterung ihrer Gliederungsprinzipien und sprachlichen Mittel vorgestellt werden. Abschließend sind diese Schriften zusammen mit dem Text von der besessenen Schwester Agnes literar- und frömmigkeitshistorisch einzuordnen und zu beurteilen. Für die frömmigkeitshistorische Einordnung sind neben den theologischen Traditionen beziehungsweise spirituellen Grundlagen der zu ermittelnden Texte wenn möglich auch ihre Quellen zu benennen. Da in Beiträgen der Forschung des Öfteren bedauernd darauf hingewiesen wurde, dass Fragen nach der speziellen Beschaffenheit monastischer Frömmigkeit von Frauen im späten Mittelalter weitgehend ausgeklammert blieben und Schriften diesbezüglich nur unzureichend ausgewertet wurden,39 soll ein Aspekt der Untersuchungen zur Einordnung der Texte auch darin bestehen, die Frömmigkeit, die in den Schriften zum Ausdruck kommt, möglichst genau zu spezifizieren. _____________ 37 38

39

Ringler, Viten- und Offenbarungsliteratur, S. 10. Bürkle kritisiert zu Recht, dass Ringler Konstituenten der Gattung ’Heiligenlegende‘ ohne jede Textgrundlage historisch vergleichbarer Vitentexte aus der Forschung zur Legende extrapoliert und diese dann bei dem Versuch, den Texttypus der Gnadenvita zu bestimmen, als Vergleichskonstituenten anwendet; dies., Literatur im Kloster, S. 273-275. Vgl. dazu Werner Williams-Krapp, „Dise ding sint dennoch nit ware zeichen der heiligkeit“. Zur Bewertung der mystischen Erfahrung im 15. Jahrhundert, in: W. Haubrichs (Hg.), Frömmigkeitsstile im Mittelalter, in: Lili 80 (1990), S. 61-71, hier S. 61 und siehe die Studien von Lewis, By Women, for Women, about Women, und Acklin Zimmermann, Gott im Denken berühren. Beide Autorinnen versuchen, aus dominikanischen Schwesternviten Charakteristika einer speziellen Frauenfrömmigkeit zu ermitteln. Siehe für diesen Zusammenhang auch die Ausführungen in Kapitel X unter Pkt. 2.

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Einleitung

Zur Einschätzung der literarhistorischen Bedeutung der recherchierten Texte soll besonders die Vermittlungsweise von Lehrinhalten in den Schriften im Kontext geistlicher Literatur für Frauen des späten Mittelalters näher untersucht werden. Für die literarhistorische Einordnung ist zudem zu klären, ob und inwieweit die zu ermittelnden Texte zur Reformliteratur, zur Mystik, zur Ordensliteratur oder zur Kloster- beziehungsweise Schwesternliteratur zu rechnen sind. Das übergeordnete konzeptionelle Ziel der Arbeit besteht in einer engen Verbindung aus möglichst detaillierter Einzelstudie und komprimierter Überblicksuntersuchung.

II. Die besessene Schwester Agnes: Überlieferung und Textgeschichte 1. Zur Erarbeitung der Überlieferung Spätmittelalterliche Prosatexte der Gebrauchsliteratur systematisch und weitgehend vollständig zu erfassen, ist schwierig. Vielfach ist Textmaterial entweder noch nicht entdeckt oder nicht näher untersucht. Untersuchungen solcher Texte aus dieser Zeit können zudem in den meisten Fällen nicht mehr als ’Stichproben‘ bieten. Bei den Bemühungen, die Überlieferung des Textes von der besessenen Schwester Agnes zu erfassen, kam es in der Forschung außerdem zu einigen Verständigungsproblemen. In den fünfziger Jahren nennt Kurt Ruh als erster den Text in seiner Arbeit Bonaventura deutsch.1 Er führt zwei Textzeugen aus Codices der Stiftsbibliothek in St. Gallen an,2 einen aus einem Codex der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien3 sowie einen Bamberger Textzeugen.4 Im Jahre 1961 erscheint als Nachtrag zum Verfasserlexikon ein Artikel von Gundolf Keil über den Franziskanerobservanten Johann von Lindenfels,5 den Keil als Verfasser des Textes vermutet. In seinem Artikel nennt Keil als einzigen Überlieferungsträger die Bamberger Handschrift. Fünf Jahre später beschreibt Wolfgang Stammler kurz den Text.6 Die von Ruh ermittelte Überlieferung ist ihm unbekannt. Er erwähnt dafür einen Münchner Textzeugen7 und weist zusätzlich auf _____________ 1 2 3 4 5 6 7

Kurt Ruh, Bonaventura deutsch, Ein Beitrag zur deutschen Franziskaner-Mystik und -Scholastik, Bern 1956 (= Bibliotheca Germanica 7), S. 127 und 171. Cod. Sang. 969, S. - und Cod. Sang. 973, S. -. Im Folgenden wird Cod. Sang. 969 mit ’SG1‘ abgekürzt und Cod. Sang. 973 mit ’SG2‘. Cod. 3006, fol. -; in der Folge mit ’W‘ abgekürzt. Staatsbibliothek Bamberg, Msc. Lit. 178 (Ed. VIII. 6.), fol. -; folgend jeweils mit ’B‘ abgekürzt. Gundolf Keil, Artikel Johann von Lindenfels, in: Gerhard Eis und Gundolf Keil, Nachträge zum Verfasserlexikon, in: PBB (Tübingen) 83 (1961), S. 193f. Wolfgang Stammler, Mittelalterliche Prosa in deutscher Sprache, in: ders., Deutsche Philologie im Aufriß, 3 Bände, 2. überarb. Aufl., unveränderter Nachdr., Berlin 1957-1967, Bd. 2, Sp. 749-1078, hier Sp. 977. München, Bayerische Staatsbibliothek, cgm 836, fol. -; in der Folge durch ’M‘ abgekürzt. – Aus dem Versuch der Richtigstellung des Texttitels in einer Rezension zu Annelies Julia Hofmanns Untersuchung Der Eucharistie-Traktat Marquards von Lindau geht hervor,

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Die besessene Schwester Agnes: Überlieferung und Textgeschichte

einen Harburger Codex hin, der heute in der Universitätsbibliothek in Augsburg liegt. Bei diesem Hinweis hat sich Stammler jedoch in zweifacher Weise geirrt. Zum einen nennt er eine falsche Signatur,8 zum anderen verwechselt er den Text.9 Dagmar Ladisch-Grube gibt 1978 in ihrem Artikel über den Text im Verfasserlexikon nur die vier Handschriften an, die Ruh schon 1956 in seiner Arbeit Bonaventura deutsch genannt hat.10 Um die Überlieferung des Textes systematischer in den Griff zu bekommen, war ein Blick auf die Provenienzen der Handschriften hilfreich. Demzufolge fand der Text vor allem in Klöstern und Stiften Verbreitung, die der Observanz angehörten. Da der Weg der Observanzbewegungen in vielen Fällen auch dem Weg von Texten entsprach, ließ der Überlieferungsbefund vermuten, dass der Text auch in weiteren Reformklöstern vorhanden war. Die Durchsicht zahlreicher Handschriftenkataloge, die Schriften aus den Reformzentren geistlich lebender Frauen des Spätmittelalters verzeichnen, führte auf die Spur eines Colmarer Textzeugen aus dem Dominikanerinnenkloster in Unterlinden,11 sowie auf zwei weitere Handschriften des Textes12 aus dem Milieu der Devotio moderna.

2. Die Handschriften Alle Zeugen des Textes von der besessenen Schwester Agnes sind in Sammelhandschriften überliefert. Da die Kompilationen dieser Sammelhandschriften für die Gattungsbestimmung und die literarhistorische Einord_____________ 8 9

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dass auch Kurt Ruh bereits 1961 Kenntnis von diesem Textzeugen besaß; siehe dazu AfdA 73 (1961), S. 13-24, hier S. 19. Statt „Cod. III. 1.8° 37, Bl. 284a“ muss es heißen: „Cod. III. 1. 4° 37, Bl. 284r“. Die Handschrift mit der Signatur III. 1.8° 37 hat insgesamt nur 261 Blätter. Bei dem Text in der Augsburger Handschrift handelt es sich um eine Bearbeitung von Seuses Büchlein der Wahrheit, bei der Seuses Wortlaut im Allgemeinen erhalten ist, auch wenn der Text als Dialog zwischen Beichtvater und Beichttochter stark erweitert und durch Zusätze unterbrochen ist; vgl. dazu Karin Schneider, Die Handschriften der Universitätsbibliothek Augsburg, 2. Reihe, Die deutschen Handschriften, Bd. 1: Deutsche mittelalterliche Handschriften, Wiesbaden 1988, S. 348. Dagmar Ladisch-Grube, Artikel Die besessene Nonne Agnes, in: 2VL 1, Sp. 830f. Nach einem Hinweis von mir wurde dieser Artikel inzwischen anhand der Ergebnisse meines Aufsatzes Die besessene Schwester Agnes (1996) korrigiert und ergänzt, siehe dazu 2VL 11: Nachträge und Korrekturen, Sp. 247. Colmar, Bibliothèque de la Ville, Ms. 272, fol. -; folgend durch ’C‘ abgekürzt. Siehe dazu den Berliner Codex, SBB - PK, mgq 1122, fol. - (in der Folge durch ’Bln‘ abgekürzt) und den Textzeugen aus Brüssel, Koninklijke Bibliotheek Albert I, Hs. 8849-8859, fol. - (folgend durch ’Br‘ abgekürzt). – Mein Dank gilt Herrn Prof. Dr. Thom Mertens (Antwerpen), der mich auf diese Brüsseler Handschrift hinwies.

Die Handschriften

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nung des Textes aufschlussreich sein könnten, werden in den folgenden Handschriftendarstellungen die einzelnen Texte der Sammelhandschriften unter Angabe des Autors und des Texttitels – sofern diese bekannt sind – angeführt. Ist weder der Autor angegeben noch ein Texttitel, werden die Kurzbeschreibungen der Textinhalte aus den entsprechenden Handschriftenkatalogen wiedergegeben. Auf die Bedeutung der Mitüberlieferung für die Charakterisierung des Textes von der besessenen Schwester Agnes und dessen Gattungsbestimmung wird jedoch erst im Kapitel VII näher eingegangen. Zentrale Fragen zu mittelalterlichen Texttiteln und zur Titelvergabe in Handschriftenkatalogen werden außerdem in den Kapiteln VII und VIII grundsätzlich behandelt. Für weiterführende Erläuterungen zu den Sammelhandschriften wird gegebenenfalls auf bereits vorliegende Handschriftenbeschreibungen in Einzeluntersuchungen oder auf entsprechende Ausführungen in Handschriftenkatalogen verwiesen. Die knappen kodikologischen Beschreibungen, die jeweils vor den Darstellungen der Inhalte stehen, gehen generell über den derzeitigen Stand der Forschung nicht hinaus. Genauere Untersuchungen der Handschriften hätten Reisen zu den betreffenden Bibliotheken vorausgesetzt, die ich aus finanziellen Gründen leider nicht durchführen konnte. Sofern es möglich war, durch Anfragen bei Bibliotheken an detailliertere Informationen zu gelangen, wurden die Katalogisate ergänzt. Informationen in den Sammelhandschriften, die für die Geschichte des Textes von der besessenen Schwester Agnes wichtig sind, also beispielsweise Angaben zu den Provenienzen der Handschriften und ihren Datierungen sowie Leseanweisungen, Besitzvermerke und Schreibernennungen werden ausführlich dargeboten. Dabei ist das Augenmerk besonders auf Initien und Textschlüsse gerichtet, die jeweils diplomatisch nach der Handschrift wiedergegeben werden.13 Zum Abschluss der einzelnen Handschriftendarstellungen folgt stets eine Beschreibung der jeweiligen Darbietung des Textes von der besessenen Schwester Agnes in der betreffenden Handschrift. Es wird hier vor allem auf Schreibereigenheiten und Schreiberwechsel eingegangen, auf Randbemerkungen, Verzierungen, auf Abkürzungen und Verschreibungen sowie auf Gliederungen des Textes durch Interpunktion und Absätze. Für meine Untersuchungen stand mir der Text von der besessenen Schwester Agnes in den Textzeugen B, C, M, W, SG1 und SG2 auf Mikro_____________ 13

Ich folge damit den Gepflogenheiten von Textteilwiedergaben in neueren Handschriftenkatalogen; dafür etwa Schneider, Die Handschriften der Universitätsbibliothek Augsburg, 2. Reihe, Bd. 1, S. 22. – Abbreviaturen werden aber jeweils aufgelöst, Virgeln getilgt, Schaft-s erscheint aus drucktechnischen Gründen als ‚s‘.

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Die besessene Schwester Agnes: Überlieferung und Textgeschichte

film zur Verfügung. Bei den Textträgern B, M und SG1 konnte ich mich zusätzlich auf Reader-Printer-Kopien stützen. Von den Textzeugen Bln und Br waren mir nur Reader-Printer-Kopien zugänglich. 2.1. Bamberg, Staatsbibliothek, Msc. Lit. 178 (Ed. VIII. 6) (= B) 12°, Papier, Schriftspiegel 9,8 x 7,4 cm, 376 Bll., 11-25 Zeilen. Die Handschrift wurde von verschiedenen Händen, vermutlich von Schwestern des Klarissenklosters in Bamberg in bairischer Schreibsprache geschrieben.14 Auf fol. sind die Initiale und eine große Blumenranke reich koloriert. Der Einband besteht aus Pappdeckeln, die mit weinrotem Leder, das mehrfach gestempelt ist, überzogen sind.15 Eine Schlaufe fehlt.16 Die Handschrift gelangte aus dem Bamberger Klarissenkloster St. Klara in das gleichnamige Nürnberger Klarissenkloster, bevor sie in das Bamberger Karmeliterkloster kam,17 woher die alte Signatur auf einem der vier Papierblättchen am Buchrücken stammt.18 Kurt Ruh datiert die Handschrift auf etwa 1500. Auf fol. steht nach dem Text Von der göttlichen Liebe19 die Jahresangabe 1508.20 Inhalt:21 1r-22r Lectulus noster floridus. diese wort steh geschriben an der Mynnen puch (Predigt von Heinrich Seuse); 22v-103v Gebete und Betrachtungen über das Leben und Leiden Christi (22v aus De Imitatione Christi; 50v-63v die hundert betrachtung von dem vber erwirdigen leiden ihesu christi); 104r-187r Unterweisungen und Gebete für die Kommunion und Betrachtungen über das Sakrament im täglichen Leben einer Nonne; 189r-194r Gedenktext, der unterschrieben ist mit: Dorothea marggreuin zu Brandenburg;22 196r-199r Bonaventura, Ein andechtige bedrachtung von dem leben und leyden vnsers _____________ 14 15 16 17 18 19 20 21 22

Dazu Friedrich Leitschuh, Katalog der Handschriften der Königlichen Bibliothek zu Bamberg, Bd. 1, Abt. 1, Bamberg 1895, S. 331 und Johannes Kist, Das Klarissenkloster in Nürnberg bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts, Nürnberg 1929, S. 119-123. Nach Auskunft des damaligen Bibliotheksdirektors, Herrn Prof. Dr. Bernhard Schemmel, stammt der Einband aus dem Klarissenkloster in Nürnberg. Zu einigen dieser Angaben vgl. Leitschuh, Katalog der Handschriften der Königlichen Bibliothek zu Bamberg, Bd. 1, Abt. 1, S. 330f. und Ruh, Bonaventura deutsch, S. 170. Vgl. dazu MBK, Ergänzungsbd. 1, München 1989, S. 74. Die neuen Signaturen wurden um 1900 von Friedrich Leitschuh eingeführt. – Der Einband wurde 1955 restauriert. Der Text liegt ediert vor; siehe Kurt Ruh (Hg.), Franziskanisches Schrifttum im deutschen Mittelalter, Bd. 2, München 1985 (= MTU 86), S. 232-247. Ebd. S. 247, Z. 441. Fol. , , , , und sind unbeschrieben. Markgräfin Dorothea war die Tochter des Fürsten Albrecht III. (1414-1486), eines Vertrauten Kaiser Friedrichs III. Sie trat 1492 in das Klarissenkloster Bamberg ein, wo sie 1520 verstarb; vgl. Leitschuh, Katalog der Handschriften der Königlichen Bibliothek zu Bamberg, Bd. 1, Abt. 1, S. 331.

Die Handschriften

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hern jhesu cristi; 199r-205r Pseudo-Bonaventura, Alphabetum religiosorum; 206r-229r Von der gotlichen lieb (Traktat); 230r-243r Verschiedene Betrachtungen über die Kleidung von Schwestern und über die kirchlichen Tageszeiten; 247r-338r Die besessene Schwester Agnes 247r Es geschach auf ein czeit in einer samnung das vnszer herr auf ein swester in der selben samnung verhengt das sy der posz geist zu manichen malen swerlich vnd auszwendig pflag zu peinigen vnd ausz ir zu reden 338r Zu dem leczten sprach er was hie jn diszer zeit durch recht penitencz nit abgelegt wirt das sol darnach mit tewfelichen slegen vnd hellischer pein abgeslagen werden Amen 338r Nach dem letzten Textwort steht: laus deo pax uiuis requiem defunctis dz spricht lob got frid den lebenden rw den totten Amen deo gratias 338v Diesze lere so got geoffenbaret hett dorch die behaffte swester ist nit zţ verachten dann spricht Ambrosius die warheit werd gesagt von wem sie wölle (...) Attestor ego fr Johannes De Lindenfels vicarius provincialis;23 339r-376r Ein Gebet und zwei Traktate über Anfechtungen

Zur Darbietung des Textzeugen: Die sehr gut lesbare Schrift des Textträgers stammt im Wesentlichen von einem Schreiber. Eine zweite Hand setzt mitten im Wort arbeyt auf fol. , Zeile 13 ein und endet auf fol. , Zeile 2. Der Schreiberwechsel wird deutlich durch den vom ersten Schreiber abweichenden Schriftspiegel, die geringere Zeilenzahl pro Seite, eine andersartige Federführung sowie eine größere Gestaltung der Buchstaben. Der erste Schreiber bevorzugte elliptische Konstruktionen, weshalb Nebensatzanschlüsse bisweilen nur schwer auszumachen sind. Wiederholte Randbemerkungen wie vermanung, peichtvatter, swester, die mit dem Inhalt korrespondieren, deuten eine Gliederung des Textes an. Textgliedernde Absätze hingegen fehlen. Da der Codex nachträglich an den Rändern beschnitten worden ist, sind die Randbemerkungen sowie einige Korrekturen mitunter nicht mehr vollständig. Der Textzeuge weist zudem zahlreiche Verschreibungen und nicht wenige Textlücken auf. Majuskeln sind auf einigen Seiten rubriziert.24 Diese Rubrizierungen sind allerdings zum Teil nicht vollständg ausgeführt. Korrekturen wurden sowohl mit schwarzer als auch mit roter Tinte vorgenommen. Die Überschriften erscheinen in Rot oder sind rot unterstrichen. Unterstreichungen im Text wurden ebenfalls in Rot vorgenommen. _____________ 23 24

Siehe zu diesem Vermerk die Ausführungen im Kapitel VI unter Pkt. 4.1. und 4.2. Es handelt sich um fol. -, , -, ,, -, , , - und .

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Die besessene Schwester Agnes: Überlieferung und Textgeschichte

2.2. Berlin, Staatsbibliothek – PK, mgq 1122 (= Bln) 4°, Papier, 340 Bll. Die in mittelniederländischer Schreibsprache geschriebene Handschrift stammt aus dem 15. Jahrhundert. Im 18. Jahrhundert war Johannes Enschedé, ein Mitglied der bekannten Buchdruckerfamilie in Haarlem, Besitzer des Codex25. Die Handschrift wird auch im Repertorium von Carasso-Kok erwähnt.26 Inhalt: 1ra-48vb Belehrungen für Ordensleute in 38 Kapiteln; 49ra-90vb Pseudo-Bernhard, Tractatus de interiori domo seu conscientia aedificanda (mndl.); 91ra-166vb Bernhard, Textteile aus Sermones (mndl.); 167ra-229vb Geistlicher Baumgarten;27 230ra-254vb Traktate über das Leiden Christi und über das ewige Leben; 255ra Ein Exempel des Caesarius von Heisterbach; 255va-278ra Seuse, Textteile aus dem Großen Briefbuch; 278va Johannes Brinckerinck, Textteile aus den Collatien; 278vb-324ra Belehrungen für geistlich lebende Menschen; 324va-331ra Die besessene Schwester Agnes va-vb 324 Hier beghint een exempel Inden stat van bossche was een suster dee overmits der verhenghenisse gods beseten was doer welke die bose gheest overmits bedwanc godes veel merkelike dinghen leerde den susteren daer sy mede woende 330vb-331ra Doe wart hem ghevraget of si altoes knielen mosten als die naem ihesus ghenoemt wort Doe seide hi ic moet daer al meer toe doen dan allien knielen want die naem is alos hoech dat ic ende alle mijn ghesellen beven wanneer die naem ghenoemt wart Amen; 331ra-332va Belehrung einer Magd28 und von Maria Magdalena

Zur Darbietung des Textzeugen: Die Schrift ist gut lesbar. Es kommen einige Schreibereigenheiten vor.29 Satzzeichen und gliedernde Absätze fehlen ebenso wie Verzierungen. Die wenigen Korrekturen wurden sorgsam vorgenommen. Als Abkürzungen sind Nasalstriche besonders häufig. _____________ 25 26 27 28

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Dazu Hermann Degering, Kurzes Verzeichnis der germanischen Handschriften der Preussischen Staatsbibliothek, 3 Bände, Leipzig 1925-32, Nachdr. Graz 1970, hier Bd. 2, S. 189. Marijke Carasso-Kok, Repertorium van verhalende historische bronnen uit de middeleeuwen. Heiligenlevens, annalen, kroniken en andere in Nederland geschreven verhalende bronnen, Den Haag 1981, S. 129, Nr. 104. Dieser Textzeuge wird von Helga Unger nicht berücksichtigt, siehe dies., Geistlicher Herzen Bavngart. Ein mittelhochdeutsches Buch religiöser Unterweisung aus dem Augsburger Franziskanerkreis des 13. Jahrhunderts. Untersuchungen und Text, München 1969 (= MTU 24). Der Handschriftenbeschreibung Hermann Degerings zufolge endet der Text von der besessenen Schwester Agnes erst auf fol. ; siehe ders., Kurzes Verzeichnis der germanischen Handschriften der Preussischen Staatsbibliothek, Bd. 2, S. 190. Degering hat offensichtlich übersehen, dass der Text ”Belehrung einer Magd“, der inhaltlich an Schriften des Jan van Ruusbroec angelehnt ist, mit dem Text von der besessenen Schwester Agnes nichts zu tun hat. Dazu Borries, Die besessene Schwester Agnes, S. 19.

Die Handschriften

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2.3. Brüssel, Koninklijke Bibliotheek Albert I, Hs. 8849-8859 (= Br) 12°, Papier, 286 Bll.30 Die lateinisch geschriebene Handschrift ist um 150031 im Bruderhaus Zwolle entstanden.32 Sie wurde größtenteils von einem Bruder des Deventer Fraterhauses geschrieben.33 Zu diesem Codex findet man in der Forschungsliteratur zahlreiche Angaben und Ausführungen.34 Inhalt: Die Texte der umfangreichen und für die Geschichte der Devotio moderna

bedeutenden Sammelhandschrift wurden von Schoengen auf elf Seiten detailliert aufgeführt.35 Es wird hier deshalb nur eine Zusammenfassung geboten: Vor dem Text von der besessenen Schwester Agnes stehen Lebensbeschreibungen von Brüdern des gemeinsamen Lebens, unter anderem von Geert Groote, Johannes Brinckerinck und Dirc van Herxen, dazwischen Texte zur Geschichte verschiedener geistlicher Häuser. 139r-143r De sorore Agnete monasterii sororum van orten buscoducis que obsessa multa reuelauit 139r Vorbemerkung zum Text: Soror quedam agnes nomine congregationis que est in buscoducis oppido brabantie nutu dei correpta a demone per aliquod tempus ab eodem vexata est (...)36 143r Nachbemerkung zum Text: Quicquid tamen illud est quod hic dicitur si verum est et scripture sancte consonum nec fidei contrarium veritati credatur non demoni si vero falsum esse probatur non veritati sed demoni imputetur (...) Ad gloriam dei qui est benedictus In secula Amen

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Michael Schoengen verwendet in seiner Untersuchung Jacobus Traiecti alias de Voecht, Narratio de inchoatione domus clericorum in Zwollis met akten en bescheiden betreffende dit fraterhuis, Amsterdam 1908 (= Werken uitgegeven door het Historisch Genootschap, 3. Folge, 13) die älteren Folioangaben, die von den neueren, die in dieser Arbeit herangezogen werden, abweichen. Dazu Carasso-Kok, Repertorium van verhalende historische bronnen uit de middeleeuwen, S. 129, Nr. 104. Schoengen (Hg.), Narratio de inchoatione domus clericorum in Zwollis, S. XCVIII. Ebd. S. CI u. CII. – Als Schreiber von Teilen des Codex wird Gerardus de Busco vermutet; siehe dazu Petrus F. J. Obbema, Een Deventer bibliotheekcatalogus van het einde der vijfteinde eeuw. Een bijdrage tot de studie van laat-middeleeuwse bibliotheekcatalogi, Brüssel 1973, 2 Bde, hier Bd. 1, S. 68. Zur Entstehung, Kompilation und Bedeutung der Handschrift siehe etwa Wilhelmus J. Kühler, Levensbeschrijvingen van devote zusters te Deventer, in: Archief voor de Geschiedenis van het Aartsbisdom Utrecht 36 (1910), S. 1-68, hier S. 1-8 und vor allem Rudolf Th. M. van Dijk, Levensbeschrijvingen van devote zusters, in: A. J. Geurts (Hg.), Moderne Devotie. Figuren en facetten, Tentoonstelling ter herdenking van het sterfjaar van Geert Grote 1384-1984. Catalogus, Nimwegen 1984, S. 211-213, hier S. 212f. Des Weiteren ist dazu informativ Wybren F. Scheepsma, Verzamelt de overgebleven brokken, opdat niets verloren ga. Over Latijnse en Middelnederlandse levensbeschrijvingen uit de sfeer van de Moderne Devotie, in: P, Wackers (Hg.), Verraders en bruggenbouwers. Verkenningen naar de relatie tussen Latinitas en Middelnederlandse letterkunde, Amsterdam 1996, S. 211-238, Anmerkungen und Literaturverzeichnis S. 334-346, hier S. 226-228. Schoengen (Hg.), Narratio de inchoatione domus clericorum in Zwollis, S. LXXXIV-XVIV. Auf die vollständige Wiedergabe der umfangreicheren Vor- und Nachbemerkungen zum Textzeugen auf fol. 139r und 143r wird an dieser Stelle verzichtet, weil im Kapitel VI, Pkt. 3.1. näher darauf einzugehen sein wird.

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Die besessene Schwester Agnes: Überlieferung und Textgeschichte

Danach folgen Viten von Brüdern und Schwestern des gemeinsamen Lebens, dazwischen Kurztexte von Dirc van Herxen.

Zur Darbietung des Textzeugen: Die Schrift ist schwer lesbar,37 der Text wurde zudem häufig abgekürzt. Er ist in sechs Absätze gegliedert, Satzzeichen fehlen. 2.4. Colmar, Bibliothèque de la Ville, Ms. 272 (= C) 14,0 x 10,5, Papier, 168 Bll. Die in elsässischer Schreibsprache verfasste Handschrift stammt aus dem 15. Jahrhundert. Sie kommt aus dem Dominikanerinnenkloster Unterlinden bei Colmar und wurde von einer Hand geschrieben. Der Codex ist in rotem Leder eingebunden, die Schließe fehlt.38 Inhalt: 1v Nimant trag vs dem kor vber einen tag oder sag das es hab oder man beslost es gantz; 2r In Brobant In einer stat genant Busch worent f(nff hundert swestern byeinander in einer geistlichen samenunge die hetten eine geistliche mţter vnd einen bichtvatter der wz ein doctor der heiligen geschrifft Do ist dise nochgeschriben hystorie beschehen do man zalte noch gottes geburt tusent CCCCXXXIX Jore; 2r Leseanweisung: Vnd wer des bösen geistes bredie hie nach geschrieben wol verston wil der sol es gar vsz lesen (...); Die besessene Schwester Agnes 2v-145v v 2 Es geschach vff ein zÿtt In einer sammenunge von swestern das do ein swester was vff die vnßer lieber herre verhengete das sú der böse geist manig male swerlichen vnd vssewendig piniget vnd auch dicke vsz yr sprach 145r-v Do sprochent die swestern ein jegliche für sich selbes wie sú dţn solten dan sú dicke vngehorsam werent Do sprach er was hie jn diser zijt nit abegeleit würt das sol hernach mit grossen slegen von dem tüfel abegeleit werden 145v Nach dem letzten Textwort steht: Vnd es geschach do die vorgenante geistliche mţter der obegenanten swestern sterben solte Do frogten sú die selben swestern welhe sú zţ einer geistlichen mţter soltent erwelhen. Do antwurt sú vnd sprach swester agnese das was nţn die die mit _____________ 37 38

Michael Schoengen spricht von een ware oogenbederver; ders., Narratio de inchoatione domus clericorum in Zwollis, S. XCVI. Dazu Pierre Schmitt, Catalogue Général des Manuscrits des Bibliothèques Publiques de France, Bd. 56: Colmar, Paris 1969, S. 88f. – Eine kurze inhaltliche Beschreibung der Texte des Codex, die meiner Analyse des Berliner Textzeugen (Die besessene Schwester Agnes, OGE 70, Jg. 1996) folgt, gibt Jeffrey Hamburger; dazu Madeleine Blondel, Jeffrey Hamburger und Catherine Leroy (Hgg.), Les dominicaines d’Unterlinden, Ausstellungskatalog des Musée d’Unterlinden, Bd. 2, Paris 2000, S. 103.

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dem bösen geist besessen was Do sprochent die swestern sú ist doch mit dem bösen geist bekümbert Do antwurtet die mţter also balde ich dot bin so wirt sú ledig von dem bösen geist also beschach es ouch; 146r-167v Legende der heiligen Dorothea; 168r-v Gebet zur heiligen Dorothea

Zur Darbietung des Textzeugen: Die Schrift ist gut lesbar. Die insgesamt wenigen Korrekturen wurden sorgfältig durchgeführt. Der Text ist in zahlreiche Absätze gegliedert und mit Überschriften versehen. Durch Majuskeln ist er zudem übersichtlich gestaltet, auch wenn Satzzeichen weitgehend fehlen. Auf fol. ist die Initiale koloriert. 2.5. München, Bayerische Staatsbibliothek, cgm 836 (= M) 14,8 x 10,5, Papier, 278 Bll. Die Handschrift wurde von verschiedenen Händen in bairischer Schreibsprache geschrieben.39 Sie besteht aus sieben Faszikeln, die etwa gleichzeitig und überwiegend im Augustinerchorherrenstift in Rebdorf im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts angefertigt wurden.40 Sie besitzt einen alten braunen Kalbledereinband, der mit Streicheisenmuster und Einzelstempeln versehen ist. Eine Schließe fehlt.41 Inhalt:42 1r-51r

Die besessene Schwester Agnes 1r Vor dem ersten Textwort: Her nach volt gar ein gutte nücze ler 1r Es geschach auff ein zeitt in einer samlüng das vnßer herr auff ein swester in der selben samlüng verhenget das sy der posß gaist zţ manigem moll swerlich vnd äuswentig in dem fleÿsß pflag zţ peÿnigen 51r Vnd zţm leztten sprach er Was hie in disser zeit dürch wore büß nit abgelegt wirt dz sol hernoch mit großer pein abgeschlagen werden;

51v-60v Auszüge aus den Vitas Patrum; 61r-67v Ablässe in den Hauptkirchen Roms; 67v-98v Exzerpte, zum größten Teil aus Hendrik Herps Spieghel der Volcomenheit;

_____________ 39

40 41 42

Dazu Karin Schneider, Die deutschen Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek München, Teil 5 5: cgm 691-867, Wiesbaden 1984, S. 545f. und Hofmann, Der Eucharistie-Traktat Marquards von Lindau, S. 161f. – Siehe im Zusammenhang mit der Arbeit von A. J. Hofmann unbedingt die Richtigstellungen von Kurt Ruh, Rezension: Annelies Julia Hofmann, Der Eucharistie-Traktat Marquards von Lindau, in: AfdA 73 (1961), S. 13-24. Schneider, Die deutschen Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek München, Teil 5, S. 545f. Weitere Angaben zum Codex sowie Literaturhinweise dazu ebenda und bei Hofmann, Der Eucharistie-Traktat Marquards von Lindau, S. 161f. Die Angaben zum Inhalt sind weitgehend dem von Karin Schneider bearbeiteten Handschriftenkatalog Die deutschen Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek München, Teil 5 entnommen. Detailliertere Informationen zu den einzelnen Texten findet man ebenda S. 545f.

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99r-116r Kommentar zu Hendrik Herps Spieghel; 116r-120v Dicta- und Exzerptsammlung zum Klosterleben; 121ava-122vb Bonaventura, Lignum vitae (teilw. lat.); 123r-124v Übungen für geistlich anhebende, zunehmende und vollkommene Menschen; 125r-v Exempel zum Teil aus Schwester Katrei; 125v-127v Von Gewissenserforschung; 128r-146v Predigten zu Psalmversen; 147v-148v Die Leiden Marias unter dem Kreuz; 149r-173r Predigt von dreierlei Traurigkeit; 174r-181v Pseudo-Augustinus, Sermones; 182v-194v Predigt eines Ingolstädter Franziskaners; 195r-197v Theologische Exzerpte; 198r-207v Exzerpte aus einem privaten Briefwechsel (teilw. lat.); 208r-219v Passion der heiligen Victoria; 219v-234v Passion der heiligen Eulalia; 235r-244r Aus Marquard von Lindau Eucharistietraktat; 245r-249v Gebet zu Christus (unvollst.); 250r-251v Sprüche aus der Sammlung des Engelhard von Ebrach; 251v-253r Vom Unterschied zwischen Gnade und Natur; 253r-v Von fünf Gaben Gottes; 254r-255v Vom Kampf gegen Anfechtungen (teilw. lat.); 255v-256v Aufruf, der Rosenkranzbruderschaft beizutreten; 257-278 unbeschrieben

Zur Darbietung des Textzeugen: Der Text wurde von einer Hand geschrieben. Korrekturen wurden sorgfältig vorgenommen. Die Überschrift und die Initiale sind rot, Majuskeln rot gestrichelt. Nach den meisten Sätzen, aber auch nach Satzteilen, sind Punkte eingefügt. Absätze fehlen. Als Abkürzungen sind vor allem Nasalstriche häufig. 2.6. Sankt Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 969 (= SG1) 4°, Papier, 222 Seiten. Die Miszellanhandschrift wurde von mehreren Händen in schwäbisch-alemannischer Schreibsprache verfasst. Der Schriftraum ist einheitlich. Der Einband entstand wohl nach 1782 bei der Eingliederung des Codex in den Bestand der Stiftsbibliothek, vermutlich in der Klosterbuchbinderei.43 Die Handschrift entstand im 15. Jahrhundert. Wo sie angefertigt wurde, lässt sich nicht eruieren. Im Cod. Sang. 973 jedoch, der aus dem Terziarinnenkloster Wonnenstein stammt und in dem auch der Text von der besessenen Schwester Agnes überliefert ist, steht auf den Seiten 1-9 ein Bücherverzeichnis dieses Frauenklosters.44 Im Abdruck des Verzeichnisses von P. Gabriel Meier ist unter Punkt 90 ein „Sant Jorgen buch“ ange_____________ 43

44

Dazu Gustav Scherrer, Verzeichnis der Handschriften der Stiftsbibliothek von St. Gallen, hrsg. auf Veranstaltung und mit Unterstützung des kath. Administrationathes des Kantons St. Gallen. Nachdruck der Ausg. Halle 1875, Hildesheim/New York 1975, S. 363. Seit Juli 2006 steht der Handschriftenkatalog auch in elektronischer Form zur Verfügung. – Informationen zu dieser Handschrift, die über die Angaben im Katalog von Scherrer hinausgehen, verdanke ich Prof. Dr. Peter Ochsenbein (†). – Im Akzessionskatalog des Stiftsbibliothekars P. J. N. Hauntinger (siehe zu diesem Katalog Cod. Sang. 1285) wird der Codex auf S. 12 unter den Nummern erwähnt, die seit 1780 vom Kloster erworben wurden. Näheres zum Akzessionskatalog von Hauntinger findet man bei Peter Ochsenbein, Die Vaterunser-Betrachtung im verlorenen ’Bettbuoch‘ des Bruder Klaus, in: Der Geschichtsfreund 140 (1987), S. 43-80, hier S. 58, Anm 32. Vgl. dazu auch die Ausführungen unter Punkt 2.7. in diesem Kapitel.

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führt.45 Es handelt sich dabei um die Legende vom heiligen Georg, die im Cod. Sang. 969 auf den Seiten 69-105 steht. Es kann deshalb vermutet werden, dass zumindest Teile des Codex Sang. 969 auch aus Wonnenstein kommen. Inhalt: 3-6 Disi welt wirt uns bezeichnot hie (…) wenn der lib mus sin der wurmen tail (gereimter Dialog zwischen einem Sterbenden und Gott); 7-33 Hie nach volget die sunnentag (vier Predigten); 33-46 Mariengrüße und andere Gebete oder Exempel, dazwischen Reimsprüche von Seneca, Aristoteles, Moses und Jeremias; 47-51 Dis ler solt du haben wenn du siest bi den siechen; 69-105 Ain Graf was zu Palastin u.a. Legende vom heiligen Georg; 106-116 Dis buchlin lert alle gaischlich personen (…) so süllent sy kain eigenschafft haben (von den drei Mönchsgelübden); 116-129 Boners Edelstein (die ersten acht Fabeln der Hss. dritter Klasse); 131-215 Die besessene Schwester Agnes 131 Vorbemerkung vor dem ersten Textwort: Dis bţch heist des tufels bţch mit dem ein s ligin schwster besessen was in ainer gaischlichen samnung da ir fuinfhundert bÿ ein ander warent vnd noch sind vnd ist vins gesent worden von s ligen schwstern Durch vinser sel s likeit wille vnd von gthlicher min vinser leben dar durch zebessern vnd vinsren bresten dar bij zţ erkennen Wan er bas erkent wa mit er vins mag zţ komen das kain maister der so wol ÿe gekert wart als er ist in mengerlaÿ striken da mit er vins fachen vnd binden kan vnd ist dieses geister red bewert durch die gelerten das es alles die heilig geschrift ist nota nota Danach steht von anderer Hand: Item ain huipsch ler vnd vnderwischnung ist 131 Es geschach vff ain zit in ainer samnung von schwstren das da ain schster was vff die vinser her verhangt das sÿ der bes gaist manigualtig pinget vnd ouch dik vss ir ret 208 Quodlibet: Item die X gebot (mit Reimsprüchen); 209f. Das Wort ist Fleisch geworden; 215 Do sprach Er was hie in disser zit nit wirt abgelait Das musz jn ner [!] welt abgelait werden mit grosser pin die /wer naturen nit getragen mcht solt ich es uch sagen Darvmb wil der schopffer nit das ich es uch sag 215 Nach dem letzten Textwort steht: Es geschach das die vorgenante gaistlich mţter Der obgenanten funffhundert swosteren sterben solt da fragten sÿ die selben swesteren welli sie czu ainer gaistlichn mţter sollten erwellen Do sprach sy swoster angnessen Das was die besessene swester Do sprachen die schwestern sy ist doch mit dem bossen gaist beschwert Do antwurt die mţter Als bald ich tod bin so wirt si ledig vnd das beschach Amen bit got fur mich; 219-220 Reimzeilen von Adam und seinem Sohn Seth; 220 Heinrich von Neustadt, Von Gottes Zukunft46 (angehängtes Fragment)

_____________ 45 46

Siehe P. Gabriel Meier, Der Bibliothekskatalog von Wonnenstein aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts, in: ZfB 32 (1915), S. 29-38, hier S. 37. Siehe Peter Ochsenbein, Artikel Heinrich von Neustadt, in: 2VL 3, Sp. 838-845, hier Sp. 842-844.

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Die besessene Schwester Agnes: Überlieferung und Textgeschichte

Zur Darbietung des Textzeugen: Die Handschrift wurde von zwei Händen geschrieben und ist gut lesbar. Nach der Textunterbrechung (S. ) setzt die zweite Hand ein. Bei der Fortsetzung des Textes von der besessenen Schwester Agnes fehlen etwa zwei Zeilen. Absätze, die durch besonders betonte Initialen des folgenden Textabschnittes kenntlich gemacht sind, gliedern den Textzeugen in knapp fünfzig Abschnitte. Eine Interpunktion fehlt. Halbgroße Buchstaben erscheinen an Wortanfängen oftmals ohne Satzanfänge zu bezeichnen. Die Textinitiale ist verziert. 2.7. Sankt Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 973 (= SG2) 8°, Papier, 12 x 16,8 cm, 730 Seiten. Die Handschrift wurde im Jahre 1498 in alemannischer Schreibsprache von einer Hand (außer S. 1-9) geschrieben. Sie besitzt einen gelblichen Halbledereinband mit Streicheisenmuster auf Holzdeckeln. Eine Schließe ist vorhanden. Der Codex stammt aus dem Terziarinnenkloster Wonnenstein bei Teufen im Kanton Appenzell. 1782 wurde er mit vier weiteren Codices aus dem 15. Jahrhundert47 vom Stift St. Gallen angekauft.48 Inhalt:49 1-9 Item diss sind die bücher diss hus (Bücherverzeichnis des Klosters Won-

nenstein);50 12 Jtem Dyss b(chlin ist Der Swestern zu Dem wunnenstand jn t(ffen Des dritten orden Sant francissen deo gracias by Sant gallen; 13 Liber Monasterii S. Galli. 1782 die 11 Februarii cum 4 aliis Manuscriptis emtus; 14 Altes Inhaltsverzeichnis von Cod. Sang. 973:51 Inn Dyssem buchlin stand geschriben zwenn vast Nutzlich tractat von der underwissung der Navitzen. Item dar nach ain gar Tostliche [!] lerre von gaistlichem leben war uff es stand. Item darnach diu nutzliche lerr hatt der bass uss gewalt gottz bezwungenlich m(ssen tţ uss ainer besessen sweste in ainer samlung da grosser ab gang was in gaistlichait etc. Item dar nach ain andachtig marttary von dem ynnern lyden Cristy hatt gemachet Sant Bernhardinus. Item und s(t Ettlich n(tzliche stucklin. Item und zum letzent ain ymerliche [!] Betrachtung hatt gemacht der Englisch lerrer Sant Bonaventu-

_____________ 47 48 49 50

51

Es handelt sich um die Codices Sang. 972a, Sang. 976, Sang. 977 und Sang. 991. Siehe dafür Beat M. Scarpatetti, Katalog der datierten Handschriften in der Schweiz in lateinischer Schrift vom Anfang des Mittelalters bis 1550, 3 Bände, 1977-91, Zürich 1991, hier .Bd. 3, S. 83. Die Seiten , , und sind leer. – Für detailliertere Informationen zu den einzelnen Texten siehe Ruh, Bonaventura deutsch, S. 126f. und Scherrer, Verzeichnis der Handschriften der Stiftsbibliothek von St. Gallen, S. 368f. Das Bücherverzeichnis wurde vermutlich im ersten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts von einer anderen Hand mit blasserer Tinte auf die leeren Seiten 1-9 nachgetragen. Es ist eines der ältesten Bücherverzeichnisse, das ausschließlich deutsche Texte anführt. Abdrucke dieses Verzeichnisses und Erläuterungen dazu findet man in MBK, Bd. 1, S. 452-454 sowie im Beitrag von Meier, Der Bibliothekskatalog von Wonnenstein aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts, S. 31-38. Da dieses Inhaltsverzeichnis auch im Zusammenhang mit dem Text von der besessenen Schwester Agnes interessante Informationen enthält, gebe ich es hier wieder.

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ren;52 15-107 Bonaventura, Regula novitiorum;53 109-184 Dyssen Regel gytt Bruder Dauid allen gaistlichen menschen (David von Augsburg, De compositione hominis exterioris ad novitios);54 190-223 War am an war Kloster leben stand. Es ist zu wyssen das ein rechte closter leben ligt am drye puntten (Heinrich Vigilis von Weißenburg, Ermahnung zu einem wahren klösterlichen Leben);55 225-404 Die besessene Schwester Agnes 225 Es geschach vff ain zitt in ainer samnunng das vnser herr vff ain swester jn der selben samlunng verhangt das sy der böss gaist zu menigem mall swärlichen vsswendige ani dem lib pflag zu pingen 404 Zu dem letzsten sprach er wz hye jn dysser zitt durch rechte büss nit abgelaitt wirtt, das sol hyr nachmals mit tüffelischen schlegen vnd mit hellischer pinn abgeschlagen werden 404 Nach dem letzten Textwort heißt es: Jtem vss geschriben mit der hylff gotz ain sant Clemens tag jm LXXXXVIII jar Gott dem sy Lob vnd Ere ewigklich vnd die [!] vnd allen sy sin gnad vnd gab Amen Amen. 406-475 In Dysser Nach geschribenen mattery vindet ain mensch lerung Des lyden u. l. h. zu betrachten (Bernhardin von Siena, Passionstraktat);56 475 am Ende: Uss geschriben an sant Andres abend im LXXXXVIII jar;57 476-486 Offenbarungen von Gertrud, Mechthild, St. Dorothea, Christina Ebner; 496-713 Diss büchlin haisset des Inern Betrachtung und hat gemachet S. Bonaventuren (Bonaventura, Auszüge aus Soliloquium); 717-727 Jtem Dysß nach geschriben buchlin haisset ’qui uult venire pest me ecc‘ (Fragment)58

Zur Darbietung des Textzeugen: Der von einer Hand gut leserlich geschriebene Textzeuge wurde an einigen Stellen sorgfältig korrigiert. Er weist eine Gliederung durch besonders betonte Majuskeln auf. Absätze und eine Interpunktion fehlen hingegen. Worttrennungsstriche erscheinen nur selten, Nasalstriche fallen des Öfteren aus. Virgeln stehen auf den Seiten und . _____________ 52 53 54 55 56 57 58

Für den transkribierten Text danke ich Herrn Prof. Dr. Peter Ochsenbein (†). Ediert von Kurt Ruh in Franziskanisches Schrifttum im deutschen Mittelalter, Bd. 1, München 1965 (= MTU 11), S. 130-146; zum Text auch ders., Artikel Nater, Conrad OFM, in: 2VL 6, Sp. 865f. Der Text ist von Kurt Ruh unter dem Titel Formula de compositione hominis exterios ad novitios (De institutione novitiorum) ediert; siehe ders., Franziskanisches Schrifttum im deutschen Mittelalter, Bd. 1, S. 140-146. Eine Teiledition des Textes ebd. S. 157-163. – Siehe zu diesem Text des Heinrich Vigilis von Weißenburg auch das Kapitel IX, Pkt. 1.4. Dazu Ruh, Artikel Bernhardin von Siena, in: 2VL 1, Sp. 789-793, hier S. 790f. Seite 475 des Codex ist abgebildet in Scarpatetti, Katalog der datierten Handschriften in der Schweiz in lateinischer Schrift vom Anfang des Mittelalters bis 1550, Bd. 3, S. 203. Der vollständige Text ist in einer Handschrift der Bayerischen Staatsbibliothek unter dem Titel Lere wie man kumpt zţ ainem volkummen leben, vrid, tugentlichen leben überliefert (cgm 452, fol. -); siehe dazu Ruh, Bonaventura deutsch, S. 127.

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Die besessene Schwester Agnes: Überlieferung und Textgeschichte

2.8. Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 3006 (= W) 8°, Papier, 128 Blätter. Die Handschrift wurde von mehreren Händen in hessischer Schreibsprache geschrieben. Der Schriftspiegel und die Zeilenzahl wechseln. Die erste Hand (fol. -) ist auf 1474 datierbar, die zweite bis fünfte Hand stammen aus dem 15. Jahrhundert. Auch der Einband in braunem Leder mit Holzdeckel kommt noch aus dieser Zeit Der Rahmen und das Rautenfeld sind mit dreifachen Streicheisenlinien eingepresst, eine Schließe fehlt.59 Der Codex entstand in der Kartause Eppenberg. Inhalt:60 1a Manuductio ad lectionem libri (Leseanweisung): Myn lebin sustir disz irste

teil dissiz b(chisz alsz von der besesszin swester daz lait alle jair czu dem mynstin eyn mail lesen in vwer vorsamenunge dan dar usz m(git ir vil guder lere nemen vnde besszerunge vwirsz lebinsz vnde biddit Jhesum vor mich; 2a-73a Die besessene Schwester Agnes a 2 Vor dem ersten Textwort steht: Aue maria gratia plena 2a Es geschach uf eyn czÿt in eÿner samenunge daz vnser herre uf eyn swester in der selbn samnunge vorhengete daz sÿ der bse geÿst czu mannichim male swerlichin vnd vswendig pfla czu pÿnigen vnd uss ir czu reden 73a Czu dem lestin sprach der bose geist waz hÿ in disßer czÿt dorch rechte penetencie nit abe wert geleÿt/daz sail dar noch mit tufelschin slagin vnd helschir pÿn ab geslagin werden dar noch wissze sich eÿn itezlich mentsche czu richtin et sus finis 73a Nach dem letzten Textwort heißt es: Disz buch ist geschriben in der kartus czum Eppinberge in hesszin Nach cristus gebort MCCCCLXXIIII jair von bruder henr hcher vnde gesant siner nayn niftilin kyn klemmen in dy klusz Grunenberg; 73b-81b Psalter des heiligen Augustinus (Inc.: Aue maria O her almechtiger got); 82a-84b Gebete (Inc.: Von dyssem gebede); 85a-90b Vom jüngsten Tage (Inc.: Djt ist von dem iungesten tage); 91a-102a Legende von Cosmas und Damianus (Inc.: Do unszer herre christ uf erdin ging); 103a-107b Gebete (Inc.: O almechtiger ihesus ich dancken); 108a-128a Marienklage (Inc.: Ich sasz alleyne an eyme tage)

_____________ 59

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Weitere kodikologische Beschreibungen und Informationen zur Handschrift bei Hermann Menhardt, Verzeichnis der Altdeutschen Literarischen Handschriften der Österreichischen Nationalbibliothek, 3 Bände, Berlin 1960-61 (= Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Veröffentlichungen des Instituts für deutsche Sprache und Literatur 12-14), hier Bd. 2, S. 753, außerdem bei Franz Unterkirchner (Hg.), Katalog der datierten Handschriften in Österreich, Bd. 3, Teil 1, Wien 1975, S. 56. Ausführlichere Angaben zu den Texten der Sammelhandschrift bei Menhardt, Verzeichnis der Altdeutschen Literarischen Handschriften der Österreichischen Nationalbibliothek, Bd. 2, S. 56 sowie bei Hoffmann von Fallersleben, Verzeichnis der altdeutschen Handschriften der K. K. Hofbibliothek zu Wien, Leipzig 1841, S. 348.

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Zur Darbietung des Textzeugen: Die gut leserliche Schrift ist von einer Hand geschrieben und nicht verziert.61 Der Text ist durch zahlreiche Tintenflecke von erstaunlicher Größe beschädigt (fol. ist dadurch fast vollständig unlesbar).62 Es kommen zahlreiche Verschreibungen vor. Eine Interpunktion und inhaltliche Gliederung des Textes fehlen.

3. Ursprung und Verbreitung des Textes Als Vorbemerkung zum Textzeugen in der Colmarer Handschrift erhält der Leser unter anderem folgende Mitteilung: In Brobant, In einer stat genant Busch worent f(nff hundert swestern byeinander in einer geistlichen samenunge, die hetten eine geistliche mţter vnd einen bichtvatter, der wz ein doctor der heiligen geschrifft. Do ist dise nochgeschriben hystorie beschehen, do man zalte noch gottes geburt tusent CCCCXXXIX Jore.63

Brabant, der heute niederländisch-belgische Raum, war schon im 13. Jahrhundert eines der bedeutendsten Zentren religiös lebender Frauen. Um die Jahrhundertmitte entstanden dort die ersten Zeugnisse mystischer Frauenliteratur in der Volkssprache.64 Die genannte niederländische Stadt Den Bosch war im ausgehenden Mittelalter auf den Gebieten des Handels und der Kunst von beträchtlicher Bedeutung. Nicht von ungefähr sprach man von Herzogenbusch als von Klein-Rom. Es gab in dieser Stadt im späten Mittelalter etwa zwanzig Klöster. Jeder vierte Einwohner lebte in einer geistlichen Gemeinschaft.65 Auch die Handschriftenproduktion dort war sehr beachtlich. Schellekens hat mehr als zweihundertunddreißig überwiegend lateinische Handschriften ermittelt, die bis zum Jahr 1629 in geistlichen Gemeinschaften Herzogenbuschs angefertigt wurden.66 Bei der samenunge, die im zitierten Textabschnitt am Anfang des Kapitels erwähnt wird, handelt es sich um das Haus Ten Orten der Schwestern _____________ 61 62 63 64 65 66

Eine Abbildung von fol. findet man bei Franz Unterkirchner (Hg.), Katalog der datierten Handschriften in lateinischer Schrift in Österreich, Bd. 3, Teil 2, Wien 1974, S. 291. Die einzelnen Beschädigungen werden angeführt bei Menhardt, Verzeichnis der Altdeutschen Literarischen Handschriften der Österreichischen Nationalbibliothek, Bd. 2, S. 753. C, fol. . Die genaue Ortsangabe ist eine weiterführende Ergänzung zu einem Hinweis aus dem Bamberger Textzeugen, in dem es auf der ersten Seite heißt: Ittem dis geschicht ist in niderland gesch [!]; B, fol. . Für Textbeispiele dazu siehe etwa Joachim Heinzle, Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zum Beginn der Neuzeit, Bd. 2, Teil 2: Wandlungen und Neuansätze im 13. Jahrhundert, Königstein 1984, S. 103. Zu diesen Angaben über Den Bosch siehe J.W.M. Schellekens, De verstrooiing der Bossche handschriften, in: OGE 66 (1992), S. 307-317, hier S. 307. Ebd. S. 311-313.

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vom gemeinsamen Leben,67 das in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts auf Anordnung von Dirc van Herxen, dem zweiten Rektor des Bruderhauses in Zwolle, gestiftet wurde.68 Die Verbindungen zwischen dem Bruderhaus in Zwolle, in dem um 1500 der Textzeuge Br entstand, und dem Schwesternhaus Ten Orten waren vielfältig.69 Ten Orten erwarb sich bald einen guten Ruf, der sich rasch verbreitete und nicht nur einen enormen Zulauf bewirkte, sondern auch zu einigen Neugründungen von Konventen führte.70 Die in der Vorbemerkung angeführte, ungewöhnlich große Zahl von fünfhundert Mitgliedern des Ortenkonventes wird unter anderem auch von Regnerus Richardus Post genannt, der zudem darauf hinweist, dass um 1450 die Räumlichkeiten für die fünfhundert Schwestern nicht ausreichten, so dass ein Nebengebäude errichtet werden musste.71 Willem Moll zufolge lebten in Ten Orten sogar siebenhundert Frauen, deren Stoffproduktion dem Ertrag einer Fabrik gleichkam, was zu erheblichen Streitigkeiten mit der Stadt führte.72 Da Johan van Wezel, der 1444 Beichtvater der Schwestern von Ten Orten wurde, dazu überging, auch Brüder aufzunehmen,73 ist allerdings nicht auszuschließen, dass in den genannten Mitgliederzahlen bereits Brüder berücksichtigt sind. Der Alltag der Schwestern aus Ten Orten entsprach einem klosterähnlich organisierten Leben. Post konstatiert zwar, dass Ten Orten den Status eines Schwesternhauses behielt,74 also nicht wie zahlreiche andere Häuser der Schwestern vom gemeinsamen Leben durch die Annahme etwa der Au_____________ 67

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Nur Ten Orten erreichte die aus der Vorbemerkung zitierte Konventsstärke; siehe dafür Gerhard Rehm, Die Schwestern vom gemeinsamen Leben im nordwestlichen Deutschland. Untersuchungen zur Geschichte der Devotio moderna und des weiblichen Religiosentums, Berlin 1985 (= Berliner Historische Studien 11; Ordensstudien 5), S. 212-224, besonders S. 212. Vgl. dazu Michael Schoengen, Monasticon Batavum, Teil 1, Amsterdam 1941 (= Verhandelingen der Nederlandsche Akademie van Wetenschappen, Afdeeling Letterkunde, nieuwe reeks 45), S. 97. – Von einer zentralen Bedeutung des Dirc van Herxen innerhalb der Devotio Moderna spricht u.a. Leendert Breure, Doodsbeleving en levenshouding. Een historisch-psychologische studie betreffende de Moderne Devotie in het IJsselgebied in de 14e en 15e eeuw, Hilversum 1987, S. 122. – Der erste Rektor des Hauses wurde Gerardus von Kalkar, ein Bruder aus dem Fraterhaus Zwolle. Eine Liste der Rektoren des Hauses findet man bei L. H. C. Schutjes, Kerkelijke geschiedenis van het bisdom van ‘s Hertogenbosch, 5 Bände, ‘s Hertogenbosch 1870-81, Bd. 4, S. 482. Siehe dafür etwa Philippina H.J. Knierim, Dirc van Herxen (1381-1457) Rector van het Zwolsche Fraterhuis, Amsterdam 1926, S. 70-72. Dazu Schoengen (Hg.), Narratio de inchoatione domus clericorum in Zwollis, S. 80f. Regnerus Richardus Post, The Modern Devotion. Confrontation with Reformation and Humanism, Leiden 1968 (= Studies in Medieval and Reformation Thought 3), S. 269 u. 370. Willem Moll, Kerkgeschiedenis van Nederland voor de Hervorming, 5 Bde., Arnheim/Utrecht 1864-69, hier Bd. 2,2, S. 97f. Vgl. dazu Knierim, Dirc van Herxen (1381-1457) Rector van het Zwolsche Fraterhuis, S. 71f. Post, The Modern Devotion, S. 494f. Auch die nicht nur im Textzeugen C gebrauchte Bezeichnung des Hauses als samenunge spricht für eine unregulierte Gemeinschaft.

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gustinerregel zu einem regulierten Schwesternhaus wurde.75 Er macht zugleich aber deutlich, dass sich die vita communis der Schwestern auch ohne Regel und Gelübde kaum von dem Alltag in regulierten Schwesternhäusern unterschied.76 Auf der Grundlage der Informationen, die zum Text von der besessenen Schwester Agnes im Colmarer und Brüsseler Textzeugen gegeben werden, ist davon auszugehen, dass der Text im niederländischen Herzogenbusch im Schwesternhaus Ten Orten entstanden ist.77 Seine Verbreitung erfolgte in Richtung Süden bis nach Colmar und St. Gallen, außerdem nach Südosten in den hessischen und bayerischen Raum. Kurt Ruh hat schon vor geraumer Zeit festgestellt, dass niederländische geistliche Literatur im Zeitraum von 1350-1500 auf verschiedenste Weise und ohne größere Schwierigkeiten nach Osten transportiert wurde: „Was in den Niederlanden Verbreitung fand, das gelangte auch nach Niederdeutschland und Mittelfranken.“78 Problematischer war die Verbreitung niederländischer Texte der geistlichen Literatur in den oberdeutschen Sprachraum, die man sich nach Ruh überwiegend als einen Transport- und Umschreibprozess in Etappen unter jeweils wechselnden Bedingungen vorzustellen hat.79 Anhand eines niederländischen Traktatbündels des Jan van Leeuwen zeigt Ruh den Weg dieser Traktate von Groenendaal bis in das Kloster Rebdorf bei Eichstätt sowie die Verbreitung von Hendrik Herps Spieghel der volcomenheit bis in das Nürnberger Katharinenkloster,80 zu dem um die Mitte des 15. Jahrhunderts zahlreiche literarische Verbindungen mit geistlichen Gemeinschaften in den Niederlan_____________ 75

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Die Regelannahme der Tertiarinnen erforderte von den Schwestern nur geringfügige Änderungen ihres modus vivendi. Sie bot aber als päpstlich approbierte Lebensform einen spürbaren Schutz gegen Anfeindungen, denen sich unregulierte devote Schwesternhäuser schon gegen Ende des 14. Jahrhunderts ausgesetzt sahen. Eine einschneidendere Veränderung stellte demgegenüber die Annahme der Augustinerregel dar, mit der nicht nur in jedem Fall die Ablegung der monastischen Gelübde sowie des Öfteren die Einführung der Klausur verbunden war, sondern auch eine Änderung des kirchenrechtlichen Status der Gemeinschaft. Post, The Modern Devotion, S. 500f. Rehm misst der Regelannahme nur eine untergeordnete Bedeutung bei, er vergleicht sie mit einer äußeren Hülle, die den Schwesternhäusern übergestülpt wurde, um der Kirchenobrigkeit Genüge zu tun; siehe ders., Die Schwestern vom gemeinsamen Leben im nordwestlichen Deutschland, S. 38f. Siehe dazu auch Michael Schoengen, Monasticon Batavum, Teil 1, S. 97f. und Carasso-Kok, Repertorium van verhalende historische bronnen uit de middeleeuwen, S. 129, Nr. 104. Kurt Ruh, Altniederländische Mystik in deutschsprachiger Überlieferung. Ruhs Aufsatz von 1964 erschien außerdem in Volker Mertens (Hg.), Kurt Ruh, Kleine Schriften, Bd. 2: Scholastik und Mystik im Spätmittelalter, Berlin/New York 1984, S. 94-117, hier, S. 97. Beispiele für solche Textverbreitungsprozesse bei Ruh, Altniederländische Mystik, S. 99f. Ruh, Altniederländische Mystik, S. 105-111. Siehe zur Verbreitung von Herps Spieghel auch die rezeptionsgeschichtliche Arbeit von Kristina Freienhagen-Baumgardt, Hendrik Herps ’Spieghel der Volcomenheit‘ in oberdeutscher Überlieferung. Ein Beitrag zur Rezeptionsgeschichte niederländischer Mystik im oberdeutschen Raum, Leuven 1998 (= Miscellanea Neerlandica 17).

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den bestanden.81 Peter Ochsenbein hat darauf hingewiesen, dass geistliche Inhalte der modernen Devoten vor allem auch durch die Rezeption devoter Schriften in andere geistliche Gemeinschaften und verschiedene Orden gelangten.82 So wurden etwa Mönche aus dem hessischen Kloster Hersfeld, die nach St. Gallen gekommen waren, um Reformen im Galluskloster der Benediktiner einzuleiten und zu überwachen, zu Initiatoren von Abschriften zahlreicher devoter Texte oder fertigten selbst Abschriften an von Passionstraktaten, Gebeten und Sammlungen, von Ermahnungen, Merksprüchen, Sentenzen und natürlich vielfach von der Imitatio des Thomas von Kempen.83 Nachweisbar ist auch, dass spirituelle Übungen der modernen Devoten, wie etwa die devota meditatio, zunehmend in den Tagesablauf der Benediktinermönche in St. Gallen integriert wurden.84 Die Integration solcher Übungen in den monastischen Alltag wurde später auch zum Ziel von Bursfelder, Kastler und Melker Reformatoren.85 Da der Text von der besessenen Schwester Agnes in die allgemeine Überlieferung einging, konnte er auch in das dichte Verbreitungsnetz der Reformbewegungen gelangen. Für seine Verbreitung war es sicher förderlich, dass die meisten Textzeugen aus Zentren der monastischen Reformbewegungen des 15. Jahrhunderts stammen oder zumindest über längere Zeiträume in diesen Zentren aufbewahrt wurden. Hervorzuheben sind dabei im Zusammenhang mit der deutschsprachigen Überlieferung des Textes das Augustinerchorherrenstift in Rebdorf (Textzeuge M), die Klarissenklöster St. Klara in Bamberg und Nürnberg (Textzeuge B) sowie das Dominikanerinnenkloster Unterlinden bei Colmar (Textzeuge C). Die ordensübergreifenden Reformbewegungen dürften auch den wesentlichsten Anteil an der Grenzüberwindung zwischen den zwei literarischen Großlandschaften niderlant und oberlant gehabt haben. Werner Williams-Krapp bezeichnet solche Grenzüberwindungen zwar eher als Ausnahmen denn als Regel.86 Des Öfteren ist aber _____________ 81 82 83

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Ruh, Altniederländische Mystik, S. 109. Peter Ochsenbein, Spuren der Devotio moderna im spätmittelalterlichen Kloster St. Gallen, in: StMOSB 101 (1990), S. 475-496, hier S. 478f. Ebd. S. 480-495. – Anzumerken ist, dass die Imitatio heute als eine kollektive Arbeit angesehen wird. Es gilt aufgrund linguistischer und kodikologischer Untersuchungen aber als sehr wahrscheinlich, dass Thomas von Kempen eine Schlussredaktion der vier Traktate, die unter dem Sammelnamen De imitatione Christi zusammengefasst wurden und spätestens 1427 vollendet waren, vorgenommen hat; siehe dazu Paul van Geest, Erika Bauer und Burghart Wachinger, Artikel Thomas Hermerken von Kempen (Hamerken, Hamerkein, Malleolus; a Kempis) CanAug, in: 2VL 9, Sp. 862-882, hier Sp. 867f. Siehe dazu Ochsenbein, Spuren der Devotio moderna im spätmittelalterlichen Kloster St. Gallen, S. 478-480. Ebd. S. 478-480. Werner Williams-Krapp, Literaturlandschaften im späten Mittelalter, in: NdW 26 (1986), S. 1-7, hier S. 2, 3 und 6; außerdem Ruh, Altniederländische Mystik, S. 98f. – Zum Nexus von Re-

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darauf hingewiesen worden, dass sich die Reformklöster verschiedenster Obödienz vielfach näher standen als konventuale und observante Klöster des selben Ordens.87 Außer durch reformwillige Schwestern, die in noch nicht reformierte Konvente gesandt wurden, um dort Reformen einzuleiten, wurde observantes Gedankengut auch durch vielfältige Kontakte zwischen den Lektoren und Konfessoren sowie engagierten Vertretern der einzelnen Observanzbewegungen verbreitet. Waren niederländische Texte erst einmal vom niderlant in das oberlant vorgedrungen, war ihre weitere Verbreitung in den Süden bis tief in den alemannischen Raum durchaus nichts Ungewöhnliches. Verfolgt man anhand der Überlieferung die Stationen des Weges, die der Text von der besessenen Schwester Agnes von seinem Ursprung in den Niederlanden aus genommen hat im Einzelnen, ist innerhalb des deutschsprachigen Raumes die Kartause Eppenberg der nördlichste Entstehungsort eines Textzeugen (W). Die Kartause wurde im Jahre 1217/18 als Tochterkloster des Kasseler Augustinerinnenklosters Ahnaberg [!] gegründet,88 im Jahre 1440 aufgehoben und in die Kartause St. Johannis-Eppenberg umgewandelt.89 Die mit zwölf Mönchen und einem Prior besetzte einzige Kartause der Landgrafschaft Hessen gehörte zur Diözese Mainz und brachte es am Ende des 15. Jahrhunderts zu einigem Ansehen und vor allem zu Reichtum.90 Der Datierung in W zufolge entstand hier im Jahre 1474 die _____________

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formbewegungen und Literaturverbreitung im 15. Jahrhundert siehe Werner Williams-Krapp, Ordensreform und Literatur im 15. Jahrhundert, in: Jahrbuch der Oswald von Wolkenstein Gesellschaft 4 (1986/87), S. 41-51, hier S. 44, 49 u. 51 und ders., Frauenmystik und Ordensreform im 15. Jahrhundert, in: J. Heinzle (Hg.), Literarische Interessenbildung im Mittelalter. DFG Symposion 1991, Stuttgart/ Weimar 1993, S. 301-313, hier S. 301. Zum Zusammenhang von Überlieferungsforschung und der Bedeutung der Devotio moderna siehe auch Nikolaus Staubach, Pragmatische Schriftlichkeit im Bereich der Devotio moderna, in: FMSt 25 (1991), S. 418-461, hier S. 460f. In dem von Staubach geleiteten Teilprojekt des Sonderforschungsbereichs 231 wurde die eigentliche Leistung der modernen Devoten auf diesem Gebiet weniger in der Distribution als in der Akkumulation von geistlicher Literatur gesehen. Siehe dafür zum Beispiel Werner Williams-Krapp, Monastische Reformbewegungen und geistliche Literatur im 15. Jahrhundert, in: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur, Bd. 20 (1995), S. 1-15, hier S. 6 und Andreas Rüther, Schreibbetrieb, Bücheraustausch und Briefwechsel: Der Konvent St. Katharina in St. Gallen während der Reform, in: F. J. Felten und N. Jaspert (Hgg.), Vita Religiosa im Mittelalter. FS für Kaspar Elm zum 70. Geburtstag, Berlin 1999 (= Berliner historische Studien 31 und Ordensstudien 13), S. 653-677, hier S. 675. Rudolf Haarberg, Die Geschichte des Klosters Eppenberg-Kartause, in: Handbuch des Kreises Melsungen 24 (1951), S. 3-23, hier S. 3. Ebd. S. 11 und 13. Albert Gruys führt als Gründungsdatum der Kartause das Jahr 1442 an; siehe ders., Cartusiana. Un instrument heuristique, Paris 1977 (= Éditions du Centre National de la Recherche Scientifique 15), S. 221 und 275. Dazu Wilhelm Dersch, Hessisches Klosterbuch, Marburg 21968 (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen und Waldeck 12), S. 136. – Näheres zur Begründung des Ansehens der Kartause bei Haarberg, Die Geschichte des Klosters Eppenberg-Kartause, S. 19f.

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Abschrift des Textes.91 Der Schreiber, Henricus Hcher, der sich selbst nennt, war Bruder der Kartause.92 Der Nennung seines Namens fügte er den Hinweis hinzu, dass er das Buch nach der Abschrift „in dy klusz Grunenberg“ geschickt habe.93 Eine Klause Grünenberg bei Weiler am Bodensee ist erstmals 1282 urkundlich bezeugt.94 Die Eremiten bei der Burg Grünenberg wurden aber bald durch Beginen abgelöst, welche ihrerseits unter Papst Johannes XXII. vertrieben wurden.95 Ab etwa 1350 bewohnten die Klause bis in das frühe 19. Jahrhundert hinein Schwestern, die wohl nach der Drittordensregel des Heiligen Franziskus lebten.96 Es ist aus geographischen Gründen aber wahrscheinlicher, dass Henricus Hcher, der Kartäuser aus Hessen, den Text in eine Klause bei der hessischen Stadt Grünberg gesandt hat, wo es in der Neustadt eine Pfarrkirche namens St. Paul gab, die zugleich Klosterkirche war.97 Ab etwa dem letzten Viertel des 15. Jahrhunderts lebten die Schwestern hier bis in das 16. Jahrhundert nach der Augustinerregel.98 Ob und wie der Text von der besessenen Schwester Agnes von Hessen aus in den oberdeutschen Sprachraum gelangte, lässt sich nicht genau eruieren. Es ist möglich, dass er direkt aus den Niederlanden in den Süden Deutschlands oder in den alemannischen Sprachraum gebracht wurde.99 Gesichert ist hingegen, dass der Bamberger Textzeuge, der um 1500 entstand, aus dem Klarissenkloster St. Klara in Bamberg stammt. Von hier aus kam der Codex später in das gleichnamige Klarissenkloster nach Nürnberg. Nachdem in Italien um Bernhardin von Siena (gest. 1444) die Observanzbewegung im Franziskanerorden Einzug gehalten hatte, reformierte man seit dem zweiten Viertel des 15. Jahrhunderts auch den Klarissenorden.100 Im Zusammenhang mit diesen Reformierungen wurde im Jahre _____________ 91 92

W, fol. . Siehe dazu Menhardt, Verzeichnis der Altdeutschen Literarischen Handschriften der Österreichischen Nationalbibliothek, Bd. 2, S. 1585. 93 W, fol. . 94 Dazu Johannes Gatz (Hg.), AFA 16 (1971), S. 65-78, hier S. 68. 95 Ebd. S. 68-70. 96 Einen Überblick über die Besiedlung der Klause findet man ebd. S. 65 und 70, Anm. 8. 97 Dafür Georg W. J. Wagner, Die vormaligen geistlichen Stifte im Großherzogthum Hessen, Bd. 1: Provinzen Starkenburg und Oberhessen, Darmstadt 1873, S. 35 u. 404. – Dersch nennt bei der Stadt Grünberg insgesamt sieben Konvente verschiedener Ordenszugehörigkeit; ders., Hessisches Klosterbuch, S. 135-141. 98 Vgl. Wagner, Die vormaligen geistlichen Stifte im Großherzogthum Hessen, Bd. 1, S. 32-35. 99 Siehe für Vermutungen dazu Ausführungen im Kapitel VI unter Pkt. 4.1. und 4.2. 100 Nach der Reformierung des Nürnberger Barfüßerklosters im Jahre 1447 erhielt Johannes von Capistrano 1449 durch die päpstliche Bulle Inter ecclesiasticos ordines die Vollmacht, an insgesamt zwanzig Orten Klöster der Observanten zu gründen; vgl. dazu BFA, Bd. 1, S. 458.

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1452 das Klarissenkloster St. Klara in Nürnberg der Observanzbewegung zugeführt und dem Provinzvikar der Straßburger Ordensprovinz unterstellt. Im Nürnberger St. Klara-Kloster, das als Bildungsstätte einen ähnlich guten Ruf besaß wie das Nürnberger Dominikanerinnenkloster St. Katharinen,101 wenngleich die jeweiligen Klosterbibliotheken kaum vergleichbar sind,102 wirkten Persönlichkeiten wie Caritas Pirckheimer, die von 1503-1532 Äbtissin war, Heinrich Vigilis von Weißenburg als Prediger und Beichtvater (1487-1499) sowie von 1482-1498 der Franziskanerobservant aus dem Nürnberger Barfüßerkloster Stephan Fridolin (gest. 1498) ebenfalls als Prediger und Beichtvater. St. Klara in Nürnberg, wo der Textzeuge B vorübergehend aufbewahrt wurde, war ein Zentrum der Reform, von dem aus weitere Frauenklöster etwa in Eger, München, Brixen und Söflingen reformiert wurden. Auch in das Bamberger Klarissenkloster St. Klara schickte man im Jahre 1460 fünf Schwestern von St. Klara in Nürnberg, um Reformen einzuleiten und zu überwachen.103 Nicht zuletzt deshalb ist von einer engen Verbindung zwischen beiden Konventen auszugehen. Es war Bischof Georg von Schaumberg persönlich, der die Nürnberger Schwestern mit der Durchführung der Reform im Bamberger Klarakloster beauftragte.104 Georg von Schaumberg hatte im selben Jahr kurz zuvor, zusammen mit dem Provinzvikar Johannes Lohr, das Franziskanerkloster in Bamberg re_____________ 101 Dazu Lotte Kurras und Franz Machilek (Hgg.), Caritas Pirckheimer 1467-1532. Ausstellungskatalog, München 1982, S. 14. – Inzwischen hat sich Barbara Steinke in einer umfassenden Studie über das Nürnberger Katharinenkloster u. a. intensiv mit Texten aus dem Kloster befasst; dies., Paradiesgarten oder Gefängnis? Das Nürnberger Katharinenkloster zwischen Klosterreform und Reformation, Tübingen 2006 (= Spätmittelalter und Reformation. Neue Reihe 30). 102 Die Anzahl der aus dem Nürnberger Klarakloster erhaltenen Handschriften und Frühdrucke ist eher unbedeutend; zum Bibliotheksbestand dieses Klosters siehe L. Kurras/F. Machilek (Hgg.), Caritas Pirckheimer, S. 90. Das Nürnberger Katharinenkloster besaß in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts hingegen eine sehr beachtliche Menge von Büchern. Die Angaben zum Buchbestand differieren jedoch. In MBK, Bd. 3, Tl. 3, S. 570-573 wird eine Zahl von 600 Büchern genannt, Wieland Schmidt geht von mindestens 450 Handschriften aus; ders., Ein Bücherverzeichnis des St. Katharinenklosters zu Nürnberg, in: ZfB 47 (1930), S. 161-168, hier S. 167. Karin Schneider schätzt den Bibliotheksbestand des Klosters auf etwa 500-600 Bände; dies., Die Bibliothek des Katharinenklosters in Nürnberg und die städtische Gesellschaft, in: B. Moeller, H. Patze u. a. (Hgg.), Studien zum städtischen Bildungswesen des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit, Göttingen 1983 (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Philol.-Hist. Klasse, 3. Folge, Nr. 137), S. 70-82, hier S. 71. 103 Dafür Andreas Würfel, Nachrichten zur Erläuterung der Nürnbergischen Stadt- und Adels-Geschichte, Bd. 1, Nürnberg 1768, S. 828. 104 Vgl. Johannes Kist, Fürst- und Erzbistum Bamberg. Leitfaden durch ihre Geschichte von 1007-1960, Bamberg 31962, S. 64f. Siehe dazu auch den Bericht in der Bamberger Klosterchronik, abgedruckt bei G. von Horn, Das Clarissenkloster zu Bamberg, in: Jahresbericht des historischen Vereins für Oberfranken zu Bamberg, Bamberg 1878, S. 19, zitiert bei Arnulf Götz OFM, Das ehemalige Klarissenkloster in Bamberg, in: FrS 35 (1953), S. 341-345, hier S. 343.

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formiert.105 Aus diesem Kloster, das besonders für seine wissenschaftliche Tätigkeit bekannt war, wurden in der Regel Beichtväter in das Bamberger Klarissenkloster geschickt.106 Es ist alles andere als unwahrscheinlich, dass der Text von der besessenen Schwester Agnes von Bamberg oder Nürnberg aus in das Augustinerchorherrenstift Rebdorf an der Altmühl, nahe bei der Stadt Eichstätt, gelangte. Rebdorf, wo der Textzeuge M entstand,107 nahm nach dem Konstanzer Konzil unter Probst Georg von Hüttingen Reformstatuten an. Diese wurden 1422 von Kardinal Branda de Castiglione erlassen, der vom Papst mit der Reformierung der Augustinerchorherren in Deutschland beauftragt worden war.108 Durch Bemühungen des Probstes Silvester von Passau, des Eichstätter Bischofs Johann von Eych sowie durch den Einsatz des Nikolaus von Kues erfolgte 1458 der offizielle Anschluss Rebdorfs an die Windesheimer Kongregation,109 einer klösterlichen Reformbewegung, die aus der Devotio moderna hervorgegangen war und der ab 1454 vornehmlich deutsche Klöster beitraten.110 In einer Studie von Kristina Freienhagen-Baumgardt wird betont, dass nach der Aufnahme Rebdorfs niederländische Mönche in das Kloster kamen und Literatur mitbrachten, um sie dort zu übersetzen.111 Im späten 15. Jahrhundert wurde das Augustinerchorherrenstift Rebdorf zu einem Zentrum der Ordensreformen. Die reformerischen Aktivitäten, die von ihm ausgingen, waren von einer beträchtlichen Wirkung, besonders auch auf Frauenklöster. So wurde das 1470 gegründete Augus_____________ 105 Dazu Vinzenz Mazet, Die Klarissen in Bamberg, in: BFA, Bd. 1, S. 613-616, hier 614f. 106 Vgl. BFA, Bd. 1, S. 462 und 464. 107 Karin Schneider, Die deutschen Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek München, Teil 5, S. 545f. 108 W. Kohl, E. Persoons und A. G. Weiler (Hgg.), Monasticon Windeshemense, Teil 2: Deutsches Sprachgebiet, Brüssel 1977, S. 359. 109 Schelto van der Woude (Hg.), Acta Capituli Windeshemensis. Acta van de kapittelvergaderingen der congregatie van Windesheim, Den Haag 1953 (= Kerkhistorische studiën 6), S. 58 und 61. – Nach der Gründung des Augustinerchorherrenstifts Windesheim entwickelte sich das Windesheimer Kapitel. Es gab fortan bei den Devoten einen semireligiosen und einen kanonikalen Zweig. Die Regularkanoniker wurden mehr und mehr zur treibenden Kraft der Devotio moderna. Ursprünglich wollten sich die Schwestern vom gemeinsamen Leben ohne eine Bindung an Ordensregeln und Gelübde, also als Semireligiose, freiwillig für Armut, Keuschheit und Gehorsam entscheiden. Im 15. Jahrhundert wurden aber zahlreiche Schwesternhäuser der Devoten zu Augustinerinnenklöstern umgewandelt. 110 Eine alphabetische Liste der Konvente, die sich der Windesheimer Kongregation anschlossen, sowie das Jahr ihrer jeweiligen Aufnahme findet man im Registerband des Monasticon Windeshemense, Teil 4, Brüssel 1984, S. 278-280. 111 Diese Handlungsweise zählte zu den Forderungen der Windesheimer; siehe dazu Kristina Freienhagen-Baumgardt, Hendrik Herps ’Spieghel der Volcomenheit‘ in oberdeutscher Überlieferung, S. 140f. und S. 123 sowie die dort angegebene Forschungsliteratur.

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tinerinnenkloster Mariastein der Leitung Rebdorfs unterstellt. Etwas später übernahmen Konventualen aus Rebdorf die seelsorgerische Betreuung der Augustinerinnen in Mariaburg. Im Jahre 1483 erfolgte die Inkorporation des Eichstätter Benediktinerklosters (Schottenkloster), 1491 die Reformierung des Stifts Schamhaupten. 1510 wurde Birklingen visitiert.112 Die Abschrift auch deutschsprachiger Handschriften, die im Zuge der Ordensreformen im 15. Jahrhundert in den Klosterskriptorien erheblich zunahm, wurde ganz besonders in der Laienbrüderbibliothek von Rebdorf vorangetrieben und erreichte um 1500 ihren Höhepunkt.113 Der Münchner Zeuge des Textes von der besessenen Schwester Agnes ist hier im Jahre 1486/87 wohl in erster Linie wohl für den Eigenbedarf der zu betreuenden Frauenkonvente angefertigt worden.114 Vermutlich von Nürnberg aus gelangte der Text weiter in den Süden bis in den alemannischen Sprachraum. Das Nürnberger Klarissenkloster besaß eine enge Verbindung zum Nürnberger Dominikanerinnenkloster St. Katharina, das im Jahre 1428 durch Schwestern aus Schönensteinbach im Elsass der Reform zugeführt wurde115 und gerade im ausgehenden 15. Jahrhundert einen regen Austausch pflegte mit den Frauen des Klosters St. Katharina in St. Gallen,116 die ab 1368 nach der Regel des heiligen Domini_____________ 112 Zum Einfluss des Augustinerchorherrenstifts Rebdorf auf andere geistliche Gemeinschaften siehe Norbert Backmund, Die Chorherren und ihre Stifte in Bayern. Augustinerchorherren, Prämonstratenser, Chorherren vom Hl. Geist, Antoniter, Passau 1966, S. 119 und Kohl/Persoons/ Weiler (Hgg.), Monasticon Windeshemense, Teil 2, S. 360. 113 Dazu Karin Schneider, Deutsche mittelalterliche Handschriften aus bayerischen Klosterbibliotheken, in: Bibliotheksforum Bayern 9, H. 1/2, (1981), S. 44-56, S. 45 und 50. Zur Bedeutung der Rebdorfer Bibliothek siehe Adolf Spamer, Über die Zersetzung und Vererbung in deutschen Mystikertexten, Gießen 1910, S. 85-97. 114 Karin Schneider macht wiederholt darauf aufmerksam, dass deutsche Handschriften in Rebdorf fast ausschließlich für die Laienbrüder oder für Schwestern und zum Teil auch von ihnen selbst geschrieben wurden; siehe dies., Deutsche mittelalterliche Handschriften aus bayerischen Klosterbibliotheken, S. 45, 50 und 52. – Insgesamt wurden in Rebdorf 32 deutsche und 789 lateinische Codices hergestellt; siehe ebenda S. 45. Am Ende des 18. Jahrhunderts besaß Rebdorf zudem ungefähr 30. 000 Drucke, darunter zahlreiche Inkunabeln; siehe dafür Kohl/Persoons/Weiler (Hgg.), Monasticon Windeshemense, Teil 2, S. 347. Zum Bibliotheksbestand von Rebdorf siehe auch Thomas Kock, Die Buchkultur der Devotio moderna. Handschriftenproduktion, Literaturversorgung und Bibliotheksaufbau im Zeitalter des Medienwechsels, Frankfurt/Main 1999 (= Tradition – Reform – Innovation. Studien zur Modernität des Mittelalters 2), S. 297f. 115 Der erste Reformierungsversuch im Jahre 1396 scheiterte am Widerstand der Schwestern; siehe dafür Kist, Fürst und Erzbistum Bamberg, S. 61. Historisch interessante Einzelheiten zur Reformierung des Nürnberger Katharinenklosters durch Schwestern aus Schönensteinbach findet man auch im Buch der Reformacio Predigerordens des Johannes Meyer; siehe dazu Benedictus Maria Reichert (Hg.), Iohannes Meyer Ord. Praed., Buch der Reformacio Predigerordens, IV und V Buch, Leipzig 1908 (= Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens in Deutschland 3), S. 60-67. 116 Siehe dazu Die Frauen zu St. Katharina in St. Gallen, hrsg. v. Historischen Verein in St. Gallen, St. Gallen 1885, S. 6 und 10 und auch Lewis, By Women, for Women, about Women, S. 291. –

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Die besessene Schwester Agnes: Überlieferung und Textgeschichte

kus lebten und 1476 reformiert wurden.117 Durch diesen Austausch erhielt das Kloster St. Katharina in St. Gallen von St. Katharina in Nürnberg auch zahlreiche Textvorlagen und Buchgeschenke.118 Es ist gut vorstellbar, dass der Text von der besessenen Schwester Agnes über diese Verbindung in das Tertiarinnenkloster Wonnenstein bei Teufen im Kanton Appenzell kam, wo der Textzeuge SG2 angefertigt wurde.119 Wonnenstein stand seit der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts unter der Leitung der oberdeutschen Franziskaner-Konventualen.120 Die Bibliothek des Konventes wies um 1500 etwa einhundertundzehn Bücher auf.121 Erst 1591 nahm Wonnenstein die von dem Kapuziner Ludwig von Einsiedel inspirierte Pfanneregger Reform an und durchlief die reformerische Entwicklung nach dem Konzil von Trient unter der Führung der Kapuziner.122 Wie zwischen St. Katharina in Nürnberg und St. Katharina in St. Gallen ist auch zwischen dem letztgenannten Kloster und Straßburger Konventen ein Buchaustausch nachweisbar.123 Von Straßburg aus könnte der Text von der besessenen Schwester Agnes unschwer in das Unterlinden_____________

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119 120 121 122 123

Eine Aufzählung der geistlichen Gemeinschaften, die mit St. Katharina eine Gebetsbruderschaft eingegangen waren, findet man bei Würfel, Nachrichten zur Erläuterung der Nürnbergischen Stadt- und Adels-Geschichte, Bd. 1, S. 839-841. Dazu Lewis, By Women, for Women, about Women, S. 291. – Im Jahre 1482 wurde unter der Priorin Angela Varnbühler, die in einem engen brieflichen Kontakt stand mit Kunigunda Haller, der Priorin des Nürnberger Katharinenklosters, die Klausur wieder eingeführt. Zur gesamten Geschichte des Konventes St. Katharina, das in St. Gallen der bedeutendste Frauenkonvent überhaupt war, siehe die ausführlichen Darlegungen von Andreas Rüther, Schreibbetrieb, Bücheraustausch und Briefwechsel: Der Konvent St. Katharina in St. Gallen während der Reform, S. 656-666 und die dort in Anm. 9 genannte Forschungsliteratur. Siehe dafür Thoma K. Vogler OP, Geschichte des Dominikanerinnen-Klosters St. Katharina in St. Gallen 1228-1607, Freiburg i.Ue. 1938, S. 55-58. – Zum nicht unbeträchtlichen Bibliotheksbestand des St. Katharinenklosters in St. Gallen siehe Andreas Rüther/Hans-Jochen Schiewer, Die Predigthandschriften des Straßburger Dominikanerinnenklosters St. Nikolaus in undis. Historischer Bestand, Geschichte, Vergleich, in: V. Mertens und H.-J. Schiewer (Hgg.), Die deutsche Predigt im Mittelalter: Internationales Symposium am Fachbereich Germanistik der Freien Universität Berlin vom 3.-6. Oktober 1989, Tübingen 1992, S. 169-193, hier S. 185f. und Rüther, Schreibbetrieb, Bücheraustausch und Briefwechsel: Der Konvent St. Katharina in St. Gallen während der Reform, S. 656, Anm. 10. Siehe dazu den Besitzvermerk in SG2 auf S. und B. M. Scarpatetti, Katalog der datierten Handschriften in der Schweiz in lateinischer Schrift vom Anfang des Mittelalters bis 1550, Bd. 3, S. 83. Siehe Paul Staerkle, Wonnenstein, in: HS, Abt. 5, Bd. 2: Die Kapuziner und Kapuzinerinnen in der Schweiz, Bern 1974, S. 1104-1110, hier S. 1104-1106. Die Angaben zur Geschichte des Klosters, die Staerkle anführt, weichen von denen ab, die in MBK, Bd. 1, S. 451 genannt werden. G. P. Meier, Der Bibliothekskatalog von Wonnenstein aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts, S. 31ff. Siehe dafür Brigitte Degler-Spengler, Die regulierten Terziarinnen in der Schweiz, in: HS, Abt. 5, Bd. 1, Bern 1978, S. 609. Dazu Rüther/Schiewer, Die Predigthandschriften des Straßburger Dominikanerinnenklosters St. Nikolaus in undis, S. 189. Nach den Studien von Vogler umfasste der vorreformatorische Buchbestand des Konventes St. Katharina in St. Gallen immerhin 275 Handschriften und 48 Drucke; siehe dazu ebd. S. 189.

Ursprung und Verbreitung des Textes

33

kloster in Colmar gelangt sein, wo der Textzeuge C entstand.124 Das Straßburger Dominikanerinnenkloster St. Nikolaus in undis etwa wurde im Jahre 1431 unter anderem mit Hilfe von acht Schwestern aus dem Dominikanerinnenkloster Unterlinden bei Colmar, das schon 1401 reformiert worden war, der strengen Observanz zugeführt.125 Es ist festzuhalten, dass der Text neben seiner breiten geographischen Streuung auch bei den verschiedensten religiösen Gemeinschaften auf Interesse stieß. Außer in der Devotio moderna (Textzeugen Bln und Br) und ihrem Zweig der Windesheimer Kongregation (Textzeuge M) sind Provenienzen des Textes bei Kartäusern (Textzeuge W), Dominikanerinnen (Textzeuge C), Klarissen (Textzeuge B) und Terziarinnen (Textzeuge SG2) belegt. Des Weiteren ist aufgrund der exakten Datierung von vier der insgesamt acht ermittelten Handschriften ein Überlieferungszeitraum von 1474-1500 gesichert. Außerdem kann festgestellt werden, dass keiner der ausfindig gemachten Zeugen des Textes vor 1460 entstanden sein dürfte, weil es aufgrund der Textinhalte sehr wahrscheinlich ist, dass der zwischen 1455 und 1460 entstandene Spieghel der volcomenheit Hendrik Herps als Vorlage gedient hat.126 Der älteste (derzeit) bekannte Textzeuge W wurde 1474 angefertigt und stammt aus dem hessischen Raum. Der eingangs zitierten Vorbemerkung zum Textzeugen C zufolge ereignete sich die im Text beschriebene Besessenheit einer Schwester Agnes jedoch bereits im Jahre 1439.127 Es ist deshalb von der (ehemaligen) Existenz weiterer Textzeugen auszugehen.128 _____________ 124 Für zahlreiche Beiträge zum Colmarer Unterlindenkloster siehe den von Madeleine Blondel, Jeffrey Hamburger und Catherine Leroy herausgegebenen Ausstellungskatalog des Musée d’Unterlinden, Les dominicaines d’Unterlinden, 2 Bände, Paris 2000. 125 Siehe dazu Rüther/Schiewer, Die Predigthandschriften des Straßburger Dominikanerinnenklosters St. Nikolaus in undis, S. 179. 126 Hendrik Herp ist 1445 als Rektor im Fraterhaus zu St. Hieronymusdal in Delft nachweisbar. Er trat 1450 von den Brüdern des gemeinsamen Lebens zu den Franziskanerobservanten über, wo er leitende Ämter in der Kölner Observantenprovinz bekleidete. Siehe zum Spieghel der volcomenheit und zur Vita Herps bspw. Kurt Ruh, Geschichte der abendländischen Mystik, Bd. 4: Die niederländische Mystik des 14. bis 16. Jahrhunderts, München 1999, S. 217-228 und den Artikel von Benjamin de Troeyer, Herp, Hendrik, in: 2VL 3, Sp. 1127-1135 sowie Lucidius Verschueren O.F.M (Hg.), Hendrik Herp O.F.M., Spieghel der volcomenheit, 2 Bände, Antwerpen 1931 (= Tekstuitgaven van Ons geestelijk erf 1-2), hier Bd. 1. – In der Münchner Handschrift ist der Text unter anderem zusammen mit Exzerpten aus Herps Spieghel sowie mit Kommentaren zu diesem bedeutenden Werk der mittelniederländischen Mystik überliefert; siehe dafür Schneider, Die deutschen Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek München, Teil 5, S. 547. 127 In der Vorbemerkung zu Br erscheint diese Jahresangabe ebenfalls. 128 Bei der Bibliotheca Neerlandica Manuscripta sind keine weiteren Textzeugen bekannt. Mein Dank für Auskünfte gilt Herrn Dr. André Th. Bouwman (Leiden) von der Abteilung ’Abendländische Handschriften‘ der Universitätsbibliothek Leiden.

III. Vorstudien zur Edition des Textes 1. Einleitende Überlegungen Versucht man ein Fazit aus den kontroversen Diskussionen über Editionsmethoden mittelalterlicher Texte zu ziehen,1 ist festzustellen, dass es auch heute noch bei bestimmten Gattungen durchaus gerechtfertigt sein kann, einen autornahen Text zu rekonstruieren, denn die Offenheit oder Festigkeit von mittelalterlichen Texten ist in vielen Fällen gattungsspezifisch.2 Weichen einzelne Textzeugen jedoch sehr stark voneinander ab, wie das etwa bei der spätmittelalterlichen Prosa im 15. Jahrhundert oft vorkommt, ist der Rekonstruktionsversuch eines autornahen Textes schon aufgrund der zahlreichen durchgreifenden Textmodifikationen in der überlieferungsgeschichtlichen Entwicklung solcher Texte vielfach kaum möglich. Für die Edition spätmittelalterlicher Texte der Erbauungs- beziehungsweise Gebrauchsliteratur ist die lachmannsche Rekonstruktionsphilologie gerade wegen dieser teilweise gravierenden Textveränderungsprozesse in der Überlieferungsgeschichte generell weniger geeignet. Hans-Jochen Schiewer beschreibt sie für Erbauungstexte als „in vielen Fällen nicht sachgerecht“.3 Thomas Bein spricht hinsichtlich der Edition frühneuhochdeutscher Textquellen nach dieser Verfahrensweise nur noch von „einer romantischen Textidee“.4 In jedem Fall sei eine „textorientierte“ Textkritik gerade bei unfesten Texten einer „autororientierten“ vorzuziehen.5 _____________ 1 2

3 4 5

Als Teilnehmer der Editionstagungen in Bamberg 1991 und Berlin 2004 sowie in Kenntnis der Debatte um die New Philology verzichte ich auf die Darstellung dieser Diskussionen. Vgl. dazu etwa Schiewer, ’Die Schwarzwälder Predigten‘, S. 350 oder Rüdiger Schnell, ’Autor‘ und ’Werk‘ im deutschen Mittelalter. Forschungskritik und Forschungsperspektiven, in: J. Heinzle u. a. (Hgg.) Neue Wege der Mittelalter-Philologie: Landshuter Kolloquium 1996, Berlin 1998 (= WolframStudien 15), S. 12-73, hier S. 44. Schiewer, ’Die Schwarzwälder Predigten‘, S. 350. Bein, Editionsprinzipien für deutsche Texte des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit, in: W. Besch u.a. (Hgg.), Sprachgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung, 2. Aufl., 1. Teilband, Berlin/New York 1998 (= HSK 2.1.), S. 923-931, hier S. 925. Zu den Termini und zur Problematik siehe Thomas Bein (Hg.), Altgermanistische Editionswissenschaft, Frankfurt/Main 1995 (= Dokumentation germanischer Forschung 1), S. 16-22. Volker Honemann hat dementgegen deutlich gemacht, dass eine autororientierte Textkritik nicht vernachlässigt werden sollte, weil gerade Autographen für die jeweiligen Textgeschichten von Bedeutung sind; ders., Autographische Überlieferung mitterlalterlicher deutscher Literatur, in: P. J. Becker u.a.

Einleitende Überlegungen

35

Solche Überlegungen fanden bereits geraume Zeit zuvor in der Würzburger Forschergruppe um Kurt Ruh ihre Konkretisierung in der Entwicklung der überlieferungsgeschichtlichen Editionsmethode.6 Im Vordergrund der Edition sollten weder der Urtext noch der Text-Urheber stehen, sondern die Entfaltung der Textgeschichte im Spannungsfeld der Überlieferung, der Redaktoren, Bearbeiter, Schreiber und des rezipierenden Publikums. Das Augenmerk sollte gerichtet werden auf die Lebenswirklichkeit der mittelalterlichen Texte, auf ihren Produktions- und Rezeptionsprozess, auf ihren ’Sitz im Leben‘. Zum Ziel der Edition wurde der historische, der nachweisbar gelesene Text. Als textkritische Verfahrensweise entstand die überlieferungskritische Edition. Derartige Editionen sind meist diffizil und aufwendig, nicht zuletzt, weil sie mit text-, rezeptions- und wirkungsgeschichtlichen Untersuchungen zu verbinden sind. Der für sie notwendige Aufwand ist für die Edition von spätmittelalterlicher Prosa in aller Regel aber unumgänglich.7 Grundsätzlich gilt hierbei, dass sich die spezielle Verfahrensweise für solche Editionen aus dem jeweiligen Überlieferungsbefund und dem genauen Vergleich der einzelnen Textzeugen ergibt. Umfangreichere Vorstudien zur genealogischen Entfaltung eines Textes sowie zum Abhängigkeitsverhältnis seiner Textzeugen sind also erforderlich, um den Stellenwert der Textzeugen innerhalb der Überlieferung zu ermitteln.8 Daraus ergibt sich dann die überlieferungshistorische Gruppierung der Textzeugen, auf deren Grundlage ein möglichst plausibles Editionskonzept erarbeitet werden kann.9 _____________

6

7

8 9

(Hgg.), Scrinium Berolinense: Tilo Brandis zum 65. Geburtstag, 2 Bde., Wiesbaden 2000 (= Beiträge aus der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz 10), Bd. 1, S. 821-828, hier S. 823f. und 826; siehe dazu außerdem die Bemerkungen Honemanns zu seiner Datenbank mittelalterlicher deutscher Autographen und Originale in: ZfdA 130 (2001), S. 247f. Rüdiger Schnell sieht das Neue in der New Philology auch eher in der Verbindung älterer textkritischer Ansätze mit der „Rezeption von Gedanken der Diskurstheorie und der Postmoderne“; ders., Was ist neu an der ’New Philology‘’? Zum Diskussionsstand in der germanistischen Mediävistik, in: M.-D. Gleßgen und F. Lebsanft (Hgg.), Alte und neue Philologie, Tübingen 1997 (= Beihefte zu editio 8), S. 61-95, hier S. 62. Thom Mertens klagt über eine „Denkmäler-Philologie“, die in der Mittelniederlandistik zu einer allzulangen Vernachlässigung überlieferungsgeschichtlicher Aspekte gerade bei „nicht-mystischer“ Literatur geführt habe; ders., Zur Erforschung mittelniederländischer geistlicher Literatur, in: U. Küsters (Hg.), Kulturnachbarschaft: eine Dokumentation des Düsseldorfer Round-Table-Gesprächs am 14. Juni 1996. Deutsch-niederländisches Werkstattgespräch zur Mediävistik, Essen 1997 (= Item mediävistische Studien 6), S. 35-40, hier S. 36. Vgl. dazu Kurt Ruh, Votum für eine überlieferungskritische Editionspraxis, in: L. Hödl und D. Wuttke (Hgg.), Probleme der Edition mittel- und neulateinischer Texte, Boppard 1978, S. 35-40, hier S. 36. Rüdiger Schnell konstatiert, dass sich die offene Form, die ein Text im Verlauf seiner Überlieferung annimmt, und die Eingrenzung einer autornahen Fassung nicht zu widersprechen brauchen. Voraussetzung sei aber eine Typisierung der Umformungen, die ein Text während seiner Überlieferung erfahren habe; siehe ders., ’Autor‘ und ’Werk‘ im deutschen Mittelalter, S. 51.

36

Vorstudien zur Edition des Textes

2. Die Abhängigkeitsverhältnisse der Textzeugen Um eine geeignete Editionsmethode für den Text von der besessenen Schwester Agnes zu ermitteln, sind zunächst die Abweichungen der einzelnen Textzeugen zu eruieren. Schon ein grober Vergleich der Textträger zeigt, dass zwei Textzeugen ganz erheblich kürzer sind als die übrigen, so dass zunächst eine Kurzfassung (Textzeugen Bln und Br) von einer Langfassung (übrige Textzeugen) unterschieden werden kann.10 Aufgrund sehr offensichtlicher inhaltlicher Abweichungen kann die Langfassung des Textes zudem in zwei Typen, nämlich die Handschriftengruppen B – W – SG2 – M einerseits und C – SG1 andererseits unterschieden werden. Die Handschriftengruppe B – W – SG2 – M bezeichne ich in der Folge als Abschriftengruppe 1 (ASG 1), die Handschriftengruppe C – SG1 als Abschriftengruppe 2 (ASG 2). Will man die umfangreicheren Auslassungen, Ergänzungen und Umstellungen der einzelnen Zeugen des Textes von der besessenen Schwester Agnes genauer bestimmen und beschreiben, ist ein Maßstab, ein Referenztext beziehungsweise eine Referenztextgruppe erforderlich. Die Kurzfas_____________ 10

In Anlehnung an die Definition von Joachim Bumke spreche ich in Folgendem von der Fassung eines Textes, wenn ein Text in mehreren Textträgern überliefert ist, die derart wörtlich übereinstimmen, „daß man von ein und demselben Werk sprechen kann, die sich jedoch im Textbestand und/oder in der Textfolge in den Textformulierungen so stark unterscheiden, daß die Unterschiede nicht zufällig entstanden sein können, vielmehr in ihnen ein unterschiedlicher Formulierungs- und Gestaltungswille sichtbar wird“; ders., Der unfeste Text. Überlegungen zur Überlieferungsgeschichte und Textkritik der höfischen Epik im 13. Jahrhundert, in: J.-D. Müller (Hg.), ’Aufführung‘ und ’Schrift‘ in Mittelalter und Früher Neuzeit, Stuttgart/Weimar 1996, S. 118-129, hier S. 124. – Textbearbeitungen lassen diesen Gestaltungswillen demgegenüber nur als sekundär erkennen. Versionen eines Textes sind dagegen nicht mehr das Produkt eines Gestaltungswillens, sondern sind durch unbeabsichtigte Textveränderungen entstanden, die sich im Laufe des Überlieferungsprozesses eingeschlichen haben; vgl. dazu Joachim Bumke, Untersuchungen zur Überlieferungsgeschichte der höfischen Epik im 13. Jahrhundert. Die Herbortfragmente aus Skokloster. Mit einem Exkurs zur Textkritik der höfischen Romane, in: ZfdA 120 (1991), S. 257-304, hier S. 290, Anm. 120 u. S. 301f. und ders., Die vier Fassungen der ’Nibelungenklage‘. Untersuchungen zur Überlieferungsgeschichte und Textkritik der höfischen Epik im 13. Jahrhundert, Berlin/New York 1996, hier S. 42ff. – Viel versprechende Vorschläge für eine sehr wünschenswerte einheitliche Terminologie bei der Einteilung von Bearbeitungen hat jüngst Ralf Henning-Steinmetz vorgestellt. Er unterscheidet je nach Adaptions- bzw. Intentionsgrad der Bearbeitung zwischen eigenständigem Werk, Version, Adaption und Neufassung. Die Praktikabilität dieser differenzierten Typologie von Bearbeitungen konnte in dieser Arbeit leider nicht mehr erprobt werden. Zum diesem Beitrag siehe ders., Bearbeitungstypen in der Literatur des Mittelalters. Vorschläge für eine Klärung der Begriffe, in: E. Andersen, M. Eikelmann und A. Simon (Hgg.), Texttyp und Textproduktion in der deutschen Literatur des Mittelelaters, Berlin/New York 2005 (= Trends in Medieval Philology 7), S. 41-61, hier bes. S. 51-53.

Die Abhängigkeitsverhältnisse der Textzeugen

37

sung (Bln und Br) kommt dafür nicht in Frage, weil sie den Text nicht vollständig bietet. Auch SG1 ist kürzer als C und die Textträger der Abschriftengruppe 1. Da zudem in C gegenüber den vier Textzeugen der ASG 1 im zweiten Textdrittel größere Teile fehlen, wird die Abschriftengruppe 1 als Referenztextgruppe für einen Textzeugen-Vergleich der Inhalte gewählt. 2.1. Vergleich der Textträger nach Sinneinheiten: B, W, SG2 und M als Referenztextgruppe In der folgenden Tabelle werden die inhaltlichen Abweichungen der beiden Textzeugen der Abschriftengruppe 2 (C und SG1) und der Kurzfassung (Bln und Br) im Vergleich zur gewählten Referenztextgruppe, der Abschriftengruppe 1, dargestellt. Da der Text in einzelne inhaltlich zusammenhängende Leseeinheiten unterteilt ist, die in sich abgeschlossen und für sich sinnvoll sind, bezeichne ich solche Textstücke in der Folge als ’Sinneinheiten‘ des Textes. Anhand dieser Sinneinheiten lassen sich die Textveränderungen gegenüber der Abschriftengruppe 1 bestimmen. In der Zusammenstellung werden diese Sinneinheiten jeweils durch Stichwörter kurz charakterisiert und nach ihrer Anordnung in der Abschriftengruppe 1 aufgeführt und durchnummeriert. Weil die Anordnung der einzelnen Sinneinheiten bei allen Textzeugen der Abschriftengruppe 1 nicht abweicht, stehen als Seitenzahlenangaben für die Abschriftengruppe 1 die Seitenzahlen von SG2,11 da dieser Textzeuge wegen der im Vergleich größten Schrift die differenziertesten Seitenzahlenangaben bietet. Auf den Nachweis der Sinneinheiten über die von mir eingeführte Zeilenzählung zum Textzeugen SG212 wird verzichtet, weil für die anderen Textzeugen keine Zeilenzählungen existieren und ein Vergleich der Sinneinheitenanordnung in der Tabelle einheitlich jeweils nach den Seiten- beziehungsweise Folioangaben der betreffenden Handschriften eine schnellere Orientierung ermöglicht.13 Die Folioangaben des Textzeugen C werden nur für den zweiten Textteil, der von den Textträgern der Abschriftengruppe 1 in der Abfolge der Sinneinheiten und häufig auch im Wortlaut abweicht, in die Tabelle aufgenommen. _____________ 11 12 13

SG2 = S. -. Siehe dafür die Editionsrichtlinien im Kapitel IV unter Punkt 2. Die Seiten- beziehungsweise Folioangaben des Textes lauten in den einzelnen Handschriften wie folgt: C = -; SG1 = S. -; Bln = -; Br = -.

Vorstudien zur Edition des Textes

38

Sinneinheiten 1. 2. 3.

C

SG1

Bln

Br

fehlen 225 225f.

vorhanden vorhanden 131 2r wie in ASG 1 131f.

vorhanden abweichend fehlt

vorhanden

227

wie in ASG 1 132

fehlt

fehlt

227f.

wie in ASG 1 fehlt

139v

228

wie in ASG 1 fehlt

325rb gekürzt fehlt

229ff.

fehlt

fehlt

fehlt

fehlt

232ff.

wie in ASG 1 136f. gekürzt fehlt 100r-v umgestellt wie in ASG 1 132f. gekürzt wie in ASG 1 133f.

fehlt

fehlt

232ff.

wie in ASG 1 133f.

fehlt

fehlt

234f.

wie in ASG 1 187f. und 212f.

fehlt

fehlt

236f.

wie in ASG 1 212

139v

14. Zur Buße

237f.

15. Gottes Gnade durch Demut erhoffen 16. Lohn und Lob der Demut

239

wie in ASG 1 134f. gekürzt wie in ASG 1 135

325rb-va gekürzt 327ra gekürzt 327ra abweichend 326vb 327rb-va 325va-vb abweichend fehlt fehlt

fehlt

fehlt

fehlt

u. 324vb gekürzt fehlt fehlt

139v

4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13.

Vorbemerkung(en) Incipit Verschiedene Anfechtungen des bösen Geistes Der böse Geist wird von Gott gezwungen Die Beichte vertreibt den bösen Geist Informationen zum bösen Geist Verschiedene Anfechtungen des bösen Geistes Von der Vorbereitung auf das Sakrament Der böse Geist hasst die Menschen und das ewige Leben Der böse Geist wird von Gott zum Sprechen gezwungen Die Beichte vertreibt den bösen Geist Zum Zusammenhang von dämonischen Eingebungen und menschlichem Willen Geduld im Leiden

ASG 1 nach SG2

17. Zum Hochmut am Beispiel des Umgangs mit Kleidung 18. Zum Zshg. von Hochmut und göttlicher Gnade 19. Über Sünden, die gebeichtet wurden 20. Gott schickt den bösen Geist aus Liebe zu den Schwestern 21. Zum Wahrheitsgehalt der Aussagen des bösen Geistes 22. Zum Beten 23. Wie man um die Vergebung der Sünden bitten soll 24. Besessenheit ist eine Gnade 25. Über zorniges Verhalten der Schwestern untereinander 26. Über die Folgen von Neugierde 27. Zur Trägheit der Schwestern 28. Wie man Gott für seine Gnade danken kann

231f. 231f.

239-43 244 245f. 246 248

wie in ASG 1 135f. gekürzt wie in ASG 1 137f. wie in ASG 1 138 gekürzt wie in ASG 1 139f.

abweichend

fehlt

fehlt

324vbf. 325rb 139r gekürzt

140r 140v 141r 141r 139v-140r fehlt

252-55 255

116vf. 129vf. 140 umgestellt wie in ASG 1 140-42 198f. wie in ASG 1 142f. wie in ASG 1 143

255-56a 256b-57

wie in ASG 1 143f. wie in ASG 1 144f.

fehlt fehlt

fehlt fehlt

258 259 260

wie in ASG 1 fehlt wie in ASG 1 145f. wie in ASG 1 146

fehlt fehlt fehlt

fehlt fehlt fehlt

249-52

fehlt fehlt

Die Abhängigkeitsverhältnisse der Textzeugen

Sinneinheiten 29. Ermahnung des Beichtvaters, den Ratschlägen des bösen Geistes zu folgen 30. Der böse Geist wird zum Sprechen gezwungen 31. Über Sünden, die gebeichtet wurden 32. Zum Beten 33. Wer den Schwestern hilft, wer ihnen schadet 34. Zur Furcht vor Verdammnis 35. Wie man dem Fegefeuer entgehen kann 36. Der böse Geist spricht christliche Wahrheit 37. Streit zwischen der Mutter der Sammlung und dem bösen Geist 38. Zum Verhalten der Schwestern miteinander: Ermahnungen und Mitleid 39. Die besessene Schwester ist für den Konvent eine Gnade 40. Über die Eingebungen des bösen Geistes 41. Zum Gehorsam gegenüber den Oberen 42. Zum Verhalten der Schwestern miteinander: Hochmut verhindert Mitleid 43. Das korrekte Verhalten gegenüber untergebenen Schwestern 44. Zum Zshg. von göttlichem und menschlichem Willen 45. Die Gnade der Kirchweihe kann nie zureichend gedankt werden 46. Warnung vor Streitigkeiten der Schwestern untereinander 47. Zur Beichte 48. Warnung vor der Hölle, Preisung des ewigen Lebens 49. Von der richtigen Vorbereitung zum Kirchgang 50. Zum korrekten Verhalten während der Messe 51. Anweisungen für die Küchenschwestern 52. Zur Furcht vor Verdammnis 53. Göttliche Gnade durch Hinwendung zu Gott

ASG 1 nach SG2

C

SG1

39

Bln

Br

260f.

wie in ASG 1 146

fehlt

fehlt

262

wie in ASG 1 146f.

fehlt

fehlt

262f.

wie in ASG 1 147

fehlt

fehlt

263f. 264-67

fehlt fehlt

fehlt fehlt

268 268f.

wie in ASG 1 148 wie in ASG 1 148 gekürzt wie in ASG 1 149 wie in ASG 1 149f.

fehlt fehlt

fehlt fehlt

269f.

wie in ASG 1 150

fehlt

fehlt

270f.

wie in ASG 1 150f.

fehlt

fehlt

272f.

wie in ASG 1 151f.

fehlt

fehlt

273f.

wie in ASG 1 152f.

fehlt

fehlt

275f.

fehlt

fehlt

276

wie in ASG 1 153 gekürzt wie in ASG 1 fehlt

fehlt

fehlt

276

wie in ASG 1 153

fehlt

fehlt

277ff.

wie in ASG 1 153f.

fehlt

fehlt

280

wie in ASG 1 154f.

fehlt

fehlt

280

wie in ASG 1 fehlt

fehlt

fehlt

280ff.

wie in ASG 1 155

141v

282ff.

wie in ASG 1 156f.

284-87

wie in ASG 1 157f.

287

wie in ASG 1 158

328vb-329ra gekürzt 328vb- 329rb gekürzt 329va-330ra gekürzt fehlt

287f.

fehlt

fehlt

289

wie in ASG 1 158f. gekürzt wie in ASG 1 fehlt

fehlt

fehlt

289f. 290f.

wie in ASG 1 159 wie in ASG 1 fehlt

fehlt fehlt

fehlt fehlt

142v 142r umgestellt 142r fehlt

Vorstudien zur Edition des Textes

40

Sinneinheiten 54. Zur Auswahl der Personen, die in die geistliche Gemeinschaft aufgenommen werden 55. Leben nach dem Geist, nicht nach dem Fleisch 56. Alter und Gesinnung von Personen, die in den Konvent aufgenommen werden sollen 57. Gott bestimmt, wer in den Konvent aufgenommen wird 58. Die Schwestern sollen Ermahnungen gern empfangen 59. Zur Beichte 60. Wie man den Anfechtungen des bösen Geistes widersteht 61. Gott begehrt: Beichte, Gehorsam und Demut 62. Dem Willen der Oberen folgen 63. Warnung vor falscher Andacht

ASG 1

C

nach SG2

SG1

Bln

Br

291f.

wie in ASG 1 fehlt

fehlt

fehlt

292

wie in ASG 1 159

fehlt

fehlt

293ff.

wie in ASG 1 160

fehlt

fehlt

294f.

wie in ASG 1 fehlt

fehlt

fehlt

295f.

fehlt

fehlt

296-99 298

73rf. 160 umgestellt wie in ASG 1 160f. wie in ASG 1 160f.

fehlt fehlt

fehlt fehlt

299f.

wie in ASG 1 161f.

fehlt

fehlt

300-02

fehlt

fehlt

fehlt

302-05

fehlt

fehlt

fehlt

305f.

fehlt

163 gekürzt 163f. gekürzt 164f.

fehlt

fehlt

306f.

fehlt

165f.

fehlt

fehlt

307-09

fehlt

166 gekürzt

fehlt

fehlt

309f.

fehlt

166f.

fehlt

fehlt

310ff.

fehlt

167f.

140r

312

fehlt

168

325vb-326ra gekürzt fehlt

313f.

fehlt

168f.

fehlt

fehlt

314f.

fehlt

169

fehlt

fehlt

315

fehlt

169f.

fehlt

fehlt

315f. 316f.

fehlt fehlt

170 fehlt

fehlt fehlt

fehlt fehlt

317-22

fehlt

170, 174, 199 abweichend

fehlt

fehlt

76. Warnung vor falscher Andacht 322ff. 77. Zum Gehorsam gegenüber 324 den Oberen 78. Zur göttlichen Gnade 325-28

fehlt fehlt

170-72 172f.

fehlt fehlt

fehlt fehlt

fehlt

fehlt

fehlt

79. Zur Beichte

51vf.

172 abweichend 193

fehlt

fehlt

64. Über göttliche und dämonische Eingebungen 65. Vom Umgang der Schwestern miteinander: Arbeitsverteilung 66. Hinwendung zu Gott und Gehorsam gegenüber den Oberen quälen den Teufel 67. Das Fundament für die Gnade Gottes ist die Demut 68. Streit um das korrekte Beichtverhalten 69. Zum Wunsch der Schwestern nach Sündenvergebung 70. Vom Sinn der täglichen Ermahnungen 71. Gott vertrauen und sich ihm anvertrauen 72. Das Leid Christi nachempfinden 73. Durch Gehorsam zu Gott 74. Wer hochmütig ist, widersetzt sich Gott 75. Zur Demut

328f.

fehlt

Die Abhängigkeitsverhältnisse der Textzeugen

Sinneinheiten 80. Ermahnung, die drei Punkte zu befolgen 81. Vom Nutzen der Arbeit 82. Wie man sich selbst überwinden soll am Beispiel ’Essen‘ 83. Vom Umgang mit den Schwächen der Mitschwestern 84. Drohende Bestrafungen bei unterlassener Beichte 85. Einander aus Liebe ermahnen 86. Ermahnung zu Gehorsam gegenüber den Oberen 87. Nicht nach Äußerlichkeiten streben 88. Zum richtigen Verhalten während der Messe 89. Von den Verhärtungen des Herzens 90. Sinn und Nutzen von Ermahnungen

ASG 1

C

nach SG2

SG1

41

Bln

Br

329-333

53 f.

173, 172, 174 abweichend

333f.

338f.

56r-57r ausgearb. 57rf. 112v ausgearb. 58r ausgearb. 60rf.

340ff. 343

62rf. 64v

175 abweichend 197, 176f. abweichend 177f. abweichend 188 abweichend fehlt fehlt

343f.

65v

fehlt

fehlt

fehlt

344-46

65v-67r ausgearb. 67r-71v ausgearb. 71v 108r ausgearb.

fehlt

330va-vb gekürzt 328va 329rb gekürzt 327rb-va gekürzt

142v

328ra-rb

141v

fehlt

fehlt

fehlt

fehlt

329rb gekürzt fehlt

142r

fehlt

fehlt

327va-vb abweichend fehlt

141r

fehlt

fehlt

fehlt

fehlt

334f. 335ff.

346-49 349ff.

r

91. Durch Demut und Gehorsam 351-54 zum ewigen Leben

73r-78v ausgearb.

92. Warnung vor falscher Andacht 354ff.

78vf.

93. Vom Umgang mit den eigenen Schwächen 94. Wer die 3 Punkte befolgt, gehört zu Gottes Volk (vgl. 61.) 95. Zum Verhalten der älteren Schwestern gegenüber den Novizinnen 96. Die Furcht vor Gott fördert die Liebe zu ihm 97. Vom Wesen Gottes und wie man sich mit ihm vereinigt 98. Vom Umgang miteinander am Beispiel von Demut 99. Die Gebete sind andächtig zu lesen 100. Wer die geistliche Gemeinschaft verlässt, der gibt das ewige Leben auf 101. Sich gegenseitig helfen

356

79v-80v ausgearb. 81v-83v ausgearb. 85v-87v ausgearb.

102. Vom Umgang mit den Novizinnen 103. Zum Zusammenhang von Gottesfurcht, Gottvertrauen und Gottgehorsam

357ff. 359-62

179f. abweichend 181 gekürzt und abweichend 180-82 gekürzt und abweichend

184f. abweichend 183f. abweichend fehlt fehlt 185 abweichend 185f. abweichend fehlt

fehlt

fehlt

fehlt

fehlt

fehlt

fehlt

fehlt

fehlt

fehlt

fehlt

fehlt fehlt

fehlt fehlt

142v 140r

fehlt

362

87v

362ff.

88vf.

364 365f.

90r ausgearb. 94v

366

fehlt

366f.

fehlt

fehlt

367ff.

fehlt 83rf. 98v abweichend 91v fehlt

fehlt

fehlt

369-72

102r-103v

327vb-328ra

142rf.

186 abweichend 189f. abweichend

190 gekürzt

fehlt

Vorstudien zur Edition des Textes

42

Sinneinheiten

ASG 1

C

nach SG2

104. Wer Gottes Namen nennt, vertreibt den bösen Geist 105. Zur Unterscheidung eines sündhaften Vergehens aus Schwäche und aus Hochmut 106. Der böse Geist wird von Gott zum Sprechen gezwungen 107. Was Zorn ist und wie man ihn erkennen kann 108. Zum Zshg. von rechter Andacht und wahrer Liebe zu Gott 109. Was im Diesseits nicht gebeichtet wird, das wird beim Jüngsten Gericht hart bestraft 110. Zur Demut: Eigensinn ist Dummheit, Einfalt und Gehorsam zeugen von Klugheit 111. Verschiedene Arten von Dankbarkeit 112. Was man beichten soll und was nicht

372f.

