Kirche in der Krise: Zum Streit um die Christologie im 7. Jahrhundert 3110714493, 9783110714494

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Kirche in der Krise: Zum Streit um die Christologie im 7. Jahrhundert
 3110714493, 9783110714494

Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
I Motive und Strukturen
1 Motive und Strukturen des Schismas im monenergetisch-monotheletischen Streit
2 Oikonomia im monenergetischmonotheletischen Streit
3 Die Bedeutung der Geschichtstheologie im monenergetisch-monotheletischen Streit des 7. Jahrhunderts
II Die Entstehung der Krise: Bedeutung und Umdeutung
4 Mehrheit und Minderheit in den Anfängen des monenergetisch-monotheletischen Streites
5 Das Kontakion „Auf die heiligen Väter“ und die Ekthesis des Kaisers Herakleios (610–641)
6 Die Konstantinopler Synoden von 638/9 (?) und die Ekthesis des Kaisers Herakleios (610–641)
7 Wer hat den Dyotheletismus erfunden? Zur Frage der Authentizität der Apologia Honorii Papst Iohannes’ IV. (640‒642)
8 Die Kirche von Zypern im sog. monenergetisch-monotheletischen Streit des 7. Jahrhunderts
9 Was war die Lateransynode von 649? Was sollte sie sein?
10 Some new fruits of research on the monenergist-monothelete controversy of the seventh century
III „Martyrien“, Synoden und die Folgen
11 Maximos Homologetes († 662): Martyrium, Märtyrerbewusstsein, „Martyriumssucht“?
12 Die griechische Vita Papst Martins I. (BHG 2259), Maximus Confessor und das Concilium Quinisextum (691/2)
13 Der lange Widerstand gegen eine offizielle Heiligenverehrung des Maximos Homologetes († 662) im Byzantinischen Reich
14 Rom, der Tomus Leonis und das VI. Ökumenische Konzil (680/1)
15 Theodor von Pharan revisited: Häretiker und Häresiarch der μία ἐνέργεια Jesu Christi?
Hinweise und Nachträge
Übersetzungen
Quellenverzeichnis
Literaturverzeichnis
Register

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Heinz Ohme Kirche in der Krise

Arbeiten zur Kirchengeschichte

Begründet von Karl Holl † und Hans Lietzmann † Herausgegeben von Christian Albrecht, Christoph Markschies und Christopher Ocker

Band 146

Heinz Ohme

Kirche in der Krise Zum Streit um die Christologie im 7. Jahrhundert

ISBN 978-3-11-071449-4 e-ISBN (PDF) 978-3-11-071453-1 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-071455-5 ISSN 1861-5996 Library of Congress Control Number: 2021945434 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2022 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: Integra Software Services Pvt. Ltd. Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Vorwort Dieser Band vereinigt 15 Aufsätze, die in den Jahren 2006–2020 publiziert wurden. Sie betreffen den sogenannten monenergetisch-monotheletischen Streit, der zwischen 633 und 681/692 und noch darüber hinaus Kirche und Theologie in Ost und West vor enorme Herausforderungen gestellt hat. Alle Aufsätze behandeln historische und theologische Einzelfragen dieser Kontroverse mit meist eingehenden Analysen zentraler Texte. Es erschien deshalb als sinnvoll, diese Aufsätze nicht einfach chronologisch nach dem Erscheinungsdatum zu präsentieren, sondern sie inhaltlich nach übergeordneten Themen zu sortieren. So versammelt das erste Kapitel Beiträge, die nach durchgängigen Motiven und Strukturen fragen, die die Auseinandersetzung bestimmt haben. Die Aufsätze des zweiten Kapitels bearbeiten Themen zur Vorgeschichte und Entstehung der Krise bis zu dem durch die Lateransynode von 649 verursachten Schisma zwischen den Kirchen von Rom und Konstantinopel. Dabei entsteht ein stark differierendes Bild über die tatsächlichen Ereignisse und ihre spätere Umdeutung in der dyotheletischen Tradition. Die Beiträge in Kapitel 3 beleuchten zuerst die Prozesse gegen Maximus Confessor und seine Schüler in den Jahren 655/662 und die Bedeutung der danach einsetzenden Märtyrer- und Heiligenverehrung von Maximus und Papst Martin I. Die beiden abschließenden Aufsätze1 unterwerfen die Entstehung und Entscheidung des VI. Ökumenischen Konzils (680/1) einer kritischen Prüfung und stellen anhand der erhaltenen Texte des angeblichen Häresiarchen Theodor von Pharan die grundsätzliche Frage, ob bei dieser letzten großen Auseinandersetzung über die Christologie in der Alten Kirche den sogenannten Monenergeten und Monotheleten Gerechtigkeit widerfahren ist. Trotz dieser inhaltlichen Sortierung der Themen handelt es sich um keine Monographie. Deshalb ist es unvermeidlich, dass es in den einzelnen Aufsätzen – insbesondere bei den einleitenden Ausführungen – zu Wiederholungen kommt, musste doch jeder Aufsatz für sich in die Gesamtthematik einführen oder bereits Behandeltes in die Überlegungen mit aufnehmen. So hat sich auch im Verlauf der Untersuchungen zu dieser Großthematik die anfängliche Beurteilung einzelner Phänomene verändert. Dem wird mit den Hinweisen und Nachträgen in Kapitel 4 Rechnung getragen. Vor allen Dingen erschien mir die anfänglich unbesehen übernommene traditionelle Nomenklatur „Mon“-energeten und „Mono“-theleten samt

1 Inzwischen befinden sich zwei weitere Aufsätze zum vorliegenden Großthema im Druck: Die „Worte der wahrhaft Einsichtigen“ und die „Theologie der Dämonen“. Maximos Homologetes und die Autorität des Mönchtums in der Kirche, in: ZKG 71 (2022); Textkritik im Dienste der Wahrheitsfindung? Das VI. Ökumenische Konzil (680/1) und seine Fälschungsnachweise, in: ByzZ 115 (2022). https://doi.org/10.1515/9783110714531-202

VI

Vorwort

Derivaten zunehmend problematisch, denn es handelt sich dabei um eine der Polemik ihrer Gegner entstammende häresiologische Titulatur,2 die den so Bezeichneten unterstellt, sie würden bei Christus nur eine göttliche ἐνέργεια und einen göttlichen Willen lehren und damit sein wahres Menschsein in Frage stellen. In Aufnahme eines Vorschlages von Christian Lange bin ich schließlich dazu übergegangen, diese Terminologie durch „Miaenergeten“ und „Henotheleten“ samt Derivaten abzulösen. Ebenso stellte sich im Laufe der Untersuchungen heraus, dass es sachlich verfehlt ist, den Zentralbegriff ἐνέργεια durchgängig gleichbedeutend zu übersetzen oder ihn mit „Energie“ de facto unübersetzt zu lassen bzw. latinisierend stets von operatio oder Tätigkeit zu sprechen. Der Begriff hat ein breites Bedeutungsspektrum, das von Wirken, Wirksamkeit, Wirkkraft, Wirkweise, Tätigkeit bis zu Tat und Werk reicht und wurde im 7. Jahrhundert unterschiedlich verwendet. In den Übersetzungen habe ich ἐνέργεια deshalb jeweils mit der Bedeutung wiedergegeben, die der Aussageintention des jeweiligen Verfassers entspricht. Hier mussten in älteren Aufsätzen gelegentlich Präzisierungen vorgenommen werden. Am Anfang aller Aufsätze ist Datum und Ort der Ersterscheinung vermerkt, im Text auch der dortige Seitenumbruch. Die in den Zeitschriften stark differierenden formalen Vorgaben wurden vereinheitlicht, stehengebliebene Verschreibungen stillschweigend korrigiert. Die Namen der Akteure des 7. Jahrhunderts werden in den Aufsätzen je nach Herkunft in griechischer oder lateinischer Schreibweise wiedergegeben. Für die Jahrhunderte davor wird die übliche lateinische oder die in den deutschen Sprachschatz eingegangene Namensform verwendet. Bei Quellenbelegen wird dem wissenschaftlichen Usus entsprechend die lateinische Form benutzt. In einem Anhang wurden dem Band 14 deutsche und eine englische Übersetzung von Texten beigegeben, die für das Verständnis der Kontroverse zentral sind. Bis auf wenige – angegebene – Ausnahmen lag hierfür bislang gar keine oder keine zuverlässige Übersetzung vor, so dass die meisten Übersetzungen grundständig neu erstellt oder überarbeitet hier erstmals geboten werden. Die englische Übersetzung von Sebastian Brock aus dem Syrischen (Nr. 7) wurde wegen der Bedeutung des Textes aufgenommen. Die in Aufsatz Nr. 5 enthaltene erstmalige deutsche Übersetzung des Kontakions „Auf die heiligen Väter“ wurde im Anhang nicht nochmals abgedruckt. Eine Quellen- und Literaturliste sowie Register schließen den Band ab. Dank schulde ich Richard Price für manche fruchtbare Diskussion und die englische Übersetzung des Beitrages Nr. 10. Ebenso gilt mein Dank Heidelore Köckert für hilfreiche Hinweise und Korrekturen zu Übersetzungen griechischer 2 Zu deren Aufkommen und Herkunft s. u. S. 645 Hinweise zu Nr. 14, Anm. 200.

Vorwort

VII

Texte. Dabei war es beruhigend zu wissen, dass ein kundiger und bedeutender Muttersprachler schon im 9. Jahrhundert über das Labyrinth der Sprache des Maximus ins Klagen geriet.3 Mein besonderer Dank gilt schließlich dem Verlag De Gruyter und seinem Editorial Director Theologie und Religion, Dr. Albrecht Döhnert, sowie den Herausgebern Christian Albrecht, Christoph Markschies und Christopher Ocker für die Aufnahme dieser Untersuchungen in die Reihe „Arbeiten zur Kirchengeschichte“. Frau Katrin Mittmann (Content Editor) und Frau Anne Stroka (Full Service Project Manager) danke ich für die sorgfältige Betreuung der Publikation. Berlin, im Juli 2021 Heinz Ohme

3 Vgl.: Photius, Bibl. 192 A (80,26–81,38 Henry III) zu den Ambigua des Maximos: „Er hat eine Ausdrucksweise mit endlosen Perioden, liebt das Hyperbaton, strotzt vor Umschreibungen und bemüht sich nicht, zur eigentlichen Bedeutung vorzudringen. Daraus folgt, dass er in seiner Abhandlung unklar und schwer zu durchblicken ist. Bei der Darstellung ist er maßlos holprig und umfänglich − soviel die Konstruktion und die Pausen anlangt – und kümmert sich nicht darum, ob es für den Hörer angenehm ist. […] Es fehlt nicht viel, dass er auch die, die sich um ihn bemühen, erschöpft, sind doch die Lösungen, die von ihm erdacht werden, weit entfernt vom Text und seiner bekannten Geschichte, ja sogar von der aufgeworfenen Frage.“

Inhaltsverzeichnis Vorwort Einleitung

V XIII

I Motive und Strukturen 1

Motive und Strukturen des Schismas im monenergetischmonotheletischen Streit 3

2

Oikonomia im monenergetisch-monotheletischen Streit

3

Die Bedeutung der Geschichtstheologie im monenergetischmonotheletischen Streit des 7. Jahrhunderts 73

33

II Die Entstehung der Krise: Bedeutung und Umdeutung 4

Mehrheit und Minderheit in den Anfängen des monenergetischmonotheletischen Streites 111

5

Das Kontakion „Auf die heiligen Väter“ und die Ekthesis des Kaisers Herakleios (610–641) 141

6

Die Konstantinopler Synoden von 638/9 (?) und die Ekthesis des Kaisers Herakleios (610–641) 169

7

Wer hat den Dyotheletismus erfunden? Zur Frage der Authentizität der Apologia Honorii Papst Iohannes’ IV. (640‒642) 199

8

Die Kirche von Zypern im sog. monenergetisch-monotheletischen Streit des 7. Jahrhunderts 251

9

Was war die Lateransynode von 649? Was sollte sie sein?

10 Some new fruits of research on the monenergist-monothelete controversy of the seventh century 351

301

X

Inhaltsverzeichnis

III „Martyrien“, Synoden und die Folgen 11

Maximos Homologetes († 662): Martyrium, Märtyrerbewusstsein, „Martyriumssucht“? 391

12 Die griechische Vita Papst Martins I. (BHG 2259), Maximus Confessor und das Concilium Quinisextum (691/2) 433 13 Der lange Widerstand gegen eine offizielle Heiligenverehrung des Maximos Homologetes († 662) im Byzantinischen Reich 455 14 Rom, der Tomus Leonis und das VI. Ökumenische Konzil (680/1) 499 15 Theodor von Pharan revisited: Häretiker und Häresiarch der μία ἐνέργεια Jesu Christi? 565 Hinweise und Nachträge

631

Übersetzungen 655 1 Aus der Abhandlung des Anastasios von Antiochien (†598/99): Über die Energien (Περὶ ἐνεργειῶν) 655 2 Theodor von Pharan (ca.617/9): Die elf durch die Lateransynode (649) und das VI. Ökumenische Konzil (680/1) verworfenen Sätze 656 3 Unionsurkunde der alexandrinischen Union vom 3. Juni 633 658 4 Synodalentscheid (Psēphos) der Konstantinopler Synodos endemousa unter Patriarch Sergios I. (August 633) 661 5 Brief des Patriarchen Sergios I. von Konstantinopel an Papst Honorius I. (Ende 633/Anfang 634) 662 6 Antwortschreiben von Papst Honorius I. an Patriarch Sergios I. von Konstantinopel (634) 668 7 Bericht der syrischen Vita Maximi über die Synode von Zypern (636) 672 8 Die „Darlegung der Lehre der Orthodoxie“ („Ekthesis“) des Kaisers Herakleios (636/7) 675 9 Brief des Erzbischofs Sergios von Zypern an Papst Theodorus I. (29. Mai 643?) 679

Inhaltsverzeichnis

10 Synodalschreiben des Patriarchen Paulos II. von Konstantinopel an Papst Theodorus I. (Mai 645) 681 11 Der Typos Kaiser Konstans II. (648) 686 12 Ansprache Papst Martins I. (649–653) zur Eröffnung der Lateransynode (5. Oktober 649) 688 13 Die Petition der griechischen Äbte und Mönche auf der Lateransynode (8. Oktober 649) 698 14 Die Anathematismen der Lateransynode (31. Oktober 649) 703 15 Der Horos des VI. Ökumenischen Konzils (16. September 681) 711 Quellenverzeichnis Literaturverzeichnis

717 729

Register 751 1 Quellen 751 2 Griechische Termini 3 Personen 758 4 Sachen und Begriffe

754 762

XI

Einleitung Seit den Anfängen stand eine Frage im Zentrum der christlichen Theologie: Wie kann das im Leben, Wirken und Wollen, Sterben und Auferstehen des Menschen Jesus Christus geglaubte und bekannte Wirken Gottes dem apostolischen Zeugnis entsprechend denkerisch stringent und plausibel beschrieben und ins Verhältnis zu seinem Menschsein gesetzt werden? Die Suche nach einer konsensfähigen Antwort auf diese Frage ist bekanntlich auch mit dem Konzil von Chalcedon (451) nicht zur Ruhe gekommen. Die anhaltende Ablehnung der dort beschlossenen Zwei-Naturen-Lehre durch eine beträchtliche Opposition, die diesem Dogma ein Zerreißen der Einheit der Person Jesu unterstellte, führte im 6. Jahrhundert zur Absonderung der Kirchen Syriens, Ägyptens und Armeniens. Konfliktpotential barg aber auch der in Chalcedon in die christologische Definition eingeführte Begriff der „Hypostase“. Denn die Definitio des IV. Ökumenischen Konzils formulierte zwar, dass „der Unterschied der Naturen wegen der Einung niemals aufgehoben wird, vielmehr wird die Eigentümlichkeit jeder der Naturen bewahrt, auch im Zusammenkommen zu einer Person und einer Hypostase“.4 Den letztgenannten Begriffen wurden aber keine weiteren Bestimmungen hinzugefügt. Die Frage, was das bedeutet, war deshalb der Ausgangspunkt einer enormen theologischen Produktivität vom 5. bis zum 7. Jahrhundert im griechischen Osten. Der Begriff „Hypostase“, hier zu verstehen im Sinne von „Einzelwesen“ oder „Individuum“, stand hinsichtlich seines Verhältnisses zu den beiden Naturen im Zentrum des weiteren Durchdenkens der Entscheidung von Chalcedon. Es ging darum, den „in zwei Naturen“ bekannten Christus dem neutestamentlichen Zeugnis entsprechend als einzelnes unverwechselbares Subjekt seines Lebens zu beschreiben. Damit geriet der konkrete geschichtliche Mensch Jesus neu in den Blick, auch wenn die Denkbewegungen dabei vornehmlich im ontotheologischen Raum erfolgten. Die ontologischen Begriffe φύσις, πρόσωπον und ὑπόστασις der Definition von Chalcedon und die dort für diesen Denkraum gesetzten Grenzen, die das Geheimnis seiner Person sichern sollten, wurden am Christuszeugnis der Evangelien auf ihre Tragfähigkeit hin überprüft. Im 7. Jahrhundert konzentrierte sich der theologische Diskurs auf eine zentrale Frage, deren Beantwortung jeder christlichen Theologie als Aufgabe gegeben ist – auch gerade einer solchen, die die Gottesbeziehung Jesu als personale Gemeinschaft zu verstehen sucht: Wie ist die hinsichtlich seines Wollens und Wirkens feststellbare Einheit des Menschen Jesus mit Gott zu verstehen, wenn

4 Concilium Chalcedonense a.451, Definitio (ACO ser. I 2,1 p.130,24–26 Schwartz) = Guiseppe Alberigo (Hg.), Conciliorum Oecumenicorum Generaliumque Decreta I, Turnhout 2006, 137,380–385: [...] οὐδαμοῦ τὴς τῶν φύσεων διαφορᾶς ἀνῃρημένης διὰ τὴν ἕνωσιν, σῳζομένης δὲ μᾶλλον τῆς ἰδιότητος ἑκατέρας φύσεως καὶ εἰς ἓν πρόσωπον καὶ μίαν ὑπόστασιν συντρεχούσης. https://doi.org/10.1515/9783110714531-204

XIV

Einleitung

doch gleichwohl menschliches und göttliches Wollen und Wirken zu unterscheiden sind? Es lohnt sich, die theologischen Denkbewegungen jener Zeit nachzuvollziehen, auch wenn christologisches Denken nicht mehr einfach bei den dogmatischen Entscheidungen der Synode von Chalcedon seinen Ausgang nehmen kann. Denn das damals erreichte Niveau setzt auch für die Gegenwart Maßstäbe! Bei bedeutenden Theologen unter den Anhängern der Synode von Chalcedon finden sich ab dem 6. Jahrhundert theologische Ansätze, die das göttliche und menschliche Wirken und Wollen Jesu als von einer Hypostase vollzogen beschreiben und insofern von einem Wirken (μία ἐνέργεια) der einen Person und Hypostase sprechen. Die Rede von dem einen Willen Christi (ἕν θέλημα) im Sinne seines vom Willen Gottes ununterscheidbar Gewollten war sowieso bereits traditionell. Beide Aussagen waren Anhängern und Gegnern der Synode von Chalcedon gemeinsam. Daraus entstand am Anfang des 7. Jahrhunderts der Plan, auf dieser theologischen Grundlage einen erneuten Versuch zur Überwindung der Spaltung der Christenheit im Osten zu unternehmen. Es bestand die Hoffnung, so die Kontroverse über die Bedeutung des Naturbegriffes und die Anzahl der Naturen Christi überwinden zu können, die mittlerweile zu unfruchtbaren theologischen Frontbildungen geführt hatte. Dieses Vorhaben wurde von der Kirche von Konstantinopel unter der Leitung ihres Patriarchen Sergios I. (610–638) in engster Kooperation mit dem Kaiser Herakleios (610–641) vorangetrieben und führte bald zu einer Unionsbewegung, deren bedeutendste die Wiederherstellung der Kirchengemeinschaft mit der Majoritätskirche Ägyptens im Jahr 633 war. An der dabei beschlossenen Unionsurkunde entzündete sich allerdings eine sich immer weiter zuspitzende Kontroverse über der Frage, ob die Aussage eines Wirkens und dann auch eines Willens Christi mit dem Bekenntnis zu seinen zwei Naturen in Übereinstimmung steht. Bestritten wurde dies von dem Sophisten, Mönch und späteren Jerusalemer Patriarchen Sophronios (*ca. 550–638) und seinem Schüler, dem Mönch und Jahrhunderttheologen Maximus Confessor/Maximos Homologetes (†662). Den chalcedonensischen Unionstheologen wurde von ihnen unterstellt, nur ein – göttliches – Wirken und einen – göttlichen – Willen Christi zu lehren. In Analogie zur Zwei-Naturen-Lehre sei demgegenüber ausschließlich die Aussage eines doppelten, menschlichen und göttlichen Wirkens und Willens Jesu Christi zulässig. Der Streit eskalierte soweit, dass es im Jahre 649 auf einer Lateransynode unter Papst Martin I. (649–653) zur Anathematisierung von drei Konstantinopler Patriarchen einschließlich des amtierenden, eines alexandrinischen Patriarchen und des Bischofs von Pharan sowie zweier kaiserlicher Gesetze kam. Damit befanden sich die Kirchen von Rom und Konstantinopel im Schisma, obwohl ein Vorgänger Martins, Papst Honorius I. (625–638) schriftlich seine Zustimmung zur Konstantinopler Unionstheologie gegeben hatte. Eine Initiative zur Wiederherstellung der Kircheneinheit mit den mittlerweile getrennten Gegnern der Synode von Chalcedon hatte zum Schisma unter dessen Anhängern

Einleitung

XV

geführt! Im Jahr 680/1 konnten die römischen Vertreter auf dem VI. Ökumenischen Konzil in Konstantinopel mit der Dogmatisierung eines ontologisch grundgelegten sogenannten Dyotheletismus und Dyenergismus auch die radikalen namentlichen Verwerfungen des Jahres 649 durchsetzen, jetzt ausgeweitet auf zehn Vertreter der gegenteiligen Überzeugung, darunter nun allerdings auch ein römischer Papst – eben Honorius I. – und vier Konstantinopler Patriarchen sowie ein alexandrinischer und ein antiochenischer Patriarch. Keine andere ökumenische Synode hatte zuvor eine dogmatische Grundsatzentscheidung mit einer so großen Zahl von Anathematismen verbunden, die sich nun auch noch gegen Anhänger des Dogmas von Chalcedon richteten. Eine in dieser Kontroverse deutlich werdende tiefe Krise der Theologie und der kirchlichen Autoritäten hatte damit eine scheinbare Lösung gefunden. Diese Krise betraf die theologische Methodik einer ontologisch bestimmten Christologie und die Legitimität syllogistischer theologischer Wahrheitsfindung im Ausgang von axiomatisch fixierten Definitionen. Sie machte die Unzulänglichkeit des Rekurses auf die Tradition und das Ungenügen der Argumentation mit dem Väterbeweis offenbar. Sie stellte schließlich auch noch die Strukturen kirchlicher Autorität in Frage im Widerspruch zwischen synodalen Entscheidungen, monastisch-charismatischer Anmaßung höherer Erkenntnis und primatialen Unfehlbarkeitsansprüchen. Unter der erklärungsbedürftigen und problematischen Bezeichnung „monenergetisch-monotheletischer Streit“ ist diese Krise in die Geschichtsschreibung eingegangen. Aber: War diese Entwicklung unvermeidlich, wie im Gefolge des VI. Ökumenischen Konzils die dyotheletisch dominierte Historiographie schon seit dem 8. Jahrhundert zu behaupten nicht müde wurde? Konnte hier eine angeblich häretische Entwicklung hin zum Monophysitismus nur mit so harten Entscheidungen und nicht zuletzt auch noch durch das als Martyrium betrachtete Schicksal von Papst Martin, Maximos und seinen Schülern gerade noch rechtzeitig abgewendet werden? Und handelte es sich bei dem sogenannten Monotheletismus nicht im Wesentlichen um nichts anderes als eine erfundene und „kaiserliche“ Häresie der Reichskirche und ihrer Patriarchen, die angesichts der persischen und arabischen Eroberungen zur Stärkung des Reiches eine Unionspolitik auflegten und diese mit Gewalt gegen die Verteidiger Chalcedons durchzusetzen versuchten? Seit längerer Zeit fand diese Endphase einer zweihundertjährigen Entwicklung christologischen Denkens in der Tradition Chalcedons nur bei sehr wenigen evangelischen Theologen historisch und theologisch Beachtung. In historischer Hinsicht sind hier fast nur5 der noch traditionellen Urteilen verhaftete Werner

5 Der Maximos-Forscher Walther Völker war vorrangig an dessen mystischer Theologie interessiert: Ders., Maximus Confessor als Meister des geistlichen Lebens, Wiesbaden 1965.

XVI

Einleitung

Elert und in neuerer Zeit der Byzantinist und evangelische Theologe Friedhelm Winkelmann zu nennen, der erste mit einer Studie über den schon 649 als Häresiarch ausgemachten Theodor von Pharan,6 der letztere mit einem grundlegenden Regestenwerk.7 In der neueren evangelischen systematischen Theologie muss man suchen, bis man auf Hinweise stößt.8 Die Erforschung dieser das ganze 7. Jahrhundert andauernden Kontroverse hat allerdings in den vergangenen Jahrzehnten eine Fülle neuer Aspekte zutage gefördert.9 Diese Forschungen wurden jedoch bis vor kurzem hauptsächlich im Rahmen der römisch-katholischen und orthodoxen Theologien und in historischer Hinsicht in der Byzantinistik und Syrologie vorangetrieben. Die Literatur zu Maximos Homologetes z. B., die seit dessen „Wiederentdeckung“ durch Hans Urs von Balthasar (†1988) und die französische Nouvelle Théologie entstand, ist kaum noch überschaubar.10 Mittlerweile wurden auch bereits grundlegende und umfangreiche Resümees zu Maximos gezogen.11 Kritische Editionen der Werke des Maximos und anderer Theologen des 6./7. Jahrhunderts12

6 Werner Elert, Der Ausgang der altkirchlichen Christologie. Eine Untersuchung zu Theodor von Pharan und seiner Zeit als Einführung in die Alte Dogmengeschichte, Berlin 1957. 7 Friedhelm Winkelmann, Der monenergetisch-monotheletische Streit (BBySt 6), Frankfurt a.M. 2001. 8 Nur bei Wolfhart Pannenberg, Grundzüge der Christologie, Gütersloh 1964, 302–303.362–368 erfolgt – soweit ich sehe – ansatzweise ein Durchdenken der Problematik. Vgl. auch: Ulrich Kühn, Christologie (UTB 2393), Göttingen 2003, 163–165. 9 Einen Forschungsüberblick bis zum Jahr 2001 bietet: Winkelmann, Streit (s. Anm. 7), 2–8. 10 Hans Urs von Balthasar, Kosmische Liturgie. Das Weltbild Maximusʼ des Bekenners, Einsiedeln 21961. Zwei umfangreiche Aufsätze dokumentieren die bis 2009 erschienene Literatur zu Maximus Confessor: Peter van Deun, Maxime le Confesseur. État de la question et bibliographie exhaustive, in: SacEr 38 (1998/1999), 485–573; Ders., Développements récents des recherches sur Maxime le Confesseur (1998–2009), in: SacEr 48 (2009), 97–167; weiterhin vgl.: Ders./ Pascal Mueller-Jourdan, Maxime le Confesseur, in: Carmelo Giuseppe Conticello, La Théologie Byzantine et sa Tradition I/1, Turnhout 2015, 374–510.506–509. Für deutschsprachige Leser hervorzuheben sind: Felix Heinzer, Gottes Sohn als Mensch: Die Struktur des Menschseins Christi bei Maximus Confessor (Par. 16), Fribourg 1980; Guido Bausenhart, „In allem uns gleich außer der Sünde“. Studien zum Beitrag Maximos’ des Bekenners zur altkirchlichen Christologie (TSTP 5), Mainz 1992; in dogmengeschichtlicher Hinsicht sind die umfassenden Studien von Karl-Heinz Uthemann grundlegend, s. u. Anm. 12.19. 11 Pauline Allen/Bronwen Neil (Hg.), The Oxford Handbook of Maximus the Confessor, Oxford 2015; P. van Deun/P. Mueller-Jourdan, Maxime le Confesseur (wie Anm. 10). 12 Von den Werken des Maximos sind dies im Corpus Christianorum. Series Graeca bislang die Bände 7, 10, 18, 22, 23, 40, 48, 69, 86, 89. Weiterhin: Karl-Heinz Uthemann, (Hg.), Anastasii Sinaitae viae dux (CCSG 8), Turnhout 1981; Ders. (Hg.), Anastasii Sinaitae Sermones duo in constitionem hominis secundum imaginem Dei necnon Opuscula adversus Monotheletas (CCSG 12), Turnhout 1985.

Einleitung

XVII

sowie der Quellen zu seiner Vita,13 die im Rahmen des Editionsvorhabens Corpus Christianorum inzwischen erfolgten, führten zu wichtigen neuen Erkenntnissen. Ebenso haben die kritischen Editionen der Akten der großen Synoden des 7. Jahrhunderts, der Lateransynode von 649,14 des VI. Ökumenischen Konzils von 680/115 und des Concilium Quinisextum von 691/216 die Sicht auf die Kontroverse geschärft. Die Entdeckung bislang unbekannter syrischer Quellen hat auf die gesamte Kontroverse ein neues Licht geworfen.17 Dogmengeschichtlich sind die traditionellen spezifisch römisch-katholischen Verdikte bis hin zu den Urteilen von Alois Grillmeier18 gegen den sogenannten Neuchalkedonismus, zu dessen Geschichte diese Kontroverse gehört, inzwischen einer beträchtlichen Revision unterzogen worden.19 Danach sind der sogenannte Monenergismus und Monotheletismus

13 Pauline Allen/Bronwen Neil (Hg.), Scripta saeculi VII vitam Maximi Confessoris illustrantia, una cum latina interpretatione Anastasii Bibliothecarii iuxta posita (CCSG 39); Turnhout/ Leuven 1999; Maximus the Confessor and his Companions. Documents from Exile. Edited and translated by Pauline Allen and Bronwen Neil, Oxford 2002; Bronwen Neil, Seventh-Century Popes and Martyrs. The Political Hagiography of Anastasius Bibliothecarius (Studia Antiqua Australiensia II), Turnhout 2006. 14 Rudolf Riedinger (Hg.), Concilium Lateranense a. 649 celebratum (ACO ser. II 1), Berlin 1984. Vgl. dazu jetzt die hervorragend kommentierte Übersetzung von Richard Price, Phil Booth, Catherine Cubitt, The Acts of the Lateran Synod of 649, transl. by Richard Price (Translated Texts for Historians 61), Liverpool 2014. 15 Rudolf Riedinger (Hg.), Concilium Universale Constantinopolitanum Tertium (ACO ser. II 2,1–2), Berlin 1990.1992. 16 Heinz Ohme (Hg.), Concilium Constantinopolitanum a. 691/2 in Trullo habitum (Concilium Quinisextum) (ACO ser. II 2,4), Berlin/Boston 2013; Ders., Concilium Quinisextum – Das Konzil Quinisextum (FC 82), Turnhout 2006. 17 Vgl.: Micheline Albert/Christoph von Schönborn, Lettre de Sophrone de Jérusalem à Arcadius de Chypre (PO 32,9), Turnhout 1978; Sebastian Brock, Syriac Perspectives on Late Antiquity, London 1984; Ders., Studies in Syriac Christianity, Hamshire 1992; Jack Tannous, In Search of Monotheletism, in: DOP 68 (2014), 29–67. 18 Vgl. besonders: Alois Grillmeier, Jesus der Christus im Gauben der Kirche 2/2, Freiburg i.Br. 1989. 19 Für einen neuen Zugang bedeutsam war die leider ungedruckt gebliebene Bonner ev.theol. Dissertation von Siegfried Helmer, Der Neuchalkedonismus, Bonn 1962. Weiterhin: Patrick T.R. Gray, The Defense of Chalcedon in the East (451–553) (SHCT 20), Leiden 1979; Ders., Art. Neuchalkedonismus: TRE 24 (1994), 289–296; Karl-Heinz Uthemann, Christus, Kosmos, Diatribe. Themen der frühen Theologie als Beiträge zu einer historischen Theologie (AKG 93), Berlin/New York 2005, darin: Ders., Der Neuchalkedonismus als Vorbereitung des Monotheletismus. Ein Beitrag zum eigentlichen Anliegen des Neuchalkedonismus (StPatr 29 [1997], 373–413), 207–255; Ders., Zur Rezeption des Tomus Leonis in und nach Chalkedon. Wider den dogmenhistorischen Begriff ‚strenger Chalkedonismus‘ (StPatr 34 [2001], 572–604), 1–36; KarlHeinz Uthemann, Anastasios Sinaites. Byzantinisches Christentum in den ersten Jahrzehnten unter arabischer Herrschaft (AKG 125), Berlin-Boston 2015 (vgl. bes. Exkurs IV: Chalkedons

XVIII

Einleitung

nicht mehr als Vermittlungstheologien zu verstehen, die erst zum Zweck der Union mit den Gegnern Chalcedons formuliert wurden, sondern als theologisch längst im 6. Jahrhundert angelegte Konsequenzen eben jenes Bemühens um eine positive Füllung des chalcedonensischen Begriffes der Hypostase. Damit steht das die ältere Literatur beherrschende Geschichtsbild und Interpretationsschema des sogenannten monenergetisch-monotheletischen Streites grundsätzlich in Frage, das allerdings immer noch tradiert wird. Zentral war dort die Bewertung des „Monotheletismus“ als primär unter politischen Erwägungen künstlich konstruierte Kompromisstheologie, deren eigentliches Ziel es gewesen sei, die durch die persischen und arabischen Eroberungen geschwächte orthodoxe Verteidigungsposition in den östlichen Provinzen zu stärken und neu zu sammeln. „Monenergismus“ und „Monotheletismus“ wurden so zu künstlichen und elitären theologischen Konstrukten ohne religiöse Substanz erklärt und die theologische Kontroverse zu einem Scheingefecht abgehobener Eliten. Vorherrschend war diese Sicht schon in der neuprotestantischen Dogmengeschichtsschreibung.20 Weit verbreitet ist sie immer noch bei Byzantinisten,21 denen die Erforschung der historischen Entwicklungen weitgehend überlassen blieb.22 Diese Marginalisierung theologischer Fragestellungen in Verbindung mit

ὅρος im Verständnis des Konzils selbst und die Neuchalkedonier, 222–242); Ders., Studien zu Anastasios Sinaites. Mit einem Anhang zu Anastasios von Antiochien (TU 174), Berlin-Boston 2017; Christian Lange, Mia Energeia. Untersuchungen zur Einigungspolitik des Kaisers Heraclius und des Patriarchen Sergius von Konstantinopel (STAC 66), Tübingen 2012. 20 Vgl. z. B.: Adolf von Harnack, Lehrbuch der Dogmengeschichte II, Tübingen 41909, 426 f. 21 Vgl. z. B.: Joan M. Hussey, The Orthodox Church in the Byzantine Empire, Oxford 1986 (unverändert hg. i. J. 2010 v. Andrew Louth), 13–24; Judith Herrin, The Formation of Christendom, Oxford 1987, 209; John F. Haldon, Byzantium in the Seventh Century. The Transformation of a Culture, Cambridge 21997, 313–317; Ralph-Johannes Lilie, Byzanz. Das zweite Rom, Berlin 2003, 91 f.; zugespitzt bei Wolfram Brandes, Orthodoxy an Heresy in the Seventh Century: Prosopographical Observations on Monotheletism, in: Averil Cameron (Hg.), Fifty Years of Prosopography. The Later Roman Empire, Byzantium and Beyond (Proceedings of the British Academy 118), Oxford 2003, 103–118; Ders./John F. Haldon, Byzanz ca. 600 bis 1000, in: Falko Daim (Hg.), Byzanz (DNP Supp. 11), Stuttgart 2016, Sp. 64–66. Ausnahmen sind hier: Winkelmann, Streit 1–13; Marek Jankowiak, Essai d’histoire politique du monothélisme. Diss. ParisWarschau 2009 [ungedr.]; Phil Booth, Crisis of Empire: Doctrine and Dissent at the End of Late Antiquity, Berkeley u. a. 2013. 22 Vgl. z. B.: Jan Louis van Dieten, Geschichte der Patriarchen von Sergios I. bis Johannes VI. (610–715) (Enzyclopädie der Byzantinistik 24), Amsterdam 1972; Haldon, Byzantium in the Seventh Century; Prosopographie der mittelbyzantinischen Zeit. Erste Abteilung 641–867 nach Vorarbeiten Friedhelm Winkelmanns erstellt von Ralph-Johannes Lilie, Claudia Ludwig, Thomas Pratsch, Ilse Rochow Bd. 1–6, Berlin 1999–2002; Walter E. Kaegi, Heraclius. Emperor of Byzantium, Cambridge (2003) ND 2004; Wolfram Brandes, „Juristische“ Krisenbewältigung im 7. Jahrhundert? Die Prozesse gegen Papst Martin I. und Maximos Homologetes: in: FBRG.FM 10 (1998), 141–212; Wolfram Brandes/Felicitas Schmieder (Hg.), Endzeiten. Eschatologie in den

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einem deutlichen Mangel an theologischer Urteilsfähigkeit hat dort nicht selten zu eklatanten Fehlinterpretationen theologischer Texte geführt, die für das Verständnis dieses Konfliktes von entscheidender Bedeutung sind. In der orthodoxen Theologie ist es demgegenüber in den letzten Jahrzehnten geradezu zu einem Maximos-Hype gekommen, gilt dieser doch wegen seiner umfassenden Durchdringung aller Bereiche der Theologie und seiner asketisch-monastischen Lebenspraxis sowie durch sein vermeintliches Martyrium beglaubigt als idealer Repräsentant orthodoxer Theologie.23 Allerdings geht hier die enthusiastische Identifizierung meist zu Lasten der kritischen historischen Analyse. In der grundlegenden und zutiefst beunruhigenden Frage, warum es in dieser theologischen Kontroverse im 7. Jahrhundert unter den Anhängern Chalcedons nicht zu einer Verständigung gekommen ist und stattdessen in präzedenzloser Weise schließlich nicht weniger als zehn namhafte theologische Gegner zu Häretikern erklärt wurden, werden dort die Urteile des 7. Jahrhunderts einfach wiederholt und überholte Deutungsschemata weiter gepflegt.24 Dass die erhaltenen Quellen, die fast ausschließlich dyotheletischer Provenienz sind, mit ihren Informationen über die Entstehung des Konfliktes und die Absicht und theologische Position der 649 und 681 Anathematisierten kritische Skepsis verdienen, ist hier noch nicht durchgedrungen.

Weltreligionen (Millennium-Studien 16), Berlin 2008; Jankowiak, Essai d’histoire politique du monothélisme; Booth, Crisis of Empire. 23 Hervorzuheben sind: Vasilios Karayannis, Maxime le Confesseur. Essence et Énergies de Dieu (ThH 93), Paris 1993; Jean-Claude Larchet, La divinisation de l’homme selon Saint Maxime le Confesseur, Paris 1996; Ders., Maxime le Confesseur, médiateur entre l’Orient et l’Occident (CFi 208), Paris 1998; Ders., Saint Maxime le Confesseur (580–662) (Initiations aux Pères de l’Église), Paris 2003; Andrew Louth, Maximus the Confessor, London/New York 1996; Demetrios Bathrellos, The Byzantine Christ: Person, Nature, and Will in the Christology of St. Maximus the Confessor (OECS), Oxford 2004; Cyrill Hovorun, Will, Action and Freedom: Christological Controversies in the Seventh Century (The Medieval Mediterranean 77), Leiden 2008. Dazu gehört auch der Kommentar von Joshua Lollar zu seiner englischen Übersetzung von: Maximus Confessor. Ambigua to Thomas. Second Letter to Thomas, Introd., transl. and notes by J. Lollar (CCT 2), Turnhout 2009. 24 Vgl. z. B.: Kallistos Ware, Christian Theology in the East, 600–1453, in: H. Cunliffe-Jones/B. Drewery (Hg.), A History of Christian Doctrine, Edinburgh 1978, 181–225. 188: „a revival of the heresy of Apollinarius“, zustimmend wiederholt von: Bathrellos, The Byzantine Christ, 95 f.; Louth, Maximus the Confessor, 48: „a theological view emanating from theological circles in Constantinople and endorsed by imperial authority, that suggested language of one activity, or one will, in Christ, as a compromise with the monophysites“; Bathrellos, The Byzantine Christ, 60: „a small team of rather amateur theologians, most of whom were patriarchs, whose interests often lay not in the purity of Christian doctrine but in matters of ecclesiastical policy“; Hovorun, Will, Action and Freedom, 93: „Monotheletism had been initiated by state and church authorities. An artificial doctrine, it was designed by the elite and imposed on the broader masses“.

XX

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Den römisch-katholischen und orthodoxen Theologien ist schließlich auch die theologische Bewertung dieser Kontroverse weitgehend überlassen worden. Die Quintessenz der im Jahre 681 dogmatisierten Lehre eines zwiefachen Wirkens und doppelten Willens Jesu Christi wird dort gerne in der Bestätigung des „vollen Menschseins“ Jesu im Sinne seiner selbständigen freien Entscheidung zum Gehorsam gegenüber dem Willen Gottes gesehen, mit der Folge, dass auch für das Heil des Menschen eine freie Willensentscheidung als ursächlich und wesentlich betrachtet wird.25 Es ist jedoch die Frage, ob solche Interpretationen vom historischen Befund gedeckt sind. Weder die Definitio von 681 noch die einschlägigen Texte des Maximos geben das m. E. her. Vielmehr lässt sich m. E. in seiner Deutung des Heilswillens Jesu Christi eine bemerkenswerte Nähe zum eigentlichen Anliegen der sogenannten Monenergeten und Monotheleten feststellen. Die 15 Beiträge dieses Bandes zu zentralen Ereignissen und Themen der Kontroverse unterziehen die Quellen einer kritischen Analyse. Sie erheben die Motive und Strukturen des Streites, überprüfen die Darstellung der Ereignisse, beleuchten Selbstverständnis und Intention der Hauptprotagonisten und fragen schließlich nach der Berechtigung der radikalen Verwerfungen und der synodalen Fixierungen. Sie stehen unter der Leitfrage: Musste es zu dieser dramatischen Zuspitzung des Streites kommen? Gab es kein geistliches und theologisches Potential zu einer Verständigung? Oder waren es andere Faktoren, die sich dominant in den Vordergrund schoben und der Kirche ein weiteres Schisma bescherten, obwohl paradoxerweise das Bemühen um die Überwindung eines bestehenden Schismas den Ausgangspunkt des Streites bildete?

25 Vgl. z. B.: Peter Hünermann, Jesus Christus – Gottes Wort in der Zeit, Münster 1994, 179– 187.181.187.

I Motive und Strukturen

1 Motive und Strukturen des Schismas im monenergetisch-monotheletischen Streit Du trittst also nicht in Gemeinschaft mit dem Stuhl von Konstantinopel?“ Er antwortete: „Nein, ich halte keine Gemeinschaft!“ „Aus welchem Grund hältst du keine Gemeinschaft, antworte!“ Er antwortete: „Weil jene neun Kapitel, die man in Alexandrien abgefasst hat, die vier heiligen Synoden verworfen haben; das gleiche ist geschehen durch die in dieser Stadt von Sergios verfertigte Ekthesis und daran anschließend durch den vor sieben Jahren aufgestellten Typos. […] Die das gemacht haben, haben über sich selbst das Urteil gesprochen und sind von den Römern und von der danach vor sechs Jahren dort durchgeführten Synode abgesetzt worden. Was für einen heiligen Gottesdienst sollen diese dann noch feiern, und was für ein Geist soll sich bei deren Feiern dann noch einstellen?1

Diese Worte des 75jährigen Mönchs Maximos (ca. 580–662)2, gesprochen am 16. Mai 655 im Gefängnis in Konstantinopel bei seinem 1. Prozess wegen Hochverrats3, später wiederholt4 und nicht zurückgenommen, besiegelten das Schicksal dieses bedeutendsten Theologen des 7. Jahrhunderts. Auch die angedrohte grausame Strafe: Herausschneiden der Zunge, Abhacken der rechten (266) Hand und lebenslanges Exil, in seinem zweiten Prozess im Jahre 662 dann exekutiert, konnte ihn und seine Schüler nicht davon abhalten, im Schisma mit der Kirche von Konstantinopel zu verharren. Bevor diese im römischen Recht üblichen Spiegelstrafen5 durchgeführt wurden, hatte eine Konstantinopeler Synode Maximos und seine Schüler anathematisiert zusammen mit dem in der Verbannung ver-

1 Relatio motionis inter Maximum et principes 249 ff.; vgl. auch 430 ff. (CCSG 39,31.45 Allen/ Neil): „Οὐ κοινωνεῖς τῷ θρόνῳ Κωνσταντινουπόλεως;“ Καὶ εἶπεν· „Οὐ κοινωνῶ.“ „Διὰ ποίαν οὐ κοινωνεῖς αἰτίαν; εἶπον“. 2 Prosopographie der mittelbyzantinischen Zeit. Erste Abteilung 641–867. Nach Vorarbeiten Friedhelm Winkelmanns erstellt von Ralph-Johannes Lilie, Claudia Ludwig, Thomas Pratsch, Ilse Rochow, Bd. 1–6, Berlin 1999–2002, Nr. 4921; Vgl. auch: Friedhelm Winkelmann, Der monenergetisch-monotheletische Streit, (BBySt 6), Frankfurt/M. 2001, 238–245. 3 Vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 132. 4 Im Jahre 656 in der Verbannung in Bizye bei der Disputatio Bizyae cum Theodosio 83–115 (CCSG 39,81 f. Allen/Neil). Vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 145. 5 Vgl. Spiros N. Troianos, Ταυτοπάθεια, spiegelnde Strafen und Nasenabschneiden, in: Rainer Kiesow, Regina Ogorek, Spiros Simitis (Hgg.), Summa. FS Dieter Simon zum 70. Geb., Frankfurt /M. 2005, 569–578. Anmerkung: Vortrag gehalten auf der vom Pontificio Comitato di Scienze storiche veranstalteten Konferenz: Motivi e strutture di divisioni ecclesiali, Korfu 10.–13. April 2007. Zuerst publiziert in: AHC 38 (2006), 265–296. https://doi.org/10.1515/9783110714531-001

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1 Motive und Strukturen des Schismas

storbenen Papst Martin I. (649–653.†655) und dem ebenfalls bereits verschiedenen Jerusalemer Patriarchen Sophronios (634–639), sowie allen, die so dachten wie sie.6 Damit hatte eine seit ca. drei Jahrzehnten geführte theologische Kontroverse, der sog. monenergetisch-monotheletische Streit, einen weiteren schismatischen Höhepunkt erfahren. Bereits im Jahre 641 hatte eine römische Synode unter Papst Johannes IV. (640–642) die Patriarchen Sergios (610–638) und Pyrrhos (638–641) von Konstantinopel und Kyros von Alexandrien (631–644) anathematisiert.7 Papst Theodor I. (642–649) hatte seit 643 einen Häresieprozess gegen den ehemaligen Konstantinopeler Patriarchen Pyrrhos gefordert und vorbereitet8, der im Zweifelsfall in Rom durchzuführen sei. Und als Patriarch Paulos II. von Konstantinopel (641–653) nicht Folge leistete, erklärte er diesen 646/7 für abgesetzt.9 Schließlich hatte die Lateransynode von 649 in ihrem 18. Anathema alle bisherigen Konstantinopeler Patriarchen des 7. Jahrhunderts.: Sergios, Pyrrhos und den regierenden Paulos, zusammen mit Theodoros von Pharan, Kyros von Alexandrien samt allen ihren Anhängern, seien es Kleriker, Mönche oder Laien anathematisiert und die namentlich Genannten in eine Reihe mit den Häresiarchen Sabellius, Arius, Nestorius, Eutyches u. a. gestellt.10 Wie war es möglich, dass diese theologische Kontroverse eine solche schismatische Sprengkraft entwickelte? Und dies, obwohl sie sich unter (267) den Anhängern aller bisherigen fünf Ökumenischen Konzilien11 vollzog, wie man sich immer wieder bewusst machen muss! Was waren die Motive, und welche schismatischen Strukturen lassen sich beobachten? Bevor ich diesen Fragen nachgehe, sollen zuerst der Weg in die Konfrontation, die historischen Hintergründe des Schismas und das theologische Problem kurz skizziert werden.

6 Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 148a. 149. 7 Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 67b. 8 Winkelmann, Streit, Nr. 79–81.103. 9 Winkelmann, Streit, Nr. 104. 10 Die ganze Reihe umfasst: Σαβέλλιον, Ἄρειον, Εὐνόμιον, Μακεδόνιον, Ἀπολινάριον, Πολέμωνα, Εὐτυχέα, Διόσκορον, Τιμόθεον τὸν Αἴλουρον, Σεβῆρον, Θεοδόσιον, Κόλλουθον, Θεμέστιον, Παῦλον τὸν Σαμοσατέα, Διόδωρον, Θεόδωρον, Νεστόριον, Θεόδουλον τὸν Πέρσην, Ὠριγένην, Δίδυμον, Εὐάγριον καὶ ἁπλῶς τοὺς ἄλλους ἅπαντας αἱρετικοὺς: ACO ser. II 1, p.378,29–384,25;380,5–12 (Riedinger). Vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 110. 11 Auch für Maximos steht die Autorität des V. Ökumenischen Konzils von 553 außer Frage. Vgl. Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 9 (PG 91,128B). Die im Eingangszitat auffällige Hervorhebung der ersten vier Ökumenischen Synoden entspricht deren besonderer Wertschätzung in Ost und West, die im lateinischen Mittelalter noch bis in die Reformationszeit nachwirkt. Vgl. dazu Heinz Ohme, Die Bedeutung der ökumenischen Konzilien in der Sicht Martin Luthers, in: AHC 40 (2008), (195–212) 203f.

1 Der Weg ins Schisma

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1 Der Weg ins Schisma Wesentlich für ein Verständnis der Radikalität, mit der diese theologische Kontroverse ausgetragen wurde, ist ihre enge Verknüpfung mit den umwälzenden historischen Vorgängen jenes Zeitraums und den damit verbundenen politischen Entscheidungen.12 Die Einfälle der Slawen, Avaren, Perser und schließlich der Araber brachten das Römische Reich in eine Situation, in der es um seine Existenz fürchten musste. „Das Reich, das eben noch die Oikoumene war, das identisch mit der Welt schien, schrumpfte binnen weniger Jahre etwa auf die Maße der heutigen Türkei.“13 Der Verlust der reichen Provinzen des Ostens mit ihren jetzt fehlenden Steuereinnahmen und dem verlorenen Reservoir an Soldaten schwächte die Verteidigungsfähigkeit des Reiches zunehmend. Mit dem schon länger andauernden Zerfall des antiken Städtewesens verschwanden auch die Träger der antiken Kultur.14 Hinzu kam eine Krise der Herrschaftsstrukturen, die sich in andauernden Usurpationen und Morden innerhalb der kaiserlichen Familien manifestierte. Dies alles führte zu einer allgemeinen apokalyptischen (268) Zeitstimmung, die zwischen Endzeiterwartung und irrealen Hoffnungen schwankte.15 Es ist deshalb gut nachvollziehbar, „daß man nicht noch zusätzlich zu allen Existenzbedrohungen von außen […] und den inneren gesellschaftlichen Spannungen und Krisen Zerreißproben auf ideologischem und kirchenpolitischem Gebiet brauchte und daß man auf unbelehrbare Störer empfindlich reagierte“.16 Kaiser Herakleios (610–641)17 kam im gleichen Jahr 610 an die Macht, in dem auch Patriarch Sergios von Konstantinopel (610–638)18 sein Amt antrat. Beide haben dann zusammen fast drei Jahrzehnte in enger Verbundenheit die Geschicke des Reiches gelenkt. Dessen äußere Bedrohung und der Verlust innerer Ord-

12 Vgl. dazu: John F. Haldon, Byzantium in the Seventh Century. The Transformation of a Culture, Cambridge 21997; Andreas N. Stratos, Byzantium in the Seventh Century I–V, Amsterdam 1968–1980; Friedhelm Winkelmann, Helga Köpstein, Hans Ditten, Ilse Rochow, Byzanz im 7. Jahrhundert (BBA 48), Berlin 1978; Wolfram Brandes, „Juristische“ Krisenbewältigung im 7. Jahrhundert? Die Prozesse gegen Papst Martin I. und Maximos Homologetes, in: FBRG.FM 10 (1998), (141–212) 146–151; Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), 21–34. 13 Brandes, Krisenbewältigung (s. Anm. 12), 146. 14 Wolfram Brandes, Die Städte Kleinasiens im 7. und 8. Jahrhundert (BBA 56), Berlin 1989. 15 Wolfram Brandes, Endzeitvorstellungen und Lebenstrost in mittelbyzantinischer Zeit (7.– 9. Jahrhundert), in: Varia III (Ποικίλα Βυζαντινά 11), Bonn 1991, 9–62. 16 Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 25. 17 Walter E. Kaegi, Heraclius. Emperor of Byzantium, Cambridge 2003. 18 Jan Louis van Dieten, Geschichte der Patriarchen von Sergios I. bis Johannes VI. (610–715), Amsterdam 1972, 1–56. Vgl. auch Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), S. 258 f.

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nung waren die beherrschenden Themen über fast 20 Jahre. Zwischen 611 und 619 eroberten die Perser Syrien, Palästina und Ägypten. Als Herakleios zwischen 622–628 die Perserfeldzüge persönlich leitete, übernahm der Patriarch einen Großteil der politischen Verantwortung, nicht zuletzt bei der siegreichen Verteidigung der Hauptstadt gegen die Avaren im Jahre 626. Zwei Jahre später waren die Perser endgültig besiegt. Seit den zwanziger Jahren wurde einvernehmlich zwischen Kaiser und Patriarch auch nach einer neuen Möglichkeit gesucht, die kirchliche Einheit der gesamten christlichen Reichsbevölkerung wieder herzustellen.19 Sergios hatte dazu Kontakt u. a. zu Bischof Theodor von Pharan aufgenommen.20 Der Kaiser unternahm schon aus seinen Feldlagern heraus im Osten verschiedene Versuche, namhafte Bischöfe der Reichskirche für dieses Projekt zu gewinnen, insbesondere Kyros von Phasis/Lazike.21 Er diskutierte mit Gegnern des IV. Ökumenischen Konzils von Chalcedon22 und trat in (269) Unionsverhandlungen ein mit den Armeniern23 und den Jakobiten24 in Syrien. Der eigentliche Streit begann im Jahre 633, als dem inzwischen zum Patriarchen von Alexandrien erhobenen Kyros eine Union mit den „Theodosianern“ gelang, einer starken Gruppe der in sich gespaltenen „Monophysiten“ Ägyptens.25 Die Unionsurkunde26 vom 3. Juni 633 formuliert 9 Anathematismen auf der Grundlage der sog. „Neuchalkedonischen“ Theologie.27 Es handelt sich um ein christologisches Bekenntnis, das auf die formale Erwähnung von Chalcedon verzichtet, in der Sache jedoch dessen zentrale Aussagen dem theologischen Diskussionsstand entsprechend formuliert. Dies bedeutet im Kern, dass die Zwei-Naturen-Begrifflich-

19 Zum Folgenden vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), 34–44; van Dieten, Geschichte der Patriarchen (s. Anm. 18), 179–232; Guido Bausenhart, „In allem uns gleich außer der Sünde“. Studien zum Beitrag Maximos’ des Bekenners zur altkirchlichen Christologie (TSTP 5), Mainz 1992, 280–284. 20 Vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 10. Zu Theodor: Werner Elert, Der Ausgang der altkirchlichen Christologie. Eine Untersuchung zu Theodor von Pharan und seiner Zeit als Einführung in die Alte Dogmengeschichte, Berlin 1957. 21 Vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 18.19.20. 22 Mit Paulos Monophthalmos in Theodosiupolis. Vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 12.13. 23 Auf der Unionssynode von Theodosiupolis von 631. Vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 25. 24 Mit dem jakobitischen Patriarchen Athanasios I. Gammala 633/4. Vgl. v. Dieten, Geschichte der Patriarchen (s. Anm. 18) 219–232; Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 24.24a. 25 Zur Situation in Ägypten in dieser Zeit vgl.: Friedhelm Winkelmann, Ägypten und Byzanz vor der arabischen Eroberung, BySl 40 (1979), 161–182 (= Ders., Studien zu Konstantin dem Großen und zur byzantinischen Kirchengeschichte, Birmingham 1993, Nr. IV). 26 ACO ser. II 2,2 p.594–600 (Ried.); Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 27. 27 Vgl. Patrick Gray, Art. Neuchalkedonismus: TRE 24 (1994), 289–296.

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keit Chalcedons verwendet wird, im Rückgriff auf Kyrill von Alexandrien aber neben dem Hypostasen-Begriff auch mit dem Physis-Begriff die Einheit der Person Jesu Christi betont wird, die nicht in eine Zweiheit auseinandergerissen werden dürfe. Die Spitzenformulierung lautet: es sei in zwei Naturen „ein und derselbe Christus und Sohn, der das Gottgemäße und das Menschliche ‚durch Ein gottmenschliches Wirken’ bewirkt“ (ἐνεργοῦντα […] μιᾷ θεανδρικῇ ἐνεργείᾳ).28 Gegen diese Formulierung protestierte der greise Abt des palästinischen Theodosiosklosters, Sophronios, dem Kyros die Urkunde vorher gezeigt hatte. Er brachte seinen Protest auch Sergios gegenüber vor; es gelang ihm aber nicht, andere Bischöfe für seinen Widerstand zu gewinnen.29 Unter dem Eindruck der Argumente des Sophronios, der durch die Unionsformulierung das Bekenntnis zum wahren Menschsein Christi gefährdet sah und von zwei Wirkkräften (Energien) Christi, einer göttlichen und einer menschlichen redete, verabschiedete Patriarch Sergios zusammen mit seiner Ortssynode im August 633 einen „Bescheid“ (Psēphos)30, der die (270) alexandrinische Union modifizierte und jede Rede von einer oder zwei „Energien“ in Christus untersagte. Positiv wurde die Einheit der Person Jesu Christi betont, indem formuliert wurde, dass „alles Gott angemessene und dem Menschen angemessene Wirken von einem und demselben fleischgewordenen Gott-Logos ungetrennt hervorgehe und sich auf denselben bezieht“. Die Rede von „zwei Energien“ sei auch deshalb abzulehnen, weil daraus die Annahme von „zwei Willen“ folge, „denn in ein und demselben Subjekt können nicht zwei Willen existieren, die zugleich und in derselben Hinsicht Entgegengesetztes wollen“.31 Sowohl Sophronios als auch Maximos haben sich mit dieser Klärung zunächst einverstanden erklärt.32 Auf dieser Grundlage informierte Sergios Papst Honorius, der seine Zustimmung zum bisherigen Vorgehen und zum Inhalt der Psēphos gab.33 Als Sophronios allerdings schon 634 Patriarch von Jerusalem geworden war, wandte er sich in seiner polemischen Inthronistica34 gegen die Lehre der Psēphos, die man nun Monenergismus nannte, und vertrat einen Dyoenergismus. In diese Jahre fallen nun auch die dramatischen arabischen Eroberungen 28 ACO II 2, p.598,20 f. (Ried.) 29 Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 26.26a.88. 30 Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 36; dazu: 39.40.27.28. 31 Sergius I, Patr. Const., Psēphos a. 633 (ACO ser. II 2,2, p.542,6–7.16 f. Ried.): καὶ πᾶσαν θεοπρεπῆ καὶ ἀνθρωποπρεπῆ ἐνέργειαν ἐξ ἑνὸς καὶ τοῦ αὐτοῦ σεσαρκωμένου θεοῦ λόγου ἀδιαιρέτως προϊέναι καὶ εἰς ἕνα καὶ τὸν αὐτὸν ἀναφέρεσθαι. […] ἀδύνατον γὰρ ἐν ἑνὶ καὶ τῷ αὐτῷ ὑποκειμένῳ δύο ἅμα καὶ κατὰ ταυτὸν < ἐναντία > ὑφεστάναι θελήματα. 32 Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 43.42. 33 Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 43.44. 34 Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 45.

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Syriens, Palästinas und Jerusalems35, die den Kaiser veranlassten, 638 ein öffentlich angeschlagenes Gesetz zu erlassen, die sog. „Ekthesis“, bei der Sergios die Feder führte.36 Diese umfangreiche theologische Abhandlung verbot jeden weiteren Streit über das Energienproblem und propagierte eine Lösung auf der Grundlage der Willensthematik im Sinne der Lehre Eines Willens in Christus: Wir […] bekennen einen Willen unsres Herrn Jesus Christus, des wahrhaften Gottes, so dass zu keiner Zeit sein mit Vernunft beseeltes Fleisch getrennt und aus eigenem Antrieb gegen die Weisung des mit ihm (271) hypostatisch geeinten Gott-Logos seine natürliche Bewegung vollzog, sondern wann, wie und soweit sie der Gott-Logos selbst wollte.37

Damit war nun freilich eine Lehre per Gesetz publiziert worden, gegen die sich nach dem Tod des Sophronios im Jahre 638 Maximos und seine Schüler mit allen ihnen zur Verfügung stehenden theologischen und kirchenpolitischen Mitteln wandten. Um diesen Streit um den „Monotheletismus“ definitiv zu beenden, erließ der Kaiser – jetzt Konstans II. (641–668)38 – im Jahre 648 den sog. Typos, ein weiteres Gesetz, das an die Stelle der Ekthesis trat, und nun ohne nähere Ausführungen zur Christologie jede weitere Auseinandersetzung über Monenergismus und Monotheletismus unter Androhung hoher Strafen verbot.39 Das Weitere hier nun nur noch in Stichworten. Auch dieses Gesetz wurde von Maximos und seiner Gruppe abgelehnt, und es gelang ihnen zusammen mit dem Papsttum auf der Lateransynode von 649, den Monenergismus und Monotheletismus sowie alle Gegner40 zu anathematisieren. Die Folge war die Gefangennahme Papst Martins I. und des Maximos, die in Hochverratsprozessen 653/4 und 655/662 schwersten Strafen unterzogen wurden. Nach siegreicher Überwindung einer tödlichen vierjährigen arabischen Belagerung Konstantinopels 674–678 machte sich ein neuer Kaiser – Konstantinos IV. (668–685)41 – daran, das Schisma mit dem la-

35 Vgl. Ralph-Johannes Lilie, Die byzantinische Reaktion auf die Ausbreitung der Araber: Studien zur Strukturwandlung des byzantinischen Staates im 7. und 8. Jahrhundert, München 1976, 40–46. 36 Heraclius imp., Ecthesis (ACO ser. II 1, p.156–162 Ried.). Vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 50. 37 Heraclius imp., Ecthesis (ACO ser. II 1, p.160, 25–29 Ried.): ἓν θέλημα τοῦ κυρίου ἡμῶν Ἰησοῦ Χριστοῦ τοῦ ἀληθινοῦ θεοῦ ὁμολογοῦμεν, ὡς ἐν μηδενὶ καιρῷ τῆς νοερῶς ἐψυχωμένης αὐτοῦ σαρκὸς κεχωρισμένως καὶ ἐξ οἰκείας ὁρμῆς ἐναντίως τῷ νεύματι τοῦ ἡνωμένου αὐτῇ καθ’ ὑπόστασιν θεοῦ λόγου τὴν φυσικὴν αὐτῆς ποιήσασθαι κίνησιν, ἀλλ’ ὁπότε καὶ οἵαν καὶ ὅσην αὐτὸς ὁ θεὸς λόγος ἠβούλετο. 38 PMBZ, Nr. 3691; Vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), S. 221–224. 39 Constans II imp., Typos (ACO ser. II 1, p.208,3–210,15 Ried.). Vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 106. 40 S. o. Anm. 10. 41 PMBZ, Nr. 3702; Vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), 225–227.

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teinischen Westen auf einem Ökumenischen Konzil i. J. 680/142 in Konstantinopel zu überwinden. Das große theologische Thema, das unter diesen Bedingungen bearbeitet wurde, ist die Frage nach dem Verhältnis von Gotteskraft und Menschenkraft, Gotteswille und Menschenwille in der Person Jesu, engstens verbunden mit der Sündenverhaftung der menschlichen Natur und ihrer (272) Heilung in Christus. Auf der Grundlage der christologischen Grundentscheidung des IV. Ökumenischen Konzils von Chalcedon bezog sich der Grunddissens auf die Frage, ob die energeia Christi – verstanden als Wirkkraft und Wirken – und sein Wille an die „Person“ bzw. „Hypostase“ oder an die jeweilige „Natur“ (Physis) des Gottmenschen gebunden sind. Das Problem war, dass die Monenergeten/Monotheleten die menschliche Willentlichkeit nur im Widerspruch zu Gott vollzogen dachten und deshalb bei Jesus ausschlossen. Ebenso dachten sie alle Eigendynamik und Selbstmächtigkeit von Jesu Menschheit „wenn nicht unwirklich, so doch unwirksam“, um jedes Zerreißen der Einheit der Person Jesu Christi in zwei Handlungsträger auszuschließen – eine Gefahr, die man mit dem „Nestorianismus“ identifizierte.43 Maximos hat demgegenüber in einer großen theologischen Denkleistung herausgearbeitet, dass Handlungsfähigkeit, Eigendynamik und Wille zur menschlichen Physis gehören. In einer Fülle luzider Distinktionen konnte er klären, dass das Wollen in verschiedene Willensakte zu differenzieren ist und grundlegend unterschieden werden muss zwischen einem natürlichen Streben nach dem, was der Natur entspricht, und einer auf Entscheidung hindrängenden Disposition des Menschen, die in ihrem Trachten alle Willensakte beeinflusst.44 Maximos nannte dies bekanntlich den „gnomischen Willen“. Während dieser das Moment der Entscheidung notwendig einschließende Willensvollzug mit dem Schwanken zwischen Bösem und Gutem und der je und je erfolgenden Entscheidung für das Böse ein Kennzeichen des der Sünde unterworfenen Menschen sei, schloss Maximos dieses „gnomische Wollen“ freilich für Christus aus, in dem keine Ambivalenz und Veränderlichkeit des Wollens war, weil sein Wollen sich Gott nicht widersetzte.45 Nichts anderes aber als diese dem ChristusBild der Evangelien ganz entsprechende Aussage ist das Anliegen der Monotheleten gewesen. Dies anzuerkennen, war Maximos jedoch nicht bereit.46 An Versöhnungsbemühungen der anderen Seite hat es wahrlich nicht gemangelt. Die Fülle der Kon-

42 Rudolf Riedinger (Hg.), Acta Conciliorum Oecumenicorum. Series Secunda. Volumen Secundum, Pars Prima et Secunda: Concilium Universale Constantinopolitanum Tertium, Berlin 1990.1992. Vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 161. 43 Vgl. dazu Bausenhart, „In allem uns gleich außer der Sünde“ (s. Anm. 19), 111–131.130. 44 Bausenhart, „In allem uns gleich außer der Sünde“ (s. Anm. 19), 131–167. 45 Bausenhart, „In allem uns gleich außer der Sünde“ (s. Anm. 19), 154–164. 46 Vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), 20.39 f.

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vergenzen und das meines Erachtens durchaus vorhanden gewesene Verständigungspotential war er nicht willens wahrzunehmen. Wir fragen jetzt nach den Motiven. (273)

2 Motive des Schismas Wenn wir nun nach den Motiven der Hauptprotagonisten fragen, so ist zuerst bei den wichtigsten Vertretern der kirchlichen Opposition, Sophronios und Maximos, eine von tiefer Glaubensgewissheit und Gewissensbindung getragene unerschütterliche subjektive Überzeugung von der Notwendigkeit ihres Handelns festzustellen.47 Diese Überzeugung basiert auf der Meinung, dass es sich bei der bekämpften theologischen Position um eine häretische Verfälschung des christlichen Glaubens im Kern handele, die die Kirche als ganze und das Heil der Menschheit in Frage stelle. Jede Verständigung wäre deshalb Verrat am Glauben. So sagt Maximos bei seinem 1. Prozess zum Typos, es sei unmöglich, dass die schmutzigen häretischen Äußerungen zusammen mit den lichten Stimmen der heiligen Väter aus dem Wege geräumt werden; oder mit der Lüge zusammen die Wahrheit auslöschen zu wollen; oder mit der Finsternis zugleich das Licht verschwinden zu lassen. Nichts von dem, was wir verehren, würde Bestand haben, wenn man die von Gott gelehrten Worte abschaffte.48 Und: Es gibt nichts Bedrängenderes als ein anklagendes Gewissen und nichts, was zuversichtlicher macht als ein freisprechendes!49

Noch das letzte Versöhnungsangebot des Kaisers wird von ihm im Jahre 662 in Bizye zurückgewiesen mit den Worten: Wir müssen alle des Jüngsten Gerichtes gewärtig sein! […] Wie sollte ich mich rechtfertigen – ich sage nicht einmal vor Gott, sondern vor meinem eigenen Gewissen, für Menschenruhm […] dem Glauben abgeschworen zu haben, der doch nur die rettet, die sich ihm treu ergeben.50

47 Dies gilt meines Erachtens, auch wenn man um die propagandistische Absicht der im folgenden zitierten Quellen weiß. Vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 132.145. 48 Relatio motionis 135–141 (CCSG 39,23 Allen/Neil): Ἀδύνατον […] συναναιρεθῆναι ταῖς τῶν ἀκαθάρτων αἱρετικῶν φωναῖς τὰς τῶν ἀγίων Πατέρων φωτοφόρους φωνάς. […]. Οὐδὲν γὰρ ἡμῖν ἔσται τὸ προσκυνούμενον, εἰ γένηται τῶν θεοδίδακτων λόγων ἀναίρεσις. 49 Relatio motionis 353 ff. (CCSG 39,39 Allen/Neil): Οὐδὲν βιαιότερον συνειδότος κατηγοροῦντος, καὶ ουδὲν τούτου συνηγοροῦντος παρρησιαστικώτερον. 50 Disputatio Bizyae 647–661 (CCSG 39,133 Allen/Neil): ἡμέραν κρίσεως ἐκδεχόμεθα πάντες. […] Τί γὰρ ἀπολογήσομαι, οὐ λέγω τῷ θεῷ, ἀλλὰ τῷ ἐμῷ συνείδοτι, ὅτι διὰ δόξαν ἀνθρώπων […] τὴν σώζουσαν τοὺς στέργοντας αὐτὴν πίστιν ἐξωμοσάμην;.

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Die bekämpfte Lehre nennt Maximos deshalb „ein frevelhaftes und ungesetzliches Gemisch“;51 sie sei eine „gotteslästerliche Häresie“52 und „eine Krankheit, (274) mit der Sergios auf vielfältige Weise die Allgemeinheit angesteckt und der heiligen Kirche aufs schwerste Schaden zugefügt hat“.53 Dieselbe Haltung findet sich bei Sophronios, der Lehrer und wohl auch geistlicher Vater des Maximos war.54 Maximos berichtet55, dass der etwa Achtzigjährige bei Kyros folgendermaßen gegen die Union von 633 intervenierte: Der göttliche und große Sophronios also kam damals nach Alexandrien, erhob bald aufgrund einer ersten Lektüre […] unter Klagen und eindringlich seine Stimme, ließ wahre Sturzbäche von Tränen hervorschießen, beschwor jenen mit feurigen Worten, flehte ihn an, forderte ihn auf und warf sich ihm zu Füßen auf den Boden, damit er davon nichts von der Kanzel herab gegen die katholische Kirche Gottes verkünde. […] Und sie gewährten dem heiligsten Sophronios keinerlei Trost, der da so erbarmungswürdig klagte, nach Art eines zweiten Jeremia die Zerstörung der katholischen Kirche beweinte.56

In ähnlicher Weise wurde Sophronios noch im selben Jahr 633 bei Sergios in Konstantinopel vorstellig57, und vor seinem Tode im Jahre 63858 verpflichtete er – jedenfalls nach dessen Darstellung – den palästinischen Bischof Stephan von Dor zu einem unerbittlichen antimonenergetischen Kampf im Westen: [Voll göttlichen Eifers und Leidenschaft] nahm er mich und stellte mich, den Unwürdigen, auf die heilige Schädelstätte […]. Und dort fesselte er mich mit unlösbaren Fesseln, indem er sagte: ‚Du wirst ihm Rechenschaft geben, dem Gott, der im Fleisch unsertwillen freiwillig an diesem heiligen Ort gekreuzigt wurde, bei seiner glorreichen und furchtbaren

51 Disputatio Maximi cum Pyrrho (PG 91,289D): ἀθέμιτος καὶ παράνομος μίξις. 52 Disputatio Maximi cum Pyrrho (PG 91,304B): τῆς τοιαύτης αἱρέσεως τὸ βλάσφημον. 53 Disputatio Maximi cum Pyrrho (PG 91,333AB): Επειδὴ Σεργίου πολυτρόπως τὴν οἰκείαν νόσον ἐν τῳ κοινῷ προθέντος, καὶ τὸ πλεῖστον τῆς ἐκκλησίας λυμηναμένου. 54 Vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), 240. 55 In seinem Schreiben an Petros Illustrios (Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 12 [PG 91,141– 146]); Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 88. Auch wenn es sich hier nur um ein lateinisches Exzerpt aus dem Brief durch Anastasius Bibliothecarius handelt, ist der Bericht meines Erachtens durchaus glaubhaft. 56 Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 12 (PG 91,143C–144A). Übersetzung: Bausenhart, „In allem uns gleich außer der Sünde“ (s. Anm. 19), 285. 57 Auch ihm „warf er sich ehrfürchtig zu Füßen, wobei er keineswegs bettelte, sondern ihm die lebensspendenden Leiden Christi unseres Gottes vor Augen stellte, er solle nicht die Stimme der Häretiker wieder erneuern, die bereits früher von den heiligen Vätern, die ihren Lebenslauf schon vollendet haben, glücklich zum Verstummen gebracht wurde“: Disputatio Maximi cum Pyrrho (PG 91,333B); Dt. Übersetzung: Bausenhart, „In allem uns gleich außer der Sünde“ (s. Anm. 19), 222 f.. 58 Laut Christoph von Schönborn starb Sophronios am 11. März 639 (Ders., Sophrone de Jérusalem. Vie monastique et confession dogmatique (ThH 20), Paris 1972, 97 Anm. 136).

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Epiphanie, wenn er die Lebenden (275) und die Toten richten wird, ob du seinen Glauben, der in Gefahr ist, gehemmt oder beiseitegelassen hast’.59

Auch wenn man bei diesen Zeugnissen die propagandistische Absicht der Verfasser in Rechnung stellt, die in der späteren Heiligen- und Märtyrerverehrung beider rezipiert wurde, ist ihre subjektive Überzeugung und Motivation meines Erachtens glaubwürdig dargestellt. Was lässt sich demgegenüber über die Motive des Sergios und des Kyros sagen? Es war ein Axiom der älteren Forschung zum monenergetisch-monotheletischen Streit, dass dieser „einseitig auf die innenpolitischen Bemühungen der byzantinischen Kaiser und Patriarchen zurückgeführt“ wurde und „die theologische Problematik bagatellisiert“ wurde. Sophronios, Maximos und ihre Anhänger galten als die Helden und eigentlichen Sieger, „während in dieser Sicht die byzantinische Seite nur aus Opportunisten und Despoten zu bestehen scheint, die die freie Meinung unterdrückten und nur das Ziel hatten, die eigene Macht zu festigen.“60 Man bediente also auch mit dieser Geschichtsphase das gängige Byzanzklischee.61 Gewiss ist in Rechnung zu stellen, dass im Blick auf die skizzierten dramatischen Notlagen des Reiches dieser Streit „mehr als jede der vorhergehenden theologischen Auseinandersetzungen […] die byzantinische Innenpolitik“62 beeinflusste. Völlig zu Recht hat Friedhelm Winkelmann deshalb darauf hingewiesen, dass man den Konstantinopler Patriarchen (276) zugutehalten muss, 59 Stephanus episc. Dorensis, Accusatio (ACO ser. II 1, p.40,24–30 Ried.): ἔλαβε μὲν καὶ ἔστησεν ἐμὲ τὸν ἀνάξιον ἐν τῷ ἁγίῳ κρανίῳ […], καὶ ἐκεῖ συνέδησέ με δεσμοῖς ἀλύτοις εἰπών ·„Σὺ δώσεις λόγον αὐτῷ τῷ σαρκὶ δι’ ἡμᾶς ἑκουσίως ἐν τῷ ἁγίῳ τόπῳ τούτῳ σταυρωθέντι θεῷ κατὰ τὴν ἔνδοξον αὐτοῦ καὶ φοβερὰν ἐπιφάνειαν, ἡνίκα μέλλει ‚κρῖναι ζῶντας καὶ νεκρούς‛, ἐὰν δὴ ἀναβάλλῃ καὶ παρίδῃς τὴν πίστιν αὐτοῦ κινδυνεύουσαν“. Übersetzung: Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 82. 60 Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), S. 2. 61 Vgl. Ralph-Johannes Lilie, De mortuis nihil nisi bene? Zum abendländischen Byzanzbild in der Neuzeit, in: Ders., Byzanz. Kaiser und Reich, Köln, Weimar, Wien 1994, 258–271. Adolf von Harnack hat diese seine Sicht folgendermaßen zusammengefasst: „In der That ist es lediglich die Politik, die monophysitischen Provinzen wiederzugewinnen, gewesen, welche den Streit heraufgeschworen hat. Er gehört darum auch ganz wesentlich der politischen Geschichte an.“ (Ders., Lehrbuch der Dogmengeschichte II, Tübingen 41909, 426). Selbst Werner Elert hat Patriarch Sergios und Papst Honorius noch als „die beiden größten Opportunisten ihres Jahrhunderts“ bezeichnet (Ders., Der Ausgang der altkirchlichen Christologie [s. Anm. 20] 242.231), und noch van Dieten sah in den Unionsversuchen des 7. Jahrhunderts „kirchliche Wiedereroberung“ (Ders., Geschichte der Patriarchen 24, Anm. 82). Auch für Bausenhart ist der sog. Monenergismus „der religiöse ‚Köder’“ der Kirchenpolitik (Ders., „In allem uns gleich außer der Sünde“, 239). 62 Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), 1.

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„daß sie sich als Bischöfe der Hauptstadt den Problemen aller Gläubigen Ostroms und der Situation des Reiches verpflichtet fühlen mußten.“63 Dass damit aber durchaus auch eine geistlich integre Haltung und ein theologisch reines Gewissen verbunden sein konnten, ist dadurch noch nicht gesagt. Dies lässt sich freilich meines Erachtens durchaus feststellen, und zwar in doppelter Hinsicht. Aus der Mitteilung des Kyros an Sergios über die alexandrinische Union von 63364 und dem bald danach geschriebenen Bericht des Sergios darüber an Papst Honorius65 geht nämlich hervor, dass beiden als Motivation 1Tim 2,4 zugrunde lag, wonach Gott will „dass allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen“.66 Sergios berichtet über den alexandrinischen Patriarchen: „Und nach vielen Gesprächen und Anstrengungen, die er (sc. Kyros) mit größter Klugheit und einer ganz zur Lösung führenden Oikonomia (καὶ λυσιτελεστάτης οἰκονομίας) in der Sache auf sich nahm, erreichte er sein Ziel mit der Gnade von oben.“ Gegenüber Sophronios habe Kyros betont, dass unsere heiligen Väter oft, um das Heil vieler Seelen zu gewinnen, mit derartig aufkommenden Ausdrücken eine offenbar gottgefällige Oikonomia geübt hätten und sich verständigt hätten, ohne die Akribeia der richtigen Lehren der Kirche ins Wanken zu bringen; […] man solle doch, wo gegenwärtig das Heil solch unzähliger Menschen auf dem Spiel stehe, nicht über jenes Kapitel unter Brüdern heftig (277) streiten, da doch – wie ge-

63 „In einem Reich, in dem unterschiedliche Ethnica, Kulturen und christliche Denominationen existierten, hatten sie eine ökumenische Aufgabe, einen Auftrag, auch nach Möglichkeiten von Verbindendem zu suchen.“: Winkelmann, Streit, 26. Voraussetzung ihres Handelns ist das, was man „Politische Orthodoxie“ genannt hat (Hans-Georg Beck, Das Byzantinische Jahrtausend, München 1978, 87–108). „Die Kirche betreibt Staatspolitik wie umgekehrt der Staat Kirchenpolitik. Keine der beiden Institutionen läßt sich aber auf die andere reduzieren; identisch werden beider Interessen nicht“ (Bausenhart, „In allem uns gleich außer der Sünde“ [s. Anm. 19], 281). Vgl. auch Jürgen Ziemer, Christlicher Glaube und politisches Handeln während der Perserkriege des Kaisers Herakleios. Eine Untersuchung zu Gestalt und Grundlagen der „politischen Theologie“ im oströmischen Reich, Diss. Halle 1967, 91–129; Friedhelm Winkelmann, Kirche und Gesellschaft in Byzanz vom Ende des 6. bis zum Beginn des 8. Jahrhunderts, in: Klio 59 (1977), 477–489 [= Ders., Studien zu Konstantin dem Großen und zur byzantinischen Kirchengeschichte, Birmingham 1993, Nr. VI]. 64 Cyrus Patr. Alex., Epistula ad Sergium Patr. Const. (ACO ser. II 2,2, p.592,6–594,15 Ried.); Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 28. 65 Sergius I Patr. Const., Epistula ad Honorium pp. (ACO ser. II 2,2, p.534,1–546,25 Ried.); Winkelmann, Streit, Nr. 43. 66 Sergius I Patr. Const., Epistula ad Honorium pp. (ACO ser. II 2,2, p.536,15–20 Ried.): Ἐπειδὴ δὲ πρὸ ὀλίγου καιροῦ συνεργείᾳ καὶ χάριτι τοῦ πάντας ἀνθρώπους θέλοντος σωθῆναι θεοῦ < καὶ εἰς ἐπίγνωσιν ἀληθείας ἐλθεῖν > […] Κῦρος ὁ ἁγιώτατος τῆς Ἀλεξανδρέων μεγαλοπόλεως πατριάρχης […] φιλοθέως τε καὶ ἐπιεικῶς προετρέψατο τοὺς κατὰ τὴν Ἀλεξανδρέων μεγαλόπολιν τὰ Εὐτυχοῦς καὶ Διοσκόρου, Σεβήρου τε καὶ Ἰουλιανοῦ τῶν θεοστυγῶν νοσοῦντας τῇ καθολικῇ προσελθεῖν ἐκκλησίᾳ.

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sagt – jener Ausdruck auch von manchen gottbegeisterten Vätern verwendet werde und der Inhalt der Orthodoxie dadurch keinen Schaden leide. […]. Sophronios aber akzeptierte eine solche Oikonomia überhaupt nicht.67

Es ist bezeichnend, dass Guido Bausenhart im Jahre 1992 – noch der politischen Motivationsdeutung verhaftet – die „ganz zur Lösung führende Oikonomia“ mit „äußerst nützlicher Taktik“ übersetzte und in der Akribeia nur ein gewisse „Schärfe“ in der Lehre erblickte.68 Damit aber wird eine wesentlich geistliche und theologische Motivation des Sergios und Kyros nicht wahrgenommen und verzeichnet. Denn es geht beiden um die Anwendung des in der kirchlichen Tradition bereits fest verankerten Handlungsprinzips der sog. Oikonomia. Dieses versteht sich als Fortsetzung des göttlichen Gnadenhandelns in Anwendung des Liebesgebotes, wodurch von der Akribeia als präziser Durchsetzung kirchlicher Normen abgesehen werden kann, wenn die Glaubens- und Lehrsubstanz nicht in Frage gestellt ist. Unter dieser Bedingung ist die Oikonomia durchaus auch in Fragen der Lehrformulierung möglich.69 Für Kyros und Sergios bestand

67 Sergius I Patr. Const., Epistula ad Honorium pp. (ACO ser. II 2,2, p.536,21–23;538,17–540,3 Ried.): καὶ μετὰ πολλὰς διαλέξεις καὶ καμάτους, οὓς μετὰ πλείστης φρονήσεως καὶ λυσιτελεστάτης οἰκονομίας ἐν τῷ πράγματι κατεβάλετο, τὸ σπουδαζόμενον διὰ τῆς ἄνωθεν κατώρθωσε χάριτος […] ὡς πολλάκις οἱ ἅγιοι πατέρες ἡμῶν διὰ τὸ κερδᾶναι πλειόνων ψυχῶν σωτηρίαν τοιούτων ἀναφυέντων κεφαλαίων θεαρέστοις οἰκονομίαις χρησάμενοι φαίνονται καὶ συμβάσεσι μηδὲν τῆς ἀκριβείας τῶν ὀρθῶν τῆς ἐκκλησίας δογμάτων παρασαλεύσαντες, καὶ λέγοντος, ὡς ἄρα χρὴ καὶ ἐπὶ τοῦ παρόντος τοσούτων μυριάδων λαοῦ σωτηρίας ἐν χερσὶ προκειμένης μηδὲν περὶ τοῦ τοιούτου κεφαλαίου ἐριστικῶς ζυγομαχεῖν διὰ τό, ὡς εἴρηται, καὶ ὑπό τινων θεσπεσίων πατέρων τὴν τοιαύτην εἰρῆσθαι φωνὴν καὶ μηδὲν περὶ τούτου τὸν τῆς ὀρθοδοξίας παραβλάπτεσθαι λόγον, ὁ ῥηθεὶς θεοφιλὴς Σωφρόνιος τὴν τοιαύτην οἰκονομίαν οὐδαμῶς κατεδέξατο. Dt. Übersetzung: Bausenhart, „In allem uns gleich außer der Sünde“ (s. Anm. 19), 318 mit wesentlichen Veränderungen. 68 Auch van Dieten, Geschichte der Patriarchen (s. Anm. 18), 41, paraphrasiert die Stelle so, als handele es sich hier „nur um eine kleine Nachgiebigkeit in der Terminologie“ als „von den Vätern übernommenes Verfahren“. 69 Dies ergibt sich aus der Schrift Περὶ Οἰκονομίας des chalcedonensischen Patriarchen von Alexandrien Eulogios (581–607), die uns wie sein gesamtes Werk nur durch die Beschreibung des Photios bekannt ist (cod. 227; 111–114 Henry IV). Vgl. dazu Gerhard Richter, Oikonomia, Der Gebrauch des Wortes Oikonomia im Neuen Testament, bei den Kirchenvätern und in der theologischen Literatur bis ins 20. Jahrhundert (AKG 90), Berlin/New York 2005, 492–496; Heinz Ohme, Oikonomia im monenergetisch-monotheletischen Streit, in: ZAC 12 (2008), 308–343. Alle älteren einschlägigen Untersuchungen über die kirchliche Oikonomia gehen auf den monenergetisch-monotheletischen Streit nicht ein. Vgl. Spiros Troianos, «Akribeia» und «Oikonomia» in den heiligen Kanones: Ius Ecclesiarum Vehiculum Caritatis (Atti del simposio internazionale per il decennale dell’entrata in vigore del Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium, Vatikan 19.– 23.11.2001), Vatikan 2004, 187–198; Gilbert Dagron, La règle de exception. Analyse de la notion d’économie, in: Dieter Simon (Hg.), Religiöse Devianz, Frankfurt a. M. 1990, 1–18; Peter L’Huil-

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sie anscheinend darin, in (278) den 9 Unionskapiteln von 633 auf eine explizite Erwähnung der von den Monophysiten bekämpften Synode von Chalcedon zu verzichten, wenn inhaltlich deren christologisches Bekenntnis gewahrt war und zudem die „monophysitische“ Seite in den Kephalaia 8 und 9 der Unionsformel in die Anathematisierung aller von den ersten fünf Ökumenischen Synoden Anathematisierten eingestimmt hatte.70 Den Begriff der „einen Energie“ sah man durch die Tradition legitimiert. Sophronios aber wollte von einer Anwendung der Oikonomia in diesem Zusammenhang nichts wissen. Gerade an dieser Stelle bricht also schon 633 in der Motivation beider Seiten eine fundamentale geistlich-theologische Diastase auf, die sich bis zum Ende des Streites durchhält71 und die eine gesonderte Untersuchung verdient.72 Sie besteht in der Frage, ob um der Einheit der Kirche willen in dieser Frage die Oikonomia angewendet werden darf oder nicht. Zu dieser geistlich integren Haltung der monenergetischen Unionstheologen kommt nun weiterhin hinzu, dass sie in einer theologisch legitimen und bereits älteren Tradition stehen. Denn es ist keineswegs so gewesen, wie aus der Sicht a posteriori nach 680/1 von Dyotheleten und „Monophysiten“ behauptet wurde, als sei der „Monenergismus“ erst im unmittelbaren Kontext der Union mit dem jakobitischen Patriarchen Athanasios I. (279) Gammala „erfunden“ oder „geschaffen“ worden.73 Genauso falsch ist die von Bischof Stephan von Dor

lier, L’ économie dans la tradition de l’ Église Orthodoxe, in: Kanon VI (1983), 19–38; John H. Erickson, Oikonomia in Byzantine Canon Law, in: Kenneth Pennington/Robert Somerville (Hgg.), Law, Church and Society. Essays in Honor of St. Kuttner, University of Pennsylvania 1977, 225–236; Ι. Ι. Κοτσώνη, Προβλήματα τῆς «Ἐκκλησιαστικῆς Οἰκονομίας», Athen 1957; Hamilkar Alivisatos, Die Oikonomia. Die Oikonomia nach dem kanonischen Recht der Orthodoxen Kirche (Athen 1949), hg. v. Andrea Belliger, Frankfurt a.M. 1998. 70 Vgl. Decretum unionis a. 633 (ACO ser. II 2,2, p.600,7–20 Ried.). 71 Noch 655 verweigert Maximos jede Anwendung der Oikonomia in der Streitfrage. Vgl.: Relatio motionis 162–174 (CCSG 39,25 Allen/Neil). Auch an dieser Stelle ist die – einflussreiche – deutsche Übersetzung eine groteske Verzeichnung des Gemeinten. Hugo Rahner (Kirche und Staat im frühen Christentum, München 1961, 401) übersetzte dort οἰκονομίας χάριν mit „um des lieben Friedens willen“. Der von Werner Elert diagnostizierte „Opportunismus“ beider Patriarchen (s. o. Anm. 61) bezieht sich gerade auf die – von ihm nicht erkannte – Praxis der Oikonomia. 72 Vgl.: Ohme, Oikonomia im monenergetisch-monotheletischen Streit (s. Anm. 69). 73 Nach Anastasios Sinaites (Homilia tertia de creatione hominis; gehalten i. J. 701) verdankt sich der Monenergismus einer schlauen List des Patriarchen Athanasios bei der Unionssynode von Hierapolis von 633/4, mit der dieser dem Kaiser die Anerkennung von Chalcedon zusagte, de facto aber die monophysitische Position durch die Einbringung der Lehre von einer Energie und einem Willen durchsetzte (CCSG 12,55–83. 56,18–33 Uthemann). Ähnlich: Synodicon vetus 128 (The Synodicon vetus, Text, Translation and Notes by John Duffy and John Parker, Wa-

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und Maximos vertretene These74, dass Theodor von Pharan der Urheber des Monenergismus gewesen sei, eine Behauptung, die ihn zum „Häresiarchen“ und jeweils Mitgenannten in den Anathematismen der Lateransynode und des VI. Ökumenischen Konzils werden ließ.75 Demgegenüber wurde schon länger gesehen, dass das Energienproblem „in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts ins Blickfeld der Theologen kommt und nicht erst von den Kirchenpolitikern des 7. Jahrhunderts künstlich als Vermittlungsformel eingeführt wurde. Wie die frühen Neuchalkedonier stehen auch die ersten Theologen, die sich mit der Energienfrage beschäftigen, unter einer theologischen und nicht unter einer kirchenpolitischen Nötigung.“76 Karl-Heinz Uthemann hat als Ergebnis seiner luziden Forschungen zum Neuchalkedonismus hinsichtlich des Monenergismus überzeugend nachgewiesen, dass dieser keine Vermittlungstheologie77 gegenüber dem Monophysitismus darstellt, sondern wegen der „Offenheit (280) der Definitio fidei von Chalkedon für eine Kyrillische und eine Leoninische Rezeption“ in die Tradition der Kyrillischen Deutung und Rezeption

shington 1979, 106 ff.). Die „monophysitische“ Überlieferung findet sich bei dem jakobitischen Historiker Michael Syrus (Chronik II,2; 11,4 (405–408.412 Chabot). Vgl. dazu: van Dieten, Geschichte der Patriarchen (s. Anm. 18), 185.219–232. Diese verfälschende Sicht wird noch bis in die neueste Literatur kolportiert. Vgl. Kaegi, Heraclius (s. Anm. 17), 214 unter Beiseitelassung der gesamten historisch-theologischen Forschung. 74 Vgl. Stephanus episc. Dorensis, Accusatio (ACO ser. II 1, p.38,10–46,36, hier: 38,26 Ried.); Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 82. Genauso: Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 10 (PG 91,133–137.136B-D); vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 93. 75 Vgl.: ACO II 1, p. 380, 22 f.384,2; II 2, p. 578, 23–589,3 (Ried.). 76 Siegfried Helmer, Der Neuchalkedonismus. Geschichte, Berechtigung und Bedeutung eines dogmengeschichtlichen Begriffes (Theol. Diss), Bonn 1962, 223. Vgl. auch Patrick Gray, Neuchalkedonismus (s. Anm. 27). 77 Dass diese theologische Entwicklung gleichwohl dem Anliegen der „Monophysiten“ stark entgegenkam, ist davon unbenommen, denn „daß die Monophysiten aller Richtungen mit der Einen Energie und dem Einen Willen in Christo einverstanden waren, konnte von vornherein niemand bezweifeln“ (Elert, Ausgang [s. Anm. 21], 220). So findet sich auch bei Severus von Antiochien auf der Grundlage seiner Mia-Physis-Theologie eine Lehre von der „Mia Energeia“: „Die eine Energie wird zum stärksten Ausdruck der mia physis und zum Garanten, daß Christus wirklich einer ist.“ Für Patriarch Theodosios von Alexandrien, den Namensgeber der o. g. „Theodosianer“, gilt dann sogar: „Die Mia Energeia läuft der Mia Physis den Rang ab“ (Alois Grillmeier, Jesus der Christus im Glauben der Kirche 2/2, Freiburg u. a. 1989, 171–176; 2/4, 53– 59.59). Man wird dabei freilich nicht übersehen dürfen, dass die Ablehnung der severianischen Theologie allen Monenergeten gemeinsam ist: Für Sergios vgl. z. B. in dessen Brief an Papst Honorius das Urteil über den Vertreter der Severianer Paulos Monophthalmos, mit dem Herakleios 623 in Theodosiupolis disputierte (vgl. Winkelmann, Streit, Nr. 12): < τις > τῶν πρωτευόντων τῆς δυσσεβοῦς Σεβήρου τοῦ καταράτου μερίδος Παῦλος τοὔνομα. Die Lehre des Severos sei eine αἵρεσις und δυσσέβεια (ACO ser II 2,2, p.534, 13 f.15.18 Ried.).

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gehört. Dieser ist es „um eine konkrete Auffüllung des Begriffes des ‚Hypostase’“ gegangen, woraus sich die „Theorie einer hypostatischen Energie und eines hypostatischen Willens“ entwickelt habe. Diese Entwicklung kann Uthemann vor Theodor von Pharan von Leontius von Byzanz über Leontius von Jerusalem, Kaiser Justinian, Patriarch Menas von Konstantinopel und Papst Vigilius (537–555) bis zu Patriarch Anastasios von Antiochien (557–570. 593–598) deutlich machen.78 Man hat sich also immer wieder klarzumachen, dass sich in dieser Kontroverse nicht Orthodoxe und „Monophysiten“ gegenüberstehen, sondern beide Seiten auf der Grundlage der Synode von Chalcedon und ihrer Rezeptionsgeschichte (281) stehen.79 So haben auch alle Unionsverhandlungen auf dieser Grundlage stattgefunden.80 Auch wenn man nun nach den tatsächlichen politischen Implikationen der Motive fragt– die es ganz offensichtlich gegeben hat –, muss man beide Seiten in den Blick nehmen. Denn für beide Seiten gilt, dass sie den Grundaxiomen des Christentums als Reichsreligion verhaftet waren und überzeugt waren, dass Gottes Beistand und Gunst für das Imperium sich im militärischen Sieg manifestierte.81 So wie die von Patriarch Sergios geleitete82 siegreiche Verteidigung Konstantinopels gegen die Avaren im Jahre 626 dem direkten Eingreifen Christi und der Gottesgebärerin zugeschrieben wurde83, so stellte sich mit der Erobe78 Vgl. Karl-Heinz Uthemann, Der Neuchalkedonismus als Vorbereitung des Monotheletismus. Ein Beitrag zum eigentlichen Anliegen des Neuchalkedonismus, in: StPatr 29 (1997), 373–413 (= Ders., Christus, Kosmos, Diatribe. Themen der frühen Theologie als Beiträge zu einer historischen Theologie (AKG 93), Berlin/New York 2005, 207–255), 377.379.384.385–403.411 f.; Ders., Das anthropologische Modell der hypostatischen Union. Ein Beitrag zu den philosophischen Voraussetzungen und zur innerchalkedonischen Transformation eines Paradigmas, in: Kleronomia 14 (1982), S. 215–312 (=Ders., Christus, Kosmos, Diatribe (s. o.), 103–196); vgl. bes. III. Die Hypostase als wirkende und wollende Subsistenz, ebd. (157–169). 79 Vgl. auch Bausenhart, „In allem uns gleich außer der Sünde“ (s. Anm. 19), 130: „Die Monenergeten/ Monotheleten stehen damit am Ende des innerhalb der chalkedonischen Orthodoxie gegangenen Weges von Kyrill über Dionysios und den Neuchalkedonismus ins 7. Jahrhundert, eines Weges, der die letzten hundert Jahre als ständigen Wegbegleiter Severus sah.“ Zu deren Ablehnung des Severos vgl. oben Anm. 77. 80 Darüber sind sich sogar Anastasios Sinaites († nach 700) und der jakobitische Patriarch Michael Syrus (†1199) einig: „von den Jakobiten wurde die Annahme des Chalcedonense verlangt“ (van Dieten, Geschichte der Patriarchen, 226 f.). Vgl. auch: Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), 18. 81 „For both Maximus and his opponents, politics and religion were inextricable, and it was their entanglement that made Maximus doctrinally intransigent and politically dangerous.”: David M. Olster, Roman Defeat, Christian Response, and the Literary Construction of the Jew, Philadelphia 1994, 30–50.7. 82 van Dieten, Geschichte der Patriarchen (s. Anm. 18), 12–20. 83 Theodoros Synkellos, De Obsidione Avarica Constantinopolis 8.16.18.23.27 (Samuel Szádeczky-Kardoss, Th. Dér, Thérèse Olajos, Analecta Bollandiana 108 [1990], 147–182,161.166 f.168

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rung Jerusalems durch die Perser im Jahre 614 die Frage, warum Christus seinen Schutz abgezogen hatte.84 Mit den dramatischen arabischen Eroberungen ab 634 musste diese Frage eine zunehmende Dringlichkeit gewinnen. So suchten beide Seiten die Verantwortung für diese Katastrophen beim theologischen Gegner und zogen ihre je eigenen Konsequenzen daraus. In dieser Mentalitätsfrage waren sie auch ungetrennt und ungesondert mit den „Monophysiten“ verbunden.85 (282) Wolfram Brandes hat gezeigt, dass die Verurteilungen Papst Martins und Maximos’ wegen Hochverrates nicht aus der Luft gegriffen waren. Die Usurpationsversuche des Exarchen Olympios 650/1 in Italien und des Patrikios Gregorios in Africa 645/6 fanden nämlich deren „maßgebliche(n) Unterstützung“, „von deren Faktizität wir wohl auszugehen haben“.86 Der Anklage nach hatte Maximos dem militärischen Oberbefehlshaber von Numidien und Africa, Petros, der 634 den Befehl erhalten hatte, gegen die Araber zu ziehen, und der ihn vorher als „Heiligen Mann“ um Rat gefragt hatte, von diesem Feldzug abgeraten mit der Begründung: „Tue das nicht, denn Gott gefällt es nicht, dem Römischen Staat unter der Herrschaft des Herakleios und seines Geschlechtes beizustehen.“87 Petros hatte daraufhin den Gehorsam verweigert und war nicht gegen die Araber gezogen. Dies brachte Maximos 655 die gewiss überzogene, aber im Kern nicht unberechtigte Anklage ein: „Du allein hast Ägypten, Alexandrien, die Pentapolis, Tripolis und ganz Africa an die Sarazenen verraten!“88 Ein zweiter Anklagepunkt betraf die von dem griechischen Papst Theodor I. unter Berufung auf einen Traum des Maximos vorgenommene Umdeutung „des für das Selbstverständnis des byzantinischen Kaisertums so zentralen Ereignisses der berühmten Vision Konstantins des Großen 312 an der Milvischen Brücke“. Maximos habe am Himmel zwei Engelschöre gesehen. Der eine – im Osten – habe

f.172.176). Die Perser ziehen sich von Konstantinopel zurück mit der Erkenntnis: Δῆλόν ἐστιν ὅτι δύναμις τις θεῖα καὶ ὑπὲρ ἄνθρωπον ταύτην τὴν πόλιν φυλάττει καὶ διεφύλαξεν ἄτρωτον καὶ οὐκ ἔσται οὐδεὶς ὁ κακῶσαι ταύτην δυνάμενος (a.a.O. 176). Geogios Pisides, Bellum Avaricum 7 ff. (Pertusi). 84 Antiochus Monachus, La Prise de Jerusalem par les Perses 13,66 (CSCO 203, 29 Garitte). Vgl. dazu Olster, Roman Defeat (s. Anm. 81) 72–98. 85 Vgl. für das 7. Jahrhundert: Johannes von Nikiu, Chronik 116,13 f; 117,4 (186 f. Charles); später: Michael Syrus, Chronik II, 402 (Chabot). Beide machen natürlich Chalcedon für die Niederlagen verantwortlich. 86 Brandes, Krisenbewältigung (s. Anm. 12), 141–212.212.168 f.183–192. 87 Relatio motionis 34–37 (CCSG 39,15 Allen/Neil): [Καὶ ἀντέγραψας αὐτῷ λέγων] μηδὲν τοιοῦτο ποιῆσαι, ἐπειδὴ οὐκ εὐδοκεῖ ὁ θεὸς ἐπὶ τῆς βασιλείας Ἡρακλείου καὶ τοῦ γένους αὐτοῦ συμπραχθῆναι τὴν πολιτείαν τῶν ῾Ρωμαίων. 88 Relatio motionis 24 ff. (CCSG 39,13 Allen/Neil).

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gesungen: Constantine Auguste, tu vincas! Der andere aber im Westen, der den östlichen laut übertönte, habe gesungen: Gregorie Auguste, tu vincas! Diese Botschaft habe Papst Theodor dem nordafrikanischen Usurpator Gregorios überbringen lassen. Wolfram Brandes hat unter Hinweis auf die hervorgehobene Bedeutung divinatorischer Träume „heiliger Männer“ für die byzantinische religiöse Mentalität und die erhebliche politische Relevanz solcher Träume für das politische Handeln deutlich gemacht, dass diese Umdeutung der Konstantin-Vision „ein Versuch massiver Manipulation eines wesentlichen Elements der (283) byzantinischen Kaiserideologie“ darstellte und vom Kaiser und seiner Umgebung wohl sehr ernst genommen wurde.89 Für uns interessant ist hier die religiös-theologische Motivation dieses politischen Handelns, das die Ursachen für die Niederlagen gegen die Araber anscheinend in der Religionspolitik des Kaisers gesucht hatte. Ähnliches lässt sich für Sophronios sagen. Im Jahre 638 fiel Jerusalem in die Hände der Araber. Es war das zweite Mal binnen einer Generation, dass die Heilige Stadt von Heiden erobert wurde, diesmal allerdings ohne militärische Verteidigungsanstrengungen. Die Übergabeverhandlungen führte der ca. achtundachtzigjährige Sophronios, der bereits Augenzeuge der persischen Eroberung gewesen war. In seinen Schriften zeigt sich ein stetig wachsender Skeptizismus und Pessimismus gegenüber der Erwartung göttlicher Huld für das Imperium Romanum.90 Die Ursache dafür erblickte er schließlich in der monenergetischen Religionspolitik. Es lässt sich deshalb sagen, dass Maximos die Häresie auf den Kaiser und seine Zirkel begrenzt hatte, Sophronios aber weitete die Sünde der Häresie als Ursache auf die ganze christliche Gemeinschaft aus.91 Bereits Weihnachten 634 verkündete er der verängstigten Gemeinde, die seit Menschengedenken erstmals das Fest nicht in Bethlehem feiern konnte: „Nur wenn wir seinen väterlichen Willen tun und dabei den wahren und orthodoxen Glauben bewahren, werden wir das Ismaelitische Schwert stumpf machen, den Sarazenischen Säbel zurücktreiben und den Bogen der Hagarsöhne zerschmettern.“92 Zwanzig Jahre nach dem VI. Ökumenischen Konzil ist diese religiöse Ursachenforschung für den Sieg der Araber dann Bestandteil der byzantinischen Ge-

89 Brandes, Krisenbewältigung (s. Anm. 12), 185–192.186.192. 90 von Schönborn, Sophrone de Jérusalem (s. Anm. 58), 89–91; Olster, Roman Defeat (s. Anm. 81), 99–115; vgl. auch Walter E. Kaegi, Initial Byzantine Reactions to the Arab Conquest: Church History 38 (1969), 139–149. 91 „Maximus had limited heresy to the emperor and his coterie; Sophronius extended the sin of heresy to the Christian community”: Olster, Roman Defeat (s. Anm. 81), 104. 92 Hermann Usener (Hg.), Die Weihnachtspredigt des Sophronios, in; RMP 41 (1886), (500–516) 508,27–509,1 (=Ders., Kleine Schriften IV, Leipzig-Berlin 1913, 162–177).

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schichtsschreibung geworden. Anastasios Sinaites93 stellt alle einzeln aufgezählten Niederlagen im Kampf gegen die Araber als Vergeltung (284) Gottes für den Monotheletismus dar94, und Theophanes Confessor übernimmt diese Geschichtsdeutung dann in seine Chronographia.95

3 Strukturen des Schismas Die beobachteten Motive gewinnen nun auch Gestalt in bestimmten Strukturen. Dabei ist von dem schließlich gegenseitigen Vorwurf der Häresie auszugehen. Dieser wird spätestens nach der Anathematisierung des Maximos und aller Dyotheleten durch die Konstantinopeler Synode von 662 auch gegenüber diesen gängig, so zum Beispiel durch den wichtigsten Vertreter des Monotheletismus vor und während des VI. Ökumenischen Konzils, Patriarch Makarios I. von Antiochien (669–681).96 Man spricht jetzt von „der neuen Häresie der Maximianer“ (ἡ καινὴ τῶν Μαξιμιανῶν αἵρεσις); Makarios hatte darüber einen eigenen Logos verfasst.97 Auch wenn wir durch die Vernichtung fast des gesamten monenergetisch-monotheletischen Schrifttums nach dem VI. Konzil über dessen Inhalt nicht im Bilde sind, ist doch mit einiger Sicherheit davon auszugehen, dass dieser Logos in einer Herleitung des Dyotheletismus aus dem Nestorianismus gipfelte. Denn die Rückführung „neuer“ Häresien auf ältere gehörte schon traditionell zur Struktur des Häresievorwurfes und damit zur Legitimation des Schismas. Man hat hier von einem „Trieb der byzantinischen Häresiologen zur Genealogie“ gesprochen.98

93 PMBZ, Nr. 268–270; Vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), 194 f. 94 Anastasius Sinaita, Homilia ΙΙΙ De creatione hominis 1,96 f. (CCSG 12,60 Uthemann): Τί δὲ καὶ ἡ τούτων ἡμῖν ἐκ θεοῦ ἀντίδοσις;. 95 Theophanes Confessor, Chronographia a.m. 6121 (332,5–20 de Boor); The Chronicle of Theophanes Confessor, hg. v. Cyril Mango/ Roger Scott, Oxford 1997, 462. Vgl. dazu van Dieten, Geschichte der Patriarchen (s. Anm. 18) 179–218. Ilse Rochow, Die monenergetisch-monotheletischen Streitigkeiten in der Sicht des Chronisten Theophanes: Klio 63 (1981), 669–681. 96 Vgl. zu ihm Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), 231–234. PMBZ, Nr. 4670. 97 Er findet Erwähnung auf dem VI. Ökumenischen Konzil: ACO ser. II 2,2, p.504.1 f. (Ried.). Vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 129. Vgl. auch die von Sebastian Brock, Two Sets of Monothelete Questions to the Maximianist, in: OLoP 17 (1986), 119–140 (= Ders., Studies in Syriac Christianity, London 1992, Nr. XV); Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 170a. 98 Beck, Das Byzantinische Jahrtausend (s. Anm. 63), 258. Genealogien waren als Legitimation von ganz außerordentlicher Bedeutung für den antiken Menschen. Vgl. Wolfgang Speyer, Art. Genealogie, in: RAC 9 (1976), 1145–1267. Dies gilt auch für ganz andere Zusammenhänge, vgl. Heinz Ohme, Concilium Quinisextum. Das Konzil Quinisextum. Griechisch-Deutsch. Übersetzung und Einleitung (FC 82), Turnhout 2006, 50.253.

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(285) So finden sich in den Schriften des Maximos und seiner Anhänger eine Fülle von solchen genealogischen Ableitungen und Zuweisungen des Monotheletismus zu früheren Häresiarchen, besonders beliebt sind Nestorius, Apolinarius und Arius.99 Wie bereits erwähnt, hat die Lateransynode von 649 in ihrem 18. Anathematismus alle bisherigen Konstantinopeler Patriarchen des 7. Jahrhunderts anathematisiert und in eine Reihe mit Sabellius, Arius und Nestorius und anderen gestellt.100 Entsprechend wurden Florilegien mit Chrēseis anerkannter Häretiker zusammengestellt, die diese Genealogie beweisen sollten.101 Maximos kann sich sogar zu der Behauptung versteigen, Apolinarius und Arius seien von früheren Synoden „wegen des Begriffs des einen Willens anathematisiert worden“.102 Dies ist bekanntermaßen falsch. Es handelt sich dabei um einen typischen dogmatischen Syllogismus des Maximos. Denn Apolinarius und Arius lehrten zwar keine menschliche Vernunftseele Christi und konnten so konsequenterweise auch keinen menschlichen Willen Jesu annehmen. Der eigentliche Verurteilungsgrund war aber nicht ihr „Monotheletismus“. Dass die „monotheletischen“ Theologen ausdrücklich eine menschliche Vernunftseele Christi lehrten103 und ihrerseits Apolinarius und Arius anathematisierten104, wird von Maximos einfach ignoriert. (286) Zur Genealogie der Häresie tritt weiterhin die Kontroverse um den Schriftbeweis, den Väterbeweis und die Berufung auf die synodale Tradition hinzu. So nimmt die Auseinandersetzung um die Hermeneutik beiderseits in Anspruch

99 Vgl. z. B. zu Nestorius als Lehrer einer Energeia: Disputatio Maximi cum Pyrrho (PG 91,336D). Zu Apolinarios: Maximus Conf., Opusc. theol. et polem. 5 (PG 91, 64C). 100 S. o. Anm. 10. 101 Vgl. z. B.: das Florilegium haereticorum auf der Lateransynode: ACO ser. II 1, p.320, 21– 334,35Ried.; Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 112d; das Häretikerflorilegium in Maximos’ Opusc. theol et pol. 15 (PG 91, 153–184.169B-173C; Winkelmann, Streit, Nr. 105), in denen u. a. Apolinarios und Nestorius aufgeführt werden. „Maximos streicht immer wieder den Monenergismus/Monotheletismus in gleicher Weise als logische Folge gerade der entgegengesetzten Extreme christologischer Denkweise […] heraus. Bereits Sophronios geht so vor in seiner Synodika (vgl. PG 87/3, 3164B–3165B)“: Bausenhart, „In allem uns gleich außer der Sünde“ (s. Anm. 19), 254. 102 Disputatio Maximi cum Pyrrho (PG 91, 300D). 103 So wird in der sog. Psēphos des Sergios genauso wie in der Ekthesis die σάρξ νοερῶς ἐψυχωμένη bzw. die σάρξ […] ψυχὴν ἔχουσα λογικήν τε καὶ νοεράν gelehrt. Vgl.: ACO ser. II 2,2, p.542,18 f. ; II 1, p.158,5 (Ried.). 104 Z.B.: Heraclius I imp., Ecthesis (ACO ser. II 2,1, p.162,1–5 Ried.): ἀναθεματίζομεν κατ’ ἐξαίρετον Ναυάτον, Σαβέλλιον, Ἄρειον, Εὐνόμιον, Μακεδόνιον, Ἀπολινάριον, Ὠριγένην, Εὐάγριόν τε καὶ Δίδυμον, Θεόδωρον τὸν Μοψουεστίας, Νεστόριον, Εὐτυχέα, Διόσκορον καὶ Σεβῆρον, τά τε δυσσεβῆ συγγράμματα Θεοδωρίτου τὰ κατὰ τῆς ὀρθῆς πίστεως καὶ τῆς ἐν Ἐφέσῳ πρώτης ἁγίας συνόδου καὶ τῶν δώδεκα κεφαλαίων τοῦ ἐν ἁγίοις Κυρίλλου καὶ ὅσα ὑπὲρ Θεοδώρου καὶ Νεστορίου συνεγράψατο, καὶ τὴν λεγομένην Ἴβα ἐπιστολήν.

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genommener Schriftstellen breiten Raum ein. In der Energienfrage geht es vor allem um die Einheit göttlichen und menschlichen Wirkens Jesu durch sein Machtwort und die körperliche Berührung zum Beispiel bei der Auferweckung der Tochter des Jairus (Mk 5,41 f.). In der Willensfrage steht im Mittelpunkt zum Beispiel Joh. 6,38: „Denn ich bin vom Himmel gekommen, nicht, dass ich meinen Willen tue, sondern den Willen des, der mich gesandt hat.“ Grundlegend für die gesamte sog. monenergetisch-monotheletische Argumentation ist die Sündlosigkeit Jesu (2 Kor 5,21; Hebr 1,4). Zentral ist die Gethsemaneszene Mt 26,39: „Doch nicht wie ich will, sondern wie Du willst.“ Maximos hat sich in einer Fülle von Schriften mit diesem Text auseinandergesetzt.105 Der Antwortbrief von Papst Honorius an Sergios ist fast eine Aneinanderreihung von Schriftzitaten.106 Zentral ist weiterhin die Frage des richtigen Verständnisses beiderseits in Anspruch genommener patristischer Chrēseis. Seit dem IV. Ökumenischen Konzil von Ephesus 431 war der Väterbeweis, in dem die Väter als Autoritäten und Richter zitiert werden, zur allgemein praktizierten Form theologischer Beweisführung geworden.107 Der sog. monenergetisch-monotheletische Streit stellt den Höhepunkt dieser Entwicklung dar108 und führte zu einer Fülle von „mono“- und dyotheletischen Florilegien.109 Auf dem VI. Ökumenischen Konzil hat man sich auf den Sitzungen V–XIII über Monate hinweg mit der Überprüfung von Väterzitaten beschäftigt. Die Autorität der Väter galt nun aber für beide Seiten in gleicher Weise, allen voran Kyrill, Gregor von Nazianz und Athanasius. So nennt Pyrrhos in der Disputation mit Maximos die Väter „Norm und Richtschnur der Kirche“ (νόμος καί (287) κανὼν Ἐκκλησίας)110. Und Sergios kann sagen: Würde man bei den Vätern die Lehre von zwei Energien finden, hätte man ihnen zu folgen.111 105 Vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 48.59.60.64.66.84.94a.105; Bausenhart, „In allem uns gleich außer der Sünde“ (s. Anm. 19), 117 f.121–128. 106 Honorius I. pp., Epistula I ad Sergium Patr. Const. (ACO ser. II 2,2, p.548–558 Ried.); vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 44. 107 Thomas Graumann, Die Kirche der Väter. Vätertheologie und Väterbeweis in den Kirchen des Ostens bis zum Konzil von Ephesus (431) (BhTh 118), Tübingen 2002; Alexander Alexakis, Codex Parisinus Graecus 1115 and Its Archetype, Washington 1996, 1–42. 108 Vgl. Bausenhart, „In allem uns gleich außer der Sünde“ (s. Anm. 19), 183–195. 109 Vgl. bei Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 127.127a.127b.145a.170b (monotheletische Florilegien); 46.89.105.112a.112b.12c.131.157a.161a.174 (dyotheletische Florilegien). Zu einigen davon und einem weiteren vgl. Alois Grillmeier, Jesus der Christus im Glauben der Kirche 2/1, Freiburg 21991, 83–86. 110 Disputatio Maximi cum Pyrrho (PG 91, 296D). 111 Sergius I Patr. Const, Epistula ad Cyrum episc. Phas. (ACO ser. II 2,2, p.530,15 ff. Ried.): εἰ δέ τις τῶν ἀκριβεστέρων δεῖξαι δυνηθείη τινὰς τῶν ἐκκρίτων καὶ θεοφόρων ἡμῶν πατέρων, ὧν τὰ δόγματα νόμος τῇ καθολικῃ καθέστηκεν ἐκκλησίᾳ, δύο ἐνεργείας ἐπὶ Χριστοῦ λέγειν παραδιδόντας, δεῖ πάντως ἀκολουθῆσαι. Vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 20.

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Maximos bestreitet freilich wegen der überragenden Autorität der Väter der Gegenseite jede Berufung auch nur auf einen einzigen Vater: Wenn sie aber die Väter der Kirche nennen, werden wir ihnen dies keineswegs zugestehen. Wenn sie auch nur einen einzigen […] anführen könnten, dann könnten wir am Tag des Gerichtes über unser Leben, sollte Christus, Gott, uns Vorwürfe machen: ‚Weswegen habt ihr einen Ausdruck übernommen, der das ganze Geheimnis meiner Inkarnation zerstört?’ zu unserer Verteidigung anführen: ‚weil wir in allem die Ansicht des Vaters achteten’.112

Nun berufen sich aber beide Parteien nicht nur auf dieselben Väter, sondern sogar auf dieselben Chrēseis. „So zerbricht […] der immer vorausgesetzte Konsens der Väter“ und „es wird notwendig, die Aussagen der Väter zu interpretieren“.113 Gerade angesichts neuer Fragestellungen, die den Vätern noch gar nicht bewusst waren, – und die Problematik des Wirkens und Wollens von Gott und Mensch in Christus ist eine solche – wird zudem deutlich, dass über das Väterzitat hinaus ein Weiterdenken erforderlich ist, das unweigerlich „– entgegen dem Programm – über diese hinausführt“.114 Dieses sich hier erweisende „Dilemma“115 des Väterbeweises hatte beträchtliche Folgen für die Struktur des theologischen Diskurses, die Gewichtung der eigenen theologischen Erkenntnis und die Aufrichtigkeit im Umgang miteinander im Angesicht des Schismas. Dies ist nun zeigen. Es geht in dieser Kontroverse auch um den Gegensatz zwischen einem theologischen Traditionalismus und der faktischen Notwendigkeit, neue Begrifflichkeiten und Distinktionen einführen zu müssen. Beide Seiten wollen dabei aber apodiktisch ausschließen, irgendeine „Neuerung“ (288) aufgebracht zu haben.116 Die Synodalpsēphos des Sergios von 633 hat daraus die Konsequenz

112 Disputatio Maximi cum Pyrrho (PG 91,316BC); Übersetzung: Bausenhart, „In allem uns gleich außer der Sünde“ (s. Anm. 19), 213. 113 Bausenhart, „In allem uns gleich außer der Sünde“ (s. Anm. 19), 188. 114 Bausenhart, ebd. mit Vittorio Croce, Tradizione e ricerca. Il metodo di san Masimo in Confessore, Milano 1974, 91–97; Aldo Ceresa-Gastaldo, Tradizione et innovazione linguistica in Massimo Confessore, in: Felix Heinzer/Christoph von Schönborn (Hgg.), Maximus Confessor (Par. 27), Fribourg 1982, 123–137; Manlio Simonetti, Conservazione et innovazione el dibattito trinitario e cristologico dal IV al VII secolo, in: Orph. 6 (1985), 350–369. 115 So richtig Bausenhart, „In allem uns gleich außer der Sünde“ (s. Anm. 3), 193. 116 Maximos erhebt den Anspruch: „Ich werde überhaupt nichts Eigenes sagen; ich sage, was ich von den Vätern gelehrt wurde, und verändere nichts an ihrer Lehre“ (ἐμὸν μὲν οὐδὲν ἐρῶ παντελῶς. ὃ δὲ παρὰ τῶν πατέρων ἐδιδάχθην, φημὶ, μηδὲν παραμείβων τῆς αὐτῶν ἐπὶ τούτοις διδασκαλίας: Maximus Conf., Ep. 15 [PG 91,544D]). Aber auch Patriarch Makarios I. verwahrt sich noch auf dem VI. Konzil gegen den Vorwurf, Neuerungen eingeführt zu haben und ist bereit, den Nachweis anzutreten, vgl. Concilium Constantinopolitanum a. 680/1 (ACO ser. II 2,2, p.22,16–30 Ried.).

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gezogen, dass es „niemandem weiterhin erlaubt sein solle, eine oder zwei Energien bei Christus, unserem Gott, zu erwähnen“.117 Man solle sich vielmehr mit der Lehre der Ökumenischen Synoden begnügen.118 Es ist auffällig, dass auf „monotheletischer“ Seite in diesem Zusammenhang offensiv ein prinzipieller Unterschied zwischen theologischen Distinktionen und kirchlicher Lehre, zwischen Theologumenon und Dogma vertreten wird. So heißt es am Ende der Psēphos: Weil wir also diesen beginnenden Streit aufflammen sahen, war es notwendig, in allem lieber den vertrauten Stimmen der heiligen Väter und den Definitionen der Synoden zu folgen und nicht dem, was irgendwann einmal von irgendwelchen Vätern gesagt worden ist, die diesbezüglich auch gar nicht die Absicht hatten, eine klare und unzweideutige Lehre darüber aufzustellen oder sie in irgendeiner Weise zur Richtschnur und Norm der Lehre zu erheben (διδασκαλίαν εἰς κανόνα καὶ νόμον πάντως ἄγειν δογματικόν), wie das auch bei ihrer Rede von einer einzigen Energie der Fall ist; ebensowenig durfte man als kirchliche Lehre ausgeben (ὡς δόγμα προφέρειν ἐκκλησιαστικόν), was von den hervorragenden Vätern in keiner Weise gesagt wurde, jetzt von gewissen Leuten hervorgebracht (289) wird – ich spreche von den zwei Energien.119

Es ist meines Erachtens deutlich, dass Sergios damit auch für die in Alexandrien propagierte Unionsformel der mia energeia nicht den Anspruch des Dogmas erhebt, sondern sie auf der Ebene des Theologumenons verstanden haben will. Und gerade darin stimmt ihm Papst Honorius in seinem Antwortschreiben120 zu. Es müsse – so Honorius – streng unterschieden werden zwischen kirchlichen Dogmen (δόγματα ἐκκλησιαστικά) und „eigenem Denken“ und „eigener Meinung“

117 Sergius I Patr. Const., Psēphos (ACO ser. II 2,2, p.542,2 f. Ried.): μηκέτι τοῦ λοιποῦ τινι συγχωρεῖν μίαν ἢ δύο προφέρειν ἐνεργείας ἐπὶ Χριστοῦ τοῦ θεοῦ ἡμῶν. 118 Die Begründung ist nachvollziehbar: „Da wir wussten, dass aus solchen Streitigkeiten immer die Spaltungen der Häresien entstehen, hielten wir es für notwendig, allen Eifer auf die Beilegung und Ausrottung dieses übergroßen Wortgezänks zu richten“ (ἡμεῖς [οὖν τὴν ἐντεῦθεν ἀρξαμένην ἐξάπτεσθαί τισι τῶν ἐνταῦθα ἀμφισβήτησιν κατανοήσαντες καὶ] εἰδότες, ὡς ἐκ τῶν τοιούτων ἀεὶ φιλονεικιῶν αἱ τῶν αἱρέσεων διχοστασίαι γεγόνασιν, ἀναγκαῖον ἐκρίναμεν πᾶσαν θέσθαι σπουδὴν πρὸς τὸ καταπαῦσαί τε καὶ ἐκκόψαι τὴν περιττὴν ταύτην λογομαχίαν: Sergius I Patr. Const., Psēphos [ACO ser. II 2,2, p.540,19–22 Ried.]). 119 Sergius I Patr. Const., Psēphos (ACO ser. II 2,2, p.544,9–16 Ried.): Ταύτην τοίνυν, < ὡς εἴρηται, > τὴν ἀρξαμένην ἀνάπτεσθαι φιλονεικίαν ἑωρακότες ἀναγκαῖον ἐκρίναμεν ταῖς τετριμμέναις μᾶλλον τῶν ἁγίων πατέρων φωναῖς καὶ συνοδικῶς ὡρισμέναις διὰ πάντων ἀκολουθῆσαι καὶ μήτε τὰ σπανίως ὑπό τινων πατέρων εἰρημένα καὶ οὐ περὶ αὐτὰ τὸν σκοπὸν ἐσχηκότων, ὥστε σαφῆ καὶ ἀναμφίλεκτον τὴν περὶ αὐτῶν ἐκθέσθαι διδασκαλίαν εἰς κανόνα καὶ νόμον πάντως ἄγειν δογματικόν, ὁποῖόν ἐστι καὶ τὸ περὶ μιᾶς ἐνεργείας αὐτοῖς εἰρημένον, μήτε μὴν τὰ μηδαμῶς εἰρημένα τοῖς ἐκκρίτοις πατράσιν, ὑπό τινων δὲ νῦν προφερόμενα, φημί, δὴ τὰς δύο ἐνεργείας ὡς δόγμα προφέρειν ἐκκλησιαστικόν. Übersetzung mit Bausenhart, „In allem uns gleich außer der Sünde“ (s. Anm. 19), 320. 120 Honorius I pp., Epistula I ad Sergium Patr. Const. (ACO ser. II 2,2, p.548,1–558,8 Ried.).

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(ἴδιος λογισμός; οἰκεία γνώμη), die man nicht in kirchliche Dogmen „umwandeln“ (μεταστρέφειν) dürfe.121 Normativ seien allein die Evangelien und apostolischen Schriften sowie die Synodalentscheidungen (Horoi) der Väter.122 Noch dem Typos Konstans’ II. von 648 geht es nicht einfach um ein Diskussionsverbot. Denn nach seinem Wortlaut will dieser erreichen, dass man sich genügen lasse an den Göttlichen Schriften und den Überlieferungen der fünf heiligen ökumenischen Synoden und – ohne Besserwisserei – (auch) an den einfachen Aussagen und Ausdrücken der bewährten heiligen Väter, worin die Lehren, Richtlinien und Vorschriften (τὰ δόγματα, κανόνες τε καὶ νόμοι) der heiligen, katholischen und apostolischen Kirche Gottes bestehen, ohne ihnen etwas Eigenes anzufügen oder etwas wegzunehmen (290) und ohne sie nach dem eigenen Interesse zu interpretieren.123

Maximos aber wirft der Gegenseite dogmatische „Neuerungen“ (καινοτομία) vor124 und behauptet für sich selbst: „Ich habe kein privates Dogma, sondern das gemeinsame (Dogma) der katholischen Kirche. Keinen einzigen wie auch immer gearteten Ausdruck habe ich ins Feld geführt, so dass man von meinem Privat-Dogma sprechen müsste.“125 Bei näherer Betrachtung zeigt sich freilich, dass für Maximos und seine Anhänger alle in dieser Kontroverse entwickelten theologischen Distinktionen und

121 Honorius I pp., Epistula I ad Sergium Patr. Const.: „Man darf das nicht in kirchliche Lehren verwandeln, was weder Synoden überprüft haben, noch authentische Kanones zu erklären beschlossen haben, so dass es jemand wagen könnte, eine oder zwei Energien unseres Herrn Jesus Christus zu verkünden. Diese scheinen weder die evangelischen noch die apostolischen Schriften, noch auch Synodalentscheidungen festgelegt zu haben“ (οὐ χρὴ ταῦτα πρὸς δόγματα ἐκκλησιαστικὰ μεταστρέφειν, ἅπερ οὐδὲ σύνοδοι κατεξέτασαν οὐδὲ αὐθεντίαι κανονικαὶ ἔδοξαν σαφηνίζειν, ἵνα μίαν ἢ δύο ἐνεργείας τις τολμήσῃ ἐπὶ τοῦ κυρίου Ἰησοῦ Χριστοῦ κηρύξαι, ἃς οὐδὲ εὐαγγελικὰ οὐδὲ ἀποστολικὰ γράμματα οὐδὲ συνοδικαὶ κρίσεις < περὶ τούτων γενόμεναι > φαίνονται ὁρίσασαι): ACO ser. II 2,2, p.554,3–6 (Ried.). Und: „Es ist nicht hilfreich, wenn das in kirchliche Dogmen übertragen wird, was jeder einzelne in der überfließenden Fülle seines eigenen Denkens als eigene Meinung vorträgt“ (ἅτινα πρὸς τὰ ἐκκλησιαστικὰ δόγματα φέρεσθαι οὐκ ὀφείλει, ἅπερ εἷς ἕκαστος ἐν τῷ ἰδίῳ λογισμῷ πλημμυρῶν ὡς οἰκείαν γνώμην προφέρει: (a.a.O., 554,9 f.). 122 Honorius I pp., Epistula I ad Sergium Patr. Const. (ACO ser. II 2,2, p.552,24 Ried.). 123 Constans II imp., Typos a. 648: ἀρκεῖσθαι ταῖς τε θείαις γραφαῖς καὶ ταῖς τῶν ἁγίων πέντε οἰκουμενικῶν συνόδων παραδόσεσι καὶ ταῖς ἁπλαῖς ἀπεριέργως τῶν ἐγκρίτων ἁγίων πατέρων χρήσεσιν ἤγουν φωναῖς, ὧν τὰ δόγματα κανόνες τε καὶ νόμοι τῆς ἁγίας τοῦ θεοῦ καθολικῆς καὶ ἀποστολικῆς ὑπάρχουσιν ἐκκλησίας, μηδὲν αὐταῖς προστιθέντας οἰκεῖον ἢ ὑφαιροῦντας ἢ κατὰ τὸν ἴδιον αὐτὰς ἑρμηνεύοντας σκοπόν (ACO ser. II 2,1, p.280,26–30 Ried.). 124 Disputatio Bizyae cum Theodosio 104 f.97 (CCSG 39,83 Allen/Neil): ἅστινας καινοτομίας πᾶσα γιγώσκει ἡ καθ᾿ἡμᾶς οἰκουμένη. Vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 145. 125 Relatio motionis 246–248 (CCSG 39,31 Allen/Neil): Ἐγὼ δόγμα ἴδιον οὐκ ἔχω, ἀλλὰ τὸ κοινὸν τῆς ἐκκλησίας τῆς καθολικῆς. Οὐ γὰρ ἐκίνησα φωνὴν τὴν οἱανοῦν, ἵνα ἴδιον μου λέγηται δόγμα.

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1 Motive und Strukturen des Schismas

Begrifflichkeiten, deren Bedeutung und gedankliche Stärke gar nicht in Frage zu stellen sind, dieselbe Dignität haben wie die christologischen Grundaussagen der bisherigen Synoden, ja sogar wie die grundlegenden Heilstatsachen.126 Für Maximos geht es in einem definitorischen, begrifflichen Sinn um das „präzise Glaubensbekenntnis“, durch das der Mensch allein geheiligt werde (διὰ τῆς ἀκριβοῦς ὁμολογίας τῆς πίστεως)127 und das man deshalb nicht verschweigen dürfe. Es handelt sich für ihn dabei um „gottgelehrte Worte“ (θεοδιδακτοὶ λόγοι), mit deren Verschweigen alles aufgehoben wäre, „was wir verehren“128 – ja der „heilbringende Glaube“ selbst (ἡ σωτήριος πίστις). Das Ergebnis wäre die „völlige Trennung von Gott“ (χωρισμὸς θεοῦ παντελής).129 Radikaler kann man wohl die unterschiedliche Bewertung der divergierenden theologischen Einsichten kaum formulieren. Es scheint mir offensichtlich zu sein, dass wir hier auf einen weiteren Kernpunkt der Unversöhnlichkeit der Dyotheleten gestoßen sind. In dieser – man muss wohl sagen – maßlosen Überschätzung des theologischen Denkens und auch des theologischen Syllogismus ist meines Erachtens die tiefste Ursache für die Verweigerung jeder Oikonomia-Regelung zu suchen und der mangelnde Wille, das berechtigte Anliegen der anderen Seite anzuerkennen und zu einer (291) theologischen Einigung zu kommen,130 die gerade wegen der überragenden theologischen Kompetenz einem Maximos meines Erachtens durchaus möglich gewesen wäre. Diese Erkenntnis ist um so bitterer, als inzwischen klar ist, dass es sich gerade hinsichtlich der Differenzierungen im Willensbegriff durch Maximos entgegen dessen Behauptung um eine eigenständige theologische Leistung handelt, für die es keine vorherige theologische Tradition gibt.131 Aus dieser exklusiven Inanspruchnahme der Vätertradition ergeben sich nun schließlich unerfreuliche strukturelle Konsequenzen, die die Aufrichtigkeit des Umgangs der Streitenden miteinander betreffen.

126 Bezeichnend ist die Aussage, dass man – würde man der Logik des Typos folgen – dann ja auch mit den Juden vereinbaren könne, gleichzeitig Taufe und Beschneidung abzuschaffen, um nur zur Einheit zu finden: Relatio motionis 162–168 (CCSG 39, 25 Allen/Neil). 127 Disputatio Bizyae cum Theodosio 689 f. (CCSG 39,137 Allen/Neil). 128 Relatio motionis 140 f. (CCSG 39,23 Allen/Neil). S. o. Anm. 48. 129 Relatio motionis 163 (CCSG 39,25 Allen/Neil). 130 Wie Maximos und seine Anhänger sich das theologische Gespräch vorstellten, zeigt das stilisierte Protokoll der Disputation mit Pyrrhos überdeutlich: „der überlegene Meister belehrte einen unbedarften Gegner und überzeugt ihn schließlich.“ (Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), S. 39). 131 Bausenhart, „In allem uns gleich außer der Sünde“ (s. Anm. 19) 148 f. mit John D. Madden, The Authenticity of early definitions of will (Thelêsis): Heinzer/Schönborn, Maximus Confessor (s. Anm. 114), 61–79.

3 Strukturen des Schismas

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Zu den wichtigsten Argumenten der Monenergeten gehörte der Verweis auf den Logos des Patriarchen Menas (536–552) an Papst Vigilius132 vom Jahre 552 und das bestätigende Antwortschreiben von Papst Honorius an Patriarch Sergios.133 Denn Menas hatte in diesem Libellus einen Willen und eine lebensspendende Energie Jesu Christi bekannt, und auch Vigilius hatte diese Lehre bestätigt.134 Keiner der Briefpartner, denen Sergios dieses Schreiben zusandte, bezweifelte dessen Echtheit. Selbst Maximos zog die Authentizität nicht in Frage, sondern erklärte auch Menas noch zum Häretiker.135 Es blieb dem VI. Ökumenischen Konzil vorbehalten, dieses Dokument zur Fälschung zu erklären,136 eine Behauptung, die sich als unhaltbar erwiesen hat.137 Man wollte wohl nicht einen weiteren – fünften ! – Konstantinopeler (292) Patriarchen zum Häretiker erklären und traute dem Gegner lieber ein Fälschung zu. Der 1. Honoriusbrief wurde 641 in einem Schreiben von Papst Johannes IV. an Kaiser Konstantin III.138 einer – historisch unhaltbaren – dyotheletischen Umdeutung unterzogen, die Maximos in seiner Disputation mit Pyrrhos einfach übernahm und der er zuvor bereits eine Fälschungshypothese für die griechische Übersetzung hinzugefügt hatte.139 Wir sind damit bei dem unerfreulichen Phänomen der unterstellten Fälschung und der tatsächlichen Fälschung von Testimonien angelangt. Man traute sich hier offensichtlich gegenseitig alles zu. Marcel Richard hat die „dogmatische Fälschung“ als eine Waffe bezeichnet, die normalerweise von einer verfolgten Minderheit gebraucht wurde; für das 7. Jahrhundert sprach er von „einer ganzen Propagandaliteratur“, die verfasst wurde, um die Lehre von den zwei Willen in

132 Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 1; Bausenhart, „In allem uns gleich außer der Sünde“ (s. Anm. 19) 262–265; Uthemann, Der Neuchalkedonismus (s. Anm. 78) 391. 133 S. o. Anm. 106. 134 Qui non confitetur incarnatum deum uerbum, id est Christum, esse unam subsistentiam et unam personam et unam operationem, anathematizamus: ACO ser. I 4,1, p.187, 31 f. (Straub). 135 In der Disputatio cum Pyrrho versuchte er zuerst nur, Vigilius mit der – falschen – Behauptung zu entlasten, das Schreiben sei diesem gar nicht übergeben worden. Später heißt es dann, Sergios „behaupte“, dass das Schreiben von Menas stamme (PG 91,328AB;332C). Noch 656 in der Disputatio Bizyae cum Theodosio im Exil bestreitet er nicht prinzipiell die Echtheit, erklärt aber nun auch Menas zum Häretiker: Disputatio Bizyae 261–277 (CCSG 39, 98 f. Allen/Neil). 136 Concilium Constantinopolitanum a. 680/1 (ACO ser. II 2,2, p. 532,5 ff. Ried.). 137 Vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 1; van Dieten, Geschichte der Patriarchen (s. Anm. 18) 39; Hans-Georg Beck, Kirche und theologische Literatur im Byzantinischen Reich, München 2 1977, 379. 138 Iohannes IV. pp., Epistula ad Constantinum III imp. (PL 129,561.566). Vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 69; Bausenhart, „In allem uns gleich außer der Sünde“ (s. Anm. 19) 268–271. Georg Kreuzer, Die Honoriusfrage im Mittelalter und in der Neuzeit, Stuttgart 1975, 60f. 139 Vgl: Disputatio Maximi cum Pyrrho (PG 91,328C.329AB); Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 20 (PG 91,228–245. 244C–245A); vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 60.

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1 Motive und Strukturen des Schismas

Christus zu verteidigen.140 Besonders bei der Zusammenstellung der Florilegien sind anscheinend alle Hemmungen gefallen. „Anonymität und Pseudepigraphie schufen Möglichkeiten für die Verteidigung der“ – in Anspruch genommenen – „Orthodoxie“.141 Besonders infam ist hier der Verfasser der Doctrina patrum de Incarnatione Verbi vorgegangen, sehr wahrscheinlich einer der engsten Mitarbeiter und Leidensgefährte des Maximos, Anastasios Apokrisiarios.142 Denn dieser hat sich auch nicht gescheut, Zitate des Neoarianers Aetius (†367) mit monenergetisch-monotheletischen Begriffen zu interpolieren, um so den „Nachweis“ von deren häretischer Herkunft zu bieten. (293) Ihren Höhepunkt haben diese „Machenschaften“143 ohne Zweifel in den Vorgängen um die Lateransynode von 649 erfahren. Nach den Forschungen von Rudolf Riedinger144 haben wir davon auszugehen, dass der gesamte Aktenbestand145 dieser Synode von griechischen zweisprachigen Mönchen um Maximos in Rom redigiert und übersetzt wurde. Der lateinische Text ist eine Übersetzung aus dem Griechischen, die von Nichtmuttersprachlern angefertigt wurde. Als „äußerstes Zugeständnis an den ‚Realitätsanspruch’ der Akten“ ist anzunehmen, „daß man ihm (sc. Papst Martin) und seinen Bischöfen den lateinischen Text an eben den Tagen vorlas, welche die lateinische Überlieferung als Daten der fünf Sitzungen angibt.“146 Die Akten „sind damit als Produkt theologischer Propaganda […] erwiesen, nicht aber als unmittelbare Zeugen historischer Tatsachen“.147 Es sind aus Palästina vor den Arabern ins Exarchat Karthago, nach Sizilien und nach Rom ge-

140 Marcel Richard, Les florilèges diphysites du Ve et du VIe siècles, in: Alois Grillmeier/Heinrich Bacht (Hgg.), Das Konzil von Chalkedon I, Würzburg 1951, 721–748.732; Ders., Un faux dithélite – Le traité de S. Irénée au Diacre Démétrius, in: Peter Wirth (Hg.), Polychronion. FS Franz Dölger, Heidelberg 1966, 431–440.439 (= Ders., Opera Minora III, ed. Eligius Dekkers u. a., Leuven 1977, Nr. 65). 141 Grillmeier, Jesus der Christus im Glauben der Kirche 2/1 (s. Anm. 110), 85. 142 Franz Diekamp, Doctrina Patrum de incarnatione verbi. Ein griechisches Florilegium aus der Wende des 7. und 8. Jahrhundert [1907]; 2. Auflage hg. v. Evangelos Chrysos, Münster 1981. Vgl. Winkelmann, Streit, Nr. 126. Weitere Florilegien dieser Art: Winkelmann, Streit, Nr. 151.174 und Grillmeier, Jesus der Christus im Glauben der Kirche 2/1 (s. Anm. 3), 85 Nr. 3. 143 Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), S. 33. 144 Rudolf Riedinger, Kleine Schriften zu den Konzilsakten des 7. Jahrhunderts (IP 34), Turnhout 1998. 145 Dies sind 436 Seiten bei R. Riedinger (Hg.), Concilium Lateranense a. 649 celebratum (ACO ser. II 1), Berlin 1984. Vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 110. 146 Rudolf Riedinger, Griechische Konzilsakten auf dem Weg ins lateinische Mittelalter, in: AHC 9 (1977), 253–301.256 (= Ders., Kleine Schriften [s. Anm. 144], Nr. V). 147 Rudolf Riedinger, ACO ser. II 1, Vorwort S. XVIII.