103

373

104rf.

373f. 374f.

104v-105v ausgearb. 105vf.

375f.

113. Die Menschen bedurften nie mehr der Hilfe als heute 114. Die Auswirkungen von Reichtum und Besitz 115. Vom Umgang mit den Novizinnen 116. Verhalten gegenüber eigenwilligen und betrübten Menschen 117. Nicht wegen der Arbeit auf die Regeln des Hauses verzichten 118. Vom Umgang mit den eigenen Schwächen und denen der Mitschwestern 119. Die Gebete andächtig lesen und sprechen 120. Von der Last, ein Amt zu bekleiden 121. Lob des Gehorsams 122. Die weniger tugendhaften Schwestern nicht verschmähen 123. Zur Bedeutung der Askeseübungen 124. Vom Nutzen der Beichte 125. Die Sünden ganz überwinden 126. Aufzählung von Sünden, die häufig begangenen werden 127. Schlusssatz 128. Nachbemerkungen

SG1

Bln

Br

190 abweichend 190 abweichend

330 -331

142

327vb gekürzt

140r

324vb-325rb gekürzt fehlt

139r 143r

fehlt

190f. abweichend 191f. abweichend fehlt

fehlt

fehlt

376f.

fehlt

fehlt

328vb gekürzt

141v

377-83

117vf. 120r 122r abweichend 122r-123r

v

vb

ra

v

fehlt

327ra 328rb-va 140vf. jeweils gekürzt fehlt fehlt

387f.

194f. 200202 abweichend 203 abweichend 60vf. 84r 124v fehlt 125v abweichend 125vf. 203b

388ff.

126r-127r

391f.

383ff.

fehlt

fehlt

fehlt

fehlt

fehlt

fehlt

fehlt

fehlt

fehlt

fehlt

212-14 abweichend fehlt

fehlt

fehlt

393

128v-129v ausgearb. 117r 140v 141v 130vf.

fehlt

fehlt

393f.

fehlt

fehlt

fehlt

fehlt

394f.

398 399ff.

fehlt 139rf.

326ra-vb abweichend 330ra-rb gekürzt fehlt fehlt

400f.

106v-107v ausgearb. 107vf.

207-11 abweichend 211f. abweichend fehlt 212f. abweichend 192f. abweichend fehlt 188f. 196 abweichend 202b abweichend abweichend abweichend

140v

395ff.

136v-137r ausgearb. 137r-139r

326vb--327ra abweichend

140v

fehlt fehlt

fehlt fehlt

fehlt

fehlt

abweichend fehlen

abweichend

385ff.

392f.

401 401f. 402f. 404 404

99rf. 110r 112v abweichend

123r-124r ausgearb. 145v abweichend

142r fehlt fehlt

142v-143r

Die Abhängigkeitsverhältnisse der Textzeugen

43

2.1.1. Zur Varianz der Textabfolge und Modifikation der Sinneinheiten in C und SG1 Die Abfolge der Sinneinheiten von C stimmt bis zur Sinneinheit 62 mit der der Abschriftengruppe 1 weitgehend überein, weshalb zu vermuten ist, dass der Schreiber von C unter anderem eine Vorlage verwendete, die auch für die Textzeugen der Abschriftengruppe 1 als Grundlage gedient hat. Nach der 62. Sinneinheit fehlt in C ein Textteil, der in der Abschriftengruppe 1 nach der Seitenzählung von SG2 zweiunddreißig Seiten umfasst. Die Wiederaufnahme des Textes in C erfolgt mit der Sinneinheit 79. Ab dieser Sinneinheit wird in C außerdem detaillierter berichtet als in den Textträgern der Abschriftengruppe 1. Der Umfang solcher textlichen Zusätze in den Sinneinheiten 79-126 ist beträchtlich. Obwohl in C die Sinneinheiten 62-78 fehlen, ist dieser Textzeuge insgesamt länger als die Textträger der Abschriftengruppe 1. Die zweite Hälfte des Textes von der besessenen Schwester Agnes umfasst in C die letzten zwei Drittel dieses Textzeugen. Umstellungen von Sinneinheiten findet man in C aber nur selten, vornehmlich gegen Textende. Ab der Sinneinheit 79 sind jedoch auch Wiederholungen im Textzeugen häufiger, was in der Tabelle durch mehrere verschiedene Folioangaben hinter nur einer Sinneinheit deutlich wird. Da ab dieser Textstelle kein Schreiberwechsel festzustellen ist, geben diese Befunde zu den Vermutungen Anlass, dass dem Schreiber von C bei der Abschrift entweder der in C fehlende Textteil nicht vorlag oder dass nach einer längeren Pause die Abschrift fortgesetzt und der genaue Textanschluss nicht mehr gefunden wurde. Das offensichtlich modifizierte Umsetzverhalten des Schreibers nach der Wiederaufnahme seiner Arbeit könnte auf eine geänderte Einstellung zu seiner Vorlage zurückzuführen sein oder darauf, dass er die Vorlage wechselte, also einem Textzeugen folgte, der heute nicht mehr existiert. Die Textinhalte in SG1 weichen zum Teil auch schon in der ersten Texthälfte (S. -) von der Abschriftengruppe 1 ab. Verglichen mit den Textträgern der Referenztextgruppe ist SG1 um etwa vierzig bis fünfzig Prozent kürzer. Insgesamt sind dreißig Auslassungen ganzer Sinneinheiten zu verzeichnen. Hinzu kommen gegenüber der Abschriftengruppe 1 vierzehn Kürzungen von Sinneinheiten. Bisweilen wurden ganze Textpassagen, besonders am Ende des Textzeugen, zu einem einzigen Satz reduziert. Wiederholungen bestimmter Textinhalte, die in den Textzeugen der Abschriftengruppe 1 und in C häufig vorkommen und geradezu charakteristisch sind, fehlen weitgehend. Zahlreiche Textsprünge sowie Vor- und Rückgriffe in der Textabfolge, besonders im zweiten Teil von SG1, dokumentieren weitere erhebliche Abweichungen gegenüber der Abschriftengruppe 1.

44

Vorstudien zur Edition des Textes

2.1.2. Die Zusammenstellung der Sinneinheiten in Bln und Br Die Kurzfassung des Textes umfasst etwa ein Fünftel der Langfassung. In der Kurzfassung erscheinen in Bln und Br insgesamt fünfundzwanzig Sinneinheiten, die in der Referenztextgruppe vor allem am Anfang und am Ende stehen. In diesen Sinneinheiten werden vornehmlich konkrete Verhaltensanweisungen für Schwestern gegeben, die oft anhand von Beispielen erläutert werden. Gegenüber der Abfolge der Sinneinheiten in der Abschriftengruppe 1 sind in der Kurzfassung fünfzehn Umstellungen festzustellen. Im Gegensatz zu den Langfassungen werden in der Kurzfassung einzelne gedankliche Zusammenhänge weder wiederholt14 noch an verschiedenen Textstellen abgehandelt. Die mittellateinische Fassung des Textes in der Brüsseler Handschrift geht eng mit dem Text von Bln zusammen. Aus der Tabelle ist ersichtlich, dass im direkten Vergleich keiner der beiden Textzeugen nennenswerte Zusätze oder Auslassungen aufweist.15 Die von einer Hand geschriebene Brüsseler Handschrift berichtet insgesamt etwas anschaulicher, der häufige Gebrauch von Adjektiven ist auffällig. Gegenüber Bln sind in Br drei Umstellungen zu verzeichnen. Es handelt sich dabei um kurze Textsequenzen, die in Br (fol. ) im Vergleich zu Bln weiter vorne im Text erscheinen. Zudem ist die Abfolge der Sätze innerhalb dieser Textsequenzen geändert. In beiden Textträgern findet man Textpassagen, die entweder nur in C und SG1 oder nur in der Abschriftengruppe 1 vorkommen. Vor allem die mittelniederländische Kurzfassung enthält einige kürzere Passagen, die nicht in der Abschriftengruppe 1 stehen, sehr wohl aber im Colmarer Textzeugen. 2.2. Zusätze, Auslassungen und Umstellungen als Indikatoren von Abhängigkeitsbeziehungen Gegenstand dieses Untersuchungsabschnittes zu den Abhängigkeitsbeziehungen der einzelnen Textträger sind Textmodifikationen, die als beabsichtigt aufgefasst werden können. Solche textlichen Veränderungen, also Kürzungen und Ergänzungen sowie Umstellungen von Sinneinheiten beziehungsweise längeren Textteilen sollen in Folgendem quantifiziert und beschrieben wer_____________ 14 15

Die einzigen Ausnahmen stellen diesbezüglich die wiederholten Wahrheitsbeteuerungen des im Text Gesagten dar. Ausnahmen sind die Vor- und Nachbemerkungen in Br. – Für den Nachweis von Zusätzen beziehungsweise Auslassungen gegenüber Bln siehe den Apparat zur Edition der Berliner Handschrift in meinem Aufsatz Die besessene Schwester Agnes, S. 19-33.

Die Abhängigkeitsverhältnisse der Textzeugen

45

den. Unter dem Gliederungspunkt 2.4. dieses Kapitels werden dann Folgerungen aus den ermittelten Befunden gezogen. Da die Kurzfassung bereits ediert ist, liegt das Augenmerk auf den Abweichungen der Textzeugen innerhalb der Abschriftengruppe 1 (B – M – SG2 – W) und innerhalb der Abschriftengruppe 2 (C – SG1) sowie auf dem Verhältnis beider Abschriftengruppen zueinander. In dieser Reihenfolge wird die Analyse der Textzeugen vorgenommen. Textkürzungen in SG2 und M gegenüber B und W zeigen, dass B und W nicht Abschriften von SG2 oder M sind. In SG2 heißt es etwa: Dar vmb sechent das jr jm danckpar sÿent vmb dysse sin nüwe gnad vnd das jr dis jn danckperkaitt begerent.16

In den Textzeugen B und W17 steht für die Wortfolge gnad vnd das jr dis jn danckperkaitt begerent die ausführlichere Formulierung: (...) gab vnd das ir jm die in danckperkeit wider auftragen vnd geben. Vnd disz sind die newen gaben die ewer schopfer von euch zu danckperkeit begert.18

Insgesamt gehen B und W gegen SG2 in der Wortwahl beziehungsweise durch Wortauslassungen mehr als zweihundertundfünfzigmal zusammen. Nur sehr selten sind dieselben Abweichungen gegenüber SG2 auch bei M und C, noch seltener bei SG1 festzustellen. W zeigt gegenüber B, M und SG2 sowohl einige Zusätze (jeweils etwa 2-4 Zeilen) als auch manche Auslassungen. Weiterhin fallen in W gegenüber den übrigen Textzeugen der Abschriftengruppe 1 nicht selten abweichende Formulierungen auf.19 Abweichungen von M im Vergleich zu den drei übrigen Textzeugen der Abschriftengruppe 1 erscheinen gut zwanzigmal als Auslassungen, die sich zum Teil über mehrere Zeilen erstrecken oder vollständige kleinere Textpassagen betreffen (bis zu zwölf Zeilen).20 Besonders gegen Ende des Textes wird in M recht konsequent auf Reihungen bedeutungsgleicher Substantive, Adjektive und Verben in einem Satz, wie sie in den anderen Textzeugen des Öfteren vorkommen, verzichtet. Nicht selten verwendete der Schreiber von M auch andere Formulierungen, um den Text abzukürzen. Insgesamt gut zwanzigmal gehen B und M gegen SG2 und/oder W in der Wortwahl und durch Wortauslassungen beziehungsweise -zusätze zu_____________ 16 17 18 19 20

SG2, Z. 617-619. Die Wortfolge von vnd bis begerent lautet in M: vnd das ir sült von im begeren. Ebenso in C. Zitiert nach B, fol . Stilistisch ist der Text in W insgesamt weniger emphatisch abgefasst. Vgl. dazu auch die Nachweise im ersten Teil des Apparates zur Edition von SG2 zu den Zeilen 275-279, 285-287, 498f., 577-579, 785-787, 837-839, 878-880, 892f., 1336-1339, 1358-1364, 1367-1370, 1377f., 1416-1426, 1435-1440, 1473-1476, 1485-1490.

46

Vorstudien zur Edition des Textes

sammen. B, W und M weichen zusammen mehr als achtzigmal von SG2 ab, W und M etwa zwanzigmal, davon zehnmal zusammen mit C. Bei einigen Ergänzungen in C handelt es sich nicht um Sinneinheiten, die in der Abschriftengruppe 1 nicht vorkommen, sondern um eine gegenüber den Textzeugen dieser Abschriftengruppe anschaulichere und ausführlichere Darstellung. Solche Ausarbeitungen sind in der Tabelle mit dem Zusatz ’ausgearb.‘ versehen. In der Sinneinheit 83 etwa erfolgen Ausführungen des bösen Geistes zum korrekten Umgang mit solchen Schwestern, deren Verhalten Schwierigkeiten bereitet. In der Abschriftengruppe 1 heißt es dazu: Doch in kainerlay wyss sol man die onlydsamen vnd krancken jn jren gebresten vnvermanet lassen, sunder vss liebe offt jnnen jr gebresten sagen. Ob sy den hinweg loffen, so lond sy loffen.21

Im Textzeugen C lautet die Sinneinheit wesentlich differenzierter: Aber die in bekorunge sint, sol man lieplichen trösten vnd die, die dem fleisch volgen wellent, sol man scharpflich straffen. Ouch seite er: „Zţ einer zijt wart ich gefraget vnder allen swestern, were es, das man sú zţ scharpflich vermanet, so möchten sú hinweglouffen. Do antwurt ich: ‚Löndt sú louffen,‘ dan do worent etteliche junge, krancke swestern gegenwertig. Hette ich da gesprochen, das man mit jnen smeÿcheln solte, so hette ich ÿnen vrsache geben zţ mee krangheit. Vnd das hant etteliche für übel vffgenomen, dan sú hant es für übel verstanden, darvmbe so hant sú es zţ dem argesten geachtet.22

Manche der zahlreichen Textergänzungen in C bieten im Vergleich zur Abschriftengruppe 1 aber auch neue Inhalte.23 Überwiegend erscheinen diese Zusätze ebenso im Textzeugen SG1, so etwa die Vor- und Nachbemerkungen, eine Textpassage über Dugulus den Ritter24 sowie eine Schilderung über die körperliche Züchtigung einer Schwester durch den bösen Geist in der Kammer der Schwester.25 Da diese Züchtigung auch in den Textträgern der Kurzfassung beschrieben wird,26 kann vermutet werden, dass der Schreiber von C nicht nur Textzeugen aus der Abschriftengruppe 1 beziehungsweise deren Vorlagen kannte, wovon wegen der Übereinstimmung bis zur Sinneinheit 62 auszugehen ist, sondern auch die Textfassung, die den Redaktoren/Bearbeitern von SG1 und Bln/Br bekannt war. _____________ 21 22 23 24 25 26

Zitiert nach SG2, Z. 934-936. C, fol. -. Diese Zusätze sind aus der Tabelle indirekt zu ersehen, weil in der Spalte, in der die Folioangaben von C stehen, nicht alle Blätter des Textzeugen C angeführt sind. C, fol. - und SG1, S. -. C, fol. - und SG1, S. Vgl. Borries, Die besessene Schwester Agnes, S. 23f.

Die Abhängigkeitsverhältnisse der Textzeugen

47

In SG1 wird gegenüber der Abschriftengruppe 1 auf weniger gebräuchliche Wörter des Öfteren verzichtet. In der zweiten Texthälfte werden – gegen die Mitüberlieferung – Begriffe, die für das geistliche Leben von Bedeutung sind, genauer differenziert und zum Teil auch erklärt.27 Darüber hinaus weist SG1 verglichen mit der Abschriftengruppe 1 auch zahlreiche Zusätze unterschiedlichen Umfangs auf.28 Da die meisten dieser Zusätze mit sehr ähnlichem Wortlaut auch in C stehen, lassen sich die Textzeugen C und SG1 einer Redaktion zuordnen. Die inhaltlichen Abweichungen zwischen den Textzeugen C und SG1 sind im zweiten Textteil – abgesehen von diesen Zusätzen – jedoch nicht unerheblich, so dass von jeweils eigenständigen Bearbeitungen im Sinne von Adaptionen dieser zweiten Textteile von C und SG1 gesprochen werden muss.29 In Textpassagen, die in allen Textträgern gemeinsam vorkommen, weichen C und SG1 an zwölf Textstellen durch gemeinsame Wortwahl, Änderungen der Wortfolge beziehungsweise durch Zusätze oder Auslassungen von der Abschriftengruppe 1 ab. Vergleicht man die inhaltlichen Gemeinsamkeiten der Textträger beider Abschriftengruppen miteinander, fallen vor allem gemeinsame Auslassungen von Wörtern oder Wortfolgen auf, die in jeweils einem Textzeugen aus beiden Abschriftengruppen vorkommen. Solche Auslassungen beschränken sich zumeist auf die Tilgung sinngleicher Adjektive, Substantive oder Verben, die in der Mitüberlieferung hintereinander stehen. Diese Doppelformen im Sinne von Heteronymen-Reihungen sind für Texte des 15. und frühen 16. Jahrhunderts charakteristisch, weil die sprachliche Situation im späten Mittelalter durch das Nebeneinander verschiedener Schriftdialekte gekennzeichnet war.30 In der Regel kamen solche Doppelformen zustande, weil Schreiber neben das Wort der Vorlage die ihnen gebräuchlichen Wörter gleicher beziehungsweise ähnlicher Bedeutung stellten, nicht zuletzt, um von Rezipienten aus verschiedenen Sprachlandschaften verstanden zu werden. Bei Abschriften wurde dann des Öfteren eine der Formen einfach getilgt. _____________ 27 28 29 30

Als Beispiele seien die Seiten und in SG1 angeführt (siehe dafür die Edition von SG1 im Kapitel V unter Pkt. 6). Zu inhaltlichen Modifikationen der Textzeugen siehe auch das Kapitel VI, Pkt. 3.4. Diese Zusätze findet man auf den Seiten , , , , , , , , -, -, , , , -, -, . Vgl. dazu Steinmetz, Bearbeitungstypen in der Literatur des Mittelalters, S. 51-54. – Es ist auch denkbar, dass die Textmodifikationen jeweils auf Vorlagenwechsel zurückzuführen sind. Siehe dazu etwa Bernhard Schnell, Verwendungsmöglichkeiten dialektologischer Ergebnisse in der Textkritik, in: W. Besch (Hg.), Dialektologie. Ein Handbuch zur deutschen und allgemeinen Dialektforschung, 2. Halbbd., Berlin/New York 1983, S. 1558-1568, hier S. 1562.

48

Vorstudien zur Edition des Textes

In den Zeugen des Textes von der besessenen Schwester Agnes treten gemeinsame Tilgungen in Textträgern aus beiden Abschriftengruppen gegen die Mitüberlieferung am häufigsten in M und C auf. Beispiele dafür sind: (1) Ich sagen üch, es sind alles sine wortt vnd siner vsserwelten frunden, die jr sentenzen vnd vrtail dar vber geben habend. (SG2, Z. 204-206). [sentenzen vnd fehlt M C] (2) Do bekannt ain swester offenlichen vnd sait, das sy gedacht hett, ob nun der tüffel die menschen leren sölt. (SG2, Z. 378f.). [die menschen fehlt M C] (3) Vnd er sprach, das jn dem tag des vrtail vil menschen werden funden, betrogen mit dem schynn der gaistlichait, dye der warhait nit lutter gevolget nach recht gelebtt hand. (SG2, Z. 515-517). [nach recht gelebtt fehlt M C] (4) (...) etliche kument träglichen vnd kum dar zu. (SG2, Z. 603). [vnd kum fehlt M C] (5) (...) nichtes wer, den ain torhait vnd ain vise vase (...) (SG2, Z. 741). [vnd ain vise vase fehlt M C]

Weitere gemeinsame Abweichungen von Textzeugen aus beiden Abschriftengruppen, die gegen die Mitüberlieferung gemeinsam vorkommen, weisen etwa B und C insgesamt gut zwanzig Mal als Zusätze, Tilgungen und Umstellungen auf. W und C weichen gemeinsam nur an zwei Textstellen von den anderen Textzeugen ab, W und SG1 nur an drei Stellen. In B und SG1 findet man sogar nur eine Formulierung, die gemeinsam von der Mitüberlieferung abweicht.31 2.3. Fehleruntersuchung Auch durch gemeinsame Fehler in verschiedenen Zeugen eines Textes können Abhängigkeitsverhältnisse dokumentiert sein. Als solche gemeinsame Fehler werden in der Folge evidente Verschreibungen,32 grammatikalische Inkorrektheiten, unbeabsichtigte Hinzufügungen sowie irrtümliche Auslassungen von Wörtern und Wortfolgen etwa durch Zeilen- beziehungsweise _____________ 31

32

Es handelt sich um den Satz: „(...) vnd bekant ir, das ich bekenn, ir solt euch nit geleiden mugen in diszen treck lenger zu beleiben“ (nach B, fol. ; in SG1, S. ). In der Mitüberlieferung lautet der Satz nach SG2: „Vnd erkanntten jr, das ich erkennen, jr wurdent nit lenger jn dysen drack begeren zu ligen vnd zu beliben.“ (Z. 391f.). Ausgenommen sind Metathesen und uneinheitliche Schreibweisen.

Die Abhängigkeitsverhältnisse der Textzeugen

49

Augensprünge aufgefasst. Ausschlaggebend für die Kennzeichnung als Fehler ist bei Auslassungen und Hinzufügungen jeweils, ob der Sinn der Satzaussage aufgrund der Abweichung zerstört ist.33 Fehler, durch welche die Abhängigkeit von Textzeugen wahrscheinlich wird, sind in den Textträgern der Abschriftengruppe 1 des Öfteren zu finden. SG2 und B etwa weisen gemeinsame irrtümliche Wortauslassungen oder Lücken auf wie in den folgenden zwei Beispielen: (1) Vff ain zitt warent aber die swestern by ain andern gesamlett vnd er sprach zu jnnen, das sy alle jr kranckait solten offenbaren vnd besunder die, dar zu [Wortauslassung] jnwendigen vermanet vnd jnnen fürgehalten wurden für die ogen jres hertzen (...) (SG2, Z. 598-601; B, fol. ).34 Zu ergänzen aus W und M ist: [sy]. (2) „Solt man,“ sprach er, „mit demüttigkait nit kumen mügen [Wortauslassung], von dannen wir nit mer dann mit ainem gedancken der hoffart vssgestossen sind?“ (SG2, Z. 781-783; B, fol. ). Zu ergänzen aus W und M ist: [da hen].

Bindefehler aufgrund gemeinsamer Lücken sind auch zwischen B und W festzustellen:35 (1) Do sprach der poß geist, es wer kain wunder [Lücke] von seiner suszigkeit. (B, fol. ; W, fol. ). Zu ergänzen aus SG2 und M ist: [das sy noch vngern da von schied wan es wer]. (2) Er antwort, das es nit in den avszwendigen dingen wer, dan sie het die gebresten in ir [Lücke] sesz sie auch gancz ledig. (B, fol. ; W, fol. ). Zu ergänzen aus SG2 und M ist: [selber sy wurd och die gebresten alle jn jr haben].

_____________ 33

34 35

Es wird demnach mit Joachim Heinzle unterschieden zwischen „absoluten Fehlern“, also solchen, „durch die der Text in sich sinnlos geworden ist“ und „relativen Fehlern“, worunter Lesungen zu verstehen sind, „die zwar in sich sinnvoll sind, aber sicher oder mit großer Wahrscheinlichkeit nicht im Original gestanden haben“; ders. (Hg.), Willehalm. Nach der Handschrift 857 der Stiftsbibliothek St. Gallen. Mittelhochdeutscher Text, Übersetzung, Kommentar. Mit den Miniaturen aus der Wolfenbütteler Handschrift und einem Aufsatz von Peter und Dorothea Diener, Frankfurt/ Main 1991 (= Bibliothek des Mittelalters 9 und Bibliothek Deutscher Klassiker 69), S. 808. Zitiert wird hier in der Fehleruntersuchung jeweils nach dem Textträger, der im Stellennachweis zuerst genannt ist. Eine einzelne gegenüber SG2 und M gemeinsam abweichende Aussage fasse ich jedoch nicht als Fehler auf, weil sie auch auf Zufall beruhen könnte. Es handelt sich um die Textstelle: „Hertigkeit des herczen ist zweyerleÿ. Eine ist dürheit des herczen die nit besunder andacht oder entpfintlich süszikeit in natur oder geist wolet (...)“ (B, fol. ; W, fol. ). In SG2 und M steht statt nit das Wort mit. Derartige ’gleiche Varianten‘ bezeichnet Thomas Bein generell nicht als Fehler; vgl. dazu ders., Textkritik. Eine Einführung in die Grundlagen der Edition altdeutscher Dichtung, Göppingen 1990 (= GAG 519), S. 26.

50

Vorstudien zur Edition des Textes

Auch bei den Textträgern SG2 und M sind gemeinsame Wortauslassungen als Bindefehler aufzufassen: (1) Ja, sin liebe ist so gross zu allen den, die von gantzen jrem hertzen zu jm gekertt sind, das er [Wortauslassung] der mynsten swester aine alle dyse ding wol solt lassen geschechen. (SG2, Z. 196-198; M, fol. ). Zu ergänzen aus B und W ist: [vmb]. (2) Och schickt gott vnd ordnett [Wortauslassung] offt vnder dye mynsten vmb das, das da durch uwer hoffartt vntter getruckt wird. (SG2, Z. 1223-1225; M, fol. : Auch so ord nÿrt got). Zu ergänzen aus B und W ist: [uch].

Innerhalb des Abschriftenpaares C – SG1 sind die Abhängigkeiten durch Fehler weniger signifikant. Man findet lediglich einen gemeinsamen Subjektwechsel, der grammatikalisch inkorrekt ist: Wan [die] uch straffent, vermanent oder scheltent vnd ir das übel vffnement vnd uch vnwirdeclich darwider hant, [die] gehörent alle zţ der pine vnd sollent also gebrant werden, das der dicke deckel als dünne wurt als ein dţch dardurch man wachs drucket. (C, fol. ; SG1, S. ). Zunächst sind die Oberen [die 1] das Subjekt, in der zweiten Satzhälfte [die 2] solche Schwestern, die nicht demütig Kritik annehmen.

Untersucht man die einzelnen Textzeugen beider Abschriftengruppen untereinander, so sind nur zwei gemeinsame Fehler von C und SG2 festzustellen. Es kommt eine sehr ähnliche Dittographie vor: Aber sy werden [aber sy werden] gar vngelich genumen (...) (SG2, Z. 107f.). Aber sú werdent [sú werdent] unglich genomen (...) (C, fol. ).

Außerdem erscheint eine gemeinsame grammatikalische Inkorrektheit: Dar zu sprach er, das er gern aller welt pen wolt lyden bys an den jungsten tag, vmb das er ainen ogenplick lang mocht jn dem ewigen leben sechen, [mocht] das er vormals da gesechen hat. (SG2, Z. 62-64; C, fol. ).

2.4. Folgerungen Aus den Untersuchungen zu den Abhängigkeitsverhältnissen der Textzeugen lassen sich folgende Ergebnisse ableiten: (1) Es ist von einer Abschriftengruppe B – M – SG2 – W auszugehen. Die Bindefehler zwischen B und SG2, B und W sowie zwischen SG2 und M machen gemeinsame Vorlagen dieser drei Handschriftenpaare sehr wahrscheinlich. Diese erschließbare(n) Vorlage(n) wird/werden im Folgenden als Redaktion 1 bezeichnet.

Die Abhängigkeitsverhältnisse der Textzeugen

51

Dass die Textzeugen B – M – SG2 – W bei den Abschriften auch gegenseitig als Vorlagen gedient haben, ist hingegen nicht zuletzt wegen der zahlreichen Sonderfehler unwahrscheinlich.36 Auch wenn von Abschriften der vier Textzeugen dieser Gruppe untereinander nicht auszugehen ist, lassen sich doch aufgrund von Abweichungen und Gemeinsamkeiten gewisse Zusammengehörigkeiten feststellen: Die Textzeugen B und W weisen gegenüber SG2 und M ganz deutlich mehr Gemeinsamkeiten auf. Der Text von M wurde, verglichen mit den anderen Textträgern der Abschriftengruppe, erheblich bearbeitet, was vor allem an Textkürzungen erkennbar wird. SG2 und M liegen zwar nicht so eng beieinander wie B und W, besitzen im Vergleich mit diesen Textzeugen aber doch mehr Gemeinsamkeiten. Eine gemeinsame Zwischenstufe, die SG2 und M vorausging, ist deshalb denkbar. Als Ergebnis der Fehleruntersuchung und der Analyse von Textauslassungen und -zusätzen sowie Textumstellungen lässt sich folgendes Schema der Abhängigkeitsverhältnisse der Textzeugen aus der Abschriftengruppe 1 erstellen:37 Redaktion 1 XX W

B

(X) M

SG2

(2) Die Textzeugen C und SG1, die über längere Passagen erheblich voneinander abweichen, sind jeweils unikal überlieferte Bearbeitungen mit signifikanten textlichen Unterschieden. Der Adaptionsgrad dieser Unterschiede ist deutlich ausgeprägter ist als ihr Intentionsgrad.38 Trotz ihrer _____________ 36

37 38

In SG2 kommen (nicht nur bei Seitenwechseln) allein Dittographien gegen die Mitüberlieferung knapp zwanzigmal vor. Es handelt sich um folgende Textstellen und Wörter beziehungsweise Wortfolgen: leben (Z. 61), das (Z. 101), herr (Z. 236), furbas (Z. 277), dÿse (Z. 301), jr (Z. 493), fürbas (Z. 564), ding (Z. 743), ist (Z. 1055), aber (Z. 1061), sagen (Z. 1090), den (Z. 1166), selber (Z. 1264), es (Z. 1268), mit (Z. 1280), nemen (Z. 1329f.), gott (Z. 1363), 0berflüssigkait ani klaidern vnd ain ander (Z. 1401), den (Z. 1477). – Weitere Sonderfehler von SG2 findet man unter anderem in den Zeilen 165 und 814f. Die Zeichen XX stehen für die erschlossene(n) Vorlage(n) der Redaktion 1, die Zeichenfolge (X) für eine mögliche Zwischenstufe. Siehe zu dieser terminologischen Differenzierung Steinmetz, Bearbeitungstypen in der Literatur des Mittelalters, S. 51-54.

52

Vorstudien zur Edition des Textes

beträchtlich differierenden Umfänge sind C und SG1 aber auf eine oder mehrere gemeinsame Vorlagen zurückzuführen. Wegen inhaltlicher Übereinstimmungen von Textpassagen, die nicht in der Abschriftengruppe 1 erscheinen, ist jedoch von anderen Vorlagen auszugehen als bei den Textzeugen der Abschriftengruppe 1. Diese erschlossene(n) Vorlage(n) des Abschriftenpaares C – SG1 wird/werden in der Folge als Redaktion 2 bezeichnet. Da C und SG1 Textteile aufweisen, die auch in den Kurzfassungen vorkommen, ist eine Verbindung von C – SG1 und Bln – Br möglich, gemeinsame Vorlagen dieser vier Textträger sind gut denkbar. (3) Die weitgehende inhaltliche Übereinstimmung beider Redaktionen in der ersten Texthälfte sowie die Bindefehler zwischen SG2 und C machen wahrscheinlich, dass Abschriften aus der Redaktion 1 auch der Redaktion 2 bekannt waren. Obwohl die meisten Textträger der Abschriftengruppe 1 früher entstanden sind als der Textzeuge C, ist es gut möglich, dass die Redaktion 2 der Redaktion 1 vorausging. Zum einen lassen die nahe beieinanderliegenden Entstehungszeiten aller Textträger keine Schlüsse auf Abhängigkeitsverhältnisse zu, zum anderen sind jeweils ältere Textzeugen beider Redaktionen vorstellbar. (4) Wegen der verschiedenen Fassungen des Textes, seiner Kürzungen, Ergänzungen und Umstellungen ist deutlich, dass die Textentwicklung und damit die Überlieferung nicht vertikal verlaufen sind.39 Da die an der Überlieferung Beteiligten nicht mit der Absicht gearbeitet haben, ihre Quelle getreu wiederzugeben, kann kein Stemma erstellt werden,40 sondern lediglich ein Schema, das die wahrscheinliche textgeschichtliche Entwicklung auf der Grundlage von Abhängigkeitsverhältnissen der erhaltenen Textzeugen veranschaulicht. Ein solches Schema besitzt nur einen eingeschränkten textkritischen Aussagewert. Es kann und soll keinen Beitrag zur Rekonstruktion des Urtextes leisten.41 _____________ 39 40 41

Vgl. dazu ganz allgemein Karl Stackmann, Mittelalterliche Texte als Aufgabe, in: W. Foerste und K. H. Borck (Hgg.), FS Jost Trier zum 70. Geburtstag,, Köln/Graz 1964, 241-267, hier S. 246. Siehe zu dieser Schlussfolgerung die generellen Ausführungen von Thomas Bein in ders., Textkritik, S. 29 und 31f. Volker Honemann weist im Zusammenhang mit Überlegungen zu Autographen einschränkend darauf hin, dass man sich den Ursprung von Textüberlieferungen nicht als ein „einziges, fehlerfreies und textlich eindeutiges Autograph“ vorzustellen habe, sondern dass nicht selten von einer „Fläche“ auszugehen sei mit mehr als einer Linie der Textentwicklung; siehe dazu ders., Autographische Überlieferung mitterlalterlicher deutscher Literatur, S. 824.

Schematische Darstellung der wahrscheinlichen Textentwicklung

53

3. Schematische Darstellung der wahrscheinlichen Textentwicklung Urtext aus Ten Orten

Kurzfassung(en) X X

Textveränderungsprozesse Übersetzung in das Lateinische

Langfassung(en) X X

Bln - 15. Jh. (mittelniederl.)

{Redaktion 1} X X

W - 1474 (hessisch)

Langfassung(en) (X)

X {Redaktion 2} X

M - 1486 (bairisch) SG2 - 1498 (alem.)

B - um 1500 (bairisch)

C - um 1500 (elsässisch)

SG1 - 15. Jh. (schwäb./alem.)

Br - 1500 (lateinisch)

54

Vorstudien zur Edition des Textes

4. Eine Mehrfassungs-Edition als Konzept Die Untersuchungen zur Überlieferung des Textes von der besessenen Schwester Agnes und zu den Abhängigkeitsverhältnissen seiner Textzeugen haben unter anderem gezeigt, dass der Text in einer Kurzfassung und in einer Langfassung überliefert ist. Die Textträger der Langfassung können zwei Redaktionen zugeordnet werden. C, SG1 und M sind erheblich bearbeitet. Da sich der Editor den überlieferungsgeschichtlichen Bedingungen zu fügen hat,42 ist die Darbietung des Textes in einer einzigen Edition, als eine ’Goldene Mitte der Redaktionen‘, nicht möglich. Dem Vorschlag von Werner Besch, bei der Textpräsentation in wissenschaftlichen Editionen nach einem gestuften Anforderungskatalog vorzugehen, der am jeweiligen Text orientiert ist und Kompromisse zulässt,43 ist grundsätzlich beizupflichten. Die von Oskar Reichmann und Franz Simmler geforderten Maximalkataloge44 dürften hingegen bei umfangreichen Texten mit Mehrfachüberlieferung, insbesondere unfesten Texten des Spätmittelalters, kaum sinnvoll in die Praxis umsetzbar sein. Auch diplomatische Abdrucke aller Überlieferungsträger45 werden nur in den seltensten Fällen zu realisieren sein.46 Will man aber die wichtigsten Etappen der Textentfaltung editorisch dokumentieren und die maßgeblichen Ausformungen des Textes, seine Umwandlungsstationen, zur Darstellung bringen,47 so ist eine Mehrfassungs-Edition _____________ 42 43

44

45 46

47

Vgl. dazu Karl Stackmann, Varianz der Worte, der Form und des Sinnes, in: ZfdPh 116 (1997), Sonderheft: H. Tervooren und H. Wenzel (Hgg.), Philologie als Textwissenschaft. Alte und neue Horizonte, Berlin 1997, S. 130-149, hier S. 145. Siehe dafür Werner Besch, Editionsprinzipien in interdisziplinärer Abstimmung. Annäherungen bei der Herausgabe deutscher Texte der frühen Neuzeit, in: M. Nikolay-Panter, W. Janssen und W. Herborn (Hgg.), Geschichtliche Landeskunde der Rheinlande. Regionale Befunde und raumübergreifende Perspektiven. Georg Droege zum Gedenken, Köln/Weimar/Wien 1994, S. 467-489, hier S. 484. Siehe dazu Reichmann, Editionsprinzipien für deutsche Texte des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit, in: W. Besch, O. Reichmann und S. Sonderegger (Hgg.), Sprachgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung, Erster Halbband, Berlin/New York 1984 (= HSK 2.1.), S. 693-703, hier S. 697-700 und Simmler, Edition und Sprachwissenschaft, in: H.-G. Roloff (Hg.), Editionsdesiderate zur Frühen Neuzeit. Beiträge zur Tagung der Kommission für die Edition von Texten der Frühen Neuzeit, 2. Teil, Amsterdam 1997 (= Chloe, Beihefte zu Daphnis 25), S. 851-935, hier S. 853. Siehe zu dieser Forderung Simmler, Edition und Sprachwissenschaft, S. 853. Karin Kranich-Hofbauer gebrauchte in ihrem Vortrag beim Kapruner Symposium zur Bilanz der Spätmittelalterforschung 1999 den Terminus ’historisch-diplomatische Methode der Edition‘. Unter ’historisch‘ sei die historische Authentizität der Vorlage zu verstehen unter ’diplomatisch‘ der urkundliche Aspekt, der von einem charakteristischen unkorrigierten Status Zeugnis gebe. Vgl. dazu Georg Steer, Textgeschichtliche Edition, in: K. Ruh (Hg.), Überlieferungsgeschichtliche Prosaforschung, Tübingen 1985 (= TTG 19), S. 37-52, hier S. 52.

Eine Mehrfassungs-Edition als Konzept

55

erforderlich.48 Sie ermöglicht es, wesentliche Spezifika des Textes schon durch seine Präsentation vor Augen zu führen. Zudem wird durch eine Mehrfassungs-Edition die individuelle Sprachgestalt der historischen Abschriften bewahrt. Eine Edition der Kurzfassung liegt bereits vor.49 Sie war schon deshalb geboten, weil diese Fassung aus der Region stammt, in welcher der Text seinen Ursprung hat. Die Redaktionen der Langfassung weichen in großen Textteilen erheblich voneinander ab. Ihre Darbietung muss deshalb in mehreren Editionen erfolgen. Die Textzeugen der Abschriftengruppe 1 sind als Basis eines kritischen Textes besser geeignet als die der Abschriftengruppe 2, weil die vier Textträger insgesamt recht nah beieinander liegen. Die nur zwei Textzeugen der Abschriftengruppe 2 gehen demgegenüber weniger gut zusammen. Legt man sich deshalb für die Anfertigung einer kritischen Textedition auf die Zeugen der Abschriftengruppe 1 fest, so ist zunächst zu entscheiden, ob der Versuch unternommen werden soll, die ursprüngliche Gestalt des Textes der Redaktion 1 zu rekonstruieren, oder ob im überlieferungskritischen Zugriff ein historischer Text aus dieser Abschriftengruppe nach dem Prinzip der kritisch gebesserten Leithandschrift zu edieren ist. Da es weder nachgewiesen werden kann noch aus irgendwelchen Gründen wahrscheinlich ist, dass es sich bei der Redaktion 1 um den Autortext han- delt und deswegen von einer durch Textmutationen entstandenen Langfassung auszugehen ist, fällt die Entscheidung zugunsten einer historischen, konkret fassbaren Rezeptionsstufe des Textes und damit einer überlieferungskritischen Edition nach dem Leithandschriftprinzip aus.50 _____________ 48

49

50

Schon 1967 stellte Gabriele Schieb fest, dass der Editor anstreben kann, „verschiedene Redaktionen oder Entwicklungsphasen eines Textes kritisch vorzulegen, was bei gewissen Typen literarischer Überlieferung notwendig sein kann“; dies., Editionsprobleme altdeutscher Texte, in: PBB 89 (Halle, Saale 1967), S. 404-430, hier S. 407. – Solche Editionen sind auf der Grundlage von spezifischen Überlieferungsbefunden schon des Öfteren vorgelegt worden; dazu etwa die Aufzählung bei Wolfgang Achnitz, Der Ritter mit dem Bock. Konrad von Stoffeln ›Gauriel von Muntabel‹, neu hrsg., eingel. u. kommentiert, Tübingen 1997 (= TTG 46), S. 123, Anm. 24. Siehe Borries, Die besessene Schwester Agnes, S. 19-33. Obwohl der Brüsseler Textzeuge insgesamt etwas wortreicher und anschaulicher berichtet, habe ich den mittelniederländischen Text aus der Berliner Handschrift ediert, weil dieser früher entstand und genauer mit den älteren Textfassungen der deutschsprachigen Überlieferung zusammengeht. – Außerdem hat John van Engen eine vollständige Edition des Brüssler Codex (Koninklijke Bibliotheek Albert I, Hs. 8849-8859) angekündigt, in dem sich die lateinische Handschrift des Textes befindet; siehe dafür Kock, Die Buchkultur der Devotio moderna, S. 277. Vgl. zu dieser Vorgehensweise die allgemeinen Ausführungen von Ruh, Votum für eine überlieferungskritische Editionspraxis, S. 35-37 und Bein, Editionsprinzipien für deutsche Texte des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit, S. 925.

56

Vorstudien zur Edition des Textes

Der älteste Textzeuge in der Wiener Handschrift scheidet als Leithandschrift aus, weil er an einigen Stellen durch sehr große Tintenflecke verderbt ist.51 Außerdem ist er gegen die Mitüberlieferung der Abschriftengruppe 1 durch Auslassungen und Zusätze modifiziert. Eine derartige Bearbeitungstendenz zeigt der Münchner Textzeuge in noch stärkerem Maß. Die Handschrift B ist mit mangelnder Sorgfalt abgeschrieben worden und weist im Vergleich zu SG2 ganz deutlich mehr Fehler auf,52 weshalb SG2 gegenüber B der Vorzug einzuräumen ist. Bei dem kurzen Überlieferungszeitraum der Textzeugen der Redaktion 1 (1474-1500) ist für die Wahl von SG2 zur Leithandschrift neben der Vollständigkeit dieses Textzeugen also vor allem die textliche Qualität seiner Überlieferung ausschlaggebend.53 Die Edition der Langfassung in der Redaktion 2 muss nach einer anderen Methode erfolgen. Wie die Untersuchungen zu den Abhängigkeitsverhältnissen der Textzeugen gezeigt haben, gehen zwar die ersten Textteile der Textzeugen C (fol. -) und – in eingeschränktem Maße – auch in SG1 (S. -) im Wortlaut recht genau mit den Textträgern aus der Redaktion 1 zusammen. Nach dem ersten Textdrittel aber (ab fol. ) weicht C über weite Passagen von der Redaktion 1 nicht nur stark ab, sondern bietet einen ausführlicheren, bisweilen eigenständigen Text. Im Textzeugen SG1 ist der Wortlaut sogar schon vom Textbeginn an gegenüber dem der Abschriftengruppe 1 verändert. Beschränken sich die Abweichungen von SG1 in der ersten Texthälfte aber überwiegend auf Textkürzungen beziehungsweise auf Auslassungen von Wörtern und Wortfolgen sowie auf Umstellungen von Sinneinheiten, bei sonst recht genauer Übereinstimmung mit den Textzeugen der Abschriftengruppe 1, so bietet SG1 in der zweiten Texthälfte einige umfangreichere Zusätze und erläuternde Differenzierungen wichtiger Begriffe. Insgesamt gesehen sind die Umgestaltungen beider Textzeugen im Vergleich so durchgreifend, dass jeweils Editionen der von der Abschriftengruppe 1 abweichenden Textteile von C und SG1 erforderlich sind, um den Text in seinen verschiedenen Redaktionen und Bearbeitungen vorzulegen. Zusammenfassend ist festzuhalten: Mit dem Konzept der Kombination einer Edition nach dem Prinzip der kritisch gebesserten Leithandschrift (Redaktionstext 1) und paralleler Teileditionen von C und SG1, werden zusätz_____________ 51 52 53

Es handelt sich um nachträglich entstandene Tintenflecke auf fol. , , und ; vgl. dazu Menhardt, Verzeichnis der Altdeutschen Literarischen Handschriften der Österreichischen Nationalbibliothek, Bd. 2, S. 753. Vor allem evidente Verschreibungen und Wortauslassungen, durch die der Sinn der jeweilige Aussage verloren geht. Zu diesem Entscheidungskriterium für die Wahl von Leithandschriften siehe Oskar Reichmann, Editionsprinzipien für deutsche Texte des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit, S. 697f.

Eine Mehrfassungs-Edition als Konzept

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lich zu der bereits vorliegenden Edition der Kurzfassung ein vollständiger historischer Text aus der Abschriftengruppe 1 sowie Editionen der von dieser Textzeugengruppe stark abweichenden Textteile von C und SG1 dargeboten. Alle Editionen zusammen sollen der Varianz des Textes gerecht werden und auch die Varianz der Textzeugen verdeutlichen. Ein wesentliches Ziel dieses Editionskonzeptes besteht also darin, den Prozess der Textveränderung transparent werden zu lassen, die spezifische Offenheit des Textes zu vermitteln.54

5. Die Anlage der Edition Eine Präsentation der Textredaktionen nebeneinander in Spalten ist nicht möglich. Wegen der vielfältigen Eintragungen, Anmerkungen und Hinweise im Apparat zur Edition von SG2 und der schon wegen der abweichenden Lesartenerfassung notwendig anders gestalteten Apparate zu den Teileditionen von C und SG1 ist eine dreispaltige synoptische Edition drucktechnisch kaum zu realisieren.55 Sie wäre zudem erst mit den in C und SG1 vom Redaktionstext 1 abweichenden Textteilen überhaupt sinnvoll. Aufgrund der erheblichen Zusätze und Abweichungen von C müssten im zweiten Textteil dann aber über viele Seiten hinweg zwei Spalten jeweils unbedruckt bleiben. Da SG1 gegenüber dem Redaktionstext 1 nahezu halbiert ist, hätte dies außerdem zur Folge, dass auch in der Spalte, in der SG1 dargeboten würde, über weite Passagen kein Text stünde. Eine solche Darbietung der Edition wäre unübersichtlich und unökonomisch. Sie würde zudem den ohnehin nicht unbeträchtlichen Umfang der Edition noch erheblich vergrößern. Lesern ist sie kaum zuzumuten, weshalb ich davon Abstand nehme. Die Editionen werden deshalb nacheinander präsentiert. Auf die Edition des Redaktionstextes 1 nach der Leithandschrift SG2 folgt also zunächst die Teiledition von C und daran anschließend die Teiledition von SG1. _____________ 54

55

Eine Forderung, die in der New Philology immer wieder aufgestellt wurde; dazu R. Schnell, Was ist neu an der ’New Philology‘, S. 86. – Bei allen Überlegungen zu einem geeigneten Editionskonzept ist jedoch stets im Bewusstsein zu behalten, was Martin-Dietrich Gleßgen und Franz Lebsanft formuliert haben: „Zwischen den Polen von faktischer und ideeller Authentizität bewegen sich unsere Approximationsversuche, die Editionen“; dieselben, Von alter und neuer Philologie Oder: Neuer Streit über Prinzipien und Praxis der Textkritik, in: dieselben (Hgg.), Alte und neue Philologie, Tübingen 1997 (= Beihefte zu editio 8), S. 1-14, hier S. 10. Auch die Vorgehensweise, alle Abweichungen des Textsinns von C und SG1 gesondert, also in einem eigenen Teil der Edition, aufzuführen und zu erörtern, wie es Stackmann zur Darstellung von Textvarianz vorschlägt, wäre beim Text von der besessenen Schwester Agnes weder weniger aufwendig noch führte sie zu einer besser überschaubaren Textpräsentation; siehe zu dieser Vorgehensweise Stackmann, Varianz der Worte, der Form und des Sinnes, S. 146f.

IV. Edition des Redaktionstextes 1 nach SG2 1. Editionsprinzipien Die Editionsprinzipien beruhen auf den Intentionen, den Textzeugen möglichst gut lesbar zu präsentieren, die verschiedenen Eintragungen im Apparat übersichtlich und sinnvoll zu gestalten, nicht häufiger als nötig in den überlieferten Text einzugreifen sowie Verständnishilfen zur Sprache und zum Inhalt des Textes zur Verfügung zu stellen. Um diese Editionsprinzipien umzusetzen, wird zur Edition ein Apparat in drei Teilen geboten. Die einzelnen Teile werden zur Verdeutlichung jeweils durch Striche voneinander abgesetzt. 1.1. Der dreiteilige Apparat (1) Im ersten Teil des Apparates stehen – direkt unter dem edierten Text – die Lesarten1 und die Nachweise aller Textbesserungen, die gegebenenfalls mit Erklärungen versehen sind. Sämtliche Lesarten werden diplomatisch wiedergegeben, erscheinen also ohne Interpunktion und Emendation.2 Ausgenommen hiervon sind Abbreviaturen, die aufgelöst werden. (2) Im zweiten Teil des Apparates erfolgen Anmerkungen zum sprachlichen Verständnis, das heißt, Erläuterungen zu einzelnen grammatischen Formen oder syntaktischen Strukturen, zu sprachlichen Besonderheiten gegenüber dem Mittelhochdeutschen. Für Erklärungen sprachlicher Eigenheiten, die detailliertere Darstellungen erfordern, wird jeweils auf die Sprachbeschreibung zum Textzeugen verwiesen. Beide Verständnishilfen können und sollen nicht die Anforderungen erfüllen, die an einen sprachwissenschaftlichen Kommentar zu stellen wären. Des Weiteren werden an dieser Stelle des Apparates Übersetzungsangebote und Paraphrasen für das Textverständnis gegeben sowie Erläuterungen zum Wortbestand, also etwa zur landschaftlichen Gebundenheit von einzelnen Wörtern. _____________ 1 2

Siehe für Ausführungen zum Begriff den Punkt 1.1.1. dieses Kapitels. Vgl. dazu Stackmann, Varianz der Worte, der Form und des Sinnes, S. 146.

Editionsprinzipien

59

(3) Im dritten Teil des Apparates werden Quellenangaben angeführt, die gegebenenfalls durch Zitate aus den jeweiligen Bezugstexten ergänzt werden.3 Außerdem wird auf Quellen hingewiesen, in denen die entsprechenden Textstellen beziehungsweise Textinhalte sehr ähnlich zu finden sind. Es erfolgen hier zudem Nachweise von Sprichwörtern und Redensarten sowie die Verweise auf alle Stellenkommentare und auf einzelne Kapitel der Studie. Um Stellen innerhalb des Textes vergleichen zu können oder Rückbezüge beziehungsweise Vorgriffe im Text nachzuweisen, stehen im dritten Apparatteil zudem zahlreiche Querverweise. Kommen in einer Zeile der Edition nach SG2 gleiche Wörter mehrfach vor, so steht zur eindeutigen Identifikation des im Apparat angeführten Textabschnitts gegebenenfalls eine nummerische Angabe, die im Apparat nach dem betreffenden Wort in Klammern erscheint [z. B. „vnd (2)“]. Dadurch sollen Missverständnisse bei der Kennzeichnung von Textstellen ausgeschlossen werden. 1.1.1. Die Dokumentation der Lesarten Die meist sehr große Anzahl von Lesarten und Varianten4 bei geistlichen Prosatexten des 15. Jahrhunderts erfordert für die Edition solcher Texte eine Auswahl.5 Längst ist erkannt worden, dass der Arbeitsaufwand, der notwendig wäre, um alle Lesarten und Varianten zu dokumentieren, in keinem Verhältnis zum sprachwissenschaftlichen Nutzen steht.6 ’Lesartenfriedhöfe‘ sind für eine umfassende Beschreibung des Frühneuhochdeut_____________ 3 4

5 6

Bei Zitaten aus der Bibel oder bei Anspielungen auf Bibelstellen unterbleibt in jedem Fall die Wiedergabe des genauen Bezugstextes. Im Folgenden werden in Anlehnung an Joachim Bumke – ähnlich wie auf der Textebene Fassungen von Versionen – Lesarten von Varianten unterschieden. Beruhen Lesarten auf bewussten Modifikationen, sind also Produkte eines Gestaltungswillens, so sind Varianten Veränderungen, die sich im Laufe des volkssprachlichen Überlieferungsprozesses eingeschlichen haben; vgl. dazu ders., Untersuchungen zur Überlieferungsgeschichte der höfischen Epik im 13. Jahrhundert, S. 290, Anm. 120 u. S. 301f. und ders., Die vier Fassungen der ’Nibelungenklage‘, S. 42ff. – Anders als Bumke spricht Hans-Gert Roloff von „Überlieferungsvarianten“, von Varianten also, die im Gegensatz zu Autorvarianten durch Textänderungen von Redaktoren, Bearbeitern, Korrektoren oder Schreibern entstanden sind; siehe zum Terminus ders., Zur Relevanz von Varianten und Lesarten, in: L. Mundt, H.-G. Roloff u.a. (Hgg.), Pro- bleme der Edition von Texten der Frühen Neuzeit. Beiträge zur Arbeitstagung der Kommission für die Edition von Texten der Frühen Neuzeit, Tübingen 1992 (= Beihefte zu editio 3), S. 2-14, hier S. 2, Anm. 1. Vgl. dazu auch die Ausführungen von Thomas Bein zur Notwendigkeit der Selektion von Varianten in seinem Beitrag Editionsprinzipien für deutsche Texte des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit, S. 928 Vgl. beispielsweise Roloff, Zur Relevanz von Varianten und Lesarten, S. 7.

Edition des Redaktionstextes 1 nach SG2

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schen ohnehin kaum auszuwerten.7 Hans-Gert Roloff fordert deshalb zu Recht, die Auswahl der Lesarten und Varianten „vom Blickpunkt der Überlieferungsgeschichte des Textes“ zu konzipieren und nicht von dem der „sprachwissenschaftlichen Dienstleistung“.8 Thomas Bein stellt fest, dass die Apparate heutzutage vornehmlich von ’textkritisch relevanten‘ Lesarten geprägt seien, wobei unter Relevanz überwiegend Sinnvariation oder grammatikalische Variation zu verstehen sei.9 Bezüglich der Lesartenauswahl für die Edition des Textes von der besessenen Schwester Agnes konzentriere ich mich auf diese Textvariationen. Darunter fallen lexikalische und syntaktische Lesarten, die aufgrund einer anderen Wortwahl oder einer differierenden syntaktischen Struktur von textgeschichtlichem und textexegetischem Interesse sind. Syntaktische und lexikalische Varianten hingegen wie differierende Wortstellungen, Variation durch Hilfsverben, unterschiedliche Formen der Verneinung, Füllwörter, abweichende Wortbildungen, mundartliche Synonyme und synonyme Präpositionen bleiben jeweils unberücksichtigt. Auch Wörter oder Wortgruppen gleicher Bedeutung sowie iterierende Varianten werden nicht im Apparat angeführt. Es erscheinen generell also solche Lesarten im Apparat, durch die der Sinn des Textes in irgendeiner Weise verändert wird oder klarer zum Ausdruck kommt,10 die also für die Textaussage von Bedeutung sind und deshalb für die Ziele der Untersuchung aufschlussreich sein können. Bei sprachlich oder inhaltlich unverständlichen Textstellen in SG2 wird nach Möglichkeit auf Lesarten der anderen Textzeugen zurückgegriffen, um den Textsinn zu verdeutlichen. Vor der Texterstellung für die Edition wurde eine Kollation der Textzeugen der Abschriftengruppe 1 in der Reihenfolge B – W – M durchgeführt. Da die Textzeugen der Abschriftengruppe 2 in ihren ersten Textteilen im Wortlaut recht genau mit dem Redaktionstext 1 zusammengehen, wurden diese ersten Textteile von C und SG1 ebenfalls kollationiert. Ihre relevanten Lesarten werden auch in den Apparat aufgenommen. Aus den zweiten Textteilen von C und SG1 werden hingegen auch bei Übereinstimmungen von Textpassagen mit dem Wortlaut von SG2 keine _____________ 7 8 9 10

Vgl. Roloff, Zur Relevanz von Varianten und Lesarten, S. 10f. Ebd. S. 13. Thomas Bein, Editionsprinzipien für deutsche Texte des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit, S. 929. In Zweifelsfällen wurde jeweils zugunsten einer Aufnahme in den Lesartenapparat entschieden.

Editionsprinzipien

61

Lesarten in den Apparat aufgenommen, weil diese Textteile von C und SG1 in Teileditionen dargeboten werden. Sofern Lesarten der Textzeugen Bln und Br zur Verdeutlichung des Textsinns beitragen können, werden auch sie berücksichtigt. Die Lesarten werden im Apparat nach den Abhängigkeitsverhältnissen der Textzeugen in der Reihenfolge B – W – M – C – SG1 – Bln – Br angeführt. 1.1.2. Kommentare zur Sprache und zum Inhalt als Angebot Die Gestaltung von Erläuterungen und Kommentaren zu Textstellen von Editionen ist ein diffiziles Thema. Werden zu wenige Kommentare geboten, fühlt sich der Leser mit schwierigen Textstellen allein gelassen. Der Editor sieht sich zudem dem Vorwurf gegenüber, sich mit dem Text nicht in ausreichender Weise auseinandergesetzt zu haben. Wird zu viel kommentiert, kann das als überflüssig oder sogar als störend empfunden werden. Diesbezüglich ein rechtes Maß zu finden, ist kaum möglich, weil bei jedem Leser von einem unterschiedlichen Vorwissen ausgegangen werden muss. Einheitliche Richtlinien zur Kommentierung existieren nicht. Es kann sie auch nicht geben, weil jeder Text ein spezieller ist. Der Umfang des Kommentars einer Edition liegt also im Ermessen des Editors. Zur Funktion und Bedeutung des Editionskommentars konstatiert Hans-Gert Roloff, dass „die Gestaltung eines Kommentars eine subtile wissenschaftlich-individuelle Leistung“ darstelle und ganz der Verantwortung des Editors unterliege.11 Stellenkommentare seien immer mehr zur materialen Hilfestellung für die Texterschließung geworden, weshalb diese Kommentarform in den letzten Jahren „zur dritten Säule einer anspruchsvollen Edition avanciert“12 sei. In der Zeit interdisziplinärer Forschung soll der Text von der besessenen Schwester Agnes von Lesern mit verschiedenem Hintergrund und Vorwissen möglichst ohne Verständnisschwierigkeiten schnell und umfassend rezipiert werden können. Da er mir nicht nur für Philologen lesenswert erscheint, sollen die Hinweise und Erläuterungen zu seiner Sprache im zwei_____________ 11

12

Hans-Gert Roloff, Fragen zur Gestaltung von Kommentaren zu Textausgaben der Frühen Neuzeit, in: L. Mundt, H.-G. Roloff und U. Seelbach (Hgg.), Probleme der Edition von Texten der Frühen Neuzeit. Beiträge zur Arbeitstagung der Kommission für die Edition von Texten der Frühen Neuzeit, Tübingen 1992 (= Beihefte zu editio 3), S. 130-139, hier S. 139. Ebd. S. 134. Einen wichtigen Grund für die zunehmende Bedeutung des Stellenkommentars sieht Roloff, verglichen mit der subjektiveren Interpretation, in der stärkeren Objektivität und damit Wissenschaftlichkeit des Stellenkommentars; ders., Fragen zur Gestaltung von Kommentaren zu Textausgaben der Frühen Neuzeit, S. 131.

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Edition des Redaktionstextes 1 nach SG2

ten Teil des Apparates vor allem dem philologisch weniger geschulten Leser die Lektüre erleichtern. Die Hilfen zum Verständnis der Textinhalte im zweiten und dritten Apparatteil sowie gesonderte Stellenkommentare halte ich für erforderlich, weil der Text mit modernen Denkkategorien bisweilen kaum nachvollziehbar ist.13 Insbesondere werden Leser, die mit den katholischen Glaubensvorstellungen des 15. Jahrhunderts weniger vertraut sind, nicht wenige Textinhalte als fremd empfinden. An diese Leser wurde bei der Auswahl der Textstellen, die kommentiert wurden, und bei der Formulierung der einzelnen Stellenkommentare in erster Linie gedacht. Sowohl die Bemerkungen zur Sprache und zum Inhalt des Textes in den Apparaten als auch die Sprachbeschreibung und die Stellenkommentare zu einzelnen Textinhalten sind also als ein Angebot zu verstehen, nicht als eine für jeden Leser in jedem Fall notwendige Lektüre zum Verständnis des Textes. Wegen des beträchtlichen Umfangs der Kommentierung mit insgesamt einundneunzig Kommentaren auf zweiundsechzig Seiten, können die einzelnen Stellenkommentare nicht im Apparat und damit am Ende der jeweiligen Textseiten platziert werden, sondern sind direkt im Anschluss an die Edition des Textzeugen SG2 unter einem gesonderten Gliederungspunkt anzuführen. In diesem Editionskommentar der Textinhalte werden die zu kommentierenden Textstellen jeweils eingangs in ihrem Kontext wiedergegeben. Dadurch sollen einzelne Stellenkommentare sinnvoll gelesen werden können, auch ohne die entsprechende Textstelle in der Edition einsehen zu müssen. Außerdem wird so eine geschlossene Lektüre des Editionskommentars der Textinhalte ermöglicht. Die Anordnung der Stellenkommentare richtet sich nach der Zeilenzählung der Edition. Dieser Zählung folgend sind die einzelnen Kommentare durchnummeriert. In der gesamten Arbeit erfolgen alle Verweise auf die Stellenkommentare nach dieser Nummerierung. Auf Kommentare, die zum Verständnis wesentlicher Inhalte des gesamten Textes wichtig sind, wird an mehreren Stellen im Apparat verwiesen und auch an entsprechenden Stellen in den Untersuchungsteilen der Arbeit. So wird der Zugang zu diesen Kommentaren ermöglicht, auch wenn nur Teile der Edition beziehungsweise der gesamten Studie rezipiert werden. Um der Gefahr von Unübersichtlichkeit durch zu viele Stellenkommentare zu entgehen, wird zu Termini, die an verschiedenen Textstellen mit unterschiedlichem Bedeutungsgehalt vorkommen, nur ein Kommentar verfasst, in dem die einzelnen Wortbedeutungen erläutert werden. Auf solche _____________ 13

Vgl. zur Formulierung die diesbezüglichen Einschätzungen Acklin Zimmermanns zu den dominikanischen Schwesternbüchern des 14. Jahrhunderts, dies., Gott im Denken berühren, S. 2.

Editionsprinzipien

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Kommentare wird dann wiederholt – jeweils an den entsprechenden Textstellen – verwiesen. Bei den Ausführungen zur vita communis der Schwestern war in den Stellenkommentaren bevorzugt auf Quellentexte aus Häusern der Schwestern vom gemeinsamen Leben zurückzugreifen sowie auf Monographien und andere Untersuchungen zur Devotio moderna, weil der Text von der besessenen Schwester Agnes ursprünglich aus dem Milieu der Devotio moderna stammt. Die Provenienz der Leithandschrift SG2 wurde aber ebenso im Auge behalten. Zusätzlich zu den Kommentaren einzelner Textstellen wird ein ’Kommentar‘ zu den Schwerpunkten des gesamten Textes geboten (Kapitel VI und X). Roloff spricht im Zusammenhang mit solchen Erläuterungen von „Übersichtskommentaren, in denen die Supra-Strukturen des Textes dargestellt werden.“14 Da in diesen Teilen der Arbeit auch analytische und interpretierende Ausführungen erfolgen, spreche ich allgemeiner von ’Untersuchungen‘ zum Text beziehungsweise von dessen ’Einordnung‘. Überschneidungen von Erklärungen in beiden Verständnishilfen sind nicht ganz auszuschließen, bisweilen sind sie beabsichtigt, denn die Erläuterungen von isolierten Textstellen in Stellenkommentaren kann zu Missverständnissen oder zu Verengungen von Begriffen führen, weil jeweils nur spezielle Aspekte bestimmter Themen beziehungsweise Termini berücksichtigt und erklärt werden.

1.2. Das Problem ’Normalisierung‘ Zur Normalisierung von Schreibweisen in Editionen mittelalterlicher Texte wird seit geraumer Zeit eine Debatte geführt. Thomas Bein nennt einige Exponenten dieser Diskussion und stellt fest, dass die Tendenz dahin gehe, nur in wenigen Bereichen zu vereinheitlichen.15 Kurt Ruh fordert sehr strikt: „Unabdingbar bewahrt bleiben muss die Orthographie der Handschrift.“16 Er fügt aber einschränkend hinzu, dass dies „im Hinblick auf die Bedürfnisse der Sprachwissenschaftler“ gelte.17 Oskar Reichmann erinnert in Anlehnung an Überlegungen zur spätmittelalterlichen Prosa, die in den siebziger _____________ 14 15 16 17

Roloff, Fragen zur Gestaltung von Kommentaren zu Textausgaben der Frühen Neuzeit, S. 139. Bein, Editionsprinzipien für deutsche Texte des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit, S. 926. Ruh, Votum für eine überlieferungskritische Editionspraxis, S. 36f. Ebd. S. 36f.

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Edition des Redaktionstextes 1 nach SG2

Jahren von einer Gruppe von Forschern angestellt wurden,18 an die Gebundenheiten von Texten an bestimmte Schreiblandschaften, Zeitstufen, soziale Schichten und spezifische Gebrauchssituationen.19 Diese Gebundenheiten könnten durch die Graphie der Texte erkannt werden. Sofern auf Normalisierungen verzichtet werde, könne aber die Rezeption des „gleichsam geschichtslosen reinen Inhalt(es)“ verhindert werden.20 Es ist schwierig zu verstehen, weshalb reiner Inhalt geschichtslos sein soll, weshalb nicht auch aus Textinhalten „das zeit-, raum-, gruppen- und situationsbedingte Kräftefeld“21 ableitbar sein sollte. In der Regel werden Veränderungen der Schreibweise, die durch den Editor vorgenommen wurden, ohnehin benannt, gehen dem spezifischen Erkenntnisinteresse also nicht verloren. Ist der Editor bemüht, einen mittelalterlichen Text möglichst unverfälscht wiederzugeben, die authentische Gestalt einer individuellen historischen Handschrift zu bewahren, wird die originale Graphie zu einer wichtige Größe, um das kommunikative Spektrum eines Textes zu erfassen, um etwa auch Rückschlüsse auf Schreiber vornehmen zu können. Das gilt speziell für Texte des Spätmittelalters, weil „die Symptomwerte der Graphie im Frnhd. wegen des langen Fehlens eines sprachlichen Leitbildes besonders ausgeprägt sind.“22 Eingriffe in das System der Graphie von Texten sind also möglichst zu vermeiden. Normalisierungen der Schreibweise sollten nicht über ein Mindestmaß hinausgehen.23 Besteht allerdings die Gefahr, dass Textsinn für den heutigen Leser verloren geht, weil mittelalterliche Schreibgewohnheiten belassen wurden, so sind Anpassungen an heutige Wahrnehmungsgewohnheiten der Schriftsprache, besonders bei überwiegend funktionalen Texten des Spätmittelalters, durchaus zu rechtfertigen. Richtig ist sicher, was Bernhard Schnell zusammenfassend konstatiert, dass nämlich keine Reproduktion, außer dem Faksimile, ganz ohne normierende Texteingriffe auskommt.24 _____________ 18 19 20 21 22 23

24

Dazu Klaus Grubmüller, Peter Johanek u.a., Spätmittelalterliche Prosaforschung, in: Jb. f. Internationale Germanistik 5 (1973), S. 156-176. Reichmann, Zur Edition frühneuhochdeutscher Texte, S. 266. Ebd. S. 266 Ebd. S. 266 Reichmann, Editionsprinzipien für deutsche Texte des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit, S. 696. Vgl. dazu Stackmann, Die Edition – Königsweg der Philologie?, S. 13. Für Thomas Bein sind solche Normalisierungen verbunden mit Deutungsakten, die sich dem Rezipienten nicht mehr zu erkennen geben und deshalb die Rezeption lenken und das Sinnpotential eines Textes verändern können; vgl. ders., Editionsprinzipien für deutsche Texte des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit, S. 926. Bernhard Schnell, Verwendungsmöglichkeiten dialektologischer Ergebnisse in der Textkritik, S. 1563.

Editionsprinzipien

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Die modernisierende toilette du texte,25 die mir für die Edition des Textes von der besessenen Schwester Agnes nach dem Textzeugen SG2 erforderlich zu sein scheint, umfasst nur einen Teil des von Oskar Reichmann zusammengestellten und von ihm selbst heftig kritisierten Kataloges allgemein üblicher Normalisierungen.26 Sie ist aus einem kritischen Abwägungsprozess hervorgegangen zwischen dem Bemühen um eine möglichst gute Lesbarkeit des Textes einerseits und dem Bestreben, möglichst selten in den Text einzugreifen, andererseits. Eine deutliche Beeinträchtigung der Lesbarkeit des Textes stellt gewiss die weitgehend fehlende Interpunktion in SG2 dar. Durch eine moderne Interpunktion können die nicht immer leicht zu erkennenden syntaktischen Strukturen von Sätzen und Satzgefügen durchschaubarer gemacht werden. Nicht zuletzt auch die Dialogform des Textes erfordert geradezu eine optische Kennzeichnung der Sprecherwechsel. Die bisweilen recht eigene und vor allem sehr unregelmäßige Zusammen- und Getrenntschreibung im Textzeugen hemmt den Lesefluss erheblich.27 Auch wenn die Normalisierung der Zusammen- und Getrenntschreibung eine Wertminderung der Textquelle für Fragen der Wortbildungslehre zur Folge hat, scheinen mir Eingriffe in die diesbezüglich sehr uneinheitliche Schreibweise im Textzeugen mit Rücksicht auf die heute üblichen Lesegewohnheiten unvermeidlich.28 Abbreviaturen stören den Lesefluss entschieden. Sie werden deshalb aufgelöst. Die im Textzeugen insgesamt seltenen Abkürzungen in Form von Buchstabentilgungen wie etwa wz für waz oder dz für daz beeinträchtigen die Lesbarkeit des Textes demgegenüber nicht in dem Maß, dass eine Normalisierung zu rechtfertigen wäre. Gleiches gilt für Ersparungen von Pronomina und finiten Verbformen, die der Textzeuge an einigen Stellen aufweist.29 Sie können zwar den Lesefluss kurzzeitig unterbrechen, sind aber _____________ 25 26 27 28

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Zum Terminus Martin-Dietrich Gleßgen und Franz Lebsanft, Von alter und neuer Philologie, S. 11. Reichmann, Editionsprinzipien für deutsche Texte des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit, S. 695. Reichmann möchte diesbezüglich die Arbeit des Editors auf die Auflösung von Kürzeln und die Beseitigung von Textverderbnissen reduzieren; siehe ebd. S. 697. Sogar Thomas Bein, der sich für ein Minimum an Texteingriffen ausspricht, räumt ein, dass unregelmäßige Zusammen- und Getrenntschreibung den Lesefluss beeinträchtigen; ders., Editionsprinzipien für deutsche Texte des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit, S. 927. Klaus-Peter Wegera stellt allgemein fest, dass bei den eigentlichen Komposita die Zusammenschreibung im 14. und 15. Jahrhundert zunehme, die Zahl der Zusammenschreibungen von Wortfügungen mit präpositionalem Genitiv aber noch gering sei; ders., Wortbildung des Frühneuhochdeutschen, in: W. Besch, O. Reichmann und S. Sonderegger (Hgg.), Sprachgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung, Zweiter Halbbd., Berlin/New York 1985 (= HSK 2.2.), S. 1348-1356, hier S. 1351. Siehe dazu die Erläuterungen in den Sprachbeschreibungen zu SG2, C und SG1.

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nicht so häufig, dass dafür auf das im 15. Jahrhundert charakteristische Nebeneinander sprachgeschichtlich verschiedener syntaktischer Konstruktionen verzichtet werden sollte. Auch die Graphien werden, sofern es typographisch möglich ist, authentisch dokumentiert. Es soll dadurch vermieden werden, schreibgeschichtlich und sprachlandschaftlich eventuell aufschlussreiches Material einem speziellen Erkenntnisinteresse zu entziehen. Diesbezügliche Vereinheitlichungen würden zudem die charakteristische historische Realität des Textzeugen verändern, erforderten außerdem Hunderte von Eingriffen in den Text, durch welche dieser kaum leichter rezipierbar würde.

2. Editionsrichtlinien Aufgrund der Untersuchungsergebnisse, die im III. Kapitel dargestellt wurden, und auf der Grundlage der Editionsprinzipien gelten für die Editon des Textzeugen SG2 folgende Richtlinien: (1) Abbreviaturen: Die Abkürzungen (Nasalstriche und das Kürzel für das Präfix ’ver-‘) werden ohne Kennzeichnung aufgelöst. (2) Groß- und Kleinschreibung: Nach der weitgehend üblichen Verfahrensweise werden Satzanfänge und Eigennamen groß geschrieben. Andere Großbuchstaben, die nur selten vorkommen und meist von den Kleinbuchstaben kaum zu unterscheiden sind, werden als Kleinbuchstaben wiedergegeben.30 (3) Zusammen- und Getrenntschreibung: Partizipien und Gerundformen werden zusammengeschrieben. Eindeutig falsche Zusammenschreibungen, die einmalig oder sehr selten gegen den regelmäßigen Usus der Handschrift auftreten, werden aufgelöst. Präfixe werden grundsätzlich mit dem zugehörigen Wort verbunden. Sofern verbale Präfixe erscheinen, deren Gebrauch vom Neuhochdeutschen abweichend verwendet wird, wie das im Frühneuhochdeutschen durchaus vorkommt,31 erfolgen gegebenenfalls Erläuterungen im Apparat. _____________ 30

31

Der Groß- und Kleinschreibung kommt sprachgeschichtlich keine große Bedeutung zu, weshalb die generelle Kleinschreibung durchaus zu verantworten ist, auch wenn sie insgesamt gesehen der historischen Schreibrealität im Frühneuhochdeutschen nicht entspricht; vgl. dazu auch Ruh, Votum für eine überlieferungskritische Editionspraxis, S. 37. Siehe dazu Klaus-Peter Wegera, Wortbildung des Frühneuhochdeutschen, S. 1353.

Editionsrichtlinien

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(4) Dokumentation der Graphien: Die Graphien , , und , sowie , werden wie in der Handschrift wiedergegeben.32 Es erfolgt keine Trennung nach dem Lautwert, also für Vokal und für Konsonant und für Vokal /i/ und für Konsonant /j/. Auch und werden ebenso wie Mehrfachkonsonanz, diakritische Zeichen33 und Umlautzeichen gemäß ihres Vorkommens im Textzeugen dokumentiert; gleichfalls alle Zahlenangaben, die bisweilen sogar innerhalb eines Satzes sowohl in Buchstaben als auch römisch geschrieben sind.34 Schreibformen wie Schaft-s und geschwänztes ’z‘ müssen demgegenüber aus typographischen Gründen als beziehungsweise wiedergegeben werden. Bisweilen ist nicht zu entscheiden, ob in der Handschrift steht oder der untere Bogen des geschwänzten ’z‘ an das Schaft-s angehängt ist und dadurch ein Zeichen entsteht, das dem nur ähnlich ist. In solchen Fällen erscheint in der Edition konsequent . Ebenfalls aus typographischen Gründen steht in der Edition das Trema in Form von zwei übergeschriebenen schräg gestellten Punkten als Umlautzeichen. Des Öfteren muss auch der Punkt über dem -Strich aus typographischen Gründen genau über diesem wiedergegeben werden, obwohl er sich in der Handschrift nicht direkt über diesem befindet, sondern erst über dem nächsten oder sogar übernächsten Buchstaben. (5) Interpunktion: Es wird nach den Regeln für das Neuhochdeutsche interpungiert. Als textgliedernde Satzzeichen erscheinen: Punkte, Kommata, Ausrufungs- und Fragezeichen. Direkte Rede wird durch Anführungszeichen kenntlich gemacht. Zitate und Textstellen in wiedergegebener Rede erhalten einfache Anführungszeichen. Wechsel von direkter und indirekter Rede innerhalb eines Satzes wurden nach Möglichkeit vermieden. Deshalb bestimmen in der Edition solche Perspektivenwechsel nicht selten Satzanfänge und Satzende. _____________ 32

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Für mittelhochdeutsch /i/ steht initial sehr oft -longa, also ; siehe zu dieser Schreibweise Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 43, § L 13. In einigen Wörtern steht auch das durch Ligatur von und entstandene in initialer Position (siehe dazu ebd. S. 43, § L 13.) wie häufig in ye und ynnigkait. Sowohl als auch erscheinen auch medial und final und in allen drei Positionen jeweils für Vokal und Konsonant; siehe dazu ebd. S. 43f., § L 13. Mit diakritischem Zeichen kommen und vor, besonders in den Worten t)n und dem)ttig(kait) sowie in 0ber und in mit gebildeten Komposita. Seltener steht wie in geh rt (Z. 136), d rtt (Z. 592) sch pffer (Z. 625>) und r ch (Z. 651) oder < > wie in tr glichen (Z. 199), s lligkait (Z. 285), t tt (Z. 384). Ganz selten findet man wie in ich pfiig von mhdt. phlëgen (Z. 345). Zum Beispiel: „(...) iiij oder fünff röck, fünff oder Vi par schüch (…)“ (Z. 1403).

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Nach- oder eingeschobene Nebensätze werden, sofern sie weit von ihrem Bezugswort entfernt stehen, durch Parenthesen oder Gedankenstriche gekennzeichnet, um die Satzkonstruktion jeweils deutlich werden zu lassen. (6) Fehler in der Handschrift:35 Bei allen Textbesserungen wird generell der Einzelfallentscheidung vor der Grundsatzentscheidung der Vorzug gegeben. Es wird nach B, W und M emendiert und in dieser Reihenfolge. Bei Textstellen, deren Sinn auch anhand der Mitüberlieferung nicht eindeutig ermittelt werden kann, wird eine erklärende Anmerkung einer Konjektur vorgezogen. Beruhen Eingriffe in den Text auf Vermutungen des Editors, erfolgen in jedem Fall Anmerkungen zu den Konjekturen. Bei solchen diskutierbaren Eingriffen werden gegebenenfalls beide Textteile von C und SG1 sowie die Textträger der Kurzfassung herangezogen.36 Alle Besserungen von Fehlern in SG2 werden im Apparat unter Angabe der Zeilenzählung nachgewiesen. Sämtliche Textersetzungen folgen der Orthographie von SG2 und erscheinen im Text kursiv. Auf alle Texttilgungen, die nicht innerhalb eines Wortes vorkommen, wird durch die Zeichenfolge ’[...]‘ hingewiesen. Die getilgten Wörter werden jeweils im Apparat angeführt. Bei Tilgungen einzelner Buchstaben aus Wörtern werden sowohl die Schreibweise der Handschrift als auch die gebesserte Schreibweise im Apparat angegeben. Korrekturen von Schreiberfehlern innerhalb eines Wortes werden nur in den veränderten Wortteilen kursiviert. (7) Textgliederung: Die Absätze im Textzeugen werden übernommen. Ebenso werden alle Wortunterstreichungen in SG2, die als textstrukturierende Hervorhebungen anzusehen sind, der Handschrift folgend wiedergegeben.37 Auch die Gliederungen durch besonders betonte Initialen, die sowohl deutlich größer als auch mit anderer Tintenfarbe ausgeführt sind, werden beibehalten und durch Absätze verdeutlicht. Da sich der Text in einzelne Sinneinheiten gliedern lässt, die voneinander abgrenzbar sind, werden zudem nach solchen Einheiten Absätze eingefügt, um den Text übersichtlicher zu gestalten. _____________ 35 36

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Zur Definition des Begriffs ’Fehler‘ siehe den Punkt 2.3. in Kapitel III. Die von Vertretern der New Philology bisweilen kritisierte Korrektur und gegebenenfalls Ergänzung von Textzeugen mit Hilfe von Handschriften, die aus verschiedenen Zeiten und von verschiedennen Orten stammen, ist bei einer Edition nach dem Prinzip der kritisch gebesserten Leithandschrift nicht zu umgehen. Bei der Wiedergabe von Zitaten aus der Edition – zum Beispiel im Untersuchungsteil der Arbeit – werden diese Unterstreichungen getilgt, um Missverständnisse zu vermeiden.

Editionsrichtlinien

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(8) Zeilen- und Seitenzählung: Jeweils am linken Rand steht eine Zeilenzählung in 5er Schritten. Die Seitenzählung der Handschrift erscheint im Text – kursiv wiedergegeben – in spitzen Klammern.

3. Sprachbeschreibung des Textes in der Handschrift SG2 Mit dem Verzicht auf die Dokumentation sprachhistorisch interessanter Varianten muss für den Editor nicht der Verzicht auf die Bereitstellung von Materialien für Untersuchungen zur historischen Grammatik verbunden sein. Karl Stackmann beklagt, dass die Erschließung neuer Textquellen vor allem aus dem Spätmittelalter nicht in wünschenswertem Ausmaß auf die Darstellung der mittelhochdeutschen Grammatik gewirkt habe,38 und konstatiert, dass die „eigentlich längst fällige Ausweitung auf spätmittelalterliche und nichtdichterische Quellen“ noch nicht stattgefunden habe.39 Da es ein spätmittelalterlicher Emanzipationsprozess war, „durch den sich eine volkssprachliche Laienkultur aus der universalen Schriftlichkeit des Lateinischen ausgegliedert hat (...),“40 ist das besonders bedauerlich, denn morphologische, syntaktische und lexikalische Entwicklungen der Sprache in ihrer heutigen Form haben sich gerade in der spätmittelhochdeutschen Zeit ausgeprägt. Vor allem zwischen 1350 und 1650 waren die grammatischen und lexikalischen Paradigmen der deutschen Sprache besonders uneinheitlich und ungefestigt.41 Da keine Standardsprache existierte, bestand eine spannungsreiche Koexistenz unterschiedlichster sprachlicher Traditionen. Durch die folgende Beschreibung der Sprache des Textzeugen SG2 soll versucht werden, sowohl sprachhistorisch relevantes Material anzubieten als auch die Sprachlandschaft, in welcher der Textzeuge entstand, zu belegen. Als Referenzsprachstufe des Deutschen dient das weitgehend einheitliche Mittelhochdeutsch einschlägiger Grammatiken. In der Sprachbeschreibung werden zudem Formen oder syntaktische Erscheinungen mit jeweils mehreren Belegstellen im Text angeführt, die gegenüber dem Mittelhochdeutschen signifikant verändert sind und deshalb eingehenderer Beschreibungen bedürfen, um Verständnisschwierigkeiten zu vermeiden. _____________ 38 39 40 41

Karl Stackmann, Die Edition – Königsweg der Philologie?, S. 14f. Ebd. S. 15, Anm. 23. Klaus Grubmüller, Peter Johanek u.a., Spätmittelalterliche Prosaforschung, in: Jb. für Internationale Germanistik 5 (1973), S. 158. Dazu Johannes Erben, Syntax des Frühneuhochdeutschen, in: W. Besch, O. Reichmann und S. Sonderegger (Hgg.), Sprachgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung, Zweiter Halbbd., Berlin/New York 1985 (= HSK 2.2.), S. 1341-1348, hier S. 1341.

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3.1. Zur Schreibung und Lautung Besonders vor Nasal wird – wie häufig im Alemannischen seit dem 13. Jahrhundert – mhdt. /â/ als geschrieben.42 So steht etwa für âne regelmäßig un bzw. vn (Z. 33, 46, 91, 127, 152, 156, 588, 958). Für mhdt. wâ bzw. wô steht auch wv (Z. 65). Die im Alemannischen übliche Lautzufügung mit langem auslautenden /î/ kommt gelegentlich vor wie etwa in kami, kaini und kani (Z. 187, 296, 1410), stani (Z. 923), hini (Z. 268, 900, 1278), Christy (Z. 386).43 Sehr häufig steht ani für an und ain, auch in Präfixen. Vor allem nach wird /i/ als geschrieben wie etwa in zwüschent (Z. 11), gewünnen ( u. a Z. 12, 38), bezwüngen (Z. 308), wünden (Z. 25), gewüssne (Z. 892, 959). Seltener steht für /i/ nach Labialen, etwa nach wie in müt für mhdt. mit (Z. 607) oder nach wie in büttet (Z. 849).44 Die Graphie bzw. steht selten für /e/,45 z. B. in swostern und swöster (Z. 408f.). In der Nebensilbe auch in Flexiven von Partizipien und der 3. Pers. Sg. Präs. Ind., etwa in vberhoblott (Z. 144) und pingott (Z. 85, 93). Vor allem im Wort noch wird mhdt. /o/ überwiegend als geschrieben (nach); das ist nicht so in Komposita, die mit noch gebildet werden, bspw. in dennocht.46 Die Wiedergabe von /o/ als ist im Alemannischen häufig belegt.47 Als Neutralisation unter anderem in Folge von nicht existierenden phonemischen Oppositionen kommt sie auch im Bairischen vor.48 Im Präfix /un-/ tritt /o/ bisweilen für mhdt. ein49 wie in ongedultig (Z. 714), onwillen (Z. 725) oder in onvolkumenhait (Z. 1171). Unter anderem für den ostschweizerischen Sprachbereich um St. Gallen ist nach Kurt Ruh im 15. Jahrhundert die Digraphie für mhdt. /ei/ charakteristisch.50 Sie ist im Text nahezu durchgängig zu beobach_____________ 42 43 44 45 46 47 48

49 50

Belege dafür bei Weinhold, Alem. Gram., S. 27 und S. 44. Zahlreiche Belege zum mittelhochdeutschen /e/ im Nachton mit der Graphie findet man bei Moser/Stopp (Hgg.), Gram. d. Frnhdt., Bd. 1.2, S. 101-116. – Gelegentlich steht ein auch inlautend wie in willigilicher (Z. 484f.) oder in gemainsamykait (Z. 754). Dazu Weinhold, Alem. Gram., S. 33. Ebd. S. 28. Vgl. die Zeilen 445, 774, 900, 906, 921, 1022, 1027, 1160, 1423. Siehe dazu Weinhold, Alem. Gram., S. 16. Dafür Norbert Richard Wolf, Phonetik und Phonologie, Graphetik und Graphemik des Frühneuhochdeutschen, in: W. Besch, O. Reichmann und S. Sonderegger (Hgg.), Sprachgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung, Zweiter Halbbd., Berlin/ New York 1985 (= HSK 2.2.), S. 1305-1313, hier S. 1308. Siehe dazu Weinhold, Alem. Gram., S. 26f. Vgl. dazu Kurt Ruh, Der Passionstraktat des Heinrich von St. Gallen, Zürich 1940, S. LVI. Zur weiteren Verbreitung von auch im Bairischen und Schwäbischen siehe Reichmann/ Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 58, § L 27.

Sprachbeschreibung des Textes in der Handschrift SG2

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ten.51 Eine Monophthongierung von mhdt. zu /â/, die eher im Nordalemannischen vorkommt,52 bleibt auf einzelne Wörter, wie zum Beispiel manung und manen,53 anfaltig,54 anis55 und kannen (Z. 47), beschränkt. Sie erscheint aber auch bei diesen Wörtern nicht regelmäßig.56 Eher häufig sind im Textzeugen demgegenüber die recht ungewöhnlich anmutenden Graphien für mhdt. /a/ wie unter anderem in folgenden Wörtern: belaiden (Z. 393), ver-/gesaimlett (Z. 457, 889), aigenschaifft (Z. 528), aingenäm (Z. 1067), aingefochten (Z. 1203f.) und sehr oft ain für an. Nur selten sind Diphthongierungen von /â/ wie in verlaitzen (Z. 1428, 1432). Kurt Ruh erklärt solche Diphthongierungen, die auch in anderen ostschweizerischen Handschriften zu finden sind,57 als eine Reaktion auf die entsprechende Monophthongierung.58 Monophthongierung von mhdt. /ou/ zu /ô/ bzw. /o/ liegt vermutlich zugrunde bei den Wörtern frod (Z. 490, 903), verlognen von mhdt. verlougenen/verlougen (Z. 380, 859) und bei ogen (Z. 182, 192, 601, 927, 1014, 1196 usw.) und ogenplick(t) (Z. 63, 1034, 1372).59 Zwischen zwei Konsonanten steht mitunter das eingeschobene {z. B. in gezwungenusß (Z. 111), ainfaltigelichen (Z. 366f.), begegenen (Z. 645), tieffegründiger (Z. 1331), erzürenet (Z. 1333), danckparekait (Z. 1360, 1362)}. Reste der Themavokale findet man in gew pfnott (Z. 852f.), verdampnot (Z. 60, 335, 952). In manchen Wörtern ist bisweilen das synkopiert, etwa in swestren (Z. 5, 57, 114), besessne (Z. 84, 239), bwundert (Z. 115), vbls (Z. 420), güttr (Z. 1074), in wurtzlen (Z. 602, 708) und häufig in englen.60 In Wörtern wie etwz, dz oder wz ist häufig ausgelassen. Die Variation von und ist nicht selten, besonders bei den Flexionsformen von Artikeln {z. B. aim statt ain und ainem statt ainen}, bei _____________ 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60

Ausnahmen sind die Wörter dein (Z. 210), sei (Z. 216), ein (Z. 310), fulheit (Z. 684) und heischen (Z. 976). Weinhold, Alem. Gram., S. 35. Manung (Z. 71, 572, 576f.), manent (Z. 174, 387, 389, 402, 474, 637, 1164), mant (Z. 239, 621, 654), mant(t)en (Z. 329, 653), mantte (Z. 395, 653). Siehe dazu auch Anfaltigklichen (Z. 298, 331, 459f., 885) und an(i)faltig(em)/(er)/(en) (Z. 1247f., 1311, 1371). Anis für aines (Z. 155, 645, 886, 1322). Siehe etwa zu ainfaltig(klichen) die Zeilen 290, 366f., 567, 620, 802, 833, 875, 881, 884, 922, 1059, 1217, 1324. So etwa auch in den Codices 976, 1005 und 1865 der Stiftsbibliothek in St. Gallen. Ruh, Der Passionstraktat des Heinrich von St. Gallen, S. LXXII. Siehe dazu Weinhold, Alem. Gram., S. 43f. Zu Sproßvokalen und Synkopierung siehe Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 79f. § L 39 und S. 82 § L 41.

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Edition des Redaktionstextes 1 nach SG2

Possessivpronomen {z. B. jnmen statt jnnen },61 bei Präpositionen {z.B. am statt an} sowie bei Flexionsformen von Adjektiven.62 Außerdem begegnet in verschiedenen Wörtern ein Wandel von zu wie etwa im Wort kumnen für kunnen (Z. 975). Kurt Ruh versucht diese Variation zu erklären als eine Überkompensation aufgrund der alemannisch häufigen Wandlung von zu .63 Als Erklärung sind auch Niederlandismen denkbar, besonders den für dem und andere Akkusativformen für Dative sind oft belegt.64 Weiterhin kommt finales nachvokalisches für wie etwa in denn für den vor.65 Auch die Einfügung des Konsonanten ist nicht selten. Sie findet sich etwa in den Wörtern vermengnen (Z. 211), vnternwyllent (Z. 261), obnen (Z. 174, 327) beschaidnenhait (Z. 831), gewüssnen (Z. 892), fundenment (Z. 704, 1185), in nüntz (Z. 998) oder in künschait (Z. 1355),66 ebenso im Suffix , etwa in den Wörtern verhengnunsß (Z. 203f.), verstenttnunsß (Z. 450, 1324), betruepnunsß (Z. 495), verdampnunsß (Z. 540, 544), vinsternunsß (Z. 584), bezwangnunsß (Z. 1273).67 Das Suffix erscheint, wie im Ostalemannischen, Bairischen und Ostfränkischen üblich, häufig für .68 Die Digraphe und kommen als graphische Varianten vor,69 erscheint dabei überwiegend im Auslaut. Selten tritt für ein,70 wie etwa in vnvsprechenlicher (Z. 467). Als Präfix erscheint ganz überwiegend verschärft als .71 Der Doppelgraph erscheint sowohl medial als auch in der Finalstellung, was gerade in Texten des 15. Jahrhunderts nicht selten ist.72 Recht häufig sind auch Epenthese und Epithese von , seltener seiner Varian_____________ 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72

Dazu Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 136., § L 61 und S. 140, § L 62. Siehe dafür auch die Ausführungen zur Adjektivflexion in dieser Sprachbeschreibung. – An einigen Stellen erscheint auch mit vier senkrechten Strichen, wobei es meist deutlich von zu unterscheiden ist{z. B. mit- (Z. 983, 1110, 1314)}. Ruh, Der Passionstraktat des Heinrich von St. Gallen, S. LXXIII. Siehe zur Variation von und auch Weinhold, Alem. Gram., S. 172f. Vgl. Ruh, Altniederländische Mystik, S. 106. Siehe dazu Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 137f., § L 62. Vgl. dazu Weinhold, Alem. Gram., S. 169f. Zum -Einschub siehe auch Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 139f., § L 62. Vgl. Werner Besch, Sprachlandschaften und Sprachausgleich im 15. Jahrhundert. Studien zur Erforschung der spätmittelhochdeutschen Schreibdialekte und zur Entstehung der neuhochdeutschen Schriftsprache, München 1967 (= Bibliotheca Germanica II), S. 225 und 228. Dazu allgemein Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 114, § L 53. Vgl. Weinhold, Alem. Gram., S. 158. Siehe ebd. S. 157. Zum Beispiel in den Wörtern verstännttnusß (Z. 291), vnbekanntt (Z. 708 usw.); siehe Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 95, § L 47.

Sprachbeschreibung des Textes in der Handschrift SG2

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te ,73 wie etwa in dennocht (Z. 445, 774, 900, 906 usw.), ogenplickt (Z. 1034) oder ebend (Z. 403, 508). Auch tritt für ein wie in turste (Z. 44), tuncken (Z. 855f.) oder in getruckt (Z. 981, 1225).74 In den Wörtern kurtzer (Z. 28), ietz (Z. 30, 97, 206, 229 usw.), hyrcz (Z. 25), hertzen (u.a. Z. 131, 140, 169f.), herczen (Z. 138), gantzen (u.a. Z. 139, 164, 196), ganczen (Z. 370), fürsatz (u.a. Z. 150, 165, 191), wurtzel (Z. 160, 772) und wurczel (Z. 21) erscheinen die Digraphe und als Varianten in medialen und finalen Positionen nicht selten für .75 In Lehn- und Fremdwörtern aus dem Lateinischen, deren Übernahme leicht zu erkennen ist, steht initial vor und sowie vor Hinterzungenvokal {z.B. cristenlich (u.a. Z. 195, 222, 456), clarlichen (Z. 607, 1131, 1310), cosperen (Z. 839)}.76 Die mediale und finale Regelgraphie für /k/ lautet durchgehend . Sie entspricht damit der des Gesamtfrühneuhochdeutschen.77 Nach steht medial in Verbindung mit häufig 78 wie unter anderem in demütigclichen (Z. 21) ewigclichen (Z. 60), mächtigclichen (Z. 340), gedultigclichen (Z. 549), ainfaltigclichen (Z. 875). Indirekt initial schwindet zuweilen , besonders in Verbindung mit dem Morphem 79 {z.B. sehr oft in kranckait (u.a. Z. 13, 20, 75), in trackait (Z. 223), gebrestlichait (Z. 440), gaistlichait (Z. 516f.), geschicklichait (Z. 42, 553), starckait (Z. 554), smachait (Z. 588, 764), vnküschait (Z. 869, 1528), redlichait (Z. 958) usw.}. Die Suffix-Formvarianten / sind bisweilen anders als in der neuhochdeutschen Norm verteilt, was im 15. Jahrhundert nicht selten zu beobachten ist.80 Beide Varianten kommen auch im gleichen Wort vor {z.B. stoltzkait (Z. 276) und stoltzhait (Z. 1523)}. In Namen sind die h-Graphien bei häufig belegt,81 wie etwa in Jhesu (u.a. Z. 112, 386, 1252). In Initialstellung beziehungsweise indirekt initial erscheint nicht selten

für ,82 wie in prynnen (Z. 61), prächten (Z. 313), offenparer (Z. 371), _____________ 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82

Dazu allgemein Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 97, § L 47. Siehe ebd. S. 96, § L 47. Erläuterungen dazu ebd. S. 131f., § L 59. Im Alemannischen ist das häufig so, vgl. Weinhold, Alem. Gram., S. 148f. Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 101, § L 49. Ebd. S. 101, § L 49. – Norbert Richard Wolf sieht hierin eher ein Zeichen für Texte aus dem Süden Deutschlands; ders., Phonetik und Phonologie, S. 1309. Siehe zum Digraph Weinhold, Alem. Gram., S. 178. Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 127, § L 57. Dazu Wegera, Wortbildung des Frühneuhochdeutschen, S. 1349. Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 120 § L 55. Siehe dafür ebd. S. 84, § L 44.

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pringen (u.a. Z. 658, 1009, 1204), gepürlichkait (Z. 863), pillichen (Z. 690, 1033), pisset (Z. 1136), piegen (Z. 1172f.), pydemen (Z. 1258), plutt (Z. 1507), precht (Z. 1509), schantpar (Z. 1528). Erheblich seltener kommt

für medial vor, etwa in ogenplickt (Z. 1034) und liplicher (Z. 1478) und oft in den Wörtern betrüpt und danckpar(kait).83 Ebenfalls nur selten findet man initial für

wie in bech (Z. 726, 1377) und beltz (Z. 1402). Der Sproßkonsonant /p/ nach /m/, der im Spätmittelhochdeutschen entstanden ist,84 kommt häufiger vor, so etwa in schampt (Z. 84, 593, 865), kumpt (u.a. Z. 138, 672, 676, 705) und nempt (u.a. Z. 168, 258, 1032).85 Oft tritt eine Schärfung von zu auf,86 etwa bei den Wörtern tülpfel (Z. 656), opfenbar(en) (Z. 712, 843, 876, 1280 usw.), vpf (Z. 725) und schlapfen (Z. 1531). Seltener ist dagegen für

wie in pflag(en) (Z. 3, 433) für mhdt. plâgen und in pfligen/pflig(en) (Z. 345, 1035, 1166) für mhdt. phlëgen.87 Die Graphie kommt häufig auch in überladener Schreibung vor88 wie in schimpffet (Z. 821), t(h)apfferlichen (Z. 148f., 1418), tropffet (Z. 1512) und besonders oft und variiert im Wort schöpffer/schöppfer. In einigen Wörtern ist auch ein Schwund des Buchstaben festzustellen, der in der sprachgeschichtlichen Entwicklung zunehmend tonlos wurde und deshalb gerade im Alemannischen bisweilen ausfiel89 {z.B. düch (Z. 1163), erlichten (Z. 1419) und berütten (Z. 1516). Manchmal findet man eine Umstellung von Konsonant und Vokal. Diese Umstellungen können nicht als Verschreibungen aufgefasst werden. Es handelt sich um Metathesen. Im Einzelnen kommen vor: hoffratt (Z. 158), gebersten (Z. 492), geergret (Z. 873), verdorssen (Z. 1017),90 vilß (Z. 871, 939, 1350)91 und gehandlett (Z. 144). Bisweilen findet man uneinheitliche Schreibweisen bestimmter Wörter, die mitunter nahe beieinander stehen. Beispiele dafür sind folgende Sätze: Was mainent jr? Manent jr, das jr ain päpstin syent (...) (Z. 387f.). Aber sprach er zu den swostern, das es jn der warhaitt jn kain hindernusß oder schad were, das dyse besessen swester vnder jn wonett (...) (Z. 409-411). Dysses mant er, da er den jungern jre füss geweschen hatt vnd sprach: ‚Hab ich, ewer maister vnd ewer herr, ewer füss gewäschen (...) (Z. 621-623).

_____________ 83 84 85 86 87 88 89 90 91

Dazu auch Wolf, Phonetik und Phonologie, S. 1309. Siehe dafür PWG, S. 149, § 129. Vgl. dazu Weinhold, Alem. Gram., S. 129. Dazu Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 158f. § L 75. Ebd. S. 89, § L 45. Vgl. Weinhold, Alem. Gram., S. 121. Siehe dazu ebd. S. 166 und Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 150, § L 65. Zum ’r-Umsprung‘ siehe PWG, S. 144, § 122. Zur Metathese des siehe Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 147, § L 64.

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3.2. Besonderheiten von Formen und Syntax In Folgendem sollen morphologische und syntaktische Auffälligkeiten des Textzeugen näher erläutert werden. Da auch morphosyntaktische Phänomene wie der Präteritumschwund und periphrastische Formen angeführt werden, verzichte ich bei der folgenden Darstellung auf eine strikte Trennung zwischen der Morphologie und der Syntax des Textes. Sprachliche Auffälligkeiten in der Syntax sind vor allem Ersparungen von Wörtern,92 elliptische Konstruktionen sowie zahlreiche Inkongruenzen des Numerus und auch des Genus. Die Aufgabe einer begonnenen Konstruktion zugunsten einer anderen ist nicht nur für die gesprochene Sprache charakteristisch, solche Erscheinungen sind gerade auch in frühneuhochdeutschen Texten nicht selten. 3.2.1. Verben und Negation des Verbs Die Formen der 1. Pers. Sg. Präs. Ind. erscheinen bei einigen Verben bisweilen in der Form des Infinitivs auf die Endung 93 (z.B. ich pingen, erkennen, verlognen und sagen). Solche Endungen sind seit dem 12. Jahrhundert belegt, sie treten im 15. und 16. Jahrhundert besonders häufig auf.94 Beim Verbum sagen kommen in der 1. Pers. Sg. Präs. Ind. die Formen ich sag, ich sage und ich sagen vor.95 Bei diesem Verbum sind auch kontrahierte Formen wie sait und gesait nicht selten. Der historische Themavokal erscheint gelegentlich als . Die 3. Pers. Sg. Präs. Ind. endet dann auf ,96 wie in pingot(t) (Z. 85, 93). Ebenso verhält es sich bei einigen Partizipien {z. B. vberhoblott (Z. 144), gew pfnott (Z. 852f.), verdampnot (Z. 60, 335, 952)}. Auffällig sind auch die Personalformen im Plural. Es gibt keinen Unterschied zwischen der 1., 2. und 3. Pers. Präs. Ind.97 Dieser Dentalplural ist _____________ 92 93 94

95 96 97

Zur sprachhistorischen Bedeutung von solchen Ersparungen siehe etwa Erben, Syntax des Frühneuhochdeutschen, S. 1342f. Dafür allgemein Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 234, § M 83. Dazu Klaus-Peter Wegera, Morphologie des Frühneuhochdeutschen, in: W. Besch, O. Reichmann und S. Sonderegger (Hgg.), Sprachgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung, Zweiter Halbbd., Berlin/New York 1985 (= HSK 2.2.), S. 1313-1322, hier S. 1318. Vgl. Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 234, § M 83. Dazu Weinhold, Alem. Gram., S. 335. Vgl. dazu Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 248f., § M 94.

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besonders für das Alemannische charakteristisch.98 Als Endungen kommen vor und /. Die Bildung des Präteritums erfolgt besonders in der 3. Pers. Sg. Prät. Ind. uneinheitlich, also nicht nur auf und ,99 sondern auch auf .100 Generell treten im Textzeugen SG2 Formen des Präteritums zugunsten des Perfekts in den Hintergrund. Dieser Schwund der Präteritalformen ist schon seit dem 13. Jahrhundert zu beobachten und verstärkt sich im 15. Jahrhundert.101 Das Verbum substantivum (sîn) erscheint in der 1. und 3. Pers. Sg. Konj. in der Form sy102 (z. B. Z. 228, 270, 898). Diese Schreibweise unterscheidet sich nicht von der des Personalpronomens der 3. Pers. Sg. Femininum. Die 2. Pers. Präs. Pl. Ind. von sîn lautet sind,103 das Partizip Prät. gesin (Z. 414) oder gewes(s)en (Z. 400, 1229). Die 1. Pers. Sg. Präs. von werden, die nur selten vorkommt, lautet sowohl ich wird (Z. 208, 306) als auch ich werde (Z. 175). Auffällig sind zudem einige Ausgleichsformen auf vor allem im Singular104 (z.B. Z. 18, 123, 250). Beim Verbum haben/hân kommt der vollen Form gegenüber der verkürzten nicht immer die Bedeutungsdifferenzierung von ’halten‘/’haben‘ als Hilfsverb zu. Beide Formen stehen mitunter dicht beieinander: Ja, das ist der frid, den wir lieb habend. Vnd also lang jr jn sollichen belibend, so hand wir gewalt, vnsern willen jn uch zu würcken. (Z. 271f.).

Das Wurzelverb stân/stên und Ableitungen des Verbs erscheinen in der 3. Pers. Sg. Präs. Ind. und in der 2. und 3. Pers. Pl. Präs. Ind. in der Form stand {z.B. (Z. 804, 1288), sie (Pl.) stand (Z. 184, 368, 514), jr widerstand (Z. 476, 520)}. In der 2. Pers. Pl. Präs. Ind. kommt das Wurzelverb aber auch wie im Infinitiv in der Form stan vor {z. B. anistan (Z. 1007), jr verstan (Z. 637)}.105 _____________ 98 99 100 101

102 103 104 105

Wegera, Morphologie des Frühneuhochdeutschen, S. 1317. Vgl. Weinhold, Alem. Gram., S. 342f. Dazu ebd. S. 344. Dazu Wegera, Morphologie des Frühneuhochdeutschen, S. 1319 und zum oberdeutschen Präteritumschwund die Erläuterungen bei Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 388, § S 164. Zu Formen des Präteritums und Konjunktivs sowie zu den verschiedenen Alternationen (siehe Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 253-295) erfolgen gegebenenfalls in den Apparaten der Edition Erläuterungen. Vgl. dazu Weinhold, Alem. Gram., S. 350 bzw. PWG, S. 271, § 282. Dazu allgemein Weinhold, Alem. Gram., S. 350 bzw. PWG, S. 271f., § 282, Anm. 2 und Wegera, Morphologie des Frühneuhochdeutschen, S. 1319. Vgl. dafür Moser/Stopp (Hgg.), Gram. d. Frnhdt., Bd. 4, S. 394f. Für Belege dieser Formbildungen siehe PWG, S. 270, § 281 und vor allem Weinhold, Alem. Gram., S. 323 und 325.

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Die 2. Pers. Plural Präs. Ind. von soln/suln erscheint etwa gleich häufig entweder als sond (sönd) oder als sollent.106 Werden zwei Infinitive mit zu durch die Konjunktion vnd verbunden, so steht der zweite Infinitiv bisweilen ohne zu wie etwa in den Sätzen: Das ist ain pure vnd rechte mannung, n(ntz jn dem kloster zu s(chen, denn allain dem schöpffer zu diennen vnd wol gevallen. (Z. 572-574). (...) vnd des gelichen, da durch den lutten zu gevallen vnd begeren, geachtet zu sin. (Z. 1526f.).

Mitunter steht der einfache (reine) Infinitiv mit den Verben geturen und lêren:107 (...) die (...) geturent nicht, dar mit schand vnd smachait antün (...) (Z. 764). Uwer etliche geturent wol von uwern obern vnd amptswestern aischen, das ain andere nit getörst gedencken. (Z. 1316-1318). Jr sond zu dem ersten die jungen nit vffsätzen vnd sÿ leren, sich vben jn dem lyden uwers behalters (...) (Z. 1147f.).

Wie im vorletzten Beispielsatz steht an einigen Stellen der Infinitiv mit dem Präfix .108 Die einfache Negation des Verbs erfolgt in der Regel durch nit, zweimal durch das Negationswort nicht109 und ebenfalls zweimal kommt die Verneinungspartikel vor,110 die seit dem 13. Jahrhundert zunehmend verschwindet. Einmal erscheint ichts als Verneinung (Z. 574). An einigen Textstellen wird die Negation durch die Kombination negierender Ausdrucksmittel verdoppelt oder vervielfältigt, wodurch die negative Aussageabsicht über den gesamten Satz ausgebreitet werden soll.111 Beispielsätze dafür sind: Vnd von mir selber sag ich dysse ding nit, noch ewer gedancken mag ich vss mir selber nit bekennen. (Z. 306f.). (...) dennocht waich er nit von dem weg, den er jm fürgenumen hatt, nach liess er dar vmb die hailligen armütt nit vnderwegen. (Z. 1423-1425). (...) als ob man nit nütz zu tragen hett. (Z. 1427f.). Kain demüttigkait, kain beschaidenhait oder ander tugend, wie die genampt sind, dye wider gehorsame sind, ist gott nit genäme. (Z. 1491f.).

_____________ 106 Für diese spezielle Formbildung findet man Belege bei Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 302, § M 143, Anm. 3. 107 Vgl. Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 402f., § S 189, 1 und 5. 108 Dafür ebd. S. 396, § S 178. 109 (Z. 544): gand (…) nicht; (Z. 764): geturent nicht. 110 (Z. 269): en achte; (Z. 849): en suchen. 111 Dazu Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 427, § S 232.

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3.2.2. Adjektive und Substantive Bisweilen werden Adjektive noch nicht flektiert, bspw. gross schand (Z. 31, 198), vnmässig liebe (Z. 615) und häufig der boss gaist.112 Nicht flektierte Formen stehen mitunter ganz nah bei flektierten Formen: Der schöpffer will es och jn kain wyss verhengen. (Z. 1124f.) (...) Er verhengte och sollichs jn kainer wÿss vff die (...) (Z. 1128).

An einigen Stellen ist die Substantivbildung auffällig. Eigenwillig sind besonders die Bildungen von nüwunng (Z. 318) und jr verdiennett vnd lon (Z. 94). Bei der Deklination der Substantive kommt oft der Schwund der Nebensilben vor. Bisweilen führt das zu einer Nivellierung des Kasus.113 Der Kasus wird in solchen Fällen mit Hilfe analytisch-syntaktischer Möglichkeiten ausgedrückt. Der -Plural erscheint bei Lexemen, die teilweise im Mittelhochdeutschen variierend belegt sind und die in neuhochdeutschen Texten wieder in die Gruppe mit -Plural wechseln114 wie zum Beispiel häufig im Wort puntten. Bei einigen Substantiven tritt im Gen. Sg. bisweilen eine Tilgung des ein.115 Es stehen dann Formen wie des nechsten tag (Z. 463), des vrtail (Z. 515), des tülpfel (Z. 656), des orden (Z. 1419) und uwers schöpffer (Z. 1173). Hinzuweisen ist auch auf -Flexive bei einigen Substantiven beziehungsweise auf -Apokope.116 So findet man etwa Formen wie in folgenden Sätzen oder Wortfolgen: (...) das die andern swestern vil mer nütz mit jnnwendigen vbunng tätten. (Z. 681f.). (...) ani ietlich fliss sich selber (...) (Z. 897). (...) denn von andern, och allerbesten spis (...) (Z. 917). (...) von dyssen vier ding. (Z. 949).117

_____________ 112 Siehe dafür Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 199f, § M 46f. – Zu Besonderheiten der Flexion des Adjektivs in der erweiterten Subjektivgruppe siehe ebd. S. 201, § M 50. 113 Dazu Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 165, § M 2. – Zur Nivellierung der Kasusflexive und zur Profilierung der Kategorie Numerus im Frühneuhochdeutschen siehe auch Wegera, Morphologie des Frühneuhochdeutschen, S. 1316. 114 Dafür Moser/Stopp (Hgg.), Gram. d. Frnhdt., Bd. 3, S. 259f. 115 Vgl. dazu Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 169, § M 5 und Wegera, Morphologie des Frühneuhochdeutschen, S. 1314. 116 Zur Verteilung der -Flexive und -Flexive sowie zur -Apokope siehe Moser/Stopp (Hgg.), Gram. d. Frnhdt., Bd. 3, S. 161-163. 117 Siehe zur Pluralbildung des Wortes ding ausführlichere Erläuterungen bei Besch, Sprachlandschaften, S. 264-268.

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(...) als ob uch der schöpffer das selb gehaissen hett. (Z. 1216f.). (...) also hat ewer herr cristus selbs jn dysser zitt getün vnd sin vsserwelten fründ. (Z. 236f.). (...) die bössen gaist die sünd nit wyssent. (Z. 310f.)118

Nach den Wörtern vil und wenig steht das Substantiv in folgenden Fällen im Genitiv:119 vil lydens vnd verdriessens (Z. 52f., 384f.),120 vil fegfürs (Z. 105), wenig mitlydens (Z. 435), vil fürgangs oder zunemens (Z. 477), vil vsswendiger grosser werck (Z. 680f.), vil grosser liebe (Z. 1182), vil geschäffts (Z. 1384). 3.2.3. Präpositionen Wie im Mittelhochdeutschen stehen die Präpositionen in, bÎ und ze auch mit dem Akkusativ.121 Wie in frühneuhochdeutschen Texten überwiegend üblich stehen zusätzlich dazu auch die Präpositionen mit und vor mit dem Akkusativ.122 Der attributive Gebrauch verschiedener Präpositionen in gleichen Kontexten ist nicht selten. Die variierenden Präpositionen können dabei dicht nacheinander innerhalb eines Absatzes stehen, was folgendes Beispiel aus SG2 zeigt: (...) das die andern swestern zu zitten vngunst zu jr hetten vnd wenig mitlydens jn jrer kranckait. Aber hielt sy sich gedultigklichen, schamhafft vnd demüttigclichen, so wurden sy wol mer mittlydens vber sy haben vnd jr gern vss liebe diennen. Vnd wer, das sy sich nit daran bessert, so solt sy das alle zit wartten sin, das die swestern vnmütt oder vngunst vff sy haben wurden (...).123

_____________ 118 Demgegenüber steht in Z. 246 die Form sünden. Zur Pluralbildung der Wörter sünd(e) und spis(e) siehe Besch, Sprachlandschaften, S. 277f. 119 Zum Genitiv nach vil und wenig vgl. Lexer, MhdtHwb, Bd. 3, Sp. 349. 120 Siehe ebenso vil lydens (Z. 52, 384) und vil verdriessens (Z. 685). 121 Dazu PWG, S. 339, § 357. – Die Präposition in steht bisweilen aber auch mit dem Dativ, z.B.: (...) jn ewigem leben (Z. 533, 1218, 1226, 1493); vgl. dazu Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 367, § S 105. 122 Vgl. Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 373, § S 125. Beispiele in SG2 dafür sind: (...) was sy gebichtet hett, das wer vor sinen wyssen vnd vor sinen bekennen vnd vor sinen ogen verborgen (Z. 181f.), (...) jr wurden mit allen flisß (Z. 493f.), (...) so lang jr bÿ dysen fürsatz vnd wyllen beliben (Z. 612f.), (...) vnd mit gantzen fürsatz (...) (Z. 164f.), (...) so sollent jr nit murmeriren, sunder zuflucht jn gantzen vertrüwen, jn ernstlichen gebett haben zu gott (...) (Z. 1103f.), (...) jn dyssen husß (Z. 1117f.), (...) da mit zu grossen zunemen kumen (Z. 1142), (...) dye aber jn bössen willen sind (...) (Z. 1315f.), (...) mit gantzen abkerr (...) (Z. 1333). 123 SG2, Z. 434-439. Die Unterstreichungen im zitierten Text wurden von mir zur Hervorhebung hinzugefügt.

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3.2.4. Ersparungen und Periphrasen Gelegentlich werden Possessivpronomen, die im Satz bereits vorkommen, im weiteren Satzverlauf erspart, auch wenn sie verschiedene Flexionsformen zeigen müssten: Vnd dysß offenbar bekennen ist ain warhafftig weg, allen vnsern betriegnunsßen vnd stricken zu engan vnd vss vnsern henden vnd macht zu kumen (...) (Z. 496498).

Es fehlen auch Pronomina in Satzreihen oder Satzgefügen, wenn sie von einer vorausgehenden Stelle her (Satzglied oder Satzgliedteil) erschlossen werden können.124 Dysß verwundert etlich vnder den swestern vnd manten, es km jr von sunderlicher hailligkait (...) (Z. 652f.). Vnd sitt ich dyse swester so lang vnd swerlichen sölt gepeniget haben, vmb das sy, als obnen statt, vnwissenklichen tätt, was manent jr dann, das ich üch pingen werde, die offt mit willen vnd mit wissen ewer verkertten hoffart volgent (...) (Z. 173-176). Zu den selben zitten was ein swester, die gelobt nit, das die bössen gaist die sünd nit wyssent, die sÿ gebichtet hette, vmb das jr die selb sünd nach offt jn den gedanck kamen vnd angefochten wurd, dz sy die mer bichten sölt (...) (Z. 310-313).125 Vnd also lang yeman vnder uch also statt vnd vns also volgent, uch ewer selbs gütt beduncken vnd verstan das best bedunckt vnd dar vff belibent, so ist uch vnmüglichen, zu waren tugenden zu kumen. (Z. 642-645).

Besonders häufig werden Pronomina in Relativsätzen erspart. Das Bezugspronomen zum Relativsatz im Hauptsatz steht bisweilen in der Form der/ die/das statt der-/die-/dasjenige (z. B. Z. 375-377 und Z. 1116f.). Da die Doppelbezeichnung des Pronomens noch nicht obligatorisch ist, fehlt manchmal die pronominale Stütze des Relativsatzes im übergeordneten Satz,126 was folgendes Beispiel verdeutlicht: Dar gegen fröwent wir vns /ber, die jn kranckait, verspottung, betrüpnunsß vnd ander anfächtungen abvallent (...) (Z. 1314).

Demgegenüber selten ist der asyndetische Relativsatz, bei dem das Satzgefüge ohne einleitendes Element an einen übergeordneten Satz, der das Bezugswort enthält, angeschlossen wird. Die syntaktisch-semantische Rolle des Bezugswortes muss aus der syntaktisch-semantischen Leerstelle im Relativsatz erschlossen werden.127 _____________ 124 125 126 127

Dazu PWG, S. 366, § 399. Eigentlich müsste stehen: (...) vnd sy angefochten wurd, dz sy die mer bichten sölt (...). Vgl. dafür PWG, S. 417, § 453. Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 444, § S 261.

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Finite Formen von werden im Passiv und im Futur entfallen bisweilen bei ihrem zweiten Auftreten im Satz, auch in solchen Fällen, in denen sich die Konstruktion ändert:128 Vff ain zitt ward dyse swester, die also mit dem bossen gaist belaiden was, von den andern swestern zu red gesetzt, vnd jr vff gehalden (...) (Z. 393f.). Jr scherpffin vnd herttigkait wurden jnnen och wol vergan vnd sy da mit zu grossen zunemen kumen (Z. 1141f.).

Dementgegen erfolgen sehr selten Wiederholungen finiter Formen von werden oder Wiederholungen von Reflexivpronomina an Satzstellen, an denen sie sogar im Neuhochdeutschen unüblich sind: Ich vnd myn gesellen werden swerlichen dar vmb gepiniget, wenn sich die swestern demüttigclichen schuldig geben vnd jr kranckait erkennen, so sy ermanet werden, gescholtten oder gestr fft werden. (Z. 405-408). Wan die sich hye allermaist demüttiget vnd die allerschnödest sich schätzet (...) (Z. 1243f.).

Periphrastische Formen kommen nur selten vor. Gelegentlich findet man Futurperiphrasen mit Modalverben + Infinitiv zum Ausdruck der Nachzeitigkeit:129 Jr sollent aber wol dysen puntten volgen mügen. (Z. 224). (...) das nieman da von solt mugen geergert werden. (Z. 537f.). (...) so sollent sy doch jn der samlunng gotts nit mügen sterben (...) (Z. 1118f.).

3.2.5. Inkongruenzen und Perspektivenwechsel Inkongruenzen des Numerus erscheinen, wenn verschiedene Substantive in einem Satz aufgezählt werden. Das Verb steht dann nicht selten im Singular:130 (...) so m)ss ich vnd all myn gesellen flüchen (...) (Z. 255). Um Inkongruenzen des Numerus handelt es sich auch, wenn in aufeinanderfolgenden Sätzen, die sich inhaltlich eng aufeinander beziehen, das Verhältnis zwischen Singular und Plural variiert wie in folgendem Textabschnitt: Aber sagt er, das es sin jngeben were, so die nüwen, jungen swestern gedächten, das sy sich wol halten vnd zu vnserm heren ernstlichen geben wölten, werent sy gantz jngenumen vnd bestättiget jn der samlunng. Aber nun künden sy es nit get(n. Vnd er verspottet sy vnd lachett jr, das sy jm also volgette. (Z. 421-425).

_____________ 128 Siehe dazu Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 444, § S 257. 129 Dazu ebd. S. 391, § S 167f. 130 Vgl. ebd. S. 423, § S 225, 2 a.