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flüchtete Mönche148 gewesen, die zusammen mit dem aus Jerusalem stammenden griechischen Papst Theodor I. diese Synode vorbereiteten und nach dem Tode Theodors mit seinem Nachfolger Martin I. durchführten und sie sogar als „VI. Ökumenisches Konzil“ ausgegeben zu haben scheinen.149 „Diese bedienten sich gleichsam des römischen Primatsanspruchs, um ihre theologischen Einsichten als Dogmata eines ‚6. Allgemeinen Konzils’ Geltung zu verschaffen“.150 In vorbereiteten Briefen Papst Martins an die Ortskirchen der Christenheit einschließlich der fränkischen, von Tongern/Maastricht über Africa bis nach Arabien wurden diese aufgefordert, den Beschlüssen der Lateransynode beizutreten.151 Unter dem eklatanten Bruch des Kirchenrechtes setzte überdies der Papst einen Apostolischen Vikar im Heiligen Land ein, der dort die Bischöfe zur Annahme der Synodalbeschlüsse bewegen oder sie absetzen sollte.152 Dieses Vorgehen bedeutet „eine ungeheure und bis dahin nicht dagewesene Einmischung“153 auf der Basis einer singulären Instrumentalisierung des Instituts der Synode.154 Es war der Versuch, dass Schisma in die gesamte Kirche zu tragen.

148 Jean-Marie Sansterre, Les Moines grecs et orientaux à Rome aux époques byzantine et carolingienne (milieu du VIe s.-fin du IXe s.), Brüssel 1983. 149 Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 11 (PG 91,137D); Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 113. 150 van Dieten, Geschichte der Patriarchen (s. Anm. 18) 98. 151 Vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 3), Nr. 111.112.114.115.117.118.119.122.123.124. Die Absicht bleibt bestehen, auch wenn man mit Riedinger annehmen müsste, dass einige der Briefe fingiert sind. 152 Ioannes von Philadelphia sollte diese Aufgabe übernehmen. Zuvor hatte bereits Papst Theodorus I. Stephan von Dor in diesem Sinne beauftragt. Vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 116.82. 153 van Dieten, Geschichte der Patriarchen (s. Anm. 19) 97. 154 Dies ist besonders befremdlich, weil Maximos 4 Jahre zuvor in der Disputatio mit Phyrrhos den Konstantinopeler Synoden des Sergios und Pyrrhos die Legitimität abgesprochen hatte, insofern diese nicht „κατὰ νόμους καὶ κανόνας συνοδικοὺς ἢ θεσμοὺς […] ἐκκλησιαστικούς“ durchgeführt worden seien. Er zählt dann auf: „weder hatte das Rundschreiben die Zustimmung der Patriarchen, noch wurden Ort und Zeitpunkt des Treffens festgelegt. Außerdem war weder ein Relator zugegen noch einer, der dagegen sprach. Die Versammelten hatten keine Empfehlungsschreiben, weder die Bischöfe von den Metropoliten, noch die Metropoliten von den Patriarchen. Von den anderen Patriarchen wurden weder Schreiben noch Gesandte gesandt. Wer also, der Verstand besitzt, kann es wagen, das, was den ganzen Erdkreis mit Ärgernissen und Zwietracht erfüllt, eine Synode zu nennen“: (Disputatio Maximi c. Pyrrho [PG 91, 352D]); Deutsche Übersetzung: Bausenhart, „In allem uns gleich außer der Sünde“ (s. Anm. 19) 234.

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4 In summa Als wesentliches Motiv für den Weg ins Schisma im sog. monenergetisch-monotheletischen Streit lässt sich auf Seiten der Opposition die in subjektiver Überzeugung verankerte Gewissheit feststellen, dass die propagierte Lehre der „Monenergeten“ und „Monotheleten“ eine Häresie sei, die den Glauben im Kern verfälscht und die Kirche und das Heil des Menschen gefährdet. Durch Berufung auf das Gewissen und die Verantwortung im Jüngsten Gericht rechtfertigten sie ihren Widerstand. Die Motive der sog. monenergetisch-monotheletischen Unionstheologen speisen sich nicht allein aus der Verantwortung ihres Amtes. Ihnen war die Suche nach der kirchlichen Einheit durchaus ein Herzensanliegen. Eine Möglichkeit dafür war ihres Erachtens auf dem Wege der Oikonomia gegeben, insofern Glaube und Lehrsubstanz nicht in Frage gestellt seien. Dies ist (295) deshalb nicht falsch, weil „Monenergismus“ und „Monotheletismus“ keine ad hoc geschaffenen Vermittlungstheologien waren, sondern in der kyrillischen Rezeption des Chalcedonense im Neuchalkedonismus bereits „Schule“ gemacht hatten. Politische Implikationen spielen in die Motivation beider Seiten insofern hinein, als auf dem Hintergrund einer triumphalistischen politischen Theologie die jeweils bekämpfte Theologie für die militärischen Niederlagen des Reiches verantwortlich gemacht wurde. Maximos hat sich offensichtlich nicht gescheut, aus diesem Grunde Usurpatoren zu unterstützen. Seine theologischen Gegner begründeten damit – nicht ohne Recht – den Hochverratsprozess gegen ihn. Das Schisma wurde gerechtfertigt durch den genealogischen „Nachweis“ der Häresie, ein vorrangig strukturelles und bis ins Absurde getriebenes Argument der Opposition um Maximos. Inhaltlich vollzog sich die Rechtfertigung des Schismas durch den versuchten Nachweis falscher Schrifthermeneutik und falscher oder fehlender Berufung auf die Tradition. Insofern sich beide Seiten nicht nur auf dieselben Väter, sondern auch auf identische Chrēseis beriefen, kam der Väterbeweis im monenergetisch-monotheletischen Streit in ein unauflösbares Dilemma. Denn es wurde deutlich, dass die Beweiskraft patristischer Belegstellen in der aktuellen Kontroverse nur zu erlangen war, wenn sie einer Interpretation unterzogen wurden, die der Fragestellung ihrer Verfasser nicht entsprachen. Dieses Dilemma aber hatte Folgen für die Struktur des theologischen Diskurses. Während die Monotheleten sich auf den dogmatischen Lehrbestand beschränken wollten und eine prinzipielle Unterscheidung von Dogma und Theologumenon propagierten, hatten für Maximos die eigenen theologischen Distinktionen und Begrifflichkeiten dogmatische Qualität. Sie sind für ihn Bestandteil des „heilbringenden Glaubens“ und werden so heilsnotwendig. Hierin ist meines Erachtens der Kern der Unversöhnlichkeit des Maximoskreises zu suchen.

4 In summa

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Aus dieser Intransigenz aber folgte schließlich als unerfreuliches Strukturelement die mangelnde Aufrichtigkeit im Umgang miteinander. Man unterstellte Fälschung und fälschte selbst. Man fälschte sogar anerkannte Häretiker, um die Häresie beim Gegner auch mit Chrēseis erweisen zu können. Die Gruppe um Maximos scheute sich schließlich auch nicht, das Institut der Synode zu einer instrumentalisierten Farce zu machen. Bekanntlich ist eine Einigung schließlich doch noch zustande gekommen. Der Preis aber war hoch. Vier Konstantinopeler Patriarchen des 7. Jahrhunderts, Sergios, Pyrrhos, Paulos und Petros, wurden anathematisiert, dazu (296) Papst Honorius, der Patriarch von Alexandrien Kyros und Theodor von Pharan. Die Demütigung der Konstantinopeler Kirche war ungeheuerlich und die primatialen Ansprüche Roms erfuhren – trotz des „Falles“ des Honorius – einen immensen Aufschwung. Die Entfremdung des griechischen Ostens vom lateinischen Westen war seitdem nicht mehr zu bremsen. Das Schlimmste aber war: durch die Verweigerung einer meines Erachtens durchaus möglich gewesenen theologischen Verständigung wurden defintiv alle Brücken zu den nichtchalcedonischen Kirchen des Ostens, zu Armeniern, Syrern und Kopten abgebrochen. Die letzte Chance, die christliche Einheit auch jenseits der Reichsgrenzen wiederzuerlangen, war so aus Intransigenz vertan.

2 Oikonomia im monenergetischmonotheletischen Streit Abstract: As this article elucidates for the first time, it can be shown that the central monenergist-monothelete measures (Union and Psephos from 633; Typos from 648) can be understood as implementation of the ecclesiastical principle of Oikonomia. This continues the tradition established by the Alexandrian patriarch Eulogios (581–607) who systematized the Oikonomia for dogmatic questions as it was known from the controversies of the 4th and 5th century. This made it possible to accept compromises for terms and crucial words maintaining the substance of the own doctrine, leading to common declarations of faith. So, the aim for ecclesiastical unity was regarded as much more important than any quarrels and defense of the own position. Neither for the Union from 633 nor the Typos or Ekthesis it was claimed to be the final and legally valid formulation of doctrine (κύριον δόγμα), but (distinguishing κύριον δόγμα and theological explanations created as steps on the way to the κύριον δόγμα) considerable concessions towards Maximos Homologetes were made. This leads to a distinctive new approach to the ecclesiastical politics of the patriarchs Sergios, Pyrrhos and Petros which has to be reconsidered as spiritual and theological strategy. Unlike them, Maximos rejected such a concept of Oikonomia maintaining that his own theological concepts and distinctions are κύριον δόγμα in its proper sense. So, he exaggerated his polemics stressing that the central issues of faith would be abandoned by the declarations of his opponents. The fact that Maximos ignored the theological aims of his opponents (inspite of some convergences with his own christology) casts a shadow not only over the methods and arguments of his theology, but even over his personality. Wenn um der Oikonomia willen der Irrglaube zusammen mit dem rettenden Glauben abgeschafft wird, dann ist diese Art der sogenannten Oikonomia nicht Einheit mit Gott, sondern völlige Trennung von Gott.1

1 Relatio motionis 162–164 (CCSG 39 Allen/Neil): Εἰ δὲ οἰκονομίας χάριν συναναιρεῖται τῇ κακοπιστίᾳ ἡ σωτήριος πίστις, χωρισμὸς Θεοῦ παντελής, ἀλλ᾿ οὔχ ἕνωσις ἐστι τὸ τοιοῦτον εἶδος τῆς λεγομένης οἰκονομίας. Die Übersetzungen stammen sofern nicht anders angegeben vom Verfasser. Anmerkung: Zuerst publiziert in: ZAC 12 (2008), 308–343. https://doi.org/10.1515/9783110714531-002

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2 Oikonomia im monenergetisch-monotheletischen Streit

Mit dieser Aussage am 1. Tag seines Prozesses im Konstantinopeler Kaiserpalast am 16. Mai 655 wandte sich Maximos Homologetes gegen jede Anwendung der Oikonomia in der ihrem dramatischen Höhepunkt entgegeneilenden Lehrkontroverse um das richtige Verständnis des Wirkens und Wollens Christi. Aber auch sein Lehrer Sophronios wollte schon am Anfang des Streites im Jahre 633 von einer Praktizierung der Oikonomia nichts wissen.2 In der Tat spielte die Frage nach der Anwendungsmöglichkeit dieses kirchlichen Handlungsprinzips im sog. monenergetisch-monotheletischen Streit eine besondere Rolle, insofern sich die monenergetisch-monotheletische Seite durchgängig auf diese Handlungsoption berief, während die Opposition sie prinzipiell ablehnte. Es ist klar, dass diese Haltungen für die Frage nach den Motiven3 beider Seiten wie für das Verständnis ihrer Aktionen von grundlegender Bedeutung sind. Allerdings wurde dies bislang nicht gesehen. Man kann ein 753 Seiten langes Buch über die theologische Verwendung des οἰκονομία-Begriffes schreiben, um „der Entwicklung eines Begriffes durch zwei Jahrtausende nachzuforschen“,4 ohne dass der monenergetisch-monotheletische Streit vorkommt. Und dies nicht nur deshalb, weil bei einem solchen Vorhaben natürlich „Vollzähligkeit“ nicht angestrebt werden kann,5 sondern weil bislang – soweit ich sehe – nicht bewusst ist, dass der monenergetisch-monotheletische Streit – durchaus im Kern! – auch (309) ein Streit um die Anwendungsmöglichkeit und Bedeutung der οἰκονομία in Lehrfragen war.6 Dies hängt wohl mit der älteren Sicht dieser großen

2 Sergius I Patr. Const., Epistula ad Honorium I. pp. (ACO ser. II 2,2, p.540,3 Ried.): Σωφρόνιος τὴν τοιαύτην οἰκονομίαν οὐδαμῶς κατεδέξατο. 3 Vgl. dazu jetzt: Heinz Ohme, Motive und Strukturen des Schismas im monenergetisch-monotheletischen Streit, in: AHC 38 (2006), 265–296. 4 Gerhard Richter, Oikonomia, Der Gebrauch des Wortes Oikonomia im Neuen Testament, bei den Kirchenvätern und in der theologischen Literatur bis ins 20. Jahrhundert (AKG 90), Berlin/ New York 2005, 5. 5 Richter, Oikonomia (s. Anm. 4), 4. 6 Er fehlt auch in allen vorherigen einschlägigen Abhandlungen über die kirchliche οἰκονομία. Vgl. Spiros Troianos, «Akribeia» und «Oikonomia» in den heiligen Kanones: Ius Ecclesiarum Vehiculum Caritatis, Atti del simposio internazionale per il decennale dell’entrata in vigore del Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium, Vatikan 19.–23.11.2001, Vatikan 2004, 187–198; Gilbert Dagron, La règle de exception. Analyse de la notion d’économie, in : Dieter Simon (Hg.), Religiöse Devianz, Untersuchungen zu sozialen, rechtlichen und theologischen Reaktionen auf religiöse Abweichungen im westlichen und östlichen Mittelalter (Studien zur europäischen Rechtsgeschichte 48), Frankfurt a. M. 1990, 1–18; Peter L’Huillier, L’ économie dans la tradition de l’ Église Orthodoxe, in: Kanon VI (1983), 19–38; John H. Erickson, Oikonomia in Byzantine Canon Law, in: Kenneth Pennington/Robert Somerville (Hg.), Law, Church and Society. Essays in Honor of Stefan Kuttner, University of Pennsylvania 1977, 225–236; Ι. Ι. Κοτσώνη, Προβλήματα τῆς «Ἐκκλησιαστικῆς Οἰκονομίας», Athen 1957; Hamilkar Alivisatos,

2 Oikonomia im monenergetisch-monotheletischen Streit

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Lehrkontroverse zusammen, die für die monenergetisch-monotheletische Seite allein politische Motive geltend machte und in ihren Protagonisten „Opportunisten oder Despoten“ sah, „die die freie Meinung durch Gewalt unterdrückten und nur das Ziel hatten, die eigene Macht zu festigen“.7 Bezeichnend ist, dass in dieser Sicht der Begriff οἰκονομία im o. g. Zitat z. B. von Hugo Rahner in seiner wirkungsmächtigen Dokumentensammlung zum Verhältnis von Kirche und Staat in den ersten acht Jahrhunderten übersetzt wurde mit: „um des lieben Friedens willen“ und „diese Sorte von sogenanntem Frieden“.8 Es kommt so von vornherein eine pejorative Bewertung dieser Größe ins Spiel, die sie dann keiner weiteren Beachtung mehr für würdig hält. Gerhard Richter hat in seiner Untersuchung deutlich gemacht, dass der Begriff Oikonomia ein Homonym mit vielfältiger Bedeutung ist, so dass es nicht möglich ist, den Begriff „mit einem Sinn zu verbinden und ihn bei jedem Gebrauch des Wortes wiederzufinden“.9 Für die kirchliche Oikonomia in patristischer Zeit hat er herausgearbeitet, dass diese ein „besonderes Verhalten des Entgegenkommens (ist) […], in dem das Richtige (310) nicht aufgegeben und das Falsche nicht gebilligt werden soll, sondern das auf die Einsicht des anderen in seine Fehler abzielt und demzufolge eine erzieherische Funktion ausübt“. […] „Die eigentliche Neuerung liegt in ihrer (sc. der Oikonomia) Beschreibung als zeitweiliges Entgegenkommen, also einer Nachgiebigkeit oder Anpassung an das Gegenüber. Beide Parteien werden im Umgang miteinander auf eine gemeinsame Ebene gestellt.“10

Die Oikonomia. Die Oikonomia nach dem kanonischen Recht der Orthodoxen Kirche (Athen 1949), hg. von Andrea Belliger, Frankfurt a. M. 1998. 7 So die Zusammenfassung dieser dem 19. Jahrhundert entstammenden Deutungstradition durch Friedhelm Winkelmann, Der monenergetisch-monotheletische Streit (BBySt 6, Frankfurt/M. 2001, 2. Es ist bezeichnend, dass es sich bei dem Opportunismusvorwurf gegen Patriarch Sergios und Papst Honorius bei Werner Elert („die beiden größten Opportunisten ihres Jahrhunderts“) gerade um eine Interpretation der Oikonomia handelt. Vgl.: Ders., Der Ausgang der altkirchlichen Christologie. Eine Untersuchung zu Theodor von Pharan und seiner Zeit als Einführung in die Alte Dogmengeschichte, Berlin 1957, 231.237.242. 8 Hugo Rahner, Kirche und Staat im frühen Christentum, München 1961, 401; vgl. auch 417.430. Guido Bausenhart hat in dieser Tradition noch 1992 die nach Patriarch Sergios „ganz zur Lösung führende Oikonomia“ (Sergius I Patr. Const., Epistula ad Honorium I. pp. [ACO ser. II 2,2 p.536,21 f. Ried.]) mit „äußerst nützlicher Taktik“ übersetzt: (Ders., „In allem uns gleich außer der Sünde“. Studien zum Beitrag Maximos’ des Bekenners zur altkirchlichen Christologie (TSTP 5), Mainz 1992, 318. 9 „Ein Homonym, das nicht nur so verschiedene Dinge wie den Haushalt, Gottes Weltregierung, die Menschwerdung und das irdische Dasein Christi sowie kirchliches, pastorales Handeln bezeichnet, sondern in alledem noch die Breite besitzt, sowohl ein Handeln als auch eine Einrichtung oder Ordnung anzugeben.“ (Richter, Oikonomia [s. Anm. 4], 2 f.). 10 Richter, Oikonomia (s. Anm. 4), 238 f.

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Wir werden im Folgenden in einem ersten Schritt den Befund erheben, dass und in welcher Hinsicht sich kirchliches Handeln im monenergetisch-monotheletischen Streit als Oikonomia verstanden hat (1). In einem zweiten Abschnitt soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit die kirchliche Handlungsoption der Oikonomia am Anfang des 7. Jahrhunderts in der theologischen Tradition verankert war (2.), um von daher drittens zu fragen, in wiefern die kirchlichen Aktionen im monenergetisch-monotheletischen Streit hier anknüpften (3). Zum Schluss ist festzustellen, aus welchen Gründen Maximos die Inanspruchnahme der Oikonomia prinzipiell abgelehnt hat (4).

1 Kirchliches Handeln im sog. monenergetischmonotheletischen Streit als Oikonomia Der sog. monenergetisch-monotheletische Streit11 nahm bekanntlich im Jahre 633 seinen Ausgang, als dem unlängst zum Patriarchen von Alexandrien erhobenen Kyros12 (631–642) eine Union mit den „Theodosianern“ gelang, einer starken Gruppe der in sich gespaltenen „Monophysiten“ Ägyptens.13 Aus der Mitteilung des Kyros an den Konstantinopeler Patriarchen Sergios I. (610–638) über diese Union und aus der Unionsurkunde14 selbst sowie aus dem Ende 633/ Anfang 634 geschriebenen Bericht des (311) Sergios an Papst Honorius I.15

11 Vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 7). Das Buch ist der grundlegende Schlüssel zu allen Detailfragen dieser Kontroverse. Wesentlich für ein Verständnis der Radikalität, mit der sie ausgetragen wurde, ist ihre unauflösliche Verknüpfung mit den umwälzenden historischen Vorgängen jenes Zeitraums und den damit verbundenen politischen Entscheidungen. Vgl. dazu: Winkelmann, Streit (s. Anm. 7), 21–34; John F. Haldon, Byzantium in the Seventh Century. The Transformation of a Culture, Cambridge 21997; Andreas N. Stratos, Byzantium in the Seventh Century I–V, Amsterdam 1968–1980; Wolfram Brandes, „Juristische“ Krisenbewältigung im 7. Jahrhundert? Die Prozesse gegen Papst Martin I. und Maximos Homologetes: FBRG.FM 10 (1998), 141–212; Ohme, Motive und Strukturen des Schismas (s. Anm. 3). 12 Prosopographie der mittelbyzantinischen Zeit. Erste Abteilung 641–867. Nach Vorarbeiten Friedhelm Winkelmanns erstellt von Ralph-Johannes Lilie, Claudia Ludwig, Thomas Pratsch, Ilse Rochow, Bd. 1–6, Berlin 1999–2002, Nr. 4213. 13 Zur Situation in Ägypten in dieser Zeit vgl.: Friedhelm Winkelmann, Ägypten und Byzanz vor der arabischen Eroberung, BySl. 40 (1979), 161–182 [Nachdruck in: Ders., Studien zu Konstantin dem Großen und zur byzantinischen Kirchengeschichte, Birmingham 1993, Nr. IV]. 14 Cyrus Patr. Alex., Epistula ad Sergium I Patr. Const. (ACO ser. II 2,2, p.592,6–594,15 Ried.); Decretum Unionis a. 633 (ACO ser. II 2,2 p.594,17–600,20. 594.20 Ried.); Winkelmann, Streit (s. Anm. 7), Nr. 27 f. 15 Sergius I Patr. Const., Epistula ad Honorium I. pp. (ACO ser. II 2,2, p.534,1–546,25 Ried.); Winkelmann, Streit (s. Anm. 7), Nr. 43.

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(625–638) geht hervor, dass bei dieser Union 1Tim 2,4 eine Rolle gespielt hat. Sergios schreibt: Vor kurzer Zeit hat dann Kyros […] mit der Hilfe und Gnade Gottes, der will, dass alle Menschen gerettet werden und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen (1 Tim 2,4), […] in gottgefälliger und angemessener Weise (ἐπιεικῶς) die in der Großstadt Alexandrien an den (Lehren) der gottverhassten Eutyches und Dioskur, Severos und Julian Krankenden aufgefordert, sich der katholischen Kirche anzunähern. Und nach vielen Gesprächen und Anstrengungen, die er (sc. Kyros) mit größter Klugheit und einer ganz zur Lösung führenden Oikonomia (καὶ λυσιτελεστάτης οἰκονομίας) in der Sache auf sich nahm, erreichte er sein Ziel mit der Gnade von oben und es wurden von beiden Seiten einige lehrmäßige Kapitel (δογματικά τινα κεφάλαια) vereinbart.16

Man könnte überlegen, ob der Begriff οἰκονομία hier in einem unspezifischen Sinn als „Verhalten“, „Maßnahme“ oder „Handlungsweise“ zu übersetzen wäre. Mir scheint aber gerade durch den vorgängigen Verweis auf 1 Tim 2,4, die Zuordnung des Prädikats ἐπιεικῶς, die Bezeichnung der antichalcedonensischen Gruppen als „Krankende“ und vor allem durch das Nachstehende ein spezifischer Wortgebrauch im Sinne der kirchlichen Oikonomia als einer außerordentlichen, an bestimmte Bedingungen und Grenzen gebundenen kirchlichen Handlungsmöglichkeit gegeben zu sein. Das würde bedeuten, dass die Union vom 3. Juni 633 von Kyros – und Sergios!17 – bewusst unter dem Vorzeichen der kirchlichen Oikonomia zuwege gebracht wurde. Die folgende Bemerkung des Sergios macht dies meines Erachtens eindeutig. Er berichtet nämlich, dass Kyros auf den Widerspruch hin des in Alexandrien weilenden palästinensischen Mönches Sophronios18 gegen

16 Sergius Patr. Const., Epistula ad Honorium I. pp. (ACO ser. II 2,2, p.536,15–24 Ried.): Ἐπειδὴ δὲ πρὸ ὀλίγου καιροῦ συνεργίᾳ καὶ χάριτι τοῦ πάντας ἀνθρώπους θέλοντος σωθῆναι θεοῦ < καὶ εἰς ἐπίγνωσιν ἀληθείας ἐλθεῖν > […] Κῦρος […] φιλοθέως τε καὶ ἐπιεικῶς προετρέψατο τοὺς κατὰ τὴν Ἀλεξανδρέων μεγαλόπολιν τὰ Εὐτυχοῦς καὶ Διοσκόρου, Σεβήρου τε καὶ Ἰουλιανοῦ τῶν θεοστυγῶν νοσοῦντας τῇ καθολικῇ προσελθεῖν ἐκκλησίᾳ καὶ μετὰ πολλὰς διαλέξεις καὶ καμάτους, οὓς μετὰ πλείστης φρονήσεως καὶ λυσιτελεστάτης οἰκονομίας ἐν τῷ πράγματι κατεβάλετο, τὸ σπουδαζόμενον διὰ τῆς ἄνωθεν κατώρθωσε χάριτος γεγόνασι μεταξὺ μέρους ἑκατέρου δογματικά τινα κεφάλαια. Die Übersetzungen dieses Schreibens erfolgen in Anlehnung an Bausenhart, „In allem uns gleich außer der Sünde“ (s. Anm. 8), 317–321. 17 Zu seinen vorausgehenden Unionsbemühungen mit den Gegnern Chalcedons in Armenien und Syrien vgl.: Winkelmann, Streit (s. Anm. 7), 34–36. Mit gelegentlich problematischen theologischen Urteilen, aber grundlegend: Jan Louis van Dieten, Geschichte der Patriarchen von Sergios I. bis Johannes VI. (610–715), Amsterdam 1972, 24–31.219–232. 18 Zu dem späteren Jerusalemer Patriarchen (633–638) vgl. z. B. Winkelmann, Streit (s. Anm. 7), 261 f.

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das Kapitel über das eine Wirken Christi, unseres großen Gottes und Heilandes […] ihm gegenüber Zitate der heiligen Väter vorbrachte, die vereinzelt (σποράδην) in einigen ihrer Schriften von einem einzigen Wirken (μίαν ἐνέργειαν) sprechen. Dann sagte er obendrein, dass unsere heiligen Väter oft, um das Heil vieler Seelen zu gewinnen, mit derartigen entstandenen Zusammenfassungen (τοιούτων ἀναφυέντων κεφαλαίων) eine offenbar gottgefällige Nachsicht geübt hätten (θεαρέστοις οἰκονομίαις χρησάμενοι) und sich verständigt hätten, ohne die Genauigkeit der richtigen Lehren der Kirche (μηδὲν τῆς ἀκριβείας τῶν ὀρθῶν τῆς ἐκκλησίας δογμάτων) ins Wanken zu bringen; und er sagte, man solle doch, wo gegenwärtig das Heil (312) solch unzähliger Menschen auf dem Spiel stehe, nicht über jenen Abschnitt unter Brüdern heftig streiten, da doch – wie gesagt – jene Aussage (τὴν τοιαύτην […] φωνὴν) auch von manchen gottbegeisterten Vätern verwendet werde und der Inhalt der Orthodoxie dadurch keinen Schaden leide. […] Sophronios aber akzeptierte eine solche Oikonomia überhaupt nicht.19

Wir halten fest: Für Kyros ist die Spitzenaussage des Unionsdokumentes von 633 keine ad hoc entwickelte Neuformulierung, sondern in der Vätertradition „vereinzelt“ auffindbar. Zusätzlich ist er davon überzeugt, dass sein Vorgehen als solches im Sinne der Oikonomia durch die Tradition gedeckt sei. Diese traditionelle Oikonomia beziehe sich auf gemeinsame Lehrformulierungen mit Dissentierenden, die gesucht werden, um diese zum Heil zu führen. Dabei werde in der Formulierung „Nachsicht“ und „Entgegenkommen“ geübt, was solange möglich sei, wie die ὀρθοὶ δόγματα und ihre ἀκρίβεια nicht in Frage gestellt werden. Um des Heiles der anderen willen sei Streit fehl am Platze. Im Ergebnis ist es so – jedenfalls nach den Worten des Sergios – zur Einheit der Christenheit in „fast“ allen Provinzen der ägyptischen Reichsdiözese gekommen, in denen jetzt „mit einer Stimme […] die richtigen Lehren der Kirche“ bekannt werden20 und erstmals „der Name […] unseres Vaters Leo und der hei-

19 Sergius I Patr. Const., Epistula ad Honorium I. pp. (ACO ser. II 2,2, p.538,6 f.15–540,3 Ried.): ἓν καθέστηκε κεφάλαιον τὸ περὶ μιᾶς ἐνεργείας Χριστοῦ τοῦ μεγάλου θεοῦ καὶ σωτῆρος ἡμῶν […] χρήσεις τινὰς αὐτῷ τῶν ἁγίων ἡμῶν πατέρων προαγαγόντος σποράδην ἔν τισι τῶν οἰκείων συγγραμμάτων μίαν ἐνέργειαν εἰρηκότων, ἔτι δὲ καὶ ἐκ περιουσίας φάσκοντος, ὡς πολλάκις οἱ ἅγιοι πατέρες ἡμῶν διὰ τὸ κερδᾶναι πλειόνων ψυχῶν σωτηρίαν τοιούτων ἀναφυέντων κεφαλαίων θεαρέστοις οἰκονομίαις χρησάμενοι φαίνονται καὶ συμβάσεσι μηδὲν τῆς ἀκριβείας τῶν ὀρθῶν τῆς ἐκκλησίας δογμάτων παρασαλεύσαντες, καὶ λέγοντος, ὡς ἄρα χρὴ καὶ ἐπὶ τοῦ παρόντος τοσούτων μυριάδων λαοῦ σωτηρίας ἐν χερσὶ προκειμένης μηδὲν περὶ τοῦ τοιούτου κεφαλαίου ἐριστικῶς ζυγομαχεῖν διὰ τό, ὡς εἴρηται, καὶ ὑπό τινων θεσπεσίων πατέρων τὴν τοιαύτην εἰρῆσθαι φωνὴν καὶ μηδὲν περὶ τούτου τὸν τῆς ὀρθοδοξίας παραβλάπτεσθαι λόγον, ὁ […] Σωφρόνιος τὴν τοιαύτην οἰκονομίαν οὐδαμῶς κατεδέξατο. 20 Sergius I Patr. Const., Epistula ad Honorium I. pp. (ACO ser. II 2,2, p.536,25–538,5 Ried.): μία φωνή […] τὰ ὀρθὰ τῆς ἐκκλησίας ὁμολογοῦντες δόγματα.

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ligen und großen und ökumenischen Synode von Chalcedon“ in den Diptychen der eucharistischen Gottesdienste verkündet werde.21 Sieht man einmal von der Übertreibung hinsichtlich der (313) Größenordnung der Union ab, besteht meines Erachtens kein Anlass, an den Worten des Sergios zu zweifeln. Dies würde bedeuteten, dass der Verzicht auf eine ausdrückliche Erwähnung Chalcedons in der Unionsurkunde einherging mit einer Rezeption Chalcedons und Leos d. Gr. ins liturgische Gedächtnis. Die Unionsurkunde22 vom 3. Juni 633 formuliert in 9 Kephalaia Anathematismen auf der Grundlage der sogenannten Neuchalkedonischen Theologie.23 Es handelt sich um ein christologisches Bekenntnis, das auf die formale Erwähnung von Chalcedon verzichtet, in der Sache jedoch dessen zentrale Aussagen im Rückgriff auf die 14 Anathematismen des II. Constantinopolitanum von 553 formuliert. Die Spitzenformulierung lautet: es sei in zwei Naturen „ein und derselbe Christus und Sohn, der das Gottgemäße und das Menschliche ‚durch ein gottmenschliches Wirken’ bewirke (ἐνεργοῦντα […] μιᾷ θεανδρικῇ ἐνεργείᾳ)“.24 Man wird auch nicht übersehen dürfen, dass in Anathema 8 alle personenbezogenen Anathematismen der fünf Ökumenischen Synoden bestätigt werden. Sophronios, der inzwischen nach Konstantinopel weitergereist war, forderte dort vom Ökumenischen Patriarchen „nach der Union“ gerade diese Aussage aus dem Unionsdokument zu entfernen.25 Sergios lehnte dies ab, fand es „starrsinnig“ und „äußerst beschwerlich“, weil dies „jene ganze so vortrefflich zustande

21 Sergius I Patr. Const., Epistula ad Honorium I. pp. (ACO ser. II 2,2, p. 540, 9–13 Ried.): κατὰ πάσας τὰς […] ἐπαρχίας τὰς ἐν μηδενὶ καιρῷ μέχρι τοῦ νῦν καταδεξαμένας ὄνομα γοῦν ἁπλῶς τοῦ θεσπεσίου καὶ ἀοιδίμου πατρὸς ἡμῶν Λέοντος ἢ τῆς ἁγίας καὶ μεγάλης καὶ οἰκουμενικῆς ἐν Χαλκηδόνι συνόδου ἐπὶ μνήμης φέρειν, νυνὶ δὲ λαμπρᾷ καὶ μεγάλῃ τῇ φωνῇ ἐν ταῖς θείαις μυσταγωγίαις ταύτην ἀνακηρύττοντας. Im Jahre 518 waren die vier Synoden von Nizäa bis Chalcedon in die Konstantinopeler Diptychen aufgenommen worden und dieser Brauch dann auch von den „Melkiten“ in Alexandrien übernommen worden. Vgl. Alois Grillmeier, Jesus der Christus im Glauben der Kirche, Bd.2/1, Freiburg u. a., 21991, 359–368. 22 Decretum Unionis a. 633 (ACO ser. II 2,2 p.594–600 Ried.); Winkelmann, Streit (s. Anm. 7), Nr. 27. Vgl. Elert, Ausgang (s. Anm. 7), 228 f.; Karl-Heinz Uthemann, Das anthropologische Modell der hypostatischen Union. Ein Beitrag zu den philosophischen Voraussetzungen und zur innerchalkedonischen Transformation eines Paradigmas, in: Ders., Christus, Kosmos, Diatribe (AKG 93), Berlin/New York 2005, (103–196)166–168. 23 Vgl. dazu besonders Karl-Heinz Uthemann, Der Neuchalkedonismus als Vorbereitung des Monotheletismus. Ein Beitrag zum eigentlichen Anliegen des Neuchalkedonismus, in: StPatr 29 (1997), 373–413 (= Ders., Christus, Kosmos, Diatribe [AKG 93], Berlin/New York 2005, 207–255). 24 Decretum Unionis a. 633 (ACO ser. II 2,2 p.598, 20 f. Ried.): καὶ τὸν αὐτὸν ἕνα Χριστὸν καὶ υἱὸν ἐνεργοῦντα τὰ θεοπρεπῆ καὶ ἀνθρώπινα „μιᾷ θεανδρικῇ ἐνεργείᾳ“. Vgl. weiter u. S. 332 f. 25 Sergius I Patr. Const., Epistula ad Honorium I. pp. (ACO ser. II 2,2, p. 540, 5 f. Ried.): τοιούτων ἐξαιρεθῆναι κεφαλαίων μετὰ τὴν γενομένην ἕνωσιν τὴν τῆς μιᾶς ἐνεργείας φωνήν.

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gekommene Eintracht und Einheit zerstören und zunichte machen“26 würde, womit er ohne Zweifel recht hatte. Gleichzeitig war ihm aber klar, dass der Widerspruch des Sophronios weite Kreise ziehen konnte. Weil er wisse, „dass aus solchen Rechthabereien immer die Entzweiungen der Häresien entstehen“, habe er Maßnahmen ergriffen, um „diesen ganzen Eifer abkühlen zu lassen und diesen überflüssigen Streit um Worte zu beenden“.27 Zusammen mit seiner Ortssynode beschloss Sergios so (314) im August 633 einen „Bescheid“ (Psēphos)28, der die alexandrinische Union dahingehend modifizierte, dass jede Rede von einer oder zwei Wirkweisen bei Christus untersagt wurde.29 Anstelle von einer oder zwei Wirkweisen in Christus solle von dem einen wirkenden Christus gesprochen werden.30 Die Rede von „zwei Wirkweisen“ sei auch deshalb abzulehnen, weil daraus die Annahme von „zwei Willen“ folge, „denn in ein und demselben Subjekt können nicht zwei Willen existieren, die zugleich und in derselben Hinsicht Entgegengesetztes wollen.“31 Damit war die Kontroverse auf die Willensthematik überführt worden. Diese Entscheidung der Konstantinopler Synodos endemusa versteht sich offensichtlich als Bestandteil eines mit Kyros gemeinsamen „ökonomischen“ Vorgehens. Bemerkenswerterweise ist die Haltung mit einem theologischen Traditionalismus verbunden. So sagt Sergios: Weil wir also diesen beginnenden Streit aufflammen sahen, war es notwendig, in allem lieber den vertrauten Aussagen der heiligen Väter und den Definitionen der Synoden zu folgen und nicht dem, was irgendwann einmal von irgendwelchen Vätern gesagt worden ist, die diesbezüglich auch gar nicht die Absicht hatten, eine klare und unzweideutige

26 Sergius I Patr. Const., Epistula ad Honorium I. pp. (ACO ser. II 2,2, p.540, 7 f. Ried.): πῶς γὰρ σκληρὸν οὐκ ἦν; καὶ σφόδρα βαρύτατον ἅτε δὴ μέλλον ἀναλύειν τε καὶ ἀνατρέπειν ὅλην ἐκείνην τὴν καλῶς γεγενημένην ὁμόνοιάν τε καὶ ἕνωσιν. 27 Sergius I Patr. Const., Epistula ad Honorium I. pp. (ACO ser. II 2,2, p. 540,19–22 Ried.): εἰδότες, ὡς ἐκ τῶν τοιούτων ἀεὶ φιλονεικιῶν αἱ τῶν αἱρέσεων διχοστασίαι γεγόνασιν, ἀναγκαῖον ἐκρίναμεν πᾶσαν θέσθαι σπουδὴν πρὸς τὸ καταπαῦσαί τε καὶ ἐκκόψαι τὴν περιττὴν ταύτην λογομαχίαν. 28 Winkelmann, Streit (s. Anm. 7), Nr. 36; dazu: Nr. 39.40.27.28. 29 Sergius I Patr. Const., Psēphos a. 633 (ACO ser. II 2,2, p.542, 2 f.): „Es solle künftig keinem mehr erlaubt sein, bei Christus unserem Gott eine oder zwei Wirkweisen vorzubringen (προφέρειν)“. 30 Die Psēphos formulierte, dass „alles gottgemäße und menschgemäße Wirken von einem und demselben fleischgewordenen Gott-Logos ungetrennt hervorgeht und sich auf denselben bezieht“ (καὶ πᾶσαν θεοπρεπῆ καὶ ἀνθρωποπρεπῆ ἐνέργειαν ἐξ ἑνὸς καὶ τοῦ αὐτοῦ σεσαρκωμένου θεοῦ λόγου ἀδιαιρέτως προϊέναι καὶ εἰς ἕνα καὶ τὸν αὐτὸν ἀναφέρεσθαι): Psēphos a. 633 (ACO ser. II 2,2, p.542, 6 f. Ried.) 31 Sergius I Patr. Const., Psēphos a. 633 (ACO ser. II 2,2, p.542,16 f. Ried.): ἀδύνατον γὰρ ἐν ἑνὶ καὶ τῷ αὐτῷ ὑποκειμένῳ δύο ἅμα καὶ κατὰ ταυτὸν < ἐναντία > ὑφεστάναι θελήματα·.

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Lehre darüber aufzustellen oder sie in irgendeiner Weise zur Richtschnur und Norm der Lehre zu erheben (διδασκαλίαν εἰς κανόνα καὶ νόμον πάντως ἄγειν δογματικόν), wie das auch bei ihrer Rede von einem einzigen Wirken der Fall ist; ebenso wenig durfte man als kirchliche Lehre vortragen (ὡς δόγμα προφέρειν ἐκκλησιαστικόν), was von den hervorragenden Vätern in keiner Weise gesagt wurde, jetzt von gewissen Leuten vorgebracht wird – ich spreche von den zwei Wirkweisen.32

Man solle sich also vor allem mit der kirchlichen Lehre begnügen, die als Norm und Richtschnur durch die Ökumenischen Synoden verkündet worden sei. Dies gelte durchaus nicht von jedem Theologumenon, selbst wenn es von einem anerkannten Vater irgendwann einmal formuliert worden sei. (315) Es ist meines Erachtens auffällig, wie hier auf der Seite der chalcedonensischen Unionstheologen offensiv ein prinzipieller Unterschied zwischen theologischen Distinktionen und kirchlicher Lehre, zwischen Theologumenon und Dogma vertreten wird. Es ist damit meines Erachtens auch deutlich, dass Sergios so auch für die in Alexandrien propagierte Unionsformel des Christus, der „μιᾷ θεανδρικῇ ἐνεργείᾳ“ wirke, nicht den Anspruch des Dogmas erhebt, sondern sie auf der Ebene des Theologumenons verstanden haben will, freilich eines, das nicht aus Streitsucht geboren wurde, sondern um der Einheit der Kirche willen. Mit dieser Erklärung gab sich selbst Sophronios zuerst durchaus zufrieden und ließ sich die Psēphos schriftlich geben.33 Es ist also festzuhalten, dass die zentralen kirchenpolitischen Handlungen der Jahre 633/4, die zum monenergetisch-monotheletischen Streit geführt haben, sich als spezifische kirchliche Handlungsweise der Oikonomia verstanden haben. Patriarch Sergios hat nun Papst Honorius über die bisherigen Vorgänge informiert, der in einem Antwortschreiben seine Zustimmung zum bisherigen Vorgehen und zum Inhalt der Psēphos gab.34 Er bestätigte das christologische Bekenntnis des Sergios, wenn er formuliert, dass der eine „Herr Jesus Christus […] das Göttliche wirke mittels der Menschheit, die mit dem Logos Gottes hypo-

32 Sergius I Patr. Const., Epistula ad Honorium I. pp. (ACO ser. II 2,2, p.544,9–16 Ried.): Ταύτην […] ἀνάπτεσθαι φιλονεικίαν ἑωρακότες ἀναγκαῖον ἐκρίναμεν ταῖς τετριμμέναις μᾶλλον τῶν ἁγίων πατέρων φωναῖς καὶ συνοδικῶς ὡρισμέναις διὰ πάντων ἀκολουθῆσαι καὶ μήτε τὰ σπανίως ὑπό τινων πατέρων εἰρημένα καὶ οὐ περὶ αὐτὰ τὸν σκοπὸν ἐσχηκότων, ὥστε σαφῆ καὶ ἀναμφίλεκτον τὴν περὶ αὐτῶν ἐκθέσθαι διδασκαλίαν εἰς κανόνα καὶ νόμον πάντως ἄγειν δογματικόν, ὁποῖόν ἐστι καὶ τὸ περὶ μιᾶς ἐνεργείας αὐτοῖς εἰρημένον, μήτε μὴν τὰ μηδαμῶς εἰρημένα τοῖς ἐκκρίτοις πατράσιν, ὑπό τινων δὲ νῦν προφερόμενα, φημί, δὴ τὰς δύο ἐνεργείας ὡς δόγμα προφέρειν ἐκκλησιαστικόν. 33 Sergius I Patr. Const., Epistula ad Honorium I. pp. (ACO ser. II 2,2, p.544,19–23 Ried.); Winkelmann, Streit (s. Anm. 7), Nr. 43.42. 34 Honorius I. pp., Epistula I ad Sergium Patr. Const. (ACO ser. II 2,2, p.548,1–558,8 Ried.). Winkelmann, Streit (s. Anm. 7), Nr. 44.

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statisch vereint sei, und dass derselbe das Menschliche wirke im Fleisch, das in unaussprechlicher und einzigartiger Weise von der Gottheit ungetrennt, unwandelbar, unvermischt und vollkommen angenommen worden sei.“35 Und: „Wir bekennen ihn als den, der als ein und derselbe in der göttlichen und menschlichen Natur wirkt.“36 Deshalb stimmte Honorius in das Bekenntnis zu einem Willen in Jesus Christus ein37 und wandte sich gegen die Rede von einer oder zwei Energien. In diesem Kontext betonte auch er, dass man streng unterscheiden müsse zwischen kirchlichen Dogmen (δόγματα ἐκκλησιαστικά) und „eigenem Denken“ und „eigener Meinung“ (ἴδιος λογισμός; οἰκεία γνώμη), die man nicht in kirchliche Dogmen „umwandeln“ (μεταστρέφειν) dürfe. Normativ seien allein die Evangelien und apostolischen Schriften sowie die Synodalentscheidungen (Horoi) der Väter. (316) Man darf das nicht in kirchliche Dogmen verwandeln (πρὸς δόγματα ἐκκλησιαστικὰ μεταστρέφειν), was weder Synoden überprüft, noch authentische kanonische (Synoden) zu erklären beschlossen haben, so dass es jemand wagen könnte, eine oder zwei Energien bei unserem Herrn Jesus Christus (öffentlich) zu verkünden (κηρύξαι). Diese scheinen weder die evangelischen noch die apostolischen Schriften, noch auch […] Synodalentscheidungen festgelegt zu haben“. […] „Es ist nicht hilfreich, wenn das in kirchliche Dogmen übertragen wird, was jeder einzelne in der überfließenden Fülle seines eigenen Denkens als eigene Meinung vorträgt.38

35 Honorius I. pp., Epistula I ad Sergium Patr. Const. (ACO ser. II 2,2, p.548,17–21 Ried.): ὁμολογοῦντες τὸ κύριον Ἰησοῦν Χριστὸν […], ἐνεργοῦντα τὰ θεῖα μεσιτευούσης τῆς ἀνθρωπότητος τῆς ἑνωθείσης αὐτῷ τῷ θεῷ λόγῳ καθ’ ὑπόστασιν καὶ τὸν αὐτὸν ἐνεργοῦντα τὰ ἀνθρώπινα ἀφράστως καὶ [μονογενῶς] < μοναδικῶς > προσληφθείσης τῆς σαρκὸς ἀδιαιρέτως, ἀτρέπτως, ἀσυγχύτως τελεί < α > ς τῆς θεότητος. 36 Honorius I. pp., Epistula I ad Sergium Patr. Const. (ACO ser. II 2,2, p.556,14 f. Ried.): ὁμολογοῦντες τὸν κύριον ἡμῶν Ἰησοῦν Χριστὸν τὸν ἕνα καὶ τὸν αὐτὸν ἐνεργοῦντα ἐν τῇ θείᾳ καὶ ἀνθρωπίνῃ φύσει. 37 A.a.O., (ACO ser. II 2,2, p.550,16 f. Ried.). 38 Honorius I. pp., Epistula I ad Sergium Patr. Const. (ACO ser. II 2,2, p.554,3–6.9 f.; 552,24 Ried.): οὐ χρὴ ταῦτα πρὸς δόγματα ἐκκλησιαστικὰ μεταστρέφειν, ἅπερ οὐδὲ σύνοδοι κατεξέτασαν οὐδὲ αὐθεντίαι κανονικαὶ ἔδοξαν σαφηνίζειν, ἵνα μίαν ἢ δύο ἐνεργείας τις τολμήσῃ ἐπὶ τοῦ κυρίου Ἰησοῦ Χριστοῦ κηρύξαι, ἃς οὐδὲ εὐαγγελικὰ οὐδὲ ἀποστολικὰ γράμματα οὐδὲ συνοδικαὶ κρίσεις < περὶ τούτων γενόμεναι > φαίνονται ὁρίσασαι. […] ἅτινα πρὸς τὰ ἐκκλησιαστικὰ δόγματα φέρεσθαι οὐκ ὀφείλει, ἅπερ εἷς ἕκαστος ἐν τῷ ἰδίῳ λογισμῷ πλημμυρῶν ὡς οἰκείαν γνώμην προφέρει. Honorius kann sogar zugespitzt sagen: „Ob es aber wegen der Werke der Gottheit und der Menschheit nötig ist, eine oder zwei Wirkweisen zu nennen oder zu denken, dazu müssen wir überhaupt keine Position beziehen, sondern das überlassen wir den Grammatikern und Rhetoriklehrern, die gewöhnlich den Knaben von ihnen ersonnene Begriffe verkaufen, um sie in ihre Schule zu bekommen“ (πότερον δὲ διὰ τὰ ἔργα τῆς θεότητος καὶ τῆς ἀνθρωπότητος μία ἢ δύο ἐνέργειαι ὤφελον παραγόμεναι λέγεσθαι ἢ νοεῖσθαι, ταῦτα πρὸς ἡμᾶς ἀνήκειν οὐκ ὤφελον, ἀλλὰ καταλιμπάνομεν ταῦτα τοῖς γραμματικοῖς ἤγουν τεχνογράφοις, οἵτι-

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Die nächste kirchenpolitische Maßnahme, für deren Durchführung offensichtlich die Oikonomia in Anspruch genommen wurde, ist der sogenannte Typos39 von 648. Mit diesem Gesetz Kaiser Konstans’ II. (641–668)40 wurde bekanntlich ein anderes Gesetz, die 10 Jahre zuvor im Jahre 638 von Kaiser Herakleios erlassene Ekthesis, außer Kraft gesetzt, bei der wiederum Sergios die Feder geführt hatte.41 Die Ekthesis hatte die weitere numerische Verwendung des ἐνέργεια-Begriffes verboten und eine Lösung auf der Grundlage der Willensthematik im Sinne der Lehre Eines Willens in Christus propagiert. Damit war eine Lehre per Gesetz publiziert worden, gegen die sich nun Maximos Homologetes42 und seine Schüler mit allen ihnen zur Verfügung stehenden theologischen und kirchenpolitischen Mitteln wandten. Die Folge war eine in höchstem Maße aufgeheizte und verfahrene Situation. Bereits im Jahre 641 hatte anscheinend eine römische Synode unter Papst Johannes IV. (640–642) Patriarch Sergios und dessen Nachfolger Pyrrhos (638–641) sowie Kyros anathematisiert.43 Pyrrhos hatte nämlich (317) nach seinem Amtsantritt eine Synode in Konstantinopel einberufen und eine Enzyklika versandt, in der er die Ekthesis bestätigte und zu ihrer Unterzeichnung aufforderte.44 Der Nachfolger von Papst Johannes, Theodor I. (642–649), ein Grieche aus Jerusalem aus dem Kreis der Mönche um Sophronios und des Stephanos von Dor, hatte dann seit 643 einen Häresieprozeß gegen den 641 zurückgetretenen Pyrrhos gefordert und vorbereitet,45 der im Zweifelsfall in Rom durchzuführen sei. Bei der vom Exarchen von Karthago, Gregorios, im Juli 645 organisierten Disputation46 zwischen Maximos und Pyrrhos, ließ sich Pyrrhos von Maximos überzeugen, widerrief seine bisherigen Ansichten und wurde in Rom als tatsächlicher Konstantinopeler Patriarch behandelt. Die damit im Zusammenhang stehenden Usurpationspläne des Gregorios, die in Konstantinopel bekannt waren, setzten die römische Kirche allerdings dem

νες εἰώθασι τοῖς παισὶν ἐν τῷ παραγωγὰς ποιεῖν τὰ ἐφευρισκόμενα παρ’ αὐτοῖς ὀνόματα πιπράσκειν (ebd., [ACO ser. II 2,2, p.554,13–15 Ried.]). 39 Winkelmann, Streit (s. Anm. 7), Nr. 106. 40 PMBZ, Nr. 3691. 41 Heraclius I Imp., Ecthesis (ACO ser. II 1, p.156,20–162,13 Ried.); Winkelmann, Streit (s. Anm. 7), Nr. 50. 42 PMBZ, Nr. 4921. Vgl. auch: Winkelmann, Streit (s. Anm. 3), 238–245. 43 Eine persönliche Anathematisierung der drei Patriarchen schon zu diesem Zeitpunkt bezeugt allerdings nur das Synodicon Vetus. Vgl.: Winkelmann, Streit (s. Anm. 7), Nr. 67b. 44 Winkelmann, Streit (s. Anm. 7), Nr. 55.56. Evtl. ist davon noch ein zusätzlicher Tomos dogmatikos zu unterscheiden, vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 7), Nr. 57. 45 Winkelmann, Streit (s. Anm. 7), Nr. 79–81.103. 46 Winkelmann, Streit (s. Anm. 7), Nr. 92; Bausenhart, „In allem uns gleich außer der Sünde“ (s. Anm. 8), 196–316.

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Verdacht der politischen Illoyalität aus.47 Als der Exarch aber 647 im Kampf gegen die Araber fiel, wechselte auch Pyrrhos wieder auf die monotheletische Seite und kehrte nach Konstantinopel zurück. Papst Theodor schrieb darauf einen provozierend scharfen Brief48 an Patriarch Paulos II. von Konstantinopel (641–653), in dem er ihn in „beleidigende(m) und unverschämte(m) Ton“49 zur Unterwerfung unter die römische Verurteilung des Monotheletismus aufforderte, was „zugleich eine Unterwerfung unter die römische Primatsauffassung bedeuten sollte“.50 Paulos antwortete im Namen seiner Synode mit einem im Geist der Versöhnung und auf Verständigung hin verfassten Brief, der ganz auf dem Boden des Chalcedonense stehend unter Einhaltung der Ekthesis hinsichtlich des Energienbegriffs ein „monotheletisches“ Bekenntnis enthielt.51 Theodor erklärte ihn daraufhin 646/7 für abgesetzt. Damit war der Bruch zwischen Rom und Konstantinopel vollzogen. Kaiser Konstans II. erließ danach nun i. J. 648 jenen Typos. Dieser – wohl von Patriarch Paulos verfasst – verbot jetzt nicht nur jede weitere Auseinandersetzung über Mon- und Dyenergismus, sondern auch über Mono- und Dyotheletismus unter Androhung hoher Strafen.52 Der Typos ist offensichtlich als eine kirchenpolitische Maßnahme im Sinne der Oikonomia gemeint gewesen. Dies geht aus den Verhörprotokollen des Prozesses gegen Maximos aus den Jahren 655/6 hervor, der Relatio (318) motionis53 und der Disputatio Bizyae cum Theodosio.54 Beide sind unmittelbar nach den Ereignissen entweder von Maximos selbst oder von seinem engsten Umkreis verfasst worden.55 Gerade mit ihrer Argumentation56 gegen jede Möglichkeit einer Oikonomia machen sie deutlich, dass man sich ihnen gegenüber tatsächlich darauf berief.

47 Vgl. van Dieten, Geschichte der Patriarchen (s. Anm. 17), 83–87. 48 Winkelmann, Streit (s. Anm. 7), Nr. 103. 49 Ebd. 50 van Dieten, Geschichte der Patriarchen (s. Anm. 17), 90. 51 Winkelmann, Streit (s. Anm. 7), Nr. 104. 52 Constans II. Imp., Typos a. 648 (ACO ser. II 1, p.208,3–210,15 Ried.). Vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 7), Nr. 106. 53 Relatio motionis inter Maximum et principes (CPG 7736; CCSG 39,12–51 Allen/Neil). Engl. Übersetzung: Pauline Allen/Bronwen Neil, Maximus the Confessor and his Companions. Documents from Exile, Oxford 2002, 48–75. 54 Acta in primo exsilio seu dialogus Maximi cum Theodosio ep. Caesareae in Bithynia (CPG 7735; CCSG 39, 72–151 Allen/Neil). Engl. Übersetzung: Allen/Neil, Maximus the Confessor and his Companions (s. Anm. 53), 76–119). 55 Vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 7), Nr. 132.145; Allen/Neil, Maximus the Confessor and his Companions (s. Anm. 55), 35–37. 56 S. dazu unten Abschnitt 4, S. 66–72.

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Die Relatio motionis berichtet darüber im Zusammenhang des 1. Prozesstages beim Verhör im Sitzungssaal des Senates im Kaiserpalast am 16. Mai 655. Als vierter Zeuge gegen Maximos wurde Gregorios, der Sohn des Photeinos, aufgerufen, der als asekretis57 eine führende Position im kaiserlichen Beamtenapparat einnahm. Wohl Anfang 649 hatte er in offizieller Mission den Typos nach Rom gebracht58 und dabei auch Maximos aufgesucht. Auf die Frage des Maximos nach dem Grund seines Besuches hatte Gregorios nach dem Bericht des Maximos gesagt, dass der Kaiser „in Sorge sei um den Frieden unter den heiligen Kirchen Gottes. Er schickte deshalb an den von Gott geehrten Papst einen Befehl […], indem er ihn ermahnt, (wieder) mit dem Bischof von Konstantinopel eins zu werden.“59 Als sich Maximos erkundigte, auf welche Art die Einheit wieder hergestellt werden solle, erklärte Gregorios: „auf der Grundlage des Typos“ (ἐπὶ τῷ Τύπῳ). Maximos erwiderte, das sei unmöglich, denn niemals würden die Römer zugeben, dass die schmutzigen häretischen Reden zusammen mit den lichten Worten der heiligen Väter aus dem Wege geräumt werden; oder mit der Lüge zusammen die Wahrheit auslöschen zu wollen; oder mit der Finsternis zugleich das Licht verschwinden zu lassen. Nichts von dem, was wir verehren, würde Bestand haben, wenn man die von Gott gelehrten Worte abschaffte“.60 Darauf Gregorios: „Der Typos fordert keine Abschaffung der heiligen Aussagen, sondern Stillschweigen, damit wir Frieden herstellen können( ἵνα τὴν εἰρήνην οἰ(319) κονομήσωμεν).61

Dass es sich auch an dieser Stelle um eine spezifische Wortverwendung des οἰκονομεῖν handelt, legt sich bereits durch das Handlungsziel des Friedens nahe. Maximos macht die Sache im Zusammenhang seiner hochpolemischen Erwiderung aber eindeutig, wenn er – wie eingangs zitiert – sagt: „Wenn um der Oiko-

57 Relatio motionis 334 (CCSG 39,39 Allen/Neil). 58 Vgl. van Dieten, Geschichte der Patriarchen (s. Anm. 17), 95 f., Anm. 73; Brandes, Krisenbewältigung (s. Anm. 11), 194 Anm. 329. 59 Relatio motionis 127–131 (CCSG 39, 21 Allen/Neil): Ὁ […] δεσπότης, φροντίζων τῆς εἰρήνης τῶν ἁγίων τοῦ θεοῦ ἐκκλησιῶν, ἐποίησεν κέλευσιν πρὸς τὸν θεοτίμητον πάπαν […], προτρεπόμενος αὐτὸν ἑνωθῆναι τῷ προέδρῳ Κωνσταντινουπόλεως. 60 Relatio motionis 135–141 (CCSG 39, 23 Allen/Neil): Ἀδύνατον […] συναναιρεθῆναι ταῖς τῶν ἀκαθάρτων αἱρετικῶν φωναῖς τὰς τῶν ἀγίων Πατέρων φωτοφόρους φωνάς, ἢ τῷ ψεύδει συναποσβεσθῆναι τὴν ἀλήθειαν, ἢ τῷ σκότει συναφανισθῆναι τὸ φῶς. Οὐδὲν γὰρ ἡμῖν ἔσται τὸ προσκυνούμενον, εἰ γένηται τῶν θεοδίδακτων λόγων ἀναίρεσις. 61 Relatio mοtionis 141 f. (CCSG 39, 23 Allen/Neil): Οὐκ ἀναίρεσιν τῶν ἱερῶν ὁ Τύπος ποιεῖται φωνῶν, ἀλλὰ σιωπήν, ἵνα τὴν εἰρήνην οἰκονομήσωμεν.

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nomia willen der Irrglaube zusammen mit dem rettenden Glauben abgeschafft wird, dann ist diese Art der sogenannten Oikonomia nicht Einheit mit Gott, sondern völlige Trennung von Gott.“62 Worin besteht nun die Oikonomia des Typos? Ausgehend von der kaiserlichen Verpflichtung, alles, was dem „Nutzen des Staates“ dient und „dem untadeligen Glauben“ zuträglich ist, in Betracht zu ziehen, stellt der Typos fest: Wir haben bemerkt, dass sich unser orthodoxes Volk in großer Unruhe befindet. Einige nämlich nehmen bei dem Walten unseres großen Gottes und Heilandes Jesus Christus einen Willen an und sagen, ‚dass Er als ein und derselbe das Göttliche und das Menschliche wirke’, während andere ‚zwei Willen und Wirkweisen bei diesem Walten des fleischgewordenen Logos’ lehren. Und während die einen zur Verteidigung vorbringen, dass unser Herr Jesus Christus wegen des ‚Eine-Person-Seins’ ‚in zwei Naturen’ das Göttliche und Menschliche ‚unvermischt und ungetrennt’ will und wirkt, sagen die anderen, dass wegen der ungetrennt in derselben einen Person zusammenkommenden Naturen und weil ihr Unterschied bewahrt und erhalten bleibt, derselbe und eine Christus das Göttliche und Menschliche in entsprechender und der (jeweiligen) Natur zukommenden Weise durch die Naturen wirkt.63 Daher lassen sich die Angehörigen unseres christlichen Staates zu großer Zwietracht und großem Zank fortreißen (εἰς πολλὴν διάστασιν καὶ ἔριν), so dass sie als Dissentierende nicht miteinander übereinkommen (ὡς διχονοοῦντες μὴ συμβαίνειν ἀλλήλοις), wodurch auf vielerlei Weise der Staat Schaden nimmt. Wir haben gemeint, unter der Führung des allmächtigen Gottes die verzehrende Flamme der Zwietracht auslöschen (τῆς διχονοίας κατασβέσαι φλόγα) zu müssen und nicht zuzulassen, dass sie die menschlichen Seelen weiterhin verwüstet. Daher verkünden wir unseren Untertanen […], dass es ab sofort nicht erlaubt ist, miteinander irgendeine Auseinandersetzung, irgendeinen Streit oder ein rechthaberisches Gezänk (ἀμφισβήτησιν, ἔριν τε καὶ φιλονεικίαν) über einen Willen oder ein Wirken oder über zwei Willen oder zwei Wirkweisen zu beginnen. Wir ordnen dies an, nicht um irgendetwas des von den bewährten heiligen Vätern fromm über den Wandel des Gott Logos im Fleisch ein für alle Mal Gelehrten abzuschaffen (οὐχ ὡς ἀναιροῦντές τι καθάπαξ τῶν δογ-

62 S. o. Anm. 1. 63 Constans II imp., Typos a. 648 (ACO ser. II 1, p.208,5–14 Ried.): ἔγνωμεν ἐν πολλῷ καθεστάναι σάλῳ τὸν ἡμέτερον ὀρθόδοξον λαόν, ὥς τινων μὲν ἓν θέλημα ἐπὶ τῆς οἰκονομίας τοῦ μεγάλου θεοῦ καὶ σωτῆρος ἡμῶν Ἰησοῦ Χριστοῦ δοξαζόντων καὶ „τὸν αὐτὸν ἐνεργεῖν τά τε θεῖα καὶ τὰ ἀνθρώπινα“, ἄλλων δὲ δογματιζόντων „δύο θελήματα καὶ ἐνεργείας δύο ἐπὶ τῆς αὐτῆς ἐνσάρκου τοῦ λόγου οἰκονομίας“, καὶ τῶν μὲν ἐν ἀπολογίᾳ προτιθεμένων διὰ τὸ „ἓν πρόσωπον“ ὑπάρχειν τὸν κύριον ἡμῶν Ἰησοῦν Χριστὸν „ἐν δύο φύσεσιν“ […] „ἀσυγχύτως“ καὶ „ἀδιαιρέτως“ θέλοντα καὶ ἐνεργοῦντα τά τε θεῖα καὶ τὰ ἀνθρώπινα, τῶν δὲ διὰ τὰς ἀδιαιρέτως ἐν τῷ αὐτῷ καὶ ἑνὶ προσώπῳ συνελθούσας φύσεις καὶ τοῦ τὴν αὐτῶν σώζεσθαι καὶ μένειν διαφοράν, καταλλήλως καὶ προσφυῶς ταῖς φύσεσι τὸν αὐτὸν καὶ ἕνα Χριστὸν ἐνεργεῖν τά τε θεῖα καὶ τὰ ἀνθρώπινα.

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ματισθέντων), sondern (320) weil wir vielmehr darauf bedacht sind, die Streitsucht wegen der vorliegenden Fragen zu zähmen und dass man diesbezüglich sich danach richte und sich allein genügen lasse an den Göttlichen Schriften und den Überlieferungen der fünf heiligen ökumenischen Synoden und ohne Besserwisserei (auch) an den einfachen Aussagen und Ausdrücken (ταῖς ἁπλαῖς […] χρήσεσιν ἤγουν φωναῖς) der bewährten heiligen Väter, deren Lehren (τὰ δόγματα) Richtlinien und Vorschriften (κανόνες τε καὶ νόμοι) der heiligen, katholischen und apostolischen Kirche Gottes sind, ohne ihnen etwas Eigenes anzufügen oder etwas wegzunehmen und ohne sie nach dem eigenen Interesse zu interpretieren (μηδὲν αὐταῖς προστιθέντας οἰκεῖον ἢ ὑφαιροῦντας ἢ κατὰ τὸν ἴδιον αὐτὰς ἑρμηνεύοντας σκοπόν). Vielmehr soll überall der Zustand bewahrt werden, der vor dem Aufkommen des Streites über die o. g. Fragen geherrscht hat (ἀλλὰ τὸ πρὸ τῆς ἀνωτέρω τῶν εἰρημένων ζητήσεων προελθούσης φιλονεικίας ἁπανταχοῦ φυλαχθῆναι σχῆμα), damit keine Verspottungen deswegen geschehen und niemandem von allen, die bisher einen Willen und ein Wirken oder zwei Willen und zwei Wirkweisen gelehrt haben, deswegen irgendein Vorwurf gemacht wird oder eine Anklage erhoben wird (ὑπὸ τὴν οἱανοῦν μέμψιν τούτου χάριν ἢ κατηγορίαν γινομένου). Im Hinblick auf die endgültige Einheit der heiligsten Kirchen Gottes und die öffentliche Eintracht (πρὸς δὲ τελείαν τῶν ἁγιωτάτων τοῦ θεοῦ ἐκκλησιῶν ἕνωσιν καὶ κοινὴν ὁμόνοιαν) und damit denen, die endlos streiten wollen (τοῖς ἀτελευτήτως φιλονεικεῖν ἐθέλουσιν) keine Gelegenheit mehr gegeben wird, haben wir geboten, dass auch die noch im Narthex der heiligsten Großen Kirche dieser unserer gottbehüteten Kaiserstadt angebrachten Urkunden, die sich mit den genannten Fragen befassen, aufgehoben werden.64

Das Gesetz endet mit detaillierten schweren Strafandrohungen, die das Angeordnete bewehren sollen.65 Der Typos ist in der Tat keine theologische Erklärung im engeren Sinne. Der Kaiser sah sich nach dem von Rom vollzogenen Bruch vielmehr veranlasst in die Auseinandersetzung einzugreifen, weil in ihr keine Wege mehr zur Verständigung sichtbar waren, sondern „Rechthaberei“ und „Zwietracht“ insofern Oberhand gewonnen hatten, als ein offenes Schisma innerhalb der Anhänger Chalcedons drohte. Nach dem Verständnis der sogenannten „Politischen Orthodoxie“ war dadurch nicht nur die Einheit der Kirche und der öffentliche Frieden gefährdet, sondern der Staat selbst drohte Schaden zu nehmen.66 Gleichwohl ist der Typos nicht ausreichend beschrieben, wenn man in ihm nur ein „von oben“ angeordnetes „Diskussionsverbot“ sieht. Es handelt sich vielmehr um 64 Constans II imp., Typos a. 648 (ACO ser. II 1, p.208,14–210,5 Ried.). 65 Bischöfen und Klerikern wird die Absetzung angedroht, Mönchen die Exkommunikation und Exilierung, für das Militär und die Aristokratie wird der Verlust staatlicher Ämter und Würden, dem Rest Körperstrafen und Verbannung in Aussicht gestellt. 66 Vgl. dazu: Ohme, Motive und Strukturen des Schismas (s. Anm. 3), 31–34. van Dieten, Geschichte der Patriarchen (s. Anm. 17), 93, urteilt richtig: „Der Kaiser beansprucht nicht, Dogmata zu verkündigen, sondern er will nur die Ruhe wiederherstellen.“

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ein verordnetes Moratorium mit der Absicht, eine friedliche Regelung herbeizuführen. Deshalb wird in zutreffender Weise bei der präzisen Benennung der theologischen (321) Unterschiede doch gleichzeitig die fundamentale Übereinstimmung beider divergierender Positionen im Grundsätzlichen aufgezeigt. In einem sehr bemerkenswerten Entgegenkommen wird weiterhin die Ekthesis von 638, die im Narthex der Hagia Sophia angeschlagen war, abgehängt und damit aufgehoben. Das bedeutete de facto, dass die seit 638 propagierte monotheletische Lehre ab sofort nicht mehr öffentlich vertreten werden durfte, auch nicht durch den Konstantinopeler Patriarchen Paulos, der sie gerade noch Rom gegenüber bekannt hatte. Die Frage einer angemessenen numerischen Verwendung des ἐνέργεια- und Willensbegriffes in der Christologie wird weiterhin auf eine deutlich niedrigere Stufe gestellt als die aufgeführten unstrittigen christologischen Fundamentalaussagen. Die umstrittenen Begriffe haben nach dem Typos eine andere Dignität als die Aussagen der Heiligen Schrift und die dogmatischen Entscheidungen der fünf Synoden. Die Integrität des Glaubens sei deshalb nicht gefährdet, wenn die Klärung der umstrittenen Fragen offengehalten wird. Das sollte offensichtlich nicht bedeuten, dass die endgültige Einheit darüber nicht gesucht werden solle und die Probleme „unter den Tisch gekehrt“ werden. Eine solche Verständigung könne aber nicht im Geist der φιλονεικία erfolgen. In diesen Elementen ist meines Erachtens die Oikonomia des Typos zu erblicken.67 Dieser „Friedensvorschlag“68 von „monotheletischer“ Seite ist nun nicht nur erfolglos gewesen, sondern hat in verschärfter Weise den Widerspruch des Maximos und seiner Anhänger hervorgerufen. Denn deren Reaktion auf der Lateransynode von 649 hat die Kontroverse in einer nicht zu überbietenden Weise zugespitzt, insofern dort nicht nur die Ekthesis und der Typos verdammt wurden, sondern auch alle bisherigen Konstantinopeler Patriarchen des 7. Jahrhunderts: Sergios, Pyrrhos und der regierende Paulos, sowie Kyros von Alexandrien und Theodor von Pharan. Darüber hinaus wurden die namentlich Genannten auch noch in eine Reihe gestellt mit den Häresiarchen Sabellius, Arius, Nestorius, Eu-

67 Ganz in diesem Sinne äußerten sich dann der Patrikios Troïlos und Sergios Eukratas bei einem Gespräch mit Maximos am Abend des 16. Mai 655: Der Kaiser habe den Typos „allein um des Friedens willen aufgestellt; er hat ihn nicht verordnet zur Abschaffung (οὐκ ἐπ᾿ ἀναιρέσει) von irgendetwas, was über Christus gedacht wird, sondern er hat um des Friedens willen das Verschweigen der den Zwiespalt verursachenden Aussagen verordnet (ἀλλ᾿ ἐπὶ εἰρήνῃ τὴν σιωπὴν τῶν ποιουσῶν τὴν διάστασιν φωνῶν οἰκονομοῦντα)“: Relatio motionis 309–312 (CCSG 39,37 Allen/Neil). Es geht um „Aussagen“ und nicht um das Verschweigen von „Dogmen“, wie Rahner, Kirche und Staat (s. Anm. 8), 408, diese Stelle übersetzte. 68 van Dieten, Geschichte der Patriarchen (s. Anm. 17), 93.

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tyches u. a.69 Damit war genau das Gegenteil dessen eingetreten, was der Typos beabsichtigt hatte. Die Ursache für dieses Desaster liegt meines Erachtens – auch –70 in einer völlig konträren Ansicht über die Legitimität der Oikonomia in diesem Fall. (322) Dies ergibt sich aus den Disputationen zwischen Maximos und dem Bischof Theodosios von Kaisareia/Bithynien sowie den Konsuln (Hypatoi) Paulos und Theodosios am 24. August 656 bzw. den Patrikioi Troïlos und Epiphanios am 13. September 656 im Exil des Maximos in Bizye und Rhegion.71 Es handelt sich hier um die letzten Versuche, Maximos zum Einlenken zu bewegen. Theodosios von Kaisareia handelte als Gesandter des Konstantinopler Patriarchen Petros (654–666), die anderen als Vertreter des Kaisers. Auf die Frage, wieso er mit dem Stuhl von Konstantinopel keine Gemeinschaft halte,72 verwies Maximos auf die „Neuerungen“ (καινοτομίαι) der Union von 633 und die folgenden „Änderungen, Zusätze und Abstriche“, die danach erfolgt seien.73 Er forderte deren Beseitigung und die Anathematisierung jener, die dafür die Verantwortung trügen, als Voraussetzung jeder Gemeinschaft und entfaltete danach detaillierte dogmatische Überlegungen über die seines Erachtens eintretenden Folgen des „Monenergismus“ und „Monotheletismus“ sowie über die angeblichen theologischen Folgen der Verbote des Typos74. Darauf wandte Bischof Theodosios ein: ‚Du darfst das, was durch οἰκονομία geschehen ist, nicht als eigentliches, feststehendes Dogma (κύριον δόγμα) auffassen!‘ Darauf Maximos: ‚Wenn das Typos-Gesetz, das verkündet, dass kein Wille oder kein Wirken des Herrn diskutiert werden darf, deren Wegnahme (ἀφαίρεσις) doch die Nicht-Existenz dessen beweist, der ihrer beraubt wurde, kein endgültiges Dogma (κύριον δόγμα) ist für die, die ihn (sc. den Typos) gutheißen, warum habt ihr mich dann ohne Ehre an barbarische und gottlose Völker ausgeliefert? Warum wurde ich dann dazu verurteilt, mich in Bizye niederzulassen und meine Mitknechte, der eine in Perberis, der andere in Mesembria?‘75

69 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.378,29–384,25;380,5–12 Ried.). Vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 7), Nr. 110. 70 Zu weiteren Motiven vgl. Ohme, Motive und Strukturen des Schismas (s. Anm. 3), 23–34. 71 Winkelmann, Streit (s. Anm. 7), Nr. 143–145; Brandes, Krisenbewältigung (s. Anm. 11), 205–207. 72 Disputatio Bizyae 83 f. (CCSG 39,81 Allen/Neil). 73 Disputatio Bizyae 97–106 (CCSG 39,83 Allen/Neil). 74 Disputatio Bizyae 106–166 (CCSG 39,83–89 Allen/Neil). 75 Disputatio Bizyae 167–174 (CCSG 39,89 Allen/Neil): Θεοδόσιος· „Τὸ δι᾿ οἰκονομίαν γινόμενον, μὴ λάβῃς ὡς κύριον δόγμα.“ Μάξιμος· „Εἰ μὴ ἔστι κύριον δόγμα τῶν δεχομένων, ὁ θεσπίζων Τύπος καὶ νόμος μηδεμίαν λέγεσθαι τοῦ Κυρίου θέλησιν ἢ ἐνέργειαν, ὧν ἡ ἀφαίρεσις τὴν ἀνυπαρξίαν δηλοῖ τοῦ ταύτας ἀφῃρημένου, […].

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Auf den Hinweis: ‚Um untereinander den Frieden wieder herzustellen, meinten einige, genau diese Worte seien zu verschweigen‘ antwortete Maximos schließlich: ‚Und welcher Gläubige akzeptiert eine Oikonomia, die Worte verschweigt, von denen der Gott aller es eingerichtet hat (ῳκονόμησε), dass sie von Aposteln, Propheten und Lehrern gesprochen werden?‘76

Auch bei dem letzten Versuch, Maximos durch Versprechungen höchster Ehren in Rhegion zum Einlenken zu bewegen, blieb nach dem Willen des Kaisers die Grundlage der Typos, auf dessen Basis zuerst die Kirchengemeinschaft durch gemeinsame Kommunion von Kaiser und Maximos (323) wieder hergestellt werden müsse.77 Als Maximos dies unter Berufung auf sein Gewissen ablehnte, weil es „Verrat“ am „rettenden Glauben“ sei78, ließen sich seine so zutiefst beleidigt empfindenden Gesprächspartner nicht nur zu körperlichen Attacken hinreißen, sondern gaben auch eine theologisch bemerkenswerte Erklärung zur Streitfrage ab: In Wirklichkeit sind wir orthodoxere Christen als du! Wir bekennen, dass unser Herr und Gott sowohl einen göttlichen als auch einen menschlichen Willen hat und eine vernunftbegabte Seele; und dass jede vernunftbegabte Natur von Natur aus über Wollen und Wirken verfügt, weil die Bewegung eine Eigenheit des Lebens und der Wille eine Eigenheit der Vernunft ist. Und wir wissen durchaus, dass er (sc. Christus) willensbegabt ist, nicht nur hinsichtlich seiner Gottheit, sondern auch hinsichtlich seiner Menschheit. Also leugnen wir auch nicht seine zwei Willen und Wirkweisen!79

Als Maximos darauf fragte, warum sie – wenn sie doch wie die ganze Kirche glauben – ihn zur Gemeinschaft auf der Grundlage des Typos zwingen wollen, der doch die Abschaffung (ἀναίρεσις) des von ihnen Bekannten bedeute, antwortete der Patrikios Epiphanios:

76 Disputatio Bizyae 176–183 (CCSG 39,89 Allen/Neil): Καὶ ποῖος πιστὸς δέχεται οἰκονομίαν κατασιγάζουσαν φωνὰς, ἄσπερ λαλεῖσθαι δι᾿ ἀποστόλων καὶ προφητῶν καὶ διδασκάλων ὁ τῶν ὅλων θεὸς ᾠκονόμησε;. 77 Disputatio Bizyae 629–645 (CCSG 39,131 f. Allen/Neil). 78 Disputatio Bizyae 659–661 (CCSG 39,133 Allen/Neil): τὴν σώζουσαν τοὺς στέργοντας αὐτὴν πίστιν ἐξωμοσάμην;. 79 Disputatio Bizyae 676–682 (CCSG 39,135 Allen/Neil): Ὄντως πλεῖον σου Χριστιανοὶ ἐσμὲν καὶ ὀρθόδοξοι· καὶ τὸν Κύριον ἡμῶν καὶ θεὸν ὁμολογοῦμεν ἔχειν καὶ θεϊκὴν θέλησιν καὶ ἀνθρωπίνην θέλησιν, καὶ νοερὰν ψυχήν· καὶ πᾶσα νοερὰ φύσις ἔχει τὸ θέλειν ἐκ φύσεως καὶ τὸ ἐνεργεῖν, ἐπειδὴ ζωῆς ἴδιον ἡ κίνησις, καὶ νοῦ ἴδιον ἡ θέλησις. Καὶ θελητικὸν αὐτὸν οἰδαμεν, οὐ θεότητι μόνον, ἀλλὰ καὶ ἀνθρωπότητι. Ἀλλὰ καὶ τὰς δύο θελήσεις αὐτοῦ καὶ ἐνεργείας οὐκ ἀρνούμεθα.

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Dies ist um der Oikonomia willen geschehen, damit die Völker nicht Schaden nehmen durch derartige subtile Aussagen.‘ Darauf Maximos: ‚Im Gegenteil: Jeder Mensch wird geheiligt durch das präzise Bekenntnis des Glaubens, nicht aber durch dessen im Typos festgesetzte Abschaffung.80

Folgendes ist festzuhalten: Für die „monotheletische“ Seite ist durch die Oikonomia-Maßnahme des Typos keine Festlegung eines „κύριον δόγμα“ erfolgt, also keine endgültig bestehende und rechtsgültig feststehende und in diesem Sinne vollgültige Lehrformulierung „im eigentlichen Sinne“ vorgenommen worden. Mit dem Typos erblickte man eine solche allein in den Festlegungen der fünf Ökumenischen Synoden in Übereinstimmung mit dem Zeugnis der Heiligen Schrift und dem anerkannter Väter. Insofern der Typos nun weiterhin die Ekthesis zurückgenommen und ein Moratorium für die öffentliche Kontroverse verordnet hat, waren damit sowohl die Ekthesis wie die Unionsformel von 633 und die Psēphos nicht als κύριον δόγμα qualifiziert. Das heißt: es wird auch hier eine bedeutsame Differenzierung in der Bewertung kirchlicher theologischer Erklärungen vertreten, die die (324) Grunddifferenz von Theologumenon und Dogma widerspiegelt. Auf dem Weg zu einem eventuellen κύριον δόγμα in der Kontroversfrage ist für die Anhänger des Typos anscheinend entweder noch Klärungsbedarf gegeben oder die Beschränkung auf das bisherige κύριον δόγμα ausreichend. Eine solche noch ausstehende Klärung war freilich nach ihrer Überzeugung nur auf der Basis kirchlicher Gemeinschaft möglich und wurde durch das einseitig von Maximos und der Lateransynode vollzogene Schisma unmöglich gemacht. Von daher versteht sich das Drängen auf Wiederherstellung der Communio, deren Vollzug überdies mit dem kaiserlichen Versprechen verbunden war, danach sofort den Typos zu widerrufen.81 Ein größeres Entgegenkommen ist meines Erachtens kaum denkbar! Auf diesem Hintergrund ist auch das durch Maximos’ Verratsvorwurf provozierte dyotheletische Bekenntnis seiner Gegner zu würdigen. Denn diese nehmen maximianische Begriffsdifferenzierungen positiv auf bis hin zum Bekenntnis eines natürlichen Willensvermögens und einer natürlichen Eigendynamik der göttlichen und menschlichen Natur Christi. Man sollte meines Erachtens nicht annehmen, dass sie damit ihrer „monotheletischen“ Überzeugung eine Absage erteilt hätten. Denn das Grundanliegen der „Monotheleten“, dass die menschliche Willentlichkeit in der Person Christi nicht im Widerspruch zu Gott gedacht werden dürfte, war damit noch nicht gewahrt. Gleichwohl wird an dieser Stelle deutlich, wie groß das Verständigungspotential in der Sache tatsächlich war! 80 Disputatio Bizyae 683–691 (CCSG 39, 136 f. Allen/Neil): Δι᾿οἰκονομίαν τοῦτο γέγονεν, ἵνα μὴ βλάβωσιν οἱ λαοὶ ταῖς τοιαύταις λεπτοτέραις φωναῖς. […] Τουναντίον πᾶς ἄνθρωπος ἁγιάζεται διὰ τῆς ἀκριβοῦς ὁμολογίας τῆς πίστεως, οὐ μὴν διὰ τῆς ἀναιρέσεως τῆς ἐν τῷ Τύπῳ κειμένης. 81 Disputatio Bizyae 223 ff. (CCSG 39, 93 Allen/Neil).

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2 Oikonomia im monenergetisch-monotheletischen Streit

Für Maximos scheint es allerdings eine solche Unterscheidung von κύριον δόγμα und Theologumenon nicht wirklich gegeben zu haben – jedenfalls was seine eigenen Überzeugungen betrifft. Das verordnete öffentliche Schweigen über die angemessene numerische Verwendung des Energeia- und Willensbegriffes deutet er als Aufhebung und Beseitigung der Begriffe überhaupt. Den Typos, die Ekthesis usw. behandelt er als κύριον δόγμα und setzt selbstverständlich voraus, dass die von ihm als richtig erkannte Lehre auch κύριον δόγμα sein müsse. Dass diese durch die Lateransynode von 649 sanktioniert worden war, die in der Perspektive des Maximos nun auch noch als 6. Ökumenisches Konzil galt,82 war deshalb ein wesentlicher Baustein seiner Überzeugung. Während für die Verteidiger des Typos das temporäre Außerachtlassen einer „subtilen“ Begriffsdifferenzierung in der Willensproblematik nicht die Integrität der Glaubenssubstanz des Christusbekenntnisses tangiert, hat für Maximos das „präzise Bekenntnis“ in diesem Sinne Heilsbedeutung. Für seine Gegner ist so eine Verständigung nur auf der Basis kirchlicher Gemeinschaft möglich, während es für Maximos nur das Einstimmen in sein Anathema gibt. (325)

2 Die Tradition der Oikonomia im 7. Jahrhundert Wir haben gesehen, dass nicht nur die kirchenpolitischen Aktionen, die zum monenergetisch-monotheletischen Streit geführt haben, sondern auch das zentrale Gesetz, das ihn beilegen sollte, sich als Oikonomia-Maßnahmen verstanden. Der argumentative Rückgriff darauf sowie die Bestreitung ihrer legitimen Anwendung setzen eine Tradition kirchlicher Oikonomia als Möglichkeit eines außerordentlichen kirchlichen Handelns in bestimmten Situationen voraus. Tatsächlich war nun die erste systematische Abhandlung über die kirchliche Oikonomia, in der ältere Traditionen zusammengefasst wurden, nur wenige Jahrzehnte zuvor entstanden. Es handelt sich um die Schrift Περὶ Οἰκονομίας des chalcedonensischen Patriarchen von Alexandrien Eulogios (581–607),83 die uns wie fast sein gesamtes umfangreiches Werk nur durch die ausführlichen Beschreibungen

82 Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 11 (PG 91,137D); vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 7), Nr. 113. 83 Vgl.: Richter, Oikonomia (s. Anm. 4), 492–496. Wie Alfred von Gutschmid zu dem Urteil kam, dass es sich hierbei um eine Schrift „von unglaublicher Albernheit“ handele, bleibt sein Geheimnis. Vgl.: Ders., Verzeichnis der Patriarchen von Alexandrien, in: Franz Rühl (Hg.), Kleine Schriften von Alfred von Gutschmid, Bd. 2, Leipzig 1890, 396–525.497. Zur Christologie des Eulogios vgl.: Alois Grillmeier, Jesus der Christus im Glauben der Kirche 2/4, Freiburg u. a. 1990, 66–72.

2 Die Tradition der Oikonomia im 7. Jahrhundert

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des Photios bekannt ist.84 Eulogios war syrisch-antiochenischer Herkunft und Papst Gregor d. Gr. seit einer gemeinsamen Zeit in Konstantinopel freundschaftlich verbunden. Theodor Studites (759–826) rechnete ihn unter die Heiligen und berief sich auf seine Oikonomia-Abhandlung im moichianischen Streit.85 Die Schriften des Eulogios behandeln vorrangig Fragen der Christologie, wobei er den Tomus Leonis verteidigt, gleichzeitig aber auch die Mia-Physis-Formel Kyrills stark hervorhebt. Seine Auseinandersetzung mit den „monophysitischen“ Gruppierungen in Ägypten führte zu der Schrift über die Oikonomia, deren Anlass die Union zwischen Theodosianern und Gaianiten war, also jener Majoritätsgruppe, mit der der spätere Nachfolger des Eulogios, Kyros, im Jahre 633 die Union schloss. Eulogios wandte sich gegen jene Union, weil sie „keine Oikonomia“ gewesen sei, sondern „Verrat an allem, was sie glaubten“.86 Sie war ihm Anlass zu einem prinzipiellen Nachdenken über Möglichkeiten und Grenzen der Oikonomia. Grundsätzlich gelte, so führt er aus, dass die Oikonomia nur richtig gehandhabt werde, „wenn das Dogma der (wahren) Frömmigkeit keinen Schaden nimmt. Wenn es rein und unverhandelbar bleibt, kann die Oikonomia für einen Bereich außerhalb seiner veranlasst werden“, und dies (326) in jedem Fall nur durch einen Inhaber des bischöflichen Amtes.87 Auf dieser Grundlage hat Eulogios drei verschiedene Arten von Oikonomia benannt. Die erste betrifft die Unterscheidung einer Oikonomia auf Zeit (πρόσκαιρος οἰκονομία) und einer dauerhaften (διηνεκής οἰκονομία).88 Die zweite betrifft die Wortwahl in der Formulierung des Dogmas: Wenn die Dogmen der Kirche unverrückt stehen und durch andere Aussagen verkündet werden, kann man sich darauf einlassen, Worte zu verschweigen, wenn diese Ausdrücke für die, die von aufrichtigen Absichten geleitet sind, keine begründeten Anlässe zum Ärgernis geben.89

84 CPG 6976. Photios beschreibt in seiner Bibliotheca 4 Traktate und 11 Orationes von Eulogios (Phot. cod. 182.208.225–227.230.280). Περὶ Οἰκονομίας ist Gegenstand von Phot., cod. 227 (111–114 Henry IV). 85 Theodorus Stud., Epistula 49,62.57–108 (141–143 Fatouros). 86 Photius, Bibliotheca cod. 227 (111,19 f. Henry IV). 87 Photius, Bibliotheca cod. 227 (112,30–37 Henry IV): Ἔπειτα δὲ τότε τὰς οἰκονομίας ὁ ὀρθὸς λόγος μεταχειρίζεται, ὅτε τὸ δόγμα τῆς εὐσεβείας οὐδὲν παραβλάπτεται·ἐκείνου γὰρ ἀκηράτου καὶ ἀκαπηλεύτου μένοντος, ἡ οἰκονομία περί τι τῶν ἔξωθεν αὐτοῦ χώραν εὑρίσκει συνίστασθαι. 88 Photius, Bibliotheca cod. 227 (112,38–14 Henry IV). Als Beispiel verweist er auf das Verhalten des Apostel Paulus, der in einer bestimmten Situation den Timotheos beschneiden ließ (Apg 16,3), obwohl er an sich die Beschneidung prinzipiell ablehnte (Gal 5,2). 89 Photius, Bibliotheca cod. 227 (112,14–113,18 Henry IV): Ὅτε γὰρ τῶν τῆς ἐκκλησίας δογμάτων ὀρθῶς ἐχόντων καὶ δι’ ἑτέρων φωνῶν ἀνακηρυττομένων, ῥήματά τινα τοῖς ἀκεραιοτέροις σκανδάλου κἂν οὐκ εὔλογοι γίνωνται προφάσεις, ἀποσιωπᾶσθαι συγκαταβαίνει ταῦτα.

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Eulogios hat hierzu auf das Beispiel von Athanasius von Alexandrien († 373) und Gregor von Nazianz (†ca. 390) verwiesen; Photios bringt daraus jeweils nur ein kurzes Zitat. Wir müssen diese Chrēseis für die Oikonomia bei Lehrformulierungen näher in den Blick nehmen, wenn man deren Bedeutung im monenergetisch-monotheletischen Streit verstehen will. Eulogios bezieht sich zuerst auf das Verhalten des Athanasius nach dem Zeugnis Gregors von Nazianz in dessen Oratio 21 In laudem Athanasii.90 Gregor stellte dort das versöhnende Wirken des Alexandriners heraus, weil dieser gezeigt habe, dass die Divergenzen zwischen Orient und Okzident im trinitarischen Bekenntnis nicht lehrmäßiger, sondern nur begrifflicher Natur waren. Insofern sei sein Verhalten geradezu ein „Lehrstück“ (παίδευμα) für die Gegenwart, zu der Gregor dann selbstkritisch ausführt: „Denn von uns wird nicht nur alles, was gottlos ist, ausgeschieden (σχίζεται), sondern auch die Elite der Frömmigkeit […] sogar schon wegen Worten, die doch denselben Sinn tragen.“91 Gregor weist dazu darauf hin, dass wegen der sprachlichen Schwierigkeiten, den griechischen ὑπόστασις-Begriff in die lateinische Terminologie der Trinitätslehre aufzunehmen, „die doch bei den Italikern genauso gedacht werde“, dort der Person-Begriff eingeführt worden sei. Was aber dann geschehen sei, sei „höchst lächerlich oder erbärmlich“. „Es wurde nun für gut befunden, die kleinliche Differenz im Wortlaut zu einem Unterschied im Glauben zu machen“, und man habe sich gegenseitig Sabellianismus bzw. Arianismus vorgeworfen. Das (327) aber seien nur Erfindungen der Rechthaberei (φιλονεικία) gewesen. Als das Athanasius, „der große Lenker (οἰκονόμος) der Seelen“, gesehen habe, habe er folgendes „Heilmittel“ verordnet: „Er lädt beide Seiten zu sich ein mit Sanftmut und Liebe (πράως καὶ φιλανθρώπως), und als er den Sinn des Gesagten genau geprüft hat, dabei aber fand, dass sie übereinstimmen und überhaupt nicht in der Lehre divergieren, ließ er beide Begriffe zu und verband sie (sc. die Streitenden) in der Sache.“92 Das zweite von Eulogios herangezogene Väterzeugnis bezieht sich auf das Bekenntnis zur Gottheit des Heiligen Geistes, für das man nach dem Zeugnis Gregors von Nazianz in der spezifischen Situation der Auseinandersetzung mit den Pneumatomachen auch auf den Begriff der Gottheit verzichten konnte,

90 Gregorius Nazianzenus, Oratio 21 In laudem Athanasii (SC 270,86–193 Mossay). 91 Gregorius Nazianzenus, Oratio 21 In laudem Athanasii (SC 270,184,6.10–14 Mossay): […] ἀλλ᾿ ἤδη καὶ περὶ ῥημάτων εἰς τὴν αὐτὴν φερόντων διάνοιαν. 92 Gregorius Nazianzenus, Oratio 21 (SC 270, 186,22.32–36 Mossay): Πίστεως ἔδοξε διαφορὰ ἡ περὶ τὸν ἦχον σμικρολογία […]. ἐπειδὴ γάρ συμφρονοῦντας εὗρε καὶ οὐδὲν διεστῶτας κατὰ τὸν λόγον, τὰ ὀνόματα συγχωρήσας συνδεῖ τοῖς πράγμασι. Nur der letzte Satz wird von Photios zitiert (113,22 ff. Henry IV).

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wenn in der Sache dasselbe mit anderen Worten bekannt werde. Photios bringt nur ein Zitat aus Gregors Oratio 41 In Pentecosten: „Aber ihr missbilligt die Buchstaben und nehmt Anstoß an der Aussage (sc. Gott oder ὁμοούσιος). Gebt uns die Macht der Gottheit (sc. für den Heiligen Geist) und wir werden euch das Zugeständnis der Aussage (sc. Gott oder ὁμοούσιος) machen!“93 Wir wissen nicht, ob sich Eulogios auf dieses Zitat beschränkt hat. Derselbe Sachverhalt ist bekanntlich von Gregor mehrfach behandelt worden, insbesondere in Hinsicht auf die Vermeidung des Begriffes durch Basilius d. Gr. und die Vorwürfe, denen sich dieser deshalb ausgesetzt sah. In Oratio 43 sagt Gregor über Basilius: Den Gebrauch des hauptsächlichen94 Ausdrucks setzte er einstweilen aus (τὴν δὲ κυρίαν φωνὴν τέως ὑπερέθετο) und erbat vom Geist selbst und dessen echten Verteidigern die Gnade, die Oikonomia nicht zu missbilligen (τῇ οἰκονομίᾳ μὴ δυσχεραίνειν) und nicht durch Bestehen auf einem Wort das Ganze durch Unersättlichkeit zu verderben in einer Zeit, in der die (wahre) Frömmigkeit verdrängt werde. Denn es sei für sie überhaupt kein Schaden, wenn die Worte ein wenig ausgetauscht werden und mit anderen Aussagen dasselbe gelehrt werde (ὑπαλλαττομένων μικρὸν τῶν λέξεων καὶ φωναῖς ἄλλαις τὸ ἴσον διδασκομένοις). Denn nicht in Worten liege für uns das Heil, sondern in der Sache (ουδὲ ἐν (328) ῥήμασιν ἡμῶν εἶναι τὴν σωτηρίαν μᾶλλον ἢ πράγμασι).95

Auch wenn man diese Deutung des Verhaltens des Basilios allein dem Nazianzener zuweist96 oder seine „theologische Herkunft“, nicht aber eine von ihm vertretene Oikonomia dafür verantwortlich machen will,97 ist doch festzuhalten, dass

93 Photius, Bibliotheca cod. 227 (113,24 ff. Henry IV) = Gregorius Nazianzenus, Oratio 41 In Pentecosten 41,7 (SC 358,328,11–330,17 Moreschini/Gallay): Ἀλλὰ ταῖς συλλαβαῖς, φησί, δυσχεραίνετε, καὶ προπταίετε τῇ φωνῇ. Δότε τὴν δύναμιν τῆς θεότητος καὶ δώσομεν ὑμῖν τῆς φωνῆς τὴν συγχώρησιν. 94 Die Wendung κυρίαν φωνὴν ist hier vom Kontext her nicht mit „eigentlicher Ausdruck“ in dem Sinne zu übersetzen, dass alle anderen in Frage kommenden Begriffe „uneigentlich“ im Sinne von „missbräuchlich“ = καταχρηστικός wären!. 95 Gregorius Nazianzenus, Oratio 43,68 In laudem Basilii (SC 384, 278,34–42 Bernardi). Dieselbe Thematik behandelt Gregor auch in ep. 58 an Basilius, weil er diesen wegen seiner Oikonomia in der öffentlichen Rede über den Heiligen Geist dem Vorwurf des Verrats am Glauben ausgesetzt sieht, bemerkenswerterweise auch hier bereits durch einen Mönch! (Gregorius Nazianzenus, Epistula 58,7.11 f.14 (GCS 53,52–54 Galley). Zur kirchlichen Oikonomia bei den Kappadokiern vgl. auch: Richter, Oikonomia (s. Anm. 4), 271–278. 96 So: Hermann Dörries, De Spiritu Sancto. Der Beitrag des Basilius zum Abschluß des trinitarischen Dogmas (AAWG.PH 39), Göttingen 1956, 23–28.125–128. Bei Basilios fehle „wie die Sache, so […] das Wort (sc. οἰκονομία)“ (126). Sein Verhalten erkläre sich allein aus seiner Unterscheidung von Kerygma und Dogma. 97 So: Volker H. Drecoll, Die Entwicklung der Trinitätslehre des Basilius von Cäsarea (FKDG 66), Göttingen 1996, 280.

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die kirchliche Tradition der Oikonomia gerade darin ein Musterbeispiel gesehen hat, was Oikonomia bei Kontroversen über Lehrformulierungen bedeutet.98 Die dritte Art von Oikonomia liegt nach dem Exzerpt des Photios dann vor: „wenn häufig über Personen hinweggesehen wird, obwohl eine öffentlich proklamierte Entscheidung (ἐκκήρυκτον ψῆφον) genau gegen sie bekannt gemacht wurde, ohne dass dabei die richtig einzuhaltenden Dogmen Schaden nehmen.“99 Nach dieser Oikonomia habe Theophilus von Alexandrien (385–412) mit Gelasius von Caesarea (365–395) Gemeinschaft gehalten, obwohl dieser in den Diptychen Euseb von Caesarea (†339/40) kommemoriert habe. Ebenso habe Cyrill von Alexandrien (412–444) nicht die Communio aufgehoben „obwohl Theodor von Mopsuestia im Osten ebenso (sc. in den Diptychen) proklamiert worden sei. Er betrachtete nämlich die zentralsten Elemente des Glaubens (τὰ τῆς εὐσεβείας καιριώτατα) in den unverfälschten Dogmen als bewahrt.“100 Spätestens seit dem Ende des 4. Jahrhunderts ist klar gewesen, dass die Christologie Eusebs als des überragenden Theologen im ersten Drittel des Jahrhunderts wegen ihrer subordinatianischen Logostheologie und ihres Doketismus unhaltbar war.101 Ernst Honigmann hat wahrscheinlich gemacht, dass der Verurteilung Eusebs auf dem II. Nicaenum im Kontext der Bilderfrage102 schon eine ältere Tradition vorausging, die Euseb unter (329) die Häretiker rechnete.103 Cyrill von Alexandrien scheint bei seiner Reise zum I. Ephesenum im Jahr 431 in Caesarea dafür gesorgt zu haben, dass der Name Eusebs aus den Diptychen gestrichen wurde. Das wird der Hintergrund sein für die Verwunde-

98 Man wird in jedem Fall Gregor nicht gerecht, wenn man Oikonomia nur wie Jean Bernardi (SC 384 z.St.) als „cette tactique“ übersetzt. Wenn man die Oikonomia hier nur „taktisch oder pädagogisch“ versteht, muss Gregors „‚Ökonomie’-Auskunft“ – wie für Hermann Dörries – „befremdlich(e)“ bleiben: Ders., De Spiritu Sancto (s. Anm. 96), 127. 99 Photius, Bibliotheca 227 (113,30–33 Henry IV): ὅτε παρορῶνται πρόσωπα πολλάκις ἐκκήρυκτον ψῆφον τῆς ἀκριβείας κατ᾿ αὐτῶν ἀνακηρυττούσης, οὐδὲν ἔλαττον τῶν κρατυνομένων δογμάτων. 100 Photius, Bibliotheca 227 (113,38 f. Henry IV): Κύριλλος δὲ τοῦ Μοψουεστίας Θεοδώρου, κατὰ τὴν ἑῴαν ὡσαύτως ἀνακηρυττομένου, τῆς κοινωνίας οὐκ ἀφίστατο. Ἑώρα γὰρ ἀκηράτοις σῳζόμενα δόγμασι τὰ τῆς εὐσεβείας καιριώτατα. 101 Vgl. Alois Grillmeier, Jesus der Christus im Glauben der Kirche 1, Freiburg u. a. 31990, 301–326; Holger Strutwolf, Die Trinitätstheologie und Christologie des Euseb von Caesarea (FKDG 72), Göttingen 1999. 102 Joannes D. Mansi (Hg.), Sacrorum conciliorum nova et amplissima collectio, Florenz 1759 ff., 13, 316 f. Vgl.: Heinz Ohme, Ikonen, historische Kritik und Tradition. Das VII. ökumenische Konzil (787) und die kirchliche Tradition, in: ZKG 110 (1999), (1–24) 13–16. 103 Ernst Honigmann, Eusebius Pamphili, the removal of his name from the diptychs of Caesarea in Palestine in 431 A.D., in: Ders., Patristic Studies (StT 173), Vatikan 1953, 59–70.

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rung des Eulogios, dass Theophilus Gemeinschaft mit Gelasius hielt, der Euseb noch kommemorierte. Cyrill hatte nach seinem „Friedensbrief“ an Johannes von Antiochien104 vom April 433, mit dem nach dem Schisma des Jahres 431 in Ephesus die kirchliche Einheit auf der Grundlage einer christologischen Unionsformel105 wieder hergestellt worden war, sich in einem Brief an Proclus von Konstantinopel (434–446) gegen eine posthume Verurteilung Theodors gewandt. Dabei führt er aus, dass man δι᾿ οἰκονομίαν in Ephesus darauf verzichtet hat, Theodor namentlich zu nennen und zu anathematisieren. Oikonomia sei in solchen Fällen weise und das Beste.106 Es geht also bei der dritten Art kirchlicher Oikonomia um die kirchliche Tradition der Aufrechterhaltung kirchlicher Gemeinschaft mit Lehrern, Anhängern oder Nachfolgern solcher Theologen, deren Häresie durch eine kirchliche Entscheidung bekannt gemacht worden war. Eine solche Communio sei als Oikonomia möglich, wenn die in den Dogmen enthaltenen „zentralsten“, „wesentlichsten“ oder „treffendsten“ Elemente des Glaubens (τὰ τῆς εὐσεβείας καιριώτατα) bewahrt bleiben. Auch an dieser Stelle bleibt unbekannt, ob Eulogios nur diese Beispiele genannt hat. Man sollte aber fast annehmen, dass er sich auch auf zwei Briefe Cyrills bezogen hat, die zum Thema Oikonomia einschlägig waren und als solche in die Tradition eingegangen sind. Es handelt sich um Cyrills Epistula 56 an den Priester und Archimandriten Gennadius von Konstantinopel107 und Epistula 57 an den Diakon Maximus von Antiochien108. Beide Briefe tauchen erstmals in dieser Hinsicht zusammengestellt im Cod. Vaticanus gr. 1431 auf, den Eduard Schwartz als ein Florilegium moderater Gegner von Chalcedon identifiziert hat, die auf der Grundlage (330) des Henotikons von 482 einer auf dem Wege der Oikonomia vollzogenen

104 Siehe CPG 8848 (=5339). 105 Siehe CPG 8851 (= 6310). Vgl. dazu: Torsten Krannich, Cyrill von Alexandrien und die Unionsformel von 433 n. Chr., in: ZAC 9 (2005), 566–583. 106 Cyrillus Alex., Epistula 72. Vgl.: Eduard Schwartz, Codex Vaticanus gr. 1431 eine antichalkedonische Sammlung aus der Zeit Kaiser Zenons (ABAW 32,6), München 1927, (17–19) 18,17 ff. Die Schriften Cyrills gegen Diodor und Theodor (siehe CPG 5229) datieren erst von 438, vgl.: Marcel Richard, Les Traités de Cyrille d’Alexandrie contre Diodore de Tarse et Théodore et les fragments dogmatiques de Diodor de tarse, in: Robert Brun (Hg.), Mélanges dédiés à la mémoire de Félix Grat, Bd. 1, Paris 1946, 99–116 (= Ders, Opera minora Bd. II, Turnhout 1977, Nr. 51, S. 171). Sie haben jedenfalls die Überlieferung von ep.72 als exemplarische OikonomiaMaßnahme nicht beeinflusst!. 107 Siehe CPG 5356 (a. 436/8); Edition in: Pierre-Periclès Joannou (Hg.), Discipline générale antique (IIe–IXe s.), Bd. II. Les canons des Pères Grecs, Grottaferrata (Roma) 1963, 286 f. 108 Siehe CPG 5357 (a. 433); Edition in: PG 77, 321; Joannou, Discipline Bd. II (s. Anm. 107), 284 f.

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Union mit der Reichskirche zuneigten.109 Im Jahre 787 spielten beide Briefe eine Rolle für die Versöhnung mit den ikonoklastischen Bischöfen auf der 1. Sitzung des VII. Ökumenischen Konzils.110 Rechtlich kodifiziert begegnen sie zuerst im Syntagma XIV titulorum.111 Gennadius nahm Anstoß daran, dass sein Bischof Proclus von Konstantinopel Gemeinschaft mit Juvenalius von Jerusalem hielt, obwohl dieser seit 431 die θεσμοί der Kirche ignoriert habe und die Autokephalie gegenüber Antiochien anstrebe. Nachdem er eingangs Gennadius dafür lobt, dass er μετὰ ἀκριβείας die Frömmigkeit leben wolle, betont Cyrill, dass „die nachsichtige Behandlung der Dinge“ (οἰκονομία πραγμάτων) manchmal kurz dazu zwinge, sich auch außerhalb der Ordnung zu bewegen, um ein größeres Gut zu gewinnen.112 Dieses „größere Gut“ war für Cyrill die Unterstüzung des Jerusalemer Bischofs in der christologischen Kontroverse, und in diesem Sinne habe er sich deshalb mit Proclus verständigt. Die „Anwendung der Oikonomia“ könne keinem Einsichtigen mißfallen!113 Für Cyrill ist also ein Verstoß gegen die kanonische Ordnung hinzunehmen und die kirchliche Gemeinschaft zu wahren, wenn dies dem höheren Ziel der Bewahrung der rechten Lehre in einer fundamentalen Frage dient. Der Brief an den Diakon Maximus von Antiochien ist ebenfalls kurz nach der Union von 433 geschrieben worden. Maximus verweigerte seinem Bischof Johannes die communio, weil es in Antiochien noch immer Anhänger des Nestorius gebe. Cyrill ermahnt Maximus nun, die Einheit zu wahren und zuzusehen, ob es nicht doch Meinungsänderungen gebe. Er fährt dann fort: Damit wir aber nicht den Anschein erwecken, als huldigen wir der Streitsucht (τὸ φιλόνεικον), begrüßen wir die communio mit Seiner Frömmigkeit Bischof Johannes, indem wir uns mit ihm verständigen und um der Oikonomia willen nicht die Worte auf die Goldwaage legen (καὶ οἰκονομίας ἕνεκα μὴ ἀκριβολογεῖσθαι σφόδρα) bei denen, die ihre Meinung ändern. Denn diese (331) Angelegenheit hat – wie gesagt – viel Oikonomia nötig.114

109 Schwartz, Codex Vaticanus gr. 1431 (s. Anm. 106), Nr. 38.43, S. 17.21. 110 Mansi, Sacrorum conciliorum nova et amplissima collectio (s. Anm. 102) Bd. 12, 1027. 111 Allerdings erst in der sogenannten 3. Redaktion vom Ende des 8. Jahrhunderts. Vgl. Vladimir N. Beneševič, Syntagma XIV titulorum sine scholiis secundum versionem paleo-slovenicam adjecto textu graeco e vetustissimis codicibus manuscriptis exarato (russ.), (St. Petersburg 1906) Leipzig 1974, 552 f.;560; Ders., Kanoničeskij Sbornik XIV Titulov So Vtoroj Četverti VII. Veka Do 883 G., St. Petersburg 1905, 267. 112 ἀλλ᾿ οἰκονομία πραγμάτων ἔσθ᾿ ὅτε παραβιάζεται βραχύ τοῦ δέοντος ἔξω φέρεσθαί τινας, ἵνα τι μεῖζον κερδάνωσιν: Joannou, Discipline générale antique (s. Anm. 107), Bd. II., 286,11–14. 113 Joannou, Discipline générale antique (s. Anm. 107), Bd. II, 287,15 ff.: ὁ τῆς οἰκονομίας τρόπος οὐδενὶ τῶ συνετῶν ἀπήρεσεν. 114 Joannou, Discipline générale antique (s. Anm. 107), Bd. II, 285,21–28: Ἵνα δὲ μὴ δοκῶμεν τιμᾶν τὸ φιλόνεικον, ἀσπασώμεθα τὴν πρὸς τὸν εὐλαβέστατον ἐπίσκοπον Ἰωάννην κοινωνίαν,

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Dieses Zeugnis ist insofern von hervorgehobener Bedeutung, als Cyrill um der Einheit der Kirche willen bekanntlich auf den Gebrauch einiger antinestorianische Spitzenformulierungen in den 12 Anathematismen seines dritten Briefes an Nestorius115 verzichtet hatte und zentrale Anliegen der antiochenischen Christologie wie die Zwei-Naturen-Lehre akzeptiert hatte, um die Verständigung von 433 möglich zu machen.116 Das bedeutet: Zur Heilung eines Schismas zwischen einigen der bedeutendsten Kirchen der Christenheit in der fundamentalen Frage des Christusbekenntnisses war für Cyrill in Hinsicht auf die Formulierung des gemeinsamen Glaubens Entgegenkommen und Nachsicht (οἰκονομία) bei der Durchsetzung eigener theologischer Formulierungen möglich und nötig, um das hohe Gut der kirchlichen Einheit wieder herzustellen. Die Schrift des Eulogios von Alexandrien über die Oikonomia macht also deutlich, dass es am Vorabend des sog. monenergetisch-monotheletischen Streites eine ganze Reihe kirchlich anerkannter Handlungsoptionen gab, wie im Falle von Differenzen bei Lehrformulierungen verfahren werden könne und wie alles daran zu setzen sei, die kirchliche Einheit und communio zu bewahren und vor der ständig als Gefahr drohenden menschlichen Streitsucht und Rechthaberei zu schützen. Diese Handlungsoptionen sind mit Eulogios von einem bedeutenden Theologen an der Wende zum 7. Jahrhundert zum ersten Mal systematisch zusammengefasst worden, der dabei der üblichen Methode folgend zur Begründung patristische Chrēseis beibrachte. Diese waren ihrerseits fest in der kirchlichen Tradition verankert und sind bis in die Systematisierung des kanonischen Rechtes eingegangen. Sie gehören allesamt in die Kontroversen um die lehrmäßige Formulierung der Grundaussagen des christlichen Gottes- und Christusbekenntnisses. Als Handlungsmuster sind sie mit den Namen der bedeutendsten Träger kirchlicher Orthodoxie verbunden, allen voran mit Athanasius von Alexandrien, Basilius von Caesarea, Gregor von Nazianz und Cyrill von Alexandrien. Die von Eulogios beschriebenen Handlungsoptionen sind somit im kirchlichen Bewusstsein der Protagonisten des sog. monenergetisch-monotheletischen Streites als bekannt vorauszusetzen. Man wird darüber hinaus nicht fehlgehen, auch die Kenntnis der Schrift des Eulogios selbst schon in dieser Zeit in Konstantinopel voraussetzen zu dürfen. Die Prämisse jeder Praktizierung von Oikonomia in Lehrfragen ist danach die Unantastbarkeit des Dogmas. Das bedeutet, dass das κύριον δόγμα, also die vollgültigen und durch die Entscheidungen der fünf Ökumenischen Synoden auch rechtsgültig in Geltung stehenden Lehrformulierungen, in denen die zentσυγχωροῦντες αὐτῷ καὶ οἰκονομίας ἕνεκα μὴ ἀκριβολογεῖσθαι σφόδρα περὶ τοὺς μεταγινωσκόντας· οἰκονομίας γάρ, ὡς ἔφην, δεῖται τὸ πράγμα πολλῆς. 115 Siehe CPG 8644 (=5317). 116 Vgl. Grillmeier, Jesus der Christus im Glauben der Kirche 1 (s. Anm. 101), 703–707.

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ralsten Elemente des Glaubens (τὰ τῆς εὐσεβείας καιριώτατα) enthalten sind, nicht Schaden nehmen dürfen. Von diesem „Innenbereich“ des unverhandelbaren Dogmas deutlich zu unterscheiden (332) sei ein „Außenbereich“, der dessen Formulierung durch φωναί, λέξεις, ὀνόματα und ῥήματα betrifft. Die „Sache“ sei von den Worten zu unterscheiden. Denn das Heil liege nicht in Worten, sondern in der Sache! Hier liege der Anwendungsbereich der οἰκονομία περί τι τῶν ἔξωθεν αὐτοῦ (sc. τοῦ δόγματος) χώραν. Für die Wortwahl gelte, dass bei Lehrkontroversen grundsätzlich in Rechnung zu stellen sei, dass derselbe Glaube lehrmäßig auch durch unterschiedliche Begriffe formuliert werden kann. Hier gebe es nun die Möglichkeit, auf die Verwendung einzelner Aussagen zu verzichten und insofern „Nachsicht“ und „Entgegenkommen“ zu praktizieren, wenn dies dem hohen Wert der Einheit dienlich sei. Dies betreffe sogar Zentralbegriffe (κυρίαι φωναί), hier allerdings wohl nur im Sinne einer zeitweiligen Oikonomia. Dies dürfe allerdings niemandem mit aufrichtigen Absichten zum Ärgernis werden.

3 Die Oikonomia im sog. monenergetisch-monotheletischen Streit als Anknüpfung an die Tradition Blickt man von daher nochmals auf die eingangs untersuchten kirchlichen Maßnahmen, so wird noch klarer, inwiefern sich diese als durch die traditionelle Handlungsoption der Oikonomia abgedeckt verstanden. So verzichtet das Unionsdokument von 633 in seinen 9 Kephalaia zwar auf die Erwähnung der Synode von Chalcedon, nennt aber ausdrücklich überhaupt keine der in Geltung stehenden Ökumenischen Synoden, sondern bietet dafür eine knappe inhaltliche Zusammenfassung von deren Kernaussagen. Über die Aussagen des Nicaenoconstantinopolitanum (Kephalaia 1 f.) und des Theotokos-Prädikats (Kephalaion 5) hinaus liegt das Schwergewicht aller weiteren christologischen Formulierungen ganz auf der Betonung der Personeinheit Jesu Christi. Dies erfolgt durch Rückgriff auf Formulierungen des V. Ökumenischen Konzils und betrifft die mehrfache Betonung des „unus ex trinitate“ (Kephalaia 2.6 f.),117 die ἕνωσις καθ᾿ ὑπόστασιν (Kephalaia 4.7),118 die als solche σύνθετον sei

117 Vgl. Decretum unionis a. 633 (ACO ser. II 2,2 p.596,6; 598,8.13 Ried.) mit: Concilium Constantinopolitanum a. 553, anath. 10. 118 Vgl. Decretum unionis a. 633 (ACO ser. II 2,2 p.596,19 f.; 598,23 Ried.) mit: Concilium Const. a. 553, anath. 4.

3 Oikonomia als Anknüpfung an die Tradition

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(Kephalaion 6),119 weiterhin die cyrillische μία-φύσις-Formel (Kephalaion 6),120 die Verwendung von ἐκ δύο φύσεων und ἐν δυσὶ φύσεσιν (Kephalaion 6 f.),121 den Vorbehalt einer Unterscheidung der Naturen θεωρίᾳ μόνῃ (Kephalaion 7),122 (333) die Rezeption der 12 Anathematismen Cyrills (Kephalaion 8)123 und die Verurteilung Theodorets, Ibas’ und Theodors von Mopsuestia (Kephalaion 9).124 Die Alpha-privativa-Adverbien von Chalcedon werden mehrfach gebracht (Kephalaia 4.6 f.),125 ebenso werden die doppelte Homousie (Kephalaion 4.6)126 und die vollkommene Gottheit und vollkommene Menschheit Christi (Kephalaion 7)127 bekannt. Eine gewisse Verschiebung der Gewichte erfolgt nun dadurch, dass die Formel Cyrills mit dem ἐκ δύο φύσεων in den Vordergrund gerückt wird (Kephalaion 6) und im Zusammenhang damit die grundlegende Sprachregelung des II. Constantinopolitanum, die Begriffe ὑπόστασις und φύσις nicht mehr synonym zu verwenden,128 aufgehoben wird. So wird die cyrillische Formulierung ἕνωσις φυσική wieder eingeführt, die wegen der durch die V. Synode vorgenommenen Identifizierung von φύσις und ουσία seitdem eigentlich nicht mehr zulässig war. Sie wird jetzt durch καὶ mit ἕνωσις καθ᾿ ὑπόστασιν verbunden additiv gebraucht und dadurch expliziert (Kephalaia 4.6).129 Dies scheint mir die eigentliche Veränderung gegenüber dem Jahre 553 zu sein. Ihr wesentliches Anliegen liegt offensichtlich darin, die Formeln Kyrills gleichberechtigt zur Geltung zu bringen. An dieser Stelle ist meines Erachtens die Oikonomia von 633 mit der zweiten Oikonomia des Eulogios zu identifizieren. Insofern aber das Bekenntnis zur vollkommenen menschlichen Natur, zum ἐν δυσὶ φύσεσιν und zum ἀσυγχύτως, ἀτρέπτως, ἀδιαιρέτως und ἀχωρίστως gewahrt ist und die ἕνωσις φυσική stets durch ἕνωσις καθ᾿ ὑπόστασιν interpretiert wird, bedeutet dies meines Erachtens keine Verände119 Vgl. Decretum unionis a. 633 (ACO ser. II 2,2 p.598,7 Ried.) mit: Concilium Const. a. 553, anath. 4. 120 Vgl. Decretum unionis a. 633 (ACO ser. II 2,2 p.598,6 Ried.) mit: Concilium Const. a. 553, anath. 8. 121 Vgl. Decretum unionis a. 633 (ACO ser. II 2,2 p.598,5.12 Ried.) mit: Concilium Const. a. 553, anath. 7.8. 122 Vgl. Decretum unionis a. 633 (ACO ser. II 2,2 p.598,22 Ried.) mit: Concilium Const. a. 553, anath. 7. 123 Vgl. Decretum unionis a. 633 (ACO ser. II 2,2 p.600,10 f. Ried.) mit: Concilium Const. a. 553, anath. 13. 124 Vgl. Decretum unionis a. 633 (ACO ser. II 2,2 p.600,15 ff. Ried.) mit: Concilium Const. a. 553, anath. 12–14. 125 Vgl. Decretum unionis a. 633 (ACO ser. II 2,2, p.596,20; 598,7.23 ff. Ried.). 126 Vgl. Decretum unionis a. 633 (ACO ser. II 2,2, p.596,19; 598,8. Ried.). 127 Vgl. Decretum unionis a. 633 (ACO ser. II 2,2, p.598,16 f. Ried.) 128 Concilium Constantinopolitanum a. 553, Anath.1 (ACO ser. I 4,1, p.240,2 Straub). 129 Vgl. Decretum unionis a. 633 (ACO ser. II 2,2, p.596,19 f.; 598,23 Ried.).

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rung in der dogmatischen Substanz. Das knappe Unionsdokument von 633 stellt bis hierhin eine durchaus respektable Konsensformulierung dar, in der das vorrangige Anliegen der Antichalcedonenser, nämlich die Einheit der Person Jesu Christi zu wahren, naturgemäß deutlich aufgenommen werden musste – wenn man sie denn gewinnen wollte! Allein um dieses Anliegen zu unterstreichen, wurde nun auch noch die Formel ἐνεργοῦντα […] μιᾷ θεανδρικῇ ἐνεργείᾳ hinzugefügt, an der sich dann der Streit entzündete. Auch bei der Psēphos geht es um die Zurücknahme einer bestimmten Begriffsverwendung, jetzt des ἐνέργεια-Begriffes. Für Sergios war es ein „überflüssiger Streit um Worte“.130 Er weigerte sich einerseits, der Forderung des Sophronios nachzukommen und die Spitzenformulierung aus den (334) Unionskephalaia nachträglich herauszustreichen,131 weil er sie persönlich für legitim hielt. Er hatte der „wunderbaren Union“132 ja nicht nur zugestimmt, sondern war im Vorfeld wesentlich daran beteiligt gewesen, indem er Kyros auf dessen Anfrage hin den Brief seines Vorgängers Menas an Papst Vigilius vom Jahre 552 zugesandt hatte als bedeutende Chrēsis für die Rede von einem Wirken und einem Willen.133 Im Gegensatz dazu lag ihm kein Zeugnis dafür vor, dass der Ausdruck „zwei Wirkweisen“ von einem „der vortrefflichen und bewährten Lehrer der Kirche verwendet wurde“.134 Auch Sophronios konnte ja keine Belege beibringen, in denen „ausdrücklich und buchstäblich“ von zwei Wirkweisen die Rede sei.135 Gleichwohl stellt die Psēphos fest, dass beide Aussagen geeignet seien, Befremden, Beunruhigung und Ärgernis zu bewirken (ξενίζειν, θορυβεῖν, σκανδαλίζειν). Während die einen – wie es heißt – argwöhnten, dass mit der Aussage eines Wirkens die unvermischt hypostatisch geeinten beiden Naturen aufgehoben werden, „was niemals möglich ist und nicht geschehen soll“, führe die Rede von zwei Wirkweisen straks zur Annahme von zwei entgegengesetzten Willen in dem einem

130 Sergius I Patr. Const., Epistula ad Honorium I pp. (ACO ser. II 2,2 p.540,22 Ried.): περιττὴ λογομαχία. 131 Sergius I Patr. Const., Epistula ad Honorium I pp. (ACO ser. II 2,2 p.540,6 Ried.): ἐξαιρεθῆναι […] τὴν τῆς μιᾶς ἐνεργείας φωνήν. 132 Sergius I Patr. Const., Epistula ad Honorium I pp. (ACO ser. II 2,2 p.538,12 Ried.): παράδοξον ἕνωσιν. 133 Sergius I Patr. Const., Epistula ad Honorium I pp. (ACO ser. II 2,2 p.536, 6–14 Ried.); Winkelmann, Streit (s. Anm. 7), Nr. 1. 134 Sergius I Patr. Const., Epistula ad Honorium I pp. (ACO ser. II 2,2 p.542, 12 Ried.): μηδὲ τινι τῶν θεσπεσίων τε καὶ ἐκκρίτων τῆς ἐκκλησίας […] μυσταγωγῶν. 135 Sergius I Patr. Const., Epistula ad Honorium I pp. (ACO ser. II 2,2 p.540,17 f. Ried.): δύο ῥητῶς καὶ αὐταῖς λέξεσιν ἐνεργείας ἐπὶ Χριστοῦ λέγειν.

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Subjekt.136 Einen hierüber ausbrechenden Streit nach Möglichkeit zu vermeiden, betrachtete Sergios – doch wohl zu Recht! – als Aufgabe seines Amtes. Die Vermeidung eines unnötigen σκάνδαλον für alle „mit aufrichtigen Absichten“ war genuiner Zweck der Oikonomia-Maßnahme, zu der er deshalb griff. Sie war möglich, insofern das traditionelle christologische Dogma im Unionsdokument ansonsten gewahrt war. So kam Sergios dem Sophronios im Grunde genommen sogar entgegen, als er jede weitere numerische Verwendung des Energeia-Begriffes und damit auch die von ihm selbst propagierte Formulierung untersagte. Dass damit nicht das Bekenntnis zu dem Göttliches und Menschliches wirkenden Christus eingeschränkt werden sollte, machte er gleichzeitig klar und fügte die für ihn offensichtlich ganz unproblematischen „monotheletischen“ Ausführungen hinzu. Allein der „vertrauten Sprache der heiligen Väter und den Definitionen der Synoden“ sei jetzt in der Wortwahl zu folgen.137 Es handelt sich um den Versuch, durch eine – wohl nur temporär gedachte – Oikonomia einem aufkommenden Streit entgegenzuwirken. (335) Anders verhält es sich freilich mit der Ekthesis des Jahres 638, auch wenn die Analyse der Quellen dieser als Bekenntnis formulierten umfangreichen theologischen Abhandlung138 zu dem Ergebnis kommt, „dass sie gegenüber den bisher geäußerten Meinungen kaum etwas grundsätzlich Neues gebracht hat.“139 Sergios140 schrieb hier im wesentlichen Justinians Edictum de recta fide vom Jahre 551 aus141 und ergänzte diese Ausführungen um die Wiederholung seiner Psēphos. Er bewegte sich damit ganz in den Bahnen der in Geltung stehenden neuchalcedonensischen Christologie und hat mit Selbstverständlichkeit auch betont, dass in der hypostatischen Einheit von göttlicher und menschlicher Natur die Eigenheiten jeder Natur bewahrt bleiben.142 Entsprechend bekennt er „jede göttliche und menschliche ἐνέργεια, die er „ein- und demselben Gott-Logos“ zuweist.143 Das Verbot der weiteren numerischen Verwendung des ἐνέργεια-Begriffes und sein „mo-

136 Sergius I Patr. Const., Psēphos a. 633 (ACO ser. II 2,2, p.542,7–16.10 f. Ried.): ὅπερ οὐκ ἔστι ποτὲ μηδὲ γένοιτο. 137 Vgl. Anm. 32. 138 Heraclius I imp., Ecthesis (ACO ser. II 1, p.156,20–162,13 Ried.; Winkelmann, Streit (s. Anm. 7), Nr. 50. 139 Rudolf Riedinger, Aus den Akten der Lateran-Synode von 649, in: ByzZ 69 (1976), (17–38) 28 f. (= Ders., Kleine Schriften zu den Konzilsakten des 7. Jahrhunderts (IP 34), Turnhout 1998, Nr. 1). 140 Er ist der Verfasser: Vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 7), Nr. 50. 141 Eduard Schwartz (Hg.), Drei dogmatische Schriften Justinians (ABAW.PH 18), München 1939, 72–111 (= Mailand 1973, 130–169). 142 Heraclius I imp., Ecthesis (ACO ser. II 1, p.158, 20.35 f. Ried.). 143 Heraclius I imp., Ecthesis (ACO ser. II 1, p.158,39–160,1 Ried.); vgl. auch 160,8 f.

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notheletisches“ Bekenntnis144 bekam allerdings jetzt ein tendenziell anderes Gewicht. Denn der „Monotheletismus“ wurde den traditionellen christologischen Aussagen an die Seite gestellt und quasi auf die Ebene des Dogmas erhoben (ταῦτα τῆς εὐσεβείας δόγματα), das von den Aposteln und den Vätern der fünf Ökumenischen Synoden überliefert worden sei.145 Vor allem aber dadurch, dass die Ekthesis per kaiserlicher Unterschrift zum (336) Gesetz gemacht wurde, wurde sie de facto den Beschlüssen jener Synoden gleichgesetzt. Man muss diese Entscheidung wohl als den Grundfehler der monotheletischen Seite in diesem Konflikt bezeichnen, der nicht nur die bisherigen Oikonomia-Maßnahmen ins Zwielicht setzte, sondern den theologischen Kontrahenten berechtigten Anlass zum Protest bot. Denn in der Tat wurde dadurch eine dogmatische Festlegung vorgenommen, die so eben nicht ökumenisch synodal abgesichert war. Gleichwohl ist festzuhalten, dass das „monotheletische“ Bekenntnis in der Ekthesis weder als Horos bezeichnet wird, noch seine Nichtbefolgung mit Strafandrohungen bewehrt wird. Es werden lediglich alle Christen „ermahnt“146, so zu denken und zu meinen. Es ist allerdings nachvollziehbar, dass Sergios zu dem Ergebnis kommen konnte, jetzt so vorgehen zu können, denn er war sich der Zustimmung der an-

144 Heraclius I imp., Ecthesis (ACO ser. II 1, p.160, 25–29 Ried.): „Wir […] bekennen einen Willen unseres Herrn Jesus Christus, des wahren Gottes, so dass zu keinem Zeitpunkt sein mit Vernunft beseeltes Fleisch gesondert für sich und aus eigenem Antrieb seine natürliche Bewegung entgegen dem Wink des mit ihm hypostatisch geeinten Gott-Logos vollzog, sondern wann, wie und in welchem Maß sie der Gott-Logos selbst wollte“ (ἓν θέλημα τοῦ κυρίου ἡμῶν Ἰησοῦ Χριστοῦ τοῦ ἀληθινοῦ θεοῦ ὁμολογοῦμεν, ὡς ἐν μηδενὶ καιρῷ τῆς νοερῶς ἐψυχωμένης αὐτοῦ σαρκὸς κεχωρισμένως καὶ ἐξ οἰκείας ὁρμῆς ἐναντίως τῷ νεύματι τοῦ ἡνωμένου αὐτῇ καθ’ ὑπόστασιν θεοῦ λόγου τὴν φυσικὴν αὐτῆς ποιήσασθαι κίνησιν, ἀλλ’ ὁπότε καὶ οἵαν καὶ ὅσην αὐτὸς ὁ θεὸς λόγος ἠβούλετο). 145 Heraclius I imp., Ecthesis (ACO ser. II 1, p.160,29–36 Ried.). Die Ekthesis trug wahrscheinlich den Titel: Ἔκθεσις τοῦ τῆς ὀρθοδοξίας δόγματος, wie sich aus den auf der Lateransynode zitierten Auszügen der von Sergios im November 638 einberufenen Synode zur kirchlichen Rezeption der Ekthesis ergibt. Die Synodalen akklamierten: ταῦτα τῶν πατέρων τὰ δόγματα, und Sergios erklärte (ACO ser. II 1, p.164,30 f.39;166,13 ff. Ried.): „Deshalb fanden wir, dass sein (sc. Herakleios’) Bekenntnis mit den heiligen Ökumenischen Synoden übereinstimmt, und die Glaubensnorm aufs Genaueste ausgearbeitet ist, weil er das richtige Dogma zusammenstellte und es bewahrt wird“ (ἀπηκριβωμένως τὸν τοῦ ὀρθοῦ δόγματος συναρμολογήσαντος καὶ κατασφαλισμένου κανόνα). Richtig urteilt van Dieten, Geschichte der Patriarchen (s. Anm. 17), 48, Anm. 161, dass das Bekenntnis des Sergios in der Psephos „noch als theologische Erläuterung des Synodaldekrets präsentiert (wurde), während es in der Ekthesis zu einer regelrechten Glaubensformel geworden ist.“ Die Strafandrohungen für Dissentierende (Absetzung; Exkommunikation) bezogen sich zwar allein auf die „neuen Aussagen“ zur Energienlehre, aber dass man überhaupt zwei Willen in Christus lehren könne, lag wohl für Sergios völlig außerhalb des Denkbaren. 146 Heraclius I imp., Ecthesis (ACO ser. II 1, 162,6 f. Ried).

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deren Patriarchate wohl sicher. Papst Honorius hatte zuvor enthusiastisch seine Zustimmung zur Psēphos erklärt und dann Sophronios und Kyros schriftlich aufgefordert, nicht auf „der neuen Aussage (τῇ νεαρᾷ φωνῇ), d. h. Benennung von einer oder zwei Energien“ zu beharren. Überdies konnte er Sergios in seinem zweiten Brief mitteilen, dass die Gesandten des inzwischen zum Jerusalemer Patriarchen erhobenen Sophronios nach der römischen Ablehnung von dessen Synodica ihm versprochen hatten, dieser werde sich an die Psēphos halten, wenn auch Kyros diese Regelung befolge.147 Kyros begrüßte die Ekthesis sofort.148 Ob der „Monothelet“ Makedonios149, der dann wegen der arabischen Eroberung Antiochiens 637/8 in Konstantinopel weilte, zu diesem Zeitpunkt bereits zum Patriarchen geweiht worden war, lässt sich nicht mehr feststellen.150 Die dramatischen arabischen Eroberungen zwischen 636 und 638151 ließen es wohl überhaupt nötig erscheinen, den Streit definitiv zu beenden. Für den Typos schließlich ist fast bis in die Begrifflichkeit seiner Verteidiger deutlich, dass es sich im Sinne der zweiten Oikonomia des Eulogios um ein „Verschweigen“ bestimmter Aussagen handelt, das möglich sei, weil „die Dogmen der Kirche unverrückt stehen“. Die Oikonomia des Typos betrifft im Sinne des Eulogios einen Bereich außerhalb des Dogmas, und sie war ohne Zweifel temporär gemeint,152 insofern eine „endgültige“ Einheit durchaus für möglich gehalten wurde, wie das dyotheletische Bekenntnis der Gegner des Maximos bei seinem letzten Verhör deutlich macht. Schließlich ist für die Verteidiger des Typos auch klar, dass sie die Aufrechterhaltung der Communio mit den Kontrahenten für möglich halten und gezielt suchen, weil sie die „zentralsten Elemente des Glaubens (τὰ τῆς εὐσεβείας καιριώτατα) in den unverfälschten Dogmen als bewahrt“ betrachteten. Für Maximos aber war jede Oikonomia ausgeschlossen.

147 Honorius I pp., Epistula II ad Sergium Patr. Const. (ACO ser. II 2,2, p.624,13.16 ff. Ried.) 148 Vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 7), Nr. 53. 149 PMBZ, Nr. 4678. 150 Vgl. Wolfram Brandes, Die melkitischen Patriarchen von Antiocheia im 7. Jahrhundert. Anzahl und Chronologie, in: Mus 111 (1998), (37–57). 41 f. 151 Vgl. dazu: Walter E. Kaegi, Initial Byzantine Reactions to the Arab Conquest, in: ChH 38 (1969), 139–149; Ders., Byzantium and the Early Islamic Conquest, Cambridge 1995. 152 Der Kaiser bot Maximos nach Wiederaufnahme der Communio die Aufhebung des Typos an! S. Anm. 81.

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4 Die Bekämpfung der Oikonomia durch Maximos Wir haben gesehen, dass für Maximos durch diese Oikonomia „der Irrglaube zusammen mit dem rettenden Glauben abgeschafft wird“, so dass sie „völlige Trennung von Gott“ bedeute.153 Wie begründet Maximos diese prinzipielle Ablehnung im Einzelnen? Zunächst fällt auf, dass er das als traditionelle Oikonomia-Maßnahme vom Typos angeordnete „Verschweigen“ umstrittener Aussagen durchgängig als Abschaffung der Begriffe als solcher interpretiert. Verschweigen sei „Aus-demWege-Räumen“, „Verschwinden-Lassen“, „Abschaffen“.154 Er beruft sich dazu auf einen aus dem Kontext gerissenen Vers des Schöpfungspsalmes 18,4 LXX, um die Behauptung aufzustellen: „Nach der Göttlichen Schrift ist Schweigen gleich Abschaffen“. Die nicht ausgesprochenen und nicht gehörten Worte hätten nach der Schrift überhaupt keine Existenz.155 Dies führt Maximos zu dem Schluss, dass die Wegnahme (ἀφαίρεσις) der Begriffe die Nicht-Existenz dessen zur Folge habe, der ihrer beraubt wurde.156 Er insinuiert also nicht nur, dass das temporäre Verbot der Benutzung eines numerischen ἐνέργεια- oder Willensbegriffes den ἐνέργεια- und Willensbegriff als solchen abschafft, was seiner Verwendung in Ekthesis und Typos ganz offensichtlich widerspricht,157 sondern schließt, dass dadurch die Existenz (338) des wirkenden und wollenden Christus als solche annihiliert werde. So war bereits auf der Lateransynode argumentiert worden.158 Man wird darin kaum etwas anderes sehen können als „groteske(r) Polemik“.159

153 S. o. Anm. 1. 154 συναναιρεθῆναι; συναποσβεσθῆναι; ἀναίρεσις: Relatio motionis 127–131.135–141 (CCSG 39,21.23 Allen/Neil); Disputatio Bizyae 695 f. (CCSG 39,137 Allen/Neil). Auch die Lateransynode hatte in ihrem Horos in Kephalaion 18 behauptet, dass das vom Typos angeordnete Verschweigen gleich Verleugnen sei (ACO ser. II 1, p.382,22 f. Ried.). 155 Relatio motionis 143–147 (CCSG 39,23 Allen/Neil): Ἔστι παρὰ τῇ θείᾳ γραφῇ σιωπὴ καὶ ἀναίρεσις. 156 Disputatio Bizyae 142–149.167–174 (CCSG 39,87.89 Allen/Neil); s. o. Anm. 75. 157 Vgl. ACO ser. II 1, p.158,39–160,1; 8 f.24–29; 208,6–14. Selbst Bausenhart, „In allem uns gleich außer der Sünde“, 285.272.243 übernimmt noch diese allein der Polemik des Maximos entsprungene Behauptung, wenn er sagt, in der Psēphos und in der Ekthesis werde der „Verzicht“ „auf die ἐνέργεια-Terminologie überhaupt“ „dekretiert“ bzw. diese „verboten“. 158 In der Eröffnungsrede und in der Enzyklika Papst Martins I. (ACO ser. II 1, p.18,18– 22;408,24 f. Ried.). Beide sind von Maximos oder seinen Schülern verfasst worden. So überrascht es nicht, dass dasselbe „Argument“ auch in der dortigen Petition der griechischen Äbte, Presbyter und Mönche auftaucht (ACO ser. II 1, p.54,6–9 Ried.). 159 So bereits: Erich Caspar, Geschichte des Papsttums II, Tübingen 1933, 556.

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Dem korrespondiert weiterhin die Bewertung und Gewichtung der eigenen theologischen Erkenntnis, die Maximos auf folgende Formel bringt: „dass unser Herr und Gott gemäß jedem von beiden, woraus er ist, worin er ist und was er ist, von Natur aus willensbegabt und handlungsfähig ist zu unserem Heil“.160 Diese Worte seien „gottgelehrte Worte“, „von denen der Gott aller es eingerichtet hat, dass sie von Aposteln, Propheten und Lehrern gesprochen werden“.161 Sie seien „die Dogmen der Heiligen“, „ohne die die Existenz der Kirche nicht möglich ist“,162 und sie würden von der Heiligen Schrift, den „heiligen Lehrern“ und den Synoden gelehrt werden.163 Sie seien schließlich „das präzise Glaubensbekenntnis“, durch das der Mensch allein geheiligt werde164 und deshalb im öffentlichen Bekenntnis der Kirche zu gebrauchen. „Unter gar keinen Umständen (dürften sie) […] verschwiegen werden, damit das Heil der Schweigenden nicht vermindert werde.“165 Ihr Verschweigen sei „Verrat am Glauben“, ihre Benutzung werde im Jüngsten Gericht eingeklagt.166 Jedes dieser Urteile (339) ist schon deshalb problematisch, weil es für die von Maximos erarbeiteten Differenzierungen im Willensbegriff keine vorherige theologische Tradition gab,167 diese vielmehr der überragenden theologischen Kompetenz des Maximos zu verdanken sind.

160 Relatio motionis 287–290 (CCSG 39,35 Allen/Neil): […] τὸν Κύριον ἡμῶν καὶ Θεὸν καθ᾿ ἑκατέραν τῶν ἐξ ὧν, ἐν οἷς τε καὶ ἅπέρ ἐστιν, εἶναι φύσει θελητικόν τε καὶ ἐνεργητικὸν τῆς ἡμῶν σωτηρίας. Es handelt sich um eine „stereotype Formel“ bei Maximos. Vgl. Uthemann, Der Neuchalkedonismus (s. Anm. 23), 409 Anm. 181. 161 θεοδίδακτοὶ λόγοι: Relatio motionis 141(CCSG 39,23 Allen/Neil); Disputatio Bizyae 181–183 (CCSG 39,89 Allen/Neil); vgl. Anm. 76. 162 τῶν ἁγίων δόγματα […], ὧν χωρὶς οὐδὲ αὐτὸ τοῦτο ἐκκλησίαν εἶναι δυνατόν: Relatio motionis 211 f. (CCSG 39,29 Allen/Neil). 163 Relatio motionis 320 f. (CCSG 39,37 Allen/Neil). 164 Disputatio Bizyae 683–691 (CCSG 39,136 f. Allen/Neil); s. o. Anm. 80. Papst Martin I. hat in seinem nach Abschluss der Lateransynode an Kaiser Konstans II. adressierten Synodalschreiben die Oikonomia des Typos als Befehl interpretiert, „mit allzu großer Präzision ohne Schaden ein wenig aufzuhören“ (τὸν τύπον […] τῆς ἄγαν ἀκριβείας ἀβλάβως ἐνδοῦναι μικρὸν διαγορεύοντα: PL 87,144BC). Nach den Vätern aber gebe es bei Aussagen über Gott und das Göttliche überhaupt keine übermäßige Kleinlichkeit (τὸ παρὰ μικρόν). Der Brief ist nur griechisch überliefert und mit Rudolf Riedinger wohl Maximos und seinem Kreis als Verfassern zuzuordnen. Vgl.: Ders., Zwei Briefe aus den Akten der Lateransynode von 649, in: JÖB 29 (1980), (37–59) 50–59 (= Ders., Kleine Schriften [s. Anm. 139], Nr. VI); Ders., ACO ser. II 1, Vorwort X.XII. 165 Disputatio Bizyae 707–12 (CCSG 39,139 Allen/Neil): οὐκ ἔστι χρεία οἱῳδήποτε τρόπῳ κατασιγασθῆναι τὴν τοῦτο κηρύττουσαν φωνήν, ἵνα μὴ μειωθῇ τῶν σιγώντων ἡ σωτηρία. 166 Disputatio Bizyae 647.660. (CCSG 39,133 Allen/Neil); vgl. Anm. 78. 167 Vgl.: John D. Madden, The Authenticity of early definitions of will (Thelêsis), in: Felix Heinzer/Christoph von Schönborn (Hgg.), Maximus Confessor. Actes du Symposium sur Maxime le Confesseur (Par. 27), Fribourg 2.–5. Septembre 1980, 61–79.

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Demgegenüber sei das „monotheletische“ Bekenntnis Häresie, Lüge und Finsternis,168 der Typos schaffe das Symbol ab,169 ja er habe zusammen mit der Ekthesis und den 9 Kapiteln von 633 alle 4 Synoden verworfen.170 Deswegen sei darüber zu Recht das Anathema ausgesprochen worden171. Während der Typos also, um zu einer Verständigung zu kommen, sogar die Ekthesis zurückgenommen hat und von seinen Anhängern nicht als κύριον δόγμα bewertet wird, begegnet uns hier in größtmöglicher Polarisierung die extreme Gegenposition in der Bewertung der eigenen theologischen Einsicht. Die Oikonomia ist für Maximos prinzipiell ausgeschlossen, weil er seine eigenen theologischen Erkenntnisse als Bestandteil des Dogmas der Kirche betrachtet. Dahinter steht natürlich das Faktum der Lateransynode von 649, mit deren Inszenierung172 es seinem Kreis gelungen war, sich der Überzeugung hinzugeben, dass durch diese „heilige und apostolische Synode“173 jene theologischen Erkenntnisse nun „den göttlichen Kanones entsprechend in orthodoxer Weise endgültig und rechtsgültig formuliert“174 und so κύριον δόγμα seien. Es ist deshalb gewiss kein Zufall, dass von den 20 Anathematismen des Horos der Lateransynode die Kephalaia 1–11 und 17 mit den Worten beginnen: „Wenn jemand nicht gemäß den heiligen Vätern im eigentlichen und wahren Sinne (κυρίως καὶ ἀληθῶς) bekennt […], der sei verdammt!“.175 Dieser Anspruch der Erkenntnis des „eigentlichen und wahren Sinnes“ wird nun aber nicht nur für die Wiederholung der traditionellen Aussagen zum Gottes- und Christusbekenntnis

168 Relatio motionis 127–131.135–141 (CCSG 39,21.23 Allen/Neil). 169 Relatio motionis 151 f. (CCSG 39,23 Allen/Neil): […] ὅτι προφανῶς ἀναιρεῖ τὸ σύμβολον ὁ τύπος. 170 Relatio motionis 253 ff. (CCSG 39,31 Allen/Neil). Die auffällige Hervorhebung der ersten vier Synoden entspricht deren besonderer Wertschätzung in Ost und West, die im lateinischen Mittelalter noch bis in die Reformationszeit nachwirkt. Vgl. dazu Heinz Ohme, Die Bedeutung der ökumenischen Konzilien in der Sicht Martin Luthers, in: AHC 40 (2008), 195–212. 171 Disputatio Bizyae 713–734 (CCSG 39, 139 f. Allen/Neil). 172 Vgl.: Rudolf Riedinger, Griechische Konzilsakten auf dem Weg ins lateinische Mittelalter, in: AHC 9 (1977), 253–301 (= Ders., Kleine Schriften [s. Anm. 139], Nr. V); Ders., Die Lateransynode von 649 und Maximos der Bekenner, in: Heinzer/Schönborn, Maximus Confessor (s. Anm. 167), 111–121 (= Ders., Kleine Schriften (ebd.) Nr. X); Ders., Die Lateranakten von 649, ein Werk der Byzantiner um Maximos Homologetes, in: Byz(T) 13 (1985), 517–534 (= Ders., Kleine Schriften [ebd.], Nr. XV). 173 Disputatio Bizyae 416–419 (CCSG 39,113 Allen/Neil). 174 Relatio motionis 464 f. (CCSG 39,49 Allen/Neil): τοῖς ὀρθοδόξως κατὰ τοὺς θείους κανόνας κυρωθεῖσιν. 175 Εἴ τις οὐχ ὁμολογεῖ κατὰ τοὺς ἁγίους πατέρας κυρίως καὶ ἀληθῶς […] εἴη κατάκριτος: Concilium Lateranense a. 649, Kephalaia 1–11.17 (ACO ser. II 1, p.368,6–374,9; 378,19–27;374,10– 26; 374,27–378,17 Ried.).

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formuliert, sondern in den (340) Kephalaia 10 und 11 eben auch für die umstrittenen Aussagen zum Wollen und Wirken Christi. Entsprechend werden in den Kephalaia 12–16 die gegenteiligen Meinungen in allen Varianten der Verdammung preisgegeben und in Kephalaion 18 die „Verstoßung“ und „Verfluchung“ des Theodor von Pharan, Kyros, Sergios, Pyrrhos und Paulos damit begründet, dass sie als „gleicher Meinung und gleicher Gesinnung erwiesen“ seien mit den kirchlich „anerkannten“ Häretikern (ὡς ὁμοδόξους αὐτοῖς καὶ ὁμοφρόνας […] ἀποδεδειγμένους). So werden sie auf dieselbe Stufe gestellt mit den 21 von Sabellius über Arius bis Euagrius Aufgelisteten.176 Es reicht nun offensichtlich nicht mehr zur Kirchengemeinschaft, auf dem Boden der fünf Ökumenischen Synoden zu stehen und die dort ausgesprochenen Anathematismen mitzuvollziehen. Man muss jetzt mit den bezeichnenden Eingangsworten von Kephalaion 18 „gemäß den heiligen Vätern im Einklang und gleicher Meinung mit uns“ (συμφώνως ἡμῖν καὶ ὁμοδόξως) anathematisieren! Und der ebenfalls hier anathematisierten Ekthesis und dem Typos wird unterstellt, die eine hätte im strengen Sinne „definiert“ (ὁριζομένην), und zwar sogar die „eine ἐνέργεια“, der andere zerstöre die Horoi und Kanones der katholischen Kirche.177 Das ganze Bemühen des Maximos war darauf ausgerichtet, den Nachweis zu bringen, dass auf der Gegenseite – mit Eulogios gesprochen – „die zentralsten Elemente des Glaubens (τὰ τῆς εὐσεβείας καιριώτατα) in den unverfälschten Dogmen“ nicht mehr gewahrt sind. Dies wird nun bis ins Absurde betrieben ohne jeden erkennbaren Versuch, das Anliegen der Gegenseite zu würdigen. Die scheinbare theologische Überlegenheit des Maximos in der „Selbst-Darstellung“ seines Prozesses, die die Gegner zu theologischen Stichwortgebern macht, kann nicht übersehen lassen, dass sich hier ein maximalistischer Zelotismus äußert, der sich nicht um eine Verständigung bemüht und auch nicht davor zurückschreckt, die Sicht der anderen Seite zu verzerren.178 So argumentiert Maximos allen Ernstes gegen die Oikonomia des Typos mit der Behauptung, dann könne man ja gleich mit den Juden in Gemeinschaft treten, wenn diese morgen kämen und sagten: „Lasst uns per Oikonomia miteinander Frieden halten und eins werden: wir schaffen die Beschneidung ab und ihr die Taufe, und aus ist der Krieg zwischen uns!“179

176 Concilium Lateranense a. 649, Kephalaion 18 (ACO ser. II 1, p.380,18 ff.5–12 Ried.). 177 Concilium Lateranense a. 649, Kephalaion 18 (ACO ser. II 1, p.381,6.29 f. Ried.). 178 Im Kontrast dazu steht die in den Prozessakten beschriebene Haltung frommer Demut. So spricht Maximos mehrfach unter Tränen und wirft sich auf den Boden. Vgl. z. B. Relatio motionis 313 (CCSG 39, 37 Allen/Neil); Disputatio Bizyae 646 ff. (CCSG 39, 133 Allen/Neil). 179 Relatio motionis 165–168 (CCSG 39,25 Allen/Neil): Οἰκονομήσωμεν τὴν πρὸς ἀλλήλους εἰρήνην, καὶ ἑνωθώμεν, καὶ περιέλωμεν ἡμεῖς μὲν τὴν περιτομὴν, καὶ ὑμεῖς τὸ βάπτισμα, καὶ μηκέτι ἀλλήλους πολεμήσωμεν.

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(341) Damit aber macht er deutlich, dass er 1) seine theologischen Gegner in Analogie zu Nichtchristen sieht, 2) das Moratorium zu einer bestimmten Begriffsverwendung wiederum als deren Abschaffung deutet und 3) der eigenen theologischen Einsicht das gleiche Gewicht gibt wie dem von Christus eingesetzten Fundamentalsakrament der Kirche. Und auf diesem Niveau geht es weiter, wenn Maximos fortfährt: Genauso hätten die Arianer an Kaiser Konstantin geschrieben und für die Abschaffung der Begriffe ὁμοούσιος und ἑτεροούσιος plädiert.180 Das aber hätten „unsere gotttragenden Väter“ nicht akzeptiert, sondern lieber Verfolgung und Tod in Kauf genommen, als jene Aussage zu verschweigen, die die eine überwesenhafte Gottheit des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes aufzeigt (φωνὴν παραστατικὴν). […] Und keiner der Kaiser vermochte die Gott verkündenden Väter davon zu überzeugen, sich mit den Häretikern ihrer Zeit unter Heranziehung von neutralen Aussagen (μέσαις φωναῖς)181 zu versöhnen. Vielmehr haben sie deutliche, feststehende und dem infragestehenden Dogma entsprechende (τραναῖς καὶ κυρίαις καὶ καταλλήλοις) Aussagen gebraucht.182

Abgesehen davon, dass sich die angebliche Forderung im Schreiben des Arius und Euzoius an Konstantin nicht findet, argumentiert Maximos jetzt so, als handele es sich in diesem Streit um eine Auseinandersetzung mit Arianern und nicht mit theologischen Gegnern, die hinsichtlich der trinitätstheologischen und christologischen Grundsatzentscheidungen auf derselben Bekenntnisgrundlage stehen. Und es wird implizit wieder behauptet, dass die von Maximos eingeführten Aussagen bereits „feststehende“ Begriffe seien. Kein Wort davon, dass „die Väter“ gerade den Gebrauch der κυρία φωνή des ὁμοούσιος in der Kontroverse mit den „Semiarianern“ zurückgestellt hatten183 und die zweite Oikonomia

180 Es handelt sich um den Brief des Arius und Euzoius an Kaiser Konstantin: Socrates, h.e. 1,26,2–6 (GCS Sokrates 1,74 Hansen); Sozomenus, h.e. 2,27,6–10 (GCS Sozomenus 4,88 f. Bidez/ Hansen). 181 Man wird diesen Begriff an dieser Stelle vom Kontext her nicht auf die sogenannten voces communes als dritte Klasse von Aussagen über Christus, in denen das Göttliche und Menschliche nicht gesondert, sondern gemeinsam ausgesagt wird, beziehen können, obwohl diese seit Cyrill von Alexandrien als μέσαι φωναί bezeichnet werden (vgl. Ders., ep.40,17 [ACO ser. I 1,4, p.28,4 f. Schwartz). Gerade diese sind allerdings Ausgangspunkt für die Lehre von einer hypostatischen Energie und eines hypostatischen Willens gewesen, wohingegen Maximos alle inhaltlichen Aussagen über Christi Wollen und Wirken nur auf die Naturen beziehen will und von daher auch alle μέσαι φωναί interpretiert wissen will. Vgl. dazu: Uthemann, Der Neuchalkedonismus (s. Anm. 23), 379 f.384.409 ff. 182 Relatio motionis 168–180 (CCSG 39,25 Allen/Neil). 183 S. o. S. 54f.

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des Eulogios gerade die Möglichkeit eröffnet, auf andere Begriffe zuzugreifen, wenn „in der Sache“ dasselbe gesagt werden könne. Angesichts dieser Argumentationen kann man sich fragen, ob in byzantinischer Perspektive hier noch von „lauteren“ und „aufrichtigen“ Absichten ausgegangen werden konnte, wie sie Eulogios für die zweite Oikonomia (342) als Voraussetzung ihrer Nichtanwendung bei Vorliegen eines „Ärgernisses“ benennt. Wegen der politischen184 und konziliaren Machenschaften des Maximos-Kreises war diese Frage in Konstantinopel bereits negativ beantwortet worden. Aber auch in theologischer Hinsicht waren und sind nun beträchtliche Bedenken zu erheben. Maximos argumentiert insgesamt so, als würde er die ganze Tradition der Oikonomia zum Umgang mit dogmatischen Formulierungen nicht kennen.185 Dies aber ist für einen Theologen seines Formates und angesichts der festen Verankerung der Oikonomia in der Tradition meines Erachtens undenkbar. Davon unbenommen ist seine großartige theologische Denkleistung, mit der er herausgearbeitet hat, dass Handlungsfähigkeit, Eigendynamik und Wille Wesensmerkmale der menschlichen Physis sind und dass das Wollen in verschiedene Willensakte zu differenzieren ist. Schließlich, dass grundlegend unterschieden werden müsse zwischen einem natürlichen Streben nach dem, was der Natur entspricht, und einer auf Entscheidung hindrängenden Disposition des Menschen, die in ihrem Trachten alle Willensakte beeinflußt. Maximos nannte dies bekanntlich den „gnomischen Willen“. Während dieser das Moment der Entscheidung einschließende Willensvollzug mit dem Schwanken zwischen Bösem und Gutem und der je und je erfolgenden Entscheidung für das Böse ein Kennzeichen des Menschen sei, schloss Maximos freilich dieses „gnomische Wollen“ für Christus aus, in dem keine Ambivalenz und Veränderlichkeit des Wollens gewesen sei, weil sein Wollen sich Gott nicht widersetzte.186 Nichts anderes als dies aber ist das Anliegen der Monotheleten gewesen!187

184 Vgl. Brandes, Krisenbewältigung (s. Anm. 11). 185 Dass seine Gesprächspartner einen unbedarften Eindruck machen und nicht viel stärker die Argumente aus der Oikonomia-Tradition heranziehen, ist meines Erachtens der tendenziösen Darstellung der Relatio motionis und der Disputatio Bizyae geschuldet. 186 Vgl. Bausenhart, „In allem uns gleich außer der Sünde“ (s. Anm. 8), 131.167.154–164. 187 Die zuvor erhobenen Argumentationsmethoden des Theologen Maximos müssen in ein Gesamtbild seiner Theologie mit aufgenommen werden, das immer noch in einem eher hagiographischen Sinne gezeichnet wird (vgl. z. B. A. Louth, Maximus the Confessor, London/New York 1996; Jean-Claude Larchet, Saint Maxime le Confesseur [580–662], Paris 2003). Aus der meines Erachtens gegebenen Konvergenz seiner christologischen Klärungen mit dem Anliegen seiner Gegner ergibt sich das Desiderat, der Christologie der „Monenergeten“ und „Monotheleten“ dogmengeschichtliche Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.

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2 Oikonomia im monenergetisch-monotheletischen Streit

In summa: Zentrale kirchliche Maßnahmen, die den sog. monenergetisch-monotheletischen Streit ausgelöst haben und ihn nach seinem Ausbruch einer einvernehmlichen und gemeinschaftlichen Lösung zuführen wollten, die Union und die Psēphos von 633 sowie der Typos von 648, sind bewusst im Sinne der traditionellen kirchlichen Oikonomia durchgeführt worden. Sie sind damit vorrangig durch eine theologische und geistliche Motivation bestimmt und nicht nur als machtpolitische Maßnahmen zu betrachten. In der prinzipiellen Ablehnung dieser Oikonomia durch Sophronios und die Maximos-Gruppe bricht schon ab 633 in der Motivation der Kontrahenten eine fundamentale theologisch-geistliche Diastase auf, die sich bis zum Ende des Streites durchhält. Dies zu übersehen, kann meines Erachtens nur zu einer Verzeichnung des gesamten sog. monenergetischmonotheletischen Streites führen. In jedem Fall folgt daraus eine auch in theologischer Hinsicht veränderte Sicht auf Maximos und seine Gruppe. Es ist festzuhalten, dass ausgerechnet dieser Theologe, der sich zur Begründung seiner unbeugsamen Haltung permanent auf die Väter beruft, vor der breiten, ihm offensichtlich aber missliebigen Tradition der Oikonomia einfach die Augen verschließt. Wir haben anstatt dessen das Fehlen ernsthaften Bemühens um ein Verstehen der gegnerischen Anliegen festzustellen, das Folge eines Traditionsverlustes hinsichtlich der von den „Vätern“ praktizierten Oikonomia ist.

3 Die Bedeutung der Geschichtstheologie im monenergetisch-monotheletischen Streit des 7. Jahrhunderts Abstract: The article examines the motives of those opposing the religious politics of the imperial court of Constantinople during the christological controversy of the 7th century. It shows how the contemporary apocalyptic interpretation advanced by Sophronios of Jerusalem, Maximus Confessor and others determined the thoughts and actions of these opponents. They viewed the Arab conquests as divine punishment for monenergism and monotheletism and, considering the last judgement to be imminent, they tried to bring about a theological and political reversal. Anastasios Sinaitesʼ triumphalistic theology of empire and history led to a factual distortion of the controversy which determines its descriptive narrative until this day.

Vorbemerkung: Die christologische Kontroverse des 7. Jahrhunderts und die neuere Forschung Die Frage nach dem angemessenen Verständnis der Person Jesu und seinem Werk hat die Christenheit seit den Anfängen immer wieder aufs Neue umgetrieben und ist bekanntlich auch nach dem Konzil von Chalcedon (451) nicht zur Ruhe gekommen. So hat die Opposition gegen die chalcedonensische Zwei-Naturen-Lehre im 6. Jahrhundert zur Absonderung der Kirchen Syriens, Ägyptens und Armeniens geführt. Konfliktpotential barg aber auch der in Chalcedon in die christologische Definition eingeführte Begriff der „Hypostase“. Die Definitio des IV. Ökumenischen Konzils sagt, dass „der Unterschied der Naturen wegen der Einigung niemals aufgehoben wird, vielmehr wird die Eigentümlichkeit jeder der Naturen bewahrt, auch im Zusammenkommen zu einer Person und einer Hypostase“, ohne den letztgenannten Begriffen weitere Bestimmungen hinzuzufügen.1

1 Concilium Chalcedonense a. 451, Definitio (ACO ser. I 2,1 p.130,24–26 Schwartz) = Guiseppe Alberigo (Hg.), Conciliorum Oecumenicorum Generaliumque Decreta I, Turnhout 2006, 137,380– 385: […] ουδαμοῦ τὴς τῶν φύσεων διαφορᾶς ἀνῃρημένης διὰ τὴν ἕνωσιν, σῳζομένης δὲ μᾶλλον τῆς ἰδιότητος ἑκατέρας φύσεως καὶ εἰς ἓν πρόσωπον καὶ μίαν ὑπόστασιν συντρεχούσης. Anmerkung: Zuerst publiziert in: ZThK 112 (2015), 27–61. https://doi.org/10.1515/9783110714531-003

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3 Die Bedeutung der Geschichtstheologie

Der Begriff „Hypostase“, hier zu verstehen im Sinne von „Einzelwesen“ oder „Individuum“, stand deshalb hinsichtlich seines Verhältnisses zu den beiden „Naturen“ zunehmend im Zentrum des weiteren Durchdenkens der Entscheidung von Chalcedon. Vereinfacht könnte man sagen, dass es den Anhängern der Synode darum ging, den „in zwei Naturen existierenden“ Christus hinsichtlich seiner Existenzweise als Hypostase ‒ also als einzelnes unverwechselbares Individuum ‒ nun auch als Subjekt seines Lebens, Denkens und Handelns dem neutestamentlichen Zeugnis entsprechend zu beschreiben. So finden sich zunehmend Aussagen von bedeutenden Theologen der Zeit nach Chalcedon, die das Göttliche und Menschliche in Christus als von einer Hypostase vollzogen beschreiben und insofern von einem Wirken (μία ἐνέργεια) der einen Hypostase (28) sprechen. Damit standen im 7. Jahrhundert die Begriffe energeia (ἐνέργεια, lat. operatio), im Deutschen üblicherweise mit Wirksamkeit, Wirken, Wirkweise oder Tätigkeit wiedergegeben, und damit verbunden dann auch der Willensbegriff (θέλημα) im Zentrum des Interesses. Das Thema, das hier bearbeitet wurde, ist das Verhältnis von göttlichem und menschlichem Wirken, Handeln und Wollen der Person Jesu, verbunden mit der Sündenverhaftung der menschlichen Natur und ihrer Heilung in Christus. Der sich erst in dem seit den dreißiger Jahren des 7. Jahrhunderts ausbrechenden Streit zeigende Grunddissens bezog sich auf die Frage, ob das Wirken Christi und sein Wille und Wollen an die „Person“ bzw. „Hypostase“ oder an die jeweilige „Natur“ gebunden sind. Das Problem war, dass allgemein bis zum Ausbruch des Streites menschlicher Wille nur als im Widerspruch zu Gott stehend gedacht wurde und deshalb bei Jesus ausgeschlossen war. Ebenso wurde jede Eigendynamik und Selbstmächtigkeit von Jesu Menschheit wenn nicht unwirklich, so doch unwirksam gedacht, um das Zerreißen der Einheit der Person in zwei Handlungsträger auszuschließen ‒ eine Gefahr, die man mit „Nestorianismus“ identifizierte. Im Laufe der Kontroverse wurde denjenigen Theologen, die nur von einem einheitlichen Wirken und Wollen Jesu reden wollten, unterstellt, mit der einen energeia nur die göttliche Wirksamkeit und mit dem einen thelēma nur einen göttlichen Willen Jesu zu lehren. In diesem Sinne wurden später in Analogie zu dem häresiologischen Begriff Monophysitismus die Begriffe Monenergismus und Monotheletismus geschaffen. Voraussetzung dafür war allerdings die große theologische Denkleistung des bedeutendsten Theologen des 7. Jahrhunderts, des Mönches Maximos Homologetes (†662)2, der ‒ allerdings erst im Verlauf der Kontroverse ‒ her-

2 Zu ihm verweise ich hier nur auf: Prosopographie der mittelbyzantinischen Zeit. Erste Abteilung 641–867. Nach Vorarbeiten Friedhelm Winkelmanns erstellt von Ralph-Johannes Lilie/ Claudia Ludwig/Thomas Pratsch u. a., Bd. 1–6, Berlin 1999–2002. Nr. 4921. Guido Bausenhart, „In allem uns gleich außer der Sünde“. Studien zum Beitrag Maximos’ des Bekenners zur altkirchlichen Christologie (TSTP 5), Mainz 1992; Andrew Louth, Maximus the Confessor, London

Vorbemerkung: Die christologische Kontroverse des 7. Jahrhunderts

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ausgearbeitet hat, dass Handlungsfähigkeit, Eigendynamik und Wille zur menschlichen Natur gehören. In einer Fülle luzider Distinktionen konnte er klären, dass das Wollen in verschiedene Willensakte zu differenzieren ist. So müsse grundlegend unterschieden werden zwischen einem natürlichen Streben nach dem, was der Natur entspricht, und einer auf Entscheidung hindrängenden Disposition des Menschen, die in ihrem Trachten alle Willensakte beeinflusst. Maximos nannte dies bekanntlich den „gnomischen Willen“ (γνώμη). Während dieser das Moment der Entscheidung notwendig einschließende Willensvollzug mit dem Schwanken zwischen Bösem und Gutem und der je und je erfolgenden Entscheidung für das (29) Böse ein Kennzeichen des der Sünde unterworfenen Menschen sei, schloss Maximos dieses „gnomische Wollen“ freilich für Christus aus, in dem keine Ambivalenz und Veränderlichkeit des Wollens war, weil sein Wollen sich Gott nicht widersetzte. Nichts anderes aber als diese dem Christus-Bild der Evangelien ganz entsprechende Aussage ist das Anliegen der sogenannten Monotheleten gewesen. Die theologische Kontroverse des 7. Jahrhunderts war allerdings engstens verflochten mit der Religionspolitik des Römisch-Byzantinischen Reiches. Der Streit begann als Ablehnung der Unionsbemühungen des Kaisers Herakleios (610‒641)3 und des Konstantinopler Patriarchen Sergios (610‒638)4 zur Wiederherstellung der kirchlichen Einheit mit den vorchalcedonensischen Kirchen Syriens, Armeniens und Ägyptens. Hier ist es der Damaszener Sophist, palästinische Mönch und spätere Patriarch von Jerusalem Sophronios (*ca. 550‒639)5 gewesen, der als einziger den Versuch unternommen hatte, die alexandrinische Union vom 3. Juni 633 zwischen dem dortigen chalcedonensischen Patriarchen Kyros (631‒642)6 und den ägyptischen Severianern („Theodosianer“) zu verhindern.7 Die Unionsurkunde mit

1996; Jean-Claude Larchet, Saint Maxime le Confesseur, Paris 2003; Demetrios Bathrellos, The Byzantine Christ: Person, Nature, and Will in the Christology of St. Maximus the Confessor, Oxford 2004. 3 Walter E. Kaegi, Heraclius. Emperor of Byzantium, Cambridge 2003. 4 Jan Louis van Dieten, Geschichte der Patriarchen von Sergios I. bis Johannes VI. (610–715), Amsterdam 1972, 1–56. 5 Christoph von Schönborn, Sophrone de Jérusalem. Vie monastique et confession dogmatique (ThH 20), Paris 1972; Pauline Allen, Sophronius of Jerusalem and Seventh-Century Heresy. The Synodical Letter and Other Documents, Oxford 2009; Phil Booth, Crisis of Empire: Doctrine and Dissent at the End of Late Antiquity, Berkeley u. a. 2013. 6 PMBZ, Nr. 4213. 7 Vgl. dazu: Christian Lange, Mia Energeia. Untersuchungen zur Einigungspolitik des Kaisers Heraclius und des Patriarchen Sergius von Constantinopel (STAC 66), Tübingen 2012, 575–581; Booth, Crisis (s. Anm. 5), 209–224.

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ihren neun Kephalaia8 gipfelte auf der Grundlage der Zwei-Naturen-Lehre in der Aussage, dass „ein und derselbe Christus und Sohn das Gottgemäße und das Menschliche ‚durch eine gottmenschliche Wirksamkeit‘(μιᾷ θεανδρικῇ ἐνεργείᾳ) im Sinne des Heiligen Dionysius (sc. Areopagita) bewirke“.9 Diese Union fand auch die Zustimmung des Papstes Honorius I. (625–638). Um eine Ausweitung des Streites zu verhindern und die auch mit anderen vorchalcedonensischen Kirchen geschlossenen Unionen10 nicht zu gefährden, erließ Kaiser Herakleios im Jahr 638 (636?)11 unter (30) Federführung des Patriarchen Sergios ein Gesetz („Ekthesis“), das jeden Streit über das Energienproblem verbot und den Konsens in der vermeintlich unstrittigen Überzeugung von dem einen einheitlichen Willen und Wollen Jesu suchte.12 Gegen dieses Gesetz aber stellte sich Maximos mit seinen Schülern, und als Kaiser Konstans II. (641‒668)13 im Jahr 648 mit einem weiteren Gesetz („Typos“)14, das an die Stelle der Ekthesis trat, im Sinne eines Moratoriums jede weitere Auseinandersetzung über die Anzahl von Energien und Willen in Christus unter Androhung hoher Strafen verbot, wurde aus Widerspruch Widerstand gegen die Religionspolitik der Kirche von Konstantinopel und des Kaisers. Auf der römischen Lateransynode des Jahres 649 wurde unter Beteiligung des Maximos und seiner Gruppe der sog. Monotheletismus verdammt und die Lehre von zwei Wirkweisen (Dyenergismus) und zwei Willensvermögen (Dyotheletismus) in Christus dogmatisiert. Überdies wurden drei Konstantinopler Patriarchen anathematisiert und damit die Kirche von Konstantinopel und die gesamte Unionspolitik des 7. Jahrhunderts zur Häresie erklärt. Damit befanden sich die Kirchen von Rom und Konstantinopel ab 649 im Schisma. Daraufhin wurde Papst Martin I. (649‒653) gefangengenommen und in Konstantinopel nach einem Prozess in die Verbannung geschickt. Maximos verweigerte sich in zwei Prozessen jedem Kompromiss und wurde schließlich zu schweren Körperstrafen (Herausschneiden der Zunge und Abhacken der rechten Hand) und Verbannung verurteilt. Erst das VI. Ökumenische Konzil in Konstantinopel (680/1) beendete das Schisma

8 Decretum unionis a. 633 (ACO ser. II 2,2, p.594–600 Riedinger); Friedhelm Winkelmann, Der monenergetisch-monotheletische Streit (BBySt 6), Frankfurt/M. 2001, Nr. 27. 9 Decretum unionis a. 633, Anathema 9 (ACO ser. II 2,2 p.598,20 f. Ried.): […] καὶ τὸν αὐτὸν ἕνα Χριστὸν καὶ υἱὸν ἐνεργοῦντα τὰ θεοπρεπῆ καὶ ἀνθρώπινα,μιᾷ θεανδρικῇ ἐνεργείᾳʽ κατὰ τὸν ἐν ἁγίοις Διονύσιον. Beim Areopagiten steht anstelle der numerischen Angabe allerdings καινὴν τινα θεανδρικὴν ἐνέργειαν: Dionysius Areop., Epistula 4 ad Gaium (PTS 36,161,9 Heil/Ritter). 10 Vgl.: Lange (s. Anm. 7), 553–581. 11 Zur Datierung s. u. Anm. 43. 12 Zur Ekthesis vgl.: Winkelmann, Streit (s. Anm. 8), Nr. 50. 13 PMBZ Nr. 3691. 14 Winkelmann, Streit (s. Anm. 8), Nr. 106.

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und dogmatisierte im Wesentlichen die Lehre des Maximos. Aber noch im Jahre 691/2 musste diese Entscheidung wegen weiterhin bestehender Widerstände auf dem Concilium Quinisextum in Konstantinopel bestätigt werden, und im Jahre 711 kam es zu einem erneuten Versuch, den sog. Monenergismus und Monotheletismus zum Reichsdogma zu erheben. Die Erforschung dieser das ganze 7. Jahrhundert andauernden Kontroverse hat in den vergangenen Jahrzehnten eine Fülle neuer Aspekte15 zutage gefördert, die bei ihrer dogmengeschichtlichen Interpretation zu berücksichtigen sind. Dies betrifft zum einen die Forschungen zur sog. neuchalcedonischen Theologie.16 Danach sind der sog. Monenergismus und Monotheletismus nicht mehr (31) als Vermittlungstheologien zu verstehen, die erst zum Zweck der Union mit den Gegnern Chalcedons formuliert wurden, sondern als Konsequenzen eines ca. einhundertjährigen theologischen Bemühens um eine positive Füllung des chalcedonensischen Begriffes der Hypostase.17 Ebenso ist die ältere, vornehmlich von protestantischer Seite vertretene Sicht hinfällig, die für die monenergetisch-monotheletische Seite hauptsächlich politische Motive geltend machte. In dieser Perspektive handelte es sich im Wesentlichen

15 Vgl. die Forschungsüberblicke bei: Winkelmann, Streit (s. Anm. 8), 2–8; Lange (s. Anm. 7), 6–10. Am besten jetzt: Richard Price/Phil Booth/Catherine Cubitt, General Introduction, in: The Acts of the Lateran Synod of 649, transl. by Richard Price (Translated Text for Historians 61), Liverpool 2014, 5–108. 16 Genannt seien hier nur: Patrick Gray, Art. Neuchalkedonismus, in: TRE 24 (1994), 289– 296); Alois Grillmeier, Jesus der Christus im Glauben der Kirche 2/2, Freiburg i.Br. u. a. 1989; Bausenhart, „In allem uns gleich außer der Sünde“ (s. Anm. 2); Sebastian Brock, Studies in Syriac Christianity: History, Literature and Theology, London 1992; Karl-Heinz Uthemann, Der Neuchalkedonismus als Vorbereitung des Monotheletismus. Ein Beitrag zum eigentlichen Anliegen des Neuchalkedonismus (StPatr 29 [1997], 373–413) = Ders., Christus, Kosmos, Diatribe. Themen der frühen Theologie als Beiträge zu einer historischen Theologie (AKG 93), Berlin/ New York 2005, 207–255; Richard Price, Monotheletism: a heresy or a Form of Words?, in: StPatr 46 (2010), 221–232; Lange, Mia Energeia (s. Anm. 7), 364–470; Marek Jankowiak, The Invention of Dyotheletism, in: StPatr 63 (2013), 335–342). 17 Vgl. Uthemann (s. Anm. 16). Bereits vor dem Streit lässt sich die Wendung μία ἐνέργεια bis hin zu Kyrill von Alexandrien nachweisen, auch wenn die numerische Verwendung des Energeia-Begriffes insgesamt nur spärlich bezeugt ist. Weiterhin: Unter den chalcedonenischen Theologen gab es keinen Konsens, aber auch kein Problembewusstsein hinsichtlich der begrifflichen Präzision in der Energienfrage. Abgesehen von der Terminologie in der Frage der Wirksamkeit und des Willens Jesu stimmten die Opponenten nach Ausbruch des Streites im Jahre 633 in allen christologischen Grundaussagen überein. Deshalb verdient auch der Vorschlag von Lange (s. Anm. 7) Beachtung, auf die polemischen Begriffe monenergetisch und monotheletisch in Zukunft zu verzichten und anstatt dessen in Entsprechung zur Ersetzung des Begriffes „Monophysitismus“ durch „Miaphysitismus“ die Nomenklatur „miaenergetisch“ und „henotheletisch“ einzuführen. Im Folgenden wird aus Gründen der Konvention noch die traditionelle Bezeichnung verwendet.

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3 Die Bedeutung der Geschichtstheologie

um eine „kaiserliche“ Häresie der Reichskirche und ihrer Patriarchen, die angesichts der persischen und arabischen Eroberungen zur Stärkung des Reiches eine Unionspolitik auflegten und diese mit Gewalt gegen die Verteidiger Chalcedons durchzusetzen versuchten.18Demgegenüber konnte gezeigt werden, dass die Unionsbemühungen von einem echten geistlichen Anliegen getragen waren, um unter Anwendung der in der Tradition bereitliegenden Figur der „Oikonomia“ zu einer Verständigung mit den dissentierenden Orientalen zu (32) kommen.19 Weiterhin hat die kritische Edition der Akten der großen Synoden des 7. Jahrhunderts, der Lateransynode von 64920, des VI. Ökumenischen Konzils von 680/121 und des Concilium Quinisextum von 691/222 die Sicht auf die damit verbundenen Hintergründe wesentlich geschärft. Ebenso ist der Zusammenhang der theologischen Kontroverse mit den umwälzenden historischen Vorgängen jenes Zeitraums deutlicher geworden. Die Einfälle der Slawen, Avaren, Perser und schließlich der Araber brachten das christliche Imperium in eine Situation, in der es um seine Existenz fürchten musste. Die Erforschung dieser Vorgänge und der inneren Situation des Reiches bis hin zur Mentalität seiner Bewohner durch die Byzantinistik hat in den vergangenen Jahrzehnten enorme Fortschritte gemacht.23

18 Vgl. die Zusammenfassung dieser dem 19. Jahrhundert entstammenden Deutungstradition bei Winkelmann, Streit (s. Anm. 8), 2. Er verweist dabei auf Adolf von Harnack, Lehrbuch der Dogmengeschichte II, 41909, 480 (recte 426). Dazu gehört auch Werner Elert, der Patriarch Sergios und Papst Honorius als „die beiden größten Opportunisten ihres Jahrhunderts“ bezeichnet hat. Vgl.: Ders., Der Ausgang der altkirchlichen Christologie. Eine Untersuchung zu Theodor von Pharan und seiner Zeit als Einführung in die Alte Dogmengeschichte, 1957, 231.237.242. Dieser Deutung verpflichtet sind heute nur noch zwei orthodoxe Theologen: Bathrellos (s. Anm. 2); Cyrill Hovorun, Will, Action and Freedom: Christological Controversies in the Seventh Century, 2008. Vgl. demgegenüber die in Anm. 5,15,16 und 19 genannte Literatur. 19 Heinz Ohme, Oikonomia im monenergetisch-monotheletischen Streit, in: ZAC 12 (2008), 308–343. 20 Rudolf Riedinger (Hg.), Concilium Lateranense a. 649 celebratum (ACO ser. II 1), Berlin 1984. Vgl. dazu jetzt die hervorragend kommentierte Übersetzung von Price, Lateran Synod (s. Anm. 15). 21 Rudolf Riedinger (Hg.), Concilium Universale Constantinopolitanum Tertium (ACO ser. II 2,1–2), Berlin 1990.1992. 22 Heinz Ohme (Hg.), Concilium Constantinopolitanum a. 691/2 in Trullo habitum (Concilium Quinisextum) (ACO ser. II 2,4), Berlin/Boston 2013. 23 Ich verweise hierzu eher eklektisch nur auf: Andreas N. Stratos, Byzantium in the Seventh Century I–V, Amsterdam 1968–1980; John F. Haldon, Byzantium in the Seventh Century. The Transformation of a Culture, Cambridge 21997; Wolfram Brandes, „Juristische“ Krisenbewältigung im 7. Jahrhundert? Die Prozesse gegen Papst Martin I. und Maximos Homologetes, in: FBRG.FM 10 (1998), 141–212; Wolfram Brandes/Felicitas Schmieder (Hgg.), Endzeiten. Eschatologie in den Weltreligionen (Millennium-Studien 16), Berlin 2008; Marek Jankowiak, Essai d’histoire politique du monothélisme, Diss. Paris-Warschau 2009 (ungedr.); Wolfram Brandes/ Felicitas Schmieder (Hgg.), Antichrist. Konstruktion von Feindbildern, Berlin 2010; James D. Howard-Johnston, Wit-

1 Anastasios Sinaites: Der Lohn Gottes

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So sind die Motive der Opponenten und der ergriffenen Maßnahmen ausgesprochen vielschichtig. Besondere Aufmerksamkeit verdient dabei auch die zunehmend aufgeheizte apokalyptische Zeitstimmung, die sich bei den Protagonisten des Streites in der Deutung der Ereignisse der Zeit niederschlägt mit unmittelbaren Konsequenzen für das Handeln. Dies soll im Folgenden Gegenstand der Untersuchung sein. Dabei wird der Frage nachgegangen, wie die sich hier zeigenden geschichtstheologischen Kategorien im Verlauf der theologischen Kontroverse aufgekommen sind, wie die Deutung der Geschichte von den Gegnern der kaiserlichen Unionspolitik eingesetzt wurde und welche Konsequenzen sie daraus gezogen haben. Ich beginne mit einer einführenden Skizze der Sicht des Sinaiabtes Anastasios Sinaites (ca. 610 ‒ nach 701)24, der als Kämpfer gegen „Monophysitismus“ und „Monotheletismus“ im Jahre 701 in einer Homilie eine umfassende Deutung der religionspolitischen Ereignisse des zurückliegenden Jahrhunderts vorgenommen hat (1). Danach wird in einem zweiten Abschnitt der Blick zurückgelenkt auf die entsprechenden Äußerungen des Sophronios von Jerusalem in den Anfängen des Streites (2). Im Weiteren werden die Konsequenzen geschildert, die sein Schüler Maximos daraus gezogen hat (3). Ein vierter Abschnitt macht deutlich, dass die bei beiden herrschende apokalyptische Zeitdeutung als repräsentativ für diesen Zeitraum betrachtet werden muss (4). Abschließend wird die Deutung des Streites durch Anastasios Sinaites nochmals näher in den Blick genommen, um von daher deutlich zu machen, wie eine geschichtstheologisch verzerrte Sicht des sog. monenergetisch-monotheletischen Streites dessen weitere Bewertung in der Tradition wesentlich bestimmt hat (5).

1 Anastasios Sinaites: Der Lohn Gottes für die „große Schmähung der Synode von Chalcedon“ Anastasios Sinaites setzt in seiner sog. 3. Homilie über die Erschaffung des Menschen25 aus dem Jahre 701 mit den Perserkriegen der Jahre 611‒628 unter Kaiser Herakleios ein. Deren Ruhm erklinge bis an die Enden der Erde, sei doch

nesses to a World Crisis: Historians and Histories of the Middle East in the Seventh Century, Oxford 2010; Booth, Crisis (s. Anm. 5); Constantin Zuckerman (Hg.), Constructing the Seventh Century (TMCB 17), Paris 2013; vgl. auch die im Weiteren genannten Titel. 24 PMBZ Nr. 268; Zu Anastasios s. jetzt: Karl-Heinz Uthemann, Anastasios Sinaites. Byzantinisches Christentum in den ersten Jahrzehnten unter arabischer Herrschaft (AKG 125), Berlin/Boston 2014. 25 Anastasius Sinaita, Sermo adv. Monotheletas qui communiter dicitur Homilia tertia de creatione hominis (CCSG 12,55–83 Uthemann); Winkelmann, Streit (s. Anm. 8), Nr. 175. Vgl. dazu: van Dieten, Geschichte der Patriarchen (s. Anm. 4), Exkurs II, 179–218.

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3 Die Bedeutung der Geschichtstheologie

das von den Persern zuvor entführte siegbringende Tropaion des Heiligen Kreuzes durch die Mithilfe Gottes (συνεργείᾳ θεοῦ) mit dem Kaiser nach Jerusalem zurückgekehrt.26 Nach einer detaillierten Schilderung der (34) Unionsbemühungen des Kaisers und des Patriarchen Sergios27 und einer positiven Würdigung der römischen Lateransynode von 649 unter Papst Martin I. (649‒653), die mit dem Zeugnis der Väter einen göttlichen und einen menschlichen Willen und ebenso eine göttliche und eine menschliche Wirksamkeit Christi verkündet habe28, fährt Anastasios fort: Darauf stirbt Herakleios, und Martin wird durch den Enkel des Herakleios in die Verbannung geschickt. Und sofort erhob sich der Wüstenbewohner Amalek29 und schlug uns, das Volk Christi (τύπτων ἡμᾶς τὸν λαὸν τοῦ Χριστοῦ). Jene war nämlich die erste schreckliche und unheilbare Niederlage des römischen Heeres, ich meine die von Gabithas und Hieromuchas und das Blutvergießen von Dathe[s]mos, danach die Eroberungen und Brände von Palästina, Caesarea, und Jerusalem; schließlich der Untergang Ägyptens und im Folgenden die Eroberung und die unheilbaren Verwüstungen des Mittelmeeres und der Inseln und der gesamten Romania. Aber auch so kam die herrschende Elite der Römer (οἱ Ῥωμαίων ἄρχοντες καὶ κυριεύοντες) nicht zur Vernunft, sondern sie ließen sogar die auf der römischen Synode hervorragenden Personen kommen (sc. nach Konstantinopel) und ihnen die Zungen abschneiden und die Hände abhacken.30

Nach Anastasios beginnt das Unheil für das christliche Imperium durch die arabischen Eroberungen also nach dem Tod des Herakleios im Jahre 641 und mit der Gefangenahme Papst Martins am 17. Juni 653 und dessen Prozess in Kons-

26 Anastasius Sinaita, Sermo adv. Monotheletas 3,1 (CCSG 12,55,11–56,17 Uthemann). Bei der „Wiedererrichtung“ des Heiligen Kreuzes im März 630 war Herakleios persönlich anwesend. Es war der erste Besuch eines Kaisers in Jerusalem. Das elaborierte Ritual und die damit verbundene Symbolik bezeugen die eschatologische Erwartungen der Wiederkunft Christi. Vgl.: Cyril Mango, Deux études sur Byzance et la Perse Sassanide, in: TMCB 9 (1985), 91–117); J.W. Drijvers, Heraclius and the Restitutio crucis: Notes on Symbolism and Ideology, in: Gerrit J. Reinink/Bernard H. Stolte (Hgg.), The Reign of Heraclius (610–641): Crisis and Confrontation, Leuven u. a. 2002, 175–190; Constantin Zuckerman, Heraclius and the return of the Holy Cross, in: TMCB 17 (2013), 197–218). Die Konstantinopolitanische Hofrhetorik proklamierte Herakleios als „Νeuen David“, „Νeuen Konstantin“ und „Weltretter“ (κοσμορύστης). Vgl.: Georgios Pisides, res. (I, 225–230 Pertusi). Dazu: Mary Whitby, Defender of the Cross: George of Pisidia on the Emperor Heraclius and His Deputies, in: Dies., (Hg.), The Propaganda of Power: The Role of Panegyric on Late Antiquity, Leiden 1998, 247–273. 27 Anastasius Sinaita, Sermo adv. Monotheletas 3,1 (CCSG 12,56,18–59,77 Uthemann). Dazu s. unten: Kap. 5. 28 Anastasius. Sinaita, Sermo adv. Monotheletas 3,1 (CCSG 12,59,78–59,83 Uthemann). 29 Der Kampf des Volkes Gottes unter Mose gegen die Amalekiter (Ex 17,8 ff.) wird hier zum alttestamentlichen Typos der Bedrohung durch die Araber. 30 Anastasius Sinaita, Sermo adv. Monotheletas 3,1 (CCSG 12,59,84–60,96 Uthemann). Die deutschen Übersetzungen stammen, sofern nicht anders angegeben, vom Verfasser.

1 Anastasios Sinaites: Der Lohn Gottes

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tantinopel am 20. Dezember 653. Der nicht namentlich genannte Enkel des Herakleios ist Kaiser Konstans II. (641‒668).31 Von den hier erwähnten militärischen Niederlagen ist besonders die von Hieromuchas hervorzuheben, denn es handelt sich dabei um die vernichtende und entscheidende Niederlage des römischen Heeres in der Schlacht am Yarmuk, die allerdings bereits am 19./20. August 636 stattfand und zur Aufgabe von ganz Palästina, Transjordanien und Syrien führte.32 (35) Mit dem Vorgehen gegen die Wortführer auf der Lateransynode von 649 sind die Prozesse gegen Maximos Homologetes33 und seine Schüler Anastasios Monachos34 und Anastasios Apokrisiarios35 in Konstantinopel in den Jahren 655 und 662 gemeint. Nun stellt der Sinaiabt die entscheidende Frage: „Was aber war der Lohn Gottes (ἡ ἐκ θεοῦ ἀντίδοσις) von all dem für uns?“. Die Antwort lautet: „Jene fast vollständige Vernichtung des römischen Heeres und der Flotte bei Phoinix und die Verwüstung aller christlichen Völker und Orte beim erneuten Vorrücken (sc. der Araber), welche nicht aufhörte, bis der Verfolger Martins auf Sizilien durch das Schwert starb.“36 Die Vernichtung der byzantinischen Flotte beim Vorgebirge Lydiens fand im Jahre 655 statt.37 Im September 668 fiel Konstans II. in Syrakus einer Verschwörung zum Opfer. Mit dieser Abfolge von militärischen Niederlagen und Katastrophen für die Romania kontrastiert Anastasios schließlich die weitere Geschichte unter dem Sohn Konstansʼ II., Konstantin IV. (668‒685)38: Dessen frommer Sohn Konstantin aber vereinte die heiligen Kirchen durch eine ökumenische Synode, welche den heiligen Vätern entsprechend einen göttlichen und gleichzeitig auch einen menschlichen Willen und genauso je eine Wirkweise in Christus, unserem Gott, bekannte. Diese ehrwürdige Synode, die wie ein wohlgefälliges Opfer und wie jenes

31 PMBZ, Nr. 3691. 32 Die Schlacht von Gabithas (arab. Al-Jābiya) gehört ins Jahr 634. Vgl.: Theophanes, Chronographia a.m. 6125 (337,1 de Boor); Andreas N. Stratos, Byzantium in the Seventh Century II (634– 641), Amsterdam 1972, 50–69. Zur Schlacht am Yarmuk vgl. Theophanes, Chronographia a.m. 6126 (338,6–10 de Boor); Stratos, a.a.O., 68–73.209; Kaegi, Heraclius (s. Anm. 3), 240–243. Der Ort Dathe[s]mos ist schwer identifizierbar, vgl. Cyril Mango/ Roger Scott (Hgg.), The Chronicle of Theophanes Confessor, Oxford 1997, 463 Anm. 21; Kaegi, Heraclius (s. Anm. 3), 240, identifiziert ihn mit Dathin bei Gaza. Zu den weiteren Eroberungen vgl. Stratos, a.a.O. II, 77–83.88–116; Andreas N. Stratos, Byzantium in the Seventh Century III (642–668), Amsterdam 1975, 17–46. 33 PMBZ, Nr. 4921. 34 PMBZ, Nr. 237. 35 PMBZ, Nr. 238. 36 Anastasius Sinaita, Sermo adv. Monotheletas 3,1 (CCSG 12,60,96–61,101 Uthemann). 37 Vgl. Stratos, Byzantium III (s. Anm. 32), 46–55; Theophanes, Chronographia a.m. 6146 (345,15 ff. de Boor). 38 PMBZ; Nr. 3702.

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3 Die Bedeutung der Geschichtstheologie

Räucherwerk Aarons von Gott angenommen wurde, beendete auf zwanzig Jahre das Verderben unseres Volkes, sie führte das Schwert der Feinde zum Kampf gegen sich selbst, sie schenkte den Ländern Erholung, machte das Meer wieder schiffbar, verhinderte Kriegsgefangenschaften und schuf für die gesamte Romania Entspannung, Trost und nicht geringen Frieden.39

Für Anastasios Sinaites gibt es also eine direkte Interdependenz zwischen dem Wirken, der Mithilfe und dem belohnenden Handeln Gottes und den politischen, religionspolitischen und kirchlichen Maßnahmen der Kaiser des christlichen Imperium Romanum. Dieses Handeln Gottes manifestiert sich für ihn geschichtlich als Sieg oder „Verderben“ des „Volkes Christi“. Die verheerenden arabischen Eroberungen und die sich häufenden Verluste größter und ältester Territorien des Reiches im Osten waren für Anastasios eine unmittelbare Folge der kaiserlichen Religionspolitik. Sie seien der „Lohn Gottes“ für die nach seiner Überzeugung damit vollzogene „große Schmähung der Synode von Chalcedon“.40 (36)

2 Sophronios von Jerusalem: Zwischen Romideologie und den „Gräueln der Verwüstung“ Sophronios hatte in Alexandrien vergeblich versucht, Patriarch Kyros von der Union mit den ägyptischen Severianern abzuhalten; aber auch in Konstantinopel stieß er bei Patriarch Sergios und dann ebenso beim Erzbischof von Zypern, Arkadios (†ca. 641)41, auf Ablehnung.42 Auf einer Synode in Zypern im Jahre 634 (oder 636) ist mit großer Wahrscheinlichkeit die Lehre von den zwei Wirkweisen Christi des eben zum Patriarchen erhobenen Sophronios von den versammelten Vertretern Roms, Konstantinopels und Alexandriens zurückgewiesen worden.43 Man konnte sich jedoch auf die Sprachregelung einigen, in Zukunft numerische Aussagen über die Anzahl von Energien in Christus nicht mehr zu machen und

39 Anastasius Sinaita, Sermo adv. Monotheletas 3,1 (CCSG 12,61,101–112 Uthemann). 40 Anastasius Sinaita, Sermo adv. Monotheletas. 3,1 (CCSG 12,58,59–60 Uthemann). 41 Vgl.: Winkelmann, Streit (s. Anm. 8), 196–198. 42 Vgl. dazu: Lange, Mia Energeia (s. Anm. 7), 581–587. 43 Dies ergibt sich aus der syrischen Vita des Maximos Homologetes: Sebastian Brock, An Early Syriac Life of Maximus the Confessor, in: Analecta Bollandiana 91 (1973), 299–346 (= Ders., Syriac Perspectives on Late Antiquity. London 1984, Nr. XII). Vgl.: Lange, Mia Energeia (s. Anm. 7), 587–596; Booth, Crisis (s. Anm. 5), 239–241, unter Berufung auf Jankowiak, Essai d’histoire (s. Anm. 23), 146–149, hat die Synode meines Erachtens überzeugender auf 636 datiert und ebenso die Ekthesis als deren unmittelbare Folge. Lange, Mia Energeia (s. Anm. 7), betrachtet die Psēphos des Patriarchen Sergios als Folge der Synode. Der Stuhl von Antiochien war zu diesem Zeitpunkt vakant.

2 Sophronios von Jerusalem

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stattdessen nur noch von dem „einen, das Menschliche und Göttliche Wirkenden“ (ὁ ἐνεργῶν) zu reden. Wahrscheinlich ist diese Übereinkunft in die Ekthesis44 des Kaisers eingegangen. Sophronios hat sich in seiner kurz nach seiner Wahl zum Jerusalemer Patriarchen im Jahr 634 verfassten Epistula synodica45 zwar formal an diese Übereinkunft gehalten, de facto aber das Wirken des „Einen“ auf die handelnden Naturen zurückgeführt und so den Kompromiss unterlaufen und den Streit damit aufs Neue angeheizt. Patriarch Sergios von Konstantinopel verweigerte die Annahme der Synodika, womit die Kirchengemeinschaft aufgehoben war. Die Synodika des Sophronios ist nun aber nicht nur ein umfängliches Lehrbekenntnis, sondern hat auch die Funktion eines „political statements“.46 Denn gegen Ende bittet Sophronios den Konstantinopler Patriarchen, für die Kaiser zu Gott zu beten, (37) die das Steuerruder des Reiches von Gott empfangen haben, damit der mitleidsvolle und menschenliebende Gott […] durch Eure gottgenehmen Gebete besänftigt, […] ihnen die größten Siege und Siegeszeichen gegen die Barbaren verleihe […] und ihnen ein machtvolles Szepter gebe, um den Hochmut aller Barbaren, insbesondere der Sarazenen zu zerstören, die sich wegen unserer Sünde unerwartet jetzt gegen uns erhoben haben.“ Vor allem aber seien die Gebete des Patriarchen so intensiv wie möglich an Christus zu richten, „damit er, wenn er sie wohlwollend Euch zugerechnet hat, deren (sc. der Sarazenen) wahnsinniges Toben sofort niederwerfe und sie ‒ armselig wie sie sind ‒ unseren gottgegebenen Kaisern zum Fußschemel mache wie es zuvor war, damit sie, die auf unserer Erde die Herrschaft haben (οἱ τὸ ἐπὶ γῆς ἡμῶν βασίλειον ἔχοντες) sich ihrer Tage freuen […] und mit ihnen das ganze Staatswesen (πολίτευμα).47

Für Sophronios steht also zu diesem Zeitpunkt trotz seiner faktischen Aufkündigung der Loyalität gegenüber der Unionspolitik des Ökumenischen Patriarchen außer Frage, dass dem christlichen Imperium und seinen Kaisern von Gott die Herrschaft (τὸ βασίλειον) geben sei. Gott kann den Kaisern größte Siege gegen die Sarazenen schenken, so wie er momentan aus Zorn über „unsere Sünde“ diese gewähren lässt. Christus kann das „Toben“ der Sarazenen sofort beenden

44 S. o. Anm. 12. 45 Sophronius Hierosolymitanus, Epistula synodica (ACO ser. II, 2,1 p. 410,13–494,8 Ried.); Winkelmann, Streit (s. Anm. 8), Nr. 45; Engl. Übersetzung: Allen, Sophronius of Jerusalem (s. Anm. 5), 67–157. Diese traditionell von den neu gewählten Leitern der fünf Hauptkirchen der Alten Kirche zu verfassenden Lehrbekenntnisse wurden nach Amtsantritt an die jeweils vier anderen Kirchenleitungen verschickt. Die Synodika des Sophronios umfasst in der Edition von Riedinger 42 Seiten und sprengt damit umfangmäßig völlig den Rahmen dieser Gattung. Vgl. dazu: Allen, Sophronius of Jerusalem (s. Anm. 5), 47–62. 46 Allen, Sophronius of Jerusalem (s. Anm. 5), 50. 47 Sophronius Hierosolymitanus, Epistula synodica (ACO ser. II 2,1 p.490,14–492,4.6–10 Ried.); Allen, Sophronius of Jerusalem (s. Anm. 5), 152–154 (Synodical Letter 2.7.3).

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3 Die Bedeutung der Geschichtstheologie

und sie dem Kaiser zum Fußschemel machen. Gottes Beistand manifestiert sich im militärischen Sieg!48 Das alles bewegt sich ihm Rahmen der klassischen Reichs- und Kaisertheologie, wie sie seit Euseb von Caesarea zum ideologischen Kernbestand des christlichen Imperium Romanum gehörte.49 Auch die Formel „wegen unserer Sünden“ gehört zu den hergebrachten theologischen Erklärungsmustern eines zornigen und deshalb in seinem geschichtlichen Handeln strafenden Gottes. Auffällig ist aber, dass der Zorn Gottes in diesem Fall besonders durch das Gebet des Patriarchen zu „besänftigen“ ist, wie auch Christus die Gebete des Patriarchen „wohlwollend“ annehmen muss, bevor der gottgegebene frühere Zustand kaiserlicher Herrschaft wiederhergestellt werden kann. Damit steht die Frage im Raum, warum sich Gott nicht durch die Gebete des Patriarchen besänftigen lässt, sollte das „Toben“ der Sarazenen anhalten. Diese Frage scheint sich Sophronios zunehmend gestellt haben. (38) Zu den wenigen literarischen Zeugnissen aus seiner Zeit als Jerusalemer Patriarch gehören sieben Homilien,50 von denen zwei deutlich werden lassen, dass diese Frage anscheinend immer drängender wurde. In seiner Weihnachtspredigt vom 25. Dezember 63451 beklagt Sophronios mehrfach die Unmöglichkeit, das Fest in der Geburtskirche in Bethlehem feiern zu können, denn „das wilde, barbarische Schwert der Sarazenen […] schließt uns aus von jenem seligen Anblick und zwingt uns daheim zu bleiben“.52 Sophronios fragt nach den Gründen, warum das so sei, denn wie die Hirten und Magier verlangt er danach, dem Neugeborenen Geschenke zu bringen. Heute allerdings seien nicht Gold, Myrrhe und Weihrauch gefragt, sondern „Glanz des Glaubens“, „Unverdorbenheit (ἀφθορία) der Seele und des Leibes, genauso der Lehre und der Pre-

48 David M. Olster, Roman Defeat, Christian Response, and the Literary Construction of the Jew, Philadelphia 1994, 30–50. 49 Otto Treitinger, Die oströmische Kaiser- und Reichsidee nach ihrer Gestaltung im höfischen Zeremoniell, Darmstadt 21969; Jean-Marie Sansterre, Eusèbe de Césarée et la naissance de la théorie ,caesaropapiste‘, in: Byz. 42 (1972), 131–195.532–594); Herbert Hunger (Hg.), Das byzantinische Herrscherbild (WdF 341), Darmstadt 1975; Steven Runciman, The Byzantine Theocracy, Cambridge 1977; Ralph-Johannes Lilie, Byzanz. Kaiser und Reich, Köln u. a. 1994; Gilbert Dagron, Emperor and Priest. The Imperial Office in Byzantium, Cambridge 2003. 50 CPG 7637–7643. Zu den Homilien vgl.: von Schönborn, Sophrone (s. Anm. 5), 102–105; zum Kontext: Booth, Crisis (s. Anm. 5), 241–250. 51 Hermann Usener (Hg.), Die Weihnachtspredigt des Sophronios, in: RMP 41 (1886), (500–516), 508,27–509 (= Ders., Kleine Schriften IV, Leipzig-Berlin 1913, 162–177); Dt. Übersetzung: Basilius Steidle, Weihnachtspredigt des heiligen Sophronios, in: BenM 20 (1938), 417–428; Frz. Übersetzung: Jeanne de la Ferrière/Marie-Helène Congourdeau, Sophrone de Jérusalem, Fêtes chrétiennes à Jérusalem, Paris 1999, 31–52. 52 Sophronius Hier., Sermo de nativitate 507, 23–27 (Usener).

2 Sophronios von Jerusalem

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digt (τοῦ δόγματος καὶ κηρύγματος) und der orthodoxen Gesinnung betreffs des Glaubens (καὶ τοῦ περὶ τὴν πίστιν ὀρθοδόξου φρονήματος) sowie der Wohlgeruch der guten Werke.“53 Aber an Letzterem mangele es. Denn „wegen unserer unzähligen Sünden und äußerst schweren Vergehen“ sei der Weg nach Bethlehem versperrt.54 Umkehr und Buße seien deshalb dringend nötig. Dann aber sei Rettung möglich: „Wenn wir seinen (sc. Jesu) vom Vater bestimmten Willen erfüllen und den wahren und orthodoxen Glauben haben, werden wir auch das ismaelitische Schwert stumpf machen und den Säbel der Sarazenen und den Bogen der Agarener zerbrechen.“55 Vom Besitz des wahren Glaubens allerdings ist Sophronios überzeugt: „Den orthodoxen Glauben haben wir“ und „haben darin stark gestanden“.56 Gleichsam als Beweis entfaltet er dann ausführlich unter Verweis auf „Leo“ und „Cyrill“ das chalcedonensische Bekenntnis in stark dogmatisch bestimmter Sprache.57 Zwei Jahre später, in seiner wohl am 6. Januar 637 zu Theophaneia gehaltenen Predigt über die Taufe58 stellt der Jerusalemer Patriarch rhetorisch brillant am Anfang des 10. Kapitels achtmal die Frage nach dem Warum: Woher kommt es eigentlich, dass bei uns Krieg herrscht? Woher kommt es, dass die barbarischen Invasionen so stark zunehmen? […] Warum ein solches Verderben und die vermehrten Plünderungen? Warum wird ununterbrochen das Blut der Menschen vergossen? […] Weshalb werden Kirchen zerstört und das Kreuz dem Frevel ausgeliefert? Woher kommt es, dass selbst Christus […] aus dem Mund der Heiden gelästert wird und uns völlig richtig zuruft: ‚Um euretwillen wird mein Name unter den Heiden gelästert!ʽ. Was kann uns noch Schlimmeres zustoßen? Deshalb nämlich die gottverhassten Sarazenen und Frevler und gewiss dieser Gräuel der Verwüstung, der uns prophetisch vorhergesagt wurde (καὶ αὐτὸ σαφῶς τὸ τῆς ἐρημώσεως βδέλυγμα, τὸ προφητικῶς ἡμῖν προλεγόμενον). Die es nicht dürften, durchqueren die Städte und plündern, sie verwüsten die Äcker und brennen die Dörfer nieder, sie lassen die heiligen Kirchen in Flammen aufgehen und stellen die Klöster auf den Kopf, und den römischen Schlachtordnungen widerstehen sie, erringen Trophäen im Kampf und triumphieren gewaltig über uns. Sie vermehren die Lästerungen gegen Christus und die Kirchen und lästern ruchlos gegen Gott. Und diese Gottesbekämpfer brüsten sich damit, die Welt zu beherrschen (τῶν ὅλων κρατεῖν οἱ θεόμαχοι φρυάττονται).59

53 Sophr. Hier., Sermo de nativitate 506,4–6 (Usener). 54 Sophr. Hier., Sermo de nativitate 506,27–28 (Usener). 55 Sophr. Hier., Sermo de nativitate 508,27–509,1 (Usener); ähnlich: 515,3–10. 56 Sophr. Hier., Sermo de nativitate 508,7–8.18 (Usener). 57 Sophr. Hier., Sermo de nativitate 509,6–510,28 (Usener). 58 Athanasios Papadopulos-Kerameus, Ἀνάλεκτα Ἱεροσολυμιτικῆς Σταχυολογίας V, St. Petersburg 1898, Nr. 8, 151–168. 59 Sophr. Hier., Sermo de baptismo 166,14–167,2 (Papadopulos-Kerameus).

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Die Antwort des Patriarchen auf die Warumfrage lautet: All dies täten die Verrückten nicht, auch würden sie nicht über solche Stärke verfügen, […] wenn wir nicht als erste die Gabe schmählich behandelt hätten und als allererste die Reinigung (sc. die Taufe) besudelt hätten und dadurch den Geber Christus gekränkt und ihn zum Zorn gegen uns gereizt hätten, ihn, der gut ist und kein Wohlgefallen am Bösen hat […]. Aber tatsächlich haben wir uns als die Verursacher von alledem erwiesen, und es lässt sich kein Wort zur Entschuldigung finden. Welches Argument und welches Thema (ποῖος γὰρ λόγος ἢ τόπος) wird uns denn als Verteidigung zur Verfügung stehen, die wir von ihm so viele Gaben empfangen haben und alles befleckt und alles mit schmutzigen Taten besudelt haben.60

Nachdem Sophronios zur Buße als einzigem Weg zur Rettung aufgerufen hat61, fügt er zum Schluss hinzu: „Darum hat er auch zugelassen, dass dies vorausgeht (αὐτὰ καὶ προελθεῖν συγκεχώρηκεν), damit er‚ indem er unsere Kinnladen mit Zaumzeug und Zügel führt‘ (Ps. 31,9 LXX) […], uns nahekommen und herantreiben lässt, damit wir nicht so aus dem gegenwärtigen Leben scheiden und das Gerichtsurteil mit der Welt empfangen.“62 Die Tonlage hat sich am Anfang des Jahres 637 gegenüber der Weihnachtspredigt von 634 deutlich verändert. War es dort noch die Klage über den versperrten Weg nach Bethlehem, so geht es jetzt um zerstörte Städte, niedergebrannte Dörfer, Kirchen und Klöster und vor allem auch um Niederlagen des römischen Heeres und den „gewaltigen Triumph“ der Araber, die sich schon damit brüsten, die Welt zu beherrschen. Damit nicht genug: Christus und die Kirche werden von ihnen gelästert! Die Klage über widrige Umstände hat sich in die dramatische Frage nach dem Warum verwandelt! Auch hier ist die Antwort, dass es die Christen selbst sind, die „alles“ befleckt und besudelt hätten und so Christus „zum Zorn gegen uns gereizt haben“. Während 634 noch galt: „Den (40) orthodoxen Glauben haben wir“, gibt es jetzt kein Argument und vor allem auch kein Thema mehr, das man noch zur Verteidigung anführen könnte. Sophronios zieht aus der Totalität des Verderbens, aus den gewaltigen militärischen Niederlagen und dem Frevel und der Blasphemie gegen das Heilige den direkten Rückschluss auf die Größe des Zornes Gottes über sein Volk. Dieser Totalität entspricht seines Erachtens das allumfassende Versagen der Christenheit. Man wird nicht fehlgehen, darin auch die religionspolitische Entwicklung dieser Jahre mit eingeschlossen zu sehen.63

60 Sophr. Hier., Sermo de baptismo 167,5–16 (Papadopulos-Kerameus). 61 Sophr. Hier., Sermo de baptismo 167,17–23 (Papadopulos-Kerameus). 62 Sophr. Hier., Sermo de baptismo 167,23–27 (Papadopulos-Kerameus). 63 Dies umso mehr, als Sophronios auch die den sarazenischen in nichts nachstehenden persischen Gräuel nach deren Eroberung Jerusalems im Jahr 614 in seinen anakreontischen Oden geschildert und gedeutet hat (Carmina anacreontica 14 [102–107 Gigante]). Von den Sünden

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Christus als Herr der Geschichte habe dies alles „zugelassen“, um seinen Gläubigen die Möglichkeit zu geben, vor dem kommenden Gericht Sühne zu leisten und sich ihm in Buße wieder zuzuwenden. Und dieses Gericht ist für Sophronios nun nahe herbeigekommen. Denn die Gräuel der arabischen Verwüstungen sind etwas „Vorausgehendes“ und wurden prophetisch vorhergesagt. Mit der Wendung τὸ τῆς ἐρημώσεως βδέλυγμα benutzt der Patriarch an dieser Stelle eine Begriffskombination, die auf Mk 13,14 (Mt 24,15) zurückgeht, dem Beginn der endzeitlichen Rede Jesu über die großen Bedrängnisse, die dem Kommen des Menschensohnes vorausgehen, zu denen auch die falschen Propheten gehören. Sophronios deutet damit die Ereignisse als apokalyptisches Eintreffen der Vorhersage Jesu. Christus bleibt für ihn der Herr des Geschehens, auch insofern er die Buße der Christen nicht „übersehen“, sondern „annehmen“ und „uns von diesem Schrecken befreien“ wird.64 Aber diese Befreiung fällt nun mit seiner Wiederkunft und dem Gericht zusammen. Ein Jahr danach, im Februar 638, war es der greise Patriarch, der Jerusalem kampflos dem Kalifen Omar übergab.65 Zuvor aber hatte er seinen Protothronos, den Bischof Stephanos von Dora66, auf hochdramatische Weise „unaufschiebbar“67 und „absolut bindend“68 verpflichtet, schriftlich und mündlich der römischen Kirche Bericht zu erstatten über die „umfassende Neuerung“ (τὴν πᾶσαν […] καινοτομίαν), die Theodor von Pharan, Kyros von Alexandrien und Sergios von Konstantinopel „gegen den orthodoxen Glauben fabriziert haben“ (κατὰ τῆς ὀρθοδόξου πίστεως πεποιήκασιν).69 Stephanos von Dora berichtete (41) darüber im Jahre 649 vor der Lateransynode70, nachdem er zuvor mindestens zwei Mal bereits in Rom gewesen war. Sophronios habe ihn in der Grabeskirche auf den Golgathafelsen gestellt und beschworen, „möglichst oft“ „zum apostolischen Thron“ zu reisen und um Hilfe zu bitten, „bis die dortigen allerheiligsten Männer aus ihrer apostolischen göttlichen Weisheit heraus auf kanonische Weise die neu eingeführten Lehren vollständig vernichten“.71 Er selbst könne dies nicht tun

des Volkes Gottes ist dort allerdings nicht die Rede; die Ursache wird allein in einer dämonischen Inspiration der Perser gesehen. Vgl.: Booth, Crisis (s. Anm. 5), 94–100.99 f. 64 Sophr. Hier., Sermo de baptismo 167,21–23 (Papadopulos-Kerameus). 65 von Schönborn, Sophrone (s. Anm. 5), 95–98; Stratos, Byzantium II (s. Anm. 32), 82–83. 66 PMBZ, Νr. 6906. 67 Stephanus, episc. Dorensis, Accusatio (ACO ser. II 1, p.40,14 Ried.). 68 Stephanus, episc. Dorensis, Accusatio (ACO ser. II 1, p.40,27 Ried.). 69 Stephanus, episc. Dorensis, Accusatio (ACO ser. II 1, p.40,15–17 Ried.). 70 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.38,10–46,36 Ried.). Winkelmann, Streit (s. Anm. 8), Nr. 82. 71 Stephanus, episc. Dorensis, Accusatio: […] τῶν ἐπεισάκτων δογμάτων τέλειαν ποιήσωνται κανονικῶς τὴν κατάργησιν (ACO ser. II 1, p.40,32–37 Ried.).

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„wegen des durch unsere Sünden über uns gekommenen Einfalls der Sarazenen.“72 Dieser Auftrag gewann seine ultimative Wirkung durch die auch bei dieser Gelegenheit beschworene bevorstehende Wiederkunft Christi und das folgende Gericht: „Du wirst ihm (sc. Christus) Rechenschaft geben, dem um unseretwillen freiwillig an diesem heiligen Ort gekreuzigten Gott bei seiner glorreichen und furchtbaren Wiederkunft, wenn er Lebende und Tote richten wird, ob du seinen Glauben, der in Gefahr ist, gehemmt hast oder dich darüber hinweggesetzt hast“.73 Es ist deutlich: Für Sophronios von Jerusalem stand die Unionspolitik des Herakleios in einem ursächlichen Zusammenhang mit den durch Christus zugelassenen „Gräuel der Verwüstung“. Der orthodoxe Glaube war für ihn wegen der angeblichen „umfassenden Neuerungen“74 grundsätzlich in Gefahr. In der römischen Kirche und beim Papsttum sah er die letzte Rettung im bevorstehenden Gericht.

3 Maximos Homologetes: Umsturz und römischer Primat Zwischen 631 und 633 hatte sich Sophronios mit einer Gruppe von Mönchen in Africa aufgehalten; Maximos war dazugestoßen.75 Bei seinem längeren Africaaufenthalt ist Maximos dann in engen Kontakt mit höheren Vertretern der römischen Staatsgewalt getreten. So hat seine Disputation über die Willensfrage mit dem vormaligen Konstantinopler Patriarchen Pyrrhos (638‒641)76 im Juli (42) 645 in Gegenwart des Exarchen von Karthago, Gregorios77, stattgefunden. Mit dem Patrikios Petros Illustrios, dem Magister militum von Numidien (στρατηγὸς Νουμηδίας),78 stand Maximos mehrfach in Briefwechsel.79

72 Stephanus, episc. Dorensis, Accusatio (ACO ser. II 1, p.40,31–32 Ried.). 73 Stephanus, episc. Dorensis, Accusatio (ACO ser. II 1, p.40,28–30 Ried.). 74 Dass es sich bei dem hier gemeinten „Monenergismus“ um „Neuerungen“ gehandelt hat, ist mittlerweile widerlegt. Vgl.: Vgl. Uthemann, Der Neuchalkedonismus (s. Anm. 16); Lange, Mia Energeia (s. Anm. 7), 364–470. 75 Vgl. PMBZ, Nr. 4921 (Maximos Homologetes), S. 209. Zum Aufenthalt beider in Africa vgl.: Averil Cameron, Byzantine Africa: The Literary Evidence, in: John H. Humphrey (Hg.), Excarvations at Carthage 1978, Ann Arbor 1982, (1–51), 38–48. 76 PMBZ, Nr. 6386. 77 PMBZ, Nr. 2345. 78 Zur römischen Militärverwaltung am Anfang des 7. Jahrhunderts s.: Haldon, Byzantium in the Seventh Century (s. Anm. 23), 208–211. 79 Zu Petros vgl.: Winkelmann, Streit (s. Anm. 8), Nr. 87.88.132. S. 251. In ep. 13 verwies Maximos Petros an Sophronios, den er bei dieser Gelegenheit auch als seinen geistlichen Vater, Herren und Lehrer bezeichnet hat: τὸν εὐλογημένον μοῦ δεσπότην […] πατέρα τε καὶ διδάσκα-

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In der bislang nicht näher zwischen 634 und 640 eingeordneten80 Epistula 1481 an Petros Illustrios empfahl Maximos dem Magister militum den Überbringer dieses Briefes, Kosmas Diakonos, als „feurigen Kämpfer für die Dogmen der Kirche“ und bat um Hilfe für dessen Einführung beim alexandrinischen Patriarchen Kyros.82 Dem Diakon hatte er „einige dogmatische Kephalaia“ zur Lektüre für den Magister militum mitgegeben.83 In dem Brief forderte Maximos den General nach einem eingangs ausgeführten christologischen Bekenntnis84 auf, „zu wachen und zu beten“, um den überall lauernden Fallen der Versuchungen nicht anheimzufallen.85 Denn wenn man bete, käme die göttliche Gnade zu Hilfe und würde den Sieg schenken. Und dies sei gerade jetzt besonders nötig. Auf die selbst gestellte rhetorische Frage, was denn gegenwärtig das bedenklichste Übel in der Welt sei, was das schrecklichste Ereignis sei und das Furchtbarste für diejenigen, die es erleiden müssen86, gab Maximos folgende Antwort: Zu sehen, wie ein barbarisches Wüstenvolk die Erde durchschreitet als sei es die ihre. Und den Kulturstaat (τὴν ἥμερον πολιτείαν) von ungezähmten Tieren, die nur die äußere Gestalt von Menschen haben, zugrunde gerichtet zu sehen. Und mit anzuschauen, wie das jüdische Volk […] deshalb nun umso mehr wütet87 […] und das deshalb besonders eifrig die gegnerische Macht empfängt (πρὸς ὑποδοχὴν τῆς ἀντικειμένης δυνάμεως ἐπιτηδειότατον), wie es auf jede Art und Weise die Ausbreitung des Bösen begleitet (τῆς ἐνδημίας τοῦ πονηροῦ) und durch sein Handeln die Parusie des Antichrists anzeigt (μηνύοντα τοῦ Ἀντιχρίστου τὴν παρουσίαν), weil es diejenige des wahren Retters ignorierte. Dieses feindselige und gesetzwidrige, den Menschen und Gott hassende (Volk) ‒ und weil Gott hassend umso mehr noch den Menschen hassend ‒ das sich dem Ergötzen am Mutwillen gegen die Heiligen hingibt. Sο dass die Strafe nahe herbeigekommen ist (ὡς ἐγγὺς οὔσης τῆς ἐκδικήσεως) damit es gerechter gezüchtigt werde, damit seine Gewaltherrschaft und sein Aufstand gegen Gott wegen seiner Taten vollständig ans Licht kommt.88

λον κύριον ἀββᾶν Σωφρόνιον: ep. 13 (PG 91, 509–533.533A2-3). Zu diesem Lehrer-Schüler-Verhältnis vgl.: Christian Boudignon, Maxime le Confesseur: Était-il constantinopolitain? (in: B. Janssens/B. Rosen/P. van Deun (Hg.), Philomathestatos: Studies in Greek Patristic an Byzantine Texts Presented to J. Noret, Louvain 2004, 11–43.17-22. 80 Vgl.: Polycarp Sherwood, An Annotated Date-list oft he Works of Maximus the Confessor (StAns 30), Rom 1952, Nr. 66, S. 40–41. 81 Maximus Conf., Epistula 14 (PG 91,533–544). Frz. Übersetzung: Emmanuel Ponsoye, Saint Maxime le Confesseur. Lettres, Paris 1996, 164–170. Zu Maximosˊ Briefen s.: Larchet, Saint Maxime (s. Anm. 2), 51–54. 82 Maximus Conf., Epistula 14 (PG 91, 536AB). Zu Kosmas vgl.: PMBZ, Nr. 4065. 83 Maximus Conf., Epistula 14 (PG 91, 537C5-8). 84 Maximus Conf., Epistula 14 (PG 91, 536B-537B). 85 Maximus Conf., Epistula 14 (PG 91, 537C11-15). 86 Maximus Conf., Epistula 14 (PG 91, 540A2-9). 87 Maximus Conf., Epistula 14 (PG 91, 540A9-B1). 88 Maximus Conf., Epistula 14 (PG 91, 540B5–C2).

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Nach weiteren harten antijüdischen Vorwürfen89 fährt Maximos fort: „Was kann nun ‒ wie gesagt ‒ für christliche Augen und Ohren schrecklicher sein? Ein unerbittliches und widerwärtiges Volk zu sehen, dem gestattet wird, die Hände gegen das göttliche Erbe auszustrecken. Dass das geschieht, macht aber die Menge unserer Sünden.“90

Zu diesen Sünden verweist er auf das in der endzeitlichen Rede Jesu in Lk 21,34 genannte „Fressen und Saufen“, das er nun aber allegorisch interpretiert als „Unsicherheit über die Glaubenslehre zur Zeit der Verfolgung.“91 Wenn die Seele in geistiger Trunkenheit verdunkelt sei, dann schwanke sie in der Glaubenslehre. Wenn man aber bete und wache ‒ so schließt er den Gedanken ‒, gewinne man „einen bei weitem sichereren Glauben an unseren Herrn Jesus Christus, wenn wir das Ergebnis sehen und von dem erfahren, was er vorausgesagt hat.“92 Für Maximos ist mit dem Einfall der Araber, die er als ἀντικειμένη δύναμις bezeichnet, ein apokalyptisches Szenario Wirklichkeit geworden, in dem die Ankündigungen Jesu für die Endzeit eingetreten sind. Denn auch die Aufforderung, zu wachen und beten, wurde aus Lk 21,36 gewonnen, endet doch damit diese zweite endzeitliche Rede Jesu bei Lukas. Überdies hat Lk die Gräuel der Verwüstung explizit auf die Eroberung Jerusalems konzentriert (V. 20–24), die nun mit der arabischen Eroberung Jerusalems offensichtlich als eingetreten vorausgesetzt wird. Die Tatsache, dass der römische „Kulturstaat“ zugrunde gerichtet wird und das „göttliche Erbe“ von den Barbaren in Besitz genommen wird ‒ im Blick ist hier wohl vor allem das Heilige Land93 ‒, sei das denkbar Schrecklichste. Denn es handelt sich für ihn bei dieser „Ausbreitung des Bösen“, bei der die Juden Hilfestellung leisten, um Indizien für die Parusie des (44) ἀντίχριστος. Mit dieser Bezeichnung aus 1Joh 2,18.22; 4,3 ruft er ein Schlagwort der christlichen Apokalyptik auf, und mit der Wendung ἀντικειμένη δύναμις verweist er auf den „Widersacher“ (ὁ ἀντικείμενος) von 2Thess 2,4, einer weiteren apokalyptischen Kernstelle des Neuen Testamentes. Nach 2Thess 2,6–8 ist bekanntlich mit der Parusie des Widersachers erst zu rechnen, wenn der oder das, was ihn noch aufhält (ὁ κατέχων oder τὸ κατέχον) „aus der Mitte entfernt ist“. Nach allgemeinem altkirchlichem Verständnis ist ungebrochen auch im 7. Jahrhundert diese aufhal89 Zu Juden und Judentum in Maximosʼ Denken vgl.: Carl Laga, Judaism and Jews in Maximus Confessorʼs Works. Theoretical Controversy and Practical Attitudes, in: BySl 51 (1990), 183–188. 90 Maximus Conf., Epistula 14 (PG 91,541B5–9): Τί τούτων ὡς ἔφην Χριστιανῶν ὀφθαλμοῖς ἢ ἀκοαῖς φοβερώτερον; Ἔθνος ἀπηνὲς καὶ ἀλλόκοτον κατὰ τῆς θείας κληρονομίας ὁρᾷν ἐπανατείνεσθαι χεῖρας συγχωρούμενον. Ἀλλὰ ταῦτα τὸ πλῆθος ὧν ἡμάρτομεν συμβῆναι πεποίκεν. 91 Maximus Conf., Epistula 14 (PG 91,541C8–9): ὁ ἐπὶ τῷ λόγῳ τῆς πίστεως ἐν καιροῖς διωγμῶν δισταγμός. 92 Maximus Conf., Epistula 14 (PG 91,541C13–D8): […] θεωροῦντες, καὶ τῇ πείρᾳ λαμβάνοντες, ὧν προείπε τὴν ἔκβασιν. 93 Vgl. z. B. Hebr. 11, 8.

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tende Macht und ihr Repräsentant mit dem Imperium Romanum identisch. Der Fortbestand des Imperium Romanum galt als Garant dafür, dass das Ende der Zeiten noch nicht hereingebrochen sei.94 Maximos aber rechnete anscheinend mit der Möglichkeit des Untergangs des Imperiums. Damit war er nicht alleine, wie im nächsten Kapitel deutlich werden wird. Das Ziel der Araber war tatsächlich die Eroberung Konstantinopels und Vernichtung des Byzantinischen Reiches.95 Diese Aussagen legen meines Erachtens eine Datierung des Briefs nach der Schlacht am Yarmuk (636) und auch nach der Eroberung Jerusalems (638) nahe. Maximos ist weiterhin davon überzeugt, dass dies alles nicht ohne „Zulassung“ Gottes geschehe, es sei συγχωρούμενον. Der übliche Hinweis auf die menschlichen Sünden als Grund für Gottes Strafhandeln wird hier nun allerdings ebenfalls apokalyptisch zugespitzt. Denn die Laster des „Fressens und Saufens“ werden jetzt als Unsicherheit oder Schwanken in der Glaubenslehre interpretiert und damit über eine sündhafte Verstrickung in ethischem Fehlverhalten hinausgehend gedeutet. Nach 1Joh 4,2 f. aber herrscht der Geist des Antichrists dort, wo nicht bekannt wird, dass Jesus Christus in das Fleisch gekommen ist. Es legt sich meines Erachtens der Schluss nahe, dass Maximos hier die alexandrinische Union von 633, möglicherweise auch bereits die Ekthesis im Blick hat. Seinen Adressaten Petros Illustrios, der als Staatsfunktionär zur Loyalität gegenüber der kaiserlichen Religionspolitik verpflichtet war, wollte der „Confessor“ anscheinend gegen die damit verbundenen theologischen Aussagen immunisieren. Deswegen der „feurige“ Verteidiger der Dogmen der Kirche als Überbringer des Briefes, deswegen die dogmatischen Kephalaia als Lektüre für den General und deshalb dieser Brief. Die von Sophronios vertretene Deutung der Gegenwart im apokalyptischen Horizont wurde von seinem Schüler Maximos konsequent fortgeführt. Welche Konsequenzen hat Maximos aus dieser Deutung der geschichtlichen Situation gezogen? Hier ist nun von massiven Aktionen der Gegner der (45) kaiserlichen Religionspolitik unter führender Beteiligung des Maximos zu reden, die darauf abzielten, den Lauf der Dinge in politischer und kirchlicher Hinsicht in eine andere Richtung zu lenken.96

94 Vgl. Paul Metzger, Katechon. 2Thess 2,1–12 im Horizont apokalyptischen Denkens (BhZNW 135), Berlin/New York 2005, 15–25.276–293; Wolfgang. Trilling, Der zweite Brief an die Thessalonicher (EKK XIV), Zürich/Neukirchen-Vluyn 1980, 94–105. 95 Vgl.: Brandes, Krisenbewältigung (s. Anm. 23), 141–212.146–147 mit Anm. 37. 96 Zum Folgenden vgl. auch: Booth, Crisis (s. Anm. 5), 278–328.

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Von byzantinistischer Seite und wesentlich durch Wolfram Brandes ist in den vergangenen Jahren herausgearbeitet worden,97 dass die Verurteilung des Maximos wegen Hochverrates in seinen beiden Prozessen im Trullos des Konstantinopler Kaiserpalastes in den Jahren 655 und 662 durch den als Gericht tagenden römischen Senat nicht aus der Luft gegriffen war. Ab 645/6 bis zum Beginn der fünfziger Jahre hatte sich Maximos in Rom aufgehalten; darauf ist er ‒ jedenfalls nach seiner syrischen Vita ‒ freiwillig nach Konstantinopel gegangen, um dort gegen den Monotheletismus zu agitieren. Im Jahre 653 wurde er deshalb durch die dortige Ortssynode, die Synodos endemusa, als Häretiker verurteilt.98 Die erst nach seinem zweiten Hochverratsprozess im Jahr 662 vollzogene, dem römischen Recht entsprechende Spiegelstrafe99 basierte auf dem Urteil „Blasphemie und Hochverrat“.100 Dahinter stand der Vorwurf, dass der Usurpationsversuch101 des Exarchen von Africa, Gregorios, im Jahre 645/6 seine „maßgebliche(n) Unterstützung“, gefunden hatte, „von deren Faktizität“ ‒ so Brandes ‒ „wir wohl auszugehen haben“.102 Der Anklage nach hatte Maximos darüber hinaus bereits 10 Jahre zuvor jenem Magister militum von Numidien, Petros Illustrios, der 633/4 den Befehl erhalten hatte, gegen die Araber zu ziehen, von diesem Feldzug abgeraten. Denn Petros hatte ihn als „heiligen Mann“103 vorher um Rat gefragt. Maximos habe als Begründung dabei angegeben: „Tue das nicht, denn Gott gefällt es nicht, dem Römischen Staat unter der Herrschaft des Herakleios und seines (46) Geschlechtes beizustehen.“104 Petros Illustrios hatte daraufhin tatsächlich den Gehorsam verweigert und war nicht gegen

97 Brandes, Krisenbewältigung (s. Anm. 23), 177–212; Ders., Konstantin der Große in den monotheletischen Streitigkeiten des 7. Jahrhunderts (in: Eleonora Kountoura-Galake (Hg.), The Dark Centuries of Byzantium [7th–9th. c.], Athen 2001, 89–107). 98 Vgl. PMBZ 4921 (Maximos Homologetes), S. 210; Winkelmann, Streit (s. Anm. 8), Nr. 131b. 99 S. o. S. 30; vgl. Spiros N. Troianos, Ταυτοπάθεια, spiegelnde Strafen und Nasenabschneiden, in: Rainer Kiesow, Regina Ogorek, Spiros Simitis (Hg.), Summa. FS Dieter Simon zum 70. Geb., Frankfurt /M. 2005, 569–578. 100 Βλασφημιῶν ἕνεκα καὶ τυρρανίδων: Disputatio Bizyae (CCSG 39,149,825 Allen/Neil). 101 Gregorios plante anscheinend ein „orthodoxes“ Reich mit dem in Konstantinopel abgesetzten und zum Dyotheletismus „bekehrten“ Patriarchen Pyrrhos als Patriarch. Die Durchsetzung des maximianischen Dyotheletismus auf mehreren Synoden in Africa war dazu der Anfang. Vgl.: Haldon, Byzantium (s. Anm. 23), 306–307; v. Dieten, Geschichte der Patriarchen (s. Anm. 4), 83–85. 102 Brandes, Krisenbewältigung (s. Anm. 23), 212. 103 Relatio motionis (CCSG 39,15,33 Allen/Neil). 104 Relatio motionis (CCSG 39,15,34–37 Allen/Neil); Καὶ ἀντέγραψας αὐτῷ λέγων μηδὲν τοιοῦτο ποιῆσαι, ἐπειδὴ οὐκ εὐδοκεῖ ὁ θεὸς ἐπὶ τῆς βασιλείας Ἡρακλείου καὶ τοῦ γένους αὐτοῦ συμπραχθῆναι τὴν πολιτείαν τῶν ῾Ρωμαίων. Phil Booth hat als eine Kernthese seiner luziden Untersuchung deutlich machen können, dass schon seit den persischen Eroberungen die aus Palästina geflohene Mönchsgruppe um Johannes Moschos, Sophronios und Maximos mit Parteigängern in Palästina eine zunehmend distanzierte Haltung gegenüber Herakleios und sei-

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die Araber gezogen. Dies brachte Maximos schon 655 die Anklage ein: „Du allein hast Ägypten, Alexandrien, die Pentapolis, Tripolis und ganz Africa an die Sarazenen verraten!“105 Dieser scheinbar überzogene Vorwurf wird nachvollziehbar durch die allgemeine byzantinische Praxis höchster Staatsfunktionäre bis hin zum Kaiser selbst, vor entscheidenden Handlungen Rat und Weisung bei einem „heiligen Mann“ einzuholen.106 Ein zweiter Anklagepunkt betraf die von dem griechischen Papst Theodor I. (642‒649)107 unter Berufung auf einen Traum des Maximos an den Usurpator Gregorios weitergegebene Aktualisierung des Zentralereignisses der byzantinischen Kaiserideologie, der Vision Kaiser Konstantins des Großen 312 an der Milvischen Brücke.108 Maximos habe im Traum am Himmel zwei Engelschöre gesehen. Der eine – im Osten – habe gesungen: Constantine Auguste, tu vincas! Der andere aber im Westen, der den östlichen laut übertönte, habe gesungen: Gregorie Auguste, tu vincas! Diese Botschaft habe Papst Theodor dem nordafrikanischen Usurpator Gregorios überbringen lassen. Wolfram Brandes hat unter Hinweis auf die hervorgehobene Bedeutung divinatorischer Träume „heiliger Männer“ für die byzantinische religiöse Mentalität die erhebliche politische Relevanz dieses Traumes deutlich gemacht. Die Umdeutung der Konstantin-Vision sei „ein Versuch massiver Manipulation eines wesentlichen Elements der byzantini-

ner Herrschaft einnahm, die auch durch den Sieg über die Perser nicht rückgängig gemacht wurde. Die Identifizierung von Imperium und Kirche wurde je länger je mehr in Frage gestellt und demgegenüber ein neues Verständnis kirchlicher Einheit und Identität entwickelt, das sich nicht mehr imperial, sondern wesentlich sakramental und ethisch orientierte. In diesem Zusammenhang spielte die rituelle Abgrenzung gegenüber den vorchalcedonensischen Kirchen und die programmatische Bekämpfung jeder Interkommunion eine hervorgehobene Rolle. Umso mehr habe sich die Abwendung von Herakleios verstärkt, als dieser im Rahmen seiner Unionspolitik aus der Hand der Armenier und Severianer, ja sogar der Nestorianer persönlich die Kommunion empfing (Booth, Crisis [s. Anm. 5], 160–164.184–185.221). Über dieser Frage scheint es zu einer Spaltung im Patriarchat Jerusalem gekommen zu sein (A.a.O., 186– 188). In diesen Zusammenhang gehört auch Maximosʼ harsche Kritik an der vom Kaiser angeordneten Zwangstaufe der Juden (A.a.O., 170–171). Die als Skandal betrachtete inzestuöse Ehe des Kaisers mit seiner Nichte Martina (seit 611) wird das Ihre zu dieser Distanzierung beigetragen haben. 105 Relatio motionis (CCSG 39,13.24 ff. Allen/Neil). 106 Vgl.: Eleonora Kountoura-Galake, Προρρήσεις μοναχών και ανάδειξη αυτοκρατόρων στη διάρκεια των „σκοτεινών αιώνων“, in: Dies. (Hg.), The Dark Centuries of Byzantium (s. Anm. 97), 421–441. 107 PMBZ, Nr. 7769. 108 Brandes, Krisenbewältigung (s. Anm. 23), 185–192; Ders., Konstantin der Große (s. Anm. 97).

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schen Kaiserideologie“ gewesen.109 Es kann deshalb nicht überraschen, dass diese Vorgänge vom römischen Senat110 und natürlich von Kaiser Konstans II., der hier mit dem „Constantine Auguste, tu vincas!“ gemeint war, sehr ernst genommen wurden.111 Hinzu kommt nun noch, dass auch der Konzilspapst der Lateransynode von 649, Martin I. (649‒653.†655)112 im Jahre 653 einem ähnlichen Hochverratsprozess unterzogen worden war, weil er den Usurpationsversuch des Exarchen von Ravenna, Olympios, unterstützt habe, indem er u. a. die Soldaten zu einem Treueid gegenüber Olympios bewegt habe. Der Papst hat dies im Prozess nicht bestritten.113 Damit sind wir bei den Vorgängen um die Lateransynode von 649, die zu einer massiven kirchlichen Konfrontation mit der Konstantinopler Kirchenpolitik führte. Der aus Jerusalem stammende griechische Papst Theodor I. (642‒649) hatte bereits seit 643 einen Häresieprozess gegen den vormaligen Konstantinopler Patriarchen Pyrrhos gefordert und vorbereitet,114 der im Zweifelsfall in Rom durchzuführen sei. Und als Patriarch Paulos II. von Konstantinopel (641‒653)115 nicht (48) Folge leistete, erklärte Theodor diesen im Jahre 646/7 für abgesetzt.116 Die unter dem Vorsitz von Papst Martin I. dann im Jahre 649 tagende Synode hat am Ende in ihrem 18. Anathema alle bisherigen Konstantinopeler Patriarchen des 7. Jahrhunderts: Sergios, Phyrrhos und den regierenden Paulos, zusammen mit Theodoros von Pharan, Kyros von Alexandrien samt allen ihren Anhängern

109 Brandes, Krisenbewältigung (s. Anm. 23), 186.192. Die Verkündigung des Sieges für den Usurpator durch Engel gab dem Traum zusätzliche Autorität, galt dies doch in den verbreiteten byzantinischen Traumbüchern (ὀνειροκριτικὰ βιβλία) als Zeichen zukünftigen Sieges. Zusammen mit sog. Brontologien, Seismologien u. a. m. gehörten die Oneirokritika zur verbreiteten, die Gegenwart und Zukunft deutenden Gattung der sog. „Visonen Daniels“. Vgl.: Brandes, Konstantin der Große (s. Anm. 97), 102–104; Ders., Kaiserprophetien und Hochverrat. Apokalyptische Schriften und Kaiservaticinien als Medium antikaiserlicher Propaganda, in: Brandes/Schmieder (Hg.), Endzeiten (s. Anm. 23), (157–200), 182–184; Maria Mavroudi, A Byzantine Book of Dream Interpretation. The Oneirocriticon of Achmet and Its Arabic Source, Leiden/Boston/Köln 2002. 110 Zur Rolle des römischen Senates im 7. Jahrhundert und in den Prozessen gegen Maximos und Papst Martin vgl.: Haldon, Byzantium (s. Anm. 23), 160–172.168. 111 Maximos verteidigte sich damit, dass die beigebrachten Zeugen keine schriftlichen Beweise vorlegen könnten, die involvierten Personen nicht mehr am Leben seien, und Träume unfreiwillig seien, also eigentlich nur Papst Theodor als Verbrecher angeklagt werden könne. Vgl.: Brandes, Krisenbewältigung (s. Anm. 23), 184–186. 112 PMBZ, Nr. 4851. 113 Vgl.: Brandes, Krisenbewältigung (s. Anm. 23), 159–177.168–172. 114 Winkelmann, Streit (s. Anm. 8), Nr. 79–81.103. 115 PMBZ, Nr. 5763. 116 Winkelmann, Streit (s. Anm. 8), Nr. 104.

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anathematisiert und diese in eine Reihe mit den Häresiarchen Sabellius, Arius, Nestorius, Eutyches u. a. gestellt.117 Nach den Forschungen von Rudolf Riedinger118 ist davon auszugehen, dass der gesamte Aktenbestand119 dieser Synode ‒ einschließlich der Reden der Bischöfe! ‒ von griechischen zweisprachigen Mönchen um Maximos in Rom zuvor kompiliert und komponiert worden war. Der lateinische Text der Akten ist eine Übersetzung aus dem Griechischen.120 Es sind jene aus Palästina vor den Arabern ins Exarchat Karthago, nach Sizilien und Rom geflüchteten Mönche121 gewesen, die zusammen mit Papst Theodor I. diese Synode vorbereiteten und nach dem Tode Theodors mit seinem Nachfolger Martin I. durchführten. „Diese bedienten sich gleichsam des römischen Primatsanspruchs, um ihren theologischen Einsichten als Dogmata eines ‚6. Allgemeinen Konzils’ Geltung zu verschaffen“.122 Der Auftrag des Sophronios an Stephanos von Dora hatte zu einer umfassenden Kampagne geführt, in der Maximos die Fäden zog. In vorbereiteten Briefen Papst Martins an die Ortskirchen der Christenheit einschließlich der fränkischen, von Tongern/Maastricht über Africa (49) bis nach Arabien wurden diese aufgefordert, den Beschlüssen der Lateransynode beizutreten.123 Unter dem eklatanten Bruch des Kirchenrechtes setzte überdies

117 Die ganze Reihe umfasst: Σαβέλλιον, Ἄρειον, Εὐνόμιον, Μακεδόνιον, Ἀπολινάριον, Πολέμωνα, Εὐτυχέα, Διόσκορον, Τιμόθεον τὸν Αἴλουρον, Σεβῆρον, Θεοδόσιον, Κόλλουθον, Θεμέστιον, Παῦλον τὸν Σαμοσατέα, Διόδωρον, Θεόδωρον, Νεστόριον, Θεόδουλον τὸν Πέρσην, Ὠριγένην, Δίδυμον, Εὐάγριον καὶ ἁπλῶς τοὺς ἄλλους ἅπαντας αἱρετικοὺς: Concilium Lateranense a. 649, Anath. 18 (ACO ser. II 1 p.378,29–384,25;380,5–12 (Ried.). Vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 8), Nr. 110. 118 Rudolf Riedinger, Kleine Schriften zu den Konzilsakten des 7. Jahrhunderts (IP 34), Turnhout 1998. 119 Dies sind 436 Seiten bei Rudolf Riedinger (Hg.), Concilium Lateranense a. 649 celebratum (ACO ser. II 1), Berlin 1984. Vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 8), Nr. 110. 120 Dies ist heute Konsens. Die weitergehende These Riedingers, dass auch die lateinische Übersetzung vom Maximoskreis angefertigt wurde und von den Synodalen die fertigen Texte einfach vorgelesen wurden, hat sich nicht durchsetzen können. Vgl.: Pietro Conte, Il Sinodo Lateranense dell’ottobre 649, Vatikan 1989; Richard Price, General Introduction, in: Price/ Booth/Cubitt, Lateran Synod (s. Anm. 15), 59–68. 121 Jean-Marie Sansterre, Les Moines grecs et orientaux à Rome aux époques byzantine et carolingienne (milieu du VIe s.–fin du IXe s.), Brüssel 1983. 122 v. Dieten, Geschichte der Patriarchen (s. Anm. 4), 98. Maximos hat die Lateransynode sogar so bezeichnet: Opuscula theol. et polem. 11 (PG 91,137D). Die beanspruchte Ökumenizität der Synode ergibt sich weiterhin aus der Forderung, dass die zuvor in Rom kopierten und an alle großen Kirchen verschickten Akten überall synodal rezipiert werden sollten. Vgl. dazu die Enzyklika Papst Martins ‒ auch hier ist der griechische Version der Originaltext des Briefes!: Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.404–420.412,2–4.11–12 Ried.). 123 Vgl.: Winkelmann, Streit (s. Anm. 8), Nr. 111.112.114.115.117.118.119.122.123.124. Die Absicht bleibt bestehen, auch wenn man mit Riedinger annehmen müsste, dass einige der Briefe fingiert sind.

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3 Die Bedeutung der Geschichtstheologie

der Papst einen Apostolischen Vikar im Orient ein, der dort die Bischöfe zur Annahme der Synodalbeschlüsse bewegen oder sie absetzen sollte.124 Der römische Primatsanspruch erfuhr so wesentlich durch die östlichen Theologen Sophronios und Maximos eine immense Bestätigung.125 Es war der gezielte Versuch, auf diesem Wege das Schisma in die gesamte Kirche zu tragen. Einer der Gründe für die radikale Wende in der päpstlichen Kirchenpolitik nach dem Tode von Papst Honorius I. (625–638), der die Haltung des Patriarchen Sergios theologisch voll unterstützt hatte,126 und die Bereitschaft, sich der dissentierenden theologischen Minderheit des Maximos-Kreises anzuschließen, muss ebenfalls in der katastrophalen politischen Lage des Reiches gesehen werden, die als göttliche Strafe gegen den Monotheletismus verstanden wurde.127 Papst Martin I. hat sich nach seiner Gefangennahme und Überführung nach Konstantinopel Ende 653 ganz in diesem Sinne geäußert. In seinem wohl ersten Schreiben aus der Haft (17. September 653–20. Dezember 653) an Theodoros Spudaios deutet er seine Situation eschatologisch. Unter Zitierung von Mt 24,22 und einer Kombination von 1Tim 4,1 und 2Tim 4,4 argumentiert er, dass Christus und Paulus eben dies alles vorausgesagt hätten, am Ende würden die Menschen vom Glauben abfallen und sich vom Hören der Wahrheit abwenden: „Und glaube mir, mein geliebtester Sohn, die Zeit ist nicht anders zu deuten, als dass es sich um deutliche, klare Zeichen des Anfangs der Wehen handelt, wie eben der Herr die Ankunft des Antichrist vorhergesagt hat.“128 (50) Zuvor hatte er seine ‒ wohl von Maximos formulierte ‒ Aufforderung an Kaiser Konstans II., die Beschlüsse der Lateransynode zu bestätigen, mit der Verheißung versehen, dass die Übernahme

124 Bereits Papst Theodor hatte Stephan von Dora in diesem Sinne beauftragt, wie aus dessen Bericht vor der Lateransynode hervorgeht (s. o. Anm. 70). Papst Martin hat dann das Amt an Ioannes von Philadelphia/Arabia (PMBZ, Nr. 2696) übergeben. In seinem Brief an Ioannes und weiteren Schreiben nach Palästina muss er allerdings berichten, dass Stephan wenig Erfolg hatte (PL 87,155A–159B). Vgl.: Winkelmann, Streit (s. Anm. 8), Nr. 116.120. Daraus ist zu schließen, dass die Chalcedonenser in Palästina in der Streitfrage gespalten waren. Vgl. dazu: Booth, Crisis (s. Anm. 5), 295–300. 125 Vgl.: Larchet, St. Maxime (s. Anm. 2), 198–205. 126 Vgl.: Georg Kreuzer, Die Honoriusfrage im Mittelalter und in der Neuzeit, Stuttgart 1975; Ohme, Oikonomia (s. Anm. 19), 315 f. 127 So: Price/Booth/Cubitt, General Introduction, in: Lateran Synod (s. Anm. 15), 48–58. „The rapid and catastrophic disintegration of the empire in the face of the Arab invasions provided proof of the grievous error of monotheletism. The extraordinary fragmentation of the empire and failure of imperial authority required an explanation which could be most readily found in the idea of divine punishment“ (A.a.O., 56). 128 Martinus I. pp, Epistula 15 (PL 87,199–202.199C1–4). Zu Theodoros Spudaios vgl.: PMBZ, Nr. 7439.

3 Maximos Homologetes: Umsturz und römischer Primat

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der dortigen Beschlüsse mit dem Sieg über die Barbaren und erneutem Frieden von Gott belohnt werden würden. Die kaiserliche Bestätigung der Synode diene „zur Vereinigung der katholischen Kirche und zur Sicherheit Eures christusliebenden und Gott unterwürfigen Staates. Denn die Bewahrung des Staates pflegt immer irgendwie mit dem orthodoxen Glauben zugleich in Blüte zu stehen. Der von Eurer Durchlaucht richtig geglaubte Herr wird nämlich in gerechter Weise zusammen mit Eurer Herrschaft die Feinde bekämpfen, indem er seine Stiftung bewaffnet zur Abwehr der Feinde […], um alle barbarischen Völker, die Kriege wollen, unter seine Füße zu legen.129

Wenn man die Frage stellt, warum Maximos und seine Gefährten bis zum bitteren Ende alle Verhandlungsangebote und jedes Entgegenkommen von Patriarch und Kaiser130 in der theologischen Streitfrage kategorisch ablehnten sowie (51) die in der Tradition verankerten Möglichkeiten der Oikonomia ignorierten,131 so

129 Martinus I. pp, Epistula 3 ad Constantem Imp. (PL 87,137–146.144 D12–145A5.8–9): […] εἰς σύστασιν μὲν τῆς καθολικῆς ἐκκλησίας, ἀσφάλειαν δὲ τῆς φιλοχρίστου καὶ δουλικῆς ὑμῶν πολιτείας. Ἐπειδὴ συνακμάζειν εἴωθέ πως ἀεὶ τῇ ὀρθοδόξῳ πίστει, καὶ ἡ τῆς πολιτείας συντήρησις. Συνεκπολεμήσει γὰρ τῷ ὑμετέρῳ κράτει δικαίως τοὺς πολεμίους ὁ παρὰ τῆς ὑμετέρας γαλήνης ὀρθῶς πιστευόμενος Κύριος, ὁπλοποιῶν τὴν κτίσιν εἰς ἄμυναν τῶν ἐχθρῶν […] πρὸς τὸ ὑποτάξαι ὑπὸ τοὺς πόδας αυτοῦ πάντα τὰ βάρβαρα φῦλα, τὰ τοὺς πολέμους θέλοντα. 130 Schon der Typos von 648 als Moratorium in der dogmatischen Streitfrage beinhaltete die Außerkraftsetzung der Ekthesis von 638 (636?, s. Anm. 43), wodurch die seitdem popagierte monotheletische Lehre ab sofort nicht mehr öffentlich vertreten werden durfte. Das gegen Maximos und seine beiden Schüler im ersten Hochverratsprozess von 655 erlassene Urteil muss als ausgesprochen milde und nachsichtig beurteilt werden. Sie wurden nur an verschiedene Orte verbannt, Maximos aber konnte in Bizye ungehindert seine Aktivitäten in literarischer Hinsicht fortsetzen. Patriarch Petros I. von Konstantinopel (654‒666) hat im Jahr 657/8 offensichtlich eine christologische Kompromissformel unterbreitet, die nur in der polemischen Darstellung des Maximos erhalten ist, aber immerhin auch dort noch lautet: „Wir bekennen zwei Wirksamkeiten wegen des Unterschieds (sc. der beiden Naturen) und eine Wirksamkeit wegen der Einigung (sc. beider Naturen)“ (Δύο λέγομεν ἐνεργείας διὰ τὴν διαφοράν, καὶ μίαν διὰ τὴν ἕνωσιν: Maximus Conf., Epistula ad Anastasium monachum discipulum [CCSG 39, 161,15 f. Allen/Neil]); vgl.: Winkelmann, Streit (s. Anm. 8), Nr. 134.135.147. Bei den Versuchen, Maximos zum Einlenken zu bewegen, wurde ihm durch eine kaiserliche Gesandtschaft sogar in Aussicht gestellt, den Typos zu annullieren, wenn er wieder in die communio eintreten würde (Disputatio Bizyae [CCSG 39,93,223–225 Allen/Neil]), und die Anerkennung eines differenzierten Dyotheletismus in Aussicht gestellt (A.a.O., 89,167;93–117). Schließlich bot der Kaiser auch noch an, Maximos öffentlich zu seinem geistlichen Vater zu ernennen und ihm damit entscheidenden Einfluss auf die weitere Kirchenpolitik einzuräumen. Einzige Bedingung war, dass zuvor durch die gemeinsame öffentliche Kommunion die Kirchengemeinschaft wiederhergestellt werde (A.a.O., 131,629–133,645). Haldon ist zuzustimmen: „from the earliest days of the conflict in 645/6 through to the final execution of Maximusʼ punishment, the government and Constans were eager to come to a peaceful compromise (Ders., Byzantium [s. Anm. 23], 310). 131 Vgl.: Ohme, Oikonomia (s. Anm. 19).

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3 Die Bedeutung der Geschichtstheologie

muss die aus apokalyptischer Zeitdeutung geborene Erwartung des unmittelbar bevorstehenden Gerichtes mit im Blick sein. Noch das letzte Versöhnungsangebot des Kaisers wird von Maximos mit den Worten zurückgewiesen: „Wir müssen alle des Jüngsten Gerichtes gewärtig sein! […] Wie sollte ich mich rechtfertigen […] für Menschenruhm […] dem Glauben abgeschworen zu haben, der doch nur die rettet, die sich ihm treu ergeben“.132

4 Apokalyptische Gegenwartsdeutung als gesellschaftlicher Konsens Nimmt man zu den dramatischen Ereignissen der arabischen Machtausbreitung die direkt davor liegende Besetzung Syriens, Palästinas und Ägyptens durch die Perser in den Jahren 611 bis 628 hinzu, die in der Eroberung Jerusalems, der Schändung des Heiligen Grabes und Wegführung des Heiligen Kreuzes zusammen mit der Einwohnerschaft nach Persien ihren Höhepunkt erreicht hatte,133 so wird nachvollziehbar, warum im 7. Jahrhundert das Aufkommen von apokalyptischen Schriften im Byzantinischen Reich so stark zugenommen hat. „Das Welt- und Geschichtsbild des überwiegenden Teils der byzantinischen Bevölkerung wurde nun zunehmend von apokalyptisch-eschatologischen Gedanken geprägt.“134 Die bei Anastasios Sinaites, Sophronios und Maximos gemachten Beobachtung müssen also in einen größeren Zusammenhang gestellt werden. Hierzu ist zuerst auf Hippolyt von Rom († 235) hinzuweisen. Denn die von ihm um das Jahr 200 in seiner Demonstratio de Christo et antichristo135 vorgenommene Deutung der vier Weltreiche von Dan 2 und 7 blieb der „rote Faden“

132 Disputatio Bizyae (CCSG 39, 133,647–661 Allen/Neil): ἡμέραν κρίσεως ἐκδεχόμεθα πάντες. […] Τί γὰρ ἀπολογήσομαι, οὐ λέγω τῷ θεῷ, ἀλλὰ τῷ ἐμῷ συνείδοτι, ὅτι διὰ δόξαν ἀνθρώπων […] τὴν σώζουσαν τοὺς στέργοντας αὐτὴν πίστιν ἐξωμοσάμην;. 133 Robert Schick, The Christian Communities of Palestine from Byzantine to Islamic Rule. A Historical and Archaeological Study, Princeton/New Jersey 1995, 33–39.328–355; Kaegi, Heraclius (s. Anm. 3), 78–80. Der reichsweite Schock nach der persischen Eroberung Jerusalems im Jahr 614 ist nur mit der Situation nach der Eroberung Roms im Jahr 410 vergleichbar. Das dramatischste Ereignis im allgemeinen Bewusstsein aber war die Entwendung der Kreuzesreliquie, galt sie doch als Unterpfand für Sieg und Herrschaft des Imperiums. 134 Wolfram Brandes, Apokalyptische Literatur, in: Friedhelm Winkelmann/Wolfram Brandes, Quellen zur Geschichte des frühen Byzanz (4.–9. Jahrhundert), Berlin 1990) 305–322), 306. Vgl. auch: Gerrit J. Reinink, Heraclius, the New Alexander. Apokalyptic Prophecies during the Reign of Heraclius, in: Ders./Bernard H. Stolte (Hgg.), The Reign of Heraclius (s. Anm. 26), 81–94. 135 Hippolytus, Demonstratio de Christo et antichristo (GCS 1,2 p.1–47 Bonwetsch/Achelis).

4 Apokalyptische Gegenwartsdeutung als gesellschaftlicher Konsens

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aller späteren Ausleger Daniels.136 Dazu gehört auch seine Identifizierung des (52) vierten und letzten irdischen Königreiches mit dem Imperium Romanum, das er allerdings noch als widergöttliche Macht ansah. Seit der Deutung von Dan 7,18 („Die Heiligen des Höchsten werden das Reich empfangen“) durch Euseb von Caesarea († 339) auf den Herrschaftsantritt Kaiser Konstantins137 aber war „in der Sache das römische Reich mit dem Reich Christi verschmolzen“.138 Bei der Auslegung von 2Thess 2,1–8 bestand schon von Irenaeus von Lyon über Origenes, Cyrill von Jerusalem, Chrysostomus bis Theodoret ein weiter patristischer Konsens, die dort erwähnte, den Widersacher aufhaltende Macht im Imperium Romanum zu erblicken.139 Dasselbe gilt für die orthodoxen Kirchenhistoriker des 5. Jahrhunderts, Sokrates († nach 439) und Sozomenus († nach 430).140 So blieb im Unterschied zur augustinisch geprägten abendländischen Sicht im Osten das Schicksal des Römischen Reiches von zentraler Bedeutung für die Sicht des Endes der Zeiten. Besondere Bedeutung hatte dabei das Schicksal Konstantinopels, des „Neuen Rom“ und „Neuen Jerusalem“.141 Denn sein Untergang ‒ durch welche Ursachen auch immer ‒ galt als notwendige Voraussetzung für das Anbrechen des Endes.142

136 Gerhard Podskalsky, Byzantinische Reichseschatologie: Die Periodisierung der Weltgeschichte in den vier Großreichen (Daniel 2 und 7) und dem tausendjährigen Friedensreich (Apok. 20), München 1972, 9–11.9; Reinhard Bodenmann, Naissance dʼune exégèse: Daniel dans lʼÉglise ancienne des trois premiers siècles (BGBE 28), Tübingen 1986. 137 Eusebius Caesariensis, De laudibus Constantini 3 (GCS 7, 200–202 Heikel). 138 Podskalsky, Byzantinische Reichseschatologie (s. Anm. 136), 12. 139 Irenaeus, Adversus haereses V 25,2 (SC 153/4, 312–314 Rousseau); Origenes, Contra Celsum VI, 45 f. (GCS 3, 115–118 Koetschau); Cyrillus Hier., Catecheses 15,11 f. (PG 33,884 f.); Chrysostomus, Homilia 4 in 2Thess. (PG 62,485–492); Theodoretus, Interpretatio in Epistula 2Thess. 2 (PG 82, 664C–665C). S. a. oben Anm. 94. 140 Vgl.: Friedhelm Winkelmann, Heiden und Christen in den Werken der oströmischen Historiker des 5. Jahrhunderts, in: Johannes van Oort/Dietmar Wyrwa, Heiden und Christen im 5. Jahrhundert, Leuven 1998, (123–159), 148–151. 141 Die Sicht des christlichen Imperiums als „Neues Israel“ und seiner Hauptstadt als „Neues Jerusalem“ war nach der siegreichen Abwehr der Belagerung Konstantinopels durch Perser und Avaren (626) im Jahre 627 durch Theodor Synkellos in einer Homilie mit typologischer Exegese neu biblisch begründet worden. Vgl.: F. Makk, Traduction et commentaire de l’homélie écrite probablement par Théorore le Syncélle sur le siege de Constantinople en 626, Szeged 1975; Olster, Roman Defeat (s. Anm. 48), 72–79; Endre von Ivánka, Rhomäerreich und Gottesvolk, Freiburg/München 1968, 49–61. 142 Paul Magdalino, The End of Time in Byzantium, in: Brandes/Schmieder, Endzeiten (s. Anm. 23), (119–133) 121–122. „The signs of the approaching end to which Byzantines were most attuned were those that announced the destruction of Constantinople ‒ whether by invasion, plague, fire, wind, earthquake or submersion in the sea“ (A.a.O., 122).

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3 Die Bedeutung der Geschichtstheologie

In gleicher Weise hatte der apokalyptische Geist auch das Judentum ergriffen. Schon nach der Eroberung Jerusalems durch die Perser im Jahre 614, an (53) der „wohl selbständige Einheiten“ jüdischer Kämpfer mitwirkten, die dann auch aktiv an den massiven Ausschreitungen gegen die christliche Bevölkerung und Kirchen beteiligt waren,144 war es kurzzeitig zu einer Restauration des jüdischen Opferkultes auf dem Tempelplatz gekommen.145 Die meisten jüdischen Apokalypsen dieser Zeit datieren aus den Jahren 630–640 wie die Apokalypse des Serubbabel (Sefer Serubbabel)146, die „Zeichen des Messias“ (Otot ha-Mashiah)147 oder die „Geheimnisse des Rabbi Simon ben Johai“148. Gemeinsam ist ihnen, dass der Römische Kaiser ‒ hier König von Edom genannt ‒ mit dem Antichrist identifiziert wird. Die dafür verwendete Bezeichnung „Armilos“ begegnet jetzt erstmals als jüdisches Pendant zum christlichen Antichristos.149 143

143 Gilbert Dagron/Vincent Déroche, Juifs et chrétiens dans lʼorient du VIIe siècle, in: TMCB 11 (1991), 17–273 (= Dies., Juifs er chrétiens en orient byzantin [Bilans de recherche 5] Paris 2010); John C. Reeves, Trajectories in Near Eastern Apocalyptic. A Postrabbinic Jewish Apocalypse Reader, Atlanta 2005; Lutz Greisiger, Die Geburt des Armilos und die Geburt des „Sohnes des Verderbens“. Zeugnisse jüdisch-christlicher Auseinandersetzungen um die Identifikation des Antichristen im 7. Jahrhundert, in: Brandes/Schmieder (Hg.), Antichrist (s. Anm. 23), 15–38. 144 Vgl.: Dagron/Déroche, Juifs et chrétiens (s. Anm. 143), 22–28; Greisiger, Die Geburt des Armilos (s. Anm. 143), 16 mit Anm. 8–10 (Lit.). 145 Zwei zeitgenössische jüdische apokalyptische Texte, u. a. für liturgische Zwecke bestimmt und in der Kairoer Geniza überliefert, bezeugen dies: Ezra Fleischer, Solving the Qiliri Riddle, in: Tarb 54 (1984), 383–427. Vgl. dazu: Dagron/Déroche, Juifs et chrétiens (s. Anm. 143), 26 f. mit Anm. 47; Greisiger, Die Geburt des Armilos (s. Anm. 143), 16 f. mit Anm. 13. 146 Vgl.: Wout J. van Bekkum, Jewish Messianic Expectations in the Age of Heraclius, in: Reinink/Stolte (Hg.), The Reign of Heraclius (s. Anm. 26), 95–112; David Biale, Counter History and Jewish Polemics Against Christianity. The Sefer toldot yeshu and the Sefer zerubavel, in: JSocS 6 (1999), 130–145; Reeves, Trajectories (s. Anm. 143), 40–66; Moshe Gil, The Apocalypse of Zerubbabel in Judaeo-Arabic, in: REJ 165 (2006), 1–98; Günter Stemberger, Die römische Herrschaft im Urteil der Juden (EdF 195), Darmstadt 1983, 138–143. 147 Arthur Marmorstein, Les signes du Messie, in: RÉJ 52 (1906), 176–186); Reeves, Trajectories (s. Anm. 143), 121–129; Alexei M. Sivertsev, Judaism and Imperial Ideology in Late Antiquity, Cambridge 2011, 47–52. 148 Bernard Lewis, An Apocalyptic Vision of Islamic History, in: BSOAS 13 (1950), 308–338; Ders., On that day. A Jewish apocalyptic poem on the Arab Conquest, in: Pierre Salmon (Hg.), Mélanges d’Islamologie dédiés à la mémoire dʼArmand Abel I, Leiden 1974, 197–200); Simone Rosenkranz, Die jüdisch-christliche Auseinandersetzung unter islamischer Herrschaft. 7.– 10. Jahrhundert (Judaica et Christiana 21), Frankfurt/M. 2004, 178–186; Reeves, Trajectories (s. Anm. 143), 76–88; Greisiger, Die Geburt des Armilos (s. Anm. 143), 19 mit Anm. 26. 149 Greisiger, Die Geburt des Armilos (s. Anm. 143), 23–32. „Der Name Armīlōs ist die aramaisierte beziehungsweise hebraisierte Form von Ῥωμύλος, dem legendarischen Begründer Roms“ (A.a.O., 23).

4 Apokalyptische Gegenwartsdeutung als gesellschaftlicher Konsens

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Christliche und jüdische Zeitdeutungen haben sich hier anscheinend wechselseitig bedingt.150 So schien das kurzfristige Wiederaufleben eines jüdischen Opferkultes auf dem Tempelplatz in Jerusalem das definitive Ende des Tempels in Frage zu stellen und ein deutliches Zeichen der Endzeit zu sein. Gilbert Dagron (54) hat deutlich gemacht, dass von daher auch die von Herakleios im Jahre 632 angeordnete Zwangstaufe der Juden zu interpretieren sei. In Erwartung von Israels endzeitlicher Errettung (Röm 11,25–27) war diese Maßnahme ‒ wie umfassend auch immer sie durchgeführt worden ist ‒ anscheinend getragen von der Idee, „que l’empereur chrétien avait un rôle à jouer dans cette ultime phase de lʼéconomie du salut“.151 Ihr deutlichstes Echo hat diese Situation in der sog. Doctrina Jacobi nuper baptizati152 gefunden. Von einem christlichen Anonymus verfasst, stellt sie ein fiktives Gespräch des Jahres 634 dar zwischen dem zum wahren Christen gewordenen neugetauften Jakobus und einer durch die römische Rückeroberung Jerusalems und die Zwangstaufe desillusionierten jüdischen Gruppe in Karthago, deren Sprecher der ungetaufte Rabbi Justus ist. Neben der Rechtfertigung der Zwangstaufe in dieser letzten apokalyptischen Phase geht es in der Doctrina Jacobi um eine Neubestimmung des Verhältnisses zum Römischen Reich und die Einordnung der einsetzenden arabischen Eroberungen. Dabei ist für den Autor offensichtlich, dass das Kommen des Antichrists unmittelbar bevorsteht. Im Zusammenhang des Gespräches über Dan 7,2–26 wird überdies deutlich, dass für alle Gesprächsteilnehmer ‒ und damit auch für den christlichen Autor ‒ mit der Niederlage des Herakleios gegen die Araber das unbezweifelbare Ende der Geschichte gekommen ist. Beide Seiten sind sich darin einig, dass das vierte Reich der Danielvision, die Romania, verloren ist.153 Auf diesem Hintergrund sind nicht nur die antijüdischen Ausfälle des Maximos einzuordnen. Vor allen Dingen sind die zuvor geschilderten politischen und synodalen Machenschaften des Maximoskreises nicht allein als Versuche zu werten, der beanspruchten Wahrheit in der theologischen Streitfrage mit

150 Zur Rezeption von Motiven byzantinischer Apokalyptik in jüdischen Apokalypsen der Zeit vgl.: Sivertsev, Judaism and Imperial Ideology (s. Anm. 147). 151 Dagron/Déroche, Juifs et chrétiens (s. Anm. 143), 28–32.42.30 (Zitat). Skeptischer: Günter Stemberger, Zwangstaufen von Juden vom 4.–7. Jahrhundert: Mythos oder Wirklichkeit?, in: Clemens Thoma/Günter Stemberger/Johann Maier [Hgg.], Judentum‒Ausblicke und Einsichten. Festgabe für Kurt Schubert zum 70. Geb. [Judentum u. Umwelt 43], Frankfurt/M. 1993, (81–114) 106–110. Die These von Paul Speck (Ders., Varia VI [1997] 441–467), die Zwangstaufe unter Herakleios sei historische Fiktion, hat sich nicht durchgesetzt. 152 Dagron/Déroche, Juifs et chrétiens (s. Anm. 143), 48–248. 153 Doctrina Jacobi V,7 (195,2–3 Dagron/Déroche). Vgl.: Dagron/Déroche, Juifs et chrétiens (s. Anm. 143) 263 ff.

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3 Die Bedeutung der Geschichtstheologie

allen denkbaren Mitteln zur Geltung zu verhelfen. Sie müssen meines Erachtens vielmehr als durch die apokalyptische Gegenwartsdeutung und das als unmittelbar bevorstehend erwartete Gericht motiviert verstanden werden. (55)

5 Nochmals: Anastasios Sinaites und die byzantinische Geschichtstheologie am Ende des 7. Jahrhunderts Wir nehmen abschließend nochmals die eingangs erwähnten Darstellung des Anastasios Sinaites aus dem Jahre 701 über den Verlauf und die Folgen des sog. monenergetisch-monotheletischen Streites in den Blick. Der Sinaiabt hat dort über die bereits dargelegten Passagen hinaus auch Details berichtet über die Anfänge der Unionsbemühungen des Herakleios während der Perserkriege und die weiteren Maßnahmen bis zur ägyptischen Union von 633 und zur Ekthesis. Die historische Zuverlässigkeit dieser Informationen ist schon vor einiger Zeit von Jan Louis van Dieten überprüft worden.154 Hätten wir nur diese Quelle, wären wir „falsch und z. T. fehlerhaft“ über diese Kontroverse informiert.155 Es handelt sich um einen „sehr fehlerhaften Abriß der Geschichte des monotheletischen Streites aus dyotheletischer Sicht“.156 Dies lässt sich manchmal damit erklären, dass Anastasios viele Details nicht näher bekannt gewesen sein mögen. Darüber hinaus aber ist der Bericht durchweg als ausgesprochen tendenziös zu beurteilen. Dies betrifft vor allem die uns hier interessierenden geschichtstheologischen Deutungen der geschilderten Ereignisse. Van Dieten urteilte hier: „Er fälscht dabei, bewußt oder mehr wahrscheinlich unbewußt, die Chronologie“.157 Dieses Urteil bedarf nun meines Erachtens allerdings der Präzisierung. Denn schon die ‒ eingangs zitierte158 ‒ falsche Behauptung des Anastasios, dass das Unheil der arabischen Eroberungen erst nach dem Tod des Herakleios im Jahre 641 und als Folge des Prozesses gegen Papst Martin nach 649 „sofort“ begonnen habe, ist nicht nur eine um 16 Jahre verzerrte Chronologie, sondern deutlich von dem Bemühen getragen, den Sieger der Perserkriege, der „das siegbringende Siegeszeichen des Kreuzes“ „durch die Mithilfe Gottes“ nach Jerusalem zurückbrachte, nicht in Zusammenhang mit den dramatischen Niederlagen gegen die Araber zu bringen. Denn dies ließe sich mit dem hinter der

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v. Dieten, Exkurs II (s. Anm. 25), 179–218. A.a.O., 179. Winkelmann Streit (s. Anm. 8), Nr. 175. Van Dieten, Exkurs II. (s. Anm. 25), 181. S. o. Anm. 30.

5 Nochmals: Anastasios Sinaites und die byzantinische Geschichtstheologie

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Darstellung stehenden geschichtstheologischen Konzept der traditionellen triumphalistischen Reichstheologie schwerlich in Übereinstimmung bringen. Aus demselben Grund weist Anastasios nun auch in den Abschnitten davor das Aufkommen der Energien- und Willensthematik bei der Begegnung des Herakleios mit dem „jakobitischen“ Patriarchen Athanasios I. Gammala von Antiochien (593/4‒630/1) im Jahre 628, die dann dort ebenfalls zu einer (56) vorübergehenden Wiederherstellung der kirchlichen Einheit führte,159 dem antichalcedonensischen Patriarchen zu.160 Der Kaiser „ob dieser Frage äußerst befremdet, da sie ja zu unseren Zeiten noch nie aufgeworfen worden war“, habe sich darauf erst an den Konstantinopler Patriarchen Sergios gewandt. Und es sei nun eben dieser gewesen, der „einen natürlichen Willen und eine natürliche Wirksamkeit bekannt habe.“161 Hier wird nicht nur die sich seit dem 6. Jahrhundert bereits in diese Richtung entwickelnde162 orthodoxe theologische Tradition unterschlagen und die Position des Konstantinopler Patriarchen verfälscht dargestellt.163 Vielmehr werden hier die „Monophysiten“ zum Urheber

159 Vgl. dazu: Lange, Mia Energeia (s. Anm. 7), 553–566. 160 Anastasius Sinaita, Sermo adv. Monotheletas 3,1 (56,31–33 Uthemann). 161 Anastasius Sinaita, Sermo adv. Monotheletas 3,1 (56,34–56,35–37;57,47–48 Uthemann). 162 Uthemann, Der Neuchalkedonismus (s. Anm. 16). 163 Anastasios unterstellt mit seiner Formulierung, dass der Patriarch einen menschlichen Willen und eine menschliche ἐνέργεια Jesu geleugnet habe ‒ entsprechend dem im Jahre 701 schon stereotyp gewordenen antimonotheletischen Verdikt. Tatsächlich hat Sergios im Jahre 633/4 in seinem ersten Brief an Papst Honorius (ACO ser. II 2,2, p.534,1–546,25) ‒ einem Schlüsseltext des Monotheletismus ‒, deutlich gemacht, dass er gegen jede numerische Verwendung des Energeia-Begriffes in Hinsicht auf Jesu Handeln sei. Denn damit sei das Missverständnis gegeben, entweder seine wahre Menschheit zu leugnen, oder zwei entgegengesetzte Willen in Jesus zu postulieren (542,8–16). Vielmehr sei der Ausgangspunkt bei der einen Person Jesu zu nehmen, insofern „der eine und selbe eingeborene Sohn, unser Herr Jesus Christus, der wahre Gott, das Göttliche und Menschliche wirkt und dass alles gott- und menschengemäße Wirken von ein und demselben fleischgewordenen Gott-Logos ungetrennt hervorgeht und sich auf ein und denselben bezieht“ (542,4–7). Mit der Tradition lehrt er, „dass niemals das Fleisch des Herrn mit seiner vernünftigen Seele getrennt und aus eigenem Antrieb entgegen dem Wink des ihm hypostatisch geeinten Gott-Logos seine natürliche Bewegung vollzog, sondern wann, wie und in welchem Maß sie der Gott-Logos wollte“ (542,18–21). Die Vernunftseele und damit der menschliche Wille Jesu werden demnach keineswegs in Frage gestellt. Allerdings versteht Sergios unter Wille und Wollen Jesu nur die der menschlichen Natur eigenen eher reflexhaften und intuitiven Bewegungen (Lebenswille, Hunger, Durst usw.). Damit repräsentiert er aber durchaus das traditionelle Denken. Erst Maximos hat im Laufe der Diskussion später (!) die Problematik eines von der Vernunft gesteuerten menschlichen Willens Jesu thematisiert. Vgl.: Price, Monotheletism (s. Anm. 16).

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3 Die Bedeutung der Geschichtstheologie

des Monotheletismus gemacht164 und Patriarch Sergios zur entscheidenden Vermittlungsinstanz erklärt. Vor allem aber ist der „unter der Mithilfe Gottes“ stehende Kaiser Herakleios damit völlig exkulpiert. Aus demselben Interesse wird die von Herakleios im Jahre 638 (636?)165 publizierte Ekthesis mit ihrem (57) Verbot, weiter über ein oder zwei Wirkweisen in Christus zu streiten, allein mit der Scham des Kaisers über die falschen Unionsbemühungen begründet. Anastasios hat schließlich das VI. Ökumenische Konzil von 680/1 als von Gott angenommenes wohlgefälliges Opfer dargestellt, das die unmittelbare Ursache dafür gewesen sei, dass der Romania bis zum Zeitpunkt der von ihm gehaltenen Predigt eine zwanzigjährige Friedenphase geschenkt worden sei, vor allem aber, dass die Araber das Schwert gegeneinander erhoben hätten. Die innerarabischen Kämpfe und Konflikte, auf die der Sinaiabt hier anspielt, begannen allerdings bereits in den fünfziger Jahren des 7. Jahrhunderts zur Zeit des Kalifen ʿAlī (656‒661), also noch während der Regierungszeit des von Anastasios verfemten Konstans II. (†668). Sie führten zur Machtübernahme der Ommayadendynastie durch Muʿāwiya im Jahr 661, dauerten aber fort, bis es dem Kalifen ʿAbd al-Malik (685‒705) gelang, die arabische Herrschaft wieder zu konsolidieren.166 Die dadurch bedingte Friedenszeit des Reiches begann ebenfalls lange vor dem III. Constantinopolitanum, als es ebenfalls zuerst Konstans II. gelang, im Jahre 657/8 mit dem Gouverneur Syriens, Muʿāwiya, der dem Kalifen ʿAlī die Gefolgschaft verweigert hatte, einen Friedensvertrag abzuschließen. Dieser Vertrag wurde in den Jahren 685 von dem Sohn des Konstans, Konstantin IV., und 686/7 von seinem Enkel, Justinian II. (685‒695.705‒711), jeweils nur erneuert.167 Auch hier wird also nicht nur die Chronologie „bewusst oder unbewusst“ verfälscht, sondern die Fakten werden im Interesse einer dyotheletischen Geschichtsdeutung geradezu auf den Kopf gestellt. Denn „die Ruhe vor

164 Demgegenüber hat Sergios in seinem Brief an Honorius mitgeteilt, dass es der Kaiser selbst war, der bei einer Disputation mit dem Severianer Paulos Monophthalmos (i. J. 622) in Armenien die Formel der μία ἐνέργεια ins Spiel gebracht habe (ACO ser. II 2,2, p.534,21–22 Ried.). Vgl.: Lange, Mia Energeia (s. Anm. 7), 545–549. 165 Zur Datierung s. o. Anm. 43. 166 Vgl.: Martin Forstner, Art. Kalif, Kalifat, in: LMA 5 (1991), 868–869; Hans-Rudolf Singer, Art. Omayyaden, in: LMA 6 (1993), 1405–1407; Gernot Rotter, Die Umayyaden und der zweite Bürgerkrieg (680–692), Wiesbaden 1982, 208–237; ‘Abd al-Ameer A. Dixon, The Umayyad Caliphate 65–86/684–705, London 1971, 121–142; Gerald R. Hawting, The first dynasty of Islam: The Umayyad caliphate, AD 661–750, London/New York 22000. 167 Franz Dölger/Andraes E. Müller, Regesten der Kaiserurkunden des oströmischen Reiches. I,1 Regesten 565–867, 2. Aufl. besorgt u. Mitarbeit von Johannes Preiser-Kapeller u. Alexander Riehle v. Andreas E. Müller, München 2009, Reg. 228b; 253; 253a.

5 Nochmals: Anastasios Sinaites und die byzantinische Geschichtstheologie

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den Arabern war tatsächlich Voraussetzung für das VI. Konzil und nicht eine Folge davon“.168 Dies alles macht deutlich, dass die seit Euseb im Osten herrschende traditionelle triumphalistische Geschichtstheologie im 7. Jahrhundert in nicht geringe Schwierigkeiten bei der Einordnung der historischen Fakten geraten war. Das kulturelle und religiöse Überlegenheitsgefühl der christlichen Römer,169 getragen (58) von der Überzeugung, dass auf Seiten der orthodoxen Christen ein die Geschicke lenkender Gott steht, der dem rechtgläubigen Kaiser den Sieg schenkt, war in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts ins Wanken geraten. Dennoch ist es darüber nicht zu einer grundsätzlichen Infragestellung dieses Konzeptes gekommen, wie dies im Westen durch Augustinus nach der Eroberung Roms im Jahre 410 bereits im 5. Jahrhundert in Auseinandersetzung mit der paganen Polemik170 erfolgt war.171 Augustin hatte dem entgegengesetzt, dass Gott irdische und zeitliche Güter Guten und Bösen gewähre und dass das Wohlergehen der Kirche und des Imperium Romanum nicht notwendigerweise miteinander verbunden seien.172 Er nahm so „den Barbarenvölkern die eschatologische Qualität und der Roma ihre Einmaligkeit. Sie ist wie alle anderen Reiche der Vergänglichkeit unterworfen. Sie kann deshalb auch nicht Heilsinstitution sein.“173 Die Kirche wurde dadurch von einer bestimmten staatlichen Ordnung gelöst. Demgegenüber wurde im byzantinischen Osten der Weiterbestand des Imperiums nach 410 als Bestätigung des göttlichen Beistandes für das christliche Reich interpretiert. Am Ende des 6. Jahrhunderts hatte dies Evagrius Scholasticus in seiner Kirchengeschichte nochmals deutlich zum Ausdruck gebracht.174 „The Byzantine reaction to the question of Roman decline resulted in the rein-

168 Van Dieten, Exkurs II. (s. Anm. 154), 183. Selbst die erfolgreiche Überwindung der arabischen Belagerung Konstantinopels fiele ‒ die neue Datierung vorausgesetzt (s. Anm. 176) ‒ dann noch in die Herrschaft Konstans II.!. 169 Ilona Opelt/Wolfgang Speyer, Art. Barbar, in: JbAC 10 (1967), 251–290 (= RAC Suppl. 1, 1992, 812–895); Yves-Albert Dauge, Le Barbare. Recherches sur la conception romaine de la barbarie et la civilisation, Brüssel 1981; Friedhelm Winkelmann, Die Bewertung der Barbaren in den Werken der oströmischen Kirchenhistoriker, in: Evangelos Chrysos/Andreas Schwarcz (Hg.), Das Reich und die Barbaren, Wien/Köln 1989, 221–235. 170 Augustinus, De civitate Dei 2,3; 1,36; 3,30 (CSEL 40/1, 62 f.;58 f.;157 f. Hoffmann). 171 Hans Armin Gärtner, Der Fall Roms. Literarische Verarbeitung bei Heiden und Christen (in: Johannes van Oort/Dietmar Wyrwa, Heiden und Christen im 5. Jahrhundert, Leuven 1998, 160–179; Walter E. Kaegi, Byzantium and the Decline of Rome, Princeton 1968. 172 Augustinus, De civitate Dei 5,8.24 f. (CSEL 40/1, 221 f.;260–262 Hoffmann). 173 Gärtner, Der Fall Roms (s. Anm. 171), 176. 174 Evagrius Scholasticus, Historia eccl. 3,40–41 (139–144 Bidez/Parmentier). Vgl. dazu: Kaegi, Decline (s. Anm. 171), 217–223.

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3 Die Bedeutung der Geschichtstheologie

forcement of the faith and confidence of easterners in the God-protected nature of their state.“175 Dies ist nun auch im 7. Jahrhundert so geblieben! Ausschlaggebend hierfür war die Überwindung der mehrjährigen arabischen Belagerung Konstantinopels in den Jahren 674‒678 (667–669?)176 und die Vernichtung der arabischen Flotte. Denn mit diesem außerordentlichen und nicht zu erwartenden Sieg des Imperiums war den arabischen Plänen, Konstantinopel zu erobern und den letzten Widerstand im Mittelmeer für ein allumfassendes Kaliphat zu überwinden, (59) ein klar sichtbares Ende gesetzt.177 Es war der größte byzantinische Sieg seit dem Triumph des Herakleios über die Perser. „Eine Wiederkehr der alten Größe schien möglich.“178 Dies hat auch bald seinen Niederschlag in der theologischen Deutung des Geschichtshandelns Gottes gefunden. Das wichtigste Zeugnis dafür ist die ca. 692 unweit von Nisibis entstandene syrische Apokalypse des Ps.Methodios,179 die schon zwischen 700 und 710 ins Griechische übersetzt wurde180 und eine beträchtliche Wirkungsgeschichte181 entfalten sollte. Die Gegenwart wird hier weiterhin in apokalyptischen Kategorien auf der Grundlage von 2Thess 2,1–8 gedeutet (X,1). Die arabischen Eroberungen (XI,1–12) sind die Strafe für die Sünden Christen, die dafür büßen müssen (XIII,5). Mit 2Thess 2,3.7 seien dies jedoch nur die ersten Regungen des „Geheimnisses der Bosheit“ (XI,17), und der „Sohn des Verderbens“ werde erst noch erscheinen (XIV, 21). Vor allem aber wird nun das Römische Reich, auch hier identisch mit dem Katechon von 2Thess 2,6 f., von keinerlei irdischer Macht überwunden werden. Vielmehr werde es „bis zur letzten Stunde“ bestehen und alle anderen Reiche unterwerfen (IX,9; X,3–6) und insbesondere Palästina befreien (XIII,11). Der Kaiser der Römer

175 Kaegi, Decline (s. Anm. 171), 234. 176 Die auf Theophanes Confessor zurückgehende Datierung 674–678 ist jetzt zugunsten der Jahre 667–669 von Marek Jankowiak (Ders., The first Arab siege of Constantinople, in: TMCB 17 [2013], 237–322), mit guten Gründen in Frage gestellt worden. 177 Vgl. z. B. Haldon, Byzantium (s. Anm. 23), 63–66. 178 Ralph-Johannes Lilie, Byzanz. Das zweite Rom, Berlin 2003, 108. 179 Gerrit J. Reinink (Hg.), Die syrische Apokalypse des Pseudo-Methodius (CSCO Scriptores Syri 221), Louvain 1993; vgl. auch: Brandes, Apokalyptische Literatur (s. Anm. 134), 311–315. 180 Willem J. Aerts/Georgius A. A. Kortekaas (Hgg.), Die Apokalypse des Pseudo-Methodius. Die ältesten griechischen und lateinischen Übersetzungen (CSCO Subsidia 97/8), Leuven 1998. Entstanden sei die Übersetzung im Sinaikloster oder „in einem anderen ‚gemischten‘, d. h. mit Mönchen verschiedener Herkunft bevölkerten Kloster, wie in Damaskus oder in Jerusalem“ (A.a.O., 15). 181 Vgl.: Wolfram Brandes, Endzeitvorstellungen und Lebenstrost in mittelbyzantinischer Zeit (7.–9. Jahrhundert), in: Paul Speck (Hg.), Varia III [Poikila Byzantina], Bonn 1991, (9– 62), 16–28.