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Solche Inkongruenzen lassen sich im Text von der besessenen Schwester Agnes überwiegend mit der induktiven Dialogkonzeption und mit der didaktischen Intention der an der Textentstehung Beteiligten begründen. In der Regel ist es eine Schwester von mehreren, die sich versammelt haben, welche den bösen Geist etwas fragt beziehungsweise von deren speziellen Verfehlungen berichtet wird. Der böse Geist antwortet darauf zumeist allen Schwestern, spricht diese in der 2. Person Plural an und gibt ganz überwiegend verallgemeinerbare Anweisungen. Beispiele für diese Struktur bieten die Sätze: Do gedacht ain swester, wye sy tün möchte, das sy vnsern heren gedanckte aller dÿser gnad. Der böss gaist antwurt vnd sprach: „Ich müss uch vff ewern fantasye oder gedancken antwurtten, jn dem jr gedenckent, wye jr ewerm heren gedancken mügent. (Z. 293-296). Do was ain swester, die offnet jr kranckhait, das sy lieber ain lange mess hortte den ain kurtze. Der böss gaist antwurt jnen, das sÿ zu zitten mer gnaden verdiennen möchten jn ainer kurtzen mess, die sy hortten mit dem(ttiger gelassenhait, den jn ainer langen (...) (Z. 524-527). Do klagt aine, das sy türr jm hertzen wurd von den vsswendigen dingen, recht als ob sÿ von gott nit wyste. Er sprach: „Das ist üwer schuld, vnd jr stossent üch all zu serr vff die vsswendigen ding. (Z. 1480-1482).131

Vom Nominalkomplex im kollektiven Singular wird die Aussage mitunter im selben Satz auf die Schwestern konkretisiert, ohne Beachtung des Numerus und Genus: Vnd wer sin kranckait vnd gebresten nit offenbaren vnd vssprechen wyll, dem wirt von dyssen vier ding ye ains geschechen. Er wirtt wider zu der welt gan oder er wirt thol oder tob jn dem höbt vnd torecht vnd vnsynnig werden oder mit dem tüffel jn dem flaisch besessen oder hye nach ewigklichen verdampnott werden, ist, das jr dar jn verhertten oder belibent bys ain das end. So aber der mensch sich bessern wyll, so ist jm die gnad gotts alle zitt beraitt. (Z. 948-954). Wer den schöpffer aller creaturen warlichen jn sin hertz will enpfachen, der schick sich dar zu, das er diemüttigklichen vnd lieplich alle vermanunng vnd straff enpfach, wan da mit werdent jr jm allergenämest vnd enpfenglichen. (Z. 1146-1149).

An nicht wenigen Stellen erfolgt ein unvermittelter Wechsel von direkter Rede in indirekte Rede. Solche Wechsel der Sprechweise treten in den verschiedensten Varianten auf. Das folgende Textbeispiel ist besonders charakteristisch: (…) Vnd wer es, das jr uch jn jn [ihn!] kertten, als dysß gegenwürtig vass t(tt, dar jn ich ietzund sitz,“ da mant er die besessne swester, „es wurden alle widersacher, die uch anifächten, von uch fliechen (...) (Z. 237-240).132

_____________ 131 Für detailliertere Erläuterungen und Analysen der Strukturen des Textes siehe das Kapitel VI, die Punkte 2-2.4.

Sprachbeschreibung des Textes in der Handschrift SG2

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An einer anderen Stelle heißt es: Das dysß vas, jn dem ich nun ietzund sitze, solt gelitten haben, das ist wär vnd gebürtt sich also nach gottlichem vrtail. Aber mit ainer ganczen r(w, mit offenparer bicht vnd mit ernstlichem fürsatz, sich zu bessern vnd nit me zu t(n, gieng es wider ab. (Z. 368-372).

Ebenso steht nach direkter Rede ein Satzeinschub in indirekter Rede, bevor der Satzanschluss erneut in direkter Rede erfolgt: Er antwurtt: „Vmb das sÿ wider die lieb hatt getün vnd das sy nit lydsam was gewesen vff jr swester kranckhait.“ Dar vmb müst er sy nun pingen vnd kestigen. „Denn ich gab jr sollichs jn vnd es was nit lang jn jr.“ (Z. 399-402).

Bisweilen kommt es auch mitten im Satz zum Wechsel der Sprechweise wie in folgendem Beispiel: Vff ain zitt sait er ainer swester, die sich vngern vmb jr gebresten liess vermanen: Wer, das sy es hye nit lyden wolt, er vnd sin gesellen wurden jr hyr nachmals jr gebresten vn vntterlass, mit aller smachait, die man erdencken möcht, f(rhalten vnd vffheben; „vnd mit sollicher pin, das jr die mynste nun nit sechen mügent, jr wurdent als bald do von sterben mussen.“ (Z. 586-591).

Um Erklärungen für solche und ähnliche Perspektivenwechsel hat sich die Forschung schon des Öfteren bemüht. Klaus Grubmüller hat sie am Beispiel des Werkes Mechthilds von Magdeburg als eine „Kollision von (unmittelbarem) Sprechen und (mittelbarem) Schreiben, von persönlicher Erfahrung und registrierender Distanznahme“133 bezeichnet. Nikolaus Staubach erklärt solche Wechsel im Zusammenhang mit Seuses Horologium Sapientiae „aus einem diskontinuierlichen Prozeß der Niederschrift, aus allmählichem Anwachsen und Zusammenfügen von Einzeltexten.“134 Es ist weniger wahrscheinlich, solche Wechsel im Text von der besessenen Schwester Agnes als eine vom Autor/Redaktor bewusst gebrauchte Erzählweise anzusehen, nicht zuletzt, weil sie des Öfteren mitten in Satzgefügen erfolgen.

_____________ 132 Die zur näheren Erklärung in den Satz eingeschobene Begründung da mant er die besessne swester ist aus moderner literaturwissenschaftlicher Sichtweise zudem ein Wechsel der Erzählperspektive. 133 Klaus Grubmüller, Sprechen und Schreiben. Das Beispiel Mechthild von Magdeburg, in: J. Janota u.a. (Hgg.), FS Walter Haug und Burghart Wachinger, 2 Bände, Tübingen 1992, hier Bd. 1, S. 335-348, hier S. 347f. 134 Nikolaus Staubach, Von der persönlichen Erfahrung zur Gemeinschaftsliteratur. Entstehungs- und Rezeptionsbedingungen geistlicher Reformtexte im Spätmittelalter, in: OGE 68 (1994), S. 200-227, hier S. 202.

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4. Edition Die besessene Schwester Agnes nach SG2 (Redaktion 1)

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Es geschach vff ain zitt in ainer samnunng, das vnser herr vff ain swester jn der selben samlunng verhangt, das sy der böss gaist zu menigem mall swärlichen vsswendige ani dem lib pflag zu pingen. Vff ain zitt ward er besworen, das er sagen solt, mit wellichen sünden oder gebresten er die swestren gemainklichen aller maist zu vall brächte. Er antwurt als mit ainer zwungnen stym, das wer, wenn er vnd die andern sin gesellen den swestern böss vnd bitter gedancken jngebent vnd sy denn in wortten oder wercken oder in andern geberden sich vnfrüntlichen gegen ain andern bewystent, da durch aine von der andern betrüpt vnd aine vff die andern bewegt wurde. Da von sy dar nach murmeln, hinderklaffen vnd vngunst vff ani andern tragen vnd also die liebe zwüschent in zerbrochen vnd gekrenckt wurde. „Da mit gewünnent wir“, sprach der boss gaist, „gewalt vber die swestern, das sy die kranckait vnd vnser ingeben nit offenlichen bekennen vnd vss sprechen wollent, dann zu sollichem ratten wir jnnen, das sy das nieman sagen sollent. Vnd dysß hand etlich vss dyssem hus getün, das sy vnser jngeben verburgent vnd es nit dem(ttigenklichen offnen vnd vss sprechen wolten.“ Er sagt och, das er gezwungen wurd von dem, der jnn geschaffen hett, dysse puncten den swestern zu sagen. _____________ Vor dem ersten Textwort:: Her nach volt gar ein gutte, nücze ler M Ave maria gratia plena W Hier beghint een exempel Bln Unten auf der ersten Seite: Ittem dz geschicht ist in niderland gesch [!] B 1 nach samnunng] von swestern C 1 nach das] da ein swester was uff die C 1f. vff...samlunng] 3 swärlichen] fehlt SG1 3 ani...lib] in dem flÿß M, fehlt B, C, SG1 3 nach pingen] fehlt C vnd ausz ir zu reden B, W, SG1 5 aller maist] fehlt M 5 nach brächte] oder bracht hette SG1 6 als...stym] fehlt M 7 vnd bitter] fehlt M, W 10 vnd...bewegt] fehlt C 10f. murmeln...vnd (1)] fehlt M 11f. vnd (2)...wurde] fehlt C 16 getün] gemacht oder gethun gan B, machen geen C 17 offnen] offenwortten M _____________ 3 pflag] 3. Pers. Sg. Prät. Ind. von mhdt. plâgen, frnhdt. p(f)lagen; siehe zur Schreibweise FWB, 5 gebresten] im Oberdeutschen ist bresten Bd. 4, Sp. 511; vgl. zu diesem Verbum auch Z. 433. für brechen gebräuchlich (siehe Besch, Sprachlandschaften, S. 173f.). Nur mit dem Präfix steht 9 ain andern] der Begriff kommt in der Verbindung mit den im Text einmal brechen (Z. 899). Präpositionen zu, vnder, von und mit vor. In allen Fällen erscheint das Wort in der Schreibweise mit 10 murmeln] hier mit der Bdtg. auslautendem (dazu Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 521). „heimlich untereinander erzählen“ (Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 2253), vgl. auch das Wort murmeriren in Z. 1103. _____________ 1 samnunng] Kommentar (1). 1-3 das sy...pingen] Kommentar (2). 6 mit ainer zwungnen stym] 6-17 wenn er...wolten] eine ähnliche Aufzählung der Eingebungen und Anfechtungen Kommentar (3). 10f. hinderklaffen] „nachreden“; Kommentar (4). 18f. das...sagen] vgl. des Teufels auch Z. 38-45. dazu die Zeilen 68, 125, 184f., 216f., 345-347, 350f. und siehe den Kommentar (5) sowie die Ausführungen im Kapitel VI, Pkt. 3.1.

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Aber sprach er: „Jr sollent ewer kranckait vnd gebresten offenlichen erkennen vnd demütigclichen vss sprechen vnd dysß ist ain wurczel aller tugend, die jn vns nit kumen mag. Vnd dise offen, demüttige offenbarunng der gebresten, mit ainem beraitten gemütt vnd willen da für zu t(n, das man uch dar vmb vff legt, machet vns von uch fliechen, das nie kain hyrcz so ser lüff vor den wünden als wir vmb der demüttigen offenbarunng von uch fliechent.“ Och sagt er: „Mücht ich jn ewerm statt sin als jr sind vnd verdiennen als jr mügent, ich wolt jn kurtzer zitt sin in dem obersten kor der englen.“ Da ward er gefraget, wor mit er dar zu kumen wolt. Er sprach: „Da mit, das ich üch ietzund gesait hab. Vnd wystend jr, wye kranck wir sind, jr wurden vns nit fürchten. Es ist uch grosse schand, das jr uch vns lassent vberwünden. Wir mügent uch nit me t(n, denn das wir üch zu sünden ratten. Aber wir mugent uch dar zu nit zwingen oder rotten vn ewern aignen willen. Wir varent offt vnder uch vnd ingebend uch, das wir uch [...] zu vnlieb vntter ain andern vnd zu zorn brechten.“ Da ward er gefraget, war jnnen die swestern gemainklichen aller gebrestlichest werent, da mit er sy zu vall vnd zu sinem willen brechte. Er antwurt: „Etlich gewünnent wir mit vngunst vff die andern swestern, vmb das sÿ nit behend vnd geschickt sind zu den vssren wercken, die man tün _____________ 22 offen] fehlt W, offentliche C 23 willen] hertzen C 23f. da für...legt] das gerne dar for zţ tţnde vnd zţ liden das man uch dar fur dun oder liden heisset C 23 nach t(n] vnd zu leiden B 25 wünden] hunden C 25 vmb der] vnd die W 24 uch] jm SG2, euch B W, fehlt M SG1 25 nach offenbarunng] vwir schult SG2, vmb B, vmb der W C, thün vmb eürer M, fehlt SG1 W 28f. der englen] des ewigen lebens C, des hemels Bln 31 sind] wern B W 32 nit...üch] 35 vntter...brechten] fehlt C 32 t(n] fehlt B W 34 vnd...uch(2)] fehlt B W C 35 gern SG2 vnd eine gegen der andern zu passien prechten B W, prechten vnd eingeben das eine die andern 35 nach zorn] nÿde C 38 nach antwurt] vnde sprach usz der zţ zorn mocht pringen M swester de he beseszin hatte W 38 gewünnent wir mit] hant C 38 vff...swestern] dÿ ein 38-40 vmb...sol] fehlt SG1 39 behend vnd geschickt] habel vnd swester uf dÿ andern hat W bequem B W, behend C, geschickt M 39f. vssren...sol] wercken C _____________ 31 uch vns] gemeint ist: vns uch. 34 das] hier final gebraucht. _____________ 24f. fliechen...wünden] zur Redewendung: „Fliehen wie ein Hirsch“ siehe Thesaurus Proverbiorum Medii 32f. Wir...ratten] ebenso Z. 90-92; ähnlich bei BernAevi, Bd. 2, S. 253, Nrr. 560f. und vgl. Z. 48f. hard (s. Migne PL 184, Sp. 504 C), Johannes Brinckerinck (s. Moll, Acht collatiën van Johannes Brinckerinck, S. 159f.) und Caesarius von Heisterbach (s. Philipp Schmidt, Der Teufels- und Dämonenglaube in den 38-43 Etlich...hertigkait] eine annäErzählungen des Caesarius von Heisterbach, Basel 1926, S. 40). hernd gleiche Reihung der Eingebungen und Anfechtungen des Teufels steht bereits in den Zeilen 6-15. – Diese Aufzählung von Erfolgen des bösen Geistes bei der Versuchung geistlicher Personen erinnert an den aus dem frühen 15. Jahrhundert stammenden Text ’Des Teufels Netz‘, in dem der Teufel in einem Dialog mit einem Einsiedler von seiner menschlichen Beute auch unter geistlich lebenden Menschen berichtet (V. 1323-1359), die er in einem großen Netz gefangen hat; siehe dazu Karin Lerchner, Artikel ‘Des Teufels Netz‘, in: 2VL 9, Sp. 723-727, hier Sp. 724.

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sol, etlich dar vmb, das sy sich dar vff verlassent, das sy etwz zittlichs gütt hand bracht, etlich dar durch, das sy ain vff sechen hand vff jr schonhait oder geschicklichait, die die nattur gybt. Etlich gewünnent wir mit lichtverttigkait, die andern mit karckhait vnd hertigkait.“ Er sait och, das ungehorsame sin gröster gewünn were vnd das jn nach nütt turste nach hungerte, denn das die swestern sünden tettent. Aber sprach er, „wenn die swestern jr tagzitt lessent un andacht, das sy klapperend als die storche, da von habend sy kannen lon, vnd von jrm f(rigen gebet, das sy mit ernst vnd mit andacht tettent, müst er vnd sin gesellen flüchen, das nie kain hass so schnell gefloch vor den hunden. Vff ain zitt warent die swestern zu dem hailligen sacrament gangen vnd hatten sich tracklichen gehalten an irm gebett. Do tett jnnen der boss gaist durch die magt, die er besessen hat, vil lydens vnd verdriessens ain vnd sprach, das die swestern vil mer lydens verdienet hetten, denn er jnnen anlegt, vmb das sy sich so tracklich, vnandaechtigklichen vnd versumlichen beraitt hetten, den heren zu enpfachen. Och rett er mer vnd sprach: „Möcht ich den selben heren enpfachen jn dem stand, dar jnnen jn die swestren enpfachent, ich wolt wunder würcken von jnniger fürigkait vnd andacht.“ Er sait och, das er grossen nide vnd hass habe vff die menschen, das er lieber mit jnnen wolt ewigclichen verdampnot sin vnd jn der hell prynnen, denn das er mit ainem menschen wolt jn dem ewigen leben [...] sin. Dar zu sprach er, das er gern aller welt pen wolt lyden bys an den _____________ 40 etwz] etlichs B

41 nach bracht] in das closster M 42 geschicklichait] bequemlikeit B, uf bequemlichkeijt W, behentigkait M 43 karckhait] verkertheit B M C, fehlt W 43 vnd hertigkait] hertigkait W, fehlt C 44 nütt] fehlt W 44 nach nütt] nirgent mer nach B 45 tettent] fehlt SG2, tetten B W M C SG1 47 da...lon] fehlt B C, dar in han ich vnde mÿn gesellin sundern woil gefallin 49 das...hunden] als der hasz vor den winden W 49 hunden] in W 48 das...tettend] fehlt C 51 gehalten...gebett] darczou bereit C 51 an] am SG2, an B W M C SG1 52 nach winden B 53 verdienet] verdienennet SG2 54f. vnandaechmagt] angnesen SG1 52 die...hat] fehlt C 55 tigklichen vnd versumlichen] fehlt M 55 den...enpfachen] czu dem heilchin sacramente W 58f. nach enpfachen] den sie dann empfangen hetten C 57 jn(2)] fehlt W 57 jnniger] fehlt Bln fürigkait vnd] fehlt M 58 vnd andacht] fehlt C Bln 60f. vnd...prynnen] fehlt M 61 dem] fehlt B, dÿsim W 61 ewigen leben] hemel Bln 61 leben SG2 Doppelschreibung 62 an] am SG2 _____________ 42 mit] „wegen ihrer“. 43 karckhait vnd hertigkait] hier „Hinterlist und Hartnäckigkeit“. 46 tagzitt] 47 klapperend als die storGebete, die zu bestimmten ŷŷTageszeitenŷ regelmäßig gesprochen werden mussten. che] mhdt. klappern bedeutet „schwatzen“ (Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 1606); gemeint ist hier ein unbewusstes Plappern, ein Herunterleiern der Gebete, als wenn Störche mit den Schnäbeln klappern. 62 pen] die gewöhnliche Schreibweise des Wortes im Textzeugen lautet auf mhdt. pin. _____________ 40 zittlichs gütt] Kommentar (6). 49 flüchen...hunden] vgl. dazu Z. 24-26. – Diese Redewendung findet man exakt so in dem Text: Sommige vermaninge tot eenen doechliken leven (siehe J.F. Vregt, Eenige ascetische 50f. Vff ain...gebett] Kommentar (7). 57 fürigkait] Kommentar (8). tractaten, S. 365).

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jungsten tag, vmb das er ainen ogenplick lang mocht jn dem ewigen leben sechen [...], das er vormals da gesechen hat. Er saitt och, das er alle zitt in der swester hindernusß wolt sin, wv er mocht. Vff ain zitt ward die swester swerlichen von dem bössen gaist gepinget vnd er ward gefraget, warvmb er sÿ so grüllichen martterte. Er antwurt vnd sprach, das jm sollichs verhengt wurde, vmb das sy gesündet hett, vnd sprach fürbas: „Zu gelicher wyss als dysß in jr gestrafft wirt, wenn sy tütt wider den wyllen gotts jn wortten, wercken, gedancken, begirden oder manung, also müsß dysß gelichen jn ewer kainer vngestrafft beliben jn dysem leben oder hyr nach, wie klain es ist, das ir wider die ere gottes tünd. Aber sprach der boss gaist zu denn swestern, die da by ain andern warent, „wenn jr ewer kranckait vnd gebresten offenlichen erkennent jn dem cappitel oder jn der bicht, so benement jr vns alle vnser beraittschafft, das wir vnser werck mit üch nit gewürcken kunnent. So jr aber winckel jn uch lasßt beliben vnd etwz hinderhaben oder verbergent, wye klain das ist, das jr es nit vssprechent, so behalten wyr alle zitt beraittschafft, vnsern willen jn üch zu würcken vnd uch zu vall zu bringen. So jr uch aber klarlichen bekennent, so werden wir beschempt vnd den so begynnent wir ain anders mit üch, also m(ssent wir alle zit f(rbas stallen.“ Vff ain zitt geschach es, das dysse vorgemelt besessen magt sich schampt, das sy für ain besessne personn geachtet solt sin vnd dar vmb _____________ 63 jn dem...leben] in das ewig leben M, fehlt SG1 65 swester] swestern SG2 67 grüllichen] fehlt C

63 mocht SG2 C 64 das...hat] dann C 68 verhengt wurde] erloubt were C 68f. gesündet hett] ir selbs in etwas gepresten entgangen wer B W, vbertretten hette C 70 tütt] ir 71 oder manung] oder duth W, fehlt M 76 cappitel] cript B 76 selbs entget oder B W jn...bicht] fehlt C 76 beraittschafft] vrsache C 77 mit] in B C 77 winckel] ettwas M, angel 78 hinderhaben] hinderhalden B, gehaltent C, fehlt SG1 79 beraittschafft] vrsache C C 79f. vnsern..vnd] in eüch M 80 zu (3)] fehlt SG2, zu B W M C SG1 80 uch (2)] fehlt B W C 81 beschempt vnd den] vertriben vnd dar noch M 81 so (2)] fehlt B W C 81 begynnent...stallen] beginnen wir einandere vnd also müssen wir alle zijt verstellen dan wir sint nÿemer ledig C 82 f(rbas stallen] fart stellen, dan wir sind nymer ledig B W 83 magt] swester W 84 besessne] besessnen SG2, besessen B C W, besessne M, fehlt SG1 [Parallelstellen zur Form besessne Z. 84 und 239] _____________ 71 müsß] hier zur Umschreibung des Futurs mit der Bdtg. „wird“ (Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 2217). 74 denn] den B, W, M, C, SG1; siehe zur Konsonantendoppelung im Auslaut die Sprachbeschreibung zu SG2. 76 benement] „entzieht“ von mittelhochdeutsch benëmen (Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 179f.). 77 winckel] gemeint sind verborgene Stellen im Inneren des Menschen. 78 hinderhaben] „zurückbehaltet“. 81f. vnd den...stallen] gemeint ist, dass der Teufel und seine Helfer ohne Unterlass den Menschen nachstellen müssen. _____________ 63f. vmb das...gesechen hat] Kommentar (9). 75f. jn dem cappitel] Kommentar (10). 83f. das dysse...sin] Kommentare (11).

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pingott er sy swarlichen. Da ward er gefraget, wye er vmb scham willen jn sy getörst kumen, so doch scham gütt vnd loblich were. Er antwurt dar vff, das dyse, jr scham, vss hoffart käme, dar vmb hett er macht jn ir. Do ward jm gesaitt, er riett jr doch zu der hoffertigen scham. Er sprach: „Das ist war, ich riett jr dar zu. Aber vmb das sy mir dar jn volget, so müss ich jr es abriben. Wir ratten üch zu mörden vnd zu stellen vnd zu andern sünden, aber wir mügent nieman machen aigne sunden un sinen willen. Aber vff ain ander zitt pingot er die selbe swester gar vngnädigclichen. Do ward zu jm gesprochen, das er da mit jr verdiennett vnd lon des ewigen lebens merete vnd gross machete. Er antwurt vnd sprach: „Das ist wär! Mochten jr ain mall gesechen die glorÿ vnd den lon, den sy vff die zitt verdiennett von dem mynsten lyden, das ich jr ietzund anleg, aller welt pin, vmb sollichs zu lÿden, wurden jr für nicht achten. Vnd dysß ist nit dar vmb, das ich sÿ pinge, sunder vmb jr gedult jn dem lyden.“ Da ward jm gesait, so wurden etliche menschen vast grosß jn dem ewigen leben, die so serr hetten gelitten. Da antwurt er, das [...] dieb vnd morder och litten, aber nit mit willen. Allain willig lyden verdienet alle zitt lon. Zv ainer andern zitt retten die swestern vntter ain andern von dyssiplin zu nemen, ob och da mit vil fegfürs ab genumen wurde. Er antwurtt: „Ain mensch mocht mit sollicher demüttigkait nun fünff schleg nemen, er wurd me den fünff hundert jar fegf(rs da mit ablegen. Aber sy werden [...] gar vngelich genumen vnd enpfangen, wan etliche nement sy von gewonhait wegen vmb das, das es die andern och tünd. Dye andern _____________ 85f. wye...kumen] warvmbe er in sie kam mit der schamme C 90 Wir...mörden] Wir rotten euch das eine die andere sol vrttaillen vnd ir sult auß dem closster gen on einr obersten willen vnd wissen wir rotten eüch zţ flaÿschlicher vnd weltlicher lÿeb zu morden M 91f. machen...willen] mach an seinen eigen willen B, an sinen willin darczu beczwÿngn W 94 verdiennett] glori C 94f. vnd...merete vnd] fehlt M 95 vnd gross machete] fehlt 99 nit] fehlt W 100f. vast...leben] sere clar vnd C 96f. vnd...verdiennett] fehlt Bln 101 das SG2 Doppelschreibung 106 nach mocht] ainer SG2, fehlt B W M C schöne C 106 demüttigkait] lieb vnd demutikeit B W C 106 nun] nit mer denn B W M C SG1 107f. aber sy werden Doppelschreibung SG2 C 108 vnd enpfangen] fehlt W SG1 109 es] sy M _____________ 90 so müss...abriben] „deshalb muss ich sie hart strafen“. Dieser Gebrauch des Verbums abrîben wird abgeleitet aus seiner Verwendung im Zusammenhang mit dem kräftigen Trockenreiben nach dem Bad (s. BMZ, 98 aller welt...achten] gemeint ist: aller welt pin wurden jr für nicht achten, Bd. 2, 1, S. 680). vmb sollichs zu lÿden. _____________ 90-92 Wir...willen] s. dazu den Kommentar (30) zum Willen des Menschen. 96f. Mochten...anleg] vgl. 96-103 Mochten...lon] Kommentar (12). 104f. zum Leid als Prüfung Ps. 11, 4 und Rm. 5, 3. dyssiplin zu nemen] Kommentar (13). 106f. Ain...ablegen] Kommentar (14).

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enpfachend sy vmb vppig ere, den lutten zu wolgevallen vnd gaistlichen zu schunen. Die dritten nement sy vss gezwungenusß, das sy es tün müssent. Etliche t(nd es vss lutter liebe vnserm heren Jhesu Christo, da mit jn etlicher masß sins lydens zu dancken oder vmb jr sünd.“ Dysß verwundert die swestren vast serr, von so vil fegfür abzulegen. Da sprach er: „Wye bwundert üch das so serr? Ich sagen uch: Vnd werent jr die grösten sünder jn aller welt, mit ainem demüttigen nidertrucken ewer selbs von hertzen vntter die ordnunng gottes vnd ewer obersten vmb gottes willen kument jr in gnad also, das gott ewere werck gar angenem wurden, als lang jr da belibent.“ Do fraget ain swester, was es den were, ob ain mensch nit da by belibe. Er antwurt: „Also bald als sich der aller hailligeste mensch vberhebt, so sy er fürbas ain sunder.“ Da sprach ain swester, wye sy sich dann halten solt, wenn sy hoffertig were. Er antwurt: „Es ist nieman jn der welt so hoffertig, er wurd wol demüttig, wolt er sinen willen dar zu geben.“ Fürbas saytt er zu den swestern: „Vernement, was ich uch sag, wann ich müss es tün vnd ich sagen es vss mir selber nit. Mit ainem demüttigen vernidern ewer selben vnd dar jn zu beliben bys ani ewern tod, da mit kument jr vn fegfür zu dem ewigen leben vnd das ist mängen menschen geschechen, also wol gevallt gott die demüttigkait.“ _____________ 110 vppig ere] czitliche ere W, yttel behagunge C 110f. den...schunen] fehlt C 110 zu 111 sy...gezwungenusß] sy von gewonheit wolgevallen] zu gefallen B W, fehlt SG1 112 vnserm] beczwungnisz B, von gewanit wegen vnde von geczwangisz wegen W 112f. vnserm...sünd] fehlt C 113 nach masß] im M 114 nach abzulegen] vnszers B 115 nach uch] vor war von geczwangisz wegin mÿnisz scheppirsz mit eyn kleyn busz W 118 gott] W 116 nach welt] so mugit ir W 117f. von...willen] fehlt Bln 118 jr] fehlt W 119 als lang] so verr vnd B, als ferre C 119 da] da pey B W C 119 frafehlt B 121 sy] ist B W M C SG1 122 wye...solt] get...swester] frageten dÿ swestern W 125 wann...tün] fehlt C 126 nach demüttigen] hercÿemer me dar zţ komen möchte C 127f. ewigen leben] himel M 127f. vnd...geschechen] fehlt Bln 128 menzin W schen] fehlt B C _____________ 111 schunen] von mhdt. schînen (Weinhold, Alem. Gram., S. 30 und Moser/Stopp, Gram. d. Frnhdt., 113 jn] jm B W, fehlt SG1 – Siehe dazu die Sprachbeschreibung zu SG2 Bd. 4, S. 286f., § 101). 113 jn etlicher masß] in Verbindung mit Präpositionen ist dies die gebräuchliche Flexion des Adjektivs 114 von] hier kausal („dadurch“). 119 ob] an dieser Stelle (s. Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 2064). 126 selben] zu sëlben für als Konjunktion mit der Bdtg. „wenn“ (Lexer, MhdtHwb, Bd. 2, Sp. 128). sëlbes siehe Lexer, MhdtHwb, Bd. 2, Sp. 861. _____________ 111 gaistlichen] Kommentar (15). 116-118 mit...gnad] ähnlich bei Thomas von Kempen (s. Pohl, Thomas von Kempen, Opera omnia, Bd. 2: De imitatione Christi, S. 219, 25-28): „(...) gratia Spiritus sancti cor humile semper quaerit“ oder Johannes Brinckerinck: „Wie ghenade van onsen lieven here wil vercrighen ende behouden, die vlitighe hem tot oetmoedicheit; want gheen dinc en dwinget got alsoe seer als oetmoedicheit“ (siehe Moll, Acht collatiën van Johannes Brinckerinck, S. 142 118 gnad] Kommentar (16). 125-128 Mit...geschechen] vgl. I Cor 9 und auch ebd. S. 135). 127f. da mit...demüttigkait] Kommentar (17). und 10.

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Da ward er gefraget, wie ain mensch sin gedancken vnd sin hertz schicken solt zu sollicher demüttigkait. Er sprach: „Jr sollent uch also von grund ewers hertzen demüttigen, ob ieman käme vnd geb uch ainen straich ani ewern hals oder backen vnd bewiste uch ander vnfertigkaitt mit wortten oder wercken, mit scheltungen oder mit ander smächung, die der nattur wider were, das jr uch den dar jn fröwent vnd gedächten, das jr sollichs wol verdienet hetten vnd nit bessers wirdig werent, och, das uch sollich von recht zu gehrt. Wenn jr aber geerett vnd gelobt werden jn etlichen dingen, dar jnnen die nattur ain wol gevallen hatt, oder so üch ain gedanck oder bewegunng des herczen jn kumpt, geachtet oder gesechen zu werden von den menschen, das jr uch denn dar jnnen von gantzen hertzen betrübent vnd jn rechter warhait uch des vnwirdig bekennen.“ Er sagt och, das jn ettlichen hüssern noch obersten werent, die fünffzig oder sechzig oder mer menschen vnder jnnen hetten, die von jren vnttertannen dick mit hertten, scharpffen wortten vnd onverttiger wysse vberhoblott vnd vbel gehandlett wurden. „Die, die dann nocht dar jnnen standhafftig vnd vest beliben jn warer senfftmüttigkait, vor sollichen gelassne, nidergeslagnen, demütigen menschen grüwet vns so serr, das wir sy nit geturent an sechen.“ Aber saget er zu ainer zitt, das die hailligen engel die swestern jn grosser wirdigkaitt hetten, die sich ernstlichen vnd tapffer_____________ 130 sollicher] diszer fehlt B C 130f. von...hertzen] fehlt Bln 131 demüttigen] in godolt czu der 132 hals oder] fehlt C Bln 132 vnfertigkaitt] verzücht M, hönunge vn demut geben vnde W 133 mit ander smächung] fehlt W M 135 nach wol] vnere C 132f. mit...wider were] fehlt Bln 135f. och...gehrt] fehlt Bln 135f. das...gehrt] fehlt M 136 jn etlichen mit vwern sonden W 137 dingen] doginden W 137-139 oder so...zu werden] vnd gesechen wolt dingen] fehlt M 137 so üch ain gedanck...jn kumpt] fehlt C 139 von den menschen] fehlt C 139 werden M 140 hertzen...bekennen] nit betrübent das ist mein vnd meiner gesellen gantzen] gantzem C 141 nach ettlichen] godisz W 141 hüssern] stetten C 142 oder mer] fehlt C wolgefallen M 142 nach hetten] zw regirn B W M C 143f. vnd onverttiger wysse vberhoblott vnd] fehlt M, vberge144 gehandlett] ausz gericht B W 145-147 vnd… ben C 144 vberhoblott] überfarn B W sechen] fehlt C 145 nach senfftmüttigkait] vnd gedultigkeit B W 146 grüwet] grawet B, greütt M 146 vns] vnd B 147 hailligen] fehlt C 148 wirdigkaitt] eren C 148 ernstlichen vnd] fehlt B C, hitczlichin vnde W 148f. vnd tapfferlichen] vnd flislichin W, fehlt M, vnd fürderlich C _____________

129 sin gedancken] zur Flexionslosigkeit des Pronomens sin siehe Reichmann/Wegera, Frnhdt. Gram., S. 216, § M 65. 132 vnfertigkaitt] von mhdt. unvertecheit; hier mit der Bdtg. „Unrechtmäßigkeit“ (Lexer, MhdtHwb, Bd. 2, Sp. 1968f.). 143 onverttiger] hier „ungeziemend“ (Lexer, MhdtHwb, Bd. 2, Sp. 1969). 144 vberhoblott] von mhdt. überhobelen (dazu Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 1312 u. Bd. 2, Sp. 1626). 146 grü-

wet] vom mhdt. grûwen in der Bedeutung „Grauen empfinden“ (Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 1108). _____________ 129-135 Jr sollent...verdienet hetten] Kommentar (18). 136-140 Wenn jr aber...bekennen] ähnlich 144-147 Die, die...an sechen] auf die Abneigung des Teufels Bernhard (s. Migne PL 183, Sp. 853 A). gegenüber der Demut wird schon bei den Altvätern des Öfteren hingewiesen (vgl. Reissenberger), Das Väterbuch, u.a. S. 36, 173, 331f. u. 386). 145f. gelassne] Kommentar (19) und die Ausführungen im Kapitel VI, Pkt. 3.3. 137-140 Wenn…bekennen] ähnlich ’Sendbrief vom Betrug teuflischer Erscheinungen‘ (fol. 37v).

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lichen zu den tugenden geben, vnd das sÿ grosse gnad von gott wurden erwerben, wenn sy standhafft vnd vest by jrem gutten fürsatz belibend. Och saitt er den swestern: „Jr bedurffend nit hoffen nach gedencken jn den hymel zu kumen vn demüttigkait, von dannen wir vmb vnser hoffart sind vsgeworffen.“ Zu ainer zitt hat die vorgemelt swester gesundet jn zwayen puntten, dar jnnen sy jr hoffart volget. Da was anis, das sy ain wenige vnsuberkait von jrem kyttel geweschen hat vn erlobung. Das ander, das sy ain nasß hemdt, das sy jn der arbait swaissig gemachet hat, anibehielt vnd jr nattur da mit krenckt. Dysß tätt sy vss hoffratt vnd wolt da mit andern swestern, die gesund vnd starck warent, sich gelichen. Vnd wye wol dysse zwenn puntten vs der wurtzel der hoffart koment, so warent sy doch nit todsünd. Vnd der bösß gaist sprach, das er die selben swester XX jar lang dar vmb jn hytz vnd kelte des fegfürs solt gepinget haben, hett sy es hye nit abgelait mit ainer demüttigen, schamhafftigen, offenwarn bicht vnd mit ainer waren r(wen, das sy dar jnnen gesundet hett, vnd mit gantzen fürsatz, niemer me wider den wyllen gottes zu t(n. Och so hät sy da mit macht vnd gewalt, allen vnsern rechten vnd allen vnserm an sprechen, die _____________ 152f. von dannen...hoffart] da wir vmbe vnser hoffart willen C 158 krenckt] swechte W 159 die...warent] fehlt M 159f. dysse zwenn puntten] dit Bln 160 zwenn puntten] fehlt C 161f. die...jn] denoch dar ümb die selben swester czweinczig jar lang in B, se dan noch dÿ selbige 162 dar vmb jn] dar vmb sy jn SG2 162 des fegfürs] swester XX jar lang dar vmb jn W 164 r(wen] vnd rechten bekennen B 164 nach r(wen] vnd sy maint nit M 165 fehlt C 165 nach t(n] auch mit der gracien vnd genad gotes der sie gottes] gos SG2 (am Zeilenende) eben wör nam da sie zw ir selber kam hat sie es abgt B, vnd mit der gnade gottes der sie auch eben war nam da sie kam hie mit leite sie es abe C. (Danach folgt in den Textzeugen B W M C der Zusatz: Aber sagt er hett sy aller werlt sund gethan sie het da fur genuck gethan mit dem dimutigen schamigen offenlichen peichten mit warem rewen vnd mit dem ganczen fursacz nimer mer wider gotes willen zu tun. In W lautet der Zusatz ab dem Wort rewen jedoch: vnde leiden vnde mit ganczen vorsacz numer me czu dunde. Da sowohl der ausgelassene Satz als auch der Satzanschluss mit dem Wort och beginnen und vor dem Satzanschluss der gleiche Nebensatz steht, ist in SG2 ein 165 so] fehlt B W C 165 nach mit] alle vnsze W 166 nach geAugensprung zu vermuten) 166 allen...rechten] fehlt W M walt] vnsz genommen vnde von ir gedrebin W _____________ 154 puntten] siehe zum Schwund von aufgrund von Mehrfachkonsonanz Reichmann/Wegera, Frnhdt. Gram., 158 hoffratt] siehe zu Metathesen S. 104, § L 49, zum -Plural siehe die Sprachbeschreibung zu SG2. 160 zwenn] zu dieser Schreibweise des Zahlwortes vgl. Z. 1402 und siehe die Sprachbeschreibung zu SG2. Moser/Stopp, Gram. d. Frnhdt., Bd. 7, S. 536-545. Zu der auch im 15. Jahrhundert noch weitgehend intakten Flexion der Kardinalzahl siehe Wegera, Morphologie des Frühneuhochdeutschen, S. 1321. 164 r(wen] von mhdt. riuwe; das Genus von riuwe kann auch maskulin sein (Lexer, MhdtHwb, Bd. 2, Sp. 473). _____________ 149 zu den tugenden geben] Kommentar (20). 151f. Jr...demüttigkait] ähnlich Thomas von Kempen im Text ‚Recommendatio humilitatis‘: „Absque humilitate vera vacuum geritur nomen sanctitatis (...)“; 155-158 Da was...krenckt] Kommentar (Pohl, Thomas von Kempen, Opera omnia, Bd. 2 , S. 378, 24f.). (21). 164 r(wen] zum Wesen der Beichte gehören Reue und Leid; vgl. etwa II Cor 7, 10f.

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wir zu jr hetten, zu engan vnd zu enttrünnen. „Dysse gnad ist och ainem ieglichen, der sy will vnd jr war nempt, von gott geben, wann er versaget sy nieman, dann den verhertten vnd verkertten, hoffertigen hertzen, als ich bin vnd myn gelichen.“ Do ward er gefragett, was jm dar vmb gebürtte vnd zu gehörtte, das er also hoffertig were. Er antwurtt: „Schande, verspottung vnd ewige pynn. Vnd sitt ich dyse swester so lang vnd swerlichen sölt gepeniget haben, vmb das sy, als obnen statt, vnwissenklichen tätt, was manent jr dann, das ich üch pingen werde, die offt mit willen vnd mit wissen ewer verkertten hoffart volgent, aber ich wyll es uch alles hyr nach sparen.“ Er sprach och, das er den serr getrülichen hyr nach mals wurde zuschüren jn der pyn, die jm nun volgetten jn der sund. Do gedacht ain swester, wye er dyse artickel also gesagen möcht, sider sy die also gebichtet hett. Er antwurt vff der selben swester gedanck vnd sprach, was sy gebichtet hett, das wer vor sinen wyssen vnd vor sinen bekennen vnd vor sinen ogen verborgen. Aber der, den sy gestert enpfangen hetten jn dem hailligen sacramett, der tätt jm sollichs zu wyssen. „Vnd sÿ stand hye by mir, die mich zwingent, das ich uch sollichs sagen m(sß. Vnd ich solt es uch gestert gesaitt han, da warent jr zu dem hailligen sacrament gangen. Das was vff vnser lieben frowen tag, als sy zu hymel für. Dar vmb kami ich nit, wan es was du myn tag nit, wan die hochzitt was nach nit vergangen. Vnd ich sagen üch: Ettlich vnder üch haben fantesÿ vnd gedancken, ob vns ewer sunde verborgen sind, wenn jr sy gebich_____________ 167 zu enttrünnen] usz geschlagin W 168 geben] bereit C 169 verhertten] verherttertten 170 vnd myn gelichen] fehlt C 171 gebürtte vnd] fehlt M 172 Schande, SG2 (vgl. Z. 1027) verspottung vnd] fehlt M 172 nach pynn] Vnd er sprach das er denen sere getruwe har nach sin 173f. Vnd sitt...tätt] fehlt W 177 getrülisolte zţ zesthren[!] die yme nun hie folgeten C 177 getrülichen hyr nach mals] fehlt M 176-178 Er...sund] dan so werde ich chen] dort B 179 er] fehlt B 182 uch grylichin pÿnigen vnde fegen dij mir volgen in den sonden W 183 jn dem] daz ist das C 186f. Das...für] fehlt M 186 nach vnd...verborgen] fehlt M frowen tag] asumptionis B W C SG1 186f. als...für] fehlt B C 187 Dar vmb kami ich nit] so 187f. wan...vergangen] fehlt W 189 konde addir mochte ich uch keyn beczwang gedun W 189 gebichtet] gebichet SG2 (vgl. Z. 311) vnd gedancken] fehlt C _____________

175f. die...volgent] siehe zur elliptischen Konstruktion die Sprachbeschreibung zu SG2. 178 serr getrülichen] hier mit der Bedeutung „ganz gewiss“. 182 gestert] siehe zu dieser Schreibweise Götze, Frnhdt. 186 sy] gemeint ist Maria. 188f. Glossar, S. 105. 184 stand] 3. Pers. Pl. Präs. Ind. von stân. haben...gedancken] „stellen sich vor und fragen sich“. _____________ 169f. den verhertten...hertzen] ähnlich Bernhard (s. Migne PL 182, Sp. 730 B); vgl. auch Rm 3, 24 und 174 als obnen statt] gemeint sind die Ausführungen zur Unsauberkeit der siehe den Kommentar (22). Kleidung der Schwester. 180-182 Er antwurt...verborgen] Kommentar (23). 186 vnser lieben frowen tag] zum Fest der assumptio siehe den Kommentar (24). 187 hochzitt] gemeint ist das hohe kirchliche Fest der Himmelfahrt Marias, das zuvor erwähnt wird.

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tet haben. Ich sagen uch, wie grosß ewer sünd sind, als bald jr mit gantzem fürsatz mainent, nyemer mer die sünd wider zu tün, als bald werden sy vnserm wyssen vnd bekennen vor vnsern ogen verborgen, vnd jr werden vor allen vnserm ansprechen, die wir zu uch hetten, erlosset, wann gottes braitte, barmhertzige liebe ist so gross zu üch, das er vmb ainen gedancken ewer fantesyen mir gebütt, üch solliche warhait vnd cristenliche lere zu sagen. Ja, sin liebe ist so gross zu allen den, die von gantzen jrem hertzen zu jm gekertt sind, das er vmb der mynsten swester aine alle dyse ding wol solt lassen geschechen. Dar vmb ist es üch gross schand, das jr in also tr glichen lieb hand, vnd uch geschicht grosse gnad. Dar vmb machent es üch nutzpar, ob jr wöllent. Vnd tünd jr des nit, ich will es uch vor dem vrtail gotts vffheben.“ Aber sprach er: „Etliche vnder uch sind nach vngelöbig vnd zwifflent, ob es war sy, das ain dysem buchlin geschriben stätt, vnd ob es von verhengnunsß gotts gesaitt werde. Ich sagen üch, es sind alles sine wortt vnd siner vsserwelten frunden, die jr sentenzen vnd vrtail dar vber geben habend. Vnd als war es ist, das ich ietzund vnd vor gesaitt hab, also war ist es, das jr ain grosse plag haben werden, ob jr nit dar nach tünd vnd lebend. Vnd ich wird üch des alls ani dem gerücht gotts ermanen, wye klain es jach sÿ.“ Do sprach ain swester: „Wyr besorgent, das du vns mit dem gutten, das du vns sagest, werdest betriegen, wan du vnd dein gesel_____________ 190 grosß] heszlich B C, hesszelichin vnde vnrein W 190f. bald...mainent] ir sie mit scham vnd dimut offenlich peichtet mit warm rewen vnd ganczen fursacz B W C 193 nach vor] allir 193 uch] fehlt M 194 er] fehlt SG2, er B W M vnszer macht B, vnszin rechtin vnde von W 194 ainen] einen einigen B W 195 gedancken...mir] fehlt B 196 allen] uch SG2, C SG1 197 swester] sweste SG2 199 allen B W M, fehlt C 197 vmb] fehlt SG2 M, vmb B W C 201 nach gotts] verweiszen vnd B W 201 nach vffheben] vor allin creaturin W vnd] wan M 202 nach er] dorch dy besesszin swester W 203 nach das] ich en vorgebin vnde W 204 alles] 204 nach wortt] vnd ler M 205 nach frunden] wort C 205 sentenzen das meÿste teil C 208 gerücht] vnd] fehlt M C 208 nach lebend] noch disszin wortin dy ich uch musz sagin W vrteil B W C 210f. vnd dein gesellen] fehlt C _____________ 201 vffheben] „vorhalten“ (s. Götze, Frnhdt. Glossar, S. 15): einem etwas aufheben mit der Bedeu203 ain] jn B W M, hie inne C – Ain steht in SG2 gelegentlich tung „jemandem etwas vorhalten“. 203f. von verhengnunsß gotts] „durch Gottes Vorsehung“ (zur Übermit der Bedeutung von in. 209 jach] vom mittelhochdeutschen Adverb joch als setzung siehe Götze, Frnhdt. Glossar, S. 78). Kontraktion von ja und och zur Verstärkung von och, hier mit der Bedeutung „denn auch immer“ (dazu FWB, Bd. 8, Sp. 381ff.). 209 Wyr besorgent] „wir bedenken mit Sorge“ (Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 221). _____________ 199-201 Dar vmb...vffheben] vgl. dazu u. a. die Zeilen 587-592 und 1292-1299. 202-204 Etliche...werde] siehe dazu den Kommentar (5). 205 siner vsserwelten frunden] siehe den Kommentar (25). 209-211 Wyr...vermengnen] zur Sorge der Schwestern wegen falscher Propheten siehe den Kommentar (26) sowie die Ausführungen zum Wahrheitsgehalt der Äußerungen des Dämons im Kapitel VI, Pkt. 3.1.

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len offt das gütt mit dem bössen pflegent zu vermengnen.“ Er antwurt vnd sprach: „Sagent mir: Ob jr dysen puntten volgetten, die ich uch gesait hab, möcht och iemand da mit betrogen werden? Ich erkenn vnd was ewer nit vil, die wir mit dem gütten durffent betriegen, won jr volgent vns gern jn dem bösen. Ich bedarff üch nit erschynnen jn ainem engel des liechts, won ich mag uch ain wort nit gesagen, es sei mir denn ee verhenget. Vnd volgent jr den dysen puntten, so werden jr nit betrogen.“ Do fraget jn aber aine, ob die swestern so gar gebressthafft wern, das gott dyse ding dar vmb vff sÿ verhengett. Er sprach: „Ir sind also träg jn dem weg gotts, das er uch durch die lerr ermündern wÿll vnd wacker machen. Vnd die puntten, die ich uch gesait hab, sind nit frömd ler oder nüwe ding: Es ist die haillig geschrifft vnd cristenliche warhait. Aber jr sind, als ich vor gesprochen han, so treg, das jr es von rechter trackait nit tün wöllent. Jr sollent aber wol dysen puntten volgen mügen, wölten jr ewern wyllen dar zu geben vnd fliss daran legen.“ Dar nach retten die swestern zu samen vnd aine fragett die andern, was fürig, andechtig gebett were, vnd der böss gaist antwurt: „Ich wyll uch leren, was andächtig, jnnig gebett sy. Ich müss ewer schulmaister sin vnd t(n es doch nit gern vnd jr habend mich ietzund serr wol zu ewerm willen. Ich sagen uch: Das ist warhafftige andacht des gebetts, wenn jr die krefft ewer sel erhebend vnd hefften jn den, der sy uch gege_____________ 211 Er antwurt] Ertwurt SG2 213 erkenn vnd] fehlt C 215f. engel des liechts] engilschin 216 ee] fehlt W M C 216f. verhenget] erlawbt B 218 wern] were SG2, wern B W licht W 219 nach sprach] Ia M 220 weg] dienst M 220 nach ermündern] vnde vermanen W MC 220f. nach machen] czu syme dinste W 221 uch] fehlt B, se W 221 nit frömd] mÿn Bln 222 230 nach sy] vnd cristenliche warhait] fehlt C 226 puntten] stucken B W 230 jnnig] fehlt M 229 nit gern] genöt B, nit W mich bedunckt C 228f. vnd...gern] vnd bin es doch ntte C 229f. vnd...willen] fehlt M 230 nach willen] dorch vorhengkenissze godis W 230 andacht] 233 die] all B W 231 nach krefft] vnde macht W 231 erhebend vnd] fehlt ferwigkeit B W C B W 231 erhebend vnd hefften] giesset C _____________

212 volgetten] „folgtet“; 2. Pers. Plural Präs. Konj.

222 haillig] das Wort kommt im Text sowohl als Adjektiv als auch als Substantiv häufig vor. Es erscheint ausschließlich in den Flexionsformen haillig und hailligen. _____________ 212f. die...hab] gemeint sind hier wohl alle bisher erteilten Ratschläge und Ermahnungen. 215f. engel 219-221 Ir...machen] siehe zu dieser Formulierung der causa scribendi des liechts] Kommentar (26). auch die Zeilen 285-287, 840-842 und 1392f. sowie das Kapitel VI, Pkt. 5. 221f. Vnd die punt222f. Aber..han] von der Trägheit der ten...warhait] vgl. dazu Z. 455f., 859-864, 1267-1269. Schwestern wird drei Zeilen zuvor gesprochen. Dass hier trotzdem schon ein expliziter Rückverweis eingefügt wurde, lässt die Vermutung zu, dass nach der vorangehenden Feststellung „Es ist die haillig geschrifft vnd cristenliche warhait“ eine Leseunterbrechung vorgesehen war. 225 wyllen] für weitere Ausführungen zum 226 Willen siehe u.a. die Zeilen 332-340, 458-461, 569-572, 609-613, 1277-1279 und 1309-1316. 228 schulmaister] Kommentar (28). 231 krefft ewer sel] Dar nach...andern] Kommentar (27). Kommentar (29).

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ben hatt.“ Do ward er gefraget, wÿe sy das tün sollten. Er antwurt: „Jr sollent jn kainen dingen ewern aignen nutz s(chen, fortail oder aigen gemach. Vnd ob jr nutz vnd gemach habend, das söllent jr zu sinen eren vnd zu sinem willen gebruchen. Das ist, das ir jn allen dingen sollent mainen vnd begeren, sin ere vnd willen zu volpringen, wann also hat ewer herr [...] cristus selbs jn dysser zitt getün vnd sin vsserwelten fründ. Vnd wer es, das jr uch jn jn kertten, als dysß gegenwürtig vass t(tt, dar jn ich ietzund sitz“, da mant er die besessne swester, „es wurden alle widersacher, die uch anifächten, von uch fliechen, als wir von jr fliechen müssent, wenn sy sich zu jrm gebett kertt.“ Da ward gefraget, was die swestern hinderte, das sy sich nit so gantzlich kündent zu vnserm heren keren. Er antwurtt vnd sprach: „Das machet, das jr üch selber vnd die creattur zu lieb haben.“ Dar nach ward er gefraget, wie man bitten sölt vmb vergebung der sünden. Do sprach er: „Wollent jr das erwerben, so müssen jr uch vber geben jn sinen willen.“ Da fraget man jn, wie das vber geben sin sölt. Er antwurt: „Jr sond der gnad gotts jn uch warnemen. Vnd wer sach, das jr uch mit ainem beraitten, hÿtzigen wyllen jnkertten jn den, der uch geschaffen hat, mit ainem abschaid von allen sichtigen dingen, so wurd uch dyse gnad jnwendig geschechen, dye diser, ewer swester, dar jn ich sÿtz, vsswendig geschicht, wan als dick jr sechen mügen. Wer es, das sy ainen gantzen tag oder ain jar lang klaffette allain mit dem mund vnd vnandächtigklichen bette, dar vmb schid ich nit von jr. Aber wenn sy sich gantzlichen zu gott kertt, so m(ss ich vnd all myn gesellen flüchen, also _____________ 234 ob] fehlt B 235f. mainen vnd begeren] suchen C 236f. ewer...zitt] er selbs C 236 herr SG2 Doppelschreibung 236 nach herr] Iheso W 238 nach kertten] als ÿr ouch degelich vsswen238 gegenwürtig] fehlt B M 239 nach sitz] angnes SG1 dig sehent vnd mercken mgent C 239 da...swester] fehlt C 239f. widersacher] widersachen SG2 240 wir] ich B W C, ir M 240 jr] euch B C, disser W 241 die swestern] uns C 243 creattur] dinge C 245 nach der] 248 gotts jn uch] fehlt C 249 hÿtzigen] fewrigen B W C 250 von] fehlt B gracien oder B 251 ewer swester] fehlt C 254 dar vmb schid ich nit] dar vnder schaid ich mich SG2, dar vmb 255 vnd all myn gesellen] fehlt C schid ich nit B W M, wir scheident daurvmb nit SG1 _____________ 233f. gemach] „Annehmlichkeit“ (s. Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 832). 238 gegenwürtig] von mhdt. 238 dysß gegenwürtig vass] zur Wortstellung gegenwertec (Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 781). siehe die Sprachbeschreibung zu SG2. 239 da...swester] bei diesem Satzeinschub, durch den die Textstelle erklärt wird, handelt es sich vermutlich um einen nachträglichen Zusatz des Schreibers. - Zum unvermittelten Wechsel von direkter und indirekter Rede siehe die Sprachbeschreibung zu SG2. 250 abschaid von allen sichtigen dingen] gemeint ist die Trennung von allen weltlichen Dingen (zur Bedeutung von abschaid siehe Götze, Frnhdt. Glossar, S. 4, zum Adjektiv sichtigen ebd., S. 201). _____________ 232-236 Jr sollent...volpringen] Kommentar (30). 238 jn jn kertten] gemeint ist „zu ihm kehrtet“; siehe dazu auch den Kommentar (31). 238f. als dysß...swester] Kommentar (32). 243f. Das machet...haben] vgl. zum Inhalt Z. 1054-1056 und siehe den Kommentar (33). 255-257 also...pinget] Kommentar (34).

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wol die sy vnsichtigklichen anfächten, als ich, der sy sichtigklichen vnd enpfinttlichen qüllt vnd pinget. Ja werent vnser X tussent, wir musten all fliechen. Aber sy nempt der gnad nit alle zitt war vnd wer sÿ dar zu geflissen, als sy sölt, sy wurd wunder würcken.“ Vff ain ander zitt ward er gefraget, ob es were, das die swestern vnternwyllent aine vff die andern passion vnd zorn jn jren hertzen enpfunden, wye sy sich dar jn halten solten. Er antwurt: „Dye selbe, vff die sich ain swester bewegt funde, die solt sy lieber haben vnd jr mer diensts tün vnd vndertannigkait bewyssen dann ainer andern.“ Dar nach fraget jn ain swester, ob sich etwenn machett vnd begebe, das sich aine gegen der andern jn wortten oder jn wercken vnfruntlichen erzöget vnd gehalten hett vnd jr jn den gedanck käme, das sy sich gegen jr dar vmb demuttigen sölt vnd jr schuld sprechen. Vnd sy denn das liess hini gan vnd en achte des jnsprechen gotts nit jn jr, aber sy gedächte: ‚Wol ist sy zu friden, so sy ich och zu friden,‘ wÿe das ain gestalt hett. Er antwurtt vnd sprach: „Ja, das ist der frid, den wir lieb habend. Vnd also lang jr jn sollichen belibend, so hand wir gewalt, vnsern willen jn uch zu würcken. Vnd wir werden uchs alles zu huffen samlen, ist, das jr uch hyr jnnen nit besserent vnd des gottlichen jnsprechens jn uch nit warnement.“ _____________ 256f. vnd enpfinttlichen qüllt vnd] fehlt M

258f. Aber...würcken] vnde wan se der genade alleczit war nem, also sÿ dunne solde, se worde grosz wundir wirken in gaistlichin dingen W 260 ob..das] fehlt W 261 vnternwyllent aine vff die andern passion vnd] fehlt M 261 passion und zorn] peinlikeit vnd vnwertikeit B, passien hetten vnde vnwirdekeit W, vnwillen oder 262f. Dye selbe...funde] fehlt C 263 nach swester] also B W 263 sy] fehlt W vngunst C 264 vnd vndertannigkait bewyssen] fehlt M 265 sich etwenn...das sich] wir vns C 266f. vnd 267 jr (1)] vns C 267 den gedanck] vnser hertze C 267 sy sich] wir gehalten hett] fehlt M vns C 269 gotts] fehlt C 271 jr] fehlt W 272 nach sollichen] vnfrid M 272 gewalt] bereit274 gottlichen] fehlt C schaft B, vrsach C 273 jnnen] jnmen SG2 _____________ 257 musten] 1. Pers. Pl. Präs. Konj.; zur Schreibweise im Konjunktiv siehe Reichmann/ Wegera, Frnhdt. 258 nempt] 3. Pers. Sg. Präs. Ind.; vgl. auch warnempt (Z. 1346). 261 Gram. S. 303, § M 145. passion] von lat. passio hier in der Bdtg. „quälende, innere Missstimmung“ (dazu Grimm, DWb, Bd. 13, 263 mer] zum Komparativ von Sp. 1489). Der Begriff wird in den Zeilen 1274-1281 genauer erläutert. 267f. das sy...schuld sprechen] gemeint ist, vil mit Genetiv siehe Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 2108. dass sie vor der Schwester aus Demut ihre Schuld aussprechen sollte. 268 demuttigen] zu für siehe Weinhold, Alem. Gram., S. 48. Zu für vor Nasal und speziell im Wort demut s. Moser, Frnhdt. Gram., Bd. 1.1. § 81, Anm. 6, 20 und 25. 270 hett] 3. Pers. Sg. Präs. Ind. von haben (Belege dafür bei Weinhold, Alem. Gram. S. 382). _____________ 262-264 Dye selbe...andern] vgl. dazu auch Z. 467-478 und siehe den Kommentar (35). 260-272 Vff ain ander zitt...würcken] vgl. dazu Wielander, Ein Tiroler Christenspiegel des 14. Jahrhunderts, S. 60: „Die vierde sache, das der zoren gote seine herschaft nimpt an dem menschen vnd machet, das der tiefel an dem menschen gewalt vber den menschen gewinnet.“ Diese Auffassung findet man auch 269-271 aber sy...habend] Kombei Caesarius von Heisterbach (Dialogus miraculorum, dist. IV, 49). mentar (36).

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Dar nach antwurt er vff ainen puntten, den ain swester vss fürwyczigkait vnd stoltzkait fraget, vnd sprach, das jm das nit enpfollen were zu sagen, vnd sprach fürbas, [...] „/wer curiosa, fürwitzige erforschung wirt machen, das ewer ettliche jn selbs dyse nüwe gnad vnnütz machen werden.“ Vff ain andere zitt kument die swestern zusammen vnd der böss gaist begand, jnnen ser verwisslichen zu sprechen vnd sprach: „Jr fullen, jr sind so treg, ich müss uch ewer fulle trackhait sagen, das jr vndanckpar sind der nüwen gnad vnd gab, die uch der schöpffer geben hatt nit vmb ewer verdiennen, besunder vs grosser liebe, die er zu uch hatt vnd zu ewer s lligkait. Es sind wol alte ding, aber er hat sÿ uch ietzund ernüwert jn dysser wyss, das ich also m(ss von sollichen sachen müntlichen mit uch reden. Jr sind so träg, da von zu gedencken, nach träger, da von zu reden, aller trägest, dar nach zu würcken. Ewer etliche haben och verdriessen, etwz da von zu hören, vnd ewer ain tail beliben vast vff ewerm aignen synn vnd gütt beduncken vnd wöllent nit ainfaltiglich volgen dem ratt vnd verstännttnusß jr obersten vnd werden es hyr nach enpfinden jn der pinn.“ Do gedacht ain swester, wye sy tün möchte, das sy vnsern heren gedanckte aller dÿser gnad. Der böss gaist antwurt vnd sprach: „Ich _____________ 275-279 Dar nach...werden] fehlt M 276 fürwyczigkait] curiosikeit B W 276 vnd stoltzkait] 277 curiosa] stolze B W, vorwitzige C, fehlt SG1 fehlt C 277 fürbas SG2 Doppelschreibung 278 nach machen] vnde ene selbisz keyn frucht brengit W 278 jn selbs] fehlt W 281 281 fullen] frawen B W, faullen M C SG1 282 jnnen...sprechen] hirtlichin czu straffin W 282 fulle trackhait] faulheit vnd trackeit B W C SG1, uch] fehlt SG2, euch B W M C SG1 285-287 Es...reden] fehlt M 290f. vnd verstännttnusß] traghait M 284 nach ewer] sele W 291 vnd (2)] die B W M 291 wervnd willen B, vnde frefeln W, fehlt M C SG1 291f. enpfinden...pinn] wal besebin den...enpfinden] sollent es noch sehen vnde befinden C 294 aller...gnad] von allern disen gaben C 294 gnad] gaben B vnde folin in grossir pÿn W _____________ 276 stoltzkait] siehe dazu die Sprachbeschreibung zu SG2. 276 enpfollen] von mhdt. enphëlen, hier in 277-279 /wer...werden] gemeint der Bedeutung von „auftragen“ (Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 563). ist, dass Gnade stets von Gott gewährt wird, sie erfolgt also nicht zwangsläufig als Belohnung für bestimmte Leistungen. 277 curiosa] von lat. curiosus („neugierig“). 284 besunder] die gegenüber sunder neuere Form besunder erscheint in SG2, wie im Alemannischen üblich, erheblich seltener. Dabei ist es gleich, ob die 287 da von zu gedencken] zum Form als Adjektiv, Adverb oder als Konjunktion gebraucht wird. Verbum gedencken in Verbindung mit der Präposition (da)von siehe Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 768. 294 gedanckte] eine Nebenform des Verbums danken (Belege dafür bei Fischer, SchwäbWb, Bd. 2, Sp. 51). – Zum Verb danken mit Genitiv der Sache siehe Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 409. _____________ 277 curiosa] ob an dieser Stelle die zur Welt geneigte innere Haltung des Menschen zum Ausdruck gebracht werden soll, wie sie etwa von Brinckerinck beschrieben wird? (siehe Moll, Acht collatiën van Johannes Brincke281f. Jr fullen...sagen] vgl. Rm 12, 11. 282-284 das...verdiennen] vgl. Rm 3, 24 rinck, S. 149). 285-287 Es...reden] zur causa scribendi vgl. auch die Zeilen 219-225, 840-842, und 1392f. und 25. 293f. Do...gnad] vgl. Ps 116, 12.

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müss uch vff ewern fantasye oder gedancken antwurtten, jn dem jr gedenckent, wye jr ewerm heren gedancken mügent. Er begert kaini gross ding von uch, sunder das ist jm der allergenemest dienst vnd danckparkait: Das er von uch begert, das jr anfaltigklichen tünd, das uch ewer obersten haissent tün vnd das jr jnen in allen dingen gehorsam syent, wan das ist warlichen der recht, sicher weg, der uch zu gott laittet.“ Do ermanet der bichtvatter die swestern, das sy dÿse [...] sällige lere solten wirdigenklichen vnd danckperlichen von gott enpfachen, wan es wer geloplichen, das die gutten engel vnd hailligen da gegenwürtig werent, dye den bossen gaist alle solliche n(tze lere zwungen zu sagen. Do sprach der tüffel: „Das ist w r, da sind gegenwürtigen vil hailligen vnd der haillig aller hailligkait ist och selber hye, des wird ich wol gewar. Vnd von mir selber sag ich dysse ding nit, noch ewer gedancken mag ich vss mir selber nit bekennen. Aber die by mir hye stand offenbarent sy mir vnd bezwüngent mich, das ich uch dar vff antwurten müsß.“ Zu den selben zitten was ein swester, die gelobt nit, das die bössen gaist die sünd nit wyssent, die sÿ gebichtet hette, vmb das jr die selb sünd nach offt jn den gedanck kamen vnd angefochten wurd, dz sy die mer bichten sölt, wan sollichs prächten jr die bossen gaist jn vnd künden da von kainen friden haben. Dar vmb mainte sy, das sÿ ie sollich sünd nach wyssent, dyewill sy si da mit anvächten. Er antwurtt der swester vff dysen jren gedanck vnd sprach: „Dye sund, die jr gebichtet hand, die wyssent wir _____________ 295 fantasye oder gedancken] fantasye gedancken SG2, fantasien B W, gedancken M, fantasÿen 297f. ist...begert] ir eme aller oder gedencken C (In Z. 188f. heißt es fantesÿ vnd gedancken) 301 dÿse SG2 Doppelschreibung 301f. solgenemste sÿt vnde eme czu allem dinste steit W 301f. wirdigenklichen vnd] fehlt M 302 vnd danckperlichen ten...von] mit dang sollin von W von gott] fehlt C 303 die gutten engel vnd hailligen] lebe haillige W 304 nach n(tze] vnde geistli304 sagen] tuon SG1 305 da] hie C SG1 305 vil] vnczellig B C 305 hailliche W 305 hailligkait] heilligen B W M 306 nach hye] gegenwertig C 308 sy] es gen...haillig] fehlt B 308 vnd bezwüngent mich] das ich es weiss und C 312 jn den gedanck] jn den gedancken M SG2, jn den gedanck B W, in ir gedancken M (s. dazu auch Z. 138f. (ain gedanck) und Z. 267 (jn den 313f. wan...haben] vnd diewile die bösen geiste yr dis in brechtent do sie do von nit zţ gedanck) 313 jr] fehlt SG2, ir B W M C SG1 313f. Dar vmb...anvächten] fehlt M friden möchte gesin C 314 das sÿ] fehlt W 315 anvächten] bekortten B W 316 gebichtet] gebichet SG2 _____________ 295 fantasye] eigentl. „Trugbild“ (s. Lexer, MhdtHwb, Bd. 3, Sp. 19) bzw. „Tollheit“ (Götze, Frnhdt. Glossar, S. 72), an dieser Stelle ist aber eher die weniger häufige Wortbedeutung „Schwärmerei“ bzw. „Narrheit“ gemeint (dazu Grimm, DWb, Bd. 3, Sp. 1318f.). 302 geloplichen] hier mit der Bdtg. „wahrschein305 gegenwürtigen] zur Bildung von Adjektivadverbien auf lich“ (Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 824). siehe PWG, S. 215, § 207. _____________ 303 die gutten engel vnd hailligen] vgl. dazu Z. 495 und 499 und siehe auch den Kommentar (46). 305 da...hailligen] Kommentar (37). 307f. Aber...mir (2)] ebenso Z. 183-185. 316f. Dye sund...werent] vgl. zum Inhalt Z. 179-182.

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nit me, den ob sy nie geschechen werent. Aber warvmb sölten wir uch nit von nüwunng zu den s(nden bekoren vnd anfächten vnd raitzen, dar jnnen wir uch vor vberwundent? Vnd warvmb volgetten jr hyr jnnen vnserm jngeben?“ Do sprach ain ander swester vnd beklagt sich, das sy sich zu dem gebett nit künde geben, als er vor gesaitt hett. Er anttwurtt, das jr nit anders daran gebresst, den das sy sich zum ersten nit zwunge zu den andern puntten, von den er och vor gesait hett, mit ernst zu geben vnd das sy der welt vnd jren aignen fründen, och ir selbs, nit ee lernent absterben, wan als dyse ding geschechen sind. „Denn so mügent jr üch erst ordenlichen vnd jnnerlichen zu dem gebett geben, wan dye puntten, die obnen stand, müssent ie vor gan.“ Do mantten etlich vnder den swestern, das dings wer zu vil, sy künden es nit alles getün. Do sprach er: „Es sind nit vnmügliche ding.“ Sy sölten anfaltigklichen jren obern volgen, so wurden sy es gütt zu t(n haben, vnd sprach f(rbas: „Der uch vs liebe durch mich ermanet, der will uch helffen, das jr es wol t(n mügent, wollent jr uch mit flisß dar zu geben. Aber vnser gesellen ist vil hye by üch, dÿe mit gantzem ernst arwaitten, wye sÿ dyse ding vnd puntten vs ewern hertzen gekratzen mügent, als üwer ettlich wol gewar werden, dye da beraitt sind, me vnserm ratt zu volgen den dyser selligen lere. Vnd jr lassent sÿ uch so lichtenklichen vss ewern hertzen kratzen, das es ÿmmer ain schand ist. Wolten jr aber ewern willen _____________ 318 von nüwunng] von newen B W, von neüem M 318 vnd anfächten] fehlt C 318 vnd raitzen] fehlt B W 319 dar jnnen...vberwundent] da wir eüch vor jnn haben überwunden B 319 nach vberwundent] wie wol wir nit wissent was sie getan hat wan sie gebichtet hat C 324 von...geben] fehlt C 324 er] ich W 324 mit...geben] fehlt W 324 vnd] fehlt SG2, vnd B W M C, abweichend SG1 325 325f. och...sind] sich selbisz nicht entledigen vnde sterbin wil wan alle dissze fründen] sünden C ding vor hen gedan sint W 325f. wan...sind] fehlt C 326 Denn so] so dann B, so W 326f. erst... jnnerlichen] fehlt C 327 puntten] ler M 327 nach obnen] geschriben M 329 vnder den swestern] 335 puntten] ler M 335 gekratzen] gekratzent SG2 337 uch] fehlt M 331 zu t(n] gethun B fehlt SG2, euch B W M C, abweichend SG1 338 das…ist] fehlt C 338 nach willen] genczlichin W _____________ 318 von nüwunng] s. dazu BMZ, Bd. 2.1, S. 388 (von niuwes, von niuwenes, von nûwens) und die Sprachbeschreibung zu SG2. 319 volgetten] „folgtet“, hier 2. Pers. Pl. Prät. Ind. 324 von...hett] gemeint 326 Denn] von mhdt. danne, dan (Lexer, MhdtHwb, sind hier wohl die bisher erfolgten Ermahnungen. Bd. 1, Sp. 409). 333f. vnser gesellen ist] hier im Singular, weil das Wort vil noch Kern des Satzgliedes ist 334 arwaitten] siehe für anstelle von nach (dazu Reichmann/Wegera, Frnhdt. Gram., S. 333). Weinhold, Alem. Gram., S. 129. _____________ 318 zu den s(nden…anfächten] Kommentar (38). 322 als...hett] siehe dazu Z. 226-244. 324f. das 338 kratzen] das in sy...absterben] Kommentar (39). 329-331 Do manten...haben] Kommentar (40). diesem Zusammenhang heute unübliche Wort kann auf die Redewendung „sich mit dem Teufel kratzen“ zurückgeführt werden, was bedeutet, „sich mit dem Teufel herumschlagen“ (siehe Grimm, DWb, Bd. 11, Sp. 2076); vgl. zum Inhalt auch Z. 852-854. 338-340 Wolten...kumen] siehe dazu den Kommentar (64).

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dar zu geben vnd uch zwingen, dysse puntten zu tün, so wurde uch ewer herr mächtigclichen zu hylff kumen. Vnd zu gelicher wysß als ich gezwungen wird, uch dysse ding zu sagen, also wurd er och all ewer widersacher zwingen, das sy uch dysse puntten vnd stücklin so liderlichen vss ewern hertzen nit kratzen mochten. Vnd es wirt üch nit dar vmb gesaitt, das jr es allain wyssen vnd hren söllent, sunder mer dar vmb, das jr es nach ewerm vermügen t(n sollent. Vnd wye wol ich pflhg vil zu liegen vnd zu triegen, so will ich [...] ani dem tag des letzsten vrtails uch des doch nit gelogen haben. Vnd es sol da selben ain andere rechnung nach kumen.“ Vss dÿsen wortten erschracken etliche swestern vnd vorchten, das sy hyr nach swerlichen söltten geplaget werden, so er jnnen so scharpfflichen dröwett. Do sprach er, das der schöpffer jn dysse ding nit tätt nach sagen liess zu ain plag, sunder vss grosser lieb vnd trüw. Vnd ist, das jr uch gebent, disse ding zu t(n nach ewerm vermügen, so will er uch t(n als sinen vsserwelten kindern. Dye es aber nit tün, vff die wirt er sinen zorn werpfen vnd och wir von sinen wegen. Do was ain andere swester, die besorgett, das sy sölt verdampnott werden. Er antwurtt vnd sprach: „Verzwifflend nit, ewer schpffer will uch behalten vnd er verdamnott nieman den der sich selber verdamnott. Dysse ding sind gütt zu t(n vnd sind wol jn ewer macht. Er will uch helffen vnd begertt kainer grossen ding noch hoch gebett von üch, das vber ewer macht ist. Vnd er gÿbt nit allen menschen ain ding oder allen gelich vil gnaden, sunder ainem ieglichen nach siner macht vnd als jm bekemlichen ist. Dysß ist wol jn ewerm vermügen, das jr sollichs offenli_____________ 339 puntten] selligen puncten B, ler M 340 als] fehlt SG2, als B W M C 341 wurd er] schölt ir B W 341 och] uch SG2, auch B W M, fehlt SG1 342 vnd stücklin] fehlt W M C 342 liderlichen] 347 rechnung] rechenschaft B W C 350 dysse lutherlichin W, leichtlich M 346 [doch] SG2 350f. nach sagen liess] fehlt C 351 plag] stroff M 352 nach uch] ding] dyssen dingen SG2 354 werpfen] wenden M 357 nieman den der] nÿmant wan den der M, vndirwint vnde W nyemans dann der sich C 360f. ding...gnaden] gleiche vbüng M 361f. siner...bekemlichen] seinem 362 sollichs] eüre geprechen M vermügen als im muglich M _____________ 347 rechnung] hier mit der Bdtg. „Abrechnung“ (Lexer, MhdtHwb, Bd. 2, Sp. 361). 350 jn] gemeint ist „ihnen“; der Schreiber verwechselte hier das Pronomen mit einer Präposition, was an der Flexion der Nominalgruppe deutlich wird. 354 wir von sinen wegen] „wir, die wir durch ihn gezwungen werden“. 356f. ewer...verdamnott (2)] gemeint ist, dass Gott niemand verdammt außer den, der sich selbst verdammt. 359 begertt] hier noch mit Genitiv (dazu Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 145). 362 bekemlichen] von mhdt. bekomlîchen in der Bedeutung von „angemessen“ (Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 168). _____________ 343-345 Vnd...sollent] vgl. Z. 1004-1009 und siehe die Anmerkung ebd. 345-347 Vnd...haben] siehe 354 vnd och...wegen] zum zwangsweisen Bündnis von Satan und seinen dazu den Kommentar (5). 355f. Do...werden] zum Verlangen Helfern mit Gott erfolgen Ausführungen im Kapitel VI, Pkt. 3.1. der Schwestern nach Zusicherung der Heilsgewissheit siehe die Erläuterungen im Kapitel VI, Pkt. 3.3. 358360 Dysse ding...macht ist] Kommentar (41).

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chen bekennent vnd verjechent, das wir uch jngebend. Och ist in ewer macht, das jr uch demüttigent aine vnder die andern, vnd da mit gevallend jr ewerm schpffer wol. Aber die andern, die es nit t(nd, die gevallent vnd behagent vns wol. Dar zu ist wol jn ewerm vermügen, das jr ainfaltigelichen t(nd, das man uch haisset.“ Er sprach och, als ich uch vor gesaitt han, von dem fegfür: „Das dysß vas, jn dem ich nun ietzund sitze, solt gelitten haben, das ist wär vnd gebürtt sich also nach gottlichem vrtail.“ Aber mit ainer ganczen r(w, mit offenparer bicht vnd mit ernstlichem fürsatz, sich zu bessern vnd nit me zu t(n, gieng es wider ab. „Och das ich uch saitt von dem gebett, wye jr alle krefft ewer sell solten jn den schöpffer keren vnd erheben vnd doch ewer etliche das nit begriffen kunnent. So sagen ich uch nun: Die das nit get(n kunnent, das sy doch das ander t(nd vnd sich da mit vber gebend jn den willen jres herren.“ Do bekannt ain swester offenlichen vnd sait, das sy gedacht hett, ob nun der tüffel die menschen leren sölt. Vnd er antwurtt dar vff vnd sprach: „Es ist myn lerr nit vnd ich verlognen jr. Aber ist, das jr sy t(nd vnd jr nachvolgen, so engand jr mir vnd kument vss myner gewalt.“ Vnd er sprach: „Der schöpffer ist beraitter, uch zu dyssen dingen zu helffen, denn jr beraitt sind, sy zu t(n.“ Zu ainer zitt t tt der boss gaists den swestern vil lydens vnd verdriessens an. Do sprach dye mütter vnder den swestern zu jm, das er jn dem namen vnseres heren Jhesu Christy ablassen sölt vnd beschaiden sin. Er antwurtt zornigklichen: „Was mainent jr? Manent jr, das jr ain päpstin sy_____________ 364 nach andern] das doch ere ist vnder uch C 364 gevallend] behaget C 364 nach gevallend] 365 die...gevallent] vber die andern wöllen sein gefallen vnd behagen vns B, vnde behagit W 365 jr] fehlt W 366 nach wol] vnd misseswestern dÿ obir dÿ andern wollin sin dÿ gefallin W 369 sitze] sitzen SG2, sicz B W M behagen yrem schöppfer C 369 ietzund] jnnen B W M C C 371 mit (1)] fehlt W 374 nach schöpffer] seczen vnd B W 374 keren vnd] fehlt M 378 379 die menschen] fehlt M C 381 vnd gedacht] gedach SG2, gedacht B W M C SG1 381 myner gewalt] mynen gewalt SG2 (1)...nachvolgen] fehlt B W M, vnd dar nach lebent C 383 sy] fehlt SG2, sy W M C 387 zornigklichen] vnwertlich B, mit gryme vnwirdeglichin vnde sprach W, fehlt C 387 Was...jr] was wentet ir B C, wesz lait ir uch dimben W, fehlt M _____________ 363 verjechent] „eingesteht“. 368-372 Er...ab] zum Wechsel von direkter und indirekter Rede siehe die Sprachbeschreibung zu SG2. 368-370 Das dysß...vrtail] gemeint ist, dass es sich von selbst verstehe, dass die 369 solt gelitten haben] vgl. zur Konjunktivbesessene Schwester nach dem Jüngsten Gericht zu leiden hätte. bildung Z. 173: sölt gepeniget haben. 372 gieng...ab] „könne das Vergehen abgeleistet werden“. 375377 Die...herren] gemeint ist, dass auch diejenige Schwester, die sich außerstande sieht, andächtig zu beten, die 384 gaists] diese Schreibweise des Wortes auch in Möglichkeit hat, sich durch die Beichte zu Gott zu kehren. Z. 1252. 387 päpstin] Belege für das Wort bei Grimm, DWb, Bd. 13, Sp. 1450. _____________ 368 als...han] siehe Z. 161-165. 373 Och...gebett] siehe Z. 226-244 und 321-328.

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ent vor andern lütten? Der schöpffer vermanet uch so lieplichen vnd jr t(nd nit dar nach. Manent jr, das jr dar vmb nit lyden söllent? Wvstent jr, das ich was, jr wurdent alle dyse ding mit wunderlicher f(rigkait vnd ernst zu wercken setzen. Vnd erkanntten jr, das ich erkennen, jr wurdent nit lenger jn dysen drack begeren zu ligen vnd zu beliben.“ Vff ain zitt ward dyse swester, die also mit dem bossen gaist belaiden was, von den andern swestern zu red gesetzt vnd jr vff gehalden, wye sy die swestern so künnlich vnd als aine, die etwz mantte vnder jnnen gewaltig zu sin, vermante. Das nam sy zu argem vff vnd wolt die swestern nit me vermanen. Vnd sy hatt zu der zitt alle jr synn. Aber dar nach bald, do sy jr bosshait hat gevolgett, kam der boss gaist wider jn sÿ vnd er ward gefraget, warvmb er vff die zitt jn sy kumen were. Er antwurtt: „Vmb das sÿ wider die lieb hatt getün vnd das sy nit lydsam was gewesen vff jr swester kranckhait.“ Dar vmb müst er sy nun pingen vnd kestigen. „Denn ich gab jr sollichs jn vnd es was nit lang jn jr. Wye manent jr denn, das wir uch pingen werden, dye solich abnaigunng zu ewerm ebend menschen lange zitt tragent vnd nach habend jn ewern hertzen?“ Er sprach och: „Ich vnd myn gesellen werden swerlichen dar vmb gepiniget, wenn sich die swestern demüttigclichen schuldig geben vnd jr _____________ 388 nach lieplichen] vnde gutlichin W 390-392 wunderlicher...beliben] freüden leÿden vnd 390f. wunderlicher f(rigkait] ganczir thün vnd würet nit lenger in dyssem treckt lÿgen M furiger lebe W 392 wurdent...lenger] solt euch nit geleiden mugen B SG1 392 drack] wust 393 belaiden] beswert C 394-396 vnd jr...zu sin] das sie meisterlich die andern SG1 394 vff gehalden] verwiszen B 395f. künnlich...zu sin] so gewaltigclich M swestern C 395f. als...zu sin] geweldiglichin W 396 nach vermante] also ab sÿ vndir ir gewalt werin W 396f. Das...vermanen] fehlt C 399 warvmb] womit C 399 nach zitt] wider B W 400 lyd401 er] ich C 402 sam] mitleidig B, mit eÿme sanftmţdigen hertzen W, mit leÿdsam M 402 Denn...jn jr] er sprach auch, er het ir solchs Denn...gab] noch dann gab ich B W C 403 solich] also licht W 403 abnaieingegeben vnd sy hett im nit lang dor in gefolgt M gunng] vngünst M 403 ebend] nechsten M _____________ 395 künnlich] „frech“ (Fischer, SchwäbWb, Bd. 4, Sp. 837 und 849) bzw. „erfahren“ für das Wort in der Form künnende (Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 1779). 395f. gewaltig zu sin] „Befugnisse zu haben“. 397 hatt] 3. Pers. Sg. Prät. von haben; ebenso Z. 1422 (s. dazu PWG, S. 274, § 288). 397 synn] vermutlich sind hier sowohl die körperlichen Sinne der Wahrnehmung als auch der innere Sinn, also der denkende Geist, gemeint (zur Bedeutungsvielfalt des Wortes siehe Lexer, MhdtHwb, Bd. 2, Sp. 926f.) Im Frühneuhochdeutschen bedeutet sin zunehmend „Besinnung“ bzw. „Bewusstsein“ (Götze, Frnhdt. Glossar, S. 201). 399-401 Er antwurtt...kestigen] zum Wechsel von direkter und indirekter Rede siehe die Ausführungen in 400 lydsam] von mhdt. leitsam mit der Bdtg. „geduldig“ (Lexer, der Sprachbeschreibung zu SG2. MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 1875). 403 dye] das Relativpronomen bezieht sich auf das Subjekt im Hauptsatz 403 ebend menschen] von mhdt. (jr), nicht auf das des Nebensatzes; gemeint ist also: jr, dye solich. ebenmensche für „Mitmensch“ (Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 503). _____________ 390 wunderlicher] hier: „gnadenhafter“; siehe dazu den Kommentar (16) zum Wort gnad. 394-396 von...vermante] siehe zur Bdtg. der Ermahnung für die Schwestern in der Gemeinschaft den Kommentar (66).

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kranckait erkennen, so sy ermanet werden, gescholtten oder gestr fft werden. Vnd vmb dz dysse swöster sollichs nit hat getün, dar vmb müss ich sy nun pingen.“ Aber sprach er zu den swostern, das es jn der warhaitt jn kain hindernusß oder schad were, das dyse besessen swester vnder jn wonett, sunder es wer jnnen ain grosse fürderunng zu ainem waren fürgang vnd gaistlichen lebens zunemunng jn tugenden, nement sy echt der dingen eben w r vnd macheten sÿ jnnen n(tz. Dar vff antwurt jm ain swester vnd sprach, wye das gesin möcht, so sy doch offt vmb jren willen jr gebett müsst versummen, vmb das sy manig mall zu vnzitten, frü vnd spatt, mit jr vnledig vnd bekumert m(sste sin. Do antwurtt er der swester vnd sprach: „Weder ist mitlydunng besser oder ewere trege patter noster vnd ist demüttige, lydene /bunng vmb notturft vnd nutz des nechsten besser oder ain wenige lawer gedancken?“ Er saget och, das er vnd sin gesellen ainer ieglichen swester vbls jngebent, dar zu sÿ ain dem maisten genaigt werent. Aber sagt er, das es sin jngeben were, so die nüwen, jungen swestern gedächten, das sy sich wol halten vnd zu vnserm heren ernstlichen geben wölten, werent sy gantz _____________ 407 gescholtten oder] fehlt M 408 dysse swöster] angnes in dem faß ich sicz SG1 410 kain] kann SG2, kein B W M C SG1 411 fürderunng] bereitschaft B W, vrsach C 412 fürgang...lebens] fehlt C 412 vnd...tugenden] fehlt B C, der doginden W 412 tugenden] 414f. vmb...vnzitten] vnd M 415 zu vnzitten] vnde czu vil cziten W tuge enden SG2 416 vnledig vnd] fehlt M 416 nach sin] vnd mit yr müstent sprechen C 417 sprach... 417 Weder] fehlt M 417 besser] fehlt besser] fragete se waz ist besszir middelydunge W 420 ainer...swester] fehlt W 420 vbls] vnde bose gedanW 418 lydene] mynnsame B 422 so] das M 422 nach wol] geistlichin vnde frohkin W, posß gedancken M, fehlt C 422-424 das sy...samlung] sÿ wollten sich woll haltten weren sy auffgenumen M lichin W _____________ 413 echt] mhdt. steht eht besonders in Wunschsätzen zur Hervorhebung mit der Bedeutung „nur“ (Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 515). Frühnhdt. ist das Wort gewandelt zu echt(er) (siehe dazu Götze, 413 dingen] gemeint sind die Ermahnungen und Belehrungen, die der böse Frnhdt. Glossar, S. 59). Geist durch die Schwester ausspricht. – Zum Gebrauch des Wortes dingen als Synonym für puntten siehe Z. 1041. 414-416 wye das...m(sste sin] gemeint ist, dass die Schwester nicht einsieht, inwiefern ihr die besessene Schwester von Nutzen sein kann, zumal sie sich gerade wegen ihr Sorgen macht und deshalb mitun416 bekumert] das inlautende fällt in SG2 auch im Substantiv ter die Gebetsstunden versäumt. 417 Weder] hier zur Einleitung einer Doppelfrage in der aus (s. bekumernusß, Z. 909f. u. 1431). 419 lawer] „nicht feurige Bedeutung von: „Was ist besser?“ (s. Lexer, MhdtHwb, Bd. 3, Sp. 722f.). 422 das] steht hier in rein syntaktischer Funktiund tatkräftige“ (s. Grimm, DWb, Bd. 12, Sp. 286). on als Einleitung eines untergeordneten explikativen Konditionalsatzes. Die Konjunktion so des übergeordneten Satzes (in der Bedeutung von „wenn“) wird nicht wiederholt, sondern durch das ersetzt; (siehe dazu 423f. gantz..samlunng] gemeint ist wohl die Ablegung der Profess nach dem PWG, S. 441, § 466). Novizenjahr. _____________ 409-412 Aber...tugenden] siehe zum Streben nach Tugenden den Kommentar (20). 409-412 das...fürgang] vgl. zum Zusammenhang von Besessenheit und Auserwählung durch Gott Reissenberger, Das Väterbuch, S. 245.

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jngenumen vnd bestättiget jn der samlunng. Aber nun künden sy es nit get(n. Vnd er verspottet sy vnd lachett jr, das sy jm also volgette. Och sprach er zu ainer swester, das sy kain ding tün sölt, da sy wysste, das es jren obern nit lieb were, anders jrem statt vnd handel wer nit recht. Er schalt sy och, das sy da wider tün hett. Vff ain zitt sprach er zu den swestern: „Wenn ewer aine der andern gebresten oder kranckait merckt vnd denn sollichs mit vngunst ainsicht oder dar vff murmelet, so verlaittet uch ewer gaist vnd denn volgent jr jm, das ist, dem bössen gaist.“ Aber sprach er zu ainer swester, dye offt pflag, siech zu werden, das es jr vngedultigkait vnd scham vnd hoffartt schuld were, das die andern swestern zu zitten vngunst zu jr hetten vnd wenig mitlydens jn jrer kranckait. Aber hielt sy sich gedultigklichen, schamhafft vnd demüttigclichen, so wurden sy wol mer mittlydens vber sy haben vnd jr gern vss liebe diennen. Vnd wer, das sy sich nit daran bessert, so solt sy das alle zit wartten sin, das die swestern vnmütt oder vngunst vff sy haben wurden, denn sy selber sach dar zu gebe mit jr gebrestlichait. Er saget och zu den swestern: „Wenn uch ain andere swester zu geschickt wirt vnd geordnett, etliche werck üch helffen tün, vnd sy sollichs werck /bel getün kann oder nit wol gelernen mag, vmb das sy tüm von sinnen vnd verstanttnusß ist, so söllent jr sy lieplichen vnd vss de_____________ 424 künden] fehlt W 424f. es...verspottet] sich nit zţ vnserm lieben herren geben vnd er 425 jr] sie C 426 kain] kann SG2, kein B W M, fehlt SG1 426-429 zu aibespotte C

ner...recht] ir sült kain ding thün das ir wist das es eüren oberssten nit lyeb wer anders stantt vnd 427 handel] wandalung B W C 427 schalt sy] sagt ir M 430 handel wer nit gerecht M gebresten oder] fehlt W 430 oder kranckait] fehlt M 430 vngunst] vnwertikeit B C 431 dar vff murmelet] auff sÿe zürnet M 431 verlaittet] verlest B, leidet C 431 ewer gaist] ewr gast 431f. vnd...gaist] fehlt W 433f. offt...were] sich dicke bedrubete daz dy B, der bose geist W andern swestern also wenig midde lidensz mit ir hettin in ir krangheit daz daz ir vngedult vnde 434 vnd scham] vnscham B, fehlt M (da im nächsten Satz von gedultigklichen, ir hoffart were W schamhafft vnd demüttigclichen gesprochen wird, also den jeweiligen Gegensätzen der hier genannten Begriffe, ist der Text in B am differenziertesten erhalten. In M ist die Gegenüberstellung gebrochen, die übrigen 438 jn] mit Textzeugen überliefern statt des Wortes vnscham die wenig sinnvolle Wortfolge vnd scham) 440 sach] vrsach M, ein vrsache C 442 vnd geordnett] fehlt M 442 üch...tün] euch zu C 443 tüm] grop B W C helfen zu tun B, uch helfin czu dun W M 443 /bel...oder] fehlt M 443f. vmb...ist] fehlt M 443f. vnd vss...fruntlichen] fehlt M _____________ 425 lachett jr] zu mhdt. lachen mit Dativ siehe Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 1809. 426 da] hier zur Einleitung eines Relativsatzes mit der Bedeutung „von dem“ (siehe PWG, S. 413, § 450). In den Textzeugen 433 pflag] B und W steht ein konzessiver Nebensatz, der durch die Konjunktion ‚wenn‘ eingeleitet wird. 439 wartten sin] „wahrnehmen“ hier in der Bdtg. von „sich ängstigte“ (dazu FWB, Bd. 4, Sp. 512). 440 sach] „Grund“ bzw. „Ursache“ (Lexer, MhdtHwb, Bd. 2, Sp. (Lexer, MhdtHwb, Bd. 3, Sp. 698). 564). – Gemeint ist, dass die Schwester selbst einen Anlass gibt. _____________ 444f. so söllent...vnderwyssen] Kommentar (42).

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mütt fruntlichen vnderwyssen. Vnd ist sach, das sy es dennocht nit wol getün kann, so sollent jr dar vmb kainen vngunst oder vnmütt zu jr han, och jr nit vnlieplichen zusprechen, sunder jr sollent uch selber dar vmb demütigen vnd gedencken, das es eweren sunden schuld sy, das sy dz werck nit bas kunne t(n. Vnd jr sond den heren für sy bitten, das er jr zu hylff kume vnd jr verstenttnunsß erlüchte. Wenn jr das tätten, so gewunnent jr zwÿvaltigen lon, wann jr erwurben also jn uch selber die tugend der gedultigkait vnd der tumen swester synn vnd verstänttnunsß wurden jr durch ewer gebett vnd g(ttlich mitlyden vff get(n vnd erluchtt. Do sprach der bichtvatter, das man dysen puntten nit bedörfft anischriben. Der böss gaist antwurtt dar vff, man sölt sy anschriben, wann es werent gotts wort vnd cristenlich warhait. Aber zu ainer zitt, da warent die swestern versaimlett, da sprach der böss gaist zu jnnen: „Ist es sach, das jr geflissen sind zu dem(ttigkait, gedultigkait, senfftmütigkait, zu gemainer liebe vnd friden vnd das jr anfaltigklichen t(n, das uch ewer obersten haissent, so werden jr gott nach allen ewerm wyllen haben vnd gott wyll ewers willen sin.“ Och sprach er: „Hütt ist sälligkait dysem huß geschechen.“ Vnd das was des nechsten tag nach der kirchwichunng. Vnd do saitt er den swestern, das jnnen nun so grosse gnad vnd gracias vnd vnmässige miltigkait bewyst wurde, das sy dem schöpffer dar vmb niemer gedancken künden, hetten sy och dar zu aller menschen hylff. Er sprach och: „Wyssent jr, was vnvsprechenlicher pin dar nach volgen werden, das jr vngunst vnd vnmütt vnd widerwärtigkait vnder ain an_____________ 446 getün kann] tut B M C 446 vngunst...vnmütt] vnwertikeit B W, vngünst C 448 sunden] 449f. das...erlüchte] fehlt M 451-453 wann...erluchtt] fehlt M 452 tumen] versümen W 459 zu gemainer] fehlt B 460f. gott...sin] vnd tunnen SG2 456 wort...warhait] werck SG1 464 gnad vnd gracier schol ein got ewrs willen sein B W 464f. vnd (1)...miltigkait] fehlt M 466 nach menschen] czu W 468f. ain andern] uch W as] gnad B, graczien genade W 468f. ain...es] euch nit pasz B _____________ 448 das es...schuld sy] „dass es an euren Unzulänglichkeiten liege“. 449 bas] diese Form als Komparation des Adjektivadverbs ist bis ins 15. Jahrhundert gut belegt (Reichmann/Wegera, Frnhdt. Gram., S. 205, § M 56). 453 jr] hier ist die lernbedürftige Schwester gemeint. 454 anischreiben] hier „aufschreiben“ (dazu FWB, Bd. 459 gemainer liebe] der liebevolle Umgang der Schwestern innerhalb der Gemeinschaft. 1, Sp. 1427f). 460f. gott...sin] gemeint ist, dass der Mensch dann in der Lage ist, den eigenen Willen dem göttlichen unterzuord467 vnvsprechenlicher] die gleiche Schreibweise auf Z. 786, dementgegen vssprechent (Z. 79) und nen. vnvssprechenlicher (Z. 896); siehe dazu die Sprachbeschreibung zu SG2. _____________ 454 anischreiben] zur Erläuterung des Inhaltes siehe die Textstelle in C, fol. . 456 gotts...warhait] vgl. Z. 222. 460f. gott...sin] vgl. zur Textstelle Verschueren, Hendrik Herp O.F.M., Spieghel der volcomenheit, Bd. 2, S. 81-83. 463 kirchwichunng] Kommentar (43). 464 gnad vnd gracias] dazu Kommentar 467-469 Wyssent...tünd] vgl. De Zusters van Orthen. Hare statuten en gebruiken, in: van El(16). sen/Hoevenaars, Analecta Gysberti Coeverincx, Bd. 2, S. 172-192, hier S. 182.

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dern hand, jr wurden es bas bewaren vnd behütten, den jr nun tünd. Vnd nit allain vff die swestern von dem huss, sunder och vff vsserwonennde menschen sollent jr kainen vngunst haben. Vnd nach gar vil mer vnmessige pin wirt dar nach volgen, wenn jr ewer passÿen, suspicien, das ist argwon, oder ungunst, dye jr in uch selber tragend, fürbas jn ain andern wollent stossen vnd sy wöllen vntterwyssen vnd manent, zu bringen zu ainem gevallen oder beduncken der kranckhait, die jr jn uch von ain andern haben. Also lang jr das t(nd, so lang widerstand jr den gnaden gottes vnd machent üch jr vnwirdig. Es benempt uch vil fürgangs oder zunemens jn tugenden vnd gaistlichkait, wan es ist wider brüderlich lieb.“ Aber sprach er: „Jr sollent sollich ewer kranckhait vnd nachgemelt gebresten mit demüttiger scham offenlichen bichten vnd erkennen, wan da mit wurd dyse kranckait von uch getriben vnd jr wurden dar durch allen vnsern schalckhaiten, betrugenlichen retten vnd ingeben engan vnd vs vnsern banden kumen vnd ewere hertzen sölten da von erfüllet werden mit dem gaist der warhait. Vnd so jr ewer kranckait vnd gebresten ie willigilicher vss sagent, nit von gewonhait, sunder vss demüttiger erkanttnusß mit gantzem willen vnd fürsatz dar vmb zu t(n, das man uch ratt, so jr ie vberflüssiger gnad da von enpfachen werden.“ _____________ 469 es] uch C 469 vnd behütten] fehlt W 470 nach swestern] hie B M 472 wirt] fehlt W 472f. passÿen...ungunst] zorn oder vngünst M, vngunst oder vnmţt oder argwan C 472f. 473 jn ain andern] in ein andre B, in eÿnen andern W das...ungunst] vnmut vnd vngunst B W 473 nach andern] menschen M, hertzen C SG1 474 stossen] giessen C SG1 474-476 vnd (1)...haben] fehlt M, sie zţ underwisen vnd dar zţ zebringen ouch zţ sollicher argwon, vngunst oder 478 jn...gaistlichkait] vnd besserunge C 478 brüderlich lieb] die woren lieb vnmţt C SG1 479 kranckait] bekorunge C 482 schalckhaiten] schalkhaftigen B W gotes M, die liebe C Bln 482 schalckhaiten...ingeben] bedrieghelike inradenghe teghen die doechden Bln 482 schalckhai482 nach ingeben] wider die tugent C 483 banden] henden hanten betrugenlichen] fehlt M 483f. vnd...warheit] fehlt M 484-487 Vnd...werden] den (Doppelung B), handin W C SG1 Bln vnd also sond ir üweren gebresten willeklich vs sagen mit einem gantzen willen uich fürbas da uor cze huioetten SG1 486 erkanttnusß] begerunge C 487 ratt] heisszit W rett vnd heist M 487 vberflüssiger] mer M _____________ 472 suspicien] von lat. suspicio (s. zum Wort Grimm, DWb, Bd. 20, Sp. 1277). 476 widerstand] zu 476 den gnaden] mhdt. widerstân mit Dativ siehe Lexer, MhdtHwb, Bd. 3, Sp. 858; vgl. auch Z. 520. das Wort gnaden kommt häufig im Plural vor. Gemeint ist hier die Unterstützung bzw. Gunst Gottes. 477 mach- ent] mhdt. machen ist mit Dativ der Person belegt (Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 2002). Es kann zudem mit einfachem oder näher bestimmtem Objekt, dem ein persönlicher Dativ hinzutreten kann, vorkommen (s. Grimm, DWb, Bd. 12, Sp. 1364). 484-487 ie...ie] an dieser Stelle als mehrgliedrige Konjunktion, die zwei Komparative zueinander in Beziehung setzt (dazu FWB, Bd. 8, Sp. 342). 486 erkanttnusß] hier „Einsicht“, aus dem Alltag der Schwestern hervorgegangenes Erfahrungswissen. _____________ 477f. Es...lieb] vgl. Rm 12, 10 u. 16. 479-483 Jr sollent...kumen] vgl. dazu Z. 496-498 u. siehe Pohl, Thomas von Kempen, Opera omnia, Bd. 2, S. 155, 25f., außerdem den Kommentar (44). 484 gaist der warhait] Kommentar (45).

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Aber sprach er: „Wyssten jr, mit was lieplicher begerunng der kungk der glory ewer demüttigen offenbarung der gebresten baittet, es wurd uch niemer vss ewerm hertzen kumen. Vnd wistent jr och, wz glorÿ vnd frod die gutten engel vnd die vnzallich schar der hailligen habend, so jr ewer kranckhait vnd gaistlich gebersten klarlich, schamhafftigklichen vnd demüttigklichen offenbaren vnd erkennen, jr [...] wurden mit allen flisß vnd hytzigkait uch selber alle zitt dar zu geben. Vnd wer sach, das betruepnunsß oder tr(rÿkait jn die obgemelten hailligen vnd engel vallen möcht, so betrüpte es sy serr, das jr so träg dar zu sind. Vnd dysß offenbar bekennen ist ain warhafftig weg, allen vnsern betriegnunsßen vnd stricken zu engan vnd vss vnsern henden vnd macht zu kumen, vnd der mensch wirt dar durch jn die gesellschafft der engel vnd hailligen gesetzt.“ Er sprach och: „Vnd wisten jr vnd bekannten die statt, da ich vssgeworffen bin vnd gestossen, was wunn vnd fröd da ist, jr wurden von grosser hytzigkait vnd ernst, wer es müglichen, beraitter sin zu fliegen den zu gan zu tugendlichen wercken. Wer och, das jr bekanntten die statt der pin vnd quall, da ich jn bin vnd myn gesellen vnd die vns jn der zitt gevolget hand hye von üch, och als die haben werden, die vns nach jn künfftigen tagen volgen werden – jn hoffart, jn f(rwytzigkait, jn verkerunng, jn vngunst, zorn, zenck vnd hinderklaffen, jn vngedult oder passion zu gedencken vff jre ebend menschen, – die zu vermanen, das doch vss liebe kumen sölt – oder vff gaistlichen stetten weltlich geberde zu haben, _____________ 488 lieplicher begerunng] grosser freüd M 488 kungk] her M 489 der glory] eren W, fehlt M 491 die vnzallich] alle selligen W 491 nach hailligen] engel C 491 vnd (1)...klarlich] fehlt Bln 493 jr SG2 Doppelschreibung 494 vnd hytzigkait] vnd fewrikeit B, vnde hitcziger lebe W, fehlt M 495 oder tr(ÿkait] fehlt B W, vnd leit C 496f. Vnd dysß offenbar bekennen] fehlt C 497 ain 497 stricken] trijcken Bln 498f. vnd (1)...gesetzt] fehlt M warhafftig] die waerachtichste Bln 498 der mensch] ÿr C 500 wisten] wistenten SG2 500 vnd bekannten] fehlt M 501 wunn] 501-503 von...gan] euch mit grossem ernst beraÿtten M 502 hytzigkait vnd ernst] lost W fewrgkeit vnd ernst B, hitcziger lebe vnde begerde vnde mit ganczin ernste W, fürikeit C Bln 503 gan] loepen Bln 505 hye von üch] fehlt Bln 506 tagen] czeiten B 506 f(rwytzigkait] 507 nach vngunst] vnd vnwertikeit B 507 stolczheit B, curiosikeit W, sţchen sin selbes C zorn...vnd] fehlt B 507 oder passion] mit vngunst B, fehlt C 508 ebend] nechsten M, nebent 508 nach menschen] oder ausz peinlikeit von ir selbs kranckheit B 509f. oder vff...oder C die] jn argin gedangkin uf irn ebin mentschin usz passien vnde dÿ W _____________ 492 gebersten] siehe zu Metathesen die Sprachbeschreibung zu SG2. 497 stricken] gemeint sind Fallstricke. 502 ernst] von mhdt. ërnest, hier mit der Bedeutung „Festigkeit des Willens und Handelns“ (Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 660). 507-509 jn vngedult...sölt] “gegenüber dem Mitmenschen Ermahnungen mit Ungeduld und Missgunst und nicht aus Liebe auszusprechen“. 509f. oder...oder] an dieser Stelle wird mit der Konjunktion oder an den Relativsatz, der vor der Aufzählung endet (Z. 506), ein weiterer Relativsatz (Z. 510-512) angeschlossen. Um die Satzkonstruktion zu verdeutlichen, wurden Gedankenstriche eingefügt. _____________ 496-499 Vnd dysß...gesetzt] vgl. Mt 25, 46 und siehe zum letzten Satzteil (Z. 498f.) den Kommentar (46).

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och jn s(chen sich selbs, – oder die jn andern gebresten wider die ere vnd wyllen gottes sünden vnd das hye nit mit warer bus ablegent, sunder dar jnnen bys ain jr end belibend, – bekanntten jr die pin vnd torment, jr wurden zyttern vnd bidmen vor angst vff die ding allain zu gedencken, dye hye vor geschriben stand. Ob jr da mit zu pin kument, ich lass ainstan vnd geswigen, das jr die lyden söllent.“ Vnd er sprach, das jn dem tag des vrtail vil menschen werden funden, betrogen mit dem schynn der gaistlichait, dye der warhait nit lutter gevolget nach recht gelebtt hand. Er saget och: „Wenn jr uch jn die kirchen schickent vnd zurichtent, das jr den lutten gevallen wollent, da jr billich dem kunig der eren vnd der englen behagen sollent, so widerstand jr den gnaden gotts vnd gand itel lere, lichtvertig wider dar vss. Vnd wer besser, das jr diewill da haÿm belibend, so lang jr dyss pflegent, won jr werden grosse pin dar vmb haben vnd jr betriegen uch selber.“ Do was ain swester, die offnet jr kranckhait, das sy lieber ain lange mess hortte den ain kurtze. Der böss gaist antwurt jnen, das sÿ zu zitten mer gnaden verdiennen möchten jn ainer kurtzen mess, die sy hortten mit dem(ttiger gelassenhait, den jn ainer langen vnd wer sy jach vier mall so lang, da sy jr aigenschaifft vnd besessenhait vnd jr selbs wolgevel_____________ 511 sünden] in selbs entgen B W 511 hye] ir W 511 bus] penitencz B 512 vnd torment] die solch menschen mussen leÿden M, vnd qwale C 512 nach torment] die si daerom 513-515 vff...söllent] das ÿr die dinge gedechten do mit man zţ der pin lijden sullen Bln 514f. dye...söllent] ic laet dat doen staen Bln kumet ich geswigen das ÿr sie tţn solten C 514 Ob...zu] da mit man zu B 514 pin] tormenten B, tormente vnde quale W 515 lyden] 516f. werden...gaistlichait] solten funden werden betrogen B, sollin fundin werdin dun W 516 dÿ bedragin sint W, sollent gefunden werden betrogen mit yrem geistlichen schine C 517 lutter] fehlt Bln 517 nach recht gelebtt] fehlt M C Bln 518 vnd dem] horen Bln 519 eren vnd der] fehlt B W C 519f. vnd der englen] fehlt M 521 zurichtent] fehlt M 521 haÿm] huszin W 525 jnen] fehlt B W 527f. vnd wer lichtvertig] lichvertig SG2 528f. vnd (1) ...wolgevelligkait] fehlt C sy...lang] fehlt C 528 aigenschaifft...vnd jr] fehlt M 528 besessenhait] besessen SG2, besessenheit B W _____________ 512 bekanntten] durch die Wiederholung dieses Verbums wird verdeutlicht, dass hier an den Satzanfang (Wer och, das jr bekanntten) angeknüpft wird. Der hinzugefügte Gedankenstrich soll als Lesehilfe 514 ich lass ainstan] zum heterogenen Bedeutungsfeld des Wortes anstehen siehe FWB, dienen. Bd. 1, Sp. 1483-1487. Gemeint ist “etwas unberücksichtigt lassen“ bzw. „etwas auf sich beruhen lassen“ 514f. Ob...söllent] „wenn ihr wegen der aufgezählten Verfehlungen Strafen zu (ebd. Sp. 1486). 516f. werden...gaistlichait] erwarten habt, so lasse ich offen, inwieweit ihr diese zu erleiden habt“ elliptische Konstruktion: vor dem zweiten Relativsatz steht ein beigeordneter Relativsatz (betrogen... 520 funden] zur Partizipbildung des mittelhochdeutschen Verbums vinden gaistlichait), Z. 516f. vgl. Lexer, MhdtHwb, Bd. 3, Sp. 354. Erst seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts wird das Verb zunehmend mit dem Präfix flektiert (s. Reichmann/Wegera, Frnhdt. Gram., S. 238f., § M 87). 525f. zu zitten...mess] vgl. zu dieser topischen Wendung Textbeispiele bei Auer, Leidenstheologie im 528 aigenschaifft] hier mit der Bdtg. „Eigensinn“ (Lexer, Spätmittelalter, S. 116 u. 134. MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 520).

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ligkait jnen volgeten. „Vnd was guttz man last vmb demüttig gehorsamykait willen, das will gott selber verantwurtten vnd vertretten. Dar vmb: Dennen die vsswendig arbait bevolchen ist, ir söllent uch fröwen, won ainen f(sßtritt gand jr nit, den jr echt jn dem(ttiger gehorsamekaitt t(nd. Jr werden dar vmb sunderliche glory haben jn ewigem leben.“ Er sprach och zu den kuchin swestern. Wenn sy merckent, das iemant vnder den swestern nit recht oder we were vnd das sÿ nit wol essen mochte, vnd sÿ den der selben etwz besunders für brächten vnd das vss liebe t tten, dye selb liebe wurd das bedecken vnd hinn nemen, das nieman da von solt mugen geergert werden. Vff ain zitt sprach ain swester, sy besorgett vnd forchte, das sy das haillig sacrament zu jr verdampnunsß enpfangen hett. Do antwurtt der böss gaist: „Als jr jn ainem gantzen wyllen stand, alles das zu lassen, das dem schöpffer myssf lt vnd uch ewer prister erlobt zu zegan, so mugent jr alle zitt den heren jn dem sacrament enpfachen vff sin barmhertzigkaitt vnd so gand jr nicht zu ewer verdampnunsß. Wer och sach, das jr vss siner gnad werent, so k(ment jr doch mit ainem rechten kerr ewers wyllen, uch gantzlichen zu bessern, wider jn sin gnad.“ Er sprach och, das er zu mal grosse pin da von hett, wenn er den swestern jr sünd müst abriben durch mangerlay verdriesß vnd kestigunng, da mit er sÿ qült, vnd das es die swestern gedultigclichen litten vnd sich wylligclichen in dye hand _____________ 529 volgeten] süchet M 529 Vnd..last] wan eyn mentsche waz gudisz nach leszit W 530 vnd vertretten] fehlt W M C 530f. Dar vmb...fröwen] vnd dar vmbe sollent sich diÿhenen 531 Dennen die] ir den B, dÿjene den W, ir die fröwen den vsswendige arbeit bevolhen ist C 531 ir] fehlt SG2 531 uch] sich W 532 dem(ttiger] dem(ekeit vnde W 533 glory] die M 533 jn ewigem leben] fehlt C; in ewigekeit W 535 were...vnd sÿ] vnde nicht ere W, lonn M C 535 nit wol] böslich C gancz starg were also daz se nicht wol mochtin esszin vnde ab se W 537 wurd...bedecken] soldin dan bedenchkin dÿ andern soester daz dÿ lebe solde bedeckin W 539 Vff] Vvff SG2 542 erlobt zu zegan] erloupt vnd vrlop git dar zţ ze gan C 544 Wer 548 verdriesß vnd kestigunng] pein och] och wer SG2 547 nach hett] vmbe sine nÿdekeit C 549f. vnd...ergeben] wan anders die swestern dar jnne M 549 sich] fehlt SG2, sich B W M willeclich vbergebent C _____________ 529 volgeten] zu mhdt. volgen mit Dativ siehe Lexer, MhdtHwb, Bd. 3, Sp. 441. 532 echt] von mhdt. ehaft beziehungsweise echtelos, hier gebraucht im Sinne von „redlich“ oder „nicht eben“ (siehe dazu Grimm, DWb, Bd. 3, Sp. 20). 533 jn ewigem leben] zum Kasus siehe die Sprachbeschreibung zu SG2. 537f. dye selb...werden] es soll ausgedrückt werden, dass es die Schwestern nicht erzürnen werde, wenn eine bestimmte Schwester aus schwesterlicher Liebe bevorzugt wird. 542 ewer...zu zegan] gemeint ist, dass es der Priester der Schwester gestattet, an der Eucharistiefeier teilzunehmen. 544 Wer och] der nachfolgende Bedingungsatz erfordert die geänderte Wortstellung; siehe zur Konstruktion Reichmann/Wegera, Frnhdt. Gram. S. 461, § S 291. _____________ 534 kuchin swestern] zum Amt der Küchenschwester siehe den Kommentar (88) und Ausführungen im Kapitel IX, Pkt. 1.2.

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gottes er geben. Dyse pin sachet jn jm die gröste nidigkait, dye er hett zu menschlicher s lligkait. Aber saitt er, wer sach, das die swestern an den personen, dye sy nemen solten, s(chent richttum, schönhait oder geschicklichait der nattur, grosshaitt, starckait, kl(ghait oder behendigkait der synn vnd dye t(men, vnbehenden abwystent vnd liessent hini gan, dye doch kain besundere kranckhait des hobts oder mercklich siechtag des libs hetten, dar vmb sy nit bequem weren jn der samlunng zu wonnen, mit sollichen vssgewelten luitten wurde es jnen vbel vnd vngl(cklichen gan. „Jst aber sach,“ sprach er, „das sy dysser ding kainis ansechent, sunder allain jn den personnen süchent lutterkaitt jrer manunng vnd hytzigkait jrs willen, so wirt jnnen der herr sollich personnen zu fügen, dye er vsserwelt hatt vnd den swestern nütz sin mügent. S(chent sy aber zittliche ding, das dem flaisch oder der zitt zu gehörtt, so sollent jnnen sollich personnen zukumen, durch die sy beswert vnd vberladen werden.“ Fürbas [...] sagt er jnnen: „Jr sind nit dar vmb herkumen, das jr nach des libes begird t(n oder leben söllent, besunder nach dem gaist. Vnd jr sond mercken, das gott offt den ainfaltigen vnd schlechten me gnad gybt, denn den klugen.“ Do fraget man jn och, ob man och junge kinder jnnemen solt. Er antwurt: „Nain! Doch wenn sy sind by XV oder XVJ jar alt vnd jnnen dye welt begynnet zu schmecken, so mag man sy nemen, ist, das sy es vss jrem fryen willen begerent vnd vsserkiessent, dem schöpffer zu diennen vnd _____________ 550f. Dyse...s lligkait] fehlt C 550 sachet] sch(ff M 552 nach sy] zu jnen B, czu en in W, zţ 553 geschicklichait] bequemlikeit B W C 553f. der...starckait] fehlt W 554 in M, jn C 554 nach starckait] oder vnstarckheit C 554f. kl(ghait...gan] nach grosshaitt] oder cleinheit C 554 der synn] fehlt M 554 t(men] plumpen B, armen W 555 hini gan] hmi gan fehlt C 556 nach oder] ander B W 556 mercklich siechtag] siechtüms M 556SG2, hingan B W 558 dar vmb...gan] dan die werent nit beqweme in versamenuge zţ wonen oder das sie suchten behendikeit oder cluogheit der personen vnd die unbehenden abewiseten do solte es in vbel mit 557 nit] fehlt SG2, nicht B W M C, abweichend SG1 558 vnd vngl(cklichen] fehlt M gan C 560 lutterkaitt] purheit B W 560 lutterkaitt jrer manunng] ÿr rechte vnd luter meinunge C 560 hytzigkait jrs] gutten M 560 nach willen] czu gotlichir lebe W 561 personnen] fehlt B W 562 zittliche] einig B W C 564 vnd vberladen] vnde belestet B, vnde gelestirt W, fehlt M C 564 fürbas SG2 Doppelschreibung 565f. des...söllent] dem fleisch begern leben oder tun sollent B W C 566f. gott...ainfaltigen] gott ist offt ainfaltigen SG2, gott dickweils den einfaltigen B W 569 oder XVJ] fehlt M 571f. vnd (2)...willen] fehlt M C SG1, got offt einfelttigen M _____________ 550 sachet] „rufe hervor“. 557 bequem] von mhdt. bequæme, hier mit der Bdtg. „geeignet“ (Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 182). _____________ 552-558 Aber...gan] siehe den Kommentar (35) zum Verhalten der Schwestern miteinander. 560 lutter562f. zittliche ding] siehe zum Terminus den Kommentar (48). kaitt jrer manunng] Kommentar (47). 569f. wenn sy...nemen] Kommentar (49). 570f. ist...vsserkiessent] Ausführungen zum menschlichen Willen findet man u.a. Zeilen 332-340, 458-461, 609-613, 1277-1279 und 1309-1316.

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luttere mannung dar zu haben vnd hytzigen willen.“ Er sprach och: „Das ist ain pure vnd rechte mannung, n(ntz jn dem kloster zu s(chen, denn allain dem schöpffer zu diennen vnd wol gevallen.“ Aber suchent sÿ ichts anders als aigen gemach oder versorget zu sin oder ledig, müssig leben zu füren oder des gelichen, so ist es nit ain pure vnd l(ttere manunng. Vnd überhytzigkait des willen ist, alles das gern zu t(n, das man uch t(n haisst, vff das, das jr dar durch dem schöpffer gevallen mügen vnd uch mit jm versünnen vnd vergebung ewer sünden mügen erwerben.“ Do sprach ain swester, sy mantte, das es von gott nit were, das sy in die samlunng oder kloster kumen were, sider dem das sy sich so bosslichen vnder den swestern hieltt. Er antwurt, das es allain gotts werck were, das sy all mit ain andern kumen werent, denn hett es gott mit sinen gnaden nit gewürckt, sy wärent alle jn der vinsternunsß vnd vnerkanttnunsß beliben. Das sy sich aber als vbel gehyelt, wer allain jr schuld. Vff ain zitt sait er ainer swester, die sich vngern vmb jr gebresten liess vermanen: Wer, das sy es hye nit lyden wolt, er vnd sin gesellen wurden jr hyr nachmals jr gebresten vn vntterlass, mit aller smachait, die man erdencken möcht, f(rhalten vnd vffheben; „vnd mit sollicher pin, das jr die mynste nun nit sechen mügent, jr wurdent als bald do von sterben mussen.“ Vnd er sprach zu den swestern: „Was jr hye demuttigclichen offenbaren, da von wirtt drtt kain vrtail sin.“ Do was ain swester, die schampt sich, jr gebresten vnd kranckait offenbarlichen zu bekennen vor den andern, vnd der böss gaist sprach, das sollich schaim ain band were, da mit er vil gebunden hielt. Och saitt er, das etliche jn grosse passion käment vnd lang dar jn beliben werent. Hetten sy die jn dem anfang oder begynnen offenlichen bekennt vnd vssgesprochen, sÿ wärent nie so verr dar jn kumen. Vff ain zitt warent aber die swestern _____________ 572 luttere] pure B W 572 hytzigen willen] furige lebe vnde willin W 573 pure] lütter M 573 jn dem kloster] fehlt C 574 sÿ] fehlt B, man W M 577-579 Vnd...erwerben] fehlt M 577 überhytzigkait] fewrikeit B W 578f. gevallen mügen vnd] behagen B, uch behegelichin 580f. in die...kloster] das closster M, vnder die swestern C 584f. vnd mogit machin W vnerkanttnunsß] vnde ir selbisz B, fehlt M 585 nach vbel] vnde vngeborlichin W 586 vngern] nit B, noch W, nit gerne C 587 gesellen] geselen SG2 (neunzehnmal in der Schreibweise gesellen) 588 nach nachmals] semlich B W 589 f(rhalten] verwiszen B C 589 vnd vffheben] fehlt B W C 589-591 das...mussen] als si sÿ ÿe gesach wen si soelich pin sech si 590 jr] sie C 591 er] fehlt SG2, er B W M C SG1 593 gebresten vnd] sturb da von SG1 595 er (1)...hielt] se vnde andersz vil mentschin gebondin hette vnde hart in siner fehlt W M C gewalt hilde W 596 passion] zorn M, bekorunge C, passion vnde lÿden W _____________ 579 versünnen] von versüenen (s. Lexer, MhdtHwb, Bd. 3, Sp. 256). Zur Verwendung von /ü/ für den 581 sider dem das] hier als Diphthong /üe/ siehe Reichmann/Wegera, Frnhdt. Gram., S. 63, § L 30. kausale Konjunktion in der Bedeutung von „weil“ (dazu Lexer, MhdtHwb, Bd. 2, Sp. 907 u. PWG, S. 430, § 462). 597 bekennt] diese Partizipform ist auch mhdt. belegt (Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 163). 598 sÿ...kumen] gemeint ist: sie wären nie so tief darin verstrickt worden.