5 Nochmals: Anastasios Sinaites und die byzantinische Geschichtstheologie

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selbst werde nach Golgatha gehen, seine Krone auf das Kreuz legen und das Reich Gott dem Vater übergeben, bevor das Endgericht erfolgt und die Herrschaft Christi beginnt (XIV,2–4). Das Überraschende ist zum einen, dass diese wohl in antichalcedonensischem Kontext entstandene Apokalypse182 ein typisch byzantinisches eschatologisches Konzept vertritt, zum anderen, dass es in ihr keinerlei Anspielungen auf die christologischen Kontroversen des 7. Jahrhunderts gibt. Die Erklärung kann mit dem Herausgeber Gerrit J. Reinink nur darin bestehen, dass „die Furcht vor einer massenhaften Konversion zum Islam ‚aus freiem Willen‘ (60) […] ein vorherrschende Rolle in der Apokalypse (Kap. XII 1–8)“ spielt.183 Die den Christen vom Kalifen ʿAbd al-Malik auferlegte extreme Steuerlast (XIII,3–4), dessen militärische Erfolge und der Bau des Felsendoms auf dem Tempelplatz im Jahre 691/2 als Zeichen der Überlegenheit des Islam über Christentum und Judentum ließen die Gefahr der Apostasie so konkret werden, dass die „Idee der politisch-religiösen Einheit der christlichen Welt den Ansprüchen der Muslime gegenüber” hier nun ganz im Vordergrund steht.184 Es kann deshalb nicht überraschen, dass diese Apokalypse schnell mit der griechischen Übersetzung in den reichskirchlichen Kontext übernommen wurde. Diese Deutung der Gegenwart am Ende des 7. Jahrhunderts hat nun aber auch die von Anastasios Sinaites vorgenommenen Darstellung der vorherigen Ereignisse des 7. Jahrhunderts bestimmt. Die siegreiche Bewahrung Konstantinopels im Jahre 678185, die sich im Jahre 717/8 bald wiederholen sollte, wurde zum hermeneutischen Schlüssel für eine Darstellung des monenergetisch-monotheletischen Streites, bei der dessen historische und theologische Tatsachen der Deutung gefügig gemacht wurden. Anastasios aber ist die „Schlüsselfigur“186 für die ganze weitere byzantinische Darstellung dieser christologischen Kontroverse des 7. Jahrhunderts in den folgenden Jahrhunderten. Seine verfälschende Interpretation ist über Theophanes Confessor187, dessen Chronik hier ganz von

182 Reinink, Die syrische Apokalypse (s. Anm. 179), IX–X.XXV. Die Alternative ist ein nestorianischer Hintergrund, den Reinink früher vertrat. Vgl.: Ders., Ismael der Wildesel in der Wüste. Zur Typologie der Apokalypse des Pseudo-Methodius, in: ByzZ 75 (1982), (336–344) 343. 183 Reinink, Die syrische Apokalypse (s. Anm. 179), XVII. 184 A.a.O., XIII–XXV.XXV. 185 Zum Datum s. o. Anm. 176. 186 v. Dieten, Exkurs II. (s. Anm. 154) 179–180. 187 Theophanes Conf., Chronographia A.M. 6121 (329,11–332,18 de Boor); Cyril Mango/Roger Scott (Hgg.), The Chronicle of Theophanes Confessor, 1997, 460–463. Zu Theophanes vgl. jetzt: Howard-Johnston, Witnesses (s. Anm. 23), 268–312.

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3 Die Bedeutung der Geschichtstheologie

Anastasios abhängig ist188, fester Bestandteil der byzantinischen Sicht des Geschichtshandelns Gottes im monenergetisch-monotheletischen Streit geworden und bestimmt theologische Darstellungen bis in die Gegenwart. Das VI. Ökumenische Konzil (680/1) hat die Vernichtung des gesamten monenergetisch-monotheletischen Schrifttums angeordnet. Für das Verständnis dieser bedeutenden christologischen Kontroverse des 7. Jahrhunderts sind wir deshalb fast ausschließlich auf die Schriften des Sophronios-Maximos Kreises und Deutungen im Geist des Anastasios Sinaites angewiesen. Macht man sich klar, welche Motivschichten hinter den theologischen Argumentationen dieses Kreises standen, so sind auch deren theologische Urteile über die theologischen Gegner neu zu gewichten. Das theologische Denken und Handeln des Sophronios-Maximos Kreises war bestimmt von der Erwartung des unmittelbar bevorstehenden Endes der Geschichte und des Gerichtes. Diese Deutung der Zeit entstand auf der Grundlage einer durchgehaltenen traditionellen triumphalistischen Reichs- und Geschichtstheologie. Gottes Beistand manifestierte sich für sie im militärischen Sieg des christlichen Imperium Romanum, das dadurch auch das Kommen des Widersachers aufhält. Für die katastrophalen Niederlagen gegen die Araber wurden eine christologische Lehre und ihre bischöflichen und kaiserlichen Vertreter verantwortlich gemacht und dämonisiert, die derselben neuchalcedonischen Tradition entstammte, in der die Gegner selber standen, und die im Ergebnis kompatibel war. Der monastisch-asketische Zelotismus des Sophronios-Maximos Kreises hat sich aber in seinem apokalyptisch motivierten Aktionismus dieser Erkenntnis verschlossen.

188 v. Dieten, Exkurs II. (s. Anm. 154). S. a.: Ilse Rochow, Die monenergetischen und monotheletischen Streitigkeiten in der Sicht des Chronisten Theophanes, in: Klio 63 (1981), 669–681.

II Die Entstehung der Krise: Bedeutung und Umdeutung

4 Mehrheit und Minderheit in den Anfängen des monenergetisch-monotheletischen Streites Abstract: The protest of a single monk, the Jerusalem Abbot Sophronios against the union agreed in 633 between Patriarch Kyros of Alexandria and the opponents of the Council of Chalcedon is usually regarded as the beginning of the so-called monenergist-monothelete controversy. This protest against the formulation that, albeit in in two natures, it is one and the same Christ and Son who effects the divine and the human through one divine-human energy led to the so-called Ekthesis, a law composed by Patriarch Sergios of Constantinople and signed by the emperor Herakleios. With this law a supposedly heretical majority, holding the reins of power, wished by means of a prohibition to silence the orthodox minority and their confession of two modes of action and two wills in Christ. In contrast, this paper makes clear that, with the consent of this very minority – including Sophronios –, already in 633 a synodically secured agreement was made to refrain in future from numerical statements about action in Christ. Because Sophronios, since 634 Patriarch of Jerusalem, challenged this agreement, there ensued in 636 a synod in Cyprus with almost ecumenical representation, which was later consigned to silence and has been known only since 1973. Even though the majority at this council rejected the position of Sophronios and Maximos the Confessor on action in Christ, there was a general agreement to appeal to the emperor as arbitrator, who then promulgated the Ekthesis, which was approved by all the churches represented at the Synod, including those of Pope Honorius and Sophronios! An in-depth analysis will show how these facts were reinterpreted or concealed by Maximos in the 640s; for they told against the campaign he initiated in 641 for the anathematization of the Ekthesis and of the patriarchs Sergios and Kyros, which was then brought to accomplishment at the Lateran Synod of 649. Zu den Erfolgen der von Patriarch Sergios I. von Konstantinopel (610–638)1 einvernehmlich mit Kaiser Herakleios (610‒641)2 etwa seit dem Jahr 617 theologisch vorbereiteten und zu Beginn der 30er Jahre des 7. Jahrhunderts nach dessen tri-

1 Jan Louis van Dieten, Geschichte der Patriarchen von Sergios I. bis Johannes VI. (610–715), Amsterdam 1972, 1–56; Friedhelm Winkelmann, Der monenergetisch-monotheletische Streit (BBySt 6), Frankfurt/M. 2001, 258–260. 2 Walter E. Kaegi, Heraclius. Emperor of Byzantium, Cambridge (2003) ND 2004. Anmerkung: Zuerst publiziert in: AHC 49 (2018/19), 97–126. https://doi.org/10.1515/9783110714531-004

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umphalem Sieg über die Perser betriebenen Unionspolitik gegenüber den antichalcedonensischen Kirchen im Osten3 gehörte auch die ägyptische Union mit den Anhängern des Severus („Theodosianer“) am 3. Juni 633.4 Das Unionsdokument mit seinen 9 Kephalaia gipfelte in der Aussage: Es sei in zwei Naturen „ein und derselbe Christus und Sohn, der das Gottgemäße und das Menschliche durch eine gottmenschliche Wirksamkeit bewirkt“.5 An dieser Aussage entzündete sich bekanntlich der sog. monenergetisch-monotheletische Streit.6 Es war der Jerusalemer Abt Sophronios (*ca. 550‒639),7 der umgehend Widerspruch gegen diese Union und ihre zentrale Unionsformel anmeldete. (99) Denn der alexandrinische Patriarch Kyros (631–642)8 hatte ihm den Text der Unionsurkunde vorab zur Kenntnis gegeben, war Sophronios doch durch seine früheren längeren Aufenthalte in Ägypten dort mit vielen führenden Personen persönlich bekannt, und als weithin anerkannter Theologe und geistliche Autorität war sein Urteil Kyros anscheinend wichtig.9 Kyros wies den Protest des Sophronios freilich zurück. Er argumentierte unter Hinweis auf patristische Testimonia mit den legitimen Möglichkeiten der Oikonomia auch in Lehrfragen,10 während Sophronios jede

3 Vgl. dazu: Christian Lange, Mia Energeia. Untersuchungen zur Einigungspolitik des Kaisers Heraclius und des Patriarchen Sergius von Constantinopel (STAC 66), Tübingen 2012, 531–581. 4 Vgl.: Winkelmann, Streit (s. Anm. 1), Nr. 27; Lange, Mia Energeia (s. Anm. 3), 575–581. 5 Decretum unionis a.633 (ACO ser. II 2, p.598,20 f. Riedinger): καὶ τὸν αὐτὸν ἕνα Χριστὸν καὶ υἱὸν ἐνεργοῦντα τὰ θεοπρεπῆ καὶ ἀνθρώπινα μιᾷ θεανδρικῇ ἐνεργείᾳ. 6 Vgl. dazu: Winkelmann, Streit (s. Anm. 1); Marek Jankowiak, Essai d’histoire politique du monothélisme, Diss. Paris-Warschau 2009 [ungedr.]; Lange, Mia Energeia (s. Anm. 3); Heinz Ohme, Oikonomia im monenergetisch-monotheletischen Streit, in: ZAC 12 (2008), 308–343; Ders., Die Bedeutung der Geschichtstheologie im monenergetisch-monotheletischen Streit, in: ZThK 112 (2015) 27‒61; Ders., Maximos Homologetes (†662): Martyrium, Märtyrerbewusstsein, „Martyriumssucht“?, in: ZAC 20 (2016), 306–346; Ders., Wer hat den Dyotheletismus erfunden? Zur Frage der Authentizität der Apologia Honorii Papst Iohannes’ IV. (640–642), in: ByzZ 110 (2017), 89–140; Phil Booth, Crisis of Empire: Doctrine and Dissent at the End of Late Antiquity, Berkeley u. a. 2013. 7 Christoph von Schönborn, Sophrone de Jérusalem. Vie monastique et confession dogmatique (ThH 20), 1972; Pauline Allen, Sophronius of Jerusalem and Seventh-Century Heresy. The Synodical Letter and Other Documents, 2009; Booth, Crisis of Empire (s. Anm. 6), 44–89.209–268. 8 Prosopographie der mittelbyzantinischen Zeit. Erste Abteilung 641–867 (nach Vorarbeiten Friedhelm Winkelmanns erstellt von Ralph-Johannes Lilie, Claudia Ludwig, Thomas Pratsch, Ilse Rochow Bd. 1–6; Berlin 1999–2002), Nr. 4213; Phil Booth, The Last Years of Cyrus, Patriarch of Alexandria (†642), in: TMCB 20 (2016), 509–558. 9 Diese und die nachfolgenden Informationen ergeben sich aus dem Bericht des Sergios an Papst Honorius I. (625‒638): Sergius I Patr. Const., Epistula ad Honorium I pp. (ACO ser. II 2,2 p.534,1–546,25 [Ried.]); Winkelmann, Streit (s. Anm. 1), Nr. 43; Deutsche Übersetzung: S. u. Anhang Nr. 5. 10 Vgl. dazu: Ohme, Oikonomia (s. Anm. 6).

1 Der Widerspruch des Sophronios und das Krisenmanagement

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Oikonomia in Lehrfragen prinzipiell ausschloss und die Rede von zwei Wirkweisen Christi (δύο ἐνέργειαι) als einzig mögliche orthodoxe Bekenntnisformel bezeichnete. Wohl in der Erwartung, an höherer Stelle mehr Erfolg mit seinem Einspruch zu haben, reiste er umgehend nach Konstantinopel zu Patriarch Sergios. Im Folgenden soll der Frage nachgegangen werden, wie in der Frühphase dieser sich daraus entwickelnden letzten großen christologischen Kontroverse des 1. Jahrtausends mit dem Widerspruch einer namhaften Minderheit, deren Wortführer bald Maximos Homologetes (ca. 579–662)11 werden sollte, in den Kirchen des Ostens umgegangen wurde. Welche Maßnahmen wurden ergriffen und welche Rolle spielten dabei Synoden? Dem soll dann gegenübergestellt werden, wie diese Maßnahmen ca. 10 Jahre später durch den Wortführer der Minderheit dargestellt und bewertet wurden. Dazu wird in einem ersten Schritt der kirchliche Umgang mit dem Protest des Sophronios und die Suche nach einem Konsens dargestellt (1). Danach werden die Gründe untersucht, die zu der in den dyotheletischen Quellen später verschwiegenen Synode von Zypern im Jahr 636 geführt haben. Es wird dazu gefragt, ob die Informationen der syrischen Vita Maximi zur Entstehung und Rezeption des von Kaiser Herakleios erlassenen Gesetzes in der theologischen Kontroversfrage, der sog. Ekthesis, glaubwürdig sind und was das für das Verhältnis von Mehrheit und Minderheit in den Anfängen des Streites bedeutete (2). Kapitel 3 analysiert die Darstellung dieser Ereignisse durch Maximos Homologetes im Jahr 645. Kapitel 4 fragt (100) danach, wie seine Darstellung der Haltung des Kaisers Herakleios zur Ekthesis zu beurteilen ist. Eine Zusammenfassung schließt die Untersuchung ab.

1 Der Widerspruch des Sophronios und das Krisenmanagement des Patriarchen Sergios Als Sophronios in Konstantinopel eingetroffen war ‒ die Union war inzwischen in Alexandrien beschlossen worden ‒ forderte er von Sergios die Rücknahme der oben genannten Spitzenformulierung aus dem Unionsdokument. Aber auch der Konstantinopler Patriarch lehnte diese Forderung ab, weil dies die Auflösung der gerade beschlossenen Union bedeutet hätte. Er bemühte sich jedoch intensiv um eine Verständigung mit dem Jerusalemer Abt und berichtete dann Papst Honorius I. (625‒638) über die ergriffenen Maßnahmen, um sich auch

11 PMBZ, Nr. 4921; Pauline Allen/Bronwen Neil (Hg.), The Oxford Handbook of Maximus the Confessor, Oxford 2015.

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4 Mehrheit und Minderheit

dessen Urteils zu vergewissern.12 Dabei berichtete Sergios, dass Sophronios nicht imstande gewesen sei Testimonia vorzulegen, in denen „ausdrücklich und buchstäblich von zwei Wirkweisen in Christus“ gesprochen werde.13 Er sei sich aber darüber im Klaren gewesen, dass der Widerspruch des Sophronios wegen dessen Bekanntheit und seiner Schülerschar weite Kreise ziehen konnte: „Weil wir wussten, dass aus solchen Streitigkeiten immer Spaltungen und Häresien entstehen, hielten wir es für notwendig, allen Eifer auf die Beilegung und gründliche Beendigung dieses übergroßen Wortgezänks zu richten“.14 Sergios hat deswegen die Sache offensichtlich sogar seiner Synode, der Synodos endemousa,15 vorgelegt. Darauf lässt die Wortwahl des weiteren Vorgehens schließen. Denn er schreibt: „Und endlich wurde beschlossen und sich damit zufrieden gegeben …“.16 Das, was beschlossen wurde, ist die sog. Psēphos vom August 633,17 die Sergios (101) selbst zitiert. Es handelt sich dabei um eine Synodalerklärung, die die Spitzenformulierung der Alexandrinischen Union nicht explizit zurücknimmt, sondern in eine bestimmte Richtung präzisiert. Sie hat deshalb auch nicht nur Sophronios zum Adressaten, sondern in gleicher Weise Kyros, dem derselbe Bescheid mit entsprechenden Anweisungen zugestellt wurde.18 Der Synodalentscheid legte fest, dass es niemandem mehr erlaubt sei, „eine oder zwei Wirkweisen bei Christus, unserem Gott, zu verkünden.“ Vielmehr sei zu bekennen, „dass ein und derselbe einziggeborene Sohn, unser Herr Jesus Christus, wahrer Gott, das Göttliche wie auch das Menschliche gewirkt hat und dass alles gott- und menschengemäße Wirken aus ein und demselben fleischge-

12 S. o. Anm. 9. 13 Sergius I Patr. Const., Epistula ad Honorium I pp. (ACO ser. II 2,2 p.540,14–19 Ried.): προετρέψαμεν αὐτὸν χρήσεις ἡμῖν προκομίσαι […] δύο ῥητῶς καὶ αὐταῖς λέξεσιν ἐνεργείαις ἐπὶ Χριστοῦ λέγειν παραδιδούσας, ὁ τε τοῦτο ποιῆσαι παντοίως ἠπόρησεν. 14 Sergius I Patr. Const., Epistula ad Honorium I pp. (ACO ser. II 2,2 p.540,20–22 Ried.): […] καὶ εἰδότες, ὡς ἐκ τῶν τοιούτων ἀεὶ φιλονεικιῶν αἱ τῶν αἱρέσεων διχοστασίαι γεγόνασιν, ἀναγκαῖον ἐκρίναμεν πᾶσαν θέσθαι σπουδὴν πρὸς τὸ καταπαῦσαι τε καὶ ἐκκόψαι τὴν περιττὴν λογομαχίαν. 15 Zur Endemousa vgl.: Joseph Hajjar, Le synode permanent (σύνοδος ἐνδημοῦσα) dans l’Église byzantine des origines au XIe siècle (OCA 164), Rom 1962, der der Synode aus diesem Anlass allerdings keine Aufmerksamkeit geschenkt hat. 16 Καὶ πέρας ἔδοξε καὶ ἐστέρχθη […] (ACO ser. II 2,2 p.544,16 Ried.). Dass damit ein Synodalbeschluss gemeint ist, meinte auch: Venance Grumel, Les Regestes des Actes du Patriarcat de Constantinople, Bd. 1: Les Actes des Patriarches, 1: Les Regestes de 381 à 715, Paris 21972, Reg. 287. 17 Winkelmann, Streit (s. Anm. 1), Nr. 36. 18 Vgl.: ACO ser. II 2,2 p.540, 22–542,1 (Ried.).

1 Der Widerspruch des Sophronios und das Krisenmanagement

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wordenen Gott Logos ungetrennt hervorgeht und sich auf ein und denselben bezieht.“19 Begründet wurde dieses Verbot mit der Möglichkeit missbräuchlicher Interpretation numerischer Aussagen und dem Ärgernis, das sie in der Kirche hervorrufen können. So sei es ein Missbrauch der Rede von der μία ἐνέργεια, wenn damit auf eine Natur Christi geschlossen werde und so das Bekenntnis zu den zwei Naturen Christi in Frage gestellt werde. Die Rede von „zwei Energien“ wird abgelehnt, weil sie von keinem anerkannten Vater verwendet werde und weil daraus die Annahme zweier im Gegensatz zueinander stehender Willen in Christus folge.20 Mit dieser Entscheidung sollte wohl nicht die differenziertere alexandrinische Unionsformel in Frage gestellt werden, vielmehr sollten nunmehr alle Aussagen über das Wirken Christi auf der Ebene der einen Person und Hypostase Christi vorgenommen werden, um so neben dem Bekenntnis zu den zwei Naturen weitere Bestimmungen der Dualität in Christus zu vermeiden. Die Psēphos kann man insofern als einen den Einwänden des Sophronios entgegenkommenden Kompromiss bezeichnen, der durch das angeordnete Verbot einer numerischen Redeweise der Wirkweisen Christi von allen Beteiligten eine disziplinierte theologische Sprache einforderte. Es ist deshalb auch nicht überraschend, dass sich Sophronios ‒ nach der Auskunft des Sergios ‒ mit dieser Lösung zufrieden gab und „fest versicherte, sich daran (102) zu halten“.21 Bevor er aus Konstantinopel abreiste, erbat er eine schriftliche Fassung der Psēphos, die er weiterverbreiten wollte. Dieser Text erreichte wenig später auch Maximos ‒ wohl über den damaligen Archon und Hegumenos der Klöster in Chrysopolis und Vertrauten des Sergios, Pyrrhos.22 Sergios war offensichtlich bemüht, den entstandenen theologischen Dissens in einem geregelten Verfahren und offener Kommunikation mit den

19 Sergius I Patr. Const., Psēphos (ACO ser. II 2,2 p.542, 2–7 Ried.): […] μηκέτι τοῦ λοιποῦ τινι συγχωρεῖν μίαν ἢ δύο προφέρειν ἐνεργείας ἐπὶ Χριστοῦ τοῦ θεοῦ ἡμῶν, ἀλλὰ μᾶλλον … ἕνα καὶ αὐτὸν υἱὸν μονογενῆ τὸν κύριον ἡμῶν Ἰησοῦν Χριστὸν τὸν ἀληθινὸν θεὸν ὁμολογεῖν τὰ τε θεῖα καὶ τὰ ἀνθρώπινα, καὶ πᾶσαν θεοπρεπῆ καὶ ἀνθρωποπρεπῆ ἐνέργειαν ἐξ ἑνὸς καὶ αὐτοῦ σεσαρκωμένου θεοῦ λόγου ἀδιαιρέτως προϊέναι καὶ εἰς ἕνα καὶ αὐτὸν ἀναφέρεσθαι. 20 Sergius I Patr. Const., Psēphos (ACO ser. II 2,2 p.542,7–16 Ried.). Keinesfalls dekretierte die Psēphos, „auf die ἐνέργεια-Terminologie überhaupt zu verzichten“, wie Guido Bausenhart, „In allem uns gleich außer der Sünde“. Studien zum Beitrag Maximos’ des Bekenners zur altkirchlichen Christologie (TSTP 5), Mainz 1992, 285, meint. 21 Sergius I Patr. Const., Epistula ad Honorium I pp. (ACO ser. II 2,2 p.544,19 f. Ried.): […] καὶ παραφυλάττειν αὐτὰ διαβεβαιωσάμενος. 22 PMBZ, Nr. 6386; van Dieten, Geschichte (s. Anm. 1), 57–75; Christian Boudignon, Maxime le Confesseur était-il Constantinopolitain?, in: Jacques Noret, Bart Janssens, Bram Roosen, Peter van Deun (Hgg.), Philomathestatos. Studies in Greek and Byzantine Texts Presented to Jacques Noret for his 65th Birthday (OLA 137), Leuven u. a. 2004, (11–43) 29–31.

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wichtigsten Meinungsführern einer Lösung zuzuführen. Noch Ende 633/Anfang 634 antwortete Maximos in einem Brief23 aus dem römischen Africa und lobte darin Sergios überschwänglich als „neuen Mittler und großen Mose für uns und Priester der Priester“ sowie „Exarchen für die gesamte Oikoumenē“, durch den die Heilige Trinität als Werkzeug diesen Text diktiert habe.24 Dieses Lob gründet auch in der von Maximos geäußerten Überzeugung, dass mit der Psēphos die gesamte alexandrinische Union hinfällig sei. Es ist allerdings festzuhalten, dass Maximos in dem Brief keine Distanzierung vom Text der Psēphos vornimmt und vor allem auch keinen Widerspruch gegen das Verbot der Rede von zwei Wirkweisen Christi formuliert.25 Mit der Zustimmung des Maximos (103) zum Vorgehen des Konstantinopler Patriarchen war jedoch eine divergierende Erwartung hinsichtlich der Folgen für die alexandrinische Union

23 Maximus Conf., Epistula 19 ad Pyrrhum (PG 91,589C–597B). Vgl.: Winkelmann, Streit (s. Anm. 1), Nr. 42; Marek Jankowiak/Phil Booth, A New Date-List of the Works of Maximus the Confessor, in: Allen/Neil, Handbook (s. Anm. 11), 19–83, Nr. 35. 24 Maximus Conf., Epistula 19 ad Pyrrhum (PG 91,592B10–15). Alle Übersetzungen stammen, sofern nicht anders angegeben, vom Verfasser. 25 François-Marie Léthel (Ders., Théologie de l’Agonie du Christi. La liberté humaine du fils de Dieu et son importance sotériologique mises en lumière par Saint Maxime le Confesseur [ThH 52], Paris 1979, 62) stellte zutreffend fest, ep. 19 sei „une approbation sans réserves“ der Psēphos. Vgl. auch: Karl-Heinz Uthemann, Der Neuchalkedonismus als Vorbereitung des Monotheletismus. Ein Beitrag zum eigentlichen Anliegen des Neuchalkedonismus, in: StPatr 29 (1997), 373–413 (= Ders., Christus, Kosmos, Diatribe. Themen der frühen Theologie als Beiträge zu einer historischen Theologie (AKG 93), Berlin/New York 2005, 207–255), 394–403.404–406: „Was Maximos im einzelnen ausführt, liest sich wie ein Kommentar zu jener Lehre, die die Psephos festhalten will.“ (a.a.O., 405). Es trifft nicht zu, wenn Jean-Claude Larchet (Ders., La divinisation de l’homme selon Saint Maxime le Confesseur, Paris 1996, Introduction 15 f.; genauso: Ders., Saint Maxime le Confesseur. Lettres, Paris 1998, Introduction 27) die Zustimmung des Maximos auf die vermeintliche Annullierung der alexandrinischen Union begrenzen will. Bezeichnenderweise erweckt er dabei auch den Eindruck, als sei die Psēphos allein in Richtung des Kyros formuliert worden und verschweigt die Zustimmung des Sophronios. Die von Maximos in dem Brief dann vorgenommene zustimmende Interpretation der Psēphos betont einerseits die unauflösliche Einheit von Göttlichem und Menschlichem im Wirken Christi, der der Wirkende ist (Ἐνήργει γὰρ, τὰ μὲν θεῖα σαρκικῶς, ὅτι διὰ σαρκὸς φυσικῆς ἐνεργείας οὐκ ἀμοιρούσης· τὰ δ᾿ ἀνθρώπινα θεϊκῶς, ὅτι κατὰ θέλησιν ἐξουσιαστικῶς, ἀλλ᾿ οὐ κατὰ περίστασιν: PG 91, 593 A25). Andererseits hebt er stets gleichzeitig hervor, dass die das Wirken ermöglichenden Kräfte und Vermögen (ἐνέργειαι; δυνάμεις) naturhaft sind und so die Zweiheit der Naturen nicht aufgehoben wird (593 Β1–5). Abschließend bittet er Pyrrhos um präzise Definitionen der Begriffe ἐνέργεια, ἐνέργημα, ἔργον und πρᾶξις. Eine ähnliche Position bezog Maximos auch in ep. 15 an den alexandrinischen Diakon Kosmas und in ep. 14 an Petros Illustrios (vgl.: Jankowiak/Booth, A New Date-List [s. Anm. 23] Nr. 36.37). Beide Briefe datieren von 633, gehören ins Umfeld der alexandrinischen Union und der Psēphos und enthalten keine explizit dyenergetischen oder anti-monenergetischen Aussagen.

1 Der Widerspruch des Sophronios und das Krisenmanagement

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verbunden. Gleichzeitig wird auch eine andere Denkweise deutlich, wenn über den Begriff der Natur das Verständnis der ἐνέργεια als Potenz ontologisch grundgelegt wird. Dem entspricht auch die Nachfrage nach präzisen Definitionen, die dann später zum Ausgangspunkt christologischen Nachdenkens im Sinne logischer Deduktionen werden. So scheint mir auch die von Maximos abschließend gemachte Aussage: „Wer könnte denn so frech und kühn sein, etwas über das gemäß göttlicher Psēphos durch die Hierarchie Festgesetzte Hinausgehendes anzuordnen?“26 eher rhetorischer Natur zu sein. Sergios hat dann ‒ „eingedenk dessen, was bereits in Bewegung geraten war und im Wissen darum, welche Unruhe aus dieser Bewegung entstand“ ‒ auch noch den Kaiser, der sich zu dieser Zeit in Edessa befand, durch einen Bericht (ἀναφορά) und einen Brief an dessen Sakkelarios über diese Ereignisse und die getroffene Entscheidung informiert.27 Herakleios gab in einer κέλευσις zum bisherigen Vorgehen seine Zustimmung.28 In gleicher Weise hat der Patriarch Papst Honorius neben dem detaillierten Bericht auch noch Kopien (ἰσότυπα) der Unionsurkunde und der Psēphos zukommen lassen. Er forderte den Papst abschließend auf, sich mit alldem zu befassen (ἐντυχεῖν), evtl. Fehlendes zu ergänzen und ihm mitzuteilen.29 Honorius antwortete mit einem umfangreichen Schreiben,30 in dem er Sergios in allem zustimmte und aus der Überzeugung, dass es „ein und derselbe ist, der in der göttlichen und menschlichen Natur wirkt“, formulierte: „Deshalb bekennen wir auch einen Willen des Herrn (104) Jesus Christus“.31 Das Krisenmanagement des Konstantinopler Patriarchen verdient Anerkennung. Es war ihm fürs erste gelungen, einen offenen Konflikt zu vermeiden und die entscheidenden Personen einzubinden.

26 Maximus Conf., Epistula 19 ad Pyrrhum (PG 91,596Α14–Β1): Τίς οὕτω θρασύς ὑπάρχει καὶ τολμηρὸς, ὥστε τοῖς οὕτω κατὰ θείαν ψῆφον ἱεραρχικῶς θεσπισθεῖσιν, ἐπιδιατάττεσθαι. 27 ACO ser. II 2,2 p.546,6–17 (Ried.); vgl.: Winkelmann, Streit (s. Anm. 1), Nr. 39. 28 Franz Dölger/Andreas E. Müller, Regesten der Kaiserurkunden des oströmischen Reiches. I,1 Regesten 565–867, 2. Aufl. besorgt u. Mitarbeit v. Johannes Preiser-Kapeller u. Alexander Riehle v. Andreas E. Müller, München, 2009, Reg. 205. 29 Sergius I Patr. Const., Epistula ad Honorium I pp. (ACO ser. II 2,2 p.546,21–25 (Ried.) 30 Honorius I pp., Epistula I ad Sergium Patr. (ACO ser. II 2,2 p.548,1‒558,3 Ried.); Winkelmann, Streit (s. Anm. 1) Nr. 44; deutsche Übersetzung: s. Anhang Nr. 6. 31 Honorius I pp., Epistula I ad Sergium Patr. (ACO ser. II 2,2 p.556,14 f.;550,16 f. Ried.): ὅθεν καὶ ἓν θέλημα ὁμολογοῦμεν τοῦ κυρίου Ἰησοῦ Χριστοῦ.

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2 Mehrheit und Minderheit auf der Synode von Zypern (636) Als Patriarch Sergios Ende 634/Anfang 63532 seinen Brief an Papst Honorius schrieb, war ihm zwar bekannt, dass Sophronios im Alter von mehr als 80 Jahren inzwischen zum Patriarchen von Jerusalem gewählt worden war,33 dessen Synodica hatte er aber noch nicht erhalten. Die Abfassung dieser Glaubenserklärung muss auch etliche Zeit in Anspruch genommen haben, denn ihr Umfang34 ‒ mehr als 40 Seiten in den ACO ‒ sprengt alle Dimensionen dieser Gattung. Die dortigen Ausführungen zur Christologie35 halten sich formal an die Bestimmungen der Psēphos und vermeiden jede explizite Aussage einer doppelten oder zweifachen Wirkweise Christi. Sie schwanken zwischen Sätzen, die im Sinne der Psēphos den einen Christus als handelndes Subjekt, der das Göttliche und das Menschliche bewirkt, aussagen,36 und solchen, die beide Naturen als Handlungssubjekte des je Eigenen betrachten.37 Hierbei wird der (105) Spitzensatz des Tomus Leonis38 zugrunde gelegt und die Terminologie Leos mit

32 Nach heutigem Konsens ist der Brief auf Ende 634/Anfang 635 zu datieren. Vgl. z. B..: Booth, Crisis of Empire (s. Anm. 6), 233 mit Anm. 27; Pauline Allen, Life and Times of Maximus the Confessor, in: Allen/ Neil, Handbook (s. Anm. 11), 5. Die frühere Datierung war Ende 633/ Anfang 634. S. z. B.: Winkelmann, Streit (s. Anm. 1), Nr. 43. 33 ACO ser. II 2,2 p.538,8–10 (Ried.). Vgl. dazu: Booth, Crisis of Empire (s. Anm. 6), 233–241. 34 Sophronius Patriarcha Hierosolymitanus, Epistula synodica (ACO ser. II 2,1 p.410,13–494,9 Ried.). Vgl. dazu: Allen, Sophronios (s. Anm. 7). 35 Sophronius Patr. Hier., Epistula synodica (ACO ser. II 2,1 p.430,11–466,17 (Ried.). 36 Vgl. z. B. Sophronius Patr. Hier., Epistula synodica (ACO ser. II 2,1 p.442,4–8 Ried.): „Der Emmanuel, der einer und zugleich beides ist ‒ nämlich Gott und Mensch ‒, vollbrachte wahrlich das, was jeder der beiden Naturen eigen ist, indem er wahrlich das, was getan wurde, gemäß dem einen und dem andern bewirkte (τὰ ἑκατέρας ἔδρα κατὰ ἀλήθειαν φύσεως, κατ’ ἄλλο καὶ ἄλλο ἐνεργῶν τὰ πραττόμενα): in dem Maße wie er Gott ist, (bewirkte) derselbe das Göttliche, in dem Maße wie er Mensch ist (bewirkte) derselbe das Menschliche, und so wollte er allen zeigen, dass er derselbe als Gott und Mensch sei; und deshalb tut derselbe (ποιεῖ) das Göttliche und das Menschliche ‒ und ebenso redet und spricht er.“. 37 Vgl. z. B. Sophronius Patr. Hier., Epistula synodica (ACO ser. II 2,1 p.442,14–21Ried.) „Gleichwie nämlich in Christus eine jede Natur ihre Eigenart uneingeschränkt bewahrt, so wirkt auch jede der beiden Gestalten (ἐνεργεῖ ἑκατέρα μορφή) in Gemeinschaft mit der anderen, was ihr eigen ist: indem das Wort das ausführt, was dem Wort gehört ‒ offenkundig in Gemeinschaft mit dem Leib ‒, der Leib aber das ausrichtet, was dem Leib gehört, wobei allerdings das Wort gemeinsam mit ihm handelt. Und dies wird in einer Hypostase erkannt und in einer Person betrachtet und weist die abscheuliche Trennung zurück. Denn sie bewirkten das Eigene (ἐνήργουν τὰ ἴδια) ungetrennt nicht so, dass wir eine Teilung vermuten könnten.“. 38 Leo I. pp., Epistula ad Flavianum Patr. Const. (ACO ser. I 2,2,1 p.28,12–14 Schwartz): Agit enim utraque forma cum alterius communione quod proprium est, verbo scilicet operante quod verbi est, et carne exequente quod carnis est. Zur Rolle dieses Satzes für die schließliche Dog-

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einer ontologischen Interpretation versehen, die von definierten Natur- und Wesensmerkmalen den Ausgang nimmt.39 Damit aber läuft der Text der Synodica deutlich auf die Rede von „zwei“ ἐνέργειαι Christi zu, auch wenn dies nicht in letzter Eindeutigkeit gesagt wird. Vor allem aber hat Sophronios auf dieser Grundlage die Rede von μία ἐνέργεια kategorisch zurückgewiesen, indem er diese Formulierung auf ein ontologisch-naturhaftes ‒ und damit monophysitisches ‒ Verständnis festgelegte,40 während die Rede von zwei Wirkweisen nicht kritisiert wird. Mit dieser Interpretation wäre die alexandrinische Unionsformel tatsächlich nicht zu halten gewesen. Vor allem aber hatte Sophronios damit sein Versprechen, die Psēphos einzuhalten, faktisch gebrochen. Es kann deshalb nicht verwundern, dass Sergios dann die Annahme der Synodica verweigerte.41 Papst Honorius reagierte auf die ihm überbrachte Synodica, indem er in Briefen an den Jerusalemer und Alexandriner Patriarchen beide aufforderte, die Psēphos einzuhalten, und den „neuen Ausdruck“ eine oder zwei Wirkweisen aufzugeben und nicht darauf zu beharren, noch gar diesen zu „definieren“ (ὁρίζειν).42 Besonders drängte er die Gesandten des Sophronios, „dass (106) er nicht darauf bestehen soll, die Bezeichnung ‚zwei Wirkweisen‘ künftighin zu verwenden“, was die Legaten zusagten, wenn Kyros nicht mehr von „einer Wirkweise“ rede.43 Die Formulierung des Papstes und die gestellten Bedingungen der Jerusalemer

matisierung des Dyenergetismus/Dyotheletismus vgl.: Heinz Ohme, Rom, der Tomus Leonis und das VI. Ökumenische Konzil, in: ZAC 24 (2020), 289–354. 39 Sophronius Patr. Hier., Epistula synodica (ACO ser. II 2,1 p.444,21–446,4 Ried.): „Wir wissen, dass die Wirkung (ἐνέργειαν) einer jeden der beiden Naturen ‒ ich meine die jeweils wesenhafte und naturhafte und entsprechende (τὴν οὐσιώδη καὶ φυσικὴν καὶ κατάλληλον) ‒ ungetrennt aus jeder Wesenheit und Natur gemäß der ihr eingepflanzten natur- und wesenhaften Beschaffenheit hervorgeht (προϊούσαν), und (wir wissen) dass das zugleich ungeteilte und unvermischte Zusammenwirken der jeweils anderen Wesenheit mit herbeigeführt wird (συνεπαγομένην συνέργειαν). Dies macht nämlich auch den Unterschied der Wirkweisen (ἐνέργειαι) bei Christus aus.“ 40 Sophronius Patr. Hier., Epistula synodica (ACO ser. II 2,1 p.446,11–15 Ried.): „Sie (sc. die beiden Naturen) haben deshalb weder dieselbe […] Wirkweise (ἐνέργεια) nach der naturhaften und unvermischten Einung, d. h. der wahrhaft hypostatischen, noch sprechen wir von ihrer einen und einzigen, d. h. wesenhaften und naturhaften und völlig ununterschiedenen Wirkweise (ἐνέργεια), damit wir das nicht zu einer Wesenheit und einer Natur zusammenschmieden.“ 41 Dies teilte der Jerusalemer Apokrisiar auf dem VI. Konzil mit (ACO ser. II 2,1 p. 398,16 f. Ried.). 42 Honorius I pp., Epistula II ad Sergium Patr. Const. (ACO ser. II 2,2 p.620,22–622,10; 622,12– 624,20 Ried.). Der Brief datiert von 634/5, vgl.: Winkelmann, Streit (s. Anm. 1), Nr. 47. 43 Honorius I pp., Epistula II ad Sergium Patr. Const. (ACO ser. II 2,2 p. 624, 17 f. Ried.): […] παρεσκευάσαμεν, ἵνα μὴ δύο ἐνεργειῶν ἐπωνυμίαν τοῦ λοιποῦ κηρύττειν ἐπιμείνῃ.

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Legaten legen es meines Erachtens nahe, dass Sophronios im Osten bereits für einen expliziten Dyenergetismus agitierte. Dies wird wohl auch der Hintergrund für eine interessante Bemerkung des Nachfolgers des Sergios, Pyrrhos (638– 641.654), sein. Denn ca. 10 Jahre später im Jahre 645, als daraus nun ein beträchtlicher Konflikt geworden war, sagte dieser, dass Sophronios dafür verantwortlich sei, dass es „entgegen unseren Plänen“ zur Ekthesis gekommen sei, weil „er zu einem äußerst ungünstigen Zeitpunkt die Rede von den ἐνέργειαι aufbrachte“.44 Diese bemerkenswerte Aussage der von den maximianischen Verfassern gestalteten Disputatio cum Pyrrho45 verschweigt nun aber eine zentrale Station auf dem Weg zu jenem Edikt des Kaisers Herakleios, mit dem der von einer Minderheit vom Zaun gebrochene öffentliche Streit darüber, ob es notwendig sei, von einer oder zwei Wirkweisen/Energien Christi zu reden, durch ein reichsrechtlich verhängtes Verbot jeder weiteren Rede von einer oder zwei Wirkweisen/Energien Christi beendet werden sollte.46 Die Überwindung des Streites suchte die sog. Ekthesis47 bekanntlich in der vermeintlichen Konsensformel von dem einen Willen Christi.48 Bis zum Jahre 1973 war es die gängige Erklärung für diese Entwicklung, dass hier durch ein kaiserliches Gesetz und ein von der „häretischen“, an den Schalthebeln der politischen Macht sitzenden Mehrheit verordnetes Sprechverbot der Protest der „orthodoxen“ Minderheit mundtot gemacht werden sollte.49 (107) Denn in allen bis dahin bekannten Quellen, die ausschließlich dyotheletischer Provenienz waren, wird die der Ekthesis vorausgehende Synode von Zypern verschwiegen, die erst durch die 1973 neuentdeckte syrische Vita Maximi

44 Disputatio Maximi Conf. cum Pyrrho (PG 91,287‒353.332B): Σωφρόνιος, ὁ μικρῷ πρόσθεν πατριάρχης γενόμενος Ἱεροσολύμων, τοῦτο ἡμᾶς καὶ παρὰ πρόθεσιν πεποίηκε, τὸν περὶ ἐνεργειῶν λόγον οὐκ ἐν εὐθέτῳ καιρῷ κινήσας. 45 Der Text ist von Anhängern des Maximos ‒ möglicherweise sogar unter seiner Beteiligung ‒ mit großer Wahrscheinlichkeit erst zwischen 655 und 662 verfasst worden. Vgl.: Jacques Noret, La rédaction de la Disputatio cum Pyrrho (CPG 7698) de Saint Maxime le Confesseur serait-elle postérieure à 655?, in: AnBoll 117 (1999), 291–296. 46 Heraclius imp., Ecthesis (ACO ser. II 1, p.156,20–162,13; 160,4–24 Ried). 47 Dölger/ Müller, Regesten (s. Anm. 28), Reg. 211; Winkelmann, Streit (s. Anm. 1), Nr. 50. Der genaue Titel lautete „Darlegung der Lehre der Orthodoxie“ (Ἔκθεσις τοῦ τῆς Ὀρθοδοξίας δόγματος): ACO ser. II 1, p.164,30 f. (Ried.). Deutsche Übersetzung: s. Anhang Nr. 8. 48 Heraclius imp., Ecthesis (ACO ser. II 1, p.160,24–26 Ried.): ὅθεν τοῖς ἁγίοις πατράσιν ἐν ἅπασι καὶ ἐν τούτῳ κατακολουθοῦντες, ἕν θέλημα τοῦ κυρίου ἡμῶν Ἰησοῦ Χριστοῦ τοῦ ἀληθινοῦ θεοῦ ὁμολογοῦμεν. 49 Vgl. z. B. die Darstellung bei: Francis X. Murphy/Polycarp Sherwood, Konstantinopel II und III (GÖK III), Mainz 1990, 199 f. Die französische Originalausgabe datiert von 1974.

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bekannt wurde.50 Diese Synode51 wurde auf Initiative des Sophronios durch den Erzbischof von Zypern, Arkadios52 einberufen.53 Zu den 46 Teilnehmern gehörten als Vertreter des Honorius von Rom der Diakon Gaius und als Vertreter des Sergios von Konstantinopel der Archidiakon Petros. Patriarch Kyros von Alexandrien war mit 5 Bischöfen angereist und Sophronios von Jerusalem mit insgesamt 9 Bischöfen. Unter ihnen befand sich der Verfasser dieser Vita, Bischof Georgios von Resh’aina, der Augenzeuge auf der Synode war, sich als Schüler des Sophronios bezeichnet54 und gleichwohl ein dezidierter Gegner

50 Sebastian Brock, An Early Syriac Life of Maximus the Confessor, in: AnBoll 91 (1973), 299– 346 = Ders., Syriac Perspectives on Late Antiquity, London 1984, Nr. XII. 51 Die Faktizität dieser Synode ist inzwischen allgemein anerkannt. Vgl. z. B.: Winkelmann, Streit (s. Anm. 1), Nr. 50; Booth, Crisis of Empire (s. Anm. 6), 239–241; Allen, Life and Times (s. Anm. 32), 5; Micheline Albert/Christoph von Schönborn, Lettre de Sophrone de Jérusalem à Arcadius de Chypre (PO 32,9; Nr. 179), Turnhout 1978, Introduction 169–187. Dagegen hat Jean-Claude Larchet noch 1996 versucht (Ders., La divinisation de l’homme [s. Anm. 25], Introduction 8–12), unter Berufung auf ältere Wortmeldungen (Irénée-Henri Dalmais, Art. Maxime le Confesseur, in: DSp 10 [1980], 837; Ders., La vie de saint Maxime le Confesseur reconsiderée, in: StPatr 18 [1982], 26–30; Raphaël Bracke, Ad Sancti Maximi vitam. Studie van de biografische documenten en de levensbeschrijvingen betreffende Maximus Confessor [580–662], Louvain 1980), die gesamte syrische Vita Maximi als unglaubwürdiges Pamphlet abzutun. So lässt er auch in seiner Lebensbeschreibung des Maximus (a.a.O., 12–20) die Synode von Zypern einfach unerwähnt. Demetrios Bathrellos meint dies auch noch i. J. 2004 tun zu können (Ders., The Byzantine Christ. Person, Nature, and Will in the Christology of Saint Maximus Confessor, Oxford 2004). Die von Larchet angeführten Argumente zugunsten der griechischen Vita Maximi (BHG 1234) können als überholt betrachtet werden. Die griechische Maximos-Vita hat erst im 10. Jahrhundert ihre gegenwärtige Gestalt gefunden. Grundlegend ist: Bram Roosen, Maximi Confessoris Vitae et Passiones Graecae: The Development of a Hagiographic Dossier, in: Byz. 80 (2010) 408–460; vgl. auch: Boudignon, Maxime le Confesseur (s. Anm. 22); Heinz Ohme, Die griechische Vita Papst Martins (BHG 2259), Maximus Confessor und das Concilium Quinisextum, in: Byz. 86 (2016), 317–336; Ders., Der lange Widerstand gegen eine offizielle Heiligenverehrung des Maximos Homologetes († 662) im byzantinischen Reich, in: ByzZ 109 (2016), 109–150. 52 Zu ihm vgl.: Winkelmann, Streit (s. Anm. 1), S. 196–198. 53 Vita Maximi syr. 8 (315 Brock). 54 Es ist nicht davon auszugehen, dass diese Bischöfe allesamt die Position des Sophronios geteilt haben, wie schon an Georgios von Resh’aina deutlich wird. Bemerkenswert ist auch, dass nach dem Bericht des Georgios die Kontroversfrage anhand der Lehre des Maximos diskutiert wurde und nicht anhand der des Sophronios. Die Kirche von Jerusalem war nach dem Tod des Sophronios (638) tief gespalten und mehrheitlich nicht dyenergetisch/dyotheletisch geprägt. Vgl.: Milka Levy-Rubin, The Role of the Desert Monasteries in the Monothelite Controversy in Seventh-Century Palestine, in: Joseph Patrich (Hg.), The Sabaite Heritage in the Orthodox Church from the Fifth Century to the Present (OLA 98), Leuven 2001, (283–300), 292–298.

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(108) des Maximos war.55 Mit Arkadios von Zypern als Vorsitzendem hatten sich 5 zypriotische Bischöfe versammelt.56 Auf der Synode waren damit bis auf Antiochien, dessen Stuhl vakant war, alle Hauptsitze der Kirche vertreten. Die christologische Kontroversfrage wurde bemerkenswerterweise anhand der Lehre des Maximos diskutiert, der eingeladen war, aber nur seinen Schüler Anastasios geschickt hatte.57 Dabei fand die Position des Maximos keine Mehrheit. Umso bedeutender ist das weitere Vorgehen, denn es kam nicht zu einer Verurteilung der Minderheitsposition des Sophronios und Maximos, wie neuerdings fälschlicherweise von Cyrill Hovorun behauptet wird.58 Georgios von Resh’aina berichtet, dass der Versuch des Arkadios von Zypern, eine Anathematisierung des Dyenergetismus und seiner Verteidiger zu beschließen, durch die Intervention des Kyros von Alexandrien verhindert worden sei.59 Vielmehr hätten sich alle Versammelten darauf geeinigt, durch eine Synodaldelegation, zu der auch der Notar des Sophronios gehörte,60 dem Kaiser als Schiedsrichter in einem Synodalbrief die Lehre des Sophronios und des Maximos vorzulegen. Darauf seien die Synodalen heimgekehrt. Der Kaiser aber habe diese Lehre grundsätzlich abgelehnt und dazu ein „Edikt“ erlassen: The emperor at once made a document called an ‚Edict‘, and sent it to the four (patriarchal) sees. In it he rejected this despicable doctrine and ordered it to be brought to naught as being pernicious, and he laid down in the definition he made (109) that everyone who confessed (this doctrine), or believed on such lines, should be ejected from his position.61

55 Diese Gegnerschaft hat sich in den folgenden Jahrzehnten bis zur Entstehung dieser Vita Maximi kurz vor dem VI. Ökumenischen Konzil (680/1) (s. u. Anm. 62) zu regelrechtem Hass entwickelt, der auch persönliche Invektiven nicht scheute und vor allem in Darstellung der Kindheits- und Jugendgeschichte des Maximos zu problematischen Aussagen führte. 56 Vita Maximi syr. 10 (316 Brock). 57 Vita Maximi syr. 10–11 (316 Brock). 58 Die Darstellung durch Cyrill Hovorun ist selektiv und irreführend. Er erweckt den Eindruck, als habe Sophronios nicht zu den Teilnehmern gehört und macht nicht deutlich, dass Georgios von Resh’aina zur Jerusalemer Delegation gehörte. Regelrecht falsch ist die Behauptung: „The council reportedly backed Monenergism and condemned the stand of Sophronius and Maximus. Its decisions were summarized in a corresponding letter sent to Heraclius.“ Vgl.: Cyrill Hovorun, Will, Action and Freedom. Christological Controversies in the Seventh Century (The Medieval Mediterranean 77), Leiden/Boston 2008, 61 f.. 59 Vita Maximi syr. 12–14 (316 Brock). 60 Dies war der Jerusalemer Notar Elias. Außerdem gehörten dazu: Georgios, Archidiakon des Arkadios von Zypern und Leon, Diakon des Kyros von Alexandrien (Vita Maximi syr. 12 [316 Brock]). 61 Vita Maximi syr. 15 (317 Brock).

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Der Autor der syrischen Vita Maximi, der aus dem Abstand mehrerer Jahrzehnte schreibt,62 verbindet hier offensichtlich die Ekthesis mit den Sanktionen, die kurz nach ihrer Promulgation durch eine Konstantinopler Synodos endemousa unter Patriarch Sergios zu ihrer kirchlichen Rezeption erlassen wurden, zu einer Einheit.63 Die Identifizierung des hier erwähnten „Ediktes“ mit der Ekthesis legt sich auch aus diesen Gründen nahe. Sie ist deshalb auch in das Jahr 636/7 zu datieren und nicht wie bisher angenommen in das Jahr 638.64 Das aber bedeutet, dass dieses kaiserliche Gesetz in einer aktuell umstrittenen dogmatischen Frage auf Initiative und Bitten einer fast gesamtkirchlich beschickten Synode unter Berücksichtigung der dissentierenden Minderheit und mit deren Zustimmung zustande kam. Und insofern der Ekthesis eine Konstantinopler Synode folgte, die die kirchliche Rezeption dieser Glaubensdarlegung beschloss, war dieses Edikt gleichsam synodal eingebettet. Dies wirft ein neues Licht auf diese Vorgänge. Die überraschende und nach der syrischen Vita Maximi auch noch einvernehmliche Entscheidung der Kontrahenten, den Kaiser als Schiedsrichter anzurufen, weckt auf den ersten Blick Zweifel. Sie lässt sich jedoch gerade für Herakleios, der sich noch auf dem Höhepunkt seiner Macht nach dem Sieg über die Perser (628) befand, plausibel machen. Denn die Synode von Zypern fand noch vor der desaströsen Niederlage des römischen Heeres gegen die Araber in der Schlacht am Yarmuk am 20. August 636 statt, und die triumphalistische Stimmung jener Jahre nach 628 war noch nicht späterer Ernüchterung gewichen. Die byzantinische Kaiserideologie mit dem Kaiser als Schirmherr und Verteidiger des orthodoxen Glaubens und Steuermann auch in kirchlichen Angelegenheiten hatte mit dem Sieg über die Perser, durch den ein seit Jahrhunderten gefährlicher Feind endgültig überwunden wurde, (110) anscheinend erneut Bestätigung erhalten. Und es war eben dieser Kaiser, der gerade zu Beginn der 30er Jahre des 7. Jahrhunderts im Rahmen der kirchlichen Unionspolitik im Osten selbst die Verhandlungen mit Severianern, Nestorianern

62 Nach S. Brock ist sein Bericht ist kurz vor dem VI. Ökumenischen Konzil entstanden: Ders., An Early Syriac Life (s. Anm. 50), 334–336. 63 Die Sanktionen finden sich: ACO ser. II 1, p.164,20–166,35 Ried.). Zu dieser Synode und der von Pyrrhos im Jahr 639 einberufenen vgl.: Heinz Ohme, Die Konstantinopler Synoden von 638/9 (?) und die Ekthesis des Kaisers Herakleios (610–641), in: ZKG 129 (2018), 289–315 64 So zuerst: Jankowiak, Essai d’histoire (s. Anm. 6), 155–160. Ihm folgen Booth, Crisis of Empire (s. Anm. 6), 239 f. und Allen, Life and Times (s. Anm. 32), 5 ohne eigene Argumentation. Frühere Einwände gegen diese Identifizierung (vgl. die Zusammenfassung bei Winkelmann, Streit [s. Anm. 1], Nr. 34a, 36 und 37, basierten insbesondere auf der traditionellen Datierung der Ekthesis in das Jahr 638. Dazu und zu allen weiteren damit verbundenen Fragen vgl. jetzt ausführlich: Ohme, Die Konstantinopler Synoden (s. Anm. 63).

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4 Mehrheit und Minderheit

und Armeniern in die Hand genommen hatte oder auf den Weg brachte und auch Übereinkünfte erzielte.65 Die syrische Vita Maximi berichtet nun auch noch die Annahme der Ekthesis durch alle auf der Synode von Zypern vertretenen Kirchen: When this order from the emperor arrived and was received by the four sees and all the bishops, they added the signatures of their agreement and anathematized everyone who added or subtracted anything.66

Ist diese Aussage glaubwürdig? Für Sergios, Kyros und auch Honorius muss die Zustimmung zur Ekthesis nicht überraschen, zumal die in die Akten der Lateransynode (649) übernommene ältere lateinische Übersetzung des Ekthesis in ihrer Überschrift ihrerseits die Zustimmung aller Patriarchate bezeugt.67 Aber auch für Sophronios lässt sich dies meines Erachtens plausibel machen. Denn die Ekthesis ist in ihrem christologischen Teil im Wesentlichen eine Wiederholung der Psēphos,68 der er und Maximos zugestimmt hatten. Und selbst die Formel von dem einen Willen Christi ist eigentlich die Variante einer zentralen Formulierung der Psēphos.69 Ähnliche Formulierungen finden sich (111) auch in

65 Vgl. dazu z. B.: Lange, Mia energeia (s. Anm. 3), 533–581. 66 Vita Maximi syr. 16 (317 Brock). 67 Vgl.: Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 2,1, p.157,20–25 Ried.). Dazu: Rudolf Riedinger, Griechische Konzilsakten auf dem Weg ins Mittelalter, in: Ders., Kleine Schriften zu den Konzilsakten des 7. Jahrhunderts, Turnhout 1998 [IP 34], (41–91), 49; Ders., Aus den Akten der Lateransynode von 649 (ebd.), (3–24), 19 f. Bestätigung findet dies durch ein syrisches Florileg vom Ende 7./Anfang 8. Jahrhundert, vgl.: Maria Conterno, Three unpublished texts on Christ’s will and operation from the Syriac florilegium in the ms. London, British Library, Add. 14535, in: Millennium 10 (2013), (115–144), 117. 68 Zur inhaltlichen Analyse der Ekthesis s.: Riedinger, Aus den Akten der Lateransynode (s. Anm. 67). 69 Bereits dort heißt es nämlich: „Denn es ist unmöglich, dass in ein und demselben Subjekt zwei Willen existieren, die zugleich und in derselben Hinsicht Entgegengesetztes wollen. Die heilsame Unterweisung der gotttragenden Väter lehrt aber deutlich, dass niemals das mit einer Vernunftseele ausgestattete Fleisch des Herrn gesondert für sich und aus eigenem Antrieb seine natürliche Bewegung entgegen dem Wink des mit ihm hypostatisch geeinten Gott Logos vollzogen hat, sondern wann, wie und in welchem Maß sie der Gott Logos wollte“ (ἀδύνατον γὰρ ἐν ἑνὶ καὶ τῷ αὐτῷ ὑποκειμένῳ δύο ἅμα καὶ κατὰ ταυτὸν < ἐναντία > ὑφεστάναι θελήματα ἡ δὲ σωτήριος τῶν θεοφόρων πατέρων διδασκαλία ἐναργῶς ἐκπαιδεύει τὸ μηδέποτε τὴν νοερῶς ἐψυχωμένην τοῦ κυρίου σάρκα καὶ ἐξ οἰκείας ὁρμῆς ἐναντίως τῷ νεύματι τοῦ ἡνωμένου αὐτῇ καθ᾿ ὑπόστασιν θεοῦ λόγου τὴν φυσικὴν αὐτῆς ποιήσασθαι κίνησιν, ἀλλ᾿ ὁπότε καὶ οἵαν καὶ ὅσην αὐτὸς ὁ θεὸς λόγος ἐβούλετο): Sergios I Patr. Const., Psēphos (ACO ser. II 2,2 p.542,16–21Ried.).

2 Mehrheit und Minderheit auf der Synode von Zypern (636)

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der Synodica des Jerusalemer Patriarchen.70 Schließlich lässt sich auch bei Maximos ein öffentlicher Widerspruch gegen die Ekthesis nicht vor 640/1 feststellen.71 Wir haben damit bis zum Tode der Hauptprotagonisten in dieser ersten Phase des sog. monenergetisch-monotheletischen Streites ‒ Honorius starb am 12. Oktober 638, Sergios am 9. Dezember 638, Sophronios am 11. März 638 (11. März 639?) und Herakleios am 11. Februar 641 ‒ eine Situation, in der die in der Streitfrage dissentierende Minderheit durch ein einvernehmlich durchgeführtes synodales Verfahren eingebunden war, ohne sie von vornherein auszugrenzen. Diese Gruppe startete jedoch nach 641 unter der Federführung des Maximos eine Kampagne gegen die Ekthesis, die in der Lateransynode im Jahr 649 ihren Höhepunkt finden sollte. Es ist offensichtlich, dass dabei die Zustimmung des Papstes Honorius und des Sophronios zur Synode von Zypern und zur Ekthesis, sowie die mit dem Edikt verbundene kaiserliche Autorität ein schweres Hindernis darstellen musste. Im Folgenden soll deshalb dargestellt werden, wie diese Minderheit nun mit jenen Tatbeständen umging. (112)

70 Sophronius Patr. Hier., Epistula synodica (ACO ser. II 2,2 p. 450,8–452,1.2–7 Ried.): „Wenn er wollte, gab er nämlich der menschlichen Natur Gelegenheit, das Eigene zu wirken und zu erleiden (ἐδίδου γάρ, ὅτε καὶ ἤθελε, φύσει τῇ ἀνθρωπείᾳ καιρὸν ἐνεργεῖν καὶ πάσχειν τὰ ἴδια) […]. Denn er nahm dies nicht unfreiwillig oder gezwungenermaßen auf sich, auch wenn er es auf natürliche und menschliche Weise an sich heranließ und mit menschlichen Bewegungen tat und vollbrachte […]. Als Gott nämlich war er derjenige, der es ertrug (ἀνεχόμενος), dies fleischlich zu erleiden und der uns durch die eigenen Leiden errettete und für uns durch sie die Freiheit von den Leidenschaften (ἀπάθεια) anordnete. Aber (dies geschah) wenn derselbe entschlossen war (ἐβεβούλετο) zu leiden, zu handeln und auf menschliche Weise zu wirken (πάσχειν καὶ πράττειν καὶ ἐνεργεῖν) […] und nicht, wenn die naturhaften und fleischlichen Bewegungen naturhaft zum Wirken bewegt werden wollten (κινεῖσθαι φυσικῶς πρὸς ἐνέργειαν ἤθελον) […]. Denn er hatte einen leidensfähigen, sterblichen und vergänglichen und unseren natürlichen und untadeligen Affekten (ἀδιαβλήτοις πάθεσι) unterliegenden Leib angezogen, und er ließ es zu (συνεχώρησε), dass dieser (sc. Leib) das der eigenen Natur Entsprechende leidet und vollbringt bis zu der Auferstehung von den Toten.“ „So ließ er das Niedrige und Menschliche zugleich freiwillig und naturhaft sehen und blieb darin gleichwohl Gott. Er war sein eigener Verwalter (ταμίας) menschlichen Leidens und Handelns und nicht nur Verwalter, sondern auch Rektor (πρύτανις) […] und deshalb war das Menschliche bei ihm übermenschlich (ὑπὲρ ἄνθρωπον), nicht weil die Natur nicht menschlich war, sondern weil er freiwillig Mensch wurde.“ 71 Die erste kritische Auseinandersetzung des Maximos mit der Willensthematik ausgehend von der Ekthesis findet sich in Opusc. theol. et pol. 4 (Jankowiak/Booth, A New Date-List [s. Anm. 23], Nr. 57 [„c.636–640, and probably c.640“]). Explizite dyoenergetische und dyotheletische Aussagen in Verbindung mit Polemik gegen die Ekthesis finden sich erstmals in den Opusc. theol. et pol. 6 und 7 (Jankowiak/Booth, A New Date-List [s. Anm. 23], Nr. 59.41), beide von ca. 640/1.

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4 Mehrheit und Minderheit

3 Die Deutung der Ereignisse der 30er Jahre durch Maximos Homologetes in seinem Brief an Petros Illustrios (Opusc. theol. et pol. 12) Dieser Brief72 wurde während des letzten Africaaufenthaltes des Maximos (ca. 641–646) wohl im Jahr 645 geschrieben und gehört in die von ihm in diesen Jahren dort betriebene Kampagne gegen die Ekthesis. Das Schreiben macht seine Sicht der Entstehung des Streites deutlich, ebenso aber auch die Rolle der wichtigsten Protagonisten und die Mehrheitsverhältnisse in seiner Perspektive. Gerichtet ist der Brief an den Magister militum von Numidien (στρατηγὸς Νουμιδίας), den Patrikios Petros, mit dem Maximus bereits in früheren Jahren in freundschaftlichem Briefverkehr stand.73 Anlass war eine Anfrage des Generals, ob es angemessen sei, den Nachfolger des Patriarchen Sergios, Pyrrhos (638–641.654), der inzwischen abgesetzt worden war und sich im römischen Africa bei Petros aufhielt, mit den Titel sanctissimus und almificus anzureden. Maximos lehnte dies in seiner Antwort strikt ab, weil Pyrrhos sich wegen seiner Maßnahmen zur Durchsetzung der Ekthesis als Häretiker erwiesen habe.74 Pyrrhos gehöre zu jenen, die „ohne Unterschied der gottlosen Neuerung ständig folgen“ und die „die Ekthesis gegen den wahren Glauben der Christen ausgedacht haben“.75 Dessen Vorgänger ‒ der Name wird nicht genannt ‒ habe sie

72 PG 91,141–146 = PL 129,573–576. Jankowiak/Booth, A New Date-List (s. Anm. 23), Nr. 66, datieren den Brief auf das Jahr 645. Er ist nur auszugsweise und in der lateinischen Übersetzung des Anastasius Bibliothecarius (†879) erhalten, der sein Exzerpt in seine 874/5 entstandenen sog. Collectanea einfügte. Zu Anastasius Bibliothecarius vgl. PMBZ, Nr. 341.20341; Bronwen Neil, Seventh-Century Popes and Martyrs. The Political Hagiography of Anastasius Bibliothecarius. Studia Antiqua Australiensia II, Turnhout 2006, 11‒34. Zu den Collectanea: ebd., 71– 79.125. Zu Absicht und Hintergrund dieser Textsammlung: Ohme, Wer hat den Dyotheletismus erfunden? (s. Anm. 6), 93–96.122–130. 73 Zu Petros vgl.: Winkelmann, Streit (s. Anm. 1), Nr. 87.88.132, S. 251. In ep. 13 (zwischen 629– 633 zu datieren) verwies Maximos den Petros an Sophronios, den er bei dieser Gelegenheit auch als seinen geistlichen Vater, Herren und Lehrer bezeichnet hat (PG 91, 509–533.533A2f.). Vgl.: Jankowiak/ Booth, A New Date-List (s. Anm. 23), Nr. 15. Ep. 14 (PG 91, 533–543) aus dem Jahre 633/4 ist bedeutend wegen der von Maximos vorgenommenen apokalyptischen Deutung der arabischen Invasionen (S. dazu: Ohme, Geschichtstheologie [s. Anm. 6], 41–45), scheint aber noch im Geiste der Zustimmung zur Psēphos geschrieben zu sein. Vgl. Jankowiak/ Booth, Date-List (s. Anm. 23), Nr. 37. 74 PG 91,144A3–8. 75 Maximus Conf., Opusc. theol, et pol. 12 (PG 91,141A5f.142B3f.): qui […] impiam novitatem sectantur indifferenter […] contra veram Christianorum fidem excogitaverunt Ecthesim.

3 Die Deutung der Ereignisse der 30er Jahre durch Maximos Homologetes

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in den Jahren seines Episkopates als „Offenbarung seines verworfenen Geistes“ gottlos in seinem Inneren wachsen lassen, Pyrrhos aber habe (113) sie mit noch größerer Gottlosigkeit zur Welt gebracht.76 Maximos erwähnt dann auch Maßnahmen, die im Zusammenhang der Ekthesis durchgeführt wurden, von denen er die meisten verwirft. So seien die „Meinungsäußerungen“ und „Zusammenstellungen“ zu Gunsten der Ekthesis schlicht „ungebildet“ ‒ gemeint sind hier wohl dogmatische Schriften und Florilegien.77 Es seien „Gedenkveranstaltungen“ eingeführt worden,78 und „Räubersynoden und bischöfliche Treffen“ hätten stattgefunden, die aber „nicht wirklich ein Zusammenkommen, sondern ein gewaltsames Versammeln“ gewesen seien, wobei die Teilnehmer gar nicht wegen der Synoden gekommen waren, sondern „auf der Flucht vor den Barbaren die Reise in die Fremde angetreten“ hätten.79 Gemeint sind hier gewiss die beiden Synoden unter Sergios und Pyrrhos für die Ekthesis.80 Schließlich hätte es auch noch „Befehle und Drohungen“ gegeben, die „hierhin und dorthin gegen die Frommen geschickt wurde“.81 Dies bezieht sich auf die Sanktionen beider Synoden und die von Pyrrhos verschickte Enzyklika.82 In diesen Worten wird eine neue Schärfe in der Auseinandersetzung deutlich, die sich in einer Radikalisierung der Sprache niederschlägt. Petros Illustrios hatte wohl auch noch von Pyrrhos Informationen über den Verlauf der

76 Maximus Conf., Opusc. theol, et pol. 12 (PG 91,141B8–C): Hanc enim multis, quibus perduravit annis in episcopatu ad manifestationem reprobatae mentis suae […] decessor quidem ejus impie in utero aluit, iste vero magis impie genuit. 77 Maximus Conf., Opusc. theol, et pol. 12 (PG 91,142B4f.): Deinde sententias pro ea, et compositiones incultas. Es könnte sich dabei um die umfangreichen dogmatischen Schriften des Pyrrhos handeln, aus denen kurze Passagen auf dem VI. Ökumenischen Konzil verlesen wurden, die dann aber insgesamt vernichtet wurden. Vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 1), Nr. 57.58. 78 Maximus Conf., Opusc. theol, et pol. 12 (PG 91,142B5f.): Dein actiones monumentorum. Dies bezieht sich meines Erachtens auf das Fest der Synode gegen Severus (536) und des V. Ökumenischen Konzils (553), das am Sonntag nach dem Chalcedon-Fest (16. Juli) begangen wurde, und dem nun das Gedenken des Synode des Sergios (636/7; olim: 638) zur Ekthesis hinzugefügt und für das das Kontakion „Auf die heiligen Väter“ geschaffen wurde. Vgl. dazu: Heinz Ohme, Das Kontakion „Auf die heiligen Väter“ und die Ekthesis des Kaisers Herakleios (610–641), in: OS (2018), 9–36. 79 Maximus Conf., Opusc. theol, et pol. 12 (PG 91,142B9f.): Deinde synodos latrocinales et concursus episcoporum, non vero convenientium, sed violentia contractorum; non exhortatione properantium, sed ex fuga Barbarorum peregre profiscentium. 80 Vgl.: Ohme, Die Konstantinopler Synoden (s. Anm. 63). Dass einige Teilnehmer sich tatsächlich auf der Flucht vor den Arabern in der Hauptstadt befunden haben werden, widerspricht nicht dem Charakter dieser Synoden als endemische. 81 Maximus Conf., Opusc. theol, et pol. 12 (PG 91,142B10f.): Dein jussiones et minas huc atque illuc adversus pios transmissas. 82 Vgl.: Winkelmann, Streit (s. Anm. 1), Nr. 56.

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Kontroverse in den 30er Jahren erhalten, die er nun fragend Maximos mitteilte. Diese müssen mit dem von Maximos bisher dem General gegenüber gezeichneten Bild nicht übereingestimmt haben, denn er geht nun im Folgenden auf solche Informationen und Argumente näher ein. Bezeichnenderweise (114) betreffen sie die Haltung von Sophronios und Arkadios von Zypern, ebenso aber auch von Papst Honorius und den Kaiser Herakleios. Zur Rolle des Sophronios in jenen Jahren muss Pyrrhos auf den Bruch des Versprechens, sich an die Psēphos zu halten, und die schillernden Äußerungen in der Synodika hingewiesen haben, die zur Synode von Zypern führten. Denn nur so erklärt sich die Äußerung des Maximos: „Sie zischeln, er (sc. Sophronios) sei hier und da in Irrtum gefallen“.83 Dadurch, dass Pyrrhos hier wie dann später in der Disputatio dokumentiert84 die Verantwortung für die Entstehung der Ekthesis wesentlich bei Sophronios sah, sah sich Maximos als dessen Schüler anscheinend persönlich und mit seiner Kampagne in Frage gestellt. Denn in den folgenden gerne und oft zitierten Sätzen folgt eine regelrechte Apologia Sophronii: Sophronios habe „stets die göttlichen Lehren der katholischen Kirche gelehrt und verkündet“.85 Und noch vor der alexandrinischen Union habe „der göttliche und große Sophronios“ gegenüber Kyros unter Klagen und eindringlich seine Stimme erhoben, er ließ wahre Sturzbäche von Tränen hervorschießen, beschwor jenen mit feurigen Worten, flehte ihn an, forderte ihn auf und warf sich ihm zu Füßen auf den Boden, damit er nichts davon von der Kanzel herab gegen die katholische Kirche Gottes verkünde. Denn es seien ja offensichtlich die Lehren des gottlosen Apolinaris. […] Auf diese Weise, o mein über alles Verehrungswürdiger, verunglimpfen sie das Göttliche in diesem Mann durch Gott verhasste Schmähungen, indem sie miteinander gewissermaßen Verspottungen inszenierten, und sie gewährten dem heiligsten Sophronios keinerlei Trost, der da so erbarmungswürdig klagte, nach Art eines zweiten Jeremia die Zerstörung der katholischen Kirche beweinte und gar sehr und leidenschaftlich Tränen darüber vergoss, wie tief die göttlichen Lehren gefallen sind.86 (115)

83 Maximus Conf., Opusc. theol, et pol. 12 (PG 91,142A3f.): se in errorem movisse hac illacque susurrant. 84 S. o. Anm. 44.45. 85 Maximus Conf., Opusc. theol, et pol. 12 (PG 91, 142A1–3): Sophronium quippe, qui prudenter divina perdocuit et praedicavit Ecclesiae catholicae dogmata, […]. 86 Maximus Conf., Opusc. theol, et pol. 12 (PG 91,143C11–144A2): Divinus ergo magnusque Sophronius […] lugubre quiddam et ingens vociferatus, fontes emittebat lacrymarum illum fervide obsecrans, supplicans, expostulans, in pavimento ipsius pedibus provolutus, quo nihil horum super ambonem contra catholicam Dei Ecclesiam praedicaret: quippe cum haec liquido impii essent Apollinarii dogmata. […] Taliter viri, o mihi prae omnibus reverendum caput, divina Deo perosis insulationibus, et invicem scenicis quodammodo illusionibus lacerabant, et sacratissimum Sophronium tam miserabiliter lamentatum, utpote contritionem more cujusdam secundi Jeremiae catholicae deflentem Ecclesiae, tantumque divinorum lapsum bene valde et compatientissime

3 Die Deutung der Ereignisse der 30er Jahre durch Maximos Homologetes

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Diese theatralische Dramatisierung des theologischen Widerspruchs von Sophronios beruht nicht auf Augenzeugenschaft,87 sie ist vielmehr der Rhetorik des Maximos entsprungen. Sie muss aus dem Kontext und der Absicht dieses Briefes heraus verstanden werden und kann meines Erachtens nicht einfach als historische Information zitiert werden.88 In seinen Bemerkungen zu Arkadios von Zypern bietet Maximos nur pauschalisierende Aussagen, die dessen Haltung auf der Synode von Zypern einfach übergehen. So habe Arkadios bis zu seiner letzten Lebensstunde nicht aufgehört ‒ so wie dies alle frommen Priester getan hätten ‒ , die Anhänger der Ekthesis zu bitten, von jener Häresie Abstand zu nehmen.89 Diese Aussage steht in klarem Kontrast zur Information der syrischen Vita Maximi, dass derselbe Arkadios auf der Synode von Zypern die Anathematisierung des Sophronios und Maximos gefordert habe.90 Und natürlich muss Maximos auch auf Papst Honorius eingehen, mit dem Pyrrhos offensichtlich ebenfalls gegenüber Petros Illustrios argumentiert hatte, wie sich aus Folgendem ergibt. Die „Elenden“, so Maximos, hätten „die Frechheit besessen, in ihren mit der gottlosen Ekthesis verbundenen Handlungen den großen Honorius für sich in Anspruch zu nehmen“ und „mit der herausragenden Stellung des Mannes in Sachen der Frömmigkeit“ geprahlt.91 Es fällt auch hier auf, dass Maximos auf keine Details eingeht, also weder auf den 1. Honoriusbrief an Sergios mit seiner Zustimmung zum Vorgehen des Konstantinopler Patriarchen und dem Bekenntnis zu dem einen Willen Christi noch auch auf

dogmatum deplorantem, nullatenus consolati sunt. Deutsche Übersetzung: Bausenhart, „In allem uns gleich außer der Sünde“ (s. Anm. 20), 285. 87 So schon Polycarp Sherwood, An Annotated Date-list of the Works of Maximus the Confessor, Rom 1952, 52 (Nr. 76). 88 Dies ist jedoch die gängige Praxis. Vgl. z. B.: von Schönborn, Sophrone de Jérusalem (s. Anm. 7), 78 f.; Bausenhart, „In allem uns gleich außer der Sünde“ (s. Anm. 20), 285. Hovorun, Will, Action and Freedom (s. Anm. 58), 69 f.. Dieselbe Dramatisierung wird in der Disputatio cum Pyrrho auch auf den Protest des Sophronios bei Sergios in Konstantinopel angewendet: „[…] ermahnte ihn der selige Sophronios, indem er […] sich ihm ehrfürchtig zu Füßen warf, wobei er keineswegs bettelte, sondern ihm die lebenspendenden Leiden Christi unseres Gottes vor Augen stellte, er solle nicht die Stimme der Häretiker wieder erneuern, die bereits früher von den heiligen Vätern […] glücklich zum Verstummen gebracht wurde (PG 91,333B); dt. Übersetzung: Bausenhart, a.a.O., 222). Dass Sergios mit Sophronios zu einer Verständigung kam, wird hier nicht mehr erwähnt. 89 Maximus Conf., Opusc. theol, et pol. 12 (PG 91, 143B7-10). 90 Zur schillernden Haltung des Arkadios vgl.: Winkelmann, Streit (s. Anm. 1), S. 196–198. 91 Maximus Conf., Opusc. theol, et pol. 12 (PG 91,143A7–B1): […] miseri […] in suis contextis pro impia Ecthesi actionibus, secum, magnum Honorium acceperunt, suae praesumptionis ostentationem ad alios facientes, viri in causa pietatis maximam eminentiam.

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4 Mehrheit und Minderheit

die Argumente der sog. Apologia Honorii, während dies in der zeitlich ebenfalls im Jahr 645 anzusetzenden Disputatio cum Pyrrho ‒ jedenfalls in deren (116) später fixiertem Wortlaut ‒ ausführlich behandelt wird.92 Vielmehr wird die Berufung des Pyrrhos auf den Papst als „Lüge“ deklariert93 und die für Maximos problematische Haltung des Honorius durch namentliche Zusammenstellung mit seinen Nachfolgern Severinus, Iohannes IV. und Theodorus I. hinter steilen primatialen Aussagen zum römischen Papsttum versteckt.94 Hinzu kommt die unzutreffende Behauptung, dass „der gesamte Orient und Okzident“ ihn wie seine Nachfolger bekniet hätte, gegen die Ekthesis vorzugehen.95 Damit ist für Maximos bereits zu diesem Zeitpunkt auch die Frage nach Minderheit und Mehrheit in der aktuellen Kontroverse entschieden. Pyrrhos und die Anhänger der Ekthesis seien eine verschwindende, in ihrer Häresie gefangene Minderheit, die mit Lügen sich auf die namhaftesten leitenden Bischöfe der 30er Jahre berufe, und ansonsten die gesamte Christenheit im Osten und Westen gegen sich habe. Die Reaktion des Maximos ist gekennzeichnet durch ein ausweichendes Verschweigen von Fakten aus der 1. Phase des sog. monenergetisch-monotheletischen Streites, verbunden mit Umdeutungen und schließlich auch der Verfälschung von Tatsachen. Dies betrifft vor allem die Haltung der römischen Kirche unter Honorius und den völligen Ausfall der Synode von Zypern. Diese Umdeutungen sind Bestandteil einer seit 641 eröffneten Kampagne, für die die primatialen Ansprüche des Papsttums in Dienst genommen wurden und die in der Lateransynode ihren Höhepunkt erreichen sollte. Hierfür musste schließlich auch noch die Haltung des Kaisers Herakleios neu gedeutet werden, denn natürlich hatte sich Pyrrhos auch auf ihn bezogen.

92 Zur Disputatio s. o. Anm. 45. Zur Apologia Honorii und Maximos vgl.: Ohme, Wer hat den Dyotheletismus erfunden? (s. Anm. 6). 93 Maximus Conf., Opusc. theol, et pol. 12 (PG 91,143B): falsiloquis. 94 Maximus Conf., Opusc. theol, et pol. 12 (PG 91, 143B11–14). Der apostolische Stuhl habe „vom menschgewordenen Wort Gottes selbst, aber auch von allen heiligen Synoden gemäß den heiligen Kanones und Definitionen die Oberherrschaft, Autorität und Binde- und Lösegewalt über alle heiligen Kirchen Gottes auf dem ganzen Erdkreis in allem und durch alle Zeiten empfangen“ ([…] apostolicam sedem, quae ab ipso incarnato Dei Verbo, sed et omnibus sanctis synodis, secundum sacros canones et terminos, universarum, quae in toto terrarum orbe sunt, sanctarum Dei Ecclesiarum in omnibus et per omnia percepit et habet imperium, auctoritatem et potestatem ligandi et solvendi): PG 91,144,C4–10. 95 Maximus Conf., Opusc. theol, et pol. 12 (PG 91,143C1–3): Nonne Oriens totus et Occidens lacrymas, lamenta, obsecrationes, deprecationes ex aequo, tam Deo per orationes, quam his per epistolas offerabant. Dieselbe Behauptung wird dann auch auf der Lateransynode (649) zur Legitimierung ihres Vorgehens vorgebracht. Zur Problematik dieser Aussage vgl.: Heinz Ohme Was war die Lateransynode von 649? Was sollte sie sein?, in: AHC 48 (2016/7), 102–157.

4 Kaiser Herakleios und die Ekthesis in der Deutung des Maximos Homologetes

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4 Kaiser Herakleios und die Ekthesis in der Deutung des Maximos Homologetes Seit den 40er Jahren des 7. Jahrhunderts wurde der Promulgation der Ekthesis durch Kaiser Herakleios von Maximos die Information gegenübergestellt, der Kaiser habe sich kurz vor seinem Tode noch von der Ekthesis distanziert. Der Text sei von Sergios verfasst und die Unterschrift des Kaisers diesem abgenötigt worden. Diese Behauptung hat im Jahre 649 Eingang in das 18. Anathema der Lateransynode gefunden, in dem u. a. Kyros von Alexandrien, Sergios, Pyrrhos und der gegenwärtige Konstantinopler Patriarch Paulos und auch die Ekthesis anathematisiert wurden. Von dieser wird dort hervorgehoben, dass sie „durch denselben Sergios dem Kaiser Herakleios untergeschoben worden“ sei.96 Die These einer kaiserlichen retractatio ist in den maximianischen Schriften zweifach überliefert. Das älteste Zeugnis dafür ist der im Kapitel zuvor dargestellte Brief an Petros Illustrios (Opusculum 12). Dort erklärt Maximos gegenüber dem Adressaten: Die Häretiker haben „nämlich den, der damals herrschte, auf raffinierte Weise mit Leistungen sich verpflichtet. […] Sie haben den Mann überredet, die Ekthesis unter seinem eigenen Namen zu veröffentlichen […] und er hat bekanntgegeben, dass er keineswegs aus eigenem Antrieb selbst die gottlose Ekthesis angefertigt hat, sondern von jenen dazu genötigt worden ist. In einem Brief hat er das zu seinem eigenen Schutz gesagt, als er dem vormaligen Papst Iohannes seligen Angedenkens Rechenschaft ablegte. […] Denn er hat sich um diese Sache nicht auch noch bemüht, war er doch mit anderen Dingen beschäftigt“.97

Das zweite Zeugnis wurde 10 Jahre später formuliert. In der als wörtliches Protokoll des ersten Prozesses gegen Maximos am 16. und 23./24. Mai 655 gestalteten sog. Relatio motionis wird derselbe Sachverhalt als Zitat aus einer κέλευσις des Kaisers an Papst Iohannes IV. wiedergegeben. Der Kaiser habe dort Folgendes geschrieben:

96 Concilium Lateranense a. 649, Anath. 18 (ACO ser. II 1 p.380,33–382,4 Ried.): […] καὶ πρὸς τούτοις τὴν ἐξ ὑποβολῆς τοῦ αὐτοῦ Σεργίου γενομένην παρὰ Ἡρακλείου τοῦ βασιλέως κατὰ τῆς ὀρθοδόξου πίστεως ἀσεβεστάτην Ἔκθεσιν. 97 Maximus Conf., Opusc. theol, et pol. 12 (PG 91,142B12–143A6): Nam eum, qui tunc imperabat, sophistice muneribus in servitutem redigentes. […] Ex proprio nomine viro Ecthesim producere persuaserunt. […] et innotescens quod ipse nequaquam ex se fuerit motus, sed ab illis coactus impiissimam fecerit Ecthesim, in scriptis pro seipso haec dicens, et rationem reddens Joanni sanctae memoriae papae senioris Romae. […] Neque enim quodlibet super hoc habuit studium, utpote ab alia circumlatus. Wodurch sich der Kaiser habe überreden und nötigen lassen, wird nicht gesagt.

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4 Mehrheit und Minderheit

Die Ekthesis ist nicht von mir, denn ich habe sie weder diktiert noch ihre Entstehung befohlen. Sondern Patriarch Sergios hatte (118) sie zusammengestellt, bevor ich vor fünf Jahren aus dem Osten zurückgekommen war, und bat mich, als ich in diese überaus glückliche Stadt kam, sie unter meinem Namen mit meiner Unterschrift zu veröffentlichen. Und ich habe seine Bitte akzeptiert. Jetzt aber, wo ich erfahre, dass einige über sie in Streit geraten, mache ich allen klar, dass sie nicht von mir ist.98

Der apologetische Kontext und die Absicht der ersten Quelle wurden im vorausgehenden Kapitel erläutert. Was ist zu dem zweiten Zeugnis aus der Relatio motionis zu sagen? Zuerst: Es handelt es sich jetzt um ein wörtliches Zitat. Maximos zitiert hier Herakleios im Kontext eines Gespräches, das er am Abend des ersten Verhandlungstages seines Prozesses99 im Gefängnis mit zwei hochrangigen Gesandten Kaiser Konstans II. (641–668),100 dem Patrikios und Stadteparchen Troϊlos101 und dem ἐπὶ τῆς τραπέζης τῆς βασιλικῆς Sergios Eukratas102 führte, die ihn zum Einlenken bewegen wollten. Denn Maximos verweigerte die communio mit der Kirche von Konstantinopel und scheint für diese rigide Haltung auch in Konstantinopel Anhänger gefunden zu haben. Bei Wiederaufnahme der communio wurde ihm nun von seinen Gesprächspartnern großes Entgegenkommen des Kaisers in Aussicht gestellt.103 Als Gründe für seine Haltung gab er die alexandrinische Union, die Ekthesis und den Typos104 von 648 an, die zu Recht samt ihren Verfassern von der Lateransynode anathematisiert worden seien. Weil der Typos durch den gegenwärtigen Kaiser Konstans II. erlassen worden war, wiesen die Gesandten nun darauf hin, dass dessen Anathematisierung dem Ansehen des Kaisers schweren Schaden zugefügt habe. Maximos stellte darauf die Frage nach den für den Typos Verantwortlichen und beantwortete sie selbst mit dem Hinweis auf kirchliche und staatliche Würdenträger, die den „unschuldi-

98 Relatio motionis 368–378 (CCSG 39,41 Allen/Neil): Ἡ Ἔκθεσις οὐκ ἔστιν ἐμή· οὔτε γὰρ ἐγὼ ὑπηγόρευσα, ἢ ἐκέλευσα γενέσθαι· ἀλλὰ Σέργιος αὐτὴν ὁ πατριάρχης συντάξας πρὸ πέντε ἐτῶν τοῦ ἀνελθεῖν με ἀπὸ τῆς ἀνατολῆς, ἐδεήθη μου κατὰ ταύτην γενομένου τὴν πανευδαίμονα πόλιν, ὀνόματι μου προτεθῆναι αὐτὴν μεθ᾿ὑπογραφῆς· καὶ κατεδεξάμην τὴν ἐκείνου παράκλησιν. Νῦν δὲ γνοὺς ὅτι τινὲς ἐπ᾿ αὐτὴν διαμάχονται, πᾶσι δῆλον ποιῶ, ὅτι οὐκ ἔστιν ἐμή. 99 Zum Prozess vgl.: Wolfram Brandes, „Juristische“ Krisenbewältigung im 7. Jahrhundert? Die Prozesse gegen Papst Martin I. und Maximos Homologetes, in: FBRG.FM 10 (1998), 141–212. 100 PMBZ, Nr. 3691. 101 PMBZ, Nr. 8524. 102 PMBZ, Nr. 6578. 103 Vgl. dazu i. e.: Ohme, Maximos Homologetes (†662): Martyrium (s. Anm. 6), 325–329. 104 Dölger/ Müller, Regesten (s. Anm. 28), Reg. 225; Winkelmann, Streit (s. Anm. 1), Nr. 106. Der Typos trat als Gesetz an die Stelle der Ekthesis und verbot unter Androhung hoher Strafen im Sinne eines Moratoriums jede weitere Auseinandersetzung über die Anzahl von Energien und Willen in Christus.

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gen und von (119) jeder Häresie unbefleckten“ Kaiser mit in den Schmutz gezogen hätten.105 Die Gesandten sollten Konstans II. doch nahelegen, dasselbe zu tun was „sein Großvater frommen Angedenkens“ getan hätte: „Als jener gemerkt hat, dass einige im Westen ihn mit Vorwürfen überzogen, hat er sich von einem Tadel in der Kirche befreit, indem er schrieb:“106 Darauf folgt nun das obige Zitat, zu dem Maximos dann erklärt, dass Herakleios diese κέλευσις an Papst Iohannes geschickt habe, „der die Ekthesis in seinem Brief an Pyrrhos damals verurteilt hat. Und seitdem gilt die Ekthesis überall als Werk des Sergios.“107 Bei dieser zweiten Quelle ist zu beachten, dass es sich hier um ein tendenziöses literarisches Produkt des Maximoskreises handelt ‒ möglicherweise unter Beteiligung des Maximos selbst ‒, um die Aktionen zwischen 641 und 649 zu rechtfertigen und sich zu Märtyrern in einem Prozess von Christenverfolgern zu stilisieren.108 Beide Zeugnisse dokumentieren das Interesse, bei der geplanten bzw. zum Zeitpunkt des Gespräches bereits durchgeführten Anathematisierung der Ekthesis den Kaiser als in der Sache nicht persönlich betroffen darzustellen, weil unter dieser Voraussetzung die dann anhängige Hochverratsanklage tatsächlich gerechtfertigt gewesen wäre. In der Relatio motionis betrifft dieses Interesse nicht nur Herakleios, sondern auch noch Konstans II. Gleichzeitig aber hat Maximos und sein Kreis in derselben Relatio motionis die Autorität des kaiserlichen Amtes als höchste Verkörperung der christlich-römischen πολιτεία prinzipiell in Frage gestellt und jede Zuständigkeit des Kaisers in kirchlichen Angelegenheiten im Allgemeinen und Lehrfragen im Besonderen ausgeschlossen.109 Damit wurde die Ekthesis nicht nur durch die angebliche retractatio der persönlichen Verantwortung des Herakleios entzogen, sondern auch ihr formales Zustandekommen zu einem gleichsam illegitimen Akt erklärt. Die Ekthesis wurde damit zu einer persönlichen Überzeugung ihres Verfassers, des Patriarchen Sergios, herabgestuft, der von politischen Implikationen ungefährdet dann auch anathematisiert werden konnte. Damit erweisen sich die litera-

105 Relatio motionis 364–366 (CCSG 39,41 Allen/Neil): „Οἱ τῆς ἐκκλησίας ἐξεβίβασαν, καὶ οἱ ἄρχοντες συνεχώρησαν· καὶ ἰδοὺ ὁ ῥύπος ἐκ τῶν ὑπευθύνων εἰς τὸν ἀθῶον καὶ καθαρὸν πάσης αἱρέσεως ἐξετινάχθη. 106 Relatio motionis 366–370 (CCSG 39,41 Allen/Neil): Ἀλλὰ συμβουλεύσατε ποιῆσαι ὃ ἐποίησεν ὁ ἐν εὐσεβεῖ τῇ μνήμῃ γενόμενος αὐτοῦ πάππος. Ἐκείνος γὰρ αἰσθόμενος ὅτι ψόγον αὐτοῦ τινὲς κατὰ τὴν δύσιν καταχέουσιν, διὰ κελέυσεως ἐλεύθερον ἑαυτὸν ἐποίησεν τῆς ἐπὶ τῇ ἐκκλησίᾳ μέμψεως, γράψας ὅτι. 107 Relatio motionis 377–380 (CCSG 39, 41 Allen/Neil): […] κατακρίνοντα τὴν Ἔκθεσιν ἐν τοῖς πρὸς Πύρρον τότε γραφεῖσιν. Καὶ ἔκτοτε Σεργίου χρηματίζει πανταχοῦ εἶναι ἡ Ἔκθεσις. 108 Vgl. dazu: Ohme, Maximos Homologetes (†662): Martyrium (s. Anm. 6), 315–335. 109 Vgl.: a.a.O., 321–325.

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rischen Kontexte beider Quellen (120) als hochgradig interessegeleitet von den kirchenpolitischen Absichten des Maximos und seines Kreises. Aber auch die weiteren Aussagen des Maximos werfen Fragen auf. So ist die 645 formulierte Behauptung, der Kaiser habe sich in der theologischen Kontroverse gar nicht besonders engagiert, weil er mit anderen Dingen beschäftigt gewesen sei, schlechterdings unglaubwürdig. Das Gegenteil war bekanntlich der Fall. Die Unionspolitik der Kirche von Konstantinopel in jenen Jahren ist seit ihren Anfängen von Patriarch Sergios in Absprache mit dem Kaiser erfolgt, und ab 630 hatte sich Herakleios bei seinem Aufenthalt im Osten in Religionsgesprächen sogar persönlich engagiert.110 Merkwürdig mutet auch der enge Zeitrahmen für die Möglichkeit einer solchen Erklärung des Kaisers gegenüber Papst Iohannes IV. an.111 Der Papst regierte vom 24. Dezember 640–12. Oktober 641, d. h. zwischen seinem Amtsantritt und dem Tod des Herakleios am 11. Februar 641 liegen nur etwas mehr als sechs Wochen. Eine entsprechende Auskunft des Kaisers gegenüber dem Papst könnte so kaum eine entsprechende Anfrage des Papstes voraussetzen, auf die Herakleios reagiert hätte. Ein Protestbrief Iohannes IV. ist auch nur an die Nachfolger des Herakleios, Konstantin III. und Herakleios (Heraklonas) überliefert.112 Ein Brief des Papstes an Pyrrhos mit einer Verurteilung der Ekthesis ist nicht erhalten. Auch der Liber Pontificalis weiß nichts von einem Protestschreiben Iohannes IV. gegen die Ekthesis an Herakleios, noch von einem Brief an Pyrrhos. Solche Fragen werden substantiell verstärkt durch einen erst seit 1987 bekannt gewordenen Text, der sich selbst als Teil einer κέλευσις bezeichnet und in der handschriftlichen Überlieferung als κέλευσις des Herakleios an Papst Iohannes IV. bezeichnet wird.113 Er findet sich in einem ikonodulen Florilegium des Cod. Marcianus gr. 573 (s.IX–X), fol. 18v. Darin teilt der Kaiser mit, dass er vor drei Jahren für eine Ikone des Gekreuzigten im Konstantinopler Patriarchat ein Epigramm verfasst habe, dessen Inhalt er folgendermaßen zitiert:

110 S. o. Anm. 65. 111 PMBZ, Nr. 2689. 112 Iohannes IV pp., Epistula ad Constantinum Imp. (PL 129, 561‒566; CPL 1729; CPG 9383); Winkelmann, Streit (s. Anm. 1) Nr. 69. 113 ῎Iσον κελεύσεως Ἡρακλείου βασιλέως πρὸς Ἰωάννην πάπαν ῾Ρώμης. Vgl: Stamatina RizouCouroupos, Un nouveau fragment de la κέλευσις d’Heráclius au pape Jean IV, in: Jürgen Dummer, Texte und Textsammlungen. Eine Aufsatzsammlung (TU 133), Berlin 1987, 531–532. Derselbe Text der Keleusis wurde 1995/6 nochmals veröffentlicht von: Alexander Alexakis, Before the Lateran Council of 649: The Last Days of Herakleios the Emperor and Monotheletism, in: AHC 27/28 (1995/6), (93–101) 97, allerdings mit einer Textauslassung und einer falschen Satztrennung.

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Wir weisen Eure Seligkeit darauf hin, dass es in dem unbefleckten Patriarchat dieser (121) gottbeschützen und kaiserlichen Stadt eine Ikone unseres Herrn Jesus Christus gibt, des wahren und gekreuzigten Gottes, und wir haben vor drei Jahren selbst ein Epigramm veranlasst, d. h. wir haben diese Ikone mit einer Aufschrift versehen, die wir in unsere vorliegende κέλευσις einfügen: Er ist da beides, Gott sowohl als Mensch. Und beides ist einer, denn Gott ist Mensch geworden. Den Naturen nach ist er wahrlich doppelt, der Vollmacht und Herrschaft nach aber einfach. Und mit seinem eigenen souveränen Willen gefiel es ihm, das Göttliche und Menschliche zu bewirken. Desselben sind daher die Wunder, desselben aber ist auch das Leiden.114

Dieser Text wurde ohne jeden Bezug zum sog. monenergetisch-monotheletischen Streit überliefert. Er diente anscheinend in einer Spätphase des Bilderstreites als Testimonium für die Existenz einer Christusikone im Konstantinopler Patriarchat lange vor dessen Ausbruch. Ebenso aber war er auch gut geeignet, die von den Ikonoklasten wegen des Bekenntnisses zur Gottheit Christi bestrittene Möglichkeit einer bildlichen Darstellung seiner Person mit einem Traditionszeugnis zu beweisen. Schließlich scheint die theologische Aussage des Textes im Kontext dieser Überlieferung auch auf keinen Widerspruch gestoßen zu sein. Dieses Zeugnis ist also von keiner Tendenz und keinem Interesse im Kontext des sog. monenergetisch-monotheletischen Streites gekennzeichnet. Es verdient schon deshalb Glaubwürdigkeit. Darüber hinaus aber entspricht dieses Epigramm inhaltlich durchaus der Ekthesis und ihrem Anliegen, bei einem klaren Bekenntnis zu den beiden Naturen Christi keine weiteren numerischen Aussagen zuzulassen, sondern alles Wirken und Wollen der einen Person des Menschgewordenen zuzuordnen. Denn die nach dem Epigramm das gebietende Handeln Christi kennzeichnende Vollmacht (ἐξουσία, δεσποτεία) ist hier Merkmal der einen Person und nicht nur einer Natur und insofern einfach (ἁπλοῦς). Ebenso ist das im Wirken Christi unterscheidbare Göttliche und Menschliche (τά τε θεῖα καὶ ἀνθρώπινα ἐνεργῆσαι) Ausdruck des der einen Person eigenen souveränen Willens und Wollens (ἰδίῳ αὐθεντικῷ θελήματι). Denn dieses Wollen drückt sich nicht nur in den Wundern, sondern in gleicher Weise auch in seinem Leiden aus. Es ist hiernach der eine Christus Subjekt seines Wirkens und Wollens, dem deshalb auch seine Wunder und (122) Leiden zuzuordnen sind, ohne sie auf die beiden Naturen zu

114 Cod. Marcianus gr. 573 (s.IX–X), fol. 18v: Σημαίνομεν τῇ μακαριότητι ὑμῶν ὡς ἐν τῷ εὐαγεῖ Πατριαρχείῳ ταύτης τῆς θεοφυλάκτου καὶ βασιλίδος τῶν πόλεων εἰκών ἐστιν τοῦ Κυρίου ἡμῶν Ἰησοῦ Χριστοῦ τοῦ ἀληθινοῦ Θεοῦ τοῦ ἐσταυρωμένου καὶ ἐποιήσαμεν πρὸ τούτων τῶν τριῶν χρόνων ἡμεῖς αὐτοὶ ἐπίγραμμα, τοὐτέστιν ἐπεγράψαμεν ἐν τῇ αὐτῇ εἰκόνι, ὅπερ ἐντεθείκαμεν τῇ παρούσῃ ἡμῶν κελεύσει, καὶ ἔστιν ἐν τούτοις τὰ ἀμφότερα, Θεός τε καὶ ἄνθρωπος, καὶ τὰ ἀμφότερα εἷς · Θεὸς γὰρ ἐνηνθρώπησεν · κατὰ οὖν τὰς φύσεις διπλοῦς, κατὰ δὲ τὴν ἐξουσίαν καὶ δεσποτείαν ἁπλοῦς · καὶ ἰδίῳ αὐθεντικῷ θελήματι τά τε θεῖα καὶ ἀνθρώπινα ἐνεργῆσαι ηὐδόκησεν · τοῦ οὖν αὐτοῦ εἶσιν τὰ θαύματα, τοῦ αὐτοῦ δὲ καὶ τὰ παθήματα.

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verteilen. Wichtig ist, dass es sich bei den letzten beiden Kola des Epigramms um ein direktes Zitat aus der Ekthesis handelt.115 Anscheinend hatte die im Epigramm poetisch angepasste Formel: τοῦ αὐτοῦ τά τε θαύματα καὶ τὰ πάθη bei den Anhängern der Ekthesis eine geradezu programmatische Bedeutung.116 Der Text des Epigramms spricht somit deutlich gegen eine späte inhaltliche Distanzierung des Kaisers Herakleios von der Ekthesis. Wolfram Brandes hat zwei weitere Argumente vorgetragen, die gegen die Retractatio-These sprechen: 1. Warum erwähnt die Lateransynode eine solche κέλευσις des Kaisers nicht, obwohl sich der Brief doch im römischen Archiv befunden haben müsste? 2. Die spätere Forderung Roms nach Aufhebung der Ekthesis, die ja bis zum Typos Konstans II. von 648 in Geltung stand, sei bei einem „Widerruf“ des Kaisers nicht mehr plausibel.117 Es stellt sich damit die Frage, wie die Behauptung des Maximos zu beurteilen ist und was das für die nun zweifach bezeugte κέλευσις des Herakleios an Papst Iohannes IV. bedeutet. Nicht befriedigen kann meines Erachtens der Erklärungsversuch von Walter Kaegi, der einerseits ein Schwanken des Kaisers gegenüber der Ekthesis behauptet und die Aussagen des Maximos als „not an unusual tactic“ bezeichnet, andere davon zu überzeugen, dass bedeutende Personen und Herrscher in einer umstrittenen Frage entgegen der üblichen Darstellung ihre Meinung geändert hätten.118 Auch wenn Maximos auf ein solches Argumentationsmuster zurückgegriffen haben sollte, geht es hier ja nicht nur um ein in die Welt gesetztes Gerücht, sondern um eine von einem bestimmten Interesse getragene Interpretation eines kaiserlichen Briefes, aus dem eine Passage als Zitat wiedergegeben wird. Denn diese κέλευσις an Papst Iohannes IV. hat es ja tatsächlich gegeben.119 Aber es ist nicht so, wie Pauline Allen und Bronwen Neil noch im Jahr 2002 (123) meinten, dass das Zitat in der Relatio

115 Vgl.: Heraclius imp., Ecthesis (ACO ser. II 1, p. 158,27–28 Ried.): καὶ τοῦ αὐτοῦ τά τε θαύματα καὶ τὰ πάθη. Diese Formel findet sich schon in Justinians Edictum de recta fide (καὶ τοῦ αὐτοῦ τά τε θαύματα καὶ τὰ πάθη:74, 6; 90,27 Schwartz), das der ersten Hälfte der Ekthesis zugrunde liegt (Vgl. Riedinger, Aus den Akten der Lateransynode [s. Anm. 67]), ebenso in can. 3 des V. Konzils (ACO ser. I 4,1 p.240,15–16 Straub). In der Ekthesis wird sie noch zweimal, einmal paraphrasierend und einmal fast wörtlich wiederholt. Dort heißt es: τὸν αὐτὸν […] ἀπαθῆ καὶ παθητόν (κηρύττομεν) und dann: καὶ ἑνὸς καὶ τοῦ αὐτοῦ τά τε θαύματα καὶ τὰ πάθη (κηρύττομεν): ACO ser. II 1, p.158,38–39 (Ried.). 116 Vgl. dazu: Ohme, Das Kontakion „Auf die heiligen Väter“ (s. Anm. 78), 27–30. 117 Brandes, „Juristische“ Krisenbewältigung (s. Anm. 99), 203 f. mit Anm. 399. 118 Kaegi, Heraclius (s. Anm. 2), 271. Kaegi (ebd.) unterlaufen sachliche Fehler. So erklärt er den Verfasser der syrischen Vita Maximi zum Monophysiten und hält die dortigen Angaben zu Herakleios deshalb für unglaubwürdig. Die κέλευσις des Kaisers bezieht er auf den Vorgänger Iohannes IV., Severinus. Das Lemma im Cod. Marc. 573 ist allerdings eindeutig! . 119 Dölger/Müller, Regesten (s. Anm. 28), Reg. 215.

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motionis „the only extant fragment of the purported Letter of Emperor Heraclius to Pope John IV“ ist.120 Wir haben zwei Fragmente, wobei das Fragment aus dem Cod. Marcianus hinsichtlich seiner Diktion eher dem Charakter einer kaiserlichen Urkunde entspricht, als das bei der Paraphrase des Maximos im Brief an Petros Illustrios der Fall ist. Dennoch müssen meines Erachtens beide Zeugnisse dem kaiserlichen Schreiben zugeordnet werden. Für dessen zeitliche Einordnung könnte man an die Übergabe der κέλευσις an päpstliche Legaten denken, die zur erforderlichen Einholung der kaiserlichen Zustimmung zur Weihe des nur erst gewählten Iohannes in Konstantinopel weilten.121 Diese könnten auch römische Beschwernisse über das Vorgehen des Patriarchen Pyrrhos mit der von ihm durchgeführten Synode im Jahr 638/9 zur Bestätigung der Ekthesis und seine Folgemaßnahmen zur Sprache gebracht haben. Denn an dieser Synode war die römische Kirche nicht beteiligt und Pyrrhos hatte deren Akten zusammen mit seiner Enzyklika auch nach Rom geschickt, wo sie sich noch im Jahr 649 im römischen Archiv befanden und fragmentiert der Lateransynode präsentiert wurden.122 Aber erst während des Papates von Iohannes IV. und nach dem Tod des Herakleios hat die römische Kirche eine Kehrwende in ihrer Haltung zur Ekthesis und zur Konstantinopler Unionspolitik eingeleitet. Der Papst schrieb den o. g. Protestbrief an die Nachfolger des Herakleios, die sog. Apologia Honorii,123 mit der versucht wurde, die Haltung des Papstes Honorius nachträglich einer dyotheletischen Umdeutung zu unterziehen, und forderte auf einer römischen Synode Pyrrhos auf, die Ekthesis zurückzunehmen, ohne doch ‒ wie spätere Quellen dann behaupten ‒, Anathematismen auszusprechen.124 Diese Kehrtwende wurde befördert durch eine Intervention des Maximos in Rom, wohin er seinen engsten Schüler Anastasios Monachos125 aus dem römischen Africa geschickt hatte, der dann die höchsten Vertreter der römischen Kirche zur Rede stellte, warum und in welcher Weise der „eine Wille“ im Brief des Honorius an Sergios eingefügt worden sei.126 Ich halte es für wahrscheinlich, dass dem Anastasios bei dieser (124) Gelegenheit auch die κέλευσις des Herakleios gezeigt wurde und der Text so in die Hände des Maximos geriet. 120 Pauline Allen/Bronwen Neil, Maximus the Confessor and his Companians: Documents from Exile, Oxford 2002, 180 Anm. 45. 121 Diesen Vorschlag hat zuerst Franz Dölger gemacht. Vgl.: Dölger/Müller, Regesten (s. Anm. 28), Nr. 215. 122 Vgl. dazu: Ohme, Die Konstantinopler Synoden (s. Anm. 63). 123 S. o. Anm. 112. 124 Vgl. dazu: Ohme, Wer hat den Dyotheletismus erfunden? (s. Anm. 6). 125 PMBZ, Nr. 237. 126 Dies berichtet Maximos in einem Brief an den zyprischen Presbyter Marinos vom selben Jahr (PG 91,228B‒245D. 244C‒245A = PL 129,571CD).

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Vor dieser Entwicklung der Dinge ist jedoch der Text der κέλευσις entstanden! Nimmt man beide Zeugnisse dafür zusammen, so ist auszuschließen, dass es zu einem „Widerruf“ durch den Kaiser gekommen ist. Der gebietende Ton, mit dem Herakleios in dem Fragment des Marcianus auf das von ihm persönlich verfasste Epigramm als Beleg für seine Sicht in der Streitfrage verweist, dessen Inhalt und die Tatsache, dass die Ekthesis bis 648 in Geltung stand, sprechen klar dagegen. Aus der von Maximos benutzten Textpassage ergibt sich, dass der Kaiser in seinem Schreiben auch auf die Entstehungsgeschichte der Ekthesis zu sprechen gekommen ist und dabei darauf hingewiesen hat, dass der Text nicht von ihm, sondern von Patriarch Sergios verfasst wurde, auf dessen Bitten er dann diesen mit seiner Unterschrift versehen als Gesetz publiziert habe. An dieser Mitteilung ist eigentlich nichts überraschend. Denn dass dieser komplexe theologische Text nicht vom Kaiser selbst stammt, sondern im Patriarchat entstanden sein muss, ist eigentlich selbstverständlich. In diesem Zusammenhang könnte auch eine einschränkende Bemerkung des Kaisers zum Text der Ekthesis gefallen sein, dessen Autor nicht er sei, jedoch mit dem dann folgenden Verweis auf das Epigramm. Bemerkenswert ist weiterhin die im Text der Relatio motionis enthaltene Zeitangabe: Sergios habe den Text verfasst, „bevor ich vor fünf Jahren aus dem Osten zurückgekommen war“ und habe ihn dem Kaiser vorgelegt, „als ich in diese überaus glückliche Stadt kam“. Herakleios ist nach der Niederlage gegen die Araber in der Schlacht am Yarmuk und der Räumung Syriens Ende 636/Anfang 637 nach Konstantinopel zurückgekehrt.127 Die Zeitangabe im Maximos-Zitat deckt sich also mit den Angaben der syrischen Vita Maximi und spricht ebenfalls für eine frühere Datierung des Ekthesis als bisher üblich.128 Sie macht es allerdings auch wahrscheinlich, dass Herakleios noch weitere Hintergründe wie z. B. die Synode von Zypern und die Haltung des Honorius erwähnt hat, die dann aus verständlichen Gründen von Maximos übergangen werden. Dies wäre jedenfalls eine schlüssige Erklärung dafür, dass bei der Lateransynode, die von Maximos und seinem Kreis im Ablauf bis zum Protokoll genauestens vorbereitet wurde, die κέλευσις zwar der Anathematisierung der Ekthesis zugrunde gelegt, das Schreiben selbst aber der Synode vorenthalten wurde. Schließlich: Wenn die Synodaldelegation der (125) Synode von Zypern bereits vor dem Kaiser in Konstantinopel eingetroffen war, was

127 Kaegi, Heraclius (s. Anm. 2), 247 („late 636 or early 637“); Jankowiak, Essai d’histoire (s. Anm. 6), 154 („vers l’hiver 636/7“). 128 S. o. Anm. 64. Die von Rizou-Couroupos, Un nouveau fragment (s. Anm. 113), 531, gebotene Übersetzung dieser Stelle: „Mais Serge, le patriarche, l’ayant composée cinq ans avant mon retour d’Anatolie me pria […]“ trifft nicht zu. Sie ist auch sachlich unsinnig, weil die Ekthesis dann ca. 631 vor Ausbruch der Kontroverse entstanden wäre.

5 Zusammenfassung

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wahrscheinlich ist, dann liegt auch nichts näher, als dass ein entsprechender Text für eine Entscheidung des Kaisers bereits vor seinem Eintreffen vorbereitet worden war. Der entscheidende Punkt im Umgang mit diesem Text durch Maximos ist die Isolierung einer einzelnen Passage, deren Aussage eine Bedeutung gegeben wurde, die der Intention des Autors und dem Gesamtinhalt der κέλευσις offensichtlich widerspricht, um sie den eigenen kirchenpolitischen Absichten dienstbar zu machen. Im Brief an Petros Illustrios wird diese Umdeutung sogar noch mit einer behaupteten Erpressung und Nötigung verstärkt. Weil auch mit anderen Texten aus der ersten Phase des sog. monenergetisch-monotheletischen Streites, wie z. B. dem 1. Honoriusbrief und den Akten der beiden Konstantinopler Synoden zur Ekthesis, so umgegangen wurde,129 handelt es sich hier meines Erachtens nicht um ein Versehen, sondern um eine gezielt eingesetzte Methode.

5 Zusammenfassung Der zuerst nur von einem einzelnen anerkannten Theologen und Repräsentanten des palästinischen Mönchtums vorgebrachte Protest gegen die Union mit den Severianern in Alexandrien vom Juni 633 blieb nicht ohne Wirkung. Obwohl die Forderung des Sophronios, die Spitzenformulierung der Unionsformel (in zwei Naturen sei es „ein und derselbe Christus und Sohn, der das Gottgemäße und das Menschliche durch eine gottmenschliche Wirksamkeit bewirkt“) zu streichen, von den Patriarchen von Alexandrien und Konstantinopel, Kyros und Sergios, abgelehnt wurde, war Sergios doch bemüht, mit Sophronios zu einer Verständigung zu kommen. Durch einen Konstantinopler Synodalentscheid (Psēphos) mit dem Verbot einer numerischen Redeweise von den Wirkweisen Christi wurde die Möglichkeit einer missbräuchlichen monophysitischen Interpretation der μία-ἐνέργεια-Formel anerkannt und ausgeschlossen. Ebenso aber wurde auch die Rede von „zwei Wirkweisen“ als falsch interpretierbar untersagt. Man verständigte sich auf eine disziplinierte theologische Sprachregelung, insofern nunmehr alle Aussagen über das Wirken Christi auf der Ebene der einen Person und Hypostase Christi erfolgen sollten, um so neben dem Bekenntnis zu den zwei Naturen weitere Aussagen der Dualität in Christus zu vermeiden. Dieser Vereinbarung stimmten (126) Sophronios und auch sein Schüler Maximos zu. Auch Papst Honorius,

129 Vgl.: Ohme, Wer hat den Dyotheletismus erfunden? (s. Anm. 6); Ders., Die Konstantinopler Synoden (s. Anm. 63).

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der um Stellungnahme und mögliche Ergänzungen gebeten wurde, war mit dieser Lösung einverstanden. Als Sophronios ‒ seit ca. 634 Jerusalemer Patriarch ‒ in seiner Synodica diese Vereinbarung zu neutralisieren versuchte und ausgehend von definierten ontologischen Natur- und Wesensmerkmalen die zwei Naturen Christi als Handlungsträger betrachtete, verweigerte Sergios die Annahme der Synodica, und Honorius drängte Sophronios, die Bezeichnung „zwei Wirkweisen“ nicht zu verwenden. Auf Initiative des Jerusalemer Patriarchen kam es deswegen im Jahr 636 zu einer ‒ mit Ausnahme des vakanten antiochenischen Stuhls ‒ ökumenisch beschickten Synode auf Zypern, auf der die Position des Sophronios und Maximos keine Mehrheit fand. Die Synode wies aber einen Antrag auf Anathematisierung des Dyenergetismus und seiner Vertreter zurück und bat Kaiser Herakleios als Schiedsrichter eine Entscheidung zu fällen. Die daraufhin als Gesetz promulgierte Ekthesis verbot jeden weiteren Streit über die Notwendigkeit der Rede von einer oder zwei Wirkweisen Christi und versuchte, mit der vermeintlichen Konsensformel des einen Willens Christi den bisherigen Dissens zu überwinden. Diese Regelung fand die Zustimmung aller an der Synode beteiligten Kirchen. In Konstantinopel wurde sie durch eine Synodos endemousa kirchlich rezipiert. In der ersten Phase des sog. monenergetischmonotheletischen Streites war damit die dissentierende Minderheit durch ein einvernehmlich durchgeführtes synodales Verfahren eingebunden, ohne sie von vornherein auszugrenzen. Der Mehrheit gelang es, einen Konsens zu finden, der synodal abgesichert war und Zustimmung fand. Nach dem Tod der Hauptprotagonisten der 30er Jahre startete jedoch ab ca. 641 die Minderheit ‒ ein aus Palästina geflohenes zelotisches Mönchskollektiv unter der Leitung von Maximos Homologetes ‒ eine Kampagne gegen die Ekthesis. In dieser Kampagne ist früh eine Radikalisierung der Sprache festzustellen, in der nun Sergios und die Anhänger der Ekthesis zu Häretikern und Lügnern erklärt werden. Damit verbunden war die Umdeutung der Haltung des Honorius, des Sophronios und des Kaisers Herakleios sowie das Verschweigen der Synode von Zypern, so dass es insgesamt zu einer Verfälschung der Fakten kommt. Mit dieser Methode wurden jene faktischen Hindernisse aus dem Wege geräumt, die der geplanten Anathematisierung von Sergios, Pyrrhos, Kyros und der Ekthesis im Wege standen, um sie dann auf der Lateransynode von 649 auch durchzuführen.

5 Das Kontakion „Auf die heiligen Väter“ und die Ekthesis des Kaisers Herakleios (610–641) Karl Christian Felmy zum 13. Februar 2018

Abstract: This article reviews Constantine A. Trypanis’ thesis from 1968 that the Kontakion, “On the Holy Fathers,” ca. 639/40, was developed in close connection with the Ecthesis of Emperor Heraclius. As part of this critique, the first German translation of the Kontakion is also offered. The analysis presented shows that some of Trypanis’ central arguments are no longer tenable, and important facts of liturgical history were overlooked. Nevertheless, Trypanis’ fundamental claim is confirmed, albeit on a new and wider basis. Composed after the promulgation of the Ecthesis and before Pyrrhos’ Synod of Constantinople (639), the text was intended for a specific festival in the Byzantine Church calendar, namely, the commemoration of the Synod of Constantinople against Severus (536) and the Fifth Ecumenical Council (553) which was celebrated every year on the Sunday following the Feast of the Council of Chalcedon on 16 July. The theological authors of the Kontakion sought to preserve the incomprehensible nature of the person of Jesus Christ as a „mystery of faith“ (I Tim. 3:16) against any resolution in a theological formulary. Therefore, while drawing upon the Fathers and the synodal tradition, the authors developed the mystery in relatively simple language which consciously dispensed with the disputed concepts of the early phase of the monenergist-monothelete controversy. Consequently, the text is an important example of the few surviving authentic witnesses to work of those theologians who were later anathematized. “On the Holy Fathers” testifies to their fundamental theological, spiritual, ecclesiological and liturgical agreement with their internal church opponents. Die liturgische Überlieferung der Orthodoxen Kirche steht ganz im Zentrum des wissenschaftlichen Œuvres von Karl Christian Felmy.1 Zu dieser Überlieferung

1 Vgl. z. B.: Karl Christian Felmy, Predigt im orthodoxen Rußland: Untersuchungen zu Inhalt und Eigenart der russischen Predigt in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts (KiO.M 11), Göttingen 1972; Ders., Die Deutung der göttlichen Liturgie in der russischen Theologie: Wege und Wandlungen russischer Liturgie-Auslegung (AKG 54), Berlin/New York 1984; Ders., Vom urchristlichen Herrenmahl zur göttlichen Liturgie der Orthodoxen Kirche: ein historischer Kommentar (Oikonomia 39), Erlangen 2000; Heinz Ohme/Johann Schneider (Hgg.), Diskos: Glaube, Erfahrung und Kirche in der neueren orthodoxen Theologie. Ges. Aufsätze Karl Christian Felmy (OiAnmerkung: Zuerst publiziert in: OS 67 (2018), 9–36. https://doi.org/10.1515/9783110714531-005

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5 Das Kontakion „Auf die heiligen Väter“

gehört auch das Kontakion „Auf die heiligen Väter“. Am „Sonntag der 630 heiligen und gotttragenden Väter des heiligen und IV. Ökumenischen Konzils“ in Chalcedon und am „Sonntag der 318 gotttragenden Väter“ des I. Ökumenischen Konzils von Nicaea wird im Morgengottesdienst (orthros; utrenja) dessen Prooemium und seine erste Strophe gesungen.2 Dieser Hymnus hat allerdings 16 Strophen und gehört zu den bedeutendsten Exemplaren dieser Hochform der griechischen Kirchendichtung des 6./7. Jahrhunderts. Von dem „größten Dichter der Orthodoxie“,3 Romanos dem Meloden (ca. 485–vor 562), sind etwa 60 als echt anerkannte Kontakia mit bis zu 24 Strophen erhalten,4 insgesamt 90 sind unter seinem Namen überliefert. Wohl wegen dieser Dominanz des Liedermachers Romanos und der stilistischen Merkmale seiner Poesie hatte Kardinal Jean-Baptiste Pitra (10) (1812–1889) dieses Kontakion, das er im Jahr 1876 erstmals veröffentlichte, Romanos zugewiesen.5 Und auch der Klassische Philologe und Byzantinist Paul Maas (1880–1964), der den Text erstmals 1910 kritisch edierte, hielt aus ähnlichen Gründen die Verfasserschaft des Romanos für „nicht unwahrscheinlich“.6 Konstantinos A. Trypanis (1909–1993), ebenfalls Klassischer Philologe und Byzantinist, unternahm 1968 nochmals eine Edition auf breiterer handschriftlicher Grundlage und kam dabei zu einem völlig anderen Ergebnis.7 Nach

konomia 41), Erlangen 2003; Ders., Einführung in die orthodoxe Theologie der Gegenwart, (Darmstadt 1990), 2. neubearb. Aufl. Münster 2011. 2 Das Prooemium ist das Festtropar. Vgl.: Apostolikē Diakonia tēs Ekklēsias Ellados (Hg.), Μηναῖον τοῦ ᾿Ιουλίου, Athen 2002, 76–82.76; Apostolikē Diakonia tēs Ekklēsias Ellados (Hg.), Πεντηκοστάριον, Athen 1999, 443. Das Chalcedon-Fest wird zwischen dem 13. und 19. Juli begangen, der Nicaea-Sonntag am Sonntag vor Pfingsten. Für die Klärung dieser Zusammenhänge danke ich Dr. Manolis Ulbricht. 3 Johannes Koder, Mit der Seele Augen sah er deines Lichtes Zeichen Herr. Hymnen des orthodoxen Kirchenjahres von Romanos dem Meloden, übers. von J. Koder, Wien 1996, 7. Zu Romanos vgl. auch: Miguel Arranz, Art. Romanos le Melode, in: DSp 13 (1988), 898–908. 4 Paul Maas/Constantine A. Trypanis, Sancti Romani Melodi Cantica. Cantica Genuina, Oxford 1963; José Grosdidier de Matons, Romanos le Mélode. Hymnes I–V (SC 99.110.114.128.283), Paris 1964–81; Koder, Mit der Seele Augen (s. Anm. 3). 5 Jean-Baptiste Pitra, Analecta sacra Spicilegio Solesmensi parata I, Paris 1876, 493–498.493. In dem Text von Pitra fehlen allerdings die Strophen 9–15. 6 Paul Maas, Frühbyzantinische Kirchenpoesie I. Anonyme Hymnen des V–VI. Jahrhunderts (KlT 52/53), Berlin (1910), 21931, 23–32.23. 7 Constantine A. Trypanis, Fourteen Early Byzantine Cantica (WBS 5), Wien 1968, 87–100. L. William Countryman publizierte 1974 unter Anleitung von Trypanis eine englische Übersetzung des Kontakions und wiederholte dabei die Urteile von Trypanis, vgl.: Ders., A Monothelite Kontakion of the Seventh Century, in: GOThR 19 (1974), 23–36. Im Jahr 1963 hatte Trypanis

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Trypanis8 gehört der Text in die Jahre 638/9 und inhaltlich in engsten Zusammenhang mit der sog. Ekthesis des Kaisers Herakleios (610‒641).9 Diese „Darlegung der Lehre der Orthodoxie“ ‒ so der vollständige Titel10 ‒ wurde als kaiserliches Gesetz11 nach traditioneller Datierung12 im Jahr 638 promulgiert und ist dann auf zwei Konstantinopler Synoden unter den Patriarchen Sergios I. (610‒638)13 und seinem Nachfolger Pyrrhos (638–641.654)14 kirchlich autorisiert worden. Der Zweck des Kontakions habe nach Trypanis darin bestanden, „to proclaim the views held by the councils convened in Constantinople in 638 and 639, which ratified Heraclius’ Ekthesis.15 Mit dieser Datierung geriete dieser Hymnus, den die Orthodoxie bis heute singt, allerdings in den Kontext (11) jener dramatischen theologischen Kontroverse des 7. Jahrhunderts, die monenergetisch-monotheletischer Streit genannt wird. Ist doch nicht nur jene Ekthesis, sondern auch ihr Verfasser, Patriarch Sergios, und ihr Verteidiger, Patriarch Pyrrhos, zusammen mit deren theologischem Œuvre und diesen beiden Synoden durch das VI. Ökumenische Konzil im Jahr 681 dem Anathema unterworfen worden. Wir hätten damit eines der wenigen authentischen Zeugnisse aus dem Umfeld jener bedeutenden Theologen und Kirchenpolitiker vorliegen, das nicht wie deren sonstiges Werk dem Vernichtungsbeschluss des VI. Konzils16 zum Opfer gefallen ist. Und die Orthodoxie würde bis heute einen Hymnus singen, dessen Theologie damals zur Häresie erklärt wurde. Inzwischen sind nun 50 Jahre vergangen, seit Trypanis seine These aufstellte. In diesen fünf Jahrzehnten sind grundlegend neue Erkenntnisse zum

zusammen mit Maas die erste umfassende Edition der Kontakia des Romanos vorgelegt (s. o. Anm. 4). Von 1974–1977 war er griechischer Minister für Kultur und Wissenschaft. 8 Trypanis, Fourteen Early Byzantine Cantica (s. Anm. 7), 87–91. 9 Walter E. Kaegi, Heraclius. Emperor of Byzantium, Cambridge [2003] 2004. 10 Ἔκθεσις τοῦ τῆς Ὀρθοδοξίας δόγματος: ACO ser. II 1, p.164,30 f. (Riedinger). Zur Ekthesis (ACO ser. II 1, p.156,20–162,13 [Ried.]) vgl.: F. Winkelmann, Der monenergetisch-monotheletische Streit (BBySt 6), Berlin 2001, Nr. 50. 11 Franz Dölger/Andreas E. Müller, Regesten der Kaiserurkunden des oströmischen Reiches. I,1 Regesten 565–867, 2. Aufl. besorgt u. Mitarbeit v. Johannes Preiser-Kapeller u. Alexander Riehle v. Andreas E. Müller, München 2009, Reg. 211. 12 Vgl.: Dölger/Müller, Regesten (s. Anm. 11): „638 Sept./Okt.“. 13 Jan Louis van Dieten, Geschichte der Patriarchen von Sergios I. bis Johannes VI. (610–715), Amsterdam 1972, 1–56. Zur Synode vgl.: Winkelmann, Streit (s. Anm. 10), Nr. 51. 14 Prosopographie der mittelbyzantinischen Zeit. Erste Abteilung 641–867. Nach Vorarbeiten F. Winkelmanns erstellt von Ralph-Johannes Lilie, Claudia Ludwig, Thomas Pratsch, Ilse Rochow Bd. 1–6, Berlin 1999–2002. Nr. 6386. Zur Synode vgl.: Winkelmann, Streit (s. Anm. 10), Nr. 55. 15 Trypanis, Fourteen Early Byzantine Cantica (s. Anm. 7), 87. 16 Vgl.: ACO ser. II 2,2 p 626,11–19 (Ried.).

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sog. monenergetisch-monotheletischen Streit gewonnen worden,17 während Trypanis noch ganz der traditionellen Sicht verhaftet war. Im Folgenden wird deshalb die These von Trypanis einer Überprüfung unterzogen. Dazu wird erstmal eine deutsche Übersetzung des Kontakions geboten (1). Darauf folgt eine knappe inhaltliche Analyse des Textes (2), an die sich eine Überprüfung der Trypanis-These anschließt. Dabei wird sich herausstellen, dass sich einige seiner zentralen Argumente nicht halten lassen, die These im Kern aber Bestand hat, allerdings auf tiefer- und weitergehender Grundlage (3). Daraus ergeben sich abschließend einige Anfragen an die theologische Bewertung der sog. monotheletischen Theologie in den Anfängen der Kontroverse. (12)

1 Kontakion: Auf die heiligen Väter Akrostichis: ΕΙΣ ΑΓΙΟΥΣ ΠΑΤΕΡΑΣ Prooemium

5

1

Die Kirche, die die Botschaft der Apostel und die Lehren der Väter beschützt, hat den einen Glauben besiegelt, und sie trägt der Wahrheit Gewand, das aus hoher Theologie gewebte, und erklärt und verherrlicht │: das große Geheimnis der Frömmigkeit.:│18 Auf die erhabene Verkündigung der Kirche Gottes lasst uns hören, die da ruft: „Wen da dürstet, der komme zu mir.19 Der Kelch, den ich trage, ist ein Kelch der Weisheit,20 mit dem Wort der Wahrheit habe ich diesen Trank gemischt,

17 Vgl. z. B.: Winkelmann, Streit (s. Anm. 10), 1–44; Christian Lange, Mia Energeia. Untersuchungen zur Einigungspolitik des Kaisers Heraclius und des Patriarchen Sergius von Constantinopel (STAC 66), Tübingen 2012; Heinz Ohme, Oikonomia im monenergetisch-monotheletischen Streit, in: ZAC 12 (2008), 308–343); Ders., Die Bedeutung der Geschichtstheologie im monenergetisch-monotheletischen Streit, in: ZThK 112 (2015), 27‒61; Ders., Maximos Homologetes (†662): Martyrium, Märtyrerbewusstsein, „Martyriumssucht“?, in: ZAC 20 (2016), 306–346; Ders., Wer hat den Dyotheletismus erfunden? Zur Frage der Authentizität der Apologia Honorii Papst Iohannes’ IV. (640–642), in: ByzZ 110 (2017), 89–140; Ders., Was war die Lateransynode von 649? Was sollte sie sein?, in: AHC 48 (2016/7), 109–157; Marek Jankowiak, Essai d’histoire politique du monothélisme, Diss. Paris-Warschau 2009 [ungedr.]; Phil Booth, Crisis of Empire: Doctrine and Dissent at the End of Late Antiquity, Berkeley u. a. 2013; Pauline Allen/Bronwen Neil (Hg.), The Oxford Handbook of Maximus the Confessor, Oxford 2015. 18 1Tim 3,16. 19 Joh 7,37. 20 Vgl. Spr 9,1–5 (LXX).

1 Kontakion: Auf die heiligen Väter

5

nicht das Wasser des Widerspruchs lasse ich aus ihm herausfließen, sondern des Bekenntnisses, und wenn das heutige Israel davon trinkt, erblickt es Gott, der spricht: ‚Seht doch, seht, seht: Ich bin es selbst und habe mich nicht verändert.21 10 Ich bin Gott zu Beginn und bin es danach,22 und außer mir ist überhaupt kein anderer Gott.‘23 Die daran Anteil haben, werden von dorther erfüllt, und werden preisen │: das große Geheimnis der Frömmigkeit.“:│

2

Ich höre von Jericho, dem Teich Siloah und Jerusalems Umland mit ihren vielen Wassern, die da sichtbar fließen.24 Schlecht aber und unfruchtbar blieb ihr Wasser bis der große Elisa es heilte, 5 indem er dem Salz Segen beimischte und durch den Geist in ihm Lebenskraft fließen ließ.25 Hier aber ist das Größere! Denn die Kirche hat Wasser, (13) die hervorgehen und entspringen 10 von hier nach dort, unaussprechlich ohne zu versiegen, die Leben spenden und vergöttlichen, die niemals zur Neige gehen und jederzeit zum Vorschein bringen │: das große Geheimnis der Frömmigkeit.:│

3

Indem sie diese geistigen Symbole als göttliche Morgengabe besitzt wird die Braut des Herrn26 kunstvoll geschmückt; der Ströme Quelle aber ist der Heilige Geist. Erkenne jedoch die Kanäle, die Gräben und Rinnen, wenn du willst! 5 Zuerst die Apostel, darauf die Propheten, als Drittes die Lehrer, und mancherlei Zungen füge hinzu wie Paulus es aufgezählt hat.27 Diese hat eingesetzt wie Wassergräben in der Kirche der sich aller erbarmende 10 Eigner der Welt, und deshalb erquickt er das ganze Rund der Oikoumenē und gießt aus dem Geist auf alle, die er erleuchtet hat │: das große Geheimnis der Frömmigkeit.:│

21 22 23 24 25 26 27

Jes 41,4; Mal 3,6. Jes 41,4. Jes 45,5. 2Kö 2,19–22; Joh 9,7. 2Kö 2,19–22. Eph 5,22–32. 1Kor 12,28.

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5 Das Kontakion „Auf die heiligen Väter“

4

Die Überlieferungen, die sie von oben durch Gott und die Seinen empfangen hat, hält die heilige Kirche fest,28 und von einem Ende der Erde bis zum anderen ist sie als Eine und Einzige fest gegründet und herrscht. 5 Denn gegründet wurde sie damals durch ein Wort des WORTES, das zu Petrus sagt:29 „Selig bist du, Simon, der du mich als Sohn Gottes erkannt hast, weil der Vater allein von oben herab dir dies offenbart hat. Und ich sage dir, 10 dass du Petrus bist, und auf diesem Felsen gründe ich meine Kirche, die die Pforten der Unterwelt nicht umstürzen werden, noch werden sie lähmen │: das große Geheimnis der Frömmigkeit.:│(14)

5

5

10

6

5

10

Das Gesagte wurde Gesetz, die Rede erwies sich als Besiegelung, und unerschütterlich besteht der Felsen in Ewigkeit. Flüsse und Sturzbäche der Gesetzlosigkeit rückten heran, und doch wurde wie Wasser ihre ganze Stärke vergossen. Denn wie sehr der Glaube auch bekämpft wird, umso mehr gewinnt er an Kraft, wenn immer er rechtmäßig kämpft und Siege erringt. Wo sind sie, die einst diese Hürde verleumdeten, sie aber doch nicht geplündert haben? Die Mord schnauben voller Hinterlist, und ihre Zunge schärfen gegen Gott?30 Hat nicht der Höchste sie alle geworfelt, und hat nicht gesiegt │: das große Geheimnis der Frömmigkeit?:│ Ihr wisst doch, wie Arius und seine Anhänger gegen sie oftmals gewütet haben wie kläffende Hunde; sagten sie doch: das WORT existierte nicht, bevor es gezeugt wurde, und nannten Geschöpf den, durch den alles gemacht ist,31 der vor dem Morgenstern gezeugt wurde,32 der mit seinem Wort aus dem Nichtseienden das Licht rief33 und den Menschen bildete. Gnädig, gnädig, gnädig sei allen, der du mit dem Vater ohne Anfang und selben Wesens bist! Solcher Dinge waren sie fähig, aber als Asche wurden sie erblickt, ausgestreut zum Hades hin.

28 1Kor 11,2; 2Thess 2,15; 3,6. 29 Mt 16,17–18. 30 Ps. 64,3. 31 Joh 1,3. 32 Ps 109,3 (LXX). 33 Gen 1,3; Röm 4,17.

1 Kontakion: Auf die heiligen Väter

Abgetrennt wurden jene, unteilbar aber ist │: das große Geheimnis der Frömmigkeit.:│

7

So hat denn nun den Gottlosen samt seinen Lästerern die hohe göttliche Gerechtigkeit schnell gerichtet und er wurde nicht gewürdigt, die Herrlichkeit des Herrn zu sehen; begriff er doch nicht, sondern wandelte in Finsternis 5 zusammen mit Sabellius, dem Verfluchten. Denn es widersprechen sich zwar diese beiden Übel, in der Verderbtheit aber sind sie ebenbürtig. Denn dieser sprach von einer Person mit drei Namen in der Dreiheit, der dreimal Verfluchte. 10 Nichts unterschied er, und in nichts unterschied er sich (15) von der Juden Geistesverwirrung; nach jenen richtete er sich, der Elende, und verleugnete │: das große Geheimnis der Frömmigkeit:│

8

So fielen sie unter den unumstößlichen Felsen und ebenso die, die wie jene nach ihnen lästerten, die nicht zuließen, den Geist Gott zu nennen, sondern diesen wie einen Sklaven in die Schöpfung hinabzogen. 5 O, diese undankbare Verrücktheit! Wie bist du denn frei geworden, wenn du nicht den Geist empfingst, den heiligen und der da Herr ist? Woher wurde dir denn die Sohnschaft geschenkt? Denk nach und antworte! 10 Denn wenn du verneinst, verlierst du sie, weil du dessen beraubt wirst, der sie schenkte. Wir aber kennen den Geist, unseren Gott, und preisen │: das große Geheimnis der Frömmigkeit.:│

9

In heftiges Schwanken geriet, wie gesagt wurde, durch große Wogen die Kirche Gottes und wurde doch nicht erschüttert, sondern stark gemacht und bleibt auch fest bestehen. Denn wieder andere griffen sie auf vielerlei Weise an 5 und wollten verwirren und erschüttern das unaussprechliche Geheimnis der Anwesenheit Christi und seines Heilsplanes. Einige davon betrieben die Verleugnung des Fleisches im Verborgenen, andere dagegen die der Gottheit 10 und wagten es, den einen bloßen Menschen zu nennen, der auf dem See ging.34 Viele Stürme gab es von beiden Seiten, die stillte │: das große Geheimnis der Frömmigkeit.:│

34 Mt 14,25–32.

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5 Das Kontakion „Auf die heiligen Väter“

10a

Wegen all dieser hat die Gnade zu ihrer Zeit die fünf Synoden der Väter versammelt ‒ an Zahl unseren Sinnen gleich ‒ und durch sie die Erkenntnis der Wahrheit verdeutlicht. 5 Aber sie hat auch noch eine andere Synode hier versammelt gegen Severus, den Feind des orthodoxen Glaubens. (16) Diese haben wahrlich wie mit einer Schleuder durch Anathematismen die Urheber der Häresien zu Boden gestreckt, 10 von denen dieser Severus das Sammelbecken alles Verderbens ist. Denn alles hat er in Unordnung gebracht, durcheinandergeworfen, ja übel zugerichtet │: das große Geheimnis der Frömmigkeit.:│

10b

Wegen all dieser kamen zur rechten Zeit die heiligen Väter zusammen. Wie Schafhirten haben sie das bittere Unkraut herausgerissen und die Herden zum süßen Gras geführt. 5 Alle Durchgänge haben sie versperrt, damit kein Wolf oder ein anderes Untier hineinkäme und ein Schaf verlorengehe. Diese haben nun wie mit einer Schleuder durch Anathematismen die Anführer der Häresien zu Boden gestreckt, 10 und die orthodoxen Völker sowie die Füße der Priester treten sie nieder. Denn wir stehen mit gerader Gesinnung und verkünden │: das große Geheimnis der Frömmigkeit.:│

11

Von dem Geist Gottes, der auf Mose war, wurde den 70 Ältesten gegeben, wie geschrieben steht,35 damit diese die Rechtsprechung ausüben zusammen mit dem, der jenes Volk herausgebracht hatte und führte. 5 Jetzt aber wurde den gotttragenden Vätern die Gnade verliehen, die vom Himmel her die heiligen Apostel empfingen.36 Diese erhielten sie, um mitzuberaten, und sie machten die göttlichen Worte klar, 10 wiesen Völkern den Weg, verscheuchten den Irrtum und brachten die Oikoumenē zur Ruhe, ohne Verwirrung, denn wie sie es empfangen hatten, so bewahrten sie │: das große Geheimnis der Frömmigkeit.:│(17)

35 Num 11,16 f.25. 36 Apg 2,1–4.

1 Kontakion: Auf die heiligen Väter

12

Daniel bewundern wir, weil er eine Untersuchung anstellte und die Schandtat der beiden Alten bewies.37 Aber diese Väter bewundern wir noch mehr, denn sie verurteilten die Priester der Schande 5 und retteten nicht nur eine Susanna, sondern viele Verschiedene, die Paulus mit dem einen Christus als eine Braut verlobt hat.38 Ich meine aber die Seelen derer, die da glauben an den Herrn, der unser Atmen besitzt 10 und allen zuruft: „Wer mir nachfolgen will, soll sich nicht stoßen.39 Denn ich bin das ewige Licht,40 das ohne Abend ist; von wo erstrahlt │: das große Geheimnis der Frömmigkeit.“:│

13

Im Himmel und auf Erden wird ein Reigen getanzt, eingeübt wird ein Einklang von Engeln und Menschen. In einer Dreiheit wird die Gottheit gepriesen, und in Einheit die göttliche Dreiheit verherrlicht. 5 Und den aus einer Jungfrau Fleischgewordenen bekennen wir wahrhaft als Einen der Dreiheit, als Gott selbst und Mensch. Desselben sind ‒ so sagen wir ‒ das Leiden und das Wundersame, wovon das Wichtigste 10 das Gebären Mariens ist, weshalb sie als Gottesgebärerin von der ganzen Welt besungen wird. Wir rühmen sie und werden gerettet, unterrichtet über │: das große Geheimnis der Frömmigkeit.:│

14

5

10

Sie hörte das Freudenwort, als Gabriel sprach und ihr zurief: „Gegrüßet seist du, Begnadete!“41 Und als sie gebar, nahm sie sogleich unseren Kummer hinweg. Und stets, wenn wir in Unglück und Drangsal stürzen, wendet sie sich in Eile der Fürbitte zu, bittet den, der von ihr geboren wurde, und spricht: „Mein Sohn, mein Gott und Schöpfer, der du Mensch wurdest um der Menschen willen, und den ich gebar und nährte, der vor allem war und Brot regnen ließ (18) aus der Höhe für die in der Wüste,42

37 AddDan 1. 38 2Kor 11,2. 39 Joh 11,9–10. 40 Vgl. Joh 1,4–5; 8,12. 41 Lk 1,26–28. 42 Ex 16,4.

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erbarme dich doch jetzt über die, höchst Gütiger, denen du schenktest │: das große Geheimnis der Frömmigkeit.“:│

15

So wird uns Christen allen Schutz gegeben, eine Mauer in Kriegen und heitere Ruhe in Gefahren, vorzüglich aber hat ihn die kaiserliche Stadt. Zuerst zwar, weil fromme Kaiser über sie herrschen, 5 sodann aber, weil sie überschwänglich Anbetung übt und das ehrwürdige Gewand der Gottesgebärerin bewacht, durch das sie umso mehr beschützt wird. Und sie sprich: „Wie ein Kind, o Herrin, behüte mich immer in deinen Armen, 10 so wie du schon einmal Schwerter aufgehalten hast, und weise mein Gebet nicht zurück. Meine Feinde hast du weggetrieben, und geflohen sind, die verfolgt haben │: das große Geheimnis der Frömmigkeit.“:│

16

Du aber, erhabenster Gott, geboren von einer Jungfrau, der du allein herrschst über alles, was da oben und unten ist, und auf ihre Fürbitten hin stets Gnade gewährst und die Schafe weidest als Hirte ohne Falsch, 5 erlöse dein Volk aus aller Drangsal! Schenke den Kaisern Siege und Frieden die Fülle aufgrund deiner Herrschaft. Befreie, Gebieter, die Kirchen, die geplündert und niedergetreten wurden 10 von unreinen Füßen und blutrünstigen Männern, welche nicht auf dich gehofft haben. Räche das Blut deiner Knechte und schaffe Recht für │: das große Geheimnis der Frömmigkeit.“:│(19)

2 Inhaltliche Analyse des Textes Kontakia sind poetisch geformte Predigten. Ursprünglich hatten sie ihren liturgischen Ort im Orthros, in den Agrypnien bei den Vigilien und in der „Göttlichen Liturgie“, wo sie nach der Verlesung des Evangeliums vorgetragen wurden.43 Nachdem der Chor das Prooemium gesungen hatte, trug der Kantor vom Ambon aus die Strophen vor. Prooemium und Strophen sind stets durch den gleichbleibenden Refrain am Ende verbunden, in diesem Fall also: „Das

43 Vgl. die Einleitung von Koder zu: Ders., Mit den Augen der Seele (s. Anm. 3), 10; Arranz, Art. Romanos (s. Anm. 3), 900.902.

2 Inhaltliche Analyse des Textes

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große Geheimnis der Frömmigkeit“. Die Gemeinde stimmte jeweils in diesen Refrain ein. Formal haben die Strophen immer die gleiche Verszahl, hier sind es 13. Außerdem sind sie mit einer sog. Akrostichis verbunden, d. h. durch die Aneinanderfügung des ersten Buchstabens einer jeden Strophe ergibt sich ein Sinnspruch. Im vorliegenden Fall ist dies: „Auf die heiligen Väter“. Schließlich haben alle Strophen außer dem Prooemium dasselbe Metron. Die letzte Strophe eines Kontakions ist stets als Gebet gestaltet.44 Den konkreten liturgischen Vollzug kann man sich nicht lebendig genug vorstellen. Denn dieser Wechselgesang zwischen Chor, Kantor und Gemeinde fesselte die Zuhörer. Das wurde auch dadurch erreicht, dass die Dichter dieser Homilien eine verständliche Sprache wählten und alle Mittel der klassischen Rhetorik zum Einsatz brachten: dramatische Effekte, Antinomien, direkte Rede und Dialoge, Metaphern ohne Ende und dazu: biblische Bezüge die Fülle. Auch in diesem Kontakion ist dies der Fall: Die Wahrheit wird im Prooemium zum Gewand der Kirche; die Hörer trinken in Strophe 1 aus dem Krug der Weisheit, von Quellen, Kanälen, Gräben, Rinnen ist in Strophe 3 die Rede, von Sturzbächen in Strophe 5. Steinschleudern kommen in Strophe 10 zum Einsatz und ein Sammelbecken des Abfalls. Christus und die Kirche reden in den Strophe 1 und 12 direkt zum Hörer, die Stadt Konstantinopel tritt auf und bittet in Strophe 15 die Gottesgebärerin, und Maria legt in Strophe 14 öffentlich Fürbitte ein. Das Alte Testament schließlich ist präsent mit Jericho (2), dem Teich Siloah (2), Elisa (2), Mose und den 70 Ältesten (11), Daniel, Susanna im Bade (12) und dem Manna in der Wüste (14). Man hat das Kontakion als „modernstes Medium des 6. Jahrhunderts“ bezeichnet, das in der Liturgie „ein breites und regelmäßig erreichbares Publikum hatte.“ Deshalb sind Kontakia gelegentlich auch für „kirchliche und politische Propaganda“ eingesetzt (20) worden bei kirchlichen und politischen Ereignissen von besonderer Bedeutung.45 Es ist offensichtlich, dass das Prooemium46 des Kontakions „Auf die heiligen Väter“ mit der „Botschaft der Apostel“ 1Tim 3,16 meint, also jenen Christushymnus, der „die theologische Mitte nicht nur des 1. Tim(otheusbriefes), sondern der ganzen Past(oralbriefe)“ ist.47 Das macht nicht nur der Refrain deutlich, der

44 Zu diesem Stilmerkmalen vgl.: Paul Maas, Das Kontakion, in: ByzZ 19 (1910), 285–306; Konrad Onasch, Art. Kontakion, in: Ders., Lexikon Liturgie und Kunst der Ostkirche, Berlin/München 1993, 222–223. 45 Koder, Mit der Seele Augen (s. Anm. 3), 14. 46 Tῶν ἀποστόλων τὸ κήρυγμα καὶ τῶν πατέρων τὰ δόγματα ∕ ἡ ἐκκλησία < φυλάττουσα > μίαν τὴν πίστιν ἐσφράγισε ·∕ καὶ τὸν χιτῶνα φοροῦσα τῆς ἀληθείας ∕ τὸν ὑφαντὸν ἐκ τῆς ἄνω θεολογίας ∕ ὀρθοτομεῖ καὶ δοξάζει ∕ │: τῆς εὐσεβείας τὸ μέγα μυστήριον.:│. 47 Jürgen Roloff, Der erste Brief an Timotheus (EKK 15), Zürich/Neukirchen 1989, 190.

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5 Das Kontakion „Auf die heiligen Väter“

das gesamte Kontakion bestimmt und ein direktes Zitat von 1Tim 3,16 ist, sondern der unmittelbare Bezug auf die Kirche im Prooemium weist ebenfalls auf 1Tim 3,14–16.48 Denn dort wird die Kirche als Pfeiler und Fundament der Wahrheit in dem Sinne bezeichnet, dass die in ihr gegenwärtige Wahrheit sie fest und unerschütterlich macht, insofern ihre Glaubens- und Lebenspraxis ‒ die Frömmigkeit ‒ durch das große Geheimnis bestimmt wird. Dieses aber ist das Heilsereignis der Menschwerdung, Verkündigung und Erhöhung des Christus Jesus, das 1Tim 3,16 besingt. Hier nimmt das Kontakion also seinen Ausgangspunkt, indem es der Kirche nun auch die Aufgabe zuweist, dieses Geheimnis zu beschützen. Offensichtlich kommt der „hohen Theologie“ hier eine besondere Verantwortung zu, denn das „Gewand der Wahrheit“, das die Kirche trage, ist aus Kette und Schuss theologischer Sätze gewebt, die das Geheimnis nicht nur erklären, sondern auch verherrlichen sollen. Die Kirche des Kontakions webt aber kein neues Gewand. Denn die Väter haben es mit ihren Lehren bereits grundlegend fertiggestellt. Deren Schutz und Bewahrung aber führten in bestimmten historischen Situationen dazu, durch konkrete Entscheidungen den einen Glauben zu besiegeln. Die Strophen 1–3 benennen die primären Mittel, die zur Erkenntnis der Wahrheit führen: Die Kirche verkündet das „Wort der Wahrheit“ (14), reicht den Trank aus dem „Kelch der Weisheit“ (13) und hat „nicht versiegende, lebenspendende und vergöttlichende Wasser“ (211), deren Quelle der Heilige Geist ist (33). Solche Mittel der Gotteserkenntnis, die Anteil geben am großen Geheimnis (112), seien jedoch stets menschlich vermittelt. Die Apostel, Propheten, Lehrer und Redner in Zungen seien danach ‒ wie der Apostel (21) gelehrt hat ‒ göttliche Institutionen49, durch die sich wie durch die „Kanäle, Gräben und Rinnen“ das lebenspendende Wasser des Heiligen Geistes bis in die Gegenwart ergieße (34–11). Deren „Überlieferungen“ halte die Kirche fest, und in diesem Festhalten sei auch ihre Stabilität begründet, wie Strophe 4 mit Verweis auf die Petrusverheißung von Mt 16 erklärt. Die Strophen 5–9 thematisieren große Herausforderungen, denen die Kirche bei ihrer Aufgabe bisher ausgesetzt gewesen sei. „Sturzbäche der Gesetzlosigkeit“ (5,3)50 hätten das Christusbekenntnis der Kirche bedroht; die dafür

48 „14 Dies schreibe ich dir [...], 15 damit du weißt, [...] wie man im Hause Gottes wandeln soll, welches die Kirche des lebendigen Gottes ist, Pfeiler und Fundament der Wahrheit. 16 Und anerkanntermaßen groß ist das Geheimnis der Frömmigkeit: ∕ der offenbart ward im Fleisch, ∕ gerecht erwiesen im Geist, ∕ erschienen den Engeln, ∕ verkündet unter den Völkern, ∕ geglaubt in der Welt, ∕ emporgenommen in Herrlichkeit.“ Übersetzung: Roloff (s. Anm. 47), 189. 49 Τούτους γὰρ ἔθετο [ἐν] τῇ ἐκκλησίᾳ ∕ καθάπερ αὔλακας ὁ πολυέλεος ∕ τοῦ κόσμου γεοῦχος, ἐντεῦθεν ἀρδεύων ∕ τὸν πάντα γύρον τῆς οἰκουμένης (Str.3,8–10). 50 πόταμοι προσῆλθον καὶ χείμαρροι ἀνομίας.

2 Inhaltliche Analyse des Textes

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Verantwortlichen werden benannt: Arius (6), Sabellius (7), die Pneumatomachen (8), „Monophysiten“ und Nestorianer (9). In Strophe 10, die in zwei Fassungen überliefert ist, kommt das Kontakion zu seinem zentralen Thema, denn nun wird klar, dass es in dieser Homilie um die Konzilsväter geht, die die Botschaft der Apostel und die Lehren der Väter beschützt und den einen Glauben besiegelt hätten, indem sie „wie mit einer Schleuder“ (10a/b8) die Urheber der Häresien zu Boden gestreckt haben. Strophe 10b bleibt dabei allerdings unbestimmt, während 10a konkret die bisherigen fünf ökumenischen Synoden erwähnt und eine weitere besonders herausstellt sowie auch den Namen nennt, der bisher noch nicht gefallen ist: Severus, Patriarch von Antiochien, theologischer Kopf der Gegner des IV. Ökumenischen Konzils von Chalcedon (451).51 Strophe 10a nimmt außerdem auch das Thema der Geistwirkung von Strophe 3 wieder auf (10a1−2), jetzt unter dem neuen Begriff der Gnade und auf Synodalentscheidungen bezogen. Strophe 11 führt dieses Thema weiter mit der Aussage, dass die Gnade, die Mose und den 70 Ältesten in der Wüste und den Aposteln zu Pfingsten verliehen wurde, dieselbe sei, welche jetzt den „gottragenden Vätern“ zur Unterstützung bei den Beratungen geschenkt wurde (115–9).52 Strophe 12 erläutert, dass die Bedeutung der Konzilsväter diejenige des Propheten Daniel übersteige. Denn durch ihre Entscheidungen sei nicht nur eine einzelne Person wie die verleumdete Susanna gerettet worden, sondern alle, die an Christus glauben, weil die Konzilsväter mit ihren theologischen Aussagen das große Geheimnis bewahrt hätten. (22) Die Strophen 12 und 13 machen dies anhand einiger zentraler christologischer Aussagen deutlich. So ist es der eine Christus (126), der hier im Zentrum steht. Alle Aussagen über das Menschliche und Göttliche in seinem Wirken beziehen sich auf Denselben (138–9). So sei auch sein menschliches und göttliches Wirken durch das gesprochene Wort eines. Mit der vom Atem getragenen menschlichen Stimme sage derselbe, was kein Mensch sagen kann: „Ich bin das ewige Licht“ (1212). Als Menschgewordener bleibe er „Einer der Dreiheit“ (136) und sei einer als „Gott selbst und Mensch“ (137). Vor allem aber gehören sein Leiden und seine alles Menschenmaß übersteigenden Wunder „demselben“ (138–9). Das

51 Πάντων οὖν ἕνεκε χρόνοις ἰδίοις ἡ χάρις ∕ τὰς πέντε τῶν πατέρων συναγείρασα συνόδους ∕ τὰς τῶν ἡμετέρων αἰσθήσεων ἰσαρίθμους ∕ τῆς ἀληθείας δι᾿ αὐτῶν τὴν γνῶσιν ἐτράνωσεν ·∕ ἔτι δὲ καὶ ἄλλην ἤθροισε πάλιν ∕ σύνοδον ἐνταῦθα κατὰ Σεβήρου τοῦ ἐχθροῦ ∕ τῆς ὀρθοδόξου πίστεως ·(Str. 10a,1–7). 52 Νῦν δὲ τοῖς πατράσιν τοῖς θεοφόροις ∕ δέδοται ἡ χάρις, ἣν ἔλαβον ἐξ οὐρανοῦ ∕ οἱ ἅγιοι ἀπόστολοι ·∕ ταύτης οῦν ἔτυχον συνεδρευούσης, ∕ καὶ διεσάφνησαν τὰ θεῖα λόγια (Str. 11,5–9).

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5 Das Kontakion „Auf die heiligen Väter“

wichtigste Wunder aber sei die Menschwerdung (139–10). Damit wendet sich das Kontakion der „Gottesgebärerin“ (1310;156) Maria zu, der zwei Strophen gewidmet sind (14–15). Strophe 14 nimmt den Ausgang bei der Verkündigung Mariens durch Gabriel, spricht dann aber sofort von Maria als Fürbitterin, indem ihre Fürbitte in direkter Rede konkret wird (144–13). In ihre Worte ist das große Geheimnis der Person ihres Sohnes eingeschrieben: Derselbe, den sie gebar, sei ihr Gott und Schöpfer, der vor allem war und das Volk Gottes in der Wüste vor dem Verhungern bewahrte.53 Diese Fürbitte der Mutter sei nun auch in der Gegenwart wirksam, wie Strophe 15 ausführt. Sie verheiße allen Christen Schutz, wie ihn die kaiserliche Stadt Konstantinopel in Kriegsgefahr erfahren habe (152–3).54 Schwerter seien durch ihre Fürbitte aufgehalten worden, und Feinde und Verfolger des großen Geheimnisses wurden vertrieben (1510.12). Diese „Mauer in Kriegen“ biete den entscheidenden Schutz für die Stadt. Die kaiserliche Herrschaft sei zwar grundlegend, aber entscheidend sei die Anbetung und das Unterpfand der Reliquie des „Gewandes des Gottesgebärerin“ (155–6), das von der Stadt bewacht wird.55 Das Schlussgebet in Strophe 16 ist an Christus gerichtet, denn er sei es, der auf ihre Fürbitte hin Schutz und Gnade gewähre. Dies wird auch jetzt dringend erbeten, denn das Volk Gottes befinde sich in großer Drangsal. Kirchen würden geplündert und zerstört von blutrünstigen Männern anderer Religion, die sich über das große Geheimnis der Frömmigkeit erheben. Christus möge Frieden schenken und deswegen „den Kaisern“ Siege (165–13).56 (23)

3 Anlass und Ort des Kontakions Wann wurde dieser Text nun verfasst, und zu welchem Anlass wurde er in die Liturgie integriert? Die beiden letzten Strophen 15 und 16 und die Strophe 10

53 „Υἱὲ θεὲ καὶ κτίστα μου, ∕ ἄνθρωπος γέγονας διὰ ἀνθρώπους ·∕ κἀγὼ ἐγέννησα καὶ ἐγαλούχησα ∕ τὸν πάντων προόντα καὶ ὕσαντα ἄρτον ∕ ἐκ τῶν ὑψίστων τοῖς ἐν ἐρήμῳ ∕ καὶ νῦν οὖν, ὑπεράγαθε, σπλαγχνίσθητι οἶς δεδώρησαι ∕ │: τῆς εὐσεβείας τὸ μέγα μυστήριον.:│(Str. 14,7–13). 54 Ἅπαντες ἔχομεν ἡμεῖς Χριστιανοὶ προστασίαν ∕ καὶ τεῖχος ἐν πολέμοις καὶ γαλήνην ἐν κινδύνοις ·∕ κατ᾿ ἐξαίρετόν δε ἡ βασιλεύουσα πόλις ·(Str. 15,1–3). 55 Πρῶτον μὲν ὅτι ἐπ᾿ αυτῆς πιστοὶ βασιλεύουσιν, ∕ εἶτα δὲ καὶ σέβει περισσοτέρως, ∕ καὶ τῆς θεοτόκου τιμίαν ἐσθῆτα φρουρεῖ, ∕ ὑφ᾿ ἥς καὶ μᾶλλον σκέπεται (Str. 15,4–7). 56 Ῥῦσαι τὸν λαόν σου πάσης ἀνάγκης ·∕ δὸς τοῖς βασιλεῦσι νίκας καὶ εἰρήνην πολλὴν ∕ ἐπὶ ταῖς δυναστείαις σου ·∕ λύτρωσαι, δέσποτα, τὰς ἐκκλησίας, ∕ ἃς προενόμευσαν καὶ κατεπάτησαν ∕ ἀκάθαρτοι πόδες καὶ ἄνδρες αἱμάτων ∕ μὴ ἠλπικότες τὸ ὄνομά σου ·∕ τῶν δούλων σου τὰ αἵματα ἐκζήτησον καὶ ἐκδίκησον ∕ │: τῆς εὐσεβείας τὸ μέγα μυστήριον.:│(Str. 16,5–13).

3 Anlass und Ort des Kontakions

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mit ihren beiden Fassungen sind für die Beantwortung dieser Fragen besonders wichtig. Maas57 ging ‒ ganz darauf bedacht, das Kontakion in der Zeit des Romanos und Kaiser Justinians I. (537–565) anzusiedeln ‒ von Strophe 10a aus, die das V. Ökumenische Konzil benennt, und deutete die dort in V. 5 erwähnte „andere Synode“ gegen Severos auf die Konstantinopler Synode von 536, die in der Tat die grundlegende Verurteilung des Severus von Antiochien vollzogen hatte.58 Die geplünderten Kirchen von Strophe 16 verband er mit dem persischen Einfall in Syrien, der im Jahr 540 zur Eroberung und Zerstörung Antiochias geführt hatte.59 Die Kaiser von Strophe 166 waren für ihn Justinian und seine Frau Theodora, die am 28. Juni 548 gestorben war, so dass sich von daher die Eckdaten für die Datierung ergaben. Maas hielt deshalb Strophe 10b für ursprünglich, 10a sei wenig später „unter dem eindruck des fünften konzils interpoliert worden“.60 Strophe 15 überging er völlig. Hier setzte Trypanis an und das völlig zu Recht.61 Denn im Hintergrund von Strophe 15 steht die erste existenzbedrohende Belagerung Konstantinopels vom 29. Juni–7. August 626 durch die turkstämmigen Avaren mit ihren slawischen Hilfstruppen ‒ zusammen ca. 80.000 Kämpfer ‒ und dem persischen Hauptheer auf der anderen Seite des Bosporus.62 Die Dramatik dieser Situation wurde dadurch gesteigert, dass Kaiser Herakleios im Krieg gegen die Perser im Osten weilte und die Regentschaft (24) für den minderjährigen Sohn Herakleios Konstantinos dem Magistros Bonos63 und Patriarch Sergios übergeben hatte. Entscheidend war,

57 Vgl.: Maas, Frühbyzantinische Kirchenpoesie (s. Anm. 6), 23. 58 In den ersten vier Sitzungen tagte die Synode als Bischofsgericht gegen den vormaligen Patriarchen Anthimos von Konstantinopel, in der fünften Sitzung wurden Severos von Antiochien, Bischof Petros von Apameia und der Mönch Zooras wegen ihrer antichalcedonensischen Theologie verurteilt. Vgl. dazu: Jakob Speigl, Die Synode von 536 in Konstantinopel, in: OstkSt 43 (1994), 105–153. 59 Georg Ostrogorsky, Geschichte des byzantinischen Staates (HAW I,2), München 31963, 60; Ralph-Johannes Lilie, Byzanz. Das zweite Rom, Berlin 2003, 68. 60 Maas, Frühbyzantinische Kirchenpoesie (s. Anm. 6) 23. 61 Trypanis, Fourteen Early Byzantine Cantica (s. Anm. 7), 87. 62 Vgl.: James D. Howard-Johnston, The siege of Constantinople in 626, in: Cyril Mango/Gilbert Dagron Constantinople and Its Hinterland. Papers from the 27th Spring Symposium of Byzantine Studies, Oxford 1993, Variorum 1995, 131–142. Der im Chronicon Paschale von der Belagerung erhaltene präzise Bericht ist wahrscheinlich der offizielle Bericht an Kaiser Herakleios, der unter dem Vorsitz von Patriarch Sergios angefertigt wurde. Vgl.: James D. HowardJohnston, Witnesses to a World Crisis. Historians and Histories of the Middle East in the Seventh Century, Oxford 2010, 45–47. 63 Zu ihm vgl.: Georgios Pisides, In Bonum Patricium (163–170 Pertusi).

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dass es den Verteidigern gelang, in der Endphase der Belagerung am 6. August 626 die slawische Flotte zu vernichten, die die Stadt von der Seeseite aus angreifen sollte. Weil dies unweit der Blachernenkirche an der Nord-West-Ecke der Stadtmauer beim Goldenen Horn geschah, wo das „wahre Gewand“ Mariens als Reliquie aufbewahrt wurde,64 wurde dieser kaum zu erwartende Sieg allgemein als Wunder verstanden und der Gottesgebärerin zugeschrieben. Auf diese Erfahrung, die von vielen Quellen bezeugt wird,65 blickt die Strophe 15 zurück, so dass das Jahr 626 der terminus post quem für das Kontakion ist. Die Kaiser von Strophe 16 sind dann Herakleios und sein Sohn Herakleios Konstantinos (Mitkaiser ab 22. Januar 613), evtl. auch noch Herakleios Heraklonas (Mitkaiser ab 4. Juli 638).66 Die zerstörten Kirchen und feindlichen Eroberungen sind je nach genauer Datierung des Kontakions entweder mit der Perserherrschaft von 619–628 oder mit den ab 634 einsetzenden arabischen Invasionen zu identifizieren. Der terminus ante quem, den Trypanis nicht bestimmt hatte, ergibt sich aus der doppelt überlieferten Strophe 10. Maas und Trypanis hielten 10b für ursprünglich, Trypanis allerdings ganz ohne Angabe von Gründen.67 (25) Meines

64 Die Reliquie befand dich dort seit dem Jahr 452. Vgl.: Norman H. Baynes, The Finding of the Virgin’s Robe, in: Ders., Byzantine Studies and Other Essays, London 1960, 240–247; Zur Blachernenkirche: Raymond Janin, La géographie ecclésiastique de l’empire byzantin, I: Le siège de Constantinople et le patriarcat oecuménique, 3: Les églises et les monastères, Paris 2 1969, 161–171. 65 Die Deutung des Sieges als Wunder, das der Fürbitte der Gottesgebärerin zu verdanken sei, ist allen wichtigen Quellen dieses Ereignisses gemeinsam. So in der Predigt des Theodoros Synkellos, die wahrscheinlich am 8. September 626 (Festtag der Geburt der Gottesgebärerin) beim Dankgottesdienst in der Blachernenkirche vorgetragen wurde; vgl: Art. Theodore Synkellos, in: ODB 3, 2048; Weiterhin: Chronicon Paschale (716 Dindorf); Georgios Pisides, Bellum Avaricum (1–9.232 f.404–406.444–447.451–459 Pertusi). Die geistlich-mentale Stärkung der Widerstandskraft der Verteidiger durch den Patriarchen sei ebenfalls ausschlaggebend gewesen und begründete dann dessen Popularität. Vgl.: van Dieten, Geschichte der Patriarchen (s. Anm. 13), 8–21.174–178. Sergios hat sehr wahrscheinlich nach der Belagerung das dritte Prooemium zum Akathistos-Hymnos verfasst, das „Dir, der im Kampf beistehenden Heerführerin, den Siegespreis!“ überbringt. Vgl. Koder, Mit der Seele Augen (s. Anm. 3), 191.195. 66 Die These von Maas, der in den Kaisern Justinian I. und Theodora I. sah, erübrigt sich schon deshalb, weil Theodora zwar seit 507 Augusta war, mit der Augusta-Würde aber keinerlei rechtliche Kompetenzen der Regierungsvollmacht verbunden waren und damit auch nicht das Mitkaisertum, das der Text meint. Vgl.: Alexander Demandt, Spätantike. Römische Geschichte von Diocletian bis Justinian 284–565 n. Chr.. München 22007, 258. 67 Maas meinte: „Wäre die erwähnung des fünften konzils und der synode gegen Severus (ι′) von anfang an beabsichtigt gewesen, so wäre wohl Nikaia und Chalkedon nicht verschwiegen geblieben.“ (Ders., Frühbyzantinische Kirchenpoesie [s. Anm. 6], 23). Dagegen ist festzustellen, dass auch das fünfte Konzil nicht eigens erwähnt wird, vielmehr wird nur summarisch von den „fünf Synoden“ geredet.

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Erachtens aber muss Strophe 10a zur ersten Fassung des Kontakions gehört haben. Denn zum einen wird nur in 10a1 der Begriff der Gnade (χάρις) als Zentralbegriff dieser Synodaltheologie erstmals eingeführt, der in Strophe 116 wieder aufgenommen wird. Strophe 11 knüpft also hier an 10a an und nicht an 10b. Zum anderen ‒ und das ist entscheidend ‒, lässt sich so leicht erklären, warum überhaupt eine Veränderung der ‒ ja auch nur im ersten Teil modifizierten ‒ Strophe 10 zu einem bestimmten Zeitpunkt erforderlich wurde. Dieser Zeitpunkt war das VI. Ökumenische Konzil (680/1), nach dem die Strophe 10a so nicht mehr benutzbar war. Man konnte ja nicht einfach die dortige „fünf“ durch eine „sechs“ ersetzen, weil V. 3 die Analogie zu den fünf Sinnen zieht. Deshalb musste nach 681 der Anfang von Strophe 10 verändert werden.68 Gleichzeitig wurde damit allerdings auch der Bezug des Kontakions auf den Festtag der Konstantinopler Synode von 536 gegen Severus aufgegeben, der weiter unten thematisiert wird. Damit ergibt sich als zeitlicher Rahmen für die Entstehung des Kontakions der Zeitraum zwischen 626 und 680. Diese Jahrzehnte sind nun ganz wesentlich durch den sog. monenergetisch-monotheletischen Streit bestimmt gewesen. Das Kontakion besingt die Bedeutung der Konzilsväter und die Gnade des Heiligen Geistes, der ihre Entscheidungen befördere, und aktualisiert mit dem „Jetzt“ in Strophe 115 diese Geisteswirkung für die Gegenwart. Zudem beschwört Strophe 1111–12 die Ruhe in der gesamten Oikoumenē, die nach der Überwindung „des Irrtums“ durch Synodalentscheidungen eingetreten sei. Spätestens nach der Lateransynode von 649 kann von einer innerkirchlichen Ruhe nicht mehr gesprochen werden, hat diese Synode doch nicht nur bereits jene beiden Patriarchen und den amtierenden Paulos (641‒653)69 anathematisiert, sondern auch den verstorbene Patriarchen Kyros von Alexandrien (631–642)70 sowie die Ekthesis (26) und als weiteres kaiserliches Gesetz den sog. Typos von 64871 dem Anathema unterworfen und schließlich

68 Dieses meines Erachtens entscheidende Argument wurde im Kern erstmals bereits von José Grosdidier de Matons vorgetragen. Vgl.: Ders., Rez. Trypanis (C.A.), Ed. Fourteen early Byzantine cantica, in: JHS 90 (1970), 222–226.224–225. Von den 10 Handschriften des 10.–13. Jahrhunderts, die Trypanis herangezogen hat, bieten nur drei die Strophe 10a (Cod. Athous Batopediou 1041, s.X–XI; Cod. Patmiacus 212 und 213, s.XI). Nur die letzteren haben auch beide Fassungen der Strophe in der oben gebotenen Reihenfolge. Maas hatte dies in seiner Edition noch unverändert übernommen, während Trypanis die Reihenfolge ohne Angabe von Gründen einfach umdrehte. Vgl.: Trypanis, Fourteen Early Byzantine Cantica (s. Anm. 7), 11.93 App. 69 PMBZ, Nr. 5763. 70 PMBZ, Nr. 4213; Phil Booth, The Last Years of Cyrus, Patriarch of Alexandria († 642), in: TMCB 20 (2016), 509–558. 71 Dölger/ Müller, Regesten (s. Anm. 11), Reg. 225; Winkelmann, Streit (s. Anm. 10), Nr. 106.

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den als Häresiarch ausgemachten, bis dahin anerkannten Theologen Theodor von Pharan († vor 638),72 verworfen.73 Von Ruhe konnte aber schon keine Rede mehr sein, als Maximos Confessor ab ca. 640/1 in mehreren umfangreichen theologischen Traktakten74 eine Kampagne gegen die Ekthesis entfesselte, die in der Lateransynode dann ihren Höhepunkt fand. Damit reduziert sich meines Erachtens der Zeitraum der Entstehung des Kontakions auf die Jahre zwischen 626 und den 40er Jahren des 7. Jahrhunderts. Die zeitliche Einordnung von Trypanis findet so eine begründete Bestätigung. Für die Ekthesis als Bezugspunkt des Kontakions machte Trypanis nun pauschal die trinitätstheologischen und christologischen Aussagen in Strophe 13 sowie Strophe 11 geltend, weil sie sich genauso und in derselben Reihenfolge in der Ekthesis fänden.75 Im Einzelnen nannte er zu Strophe 13: 1. Das trinitarische Bekenntnis (V.3–4)76; 2. Die Aussage, dass „Einer aus der Dreiheit“ Mensch geworden sei (V.6)77; 3. Das Bekenntnis zur Zweinaturenlehre (V.7)78; 4. Die Formulierung, dass „desselben das Leiden und die Wunder“ sind (V.8–9).79 Weiterhin verwies er auf die Zurückweisung derselben Häretiker in den Strophen 6–9.10a und in der Ekthesis80 sowie auf die gemeinsame Begründung der Väterautorität damit, dass sie Kanäle und Werkzeuge des Hl. Geistes seien (34).81 Dagegen lässt sich jedoch einwenden, dass dies alles in den dreißiger Jahren des 7. Jahrhunderts bereits traditionelle Aussagen gewesen sind. Dies wird

72 Werner Elert, Der Ausgang der altkirchlichen Christologie. Eine Untersuchung zu Theodor von Pharan und seiner Zeit als Einführung in die Alte Dogmengeschichte, Berlin 1957; Lange, Mia Energeia (s. Anm. 17), 540–542. 73 Zur Lateransynode vgl. jetzt: Ohme, H., Was war die Lateransynode (s. Anm. 17). 74 Maximus Conf., Opuscula theologica et polemica 6, 7 und 20 (PG 91,65‒69; 69B‒89B; 228B‒ 245D). Vgl. dazu: Winkelmann, Streit (s. Anm. 10) Nr. 66.59.60; Marek Jankowiak/Phil Booth, A New Date-List of the Works of Maximus the Confessor, in: Allen/Neil, Handbook (s. Anm. 17) 19‒83. Nr. 59.41.42. 75 Trypanis, Fourteen Early Byzantine Cantica (s. Anm. 7), 88–89. 76 Ἐν τριάδι μίᾳ θεότης δοξολογεῖται, ∕ καὶ ἐν μονάδι ἡ τριὰς ἡ θεία δοξάζεται ·(Str. 13,3–4). 77 Καὶ τὸν ἐκ παρθένου σεσαρκωμένον ∕ ἕνα τῆς τριάδος ὁμομολοῦμεν ἀληθῶς ∕ θεὸν αὐτὸν καὶ ἄνθρωπον ·(Str. 13,5–7). 78 Ebd. 79 τοῦ αὐτοῦ λέγοντες εἶναι τὰ πάθη ∕ καὶ τὰ θαυμάσια (Str. 13,8–9). 80 Vgl. dazu die Ekthesis: ACO ser. II 1, p.162,1–7 (Ried.). 81 Die Ekthesis redet von den „inspirierten Lehrern der Kirche, d. h. die fünf heiligen und ökumenischen Synoden der seligen und gotttragenden Väter (οἱ [...] θεόπνευστοι τῆς ἐκκλησίας διδάσκαλοι, ταὐτὸν δὲ εἰπεῖν αἱ ἁγίαι καὶ οἰκουμενικαὶ πέντε σύνοδοι τῶν μακαρίων καὶ θεοφόρων πατέρων): ACO ser. II 1, p.160,31–33 (Ried.).

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(27) auch darin deutlich ‒ was Trypanis noch nicht wusste ‒, dass die gesamte erste Hälfte der Ekthesis „eine Paraphrase nach dem Edictum de recta fide Justinians I. vom Juli 551“ ist.82 Besonders deutlich wird dies in der Formel „Einer aus der Dreiheit“, deren Durchsetzung bekanntlich eines der ersten theologischen Anliegen Justinians gewesen ist.83 Ab 535/6 hatte sie bereits ihren festen Ort in der Liturgie im Hymnus „Eingeborener Sohn“ und ist dann auch durch das V. Ökumenische Konzil rezipiert worden.84 Traditionell sind auch die anderen trinitätstheologischen und christologischen Formulierungen, wie auch das von Trypanis unbeachtet gebliebene homousios und adiaireton in Strophe 69.12. Ebenso ist die Zurückweisung derselben Häretiker durch das Kontakion und die Ekthesis als traditionell einzuordnen und entspricht dem Stand nach dem Jahr 553. Allerdings ist die durch das: „So sagen wir“ in Strophe 138–9 hervorgehobene Formel: „Desselben sind das Leiden und das Wundersame“ in der Tat auffällig.85 Diese hier poetisch angepasste Formel findet sich zwar ebenfalls bereits in Justinians Edikt und in can. 3 des V. Konzils86, in der Ekthesis wird sie jedoch markant betont. Denn dort ist sie nicht nur das einzige wörtliche Zitat aus dem Edikt,87 sondern wird danach auch noch zweimal wiederholt.88 Dass diese Formulierung besondere Aufmerksamkeit verdient, macht das Schreiben des Herakleios (κέλευσις) an Papst Iohannes IV (24. Dezember 640–12. Oktober 642)89 deutlich, das der Kai-

82 Den Nachweis lieferte zuerst: Rudolf Riedinger, Aus den Akten der Lateransynode von 649, in: ByzZ 69 (1976), 17–38 (= Ders., Kleine Schriften zu den Konzilsakten des 7. Jahrhunderts, Turnhout 1998 [IP 34], [3–24] 20). 83 Vgl.: Alois Grillmeier, Jesus der Christus des Glaubens, Bd. 2/2, Freiburg u. a. 1989, 336– 359. Die Formel fand bereits 527 Eingang in den Codex Iustinianus (Cod. Iustinianus. Imp. I 1,5 [6–7 Krüger]); im Edictum de recta fide taucht sie mehrfach auf. Vgl. Eduard Schwartz, Drei dogmatische Schriften Iustinians (ABAW, NF 18), München 1939, 72,33; 92,7 (Anath. 6). 84 Vgl.: Concilium Constantinopolitanum a. 553, Anath. 4 und 10 (ACO ser. I 4,1 p.241,8; 242,31 [Straub]); Heinrich Denzinger/Peter Hünermann, Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen, Freiburg i.Br. u. a., 1991 u.ö., Nr. 424.432. 85 Καὶ τὸν ἐκ παρθένου σεσαρκωμένον ∕ ἒνα τῆς τριάδος ὁμολογοῦμεν ἀληθῶς ∕ θεὸν αὐτὸν καὶ ἄνθρωπον; ∕ τοῦ αὐτοῦ λέγοντες εἶναι τὰ πάθη ∕ καὶ τὰ θαυμάσια, ... (Str. 13,5–9). 86 Iustinianus I imp., Edictum de recta fide 74, 6; 90,27 (Schwartz); Concilium Constantinopolitanum a. 553, Anath. 3 (ACO ser. I 4,1 p.240,15–16 [Straub]). 87 Heraclius imp., Ecthesis (ACO ser. II 1, p.158,27–28 [Ried.]): καὶ τοῦ αὐτοῦ τά τε θαύματα καὶ τὰ πάθη. Vgl. dazu Iustinianus I imp., Edictum de recta fide 74, 6: καὶ τοῦ αὐτοῦ τά τε θαύματα καὶ τὰ πάθη. 88 Die Wiederholung erfolgt paraphrasierend (τὸν αὐτὸν [...] ἀπαθῆ καὶ παθητόν [κηρύττομεν]) und nochmals fast wörtlich (καὶ ἑνὸς καὶ τοῦ αὐτοῦ τά τε θαύματα καὶ τὰ πάθη [κηρύττομεν]), s. ACO ser. II 1, p.158,38–39 (Ried.). 89 Dölger/Müller, Regesten (s. Anm. 11): Nr. 215.

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ser kurz vor seinem Tode (28) (11. Februar 641) gesandt hatte. Darin teilt Herakleios mit, dass er für eine Ikone des Gekreuzigten im Patriarchat ein Epigramm folgenden Inhalts verfasst habe: Er ist da beides, Gott sowohl als Mensch. Und beides ist einer, denn Gott ist Mensch geworden. Den Naturen nach ist er wahrlich doppelt, der Vollmacht und Herrschaft nach aber einfach. Und mit seinem eigenen souveränen Willen gefiel es ihm, das Göttliche und Menschliche zu bewirken. Desselben sind daher die Wunder, desselben aber ist auch das Leiden.90

Dieses Epigramm entspricht inhaltlich ganz der Ekthesis und ihrem Anliegen, jenseits des Bekenntnisses zu den zwei Naturen Christi keine weiteren numerischen Aussagen zuzulassen, sondern alles Wirken und Wollen Christi der einen Person des Menschgewordenen zuzuordnen. Deshalb sei es der eine Christus, der Subjekt seines Wirkens und Wollens sei, und dem deshalb auch seine Wunder und sein Leiden zuzuordnen sind, ohne sie jeweils auf eine der beiden Naturen zu verteilen. Anscheinend hatte die im Epigramm den Abschluss bildende Formulierung, die hier ein Zitat aus der Ekthesis ist, bei deren Anhängern eine programmatisch-formelhafte Bedeutung. Sie entspricht der Absicht der Ekthesis, einen öffentlichen Streit darüber zu unterbinden, ob es notwendig sei, von einer oder zwei Wirkweisen/Energien Christi zu reden.91 Die Überwindung des Streites

90 Ἔστιν ἐν τούτοις τὰ ἀμφότερα, Θεός τε καὶ ἄνθρωπος, καὶ τὰ ἀμφότερα εἷς ·∕ Θεὸς γὰρ ἐνηνθρώπησεν · κατὰ οὖν τὰς φύσεις διπλοῦς, κατὰ δὲ τὴν ἐξουσίαν καὶ δεσποτείαν ἁπλοῦς ·∕ καὶ ἰδίῳ αὐθεντικῷ θελήματι τά τε θεῖα καὶ ἀνθρώπινα ἐνεργῆσαι ηὐδόκησεν ·∕ τοῦ οὖν αὐτοῦ εἶσιν τὰ θαύματα, τοῦ αὐτοῦ δὲ καὶ τὰ παθήματα: St. Rizou-Couroupos, Un nouveau fragment de la κέλευσις d’Heráclius au pape Jean IV, in: Jürgen Dummer (Hg.), Texte und Textsammlungen. Eine Aufsatzsammlung (TU 133), Berlin 1987, 531–532.531. Derselbe Text der Keleusis aus dem Cod. Marc. gr. 527, fol. 18v, wurde 1995/6 nochmals veröffentlicht von: Alexander Alexakis, Before the Lateran Council of 649: The Last Days of Herakleios the Emperor and Monotheletism, in: AHC 27/28 (1995/6), (93–101) 97, allerdings mit einer Textauslassung und einer falschen Satztrennung. Trypanis ging 1968 dem damaligen Kenntnisstand entsprechend noch davon aus, dass die von Maximus Confessor erstmals im Jahr 645 aufgestellte Behauptung, der Kaiser habe vor seinem Tode die Ekthesis widerrufen, den Tatsachen entspricht. Vgl.: Maximus Conf., Epistula ad Petrum Illustr. (Opusc. theol et pol. 12): PG 91,142C; dieselbe Behauptung: Relatio Motionis 370–377 (CCSG 39,41 Allen/Neil). Dass es sich dabei um eine zweckgebundene wahrheitswidrige Aussage handelt, wird heute weitgehend anerkannt. Vgl. z. B.: Kaegi, Heraclius (s. Anm. 9), 271. 91 Vgl.: Heraclius imp., Ecthesis (ACO ser. II 1, p.160,4–24 Ried.). Diese Passage im zweiten Teil der Ekthesis ist eine fast wörtliche Wiederholung der sog. Psēphos des Patriarchen Sergios, mit der dieser nach Ausbruch des Streites Ende 633 einen ersten Versuch zu seiner Eindämmung unternommen hatte. Zur Psēphos vgl.: Winkelmann, Streit (s. Anm. 10), Nr. 36.

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suchte die Ekthesis in der vermeintlich Konsensformel von dem einen (29) Willen Christi.92 Gemeint war damit der eine, einheitliche und sich nicht widersprechende Wille Christi in seinem Heilshandeln. Zurückgewiesen wurde hier der Ausschließlichkeitsanspruch einer Christologie, die auf der Grundlage eines ontologischen Naturbegriffes die Rede von zwei Wirkweisen Christi als allein zulässig behauptete und von Sophronius von Jerusalem (633/4–638) initiiert und dann von Maximus Confessor († 662) mit der Lehre von den zwei Willen Christi auf die Spitze getrieben wurde. Die Formulierung: „Desselben sind die Leiden und die Wunder“ ist deshalb meines Erachtens tatsächlich ein starkes Indiz für eine direkte Beziehung des Kontakions zur Ekthesis. Diese These lässt sich durch weitere Beobachtungen verstärken. So wird dasselbe Anliegen der Bindung des menschlichen und göttlichen Wirkens Christi an die eine Person Christi sehr subtil in Strophe 129–12 zum Ausdruck gebracht. Denn dort wird von dem Ruf Christi „Ich bin das ewige Licht ohne Abend“ betonend hervorgehoben, dass er mit menschlichem Atem vollzogen wird und so göttliches und menschliches Wirken in eins gesetzt. Hinzu kommt die starke Betonung der Einheitsaussagen im gesamten Kontakion nicht nur für Christus (126;136.8), sondern auch beim trinitarischen Gottesbekenntnis (133–4), bei der einen Kirche (44; 127) und dem einen Glauben (Prooemium V. 2), ja sogar dem einen liturgischen Reigen, den Engel und Menschen im Einklang tanzen (131–2). Dazu passt, dass von den vier sog. Alpha-privativa-Adverbien der Definition der Synode von Chalcedon93 hier nur das „ungetrennt“ (ἀδιαιρέτως) gebracht wird (612). Dieser homiletische Text nimmt also das Anliegen der Ekthesis auf und dies, ohne mit den Schlüsselbegriffen des theologischen Streits zu operieren. Nicht nur der Begriff ἐνέργεια wird vermieden, sondern sogar der Begriff Natur (φύσις) taucht nicht auf. Auch das vollständige Fehlen der Willensthematik spricht für eine zeitliche Nähe zur Ekthesis, denn die Frage der Anzahl der Willen Christi wird erst im Verlauf der 40er Jahre zu einem Streitthema.94 Dem Kontakion geht es deshalb meines Erachtens ebenso wie der Ekthesis primär nicht um eine theologische Entfaltung des Väterbegriffes oder der Synodaltheologie ‒ so eindeutig diese hier eine Rolle spielen ‒, sondern um die Wahrung des 17 Mal als Refrain aufgerufenen Geheimnisses der Frömmigkeit. Dahinter steht meines Erachtens die Frage, wieweit die „hohe Theologie“, von der das Proo-

92 Heraclius imp., Ecthesis (ACO ser. II 1, p.160,24–26 Ried.): ὅθεν τοῖς ἁγίοις πατράσιν ἐν ἅπασι καὶ ἐν τούτῳ κατακολουθοῦντες, ἕν θέλημα τοῦ κυρίου ἡμῶν Ἰησοῦ Χριστοῦ τοῦ ἀληθινοῦ θεοῦ ὁμολογοῦμεν. 93 ACO ser. I 2,1,2 p.129,31 (Schwartz); Denzinger/Hünermann, Kompendium (s. Anm. 83), Nr. 302. 94 S. o. Anm. 74.

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emium spricht, gehen soll, wenn sie sich beim Weben des Gewandes der Wahrheit der Mittel der Dialektik bedient. Ob sie also mit „der Logik und Kategorienlehre, mit dem Ausweis von (30) Konsistenz einer Beweisführung im Ausgang von präzisen Definitionen, mit Dilemmata und Aporien und wenn es sein muß, mit der logischen Reductio ad absurdum des Gegners“ arbeiten soll, um so einen Häresiebeweis zu führen. Der ausgebildete Sophist Sophronios argumentierte so, und Maximos war darin unübertroffener Meister. Man hat hier zu recht von einem „neue(n) Stil theologischer Argumentation“ gesprochen, der sich seit dem 6. Jahrhundert zunehmend etablierte, und „den man als frühbyzantinischen Vorläufer mittelalterlicher Scholastik kennzeichnen kann“.95 Dagegen wurde Maximos von seinen Gegnern, den Anhängern der Ekthesis und Sängern des Kontakions, vorgehalten: „Uns geht es nicht um Begriffsdifferenzierungen, sondern in Rede steht das fromme Verständnis!“96 Das Kontakion ist meines Erachtens die homiletisch-liturgische Durchführung dieser Haltung. Trypanis identifizierte schließlich die „andere Synode“ gegen Severus von Strophe 10a5−6 einfach mit der Synode des Sergios zur Bestätigung der Ekthesis, weil doch auch die Ekthesis Severus verurteilt habe.97 Das kann schwerlich überzeugen. Es handelt sich vielmehr um eine ungewöhnlich prominente Erwähnung der Konstantinopler Synode gegen Severus vom Jahre 536 zusätzlich zu den fünf Ökumenischen Synoden. Dies ergibt sich aus Folgendem. Wie eingangs festgestellt wurde, ist das Kontakion bis heute auch in der liturgischen

95 Beide Zitate stammen von: Karl-Heinz Uthemann, Definitionen und Paradigmen in der Rezeption des Dogmas von Chalkedon bis in die Zeit Justinians, in: Johannes van Oort/Johannes Roldanus (Hgg.), Chalkedon: Geschichte und Aktualität. Studien zur Rezeption der christologischen Formel von Chalkedon, Leuven 1997, (54–122) 60. 96 Diesen Einwand seiner Gegner zitiert Maximus selbst in: Ders., Opusc. theol. et polem. 16 (PG 91,189A1–3): οὐ γὰρ περὶ διαφορᾶς ὀνομάτων ἡμῖν, ἀλλ᾿ εὐσεβῶν νοημάτων ὁ λόγος. Opusc. 16 ist der längste Traktat des Maximos vom Anfang der 40er Jahre zur Theorie einer doppelten Energie und eines doppelten Willens Christi und ein Musterbeispiel für diese Argumentationsweise. Der unstimmige Syllogismus wird hier zum Aufweis der Häresie! Maximus behauptet dabei auffällig oft, dass er die eingeführten Definitionen, die den Ausgangspunkt seiner Syllogismen bilden, von einem „frommen Mönch“ erhalten habe (185 D1; 192 B2; 196 A10 u.ö.). Es ist meines Erachtens müßig, hier nach einer konkreten Person zu fragen, wo es doch nur darum geht, diese Art der Theologie geistlich zu autorisieren! Zu Opusc. 16 vgl.: Jankowiak/Booth, New Date-List (s. Anm. 74), Nr. 65. 97 Trypanis, Fourteen Early Byzantine Cantica (s. Anm. 7), 91 Anm. 22. Diese Begründung bietet: Countryman, A Monothelite Kontakion (s. Anm. 7), 34 Anm. 72.

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Ordnung des Festes des IV. Ökumenischen Konzils von Chalcedon (451) verankert98 und wird nicht nur bei dem Fest der „318 Väter der Synode von Nicaea“ gesungen, das erst später aus dem Chalcedon-Fest ausgegliedert wurde.99 Dies wusste Trypanis anscheinend nicht, und dadurch geriet seine Argumentation in eine Schieflage. Das ältere Fest der Synode von Chalcedon, das erstmals am 16. Juli 518 und dann jährlich an diesem Wochentag begangen wurde, ist ausweislich von (31) Menologien, Typika und Synaxarien bis ins 11. Jahrhundert am darauffolgenden Sonntag begleitet gewesen von einem eigenständigen Fest zum „Gedenken der heiligen Synode, die in Konstantinopel gegen den gottlosen Severus gehalten wurde“. Damit ist eindeutig die „Synode der 65 Väter“ von 536 gemeint.100 Diesem Sonntag nach dem Chalcedon-Fest aber ist später das Gedenken des V. Ökumenischen Konzils von 553 zugewachsen, das sehr lange deutlich von den ersten vier Ökumenischen Synoden in der Aufzählung und auch in der liturgischen Feier abgehoben wurde.101 Etwa ab dem 11. Jahrhundert verschmolzen die Festinhalte des Sonntags nach dem 16. Juli mit dem Chalcedon-Fest, so dass ein eigenständiges Nachfest wegfiel und das Chalcedon-Fest nun selbst an jenem Sonntag gefeiert wurde, der zwischen dem 13. und 19. Juli liegt. So ist es bis heute.102 Das aber bedeutet für die 30er Jahre des

98 S. o. Anm. 2. 99 Zum Nicaea-Fest vgl.: Sévérien Salaville, La fête du concile de Nicée et les fêtes de conciles dans le rite byzantin, in: EOr 24 (1925), 445–470. 100 Vgl.: Sévérien Salaville, La fête du concile de Chalcédoine dans le rite byzantin, in: Alois Grillmeier/Heinrich Bacht, Das Konzil von Chalcedon II, Würzburg 1953, (677–695) 678–679. 101 Sehr schön wird zeitgleich diese Hervorhebung der ersten vier ökumenischen Konzile in der Synodica des Sophronios von 634 deutlich, s.: ACO ser. II 2,1 p.470,4–472,1 (Ried.). Mit dieser Entwicklung war in der Tradition eine gewisse Unklarheit über die Zuordnung der Bezeichnung „V. Konzil“ entweder zu der Konstantinopler Synode von 536 oder der von 553 verbunden. Vgl.: Salaville, La fête du concile de Chalcédoine (s. Anm. 100), 678–681; Robert Devreesse, Le cinquième concile et l’œcuménicité byzantine, in: Miscellanea Giovanni Mercati III (StT 123), Vatican (1946) ND 1973, 1–15. Die Bezeichnung „V. Konzil“ ist jedoch gegen Devreesse im zeitlichen Zusammenhang des Kontakions eindeutig auf das II. Constantinopolitanum von 553 bezogen. Vgl. z. B.: Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica IV,11.38 (FC 57/2, 472,10; 528,27 f. Hübner); Sophronius Patr. Hier., Epistula synodica (s. o.); Concilium Lateranense a. 649, secr. IV (ACO ser. II 1, p.224,28–234,5 Ried.). 102 Vgl.: Salaville, La fête du concile de Chalcédoine (s. Anm. 100). Die Akkumulation von weiteren Festinhalten beim Chalcedon-Fest ergibt sich klar aus dem Kanon des Patriarchen Philotheos Kokkinos (1353/4.1364–1376), der bis heute der Hauptkanon des Chalcedon-Festes ist, und nach dessen 6. Ode das Prooemium als Troparion und Strophe 1 des Kontakions gesungen werden. In den Oden des Kanons werden nun nicht nur die 536 und 553 Verurteilten, sondern auch noch die 681 Anathematisierten genannt. Dies hat dazu geführt, dass in der Russischen-Orthodoxen Kirche „an dem dem 16. Juli nächststehenden Sonntag“ das „Fest der Heiligen Väter der Sechs Ökumenischen Synoden“ gefeiert wird und am 25. Juli (a. St.) ein Fest

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7. Jahrhunderts, dass nach dem Chalcedon-Fest am 16. Juli, einem beliebigen Wochentag, am nächsten Sonntag ein eigenständiges Gedenken der Synode von 536 gegen Severus und des V. Ökumenischen Konzils begangen wurde. Auf diese liturgische Praxis bezieht sich ganz offensichtlich die Erwähnung dieser Synode in Strophe 10a5−6. (32) Damit stellt sich in neuer Weise die Frage, warum sie hier überhaupt so hervorgehoben wird? Die nächstliegende Erklärung ist meines Erachtens, dass das Kontakion eben für diesen Festtag geschrieben wurde und dies zu dem Zweck, dabei auch jene Synode des Sergios, die unmittelbar nach der Promulgation der Ekthesis durchgeführt wurde, in das liturgische Gedenken mit einzubeziehen ‒ und damit implizit natürlich auch die Ekthesis! Das ergibt sich aus folgenden Überlegungen. Die Synode von 536 und ihre liturgische Feier ist hier offensichtlich der geeignete Anknüpfungspunkt gewesen, weil sie formal eine sog. Synodos endemousa war, also eine Synode der in Konstantinopel versammelten Bischöfe,103 de facto aber durch die Teilnahme einer päpstlichen Gesandtschaft quasi-ökumenische Bedeutung hatte.104 Auch die Synode des Sergios war ein Endemousa.105 Auch sie handelte im Bewusstsein päpstlicher Zustimmung, denn der Patriarch hatte sich vorher das Einverständnis von Papst Honorius (625–638)106 geholt107 und überdies eine offensichtlich große Anzahl von Bischöfen zu diesem Ereignis versammelt.108 Diese Synode bescheinigte der Ekthesis, dass sie „wahrhaft mit der apostolischen Verkündigung übereinstimmt“ und „in allem der Lehre der heiligen und anerkannten Väter und Verkünder unseres orthodoxen Glaubens entspricht“ sowie „mit den heiligen und ökumenischen Synoden in Einklang steht“.109 Diese

des V. Ökumenischen Konzils steht. Das ursprüngliche Chalcedon-Fest, das ein Fest der ersten vier ökumenischen Synoden war, hat dadurch sein spezifisches Profil verloren. Vgl.: Патриарший Календарь на 2018 год. С приложением, Москва 2017; Velikij Sbornik v trech častjach; Minia prazdničnaja, Jordanville 21954, 146–160. 154 f. (Kontakion). Die Angaben zur russischen Tradition verdanke ich K. Chr. Felmy. 103 Vgl. Joseph Hajjar, Le synode permanent (σύνοδος ἐνδημοῦσα) dans l’Église byzantine des origines au XIe siècle (OCA 164), Rom 1962. 104 Vgl.: Speigl, Die Synode von 536 (s. Anm. 58), 121–122. 105 Vgl: Hajjar, Le synode permanent (s. Anm. 103), 89–90. 106 Georg Kreuzer, Die Honoriusfrage im Mittelalter und in der Neuzeit, Stuttgart 1975. 107 Vgl. hierzu den Briefwechsel zwischen Sergios und Honorius: Winkelmann, Streit (s. Anm. 10), Nr. 43 und 44. 108 Dies lässt sich aus den wenigen erhaltenen Fragmenten der Synodalakten (s. o. Anm. 13) erschließen und verdient eine eigene Darstellung. 109 Concilium Constantinopolitanum a. 636/7 (ACO ser. II 1, p.164,38 f. Ried.): ἀληθῶς τῷ ἀποστολικῷ συνᾴδει κηρύγματι; (166,17–19): διὰ πάντων ἑπομένην ἀκριβῶς τε καὶ ἀπαραλείπτως τῇ διδασκαλίᾳ τῶν ἀγίων καὶ ἐγκρίτων πατέρων καὶ κηρύκων τῆς ὀρθοδόξου ἡμῶν πίστεως; (166,13–14): σύμφωνον [...] ταῖς ἁγίαις καὶ οἰκουμενικαῖς εὑρηκότες συνόδοις.

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Feststellungen stehen auch im Zentrum des Kontakions, das sie für alle in Geltung stehenden Synoden einschließlich der gegen Severus trifft. Selbst der Topos der unmittelbaren Einwirkung der Gnade des Heiligen Geistes wird hier in den Akten in Anspruch genommen. Denn bei der Synode von 639 zur nochmaligen Bestätigung der Ekthesis ‒ ebenfalls eine Endemousa ‒ formulierte Pyrrhos nach der Abstimmung: „Jetzt hat die Gnade des allheiligen Geistes die Anwesenden wahrhaft inspiriert!“110 Und dann berichtet er, dass „wir sie (sc. die Ekthesis) mit vielen ganz außergewöhnlich emporsteigenden Lobpreisungen krönen […] und anhaltende Gebete zu Gott für seine (sc. des Kaisers) fromme und erleuchtete Seele emporsenden, damit die Macht seiner Herrschaft unerschüttert bleibe und (33) er alle barbarischen Stämme unterwerfe.“111 Man wird nicht fehlgehen, in diese liturgischen Vollzüge auch das Kontakion mit einzubeziehen, das damit im Jahr 639 bereits in die liturgische Praxis integriert gewesen sein muss. Schließlich zitiert das Kontakion in Strophe 10a11–12 mit den markanten antiseverianischen Wendungen „Sammelbecken alles Verderbens“ und „alles hat er durcheinandergeworfen“ direkt das Ausführungsgesetz Kaiser Justinians I. zu den Synodalbeschlüssen von 536 (Nov. 42), das auch Bestandteil der Akten dieser Synode ist.112 Der Verfasser des Kontakions muss diesen Text meines Erachtens als Vorlage benutzt haben. Nun könnte man grundsätzlich fragen, ob sich denn die heftige Polemik gegen Severus in Strophe 10a mit der Konstantinopler Religionspolitik dieser Jahre verträgt, die doch gerade eine Versöhnung mit den Severianern anstrebte und deren Initiator Patriarch Sergios war.113 Einen solchen Widerspruch scheint man allerdings in Konstantinopel nicht empfunden zu haben. Denn Kaiser Herakleios hatte vor seiner Rückkehr in den Osten, wo er diese religionspolitische Kampagne selbst in die Hand nehmen wollte, eine bemerkenswerte Entscheidung gefällt, und dies gewiss auf Anraten des Sergios. Georgios Pisides († 632), Diakon an der Hagia Sophia und genialer Poet und Panegyriker, erhielt im Jahr 629 den Auftrag, einen Traktat über die christologischen Differenzen zwischen

110 Concilium Constantinopolitanum a. 639 (ACO ser. II 1, p.168, 8 Ried.): Νῦν ἀληθῶς ἡ τοῦ παναγίου πνεύματος τοῖς συμπαροῦσιν ἐπιπνεύσασα χάρις. 111 Concilium Constantinopolitanum a. 639 (ACO ser. II 1, p.168, 16–20 Ried.): πολλοῖς ἄγαν καὶ διαφερόντως ἐπῃρμένοις [...] στεφανοῦμεν ἐπαίνοις καὶ κατὰ τὸ ἐνὸν ἡμῖν τῆς δυνάμεως μέτρον ἐκτενεῖς τὰς ὑπὲρ τῆς εὐσεβοῦς καὶ καταφωτισμένης αὐτοῦ ψυχῆς τῷ θεῷ διὰ παντὸς ἀναπέμποντες προσευχάς, ὥστε ἀκατάσειστον αὐτῷ διαμεῖναι τῆς βασιλείας τὸ κράτος, πάντα ὑποτάσσον τὰ βάρβαρα φῦλα:. 112 Concilium Constantinopolitanum a. 536 (ACO ser. I 3, p.121,1.5): συνετάραξεν ἅπαντα; ἅπαντα δὲ συνταράξαντα; (121,12–13): κοινὸν δοχεῖον ἔδοξε ἑαυτόν τε καὶ τοὺς ἑαυτοῦ λόγους τῶν τηλικούτων πλημμελημάτων καταστῆσαι. Genauso: Iustinianus I imp., Nov. 42 (265,10 f.17.30 f. Schoell/Kroll). 113 Vgl. dazu z. B.: Lange, Mia Energeia (s. Anm. 17), 531–587.

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Orthodoxen und Severianern und Nestorianern zu verfassen. Dieses Gedicht mit nicht weniger als 726 jambischen Versen ist speziell gegen Severus gerichtet und zerlegt der Reihe nach seine Argumente gegen die Synode von Chalcedon.114 Das Gedicht war zur öffentlichen Rezitation bestimmt. Man hat das wohl so zu verstehen, dass angesichts des religionspolitischen Vorhabens von vornherein kein Zweifel daran gelassen werden sollte, dass die Ablehnung und Verurteilung der severianischen Christologie in keiner Weise in Frage gestellt sei.115 (34) Schließlich: Wer kommt als Verfasser des Kontakions in Frage? Bekanntlich sind alle Fäden der Versöhnungspolitik mit den Gegnern der Synode von Chalcedon seit 617 von Patriarch Sergios gezogen worden. Außerdem hatte er bereits in den Jahren 615 und 624 neue Hymnen in die Konstantinopler Liturgie eingeführt, die bis heute in Geltung stehen.116 Im Zusammenhang der Belagerung von 626 hatte er nicht nur das neue dritte Prooemium zum Akathisthos Hymnos verantwortet und poetische Predigten, Berichte und Gedichte über dieses Ereignis in Auftrag gegeben oder gar selbst verfasst,117 sowie das bis heute gefeierte Fest der (erneuten) „Niederlegung des Gewandes der Gottesgebärerin“ in der Blachernenkirche am 2. Juli 627 installiert.118 Ich halte es deshalb für wahrscheinlich, dass auch dieses Kontakion entweder von ihm in Auftrag gegeben, oder sogar von ihm selbst verfasst wurde.119

114 Georgios Pisides, Contra Severum, hg. u. übers. v. Luigi Tartaglia, Carmi di Giorgio di Pisidia, Turin 1998, 262–307. Dazu: L. S. B. MacCoul, George of Pisidia, Against Severus: In Praise of Heraclius, in: Roger Dahood, The Future of the Middle Ages and Renaissance, Turnhout 1998, 69–79; Howard-Johnston, Witnesses to a World Crisis (s. Anm. 62), 23–24. 115 So auch: MacCoul, George of Pisidia (s. Anm. 114), 77. Schließlich war sie auch Bestandteil des weltlichen Rechtes, s. o. Anm. 112. 116 Im Jahr 615 wurde für die Liturgie der Vorgeweihten Gaben beim Großen Einzug der Hymnus „Jetzt dienen die himmlischen Mächte mit uns“ (Νῦν αἱ δυνάμεις τῶν οὐρανων σύν ἡμῖν) eingeführt, im Jahre 624 der Hymnus nach der Kommunion „Erfüllt sei unser Mund von deinem Lob, o Herr“ (Πληρωθήτω τὸ στόμα ἡμῶν αἰνέσεως): Chronicon Paschale (705 f.714 Dindorf). Vgl.: Chronicon Paschale 284–628AD., transl. with notes and introduction by Michael Withby and Mary Whitby (Translated Texts for Historians 7), Liverpool 1989, 158.167 f.; Robert Taft, The Geat Entrance. A History of the Transfer of Gifts and other Pre-anaphoral Rites (OCA 200), Rom 42004, 192–194. Frank E. Brightman, Liturgies Eastern and Western I, Oxford 1896, 348.536 f. 117 S. o. Anm. 64 und Howard-Johnston, Witnesses to a World Crisis (s. Anm. 62), 20–22.47.146–148. 118 Μνήμη τῆς ἐν Βλαχέρναις Καταθέσεως τῆς τιμίας Ἐσθῆτος τῆς Ὑπεραγίας Θεοτόκου. 119 Dass der Todestag des Sergios am 9. Dezember 638 dagegen spreche, wie Trypanis meinte (91, Anm. 22), hängt ganz an der traditionellen Datierung der Ekthesis und die Sergios-Synode in das Jahr 638. Dieses Datum aber ist meines Erachtens mit: Marek Jankowiak, Essai d’histoire politique du monothélisme. Diss. Paris-Warschau 2009 [ungedr.], 146–155, in Frage zu stellen.

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Zusammenfassend lässt sich somit Folgendes festhalten: Das Kontakion „Auf die heiligen Väter“ wurde nach der Promulgation der kaiserlichen „Darlegung des orthodoxen Glaubens“ (Ekthesis) und ihrer synodalen Bestätigung durch eine Konstantinopler Synode in der zweiten Hälfte der 30er Jahre des 7. Jahrhunderts für den Sonntag nach dem Chalcedon-Fest (16. Juli) verfasst. Dieser Sonntag war dem Gedenken der synodalen Verurteilung des Severus im Jahr 536 und dem V. Ökumenischen Konzil von 553 mit seiner nochmaligen Verurteilung des Nestorianismus gewidmet. Das Kontakion besingt deshalb die Bedeutung der Väter der Synoden und entfaltet eine Theologie der Synode als Ort des gnadenhaften und kontingenten Wirkens des Heiligen Geistes in heilsgeschichtlicher Perspektive von der Zeit des Mose über die Apostel bis zur aktuellen Erfahrung der Kirche. Diese Väter- und Synodaltheologie ist ein Merkmal altkirchlichen Selbstverständnisses und in der orthodoxen Theologie bis in die Gegenwart selbstverständlich. Insofern bewegt sich das Kontakion hier theologisch in traditionellen Bahnen, schließt mit diesen Aussagen aber auch die in Geltung stehende Synode des Sergios und so auch implizit die Ekthesis mit ein. Deren Anliegen war es, einen theologische Kontroverse zu überwinden und ein Theologisieren in die Schranken zu weisen, das meinte, auf der Grundlage von dialektischen Methoden und syllogistischen Beweisverfahren Bischöfe und Theologen derselben Kirche und desselben Bekenntnisses der Häresie überführen zu können. Dem Kontakion geht es deshalb vorrangig um eine Bewahrung des Christusmysteriums als Geheimnis der Frömmigkeit und Aufgabe der Kirche vor seiner Auflösung in theologische Formeln. Darum entfaltet es dieses Geheimnis in einer traditionellen und relativ einfachen Sprache unter Verzicht auf die strittigen Begriffe der Stunde und konnte so ‒ mit einer Anpassung an die Zahl der Ökumenischen Synoden und abgekoppelt vom Fest der Synode von 536 ‒ auch ohne weiteres nach 681 bis in die Gegenwart verwendet werden. Denn seine heutige reduzierte liturgische Verwendung hat nichts mit dem Inhalt der fortgefallenen Strophen zu tun, sondern ist die Folge der Ablösung aller Kontakien durch die neue liturgische Gattung des Kanons ab dem 8./9. Jahrhundert. Dieses Kontakion ist somit ein lebendiges Zeugnis für eine fundamentale theologische, geistliche, ekklesiologische und liturgische Übereinstimmung jener Bischöfe und Theologen, die einen letztmaligen Versuch der Versöhnung mit den Gegnern der Synode von Chalcedon unternahmen, und ihren innerkirchlichen Gegnern. Dieser Konsens konnte freilich im 7. Jahrhundert nicht

S.: Heinz Ohme, Die Konstantinopler Synoden von 638/9 (?) und die Ekthesis des Kaisers Herakleios (610–641), in: ZKG 129 (2018), 289–315.

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verhindern, dass ein von einer kleinen Gruppe radikaler Mönche in zelotischem Geist und mit fragwürdigen Methoden propagierte frühscholastische Theologie sich schlussendlich durchsetzen konnte. Das Kontakion macht dadurch aber auch deutlich, dass die Gründe, die zu den Anathematismen von 649 und 681 geführt haben, nicht primär in der Theologie seiner Verfasser zu suchen sind.

6 Die Konstantinopler Synoden von 638/9 (?) und die Ekthesis des Kaisers Herakleios (610–641) Abstract: This article analyses the fragments of two synods of Constantinople under the patriarchs Sergios I (610–638) and Pyrrhos (638–641.654), which advanced the reception by the church of the Ekthesis of the emperor Herakleios (610–641) and are preserved in the Acts of the Lateran Synod of 649. Together with the Synod of Cyprus (636), which was later consigned to silence in dyothelete sources, these make clear that this imperial edict was drawn up at the request of the church. The Ekthesis was the result of a synod with almost ecumenical representation and included in a subsequent synod. It was for this reason also accepted – during a vacancy in the see of Antioch – by the churches of Rome, Constantinople, Alexandria and Jerusalem, and thereby also by Patriarch Sophronios. From 641 the preparations for the Lateran Synod led to a concealing and falsification of these events. To this belongs also the postdating of the Ekthesis to 638, which is now to be dated to 636/7. In den Akten der Lateransynode von 649, die von Maximos Homologetes (ca. 579–662) 1 und seinen Schülern vorbereitet und, von Papst Martin I. (649–653)2 geleitet, dem später sog. „monenergetisch-monotheletischen Streit“3 seine letzte Schärfe verlieh, finden sich in direkter Abfolge folgende drei Dokumente:

1 Prosopographie der mittelbyzantinischen Zeit. Erste Abteilung 641–867. Nach Vorarbeiten Friedhelm Winkelmanns erstellt von Ralph-Johannes Lilie, Claudia Ludwig, Thomas Pratsch, Ilse Rochow, Bd. 1–6, Berlin 1999–2002, Nr. 4921; Pauline Allen/Bronwen Neil (Hgg.), The Oxford Handbook of Maximus the Confessor, Oxford 2015. 2 PMBZ, Nr. 4851. 3 Vgl. z. B.: Friedhelm Winkelmann, Der monenergetisch-monotheletische Streit, Frankfurt a.M. 2001 (BBySt 6), 1–44; Christian Lange, Mia Energeia. Untersuchungen zur Einigungspolitik des Kaisers Heraclius und des Patriarchen Sergius von Constantinopel, Tübingen 2012 (STAC 66); Heinz Ohme, Oikonomia im monenergetisch-monotheletischen Streit, in: ZAC 12 (2008), 308–343; Ders., Die Bedeutung der Geschichtstheologie im monenergetisch-monotheletischen Streit, in: ZThK 112 (2015), 27‒61; Ders., Maximos Homologetes (†662). Martyrium, Märtyrerbewusstsein, „Martyriumssucht“?, in: ZAC 20 (2016), 306–346; Ders., Wer hat den Dyotheletismus erfunden? Zur Frage der Authentizität der Apologia Honorii Papst Iohannes’ IV. (640–642), in: ByZ 110 (2017), 89–140; Marek Jankowiak, Essai d’histoire politique Anmerkung: Zuerst publiziert in: ZKG 129 (2018), 289–315. https://doi.org/10.1515/9783110714531-006

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3.

6 Die Konstantinopler Synoden von 638/9 (?)

Ein fragmentarischer Auszug aus den Akten der vom Konstantinopler Patriarchen Sergios I. (610–638)4 durchgeführten Konstantinopler Synode zur Bestätigung der sog. Ekthesis, die traditionell auf 638 datiert wird.5 Ein ebenfalls fragmentarischer Auszug aus den Akten der Konstantinopler Synode von 639, die der Nachfolger des Sergios, Patriarch Pyrrhos (638–641.654), 6 zur nochmaligen Bestätigung der Ekthesis einberufen hatte.7 (290) Ein Brief8 des Patriarchen Kyros von Alexandrien (631–642)9 an Patriarch Sergios, in dem Kyros seine begeisterte Zustimmung zur Ekthesis erklärt.

Die vollständigen Akten beider Synoden sind im Jahr 681 dem Vernichtungsbeschluss des VI. Ökumenischen Konzils zum Opfer gefallen,10 so dass diese Fragmente die einzigen erhaltenen direkten Quellen sind. Alle drei Texte haben für das Verfahren der Lateransynode als Akkusationsprozess dieselbe Funktion.11 Sie beschließen eine Reihe von neun Texten, die in der dritten Sitzung der Synode (Secretarius III)12 am 17. Oktober 649 im Rahmen eines Urkundenbeweises

du monothélisme, Diss. Paris-Warschau 2009 (ungedr.); Phil Booth, Crisis of Empire. Doctrine and Dissent at the End of Late Antiquity, Berkeley u. a. 2013. 4 Jan Louis van Dieten, Geschichte der Patriarchen von Sergios I. bis Johannes VI. (610–715), Amsterdam 1972, 1–56; Winkelmann, Streit (s. Anm. 3), 258–260. 5 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.164,20–166,35 Riedinger); vgl. z. B. Winkelmann, Streit (s. Anm. 3), Nr. 51. 6 PMBZ, Nr. 6386; van Dieten, Geschichte (s. Anm. 4), 57–75; Christian Boudignon, Maxime le Confesseur était-il Constantinopolitain?, in: Jacques Noret, Bart Janssens, Bram Roosen, Peter van Deun (Hgg.), Philomathestatos. Studies in Greek and Byzantine Texts Presented to Jacques Noret for his Sixty-Fifth Birthday, Leuven u. a. 2004 (OLA 137), 11–43.29–31. 7 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.168,1–170,7 Ried.); Winkelmann, Streit (s. Anm. 3), Nr. 55. 8 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.172,1–41 Ried.); Winkelmann, Streit (s. Anm. 3), Nr. 53. 9 PMBZ, Nr. 4213; Phil Booth, The Last Years of Cyrus, Patriarch of Alexandria (†642), in: TMCB 20 (2016), 509–558. 10 Vgl. Concilium Constantinopolitanum a. 680/1 (ACO ser. II 2,2, p.626,11–19 Ried.). 11 Zur Lateransynode vgl.: Richard Price/Phil Booth/Catherine Cubitt, The Acts of the Lateran Synod of 649, transl. by Richard Price, Liverpool 2014 (Translated Texts for Historians 61), General Introduction 1–108. Zur Bedeutung der Lateransynode als Akkusationsprozess vgl. Heinz Ohme, Was war die Lateransynode von 649? Was sollte sie sein?, in: AHC 48 (2016/7), 109–157. 12 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.114–179 Ried.). Vgl. dazu Richard Price, in: Price/Booth/Cubitt, Acts (s. Anm. 11), 191–199.

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die von der Synode Angeklagten als Häretiker erweisen sollten. Anathematisiert wurden außer den drei Genannten Patriarch Paulos von Konstantinopel (641‒ 653)13 und der als Häresiarch ausgemachte Bischof Theodor von Pharan († vor 638)14, weiterhin auch noch zwei kaiserliche Gesetze ‒ eben die Ekthesis15 und der sog. Typos von 648.16 Den Häresiebeweis will die Lateransynode dadurch erbringen, dass Sergios, Pyrrhos und Kyros in den drei genannten Dokumenten als Vorsitzende der beider Synoden bzw. Verfasser des genannten Briefes die Ekthesis propagiert und rezipiert haben. Dieses Gesetz des Kaisers Herakleios (610‒641)17 ‒ der genaue Titel lautet: „Darlegung der Lehre der Orthodoxie“18 ‒ untersagte bekanntlich einen öffentlichen Streit darüber, ob es notwendig sei, von einer oder zwei Wirkweisen/Energien Christi zu reden, indem jede weitere Rede von einer oder zwei Wirkweisen/ Energien Christi verboten wird.19 Die Überwindung des Streites suchte die Ekthesis in der vermeintlichen Konsensformel von dem einen Willen Christi, mit der allerdings kein neues Dogma formuliert werden sollte.20 Zurückgewiesen wurde so der Ausschließlichkeitsanspruch einer Christologie, der auf der Grundlage eines ontologischen Naturbegriffes (291) die Rede von zwei Wirkweisen Christi als allein zulässig behauptete und von Sophronios von Jerusalem (633/4–638) initiiert wurde, um dann von Maximos Homologetes (†662) mit der Lehre von den zwei Willen Christi auf die Spitze getrieben zu werden. Die von Maximos ab ca. 641 entfesselte Kampagne gegen die Ekthesis erreichte in der Lateransynode im Jahr 649 ihren Höhepunkt.

13 PMBZ, Nr. 5763. 14 Werner Elert, Der Ausgang der altkirchlichen Christologie. Eine Untersuchung zu Theodor von Pharan und seiner Zeit als Einführung in die Alte Dogmengeschichte, Berlin 1957; Lange, Mia Energeia (s. Anm. 3), 540–542. 15 Franz Dölger/Andreas E. Müller, Regesten der Kaiserurkunden des oströmischen Reiches Bd. 1/1. Regesten 565–867, München 22009, Reg. 211; Winkelmann, Streit (s. Anm. 3), Nr. 50. 16 Dölger/Müller, Regesten (s. Anm. 15), Reg. 225; Winkelmann, Streit (s. Anm. 3), Nr. 106, s. a. Anm. 160 f. 17 Walter E. Kaegi, Heraclius. Emperor of Byzantium, Cambridge (2003) ND 2004. 18 Heraclius imp., Ἔκθεσις τοῦ τῆς Ὀρθοδοξίας δόγματος (ACO ser. II 1, p. 164,30 f. Ried.). Der Text der Ekthesis findet sich ebenfalls in den Akten der Lateransynode (secr. III): ACO ser. II 1, p.156,20–162,13 (Ried.). 19 Vgl. ACO ser.II 1, p.160,4–24 (Ried). 20 Heraclius imp., Ecthesis ACO ser. II 1, p.160,24–26 (Ried.): ὅθεν τοῖς ἁγίοις πατράσιν ἐν ἅπασι καὶ ἐν τούτῳ κατακολουθοῦντες, ἕν θέλημα τοῦ κυρίου ἡμῶν Ἰησοῦ Χριστοῦ τοῦ ἀληθινοῦ θεοῦ ὁμολογοῦμεν. In Korrektur meiner Darstellung in: Ohme, Oikonomia (s. Anm. 3), 335 f. verweise ich auf die zutreffenden Einwände von Richard Price in: Price/Booth/Cubitt, Acts (s. Anm. 11), 197 f.

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Der Byzantinist Marek Jankowiak hat nun im Jahr 2009 in seiner bemerkenswerten, aber leider ungedruckten Dissertation mit meines Erachtens guten Gründen die These aufgestellt, dass die Ekthesis nicht auf 638, sondern bereits ca. 636/7 zu datieren sei.21 Diese nur auf den ersten Blick geringfügige Differenz beträfe allerdings auch die bisherige Datierung der Synode des Sergios und hätte beträchtliche Folgen für das Verständnis der gesamten ersten Phase des „monenergetisch-monotheletischen Streites“ wie im Folgenden deutlich werden wird. Jankowiak hat bei seiner Argumentation den engen zeitlichen Bezug zwischen der Promulgation der Ekthesis und der Sergios-Synode außer Acht gelassen und den Fragmenten beider Konstantinopler Synoden keine Aufmerksamkeit geschenkt. Ich werde deshalb im Folgenden diese Synodenfragmente näher in den Blick nehmen, um von da aus die These Jankowiaks einer Überprüfung zu unterziehen. Dabei spielt dann auch der Brief des Kyros von Alexandrien an Patriarch Sergios eine Rolle. So werden im 1. Kapitel die erhaltenen Aktenfragmente der beiden Konstantinopler Synoden analysiert und die besondere Bedeutung dieser Synoden deutlich gemacht. Kapitel 2 geht der Frage nach, wie diese Synoden und ihr Bezug zur Ekthesis in späteren dyotheletischen Quellen dargestellt werden. Kapitel 3 analysiert die Angaben der syrischen Vita Maximi über die Beziehung der Synode von Zypern zum Edikt des Herakleios. Kapitel 4 thematisiert die Datierung Jankowiaks und Motive einer späteren Datierung. Eine Zusammenfassung zieht die Konsequenzen für die Sicht der ersten Phase des „monenergetisch-monotheletischen Streites“. Wegen der Bedeutung des Textes füge ich im Anhang eine deutsche Übersetzung der Ekthesis an.

1 Die Aktenfragmente der Konstantinopler Synoden Die fünf Teile des Aktenauszuges der Sergios-Synode bieten folgende Informationen: In Fragment 1 fordert Sergios zur Verlesung des kaiserlichen Gesetzes (τύπος) auf, das bereits vor der Synode promulgiert worden war,22 und bittet daran

21 Jankowiak, Essai d’histoire (s. Anm. 3), 155–160. Booth, Crisis (s. Anm. 3), 239 f., folgt ihm ohne eigene Argumentation. Pauline Allen, Life and Times of Maximus the Confessor, in: Allen/Neil, Handbook (s. Anm. 1), (3–18) 5, ebenso. 22 Die Synodalen kannten es bereits vor der Synode διὰ τῆς φθασάσης καὶ πρὸ φανερῶν τούτων ἡμερῶν αὐτῆς γενομένης ἀναγνώσεως: Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.164,31–32 Ried.).

1 Die Aktenfragmente der Konstantinopler Synoden

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anschließend „die hochheilige Synode“, nun durch ihre eigene Zustimmung bekanntzugeben, ob sie dieses Bekenntnis gutheißen und bestätigen könne.23 Die Synode tut dies mit der Formulierung: „Die eben verlesene Ekthesis des großen und hochweisen Kaisers (292) stimmt wahrhaft mit der apostolischen Verkündigung überein.“24 Die darauf folgenden Akklamationen bescheinigen darüber hinaus, dass dies „die Lehre der Väter“, „die Grundlage des orthodoxen Glaubens“, „die Symbole der heiligen fünf Synoden“ seien und die „Einheit des christusliebenden Volkes der gesamten Oikoumenē“ schaffe. Sie enden deshalb mit den Worten: „So glauben auch wir; dies bestätigen auch wir; dem stimmen auch wir zu!“25 Fragment 2 und 3 enthalten Zitate des Sergios, der dem Kaiser die göttliche Gnadengabe der Beredsamkeit und seinem Bekenntnis die Übereinstimmung mit den fünf ökumenischen Synoden und der Norm des orthodoxen Glaubens (τοῦ ὀρθοῦ δόγματος […] κανόνα) attestiert.26 Fragment 4 bietet den Synodalhoros, der nochmals die Billigung und Bestätigung der Ekthesis durch die Synode formuliert und folgende Sanktionen festlegt. Wer als Kleriker „von nun an“ es weiterhin wagen sollte, „bei Christus, unserem wahren Gott, eine oder zwei Wirkweisen zu lehren oder ihm zuzuschreiben“,27 soll alle priesterlichen Rechte und Vollmachten verlieren; Mönche und Laien sollen exkommuniziert werden. Beides gelte aber nur solange, bis Einsicht in das Zutreffende nachzuweisen sei.28 Fragment 5 enthält die Subskription des Patriarchen Sergios. Pyrrhos wurde am 20. Dezember 638 Patriarch und hat seine Synode noch Ende 638 oder Anfang 639 versammelt.29 Die ersten beiden der von der Lateransynode gebotenen drei Fragmente scheinen Auszüge aus dem vom Patriarchen vorgetragenen Horos zu sein, nachdem die Bestätigung der Ekthesis durch die

23 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser.II 1, p. 164,21–36 Ried.). 24 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.164,38–39 (Ried.): Ἡ ἀναγνωσθεῖσα νῦν τοῦ μεγάλου καὶ πανσόφου βασιλέως Ἔκθεσις ἀληθῶς τῷ ἀποστολικῷ συνᾴδει κηρύγματι. 25 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.164,39–166,5 (Ried.): Ταῦτα τῶν πατέρων τὰ δόγματα, […] ταῦτα τῆς ὀρθοδόξου πίστεως σύστασις, […] ταῦτα τῶν ἁγίων πέντε συνόδων τὰ σύμβολα, ταῦτα τὴν ἕνωσιν τοῦ φιλοχρίστου τῆς ὅλης οἰκουμένης συνιστῶσι λαοῦ […] οὕτω καὶ ἡμεῖς πιστεύομεν, ταῦτα καὶ ἡμεῖς βεβαιοῦμεν, τούτοις καὶ ἡμεῖς συντιθέμεθα. 26 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.166,6–15.14 f. Ried.). 27 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.166,22 f. (Ried.): […] μίαν ἢ καὶ δύο θαρρήσει δογματίζειν ἢ προφέρειν ἐπὶ Χριστοῦ τοῦ ἀληθινοῦ ἡμῶν θεοῦ ἐνεργείας. 28 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.166,20–30 Ried.). 29 S.: Venance Grumel, Les Regestes des Actes du Patriarcat de Constantinople Bd. 1/1. Les Actes des Patriarches. Les Regestes de 381 à 715, Paris 21972 (PatByz 1), Reg. 294; Winkelmann, Streit (s. Anm. 3), Nr. 55.

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Synode erfolgt war. Dort erklärt Pyrrhos unter Inanspruchnahme der Gnadenwirkung des Hl. Geistes für die Synode: (1) „Jetzt hat die Gnade des allheiligen Geistes die zusammen Anwesenden wahrhaft inspiriert, allen Irrtum vernichtet und mit frommen Lehren den Verstand der Gläubigen erhellt, nachdem der große und gnädige Kaiser einem Leuchtfeuer gleich diese [scil. die Ekthesis] in sich aufleuchten ließ und so die ganze Oikoumenē erleuchtet hat.“30 (2) Nach der Bekräftigung der synodal festgestellten Rezeption der Ekthesis und ihrer Übereinstimmung mit der apostolischen Tradition und den fünf ökumenischen Synoden31 erwähnt der Patriarch, dass „wir sie [scil. die Ekthesis] mit vielen ganz (293) außergewöhnlich emporsteigenden Lobpreisungen krönen […] und anhaltende Gebete zu Gott für seine (scil. des Kaisers) fromme und erleuchtete Seele emporsenden, damit die Macht seiner Herrschaft unerschüttert bleibe und er alle barbarischen Stämme unterwerfe.“32 Der Horos schließt: Wir bestimmen mit Hilfe der Gnade, dass diejenigen der mit uns zusammen tagenden hochehrwürdigen Bischöfe, die die kaiserliche Verkündigung bis jetzt noch nicht unterschrieben haben, wie auch diejenigen Vorsitzenden, die noch nacheinander in diese gottbehütetete Kaiserstadt kommen und noch nicht unterschrieben haben, jetzt nach unserer Unterschrift unter Mithilfe unserer Assistenten mit ihrer eigenen Unterzeichnung die Akten unterfertigen. Wir werden ‒ so Gott will ‒ dafür Sorge tragen, dass unsere Akten zusammen mit unserer Enzyklika an die Abwesenden geschickt werden, damit jeder von ihnen genauso durch eigene Unterschrift dieser rechtgläubigen Verkündigung beistimmt und durch Unterzeichnung sein eigenes Urteil den hochehrwürdigen Vorsitzenden, die ihm zuvorgekommen sind, hinzufügt, auf dass die Quelle der heilbringenden Lehren für uns unverschmutzt und glasklar sei, aus welcher die geistigen Schafe des Herrn zu schöpfen und zu trinken gewohnt sind. […] Wer dies zu tun nicht bereit ist, sondern im Ungehorsam verharrt, unterwirft sich selbst in erbärmlicher Weise der Verurteilung der von der Ganzheit des Leibes

30 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.168,8–11 Ried.): Νῦν ἀληθῶς ἡ τοῦ παναγίου πνεύματος τοῖς συμπαροῦσιν ἐπιπνεύσασα χάρις πᾶσαν ἐξηφάνισε πλάνην καὶ δόγμασιν εὐσεβείας τὰς διανοίας τῶν πιστῶν κατελάμπρυνε, βασιλέως τοῦ μεγάλου καὶ πραοτάτου πυρσοῦ δίκην ἐν ἑαυτῷ ταύτην ἐκλάμψαντος καὶ πᾶν μέρος τῆς οἰκουμένης καταφωτίσαντος. Alle Übersetzungen stammen sofern nicht anders angegeben vom Verfasser. 31 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.168,13–16 Ried.). 32 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.168,16–20 (Ried.): πολλοῖς ἄγαν καὶ διαφερόντως ἐπῃρμένοις […] στεφανοῦμεν ἐπαίνοις καὶ κατὰ τὸ ἐνὸν ἡμῖν τῆς δυνάμεως μέτρον ἐκτενεῖς τὰς ὑπὲρ τῆς εὐσεβοῦς καὶ καταφωτισμένης αὐτοῦ ψυχῆς τῷ θεῷ διὰ παντὸς ἀναπέμποντες προσευχάς, ὥστε ἀκατάσειστον αὐτῷ διαμεῖναι τῆς βασιλείας τὸ κράτος, πάντα ὑποτάσσον τὰ βάρβαρα φῦλα.

1 Die Aktenfragmente der Konstantinopler Synoden

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Christi Abgetrennten und fordert den unvermeidlichen Richterspruch aus der Autorität der apostolischen Stühle über sich heraus, bis er durch genauere Überlegung selbst auf den Pfad der Geretteten zurückfindet.33

(3) Fragment drei enthält die Unterschrift des Pyrrhos. Diese Auswahl von Aktenfragmenten, die allesamt Zitate des Sergios und des Pyrrhos darstellen, macht deutlich, worum es der Lateransynode nach den Worten Papst Martins „hauptsächlich“ (μάλιστα)34 ging: um die Anathematisierung der Vorsitzenden dieser Synoden.35 Dennoch bieten die ganz von dieser Absicht bestimmten Zitate aus den Akten wichtige Informationen über beide Synoden. Zuerst fällt auf, dass die Akten von beträchtlichem Umfang gewesen sein müssen. Dies ergibt sich nicht nur daraus, dass der Papst die auszugsweise Verlesung eben damit begründet (διὰ τὸ πλῆθος),36 sondern erschließt sich aus einigen bemerkenswerten Indizien. So sind (294) diese Akten ganz offensichtlich nicht einfach Beschlussprotokolle gewesen, sondern Verhandlungsprotokolle, die den Verlauf der Synoden mit mehreren Rednern dokumentieren. Sie werden deshalb auch mit dem einschlägigen Begriff ὑπομνήματα bezeichnet.37

33 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.168,22–170,2 Ried.): Ψηφιζόμεθα σὺν τῇ χάριτι ἀρτίως μὲν τοὺς ἐκ τῶν συνεδρευόντων ἡμῖν ὁσιωτάτων ἐπισκόπων μήπω τῇ τοῦ βασιλικοῦ κηρύγματος ἐμφανείᾳ καθυπογεγραφότας ἐν τῷ φθάσαντι χρόνῳ τὰς οἰκείας ὑποβαλεῖν μετὰ τὴν ἡμετέραν ὑπογραφὴν τοῖς πραχθείσιν ὑποσημειώσεις, οὕτω τε αὐτοὺς καὶ τοὺς κατὰ μέρος ἐν τῇ βασιλίδι ταύτῃ καὶ θεοφυλάκτῳ πόλει παραγινομένους καὶ μήπω καθυπογεργαφότας σπουδῇ τῶν ὑπηρετουμένων ἡμῖν ὑποσημαίνεσθαι προέδρους. Προνοήσομεν δὲ οὐδὲν ἧττον θεοῦ διδόντος καὶ πρὸς τοὺς ἀπολιμπανομένους τὰ πραχθέντα παρ᾿ ἡμῖν μετὰ τῆς ἐγκυκλίου ἡμῶν ἐκπέμψαι προδήλως ἐπιστολῆς, ὥστε καὶ αὐτῶν ἕκαστος δι᾿ οἰκείας ὁμοίως ὑπογραφῆς τῷ αὐτῷ τῆς ὀρθοδοξίας συνθέσθαι κηρύγματι καὶ τὴν ἑαυτῶν δι᾿ ὑποσημειώσεως τοῖς φθάσασιν ὁσιωτάτοις προέδροις ἐπισυνάψαι γνώμην […] τοῦ μὴ τοῦτο πράσσοντος ἑτοίμως, ἀλλ᾿ ἐγκαρτεροῦντος τῇ ἀπειθείᾳ τῷ κρίματι τῶν ἀπερρωγότων τῆς ὁλοκληρίας τοῦ σώματος τοῦ Χριστοῦ ἑαυτὸν ἀθλίως καθυποβάλλοντος, καὶ δίκην ἐφ᾿ ἑαυτὸν ἀπαραίτητον ἐκ τῆς τῶν ἀποστολικῶν θρόνων αὐθεντίας προσκαλουμένου, ἄχρις ἄν δι᾿ ἀκριβεστέρας ἐπισκήψεως ἑαυτὸν εἰς τῶν σωζομένων ἀνακαλέσηται τρίβον. 34 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.162,28 (Ried.). 35 Gleichzeitig wird die Bezeichnung „Synode“ vermieden; stattdessen ist die Rede von dem „Geschehenen“ und von „deren sonderbaren Veranstaltungen“: Τὰ γενόμενα; τῶν ἀτόπως ἐκείνοις πεπραγματευμένων: ACO ser. II 1, p.162,18.28 f. (Ried.). 36 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.164,10 Ried.). 37 Zur Unterscheidung dieser Gattungen von Konzilsakten vgl. Evangelos K. Chrysos, Konzilsakten, in: Friedhelm Winkelmann/Wolfram Brandes (Hgg.), Quellen zur Geschichte des frühen Byzanz (4.–9. Jahrhundert), Berlin 1990, (149–155) 151. Daneben tauchen auch die gängigen unspezifischen Begriffe für Konzilsakten auf: πραχθέντα: ACO ser. II 1, p.164,9; 168,25.28 (Ried.); πεπραγμένα: ebd., p.164,17; 168,3; 170,13; πραττόμενα: ebd., p.164,26.

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Verhandlungsprotokolle sind bekanntlich bei synodalen Gerichtsverfahren vorgeschrieben, wie es z. B. bei jener Konstantinopler Synodos endemousa der Fall war, die im Jahr 448 den Prozess gegen Eutyches führte. Die beiden Synoden des Sergios und Pyrrhos sind ebenfalls endemische gewesen, tagten aber nicht als Synodalgericht. Dennoch wurden ihre Verhandlungen protokolliert!38 Weiterhin ist mehrfach von χάρται die Rede39, das heißt, diese Akten sind als Papyrusrollen ausgefertigt worden, ein Verfahren, das man bei einer ökumenischen Synode dieser Zeit zu erwarten hat,40 das aber jetzt ebenfalls praktiziert wurde. Beides spricht meines Erachtens für die hervorgehobene Bedeutung, die diesen Synoden in Konstantinopel beigemessen wurde. Sie hat ihre Ursache in der Präsentation und kirchlichen Rezeption einer kaiserlichen Glaubenserklärung mit Gesetzeskraft und dem damit verbundenen Anspruch gesamtkirchlicher Geltung. Weiterhin: Die Akten beider Synoden befinden sich im Jahr 649 im „apostolischen Archiv“ der römischen Kirche, aus dem sie Theophylaktos, der Primicerius notariorum der römischen Kirche, als Ganze geholt und der Lateransynode vorgelegt hatte.41 Es sind also nicht nur die Akten der Pyrrhos-Synode zusammen mit dessen Enzyklika42 nach Rom gelangt, wie nach den Worten des Pyrrhos auch zu erwarten ist, sondern auch ein Aktenexemplar der Synode des Sergios. Auch dies unterstreicht deren Bedeutung. Schließlich ist nach den

38 Bei dem Prozess gegen Eutyches vor der Endemusa halten Notare den Gang der Verhandlung fest. Vgl. Georg May, Das Lehrverfahren gegen Eutyches im November des Jahres 448, in: AHC 21 (1989), 1–61, hier 9. Zur Endemusa vgl. Joseph Hajjar, Le synode permanent (σύνοδος ἐνδημοῦσα) dans l’Église byzantine des origines au XIe siècle, Rom 1962 (OCA 164). Den hier interessierenden Synoden hat Hajjar keine eingehende Aufmerksamkeit geschenkt, obwohl er die Ekthesis als Ergebnis der Sergios-Synode darstellt. Er differenziert nicht zwischen dem Edikt und den Synoden. Vgl. ebd., 88–90. 39 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p. 162,23; 164,4 Ried.). 40 Bis einschließlich des II. Nicaenums ist diese Praxis belegt. Vgl.: Erich Lamberz, Handschriften und Bibliotheken im Spiegel der Akten des VII. Ökumenischen Konzils (787), in: I manoscritti greci tra riflessione e dibattito. Atti del V. Colloquio Internazionale di Paleografia Greca (Cremona, 4–10 ottobre 1998) a cura di Giancarlo Prato, Firenze 2000 (Papyrologia Florentina 31), I, (47–63) 59 mit Anm. 46; Giuseppe de Gregorio/Otto Kresten, Il Papiro conciliare P. Vindob. G.3. Un ‚Originale‘ sulla via da Constantinopoli a Ravenna (e a Vienna), in: Laura Pani/Cesare Scalon, Le Alpi porta d’Europa. Scritture, Uomini, Idee da Giustiniano al Barbarossa. Atti del Convegno internazionale di studio dell’ Associazione italiana dei Paleografi e Diplomatisti (Cividale del Friuli [5.–7.10.2006]), Spoleto 2009, (233–379) 248–252 mit Anm. 46; Heinz Ohme (Hg.), Concilium Constantinopolitanum a. 691/2 in Trullo habitum (Concilium Quinisextum) (ACO ser II. 2,4), Berlin-Boston 2013, Einleitung LVII–LVIII. 41 ACO ser. II 1, p.162,17 f.; 164,1–4 (Ried.). 42 Die Enzyklika ist nicht erhalten.

1 Die Aktenfragmente der Konstantinopler Synoden

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Worten des Pyrrhos bereits zum Zeitpunkt seiner Synode ein liturgisches Gedenken der Ekthesis in der Konstantinopler liturgischen Praxis verankert. Diese Bemerkung bezieht sich meines Erachtens auf das 16 Strophen (295) umfassende Kontakion „Auf die heiligen Väter“.43 Wie von mir an anderer Stelle dargelegt,44 wurde dieses Kontakion für das Fest der Konstantinopler Synode des Jahres 536 gegen Severus und des V. Ökumenischen Konzils verfasst, das am Sonntag nach dem Chalcedonfest (16. Juli) gefeiert wurde. Dadurch wurde die Ekthesis zusammen mit der Sergios-Synode dem Festinhalt dieses Sonntags hinzugefügt. Dies verdeutlicht nochmals die Bedeutung der Sergios-Synode. Es macht aber auch wahrscheinlich, dass zwischen beiden Konstantinopler Synoden ein größerer zeitlicher Abstand als bisher angenommen bestanden haben muss, um eine solche liturgische Praxis überhaupt installieren zu können. Die Promulgation der Ekthesis ging ihrer kirchlichen Rezeption also zeitlich voraus. Diese Reihenfolge kaiserlichen und kirchlichen Handelns kann in den 30er Jahren des siebten Jahrhunderts nicht mehr überraschen, weil hier im Grunde genommen nur ein Handlungsmuster der justinianischen Zeit weiter praktiziert wird.45 Ebenso ist es nichts Neues, dass Lehrfragen von grundlegender und gesamtkirchlicher Bedeutung auf einer Konstantinopler Synodos endemusa verhandelt werden. Joseph Hajjar hat in seiner Monographie über die Synodos endemusa zu deren Aufgaben auch eine „fonction législative“ hinsichtlich von „questions doctrinales“ gezählt.46 Neben der Synode gegen Eutyches von 448 wäre hier z. B. an eben jene Synode von 536 zu denken, die als Prozess gegen den Konstantinopler Patriarchen Anthimus und Severus von Antiochien geführt wurde,47 aber auch an die endemische Synode gegen die Origenisten im Jahre

43 Constantine A. Trypanis, Fourteen Early Byzantine Cantica, Wien 1968 (WBS 5), 87–100. 44 Vgl. Heinz Ohme, Das Kontakion „Auf die heiligen Väter“ und die Ekthesis des Kaisers Herakleios (610–641), in: OstkSt 67 (2018), 9–36. Maximus polemisiert später gegen „Erinnerungshandlungen“ (actiones monumentorum) für die Ekthesis. Vgl. Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 12 (PL 91,142B6). 45 Zu erinnern wäre dazu etwa an das Edikt Justinians gegen die Drei Kapitel von 551 (CPG 6881), das dem III. Constantinopolitanum vorausging, und das Edikt gegen Origenes von 543 (CPG 6880), das der Entscheidung der Endemousa von 553 vorauslief. 46 Hajjar, Le synode permanent (s. Anm. 38), unterscheidet zwischen einer „fonction législative“ (80–114), einer „fonction judicaire“ (115–136) und einer „fonction administrative“ (137– 149) der Synodos endemousa. Bei der „fonction législative“ differenziert er zwischen Synoden zu „questions doctrinales“ (82–91) und solchen zur „discipline ecclésiastique“ (91–114). 47 Außerdem gegen Bischof Petros von Apameia und den Mönch Zooras. Vgl. Jakob Speigl, Die Synode von 536 in Konstantinopel, in: OstkSt 43 (1994), 105–153.

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553, die direkt vor dem V. Ökumenischen Konzil stattfand.48 Die Entscheidungen gegen Eutyches und die Origenisten wurden durch die jeweils folgenden ökumenischen Synoden bestätigt. Bei der Endemousa gegen Anthimos und Severos war eine päpstliche Gesandtschaft von fünf italischen Bischöfen beteiligt, die sich nach dem plötzlichen Tod Papst Agapets in Konstantinopel noch dort befand.49 Dies und die Einberufung durch den Kaiser hoben nach Eduard Schwartz „diese Synode weit über das Niveau einer ἐνδημοῦσα fast bis zum Rang einer ökumenischen Synode hinauf.“50 Tatsächlich aber war diese Synode formal (296) eine endemische, ihre Beschlüsse wurden dennoch gesamtkirchlich rezipiert. Bei der Synode des Sergios war zwar keine römische Delegation anwesend, aber Sergios wird sich dort auf Papst Honorius I. (625‒638)51 berufen haben, von dem er zuvor brieflich Zustimmung zu seinem bisherigen Vorgehen erhalten hatte und der dabei bekanntlich auch die Konsensformel des einen Willens Christi ins Spiel gebracht hatte.52 Bei Pyrrhos wissen wir genau, dass er sich für sein Vorgehen auf Honorius berief! Als nämlich die Akten von dessen Synode zusammen mit seiner Enzyklika in Rom angekommen waren, hat Papst Iohannes IV. (24. Dezember 640‒12. Oktober 642)53 genau dies zum Anlass eines Protestbriefes54 genommen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass beide Konstantinopler Synoden formal endemische Synoden gewesen sind, nach ihrem Selbstverständnis jedoch mit gesamtkirchlichem Anspruch durchgeführt wurden, der auch in der Dokumentation der Akten deutlich wird. Nun muss es trotz der Fokussierung der Lateransynode auf die Personen des Sergios und Pyrrhos auffallen, dass die Akten beider Synoden im Jahr 649 so selektiv herangezogen wurden. Der von Papst Martin genannte Umfang der Akten kann kaum der Hauptgrund gewesen sein. Denn die Akten der endemischen Synode gegen Eutyches wurden z. B. auf dem II. Ephesenum fast vollständig zitiert, und mit der Außerkraftsetzung des II. Ephesums durch die

48 Vgl. z. B. Alois Grillmeier, Jesus der Christus im Glauben der Kirche Bd. 2/2. Die Kirchen von Konstantinopel im 6. Jahrhundert, Freiburg i.Br. 1989, 422–430. 49 Vgl. Speigl, Die Synode von 536 (s. Anm. 47), 121. 50 Eduard Schwartz, Zur Kirchenpolitik Justinians, in: Walther Eltester/Hans Dietrich Altendorf (Hgg.), Eduard Schwartz. Gesammelte Schriften Bd. 4. Zur Geschichte der alten Kirche und ihres Rechts, Berlin 1960, 276–328, hier 287 f. 51 Georg Kreuzer, Die Honoriusfrage im Mittelalter und in der Neuzeit, Stuttgart 1975. 52 Hororius I pp., Epistula ad Sergium Patr. Const. (ACO ser. II 2,2, p.548,1–558,3.550,16 f. Ried.); Winkelmann, Streit (s. Anm. 3), Nr. 44; deutsche Übersetzung: s. Anhang Nr. 6. 53 PMBZ, Nr. 2689. 54 Iohannes IV pp., Epistula ad Constantinum Imp. (PL 129,561‒566; CPL 1729; CPG 9383); Winkelmann, Streit (s. Anm. 3), Nr. 69. Vgl. dazu jetzt Ohme, Wer hat den Dyotheletismus erfunden? (s. Anm. 3).

1 Die Aktenfragmente der Konstantinopler Synoden

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Synode von Chalcedon sind in deren Akten wiederum die Akten beider vorgenannten Synoden zu wesentlichen Teilen enthalten.55 Es stellt sich deshalb die Frage nach weiteren, vielleicht ungenannten Gründen. Papst Martin argumentierte nun auch noch damit, dass die Akten beider Synoden „allen bekannt“ seien.56 Auch dies kann aber kaum überzeugen, denn gelten kann es nur für die Akten der Pyrrhos-Synode, die ‒ wie von Pyrrhos angekündigt ‒ offensichtlich zusammen mit seiner Enzyklika versandt worden waren. Dagegen konnten die Akten der Sergios-Synode nicht allen Teilnehmern der Lateransynode bekannt sein, sie befanden sich nur im römischen Archiv. Die eigentlichen Gründe für dieses selektive Verfahren der Lateransynode müssen meines Erachtens eher in Folgendem gesucht werden. Es sollte anscheinend verhindert werden, dass die in den Konstantinopler Akten auftauchende Berufung auf Papst Honorius zum Gegenstand von Diskussionen werden könnte. Bereits im Vorfeld der Synode waren deshalb umfangreiche Maßnahmen zur Neutralisierung des ersten Briefes von Honorius an Patriarch Sergios57 u. a. durch die sog. Apologia Honorii durchgeführt worden.58 Der Name Honorius taucht deshalb auch in den Akten der Lateransynode nirgends auf! Das Interesse der Organisatoren dieser Synode, unter allen Umständen prozessgerecht zu einem einstimmigen Urteil zu kommen, schlägt hier voll durch. Echte Sachdiskussionen oder möglicher Dissens wurden deshalb von vornherein unterbunden. Außerdem wäre bei der (297) vollständigen Präsentation der Akten auch noch zu verhandeln gewesen, wie denn mit jenen Bischöfen zu verfahren sei, die ihre Unterschrift in die Subskriptionslisten beider Synoden gesetzt hatten. Denn selbstverständlich hatte eine größere Zahl von Bischöfen die Akten unterzeichnet und nicht nur die beiden Patriarchen, wie die Fragmente suggerieren! In den einzelnen Sitzungen der Endemusa von 536 z. B. sind bis zu 93 Subskribenten verzeichnet.59 Darüber hinaus wäre die in Anspruch genommene Autorität einer päpstlichen Synode zur beabsichtigten Außerkraftsetzung zweier Konstantinopler Synoden mit der Begründung, dass „fast alle gottgeliebten Bischöfe und christusliebenden Völker im Osten dies verlangen“,60 schwerlich zu halten gewesen, wenn gleichzeitig die

55 Vgl. Concilium Chalcedonense a. 451 (ACO ser. I 2,1,1, p.68–194 Schwartz). 56 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.164,9 Ried.). 57 S. o. Anm. 52. 58 Iohannes IV., Epistula ad Constantinum Imp. (PL 129,561‒566 (CPL 1729; CPG 9383); Winkelmann, Streit (s. Anm. 3), Nr. 69. Vgl. dazu Ohme, Wer hat den Dyotheletismus erfunden? (s. Anm. 3). 59 Vgl. Speigl, Die Synode von 536 (s. Anm. 47), 121.140. 60 Stephanos von Dora argumentiert so in seiner Anklageschrift: Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.42,3–5 Ried.): τὰς περὶ τούτου σχεδὸν παρὰ πάντων τῶν ἐν τῇ Ἀνατολῇ

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6 Die Konstantinopler Synoden von 638/9 (?)

Konstantinopler Akten das Gegenteil belegen. Man muss deshalb meines Erachtens von einer gezielten Verschleierung des tatsächlichen Verlaufs und Aktenbestandes der beiden Konstantinopler Synoden durch die Lateransynode ausgehen. Schon im Jahr 645 hatte Maximos Homologetes in einem Brief an Petros Illustrios (Opusculum theol. et pol. 12)61 im Rahmen seiner Kampagne gegen die Ekthesis beide Synoden polemisch diskreditiert und sie als „Räubersynoden“ bezeichnet. Denn sie seien „nicht wirklich ein Zusammenkommen, sondern ein gewaltsames Versammeln“ gewesen, wobei die Teilnehmer gar nicht wegen der Synoden gekommen waren, sondern „auf der Flucht vor den Barbaren die Reise in die Fremde angetreten“ hätten.62 Dass sich einige Teilnehmer tatsächlich auf der Flucht vor den Arabern in der Hauptstadt befunden haben werden, widerspricht jedoch nicht dem Charakter dieser Synoden als endemische, belegt allerdings die Menge der Bischöfe. Wie wichtig dieses Thema aber Maximos und seinen Anhängern war, demonstriert schließlich der beträchtliche argumentative Aufwand, mit dem Papst Martin auf der Lateransynode und Maximos später nochmals gegen das Synodalverfahren dieser Synoden polemisierten. Der Papst bezeichnete sie als „im eigentlichen Sinne vollständig unkanonisch“.63 Der hier dahinterstehende Vorwurf, dass beide Synoden kein Akkusationsverfahren durchgeführt haben, was sie angeblich hätten tun müssen, wurde bereits an anderer Stelle ausführlich dargestellt.64 Maximos hat dann den Vorwurf mangelnder Kanonizität etliche Jahre nach der Lateransynode nochmals breiter literarisch begründet. In der sog. Disputatio cum Pyrrho,65 deren Text mit großer Wahrscheinlichkeit erst zwischen 655 und 662 entstanden ist,66 wirft Maximos dem Pyrrhos vor, dass dessen Synode (298) „nicht nach den kirchlichen Gesetzen, Regeln und

φιλοθέων ἐπισκόπων καὶ φιλοχρίστων λαῶν αἰτήσεις. Vgl. dazu Ohme, Was war die Lateransynode? (s. Anm. 11), 145 f. 61 Maximus Conf., Opusculum theol. et pol. 12 (PG 91,141–146 = PL 129,573–576). Marek Jankowiak/Phil Booth, A New Date-List of the Works of Maximus the Confessor, in: Allen/Neil, Handbook (s. Anm. 1), 19–83, Nr. 66, datieren den Brief auf das Jahr 645. Zu diesem Brief vgl. Heinz Ohme, Mehrheit und Minderheit in den Anfängen des monenergetisch-monotheletischen Streites, in: AHC 49 (2018/19), 97–126. 62 Maximus Conf., Opusculum theol. et pol. 12 (PG 91,142B9f): Deinde synodos latrocinales et concursus episcoporum, non vero convenientium, sed violentia contractorum; non exhortatione properantium, sed ex fuga Barbarorum peregre profiscentium. 63 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.190,34 f. Ried.): διὰ τὸ μὴ μόνον ἀσεβῆ τε καὶ αἱρετικὰ τὰ παρ᾿ αὐτῶν πεπραγμένα τυγχάνειν, ἀλλὰ καὶ ἀκανόνιστα πάντη κυρίως ὑπάρχειν. 64 Vgl. Ohme, Was war die Lateransynode? (s. Anm. 11), 146–151. 65 Disputatio Maximi Conf. cum Pyrrho (PG 91,287‒353). 66 Vgl. Jacques Noret, La rédaction de la Disputatio cum Pyrrho (CPG 7698) de Saint Maxime le Confesseur serait-elle postérieure à 655?, in: AnBoll 117 (1999), 291–296.

2 Die Konstantinopler Synoden in späteren Quellen

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Satzungen für Synoden“ durchgeführt worden sei.67 Folgende Gründe zählt er sodann auf:68 1. Die Enzyklika sei ohne Zustimmung der Patriarchen versandt worden. 2. Ort und Zeitpunkt der Synode seien vorher nicht festgelegt worden. 3. Es habe weder Berichterstatter noch Ankläger gegeben. 4. Weder die Bischöfe noch die Metropoliten hätten Empfehlungsschreiben von ihren Metropoliten bzw. Patriarchen gehabt. 5. Es habe weder Briefe noch Stellvertreter (τοποτηρηταί) der anderen Patriarchen gegeben. Der Vorwurf Nr. 3 wiederholt den bereits im Jahr 649 von Papst Martin geäußerten Einwand (s. o.), der die Synoden in der Sache nicht trifft. Aber auch die anderen Gründe können kaum überzeugen, weil diese Anforderungen für die Durchführung einer Synodos endemousa als ständige Synode der Kirche von Konstantinopel, an der alle in der Stadt und ihrer Umgebung weilenden und residierenden Bischöfe teilnehmen, so gar nicht bestanden. Andererseits aber bestätigen diese Argumente implizit den ökumenischen Anspruch dieser Synoden, und sie setzen eine beträchtliche episkopale Präsenz voraus, nach Vorwurf Nr. 4 auch die Teilnahme von Metropoliten aus anderen Patriarchaten. Vorwurf Nr. 1 schließlich wäre obsolet gewesen, wenn denn ‒ wie sich im dritten Kapitel herausstellen wird ‒ Pyrrhos davon ausgehen konnte, dass eine grundlegende Zustimmung „der Patriarchen“ zur Ekthesis tatsächlich bestand. Zuvor aber werfen wir einen Blick auf das Schicksal beider Synoden in den späteren dyotheletischen Quellen.

2 Die Konstantinopler Synoden und die Ekthesis in späteren dyotheletischen Quellen Der älteste Bericht über den „monenergetisch-monotheletischen Streit“ aus dyotheletischer Sicht stammt von Anastasios Sinaites (ca. 610‒nach 701)69 in

67 Disputatio Maximi Conf. cum Pyrrho (PG 91,352D1–3): […] σύνοδον […] μὴ κατὰ νόμους καὶ κανόνας συνοδικοὺς ἢ θεσμοὺς γενομένην ἐκκλησιαστικούς. 68 Disputatio Maximi Conf. cum Pyrrho (PG 91,352D3–13. 69 PMBZ, Nr. 268; zu Anastasios s. jetzt: Karl-Heinz Uthemann, Anastasios Sinaites. Byzantinisches Christentum in den ersten Jahrzehnten unter arabischer Herrschaft, Berlin-Boston 2015 (AKG 125); Ders., Studien zu Anastasios Sinaites. Mit einem Anhang zu Anastasios von Antiochien, Berlin-Boston 2017 (TU 174).

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seiner sog. dritten Homilie über die Erschaffung des Menschen70 aus dem Jahre 701. Diese Darstellung ist bekanntlich insgesamt fehlerhaft, tendenziös und verfälscht die Chronologie.71 Anastasios erwähnt dort das „Edikt“ des Herakleios ohne Datierung, weiß aber nichts von einer Synode des Sergios oder des Pyrrhos.72 Die Chronographia des Theophanes (759/60–818) ist bei diesem Thema weitgehend von Anastasios abhängig.73 (299) So wird auch hier das „Edikt“ ohne die Sergios-Synode erwähnt, nun allerdings auch noch zeitlich falsch eingeordnet unter AM 6121 (AD 628/9). Zu Pyrrhos berichtet Theophanes, dass dieser nach dem Tod des Sergios „das von Sergios und Kyros in gottloser Weise Gelehrte bekräftigt hat“.74 Im ersten Teil seines Breviarium hat Patriarch Nikephoros (757/8–828; sedit 806–815)75 bekanntlich eine Pyrrhos freundlich gesonnene Quelle verarbeitet, die schon in den 640er Jahren verfasst worden ist. Allerdings ist diese Quelle nur an den politischen Vorgängen interessiert und zeichnet sich wie das gesamte Werk durch einen „highly selective approach“ aus.76 So lässt sich wohl erklären, dass selbst hier von der Synode des Pyrrhos wie auch von der des Sergios keine Rede ist.77 Spätere Konzilssynopsen sind etwas ergiebiger. Das kurz nach 887 entstandene Synodicon vetus berichtet unter Nr. 132 zur Synode des Pyrrhos ‒ wohl unter Rückgriff auf Theophanes: „Als Sergios gestorben war, übernahm Pyrrhos, der (Anhänger) der falschen Ansicht, den Thron und ließ eine häretische Synode zusammenkommen und bekräftigte das von Sergios und Kyros von Phasis Gelehrte.“78 Zur Sergios-Synode meldet das Synodicon vetus unter Nr. 129 Folgendes: „Nachdem Herakleios in die Stadt Konstantinopel zurückgekehrt war, ließ Sergios eine häretische Synode zusammenkommen, auf welcher er

70 Sermo adv. Monotheletas qui communiter dicitur Homilia tertia de creatione hominis (CCSG 12, 55–83 Uthemann); Winkelmann, Streit (s. Anm. 3), Nr. 175. 71 Van Dieten, Geschichte (s. Anm. 4), Exkurs II, 179–218. 72 Anastasius Sinaites, Sermo adv. Monotheletas (s. Anm. 70), 68–70. 73 Vgl. van Dieten, Geschichte (s. Anm. 4), Exkurs II, 179–194. 74 Theophanes Conf., Chronographia AM 6121 (330,30 f. de Boor): […], ὅς τις τὰ δογματισθέντα ὑπὸ Σεργίου καὶ Κύρου ἀσεβῶς ἐκράτυνεν. 75 PMBZ, Nr. 5301. 76 James Howard-Johnston, Witnesses to a World Crisis. Historians and Histories of the Middle East in the Seventh Century, Oxford 2011, 244–250, hier: 241. 77 Vgl. Nicephorus Patr., Breviarium 31 (Mango 82–84). 78 Synodicon vetus, Nr. 132 (Duffy/Parker 110): Τελευτήσαντος οὖν Σεργίου Πύρρος ὁ τῆς κιβδήλου δόξης τὸν θρόνον παρέλαβε, καὶ σύνοδον αἱρετικὴν συστησάμενος τὰ δογματισθέντα ὑπὸ Σεργίου καὶ τοῦ Φασίδος Κύρου ἐκράτυνεν.

2 Die Konstantinopler Synoden in späteren Quellen

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gottlos von einem Willen und einer Wirkweise bei Christus, unserem Gott, faselte.“79 Auffällig ist, dass hier der Bezug der Synoden auf die kaiserliche Ekthesis völlig verlorengegangen ist. Die kontrafaktische Zuordnung von der Formel μία ἐνέργεια zur Synode des Sergios entspricht der durchgängig pauschalen Zusammenordnung von Monotheletismus und Monenergismus wie auch von Dyotheletismus und Dyenergismus in der späteren Tradition und so auch im Synodicon vetus.80 Erstmals aber findet sich hier eine relative Zeitangabe für die Synode des Sergios: Sie habe nach der Rückkehr des Kaisers nach Konstantinopel stattgefunden. Es kann sich dabei nur um die Rückkehr aus Syrien nach der desaströsen Niederlage des byzantinischen Hauptheeres gegen die Araber in der Schlacht am Yarmuk am 20. August 636 und der Räumung Syriens handeln, die Ende 636/Anfang 637 anzusetzen ist.81 Allerdings befindet sich diese Angabe in einer falschen chronologischen Anordnung der Nummern 129–132 durch das Synodicon vetus. So steht die (300) Synode des Sergios (Nr. 129) vor der alexandrinischen Synode des Kyros vom Jahre 633 (Nr. 130) und vor der Synodica des Sophronios (Nr. 131), die auf Ende 634 zu datieren ist.82 Etwa zeitgleich mit dem Synodicon vetus ist eine weitere, vor kurzem erst edierte Konzilssynopse entstanden.83 Diese Synopse enthält einen umfangreichen „Bericht (Διήγησις) über die Häresie der Monotheleten, weshalb und in welcher Gegend sie entstand wie auch über verschiedene Lokalsynoden“.84 Die Διήγησις stellt „ eine eigenständige Schrift dar, die der anonyme Autor (bzw. Kompilator) […] in sein Werk in toto inkorporiert hat.“85 Dort heißt es:

79 Synodicon vetus, Nr. 129 (Duffy/Parker 108): Ἡρακλείου δὲ τὴν βασιλίδα καταλαβόντος Κωνσταντινούπολιν, Σέργιος αἱρετικὴν συστησάμενος σύνοδον μίαν θέλησιν καὶ ἐνέργειαν ἐπὶ Χριστοῦ Ἰησοῦ τοῦ θεοῦ ἡμῶν δυσσεβῶς ἐληρώδησεν. Die Herausgeber behaupten dazu in Unkenntnis der Akten der Lateransynode: „There is no evidence for the synod“ (Duffy/Parker 109, Anm. 157). Diese Falschmeldung wurde noch im Jahr 2003 durch Kaegi, Heraclius (s. Anm. 17), 209, wiederholt. 80 Vgl. z. B. Ohme, Wer hat den Dyotheletismus erfunden? (s. Anm. 3), 117 f. 81 Kaegi, Heraclius (s. Anm. 17), 247 („late 636 or early 637“); Jankowiak, Essai d’histoire (s. Anm. 3), 154 („vers l’hiver 636/7“). 82 S. u. Anm. 109. 83 Lars M. Hoffmann/Wolfram Brandes (Hgg.), Eine unbekannte Konzilssynopse aus dem Ende des 9. Jahrhunderts, Frankfurt a.M. 2013 (FBRG 30), 28 f. Zur Frage der Datierung dieser Konzilssynopse vgl. auch Ohme, Wer hat den Dyotheletismus erfunden? (s. Anm. 3), 118 Anm. 158. 84 Synopsis conciliorum 16 (Hoffmann/Brandes 166–174): Διήγησις τῆς μονοθελητῶν αἱρέσεως, ὅθεν ἀνεφύη, ἐν ᾗ, καὶ περὶ διαφόρων τοπικῶν συνόδων. 85 Hoffmann/Brandes, Konzilsynopse (s. Anm. 83), 283.

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6 Die Konstantinopler Synoden von 638/9 (?)

„Dieser (scil. Kyros) wagte es, nachdem er Bischöfe versammelt hatte, als erster einen Willen und eine Wirkweise bei den beiden Naturen Christi zu verkünden. In Übereinstimmung mit diesem verkündete dies auch Sergios durch eine Synode in Konstantinopel und in gleicher Weise Honorius in Rom. […] Als aber Sergios gestorben war, wurde Pyrrhos wiederum sein gleichgesinnter Nachfolger. Auch bestätigte er die Lehren seines Vorgängers Sergios.86

Auch in dieser Konzilssynopse werden die Formeln μία θέλησις und μία ἐνέργεια unhistorisch kombiniert und dies bereits für die Synode des Kyros im Jahre 633. Der Bezug auf die Ekthesis fehlt ebenfalls und Daten werden nicht genannt. Bemerkenswert ist aber der berichtete Lehrkonsens zwischen Rom und Konstantinopel. In den ältesten dyotheletischen Berichten werden also die Synoden neben dem „Edikt“ des Kaisers nicht eigens erwähnt. Damit wird die kirchliche Rezeption der Ekthesis verschwiegen und die indizierte Häresie auf eine persönliche Überzeugung der inzwischen Anathematisierten reduziert. Die späteren Konzilssynopsen wissen zwar von beiden Synoden, schildern aber ebenso deren Beschlüsse als persönliche Überzeugung der Patriarchen. Darüber hinaus bleibt hier der Bezug der Synoden auf das kaiserliche Gesetz und damit auch der Kaiser unerwähnt. Außer einer relativen Zeitangabe bieten diese Berichte keine Daten, oder die gesamte Chronologie ist konfus.

3 Die Synode von Zypern und das „Edikt“ des Kaisers Herakleios in der syrischen Vita Maximi In der antimaximianischen syrischen Vita Maximi des Bischofs Georgios von Resh’aina, die erstmals 1973 von Sebastian Brock ediert wurde,87 werden die beiden (301) Konstantinopler Synoden nicht explizit erwähnt, sehr detailliert wird hier aber eine Synode von Zypern mit Bezug auf ein „Edikt“ des Kaisers Herakleios geschildert. Diese Synode findet in der gesamten dyotheletischen

86 Synopsis conciliorum 16 (Hoffmann/Brandes 166,16‒168,24): ὅς, ἀθροίσας ἐπισκόπους, μίαν θέλησιν καὶ μίαν ἐνέργειαν ἐπὶ τῶν δύο φύσεων τοῦ Χριστοῦ κηρύττειν πρῶτος ἐτόλμησε. συνῳδᾳ δὲ καὶ Σέργιος τούτῳ ἐν Κωνσταντινουπόλει διὰ συνόδου ἐκήρυξεν, ὡσαύτως δὲ καὶ ὁ Ῥώμης Ὁνώριος. […] Σεργίου δὲ τεθνηκότος ὁμόφρων πάλιν διάδοχος γίνεται Πύρρος, καὶ τὰ τοῦ Σεργίου τοῦ πρὸ αὐτοῦ ἐπιβεβαιοῖ δόγματα. 87 Sebastian Brock, An Early Syriac Life of Maximus the Confessor, in: AnBoll 91 (1973), 299– 346 = Ders., Syriac Perspectives on Late Antiquity, London 1984, Nr. XII.

3 Die Synode von Zypern und das „Edikt“ des Kaisers Herakleios

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Literatur keine Erwähnung, ihre Faktizität ist aber inzwischen allgemein anerkannt.88 Der Verfasser dieser Vita, Georgios von Resh’aina, stellt sich als Schüler des Sophronios vor und war bei dieser Synode persönlich anwesend,89 so dass es sich hier um den Bericht eines Augenzeugen handelt. Seine Haltung zu Maximus als Person und zu dessen Theologie ist durch eine grundlegende bis feindselige Ablehnung gekennzeichnet, die seine Angaben über die niedrige Herkunft des Maximos und dessen häretisch-origenistische Bildung problematisch macht, jedoch nicht zu einer pauschalen Infragestellung aller Informationen der Vita berechtigt.90 Nach diesem Bericht wurde die Synode von Zypern auf Initiative des Sophronios durch den Erzbischof von Zypern, Arkadios,91 zur Klärung der umstrittenen Frage einer numerischen Rede über die Wirkweisen Jesu Christi einberufen.92 Die Synode hatte 46 Teilnehmer, darunter waren als Vertreter des Honorius von Rom der Diakon Gaius und als Vertreter des Sergios von

88 Vgl. z. B.: Winkelmann, Streit (s. Anm. 3), Nr. 50; Booth, Crisis (s. Anm. 3), 239–241; Allen, Life and Times (s. Anm. 21), 5. Micheline Albert/Christoph von Schönborn, Lettre de Sophrone de Jérusalem à Arcadius de Chypre, Turnhout 1978 (PO 39,2, Nr. 179), Introduction 169–187, gehen ebenfalls von der Faktizität der Synode von Zypern aus, setzen sie dann aber ins Verhältnis zu ihrer problematischen Datierung des edierten Briefes, der angeblich kurz von dieser Synode zwischen 634 und 636, spätestens 637 (176) verfasst worden sei. Zur Problematik dieser Datierung s. Winkelmann, Streit (s. Anm. 3), Nr. 29. S. auch u. Anm. 118. 89 Vita Maximi syr. 5.11 (Brock 315 f.) 90 Zu den Apologeten der griechischen Vita Maximi (BHG 1234) gehört auch Jean-Claude Larchet, der noch 1996 (Ders., La divinisation de l’homme selon Saint Maxime le Confesseur, Paris 1996, Introduction 8–12) unter Berufung auf ältere Wortmeldungen (Irénée-Henri Dalmais, Maxime le Confesseur, in: DSp 10 [1980], 837; Ders., La vie de saint Maxime le Confesseur reconsiderée, in: StPatr 18 [1982], 26–30; Raphaël Bracke, Ad Sancti Maximi vitam. Studie van de biografische documenten en de levensbeschrijvingen betreffende Maximus Confessor [580–662], Louvain 1980) die gesamte syrische Vita Maximi als unglaubwürdiges Pamphlet meint abtun zu können. So lässt er auch in seiner Lebensbeschreibung des Maximus (a.a.O., 12–20) die Synode von Zypern einfach unerwähnt. Demetrios Bathrellos meint auch noch im Jahr 2004 die Synode von Zypern vollständig verschweigen zu können. Ders., The Byzantine Christ. Person, Nature, and Will in the Christology of Saint Maximus Confessor, Oxford 2004. Die von Larchet angeführten Argumente zugunsten der griechischen Vita Maximi können als überholt betrachtet werden. Vgl.: Bram Roosen, Maximi Confessoris Vitae et Passiones Graecae: The Development of a Hagiographic Dossier, in: Byz. 80 (2010), 408–460; Boudignon, Maxime le Confesseur (s. Anm. 6); Heinz Ohme, Die griechische Vita Papst Martins (BHG 2259), Maximus Confessor und das Concilium Quinisextum, in: Byz 86 (2016), 317–336; Ders., Der lange Widerstand gegen eine offizielle Heiligenverehrung des Maximos Homologetes (†662) im byzantinischen Reich, in: ByzZ 109 (2016), 109–150. 91 Zu ihm vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 3), 196–198. 92 Vita Maximi syr. 8 (Brock 315).

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Konstantinopel der Archidiakon Petros. Patriarch Kyros von Alexandrien war mit fünf Bischöfen angereist und Sophronios von Jerusalem mit insgesamt neun Bischöfen, darunter Georgios von Resh’aina. Mit Arkadios von Zypern als Vorsitzendem hatten sich fünf zypriotische Bischöfe versammelt. Auf der Synode waren damit bis auf Antiochien, dessen Stuhl vakant war, alle Hauptsitze der Kirche vertreten. Zu den restlichen Teilnehmern macht Georgios keine Angaben. Er berichtet aber, dass Maximos nicht erschienen sei, sondern nur seinen Schüler Anastasios geschickt hätte, dem er eine seiner Schriften mitgab.93 Maximos ist also anscheinend eingeladen gewesen. Gegenstand der Verhandlungen sei die dyenergetische Christologie gewesen, die vor allem als Lehre des Maximos diskutiert worden sei, der hier auch als ihr eigentlicher Initiator dargestellt wird. Über die Kontroversfrage sei jedoch kein Einvernehmen hergestellt worden, aber eine von Arkadios geforderte Anathematisierung dieser Lehre und ihrer Vertreter sei durch die Intervention des Kyros von Alexandrien verhindert worden.94 Man habe sich darauf geeinigt, „the doctrine of Sophronios and the rascal Maximos“ in einem Schreiben „to the victorious Herakleios“ diesem vorzulegen. Dieses wurde von einer Delegation aus drei Diakonen und Notaren des Arkadios, des Kyros und des Sophronios nach Konstantinopel überbracht,95 während die Synodalen heimreisten. Als der Brief vor dem Kaiser verlesen wurde, sei erkannt worden, „that it was alien to the entire Christian teaching“. Darauf heißt es: The emperor at once made a document called an ‚Edict‘, and sent it to the four (patriarchal) sees. In it he rejected this despicable doctrine and ordered it to be brought to naught as being pernicious, and he laid down in the definition he made that everyone who confessed (this doctrine), or believed on such lines, should be ejected from his position.“ „When this order from the emperor arrived and was received by the four sees and all the bishops, they added the signatures of their agreement and anathematized everyone who added or subtracted anything.96

93 Vita Maximi syr. 10 f. (Brock 316). 94 Vita Maximi syr. 12–14 (Brock 316). 95 Vita Maximi syr. 12.15 (Brock 316 f.) 96 Vita Maximi syr. 15 f. (Brock 317). Das Referat dieses Berichtes der syrischen Vita Maximi durch Cyril Hovorun ist selektiv und irreführend. Er erweckt den Eindruck, als habe Sophronios nicht zu den Teilnehmern gehört und macht nicht deutlich, dass Georgios von Resh’aina zur Jerusalemer Delegation gehörte. Dadurch umgeht er die Konsequenz, dass hiernach auch Sophronios dem Ergebnis zugestimmt hat. Regelrecht falsch ist die Behauptung: „The council reportedly backed Monenergism and condemned the stand of Sophronius and Maximus. Its decisions were summarized in a corresponding letter sent to Heraclius.“ Das „Edikt“ wird hier gar nicht erst erwähnt. Ders., Will, Action and Freedom. Christological Controversies in the Seventh Century, Leiden-Boston 2008 (The Medieval Mediterranean 77), 61 f.

3 Die Synode von Zypern und das „Edikt“ des Kaisers Herakleios

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Aus diesem Bericht ergeben sich mehrere Fragen. Welcher Text ist mit dem „Edikt“ des Kaisers gemeint? Wenn es sich um die Ekthesis handeln sollte, warum werden dann die Synoden von Konstantinopel nicht erwähnt? Ist es glaubwürdig, dass auch Sophronios dieser kaiserlichen Entscheidung zugestimmt haben könnte? Ist die hier dem Kaiser zugewiesene Rolle überhaupt denkbar? Schließlich: Wann ist die Synode von Zypern zu datieren? Die inhaltlichen Angaben zu dem erwähnten kaiserlichen „Edikt“ können sich meines Erachtens nur auf die Ekthesis beziehen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass Georgios von Reshai’na aus dem Abstand mehrerer Jahrzehnte ‒ sein Bericht ist wohl kurz vor dem VI. Ökumenischen Konzil entstanden97 ‒ offensichtlich verschiedene Ereignisse und sukzessive Entwicklungen chronologisch vermengt hat.98 So trifft die Angabe (303) von Kapitel 15 nicht zu, dass das „Edikt“ neben einer Glaubensdefinition und dem Verbot der „jämmerlichen“ und „schädlichen“ Lehre bei Nichtbefolgung auch noch die Sanktion der Amtsenthebung beinhaltet habe. Sanktionen hat erst die auf die Ekthesis folgende Konstantinopler Synode beschlossen.99 Ebenso gehört die Information von Kapitel 16, wonach die Einholung von Unterschriften bei den Bischöfen mit der Androhung des Anathemas verbunden war, nicht zur Ekthesis, sondern zur Synode des Pyrrhos von 639, wie aus deren zweitem Aktenfragment deutlich wird.100 Aus späterer Perspektive bilden anscheinend die Ekthesis als Edikt mit den beiden zu ihrer Durchsetzung durchgeführten Synoden eine Einheit mit der Folge, dass die Synoden gar nicht mehr gesondert erwähnt werden. Dennoch machen aber gerade die den Synoden zugehörigen Angaben deutlich, dass es sich bei dem „Edikt“ nur um die Ekthesis handeln kann. Das aber bedeutet, dass die synodale „Einbettung“ dieses kaiserlichen Gesetzes in einer dogmatischen Frage nicht nur im Nachhinein erfolgt ist, sondern durch die Synode von Zypern dem Edikt auch vorausgeht! Die Entscheidung dieser Synode, den Kaiser gewissermaßen als Schiedsrichter anzurufen, ist ohne Zweifel überraschend. Sie fügt sich jedoch zu den

97 Vgl. Brock, An Early Syriac Life (s. Anm. 87), 334–336. 98 Er behauptet z. B. auch, dass Maximos schon im Vorfeld der Synode von Zypern dyotheletische Schriften verfasst habe: „And he wrote four books, acknowledging in them two wills and two energies and two minds, acknowledging everything to do with Christ to be double, apart from the matter of the persons (qnume) only“ (Vita Maximi syr. 9 [Brock 316]). Dies ist nachweislich nicht vor 640/1 der Fall gewesen. Vgl. Ohme, Wer hat den Dyotheletismus erfunden? (s. Anm. 3), 91 f. 99 S. o. Fragment Nr. 4, S. 173. 100 S. o. S. 174.

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religiösen und kirchlichen Dimensionen der byzantinischen Kaiserideologie, wie sie sich bis dahin entwickelt hatte.101 Gerade in Gestalt des Kaisers Herakleios schien diese Kaiseridee nach dessen endgültigem Sieg über die Perser im Jahr 628 und der von ihm persönlich in Jerusalem vollzogenen Wiederaufrichtung des Heiligen Kreuzes im Jahr 630102 eine umfassende Bestätigung erfahren zu haben. Herakleios stand noch auf dem Höhepunkt seiner Macht und die triumphalistische Stimmung der Jahre 628 bis 633 war noch nicht späterer Ernüchterung gewichen.103 Und es war eben dieser Kaiser, der zu Beginn der 30er Jahre des siebten Jahrhunderts im Rahmen der kirchlichen Unionspolitik im Osten selbst die Verhandlungen mit Severianern, Nestorianern und Armeniern in die Hand genommen hatte oder auf den Weg brachte und auch Übereinkünfte erzielte.104 Die für das Imperium und das Ansehen des Herakleios desaströsen Entwicklungen in der Auseinandersetzung mit den Arabern waren zum Zeitpunkt der Synode von Zypern offensichtlich noch nicht eingetreten! Insofern Herakleios im Winter 636/7 nach Konstantinopel zurückgekehrt ist, ergäbe sich von daher eine Datierung der Ekthesis auf 636/7 und der Synode von Zypern auf 636. (304) Die Identifizierung des „Ediktes“ der syrischen Vita Maximi mit der Ekthesis ist jedoch in der nach 1973 erschienenen Literatur in Frage gestellt worden. Eine wesentliche Rolle spielte dabei die traditionelle Datierung der Ekthesis auf das Jahr 638 und die damit verbundene Tatsache, dass sowohl Papst Honorius (†12. Oktober 638) als auch Sophronios (†11. März 638) zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben waren und selbst bei dem von Christoph von Schönborn vertretenen105 Todesdatum (11. März 639) eine Zustimmung des Jerusalemer Patriarchen zur Ekthesis sachlich ausgeschlossen erschien.106 Hinzu kommt, dass der Bericht

101 Vgl. z. B. Ralph-Johannes Lilie, Byzanz. Kaiser und Reich, Köln u. a. 1994, 1–118. 102 Vgl. dazu zuletzt Constantin Zuckerman, Heraclius and the return of the holy cross, in: Ders. (Hg.), Constructing the seventh century (TMCB 17), Paris 2013, 197–218. 103 Mary Whitby (Dies., The Propaganda of Power, Leiden 1998, 255) fasst das in dieser Zeit durch Georgios Pisides poetisch verbreitete Bild des Kaisers so zusammen: „The depiction of Heraclius as a Saviour who operates through and for God, Christ and the Divine Logos is developed into a triumphant vision of Heraclius as deliverer of the universe, who has both won the right to world rule […] and secured his own place in heaven.“ In diesem Zusammenhang ist auch bemerkenswert, dass Herakleios als erster Kaiser die Formel πιστὸς ἐν Χριστῷ βασιλεύς in die Kaisertitulatur einführte. 104 Vgl. dazu z. B. Lange, Mia energeia (s. Anm. 3), 533–581. 105 Christoph von Schönborn, Sophrone de Jérusalem. Vie monastique et confession dogmatique, Paris 1972 (ThH 20), 97 mit Anm. 136. 106 Vgl. z. B. Brock, An Early Syriac Life (s. Anm. 87), 323 f.

3 Die Synode von Zypern und das „Edikt“ des Kaisers Herakleios

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erst Jahrzehnte post festum verfasst wurde. So nahm Sebastian Brock an, dass Georgios die Ekthesis mit der im August 633 entstandenen Psēphos107 (s. u.) des Patriarchen Sergios und einer diese bestätigenden Keleusis des Kaisers108 verwechselt habe. Die Synode von Zypern habe deshalb nach Brock unmittelbar nach der Erhebung des Sophronios zum Jerusalemer Patriarchen ca. 634 stattgefunden.109 Diese Datierung ist jedoch schon deshalb unwahrscheinlich, weil die Psēphos im Jahr 633 vor der Erhebung des Sophronios zum Patriarchen publiziert wurde. Dieser Synodalentscheid war die Folge der Intervention des Abbas Sophronios bei Patriarch Sergios gegen die von Kyros erreichte Alexandrinische Union vom Juni 633 mit ihrer Spitzenformulierung der „einen gottmenschlichen Wirksamkeit“ Christi (μίᾳ θεανδρικῇ ἐνεργείᾳ).110 Die Psēphos war der erste synodal ‒ ebenfalls durch die Konstantinopler Synodos endemousa ‒ abgesicherte Versuch einer Eindämmung des aufgekommenen Streites. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Synode von Zypern auch eine Reaktion auf die Synodica des Sophronios und deren implizit dyenergetische Christologie war. Zwischen der zeitraubenden Abfassung dieser Synodica, deren Umfang111 alle bisherigen Dimensionen dieser Gattung sprengt, ihrer Überbringung durch Delegationen zu den anderen Stühlen und deren Reaktion ist jedoch ein längerer Zeitraum anzunehmen. Noch Ende 634/Anfang 635 berichtete Sergios dem Honorius, dass ihn die Synodica des Sophronios bislang nicht erreicht habe.112 Als diese Glaubenserklärung dann eintraf, hat Patriarch Sergios die Annahme verweigert.113 Honorius wandte sich schriftlich an Sophronios und auch an Kyros von Alexandrien mit der Aufforderung, den „neuen Ausdruck“ eine oder zwei Wirkweisen aufzugeben und weder darauf zu beharren, noch gar diesen zu „definieren“ (ὁρίζειν). (305)

107 Winkelmann, Streit (s. Anm. 3), Nr. 36. 108 Dölger/Müller, Regesten (s. Anm. 15), Reg. 205 (a. 634). 109 Diese Argumentation wurde von Winkelmann, Streit (s. Anm. 3), in Nr. 34a, 36 und 37 referiert, ohne die damit verbundenen Aporien aufzulösen. Genauso noch: Lange, Mia Energeia (s. Anm. 3), 587–606. 110 Vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 3), Nr. 27. 111 Sophronius Patr. Hier., Epistula synodica (ACO ser. II 2,1, p.410,13–494,9 (Ried.) 112 Sergius Patr. Const., Epistula ad Honorium I pp. (ACO ser. II 2,2, p.538, 8–10 Ried.). Winkelmann, Streit (s. Anm. 3), Nr. 43, datierte diesen Brief des Sergios an Honorius auf „Ende 633/ Anfang 634“. Nach heutigem Konsens ist er auf Ende 634/Anfang 635 zu datieren. Vgl. z. B.: Booth, Crisis (s. Anm. 3), 233 mit Anm. 27; Allen, Life and Times (s. Anm. 21), 5. 113 Dies teilte der Jerusalemer Apokrisiar auf dem VI. Konzil mit (ACO ser. II 2,1, p.398,16 f. [Ried.]).