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by ain andern gesamlett vnd er sprach zu jnnen, das sy alle jr kranckait solten offenbaren vnd besunder die, dar zu sy jnwendigen vermanet vnd jnnen fürgehalten wurden für die ogen jres hertzen, vnd die jr hoffart allermaist weren, vnd solten da die wurtzlen recht rüten. Das tätten etlich vnder den swestern, etliche kument träglichen vnd kum dar zu. Do sprach er zu jnnen: „Der schöpffer statt vor der t(rr ewers hertzen vnd begertt begirlichen von ewern gebresten ain clare vnd demüttige offenbarunng. Aber vnser gesellen sind jn ewerm hertzen, die uch das bekennen müt dem band der scham werent. Vnd ist, das jr clarlichen vnd offenbar bekennent, so triben jr sy vss vnd ewer schöpffer wirt jn ewer hertz kumen mit /berflüssigen gnaden. Hand jr echt ainen gantzen wyllen fürbas mer alle zitt, ewer kranckait klarlichen zu offenbaren, so will uch der schpffer von gnaden geben, das jr von sollichen gebresten niemer söllent /berwunden werden, so lang jr bÿ dysen fürsatz vnd wyllen beliben. Vnd wir mügent uch wol bekoren, wir mügent uch aber nit vberwinden. Also werden wir von ewerm gott bezwungen von grosser liebe, so er zu uch vnd allen menschen hatt. Ja so vnmässig liebe hat er zu uch vnd ewer sälligkait, wer es uch nütz, er wurd uch selber alle ding sagen, die ich myns vndancks nun sagen müsß. Aber es wer uch nit nütz. Dar vmb sechent, das jr jm danckpar sÿent vmb dysse sin nüwe gnad vnd das _____________ 599 alle] alda B M, he in dir czÿt W

600-602 die...rüten] dieÿhenen die dar zţ der zitt jnnwendig dar zţ vermant wurdent vnd das sie auch die gebresten offenbaren solten die in vff die zit yn kement für die ougen ÿrer hertzen vnd besunder die ÿr hoffart allermaist wider werent vnd 600 sy] fehlt SG2 B, sy W 600f. die...vermanet] die die dar zu dz sie die wurtzeln rütten C 602 nach allermaist] von inen vermant M 601 die] den SG2, die B W M C, abweichend SG1 602 nach wurtzlen] der krangheit W 603 nach träglichen] wider B W M C, abweichend SG1 603 vnd kum] fehlt M C 605 ewern gebresten] uch W 605 clare] laütter vnd fawl B W 606f. bekennen...werent] benemen B, benemen mit dem bande der schemde W C SG1 M 608 sy] die bösen geist C 609 /berflüssigen] grosser M 613 nach wol] anfechtin vnde W M 614 ewerm gott] ÿme C 615f. vnd ewer sälligkait] fehlt B W 615-617 vnd...müsß] C SG1 616 nach nütz] czu vwer selekeit das es uch nütze were er solte uch selber dise dinge sagen C W 616 nach alle] disze B W 617 die] des SG2, die B W 617 die...müsß] fehlt M 618 nüwe] 618f. gnad...begerent] gab vnd das ir jm die in danckperkeit wider auftragen vnd gob vnd M geben Vnd disz sind die newen gaben, die eüer schopfer von euch zu danckperkeit begert B W C, vnd das ir sült von im begeren M _____________ 598-602 Vff...rüten] mit Ausnahme von C geraten in allen Textzeugen der Langfassungen die Substantive des Satzgefüges durcheinander. Es wird einerseits von den Schwächen der Schwestern, andererseits von den Schwestern selbst gesprochen. Da SG2 von C an dieser Stelle insgesamt abweicht, wurde SG2 so gebessert, dass durchgehend von 601f. vnd die...weren] hier geht es um die Schwächen, die den den Schwächen der Schwestern die Rede ist. 607 müt] siehe zur Schreibweise die Sprachbeschreibung zu SG2. 610 Hochmut am meisten bedingen. fürbas mer alle zitt] „fernerhin für alle Zeit“ – überladene Worthäufung zur Betonung. _____________ 601 fürgehalten...hertzen] Kommentar (50). 604 t(rr ewers hertzen] vgl. zum Bild der Tür als Zugang zum Herzen Mt 7, 13 sowie Io. 10, 7-9.

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jr dis jn danckperkaitt begerent: Ain demüttige, schamhafftige vnd klare offenbarunng der ding, die wir uch jngebend, ainfaltige gehorsamkait vnd sich grunttlichen demüttigen ye aine vnder die andern. Dysses mant er, da er den jungern jre füss geweschen hatt, vnd sprach: ‚Hab ich, ewer maister vnd ewer herr, ewer füss gewäschen, so sollent jr och ainer dem andern die füss wäschen.‘ Das ist alle demüttigkaitt, aine der andern bewÿssen. Vnd dyse ding bewyst uch ewer schpffer nit von ewerm verdiennen, sunder von siner vnmässigen g(ttigkait.“ Do bekanntten etlich jung swestern, das sy jr kranckait klarlich nit getörstent offenbaren, won sy besorgetten, man wurd sy dar vmb vss dem huss stossen, wer, das man jr kranckaitt klarlichen wyste. Der boss gaist antwurtt dar vff vnd sprach: „Dys sagen ich uch allen, dye offt dar vff gedenckent vnd forcht hand, vnd wer sach, das ewer obersten also vnbeschaiden werent, das sy uch vss triben wölten, so verr jr des mit andern gebresten kain vrsach werent, der schöpffer wolt mit sinen schulttern dar vnder gan vnd weren, das es nit geschech.“ Aber sprach er zu den swestern: „Ich wais für war, wenn jr ewer bekennen fürsetzend dem bekennen ewer oberen vnd jnnen nit wollent geloben, wye gütt es jach schinet, das jr manent, wyssen vnd verstan, ja vnd bedunckte uch, das got selber zu uch sprech, vnd jr dar jn nit t(nd den wyllen ewer obern, so volgent jr vnserm ratt vnd jngeben vnd werden da mit vns glich, wan wir wollent alle zitt vnsern wyllen vnd beduncken volgen vnd wollent vns nit vnderwyssen, sunder alle ding nach vnserm wyllen t(n. Vnd also lang yeman vnder uch also statt vnd vns also volgent, uch ewer selbs gütt beduncken vnd verstan das best bedunckt _____________ 619 dis] die SG2, disz B W C, abweichend SG1 619 demüttige] demütticge SG2 (keine Parallelstel620f. vnd sich grunttlichen] fehlt C, euch M 621 er] der her W le für diese Schreibweise) 623f. ainer...wäschen] eine der andern diemütige werck beweissen M 624 der] dem W 625 ding] liebe C 627f. getörstent] dorftin W C 628f. dem huss stossen] ir samenunge werffin 629 huss] closster M 629 stossen] setzen C 633f. wolt...weren] solt das mit siner W 634 vnd weren] fehlt W 635 nach ewer] duncken oder B gnade vndergan vnd dar vor sin C 635f. bekennen...bekennen] gedangkin setczit vbir dÿ gedangkin W, gedancken bekentt M 637 schinet] schimet SG2 637f. wyssen...dar jn] fehlt W 638f. vnd...obern] fehlt C 638 640 wyllen] synne W 640 wyllen vnd] fehlt M 642f. vnd nit t(nd] vnde dut widder W 643 uch...bedunckt] fehlt M 643 gütt...verstan] gefallen B, völen C vns...volgent] fehlt C _____________ 624f. bewÿssen] von mhdt. bewîsen („zeigen“); siehe Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 257. – Zu solchen elliptischen Konstruktionen vgl. Reichmann/Wegera, Frnhdt. Gram., S. 441, § S 257. 628 besorgetten] „befürch637 manent] von mhdt. meinen; siehe dazu die Sprachbeschreiteten“ (Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 221f). bung zu SG2. 637 verstan] für Parallelstellen vgl. Z. 643 und 1336. _____________ 619-621 Ain demüttige...andern] siehe dazu den Kommentar (61) zur ŷtria substantialia‘ des Textes. 622-624 Hab ich...wäschen] vgl. Io 13, 14. 625f. Vnd dyse...g(ttigkait] vgl. Rm 3, 24. 633f. der schöpffer...geschech] die Schulter als Träger zu neigen ist ein biblisches Bild des Trostes (Ps 81, 7).

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vnd ir dar vff belibent, so ist uch vnmüglichen, zu waren tugenden zu kumen. Vnd vnder zwayen wirt uch anis begegenen: Das ain, das jr werden törecht werden oder das jr wider jn die welt werden gan.“ Da was ain swester, die jn kürtzin vss der welt kumen was, die hatt vss jr vnbeschaidenhait offt gern etwas sunderlicher devocion, andacht vnd ynnigkait gehebt dar vmb, das sy gross erschinen were vnder den lütten vnd vor den swestern. Vnd sy bedunckt by der wyll, das sy süssen rch schmacket vnd enpfund. Jr was och zu zitten, als ob sy von jr selbs kumen vnd verzuckt wer worden. Dysß verwundert etlich vnder den swestern vnd manten, es km jr von sunderlicher hailligkait, vnd dar jn hat sy grosse genügt vnd wolgevallen. Sy mant och selber, es wer also war. Aber der bichtvatter vnd die mütter von der samlunng vermanetten sÿ vnd sagent jr, es wer von des tülpfel betriegnusß vnd sy wurd da durch zum letzsten verfürtt, sider sy nach zu mal vnge/bt vnd vnversücht were. Aber sy kunden sy nit licht zu beschaidenhait pringen, das sy sich wolt von der betriegnunsß keren, vnd sy volget jr selben jn dyssen sachen, wo sy kund. Dar nach dröwet jr der bichtvatter vnd sprach, wer, das sy sich von dÿsser fantesyen nit abkertte, er wolt sy von den swestern vss dem huss triben. Da brach sy sich da von so best sy mocht. Vnd vff ain zitt bekannt sy jr kranckait jn dyssen dingen vnd wye sÿ dem t(ffel offt dar jnnen gevolget hett. Do sprach der böss gaist zu den swëstern, das es alles von betrugnunß siner gesellen were zugangen vnd geschechen. Vnd och sprach er: „Ich müss uch sagen, w by jr mercken m)gent, ob solliche ding vnd der gelichen vss gnaden gotts kument oder von vnser _____________ 644 ir] fehlt SG2

648 devocion...vnd] fehlt W C 650 nach swestern] wan sie hette gerne geistli651 schmacket] fehlt B, fulte W chen geschinen C 651 rch schmacket] gesmacke smackte C 651f. von...vnd] fehlt M 653f. vnd (2)...wolgevallen] fehlt M 655 von der samlunng] fehlt C 655 nach sÿ] dicke das sie sich dar von kere C 657 sider...were] fehlt M 661 von den swestern] fehlt W 666 nach sagen] von beczwangisz wegin desz scheppirsz W 666 m(gent] fehlt SG2, mugen B W M, sllent C, sond SG1 _____________ 646 oder] gemeint ist: das zwayt. 647 jn kürtzin] hier „vor kurzem“ 651f. von jr selbs 654 genügt] wohl von mhdt. kumen] „die Sinne verlieren“ (Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 1669). genüegede („Befriedigung“); siehe dazu Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 864. Zur Verwendung von /ü/ für den Diphthong /üe/ siehe Reichmann/Wegera, Frnhdt. Gram., S. 63, § L 30. 656 tülpfel] dazu die Sprachbeschreibung zu SG2; in diesem Textzeugen sonst überwiegend in der Schreibweise tüffel. 656 letzsten] lestzen SG2 – Das Wort erscheint so geschrieben nur an dieser Textstelle; vgl. dagegen letzsten (Z. 346, 1174, 1534), letzten (Z. 976) bzw. zu letzt, zuletz (Z. 1157, 1513). _____________ 644f. zu waren tugenden zu kumen] Kommentar (51). 646 wider jn die welt...gan] Kommentar 647-665 Da was…geschechen] vgl. dazu die Inhalte im (52). 648 devocion] Kommentar (53). ŷSendbrief vom Betrug teuflischer Erscheinungen‘. 650-653 Vnd sy...hailligkait] Kommentar (54). 666668 ob...nattur] dazu den Kommentar (44) über das göttliche ŷEinsprechen‘ und die menschlichen ŷEingebungen‘.

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betrugnusß oder von nattur. Wenn sy vss gnaden gottes kument, so wirt ain mensch da von jn jm selber demüttiger vnd bedunckt sich der dingen gantz vnwirdig vnd begertt, schnöd vnd vngeachtet zu sin vnd zu beliben vor den lütten vnd begert, die ding zu verbergen, vnd wirt sin kranckait dar jn bekennen. Wenn es aber von mir kumpt vnd von mynen gesellen oder von ewer selbes nattur, so wirt der mensch da von jn jm selber erhaben vnd wyll da jnen gesechen vnd geachtett werden oder sin. Er gevallet jm selber wol vnd jn bedunckt, das er sich jn sinem tün vnd lassen recht halt. Vnd dysß kumpt alles von des menschen verborgnen hoffart vnd vnser betrugnunsß. Vff ain zitt offenbarett vnd bekanntt ain swester jr kranckait, wye jr an etlichen jn der samlunng myssviel, das sy so ledig vmbgiengent vnd kaine swere arbaitt nit tätten vnd doch die selbe swëster alle zitt so vil vsswendiger grosser werck tün müste. Do antwurt der böss gaist, das die andern swestern vil mer nütz mit jnnwendigen vbunng tätten, dan sy tün wurd, ob sy so ledig wäre von den vsswendigen dingen, wan sy wurde dann jr selbes fulheit zu vast volgen. Aber zu ainer zitt, als der böss gaist den swestern vil verdriessens vnd lyden anitätt vnd sy sich dar jnnen güttlichen vbergabent jn die hend vnsers heren vnd sy das gegenwürttig lyden, das er jnnen anlait, vnd och ander lyden, das der her vff sy verhengen wurd, gern vnd willigklichen tra_____________ 671 vor den lütten] fehlt C 671 nach kranckait] vnde gebrechin W 672 nach bekennen] vnde vffinbarin W 674f. vnd (1)...wol vnd] sin M 674 geachtett] geachett SG2 674 werden oder] fehlt B W C 675f. jn sinem...lassen] fehlt C 676f. von...vnd] vß C 678 zitt] fehlt SG2, czeit B W M C SG1 678 vnd bekanntt] vnd bekennt sich B, fehlt W 678 an] am SG2, an B W C SG1, von M 680f. doch...müste] se muste doch manchirleÿ grabir erbeth dun W 680 die selbe swëster] die selben swëstern SG2, selb swester B, sÿ M, das sie C SG1 680f. vsswendiger...werck] fehlt C 681 grosser] grober M 682 andern] fehlt B W 683 wurd] wurden SG2 683 so] gancz M 683 wäre] wärent SG2, ginge W 683 wurde] wurden SG2 686 hend] gnad M 688 vnd willigklichen] fehlt M _____________ 669 jn jm selber] die reflexiv verwendeten Formen des Personalpronomens der 3. Pers. Sg. erscheinen im Dativ noch als im (dazu Reichmann/Wegera, Frnhdt. Gram., S. 215, § M 64 u. Besch, Sprachlandschaften, S. 295f). – Ebenso u.a. die Beispiele: Er gevallet jm selber (Z. 675), etlich brüder vnder 673 jm hatt (Z. 1422), waich er nit von dem weg, den er jm fürgenumen hatt (Z. 1423f.). ewer selbes] hier wie häufig im Text in der Bedeutung von „euer eigene(r)/(s)“ (zu Belegen dafür BMZ, 678-681 Vff ain...müste] gemeint ist, dass es die Bd. 2. 2, S. 246 sowie PWG, S. 228, § 222). Schwester als ungerecht empfindet, im Vergleich zu den Mitschwestern mehr schwere Arbeit verrichten zu 680f. vil...werck] „viel an aufwendiger körperlicher Arbeit“. 683f. ob...volgen] „wenn müssen. sie keine körperliche Arbeit zu verrichten hätte, würde sie ihrer eigenen Faulheit zu sehr nachgeben“. _____________ 674-676 Er..recht halt] ähnlich Gregorius (Migne PL 76, Sp. 70 C). 679-681 das sy...müste] Kommentar (55). 685-691 Aber...vil mer] siehe dazu den Kommentar (12) zur Bedeutung des Leidens für die Schwestern.

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gen wölten, bekantten sy da mit, das sy sollichs wol wirdig werent vnd mit jren sünden verdiennett hetten, sollichs pillichen zu lyden, ja wer es och vil mer. Vmb dyse demüttigunng vnd gedultigkait traib der böss gaist serr gross vnd vngestüme wyss vnd gehebt sich so vbel, recht als ob jm das vbergeben jn dye hend des heren vnd jn den ratt vnd gehorsame jrs bichtvatters ain wunden jn sin hertz gemachet hett. Do ward er gefragett, ob er das also vngern hett, das sich die swestern so grunttlich liessent vnd ergeben. Er sprach, das es in /ber alle mass serr piniget, wenn sy sich also vbergebend vnder ainen andern menschen an gotz statt vnd vmb gotes wegen. Och gesach er, das es der schöpffer also geordnett hett, das er jn dyse swester müst kumen, vmb das er durch sy dyse ding zu mänges menschen sälligkait sagen solt. Er sait noch mer vnd sprach: „Jr klagent vast vnd vil, das jr nit gnad hand vnd das jr kainen fürgang vnd zunemunng jn tugend enpfindent. Aber jr wollent den grund vnd fundenment, da mit man sollichs /berkumpt von ersten nit legen, das da ist: Ware gruntliche demüttigkait. Wan jr wollent uch selber nit beschuldigen noch von den lütten bekanntt sin vnd da für gehalten werden, das jr doch jn der warhait sind. Dar vmb beliben jr uch selber vnbekanntt. Vnd so lang jr dysse wurtzlen nit wollen _____________ 689 bekantten sy da mit] vnd da mit bekantten sy SG2 B, vnd bekannten M SG1 (Ohne diese Umstel690 verdiennett] lung wäre der Hauptsatz Aber zu ainer zitt (...) bekantten sy nicht zu verstehen.) 690 sollichs...lyden] fehlt C SG1 690f. ja...mer] fehlt W 691 nach mer] gewesen B verschult W 691f. Vmb...gaist] vnd dan bewisete diser böse geist C 691 demüttigunng vnd] fehlt B W C 693 hend] gnad M 693 den ratt] die hend C SG1 694 nach bichtvatters] recht als er sprechen wolte daz yme das C SG1 694 ain...hett] fehlt M 694 gemachet] gemachtet SG2 695 vngern] 696 nach in] vnde sine gesellin W 697f. an...wegen] fehlt C 697 vmb] von B W not B W 698 wegen] willen M 699f. das er...sy] das das er M 700 sy] fehlt SG2, sie B W C SG1 700 700f. mänges menschen] yrer C 703 vnd zu] so SG2, zu B W C, vmb M, abweichend SG1 704 den grund vnd] das B W C SG1 704 vnd fundenment] fehlt M (1)...enpfindent] fehlt M 704f. da.../berkumpt] fehlt C 705f. das...wollent] fehlt C 706f. uch selber...sin vnd] nit M 706 beschuldigen] fehlt W 707 nach warhait] nit W 708 wurtzlen] gepresten M _____________

691 traib] 3. Pers. Sg. Prät. Ind. von mhdt. trîben. Belege für diese Formbildung bei Moser/Stopp, Gram. d. Frnhdt., Bd. 4, S. 286f., § 101. 695 grunttlich liessent] „von Grund auf lösen“ ( Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 1844); gemeint ist hier die Lossagung von der Welt. 704 den grund vnd fundenment] in solchen Wortverbindungen ist der Artikel bisweilen erspart (dazu Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 315f., § S 5).

704 fundenment] von lat. fundamentum, mhdt. in der Schreibweise fundement belegt bei Lexer, MhdtHwb, 704f. /berkumpt] hier in der Bdtg. von Bd. 3, Sp. 565, siehe dazu auch Grimm, DWb, Bd. 4, Sp. 534.

„erreichen“ (Lexer, MhdtHwb, Bd. 2, Sp. 1633). _____________ 704f. Aber...demüttigkait] ähnlich bei Brinckerinck: „Tot voertganc ende opclimmen totten doechden en mach men niet comen, dan mit oetmoedicheit“ (s. Moll, Acht collatiën, S. 137). – Thomas von Kempen bezeichnet die Demut als „fundamentum omnis virtutis“ bzw. als „radix virtutum“ (Pohl (Hg.), Thomas von Kempen, Opera omnia, Bd. 2: Recommendatio humilitatis, S. 377 und 380).

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rüten, so werden jr der frucht nit smacken, vnd jr möchten nach nüwe menschen werden, wölten jr dyser nüwen gab warnemen.“ Vff ain zit solt ain swester jr gebresten bekennen vnd sÿ saitt die nit so opfenbar vnd lutter, als sy billichen solt getün haben. Da vermant sÿ die mütter, das sy offenlichen vnd fry die gebresten sagen solt. Do ward die swester vnlydsam vnd ongedultig vnd redt zornlichen zu der mütter vnd sprach: „Won jr mochten ain mensch wol verzwifflett machen.“ Do schalt sy der bichtvatter dar vmb, das sy so vnzüchtigklichen zu der obersten gesprochen hett, vnd saget jr da by, das sy grosse pin dar vmb hyr nach lyden müsst, wer, das sy sich dar an nitt besert vnd hÿe ablegett. Do sprach der böss gaist, das sy das mit demüttigkaitt ablegen möcht. Laitt sy aber das hye nit ab, sy müste hyr nach mals wol X jar fegfürs dar für lyden, sitten mall vnd sy sich so vnerlichen gegen der, die sy zu regieren hatt, bewÿst hatt. Ja sy solt och gross vegfür dar vmb haben, hett sy sollichs nun ainer andern, schlechten swester getün. Dar vff beschalt der bichtvatter die swestern gemainlichen, das sy also lichtigklichen vngunst vnd onwillen [...] vpf ain andern hetten. Do sprach der böss gaist, das wenig samlunng nun werent, sy werent all mit dyssem bech beschlagen vnd /bergossen. Doch wider den vnd alle ander gebresten wär ärtzenÿ gantze rüw vnd ain hytziger fürsatz, nit mer zu tün. Er vermanet och als den vor vnd raitzet die swestern, das sÿ alls das sölten vs sagen vnd verjechen, das sy von sünden vnd gebresten zu der zitt wÿsten, wolten sy echt nüwe gnad enpfachen. _____________ 709 rüten] erkennen M

709 nach so] lang B W M 709 werden...smacken] müsset ir der gnad gottes enperen M 709f. vnd...warnemen] fehlt M 713 die mütter] hoer bewaerster Bln 713 vnd fry] fehlt Bln 714 vnd redt...mütter] ende antwoerde onwaerdelic Bln 714 zornlichen] vn- wertlichen B W C 715 verzwifflett] misselic Bln 715 schalt] strofft M 716f. dar vmb...da by] fehlt Bln 718 wer...ablegett] fehlt Bln 718 vnd hÿe ablegett] fehlt C 721 vnerlichen] vnwertlichen B W C, fehlt Bln 722 bewÿst hatt] fehlt W 722 och] dennoch B 722f. sy...schlechten] vnde se solde dan noch grossir pÿn dar vor lidin dan hette se iz eÿn gemeÿn swester gedan W 723 beschalt] stroffet M 725 wy SG2, fehlt B W M C SG1 725 vpf ain andern] eine auf die andern B M C, uf dÿ andern W 726f. beschlagen vnd] beschmeist vnde B, beschmitczit vnde W, fehlt M 726f. beschlagen vnd /bergossen] vermüstet oder vermenget C 728 ain hytziger] fewrig B C, ganczin W, gütter M 729 och...raitzet] fehlt W 729 als...sÿ] fehlt M 729f. vnd (2)...gebresten] fehlt C _____________ 709f. vnd jr...warnemen] „und ihr müsstet erst neue Menschen werden, bevor ihr diese neuen Gnadengaben wahrnehmen könnt“. 715 jr...mensch] siehe zur Kasusnivellierung die Sprachbeschreibung zu SG2. 721 sitten mall vnd] hier „weil“ (Lexer, MhdtHwb, Bd. 2, Sp. 907). 723 sollichs] hiermit ist das zornige Verhalten gegenüber den Oberen gemeint. 729 vor] hier „im voraus“. 729 raitzet] gemeint ist „antreiben“ (Lexer, MhdtHwb, Bd. 2, Sp. 401). 730 verjechen] „bekennen“. _____________ 709 so werden...smacken] Anspielung auf Mt 7, 17-18. 711f. Vff ain...haben] Kommentar (56). 713-718 Do ward...müsst] Kommentar (57). 726 bech] schwarzes Pech galt seit alters her als verunreinigend; siehe dafür z. B. Jes. 34, 9-10.

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Do was ain swester, dye bekanntt, das sÿ offt vorcht vnd angst hett, das jr vnser herr jr sund nit vergeben wolt. Dar zu antwurtt er vnd sprach: „Hett gott nit willen, üch ewer sünd zu vergeben, er hett uch vff dysse zitt dye gnad nit geben, das jr sy bichtent vnd bekennent.“ Er sprach och, das gott alle die erkoren hette vnd vsserwelt, dye sinen wyllen tätten. Vnd dye werent jm allervsserweltest, dye sinen wyllen allermaist tätten. Do was ain swester, dye bekannt jr kranckait, das sÿ gedacht hett in jren synnen, das die täglich vermanunng vnd perclamacion, als da aine die andern vss liebe berüfft vnd vermanet, nichtes wer, den ain torhait vnd ain vise vase, das och kain nutz oder belonunng dar an lege. Der böss gaist antwurtt dar vff vnd sprach: „Vermanunng ist ain gross, sällig ding, [...] die vil frucht ain uch pringt, wenn sy recht geschicht. Vnd wärent die täglichen vermanunngen nit, wyr wurden wunder mit uch würcken, vnd durch vermanunng verlürent wir wider, was wir an uch gewunnen hand.“ Zu ainer zitt sprach er, das der schöpffer mit so grosser liebe zu den genaigt were, dye sich mit gantzem hertzen zu jm kertten vnd siner gnad jn jnnen warnemen, das es jnnen vil vrsach der sünden dar dürch beneme. „Vnd ich müss och sin gütthait bekennen, wye wol ich es vngern tün, dann ich wyll sy nit loben. Aber ich müss uch sy sagen, vmb das jr in lobend, wan sy serr zu loben ist, die uch so barmhertzigklichen versicht, das sy uch vrsach an ewern fründen vnd andern vsswendigen, zittlichen din_____________ 732f. offt...das] zweÿfflet ob M

733 nit] fehlt M 735 bekennent] reüet M 737 allervsserweltest] allervsserwelt SG2, die außerlesensten B W, die außerwelten M, die aller vsserkorensten C 737f. allervsserweltest...tätten] lebe vszherwelte mentschin W 739f. in jren synnen] fehlt M 740 740 vnd perclamacion] fehlt C 740f. vnd...vermanet] fehlt M 741 nichtäglich] steteclich C 741f. den...vase] daz daz idel torheit were W 742 vise vase] fehlt M C 742 tes wer] fehlt W 742 dar an lege] da von queme W 743 ding oder belonunng] oder belangen B C, fehlt W M 744 ain] vnder B W C SG1 745 nach wurden] grosz W 749 es] er B W SG2 Doppelschreibung C 750 ich (1)] fehlt W 750 och] euch B W, fehlt C 750 bekennen] bewisen, nu musz ich uch sagin von siner barmhertczegekeit W 750 es vngern] es genot B, daz node W 751 wyll...loben] 751 sy] sine gţtheit C 752-756 das...sin mag] vnd die vrsache uch an noch en mag ir nicht W ewern frenden entzucket, das ir kein liebe zţnyeman hant vff das sie uch keine hindernisse sint in uwerm zţ nemen vnd besserung C 753 vrsach an] von W _____________ 737 allervsserweltest] zur Superlativbildung im Textzeugen vgl. die Beispiele gehorsamest, beschaidnest, 740 perclamacion] von lat. clamitatio bzw. clamor, hier angenemest (Z. 835, 836, 880, 1065, 1325). 741 berüfft] von mhdt. beruofen, hier „schelten“ (Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, mit der Bdtg. „Ausrufung“. Sp. 199). 742 vise vase] das Substantiv visevase ist mit der Bedeutung „Wischiwaschi“ bzw. „Schnickschnack“ 749 vil vrsach der sünden] gemeint sind Anfechbelegt (Schiller/Lübben, MittelniederdtWb., Bd. 5, S. 261). 752 versicht] von mhdt. versëhen („behüten“). 753 vrsach an] von mhdt. sache, hier im Sinne tungen. Taulers gebraucht mit der Bdtg. von „Gelegenheit, die zur Sünde Anlass gibt“ (Grimm, DWb, Bd. 24, Sp. 2506). _____________ 732f. Do was...wolt] Kommentar (58).

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gen vnd geschefften entzuckt, das ir nit lieb oder gemainsamykait dar mit kunnent haben, vmb das ich uch ani ewerm gaistlichen fürgang vnd zunemunng kain hinderunng sin mag. Da sprach ain swester, das sy das lyden vnsers heren gern jn jrm hertzen enpfinden wolt. Er antwurt, wye sy das enpfinden mocht, sy wolt doch vmb sinen wyllen nit ani wort gedultigklichen vertragen. Aber sprach ain andere swester, das sy all zu mall gern jnwendig jn dem gaist wolt vffgezogen werden. Do antwurt er: „Wie sölt die vffgezogen werden jn den hymel, die so kranck sind, das jnen grüllet, solliches, das wir jnen jn geben, offenlichen zu bekennen vnd also jren vienden, die wir sind, geturent nicht, dar mit schand vnd smachait antün,“ vnd sprach fürbas, „also kert jr uch zu ewerm schöpffer, als jr uch zu gehorsame gebt.“ Vff ain ander zitt ward jm gesaitt, das vngeloplichen were, das er vor gesprochen hett, wye die swester, vss der er dyse ding redt, XX jar lang vegfür lyden han müst, vmb so klain puntten, von denen vor geschriben statt. Er antwurtt vnd sprach, es wer nit vngeloblich vnd man mocht des glichen nach wol ain exempel vinden geschriben. Vnd er fraget den bichtvatter, ob jn die puntten klain bedunckten, dye vss der wurtzel der hoffart entspringen, dar durch die vorgemelt swester dem jnsprechen gotts widerstanden hett, vnd sy dennocht vor jnwendig vermanet wer worden, das sy es nit solt tün. Dem böss gaist ward och gesaitt, wye es vngelöblich were, das man mit fünff straichen der dÿssiplin, jn lieb vnd demüttigkait enpfangen, fünffhundert jar vegfürs mocht ablegen. Do fraget er den bichtheren, ob er sich des verwunderte vnd ob er nit märckte oder wyste, was demüttig_____________ 755 ich] sie B W C 755f. gaistlichen fürgang vnd] fehlt M 756 vnd zunemunng] fehlt B W 758 enpfinden (2)] entphahin W 761 wolt vffgezogen werden] vff gezogen worde W, vff 762 hymel] hymeln SG2 763 das...offenlichen] fehlt B 763 gezogen were gewesen C geben...bekennen] daz se daz sollin offentlichin bekennen W 764 die...schand vnd] fehlt C 764 nicht] fehlt W 770 es wer nit vngeloblich vnd] fehlt C 771 ain exempel] in exempeln B C 773 die ...swester] sie C 774 vnd] da mit C 779 oder wyste] oder verstee B, vnde vor stee W, fehlt C _____________ 754 entzuckt] von mhdt. entzücken („entziehen“), siehe Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 603. 758f. sy wolt...vertragen] gemeint ist: wenn die Schwester nicht einmal ein Wort der Kritik erträgt, wie soll es ihr dann möglich sein, das göttliche Leid nachzuvollziehen? 766 gebt] die 2. Pers. Pl. Präs. Ind. von geben erscheint sonst als gebent, geben. 769 lyden han müst] „wird leiden müssen“. 774 vnd sy dennocht] hier mit der Bdtg. „obwohl sie“. _____________ 760f. Aber...vffgezogen werden] Kommentar (59). 767-769 das vngeloplichen...puntten] Kommentar (60). 769f. von denen vor geschriben statt] gemeint sind hier die Ausführungen in den Zeilen 154-165.

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kait sy, vnd dar zu, wie vil vnd was das vor gott vermüge, hye jn zitt pin vs lieb willigklichen zu lyden. „Solt man“, sprach er, „mit demüttigkait nit kumen mügen da hin, von dannen wir nit mer dann mit ainem gedancken der hoffart vssgestossen sind? Do was, als ich gesait han, nit mer won ain gedanck. Aber hye ist wylligclichen pin, lyden vs demüttigkait vnd lieb. Es ist also gross, das sich ain schlim der erden demüttiget, das es vnvsprechenlichen ist. Nit das der schlim so güt dar zu sy, wan er hat ie vil vrsach, sich zu demüttigen, sunder demüttigkait ist also edell vnd gross ani jr selber, das sy alle, die sich willigclichen jn warhait vmb die er gotts demüttigent, jn ewigkait gross machet, vnd sy ist als ain hocher berg, das wir niemer dar zu kumen mügent. Uns gruwet och vnmassen serr vor ainem demüttigen hertzen, wan da rastet vnd rţwet gott selber jnnen.“ Zu der selben zitt sprach der bichtiger zu den swestern vnd vermanett sy, das sÿ sich flissenklichen zwingen sölten zu besserunng vnd zu demüttigkait. Er besorgett anders, das sy von vnserm heren ani grosse kestigunng vnd straff haben wurden. Do sprach der boss gaist: „Man ist nach nit sicher, das jr von dyssen dingen kestiget vnd geplagett werden. Ist, das jr uch dar nach etwz richten vnd so best jr mugen schicken, so wirt uch nit arges geschechen, sunder uch zu tugenden vnd zu gaistlichem zunemen vnd fürgang diennen. Der herr tütt uch dysse ding vss grosser liebe zu wyssen, dar vmb sind nit klainmüttig nach verzagt, wan die stück_____________ 780 wie...pin] fehlt C

780 vil vnd was] grosz vnde vil W 780 pin] fehlt W 782 da hin] fehlt SG2 B C, da hen W M abweichend SG1 784f. hye...lieb] dis ist vss demütikeit vnd vs liebe, pine liden C 785-787 Es...sunder] fehlt M 785f. das es...ist] fehlt C 786 schlim] slym C 786 so] ze B W 788f. jn...machent] dÿ sollin grosz gemacht werdin in ewiger freide W 789 als] vnsz W 789 hocher] grosz W 791 hertzen] Tintenfleck W 791 rastet vnd] fehlt M 791 gott] Tintenfleck W 793 besserunng vnd zu] fehlt M 794 grosse] fehlt B 796 das...werden] der stroff M 796 nach dingen] nit W 797-800 dar nach...wan] nit pessert so ir pest mügt die pesserung ist nit vnmüglich M 798f. gaistlichem...diennen] vwer besserunge dienen sol C 799 zunemen vnd] fehlt B 799 diennen] fehlt SG2, dinen B W C, abweichend SG1 800f. stücklen oder] fehlt B W C, abweichend SG1 _____________ 782 nit mer dann mit] siehe zur Wortstellung die Sprachbeschreibung zu SG2. 785 schlim] „sündiger Mensch von geringem Ansehen“. Ursprünglich als Adjektiv gebraucht ist das Wort auch substantiviert 789f. das wir...mügent] gemeint ist, dass der Berg belegt (Grimm, DWb, Bd. 15, Sp. 714-720). dann so hoch ist, dass der böse Geist und seine Gesellen ihn nicht mehr erklimmen können. 796 von dyssen dingen] gemeint ist die mangelnde Bereitschaft der Schwestern, hoffertiges Verhalten abzulegen, 798f. sunder...diennen] in diesem Nebenwas kurz zuvor vom Beichtvater indirekt kritisiert wird. satz fehlen Subjekt und Prädikat. Zur Schreibweise des Verbums diennen in SG2 siehe u.a. Z. 438, 571, 878, 1169. _____________ 780f. pin...lyden] vgl. dazu Z. 101-103. 782f. von dannen...sind] siehe dazu den Kommentar (9). 788f. alle die...gross machet] ähnlich Iac 4, 10 und Thomas von Kempen, Imitatione Christi (s. Pohl, Thomas von Kempen, Opera omnia, Bd. 2, S. 260, 31-261, 2).

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len oder püntten sind nit swerr zu halten. Jr ist och nit mer den drü, da es alles vff statt: Das erst, ainfaltigklichen gehorsam zu sine, der ander, aine vnder die andren sich zu demüttigen, der dritt, offenlichen zu bekennen, was wir uch jngeben. Doch stand vil ander gutter tugend vnd vermanunngen da by, aber jn den dryen vorgemelten, als gesaitt ist, wirtt es alles begriffen. Vnd vmb das, das jr kranck vnd gebresthafft sind, so will uch der schöpffer dysse gnad geben vnd tün. Wenn jr uch den entgand oder verschulden jn etlichen gebresten vnd jr üch von hertzen wider keren vnd uch laid ist, das jr gesundet hand, so wyll er uch die sünd vergeben vnd dar zu nüwe gnad tün. Wan alle ewer macht zu gelichen gegen vnser krafft ist vast klainer den ain muggen gegen ainen ochssen. So jr aber ewer getrüwen setzend jn den heren, so kumpt er uch mit siner gnad vnd macht zu hylff vnd da mit vberwinden jr alle vnser krafft.“ Vff ani zitt bekannt ain swester jr kranckait, das sy grosse ynnigkait enpfachen hett oder andacht, da mit sy der böss gaist lang vmbgefürt hatt vnd betrogen, des sy aber den zu mal nit geloben wolt vnd nach nit wol vnderwegen lassen mocht vnd gantz abslagen vnd absagen. Wan sy wz jung, vnge/bt vnd vngestorben vnd sy bedunckt, das jr vnser herr mit sol_____________ 803 bekennen] bekennent SG2 804 tugend vnd] fehlt B W C 807 vnd tün] fehlt C 807 den] 808 oder...üch] fehlt B 808 oder...etlichen] in etczwaz W, oder fehlt B, M C SG1, selbisz W müssegent in C 809 gesundet hand] euch selber entgangen sind B W, missegangen hant C 810 nach tün] dz ir vins wider stan mügent SG1 810 gegen] fehlt W 811 nach krafft] die ist gar cleine ja vil cleiner dan C 811 nach muggen] macht W 811 ainen] ainem SG2 M, einen groszen B W C 812 nach getrüwen] vnd hoffenunge C 812 gnad vnd] fehlt B W M C 814f. das sy...hett] fehlt SG2, das sie ir entpfintlichen jnnigkeit [!] B, das sÿ grosz innekeijt vnde andacht in ir entphangin hette W, das sij nit mocht lassen ir jnnikeit C SG1 (Da in Zeile 819 auf den Begriff der ynnigkait näher 814f. grosse...sy] fehlt M 816f. eingegangen wird, dürfte es sich um einen Augensprung handeln) des... absagen] fehlt C 817 vnd absagen] fehlt B W 818 jung] fehlt C M 818 bedunckt] bedunck SG2 818 herr] heren SG2, herr B W M C, lieber her SG1 818f. mit...sunderlicher] fehlt M _____________ 801 ist...drü] siehe zur Inkongruenz des Numerus Reichmann/Wegera, Frnhdt. Gram., S. 333. 806f. Vnd vmb...tün] die Vermittlung der Textinhalte wird hier indirekt als Gnadengabe Gottes bezeichnet. 807 den] das Wort ist an dieser Stelle überflüssig, es gehört in den zweiten Teil des Satzes. Die Satzstellung müsste lauten: Wenn jr uch entgand oder verschulden jn etlichen gebresten vnd jr üch den von hertzen (...). 807f. entgand] mhdt. engân mit Dativ („entgehen“), siehe Lexer, MhdtHwb, Bd 1, Sp. 553. Hier dürfte eher vergân im übertragenen Sinn mit der Bdtg. von „verirrt“ bzw. „etwas zu Schulden kommen lassen“ gemeint sein (s. Lexer, 808f. wider keren] gemeint ist die Rückwendung zu Gott. 811 vast] hier MhdtHwb, Bd. 3, Sp. 108f). 811 den ain...ochssen] „als eine Mücke im in der Bedeutung von „gar“ (Götze, Frnhdt. Glossar, S. 73). Vergleich zu einem Ochsen“. Gemeint ist, dass ohne die göttliche Gnade die Menschen gegen den bösen Geist nichts ausrichten können. 816f. des sy...absagen] gemeint ist, dass die Schwester nicht glauben wollte, dass ihr Innigkeitsempfinden vom bösen Geist stamme. _____________ 801-804 Jr ist och...jngeben] Kommentar (61). 811 den ain...ochssen] die Gegenüberstellung von Mücke und Ochse als Bild für ein Kräfteungleichgewicht ist häufig belegt (s. dazu Thesaurus Proverbiorum Medii Aevi, hier Bd. 8, S. 251). 818 vngestorben] siehe dazu auch Z. 1027-1029 und den Kommentar (62).

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licher ynnigkait sunderlicher genädiger wer, denn den andern. Do sprach der böss gaist, es wer kain wunder, das sy noch vngern da von schied, wan es wer von siner süssigkait. Er schimpffet och mit jr vnd sprach: „Sond jr nun dye süssen patter noster vnderwegen lassen?“ Do viel die swester vff jre knüw nider vnd widersaitt aller siner süssigkait vnd ratt. Do stellet er sich gar grüllichen, recht als ob sÿ jn serr gepinget hett, das sÿ jm also widersaget vnd sich da mit /bergab jn die hend vnsers lieben heren vnd jres bichtheren. Do sprach er, er hoffte, sy bald zu gewünnen. Do ward er gefraget, wo mit er das getrüwette zu tün. Er antwurt: „Da durch main ich sy zu gewünnen, dann vff jr aygen wyshait vnd güttduncken, vff die sy vast halt vnd hert statt, maint sÿ alle dinge zu vnderschaiden.“ Vff das vermanet der bichtvatter die swestern, das sy alle zitt jrem ratt vnd beschaidnenhait nit geloben solten oder getrüwen, so verr [...] jr obersten von sollichen anders den sy foltten. Sunder das solt all jr beschaidenhait, synn vnd wysshait sin, das sy slecht vnd ainfaltigklichen gehorsam werent vnd sich [...] zwynngen, also zu erfüllen, als jr obersten haissen vnd tätten. Do sprach der böss gaist, das der allergehorsamest were der allerbeschaidnest. Vff ani zitt sprach er aber, als gross gnad vnd güttigkaitt were es, die gott jn den tagen den swestern für hüb, vnd das sy billichen dar nach grÿffen sölten als nach ainem grossen vnd cosperen schatz. Fürbas sprach er zu den swestern: „Dyewyll dysse vorgemelten puntten oder stucklin jn ewerm vnd vil andern menschen hertz erkaltet sind vnd ver_____________ 820f. das...wer] fehlt B W 820 noch vngern] nit gerne C 820f. wan...süssigkait] fehlt M 821 822 Sond jr nun] ob sie nţnt C SG1 822f. nach lassen] vnd nach sprach] ach B M, auch W abslagen B W M 822f. viel...nider] ging diße swester auf die knie siczen B W C 823 siner] 827 er sinen SG2 824 sÿ] isz W 825 hend] gnod M 826 bald] noch pald wider M B das...zu tün] fehlt M C SG1 828 vff] ausz B W 828 güttduncken] fülen B W C, fehlt M 831835 ratt...tätten] aÿgen sÿnnen nit getraüen vnd volgen solltten sünder sy solten schlecht vnd 831 vnd SG2 832 foltten] wolten B C 832-835 Suneinfeltigclich gehorsam sin M 834 erfüllen] wollen der...tätten] fehlt C 833 synn...sin] syn vnd weißheit B W 834 zu SG2 B, fülin W 836 allerbeschaidnest] aller pest M 837-839 Vff ...schatz] fehlt M _____________ 822f. Do...ratt] zu solchen Kasusfehlern und Inkongruenzen im Tempus siehe die Sprachbeschreibung zu SG2. 823 widersaitt] hier mit Dativ in der Bdtg. von „sich lossagen“ (Lexer, MhdtHwb, Bd. 3, Sp. 851). 823 aller] an dieser Stelle adverbial im Sinn von „gänzlich“ (FWB, Bd. 1, Sp. 789). 827 getrüwette] von 836 allerbeschaidnest] zur mhdt. trûwen. 831 beschaidnenhait] hier mit der Bdtg. „Verstand“. Regelmäßigkeit der Nebensilbengraphie im Komparativsuffix bei Synkopierung des Nebensilben838 für hüb] von vokals im Wortstamm siehe Reichmann/Wegera, Frnhdt. Gram., S. 204, § M 53. mhdt. verheben, hier „anbieten“ (Lexer, MhdtHwb, Bd. 3, Sp. 125). _____________ 821 es wer von siner süssigkait] Kommentar (63). 840-842 Dyewyll...vernüwen] siehe zur causa scribendi auch die Zeilen 219-225, 285-287 und 1392f. sowie die Ausführungen im Kapitel VI, Pkt. 5.1. 840f. dysse...stucklin] siehe dafür den Kommentar (61).

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gangen, dar vmb tütt sy uch der schöpffer jn dysse wyss vernüwen. Vnd die jnnen dyse vermanunng vnnütz machent, dye sollent so opfenbar geschentt werden, das alle die, die jn ewerm schin sind, dar by sollent gelertt vnd gewytziget werden. Aber wollent jr der ding acht haben vnd tün, das an uch ist, so will uch der herr helffen, vnd man mag kain gelichnusß hye by geben, wye vast vnd vil beraitter er ist, uch zu helffen vnd gnad zu geben, denn jr beraitt sind, jr zu begeren vnd zu enpfachen, wan er büttet sin gnad denen, die sy nit en suchen. Solt er sy den nit geben dennen, die sy mit allen jrem hertzen begerent, das were wider sin nattur vnd guttigkait. Aber ains saitt der böss gaist: „Ich vnd myn gesellen habent vns gew pfnott wider üch, vmb das wir uch dysse ding vss ewerm hertzen kratzetten vnd benemen mügent. Vnd dysß wirt also geschechen, das wir uch jngeben werden, das uch dysse puntten vnmüglichen werden tuncken zu tün, vnd das jr nit geloben sollent, das dysse vermanunng von gott kumen sy, dye uch der tüffel gesaitt hatt. Jn dysser wyss werden wir uch zu dem volbringen der vorgemelten puntten klainmuttig vnd verzagt machen. Aber ich sagen üch, das es nit myn lerr ist, vnd ich verlognen jr, sunder es sind dye wortt gotts, dye er durch den gaist vnd durch den mund vnd geschrifft siner vsserwelten fründ selber gesprochen hat. Vnd die vorgeschriben drü puntten oder stücklin gehört ainem ieglichen menschen zu halten vnd zu tün, ÿeglich nach sinem stand vnd gepürlichkait, wan sy sind gantz cristenliche warhait.“ Do bekanntt ani swester jr kranckait, das [...] sy sich schampte, jr sund zu bichten. Vnd der böss gaist antwurt jr, ob sy nit wyste, das die scham ain grosß tail were der penetentz vnd genüg t(ns für die sünd, vnd wye gevellig es dem heren were, jn gemain vor den swestern die gebres_____________ 842 sy uch] sich C 842f. wyss...dyse] fehlt B 845 vnd gewytziget] fehlt C 845f. vnd (2)...ist] 846 der herr] fehlt C 847 wye...ist] wie willig der herr berait ist M 848 jr (2)] die B fehlt C 848 begeren...enpfachen] helffen M 851 vnd guttigkait] das die gotheit sit C W, fehlt C 855f. tuncken] tunckent SG2 857 dye] die weil B, dÿ wil se W C 858 dem… machen] vall pringen vnd werden euch die vorgemelten püncktten vnmüglich machen M 858 verzagt] trost859 ist] sind B C 862 oder stücklin] fehlt B W 862 mütig trostlosz B, missetröstig C menschen] cristen menschen B W M C, abweichend SG1 863f. ÿeglich ...warhait] fehlt C 864 865 das SG2 Doppelschreibung 867 penetentz] püsß M nach cristenliche] vnde dÿ W _____________ 842 tütt] die einfache finite Verbform erscheint hier durch die Umschreibung mit tuon (dazu. Reichmann/Wegera, Frnhdt. Gram., S. 395f. § S 175). 852f. gew pfnott] von mhdt. gewâfen („mit Waffen versehen“). 867 penetentz] „Bußübung“ (Götze, Frnhdt. Glossar, S. 26). 867 genüg t(ns] „bezahlen“ (Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 864). _____________ 852-854 Ich...mügent] vgl. dazu Z. 333-335. 859-864 nit myn...warhait] vgl. dazu die Zeilen 195f., 861f. die vorgeschriben...stücklin] siehe dafür Z. 802-804. 221f. u. 455f.

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ten zu offenbaren, vssgenumen haimliche vnküschait vnd alles, dar zu gehortt oder diennet. Er sprach och: „Die jungen sollent nit sin, da die ältosten jr gebresten sagent. Dye alten söllen sich och mit vilß hütten, das kaine jr aigen kranckhait offenbare vor den jungen, da sy icht dar jnnen möcht geergret werden.“ Fürbas sait er: „Ist, das jr dysse iij puntten tünd nach ewerm vermügen, das ist, das jr ainfaltigclichen gehorsam sind vnd jr uch ye aine vnder die andern [...] demüttiget vnd dz jr klarlichen opfenbaren, wz wir uch arges jngeben, so wirt uch nütz /bels bekumen, den dz uch zu lieb vnd zu friden diennen sol, vnd der herr wirt uch ain gott nach üwerm willen. Jr mügent och da mit zu ainem gaistlichen volkumenen leben kummen. Vnd der allerangenemest dienst, den jr gott mugen tün, ist, das jr ainfaltiglichen tünd, das man uch tün haisset. Wan jn dem weg gotz müß man aigne wysshait vndertrucken. We, we uch, flissent jr uch, dyser iij puntten nit zu tün! Wer nit gehorsam ist vnd nit sin wyll, das kumpt vss ainem hoffertigen hertzen. Were ainfaltiglich gehorsam ist, der ist och demüttig. Aber der ist anfaltigklichen gehorsam, der kain ding vnderschaidett oder anis für das ander vserkiesset, sunder gelich jn allen dingen, dye nit böss vnd sund sind, vs grund sines hertzen sinen obern globig vnd gevölgig ist.“ Furbas sprach er: „Wenn jr by ain andern gesaimlet sind, etwz guttz jn frid vnd jn lieb zu hören oder zu reden von der hailligen geschrifft, von tugend vnd gutten sitten, so werden jr dar nach fürig, uwer tagzitt zu les_____________ 869f. vnküschait...diennet] geprechen als vnküschheit vnd was solcher grosser tot sünd sind M 871 vilß] fleisz B W M, abweichend SG1 872 icht] anders B W 873 geergret] geergertt B W 878 friden] M 877 /bels] fehlt B, anders W 877 bekumen] zu kumen B W, widervaren M 878-880 vnd (2)...kummen] fehlt M 880 mugen tün] dun konnit addir ebiger[!] selikeit W 884 nach Were] nit M 884 nach och] nit M mogit W 882 iij] fehlt W 883 tün] tünd SG2 886 vserkiesset] vserkiess SG2 889 sind] geweszen sind B 891 fürig] feüriger B, furiger vnde jnniger W _____________ 871 vilß] diese Schreibweise des Wortes auch in Z. 939 und 1350; siehe dafür die Sprachbeschreibung zu SG2. 872 sy] gemeint ist eine von den alten Schwestern. 872 icht] hier mit der Bdtg. „vielleicht“. Zum 873 geergret] frnhdt. ärgern breiten Bedeutungsspektrum des Wortes siehe FWB, Bd. 8, Sp. 2-12. bedeutet „Veranlassung zur Sünde geben“ beziehungsweise „in Sünden verfallen“ (FWB, Bd. 2, Sp. 75). Zur korrekten Schreibweise des Partizips siehe Z. 538, zu Metathesen die Sprachbeschreibung zu SG2. 882 flissent] zu mhdt. flîzen mit Genitiv siehe Lexer, MhdtHwb, Bd. 3, Sp. 408. 891 gutten sitten] allgem. „Anstand“ (Lexer, MhdtHwb, Bd. 2, Sp. 941f). Bei Grimm, DWb, Bd. 16, Sp. 1243, wird der Begriff wie folgt definiert: „das nach allgemeinem urtheil in bezug auf anstand und moral erforderliche“. _____________ 874-877 Ist...jngeben] siehe zu diesen drei Punkten den Kommentar (61) zur ŷtria substantialia‘ des 881f. Wan...vndertrucken] siehe dafür die Kommentare (30) und (52) zur Aufgabe des Textes. 885-888 Aber...gevölgig ist] ähnlich bei Brinckerinck (siehe Moll, Acht collatiën eigenen Willens. van Johannes Brinckerinck, S. 128).

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sen, vnd bas zu friden jn uwern gewüssnen oder concientz vnd geschickter zu allen gutten dingen, den jr vor werent, vnd jr mügent da vff ain zitt hören, das uch ewer lebtag hylfft oder ain uwerm end nütz sin wirt.“ Aber sprach er: „Ain demüttigs /bergeben jn die hend gottes vnd ewer obersten ist uns ani vnvssprechenlicher schad vnd uch ani onmässiger nutz. Vnd ani ietlich fliss sich selber, zu schicken zu gott vnd zu den tugenden nach mass der gnaden, die jr geben ist, vnd sy da mit zu friden. Won wer, das sich ewer etliche /bten, das sy da von zerbrechen oder zerryssen möchten, sy kundent dennocht da hini nit gelangen, da hin ain andere von gnaden kumpt.“ Och rett er: „Wie klain ain ding von vssen schinet, das jr vs liebe vnd gehorsame tünd vnd der nattur wider ist, da von werden jr vnbegryffenliche glory vnd frod enpfachen, vmb das jr üch selber gewalt vnd wee tund. Do sprach ain swester, das sÿ vngern vsswendige werck vnd /bung tätt. Vnd er saitt jr, das sy sich dennocht zwingen solt, sollich werck zu tün, so lang bys sy sy gern tätt, won da von wurd sy grossen lon haben, ob och die nattur da wider were vnd aber doch der wyll gutt were. Vnd ain andere vntter den swestern bedunckte, das jr von der vsswendigen bekumernusß, vnledigkait, arbait vnd müe vil vrsach der gebresten bekume. Er antwurtt, das es nit jn den vsswendigen dingen were, won sy hett die gebresten jn jr selber. Sy wurd och die gebresten alle jn jr haben, sess sy och gantz ledig. Dar vmb solt sy sich zwingen, fridlich zu sin jn dem, das man sy tün haist, sy wurd och nit ee zu friden kumen. Do beklagt sich aine, das die gemain spies jr nit wol bekäme. Er antwurt, sy wurd nit me dar von siech [...] werden, denn von andern, och allerbesten spis, vnd dyss beklagen vnd duncken wer nun jr leckerhait. _____________ 892f. vnd (1)...werent vnd] fehlt M 892 gewüssnen oder] fehlt B W 893 dingen] fehlt B 894 uch] alle W 894 hylfft] fehlt W 894 oder] vnde W 894 oder...wirt] fehlt M 895 die hend] den willen M 896 ani...schad] eÿn grosze vnsprechen schande vnde schade W 899 nach /bten] vnde erbeite W 899f. zerbrechen oder] fehlt W M 902 schinet] schimet SG2 903 vnbegryffenliche] grossen M 905 vngern] nöt het auf B, node W 906 tätt] fehlt B 906 Vnd] vnd aber SG2, vnd B W SG1, fehlt M 909f. bedunckte...bekume] beclaget sich das ir die ausßwendig arbait gar swere wer M 909 nach vsswendigen] erbeit vnde W 910 vnd müe] fehlt B 912 selber...haben] fehlt B W 913 fridlich] ze friden B 916 sy...werden] sÿ en solde sich von solichir spisze nicht me wendin W 916 da von SG2 917 nun jr] nit me dan

eyn W, nüchcz anders dan M _____________ 917 nun] hier adverbial mit der Bdtg. „nur“ (Götze, Frnhdt. Glossar, S. 169), ebenso in Z. 988. 917 leckerhait] mhdt. lëckerheit bedeutet „Lüsternheit“ (Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 1851); das Wort wird hier aber im Sinne von „Verwöhntheit des Gaumens“ verwendet; siehe zu diesem Bedeutungsfeld lëcker und lëckerbiz (ebd.). _____________ 899-901 Won wer...kumpt] Kommentar (16) zur göttlichen Gnade. 903f. vmb...tund] siehe zum 905f. Do sprach…/bung tätt] Kommentar (65). 908-910 Selbstzwang den Kommentar (64). Vnd...bekume] dazu den Kommentar (55) zur Arbeit im Konvent.

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Aber wolt sy zu warem friden kumen, so solt sy sich selber dar jnnen flissen zu veberwinden, als die andern tün müssten, die och der dingen, die man jnnen fürsätzt, vntter zitten nit wol mochten. Aber sy tätten jnnen selber etwz gewaltz ain vnd wurden dennocht nit kranck. „Jr solten,“ sprach er, „also ainfaltigklich vnd schlechtiglichen jn den vnd andern dingen wandlen. Vnd wer, das man uch stani fürsatzte, jr solten uch vben vnd vberwinden vnd versuchen, etwas da von zu essen; sunder lassen die da für sorgen, dennen es bevolchen ist.“ Furbas sprach er: „Wenn man uch ewer gebresten fürhelt vnd vnder ogen ferwysset oder vffhebt, so sollent jr gedencken, das es uch ain genädig vegfür sy für all üwer sünd, vnd jr söllent uch selber jn dem grund demütigen, ewer hertzen jn allen gebresten, dar jnnen jr vermanet werden, nit entschuldigen oder beklagen vnd uch flissen, uch selber da mit zu scholten vnd zu straffen. Och wenn jr den andern jr gebresten sagent, das sollent jr von liebe tün. So mügent sÿ das nit jn vbel von uch vffnemen. Aber die es anders den vs liebe sagen, denen wer besser, das sÿ diewyll stumen werent. Doch in kainerlay wyss sol man die onlydsamen vnd krancken jn jren gebresten vnvermanet lassen, sunder vss liebe offt jnnen jr gebresten sagen. Ob sy den hinweg loffen, so lond sy loffen. Jr sollent ewer hertz vnd wyllen alle zitt schicken vnd zurichten, den willen gotts zu volbringen vnd also wellen, als uch uwer obersten haissent tün vnd von uch begeren, vnd uch schicken, mit vilß dar nach zu tün. Die das tünd, die nement der gracias gotts vnd gnaden jn jnnen selbs war. Ich müs uch nun sagen, wenn uch gott inspricht vnd uch jnkumpt, das jr üch vben sollent zu den demüttigen wercken vnd die nideresten zu sin _____________ 918 flissen] vilß SG2, fleiszen B M, flisszin sich W 922 vnd schlechtiglichen] fehlt M 923 923f. vben...vberwinden] vben B W, fehlt M 926f. vnd…ferwysfürsatzte] fürsatze SG2 927 oder vffhebt] fehlt B W 928-931 vnd...straffen] fehlt M 929 demütigen] set] fehlt M 930 nit entschuldigen] mit beschuldigen B W 930 oder beklagen] fehlt B W fehlt B W 930 uch] fehlt B W 931 vnd zu straffen] vnd hie mit denen helfen die euch beschuldigent vnd 931 gebresten sagent] Tintenfleck W 936 hinweg] von uch B 936straffent B W 937 schicken vnd] fehlt M 939f. vnd (2)...tün] fehlt M 940 939 so...tün] Tintenfleck W 942 vnd] wenn B, daz ist wan W 943 den...wercken] gracias...gnaden] gnod gots M otmudigen addir czu demudigen W _____________ 918 flissen] an dieser Stelle wurde wegen des Fehlers in der grammatischen Form gebessert, nicht wegen der Metathese. Das Verbum flissen erscheint im Text des Öfteren (z. B. Z. 882, 930, 1009, 1168 und. 1170). 923 stani] „Steine“. 924 sunder] hier als Konjunktion „indessen“ (Lexer, MhdtHwb, Bd. 2, Sp. 1305). 927 vffhebt] hier mit der Bdtg. „vorhält“. 930 da mit] gemeint sind die eigenen Verfehlungen. _____________ 920f. Aber...gewaltz ain] Kommentar (64). 931f. Och...tün] ähnlich bei Brinckerinck (s. Moll, Acht col940 gracias…vnd gnaden] dazu Kommentar (16) über Gnade. latiën van Johannes Brinckerinck, S. 125).

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vnder allen vnd das jr sollent gedultig sin vnd güttlichen vertragen der andern aller kranckait vnd gebresten, och, das jr sollent gehorsam vnd gelassen sin, wenn dÿss oder des gelichen jn uch kumpt, so spricht got jn ewer hertzen. Vnd wer sin kranckait vnd gebresten nit offenbaren vnd vssprechen wyll, dem wirt von dyssen vier ding ye ains geschechen. Er wirtt wider zu der welt gan oder er wirt thol oder tob jn dem höbt vnd torecht vnd vnsynnig werden oder mit dem tüffel jn dem flaisch besessen oder hye nach ewigklichen verdampnott werden, ist, das jr dar jn verhertten oder belibent bys ain das end. So aber der mensch sich bessern wyll, so ist jm die gnad gotts alle zitt beraitt. Saitt er aber die gebresten vnd sünd nit gantz vss, so belibt er gantz jn sinen pasion vnd wirt jn warhait besessen jn der sel. Vnd es wer vnmüglichen, das jr alle vnser jngeben offenbaren, won wir sind niemer ledig, uch böss jnzugeben, vnd jr sind niemer vn gedanck. Aber alles, das uch üwer redlichait vnd conciema zaigt vnd gewüssne sagt, das sollent jr offenbaren, jr mochten och bede, gutz vnd böss, sagen. Wan wenn wir üch mit dem bossen nit mügent vberwinden, so tün wir es jn ainem schinn des gütten, aber es hat ain boss end. Vnd alle, die sich schicken vnd geben, zu halten dye drÿ vorgemelten puntten, die sollent niemer von got geschaiden werden vnd ewigs leben sicher sin.“ _____________ 944 nach gedultig sin] vnd den swestern lieplich entgegen gin B, vnde den swestern frontlichin 944 vertragen] vbertragen SG2, vertragen B W M 944f. der...aller] allir entgegen gene W 950 oder tob] fehlt B 950f. vnd torecht...werden] fehlt M ir W 949 dem ...Er] der W 950f. vnd vnsynnig] von synnen B 952 jr] er B W M 952f. verhertten...belibent] volhart 955 nach sinen] alten B W 955 pasion] prechen M 956 nach jngeben] B, behartit W 957 offenbaren] vnde vsz gesagin B 957 nach sind (2)] auch konnit addir mogit gancz W 958 redlichait...zaigt] vernünfft vnd gewissen sagt M 958 zaigt] rorit vnde straffit W M 959 vnd...sagt] fehlt B W M 959 nach offenbaren] eurem peichtvatter M 960 mügent] 961 schinn] schnn SG2, schein B W M Tintenfleck W _____________ 952 jr] siehe zur Inkongruenz des Genus die Sprachbeschreibung zu SG2. 952 verhertten] von 955 jn sinen pasion] diese Pluralform mhdt. verharten (Lexer, MhdtHwb, Bd. 3, Sp. 125). erscheint auch in Z. 1339. Zum ø-Flexiv beim Substantiv siehe die Sprachbeschreibung zu SG2; vgl. 957f. jr sind...gedanck] gemeint ist, dass die dagegen passÿen (Z. 472), passionen (Z. 1275). 958 conciema] von lat. conscientia, Schwestern niemals ganz frei sind von sündhaften Gedanken. mhdt. conscienzje; zur Entwicklung des Wortes und seiner Bedeutungsvielfalt siehe Grimm, DWb, 958 zaigt] hier in der Bedeutung von „weisen“ (siehe dazu Lexer, MhdtHwb, Bd. 6, Sp. 6219-6287. Bd. 3, Sp. 1049). _____________ 949f. Er...gan] die Rückkehr in die Welt wird schon im Väterbuch mit Teufelsverfallenheit gleichgesetzt 949-951 Er...vnsynnig werden] vgl. dazu (Reissenberger, Das Väterbuch, S. 70 und S. 239). 951 mit dem...besessen] siehe dafür den Kommentar (34) zur dämonischen Besessenheit. Z. 645f. 962f. dye drÿ vorgemelten puntten] dazu auch den Kommentar (61) zur ŷtria substantialia‘ des Textes.

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Er sprach mer: „Ee das gott verhengte, das die, dye jn der liebe gesammlett sind, mangeln solten, ain notturfft lyden, er wurd ee vns, die ewer widersacher sind, dar zu zwingen, das wir jnnen müsten bringen alles, das jnnen nott were. Vnd so ewer aine die andern vermanet, so söllent jr ewere wort lieplichen setzen vnd fruntlichen formieren, als jr jn gelichen uch begeren zu geschechen. Wer es och nit vss liebe tütt, dem wer besser, das er sinen mund zu hielt. Vnd wenn jr gesammlett sind, üwer gebresten zu sagen, so solten jr vs liebe vermanen alle, die jr schuldig wyssen, vnd das durch niemans willen lassen. Wer sich den von uwer vermanunng bessert, des gutten werck vnd besserunng werden jr tailhafftig. Der aber nit vermanet sinen nächsten, dye frucht, die da von kummen sölt, wyl gott von sinen henden heischen ain sinem letzten end. Er wirt och müssen die selben pin lyden, dye dem gebürtt oder zugehörtt, des gebresten er verswigett. So ain mensch ie demüttiger vnd füriger ist, so mer diensts er hatt von den gütten engeln vnd och von dem schöpffer der engel. Vnd von dem mynsten dienst, den uwer aine der andern tütt, werden jr besunder grossen lon von haben. Och so ieman vnder uch getruckt oder betrüpt ist vnd sich des vor uch beklagt, der sond jr die gnad, die jr habend, mittaillen vnd sy güttlichen trosten vnd leren. Dye aber sollich vngetröst abwÿssen vnd von jnnen lassent gan jn betrüpt, dennen sol jr gnad genummen vnd ainem andern geben werden.“ Aber sprach der böss gaist, „es ist viel bosser ain klaines werck vss gehorsame getün, dann ob der mensch zechen mal grosser ding tätt on siner obern wyssen. Dar vmb sond jr all /bung, vnd wer es nun ains _____________ 965 nach die] mentschin W 966 mangeln...lyden] lisse noit addir mangil liden W, an nottürfft 969 formieren] formen B, vndirwisen W 969f. jn...geschechen] solten mangell lÿden M 971 sinen...hielt] still swig B W euch jn sölchem begerten zu tun B, wolt dz man euch tet M 975 kummen] kumnen SG2 976 sinen henden] seiner sell M 977 oder zugehörtt] fehlt B W 978 ist] fehlt SG2, ist B W M 981 getruckt oder] fehlt M 982 der] dem M 984 M 984 nach vnd] ÿren nechsten M 985 vnd ...geben] fehlt vngetröst] bedrubeten mentschin W W 986 ain] aim SG2 988 nun] nit den B, nit mer dan M _____________ 966 mangeln...lyden] entbehren müssen, nicht das Notwendigste haben. 969f. als jr...geschechen] 974-976 Der...end] gemeint ist, dass gemeint ist: als jr begeren, jn gelichen uch zu geschechen. Gott demjenigen, der Ermahnungen nicht annehmen will, die „Frucht“ der Belohnung am jüngsten Tag nicht 976f. Er wirt...lyden] siehe zur Wortstellung bei der Verbindung eines finiten Verbs mit gewähren wird. 982 einer infiniten Verbform Reichmann/Wegera, Frnhdt. Gram., S. 438, § S 252 u. S. 440, § S 255. 983 nach sollich] das Wort swestern ist erspart. 988 nun] der] gemeint ist: „derjenigen Schwester“. hier in der Bdtg. von „nur“; vgl. dazu Z. 917. _____________ 968 Vnd...vermanet] Kommentar (66). 968-970 Vnd...geschechen] diese als ŷGoldene Regel‘ bezeichnete Verhaltensempfehlung findet man in mittelalterlichen Texten häufig. Sie geht zurück auf Mt 7, 12. – Vgl. 971f. zum Inhalt dieser Stelle van Elsen/Hoevenaars, Analecta Gysberti Coeverincx, Bd. 2, S. 181. 974-976 Der...end] vgl. Mt. 7, 16. Vnd...sagen] siehe dafür die Kommentare (10) und (35).

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aue maria lang, ewern obern sagen vnd alle ding vss jrem ratt tün vnd haissen tün. Jr sollent och allain dem schöpffer begeren zu gevallen vnd nit den lütten. Do beklagt sich ain swester, das sy nichtz guttes jn jr hett vnd sy müst es alles vss den büchern züchen. Er antwurt jr: „Ettwz ist besser den gar nicht.“ Sy klagt fürbas, das sy nit künd by gütten gedencken beliben. Er sprach: „Das ist dar vmb, das jr genaigt sind zu vsswendigen dingen. Jr haben so vil vnmüsß vnd vnrüw mit uwer klutterÿ, das sin zu vil ist. Vnder der mess sollent jr uch geben zu gutten gedancken, zu gütten begerunngen vnd zu gebett, wan jr kunnent nüntz begeren, jr müssent ee gedencken, was jr begeren sollen. Och mügen jr nit gebitten, jr müssen vor begeren. Zum ersten sollent jr üwer gedencken vnder der mess schicken, zu betrachten die demüttigkait vwers schöpffers, sin gelassenhaitt, gedultigkait vnd ander der gelichen puntten, dye zu uwer erlössunng gehörent. Zu dem andern sollent jr vs allen uwerm hertzen begeren, jm jn den gemelten puntten nach zu volgen. Zu dem dritten hylff vmb jn bitten, vmb volbringunng mit den wercken, das jr gedacht haben vnd begertt. Vnd wenn jr vss der kirchen kument, so sollent jr dyse ding nit lassen anistan, als ob es da mit genüg sy, das jr sollich gedacht, begertt vnd gebetten haben. Jr müssen das vierd och dar zu tün, das ist, das jr uch selbs _____________ 989 tün] fehlt B W 990 begeren zu] fehlt B 990 nach gevallen] vnde beheglich czu sin W 995 nach jr] ze ser B M 995f. Jr...ist] fehlt M 996 vnmüsß vnd vnrüw] vnledigkeit B W, 996 klutterÿ] lutterÿ SG2, klutereÿ B, kluterie W, clötterije C 999 nach würckunge C 1001 betrachten] betrachtunng SG2, betrachten B W M begeren] waz ir bidden wollit W 1001 nach gelassenhaitt] vnde sin grosszin W 1001f. gedultigkait] sijn lydsamheit Bln 1002 gehörent] gehört SG2 1003f. jn...puntten] fehlt Bln 1004 hylff...bitten] sult ir 1004 vmb] von B W 1007f. gebetten] gehebt SG2, gepeten B M (Es pitten vmb hilff M 1008f. Jr ...sollich] wurde gebessert, weil in den Zeilen 1011f. diese Aufzählung aufgegriffen wird)

mer iu pijnen Bln _____________ 993 züchen] von mhdt. ziehen; in der selben Schreibweise auch in den Zeilen 1158 und 1442. 993f. Ettwz...nicht] „Etwas ist besser als nichts.“ 996 vnmüsß] von mhdt. unmuoze, hier mit der Bdtg. 996 klutterÿ] mhdt. „Beschäftigung“ bzw. „Ablenkung“ (Lexer, MhdtHwb, Bd. 2, Sp. 1919). „Täuschung“; bei Luther ist klittern, klütern u. a. belegt mit der Bdtg. „die worte kläppernd herumwerfen“, mit dem Nebensinn des Pfuschens im Reden, was an dieser Stelle gemeint sein dürfte (dazu Grimm, 1004 vmb] hier „von“ (dazu Lexer, MhdtHwb, Bd. 2, Sp. 1722). DWb, Bd. 11, Sp. 1213f.). 1006f. so sollent...anistan] „so sollt ihr es nicht dabei bewenden lassen“. _____________ 990f. Jr sollent...lütten] bei Johannes Brinckerinck heißt es zu diesem Gedanken ganz ähnlich: „Een mensche, die allen begheert gode te behagen, die en acht niet veel wat die menschen van hem seggen ofte voelen“ (s. Moll, Acht collatiën, S. 143). 992f. sy müst...züchen] da an dieser Stelle die eigene aktive Aufnahme geistlicher Inhalte aus Büchern gemeint ist, geht es um die Rezeptionsweise der Privatlesung; siehe dazu auch die Ausführungen im Kapitel VI, unter Pkt. 6. 1000-1005 Zum ersten...begertt] siehe zu dieser dreiteiligen Zusammenfassung des Textes die Erläuterungen im Kapitel VI, Pkt. 3.3.

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flissen vnd stellent, sollich zu wercken zu pringen. Vnd besunder, so uch etwz zukumpt, das uwer nattur wider ist, denn solten jr uwer zuflucht haben vnd keren zu dem, das jr in der kirchen gedacht, begertt vnd gebettet haben. Ist, das jr also tünd, so bedurffent jr kain ander gebett vntter der mess lessen, wan jr werden genüg daran haben zu t(n. Wer och, das jr uch dar zu geben vnd schickent, so wurden jr üwer ogen nit so bosslichen vnd vbel bewaren, als jr süst gewonlichen t(n. Jr wurden och nit so vil fanttasÿe vnd vnnütz gedancken haben, dar zu nit als vil vnd serr jn der kirchen schlaffen vnd verdorssen sin als nun.“ Furbas sprach der boss gaist: „Herttigkait des hertzen ist zwaÿerlaÿ. Aine ist türhait von hertzen, dye mit besunder andacht oder enpfinttliche süssigkait jn der nattur oder jn dem gaist enpfinden, vnd ist offt verdienlichen. Wan wye wol solliche menschen sich swärlichen jnwendig enpfinden, so wollent sy sich dennocht gern demüttigen. Aber die ander herttigkait ist, wenn jr also verkertt vnd entsetzt sind von hertzen, kumpt uch wol jn, das jr uch sond demüttigen, jr wollen es och dan nit tün vnd da mit werden jr vns gelich. Vnd so jr ie mer vnd bas dar by beliben, so jr vns gelicher werden, wan wir wollent vns nit biegen. Nieman ist och also verhertten jm kume dennocht zu zitten jn, das er sich sol biegen. Wer sine gebresten vngern hörtt sagen oder selber nit offenbarett, das kumpt vss hoffartt vnd vngestorbenhait des hertzen. _____________ 1011 vnd keren] fehlt M 1012 bedurffent] entörfent B 1015 süst gewonlichen] swestern usz 1016 fanttasÿe vnd] fehlt M 1016 haben] fehlt B, in boszir gewanheit W, gemainlich M 1019 von] des B W 1019 mit] nit B W kregen W 1017 verdorssen] verdroszen B W M 1019f. oder...gaist] fehlt M 1020 enpfinden] wolet B, besebin addir fülin W 1022 enpfinden] pÿnigin W 1023 nach herttigkait] des herczen W 1023 vnd entsetzt] fehlt M 1023f. kumpt uch wol] vnd kom euch dennoch M 1023f. kumpt...jr wollen] geyn uch selbisz wÿ wol daz ir uch sollit demuidigin vnde W 1027 er] fehlt B 1027 nach biegen] vnd diemütigen M 1028 vngern] genöt B, nöde W 1028 nit] fehlt B _____________ 1015 süst] von mhdt. sus, sust, hier elliptisch nach einer Negation mit der Bdtg. „sonst“ (Lexer, MhdtHwb, 1019 türhait] Bd. 2, Sp. 1327); ebenso gebraucht Z 1203. 1017 verdorssen] gemeint ist verdrossen von mhdt. dürrecheit, nhdt. „Trockenheit“ (Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 497). Das Wort ist an dieser Stelle 1019 dye] elliptische Konstruktion für „bei denen, die“. 1019 bildlich gemeint im Sinne von „Kargheit“. enpfinttliche] von mhdt. enphindec (Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 564). 1021 swärlichen] hier mit der Bdtg. von „so sehr“. 1023 verkert vnd entsetzt sind] „vom rechten Weg abgebracht und außer euch seid“. 1026f. Nieman...biegen] zur Wortstellung siehe Reichmann/Wegera, Frnhdt. Gram., S. 443, § S 258. _____________ 1009 sollich...pringen] dass alles, was gedacht, gelernt oder erbeten wurde, durch Taten zu erfüllen sei, war ein wesentlicher Teil des Erziehungsprogramms der modernen Devoten, das u.a. Florens Radewijns beschrieben hat (ders., Tractatulus devotus, in: Leonardus A.M. Goossens, De meditatie in de eerste tijd van de Moderne Devotie, 1014f. ogen...bewaren] vgl. zum Inhalt Z. 1355, Haarlem/Antwerpen 1952, S. 211-254, hier S. 219). 1018-1025 Herttigkait...gelich] siehe zur Hartherzigkeit 1379 und 1524f. und siehe den Kommentar (67). 1020 süssigkait] zur Bedeutungsvielfalt des Wortes süssigkait siehe die Kommentare den Kommentar (22). (54) und (63). 1027-1029 Wer...hertzen] dazu die Kommentare (39) und (62).

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Wer wider sinen obersten murmlett, der murmlet wider gott. Vnd wenn jr uwern obern vnwirdigkait bewissent, so tünd jr es gott selber, won wy jr uwern obern heren tünd, es sy gutt oder böss, des nempt sich gott ani, recht als ob jr es jm selber tätten. Jr sollent pillichen nit ain ore oder ainen ogenplickt jn herttigkait beliben. Nach der hoffartt vnd nach herttigkait pfligt zu volgen mysstrost vnd klainmüttigkait. Aber der demüttig mensch ist allwegen grossmüttig zu gott vnd verwegen jn güttem. Hyr by mugen jr mercken, ob jr uch warlich gedemütiget haben, ist, das jr alle zitt ain gütt getrüwen zu gott jn uch vinden. Sind jr aber klainmüttig vnd verslagen, so wÿssent fürwar, das jr uch nit recht gedemüttiget hand.“ Vnttër dyssen dingen sait der böss gaist ainer swester, das sÿ die andern nit vermanen solt, won sÿ hab doch nit so vil liebe, das sy es vss liebe tün möchte oder gesagen künde. Aber sprach er: „Vermanunng ist ain salben der wunden jn der sele vnd wer uch vermanett, der güsst üch ärtzenÿ jn die wunden. Wenn jr aber die jn vbel enpfachen, so giessen jr die ärtzenÿ vs vnd machent sy uch vnnütz.“ Er sprach mer: „Wer den schöpffer aller creaturen warlichen jn sin hertz will enpfachen, der schick sich dar zu, das er diemüttigklichen vnd lieplich alle vermanunng vnd straff enpfach, wan da mit werdent jr jm allergenämest vnd enpfenglichen. Vnd ist, das jr vngern vermanet werden vnd mit verdrossenhait die vermanunng enpfachen, da by sond jr mercken, das jr nach ittel vnd lerr sind der gnaden gotts. Dye allerbest ärtzeny wider all vnser böss jngebunng ist, das jr offenlichen bekennent vnd sagent vnser jngeben. Vnd die maist hinndernusß uwers _____________ 1032 heren] fehlt B 1033 nach nit] gedorrin W, düren M 1033 ain ore] ör B, vwir W 1034 nach herttigkait] gegen eüern obern B W M 1035f. vnd (1)...klainmüttigkait] kümen all sünd M 1036f. grossmüttig...vnd] fehlt B 1037 verwegen jn güttem] verwegen czu gudin doginden W, bereitt zţ allem gütten M 1040 recht] ze recht B W 1042 nach solt] vme ir gebrechin W 1043 nach oder] gutlichin W 1043 nach er] gutliche W 1047 aller...hertz] in sijner herberghe Bln 1047 nach warlichen] vnde gancz W 1049 allergenämest] angeneme W 1049 vnd enpfenglichen] fehlt Bln 1050 Vnd...jr] vnde daz ir nit W 1050 vngern] genot B W _____________ 1030 murmlett] hier „murrt“. 1033 ain ore] „eine Stunde lang“. 1037 verwegen] hier mit der Bdtg. „entschlossen“ (Lexer, MhdtHwb, Bd. 3, Sp. 297). 1046-1049 Wer den...enpfenglichen] die Inkongruenzen im Numerus und Genus in diesem Satz sind mit der spezifischen Dialogstruktur des Textes zu erklären (siehe dafür die Sprachbeschreibung zu SG2). 1051f. das jr...gotts] „das ihr die göttliche Gnade noch nicht empfangen habt“. _____________ 1030 Wer...gott] vgl. Verschueren, Hendrik Herp O.F.M., Spieghel der volcomenheit, Bd. 2, S. 55 u. 57. – Diese Auffassung geht zurück auf Ex 16, 8; vgl. auch Rm 13, 2. 1043f. Vermanunng...sele] Kommentar (68). 1048f. diemüttigklichen...enpfach] ähnlich Augustinus (Migne PL 33, Sp. 286). 10541056 Vnd die...haben] sehr ähnlich in den Zeilen 241-244.

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fürgangs oder zunemens jn gaistlichem leben ist, [...] das jr uch zu lieb haben. Jr solten och aller eren wylligklichen vnd gern geratten vmb die er gotts, der allain aller eren wertt ist. Jr mochten uch also demüttiglichen vs ainem gantzen grund ewers hertzen zu zitten /bergeben zu ainfaltiger gehorsamekait zu den dingen, dye den nach klain ani jnnen selber sind oder weren, jr wurden da mit wol hundert jar fegfürs ablegen. Aber [...] verwundert uch nit da von, won demüttige gehorsamkait lait nit allain das fegfür ab, sunder sy verdiennet och das ewig leben. Vnd ob allen andern tugenden glentzt vnd schinnet demüttige gehorsamkait allerschonest jn dem ewigen leben. Vnd die allergehorsamesten sind da die allerklaresten vnd besten. Gehorsamekait ist uch verdiennlichen och jn den dingen, dye der nattur animüttig vnd aingenäm sind vnd begirlich als essen, trincken, schlaffen, wenn jr die tünd jn ordenlicher wÿs der gehorsamkait.“ Er sprach fürbas: „Als dick jr vermanet oder geschultten werden vnd jr das lieplich enpfachen, so dick machent jr uch ainen kostlichen, edeln gestain zu ainer zierunng üwer kron jn dem ewigen leben. Das ist als warlich war, als gott selber die warhait ist. Jr sollent jn allen dingen uwer vermügen vnd das best tün. Schilt man üch den dar zu, so gedenckent, als uch üwer her gelertt hat, das jr vnnütz knecht sind. Ewer güttr will, fürsatz vnd werck sollent sin rain vnd lutter, gott da durch zu geval_____________ 1055 oder zunemens] fehlt B W 1055 gaistlichem leben] geistlicheit B M, geislichin din1055 ist SG2 Doppelschreibung 1055 uch] vwir ere W 1055f. zu lieb] zu liebe gin W 1056 och] euch aber B, abir SG2 (Parallelstellen des Wortes lieb Z. 199, 244, 271 und 754) 1056 geratten] getrösten B, fehlt W 1059 zu ainfaltiger] einfaltiglich zţ der M W 1059 zu den dingen] jn dingen B W M 1061 aber SG2 Doppelschreibung 1063 glentzt] 1063 glentzt vnd schinnet] wirtt belontt M, blenct Bln 1063 schinnet] glentz SG2 1064 allerschonest] fehlt M 1065 nach die (1)] hÿ W 1065 nach sind] dÿ schnnet SG2 1066f. vnd aingenäm] fehlt B W M 1066f. sint dort W 1066 animüttig] bequeme W 1067f. wenn...gehorsamkait] in ghehoersamheit Bln vnd (1)...als] als wanneer ghi eet Bln 1068 der] oder B W _____________

1056 geratten] mhdt. geratten mit Genitiv entspricht nhdt. „entbehren“ (dazu Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, 1058f. Jr mochten.../bergeben] zum Konzessivsatz ohne Konjunktion siehe ReichSp. 872). 1060 den nach] von mhdt. dannoch, hier mit mann/Wegera, Frnhdt. Gram., S. 466f., § S 298. 1063 ob] an dieser Stelle adverbial mit der Bdtg. der Bedeutung „noch außerdem“ bzw. „jetzt noch“. 1066 animüttig] hier „gefällig“ (dazu FWB, Bd. 1, Sp. „über“ (Lexer, MhdtHwb, Bd. 2, Sp. 128).

1334). _____________ 1063f. Vnd...leben] vgl. zu dieser Hochschätzung des Gehorsams über alle anderen Tugenden besonders die Zeilen 1110-1113, 1217-1220 u. 1240-1243 vnd siehe den Kommentar (61). – Ganz ähnliche Formulierungen findet man bei Johannes Brinckerinck, siehe dafür Moll, Acht collatiën van Johannes Brinckerinck, 1071f. Das...warhait ist] vgl. Io 14, 6. 1074 vnnütz knecht] zum Terminus siehe S. 128 und 129. etwa Lc 17, 10 oder Rm 6, 22. – Zum Inhalt vgl. Pohl, Thomas von Kempen, Opera omnia, Bd. 2: De Imitatione Christi, S. 81, 28f.

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len. Wenn jr aber den menschen wollent gevallen vnd behagen, so vallen jr jn uwer alt gebresten. Dÿsß fürdert uch, zu recht demüttigkait zu kumen: Wenn jr geschult werden, das jr gedencken, das jr es wol verschult haben vnd uch anders nit zuhört den straffunng. Vnd gelicher wÿss als sich ain hoffertig mensch fröwt, da er geeret wirt, also fröwt sich ain demüttiger mensch, wenn er gestrafft wirt oder geschultten. Demüttige gehorsamkait ist, das jr anfaltigklichen tünd, das uch uwer obersten tün haissen. Vnd wer sach, das sy jn jrem haissen vngeverlichen mit den wortten myssredent vnd anders hiessen, den sy solten, so sind jr schuldig, zu tün nach jr manunng.“ Er saget och etlichen vntter den swestern, das sin gesellen offt sässen vff jren ogen vnd machent sy wainnen jn der kirchen – so bedunckt sy den, das es alles were von andacht vnd vss ynnigkait – vnd tribend es so lang sy möchten vnd machten nun tholle höbter da mit. Do sprach aine: „Das müsß gott erbarmen.“ Der boss gaist antwurt: „Jch sagen [...] nit, das es ytel, vnnütz trechen sind, sunder vil ist vor nichte gütt. Jr sollent uch zwingen, jnwendig trächen zu rerren vnd zu vergiessen, wan die sind alle zitt fruchtpar. Sollich jnwendig trächen kument dar vss, das ain mensch gedenckt, das er sinen schöpffer erzurnnt hatt vnd das er nach offt wider sinen willen tütt, och das er jm vormalls vndanckpar was vnd _____________ 1076 gevallen vnd] fehlt B W 1076 nach jr] wider B W M 1079 verschult] verdint B W M 1082-1085 Demüttige...manunng] fehlt M 1083 tünd] tün SG2, fehlt M 1085f. nach ma1086f. och...vnd] daz etczliche vnder den swestern nunng] vnde nicht nach erin wartin W 1088 vnd vss ynnigkait] werin daz sine gesellin den dÿcg vnde vil uf ir augin seszin vnde W 1088f. tribend...da mit] bedrubete dÿ so lang daz sÿ tolle vnde dorichte heibete mechfehlt M 1089 sy...da mit] das sÿ dolle heübter machetten do mit M 1090 sagen SG2 Doppeltin W 1091 nach vil] vnter jn B W 1091 nach ist] vndir en den esz czu nichte gut ist schreibung 1092 rerren...vergiessen] schreien B W dan W _____________ 1079 verschult] von mhdt. verschulden für nhdt. „verdienen“ (siehe dafür Lexer, MhdtHwb, Bd. 3, 1084 vngeverlichen] hier: „arglos“ (Götze, Frnhdt. Glossar, S. 218). 1085 jr (2)] Sp. 220). an dieser Stelle ist das Possessivpronomen noch mhdt. unflektiert, was in Texten des 15. Jahrhunderts nur 1086noch selten vorkommt (siehe dazu Reichmann/Wegera, Frnhdt. Gram., S. 217, § M 65). 1089 Er saget...da mit] um den unvermittelten Subjektwechsel im Satz zu verdeutlichen, wurden Gedankenstriche eingefügt. In der Parenthese sind die Schwestern das Subjekt, im übrigen Satz zunächst 1089 machten...da mit] „riefen dadurch Verwirrung hervor“. der böse Geist, dann seine Helfer. 1089 nun] an dieser Stelle zur Verstärkung des Wirklichkeitsbezuges (siehe dafür BMZ, Bd. 2.1, S. 1091 vil...gütt] gemeint ist, dass viele der Tränen, die in der Kirche vergossen werden, keine 420). 1092 rerren] im Bedeutung haben, weil sie der böse Geist hervorruft, um die Schwestern zu täuschen. oberdeutschen und im ostmitteldeutschen Sprachraum ist im 15. Jahrhundert reren für vergiezen noch gebräuchlich, im Nordwesten hingegen erscheint es nicht mehr (dazu Besch, Sprachlandschaften, S. 205f. und Karte 59). _____________ 1086-1088 das sin...ynnigkait] Kommentar (69). 1093-1098 Sollich...allzit fruchtpar] siehe dazu ebenfalls den Kommentar (69).

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nach ist vmb alle sin gaben. Wenn der mensch [...] vmb sollich vnd der gelich sachen mysßvallen vnd laid gewünnt vff sich selber, dye trächen, dye vs sollicher bewegunng des hertzen kument, sind allzitt fruchtpar. Jr sollent och ewer andacht mer schicken zu der spis der sell, das ist die haillig geschrift, vnd sy enpfachen von gott, der uch da mit wunderlichen vnd täglichen spist, denn jr tünd zu der liplichen spis. Doch von der gemainnen, vsswendigen spis mügent jr uwer nattur wol jn gesunthait enthalten. Ob jr aber kranck wurden, so sollent jr nit murmeriren, sunder zuflucht jn gantzen vertrüwen, jn ernstlichen gebett haben zu gott, das er uch die kranckait, ob es jm eben sÿ, abneme, als er vor dick getün hatt. Vnd ob er uch den jn der kranckait latt beliben, so sollent jr uch jn demüttiger gedult dar jn ergeben vnd gedencken, das sy uch sy ain rainunng von ewern sünden. Ich will uch nach ain schlosßred sagen von vil obgeschribnen puntten. Wollent jr kumen ain die statt, von dannen ich vssgestossen bin, so arbaitten uch, zu gewunnen demüttige gehorsamekait. Dysß ist ain warhafftig zaichen, das ain mensch warlichen die liebe gotts jn jm hatt, ist, das er gern vnderwisst, vermanet vnd gestrafft vnd gescholten ist. Vnd die, die ware liebe gotts jn jnnen haben, werden da von genertt vnd gesterckt jn dem gaist vnd och jn der nattur. Der schöpffer will ainen ieglichen belonnen nach der grösse siner liebe vnd geflissenhait. Die sich zu den dryen obgemelten puntten nit schicken wöllent, wer es müglichen, das sy jn dyssen husß hundert jar lang gewonnett hetten, so sollent sy doch jn _____________ 1096 der mensch SG2 Doppelschreibung

1099f. das ...gott] dan czu der natuerlichin spize also daz ir dÿ heilligen schrift von gode entphait W 1101 denn...spis] fehlt W 1102 nattur] nottürfft M 1103 enthalten] entpffochen M 1103 murmeriren] murmerien SG2 1105 eben sÿ] gefall M 1107 ergeben] leiden B 1110 nach jr] jmer B, andirsz vmer W 1116 sich] sy SG2, sich B W M C _____________ 1096 vmb (1)] hier „für“ (Lexer, MhdtHwb, Bd. 2, Sp. 1722). 1103 kranck] das Wort erscheint an dieser Stelle bereits mit der modernen Bdtg. 1103 murmeriren] laut BMZ, Bd. 2.1, S. 277 hat das Wort 1105 ob es jm eben sÿ] „sofern es ihm die Bedeutung murmeln („murren“); vgl. auch Z. 10 und 431. 1117f. jn dyssen husß] siehe dafür die Sprachbeschreibung zu SG2. genehm ist“. _____________ 1099f. spis...geschrifft] zum Bild von der geistlichen Speise vgl. Io 6, 27 oder I Cor 10, 3. 1099-1101 Jr sollent...liplichen spis] in der Klosterordnung des Nürnberger Katharinenklosters vom 20. Januar 1429 heißt es ganz ähnlich: „Wenn ir zu dem tysch get so sult ir on gebrecht horen daz man euch nach gewonheit list; dar vmb, daz nit allein der mund hungrig sey nach der speise, mer das auch ewer oren begerend das wort gotes (...)“; zitiert bei W. Schmidt, Ein Bücherverzeichnis des St. Kathari1101 wunderlichen] hier: „aus Gnade“; siehe dazu den Kommentar nenklosters zu Nürnberg, S. 163. (16). 1106-1108 Vnd ob...sünden] zum Leiden als von Gott auferlegte Prüfung des Menschen siehe den 1110 von dannen ich vssgestossen bin] ebenso in den Zeilen 64 und 782f. 1115f. Kommentar (12). Der...geflissenhait] vgl. dazu Pohl, Thomas von Kempen, Opera omnia, Bd. 2: De Imitatione Christi, 1116f. den dryen...puntten] dazu den S. 186, 28-31 und 187, 1 und siehe den Kommentar (16). Kommentar (61).

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der samlunng gotts nit mügen sterben, sunder sÿ müssen dar vss. Vnd sy sind alle fülle, abgeschaiden gelyder, verstossen von jrm schöpffer. Welliche aber die iij puntten nach jrem vermügen sich schickent zu halten, dye sind hye vnd dört ewigklichen jn siner bruttschafft, won die sind sin volck. Vnd es wer nit zymlichen, das die abgeschnittnen gelyder vnder sinem volck beliben vnd sterben solten. Der schöpffer will es och jn kain wyss verhengen. Vnd saiten sÿ och alles boss von uch, es wurde uch nit schaden.“ Vnd ee der schöpffer verhengte, das sin volck beschämpt wurde, ee sölt er mit sinen schulttern dar vnder gan vnd weren, das es nit geschech. Er verhengte och sollichs jn kainer wÿss vff die, die all jr getrüwen jn jn sätzent. „Wollen jr gnad enpfachen, so sollent jr demüttigklichen vss grund üwers hertzen mit gantzer rüw vnd myssvallen üwer sünd clarlichen vss sagen vnd ratt fragen wider uwer sünd, die zu vberwinden vnd uch dar vor zu hütten.“ Er saitt och haimlichen den eltesten, das sy den jüngen nit solten smaichlen oder liebkossen, sunder sy solten jnen jr gebresten frylichen sagen. „Vnd ain scharpff pflaster,“ sprach er, „pisset vil bas das todt flaisch vss den wunden vnd haillet den ani senpftes pflaster oder linds.“ Och sprach er, wolten sy, als ob statt, jr gebresten offenbaren vnd güttlichen lyden, das man jnen ain scharpff pflaster vff jr wunden leget, so wurden sy vil gnad enpfachen vnd wol zu friden sin vnd jnwendig getröst werden. Jr scherpffin vnd herttigkait wurden jnnen och wol vergan vnd sy da mit zu grossen zunemen kumen. Dar zu solten sy da von bede, jm gaist vnd jn nattur, gestercket werden. Aber sprach er zu den alten: „Jr sollent den jungen, die uch jr gebresten sagen, dye vorcht gotts jn jre hertzen _____________ 1120 alle] gancz W 1120 nach gelyder] vnd werden M 1121 sich schickent zu] fehlt M 11221129 won...sätzent] fehlt M 1125 nach uch (1)] in vnwarheit W 1131f. vss sagen] vsszusagen SG2, ausz sagen B W 1132 nach vnd (1)] nit W 1137 nach haillet] ee B, vil ere W 1137 oder linds] fehlt B W 1139 leget] legen SG2 1140-1143 vnd (1)...gestercket werden] fehlt M 1141 herttigkait] dickehudichkeit W 1144 den] die SG2, den B W M C 1144 jr] uwer SG2, ir B W M _____________ 1120 fülle] von mhdt. vûl, voul („faul“ bzw. „schwach“); siehe Lexer, MhdtHwb, Bd. 3, Sp. 559. 1132f. die…hütten] „wie die zu überwinden sind und wie ihr euch davor hüten könnt.“ 1135 liebkossen] hier mit Dativ. 1135 sy] gemeint sind die alten Schwestern. 1141f. sy...kumen] das Hilfsverb ist erspart. _____________ 1119f. Vnd...schöpffer] ähnlich in den Zeilen 1197-1199, vgl. auch Brinckerinck: „Ist dat wi enen anderen weg willengaen dan dat hoeft gaet, so sijn wi niet verenicht mitten hoefde, maer wi sijn 1120-1124 ofgesneden leden (...)“; siehe Moll, Acht collatiën van Johannes Brinckerinck, S. 164. Vnd...solten] siehe zum Leib-Glieder-Vergleich Rm 12, 4-5 sowie den Kommentar (70). Eine detailliertere 1122 hye...volck] KomDarstellung des bildhaften Vergleichs findet man im Textzeugen C, fol. . mentar (71). 1127f. mit sinen...geschech] das Bild auch in Z. 633f. 1138 als ob statt] in SG2 wird 1144f. vorcht...tugend] vgl. Ps 111, 10. insgesamt einundsechzigmal zur Beichte aufgefordert.

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trucken, wan sÿ ist ani anfang gottlicher wÿsshaitt vnd aller tugend. Och sollent jr die dörn vff dem acker jrs hertzen rütten, ee das jr die rossen dar jn pflantzen. Jr sond zu dem ersten die jungen nit vffsätzen vnd sÿ leren, sich vben jn dem lyden uwers behalters, sunder jr sollent jnnen, als vor gesaitt ist, dye vorcht gotz jntrucken vnd vermanen, zu gedencken, wie sy sterben müssent vnd für das vrtail gottes komen vnd wÿe ich vnd myn gesellen sy handlen werden, ist, das sy sich nit hütten vnd zu vns kument. Och wenn sy zu uch kument, vmb etliche sach zu werben, so fragent sy zum ersten ainem puntten von der matterie, die des tages geprediget oder gelessen ist, von der vorcht gotz vnd des gelichen vnd wz sy dar vff gedacht haben. Wyssent sy den nichtz zu sagen, sond jr sy scharpfflich schelten. Also sollent jr sy zu dem ersten mit der vorcht gottes anibringen oder jnsätzen, dar nach mit dem lyden Cristy vnd zu letzt jn die lieb vnd zu rechten gaistlichen dingen oder zunemen züchen.“ Furbas sprach er: „Gütte menschen gedenckent och wol ani dye hell vnd /ben sich dar durch zu tugenden, dye dennocht der güttigkait gottes getrüwent, das er sy jn die hell nit versencken wölle. Sÿ werden och mit dÿssen gedancken von der vorcht gotts gesterckt jn der liebe gotts vnd jr hoffnunng wirt da düch gemerett. Das ist nit die gaistlich verainigunng mit gott, als jr manent, wenn jr etwz synnlicher gnaden oder enpfintlicher ynnigkait haben, wan das pfligt der herr offt den [...] nüwen, anfachenden menschen zu geben vnd zücht sy da durch, zu jm zu kumen. Aber wollen jr uch warhafftigkli_____________ 1146 rütten] rüden vnd reüten B, rodin vnde rumen W 1146 das] dan B W 1147 nach pflantzen] das ist M 1148 nach sich] czu W 1148 dem lyden] den wergkin W 1149f. wie...müssent] czu sterbin W 1151 nach handlen] vnde pingen W 1151 sy] fehlt SG2, sie B WM 1152-1156 Och...schelten] fehlt M 1152 sy (1)] fehlt W 1153f. oder gelessen] fehlt W 1157 anibringen oder] fehlt B W 1157 jn die] an die B, czu siner W 1158 dingen...zunemen] furgang B W 1159-1161 Gütte...wölle] fehlt M 1162 der] die SG2, der B W M 1162 gotts (2)] fehlt B W 1163 nach gemerett] abir W 1164 nach gaistlich] rechte W 1166 der herr] fehlt W 1166 den SG2 Doppelschreibung 1166 anfachenden] anhebenden B W _____________ 1147 vffsätzen] hier mit der Bedeutung von „aufgeben“ (Lexer, MhdtHwb, Bd. 2, Sp.1701f). 1153 zum... puntten] zum Dativ an dieser Textstelle Reichmann/Wegera, Frnhdt. Gram., S. 366, § S 103. 1163 düch] von mhdt. durch; siehe zum -Schwund die Sprachbeschreibung zu SG2. 1165 etwz] zu solchen Ersparungen siehe die Sprachbeschreibung zu SG2. _____________ 1146f. die dörn...pflantzen] dass Dornen ohne Frucht und Ertrag sind, wird in Redensarten und Sprichwörtern oft zum Ausdruck gebracht; siehe etwa Thesaurus Proverbiorum Medii Aevi, Bd. 2, S. 275ff. – Dornenlose Rosen verweisen auf das Paradies. Erst nach dem Sündenfall wuchsen die Dornen. Nicht selten werden Dorn und Rose auch als unerfreuliche, aber unvermeidliche Einheit beschrieben.; dafür ebd. Bd. 2, S. 277-280. 1148f. als vor gesaitt ist] siehe dazu Z. 1143-1145. 1152-1156 wenn sy...schelten] Kommentar (72). 1158 zu rechten...züchen] Kommentar (73).

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chen mit jm verainen, so flissent uch selber, grunttlichen zu demüttigen. Vnd dar zu diennen dysse nachgeschriben puntten oder stücklin. Zu dem ersten sollent jr üch flissen, zu gedencken ewer selbs gebresten vnd kranckhait, dar zu üwer hinnderbeliben, versumnusß vnd onvolkumenhait an allen tugend. Dar nach sollent jr uch selber vss dyser bekanttnusß piegen vntter dye hoche, allmächtige crafft uwers schöpffer vnd denn zum letzsten vss dem grund üwers hertzen begeren, dye allervnnützesten vnd vngeachtosten vnder allen menschen gesechen vnd gehalten zu e werden. Ist, das jr uch dar zu /ben vnd ernstlich geben tund, so sond jr jn der warhait nachend zu uwerm schöpffer kumen vnd genädigclichen mit jm verainiget werden.“ Dar nach sprach er: „Demütigkaitt verdiennet gottliche wysshait vnd schickt den menschen, alle gnad zu enpfachen. Jr sollent uch vnder ain andern gross machen ie aine die andern jn jrem hertzen, so gewunnent jr vil grosser liebe zu ain andern, das jr ain andern jn wirdigkaitt haben vnd ye aine die andern grosß schätz vnd vil von jr hältt. Vnd wenn jr dysser vorgemelten puntten nit achtent vnd hini lassen gan, vff den doch das fundenment aller gaistlichkait bestatt, so sol das ain wüst huss werden, ain huss der hoffart vnd des zorns, der frasshait vnd ander vntugenden, dye da von enspringent. Wenn jr üwer tagzitt lessen, so sollent jr sy wackerlichen vnd andächtigclichen lessen vnd gedencken, was jr lessent vnd warvmb, anders es ist _____________ 1169 oder stücklin] fehlt B W M 1171f. dar zu...tugend] fehlt M 1171 versumnusß] versun1172f. nach piegen] vnde nusß SG2 (vgl. versumlichen, Z. 55 bzw. versumlichait, Z. 1532) 1175 vnd vngeachtosten] fehlt M 1176-1178 Ist...werden] hier mede seldi gancz gebin W 1177 kumen] kument SG2 1177f. vnd...werden] waerachtelic mit god verenicht warden Bln 1179f. gottliche...schickt] fehlt M 1181 nach machen] fehlt M 1177 mit] fehlt SG2, mit B W 1181 nach hertzen ] czu herhebin W 1182 grosser] guter B W 1182 nach in der demut W 1184 nit achtent] verain andern] wann das gehort der lieb zu B W 1183 hältt] hältet SG2 1184 vnd...gan] fehlt M 1185 das fundenment] der grund M 1185 ain wüst] fehlt achten B M 1188 tagzitt] zeit B, geczide W 1188 wackerlichen vnd] fehlt M _____________ 1171 versumnusß] von mhdt. versûmecheit mit der Bdtg. „Vernachlässigung“. 1172 tugend] das Substantiv erscheint an dieser Stelle noch nicht mit -Plural (dazu Moser/Stopp, Gram. d. Frnhdt., Bd. 3, S. 256). 1177 nachend] von mhdt. nâhent hier „nahe“ (Lexer, MhdtHwb, Bd. 2, Sp. 21). 1184 achtent] zum mhdt. Verb ahten mit Genitiv siehe Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 30. 1185 fundenment] vgl. zur Schreibweise des Wortes Z. 704 und die Anmerkung dort. _____________ 1174-1176 vss...werden] Vgl. Pohl, Thomas von Kempen, Opera omnia, Bd. 2 u.a. S. 8, 8-10; S. 63, 2729; S. 186, 18-21; S. 218, 26-29 u. 219, 1f. und Verschueren, Hendrik Herp O.F.M., Spieghel der volcomenheit, Bd. 2, S. 123, 24; s. auch den Kommentar (76). 1176-1178 so sond...werden] Kommentar (74). 1179f. Demütigkaitt...enpfachen] vgl. I. Petr 5, 5. 1186f. hoffart...enspringent] zu umfang1188-1190 Wenn reicheren Aufzählungen von (Tod)-Sünden vgl. die Zeilen 1394-1415 und 1522-1533. jr...geklepper] siehe dazu den Kommentar (87) zum aufrichtigen Kontakt der Schwestern mit Gott.

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alles ain vnnützes, ytel geklepper. Vwer etlich bekümern sich so vil, zu mercken vff die stym von vssen, das sy jr ynnigkait offt da mit verlierent. Vnd wenn jr das tünd, so lugent, das jr das bichten. Das haist wackerlichen gelessen oder lhplichen, so jr uwer hertz vffheben zu gott, jm allain jn uwern lessen zu gevallen vnd nit den menschen. Vnd so uch jn den tagzitten jnkumpt flaischlich gedancken vnd fantesyen, das geschicht gewonlichen von vnbewarunng der ogen by vngelichen personen.“ Er sprach aber zu den swestern: „Wÿssent, das es der will gottes nit ist, das jr von hynnen gand. Tünd jr es aber dar vber, so sond jr abgeschnitten sin von dem ewigen leben.“ Mer saitt er: „Jr wöllent uch selber nit wee oder gewalt anitün. Wenn üch bekorunng oder lyden zukumpt, so solten jr uch demüttigclichen offenbaren vnd zu üwer mitswester sprechen: ‚Liebe swester, helpfen mir mit üwerm gebett. Ich bin süst oder so bekümert vnd aingefochten, der tüffel will mich aber ains zu herttigkait des hertzen pringen‘ oder: ‚Mir ist also zu synne oder also ergangen.‘ Ich will uch nun ain trostlich wort sagen: Ist, das jr üch keren wöllent von uwern sünden vnd uch geben oder schicken, also zu erfüllen, als üch uwer bichtvatter haisst tün, so sollent jr niemer von uwerm schöpffer geschaiden werden vnd kument vss aller vnser macht. Dar zu will uch der schöppfer selber helpfen. Jr sollen och die jungen swestern fry biegen vnd vndertrucken vnd demüttigen, wann wie vil jr sy zwingent, so richtent sÿ sich doch _____________ 1190-1192 ytel...bichten] fehlt M 1194f. jn den tagzitten] fehlt M 1197 es] er SG2, es B M, wo W Tünd...dar vber] fehlt W 1200f.

1193 oder lhplichen] fehlt M 1194 vnd...menschen] fehlt M 1195 vnd fantesyen] fehlt M 1196 by...personen] fehlt M 1197 nach gottes] in uch W 1198 gand] scheidit W 1198

Jr...zukumpt] wan ir uch nit we vnde gewalt wollit an legin addir uch selbisz an dun wan uch bekorunge addir lÿden an komen W 1201 uch] es B W M 1204f. oder...ergangen] fehlt M 1206 will] sol B, sail vnde musz W 1207f. uch...tün] wolt folgen eürem peichtvatter M 1207 geben oder] fehlt B W 1207 erfüllen] wöllen B, dunde W 1209 werden] fehlt SG2, werden B W M 1209 vnser] uwer SG2, vnszer B W M 1210 nach helpfen] in allin vwern ntin W 1211 och] euch B 1211 fry biegen] konlichin beygin W 1211 fry biegen...vndertrucken] fehlt M 1212 zwingent] diemütigen M _____________ 1190 geklepper] von mhdt. klappern („das Schwatzen“); siehe Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 1606. 1192 lugent] hier „seht zu“ (vgl. Grimm, DWb, Bd. 12, Sp. 1271). 1197f. das...gand] gemeint ist, dass die Schwestern aus der Gemeinschaft ausscheiden. 1203 süst oder so] hier „in dieser oder jener Weise“ (dazu Lexer, MhdtHwb, Bd. 2, Sp. 1327). 1204 aber ains] „wieder einmal“ (siehe zur Bdtg. von aber an dieser Textstelle FWB, Bd. 1, Sp. 73, zur Bdtg. von anis von mhdt. einest Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 524). 1211 fry] das Wort steht hier entweder als nachgestelltes Adjektiv mit der Bdtg. „unbekümmert“ (Lexer, MhdtHwb, Bd. 3, Sp. 507) oder als Adverb mit der Bdtg. „ungehemmt“ (Grimm, DWb, Bd. 4, Sp. 99). 1211f. och...wann wie vil] zugrunde liegt die Konstruktion: „wenn ihr auch noch so viel...so“. 1212 wann...zwingent] „aber wie sehr ihr sie auch zwingt“. _____________ 1194-1196 Vnd so...personen] Kommentar (75).

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wider vff. Dar vmb mügent jr sÿ wol nit zu vil pingen vnd biegen oder vernidern. Vnd so uwer obersten üch ettwz tün haissen, das söllent jr von jnnen also enpfachen, vffnemen vnd tün, als ob uch der schöpffer das selb gehaissen hett. Vnd so jr es mer vss ainfaltiger gehorsamekait vnd tieffgründiger demüttigkait tünd, so uwer lonn vnd glorÿ jn ewigem leben grösser sin wirt, won [...] die maist fröd, die jn dem ewigen leben ist, kumpt von demüttiger gehorsamekait. Der schöpffer erwalt die vnachtsamesten von der welt, sine werck durch sy zu wurcken. Also söllen jr den töchtern, ja dem allermynsten kind volgen, wenn es uch hyess oder riett, das nit wider die hailligen geschrifft were oder gütt sitten were. Och schickt gott vnd ordnett uch offt vnder dye mynsten vmb das, das da durch uwer hoffartt vntter getruckt werd.“ Furbas sprach er: „Die hailligen, die nun jn ewigem leben sind, so die nun hye jn der zitt mer vnd klarer erkannttnusß gottz hetten, so sy mer erwirdige vorcht gegen jm hätten.“ Vnd das etlich grosß hailligen zu vall kumen sind, ist anders nit sach gewessen, denn das sy die vorcht gottes hinider liessent vnd vergassent. „Das jr aber die vorcht gottes nit habend, das kumpt da von, das jr uch dar vmb vnd dar jnnen nit stättigklichen vben wollen vnd das jr nit jngedenck sind, das der, den jr mit uwern sunden erzürndt habent, ain richter ist der lebenden vnd der totten. Jr söllen offt den spiegel üwer kranckait für uwere ogen setzen vnd uch dar durch raitzen, zu der vorcht gottz zu kumen.“ Mer sprach er: „Jr sond uch des vnwirdig duncken, das der schöpffer üwer gebett erhören sol von siner grossen wirdigkait vnd uwer schnödigkait wegen. Doch sollent jr dar vmb nit ablassen von dem gebett, sunder dar jnnen verharen mit ainem gantzen vertrüwen zu siner barmhertzigkait. Jr sond nit begeren gross oder hoch zu sin jn dem ewigen leben, sunder uch so schnöd, arme sunder achten, das es uch all gross dunckett, _____________ 1213 pingen vnd] fehlt B W M 1216 vffnemen...tün] vnd tun B, fehlt W SG1 1218 demüttigkait] gelaszenheit B W 1218 vnd glorÿ] fehlt M 1219 vnd SG2, fehlt B W M 1220 nach schöpffer] herkore usz vnde W 1220 vnachtsamesten] vngeachtesten B M, vngrabistin vnde demudigstin W 1221f. töchtern] torechten B W M 1222 dem allermynsten kind] den allermynsten kindern SG2, dem alerminsten kind B W, dem allermÿnsten M 1223f. schickt...ordnett] so ord nÿrt got M 1224 uch] fehlt SG2 M, eüch B W 1224 da durch ] durch SG2, da durch B W M 1227 vnd klarer] fehlt M 1227 nach mer] ewiger freide vnde W 1235 nach raitzen] vnde czehin W 1236 duncken] dunckent SG2 1237 siner] eüer B W 1241 arme sunder] vnd arm B W 1241-1243. das…sin] fehlt M _____________ 1215-1217 Vnd...hett] ähnlich Rm 13, 1. 1217-1219 Vnd...wirt] ganz ähnlich in den Zeilen 529-533. 1228-1230 Vnd...vergassent] vgl. Ps 33, 18. 1233 ain richter] siehe dazu den Kommentar (79) zum Jüngsten Gericht. 1240-1243 Jr sond nit...zu sin] Kommentar (76).

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ob es üch durch die erbarmhertzigkait üwers schöppfers zu gebüren mocht, dye allermÿnste zu sin. Wan die sich hye allermaist demüttiget vnd die allerschnödest sich schätzet, dye wirt da die maist vnd die höchst sin. Demüttige gehorsame hat den hymmel vffgetün. Jr sond nit gedencken vnd es dafür haben, so üwer bichtvatter oder mütter von der sammlung uch ettwz haissent, das sy es tünd vss anivaltigem beduncken vnd ongeverd, won der schöpffer ordeniertt vnd schicket es selber durch sy vnd wyll, das jr das schlechtiglichen tünd. Vnd ie jr es willigclicher tund, so ie mer lon jr da von haben werden.“ Vff ain zitt sprach ain swester on grosse reverentz vnd ynnigkait: „Jhesus!“ Do tät der böss gaists die swester, die er besessen hatt, bald vff jre knüw vallen. Da ward er gefragett, warvmb er vff dye knüw viell. Er anttwurtt: „Das müss ich tün uch zu ainem byzaichen, won jr offt dyssen namen yttel vnd lichtvertigklichen nemen.“ Do ward fürbas gefragett, ob er alle zitt knüwen müst, wenn der nam ’Jhesus‘ genennt wirt. Do antwurtt er: „Ich müss wol anderes me tün den knüwen, won der nam ist so hoch, das ich vnd alle myn gesellen pydemen vnd zytteren von dem namen ’Jhesus‘ oder ‘Maria‘.“ Aber vff ain zitt sprach er: „Wenn jr mit wyssen vnd willen vngehorsam sind, das sollent jr für üwer maiste sünde achten, die jr getün künden, vnd sollent es mit vnderschaid bichten, wonn das kumpt all zu mall vss hoffartt, das jr den willen vnd mainunng üwer obern versmächen. So jr aber uch selber [...] vss kranckait engand in sollichen oder andern gebres_____________ 1246 vnd...haben] fehlt M Bln 1248 beduncken] mainung M 1250 nach werden] inden ewighen 1251 nach vnd] mit ganczir W 1254 leven Bln 1251 on...ynnigkait] lichtvaerdeliken Bln 1255 nemen] nennent B W M 1257 anderes] anderen SG2, fehlt B W byzaichen] exempell M 1258 vnd zytteren] fehlt Bln 1258 von dem] wo der B 1259 nach ’Jhesus‘] genent wird B M 1259 oder ’Maria‘] fehlt Bln 1263 den...mainunng] das wollen vnd meinen B, dÿ meÿnunge vnde 1264f. in...gebresten] fehlt M daz geheisz W, den willen M 1264 selber SG2 Doppelschreibung _____________

1248 beduncken] „Gutdünken“ (dazu FWB, Bd. 1, Sp. 430).

1248 ongeverd] von mhdt. ungever1250 jr es willigclicher] gemeint te, hier: „schlechtes Benehmen“ (Lexer; MhdtHwb, Bd. 2, Sp. 1879). ist: willigclicher jr es; siehe zur Wortstellung bei Proportionalsätzen, die durch (so) je + Komparativ – (so) je 1252 gaists] vgl. zur Schreibweise Z. 384. 1252 + Komparativ gebildet sind PWG, S. 435, § 465. 1254 byzaichen] „zur Erklärung dienendes Beibald] von mhdt. „balde“ hier mit der Bdtg. „sogleich“. spiel“. 1258 von] hier kausal mit der Bdtg. „vor“ (Lexer, MhdtHwb, Bd. 3, Sp. 457). 1262 mit vnderschaid] gemeint ist: getrennt von den unwissentlichen Verfehlungen. 1264 vss kranckait engand] „aus Schwäche Verfehlungen begeht“. _____________ 1243f. Wan...höchst sin] siehe zur Hochschätzung der Demut den Kommentar (17). 1248f. won...tünd] vgl. dazu Rm 13, 1. 1249f. Vnd...werden] vgl. dafür J. F. Vregt, Sommige vermaninge tot eenen doechliken leven, S. 364. 1251-1259 Vff ain zitt...’Maria‘] Kommentar (77). 1260f. Wenn jr...künden] Kommentar (78). 1263-1266 So jr...vergeben] zur Unterscheidung eines sündhaften Vergehens aus Schwäche bzw. Hochmut vgl. Verschueren, Hendrik Herp O.F.M., Spieghel der volcomenheit, Bd. 2, S. 35 und S. 111.

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ten vnd uch dar nach von hertzen laid ist, so wyll es uch der schöppfer gern vergeben.“ Er sprach: „Dysse pünttlin vnd stücklin, die ich uch gesaitt han, sind mÿn lerr nit, sunder es [...] ist die haillig geschrifft, das leben uwers erlössers, sine vnd siner haillig lerr. Won demüttige gehorsamkait vnd der gelichen, von dennen vil gesaitt ist, sind nit wider das ewanggelyum oder wider die hailligen geschrifft. Vnd nach myner bosshait wolt ich lieber die allergrösten pin der hell lyden, denn das allermynst stücklin der vorgemelten artickel uch sagen mit sollicher bezwangnunsß, als ich nun getün hab.“ Vnd vff ain andere zitt sprach aber der böss gaist: „Jch müss uch sagen, was passionen sin vnd zornmüttigkaitt. Zu dem ersten geben wir üch böss gedancken jn üwere hertzen vnd das haisset enzundunng oder anfächtunng. Nun, als jr vs üwer böss nattur den willen dar zu geben, wä hini jr uch den wenden, so sollent jr ynnerlichen gepingett werden, vnd pynnlichait ist vnd haisset ain pasion. So jr den die ye lenger jn uch vbergand vnd uwern bichtern nit [...] opfenbarent, so mer ich mit mynen gesellen möcht jn üch gewünnen vnd sy üch swerer wirtt zu vberwünden.“ Aber sprach er: „Wolt jr bekennen, was menschlich andacht vnd rechte liebe sy zu gott, so will ich uch es sagen. Wenn üwer will also statt, das jr all uwer arbait vnd lyden lutter vmb des willen tünd vnd tragent, der vmb üch gekrütziget vnd gestorben ist, das ist rechte andacht vnd ynnigkaitt, ob jr och kain süssigkaitt smeckent oder enpfindent. Vnd so dyser gütt will ie stercker ist vnd grosser, so och die andacht wessenlicher ist vnd die liebe zu gott warhafftiger ist. Vnd uwer erlösser, da er stand jn _____________ 1267 vnd stücklin] fehlt B W M Bln 1268 es SG2 Doppelschreibung 1268 uwers] vnsers SG2, 1272 stücklin] fehlt B 1276 enzundunng ewrs B W M 1269 demüttige] dymutigkeit B 1279 oder] fehlt M 1278 sollent...vnd] müst ir sere dor vmb gepinigt werden vnd die M 1279f. pynnlichait] plintheit B W 1279 nach pasion] des herczin W 1279 jr den] fehlt M 1280 nit SG2 Doppelschreibung 1281 möcht] macht B vbergand] verperget B W, wertt M 1282 nach beW 1281f. möcht...vberwünden] das sy euch swerer wirt zu vber winden M 1282 menschlich] weszenliche B, gotliche W 1286 smeckent kennen] vnde wisszen W 1286 enpfindet] wolten B, fulit W 1287 ie] fehlt W 1287 wessenlicher] oder] fehlt M menszenlicher B, fehlt W _____________ 1273 artickel] hier sind die einzelnen Materien des Textes gemeint, nicht die häufig wiederholten drei puntten 1278 wä hini...wenden] gemeint (siehe dazu auch den Ausdruck puntten von der matterie in Z. 1153). 1279 pynnlichait] von mhdt. pînlîcheit. 1281 sy] gemeint ist: euch zu den bösen Gedanken zu wenden. ist die pasion; je länger diese nicht gebeichtet wird, desto mehr Einfluss gewinnt der Teufel bei den Schwestern und desto schwieriger wird es für die Schwestern, diese zu überwinden. 1286 süssigkaitt] hier mit der Bdtg. „Gnade“ (dazu Grimm, DWb, Bd. 20, Sp. 1344). _____________ 1267-1269 Dysse...lerr] siehe dafür den Kommentar (5) zum Wahrheitsgehalt der Äußerungen des Dämons. 1267-1273 Dysse...getün hab] siehe die Erläuterungen im Kapitel VI, Pkt. 3.1. 1283 üwer will] siehe den Kommentare (30) zum menschlichen Willen.