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Die Gesandten des Sophronios sagten ihm dies zu, wenn auch Kyros von der Formel der „einen energeia“ Abstand nehme.114 Besonders bedeutsam ist die Information, dass das „Edikt“ an die vier auf der Synode von Zypern vertretenen Stühle verschickt wurde und deren Zustimmung fand. Bedenkt man die enge zeitliche und inhaltliche Verbindung der Ekthesis mit der Synode des Sergios, so legt sich meines Erachtens die Annahme nahe, dass mit dem Text des Ediktes auch die Akten dieser Synode an die Teilnehmer der Synode von Zypern verschickt wurden. So wäre jedenfalls nachvollziehbar, dass sich diese Akten im Jahr 649 im römischen Archiv befanden und Pyrrhos später nochmals über den Kreis der zypriotischen Synodalen hinaus eine alle Bischöfe der Kirche betreffende Initiative zur Rezeption der Ekthesis startete. Wenn das Erstere nun im Jahr 636/7 erfolgt wäre, dann gehörten zu den Empfängern der Ekthesis und der Synodalakten von Konstantinopel auch Papst Honorius und Sophronios, die nach der syrischen Vita Maximi diese Entscheidung auch akzeptiert hätten. Für Honorius müsste das nicht überraschen, aber auch für Sophronios kann diese Information meines Erachtens durchaus Glaubwürdigkeit beanspruchen. Denn die Ekthesis ist in ihrer ersten Hälfte „eine Paraphrase nach dem Edictum de recta fide Justinians I. vom Juli 551“115 und bietet eine traditionelle Trinitätslehre und Christologie auf der Grundlage der bisherigen fünf ökumenischen Synoden. Hinter dem zweiten Teil der Ekthesis mit seinem Verbot der weiteren Rede von einer oder zwei Wirkweisen/Energien Christi stand das theologische Anliegen, jenseits des Bekenntnisses zu den zwei Naturen Christi keine weiteren numerischen Aussagen für die Person Jesu Christi zuzulassen, sondern alles Wirken und Wollen der einen Person des Menschgewordenen zuzuordnen. In diesem Sinne war mit der als Konsensformel gemeinten Aussage des einen Willens der eine, einheitliche und sich nicht widersprechende Wille Christi in seinem Heilshandeln gemeint. Dabei aber handelt es sich um eine fast wörtliche Wiederholung eben jener Psēphos des Jahres 633. Der Psēphos aber hatte Sophronios damals zugestimmt116 ‒ und

114 Dies alles ergibt sich aus dem zweiten Brief des Honorius an Sergios: ACO ser. II 2,2, p.620,22–622,10 (Ried.); 622,12–624,20. Der Brief ist datiert von 634/5. Vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 3), Nr. 47. 115 Den Nachweis lieferte Rudolf Riedinger, Aus den Akten der Lateransynode von 649, in: Ders., Kleine Schriften zu den Konzilsakten des 7. Jahrhunderts (IP 34), Turnhout 1998, (3–24) 20. 116 Dies berichtet Sergios in seinem Brief an Honorius: Sergius Patr. Const., ep. ad Honorium pp. (ACO ser. II 2,2, p.544,16–23 Ried.). Sophronios hatte außerdem um eine schriftliche Fassung der Psēphos gebeten, die ihm Sergios auch geschickt hatte (ebd.).

3 Die Synode von Zypern und das „Edikt“ des Kaisers Herakleios

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nicht nur er, sondern auch Maximus!117 Und selbst die Formel von dem einen Willen Christi ist keineswegs ein „neues Dogma“ wie man in älteren Darstellungen lesen kann, sondern nur die Variante einer zentralen Formulierung der Psēphos.118 Somit ist es (306) durchaus denkbar, dass auch Sophronios der Ekthesis zustimmen konnte, zumal sich anhand seiner Synodica sogar nachweisen lässt, dass er diese Aussage auch selbst formulieren und begründen konnte.119

117 Maximus Conf., ep. 19 ad Pyrrhum (PG 91,589C–597B). Vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 3), Nr. 42; Jankowiak/Booth, A New Date-List (s. Anm. 61), Nr. 35, datieren den Brief auf Ende 633/ Anfang 634. Maximos lobt dort Sergios wegen der Psēphos als „neuen Mose“ (592B). 118 Bereits dort heißt es nämlich: „Denn es ist unmöglich, dass in ein und demselben Subjekt zwei Willen existieren, die zugleich und in derselben Hinsicht Entgegengesetztes wollen. Die heilsame Unterweisung der gotttragenden Väter lehrt aber deutlich, dass niemals das mit einer Vernunftseele ausgestattete Fleisch des Herrn gesondert für sich und aus eigenem Antrieb seine natürliche Bewegung entgegen dem Wink des mit ihm hypostatisch geeinten Gott Logos vollzogen hat, sondern wann, wie und in welchem Maß sie der Gott Logos wollte“ (ἀδύνατον γὰρ ἐν ἑνὶ καὶ τῷ αὐτῷ ὑποκειμένῳ δύο ἅμα καὶ κατὰ ταυτὸν < ἐναντία > ὑφεστάναι θελήματα ἡ δὲ σωτήριος τῶν θεοφόρων πατέρων διδασκαλία ἐναργῶς ἐκπαιδεύει τὸ μηδέποτε τὴν νοερῶς ἐψυχωμένην τοῦ κυρίου σάρκα κεχωρισμένως καὶ ἐξ οἰκείας ὁρμῆς ἐναντίως τῷ νεύματι τοῦ ἡνωμένου αὐτῇ καθ᾿ ὑπόστασιν θεοῦ λόγου τὴν φυσικὴν αὐτῆς ποιήσασθαι κίνησιν, ἀλλ᾿ ὁπότε καὶ οἵαν καὶ ὅσην αὐτὸς ὁ θεὸς λόγος ἐβούλετο (Sergius I Patr. Const., Psēphos: ACO ser. II 2,2, p.542,16–21 Ried.). 119 Vgl. z. B. Sophronius Hier., Epistula synodica (ACO ser. II 2,2, p.450,8–452,7 Ried.). Dieses Ergebnis kollidiert mit der traditionellen Sichtweise von Sophronios, wonach dieser nach seiner Wahl zum Patriarchen „almost immediately became a difficult controversialist for Heraclius and his chosen bishops to handle“ ‒ so z. B. noch im Jahr 2003 Kaegi, Heraclius (s. Anm. 17), 209. Kaegi aber ist ganz abhängig von der Darstellung von Schönborns, Sophrone (s. Anm. 105), der die zeitgleich von Brock editierte syrische Vita Maximi damals noch nicht kannte. Bei der Edition des Briefes von Sophronios an Arkadios hat von Schönborn dann die Synode von Zypern anerkannt (s. o. Anm. 86), aber zugunsten seiner unveränderten Sicht der Haltung des Sophronios eine wichtige Information der syrischen Vita Maximi übergangen. So erwähnt er nicht, dass zur Synodaldelegation der Synode von Zypern an den Kaiser auch der Jerusalemer Notar Elias gehörte, womit eben das Einverständnis des Sophronios für diesen Lösungsweg vorauszusetzen ist. Demgegenüber behaupten Albert und von Schönborn, dass die Bischöfe mit der Anrufung des Kaisers als Schiedsrichter ihre Hände in Unschuld waschen wollten, so als sei die von Sophronios angeblich angestrebte Entscheidung der Synode „de confirmer […] la foi orthodoxe, dyphysite et dyénergiste“ (dies., Lettre de Sophrone [s. Anm. 88], 172) eigentlich selbstverständlich gewesen. Sophronios sei jedoch von dieser Entscheidung enttäuscht und verbittert gewesen und habe deshalb Bischof Stephanos von Dora nach Rom geschickt, der den Papst und die römische Synode anflehen sollte, „qu’ils jugent victorieusement et qu’ils détruisent entièrement, selon les canons, les enseignements récemment introduits“ (Dies., Lettre de Sophrone [s. Anm. 88], 173 mit Anm. 27 Mansi X, 869C). Dieses Zitat stammt allerdings aus dem erst im Jahr 649 auf der Lateransynode verlesenen Anklagelibell des Bischofs Stephanos von Dora (ACO ser. II 1, p. 40,36 f.) und ist deutlich später zu verorten und setzt die desaströsen politischen Entwicklungen in Palästina voraus! Zur problematischen Rolle des Bischofs von

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Schließlich wird diese Information der Vita Maximi überraschenderweise auch noch durch die lateinische Fassung der Ekthesis in den Akten der Lateransynode bestätigt. Sie trägt dort nämlich folgende Überschrift: Darlegung des orthodoxen Glaubens, vorgenommen von unserem gottbeschützten und äußerst frommen Herrn, dem großen Fürsten Heraclius, wegen des von einigen aufgebrachten Disputes über die Frage der Wirkweise und mit allen fünf heiligen und ökumenischen Konzilen übereinstimmend. Sie wurde mit großer Befriedigung und Dankbarkeit von den Bischöfen zusammen mit den Patriarchalsitzen aufgenommen, die ihr freudig zugestimmt haben, da sie den heiligen Kirchen Gottes Frieden gebracht hat.120

Rudolf Riedinger hat gezeigt,121 dass der überlieferte Text der lateinischen Übersetzung der Ekthesis zeitlich der Lateransynode vorausgeht und aus jener Zeit stammt, (307) in der man in Rom der Ekthesis zustimmte. Bei der Erstellung der lateinischen Fassung der Lateranakten habe man dann offensichtlich auf diese ältere lateinische Übersetzung zurückgegriffen und dabei die Überschrift übersehen. Ein syrisches Florileg vom Ende 7./Anfang 8. Jahrhundert bestätigt diese Überschrift als ursprünglich.122 Damit aber stellt sich nachdrücklich die Frage, wie die Datierung der Ekthesis auf das Jahr 638 begründet wird und welche Quellen dafür zur Verfügung stehen.

4 Das Datum der Ekthesis, das Interesse an einer Spätdatierung und die Folgen Die Synode des Pyrrhos und der o.g. Brief des Kyros lassen sich ziemlich genau datieren, während die traditionelle Datierung der Synode des Sergios nur auf

Dora auf der Lateransynode vgl. Ohme, Was war die Lateransynode? (s. Anm. 11), 125–129.133 f.141. 120 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 2,1, p.157,20–25 Ried.): EXPOSITIO ORTHODOXAE FIDAEI FACTA AB A DEO CONSERVANDO ET PIISSIMO NOSTRO DOMINO MAGNO PRINCIPE HERACLIO PROPTER EMERSAM AB ALIQUIBUS ALTERCATIONEM PRO REQUISITIONE OPERATIONIS, CONSONANS IN OMNIBUS SANCTIS ET UNIVERSALIBUS QUINQUE CONCILIIS. QUAM CUM MULTA SATISFACTIONE ET GRATIA EXCIPERUNT PATRIARCHI < CIS > CUM SEDIBUS PRAESULES, ET GRATANTER EI CONSENSERUNT UTPOTE PACEM SANCTIS DEI ECCLESIIS INFERENTE.

121 Vgl.: Rudolf Riedinger, Griechische Konzilsakten auf dem Weg ins Mittelalter, in: ders., Kleine Schriften (s. Anm. 115), 41–91, hier 49; ders., Aus den Akten der Lateransynode (s. Anm. 115), 19 f. 122 Maria Conterno, Three unpublished texts on Christ’s will and operation from the Syriac florilegium in the ms. London, British Library, Add. 14535, in: Millennium 10 (2013), (115–144) 117.

4 Das Datum der Ekthesis und das Interesse an einer Spätdatierung

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einer Zeitangabe Papst Martins I. beruht. In seiner Eröffnungsansprache der Lateransynode erwähnt er nämlich, dass die Ekthesis „in der kürzlich vergangenen 12. Indiktion“ von Sergios verfasst und „unter dem Namen des Kaisers Herakleios“ publiziert worden sei.123 Dies ist der Zeitraum vom 1. September 638‒31. August 639. Weil Sergios am 9. Dezember 638 verstarb, ergibt sich daraus eine Datierung der Synode spätestens im November 638. Weil die Ekthesis vor der Sergios-Synode promulgiert wurde, wird sie traditionell im Zeitraum September/Oktober 638 angesetzt.124 An dieser Stelle ist es Marek Jankowiak zu verdanken, dass er neben dem Verweis auf die Synode von Zypern die Merkwürdigkeit der Benutzung des eingangs erwähnten Briefes des alexandrinischen Patriarchen Kyros an Sergios durch die Lateransynode erstmals erkannt hat.125 Denn wie er deutlich macht, hat dieser Brief neben dem von Papst Martin genannten Zeitraum ebenfalls eine wichtige Bedeutung für die von der Lateransynode propagierte Datierung der Ekthesis auf das Jahr 638. Aus dem Schreiben geht nämlich hervor, dass Kyros durch einen General (Stratelatēs) namens Eustathios ein Brief des Sergios überbracht wurde, dem eine Kopie (ἴσον) der Ekthesis beigefügt war. Diese war allerdings für den Patrikios und Exarchos von Italien, Isaakios,126 bestimmt, der sie offensichtlich in Rom überbringen sollte. Denn als Begründung wird genannt, dass der Ekthesis „auch durch unseren gemeinsamen Bruder, den hochheiligen Severinus, beigestimmt werden soll, der mit der Hilfe Gottes in Rom geweiht werden soll.“127 Das Schreiben des Sergios an Kyros ist damit in den November 638 zu datieren, denn Severinus, der Nachfolger des Honorius, wurde bald nach dessen Tod (308) (12. Oktober 638) gewählt,128 und Sergios, der am 9. Dezember 638 starb, muss diese Nachricht auch erst erreicht haben, bevor er sie wiederum Kyros mitteilen konnte.129 In seiner Antwort lobt Kyros überschwänglich die

123 Concilium Lateranense a.649 (ACO ser. II 1, p.12,15–17 (Ried.): Κατὰ τὴν προσεχῶς διελθοῦσαν δωδεκάτην ἐπινέμησιν […] ἐπ᾿ ὀνόματι τοῦ τηνικαῦτα βασιλεύοντος Ἡρακλείου. 124 Vgl. z. B.: Dölger/Müller, Regesten (s. Anm. 15), Reg. 211; Winkelmann, Streit (s. Anm. 3), Nr. 50 f.; Grumel, Les Regestes (s. Anm. 29), Reg. 292; Kaegi, Heraclius (s. Anm. 17), 269.327. 125 Zum Folgenden vgl. Jankowiak, Essai d’histoire (s. Anm. 3), 155–160. 126 Isaakios war von 625/6–643 Exarchos Italiae. Vgl.: PMBZ, Nr. 3466. 127 […] τῆς καὶ ὀφειλούσης προσομολογηθῆναι παρὰ τοῦ κοινοῦ ἀδελφοῦ Σεβηρίνου τοῦ ἁγιωτάτου σὺν θεῷ χειροτονουμένου ἐν Ῥώμῃ: ACO ser. II 1, p.172,14–16 (Ried.). 128 Vgl. Liber Pontificalis 73 (Duchesne I 328 f.). 129 Jankowiak, Essai d’histoire (s. Anm. 3), 158 f., sieht darin ein chronologisches Problem, weil die Reise von Rom nach Konstantinopel mindestens 70 Tage gedauert habe. Das trifft nicht zu. Die Reisedauer betrug auf dem Landweg über die Via Egnatia oder auf dem etwas schnelleren Seeweg ca. vier bis sechs Wochen. Vgl. dazu z. B.: Dietrich Claude, Der Handel im

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6 Die Konstantinopler Synoden von 638/9 (?)

Ekthesis, die er vor Begeisterung „nicht nur einmal oder zweimal, sondern vielmals“ gelesen habe, weil sie „unseren wahren und makellosen Glauben unbeugsam und fehlerlos verkündigt“, und preist den Kaiser in Akklamationen als „höchstfrommen, dreifachen Retter“ und „weisen Steuermann, der seine heiligen Kirchen trefflich lenkt […] und uns sicher und edel in einen ruhigen Hafen führt“.130 Der Brief erweckt den Eindruck, als würde der alexandrinische Patriarch auf eine Aufforderung zur Bestätigung der Ekthesis reagieren, denn Kyros schließt auch noch mit den Worten: „Auch wir, die wir Eure Lehre erhalten haben, übernehmen und bewahren das so fromm und gottgefällig von ihrer fortwährenden Serenität Publizierte, indem wir ihr gänzlich folgen.“131 Das Schreiben wurde von den Organisatoren der Lateransynode offensichtlich wegen dieser Bestätigung der Ekthesis durch Kyros seiner Anathematisierung zugrunde gelegt. Die der kaiserlichen Kanzlei entstammende Kopie (ἴσον) der Ekthesis war jedoch nicht für Kyros bestimmt, sondern sollte über den Exarchen von Italien dem neugewählten Severinus vorgelegt werden, weil ihr auch durch ihn „beigestimmt werden“ sollte (προσομολογηθῆναι). Es ist hier meines Erachtens nicht von einer geforderten Unterschrift die Rede, sondern es ist anzunehmen, dass die Zustimmung brieflich erfolgen sollte wie denn auch Kyros per Brief zugestimmt hatte.132 Geht man davon aus, dass die Ekthesis 636/7 publiziert und verschickt wurde, dann befand sich zum Zeitpunkt des Sergiosbriefes bereits jenes Exemplar in Rom und Alexandrien. Jetzt ging es um die Zustimmung des Nachfolgers des Honorius, aber anscheinend auch die des Kyros! Warum aber könnte die Zustimmung des Kyros erst jetzt nötig geworden sein? Diese Frage

westlichen Mittelmeer während des Frühmittelalters (Untersuchungen zu Handel und Verkehr der vor- und frühgeschichtlichen Zeit in Mittel- und Nordeuropa Teil II (AAWG.PH 144), Göttingen 1985, 62 f.; Axel Bayer, Spaltung der Christenheit. Das sogenannte Morgenländische Schisma von 1054, Köln u. a. 22004 (BAKG 53), 86 f. 130 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 2,1, p.172, 15 f.18–25 Ried.): […] ἥντινα οὐ μόνον ἅπαξ καὶ δίς, ἀλλὰ καὶ πολλάκις ἐπιμελῶς διῆλθον […] καὶ τὴν ἀληθινὴν καὶ ἀμώμητον ἡμῶν πίστιν ἀκλινῶς καὶ ὀρθοτόμως ἀναφανδὸν κηρυττούσης. 131 Concilium Lateranense a. 649 ACO ser. II 1, p.172,32–34 (Ried.): ὅτι δὲ καὶ ἡμεῖς τῆς ὑμετέρας μετάσχοντες διδασκαλίας καὶ ταύτῃ πάντως ἑπόμενοι ἀσμενίζομεν καὶ παραφυλάττομεν τὰ οὕτως εὐσεβῶς καὶ θεοφιλῶς παρὰ τῆς πανημέρου αὐτῶν γαλήνης ἐκδοθέντα. 132 Van Dieten (ders., Geschichte [s. Anm. 4], 51) nahm auf der Grundlage des Datums 638 für die Ekthesis an, dass neben dem Exemplar für den Exarchen, der seines Erachtens für die Unterschrift des Papstes sorgen sollte, der Brief an Kyros eine Kopie der Ekthesis für Kyros enthielt. Obwohl dies nicht ausgeschlossen erscheint, lässt es sich dem Text jedoch nicht entnehmen.

4 Das Datum der Ekthesis und das Interesse an einer Spätdatierung

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lässt sich mit Marek Jankowiak meines Erachtens überzeugend folgendermaßen beantworten: 1. Zusammen mit dem von Papst Martin zu Beginn der Synode genannten Zeitraum 1. September 638‒31. August 639 als Entstehungs- und Publikationszeit der Ekthesis erweckt der Kyrosbrief den Eindruck, als sei die römische Kirche erstmals nach (309) dem Tod des Honorius mit der Frage der Zustimmung zur Ekthesis konfrontiert worden. Seine Auswahl als Beweismittel im Häresieverfahren unterstreicht das aktuelle Interesse, die Person des Honorius als gänzlich unbetroffen erscheinen zu lassen. Zudem lag zwischen der Wahl des Severinus nach dem 12. Oktober 638 und seiner Weihe am 28. Mai 640 ein ungewöhnlich langer 18-monatiger Zeitraum, der meist damit erklärt wird, dass die römischen Apokrisiare, die die Wahlmitteilung nach Konstantinopel überbrachten, um die Zustimmung zur Weihe einzuholen, dort aufgefordert worden seien, die Ekthesis zu unterzeichnen. Dies lehnten sie jedoch ab mit der Begründung, dazu kein Mandat zu haben. Die Zustimmung zur Konsekration sei dennoch nach einiger Zeit gegeben worden, als die Legaten versprachen, den Papst zu einer schriftlichen Bestätigung zu bewegen. Für diese Information gibt es allerdings als einzige Quelle nur den Brief des Maximos an den Abt Thalassios von 640, der auszugsweise in lateinischer Übersetzung in den 874/5 entstandenen sog. Collectanea des Anastasius Bibliothecarius (†ca. 879) erhalten ist.133 Diese Information fügt sich jedoch zu den Angaben des Kyros-Briefes; allerdings hat es keine Aufforderung zur Unterschrift unter die Ekthesis als Bedingung der Weihe des Severinus gegeben, wie früher angenommen wurde.134 Dennoch bleibt es merkwürdig, dass der Liber Pontificalis von dieser Information des Maximos nichts weiß. 2. Aus derselben Interessenlage auf der Lateransynode lässt sich erklären, dass eine Anathematisierung des Sergios auf der Grundlage der Psēphos nicht in Frage kam, weil davon auch Honorius, Sophronios und selbst Maximos betroffen gewesen wären.135 Deshalb wird auf der Lateransynode nicht nur die Psēphos, sondern auch die Synode von Zypern verschwiegen! 3. Schließlich lässt sich auch eine nachträgliche Zustimmung des Kyros zur Ekthesis erst im Jahr 638/9 verständlich machen.136 Theophanes berichtet

133 Maximus Conf., Epistula ad Thalassium abb. (PL 129,583‒586). Winkelmann, Streit (s. Anm. 3), Nr. 62; Jankowiak/Booth, A New Date-List (s. Anm. 61), Nr. 58. 134 So noch Dölger in den Regesten unter Nr. 214, die in der aktuellen Fassung weggefallen ist. Vgl. ders./Müller, Regesten (s. Anm. 15), Reg. 214 (vacat). 135 S. o. Anm. 52.58.116.117. 136 Vgl. dazu Jankowiak, Essai d’histoire (s. Anm. 3), 150–155.

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nach der entscheidenden Niederlage des römischen Heeres gegen die Araber in der Schlacht am Yarmuk im August 636, dass Kyros ‒ damals wohl auch Augustalis von Ägypten ‒ die Invasion der Araber nach Ägypten für drei Jahre durch Tributzahlungen an deren Anführer ‘Amr verhindern konnte. Er sei deswegen aber beim Kaiser angeklagt worden, die Reichtümer Ägyptens zu verschleudern, und nach Konstantinopel zurückgerufen worden.137 Die von Nikephoros für die Kapitel 1–32 seiner Historia syntomos benutzte zeitnahe Quelle138 weiß, dass Kyros über Tributzahlungen hinaus empfahl, eine der Töchter des Herakleios in Erwartung von dessen Taufe ‘Amr zur Heirat anzubieten. Herakleios habe dies jedoch strikt abgelehnt und Kyros nach Konstantinopel zurückgerufen, um ihm öffentlich vorzuwerfen, Ägypten an die Araber ausgeliefert zu haben. Kyros habe sich damit verteidigt, (310) dass die Araber friedlich geblieben wären, wenn sein Plan der Tributzahlungen umgesetzt worden wäre. Der Kaiser aber habe ihm mit dem Tode gedroht und ihn dem Stadtpräfekten Konstantinopels zur Bestrafung übergeben.139 Entscheidend ist hier eine Formulierung im Zusammenhang der Erhebung des Pyrrhos zum Nachfolger des Sergios im Dezember 638. Es heißt dort, dass die Anklage gegen Kyros „einige Jahre vorher“140 erfolgt sei. Die Anwesenheit des Kyros in Alexandrien im Jahr 639/40 ist durch einen Papyrus belegt.141 Daraus schließt Jankowiak meines Erachtens überzeugend, dass Kyros zwischen der zweiten Hälfte 636 und Ende 638 nicht in Alexandrien anwesend war, sondern sich wohl im Exil befand. Ergänzend sei anzunehmen, dass der in den Patriarchenlisten des Patriarchates Alexandrien als Vorgänger des Kyros begegnende Georgios erst in diesen Jahren an seine Stelle getreten sei und bis zur Rückkehr des Kyros amtierte.142 Damit hätte die Abberufung des Kyros seine nachträgliche Zustimmung erforderlich gemacht.

137 Theophanes Conf., Chronographia AM 6127 (de Boor 338). 138 S. o. Anm. 75–77. 139 Nicephorus Patr., Breviarium 23.26 (Mango 70–72.74–76). 140 Nicephorus Patr., Breviarium 23.26 (Mango 74,6 f.): ἤδη χρόνοις τισὶ πρότερον. 141 P. Lond. I 113, 10 (a. 639/40). 142 Jankowiak, Essai d’histoire (s. Anm. 3), 86–88. Dies bestätigt im Prinzip auch Booth, The last Years of Cyrus (s. Anm. 9), 541 f. Booth vertritt allerdings die These, dass Kyros während der dreijährigen Tributzahlungen in Ägypten war und erst i. J. 640 abgesetzt wurde, um bereits i. J. 641 unter der Herrschaft von Heraklonas und Martina restituiert zu werden. Mit dieser Datierung bleibt jedoch die nachträgliche Zustimmung des Kyros zur Ekthesis im Jahr 639 unerklärt und der wichtige Datierungshinweis bei Nikephoros unberücksichtigt.

5 Zusammenfassung

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5 Zusammenfassung Die Analyse der in den Akten der Lateransynode von 649 erhaltenen Fragmente der beiden im Zusammenhang der Ekthesis des Kaisers Herakleios durchgeführten Konstantinopler Synoden, die traditionell auf 638/9 datiert werden, hat die hervorgehobene Bedeutung dieser Synoden deutlich gemacht. Dies gilt in besonderer Weise für die Synode des Patriarchen Sergios, die dieser bald nach der Promulgation der Ekthesis durchführte. Die Akten beider Synoden waren Verhandlungsprotokolle (ὑπομνήματα) von beträchtlichem Umfang. Für ihre Bedeutung spricht auch die Publikationsform auf Papyrusrollen (χάρται) sowie ihre spätere Präsenz im Archiv der römischen Kirche. Obwohl es sich formal jeweils um eine Synodos endemousa handelte, beanspruchten beide Synoden ‒ keineswegs als erste dieser Art ‒ gesamtkirchliche Bedeutung, die in der Präsentation und kirchlichen Rezeption einer kaiserlichen Glaubenserklärung begründet war und sich auch in der Anwesenheit von Vertretern anderer Patriarchate und der Publikationsform der Akten niederschlug. Der begründete ökumenische Anspruch der Synode des Patriarchen Sergios erschließt sich noch deutlicher, wenn man die in den dyotheletischen Quellen verschwiegene Synode von Zypern hinzunimmt, die in das Jahr 636 zu datieren ist. Auf dieser Synode haben Vertreter der römischen Kirche und der Kirchen von Konstantinopel, Alexandrien und Jerusalem bei Abwesenheit von Synodalen aus Antiochien wegen der Vakanz des Patriarchenstuhls in Gegenwart des Kyros von Alexandrien und des Sophronios von Jerusalem nach einer theologischen Lösung der umstrittenen Frage gesucht, ob es (311) unabdingbar sei, hinsichtlich des menschlichen und göttlichen Wirkens Jesu Christi exklusive numerische Aussagen zu machen. Sie haben dies unter Zurückweisung von Versuchen der Anathematisierung getan und waren schließlich übereingekommen, sich einem Schiedsspruch des Kaisers zu beugen, weil ein synodaler Konsens nicht zu erreichen war. Mit diesem Beschluss der Synode von Zypern war auf kirchliche Bitte hin eine Entscheidung des Kaisers gefordert, die auf dem Hintergrund analoger Maßnahmen des Kaisers Justinian kaum anders als in Gestalt eines kaiserlichen Gesetzes erfolgen konnte. Bedeutsam ist, dass dieses Edikt Folge einer Synode war und in eine unmittelbar folgende Synode eingebunden wurde, die sich die kaiserliche Entscheidung als kirchliche zu eigen machte und mit der Ergänzung von kirchlichen Sanktionen die Einheit von kaiserlichem und kirchlichem Handeln in dieser Frage dokumentierte. Patriarch Sergios als Vorsitzender dieser Synode und Verfasser des Textes der Ekthesis konnte sich bei diesem Vorgehen der Zustimmung Roms, Alexandriens und auch Jerusalems sicher sein. Und es spricht nichts gegen die Information, dass diese kaiserliche Entscheidung und

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ihre synodale Umsetzung von den Vertretern dieser Kirchen auch akzeptiert worden ist. Diese Vorgänge werden sich im Jahr 636/7 abgespielt haben. Es ist offensichtlich, dass dieser Verlauf der Dinge in der Frühphase des sog. „monenergetisch-monotheletischen Streites“ den radikalen Vertretern der 636/7 noch zurückgewiesenen Position später ungelegen sein musste. So lässt sich ab ca. 641 ‒ also nach dem Tod des Honorius, des Sergios und des Sophronios und zeitgleich mit der definitiven arabischen Eroberung Ägyptens und der seitdem um sich greifenden apokalyptischen Stimmung der Reichsbevölkerung143 ‒ eine zunehmend manipulativer Umgang mit jenen Ereignissen feststellen. Nach dem VI. Ökumenischen Konzil (680/1) hat dies in den dyotheletischen Quellen zu einer Verfälschung der Frühgeschichte der Kontroverse geführt. Die Manipulationen nehmen aber ihren Ausgang bereits bei der Lateransynode und ihrer Vorbereitung. Denn es ist offensichtlich, dass eine in den Akten der Konstantinopler Synoden dokumentierte Zustimmung des römischen Papstes und wohl auch des Sophronios zur Ekthesis den Absichten der Lateransynode vollständig im Wege stehen musste. So wird hier nicht nur die Haltung des Sophronios und des Papstes Honorius verschwiegen, sondern auch die damit engstens verbundene Synode von Zypern. Zum Verschweigen kamen aber die Umdeutung von Fakten und chronologische Konstruktionen hinzu. Schon vor der Lateransynode wurde die Position des Papstes durch die sog. Apologia Honorii umgedeutet. Der Text seiner Stellungnahme wurde in Rom schließlich beseitigt. Die dem entgegenstehenden Informationen in den Akten der Konstantinopler Synoden neutralisierten die Organisatoren der Lateransynode durch die Fragmentierung der Akten, die schließlich vernichtet wurden. Damit wurde nicht nur der Verlauf dieser Synoden verschleiert und ihre Legitimität bestritten, sondern vor allem die synodale Dimension der Ekthesis verdunkelt. Für den Kaiser wurde später sogar noch ein Widerruf der Ekthesis behauptet,144 um Sergios als den allein Verantwortlichen (312) dastehen zu lassen. Zu diesen handfesten Manipulationen gehörte nun auch noch die zeitliche Verschiebung der Ekthesis und der mit ihr unmittelbar verbundenen Synode in den Zeitraum nach dem Tod des Honorius und Sophronius, so als sei die römische Kirche erst unter Papst Severinus damit konfrontiert worden und auch Sophronios gänzlich unbetroffen.

143 Vgl. z. B. Ohme, Geschichtstheologie (s. Anm. 3). 144 Vgl. dazu: Winkelmann, Streit (s. Anm. 3), Nr. 68; Ohme, Mehrheit und Minderheit (s. Anm. 61).

7 Wer hat den Dyotheletismus erfunden? Zur Frage der Authentizität der Apologia Honorii Papst Iohannes’ IV. (640‒642) Abstract: This article examins the hypothesis published in 2013 by Marek Jankowiak, according to which Pope John IV in his so-called Apologia Honorii (CPL 1729) and Maximos Homologetes independently “invented” a dyothelete Christology for the first time. For that purpose, this letter by John IV is analysed with regard to its sources, its text and the context of its composition. It is shown that the letter, which is preserved only in a Latin retranslation from Greek by Anastasius Bibliothecarius made in 874/75, originally referred only the monothelete statement of Pope Honorius to the human nature of Christ. The dyothelete statements, which can also be found in the text, are the result of later updating. This updating begins already in the 7th century in the circle of Maximos’ followers. Here, as well as in the context of the oldest tradition at Anastasius Biliothecarius in the so-called Photian Schism, the conflict-oriented interest in an unlimited authority of the papacy stands in the background. The “invention” of the theologoumenon of a double will in Christ should be assigned exclusively to Maximos Homologetes. Als im Jahre 638 Patriarch Sergios von Konstantinopel (610‒638),1 Papst Honorius I. (625‒638)2 und Patriarch Sophronios von Jerusalem (633‒638)3 gestorben waren, (90) erfolgte ein dramatischer Wechsel von den bisherigen Hauptakteuren des sog. monenergetisch-monotheletischen Streites4 zu einer neuen Genera-

1 Jan Louis van Dieten, Geschichte der Patriarchen von Sergios I. bis Johannes VI. (610‒715). Amsterdam 1972, 1–56; Friedhelm Winkelmann, Der monenergetisch-monotheletische Streit (BBySt 6), Frankfurt/M. 2001, 258–260. 2 Georg Kreuzer, Die Honoriusfrage im Mittelalter und in der Neuzeit, Stuttgart 1975. 3 Christoph von Schönborn, Sophrone de Jérusalem. Vie monastique et confession dogmatique (ThH 20), Paris 1972; Pauline Allen, Sophronius of Jerusalem and Seventh-Century Heresy. The Synodical Letter and Other Documents, Oxford 2009; Phil Booth, Crisis of Empire: Doctrine and Dissent at the End of Late Antiquity, Berkeley u. a. 2013; Schönborn (ebd., 97 Anm. 136) plädiert für 639 als Todesjahr des Sophronios. 4 Winkelmann, Streit (s. Anm. 1); Christian Lange, Mia Energeia. Untersuchungen zur Einigungspolitik des Kaisers Heraclius und des Patriarchen Sergius von Constantinopel (STAC 66), Tübingen 2012; Marek Jankowiak, Essai d’histoire politique du monothélisme, Diss. Paris-Warschau 2009 [ungedr.]. Anmerkung: Zuerst publiziert in: ByZ 110 (2017), 89–140. https://doi.org/10.1515/9783110714531-007

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tion von Theologen und Kirchenpolitikern mit wesentlich größerer Konfliktbereitschaft. Zu diesen gehörte der neugewählte Konstantinopler Patriarch Pyrrhos (638‒641.654).5 Dieser versuchte umgehend, die von seinem Vorgänger Sergios verfasste und von Kaiser Herakleios (610‒641)6 als Gesetz publizierte dogmatische Darlegung des Glaubens, die sog. Ekthesis7 von 638 (636?), gesamtkirchlich durchzusetzen. Dazu berief er Anfang 639 eine Synode nach Konstantinopel ein, die die Lehre der Ekthesis bestätigte. Abwesenden Bischöfen im Osten wie im Westen wurden die Akten dieser Synode „zusammen mit unserem Rundschreiben“ zur Unterschrift zugesandt.8 Papst Iohannes IV. (24. Dezember 640‒12. Oktober 642)9 nahm dies zum Anlass eines Protestbriefes10 an die Kaiser Konstantin III. und Herakleios (Heraklonas) (Jan./Febr. 641‒Juni 641), in dem er beklagte, dass der gesamte Westen in heller Aufregung sei und daran Anstoß nehme, dass „unser Bruder, der Patriarch Pyrrhos, in seinem überallhin verschickten Schreiben gewisse neue Dinge verkündet, die gegen die regula fidei sind.“ Vor allen Dingen aber empörte sich der Papst darüber, dass Pyrrhos „unseren Vorgänger heiligen Angedenkens, Papst (91) Honorius, für seine eigene Auffassung heranzieht, was doch der Gesinnung des katholischen Vaters völlig fremd war.“11 Pyrrhos hatte demnach zur Unterstützung seines „Mono-

5 Prosopographie der mittelbyzantinischen Zeit. Erste Abteilung 641‒867. Nach Vorarbeiten Friedhelm Winkelmanns erstellt von Ralph-Johannes Lilie, Claudia Ludwig, Thomas Pratsch, Ilse Rochow, Bd. 1–6, Berlin 1999–2002, Nr. 6386; van Dieten, Geschichte (s. Anm. 1), 57–75. 6 Walter E. Kaegi, Heraclius. Emperor of Byzantium, Cambridge 2003. 7 Franz Dölger/Andreas E. Müller, Regesten der Kaiserurkunden des oströmischen Reiches. I,1 Regesten 565–867. 2. Aufl. besorgt u. Mitarbeit von Johannes Preiser-Kapeller u. Alexander Riehle v. Andreas E. Müller, München 2009, Reg. 211. Dieses Gesetz verbot jeden Streit über das Energienproblem sowie eine numerische Verwendung des Energiebegriffes für das göttliche und menschliche Wirken Jesu Christi und suchte den Konsens in der vermeintlich unstrittigen Überzeugung von dem einen einheitlichen Willen und Wollen Jesu. Zur Ekthesis vgl.: Winkelmann, Streit (s. Anm. 1) Nr. 50; Lange, Mia Energeia (s. Anm. 4), 606–614. Booth, Crisis (s. Anm. 3) 239–241, hat unter Berufung auf Jankowiak, Essai d’histoire (s. Anm. 4) 146–149, die Ekthesis jetzt auf 636 datiert. 8 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 2,1 p.168,3–170,7.168,29 Riedinger): μετὰ τῆς ἐγκυκλίου ἡμῶν […] ἐπιστολῆς; Winkelmann, Streit (s. Anm. 1) Nr. 56. 9 PMBZ., Nr. 2689. 10 Iohannes IV pp., Epistula ad Constantinum Imp. (PL 129,561‒566; CPL 1729; CPG 9383); Winkelmann, Streit (s. Anm. 1) Nr. 69. 11 Iohannes IV. pp., Epistula ad Constantinum Imp. (PL 129,561C13–D5): omnes occidentales partes scandalizate turbantur, fratre nostro Pyrrho patriarcha, per litteras suas huc atque illuc transmissas, nova quaedam et praeter regulam fidei praedicante, et proprium sensum quasi sanctae memoriae Honorium papam decessorem nostrum attrahere festinante, quod a mente catholici Patris erat penitus alienum.

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theletismus“ auf den ersten Brief12 des Honorius an Patriarch Sergios verwiesen, in dem der Papst zu dem Schluss gekommen war: „Deshalb bekennen wir auch einen Willen des Herrn Jesus Christus“.13 Dies aufnehmend, hatte Sergios den Text der Ekthesis formuliert. Die frühesten Zeugnisse des Widerspruchs gegen die Theologie des einen Willens Jesu Christi datieren aus den Jahren 640/41 und finden sich in einigen Schriften des Maximos Homologetes (ca. 579‒662)14 und bei Papst Iohannes IV. Maximos Homologetes hat in seinen in diesen Jahren entstandenen sog. Opuscula theologica et polemica 615, 716 und 2017 im Widerspruch zur Ekthesis und in (92) Opusculum 20 zur Verteidigung des Honorius aus der chalcedonensischen Zwei-Naturen-Lehre und einem von seinen Merkmalen her definierten ontologischen Naturbegriff die theologische Notwendigkeit der Rede von einem „doppelten“ oder zweifachen „natürlichen“ Willen (θέλημα φυσικόν) und einer zweifachen „natürlichen“ Wirksamkeit (φυσικὴ ἐνέργεια) des einen Christus

12 Honorius I. pp., Epistula I ad Sergium Patr. Const. (ACO ser. II 2,2 p.548,1–558,3 Riedinger); Winkelmann, Streit (s. Anm. 1) Nr. 44; deutsche Übersetzung: s.Anhang Nr. 6. 13 Honorius I. pp., Epistula I ad Sergium Patr. Const. (ACO ser. II 2,2 p.550,16–17 Ried.): ὅθεν καὶ ἓν θέλημα ὁμολογοῦμεν τοῦ κυρίου Ἰησοῦ Χριστοῦ. Sergios hatte in seinem an Honorius gerichteten Schreiben von Ende 633/Anfang 634 (ACO ser. II 2,2 p.534,1–546,25) den seit der Union des alexandrinischen Patriarchen Kyros (631‒642; PMBZ, Nr. 4213) mit den ägyptischen Severianern (Theodosianern) vom 3. Juni 633 ausgebrochenen Streit über die dort beschlossene Formel der „einen gottmenschlichen Wirksamkeit“(μία θεανδρικὴ ἐνέργεια) Christi geschildert sowie den inzwischen im Osten erreichten Konsens, in Zukunft keine numerischen Aussagen mehr über die Anzahl von Energien in Christus zu machen und stattdessen nur noch von dem „einen, das Menschliche und Göttliche Wirkenden“ (ὁ ἐνεργῶν) zu reden, dargelegt. Insbesondere hatte er sich gegen die Redeweise von „zwei Wirkweisen“ (δύο ἐνέργειαι) Christi gewendet, weil „aus diesem Ausdruck folgt, ebenfalls zwei Willen (δύο θελήματα) zu verkünden, die einander entgegengesetzt seien […] und damit zwei das Entgegengesetzte Wollende einzuführen, was gottlos ist“ (542,13 f.15 f.). Honorius stimmte Sergios in allem zu und kam aus der Überzeugung, dass es „ein und derselbe ist, der in der göttlichen und menschlichen Natur wirkt“ (556,14 f.), zu der o. g. Spitzenaussage. 14 PMBZ, Nr. 4921; Pauline Allen/Bronwen Neil (Hgg.), The Oxford Handbook of Maximus the Confessor, Oxford 2015. 15 Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 6 (PG 91,65–69). Vgl. dazu: Winkelmann, Streit (s. Anm. 1) Nr. 66; Marek Jankowiak/Phil Booth, A New Date-List of the Works of Maximus the Confessor, in: Allen/Neil, Handbook (s. Anm. 14) 19–83. Nr. 59. 16 Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 7 an den zyprischen Diakon Marinos (PG 91,69B–89B). Vgl. dazu: Winkelmann, Streit (s. Anm. 1) Nr. 59; Jankowiak/Booth, A New Date-List (s. Anm. 15) Nr. 41. 17 Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 20 an den zyprischen Presbyter Marinos (PG 91,228B– 245D). Vgl. dazu: Winkelmann, Streit (s. Anm. 1) Nr. 60; Jankowiak/Booth, A New Date-List (s. Anm. 15) Nr. 42.

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entwickelt.18 Papst Iohannes IV. hat im Jahr 641 eine römische Synode einberufen, die nach dem Synodicon vetus „Sergios, Kyros und Pyrrhos anathematisierte und zwei Naturen und zwei Wirkweisen unseres Herrn und Gottes Jesus Christus verkündete.“19 In dem bereits genannten Brief20 an die Kaiser, der als Apologia Honorii in die Geschichte einging, hat der Papst weiterhin eine Interpretation des ersten Honoriusbriefes vorgenommen, die dessen Formulierung von dem einen Willen Christi ausschließlich auf dessen menschliche Natur bezog. Gleichzeitig aber bietet dieser Brief ein elaboriertes dyenergetisches und dyotheletisches Bekenntnis. Daraus hat in jüngster Zeit Marek Jankowiak die These entwickelt, „that the first statements of the two wills of Christ date only from 641, when pope John IV. and Maximus the Confessor independently composed their apologies for pope Honorius“.21 Bereits seit langem ist allerdings auf Unstimmigkeiten und Widersprüche in den Quellen zu den Maßnahmen Iohannes’ IV. hingewiesen worden. Schon Carl Joseph Hefele hatte festgestellt, dass es auf der römischen Synode von 641 nicht zu den genannten namentlichen Anathematismen gekommen sein kann, weil der Papst in seinem Brief an die Kaiser den Konstantinopler Patriarchen als „unseren Bruder Pyrrhos“ und dessen Vorgänger als „Sergius reverendae memoriae patriarcha“ bezeichnet.22 Theologische Widersprüche in der Apologia Honorii hatte schon Erich Caspar thematisiert und dafür das „logische Unvermögen“ des (93) Papstes verantwortlich gemacht, welches er auf das „in Unbildung versunkene Rom des 7. Jahrhunderts“ zurückführte.23 M. Jankowiak hat dieses Urteil nochmals zugespitzt.24 Es muss deshalb überraschen, dass bislang nicht die Frage nach der Authentizität des überlieferten Textes der Apologia Ho18 Die beiden Naturen Christi, „aus denen und in denen und welche er ist“, seien stets zu unterscheiden, auch wenn diese durch wechselseitiges Zusammenwachsen und gegenseitige Durchdringung zu einem einheitlichen Wirken und Wollen vollständig vereint seien. Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 6 (PG 91,68A); Opusc. theol. et pol. 7 (PG 91,76A, 80C, 84B, 88A); Opusc. theol. et pol. 20 (PG 91,233AB; 237CD). 19 John Duffy/John Parker (Hgg.), The Synodicon vetus (CFHB 15), Washington 1979, Nr. 137 (s. dazu u. S. 116–118); Winkelmann, Streit (s. Anm. 1) Nr. 67b. 20 S. o. Anm. 10. 21 Marek Jankowiak, The Invention of Dyotheletism, in: StPatr 63 (2013), (335–342) 335. Ähnlich bereits: Ders., Essai (s. Anm. 4), 183‒190. Die Apologia Honorii sei „le premier text romain qui parle avec tout de clarité de deux volontés du Christ (ebd., 189). 22 Iohannes IV pp., Epistula ad Constantinum Imp. (PL 129,561D.562C4). Charles Joseph Hefele/Henri Leclercq, Histoire des Conciles III/1, Paris 1909, 393. 23 Erich Caspar, Die Lateransynode von 649, in: ZKG 51 (1932), (75–137) 107.112. Vgl. auch Ders., Geschichte des Papsttums II, Tübingen 1933, 541. 24 Jankowiak, Invention (s. Anm. 21) 340: „The logic of John IV’s letter is flawed, his definitions are vague, and the main issue of the will(s) of the two natures of Christ is eschewed.“

1 Die Quellen der Apologia Honorii Papst Iohannes’ IV.

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norii aufgeworfen wurde, zumal der Liber Pontificalis von der Synode und dem Brief Iohannes’ IV. nichts weiß.25 Im Folgenden soll deshalb der Text der Apologia Honorii auf seine Authentizität hin überprüft werden. Damit eng verknüpft ist die Frage nach der Herkunft des Textes und seinen Quellen, die in ihrem jeweiligen historischen Kontext zu betrachten sind. Deshalb werden zuerst die Quellen der Apologia Honorii Papst Iohannes’ IV. gesichtet (1.) und dann ihr Textbestand einer kritischen Analyse unterzogen (2.). Die dabei gewonnenen Einsichten werden (3.) für die Überprüfung der Quellen zur römischen Synode von 641 fruchtbar gemacht. Weil sich bei den Schritten 1‒3 der sogenannte photianische Streit als Bezugspunkt herauskristallisiert, muss dieser hinsichtlich der Bedeutung der Orthodoxie des Honorius in dieser Kontroverse in den Blick genommen werden (4.). Von daher wird sich schließlich die Frage beantworten lassen (5.), wie der überlieferte Text der Apologia Honorii entstanden ist und ob tatsächlich die römische Kirche unter Iohannes IV. parallel und unabhängig von Maximos Homologetes den Dyotheletismus „erfunden“ hat.

1 Die Quellen der Apologia Honorii Papst Iohannes’ IV. Der Brief Papst Iohannes’ IV. an die Kaiser Konstantin III. und Herakleios (Heraklonas) ist literarisch erstmals belegt in den 874/5 entstandenen sog. Collectanea26 des päpstlichen Kanzlers und Diplomaten Anastasius Bibliothecarius (94) († ca. 879).27 Es handelt sich dabei um Übersetzungen griechischer Texte ins Lateinische, die Anastasius für den Hofhistoriographen Papst Iohannes VIII. (872‒882), Iohannes Diaconus, angefertigt hatte. In einem Brief28 an diesen erklärt Anastasius, welche Texte er übersetzt hat und warum.29 Es handelt sich

25 Vgl. Liber Pontificalis 74 (330 Duchesne I). Bis in die neueste Literatur werden der Text der Apologia Honorii und die Angaben des Synodicon vetus unkritisch übernommen. Vgl. z. B. Richard Price/Phil Booth/Catherine Cubitt, The Acts of the Lateran Synod of 649, transl. by Richard Price (Translated Text for Historians 61), Liverpool 2014, Introduction, 12 mit Anm. 33 (Ph. Booth); 50 mit Anm. 144 (C. Cubitt). 26 Anastasius Bibl., Collectanea (PL 129,557–690). 27 Zu Anastasius Biblothecarius vgl. PMBZ, Nr. 341.20341; Bronwen Neil, Seventh-Century Popes and Martyrs. The Political Hagiography of Anastasius Bibliothecarius (Studia Antiqua Australiensia II), Turnhout 2006, 11–34. Zu den Collectanea: Neil, Popes, ebd., 71–79.125. 28 Anastasius Bibl., Epistula ad Iohannem diac. (MGH Epp. VII, 442–426 Perels/Laehr); Neil, Popes (s. Anm. 27), 148‒161. Vgl. dazu: Gerhard Laehr, Die Briefe und Prologe des Bibliothekars Anastasius, in: NA 47 (1928), (416–468) 437‒441. 29 Zu dieser Frage s. u. Kap. 4.

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insgesamt um 15 Texte30 unterschiedlicher Länge und Vollständigkeit, die allesamt den sog. monenergetisch-monotheletischen Streit betreffen. Neben dem (1) Brief Iohannes’ IV. hat Anastasius Bibliothecarius folgende Texte übersetzt und in seine Sammlung aufgenommen:31 (2) Einen Auszug aus dem Tomus dogmaticus des Maximos Homologetes an den zyprischen Presbyter Marinos vom Jahre 641 (CPG 7697.20).32 (3) Einen Auszug aus einem Brief des Maximos Homologetes an Petros Illustrios von Jahre 645 (CPG 7697.12).33 Der Brief ist nur in dieser Gestalt in der Übersetzung des Anastasius erhalten. (4) Einen Auszug aus einem Brief des Maximos Homologetes an den zyprischen Presbyter Marinos von ca. 643‒646 (CPG 7697.10).34 Der Text existiert nur in dieser fragmentarischen Gestalt und lateinischen Übersetzung. (5) Die Epistula synodica des Papstes Theodorus I. (642‒649) an Patriarch Paulos II. von Konstantinopel (641‒653) vom Jahre 643.35 Der Brief existiert nur in dieser Rückübersetzung. (95) (6) Ein Brief desselben Papstes Theodorus I. von 643 an die Bischöfe, die Patriarch Paulos II. von Konstantinopel konsekriert hatten.36 Der Brief existiert nur in dieser Rückübersetzung. (7) Einen Auszug aus einem Brief des Maximos Homologetes an den Abt Thalassios von 640 (CPG 7702).37 Der Text existiert nur in dieser Gestalt. (8) Die Narrationes de exsilio Sancti papae Martini (BHL 5593–4).38 (9–15) Sechs Texte zu Leben, Prozess und Schicksal des Maximos Homologetes sowie dessen Testimonia et Syllogismi.39

30 Vgl. Neil, Popes (s. Anm. 27) 72–73. 31 Zur inhaltlichen Bedeutung dieser Auswahl von Texten s. u. S. 232–234. 32 Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 20 (PG 91,228–245; PL 129,568‒574); Winkelmann, Streit (s. Anm. 1) Nr. 60; Jankowiak/ Booth, A New Date-List (s. Anm. 15), Nr. 42. 33 Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 12 (PL 129,573–576); Winkelmann, Streit (s. Anm. 1) Nr. 88; Jankowiak/Booth, A New Date-List (s. Anm. 15), Nr. 66. 34 Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 10 (PL 129,577–578). Winkelmann, Streit (s. Anm. 1) Nr. 93; Jankowiak/Booth, A New Date-List (s. Anm. 15), Nr. 43. 35 Theodorus I pp., Epistula synodica ad Paulum Patr. Const. (PL 129,577–582). Winkelmann, Streit (s. Anm. 1) Nr. 79. 36 Theodorus I pp., Epistula ad episcopos orient. (PL 129,581–584). Winkelmann, Streit (s. Anm. 1) Nr. 81. 37 Maximus Conf., Epistula ad Thalassium abb. (PL 129,583–586). Winkelmann, Streit (s. Anm. 1) Nr. 62; Jankowiak/Booth, A New Date-List (s. Anm. 15), Nr. 58. 38 Edition: Neil, Popes (s. Anm. 27) 166‒233; Zur Narratio vgl.: ebd., 95‒103; Winkelmann, Streit (s. Anm. 1) Nr. 138. 39 Ediert von: Pauline Allen/Bronwen Neil (Hgg.), Scripta saeculi VII vitam Maximi Confessoris illustrantia, una cum latina interpretatione Anastasii Bibliothecarii iuxta posita (CCSG 39), Turn-

1 Die Quellen der Apologia Honorii Papst Iohannes’ IV.

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Dass es sich bei allen Texten um Übersetzungen des Anastasius aus dem Griechischen handelt, ist bei den Briefen der Päpste (1.5.6) auffällig und bedeutet, dass der Bibliothecarius Romanae Ecclesiae diese Briefe nicht im päpstlichen Archiv gefunden hat. In seinem Brief an Iohannes Diaconus fällt die kryptische Bemerkung, dass ihm die Apologia Honorii nach seiner Übersetzung der Chronographia tripartita40 „in die Hände gefallen“ sei.41 Dass hier die Rückübersetzung aus dem Griechischen einer besonderen Begründung bedarf, hat Anastasius offensichtlich selbst empfunden. Denn im selben Brief bestätigt er ausdrücklich die Authentizität der Brieftexte, indem er argumentiert, dass die hinter dem griechischen Text festzustellende latina eloquentia es offensichtlich mache, dass die Briefe nicht auf Griechisch, sondern in lateinischer Sprache diktiert worden seien.42 Darüber hinaus verweist er auf ältere Präzedenzfälle, in denen päpstliche Briefe im lateinischen Original verlorengegangen seien und nur ex Graecorum post fonte librorum wiedergewonnen werden konnten.43 Mit dieser Argumentation ist (96) natürlich über die Authentizität der Textgestalt dieser Briefe nichts Abschließendes gesagt. Daneben existiert eine arabische Überlieferung der Apologia Honorii in doppelter Gestalt. Eine bereits länger bekannte arabische Fassung bietet der Codex Vaticanus syriacus 130, fol. 74r‒84r in syrischer Schrift (karšūnī). Joseph Schacht hatte bereits im Jahre 1936 davon ein Faksimile mit deutscher Übersetzung und einer Einleitung publiziert.44 Ausweislich des Kolophon (fol. 218) wurde diese Handschrift im Jahre 1690 von dem Maroniten Yūḥannā ibn Zinda aus Aleppo geschrieben.45 Hubert Kaufhold verdanke ich die Auskunft, dass

hout/Leuven 1999. Zum Charakter dieser von den Herausgeberinnen „Documenta biographica“ genannten Quellen vgl.: Heinz Ohme, Maximos Homologetes (†662): Martyrium, Märtyrerbewusstsein, „Martyriumssucht“?, in: ZAC 20 (2016), 306–346. 40 Vgl. dazu: Laehr, Briefe und Prologe (s. Anm. 28), 432–435; Neil, Popes (s. Anm. 27) 66–67. 41 Anastasius Bibl., ep. ad Iohannem diac. (MGH Epp. VII, 423,33 Perels/Laehr); Neil, Popes (s. Anm. 27), 150,15: ad manus nostras uenire contigit. 42 Anastasius Bibl., ep. ad Iohannem diac. (MGH Epp. VII, 426,13 Perels/Laehr); Neil, Popes (s. Anm. 27), 160,56. 43 Anastasius Bibl., ep. ad Iohannem diac. (MGH Epp. VII, 426,3–8 Perels/Laehr); Neil, Popes (s. Anm. 27) 160,6–14. Die beiden dafür genannten Beispiele sind (1.) ein Brief Papst Felix III. (483‒492) mit dem Urteil gegen Petrus Fullo; (2.) das Vorwort Rufins zu den Ps.Clementinischen Rekognitionen an Gaudentius. Mit dem ersten ist wohl ep. 3, 4 oder 5 gemeint (PL 58,904–921); zu 2. vgl.: Clementina, Recognitiones Rufino interprete, Prologus 2.8‒9 (GCS 51,1–5 Rehm/Paschke). 44 Joseph Schacht, Der Briefwechsel zwischen Kaiser und Papst von 641/2 in arabischer Überlieferung, in: Or 5 (1936), 229–268. 45 Stephanus et Josephus Assemani, Bibliothecae Apostolicae Vaticanae Codicum Manuscriptorum Catalogus III, Rom 1759, (192‒196) 196; Georg Graf, Geschichte der christlichen arabi-

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der Codex Aleppinus Metropolis Maronitarum Nr. 197 aus dem Jahre 1688 identischen Inhalts ist, aber nicht jene bei Anastasius Bibliothecarius überlieferten Textpassagen auslässt, die Schacht im Vaticanus syr. 130 festgestellt hatte.46 Diese Textlücken gehen also auf ein Versehen des Schreibers des Vaticanus zurück. Bei beiden maronitischen Codices handelt es sich um kanonistische Sammelhandschriften. Sie enthalten die sieben ökumenischen Synoden einschließlich des Quinisextums (691/2) sowie das Concilium Florentinum (1439) als „Achtes Ökumenisches Konzil“, weiterhin die altkirchlichen Lokalsynoden und von den Nomoi das sog. Syrisch-römische Rechtsbuch47 und den Procheiros Nomos von (870‒879?) 907.48 Mit diesem Bestand an Kanones und Nomoi, inbesondere aber wegen des Quinisextums und der Nomoi handelt es sich um arabische melkitische Kanonessammlungen, die von den Maroniten übernommen und in konfessionsspezifischer Weise um das Florentinum ergänzt wurden, an dem sie teilgenommen hatten. Damit ist die ältere Ansicht hinfällig, die dem Schreiber des Vaticanus auch die materiale Zusammenstellung der Handschrift zum persönlichen Gebrauch (97) zugewiesen hatte.49 Die Apologia Honorii wird in diesen Handschriften in folgendem Kontext überliefert: VI. Synodus sexta; I. Historia Synodi sextae; II. Epistola prima Johannis Papae ad Constantinum et Heraclium fratres Impp.; III. Eorundem Imperatorum Constantini et Heraclii Responsio ad Epistolam Iohannis Papae; IV. Epistola Theodori Papae ad Constantinum Imp.; V. Symbolum Synodi. VII. Canones Trullani, sextae Synodo afficti, numero CII.50

Der Brief Papst Iohannes’ IV. wird hier also dem VI. Ökumenischen Konzil (680/1) und seinen Kanones zugeordnet, die allein in päpstlicher Tradition durch die Assemani-Brüder im Katalog mit einer eigenen Zählung als angeblich

schen Literatur III, Vatikanstadt 1949, 381–382; Hubert Kaufhold, Sources of Canon Law in the Eastern Churches, in: Wilfried Hartmann/Kenneth Pennington (Hgg.), The History of Byzantine and Eastern Canon Law to 1500, Washington D.C. 2012, (215–342) 263. 46 Schacht, Briefwechsel (s. Anm. 44) 240 Anm. 3, 243 Anm. 7, 245 Anm. 1. Hubert Kaufhold hat den Codex vor Jahren in Aleppo unter Autopsie beschrieben (schriftliche Mitteilung vom 16. Februar 2016). 47 Walter Selb/Hubert Kaufhold, Das Syrisch-römische Rechtsbuch I–III, Wien 2002. 48 Andreas Schminck, Studien zu mittelbyzantinischen Rechtsbüchern, Frankfurt am Main 1986, 55–107; Spyros Troianos/Dieter Simon/Silvia Neye, Die Quellen des byzantinischen Rechtes, Berlin 2017, 196–200. 49 Carlo Alfonso Nallino, Libri giuridici in versoni arabe cristiana dei sec. XII‒XIII, Rom 1925, 122; Graf, Geschichte (s. Anm. 45) 381‒382. Diese Information verdanke ich Hubert Kaufhold, der diese Ansicht schon früher in Frage gestellt hatte. 50 Assemani, Catalogus (s. Anm. 45) 194 (ff. 71v–116). Derselbe Inhalt steht im Aleppiner Codex auf den ff. 39v–77r.

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dem VI. Konzil „angedichtet“ davon abgetrennt werden, in der östlichen Tradition aber Kanones des VI. Konzils sind.51 Er wird weiterhin von einer kurzen historischen Einleitung zum III. Constantinopolitanum, dem Antwortschreiben der Kaiser52 an Papst Iohannes, sowie dem Schreiben Papst Theodorus I. an Kaiser Konstans II.53 und dem Horos („Symbolum“) der Synode begleitet. Michel Breydy hat 1983 darauf hingewiesen, dass derselbe Text wie im Vat. syr. 130 sich auch „dans les collections arabes melchites“ findet. Er nennt ff. Codices: Oxford Bodleianus arab. 36, Vaticanus arab. 150 und Vaticanus arab. 631,54 ohne ihnen weitere Beachtung zu schenken. Aus den Angaben des Kataloges von Alexander Nicoll55 ergibt sich, dass der Cod. Bodl. arab. 36 zwischen 1398 und 1408 im Erzbistum Sinai entstanden ist.56 Es handelt sich ebenfalls um eine kanonistische (98) Sammelhandschrift, die die sieben ökumenischen Synoden, die altkirchlichen Lokalsynoden, Väterkanones und Nomoi enthält. Zum VI. Ökumenischen Konzil meldet Nicoll: 27. Liber Epistolarum omnium Concilii sexti ex Oecumenicis (Cpolitani III), in quo Patres Episcopi ducenti octoginta novem contra Sergium et Cyrum congregati erant: fol. 206v.28. Canones Concilii sexti Oecumenici numero CI. fol. 218v.57

Die Briefe stehen nach Breydy58 auf fol. 207r‒218r, so dass davor die historische Einleitung stehen wird. Es handelt sich also abgesehen vom nicht enthaltenen

51 Heinz Ohme (Hg.), Concilium Constantinopolitanum a. 691/2 in Trullo habitum (Concilium Quinisextum) (ACO ser. II 2,4), Berlin/Boston 2013, Einleitung LXIII–LXXIII. 52 Dölger/Müller, Regesten (s. Anm. 7) Nr. 221. Die Angabe der Assemani-Brüder ist hier unzutreffend. Der Antwortbrief stammt von Kaiser Konstans II. S. u. Anm. 82–85. 53 Winkelmann, Streit (s. Anm. 1) Nr. 77. 54 Michel Breydy, Études sur Sa’īd ibn Batrīq et ses sources (CSCO 450 Subs. 69), Louvain 1983, 77 mit Anm. 5. 55 Alexander Nicoll, Bibliothecae Bodleianae Codicum Manuscriptorum Orientalium Catalogi II/1, Oxford 1821, 32–37. 56 Eine Inschrift auf fol. 3v eines Kleriker Markos des Erzbistums Sinai vom Jahre 1408 berichtet, dass der Codex dem Protos Fakhreddula gehört habe und jetzt „der Kirche unserer Herrin in der Stadt Kairo“ übergeben wurde. Die Hs. enthält eingangs die Narratio eines ägyptischen Presbyters Joseph, der im Jahr 1398 ordiniert wurde. Vgl.: Nicoll, Catalogi (s. Anm. 55), 32 Anm. b; 33 mit Anm. a. 57 Nicoll, Catalogi (s. Anm. 55), 36. Die angegebene Teilnehmerzahl – wie häufig in der handschriftlichen Überlieferung ‒ trifft nicht zu. Vgl. Rudolf Riedinger, Die Präsenz- und Subskriptionslisten des VI. oekumenischen Konzils (680/1) und der Papyrus Vind.G.3 (ABAW.PH NF 85), München 1979. Die Zählung der Kanones des Quinisextums schwankt häufig. Die Angabe „Epistolarum omnium concilii sexti“ ist nicht wörtlich zu nehmen. 58 Breydy, Études (s. Anm. 54) 77 Anm. 5.

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7 Wer hat den Dyotheletismus erfunden?

Horos von 681 um eine sehr ähnliche Textzusammenstellung zum VI. Konzil in einem eindeutig melkitischen Codex. Bei dem Vat. arab. 150 handelt es sich um einen Nomokanon der alexandrinischen koptischen Kirche aus dem Jahre 1332.59 Auf fol. 130 hat eine andere Hand iuxta arabicam Melchitarum editionem weitere Texte der ökumenischen Synoden III‒VII hinzugefügt.60 Dies sind auf fol. 136‒154: 4. Synodus sexta oecumenica, nempe constantinopolitana tertia, adversus Sergium et Pyrrhum, cui interfuere CCLXXXIX episcopi, a quibus conditi canones XCV. Inseruntur: 1. Epistola Iohannis patriarchae romani ad Constantinum et Heraclium imperatores. 2. Historia Cyri haeresiarchae. 3. Rescriptum Constantini imp. ad Iohannem papam. 4. Theodori patriarchae armenii epistola ad Constantinum imperatorem. 5. Symbolum fidei ad eadem synodo editum.61

Die aus melkitischer Tradition hier aufgenommenen Texte zum VI. Konzil sind identisch mit den o. g. Codices. Anscheinend hat der koptische Abschreiber die Kanones des Quinisextums mangels Bedarf weggelassen, obwohl sie in der Überschrift enthalten sind,62 und die historische Einleitung an die zweite Stelle (99) gerückt. Diese Tradition ist in weiteren arabischen melkitischen Handschriften enthalten. Dazu gehören der Cod. Vat. arab. 631,63der die genannten Texte auf fol. 78r‒91r enthält,64 und der Cod. Vat. Barberinianus orientalis 111 (a.1308).65 Es ist also festzuhalten, dass eine arabische Tradition der Apologia Honorii im Kontext kanonistischer Sammelhandschriften erfolgt ist. Sie begegnet in maronitischen, koptischen und melkitischen Handschriften, ist aber selbst melkitischer Herkunft. Ihr Merkmal ist, dass sie eingebunden ist in eine

59 Angelo Mai, Scriptorum Veterum Nova Collectio e Vaticanicis Codicibus edita IV, Rom 1831, 278–283. Auf fol. 128 steht ein Kopistenvermerk, der den Abschluss der Abschrift für 1332 bezeugt (ebd., 281). 60 Mai, Collectio IV (s. Anm. 59), 282. 61 Mai, Collectio IV (s. Anm. 59), 282. 62 Auch hier findet sich für das VI. Konzil dieselbe falsche Teilnehmerzahl wie im Bodl. arab. 36. Die falsche Zahl der Kanones des Quinisextums wird auf einem Schreibfehler der handschriftlichen Tradition beruhen, zumal die Kanones selbst nicht überliefert werden. Die Bezeichnung von Papst Theodorus als „armenischer Patriarch“ ist ein Kopistenfehler. 63 Über ihn lässt sich anhand von Mai, Collectio IV (s. Anm. 59), 570, nur soviel sagen, dass es sich ebenfalls um eine kanonistische Sammelhandschrift handelt, die nur die Kanones der Synoden von Nicaea (315), Serdika (342), Ephesus (431), Konstantinopel (680/81) und Karthago enthält. Alle gehören zum Bestand griechischer Kanonessammlungen der byzantinischen Tradition. Vgl.: Heinz Ohme, Sources of the Greek Canon Law to the Quinisext Council (691/2): Councils and Church Fathers, in: Hartmann/Penington, History (s. Anm. 45) 24–114. 64 Breydy, Études (s. Anm. 54), 77 Anm. 5. 65 J.-B. Darblade, La collection canonique arabe des Melkites 13.‒17.s. (Fonti ser. II/13), Harissa (Libanon) 1946, 15‒17.109. Diesen Hinweis verdanke ich Hubert Kaufhold.

1 Die Quellen der Apologia Honorii Papst Iohannes’ IV.

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ergänzende Überlieferung von weiteren Texten zum VI. Ökumenischen Konzil, die sich ebenfalls auf Honorius beziehen, aber nicht zum Aktenbestand der Synode gehören. Daneben existiert der Brief Papst Iohannes’ IV., die Antwort Kaiser Konstans’ II. und der Brief Papst Theodorus’ I. an Kaiser Konstans II. in einer ausführlich paraphrasierenden Form in den Annalen des melkitischen Patriarchen von Alexandrien, Eutychios (Sa’īd ibn Batrīq; 877‒940; sedit 933‒940).66 Breydy hat die Annalen nach dem Codex Sinaiticus arab. 582 (s. X) ediert, den er für das Autograph des Eutychios hält, und mit einer deutschen Übersetzung versehen. Allerdings enthält dieser Codex nicht die genannten Texte zum VI. Konzil. Breydy nimmt deshalb an, dass die Texte zum VI. Konzil erst in der sog. „antiochenischen Rezension“ der Annalen eingearbeitet wurden, als im 11. Jahrhundert „Yaḥya ibn Sa’id das Werk umarbeitete und es in dem von den Byzantinern neu eroberten Antiochia im (sic!) Umlauf brachte. Es wurde immer mehr umgearbeitet, mit neuen Auszügen bereichert und handschriftlich vervielfacht.“67 Diese Rezension findet sich in einer „unbegrenzten Zahl von Handschriften“.68 Eine kritische Ausgabe hat Louis Cheikho (100) 1909 vorgelegt.69 Alexander D. Beihammers Charaktisierung dieses Eutychiostextes der Apologia Honorii ist zuzustimmen: „Die arabische Fassung des Schreibens bei Eutychios läßt sich im Vergleich zur lateinischen Version als frei gestaltete und manchmal durch Interpolationen inhaltlich veränderte Kurzfassung des Volltextes charakterisieren, welche jedoch sowohl den Aufbau als auch einzelne Formulierungen des zugrundeliegenden Originals weiterhin klar erkennen lässt.“70

66 Michel Breydy, Das Annalenwerk des Eutychios von Alexandrien (CSCO 471/472. Scriptores arabici, 44.55), Louvain 1985, CSCO 471, VI; PMBZ, Nr. 21977. 67 Breydy, Études (s. Anm. 54), 78; Ders., Annalenwerk (s. Anm. 66), IX. Zu Yaḥya ibn Sa’id: PMBZ, Nr. 28459. 68 Breydy, Annalenwerk (s. Anm. 66), beschreibt sie auf S. XIV–XXIII. Sie gehören alle ins 13.–18. Jahrhundert. 69 Louis Cheikho, Eutychii Patriarchae Alexandrini Annales I.II (CSCO 50.51), Beyrouth 1906.1909; II, 28,11‒32,6. Eine deutsche Übersetzung dazu bietet Schacht, Briefwechsel (s. Anm. 44) 252–257. Cheikho hat seiner Edition die von Edward Pocock erstellte lateinische Übersetzung der Erstausgabe (Oxford 1658/59) beigefügt, deren Abschnitt zum VI. Konzil sich in PG 111,1109A–1110D findet. 70 Alexander D. Beihammer, Nachrichten zum byzantinischen Urkundenwesen in arabischen Quellen (565‒811), (Poikila Byzantina 17), Bonn 2000, 248. Zu Eutychios vgl. auch ebd., XXXIV–XXXIX. Bei seiner Kommentierung der drei o. g. Texte unter Reg. 204.232.233 berücksichtigt Beihammer allerdings nur die antiochenische Rezension des Eutychios und Anastasius Bibliothecarius. Die kanonistische arabische Tradition kennt er nicht, selbst der von Schacht 1936 herausgegebene Vat. syr. 130 sei ihm „leider nicht einsehbar“ gewesen (ebd., 247). So sind Beihammers Bemerkungen für unsere Untersuchung nicht weiterführend.

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7 Wer hat den Dyotheletismus erfunden?

Joseph Schacht ist bei seiner Analyse des Vat. syr. 130 und des Eutychiostextes der antiochenischen Rezension zu folgender Feststellung gelangt: „Die arabische Sprachform zeigt deutliche Spuren eines griechischen Originals“. “Von einer syrischen Zwischenstufe […] sind keine sicheren Spuren aufgefallen.“71 Beide Paralleltexte gehen nach ihm „zweifellos“ „auf eine gemeinsame arabische Quelle zurück“, die „nicht später als etwa 900 sein“ kann.72 Nach unseren bisherigen Beobachtungen zur Quellenlage kann man ergänzen, dass dies eine melkitische arabische Quelle war, in der eine im byzantinischen Kontext entstandene Ergänzung zum VI. Ökumenischen Konzil aus einer griechischen kanonistischen Sammelhandschrift ins Arabische übertragen wurde. Wann dies erfolgt ist, wird sich nicht mehr genau feststellen lassen. Jedenfalls muss die arabische Fassung bei der Umarbeitung der Annalen des Eutychios im zurückeroberten byzantinischen Antiochien des 11. Jahrhundert bereits in der dortigen handschriftlichen melkitischen Tradition verankert gewesen sein. Festzuhalten ist auch, dass es sich bei dieser handschriftlichen kanonistischen Tradition um ein außergewöhnliches Phänomen handelt, das anscheinend nur in der arabischen Überlieferung erhalten ist. Denn in der äußerst umfangreichen Überlieferung griechischer kanonistischer Handschriften ist diese (101) Ergänzung zum VI. Konzil bislang nicht aufgetaucht.73 Man wird also sagen können, dass diese Ergänzungen nur in einem begrenzten Bereich byzantinischer kanonistischer Handschriften vorgenommen wurden. Damit steht die Frage im Raum, wann, wo und mit welchem Interesse dies erfolgt ist. Von der Apologia Honorii Papst Iohannes’ IV. existiert also weder das lateinische Original noch der griechischen Text, der der Rückübersetzung des Anastasius Bibliothecarius zugrunde gelegen hat. Daneben existiert aber eine noch später entstandene arabische Überlieferung, in der Tat ein „caso unico in tutta la storia papale.“74 Von dem Antwortschreiben Kaiser Konstans I. und dem Brief Papst Theodorus’ an Konstans II. gibt es weder das jeweilige Original noch die jeweilige Übersetzung ins Griechische oder Lateinische, sondern allein die arabische Überlieferung in den genannten zwei Fassungen. Umso erstaunlicher ist es, dass die deutsche Übersetzung des arabischen Textes der Apologia Honorii im Vat. syr. 130 durch Schacht mit der lateinischen Rückübersetzung

71 Schacht, Briefwechsel (s. Anm. 44), 230. 72 Schacht, Briefwechsel (s. Anm. 44), 233. 73 Der Text des Concilium Quinsextum wurde für die kritische Edition z. B. in 218 Handschriften erfasst. Vgl.: Ohme, Concilium Constantinopolitanum a. 691/2 in Trullo habitum (s. Anm. 51) Einleitung, IX–XVI. 74 Pietro Conte, Il Sinodo Lateranense dell’ottobre 649 (Collezione Teologica 3), Vatikan 1989, 109.

2 Der Text der Apologia Honorii Papst Iohannes’ IV.

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des Anastasius Bibliothecarius durchaus vergleichbar ist und erhebliche Sinnabweichungen kaum festzustellen sind.

2 Der Text der Apologia Honorii Papst Iohannes’ IV. Die auf den ersten Blick inhaltlich weitgehend übereinstimmenden drei Überlieferungsstränge der Apologia Honorii hat Marek Jankowiak als „a coherent text“ bezeichnet,75 auf dessen Grundlage er dann seine oben genannte These entwickelt und gleichzeitig in die Klage der inneren Widersprüche des Textes einstimmt. Wir werden im Folgenden die Authentizität des Textbestandes dieses Briefes prüfen, ohne allerdings in eine philologische Untersuchung des Wortlautes im engeren Sinne eintreten zu wollen. Dies muss einer von orientalistischer Seite zu erstellenden kritischen Edition vorbehalten bleiben. Für unsere Zwecke ist es ausreichend, den unterschiedlichen Textbestand anhand des Textes von Anastasius Bibliothecarius und der lateinischen und deutschen Übersetzungen der arabischen Traditionen zu erheben und nach den Ursachen der Unterschiede zu fragen. (102) Fragt man nach dem äußeren Textbestand, so ist zu berücksichtigen, dass Anastasius Bibliothecarius bei etlichen Texten seiner Collectanea nur Exzerpte bietet. Neben den offensichtlichen Textauszügen bei den oben aufgelisteten76 Texten 2‒4 und 7 sind von Bronwen Neil auch die Papstbriefe der Collectanea in gleicher Weise als „Auszüge“ bezeichnet worden.77 Aus den Angaben des Anastasius Bibliothecarius lässt sich dies allerdings nicht erschließen. Denn Anastasius notiert in seinem Schreiben an Iohannes Diaconus ausdrücklich, bei welchen Texten es sich um Textauszüge handelt, eben bei den Texten 2‒4 und 7.78 Bei der gemeinsamen Erwähnung der Papstbriefe tut er dies nicht.79 Und hinsichtlich des Briefes von Papst Iohannes IV. unterscheidet er sogar deutlich zwischen „der bereits erwähnten Apologie des Papstes Iohannes für Honorius“ und der „Apologie, die aus dem Brief des Maximos […] exzerpiert wurde“.80 Bei den Briefen des Theo75 Jankowiak, Invention (s. Anm. 21), 339: „Luckily, these three different traditions yield a coherent text“. 76 S. o. S. 94–95. 77 Ohne nähere Begründung bezeichnet sie auch diese als „Extract“ A, E, F. Vgl. Neil, Popes (s. Anm. 27) 73–75. 78 Vgl. Anastasius Bibl., Epistula ad Iohannem diac. (MGH Epp. VII, 425,12–13.19.19–21; 426,9–10 Perels/Laehr); Neil, Popes (s. Anm. 27) 156,24; 158,7–10; 160,14–16. 79 Anastasius Bibl., Epistula ad Iohannem diac. (MGH Epp. VII, 425,31 426,1 Perels/Laehr); Neil, Popes (s. Anm. 27) 160,1–4. 80 Anastasius Bibl., Epistula ad Iohannem diac. (MGH Epp. VII, 425,11–13 Perels/Laehr); Neil, Popes (s. Anm. 27) 156,20–24: Sume igitur iam memoratam Iohannis papae pro Honorio apolo-

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7 Wer hat den Dyotheletismus erfunden?

dorus fehlen offensichtlich Superscriptio und Subscriptio sowie das Prooemium, bei der lateinischen Fassung der Apologia Honorii nur Superscriptio und Subscriptio;81 in der arabischen Fassung ist auch die Superscriptio erhalten.82 Man wird also deutlich zwischen den nur fragmentarisch erhaltenen, weil von Anastasius Bibliothecarius exzerpierten Texten und dem Textbestand der von ihm übersetzten Papstbriefe unterscheiden müssen. Im Verlauf der Überlieferung im Abstand von Jahrhunderten zum Abfassungszeitpunkt ist es nun meines Erachtens zu einer Fortschreibung dieser Texte gekommen. Ich will dies zuerst an dem Antwortschreiben Kaiser Konstans’ II. an Papst Iohannes vom Sommer 642 in der Fassung des Vat. syr. 130 und bei Eutychios deutlich machen.83 (103) Nach dem Vat. syr. 130 hat der Kaiser „die Darlegung deiner seligen Vaterschaft“ im „großen Rat“ in Anwesenheit des Patriarchen Paulos II. verlesen lassen. „Und wir alle freuen uns einmütig und anerkennen (sie) und glauben an sie ohne Meinungsverschiedenheit.“84 Der Patriarch habe bereits Schreiben gesandt, „die mit diesen deinen Worten übereinstimmen.“ Nun befehlen wir in unserem ganzen Reiche, dass in die Kirche keine Neuerung und keine unrichtige Ansicht eindringe.“ „Wenn aber etwas Unrichtiges und der Lehre der heiligen Väter Widersprechendes festgesetzt worden sein sollte, sei es die Häresie des Dekretes eines Königs oder in einer anderen Weise, in diesen vergangenen Jahren oder seit kurzer Zeit […], so schaffen wir es aus unserem Reich ab und heben es auf.85

Diesen Worten kann man entnehmen, dass das päpstliche Schreiben eine Entfaltung der Christologie vorgenommen hat, der man in Konstantinopel zuzustimmen bereit war, was der Patriarch auch bereits brieflich bestätigt habe. Die kaiserliche Antwort bezeugt weiterhin ein Interesse am Konsens mit der römischen Kirche, das jede Neuerung ‒ selbst wenn sie von kaiserlicher Seite formuliert worden sein sollte ‒ zurückzunehmen bereit ist. Diese Bereitschaft wird allerdings deutlich konditioniert formuliert.

giam, sume etiam et pro eodem ipso apologiam ex epistola Maximi […] diffloratam.“ Gemeint ist Opusc. theol. et pol. 20, s. o. Anm. 17 und 32 (Collectanea Nr. 2). 81 So auch: Pietro Conte, Chiesa e primato nelle lettere dei papi del secolo VII, Mailand 1971, 427–429 (Nr. 99). 82 Schacht, Briefwechsel (s. Anm. 44), 235 (fol. 74aI). 83 Dölger/Müller, Regesten (s. Anm. 7), Nr. 221. Cod. Vat. syr. 30, fol. 80bII–82aII (Schacht 246–249); Eutychios, Annales (Cheikho II 31,5–11; Schacht 256); Winkelmann, Streit (s. Anm. 1), Nr. 75; Beihammer, Nachrichten (s. Anm. 70), Reg. 232. 84 Deutsche Übersetzung: Schacht, Briefwechsel (s. Anm. 44), 247. 85 Deutsche Übersetzung: Schacht, Briefwechsel (s. Anm. 44) 248–249.

2 Der Text der Apologia Honorii Papst Iohannes’ IV.

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Bei Eutychios ist daraus Folgendes geworden: Wir haben deine Ermahnung, o Heiliger, erhalten. Wir bekennen und glauben zwei Naturen, zwei Willen und zwei Tätigkeiten unseres Herrn und Messias, aber eine Person und verfluchen den, der davon abweicht. Wir glauben an das, was die 630 Bischöfe, die in der Stadt Chalkedon zusammengekommen sind, gesagt haben und verfluchen den, den sie verflucht haben. Wir haben uns nach deinem Befehl über die Verbrennung der Urkunde, in der Leo […] und die chalkedonische Synode angegriffen werden, gerichtet und sie mit Feuer verbrannt. Wir beharren auf deiner Lehre, die die Lehre der Wahrheit ist.86

Während in der ausführlichen Brieffassung im Vat. syr. 130 gar keine inhaltliche Angabe zu der Lehre des Papstes gemacht wird, der man einmütig zugestimmt habe, wird hier mit einer typischen späteren Kurzformel87 ein dyotheletisches und dyenergetisches Bekenntnis formuliert, wie es von der Lateransynode von 649 und (104) dann vom VI. Konzil formuliert wurde. In derselben Tradition wird dieses Bekenntnis als Bestätigung des Chalcedonense und des Tomus Leonis betrachtet und ohne jede Konditionierung die infrage stehende „Urkunde“ verbrannt. Damit liegt hier nicht einfach nur eine „Kurzfassung“ des kaiserlichen Briefes vor, sondern eine wesentlich Veränderung seines Inhaltes, die sich meines Erachtens von daher erklärt, dass man sich in späterer Zeit eine Übereinstimmung in der Lehre mit dem Papst nur in Gestalt des dyotheletischen Dogmas von 680/1 vorstellen konnte einschließlich der auf dem VI. Konzil angeordneten Vernichtung aller monotheletischen Schriften.88 Festzuhalten bleibt, dass in dem authentischen Brief Papst Iohannes’ IV. an Kaiser Konstans II. eine Christologie entfaltet wurde, der man in Konstantinopel meinte zustimmen zu können. Die überlieferte Textgestalt aber schließt dies ‒ wie wir sehen werden ‒ aus. Eine Fortschreibung ist nun auch beim Text der Apologia Honorii zwischen der Fassung des Anastasius Bibliothecarius und dem Vat. syr. 130 zu beobachten. Joseph Schacht hatte ohne jede inhaltliche Argumentation aus der Beobachtung, dass der Text des Vaticanus „ausführlicher“ sei als Anastasius, die Konsequenz gezogen, dass „es deutlich A(nastasius) (ist), der kürzt“.89 Dem ist

86 Deutsche Übersetzung: Schacht, Briefwechsel (s. Anm. 44), 256; PG 111, 1111A14–B12. 87 Vgl. z. B.: Vita Martini I. papae 13 (BHG 2259; 262 Peters); Synopsis de haeresibus et synodis 24 (85,37–38 Uthemann); Synodicon vetus 141 (118,14 Duffy/Parker); Lars M. Hoffmann/Wolfram Brandes (Hgg.), Eine unbekannte Konzilsynopse aus dem Ende des 9. Jahrhunderts (FBRG 30, Frankfurt/M. 2013, 174, 21–22. 88 Auf der 13. Sitzung hat die Synode dies selbst durchgeführt: ACO ser. II 2,2 p.626,11–19 (Ried.). 89 Schacht, Briefwechsel (s. Anm. 44), 231.

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nicht zuzustimmen. Man muss vielmehr jede einzelne Textdifferenz zwischen beiden Überlieferungen befragen, ob sich nachvollziehbare Gründe für Kürzungen oder Ergänzungen benennen lassen, um sich so der ursprünglichen Textgestalt anzunähern. Je ein Beispiel für eine Kürzung des Textes durch Anastasius Bibliothecarius und eine Ergänzung im Vaticanus soll dies verdeutlichen. Eine Kürzung des Textes hat Anastasius Bibliothecarius meines Erachtens am Anfang des Briefes vor der eingangs bereits zitierten90 Stelle vorgenommen, an der Iohannes auf die im Westen entstandene große Aufregung hinweist, die durch den Brief (litterae) des Pyrrhos und seine Inanspruchnahme des ersten Honoriusbriefes hervorgerufen wurde. Hier fehlt bei Anastasius folgende Textpassage: Daher wünsche ich von euch, dass ihr die besten und vorzüglichsten Gebete zur Klärung dieses Zweifels aussprecht […]; denn hier ist eine Trübung vorgefallen, die geläutert werden muss, damit es die verständigen Leute, die darüber nachdenken, verstehen, sodass die Wahrheit wieder die Oberhand gewinnt, wie es anfänglich der Fall war. Ich habe nämlich die Meinungsverschiedenheit erfahren, die unter den Leuten des Westens herrscht, (105) und die Zweifel, die zwischen ihnen vorgefallen sind.91

Die Freimütigkeit, mit der Iohannes hier über Meinungsverschiedenheiten „im Westen“ spricht ‒ über die Position des Pyrrhos und wohl auch über die Berechtigung der Inanspruchnahme des Honoriusbriefes durch ihn ‒, scheint den noch darzustellenden Intentionen des Anastasius Bibliothecarius bei seiner Publikation der Apologia Honorii und der Collectanea nicht entsprochen zu haben. Er hat meines Erachtens diese Passage deshalb einfach weggelassen. Eine offensichtliche Ergänzung des Textes in der arabischen kanonistischen Tradition liegt meines Erachtens am Ende des Briefes vor, wo Iohannes seine Forderungen gegen die von Pyrrhos öffentlich aufgehängte charta ‒ gemeint ist die Ekthesis92, zu deren Bestätigung er die oben erwähnte Synode durchgeführt hatte ‒ formuliert. Der gemeinsame Text von Anastasius Bibliothecarius und dem Vat. syr. 130 lautet nach der lateinischen Fassung: Wir haben erfahren, dass ein gewisses Dokument (charta quaedam) übergeben wurde, das die Priester zu unterschreiben gezwungen wurden und das gegen den Tomus des Papstes Leo seligen Angedenkens und die Synode von Chalcedon gerichtet ist. In diesem Dokument sind gewisse Neuerungen aufgestellt worden, die die kirchliche Lehre als voll-

90 S. o., Anm. 11. 91 Vat. syr. 130, fol. 74aII‒bI; deutsche Übersetzung: Schacht, Briefwechsel (s. Anm. 44) 235‒236. 92 So mit: Winkelmann, Streit (s. Anm. 1), Nr. 69 (S. 98); Dölger/Müller, Regesten (s. Anm. 7), 97 (Reg. 221). Maximos Homologetes bezeichnet die Ekthesis und auch den Typos von 648 ebenfalls als χάρται: Disputatio Maximi cum Pyrrho (PG 91,332AB). Van Dieten, Patriarchen (s. Anm. 1), 61 mit Anm. 11 wollte hier charta auf den Synodalbeschluss der Pyrrhos-Synode beziehen.

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ständig zu widerlegen erkennt.“ (X) Die göttliche Barmherzigkeit möge nun die Kaiser antreiben „als Wächter unseres makellosen Glaubens“ diejenigen, die durch neue Erfindungen verdorben werden „durch kaiserliche Strafen (imperatoriis sanctionibus) abzuwehren und anzuordnen, dass jenes Dokument, das sich zu einem Ärgernis für den Glauben entwickelt und an öffentlichen Orten aushängt, abgenommen und zerrissen wird.93

An der von mir mit (X) markierten Stelle hat der Vaticanus zusätzlich folgende umfangreiche Passage: (106) Denn man beabsichtigt damit eine Veränderung des wahren Glaubens, den der heilige Geist durch den Mund der Väter ausgesprochen hat. Nun möge euch die göttliche Barmherzigkeit […] eingeben […] und möge euch der göttliche Eifer antreiben, wie der durch die Gnade gekrönte Prophet David sagt, in dem er folgendermaßen spricht: ‚Bin ich nicht gegen deine Widersacher, o Herr, zornig geworden und habe ich mich nicht im Grimm gegen deine Feinde aufgerieben‘ (Ps 139,21). Und ebenso hat der eifernde Prophet Elias in der Hitze seines Eifers zum Herrn gesagt: ‚Mit Eifer habe ich geeifert für den Herrn Zebaoth, der das All überwacht; denn deine Propheten haben sie getötet, deine Altäre zerstört und deine Tempel niedergerissen. Ich allein bin übriggeblieben und auch nach meinem armen Leben haben sie getrachtet‘ (1Kön 19,10). Durch diesen Eifer hat er die falschen Propheten der Isebel getötet, durch diesen Eifer hat er die drei Heerführer des Königs Achab, die Anführer von Hundertschaften, getötet und die 150 Männer mit Feuer verbrannt, durch diesen Eifer hat er den Himmel verschlossen, dass er keine Regen fallen liess und von ihm kein Tau auf das Antlitz der Erde herabkam. So geziemt es sich nun, dass man mit den Häretikern verfahre, die in der Kirche eine fremde Lehre und eine neue Gewohnheit lehren, ähnlich wie die Lehre der falschen Apostel, weil sie nach dem Untergang der Herde des Messias streben.94

Die in der arabischen Tradition überlieferte Fortschreibung des Textes hat die „göttliche Barmherzigkeit“ mit dem „göttlichen Eifer“ als Motiv geforderten kaiserlichen Handelns ergänzt und das Motiv des Eifers vor allem am Beispiel des Propheten Elia zum Handlungsmuster erhoben. Dadurch ist eine deutliche Verschärfung in der päpstlichen Forderung erfolgt. Während der lateinische Text fordert, durch Strafen die „Neuerer“ abzuwehren, das Dokument abzunehmen und außer Kraft zu setzen, unterstellt der Text des Vaticanums eine absichtliche

93 Anastasius Bibl., Collectanea (PL 129, 566A11‒B8): Comperimus autem quod charta quaedam mandata sit, in qua sacerdotes subscribere coacti sunt contra tomum beatae memoriae papae Leonis et Chalcedonensium synodum: in qua charta quaedam sunt per novitatem composita, quae dogma ecclesiasticum refutare omnino dignoscitur. (X) Inspiret ergo divina clementia Christianissimae pietati vestrae, et cum sitis custodes immaculatae fidei nostrae, vos ad compunctionem incitet, quo eos, qui novis sunt adinventionibus corrumpendi, imperatoribus sanctionibus arceatis, et praedictam chartam, quae in scandalum properat fidei, et locis publicis est suspensa, praecipiatis depositam scindi. = Vat. syr. 130, fol. 79aI‒bII: Schacht, Briefwechsel (s. Anm. 44), 243–245. 94 Vat. syr. 130, fol. 79aII‒bI; deutsche Übersetzung: Schacht, Briefwechsel (s. Anm. 44), 244.

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Verfälschung des Glaubens, bringt die Bezeichnung „Häretiker“ ins Spiel und fordert deren physische Vernichtung nach dem Beispiel der Propheten Isebels. Diese Radikalisierung in der Tonlage setzt eine Entwicklung voraus, die sich erst in den Briefen und Maßnahmen der Nachfolger von Iohannes IV., Theodorus I. (642‒649)95 und Martin I. (649‒653)96 feststellen lässt, die zur Lateransynode von 649 und deren Anathematismen97 geführt haben. Sie ist jedoch nicht vorstellbar im Kontext dieses ersten päpstlichen Protestes gegen die konstantinopolitanische Religionspolitik. Vor allen Dingen aber ist sie völlig inkompatibel mit der eingangs von Iohannes benutzten Anrede des Pyrrhos als „unser Bruder Patriarch Pyrrhos“98 und der Bezeichnung des Sergios als reverendae memoriae patriarcha.99(107) Wie ist nun aber die Widersprüchlichkeit in der theologischen Argumentation der Apologia Honorii zu beurteilen, die im Wesentlichen sowohl bei Anastasius als auch in der arabischen Tradition übereinstimmend überliefert ist? Dazu wird im Folgenden diese Argumentation in ihren zentralen Aussagen strukturell erschlossen, um von daher nach ihrer Authentizität zu fragen. Der Brief Iohannes’ IV. bietet nach eine kurzen Proömium100 und der oben diskutierten Entfaltung seines Anlasses101 einen längeren theologischen Gedankengang, mit dem die als problematisch betrachtete Aussage des ersten Honoriusbriefes über den einen Willen Christi einer „authentischen“ Interpretation unterzogen wird.102 Dieser Gedankengang lässt sich folgendermaßen strukturieren: 103 Honorius wurde von Sergios unterrichtet, dass gesagt werde, in Christus gäbe es zwei entgegengesetzte Willen. Honorius habe darauf geantwortet, dass Christus einer sei

95 PMBZ, Nr. 7769. 96 PMBZ, Nr. 4851. 97 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 2,1 p.364,15–388,31. Vgl. auch: Price, in: Price/ Booth/Cubitt, Acts (s. Anm. 25), 375–384. 98 Iohannes IV. pp., Epistula ad Constantinum Imp. (PL 129,561D1). Bezeichnenderweise hat hier der Vaticanus ‒ unsinnigerweise ‒ den Namen Pyrrhos durch Johannes ersetzt: fol. 74bI (Schacht 236). 99 Iohannes IV. pp., Epistula ad Constantinum Imp. (PL 129,562C4). 100 Iohannes IV. pp., Epistula ad Constantinum Imp. (PL 129,561C1–13; Vat. syr. 130, fol. 74aI-II [Schacht 235]). 101 Iohannes IV. pp., Epistula ad Constantinum Imp. (PL 129,561C13–562C6; Vat. syr. 130, fol. 74aII‒75aI [Schacht 235–236]). 102 Iohannes IV. pp., Epistula ad Constantinum Imp. (PL 129,562 C6–565C12; Vat. syr. 130, fol. 75aI–78bI [Schacht 235–242]). 103 Iohannes IV. pp., Epistula ad Constantinum Imp. (PL 129,562C4–563 A8; Vat. syr. 130, fol. 75aI–bII [Schacht 236–237]).

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(sicut esset monadicus unus), vollkommener Gott und Mensch, uns in allem gleich. Er habe einen menschlichen Leib und eine Vernunftseele angenommen, aber ohne Sünde, „und wollte deshalb einen Willen seiner menschlichen Natur entsprechend der ursprünglichen Bildung der Natur Adams haben.“104 105 Christus habe nicht zwei entgegengesetzte Willen gehabt wie wir sie haben, den einen im Fleisch, den anderen im Geist; ausführliche Begründung mit Röm 5,14; Gal 5,17; Ijob 14,4(LXX); Ps 51,7; 1Kor 15,22; Röm 5,19. Weil Christus der einzige Mittler ohne Sünde ist, war auch in seinem Wirken kein Gegensatz zwischen zwei Willen des Fleisches und des Geistes, sondern ein einheitlicher menschlicher Wille. In diesem Sinn habe Honorius dem Sergios geschrieben. (Verweis auf Röm 7,18‒20,23) 106 „Aber niemand von geringerer Einsicht möge den Vorwurf erheben, warum nur über die menschliche Natur, nicht aber auch über die göttliche Natur zu lehren gewusst wurde, wird Christus doch in zwei in einer Person vereinten Naturen erkannt, angebetet und als vollkommener Gott und Mensch verehrt. Wer darüber streitet, muss jedoch wissen, dass sich die Antwort auf die Anfrage des (108) bereits erwähnten Patriarchen bezog.“107 Denn auch der Apostel Paulus pflegte sich dem jeweiligen Verständnis seiner Zuhörer klug anzupassen (audientibus semet configurat sapienter) und jeweils entweder nur von der Gottheit, dann wieder nur von der menschlichen Natur Christi zu reden; ausführliche Begründung anhand 1Kor 1,24‒25. 108 Nur wir haben zwei entgegengesetzte Willen: ausführliche Begründung mit Eph 2,1‒3; Röm 7,25. „Unser Herr aber wollte einen natürlichen menschlichen Willen annehmen, welchen er in seinem eigenen Fleisch bewegte indem er damit seine Macht als Herr aller demonstrierte, weil ihm doch alles als Gott zu Diensten steht! Und wirklich kannte er keine Sünde, fügte auch keine (Sünde) aus Pflichtverletzung hinzu, weil er allein ohne Sünde und das Vergehen der Pflichtverletzung geboren wurde.“109

104 Iohannes IV. pp., Epistula ad Constantinum Imp. (PL 129, 563A6-8): et idcirco unam voluntatem secundum primam formationem Adae naturalem humanitatis suae Dominus Jesus Christus habere dignatus est. 105 Iohannes IV. pp., Epistula ad Constantinum Imp. (PL 129, 563A9‒564B1; Vat. syr. 130, fol. 75bII–77aI [Schacht 236–240]). 106 Iohannes IV. pp., Epistula ad Constantinum Imp. (PL 129, 564B1–D7; Vat. syr. 130, fol. 77aI–bI [Schacht 240–241]). 107 Iohannes IV. pp., Epistula ad Constantinum Imp. (PL 129, 564B1‒8): Sed ne quis nonnumquam minus intelligens reprehendat, quamobrem de humana tantum natura, et non etiam de divina natura docere sciatur: etenim Christus in duabus naturis in una persona unitis cognoscitur, adoratur, et colitur Deus et homo perfectus. Debet qui super hoc ambigit scire, quoniam ad hoc facta est responsio ad jam dicti patriarchae interrogationem. 108 Iohannes IV. pp., Epistula ad Constantinum Imp. (PL 129, 564D8–565C5; Vat. syr. 130, fol. 77bI–78aII [Schacht 241–242]). 109 Iohannes IV. pp., Epistula ad Constantinum Imp. (PL 129, 565B14–C5): Dominus autem noster unam voluntatem humanitatis naturalem suscipere dignatus est, quam in propria carne potestative ut omnium Dominus circumferebat, eo quod omnia serviant Deo: nullum profecto habens

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110 „Unser erwähnter Vorgänger lehrte also über das Geheimnis der Menschwerdung Christi, dass in ihm nicht wie bei uns Sündern entgegengesetzte Willen des Geistes und Fleisches existierten. Das haben einige in ihre eigene Ansicht verdreht und geargwöhnt, dass er einen Willen seiner Gottheit und Menschheit gelehrt habe, was der Wahrheit in jeder Hinsicht entgegengesetzt ist.“111

Diese lange Textsequenz unternimmt den Versuch, die Aussage des Honorius von dem einen Willen Christi allein auf dessen menschliche Natur zu beziehen, die im Unterschied zum Menschen unter der Sünde nicht durch einen sich selbst widerstrebenden und insofern entzweiten Willen gekennzeichnet ist. Die dazu herangezogene Lehre von der Annahme der menschlichen Natur, wie sie schöpfungsgemäß vor dem Fall Adams konstituiert war, ist traditionell. Bemerkenswert ist die Betonung der Einheit der Person als Begründung für die Einheit seines Willens in Textsequenz und . Ebenso bemerkenswert ist die in (109) vorgenommene Begründung der mit sich selbst nicht im Widerspruch stehenden Einheitlichkeit des menschlichen Willens Christi von der potestas seiner Gottheit her, der alles zu Diensten steht und durch die es die eine Person Christi ist, die in dem angenommenen Fleisch den einen menschlichen Willen bewegt. Damit wird die Willenseinheit des Menschen Jesus hier nicht von der Natur, sondern von der Person her begründet. Dies ist ein Ansatz, der durchaus dem sog. monotheletischen Denken entgegenkam. Schließlich ist auffällig, dass der Verfasser sich darüber im Klaren ist, dass diese Interpretation des Honoriusbriefes die Frage aufwerfen muss, warum denn nichts von der göttlichen Natur gesagt werde. Es wird deshalb in Textsequenz der Versuch unternommen, die Argumentation des Honorius in Analogie zur Redeweise des Apostel Paulus als situativ bestimmt zu erklären. Die Interpretation der Aussage von dem einen Willen Christi auf beide Naturen sei eine ‒ jetzt durch Pyrrhos erfolgte ‒ Verdrehung dessen, was Honorius gedacht habe, weil es der Wahrheit widerspreche . Damit bietet der Brief auf nicht weniger als 3 Spalten in der Edition der Patrologia Latina einen in sich durchaus kohärenten theologischen Gedanken-

vel afferens ex praevaricatione peccatum, quoniam solus sine peccato et crimine praevaricationis est natus. 110 Iohannes IV. pp., Epistula ad Constantinum Imp. (PL 129, 565C6–12; Vat. syr. 130, fol. 78aII [Schacht 242]). 111 Iohannes IV. pp., Epistula ad Constantinum Imp. (PL 129, 565C6–12): Praedictus ergo decessor mens docens de mysterio incarnationis Christi dicebat, non fuisse in eo, sicut in nobis peccatoribus, mentis et carnis contrarias voluntates. Quod quidam ad proprium sensum convertentes, divinitatis ejus et humanitatis unam eum voluntatem docuisse suspicati sunt, quod veritati omnimodis est contrarium.“

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gang, der die aktuelle Problemlage durchscheinen lässt, auf potentielle Einwände einzugehen bereit ist und vom Ansatz her Verständigungspotential in sich birgt. Dass damit die Aussage des Honoriusbriefes falsch interpretiert wird, steht auf einem anderen Blatt.112 Überdies schlösse sich die oben diskutierte Schlusspassage113 mit den Forderungen zur Ekthesis hier nahtlos an. Der gemeinsame Text bei Anastasius und im Vaticanus bietet nun aber zuvor noch folgende Argumentation. 114 „Aber ich verlange doch, dass sie dem Fragenden antworten, in Bezug auf welche Natur sie sagen, dass Christus Gott einen Willen habe.“115 Gehöre er zur göttlichen Natur, sei Manichäismus die Folge; gehöre er zur Menschheit Adoptianismus (genannt werden Photeinos und „Ebion“). „Wenn sie aber wirklich behauptet haben, dass ein Wille aus beiden Naturen bestehe, werden sie nicht nur die natürlichen Willen (naturales voluntates), sondern die Naturen selbst vermengen, so dass weder dieses noch jenes, also das Göttliche und das Menschliche, erkannt werden könne.“116 Auch wenn gegen Nestorios keine Trennung der Naturen geduldet wird, sind sie doch zu unterscheiden und nicht zu vermischen. „Weil sie nämlich einen Willen und ein Wirken der Gottheit und Menschheit (110) lehren: was ist das anderes, als dass sie als solche erkannt werden, die auch eine Natur von Christus Gott gemäß der eutychianischen und severianischen Einteilung lehren? Überhaupt aber bestimmen die orthodoxen Väter […] in übereinstimmender Verkündigung, so wie beide Naturen auch beide Willen und Wirkweisen Christi zu lehren.“117

In dieser Textsequenz wird mit einer rhetorischen Frage nun zusätzlich eine Destruktion der vermeintlichen Position des sich auf Honorius berufenden Pyrrhos unternommen. Dabei wird das grundlegende Argument aus einem ontologischen Begriff der Natur des Menschen gewonnen, zu der per definitionem auch das Willensvermögen und das Handlungsvermögen gehören sollen. Insofern wird hier den beiden Naturen Christi je ein „natürlicher“ Wille (und implizit auch eine „natürliche“ Wirkweise) zugeordnet, so dass sich in reziproker 112 Vgl. Kreuzer, Honoriusfrage (s. Anm. 2) 17–58.60–64. 113 S. o. Anm. 93. 114 Iohannes IV. pp., Epistula ad Constantinum Imp. (PL 129,565 C12–566 A10; Vat. syr. 130, fol. 78bI–79aI [Schacht 242–243]). 115 Iohannes IV. pp., Epistula ad Constantinum Imp. (PL 129, 565C12–14): Verumtamen vellem, ut interroganti responderent, secundum quam naturam dicunt Christi Dei unam voluntatem?. 116 Iohannes IV. pp., Epistula ad Constantinum Imp. (PL 129, 565D5–9). 117 Iohannes IV. pp., Epistula ad Constantinum Imp. (PL 129, 566A3–10): Quia enim unam voluntatem dicunt divinitatis Christi et humanitatis, et unam simul operationem: quid aliud, nisi quia et unam naturam Christi Dei secundum Eutychianam et Serverianam divisionem operari noscuntur? Denique orthodoxi Patres […] sicut utrasque naturas, ita et voluntates ac operationes Christi docere concordi praedicatione monstantur. Catherine Cubitt (in: Price/Booth/Cubitt, Acts [s. Anm. 25], 49 mit Anm. 139) behauptet irrtümlich, dass in der lateinischen Übersetzung des Anastasius Bibliothecarius „an explicit statement of ‚two wills and two operations‘“ fehle.

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Weise Wille/Wirkweise und Natur entsprechen. Daraus ergibt sich dann das scheinbar logische Argument, dass aus der Lehre des einen Willens Christi zwangsläufig auch der Monophysitismus des Eutyches und Severus folge. Damit aber sind die ontologischen Prämissen des maximianischen Dyotheletismus und Dyenergismus, wie sie in etwa in der Disputatio cum Pyrrho118 durch Maximos entfaltet werden und die Argumentation der Lateransynode bestimmt haben,119 bereits Papst Iohannes IV. zugewiesen worden. Verstärkt wird diese Zuweisung durch eine weitere Textpassage, die allerdings bei Anastasius Bibliothecarius fehlt und nur in der arabisch-kanonistischen Tradition der Apologia Honorii enthalten ist. Dort steht noch vor den Teilen ‒ folgender Text: Kyros von Alexandrien habe „über Jesus eine Behauptung neu aufgestellt, die unsere vergangenen Väter nicht gekannt haben. Er behauptete nämlich, dass er einen Willen und eine Wirksamkeit hätte.“ Sergios habe dies Honorius mitgeteilt. „Da lehnte er es ab, missbilligte es aufs äußerste und sagte zu ihm: Diese (111) Behauptung ist eine, die von der Ansicht der Kirche abweicht.“ Richtig sei vielmehr, dass Christus „zwei Willen und zwei Wirkweisen hat, wie er auch zwei Naturen hatte; denn es ist unmöglich, dass ein Besitzer von zwei Naturen einen Willen habe. Wenn er also einen Willen hätte, hätte er eine Natur. Da er aber zwei Naturen hat, hat er zwei Willen.“120

Hier wird historisch falsch behauptet, dass in der Unionsurkunde121 der Union zwischen den ägyptischen Theodosianern und dem chalcedonensischen Patriarchen von Alexandrien, Kyros, im Jahre 633 bereits von einem Willen die Rede gewesen sei. Dieses Dokument ist bekanntlich allein Ausgangspunkt der Kontroverse um die μία ἐνέργεια gewesen. Mit dieser Behauptung soll wohl Honorius zusätzlich entlastet werden. Man darf jedoch annehmen, dass im Jahre 641 das Wissen über den tatsächlichen Inhalt der Unionsurkunde noch vorhanden war, so dass schon deshalb diese Passage anachronistisch ist. Das folgende angebliche dyotheletische Bekenntnis des Honorius rahmt nun gleichsam mit Teil die Argumentation der Teile ‒. Es ist meines Erachtens aus mehreren Gründen zu bezweifeln, dass die Teile und zum authentischen Bestand der Apologia Honorii gehören.

118 Disputatio Maximi Conf. cum Pyrrho (PG 91, 287‒353). Zur Entwicklung des Dyotheletismus aus dem Naturbegriff vgl.: PG 91, 289 BC. Der Terminus „natürlicher Wille“ (θέλημα φυσικὸν) ist genuin maximianisch. Vgl. z. B. PG 91,301BC. 119 Zum Schlussverfahren von einem Willen/einer Wirksamkeit auf eine Natur vgl. z. B. die Eröffnungsrede Papst Martins auf der Lateransynode von 649 (ACO ser. II 2,1 p.12, 19–14,9 Ried.). 120 Vat. syr. 130, fol. 74bII–75aI; deutsche Übersetzung: Schacht, Briefwechsel (s. Anm. 44), 236. 121 Concilium Constantinopolitanum a. 680/1 (ACO ser. II 2,2 p.594,17–600,20); vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 1), Nr. 27. Zu dieser Union vgl. Lange, Mia energeia (s. Anm. 4), 575–581.

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Zum einen entsteht damit der bereits erwähnte122 und schon früher beobachtete und beklagte argumentative Widerspruch im Gedankengang des Briefes, der die innere Einheit des Textes zerstört. Denn es ist schlecht möglich zu argumentieren, dass Honorius die Aussage von zwei Willen in Christus abgelehnt habe und sie nur für die Natur des Menschen unter der Sünde möglich gehalten habe, um sie dann wieder auf die göttliche und menschliche Natur Christi zu beziehen. Vor allen Dingen aber macht eine Inhaltsangabe der Apologia Honorii, die Maximos Homologetes während der im Jahre 645 in Karthago durchgeführten Disputatio cum Pyrrho gab, deutlich, dass es sich bei den Teilen und um spätere Interpolationen handeln muss. Von Pyrrhos in Karthago auf den Honoriusbrief angesprochen, erklärte Maximos, dass die Interpretation des Honoriusbriefes durch die Apologia Honorii deshalb größere Glaubwürdigkeit genieße als dessen monotheletische Inanspruchnahme, weil beide Briefe vom selben Diktatgeber123 verfasste worden seien, der noch am Leben (112) sei.124 In diesem Zusammenhang nimmt Maximos folgende paraphrasierende Inhaltsangabe vor: Dieser (sc. der römische Abt Iohannes) sagte nun (in einem Schreiben) an den heiligen Konstantinos, den damaligen Kaiser, das er im Auftrag des inzwischen unter den Heiligen weilenden Papstes Iohannes abfasste, über diesen Brief:

122 S. o. S. 202f. 123 Nämlich von dem römischen Abt Iohannes, der den Honoriusbrief in lateinischer Sprache verfasst habe. Dies berichtet Maximos in seinem Brief an den zyprischen Presbyter Marinos (Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 20 [PG 91,228B–245D; 244C–245A = PL 129,571CD] = Anastasius Bibl., Collectanea Nr. 2, s. o. Anm. 32). Der Schüler des Maximos, Anastasios Monachos (PMBZ, Nr. 237), sei in Rom gewesen und habe dort mit den höchsten Klerikern der römischen Kirche gesprochen (πρὸς τοὺς ἐκεῖσε τῆς μεγάλης ἐκκλησίας ἱερωτάτους ἄνδρας), warum und in welcher Weise der „eine Wille“ im Brief des Honorius an Sergios eingefügt worden sei. Er habe sie deswegen ungehalten und sich selbst verteidigend erfunden (καὶ εὗραν ἀσχαλῶντας ἐν τούτῳ καὶ ἀπολογουμένους). Außerdem habe er auch mit dem Abt Iohannes gesprochen, der den Brief auf Latein diktiert habe, und der darauf bestanden habe, dass nirgends in diesem Brief im numerischen Sinne von einem Willen die Rede sei; dies sei vielmehr von denen erdichtet worden, die den Brief ins Griechische übersetzt hätten. „Diese Antwort des Abtes Johannes ist eine bewußte Verdrehung der Tatsachen“ (Kreuzer, Honoriusfrage [s. Anm. 2], 63). Man fragt sich, warum der römische Abt nicht einfach die Kopie des lateinischen Originals, die zu diesem Zeitpunkt doch noch existiert haben muss, dem Anastasios Monachos gezeigt hat, der zweisprachig war!. 124 Disputatio Maximi Conf. cum Pyrrho (PG 91,328C1–329A3): Τίς ἀξιόπιστος ἐξηγητὴς τῆς τοιαύτης καθέστηκεν ἐπιστολῆς, ὁ ταύτην ἐκ προσώπου Ὁνωρίου συντάξας, καὶ περιὼν […], ἢ οἱ ἐν Κωνσταντινουπόλει τὰ ἀπὸ καρδίας λαλοῦντες;.

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‚Einen einzigen Willen im Herrn haben wir behauptet, jedoch nicht seiner Gottheit und Menschheit zugleich, sondern allein seiner Menschheit. Nachdem nämlich Sergios geschrieben hatte, manche würden zwei einander widersprechende Willen in Christus behaupten, haben wir dagegen geschrieben, Christus habe nicht zwei einander widersprechende Willen gehabt, nämlich einen des Fleisches und einen des Geistes, wie wir sie haben nach dem Sündenfall, sondern einen einzigen, der seine Menschheit naturgemäß charakterisiert (ἀλλ᾿ ἓν μόνον, τὸ φυσικῶς χαρακτηρίζον τὴν αὐτοῦ ἀνθρωπότητα).‘ (2) Und ein evidenter Beweis dafür ist, dass sowohl die Glieder als auch das Fleisch erwähnt werden, was unmöglich auch auf seine Gottheit bezogen werden kann. (3) Dann sagte er auch und nimmt damit einen möglichen Einwand vorweg: ‚Wenn aber jemand sagen wollte: Weswegen habt ihr, als ihr über die Menschheit Christi gehandelt habt, seine Gottheit nicht erwähnt? Dann sagen wir, dass wir erstens auf die Anfrage geantwortet haben, zweitens aber, wie in allem, so auch in diesem Punkt der Gewohnheit der Schrift folgen, die einmal von seiner Gottheit handelt, so wenn der Apostel sagt: ‚Christus ist Gottes Kraft und Gottes Weisheit‘ (1Kor 1,24), ein andermal aber von seiner Menschheit, und nur von ihr, so wenn derselbe sagt: ‚Die Torheit Gottes ist weiser als die Menschen, und die Schwachheit Gottes ist stärker als die Menschen‘ (1Kor 1,25).‘125 (113)

(1)

Diese paraphrasierende Inhaltsangabe der Apologia Honorii durch Maximos ist erstaunlich präzise. Teil (1) entspricht den Textsequenzen , und der Apologie, Teil (3) paraphrasiert Sequenz der Apologie. Auffällig ist, dass die Argumente zu den Einwänden gegen die Interpretation des Honoriusbriefes genau aufgelistet werden. Besonders hervorzuheben ist aber, dass die im jetzigen Textbestand der Apologia Honorii hinzugefügte ontologische Argumentation mit dem Naturbegriff in der Paraphrase des Maximos völlig fehlt! Wäre sie authentisch, hätte er einen Hinweis darauf gewiss nicht versäumt, zumal seine Apologie des Honoriusbriefes vom Jahre 641 in dem Brief an den zyprischen Presbyter Marinos (Opusculum 20), die Anastasius Bibliothecarius in seine Collectanea aufgenommen hat,126 den Nachweis bringen will, dass die Theologie des Honorius keine Verleugnung der Zweiheit der natürlichen Willen impliziere, sondern sie geradezu voraussetze.127 Das Fehlen dieses Argumentes in der Inhaltangabe der Disputatio cum Pyrrho ist auch deshalb bedeutsam, weil diese mit großer Wahrscheinlichkeit erst zwischen 655 und 662 von den engsten Anhängern des Maximos ‒ möglicherweise sogar unter dessen Beteili-

125 Disputatio Maximi Conf. cum Pyrrho (PG 91,329A5–C2; die deutsche Übersetzung wurde mit geringen Veränderungen übernommen von: Guido Bausenhart, „In allem uns gleich außer der Sünde“. Studien zum Beitrag Maximos’ des Bekenners zur altkirchlichen Christologie (TSTP 5), Mainz 1990, 220‒221. 126 Als zweiten Text, s. o. Anm. 32. 127 Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 20 (PG 91,237C10–D5 = PL 129, 567 A1–9).

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gung während seines Exils ‒ verfasst worden ist.128 Das bedeutet, dass der oder die Verfasser der Disputatio noch ca. 15‒20 Jahre nach der Abfassung der Apologia Honorii über deren Argumentation genaue Kenntnisse hatten. Meines Erachtens muss man daraus sogar schließen, dass ihnen der Text zur Verfügung stand. Ebenso sind hier auch detaillierte Kenntnisse des ersten Honoriusbriefes festzustellen, denn das mit der Bemerkung von Maximos eingeschobene Argument von Sequenz (2) bezieht sich ja auf den Text der Honoriusbriefes, in dem in der Tat an einer einzigen Stelle in Aufnahme von Röm 7,23.25 von Christus gesagt wird: „Ein anderes Gesetz oder ein verschiedener oder entgegengesetzter Wille war nämlich nicht in den Gliedern des Erlösers, weil er jenseits des Gesetzes der menschlichen Natur geboren wurde.“129 Maximos hatte bereits in seiner eben erwähnten Apologie des Honoriusbriefes u. a. auch diese Stelle des Honoriusbriefes zitiert und interpretiert.130 Die Apologie Papst Iohannes’ IV. bezieht sich zwar ebenfalls auf Röm 7,23, argumentiert dann aber nicht mit Natur und (114) Gliedern Christi.131 Was bedeutet es, dass Maximos und die Maximianer noch zwischen 655 und 662 bestens über diese beiden Texte im Bilde sind? Ich fasse zusammen. Wir haben bei unserer Textanalyse festgestellt, dass es sich im überlieferten Textbestand der Apologia Honorii nicht um einen inhaltlich kohärenten Text handelt. Dieser erstmals im Jahre 874/75 literarisch bezeugte Brief ist in seiner Überlieferung zwischen 641 und 874/75 und danach offensichtlich mehrfach einer Fortschreibung unterzogen worden. Es sind dem Text Passagen zugewachsen, die im Widerspruch zu Formulierungen desselben Briefes stehen. Diese Passagen sind historisch anachronistisch und falsch und führen die innere theologische Argumentation ad absurdum. Um diese Entwicklung zu verstehen, ist es nicht nötig, die logische oder theologische Kompetenz des Verfassers in Frage zu stellen oder den abendländischen Bildungsabsturz im 7. Jahrhundert zu bemühen. Vielmehr bleibt zu klären, warum dies erfolgt ist. Es hat anscheinend mehrfach ein Interesse an der eindeutigen Orthodoxie des Honorius und einer durch nichts in Frage zu stellenden Rechtgläubigkeit der römischen Kirche gegeben. Dabei wurde Rechtgläubigkeit im Sinne der dogmatischen Entscheidungen der Lateransynode von 649 und des VI. Ökumenischen Konzils

128 Vgl.: Jacques Noret, La rédaction de la Disputatio cum Pyrrho (CPG 7698) de Saint Maxime le Confesseur serait-elle postérieure à 655?, in: AnBoll 117 (1999), 291–296. 129 Honorius I. pp., Epistula I ad Sergium Patr. (ACO ser. II 2,2 p.552, [4–6] 12–14): ἕτερος γὰρ νόμος τοῖς μέλεσιν ἢ θέλημα διάφορον ἢ ἐνάντιον οὐ γέγονεν ἐν τῷ σωτῆρι, ἐπειδῆ καὶ ὑπὲρ νόμον ἀνθρωπίνης φύσεως ἐτέχθη. 130 Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 20 (PG 91,241B5–13 = PL 129, 569B13–C6). 131 Vgl. PL 129,564 A8–16.

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verstanden und in diesem Sinne die Apologia Honorii angepasst. Als Ansatzpunkt für die Klärung der Ursachen und der historischen Kontexte bietet sich die Frage an, warum eigentlich Anastasius Bibliothecarius die Apologia Honorii in seine Collectanea eingefügt hat. Und warum findet sich dieser Text in einem Teil der byzantinischen kanonistischen Tradition im Zusammenhang der VI. Ökumenischen Konzils? Zuvor ist aber ein Blick auf die Überlieferung der von Iohannes IV. durchgeführten Synode zu werfen.

3 Die römische Synode Papst Iohannes’ IV. Theophanes Confessor (759/60‒818)132 berichtet in seiner Chronographia unter AM 6121 nach dem Tod des Herakleios und dem Herrschaftsantritt Konstans II. Folgendes: (115) „Iohannes aber, der Bischof von Rom, versammelte eine Bischofssynode und anathematisierte die Häresie der Monotheleten.“133 Die Synode als solche bezeugt auch der Nachfolger Iohannes IV., Theodorus I. (642‒649), in seiner Epistula synodica an den Konstantinopler Patriarchen Paulos II. (641‒653), die nur im Auszug und in der lateinischen Rückübersetzung des Anastasius Bibliothecarius erhalten ist.134 In dem Ende 642/Anfang 643 zu datierenden Schreiben wirft Theodorus Pyrrhos vor, er habe „unbesonnen den Skandal des Widerspruchs unter den Kirchen Gottes verbreitet und es geringgeschätzt, durch die beschwörende, inständige Bitte der Versammlung (obtestatione conventus) von unserem Vorgänger berichtigt zu werden“.135 Demnach hat die römische Synode Pyrrhos beschworen, seine o. g. Maßnahmen zurückzunehmen und ‒ so darf man schließen ‒ die Ekthesis außer Kraft zu setzen. Von einer Anathematisierung berichtet Theodorus nichts. Zuvor hatte er an anderer Stelle des Briefes gesagt, dass das, was von Pyrrhos gegen unseren apostolischen Glauben zur Vernichtung synodaler Entscheidungen vorgebracht wurde, durch die Lehre des apostolischen Stuhls, die von

132 PMBZ, Nr. 8107; James D. Howard-Johnston, Witnesses to a World Crisis. Historians and Histories of the Middle East in the Seventh Century, Oxford 2010, 268–312; Warren Treadgold, The Middle Byzantine Historians, New York 2013, 38‒77. 133 Theophanes Conf., Chronographia AM 6121 (331,6–8 de Boor): Ἰωάννης δέ, ὁ Ῥώμης ἐπίσκοπος, συναθροίσας σύνοδον ἐπισκόπων τὴν τῶν Μονοθελητῶν αἵρεσιν ἀναθεμάτισεν. 134 S. o. Anm. 35. PL 129,577–582 = PL 87,75–80; Winkelmann, Streit (s. Anm. 1), Nr. 79. 135 Theodorus I. pp., Ep. synodica ad Paulum II. Patr. Const.: Unde non modicum dissensionis scandalum Ecclesiis Dei disseminavit, et obtestatione conventus a decessore nosto corrigi parvipendit (PL 129,580C2–5 = PL 87,79 A15-B1).

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unserem Vorgänger dargelegt worden ist, und ebenso durch den Befehl unseres Sohnes, des allermildesten Fürsten, widerlegt worden ist.136

Der Papst hat hier offensichtlich die oben erwähnte137 konditionierte Bereitschaft der Reichsregierung unter Konstans II., gegebenenfalls aufgetretene Neuerungen auch wieder aufzuheben, in einen kaiserlichen Befehl gegen die Maßnahmen des Pyrrhos umgedeutet. Das von ihm erwähnte dogma sedis apostolicae, quod expositum est a praedesessore nostro hat man ebenfalls auf die römische Synode bezogen.138 Meines Erachtens (116) jedoch beschreibt diese Formulierung eher die Apologia Honorii, die die römische Lehre (dogma), wie sie angeblich Honorius vertreten habe, authentisch darlegen will (expositum est). Nicht eindeutig zu bestimmen ist der Zeitpunkt dieser Synode. Die ältere Forschung hat sie gegen Theophanes vor dem Tod des Herakleios am 11. Februar 641 datiert. Weil Iohannes IV. sein Amt erst am 24. Dezember 640 antrat, müsste diese Synode dann sofort als seine erste Maßnahme von ihm einberufen worden sein.139 Diese Datierung beruht allerdings nur auf einer Aussage des Maximos Homologetes, die er in seinem Brief an den Patrikios Petros Illustrios, den Anastasius Bibliothecarius in seine Collectanea aufgenommen hatte,140 gemacht und während seines ersten Prozesses im Jahr 655 wiederholt hatte: Kai-

136 Theodorus I. pp., Epistula synodica ad Paulum II. Patr. Const. (PL 129,579 B4-9 = PL 87,78 A2–-6): ea quae a Pyrrho adversus apostolicam fidem nostram ad subversionem synodalium decretorum prolata sunt, tam per dogma sedis apostolicae, quod expositum est a praedesessore nostro, quam per jussionem filii nostri mansuetissimi principis destructa sint. 137 S. o. Anm. 85. 138 So: Caspar, Geschichte (s. Anm. 23) 1933, 542 mit Anm. 1. 139 So: Luigi Magi, La Sede Romana nella Corrispondenza degli Imperatori e Patriarchi Bizantini (VI‒VII sec.), Louvain 1972, 207; van Dieten, Patriarchen (s. Anm. 1), 63.198; Francis X. Murphy/Polycarp Sherwood, Konstantinopel II und III (GÖK 3) (1974), Mainz 1990, 202; John F. Haldon, Byzantium in the Seventh Century. The Transformation of a Culture. Cambridge 2 1997, 302. In neuerer Zeit: Dölger/Müller, Regesten (s. Anm. 7), 97 (Reg. 221); Beihammer, Nachrichten (s. Anm. 70), 246. 140 Als dritten Text, s. o. Anm. 33. Zu Petros Illustrios, dem Magister militum von Numidia, vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 1) Nr. 87.88.132 und S. 251. In diesem Schreiben von 645 hatte Maximos die Verteidigung des Honorius weiter auf die Spitze getrieben, insofern er unterstellte, dass die Berufung auf dessen Brief durch die Konstantinopler Patriarchen vor allen Dingen unter Inanspruchnahme der herausragenden Frömmigkeit des magnus Honorius erfolgt sei, der mit seinen Nachfolgern Severinus, Iohannes und Theodorus als divinus Honorius eine Einheit der Rechtgläubigkeit darstelle: „Gott indessen nimmt gewiss den Glauben dieser wirklich seligen Männer an und hat ihn im Wandel der Zeiten bewahrt“ (Sed Deus quidem horum profecto beatorum virorum fidem admisit, et pro ea vicissitudinem in saecula conservavit): Maximus Conf., Epistula. ad Petrum Illustr. [Opusc. 12], (PG 91,143 A14–B1, C3– 6 = PL 129,575A12–15, B15–C2).

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ser Herakleios habe sich kurz vor seinem Tode angesichts des ausgebrochenen Streites von der Ekthesis distanziert und dies auch noch in einer ‒ ansonsten nicht überlieferten ‒ Keleusis141 Iohannes’ IV. mitgeteilt. Diese Behauptung darf als widerlegt gelten durch die Entdeckung einer fragmentarisch erhaltenen tatsächlichen Keleusis des Kaisers an Iohannes IV., in der er eine von ihm verfasste Inschrift für eine Darstellung der Kreuzigung mitteilt, die eine eindeutig „monotheletische“ Aussage enthält.142 (117) Eine andere Datierungsmöglichkeit ergibt sich aus der Notiz, die das nach dem zweiten Rücktritt des Patriarchen Photios (858‒867.877‒886)143 entstandene Synodicon vetus über diese Synode enthält: Zusätzlich dazu versammelte der dreimalselige römische Papst Iohannes (denn er war der Nachfolger des Monotheleten Honorius) eine heilige und sakrale Synode. Dort anathematisierte er Sergios, Kyros und Pyrrhos und verkündete zwei Naturen und Wirkweisen unseres Herrn und Gottes Jesus Christus. Danach schickte er ein Dokument der Frömmigkeit (τύπον εὐσεβείας) an die Söhne des Herakleios, David und Herakleios (Heraklonas).144

Dass es auf dieser Synode bereits zu einer namentlichen Anathematisierung zweier Konstantinopler und eines alexandrinischen Patriarchen gekommen sei, wird ‒ wie schon erwähnt ‒ seit langem als anachronistisch betrachtet.145 Dagegen spricht nicht nur die Bezeichnung des Pyrrhos als „unser Bruder“ in der Apologia Honorii. Auch Papst Theodor I. weiß bei aller scharfen Polemik gegen Pyrrhos in seiner eben erwähnten Synodica nichts von einer bereits erfolgten Anathematisierung.146 Gänzlich unglaubwürdig aber wird diese Information des Synodicon vetus dadurch, dass diese Konzilssynopse historisch falsch die

141 Maximus Conf., Epistula ad Petrum Illustr. (Opusc. 12) (PL 91,142–143A); Relatio motionis inter Maximum et principes 370‒378 (CCSG 39,41 Allen/Neil). Dölger/Müller, Regesten (s. Anm. 7), Reg. 215; Winkelmann, Streit (s. Anm. 1), Nr. 68. 142 Stamatina Rizou-Couroupos, Un nouveau fragment de la keleusis d’Heraclius au pape Jean IV, in: Jürgen Dummer (Hg.), Texte und Textkritik. Eine Aufsatzsammlung (TU 133), Berlin 1987, 531‒532; Alexander Alexakis, Before the Lateran Council of 649: The Last Days of Herakleios the Emperor and Monotheletism, in: AHC 27/8 (1995/96), 93‒101; Wolfram Brandes, „Juristische“ Krisenbewältigung im 7. Jahrhundert? Die Prozesse gegen Papst Martin I. und Maximos Homologetes, in: FBRG.FM 10 (1998), (141–212) 203 mit Anm. 99. 143 PMBZ, Nr. 6253.26667. 144 Synodicon vetus Nr. 137 (Duffy/Parker): Πρὸς τούτοις καὶ Ἰωάννης ὁ πάππας Ῥώμης (διαδεξάμενος γὰρ ἦν τὸν μονοθελήτην Ὁνόριον) ὁ τρισμακάριστος θείαν καὶ ἱερὰν σύνοδον ποιησάμενος Σέργιον, Κῦρον καὶ Πύρρον ἀνεθεμάτισε καὶ δύο φύσεις καὶ ἐνεργείας τοῦ δεσπότου ἡμῶν Ἰησοῦ Χριστοῦ καὶ θεοῦ ἀνεκήρυξε, καὶ πρὸς Δαβὶδ καὶ Ἡράκλειον, υἱοὺς Ἡρακλείου, τύπον εὐσεβείας ἀπέστειλεν ὕστερον. 145 S. o. Anm. 22. 146 Vgl.: Theodorus I. pp., Epistula synodica ad Paulum II. Patr. Const. (PL 87,79 C5–8).

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vier afrikanischen Synoden des Jahres 646147 zeitlich vor die römische Synode platziert und bei jeder von ihnen stereotyp berichtet, sie hätten ebenfalls Sergios, Kyros und Pyrrhos anathematisiert.148 Dies steht jedoch im Widerspruch zu den auf der Lateransynode verlesenen Schreiben149 der afrikanischen Bischöfe, auf die sich die Angaben zu den afrikanischen Synoden beziehen. Bei Pyrrhos ist dies besonders abwegig, weil dieser wegen seiner gerade erfolgten Konversion zum Dyotheletismus im Brief der afrikanischen Bischöfe Columbus, Stephanus und Reparatus an Papst Theodor wegen seines „Libellus“ ausdrücklich als „unser Bruder“ bezeichnet wird.150 Darüber hinaus wird im Synodicon vetus nun auch jedesmal mit fast gleichlautenden (118) Worten mitgeteilt, dass die Afrikaner „zwei Willen und Wirkweisen des Erlösers Christus“ verkündeten.151 Bei zwei Briefen152 der Afrikaner trifft das zu, aber diese sind 4‒5 Jahre nach der römischen Synode geschrieben worden und standen unter dem direkten Einfluss des Maximos. Die Notiz des Syndicon vetus zur römischen Synode berührte demgegenüber auffälligerweise nicht die Willensthematik. Sie könnte deshalb möglicherweise größere Glaubwürdigkeit beanspruchen.153 Jankowiak hat in der ungewöhnlichen Erwähnung des Herakleiossohnes David,154 der seit Oktober 641 für einige Monate Mitregent des Herakleios (Heraklonas) war, ein Indiz für die Historizität dieser Angabe gesehen und die Synode von daher datiert.155 Üblicherweise wird hierin allerdings ein weiteres Beispiel für die historische Unzuverlässigkeit des Synodicon vetus gesehen.156

147 Winkelmann, Streit (s. Anm. 1), Nr. 98–101. 148 Synodicon vetus Nr. 133–136 (Duffy/Parker). 149 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 2,1 p.67,21–71,28; 75,3–79,23; 81,9–95,13; 99,6– 103,43 Ried.). 150 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 2,1 p.69,14): libellum Pyrri, nostri fratri et coepiscopi. Pyrrhos hatte nach seiner Konversion zum Dyotheletismus 647 in Rom Papst Theodorus I. eine unterschriebene Erklärung (libellus) „in Gegenwart des gesamten Klerus und des Volkes“ überreicht, in der er „alles, was von ihm und seinen Vorgängern gegen unseren unbefleckten Glauben geschrieben und unternommen wurde, verdammte.“ (Liber Pontificalis 75, 3 [332,10‒12 Duchesne I]). 151 Synodicon vetus Nr. 133 (Duffy/Parker): καὶ δύο θελήσεις καὶ ἐνεργείας τοῦ σωτῆρος Χριστοῦ ἀνεκήρυξεν. Ganz ähnlich in Nr. 134–136. 152 Synodalbrief der Bischöfe der Africa proconsularis (ACO ser. II 2,1 p.81,9–95,13 Ried.); Synodica des Bischofs Victor von Karthago: ebd., 101,31‒35. 153 Vgl. aber unten Anm. 166. 154 PMBZ, Nr. 1241. 155 Jankowiak, Essai (s. Anm. 4), 200‒201. 156 Vgl. dazu: Duffy/Parker, Synodicon vetus (s. Anm. 19) 115 Anm. 164; Einleitung XV.

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Etwa zeitgleich mit dem Synodicon vetus ist eine zweite, in ihrer Bedeutung diesem vergleichbare Konzilssynopse entstanden, die Lars M. Hoffmann und Wolfram Brandes kürzlich ediert haben.157 Die Herausgeber datieren sie in „die Jahre nach 865 und den Beginn der 80er Jahre des 9. Jahrhunderts“ und lokalisieren Sie in Konstantinopel.158 Diese Synopse enthält einen umfangreichen „Bericht (Διήγησις) über (119) die Häresie der Monotheleten, weshalb und in welcher Gegend sie entstand wie auch über verschiedene Lokalsynoden“.159 Dieser Bericht stellt „ eine eigenständige Schrift dar, die der anonyme Autor (bzw. Kompilator) […] in sein Werk in toto inkorporiert hat.“160 Ganz ähnlich wie im Synodicon vetus wird auch hier die Willensthematik bei der Erwähnung des Kyros von Alexandrien161 und des Sophronios schon in die monenergetische Kontroverse vorverlegt. Letzterer habe auf einer ‒ ansonsten unbekannten ‒ Synode „zwei natürliche Willen und zwei natürliche Wirkweisen Christi bekannt“.162 Darüber hinaus aber weiß die Διήγησις zu berichten, dass auf dieser Synode auch „Kyros, Sergios und Honorius und ihre Gesinnungsgenossen exkommuniziert worden seien“.163 Ebenso wie das Synodicon vetus rückt sie sodann die vier afrikanischen Synoden zeitlich vor Iohannes IV. und

157 Hoffmann/ Brandes, Konzilsynopse (s. Anm. 87), 51‒222. 158 Hoffmann/Brandes, Konzilsynopse (s. Anm. 87), 28.29. Diese Synopse schloss ursprünglich mit dem VII. Ökumenischen Konzil. Im Kontext des III. Constantinopolitanums wird Photios, Epistula I zitiert (174,16‒22), woraus sich der terminus post quem ergibt. Für die weitere Datierung gehen die Herausgeber davon aus, dass die Synopse eine Kanonessammlung benutzt habe, in der das Quinisextum fehlte, weil es „überhaupt nicht erwähnt wird“ (24.291). Deshalb sei die Synopse in der zweiten Amtszeit des Photios entstanden, in der der Nomocanon XVI titulorum revidiert worden ist (28). Die Beobachtung zum Quinisextum trifft allerdings nicht zu, weil dessen Kanones in dieser Zeit im Osten längst als Kanones des VI. Konzils bezeichnet und zu ihm gerechnet wurden, und das Quinisextum deswegen gar nicht eigenständig erwähnt werden muss. Im Horos des VII. Konzil bezeichnet die Synopse selbst den ausführlich zitierten can. 82 des Quinisextums als Kanon des „sechsten heiligen und ökumenischen Konzils“ (198,138–151). Damit wäre auch ein späteres Entstehungsdatum denkbar. 159 Διήγησις τῆς μονοθελητῶν αἱρέσεως, ὅθεν ἀνεφύη, ἐν ᾗ, καὶ περὶ διαφόρων τοπικῶν συνόδων: Synopsis conciliorum 16 (166–174 Hoffmann/Brandes). 160 Hoffmann/Brandes, Konzilsynopse (s. Anm. 87), 283. 161 Vgl. Synodicon vetus (s. Anm. 19), Nr. 130 (Duffy/Parker) mit Synopsis conciliorum 16 (166,16–17 Hoffmann/Brandes). 162 Synopsis conciliorum 16 (166,19–21 Hoffmann/Brandes): καὶ συνοδικῶς ἀνομολογεῖ δύο θελήσεις ἐπὶ τοῦ Χριστοῦ φυσικὰς καὶ δύο φυσικὰς ἐνεργείας. Vgl. damit: Synodicon vetus (s. Anm. 19) Nr. 131 (Duffy/Parker). 163 Synopsis conciliorum 16 (166,21–22 Hoffmann/Brandes): καὶ ἀποκηρύττει Κύρον, Σέργιον, Ὁνώριον καὶ τοὺς ὁμόφρονας αὐτῶν.

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lässt sie genauso namentliche Anathematismen über „Kyros, Sergios und Pyrrhos“ aussprechen und „zwei natürliche Willen und Wirkweisen“ in Christus bekennen.164 Sodann wird über die römische Synode berichtet: „Das Gleiche setzte durch weitere göttliche Synoden auch Iohannes von Rom durch, deren Akten er auch nach Konstantinopel an die Kaiser, nämlich Konstantin und Heraklonas, die Söhne des Herakleios, senden ließ.“165 Bei der Pluralbildung θείας ἑτέρας συνόδους scheint es sich meines Erachtens wegen des singularischen Anschlusses ἧς um einen Schreiberfehler zu handeln. Mit der Formulierung τὰ ὅμοια διεπράξατο wird nun auch hier für die römische Synode eine namentliche Anathematisierung und ‒ noch über das Synodicon vetus (120) hinausgehend166 ‒ auch ein dyotheletisches Bekenntnis postuliert. Allerdings ergibt sich dieses Postulat klar aus der zeitlichen Vorordnung der afrikanischen Synoden und den ihnen zugeordneten anachronistischen Aussagen. Es kann dann gar nicht mehr erwartet werden, dass bei der römischen Synode Iohannes’ IV. etwas anderes oder gar weniger bestimmt worden sein könnte. Aber damit nicht genug, lässt das an die Διήγησις sich anschließende Kapitel XVII der Synopse in seinem summarischen Bericht über das VI. Ökumenische Konzil bei der Auflistung der dort Anathematisierten Honorius von Rom einfach weg!167 In dem danach wörtlich wiedergegebene Horos der Synode ist Honorius allerdings enthalten.168 Diese Merkwürdigkeit ist meines Erachtens nur so zu erklären, dass der erste summarische Teil von Kap. XVII ursprünglich Bestandteil der Διήγησις gewesen ist, die ansonsten mit der römischen Synode unter Papst Agatho von 680 und ohne das VI. Konzil als Abschluss geendet hätte, was wenig wahrscheinlich ist. Der Kompilator der Synopsis aber musste an dieser Stelle einen neuen Abschnitt beginnen und übernahm die Schlussformulierungen der Διήγησις an den Anfang seines Kapitels zum VI. Konzil. Dass damit innerhalb dieses Kapitels ein Widerspruch zum folgenden Horos der Synode entstand, scheint ihm nicht aufgefallen zu sein. Aber „konzeptionelle Überlegungen sollte man ihm […] nicht unterstellen.