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der höchsten andacht zu sinem hymelschen vatter, das was jn sinem lÿden vnd ain dem crütz, da hat er nach der nattur siner menschait kain sÿnnliche süssigkait.“ Er sprach mer: „Bekannten jr nun, wie all üwer gebresten vnd sünd, dye jr ietzund vbergand vnd nit offenbaren, vmb die jr hye nit beschemtt werden oder sin wöllent, an dem vrtail gotts vor allen englen, allen menschen vnd allen tüffeln geoffenbarett werden vnd mit wellicher grosser schand vnd confussion, dye jr da fur müssent lyden, jr wurden nit allain gern ewer gebresten vor ainem oder wenig menschen sagen, sunder mer vnd lieber vor allen menschen wurden jr die bekennen, das jr dar durch der künnfftigen scham vnd schand engan möchten.“ Aber zu ainer zitt sprach er: „Mir vnd allen mÿnen gesellen gruwet also serr vor den menschen, dye jn lyden vnd vertruckunng vnd verspottunng, versmächunng, betrüpnunsß gedultig vnd gelichmüttig beliben. Dar gegen fröwent wir vns /ber, die jn kranckait, verspottung, betrüpnunsß vnd ander anfächtungen abvallent vnd vngedultig sind. Ain demüttig hertz bedunckt, das es alle ding /bel tüge. Es begertt och, alle zitt vngeachtet vnd vnbekanntt zu sin vnd zu beliben. Wir sind so starck, das vns weder ÿssen nach stain nach kain ander herttigkait, die vff erden ist, widerstan mag. Denn allain ain demüttigs hertz, das swächet vnd bricht alle vnser macht. Jr sond in uch selber gedencken: ‚Sich myn herr vnd gott, möcht ich von dinen gnaden dye ingebunng der tüffel clarlichen vss sagen vnd mich schicken zu anfaltiger gehorsamkait, jn allen dingen mÿnen willen zu lassen vnd mich vntter die andern all biegen vnd demütti_____________ 1293 vbergand] verpergt B W

1293 vnd...offenbaren] fehlt Bln 1293 beschemtt] beschentt SG2, beschamt B Bln, beschemit W 1294 nach allen (1)] guten B W M 1295 werden] sal 1295-1299 vnd (2)...möchten] bekenden ghi alle die scaemte ende confussien die werden Bln ghi daer lijden sult ghi soudet niet allien iu ghebreken voer dese susteren segghen mer gheern 1295 wellicher] solicher M 1296 vnd confussion] fehlt M 1296 voer alle menschen Bln 1298 vnd lieber] mit freüden die B W 1298 wurden ir die] nach lyden] wesst irs ieczund M 1302 versmäwöllen B W 1301 nach dye] hie M 1301 vertruckunng] wider spot getruck B chunng] fehlt B W M 1303 die] die die B M, dÿ mentschin dÿ in W 1304 abvallent vnd] fehlt W 1304 sind] werden B 1305 tüge] tü B M, du W 1306 starck] mechtig B W, mechttig vnd starck M 1308 das swächet] entkreftigt B W 1309 selber gedencken] selber offt gedencken, begern vnd aüssprechen M 1309f. vnd gott] fehlt M 1310 möcht...gnaden] hilff mir das ich M 1310 nach gnaden] gehen daz ich W 1312 die] alle B W 1312 biegen] lernen piegen B, W _____________ 1290f. sÿnnliche süssigkait] hier: „mit den Sinnen wahrnehmbare Anmut“ (siehe zum Wort sÿnnliche Lexer, MhdtHwb, Bd. 2, Sp. 933, zum Wort süssigkait Grimm, DWb, Bd. 20, Sp. 1342f.). 1303 die] „diejenigen, die“. 1304 abvallent] hier: „verstoßen werden“ (dazu FWB, Bd. 1, Sp. 99, Pkt. 7). 1305 tüge] 3. Pers. Sg. Präs. Konj. von mhdt. tuon, tûn; ebenso Z. 1321. 1308 Denn] hier: „aber“. _____________ 1290f. sÿnnliche süssigkait] zum Terminus siehe den Kommentar (63). 1292-1299 Bekannten... möchten] Kommentar (79).

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gen?‘ Dye all vnd der gelich puntten soltten jr ernstlichen begeren vnd von gott flissenklichen bitten, mit siner hylff zu den wercken zu pringen. Dye jn ainem gutten willen stan, von den mag ich kain böss sagen, dye aber jn bössen willen sind, von dennen mag ich kain guttz sagen. Uwer etliche geturent wol von uwern obern vnd amptswestern aischen, das ain andere nit getörst gedencken. Das ist ewer grossen vnscham schuld vnd die entspringet aigenlich vss hoffartt. Aber ani demüttigs, schamhafftigs hertz bedunckt, das man jm alle zitt zu vil gebe vnd mer denn jm zugehöre vortails tüge. Och ain demüttigs hertz besorgett vnd fürcht sich alle zitt, so man sinem güttduncken volgett, vnd es begertt lieber, anis andern ratt zu volgen den dem synen. Wer aigner wyss ist, der ist tüm vnd grob von sÿnnen oder verstenttnunsß. Wer aber ainfaltig gehorsam ist, der ist scharpff von synnen vnd klüg von verstänttnusß Vnd der allergehorsamest ist allererlüchtest von verstänttnusß.“ Aber vff ain zitt sprach er: „Lassen uch nit verwundern, als ich uch vormalls gesaitt han, das jr mit V slegen, die jr mit demüttigkait vnd lieb vmb ewer sund oder vmb die ere gottz enpfachen vnd mit der rütten nemen, [...] fünff hundertt jar fegfürs ablegen. Won jr solliche kestigunng oder dyssipplin von liebe, vs tieffegründiger demütt nemen, mit gantzer rüw vnd myssvallen üwer sünden, mit dennen jr gott serr enteret vnd erzürenet hand, vnd mit gantzen abkerr von den gebresten, so legen jr mit V slegen mer den VC jar ab. Das laid vnd abkerren von den sünden mocht och so gross sin, jr mochten alles fegfür da mit ablegen. _____________ 1313 puntten] fehlt M

1314 mit siner hylff] das ir das macht M 1314 zu (1)...pringen] wirken 1320 mer...zugehöre] mer dann andern B, czu vil W 1321 vorvnde czu vollinbrengin W 1323 tüm] plump B 1324 von...verstenttnusß] vnd klug von synnen B W tails tüge] fehlt M 1330-1333 solliche...hand] M 1326 nach ist] der ist W 1329f. nemen SG2 Doppelschreibung sy ausß lieb nempt mit ganczer rew vber eüre sünd M 1330f. kestigunng] straf B, streiche W 1332 enteret] gevneret B W 1334 nach ab] dÿe ruwe vnde W 1335 jr...ablegen] daz sÿ uch alle pÿn desz fegfuersz abeneme W _____________ 1319 aigenlich] hier mit der Bdtg. „ausdrücklich“ (Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 519). 1320 zugehöre] 1321 an dieser Stelle mit Dativ im Sinne von „gebühre“ (dazu Lexer, MhdtHwb, Bd. 3, Sp. 1182). vortails tüge] „im voraus tue“ (zur Übersetzung Lexer, MhdtHwb, Bd. 3, Sp. 482). 1321 Och...be1323 aigner wyss] wer in sorgett] gemeint ist: och ist ain (s. dazu die Sprachbeschreibung zu SG2). seinen eigenen Sinnen verharrt, der ist aigner wyss und nicht in der Lage, sich Gott zu öffnen. – Siehe zur Erläuterung des Begriffs auch Verschueren, Hendrik Herp O.F.M., Spieghel der volcomenheit, Bd. 2, S. 71, 1323 tüm] von mhdt. tump, tumb bzw. tum (vgl. dazu die Sprach114-122 und S. 379f., 117-132. 1334 VC jar] gemeint sind „fünfhundert Jahre“; vgl. demgegenüber die Textstellen beschreibung zu SG2). Z. 106f. u. 777f. _____________ 1314 zu den...pringen] vgl. dazu Z. 1008f. und siehe die Anmerkung zum Inhalt von Zeile 1009. 1317 amptswestern] siehe dazu den Kommentar (88) zu den Ämtern im Konventsleben. 1327f. als ich...han] siehe dafür Z. 106f., 776-778 und 1058-1061.

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Edition des Redaktionstextes 1 nach SG2

Wellich jren aignen willen, ratt vnd wysshait, verstan vnd beduncken

/ber jr obersten vnd der andern setzent vnd den selben nit volgen wollent,

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die selben laitten wir vnd bringent sy, warzu wir wollent, zu allen passion, sünden vnd gebresten.“ Vff ain andere zitt tätt der boss gaist den swestern gross lyden vnd verdrissen ani. Do lassen sy veni creattur spriens Er sprach: „Es hylft nit, jr mugen sathanus mit üwerm lessen nit vertriben, sunder mit demüttiger gedultigkait, mit ainem nidergesuncknen, vbergebnen gemütt vntter den schöpffer vnd vntter alle creatturen, da mit vertribt man sathanas vnd er wirt dar durch serr gebrantt vnd gepingett. Wer der gnad gotts alleraigenlichest vnd maist warnempt vnd sich da mit allerniderst bügett vnd demüttiget, dem gybt er och die gnad allermaist. Ain demüttigs hertz begertt nit, hoch vnd gross by sinem schöpffer zu sin, sunder es begertt allain siner barmhertzigkait vnd bevilcht sich siner ewigen ordnunng vnd vilß sich denn och da bÿ, zu volkumenhait zu kumen. Ainen demüttigen menschen bedunckt vnd bevindett alle zitt vnd in allen dingen, als er waist, das sin oberster bevindett. Das ist rechte danckparkait zu gott, wenn uch jn uwer hertz kumpt, das jr uch demüttigen sollent oder zu gehorsamekaitt geben, zu gedultigkait, zu bewarunng der ogen, zu künschait, zu offenbarunng der gebresten oder zu andern tugend vmb die ere gotts. Wenn aber jr dem jnsprechen volgen, so nement jr der gnad gottes w r vnd das haisset dann rechte danckparkait. Dar mit verdiennent jr fürbas ain andere gnad, dye _____________ 1336-1339 Wellich...gebresten] fehlt M 1336 verstan] entpfinden B W 1338 nach wir (1)] 1339 nach passion] vngedult B, vnde vngedult czu W 1341 verdrissen] widerteufel B W wertigkeit B 1342 lessen] klappern M 1343 vbergebnen gemütt] vbirgebin allisz willen W 1345 gebrantt vnd] fehlt W M 1346 alleraigenlichest vnd maist] allermaist M 1348 begertt] 1349 es] er SG2, es B W M 1349 nach barmhertzigkait] in dem dz ist SG2, begert B W M 1349 bevilcht] entpfilcht B M, befelit W 1351 bees sich bekennt einen sunder B W 1351 bevindett] entpfint B, entpheet W 1352 bevindett] dunckt vnd bevindett] sücht M 1353 danckparkait] barmherczigkait M 1356 zu] der entpfint B, entphaen W, gefelt M 1356 nach gotts] jm da durch zu gefallen wenn euch solich einsprechen SG2, zu B W M 1356f. dem jnsprechen volgen] hier ist ein Augensprung zu kumpt das ist die genad gotes B W vermuten, weil das Wort jnsprechen, auf das hier Bezug genommen wird, zuvor nicht erwähnt ist (anders in B und W). Da es im Satz zuvor aber heißt: wenn uch jn uwer hertz kumpt (Z. 1353), wodurch eine 1358 Dar mit] mit Form göttlichen Einsprechens zum Ausdruck gebracht wird, wurde nicht gebessert. 1358-1364 Dar mit...gab] fehlt M solcher danckperkeit B W _____________ 1351 bevindett] hier mit Akk. in der Bedeutung von „erkennt“. 1352 waist] 3. Pers. Sg. Präs. Ind. von mhdt. wizzen (Lexer, MhdtHwb, Bd. 3, Sp. 961). 1358f. Dar mit...tugenden] gemeint ist, dass derjenige, der sich Gott gegenüber dankbar zeigt, von Gott Beständigkeit in den Tugenden erfährt. _____________ 1336-1339 Wellich...gebresten] vgl. Rm 13, 2, ähnlich auch bei Brinckerinck, siehe dazu Moll, Acht 1341 veni creattur spriens] Kommentar (80). collatiën van Johannes Brinckerinck, S. 134.

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haisset stercke oder krefftigkait zu wandlen jn den tugenden. Vnd so jr dysser danckparekait mer haben, so jr mer gesterckt werden, jn tugenden zu zunemen, auch werden uwer widersacher ye krancker, üch zu vberwinden. Dysß ist, als ich uch ietz gesaitt han, rechte danckparekait vnd erlicher, denn das jr gott [...] allain lobend mit dem mund vmb sin gütthaitt vnd gab. Nach ist ain andere danckperkait. Wenn jr betrachten, das der hoch, allmächtig gott vnd herr solliche vnwirdige, schnöd dienner, als jr armen sind, jn sinem wyllen oder dienst lydett vnd üwern gebrestlichen dienst zu danck enpfachet, vnd jr dann fürbas vss sollicher betrachtunng erweckt werden, jn dar vmb zu loben, das ist och ain danckparkaitt. So jr aber uch dar vmb jn üwern hertzen enpfintlichen erfröwen, so haist es ain jubilacion oder ain jubel.“ Da ward er gefragett: Ob ain mensch ain schlechten, anfaltigen jnvall hett von flaischlichait vnd da von ain begerunng enpfund ains ogenblicks lang vnd jm doch laid wer, ob er das och bichten müst. Er antwurtt vnd sprach: „Da mit sollent jr uch nit verwieren vnd kain geschäfft dar vss machen, wan sollichs ist mer uwer nattur. Vnd so jr mer das erfarent vnd bekennen wollen, worvss uch sollichs kume, so mer jr da mit befleckett werden, gelich als so man bech me handelt, so man sich me da mit brenet. Wenn jr aber sollicher gedancken vnd bewegunng vrsach geben mit vnbewarunnge der ogen oder mit vnbehütten berürunng oder so jr vnraine wortt mit lust hörent von sollichen dingen oder selber sprechen oder mit den gedancken spillen wöllent, das söllen jr den bichten offenli_____________ 1359 zu wandlen] furpas zu genaden B W 1362f. vnd erlicher] mer B W 1363 gott SG2 Doppelschreibung 1363 gütthaitt] güttätt SG2 (vgl. zur Schreibweise Z. 750) 1365 nach hoch] grosz 1365 schnöd] fehlt M 1366 armen] fehlt M 1366 jn...oder] in seinen B, kalt vnde B 1367 enpfachet] nÿmpt M 1367-1370 vnd...jubel] fehlt M 1369 vordrosszin in sine W enpfintlichen erfröwen] entphengit furige hitcze lebe czu gode W 1370 oder ain jubel] fehlt B 1372 begerunng] bewegung B W 1372 enpfund] W 1371 anfaltigen] ledigen B, fehlt W 1374 verwieren] bewirren B M 1374f. vnd...machen] fehlt M 1375 mer] entphinge W 1377f. gelich...brenet] fehlt M 1377 nach fehlt B W M 1376 bekennen] bedencken B W 1378 brenet] befleckt B W 1379 berürunng] greiffen B W 1381 handelt] vnd palfert B W den (2)...offenlichen] in der peicht offenwärn B W _____________ 1371 Ob] hier: „wenn“. 1374 verwieren] „schmücken“ (Lexer, MhdtHwb, Bd. 3, Sp. 307). 1374 1375 mer] hier: „sonst geschäfft] hier mit der Bdtg. „Ereignis“ (Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 897). schon“ (Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 2108). 1375 so jr mer] gemeint ist: so mer jr. Siehe zur Wort1378 sollicher gedancken] zum modastellung bei solchen Proportionalsätzen PWG, S. 435, § 465. len Genitiv siehe Reichmann/Wegera, Frnhdt. Gram., S. 356, § S 81. _____________ 1370 jubel] Kommentar (81). 1377f. gelich...brenet] gemeint ist, dass derjenige, der Pech berührt, sich damit besudelt. Der in der Literatur häufig belegte Vergleich ist biblischen Ursprungs (Sir 13, 1); siehe dafür Carl Schulze, Die biblischen Sprichwörter der deutschen Sprache, hrsg. u. eingel. v. Wolfgang Mieder, Bern u.a. 1987, S. 108.

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chen. Send jr aber den der ding kain vrsach, hand jr den verbildunng, das sollen jr alles züchtigclichen abwÿssen vnd nit vndergraben oder vil geschäffts darvss machen.“ Zu ainer andern zitt sprach er aber: „Ach, mochten jr bekennen die wirdigkait ainer sel, für die der schöpffer so vil gelitten hatt, vnd wie swer vnd sur sÿ jm worden ist, aller der welt lyden, vnd sölt es jach uch tussend jar wären, wurden jr gern wöllen lyden, vmb das jr da mit ain sele bringen mochten zu dem ewigen leben, ja das jr nit won ain wenig dar zu gehelpfen mochten. Vnd sider zitt, das uwer schöpffer gecrütziget ist, gewunnen wir tüffel nie so grosse macht vnder den cristen menschen als nun. Dar vmb bedurffen nun dye lütt ietzund mer hylff, vns zu widerstan, den sy vormals tatten. Wee, we denen, die dar nach stellent, das sy den klöstern oder samlunng gross rend oder richtum samlen, wan sÿ machen jnen da von vil beraittschafft zu bössen sitten vnd vrsachen. Ain vrsach ist ledigkaitt oder müssigkait, da durch die haillig arbaitt wirt hingelaitt, won sy bedunckt, das sy der arbaitt nit bedurffen. Dye ander ist fressigkait, wan da sy vor genug hatten ain zwayen trachten, da müssen sy nun vier oder fünff han, die och sunderlich gütt vnd costlichen beraitt sind. Dye dritt ist curiosykait vnd /berflüssigkait ani klaidern vnd ain ander [...] notturfft, won so müss den iegliche zwenn beltz haben, ainen dicken warmen beltz _____________ 1382 verbildunng] einfell M 1383 vndergraben] furdergraben B 1383 vndergraben oder] 1384 geschäffts...machen] mü da mit haben B W 1387 uch] fehlt B W 1389 nach fehlt M 1390 mochten] het B 1390 gecrütziget ist] gekrewtzigt wart B W M nit] mer B W M 1392 vns] fehlt W 1393 nach widerstan] der bekorunge W 1393 sy] fehlt B W 1393 tatten] fehlt W, tetten oder hetten M 1395 rend oder] fehlt M 1395 nach oder] czinse vnde W 1396 1396 zu...oder] als M 1396 vnd vrsachen] fehlt SG2, vnd beraittschafft] grosser vbell M vrsachen B, vnde orsachin czu den sunden W (Die Ergänzung ist erforderlich, weil in den nachfolgenden 1396f. oder müssigkait] fehlt W 1399 trachten] Sätzen die einzelnen vrsachen erläutert werden.) 1401 curiosykait vnd] fehlt M 1401 vnd (2)...notturfft] fehlt M gerichten B, gerichtin W 1401 /berflüssigkait ani klaidern vnd ani ander SG2 Doppelschreibung 1401 nach ander] on B 1402 warmen] warem SG2 _____________ 1382 Send] 2. Pers. Pl. Präs. Ind. von mhdt. sëhen. 1382 verbildunng] „Umänderung zum Negativen“ (dazu Grimm, DWb, Bd. 25, Sp. 115). 1383 vndergraben] hier: „gravierend vertiefen“ (Grimm, DWb, Bd. 24, Sp. 1583). 1387 sÿ] gemeint ist die Marter. 1389 nit...wenig] „nur ein wenig“. 1390 gecrütziget ist] das Passiv wird hier mit „sein + Part. Prät.“ gebildet, die Form entspricht ist worden (s. dafür Reichmann/Wegera, Frnhdt. Gram., S. 417, § S 217). 1395 rend] „Einkünfte“. 1396f. ledigkaitt oder müssigkait] gemeint ist die Todsünde ŷacediaŷ. 1399 trachten] die Gänge beim Essen. 1401 notturfft] hier mit der Bdtg. „Dinge“, in B steht notturfft mit der Bdtg. „Bedarf“. 1402 beltz] gemeint sind Pelzärmel und Pelzdecken, mit denen sich die Schwestern in den unbeheizten Räumen vor Kälte schützten. _____________ 1390-1392 Vnd sider zitt...nun] vgl. Z. 840-842. 1394-1396 Wee...vrsachen] Kommentar (82). 1396f. ledigkaitt oder müssigkait] siehe dazu und zu den in Z. 1396-1413 genannten Todsünden den 1402-1404 won so...me] Kommentar (83). Kommentar (90).

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vnd ainen tünnen lichten, iiij oder fünff röck, fünff oder Vi par schüch vnd der gelichen me. Och wyll man den me gebüws vnd zymer haben den nott ist, vmb das man schön gehüss habe, nit, das man mer vffnemen vnd gehalten müge. Dye iiij sach ist nid, hass vnd vnfrid, kyfflen aine gegen der andern vnd verwyssent den ain andern vnd sprechent: ‚Warvmb solt ich dysß vnd das nit als wol haben als jr oder du. Ich hab doch als vil oder mer herrbracht den jr‘ oder: ‚Ich han lenger jn der samlunng gewonet den jr‘ oder: ‚Ich kani myn brott also wol oder bas gewünnen den jr.‘ Dye fünfft vrsach sind böss, flaischlich begird, vnsuber gedancken vnd was dar nach volgett jn der nattur. Dyß vnd vil mer ander gebresten volgent alle dem richtum nach vnd /berflüssigkait, zittlich gütt. Da durch den die hailligen armütt, ain gesponnß uwers haillmachers, von den klöstern vnd gottzhüssern wirt vertriben vnd vssgestossen wirt.“ Furbas saitt er: „Welliche swester jn dem bewer jar oder nauitzen jar jn jr flaischlichen herttigkait belibt oder andern gebresten vnd den weg der tugend nit thapfferlichen zu handen nempt, der solt man jn kain wÿss dye dyssiplin vnd die strengigkait des orden erlichten oder gutte sitten oder tugend vmb jren willen hindern lassen, wan das hat weder Sant Anthonius nach Sant Bernhardus oder Santtus Francissus nach kain ander haillig getün. Vnd wye wol Santt Francissus etlich brüder vnder jm hatt, dye synnlich, flaischlichen vnd weltlichen leben wolten, dennocht waich er nit von dem weg, den er jm fürgenumen hatt, nach liess er dar vmb die hailligen armütt nit vnderwegen. Doch wo nach hütt des tags aigenwillige, flaischliche menschen jn ainer sammlunng werent, dye sol man dar vmb nit lichtenklichen verlaitzen _____________ 1404 vnd ...me] fehlt M 1404 nach zymer] desz nit grosze noit ist W 1405 nach mer] leut B W, 1406 sach] vrsach B W 1406 kyfflen] fehlt M 1407 verwyssent] versmechen B, person M 1407 den...vnd] den sy so B, in dem das sÿ vnvorschemen W 1407 verwyssent...vnd] fehlt M 1410f. wol...jr] vordÿnen als eyn ander W 1411 vrsach] fehlt B W 1413 vnd...gütt] fehlt M W 1413 /berflüssigkait] überflusz B, vbirflosszigen W 1414 haillmachers] seligmachers B W 1414 nach vnd] geistlichen B 1415 wirt] fehlt B W 1416-1426 Furbas...Doch] fehlt M 1416 bewer 1417 flaischlijar] probe jar B W 1416f. nauitzen jar] versuchung des jars B, vorsuche jar W chen] fleischlichkeit B 1417 nach vnd] ist B 1418 thapfferlichen] ernstlichin W 1418 der] die SG2, den B, fehlt M 1419 dyssiplin] dysplin SG2 (vgl. Z. 777 u. 1497) 1419 strengigkait] sternckeit B 1420 hindern] vntter wegen B, vnderweisen W 1420-1422 Sant/Santtus/Santt] fehlt B _____________

1406 kyfflen] von mhdt. kibelen, kivelen („zanken“). 1416 bewer jar] „Jahr der Bewährung“. 1420 hindern lassen] gemeint ist: hintanstellen. 1420 Sant] zum Schwund von aufgrund von Mehrfachkonsonanz siehe Reichmann/Wegera, Frnhdt. Gram., S. 104, § L 49. 1423 waich] 3. Pers. Sg. Präs. Ind. von mhdt. wîchen. 1426 hütt des tags] „heutzutage“. 1427 werent] 3. Pers. Pl. Präs. Konj. von mhdt. wësen, hier mit der Bdtg. „lebten“. 1427 verlaitzen] von mhdt. verlâzen („fortlassen“). _____________

1404f. Och wyll...nott ist] Kommentar (84).

1413f. hailligen armütt] vgl. dazu Z. 1425.

dem bewer jar oder nauitzen jar] Kommentar (85).

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vnd vss triben, sunder sy gedultigklichen lyden vnd zu besserunng vermanen, als üwer Jhesus Judam laid vnd güttlichen trüg. Won solliche, ob sy sich nit bessern, so werden sy doch, wenn die zitt kumpt, sich selber wol vss stossen vnd verlaitzen. Dye jn bekumernusß oder bekorunng sind, dye sol man lieplichen trösten, dye aber nach dem flaisch leben vnd jrem aignen willen volgen wollen, sol man scharpfflichen vermanen vnd straffen. Uwer schöpffer verliess nie, die jn jn hoffetten vnd getrüwetten. Vmb die vsswendige arbaitt sol man kain gutt sitten vnderwegen lassen. Wer aber arbaitt, so es nit zitt oder füg hatt, vnd tritt da mit von gütten sitten, der gybt das maist vmb das ringest vnd das best vmb das mynst, wann gütt sitten sind vast besser vnd nützer, wann vsswendige arbaitt. Getruwen üwerm schöpffer vnd hoffent jn jnn, er wirt uch nit mer personnen zuschicken, den jr wol versorgen vnd erneren mügen. Schickent uch dar zu, das jr ander lutten gebresten entschuldigent vnd jre werck zum besten züchen, vnd bedenckent da mit flissenklich, ewer aignen gebresten vnd kranckait zu mercken, so werden jr ainen genädigen vnd barmhertzigen gott vinden.“ Do ward er gefraget, ob die vigylin och den selen jm vegfür vil hulpf vnd nütz were. Er antwurtt: „Wenn jr die vigylin mit ynnigkait vnd andacht sprechen, so habend sy grosß erluchtunng da von vnd zu dem mÿnsten müssent wir von jnnen fliechen, so lang als der schöpffer ordnett. Jr mugent och die vigylin also lessen, das sy [...] nit vil hylffet, aber jr werden dar vmb etwz pin hyr nach müssen lyden, wan es ist nit vmb süst gesaitt vnd geschriben jn den prophetten: ‚Dysß volck erett mich mit _____________ 1428 gedultigklichen] gutiglichen B W 1431 verlaitzen] vertreiben B, drÿbin W 1432 sol] so 1432 nach] fehlt B 1434 jn] fehlt SG2, jn B W M 1435-1440 Vmb...mügen] fehlt M 1436 zitt oder] czimlich ist vnd B 1437 ringest] mynst B W 1437 das (4)] fehlt SG2, das B 1438 vast...wann] vil nüczer denn B, fehlt W 1438 nach arbaitt] gleibit vnde W 1441 W lutten] menschen B 1443 vnd...mercken] fehlt M 1443f. genädigen vnd] fehlt W M 1445 och den selen] die sel B, addir daz sele gebet W 1445 vil hulpf] fehlt M, wel helpet Bln 1446 1446f. mit...andacht] devoteliken Bln 1447 sprechen] lest B 1449 nach vnd...were] fehlt Bln 1451 vnd geschriben] fehlt M vigylin] addir daz sele gebet W 1449 in SG2 M, fehlt B W 1451 prophetten] prohetten SG2 B

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1431 verlaitzen] hier: „entlassen“.

1434 jn jn hoffetten] für Belege zum Verbum in der Verbindung 1437 ringest] steht für geringest mit der Präposition in siehe Grimm, DWb, Bd. 10, Sp. 1669. 1447 sy] gemeint sind die Seelen (siehe dazu Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 882 u. Bd. 2, Sp. 446f). im Fegefeuer. _____________ 1429 als...trüg] „wie euer Jesus, der den Verrat durch Judas erlitt und gütig ertrug.“ Angespielt wird auf die 1434 Uwer...getrüwetten] ähnlich Ps 9, 11. Auslieferung von Jesus durch Judas Jskariot an die Feinde. 1445 vigylin] Kommentar (86). 1446f. Wenn...da von] ähnlich in den Statuten des Ortenkonvents, siehe van Elsen/Hoevenaars, Analecta Gysberti Coeverincx, Bd. 2, S. 174. 1451-1453 Dysß volck...lessen] vgl. zum Bibelzitat Mt 15, 8 u. Mc 7, 6 und siehe zur Textstelle den Kommentar (87).

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den lefftzen, aber jr hertz ist verr von mir.‘ Vnd es wirt uch nit also vergebens hini gan, so jr uwer gebett vnd tagzitt vnandächtiglich lessen.“ Aber rett er zu etlichen von den swestern, „ich sagen uch, es wer uch nit nütz, das man uch etwz enpfulle oder das jr ampt hetten oder sin /ber die andern, won jr wurden da yttel oder vppige err oder hoffartt gewünnen. Vnd alle, die da begeren, etwz zu schinnen /ber die andern oder zu sin jn ampten vnd wirdigkaitten, jn dem, das sy sollichs begeren, so werden sy sollich vnwirdig. Vnd wer da will gesechen vnd geachtet sin von den lütten vnd das begertt von hertzen vnd dar vmb nach ere vnd wirdigkait stellett, ist, das er die erwyrbt vnd /berkumpt, der sol mit warhait wyssen, das er die zu ainem ewigen schaden /berkumpt. Jr sollent von hertzen mitlyden haben mit üwern obern, dye uch regieren, vnd sollent ansechen den sweren last, der vff sÿ gelait ist, vnd dar jnnen ewerm schöpffer dancken, das sollich loss vff uch nit gevallen ist. Vnd jr söllent vnsern heren trülichen für sy bitten, das er jnnen gnad gebe, jn nit zu erzürnen, vnd das er jr hertz erfüllen wölle mit siner gottlich vorcht. Won sy bedurffen, grosse vorcht zu haben, mer den die, dennen vsswendig ding nit bevolchen sind. Vnd so offt als [...] üch myssvallen oder vnbill vnd vnwillen von jn kumpt, so sollent jr für sÿ bitten vnd gedencken ain den grossen last, der jnnen vffgelaitt ist, vnder dem nit müglichen ist, so licht vnd gelich jn allen dingen durch ziechen, als ob man nit nütz zu tragen hett. Haben jr aber vormals etwz tugenlichs an jnnen vermerckt, das sond jr vff die zitt des vnwillen vermercken vnd gedencken vnd üwer hertz gegen jnnen jn mitlyden sencken vnd güttlichen von jn bevinden vnd halten vnd da mit den vnwillen also hinlegen.“ _____________ 1452 den lefftzen] dem munde W 1455 man...enpfulle] ir etlich entpfelhnüs B, daz ir etczliche 1455 oder (1)...hetten] von amptten M 1455 das jr] fehlt SG2 1455 sin] bevelungen W 1457 schinnen...zu] fehlt W 1460-1462 lütwert B, daz ir W 1456 yttel...err oder] fehlt M 1460f. vnd (2).../berten...wyssen] menschen yst dat hÿt dan vercrijghet soe sel hi weten Bln kumpt] fehlt M 1462 ainem] seinem B W 1462 /berkumpt] tüt M, vercrijghet Bln 1463 von 1466 vnsern] ewrn B W M 1466 gnad...jn] in ere hertzen] billix Bln 1465 loss] last W gemţde gebbe sich W 1467 er] fehlt SG2, er B M 1467 nach er] jn B 1467 das er] fehlt W 1467 wölle] wöllen SG2 1469 sy SG2, fehlt B W 1470 von] fehlt SG2, von B W M 1471 1472 ziechen] gan B W 1473-1476 Haben...hinlegen] fehlt M müglichen] wol vnmogelich W 1474 vermercken vnd] fehlt B W 1475 sencken] setczin W 1475 bevinden vnd] fehlt B W _____________

1452 lefftzen] von mhdt. lëfsen („Lippe“); das Wort bleibt im Oberdeutschen lange fremd; siehe dafür Karl von Bahder, Zur Wortwahl in der frühneuhochdeutschen Schriftsprache, Heidelberg 1925, S. 34ff. 1452 jr] gemeint ist: sin. 1455 enpfulle] von mhdt. enphëlhen (hier: „anvertraue“). 1464 last] das Substantiv steht hier noch als Maskulinum; vgl. dazu auch Z. 1471. 1472 jn allen...ziechen] „alle Angelegenheiten zu durchwandern“. 1472 nit nütz] zur doppelten Verneinung siehe die Sprachbeschreibung zu SG2. _____________

1457-1459 Vnd alle...vnwirdig] vgl. Rm 12, 5-8. 1457-1462 Vnd alle.../berkumpt] Kommentar (88). 1462-1464 Jr sollent...gelait ist] Kommentar (89).

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Aber sprach er: „Den [...] geben jr uch zu uwerm schöpffer, wenn jr uch geben zu gehorsame, es sy jn vsswendigem kumer, liplicher arbaitt oder jn andern wercken der gehorsame.“ Do klagt aine, das sy türr jm hertzen wurd von den vsswendigen dingen, recht als ob sÿ von gott nit wyste. Er sprach: „Das ist üwer schuld, vnd jr stossent üch all zu serr vff die vsswendigen ding. Jr sollent mit den henden die werck der gehorsame von vssen tün, vnd die ynnwendigen krefft der sel sollent jr nieman den dem schöppfer geben. Wer aigenwissig ist, der ist hoffert vnd glichsenhafftig vnd sin hoffart bedeckt er mit glissnery. Dye allermaist jnwendig erlücht sind vnd mit tugenden geziertt, dye mag man wol lieber haben vnd das hertz me zu jnnen naigen, won zu den andern. Doch müss man die andern nit versummen nach versmächen, won das hatt uwer schöppfer also behalten.“ Er sprach fürbas: „Kain demüttigkait, kain beschaidenhait oder ander tugend, wie die genampt sind, dye wider gehorsame sind, ist gott nit genäme. Wyssent jr, was clarhait, schonhait vnd gezierd jn ewigem leben brechten, vnd sachent offenbaren üwer gebresten, jr solten beraitter vnd ernstlicher sin, dye demüttigklich zu bekennen, denn ani hungerrig mensch zu ainem gutten, kostlichen mal zu loffen.“ Do sprach aine, das sy also vngern cörrecien vnd dÿssipplin neme. Er antwurt: „Wöllent jr nun kain correcion nemen von den menschen, wye wöllen jr hyr nachmals lyden mügen von den tüfflen, nit mit _____________ 1477 Den SG2 Doppelschreibung 1478 vsswendigem kumer] außwentiger M 1480f. dingen] 1481 recht...wyste] fehlt M 1481 sÿ] fehlt W 1481 wyste] wysten SG2 1482 wercken M 1482 stossent] gebt B W 1483 werck] fehlt B 1485-1490 vnd] fehlt B M, wante W 1487f. mit...geziertt] tugentlicher sein B Wer...behalten] fehlt M 1486 nach mit] seiner B W 1491 kain beschaidenhait] fehlt M 1492 nit] fehlt M 1492 Wyssent W 1488 me] fehlt W 1492-1496 Wyssent...loffen] fehlt M 1493 clarhait] fehlt B W 1493f. vnd jr] o wisszit W (2)...offenbaren] die offenwarung B W 1494f. nach demüttigklich] vnde klarlichin B W 1495 1497 also vngern] mit not vnd vnwillen B, node vnde mit vnwillen W gutten] fehlt B W 1497 cörrecien vnd] straff vnd B W, fehlt M 1497f. cörrecien...neme] ghecoregiert wort Bln 1498 Er...nemen] fehlt W 1498 correcion] straff B, dissÿplin M 1499-1501 wye...vermügent] 1499 soe sel dise namels lijden vanden duvelen mit ysere roeden sonder van harticheit Bln nach tüfflen] dÿ se W _____________ 1485 glichsenhafftig] von mhdt. glîz, hier bildlich mit der Bdtg. „scheinheilig“. 1489 versummen] „vernachlässigen“. 1491f. Kain...genäme] zur doppelten Verneinung siehe die Sprachbeschreibung. 1492 genampt] vgl. dazu Z. 1256. 1495 nach mensch] erspart ist das Prädikat beraitt ist. 1497 cörrecien] von lat. correctio („Zurechtweisung“). 1499-1501 wye...vermügent] gemeint ist, dass die Teufel im Jenseits nicht mit Gertenruten schlagen, sondern mit geknüpften Geißeln, die eiserne Haken aufweisen. _____________ 1482-1484 Jr sollent...geben] ähnlich Johannes Brinckerinck, siehe dazu Moll, Acht collatiën van Johannes Brinckerinck, S. 156.

Edition Die besessene Schwester Agnes nach SG2 (Redaktion 1) 1500

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hültzenÿ rütten als hye, sunder mit yssenin on alle barmhertzigkait vnd mit aller nidigkait, die sy vermügent. Wann wer nun vss gehorsamekait, demüttigkait vnd lieb dyssiplin vnd straffunng nempt von den menschen, als mängen schlag er hyr nempt, als mängen tüffelisch schlag lait er da mit ab, dye doch dyssen slegen hye in kainer wyss zu gelichen sind. Vil mÿnder, den der uch mit ainer flumfedern senfftigclich vber den rucken strich, sind die slegen, die jr nun von den menschen enpfachen mügen, ob uch von ainem ieglichen slag plutt von dem lib fluss. Vff ain zitt vermanet er ain swester, das sy solt jr kranckhait opfenbaren oder bichten. Sy sprach, sy hett sy dick geoffenbaret, vnd precht jr kainen nutzen oder frunnen. Da sprach er: „Es ist nit also, es bringet doch jn die lenge nutz, wan man güsst so dick vnd vil wasser jn ainen korb, das er zuletz gantz schönn da von wirt. Das wasser tropffet och so lang vff ainen stain, bys zuletz ani loch dar jn wirt.“ Aber zu ainer zitt ward den swestern gelessen von sünden vnd gebresten. Do bekanntt aine, das sy da von passion gewunne vnd zornig wurd, won sy hortten da von vil gebresten, die sy berütten vnd ani treffend. Do sprach der boss gaist: „Das ist des schuld, das die wunden der gebresten jn uch nach nit vngetödt sind. Vnd so man dye berürtt, so werden sy erfrischett vnd plutten. Werent aber die wunden der sunden jn uch _____________ 1500 nach rütten] schlahin W

1500 als hye] fehlt W 1500f. vnd...vermügent] fehlt M 1502 dyssiplin...menschen] nţn nÿmet disciplinen C 1502-1507 von...fluss] also menighen duvel1502 von den menschen] fehlt B W M 1503 schen slach leyt hi daer mede of Bln schlag...mängen (2)] fehlt SG2, als er nÿmpt von den menschen also mangen B, streich he hÿ nÿmit von den mentschen also menichen W M, schlag er nimet als mengen SG1 C 1505 den (1)] fehlt B W 1505 flumfedern] pflawn B, pauwin W 1505 den (2)] der SG2, fehlt B W, den 1505 strich] schluge W 1506 sind die] gegen den SG2 1506 slegen] rutten B, rüttenn M 1506f. ob...fluss] fehlt M 1506 uch] auch B 1508f. nach opfenbaren] im schlegen M capÿttell oder in der picht M 1509 bichten] bicht SG2, peichten BW 1513 bys] daz uf dz W 1514 gelessen] fehlt W 1518 nit] fehlt B 1518 berürtt] rürt B 1519 der] vwir W _____________ 1504-1507 Vil...fluss] durch den Augensprung in Z. 1503 ging der Sinn des Satzes verloren: Der Vergleich der Gertenrute mit einer Flaumfeder soll die Aussage des vorangehenden Satzes verdeutlichen, dass nämlich die Schläge der Menschen im Diesseits viel leichter sind als die der Teufel im Jenseits, selbst wenn die Schläge von 1505 den] von mhdt. danne, hier mit der Bdtg. „als wenn“. Menschenhand so heftig sind, dass Blut fließt. 1505 der] gemeint ist: „derjenige, der hier auf der Erde schlägt“. 1505 flumfedern] von mhdt. phlûme 1506 ob] hier „ wenn auch“. 1510 frunnen] von mhdt. vrume („Gewinn“ bzw. bzw. phlûmvëde. 1516 da] gemeint ist in dem Schuldkapitel, wo die Schwächen der Schwestern vorgelesen werden. „Vorteil“). _____________ 1504-1507 Vil...fluss] vgl. zum Inhalt den letzten Satz der Edition des Textzeugen, Z. 1534-1536. 1511f. man... wirt] es handelt sich vermutlich um eine Abwandlung der sprichwörtlichen Redensart: „Das Wasser geht über die Körbe“ mit der Bdtg., dass der Mensch nur nach und nach klug bzw. tugendhaft werden kann (dazu Lutz Röhrich, Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten, Bd. 1, S. 530 und vgl. Thesaurus Prover1512f. Das...wirt] ähnlich Ovid, Epistolae ex Ponto, IV, 10, 5: biorum Medii Aevi, Bd. 7, S. 154). „gutta cavat lapidem.“

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Edition des Redaktionstextes 1 nach SG2

gehaillett, so wurden jr kain passion oder vnwillen da von enpfinden, wenn jr da von hortten sagen.“ Furbas sait er: „Das sind mÿn vnd mÿner gesellen klaidunng vnd gezierd: Hoffart, aigenwilligkait, stoltzhait, müttwill, frechait, vermessenhait, bittere antwurt, curiosikait, fürwytzigkait, lichtvertigkaitt, vnbehüttsamkait der ogen, der wortt vnd der gedancken, ytell vnd weltliche ere, süberliche messer, schön püttel vnd gürttel vnd des gelichen, da durch den lutten zu gevallen vnd begeren, geachtet zu sin. Spillen, tantzen, schantpare lieder singen, vnküschait des hertzen, wortt, wyss vnd werck, dar vss enspringet frasshait, leckerhait, kostlich spis vnd getranck vber der nattur vnd vber zymlichait des statts, gittigkait, zorn, nid, vngunst, hynderswatzen, kyfflunng vnd hertzbitterkait, scharpffhait, fulhait, lang schlapfen vnd treg sin, versumlichait vnd der gelich ding vnd besunder lugenhait sind myn vnd myner gesellen natturlich klaid.“ Zu dem letzsten sprach er: „Wz hye jn dysser zitt durch rechte büss nit abgelaitt wirtt, das sol hyr nachmals mit tüffelischen schlegen vnd mit hellischer pinn abgeschlagen werden.“

_____________ 1520 passion] zorn M 1520 vnwillen] vngedult B 1521 nach sagen] leszen B W, oder lessen M 1522 nach gesellen] tewffel B W, der teüffel M 1523 frechait] freÿschlichkeit W 1524 bittere] verkerte B W 1524 curiosikait] fehlt M 1524 fürwytzigkait] fehlt B W 1524 lichtvertigkaitt] fehlt W 1524 nach lichtvertigkaitt] frassheit M 1525 nach ogen] orin W 1526 süberliche] hubsche B W, schone M 1526 schön] fehlt B 1527-1529 begeren...leckerhait] fehlt M 1530 vnd...gittigkait] fehlt M 1530 vber zymlichait] vnd zimlikeit B, vnczemelichkeit W 1530 vngunst] fehlt W 1531 kyfflunng vnd hertzbitterkait] bitterÿkait M 1531 hertzbitterkait] hertigkeit pittrikeit B W 1531 scharpffhait] fehlt M 1532 nach versumlichait] die B W 1534 büss] penitencz B W 1535f. tüffelischen...hellischer] grosßer M

Nach dem letzten Textwort: Jtem vss geschriben mit der hylff gotz ain Sant Clemens tag [23. Nov.] jm LXXXXViij jar. Gott, dem sy lob vnd ere ewigklich vnd die [!] vnd allen sy sin gnad vnd gab. Amen Amen. SG2, Amen, laus deo, pax uiuis, reqiuem defunctis, dz spricht: lob got, frid den lebenden, rw den totten, amen, deo gracias B, Dar noch wissze sich eÿn jtzlich mentsche czu richten, sic est finis W _____________ 1524 bittere] hier mit der Bdtg. „böse“ (dazu Grimm, DWb, Bd. 2, Sp. 54f.) 1526 süberliche] „auf schöne Art gefertigt“. 1529f. kostlich spis…staats] gemeint ist: „eine über die natürlichen Bedürfnisse hinausgehende und dem Anstand nicht entsprechende Ernährung“ (siehe zu dieser Übersetzung Lexer, Mhdt Hwb., Bd. 2, Sp. 1144) 1530 gittigkait] hier ist sowohl die Bedeutung „Habgier“ als auch „Geiz“ möglich. 1530f. hynderswatzen kyfflunng] gemeint sind „Nachrede“ bzw. „Zänkerei“. 1532 versumlichait] von mhdt. versûmecheit („Säumigkeit“). _____________ 1527f. Spillen...singen] Kommentar (91). 1522-1533 Das sind...klaid] Kommentar (90).

Stellenkommentar zum Redaktionstext 1

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5. Stellenkommentar zum Redaktionstext 1 (1) – Z. 1: (...) samnunng (...) Der Begriff spezifiziert weder den Status der Konventualinnen noch ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten geistlichen Gemeinschaft. In geistlichen ’Sammlungen‘ lebten sowohl Nonnen als auch Laienschwestern beziehungsweise Beginen.135 Bei den Beginen, die auch in der Armen- und Krankenpflege arbeiteten,136 war die Trennung zwischen der Welt und der vita religiosa insgesamt weniger streng. Sie zeigten, dass beide Lebensweisen zu harmonisieren waren.137 Dennoch wurden nicht wenige Sammlungen, in denen zunächst Beginen lebten, in Schwesternhäuser oder Klöster umgewandelt, nachdem ein reguliertes Gemeinschaftsleben eingeführt worden war.138 Schwestern vom gemeinsamen Leben wurden mitunter als Beginen bezeichnet oder nannten sich auch selbst so.139 Der entscheidende Unterschied zwischen ihrer Lebensweise und der von Beginen bestand im Umgang mit dem persönlichen Besitz. Konnten Beginen über ihr Privateigentum verfügen, so hatten die Schwestern vom gemeinsamen Leben allen Privatbesitz der Gemeinschaft zu übergeben.140 _____________ 135 Zur Entstehung und Verbreitung der Beginenhäuser, zu ihrer Organisation sowie zur Lebensweise dieser Frauen und ihren Problemen siehe etwa Fößel/Hettinger, Klosterfrauen, Beginen, Ketzerinnen, S. 47-56; zum Stand der Beginen außerdem Kasper Elm, Verfall und Erneuerung des Ordenswesens im Spätmittelalter. Forschungen und Forschungsaufgaben, in: Untersuchungen zu Kloster und Stift, hrsg. v. Max-Planck-Institut für Geschichte Göttingen, Göttingen 1980 (= Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 68 und Studien zur Germania Sacra 14), S. 188-238, hier S. 195 und die dort angegebene Forschungsliteratur. Zur Betreuung dieser geistlich lebenden Frauen siehe Andreas Rüther, Bettelorden in Stadt und Land, Berlin 1997 (= Berliner historische Studien 26 und Ordensstudien 11), S. 294-303. 136 Lewis, By Women, for Women, about Women, S. 3f. Da auch in den franziskanisch beeinflussten Konventen solch karikative Tätigkeiten ausgeübt wurden, zeigten man in diesen Häusern insgesamt weniger Bereitschaft zur Verklösterlichung als etwa in den dominikanischen; dafür Rüther, Schreibbetrieb, Bücheraustausch und Briefwechsel: Der Konvent St. Katharina in St. Gallen während der Reform, S. 660. 137 Lewis, By Women, for Women, about Women, S. 200. 138 Dazu für Dominikanerinnenklöster R. Meyer, Das ’St. Katharinentaler Schwesternbuch‘, S. 286f. 139 Dafür Dirk de Man, Hier beginnen sommige stichtige punten van onsen oelden susteren naar het te Arnhem berustende handschrift met inleiding en aanteekeningen uitgegeven, Den Haag 1919, S. 156. 140 Zu einigen Gemeinsamkeiten dieser Organisationsformen geistlich lebender Frauen siehe die Arbeiten von F.W.J. Koorn, Ongebonden vrouwen. Overeenkomsten en verschillen tussen begijnen en zusters des Gemenen Levens, in: OGE 59 (1985), S. 393-402 [auch erschienen in: J. Andriessen, P. Bange, A.G. Weiler, (Hgg.) Geert Grote en Moderne Devotie, Nimwegen 1985 (= Middeleeuwse Studies 1)] oder Rehm, Die Schwestern vom gemeinsamen Leben im nordwestlichen Deutschland, S. 40-42.

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Edition des Redaktionstextes 1 nach SG2

(2) – Z. 1f.: (...) das sy der böss gaist zu menigem mall swärlichen vsswendige ani dem lib pflag zu pingen. Die Auffassung, dass böse Geister oder Dämonen vom Menschen Besitz ergreifen können und in der Lage sind, dessen Willen zu übernehmen und dessen physische Aktivitäten zu bestimmen, war im Spätmittelalter allgegenwärtig.141 Sie war eine der Auswirkungen des Glaubens an den Teufel.142 Demzufolge sind auch Schilderungen von dämonischen Besessenheiten in der Literatur dieser Zeit nicht ungewöhnlich. Den Dämonen kommen in den Texten unter anderem apologetische und didaktische Funktionen zu. Da die besessene Schwester im Text unzweifelhaft ein Mitglied der geistlichen Gemeinschaft ist, stellte ihre Besessenheit auch eine Bedrohung für die anderen Schwestern dar, weil vor allem in Frauenkonventen an eine sich epidemisch ausbreitende dämonische Besessenheit geglaubt wurde.143 Diese spezielle Teufelsbegegnung tritt in ihrer kollektiven Form erst seit dem 15. Jahrhundert vermehrt auf.144 (3) – Z. 6: (...) mit ainer zwungnen stym (...) Dass Dämonen nach ihrer Inbesitznahme von Menschen aus diesen sprechen, ist seit frühchristlicher Zeit eine grundlegende Vorstellung von Besessenheit.145 Die veränderte Stimme des Menschen galt dabei im Mittelalter als untrüglicher Nachweis von Besessenheit, insbesondere dann, wenn der Dämon aus dem Besessenen wie eine zweite Person sprach.146 _____________ 141 Solche Besessenheiten waren auch schon in der Antike und im frühen und hohen Mittelalter bekannt. – Vernon Mc Casland führt in einem Register mehr als zweihundertundfünfzig Bibelstellen an, die dämonische Besessenheiten beschreiben; ders., By the finger of God. Demon possession and exorcism in early christianity in the light of modern views of mental illness, New York 1951, S. 143-146. – Die römisch-katholische Kirche hält seit dem 4. Laterankonzil (11.-30. Nov. 1215) an der Existenz des Teufels und an der Möglichkeit dämonischer Besesseneheit bis heute fest; siehe dazu Christoph Daxelmüller, Artikel Besessenheit, in: Enzyklopädie des Märchens, Bd. 2, Sp. 195-205, hier Sp. 195. 142 Dafür Herbert Haag, Teufelsglaube. Mit Beiträgen von Katharina Ellinger, Bernhard Lang und Meinrad Limbeck, Tübingen 1974, S. 402f. und 439 oder Jean Delumeau, Angst im Abendland. Die Geschichte kollektiver Ängste im Europa des 14. bis 18. Jahrhunderts, Reinbek bei Hamburg 21989, S. 363. 143 Traugott Konstantin Oesterreich nennt Berichte solcher Epidemien; ders., Die Besessenheit, Langensalza 1921, S. 181-184. Zur Besessenheit in Klöstern siehe auch Uta Ranke-Heinemann (Hg.), Die christliche Mystik, Joseph von Görres. (Neugesetzt, orthographisch unveränd. Ausgabe der im Verlag G. J. Marz, München-Regensburg ersch. 2. Auflage in fünf Bänden von 1879), Frankfurt 1989 (= Sammlung Historica), hier Bd. 4, S. 41. 144 Dazu Peter Dinzelbacher, Angst im Mittelalter. Teufels-, Todes- und Gotteserfahrung: Mentalitätsgeschichte und Ikonographie, Paderborn 1996, S. 111. 145 Vgl. Kasper/Lehmann (Hgg.), Teufel – Dämonen – Besessenheit, S. 106. 146 Dazu Adolph Franz, Die kirchlichen Benediktionen im Mittelalter, 2 Bände, Freiburg/Br. 1909, hier Bd. 2, S. 545.

Stellenkommentar zum Redaktionstext 1

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(4) – Z. 10f.: (...) hinderklaffen (...) (Üble) Nachrede und Klatsch waren in geistlichen Gemeinschaften ein gefürchtetes Problem.147 Nach den Windesheimer Statuten für Frauenklöster gehörten sie zu den schwereren Verfehlungen, die hart bestraft wurden.148 In einer ”Sammlung von Exzerpten für Ordensleute“, die im späten Mittelalter verfasst wurde, werden Personen, die schlecht über andere sprechen, ausdrücklich als schwache Menschen dargestellt: Es ist aüch wissenlich, das dis der krancken leütt nattur ist, dz sÿ leicht vnd beraitt sind andern leütten vnrecht zţ thün vnd kaÿfflüng zemachen. Aber selber wollent sÿ mit kain widerwertigkait berürtt werden vnd aüch auß einer verkantten freÿhait sprechen sy ander leütten hertte grÿmÿche wort zţ. Aber selber mogentt sÿ nit ein cleins worttlein geleÿden.149

Unter geistlichen Schwestern kamen Klatsch und Nachrede im Vergleich zu den Brüdern erheblich häufiger vor. Leen Breure vermutet, dass zahlreiche Details in Chroniken von Schwesternhäusern nicht überliefert worden wären, wenn nicht von den Frauen „mit Eifer gelauscht und weitererzählt worden wäre.“150 Es gibt dementgegen auch Textbelege, die zeigen, dass üble Nachrede als Bestätigung von Bedeutung der vom Klatsch betroffenen Person angesehen wurde.151 In einem geistlichen Text des 15. Jahrhunderts wird beispielsweise von Erhart Gross die Auswirkung der Nachrede positiv bewertet: Dar vmb so ist es vns nücz, das wir haben widerwertigkeit vnd lewt, die nicht gucz von vns reden, auch ob wir vnschuldig sein, das wir werden behalten vor hoffart vnd beharren in der demut. Wan wir also von den lewten werden verlaßen vnd versmecht vnd für nicht gehalten, dann so stet vns gott pey.152

_____________ 147 Siehe dazu zum Beispiel Ferdinand Vetter (Hg.), Das Leben der Schwestern zu Töß, beschr. v. Elsbet Stagel samt der Vorrede von Johannes Meier und dem Leben der Prinzessin Elisabet von Ungarn, Berlin 1906. (= DTM 6), S. 23, Z. 20-22. 148 Dafür Rudolf Th. M. van Dijk, De constituties der Windesheimse vrouwenkloosters vóór 1559: bijdrage tot de institutionele geschiedenis van het kapittel van Windesheim, Nimwegen 1986 (= Middeleeuwse Studies 3), S. 414f. und 796-800. Auch in den Statuten des Ortenkonvents werden diese Vergehen und deren notwendige Bestrafungen mehrmals erwähnt; siehe van Elsen/Hoevenaars (Hgg.), Analecta Gysberti Coeverincx, Bd. 2, S. 182 und 191f. 149 ”Sammlung von Exzerpten für Ordensleute“, München, Bayerische Staatsbibliothek, cgm 447, fol. - und -, hier fol. . 150 Leen Breure, Männliche und weibliche Ausdrucksformen in der Spiritualität der Devotio moderna, in: P. Dinzelbacher und D. R. Bauer (Hgg.), Frauenmystik im Mittelalter, Ostfildern/Stuttgart 21990, S. 231-255, hier S. 241. 151 Ringler wertet solche Beispiele als Topoi; ders., Viten- und Offenbarungsliteratur, S. 172. 152 Erhart Gross, ”Nonnenwerk“, Nürnberg, Stadtbibliothek, Cent. VII 81, fol. -, hier fol. .) Siehe zu diesem Text auch das Kapitel VIII, Pkt. 3.1. – Der Kartäuser Gross schreibt gleichwohl im selben Text: „Es ist vil pesser, das ein mensch gancz sweig, dann das er zü vil rede.“ (ebd. fol. ).

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Edition des Redaktionstextes 1 nach SG2

(5) – Z. 18f.: (...) das er gezwungen wurd von dem, der jnn geschaffen hett, dysse puncten den swestern zu sagen. Die Frage nach dem Wahrheitsgehalt der Äußerungen von Dämonen wurde im Mittelalter vielfach thematisiert und diskutiert. Da dem Teufel und seinen Helfern alles Schlechte und Böse zugeschoben wurde, bedurfte es erheblicher Anstrengungen, um geistlich lebende Menschen davon zu überzeugen, dass Dämonen auch Gottgefälliges vermitteln können.153 Im Text von der besessenen Schwester Agnes wird daher immer wieder versichert, dass es christliche Wahrheit sei, die der Dämon verkündet. Die nachfolgende Zusammenstellung von Fundstellen zeigt, dass diese Versicherungen besonders im ersten Drittel des Textes häufig und regelmäßig erscheinen: Z. 68, 125, 182-185, 202-222, 306-309, 343-347, 378-381, 455f., 699-701, 859-861, und 1267-1273. (6) – Z. 40: (...) zittlichs gütt (...)154 Bei der Aufnahme in geistliche Gemeinschaften wurden von neuen Mitgliedern in der Regel Sachwerte oder Geld als ’Mitgift‘ in den Konvent eingebracht.155 Gudrun Gleba hat dazu Anweisungen zur Aufnahme von Novizinnen aus dem Benediktinerinnenkloster Willebadessen, in denen Details über ’Mitgift‘, Kost- und Schulgeld genannt werden, transkribiert und kommentiert.156 Je nach Umfang dieser ’Aussteuer‘ und Geldzahlungen erhielten Schwestern nicht selten Privilegien, die Erleichterungen im monastischen Alltag mit sich brachten. Solche Regelungen führten verständlicherweise zu Spannungen und auch Parteiungen.157 Da mittelalterliche geistliche Kommunitäten aber auch Wirtschaftseinheiten waren, die sich möglichst weitgehend selbst zu versorgen hatten, waren diese Sachwerte oder Geldbeträge mitunter dringend erforderlich, um die notwendigsten Bedürfnisse der Konventualinnen abzudecken, zumal seit dem 14. Jahrhundert das Adelsprivileg durchbrochen war und hohe Eintrittszahlungen deshalb zunehmend seltener wurden. _____________ 153 Weitere Ausführungen dazu im Kapitel VI, Pkt. 3.1. 154 Siehe zum Begriff zittliche ding auch Z. 562 sowie den Kommentar (48). 155 Nicht wenigen Frauen wird der Eintritt in ein Kloster verweigert worden sein, weil ihre finanziellen Mittel nicht ausreichten; vgl. dazu Überlegungen von Christian Folini und Alberto Palai, Die Dominikanerinneklöster Töß und St. Katharinental. Sozialgeschichtliche Annäherungen, in: G. Signori (Hg.), Lesen, Schreiben, Sticken und Erinnern, S. 91-108, hier S. 101. 156 Gleba, Reformpraxis und materielle Kultur, S. 143-145, Text, S. 216-218. 157 Siehe dazu auch den Kommentar (82).

Stellenkommentar zum Redaktionstext 1

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(7) – Z. 50f.: Vff ain zitt warent die swestern zu dem hailligen sacrament gangen vnd hatten sich tracklichen gehalten an irm gebett. Die richtige Vorbereitung zur Kommunion, der symbolischen Teilhabe an Leib und Blut Christi, war ein ständiges Problem, das in zahlreichen Texten der Zeit zu finden ist. Gerard Zerbolt van Zutphen zufolge war eine ausreichende Vorbereitung auf die Kommunion in jedem Fall unmöglich.158 Heinrich Seuse hingegen gibt für diesen Teil der Eucharistie, die in Wortfeier und Opferfeier unterteilt werden kann,159 folgende Empfehlung: Du solt mich enphaen wirdeklich und solt mich niessen demueteklich und solt mich behalten ernstlich, in gemahellicher minne umbschliezen, in goetlicher wirdekeit vor ovgen haben; geistlicher hunger und gegenwúrtiger andacht sol dich zuo mir triben me denne gewonheit.160

Bei Johannes Tauler, der nach seiner Ausbildung sein Leben lang als Prediger und Seelsorger vornehmlich in der cura monialium wirkte,161 heißt es dazu: (...) wem sin súnde nút leit ensint und sich nút wil hueten, der wirt in der worheit schuldig an dem lichamen unsers herren, und sich selber nút gepruefet enhant: dar umbe sint ir vil krank und vil slaffig.162

Als Voraussetzung eines würdigen Kommunionempfangs galten ein Schuldbekenntnis und die Absolution der Sünden, außerdem der Glaube an das Sakrament und das Verlangen danach sowie ein uneingeschränkter und konzentrierter Mitvollzug der Feier.163 Durch Begriffe wie andaechtigklichen oder lutter, die im Text von der besessenen Schwester Agnes im Zusammenhang mit Erwähnungen der Eucharistie immer wieder stehen, wird auf diese Bedingungen verwiesen. Bisweilen fehlte es den Schwestern aber an der rechten Andacht, an der inneren Bereitschaft und religiösen Hingabe (Feurigkeit), nicht selten wohl, weil sie durch zu wenig Schlaf oder langes Fasten geschwächt waren. Den Vorstellungen nach trieb der Dämon zudem gerade bei der Vorbereitung zur Feier der Eucharistie gern sein Unwesen. In An_____________ 158 Dazu G. H. Gerrits, Inter timorem et spem. A study of the Theological Thought of Gerard Zerbolt of Zutphen (1367-1398), Leiden 1986 (= Studies in Medieval and Reformation Thought 37), S. 219-221. 159 Zu dieser Unterteilung siehe Arnold Angenendt, Geschichte der Religiosität im Mittelalter, Darmstadt 1997, S. 490. 160 Karl Bihlmeyer (Hg.), Heinrich Seuse, Deutsche Schriften, Stuttgart 1907, unveränderter Nachdruck Frankfurt/Main 1961, S. 296, 22-26. 161 Vgl. dazu Louise Gnädinger und Johannes G. Mayer, Artikel Tauler, Johannes OP, in: 2VL 9, Sp. 631-657, hier Sp. 634. 162 Ferdinand Vetter (Hg.), Die Predigten Taulers. Aus der Engelberger und der Freiburger Handschrift sowie aus Schmidts Abschriften der ehemaligen Straßburger Handschriften, Berlin 1910 (= DTM 11), S. 297. 163 Dazu Acklin Zimmermann, Gott im Denken berühren, S. 100 u. Ringler, Viten- und Offenbarungsliteratur, S. 234. – Nach dem Abschluss meiner Arbeit ist eine Studie von Antje Willing zur Eucharistie in Frauenkonventen erschienen, auf die an dieser Stelle ausdrücklich hinzuweisen ist; dies., Literatur und Ordensreform im 15. Jahrhundert. Deutsche Abendmahlsschriften im Nürnberger Katharinenkloster, Münster 2004 (= Studien und Texte zum Mittelalter und zur frühen Neuzeit 4).

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Edition des Redaktionstextes 1 nach SG2

lehnung an Hiob 1, 6 führt Thomas von Kempen im 4. Buch von De imitatione Christi dazu aus: Ipse nequam spiritus, ut in Iob scribitur venit inter filios Dei: ut solita illos nequitia sua perturbet aut timidos nimium reddat et perplexos; quatinus affectum eorum minuat vel fidem impugnando auferat: si forte aut omnino communionem relinquant, aut cum tepore accedant.164

Eine weitere Schwierigkeit hinsichtlich einer zureichenden Vorbereitung auf die Eucharistiefeier bestand in dem Verlangen der Schwestern, mit Christus personal zu kommunizieren. Es ist deshalb verständlich, dass sich die Möglichkeit einer geistlichen Kommunion als vollwertiger Ersatz für die sakramentale Eucharistiefeier entwickelte.165 Acklin Zimmermann hat gezeigt, dass sich die Berichte von der Gnadenwirkung der Eucharistie in dominikanischen Nonnenviten zwar an überkommenen scholastischen Auffassungen etwa des Thomas von Aquin orientieren, dass sie hinsichtlich der Gleichrangigkeit der (sichtbar) sakramentalen und der (nur) geistlichen Kommunion aber von der Meinung des Aquinaten abweichen und den Auffassungen Taulers und Seuses entsprechen, wonach der Gnadenempfang nicht an die Sakramente gebunden ist und auch ohne diese erfolgen kann.166 Die Aneignung dieser Einstellung ermöglichte es den Schwestern, eine unmittelbare und weitgehend unkontrollierbare Kommunikation mit Christus aufzubauen. Da die geistliche Kommunion an Christus allein gebunden war, verlor der Priester als Sakramentenspender erheblich an Bedeutung, was in pastoral-theologischer Hinsicht nicht unproblematisch war.167 Vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum der Dominikaner und Ordensreformer Johannes Meyer (1422-1485) in seinem Buch der Ersetzung den Bedürfnissen der Schwestern entgegenkam und empfahl: „Item von sündriger gnad mögent die swestren gan zu dem heilligen sacrament einest zu acht tagen.“168 _____________ 164 Pohl (Hg.), Thomas von Kempen, Opera omnia, Bd. 2: Imitatione Christi, S. 116, 22-28 u. 117, 1. (Übersetzung: Der böse Geist kommt, wie bei Hiob geschrieben steht, unter die Söhne Gottes, damit er jene mit seiner gewohnten Bosheit beunruhigt oder sie zu Furchtsamen und Verwirrten macht; insofern mindert er ihre Liebe oder zerstört durch seine Anfechtungen ihren Glauben, wenn sie die Kommunion zunehmend ganz unterlassen oder doch mit Mattigkeit vollziehen.) [Übersetzungen lateinischer Zitate wurden jeweils von mir vorgenommen]. – Siehe zur (unzureichenden) Vorbereitung auf das Sakrament auch ebd. Buch 4, Kap. 2-4, 12, 14 und 18. 165 Vgl. zur Gegenwart Gottes während der Kommunion auf rein geistigem Wege Sven Grosse, Heilsungewißheit und Scrupulositas im späten Mittelalter. Studien zu Johannes Gerson und Gattungen der Frömmigkeitstheologie seiner Zeit, Tübingen 1994 (= Beiträge zur Historischen Theologie 85), S. 198-214, bes. S. 198 und S. 213f. 166 Siehe dafür Acklin Zimmermann, Gott im Denken berühren, S. 96, 105 und 169. 167 Vgl. zu diesem Aspekt Acklin Zimmermann, Gott im Denken berühren, S. 103 und 118. 168 Johannes Meyer, Buch der Ersetzung, fol. -, hier fol. . Ich zitiere folgend nach der Handschrift Bloomington, Indiana University, Lilly Library, Manuscripts De-

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Im Text von der besessenen Schwester Agnes liegt die Akzentsetzung des Kommuniongeschehens eindeutig auf der Transsubstantiation und damit auf der Bedeutung der realen Präsenz des Gottessohnes, an der sogar noch Luther festhielt.169 Der Opferaspekt der Eucharistie, also die Identität der am Kreuz und während der Eucharistie erbrachten Opfergabe im Leib Christi, ist von untergeordneter Bedeutung. Daraus kann geschlossen werden, dass der Text für Rezipientinnen verfasst wurde, denen besonders an einer personalen Beziehung zum Gottessohn gelegen war. (8) – Z. 57: (...) fürigkait (...) Mit fürigkait wird bei den modernen Devoten die innere, leidenschaftliche Ausrichtung des Menschen zu Gott umschrieben, das vom Herz ausgehende Begehren, den vorgeschriebenen geistlichen Weg zu gehen. John van Engen bezeichnet das Bild von der inneren Feurigkeit als das mit Abstand häufigste im Sprachgebrauch der modernen Devoten.170

(9) – Z. 63f.: (...) vmb das er ainen ogenplick lang mocht jn dem ewigen leben sechen, das er vormals da gesechen hat. Wie auch in den Zeilen 152f., 215f., 782f. und 1110 wird der Dämon an dieser Stelle als ein gefallener Engel spezifiziert.171 Hier erscheint er als reumütiger gefallener Engel, der sich Gott gegenüber demütig verhalten möchte. Am Ende des Textes wird er hingegen als starrköpfig und reuelos geschildert:172 (...) wenn jr also verkertt vnd entsetzt sind von hertzen, kumpt uch wol jn, das jr uch sond demüttigen, jr wollen es och dan nit tün, vnd da mit werden jr vns gelich. Vnd so jr ie mer vnd bas dar by beliben, so jr vns gelicher werden, wan wir wollent vns nit biegen.173

_____________ 169

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partment, Ricketts mss. 198, weil diese Abschrift im St. Katharinenkloster in Nürnberg nur etwa ein Jahr nach dem Entstehungsdatum des Textes angefertigt wurde. Calvin sprach demgegenüber von geistiger Gegenwart und Teilnahme, Zwingli lehnte diese Vorstellung ab; dazu Susan Karant-Nunn, „Gedanken, Herz und Sinn.“ Die Unterdrückung der religiösen Emotionen, in: B. Jussen und C. Koslofsky (Hgg.), Kulturelle Reformation. Sinnformationen im Umbruch 1400-1600, Göttingen 1994 (= Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 145), S. 69-95, hier S. 85. Vgl. John van Engen (Hg.), Devotio Moderna. Basic writings, New York 1988, S. 34. Siehe für weitere Ausführungen zum gefallenen Engel auch das Kapitel VI, Pkt. 5.2. Vgl. zu bereuenden und reuelosen Besessenheitsdämonen die Unterscheidung bei P. Schmidt, Der Teufels- und Dämonenglaube in den Erzählungen des Caesarius von Heisterbach, S. 39. SG2, Z. 1023-1026.

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(10) – Z. 75f.: (...) jn dem cappitel (...) Gemeint ist hier die Abhaltung eines Schuldkapitels, das nach den Windesheimer Statuten für die Frauenklöster wöchentlich stattfinden sollte.174 Der Zweck solcher Kapitel bestand in der Disziplinierung der Konventsmitglieder. In Dominikanerinnenkonventen hatten sich nach einer zuvor bestimmten Gebetszeit alle Schwestern unter dem Vorsitz der Priorin im Kapitelsaal einzufinden. Es wurde zunächst der Kalender bekannt gegeben, dann aus den Konstitutionen oder dem Evangelium gelesen, bevor das Gebet stattfand und die lectio erfolgte. Anschließend hatten die Schwestern ihre Schuldbekenntnisse hervorzubringen. Jeweils einzeln mussten sie vor allen Mitschwestern175 ihre Vergehen bekennen, indem sie auf dem Boden liegend mit ausgestreckten Gliedmaßen, die in der Form eines Kreuzes zu platzieren waren,176 sprachen. Bei den Tertiarinnen aus Utrecht hatte die jüngste Schwester zuerst ihre Vergehen hervorzubringen.177 Für den Wortlaut der Schuldbekenntnisse gab es formelhafte Wendungen. Der folgende Text, der im 15. Jahrhundert von einer Schwester aus dem St. Katharinenkloster in St. Gallen geschrieben wurde, zeigt Form und Inhalt solcher Schuldbekenntnisse: Würdige liebi mţter Priorin. Ich gib mich schuldig, dass ich gesündiget habe, in übertretung des hl. silencium, dass ich saumselig zum dienst Gottes gewesen und langsam in den chor kommen bin, dass ich übel gesungen und gelesen habe, dass ich nicht fleissig etc. In diesen und vielen anderen sachen hab ich gesündiget. Mea culpa. Ich begehr gnad und bin willens, mit der hilfe Gottes mich zu bessern.178

_____________ 174 Dazu van Dijk, De constituties der Windesheimse vrouwenkloosters vóór 1559, S. 790-794. Zum Schuldkapitel in Frauenkonventen der Windesheimer Kongregation siehe auch die Ausführungen von Scheepsma, Deemoed en devotie. De koorvrouwen van Windesheim en hun geschriften, Amsterdam 1997 (= Nederlandse literatuur en cultuur in de Middeleeuwen 17), S. 55-59. In den Dominikanerinnenklöstern war die selbe Häufigkeit gefordert; siehe Lucas Holstenius (Hg.), Codex regularum monasticarum et canonicarum, Augsburg 1759, unveränderter Nachdruck Graz 1957/58, Bd. 4: Constitutiones sororum Ordinis Praedicatorum, S. 128-140, hier S. 139f. Bei den Tertiarinnen des 15. Jahrhunderts aus Utrecht sollte das Schuldkapitel alle vierzehn Tage abgehalten werden; dafür Maurits Vandecasteele, Twee vijftiende-eeuwse redacties in de volkstaal van statuten voor tertiarissen, in: OGE 70 (1996), S. 240-268, hier S. 256 und 265. 175 Siehe dazu SG2, Z. 868f.: „(...) jn gemain vor den swestern die gebresten zu offenbaren (...)“. 176 Thomas Lentes konstatiert im späten Mittelalter einen Paradigmenwechsel bei der Bewertung der geistlichen Körpergebärde. Diese hatte zunehmend nur noch Bedeutung, wenn dem Betreffenden dadurch zu innigerer Andacht verholfen wurde; ders., „Andacht“ und „Gebärde“, S. 62f. 177 Dafür Vandecasteele, Twee vijftiende-eeuwse redacties in de volkstaal van statuten voor tertiarissen, S. 256 und 265. 178 Zitiert in: Die Frauen zu St. Katharina in St. Gallen, S. 12.

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Nach dem Bekenntnis hatten die Mitschwestern die Pflicht, die bekennende Schwester gegebenenfalls weiterer Vergehen zu beschuldigen. Auch gegen Schwestern, die kein Schuldbekenntnis hervorbrachten, konnten die Mitschwestern Anschuldigungen erheben. Die so beschuldigten Schwestern durften im selben Kapitel jedoch allenfalls ihre Unschuld beteuern, sich aber nicht verteidigen oder rechtfertigen. Ihre Strafen mussten sie nicht selten gleich verbüßen.179 Besonders aufschlussreich sind Berichte aus Frauenklöstern der Windesheimer Kongregation, wonach Schwestern immer wieder Gefallen daran fanden, sich selbst bestimmter Vergehen zu bezichtigen, die sie nicht begangen hatten.180 Im Interesse eines friedvollen Miteinanders waren nicht nur Bittgebete für Mitschwestern erwünscht, sondern auch die Übernahme von Vergehen anderer Schwestern. Es ist zu vermuten, dass dadurch Demut demonstriert werden sollte. Diese Verhaltensweise geht zurück auf eine Auffassung, die im Spätmittelalter weit verbreitet war und Gregor dem Großen zugeschrieben wurde, sich in dessen Werken aber nicht nachweisen lässt: „Bonarum mentium esse illic agnoscere culpam, ubi non est (...).“181

(11) – Z. 83f.: (...) das dysse vorgemelt besessen magt sich schampt, das sy für ain besessne personn geachtet solt sin (...) Über den Umgang mit Besessenen wurde von verantwortlichen Autoritäten aufgrund des Verhaltens entschieden, das die Besessenen gegenüber der Kirche und ihren Lehren zeigten.182 Wurden Besessenheitssymptome von den Oberen als der Ausdruck einer nicht gelingenden Anpassung an autoritativ bestätigte Normen aufgefasst, so war das mit erheblichen Risiken für die Betreffenden verbunden. Im schlimmsten Fall drohte der Ausschluss aus der Gemeinschaft. _____________ 179 Dazu van Dijk, De constituties der Windesheimse vrouwenkloosters vóór 1559, S. 790-794. 180 Dafür Ernest Persoons, Lebensverhältnisse in den Frauenklöstern der Windesheimer Kongregation in Belgien und in den Niederlanden, in: Klösterliche Sachkultur des Spätmittelalters. Internationaler Kongreß Krems an der Donau 18. bis 21. September 1978, vorgelegt v. Heinrich Appelt, Wien 1980 (= Österreichische Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Klasse, Sitzungsberichte 367 u. Veröffentlichungen des Instituts für Mittelalterliche Realienkunde Österreichs 3), S. 73-111, hier S. 91. 181 Vgl. dazu Christoph Burger, Die Erwartung des richtenden Christus als Motiv für katechetisches Wirken, in: N. R. Wolf (Hg.), Wissensorganisierende und wissensvermittelnde Literatur im Mittelalter. Perspektiven ihrer Erforschung. Kolloquium 5.-7. Dez. 1985, Wiesbaden 1987 (= Wissensliteratur im Mittelalter 1), S. 103-122, hier S. 117. Das Zitat findet man unter anderem bei Johannes Gerson, De vita spirituali, aegritudine et morte animae. 182 Siehe Adolf Rodewyk, Die dämonische Besessenheit in der Sicht des Rituale Romanum, Zürich 1963, S. 74ff.

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Für die als besessen Bezeichneten war eine solche Maßnahme verhängnisvoll, da es sich häufig wohl nicht um absichtliche Täuschungen handelte, sondern um eingebildete Besessenheitssymptome und weitgehend unbewusste Handlungen, die durch bestimmte Konflikte hervorgerufen wurden.183 Dass es bei den Schwestern zu Empfindungen von Scham gekommen ist, wenn sie solche Symptome an sich wahrnahmen, ist nachvollziehbar, weil diese als Bestrafungen für Verfehlungen angesehen wurden. (12) – Z. 96-103: „Mochten jr ain mall gesechen die glorÿ vnd den lon, den sy vff die zitt verdiennett von dem mynsten lyden, das ich jr ietzund anleg, aller welt pin, vmb sollichs zu lÿden, wurden jr für nicht achten. Vnd dysß ist nit dar vmb, das ich sÿ pinge, sunder vmb jr gedult jn dem lyden.“ Da ward jm gesait, so wurden etliche menschen vast grosß jn dem ewigen leben, die so serr hetten gelitten. Da antwurt er, das dieb vnd morder och litten, aber nit mit willen. Allain willig lyden verdienet alle zitt lon. Wiederholt wird im Text deutlich, dass Leiden ein Teil der Spiritualität der Schwestern ausmacht.184 Der Nexus von Leid und Lohn185 wird häufig in Erinnerung gebracht; ebenso der Gedanke von der Notwendigkeit der Geduld im Leiden, der im späten Mittelalter eine vielbesprochene Mahnung war.186 Außerdem findet man Berichte von Leiderfahrungen und Erklärungen zur Wirkung des Leidens, wobei des Öfteren physischer Schmerz und psychisches Leid differenziert werden. Die Ursachen des psychischen Leidens werden besonders vielfältig geschildert. Neben der Ungewissheit, ob die Sünden vergeben werden, und der Unsicherheit, ob das Heil erreicht werden kann, kommen verschiedenste Spannungen im Konventsleben zur Sprache. Außerdem werden Ängste vor dem Teufel und seinem Gefolge thematisiert. Im gesamten Text erscheinen die Wörter lyden (dreiunddreißigmal), lydens (viermal) und lydene (einmal). Außerdem findet man Wörter wie siechtag (Z. 556) und siech (Z. 433 und 916). Versucht man das Leid, das an dieser _____________ 183 Dieser Zusammenhang war in ähnlicher Weise auch im Mittelalter bekannt; dazu beispielsweise Johannes Nider, De visionibus ac revelationibus s. Formicarius a. Dialogus ad vitam Christianam exemplo conditionum formicae incitativus, Helmstedt 1692, 12. Kap., S. 662. Mit Hilfe eines solchen Verhaltens wurde nicht zuletzt der Leidensdruck eines schlechten Gewissens erträglicher, weil so dem satanischen Agieren die Verantwortung für die persönlichen Verfehlungen übertragen werden konnte. Derartige Beschönigungen der Wirklichkeit durch psychische Mechanismen findet man auch in der Visionsliteratur des späten Mittelalters; siehe zur Erklärung von Besessenheitssymptomen als psychische Mechanismen der Konfliktbewältigung Breure, Doodsbeleving en levenshouding, u.a. S. 170, 183, 206 und 210. 184 Auch in Nonnenviten ist eine Hochschätzung des Leidens nicht zu übersehen; Belegstellen dazu findet man bei R. Meyer, Das ’St. Katharinentaler Schwesternbuch‘, S. 259. 185 Für Textstellen zur Leidenstheologie, in denen der Zusammenhang von Leid und Lohn thematisiert wird, siehe Auer, Leidenstheologie im Spätmittelalter, S. 80, 88, 91 und 96. 186 Dazu ebd. S. 93, 103 und 118. – Vgl. außerdem SG2, Z. 780f.

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Textstelle gemeint ist, näher zu bestimmen, ist festzustellen, dass es nicht um das Gedenken an das Leiden des Gottessohnes (rememoratio) mit dem Ziel der compassio geht,187 sondern um das direkte menschliche Leiden im Nachvollzug des Leidens Christi.188 Die Funktionen des menschlichen Leidens sind im Mittelalter vielfältig. Leid wird durchaus nicht nur negativ bewertet.189 Zwar erscheint es als Krankheit, als physische und psychische Armut, als Verlassenheit, Angst und Schuld, aber auch als Erprobung der Festigkeit des Glaubens, als Abwehr der Hoffart und Hinführung zu Gott, wie bei Seuse, einem der bedeutendsten geistlichen Väter der modernen Devoten.190 In der Lehre der Zwölf Meister werden die Vorzüge und Wirkungen des Leidens noch positiver beschrieben.191 Leiden sollte aufgenommen werden wie ein Sakrament und bedeutete spirituelles Wachstum. Durch körperliches oder seelisches Leid konnten auch Sünden getilgt werden. Leiden diente der Vorbereitung auf das Jüngste Gericht und den Tod,192 es konnte von Strafen befreien,193 sollte den Gnadenempfang vorbereiten und war im übertragenen Sinne Zeichen der Liebe zu Gott und Zeichen der Erwähltheit durch Gott. In der spätmittelalterlichen geistlichen Literatur für Frauen ist der Leidensbegriff meist mit körperlichen Symptomen verbunden.194 Zum Konzept der Heilsgewinnung durch Leid gehörten die Askeseübungen als Selbststrafung und als imitatio. (13) – Z. 104f.: (...) dyssiplin zu nemen (...) Der Begriff ’Disziplin nehmen‘ ist als terminus technicus für die Geißelung anzusehen. Diese diente in der Regel als Buße eigener Sünden, sie konnte aber auch stellvertretend für die Verfehlungen anderer auf sich genommen werden. Während des Vollzugs der Geißelung, die nach einer Empfehlung _____________ 187 Siehe dazu die Ausführungen im Kapitel VI, Pkt. 3.3. 188 In Visionsliteratur und Schwesternviten wird berichtet, dass sich mit der Betrachtung des Leidens Christi die Schau des Schmerzensmannes, der Empfang von Gnadengaben und ekstatische Erlebnisse verbanden; vgl. dafür Ringler, Viten- und Offenbarungsliteratur, S. 285. 189 Zur Bewertung des Leidens als hohes Gut siehe Auer, Leidenstheologie im Spätmittelalter, S. 78f. 190 Bihlmeyer (Hg.), Heinrich Seuse, Deutsche Schriften, S. 133, Z. 20-25. 191 Dazu Albert Auer, Leidenstheologie des Mittelalters, Salzburg 1947, S. 71-73 und Volker Honemann, Artikel ’Sprüche der zwölf Meister zu Paris‘, in: 2VL 9, Sp. 201-205. 192 Dafür ausführlicher Lewis, By Women, for Women, about Women, S. 159-161. 193 Dazu Textstellen bei Auer, Leidenstheologie im Spätmittelalter, S. 96f. 194 Peter Dinzelbacher spricht diesbezüglich von einem „Doppelcharakter des religiösen Leidbegriffs“; ders., Artikel Freude, Leid und Glück, in: ders. (Hg.), Europäische Mentalitätsgeschichte. Hauptthemen in Einzeldarstellungen, Stuttgart 1993, S. 309.

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von Humbert von Romans gemeinschaftlich stattfinden sollte, wurden bisweilen Bußpsalmen gebetet.195 Franziskanische Gemeinschaften, die sich als ’Orden der Buße‘ verstanden, waren diesen Geißelungen besonders zugewandt,196 aber auch in den dominikanischen Schwesternbüchern werden strenge Geißelungspraktiken wie das Tragen von Eisenketten am Körper und Auspeitschungen erwähnt.197 Solche Praktiken waren jedoch eher die Ausnahme. Ihre Berichte folgen Beschreibungsmustern aus Legenden, stehen in der Tradition der Schilderungen, wie sie die Wüstenväter überliefert haben.198 Gerade in Frauenklöstern waren zu harte Geißelungen nicht selten verpönt. Es bestand die berechtigte Sorge um die Gesundheit einzelner Schwestern, da diese ernsthaft Schaden nehmen könnten und dann unter Umständen nicht mehr in der Lage waren, ihren Pflichten nachzukommen, oder sogar zum Pflegefall für die Gemeinschaft wurden. Außerdem sollten sich die Schwestern nicht durch zu harte Selbstkasteiungen vor den anderen Schwestern auszeichnen und dadurch eine Sonderstellung einnehmen.199 Die Geißelung, die als Bußübung für eigene Sünden freiwillig oder auf Anordnung durchgeführt wurde, war nicht zuletzt auch actus conformationis der Geißelung Christi. Das Leiden des Gottessohnes konnte auf diese Weise imitiert werden und war am eigenen Leib nachzuvollziehen. Dem menschlichen Körper kam dabei die Funktion zu, als sühnende Opfergabe zu dienen. Der Ausgangspunkt dieses Sühneverständnisses besteht in der im Spätjudentum weit verbreiteten Vorstellung vom sühnenden Märtyrertod, der dann im christlichen Glauben als Teilhabe am Leiden Christi verstanden wurde.200 Wo immer dyssiplin aus freiem Willen zur Anwendung kam, wurde also sehr deutlich die innere Bereitschaft zur Demut demonstriert.201 (14) – Z. 106f.: Ain mensch mocht mit sollicher demüttigkait nun fünff schleg nemen, er wurd me den fünff hundert jar fegf)rs da mit ablegen. Die Geißelung war auch ein Mittel, um Jenseitsängste abzubauen. Wenn die Schwestern Leid im Diesseits willig ertrugen, konnten sie sich Hoffnungen machen, der ewigen Verdammnis eventuell ganz zu entgehen. _____________ 195 Siehe für weitere Erklärungen dazu R. Meyer, Das ’St. Katharinentaler Schwesternbuch‘, S. 221. 196 Dazu Egid Börner OFM, Dritter Orden und Bruderschaften der Franziskaner in Kurbayern, o. O. 1988 (= FrF 33), S. 172. 197 Lewis, By Women, for Women, about Women, S. 255. 198 Vgl. Alois M. Haas, Geistliches Mittelalter, Freiburg/Schweiz 1984 (= Dokimion 8), S. 111. 199 Dazu Ringler, Viten- und Offenbarungsliteratur, S. 163. 200 Dafür Acklin Zimmermann, Gott im Denken berühren, S. 111, Anm. 171. 201 Vgl zu diesem Zusammenhang Reissenberger (Hg.), Das Väterbuch, S. 284.

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(15) – Z. 111: (...) gaistlichen (...) Mit dem Terminus ist nicht eine Standesbezeichnung gemeint, sondern, wie überwiegend im Text von der besessenen Schwester Agnes, das auf Gott ausgerichtete Streben des Menschen.202 Die Unterscheidung von ’geistlich‘ und ’leiblich‘ steht im Text durchweg für die Differenz von spiritualiter und corporaliter.203 Als das Fundament aller Geistlichkeit werden Demut und Liebe genannt.204 Für ein geistlich vollkommenes Leben bedarf es des Gehorsams, der Demut und der Bereitschaft zur aufrichtigen Beichte.205 (16) – Z. 118: (...) gnad (...) Im späten Mittelalter ist der Begriff gnad im Allgemeinen sehr weit gefasst.206 Auch im Text von der besessenen Schwester Agnes kommen dem Terminus die verschiedensten Bedeutungen zu. An dieser Stelle erscheint das Wort, wie des Öfteren im Text, im Zusammenhang mit Taten. Im Tun oder Unterlassen wird Gnade (gracie) als helfende Gabe Gottes erfahren. Das Wort bezeichnet hier also eine persönliche Erfahrung, nicht wie in der scholastischen Terminologie ein theologisches Wissen. Gnade erscheint zugleich als Huld, als Hilfe von Gott. Wird diese dem Menschen verliehen, ist sie eine Gabe, ein Geschenk.207 Die Gnade umfasst dabei nicht nur das Geschenkerlebnis selbst, sondern bezeichnet auch den Zustand des Begnadetseins, der sich über einen längeren Zeitraum erstrecken kann.208 Als sinnlich erfahrbare Gnadengaben galten vor allem Auditionen, Levitationen, Tränen, besondere Geschmacksempfindungen und Gerüche sowie Lichterscheinungen und Stigmatisationen.209 _____________ 202 Vgl. dazu auch SG2, Z. 412, 478, 755, 798f., 1055, 1158. 203 Auch die Opposition ’geistlich‘ und ’weltlich‘ kommt vor: SG2, Z. 509: „(...) vff gaistlichen stetten weltlich geberde zu haben (...)“. 204 SG2, Z. 1179-1187. 205 Siehe dazu den Kommentar (61) zur tria substantialia des Textes. 206 Zur Bedeutungsvielfalt des Wortes ’Gnade‘ im späten Mittelalter vgl. Ringler, Viten- und Offenbarungsliteratur, S. 178-182 und R. Meyer, Das ’St. Katharinentaler Schwesternbuch‘, S. 203f. sowie die dort jeweils angegebene Literatur. 207 An einer Textstelle ist dieser Geschenkcharakter so sehr betont, dass für den Bedeutungsgehalt gnad synonym das Wort gab steht; (SG2, Z. 709f.): „(...) vnd jr möchten nach nüwe menschen werden, wölten jr dyser nüwen gab warnemen.“ 208 Zur Unterscheidung von gratia externa und gratia interna und ihrer Bedeutung in dominikanischen Schwesternviten siehe Blank, Die Nonnenviten des 14. Jahrhunderts, S. 114-117. 209 Für Textbeispiele solcher und ähnlicher Gnadengaben aus Schwesternbüchern siehe Lewis, By Women, for Women, about Women, S. 76-86 und Blank, Die Nonnenviten des 14. Jahrhunderts, S. 117-123. Zur Gnadengabe der Tränen siehe den Kommentar (69).

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Obwohl die Gnade als unverdientes und unverdienbares Geschenk Gottes begriffen wurde,210 die stets ungeachtet der Person erfolgte,211 konnte auf Gottes Gnade besonders der hoffen, der ein demütiges Verhalten zeigte.212 In geistlichen Texten des späten Mittelalters wird deshalb die Gnade bisweilen als Lohn beschrieben.213 Auch im Text von der besessenen Schwester Agnes findet man solche Formulierungen: „Der schöpffer will ainen ieglichen belonnen nach der grösse siner liebe vnd geflissenhait.“214 Die Frage, ob es sich bei dem Gnadenverkehr mit Gott um einen Synergismus handele oder ob letztlich auch die Fähigkeit, Verdienste zu erwerben in der Gnade Gottes gründete, führte zu einem dogmengeschichtlichen Streit, dessen Exponenten in der Nachfolge von Paulus, dem Theologen der Gnade, vor allem Augustinus und Cassian waren.215 In Nonnenviten wird mit gnad bisweilen ganz allgemein gut, daz mir got tut beschrieben. Doppelformen wie gnad vnd gab oder gutes und gab kommen deshalb vor.216 Solche Wendungen finden sich auch im Text von der besessenen Schwester Agnes.217 An einigen Textstellen erscheinen überdies die Wörter wunder oder wunderlichen als Synonyme für Gnade oder gnadenhaft,218 wobei in diesen Fällen deutlich auf das Zeichenhafte von Gnade abgezielt wird.219 Wunder sind Zeichen der Liebe Gottes zum Menschen und sollen ihre Antwort in der Liebe des Menschen zu Gott finden. In diesem Zusammenhang besteht darüber hinaus ihre heilsgeschichtliche Be_____________ 210 So auch in SG2, Z. 837-839: „Vff ani zitt sprach er aber, als gross gnad vnd güttigkaitt were es, die gott jn den tagen den swestern für hüb, vnd das sy billichen dar nach grÿffen sölten als nach ainem grossen vnd cosperen schatz.“ 211 Siehe dazu etwa SG2, Z. 566f.: „Vnd jr sond mercken, das gott offt den ainfaltigen vnd schlechten me gnad gybt, denn den klugen.“ 212 Vgl. I. Petrus 5, 5: „Gott widersteht den Hoffertigen, aber den Demütigen gibt er Gnade.“ – Neben der Beichte und den Meßfeiern war es vor allem die Eucharistie, als intimste menschliche Antwort auf die göttliche Liebe, die den Empfang göttlicher Gnade ermöglichte. 213 Zum Lohn-Motiv bei der Beschreibung von Gnade siehe Ringler, Viten- und Offenbarungsliteratur, S. 241. 214 SG2, Z. 1115f. 215 Dazu Angenendt, Geschichte der Religiosität im Mittelalter, S. 529. 216 Dafür R. Meyer, Das ’St. Katharinentaler Schwesternbuch‘, S. 204. 217 SG2, Z. 282f.: „(...) das jr vndanckpar sind der nüwen gnad vnd gab, die uch der schöpffer geben hatt (...)“ oder SG2, Z. 464f.: „(...) das jnnen nun so grosse gnad vnd gracias (...) bewyst wurde“ oder SG2, Z. 837: „(...) als gross gnad vnd güttigkaitt“ sowie SG2, Z. 940f.: „Die das tünd, die nement der gracias gotts vnd gnaden jn jnnen selbs war.“ – Mit gratias wird auch ein Dankgebet (gratias agamus deo) bezeichnet, das nach Tisch gesprochen wurde; dazu Xenia von Ertzdorff und Ulrich Seelbach (Hgg.), Florent et Lyon – Wilhelm Salzmann: Kaiser Octavianus. (= Internationale Forschungen zur Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft 4), Amsterdam/Atlanta 1993, S. 381. 218 Siehe SG2, Z. 52f., 59, 392, 740 und 741. 219 Dafür Ringler, Viten- und Offenbarungsliteratur, S. 181.

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deutung.220 Die praktischen Zuordnungen göttlicher Gnade wie Liebe, Treue und auch Barmherzigkeit221 spielen im Text nur eine untergeordnete Rolle. Die Tugend der Barmherzigkeit etwa, die in der Krankenpflege sowie im Dienst an Sterbenden und Armen gezeigt werden sollte, ist eingeschränkt auf das schwesterliche Gemeinschaftsleben.222 (17) – Z. 127f.: (...) da mit kument jr vn fegfür zu dem ewigen leben vnd das ist mängen menschen geschechen, also wol gevallt gott die demüttigkait. Der Demut kam in der Spiritualität der modernen Devoten eine ganz zentrale Bedeutung zu, deren wesentliche Wurzeln bei Bernhard und in franziskanischem Gedankengut zu finden sind.223 In seiner Schrift Recommendatio humilitatis bezeichnet Thomas von Kempen die Demut als fundamentum omnis virtutis beziehungsweise als radix virtutum.224 Die Tugend der Demut, deren Ausgangspunkt die Selbstrelativierung sei, schaffe die notwendige Grunddisposition für ein Freisein vor Gott.225 Eine ganz ähnliche Auffassung vertritt Hendrik Herp im Spieghel der volcomenheit.226 Im Text von der besessenen Schwester Agnes wird die Demut mehrfach im Zusammenhang mit Gehorsam genannt, dessen Voraussetzung sie ist. Die Schwestern können sich demütig zeigen, indem sie sich bedürfnislos geben, alles Weltliche verachten, sich selbst gering schätzen und indem sie freiwillig wenig geschätzte Aufgaben und Ämter übernehmen. (18) – Z. 129-135: Jr sollent uch also von grund ewers hertzen demüttigen, ob ieman käme vnd geb uch ainen straich ani ewern hals oder backen … das jr uch den dar jn fröwent vnd gedächten, das jr sollichs wol verdienet hetten. Diese Mahnung zur Demut ist eine Anspielung auf das biblische Gebot der Feindesliebe (Mt 5, 38). Als Zeichen der affektiven Teilnahme am Leiden Christi sind auch Schläge von Menschenhand ein Mittel, um compassio _____________ 220 Vgl. Ringler, Viten- und Offenbarungsliteratur, S. 256. 221 Dazu ausführlich ebd. S. 178-182. 222 Die Sorge für die Armen und Kranken galt zwar als Beweis für Tugend, doch dienten derartige Bemühungen in erster Linie nicht dazu, irdisches Elend zu mildern. Es ging vielmehr darum, den einzelnen Schwestern bleibende Verdienste vor Gott einzutragen, die am Jüngsten Tag positv zu Buche schlagen sollten. 223 Siehe dazu etwa Gerrits, Inter timorem et spem, S. 299. 224 Pohl (Hg.), Thomas von Kempen, Opera omnia, Bd. 2, S. 377 und 380. 225 Dazu Paul van Geest, Erika Bauer und Burghart Wachinger, Artikel Thomas Hermerken von Kempen (Hamerken, Hamerkein, Malleolus; a Kempis) CanAug, in: 2VL 9, Sp. 862-882, hier Sp. 865f. 226 Verschueren (Hg.), Hendrik Herp O.F.M., Spieghel der volcomenheit, Bd. 2, S. 117, 32-35.

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mit dem leidenden und verspotteten Christus zu zeigen. In der Passionsmeditation findet man diese Empfehlung etwa bei Ludolf von Sachsen.227 Weitaus verbreiteter waren in Frauenkonventen aber die Selbstgeißelungsakte mit Ruten.228 (19) – Z. 145f.: (...) gelassne (...) Der gelassne Mensch befindet sich in einem Zustand des Losgelöstseins von allem Weltlichen. Er ist bereit, alles Nicht-Göttliche ’loszulassen‘ und zu ’verlassen‘. Gleichzeitig übergibt er sich Gott, überlässt ihm seine Seele.229 Nur in diesem Zustand kann die Seele vom Heiligen Geist ergriffen und mit Gnade erfüllt werden.230

(20) – Z. 149: (...) zu den tugenden geben (...)231 Die Betonung des Strebens nach Tugenden wird im Text des Öfteren zum Ausdruck gebracht.232 Solche bisweilen stereotyp wiederholten Aufforderungen kommen in Schriften, die aus den Observanzbewegungen hervorgegangen sind, oft vor. Geradezu charakteristisch sind sie für Texte, deren Ursprung im Milieu der modernen Devoten zu finden ist. Nikolaus Staubach spricht im Zusammenhang mit diesem Charakteristikum von einem hinreichenden „Identitätsmerkmal der devoten Häuser“.233 John van Engen bezeichnet das Tugendstreben sogar als das „Leitmotiv“ der ganzen devoten Bewegung.234 _____________ 227 Dazu Fritz Oskar Schuppisser, Schauen mit den Augen des Herzens, in: W. Haug und B. Wachinger (Hgg.), Die Passion Christi in Literatur und Kunst des Spätmittelalters, Tübingen 1993, S. 169-210, hier S. 177, 190. Schuppisser bezieht sich auf Ludolf von Sachsen, Vita Jesu Christi e quatuor Evangeliis et Scriptoribus orthodoxis concinnata, hg. v. A.-C. Bolard u.a., Paris/Rom 1865. 228 Zur häufigen Selbsbestrafung mit Ruten siehe Dirk A. Brinkerink (Hg.), Van den doechden der vuriger ende stichtiger susteren van Diepen veen („handschrift D“), Leiden 1904 (= Bibliotheek van Middelnederlandsche Letterkunde 70-74), S. 306 oder De Man (Hg.), Hier beginnen sommige stichtige punten van onsen oelden susteren, S. 217f. 229 Dafür Ludwig Völker, „Gelassenheit“. Zur Entstehung des Wortes in der Sprache Meister Eckharts und seiner Überlieferung in der nacheckhartschen Mystik bis Jacob Böhme, in: F. Hundsnurscher und U. Müller (Hgg.), ’Getempert und Gemischet‘, FS für W. Mohr, Göppingen 1972 (= GAG 65), S. 281-312, hier S. 282-285 u. S. 302f. 230 Diese Auffassung wird etwa in Eckharts Predigt Quit audit me anschaulich differenziert. 231 Siehe dazu auch den Kommentar (51), in dem die im Text speziell hervorgehobenen Tugenden und der Tugenderwerb erläutert werden. 232 Siehe dafür beispielsweise SG2, Z. 477f., 796-799 und 1358f. 233 Nikolaus Staubach, Pragmatische Schriftlichkeit im Bereich der Devotio moderna, S. 424. 234 John van Engen (Hg.), Devotio Moderna, S. 30.

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In Anlehnung an Überlegungen von Augustinus galt für die Exponenten der Devotio moderna, dass der Mensch über seine individuellen Eigenschaften hinaus „zum Ganzen zu wachsen“ habe, zur Vollendung, in der Gott alles umfasst.235 Geert Groote, der zusammen mit Johannes Brinckerinck als Begründer des weiblichen Zweiges der Devotio moderna gilt, war bestrebt, alle Menschen guten Willens für ein christliches Leben nach den apostolischen Idealen der Urkirche zu gewinnen, um dadurch der Entwicklung zur Verweltlichung, zum Wohlleben und zu religiöser Gleichgültigkeit durch simplicitas entgegenzuwirken.236 Zu den wichtigsten Zielen der devoten Schwesternbewegung, die schon in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts einen enormen Aufschwung erlebte, gehörten der Rückzug aus der Welt und damit die Hinwendung zur Meditation und zum Privatgebet, die Unabhängigkeit der geistlichen Versorgung und die Entwicklung geistlicher Tugenden bis zur Stufe der Vollkommenheit.

(21) – Z. 155-158: Da was anis, das sy ain wenige vnsuberkait von jrem kyttel geweschen hat vn erlobung. Das ander, das sy ain nasß hemdt, das sy jn der arbait swaissig gemachet hat, anibehielt vnd jr nattur da mit krenckt. Über Bestrafungen für solche Vergehen findet man in den Statuten des Ortenkonvents, die nach einer Abschrift von 1554 ediert worden sind, detaillierte Ausführungen.237 In diesen in fünfzig Kapitel unterteilten Statuten en gebruiken wird neben dem genauen Tagesablauf der Schwestern auch der korrekte Umgang mit der Kleidung (S. 184f.) beschrieben.238 Nach den Statuten der Windesheimer Frauenklöster gehörte es zu den Obliegenhei_____________ 235 Dazu etwa Georgette Epiney-Burgard, Die Wege der Bildung in der Devotio moderna, in: H. Boockmann, B. Moeller u.a. (Hgg.), Lebenslehren und Weltentwürfe im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Politik – Bildung – Naturlehre – Theologie. Bericht über Kolloquien der Kommission zur Erforschung der Kultur des Spätmittelalters 1983 bis 1987, Göttingen 1989 (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Philol.-Hist. Klasse, 3. Folge, Nr. 179), S. 181-200, hier S. 197f. 236 In den Zielen der modernen Devoten erkennt Georgette Epiney-Burgard eine Form des Humanismus, wenngleich nicht des gelehrten, und kommt hinsichtlich einer Einschätzung der anthropologischen Bedeutung der Devotio moderna zu einer ähnlichen Auffassung, jedoch mit einer anderen Akzentuierung: „Das Neue bei ihr bleibt in einem Mosaik von traditionellen Einsichten verborgen“; ebd. S. 192 und 199. 237 Dazu van Elsen/Hoevenaars (Hgg.), Analecta Gysberti Coeverincx, Bd. 2, S. 172-192. 238 Auch wenn nicht davon ausgegangen werden kann, dass die in den Windesheimer Statuten festgeschriebenen Richtlinien mit den früheren Statutenbüchern von Häusern der Schwestern des gemeinsamen Lebens völlig übereinstimmten, so hatten sie doch nach van Dijk die „Grundstruktur ganz und den Inhalt mehr oder weniger“ gemeinsam; ders., De constituties der Windesheimse vrouwenkloosters vóór 1559, S. 913. – Zu Statutenbüchern für einzelne devote Schwesternhäuser siehe Rehm, Die Schwestern vom gemeinsamen Leben im nordwestlichen Deutschland, S. 189, Anm. 31.

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ten der Kleider-Meisterin, Schwestern zu melden, die ihre Kleidung verunreinigten oder nicht pflegten.239 Die große symbolische Bedeutung einer akkuraten und gepflegten Schwesterntracht wird auch im Unterlindener Schwesternbuch an mehreren Stellen besonders betont.240 (22) – Z. 169f.: (...) den verhertten vnd verkertten, hoffertigen hertzen (...) Ist das Herz einer Schwester verhärtet (duritas cordis), ist sie nicht bereit zu Gehorsam, Demut und Liebe. Der Wort hardicheit ist hier als Gegensatz zu suesicheit zu verstehen, einer Bezeichnung des göttlichen Gnadenreichtums.241 Den Zustand der Hartherzigkeit zu überwinden, ist ein wesentliches Ziel der Frömmigkeit der Devoten. Gelingt es, das Herz von Fehlern und Leidenschaften zu reinigen, so kann die durch Sünden beschädigte Gottesebenbildlichkeit des Menschen wieder hergestellt werden. Wahrnehmbare Symptome, die auf ein verhärtetes Herz zurückzuführen sind, können Gemütszustände wie Traurigkeit, Ungeduld, Zorn und dergleichen sein. Die eigentliche Ursache dieser Befindlichkeit wurde jedoch im Willen Gottes gesehen. Durch die vermeintliche Gnadenferne sollten die Schwestern einer Prüfung unterzogen werden, damit ihre Seelen demütig erkennen, dass sie von Gottes Wohlwollen abhängig sind. Der Zustand der Hartherzigkeit sollte also nicht die Einigung der Schwestern mit Gott in Frage stellen, sondern von diesen als eine Chance begriffen werden.242 (23) – Z. 180-182: Er antwurt vff der selben swester gedanck vnd sprach, was sy gebichtet hett, das wer vor sinen wyssen vnd vor sinen bekennen vnd vor sinen ogen verborgen. Den Zusammenhang, dass Dämonen die Sünden der Schwestern zwar genau kennen, diese in der Regel sogar verursacht haben, nach der Beichte dieser Sünden aber nichts mehr von ihnen wissen, findet man in einer ähnlichen Formulierung auch in den Zeilen 310-320. Diese Tilgungswirkung der Sünden durch die Beichte ist im späten Mittelalter nicht neu, man findet sie breit ausgeführt auch schon im 13. Jahrhundert bei dem Zisterzienser Caesarius von Heisterbach in seinem Dialogus miraculorum.243 _____________ 239 240 241 242

Dazu van Dijk, De constituties der Windesheimse vrouwenkloosters vóór 1559, S. 766f. Siehe dafür Lewis, By Women, for Women, about Women, S. 226. Zu dieser Bedeutung des Wortes suesicheit siehe Ringler, Viten- und Offenbarungsliteratur, S. 290. Zum Zusammenhang der Lauterkeit und Reinheit des Herzens und dem Empfang göttlicher Gnade siehe zum Beispiel den Sendbrief Auß dem hünigfliessenden herczen, der im 15. Jahrhundert wohl für Klarissen verfasst wurde; dazu Kurt Ruh, Artikel ’Sendbrief Auß dem hünigfliessenden herczen‘ (’Geistlicher Neujahrsbrief‘ ), in: 2VL 8, Sp. 1074f. 243 Siehe u. a. dist. III, c. 5, I 115 und dist. III, c. 6, I 117 und vgl. P. Schmidt, Der Teufels- und Dämonenglaube in den Erzählungen des Caesarius von Heisterbach, S. 76, 106 und 110.

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Nachdem die Tathaftung nach sündhaften Vergehen im Hochmittelalter verworfen worden war, Sünde und Verzeihung vornehmlich im Verhältnis des Menschen zu Gott begriffen wurden, konnte in der Reue über die Tat eine sofortige Versöhnung mit Gott gesehen werden, womit sich die lange Bußzeit zwischen Beichte und Rekonziliation erübrigte.244 (24) – Z. 186: (...) vnser lieben frowen tag (...) Nach der römischen Liturgie gibt es drei marianische Hochfeste: das der ohne Erbsünde empfangenden Jungfrau und Gottesmutter (8. Dezember), das der Gottesmutter am Oktavtag von Weihnachten (1. Januar) und das größte marianische Hochfest, das der Aufnahme Marias in den Himmel (15. August) auch assumptio oder dormitio,245 das hier gemeint ist. (25) – Z. 205: (...) siner vsserwelten frunden (...) Der Terminus kann zurückgeführt werden auf Christus, der seine Jünger so bezeichnete (Io 15, 14f.) und sie zum Leben in Freundschaft mit ihm berief und gleichzeitig in seine Nachfolge. In der Viten- und Offenbarungsliteratur sind mit den ’Freunden Gottes‘ in der Regel Menschen gemeint, die mit Gott in einem besonders vertrauten Verhältnis stehen.246 (26) – Z. 209-211: Wyr besorgent, das du vns mit dem gutten, das du vns sagest, werdest betriegen, wan du vnd dein gesellen offt das gütt mit dem bössen pflegent zu vermengnen. – Z. 215f.: (…) engel des liechts (…) Nach der Illuminationslehre des Augustinus wird der menschliche Geist von der göttlichen Wahrheit erleuchtet.247 Aus Gott, der die Urquelle des Lichtes ist, empfängt die oberste Ordnung der Engel den göttlichen Licht_____________ 244 Vgl. dafür Angenendt, Geschichte der Religiosität im Mittelalter, S. 645. 245 Dazu Theodor Maas-Ewerd, Artikel Hochfeste marian., in: Marienlexikon, Bd. 3, S. 216 und Otto Wimmer, Handbuch der Namen und Heiligen, Innsbruck u.a. 21959, S. 343. 246 Vgl. R. Meyer, Das ’St. Katharinentaler Schwesternbuch‘, S. 248. – Diese Freunde Gottes sind nicht zu verwechseln mit den Gottesfreunden, historisch fassbaren Gemeinschaften von Frauen und Männern aller Stände und sozialen Schichten, die besonders am Rhein entstanden etwa um Heinrich von Nördlingen und Margarete Ebner, mystischem Gedankengut vor allem Eckharts, Taulers und Seuses nahestanden und einen regen Austausch von Literatur und Briefen pflegten. Siehe dazu Marianne Heimbach-Steins, Artikel Gottesfreunde, in: 3LThK, Bd. 4, Sp. 910 und Ulrich Dobhan, Artikel Gottesfreundschaft, ebd. Sp. 910f. und auch Richard Egenter, Gottesfreundschaft. Die Lehre von der Gottesfreundschaft in der Scholastik und Mystik des 12. und 13. Jahrhunderts, Augsburg 1928. 247 Dazu Ch. Flüeler, Artikel Illuminationstheorie, in: LexMA, Bd. 5, Sp. 380f.

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strahl und gibt ihn weiter an tiefer angeordnete Engelschöre. Von Chor zu Chor gelangt so das Licht zu den Menschen. Diese Weitergabe des Lichtes, sein Fließen durch alle Chöre, bewirkt deren Reinigung und Erleuchtung.248 Da Satan ursprünglich dem Reich des Himmels angehörte und aus dem himmlischen Licht geschaffen wurde, nannte man ihn auch Luzifer. In seiner ursprünglichen Gestalt war er der Schöne schlechthin. Da Engel ihrem Wesen nach unwandelbar sind, behielt er auch nach seinem Sturz in das Reich der Finsternis diese Schönheit.249 Sie war allerdings durch Traurigkeit und Bosheit verhüllt. Den Vorstellungen nach war es Satan aber möglich, sich wieder zu einem ’Engel des Lichtes‘ zu wandeln, um sich bei den Menschen einzuschmeicheln.250 Bei Paulus heißt es dazu, dass sich Satan zu einem Engel des Lichts verstelle (II Cor 11, 14). Wendet Satan diese Verstellung an, kann er zum falschen Propheten werden.251 Die Furcht vor solchen falschen Propheten, vor denen schon in der Bibel gewarnt wird,252 war im Mittelalter weit verbreitet.253 In dem anonym überlieferten Sendbrief vom Betrug teuflischer Erscheinungen, der 1450 wohl in Nürnberg entstand und an ein weibliches Klosterpublikum gerichtet ist,254 wird in ganz ähnlicher Weise wie im Text von der besessenen Schwester Agnes eindringlich vor diesen Verstellungskünsten Satans gewarnt: Ez ist zu mercken, wen nu ein mensch hat ein gesicht oder enpfindet mit den äusserlichen sinnen, ez seÿ ein gestalt oder pÿld Christi, Marie oder eins engels, so sol er von ganczen seinem herczen erschrecken vnd sich fürchten, daz vil leÿcht der tewfel yn wöll betrigen.255

_____________ 248 Da bei Augustinus die Vernunft des Menschen an der illuminatio teilhat, hängt sie aber nicht von göttlicher Gnade ab. 249 Im 4. Laterankonzil (11.-30. Nov. 1215) wurde erklärt, dass der Teufel und die Dämonen ihrer Natur nach von Gott zwar als gut erschaffen seien, durch sich selbst aber böse geworden seien; dazu Daxelmüller, Artikel Besessenheit, in: Enzyklopädie des Märchens, Bd. 2, Sp. 195. 250 Theophanien und Angelophanien waren häufig von Lichterscheinungen begleitet. Acklin Zimmermann bezeichnet die Anzahl der in dominikanischen Schwesternbüchern geschilderten Lichtphänomene als „geradezu inflationär“; dies., Gott im Denken berühren, S. 83, Anm. 84. – Mit den Quellen und Bedeutungen von Lichterscheinungen in dominikanischen Schwesternviten hat sich zuvor Blank eingehend auseinandergesetzt; ders., Die Nonnenviten des 14. Jahrhunderts, S. 187-239. Er bewertet solche Beschreibungen als verflachte Schilderungen überkommener mystischer Erlebnisse und Heiligenbiographien; ebd. S. 239. 251 Dazu Rosenberg, Engel und Dämonen, S. 76, 153, 214. 252 Vgl. u.a. Mt. 7,15. 253 Siehe dazu Kapitel X, Pkt. 2. dieser Arbeit. 254 Für Informationen über diesen Sendbrief siehe Werner Williams-Krapp, Artikel Sendbrief vom Betrug teuflischer Erscheinungen, in: 2VL 8, Sp. 1075-1077 und Ulla Williams und Werner Williams-Krapp, Eine Warnung an alle, dy sych etwaz duncken. Der (mit einer Edition), in: H. Brunner und W. Williams-Krapp (Hgg.), Forschungen zur deutschen Literatur des Spätmittelalters. FS für Johannes Janota, Tübingen 2003, S. 167-189. 255 Zitiert nach dem Textzeugen aus der Bayerischen Staatsbibliothek München, cgm 750, fol. -, hier fol. . Der in sieben Handschriften überlieferte Sendbrief

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(...) wann der böz geÿst, der Sathan, ein fürst der vinsternüß, verstellet sich oft in dy gestalt eins engels dez lÿchtes (...).256

(27) – Z. 226: Dar nach retten die swestern zu samen vnd aine fragett die andern (...) Wie bei den Brüdern, so gab es auch bei den Schwestern vom gemeinsamen Leben Zusammenkünfte, bei denen über die Erfahrungen auf dem persönlichen geistlichen Weg gesprochen wurde. Diese gegenseitge Unterweisung und Kritik, die auch schon die Wüstenväter praktizierten,257 bot Unterstützung, um den täglichen Anfechtungen zu widerstehen.258 Anhand von Textstellen aus dominikanischen Schwesternbüchern hat Gertrud Jaron Lewis gezeigt, dass solche Unterredungen auch bei den Dominikanerinnen üblich waren.259 Acklin Zimmermann sieht in diesen Zusammenkünften ein auslösendes Moment auf dem Weg zur schriftlichen Fixierung spiritueller Fragen von Schwestern.260 Die Gelegenheiten für einen solchen verbalen Austausch boten sich vor allem bei den Rekreationen, wenn die Schweigepflicht zur Erholung für die Schwestern unterbrochen wurde.261 Nicht selten wurden diese Gespräche aber auch genutzt, um hinterrücks über andere Schwestern herzuziehen.262 (28) – Z. 228: (...) schulmaister (...) Bei den Schwestern vom gemeinsamen Leben wurden sowohl geistliche Führer als auch Leiter von Klosterschulen wie zum Beispiel Otto Poten in Diepenveen263 als ’Schulmeister‘ bezeichnet. In Texten des Spätmittelalters wird auch Christus so genannt. Die ’Schulen‘, in denen er lehrt, sind Klöster.264 _____________

256 257 258 259 260 261 262 263 264

wurde nach dem Abschluss meiner Arbeit nach eben diesem Textzeugen von Ulla Williams und Werner Williams-Krapp ediert, dazu dies., Eine Warnung an alle, dy sych etwaz duncken, S. 176-189. Ebd. fol. ; der Terminus erscheint nochmals fol. . Ulla Williams und Werner Williams-Krapp, Eine Warnung an alle, dy sych etwaz duncken, S. 176 und 179. Reissenberger (Hg.), Das Väterbuch, S. 45. Dazu auch Willem Moll, Johannes Brugman en het godsdienstig leven onzer vaderen in de vijftiende eeuw, grootendeels volgens handschriften geschetst, Amsterdam 1854, 2 Bände, hier Bd. 1, S. 53. Lewis, By Women, for Women, about Women, S. 193-197 und S. 267. Acklin Zimmermann, Gott im Denken berühren, S. 55. Vgl. dazu den Kommentar (91). Lewis, By Women, for Women, about Women, S. 224 und vgl. den Kommentar (4). Dazu Carine Lingier, Boekengebruik in vrouwenkloosters onder de invloed van de Moderne Devotie, in: T. Mertens (Hg.), Boeken voor de eeuwigheid. Middelnederlands geestelijk proza, Amsterdam 1993, S. 280-294, hier S. 282f. Siehe dafür z.B. eine Stelle aus dem Tiroler Christenspiegel bei Wielander, Ein Tiroler Christenspiegel des 14. Jahrhunderts, S. 38f.

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(29) – Z. 231: (...) krefft ewer sel (...) Die Vorstellung von der Seele als Sitz verschiedener Kräfte kann im 15. Jahrhundert als bekannt vorausgesetzt werden. Augustinus unterscheidet drei Seelenkräfte: intelligentia, memoria und voluntas. Auch Eckhart konstatiert: „der hoehsten krefte der sele der sint dri.“ 265 Er führt „bekantnisse, irascibilis, daz ist ein ufkriegendiu kraft“ und „wille“ an.266 Tauler nennt sogar sechs Kräfte, wenngleich er eher Tugenden bezeichnet, mit deren Hilfe der Mensch dem Gottessohn nachfolgen soll. Er differenziert die niederen Kräfte (Demut, Sanftmut und Geduld) von den oberen (Glaube, Hoffnung und Liebe).267 Welche Seelenkräfte im Text von der besessenen Schwester Agnes im Einzelnen gemeint sind, wird weder an dieser Textstelle noch in den Zeilen 373 („alle krefft ewer sell“) und 1483f. („ynnwendigen krefft der sel“), näher spezifiziert. (30) – Z. 232-236: Jr sollent jn kainen dingen ewern aignen nutz s)chen, fortail oder aigen gemach. Vnd ob jr nutz vnd gemach habend, das söllent jr zu sinen eren vnd zu sinem willen gebruchen. Das ist, das ir jn allen dingen sollent mainen vnd begeren, sin ere vnd willen zu volpringen. In Viten und Offenbarungstexten wird die Aufgabe des Eigenwillens verschieden gedeutet, einerseits sehr praxisbezogen als Unterordnung unter den Willen der Oberen des Hauses, andererseits als Vereinigung mit göttlichem Willen in der unio.268 Die Übergabe des menschlichen Willens in den Willen Gottes galt als eine zentrale Voraussetzung, um sich Gott zu nähern. Das uneingeschränkte fiat voluntas tua bedeutete eine Abkehr von allen irdischen Erscheinungen, das Ende allen eigenen Strebens und Betrachtens.269 Bei den Devoten war es ein erklärtes Ziel, den menschlichen Eigenwillen zu brechen. Er galt als Sünde und sollte in die dauerhafte innere Bereitschaft, sich vollständig dem Willen Gottes unterzuordnen, umgelenkt werden.270 Ebenso sollten der menschliche Verstand und die Begierden unterdrückt werden.271 In Hendrik Herps Spieghel der volcomenheit bestimmen Beschreibungen von zwölf Abtötungsleistungen (stervingen, mortificationes) den ersten von vier Teilen des Werkes. Der strenge Asketismus, der hier emp_____________ 265 Josef Quint, (Hg.), Meister Eckhart. DW, Bd. 2, S. 141, 5-7. 266 Ebd. S. 141, 5-7. 267 Dazu Georg Hofmann (Hg.), Johannes Tauler, Predigten, Freiburg/Basel/Wien 1961, hier Predigt 64, S. 496 und 498. 268 Vgl. Ringler, Viten- und Offenbarungsliteratur, S. 216f. 269 Dafür Wilms, Das Beten der Mystikerinnen, Bd. 1, S. 175f. 270 Vgl. van Dijk, De constituties der Windesheimse vrouwenkloosters vóór 1559, S. 780. 271 Siehe dazu SG2, Z. 881f..