164 Synopsis conciliorum 16 (168,29–39 Hoffmann/Brandes). 165 Synopsis conciliorum 16 (168, 39–42 Hoffmann/Brandes): καὶ διὰ θείας ἑτέρας συνόδους καὶ Ἰωάννης ὁ Ῥώμης τὰ ὅμοια διεπράξατο, ἧς τὰ πεπραγμένα καὶ πρὸς τοὺς βασιλεῖς ἐν Κωνσταντινουπόλει ἐπέμφθησαν τοὺς υἱοὺς Ἡρακλείου Κωνσταντῖνον καὶ Ἡρακλωνᾶν. 166 Meines Erachtens ist allerdings zu vermuten, dass auch im Synodicon vetus an dieser Stelle anstelle φύσεις ursprünglich θελήσεις gestanden hat. Die handschriftliche Überlieferung ist allerdings eindeutig, vgl. ebd., 144 (Duffy/Parker) zur Stelle. θελήσεις begegnet nur in späteren Handschriften des 16. Jahrhunderts; die älteste Handschrift des Synodicon vetus stammt aus dem 12. Jahrhundert (ebd., Einleitung, XVI). 167 Synopsis conciliorum 17 (172,7–174,11 Hoffmann/Brandes). 168 Synopsis conciliorum 17 (178,58–62 Hoffmann/Brandes).

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Vermutlich folgte er einfach den Quellen (der Quelle?), die ihm zur Verfügung standen.“169 Damit ergibt sich für diese Διήγησις folgendes Bild. Eine Verurteilung des Honorius wird bereits früh in einer (Jerusalemer?) Synode unter Sophronios verortet, wobei ein terminologischer Unterschied zu den behaupteten Anathematismen der afrikanischen Synoden und dann natürlich auch zu den Anathematismen des VI. Konzils auffällt. War es hier stets das Anathema, so ist es bei der postulierten Synode des Sophronios nun eine ἀποκήρυξις. Dieser Begriff impliziert ebenfalls Verurteilung und Ausschluss, jedoch im Sinne einer Aufhebung der Gemeinschaft durch Exkommunikation, nicht aber die Anathematisierung eines Häretikers.170 Indem die Erwähnung der Anathematisierung des Honorius auf dem VI. Konzil vermieden wird, entsteht so eine deutlich mildere Sicht über dessen (121) Verfehlung. Dazu kommt Folgendes. Dieser „Bericht über die Häresie der Monotheleten“ betont in sehr auffälliger Weise die Bedeutung des Maximos Homologetes: Er sei es gewesen, der „durch die heiligen Synoden (sc. die afrikanischen) die Häretiker anathematisierte“.171 Eine von diesen, die Synode von Byzakion, „versammelte sich durch den Eifer und die Mithilfe des Bekenners Maximos.“172 Die Lateransynode wird zwar von Papst Martin I. einberufen, aber „von dem großen Bekenner Maximos mitgeleitet“.173 Auffällig ist schließlich die extensive Prädikation von Maximos und Papst Martin I. als Bekenner, Märtyrer und Heilige.174 Damit sind hier nicht nur Insiderinformationen über den wesentlichen strategischen und theologischen Beitrag des Maximos in seinem Kampf gegen die Reichskirche präsent, sondern es ist auch davon auszugehen, dass die Διήγησις im Kontext aktiver Märtyrer- und Heiligenverehrung von Papst Martin I. und Maximos entstanden ist. Ähnliche Beobachtungen lassen sich bei der griechischen Vita Papst Martins (BHG 2259) und der Anastasios Sinaites zugeschriebenen Synopsis de haeresibus et synodis anstellen.175 Sollte die Διήγησις ‒ wie die Herausgeber

169 Hoffmann/Brandes, Konzilsynopse (s. Anm. 87), Kommentar zu Abschnitt XII, 249. 170 Vgl. Geoffrey W. H. Lampe, A Patristic Greek Lexicon. Oxford 101991, 195 s.v. ἀποκήρυξις 3.; 196 s.v. ἀποκηρύσσω 3c. 171 Synopsis conciliorum 16 (168,29 Hoffmann/Brandes). 172 Synopsis conciliorum 16 (168,31 Hoffmann/Brandes). 173 Synopsis conciliorum 16 (170,58 Hoffmann/Brandes): συνεδρεύοντος καὶ τοῦ μεγάλου καὶ ὁμολογητοῦ Μαξίμου. 174 Zu Maximos vgl.: Synopsis conciliorum (168,26; 170,58; 172,1; 172,72 Hoffmann/Brandes); zu Martin I.: ebd., 170,66; 172,72–73. 175 Vgl. Heinz Ohme, Der lange Widerstand gegen eine offizielle Heiligenverehrung des Maximos Homologetes (†662) im Byzantinischen Reich, in: ByzZ 109 (2016), (109–150) 129–131;

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der Synopse meinen176 ‒ „vermutlich […] nicht lange nach dem Constantinopolitanum III (680/681)“ entstanden sein, so ist hier meines Erachtens an den engeren Kreis der Maximianer in Jerusalem/Palästina zu denken, denn eine offizielle Heiligenverehrung dieser beiden Personen ist zu diesem Zeitpunkt hier zu lokalisieren.177 Wir haben in diesem „Bericht“ also eine maximianische Perspektive auf den sog. monenergetisch-monotheletischen Streit vorliegen, die aus einer Sicht auf Honorius, wie sie der Apologia Honorii entspricht, den Schluss zog, seine Verurteilung durch das VI. Ökumenische Konzil zu verschweigen und durch eine temporäre Exkommunikation durch den Patriarchen Sophronios zu ersetzen. Dabei handelt es sich um die älteste Quelle, die der römischen Synode von 641 eine namentliche Anathematisierung sowie ein dyotheletisches und dyenergetisches Bekenntnis zuordnet. (122) In der Überlieferung der römischen Synode unter Iohannes IV. lässt sich somit ebenfalls eine Fortschreibung beobachten, die ihr Endstadium in der 2. Hälfte des 9. Jahrhunderts erreicht zu haben scheint. Aus einer römischen Synodalentscheidung des Jahres 641, die sich gegen die Maßnahmen des Pyrrhos zur Durchsetzung einer gesamtkirchlichen Rezeption der Ekthesis wandte und ihn dringend aufforderte, diese zu revozieren ‒ so Papst Theodorus I. ‒, wurde eine Synode mit Anathematismen ‒ sei es pauschal gegen den Monotheletismus (so Theophanes), oder namentlich gegen Sergios, Kyros und Pyrrhos (so das Synodicon vetus und die Διήγησις) ‒, die schließlich auch schon das dyenergetische und dyotheletische Bekenntnis der Lateransynode und des VI. Konzils vorweggenommen hat. Auch in dieser Überlieferung sind wir auf die aktive Beteiligung von Anhängern des Maximos Homologetes am Überlieferungsprozess gestoßen und mit dem Synodicon vetus, das von einem „undisguised partisan of Ignatius“ in antiphotianischem Geist zusammengestellt wurde,178 in den Kontext einer Kontroverse gelangt, in der die Apologia Honorii auch zum ersten Mal literarisch belegt ist. Wir werden deshalb jetzt diesem Konflikt einige Aufmerksamkeit schenken müssen.

Ders., Die griechische Vita Papst Martins (BHG 2259), Maximus Confessor und das Concilium Quinisextum (691/2), in: Byz. 85 (2016), 317‒336. 176 Hoffmann/Brandes, Konzilsynopse (s. Anm. 87), Kommentar 283. 177 Vgl.: Ohme, Widerstand (s. Anm. 175), 122‒131. 178 Duffy/Parker, Synodicon vetus (s. Anm. 19), Introduction XIII.

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4 Das Interesse an der Orthodoxie des Honorius während der Kontroverse um den Konstantinopler Patriarchen Photios Anastasius Bibliothecarius, Herausgeber und Übersetzer der in den Collectanea versammelten Texte, ist eine der Schlüsselfiguren jenes Konfliktes, dessen Höhepunkte die Absetzung und Exkommunikation des Konstantinopler Patriarchen Photios (858‒867; 877‒886)179 durch eine römische Synode unter Papst Nicolaus I. (858‒867)180 im Jahr 863 und die Absetzung und Exkommunikation dieses Papstes durch eine von Photios als Ökumenisches Konzil durchgeführte Konstantinopolitanische Synode im Jahr 867 darstellen. In dieser Kontroverse ging es wesentlich auch um die gesteigerten Primatsansprüche des römischen Papsttums, die unter Nicolaus I. und Hadrian II. (867‒872)181 ihren Höhepunkt im Frühmittelalter erreichten.182 Äußerer Anlass der Konfrontation war bekanntlich die Erhebung des (123) Laien Photios zum Patriarchen im Jahre 858 anstelle des abgesetzten Mönches Ignatios (847‒858; 867‒877)183, für den Papst Nicolaus ab 862 Partei ergriff. Auf der Konstantinopler Synode von 869/70 („VIII. Ökumenisches Konzil“) gelang es der römischen Kirche zwar, die Absetzung des Photios und Wiedereinsetzung des Ignatios durchzusetzen, gleichzeitig musste sie aber in der mit dem Konflikt verbundenen Frage der jurisdiktionellen Zuständigkeit für die bulgarische Missionskirche deren definitiven Verlust hinnehmen. Nach eigenem Bekunden hat Anastasius als päpstlicher Diktatgeber in den sieben Jahren vor 869 fast alles verfasst (pene omnia), was unter den Päpsten Nicolaus und Hadrian im Fall Ignatios/Photios vom apostolischen Stuhl herausgegeben worden war.184 An der Abschlusssitzung der Synode am 28. Februar 870 hatte er teilgenommen, als er sich als Mitglied einer Gesandtschaft des fränkischen Kaisers Ludwig II.185 für einige Zeit in Konstantinopel aufhielt.186 Nach seiner Rückkehr wandte er sich einer umfangreichen Übersetzungstätigkeit187 griechischer Texte zu, zu denen auch die Texte der Collectanea gehören.

179 PMBZ, Nr. 6253.26667. 180 PMBZ, Nr. 5248. 181 PMBZ, Nr. 22537. 182 Vgl. z. B.: Johannes Fried, Art. Nicolaus I., in: TRE 24 (1994), 535‒540; Hans Grotz, Erbe wider Willen. Hadrian II. (867‒872) und seine Zeit. Wien u. a. 1970. 183 PMBZ, Nr. 2666. 184 Anastasius Bibl., Praefatio ad acta VIII. Synodi (MGH Epp. VII, 410,23–29 Perels/Laehr). 185 PMBZ, Nr. 24755. 186 Joannes D. Mansi, Sacrorum conciliorum nova et amplissima collectio, Florenz 1759 ff., XVI,158 B5‒11; Anastasius Bibl., Praefatio ad acta VIII. Synodi (MGH Epp. VII, 410,15‒18 Perels/Laehr). 187 Vgl. Neil, Popes (s. Anm. 27), 35–91.

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Von diesen 15 Texten zum sog. monotheletischen Streit dienen 6 Texte dem Versuch der Rehabilitation188 des Papstes Honorius mit der Apologia Honorii an der Spitze. Anastasius macht dies in seinem Brief an Iohannes Diaconus189 nicht nur dadurch deutlich, dass ca. 80 % des Briefes diesem Thema gewidmet sind, sondern er sagt es auch ausdrücklich: Durch die Übersetzungen „begehren wir darzulegen, dass in dem Felsen des apostolischen Stuhles ‒ so viel den Glauben anlangt ‒ auch nicht durch Honorius jemals die Spur der Schlange, d. h. einer giftigen Lehre, gefunden worden ist.“190 Anastasius bietet dazu eine Fülle von Argumenten auf, die schließlich sogar darauf abzielen, die Anathematisierung des Honorius durch das VI. Ökumenische Konzil in Frage zu stellen. So sei der Angriff gegen Honorius von „falschen (124) Anklägern“ geführt worden.191 Der Brief Iohannes’ IV. mache Honorius „entschuldbar, obwohl das VI. heilige Konzil das Anathema gegen ihn ausgesprochen hat, als ob er Häretiker sei (quasi heretico) und ihn mit dem Speer der Verwerfung durchbohrt hat, unterliegt er doch allein dem Urteil Gottes“.192 Wer könne schließlich sagen, dass er den Brief selbst diktiert habe?193 Dazu wird eine Fülle von Schriftstellen aufgeboten, um das Verbot vorschneller Verurteilung zu belegen.194 Ohne die Autorität des VI. Konzils in Frage stellen zu wollen, müsse jedoch in Rechnung gestellt werden, dass der Hl. Stuhl seit den Päpsten Gelasius und Gregor I. keineswegs alle Entscheidungen ökumenischer Synoden rezipiert habe, was am Beispiel Chalcedons und des I. Constantinopolitanum verdeutlicht wird.195 Deshalb gelte: „Es gebührt uns unserer Meinung nach über jene (sc. die VI. Synode) so zu denken, wie wir wissen, dass

188 Dies sind die oben aufgelisteten (s. o. S. 94–95) Texte 1–3.5–7. 189 S. o. Anm. 28. 190 Anastasius Bibl., Epistula ad Iohannem diac. (MGH Epp. VII,425,9–11 Perels/Laehr; Neil, Popes [s. Anm. 27], 156,17–21): ostendere gestientes, quod in apostolicae sedis petra, quantum ad fidem pertinet, nec etiam per Honorium inventum sit unquam serpentis, id est virulentiae sectae, vestigium. 191 Anastasius Bibl., Epistula ad Iohannem diac. (MGH Epp. VII, 423,34 Perels/Laehr; Neil, Popes [s. Anm. 27], 150,17): a calumniatoribus. 192 Anastasius Bibl., Epistula ad Iohannem diac. (MGH Epp. VII, 423,35–37 Perels/Laehr; Neil, Popes [s. Anm. 27], 150, 18–152,2): Quae videlicet apologia satis hunc ut reor excusabilem reddit; licet huic sancta sexta synodus quasi heretico anathema dixerit et in Dei solius iam positum reprobationis telo confoderit. 193 Anastasius Bibl., Epistula ad Iohannem diac. (MGH Epp. VII, 424,2–7 Perels/Laehr); Neil, Popes (s. Anm. 27), 152,4–12. 194 Anastasius Bibl., Epistula ad Iohannem diac. (MGH Epp. VII, 424,9–24 Perels/Laehr); Neil, Popes (s. Anm. 27), 152,13–154, 5. 195 Anastasius Bibl., Epistula ad Iohannem diac. (MGH Epp. VII, 424,24–425,7 Perels/Laehr); Neil, Popes (s. Anm. 27), 154,6–156,15.

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unsere heiligen Väter über die große Synode von Chalcedon gedacht haben.“196 Anastasius Bibliothecarius spielt also auf die Ablehnung von can. 28 des IV. Ökumenischen Konzils und can. 3 des II. Ökumenischen Konzils durch die römische Kirche an197 und intendiert offensichtlich ein analoges Verhalten gegenüber der Anathematisierung des Honorius bei unveränderter Anerkennung der dogmatischen Beschlüsse des III. Constantinopolitanums. Diese äußerst provokante Argumentation macht die Frage dringlich, worin denn die Ursache für dieses aktuelle und extensive Interesse an der Rehabilitation des Honorius bestand. (125) Es ist davon auszugehen, dass Anastasius Bibliothecarius zu den gegenwärtigen „falschen Anklägern“ des Honorius vor allem Photios rechnete.198 Dieser hatte sich schon in seiner Epistula Inthronistica vom Jahre 860 an Papst Nicolaus nicht gescheut, bei seiner Bestätigung des VI. Ökumenischen Konzils Honorius an die erste Stelle der dort verurteilten Häretiker zu rücken und ihn ohne Papsttitulatur als „Fabeldichter“ und „Wahnsinnigen“ zu bezeichnen.199 Papst Nicolaus I. hatte sodann auf einer nochmaligen Untersuchung der Vorgänge um die Absetzung des Ignatios unter römischer Beteiligung bestanden.200 Kaiser Michael III. (20. Januar 842 [15. März 856]‒23. September 867)201 und Photios waren ihm sehr weit entgegengekommen, als sie eine synodale Revision dieser Entscheidung unter Beteiligung zweier römischer Legaten202 ak-

196 Anastasius Bibl., Epistula ad Iohannem diac.: licere nobis opinamur de illa sentire, quae sanctos patres nostros de Chalcedonensi magna synodo sensisse non ignoramus (MGH Epp. VII, 424,28–29 Perels/Laehr; Neil, Popes [s. Anm. 27], 154,10–12). 197 Can. 3 von 381 erhebt Konstantinopel anstelle Alexandriens in der Rangfolge auf den zweiten Platz hinter Rom; can. 28 von 451 bestätigt dies und weist Konstantinopel τὰ ἴσα πρεσβεῖα wie Rom zu. Die römische Kirche verstand dies als eine Infragestellung ihres Primates. Vgl.: Ohme, Sources (s. Anm. 63), 52–53.63–66 (Literatur ebd., 58). 198 So bereits Perels/Laehr, in: MGH Epp. VII, 423 Anm. 7. 199 Photius Patr. Const., Epistula 288: ἀλλὰ καὶ τὴν ἕκτην (sc. ἀποδέχομαι), ὡς ἀπορίψασάν τε καὶ κατασπάσασαν τοὺς ἀμφὶ Ὀνώριον καὶ Σέργιον καὶ Μακάριον, τοὺς τερατολόγους καὶ παράφρονας (151–153 Laourdas/Westerink III). Die Anathematismen des VI. Konzils nennen Ὁνώριον τὸν γενόμενον πάπαν τῆς πρεσβυτέρας Ῥώμης nach den Konstantinopler Patriarchen Sergios, Pyrrhos, Paulos und Petros und vor Kyros, Makarios usw. (ACO ser. II 2,2 p.772,6–10 Ried.). Diese korrekte Reihenfolge ist Photios bekannt, denn in seinem Brief an den Bulgarenfürst (Boris) Michael hält er sie ein: Photius Patr. Const., Epistula 1 (329–334 Laourdas/Westerink I,12). 200 In seinem Brief an Kaiser Michael vom 25. September 860: Nicolaus I pp., Epistula 82 (MGH Epp. VI, 433–439 Perels). 201 PMBZ, Nr. 4991. 202 Dies waren die Bischöfe Rhadoaldus von Porto (PMBZ, Nr. 6404) und Zacharias von Anagni (PMBZ, Nr. 8636).

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zeptierten, die im Jahr 861 in der Apostelkirche in Konstantinopel stattfand.203 Dort bestätigten die päpstlichen Legaten die Rechtmäßigkeit der Absetzung des Ignatios. Ab 862 weigerte sich Nicolaus jedoch zur völligen Überraschung der Konstantinopolitaner, das Urteil seiner Legaten zu bestätigen,204 erklärte die Einsetzung des Photios für illegitim, bezeichnete diesen als „Ehebrecher und hochgradigen Frevler“205 und erklärte Ignatios zum einzig legitimen Patriarchen von Konstantinopel. Dies teilte er am 18. März 862 in drei Briefen206 an den Kaiser, an Photios und in einer Enzyklika allen (126) Gläubigen und allen östlichen Patriarchen, Metropoliten und Bischöfen mit. Die Provokation wird für Photios und den Kaiser nicht nur in der Entscheidung als solcher und ihrer Publikation bestanden haben, sondern mehr noch in ihrer Begründung. Denn der aus dem primatialen Selbstverständnis der Petrusnachfolge und -stellvertretung abgeleitete universalistische Anspruch, dass das, „was von den Leitern dieses Stuhles mit ganzer Vollmacht festgesetzt wird […], umso fester und unerschütterlich einzuhalten ist“,207 wurde von ihm auf die Aussage der Unfehlbarkeit der römischen Kirche zugespitzt. In seinem Brief an den Kaiser beruft sich Nicolaus darauf, dass die „heilige, katholische und apostolische römische Kirche, das Haupt aller Kirchen, immer und in allen ihren Handlungen dem unverfälschten Ansehen der heiligen Väter gefolgt ist.“208 In dem Schreiben an Photios behauptet der Papst, dass die Gesamtheit der Gläubigen von der „heiligen römischen Kirche, die das Haupt aller Kirchen ist, Belehrung verlangt, die

203 Zur Synode von 861 vgl. Milton V.Anastos, The papal legates at the Council of 861 and their compliance with the wishes of the Emperor Michael III, in: Ders., Aspects of the Mind of Byzantium. Political Theory, Theology, and Ecclesiastical Relations with the See of Rome, ed. by Spyros Vryonis, jr./Nicholas Goodhue Aldershot u. a. 2001, 185–200; Daniel Stiernon, Konstantinopel IV (GÖK 5), Mainz 1975, 39–57; Francis Dvornik, The Photian Schism. History and Legend. Cambridge (1948) ND 1970, 70‒90; Grotz, Erbe wider Willen (s. Anm. 181), 65‒73. 204 In seinen Schreiben vom 18. März 862 an den Kaiser (ep. 85) und Photios (ep. 86): MGH Epp. VI, 442–446.447–451 (Perels). 205 Nicolaus I pp., Epistula 84 (MGH Epp. VI, 442,17 Perels): pervasore coniugis […] scelestissimo videlicet Photio. 206 Nicolaus I pp., Epistula 84–86 (MGH Epp. VI, 440‒451 Perels). 207 Nicolaus I pp., Epistula 86 ad Photium Patr. Const. (MGH Epp. VI, 448,6–7 Perels): et ideo consequens est, ut, quod ab huius sedis rectoribus plena auctoritate sancitur […] firmius atque inconcusse teneatur. 208 Nicolaus I pp., Epistula 85 ad Michaelem Imp. (MGH Epp. VI, 443,5–7 Perels): hanc sanctam catholicam et apostolicam, caput omnium ecclesiarum, Romanam scilicet ecclesiam, quae semper sanctorum patrum sincerissimas auctoritates in omnibus suis actibus sequitur.

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Unversehrtheit des Glaubens (integritatem fidei) fordert und die Beendigung der Vergehen (sc. des Photios) erbittet.“209 Überdies hatte die Konstantinopler Synode von 861 mit ihrer definitiven Absetzung des Ignatios zu einer Fluchtbewegung der Anhänger des Ignatios nach Rom geführt, insbesondere von Mönchen, darunter auch dem ehemaligen Exarchos des Ignatios, Theognostos.210 Dieser überreichte in Rom einen Libellus211, der im Namen212 von Ignatios, 10 Metropoliten, 15 Bischöfen und einer „unendlichen Menge von Äbten, Presbytern und anderen Mönchen“ an „unseren Herrn, den hochheiligen und allerseligsten Vorsitzenden und Patriarchen aller Bischofssitze und Nachfolger des Ersten (sc. Petrus) und ökumenischen Papst Nicolaus“ (127) gerichtet ist213, und mit Verweis auf can. 4 der Synode von Serdika (342) bei ihm appelliert.214 Unter Verweis auf seine Vorgänger Fabianus, Julius, Innocentius, Leo „und alle, die für die Wahrheit gegen die Ungerechtigkeit gekämpft haben“, wird Nicolaus aufgefordert, diesen nachzueifern und diejenigen, die Ignatios Ungerechtigkeit widerfahren lassen, einer gerechten Strafe zuzuführen.215 Damit waren durch dieses Appellationsschreiben die primatialen Ansprüche des Papsttums auf gesamtkirchliche Zuständigkeit bei

209 Nicolaus I pp., Epistula 86 ad Photium Patr. Const. (MGH Epp. VI, 447,32–34 Perels): et quia universitas credentium ab hac sancta Romana eccelsia, quae caput omnium est ecclesiarum, doctrinam exquirit, integritatem fidei deposcit, criminum solutionem […] exorant. 210 PMBZ, Nr. 8018. Nicolaus erwähnt in Epistula 88 ihn „und einige andere Mönche“, die nach Rom geflohen seien, „wie unzählige andere Christen“, „die aus Alexandrien, Jerusalem, aus Konstantinopel und seiner Umgebung, vom Berg Olymp und von allen Ländern der Erde sich einfanden in Rom und alle dasselbe berichteten über das Ignatios widerfahrene Unrecht“ (Nicolaus I pp., Epistula 88 MGH Epp.VI, 477,21 f.,24; 478,28–30 [Perels]); quod ipsi per innumeros homines Romam ab Alexandria, ab Hierosolymis, a Constantinopoli et confinibus eius, ab Olimpo monte atque an ceteris mundi partibus advenantes agnovimus. 211 Mansi, Sacrorum conciliorum nova et amplissima collectio (s. Anm. 186), XVI, 295–302. 212 Ob Theognostos hier auf eigene Initiative oder im Auftrag des Ignatios gehandelt hat, lässt sich nicht mehr entscheiden. Vgl. dazu: PMBZ, Nr. 8018, Anm. 4. 213 Mansi, Sacrorum conciliorum nova et amplissima collectio (s. Anm. 186), XVI, 296A1–8: Ἰγνάτιος ὁ τυραννηθεὶς, καὶ πολλοῖς πειρασμοῖς προσωμιλικὼς, καὶ οἱ σὺν ἐμοὶ τούτων τῶν καιρῶν πεῖραν λαβόντες, δέκα μητροπολῖται, δέκα προς ε′ ἐπίσκοποι, ἡγουμένων τε καὶ πρεσβυτέρων καὶ ἑτέρων μοναχῶν πλῆθος ἄπειρον, τῷ δεσπότῃ ἡμῶν τῷ ἁγιωτάτῳ καὶ μακαριωτάτῳ προέδρῳ καὶ πατριάρχῃ πάντων τῶν θρόνων, καὶ τοῦ κορυφαίου διαδόχῳ, καὶ οἰκουμενικῷ Νικολάῳ πάπᾳ“. 214 Mansi, Sacrorum conciliorum nova et amplissima collectio (s. Anm. 186), XVI, 297E5–10. Zu den Appellationskanones von Serdika vgl.: Ohme, Sources (s. Anm. 63), 66–74. 215 Mansi, Sacrorum conciliorum nova et amplissima collectio (s. Anm. 186), XVI, 301A11–B2: ἐνθυμήθητι τοὺς πρὸ σοῦ πατριάρχας, λέγω δὴ Φαβιανὸν, Ἰούλιον, Ἰννοκέντιον, Λέοντα, καὶ ἁπλῶς τοὺς ὑπὲρ τῆς ἀληθείας κατὰ τῆς ἀδικίας ἀνδρισαμένους· καὶ ζήλωσον τούτους, καὶ εἰς τὴν ἡμῶν τῶν ἀδικηθέντων τοσαῦτα ἐκδίκησιν διανάστηθι.

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Bischofsprozessen als höchste Appellationsinstanz von den Gegnern des Photios anerkannt worden. Nicolaus hat daraufhin vollständig die Partei der Ignatianer ergriffen und nach den Briefen vom 18. März 862 im Juli/August 863 eine römische Synode durchgeführt, auf der Photios seines Amtes enthoben und in den Laienstand zurückversetzt wurde, während Ignatios als rechtmäßiger Patriarch anerkannt wurde.216 Theognostos blieb ca. sieben Jahre in Rom217 und mit ihm eine große Anzahl von ignatianisch gesinnten Mönchen aus dem Osten. Diese bildeten jetzt die Mehrheit unter den griechischen Mönchen in Rom218 und bestimmten dort dermaßen das kirchenpolitische Klima, dass noch der Nachfolger des Nicolaus, Hadrian II., bei seinem Regierungsantritt am 12. Februar 868 für diese Gruppe von Mönchen aus Jerusalem, Antiochien, Alexandrien und Konstantinopel ein Festessen veranstaltete, bei dem er selbst sie zu ihrer Überraschung bediente und in einer Ansprache ihnen versicherte, die Politik seines Vorgängers gegenüber Konstantinopel fortzusetzen.219 (128) Kaiser Michael III. aber hatte Nicolaus im August 865 ein äußerst provokantes Schreiben220 gesandt, mit dem er auf die päpstlichen Briefe vom 18. März 862 reagierte. Der kaiserliche Brief, als dessen Autor Nicolaus wohl zu Recht Photios annahm,221 ist nicht erhalten, seine wesentlichen Inhalte können aber aus der Antwort von Papst Nicolaus an den Kaiser erschlossen werden, die ‒ wie alle zuvor genannten Briefe des Papstes ‒ von Anastasius Bibliothecarius verfasst worden ist. Dieser äußerst umfangreiche Brief222 macht meines Erachtens deutlich, wieso die Honoriusfrage jetzt in den Focus des päpstlichen Interesses und damit auch des Anastasius geriet. Denn das kaiserliche Schreiben

216 Nicolaus I pp., Epistula 87 (MGH Epp. VI, 451–452 Perels), Epistula 98 (ebd. 556,12–557,10; 562,8–23). Zur Synode vgl.: Wilfried Hartmann, Die Synoden der Karolingerzeit im Frankenreich und in Italien. Paderborn 1989, 288‒290. 217 Vgl. PMBZ, Nr. 8018, Anm. 3. 218 Jean-Marie Sansterre, Les moines grecs et orientaux à Rome aux époques byzantine et carolingienne (milieu du VIe s.‒fin du IXe s.). Bruxelles 1983, I 141. 219 Liber Pontificalis CVIII, 16‒19 (176,18–177,17 Duchesne II); Grotz, Erbe wider Willen (s. Anm. 182), 141–144 spricht von einer „Regierungserklärung“ Hadrians vor den Mönchen; Sansterre, Les moines grecs (s. Anm. 218) 39.141‒143, meint, Hadrian habe den Einfluss der Mönche anerkannt als „un véritable ‚group de pression“ (Sansterre, ebd., 143). 220 Dölger/Müller, Regesten (s. Anm. 7), Reg. 464; Stiernon, Konstantinopel IV (s. Anm. 203), 55‒57. 221 Nicolaus I pp., Epistula 88 (MGH Epp. VI, 473,28; 474,16 Perels). 222 Nicolaus I pp., Epistula 88 (MGH Epp. VI, 454–487 Perels). Er stellt eine der wichtigsten Manifestationen des päpstlichen Selbstverständnisses im Mittelalter dar und wurde später von allen bedeutenden Kanonisten bis zu Gratian zitierend herangezogen. Vgl. Ernst Perels, Die Briefe Nikolaus I. Die kanonistische Überlieferung, in: NA 39 (1914), 45‒153.292‒294.

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war „voll von Beleidigungen und Angriffen gegen die römische Kirche“223 und Drohungen, Rom den Untergang zu bereiten, wenn der Papst nicht sein Urteil revidierte.224 In gleicher Weise strotzt die päpstliche Antwort vor beißender Schärfe und wirft alle diplomatischen Rücksichtnahmen über den Haufen. Diese kaum je zuvor so gehörte antikaiserliche Aggressivität erklärt sich aus der polemischen Infragestellung des beanspruchten gesamtkirchlichen Jurisdiktionsprimates der römischen Kirche durch Konstantinopel. Nicolaus will in seinem Brief das widerlegen, was „zur Beschimpfung der römischen Kirche, was zur Minderung ihrer Vorrechte und was zur Aufhebung (ad derogationem) der Vollmacht der Bischöfe des apostolischen Stuhles“ geschrieben wurde.225 Der an erster Stelle von ihm behandelte kaiserliche Vorwurf bringt nun sofort das VI. Ökumenische Konzil ins Spiel. Der Kaiser habe gesagt, seit dem VI. Konzil habe kein einziger römischer Bischof so viel Entgegenkommen vom Kaiser erlangt, wie Nicolaus.226 Das nimmt natürlich auf das kaiserliche Zugeständnis Bezug, auf der Synode von 861 nochmals unter Beteiligung von römischen Legaten die Rechtmäßigkeit der Absetzung des Ignatios zu verhandeln.227 Insofern es aber um die (129) Absetzung eines Konstantinopler Patriarchen ging, ist der eigentliche Bezugspunkt die römische Beteiligung an der Anathematisierung von vier Konstantinopler Patriarchen auf dem VI. Konzil im Jahr 681. Damit wird aber automatisch auch die dortige Verurteilung des Honorius mit aufgerufen. Obwohl sich dies nun in Ermangelung des kaiserlichen Briefes nicht belegen lässt, ist meines Erachtens davon auszugehen, dass in diesem Brief auch mit Hinweisen auf Honorius zur Zurückweisung der römischen Unfehlbarkeitsansprüche argumentiert worden ist. Anders lässt sich meines Erachtens die unmittelbar folgende außerordentlich gereizte Replik des Papstes kaum verstehen, der sich zu dem Gegenvorwurf versteigt, dass „seit dem VI. Konzil die meisten Kaiser Häretiker waren und nur wenige katholisch.“228 Gegen die kaiserliche Infragestellung der römischen Ansprüche argumentiert Nicolaus schließlich, dass „niemand zu keinem Zeitpunkt sich durch einen ganz und

223 Andreas Müller in: Dölger/Müller, Regesten (s. Anm. 7) 240 (Reg. 464). S. dort auch die Zusammenfassung der Angriffe. 224 Nicolaus I pp., Epistula 88 (MGH Epp. VI, 479,1–4 Perels). 225 Nicolaus I pp., Epistula 88 (MGH Epp. VI, 456,40–457,1 Perels): Verumtamem quae ad ecclesiae Romanae iniuriam, quae ad ipsius privilegiorum imminutionem, quae ad sedis apostolicae derogationem scripsistis, quanta possumus constantia retundemus. 226 Nicolaus I pp., Epistula 88 (MGH Epp. VI, 457,2–4 Perels): Dixistis enim, quod nullus antecessorum nostrorum a sexta synodo meruerit a vobis, quod nos meruisse dinoscimur. 227 Vgl. Anm. 203. 228 Nicolaus I pp., Epistula 88 (MGH Epp. VI, 457,18–19 Perels): Denique an sexta synodo imperatores aut heretici aut, licet perpauci, catholici fuerunt.

5 Die Entstehung des Textes der Apologia Honorii

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gar menschlichen Beschluss erheben dürfe gegen das Vorrecht und das Bekenntnis Jenes, den der Befehl Christi allen […] als Ersten offenbart hat.“229 Insofern hier nicht nur jurisdiktionelle Privilegien, sondern auch das Bekenntnis römischer Päpste angesprochen ist, transzendiert dieser Satz die aktuelle Problemlage und lässt vermuten, dass der Briefschreiber in Hinsicht auf das VI. Konzil bereits von der Unschuld des Honorius überzeugt ist. Schließlich argumentiert der Brief sogar ausdrücklich mit dem sog. monotheletischen Streit, insofern auch noch Maximos aufgerufen wird, der „ehrwürdige Mönch und in jener Zeit bei euch fast der einzige Katholik“,230 der in seinem Prozess das Nötige zu den Grenzen der kaiserlichen Gewalt gesagt habe. Das bezieht sich auf eine Stelle in der sog. Relatio motionis, die Anastasius erst im Zusammenhang seiner Collectanea ca. 10 Jahre später übersetzen wird, die ihm aber offensichtlich schon jetzt bestens bekannt ist.231 Honorius, Maximos und der sog. monotheletische Streit stehen also in den Kontroversen um Photios und Ignatios in den 60er Jahren des 9. Jahrhunderts auf beiden Seiten argumentativ im Hintergrund. In diesem Kontext ist nun auch erstmals die (130) Apologia Honorii literarisch belegt. Woher aber hat Anastasius Bibliothecarius diesen Text eigentlich erhalten? Und warum ist er als kohärenter Text nicht schon früher belegt?

5 Die Entstehung des bei Anastasius Bibliothecarius überlieferten Textes der Apologia Honorii Wie eingangs bereits festzustellen wurde, hat der Bibliothecarius Romanae Ecclesiae den Text der Apologia Honorii nicht im römischen Archiv vorgefunden, er ist ihm vielmehr nach seinen Worten in griechischer Übersetzung „in die Hände gefallen.“232 Dies aber kann nicht in Rom der Fall gewesen sein, denn der Brief Papst Iohannes’ IV. an die Kaiser war offensichtlich bereits vor dem VI. Ökumenischen Konzil in Rom nicht mehr greifbar. Das ergibt sich aus folgenden Beobachtungen.

229 Nicolaus I pp., Epistula 88 (MGH Epp. VI, 485,23–24 Perels): numquam quovis penitus humano consilio elevare se quemquam posse contra illius privilegium vel confessionem, quem Christi vox praetulit universis. 230 Nicolaus I pp., Epistula 88 (MGH Epp. VI, 486,25–26 Perels): Maximus, venerabilis monachus et illo in tempore apud vos pene solus catholicus. 231 Collectanea Nr. 9; Relatio motionis inter Maximum et principes (CCSG 39, 25,182–27,206 Allen/Neil); Vgl. dazu: Gilbert Dagron, Emperor and Priest. The Imperial Office in Byzantium. Cambridge 2003, 168–173; Ohme, Maximos Homologetes (†662): Martyrium (s. Anm. 39), 321–325. 232 S. Anm. 41.

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Kaiser Konstantin IV. (668‒685)233 hatte in seiner Sacra234 an Papst Donus (676‒678)235 vom 12. August 678 und der dort ausgesprochenen Einladung, zur Klärung der theologischen Streitfrage eine Delegation nach Konstantinopel zu entsenden, bereits darauf hingewiesen, dass die Patriarchen Theodoros von Konstantinopel (677‒679.686‒687)236 und Makarios von Antiochien (669‒681)237 ihn bedrängt hätten, außer Honorius dessen Nachfolger auf dem römischen Stuhl insgesamt bis zur Klärung der Streitfrage aus den Diptychen zu streichen.238 Neben Klerikern und Bischöfen ‒ so teilte der Kaiser weiterhin mit ‒ solle die römische Delegation auch Vertreter der „vier byzantinischen Klöster in Rom“ enthalten; man möge auch die entsprechenden Bücher mitbringen.239 Damit war bereits im Vorfeld der Synode eigentlich klar, dass die sog. Monotheleten sich auch 40 Jahre nach Pyrrhos weiterhin auf Honorius berufen würden, und man sollte erwarten, dass in Rom entsprechende Vorbereitungen getroffen wurden. Davon ist allerdings vor und während der Synode nicht das Geringste zu bemerken.240 Selbst Papst Agatho (678‒681)241 (131) hat seinen Brief242 an den Kaiser vom 27. März 680 anscheinend ohne jedes Problembewusstsein angesichts der Honoriusfrage formuliert. Er argumentiert dort nicht nur unbeirrt mit der völligen Irrtumsfreiheit243 der römischen Kirche, sondern vertritt auch noch den Standpunkt, dass die römischen Bischöfe es niemals versäumt hätten, die Bischöfe der Kirche von Konstantinopel zu ermahnen, wenn diese eine häretische Neuerung in die Kirche einzuführen versuchten, damit sie nicht den Anfang der Spaltung in die Kirche brächten, „indem sie einen Willen und eine Wirkweise der beiden Naturen in einem Herrn Jesus Christus geltend machen“.244 Auf dem VI. Konzil hatte

233 PMBZ, Nr. 3702. 234 Dölger/Müller, Regesten (s. Anm. 7), Reg. 242. 235 PMBZ, Nr. 1392. 236 PMBZ, Nr. 7317. 237 PMBZ, Nr. 4670. 238 Constantinus IV. Imp., Sacra ad Donum pp. (ACO ser. II 2,2 p.8,11–18 Ried.). 239 Constantinus IV. Imp., Sacra ad Donum pp. (ACO ser. II 2,2 p.6,11.30–31 Ried.). 240 Vgl. zum Folgenden: Kreuzer, Honoriusfrage (s. Anm. 2), 82–93.97–100. 241 PMBZ, Nr. 129. 242 Agatho I., Epistula ad Constantinum IV. Imp. (ACO ser. II 2,2 p.52,13–123,4 Ried.); Winkelmann, Streit (s. Anm. 1), Nr. 157. 243 Agatho I., Epistula ad Constantinum IV. Imp. (ACO ser. II 2,2 p.63,14–15;113,1–4 Ried.). Genauso argumentiert der Synodalbrief der Lateransynode vom 27. März 680 (ACO ser. II 2,2 p.125,11–127,2 Ried.). 244 Agatho I., Epistula ad Constantinum IV. Imp. (ACO ser. II 2,2 p.67,8–13 Ried.): numquam neglexerunt eos hortari atque obsecrando commonere […] ne ex hoc exordium discidii in unitate ecclesiae facerent, unam voluntatem unamque operationem duarum naturarum asserentes in uno domino Iesu Christo.

5 Die Entstehung des Textes der Apologia Honorii

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sich dann Makarios von Antiochien schon in der 1. Sitzung in seiner Antwort an die römischen Legaten auf Honorius bezogen,245 ebenso in der 8. Sitzung,246 um dann auf eine Sendung mit Testimonia an den Kaiser zu verweisen, zur der u. a. auch der erste Honoriusbrief gehörte. Diese Testimonia wurden ab der 12. Sitzung diskutiert und verworfen.247 „Die päpstlichen Legaten, die bisher am regsten und führend in den Debatten des Konzils gewesen waren, verhielten sich während dieser ganzen Episode schweigend.“248 Bis zur abschließenden Anathematisierung des Honorius sind keinerlei Versuche der Legaten, Honorius zu verteidigen, nachweisbar. Dies betrifft auch die vier Vertreter249 der Klöster. Diese hatten das grundlegende römische Florilegium für die Synode zusammengestellt mit 61 Testimonia aus 39 verschiedenen Werken und durften auch die erste Lesung daraus vornehmen.250 Der zu dieser Gruppe gehörende Abt des sizilianischen Klosters τῶν Βαΐων, Theophanes,251 war „ohne (132) Zweifel der beste Theologe auf dem Konzil“ und trieb Makarios und dessen Schüler in Befragungen mehrfach in die Enge. 252 Zur Verteidigung des Honorius aber hatte auch er nichts zu sagen. Das alles kann nur bedeuten, dass den römischen Legaten nicht nur die Apologia Honorii unbekannt war, sondern auch die ganze Honoriusproblematik einschließlich der Honoriusbriefe. Das muss auch für Papst Agatho gelten, der ansonsten seine Legaten ohne Zweifel auf diese Thematik vorbereitet hätte. Diese Beobachtungen haben schon Georg Kreuzer zu folgendem Schluss geführt: „Wenn die Honoriusbriefe im päpstlichen Archiv vorhanden gewesen wären, hätte sie Agatho sicherlich seinen Legaten mitgegeben.“253 Zu ergänzen ist nunmehr, dass er natürlich vor allem auch die Apologia Honorii mitgegeben hätte, wenn sie noch im Archiv gewesen wäre. Dieses merkwürdige Fehlen hat Kreuzer meines Erachtens zutreffend dadurch erklärt, dass „die römische Geistlichkeit also vermutlich ihr eigenes Beweismaterial selbst beseitigt hatte“.254 Er ver-

245 Concilium Constantinopolitanum a. 680/81, Actio I (ACO ser. II 2,2 p.22,18–19 Ried.). 246 Concilium Constantinopolitanum a. 680/81, Actio VIII (ACO ser. II 2,2 p. 216,23 Ried.). 247 Concilium Constantinopolitanum a. 680/81, Actio XII (ACO ser. II 2,2 p.524,5–18; 548,1–558,8; 564,1–17; 578,12–580,8 Ried.). 248 Caspar, Geschichte (s. Anm. 23), 602. 249 Vgl. z. B. Concilium Constantinopolitanum a. 680/81 (ACO ser. II 2,1 p.38,34–40,1 Ried.). 250 Vgl. Sansterre, Les moines grecs (s. Anm. 218), 120–121. 251 PMBZ, Nr. 8082. Er wurde auf dem Konzil nach der Absetzung des Makarios von Antiochien zu dessen Nachfolger erhoben. 252 Murphy/Sherwood, Konstantinopel II und III (s. Anm. 139), 242. 253 Kreuzer, Honoriusfrage (s. Anm. 2), 98. 254 Kreuzer, Honoriusfrage (s. Anm. 2), 99. „Ich vermute, daß auf Veranlassung des Abtes Johannes und des Diakons Sericus die Kopien der beiden Honoriusbriefe unterdrückt worden

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7 Wer hat den Dyotheletismus erfunden?

mutet, dass dies zwischen der Entstehung der Apologie und dem Amtsantritt Papst Martins am 5. Juli 649 geschehen sei.255 Man könnte präzisieren, dass dies nach 642/3 während des Papates von Theodorus I. erfolgt sein muss, der die Apologie in seinem oben genannte Brief an Kaiser Konstans II. ja noch erwähnt.256 Ein so radikales Vorgehen gegen die bereits im Zusammenhang der Vorbereitung der Lateransynode von 649257 wohl als kompromittierend betrachteten Honoriusbriefe und die Apologie korrespondiert mit dem völligen Ausfall von diesbezüglichen Nachrichten im Liber Pontificalis. Denn dessen Nachrichtensperre betrifft nicht nur das bereits erwähnte Kapitel258 über Iohannes IV., in dem von dessen Synode und der Apologie keine Rede ist, sondern auch das Kapitel (133) über Honorius, der im Papstbuch nur als Bauherr und Ordinator auftaucht, nicht aber als Briefpartner des Sergios.259 Damit nicht genug, berichtet der Liber Pontificalis im Kapitel über Papst Agatho ziemlich detailliert über die Vorgänge auf dem VI. Konzil nur bis zur 9. Sitzung mit der Absetzung des Makarios von Antiochien und schließt den Bericht mit der Verurteilung von Kyros, Sergios, Pyrrhos, Paulos und Petros, ohne Honorius mit einem Wort zu erwähnen.260

sind. Beide hätten, wäre die Rechtgläubigkeit der beiden Schreiben auch in Rom umstritten gewesen, um ihre Stellungen bangen müssen.“ (a.a.O.). Sericus war römischer Archidiakon unter Honorius und Iohannes IV. Der zweite Honoriusbrief an Patriarch Sergios nennt ihn als Verfasser (ACO ser. II 2,2 p.620,23 Ried.). Wahrscheinlich ist er auch der Überbringer der Apologia Honorii nach Konstantinopel und der Antwort Konstans’ II. nach Rom. Vgl. Dölger/Müller, Regesten (s. Anm. 7), Reg. 221, Kommentar. 255 Ebd. 256 S. o. S. 115 mit Anm. 224f. 257 Auf der Lateransynode kommt Iohannes IV. außer als Empfänger eines Briefes von Pyrrhos nicht vor (ACO ser. II 1, p.338,17 [Ried.]). Er wird weder als Verfasser der Apologie noch als Veranstalter einer Synode genannt. Honorius wird überhaupt nicht erwähnt, obwohl Maximos noch 645 den Glauben des „magnus Honorius“ gepriesen hatte (vgl. Anm. 140). 258 S. o. S. 203 mit Anm. 25. 259 Liber Pontificalis 72 (323–324 Duchesne I). 260 Liber Pontificalis 81,6‒14 (351,10–354,15 Duchesne I). Andere Erklärungen gehen allesamt auf Louis Duchesne (Liber Pont. I, 356, Anm. 13) zurück, der meinte, dass die Akten der Synode dem Schreiber der Vita Agathonis noch nicht vorlagen oder noch nicht übersetzt waren. Die vom Liber Pontificalis gebotenen Informationen über die Synode seien vorher brieflich nach Rom gelangt. Ähnlich: Caspar (Geschichte [s. Anm. 23], 609). Sherwood (Murphy/Sherwood, Konstantinopel II und III [s. Anm. 139], 252 mit Anm. 43) konzediert, dass es „ohne Zweifel […] bewußt unterlassen (wurde), das zu erwähnen“, und will dies damit erklären, dass die „authentische Bestätigung“ durch Papst Leo II. noch nicht vorlag. Diese ist mit dem Schreiben Leos vom September 682 erfolgt (Winkelmann, Streit [s. Anm. 1], Nr. 168). In der Vita Leonis des Liber Pontificalis wird Honorius dann tatsächlich erwähnt (359,9 Duchesne I), allerdings ohne Titel nur unter Nennung des Namens. Die Akten der Synode wurden nach Abschluss des Konzils den römischen Legaten im September 681 überreicht (ACO ser. II, 2,2

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Der Text der Honoriusbriefe und der Apologia Honorii existierte damit schon vor dem VI. Konzil nicht mehr in Rom ‒ weder im päpstlichen Archiv noch in den Bibliotheken der griechischen Klöster ‒, sondern nur noch im griechischen Osten. Deswegen ist meines Erachtens davon auszugehen, dass Anastasius Bibliothecarius die Apologia Honorii entweder durch die in Rom weilenden ignatianischen Mönche „in die Hände gefallen“ war, die ‒ wie dargestellt ‒ ein direktes Interesse an der uneingeschränkten Autorität des römischen Stuhles hatten und vielleicht den Brieftext (134) bei sich führten, oder er hat ihn mit den anderen Texten der Collectanea während seines Aufenthaltes in Konstantinopel im Jahr 870 gesammelt und nach Rom gebracht. Letzteres scheint mir wahrscheinlicher zu sein. Zu den vielen Texten, die Anastasius aus Konstantinopel mitbrachte, gehören z. B. auch die Ps.Dionysius-Scholien des Maximos Homologetes und des Johannes von Skythopolis. Und von diesen berichtet er mit einer ähnlichen Formulierung wie bei der Apologia Honorii, sie seien ihm „in die Hände gekommen“.261 Bekanntlich hat Anastasius auch einen eigenen Codex mit einer in seinem Auftrag gefertigten Kopie der Akten der antiphotianischen Synode von 869/70 nach Rom mitgebracht.262 Seine lateinische Übersetzung ist der einzige erhaltene Protokolltext dieser Synode. Ebenso hat er in Konstantinopel den dortigen griechischen Aktentext des VII. Ökumenischen Konzils (787) studiert und dabei festgestellt, dass in dem Brief Papst Hadrians I. an die Kaiser Konstantin VI. und Irene Veränderungen vorgenommen wurden. Seine lateinische Übersetzung der Akten der Bildersynode basiert auf einem griechischen Aktentext, der sich durch Zusätze und Lücken von jenem durch

p.830,1–5) und von diesen im Sommer 682 nach Rom gebracht, wo man sofort mit der lateinischen Übersetzung begann. (Rudolf Riedinger, Die lateinischen Handschriften der Akten des VI. Konzils (680/81) und die Unizialkorrekturen im Cod. Vat. Regin. Lat. 1040, in: Ders., Kleine Schriften zu den Konzilsakten des 7. Jahrhunderts [IP 34], Steenbrugge 1998, [119‒133] 123). Diese Erklärungen für das Fehlen des Namens des Honorius übersehen Folgendes. Der Liber Pont. 81,6 (351,12 Duchesne I) spricht von 150 Teilnehmern der Synode, eine Zahl, die erst mit der 17. Sitzung fünf Tage vor Abschluss der Synode erreicht wurde (Vgl. Riedinger, Präsenzund Subskriptionslisten [s. Anm. 57], 21). Ebenso berichtet er von einer „die octava Paschae“ in der Hagia Sophia in lateinischer Sprache gefeierten Messe, die zwischen der 14. und 15. Sitzung stattgefunden haben muss (354,13;358 Anm. 33 Duchesne I). Mit Marek Jankowiak, dem diese Beobachtungen zu verdanken sind, ist daraus zu schließen, dass der Bericht des Liber Pont. „sans doute après leur (sc. der Legaten) retour à Rome en juillet 682“ entstanden ist (Ders., Essay [s. Anm. 4], 437). Die bewusste Auslassung des Honorius in der Vita Agathonis im Liber Pont. ist meines Erachtens auch aus der Überlegung heraus erfolgt, ansonsten das Kapitel über Honorius umschreiben zu müssen. 261 Anastasius Bibl., Epistula 13 ad Carolum (Calvum) imp. (MGH Epp. VII, 432,14 Perels/ Laehr): ad manus venere. 262 Anastasius Bibl., Praefatio ad acta VIII. Synodi (MGH Epp. VII, 410,29–34 Perels/Laehr).

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die päpstlichen Legaten 787 nach Rom gebrachten Exemplar deutlich unterscheidet und dessen Entstehung „im Zusammenhang der Auseinandersetzungen zwischen Nikolaus I. und Photios zu sehen ist“. Er stellt das „Ausgangsexemplar der Gesamtüberlieferung dar.“ Es ist auch in diesem Fall davon auszugehen, dass Anastasius diesen Text in einem „zeitgenössischen griechischen Codex […] wohl aus Konstantinopel mitgebracht hat.“263 Nimmt man die anderen vom ihm mitgeführten Texte hinzu, so muss der päpstliche Bibliothekar seinen Konstantinopelaufenthalt für ausgiebige Handschriftenstudien genutzt haben. Ohne Zweifel ist er dabei auf Hilfe – nicht zuletzt beim Kopieren ‒ angewiesen gewesen. Seine Kontakte und Informationen gewann er „in ultra-Ignatian circles, which he frequented at the time.“264 Anastasius berichtet selbst265 von ausführlichen Gesprächen mit dem Metropoliten von Smyrna, Metrophanes,266 der zu den Hauptgegnern des Photios gehörte. Auch der inzwischen im Jahr 868 nach Konstantinopel zurückgekehrte und zum Abt des Pegeklosters und Skeuophylax der Hagia Sophia aufgestiegene Theognostos wird hilfreiche Dienste geleistet haben. Bei diesen (135) Handschriftenstudien wird Anastasius Bibliothecarius auf eine kanonistische Sammelhandschrift gestoßen sein, die wie jene späteren oben beschriebenen arabischen Übersetzungen267 zum VI. Ökumenischen Konzil neben einer kurzen historischen Einleitung und dem Horos sowie den Kanones auch die Apologia Honorii und die Briefe Konstans’ II. und Papst Theodorus’ enthielt. Dieser Codex sollte sich an einem Ort befunden haben, der Überlieferungsträgern zuzuordnen ist, die an der Orthodoxie des Honorius ein spezifisches Interesse hatten, ist dieser Textbestand ‒ wie gesagt ‒ doch ansonsten in griechischen kanonistischen Sammelhandschriften nicht belegt. Ein durchgängiges Interesse an der Orthodoxie des Papstes Honorius ist von Anfang an bei Maximos Homologetes und seinen Anhängern festzustellen gewesen. Seit dem Besuch des engsten Mitarbeiters des Maximos, Anastasios Monachos, im Jahr 641 in Rom ist dies evident.268 In Opusculum 20 von 641 unternimmt Maximos selbst eine Apologia Honorii,269 in seinem Brief an Petros Illustrios

263 Alle Zitate stammen vom Herausgeber der Akten des VII. Konzils, Erich Lamberz, in: Ders. (Hg.), Concilium Universale Nicaenum Secundum. Concilii Actiones I‒III (ACO ser. II 3,1), Berlin 2008, Einleitung LIII. Zur lateinischen Übersetzung des Anastasius vgl. ebd., XXXII–L. 264 Dvornik, The Photian Schism (s. Anm. 203), 33. 265 Anastasius Bibl., Epistula ad Gaudericum episc. Veliternensi (MGH Epp. VII, 437, 6–11 Perels/Laehr). 266 PMBZ, Nr. 25088. 267 S. o. Kap. 1. 268 S. o. Anm. 123. 269 S. o. Anm. 127.

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von 645 stellt er Honorius in eine Reihe mit den Päpsten Severinus, Iohannes und Theodorus.270 In der Disputatio cum Pyrrho wird von den maximianischen Autoren nach 655 zur Verteidigung des Honorius der ursprüngliche theologische Inhalt der Apologia Honorii Iohannes IV. so präzise referiert und auf eine bestimmte Stelle des ersten Honoriusbriefes Bezug genommen, dass man annehmen muss, dass die Texte beider Briefe dort vorlagen. In der nach dem VI. Konzil meines Erachtens in maximianischen Kreisen wohl in Palästina/Jerusalem entstandenen „Διήγησις über die Häresie der Monotheleten“ wird die Anathematisierung des Honorius auf dem VI. Konzil unterschlagen und dafür eine frühere temporäre Exkommunikation konstruiert. Gleichzeitig wird hier (außerhalb des überlieferten Textes der Apologia Honorii!) erstmals Iohannes IV. ein dyotheletisches Bekenntnis zugeordnet.271 Dieses Interesse des Maximos und seiner Anhänger ist vor und nach der Lateransynode von 649 über die Person des Honorius hinaus ein Interesse an der uneingeschränkten Autorität des Papsttums als Institution. Denn dieses Mönchskollektiv aus Palästina geflohener Mönche hat in Kooperation mit dem aus Jerusalem stammenden griechischen Papst Theodorus I. (642‒649) das Papsttum und die von einem Papst geleitete Synode gleichsam für seine kirchenpolitisches Ziele instrumentalisiert und in zelotischem Geist die Konfrontation mit Kirche und (136) Staat gesucht.272 Maximos Homologetes hat deshalb bekanntlich wie kein anderer östlicher Theologe vor und nach ihm Autorität, Primat und Privilegien der römischen Kirche betont.273 Durch die Lateransynode von 649, für die die Autorität eines ökumenischen Konzils in Anspruch genommen wurde,274 die aber die Karikatur einer kirchlichen Synode war,275 sollte mit päpstlicher Autorität den maximianischen Theologumena universale Geltung verschafft

270 S. o. Anm. 140. 271 S. o. S. 121. 272 Dazu vgl. Christian Boudignon, Le pouvoir de lʼanathème ou Maxime le Confesseur et les moines palestiniens du VIIe siècle, in: Alberto Camplani/Giovanni Filoramo (Hgg.), Foundations of Power and Conflict of Authority in Late Antique Monasticism (OLA 157), Leuven u. a. 2007, 245–274; Booth, Crisis of Empire (s. Anm. 3), 278–300; Heinz Ohme, Oikonomia im monenergetisch-monotheletischen Streit, in: ZAC 12 (2008), 308–343); Ders., Die Bedeutung der Geschichtstheologie im monenergetisch-monotheletischen Streit, in: ZThK 112 (2015), (27–61) 41–51, Ders., Martyrium (s. Anm. 39). 273 Vgl. Jean-Claude Larchet, Saint Maxime le Confesseur. Paris, 2003, 198–210; Ders., Maxime le Confesseur, médiateur entre lʼOrient et lʼOccident. Paris, 1998, 125–201. 274 Maximos hat die Lateransynode so bezeichnet: Ders., Opusc. theol. et polem. 11 (PG 91,137D). 275 Vgl dazu: Rudolf Riedinger, Die Lateransynode von 649 und Maximus der Bekenner, in: Kleine Schriften (s. Anm. 261), 167–179; Ders., Die Lateranakten von 649, ein Werk der Byzantiner um Maximos Homologtetes, in: ebd., 221‒238; Price/Booth/Cubitt, Acts (s. Anm. 25), 5‒108 (General Introduction); Heinz Ohme, Was war die Lateransynode von 649? Was sollte sie sein?, in: AHC 47 (2015), 109–157.

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werden.276 Dies alles aber ließ sich kaum mit einem Papst vereinbaren, der in den Anfängen derselben Kontroverse die Partei der Gegenseite ergriffen hatte. Deswegen ist der anfänglichen Interpretation des Honoriusbriefes durch Iohannes IV. schließlich ein eindeutig dyotheletisches Bekenntnis zugewachsen. Diese Fortschreibung ist meines Erachtens in maximianischen Kreisen nach 681 erfolgt. Denn trotz der auf dem VI. Konzil erfolgten Rezeption der dyotheletischen Theologumena des Maximos war man bei den Maximianern anscheinend nicht bereit, die Gleichordnung des Honorius mit Sergios, Pyrrhos, Paulos und Petros ohne weiteres mitzutragen. Hinzu kam, dass das VI. Konzil jede Würdigung des Maximos und der Lateransynode vermieden hat, während die Maximianer einen Heiligen- und Märtyrerkult um Maximos und Papst Martin installierten.277 Dieser Heiligenkult wurde gegen Ende des 8. Jahrhunderts in den ikonodulen monastischen Kreisen Konstantinopels rezipiert,278 die sich zunehmend radikalisierten, so dass sich schließlich in den Tagen des Patriarchen Photios in Konstantinopel „two powerful hostile clans“ gegenüberstanden, (137) „which were competing for supreme control over church and state.“ Auf der einen Seite waren dies „the partisans of ‚oeconomia‘, the liberal policy of compromise“, auf der anderen „the intransigent ultra-conservatives, who held that church prescriptions should be carried ut in all circumstances and with the utmost rigour.“279 Die letzteren waren die Anhänger des Ignatios, die besonders stark im Mönchtum vertreten waren und hier von allem unter den Mönchen des Konstantinopler Studios-Klosters.280 Wir haben gesehen, wie in dieser Kontroverse um Photios nun erneut Honorius und das Interesse an einer uneingeschränkten Autorität des Papsttums für die Ignatianer und die Protagonisten auf der päpstlichen Seite aktuell wurde. Für die Entstehung einer sehr begrenzten Tradition kanonistischer Handschriften mit den genannten Ergänzungen bieten sich somit meines Erachtens zwei Erklärungen an. Im Zusammenhang der zelotischen Rezeption der Maxi-

276 Dies ergibt sich u. a. aus der Forderung, dass die zuvor in Rom kopierten und an alle großen Kirchen verschickten Akten überall synodal rezipiert werden sollten. Vgl. dazu die Enzyklika Papst Martins I. (ACO ser. II 2,1 p. 412,2–4.11–12 Ried.). 277 Ohme, Widerstand (s. Anm. 175), 113–131. 278 Ohme, Widerstand (s. Anm. 175), 131–141. 279 Alle Zitate: Dvornik, Schism (s. Anm. 203), 5–6. Zu den konkreten Ursachen der Spaltung der Kirche von Konstantinopel vgl.: Dvornik, ebd., 1–38; Beate Zielke, Methodios I., in: RalphJohannes Lilie (Hg.), Die Patriarchen der ikonoklastischen Zeit (BBySt 5), Frankfurt a.M. 1999, (183–260) 230–259. 280 Vgl.: Dvornik, Schism (s. Anm. 203), 9: „chiefly the reformed monks of the monastery of Studion“; Grotz, Erbe wider Willen (s. Anm. 182), 62: „Die entschiedensten Parteigänger des Ignatios waren die Studiten.“

Fazit

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mos-Verehrung und maximianischer Traditionen könnte die inzwischen fortgeschriebene Apologia Honorii zusammen mit den anderen Texten in den Scriptorien ignatianischer Klöster Konstantinopels, die während des Ikonoklasmus neu entstanden waren,281 in die kanonistische Tradition zum VI. Konzil eingewandert sein. Als Ort hierfür wäre vor allem das Studios-Kloster zu denken.282 Ebenso aber könnte eine solche Ergänzung bereits im maximianischen Kontext palästinischer Klöster erfolgt sein, um dann in Konstantinopel übernommen worden zu sein. (138)

Fazit Mit der vorliegenden Rekonstruktion der Entstehung des überlieferten Textes der Apologia Honorii Papst Iohannes’ IV. wird die äußerst ungewöhnliche Tatsache nachvollziehbar, dass von diesem Text weder das lateinische Original existiert, noch auch die griechische Übersetzung, die der Rückübersetzung des Anastasius Bibliothecarius zugrunde gelegen hat. Es wird erklärbar, warum dieser Text erstmals im Jahr 874/5 literarisch belegt ist und seine handschriftliche Verankerung nur in einer sehr schmalen Tradition byzantinischer kanonistischer Handschriften hat, die nur noch in arabischen kanonistischen Handschriften melkitischer Provenienz vorliegt. Und es wird erklärbar, warum die Apologia Honorii dort ergänzend dem VI. Ökumenischen Konzil zugeordnet worden ist. In diesem überlieferungsgeschichtlichen Prozess ist deren Text nach 641 offensichtlich mehrfach aus einer späteren Interessenlage heraus fortgeschrieben worden. Die Unterschiede im Textbestand zwischen dem lateinischen Text des Anastasius Bibliothecarius und der arabischen Tradition des Cod. Vat. syr. 130

281 Die Entstehung von byzantinischen Klosterscriptorien wird insbesondere mit dem Ikonoklasmus Ende 8./Anfang 9. Jahrhundert verbunden, weil den Ikonodulen der Zugang zu bestehenden Bibliotheken verwehrt wurde. „We have here a new departure in the function of the Byzantine monastery. The close contacts which the Orthodox monks maintained with their brethren in the Arab-dominated East as well in the West may have facilitated the process; Palestine, it would seem, was still fairly well supplied with Greek manuscripts“: Cyril Mango, The Availability of Books in the Byzantine Empire, A.D. 750–850, in: Dumbarton Oaks Center for Byzantine Studies, Byzantine Books and Bookmen. Washington 1975, (29–45) 44. 282 Vgl.: Nikephoros Eleopulos, Ἡ βιβλιοθήκη καὶ τὸ βιβλιογραφικὸν ἐργαστήριον τῆς Μονῆς τῶν Στουδίου. Athen 1967; Paul Lemerle, Le premier humanisme byzantin. Notes et remarques sur enseignement et culture à Byzance des origines au Xe siècle. Paris 1971, 121‒128; Thomas Pratsch, Theodoros Studites (759–826) – zwischen Dogma und Pragma (BBA 4), Frankfurt/M. 1998, 123–125.

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lassen sich noch als Abblendung später unerwünschter Textstellen oder Verschärfung von Forderungen aus späterer Perspektive erklären. Im Kern der theologischen Argumentation des Briefes sind dem ursprünglichen Text aber bereits im 7. Jahrhundert ‒ wohl nach 681 ‒ je eine Textpassage vor- und nachgeordnet worden. Ursprünglich bot der Text einen in sich kohärenten theologischen Gedankengang, in dem der Versuch unternommen wurde, die Aussage des Honorius von dem einen Willen Christi allein auf dessen menschliche Natur zu beziehen. Dabei lässt dieser Text noch die aktuelle Problemlage des Jahres 641 durchscheinen. Er signalisiert noch Bereitschaft, auf potentielle Einwände einzugehen und enthält Ansätze zu einer Verständigung. In den beiden Ergänzungen dagegen wird nun in einer typisch maximianischen Argumentationsweise aus einem ontologischen Naturbegriff ein zweifaches „natürliches“ Willens- und Handlungsvermögen Christi abgeleitet. Damit aber sind dem Text Aussagen zugewachsen, die im Widerspruch zu Formulierungen desselben Briefes stehen, die historisch anachronistisch und falsch sind und die die innere theologische Argumentation des Briefes als Ganzes ad absurdum führen. Im selben Sinn hat auch die römische Synode unter Iohannes IV. eine Fortschreibung ihrer Beschlüsse erfahren. Für das Jahr 641 ergibt sich damit, dass die von der römischen Kirche nach der Intervention des Maximos Homologetes durch die Entsendung des Anastasios Monachos nach Rom eingeleitete religionspolitische Wende unter Iohannes IV. noch nicht von jenem zelotischen Geist totaler Konfrontation ergriffen war, der Maximos und seinen Anhängern eigen war.283 Trotz des deutlichen Protests gegen die Maßnahmen des Pyrrhos und der Forderung nach Außerkraftsetzung der Ekthesis war die theologische Gesprächsbereitschaft noch nicht der ultimativen Erwartung gewichen, ein bestimmtes, angeblich in der kirchlichen Überlieferung verankertes Theologumenon als Dogma zu übernehmen. Dies sollte erst unter dem griechischen Papst Theodorus I. der Fall sein. Insofern ist die Apologia Honorii Papst Iohannes IV. nicht der erste römische Text mit einer eindeutigen dyotheletischen Aussage im Sinne der maximianischen Argumentation. Ein solcher Text liegt erstmals284 in der Rede Papst Martins I. zur Eröffnung der Lateransynode am 5. Oktober 649 vor.285 Diese Rede

283 Dazu vgl.: Anm. 272. 284 Papst Theodorus I. wird diese Argumentation wahrscheinlich bereits 646/7 in seinem allerdings nicht erhaltenen Brief an Patriarch Paulos II. verwendet haben. Dies lässt sich angesichts der Antwort des Patriarchen (Winkelmann, Streit [s. Anm. 1], Nr. 104) aber nur vermuten. 285 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 2,1 p.12,21–14,15 Ried.).

Fazit

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aber ist wie alle Reden der Synode vorher von Maximos und seinen Schülern verfasst worden.286 Es ist allein Maximos, der erstmals in den Jahren 640/41 in seinen Opuscula 6, 7 und 20287 das Theologumenon des doppelten Willens Jesu Christi in konstistenter Argumentation entwickelt hat.

286 Vgl. dazu die Studien von Rudolf Riedinger, in: Ders., Kleine Schriften (s. Anm. 260). 287 Zu diesen Opuscula s. o. Anm. 15–18. Zur dortigen Entwicklung des Dyotheletismus vgl.: Jean-Claude Larchet/Emmanuel Ponsoye, Saint Maxime le Confesseur, Opuscules théologiques et polémiques. Paris 1998, 27–33.43–49.50–58.

8 Die Kirche von Zypern im sog. monenergetisch-monotheletischen Streit des 7. Jahrhunderts Abstract: This essay examines the main sources on the attitude of the Church of Cyprus in the so-called monoenergist-monothelete dispute. These sources are, above all, the Vita of John Eleemon, the texts on the case of Paulos Monophthalmos, the Disputatio Maximi cum Pyrrho, the letter of Sophronios to Archbishop Arkadios, the Syrian Vita Maximi, the six letters of Maximos Homologetes to Marinos and his letter to Petros Illustrios (opusc. 12), and the letter of Archbishop Sergios to Pope Theodorus I. It is shown that the Church of Cyprus was a loyal and active partner in Constantinopleʼs policy of reconciliation with the Antichalcedonian churches of the East. Cyprus was also, especially under Archbishop Arkadios (624/25–641/2), a place of exile for opponents of this reconciliation, and in 636 also the venue of an important synod which was attended by legates of almost the whole church. The resulting Ekthesis was approved also in Rome and Jerusalem. Arkadios opposed both the rejection of any oikonomia, which Sophronios had demanded, and the strict sacramental and dogmatic demarcation from the antichalcedonians he propagated. The trishagion with its addition was still practised in Cyprus! Even Maximos did not succeed, after 636, to influence the position of Arkadios through the Cypriot priest monk Marinos. His six letters to Marinos offer no evidence for a dyenergetic or dyotheletic position of the Church of Cyprus. A letter from 643, written by the successor of Arkadios, Sergios (642–655), clearly shows that there was until then no protest against the Constantinopolitan church policy in Cyprus in this time. This letter, which demonstrates the firm dyenergetic and dyotheletic position of the whole Church of Cyprus, was presented at the Lateran Synod of 649, but forged or completely rewritten for this Synod. Even after 643, there is no evidence for public dissent in the Church of Cyprus, nor should it actually be expected. Der älteste historische Bericht über den sog. monenergetisch-monotheletischen Streit1 des 7. Jahrhunderts stammt von dem Mönch und Priester des Sinai-Klosters

1 Vgl. dazu: Vgl. Friedhelm Winkelmann, Der monenergetisch-monotheletische Streit (BBySt 6), Frankfurt/M. 2001, 1–44; Christian Lange, Mia Energeia. Untersuchungen zur Einigungspolitik Anmerkung: Zuerst publiziert in: ByZ 113 (2020), 933–980. https://doi.org/10.1515/9783110714531-008

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und (934) bedeutenden Theologen Anastasios Sinaites (ca. 610–nach 701).2 Er findet sich in einer Predigt,3 die Anastasios ca. 701 verfasst hat, also nach dem VI. Ökumenischen Konzil (680/1), das diese letzte große christologische Kontroverse des ersten Jahrtausends bekanntlich zu einem gewissen Abschluss brachte. Im Kern ging es dabei um die Frage, ob es dem Christusbekenntnis der Kirche angemessen sei, ein einziges einheitliches Wirken (μία ἐνέργεια) Jesu Christi zum Heil des Menschen zu bekennen und von seinem einzigen einheitlichen Willen und Wollen zu sprechen (μία θέλησις; ἕν θέλημα), oder ob dem Bekenntnis zu den zwei Naturen Christi entsprechend nur zwei naturhafte Wirkweisen und Willen in ihm gedacht und bekannt werden dürfen, wie es dann das Konzil im Jahre 681 entschied und dogmatisierte.4 Es war der um diese nur scheinbar marginale Frage ausgefochtene Streit, der einige Theologen schließlich in einen direkten Konflikt mit dem byzantinischen Staat und dem Kaiser führte „and […] which perhaps more than anything else in these years points to the real nature of the political crisis within the byzantine world.“5 In dem äußerst polemischen und sehr fehlerhaften6 historischen Rückblick des Anastasios auf diese Kontroverse aus dyotheletischer Sicht kommt Zypern

des Kaisers Heraclius und des Patriarchen Sergius von Constantinopel (STAC 66), Tübingen 2012; Heinz Ohme, Oikonomia im monenergetisch-monotheletischen Streit, in: ZAC 12 (2008), 308–343; Ders., Die Bedeutung der Geschichtstheologie im monenergetisch-monotheletischen Streit, in: ZThK 112 (2015), 27‒61; Ders., Maximos Homologetes (†662): Martyrium, Märtyrerbewusstsein, „Martyriumssucht“?, in: ZAC 20 (2016), 306–346; Ders., Wer hat den Dyotheletismus erfunden? Zur Frage der Authentizität der Apologia Honorii Papst Iohannes’ IV. (640–642), in: ByzZ 110 (2017) 89–140; Marek Jankowiak, Essai d’histoire politique du monothélisme. Diss. Paris-Warschau 2009 [ungedr.]; Phil Booth, Crisis of Empire: Doctrine and Dissent at the End of Late Antiquity. Berkeley u. a. 2013; Jack Tannous, In Search of Monotheletism, in: DOP 68 (2014), 29–67. 2 Prosopographie der mittelbyzantinischen Zeit. Erste Abteilung 641-–67. Nach Vorarbeiten Friedhelm Winkelmanns erstellt von Ralph-Johannes Lilie, Claudia Ludwig, Thomas Pratsch, Ilse Rochow, Bd. 1–6. Berlin 1999–2002, Nr. 268. Zu Anastasios s. jetzt: Karl-Heinz Uthemann, Anastasios Sinaites. Byzantinisches Christentum in den ersten Jahrzehnten unter arabischer Herrschaft (AKG 125), Berlin u. a. 2015; Ders., Studien zu Anastasios Sinaites: mit einem Anhang zu Anastasios von Antiochien (TU 174), Berlin 2017. 3 Anastasius Sinaita, Sermo adv. Monotheletas qui communiter dicitur Homilia tertia de creatione hominis (CCSG 12, 55,11–61,112 Uthemann); Winkelmann, Streit (s. Anm. 1), Nr. 175. 4 Dazu jetzt: Heinz Ohme, Rom, der Tomus Leonis und das VI. Ökumenische Konzil (680/1), in: ZAC 24 (2020), 289–354. 5 John F. Haldon, Byzantium in the Seventh Century. The transformation of a culture. Cambridge 21997, 282. 6 Nachweis bei: Jan Louis van Dieten, Geschichte der Patriarchen von Sergios I. bis Johannes VI. (610–715). Amsterdam 1972, Exkurs II, 179–194; s. auch: Ohme, Geschichtstheologie (s. Anm. 1).

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nicht vor. Dies wäre besonders verwunderlich, wenn Anastasios tatsächlich aus Amathous stammen sollte7 und die frühe Phase der Kontroverse dann in Zypern (935) erlebt haben müsste. Und weil Theophanes Confessor (759/60–816) dann ca. 100 Jahre später bei seiner Darstellung8 weitgehend von Anastasios abhängig war,9 blieb es dabei in der weiteren byzantinischen historiographischen Überlieferung: Über Zypern kein Wort! Glücklicherweise aber verfügen wir über eine ganze Reihe von direkten Quellen, die das Gegenteil deutlich machen: Zypern und die Kirche von Zypern haben in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts in diesem Konflikt eine bemerkenswerte Rolle gespielt. Ein detaillierte Untersuchung dieser Quellen legt sich schon aus diesem Grunde nahe, vor allen Dingen aber auch deshalb, weil in den neusten byzantinistischen Monographien zur Geschichte Zyperns in diesem Zeitraum eine grob fehler- und lückenhafte Darstellung dieser Thematik festzustellen ist,10 die auf mangelhafter Kenntnis der theologischen Quellen und fehlender Berücksichtigung der einschlägigen Literatur der letzten 40 Jahre dazu beruht. Kaiser Herakleios (610–641)11 hatte zusammen mit dem Konstantinopler Patriarchen Sergios (610–638)12 den Plan zu diesem letzten Versuch, die kirchliche Einheit mit den Gegnern der Zwei-Naturen-Lehre des IV. Ökumenischen Konzils von Chalcedon (451) wiederherzustellen, bald nach seiner Machtergreifung ab ca. 616 entwickelt und ab den zwanziger Jahren des 7. Jahrhunderts konsequent umgesetzt. Schon seit den ersten Maßnahmen des Herakleios fällt auf, dass Zypern dabei eine besondere Bedeutung gewann. Im Folgenden werde ich zuerst nach den ersten Anzeichen dafür in der Zeit des aus Zypern stammenden alexandrinischen Patriarchen Ioannes Eleemon (610–619) fragen und auch dessen persönliche Haltung in den Blick nehmen (1). In einem zweiten Schritt werden die Quellen über den zyprischen Erzbischofs Arkadios I. von Konstantia (624/5–641/2) untersucht, der in der aufflammenden Kontroverse

7 Dies ist umstritten. Für die Herkunft aus Zypern plädierte vor allem Bernard Flusin (Ders., Démons et Sarrasins. Lʼauteur et le propos des Diègèmata stèriktika de lʼAnastase le Sinaite, in: TMCB 11 [1991], (381–409) 391.394 f.; Ders., LʼEsplanade du Temple à lʼarrivée des Arabes dʼaprès deux récits byzantins, in: Julian Raby/Jeremy Johns, Bayt al-Maqdis. ‘Abd al-Malikʼs Jerusalem. Oxford 1992, [17–31] 23). Dagegen: Uthemann, Byzantinisches Christentum (s. Anm. 2), 7 f. 8 Theophanes Conf., Chronographia A.M. 6021.6149.6150.6160 (329–332.347.351 de Boor). 9 Nachweis bei: van Dieten, Geschichte (s. Anm. 6). 10 David M. Metcalf, Byzantine Cyprus 491–1191 (Cyprus Research Centre. Text and Studies in the History of Cyprus LXII), Nicosia 2009, 391–395; Luca Zavagno, Cyprus between Late Antiquity and the Early Middle Ages (ca. 600–800). An Island in Transition, London/New York 2017, 72.97. 11 Walter E. Kaegi, Heraclius. Emperor of Byzantium. Cambridge (2003) ND 2004. 12 Zu ihm vgl.: van Dieten, Geschichte (s. Anm. 6) 1–56; Winkelmann, Streit (s. Anm. 1) 258–260.

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eine bedeutende Rolle spielte (2). Dem dient auch eine Untersuchung der sechs Briefe, mit denen Maximos Homologetes ab 636 versuchte, auf Arkadios und seinen Nachfolger Sergios Einfluss zu nehmen, um Arkadios schließlich posthum für die eigene Sache zu vereinnahmen (3). Das letzte Kapitel bietet eine Analyse des Briefes von Erzbischof Sergios von Konstantia (642–nach 655) an Papst Theodorus I. (642–649) und fragt (936) nach der Authentizität der darin enthaltenen entschiedenen Zustimmung zur dyotheletischen Position des Papstes (4). Eine Zusammenfassung mit Schlussfolgerungen schließt die Darstellung ab (5).

1 Die neue Kirchenpolitik des Kaisers Herakleios und Patriarch Ioannes Eleemon von Alexandrien (610–619) Als Herakleios im Jahr 608/9 von Karthago aus seinen Staatsstreich gegen den verhassten Kaiser Phokas (602–610) mit der Eroberung Ägyptens durch seinen Cousin Niketas begann,13 geriet Zypern schnell in den strategischen Fokus. Denn die Insel lag an der zentralen Schifffahrtsroute von Alexandrien nach Konstantinopel, über die die für die Hauptstadt lebenswichtigen Getreidelieferungen (annona) transportiert wurden. Zypern scheint deshalb bald von den Anhängern des Herakleios übernommen worden zu sein, die dort offensichtlich auf Unterstützung gestoßen waren.14 Es spricht auch einiges dafür, dass Herakleios im Jahr 610 seine usurpatorische Reise mit einer Flotte nach Konstantinopel via Zypern unternahm.15 Es ist jedenfalls auffällig, dass eine wesentliche Personalentscheidung des neuen Kaisers eine aristokratische Familie aus Amathous betraf, die Herakleios wohl bei seiner Machtergreifung unterstützt hatte. Denn er erhob Ioannes, den Sohn des Epiphanios, der als Archon16 mit der Leitung der Verwaltung Zyperns betraut war, zum neuen Patriarchen von Alexandrien. Die Vita des Ioannes, der als Ioannes Eleemon zu einem der bedeutendsten Heiligen Zyperns

13 Dazu: Kaegi, Heraclius (s. Anm. 11) 37–57. 14 A.a.O., 40 mit Anm. 80; Zavagno, Cyprus (s. Anm. 10), 68; Metcalf, Byzantine Cyprus (s. Anm. 10), 341. 15 So: Booth, Crisis (s. Anm. 1) 50; D. Olster, The Politics of Usurpation in the Seventh Century: Rhetoric and Revolution in Byzantium, Amsterdam 1993, 127; Claudia Rapp, All in the Family: John the Almsgiver, Nicetas und Heraclius, in: Νéα Ῥώμη, in: Rivista di ricerche bizantinistiche 1 (2004), 123–134.130. Vgl. auch: Evangelos Chrysos, Cyprus in Early Byzantine Times, in: Anthony M. Bryer/Georgios S. Gheorghallides (Hgg.), The Sweet Land of Cyprus. Papers Given at the Twenty-Fifth Jubilee Spring Symposium of Byzantine Studies, Birmingham March 1991, Nikosia (Cyprus Research Centre) 1993, 3–14. 16 Ausweislich der Bleisiegel war dies der Titel der staatlichen Verwalter Zyperns im 7. Jahrhundert: vgl.: Metcalf, Byzantine Cyprus (s. Anm. 10) 206–210.223–225.

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werden sollte, berichtet ausdrücklich, dass dies auf „auf starken Druck“ des Kaisers „und auf Vorschlag“ des Niketas geschehen sei, der mittlerweile praefectus augustalis in (937) Ägypten und auch an der Regierung beteiligt war.17 Darüber hinaus war Ioannes durch rituelle Bruderschaft (ἀδελφοποίησις) und Patenschaft (συντεκνία) mit Niketas und möglicherweise durch Letzteres sogar auch mit Herakleios eng verbunden.18 Die Neuwahl eines alexandrinischen Patriarchen war nötig geworden, weil der Vorgänger des Ioannes, Theodoros (Σκρίβων) (606–608) als Parteigänger des Phokas bei den Kämpfen in Ägypten vom Mob ermordet worden war.19 Die These von Jean Maspero, dass Ioannes die Weihe in Konstantinopel durch Patriarch Sergios empfangen hat20 ist meines Erachtens bedenkenswert, denn er fragt zu Recht, wer dies denn in Alexandrien hätte vornehmen sollen. Offensichtlich sollte mit der Installation des Ioannes auch eine neue Seite im Verhältnis zu den dissentierenden antichalcedonensischen Kirchen Ägyptens aufgeschlagen werden. Der neue Patriarch war kein Theologe und beteiligte sich auch nicht an theologischer Polemik. Als Laie war er eigentlich unkanonisch ins Patriarchenamt erhoben worden, als Witwer führte er einen asketischen Lebenswandel. Ioannes begegnete den Antichalcedonensern nicht mit Repression und Gewaltmaßnahmen, wie sie unter seinen Vorgängern üblich waren.21 Sein Amt als Richter im Rahmen der audentia episcopalis übte er unparteiisch aus und verwendete den Reichtum der alexandrinischen Kirche zu

17 Ἐντεῦθεν ὑπὸ τοῦ βασιλέως Ἠρακλείου λίαν ἐκβιασθεὶς εἰσηγήσει μάλιστα Νικήτα τοῦ τηνικαῦτα τῇ τῆς πατρικιότητος τιμῇ τετιμημένου καὶ παραδυναστεύντος […] εἰς τὸν πατριαρχικῆς ἀρχιερωσύνης θρόνον ἀνάγεται: Hippolyte Delehaye (Hg.), Une Vie inédite de Saint Jean lʼAumônier, in: AnBoll 45 (1927), (5–75) 20,35–21,3. 18 Nachweise bei: Rapp, All in the Family (s. Anm. 15); zusammenfassend jetzt auch: Dies., Brother-Making in Late Antiquity and Byzantium: Monks, Laymen and Christian Ritual, Oxford 2016, 183–186. 19 Jean Maspero, Histoire des patriarches dʼAlexandrie depuis la mort de lʼempereur Anastase jusquʼà la réconciliation des églises jacobites (518–616), Paris 1923, 276.326; Friedhelm Winkelmann, Ägypten und Byzanz vor der arabischen Eroberung, in: Bysl 40 (1979), (161–182) 167 (= Ders., Studien zu Konstantin dem Großen und zur byzantinischen Kirchengeschichte, Birmingham 1993, Nr. IV). 20 Maspero, Histoire (s. Anm. 19) 327. 21 Die Erfolglosigkeit der Unionspolitik unter Iustinos II. (565–578) hatte zu Gewaltmaßnahmen geführt. Vgl.: Haldon, Seventh Century (s. Anm. 5) 297–300; William H. C. Frend, The rise of the Monophysite movement, Cambridge 1972, 322–324.332–334; „La charité […] et lʼabsence de recours à la force ouverte contre les monophysites de son temps, par contraste avec certains patriarches antérieurs, sont un fait établi.“: Vincent Déroche, Études sur Léontios de Néapolis, Uppsala 1995, 137.

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massenhaften täglichen Armenspeisungen und zur Versorgung der vor den Persern nach Alexandrien Geflohenen, ohne einen Unterschied zwischen „Orthodoxen“ und „Monophysiten“ zu machen.22 (938) Es ist bemerkenswert, dass es in der Zeit des Episkopates des Ioannes Eleemon (610–619) zur Wiederherstellung der Kirchengemeinschaft zwischen bedeutenden Teilen der stark zerstrittenen Antichalcedonenser23 kam. An erster Stelle ist hier die Wiedervereinigung der beiden „monophysitischen“ Hauptkirchen in Syrien und Ägypten zu nennen, die sich seit 587 im Schisma befanden.24 Von dieser Union des Jahres 616/725 ist im vorliegenden Zusammenhang Folgendes festzuhalten. Sie fand auf Vermittlung des Niketas statt, der den Patrikios Flavios Strategios Paneuphemos aus Arsinoë damit beauftragte, den Vorsitz bei den Verhandlungen der Unionssynode zu führen, zu der Patriarch Athanasios I. Gamala (593/4–630/1) von Antiochien mit mehreren Bischöfen nach Alexandrien gereist war. Der Bericht26 des antiochenischen Patriarchen schließt mit einer Eloge auf Niketas und den Patrikios Flavios Strategios. Es sei Niketas gewesen, der zu dieser Union ermahnt, eingeladen und angetrieben habe und mit seinen hilfreichen Worten das Ende der Spaltung bewirkt habe.27

22 Vgl. dazu: Déroche, a.a.O., 137–154. 23 Timotheus Constant., De receptione haereticorum (PG 86/1, 52–66) listet um 600 zwölf verschiedene Gruppen auf. 24 Eine Schrift des severianischen alexandrinischen Patriarchen Damianos (578–607) an Patriarch Petros III. Kallinikos von Antiochien über den Tritheismus hatte zum gegenseitigen Vorwurf der Häresie geführt und das Schisma ausgelöst. Vgl. dazu: Theresia Hainthaler, in: Alois Grillmeier, Jesus der Christus im Glauben der Kirche 2,4, Freiburg u. a. 1990, 78–81. Zum dahinterstehenden Problem des Tritheismus des Johannes Philoponos: Dies., a.a.O., 134–138. 25 Vgl. dazu: David Olster, Chalcedonian and Monophysite: the union of 616, in: BSAC 27 (1985), 93–108. 26 Michael Syrus, Chronik X, 26–27 (381–399 Chabot) hat wichtige Quellen dazu überliefert: 1. Den Bericht des Patriarchen Athanasios in einem Brief an Kyriakos von Amida (381–394); 2. Den Synodalbeschluss (381–392); 3. Die Enzyklika des alexandrinischen Patriarchen Anastasios „Apozygarios“; 4. Ein Brief des Patriarchen Anastasios an Patriarch Athanasios (394– 399). Chabots Übersetzung des Vorsitzenden als „strategos Patrikios“ von Arsinoë ist im o. g. Sinne zu korrigieren. Vgl.: Bernhard Palme, Die domus gloriosa des Flavius Strategius Paneuphemos, in: Chiron 27 (1997), 95–125, hier 99. 27 In der Übersetzung von Chabot: „Nous souhaitons la victoire à nos empereur, par lʼenvoyé de Dieu, le général, le celèbre et illustre Nicetas, qui a exhorté et invité à une sembable union, et qui par ses paroles salutaires a fait cesser notre séparation. Il nous entrainés vers lʼunion“ (a.a.O., 398), s. auch: a.a.O., 385.386. Die 1923 von Maspero, Histoire (s. Anm. 19) 329–334, geäußerten Einwände gegen die hier Niketas zugewiesene Rolle und das Wirken des Patrikios Flavios Strategios sind mit Jankowiak, Essai (s. Anm. 1) 19 f., und Booth, Crisis, (s. Anm. 1) 104, meines Erachtens hinfällig. Maspero hielt dieses Engagement der Niketas der damaligen Sicht

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Weiterhin ist es durch diese Vermittlung den beiden Parteien nicht nur gelungen, sich in der umstrittenen Trinitätstheologie auf eine gemeinsame dogmatische Erklärung zu verständigen, sondern es gelang auch, die „querelle de mots“ in den ab 587 entstandenen (939) polemischen Schriften zu überwinden, indem deren Argumentationen nicht erneut verhandelt wurden. Man verständigte sich vielmehr darauf, mit dem Ableben der Polemiker jener Jahre auch deren Schriften dem Urteil Gottes anheimzustellen.28 Dadurch wurde die gemeinsame Lehrentscheidung durch keinerlei Anathematismen – schon gar keine namentlichen – belastet. Hier ist dem Urteil von Maspero zuzustimmen: „cette solution – lʼoubli décrété sur le passé – est un phénomène extraordinaire dans lʼhistoire des Eglises dʼOrient. Pour la première fois, la sagesse politique et lʼintérêt commun prenaient le pas sur les subtilités théologiques et la vanité dʼauteur des hérésiarques.“29 Überdies scheint es im Rahmen dieser Union im Jahr 619 kurz vor der persischen Eroberung Alexandriens auch noch zu Wiederherstellung der Kircheneinheit zwischen den alexandrinischen Severianern unter Patriarch Anastasios „Apozygarios“ (607–619) und einem Zweig der dortigen Tritheisten gekommen zu sein.30 Diese unter der Ägide der byzantinischen Verwaltung Ägyptens zustande gekommene Union wesentlicher Teile der Antichalcedonenser ist ein erstes Indiz für die Methoden und Ziele der unter Herakleios verfolgten Kirchenpolitik. Die Beförderung größerer Einheit der dissentierenden Kirchen wurde anscheinend als Voraussetzung für die angestrebte Verständigung mit ihnen betrachtet. Es fällt deshalb auf, dass diese Union und die Rolle des Niketas dabei in der Vita des Ioannes Eleemon des Zyprioten Leontios von Neapolis31 nicht vorkommt, obwohl der Widerstand des Ioannes gegen andere Maßnahmen des Niketas dort durchaus berichtet wird.32 Sollte sich der Patriarch diesen Unionen

entsprechend für ausgeschlossen und machte den Arsenoïten kurzerhand zum „Monophysiten“ (331). 28 Michael Syrus, Chronik X, 26 (391 f. Chabot). 29 Maspero, Histoire (s. Anm. 19), 334. 30 Dies berichtet eine west-syrische Chronik von 640. S.: Andrew Palmer, The Seventh Century in West-Syrian Chronicles, introduced, translated and annotated by Andrew Palmer (Translated Texts for Historians 15), Liverpool 1993, 17 („AG 930“). Dazu: Jankowiak, Essai (s. Anm. 1) 20 f. 31 PMBZ, Nr. 4570. 32 In Kap. X verhindert Ioannes den Plan des Augustalis, das Vermögen der alexandrinischen Kirche für staatliche Zwecke zu konfiszieren, in Kap. XIII die Anhebung der Marktsteuer. S.: André Jean Festugière (Hg.), Léontios de Néapolis. Vie de Syméon le Fou et Vie de Jean de Chypre, Paris 1974, 356 f.361 f.

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nicht in den Weg gestellt haben? Dies wäre ein deutlicher Unterschied zu seinem Vorvorgänger Eulogios (581–608), der gegen die mögliche Union von „Theodosianern“ – es handelt sich dabei um dieselbe Gruppierung der Severianer, die sich 616/7 mit den Syrern verständigte – und „Gaianiten“ heftig protestiert hatte.33 Allerdings zeichnet die ältere Vita des Ioannes, die von Ioannes Moschos und Sophronios verfasst wurde (940) und nur in zwei anonymen Epitomierungen überliefert ist,34 ein anderes Bild des Patriarchen. Ioannes wird hier präsentiert als ein auf strikte liturgische und lehrmäßige Abgrenzung zwischen Chalcedonensern und Antichalcedonensern bedachter Bischof. Sein erstes Anliegen sei die Abschaffung des Trishagion-Hymnusʼ mit Zusatz35 in den eigenen Gemeinden gewesen, der dort weit verbreitet gewesen sein muss. Ebenso habe er von Weihekandidaten zum Priester- und Bischofsamt schriftliche Bestätigungen (λίβελλους) der vier (!) Ökumenischen Synoden und der kanonischen Tradition samt Anathematisierung von Häresien und Häresiarchen verlangt.36 Dasselbe forderte er auch von geflüchteten Klerikern, die keine bischöflichen Empfehlungsbriefe vorlegen konnten. Hier präzisiert die ausführlichere Epitome sogar, dass die akribeia der kirchlichen Kanones bestätigt werden musste.37 Die als Ergänzung zur älteren Vita verfasste Vita des Leontios macht allerdings deutlich, von wem dieser Ansatz rigoroser Abgrenzung stammte: Ioannes Moschos und Sophronios seien die Berater des Ioannes gewesen, denen er „ohne zu Zögern gehorchte als seien

33 Vgl.: Photios, Bibliotheca cod. 227 (IV, 111–114 Henry). 34 Delehaye, Une Vie inédite (s. Anm. 17) § 1–15, S. 19–25; Eurydice Lappa-Zizicas, Un Épitomé inédit de la Vie de S. Jean lʼAumônier par Jean et Sophronios, in: AnBoll 88 (1970), 265– 278. Dazu: Déroche, Léontios (s. Anm. 21) 37–95. 35 Das in der orthodoxen eucharistischen Liturgie fest verankerte Trishagion: Ἃγιος ὁ Θεός, ἅγιος ἰσχυρός, ἅγιος ἀθάνατος, ἐλέησον ἡμᾶς wurde seit ca. 471 in Antiochien unter Patriarch Petros Gnapheus (Fullo) in folgender Gestalt gesungen: Ἃγιος ὁ Θεός, ἅγιος ἰσχυρός, ἅγιος ἀθάνατος, ὁ σταυρωθεὶς δι᾽ ἡμᾶς, ἐλέησον ἡμᾶς. Dadurch wurde aus einem trinitarischen Hymnus ein Lobpreis auf Christus, den menschgewordenen Logos Gottes, der in tiefster Erniedrigung „für uns gekreuzigt wurde“. Zwischen 510 und 518 kam es in Konstantinopel zu schweren Tumulten, als diese Fassung auch dort in der Liturgie verankert werden sollte. Beide Varianten wurden je länger je mehr zu liturgischen Unterscheidungsmerkmalen der Befürworter und Gegner der Synode von Chalcedon (451). Sebastià Janeras, Les Byzantins et le Trishagion christologique, in: Miscellanea liturgica in onore di sua Eminenza Cardinale G. Lercaro II, Rom 1967, 469–499, hat allerdings gezeigt, dass ein christologisches Verständnis den Ursprüngen dieses im Jahr 451 erstmals literarisch belegten Hymnus durchaus entspricht und auch in der byzantinischen liturgischen Tradition verankert ist. 36 Delehaye, Une Vie inédite (s. Anm. 17) § 5, S. 21; Lappa-Zizicas, Épitomé (s. Anm. 34) § 5, S.274 f. 37 Delehaye, Une Vie inédite (s. Anm. 17) § 12, S. 24.

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sie Väter und die er als besonders edle und mutige Soldaten für die Frömmigkeit pries.“ Diese hätten „in der Kraft des Geistes und der des Erzhirten mutig einen jeden Waffenstillstand ausschließenden Krieg (πόλεμον ἄσπονδον) gegen die Severianer und die übrigen im Lande befindlichen unreinen Häretiker geführt.“38 Moschos und der Sophist und spätere Patriarch von (941) Jerusalem, Sophronios (ca. 550–638[639])39 waren nach der Invasion Palästinas nach Alexandrien geflohen und hatten dort auch Unterricht bei dem letzten bedeutenden Philosophen der alexandrinischen Schule, Stephanos, genommen.40 Phil Booth hat jüngst deutlich gemacht, wie der Geist strikter und agressiver sakramentaler und dogmatischer Abgrenzung und Verurteilung der „Monophysiten“ auch das Leimonarion des Moschos und die Narratio miraculorum Cyri et Joannis des Sophronios bestimmt hat.41 Bezeichnend für diese Haltung ist, wie Sophronios im Jahr 634 in seiner Synodika, in der er abschließend 124 namentliche Anathematismen ausspricht, die Union von 616/7 und die dafür verantwortlichen Bischöfe beurteilt: verdammt und verflucht seien auch Athanasios der Syrer und der Quertreiber Anastasios und diejenigen, die dummerweise und uneinig deren uneinige Einigung gebilligt haben und von ihnen wie vernunftloses Vieh getäuscht wurden und sich vermischt haben als seien sie Freunde, obwohl sie in feindlicher Weise durch wechselseitig vorgenommene Anathematismen verwundet sind.42

38 Σύμβουλοι γὰρ ἦσαν χρηστοὶ ἀληθῶς, οἷς καὶ ὡς πατράσιν ἀδιακρίτως ὑπήκουεν καὶ ηὐχαρίστει ὡς γενναίοις μάλιστα καὶ ἀνδρείοις στρατιώταις ὑπὲρ τῆς εὐσεβείας. καὶ γὰρ τῇ τοῦ πνεύματος καὶ τοῦ ἀρχιποιμένος δυνάμει θαρρήσαντες καὶ πόλεμον ἄσποδον μετὰ τῶν Σεβηριομανίτων καὶ λοιπῶν τῶν περὶ τὴν χώραν τυγχανόντων ἀκαθάρτων αἱρετικῶν συγκρούσαντες: Festugière, Léontios (s. Anm. 32) Kap. XXXIII, 383, 4–10. 39 Zu Sophronios vgl.: Christoph von Schönborn, Sophrone de Jérusalem. Vie monastique et confession dogmatique (ThH 20), Paris 1972; Déroche, Léontios (s. Anm. 21), 31–35; Pauline Allen, Sophronius of Jerusalem and Seventh-Century Heresy. The Synodical Letter and Other Documents, Oxford 2009, 15–23. Zu Ioannes Moschos und seiner Partnerschaft mit Sophronios: Booth, Crisis (s. Anm. 1) 44–139. 40 Iohannes Moschus, Pratum spir. 77 (PG 87/3,2929–2931) berichtet von der Teilnahme beider am Unterricht des „Philosophen Stephanos“. Vgl.: Wanda Wolska-Conus, Stéphane dʼAthènes et Stéphane dʼAlexandrie. Essai dʼidentification et de biographie, in: REByz 47 (1989), 5–89. Dazu kritisch: Christian Tornau, Stephanos in: Christian Riedweg, Christph Horn, Dietmar Wyrwa, Philosophie der Kaiserzeit und der Spätantike. Die Philosophie der Antike 5,3, Basel 2018, 2097–2107. 41 Booth, Crisis (s. Anm. 1), 46–49.54–79.138 f. 42 Sophr. Hier., Epistula synodica (ACO ser. II 2,1 p.482,9–13 Ried.): ἀνάθεμα ἔστωσαν καὶ κατάθεμα Ἀθανασιός τε ὁ Σύρος καὶ ὁ ἀποζυγάριος Ἀναστάσιος καὶ οἱ τούτων ἀσύμβατον σύμβασιν ἀσυμβάτως τε καὶ ἀμαθῶς προσιέμενοι καὶ ἀλογίστων δίκην κτηνῶν ὑπ᾿ αὐτῶν βουκολούμενοι καὶ ἀλλήλοις μὲν [φησι] ˂ὡσει˃ φιλικῶς συμφυρόμενοι, ὑπ᾿ ἀλλήλων δὲ τοῖς ἀναθεματισμοῖς ἐχθρωδῶς τιτρωσκόμενοι.

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Der theologisch wohl kaum urteilsfähige, asketisch lebende Ioannes Eleemon ist nach seiner Ankunft in Alexandrien offensichtlich von der asketischen Autorität des Moschos und der philosophisch-dialektischen Brillianz des Asketen und Sophisten Sophronios überwältigt gewesen und hat sich von deren theologischer Haltung völlig bestimmen lassen. Er hat beide als geistliche und theologische Autoritäten („als seien sie Väter“) betrachtet und unter ihrem Einfluss Maßnahmen durchgeführt, die seiner zyprischen Sozialisation kaum entsprechen konnten. (942) Denn die liturgische Verwendung des Trishagions mit Zusatz ist dort offensichtlich gängige Praxis gewesen.43 Ein striktes Verbot dieser Praxis hat erst das Concilium Quinisextum (691/2) unter Androhung des Anathema durchzusetzen versucht.44 Diese Radikalisierung des Ioannes Eleemon unter dem Einfluss von Ioannes Moschos und Sophronios hat dann auch nach den Worten des Maximos Homologetes – wenn man ihm denn Glauben schenken darf – zu einer Distanzierung gegenüber den Anfängen der neuen Kirchenpolitik des Herakleios geführt. In der – allerdings erst zwischen 655 und 662 entstandenen45 – literarischen Fassung der Disputation mit dem abgesetzten Konstantinopler Patriarchen Pyrrhos (638– 641.654),46 die im Jahr 645 in Karthago stattfand, erwähnt Maximos eine erste Kontaktaufnahme des Konstantinopler Patriarchen Sergios mit verschiedenen Theologen, um die theologische Tragfähigkeit des Konzeptes der μία ἐνέργεια für die angestrebte Verständigung mit den Antichalcedonensern zu prüfen.47 Die Absicht des Maximos dabei war es, den im Disput von Pyrrhos erhobenen Vorwurf zu entkräften, dass Sophronios für die Entstehung des daraus entstandenen innerkirchlichen Konfliktes verantwortlich sei. Er fragt deshalb rhetorisch, wo denn Sophronios bei diesen Kontaktaufnahmen des Sergios gewesen sei,48 was er also damit zu tun hatte, und fährt dann fort:

43 Dazu s. u. Kap. 2, S. 268. 44 Concilium Quinisextum, Can. 81 (ACO ser. II 2,4 p. 53 Ohme). 45 Jacques Noret, La rédaction de la Disputatio cum Pyrrho (CPG 7698) de Saint Maxime le Confesseur serait-elle postérieure à 655?, in: AnBoll 117 (1999), 291–296; Winkelmann, Streit (s. Anm. 1) Nr. 92. 46 PMBZ, Nr. 6386. 47 Disputatio Maximi c. Pyrrho (PG 91,332B–333A). Neben Georgios Arsas werden Theodor von Pharan und Kyros von Phasis erwähnt. Vgl. dazu: Winkelmann, Streit (s. Anm. 1) Nr. 9–10a; Lange, Mia Energeia (s. Anm. 1) 540–553. 48 Aus dieser rhetorischen Frage ist nicht zu schließen, dass Sophronios zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in Alexandrien gewesen sei, wie Déroche, Léontios (s. Anm. 21) 28 mit Anm. 48, meint. Jankowiak, Essai (s. Anm. 1) 127.136, und Booth, Crisis (s. Anm. 1) 100 f. haben gezeigt, dass Moschos und Sophronios Alexandrien erst 619 zusammen mit Ioannes Eleemon verlassen haben.

1 Die neue Kirchenpolitik und Patriarch Ioannes Eleemon von Alexandrien

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oder als er (sc. Sergios) an Georgios mit Beinamen Arsas schrieb, der Paulianist war, er solle ihm Testimonia über die μία ἐνέργεια schicken, indem er auch dies in dem Brief hinzufügte, dass er auf dieser Grundlage auch die Einheit der Kirche mit ihnen bewirken wollte. Diesen Brief aber entriss der selige Papst Ioannes von Alexandrien dem Arsas mit eigener Hand, (943) weshalb er auch beabsichtigte, ihn aufgrund des Briefes abzusetzen. Er wurde jedoch durch den damaligen Einfall der Perser nach Ägypten daran gehindert.49

Es handelt sich hier um die einzige Quelle für einen solchen Widerspruch des Ioannes Eleemon. Wie bei allen Aussagen des Maximos und der Maximianer über die Haltung anderer Personen in der Frühphase des sogenannten monenergetisch-monotheletischen Streites ist auch hier Vorsicht geboten.50 So ist es unglaubwürdig, dass der Alexandriner beabsichtigte, Sergios abzusetzen. Diese Aussage ist dem Stand der gegenseitigen Polemik nach der Lateransynode von 649 geschuldet, ganz unabhängig von den objektiv fehlenden Möglichkeiten für ein solches Vorgehen. Sie kann sich auch nur auf Sergios beziehen, denn Georgios Arsas unterstand nicht dem Ioannes Eleemon.51 Er war anscheinend das Oberhaupt jener Splittergruppe syrischer Jakobiten, die nach dem Patriarchen Paulos von Antiochien (564–581) benannt wurde.52 Diese Gruppe war entweder vor den Persern nach Ägypten geflohen oder siedelte bereits länger dort.53 Sie war an der oben genannten Union von 616/7 nicht beteiligt und wurde anscheinend deshalb von Sergios nun gezielt angesprochen. Möglicherweise spielte auch persönliche Bekanntschaft eine Rolle,54 dass Sergios diesen

49 Disputatio Maximi c. Pyrrho (PG 91,333A1–10): ἤ ὅτε πρὸς Γεώργιον τὴν ἐπίκλην Ἀρσᾶν, Παυλιανιστὴν ὄντα, ἔγραψε, χρήσεις αὐτῷ πεμφθῆναι περὶ μιᾶς ἐνεργείας αὐτῶν, ἐνθέμενος καὶ τοῦτο τῇ ἐπιστολῇ, ὅτι ἐν ταύταις, καὶ τὴν πρὸς αὐτοὺς τῆς Ἐκκλησίας ποιεῖν ἕνωσιν. Ταύτην δὲ τὴν ἐπιστολὴν ὁ μακάριος ᾿Ιωάννης ὁ πάπας Ἀλεξανδρείας ἀφείλετο χειρὶ ἀπὸ τοῦ Ἀρσᾶ· ὅθεν καὶ βουληθεῖς δι᾿ αὐτὴν ποιῆσαι τὴν καθαίρεσιν αὐτοῦ, ἐκωλύθη ἐκ τῆς ἐν Αἰγύπτῳ τηνικαῦτα γενομένης τῶν Περσῶν ἐπιδρομῆς. 50 Vgl. z. B. nur deren spätere Umdeutung der Haltung des Papstes Honorius und des Kaisers Herakleios. Dazu: Ohme, Wer hat den Dyotheletismus erfunden? (s. Anm. 1); Heinz Ohme, Mehrheit und Minderheit in den Anfängen des monenergetisch-monotheletischen Streites, in: AHC 49 (2018/19), (97–126) 117–125. 51 Davon ging Andreas N. Stratos, Byzantium in the Seventh Century I, Amsterdam 1968, 299, noch aus, weil er die Aussage auf Georgios beziehen wollte. 52 Winkelmann, Streit (s. Anm. 1) S. 206; Guido Bausenhart, „In allem uns gleich außer der Sünde“. Studien zum Beitrag Maximos’ des Bekenners zur altkirchlichen Christologie (TSTP 5), Mainz 1992, 278 f. Das innersyrische Schisma war seit 575 wegen der Rolle des Paulos bei der Weihe des dann von der Mehrheit nicht anerkannten alexandrinischen „monophysitischen“ Patriarchen Theodoros (575–587) entstanden. Vgl.: Frend, Monophysite movement (s. Anm. 21) 323–328. 53 So: Michael Syr., Chronik X,21 (362 Chabot). 54 Dies vermutete van Dieten, Geschichte (s. Anm. 6), 25 f.

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ansonsten unbekannten Antichalcedonenser zur patristischen Tradition der dogmatischen Grundlegung des offen benannten Zieles der Wiederherstellung kirchlicher Einheit ansprach. Nach den Angaben des Maximos muss man davon ausgehen, dass in diese Kontaktaufnahme (944) auch der Patriarch von Alexandrien mit einbezogen worden ist. Denn die Begegnung mit Georgios Arsas muss in Alexandrien stattgefunden haben, und die Reaktion des Ioannes Eleemon wird unter dem Einfluss des Moschos und Sophronios nachvollziehbar. Nimmt man die oben genannten anderen Konflikte mit Niketas hinzu,55 so könnte es zu einer zunehmenden Entfremdung zwischen dem Patriarchen und Konstantinopel gekommen sein. Dies könnte gegebenenfalls auch eine Erklärung für jenes von der anonymen Epitome der Vita des Ioannes Eleemon berichtete Mordkomplott des Generals Isaakios gegen Ioannes sein, der für die Verteidigung Alexandriens zuständig war, aber ebenfalls 619 nach Zypern geflohen war.56 Der aus Zypern stammende, von Kaiser Herakleios zum Patriarchen von Alexandrien erhobene und offensichtlich auch unter Aspekten der beabsichtigten Versöhnungspolitik gegenüber den Antichalcedonensern ausgesuchte und dazu mit der kaiserlichen Familie durch rituelle Verwandtschaftsbeziehungen verbundene Ioannes Eleemon ist in Ägypten unter den dominanten Einfluss zweier asketischer Autoritäten einer Theologie rigoroser Abgrenzung und Verurteilung der „Monophysiten“ geraten. Damit sind bereits in diesen Anfangsjahren die Konfliktlinien erkennbar, die den sog. monenergetisch-monotheletischen Streit dann bestimmt haben.

2 Erzbischof Arkadios I. von Konstantia im monenergetischmonotheletischen Streit In den entscheidenden Anfangsjahren des sog. monenergetisch-monotheletischen Streites kam dem Erzbischof von Konstantia, Arkadios I. (624/5–641/2),57 eine Schlüsselrolle zu. Schon bald nach seiner Amtsübernahme im Jahr 624/5

55 Vgl. Anm. 32. 56 Delehaye, Une Vie inédite (s. Anm. 17) § 15, S. 25. 57 Zu ihm vgl.: Winkelmann, Streit (s. Anm. 1) S. 196–198; Déroche, Léontios (s. Anm. 21) 26– 31. Zur Datierung: Jean-Pierre Sodini, Les inscriptions de lʼAqueduc de Kythrea à Salamine de Chypre, in: ΕΥΨΥΧΙΑ. Mélanges offerts à Hélène Ahrweiler II (Byzantina Sorbonensia 16), Paris 1998, (619–638) 629–633; Metcalf, Byzantine Cyprus (s. Anm. 10) 383.

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erreichte ihn eine iussio/κέλευσις58 des Kaisers Herakleios. Diese war „gegen Paulos, (945) das Oberhaupt der üblen Gruppe der Akephaloi“ gerichtet und enthielt eine Darlegung des orthodoxen Glaubens, „die der Rede von zwei Wirkweisen nach der Einung (sc. der beiden Naturen) bei unserem Herrn Jesus Christus entgegentrat“. Der vollständige Text ist nicht erhalten. Wir wissen davon nur aus einem Briefwechsel des Patriarchen Sergios von Konstantinopel im Jahr 626 mit dem Bischof Kyros von Phasis,59 dem Sergios diesen Text zugeschickt hatte.60 Sergios hatte den Inhalt der iussio zuvor mit einer Anaphora kirchlich bestätigt.61 Aus dem Bericht des Patriarchen in seinem Brief an Papst Honorius von Ende 633/4 erfahren wir dazu, dass der Kaiser bei seinem Feldzug gegen die Perser in Armenien mit „Paulos, einem der Führer der verfluchten Partei des gottlosen Severos“ ein theologisches Gespräch geführt hatte und „dabei auch ein Wirken Christi, unseres Gottes, erwähnte.“62 Schließlich berichtet Maximos Homologetes in jener oben genannten, für die Anfänge des monenergetisch-monotheletischen Streites wichtigen Passage der Disputation mit Pyrrhos, dass dieser Paulos, den er „Monophthalmos“ nennt, in Theodosiupolis (Karin/Erzerum) zu lokalisieren ist und Sergios ihm danach den Logos des Patriarchen Menas an Papst Vigilius von 552 über den einen Willen und das eine Wirken Christi sowie die Zustimmung des Bischofs Theodor von Pharan63 zu

58 Franz Dölger/Andreas E. Müller, Regesten der Kaiserurkunden des oströmischen Reiches. I,1 Regesten 565–867, 2. Aufl. besorgt u. Mitarbeit v. Johannes Preiser-Kapeller u. Alexander Riehle v. Andreas E. Müller, München 2009, Reg. 180a; Winkelmann, Streit (s. Anm. 1) Nr. 14. Die ältere, überholte Datierung war 623. So: van Dieten, Geschichte (s. Anm. 6) 28 f.; Déroche, Léontios (s. Anm. 21) 26; und noch: Allen, Sophronius (s. Anm. 39) 27. Vgl. aber: Sodini, Les inscriptions (s. Anm. 57). 59 PMBZ, Nr. 4213. 60 Sergius Patr. Const., Epistula ad Cyrum Phas. (ACO ser. II 2,2 p.528,4–7 [Ried.]): Ἐντυχεῖν γὰρ σημάνασα τῇ πρὸς Ἀρκάδιον τὸν τῆς Κυπρίων νήσου θεοφιλῆ πρόεδρον γενομένῃ πανευσεβεῖ παρὰ τοῦ κρατίστου καὶ θεοστηρίκτου ἡμῶν βασιλέως κατὰ Παύλου τοῦ κεφαλαιωτοῦ τῆς τῶν Ἀκεφάλων πονηρᾶς συμμορίας καὶ τὴν εἰρημένην εὐσεβῆ κέλευσιν εὑρεῖν δύο κωλύουσαν ἐπὶ Χριστοῦ τοῦ θεοῦ ἡμῶν λέγειν ἐνεργείας. 61 Vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 1) Nr. 15. 62 Sergius Patr. Const., Epistula ad Honorium pp. (ACO ser. II 2,2 p.534,10–21, [Ried.]): […] τις τῶν πρωτευόντων τῆς δυσσεβοῦς Σεβήρου τοῦ καταράτου μερίδος Παῦλος τοὔνομα […] ἡ πανευσεβὴς αὐτοῦ καὶ βασιλικὴ μεγαλόνοια […] διελέγξασα τε καὶ θριαμβεύσασα τὴν μοχθηρὰν τούτου δυσσεβείαν […] ἐν οἷς καὶ μιᾶς ἐνεργείας Χριστοῦ τοῦ ἀληθινοῦ θεοῦ ἡμῶν ἐποιήσατο μνήμην. Vgl. dazu: Lange, Mia Energeia (s. Anm. 1) 545–549. 63 Vgl.: Winkelmann, Streit (s. Anm. 1), Nr. 1.8.

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diesem Text und seine eigene zustimmende Erklärung zugesandt hatte.64 In keiner dieser Quellen wird gesagt, dass dieser Paulos Monophthalmos „Führer der Monophysiten von Zypern“ war.65 Diese aus der (946) Adresse der iussio gezogene Schlussfolgerung findet sich allerdings durchgängig in der Literatur.66 Alle Quellen verweigern Paulos die Bezeichnung „Bischof“ und verwenden andere Begriffe, darunter auch Akephalos. Dieser Begriff war im 7. Jahrhundert in einem unspezifischen Sinn zu einer polemischen Titulatur für alle Gruppen der Antichalcedonenser geworden.67 Es ist deshalb davon auszugehen, dass Paulos Bischof war,68 allerdings nicht in Zypern, sondern in Theodosiupolis, der Metropolis der römischen Provinz Armenia magna.69 Das bedeutet, dass es im Rahmen der Perserfeldzüge des Herakleios in Armenien zu einem ersten persönlichen Versuch des Kaisers gekommen ist, mit einer Kirche der Antichalcedonenser in theologische Verhandlungen einzutreten. Dabei hat Herakleios eine gemeinsame Grundlage in der Lehre von der μία ἐνέργεια gesucht. Dieser erste Versuch ist mittelfristig auch nicht ohne Erfolg gewesen, denn im Jahr 631 (632/3) kam es auf einer Synode in Theodosiupolis zur Wiederherstellung der Kircheneinheit

64 Disputatio Maximi Conf. c. Pyrrho (PG 91,332C6–8). Das Synodicon vetus (Ende 9. Jahrhunderts) ist wie in den meisten diesen Streit betreffenden Fällen so auch hier unzuverlässig und vermengt die Geographie und lässt das Glaubensgespräch am Fluss Phasis stattfinden, an dem „einer der Akephaloi eine Befragung über Willen und Wirkweisen mit ihm (sc. dem Kaiser) durchführte: Synodicon vetus Nr. 128 (106 f. Duffy/Parker). Das Synodicon vetus benutzt hier das spätere Erklärungsmuster für das Entstehen der sog. monenergetischen Christologie als monophysitische Einflüsterung. 65 So: van Dieten, Patriarchen (s. Anm. 6) 28. 66 Vgl.: Micheline Albert/Christoph von Schönborn, Lettre de Sophrone de Jérusalem à Arcadius de Chypre (PO 32,9, Nr. 179, Turnhout 1978, 171 mit Anm. 18; Bausenhart, In allem uns gleich außer der Sünde (s. Anm. 52) 278; Sodini, Les inscriptions (s. Anm. 57), 629 f.; Winkelmann, Streit (s. Anm. 1), S. 248; Allen, Sophronius (s. Anm. 39), 27. Zur Adresse s. o. Anm. 58. 67 Vgl.: Geoffrey H. W. Lampe, A Patristic Greek Lexikon. Oxford 101991, 61 s.v. 3. In diesem Sinne bezeichnet z. B. Sophronios den Patriarchen von Antiochien, Petrus Gnapheus (471.475– 477) als Πέτρος ὁ ἀκέφαλος (Sophr. Patr. Hier., Epistula ad Arcadium 23 [213 Z.2 Albert/von Schönborn]); vgl. auch a.a.O., cap.31, S. 221. 68 So auch: Allen, Sophronius (s. Anm. 39) 27. 69 Zur römischen Provinzeinteilung in Armenien in dieser Zeit vgl.: Heinz Ohme, Das Concilium Quinisextum und seine Bischofsliste (AKG 56), Berlin/New York 1990, 276–286. Eine Schwierigkeit besteht darin, dass Patriarch Sergios Paulos als „Severianer“ bezeichnet, die Armenier aber Severos bereits auf der 2. Synode von Dvin (552 oder 555) verurteilt hatten und danach bis 726 unter den Einfluss von Julianisten gerieten. Man wird aber bedenken müssen, dass Sergios bei diesem Anlass diese Differenzierung innerhalb des antichalcedonensischen Lagers nicht unbedingt im Blick gehabt haben muss. Es wird sich hier um eine Sammelbezeichnung für alle miaphysitischen Gegner Chalcedons handeln.

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mit der armenischen Kirche.70 Diese Union, die die Anerkennung der chalcedonensischen Zwei-Naturen-Lehre implizierte, scheint allerdings von Anfang an auf innerarmenischen Widerstand gestoßen sein, und ist nach dem Tod des Herakleios von den Armeniern auf einer Synode von Dvin (645) rückgängig gemacht worden. Zu den Gegnern scheint auch Paulos Monophthalmos gehört haben, der wahrscheinlich gegen die Argumentation des Kaisers das Standardargument der (947) Gegner Chalcedons, den sog. Tomus Leonis,71 ins Feld geführt haben wird. So wird jedenfalls nachvollziehbar, dass Sergios dem Paulos die o. g. Dokumente und Erklärungen zuschickte, um ihn davon zu überzeugen, dass die Lehre der μία ἐνέργεια in der Tradition der Chalcedonenser verankert sei. Paulos muss aber unversöhnlich geblieben sein, denn anders ist die iussio κατὰ Παύλου kaum zu verstehen. Es handelt sich hierbei um die erste offzielle Positionierung des Kaisers zu der neuen Unionspolitik auf der Grundlage der Lehre von der μία ἐνέργεια. Ob es sich allerdings bereits um ein direktes allgemeines Verbot72 der Rede von δύο ἐνέργειαι gehandelt hat, scheint mir fragwürdig zu sein. Denn zu einer solchen Maßnahme sah sich die Regierung offensichtlich erst mit der Ekthesis von 636/773 gezwungen, nachdem darüber innerhalb der Reichskirche offener Streit ausgebrochen war. Man kann diese Situation nicht einfach mehr als ein Jahrzehnt früher voraussetzen! Deshalb ist auch die in der Literatur verbreitete Erklärung anachronistisch, die in einem postulierten „Verbot“ eine Maßnahme erblicken will, „in der chalkedonisch gesinnten Kirche von Zypern“ eventuelle Proteste gegen die Versöhnungspolitik zu verhindern.74 Alle im Weiteren dieses Aufsatzes dargelegten Beobachtungen sprechen meines Erachtens gegen diese Deutung. Viel einleuchtender ist, dass Herakleios angesichts der Ablehnung seiner Unionspolitik, die ja eine Anerkennung der Synode von Chalcedon implizierte, den Bischof von Theodosiupolis daran hindern wollte, in Armenien auch noch dagegen zu agitieren. Gleichzeitig hat er so die christologische Position offiziell zur Kenntnis gebracht, auf deren Grundlage weitere Gespräche geführt

70 Winkelmann, Streit (s. Anm. 1) Nr. 25; Vgl. dazu: Lange, Mia Energeia (s. Anm. 1) 571–575; Jean-Pierre Mahé, Die armenische Kirche von 611–1066, in: Gilbert Dagron/Pierre Riché/André Vauchez, Bischöfe, Mönche und Kaiser (642–1054) (Die Geschichte des Christentums 4), Freiburg u. a. 1994, (473–542) 484 f. 71 Zu ihm s. u. S. 287. 72 So wurde die Formulierung κωλύουσαν bisher verstanden. Vgl. z. B.: van Dieten, Patriarchen (s. Anm. 6) 29; Winkelmann, Streit (s. Anm. 1) Nr. 14. 73 Zu diesem Datum vgl.: Heinz Ohme, Die Konstantinopler Synoden von 638/9 (?) und die Ekthesis des Kaisers Herakleios (610–641), in: ZKG 129 (2018), 289–315. 74 So: van Dieten, Patriarchen (s. Anm. 6) 29.

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werden sollten. Marek Jankowiak hat in diesem Sinne den meines Erachtens überzeugenden Vorschlag gemacht, die an Arkadios gerichtete iussio so zu verstehen, dass damit Paulos nach Zypern exiliert worden sei und dort unter die Aufsicht des Arkadios gestellt wurde.75 Er hat überdies darauf verwiesen, dass diese Exilierung eines sich der Unionspolitik verweigernden Bischofs nach Zypern kein Einzelfall gewesen ist. Dasselbe Schicksal ereilte im Jahr 628 offensichtlich auch den severianischen Metropoliten von Edessa, Isaias.76 Für die Stellung des Arkadios ist daraus zu schließen, dass er das (948) besondere Vertrauen des Kaisers gehabt haben muss. Es kann kein Zufall gewesen sein, dass die erste Verlautbarung der miaenergetischen Unionspolitik mit Sanktionen gegen Opponenten auf miaphysitischer Seite an Arkadios gerichtet war. Ca. 8 Jahre nach dieser iussio ist es zu einem ungewöhnlichen Briefwechsel zwischen Sophronios und Arkadios gekommen, der der Bedeutung des Erzbischofs von Zypern deutlichere Konturen verleiht. Die politische und kirchenpolitische Lage hatte sich inzwischen grundlegend verändert. Herakleios befand sich nach dem endgültigen Sieg über die Perser auf dem Höhepunkt seiner Macht. Darüber hinaus hatte er bei seinem jahrelangen Aufenthalt im Osten persönlich das Projekt der Unionspolitik mit weiteren antichalcedonensischen Kirchen vorangetrieben.77 Am 3. Juni 633 war es schließlich Kyros, inzwischen zum Patriarchen von Alexandrien ernannt (631–642), gelungen, eine Union mit jener Gruppe der ägyptischen Antichalcedonenser zu vollziehen, die 616/7 mit Hilfe des Niketas die Gemeinschaft mit den Syrern wieder hergestellt hatte.78 Ermöglicht wurde sie durch das gemeinsame Bekenntnis zu „einer gottmenschlichen Wirksamkeit“ „ein- und desselben Christus in zwei Naturen“79 und vollzogen wurde sie durch die gemeinsame Feier der Eucharistie. Sophronios hatte zuvor in Alexandrien vergeblich versucht, diese Union zu verhindern und war daraufhin nach Konstantinopel gereist, um Patriarch Sergios zur Rücknahme zu bewegen. Bei beiden Patriarchen aber war er erfolglos, denn beide beriefen sich auf die Anwendungsmöglichkeiten des kirchlichen Handlungsprinzips der

75 Jankowiak, Essai (s. Anm. 1) 32–40; Booth, Crisis (s. Anm. 1) 219 schließt sich ihm an. 76 Nach dem Chronicon anonymum ad annum Christi 1234 pertinens, hg. u. übers. v. Jean-Baptiste Chabot (CSCO 109. Scipt. Syri 56), Louvain 1937, CII, S. 185, verweigerte der Metropolit dem Kaiser die Kommunion, nachdem dieser Edessa erobert hatte. Die melkitische Universalgeschichte des Agapius berichtet, Herakleios habe ihn darauf nach Zypern exiliert: Kitab alˈUnvan. Histoire universelle écrite par Agapius (Mahboub) de Menbidj, hg. u. übers. v. Alexander A. Vasiliev (PO 8,3), 467. Vgl.: Jankowiak, Essai (s. Anm. 1) 60–62. 77 Dazu vgl.: Lange, Mia Energeia (s. Anm. 1) 553–575. 78 Vgl.: Lange, a.a.O., 575–581. 79 ACO ser. II 2,2 p.598,20 f. (Ried.).

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Oikonomia auch in Fragen der Lehre. Sergios war es dann gelungen, auf der Grundlage eines Synodalentscheids (sog. Psēphos) über das Verbot einer numerischen Bezeichnung der Wirkweisen Christi Sophronios das Versprechen abzunehmen, für den von ihm propagierten Dyenergetismus nicht öffentlich zu agitieren.80 In dieser Situation hat sich Sophronios nun mit einem umfangreichen Schreiben81 an Arkadios gewandt und versucht, ihn für seine Überzeugung zu gewinnen. Der Erzbischof von Konstantia war der letzte verbliebene Leiter einer autokephalen Kirche im Osten, den Sophronios noch hätte gewinnen können. Denn der Stuhl von Antiochien war (949) vakant,82 und in Jerusalem war nach dem Tod des Patriarchen Modestos im Jahr 631 Sergios von Joppe83 als Topoteret eingesetzt worden, der im Sinne der Unionspolitik gleichgesinnte Bischöfe weihte. Möglicherweise war Sophronios seit seinem Zypernaufenthalt in den Jahren 619/20 mit Arkadios persönlich bekannt.84 Er hat diesen Brief mit großer Wahrscheinlichkeit noch vor seiner überraschenden Wahl zum Jerusalemer Patriarchen im Jahr 634 geschrieben.85 Erhalten ist ein umfangreiches Fragment, allerdings nur in der syrischen Überlieferung, wie wir auch von der weiteren Korrespondenz zwischen beiden nur syrische Quellen zur Verfügung haben.

80 Zu diesen Vorgängen vgl. i. e.: Ohme, Mehrheit und Minderheit (s. Anm. 50); Zur Berufung auf die Oikonomia: Ders., Oikonomia (s. Anm. 1). 81 Albert/von Schönborn, Lettre (s. Anm. 66). 82 Vgl.: Wolfram Brandes, Die melkitischen Patriarchen von Antiocheia im 7. Jahrhundert. Anzahl und Chronologie, in: Le Muséon 111 (1998), (37–57) 42. Die Kathedra war seit 609 vakant. Herakleios hatte bei seinen Verhandlungen mit dem jakobitischen Patriarchen Athanasios I. Gamala zwischen 629–631 diesem den vakanten Stuhl angeboten. Dazu: Lange, Mia Energeia (s. Anm. 1) 553–566. 83 PMBZ, Nr. 6575. 84 Anders ist die Anrede als „lieber Freund“ in § 1 des Briefes kaum zu verstehen: Albert/von Schönborn, Lettre (s. Anm. 66) 191, Z. 2. Zum Zypernaufenthalt: Iohannes Moschus, Pratum spir. 30 (PG 87,2877B). 85 So: Sebastian Brock, An Early Syriac Life of Maximus the Confessor, in: AnBoll 91 (1973), (299–346) 322 = Ders., Syriac Perspectives on Late Antiquity. London 1984, Nr. XII; Winkelmann, Streit (s. Anm. 1), Nr. 29; Booth, Crisis (s. Anm. 1), 219 mit Anm. 130; Jankowiak, Essai (s. Anm. 1), 142 f. Dagegen hatten Albert/von Schönborn, Lettre (s. Anm. 66), 169–176, den Brief in die Zeit des Patriarchates vor die Synode von Zypern von 636 datiert, nachdem die Synodika des Sophronios auf Ablehnung gestoßen war. Über die von Winkelmann, Streit (a.a. O.) zusammengefassten Gegenargumente hinaus ist wichtig, dass die Energienproblematik in diesem Brief fast keine Rolle spielt. Sie wird nur kurz an einer Stelle (§ 32) gestreift. Sophronios polemisiert auch nicht gegen die Lehre von der μία ἐνέργεια. Er hält sich also noch an das Sergios gegebene Versprechen, während er sie in der Synodika ins Zentrum stellt und die μία ἐνέργεια ausdrücklich ausschließt (ACO ser. II 2,1 p.446,11–15 [Ried.]). Diese Steigerung der Konfliktbereitschaft ist meines Erachtens nicht umkehrbar.

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Die Eröffnung des Schreibens spiegelt genau die beschriebene Situation. Sophronios erklärt, dass sich „Personen in hoher Stellung kürzlich wohlwollend zu einer gewissen Oikonomia verhalten haben“. Er denke jedoch nicht so und sei überzeugt, dass es letztlich doch zu einer klaren Bestätigung der Energeia kommen werde, die dann nicht mehr zurückgehalten werde.86 Die „Trägheit und Fahrlässigkeit, das Glaubensgut präzise zu definieren“,87 verhindere jedoch dessen weitere (950) Ausbreitung und mache die Diener Gottes zu Waisen. Diese Gefahr sei genauso bei der Verwendung des Trishagions mit dem bei den Gegnern von Chalcedon verwendeten Zusatz88 gegeben. Damit ist das zentrale Thema des Schreibens benannt, das eine breit angelegte polemische theologische Argumentation in 55 Paragraphen gegen die Verwendung des Trishagions mit Zusatz in Kirchen chalcedonensischen Bekenntnisses bietet. Sophronios verurteilt diese liturgische Praxis als Theopaschitismus, Gottlosigkeit, Häresie und Blasphemie89 und wendet sich mehrmals direkt an den Erzbischof von Zypern: Arkadios solle jede Verbindung und Gemeinsamkeit mit den Häretikern aufheben, denn sie rufe den Zorn Gottes hervor.90 Durch diese liturgische Gemeinsamkeit würde die Orthodoxie in den Irrtum abgleiten, dem weitere Irrwege folgen würden.91 Arkadios mache sich sonst zum Komplizen der Heterodoxen „wegen einer x-beliebigen Ähnlichkeit eines Lobgesanges, der den Glauben betreffe.“92 Wenn er aber einen solchen Irrtum und eine solche Blasphemie beseitige, werde er sich als wachsamer Hirte erweisen und die Krone der Herrlichkeit empfangen.

86 Certes, si les positions en haut lieu furent récemment favorables à une certaine économie, je ne dissimulerai pas, pour sûr, (en disant) que je ne suis pas au fait: en conséquence, cette économie va recevoir une confirmation, á la fois propre (à elle) et en relation avec [lʼénergie]: Albert/von Schönborn, Lettre (s. Anm. 66) 189,7–11. 87 Mais, sʼil existe une certaine inertie et cette négligence qui ne définissent pas le bien correctement […] .: a.a.O. 189,15–191,1. 88 S. o. Anm. 35. 89 Albert/von Schönborn, Lettre (s. Anm. 66) § 2–16. Grundlage dieser Argumentation ist die exklusiv trinitarische Deutung dieses Hymnus, wodurch das im Zusatz erwähnte Kreuz und Leiden zu einer die gesamte Trinität betreffenden Aussage wird. Die Möglichkeit eines christologischen Verständnisses des Trishagions nimmt Sophronios gar nicht erst in den Blick. 90 A.a.O., § 17. 91 Fuyez donc, sans relâche, un tel précipice et la fosse, ô très saints, fuyez, ansi que vos communautés […]: a.a.O., § 18 (207, Z.4 f.). Angesprochen wird hier die ganze Synode der Bischöfe von Zypern. 92 Vous en veniez à être les complices, aussi, des autres qui sont hétérodoxe, par un ressemblance quelconque à ces louanges et qui concerne la foi, ou plutôt une égale infidélité!: a.a.O., § 19 (207, Z.13–16); vgl. auch § 35.

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Sophronios weicht mit diesem polemischen Traktat auf ein Thema aus, das bereits bei seiner Beratung des Ioannes Eleemon zwischen 610 und 619 im Zentrum stand und von ihm und Ioannes Moschos mehrfach in literarischen Arbeiten propagiert worden war: Der Kampf gegen jede liturgisch-rituelle Gemeinsamkeit – geschweige denn eucharistische Communio –mit den antichalcedonensischen Kirchen, verbunden mit einer scharfen dogmatischen Abgrenzung. Er spricht dabei aber auch aus, dass die dabei übergeordnete Frage die Berechtigung der Berufung auf die Oikonomia ist. Insofern die Oikonomia als Möglichkeit eines außerordentlichen kirchlichen Handelns in bestimmten Situationen von den kirchenleitenden Personen in Konstantinopel und Alexandrien auch für die Suche nach einem dogmatischen Konsens mit den Gegnern der Synode von Chalcedon in Anspruch genommen wurde,93 ist das Ausweichen auf diese Parallelkontroverse (951) ein geschickter Schachzug, um prinzipiellen Dissens deutlich zu machen. Gleichzeitig zeigt sich dadurch aber auch, wie eng die beiden Streitfragen „Trishagion“ und „μία ἐνέργεια“ miteinander verknüpft sind. Sophronios ist ein radikaler Propagandist lehrmäßiger Abgrenzung durch präzise Definitionen und liturgische Distanz unter Anwendung umfassender Akribeia. Es stellt sich die Frage, ob ihm die Schrift Περὶ Οἰκονομίας des Vorvorgängers von Ioannes Eleemon, Eulogios (581– 607), tatsächlich nicht bekannt gewesen war. Dieser als Theologe anerkannte Verteidiger der Synode von Chalcedon hatte darin die Möglichkeiten der Oikonomia bei Lehrdifferenzen systematisch aus der Tradition entfaltet.94 Oder übergeht er einfach, was seinen Überzeugungen widerspricht? Sophronios bestätigt hier schließlich, dass die von ihm bekämpfte liturgische Praxis in den Gemeinden des Arkadios weit verbreitet gewesen sein muss.95 Auffällig ist der dem Erzbischof gegenüber angeschlagene herrische und vorwurfsvolle, ja geradezu „anmaßende und beleidigende“ Tonschlag.96 Arkadios hat die Vorhaltungen des Sophronios in einem – nicht erhaltenen – Brief zurückgewiesen,97 und es ist gut vorstellbar, dass das Verhältnis beider

93 Dazu s. o. Anm. 80. 94 Vgl. dazu: Ohme, Oikonomia (s. Anm. 1) 325–332. 95 Genauso: Brock, Early Syriac Life (s. Anm. 85), 322; Déroche, Léontios (s. Anm. 21), 138, Anm. 126: „Toute la lettre […] atteste, quʼun diocèse autocéphale chalcédonien entier pouvait utiliser le Trishagion monophysite“. 96 So: Winkelmann, Streit (s. Anm. 1), Nr. 29 (S. 69). Daraus ist allerdings nicht zu schließen, dass Sophronios bereits als Patriarch schreibt. Dies entspricht vielmehr dem mönchischen Bewusstsein höheren theologischen Erkenntnisvermögens, das Maximos im Auftrag des Sophronios in ep. 20 entfaltet. Dazu s. u. Kap. 3. 97 Winkelmann, Streit (s. Anm. 1), Nr. 30.

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seitdem belastet war. Die syrische Vita Maximi weiß zu berichten, dass Arkadios in seiner Antwort Sophronios Verachtung gezollt habe und dieser daraufhin gegen Arkadios einen Groll hegte.98 Auf Anraten seines Schülers Maximos aber habe sich Sophronios als Patriarch erneut an Arkadios gewandt99 und ihn gebeten, eine Synode zur gesamtkirchlichen Klärung der anstehenden Kontroversfragen durchzuführen. Arkadios habe daraufhin Einladungen nach Rom, Konstantinopel, Alexandrien und Jerusalem verschickt. Die Initiative zu dieser Synode, die dann im Jahr 636 stattfand, ist jedoch von Sophronios ausgegangen! Wir sind über dieses bedeutende Ereignis nur durch die syrische Vita Maximi informiert, die der zur Synodaldelegation des Sophronios (952) gehörende Bischof Geogios von Reshʼaina als Augenzeuge verfasst hat.100 Alle späteren dyotheletischen Quellen verschweigen es.101 Die Synode hatte 46 Teilnehmer, darunter waren als Vertreter des Honorius von Rom der Diakon Gaius und als Vertreter des Sergios von Konstantinopel der Archidiakon Petros. Patriarch Kyros von Alexandrien war mit 5 Bischöfen angereist und Sophronios von Jerusalem mit insgesamt 9 Bischöfen, darunter Georgios von Resh’aina. Mit Arkadios hatten sich 5 zypriotische Bischöfe versammelt. Auf der Synode waren damit bis auf das vakante Antiochien alle Hauptsitze der Kirche vertreten. Zu den restlichen Teilnehmern macht Georgios keine Angaben. Er berichtet aber, dass Maximos nicht erschienen sei, sondern nur seinen Schüler Anastasios geschickt hätte, dem er eine seiner Schriften mitgab.102 Maximos ist also anscheinend ebenfalls eingeladen gewesen. Arkadios ist nicht nur der Einladende, sondern auch der Vorsitzende der Synode gewesen, und so liegt es nahe, dass sie in Konstantia – wohl in der Kathedrale des Heiligen Epiphanios103 – stattfand. Gegenstand der Verhandlungen ist das Trishagion und die Ablehnung der

98 „Maximos reminded Sophronios […] of the letter in which ‚Arkadios the archbishop of Cyprus showed you contempt‘ “: Vita Maximi syr. § 7 (315 Brock). 99 Nach § 10 der Vita Maximi syr. (316 Brock) wurde der Brief vom Notar des Sophronios überbracht. Winkelmann, Streit (s. Anm. 1), Nr. 31 will den Brief vor der Wahl zum Patriarchen datieren. 100 Die ablehnende bis feindselige Haltung des Autors gegenüber der Person und Theologie des Maximos berechtigt nicht zu einer pauschalen Infragestellung aller Informationen der Vita. Die Faktizität dieser Synode ist inzwischen allgemein anerkannt. Vgl.: Booth, Crisis (s. Anm. 1), 143–155; Ohme, Die Konstantinopler Synoden (s. Anm. 73) 301 mit Anm. 88.90. Zavagno, Cyprus (s. Anm. 10) 97 kennt die Synode nicht. 101 Zu den Gründen s.: Ohme, Die Konstantinopler Synoden (s. Anm. 73) 300–310. 102 Vita Maximi syr. § 10–11 (316 Brock). 103 Von den drei Kirchen von Salamis/Konstantia war sie die Kathedrale, vgl.: Zavagno, Cyprus (s. Anm. 10), 96.