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fohlen wird, zielt jedoch auf eine systematische Selbstvernichtung der menschlichen Natur und nicht nur auf eine Überwindung des Eigenwillens. In der in Herps Spieghel dargestellten Radikalität ist er auch bei den Devoten einzigartig.272 (31) – Z. 238: (...) jn jn kertten (...) An dieser Textstelle ist nicht die ’Einkehr‘ gemeint, die seit Platon und bis in den Pietismus von zentraler Bedeutung für menschliches Gotteserkennen war,273 sondern die ’Hinkehr‘ zu Gott (zu ihm kehren), die innere Umkehr vom irdischen Menschen zum geistlichen. Diese Umkehr ist zugleich eine Abkehr von der Welt und führt zunächst in einen Zustand der Isolation, in dem sich die Schwestern ausschließlich Gott zuwenden sollen, um sich dann „in einer weltlosen Innerlichkeit einzurichten“.274 (32) – Z. 238f.: (...) als dysß gegenwürtig vass t)tt, dar jn ich ietzund sitz, da mant er die besessne swester (...)275 Die Bezeichnung eines Menschen als vass von mhdt. gevæze (Gefäß)276 ist nicht ungewöhnlich. Auch Christus wird so genannt. Die Metapher hat biblische Ursprünge. Über die patristische Literatur fand das Bild Eingang in den mystischen Wortschatz und gelangte so in die Literatur für Nonnen.277 (33) – Z. 243f.: Das machet, das jr üch selber vnd die creattur zu lieb haben. Hendrik Herp bezeichnet die Selbstliebe des Menschen als „knechtliker minne“, deren Ziel es sei, nach sich selbst und nicht nach Gott zu suchen.278 Bei Thomas von Kempen heißt es in seiner Schrift De Imitatione Christi ganz ähnlich wie im Text von der besessenen Schwester Agnes: Ex hoc vitio quod homo semet ipsum nimis inordinate diligit: paene totum pendet, quidquid radicaliter vincendum est.279

_____________ 272 273 274 275 276 277 278 279

Dazu Ruh, Geschichte der abendländischen Mystik, Bd. 4, S. 226. P. Heidrich/G. Scholtz, Artikel Einkehr, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 2, Sp. 406f. Langer, Zur dominikanischen Frauenmystik im spätmittelalterlichen Deutschland, S. 341f. Ähnlich SG2, Z. 368f.: „Das dysß vas, jn dem ich nun ietzund sitze (...)“. Dazu ausführlich Grimm, DWb, hier Bd. 25, Sp. 12 und Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 958. Siehe für Belegstellen aus verschiedenen Texten Ringler, Viten- und Offenbarungsliteratur, S. 168. Verschueren (Hg.), Hendrik Herp O.F.M., Spieghel der volcomenheit, Bd. 2, S. 27, 5-8. Pohl (Hg.), Thomas von Kempen, Opera omnia, Bd. 2: De Imitatione Christi, S. 245, 4-7. (Übersetzung: Auf diesem Fehler, dass der Mensch sich selbst allzu ungeordnet liebt, beruht beinahe alles, was man mit der Wurtzel ausrotten muss.)

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(34) – Z. 255-257: (...) also wol die sy vnsichtigklichen anfächten, als ich, der sy sichtigklichen vnd enpfinttlichen qüllt vnd pinget. Die dämonische Besessenheit, die nach mittelalterlicher Auffassung besonders häufig vorkam,280 wird hier deutlich differenziert und sowohl als eine äußerlich sichtbare luziferische Handlung erklärt als auch als Beeinflussung des Inneren. In Zeile 951 wird die äußere (physische) Besessenheit zudem als ein Zustand beschrieben, in dem der Mensch „mit dem tüffel jn dem flaisch besessen“ ist, die innere (psychische) Besessenheit hingegen wird als „besessen jn der sel“ (Z. 956) bezeichnet.281 Wie auch immer gelagert, ist die Besessenheit im Mittelalter eine Teufelserfahrung, die durch die Inbesitznahme des Menschen durch einen Dämon gekennzeichnet ist. Ähnlich wie eine innere Gotterfahrung war sie weitaus seltener als Teufelserscheinungen in Form von Visionen, bei denen die Teufelsgestalt außerhalb des Menschen erscheint und die menschliche Physis unangetastet bleibt. (35) – Z. 262-264: Dye selbe, vff die sich ain swester bewegt funde, die solt sy lieber haben vnd jr mer diensts tün vnd vndertannigkait bewyssen dann ainer andern. Das korrekte Verhalten der Schwestern miteinander ist vor allem in Statuten geregelt.282 Trotzdem aber waren Ressentiments, schon wegen der unterschiedlichen Herkunft der Schwestern, kaum zu vermeiden. Nicht selten kamen Schwestern aus Adelskreisen mit solchen aus den niedersten Ständen zusammen. Gebildete mussten mit Analphabetinnen auskommen. Arme und reiche Frauen hatten gemeinsam auf engem Raum in weitgehend abgeschlossenen Kommunitäten zu leben.283 Außerdem kamen Alleinstehende, Witwen, mitunter auch Verheiratete aus mehreren Generationen zusammen. Bei der Aufnahme der Schwestern in einen Konvent wurde die Frage der Herkunft oft zu wenig berücksichtigt.284 Da die Stan_____________ 280 Siehe dazu Karl-Sigismund Kramer, Volksleben im Hochstift Bamberg und im Fürstentum Coburg (1500-1800). Eine Volkskunde aufgrund archivalischer Quellen, Würzburg 1967 (= Veröffentlichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte, Reihe IX, Darstellungen aus der Fränkischen Geschichte, Bd. 24), S. 175. 281 Aus heutiger Sicht handelt es sich bei beiden Erscheinungen um innerpsychische Vorgänge, die sich auf unterschiedlichen Projektionsflächen vollziehen. 282 Für das Ortenkonvent dafür van Elsen/Hoevenaars (Hgg.), Analecta Gysberti Coeverincx, Bd. 2, bes. S. 179-182 und 187-192. 283 Christian Folini und Alberto Palai haben an den Beispielen der Klöster von Töss und Katharinental gezeigt, inwiefern bei der Ermittlung von Sozialprofilen dieser Konvente aus Quellenuntersuchungen Vorsicht geboten ist; dies., Folini/Palai, Die Dominikanerinneklöster Töß und St. Katharinental. Sozialgeschichtliche Annäherungen, S. 94-97. 284 Vgl. dazu auch SG2, Z. 552-558.

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desunterschiede aus dem Vorleben als gottgegeben galten, wurden sie nicht selten in die geistliche Gemeinschaft übernommen.285 Auch unterschiedliche Bindungen der Schwestern durch Verwandtschaftsverhältnisse und persönliche Freund- und Feindschaften führten zu Unstimmigkeiten, die nicht zuletzt in den Schuldkapiteln deutlich wurden. Damit diese nicht in Streitereien ausarteten, wurden hierfür geregelte Abläufe vorgeschrieben.286 (36) – Z. 269-271: (...) aber sy gedächte: ‚Wol ist sy zu friden, so sy ich och zu friden‘, wÿe das ain gestalt hett. Er antwurtt vnd sprach: „Ja, das ist der frid, den wir lieb habend.“ An Aufforderungen, Streit in geistlichen Gemeinschaften zu vermeiden, besteht in der Literatur von Augustinus über Hildegard von Bingen und Thomas von Froidmont kein Mangel.287 Auch im Text von der besessenen Schwester Agnes wird der Frieden zwischen den Schwestern wiederholt thematisiert.288 Die Friedfertigkeit gehörte zu den wichtigsten Tugenden der Mitglieder geistlicher Gemeinschaften. Zum Unfrieden, der an dieser Textstelle ironisch zum Ausdruck kommt, heißt es in einem Text, der mit ”Sammlung von Exzerpten für Ordensleute“ überschrieben ist: Vnd als man vber allü ding der lieb begerren soll, also sol man zorn vnd vnfrid vber allü ding scheüchen (...) wan kain ding ist schedlicher dan vnfrid vnd zorn vnd kain ding nüczer den worre lieb.289

Johannes Eschenbach nennt in einer Predigt mit dem Titel Neun Regeln vom Frieden,290 die 1426 in Unterlinden gehalten wurde, genau die Gründe für den Unfrieden: „(...) wortzel des vnfrides ist hoher mţt vnd ein eigen howbet, das nymer gţt dţt, sunderheit vnd eigen gemach sţchen vnd eigner wille vnd eitel ersţchen (...)“.291 Zugleich wird der Weg aufgezeigt, wie Schwestern zu wahrem Frieden finden können: „(...) wil dţ kţmen zu gantzen frid, so sold dţ dor noch trachten, das du dinen friden habest vf eigner tţgent vnd das nit friden habest vf ander lţt gnoden.“292 _____________ 285 Dazu Lewis, By Women, for Women, about Women, S. 221. 286 Siehe dafür den Kommentar (10) zum Schuldkapitel. 287 Vgl. Matthäus Bernards, Speculum Virginum. Geistigkeit und Seelenleben der Frau im Hochmittelalter, Köln/Graz 1955 (= Forschungen zur Volkskunde 36/38), 2. unveränderte Aufl., Köln 1982 (= Archiv für Kulturgeschichte, Beihefte 16). S. 138. 288 Zum Beispiel SG2, Z. 441-450, 889f. oder 1349-1415. 289 ”Sammlung von Exzerpten für Ordensleute“, München, Bayerische Staatsbibliothek, cgm 447, fol. . 290 Ich zitiere aus dem Textzeugen Nürnberg, Stadtbibliothek, Cent. VII 34, fol. -. 291 Ebd. fol. . 292 Ebd. fol. .

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Insgesamt gesehen dürfte unter den Schwestern ein Umgang angestrebt gewesen sein, der durch ein ausgewogenes Verhältnis von Vertrautheit und Zurückhaltung, Distanz und Nähe, gekennzeichnet war. (37) – Z. 305: (...) da sind gegenwürtig vil hailligen (...) Engel und Heilige sind neben dem Teufel als Begleiter der menschlichen Seele und als Gegenspieler aus dem Reich des Guten in zahlreichen schriftlichen und bildlichen Quellen des Mittelalters kontinuierlich belegt.293 Der Dualismus von Gut und Böse, Himmel und Hölle sollte auch den Schwestern stets gegenwärtig bleiben. (38) – Z. 318: (...) zu den s)nden bekoren vnd anfächten (...) In einem mit Spiegel der Schwestern überschriebenen Text des 15. Jahrhunderts werden drei Hauptquellen von Anfechtungen differenziert: „(...) want as emant eyn geistlich leuen wilt leyden, der lyt vil anvechtungen van dryn vyanden, as van deme boesen geyste, van der werelt ind van syme eygenen vleysche.“294 Im Text von der besessenen Schwester Agnes wird dem bösen Geist zwar die Macht der Verführung,295 nicht aber die des Bezwingens zugestanden: „Wir ratten üch zu mörden vnd zu stellen vnd zu andern sünden, aber wir mügent nieman machen aigne sunden un sinen willen.“296 Verfehlungen der Schwestern sollen demnach nicht als Zeichen der Wirkmacht des Bösen verstanden werden, sondern als Nachlässigkeiten im Dienst Gottes. Sie verweisen auf die mangelnde Vorbereitung der Schwestern für den Empfang göttlicher Gnade.297 Wie des Öfteren im christlichen Tugendstreben haben Versuchungen auch hier nicht nur negative Funktionen. Sie sind geradezu notwendige Stufen auf dem Weg zum volkommenen Leben. Ihre Überwindung in Phasen des Zweifelns kann zu einer Festigung des Glaubens führen.298 Ringler interpretiert Schilderungen von Anfechtungen durch den Teufel in Nonnenviten stets als didaktisch motiviert. Durch den vergeblichen Versuch des Teufels, die Schwestern anzufechten, erwiesen diese ihre Tugendhaftigkeit und Glaubensstärke.299 _____________ 293 Vgl. Dinzelbacher, Angst im Mittelalter, S. 227. 294 Hessische Landes- und Hochschulbibliothek Darmstadt, Cod. 1383, fol. -, hier, fol. . Siehe zu disem Text auch den Punkt 2.3. im Kapitel IX. 295 Zum Teufel als Verführer vgl. Apo 12, 9. 296 SG2, Z. 90-92. 297 So auch im Gnaden-Leben des Friedrich Sunder; dazu Ringler, Viten- und Offenbarungsliteratur, S. 327. 298 Ebd. S. 311. 299 Ebd. S. 326.

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(39) – Z. 324f.: (…) das sy der welt (…) lernent absterben (...)300 Die von Paulus geforderte Absage an die Welt ist auch ein Grundsatz der Altväterliteratur. Bei den modernen Devoten ist der Gedanke der ’inneren Erstorbenheit‘ ein wesentlicher Bestandteil ihrer Spiritualität.301 Nur dem innerlich ’abgestorbenen‘ Menschen ist es möglich, zu Gott zu finden, denn nur er ist von allem Irdischen in Abgeschiedenheit getrennt.302 In einem Text mit dem Titel Sommige vermaninge tot eenen doechliken leven, der um 1400 im Bruderhaus in Deventer entstand, heißt es dazu: (...) leert sterven eer die doet comet; ende veroerdelt u eer dat oerdel comet; ende castyet ende pinighet uwe quade begheerten; opdat ghi dan weertich sijt mit Christo te verbliden in den rijken sijns hemelschen vaders.303

(40) – Z. 329-331: Do mantten etlich vnder den swestern, das dings wer zu vil, sy künden es nit alles getün. Do sprach er: „Es sind nit vnmügliche ding.“ Sy sölten anfaltigklichen jren obern volgen, so wurden sy es gütt zu t)n haben (...) Die Normen des Konventslebens waren bewusst hoch angesetzt. Durch die nahezu zwangsläufigen Übertretungen der Forderungen wurden wohl nicht selten Schuldgefühle hervorgerufen.304 Problematisch war die weitgehende Unerfüllbarkeit der Anforderungen des monastischen Lebens immer dann, wenn den Schwestern diese bewusst wurde und ihr Verhalten deshalb in Gleichgültigkeit umschlug. Um einem drohenden Verdruss entgegenzuwir_____________ 300 Siehe dazu auch den Kommentar (62) zum Wort vngestorben. 301 Nach den Statuten für die Windesheimer Frauenklöster sollte bereits bei der Ausbildung der Novizinnen unter anderem erreicht werden, dass alle weltlichen Gewohnheiten abgelegt werden, dass der Eigenwille gebrochen wird und dass auch die niedrigste Aufgabe nicht verschmäht wird; dazu van Dijk, De constituties der Windesheimse vrouwenkloosters vóór 1559, S. 780. 302 Vgl. Pohl (Hg.), Thomas von Kempen, Opera omnia, Bd. 2: Imitatione Christi, S. 62, 21-24: „Ideo multa tibi displicent et saepe conturbant; quia adhuc non es perfecte tibi ipsi mortuus: nec segregatus ab omnibus terrenis.“ 303 J. F. Vregt (Hg.), Eenige ascetische tractaten, afkomstig van de Deventersche Broederschap van het gemeene leven, S. 351. An anderer Stelle heißt es dazu im selben Text prägnant: „Alsoe vake als wi ons pinen te sterven om onses lieven heren willen, alsoe dicke werden wi hem gelijck“ (S. 360). Ganz ähnlich bei Johannes Brinckerinck:“ Wee ons dat wi ye gheboren worden, ist dat wi niet en sterven, eer wi sterven“; Moll, Acht collatiën van Johannes Brinckerinck, S. 165 oder Hendrik Herp: „Want ghelikerwijs als wi ons seluen moeten steruen, sullen wi in God leuen“; Verschueren (Hg.), Hendrik Herp O.F.M., Spieghel der volcomenheit, Bd. 2, S. 93. 304 Die Verzweiflung konnte dabei so überhandnehmen, dass sich Christen bisweilen der Angst vor den Qualen im Jenseits durch den Selbstmord entzogen. Zwar kamen sie dadurch den Vorstellungen nach in die Hölle, beendeten aber wenigstens die quälende Ungewissheit; siehe zu diesem Zusammenhang Dinzelbacher, Angst im Mittelalter, S. 269-271. Es ist bezeichnend, dass Selbstmord im Mittelalter ausnahmslos auf dämonische Einwirkung zurückgeführt wurde; dafür etwa P. Schmidt, Der Teufels- und Dämonenglaube in den Erzählungen des Caesarius von Heisterbach, S. 104.

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ken, musste bisweilen der Anforderungsdruck von den Schwestern genommen werden,305 was an dieser Textstelle zum Ausdruck kommt. (41) – Z. 358-360: Er will uch helffen vnd begertt kainer grossen ding noch hoch gebett von üch, das vber ewer macht ist. Im späten Mittelalter war die Vorstellung verbreitet, dass es in erster Hinsicht der Teufel sei, der den Menschen Aufgaben zuweise, denen sie nicht gewachsen sind, um sie dadurch verzagen zu lassen. In einer Rebdorfer Handschrift aus dem späten 15. Jahrhundert findet man eine ”Sammlung von Exzerpten für Ordensleute“, in der diese Furcht prägnant auf den Punkt gebracht wird: o

Der vierde lÿst des teüffels ist, das er ettwan anvicht den menschen zu etlicher vbüng, die do sind vber sein vermügen, also er sol neür wasser vnd prott essen vnd ander vbüng wie die genantt sein, das vber des menschen vermügen ist, da o der teüffel zu zeitten die menschen mit an vicht vnd tütt es auff den lÿst, das der mensch dor dürch sÿnnloß werd oder sein nattürlich krefft verderb (...).306

Es ist nachvollziehbar, dass im Text von der besessenen Schwester Agnes, in dem der Teufel spricht, die Versicherung, dass Gott von den Schwestern nichts Unmögliches verlangen würde, nicht fehlen darf. (42) – Z. 444f.: (...) so söllent jr sy lieplichen vnd vss demütt fruntlichen vnderwyssen. Johannes Brinckerinck definierte den devoten Menschen im Wesentlichen über drei Eigenschaften. Erstens, einen ernsten Vorsatz zu hegen, seine Schwächen auszurotten, zweitens über den Willen, niemanden wegen seiner Schwächen zu verurteilen, sondern Mitleid mit ihm zu haben, und drittens darüber, andere stets aus Liebe zu ermahnen und Tadel liebevoll auszusprechen.307 Bei Schuldkapiteln solle niemand verurteilt werden, sondern es sei im Gegenteil Mitleid mit den Beschuldigten angebracht. In den Statuten für die Windesheimer Frauenklöster wird auf die Notwendigkeit der liebevollen Ermahnung in den Arbeitsanweisungen für die Konversinnen sogar ausdrücklich hingewiesen.308 _____________ 305 Dieses Problem wurde in Texten wiederholt thematisiert. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang etwa das B)chlin von der clainm)tigkait vnd enger gewissne des Johannes Gerson (Berlin, SBB - PK, mgo 574, -). 306 ”Sammlung von Exzerpten für Ordensleute“, München, Bayerische Staatsbibliothek, cgm 447, fol. -. 307 Moll, Acht collatiën van Johannes Brinckerinck, S. 124f. 308 Siehe van Dijk, De constituties der Windesheimse vrouwenkloosters vóór 1559, S. 822.

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(43) – Z. 463: (...) kirchwichunng (...) Der Brauch, ein Jahresfest der Kirchweihe zu begehen, ist erstmals in Jerusalem am Ende des 4. Jahrhunderts nachweisbar.309 Eusebius von Caesarea († 399) berichtet vom Fest der Kirchweihe zuerst für eine Kirche in Tyrus.310 Nach der konstantinischen Wende hatte die Kirche die Möglichkeit erhalten, eigene Räume für die Gottesdienste zu nutzen. Diese Räume wurden durch Festreden und Eucharistiefeiern ’eingeweiht‘. Die Feierlichkeiten weiteten sich zusehends aus und mussten auf zwei oder mehr Tage aufgeteilt werden. Bereits um 780 umfassten sie die Entzündung der zwölf Kerzen an den Kirchenwänden, das Klopfen an die Kirchentür, das Schreiben des Alphabets auf den Boden, die Segnung des Gregoriuswassers, die Darbringung von Weihrauch und die Salbung und Besprengung von Altar, Kirchenwänden und Fußböden.311 Im Mittelalter wurde die Kirchweihe zum wichtigsten bäuerlichen Jahresfest. Durch die Weihe sollte das Gebäude weltlicher Zweckbestimmung entzogen und für den Gottesdienst bestimmt werden. Als Weihetag war der Sonntag vorzusehen. Kirchweihfeste eigneten sich auch trefflich dazu, das Kirchenjahr in der Volksfrömmigkeit zu verankern.312 (44) – Z. 479-483: Jr sollent sollich, ewer kranckhait vnd nachgemelt gebresten mit demüttiger scham offenlichen bichten vnd erkennen, wan da mit wurd dyse kranckait von uch getriben vnd jr wurden dar durch allen vnsern schalckhaiten, betrugenlichen retten vnd ingeben engan vnd vs vnsern banden kumen (...) Die Auffassung, dass die aufrichtige Beichte der sicherste Weg sei, um dem Teufel zu entgehen, war allgemein verbreitet, man findet sie schon im Väterbuch.313 Sie galt besonders auch bei den modernen Devoten. Durch die wiederholte Erwähnung der dämonischen schalckhaiten, betrugenlichen retten vnd ingeben im Text sollten die Schwestern überzeugt werden, dass _____________ 309 Siehe dazu Andreas Heinz, Artikel Kirchweihe III: Brauchtum, in: 3LThK, Bd. 6, Sp. 104f., hier Sp. 104. 310 Vgl. dafür Reiner Kaczynski, Artikel Kirchweihe I: Liturgisch, in: 3LThK, Bd. 6, Sp. 102-104, hier Sp. 102. 311 Ebd. Sp. 103. 312 Vgl. Helmut Merkel, Artikel Feste und Feiertage IV: Kirchengeschichtlich, in: TRE 11, S. 115-132, hier S. 120. 313 Reissenberger (Hg.), Das Väterbuch, S. 243f. – Philipp Schmidt nennt neben Jacob von Vitry und Stephan von Bourbon auch Caesarius von Heisterbach als Vertreter dieser Meinung; ders., Der Teufels- und Dämonenglaube in den Erzählungen des Caesarius von Heisterbach, S. 25. – Caesarius zufolge erhält der Magister Thomas auf dem Totenbett vom Teufel selbst die Information, dass er vor einem Menschen, der beichtet, fliehen müsse.

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sie unvorhersehbare und unabwendbare Anfechtungen des Teufels unablässig bedrohten314 und dass deshalb ein regelmäßiges Beichten unabdingbar sei. An insgesamt vierzehn Stellen ist von den Eingebungen des bösen Geistes die Rede.315 An einer weiteren Textstelle werden die Ursprünge und Hintregründe solcher Beeinflussungen differenziert: „(...) ob solliche ding vnd der gelichen vss gnaden gotts kument oder von vnser betrugnusß oder von nattur (...)“.316 Bemerkenswert ist die sprachliche Unterscheidung zu den im Text erwähnten fünf göttlichen Einflüsterungen,317 welche stets als jnsprechen, nie als jngeben bezeichnet werden. Das göttliche ’Einsprechen‘ wird zudem näher erklärt, um es von den dämonischen ’Eingebungen‘ deutlich abgrenzen zu können:318 (...) wenn uch gott inspricht vnd uch jnkumpt, das jr üch vben sollent zu den demüttigen wercken vnd die nideresten zu sin vnder allen vnd das jr sollent gedultig sin vnd güttlichen vertragen der andern aller kranckait vnd gebresten, och, das jr sollent gehorsam vnd gelassen sin, wenn dÿss oder des gelichen jn uch kumpt, so spricht got jn ewer hertzen.319

Die Eingaben des Dämons werden auf eine Stufe gestellt mit menschlichem Handeln aus Hoffart: Wenn sy vss gnaden gottes kument, so wirt ain mensch da von jn jm selber demüttiger vnd (…) wirt sin kranckait dar jn bekennen. Wenn es aber von mir kumpt vnd von mynen gesellen oder von ewer selbes nattur, so wirt der mensch da von jn jm selber erhaben vnd wyll da jnen gesechen vnd geachtett werden oder sin. Er gevallet jm selber wol vnd jn bedunckt, das er sich jn sinem tün vnd lassen recht halt. Vnd dysß kumpt alles von des menschen verborgnen hoffart vnd vnser betrugnunsß.320

Um die schwierige Frage nach dem Unterschied von göttlichem Einsprechen und diabolischen Eingebungen beantworten zu können, nennt und erläutert Johannes Meyer in seinem Buch der Reformacio Predigerordens sieben Zeichen, an denen man erkennen könne, ob ein Mensch vom Heiligen Geist oder von Einflüsterungen des Teufels beeinflusst sei.321 _____________ 314 Bei Caesarius von Heisterbach gilt es bereits als ein Grad von Besessenheit, wenn der Mensch den Einflüsterungen des Dämons Gehör schenkt; dafür P. Schmidt, Der Teufels- und Dämonenglaube in den Erzählungen des Caesarius von Heisterbach, S. 92. 315 Substantive jngeben, jngebunng: Z. 16, 320, 422, 639, 956, 1053, 1054; Verbform jngeben, jngebend: Z. 7, 363, 421, 620, 804, 855, 877. 316 SG2, Z. 666-668. 317 Vgl. dafür die Zeilen 269, 274, 773, 942, 1356. 318 Siehe zu diesem Problem auch die Ausführungen im Kapitel VI, Pkt. 3.1. 319 SG2, Z. 942-947. 320 SG2, Z. 668-677. 321 Reichert (Hg.), Iohannes Meyer Ord. Praed., Buch der Reformacio Predigerordens, I, II und III Buch, S. 59-61.

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(45) – Z. 484: (...) gaist der warhait (...) Als ’Geist der Wahrheit‘ kann der Heilige Geist durch die Propheten322 oder andere Personen zu den Menschen sprechen. Wer imstande ist, den gaist der warhait zu vernehmen, strebt Thomas von Kempen zufolge nach dem Ewigen, er hört ungern von irdischen Dingen und beugt sich nur unter Qualen den Zwängen der Natur, denn der ’Geist der Wahrheit‘ lehrt: „terrena despicere, et amare caelestia: mundum neglegere, et caelum tota die ac nocte desiderare.323 Marquard von Lindau sieht im Heiligen Geist den Verkünder christlicher Wahrheit schlechthin: „(...) alle warheit dye von christenen oder vn glö bigen gesprochen würt/ daz die alle muß von wircken des heiligen geistes kommen (...)“.324 In dem Text ”Geistliche Ermahnung an Klosterfrauen“ aus dem 15. Jahrhundert, der ausdrücklich an jüngere Schwestern gerichtet ist,325 wird die Aufgabe des Heiligen Geistes im Zusammenhang mit der Charakterisierung des dreifaltigen Gottes wie folgt erklärt: (...) der vatter mit sinen gewalt, der vch alle vwer vnmügentheit beneme, der sun mit siner wisheit, der vch bewise sinen aller liebsten willen, der heilige geist mit siner gnade, der vch inbrinsteclich enczünde, alles dz zuo minnende in himelrich vnd in erterich, das got löbenlich si (...)326

(46) – Z. 498f.: (…) der mensch wirt dar durch jn die gesellschafft der engel vnd hailligen gesetzt.327 Wurden von Paulus noch alle getauften Christen als heilig angesehen, so galten schon im Hochmittelalter nur die Vollendeten als heilig, solche also, die sich durch heroische Tugenden und Wunder ausgezeichnet hatten und deshalb im päpstlichen Kanonisationsverfahren heiliggesprochen worden waren.328 Die Verbindung zwischen dem Irdischen und dem Himmlischen _____________ 322 Dazu Bernd Jochen Hilberath, Artikel Heiliger Geist III: Systematisch-theologisch, in: 3LThK, Bd. 4, Sp. 1308-1312, hier 1311. 323 Pohl (Hg.), Thomas von Kempen, Opera omnia, Bd. 2: Imitatione Christi, S. 151, 1-4. (Übersetzung: (...) das Irdische zu verschmähen, das Himmlische zu lieben, sich nicht um die Welt zu kümmern und den Himmel bei Tag und bei Nacht zu ersehnen.) 324 Aus der Einleitung zu Marquards Dekalog-Erklärung in der 1516 in Straßburg gedruckten Fassung; zitiert bei Burger, Die Erwartung des richtenden Christus, S. 106. 325 Dazu Degering, Kurzes Verzeichnis der germanischen Handschriften der Preussischen Staatsbibliothek, Bd. 2, S. 34 und Hans Hornung, Daniel Sudermann als Handschriftensammler, Diss. Tübingen (masch.) 1957, S. 110. 326 ”Geistliche Ermahnung an Klosterfrauen“; zitiert nach der Handschrift aus Berlin, SBB - PK, mgq 182, fol. -, hier fol. . 327 Siehe zur Erwähnung von Engeln und Heiligen im Text auch SG2, Z. 302-304 und Z. 491. 328 Vgl. Angenendt, Geschichte der Religiosität im Mittelalter, S. 305f.

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und damit zwischen den Menschen und den Engeln und Heiligen war aber sehr eng und durchlässig. Dass Menschen nach ihrem Tod in die Gemeinschaft der Heiligen aufgenommen werden können, war im Mittelalter ein fester Glaubensinhalt, der etwa auch in der Vita der heiligen Klara, bei Mechthild von Hackeborn und den Vitas fratrum des Gerhard von Frachet thematisert ist.329 Auch die Vorstellung, dass wahre Frömmigkeit dem Engelsleben entspreche, war weit verbreitet. Besonders das Ordensleben wurde als vita angelica angesehen. Dem geistlich lebenden Menschen kam die Aufgabe zu, wie das göttliche Vorbild heilig zu sein.330 Die Anschauung Gottes in der Engelsgemeinschaft ist gerade auch ein wesentliches Ziel der Frömmigkeit moderner Devoter. Der Ursprung dieser Auffassung ist in der Vorstellung vom Engelssturz zu suchen, denn mit dem Sturz Satans wurde etwa ein Drittel der Engel abtrünnig. Daraufhin klagten die verbliebenen Engel über die Zerstörung der Harmonie, weshalb Gott die Menschen berief, die Stelle der abtrünnigen Engel einzunehmen. Um die alte Zahl der Engel zu vervollständigen und die ursprünglich heile Gestalt der Schöpfung wieder herzustellen, war es für Menschen also möglich, Engeln gleich zu werden. Da die Engel als Geschöpfe Gottes galten, wurden sie auch Söhne Gottes genannt. Wegen ihrer Zugehörigkeit zur göttlichen Sphäre bezeichnete man die guten Engel auch als Heilige.331 (47) – Z. 560: (...) lutterkaitt jrer manunng (...) Die lutterkaitt sollte für den geistlich lebenden Menschen generell von zentraler Bedeutung sein. Im Text erscheint das Wort überwiegend als Adjektiv oder als Adverb an mehreren Stellen.332 Eine aufrichtige Gesinnung (recta intentio) ist die Voraussetzung dafür, dass die Schwestern alle Vergehen beichten. Sie ist auch entscheidend für die innere geistliche Entwicklung der Schwestern, denn wenn die Seele Gott erkennen will, muss gewährleistet sein, dass sie rein (lutter) ist. (48) – Z. 562f.: (...) zittliche ding, das dem flaisch oder der zitt zu gehörtt (...) Unter zittliche ding sind irdische Dinge zu verstehen, die man im Gegensatz zu den himmlischen Gaben nicht ohne die Furcht besitzen kann, sie zu _____________ 329 Dazu R. Meyer, Das ’St. Katharinentaler Schwesternbuch‘, S. 301. 330 Vgl. I Pt 1, 16f. 331 Dafür Dn 8, 13 oder Job 5, 1 und Rosenberg, Engel und Dämonen, S. 51. – Zum Engelssturz siehe auch den Kommentar (9). 332 SG2, Z. 517, 572, 712, 1075, 1284.

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verlieren.333 Der Aufforderung, von den irdischen Dingen abzulassen und sich den himmlischen Dingen zuzuwenden, widmet Hendrik Herp im Spieghel der volcomenheit auf der Grundlage von Mt 19, 21 ein ganzes Kapitel, welches überschrieben ist: Van een steruen alre begheerten der tijtlicker dinghen.334 Eng an Auffassungen von Augustinus orientiert,335 begegnet der Gedanke auch in dominikanischen Schwesternbüchern.336 Zur Erklärung des Begriffs wird an dieser Textstelle auf das Wort flaisch rekurriert, das schon im Alten Testament Metonym für Vergänglichkeit und Sterblichkeit war und Antonym für göttliche Kräfte und Eigenschaften.337 Bei Paulus bezeichnet ’Fleisch‘ allgemein das Leben in seiner Schwachheit und Hilflosigkeit (z.B. Rm 6, 19). Da der Mensch im Fleisch lebt (II Cor 10, 3), besteht durchweg die Gefahr, dass er auch nach dem Fleisch lebt (u.a. I Cor 1, 17), dass er sich an sich selbst und damit an Vergänglichem orientiert und nicht an Christus und Geistlichem.338 (49) – Z. 569f.: (...) wenn sy sind by XV oder XVJ jar alt vnd jnnen dye welt begynnet zu schmecken, so mag man sy nemen (...) Über das geeignete Alter für die Aufnahme in geistliche Gemeinschaften wurde immer wieder diskutiert. Post spricht unbestimmt von einem Lebensalter zwischen neun und zwanzig Jahren.339 Nach den Statuten für niederrheinische Häuser der Schwestern vom gemeinsamen Leben aus dem 15. Jahrhundert hatten die Mädchen nicht unter vierzehn zu sein, wenn sie aufgenommen wurden, bei ihrer Einkleidung noch mindestens ein Jahr älter.340 Den Statuten für die Windesheimer Frauenklöster zufolge sollten Mädchen nicht vor Vollendung ihres zwölften Lebensjahres zur Klausur zugelassen werden. Die Einkleidung sollte nicht vor dem vierzehnten Lebensjahr erfolgen.341 Eva Schlotheuber hat aus schwer zugänglichen Quellen wie zum Beispiel Tagebuchaufzeichnungen ermittelt, dass Zisterzienserinnen und Be_____________ 333 334 335 336 337 338 339 340 341

Pohl (Hg.), Thomas von Kempen, Opera omnia, Bd. 2: Imitatione Christi, S. 41, 28f.-42, 4. Verschueren (Hg.), Hendrik Herp O.F.M., Spieghel der volcomenheit, Bd. 2, S.19-27. Vgl. dazu Regula ad servos (Migne PL 32, Sp. 1379). Siehe Vetter (Hg.), Das Leben der Schwestern zu Töß: „Ir soellent die irdischen ding lassen und sond úwer hertz und úwer gemuett uff haben zuo himelschlichen dingen.“ (S. 14, Z. 15-16). Dazu Theodor Seidl, Artikel Fleisch I: Im Alten Testament und Frühjudentum, in: 3LThK, Bd. 3, Sp. 1317f., hier 1317. Siehe dazu z.B. Rm 8, 3-8. Post, The Modern Devotion, S. 497. Dazu Rehm, Die Schwestern vom gemeinsamen Leben im nordwestlichen Deutschland, S. 287. Dafür van Dijk, De constituties der Windesheimse vrouwenkloosters vóór 1559, S. 777 und S. 376.

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nediktinerinnen schon mit vier oder fünf Jahren in Klöster Einlass fanden, sofern zwischen den Familien der Kinder und den Klöstern Beziehungen über Generationen hinweg bestanden.342 Gertrud Jaron Lewis hat in dominikanischen Schwesternbüchern Belege gefunden, wonach auch schon dreijährige Mädchen aufgenommen wurden, wenngleich die meisten Kinder zwischen sieben und zehn Jahren alt waren. Mütter, die einem Konvent beitreten wollten, brachten ihre Kinder bisweilen einfach mit und übergaben sie der Novizenmeisterin.343 Bei der Frage nach dem geeigneten Aufnahmealter war die Kapazität des Klosters ein wichtiges Argument. Da nicht selten mehr Frauen aufgenommen wurden, als es die Mittel der Klöster erlaubten, schritt mitunter sogar der Papst ein. Sixtus IV. (1471-84) etwa verordnete im Jahre 1476, dass in den Nürnberger Klöstern St. Klara (Klarissen) und St. Katharina (Dominikanerinnen) sowie in Pillenreuth (Augustinerchorfrauen) und Großgründlach (Zisterzienserinnen) nur so viele Frauen aufgenommen werden sollten, wie die jeweiligen Klöster ohne größere Schwierigkeiten unterhalten könnten, und dass die Frauen in der Stadt geboren (indigene) sein sollten.344 Über diese Verordnung entwickelte sich ein anhaltender Streit, in den auch der Nürnberger Rat der Stadt involviert war.345 (50) – Z. 601: (...) fürgehalten (...) für die ogen jres hertzen (...) Der Ausdruck ante oculos cordis ponere wird des Öfteren gebraucht, wenn es um ein inneres Vertiefen von bestimmten Lehrinhalten oder um szenische Darstellungen wie etwa die Passion Christi geht. Bei dieser Verinnerlichung sollten solche Inhalte durch imaginatio veranschaulicht werden, so dass eine persönliche Anteilnahme hervorgerufen werden konnte.346 _____________ 342 Die Arbeit ist inzwischen erschienen unter dem Titel Die Lebenswelt der Nonnen im späten Mittelalter. Mit einer Edition des ‚Konventstagebuchs‘ einer Zisterzienserin von Heilig-Kreuz bei Braunschweig (1487-1507), Tübingen 2004 (= Spätmittelalter, Humanismus, Reformation/Studies in the Late Middle Ages, Humanism and the Reformation 24). 343 Lewis, By Women, for Women, about Women, S. 218. – Ein wichtiger Grund für die durchweg frühe Aufnahme der Mädchen bestand darin, dass die monastischen Erzieher und Erzieherinnen die kindlichen Entwicklungsphasen ihrer Zöglinge nutzen wollten, um sie ganz im Sinne der christlichen Lehre zu prägen. 344 So festgesetzt in der Bulle vom 11. Juni 1476 (Nürnberg, Stadtarchiv, UR 1476 Juni 11) . 345 Eine ausführliche Darstellung dieses Streites bietet Georg Pickel, Geschichte des Klaraklosters in Nürnberg, in: Beiträge zur bayerischen Kirchengeschichte 19 (1913), S. 94-100 und S. 193-211, hier S. 94-100. 346 Dazu Schuppisser, Schauen mit den Augen des Herzens, S. 176 und siehe die Ausführungen im Kapitel VI, Pkt. 3.3.

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(51) – Z. 644f.: (...) zu waren tugenden zu kumen (...) Neben den monastischen Tugenden Armut, Keuschheit und Gehorsam werden im Text die göttlichen Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe immer wieder thematisiert.347 Außerdem werden als Tugenden oder Eigenschaften hervorgehoben: ein geduldiger Umgang mit den Mitschwestern, Strenge in der Lebensweise, Selbsterniedrigung und Verachtung der Welt.348 Die Weltverachtung war bei den modernen Devoten von herausragender Wichtigkeit. Die Lehre diente ihnen in erster Linie dazu, möglichst alle Laster auszurotten, um dadurch zu Tugenden wie swijgen, wijken, duken zu kommen.349 Der Tugenderwerb war dabei stets von göttlichen Gnadenwirkungen abhängig, was auch im Text von der besessenen Schwester Agnes deutlich wird (SG2, Z. 897-901). Außerdem kommt im Text der Passion Christi, die vor allem in privaten Andachtsübungen und während der täglichen Konventsmesse meditiert werden sollte, beim Erwerb von Tugenden eine große Bedeutung zu.350 Die Passionsfrömmigkeit, deren Grundlage die Hervorhebung der menschlichen Natur Christi war, ist zisterziensischen Ursprungs351 und wurde besonders von Bernhard von Clairvaux vorangetrieben.352 Aus ihr entwickelte sich der Nachfolgegedanke, der die Frömmigkeit des Spätmittelalters entscheidend prägte.353 Über die Passionsbetrachtung war der innere Nachvollzug des ganzen Lebens Christi anzustreben, denn am leidenden Christus sollten alle Heilmittel gegen die Laster erkannt werden.354 _____________ 347 Als theologische Tugenden in der Reihenfolge caritas, spes und fides. Weniger betont sind demgegenüber die Kardinaltugenden Gerechtigkeit, Klugheit, Tapferkeit und Mäßigkeit. 348 Für Belegstellen siehe das Schema zur Übersicht über die Textinhalte im Kap. VI, Pkt. 2.4. Es fehlen aber Darstellungen von Tugendbäumen oder Beschreibungen von Tugendkatalogen, wie sie in Schwesternviten und hagiographischen Texten nicht selten zu finden sind; dazu Ringler, Viten- und Offenbarungsliteratur, S. 157f. bzw. Ortrud Reber, Die Gestaltung des Kultes weiblicher Heiliger im Spätmittelalter. Die Verehrung der Heiligen Elisabeth, Klara, Hedwig und Birgitta, Hersbruck 1963, S. 168-171 und R. Meyer, Das ’St. Katharinentaler Schwesternbuch‘, S. 317f. und 321f. – Siehe auch den Kommentar (90), in dem die Aufzählung von Sünden am Schluss des Textes erläutert wird. 349 Dafür Stephanus Axters, Geschiedenis van de vroomheid in de Nederlanden, 4 Bände, Antwerpen 1950-60, hier Bd. 3: De Moderne Devotie 1380-1550, Antwerpen 1956, S. 103. 350 Zu den Strukturen solcher Passionstexte siehe José van Aelst, Geordineert na dye getijden. Suster Bertkens passieboekje, in: OGE 69, S. 133-156, hier S. 146-149. 351 Dazu beispielsweise Langer, Mystische Erfahrung und spirituelle Theologie, S. 151. 352 Vgl. Alberich Altermatt, Christus pro nobis. Die Christologie Bernhards von Clairvaux in den ’Sermones per annum‘, in: Analecta Cisterciensa 33 (1977), S. 3-176. 353 Dazu Ruh, Die Schwesternbücher der Niederlande, in: ZfdA 126 (1997), S. 166-173, hier S. 173. 354 Vgl. dazu auch den Kommentar (12) zur Bedeutung des Leidens. – Den angestrebten Entwicklungsprozess eines modernen Devoten hat A. G. Weiler beschrieben und erklärt; siehe ders., Recent historiography on the Modern Devotion: some debated questions, in: Archief voor de geschiedenis van de katholieke kerk in Nederland 26 (1984), S. 161-179 und ders., De constructie van het zelf bij Geert Grote, in: W. Verbeke (Hg.), Serta devota in memoriam Guillelmi Lourdaux, Teil 1, Leuven 1992 (= Mediaevalia Lovaniensia, Series 1, Studia XX), S. 225-239.

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Tugenden zu erwerben bedeutete, Laster durch compassio abzustreifen. Mit dem Gedanken der compassio als heilsfördernde Praktik war also eine spezifische Tugendlehre verbunden,355 deren wesentliche Ziele darin bestanden, nach Gottes Willen zu leben, ihm allein zu folgen und die äußeren Kräfte den inneren zu unterwerfen. Diese Auffassung erinnert an Vorstellungen Heinrich Seuses, für den die Abbuße von Sünden durch die compassio zu erfolgen hatte. Sühne beginne mit der Vergegenwärtigung des Leidens Christi und könne durch ein geduldiges Ertragen von Ungerechtigkeiten und Leiderfahrungen, die Sühnewerke, erreicht werden.356 (52) – Z. 646: (...) wider jn die welt (…) gan (...) Konnte der Eigenwille einer Schwester nicht gebrochen werden, war es den Vorstellungen nach für sie unmöglich, den geistlichen Weg zu beschreiten und die angestrebten Tugenden zu erwerben. Als Mittel gegen einen unbeugsamen Eigensinn wurde deshalb sogar mit der Ausweisung aus der Gemeinschaft gedroht. Die Furcht der Schwestern, schwere Vergehen zu beichten, findet vermutlich auch in dieser Maßnahme ihre Begründung.357 In Geert Grootes Statuten für die Schwestern vom gemeinsamen Leben war allerdings festgelegt, dass die Ausweisung als letzte und schwerste Strafe zu gelten hatte.358 (53) – Z. 648: (...) devocion (...) Der lateinische Terminus devotio wurde in religiösen deutschsprachigen Texten bis in das 20. Jahrhundert hinein zumeist mit ’Andacht‘ übersetzt. In jüngster Zeit wird zunehmend erwogen, ob die Begriffe ’Ergebenheit‘, ’Unterwürfigkeit‘ oder ’Hingabe‘ nicht adäquatere Übersetzungen darstellen.359 An dieser Stelle wird das Wort mit der Bedeutung einer besonderen Empfindung von Frömmigkeit gebraucht. Aus Devotion wurde mitunter auch gebeichtet, wenn zuvor keine Sünden begangen wurden.360 _____________ 355 Siehe zu dieser Verbindung von compassio und Tugendlehre Ringler, Viten- und Offenbarungsliteratur, S. 285. 356 Vgl. dazu Angenendt, Geschichte der Religiosität im Mittelalter, S. 648f. 357 Siehe zu diesem Zusammenhang auch SG2, Z. 627-629: „Do bekanntten etlich jung swestern, das sy jr kranckait klarlich nit getörstent offenbaren, won sy besorgetten, man wurd sy dar vmb vss dem huss stossen, wer, das man jr kranckaitt klarlichen wyste.“ 358 Dafür A.J. Geurts (Hg.), Moderne Devotie. Figuren en facetten, S. 130. 359 Dazu Hans Dünninger, Artikel Devotion, in: Marienlexikon, Bd. 2, S. 181. 360 Siehe dazu den Kommentar (10).

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(54) – Z. 650-653: Vnd sy bedunckt by der wyll, das sy süssen r ch schmacket vnd enpfund. Jr was och zu zitten, als ob sy von jr selbs kumen vnd verzuckt wer worden. Dysß verwundert etlich vnder den swestern vnd manten, es k m jr von sunderlicher hailligkait (...) In der Offenbarungs- und Vitenliteratur ist die hier gemeinte visionäre Verzückung und Entrückung häufig beschrieben.361 Ruth Meyer sieht als Vorbild dieses Zustandes den von Paulus beschriebenen raptus (II Cor 12, 2-4) und nennt zahlreiche Belegstellen sowie begriffliche Varianten.362 Nicht selten war auch die Empfindung von Wohlgerüchen mit solchen Zuständen verbunden. Die Spezifizierung des Geruches als ’süß‘, wie an dieser Textstelle, lässt erkennen, dass er als göttlicher Gnadenerweis gewertet wurde.363 Da Gott die Opfergabe Christi als lieblichen Geruch wahrnehmen konnte,364 empfindet die Schwester im Gegenzug süßen Geruch als Gnadenerweis Gottes.365 Solche Gnadenerweise galten im eher mystikfeindlichen 15. Jahrhundert als nur eingebildet und als vom Teufel initiiert.366 Aufschlussreich ist dazu eine Stelle im Text von der besessenen Schwester Agnes, in der nicht nur Gott ganz ausdrücklich als der Sender „synnlicher gnaden oder enpfintlicher ynnigkait“ (Z. 1165) gekennzeichnet wird, sondern zugleich die Absicht Gottes für diese Gnadengabe formuliert ist: „(…) das pfligt der herr offt den nüwen, anfachenden menschen zu geben vnd zücht sy da durch, zu jm zu kumen.“367 (55) – Z. 679-681: (...) das sy so ledig vmbgiengent vnd kaine swere arbaitt nit tätten vnd doch die selbe swëster alle zitt so vil vsswendiger grosser werck tün müste. Schwerere körperliche Arbeiten und Verwaltungsämter, die vom geistlichen Leben abhielten, wurden von den Schwestern in der Regel nur ungern ausgeführt.368 Die Bewältigung solcher Aufgaben brachte organisato_____________ 361 R. Meyer, Das ’St. Katharinentaler Schwesternbuch‘, S. 229. 362 Ebd. S. 229f.; weitere Beispiele bei Ringler, Viten und Offenbarungsliteratur, S. 287-289. 363 Zur Verwendung des Wortes ’süß‘ als Synonym für ’gnadenhaft‘ siehe die Beschreibung der vita von Mezzi Sidwibrins aus dem Tösser Schwesternbuch. Erläuterungen dazu bei Brigitta Stoll, Die theologischen Denkfiguren bei Elsbeth Stagel und ihren Mitschwestern, in: Béatrice W. Acklin Zimmermann (Hg.), Denkmodelle von Frauen im Mittelalter, Freiburg/Schweiz 1994 (= Dokimion 15), S. 149-172, hier S. 168. Siehe dazu auch den Kommentar (63). 364 Vgl. dazu Eph 5, 2. und Gen 8, 21. 365 Auch in der Legendenliteratur ist Wohlgeruch ein weitverbreitetes Zeichen von Heiligkeit. 366 Siehe dazu ausführlichere Erläuterungen im Kapitel X, Punkte 1 und 2. 367 SG2, Z. 1176f. 368 Vgl. dazu auch SG2, Z. 905f.: „Do sprach ain swester, das sÿ vngern vsswendige werck vnd /bung tätt.“

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rische Tätigkeiten mit sich und erforderte weltliche Gedanken, was auf dem persönlichen geistlichen Weg wenig weiterführte.369 Bei Johannes Brinckerinck heißt es dazu: Wi en sellen niet alleen staen in den uutwendighen arbeit, maer onse oghen dicwyle kieren ende sien, datter een inwendich arbeit is, daer ons merre macht an leidt; want die inwendighe arbeit is die ons heilich maect (...)370

Die Anforderungen des Lebens in einer geistlichen Gemeinschaft erforderten jedoch eine vita mixta aus vita activa und vita contemplativa.371 Die vita contemplativa bestand vornehmlich in lectio, oratio und meditatio. Das Ziel dieser Lebensweise war es, sich den äußeren Geschäftigkeiten zu entziehen, um frei zu sein für Gott.372 Zur vita activa gehörten die Verwaltung von Ämtern sowie die Durchführung von Arbeiten, die unmittelbar dem Erhalt der Gemeinschaft dienten.373 Das Verhältnis von vita activa und vita contemplativa wird im Text von der besessenen Schwester Agnes an einer Stelle differenziert und gewichtet: Vmb die vsswendige arbaitt sol man kain gutt sitten vnderwegen lassen. Wer aber arbaitt, so es nit zitt oder füg hatt, vnd tritt da mit von gütten sitten, der gybt das maist vmb das ringest vnd das best vmb das mynst, wann gütt sitten sind vast besser vnd nützer, wann vsswendige arbaitt.374

Verweigerten Schwestern die ihnen auferlegten vsswendigen Arbeiten, konnte das zu erheblichen Bestrafungen führen. Nach den Statuten für die niederrheinischen Schwesternhäuser sollte arbeitsfähigen aber arbeitsunwilligen Schwestern sogar das Essen rationiert werden.375 _____________ 369 Gerade um solche Anforderungen hinter sich zu lassen, hatten sich wohl nicht wenige Schwestern für ein Leben in der geistlichen Gemeinschaft entschieden. – Für Textbeispiele aus dominikanischen Nonnenviten über die Flucht von Schwestern vor diesen Ämtern siehe Blank, Die Nonnenviten des 14. Jahrhunderts, S. 40-42. Zum insgesamt ambivalenten Verhältnis der Schwestern gegenüber Ämtern im Konvent siehe auch den Kommentar (88). 370 Moll, Acht collatiën van Johannes Brinckerinck, S. 156. 371 Als Grundlage dieser Ansicht diente häufig die Diskussion der Dichotomie von Martha-Maria. Siehe zur Entwicklung der Auffassung, dass Kontemplation und Aktion einander bedingen, Blank, Die Nonnenviten des 14. Jahrhunderts, S. 33-40. Andreas Wilts geht hinsichtlich der Lebenssituation in Beginenkonventen des 13. Jahrhunderts von einem kaum lösbaren Spannungsverhältnis von Aktion und Kontemplation aus; ders., Beginen im Bodenseeraum, Sigmaringen 1994 (= Bodensee-Bibliothek 37), S. 152ff. 372 Für Thomas von Aquin bezeichnet contemplatio auch ganz speziell den Akt der Vernunft, die Göttliches betrachtet; siehe Langer, Zur dominikanischen Frauenmystik im spätmittelalterlichen Deutschland, S. 343. 373 Vgl. dafür die Ausführungen von Otto Langer zu Nonnenviten in seiner Arbeit Mystische Erfahrung und spirituelle Theologie, S. 124f. 374 SG2, Z. 1435-1438. 375 Dazu Rehm, Die Schwestern vom gemeinsamen Leben im nordwestlichen Deutschland, S. 289.

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(56) – Z. 711f.: Vff ain zit solt ain swester jr gebresten bekennen vnd sÿ saitt die nit so opfenbar vnd lutter, als sy billichen solt getün haben. Als Elemente des ordo poenietentiae galten im Mittelalter die Reue, die Beichte und die Buße. Seit Thomas von Aquin zählten Reue, Bekenntnis und Genugtuung des Poenitenten als Materia des Sakramentes.376 Im Verlauf des späteren Mittelalters wandelte sich die Beichte „vom Frageschema zur Selbstbeobachtung“.377 Die Beobachtung des eigenen Verhaltens und des persönlichen Innenlebens sollte im Dienst einer gesteigerten Selbstkontrolle und Gewissenserforschung stehen.378 Wie die Beichte in Frauenkonventen im Einzelnen auszusehen hatte, ist in zahlreichen Texten beschrieben worden. Ein bedeutender Vertreter der Observanzbewegung im 15. Jahrhundert, der Dominikaner Thomas von Lampertheim, empfahl in seiner Beichtanweisung für Ordensfrauen unter anderem, die Inhalte von Beichtgesprächen auf das Notwendigste zu beschränken und den Schwestern Freiraum zu lassen für eine realistische Selbsteinschätzung.379 Auch in C kommt die Auffassung, dass die Beichtpflicht zu einem erheblichen Teil in das eigene Ermessen der Beichtenden zu übergeben sei, an einer Stelle deutlich zum Ausdruck: Da wart er gefraget, obe die swestern alles solten sagen, das er vnd sine gesellen ÿnen jngebent. Do antwurt er den swestern: ‚Das were uch vnmugelich, dan wir sint nit ledig, uch zţ bekoren vnd anzţvehten, ÿr hant noch fleisch vnd blţt, das uch beswert oder belastet, vnd ÿr sint nimmer one gedencke. Aber alles, das uch uwer redelicheit zeiget, das sollent ir offenbaren.‘380

In den Orden und vergleichbaren religiösen Gemeinschaften war häufiges Beichten Gepflogenheit. Die Anzahl der vorgeschriebenen Beichten war mitunter erheblich größer als die der Kommunionen.381 Nach den Windesheimer Statuten sollten die Schwestern einmal in zwei Wochen beichten.382 Die Frauen zu St. Katharina in St. Gallen hatten sogar einmal pro Woche zur Beichte zu gehen.383 Damit die Schwestern bei der Beichte keine ihrer Verfehlungen vergaßen, notierten sie sich diese bisweilen auf Tafeln. Wurde die Beichte versäumt, konnte das zu harten diesseitigen oder jenseitigen Strafen führen. _____________ 376 377 378 379 380 381 382 383

Vgl. R. Meyer, Das ’St. Katharinentaler Schwesternbuch‘, S. 299. Angenendt, Geschichte der Religiosität im Mittelalter, S. 647. Ebd. S. 657. Dazu Hans-Jochen Schiewer, Artikel Thomas von Lampertheim (Lampacher, Lamparthen, Lampertius) OP, in: 2VL 9, Sp. 885-889, hier Sp. 885-887, hier Sp. 887. C, fol. -. Vgl. Grosse, Heilsungewißheit und Scrupulositas im späten Mittelalter, S. 177. Dazu van Dijk, De constituties der Windesheimse vrouwenkloosters vóór 1559, S. 815. Die Frauen zu St. Katharina in St. Gallen, S. 12.

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Im Text von der besessenen Schwester Agnes erfolgen zu solchen Strafen detailliertere Ausführungen: Vnd wer sin kranckait vnd gebresten nit offenbaren vnd vssprechen wyll, dem wirt von dyssen vier ding ye ains geschechen. Er wirtt wider zu der welt gan oder er wirt thol oder tob jn dem höbt vnd torecht vnd vnsynnig werden oder mit dem tüffel jn dem flaisch besessen oder hye nach ewigklichen verdampnott werden, ist, das jr dar jn verhertten oder belibent bys ain das end. So aber der mensch sich bessern wyll, so ist jm die gnad gotts alle zitt beraitt. Saitt er aber die gebresten vnd sünd nit gantz vss, so belibt er gantz jn sinen pasion vnd wirt jn warhait besessen jn der sel.384

(57) – Z. 713-718: Do ward die swester vnlydsam vnd ongedultig vnd redt zornlichen zu der mütter vnd sprach: „Won jr mochten ain mensch wol verzwifflett machen.“ Do schalt sy der bichtvatter dar vmb, das sy so vnzüchtigklichen zu der obersten gesprochen hett, vnd saget jr da by, das sy grosse pin dar vmb hyr nach lyden müsst (...) Die Bestrafungen der Schwestern für derartige Äußerungen gegenüber den Oberen des Hauses waren beträchtlich. Im Ortenkonvent mussten sie „ootmoedelyck op haer knyen vallen“ und durften nicht aufstehen, bis die Oberen ihnen die Erlaubnis dazu erteilten.385 In den Statuten für die niederrheinischen Schwesternhäusern und in den Windesheimer Statuten waren die Strafen für solche Vergehen noch härter.386 (58) – Z. 732f.: Do was ain swester, dye bekanntt, das sÿ offt vorcht vnd angst hett, das jr vnser herr jr sund nit vergeben wolt. Die Zusicherung der Sündenvergebung war ein Trost für die Schwestern in ihrem an Entbehrungen reichen Leben. Sie wurde immer wieder eingefordert. In zahlreichen geistlichen Unterweisungstexten hat sie Toposcharakter. Auch im Text von der besessenen Schwester Agnes kommen derartige Bestätigungen häufiger vor.387 Die Sündenvergebung erfolgte wie die Gewährung von Gnade stets ohne Aufrechnung des menschlichen Verdienstes. Weniger Gewissheit hatten die Schwestern hingegen bezüglich ihrer Heilserwartung.388 _____________ 384 SG2, Z. 948-956. 385 Siehe van Elsen/Hoevenaars (Hgg.), Analecta Gysberti Coeverincx, Bd. 2, S. 181. 386 Dazu Rehm, Die Schwestern vom gemeinsamen Leben im nordwestlichen Deutschland, S. 280 und van Dijk, De constituties der Windesheimse vrouwenkloosters vóór 1559, S. 791. 387 Im Textzeugen SG2 unter anderem in den Zeilen 734f., 1106-1108, 1263-1266. 388 Siehe dafür den Kommentar (79).

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(59) – Z. 760f.: Aber sprach ain andere swester, das sy all zu mall gern jnwendig jn dem gaist wolt vffgezogen werden. Eine ähnliche Formulierung findet man im Tösser Schwesternbuch als Beschreibung einer Levitation im Zusammenhang mit einem mystischen Erlebnisgeschehen. Es heißt dort: „(...) das ir gaist etwenn als gar uffgezogen wery in Got.“389 Als sichtbares Zeichen von Gnade war die Levitation für die Schwestern ein vertrautes Phänomen, das auch als Moment der Annäherung an Gott herbeigesehnt wurde.390 Um ein entsprechendes Anliegen geht es einer Schwester an dieser Stelle im Text. Die Antwort des Dämons in der von „vffgezogen werden in den hymel“ (Z. 761f.) die Rede ist, macht diesen Zusammenhang jedenfalls wahrscheinlich. Die Textstelle ist hervorzuheben, weil sie eine der ganz wenigen ist, durch die eine Verbindung zur affektiven Mystik hergestellt werden könnte,391 einer Glaubenserfahrung, die sich mit der vita communis der Devoten nicht vereinbaren ließ. (60) – Z. 767-769: (...) das vngeloplichen were, das er vor gesprochen hett, wye die swester, vss der er dyse ding redt, XX jar lang vegfür lyden han müst, vmb so klain puntten (...) Da der Teufel von der Schwester Besitz ergreifen konnte, ist sie einer diabolischen Anfechtung erlegen, sie hat nicht auf das göttliche Einsprechen gehört und auch die Warnungen und Ermahnungen ihrer Oberen außer Acht gelassen.392 Für dieses Vergehen kann sie nicht ohne Strafe bleiben. Es drohen ihr diesseitige Kloster- und Ordensstrafen und jenseitige Fegefeuer- und Höllenstrafen. Im Diesseits wird sie durch die Qualen der Besessenheit bestraft, die zugleich auch eine Bewährungsprobe Gottes darstellen,393 im Jenseits folgt eine Bußzeit im Fegefeuer. Die Vorstellungen vom Fegefeuer, das als dritter eschatologischer Ort im Jahre 1274 auf dem 2. Konzil von Lyon in die Kirchenlehre aufgenommen wurde, waren vielfältig und sehr unterschiedlich.394 Neben den kanoni_____________ 389 Vetter (Hg.), Das Leben der Schwestern zu Töß, S. 41, Z. 19f. 390 Zur häufigen Schilderung von Levitationen in Nonnenviten R. Meyer, Das ’St. Katharinentaler Schwesternbuch‘, S. 299f. 391 Siehe zu weiteren solcher Textstellen die Kommentare (7) und (74). 392 Vgl. dazu die Begründungen des bösen Geistes einige Zeilen danach: „(...) dar durch die vorgemelt swester dem jnsprechen gotts widerstanden hett, vnd sy dennocht vor jnwendig vermanet wer worden, das sy es nit solt tün.“ (SG2, Z. 773-775). 393 Zur Funktion von Besessenheit siehe die Ausführungen im Kapitel VI, Punkte 5.2 und 5.3. 394 Jacques LeGoff unterscheidet unter anderem ein Fegefeuer der Spätgotik von einem der Devotio moderna und der Gegenreformation, ders., Pour un autre Moyen Âge, Paris 1977; dt.: Die Geburt des Fegefeuers. Vom Wandel des Weltbildes im Mittelalter, Stuttgart 1984, S. 437.

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schen Texten existierte eine Flut von Apokryphen, Visionen und Legenden, die Auskunft über das Fegefeuer erteilten.395 Im 13. Jahrhundert setzte sich die Auffassung durch, dass das Fegefeuer der Ort zur Buße für die lässlichen Sünden sei.396 Im Gegensatz zur Hölle besaß das Fegefeuer jedoch einen Ausgang zum Himmel. Wer im Fegefeuer für seine irdischen Sünden gebüßt hatte, wurde von den Engeln ins Paradies geführt und erlöst. Das Fegefeuer war somit ein Reinigungsfeuer, das auch schon bei Augustinus beschränkt war auf die Zeit zwischen Tod und Wiederauferstehung.397 Im Text von der besessenen Schwester Agnes wird das Fegefeuer zwar erwähnt, seine zahlreichen einzelnen Etappen und Differenzierungen, wie man sie etwa aus den Jenseitsvisionen des Tundalus oder des Georg von Ungarn kennt, werden aber nicht angeführt.398

(61) – Z. 801-804: (...) Jr ist och nit mer den drü, da es alles vff statt: Das erst, ainfaltigklichen gehorsam zu sine, der ander, aine vnder die andren sich zu demüttigen, der dritt, offenlichen zu bekennen, was wir uch jngeben. Statt der monastischen Gelübde stellen die Aufforderungen zur Demut,399 zum Gehorsam400 und zur Beichte401 gewissermaßen die tria substantialia des Textes dar. Das Wortfeld ’Demut‘402 wird insgesamt vierundneunzigmal erwähnt, der Gehorsam siebenunddreißigmal und die Beichte einundsechzigmal.403 Im Zusammenhang werden die drei stücklen oder püntten in den Zeilen 619-621, 840f., 874-877, 962f., 1116f., 1121, 1183f. hervorgehoben. Deutlich zu unterscheiden sind sie jedoch von der Zusammenfassung des im Text dargestellten dreiteiligen Heilsweges in den Zeilen 1000-1005.404 _____________ 395 Dazu Peter Jelzer, Himmel, Hölle, Fegefeuer. Das Jenseits im Mittelalter. Ausstellungskatalog, hrsg. v. der Gesellschaft für das Schweizerische Landesmuseum, München 1994, S. 22. 396 Vgl. LeGoff, Die Geburt des Fegefeuers, S. 266. Aufschlussreich ist dazu auch ein Text des Johannes Gerson über den Unterschied zwischen Todsünden und lässlichen Sünden, der auch im Nürnberger Katharinenkloster vorhanden war; siehe dafür Nürnberg, Stadtbibliothek, Cent. VI 46, fol. -. 397 LeGoff, Die Geburt des Fegefeuers. S. 92. 398 Zu den detaillierten Schilderungen verschiedener Jenseitsvisionen siehe die Darlegungen von Brigitte Spreitzer, „Wie bist du vom Himmel gefallen...“. Einschlagstellen des Diabolischen in der Literatur des späteren Mittelalters, Wien/Köln/Weimar 1994 (= Fazit 1), S. 190-224. 399 Siehe dazu auch den Kommentar (17) zur Bedeutung der Demut. 400 Zum Gehorsam siehe auch den Kommentar (78). 401 Zur Beichte die Kommentare (44) und (56). 402 Gemeint sind alle Nomen und Verbformen. 403 Für bichten stehen im Text auch die Wörter offenbaren, vss sprechen und bekennen. 404 Siehe dazu die Ausführungen im Kapitel VI, Pkt. 3.3.

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(62) – Z. 818: (...) vngestorben (...) Menschen, die am Anfang ihres geistlichen Weges standen, wurden als vngestorben bezeichnet, weil das Weltliche in ihnen noch lebte. Ihr Weg zur eigenen Seele, zum Ebenbild Gottes, setzte das stervende leven voraus.405 Sterven konnte vom Menschen gefördert werden, durch Demut etwa und durch Gehorsam gegenüber den Vorgesetzten und gegenüber Gott. (63) – Z. 821: (...) es wer von siner süssigkait. Das Wort süssigkait kann im geistlichen Kontext die verschiedensten Bedeutungen haben. Häufig kommt der Terminus vor, um Beglückung und Gnadenempfänglichkeit zum Ausdruck zu bringen.406 Er bezeichnet aber auch die Gnadenwirkung beziehungsweise den Zustand eines Menschen, der Gnade empfangen hat.407 An dieser Textstelle ist jedoch am ehesten die Bedeutung von ’Schmeichelei‘ zutreffend.408 (64) – Z. 903f.: (...) vmb das jr uch selber gewalt vnd wee tund. Diese Formulierung steht nicht nur für Praktiken der Selbstgeißelung, sondern für alle Askeseübungen409 sowie für die innere Bereitschaft, Anstrengungen auf sich zu nehmen, um gottgefällig zu leben. In dem letztgenannten Sinn wird der Ausdruck auch bei Thomas von Kempen gebraucht: „Si modicam violentiam faceremus in principio: tunc postea cuncta possemus facere cum levitate et gaudio.“410 Körperliche Leiden waren für die Schwestern aber die vertrauteste und spürbarste Form des Leidens. Sie wurden deshalb zum Ausgangspunkt für die Reflexion über das Leiden selbst und waren damit auch die Basis, um die Passion Christi nachvollziehen zu können. _____________ 405 Dazu den Kommentar (39). 406 Vgl. dafür den Kommentar (54) und die Textstelle SG2, Z. 1286: „(...) ob jr och kain süssigkaitt smeckent oder enpfindent.“ 407 Vgl. Langer, Mystische Erfahrung und spirituelle Theologie, S. 132. 408 Zu dieser Übersetzung des Wortes Grimm, DWb, Bd. 20, Sp. 1344. An weiteren Textstellen sind ganz andere Wortbedeutungen gemeint; siehe dazu die Worterläuterungen zu den entsprechenden Stellen in der Edition des Textzeugen SG2, Z. 1019: „enpfinttliche süssigkait“ und Z. 1290f.: „sÿnnliche süssigkait“. 409 Zur Askese siehe auch die Kommentare (13), (14) und (65). 410 Pohl (Hg.), Thomas von Kempen, Opera omnia, Bd. 2: Imitatione Christi, S. S. 20, 6-8: (Übersetzung: Fügten wir uns nur am Anfang etwas Gewalt zu, dann könnten wir später alles mit Leichtigkeit und Freude vollbringen.) Außerdem ebenda S. 56, 25f.: „Tantum proficies: quantum tibi ipsi vim intuleris.“ (Übersetzung: Du wirst so weit voranschreiten, wie du dir selbst Gewalt antust.)

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Im Text von der besessenen Schwester Agnes wird das Gebot, sich selbst zu zwingen beziehungsweise selbst Leid auf sich zu nehmen, kontinuierlich wiederholt (Z. 339, 793f., 902-904, 913f., 920f., 1091f. und 1200). (65) – Z. 905f.: Do sprach ain swester, das sÿ vngern (...) 0bung tätt. Der Terminus 0bung ist eine Umschreibung für asketische Handlungen, und damit für alle Verrichtungen, „welche die Seele befähigen sollen, für die Gnade bereit und offen zu stehen.“411 Asketische Betätigungen lassen sich nach dem Vorbild Jesu in die Begriffe ieiunia, vigiliae und orationes fassen.412 Die geistlichen Übungen (Exerzitien) konnten auf das Aufsagen von Gebeten, auf Lektüre und Betrachtungen beschränkt sein, aber auch durch Peinigungen vollzogen werden.413 Neben dem Fasten, Wachen und Beten, neben Maßnahmen also, die im Ordensleben des Mittelalters größtenteils festgeschrieben und regelmäßig zu vollziehen waren, gab es selbstauferlegte Praktiken, wie das Schlafen auf einem harten Brett ohne ein Kopfkissen414 oder das Baden in eiskaltem Wasser.415 Zu den härtesten asketischen Praktiken gehörte es, dem eigenen Körper mit geknoteten Stricken und Dornen Wunden zuzufügen.416 Nicht umsonst ist der Begriff der Askese vielfach auch verbunden mit dem der Kasteiung (kestigung), der Abtötung von Leib und Sinnlichkeit.417 (66) – Z. 968: Vnd so ewer aine die andern vermanet (...)418 Bei den modernen Devoten wurden öffentliche Ermahnungen von solchen unterschieden, die zwei Schwestern unter sich aussprachen.419 Durch die gegenseitigen Ermahnungen sollte nach Auffassung Geert Grootes das _____________ 411 Margarete Weinhandl (Hg.), Deutsches Nonnenleben. Das Leben der Schwestern zu Töß und der Nonne von Engeltal Büchlein von der Gnaden Überlast, München 1921 (= Katholikon 2), S. 1-109, hier S. 74. 412 Vgl. Ringler, Viten- und Offenbarungsliteratur, S. 158f. 413 Für Beispiele solcher Übungen in dominikanischen Frauenklöstern siehe Rapp, Zur Spiritualität in elsässischen Frauenklöstern am Ende des Mittelalters, S. 354-356. 414 Siehe R. Meyer, Das ’St. Katharinentaler Schwesternbuch‘, S. 303f. 415 Dafür sowie zu weiteren Askesepraktiken in dominikanischen Nonnenklöstern Lewis, By Women, for Women, about Women, S. 255. 416 Zu solchen Askesepraktiken Dinzelbacher, Angst im Mittelalter, S. 276. 417 Ringler, Viten- und Offenbarungsliteratur, S. 159. 418 Siehe dazu auch den Kommentar (42). 419 Vgl. dafür Thom Mertens, Collatio und Codex im Bereich der Devotio moderna, in: C. Meier, D. Hüpper und H. Keller (Hgg.), Der Codex im Gebrauch, München 1996 (= Münstersche Mittelalter-Schriften 70), S. 163-182, hier S. 164 und 167, Anm. 19.

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Individuum lernen und über seine eigenen Grenzen hinauswachsen.420 Dem Text von der besessenen Schwester Agnes zufolge fanden die gegenseitigen Ermahnungen täglich statt, was ihre Wertschätzung unterstreicht: Vermanunng ist ain gross, sällig ding, die vil frucht ain uch pringt, wenn sy recht geschicht. Vnd wärent die täglichen vermanunngen nit, wyr wurden wunder mit uch würcken (...).421

Auch aus der umfangreichen und detaillierten Behandlung solcher Zusammenkünfte in den Konstitutionen des Ortenkonventes geht die besondere Bedeutung der Ermahnungen hervor,422 die zudem als ein Mittel angesehen wurden, um den bösen Geist zu vertreiben.423 Neben Ermahnungen zum Guten gab es auch Tadelungen des Schlechten. Nicht selten nahmen diese Tadelungen Ausmaße des klösterlichen Schuldkapitels an.424 (67) – Z. 1014f.: (...) ogen (...) bewaren (...) Es war nicht nur bei den Schwestern vom gemeinsamen Leben stets geboten, optische Reizwirkungen verschiedenster Art zu vermeiden.425 Wie die demutsvolle Neigung des Hauptes während der Ausübung alltäglicher Pflichten,426 so gehörte auch die Kontrolle der Blicke zu den geforderten Verhaltensweisen, die sogar in Statuten festgesetzt waren und in der Zeit des Noviziats gelehrt wurden.427 (68) – Z. 1043f.: Vermanunng ist ain salben der wunden jn der sele (...) Das Bild ist in geistlichen Kontexten der Zeit nicht ungewöhnlich, weil Ermahnungen ähnlich wie Krankheiten als eine Art geistlicher Arznei auf _____________ 420 421 422 423 424

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Vgl. Epiney-Burgard, Die Wege der Bildung in der Devotio moderna, S. 197f. SG2, Z. 743-745. Dazu van Elsen/Hoevenaars (Hgg.), Analecta Gysberti Coeverincx, Bd. 2, S. 179-182 und 190f. Auch in SG2 heißt es in Zeile 746: „(...) durch vermanunng verlürent wir wider, was wir an uch gewunnen hand.“ Siehe dazu beispielsweise T. Mertens, Collatio und Codex im Bereich der Devotio moderna, S. 165, Anm. 11 und Axters, Geschiedenis van de vroomheid in de Nederlanden, Bd. 3, S. 104 sowie van Elsen/Hoevenaars (Hgg.), Analecta Gysberti Coeverincx, Bd. 2, S. 179-183 und 189-192. – Zum Schuldkapitel siehe auch den Kommentar (10). Dazu Axters, Geschiedenis van de vroomheid in de Nederlanden Bd. 3, S. 105 u. den Kommentar (75). Als äußerliche Hinweise auf die Tugend Christi galten etwa für Gerhard Zerbolt von Zuthpen neben dem geneigten Haupt vor allem die zum Boden gesenkten Augen des Gottessohnes; siehe Schuppisser, Schauen mit den Augen des Herzens, S. 200. Vgl. etwa die Statuten der niederrheinischen Schwestern vom gemeinsamen Leben bei Rehm, Die Schwestern vom gemeinsamen Leben im nordwestlichen Deutschland, S. 274-295, hier S. 287 und siehe van Dijk, De constituties der Windesheimse vrouwenkloosters vóór 1559, S. 779f.

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dem Weg zu einem tugendhaften und gottgefälligen Leben angesehen wurden.428 Den Vorstellungen nach verlieh Gott gnadenhalber Krankheiten, um die Menschen auf die Probe zu stellen.429 Wurde die Krankheit zum Lob der Passion Christi ertragen, hatte sich der Mensch nicht nur bewährt, sondern auch dem Göttlichen angenähert.430 Schon die Bereitschaft, Ermahnungen freudig entgegenzunehmen, galt als Fortschritt auf dem geistlichen Weg.431 Wer Ermahnungen nur schwer ertragen konnte, hat demgegenüber göttliche Gnade noch nicht empfangen, wie es auch im Text von der besessenen Schwester Agnes heißt: „(...) ist, das jr vngern vermanet werden vnd mit verdrossenhait die vermanunng enpfachen, da by sond jr mercken, das jr nach ittel vnd lerr sind der gnaden gotts.“432 (69) – Z. 1086-1088: Er saget och etlichen vntter den swestern, das sin gesellen offt sässen vff jren ogen vnd machent sy wainnen jn der kirchen – so bedunckt sy den, das es alles were von andacht vnd vss ynnigkait (...) Tränen bei der Andacht waren im Mittelalter nicht ungewöhnlich.433 Starke Empfindungen von Reue, Devotion, Mitleid oder Liebe konnten sie auslösen. In Legenden, Mirakel, Offenbarungen und Nonnenviten wird davon berichtet.434 Die ’Gabe der Tränen‘ wurde nach biblischen Vorbildern regelrecht angestrebt. Während der Messe waren Schwestern aber wohl nicht selten bemüht, sich durch Tränen vor den Mitschwestern besonders andächtig zu zeigen.435 Derart motivierte Tränen galten nicht nur als unnütz, sondern als eitel und selbstsüchtig. Da diese Tränen von den jeweiligen Schwestern selbst biswei_____________ 428 Siehe dazu auch die Ausführungen in den Kapiteln VI, Pkt. 1 und IX, Pkt. 2.1. 429 Deutlich erkennbar etwa am Beispiel der Vita Adelheids von Frauenberg im Tösser Schwesternbuch; dazu Vetter (Hg.), Das Leben der Schwestern zu Töß, S. 53f. 430 Jedoch wurden nicht alle Krankheiten als göttliche Probe des Menschen angesehen. Lepra etwa galt allgemein als Bestrafung für sündhafte Vergehen. Selbst Verwandte von Leprakranken sahen sich deshalb Diskriminierungen ausgesetzt; dazu Lewis, By Women, for Women, about Women, S. 245. In dominikanischen Frauenkonventen wurden kranke Schwestern auch ausgegrenzt oder allein gelassen; siehe ebd. S. 243. 431 So etwa in dem Traktat Sommige vermaninge tot eenen doechliken leven; Vregt (Hg.), Eenige ascetische tractaten, afkomstig van de Deventersche Broederschap van het gemeene leven, S. 351 und in den Kollationen von Brinckerinck; Moll, Acht collatiën van Johannes Brinckerinck, S. 121f. 432 SG2, Z. 1050-1052. 433 Dazu Reber, Die Gestaltung des Kultes weiblicher Heiliger im Spätmittelalter, S. 176. 434 Siehe dafür Ringler, Viten- und Offenbarungsliteratur, S. 218f. und R. Meyer, Das ’St. Katharinentaler Schwesternbuch‘, S. 234 und 305. 435 Zum Tränenfluss während der Messe siehe auch Axters, Geschiedenis van de vroomheid in de Nederlanden, Bd. 3, S. 107, Post, The Modern Devotion, S. 498f. und Breure, Doodsbeleving en levenshouding, S. 155.

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len falsch gedeutet wurden, war davor zu warnen.436 Die mangelnde Fähigkeit vieler Schwestern zu aufrichtiger Andacht und Innigkeit war nicht zuletzt einer der Gründe, der für den Verfall der Disziplin in Konventen immer wieder genannt wurde.437 Gleichzeitig sollten die Schwestern auf die fruchtbaren Tränen hingewiesen werden, die aus der Tiefe des Herzens entsprangen438 und als Gnadengabe Gottes anzusehen waren.439 Diese Differenzierung der Tränen scheint für den Autor und die Redaktoren des Textes von der besessenen Schwester Agnes von besonderem Interesse gewesen zu sein. Die fruchtbaren, die gottgefälligen Tränen werden im weiteren Textverlauf genau beschrieben: Jr sollent uch zwingen, jnwendig trächen zu rerren (…), wan die sind alle zitt fruchtpar. Sollich jnwendig trächen kument dar vss, das ain mensch gedenckt, das er sinen schöpffer erzurnnt hatt vnd das er nach offt wider sinen willen tütt, och das er jm vormalls vndanckpar was vnd nach ist vmb alle sin gaben. Wenn der mensch vmb sollich vnd der gelich sachen mysßvallen vnd laid gewünnt vff sich selber, dye trächen, dye vs sollicher bewegunng des hertzen kument, sind allzitt fruchtpar.440

(70) – Z. 1120-1124: Vnd sy sind alle fülle, abgeschaiden gelyder, verstossen von jrm schöpffer. (...) Vnd es wer nit zymlichen, das die abgeschnittnen gelyder vnder sinem volck beliben vnd sterben solten. Die Bezeichnung der Kirche als Leib und der Gläubigen als Glieder ist biblischen Ursprungs. Christen sind zu einem Leib getauft (vgl. I Cor 12, 13) und werden beim Abendmahl zum Leib Christi zusammengeschlossen. Nach Paulus bringt der Leib-Glieder-Vergleich sowohl die Einheit des Organismus als auch die Mannigfaltigkeit der Glieder zum Ausdruck. Viele Glieder bilden einen Leib, aber untereinander ist einer des anderen Glied (vgl. Rm 12, 4-6). Dieser Grundsatz sollte eine umfassende Solidarität, die communio sanctorum, unter den Christen begründen.441 Wenn ein Glied zu leiden hatte, dann sollten alle Glieder mitleiden, freute sich hingegen ein Glied, so sollten sich alle mitfreuen.442 Nach Tauler hatte sich das Verhältnis _____________ 436 Siehe zu solchen Warnungen Verweise auf andere Texte bei Ringler, Viten- und Offenbarungsliteratur, S. 219. 437 Dafür etwa Gabriel M. Löhr, Die Teutonia im 15. Jahrhundert. Studien und Texte vornehmlich zur Geschichte ihrer Reform, Leipzig 1924 (= Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens in Deutschland 19), S. 6 oder Shulamith Shahar, Die Frau im Mittelalter, Königstein/Ts. 1981, S. 60f. 438 Zu dieser Begründung des Weinens Auer, Leidenstheologie im Spätmittelalter, S. 123. 439 Dazu Lewis, By Women, for Women, about Women, S. 81. 440 SG2, Z. 1091-1098. 441 Siehe Angenendt, Geschichte der Religiosität im Mittelalter, S. 305. 442 Vgl. I Cor 12, 26.

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von Gliedern und Leib, dessen Haupt Christus ist, als eine Ordnung der Liebe zu erweisen.443 Wer sich den Gesetzen der Kirche aber nicht unterwirft, fällt vom Glauben ab, wird zu einem brandigen Glied, einem Glied des Teufels. Dieses muss durch Exkommunikation vom Leib der heiligen Kirche abgetrennt werden (vgl. SG2, Z. 1197-1199), was heißt, dass es an die weltliche Gerichtsbarkeit übergeben oder physich vernichtet wird (vgl. Mt 5, 29f.). (71) – Z. 1122: (...) hye vnd dört ewigklichen jn siner bruttschafft, won die sind sin volck. Dass die Kirche als Braut Christi anzusehen sei, ist seit den Kirchenvätern Gemeingut christlicher Vorstellungen.444 Paulus verwendet das Bild von Bräutigam und Braut zum erstem Mal für das Verhältnis von Christus und christlicher Gemeinde.445 Unter dem Einfluss der Deutung vor allem des Hohenliedes erscheint bei den Kirchenvätern auch die einzelne Seele als Braut Christi.446 Geistlich lebende Menschen meinten deshalb, sich mit Christus ’verloben‘ zu können, wodurch sie zu Bräuten Christi wurden.447 Der Terminus von der bruttschafft Gottes bezeichnet aber nicht nur diese persönliche Erfahrung. Bräute Christi wurden ganz allgemein alle Nonnen genannt, allein aufgrund ihres Standes. Die Verbindung zwischen den Schwestern und dem Bräutigam Christus ist die grundlegende Vorstellung des weiblichen Religiosentums, die als ’Sponsa-Christi-Motiv‘ in zahlreiche geistliche Texte Einzug gefunden hat. (72) – Z. 1152-1156: (...) wenn sy zu uch kument, vmb etliche sach zu werben, so fragent sy zum ersten ainem puntten von der matterie, die des tages geprediget oder gelessen ist, von der vorcht gotz vnd des gelichen vnd wz sy dar vff gedacht haben. Wyssent sy den nichtz zu sagen, sond jr sy scharpfflich schelten. Vor allem die jüngeren Schwestern ließen es bisweilen an der notwendigen Aufmerksamkeit bei den Predigten und auch während der Lesungen bei Tisch fehlen. Vergegenwärtigt man sich den Tagesablauf der Schwestern und ihre der Gesundheit nicht gerade förderlichen Lebensbedingungen, so ist _____________ 443 Vgl. Louise Gnädinger und Johannes G. Mayer, Artikel Tauler, Johannes OP, in: 2VL 9, Sp. 631-657, hier Sp. 648. 444 Dazu Hinweise auf Forschungsliteratur bei Angenendt, Geschichte der Religiosität im Mittelalter, S. 306. Susan Karant-Nunn hält die Parallelisierung von Bräutigam und Braut mit Christus und seiner Kirche seit dem 12. Jahrhundert für populär; dies., „Gedanken, Herz und Sinn“, S. 83. 445 Siehe Josef Scharbert, Artikel Braut I: Exegese, in: Marienlexikon, Bd. 1, S. 561-563, hier S. 562. 446 Ebd. S. 562. 447 Dazu Angenendt, Geschichte der Religiosität im Mittelalter, S. 306-308.

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ihre Müdigkeit und Mattheit nachzuvollziehen. Sie wurde aber auch bei den Schwestern, welche diese Bedingungen noch nicht recht gewohnt waren, nicht geduldet.448 Es gab deshalb auch diesbezüglich Regelungen. In den Konstitutionen des Ortenkonventes etwa findet man Anweisungen, wie die Schwestern zur Messe kommen sollten und wie sie sich darauf vorzubereiten hatten. Geregelt ist dort unter anderem auch, wie sie die Messen und Lesungen hören sollten und welche Anforderungen danach auf sie zukamen.449 (73) – Z. 1158: (...) zu rechten gaistlichen dingen oder zunemen züchen. Der Terminus züchen ist hier im Sinne von ’erziehen‘ gemeint. Der Begriff ’Gezogenwerden‘ begegnet in Texten geistlicher Literatur häufig mit der Bedeutung, dass Schüler ihre Lehrer darum bitten, ’gezogen‘ zu werden, wobei Zucht und Trost die beiden Seiten des Gezogenwerdens sind.450 Die Auffassung, wie die geistliche ’Erziehung‘ von Novizinnen und jungen Schwestern zu erfolgen hatte, differierte je nach geistlicher Gemeinschaft beträchtlich. In einigen Häusern der Windesheimer Kongregation fand eine solche geistliche Schulung mitunter mehr oder weniger ad hoc statt.451 Für gewöhnlich gab es aber Regelungen, die in Konstitutionen festgeschrieben waren.452 (74) – Z. 1176-1178: (...) so sond jr jn der warhait nachend zu uwerm schöpffer kument vnd genädigclichen mit jm verainiget werden. Der geistliche Weg sollte in der gnadenhaften Einheit von Gott und Seele münden, wobei die menschliche Seele zwar mit Gott vereint, aber nicht zu Gott selbst wird. Der Franziskaner David von Augsburg hat diesen Gedanken, dass der Mensch aus göttlicher Gnade das sein kann, was Gott seiner Natur nach ist, prägnant zum Ausdruck gebracht: _____________ 448 Zum Tagesablauf in einem Frauenkonvent der Windesheimer Kongregation siehe die Aufstellung bei Persoons, Lebensverhältnisse in den Frauenklöstern der Windesheimer Kongregation in Belgien und in den Niederlanden, S. 91. An Sonn- und Feiertagen gab es zusätzliche Verpflichtungen, siehe dazu das Schema bei Scheepsma, Deemoed en devotie, S. 49. 449 Dafür van Elsen/Hoevenaars (Hgg.), Analecta Gysberti Coeverincx, Bd. 2, S. 173-176. 450 Dazu Stoll, Die theologischen Denkfiguren bei Elsbeth Stagel und ihren Mitschwestern, S. 165. 451 Vgl. Scheepsma, Deemoed en devotie, S. 44. 452 So etwa in Holstenius (Hg.), Codex regularum monasticarum et canonicarum, Bd. 4, S. 133f. oder Jeanne Ancelet-Hustache (Hg.), Les ’Vitae Sororum‘ d’Unterlinden. Édition critique du manuscrit 508 de la Bibliothèque de Colmar, in: Archives d’histoire doctrinale et littéraire du moyen âge 5 (1930), S. 317-513, hier S. 339f. oder für die Windesheimer Schwestern bei van Dijk, De Constituties der Windesheimse vrouwenkloosters vóór 1559, Bd. 2, S. 777-81.

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Da wirt dv sele also vereinit mit gotte, das si ist, das got ist, swie si doch got niht ist, doch ein herce, ein wile, ein minne, ein geist mit gotte (...) so der gottis mensche also in got virwandelt wirt, das er das ist von genaden, daz got ist in siner wise von nature.453

Vereinigungserlebnisse der Schwestern mit Gott454 sind vor allem bei der Eucharistie bezeugt. Für die Schwestern bestand hier eine Möglichkeit, Gott in der unio sacramentalis zu schauen und zu erfahren, sofern ihre Sinnlichkeit durch Gottes Gnade dazu befähigt wurde.455 (75) – Z. 1194-1196: Vnd so uch jn den tagzitten jnkumpt flaischlich gedancken vnd fantesyen, das geschicht gewonlichen von vnbewarunng der ogen by vngelichen personen. Begierden gegenüber dem anderen Geschlecht galten als Fleischessünden, die aufgrund von Anfechtungen durch den Teufel hervorgerufen wurden. Schon im Väterbuch findet man Episoden, in denen die Unkeuschheit eindeutig als das Werk des Teufels dargestellt wird.456 Bei Cassian (Collat. 4. c. 12.) heißt es, dass es unmöglich sei „absque castigatione carnis castimoniam corporis obtinere.“457 Da geistlich lebende Frauen in ihren jeweiligen Kommunitäten unterschiedlich strengen Klausurbestimmungen unterlagen, waren auch die Gelegenheiten, Personen des anderen Geschlechts zu begegnen, verschieden. Die Schwestern in Diepenveen und Deventer zum Beispiel lebten in offenen Häusern, die mit der Erlaubnis der Oberin jederzeit verlassen werden durften. Sie unterstanden seelsorgerisch der zuständigen Kirchengemeinde.458 Bei Klarissen und regulierten Tertiarinnen gab es vornehmlich über das Redefenster Kontakt zur Außenwelt. Gespräche konnten hier nur in Gegenwart zweier Zeuginnen geführt werden. Im Umgang miteinander durfte nur das Notwendigste gesprochen werden. Weil die franziskanische Lebensform den Dienst in der Welt aber einschloss, kam es wegen der Klausurbestimmungen bisweilen zu Schwierigkeiten.459 Auf die Einhaltung der Klausur _____________ 453 Zitiert bei Heinzle, Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zum Beginn der Neuzeit, Bd. 2, Teil 2, S. 97f. 454 Siehe zur Einordnung solcher Erfahrungen Ausführungen im Kapitel X, Punkte 1. und 2. Unter einer Vereinigung mit Gott nach dem Tod ist zu verstehen, dass die Schwestern susteren der enghelen werden können und damit zur Engelsgemeinschaft gehören; dazu auch den Kommentar (46). 455 Dafür Langer, Mystische Erfahrung und spirituelle Theologie, S. 234; siehe außerdem die Ausführungen zur Kommunion im Kommentar (7). 456 Reissenberger (Hg.), Das Väterbuch, S. 275 und S. 389. 457 (Übersetzung: (...) ohne Züchtigung des Fleisches die Keuschheit des Leibes zu erhalten.) 458 Siehe Ruh, Die Schwesternbücher der Niederlande, S. 172. 459 Dazu Degler-Spengler, Die regulierten Terziarinnen in der Schweiz, S. 649f.

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wurde auch bei den Dominikanerinnen Wert gelegt. Johannes Meyer empfahl, besonders in Frauenkonventen auf eine strenge Klausur zu achten. In seinem Buch der Ersetzung führt er dazu unter anderem aus: (...) wie wol dz ist, das man keines menschen hertzen nit mag vber seinen willen beschliessen, so mag man doch wol seinen leib besliessen zu seiner selen nütz vnd heil, zu für kumen seinen geistlichen schaden, vnd besunder solliches ist ze tun allen geistlichen frawen, wan die frawen sint etwas geneigt zu vnnütze gengen, zu vppiger gesicht, zu hören vnfruchper sachen vnd anders des gelichen.460

Trotz aller Klausurbestimmungen war es bisweilen nicht zu verhindern, dass Schwestern Kontakt zu Männern hatten, da in den meisten Gemeinschaften religiös lebender Frauen stets auch Männer wohnten, die etwa schwere körperliche Arbeit verrichteten oder die im Dienste der cura monialium tätig waren.461 Reizwirkungen, die durch den Umgang mit dem anderen Geschlecht ausgelöst werden konnten, waren deshalb nicht zu vermeiden. Anklagen wegen sittlicher Verfehlungen bei Visitationen sind auch nachweisbar.462 Verhaltensgebote, wie an dieser Textstelle und an einigen weiteren,463 sind deshalb zu verstehen. (76) – Z. 1240-1243: Jr sond nit begeren gross oder hoch zu sin jn dem ewigen leben, sunder uch so schnöd, arme sunder achten, das es uch all gross dunckett, ob es üch durch die erbarmhertzigkait üwers schöppfers zu gebüren mocht, dye allermÿnste zu sin. Die Forderung, sich selbst gering zu achten, um sich Gott nähern zu können, war besonders in der Spiritualität der modernen Devoten ein fester Grundsatz. Den theologischen Hintergrund zum Verständnis dieses Zusammenhanges findet man bei Johannes Tauler wie folgt ausgeführt: Will der Mensch Gott nachfolgen, muss er sich als ein Nichts erkennen. Er muss sich für unwürdig erachten, von Gott auch nur einen einzigen Gedanken zu empfangen.464 Im Zustand dieser allertiefsten menschlichen Selbstverleugnung kann Gott dann seine Gnade zur vollen Wirkung bringen.465 Diese Gnadenwirkung geschieht als Folge einer Überformung, die der Geist Gottes dem menschlichen Geist zuteil werden lässt, in einem Akt freiwilliger Güte. Die _____________ 460 Johannes Meyer, Buch der Ersetzung, fol. . 461 Dafür beispielsweise Persoons, Lebensverhältnisse in den Frauenklöstern der Windesheimer Kongregation in Belgien und in den Niederlanden, S. 88. 462 Dazu Rüther, Bettelorden in Stadt und Land, S. 314. Zu den Verpflichtungen für die Mönche und den Schwierigkeiten, welche die cura monialium in Bettelorden mit sich brachte siehe ebd. S. 281-294. 463 Ähnliche Warnungen findet man auch SG2, Z. 1013-1017, 1355, 1378-1381 und 1524f. 464 Hofmann (Hg.), Johannes Tauler, Predigten, hier Predigt 64, S. 499. 465 Ebd. S. 500.

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Voraussetzung dafür aber ist die unergründliche Verlorenheit des menschlichen Geistes, seine abgrundtiefe Gelassenheit.466 Schwestern, die als allerniederste Menschen angesehen wurden, hatte Gott demnach eine außerordentliche Gnade zuteil werden lassen. (77) – Z. 1251-1259: Vff ain zitt sprach ain swester on grosse reverentz vnd ynnigkait: „Jhesus!“ Do tät der böss gaists die swester, die er besessen hatt, bald vff jre knüw vallen. (...) der nam ist so hoch, das ich vnd alle myn gesellen pydemen vnd zytteren von dem namen ’Jhesus‘ oder ’Maria‘.“ In mittelalterlichen Exempeln findet man es häufig, dass die Handlungen Satans und seines Gefolges durch das Aussprechen bestimmter Wörter im Sinne des Menschen beeinflusst werden können.467 Der Ausruf des Namens ’Jesus‘ zur Vertreibung von Dämonen geht zurück auf Mc 16, 17: „In nomine meo daemonia eicient.“ Sie war schon in patristischer Zeit ein wichtiger Bestandteil von Exorzismen.468 Im Speculum exemplorum wird beschrieben (Dist. X, Exempel 8), dass Thomas von Kempen des Nachts von einem Dämon heimgesucht wurde. Indem Thomas den Namen des Gottessohnes wiederholt aussprach, konnte er den Dämon vertreiben.469 In den Offenbarungen der Margarete Ebner wird sogar berichtet, dass allein durch die Nennung des Namens ‘Jesu‘ gnadenhafte Verzückungen ausgelöst werden können.470 Von ähnlicher Wirkungsmacht waren auch Psalmverse oder andere heilige Worte, ganz besonders, wenn die Dämonen mit solchen Worten angeschrieen wurden.471 (78) – Z. 1260f.: Wenn jr mit wyssen vnd willen vngehorsam sind, das sollent jr für üwer maiste sünde achten, die jr getün künden (...) Im Interesse eines reibungslosen Zusammenlebens in der geistlichen Gemeinschaft wurden Hochmut und Ungehorsam mit besonders schwe_____________ 466 Hofmann (Hg.), Johannes Tauler, Predigten, hier Predigt 64, S. 501. Siehe zur Gelassenheit den Kommentar (19) und Erläuterungen im Kapitel VI unter Pkt. 3.3. 467 Dazu Frederic C. Tubach, Index Exemplorum, A Handbook of Medieval Religious Tales, Helsinki 1969 (= Folklore Fellows Communications 204), Nrr. 424, 1579, 1594, 2578, 3449, 4019, 4746. 468 Vgl. Franz, Die kirchlichen Benediktionen im Mittelalter, S. 532 und 574. 469 Bonaventura Kruitwagen, Het „Speculum exemplorum“, in: Bijdragen voor de Geschiedenis van het Bisdom van Haarlem 29 (1905), S. 329-453, hier S. 391f. 470 Philipp Strauch (Hg.), Margarethe Ebner und Heinrich Nördlingen. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Mystik, Freiburg i. Br./Tübingen 1882, Nachdruck Amsterdam 1966, S. 35, 18-23. 471 Eine psychologische Erklärung für dieses Phänomen kann in der beruhigenden Wirkung der heiligen Wörter und Sprachformeln auf diejenigen Menschen gesehen werden, die sich von Dämonen bedrängt fühlten; dafür Dinzelbacher, Angst im Mittelalter, S. 60.

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ren Strafen belegt.472 Sünden, die absichtlich begangen wurden, also nicht aus menschlichem Unverstand oder aus Unvermögen geschahen,473 wurden als Sünden gegen den Heiligen Geist aufgefasst. Als solche Sünden galten etwa das Leugnen von erkannter Wahrheit, die Missgunst der Gnade Gottes, Wohlgefallen an der Sünde sowie Verzweiflung.474 An dieser Stelle wird der Ungehorsam als die größte Sünde beschrieben, in den Zeilen 1063f. der Gehorsam folgerichtig als die größte Tugend. Neben der Armut und der Keuschheit gehörte der Gehorsam zu den höchsten Tugenden des Ordensstandes. Deshalb wurde auch das Leben als Ordensfrau höher eingeschätzt als etwa das einer Einsiedlerin, weil diese niemandem zum Gehorsam verpflichtet war.475 Für den modernen Devoten Johannes Brinckerinck war besonders bei der Erziehung von Frauen der Gehorsam die mit Abstand wichtigste aller Tugenden:476 „Gheen dinc en is u meer te raden dan dat gi u tot ghehoersamheit ghevet, sonderlinge vrouwen personen, want die cleyne wijsheit hebben.“477 Gehorsam in geistlichen Kommunitäten umfasste den Fleiß zum Gebet, die Pünktlichkeit, die Einhaltung des Schweigegebotes, die Gewissenhaftigkeit gegenüber dem Amt (Amtsgehorsam), die Folgsamkeit gegenüber den Vorgesetzten und natürlich den Gehorsam gegenüber Gott.478 (79) – Z. 1292-1299: Bekannten jr nun, wie all üwer gebresten vnd sünd, dye jr ietzund vbergand vnd nit offenbaren (...) an dem vrtail gotts vor allen englen, allen menschen vnd allen tüffeln geoffenbarett werden vnd mit wellicher grosser schand vnd confussion, dye jr da fur müssent lyden, jr wurden nit allain gern ewer gebresten vor ainem oder wenig menschen sagen, sunder mer vnd lieber vor allen menschen wurden jr die bekennen, das jr dar durch der künnfftigen scham vnd schand engan möchten. Damit die Schwestern das Beichtgebot befolgten, wird an dieser Stelle mit dem Jüngsten Gericht gedroht. Am Tag des Jüngsten Gerichts wird Gottes Urteil nicht mehr durch Barmherzigkeit gemildert sein, weil Christus dann _____________ 472 Dazu van Dijk, De constituties der Windesheimse vrouwenkloosters vóór 1559, S. 791f. und 798. 473 Vgl. dafür auch SG2, Z. 173-176. 474 Dazu ausführlicher Egino Weidenhiller, Untersuchungen zur deutschsprachigen katechetischen Literatur des späten Mittelalters. Nach den Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek, München 1965 (= MTU 10), S. 22f. 475 Vgl. R. Meyer, Das ’St. Katharinentaler Schwesternbuch‘, S. 201f. 476 Auch in dominikanischen Schwesternbüchern kommt dem Gehorsam die größte Bedeutung unter den monastischen Gelübden zu; siehe Lewis, By Women, for Women, about Women, S. 250. 477 Moll, Acht collatiën van Johannes Brinckerinck, S. 128. 478 Weitere zeitgenössische Differenzierungen findet man in dem umfangreichen Buch des Gehorsams, das im dominikanischen Milieu im 15. Jahrhundert entstand und in Form eines geistlichen Sendschreibens an eine Klosterschwester gerichtet ist; dazu Helmut Lomnitzer, Artikel ’Buch des Gehorsams‘, in: 2VL 5, Sp. 1081f.

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vom Heiland zum Richter wird.479 Deshalb sollten die Schwestern im Diesseits Verdienste sammeln, den Weg zum Heil suchen und beschreiten.480 Außerdem mussten sie ermahnt werden, noch auf Erden Buße für ihre Sünden und Vergehen zu üben. Beschäftigungen, die nicht heilsnotwendig waren, waren als heilsgefährdend anzusehen.481 Das irdische Dasein, die kurze Zeit der Bewährung, sollte auf das Jenseits vorbereiten. Wurde die Bewährungszeit nicht genutzt, drohten nach dem göttlichen Urteil jenseitige Strafen im Fegefeuer oder sogar ewige Strafen in der Hölle. Durch regelmäßiges und aufrichtiges Beichten im Diesseits konnten sich die Schwestern zwar nicht von der Ungewissheit befreien, ob Gott im Endgericht auf ewiges Heil erkennen werde oder nicht; die Wahrscheinlichkeit, das dem so sein könnte, nahm durch das Beichten aber zu. Gleichwohl gab es für die Schwestern aus dem Spannungsverhältnis von tröstender Heilserwartung auf der einen Seite und Furcht vor ewigen Höllenqualen auf der anderen kein Entrinnen.482 (80) – Z. 1341: (...) veni creattur spriens (...) Gemeint ist hier die Pfingstsequenz des Hrabanus Maurus Veni creator spiritus.483 Dieser Text aus dem 9. Jahrhundert war der am häufigsten übersetzte Hymnus im deutschen Mittelalter.484 Es sind mehr als zwanzig Übersetzungen allein in Prosa bekannt. Bei der privaten Andacht geistlicher Frauen dienten diese Übersetzungen als Gebetstexte. Wurde der Hymnus in Gemeinschaft gesungen, so sollten die Schwestern einer Empfehlung von Johannes Meyer zufolge stets niederknien.485 _____________ 479 Dazu Burger, Die Erwartung des richtenden Christus, S. 114. 480 Vor diesem Hintergrund sind auch die zahlreichen Reisetätigkeiten und Pilgerfahrten im Mittelalter zu sehen. Wer das irdische Jerusalem erreicht hatte, der hatte gute Aussichten, auch in das himmlische aufzusteigen. 481 Vgl. Burger, Die Erwartung des richtenden Christus, S. 122. 482 Mit der Eigenwahrnehmung und dem Selbstverständnis spätmittelalterlicher Nonnen hat sich Petra Seegets anhand von Texten aus den Nürnberger Frauenklöstern St. Katharina und St. Klara näher beschäftigt; dies., Leben und Streben in spätmittelalterlichen Frauenklöstern, in: B. Hamm und Th. Lentes (Hgg.), Spätmittelalterliche Frömmigkeit zwischen Ideal und Praxis, Tübingen 2001 (= Spätmittelalter und Reformation. Neue Reihe 15), S. 24-44. 483 Dazu den Überblick über die zahlreichen Erscheinungsformen des Hymnus bei G. M. Dreves, C. Blume u.a. (Hgg.), Analecta hymnica medii aevi, Registerbd. 1, Bern/München 1978, S. 960. 484 Dafür Franz Josef Worstbrock und Julia Bauer, Artikel ’Veni creator spiritus‘, in: 2VL 10, Sp. 214-226, hier Sp. 217. 485 Johannes Meyer, Buch der Ersetzung, fol. .

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(81) – Z. 1370: (...) jubel (...) Der Zustand des jubilus kann nicht vom Menschen erwirkt werden. Er ist eine Gnadengabe, ein Vorgriff auf die eschatologische Gottesschau, ein kurzzeitiges ’inneres Paradies‘ im Diesseits.486 Seuse beschreibt den jubilus als ein „frde, daz dú zung nit gesagen kan, und es doch herz und sel krefteklich durgússet.“487 Diese persönliche Gottesnähe ist als fruitio Dei nur in Verbindung mit einem tätigen, gottgefälligen Leben denkbar. Sie bot im spirituellen Leben von Schwestern, das überwiegend auf Verzicht und Leid ausgerichtet war,488 einen von Freude und Glück geprägten Höhepunkt. Der Terminus jubilus steht aber nicht nur als Ausdruck für ekstatisches Glücksempfinden, sondern kann auch in abgeschwächter Verwendung im Sinn von Dank und Lob erscheinen.489 Nach Tauler vermittelt Gott der menschlichen Seele im jubilus eine Vorahnung der Seligkeit. Auf dem Weg zur unio mystica ist für ihn jubilatio der Zustand, der auf die innerliche Erweckung des Menschen aus der erbsündlich bedingten Trägheit folgt.490 (82) – Z. 1394-1396: Wee, we denen, die dar nach stellent, das sy den klöstern oder samlunng gross rend oder richtum samlen, wan sÿ machen jnen da von vil beraittschafft zu bössen sitten vnd vrsachen. Privateigentum wie Hausrat, besondere Kleidung oder Kleinodien verursachte in Konventen des Öfteren Streit und wird wiederholt als Grund für den Verfall von Ordensdisziplin genannt.491 Die mannigfachen Störungen des Gemeinschaftslebens durch Privateigentum waren ein ständiges Problem, das in zahlreichen Texten, die sich ausschließlich diesem Thema widmeten, dargestellt und erörtert wurde.492 _____________ 486 Freude, Seligkeit und Heil sind Gefühle, die der für die Gnade empfängliche Mensch empfinden kann; vgl. Ringler, Viten- und Offenbarungsliteratur, S. 180. 487 Bihlmeyer (Hg.), Heinrich Seuse, Deutsche Schriften, S. 173, Z. 11f. 488 Siehe dazu den Kommentar (12) und die Ausführungen im Kap. VI, Pkt. 3.3. 489 Dazu Ringler, Viten und Offenbarungsliteratur, S. 160f. Für weiterführende Erklärungen zum Begriff sowie für Belegstellen und Bedeutungen des Terminus in Nonnenviten siehe auch R. Meyer, Das ’St. Katharinentaler Schwesternbuch‘, S. 305f. und vor allem Herbert Grundmann, Jubel, in: ders., Ausgewählte Aufsätze, Teil 3: Bildung und Sprache, Stuttgart 1978 (= Schriften der Monumenta Germaniae Historica 25, 3), S. 130-162. 490 Vgl. dazu Louise Gnädinger und Johannes G. Mayer, Artikel Tauler, Johannes OP, in: 2VL 9, Sp. 631-657, hier Sp. 643f. 491 Dafür etwa Löhr, Die Teutonia im 15. Jahrhundert, S. 3. – Bücher waren von diesen Bestimmungen in vielen Fällen jedoch ausgenommen; dazu Rapp, Zur Spiritualität in elsässischen Frauenklöstern am Ende des Mittelalters, S. 351. 492 Dazu Bernhard D. Haage und Christine Stöllinger-Löser über Privatbesitz im Ordensleben (deutsche Predigten und Traktate) in: 2VL 7, Sp. 845-850. – Es ist aufschlussreich, dass der

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Nicht selten waren es die geistlichen Frauen selbst, die für das Armutsideal kämpften und sich deutlich gegen Privateigentum aussprachen. Besonders bei den Bettelorden wurde versucht, diesem Ideal zu entsprechen. Die norditalienischen Franziskaner, die eine Verwirklichung des franziskanischen Armutsideals (altissima paupertas) für die gesamte Kirche forderten, griffen auf das Modell des Joachim von Fiore zurück und tradierten es.493 Es ist nicht verwunderlich, dass auch im Text von der besessenen Schwester Agnes im Zusammenhang mit dem Armutsgedanken auf Franz von Assisi verwiesen wird, wenn es heißt: Vnd wye wol Santt Francissus etlich brüder vnder jm hatt, dye synnlich, flaischlichen vnd weltlichen leben wolten, dennocht waich er nit von dem weg, den er jm fürgenumen hatt, nach liess er dar vmb die hailligen armütt nit vnderwegen.494

Für Klarissen bestand die Hoffnung auf Gründung des himmlischen Jerusalem auf Erden weitgehend nach den Vorstellungen der Drei-Zeitalter-Lehre des kalabrischen Zisterziensers (1133-1202). Nach den Epochen des Vaters (AT) und des Sohnes (Klerikerkirche) sollte als Beginn der Endzeit mit dem Jahre 1260 die Epoche des Heiligen Geistes folgen.495 Das Ziel dieser dritten Epoche sollte es sein, die von Macht- und Besitzgier geprägte Kirche des Papsttums zu einer Kirche der Heiligen zu wandeln und zu den Forderungen der Bergpredigt und synoptischen Evangelien zurückzukehren.496 (83) – Z. 1402-1404: (...) won so müss den iegliche zwenn beltz haben, ainen dicken warmen beltz vnd ainen tünnen lichten, iiij oder fünff röck, fünff oder Vi par schüch vnd der gelichen me. In den Windesheimer Statuten für die Frauenklöster ist festgelegt, dass die Kleidung und das Bettzeug jeder Schwester ausschließlich dazu dienen sollten, die Kälte abzuwehren und die Nacktheit zu bedecken. Jede Schwes_____________

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Verzicht auf alle Formen des Eigenbesitzes bei Meister Eckhart und Johannes Tauler als ’geistige Armut‘ bezeichnet wird. Die Loslösung von Besitztümern und auch weltlichen Wünschen führe den Menschen zur Freiheit in Gott, zur Gelassenheit. Zum Armutsstreit im Franziskanerorden siehe beispielsweise Jürgen Miethke, Paradiesischer Zustand – Apostolisches Zeitalter – Franziskanische Armut. Religiöses Selbstverständnis, Zeitkritik und Gesellschaftstheorie im 14. Jahrhundert, in: F. J. Felten und N. Jaspert (Hgg.), Vita Religiosa im Mittelalter. FS für Kaspar Elm zum 70. Geburtstag, Berlin 1999 (= Berliner historische Studien 31 und Ordensstudien 13), S. 503-532, hier S. 512-532. SG2, Z. 1422-1425. Zur Zeitangabe siehe Miethke, Paradiesischer Zustand – Apostolisches Zeitalter, S. 508. Ein anschauliches Quellenbeispiel für das Bemühen auch der weiblichen Zweige dieses Ordens, dem Armutsideal zu entsprechen, bietet ein Brief der Klarissen aus dem Nürnberger St. Katharinenkloster; siehe dazu Heinrich Fürst, Das ehemalige St. Klarenkloster in Nürnberg, in: FrS 35 (1953), S. 323-333.

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ter sollte zwei Überröcke, zwei oder drei Unterröcke, einen Mantel, einen oder zwei ’Pelze‘ sowie mehrere Schuhe, Strümpfe und Schleier zur Verfügung haben.497 Aus dem Gotteszeller Schwesternbuch geht hingegen hervor, dass manche Schwestern in ihrem ganzen Leben nur ein Kleid besessen haben.498 Generell waren neben der Anzahl der Kleidungsstücke auch deren Machart und die Kleiderordnung genau vorgeschrieben.499 Lucy de Bruyn weist darauf hin, dass in Texten des späten Mittelalters der Wunsch geistlich lebender Frauen nach besonderer Kleidung vielfach als das Ergebnis einer erfolgreichen Anfechtung des Teufels gewertet wurde.500 Des Öfteren blieb es zudem nicht bei Wunschäußerungen wie an dieser Textstelle. Kleidung aus rauher Wolle etwa wurde eigenmächtig durch Kleidung aus Leinen ersetzt, auch wurde der Schnitt der Kleidungsstücke verändert, um sie bequemer zu gestalten.501 (84) – Z. 1404f.: Och wyll man den me gebüws vnd zymer haben den nott ist (…) Die Ausstattung der Gebäude in den meisten Frauenkonventen war sehr bescheiden. In Unterlinden etwa gab es im Schlafraum und in den Zellen keine Beleuchtungsmöglichkeiten, nur die wenigsten der Räume waren beheizbar.502 Der Bau neuer Gebäude war mit hohen Kosten verbunden, die in der Regel weder durch die Mitgift der Frauen noch durch Geschenke und Spenden aufgebracht werden konnten.503 (85) – Z. 1416f.: (...) jn dem bewer jar oder nauitzen jar (...) Das Noviziat hatte nach den Statuten für die Windesheimer Frauenklöster mindestens ein Jahr zu dauern. Für die Erziehung der Novizinnen war in erster Linie die Novizenmeisterin verantwortlich. Ausführliche Erläute_____________ 497 Dazu van Dijk, De Constituties der Windesheimse vrouwenkloosters vóór 1559, Bd. 2, S. 765-67. Zum Umfang, zur Ausstattung und zur Pflege der Kleidung der Schwestern des Ortenkonvents siehe auch van Elsen/Hoevenaars (Hgg.), Analecta Gysberti Coeverincx, Bd. 2, S. 184f. 498 Dafür Lewis, By Women, for Women, about Women, S. 226. 499 Siehe zur Kleiderordnung bei Tertiarinnen des 15. Jahrhunderts aus Utrecht etwa Vandecasteele, Twee vijftiende-eeuwse redacties in de volkstaal van statuten voor tertiarissen, S. 254. 500 Lucy de Bruyn, Woman and the Devil in sixteenth=century literature, Tilsbury 1979, S. 79-87. 501 Siehe zum geforderten Umgang mit der Kleidung der Schwestern den Kommentar (21). 502 Dazu Lewis, By Women, for Women, about Women, S. 225. – Auch der Hausrat, der den Schwestern zur Verfügung stand, war mitunter begrenzt. Im Diessenhofener Schwesternbuch etwa wird ausgeführt, dass beim Essen Gemeinschaftsmesser benutzt werden mussten, weil nicht für jede einzelne Schwester ein Messer vorhanden war (ebd. S. 226f.). 503 Dafür etwa Persoons, Lebensverhältnisse in den Frauenklöstern der Windesheimer Kongregation in Belgien und in den Niederlanden, S. 78.

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rungen zu deren Aufgaben bietet das Buch der Ämter des Johannes Meyer.504 Danach hatte die Novizenmeisterin die Klosterdebütantinnen in der Novizenschule unter anderem im Lesen und Singen zu unterrichten, sie sollte ihnen Grundkenntnisse der lateinischen Sprache vermitteln sowie verschiedene liturgische Texte beibringen. In seinem Buch der Ersetzung fasst Meyer wesentliche Lernziele des Novizinnenjahres, die das monastische Alltagsleben betreffen, kurz zusammen: (...) dis jar also do ist on fleisch ze sin die regel, fasten ze fasten, auf dem strosack ze ligen, wüllene kleider an leib ze tragen, sweigen ze halten, ze metten auf stan vnd anders, dz vns vnser regel vnd constitucon [!] weisen ist. Dar vber so hand wir vns verbunden, willicklichen ze halten die beschlissung.505

Vor dem Ablauf des Noviziats durfte den Novizinnen kein offizielles Amt anvertraut werden. Danach konnten die Schwestern für die Profess zugelassen werden.506 Hatten sie diese abgelegt, wurden sie als Professen oder Chorschwestern bezeichnet. (86) – Z. 1445: (...) vigylin (...) Verstand man unter Vigil ursprünglich eine nächtliche Wache in Erwartung hoher Feste, so wurden später auch die Totenwache und das nächtliche Gebet, was hier gemeint ist, so bezeichnet.507 Seit dem 4. Jahrhundert wurde das Nachtgebet in geistlichen Kommunitäten gemeinsam jeweils zu einer bestimmten Hore durchgeführt.508 Nach den nächtlichen Gebeten hatten die Schwestern auf ein Zeichen hin gemeinsam den Schlafsaal aufzusuchen. (87) – Z. 1451-1453: ‚Dysß volck erett mich mit den lefftzen, aber jr hertz ist verr von mir.‘ Vnd es wirt uch nit also vergebens hini gan, so jr uwer gebett vnd tagzitt vnandächtiglich lessen. Unaufrichtige Kontakte zu Gott, wie etwa Lippengebete, die nur aus Gebots- und Pflichterfüllung und ohne innere Anteilnahme und Überzeugung gesprochen wurden, waren im späten Mittelalter zunehmend verpönt. Unter _____________ 504 Johannes Meyer, Buch der Ämter, fol. -. Ich zitiere wie aus Meyers Buch der Ersetzung (s. d.) nach der Handschrift Bloomington, Indiana University, Lilly Library, Manuscripts Department, Ricketts mss. 198. 505 Johannes Meyer, Buch der Ersetzung, fol. . 506 Siehe van Dijk, De constituties der Windesheimse vrouwenkloosters vóór 1559, S. 781. 507 Dazu Adolf Adam und Rupert Berger (Hgg.), Pastoralliturgisches Handlexikon, Freiburg/ Basel/Wien 51989, S. 539-541. 508 Siehe zu biblischen Belegstellen sowie zum Bedeutungswandel des Begriffs Josef A. Jungmann, Artikel Vigil, in: 2LThK, Bd. 10, Sp. 785-787, hier Sp. 785f.

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einer rechten Andacht wurde der innere Nachvollzug des Gebetstextes verstanden.509 Devotio und cognitio zusammen sollten den Betenden bestimmen.510 Im Text von der besessenen Schwester Agnes wird nicht nur mehrfach die Forderung erhoben, das Gebet innerlich zu erleben,511 was in Formulierungen deutlich wird wie: „so mügent jr üch erst ordenlichen vnd jnnerlichen zu dem gebett geben.“512 Es wird auch dazu aufgefordert, den Gebetstext geistig nachzuvollziehen: „Wenn jr üwer tagzitt lessen, so sollent jr sy wackerlichen vnd andächtigclichen lessen vnd gedencken, was jr lessent vnd warvmb, anders es ist alles ain vnnützes, ytel geklepper.“513 Bei der Kommunikation mit Gott sollte zudem stets das Herz des Menschen beteiligt sein. Schon in der Gnadenlehre des Augustinus war das Herz der zentrale Begriff schlechthin. Auch bei den modernen Devoten kamen Eigenschaften, die dem Herz zugeschrieben wurden, weit mehr Bedeutung zu als den rationalen Fähigkeiten. Das Herz galt als von Gott gegeben und bestimmte den innersten Kern des Menschen. Aller Tugendfortschritt, aller religiöse Eifer, alle wichtigen Entwicklungen des Menschen erwuchsen aus seinem Herz. Das erhabenste Ziel aller exercitia devota war somit die puritas cordis. Für Florens Radewijns und Gerhard Zerbolt von Zuthpen, deren Vorstellungen vom Heilsweg auf Bonaventuras dreistufigem Weg aufbauen (purgatio, illuminatio, unio), gehörte es zu den wichtigsten Aufgaben, dass zunächst das Herz von allen schädlichen Leidenschaften gereinigt werde (purgatio), um so die wahren Tugenden, wie vor allem die Liebe zu Gott, erwerben zu können.514 Im Text von der besessenen Schwester Agnes kommt der Begriff ’Herz‘ in SG2 insgesamt dreiundsechzig Mal vor. Allein die Häufigkeit des Wortgebrauchs macht deutlich, dass auch hier der Terminus von zentraler Bedeutung ist. Wenn es auffiel, dass Gebete ohne die Beteiligung des Herzens gesprochen wurden, hatte eine solche Verfehlung allerdings nur kleinere Strafen zur Folge.515 Selbst das Einschlafen während der Konvents_____________ 509 Zum Wandel der Bedeutung des Textverstehens beim Gebet siehe Lentes, „Andacht“ und „Gebärde“, S. 33-41, zur Gebetspraxis in spätmittelalterlichen Frauenklöstern Petra Seegets, Leben und Streben in spätmittelalterlichen Frauenklöstern, S. 37-40. 510 Historisch relevant wurde das Textverstehen aber erst im 16. Jahrhundert; vgl. ebd. S. 44. 511 Siehe zum aufrichtigen Gebet unter anderem die Zeilen 46-49 und 226-244. 512 SG2, Z. 326f. 513 SG2, Z. 1188-1190. 514 Zu den weiteren Stufen des Heilsweges siehe die Ausführungen von Schuppisser, Schauen mit den Augen des Herzens, S. 197-200. Zu Florens Radewijns und seiner Verbindung zu Gerhard Zerbolt von Zuthpen siehe Thom Mertens, Florens Radewijns en zijn Tractatulus devotus, in: OGE 73 (1999), S. 20-39, hier S. 20-26. 515 Dazu etwa die Windesheimer Bestimmungen bei van Dijk, De constituties der Windesheimse vrouwenkloosters vóór 1559, S. 785.

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messe galt als levis culpa.516 Es wurde vermutlich nicht selten als Ausdruck der Erschöpfung aufgrund des anstrengenden Dienstes im Konvent bewertet. Die Kontrolle der Aufrichtigkeit der Andacht lag letztlich bei jeder einzelnen Schwester selbst.517 Wie bei Wilhelm von Saint-Thierry und Bonaventura gehörten solche Selbstüberprüfungen ebenso zu den festen Erziehungsvorstellungen der modernen Devoten.518 Die einzelnen Schritte der Selbstprüfung und Rechenschaftsablage werden beispielsweise von Johannes Brinckerinck beschrieben.519 Konkrete und ausführliche Anleitungen für diese Selbstprüfungen findet man auch in einer anonym überlieferten ”Belehrung einer Schwester“.520 Nach der Aufforderung, das eigene Herz und Gemüt eindringlich zu prüfen, folgt in diesem Text eine Reihung dafür geeigneter Fragen, die sich insgesamt über sechs Seiten erstreckt.521 (88) – Z. 1457-1462: Vnd alle, die da begeren, etwz zu schinnen 0ber die andern oder zu sin jn ampten vnd wirdigkaitten, jn dem, das sy sollichs begeren, so werden sy sollich vnwirdig. Vnd wer da will gesechen vnd geachtet sin von den lütten vnd das begertt von hertzen vnd dar vmb nach ere vnd wirdigkait stellett, ist, das er die erwyrbt vnd 0berkumpt, der sol mit warhait wyssen, das er die zu ainem ewigen schaden 0berkumpt. Es war ein Problem in geistlichen Gemeinschaften der Zeit, dass allzuoft nach der Herrschaft (dominium) gesucht wurde und nicht nach dem Herrn (dominus). Nicht selten bestand bei Schwestern wohl auch der Wunsch, sich durch ein angesehenes Amt522 vor Mitschwestern auszuzeichnen. In der Schrift De imitatione Christi des Thomas von Kempen findet man zum Problem des Ämterneids folgende Bemerkung: „Valde magnum est in oboedientia stare; sub praelato vivere: et sui iuris non esse. Multo tutius est stare in subiectione: quam in praelatura.“523 _____________ 516 Siehe etwa Holstenius (Hg.), Codex regularum monasticarum et canonicarum, Bd. 4, S. 134. 517 Die korrekte Ausführung von Ämtern und die Ausübung regelmäßiger monastischer Alltagsvollzüge hingegen wurden auch von der Gemeinschaft überprüft. 518 Zur Übernahme dieser Erziehungsvorstellungen durch die modernen Devoten vgl. Gerrits, Inter timorem et spem, S. 243f. 519 Moll, Acht collatiën van Johannes Brinckerinck, S. 159-162. 520 Nürnberg, Stadtbibliothek, Cent. VII 13, fol. -. Zum Texttitel siehe Karin Schneider, Die Handschriften der Stadtbibliothek Nürnberg, Bd. 1: Die deutschen mittelalterlichen Handschriften, Wiesbaden 1965, S. 284. 521 Ebd. fol. -. 522 Vgl. dazu auch den Terminus amptswestern (SG2, Z. 1317). 523 Pohl (Hg.), Thomas von Kempen, Opera omnia, Bd. 2: Imitatione Christi, S. 16, 10-13. (Übersetzung: Es ist etwas Großes, im Gehorsam zu stehen, unter einem Vorgesetzten zu leben und nicht sein eigener Herr zu sein. Es ist viel sicherer, Untergebener zu sein, als im Amt

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Die Besetzung von Ämtern richtete sich häufig nach der sozialen Herkunft der Schwestern. Hinzu kam, dass den älteren Schwestern in der Regel nicht nur Ämter zugeteilt wurden, sondern auch jüngere Schwestern, die von ihnen beaufsichtigt werden sollten. Aufgrund der damit verbundenen Entscheidungen kam es wohl des Öfteren zu Unstimmigkeiten. Nach Thomas von Kempen hatte in diesen Fällen zu gelten: „Qui autem pauciora accepit: contristari non debet nec indignanter ferre, neque ditiori invidere; (...).“524 Da manche Ämter aus den verschiedensten Gründen aber alles andere als gefragt waren,525 darunter besonders Küchen- und Putzarbeiten,526 waren Streitereien kaum zu vermeiden.527 Die beliebteren Arbeiten, wie die Betätigungen im Scriptorium, wo etwa von Klarissen und Dominikanerinnen neben Schreibarbeiten kalligraphische Gestaltungen von Handschriften durchgeführt wurden,528 waren aber rar. Die überwiegende Zahl der Schwestern hatte weniger anspruchsvolle handwerkliche Tätigkeiten zu verrichten. Im Nürnberger Klarakloster bestanden diese Handarbeiten in Bortenweberei, Stickerei und Teppichwirkerei für sakrale Zwecke.529 Auch die Kleidung der Schwestern wurde selbst angefertigt.530 _____________

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zu stehen.) – Siehe zum Ämterneid unter den Schwestern ferner den Text: Sommige vermaninge tot eenen doechliken leven, in: J.F. Vregt (Hg.), Eenige ascetische tractaten, afkomstig van de Deventersche Broederschap van het gemeene leven, S. 372. Pohl (Hg.), Thomas von Kempen, Opera omnia, Bd. 2: Imitatione Christi, S. 186, 21-23: (Übersetzung: Wer aber weniger bekommen hat, darf nicht traurig sein, noch das unwillig tragen, noch den Reicheren beneiden.) Siehe dazu den Kommentar (55). Dafür Belegstellen bei Lewis, By Women, for Women, about Women, S. 240. Um derartigen Streit über Ämter und ihre Ausführung zu vermeiden, beschrieb Johannes Meyer in seinem Ämterbuch dreiundzwanzig Klosterämter und die mit ihnen verbundenen Verpflichtungen; siehe ausführlicher zum Buch der Ämter das Kap. IX, Pkt. 1.2. Dazu Lewis, By Women, for Women, about Women, S. 284 und Rüther, Schreibbetrieb, Bücheraustausch und Briefwechsel: Der Konvent St. Katharina in St. Gallen während der Reform, S. 671f. Diese Arbeiten sind auch in Klöstern der Benediktiner- und Zisterzienserinnen nachweisbar; dazu Riggert, Die Lüneburger Frauenklöster, S. 270-273. – Bei den Schwestern vom gemeinsamen Leben war die Bücherherstellung jedoch eher verpönt; siehe zu Begründungen dafür Ruh, Die Schwesternbücher der Niederlande, S. 170. Carine Lingier betont hingegen gerade auch in den Frauenkonventen der Devotio moderna umfangreiche Tätigkeiten in den Scriptorien einiger Häuser; dies., Boekengebruik in vrouwenkloosters onder de invloed van de Moderne Devotie, S. 289-293. Thom Mertens macht darauf aufmerksam, dass die modernen Devoten auch das Abschreiben von Büchern als Handarbeit bezeichneten; ders., Florens Radewijns en zijn Tractatulus devotus, S. 22 und 26f. In der Regel waren aber Schwestern vom gemeinsamen Leben nicht mit der Produktion von Büchern betraut. Dazu L. Kurras/F. Machilek (Hgg.), Caritas Pirckheimer, S. 104. Zur Bedeutung solcher Handarbeiten im Konvent St. Katharina in St. Gallen siehe Rüther, Schreibbetrieb, Bücheraustausch und Briefwechsel: Der Konvent St. Katharina in St. Gallen während der Reform, S. 670, zu Handarbeiten in Frauenklöstern der Benediktiner- und Zisterzienser Riggert, Die Lüneburger Frauenklöster, S. 291-294.

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(89) – Z. 1462-1464: Jr sollent von hertzen mitlyden haben mit üwern obern, dye uch regieren, vnd sollent ansechen den sweren last, der vff sÿ gelait ist (...) Die Empfindung von Mitleid sollte von geistlich lebenden Menschen für Sünder, Sterbende, Bedürftige und für die ’Armen Seelen‘ aufgebracht werden. Im Text Die besessene Schwester Agnes bleiben die Aufforderungen zum Mitleid auf die Mitschwestern beschränkt, wobei die Minoritäten der geistlichen Gemeinschaft wie die Novizinnen und die Oberen dabei im Vordergrund stehen.531 Die Verantwortung der Oberen für die untergebenen Schwestern brachte es des Öfteren mit sich, dass ihnen selbst weniger Kraft und Zeit blieb für Stunden der Andacht und Besinnung, wodurch die Anfälligkeit für Anfechtungen zunahm.532 Schwestern, die neidisch waren auf die Privilegien der Oberen, sollten deshalb die Nachteile dieser Ämter immer wieder deutlich gemacht werden.533 (90) – Z. 1522-1533: Das sind mÿn vnd mÿner gesellen klaidunng vnd gezierd: Hoffartt, aigenwilligkait, stoltzhait (...) sind myn vnd myner gesellen natturlich klaid. Die in der Edition zwölf Zeilen umfassende Aufzählung von Sünden erinnert an Lasterkataloge. Deren Produktion nahm gerade im späten Mittelalter deutlich zu.534 Ihren Ursprung haben Lasterkataloge in der Beschreibung der negativen Eigenschaften von Personen.535 Sie entwickelten sich aber zunehmend zu Aufreihungen bestimmter Laster, die nicht an einzelne Personen gebunden waren.536 Gegen Ende des 6. Jahrhunderts wurden zwei Ordnungen von Hauptsünden maßgebend: die Achtergruppe Cassians und die Siebenergruppe Gregors des Großen.537 Cassian nennt Völlerei, Unzucht, Geiz, Zorn, Traurigkeit, Trägheit, Hoffart und Stolz.538 Nach Gregor dem Großen gibt es sieben Ausstrahlungen des erbsündlichen Hochmuts: Hoffart, Neid, Zorn, Geiz, Unkeuschheit, Unmäßigkeit, Trägheit.539 _____________ 531 Für weitere Textstellen zum Mitleid siehe SG2, Z. 436-438, 450-453 und 1473-1476, außerdem die Kommentare (42) und (89). 532 Siehe dazu auch den Kommentar (55). 533 Vgl. zum Ämterneid der Schwestern den Kommentar (88). 534 Dafür M. J. Tracey, Artikel Tugenden und Laster, Tugend- und Lasterkataloge in: LexMA, Bd. 8, Sp. 1085-1088, hier Sp. 1087. 535 Vgl. Marlies Gielen, Artikel Lasterkataloge, in: 3LThK, Bd. 6, Sp. 658f. 536 In nicht wenigen Fällen werden diese Reihungen nach strukturierenden Metaphern (z.B. Jakobsleiter oder Baum) angeordnet. 537 Siehe Tracey, Artikel Tugenden und Laster, Tugend- und Lasterkataloge, in: LexMA, Bd. 8, Sp. 1086. 538 Dazu Eduard Stommel, Artikel Achtlasterlehre, in: 2LThK, Bd. 1, Sp. 111. Für weiterführende Erläuterungen dazu siehe Angenendt, Geschichte der Religiosität im Mittelalter, S. 616 und 631. 539 Vgl. F. Scholz, Artikel Sünde VI: Moraltheologisch, in: 2LThK, Bd. 9, Sp. 1181-1183, hier Sp. 1183.

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An dieser Textstelle werden alle von Cassian und Gregor angeführten Laster aufgezählt.540 Zusätzlich erscheinen die Neugierde, die Verlogenheit, die Hinterhältigkeit und die Eitelkeit jeweils mit speziellen Konkretisierungen der Laster, wie sie im Alltag geistlicher Frauengemeinschaften vermutlich häufig vorgekommen sind. Besonders betont und differenziert werden zudem Verhaltensweisen, die dem Ungehorsam zuzurechnen sind, wie aigenwilligkait, stoltzhait, müttwill, frechait, vermessenhait, bittere antwurt, curiosikait, fürwytzigkait. Diese Ergänzungen und Konkretisierungen der eigentlich festen und geordneten Abstraktionen sind der Ausdruck einer Anpassung des Textes an die monastische Zielgruppe. Die Platzierung des Lasterkataloges ganz am Ende verdeutlicht die Absicht, der Erkennung und Behebung von Lastern einen vorrangigen Stellenwert einzuräumen. (91) – Z. 1527f.: Spillen, tantzen, schantpare lieder singen (...) Nach den Statuten des Bamberger Klarissenklosters war es der Oberen möglich, den Schwestern ihres Konvents von Zeit zu Zeit eine Rekreation zu ermöglichen, damit diese das Schweigegebot leichter einhalten konnten. Zu dieser Rekreation sollten alle Schwestern kommen „und sich mit geistlichen Liedern und Spielen erfreuen und sich doch allzeit hüten vor großem und lautem Geschrei, wie auch vor aller Eitelkeit als Tanzen, weltliche Lieder singen und dergleichen.“541 Gleichwohl sollten die Schwestern bei den Chorgesängen einen kräftigen und schönen Gesang anstimmen.542 Aus dem Tösser Schwesternbuch geht hervor, dass Konventualinnen dort auch während der handwerklichen Arbeit gelegentlich singen durften.543 Auch in dominikanischen Schwesternbüchern werden Tänze und Gesänge als Ausdruck von Freude und Vergnügen der Schwestern erwähnt. Solche Äußerungen von Emotionen waren bei der Kirchenobrigkeit jedoch verpönt.544 _____________ 540 Siehe zur Aufzählung von Todsünden im Textzeugen SG2 auch Z. 1396-1406, wo ledigkaitt (acedia), fressigkait (gula), /berflüssigkait (luxuria) und nid (invidia) genannt werden. Als paralleles ’Gegensystem‘ zu den genannten Lastern werden zur Belehrung der Schwestern wiederholt auch die anzustrebenden Tugenden aufgezählt; zu solchen Reihungen von Tugenden siehe auch die Kommentare (51) und (61). 541 Zitiert bei Götz, Das ehemalige Klarissenkloster in Bamberg, S. 343 nach G. von Horn, Das Clarissenkloster zu Bamberg, in: Jahresbericht des historischen Vereins für Oberfranken zu Bamberg, Bamberg 1878, S. 24. 542 „Item im chore sol dy geistliche junckfraw sein als ein nachtigal sol sy auß hertzen singen.“ Siehe zu diesem Zitat einen Kurtzext, der mit ”Vögel als Vorbilder für Nonnen“ überschrieben ist; Augsburg, Universitätsbibliothek, Cod. III 1.8° 7, fol. -. Zum Titel vgl. Schneider, Die Handschriften der Universitätsbibliothek Augsburg, 2. Reihe, Die deutschen Handschriften, Bd. 1: Deutsche mittelalterliche Handschriften S. 419. 543 Dazu Lewis, By Women, for Women, about Women, S. 234. 544 Dafür und zu Textbeispielen ebd. S. 260ff.

V. Teileditionen des Redaktionstextes 2 aus C und SG1 1. Hinweise zur Teiledition von C Für die Teiledition des Colmarer Textzeugen gelten die Richtlinien, die für die Edition des Redaktionstextes 1 erstellt wurden.1 Abweichend hiervon wurde auf eine Zeilenzählung verzichtet, weil nur die zweite Hälfte des Textes vorgelegt wird, deren Wortlaut von der des Redaktionstextes 1 stark abweicht, in einigen Textpassagen weitgehend neu gefasst ist und erhebliche Zusätze aufweist. Textstücke der Teiledition von C, die mit dem Wortlaut der Edition des Redaktionstextes 1 übereinstimmen, werden nicht getilgt, weil der edierte Textteil von C für sich verständlich sein soll. Um eine rasche Orientierung zu ermöglichen, stehen in der Teiledition jeweils in spitzen Klammern und im Fettdruck die Folioangaben des Textzeugen.2 Die Absätze in der Handschrift C wurden übernommen. Bei eindeutigen Majuskeln im Textzeugen sind in der Edition zusätzlich Absätze eingefügt worden. Zur Teiledition von C wird kein Apparat geboten. In Anmerkungen jeweils am Ende der entsprechenden Seite stehen gegebenenfalls Erklärungen zum Verständnis der Sprache des Textes, Querverweise und Hinweise auf Quellen. Außerdem erfolgen hier Kommentare zu einzelnen Textstellen oder Verweise auf den Stellenkommentar zur Editon des Redaktionstextes 1. Sämtliche Textbesserungen werden – zum Teil mit Erklärungen – in den Anmerkungen nachgewiesen. Sofern möglich, wurde nach SG1 gebessert, sonst nach dem Wortlaut der Edition des Redaktionstextes 1. Fehler in Textpassagen, die nur in C vorkommen, wurden nach dem Sinn gebessert. Alle Besserungen erscheinen im Text kursiv und werden über Anmerkungen nachgewiesen. Damit die Edition nicht mitten in einem Sinnzusammenhang einsetzt, wird mit der Teiledition kurz vor dem Beginn des von SG2 stark abweichenden Textteiles begonnen. _____________ 1 2

Siehe dazu Kapitel IV, Pkt. 2. Hinweise auf Stellen des Textes von der besessenen Schwester Agnes aus C erfolgen über die entsprechende Angabe der Seitenzahl dieser Handschrift.

Hinweise zur Teiledition von C

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Die im Folgenden der Teiledition vorangestellte kurze Sprachbeschreibung des Textzeugen soll vor allem seine Herkunft belegen. Außerdem ist anhand von Beispielen auf sprachliche Besonderheiten des Textträgers hinzuweisen. Die Gliederung der Sprachbeschreibung ist an der des Textzeugen SG2 ausgerichtet.

2. Sprachbeschreibung des Textes in der Handschrift C 2.1. Auffälligkeiten von Schreibung und Lautung Gelegentlich steht für /e/ wie etwa in harbroht (fol. ) und im Wort entsatzen von mhdt. entsetzen (fol. ). Für /i/ steht initial ganz überwiegend das im 15. Jahrhundert eigentlich schon seltenere , manchmal auch -longa.3 Ausnahmen sind die Lexeme ich, ist und die Präposition in. Sowohl als auch erscheinen auch medial und stehen für Vokal und Konsonant.4 Häufig ist auch die Schreibung /ij/ als Niederlandismus wie unter anderem in den Wörtern clötterije (fol. ), hofferdije, fresserije (beide fol. ) fantasije (fol. ), drije(n) (fol. u. ), dottvijgent (fol. ), zweijen (fol. 126v>) und in den Wörtern zijt und allzijt. In den Wörtern entpfohen, jomer, worent, wor sowie in worheit und worhafftig steht für mhdt. /â/ durchgehend. Häufig steht für /â/ in gon, nur gelegentlich in den Wörtern gnode (fol. , , , , ), noch (u.a. fol. , ), jor (fol. ), in Formen von versmâhen (fol. , ), in froget (z. B. fol. ) und in harbroht (fol. ).5 Dass /a/ (/â/) nach /o/ (/ô/) verschoben wird, findet man besonders auch in elsässischen Texten häufig.6 Die Graphie erscheint für mehrere Vokale. Für /o/, oft etwa in öbe, für /a/, zum Beispiel in brutegöm (fol. ), für /i/ wie in nöte (fol. ) und – wie nicht selten im Elsässischen – als Rundung des /e/7 etwa in frömder (fol. ) und frömdes (fol. ).8 _____________ 3 4 5 6 7 8

Dazu Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 43, § L 13. – In den Wörtern Jhesus und zuweilen in der(die)jhenen erscheint in Verbindung mit die h-Graphie; siehe dazu ebd. S. 120 § L 55. Siehe dazu ebd. S. 43f., § L 13. Zu Belegen von für bis ins 16. Jahrhundert siehe Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 45, § L 14; zu Begründungen dafür Wolf, Phonetik und Phonologie, S. 1309. Vgl. Weinhold, Alem. Gram., S. 92 und 95 und Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 54f. Weinhold, Alem. Gram., S. 96. Zu Ent-(Rundungen) siehe Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 76, § L 36.

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Teileditionen des Redaktionstextes 2 nach C und SG1

Die Graphie steht für den Langvokal /iu/ und den Diphthong /ie/ wie in tüfel (u.a. fol. ), vnküscheit (fol. , , ), lüten (fol. ), güsset (fol. ), drü (fol. ), zühet (fol. ). Zudem steht sie, wie häufig im Elsässischen, für /i/9 wie in nüt (fol. ). Der Diphthong /ie/ erscheint mitunter in der Schreibung mit /i/ wie des Öfteren in ging oder als /e/ wie oft in demut.10 Nicht selten kommt das zwischen zwei Konsonanten eingeschobene vor {wie z. B. in abelegent (fol. ), ettelichen (fol. ), vssewendig (fol. ), aneheben (fol. ), hoffenunge (fol. , ), anefang (fol. ), geselleschaft (fol. usw.)}. Als diakritische Zeichen stehen vor allem und , bisweilen kommen auch und vor. Auffällig sind das niederalemannisch und elsässisch häufige als Hiatzeichen für zwischenvokalisches nach /î/ oder /ei/ wie zum Beispiel in drige (fol. ), sigent (fol. ), zweigerleÿ (fol. ), schrigen (fol. ), dottvijgent (fol. ), sÿge (fol. ).11 Der Digraph steht im Vergleich zum verschärfenden Doppelgraph nur selten {wie z. B. in halsß (fol. , ), diesßer (u.a. fol. ) und wisßheit (u.a. fol. )}.12 Der Digraph tritt inlautend des Öfteren für ein,13 ebenso erscheint anlautend bisweilen für .14 Mehrfach-Schreibungen kommen vor allem mit vor15 {z. B. schöppfer beziehungsweise schöpffer oder scharpff (fol. )}. Einfaches

steht vereinzelt für etwa in plaster (u.a. fol. ).16 Des Öfteren steht für initial vor wie in den Wörtern clein (fol. ), clagete (fol. ), clötterije (fol. ), claffen (fol. ).17 Initial fakultativ erscheinen und etwa im Wort krone (fol. ), crone (fol. ). Die mediale und finale Regelgraphie für /k/ lautet mit Ausnahme des Wortes krangk (fol. ) durchgehend , was dem Gebrauch im Ge_____________ 9 10 11 12 13 14 15 16 17

Dazu Weinhold, Alem. Gram., S. 97. Siehe dazu Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 53, § L 21. Dafür ebd. S. 99, § L 48 bzw. die Bemerkungen zu Hyperkorrekturen S. 158f., § L 75 sowie die Ausführungen zum Buchstaben in der elsässischen Mundart bei Weinhold, Alem. Gram., S. 183. Dazu Weinhold, Alem. Gram., S. 158. Zum Variantenstatus von und siehe Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 130ff., § L 59. Siehe zur Initialstellung von in Texten des 15. Jahrhunderts Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 132, § L 59. Siehe dazu Weinhold, Alem. Gram., S. 121. Dazu ebd. S. 117f. Dafür Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 101, § L 49.

Sprachbeschreibung des Textes in der Handschrift C

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samtfrühneuhochdeutschen entspricht.18 Die Graphie steht bisweilen zwischenvokalisch für beziehungsweise , vor allem in den Wörtern dangberlich (fol. ), dangberkeit (fol. , , ).19 Nur sehr selten erscheint initial die Variante

für 20 wie in ploß (fol. ). Auslautverhärtung21 kommt dagegen in mehreren Wörtern vor {z. B. in gap (fol. , ), bleip (fol. , ), blump (fol. ) oder grop (fol. )}. Auch findet man noch die Doppelung wie in geclapper (fol. ), gelappten (fol. ) und des Öfteren in snepp und vppig. Diese Geminaten sind insgesamt aber eher selten. Ebenfalls nur vereinzelt findet man den Sproßkonsonanten

nach und vor , zum Beispiel in versumpte (fol. ), ampt (fol. ) und des Öfteren in kompt und kumpt.22 2.2. Besonderheiten von Formen und Syntax 2.2.1. Spezielle Verbformen und die Negation des Verbs Die Pluralbildung erfolgt wie im Textzeugen SG2 für die 1., 2., und 3. Pers. Präs. Ind. als Einheitsplural.23 Als Endungen kommen und besonders die nasalierte Form , () vor. Wie im 15. und 16. Jahrhundert nicht selten, tritt gelegentlich bei starken Verben ein unechtes in der 3. Pers. Sg. Präs. Ind. an die geläufige Flexionsendung .24 Diese Formen sind nicht zu verwechseln mit den graphemisch identischen Formen der 3. Pers. Sg. Prät. Indikativ. Die mittelhochdeutschen Verben gân/gên, stân/stên und haben/hân werden vom Schreiber in beiden Formen verwendet. Die zeitlich späteren Langformen gehen/stehen kommen noch nicht vor. Der Infinitiv von gân/ gên lautet überwiegend gon, selten gan, die 3. Pers. Sg. Präs. Ind. erscheint immer in der Form get (fol. ), die 2. Pers. Pl. Präs. Ind. lautet auf gondt (fol. ) oder gont (fol. ). Die 2. Pers. Sg. Präs. Konj. hat die im Alemannischen übliche Form gangest (fol. ). Ebenso alemannisch _____________ 18 19 20 21 22 23 24

Dafür Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 101, § L 49. Siehe ebd. S. 101, § L 49. Dazu ebd. S. 84, § L 44. Dafür PWG, S. 130, § 100. Vgl. Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 135, § L 61, Anm. 2. und PWG, S. 149, § 129. Siehe dazu Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 248f., § M 94 und die Ausführungen zum Einheitsplural in der Sprachbeschreibung zu SG2. Weinhold, Alem. Gram., S. 336.

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Teileditionen des Redaktionstextes 2 nach C und SG1

geprägt erscheint die 3. Pers. Sg. Präs. Konj. auf gange25 (fol. ). Das Partizip Prät. lautet gangen (fol. ). Die 3. Pers. Sg. Präs. Ind. von stân/stên lautet stet26 beziehungsweise stot (z. B. fol. ). Die Bildung der 2. und 3. Pers. Pl. Präs. Ind. erfolgt durchgehend ’verdumpft‘ als stöndt oder ston(d)t27 (z. B. fol. , , , , ), ebenso erscheinen Komposita mit stân/stên. Die 3. Pers. Sg. Präs. Ind. von gëben kommt überwiegend in der Form git vor,28 einmal jedoch als gibt (fol. ), die 3. Pers. Pl. Präs. Ind. lautet gabent (fol. ), die 3. Pers. Sg. Prät. Ind. gab/(gap). Selten erscheint die 1. Pers. Sg. des Präsens im Indikativ bei dem Verbum sagen auf die Endung (fol. , ). Beim Wurzelverb tuon steht in der 1. Pers. Sg. Präs. Ind. die Infinitivform tţn (fol. , antţn ). Die 2. und 3. Pers. Pl. Präs. Ind. dieses Verbs lautet bisweilen tţnt (z. B. fol. , , ).29 Die 3. Pers. Sg. Prät. Ind., die häufig vorkommt, erscheint wie die 3. Pers. Sg. Prät. Konj. in der Form dett, der Plural lautet auf detten(t) (fol. , ). Als Partizip Prät. findet man neben tţn auch noch getţn (fol. ).30 Mitunter erscheint der Infinitiv mit dem Präfix in Verbindung mit mügen/mugen.31 Diese Formen verlieren sich erst im 16. Jahrhundert.32 Mit den Verben heizen und begërn steht der einfache (reine) Infinitiv:33 Vnd nţn heisset er mich, dir sagen, das (...) (fol. ). Zţ dem dritten male söllent ÿr begeren, vß grunde uwers hertzen der allervngeachtest mensch vnder allen menschen geachtet vnd gerechent werden. (fol. ).

Neben diesen Infinitivformen kommen auf flektierte Dativformen mit der Präposition zu vor. Im 15. Jahrhundert werden diese bereits zunehmend seltener.34 In der Teiledition von C stehen noch folgende Formen: zţ essende (fol. 57v), zţ tţnde (fol. 65r), zţ fliehende (fol. ), zţ pinigende (fol. ), zţ sehende, zţ begerende (beide fol. ), zţ gebende (fol. ), zţ lobende (fol. ), zţ bekerende (fol. ), zţ lassende (fol. ). _____________ 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34

Dazu PWG, S. 269, § 280. Belegt bei Weinhold, Alem. Gram., S. 323. Belege dafür ebd. S. 323 Siehe dazu ebd. S. 323 Vgl. dafür ebd. S. 354. Dazu Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 305f., § M 147. Fol. : „(...) vmbe rat zţ fragen, wie ÿr die wunden uwer gebresten geheilen mögent (...)“. Siehe dafür ebd. S. 396, § S 178. Dafür die Erläuterungen bei Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 403, § S 189 und S. 405 § S 192. Siehe hierzu ebd. S. 396, § S 177.

Sprachbeschreibung des Textes in der Handschrift C

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Die einfache Negation des Verbs erfolgt durch nit. Mit dem Verbum ahten steht zweimal nicht (fol. , ). Nur dreimal kommt noch die Verneinungspartikel vor (fol. , , ), einmal erscheint ÿcht als Verneinung (fol. ). Das Wort nöte, welches häufig zu finden ist, steht vor allem mit der Bedeutung von „ungern“, seltener steht es für „nicht“. Das Wort nüst(e) erscheint als Nebenform von mittelhochdeutsch niht mit den Bedeutungen von „nicht“ und „nichts“35 (z. B. fol. , , , ). 2.2.2. Adjektive, Pronomina und Präpositionen Bei einigen Adjektiven erfolgt die Verteilung der starken beziehungsweise schwachen Endungen anders als heute üblich:36 (...) mit uwer eigener wißheit (...) (fol. ). Vnd dise vorgenant gebresten wţchssent vnd mertent sich in ÿr. (fol. ). (...) mit rate eines gţten, jnnigen, bescheiden mannes (...) (fol. ). (...) den were besser, das sú diewile stumen werent. (fol. ).

Das reflexive Personalpronomen der 3. Pers. erscheint im Dativ noch als ÿme, jn, ir oder ÿnen.37 Vnd diewile er vil liebe hatte nit zţ ÿme selber (...) (fol. ). Uwer keine sol einige swestern zţ ir ziehen, die einer andern bevolhen sint (...) (fol. ). (...) daz der tüfel vß ÿm selber spreche (...) (fol. ). (...) das sú von jn selber von uch sollent gon (...) (fol. . (...) uwer ettliche sint als trege, das sú ÿnen es selbes nit deten (...) (fol. ).

Das Personalpronomen der 3. Pers. („sie“) lautet überwiegend sú, ganz selten sie (fol. ) oder si (fol. ). 2.2.3. Ersparungen und Periphrasen Häufig sind Auslassungen von Pronomina und Hilfsverben. So wird zum Beispiel das Pronomen in einem Satzgefüge in dem Teilsatz erspart, der nachfolgt.38 _____________ 35 36 37 38

Siehe dazu ausführlich Lexer, MhdtHwb, Bd. 2, Sp. 123 und Sp. 83f. bzw. PWG, S. 234, § 233. Dazu Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 195, § M 37. Näheres dazu ebd. S. 215, § M 64. Siehe PWG, S. 366, § 399. Zur Ersparung des Subjektpronomens ich siehe auch Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 345, § S 57.

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Teileditionen des Redaktionstextes 2 nach C und SG1

Wie manig werbe het er mich es uch heissen sagen, das er uch helffen will, vnd sol uch ein tröstlich wort sagen. (fol. ). Ein demütig hertze begert nit groß oder hohe bÿ sinem schöpfer zţ sin, dan es begert allein siner barmhertzikeit vnd nochdan begert zţ vollekommenheit zţ komen. (fol. ).

Beeinträchtigen Ellipsen den Lesefluss erheblich, wird der Textzeuge gebessert.39 Als ein solcher Fall wird etwa der folgende Satz aufgefasst: Vnd die hierjnne funden werdent, die söllent vnser gesellen vnd mit vns gepiniget. (fol. ). [Ergänzt (siehe Unterstreichungen) lautet der Satz: Vnd die hierjnne funden werdent, die söllent vnser gesellen sin vnd mit vns gepiniget werden.]

Werden zwei Infinitive durch vnd beziehungsweise oder verbunden, erscheint der zweite Infinitiv bisweilen ohne das zu: Jr söllent uch zwingen, jnnewendig zţ schrigen vnd weinen. (fol. ).40

Gelegentlich stehen Futurperiphrasen mit Modalverben + Infinitiv zum Ausdruck der Nachzeitigkeit:41 Jr solten ÿme allein wllen wolgefallen. (fol. ). Vnd ich sage uch, das ÿr billich nit ein stunde lang in hertekeit sölten dörffen bliben. (fol. ).

2.2.4. Inkongruenzen42 Inkongruenzen des Numerus findet man etwa, wenn verschiedene Substantive in einem Satz aufgezählt werden. Das Verb steht dann nicht selten im Singular.43 Inkongruenzen stehen auch wegen der überwiegend induktiv-dialogischen Struktur des Textes. Sie sind sogar besonders zahlreich in Textsequenzen, die nicht im Redaktionstext 1 vorkommen: Ich sage dir, du hest einen milten, langmütigen, barmhertzigen got, der dich als milteclichen bewart hat, das wir dir nit lange den halß gebrochen hant. Dan als dicke ÿr einig ding mit hertikeit griffent vnd nit dţnt vnd lassent als uwer öbersten uch dţn vnd lassen heissent, so werdent ÿr geistlichen besessen in uwer selen

_____________ 39

40 41 42 43

Demgenüber nicht gebessert wird in den beiden folgenden Fällen: „Nit murmere wider denjhenen, der bereit ist, dir alle gnade zţ geben, dan es ist din schuldt, das du also dürre, dan du güssest vß din hertze (...)“ (fol. ) und „(...) die mag man wol lieber han oder mer zţ neÿgunge des hertzen, dan zţ den andern.“ (fol. ). Ebenso (fol. -) und (fol. ). Vgl. Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 391, § S 167f. Für Erläuterungen zum häufigen Wechsel zwischen direkter und indirekter Rede, der auch im Textzeugen C zu beobachten ist, siehe die Sprachbeschreibung zu SG2. Fol. : „(...) so hört sathanas vnd sine gesellen nit vff.“ Siehe dazu Reichmann/ Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 423, § S 225, 2 A.

Sprachbeschreibung des Textes in der Handschrift C

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von dem tüfel vnd das ist vil ein engstlich besitzunge, dan öbe ÿr dem lÿchenam alleine besessen werent. (fol. -).

Gelegentlich weisen die Äußerungen des bösen Geistes aber auch eine deduktive Struktur auf. Allgemeine Aussagen an alle Schwestern werden in Nebensätzen auf eine Schwester zugespitzt und dadurch verschärft. Vnd also söllent ÿr vndereinander uch groß machen, jegliche in der andern hertzen, so gewinnet sú mer liebe zţ ÿrer swester. Vnd das hört zţ der liebe, das ÿr uch vndereinander jn eren haltent vnd groß ÿe eine von der andern prüfen sol. (fol. ).

Inkongruenz des Numerus liegt gelegentlich auch bei Wiederaufnahme des Substantivs durch ein Relativpronomen vor, besonders wenn der Nominalkomplex als ein kollektiver Singular aufgefasst werden könnte:44 Wer sin krangheit vnd gebresten nit offenbar wil vßsprechen, dem süllent von vier vbeln je eines geschehen. (fol. ).

Bei neutralen Bezeichnungen von Feminina richtet sich das Pronomen, welches das Substantiv wieder aufnimmt, mitunter nach dem natürlichen Geschlecht,45 was zu einer Inkongruenz des Genus führt wie in folgendem Satz: Vnd were ÿeman frömdes da, „den lassent vß der sammenunge bliben als lange, biß daz sú die swestern gebitten. (fol. ).

3. Teiledition Die besessene Schwester Agnes nach C (Redaktion 2) Eÿn swester bekant ÿr krangheit, das sú sich schamete ir sünde zu bichten. Do sprach er, obe sú nit wüste, das die schame ein groß teil der o buß were. Furbaß sprach er, daz es dem herren allezit wol gefiele, daz sú ÿre gebresten offenbarten ouch gemeinlichen vor den swestern. So wart er gefraget, was underscheidunge man dareÿnnen haben solte. Do anto wurt er und sprach: „Heimliche vnküscheit vnd alles, das darzu schicken mag, sol man in der versamenunge nit offenbaren vnd die jungen swestern sollent ouch nit gegenwertig sin, wan die alten ÿre gebresten offenbarent vor den jungen swestern, da die jungen jnne46 möchtent geergert47 werden. Es were dan, das sú sich in einigen gebresten entgangen hetten, das sú sich dan da vor ÿnen verdemütigen solten, wan sú von ÿn geergert werent.“ _____________ o

44 45 46 47

Siehe dazu PWG, S. 392f., § 430. Dafür ebd. S. 424, § S 227. jnne] „innerlich“; siehe dazu FWB, Bd. 8, Sp. 118. geergert] „zur Sünde veranlasst“.

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Teileditionen des Redaktionstextes 2 aus C und SG1 o

Furbas sprach er: „Ist es sache, das ÿr dise drige puncte dunt noch uwerem vermögen, das ist, das ÿr einfalteclich gehorsam sint vnd sich je eine vnder die andere demütige vnd das ÿr clerlich offenbarent, das wir uch ÿno o o o gebent, so sol uch nit zu komen, dan dz uch zu liebe, zu friden vnd zu rast dienen sol. Vnd der herre sol uch ein got vweres willen sin, vnd ÿr o mögent zu einem vollkomen geistlichen leben domit komen.“ Furbas sprach er: „Der allergenemest dienst, den ir vwerm schöppfer mögent bewisen, dz o o ist der, das ÿr einfalteclich48 tunt daz, das man uch heisset dun.“ o o o Da sprach der bÿchter zu ÿme: „Du sprichest zu ÿnen, das sú dunt, o was ich sú heisse tun. Ich bin ein einfaltig man, sú mögent gedencken, dz o sú baß wissen, was sú dun vnd lassen sollent, dan ich selber.“ Do antwurt er: „Die wißheit müssent sú lassen, wan got sol durch uch würcken, wz er von ÿnen haben wil, vnd da genüget ÿme an,49 daz sú uch darÿnne o volgen, als ir sú heissent tun vnd lassen, [...]50 vnd das sú do mit jn allen o o dingen zu friden sigent. Vnd wellent sú des nit dun, so beiten51 sú ÿres gewinnes, aber es sol ÿnen kein gewin sin. We, we uch, flissent ÿr uch, dise o o drige puncten nit zu dun nach uwerm vermögen, dan vngehorsamekait ist ein grosse sünde, darnach uch groß pin sol volgen, es sÿ dan, das ÿr es hie abelegent. Vnd diser bichter sol uch nit vergebens hie gesessen han, ja, er sol uch ein wort nit vergebens geseit han, ir sollent rechenunge davon geben.52 Vnd wer nit gehorsam ist oder sin wil, das kompt vß einem hoffertigem hertzen, er wisse es oder wisse es nit. Vnd der sinen öbersten einfalteclichen gehorsam ist, der ist demütig. Vnd der ist einfaltig gehorsam, der kein ding vnderscheidet,53 sunder in allen dingen vß grunde sines hertzen gehorsam ist.“ Vnd er vermanet den bÿchter, das er den swestern verbieten solte, das sú nit vnder einander arguwieren solten, wan sú bÿeinano o o der versamelt werent, ettewas gutes zu sagen, oder sich zu vndersprochen jn frölicheit. Dan darvmbe were er vnd sine gesellen vß, das sú die swestern o o von guter materien zu frömder vnd ÿteln dingen bringen möchten vnd sunder, das sú dise nuwe gnade vsser ÿrem hertzen möchten kratzen. „Vnd ich sol uch ein ding sagen, das ÿr dicke noch gewar mögent werden: Als ÿr einander versamelt gewesen sint vnd in friden vnd in liebe o etwaz gutez geseit hant, so ÿr dan von einander scheidet, so ÿr so flissiger _____________ 48 49 50 51 52 53

einfalteclich] einfaltelich SG1 C genüget ÿme an] „reicht es ihm aus“. nach lassen] die wißheit müssent [!] wan got sol durch uch würcken wz er von ÿnen haben wil vnd da genüget ÿme an daz sú uch darÿnne volgen als ir sú heissent tţn vnd lassen C beiten] das sprachgeschichtlich neuere Wort warten kommt in C nicht vor. Seine Ausbreitung erfolgte nur langsam; dazu G. Ising, Zur Wortgeographie spätmittelalterlicher deutscher Schriftdialekte, hier Teil II, S. 54f. ir sollent...geben] „ihr werdet darüber Rechenschaft ablegen müssen“. der...vnderscheidet] „der sich für nichts zu schade ist“.

Teiledition Die besessene Schwester Agnes nach C (Redaktion 2)

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o o in uweren getziten sint zu lesen vnd singen54 vnd [...]55 baß zu frio den jn uwerm hertzen sind vnd bereiter vnd geschicket56 zu allen tugenden dan ÿr vor worent, ja, ir mögent da vff ein zijt hören, das uch uwer lebetage helffen mag.“ Vnd er sprach, das dz vbergeben, „das ÿr uch in allen dingen jn die hende uwers schöppfers vnd in die hende vwers obersten vbergebent, das ist vns ein vnsprechlicher schaden vnd ist uch ein vnsprechlicher nutz, ist o es, das ÿr uch flissent, bÿ dem vffsatz zu bliben. Vnd wir sint allezijt darvmbe vß, daz wir uch von dem vffsatz ziehent, vnd darvmbe solo lent ÿr uch dicke jnnewendig darzu keren vnd uch selber dem herren in allen dingen vffoppferen vnd uwer selbes verlo(cken.“57 Do bekante ein swester, das sú vngehorsam were in einem puncten, vnd sú beduchte, das sú es nit belassen künde. Do sprach er: „Were es, o das ÿr mit gehorsamekeit uch selber verbeten darzu,58 dz ÿr es gerne lassen o wolten, vnd detent darzu, das in uch ist, jr sölten59 in der krafft der gehoro samekeit daz wol mögen lassen, das ÿr vmb uwer krangheit willen nun nit vermögent.“ o o Vnd er sprach zu den swestern: „Ir solten dem herren zu allen o dingen,60 das ÿme behaget, einen bereiten willen oppfern vnd darzu uweo ren fliß dun,61 dan das volbringen ist in uwer maht nit, aber doch sollent ÿr o o darzu tun daz selbe klein, daz in uch ist. Vnd was dan furbas daran gebristet, das komet vff in62 vnd das sol er verantwurten. Vnd ein jegliche o o o flisse sich selber, zu schicken zu gotte vnd zu den tugenden nach der maß der gnaden, die ÿr got gegeben hat, vnd domit lassent uch begnügen vnd o sint zu friden. Dan were es, das ÿr uch verbeten, ja vber die maß, so möcho ten ÿr doch nit komen darzu, das ettelichen vß gnaden gegeben ist.“ o Ouch sprach er zu den swestern: „Wie clein es ouch vssewendig schÿo net, das ÿr vß der liebe vnd gehorsamekeit dunt, vnd ist es ÿoch63 wider die nature, darvmbe sollent ÿr vnbegriffenliche glorie wider entphahen, das ÿr o uch selber also gewalt dunt.“ _____________

54 55 56 57 58 59 60 61 62 63

singen] siehe zum reinen Infinitiv die Sprachbeschreibung zu C. uch C geschicket] „gerüstet“; Part. Adj. verlo(cken] von mhdt. verlougenen; Belege für diese Schreibweise bei Lexer, MhdtHwb, Bd. 3, Sp. 169. ÿr...darzţ] „ihr euch das aus Gehorsam untersagt“. sölten] hier mit der Bedeutung „würdet“. zţ allen dingen] „in allem“; dafür Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 433. dţn] dţnt C das komet vff in] „das liegt in seiner Macht“. ÿoch] „denn auch immer“. Vom mhdt. Adverb joch; siehe dazu auch die Anm. in der Edition von SG2 zu Z. 209.

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Teileditionen des Redaktionstextes 2 aus C und SG1

Ein swester bekante ÿre gebresten, das sú nit gerne vßwendig wercke deo te. Do antwurt er ÿr vnd sprach, das sú sich nochdan czwingen sölte, es zu o tun als lange, bis das sú es gerne tete, vnd da solte sú großen lon von haben o vnd dete es ouch die nature nit64 gerne, so anders65 der wille gut ist. Vnd do was eine swester, die sere gerne ledig gesessen were, spÿnnen vnd keine vsserliche bekümbernisse oder vnledikeit hette gehebt,66 dan sú bedunckte, das vil vrsachen der gebresten darjnn kemen. Diser swester seio o te er, das es ÿr nit keme von den dingen, die sú vssewendig zu tun hette, das sú sich dicke so gebrestenlich hette,67 dan sú hette aber die gebresten in ÿr selber. Vnd sehsse sú ouch ledig bÿ einem recken halm,68 dannoch hette sú die gebresten in ir selber. Vnd darumbe so solte sú sich zwingen, o o o des zu friden zu sin, was man sú hiesse dun. Vnd sú möchte ouch nit ee o zu friden komen durch dise wise. Ouch was ein ander swester, die dicke mit liplicher krangheit begriffen wart. Vnd sú beduchte dicke, das sú die gemeine spÿse, die die swestern assent, nit wol möchte. Ouch beduchte sú, dz es ÿr ettwan ÿbel mitginge, als sú etteliche gemeine spise aß, vnd darvmbe begerte sú dicke ettewaz sunders. Diser swester seite er, das sú nit69 siech darvmbe werden solte, das sú von der gemeinen spÿse der swestern ehsse. Vnd die krangheit, die sú nach solicher gemeiner spÿse hette, die solte sú ouch wol haben nach der allerbesten spÿse, die sú begeren möchte, vnd das es ÿr leckerheit were, dz sú beduchte, das sú gemeine spÿse nit möchte. Vnd darvmbe solte o sú sich flissen, darjnnen sich selber zu vberwinden, als die andern swestern o o dun müsten, die ouch die gemeine spÿse zu ziten nit wol möchten. Aber o sú dunt in ettewaz gewaltez an vnd werdent nochtan nit kranck da von. „Also einfalteclich solten ÿr wandeln. Vnd were es, das man uch steine o fürsetzte, jr solten uch vben, dovon zu essende, vnd solten nit gedencken, o 70 das ir dovon siech wurdent. Vnd lasset dieÿhene dofür sorgen, die es zu besorgen hat.“ o Ouch sprach er zu den swestern: „Wan ÿr hörent uwer gebresten, so sollent ÿr gedencken, reht als obe ÿr vor dem vrteil gottes stünden, vnd das es ein gnedig fegefüre sÿ für alle uwer sünden. Vnd ÿr söllent in _____________ 64 65 66 67 68 69 70

nit] nig C so anders] hier: „während doch sonst“. eine swester...hette gehebt] gemeint ist, dass die Schwester weder mit der Arbeit des Spinnens noch mit anderer Arbeit betraut werden wollte. hette] hier im Sinne von „hielte“. bÿ einem recken halm] „bei einem sich emporreckenden Gras- oder Getreidehalm“; siehe zur Übersetzung Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 433 und Grimm, DWb, Bd. 10, Sp. 239. nit] am linken Rand ergänzt. wurdent] 2. Pers. Pl. Präs. Konj. – Zur Schreibweise der Form siehe Lexer, MhdtHwb, Bd. 3, Sp. 775.

Teiledition Die besessene Schwester Agnes nach C (Redaktion 2)

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dem grundt uwers hertzen uch selber mitschuldig geben jn allen gebresten, in den ÿr vermanet werdent, vnd uch selber mitschelten vnd mitstraffen vnd denÿhenen helffen, die uch uwer gebresten sagent. So sollent ÿr das vß o liebe tun, so mögent es die andern nit für übel vffnemen. Vnd dieÿhenen, die es anders dan vß liebe [...]71 sagent, den were besser, das sú diewile stumen werent.“ Da wart er gefraget, obe ein swester so vngedultig vnd verkert wurde, wan man sú ÿrer gebresten vermanen solte, oder obe man vmbe ÿrer krangheit willen in ÿren gebresten ÿr vertragen72 solte vermanen.73 Do antwurt er vnd sprach: „In keinerleÿ wise sölte man sú vnvermanet lassen, dan man solte ÿr dicke ÿre gebresten sagen vnd vsser der liebe vermanen.“ Da wart ÿme geseit, obe sú dan enweg lieff.74 Do antwurt er: „Lassent sú louffen.“ Vff ein zitt frageten in die swestern, wie sú der gnaden gottes allezijt solten warnemen. Do antwurt er ÿn vnd sprach: „Jr sollent uwer hertze o vnd uwern willen alle zijt schicken, den willen gottes zu vollebringen, vnd o 75 also vlen, als uwer öbersten vlen heissen, vnd uch fleissen, darnach zu o tunde. Wer das dţt, der nÿmet der gnaden gottes war. Aber man mag es nit gewinnen oder vberkomen nit76 mit sprechen: ‚ich will, ich will,‘ dan o o man muß einen gantzen willen darzu haben vnd den vollebringen mit den wercken.“ Och seite er: „Wan ÿr ÿnnerliche ÿnnekeit oder süssekeit bevölen oder entpfindent, des verwoundert uch nit, es sÿ dan sache, das ÿr deo o mütig daruß werdent vnd bereit zu aller getultikeit vnd flissig zu tugenden.“ Da wart ein swester, die sprach, sú begerte77 dicke ettewaz gutes jnsprechens von vnserm lieben herren. Do antwurt er vnd sprach: „Ich muß uch sagen, wan uch got jnsprichet, wan uch jnkomet, das ÿr uch vlen solo o lent zu verdemütigen vnd die nÿderste vnder allen swestern zu sein vnd das ÿr gedultig söllent sin vnd den swestern lieplich entgegen gan vnd lieplich vertragen aller andern krangheit vnd das ÿr söllent gehorsam sin vnd gelassen, als dicke als uch dise vnd diser glichen jnkommt, so spricht got in uwerm hertzen.“ _____________ 71 72 73 74 75 76 77

nach liebe] dţn so mögent es die andern nit für übel vffnemen vnd dieÿhenen die es anders dan vß liebe C vertragen] „Betragen“. vermanen] vermant C obe...lieff] „wenn sie dann aber wegläuft“; gemeint ist, was man tun solle, wenn sie dann die Gemeinschaft verließe. vlen] wellen SG2 nit] die Verneinung mit nit erscheint hier gesondert für beide Verben. begerte] hier noch mit Genitiv; siehe dazu Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 145.

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Uff ein zijt sprach er zu den swestern: „Wer sin krangheit vnd gebresten nit offenbar wil vßsprechen, dem süllent78 von vier vbeln je eines geo schehen. Das erste ist, das er wider zu der welte sol gon, dz ander, das er o dull vnd dum sol werden, dz dritte, das er besessen sol werden mit dem tufel in dem fleische, das vierde, das er hernach eweclich verdampt sol werden, ist es, daz er hierjnne vollehertet79 biß jn sin ende sines lebens. Aber wer sich bessern will, dem ist die gnade gottes allezit bereit.“ Da wart er gefraget, wobÿ man erkennen sölte von den swestern, obe sú ÿre gebresten alle vßseiten. Do antwurt er vnd sprach: „Wan sú die gebresten nit alle vßsagent, so blibent sú als in ÿren80 alten gebresten vnd sú werdent warhafftig besessen in der selen.“ Da wart er gefraget, obe die swestern alles solten sagen, das er vnd sine gesellen ÿnen jngebent. Do antwurt er den swestern: „Das were uch vno o mugelich, dan wir sint nit ledig, uch zu bekoren vnd anzuvehten, ÿr o hant noch fleisch vnd blut, das uch beswert oder belastet, vnd ÿr sint nimmer one gedencke. Aber alles, das uch uwer redelicheit81 zeiget, das sollent ir offenbaren.“82 Do sprach ein swester, das ire redelichhait oder vernunfft dicke ÿrre vnd verdunckelt were. Do antwurt er vnd sprach: „Darvmbe ist uwer redelichait dicke verdunckelt vnd begraben, wan ÿr sú dicke bÿ siten setzent o o vnder uwer eigen zuneÿgunge. Vnd darvmbe solten ÿr es alles vßsagen, gut vnd böse. Wan als wir uch mit dem bösen nit vberkomen mögent, so fliso o sent wir vns, uch zu vberwinden mit einem guten schine, aber es hat einen bösen angel.83 Darvmbe sollent ÿr es alles offenbaren vnd in alo len dingen rates84 folgen. 85 Vnd ist es, das ir also dunt vnd uch schickent nach den drige vorgenanten puncten, wie vil sünden ÿr getan hant oder wie böse oder verkert ÿr noch sint, jr süllent nimmer von gotte gescheiden werden vnd süllent damit sicher werden des ewigen lebens. Nit alleinen ÿr, o o o ja,86 alle dieÿhenen, die sú87 dunt oder die ÿr vermögen darzu tunt, wan es ist ein vorgonde gnade der götlichen vsserkorunge.“ _____________ 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87

Wer...süllent] siehe zur Inkongruenz des Numerus die Sprachbeschreibung zu C. vollehertet] „ausharrt“. ÿren] uren C – In SG1 (S. ) steht der ganze Satz in der 2. Pers. Pl. redelicheit] gemeint ist hier die eigene Vernunft. Aber alles...offenbaren] Kommentar (56). angel] „Stachel“; dazu Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 70; auch frühneuhochdeutsch ist das Wort noch mit dieser Bedeutung belegt; siehe FWB, Bd. 2, Sp. 1143. rates] „dem Rat der Oberen“. folgen] hier mit Genitiv der Sache; siehe dafür Lexer, MhdtHwb, Bd. 3, Sp. 441. ja] hier mit der Bdtg. „mehr noch“ gebraucht. sú] gemeint sind die drei erwähnten Punkte.

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Fürbaß sprach er zu den swestern: „Ee das gott verhengte, das dieÿhenen, die in liebe versamelt sint, notdurfft liden solten, ee er solte o vns, die uwer widersacher sint, darzu zwingen,88 das wir jn müsten bringen o alles, das ÿnen notturfftig were.“ Ouch sprach er zu den swestern, das er sú sneppen89 hieß, dan90 alle die nach swesterlichem stadt lebeten, die werent alle swestern der engel. o o Zu einer zijt sprach er zu den swestern: „Jr alle miteinander, die die gebresten sagent den andern, jr söllent vß sollicher liebe vndereinander vermanen vnd also lieplich uwer wort formieren dem andern sine gebreso ten zu sagen, als ÿr begerten, das man sú uch saget. Vnd wer dis vß sollio o cher liebe nit dut, dem were besser, das er sinen mundt zu hielte. Vnd wan o ÿr versamelt sint, zu sagen uwer gebresten, so sollent ÿr nÿemans gebresten vmbe liebe willen verswigen. Daran ouch uch zwifelt, obe sú sich bessern wolle oder nit,91 dan, wen ÿr sú vß liebe vermanent.92 Bessern sú sich dan dovon, so werdent ÿr aller tugent mit deilhafftig. Aber lassent ÿr die o o vnvermanet, do ÿr vrlop zu hant zu vermanen, die frucht, die von der vermanunge solte komen sin, die sol got von uwern henden heischen. Vnd von allen den gebresten, die ÿr also versweigent vnd die fürbaß dovon koment, do söllent ÿr alle pine mit von liden. Vnd ÿr söllent darfür ein swerer straffunge haben, dan ÿr vorr uwern ougen gesehen hant, dz agnese darvmbe hatte – wie wol sú so vnmenschlich gepinget wart von dem bösen geist darvmbe, dz sú nit dane93 gedaht hatt, das sú nit vermanen wolt – das94 ÿr allen jomer an ÿr sehent vnd ÿr erschreckent vnd entsatzen95 uch alleine von dem ansehen ÿr96 pine.“ Ouch so seite er vff ein zijt, das alle die, die nach swesterlichem stadt leben, werent swestern der engel.97 Vnd dieÿhenen, die demütig vnd flissig werent, den dÿenten die engell vnd nit alleine die engel, dan _____________ o

88 89 90 91 92 93 94 95 96 97

Ee das...zwingen] siehe zu solchen Wortstellungen im Verbalkomplex Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 438, § S 252. Nicht selten stehen die Verbalkomplexe auch direkt nach der Konjunktion, welche den Nebensatz einleitet; vgl. dazu ebd., S. 434, § S 252. sneppen] von mhdt. snepfe; dazu Lexer, MhdtHwb, Bd. 2, Sp. 1033. Gemeint sind hiermit schmächtige, kraftlose bzw. plauderhafte Personen; siehe dazu Fischer, SchwäbWb, Bd. 5, Sp. 1069f. dan] hier adversativ mit der Bdtg. „aber“. obe...nit] geht man an dieser Stelle von einer jeweils einzelnen Schwester aus, die von anderen Schwestern ermahnt wurde, dann liegt keine Inkongruenz im Numerus vor. Daran...vermanent] „Auch dann, wenn ihr Zweifel hegt, ob sie sich bessern will oder nicht, sollt ihr sie aus Liebe ermahnen.“ dane] „daran“. das] hier final gebraucht. entsatzen] von mhdt. entsetzen, hier mit der Bedeutung von „sich fürchten“. ÿr] an dieser Stelle ist das Possessivpronomen noch mhdt. unflektiert, was in Texten des 15. Jahrhunderts nur noch selten vorkommt; dazu Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 217, § M 65. alle engel] vgl. zum Inhalt C, fol. .

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der herr vnd schöppfer der engel dÿnet ÿn selber. Vnd so sú demütig vnd flissig sint, so sú me dienstes hant von dem schöppfer vnd von den engelen. „Darvmbe söllent ÿr es uch nit lassen swere sin. Daz ÿr demüteclichen o vndereinander dunt, dofür süllent ÿr sunderlichen lon hand.“ Ouch sprach er, das die jungen swestern ÿre gebresten nit sagen solten, o o nun dem einen, nun dem andern, dan es fürdert sú nit noch dieÿheo nen, den sú sú sagent. Aber sú süllent zu den gan, den ÿr obersten ÿre gebresten hant geheissen sagen.98 o Ouch sprach er zu den swestern: „Wan ÿemant von den swestern geo truckt vnd besweret ist vnd zu uch komet vnd uch dz offenbaret, sullent o o ÿr die selbe gnade mitteilen, die ÿr habent, sú zu trösten vnd sú zu leren, so halten ÿr die liebe vngebrochen. Vnd were es, das ÿr nit dan einen funcken des bekennens vnd der tugent in uch hetten, es sölte ein groß füre jn uch werden vmbe der liebe willen, die ÿr an ÿr bewiseten. Aber denÿhenen, die sú abewisent vnd sprechent ‚sú sient in nit bevolhen‘, den sol ÿr gnode genommen werden.“ Ouch sprach er: „Es ist vil besser, ein klein werck vß gehorsamekeit geton, dan obe ÿr zehen werbe grösser dinge detent vß uch selbes, das o uwer öbersten nit wussten. Vnd darumbe sollent ÿr alle uwer /bunge zu o o einem aue maria lang99 zu uwerm öbersten sagen100 vnd dun alle uwer ding o vß sinem heissen vnd rate. Vnd were es ouch gut, das uch uwer öbersten heissent lassen, so verdienent ÿr me daran, das ÿr es lassent vß gehorsamekeit, dan das ÿr es von uch selber detent.“101 Eÿn swester offenbarte ÿr krangheit, das sú vnder der messe vß o einem buche heimlich läse vnd verhelte es vor andern swestern, das sú es nit o o mercken solten, vff dz die swestern gedencken, das sú sich gebe zu guten gedencken. Do sprach er: „Was lit daran, obe sú es sehent oder nit, wan es o o der schöppfer sicht, vmbe des willen es alles zu tunde ist. Dan102 ÿr s(chent o o als103 den menschen zu behagen vnd wol zu gevallen, darvmbe missehagent jr dem schöppfer. Jr solten ÿme allein wllen wolgefallen.“ Da bekante dise _____________ 98

99 100 101 102 103

Aber sie...sagen] vgl. dazu C, fol. : „(…) der schwester, die uch gesetzt ist (…)“ und C, fol. -: „(…) den andern alten swestern, den keine junge swester bevolhen was zţ bewaren.“ – In der Regel wurden mehrere jüngere Schwestern einer älteren Schwester zugeteilt, damit sich die jüngeren dieser im Konventsalltag erfahreneren und im Glauben in der Regel gefestigteren Schwester anvertrauen konnten. zţ...lang] gemeint ist bis zu dem kurzen Zeitraum eines Ave Maria. Vnd...sagen] Dar vmb sond jr all /bung, vnd wer es nun ains aue maria lang, ewern obern sagen SG2 Vnd...detent] gemeint ist, dass es schlechter ist, etwas Gutes von sich aus zu tun, als etwas Gutes aus Gehorsam zu unterlassen. Die beste Tat ist demnach der Gehorsam. Dan] hier kausal gebraucht. als] „auf diese Weise“.

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swester, das sú nit gutes in ÿr hette, sú muste es ÿe vß den büchern ziehen. Da sprach er, daz es ettwaz besser were, dan nÿcht. Vnd sú clagete, o das sú bÿ den guten gedencken nit bliben könde. Do antwurt er: „Dz ist daro vmbe, dz ÿr so sere geneiget sint zu ussewendigen dingen. Jr habent also vill bekümbernisse vnd vnledigkeit mit uwer clötterije104 vnd würckunge105 o vnd mit sollichen dingen vnd domit bekümberent ÿr uch zu vil.“ Do froget in die swester, wie sú sich halten solte vnder der messe. Do o o antwurt er vnd sprach: „Vnder der messe söllent ÿr uch geben zu guten o o o o gedencken vnd zu guten begerungen vnd zu guten gebetten, dan ÿr könnent nit bitten, jr müssent vorhin106 bedencken, was ÿr begeren söllent. Jr könnent ouch nit gebitten, jr müssent vorhin begeren. o Zum ersten söllent ÿr uwer gedencke schicken, zu betrachten die demütikeit uwers schöppfers, sine gelassenheit, sine gedultekeit vnd die andern o o puncten, die zu uwer erlösunge gehörent. Zu dem andern mole sollent ÿr o o vß allem uwern hertzen begeren, darjnne nach zu volgen. Zum driten107 o mole söllent ÿr hilffe von ÿme bitten, zu vollebringen mit den wercken, das ÿr gedocht vnd begert hant. Vnd diß sollent ÿr nit lossen ston, wan o ÿr vß der kÿrchen koment, recht als es domit genug were, dz ir gedocht, o o begert vnd gebetten hant. Jr müssent dz vierde ouch darzu tun, das ist, das o ÿr uch flissent, die dinge zu vollebringen jn den wercken. Vnd sunderliche, o o wan uch ettwas zu komet, das uwer nature wider ist, dan sollent ÿr uwer zu o flucht darzu schicken vnd gedencken, was ÿr in der kÿrchen gedocht, begert o vnd gebetten hant. Vnd ist es, das ÿr also dunt, so dörffent ÿr kein gebett o o o vnder der messe lesen, wan ÿr söllent genug daran zu tun han. Vnd were es, o r das ÿr uch hiezu schickten, so sölten ÿr uwer ougen nit also blößlich108 bewaren,109 jr solten ouch nit also vil fantasien haben, jr solten ouch o o nit also sere slaffen in der kirchen als ÿr nun tunt.“ Eÿn swester beclagete, das sú hart von hertzen were. Do sprach er: „Hertekeit von hertzen ist zweigerleÿ. Die eine ist dürreheit des hertzen vnd ist dicke verdienlichen, dan wie wol etteliche dürre von hertzen sint, sú wellent sich nochdan gerne demütigen. Aber die ander hertikeit des hertzen ist, das ÿr also verhertet sint, vnd keme uch wol jn, daz ÿr uch o demütigen solten, jr wolten es dannoch nit dun vnd domit werdent _____________ 104 clötterije] bei Lexer, MhdtHwb, ist das Verb verklütern mit der Bedeutung „verwirren“ belegt (Bd. 3, Sp. 146), an dieser Stelle dürfte das Wortbedeutungsfeld von „Täuschung“ gemeint sein. 105 würckunge] „Beschäftigungen“. 106 vorhin] hier mit der Bedeutung von „zuvor“ gebraucht. 107 driten] dirten C – Da weitere derartige Umstellungen von Konsonant und Vokal in C nicht vorkommen, gehe ich hier von einer Verschreibung und nicht von einer Metathese aus. 108 blößlich] bosslichen SG2 109 blößlich bewaren] „offenbar abwenden“.

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ÿr vns glich. Vnd so ÿr baß dabÿ blibent, so ÿr vns glicher werdent, dan wir wellent vns nit biegen.110 Aber nÿemant vnder uch ist also verhertet, es kume ÿme wol jn, das er sich bÿegen sölle.“111 Do sprach ein swester, das ein mensch dicke so verhertet were, das er sich nit gerne demütiget vnd es ÿme doch leit were, das es112 sich also vngebrochen vnd vnerstorben jn ÿme selber fünde vnd völte. Do sprach er: o o „Dz leit sin ist zu schwach vnd zu krangk, wan were es ÿme reht leit, er r solte sich wol verdemütigen, dan als jr uch mit einem gantzen ruwen demütigent, so wurt uwer hertz berüret vnd also vberwindent ÿr die o o o hertekeit.“ Fürbas sprach er: „Jr hant daz gut zu tun, dan ÿr hant einen getruwen hilffer.“ o Do sprach ein swester, obe das die guten engel werent. Do antwurt er: o „Nit allein helffent uch die engel, wan ir arbeiten, uch selber zu vberwinden o o vnd wider vns zu striten, mer der herre der engel komet uch selbes zu hilff.“ o 113 Zu einer sprach er, wer sin gebresten nit gerne höret vnd nte offenbaret, daz keme vsser einer hoffart vnd vnerstorbenheit des hertzen. Vff ein ander zijt sprach er: „Wer wider got murmeret, der murmeret wider sinen schöppfer vnd wurt vnßer geselle vnd helffer, wan wir murmerent alle zijt wider in.“ Ouch sprach er: „Wer wider sinen öbersten murmeret, der murmeret wider sinen schöppfer.“ Ein swester wart vermanet, das sú sich herteclich hielte wider ÿre öbersten vnd ging domit slaffen vnd bat keine vergebenisse darfür. Do sprach er o zu ÿr: „Wan ÿr uwer öbersten solliche vnwürdigkeit bewisent, so wissent, o das ÿr es demÿhenen tunt, der für uch ist worden gekrutziget. Dan waz o o ÿr uwern öbersten dunt, es sÿ gut oder böse, das nÿmpt got selber an sich, recht als ÿr es ÿme selber detent. Vnd dis het er uch selber geseit, o vnd nun heisset er mich, es uch allen sagen. Vnd ich sage uch, das ÿr billich nit ein stunde lang in hertekeit sölten dörffen bliben: Jr sölten uch demütigen. Vnd dieÿhenen, die mit sollicher hertekeit sloffen göndt, die sollent billich dancken ÿrem schöppfer vnd herren, das er sú vor vns behütet, das [...]114 wir jn den hals nit brechent. Darvmbe sehent, das uwer keine mit sollicher hertekeit slaffen gange. Das ist uch ein selig rat. o Vnd als jr swerlich oder vnmudeclich stondt vff einige swestern,115 so sollent ÿr nit gon swigen vnd gedencken: ‚Ich laß sú gon für die _____________ 110 wir wellent...biegen] „wir wollen nicht demütig sein“. 111 Aber...sölle] gemeint ist, dass sich unter den Schwestern der Gemeinschaft noch keine befindet, die ein derart hartes Herz besitzt, dass es ihr nicht mehr in den Sinn käme, sich zu demütigen. 112 es] hier: „das Herz“. 113 nte] „ungern“. 114 das C Doppelschreibung 115 Vnd als jr...einige swestern] „wenn ihr euch gegen einige Schwestern verschworen habt oder missmutig gegenüber ihnen seid“. – Zur Bdtg. von swerlich stân vff siehe Lexer, MhdtHwb, Bd. 2, Sp. 1364.

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sú ist‘, sunder ÿr sollent uch lieplichen mit worten zu ÿr wenden vnd das o ist die artzenie darzu. Aber ich sage uch, jr sollent nit gan claffen116 vnd haben vil wort mit ÿr, dan wan ÿr doch miteinander sprechent, so söllent ÿr o mÿnecliche wort zusamen reden, so haltent ÿr die liebe vngebrochen. Aber wan ÿr in uwer hertekeit blibent, so brechent ÿr die liebe vnd widerstondt der gnaden gottes, die er uch vberflüssig geben will, ist es, das ÿr uch demütiget. Vnd wollent ÿr uwern harten halsß hie nit biegen, so müssent ÿr hernach liden, das wir tüfel uch vnder vnser füsse mit aller frÿheitt tretten sollent.“117 o Fürbaß sprach er zu den swestern: „Wan uch uwer öbersten heissent reden vnd ÿr dan blibent sitzen swigen,118 so gedenckent vnd wissent, daz o o der tüfel uwern halsß zuhalt. Vnd dan sollent ÿr uch selber gewalt andun 119 vnd ÿnen lieplichen antwurten, ja vnd were es ouch dz mÿnste kint jn dem huse.“ Vß disen worten wart dise swester cleinmütig vnd verslagen.120 Da seite er ÿr: „Sint nit verzagt, dan der schöppfer wil uch helffen. Aber also geschicht es, wan nach der hoffart vnd hertekeit, so folget mißtrost vnd cleinmütigkeit,121 aber ein demütiger mensch ist allezijt großmütig. Vnd hiebÿ mögent ÿr mercken, obe ÿr uch122 werlichen demütigent, ist, o das ÿr allezijt ein gut getruwen hant.123 Sint ÿr aber cleinmütig vnd verslagen, so wissent, das ÿr uch nit recht gedemütiget hant. Jr söllent ouch nit alleine mit dem munde uch demütigen, svnder vsser grunde uweres hertzen söllent ÿr uch demütigen vnd uwer gebresten sollent ÿr offentlichen bekennen vnd ouch die wercke, die gebrestenlich sint, vnd die meÿnunge, die ÿr darjnne hant gehebt, sollent ÿr clerlich bekennen.“ o Uff ein zijt sprach er zu den swestern: „Möchten ÿr sehen den minsten lon, den ÿr von dem mÿnsten wercke, das ÿr vß gehorsamkeit dţnt, jn dem ewigen leben wider entpfohen söllent, alle wollust, die die welt geben mag, söltent ÿr für nicht achten vnd gerne darvmbe entberen. Vnd darvmbe sehent, das ÿr getruwelichen arbeiten vnd uch nit sparen124 in den wercken _____________ 116 claffen] „laut schwatzen“. 117 das wir...sollent] „etwas unter die Füße treten“ bedeutet „etwas völlig unterdrücken“; dazu Grimm, DWb, Bd. 4, Sp. 989; gemeint ist, dass die Teufel die Schwestern ohne alle Einschränkungen beherrschen werden. 118 heissent reden…swigen] zum Infinitiv nach den Verben heißen und bleiben siehe Reichmann/ Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 403, § S 190 u. § S 189, 2. Zum Ersatzinfinitiv mit abhängigen Infinitiv ebd. S. 413, § S 209. 119 kint] die Mitschwestern wurden, zumal von den Oberen, nicht selten als „Kinder“, bezeichnet. Gemeint waren damit die Kinder in der Gemeinschaft Gottes. 120 verslagen] hier: dass sie sich betroffen fühlte. 121 cleinmütigkeit] cleinmütig C, klainmüttigkait B W, fehlt SG1 122 uch] fehlt C 123 ein gţt getruwen hant] „Zutrauen erfahrt“; dazu Schiller/Lübben, MittelniederdtWb., Bd. 2, Sp. 90. 124 sparen] eigentl. „schont“, hier mit der Bdtg. „zurückhaltet“; dafür Lexer, MhdtHwb, Bd. 2, Sp. 1071.

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der gehorsamekeit vnd die uch bevolhen sint,125 vnd gedenckent nit: o ‚Die oder die get ledig, ich wil ouch ledig gon, was han ich me damit zu schio cken dan ein andere, es gehört ÿr als wol zu als mir.‘ Ich sage uch, wan ÿr o o uwer wercke darvmbe versument oder tregelich dunt, das sollent ÿr zu126 dem vrteil gottes verantwurten vnd es sol uch da verwissen werden, ja wie o cleine das werck ouch ist, vnd were es nit me dan einen faden zu spinnen.“ Ouch seite er einer swester, das sú die swestern nit vermanen solte, wan sú hette noch nit so vil liebe, das sú vß liebe könde gesagen, dan sú ee selber verkert, ee sú andern mag bekeren.127 Ouch sprach er: „Jr sint vndereinander glider vnd lidemaß jn einem lÿchnam vnd alle glider des lÿchenams habent nit ein wercke, suno o der ein jeglich glide hat sin werck vnd sinen dienst zu dun vnd ein jeglich glide dienet dem andern. Desglichen söllent ÿr ouch eine den andern geo o truwelichen dÿenen vnd flisseclichen dun, das man uch heisset dun.128 Vnd so ÿr uwer arbeit oder was man uch heisset vnd bevilhet getruwelichen noch o uwerm vermögen dunt vnd nochdan jeman komet vnd uch schiltet, dz ÿr o trege oder bößlich oder versmehelich oder versumelich dunt oder jn einigen dingen vermanet werdent, das söllent ÿr nit für übel nemen noch verkert darvmbe werden, sunder ÿr söllent gedencken, dz uch ein o edel gestein sÿ gegeben zu zierunge uwer krone der ewigen glorie, die ÿr entpfohen söllent für uwer arbeit jn dem ewigen leben. Vnd darvmbe sölo lent ÿr gerne gestraffet vnd gescholten sin, ja, jr solten also gÿrig zu der straffunge sin, das ÿr billich darnach griffen solten. Vnd allewegen daz ander wort, dz ÿr sprechent, solte sin: ‚Liebe swester, saget mir ettewaz von minen gebresten.‘“ Ouch sprach er: „Vermanunge ist ein salbunge der wunden jn der sele vnd wer uch vermanet, der güsset artzeneie jn die wunden uwer sele. Aber wan ÿr sú nit gedulteclich vffnement, so vergiessent oder verschuitent ÿr die artzenie.“ Ouch sprach er: „Wer den schöppfer aller creaturen in sine herberge o entpfohen wil,129 der schicke sich darzu, dz er demüteclich vnd lieplich alle vermanunge vnd straffunge entpfohe, dan domit werdent ÿr ÿme allergenemest. Vnd ist es, das ÿr nit gerne vermanet sint vnd die vermanunge mit _____________ 125 126 127 128 129

vnd...sint] elliptische Konstruktion für: vnd in denÿhenen wercken, die uch bevolhen sint. zţ] vor SG2 dan sú ee...bekeren] „sie bringe sich eher selbst vom Wege ab, bevor sie andere zum rechten Glauben führe“. Jr sint...heisset dţn] zur Erläuterung des Leib-Glieder-Vergleiches siehe den Kommentar (71). Wer...wil] der Gedanke von der Wohnung des Herrn im Innersten des Menschen ist in geistlichen Texten für Schwestern häufig zu finden. Darin ist nicht die Schilderung der Vereinigung der Seele mit Gott zu sehen, sondern „das Emblematische überwächst gewissermaßen den Gedanken, statt ihn zu entwickeln“; dazu Rapp, Zur Spiritualität in elsässischen Frauenklöstern am Ende des Mittelalters, S. 360.

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verdruß entpfohent, darjnne sollent ÿr mercken, dz ir noch ÿttel vor der gnaden gottes sint.130 Vnd das ÿr nit gerne vermanet wellent oder uwer gebresten nit offenlich bekennen wellent, das kompt daher, daz ÿr also ersam wellent gehalten sin vnd wellent schinen, das ÿr jn der worheit nit sint.131 Vnd ÿn denÿhenen, die also ersam geahtet wellent sin vnd nit geahtet wellent sin, das sú doch in der worheit sint, jn den hant wir ein groß vro sache zu wircken. Aber dieÿhenen, die alles das vß sagen wellent, das wir o jngebent, die endörffent wir nit anfaren, dan sú dunt vns schande, das sú es alles vßsagent. Vnd sú gebent vmbe ÿre ere132 nicht, dan sú habent sich ir vertrost.133 Vnd die allerbeste artzenÿe wider vnser gesellen jngebunge ist, das ÿr offenlich bekennen, das wir uch ÿngebent. Vnd die meiste hindernisse an o o uwerm zunemen jn geistlicheit ist, das ÿr uwer ere zu liep hant, da ÿr uch selbes nit wellent beschamen noch darfür gehalten sin, das ÿr doch sint.“ Zu einer zijt seite er: „Was ÿr in ungehorsamekeit gesündet hant, das mögent ÿr mit demütiger gehorsamekeit wider bessern.“ Do sprach ein swester, das sú alle ÿr dage vngehorsam were geo wesen. Obe sú nun fürbas alle ÿr lebtage gerne wölte gehorsam sin nach ÿrem krancken vermgen, obe134 sú ouch domit das fegefüre von ÿrer vngehorsamekeit mchte abelegen. Do antwurt er vnd sprach: „Ja, ir mgent o uch also demüteclich vß grunde uwers135 hertzen vff ein zijt vbergeben zu einfaltiger gehorsamekeit. Vnd were ouch das wercke clein jn ÿme selber, jr solten domit wol hundert jore fegefüres abelegen.“ Do verwunderten sich die swestern sere dovon. Do sprach er: „Lasset uch das kein wunder duncken, wan demütige gehorsamekeit leit nit alleine abe das fegefüre, sunder sú verdienet ouch das ewige leben, dan vber alle ander tugende schinet demütige gehorsamekeit jn dem ewigen leben, vnd der allergehorsameste mensch sol allerschönest schinen jn dem ewigen leben. Vnd die gehorsamekeit ist ouch verdienlich jn den dingen, die der nature bequeme sint, als in essen, jn drincken, jn slaffen, wan ÿr die tţnd136 jn gehorsamekeit. _____________ 130 dz ir...sint] gemeint ist, dass die Schwestern die Gnade Gottes noch nicht empfangen haben. 131 Vnd das...nit sint] zu solchen Wortstellungen im Verbalkomplex siehe Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 438, § S 252. Nicht selten stehen die Verbalkomplexe auch direkt nach der Konjunktion, welche den Nebensatz einleitet; vgl. dazu ebd. S. 434, § S 252. 132 gebent vmbe ÿre ere nit] „verlieren ihre Ehre nicht“; zum Ausdruck geben vmbe mit der Bedeutung „verlieren“ siehe Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 749f. 133 habent sich ir vertrost] „haben auf sie verzichtet“. 134 obe...obe] „wenn...ob“. 135 uwers] uwrers C – für die Schreibweise uwrers gibt es im Textzeugen keine Parallelstelle. 136 wan ÿr die tţnd] fehlt C, abweichend SG1, wenn jr die tünd SG2

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Vnd wie clein das werck ist, das ÿr vß gehorsamekeit dunt, den minsten lon, den ir dovon haben söllent, möchten ÿr den einest sehen, jr sollten gerne darvmbe wellen entberen aller fröuden vnd gen(gde der welte.“ Ouch sprach er: „Ich habe uch dicke geseit,137 als ÿr vermanet, gestraffet oder geschuldiget werdent vnd ÿr dz lieplichen entphohent, als dicke o entpfohent ÿr edele gestein zu zierunge uwer crone des ewigen lebens. Vnd das ist also warhafftig war, als got selber warhafftig ist. Doch sollent ÿr uwer o wercke als böslich nit tun, das man uch vermanen bedörffe, sunder ÿr sölo o lent uwer bestes dun. Vnd werdent ÿr darzu vermanet,138 so sollent ÿr gedencken, dz ÿr vnnutze knehte sint vnd das ÿr es verdienet hant.“ Ein swester beclaget sich, [...]139 das sú, nochdem als sú ÿr selbs vffo setzte,140 sich gentzlichen zu bessern, dicke verkert vnd vngedultiger würo o de, wan ir ettewaz zu lÿden fürkeme, dan sú wer vorhin vor dem guten vffsatz. Da antwurt er vnd sprach: „Jr vffsetzent uch, als das141 ÿr uch sitteclich haben wellent darvmbe, das ÿr den menschen wol gefallen mögent vnd das man uch spreche, dz ÿr ein züchtige swester sÿent.142 Aber ÿr machent uwern vffsatz nit lutlich143 darvmbe, das ÿr uwerm schöppfer mögent behagen, vnd darvmbe sollent ÿr alle wegent wider jn die geo bresten, jn die ÿr uch vffsatzeten zu bessern.“ Do sprach die swester, das o es war were. Do sprach er zu ÿr: „Ÿr solten jn allen uweren wercken alleio o ne die ere uwers schöppfers suchen vnd ÿme darjnne begeren, wol zu gefallen. Vnd lassent jn domit ordenieren vnd schicken, was die swestern von uch halten oder völen oder wie sú solliche dinge von uch vffnemen sollent, vnd dan so werdent ÿr nit also verhertet vnd verbittert, wan ir vero o manet werdent, als ir nun dunt. Vnd das ist ein vorzeichen, das ÿr uch nit recht gevbet hant, ist, das ÿr verkert vnd verbittert werdent vff dieÿhenen, die uch zuhtigent oder scheltent.“ o o o Ouch sprach er zu den swestern: „Es fürdert uch nit, zu komen zu der rechten demütikeit, das ÿr wol dovon sprechen können vnd gedencken. o o Aber diß fürdert uch, zu rechter demütikeit zu kumen, wan ÿr gestraffet, geschuldiget vnd vermanet werdent, das ÿr dan gedenckent, das ÿr daz wol o verdienet hant vnd das uch anders nit zu gehört noch ÿr144 anders nit wür_____________ 137 138 139 140 141 142 143

Ich habe...geseit] siehe dazu C, fol. . vermanet] vermanent C sich C Doppelschreibung ÿr selbs vffsetzte] „sich selbst vornahm“. als das] hier mit der Bedeutung „wie“; siehe dafür FWB, Bd. 1, Sp. 843. sÿent] 2. Pers. Pl. Präs. Konj. von sîn; zur Form siehe Weinhold, Alem. Gram., S. 350. lutlich] „öffentlich“ bzw. „bekannt“; dazu Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 1994 und Schiller/Lübben, MittelniederdtWb., Bd. 2, Sp. 754. 144 ÿr] fehlt C

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dig sint. Vnd glicher wise, als sich ein hoffärtig mensche frowet, wan er gelobet oder geeret wirt, also frowet sich ein demütiger mensche, wan er gestrafft oder geschuldiget wurt.“ Uff ein zijit seite er: „Demütige gehorsamekeit ist, das ÿr einfalteclich o o dunt, das üch uwer öbersten heissent dun, vnd duchte uch nochdan, das ÿr es besser wüsten dan sú. Vnd wer es sache, das uch uwer öbersten einig o ding dun hiessent vnd sú sich vergessent oder vbergriffent vnd sprechent anders jn den worten, dan ir wol wusten, dz ÿr meinunge were, oder hetten sú uch vssewendig jn den worten nüst geheissen145 vnd ÿr doch wol wüsten, was ÿr wille vnd meinunge were, so wer das als wol einfaltige geo horsamkeit, wan ÿr dunt, als ÿr bekennent, das ÿr meinunge vnd wille ist, als obe sú uch es mit den worten geheissen hetten. Detent ÿr aber anders, so sint ÿr als wol vngehorsam, als obe sú es uch vssewendig verbotten o hetten.“ Ouch sprach er: „Alle dieÿhenen, die sich zu grunde ÿres hertzen demütigen, die sint glÿder ÿres schöppfers, aber die, die in ÿrer hertekeit vnd hoffart blibent, die sint vnser glider vnd vnser gesellen.“ Vnd er sprach: „Dise vorgeschriben puncten sint uch ein selige lere, ist es, das ÿr stathaffo o tig darjnne blibent. Ir söllent domit komen zu einem seligen ende vnd zu dem ewigen leben.“ o Zu einer zijt seite er drijen swestern, die vil weinten oder schruwen146 jn der kÿrchen, das sine gesellen dicke vff iren ougen sessen vnd machten sú weinen vnd dan, so duchte sú, das sú also ÿnnig vnd andechtig werent, vnd sú mahten dölle houbte domit.147 Vnd er seite ÿnen, das sú vil ÿtteler trehene weinten. Do sprach eine von den swestern, das müsse gott erbarmen, das es alles ÿttel trehen worent. Do antwurt er wider: „Versteent mich recht, ich sage nit, das es alles ÿttel trehen sint, dan ich spriche,148 das ir vil ÿttel trehen geschruwen vnd geweinet hant. Jr söllent uch zwingen, jnnewendig o zu schrigen vnd weinen. Vnd die trehen sind allewegen fruchtber,149 wan das komet daruß, das ein mensch gedencket, dz er sinen schöppfer erczüro net het vnd das er noch dicke wider sinen willen dut vnd ÿme dangber ist vmbe alle sine gnad vnd darvmbe ein missevallen gewinnet vff sich selber. Die trehen, die dovon kument, sint allezijt fruchtber.“ Vff ein zijt sprach er: „Ein mensch, der verzaget oder missetrösstig were, were es, das er sine sünde clerlich, gentzlich vnd demüteclich wolte offenba_____________ 145 hetten...geheissen] „hätten sie euch mündlich nichts aufgetragen“. 146 schruwen] „wehklagten“; von mhdt. schriên; vgl. auch geschruwen (C, fol. ). Zur Form Lexer, MhdtHwb, Bd. 2, Sp. 797 und Moser/Stopp (Hgg.), Gram. d. Frnhdt., Bd. 4, S. 287-290. 147 vnd...domit] „und riefen dadurch Verwirrung hervor“. 148 ich spriche] „ich sage“; 1.Pers. Sg. Präs. Ind. 149 fruchtber] fruchber C

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ren vnd bÿchten, die demütige offenbarunge solte ÿme gnode vnd hoffenunge erwerben. Dan wen ir uch demütigent vnd ein sünder wellent gesehen werden vnd geachtet, das ist uch ein zierunge, domit ÿr uwerm schöppfer wol gefallent vnd angeneme sint.“150 o Vff ein zijt sprach er: „Wan ÿr zu tÿsche sitzend vnd essent, so sollent o o ir uwer andacht me schicken zu der spise der selen, dan zu der spise des lÿchnams, vnd ÿr sollent nit gedencken, das ÿr die spise entpfohent von dem priester,151 sunder von gotte, der uch degelich mit wunder spiset. Vnd darvmbe gap der schöppfer uwerm priester in, das er hieß, das man von den swestern fragen solte nach dem essen, was sú von der letzten152 o hettent behalten vber disch,153 vff das sú deste flissiger sin solten, zu hören die letzte vber dische.“ o o Zu einer zijt sprach er zu den swestern: „Jr mögent uwer nature mit der hilffe uwers schöppfers mit sollicher spise vnd drancke, als ÿr degelich hant, in ÿrer gesuntheit wol enthalten154 vnd wan der schöppfer einige krangheit oder sucht vff uch verhenget, so söllent ÿr nit gedencken: ‚Hette o o ich das oder das zu essen oder zu drincken, ich solte nit krang wero e den.‘ Aber ÿr söllent uch selber gewalt dun vnd uch huten vor murmerieo o ren jn den worten vnd155 gedencken vnd sollent uwer zuflucht zu uwerm e schöppfer haben mit uwerm gebette, mit gantzem getruwen siner gutekeit, das er uch die krangheit abeneme, als er dicke getan hat. Vnd ist es, das er uch die nit abenÿmmet, so sollent ÿr uch demüteclich liden vnd gedencken, dz sú uch sol sin ein reinunge uwer sünd vnd gebresten.“ o Ouch sprach er von einem jungen priester, der zu der zijt gestorben r wz, das er vil glorien haben solte darvmbe, das er hie nach dem geiste vnd nit nach dem fleische gelebet hette. Vnd diewile er vil liebe hatte o o o nit zu ÿme selber, sunder zu dem schöppfer vnd zu sinem nebencristen o vnd zu ÿrer sele selikeit,156 darvmbe het er groß fröude. „Vnd was schadet o o ÿme nun, das er hie verworffenlich157 vnd vngeachtet ging, nun sol er dafür gebruchen158 ewige frölicheit.“ _____________ 150 151 152 153 154 155 156 157 158

Dan wen...angeneme sint] siehe dazu den Kommentar (87). priester] fehlt C, abweichend SG1 SG2 der letzten] gemeint ist hier die Lesung eines biblischen Textabschnittes. vber tisch] zur Tischlesung, die an dieser Textstelle gemeint ist, siehe die Ausführungen im Kapitel VI, unter Pkt. 6.3. enthalten] hier mit der Bedeutung „erhalten“; vgl. Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 570. vnd] fehlt C vnd zţ...selikeit] gemeint ist hier das Seelenheil der christlichen Mitmenschen. verworffenlich] „unselig“ bzw. „armselig“. gebruchen] hier mit der Bdtg. „genießen“.

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Ouch sprach er: „Ich sol uch das ploß sagen: Wellent ÿr159 vmmer koo men an die stat, da ich vßgestossen bin, so erbeitent vnd flissent uch, zu gewinnen demütige gehorsamekeit.“ Ouch sprach er, das es ein worezeichen were, das ein mensch werlich bÿ ÿme die liebe gottes hette, ist es, das er gerne vnderwiset, gestraffet vnd geschuldiget wurt vnd vermanet.160 Vnd dieÿhenen, die worhafftige liebe hant, die werdent dovon generet vnd gestercket jn dem geist vnd ouch in der nature. Ouch sprach er: „Der schöppfer sol einem jegelichen lonen161 noch großheit siner liebe vnd sinem flisse.“ o o o Zu einer zijt seite er den swestern: „Ich muß uch ein botschaft tun, das162 alle die, die dise vorgeschriben drÿe puncten sich nit zwingent o o o czu halten vnd zu tun: Das ist, das sú offentlich bekennen, was wir ÿngebent oder ÿngeben hant, ee sú hieher koment – aber heimliche vnküscheit oder vnsuberkeit sol man nit jn dem gemeinen163 offenbaren vnd alles, das o darzu schicket, sunder das sol ein ÿegliche ÿrem priester offenbaren demüteclichen jn der bÿchte.164 Dz ander, das sich eine vnder die ander sol demütigen, dz dritte, das ÿr einfalteclich gehorsam sollent sin uwerm öbersten o o o o zu tun vnd zu lassen, was sú heissent. Welliche sich hie zu nit schicken wil, vnd were es mügliche, dz sú in disem huse hundert jor lang gewesen, sú solte in disem huse nit mögen sterben. Sú müste daruß, wie sú ouch daruß keme, wan sú ist ein fule, abegeschnitten glide vnd verstossen von ÿrem schöppfer vnd sú sol eweclich von ÿme verstossen sin. Aber welliche o o dise drie puncten nach ÿrem vermögen sich flissent zu tun, die sint hie in o dem aneheben der bruitschafft vnd sollent komen hiemit zu der ewigen o bruitschafft, wan diß ist sin volck.165 Nun ist es nit zimlich, das dieÿhenen, die abegesnÿtten sint, vnder sinem volcke beliben vnd sterben sollent, vnd der schöpffer wil es ouch nit verhengen.“ o o o Vnd ouch zu einer zijt sprach er zu einer swester: „Diß sage ich uch zu einem trost, obe ÿr fantasien oder gedencken hetten dovon, obe etteliche vß den swestern, die sich noch den drÿen puncten nit schicken wölten, vß _____________ 159 160 161 162

ÿr] fehlt C das es...vnd vermanet] ganz ähnlich C, fol. -. lonen] hier mit Dativ der Person; dazu Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 1953. das] „an“ beziehungsweise „für“ – Das Wort wird hier rein syntaktisch gebraucht als Bezeichnung der Unterordnung unter den einleitenden Satz und zu dessen Explikation; dazu PWG, S. 438 und 440, § 466. 163 jn dem gemeinen] „vor den anderen Schwestern der Gemeinschaft“. 164 aber heimliche...der bÿchte] das erläuternde Satzgefüge ist an dieser Stelle deplatziert, weil es die angekündigte Aufzählung unterbricht. Die Fortsetzung der Aufzählung lässt einen Übergang vermissen. Der Hinweis, dass Unkeuschheit nicht zu beichten sei (vgl. dazu auch schon C, fol. ), wurde der Korrektheit des Textes vorgezogen. Um die Konstruktion und den Sinn des Satzgefüges zu verdeutlichen, habe ich den erläuternden Satz durch einen Gedankenstrich abgesetzt. 165 in dem aneheben...volck] siehe dazu den Kommentar (71).

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dem huse ginge, daz sú dan böses von uch sagen wurden, das ÿr davon beschamet oder geschendet solten werden vnder den lüten. Ich sage: Dieÿhene, die vß disem huse166 ginge, vnd seite sú ouch das allerbösste, das sú möchte, ÿr soltent nit dovon beschamet werden, dan alle die schande sol vff sú komen vnd ÿr boßheit sol wider jn ÿr houbet gon. Darvmbe: o obe ÿeman vnder uch allen von uch ginge, der sehe, dz er sÿnen mundt zu halte vnd sage kein böses von denÿhenen, die ÿme nit dan dugent vnd liebe bewisen hant.“ Ouch seite er: „Ee der schöpffer dz verhinge, das sin volck beschamet wurde, er solte ee dz mit sinen schuldenern vndergon vnd weren, das es nit geschehe, dan dz verhengt er nit vff dieÿhenen, die alles ÿr getruwen jn jn setzent.“ o Zu einer zijt sprach er, dz der schöpffer geordent167 hette, das die jungen swestern zweÿ oder drü male jn der wochen ÿre gebresten offenbaren sollent vor dem tÿsche oder anderßwa, do die swestern bÿeinano der versamelt sint. Vnd er sprach ouch: „Ich muß uch leren, wie ÿr uwern gebresten bekennen sollent. Jr sollent also sprechen: ‚Swester, ich beger, daz ÿr uwern lieben herren für mich bitten, ich han miner hoffart gefolget.‘ Vnd ÿr sollent sagen, womitte oder woÿnne ÿr dz geton hant, oder: ‚Ich han mich tregelichen gehalten oder lichtferteclich jn vßwelen der spise oder in andern dingen,‘ als ÿr es dan geton hant,168 oder: ‚Ich han vil fleischlicher gedencke gehebt.‘ Ouch söllent ÿr bekennen, wan ÿr uwer ougen nit bewart hant besunderliche jn ansehen vngelicher person. So ÿr aber mit willen vngliche person ansehent, so söllent ÿr das bekennen, das ÿr es mit willen hant geton, vnd dan sollent ÿr es bÿchten. Aber uwer heimelichen gebresten söllent ÿr nÿemans sagen, dan der swester, die uch gesetzt ist,169 o ÿr die zu sagen, vnd diß ist die allerbeste artzenie, die ÿr get)n mögent, o [...]170 aller vnser ÿngeben vnd bekorunge mit zu vberwinden, vnd ÿr171 o machent ouch uch domit allerbeqwemest, die gnade gottes zu entpfohen, dan demütige bekenne zühet172 die gnade gottes nider. o Vnd wan ÿr koment zu uwer swester, die uch gesatzt ist, daz ÿr uwer gebresten ÿr söllent sagen, so sollent ÿr nit komen mit einer stoltzheit oder stiffheit, recht als obe ÿr frowen werent vnd uch nit biegen solten. Jr sol_____________ 166 167 168 169 170 171 172

huse] fehlt C geordent] „angeordnet“. als...hant] „wenn ihr es denn getan habt“. dan der...gesetzt ist] siehe dazu C, fol. und die entsprechende Anmerkung dort. wider C ÿr] fehlt C zühet] alem. Form der 3. Pers. Sg. Präs. Ind. von mhd. ziehen.

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lent ouch nit bÿ ÿr sitzen vnd callen173 oder reden, recht als obe ÿr ein mer oder fabeln seiten vnd sagen: ‚Das han ich geton vnd das han ich geton,‘ dan es ist kein bekentnisse, sunder ein ÿttel geswatzerÿe vnd darvmbe göndt ÿr vngetröst von dannen vnd entpfohent domit kein gnade. Vnd darvmbe: Wellent ÿr gnade entpfohen von uwer bekentnisse vnd offenbarunge, so sollent ÿr vß grunde uwers hertzen uch demütigen vnd o vß einem gantzen ruwen vnd missehagen uwer gebresten zu uwer swester o komen, vmbe174 rat zu fragen, wie ÿr die wunden uwer gebresten geheilen mögent vnd wie ÿr uch wider uwer gebresten setzen mögent.“ Ouch so nam er175 etteliche von den alten swestern, den die andern swestern solten ÿr gebresten offenbaren, alleine vnd besunder vnd seite o o jn, das sú mit den swestern, die zu ÿnen kement, zu offenbaren ir gebresten, nit smeicheln solten, sunder sú solten ÿnen ÿre gebresten frÿ sagen vnd ÿnen legen ein scharpff plaster vff die wunden, dan ein scharpff plaster bisset das fule fleische vß der wunden vil ee, dan ein senfftes plaster. Furbaß sprach er: „Wöllent sú also ÿre gebresten offenbaren vnd gedulteclich lÿden, das man jn ein scharpff plaster vff ÿre wunden leite, so solten o sú vill gnode entpfohen vnd wol getröstet werden vnd zu friden komen vnd die hertekeit vnd scharpffheit sölte jn wol vergon. Sú solten o o ouch dardurch komen zu grosser besserunge vnd zunemen ÿres geistlichen lebens vnd in der nature vnd in dem geiste gestercket werden.“ o o Ouch sprach er zu den alten swestern: „Zu dem allerersten söllent ÿr den swestern, die uch ÿre gebresten sagent, die forchte jn ir hertze drucken, dan die ist ein anefang götlicher wißheit vnd aller tugent, vnd söllent sú leren, wie sú sich mit der vnd jn der forchte gottes vben söllent vnd wie sú die dorne vß dem acker ÿres hertzen rüten söllent, ee dan sú rosen darjn pflantzent,176 vnd wie sú ÿr sünde clerlich bichten vnd ÿre gebresten clerlich offenbaren sollent.“ o Ouch sprach er zu den selben swestern: „Jr sollent den jungen swestern o nit erste insetzen oder sú leren, sich zu vben in dem liden uwers schöppfers, o sunder ÿr sollent ÿn zum ersten die forchte jndrucken, das sú gedenckent, wie sú sterben sollent vnd für das vrteil gottes komen sollent vnd wie ich o vnd mine gesellen sú handeln sollent, ist es, das sú zu vns in die helle koment. Vnd vff das sú sich deste baß hierjnne vben, so söllent ÿr sú o darzu reissen,177 dz sú – als dicke als sú mit uch sprechent oder mit o einer andern swester – ÿcht lange reden söllent, daß sú dan zu dem ers_____________ 173 174 175 176 177

callen] „schwätzen“. vmbe] vnd C er] fehlt C die dorne...pflantzent] siehe dazu die Anmerkung zu Z. 1146f. in der Edition von SG2. reissen] „antreiben“.

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ten178 einen puntten von der materie sagen sollent, von der forchte gottes. o Vnd wan sú zu uch koment vnd uch sagent ein puncten, so söllent ÿr sú scharfliche darvmbe straffen. Vnd also sollent ir sú mit ersten jn der forchte gottes ansetzen vnd darnach mit dem liden des, der für uch gekruziget o o o ist worden, vnd also sollent sú zu liebe komen vnd zu einem geistlichen zu nemen vnd vörgn.“179 Eÿn swester sprach, das sú vff die helle nit gedencken wölte, dan sú o hoffte, das sú nit darjn komen solte. Do sprach er: „Gute menschen o gedenckent wol vff die helle vnd vben sich dormit zu tugenden, die nochdan der gütekeit gottes getruwen, das er sú nit darin werffe. Doch so werdent sú mit disen gedencken von der forchte gottes gestercket jn die liebe o vnd ÿr hoffenunge wirt domit gestercket vnd sú koment domit zu kintlicher oder sönlicher vorcht, als ein kint, das sinen lieben vatter nöte erzürnen wölte, vnd ein brut, die ÿren brutegöm nöte missehagen wölte. Also hant sú allezijt forchte jn ÿren wercken, ÿren schöppfer erzürnen oder missevallen. 180 o Ouch sprach er zu den selben swestern: „Das ist die vereinigunge nit, damit ir uch sollent vereinigen mit uwerm schöppfer, als ÿr meinent, das ÿr ettewaz sÿnnlicher gnade der ÿnnikeit hant, dan das git er den o o anefohenden menschen dicke, damit sú zu ziehen, das sú zu ÿme koment. o Aber wellent ÿr uch worhafftig mit ÿme vereinigen, so stellent uch zugruno o de zu demütigen, so sollent ÿr zu worer vereinigunge vnd liebe komen, o o anders ist uwer liebe ÿttel. Zu dem ersten sollent ÿr uch flissen, zu gedencken uwer gebresten vnd krangheit vnd uwer hinderbliben jn allen tugeno den. Zu dem andern mol sollent ÿr vß diser bekantnisse uch selbes181 o bÿegen vnder die hohe macht uwers schöppfers. Zu dem dritten male söllent ÿr begeren, vß grunde uwers hertzen der allervngeachtest mensch vnder allen menschen geachtet vnd gerechent werden.182 Vnd ist es, das ÿr uch o selbes hiezu schicken vnd vben wellent, so sollent ÿr in der worheit nohe bÿ183 uwerm schöppfer komen vnd worhaffteclich mit ÿm vereiniget werden.“ _____________ 178 zţ dem ersten] „zunächst“; siehe zur gleichen Bedeutung der Ausdrücke des ersten, am ersten, von ersten, ze ersten usw. PWG, S. 217, § 211. 179 Vnd also sollen ir...vörgn] an dieser Textstelle wird die enge Verbindung von compassio und imitatio besonders deutlich; siehe dafür auch die Ausführungen im Kapitel VI, Pkt. 3.3. 180 Also...missevallen] der reine Infinitiv steht hier in der Verbindung mit vürhten; dazu PWG, S. 319, § 335. 181 uch selbes] siehe dazu die Erläuterung in der Editon von SG2 zu Z. 673. 182 geachtet...werden] zu dieser Infinitivkonstruktion siehe die Sprachbeschreibung zu C. 183 nohe bÿ] „in die Nähe von“.

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Vff ein zijt sprach er, das ein demütiger mensche was, der mit siner184 o o demütikeit erwarwp.185 Wan ÿeman zu ÿme kam, sine gebresten ÿme zu o offenbaren, so gedochte er, das er nit nütze darzu were, eins andern o gebresten vnd krangheit zu hören vnd doch horte er sú vß gehorsamekeit, aber er schetzte denÿhenen nochdan wiser vnd besser. Mit der demütikeit verdiente er, daz demÿhenen, der ÿme sine gebresten seite, ein groß teil erlichtert wart oder miteinander abegenumen wurdent,186 dan demütigunge verdienet götliche wißheit vnd aller gnaden entphahunge. o o Zu einer zijt sprach er zu den alten swestern, die der andern swestern o gebresten solten hören: „Uwer keine sol einige swestern zu ir ziehen, die einer andern bevolhen sint, noch sú erforschen nach ÿren gebresten. o o Vnd were es, das sú ouch keme zu uch, so söllent ÿr sú wisen wider zu ÿrer o o swester vnd sollent ÿr sagen, das sú zu nÿeman baß gon mag, dan zu ÿrer o swester, wan nach rate vnsers bichtvatters vnd vnser mutter möge ÿr nÿeo mans baß raten zu ÿren gebresten, dan ÿre swester. Vnd also söllent ÿr vndereinander uch groß machen, jegliche in der andern hertzen, so gewinnet sú o o mer liebe zu ÿrer swester.187 Vnd das hört zu der liebe, das ÿr uch vndereinander jn eren haltent vnd groß ÿe eine von der andern prüfen sol.“188 Da offenbarte ein swester ÿren gebresten, das sú nit gerne höro te, das man sú vermanete darvmbe, das sú zu vil spreche mit den swestern, wan sú beduchte, wan sú sú betrübt oder besweret sehe, das sú des nit o o gelossen könde, sú müste sú trösten. Do sprach er zu ÿr: „Snepp, jr tunt es o vß hoffart, das ir ÿe ettewas zu schaffen wellent han vber andere menschen vnd das ÿr ÿe andere menschen leren wellent vnd wissent nit, dz der o schöppfer dieÿhenen darzu nit ordenieret, die darnoch stöndt oder begeo runge habent darzu vß ÿrer hoffart. Vnd ich solte es uch vil herter sagen, aber sine gütikeit verhengt es mir nit, dan ÿr wurdent me darvon o verkert dan gebessert. Stellent doch die demütikeit zu wercke, von der ÿr als vil sagent. Vnd hant ÿr es nit verstanden, ich sagen es uch noch einest, o o das ÿr die swestern189 nit zu uch ziehen söllent, sú zu durchfragen, was sú o in irem alten leben geton hant, oder sú zu leren, wie sú das bÿchten sollent o oder von ÿrem heimlichen gebresten zu fragen, das ÿr ÿn daruff rat wellent geben vnd sprechent: ‚Swester sagent mir, was uch gebristet, ich sol uch baß _____________ 184 mit siner] „durch sich selbst“. 185 erwarwp] 3. Pers. Sg. Prät. Ind. von mhdt. erwërben; bei Moser/Stopp (Hgg.), Gram. d. Frnhdt., Bd. 4, S. 365f., sind Formen wie erwarff bzw. erwarb belegt; ob hier das vorkonsonantische zur Stärkung des finalen

steht? Dafür Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 84-87, § L 44. 186 oder...wurdent] gemeint ist, dass beiden ihre Verfehlungen durch göttliche Gnade getilgt wurden. 187 Vnd also...swester] siehe zur Inkongruenz im Satz die Sprachbeschreibung zu C. 188 vnd groß...prüfen sol] „und voreinander als ehrbar erweisen solt“. 189 swestern] swester C

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raten, dan uwer swester, ich han es me versuchet dan sú, ich han me bekorunge gehept dan sú.‘“ o Furbaß sprach er zu der selben swester: „Sagent mir snepp, wan ir mit disen oder derglichen worten die jungen swestern zu uch ziehent, haltent ir dan ouch in eren die andern swestern oder machet ÿr sú groß vnd erhöhent o sú in dem [...]190 hertzen der andern? Ich sage uch, es gehört uwer keiner zu, o die jungen zu vnderfragen von ÿrem alten leben oder mit worten sú heimlich vnderfragen von ÿren heimlichen gebresten, dan denÿhenen, den sú bevolo hen sint.“ Fürbaß sprach er zu den andern alten swestern, den keine junge o swester bevolhen was zu bewaren: „Jr sollent dz nit in arge vffnemen, das den andern, ouch ettelichen, die noch uch herkomen sint, die jungen swestern bevolhen werdent vnd nit uch. Es sol uch kein hinderniss sin gegen gott, das ir die gnade nit hant. Nochdan ist es ein sunderliche gnade, o die er ettelichen git vß siner ewigen fürsichtikeite, vnd es wurt sú düre gnug ston,191 dan sú müssent ir sele für dieÿhenen setzen, die in bevolhen sint. Vnd were es sache, das ir swester192 bÿ ÿr versümig wer jn einigen gebresten oder fellen, den sú ÿr möchte abegenemen mit ÿren vermanungen oder vnderwisungen vnd das versumpte, sú müßte glich für die gebresten gepiniget werden. Vnd ouch: Hant ir der gnade nit, so hant ir ander gnade, die uch vil nutzer sint vnd seliger dan mit disen.193 Dan dieÿhenen, die also koo ment, ÿre gebresten demüteclich zu offenbaren, sint dicke got behegelicher vnd baß gefallen194 dan die, den sú ÿre gebresten sagen vnd den sú bevolhen sint. Darvmbe bekumberent195 uch nit damit, wem man die swestern solle bevelhen, dan196 machent uch die gnade nutze, die uch gegeben ist.“ Do sprach die selbe vorgenante swester, das sú die jungen, die noch nÿemans hant, den sú bevolhen sint, ettewan197 vnderwisete, wie sú bichten sölten. Do antwurt er vnd sprach: „Darvmbe müste ich uwerm priester sagen, das er den jungen, die von ersten herkoment, einer ÿeglichen o einen schulmeister198 gebe. Ja vnd wölte er ouch sú199 nit behalten,200 bÿ uch _____________ 190 191 192 193 194 195 196 197 198 199 200

dem C Doppelschreibung vnd es...ston] „und es wird ihnen schwer genug werden“. ir swester] gemeint ist eine jüngere Schwester, die einer älteren zugeteilt ist. disen] hier sind die jüngeren Schwestern gemeint. baß gefallen] „lieber“. bekumberent] bekumbent C – zu Formen von bekümbern in C siehe , , , , und . dan] hier mit der Bdtg. „sondern“. ettewan] an dieser Stelle „vormals“. schţlmeister] hier: ein geistlicher Führer; siehe zum Terminus auch den Kommentar (28). er ouch sú] gemeint ist: „der Schulmeister sie auch“. behalten] in diesem Kontext wohl „gewinnen“; siehe zum vielfältigen Bedeutungsfeld des Verbums FWB, Bd. 3, Sp. 702-724.

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zu bliben, dennoch sol er ÿnen201 einen schulmeister setzen.“ Do sprach der o o priester: „Vnser lieber herre Jhesus Cristÿ welle vns gute schulmeister verlio o hen.“ Do antwurt er vnd sprach: „Gute schulmeister söllent uwer geselleo schaft nit gebresten, also lange sú202 sich flissent, die drÿe puncten zu halo ten, die ich ÿnen müßte sagen, vnd die zu wercke setzent. Aber wan o o ÿr die drÿe puncten hinderlassent vnd abestellent, so sol dise schule203 zu nichte werden vnd sol werden ein huß der hoffardije, ein huß der fresserije, o der bulschafft, ein huß des zornes vnd ander laster vnd sünde, die darnach folgent. Darvmbe müßte ich uch die puncten sagen, das ÿr sú schribent204 o ouch uwern nachkomen, das sú sich wüsten darvor zu hüten. Wan ÿr aber die abestellent, so würt es ein wüste huß mit sollichen lastern, als ich geseit o han, alls nun in ettlichen stetten ist, als uwer ettliche wol wissent.“205 o Ouch sprach er zu den swestern: „Uwer ist keine,206 jr bedörffent o uch allesament noch zu vben jn der vorchte gottes.“ Do fragte ein swester, obe er die knechtliche forcht meint oder die kintliche vnd sönliche vorchte.207 Do antwurt er vnd sprach: „Snepp, diewile ÿr dz sagent, so sage ich uch, jr könnent wol von der sönlichen vorcht sprechen, aber ÿr hant noch nÿe die knechtliche forcht angefangen, dan hettent ÿr die knechtliche vorchte angefangen, jr werent nit also lichtfertig, also ÿttel vnd vppig, also stolz vnd o vermessen als ÿr nun sint.“ o Vff ein zijt sprach er zu den swestern: „Wan ÿr uwer getzijt lesent, so sollent ÿr sú andechteclich vnd nit leweclich lesen vnd söllent gedencken, was ÿr lesent vnd warvmbe ÿr lesent, anders es ist ein ÿttel geclapo per. Jr bekümberent uch also vil, zu mercken vff die stÿme, das ÿr uwer o ÿnnikeit dicke domit verlierent. Wan ÿr dz dunt, so sollent ÿr das bichten. o Das ist nit leweclich gelesen, wan ÿr uwer hertze vffhebent zu demÿhenen, o der uch het gegeben das leben, vnd das ÿr ÿme allein begerent, wol zu gefallen in uwerm lesen vnd nit den menschen.“ Da offenbarte ein swester, dz sú dicke vil fleischlicher gedencke vnd ÿnfelle hette. Do antwurt er ÿr vnd sprach: „Das komet uch dovon, das o ÿr uch also vnbewart vnd vnbehut hant mit uwern ougen vnd vnforchtsam, wan ÿr bÿ vngelichen personen sint, recht öbe es uch keine hindernisse were. _____________ 201 202 203 204

ÿnen] ÿr C sú] hier sind die Schwestern gemeint. schţle] zum Wort in diesem Kontext siehe den Kommentar (28). puncten sagen, das ÿr sú schribent] an dieser Stelle wird vermutlich auf die Praxis der Sammlung von Sentenzen in Form von puncta und dicta in geistlichen Rapiarien angespielt, die besonders bei den Schwestern vom gemeinsamen Leben üblich waren; siehe dazu ausführlichere Ertläuterungen in Kap. VI, Pkt 6.3. 205 ein wüste...wissent] einen sehr ähnlichen Hinweis auf zeitgenössische Verhältnisse in Schwesternhäusern findet man in C, fol. . 206 Uwer ist keine] „es gibt unter euch keine“. 207 kintliche vnd sönliche vorchte] siehe zur Erklärung der Termini C, fol. .

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Dan also behende sint wir mit vnßern gesellen, das wir vns nüst annement208 vnd nit abelassent vff die zijt von der bekorunge, wan ÿr bÿ vnglichen pero sonen sint, vff das ÿr deste vnforchtsamer vnd vnbehutsamer209 bÿ ÿnen sint. Das wir dan hernach, so wir uch findent, allerwackerest mögent haben beso ser vrsache vnd reissunge,210 uch zu bekoren vnd vberwinden.“ o Er sprach ouch: „Es gehört denÿhenen nit zu, die jungfr!wen geheissen wellent sin vnd einen growen rock211 antragent, so vnbewart vnd so vno forchtsam zu stan vnd sprechent mit vnglichen personen, das212 weltliche wibe solten sich schamen. Vnd darvmbe sage ich uch allen, wan ÿr mit vnglichen personen reden müssent, so sollent ir uch bewarlichen vnd forchto sam halten vnd ÿlen dovon als von einem dinge, das uch zu fliehende ist.“ o Vff ein zijt pinigte er die swester, jn der er213 was, zu male sere o vngenedeclichen, dan sú schamete sich zu der zijt, das sú ein besessen meno sche solte heissen vnd geachtet werden. Vnd der böse geist sprach zu den swestern: „Sehent, also söllent wir uch noch pinigen, wan ÿr uwern hoffertigen halß nit biegen wellent, aber das sol uch wol in ander wise beschehen, dan biegent ÿr uch nit, wir werdent uwern halsß mit vnsern füssen vberlouffen.“214 Do sprach die swester, was sú dan vbels dete. Do sprach er: „Duncket uch das nit vnrecht sin, wan ÿr in uwer hertekeit hingendt vnd wellent uwerm öbersten nit glouben, der sin sele für uch setzet.“ Do fragte sú, wie sú sich biegen solte. Do antwurt er: „Yr söllent vß grunde uwers o hertzen uch flissen, also zu vlen als uwer obersten uch heissent vlen. Ja werent ir demütig von grunde uwers hertzen, so sölten ÿr gerne uwer föo len, tun vnd lassen setzen vnder dz minste kindt jn disem huse, als ferre als sin fölen wider die heilige geschrifft nit were.“ o Ouch sprach er zu der selben swester: „Ich muß dir antwurten vff dine fantasie vnd gedencke, das215 du gedenckest, das dir got rechtferteclicher vnd scharpfer sÿe, dan den andern swestern. Ich sage dir, du hest ei_____________ 208 209 210 211 212 213 214

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das... annement] „das wir uns die Gelegenheit nicht entgehen lassen“. vnbehţtsamer] behţtsamer C reissunge] „Anreiz“. growen rock] die graue Kleidung ist ein Hinweis auf Mönche des Zisterzienserordens, die nach ihrer Ordenstracht ’graue Mönche‘ genannt wurden. Hier dürfte aber allgemein der Ordensstand gemeint sein. das] dan C er] fehlt C, abweichend SG1 SG2 wir werdent...vberlouffen] siehe zu dieser gebräuchlichen Redewendung Grimm, DWb, Bd. 10, Sp. 251. Stets sind es ’lästige Personen‘, die Menschen über den Hals laufen. Das Verb überlaufen steht auch mit der Bdtg. „durch darüberhinlaufen verletzen“ (siehe ebd. Bd. 23, Sp. 377). Da in sprachlichen Wendungen Verletzungen des Halses nicht selten gleichbedeutend sind mit Angriffen auf das Leben (ebd. Bd. 10, Sp. 246) dürfe hier eine massive Bedrohung mit starken physischen Schmerzen gemeint sein. das] an dieser Stelle syntaktisch als Bezeichnung der Unterordnung unter den einleitenden Satz und zu dessen Explikation; dazu PWG, S. 438 und 440, § 466.

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nen milten, langmütigen, barmhertzigen got, der dich als milteclichen bewart hat, das wir dir nit lange den halß gebrochen hant. Dan als dicke ÿr o einig ding mit hertikeit griffent vnd nit dunt vnd lassent als uwer öbersten o uch dun vnd lassen heissent, so werdent ÿr geistlichen besessen in uwer selen von dem tüfel vnd das ist vil ein engstlich216 besitzunge,217 dan öbe ÿr dem lÿchenam alleine besessen218 werent.“ o o Ouch sprach er zu der selben swester: „Ich muß dir noch vff dine fantasije antwurten. Du hest gedacht, wisßtest du, dz der wille gottes were, du woltest hinna gon.“219 Do fragte jn die swester, wie er das wüste, sú hette es doch nit dan220 alleine gedocht. Do sprach er, das er nit wüste, o was sú gedocht hette, aber der schöppfer het es jm221 zu erkennen geben vnd sprach: „Du hest darvmbe gebetten, das du den willen gottes gerne o daruff gewisset hettest. Nun mercke, das er din gebett het erhöret nit nach o diner begerunge, sunder nach dem, das dir nütze ist. Vnd nun heisset er mich, dir sagen, das es sin wille nit ist, das du von hinnan gangest. Vnd ist es, das du von hinnan geest, so soltu werden ein abegeschnÿtten glide nit alleine von dißer geselleschafft, sunder ouch von der geselleschafft o des ewigen lebens. Vnd ich nÿm disen priester vnd alle dise swestern zu getzeuge,222 das ich es dir geseit han.“ o Ouch sprach er: „Ich wolte dir selber nit we tun, aber du wilt dir selo o ber keinen gewalt223 tun. Wen du dich pr(fesst, geneÿget zu vntugenden,224 o so soltest du gon zu den swestern vnd sú demüteclich bitten vnd spreo o chen: ‚Liebe swester, nun hellfet mir mit uwern gebet, nun wil mich der o o o tüfel aber bringen zu hertekeit oder nun ist mir also oder also zu sÿnn.‘ Also soltest du dine gebresten vnd krangheit vßsagen vnd verjagen den o o o tüfel. Jr hettent es also gut zu tun,225 dan der schöpffer wil uch helffen. Wie manig werbe het er mich es uch heissen sagen, das er uch helffen will, vnd sol uch ein tröstlich wort sagen: Ist, das ÿr uch vmbekeo ren wellent vnd schicken, also zu völen als uwer bichtvatter uch vlen heisset, jr söllent nimmer von uwerm schöppfer geschiden werden vnd ÿr _____________ 216 217 218 219 220 221 222

engstlich] „qualvoll“; siehe dafür FWB, Bd. 1, Sp. 1200. besitzunge] „Inbesitznahme“; dazu Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 218. besessen] besessent C hinna gon] „die schwesterliche Gemeinschaft verlassen“. nit dan] hier mit der Bedeutung von „nur“. jm] mir C zţ getzeuge] zţ getzunge C – Der Ausdruck zţ getzunge hat nur die Bedeutungen „zur Sprache“ (Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 1008) oder „zum Zünglein an der Waage“ (Grimm, DWb, Bd. 7, Sp. 225). Gemeint ist hier aber zţ gezeuge („als Zeugen“); siehe dafür Götze, Frnhdt. Glossar, S. 107. 223 keinen gewalt] das Substantiv ist hier maskulin; dazu Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 972. 224 Wenn... vntugenden] „Wenn du merkst, inwiefern du zu Untugenden geneigt bist“. 225 Jr...tţn] „Es wäre für euch einfach, das zu tun“.

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sollent vß vnser macht vnd vß allem vnsern rechten komen, wan der schöppfer wil uch selber helfen.“ o o Zu einer zijt sprach er zu dem bichtvatter der swestern: „Die nit me dan zweÿ oder drie jor hie sint gewesen, die lassent alle monat herberge bitten von den swestern.“226 Vnd were ÿeman frömdes da, „den lassent vß der sammenunge bliben als lange, biß daz sú die swestern gebitten.227 Vnd ÿr sollent die swestern frilich228 biegen, vndertrucken vnd verdemütigen, dan wie vil ÿr sú zwingen vnd trucken, sú richtent sich dannoch alls wider uff. Darvmbe o mögent ÿr sú nit zu vil biegen vnd vernidern.“ o Zu einer zijt wart einer swester ettewaz geseit von ÿren gebresten vnd sú nam es für übell vff vnd wart verkert davon vnd ÿr hertze bliep drie dage also verhertet vnd verkert. Do seite er: „Daz kompt uch von uwer hoffart, das ir uwer gebresten als nötte229 höret, vnd uwer tüfel230 hat uch drÿe dage vff uwern hertzen gesessen vnd het es also verhertet vnd versteinet vnd er ist ein bitter, scharpfer tüfel vnd dicke reisset er uch o o zu bitterkeit vnd zu mercken der andern swestern gebresten vnd vff sú o argwan vnd vnwillen zu han. Aber wan uch uwer tufel das ÿngit, so söllent ÿr gedencken, das es uwer selbes boßheit were, vnd söllent die andern entschuldigen,231 vff die ÿr232 soliche bitterkeit oder vnwillen vlten. Vnd o das ist uwer artzenie darwider vnd hiezu müssent ÿr uch schicken, wellent ir uwern tüfel vberwinden.“ Zu einer zijt gedachte dise besessen swester, das sú sich in einem puncte nit vbergeben wolte, das233 sú ÿr bÿchtvatter geheissen hatte, o vnd domit gewann dißer böse geist grosse maht jn ir vnd piniget sú zu o male swerlich vnd sprach, dz der schöppfer sÿe yme gegeben hette, zu pinigende234 vmbe der vngelassenheit235 willen so lange, als sú in dem wil_____________ 226 die lassent...swestern] „lasst sie jeden Monat bei den Schwestern um Erlaubnis bitten, ob sie in der Gemeinschaft bleiben dürfen.“ – Diese Maßnahme sollte vermutlich eine Demutsbezeugung der jüngeren Schwestern gegenüber den älteren, denen diese jüngeren unterstellt waren, zum Ausdruck bringen. 227 Vnd were...gebitten] siehe zur Inkongruenz des Genus in diesem Satz die Sprachbeschreibung zu C. 228 frilich] „ohne Rückhalt“. 229 nötte] „ungern“. 230 uwer tüfel] hier wird deutlich, dass die Schwestern davon ausgehen sollten, dass für jede einzelne ein eigener, ganz persönlicher Teufel existiere. 231 vnd...entschuldigen] gemeint ist, dass den anderen Schwestern keine Schuld daran zukommt. 232 ÿr] fehlt C, abweichend SG1 233 das] das Wort punt/punct kommt mhdt. auch als Neutrum vor, was die Form des Relativpronomens erklärt; dazu BMZ, Bd. 2.1, S. 544. 234 dz der...pinigende] gemeint ist, dass der Schöpfer ihm Macht gegeben hätte, um die Schwester zu peinigen. 235 vngelassenheit] bei Schiller/Lübben, MittelniederdtWb., Bd. 5, S. 46 ist ungelatenheit mit der Bedeutung „Unbescheidenheit“ belegt; vgl. zum Terminus und zum Inhalt auch C, fol. und siehe den Kommentar (62) sowie die Ausführungen zur Gelassenheit im Kapitel VI, Pkt. 3.3.

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len bleip236 vnd sich darjnne nit vbergeben wolte. Ouch sprach er zu den andern swestern: „Dis sÿ uch allen ein spiegel: Also sollent wir uch pinigen vmbe uwer vngelassenheit vnd vngehorsamkeit willen, ist, das ÿr uch nit bessert.237 Aber daz sol uch geschehen hernach jn einer andern wise, die diser pine vngelich ist. Vnd als uch uwer öbersten ettewas heissen o o tun, das söllent yr von ynen entpfohen vnd tun als von dem, der uch geo schaffen hat vnd für uch gecrutziget ist. Vnd so ir uwer wercke, die ir zu o o tunde habent, vß grosser gehorsamekeit vnd vß diesßer gelassenheit dunt, so uwer lon vnd glorie jn dem ewigen leben grsser sol sin, wan die meyste fride jn dem ewigen leben ist von demütiger gehorsamekeit.“ Vnd daz dise swester238 geheissen was, das waz, daz sú ettelicher jungen swestern gebresten hören solte vnd dovon hatte sú vorht, das sú domitte o solte komen zu hoffart, vnd sú wurde ir einfaltikeit vergessen vnd das der böse geist sú also betriegen wurde vnd hierjnnen sú vngelossen.239 o Er sprach ouch: „Ich muß ettelichen uff ir fantasie240 antwurten, dan o ettliche gedenckent,241 obe sú zu einer dörin sollent gon vnd ÿr gebresten ÿr sagen vnd rat von ÿr nemen. Ich sagen uch, das es vß sunderlicher schickunge uwers schöppfers ordenieret ist, das ÿr uch vnder eine dörin sölo o lent demütigen, vnd wan ir daz dunt, so muß ich von der demütigunge o fliehen vnd wichen. Vnd wenne ÿr gondt, uwer gebresten zu offenbaren o o vnd vmbe geistliche artzenie zu entpfohen zu den wunden uwer sele, so sollent ÿr sollichen rat, den man uch seit, nit entpfohen als von den menschen, sunder als von gotte. Vnd darvmbe het der schöppfer geordenet durch uwern priester, das er242 swestern haben sölle, die sich vnder ein dörin verdemütigen söllent, die also vnder uch louffet,243 dan der o schöppfer erwelet die vngeachten dinge der welte, sin werck mit ÿnen zu würcken.“ o Vff ein zijt sprach er: „So die heiligen, die nu in dem ewigen leben sint, hie in der zijt me244 clarer erkentnisse gottes hatten, so sú me erwürdiger o vorchte gottes hatten. Vnd das grosse heilige zu falle komen sint, das kam nit anders dan davon, das sú die vorchte gottes hinder liessent.“ _____________ 236 bleip] 3. Pers. Sg. Prät. Ind. von mhdt. belîben; ebenso auf fol. ; siehe dafür Moser/Stopp (Hgg.), Gram. d. Frnhdt., Bd. 4, S. 284-286, §100f. 237 bessert] bessern C – vgl. auch die Schreibweisen der Formen gebessert (C, fol. und ) und besserten (C, fol. u. fol. ). 238 dise swester] hier ist die besessene Schwester gemeint (siehe C, fol. ). 239 vnd...sú vngelossen] erspart ist das Wort sÿe. 240 fantasie] an dieser Stelle mit der Bedeutung „Fehleinschätzung“ gebraucht. 241 gedenckent] „fragen sich“. 242 er] gemeint ist der Priester. 243 die...louffet] „die sich hier unter euch befindet“. – Der Relativsatz bezieht sich auf das Substantiv dörin. 244 me] fehlt C, abweichend SG1, mer vnd SG2

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Teileditionen des Redaktionstextes 2 aus C und SG1

Do sprach ein swester, das sú die forchte gottes jn ir hertze nit könde gewinnen. Do antwurt er ÿr vnd sprach: „Das kompt davon, das ir uch nit steteclich darjnne wellent vben noch wellent nit gedencken, das derÿhene, den ir mit uwern sünden ertzurnet hant, ein richter ist der lebendigen vnd der dotten. Jr soltent dicke uwer gebresten vnd krangheit für uwer ougen o o setzen vnd so möchtent ir dan zu dem besten, zu der forchte gottes komen.“ Do seite dise swester, daz sú dicke vngedultig wurde, dan sú beduchte, daz vnser lieber herre ÿr gebett nit erhörte, vnd sú sprach, das sú also hohe vnd groß bÿ vnserm lieben herren jn dem ewigen leben were.245 Do sprach er: „Jr solten uch vnwürdig duncken, das der schöppfer uwer gebett erhören solte noch siner grossen würdikeit, nochdann söllent ir darvmbe nit abelassen von bitten, sunder ir söllent volleherten jn dem bitten mit einem getruwen in sine barmhertzikeit. Vnd ir söllent nit o begeren, die meiste czu sin jn dem ewigen leben, dan ir söllent uch so snöo de vnd arme sünder achten vnd schetzen, daz es uch allzu groß beduncke, öbe es uch bÿ der barmhertzikeit uwers schöppfers geburen möcho te,246 die allermÿnste jn dem ewigen leben zu sin.247 Wan der sich aller meiste selbes verdemütigt vnd den snödesten achtet, der sol der höheste vnd der meiste werden in dem ewigen leben. Doch ir sollent darvmbe nit gedencken, das ÿr uch wellent demütigen vnder die swestern, vff das ÿr so vil höher werdent jn dem ewigen leben dan sú, sunder ir söllent uch vß grunde uwers hertzen lassen beduncken, daz ir snöder vnd vnnützer sint dan die andern swestern.“ o o Zu einer zijt sprach er zu den swestern: „Diß sage ich uch alo o len: Schickent uch zu geben zu demütiger gehorsamekeit, wan demütige gehorsamekeit hat den himel vffgethan. Vnd wan uch uwer bichtvatter o o oder uwer mutter ettewas heisset dun, so gedenckent nit, das sú das heissent one georde oder vß beduncken, sunder der schöpffer ordenet das selo ber durch sú vnd will, das ÿr dunt, das sú uch heissent. Vnd so ir es willeco licher dunt, so ir ie me lones sollent han jn dem ewigen leben.“ Vff ein zijt sprach ein swester lÿchtferteclich: „Jhesus!“ Da dett er die swester, jn der er was, balde248 vff ÿr knü vallen. Da wart er gefrao o o get, warvmbe er das dete. Do antwurt er: „Das muß ich tun czu einem zeichen, dan ir nennent dicke den namen lichtverteclich.“ Do wart er gefraget, öbe er allezijt knÿen müßte, wene der name ‚Jhesus‘ genant wurde. _____________ 245 Do seite...leben were] der Satz ist widersprüchlich. Wenn die Schwester der Auffassung ist, dass ihr im ewigen Leben ein erhabener Platz zukomme, müsste sie nicht besorgt sein, dass Gott ihre Gebete erhört. 246 geburen möchte] von mhdt. gebürn („zukomme“); Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 765. 247 daz es uch...sin] gemeint ist hier, dass sich die Schwestern für so gering halten sollen, dass es ihnen bereits viel zu großzügig erscheint, auch nur die Allergeringste in dem ewigen Leben zu sein. 248 balde] an dieser Stelle mit der Bedeutung „sofort“; dazu FWB, Bd. 2, Sp. 1741f.

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Do antwurt er: „Ich muß wol me darzu tun dan allein knien, dan der name ist also hohe, das ich vnd alle mine gesellen bÿbent, wen der name genant wurt.“ o o Czu einer zijt sprach er zu den swestern: „Wenne ir mit willen vnd wissen vngehorsam sint, das söllent ir für die meiste sünde achten, die ÿr o dunt, vnd söllent dz mit vnderscheidt249 bÿchten, dan das kumpt vß hoffart, das ÿr das vlen250 uwer öbersten versmachent. Aber wen ÿr vß krangheit in eÿnigen gebresten vbertrettent, als uch dan das von hertzen leidt ist, so wil es uch uwer schöppfer gerne vergeben.“ Eÿn swester hatte grosse sorge vnd angest, das er251 sú betrüge mit siner lere. Do antwurt er vnd sprach: „Die puncten, die ich uch geseit han, sint nit min lere, dan es ist die heilige geschrifft vnd die lere uwers schöppfers vnd sin leben vnd siner heiligen lere. Vnd dise lasset er uch vernuwern, vff daz ir deste flissiger vnd füriger söllent sin. Es ist ouch nit wider das heilige ewangelium oder wider die heilige geschrifft, das ir einfalteclich gehorsam sint vnd uch vndereinander demütigent vnd offentlichen sagent, was wir uch jngebent, dan hettent ir recht bekennen vnd verstentnisse, jr söllent bilo licher die gutheit vnd macht uwers schöppfers mercken vnd ime dancken vnd loben, das er mich, der ich252 sin dottvijgent bin vnd uwer aller dot geo sworen han, also zwinget, das ich also hübschlich vnder uch wandelen muß vnd den weg der worheit uch leren m)ß. Dan nach miner boßheit wölte ich lieber die allermeiste pin der hellen liden, dan ein allerminsten o artickel uch sagen, den ich uch geseit han, hette ich es nit müssen tun mit vnwillen.“ o o o Zu einer zijt sprach er zu den swestern: „Ich muß uch sagen, was paso sien sint. Zu dem ersten gebent wir uch ÿn böse gedencken vnd das heisset o entzündunge oder anfechtunge. Vnd wan ir uwern bösen willen darzu gebent vnd uwer böse nature, so wurt es ein passien. Vnd wohin ÿr uch dane wendent, so söllent ÿr gepiniget werden. Vnd die pinlicheit, daz ist ein passien. Vnd wie ir das lenger in uch verbergent vnd es nit offenbarent, o wie wir mer maht jn uch gewinnent vnd es uch darnach swerer wurt zu vberwinden. Aber dieÿhenen, die vns vnd vnser ÿngeben versmohent, die versmohent wir wider.“ Ouch seite er: „Ach wissten ir, was schönes cleÿdes o offenbaren mag machen,253 jr soltent bereiter vnd ernsthafftiger sin zu deo o mütiger offenbarunge dan ein hungerig mensche zu einer guten spÿse.“ _____________ 249 mit vnderscheidt] gemeint ist: „getrennt von solchen Verfehlungen, von denen die Schwestern nichts wissen“. 250 vlen] von mhdt. villen („strafen“); siehe dazu Lexer, MhdtHwb, Bd. 3, Sp. 350f. In SG2 steht statt vlen der schwächere Ausdruck willen vnd mainunng (Z. 1263). 251 er] hier der böse Geist. 252 ich] fehlt C 253 cleÿdes...machen] zum Verb machen mit Genitiv siehe Grimm, DWb, Bd. 12, Sp. 1380ff.

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Zu einer zijt sprach er zu einer swester, die was gutwillig zu der arbeit von o vssen, aber jnnewendig hatte sú kein sÿnnecliche süssekeit254 darzu, sunder mit widerstreben vnd mit widerkÿfen ÿrer nature dett sú die arbeit. o „Es hindert nüste daran,255 das ir kein sÿnnecliche süssekeit hant zu uwer o arbeit also verre, als anders256 uwer wille bereit darzu ist, dan uwer schöppfer, do er bÿ sinem lÿden was, da hatte er nach siner menschlichen naturen kein sÿnnecliche süssekeit. Dan diewile uwer wille also stet, das ir uwer arbeit o wellent tun vmbe des willen, der vmbe uwer willen gekrutziget ist, das ist o rechte liebe. Vnd so der gute wille stercker ist, so die liebe grösser ist.“ Die selbe swester sprach, das sú also nöte disciplin neme. o Do antwurt er vnd sprach: „Wellent ir nun nit nemen straffunge, das ist disciplin von den menschen, wie sollent ir dan hernach müssen liden von o o den tüfeln nit mit höltzen ruten, sunder mit ÿßerin ruten one barmertzikeit mit aller nÿdikeit, die sú vermögent. Dan wer vß gehorsamekeit, demüttio keit vnd vß liebe nun nÿmet disciplinen,257 also manigen slag er nÿmet, also manigen tüfellischen slag leit er domit abe. Wiewol die slege gar vnglich sint, – ja vil vnglicher ist es, dan obe man uch mit einer sanfften pflümfedern striche –258 die streiche der menschen gegen den slegen der tüfeln.“ Eÿn swester sprach, dz sú nit gerne ire gebresten oder krangheit offeno barte vor den swestern. Do sprach er: „Wissten vnd bekanten ir nun, [...]259 o das alle gebresten, die ir nun verbergent vnd nit beschamet darfür werdent oder sin wellent, vor dem vrteil gottes, vor allen engelen vnd menschen vnd vor allen tüfelen geoffenbaret sollent260 werden vnd bekanten ir die schame, o o die ir do sollent liden, jr werent nun bereit, uwer gebresten zu sagen nit alleine vor disen swestern, sunder ouch vor allen menschen.“ o Zu einer zijt vermant er ein swester, daz sú ÿre gebresten vnd krangheit sölte offenbaren. Do antwurte sú und sprach: „Ich han sú dicke geoffenbaret vnd bringet mir doch keÿnen nutz.“261 Do sprach er: „Das ist nit also, wan es bringet dir nutz, wan man g(sset so dicke wasser _____________ 254 255 256 257 258 259 260 261

sÿnnecliche süssekeit] siehe dazu den Kommentar (63). Es...daran] „Es ist nicht hinderlich“. also...anders] „sofern nur“; zu dieser Übersetzung des Adverbs anders siehe FWB, Bd. 1, Sp. 1040. disciplinen] gemeint sind wohl mehrere verschiedene Selbstbestrafungen. Siehe zum Terminus disciplin nemen den Kommentar (13). ja...striche] der in den Satz eingeschobene Vergleich wurde in Parenthese gesetzt, um die Satzkonstruktion zu verdeutlichen. wie C sollent] sol C vnd bringet...nutz] siehe zu solchen Ersparungen die Sprachbeschreibung zu C.

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e jn einen korp, das er zu leste gantz schöne wurt, vnd das wasser druffet als lange vff einen stein, das es262 ein loch machet darjn.“ o Ein swester was, die die andern vnlieplich vermant. Zu der selben sprach o er, es wer besser, das sú ÿren mundt zu hielte, dan das sú die swestern also vermeßlich vnd vnlieplich vermanet. „Wan von uwer vermanunge, die ÿr also o dunt mit vnlieb, so bessern sich die swestern nit von ÿren gebresten, sunder sú werdent darjnne gestercket. Doch wan ÿr mercktent, daz sú ettewas dettent wider den willen oder wider die ere gottes oder wider den o willen uwer öbersten oder wider gute gewonheit oder wider gemeÿnen nutze, so sölten ÿr sú vß liebe vermanen vnd nit vß andern passien, wan sú nit sint nach uwerm willen.“ Eÿn swester offenbart ir krangheit, das sú einen priester hette angesehen vmbe siner tugend willen. So seite er: „Das gibe263 ich mit minen gesellen uch ÿn, das ÿr darvmbe vngliche personen ansehen sollent vnd ÿre beqwemlicheit vnd ÿr züchtig wise mercken söllent, das ÿr dan fürbaß gedencken: ‚Ach, der die persone bekoren möchte, daz ist ein beqwemliche persone.‘ Vnd ettlichen gebent wir ÿn: ‚Sehent, dz ist ein andechtig, züchtig persone.‘ Vnd dan sehent ÿr sú an, aber ir gedenckent nit, das ir vnd sú fleisch sint, vnd merckent nit, was schaden uch darnach volget oder was streiche vnd slege wir darjnne verborgen hant. Hant ir noch o die letze nit gehört, das uch nit ist erloubt zu sehende, das uch nit gebürt o zu begerende.“ o Zu einer zijt sprach er: „Mir vnd allen minen gesellen gruwelt vor den menschen, die in liden vnd in drücke264 vnd in verspottunge gedultig vnd glichmüttig blibent, aber wir erfrouwent vns von265 den menschen,266 die vngedulttig werdent oder widersnauwent267 oder widerkÿfent268 oder gedenckent: ‚Das wil ich ÿme widergelten.‘ Ich sage uch, wir behaltent es alles biß hernach, ist, das ÿr es hie nit abelegent vnd besserent.“269 Ein swester bekante, dz sú also hoffertig were, daz sú dicke beduchte, das sú ÿr ding besser machte dan ein andere. Do antwurt er ÿr: „Das ist ferre von einem demütigen hertzen. Ein demüttig hertze beduncket, das es _____________

262 263 264 265 266 267 268 269

es] er C, abweichend SG1 gibe] 1. Pers. Sg. Präs. Ind. von geben. drücke] „Bedrückung“. wir erfrouwent vns von] ebenso SG1, S. . Das reflexive Verb kann mit verschiedenen Präpositionen stehen; dazu Grimm, DWb, Bd. 3, Sp. 807. von den menschen] vber die SG2 widersnauwent] von mhdt. widersnaben („widersprechen“). widerkÿfent] von mhdt. widerkibelen bzw. widerkifflen („zanken“); siehe Lexer, MhdtHwb, Bd. 3, Sp. 840 und ebneda Bd. 1, Sp. 1566. besserent] bessent C – siehe dazu C, fol. und vgl. die Form bessern C, fol. , , , , , , und .

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alle ding vbel mache, vnd begert, alle zijt vngeachtet vnd vnbekant o zu sin. Also starck sint wir, das vns noch ÿsen noch stein noch keine hertekeit jn der erden widerston mag, dan alleine ein demüttig hertze widerstet alle vnser macht.“ o Vff ein zijt sprach er zu den swestern: „Yr sneppen, wan ir dz büchelin von uwern gebresten270 hörent lesen, so sollent ir uch nit alleine flissen,271 o o das272 zu behalten vnd zu wissen, sunder ÿr sollent es pflantzen in uwern hertzen, vff das ÿr darnach leben mögent. Vnd dis sol aller uwer fliß sin, das ÿr gedencken: ‚Ach, lieber herre, wie möchte ich die jngebunge der tüfelen clerlich vßgesagen, ach, lieber herre, wie möchte ich mich o o schicken zu einfaltiger gehorsamkeit, jn allen dingen minen willen zu lassen, vnd lieber herre, wie möchte ich mich selber vnder alle swestern leren biegen vnd demütigen.‘ Also solten ir gedencken, wan ir es hörent vnd uch o o flÿssen, daz zu wercke zu bringen, dan sú sint noch vff erden, die groß arbeit gerne darvmbe deten, das sú es hören möchtent.“273 Do sprach ein swester, das sú vnwillen darvon hette, dz sú es horte lesen, dan vil von ÿren gebresten darjnne stünde ger(ret.274 Do seÿte er ÿr: „Das ist des schuldt, das die wunden der gebresten noch jn uch o sint. Als man die r(ret, so werdent sú bluten, aber werdent die wunden der gebresten in uch genesen, so hettent ÿr keinen passien vnd vnwillen dovon, daz ir es hörent lesen.“ Ein swester sprach, sú könde es nit begriffen, dan vff ein zit lobte er o die swestern sere vnd zu der andern zijt so lastert er sú. Do antwurt er: „Das ich uch geseit han, dz hatt mich die worheit uch heissen sagen, dan o die jn einem guten willen stont, von den mag ich kein böses gesagen, wan wolten wir tüfel vns demütigen, also sú wellent, er275 solte vns das ewige leben nit versagen. Aber von den, die jn einem bösen willen stont, o o mag ich kein gut276 gesagen. Dan möchte ich uch zusprechen nach miner argheit, ich wolte uwer vßwendigen oren uch verfüllen alß mine gesellen uwer jnnewendigen oren uch verfüllen. Dan diß sage ich uch, das ir nit o dörffent gedencken oder meinen, dohin zu komen, do ich mit minen ge_____________ 270 dz büchelin von uwern gebresten] von Jan van Dinslaken in Sion zu Kortrijk etwa ist überliefert, dass er während seines Rektorates Schwestern aufforderte, ihre Sünden auf einer Beichtrolle niederzuschreiben; siehe Persoons, Lebensverhältnisse in den Frauenklöstern der Windesheimer Kongregation in Belgien und in den Niederlanden, S. 82 und 90f. 271 flissen] fehlt C, flissen SG1 272 das] gemeint sind die Ermahnungen für die Verfehlungen. 273 dan...möchtent] gemeint ist, dass es viele gibt, die einiges dafür tun würden, dass man ihnen ihre Schwächen mitteile. 274 ger(ret] von mhdt. rüeren, hier mit der Bedeutung „erwähnen“. 275 er] gemeint ist Gott. 276 gţt] „Gutes“; siehe zur unflektierten Schreibweise Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 1122.

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dencken vßgestossen wart, mit uwer eigener wißheit, mit uwer gemach o o o vnd eigenen vorteil zu suchen vnd den menschen uch flissent zu behagen vnd darjnne blibent ston one ruwe.277 Ja, ich waz nit der, der den grundt o satzte, ich gab nit me dan minen willen darzu.“ Vnd der selben swester seite o er: „Jr soltent uch selbes mit ersten vberhören278 vnd durchsuchen, wen ÿr die andern swestern vermanen wölten vmbe ÿre gebresten, vnd sölten betrachten, wie ÿr gerne hetten, das man uch uwer gebresten seite. Vnd also solten ÿr uwer wort formieren, daz ÿr ouch den andern also vnd vß sollicher liebe solten279 seiten.“ Ein swester beclagete, das sú sich darjnne sere müste liden,280 das in disen vermanungen von ir vnschamheit stünde geschriben. Vnd er seite ÿr: „Jr dörffent wol heischen,281 daz ein andere nit gedencken dörffte, vnd dz ist uwer grosse vnschamheit, dan ein demütig, schamhafftig hertz o o bedunckt, das man ÿme alle wege zu vil tu.“ Do fragte sú, wie sú sich halten solte, wan man ÿr ettwaz sunderliches282 o o zu essen brechte. Do seite er ÿr: „Wan man uch ettewaz sunderliches zu essen bringet, das söllent ÿr dangberlich vffnemen vnd entpfochen, so verdienent ÿr domitte. Doch ir söllent es nit heischen nach uwer begerunge. Vnd wan man uch nit sonderliches gibt, so söllent ir gedencken, das ÿr uch ouch söllent lÿden.“ Ein swester bekante ÿre gebresten, das sú beduchte, sú were o o wise genug, andere swestern zu leren. Do antwurt er ÿr also: „Es hilffet o o o kein weltliche wißheit darzu, vff gebresten oder passien rat zu geben vnd zu o vertriben,283 dan dz wurcket allein götliche wißheit durch die, die er darzu ordenet. Vnd das ir284 vil daruff gedencket, so sol es doch nach uwerm geo dencken nit ordenieret werden.285 Aber die, die der schöppfer darzu ordeo net, die söllent es286 thun.“ Eÿn swester was sere vol eigener wisheit, hertekeit vnd hoffart vnd o glÿsserije. Dise swester dett allen ÿren flÿß darzu, disen vermanuno o o gen zu widerston vnd zu nicht zu machen.287 Vnd glicherwise als alle andern _____________ 277 278 279 280 281 282 283 284 285

one ruwe] von mhdt. riuwe. vberhören] „befragen“. solten] fehlt C liden] hier reflexiv mit der Bdtg. „gedulden“, eine Parallelstelle für diese Form steht C, fol. . Jr...heischen] „Ihr erlaubt euch zu fordern“. sunderliches] sunderlich C, sunderliches SG1 SG2. vnd...vertriben] „und dadurch die Verfehlungen zu vertreiben“. Vnd das ir] „Und wenn ihr auch“. Vnd das...werden] der Satz steht hier in Korrelation zur Bedeutung von so aus dem übergeordneten Satz; dazu PWG, S. 433, § 464. 286 es] gemeint ist: andere Schwestern zu lehren. 287 vnd...machen] siehe zu solchen Ersparungen die Sprachbeschreibung zu C.

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swestern von dißer vermanunge zu noment jn tugenden, also nam sú abe. o Vnd dise vorgenant gebresten wuchssent vnd mertent sich in ÿr. Dise swester o sprach zu einer zijt, das sú nit könde begriffen, das vnser lieber herre den o tüfel darzu zwinge, das er jnen dise puncten müste sagen oder das er daz o verhengte von siner güttikeit, der swestern krangheit damit zu erwecken,288 dan sú meinte, daz der tüfel vß ÿm selber spreche, vff das er die swestern domitte betrüge. Vnd dis hielte sú also vast in ÿr, das sú meinte, daz alle andern swestern vnd ouch der bÿchtvatter von dem tüfel betrogen o wer, wan289 die swestern vmbe diser vermanunge willen mit rate eines guten, jnnigen, bescheiden mannes, mit dem ÿr bÿchtvatter sich besprochen o hette,290 von disen puncten sorgfeltiger vnd flissiger worent, sich zu bessern o o vnd sich zu den puncten zu geben – die doch die lere vnd rat vnsers lieben herren sint vnd siner heiligen, die ÿme gentzlich folgeten –291 vnd ouch also darjnne gefestiget worent. Hette der böse geist ettewaz geseit, daz nit ein vbertrag hette gehept mit der lere vnsers lieben herren vnd siner heiligen, das hettent sú292 alles vernichtet vnd verworffen. Vnd do ettewas zwifels jnne were gewesen, do soltent sú nit anders gethon han, dane ynen o bescheiden, gutte manne geraten hatten.293 Hiervber meint nochdan die vorgenant swester, das der bichtvatter mit allen andern swestern betrogen wer vnd sú allein vnbetrogen bliben solte, vnd wolte nit glouben, das vnser lieber herre die swestern durch den tüfel solte leren. Do sprach der böse geist: „Es ist wol ee294 geschehen, dz gott sin volck durch mine gesellen geo lert hat, aber nye so vil, als er nun getan hat. Vnd hette er es ouch durch einen engel des lichtes295 gelert, jr möchtent uch von hoffart nit wol enthalten han. Vnd darvmbe ist es uch nützer, das er uch durch den tufel o leret, dan dardurch hant ir alle zijt vrsache, uch zu demütigen, das yr also o vnnütze menschen sint, das uch der tüfel leren muß. Doch ich sage uch, das ich geseit han, das ist das leben vnd die lere uwers erlösers vnd ist von dem geiste der worheit vnd ist min lere nit, wiewol ich ÿr ein armer botte _____________ 288 erwecken] hier mit der Bdtg. „aufzudecken“; siehe Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 696. 289 wan] hier „gleichwohl“; dazu Lexer, MhdtHwb, Bd. 3, Sp. 667. 290 wan die...besprochen hette] von wem genau hier die Rede ist, bleibt unklar. In C wird darauf im weiteren Textverlauf nicht eingegangen. In SG1 (S. ) ist die Textstelle gekürzt. Es heißt dort: „Vnd der bichtuatter hat raut der gelerten (…)“. In den Textzeugen der Redaktion 1 und der Kurzfassung fehlt diese Sinneinheit ganz. 291 die doch...folgeten] der erläuternde Relativsatz, der sich auf die puncten bezieht, wird durch eine Parenthese abgesetzt, um die Satzkonstruktion zu verdeutlichen. 292 sú] gemeint sind die Schwestern. 293 Hette der... geraten hatten] in diesen beiden Sätzen, die nur in C vorkommen, wird die Auffassung des Redaktors wiedergegeben, nicht die der Schwester. 294 wol ee] vol me SG1 295 engel des lichtes] siehe dazu den Kommentar (26).

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muß sin. Vnd haltent ÿr die drie puncten, die ich uch han geseit, so mögent ir nit betrogen werden.“ Vnd er fragete die selbe swester vnd sprach: „Sage mir, habent nit dise o swesteren mere zugenomen jn gehorsamekeit, jn demütikeit, jn liebe, jn offentlicher bekentnisse jrer gebresten vnd bekorunge, sÿt in dise vermanunge beschechen ist, oder worent sú vorhin füriger, ee jn dise vermanunge beschach.“ Do antwurt dise swester, sú könde es nit gelouben, das geo meinlich alle swestern, sÿt jn dise vermanunge geschehen were, hetten zu o genomen jn den genanten tugenden. Do sprach er zu ÿr: „Diewile ÿr dz o merckent an ÿnen, daz es jn dienet jn zunemen an tugenden, was besorgent dan ÿr, das jn vil böses daruß möge komen, diewile ÿr sehent, o o das nit dan gutes ÿnen dovon komet vnd ÿnen in zunemen an tugenden dienet. Aber es ist uwer eigen wißheit vnd hertekeit uwers hertzen, das ÿr uwer eigen beduncken vber296 uwer öbersten vnd aller uwer swestern setzent o vnd sú alle zu uwerm beduncken gerne ziehen wolten,297 das ferre von einem demütigen hertzen ist. Wan ein demütig hertze het allewegent vorchte darjnne, wen man sinem beduncken folget, vnd es allewegen lieber begert, o eins andern beduncken zu folgen dene dem sinen.“ Vnd sprach füro baß zu ÿr: „Was betrügnisse mag uch dovon komen, das ir in diser vermanunge uch besorgent, diewile sú uch vmbe uwer dragheit willen geschicht o o vnd darvmbe, das ÿr dester flÿssiger sint, uch zu tugenden zu geben. Aber diß sollent ÿr besorget sin, machent ÿr es uch nit nutze, das wir es uch vor dem vrteil gottes werdent verwissen. o Hierjnne were uch kein schade gestalt, obe ÿr dz der liebe zu schribent, 298 das der schöppfer uch sine gütikeit so vberflüsseclich bewiset, das er uch o o daz anderwerbe299 ordenieret zu sagen, vnd darzu heisset er es uch, einem o r 300 bösen bekennen, darvmbe ÿr ÿe billicher zu grösser liebe vnd dangberkeit sollent werden beweget, dan ÿr mögent nümmer ÿme gedancken301 siner grossen liebe, die er uch bewiset. Aber ÿr sint so vol der eÿgener wisßheit, das ÿr dovon also verblindet sint vnd so blump sint, das ÿr es nit mgent begriffen, dan wer eÿgenwise ist, der ist grop von verstentnisse, vnd der allergehorsamest ist, der ist allerscharppfest von verstentnisse vnd allererluchtest.“ _____________ 296 vber] fehlt C 297 wolten] 2. Pers. Pl. Prät. Konj. von mhdt. wellen; hier konditional gebraucht („würdet“). 298 Hierjnne...zţ schribent] „Es tut euch keinen Abbruch, wenn ihr der göttlichen Liebe zuschreibt, dass der Schöpfer euch seine Güte so übermäßig beweist“. 299 anderwerbe] „zum wiederholten Male“; dazu FWB, Bd. 1, Sp. 1048f. 300 darvmbe] hier final gebraucht. 301 gedancken] zum mittelhochdeutschen Verbum (ge)danken mit Genitiv der Sache siehe Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 409 bzw. Sp. 768.

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Do sprach er fürbaß zu den swestern: „Jr sollent dise drÿe puncten nit darvmbe halten, das ich sú uch geseit han, sunder darvmbe, das sú uch der o schöppfer het heissen sagen. Vnd ir sollent es ouch nit tun vmbe der tugend willen, sunder luterlichen vmbe siner liebe vnd ere willen, dan es sin willen ist. Vnd do302 ir das wissent, das es sin wille ist, so söllent ir es o tun vnd es were vnmüglichen das einig303 schade uwer sele daruß keme.“ o Zu einer zijt sprach er: „Lassent uch nit wunder sin, das ir mit fünff slegen, die ir in liebe vnd in demütikeit nement, fünffhundert jore fegefüres abeo legent, wan so ir correccien oder disciplin nement mit der ruten in liebe vnd in diesser demütikeit vnd in einem gantzen abekeren von den sünden vnd gebresten, so legent ÿr mit fünff slegen me danne fünffhundert jore abe. Ja dz leit sin oder der ruwe vnd das strenge abekeren von den sünden vnd den gebresten möchte also groß sin, jr solten alles uwer fegefüre304 damit abelegen.“305 o Vff ein zijt sprach er: „Wan wir ÿemant mögent bringen darzu, das er o ÿme selbes baß gloubet dan sinem öbersten oder denihenen, zu dem man o in heisset gon, rat zu fragen vmbe sine gebresten, – vnd der sin beduncken vber das beduncken siner öbersten setzet vnd ÿrem rat nit folget –306 den o menschen leident307 wir tüfel vnd bringent in, warzu wir wellent, o zu allen gebresten oder passien, als ÿr sehen mögent an denÿhenen, die also stöndt.“ Ein swester was, die dicke in ÿrem hertzen arguwieret oder widerkÿfet wider ÿre öbersten, dan sú beduchte dicke die dinge besser vnd anders dan sú ÿr öbersten ordenierten. Vff ein zijt arguwiert sú wider ÿre öbersten darvmbe, das ÿr etteliche swestern bevolhen werent, vnd diewile sú selbes o also vnwissende were.308 ‚Wan nun ein blinde den andern füret, so vallent o sú beide jn den graben.‘309 Do sprach der böse geist zu ÿr: „Das ist ferre von einfaltikeit, das solten ir uwer öbersten lassen besorgen vnd ir solten einfalteclichen gehorsam sin, dan das ist der allergenemest dienst, den ir _____________ 302 303 304 305 306 307 308 309

do] fehlt C einig] von mhdt. einec/einic, hier mit der Bdtg. „irgendein“. fegefüre] fegefüres C jr solten...abelegen] „ihr könntet euer Fegefeuer damit ganz und gar ablegen“. Zur Form alles als Genitiv von al siehe Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 39 bzw. PWG, S. 215, § 207; zur Übersetzung des Adjektivs al an dieser Stelle FWB, Bd. 1, Sp. 734; vgl. zur Formulierung auch C, fol. . vnd der...folget] der in Parenthese gesetzte, eingeschobene Relativsatz bezieht sich auf ÿemant. leident wir tüfel] hier mit der Bedeutung von „fügen wir Teufel Leid zu“. vnwissende were] prädikatives Part. Präs.; dazu Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 414, § S 210. – Gemeint ist, dass die Schwester sich beklagt, dass sie selbst nicht genügend Erfahrung habe, um andere Schwestern zu lehren. Wan...graben] ein häufiges und in verschiedenen Variationen belegtes Sprichwort vom Blinden als dem ungeeigneten Führer; dazu Thesaurus Proverbiorum Medii Aevi, Bd. 2, S. 31-34.

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uwerm herren dun mögent, das ÿr einfalteclich dunt, das uch uwer öbersten heissent.“ Ouch arguwiert sú wider ir öbersten, dan sú sprach, sú könde kein passien oder gebresten vß des menschen hertze vßruten. Do antwurt er wider: „Das ist war, dan hettent ÿr Salomos wisßheit, so möchten jr doch mit der wisßheit alle keinen gebresten vß eins andern hertzen vßruten. o Aber wan die swestern zu uch koment jn gehorsamekeit vnd ÿr sú hörent von310 gehorsamkeit, so würckt der schöpfer vmbe uwer beider gehorsamekeit willen, dz die gebresten vßgerutet werdent. Vnd were es sache, das der schöppfer uch nit behütet, so sölte dz vergÿfft311 der gebresten, das sie312 also vßgiessent jn uch gan vnd ÿr sollent dovon vergifftiget werden.“ Ouch sprach er: „Dieÿhenen, den die jungen swestern bevolhen sint, die solo lent sie nit abewisen, wan sie mit ÿren gebresten vnd bekorungen zu in koo ment, wan sú313 dicke vff ein zijt verstondt vnd merckent, das sú zu einer andern zijt nit gedencken kündent.“ Vnd von aller eigener vbunge vnd gebette, dz sú darvmbe versumpten, das sú also mit ÿn werent beo kümbert, des sölten sú zu friden sin.314 Ein swester clagete, das sú vnuernünfftig were. Da sprach er: „Yr wissent nit, was vnuernunfft ist,“ vnd sprach: „Vngelassenheit ist vnuernünfftio keit, dan die vngelassen sint bringen wir lichteclichen zu vnuernünfftikeit.“ o Czu einer zijt dett er den swestern vill verdrieß vnd lidens an, da lasent o o sú veni creator, vff das jn vnser lieber herre zu hilff keme. Do sprach er zu den swestern: „Nein, ir mögent sathanas mit uwerm lesen nit vertriben, dan mit demütiger gedultikeit mögent ir jn vertriben. Dan das315 ÿr vil lesent oder hohe ding begerent, vnd316 uch selbes vß dem grunde des hertzen nit biegent vnd demütigent, so hört sathanas vnd sine gesellen nit vff.“ Fürbaß sprach er: „Ein nÿdergesvncken, vbergeben gemüte vnder sinen schöpfer vnd vnder alle creaturen317 das ist, domit man sathanas ver_____________ 310 311 312 313 314

von] hier mit der Bdtg. „aus“; siehe dafür Lexer, MhdtHwb, Bd. 3, Sp. 456f. vergÿfft] „Gift“. sie] gemeint sind die Verfehlungen. sú] steht für die jungen Schwestern. Vnd...sin] an dieser Stelle ist gemeint, dass sich die Schwestern nicht zu sorgen brauchen, wenn sie eigene Exerzitien und Gebete versäumen, während sie sich um jüngere Schwestern kümmern. 315 Dan das ÿr (...) so hört] „Auch wenn ihr (...) so hört doch“; siehe zum konzessiven Gebrauch der Konjunktion (noch) denne daz PWG, S. 430, § 461, 6. 316 vnd] hier adversativ gebraucht in der Bedeutung von „gleichwohl“. 317 vnder alle creaturen] dieser Ausdruck ist u.a. bei Meister Eckhart, Margarethe und Christine Ebner und Mechthild von Magdeburg belegt. Im Nachdenken über sich selbst soll der Mensch erkennen, dass er durch die Erbsünde tiefer gefallen ist als alle creatur, um sich dadurch in Demut geringer zu achten als alles andere, das von Gott geschaffen wurde; vgl. dazu R. Meyer, Das ’St. Katharinentaler Schwesternbuch‘, S. 260. – Im Oetenbacher Schwesternbuch erkennt Schwester Adelheit die Selbsterniedrigung des Gottessohnes als Tugend und als Offenbarung der Gottesliebe, denn der Gottessohn „als demütig was, das sein herz under alle creaturen geneiget was also tief, dass er von minnen mer smachheit wolt leiden, denn alle creatu-

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tribet, als ir dicke miteinander sehen mögent, das ich vß diser, da ich ÿnne o bin, faren muß, wen sú sich demüteclich vnd gentzlich vbergibt; domitt wurt sathanas vnd alle sine gesellen gebrant vnd gepiniget.“ o Do frogeten in die swestern, wie sú darzu komen möchten. Do antwurt er vnd sprach: „Das han ich uch dicke müssen sagen, vnd es o o stot in uwer maht, das zu erwerben vnd zu Sant Petrus oder Sant Paulus o heiligkeit zu komen, dan der schöpfer ist noch als wise als mechtig vnd als o bereit, uch sine gnode zu gebende, als er vor zijten was. Vnd wolten ÿr einen finger daran legen, er wolte uch mit siner gantzen handt helffen vnd ist o allen menschen gelich bereit, sine genade zu gebende. Aber wer der gnode allermeist warnÿmet vnd sich allernÿderst büget, dem git er die gnode allermeiste.“ Ouch sprach er: „Ein demütig hertze begert nit groß oder hohe bÿ sio nem schöpfer zu sin, dan es begert allein siner barmhertzikeit vnd nocho o dan begert318 zu vollekommenheit zu komen. Aber diewile sich ein demütig mensche bekenet einen sünder, so begert es allein sine barmhertzikeit.“ Ouch sprach er: „Das ist ferre von einem demütigen hertzen: Arguwieren o vnd widerkÿfen wider sinen bÿchtvatter oder öbersten oder in nit zu glou319 320 ben oder nit wellen, also völen als sú beduncket, dan das komet alles vß hoffart. Aber ein demütig hertze beduncket allezijt, also es weiß,321 das sin öbersten beduncket.“ o Zu einer zijt beschach es, das die swestern miteinander sprachent von dangberkeit, do was dise besessen swester bÿ. Do sprach der böse geist vß ÿr: „Ich sol uch sagen, waz dangberkeit sÿ. Das ist dangberkeit, wan uch o inkomet, das ÿr uch bessern sollent, das ÿr uch demütigen sollent oder zu o gehorsamekeit oder gedultikeit geben sollent oder zu bewarunge der ougen, o o o zu reinikeit,322 zu offenbarunge der gebresten oder zu andern tugenden. Wan uch das jnsprechen jnkomet, das ist die gnode gottes. Vnd wan jr dem jnsprechen folgent, so nement ir der gnaden war vnd das ist ein dangberkeit. Vnd mit dangberkeit verdienent ÿr noch ein gnade vnd das ist, o starckheit vr zugon in tugenden. Vnd so ÿr der dangberkeit me hant, so ÿr o mer gesterckett werdent, jn tugenden zu zenemen vnd uwer widersacher o krencker werdent, uch zu vberwinden. Vnd diß ist rechte dangberkeit vnd nit alleine, das ir lobent mit dem munde. Ouch ist ein ander dangberkeit vnd _____________ 318 319 320 321 322

ren möchten erdencken.“ (H. Zeller-Werdmüller und J. Bächtold (Hgg.), Die Stiftung des Klosters Oetenbach und das Leben der seligen Schwestern daselbst, S. 273). nach begert] zur Ersparung des Pronomens siehe die Sprachbeschreibung zu C. nit wellen also völen] siehe zum reinen Infinitiv nach wellen die Sprachbeschreibung zu C. sú] gemeint sind die Oberen. also...weiß] „sofern es davon Kenntnis hat“. reinikeit] gemeint ist die sittliche Reinheit; zu dieser Wortbedeutung siehe Lexer, MhdtHwb, Bd. 2, Sp. 389.

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die ist, wan ir betrachtent, das der hohe, grosse, almechtige got vnd herre o gewürdigen wil, also snöde diener zu liden in sineme dienst vnd uwern snöden dienst will entpfohen. So ÿr das gedenckent vnd ÿnnewendig o erwecket werdent, jn darvmbe zu lobende, das ist ouch dangberkeit. Aber so ÿr uch frowent dovon in uwerm hertzen, das heisset jubilacion.“ Fürbaß sprach er: „Diß sint vnser gesellen kleÿdunge vnd zierunge: hoffart, fraßheit, vnküscheit, gvittikeit,323 czorn, nÿde, vngunst, hassen, hindero claffen, argwon, mutwill, eigenwill, stiffheit, widerkifen, hertikeit, bitterkeit, o scharpffheit, frecheit, vermessenheit, curiosikeit, lÿchtvertikeit, vnbehutsamkeit der ougen, der wort, der gedencke, vppig ere, verkertheit, stoltzheit, strengheit, verkert antwurt, tragheit, versumunge, subtÿle messer, o o serkel,324 gürtel325 vnd derglichen, sich zu zieren vnd begeren zu han, vnd lügen, die ist min natürlich cleit. Dise alle sint min cleidunge vnd min zierunge vnd die mir hierjnne volgent, die sint mit minen cleidern.326 Vnd die hierjnne funden werdent, die söllent vnser gesellen sin327 vnd mit vns gepinio get werden.328 Vnd wir werdent getruwelich zu ÿrem [...]329 ende komen vnd dan werdent sú vnsern gesang singen, das ist: ‚We, we, we!‘ Vnd darvmbe o muß ich es uch sagen, das ÿr es wissent vnd bekennent vnser cleÿdunge vnd zÿerunge vnd uch darvor behüten mögent. Aber wellent ir vnsern h nden entgan, wan ir dan in disen dingen einigem330 vbertretten hant, so o o sollent ÿr gon zu derÿhenen, zu der ÿr beschaiden sint, vnd sollent es offenbaren vnd sagen, wie ir uch gehalten hant jn gedencken innewendig, jn den worten, jn den wercken, vnd sollent uch demüticlichen vnd willeclichen o vbergeben zu liden, was man uch darfür liden heisset.331 Vnd solliche demütigunge möchte also groß sin, jr mchten alles uwer fegefüre damit abelegen.332 Aber wan ir gedenckent: ‚Diß ist nit werdt, das man es sage, es ist _____________ 323 gvittikeit] „Habgier“ bzw. „Geiz“. 324 serkel] wohl eine Nebenform von mhdt. serge; gemeint sind Schlafunterlagen, ähnlich einer Matratze aus Strohsäcken; siehe Lexer, MhdtHwb, Bd. 2, Sp. 890; zur Pluralform sergen siehe Grimm, DWb, Bd. 16, Sp. 623f. 325 gürtel] wie in zahlreichen Regeln, so ist auch in den Konstitutionen der Windesheimer Frauenklöster ausdrücklich festgelegt, dass die Gürtel der Schwestern von einer schlichten Machart zu sein hatten; siehe dafür van Dijk, De constituties der Windesheimse vrouwenkloosters vóór 1559, S. 767. 326 die...cleidern] gemeint ist, dass diese die Untugenden des Teufels besitzen. 327 sin] fehlt C, werden SG1 – siehe zu Ellipsen die Sprachbeschreibung zu C. 328 werden] fehlt C, werden SG1 329 ÿrem C Doppelschreibung 330 in diesen dingen einigem] zu solchen Wortstellungen in der Nominalgruppe Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 438, § S 252. 331 heisset] heissen C 332 Vnd solliche...abelegen] „Vnd diese Demütigung wäre so groß, dass ihr damit jegliches Fegefeuer abgegolten hättet, das auf euch zugekommen wäre“.

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nit dan thoren der dinge‘,333 daz vnd derglichen sint alles vnser jno o gebunge. Ja, wie gut es schinet, das wider gehorsamekeit ist, das ist allzumale vnser jngebunge.“ o So sprach ein swester, könde sú zu dem biegen komen, sú wölte es geo o rne tun. Do sprach er: „Flissent uch, die drie puncten zu halten, vnd ir sollent uwern schöppfer nach uwerm willen han vnd er sol uch ein got uwers willen334 sin.“ Ein swester sprach: Wan ein mensch ein ledig jnfallen het von fleischlicheit vnd davon bewegunge het als335 ein ougenblicke vnd ÿme das leit were, obe er dz ouch bÿchten müste. Da antwurt er: „Domit söllent ÿr uch nit verwirren vnd kein gescheffte dovon machen, dan das ist uwer o nature. Vnd so ÿr me vnderfaren vnd vndersuchen wellent, wo es uch herkome, so ÿr me dovon beflecket werdent, als so man bech me anrüret, so man me dovon beflecket wirt.336 Aber wan ÿr des ein vrsache sint337 mit vno bewarsamekeit der ougen oder mit vnbehutsamkeit des tastens oder vno behutsamekeit der gedencken vnd mit den338 mit willen spÿlent, dz sollent ÿr offenbaren vnd bÿchten. Wan ÿr aber des kein vrsache sint – vnd hettent ÿr dan ouch verbÿldunge339 oder bewegunge oder infelle – das solo lent ÿr alles abewisen vnd nit vndersuchen noch kein gescheffte dovon machen.“ Vff ein zijt sprach er: „Wer sich vnder die menschen nit biegen will, der sol sich noch vnder die tüfel müssen biegen.“340 o Czu einer zijt sprach er: „Ach, möchten ÿr erkennen die würdikeit einer sele, für die uwer schöpfer so vil gelitten hat, vnd wie swer sÿ341 ÿme geworden ist, aller welte lÿden – vnd solten ÿr es ouch tusent jore liden – jr solten es gerne tragen, vff das ÿr ein sele342 domitte möchten gewinnen jn den thron der ewigen glorie, ja vff das ÿr nit me dan ein wenig rechtes daran hetten. Dan sÿt der zijt, das343 der schöppfer gecrutziget wart, so gewinnen wir tüfel nÿe so grosse macht vnder den cristen men_____________ 333 thoren der dinge] „die Sache von Dummköpfen“. 334 uwers willen] zur Tilgung der Genitivendung bei Substantiven im Gen. Sg. siehe Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 169, § M5. 335 als] hier „für“ bzw. „während“; dazu FWB, Bd. 1, Sp. 847. 336 als...wirt] „denn je mehr man Pech berührt, desto mehr beschmutzt man sich damit“. 337 Aber...sint] „Aber wenn ihr selbst die Ursache seid“. 338 mit den] hier „damit“; siehe Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 2178f. 339 verbÿldunge] „Umänderung zum Negativen“; siehe Grimm, DWb, Bd. 25, Sp. 115. 340 Wer...biegen] dieser Satz schließt inhaltlich an das Ende des vorigen Absatzes an (fol. ). Er steht an dieser Stelle deplatziert. 341 sÿ] gemeint ist die Seele. 342 ein sele] gemeint ist: uwer sele. 343 das] hier in syntaktischer Funktion; siehe dazu PWG, S. 441, § 466.

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schen, als wir nun hant. Darvmbe bedörffent die menschen nun me hilff, dan sú hievor bedörfftent.344 Dan die von erste345 darvmbe batent, das sú o o o gerne vß der hellen gewesen werent, die muß man nun darzu bitten, das si o es tun wellent.346 We, we allen denÿhenen, die darnach stönt, das sú den clöstern oder o versamenungen grosse rente vnd richtum versamelen, wan sú ÿnen vil vro sache zu vil bösem gebent. Das erste ist ledikeit oder müssiggonunge, dardurch die heilige arbeit versumet wurt vnd hindergestalt, dan sú beduncket, das sú es nit bedörffent.347 Die ander ist fraßheit, wan da sú vor an zweijen oder drijen gerüchten sich liessent genügen, do wellent sú vijer oder fünff haben vnd dan mit sunderlicher bereittunge. Das drijtte ist vberflüssikeit in cleÿden, dan so wil man zwene beiltz haben, einen dicken warmen vnd einen dünnen lichten vnd drije oder vijer röcke vnd vijer oder fünff par socken vnd derglichen me dene es not ist. Ouch in hußern vnd buwunge me dan es not ist, dz sú vil hüßer habent nit darvmbe, das sú me personen annemen wellent. o Die vierde vrsache zu sünden, die do koment vß richtum, ist nide vnd haß, vnfride vnd kÿfunge. Dan so verwisset eine der anderen: ‚Warvmbe solte ich das vnd dz nit als wol han als du, ich han als vil harbroht als du‘ oder: ‚Ich han lenger hiegewonet dan du‘ oder: ‚Ich kan min brot als wol gewinnen als du.‘ Das fünffte sint böse, fleischliche begerunge vnd vnluter gedencken o vnd das darnach volget. Diß vnd wil me disßer glichen volget vß richtum, o 348 der ouch vßsl(sset die hailige armut.“ o Vff ein zijt seite er von den versamenunge, die nun sint, dz sú sere trege sint jn der disciplin. Darvmbe habent sú ouch trege jungen, die jn nochvolgent. o Ouch sprach er: „Als ÿr die menschen zu dem ersten annement, so könnent ÿr nit gesehen, obe ÿr wille fürig sÿe vnd ÿre meinunge rein vnd luter sÿ. Jr mögent sú hören sprechen, wene sú koment, aber wie der wille vnd meio nunge ist, das sol man sehen in ÿrem zunemen. Darvmbe hat der heilige geist _____________ 344 bedörfftent] 3. Pers. Pl. Prät. Ind.; ebenso die Form batent im nächsten Satz. 345 von erste] „früher“. 346 Dan...wellent] ausgesagt werden soll, dass die Menschen heutzutage – anders als früher – dazu aufgefordert werden müssen, um Gottes Gnade zu bitten. 347 Das erst...nit bedörffent] gemeint ist, dass eine Folge des Reichtums im Kloster die Faulheit ist, weil die Schwestern meinen, die klösterlichen Arbeiten nicht verrichten zu müssen. 348 der] die C – neben mhdt. rîchheit (fem.) existiert auch mhdt. richtuom (maskulin); dazu Lexer, MhdtHwb, Bd. 2, Sp. 420f.

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ordeniert durch sine vsserkoren fründe,349 das man sú zum ersten herbergen o sol vnd versuchen, obe der wille fürig sÿge vnd die meÿnunge luter vnd reÿn sÿe, vnd das heisset dz jore der pr(ffunge oder versuchunge. Vnd o o o ist es, das man sú jn dem jore findet in gutem, bereiten willen, alles das zu tu nde, das man sú heisset, vnd in luter meinunge, so mag man sú jnnemen one o hindernisse vnde sú werdent350 keines armutes verdriessen351 noch gehorsamekeit noch penitencien. Sú sollent ouch ÿren öbersten oder denÿhenen, bÿ den sú sint, nit swer werden.352 Vnd verhenget ouch der schöpfer ettliche siechtage oder krangheit vff sú, das sol die andern nit besweren, vmbe der tugend willen, die sú an in mercken.353 Vnd were es, das man merckt o o jn irem zunemen oder fürgang, das sú ÿrem fleisch volgeten vnd suchten, beo sorgt zu sin,354 vnd blibent jn ir haertekeit oder verkertheit oder moutwillen vnd den rechten weg der tugende nit wölten gon, vmbe sollicher menschen o willen solte man in keinerleÿ wise die disciplin erlichtern oder gute sitten vnd tugent hinderlassen vnd abestellen, wen das hat noch Bernhard noch Anthonius noch Franciscus vnd vil ander heiligen nit geton. Vnd wie wol Franciscus vnder ÿme hatte etteliche brüder, die fleisch- vnd sÿnnelich leben o wolten, darvmbe ließ er die heilige armut nit hinder ÿme. Vnd die alsolliche sint, die sollent ÿr nach dem exempel uwers schöpfers, der Judas in siner geselleschafft leidt, nit vßscheiden oder vßsetzen, dan ÿr sollent sú liden. Jnen sol wol so als we werden,355 das sú von jn selber von uch sollent gon. Aber die in bekorunge sint, sol man lieplichen trösten vnd die, die dem fleisch volgen wellent, sol man scharpflich straffen.“ o Ouch seite er: „Zu einer zijt wart ich gefraget vnder allen swestern, were o es, das man sú zu scharpflich vermanet, so möchten sú hinweglouffen. Do antwurt ich: ‚Löndt sú louffen‘, dan do worent etteliche junge, krancke swestern gegenwertig. Hette ich da gesprochen, das man mit jnen smeÿo cheln solte, so hette ich ÿnen vrsache geben zu mee krangheit. Vnd das hant [...]356 etteliche für übel vffgenomen, dan sú hant es für übel verstanden, o darvmbe so hant sú es zu dem argesten geachtet.“ _____________ 349 der heilige geist...vsserkoren fründe] im Neuen Testament steht der Heilige Geist allgemein für das Wirken Gottes in der Welt. Durch ihn führt Christus in der Kirche seine Verkündigung fort. Es sind die Propheten und diejenigen, die Christus nachfolgen, die seine Wahrheiten aussprechen; siehe dazu auch den Kommentar (45) zum gaist der warhait. 350 werdent] würt C 351 verdriessen] hier mit Genitiv der Sache mit der Bedeutung „überdrüssig“. 352 nit...werden] „zur Last fallen“. 353 Vnd verhenget ...mercken] zur Funktion und Wirkung von Schwäche und Krankheit siehe die Kommentare (12)-(14) und (68). 354 vnd sţchten...zţ sin] „und bemüht sind, versorgt zu sein“. 355 Jnen...werden] „Ihnen wird es so schlecht ergehen“. 356 ÿr C

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Zu einer zijt sprach er von dem getruwen jn vnseren lieben herren. „Ich o o muß uch sine gutheit loben – vnd ich tun es nit gerne – das er nÿe geließ dieÿhenen, die in ÿn getruwent.“ Ouch sprach er: [...]357 „Möchtent ir o bekennen die liebe, die uwer schöppfer zu uch hat, es sölte uch verwundern, o o das ir ÿme nit me getruwent, dan ÿr nun dunt. Dan wer den andern gentzliche liep hat, der358 getruwet jm gentzlichen, das er in nimmer jn nötten geloso se. Darvmbe söllent ÿr gentzlich ÿme getruwen, der mit so grosser liebe zu uch gekert ist vnd ÿe ist gewesen.“ o Vff ein zijt beclagte ein swester, die andere swestern zu besorgen hatte, jre cleinmütekeit. Do antwurt er vnd sprach: „Jr solten uwer getruwen jn den schöppfer setzen vnd solten uch vor jme verdemütigen. Jr solten o uwern got nit versuchen, sunder ir sollent arbeiten vnd uwer brot gewinnen o mit uwern handen zu rechten zijten. Man sol vmb der arbeit willen kein [...]359 o gute sitten hinderstellen oder abelassen, dan wer do arbeit,360 wan es nit zijt o ist, vnd lasset darvmbe gute sÿtten vnd vbunge, der git dz meiste gt vmbe dz minste. Jr sollent uch ouch nit lassen beduncken, das ÿr das huß alleine vffhalten müssent mit uwer besorgunge oder arbeit, sunder ir sollent gedencken o demüteclich, das der schöpfer uwer geselleschafft ernert mit siner gutekeit. Getruwent ÿme, er sol uch me z) schicken, dan ÿr wol besorgen vnd erneren mögent.“ o Zu einer zijt sprach eine swester, das sú beduchte, das vnser lieber herre o vff sú nicht enachtet oder merckete. Do antwurt er: „Sehent darzu, swestern, das ÿr vff ÿn achtent vnd merckent, dan er mercket sere vff uch, vnd sehent o darzu, das ir mir vnd minen gesellen nit folgent, dan der schöpfer hat sere vff vns gemercket oder geachtet, aber wir wellent vff in nit achten vnd mero cken. Also sere achtet der schöpfer uff uch vnd alle menschen, das sine gutheit uch wol günde, das ÿr gingent mit golde behangen, were es uch nütze. Vnd er solde uch daz goldt gerne verlihen, were es uch nütze, aber es ist uch nützer, das ÿr gont mit gelappten oder gebletzten361 cleidern, vnd diewile uch das nützer ist, so behagent ir dem schöppfer baß jn gelapten cleÿdern, dan dz ir mit golde behangen gingent.“ o Zu einer zijt bekannte ein swester,362 das sú dicke willen hatte, ÿr alt leo ben zu bichten. Do antwurt er vnd sprach: „Es ist uch uwerm alten leben _____________ o

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ich C der] das C kein C Doppelschreibung arbeit] 3. Pers. Sg. Präs. Ind. von mhdt. arbeiten; Belege für die Schreibweise dieser Form im FWB, Bd. 2, Sp. 40. 361 gelappten oder gebletzten] „zerissenen oder geflickten“. 362 swester] swesterm C

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nit,363 dz uch gebristet, dan es sint uwer degeliche gebresten, jn den ÿr dicke o vbertrettent, wan ir zu vil merckent vff der swestern gebresten vnd o ziehent das dicke zu dem bössten, das in jm selbes nit böse ist. Vnd wan ÿr o o dan jn die kÿrche koment, so hant ir keinen zukere zu uwerm schöpfer, dan ir gedenckent der dinge, die ir gesehen oder gehört handt: ‚So hat die dis geseit, so hat die dis getan.‘ Vnd dovon hant ir dan ein böse, bitter consciencie vnd sint dan missetrösstig. Aber es ist vnmügelich, das wir einigen missetrost bringen mögent jn ein hertze, das gott liep hat, aber uch vnd uwer glichen, die vns so lichteclich volgent, bringent wir jn missetrosstunge. So o schickent uch darzu, das ÿr der andern swestern gebresten entschulo digent vnd ÿre werck zu dem besten ziehent. Vnd flissent uch, uwer selbes o gebresten vnd krangheit zu mercken, so sollent ir einen genedigen, barmo o o hertzigen got finden vnd ir sollent einen gantzen zuker tun zu uwerm schöppfer, den ir vmbe alle welt nit sollent geben wellen. Vnd ich sage uch, das ir eins vil swerer vrteils beiten364 sint von dem,365 das ir der andern wero cke also zu dem bössten ziehent, das dicke kein oder kleine gebresten sint, dan ir von uwern alten leben beiten sint.“ o Zu einer zijt wart den swestern gelesen vber tische von einer pine, die Tungdalus dem Ritter bewiset was,366 vnd das was ein tieff, finster dale vol bürnender kolen vnd hatte ein ÿsernen öberdeckel, der schein367 vj elen dicke vnd368 daroben vol bürnender kolen. Vnd der stanck, der dovon e öberdeging, was vber alle pin, die die selen vor gelitten. Vff den glugenden ckel kam ein grosse schare von selen vnd brantent369 daruff als grieben vnder einander gebraten werdent vnd gesmoltzen vnd das noch swerer370 ist.371 Dan wurdent sú alle durch den öberdeckel getrungen als wachs durch o ein duch vnd wurdent jn das vinster dale, das do was, vol bürnender kolen o getrungen. Vnd dan wurdent sú wider ernuwert zu grosser pine.372 _____________ 363 364 365 366

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Es...nit] „Es liegt nicht an eurem alten Leben“. beiten] mit Genitiv; siehe zum Verb beiten auch C, fol. und die Anmerkung dort. das ir...dem] „das ihr davon ein viel härteres Urteil zu erwarten habt“. Zţ...bewiset was] diese Textstelle ist ein Beleg dafür, dass die Höllenvisionen des Tundalus bei Tischlesungen rezipiert wurden; vgl. dazu auch C, fol. und SG1, S. . – Nigel F. Palmer konstatiert die Rezeption der exemplarisch zu verstehenden Bekehrungsgeschichte als Tischlektüre im Nürnberger Katharinenkloster für die Übersetzung C des Tundalus; ders., Artikel ’Tundalus‘ (dt. Prosaübersetzungen), in: 2VL 9, Sp. 1142-1146, hier Sp. 1143. schein] 3. Pers. Sg. Präs. Ind. von mhdt. schînen, hier mit der Bedeutung „sich zeigen“; Belege für diese Formbildung findet man bei Moser/Stopp (Hgg.), Gram. d. Frnhdt., Bd. 4, S. 286f., § 101. vnd...kolen] zu solchen Ersparungen siehe die Sprachbeschreibung zu C. brantent] 3. Pers. Pl. Prät. Ind. swerer] vom mittelhochdeutschen Adjektiv swære, swâr, hier mit der Bedeutung „qualvoller“. vnd das...ist] gemeint ist, dass die Seelen noch härter gebrannt werden als Grieben. Vnd...pine] gemeint ist wohl eine Erneuerung der Seelen, damit diese Prozedur wiederholt werden kann oder damit ihnen eine neue Qual auferlegt wird.

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Do dise sele dis sach, do erschrack sú sere vnd fragete den engel, der sú o o furte, was sünde die selen geton hetten, die zu diser pine verurteilt werent. o Do sprach der engel: „Diß sint die manslechtigen an vatter vnd an muter o o vnd diß ist die erste pin der,373 die solliche sünde tunt oder willen zu söllicher sünde gebent.“374 Do diß vber tÿsche gelesen wart, do sprach der böse geist: „Jr sollent dis nit allein verston von denjhenen, die uch getragen vnd geboren hant, sunder ouch von den, die uch noch degelich geberent375 vnd uwer krangheit tragent vnd ir sele für uch gesetzt hant.376 Wan377 die uch straffent, vermanent oder scheltent vnd ir das übel vffnement vnd uch vnwirdeco lich378 darwider hant, so379 gehörent ÿr380 alle zu der pine vnd sollent also o gebrant werden, das der dicke deckel als dünne wurt als ein duch, dardurch man wachs drucket.“ Vnd er sprach: „Werent ir miteinander vff dem deo ckel, ee ein aue maria381 söltent ir alle zu einer flackerflamen werden, also heiß ist es do vnd ist doch nit dan das fegefüre, vnd daz möchten ir hie abeo legen mit demütikeit, mit gelassenheit vnd mit ruten.“ Vnd er sprach fürbaß: „Yr ist vill, die wol wissent, das es sünde ist, das sú widerstrebig sint wider ir öbersten, aber sú bekennen nit dz strenge vrteil, das nach den sünden volgen sol.“ o Zu einer zijt lasent die swestern vigilie. Do was ein swester, der was o ettewas gesaget, dz sú nöte hort, vnd domit saß sú zu striten382 vnder der vi_____________ 373 der] oder C, fehlt SG1 374 vnd das was...gebent] die Textstelle ist eine Paraphrase aus den Jenseitsvisionen des Ritters Tondolus; siehe zu einer Prosafassung des 15. Jahrhunderts aus Mitteldeutschland oder Bayern N[igel] F. Palmer (Hg.), Tondolus der Ritter. Die von J. u. C. Hist gedruckte Fassung, München 1980, S. 51f., Zeilen 166-183. – Die Vision des Tundalus gilt als einflussreichste Jenseitsschilderung des Mittelalters. Im 12. Jh. im Regensburger Schottenkloster von dem irischen Mönch Bruder Marcus als Visio Tnugdali aufgezeichnet, wurde sie in sämtliche europäische Volkssprachen übertragen. Besonders für das 15. Jh., in dem die Beliebtheit des Textes ihren Höhepunkt erreichte, können die Schreckensszenarien der Vision des Tundalus in Kleriker- und auch in Laienkreisen als bekannt und als repräsentativ für die Vorstellungen vom Bösen im Jenseits vorausgesetzt werden; dazu Spreitzer, „Wie bist du vom Himmel gefallen...“, S. 191f. – Auch in Visionen dominikanischer Schwestern wird beschrieben, dass Engel die Schwestern Anna von Klingnau und Adelheid von Rheinfelden zu den Stätten des Entsetzens und der Strafen führen. Der Anblick und das Gejammer der Unglücklichen rief das Mitleid der Schwestern hervor und spornte sie zu Fürbitte und Buße an; siehe dazu Wilms, Das Beten der Mystikerinnen, S. 164. 375 geberent] vom mhdt. Verb gebern; hier mit der Bdtg. „erziehen“; Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 752. 376 Jr sollent...gesetzt hant] hier sind die Oberen der geistlichen Gemeinschaft gemeint. 377 Wan] hier. „wenn“; dafür Schiller/Lübben, MittelniederdtWb., Bd. 5, S. 584. 378 vnwirdeclich] wunderlich SG1 379 so] die C SG1 380 ÿr] fehlt C SG1 381 ee...maria] „noch bevor ein Ave Maria gesprochen wäre“; vgl. zur Übersetzung die Textstelle in SG1, S. : „(…) ee das ein ave maria gesprochen würd.“ 382 zţ striten] „gereizt“; dazu Lexer, MhdtHwb, Bd. 2, Sp. 1240.

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gilien. Vnd jn der bekorunge ging sú vß der bettekammen, da die swestern o die vigilien lasent, vnd ginge domit des obens zu bette sloffen, das sú ir krangheit hierjnne nit offenbaret vnd sich hervmbe ouch nit verdemüo o tiget.383 Do sú zu bette gangen was, do kam diser böse geist zu ir vnd o o o zoch ir alles gedecke abe vnd slug sú mit einer scharpfen ruten zu mal sere, das sú lenge darnach grosse pin darvon hatte vnd vill größer dan sú von menschen slegen gehebet hette,384 das ouch wol beschein385 an den grossen swartzen flecken, die sú lange zijt dovon behielte.386 Vnd er sprach o o zu ir: „Ich sol uch leren, wie ir den mundt zu halten sollent vnd die heiligen psalmen lassent vngelesen,“ vnd fraget sú, öbe387 er sú die gantze nacht also slüge, öbe sú ouch einiger hilffe wölte begeren. Do antwurt sú: „Ja!“ Do sprach er: „Warvmbe helffent ÿr dan denen nit, die also jn grosser o pine sint vnd in selber nit gehelffen mögent, vnd lassent dz vnderwegen zu o lesen, daz der schöppfer selber geordent hat, domitte man zuhilffe komen o sol? Vnd warvmbe sint ir als vnbarmhertzig zu denen, die in also grossen nöten sint, das sú lieber aller welte pin liden wölten dan den minsten slag, den sú von den tüfelen liden müssent?“388 Do fragte dise swester, öbe sú gott so sere erzürnet hatte domit, dz sú vbertreten hatte vsser ire krangheit vnd gebrestenheit. Do antwurt er: „Wan ein mensche vbertritt vsser krangheit, domit wil der schöpfer genedeclichen vnd milteclichen mitliden. Aber diß kam vsser eigener boßheit, wan es kam vß hoffart. Vnd du o were389 vnbarmhertzig czu den, die in selbes nit gehelffen mögent. Vnd ich390 sage dir: Die minste pin, die du darfür liden solt,391 darfür soltest du _____________ 383 384 385 386

387 388 389 390 391

das...verdemütiget] der nachgestellte Relativsatz bezieht sich auf das Wort bekorunge im Hauptsatz. vill...hette] vgl. dazu die Textstelle C, fol. . beschein] 3. Pers. Sg. Präs. Ind., von mhdt. bescheinen, hier mit der Bedeutung „sichtbar wurde“. Do sie... behielte] da der Dämon hier von außen angreift und physische Gewalt ausübt, handelt es sich nicht um Besessenheit. Dass Dämonen Schläge austeilen, ist häufig belegt, etwa bei Christina von Stommeln (1233-1312), Katharina von Schweden (ca. 1331-1381), Alanus von Rupe (1428-1475), Eustochia von Padua (1444-1469) und Veronika von Binasco (1445-1497); siehe dazu Peter Dinzelbacher, Angst im Mittelalter, S. 79 und 111. Auch Johannes Nider berichtet von einem ähnlichen Ereignis aus dem Nürnberger Katharinenkloster, wo einige Schwestern, die sich der Konventserneuerung widersetzten, nachts von Dämonen physisch gequält wurden; ders., De visionibus ac revelationibus s. Formicarius a. Dialogus ad vitam Christianam exemplo conditionum formicae incitativus, Helmstedt 1692, 5. Buch, 2. Kap., S. 535-537. In seinem Buch der Reformacio Predigerordens beschreibt auch Johannes Meyer solche luziferischen Aktivitäten gegenüber Schwestern; dazu Reichert (Hg.), Iohannes Meyer Ord. Praed., Buch der Reformacio Predigerordens, IV und V Buch, S. 35f. und S. 69. Gerade des Nachts konnten Dämonen ihren Einfluss besonders entfalten; vgl. Brinkerink (Hg.), Van den doechden der vuriger ende stichtiger susteren van Diepen veen, S. 189. öbe...öbe] hier: „wenn...ob“. Vnd warvmbe...denen] Vnd daurvmb sind ir jnen als vnerbarmhertzig ze dienen, die in also groesen noeten sind, das sÿ lieber aller welt pin liden wellent, denn den minsten schlag, den si von den tieflen liden muessent SG1 – In SG1 ist die Aussage des Satzes deutlicher. were] 2. Pers. Sg. Prät. Konj. von wësen, hier „bliebest“. ich] fehlt C, ic Bln solt] zu anderen Schreibweisen der 2. Pers. Sg. von soln in C vgl. fol. , und .

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liber liden aller martel pine, ich swige von der meisten pine, die du in dem o puncten verdient hest.“ Vnd er sprach zu ir: „Der schöpfer was nit blint, o dan sin ougen worent allezijt offen, vff dich zu sehen, wie du dich hieltest vnd schicktest.“ Vnd er fragte sú dicke, were sú in sollicher pine, obe sú ouch einiger hilff begeren wölte, vnd domit slug er sú. Do wart er gefraget, obe ouch die vigilien den selen in dem fegefure vil hilffent. Do antwurt er vnd sprach: „Wan man die vigilien andechteclich vnd ÿnneclich liset, so hant sú392 grosse erluchterunge dovon o vnd zu dem minsten so müssent wir fliehen davon alß lange vnd als kurtz als dane393 der schöpfer ordenieret oder verhengt. Jr möchten sú ouch also lesen, das sú ÿnen nit vil helffent, aber darfür söllent ir noch ettwaz liden, dan es ist nit one sache geschriben: ‚Daz volck eret mich mit den lefftzen, aber ÿr hertze ist verre von mir.‘394 Es würt ouch uch nit vergebens hingon, wan ir uwer getzijt als vnandechteclich lesent.“ o o Fürbaß sprach er zu der selben swester, die er also slug: „Diewile dir eto tewas geseit wurt von diner hoffart, die dir zu sere anhing, so vrteiltest du die, die dir es seite, das sú were stoltz vnd vermessen, vnd sú dett es doch o vß liebe vnd ir consciencie czwang sú darzu vnd ouch, dz es ÿr befolhen o was zu sagen. Aber du bist also vol hoffart, das du es nit geliden maht,395 das ÿemant vber dich ist oder das ÿemant dich wise, dan dich beduncket, o o das du wise genug sigest, ander lüte zu vnderwisen. Aber ich sage dir, es were dir nit nütze, das du einigen gewalt hettest vber ÿemants, dan du gewünnest vil ÿttel glorie dovon vnd soltest dicke diner eigenen boßheit darjnne volgen. Vnd ich sage uch, das alle dieÿhenen, die sollich ding begerent, jn dem, das sú es begerent, so werdent sú es vnwürdig vnd ouch der, der396 solliche ding begert oder einig ding, darjnne er gesehen vnd geachtet o begert zu sin von den menschen – vnd were es ouch, daz er das nit me dan ÿnnewendig in dem hertzen begert oder darnach st(nde vßwendig. Vnd ist es, das er es erwürbet, als ettelichen beschehen ist, die nit abeliessent, sú müsstent397 ettewas geschefftes vßwendig han vnd das erwürbent,398 aber o es was ÿnen zu ÿrem ewigen schaden. Doch darvmbe sollent ir nit für übel o han, das das dieÿhenen dunt, die ettliche ampt vssewendiger dinge hant oder die uch regierent, sunder ir sollent mitliden mit jn han vnd mercken, was swe_____________ 392 sú] gemeint sind die Seelen. 393 dane] es SG1 394 Daz volck...von mir] siehe dazu die Erläuterung in der Edition von SG2 zu Z. 1451-1453 und den Kommentar (87). 395 maht] 2. Pers. Sg. Präs. Ind. 396 ouch der der ] wer C, abweichend SG1 397 müsstent] 3. Pers. Pl. Prät. Konj. 398 sú müsstent...vßwendig] elliptischer Satzteil, gemeint ist sinngemäß: sie waren der Auffassung, etwas Einfluss haben zu müssen.

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rer last399 vff sú geleit ist, vnd dancken uwerm schöpfer, das dz loß vff uch nit gefallen ist, vnd soltent uwern lieben herren fur sú bitten, das er ÿnen gnade gebe, das sú in nit ertzürnten vnd das er ÿr hertze erfüllen welle mit siner o vorchte, dan sú bedörffent grösser vorhte zu haben dan die, den nüst vßwendiges bevolhen ist. Vnd als dicke als uch ein missevallen oder vnwillen vff sú inkument, so sollent ir für sú bitten vnd gedencken vff den grossen last, der ÿnen vffgeleit ist. Oder hant ÿr einig tugendt an in gemercket, daran sollent ÿr gedencken vnd also mögent ir ledig werden des vnwillen oder missehagen gegen sú vnd uwer hertze sol berüret werden mit mitliden vnd gütlich von ÿnen o zu fölen.“ o Do sprach dise swester, sú wölte nun an sich selber mercken.400 Do seio o te er zu ÿr: „Da solt du also vil an zu gedencken han, das du vff nÿemans anders mercken bedarffst.401 Vnd ist es, das du dabÿ blibest, so bist du in dem rechten wege der demütikeit.“ Vff ein zijt sprach ein swester, das sú also vil vßwendiger bekümbernisse o hette, das sú kein zijt hette, das sú sich zu vnserm lieben herren geben möcho te. Do antwurt er ir vnd sprach: „Du hest allewegent zijt, dich zu ÿme ze geo ben vnd ze wenden, dan also gebent ir uch zu uwerm schöpfer als ir uch in gehorsamekeit gebent.“ Fürbas sprach er: „Sage mir, waz hindert den, des hochzijt an sonnendag402 jn dißer wochen was, das er vill vssewendiger bekümbernisse hatte, diewile er lebete?“ Vnd er meinte Sant Gregorius, des hochzijt jn der selben wochen am samstdag gewesen was.403 Do beclagete dise swester, das sú mit vssewendiger bekümbernisse gantz dürre von o hertzen wurde, recht als obe sú von gotte nüst wüste. Da sprach er zu ir: o „Nit murmere wider denjhenen, der bereit ist, dir alle gnade zu geben, dan o es ist din schuldt, das du also dürre,404 dan du güssest vß din hertze zu sere _____________ 399 last] hier noch als Maskulinum gebraucht. 400 an sich selber mercken] hier mit der Bedeutung „auf sich selbst achten“; dazu Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 2112. 401 bedarffst] bedarffts C – Die 2. Pers. Sg. Präs. Ind. von mhdt. bedurfen lautet bedarf; siehe Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 142. Im 15. Jh. wird diese Form zunehmend durch angeglichenes bedarfst verdrängt; siehe dazu PWG, S. 263, § 272. 402 des...sonnendag] gemeint ist hier ein ’Tag der Sonne‘, ein Tag des Feierns; siehe zu dieser Bedeutung Arthur D. Avedision, Zur Wortgeographie und Geschichte von Samstag/Sonnabend, in: L. E. Schmitt (Hg.), Deutsche Wortforschung in europäischen Bezügen. Untersuchungen zum Deutschen Wortatlas, Bd. 2, Gießen 1958, S. 231-264, hier S. 236. Im folgenden Satz wird klar, dass es sich um einen Samstag handelte. Der Samstag galt als Glückstag, an dem zum Beispiel gern Hochzeiten gefeiert wurden. Die Kirche hatte den Samstag zum Marientag bestimmt (ebd. S. 241). Hier ist der Gedenktag des Kirchenvaters und Papstes Gregor gemeint, der auf einen Samstag fiel. 403 Sant Gregorius...was] der Gedenktag von Gregor dem Großen wird am 3. September begangen; dazu Wilhelm M. Gessel, Artikel Gregor, Päpste: Gregor I., in: 3LThK, Bd. 4, Sp. 1010-1013, hier Sp. 1010. 404 nach dürre] zu solchen Ellipsen siehe die Sprachbeschreibung zu C.

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vff vsserliche dinge. Jr sollent mit den henden dz wercke gehorsameclichen o dun, aber die ÿnnewendigen kreffte uwer selen soltent ir nÿeman geben dan uwerm schöpfer.“ Vff ein zijt sprach ein swester, sú wolte, das sú dises sathanas oder bösen geistes ledig were405 von406 den swestern. Do antwurt er wider o vnd sprach: „Das solte uch in der ewigkeit ruwen, das ir nun qwit407 oder ledig werent, vnd das ist vmbe zwene artickel: Der eine ist, das ich uch das fegfür abenÿm mit den verdrieß, den ich o uch degelich andun, darfür ÿr hernach vngelich swerer pine müsten liden, were es sache, das ich es uch also nit abeneme, dan uwer ettliche sint als trege, das sú ÿnen es selbes nit deten.“ Vnd er fragete etteliche swestern, die er also beschuldiget, obe es nit wor were, vnd sú bekantent die worheit, das es also mit ÿnen were, dan es also offenbar mit ÿnen was, das sú es nit möchtent gelucken.408 „Der ander artickel ist entberunge der grossen glorie, die ÿr nach disem leben wider entphohen söllent vnd in der ewigkeit darvmbe besitzen o sollent, ist, dz ir nun voilleclichen lident vnd vertragent den verdroß vnd o e mugenisse,409 die ich uch von verhengnisse uwers schöpfers antun.“ Vnder den swestern was ein swester, eine von den ältesten, vnd sú was sere eigenwise vnd hatte allezit nötte, das sich die andern swestern vß dio ßer vermanunge besserten vnd zunement an tugenden, vnd sú glosierte410 es alles in verkertheit, wo sú möchte. Vnd dovon411 die andern wurdent gebessert, davon wart sú verhertet. Vff ein zijt hettent die swestern sú gerne vnderwiset, aber sú bleip alles o o vff ÿrer wise stÿffe. Do sprach er zu den andern swestern: „Nun merckent o ir wol, wie swere es ist an eigenwisen menschen zu bekerende. Wer eigenwise ist, der ist hoffartig vnd ein glichssener, dan sine hoffart bedecket er mit siner glissenerije,“ vnd sprach ouch: „Sehent, dz ir uwer beduncken nit oben setzent, sunder allezijt nider biegent, das ist, das ir uwer beduncken vnd fölen allewegen vnder eins ander fölen vnd beduncken setzent vnd also mögent ir aller stricke der eigenen wißheit entgon.“ Vnser lieber herre Jhesus Cristus gap dißer swester, die also mit dem o bösen geiste bekumbert was, dise gnade, das sú gerne alle menschen zu tugenden zoch, wo sú möchte, vnd das sú fürderlich waz in ÿrer vermanun_____________ 405 406 407 408 409 410 411

ledig were] ledig werent C, wer abkumen SG1 von] hier mit der Bedeutung „vor“. qwit] von mhdt. quît („los“ bzw. „frei“); Lexer, MhdtHwb, Bd. 2, Sp. 327. gelucken] von mhdt. lougenen, loukenen („leugnen“); Lexer, MhdtHwb, Bd. 1, Sp. 1969f. m(genisse] mügung SG1 – von mhdt. müeje („Beschwerde“ bzw. „Mühe“). glosierte] von mhdt. glosîeren („auslegen“). dovon] hier „wovon“.

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Teileditionen des Redaktionstextes 2 aus C und SG1

ge vnd straffunge also, das sú ouch alle anderen swestern vorchtent vnd jn würdikeit hatten, wiewol412 der böse geist det den swestern durch sú groß wunderlich413 liden vnd verdrieß an, also manigen menschen das wol kundt o ist. Darvmbe flißtent sich die jungen swestern gerne, mit ÿr zu spreo chen von den gebresten, vnd horten ouch gerne sú ettewas gutes sagen. Do was ein swester, die bekannte, das sú hatte gedocht, diewile die swestern ir mit fleischlicher liebe414 anhingent, das sú es nüt möchte verlieren, die liebe vnd das anhängen gottes.415 Do sprach der böse geist: „Ich sage uch, das die swestern vorhin416 nÿe gotte als gentzlich anhingent, als sú o sÿthar geton hant, sÿdt das sú bÿ den417 swestern wider418 zu wonende komen sint.419 Vnd das mögent ir offentlich mercken jn vier puncten: o o Zu dem ersten, das sú sich nÿe vorhin zu sollicher demütikeit gabent, als sú sithar geton hant. o Zu dem andern, das sú nÿe vorhin min vnd miner gesellen jngebunge als clerlich erkanten als sú sÿthar getan hant, vff daz sú sich darvor hüten möchten, obe sú wellent. o Zu dem dritten, daz sú nÿe vorhin als vil penitencie detten, das ist sölliche dinge, die sú nöte dettent, als sú sÿthar hatten gethon. Das vijerde ist, das sú vorhin nÿe als bereit worent, jren eigenen willen o o zu lassende als sú nun sint.“ Vnd were es ouch, das die swestern ÿnen420 fleischlich anhingent vnd werent dan dise puncte in ÿnen, sú verlürent sú o allzu male mit der fleischlichkeit wider. „Darvmbe merckent vnd weckent vff421 uwer verstentnisse, dz uwer geist, der uch dis ingit, uch lügen ÿngit. Vnd diejhenen, die mer jnnewendig erluchtet sint vnd tugendsamer, o o die mag man wol lieber han oder mer zu neÿgunge des hertzen422 dan zu den andern. Doch sol man darvmbe die andern nit versmohen oder versumen, dan das hant423 uwer schöpfer selber nit424 gethon.“425 _____________ 412 wiewol] „obschon“. 413 groß wunderlich] „viele wunderbare“. 414 fleischlicher liebe] vgl. zum Terminus C, fol. . Hier dürfte allgemein menschliche Zuneigung gemeint sein. 415 das anhängen gottes] „die Verbundenheit mit Gott“. 416 vorhin] „früher“. 417 den] die C 418 wider] hier mit der Bedeutung „miteinander“; Lexer, MhdtHwb, Bd. 3, Sp. 825. 419 sint] ist C 420 ÿnen] ÿr C 421 weckent vff] „öffnet“; Lexer, MhdtHwb, Bd. 3, Sp. 721. 422 die mag man...hertzen] siehe zu solchen Ellipsen die Sprachbeschreibung zu C. 423 hant] fehlt C 424 nit] fehlt C 425 dan...gethon] vgl. dazu C, fol. .

Teiledition Die besessene Schwester Agnes nach C (Redaktion 2)

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Dise swester, die also mit dem bösen geist bekumbert wz, was sere beo sorget, das sú zu einer bösen friheit oder stolzheit möchte komen vnd der schamheit möchte vergessen vnd der demütikeit vnd sich selber möchte vberhaben vß dem, das ÿr426 die andern swestern sich demütigtent427 vnd ÿre gebresten vnd krangheit ÿr offenbartent vnd bekantent. Vnd mit dißer sorge was sú dicke ÿrem bÿchtvatter widerston428 vnd dett es nötte, daz sú der andern swestern gebresten horte. o o Zu einer zijt sprach sú, das sú es nit getun könde vnd sprach, das sú domitte stoltz vnd vermessen möchte werden vnd die demütikeit vnd ander gnaden domit möchte verlieren. Do sú das hatte gethan,429 do piniget sú o der böse geist zu mole sere, da die andern swestern gegenwertig worent. Do o sprach der böse geist zu den andern swestern: „Sehent, daz sú herÿnne also vnderscheiden wil,430 dz kompt vß vorcht vnd demütikeit, aber diewile es wider die gehorsamekeit ist, so ist es dem schöpfer nit geneme vnd geo o fellig, dan er wil, das sú einfalteclich tun, dz sú ÿr bÿchtvatter heisset tun, dan kein demütikeit oder bescheidenheit noch kein tugent ist dem schöpfer wol gefallende,431 die wider die gehorsamekeit ist.“ Vff ein zijt dett die swester ein ding, das ÿr bÿchtvatter ÿr verbotten hatte. Vnd es kam ÿr ouch wol für, das es ÿr verbotten was, nochdan dett sú es. Darvmbe pÿnget sú der böse geist also sere, das sú kume gereden möchte oder ein glide geregen. Do wart er gefraget, warvmbe er das dete. Do sprach er: „Darvmbe, das sú nit abeließ von ÿre grossen sorgfeltikeit432 in den dingen, die ÿr verbotten sint.“ Wiewol es nochdan ettewaz rede oder sache in ÿme hat, es solte im wol rede vnd vorchte wert beduncken das,433 dz sú besorgete.434 Vnd were es, das sú nit were vnder der gehorsamekeit,435 so hette es wol groß vffmercken in ÿme, dz sú billichen grosse forchte vnd sorge jn den puncten gehebt sölte han.436 Aber diewile es ir bÿchtvatter ÿr _____________ 426 ÿr] sú C 427 sich demütigtent] gemeint ist, dass es ihr Sorgen bereitete, dass sich die anderen Schwestern ihr gegenüber demütigten. 428 dißer...widerston] „diese Besorgnis hatte sie ihrem Beichtvater verschwiegen“. 429 hatte gethan] hier: „gesagt hatte“. 430 daz sú vnderscheiden wil] „das sie sich hierzu erklären will“. 431 wol gefallende] siehe zur Form Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 414, § S 210. 432 sorgfeltikeit] von mhdt. sorcveltekeit, hier im Sinne von „Eifer“ gebraucht; dazu Grimm, DWb, Bd. 16, Sp. 1797f. 433 das] gemeint sind die Sorgen der Schwester, die auf fol. - angeführt sind. 434 Wiewol...besorgete] zu Sätzen mit Nachfeld siehe Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 434, § S 245. 435 vnder...gehorsamekeit] „in der geistlichen Gemeinschaft“. 436 Wiewol es...sölte han] „da es noch etwas Verstand und Pflichtgefühl in ihm gab, so sollte ihm das, was sie besorgte, wohl Verantwortung und Respekt wert sein. Vnd wäre sie nicht in der geistlichen Gemeinschaft geblieben, so wäre es ihm gewiss aufgefallen, dass sie äußerst besorgt war wegen dieser Verfehlung“.

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Teileditionen des Redaktionstextes 2 aus C und SG1

verbotten hatte vnd sú das wol wuste vnd darüber vngehorsam was, o o dz waz alzu groß. „Vnd sú soll noch me darfür müssen liden, dan ich ÿr nun angeton habe.“ Do wart er gefraget, öbe sú mer darfür m(ste liden, sú hette o doch alzu vile darfür gelitten. Vnd diewile es ÿr also leit was von hertzen vnd o sú ouch vnserm herren gelobt hatte, das sú es nit me dun wolte, vnd ouch so demüteclich vergebunge batt, do seite er: „Es mag nit vngepinigt bliben, sú sol harnach vil me müssen liden.“ Do sprochent die swestern, ein jegliche für o sich selbes, wie sú dun solten, dan sú dicke vngehorsam werent. Do sprach er: „Was hie jn diser zijt nit abegeleit würt, das sol hernach mit grossen slegen von dem tüfel abegeleit werden.“ o

Vnd es geschach, das437 die vorgenante geistliche muter der obegenanten o swestern sterben solte. Do frogten sú die selben swestern,438 welhe sú zu eio ner geistlichen muter soltent erwelhen. Do antwurt sú vnd sprach: „Swester o Agnese!“ Das was nun die, die mit dem bösen geist besessen was. Do sprochent die swestern: „Sú ist doch mit dem bösen geist bekümbert.“ Do anto wurtet die muter: „Also balde ich dot bin, so wirt sú ledig von dem bösen geist.“439 Also beschach es ouch.440

4. Hinweise zur Teiledition von SG1 Auch für die Teiledition von SG1 gelten die Richtlinien, die für die Edition des Redaktionstextes 1 erarbeitet wurden.441 Abweichend hiervon erscheint, wie bei der Teiledition von C, keine Zeilenzählung, weil nur die zweite Hälfte des Textzeugen vorgelegt wird. Textpassagen der Teiledition von SG1, die mit dem Wortlaut der Edition des Redaktionstextes 1 übereinstimmen, wurden nicht getilgt, da der Textteil von SG1 für sich verständlich sein soll. _____________ 437 das] do C, das SG1 438 die selben swestern] gemeint sind hier die Schwestern des Hauses. Wenn das Ende einer Schwester nahte, wurde laut hörbar auf eine Holztafel geschlagen (taveln), damit alle Schwestern des Konventes ihre Arbeit unterbrachen, um an das Sterbebett zu eilen; vgl. Lewis, By Women, for Women, about Women, S. 246. 439 Also balde...geist] deutlich wird hier Besessenheit als Prüfung gekennzeichnet. Agnes hat die Prüfung bestanden und sich damit als geeignet für das Amt der Mater erwiesen. Der Zustand des diabolischen Einflusses ist nicht länger erforderlich. Dass ausgerechnet der Tod der Mutter der Sammlung diesen Zeitpunkt bestimmt, ist für die Schwestern nichts Ungewöhnliches, denn spezielle Gnadenerweise waren häufig direkt mit dem Sterben bzw. mit dem Tod verbunden; siehe für den Zusammenhang von Gnadenerweis und Tod Lewis, By Women, for Women, about Women, S. 166-170. 440 Der Epilog (Vnd es geschach, das...es ouch) ist von der selben Hand mit anderer Tinte geschrieben. 441 Siehe dazu Kapitel IV, Pkt. 2.

Hinweise zur Teiledition von SG1

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Um eine rasche Orientierung zu ermöglichen, stehen in der Teiledition von SG1 jeweils in spitzen Klammern die Folioangaben der Handschrift. Auf die bisweilen nicht ganz konsequente Seitenzählung ist ausdrücklich hinzuweisen. So folgen nach Seite die Seiten und . Nach Seite wurde der Text vom Schreiber unterbrochen und erst auf Seite fortgesetzt. Bei der Wiederaufnahme des Textes gingen etwa zwei Zeilen verloren. Absätze im Textzeugen sind in der Handschrift jeweils durch die Wörter not beziehungsweise nota kenntlich gemacht. Diese Absätze wurden unter Belassung dieser Kenntlichmachung in die Teiledition übernommen. Sofern es erforderlich war, wurden zusätzlich nach Sinneinheiten Absätze eingefügt, um den Text übersichtlicher zu gliedern. Zur Teiledition von SG1 wird kein Apparat geboten. Jeweils am Seitenende stehen aber in Anmerkungen Erklärungen zum Verständnis der Inhalte. Außerdem erfolgen hier Querverweise und Hinweise auf Quellen, gegebenenfalls auch Kommentare zu einzelnen Textstellen. Bisweilen wird auf den Stellenkommentar zur Editon des Redaktionstextes 1 beziehungsweise auf Kommentare zur Teiledition von C verwiesen. Besserungen erfolgen nach C, sofern die Textzeugen zusammengehen, sonst nach dem Wortlaut der Edition des Redaktionstextes 1. Fehler in Teilen, die nur in SG1 vorkommen, werden nach dem Sinn gebessert. Alle Besserungen erscheinen im Text kursiv und werden in Anmerkungen nachgewiesen. Die der Teiledition vorangestellte kurze Sprachbeschreibung des Textzeugen, die weitgehend wie die Sprachbeschreibungen zu SG2 und C gegliedert ist, soll vor allem die Herkunft von SG1 belegen. Außerdem werden anhand von Beispielen sprachliche Besonderheiten herausgestellt.

5. Sprachbeschreibung des Textes in der Handschrift SG1 5.1. Auffälligkeiten von Schreibung und Lautung Manche Vokalschreibungen deuten darauf hin, dass der Schreiber des Textzeugen aus dem schwäbisch-alemannischen Sprachraum stammte oder dass von einer schwäbisch-alemannischen Textvorlage abgeschrieben wurde. In den Wörtern schwoester und schoepffer wird mhdt. /e/ durchgehend als geschrieben, was im Schwäbischen häufiger zu beobachten ist.442 Ausgenom_____________ 442 Siehe zu dieser sprachgeschichtlichen ’Zwischenstufe‘ im Schwäbischen des späten Mittelalters Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 51, § L 19 und Weinhold, Alem. Gram., S. 82.

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Teileditionen des Redaktionstextes 2 aus C und SG1

men hiervon sind die Seiten , die von einer anderen Hand geschrieben wurden. Auf diesen Seiten findet man die Schreibweisen s(ch)woster, swöster und schöpffer, schopffer.443 Die im Alemannischen übliche Lautzufügung mit langem auslautendem /î/ kommt gelegentlich vor wie etwa in den Wörtern gehorsam(m)i (S. , , , ) oder schweri (S. ).444 Für steht initial recht häufig -longa ().445 Für steht selten auch wie etwa im Wort iar (S. ). Medial und final erscheinen auch und sowohl in vokalischer als auch konsonantischer Funktion. In Superlativformen, wie in nidrosten (S. ) und obrosten (S. ), tritt /o/ für mhdt. /e/ ein, was für das Alemannische belegt ist.446 Weniger im Alemannischen als im Bairischen, Westschwäbischen und Fränkischen sind Schreibungen mit für mhdt. beziehungsweise für mhdt. belegt,447 wie sie im Textzeugen etwa in den Wörtern daurnach (S. , ) und daurvff (S. ), daurzuo (S. , , , und ), iaur (S. ) und häufig in daurvmb und in grouß vorkommen. Mittelhochdeutsch /u/ (/v/) beziehungsweise /ü/ werden bisweilen als () geschrieben wie oft in muigen und vins manchmal in suind (u.a. S. , ), uibel (S. ), fuir (S. ) beziehungsweise fuirbas (S. ).448 Des Weiteren tritt die Digraphie mitunter für mhdt. /iu/ ein wie etwa in uich,449 obwohl die Schreibweise üch im Textzeugen am häufigsten vorkommt. Synkopierung findet man nur bisweilen {z. B. ÿsnen (S. ), besesne (S. ), gelogn (S. ), enpfachn (S. )}. Als Diakritika kommen vor: (/), und , seltener , < > und . Anders als in den Textzeugen SG2 und C erscheint

für in Verhärtungsstellung450 unter anderem in den Wörtern leptag (S. ), liplicher beziehungsweise liephlichen (S. ), liepsten (S. ), hoephter (S. ), erlopt (S. ), vertript (S. ). Wie in SG2 und C kommt auch der Sproßvokal

nach vor so etwa in schampt (S. ), kumpt (S. ) und genempt (S. ).451 _____________ 443 444 445 446 447 448 449 450 451

Dazu Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 76, § L 36. Belege dafür findet man bei Moser/Stopp (Hgg.), Gram. des Frnhdt., Bd. 1.2, S. 101-116. Vgl. Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 43, § L 13. Weinhold, Alem. Gram., S. 27f. Dazu Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 59f., § L 28. Von Weinhold, Alem. Gram., S. 71, als selten bezeichnet. Zu als Digraphie für siehe Weinhold, Alem. Gram., S. 70. Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 88f., § L 45. Ebd. S. 135, § L 61.

Sprachbeschreibung des Textes in der Handschrift SG1

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Bisweilen tritt eine Schärfung von zu auf452 wie in opfenbarung (S. ).453 Die Konsonantenfolge kommt oft auch in überladener Schreibung vor, so vor allem im Wort schoeppffer (u.a. S. ). Erheblich seltener als in SG2 stehen Konsonantendoppelungen. Zu erwähnen ist der im Auslaut häufige Doppelgraph wie in geuallentt (S. ), werckett (S. ), gott (S. ), scheltentt (S. ) und auch in istt (S. ).454 Die Konsonantendoppelung kommt ausschließlich inlautend vor, erscheint lediglich im Auslaut {z. B. fliß (S. ), alß (S. ), diß (S. )}. Der Digraph steht gelegentlich für mhdt. wie in threchen (S. ), ethlichen (S. ), bethrachtent (S. )455 und für mhdt. wie in jethlich (S. , ). Die Digraphe und treten zur Schärfung für ein. Der Trigraph wird ab Seite (Schreiberwechsel) vor nachfolgendem zu vereinfacht, es steht also .456 In der Vorbemerkung erscheint der Trigraph statt wie in gaischlichen, (S. ), was im Alemannischen häufig vorkommt.457 Intervokalisch steht zuweilen in graphemischer Opposition zu 458 wie etwa in heiset beziehungsweise heisen (S. , ), lasen(t) (S. , ) und in fasen (S. ). In initialer Stellung erscheint öfter als man es im Alemannischen erwarten würde. Abweichend davon steht initial fakultativ für vor und 459 in Wörtern wie claffen (S. ), creaturen (S. ), cristan (S. ). Die mediale und finale Regelgraphie für /k/ lautet durchgehend .460 In den Wörtern Jhesus und zuweilen in der(die)jhenen erscheint in Verbindung mit die h-Graphie.461 Selten steht für wie in gl)genden (S. ).462 In einigen Wörtern – wie etwa in arcznig (S. ) und oft in sig – wird durch < g> ersetzt.463 Ebenfalls selten ist der Einschub von wie etwa in vnkunscheit (S. ).464 _____________ 452 Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 129, § L 58. 453 Siehe dazu Weinhold, Alem. Gram., S. 122. 454 Dazu Weinhold, Alem. Gram., S. 139 u. Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 95, § L 47. 455 Vgl. Weinhold, Alem. Gram., S. 134 und 137. 456 Dafür ebd. S. 155. 457 Weinhold, Alem. Gram., S. 161. 458 Dazu Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 110-114, § L 52f. 459 Ebd. S. 101, § L 49. 460 Vgl dafür ebd. S. 101, § L 49. 461 Siehe dazu ebd. S. 120 § L 55. 462 Dazu Weinhold, Alem. Gram., S. 182. 463 Siehe dafür ebd. S. 182ff. 464 Vgl. dazu ebd. S. 169f.

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Teileditionen des Redaktionstextes 2 aus C und SG1

5.2. Besonderheiten von Formen und Syntax 5.2.1. Verben und Negation des Verbs Das Präteritum-Suffix und der zweite Bestandteil des Partizips II lauten zuweilen 465 wie etwa in den Wörtern gecruczgot (S. ), demuetigote (S. ), vermanote (S. ), weinotent (S. ), versundoten (S. ). Die Präsensflexion von Präterito-Präsentien endet in der 2. Pers. Sg. Präs. Ind. auf {z. B. du macht (S. ), du solt und du bedarfft (beide S. )}.466 Die Pluralbildung erfolgt wie in den Textzeugen C und SG1 für die 1., 2., und 3. Pers. Präs. Ind. als Einheitsplural. Als Endungen kommen am häufigsten , und vor, bisweilen aber auch , und .467 Die 1. Pers. Sg. Präs. Ind. erscheint bem Verb sagen (S. ) in der Form des Infinitivs.468 Die 2. Pers. Pl. Präs. Ind. des Verbum substantivum sîn lautet jr sind, für das Part. Prät. von sîn steht, wie im Alemannischen häufig, gesîn469 (zum Beispiel S. , ). Die 2. Pers. Pl. Präs. Ind. von mhdt. soln/suln wird entweder auf jr sond, jr sollent oder jr soellent gebildet. Das Verbum wellen erscheint in der 2. Pers. Pl. Präs. Ind. als jr wend oder jr wellend.470 Die 3. Pers. Sg. Präs. Ind. von mhdt. komen lautet neben kumpt (u. a. S. ) und apokopiert kum (S. ) auch kunt (z. B. S. , , ). Diese Form ist gerade im Südalemannischen belegt.471 Die Negation des Verbs erfolgt durch das Negationswort nit (nitt, nüt). Nur an einer Stelle steht noch die Verneinungspartikel (enkuinde, S. ). Nit steht aber auch für „nichts“ (z. B. S. ) und vom Neuhochdeutschen gesehen pleonastisch etwa nach dem Verb hüeten: 472 „Daurvmb huetend üch, das ir mit vngelichen personen nit redent (...)“ (S. ). _____________ 465 Dazu Weinhold, Alem. Gram., S. 335. 466 Vgl. dafür PWG, S. 260, § 269, Anm. 2 c. – Die Entwicklung der 2. Pers. Sg. Ind. verlief bei den Präterito-Präsentien unterschiedlich. Während du solt bis ins 16. Jahrhundert die vorherrschende Form war, findet sich du maht im 15. Jahrhundert nur noch selten und konkurriert bereits mit du magst; siehe Wegera, Morphologie des Frühneuhochdeutschen, S. 1317. 467 Zu diesen Endungsflexiven siehe Moser/Stopp (Hgg.), Gram. d. Frnhdt., S. 197, Anm. 11. 468 Siehe dazu Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., § M 88. 469 Dazu PWG, S. 272, § 282, Anm. 3. 470 Ebenso wird die 1. Pers. Pl. Präs. Ind. gebildet (wir wend; z. B. S. ). Siehe zu dieser für das Spätalemannische charakteristischen Formenbildung PWG, S. 266, § 277, Anm. 4. 471 Ebd. S. 173, § 160, Anm. 4. 472 Siehe dafür Reichmann/Wegera (Hgg.), Frnhdt. Gram., S. 428, § S 234.

Sprachbeschreibung des Textes in der Handschrift SG1

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5.2.2. Adverbien, Adjektive und Pronomina Das Wort eigen kommt überwiegend mit der Schreibweise eigne vor, auch in Komposita, die mit eigen gebildet werden {z. B. eignewillige (S. )}. Bei einigen Adjektiven erfolgt die Verteilung der starken beziehungsweise schwachen Endungen anders als heute üblich:473 Vnd er fragt die eigenwilligen schwoester (...) (S. ). (...) aber die jnwendigen krafft der sell soltent jr nieman geben, den vwerem schoppfer. (S. ).474 (...) diser boes(s)er geist (…) (S. und ). (...) nach siner menschlicher nattur (...) (S. ). (...) ze einer flackender flamme (...) (S. ).

Das Adjektiv ander ist häufig nicht flektiert: Die kranckheit, die si den hett, moecht ir ouch wol werden von ander spis, die si denn begert. (S. ). (...) über all ander tugent schinet demuetige gehorsamkeit (...) (S. ).

Das reflexive Personalpronomen der 3. Pers. erscheint im Dativ noch als im (Sg. Mask. und Ntr.) beziehungsweise inen (Pl.):475 Vnd wer ouch das werck klein an im selber (...) (S. ). (...) ob ein mensch warlich in im die liebÿ gottes hette (...) (S. Spiegel der Vollkommenheit< in deutscher Sprache. Eine überlieferungsgeschichtliche Edition, Bde. I und II, Michigan: Univ. Microfilms Internat. 1994. Roth, Ferdinand Wilhelm Emil (Hg.), Aufzeichnungen über das mystische Leben der Nonnen von Kirchberg bei Sulz Predigerordens während des XIV. und XV. Jahrhunderts, in: Alemannia 21 (1893), S. 103-148. Ruberg, Uwe, Beredtes Schweigen in lehrhafter und erzählender deutscher Literatur des Mittelalters. Mit kommentierter Erstedition spätmittelalterlicher Lehrtexte über das Schweigen, München 1987 (= Münstersche Mittelalter-Schriften 32). Ruh, Kurt (Hg.), Franziskanisches Schrifttum im deutschen Mittelalter, Bd. 1, München 1965 (= MTU 11) und Bd. 2, München 1985 (= MTU 86). Schmidt, Wieland, Ein Bücherverzeichnis des St. Katharinenklosters zu Nürnberg, in: ZfB 47 (1930) S. 161-168. Schmitt, Margarete (Hg.), Der große Seelentrost. Ein niederdeutsches Erbauungsbuch des vierzehnten Jahrhunderts, Graz 1959 (= Niederdeutsche Studien 5).

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Register Der Modelltext Die besessene Schwester Agnes wird wegen seiner eingehenden Behandlung in der Arbeit weder im Register der Handschriften noch im Werkeregister aufgeführt. Die sehr große Anzahl von Fundstellen, die hätte aufgenommen werden müssen, würde eher verwirren als Orientierung schaffen. Die einzelnen Schritte der Edition und Untersuchung dieses Textes können dem Inhaltsverzeichnis entnommen werden.

Handschriften Augsburg, Universitätsbibliothek, Cod. III. 1.4° 42: 434, 436, 438, 492 Cod. III. 1.8° 4: 415 Cod. III. 1.8° 7: 215 Cod. III. 1.8° 22: 457 Cod. III. 1.8° 32: 335 Cod. III. 1.8° 42: 402 Cod. III. 1.8° 44: 463 Berlin, Staatsbibliothek - PK, mgf 1045: 465 mgo 329: 441 mgo 571: 426, 427 mgo 574: 180 mgq 149: 401 mgq 158: 412 mgq 182: 183, 447 mgq 192: 372 mgq 195: 419, 422 mgq 988: 434 mgq 1592: 445, 464

Darmstadt, Hessische Landes- und Hochschulbibliothek, Cod. 446: 394 Cod. 1383: 178, 429, 441, 442, 443, 444 Den Haag, Koninklijke Bibliotheek, Cod. 133 F 23: 429, 441 Eichstätt, St. Walburg, Benediktinerinnenabtei, Cod. St. Walb. germ. 11: 429 Freiburg i. Br., Erzbischöfliches Archiv, Hs. 28: 434 Gent, Universiteitsbibliotheek, Cod. 1301: 429, 441 Göttingen, Niedersächsische Staatsund Universitätsbibliothek, Cod. theol. 201: 429, 430, 433 Cod. theol. 204: 394 Hannover, Landesbibliothek, Cod. I, 79: 464

Bloomington, Indiana University, Lilly Library, Manuscripts Department, Ricketts mss. 198: 159, 203, 206, 210, 372, 422

Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Hs. Donaueschingen Nr. 423: 465

Breslau, Biblioteka Uniwersytecka, Cod. I Qu 77: 408

Klagenfurt, Kärntner Landesarchiv, G.V. Hs. 3/17: 448

Colmar, Bibliothèque de la Ville, Ms. 508: 471

Kremsmünster, Stiftsbibliothek, Cod. 110: 448

536

Verzeichnisse und Register

Leiden, Universiteitsbibliotheek, Lett. 1030: 441 Mainz, Stadtbibliothek, Hs I 51: 397 München, Bayerische Staatsbibliothek, cgm 447: 155, 177, 180, 355 cgm 750: 455 cgm 836: 9 Nürnberg, Stadtbibliothek, Cent. VI 43b: 463 Cent. VI 43z: 433 Cent. VI 46: 194 Cent. VI 46d: 435 Cent. VI 59: 408 Cent. VI 100: 378, 415 Cent. VII 13: 212 Cent. VII 20: 399, 463 Cent. VII 34: 177, 464 Cent. VII 81: 155, 361, 408, 409, 410, 411, 412, 479 Cent. VIII 16: 408

Prag, Státní Knihovna þR - Universitní Knihovna, MS. XVI. E 14: 448 St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 973: 426 Cod. Sang. 976: 71 Cod. Sang. 1005: 71 Cod. Sang. 1859: 426 Cod. Sang. 1865: 71 Überlingen, Leopold-Sophien-Bibliothek, Cod. I 426 Uppsala, Universitätsbibliothek, C 802: 395

Personen und Werke Adelheid von Frauenberg 198, 364 Adelheid von Rheinfelden 267

Augustinus 22, 131, 166, 169, 171, 174, 177, 185, 194, 211, 329, 334, 356, 367, 429, 433, 435

Adelheit von Hiltegarthausen 472 Adelheit von St. Gallen 365

Baumgarten geistlicher Herzen 308

Adelmenger, Martinus 434

”Belehrung einer Schwester“ 212

Alanus von Rupe 268

Bernhard von Bessa 428

Altpart, Johannes 345

Bernhard von Clairvaux 14, 20, 85, 90, 92, 147, 167, 187, 264, 339, 367, 376, 379, 433, 443, 465

Ambrosius 13, 329 Andreas (Apostel) 363 Anna von Klingnau 267 Antonius der Große 147, 264, 328-329, 339

Bernhardin von Siena 21, 28, 379 Berthold von Regensburg 367 Birgitta von Schweden 454

Apotheke der Schwestern 429-434, 441

Blannbekin, Agnes 451

Aristoteles 19, 433

Boethius 433

Arnoul de Bohéries 448

537

Register Bonaventura 12, 18, 21, 211, 212, 334, 379, 428, 433 Boner 19 Bonifatius VIII. 423 Boulier, Marcialis 348 Branda de Castiglione 30

Elisabeth von Ungarn 469 Elsbeth von Cellikon 469 Elsbeth von Oye 453, 470

Emmericher Schwesternbuch 474, 475 Engelhard von Ebrach 18 Spruchsammlung 308

Engelthaler Schwesternbuch 470

Brinckerinck, Johannes 14, 15, 85, 89, 97, 116, 124, 126, 129, 132, 135, 144, 150, 169, 179, 180, 190, 205, 212, 367, 379, 439

Eschenbach, Johannes 177

Buch des Gehorsams 205

Eustochia von Padua 268

Caesarius von Heisterbach 14, 85, 181, 182, 327, 359, 379 Dialogus miraculorum 96, 170, 363

Flacht, Johann 346

Calvin, Johannes 159 Cassian 166, 202, 214, 215 Celtis, Conrad 458

Eusebius von Caesarea 181

Franz von Assisi 28, 147, 208, 264, 339, 376

Franziskanische Traktate 372 Fridolin, Stephan 29, 337, 346

Fünf Spiegel 390

Christina von Stommeln 268, 451 Crohin, Johannes 346

Geiler, Johannes, von Kaysersberg 342

David von Augsburg 21, 201, 379

”Geistliche Betrachtung für Ordensleute“ 402

Des Teufels Netz 85 Dieffenbach, Jacobus 346

Diessenhofener Schwesternbuch 209 Dirc van Herxen 15, 16, 24, 379 Dorothea von Monteau 21

”Geistliche Ermahnung an Klosterfrauen“ 183 (Eine) geistliche Geißel 465

”(Einen) geistlichen Tisch zu decken“ 463

Geistlicher Baumgarten 14

Ebner, Christina 21

Geistlicher Dialog für Schwestern über Klosterfrömmigkeit 445

Ebner, Christine 259, 453

Geistlicher Fastnachtskrapfen 464

Ebner, Margarete 171, 204

Georg von Hüttingen 30

Ebner, Margarethe 259, 453

Georg von Schaumberg 29, 30

Eckhart, Meister 3, 168, 171, 174, 208, 259, 334, 337, 391, 451, 456

Georg von Ungarn 194

Eligenta, Schwester 363

Gerard Zerbolt van Zutphen 157, 211, 334, 376

538

Verzeichnisse und Register

Gerhard von Frachet 184, 422, 469

Jacob von Vitry 181

Gerson, Johannes 161, 180, 194, 342

Jamometiý, Andreas 346

Gertrud von Helfta 21, 451

Jan van Dinslaken 254

Gertrud, Schwester 364

Jan van Leeuwen 25, 376

Gotteszeller Schwesternbuch 209, 472

Jan van Ruusbroec 337, 366, 376

Gregor I., der Große 115, 161, 214, 270, 339, 367, 433

Jeremia 19

Gross, Erhart Grisardis 410

Joachim von Fiore 208 Johan van Wezel 24

”Nonnenwerk“ 155, 361, 407-411,

Johann von Eych 30

479

Johann von Lindenfels 9, 13, 342-349

Groote, Geert 15, 169, 188, 196, 337, 376 Hcher, Henricus 28 Heinrich von Langenstein 356 Heinrich von Neustadt 19, 379 Heinrich von Nördlingen 171 Herp, Hendrik 105, 131, 137, 140, 143, 179, 335, 379 Spieghel der volcomenheit 17, 25, 33, 167, 174, 175, 185, 366, 370, 400, 480 Hieronymus 433 Hildegard von Bingen 177 Hrabanus Maurus 206

Johannes von Capistrano 28 Johannes von Indersdorf 372 Johannes von Lare 345, 349 Johannes XXII. 28 Jos von Pfullendorf 465 Katharina von Gebersweiler 471 Katharina von Schweden 268 Kempf, Elisabeth 471 Konrad von Bondorf 347 Kreutzer, Johannes

Unterweisung einer Klosterfrau 412-414

Hugo von Balma 366

Kurzmann, Andreas 395

Hugo von St. Victor 433

Kutzenbach, Jodocus 346

Humbert von Romans 164, 376, 418, 422, 437

Kydrer, Wolfgang von Salzburg 456 Langmann, Adelheid 453, 470

Innozenz VIII. 345, 347

Legende der heiligen Dorothea 17

Isenflamm, Johann Ulrich, von Nürnberg 346

Legende vom heiligen Georg 19

Isokrates 461 Ite von Hohenfels 363

”Lehre für Klosterfrauen“ 457 ”Lehren für Klosterleute“ 397 ”Lehren zum Klosterleben“ 397

539

Register

Lere wie man kumpt zţ ainem volkummen leben, vrid, tugentlichen leben 21 Lohr, Johannes 30 Ludolf von Sachsen 168 Ludwig von Einsiedel 32

Nikolaus von Nürnberg II 399

Oetenbacher Schwesternbuch 259, 470 Paltz, Johannes von 342

Luther, Martin 159

Paulus (Apostel) 166, 172, 179, 183, 185, 189, 199, 200, 260, 301, 339, 433, 435, 444

”Mahnreden für Klosterfrauen“ 401

Petrus (Apostel) 260, 339

Mande, Hendrik 328

Pirckheimer, Caritas 29, 458

Mardach, Eberhard 367, 454, 483

Platon 175

Sendbrief an eine Nonne über rechte Frömmigkeit [Sendbrief von wahrer Andacht] 378, 415-418

Poten, Otto 173 Pseudo-Augustinus 379

Marquard von Lindau 18, 183, 342, 379

Pseudo-Bernhard 379

Martin von Amberg 393

Pseudo-Bonaventura 379

Maximilian I. 347 Mechthild von Hackeborn 184, 451 Mechthild von Magdeburg 21, 83, 259, 451 Meyer, Johannes 418, 454, 469, 475, 483

Brief an die Oberin des Dominikanerinnenklosters St. Nikolaus in Undis 419, 422 Buch der Ämter 210, 213, 367, 372, 418-421

Buch der Ersetzung 158, 203, 206,

Radewijns, Florens 211, 367 Richard von St. Viktor 376 Ripelin, Hugo, von Straßburg 327 Rode, Johannes von Trier 389, 421

”Sammlung von Exzerpten für Ordensleute“ 155, 177, 180 Schefflin, Elsbeth 364

210, 462

Schürebrand 395, 446

Buch der Reformacio Predigerordens 31, 182, 268, 355, 365, 425,

Schwester Katrei 18

455, 463, 470, 475 Moses 19 Nider, Johannes 367, 454 Niklaus, Bruder 399, 463 Nikolaus von Dinkelsbühl 393 Nikolaus von Kues 30 Nikolaus von Nürnberg I 399

Sendbrief an eine Schwester über das geistliche Bett Jesu 463 Sendbrief vom Betrug teuflischer Erscheinungen 90, 114, 172, 367, 455 Sendschreiben an eine Klosterfrau über Observanz im Ordensleben [Carissima soror Agnes] 434-440 Seneca, Lucius Annaeus 19, 433

540

Verzeichnisse und Register

Seuse, Heinrich 12, 14, 83, 157, 158, 163, 171, 188, 207, 337, 353, 367, 372, 376, 379, 391, 446, 451, 456

Sieben Arzneien gegen die Todsünden

Trude van Beveren 377 Tucher, Katharina 455 Tucher, Sixtus 337

433 Silvester von Passau 30

Ulrich von Pottenstein 342

Smeeds, Mechtelt 474

Unterlindener Schwesternbuch 170,

Speculum virginum 367 Spengler, Johannes 347

Spiegel der Schwestern 178, 441-445 St. Katharinentaler Schwesternbuch 365 Stagel, Elsbeth 469 Stephan von Bourbon 181 Stephan von Landskron

Spiegel der Klosterleut 448 Sunder, Friedrich 178

363, 364 Urban IV. 345 Urban V. 436

Väterbuch 90, 103, 127, 164, 173, 181, 202, 335, 357, 367, 443 Veghe, Johannes 456 Veronika von Binasco 268 Vigilis, Heinrich, von Weißenburg 21, 29, 379, 483

Ermahnung zu einem wahren klösterlichen Leben 426-428

Tauler, Johannes 157, 158, 171, 174, 199, 203, 207, 208, 336, 352, 353, 367, 372, 376, 391, 447, 451, 483

Vigins, Agnes 470

Tengler, Ulrich 395

”Vögel als Vorbilder für Nonnen“ 215

Tertullian 356

Vom Spinnen an ainer gaistlichen gunckel uff das hailig zitt der vasten

Thomas von Aquin 158, 190, 191, 334, 361, 433, 435

Vision des Tundalus 194, 267, 340, 367, 373

464

Thomas von Cantimpré 422

Von Gelassenheit 335

Thomas von Froidmont 177

Vorbereitungsbuch für Novizinnen

Thomas von Kempen 106, 137, 204, 337, 376 De imitatione Christi 26, 89, 120, 132, 134, 158, 175, 179, 185, 195, 212, 213, 328, 335, 360, 366, 480 Recommendatio humilitatis 91, 116, 167

Tiroler Christenspiegel 96, 173 Tösser Schwesternbuch 193, 215, 364, 469, 472

464 Waler, Caspar 346, 347

Weiler Schwesternbuch 472 Wilhelm von Saint-Thierry 212 Wyer, Bartholomäus 347 Zwingli, Huldrych 159