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sog. monenergetischen Christologie durch Sophronios und Maximos gewesen.104 Sophronios hatte seine Ablehnung davor in seiner Synodika105 mit einer klaren Tendenz zum Dyenergetismus formuliert. Die Synodalen konnten sich allerdings nicht auf ein gemeinsames Urteil verständigen.106 Der Augenzeuge berichtet, dass es Arkadios gewesen sei, der für eine Anathematisierung der Lehre des Sophronios und des Maximos plädiert habe, während Kyros von Alexandrien dagegen sein Veto einlegte.107 Man beschloss schließlich, den Kaiser als Schiedsrichter anzurufen. Die Problematik wurde ihm in einem Synodalbrief vorgelegt, der von einer Delegation, zu der der Archidiakon des Arkadios, der Diakon des Kyros und der Notar des Sophronios gehörten, überbracht wurde. Herakleios habe dann die Lehre des Sophronios und Maximos verurteilt und ein Edikt erlassen, das meines Erachtens mit der sog. (953) Ekthesis zu identifizieren ist.108 Die Ekthesis wurde in Konstantinopel durch eine Synode bestätigt und an die anderen drei auf der Synode von Zypern vertretenen Kirchen verschickt, die sie bestätigten, also auch die Kirche von Zypern und die von Jerusalem!109 Der Erzbischof von Zypern, Arkadios, hat in diesem Zusammenhang offensichtlich das Vertrauen aller Beteiligten genossen. Er begegnet uns als Verteidiger einer geistlichen und theologischen Haltung, die nach Möglichkeiten der Verständigung mit den Antichalcedonensern suchte, um die kirchlichen Spaltungen in den Kirchen des Ostens zu überwinden. Er war damit ein Gegner einer rigoristischen und integralistisch-zelotischen Anwendung der akribeia im Bereich von Liturgie und Lehre. In dieser Haltung ist er Herakleios anscheinend auch bis zum Schluss persönlich verbunden gewesen. Als der Kaiser am 11. Januar 641 starb, brach in Konstantinopel bekanntlich ein Machtkampf zweier

104 A.a.O., § 9.13. 105 Winkelmann, Streit (s. Anm. 1), Nr. 45; Allen, Sophronius (s. Anm. 39). 106 Vita Maximi syr. § 12 (316 Brock). 107 A.a.O., § 13–14 (316 f. Brock). 108 Ἔκθεσις τοῦ τῆς Ὀρθοδοξίας δόγματος: ACO ser. II 1, p.156,20–162,13 (Ried.). Zum Nachweis s.: Ohme, Die Konstantinopler Synoden (s. Anm. 73), 300–307. Das traditionelle Datum der Ekthesis (638) ist jetzt mit Jankowiak, Essai (s. Anm. 1), 155–160; Ohme, a.a.O., 307–310, auf 636/7 zu korrigieren. Dieses Gesetz untersagte einen öffentlichen Streit darüber, ob es notwendig sei, von einem Wirken oder zwei Wirkweisen/Energien Christi zu reden, indem jede weitere Rede von einem Wirken oder zwei Wirkweisen/Energien Christi verboten wird. Die Überwindung des Streites wurde in der vermeintlichen Konsensformel von dem einen Willen Christi gesucht, mit der allerdings kein neues Dogma formuliert werden sollte. 109 Vita Maximi syr. § 16 (317 Brock). Dass dieser Bericht selbst für Sophronios glaubwürdig ist, lässt sich plausibel machen. Vgl.: Ohme, Die Konstantinopler Synoden (s. Anm. 73), 305–307.

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rivalisierender dynastischer Gruppierungen aus mit der Aufeinanderfolge von vier Kaisern in einem Jahr.110 Diese Rivalitäten, die zu einem politischen Chaos führten, übertrugen sich auch auf die kirchliche Hierarchie. Wenn man dem Bericht des Ioannes von Nikiu glaubt,111 gehörte neben Pyrrhos, dem Nachfolger des Patriarchen Sergios, und Kyros von Alexandrien auch Arkadios zum Lager Martinas, der Witwe des Herakleios. Er sei deshalb bei Konstantin III. beschuldigt worden, der daraufhin Truppen nach Zypern geschickt habe, um Arkadios nach Konstantinopel zu bringen und zur Rechenschaft zu (954) ziehen.112 Zu diesem Prozess ist es jedoch nicht gekommen, weil Konstantin III. überraschend am 24. Mai 641 verstarb und genauso auch Arkadios Ende 641/Anfang 642. In seinen letzten Lebensjahren erteilte Arkadios Leontios von Neapolis den Auftrag, eine Vita des Ioannes Eleemon zu verfassen, die die von Ioannes Moschos und Sophronios verfasste Grabrede (ἐπιτάφιος λόγος) ergänzen sollte.113 Die Redaktion dieser Vita ist nach dem Tod Konstantins III. erfolgt.114 Seit der populären Darstellung der Vita durch Heinrich Gelzer115 im Jahr 1889 wird diskutiert, wie das Fehlen jeder Positionierung zum sog. monenergetisch-monotheletischen Streit und das Verschweigen des Patriarchentitels für Sophronios durch Leontios zu erklären sei. Gelzer wollte darin und in der Betonung der karitativen, den Menschen dienenden Amtsausübung des Ioannes Eleemon „eine

110 Es standen sich die Anhänger von Herakleiosʼ Sohn aus erster Ehe (Konstantin III.) und dessen Sohn (Konstans II.) sowie die Unterstützer der zweiten Ehefrau Martina und deren Sohn (Heraklonas) gegenüber. Vgl: Kaegi, Heraclius (s. Anm. 11), 290–294; Paul Speck, Das geteilte Dossier: Beobachtungen zu den Nachrichten über die Regierung des Kaisers Herakleios und die seiner Söhne bei Theophanes und Nikephoros (Poikila Byzantina 9), Bonn 1988; Warren Treadgold, A Note on Byzantiumʼs Year of the Four Emperors, in: ByzZ 83 (1990), 431–433. 111 Chronique de Jean, evêque de Nikiou, hg. u. übers. v. Hermann Zotenberg, Paris 1883, 120, 64–67. Dazu und zur der Rolle von Pyrrhos, Kyros und Arkadios s.: Phil Booth, The Last Years of Cyrus, Patriarch of Alexandria († 642), in: TMCB 20 (2016), (509–558) 521–550, zu Arkadios: ebd. 548–550. 112 Eine entscheidende Rolle spielte dabei der General Ualentinos Arsakuni. Zu ihm: PMBZ, Nr. 8545. 113 Festugière, Léontios (s. Anm. 32), 343–409; vgl. dazu: Déroche, Leontios (s. Anm. 21), 16; Stephanos Efthymiadis/Vincent Déroche, The Case of Leontios of Neapolis, in: Stephanos Efthymiadis (Hg.), The Ashgate Research Companion to Byzantine Hagiography, I. Farnham 2011, (72–77) 73. Die Bezeichnung ἐπιτάφιος λόγος stammt von Cyril Mango (Ders., A Byzantine Hagiographer at work: Leontios of Neapolis, in: Irmgard Hutter, Byzanz und der Westen. Studien zur Kunst des Europäischen Mittelalters, in: DÖAW.PH., Sb. 432, Wien 1994, [25–41] 34). 114 Festugière, Léontios (s. Anm. 32), 350, 34–36. 115 Gelzer, Heinrich, Ein griechischer Schriftsteller des siebten Jahrhunderts in: (HZ 61 [1889], 1–38) Ausgewählte kleine Schriften, Leipzig 1907, 1–56.

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geschickte Verteidigung der damaligen kirchlichen Versöhnungspolitik“ erblicken. Deren Ziel sei es gewesen, „dem öden Wortgezänk durch Zurückgehen auf die Grundwahrheiten des Christentums ein Ende (zu) bereiten“, für „ein Christentum der realen Tatsachen“ zu werben und „durch ihre populäre Darstellung für die herrschende Kirchenpolitik unter den Massen Propaganda zu machen“.116 Dieses Urteil basiert ohne Zweifel auf einer Fehlinterpretation der Konstantinopler Versöhnungspolitik und ist eher dem neuprotestantischen antidogmatischen Zeitgeist des 19. Jahrhunderts geschuldet. Ebenso ist aber aus dem Schweigen der Vita meines Erachtens auch nicht auf „une neutralité délicate“ des Arkadios und der Kirche von Zypern zu schließen und er selbst als „un indécis“ zu charakterisieren, wie Vincent Déroche meint.117 Demgegenüber sind für die Darstellung des Leontios von Neapolis meines Erachtens folgende Aspekte entscheidend: Die Vita wurde in Auftrag gegeben und redigiert, während die Ekthesis in Geltung (955) stand. Damit war die Energienfrage – bis auf weiteres – kirchlich und politisch offiziell entschieden. Und dies nicht zuletzt durch das Engagement des Arkadios. Die massiven Versuche des Maximos, den zyprischen Erzbischof doch noch für seine Position zu gewinnen, von denen im nächsten Kapitel die Rede sei wird, waren erfolglos geblieben. Es gibt kein einziges Zeugnis, das den Schluss nahelegt, Arkadios habe einen Dyenergetismus/ Dyotheletismus vertreten. Die posthumen Versuche des Maximos, ihn für den Dyotheletismus zu vereinnahmen, müssen in einer anderen Perspektive bewertet werden. Und auch die angeblich entschieden dyotheletische Haltung des Nachfolgers von Arkadios, Sergios, bedarf einer kritischen Überprüfung.118 Arkadios hat sich deutlich gegen Versuche gestellt, unter Beanspruchung der Akribeia umstrittene theologische Definitionen zum Dogma der Kirche erheben zu wollen, bestehende Schismen zu zementieren und neue zu provozieren. Man muss daraus meines Erachtens schließen, dass Leontios auf dieser Basis den Auftrag erhielt, Sophronios nur in seinem alexandrinischen Wirken in den Jahren 610–619 zu schildern und damit die späteren Ver- und Entwicklungen seiner Person unberücksichtigt zu lassen. Damit fiel auch der sog. monenergetisch-monotheletische Streit und die Episode um Ioannes Eleemon und Georgios Arsas unter den Tisch.119

116 Gelzer, a.a.O., 38 f.41. 117 Déroche, Léontios (s. Anm. 21), 30 f. Dieses Urteil ist inzwischen verbreitet. Vgl. z. B.: Winkelmann, Streit (s. Anm. 1), S. 196: „eher neutral und abwartend“; Jankowiak, Essai (s. Anm. 1), 199. 118 Zu beidem s. Kap. 4. 119 S. o. S. 261f. Letzteres wäre kaum erfolgt, wenn Déroche (Ders. Léontios [s. Anm. 21], 25) Recht hätte mit seiner These, dass die Vita des Ioannes „à été redigée sous les empéreurs mono-

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3 Die Kirche von Zypern auf dem Weg zum Dyotheletismus? Die Briefe des Maximos an Marinos Unter den Schriften des Maximos Homologetes finden sich sechs umfangreiche Briefe an einen Mönch Marinos, der bald als Diakon, später als Presbyter in Zypern adressiert wird und in der handschriftlichen Überlieferung dieser Briefe als ὁσιώτατος πρεσβύτερος καὶ οἰκονόμος τῆς ἁγιωτάτης μητροπόλεως Κωνσταντίας τῆς Κυπρίων νήσου bezeichnet wird.120 Marinos gehörte offensichtlich in das (956) Umfeld des Erzbischofs Arkadios und hat möglicherweise ein hohes Amt in der Kirchenverwaltung ausgeübt. Die Briefe des Maximos datieren aus den Jahren 636, 640/1 und 643/6. Sie dokumentieren einen erst zaghaften, dann intensiven und stetigen Versuch, auf die theologische Haltung der Kirche von Zypern im aktuellen Konflikt einzuwirken. Fünf dieser Briefe gehören zu den sog. Opuscula theologica et polemica und sind de facto lange dogmatische Traktate. Der Charakter des ältesten, bisher wenig beachteten Briefes (Epistula 20), weicht davon deutlich ab. Er verdient hier eine nähere Betrachtung, weil er für das Verständnis der bisherigen Position der Kirche von Zypern und ihre weitere Entwicklung meines Erachtens eine Schlüsselfunktion hat. Die Epistula 20 von ca. 636 an den Mönch Marinos ist ein überraschender Text,121 weil Maximos hier kein dogmatisches Thema traktiert und vordergründig auch die theologisch-kirchenpolitische Lage nicht zur Sprache bringt. Er präsentiert sich vielmehr eingangs dem Adressaten als bußfertiger Mönch und Theologe, der sich der Menge seiner Verfehlungen in Erwartung des Jüngsten Gerichtes bewusstgeworden ist und deshalb beschlossen hatte, in Zukunft zu theologischen Fragen zu schweigen. Zu „den göttlichen Lehrsätzen noch zu reden oder zu schreiben“ hätte er sich völlig versagt, weil sie offensichtlich seine Fähigkeiten überstiegen und als „Worte Gottes“ durch seinen Mangel an guten Werken wirkungslos seien und bei den Hörern kein Leben in Gnade

thelites par un milieu qui témoigne dʼune hostilité larvée, ou au moins dʼune réticence contre le monothélitisme.“ 120 Die sechs Briefe sind: Epistula 20 und – in der Reihenfolge der Entstehung – die Opuscula theol. et pol. 7.20.10.1.19. Dazu i. e. s. u. Der Titel des Oikonomos findet sich in der Überlieferung zu Opusculum 1 im Cod. Athous Batopediu 57 (s. XIII) und im Cod. Ferrar. 144 (s. XIV). Zu Marinos vgl.: PMBZ, Nr. 4775. 121 Maximus Conf., Epistula 20 ad Marinum (PG 91,597–604). Vgl. dazu: Marek Jankowiak/ Phil Booth, A New Date-List of the Works of Maximus the Confessor, in: Pauline Allen/Bronwen Neil (Hg.), The Oxford Handbook of Maximus the Confessor, Oxford 2015, 19–83, Nr. 40 (ca. 636).

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entfalten konnten.122 Der sein ganzes Denken und alles bestimmende, verehrte und ehrwürdige Hegumenos habe ihn jedoch mit vielen Beschwörungen göttlicher Gedanken in seinem Schweigeentschluss überwunden. Wegen der hervorstechenden Vortrefflichkeit von dessen Tugenden habe Maximos ihn nicht zurückweisen können, als dieser ihn bedrängte, „diesen maßvollen Brief an Deine Gottesfurcht zu schreiben“.123 Was er nun darlege, solle Marinos wie ihm selbst und „allen, die es hören wollen“, nützlich sein und zum Heil gereichen.124 Im Folgenden bietet Maximos einen Grundkurs in monastischer Tugendund Lasterethik sowie Gotteserkenntnis im Anschluss an Psalm 110,10LXX („Die Furcht des Herrn ist der Weisheit Anfang“). Die Ausführungen erhalten allerdings (957) schnell einen polemischen Ton, der dann das ganze weitere Schreiben bestimmt.125 Maximos polemisiert gegen diejenigen, die sich nur gewohnheitsmäßig (ἤθεσι μόνοις) scheinbar gottesfürchtig verhalten, aber gar nicht die entsprechende seelische Disposition (διάθεσις ψυχῆς) und Demut des Herzens haben. Sie glichen Affen, die Menschen nachahmen, aber über kein Erkenntnisvermögen verfügen (τὴν τῆς γνώμης διάθεσιν οὐκ ἔχων), und seien die neuen Sadduzäer und Schriftgelehrten.126 Genauso aber sei derjenige, „der bloß im Vortrag die Worte der wahrhaft Einsichtigen (οἱ ἀληθῶς συνετοί) zur Verblüffung der Zuhörer nachahme, „aber gar keine Erkenntnishaltung besitzt, die durch Tugendpraxis erworben wird, ein wahrhaft neuer Pharisäer und tadelnswerter Priester.“127 Das sei „offensichtlich eine Theologie der Dämonen, die für die sich darin um der Ruhmsucht willen Aufblähenden ohne praktische Erkenntnis besteht.“128 Jesus tadele einen so scheinbar von Gott Redenden (τὸν

122 Maximus Conf., Epistula 20 (PG 91,597B10–C3.12–14). 123 Maximus Conf., Epistula 20: Ἐπειδὴ δὲ νενίκηκέ μου τῆς σιωπῆς τὴν ψῆφον ταῖς πολλαῖς τῶν θεῖων ἐπῳδαῖς λογισμῶν, ὁ πολὺς τὴν φρόνησιν, καὶ πάντα μοι τίμιος ὁ ὁσιώτατος ἡγούμενος, ὃν οὐκ ἠδυνήθην ἀπώσασθαι διὰ τὴν ἐμπρέπουσαν αὐτῷ κατὰ θείαν σύνεσιν τῶν ἀρετῶν καλλονὴν· καὶ ταύτην ἐβιάσατό με χαράξαι τὴν μέτριαν συλλαβὴν πρὸς τὴν σὴν θεοσέβειαν (PG 91,597D1–8). 124 Maximus Conf., Epistula 20 (PG 91,597D10–12). 125 Vgl.: Maximus Conf., Epistula 20 (PG 91, 600C7–601C13). 126 A.a.O., 601A1f. 127 Maximus Conf., Epistula 20: ὥσπερ καὶ ὁ μέχρι μόνης τῆς ψιλῆς προφορᾶς, τοὺς μὲν τῶν ἀληθῶς συνετῶν λόγους πρὸς τὴν τῶν ἀκουόντων κατάπληξιν μιμηλευόμενος, τὴν δὲ τῆς γνώσεως ἕξιν οὐκ ἔχων τῇ πράξει τῶν ἀρετῶν πεποιωμένην, Φαρισαῖός τις ἄλλος ὡς ἀληθῶς, ἢ φεκτὸς ἱερεὺς καὶ ὢν καὶ καλούμενος (PG 91,601B11–C2). 128 Maximus Conf., Epistula 20 (PG 91,601C8–11): […] ὁτὶ δαιμόνων θεολογία προδήλως, ἡ τῶν ἐπ᾿ αὐτῇ διὰ φιλοδοξίαν μέγα φυσώντων καθέστηκε δίχα πράξεως γνῶσις.

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δῆθεν θεολογούμενον), auch wenn dieser vom Laster Beherrschte dies gar nicht merke.129 Mit Adhortativen zur wahren Gottesfurcht, zum Tun der göttlichen Worte, zum Erstreben der im einzeln aufgelisteten Tugenden und dem so gewonnenen Ewigen Leben endet das Schreiben.130 Es stellen sich meines Erachtens folgende Fragen: 1. Zu welcher Situation der Vita Maximi passt dieser Brief? 2. Warum wendet sich Maximos mit einer solchen persönlichen Erklärung und Abhandlung über das Verhältnis von persönlichem Tugendleben und Valenz theologischer Aussagen an diesen zypriotischen Mönch? Die am Anfang des Briefes deutlich werdende tiefe Enttäuschung des Maximos über die Wirkungslosigkeit seiner theologischen Erkenntnisse, die zu dem Entschluss geführt hatte, in Zukunft zu theologischen Frage zu schweigen, sowie der ins Umfeld des Arkadios gehörende Adressat legen es nahe, diesen Text in die Zeit unmittelbar nach der Synode von Zypern im Jahr 636 einzuordnen.131 Denn nach der syrischen Vita Maximi ging der eigentliche Anstoß zu dieser Synode von Maximos aus, der Sophronios dazu überredet hatte, dazu die Initiative zu ergreifen (958) und der zu diesem Zweck auch noch eine Apologie in Aussicht gestellt hatte. Außerdem wurden die strittigen Fragen auf der Synode anhand der Lehre des Maximos diskutiert und im Synodalbrief so dargestellt.132 Die Entscheidung der Synode, die Ekthesis des Kaisers und deren kirchliche Rezeption muss deshalb für Maximos ein persönliches Desaster bedeutet haben. Bemerkenswerterweise berichtet auch die syrische Vita, dass Maximos nach der Ekthesis sich in seine Mönchszelle zurückgezogen hätte und dort bis zum Auftauchen der Araber geblieben sei.133 Epistula 20 bestätigt damit auch die Glaubwürdigkeit der syrischen Vita Maximi in diesen Zusammenhängen. Seit ca. 634 befand sich Maximos mit Sophronios wieder in Palästina.134 Und es ist meines Erachtens auch niemand anderes denkbar als der inzwischen zum Patriarchen gewählte Sophronios, der Maximos von seinem Schweigegelübde hätte abbringen können und auf dessen geistliche Autorität er sich hier beruft. Die sonst nicht belegte Bezeichnung Hegumenos für Sophronios spricht 129 A.a.O., 601C10–13. 130 A.a.O., 601D–604B. 131 Die haben zuerst überzeugend Jankowiak/Booth, A New Date-List (s. Anm. 121), Nr. 40 vorgeschlagen. 132 Vita Maximi syr. § 8.13 (315 f. Brock). 133 Now Maximos confined himself in a small cell aut of fear of the emperor and the patriarchs who had anathematized his teaching. […] He stayed in this cell until the Arabs appeared: Vita Maximi syr. § 17 (317 Brock). 134 Pauline Allen, Life and Times of Maximus the Confessor, in: Allen/ Neil, Handbook (s. Anm. 121), 3–18. hier: 14.

3 Die Briefe des Maximos an Marinos

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meines Erachtens nicht dagegen.135 Sie ist eher ein Beleg dafür, dass Maximos gegenüber seinem Adressaten nicht offenbaren will, wer hinter diesem Versuch der Kontaktaufnahme letztlich steckt. Denn es ist Sophronios, der Maximos bedrängt hat, an Marinos zu schreiben,136 so dass man annehmen muss, dass Marinos Sophronios aus seinen mehrfachen Aufenthalten auf Zypern persönlich bekannt gewesen war. Von Maximos lässt sich das nicht feststellen; der Brief bietet dazu keine Anhaltspunkte.137 Demgegenüber wird Maximos jedoch dem zyprischen (959) Mönch durch die Menge seiner asketisch-theologischen Schriften aus der Zeit vor 636,138 vor allem aber durch die Synode von Zypern und ihre Folgen ein Begriff gewesen sein. So ist es gut nachvollziehbar, dass Maximos darauf eingangs Bezug nimmt und sich als nunmehr bußfertiger Mönch präsentiert, um dann auch scheinbar unverfänglich ein Thema mönchischen Selbstverständnisses aufzuwerfen. Die eigentliche Absicht des Schreibens wird freilich erst in seinem polemischen Subtext deutlich. Indem der Mönch Marinos bei den Grundlagen seiner asketischen Überzeugungen abgeholt wird, zielen diese Ausführungen jedoch darauf ab, einen Gegensatz zwischen wahrer Theologie und der „Theologie der Dämonen“ aufzubauen, indem die Gültigkeit theologischer Aussagen an die asketische Verbindung von „Praxis“ und „Erkenntnis“ gebunden werden. Gleichzeitig wird insinuiert, dass unter der Priesterschaft der Kirche neue Sadduzäer, Schriftgelehrte und Pharisäer sind, die sich nur zum

135 Jankowiak/Booth, A New Date-List (s. Anm. 121), Nr. 40, wollen deswegen ausschließen, dass Sophronios gemeint sein könnte. Vgl. dagegen: Jean-Claude Larchet, Introduction, in: Ders./Emmanuel Ponsoye, Saint Maxime le Confesseur. Lettres, Paris 1998, 46 („sans doute Sophrone“). 136 Maximos hat Epistula 20 nicht „à la démande de Marinos“ geschrieben, wie Larchet, Introduction (s. Anm. 134, 46), meint. Grundlage dieses Irrtums ist die Fehlübersetzung von Emmanuel Ponsoye zu PG 91,597D7 (καὶ ταύτην ἐβιάσατό με χαράξαι τὴν μέτριαν συλλαβὴν) mit: „tu mʼas forcé à tracer ces pauvres lignes“ (Larchet/Ponsoye, Lettres (s. Anm. 135), 203. 137 Es existiert kein direkter Hinweis, dass Maximos jemals auf Zypern gewesen ist. In Opusc. theol. et pol. 3 (Jankowiak/Booth, A New Date-List [s. Anm. 120], Nr. 61) erwähnt er zwar einen Aufenthalt auf Kreta, nirgends aber einen auf Zypern. Auch für eine persönliche Bekanntschaft mit Marinos oder gar Arkadios fehlt ein direktes Zeugnis. Beides wurde in der älteren Forschung allein aus der Tatsache der Briefe an Marinos und unter der Voraussetzung der Faktizität der sog. griechischen Vita Maximi (BHG 1234) geschlossen. Vgl. z. B.: Polycarp Sherwood, An Annotated Date List of the Works of Maximus the Confessor, Rom 1952, 5. Auf dieser Grundlage mit weiteren spekulativen Konstruktionen: Vasilios Karagiannis, Ὁ Μάξιμος ὁ Ὁμολογητῆς καὶ ἡ Ἐκκλησία τῆς Κύπρου, in: Ἀπόστολος Βαρναβᾶς 53 (1992), 379–398. Zur Problematik der griechischen Vita vgl.: Booth, Crisis (s. Anm. 1), 143–155; Allen, Life and Times (s. Anm. 134) 9–14. 138 Vgl.: Jankowiak/Booth, A New Date-List (s. Anm. 121), S. 80 f.

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Schein und aus Gewohnheit gottesfürchtig gebärden, gleichwohl aber unter Benutzung der Worte der „wahrhaft Einsichtigen“ theologische Aussagen träfen. Es lässt sich deshalb kaum der Schluss vermeiden, dass hier bei dem Mönch Marinos Zweifel an der Richtigkeit der durch die Synode von Zypern getroffenen Entscheidung und ihren Folgen geweckt werden sollte. Hinter dem Brief steht meines Erachtens die Absicht, eine Tür im Umfeld des Arkadios für beabsichtigte spätere Anfragen an die getroffenen Entscheidungen zu öffnen. Er ist gleichzeitig ein Zeugnis für eine in monastischen Kreisen verbreitete und bei Marinos stillschweigend vorausgesetzte arrogante Beanspruchung höherer theologischer Erkenntniskompetenz. Der Brief offenbart eine asketisch grundgelegte theologische Selbstermächtigung, die sich mit dem synodal autorisierten theologischen status quo nicht abzufinden bereit ist. Sein Inhalt ist so alles andere als „purement spirituel“.139 Opusculum 7 von ca. 640/1 an den Diakon Marinos und Opusculum 20 von 641 an den inzwischen zum Presbyter Geweihten wurden noch während des Episkopates von Arkadios geschrieben.140 Es handelt sich jetzt um zwei sehr umfangreiche dogmatische Tomoi gegen die Ekthesis. Sie gehören zu den ersten Zeugnissen, in denen Maximos seine theologische Opposition öffentlich gemacht hat. Es ist bezeichnend, dass dies in Briefen nach Zypern erfolgte. Zu Beginn von Opusculum 7 knüpft Maximos an das Thema von Epistula 20 an, indem er Marinos für dessen Eifer bei seinem erfolgreichen asketischen Kampf um Erkenntnis und Tugend überschwänglich (960) lobt. Wenn es sich um mehr als die übliche141 captatio benevolentiae handeln sollte, müsste man weitere inzwischen erfolgte Kontakte annehmen. Maximos kommt aber schnell zu seinem eigentlichen Thema, indem er mehrfach vom „fürchterlichen Verrat“ derjenigen spricht, die „den königlichen Weg der Lehre der Väter betreten haben.142 Im Zentrum steht die von Maximos vorgenommene dyotheletische Interpretation patristischer Chrēseis, die von den sog. Monenergeten beansprucht werden.143 Es wird deutlich, dass sich die Polemik und Kontroverse nunmehr auf die Frage des richtigen Verständnisses patristischer Testimonia konzentriert.

139 Dies meint Larchet, Introduction (s. Anm. 135), 46. 140 PG 91,69B–89B; 228B–245D. Vgl. dazu: Jankowiak/Booth, A New Date-List (s. Anm. 121), Nr. 41.42; Winkelmann, Streit (s. Anm. 1), Nr. 59.60. 141 Maximus Conf., Opusculum theol et pol. 20 beginnt genauso: PG 91,228B–229B. 142 Maximus Conf., Opusculum theol. et pol. 7 (PG 91,72C3-5; 73A7.12). 143 Es geht vor allem um Gregorius Nazianzenus, Oratio 30,12 zu Mt 26,39 (τὸ γὰρ ἐκείνου θέλειν οὐδὲ ὑπενάντιον θεῷ θεωθὲν ὅλον); Ps.Dionysius Areop., Epistula 4 (καινήν τινα θεανδρικὴν ἐνέργειαν); Cyrillus Alex., Commentarius in Ioann. IV,2 (μία τε καὶ συγγενῆς […] ἐνέργεια).

3 Die Briefe des Maximos an Marinos

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Mit Opusculum 20 antwortet Maximos auf eine gezielte Anfrage des Marinos, der ihn mit drei Traditionszeugen konfrontiert hatte, von denen zwei ausdrücklich von μία ἐνέργεια und ἕν θέλημα sprechen.144 Maximos muss hier u. a. konzedieren, dass es mit Anastasios von Antiochien eine theologisch legitime Möglichkeit gebe, von μία ἐνέργεια zu reden.145 Seine Interpretation der Aussage des Papstes Honorius über den einen Willen Christi,146 die sich angeblich nur auf die Widerspruchsfreiheit seines menschlichen Willens beziehe, ist der erste Versuch einer Umdeutung der Position des Papstes.147 Beide kurz nacheinander geschriebenen Traktate machen deutlich, dass Maximos von seinem Briefpartner mit zentralen Testimonia der Anhänger der Konstantinopler Versöhnungspolitik konfrontiert wird. Es ist meines Erachtens eher unwahrscheinlich, dass dies nur dem persönlichen Interesse des Marinos geschuldet ist und nur auf seine Initiative zurückgeht. Er wird diese (961) Fragen eher nach Rücksprache mit Arkadios gestellt haben. Die Schlussworte des Maximos zu seinen Antworten weisen darauf hin: Dies mach dem hierarchisch unserem makellosen orthodoxen Glauben Vorsitzenden bekannt, unter dessen Flügeln wir alle in der Nähe und Ferne fromm ruhen werden (ἐπαναπαυσόμεθα), indem wir als einzige Grundlage durch ihn seine selige Erleuchtung der heiligen Lehren haben, durch die wir im Heiligen Geist zum ungetrübten Licht der Väter an die Hand genommen und emporgeführt werden. Zu ihm als Anführer unseres Heils ‒zusammen mit dem, der es von Natur aus und als Erster ist ‒ schauen wir auf.148

144 Dies sind Anastasius Antioch., Fragm. contra arbitr. Io. Philop.; nochmals Gregorius Nazianenus, Oratio 30,12; und Honorius I. pp., Epistula I ad Sergium Patr. Const. 145 Maximus Conf., Opusculum theol et pol. 20 (PG 91,229D–233B). Zu der μία ἐνέργεια bei Anastasios von Antiochien vgl.: Karl-Heinz Uthemann, Der Neuchalkedonismus als Vorbereitung des Monotheletismus. Ein Beitrag zum eigentlichen Anliegen des Neuchalkedonismus, in: StPatr 29 (1997), (373–413) 394–403 (= Ders., Christus, Kosmos, Diatribe. Themen der frühen Theologie als Beiträge zu einer historischen Theologie [AKG 93], Berlin/New York 2005, 207–255); Sebastian Brock, A Monothelete Florilegium in Syriac, in: OLA 18 (1985), (35–45) 40–42 (= Ders., Studies in Syriac Christianity, Ashgate 1992, XVI); Heinz Ohme, Theodor von Pharan revisited: Häretiker und Häresiarch der μία ἐνέργεια Jesu Christi?, in: ZThK 117 (2020), (409–471) 446–459. 146 Honorius I. pp., Epistula I ad Sergium Patr. (ACO ser. II 2,2 p. 550,16‒17 Ried.): ὅθεν καὶ ἓν θέλημα ὁμολογοῦμεν τοῦ κυρίου Ἰησοῦ Χριστοῦ. 147 Maximus Conf., Opusculum theol et pol. 20 (PG 91, 237C-244B). Hierzu und den weiteren Versuchen vgl.: Ohme, Wer hat den Dyotheletismus erfunden? (s. Anm. 1) 107–114. 148 Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 20 (PG 91,245C1–8): Ταῦτα γνώρισον τῷ ἱεραρχικῶς προκαθημένῳ τῆς ἀμωμήτου ἡμῶν καὶ ὀρθοδόξου πίστεως, οὗ πάντες οἵ τε πλησίον, καὶ οἱ μακρὰν ὑπὸ τὰς πτέρυγας ὁσίως ἐπαναπαυσόμεθα, μόνην κρηπῖδα δογμάτων ἱερωτέρων τὴν αὐτοῦ τε καὶ δι᾿ αὐτοῦ μακαρίαν ἔχοντες ἔλλαμψιν, δι᾿ ἧς πρὸς τὸ ἄσκιον φῶς καὶ Πατρικὸν ἐν Πνεύματι ἁγίῳ χειραγωγούμεθα τε καὶ ἀναγόμεθα· πρὸς αὐτὸν ὡς ἀρχηγὸν τῆς σωτηρίας

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Entscheidend ist das Futur ἐπαναπαυσόμεθα: Ruhe für alle wird nach Maximos einkehren, wenn Arkadios sich seine Interpretationen zu eigen macht und diese öffentlich vertritt. Die hinzugefügten Schmeicheleien sollen diese Erwartung wohl befördern. Die anderen drei Briefe des Maximos an Marinos wurden in den ersten Jahren des Episkopates von Erzbischof Sergios von Konstantia (ca. 642–nach 655),149 dem Nachfolger von Arkadios, geschrieben. In Opusculum 10150 geht es zuerst um „die Synodica des jetzigen hochheiligen Papstes“,151 bei dem es sich um Papst Theodorus I. (24. April 642–14. Mai 649)152 handeln muss. Maximos verteidigt ihn gegen Angriffe aus Konstantinopel wegen seiner Aussagen in der Synodica über den Ausgang des Heiligen Geistes „auch aus dem Sohn“.153 Diese vieldiskutierte Aussage ist jetzt als authentisch zu betrachten.154 Aus dem

ἡμῶν, μετὰ τὸν φύσει καὶ πρῶτον, ἀποσκοποῦντες […]. Die Wendung ἀρχηγὸς τῆς σωτηρίας aus Hebr 2,10 ist eine neutestamentlich exklusive Aussage für Christus (vgl. auch: Hebr 1,2; Apg 3,15;5,31). Sie neben Christus auch Arkadios zuzubilligen, ist pure Schmeichelei und abgeschmackt. 149 PMBZ, Nr. 6532. 150 Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 10 (PG 91,133C–137C. Vgl.: Jankowiak/Booth, A New Date-List (s. Anm. 121), Nr. 43 („c.643–46“). 151 Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 10 (PG 91,133D8f.): […] τῶν τοῦ νῦν ἁγιωτάτου Πάπα συνοδικῶν. 152 PMBZ, Nr. 7769. 153 Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 10 (PG 91,136B1): […] κατὰ τὴν ἐκπόρευσιν […] δι᾿ αὐτοῦ. 154 Vgl.: A. Edward Siecienski, The Authenticity of Maximus the Confessorʼs Letter to Marinus: The Argument from Theological Consistency, in: VC 61 (2007), 189–227. Gegen die These einer Interpolation in Rom während des Photianischen Schismas von Vasilios Karayiannidis (Ders., Maxime le Confesseur. Essence et Énergies de Dieu [ThH 93], Paris 1993, 88–90 mit Anm. 142) ist in historischer Perspektive Folgendes zu ergänzen: Die Polemik des Photios gegen das filioque betraf die von fränkischen Missionaren bei der Bulgarenmission vorgenommenen Maßnahmen. In der Kontroverse zwischen Papst Nicolaus und Photios spielte die Filioque-Frage keine Rolle. (Vgl.: Peter Gemeinhardt, Die Filioque-Kontroverse zwischen Ost- und Westkirche im Frühmittelalter [AKG 82], Berlin/New York 2002, [188–201] 227 f.). In Rom wurde das Credo zu dieser Zeit ohne filioque gesprochen und auf der Konstantinopler Synode von 879/80 mit Zustimmung der päpstlichen Legaten so festgeschrieben. Es ist deshalb auch nachvollziehbar, dass die in Opusc. 10 von Maximos verteidigte Aussage im Text der in den Collectanea des Anastasius Bibliothecarius († 879) nur fragmentarisch erhaltenen Synodica Papst Theodorusʼ I. fehlt, wie auch der gesamte Bekenntnistext dort fehlt, der am Anfang des Schreibens gestanden haben muss. Anastasius ging es bei seinen in den Collectanea zusammengestellten Texten vor allem um die Unfehlbarkeit und den Primat der römischen Kirche. Vgl.: Bronwen Neil, Seventh-Century Popes and Martyrs. The Political Hagiography of Anastasius Bibliothecarius (Studia Antiqua Australiensia II), Turnhout 2006, 71‒79.125; Ohme, Wer hat den Dyotheletismus erfunden? (s. Anm. 1), 93–96.102.122–130.

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Schreiben kann man schließen, (962) dass die Kirche von Zypern ebenfalls zu den Empfängern der Ende 642/Anfang 643 expedierten Synodica des Papstes gehörte und dort anscheinend ebenfalls Fragen hervorrief.155 Maximos habe sogar „auf Eure Forderung hin“ die Römer um Klarstellung gebeten.156 Das umfangreiche Opusculum 1157 bietet Definitionen zentraler Begriffe des maximianischen Dyotheletismus und eine Reihe von Verteidigungen und Selbstkorrekturen von Aussagen in früheren Schriften. „It is evident that some of Maximusʼ inconsistencies have been pointed out, and that Marinus needs the arguments set out here in some ongoing discussions.“158 Auch dieser Text unterstreicht, dass die maximianische Argumentation in Zypern nicht ohne weiteres rezipiert wurde, sondern Einwände provozierte. Das letzte erhaltene an Marinos gerichtete Schreiben (Opusculum 19)159 bietet zwei ausführliche Antworten des Maximos auf zwei ἀπορίαι/πεῦσεις des „Diakons, Rhetors und Synodikarios Theodoros“ des Konstantinopler Patriarchen Paulos II. (1. Oktober 641–27. Dezember 653).160 Aporie 1 akzeptiert die Aussage eines naturhaften menschlichen Willens bei Christus, der ihm jedoch nur durch Appropriation (οἰκείωσις) zuzuschreiben sei. Würde er mit der Annahme der menschlichen Natur (πρόσληψις) verbunden, müsste man bei Christus auch Nichtwissen und Ungehorsam als naturhaft gegeben annehmen. Aporie 2 wirft der Rede von zwei naturhaften (963) Willen Christi Neuerung (καινοτομία) und wissentlich falsche Beanspruchung der Väter vor, weil jene diesen Ausdruck nicht verwenden. Man muss sich meines Erachtens fragen, warum die überaus polemischen ἐπιλύσεις des Maximos an Marinos gerichtet sind. Marek Jankowiak und Phil Booth haben wegen des im Gesandtschaftswesen belegten seltenen Titels Synodikarios vermutet, dass Theodoros der Überbringer des dogmatischen Synodalschreibens Patriarch Paulosʼ II. an Papst Theodorus gewesen sei161 und diese Aporien an Rom gerichtet gewesen sind.

155 Maximos schreibt sogar: „Jedenfalls haben die in der Hauptstadt nicht an so vielen Kapiteln (sc. der Synodica) etwas auszusetzen gehabt wie Du sie mir geschrieben hast“ (οὐκ ἐν τοσούτοις, ὅσοις γεγράφατε, κεφαλαίοις, οἱ τῆς βασιλίδος τῶν πόλεων ἐπελάβοντο): PG 91,133D8–136A2. 156 A.a.O., 136C1f. 157 Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 1 (PG 91,9A–37A). Vgl.: Jankowiak/Booth, A New Date-List (s. Anm. 121), Nr. 44 („probably c.643–46“). 158 Jankowiak/Booth, a.a.O., S. 50. 159 Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 19 (PG 91,216B–228A); Vgl.: Jankowiak/Booth, A New Date-List (s. Anm. 121), Nr. 45 („post c.643, and perhaps 645“). 160 Zu Theodoros vgl.: PMBZ, Nr. 7290; zu Paulos: PMBZ, Nr. 5763. 161 Vgl.: Winkelmann, Streit (s. Anm. 1), Nr. 104. Von dieser Hypothese hängt ihre spätere Datierung auf 645 ab.

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Dabei bleibt allerdings unklar, warum Maximos seine Antworten an Marinos adressiert. Wahrscheinlicher scheint es mir zu sein, dass der Rhetor – möglicherweise im Auftrag seines Patriarchen – Aporien an ausgewählte Adressaten verschickt hat, von denen man annahm oder wusste, dass sie unter dem Einfluss des Maximos standen. So werden sie auch nach Zypern gelangt sein und Marinos hatte sie an Maximos weitergeleitet mit der Bitte um Beantwortung. Zusammenfassend lässt sich zu allen 6 Briefen des Maximos an Marinos festhalten, dass aus ihnen nicht auf eine in der Kirche von Zypern vorherrschende dyenergetische und dyotheletische Christologie geschlossen werden kann. Damit stellen sich zwei Fragen: 1. Wie passt zu dem bisherigen Befund das spätere Zeugnis des Maximos über den angeblichen Dyotheletismus des Arkadios? 2. Wie ist der Brief seines Nachfolgers Sergios an Papst Theodorus mit einer Zustimmung zur dyotheletischen Position des Papstes und einer Erklärung zu Arkadios zu beurteilen? Es sind diese beiden Texte, die ins Feld geführt werden, um die Haltung des Arkadios als unentschieden oder neutral zu charakterisieren.162 Dabei wurde bisher jedoch weder der Kontext noch die damit verbundene Absicht dieser Texte berücksichtigt. Im ersten Fall kann das im Folgenden schnell nachgeholt werden.163 Bei der zweiten Frage ist eine eingehende Textanalyse erforderlich, die im nächsten Kapitel geboten wird. In einem ca. 645 an den Magister militum von Numidien (στρατηγὸς Νουμιδίας), den Patrikios Petros, geschriebenen Brief (Opusculum 12)164 teilt Maximos mit, dass Arkadios bis zu seiner letzten Lebensstunde nicht aufgehört habe ‒ so wie dies alle frommen Priester getan hätten ‒ , die Anhänger der Ekthesis zu bitten, von (964) jener Häresie Abstand zu nehmen.165 Die Bedeutung dieser Aussage erschließt sich nur im Kontext des Briefes. Denn Maximos antwortet hier auf eine Anfrage des Generals, ob der inzwischen abgesetzte Patriarch Pyrrhos, der sich bei ihm aufhielt, mit den Titeln sanctissimus und almificus anzureden

162 S. o. Anm. 117. 163 Denn die kontextuelle Analyse von Opusculum12 mit detaillierten Nachweisen wurde bereits vorgelegt. Vgl.: Ohme, Mehrheit und Minderheit (s. Anm. 80) 112–125. 164 Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 12 (PG 91,141–146 = PL 129,573–576). Vgl.: Jankowiak/ Booth, A New Date-List (s. Anm. 121), Nr. 66 datieren den Brief auf das Jahr 645. Er ist nur auszugsweise und in der lateinischen Übersetzung des Anastasius Bibliothecarius (†879) erhalten, der sein Exzerpt in seine 874/5 entstandenen sog. Collectanea einfügte. Dazu s. o. Anm. 154. 165 Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 12 (PG 91,143B5–10): Quis pius et orthodoxus non supplicavit antistes, cessare illos a propria haeresi clamando et obtestando? Siquidem ultima sua exspirabat sacer Arcadius et spiritum Deo tradebat: sed neque usque ad horam illam eos rogare cessavit.

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sei, was Maximos strikt verneint.166 Petros Illustrios muss aber von Pyrrhos auch Informationen über den Verlauf der Kontroverse in den 30er Jahren erhalten haben, die mit dem von Maximos bisher dem General gegenüber gezeichneten Bild nicht übereinstimmten. Denn Maximos geht nun auf solche Informationen und Argumente näher ein, die Petros ihm wohl fragend mitgeteilt hatte. Bezeichnenderweise betreffen sie die Haltung von Sophronios und Arkadios von Zypern, ebenso aber auch Papst Honorius und den Kaiser Herakleios. Maximos reagiert darauf, indem er eine dramatisierende Apologie des Sophronios vornimmt und die Haltung des Honorius und des Kaisers einer Umdeutung unterzieht. Diese Umdeutungen sind durch das Verschweigen von Fakten aus der ersten Phase des Streites in den 30er Jahren, ein Ausweichen ins Allgemeine und die Verfälschung von Tatsachen gekennzeichnet. In dieser Perspektive muss meines Erachtens auch die o. g. Erklärung zu Arkadios gewichtet werden. Sie widerspricht eindeutig den Informationen über Verlauf und Ergebnis der Synode von Zypern, die mit gutem Grund von Maximos und seinen Anhängern verschwiegen wurde und deren dramatische Folgen für ihn er selbst in Epistula 20 bestätigt hat. Die Behauptung des Maximos ist meines Erachtens einerseits dem persönlichen Interesse geschuldet, seine eigene Stellung und Glaubwürdigkeit bei Petros Illustrios sicherzustellen, mit dem er seit Anfang der 30er Jahre in Briefkontakt stand.167 Andererseits gehören diese Umdeutungen in den größeren Zusammenhang jener seit 641 von Maximos gestarteten Kampagne, die in der Lateransynode von 649 ihren Höhepunkt erreichte. Und nur dort ist auch ein dyotheletisches Bekenntnis des Nachfolgers von Arkadios überliefert.

4 Erzbischof Sergios von Konstantia (642–nach 655) ‒ ein entschiedener Dyothelet? In den Akten der Lateransynode (649) ist ein Brief des Nachfolgers von Erzbischof Arkadios von Zypern an Papst Theodorus I. (24. April 642–14. Mai 649) enthalten, der auf (965) den 29. Mai 643 datiert ist und eine entschiedene Zustimmung zur dyotheletischen Position des Papstes enthält.168 Dabei spricht

166 Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 12 (PG 91,141A3–142B11). 167 Vgl.: Winkelmann, Streit (s. Anm. 1), Nr. 87.88.132. 168 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.60,30–64,12 Ried.); Winkelmann, Streit (s. Anm. 1), Nr. 83; Engl. Übersetzung: Richard Price, in: Ders., Phil Booth, Catherine Cubitt, The Acts of the Lateran Synod of 649 (Translated Texts for Historians 61), Liverpool 2014, 157– 160. Zu Sergios: PMBZ, Nr. 6532.

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Sergios auch für seine Mitbischöfe,169 so dass der Brief ausdrücklich das Bekenntnis der gesamten „Synode“170 der Kirche von Zypern bezeugen soll. Darüber hinaus stellt er eine Petition an den römischen Stuhl dar, nicht näher benannte häretische Schriften und deren Verteidiger zu anathematisieren. Bis jetzt hat der Brief vor allem deshalb Aufmerksamkeit gefunden, weil Sergios sich dort zur bisherigen Haltung der Kirche von Zypern, des Arkadios und seiner selbst äußert. Es heißt dort: Denn wir haben auch bis heute denen gegenüber geschwiegen, die eine gewisse Oikonomia praktizieren, weil wir der Meinung sind, dass sie die eigenen Belehrungen zum Besseren wenden. So dachte auch unser unter den Heiligen weilender göttlicher Arkadios, der Eurer orthodoxen Lehre folgte. Wir geloben, ihm in seinen Schritten mit aller Kraft zu folgen im Einklang mit Eurer orthodoxen und inspirierten Lehre.171

Damit ist eindeutig, dass es bis zu diesem Zeitpunkt weder durch Arkadios noch durch Sergios eine öffentliche Stellungnahme gegen die Ekthesis oder die Konstantinopler Synoden des Sergios und Pyrrhos zu ihrer kirchlichen Durchsetzung gegeben hat. Das Perfekt ἐσιγήκαμεν deutet sogar an, dass das Schweigen „gegenüber denen, die eine gewisse Oikonomia praktizieren“ noch anhält! Die fundamentale Abkehr, die dieser Brief ‒ allerdings nur in einem Schreiben nach Rom ‒ davon vollzieht, bedarf offensichtlich einer Erklärung. Dass die hier gebotene überzeugend ist, wird man kaum sagen können! Erneut wird mit diesen Sätzen auch bestätigt, dass die Grundlage der aktuellen Konstantinopler Religionspolitik die Anwendung der Oikonomia in Lehrfragen ist. (966) Obwohl die durch diesen Brief dokumentierte vermeintliche Kehrtwende der Kirche von Zypern zumindest überraschend ist und von den Anhängern des Maximos ca. 20 Jahre später mitgeteilt wurde, dass Sergios danach wieder seine

169 Vgl.: ACO ser. II 1, p. 62,2 f.34.; 64,7 (Ried.). 170 Der Begriff meint hier wohl die Gemeinschaft aller Bischöfe Zyperns und nicht ein Konzil. Auf dem VI. Ökumenischen Konzil werden die Bischöfe von Soloi und Kition in den Präsenzlisten bezeichnet als: Στρατονίκου ἐπισκόπου Σόλων καὶ Τύχονος ἐπισκόπου τοῦ Κιτίου, ἀμφοτέρων τῆς συνόδου τυγχανόντων τῆς φιλοχρίστου τῶν Κυπρίων νήσου (ACO ser. II 2,2 p.634,2 f. Ried.). „Das bedeutet hier schwerlich ‚Bischofsversammlung‘“: Rudolf Riedinger, Die Präsenzund Subskriptionslisten des VI. oekumenischen Konzils (680/81) und der Papyrus Vind. G.3. (ABAW.PH NF 85), München 1979, 6 mit Anm. 12. 171 Sergius Archiep. Cypr., Epistula ad Theodorum I pp. (ACO ser. II 1, p. 62,27–32 Ried.): Μέχρι γὰρ καὶ τήμερον οἰκονομίαν τινὰ πραγματευομένοις ἐσιγήκαμεν, οἰόμενοι πρὸς τὰ κρείττω μετοχετεῦσαι αὐτοὺς τὰ οἰκεῖα διδάγματα. οὑτω γὰρ καὶ ὁ ἐν ἁγίοις γενόμενος ἡμῶν θεῖος Ἀρκάδιος πεφρόνηκε, τῇ ὑμετέρᾳ ὀρθοδόξῳ ἑπόμενος διδασκαλίᾳ, ᾧ καὶ ἡμεῖς παντὶ σθένει εὐχόμεθα τοῖς αὐτοῦ ἐξακολουθεῖν ἴχνεσι, συνᾴδοντες τῇ ὀρθοδόξῳ καὶ θεοπνεύστῳ διδασκαλίᾳ ὑμῶν.

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Meinung geändert habe,172 ist bislang nicht die Frage nach der Authentizität des Textes aufgeworfen worden. Sie stellt sich meines Erachtens schon deshalb, weil für alle in den Akten der Lateransynode zur Rechtfertigung des eigenen Vorgehens ins Feld geführten Dokumente besonders kritische Aufmerksamkeit gilt.173 Vor allen Dingen aber offenbart dieser Text bei näherer Betrachtung eine Fülle von Auffälligkeiten, die begründete Zweifel an seiner Authentizität wecken. Im Folgenden wird deshalb eine eingehende Analyse des Textes geboten. 1. Das Schreiben beginnt mit einer steilen primatstheologischen und papatologischen Aussage, die vollständig dem römischen Selbstbewusstsein Genüge leistet. Christus habe die römische Kathedra als „festen und unerschütterlichen Rückhalt sowie deutliches Mahnmal des Glaubens“ gegründet.174 Mit dem Zitat von Mt 16,18–19 und unter Rückgriff auf 1Tim 3,15 wird das an Petrus gerichtete „Du“ Christi von Mt 16 auf den Adressaten des Briefes gewendet: Du (scil. Papst Theodorus) bist Petrus und auf Deinem Fundament sind die Säulen der Kirche befestigt. Dir (scil. Theodorus) hat er die Schlüssel des Himmels übergeben und vollmächtig bestimmt, auf Erden und im Himmel zu binden und zu lösen. Du (scil. Theodorus) wurdest zum Zerstörer der gottlosen Häresien eingesetzt als an der Spitze Stehender und Wegweiser des orthodoxen und makellosen Glaubens.175

Auf dieser Grundlage wird der Papst nun gebeten, nicht zu übersehen, dass der Glaube „vergewaltigt und gefährdet“ sei. Er möge vielmehr „die Blasphemien und (967) das Toben der häretischen Lehrer vernichten.176 Man muss hier meines Erachtens die Frage stellen, ob solche primatstheologischen Spitzenaussa-

172 Theodoros Spudaios berichtet in seinen Narrationes de exilio Sancti papae Martini, dass er Papst Martin während dessen Gefangenschaft in Konstantinopel ca. 653 mitgeteilt habe, Sergios habe „Schiffbruch“ erlitten. Diese Wendung wird allgemein als Übergang zum sog. Monotheletismus verstanden. Vgl.: Neil, Seventh-Century Popes and Martyrs (s. Anm. 154), 166,13 f. 173 Vgl. dazu: Rudolf Riedinger, Kleine Schriften zu den Konzilsakten des 7. Jahrhunderts (IP 34), Turnhout 1998; Pietro Conte, Il Sinodo Lateranense dell’ottobre 649 (Collezione Teologica 3), Vatikan 1989; Richard Price, General Introduction, in: Price/ Booth/ Cubitt, The Acts of the Lateran Synod of 649 (s. Anm. 168) 59–76; Heinz Ohme, Was war die Lateransynode von 649? Was sollte sie sein?, in: AHC 48 (2016/7), 109–157. 174 Sergius Archiep. Cypr., Ep. ad Theodorum I pp. (ACO ser. II 1, p.60,36 Ried.): Στήριγμα θεοπαγὲς καὶ ἀσάλευτον καὶ στηλογραφίαν διαφανῆ τῆς πίστεως τὴν σὴν ἀποστολικὴν κάθεδραν ἱδρύσατο, ὦ ἱερὰ κορυφή, Χριστὸς ὁ θεὸς ἡμῶν. 175 Sergius Archiep. Cypr., Ep. ad Theodorum I pp. (ACO ser. II 1, p.60,37–41 Ried.). 176 Sergius Archiep. Cypr., Epistula ad Theodorum I pp. (ACO ser. II 1, p. 60, 43 f. Ried.): μὴ ὑπερίδῃς τοίνυν τῶν πατέρων ἡμῶν, πάτερ, τὴν πίστιν κλυδωνιζομένην καὶ ὑπό τινων αἱρετικῶν ἀμέμων βιαζομένην καὶ κινδυνεύουσαν· […] ἄνελε τὰς βλασφημίας καὶ φρυάματα τῶν καινοφώνων καὶ νεοφύτων αἱρετικῶν διαδασκάλων.

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gen durch das Oberhaupt der Kirche von Zypern und seine gesamte Synode im Jahr 643 denkbar sind.177 Denn die an Petrus gerichtete Verheißung wird mit diesen Worten ja durch eine aus der Petrusmystik geborene Gleichzeitigkeit direkt mit dem Wirken des Papstes Theodorus verbunden und dient zur Begründung der vom Absender anerkannten gesamtkirchlichen Autorität des römischen Stuhles. Auffällig ist hier bereits in der Adresse die Titulatur des Papstes als οἰκουμενικὸς Πατριάρχης.178 Angesichts der seit dem Ende des 6. Jahrhunderts schwelenden Streitfrage nach der Berechtigung dieses Titels für den Patriarchen von Konstantinopel179 erweckt der Text den Eindruck, als solle hier die alleinige Berechtigung dieses Titels für den römischen Bischof bestätigt werden, zumal der lateinische Text dafür uniuersalis papa bietet.180 Schließlich tritt zu dem formulierten Universalitätsanspruch der römischen Kirche auch noch die ausgesprochene Subordination des Sergios und seiner Bischöfe unter die römische Kirche. Sie zeigt sich in der Anrede des Papstes als μοῦ δεσπότης, πατὴρ πατέρων, ἱερὰ κορυφή sowie καθηγητῆς τῆς ὀρθοδόξου πίστεως181 und gilt für die gesamte römische Kirche. Denn in der Mitte des Textes erfolgt ein Wechsel des Adressaten, indem nun eine Gruppe von Bischöfen angeredet wird, die als θεοδίδακτοι καὶ ἀποστολικοὶ πατέρες und δεσπότες ἡμῶν καὶ θεόπνευστοι πατέρες angeredet werden.182 Dies setzt sich fort, indem diese Gruppe (ὦ ἁγιώτατοι) nun zu bestimmten Maßnahmen aufgefordert wird (s. u.), wobei in Aussicht gestellt wird, dass „wir, wenn ihr […] dies befehlt“, entsprechend handeln.183 Offensichtlich wird hier vorausgesetzt, dass Papst Theodorus mit einer Synode versammelt ist, die ebenfalls durch den Brief angesprochen werden soll. (968) Hinzu tritt schließlich noch eine merkwürdige Nachordnung

177 John Hackett hatte bereits im Jahr 1901 ‒ lange bevor die Geschichte des sog. monenergetisch-monotheletischen Streites einer kritischen Neubewertung unterzogen wurde und ohne den Text weiter zu analysieren ‒ wegen dieser Formulierungen Zweifel an seiner Authentizität geäußert: „But its genuineness may well be questioned, as the language in places is such as an Orthodox prelate can scarcely be supposed to have used towards a Pope (Ders., A History of the Orthodox Church of Cyprus from the coming of the apostles Paul and Barnabas to the commencement of the British occupation (A.D. 45–A.D. 1878), London 1901, 35 mit Anm. 1. 178 Sergius Archiep. Cypr., Epistula ad Theodorum I pp. (ACO ser. II 1, p.60,31 Ried.). 179 Vgl. z. B.: Edward G. Farrugia, Art. Patriarch Ecumenical, in: Ders. (Hg.), Encyclopedic Dictionary of the Christian East, Rom 2015, 1445 f. 180 Sergius Archiep. Cypr., Epistula ad Theodorum I pp. (ACO ser. II 1, p.61,29 Ried.). 181 Sergius Archiep. Cypr., Epistula ad Theodorum I pp. (ACO ser. II 1, p.60,30.36.41 f; 64,3 f.7. Ried.). 182 Sergius Archiep. Cypr., Epistula ad Theodorum I pp. (ACO ser. II 1, p.62,15.23 f.32 Ried.). 183 Sergius Archiep. Cypr., Epistula ad Theodorum I pp. (ACO ser. II 1, p. 62,21.23 Ried.): ἐπεὶ καὶ ἡμεῖς […] διακελευόντων ὑμῶν.

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der östlichen theologischen Tradition, indem festgestellt wird, dass „Eurer apostolischen Anordnung und Tradition nichts fehlt, als ob das Glaubensgut bei uns noch irgendeinen Zusatz erhalten sollte.“184 Meines Erachtens sind all diese Aussagen nach dem bisherigen Befund zur Haltung der Kirche von Zypern kaum vorstellbar und erschließen sich erst in ihrem Kontext, also der Lateransynode von 649. 2. Es muss ebenso auffallen, dass die theologische Streitfrage inhaltlich mit keinem Wort zur Sprache gebracht wird. Die Begriffe ἐνέργεια und θέλημα/θέλησις kommen im Text nicht vor. Die Rede ist nur vom „Toben Neues tönender häretischer Lehrerneulinge“185, deren Lehren als αἱρετικοὶ ἄνεμοι, βλασφημία, τὰ κατὰ καινῆς ψυχοφθόρα δόγματα und λύμη τῆς αἱρεσεως bezeichnet werden.186 Sie werden durch keinen einzigen Ansatz einer Darstellung des „orthodoxen und makellosen Glaubens“187 kontrastiert. Soll man annehmen, dass der zypriotische Erzbischof dazu nicht in der Lage gewesen ist? 3. Umso merkwürdiger ist die vollständige Fokussierung der Lehrfrage auf die Geltung des sog. Tomus Leonis mit einem Teil seines Spitzensatzes: „Denn jede der beiden Gestalten handelt in Gemeinschaft mit der anderen.“188 Dies hätten Sergios und seine Synode stets „gedacht, bekannt, verkündet und verehrt“.189 Als sollte die vollständige Suffizienz des römischen Glaubensgutes demonstriert werden, kommt das Schreiben nicht weniger als vier Mal190 auf den Tomus Leonis zu sprechen, um in der abschließenden Aussage sogar zu versichern, dass „un-

184 Sergius Archiep. Cypr., Epistula. ad Theodorum I pp. (ACO ser. II 1, p.60,45–62,2 Ried.): Οὐδὲν γάρ ἐστιν ἐλλιπὲς τῇ ὀρθοδόξῳ ἀποστολικῇ ὑμῶν διατάξει καὶ παραδόσει, ὅπως καὶ προσθήκην τινὰ λάβοι πρὸς ἡμῶν τὰ τῆς πίστεως. 185 Sergius Archiep. Cypr., Epistula ad Theodorum I pp. (ACO ser. II 1, p.60,44 f. Ried.): Φρυάμματα τῶν καινοφόνων καὶ νεοφύτων αἱρετικῶν διδασκάλων. 186 A.a.O., 60,43 f.; 62,9 f.17.19. 187 A.a.O., 60,41. 188 A.a.O., 62,5. Leo I. pp., Tomus ad Flavianum Patr. Const.: agit enim utraque forma cum alterius communione quod proprium est (ACO ser. I 2,2,1 p.24–33; 28,12 Schwartz). Der Nebensatz fehlt im Sergios-Brief. Er bietet nur: ἐνεργεῖ γὰρ ἑκατέρα μορφὴ μετὰ τῆς θατέρου κοινωνίας. Bereits in den Akten der Synode von Chalcedon hat die griechische Übersetzung für agit ἐνεργεῖ: ἐνεργεῖ γὰρ ἑκατέρα μορφὴ μετὰ τῆς θατέρου κοινωνίας ὅπερ ἴδιον ἔσχηκεν (ACO ser. I 2,1,1 p.14,27 f. Schwartz). Zur Bedeutung dieses Satzes im sog. monenergetisch-monotheletischen Streit und auf dem VI. Ökumenischen Konzil vgl.: Ohme, Rom, der Tomus Leonis und das VI. Ökumenische Konzil (s. Anm. 4). 189 Sergius Archiep. Cypr., Epistula ad Theodorum I pp. (ACO ser. II 1, p. 62,2–4 Ried.). 190 A.a.O., 62,4 f.11.22.35 f.

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sere Synode den Tomus des hochheiligen und gotttragenden Leo annimmt, hochschätzt (969) und als rettenden Anker der orthodoxen Lehre bewahrt.“191 Sehr ungewöhnlich ist, dass der Leo-Satz stets isoliert präsentiert wird, ohne die Synode von Chalcedon (451) zu erwähnen, die die Grundlage seiner Autorität ist. Diese exklusive Herausstellung der römischen Tradition wird besonders deutlich, wenn man die Briefe des Maximos an Marinos damit vergleicht. Denn dort spielt der Tomus Leonis gar keine Rolle. Maximos argumentiert dort ausschließlich mit östlichen Vätern oder interpretiert sie in seinem Sinne. Noch in seinem letzten Schreiben, in dem es gerade um die Berechtigung der Berufung auf „die Väter“ geht, nennt er Athanasius, Basilius, Gregor von Nazianz, Johannes Chrysostomos, Theophilus und Cyrill von Alexandrien, nicht aber Leo.192 Selbst wenn man voraussetzt, dass der Sergios-Brief die Antwort auf die Synodica des Papstes Theodorus mit der angehängten Propositio zum Vorgehen gegen Pyrrhos und die Ekthesis darstellt,193 bedürfte die exklusive Betonung des Tomus Leonis bei Sergios einer Erklärung, denn gerade auch der Papst argumentiert nur mit der Synode von Chalcedon, nicht aber mit dem Tomus Leonis.194 4. Man fragt sich weiterhin, warum „die Gegner“195 an keiner Stelle namentlich benannt werden. Es fällt kein einziger Name. Zur Zeit des Briefdatums war Paulos II. Patriarch von Konstantinopel (1. Oktober 641–27. Dezember 653).196 Seinen Namen nicht zu erwähnen, zumal auch der Papst ihn zu diesem Zeitpunkt noch als „Bruder“ anredet (s. u.), ist nachvollziehbar. Dass aber auch der Name des längst abgesetzten ehemaligen Patriarchen Pyrrhos nicht fällt, dessen Bestrafung im Rahmen eines kanonischen Prozesses ganz im Zentrum der Synodica des Papstes steht, ist unverständlich. (970)

191 Sergius Archiep. Cypr., Epistula ad Theodorum I pp. (ACO ser. II 1, p.62,34–36 Ried.): ταῦτα καὶ τῆς καθ᾿ ἡμᾶς ἱερᾶς συνόδου φρονήματα, καὶ τὸν Τόμον τοῦ παναγίου καὶ θεοφόρου προσίεται καὶ ἀσπάζεται Λέοντος, καὶ ὡς ἄγκυραν σωτηριώδη τῆς ὀρθοδοξίας διακρατεῖ. 192 Maximus, Conf., Opusculum theol. et pol. 19 (PG 91,224D1f.). 193 Dies setzte Erich Caspar, Geschichte des Papsttums, II. Tübingen 1933, 544 mit Anm. 2, voraus. 194 Theodorus I pp., Epistula synodica ad Paulum Patr. Const. (PL 129,577‒582.580C1;581D4). Dazu vgl.: Winkelmann, Streit (s. Anm. 1) Nr. 79.80. Bei diesem Text handelt es sich um eine Rückübersetzung aus dem Griechischen durch Anastasius Bibliothecarius († ca. 879), die kein Textauszug ist wie die anderen von Anastasius in seinen Collectanea versammelten Schriften. Vgl.: Ohme, Wer hat den Dyotheletismus erfunden? (s. Anm. 1) 102. 195 Sergius Archiep. Cypr., Epistula ad Theodorum I pp. (ACO ser. II 1, p. 62,7.12 Ried.): Οἱ ἐνάντιοι; οἱ τἀναντία φρονοῦντες. 196 PMBZ, Nr. 5763.

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5. Der Sergios-Brief indiziert die aktuelle kirchliche Lage als durch Trennungen und Schismata gekennzeichnet197 und spricht vom „vorhandenen Schaden schriftlicher blasphemischer Häresien und Anathematismen“.198 Bestanden am 29. Mai 643 Schismata in diesem Sinne? Weder die Ekthesis, noch die Synodalbeschlüsse der Synoden der Konstantinopler Patriarchen Sergios und Pyrrhos enthalten aktuelle Anathematismen, sondern drohen mit Exkommunikationen.199 Sieht man von der zunehmenden Radikalisierung des Maximos-Kreises seit 641 ab, kann von einem Schisma zwischen den Kirchen von Rom und Konstantinopel zu diesem Zeitpunkt meines Erachtens keine Rede sein. Alle in späteren Quellen von der römischen Synode des Jahres 641 unter Papst Iohannes IV. (24. Dezember 640– 12. Oktober 642)200 angeblich verhängten lehrmäßigen und personellen Anathematismen sind unhistorische spätere Zuschreibungen.201 Ebenso dokumentiert das nur in arabischer Überlieferung erhaltene Schreiben von Papst Theodorus I. an Kaiser Konstans II. (9. November 641–15. Juli 668)202 von 642/3 bei aller Schärfe und Unverschämtheit im Ton keine schismatische Situation.203 Die Synodica des Papstes an Patriarch Paulos anathematisiert die Ekthesis und alle, die zur geltenden Lehre etwas hinzufügen oder von ihr etwas wegnehmen.204 Ein Schisma war jedoch erst gegeben, als der Papst nach den Wirren um Pyrrhos und dessen Rückkehr nach Konstantinopel Paulos zu einer theologischen Stellungnahme aufforderte und nach dessen schriftlicher Ablehnung205 des Dyotheletismus gegen ihn das Anathema und seine Absetzung dekretierte.206 Diese Vorgänge sind jedoch in die Jahre 646/7 zu datieren. Der Brief des Sergios aber setzt ein bestehendes Schisma voraus, berichtet von einer Aufforderung an den Papst, „sie“ (sc. die Gegner) dem Anathema zu unterwerfen und spricht das persönliche Anathema gegen „sie“ aus: „Weil sie aber Euch gott-

197 Theodorus I pp., Epistula synodica ad Paulum Patr. Const. (ACO ser. II 1, p.62,13 f. Ried.): Διαίρεσις; σχίσματα. 198 Προκειμένης τῆς λύμης τῶν αἱρέσεων καὶ ἀναθεμάτων βλασφήμων ἐγγεγραμμένων: a.a. O., 62, 17 f. 199 Vgl.: Ohme, Die Konstantinopler Synoden (s. Anm. 73) 292 f.315. 200 PMBZ, Nr. 2689. 201 Dazu: Ohme, Wer hat den Dyotheletismus erfunden? (s. Anm. 1) 114–122. 202 Winkelmann, Streit (s. Anm. 1) Nr. 77. 203 Der Papst bezeichnet Patriarch Paulos mehrfach als „unseren Bruder Paulos“. Vgl.: Joseph Schacht, Der Briefwechsel zwischen Kaiser und Papst von 641/2 in arabischer Überlieferung, in: Or 5 (1936), (229‒268) 251 fol.83b, Sp.2; fol.84a, Sp.1. 204 Theodorus I pp., Ep. synodica ad Paulum Patr. Const. (PL 129,581B1–5; 582A4–9. 205 Paulus II. Patr. Cpl., Epistula synodica ad Theodorum I pp. (ACO ser. II 2,1 p. 196,16– 204,8); Winkelmann, Streit (s. Anm. 1) Nr. 104. 206 Liber Pontificalis LXX (I 333 Duchesne).

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geliebten und apostolischen Vätern nicht folgen, anathematisieren wie (971) sie (αὐτούς) schriftlich und mündlich“.207 Dies entspricht nicht der kirchlichen Lage des Jahres 643. 6. Deshalb ist es auch unverständlich, dass der Briefschreiber die Bereitschaft signalisiert, für seine Dissidenz das Martyrium auf sich zu nehmen.208 Eine das Martyrium voraussetzende Verfolgungssituation ist zum Zeitpunkt des Briefdatums nicht gegeben und steht auch nicht in Aussicht. Das Thema kommt erst nach der Lateransynode mit ihren Anathematismen gegen drei Konstantinopler Patriarchen (Sergios, Pyrrhos und Paulos), Patriarch Kyros von Alexandrien, Bischof Theodor von Pharan und zwei kaiserliche Gesetze (Ekthesis und Typos) im Zusammenhang der Prozesse gegen Papst Martin I. (649–653)209 und Maximos Homologetes in den Jahren 653–662 auf und bestimmt dann das Selbstverständnis der Maximianer.210 Damit legt sich meines Erachtens die Lateransynode oder ihre Vorbereitung auch als Zeitpunkt für die Entstehung dieses Textes in seiner gegenwärtigen Gestalt nahe. Diese Synode tagte vom 5.–31. Oktober 649 als bischöflicher Gerichtshof und führte einen sog. Akkusationsprozess gegen die oben Genannten durch,211 der mit ihrer Anathematisierung endete. Weil nach der bis dahin geltenden Rechtslage dafür allein eine Ökumenische Synode zuständig gewesen wäre, sind die auf der Synode gehaltenen Reden von Anfang an auf die Legitimierung ihres Verfahrens konzentriert. Die Legitimität des römischen Vorgehens wird stets mit einer ausführlichen theologischen Entfaltung des päpstlichen universalen Lehr- und Jurisdiktionsprimates begründet. Dies trifft genauso auch für die auf der 2. Sitzung der Synode verlesenen und für das rechtsförmige Verfahren substantiell bedeutsamen Anklageschriften und Petitionen zu. Bei diesen wiederum waren Anklagen aus dem Osten besonders wichtig, denn sie dienten der den Tatsachen widersprechenden Fiktion,212 dass die Anklagen „aus fast der

207 Sergius Archiep. Cypr., Epistula ad Theodorum I pp. (ACO ser. II 1, p.62,14–16 Ried.): ἐπεὶ τοῖς θεοδίδακτοις καὶ ἀποστολικοῖς ὑμῖν πατράσιν οὐχ ἑπόμενοι, ἐν γράμμασι καὶ ἀγράφως αὐτοὺς ἀναθεματίζομεν. Ähnlich: a.a.O., 62,23 f. 208 Sergius Archiep. Cypr., Epistula ad Theodorum I pp. (ACO ser. II 1, p.62,7–9 Ried.): Μακρηγορίαν οὖν καὶ ἀντιρρήσεις τῶν ἐναντίων οὐ προϊέμεθα, ἕτοιμοι γὰρ καθεστήκαμεν ὑπὲρ τῆς ὀρθοδόξου πίστεως […] τὸ μαρτύριον ἀποδέξασθαι. 209 PMBZ, Nr. 4851. 210 Vgl.: Ohme, Martyrium (s. Anm. 1), 306–346. 211 Zum Folgenden vgl.: Ohme, Lateransynode (s. Anm. 173). 212 Vgl.: a.a.O., 139 f.145 f.

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gesamten Ökumene“ stammen und auch „fast alle Bischöfe im Osten“ dies alles verlangen.213 Dies zu belegen ist (972) auch die zentrale Funktion des SergiosBriefes, der mit den Anklageschriften des palästinischen Bischofs Stephanos von Dora und der 36 östlichen Mönche zusammengesehen werden muss. Alle drei setzten mit einer Bestätigung des römischen Universalprimates ein und befördern die Behauptung östlicher Zustimmung zum Vorgehen der Synode.214 Dabei spielen auch die in der Anklageschrift der Mönche ultimativ geforderten namentlichen Anathematismen gegen die Angeklagten eine besondere Rolle,215 eine Forderung, die durch den darauffolgenden Sergios-Brief nochmals unterstützt wird. Auf der Lateransynode tritt weiterhin erstmals die Argumentation mit dem Tomus Leonis in den Vordergrund.216 Seit den Untersuchungen zu den Akten der Lateransynode durch Rudolf Riedinger im Rahmen seiner Edition ist klar, dass der Text der Akten von der um Maximos Homologetes in Rom versammelten Gruppe östlicher Mönche seit 646/7 in griechischer Erstfassung vollständig vor Beginn der Synode formuliert, mit älteren Dokumenten kompiliert und mit örtlicher Hilfe ins Lateinische übersetzt worden war.217 Dabei scheute man sich auch nicht, unerwünschte Dokumente und Tatsachen zu unterdrücken oder so selektiv heranzuziehen, bis sie dem eigenen Vorgehen entsprachen. Dies betraf vor allem das Verschweigen des 1. Honoriusbriefes an den Konstantinopler Patriarchen Sergios und überhaupt die Person des Honorius, weiterhin die verkürzte Heranziehung der

213 Ebd., 118.126. 214 Ebd., 125–129. 215 Ebd., 136. 216 Ebd., 129 f. 217 Riedinger hat klar beweisen können, dass der gesamte lateinische Aktentext (ausgenommen sind nur wenige in die Akten aufgenommene original lateinische Texte) einschließlich aller auf der Synode gehaltenen Reden eine Übersetzung aus dem Griechischen darstellt. Und weil der von der Synode dogmatisierte und in den Reden vertretene Dynenergismus und Dyotheletismus bis in einzelne Formulierungen hinein vollständig der maximianischen Argumentation entspricht, ist auch klar, wer mit der Erstellung der Texte vor der Synode befasst gewesen ist. Inzwischen konnte aufgrund von kunstgeschichtlichen Untersuchungen sogar wahrscheinlich gemacht werden, wo diese Arbeiten durchgeführt wurden, nämlich in der Palastkirche Sta. Maria Antiqua auf dem Palatin. Vgl.: Riedinger, Kleine Schriften (s. Anm. 173); Eileen Rubery, Papal Opposition to Imperial Heresies: Text as Image in the Church of Sta. Maria Antiqua in the Time of Pope Martin I (649–54/5), in: StPatr 50 (2011), 3–29; Dies., Conflict or collusion? Pope Martin (649–654/5) and the Exarch Olympius in Rome after the Lateran Synod, in: StPatr 52 (2012), 339–374. Dieses Ergebnis kann nicht durch die in Anm. 173 genannten Studien von Conte, Price und Cubitt in Frage gestellt werden. Problematisch war nur Riedingers Hypothese, dass den Synodalen dann der fertige Text nur noch vorgelesen worden sei. Vgl. insgesamt jetzt: Ohme, Lateransynode (s. Anm. 173).

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Akten der Konstantinopler Synoden des Sergios und Pyrrhos und die damit verbundene Umdatierung der Synode des Sergios und damit auch der Ekthesis auf 638.218 Genauso (973) aber wurde auch die Synode von Zypern im Jahr 636 und die Haltung des Erzbischofs Arkadios verschwiegen.219 Hier kam dem Sergios-Brief nun die Aufgabe zu, eine Erklärung für die Haltung der Kirche von Zypern zu bieten und deren angeblich tatsächliche Überzeugung als über jeden Zweifel erhaben darzustellen. Sollte der Erzbischof von Konstantia tatsächlich in Reaktion auf die Propositio Papst Theodorus’ I. im Jahr 643 mit einer Zustimmung zu den Vorwürfen des Papstes reagiert haben, so ist nach dem Befund der obigen Analyse meines Erachtens davon auszugehen, dass dessen Schreiben im Vorfeld der Lateransynode einer umfassenden „Anpassung“ an deren aktuelle Bedürfnisse unterzogen wurde. Wir müssen zumindest mit einem verunechteten Text rechnen, wobei auch eine vollständige Neufassung meines Erachtens nicht ausgeschlossen werden kann. Das Äußerste, was sich für das Briefdatum konzedieren ließe, wäre eine zustimmende Reaktion des Sergios auf die Forderung des Papstes, die Ekthesis abzulehnen und einen nachträglichen kanonischen Prozess gegen den ehemaligen Patriarchen Pyrrhos mit Verurteilung durchzuführen. Sergios könnte im Zusammenhang der Thronwirren nach dem Tod des Herakleios auf Distanz zu dessen anscheinend während der kurzen Herrschaft Martinas erneuerter Religionspolitik220 gegangen sein. Sein Bekenntnis und das seiner Synode, „bis heute“ geschwiegen zu haben, erlaubt jedoch nur die Annahme eines stillen Protests. Auch bei einem zustimmenden Antwortschreiben an den Papst ist jedoch nicht mit einer öffentlichen Dissidenz im Stil des Briefes zu rechnen. Dies ist meines Erachtens schon deshalb unwahrscheinlich, weil Zypern nach den in den Jahren 636–642 erfolgten arabischen Eroberungen Syropalästinas und Ägyptens militärisch im Zentrum des byzantinischen Interesses lag. „The Byzantines regrouped in Cyprus“ nach 636/7, und nach 642 war Zypern „on the frontline“. Der Versuch, im Jahr 645 ein Expeditionskorps

218 Ohme, Die Konstantinopler Synoden (s. Anm. 73). 219 An der Lateransynode hat nicht Bischof Leontios von Neapolis auf Zypern, der Verfasser der Vita des Ioannes Eleemon, teilgenommen, wie Chrysovalantis Kyriacou neuerdings behauptet (vgl.: Ders., A microhistoric of monastic networks in Late Antique Mediterranean, in: Post Augustum 4 [2020], [32–39] 38 mit Anm. 51). Der Synodale Leontius von Neapolis, der in den Anwesenheitslisten an 83. Stelle, in der Subskriptionsliste zu den Anathematismen an 87. Stelle auftaucht (ACO ser. II 1, p.6,16;399,37 Ried.), ist der namensgleiche Bischof von Neapel. Ein zypriotischer Bischof wäre nicht unter die italischen Bischöfe eingereiht worden, sondern gesondert, wahrscheinlich prominent vor den italischen Suffraganen aufgelistet worden. 220 Vgl. dazu: Booth, The Last Years of Cyrus (s. Anm. 111) 544–550.

5 Zusammenfassung und Fazit

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in Ägypten zu landen, wurde von Zypern aus gestartet.221 Die byzantinische Verwaltung der Insel war als „dual governance“ organisiert,222 insofern der Erzbischof und alle seine Bischöfe daran unmittelbar beteiligt waren. Selbst nach den arabischen Überfällen in den Jahren 649 und 653 war trotz sich verändernder politischer Lebensbedingungen (974) die byzantinische Verwaltung und Militärbürokratie auf der Insel präsent.223 Dazu gehörte weiterhin auch die Einbeziehung des Erzbischofs und der Bischöfe in das byzantinische Steuersystem.224 Dies alles fällt in die Regierungszeit des Sergios. Der von den Maximianern berichtete „Schiffbruch“225 ist angesichts dieser Lage auf Zypern naheliegend. Die Akten der Lateransynode sind noch 649 in lateinischer und griechischer Fassung mit einem Brief Papst Martins nach Konstantinopel geschickt worden;226 ein Brief des Papstes an Sergios von Zypern ist nicht überliefert.227 Es ist meines Erachtens nicht davon auszugehen, dass der Erzbischof von Konstantia seinen Brief in der Fassung der Akten der Lateransynode je zu Gesicht bekommen hat.

5 Zusammenfassung und Fazit Als nach dem Staatsstreich des Herakleios (610–641) erste Anzeichen eines erneuten Versuchs, mit den antichalcedonensischen Kirchen des Ostens zu einer Verständigung zu kommen, sichtbar wurden, war auch Zypern und seine seit

221 Zavagno, Cyprus (s. Anm. 10), 73. 222 Metcalf, Byzantine Cyprus (s. Anm. 10), 355–362. 223 Zavagno, Cyprus (s. Anm. 10), 74–82; Ralph-Johannes Lilie, Zypern zwischen Byzantinern und Arabern (7.–10. Jahrhundert), in: Johannes G. Deckers, Marie-Elisabeth Mitsou, Sabine Rogge (Hgg.), Beiträge zur Kulturgeschichte Zyperns von der Spätantike bis zur Neuzeit. Münster/New York 2005, 65–89. 224 „It is perfectly clear, however, that the imperial government continued to supplement the money supply in these years and almost certain that Byzantine taxation continued. The administration of the province by bishops, illoustrioi, and imperial administrators went on as before.“ „The central government continued to be a driving force in the economic life of the province until c. 663/4“: Metcalf, Byzantine Cyprus (s. Anm. 10), 380.381 f. 225 S. o. Anm. 172. In der von Theodoros von Paphos verfassten Vita des Heiligen Spyridon wird deren Verlesung bei einer Bischofsversammlung zum Fest des Heiligen am 14. Dezember 655 in Trimithous berichtet. Unter den Teilnehmer war neben Erzbischof Sergios auch der kretische Erzbischof Paulos, der sich auf einer Reise von Alexandrien nach Konstantinopel befand. Vgl.: Paul van den Ven, La Légende de S. Spyridon Évêque de Trimithonte (BMus 33), Louvain 1953, 89,6–90,3; Kommentar *109–*110. Vgl. dazu auch: Zavagno, Cyprus (s. Anm. 10), 77. 226 Vgl.: Ohme, Lateransynode (s. Anm. 173), 154 mit Anm. 257. 227 Zu den überlieferten Briefen vgl.: Winkelmann, Streit (s. Anm. 1) Nr. 114–124.

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431 autokephale Kirche von den damit verbundenen Ereignissen zunehmend betroffen. Es war bereits kein Zufall, dass die Wahl eines dafür geeigneten alexandrinischen Patriarchen, in dessen Machtbereich die größte Anzahl der dissentierenden, aber selbst zerstrittenen Gruppen lebte, auf den Sohn einer aristokratischen Familie aus dem zyprischen Amathous fiel. Diese hatte Herakleios bei seiner Usurpation wohl materiell unterstützt, und deren Sohn Ioannes zeichnete sich durch einen liebenswürdigen und friedfertigen Charakter im (975) Umgang mit Menschen aus – auch mit Gegnern! Die Erhebung dieses Laien zum Patriarchen von Alexandrien (610–619), die vom Kaiser mit Nachdruck durchgesetzt wurde, war offensichtlich mit konkreten Erwartungen im Zusammenhang der geplanten Versöhnungspolitik verbunden. Dazu gehörte die enge Kooperation mit Niketas, dem Cousin des Kaisers und praefectus augustalis von Ägypten, die durch adelphopoiesis und synteknia in einer rituellen Verwandtschaft religiös verankert wurde. Zu den Aufgaben des Niketas gehörte es offensichtlich, die Wiederherstellung der kirchlichen Einheit von wesentlichen Teilen der severianischen Antichalcedonenser Ägyptens und Syriens mit staatlicher Hilfestellung zu befördern. Unter seiner Vermittlung ist dies im Jahr 616/7 gelungen. Die Unionsdokumente lassen wesentliche methodische Voraussetzungen erkennen, die den Erfolg ermöglichten. Dazu gehörte die Bereitschaft, die literarischen polemischen Argumentationen der Vergangenheit nicht als Anknüpfungspunkt der Verhandlungen zu nehmen und der vollständige Verzicht auf Anathematismen im gemeinsamen Beschluss. Patriarch Ioannes Eleemon hatte sich diesem Engagement des Niketas anscheinend nicht in den Weg gestellt. Auch durch seine fürsorgliche, uneigennützige und unparteiische Amtsführung gegenüber der gesamten Bevölkerung unabhängig von der kirchlichen Orientierung hat er den kaiserlichen Erwartungen durchaus entsprochen. Allerdings stand er bald je länger je mehr unter dem Einfluss von Ioannes Moschos und dem Sophisten und späteren Patriarchen von Jerusalem, Sophronios, die er in theologischen Fragen als Autorität betrachtete und denen er „ohne zu zögern gehorchte, als seien sie Väter“. Dadurch wurde dieser der Kirche von Zypern entstammende Hierarch mit dem Geist rigoroser und polemischer Abgrenzung und Verurteilung konfrontiert, der ihm in zwei führenden Vertretern des palästinischen Mönchtums begegnete. Ioannes Eleemon hat sich diesen Autoritäten gebeugt, obwohl er sich damit von seiner zyprischen religiösen Sozialisation entfremdet haben muss. So gehörte zu seinen Maßnahmen nicht nur die strikte schriftliche Festlegung aller seiner Kleriker auf die chalcedonensische synodale und kanonische Tradition, sondern auch das Verbot des Trishagion-Hymnus mit dem bei den Antichalcedonensern üblichen Zusatz, obwohl ihm diese Praxis aus der Kirche von Zypern vertraut gewesen sein musste. Unter dem Einfluss von Moschos und Sophronios scheint es gegen Ende seines

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Patriarchates zu einer Entfremdung gegenüber der Konstantinopler Versöhnungspolitik gekommen zu sein. Maximos Homologetes berichtet jedenfalls, dass er seine Kooperation bei der Kontaktaufnahme des Konstantinopler Patriarchen Sergios mit dem severianischen „Paulianisten“ Georgios Arsas demonstrativ verweigerte. Als Herakleios während seiner Perserfeldzüge erstmals persönlich den Kontakt zu einem führenden Antichalcedonenser suchte und bei dem armenischen Bischof von Theodosiupolis, Paulos (Monophthalmos) theologisch auf Widerstand (976) stieß, führte dies im Jahr 624/5 zu dessen Exilierung nach Zypern. Der Kaiser wollte damit anscheinend die Möglichkeit antiunionistischer Agitation des Paulos bei den Armeniern verhindern, mit denen dann im Jahr 631 die Kircheneinheit auch wiederhergestellt werden konnte. Paulos wurde deshalb unter die Aufsicht des Erzbischofs von Konstantia, Arkadios (624/5–641/2), gestellt. Paulos ist nicht ein Anführer der „Monophysiten“ in Zypern gewesen, und die kaiserliche iussio in dieser Angelegenheit sollte auch nicht dazu dienen, in der Kirche von Zypern eventuelle Proteste gegen seine Versöhnungspolitik zu verhindern. Die in der iussio enthaltene theologische Erklärung, „die der Rede von zwei Wirkweisen (ἐνέργειαι) nach der Einung (sc. der beiden Naturen) bei unserem Herrn Jesus Christus entgegentrat“, sollte vielmehr der Agitation des Paulos entgegenwirken, der den Chalcedonensern anscheinend unter Berufung auf den bei ihren Gegnern verhassten Tomus Leonis unterstellte, dass das Dogma von Chalcedon damit auf die Zerreißung der Person Jesu Christi hinauslaufe. Die in dieser iussio erfolgte erstmalige öffentliche Proklamation der miaenergetischen theologischen Basis für die Einigungsbestrebungen war an Arkadios von Zypern gerichtet und mit Sanktionen gegen Opponenten auf der miaphysitischen Seite bewehrt! Dasselbe Schicksal wie Paulos hat anscheinend auch den severianischen Metropoliten von Edessa, Isaias, ereilt. Arkadios muss das besondere Vertrauen des Kaisers genossen haben. Dieses Vertrauen wurde bestätigt, als Sophronios nach dem Scheitern seiner Interventionsversuche gegen die ägyptische Union des Kyros von Alexandrien mit der Majoritätsgruppe der dortigen Severianer („Theodosianer“) im Jahr 633 den Versuch unternahm, Arkadios für seine Überzeugungen zu gewinnen. Der Erzbischof von Zypern war der letzte Vorsteher einer autokephalen Kirche im Osten, den er noch hätte gewinnen können. Sophronios wich dabei in seinem umfangreichen dogmatischen Schreiben auf das Thema des Trishagions mit Zusatz aus, das er als Häresie und Blasphemie bandmarkte. Er machte dabei deutlich, dass er trotz seines Versprechens gegenüber Patriarch Sergios von Konstantinopel, in der Energienfrage nicht weiter zu agitieren, dieses Thema nicht als erledigt betrachtete, deshalb aber ins Grundsätzliche auswich, indem

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er die der Unionspolitik zugrundeliegende Anwendung der Oikonomia in Lehrfragen prinzipiell ablehnte. Als Verfechter konsequenter Akribeia in allen kirchlichen Belangen war er sogar der Überzeugung, dass eine möglichst umfassende theologische Definition des Glaubensgutes der Ausbreitung des Christentums dienlich sei. Die anmaßende Aufforderung des noch nicht zum Patriarchen erhobenen Sophronios an Arkadios, jede liturgische Gemeinsamkeit mit den „Häretikern“ zu beenden, stieß bei Arkadios freilich auf taube Ohren. Daraus lässt sich eindeutig auf die in Zypern verbreitete Praxis des Trishagions mit Zusatz auch bei den Chalcedonensern schließen. Als Patriarch von Jerusalem hat Sophronios nach Abfassung seiner (977) Synodika ca. 635 nochmals die Initiative ergriffen, um nunmehr auf gesamtkirchlicher Ebene seine dyenergetische Christologie und seine Theologie liturgisch-sakramentaler Abgrenzung durchzusetzen. Die Anregung dazu kam von seinem Schüler Maximos Homologetes, der ihm riet, Arkadios zu bitten, eine Synode zu diesen Fragen einzuberufen. Diese Synode fand im Jahr 636 in Zypern – wohl in Konstantia – statt und war mit Ausnahme des vakanten Stuhles von Antiochien gesamtkirchlich beschickt. Die 46 Synodalen konnten sich jedoch nicht auf ein gemeinsames Urteil verständigen und Arkadios sich mit seinem Vorschlag der Anathematisierung der Lehre des Maximos und Sophronios nicht durchsetzen. Es erfolgte hier also keine Verurteilung beider. Man verständigte sich aber darauf, die Entscheidung in der Kontroversfrage dem Kaiser zu überlassen. Herakleios hat darauf im Jahr 636/7 die sog. Ekthesis erlassen, die einen öffentlichen Streit darüber untersagte, ob es notwendig sei, von einem Wirken oder zwei Wirkweisen/Energien Christi zu reden, indem jede weitere Rede von einem Wirken oder zwei Wirkweisen/Energien Christi verboten wurde. Die Überwindung des Streites wurde in der vermeintlichen Konsensformel von dem einen Willen Christi gesucht, mit der allerdings kein neues Dogma formuliert werden sollte. Dieses Edikt wurde in Konstantinopel synodal bestätigt und von allen an der Synode von Zypern beteiligten Kirchen – also auch von den Kirchen von Zypern und Jerusalem – rezipiert. Der Erzbischof von Zypern hat in diesem Zusammenhang offensichtlich das Vertrauen aller Beteiligten genossen. Er begegnet uns als Verteidiger einer geistlichen und theologischen Haltung, die nach Möglichkeiten der Verständigung mit den Antichalcedonensern suchte, um die kirchlichen Spaltungen in den Kirchen des Ostens zu überwinden. Arkadios war damit ein Gegner einer rigoristischen und integralistisch-zelotischen Anwendung der Akribeia im Bereich von Liturgie und Lehre. In dieser Haltung ist er Herakleios anscheinend auch bis zum Schluss persönlich verbunden gewesen. Diese Erkenntnis hat auch Folgen für die Beantwortung der Frage, wie das Fehlen des sog. monenergetisch-monotheletischen Streites und des Patriarchentitels für Sophronios in der von Arkadios bei Leontios von Neapolis in Auftrag gegebenen Ergän-

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zung der ersten Vita des Ioannes Eleemon von Ioannes Moschos und Sophronios zu verstehen ist. Die Untersuchung der 6 Briefe des Maximos Homologetes an den zyprischen Mönch, Diakon, späteren Presbyter und möglicherweise auch Oikonomos des Erzbischofs, Marinos, hat keinerlei Indizien für eine Zustimmung des Marinos oder des Arkadios zur dyotheletischen Christologie des Maximos ergeben. Sie dokumentieren vielmehr einen intensiven theologischen Meinungsaustausch und konfrontieren Maximos mit den Argumenten seiner Gegner. Das älteste Schreiben von ca. 636 (ep. 20) bestätigt außerdem die Folgen der Synode von Zypern für Maximos und macht deutlich, dass Maximos auf Drängen des Sophronios Kontakt zu diesem ihm wahrscheinlich unbekannten Mönch aus dem Umfeld des Arkadios (978) aufgenommen hat. Es war dabei seine Absicht, über Marinos auf den Erzbischof von Zypern einzuwirken. Die dabei deutlich werdende Geringschätzung der Autorität synodaler und kirchenamtlicher Entscheidungen und die asketisch-mönchische Beanspruchung höherer theologischer Erkenntniskompetenz stellt eine der Grundlagen der gesamten in den folgenden Jahren durchgeführten Kampagne des Maximos gegen die Ekthesis und ihre Anhänger dar. Eine erfolgreiche Einflussnahme auf den Erzbischof wird auch nicht dadurch wahrscheinlicher, weil Maximos ca. 645 behauptet hat, dass Arkadios bis zu seiner letzten Lebensstunde nicht aufgehört habe, die Anhänger der Ekthesis zu bitten, von ihrer Häresie Abstand zu nehmen. Unter Berücksichtigung des Kontextes dieser Aussage und der Absicht des Briefes, in dem sie formuliert wurde (opusc. 12), wird klar, dass sie vielmehr Bestandteil einer umfassenderen Umdeutung der Haltung zentraler Gestalten des monenergetisch-monotheletischen Streites der 30er Jahren gewesen ist. Es geht dabei um Sophronios, Papst Honorius, Kaiser Herakleios und eben auch Arkadios. Deren Positionierungen standen der inzwischen betriebenen Kampagne mit dem Ziel der Anathematisierung der Ekthesis und der Konstantinopler Patriarchen Sergios, Pyrrhos und dann auch Paulos, des alexandrinischen Patriarchen Kyros und des Bischofs Theodor von Pharan substantiell im Wege und wurden in diesem Schreiben durch das Verschweigen von Fakten, Ausweichen ins Allgemeine und Verfälschung von Tatsachen neutralisiert. Für die tatsächliche Haltung des Arkadios lassen sich daraus keine Rückschlüsse gewinnen. Ein ähnliches Urteil muss auch über den Brief des Nachfolgers von Arkadios, Sergios (642–nach 655) an Papst Theodorus I. (642–649) gefällt werden. Dieser Brief enthält eine entschiedene Zustimmung zur dyotheletischen Position des Papstes, fordert persönliche Anathematismen und enthält die Bereitschaft zum Martyrium – dies alles im Namen der gesamten Synode der Kirche von Zypern. Das Schreiben ist Teil der Akten der als Akkusationsprozess durchgeführten Lateransynode von 649. Es dient auf deren 2. Sitzung zusammen mit zwei An-

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klageschriften aus dem Osten als Nachweis ihrer beanspruchten Autorität, einen Häresieprozess gegen die oben Genannten durchzuführen und dazu auch „von fast allen Bischöfen aus dem Osten“ aufgefordert worden zu sein. Die Analyse des Briefes hat gezeigt, dass dieser Text wegen seiner papatologischen, theologischen und zeitgeschichtlichen Aussagen und Argumentationen nicht an dem angegebenen Datum 29. Mai 643 geschrieben worden sein kann. Er lässt sich vielmehr nur aus dem Kontext der Lateransynode verstehen und muss zumindest für diese verunechtet oder sogar neu verfasst worden sein. Zudem bezeugt er, dass Arkadios und auch Sergios bis dahin sich mit keinem Wort gegen die Ekthesis und die Konstantinopler Kirchenpolitik ausgesprochen hatten. Es handelt sich um einen Versuch, Arkadios und die ganze Kirche von Zypern aktuell für die Absichten der Lateransynode zu vereinnahmen. (979) Nach der Lateransynode konzentrierten sich alle mit dem sog. monenergetisch-monotheletischen Streit verbundenen Ereignisse ganz auf das Verhältnis der Kirchen von Konstantinopel und Rom. Dies entspricht der grundlegend veränderten politischen Lage im Osten, die ab 649 auch Zypern direkt betraf. Die komplexe Situation der Insel nach den arabischen Überfällen von 649 und 653 und der damit verbundene neue politische Status der Insel228 haben andere Themen und Fragen dominant werden lassen. Im Zusammenhang der christologischen Kontroverse des 7. Jahrhunderts begegnet uns die Kirche von Zypern erst wieder in ihren Teilnehmern am VI. Ökumenischen Konzil, das unter Kaiser Konstantin IV. (668–685)229 vom 7. November 680–16. September 681 im Kuppelsaal (Trullos) des Konstantinopler Kaiserpalastes tagte. Dieses Konzil ist in einer für die Geschichte der ökumenischen Synoden singulären Art und Weise vom Kaiser vollständig gelenkt gewesen, um das von ihm erstrebte Ziel der Wiederherstellung der Lehreinheit mit der römischen Kirche im Zusammenwirken mit den päpstlichen Legaten zu erzwingen. Der dabei durchgesetzte theologische Umschwung einschließlich der namentlichen Anathematisierung von 10 chalcedonensischen Theologen gegenteiliger Überzeugung – darunter nunmehr vier Konstantinopler, ein alexandrinischer und ein antiochenischer Patriarch –, führte zu einer tiefen Demütigung der Kirche von Konstantinopel und der großen Mehrzahl ihrer theologisch denkenden Hierarchen.230 Der zu Beginn der Synode unklare Ausgang der Verhandlungen hatte eine abwartende Haltung der Bischöfe zur Folge, als im September 680 die Einladungen zur Synode verschickt wurden. So sind auf den entscheidenden ersten acht Sitzungen zwischen dem

228 Vgl. dazu: Lilie, Zypern (s. Anm. 223); Zavagno, Cyprus (s. Anm. 10), 77–91; Metcalf, Byzantine Cyprus (s. Anm. 10), 380–385.395–425. 229 PMBZ, Nr. 3702. 230 Vgl. dazu jetzt: Ohme, Rom, der Tomus Leonis und das VI. Ökumenische Konzil (s. Anm. 4).

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7. November 680 und dem 8. März 681 nur 42 Bischöfe anwesend gewesen. Unter ihnen war bezeichnenderweise kein einziger Zypriot. Erzbischof Epiphanios nahm nicht an der Synode teil. Von den 12 Bistümern Zyperns231 waren allein Theodoros von Trimithous,232 der als Stellvertreter des Erzbischofs unterschrieb, Stratonikos von Soloi233 und Tychon von Kition234 erschienen. (980) Sie nahmen alle erst ab der 14. Sitzung am 5. April 681 teil.235 Wie die meisten anderen der insgesamt nur 165 Bischöfe kamen auch sie erst hinzu, als alle wesentlichen Entscheidungen bereits gefallen waren, in die sie sich nun fügten. Als Fazit ist festzuhalten, dass die Kirche von Zypern bei den Konstantinopler Maßnahmen der Versöhnungspolitik mit den antichalcedonensischen Kirchen des Ostens ein loyaler und aktiver Partner war. Insbesondere unter Erzbischof Arkadios (624–641/2) war sie Exilsort für deren Gegner und im Jahr 636 Tagungsort einer bedeutenden fast gesamtkirchlich beschickten Synode. Die daraus entstandene Ekthesis wurde auch in Rom und Jerusalem rezipiert. Arkadios wandte sich sowohl gegen die von Sophronios verlangte Ablehnung jeder Oikonomia als auch gegen die von diesem propagierte strikte sakramentale und dogmatische Abgrenzung von den Antichalcedonensern. Das Trishagion mit Zusatz wurde in Zypern weiterhin praktiziert! Auch Maximos ist es nach 636 nicht gelungen, über den zypriotischen Priestermönch Marinos auf die Haltung des Arkadios Einfluss zu nehmen. Seine sechs Briefe an Marinos bieten keinerlei Anhaltspunkte für eine dyenergetische oder dyotheletische Haltung der Kirche von Zypern. Selbst der Nachfolger der Arkadios, Sergios (642–nach 655), bezeugt in seinem Brief von 643, dass es bis dahin keinen Protest gegen die Konstantinopler Kirchenpolitik auf Zypern gab. Dieses auf der Lateransynode von 649 präsentierte Schreiben einer entschiedenen dyenergetischen und dyotheletischen Haltung der ganzen Kirche von Zypern wurde für diese Synode verunechtet oder sogar völlig neu verfasst. Auch nach 643 ist öffentlicher Dissens aus der Kirche von Zypern weder festzustellen noch auch eigentlich zu erwarten.

231 Nach dem Bericht des angelsächsischen Jerusalempilgers Willibald vom Beginn des 8. Jahrhunderts hatte die Kirche von Zypern in dieser Zeit insgesamt 12 Bistümer. Vgl.: Lilie, Zypern (s. Anm. 223), 72. Giorgio Fedalto, Hierarchia Ecclesiastica Orientalis, I. Patriarchatus Constantinopolitanus; II. Patriarchatus Alexandrinus, Antiochenus, Hierosolymitanus, Padua 1988, 875–888, verzeichnet 14 Bistümer. 232 PMBZ, Nr. 7342. 233 PMBZ, Nr. 7146. 234 PMBZ, Nr. 8536. 235 Vgl.: Riedinger, Präsenz- und Bischofslisten (s. Anm. 170), 14–17.

9 Was war die Lateransynode von 649? Was sollte sie sein? Abstract: The radical nature of the Lateran Synod of 649 – which anathematized three patriarchs from Constantinople, one from Alexandria, two imperial laws, and one bishop identified as the heresiarch –was unprecedented in the history of the church. Hence the Synod represents the high point of the Monothelete controversy. This article analyzes its acts in order to identify the kind of synod which the Lateran gathering understood itself to be, thereby demonstrating that this papal synod, the most important of the early middle ages, constituted itself as a court of justice and pretended to go through a so-called synodal accusatory legal process. Patterning their proceedings after the example of the fifth-century lawsuit against Eutyches, Nestorius and Dioscorus, the gathering claimed to be following, in a canonically faithful manner, the standing synodal legal procedure according to the church’s statues. However, the examination of the actual trial reveals serious breaches of legal procedure. The mandatory summons of the accused was omitted, thereby taking away any possibility of their defense. Moreover, the absolute separation of prosecutor and judge was undermined and, because they were written beforehand, not only the record of the process but also its judgement were a farce. Relying on a theology of Roman primacy, the synod posited a Roman competence which challenged the actual authority of an ecumenical council convened by the emperor. In this respect, here is the first early medieval attempt to replace the institution of the ecumenical council with a papally led Concilium universale. Conceptionally organized by Maximus the Confessor with Popes Theodorus I and Martin I, and staged as a literary product by him and his students, the Lateran Synod was, according to canonical and imperial law, an illegal event which rendered any agreement in the theological controversy impossible. Die Lateransynode des Jahres 649 ist zweifelsohne das bedeutendste päpstliche Konzil des Frühmittelalters. In fünf Sitzungen zwischen dem 5. und 31. Oktober 649 haben dort 106 fast ausschließlich italische Bischöfe unter dem Vorsitz von Papst Martin I. (649–653)1 drei Konstantinopler Patriarchen anathematisiert:

1 Prosopographie der mittelbyzantinischen Zeit. Erste Abteilung 641–867 (nach Vorarbeiten Friedhelm Winkelmanns erstellt von Ralph-Johannes Lilie, Claudia Ludwig, Thomas Pratsch, Ilse Rochow, Bd. 1–6, Berlin 1999–2002, Nr. 4851. Anmerkung: Zuerst publiziert in: AHC 48 (2016/7), 109–157. https://doi.org/10.1515/9783110714531-009

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Sergios I. (610–638),2 Pyrrhos (638–641.654)3 und den amtierenden Paulos (641‒653)4. Damit nicht genug wurden auch der verstorbene Patriarch Kyros von Alexandrien (631–642)5 und zwei kaiserliche Gesetze ‒ die sog. Ekthesis von 638 (636?)6 und der sog. Typos von 6487 ‒ dem Anathema unterworfen und schließlich auch noch der als Häresiarch ausgemachte Bischof Theodor von Pharan († vor 638)8 verworfen. (111) Die Radikalität dieser Maßnahme war ohne Beispiel in der bisherigen Geschichte der Kirche. Mit diesen Entscheidungen war die Kirchengemeinschaft mit der Kirche von Konstantinopel aufgehoben worden. Die Lateransynode stellt damit den vorläufigen Höhepunkt des sog. monenergetisch-monotheletischen Streites9 dar. Dieser begann als Ablehnung der Unionsbemühungen des Kaisers Herakleios (610‒641)10 und des Konstantinopler Patriarchen Sergios zur Wiederherstellung der kirchlichen Einheit mit den vorchalcedonensischen Kirchen Syriens,

2 Jan Louis van Dieten, Geschichte der Patriarchen von Sergios I. bis Johannes VI. (610–715), Amsterdam 1972, 1–56; Friedhelm Winkelmann, Der monenergetisch-monotheletische Streit (BBySt 6), Frankfurt/M. 2001, 258–260. 3 PMBZ, Nr. 6386; van Dieten, Geschichte (s. Anm. 2), 57–75; Christian Boudignon, Maxime le Confesseur était-il Constantinopolitain?, in: Jacques Noret, Bart Janssens, Bram Roosen, Peter van Deun (Hgg.), Philomathestatos. Studies in Greek and Byzantine Texts Presented to J. Noret for his 65th Birthday (OLA 137), Leuven 2004, (11–43), 29–31. 4 PMBZ, Nr. 5763. 5 PMBZ, Nr. 4213; Phil Booth, The Last Years of Cyrus, Patriarch of Alexandria († 642), in: TMCB 20 (2016), 509–558. 6 Franz Dölger/Andreas E. Müller, Regesten der Kaiserurkunden des oströmischen Reiches. I,1 Regesten 565–867, 2. Aufl. besorgt u. Mitarbeit v. Johannes Preiser-Kapeller u. Alexander Riehle v. Andreas E. Müller, München 2009, Reg. 211; Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 50. Zur Datierung im Jahr 636 s. u. Anm. 17. 7 Dölger/ Müller, Regesten (s. Anm. 6), Reg. 225; Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 106; s. a. Anm. 160–161. 8 Werner Elert, Der Ausgang der altkirchlichen Christologie. Eine Untersuchung zu Theodor von Pharan und seiner Zeit als Einführung in die Alte Dogmengeschichte, Berlin 1957; Christian Lange, Mia Energeia. Untersuchungen zur Einigungspolitik des Kaisers Heraclius und des Patriarchen Sergius von Constantinopel (STAC 66), Tübingen 2012, 540–542. 9 Vgl.: Winkelmann, Streit (s. Anm. 2); Lange, Mia Energeia (s. Anm. 8); Marek Jankowiak, Essai d’histoire politique du monothélisme, Diss. Paris-Warschau 2009 [ungedr.]; Phil Booth, Crisis of Empire: Doctrine and Dissent at the End of Late Antiquity, Berkeley u. a. 2013; Heinz Ohme, Motive und Strukturen des Schismas im monenergetisch-monotheletischen Streit, in: AHC 38 (2006), 265–296; Ders., Oikonomia im monenergetisch-monotheletischen Streit, in: ZAC 12 (2008), 308–343); Ders., Die Bedeutung der Geschichtstheologie im monenergetischmonotheletischen Streit, in: ZThK 112 (2015), 27‒61; Ders., Maximos Homologetes (†662): Martyrium, Märtyrerbewusstsein, „Martyriumssucht“?, in: ZAC 20 (2016), 306–346. 10 Walter E. Kaegi, Heraclius. Emperor of Byzantium, Cambridge 2003.

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Armeniens und Ägyptens. Dabei spielte die alexandrinische Union vom 3. Juni 63311 zwischen dem dortigen chalcedonensischen Patriarchen Kyros und den ägyptischen Severianern („Theodosianer“) eine Schlüsselrolle. Die Unionsurkunde mit ihren neun Kephalaia12 gipfelte auf der Grundlage der Zwei-Naturen-Lehre in der Aussage, dass „ein und derselbe Christus und Sohn das Gottgemäße und das Menschliche ‚durch eine gottmenschliche Wirksamkeit‘ (μιᾷ θεανδρικῇ ἐνεργείᾳ) im Sinne des Hl. Dionysios (sc. Areopagites) bewirkt“.13 Während diese Union die Zustimmung14 von Patriarch Sergios und Papst Honorius I. (625–638)15 fand, stieß sie auf Widerstand bei dem palästinischen Mönch und späteren Patriarchen von Jerusalem, Sophronios (ca. 550–638).16 Um eine Ausweitung des Streites zu verhindern, erließ Kaiser Herakleios im Jahr (112) 638 (636?)17 unter Federführung des Patriarchen Sergios die Ekthesis, die jeden weiteren Streit über das Verhältnis von göttlichem und menschlichem Wirken der Person Jesu verbot und den Konsens in der vermeintlich unstrittigen Überzeugung von seinem einen einheitlichen Willen und Wollen suchte. Gegen dieses Gesetz und den dort formulierten, später sog. Monotheletismus stellte sich seit ca. 640/1 Maximos Homologetes (ca. 579–662)18 mit seinen Schülern. In seinen sog. Opuscula theologica et polemica 619, 720 und 2021 hatte er aus der chalcedonensischen Zwei-Naturen-Lehre und einem von seinen Merkmalen her definierten ontologischen Naturbegriff die theologische Notwendigkeit der Rede von einem doppelten oder zweifachen „natürlichen“ Willen

11 Vgl. dazu: Lange, Mia Energeia (s. Anm. 8), 575–581; Booth, Crisis (s. Anm. 9), 209–224. 12 Decretum unionis a. 633 (ACO ser. II 2, p.594,17–600,20 Riedinger); Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 27. 13 Decretum unionis a. 633 (ACO ser. II 1 p.598,20 f. Ried.): [...] καὶ τὸν αὐτὸν ἕνα Χριστὸν καὶ υἱὸν ἐνεργοῦντα τὰ θεοπρεπῆ καὶ ἀνθρώπινα, μιᾷ θεανδρικῇ ἐνεργείᾳʽ κατὰ τὸν ἐν ἁγίοις Διονύσιον. 14 Vgl. dazu den Briefwechsel zwischen Sergios und Papst Honorios I.: Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 43.44. 15 Georg Kreuzer, Die Honoriusfrage im Mittelalter und in der Neuzeit, Stuttgart 1975. 16 Christoph von Schönborn, Sophrone de Jérusalem. Vie monastique et confession dogmatique (ThH 20), 1972; Pauline Allen, Sophronius of Jerusalem and Seventh-Century Heresy. The Synodical Letter and Other Documents (OECT), Oxford 2009; Booth, Crisis (s. Anm. 9), 44–89.186–250. 17 Booth, Crisis (s. Anm. 9), 239–241, hat unter Berufung auf Jankowiak, Essai d’histoire (s. Anm. 9), 146–149, die Ekthesis jetzt auf 636 datiert. 18 PMBZ, Nr. 4921; Pauline Allen/Bronwen Neil (Hg.), The Oxford Handbook of Maximus the Confessor, Oxford 2015. 19 Vgl. dazu: Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 66; Marek Jankowiak/Phil Booth, A New DateList of the Works of Maximus the Confessor, in: Allen/Neil, Handbook (s. Anm. 18), 19–83; Nr. 59. 20 Vgl. dazu: Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 59; Jankowiak/Booth, A New Date-List (s. Anm. 19), Nr. 41. 21 Vgl. dazu: Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 60; Jankowiak/Booth, A New Date-List (s. Anm. 19), Nr. 42.

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(φυσικὸν θέλημα) und einer zweifachen „natürlichen“ Wirkweise (φυσικὴ ἐνέργεια) des einen Christus entwickelt.22 Kaiser Konstans II. (641–668)23 hat dann wegen des sich immer weiter zuspitzenden Streites im Jahr 648 durch den Typos im Sinne eines Moratoriums jede weitere Auseinandersetzung über die Anzahl von Energien und Willen in Christus unter Androhung hoher Strafen verboten. Die inzwischen erfolgte Eskalation war die Folge einer gezielt geführten kirchenpolitischen Kampagne eines „international“ operierenden Kollektivs palästinischer Mönche. Diese waren vor den Persern und dann vor den Arabern in den Westen geflüchtet und hatten sich um den Sophronios-Schüler Maximos gesammelt.24 Maximos hatte spätestens seit der arabischen Eroberung Jerusalems (113) im Jahre 638 in Erwartung des Untergangs des Imperiums und des bevorstehenden Endgerichts gelebt25 und ist von daher mit politischem Kalkül an einer Destabilisierung der Herrschaft des Herakleios und Konstans II. beteiligt gewesen,26 deren Religionspolitik er dafür verantwortlich machte. Dazu gehörte wohl auch die Unterstützung eines Usurpationsversuches des Exarchen von Africa, Gregorios,27 im Jahre 645/6. Gregorios plante anscheinend ein „orthodoxes“ Reich mit dem in Konstantinopel abgesetzten und während einer im

22 Die beiden Naturen Christi, „aus denen und in denen und welche er ist“, seien stets zu unterscheiden, auch wenn diese durch wechselseitiges Zusammenwachsen und gegenseitige Durchdringung zu einem einheitlichen Wirken und Wollen vollständig vereint seien. Maximus Conf., Opusculum theol. et pol. 6 (PG 91,68A); Opusculum theol. et pol. 7 (PG 91,76A, 80C, 84B, 88A); Opusculum theol. et pol. 20 (PG 91,233AB; 237CD). 23 PMBZ, Nr. 3691. 24 Dazu vgl.: Jean-Marie Sansterre, Les moines grecs et orientaux à Rome aux époques byzantine et carolingienne (milieu du VIe s.–fin du IXe s.), Bruxelles 1983; Christian Boudignon, Le pouvoir de lʼanathème ou Maxime le Confesseur et les moines palestiniens du VIIe siècle, in: Alberto Camplani/Giovanni Filoramo (Hgg.), Foundations of Power and Conflict of Authority in Late Antique Monasticism (OLA 157), Leuven 2007, 245–274; Booth, Crisis, (s. Anm. 9), 278–-329; Ohme, Oikonomia, (s. Anm. 9); Ders., Geschichtstheologie, (s. Anm. 9), 41–51; Ders., Maximos Homologetes (†662): Martyrium, (s. Anm. 9). 25 Vgl. dazu: Ohme, Geschichtstheologie (s. Anm. 9). 26 Vgl.: Wolfram Brandes, „Juristische“ Krisenbewältigung im 7. Jahrhundert? Die Prozesse gegen Papst Martin I. und Maximos Homologetes, in: FBRG.FM 10 (1998), 141–212; Ders., Konstantin der Große in den monotheletischen Streitigkeiten des 7. Jahrhunderts, in: Eleonora Kountoura-Galake (Hg.), The Dark Centuries of Byzantium [7th‒9th. c.], Athen 2001, 89‒107; Booth, Crisis (s. Anm. 9); Jankowiak, Essai d’ histoire (s. Anm. 9); Boudignon, Le pouvoir de lʼanathème (s. Anm. 24); Heinz Ohme, Der lange Widerstand gegen eine offizielle Heiligenverehrung des Maximos Homologetes (†662) im Byzantinischen Reich, in: ByZ 109 (2016), 109–150. 27 PMBZ, Nr. 2345; John F. Haldon, Byzantium in the Seventh Century. The Transformation of a Culture, Cambridge 21997, 306–307; van Dieten, Patriarchen (s. Anm. 2), 83–85.; Brandes, „Juristische“ Krisenbewältigung (s. Anm. 26), 185–192; Ders., Konstantin der Große (s. Anm. 26).

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Jahr 645 in Karthago durchgeführten Disputation28 mit Maximos zum Dyotheletismus bekehrten Patriarchen Pyrrhos als Patriarch. Die Durchsetzung des maximianischen Dyotheletismus auf mehreren Synoden der vier römischen Provinzen in Africa gehörte ebenfalls dazu. Pyrrhos wurde daraufhin ca. 646/7 nach Vorlage einer entsprechenden Erklärung in Rom von Papst Theodorus I. (642–649)29 zum einzig legitimen Patriarchen von Konstantinopel erklärt. Als jener sich wenig später wieder davon distanzierte und nach Konstantinopel zurückkehrte, war die beabsichtigte öffentliche Wirkung der Installation eines Gegenpatriarchen hinfällig geworden. Theodorus suchte daraufhin die direkte Konfrontation, indem er im Jahr 647 Pyrrhos durch eine römische Synode anathematisieren und absetzen ließ und schließlich auch die Deposition des amtierenden Paulos beschloss.30 Darüber hinaus ernannte (114) er den Sophronios-Schüler, Bischof Stephanos von Dora, zum päpstlichen Vikar in Palästina mit der Vollmacht monotheletische Bischöfe abzusetzen.31 In diesem Zusammenhang muss in Absprache zwischen Maximos, der sich ab 645/6 in Rom befand, und dem aus Jerusalem stammenden Papst Theodorus der Plan einer großen römischen Synode zur Anathematisierung der theologischen Gegner entstanden sein.32 Der von Rudolf Riedinger im Rahmen seiner Edition33 der in lateinischer und griechischer Sprache überlieferten Akten der Lateransynode geführte Beweis34, dass der gesamte lateinische Aktentext35 einschließlich aller auf der Synode gehaltenen Reden eine Übersetzung aus dem Griechischen darstellt,

28 Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 92; Guido Bausenhart, „In allem uns gleich außer der Sünde“. Studien zum Beitrag Maximos’ des Bekenners zur altkirchlichen Christologie (TSTP 5), 1990; Jacques Noret, La rédaction de la Disputatio cum Pyrrho (CPG 7698) de Saint Maxime le Confesseur serait-elle postérieure à 655?, in: AnBoll 117 (1999), 291–296. 29 PMBZ, Nr. 7769. 30 Liber Pontificalis 75,3.6 (332,15–16; 333,8 Duchesne). 31 S. u. Anm. 222. 32 So die allgemeine Annahme. Vgl.: Rudolf Riedinger, Die Lateransynode von 649 und Maximos der Bekenner (1980), in: Ders., Kleine Schriften zu den Konzilsakten des 7. Jahrhunderts (IP 34), Turnhout 1998, 176–177; Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), S. 40–41; Phil Booth, General Introduction, in: Richard Price, Phil Booth, Catherine Cubitt, The Acts of the Lateran Synod of 649, transl. by Richard Price (Translated Texts for Historians 61), Liverpool 2014, 39. 33 Rudolf Riedinger (Hg.), Concilium Lateranense a. 649 celebratum (ACO ser. II 2,1), 1984. Vgl. dazu jetzt die hervorragende Übersetzung in: Price/Booth/Cubitt, Acts (s. Anm. 32). Zu den einzelnen Bestandteilen der Akten s. auch: Andreas Weckwerth, Clavis Conciliorum Occidentalium septem prioribus saeculis celebratorum (CCSL Clavis-Subsidia 3), Brepols 2013, Nr. 314–318. 34 Vgl. dazu die gesammelten Aufsätze Riedingers: Ders., Kleine Schriften (s. Anm. 32). Vorarbeiten dazu erbrachte Erich Caspar, Die Lateransynode von 649, in: ZKG 51 (1932), 75–137. 35 Ausgenommen sind nur wenige in die Akten aufgenommene original lateinische Texte.

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bedeutete nach Pietro Conte „una revoluzione copernicana filologica“.36 Alle bis dahin vorliegenden Darstellungen der Lateransynode waren damit veraltet. Seitdem gilt: „tutta la sua storia deve essere riscritta“.37 Auch weil der von der Synode dogmatisierte und in den Reden des Papstes und der Bischöfe vertretene Dyotheletismus bis in einzelne Formulierungen hinein vollständig der maximianischen Argumentation entspricht, war endgültig klar, dass die um Maximos in Rom versammelte Mönchsgruppe seit 646/7 mit der Herstellung und Kompilation des gesamten Aktentextes und dessen Übersetzung ins Lateinische befasst war.38 Damit war der Text der Akten, obwohl in direkter Rede (115) und Dialogform (sog. gesta-Stil) gehalten, als „ein rein literarisches Produkt“ erwiesen; er war „nicht in freien Diskussionen und in einer Konzilsaula, sondern in römischen Archiven und über Schreibpulten formuliert“ worden und lag bereits vor Beginn der Synode weitgehend abgeschlossen vor.39 Diese Ergebnisse der Studien Riedingers sind breit rezipiert worden. Nicht durchsetzen konnte sich seine provozierende These, dass man dem Papst „und seinen Bischöfen den lateinischen Text an eben jenen Tagen vorlas, welche die lateini-

36 Pietro Conte, Il Sinodo Lateranense dell’ottobre 649 (Collezione Teologica 3), Vatikan 1989, 38. 37 Conte, Il Sinodo Lateranense, (s. Anm. 36), ebd. 38 Unter den Schülern und Anhängern des Maximos blieb dieses Wissen lange lebendig. Die nach 662 von Anhängern des Maximos verfasste Schrift Contra Constantinopolitanos rechnet das „Buch mit den Urteilen“ (ὁ δὲ τῶν ψήφων κώδηξ) zu dessen Werken. Damit sind wahrscheinlich die Akten der Lateransynode gemeint. Bei den ψήφοι handelt es sich um die dortigen Anathematismen. Vgl.: Contra Constantinopolitanos (CCSG 39, 231,26–31 Allen/Neil). Eine Ende des 9. Jahrhunderts entstandene Konzilssynopse, die eine in sich geschlossene, nach 680/1 entstandene Geschichte des Monotheletismus in maximianischer Perspektive enthält, weiß von Maximos zu berichten, dass die Lateransynode zwar von Papst Martin I. einberufen, aber „von dem großen Bekenner Maximos mitgeleitet wurde“ (συνεδρεύοντος καὶ τοῦ μεγάλου καὶ ὁμολογητοῦ Μαξίμου): Lars M. Hoffmann/Wolfram Brandes (Hgg.), Eine unbekannte Konzilsynopse aus dem Ende des 9. Jahrhunderts (FBRG 30), Frankfurt/M. 2013, 170,58. Nach der griechischen Vita Papst Martins I. hat Maximos den Papst „vorbereitet“ (παρασκευάζει), um eine Synode zu versammeln: Paul Peeters, Une vie grecque di pape S. Martin I, in: AnBoll 51 (1933), 225–262.254,7. Zu dieser Vita vgl. jetzt: Heinz Ohme, Die griechische Vita Papst Martins (BHG 2259), Maximus Confessor und das Concilium Quinisextum (691/2), in: Byz. 85 (2016), 319–336. 39 Rudolf Riedinger, Aus den Akten der Lateransynode (1976), in: Ders., Kleine Schriften (s. Anm. 32), 3–24.23; Ders., Griechische Konzilsakten auf dem Weg ins lateinische Mittelalter (1977), in: a.a.O., 41–92.47. Inzwischen konnte aufgrund von kunstgeschichtlichen Untersuchungen sogar wahrscheinlich gemacht werden, wo diese Arbeiten durchgeführt wurden: in der Palastkirche Sta. Maria Antiqua auf dem Palatin. Vgl.: Eileen Rubery, Papal Opposition to Imperial Heresies: Text as Image in the Church of Sta. Maria Antiqua in the Time of Pope Martin I (649–654/5), in: StPatr 50 (2011), 3–29; Dies., Conflict or collusion? Pope Martin (649–654/5) and the Exarch Olympius in Rome after the Lateran Synod, in: StPatr 52 (2012), 339–374.

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sche Überlieferung als Daten der fünf Sitzungen angibt.“40 Betont wurde demgegenüber die Historizität der Synode,41 und neuerdings hat Richard Price sogar die Hypothese vertreten, „that the synod of 649 was conducted in a perfectly normal fashion.“ Dazu verwies er u. a. auf den Anspruch der Lateransynode, „the rules of a proper synodical procedure“ im Gegensatz zu den Konstantinopler Synoden von 638 und 639 zu befolgen, und auf eine Intervention des (116) Bischofs Benedictus von Ajaccio zu Beginn der 4. Sitzung, die „wholly spontaneous“ erfolgt sei. Weiterhin sei die Dauer der Lateransynode über einen ganzen Monat geplant worden, um die zuerst improvisierten Reden zwischen den Sitzungen durch sorgfältige literarische Komposition auf ein höheres Niveau zu heben.42 Der Anspruch der Lateransynode auf korrekte Durchführung des synodalen Verfahrens lässt die Frage aufkommen, welchen Synodentyp die von Maximos und Papst Theodorus I. geplante und nach dessen plötzlichem Tod von Papst Martin I. einberufene und durchgeführte Synode repräsentiert. Dieser Frage wurde bislang nur am Rande Aufmerksamkeit geschenkt. Maximos hat sie später den bisherigen Ökumenischen Synoden als sechste zugeordnet.43 Es handelt sich in der Tat um eine „erstaunliche Aussage“,44 deren Bedeutung meines Erachtens bislang nicht ausreichend geklärt wurde. In neuerer Zeit hatte Hermann Josef Sieben noch vor dem Erscheinen der Arbeiten Riedingers ab 1976 die These vertreten, dass die Synode „einen eigenen Konzilstyp“ darstellt, der als päpstlich dominiertes „Lehrverfahren der sedes apostolica“ zu charakterisieren sei.45 Diese

40 Riedinger, Griechische Konzilsakten (s. Anm. 39), 46; vgl. auch: Ders., Die Lateransynode von 649 (s. Anm. 32), 178; Ders., Die Lateranakten von 649. Ein Werk der Byzantiner um Maximos Homologetes (1985), in: a.a.O., 221–238.223–224. Diese These wurde noch 1996 breit von Alexander Alexakis, Codex Parisinus Graecus 1115 and Its Archetype, Washington, 1996, 18–19, übernommen. 41 Diesem Nachweis gilt die gesamte Studie von Conte, Il Sinodo Lateranense (s. Anm. 36). 42 Richard Price, in: Price/Booth/Cubitt, Acts (s. Anm. 32), General Introduction, 64–68.68. Genauso: Ders., Aspects of the Composition of the Acts of the Lateran Synod of 649, in: AHC 42 (2010), 51–58.51–54. Diese Argumente werden im Folgenden zu prüfen sein. 43 Maximus Confessor, Opusculum theol. et pol. 11 (PG 91,137D). Vgl.: Jankowiak/Booth, A New Date-List (s. Anm. 19), 19–83; Nr. 73 („After October 649 but before June 653“). 44 Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), S. 41. Catherine Cubitt hat dieser Behauptung bislang die meiste Aufmerksamkeit gewidmet. Vgl.: Dies., The Lateran Council of 649 as an Ecumenical Council, in: Richard Price/Mary Whitby (Hg.), Chalcedon in Context. Church Councils 400–700, Liverpool 2009, 133–147. 45 Hermann Joseph Sieben, Zur Entwicklung der Konzilsidee (XI): Typen sogenannter Partikularsynoden. In: ThPh 51 (1976), 52–92.75–84; wieder abgedruckt in: Ders., Die Konzilsidee der Alten Kirche (Konziliengeschichte Reihe B.3), Paderborn 1979, 492–501.

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Klassifizierung ist von Riedinger abgelehnt worden.46 Alexander Alexakis hat dann im Jahr 1996 die These aufgestellt, dass „a procedure almost identical to the fifth ecumenical council can be observed throughout the Lateran Council.“47 Dahinter stehe eine Entwicklung, als deren Ergebnis „the basic stages through which the conciliar procedure evolved were always standard.“48 (117) Catherine Cubitt hat dies in neuester Zeit wiederholt und von „a common conciliar pattern“ gesprochen, nach dem die Lateransynode als „type of enlarged council“ einer römischen Synode durchgeführt worden sei und einem Gerichtsverfahren ähnle.49 Alle diese in neuerer Zeit vorgenommenen Typisierungen treffen jedoch meines Erachtens nicht das Selbstverständnis und den Anspruch dieser Synode. Denn die Lateransynode ähnelt nicht nur einem Gerichtsverfahren, sondern sie führt ein solches durch. Dabei handelt es sich meines Erachtens um einen sog. Akkusationsprozess, bei dem die Synode als kollektiver Gerichtshof tagt. Die Lateransynode hat dabei den Anspruch erhoben, nach feststehenden kirchlichen Regeln in der Tradition früherer Synodalprozesse zu handeln. Diese These und dieser Anspruch sind Gegenstand der folgenden Untersuchung. Dazu wird in einem ersten Schritt das Selbstverständnis der Synode aus deren Akten erhoben und das anerkannte Verfahren eines kirchlichen Akkusationsprozesses vorgestellt (1). Sodann wird in Kapitel 2 und 3 das Vorgehen der Synode in der 1. und 2. Sitzung im Detail analysiert und mit der in Geltung stehenden Verfahrensordnung und den von der Synode angeführten Musterverfahren des 5. Jahrhunderts verglichen. Kapitel 4 untersucht die von der Lateransynode erhobenen Vorwürfe gegen die Konstantinopler Synoden von 638 und 639, die als

46 Rudolph Riedinger, Rez. Sieben, Konzilsidee (s. Anm. 45), in: ByZ 75 (1982), 57–59; Ders., Griechische Konzilsakten (s. Anm. 39), 47. 47 Alexakis, Parisinius graecus 1115 (s. Anm. 40), 16. 48 Alexakis, Parisinius graecus 1115 (s. Anm. 40), 41. Als solche listet er folgende Stufen auf: „(1) reading of the imperial letter(s) which officially announced the convocation of the council; (2) reading of synodical letters of the pope or the patriarchs that stated the problems; (3) reading of written accusations of specific heresy against named individuals; (4) presentation of the heretical dogma through the citation of heretical writings and florilegia; and (6) condemnation of the heresy and ist supporters and official closing of the council with the promulgation of an horos or of some canons.“ (a.a.O., 41 Anm. 182). Im weiteren Verlauf dieser Untersuchung wird deutlich werden, dass die von Alexakis gezogenen Parallelen vor allem auf dem im Jahr 553 durchgeführten posthumen Verfahren gegen Diodor, Ibas und Theodoret beruhen. Zum Verständnis der Lateransynode reichen sie nicht aus. 49 Cubitt, The Lateran Council of 649 (s. Anm. 44), 137–138.; Dies., in: Price/Booth/Cubitt, Acts (s. Anm. 32), General Introduction, 71–73; „The Lateran synod effectively resembles a trial“ (a.a.O., 73).

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Negativfolie herangezogen wurden. Ein Fazit mit weiteren Konsequenzen zum Ablauf der Sitzungen beschließt die Untersuchung (5).

1 Die Lateransynode als synodaler Akkusationsprozess In den Akten der Lateransynode wird von Papst Martin und weiteren Teilnehmern mehrfach betont, dass die synodale Verfahrensordnung (ἡ τάξις τῶν πεπραγμένων; ἡ ἀκολουθία τῶν πεπραγμένων) von dieser Synode satzungsgemäß (ἐνθεσμῶς) und kanonisch (κανονικῶς) eingehalten wird.50 Dieser schon früher beobachtete Anspruch wurde allerdings bislang entweder nicht weiter (118) interpretiert51 oder die Intention dieser Aussagen nicht zutreffend erkannt. Denn diese Aussagen wollen nicht moderne Fragestellungen beantworten und für die einzelnen Sitzungen deren Historizität reklamieren52 oder gar deutlich machen, dass auf der Synode tatsächlich echte Debatten stattgefunden haben.53 Ihr gehäuftes Vorkommen verfolgt vielmehr den Zweck, für die intendierte gesamtkirchliche Rezeption der Lateransynode in den Akten ihren spezifischen Charakter zu betonen und ihre Autorität als rechtmäßig durchgeführter Akkusationsprozess herauszustellen. Dies lässt sich anhand der konstituierenden Sitzung der Synode am 5. Oktober 649 verdeutlichen. Als erster ergriff dort der Primicerius notariorum54 der römischen Kirche, Theophylactus, das Wort. Nachdem er festgestellt hatte, dass der Papst die Synode „kanonisch“ und „mit apostolischer Autorität“ eingeladen habe, forderte er diesen auf, das Wort an die versammelten Bischöfe zu richten und die Ursache

50 Vgl. z. B. Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.28,7 (Ried.): τῆς ἀκολουθίας τῶν πεπραγμένων ἡμῖν φυλαττομένης; 36,14–15: τὴν τάξιν ἀκολούθως φυλάττεσθαι; 36,18: κατὰ τὴν ἔνθεσμον ἀκολουθίαν; 190,36: ἡ τάξις [...] τῶν πεπραγμένων; 192,4: ἡ ἀκολουθία τῶν πεπραγμένων; 192,12–13: συνοδικῶς [...] ἐξ ἀποστολικῆς ἢτοι κανονικῆς [...] δικαιοκρισίας. 51 So: Riedinger, Griechische Konzilsakten, (s. Anm. 39), 53. 52 So deutete Conte, Il Sinodo Lateranense, (s. Anm. 36), 129–131, diese Aussagen. Er wollte daraus die tatsächliche Rechtmäßigkeit und Historizität der einzelnen Sitzungen ableiten. 53 So: Price, Aspects, (s. Anm. 42), 52; Ders., in: Price/ Booth/ Cubitt, Acts (s. Anm. 32), General Introduction, 65. Er will aus diesen Aussagen ein Argument gegen die These Riedingers über den Verlauf der Sitzungen gewinnen. 54 Dieser war zusammen mit 4 weiteren Regionarnotaren für die Bereithaltung und Verlesung der Aktenstücke zuständig. Der Primicerius notariorum leitete das Kollegium der Notare als Gruppe der päpstlichen Verwaltung. Den Notaren unterstand das Archiv der römischen Kirche. Vgl: Jeffrey Richards, The Popes and the Papacy in the Early Middle Ages 476–752, London 1979, 289–306; Thomas F. X. Noble, The Republic of St. Peter. The Birth of the Papal State 680–825, Philadelphia 1984, 212–230.

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der Einberufung zu benennen, „damit die feierliche Eröffnung der Synodalverhandlungen satzungsgemäß und zutreffend erfolge.“55 Papst Martin, den das exordium der Akten als Vorsitzenden nennt,56 gibt in seiner sehr umfangreichen Eröffnungsansprache57 als Gründe sodann die große Beunruhigung der Gläubigen „in fast der gesamten Ökumene“ an, die sich in einer Vielzahl von Gesuchen, Beschuldigungen und Petitionen (ἐγκλήσεις ἤτοι αἰτίαι; ἐν εὐχαῖς καὶ δεήσεσι; παρακλήσεσιν) zeige, die ihn schriftlich oder durch persönliche Vorsprache erreicht hätten.58 Gegenstand der Anklagen seien Kyros, Sergios, Pyrrhos und Paulos, die das Bekenntnis zugrunde gerichtet und das Zeugnis der Heiligen Schrift sowie der Väter gefälscht und in eine häretische Irrlehre verwandelt (119) hätten.59 Wegen dieser schriftlich vorliegenden Anklagen habe er die Synode versammelt, „damit wir alle gemeinsam über die Genannten und ihre dogmatischen Neuerungen eine Untersuchung durchführen“ und dann jeder einen Beschluss fassen möge.60 Nachdem das Entschuldigungsschreiben des Erzbischofs Maurus von Ravenna,61 der sich vertreten ließ, verlesen und zu den Akten genommen war,62 hielten die beiden Co-Vorsitzenden63 der Synode, die Erzbischöfe Maximus von Aquileia und Deusdedit von Caralis/Sardinia64 Reden, in denen konkrete Verfahrensvorschläge gemacht wurden. Die Zustimmung der Synode zu diesen Vorschlägen bildet den Abschluss der 1. Sitzung.65 Der erste Vorschlag bestand darin, für den Tatsachenbeweis der Schuld der Angeklagten, der Häresie verfal-

55 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 2, p.8,22.24–25 Ried.): Κανονικῶς αὐτοὺς συνεκάλεσαν ἐξ αὐθεντίας ἀποστολικῆς. [...] ἵνα τῶν αὐτῇ πραττομένων συνοδικῶς ἡ προκάταρξις ἔνθεσμος γένηται καὶ εὐάρμοστος. Alle Übersetzungen stammen – sofern nicht anders angegeben – vom Verfasser. 56 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.2,3 Ried.). 57 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.10,6–20,39 Ried.). 58 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.18,34–38 Ried.). 59 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.10,34.38–39 Ried.). 60 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 2, p.20,17–23.34–35 Ried.): Διὰ [...] τὰς διὰ τοῦτο πρὸς τὸν καθ᾿ ἡμᾶς ἀποστολικὸν θρόνον αἰτιασαμένων αὐτους ἐγγράφως δεήσεις [...] πάντας ὑμᾶς [...] συνήγαγον, ἳνα κοινῇ πάντες [...] περὶ τῶν εἰρημένων ἀνδρῶν ἤτοι τῆς αὐτῶν ἐν τοῖς δόγμασι καινοτομίας σκεψώμεθα [...] τὸ δοκοῦν [...] διεξιέτω. 61 PMBZ, Nr. 4916. 62 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.23,31–25,28 Ried.) 63 Dass diese beiden Erzbischöfe eine Co-Präsidentschaft ausübten, ergibt sich aus dem Eingangsvotum des Theophylactus, der von zusammengekommenen und „den Vorsitz ausübenden Bischöfen“ spricht: ACO ser. II 1, p.8,25–26 (Ried.). Maximus und Deusdedit sind deshalb auch nach Martin die häufigsten Redner auf der Synode. 64 PMBZ, Nr. 4926 und 1329. 65 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.26,1–28,34 Ried.).

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len zu sein, ein Kriterium zu benennen, das dem Urteil der Synode zugrundgelegt werden soll.66 Der zweite vom Bischof von Aquileia vorgetragene Vorschlag betraf den modus procedendi im Anklageverfahren: „Damit wir aus dem offensichtlichen Tatbestand im Verfahren gegen die angeklagten Personen, Kyros, Sergios, Pyrrhos und Paulos, nicht noch ein Gewirr entstehen lassen, bitte ich darum, dass uns höchstens durch Einen oder Zwei fortlaufend über sie Kenntnis gegeben wird.“ Danach aber sollten auch deren Schriften bekannt gemacht werden, „welche allerdings auch ohne Ankläger ein offenkundiges Beweismittel darstellen“.67 Weil ihre Schriften sie anklagen, sei ein anderer Anklagegrund (ἡ ἐξ ἑτέρων αἰτίασις) überflüssig. „Dass wir nicht mehrere Ankläger benötigen ‒ auch wenn es sie gibt ‒, wenn denn der Vorwurf gegen die Angeklagten eindeutig ist, darüber werden wir klar durch die uns vorausgegangenen heiligen Synoden (120) belehrt.“68 Maximus von Aquileia verweist sodann auf die Fälle des Nestorius, Eutyches und Dioskur, für die es nur einen Ankläger, nämlich Euseb von Dorylaeum gegeben habe. In den Fällen des Theodor von Mopsuestia und Origenes habe es „bei der fünften Synode“ gar keinen Ankläger gegeben, denn die Schriften hätten „für ihre Anklage und den Vorwurf“ gereicht (πρὸς κατηγορίαν αὐτῶν καὶ μέμψιν). Wenn man jetzt so verfahre, „werde die Verfahrensordnung von uns eingehalten“ (τῆς ἀκολουθίας τῶν πραττομένων ἡμῖν φυλαττομένης).69 Nachdem sich Deusdedit von Caralis den Vorschlägen angeschlossen hat, wurde dieses Verfahren von der gesamten Synode mit folgenden Worten beschlossen: „Wir fordern, dass uns allen ‒ auch wenn wir keineswegs darüber unkundig sind ‒ um der Verfahrensordnung willen von den Anklägern der Fall der Angeklagten bekannt gemacht wird.“70 So könne eine noch genauere Prüfung der Angelegenheit erfolgen, als dies hier bereits durch die Schriften jener gegeben sei.

66 Dazu s. u. Anm. 94–98. 67 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.26,24–38 Ried.): Παρακαλῶ δι᾿ ἑνὸς ἢ δύο τὸ πλεῖστον, ἵνα μὴ ὄχλον ἐκ τῶν προδήλως ὁμολογουμένων τοῖς πραττομένοις ποιήσομεν τῶν αἰτιασαμένων προσώπων, Κῦρον καὶ Σέργιον, Πύρρον τε καὶ Παῦλον, ἀκολούθως ἡμῖν γνωσθῆναι τὰ κατ᾿ αὐτούς, εἴτα λοιπὸν καὶ ἐκ τῶν αὐτοῖς ἐκείνοις γεγραμμένων κατὰ τῆς πίστεως, ἅπερ δηλαδὴ καὶ κατηγόρων χωρὶς ἔλεγχος αὐτῶν καθέστηκε προφανής. 68 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.26,41–28,2 Ried.): ὅτι γὰρ οὐ πλειόνων δέον ἡμῖν τῶν ἐγκαλούντων, εἰ καὶ τυχὸν εἰσίν, ἔνθα πρόδηλός ἐστιν ἡ μέμψις τῶν ἐγκαλουμένων, διδασκόμεθα σαφῶς ἐκ τῶν προηγησαμένων ἡμᾶς ἁγίων συνόδων. 69 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.28,2–7 Ried.). 70 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.28,30–32 Ried.): ἀξιοῦμεν διαγνωσθῆναι πᾶσιν ἡμῖν οὐδαμῶς μὲν ἀγνοουμένην, ὅμως δὲ διὰ τὴν ἀκολουθίαν τῶν πραττομένων ἐκ τῶν αἰτιωμένων προσώπων τὴν τῶν αἰτιασθέντων ὑπόθεσιν.

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9 Was war die Lateransynode von 649? Was sollte sie sein?

In der für den weiteren Verlauf und die Strategie der Synode grundlegenden Eröffnungssitzung begegnet demnach eine Fülle rechtlicher Termini, die die angestrebte rechtmäßige Verfahrensordnung als die eines kirchlich-synodalen Akkusationsprozesses charakterisieren: Gesuche, Petitionen, Anklageschriften, Ankläger, schriftliche Beweismittel, Anklagegrund und Urteilskriterien. Der Begriff ἀκολουθία ist in diesem Zusammenhang ein technischer Ausdruck, der sowohl die „praktische Durchführung von formuliertem Recht“ bezeichnet als auch „das Herkommen, den Gerichtsgebrauch, der unabhängig von einem νόμος eine selbständige Rechtsquelle darstellt.“71 Letzteres gilt im vorliegenden Fall. Auch die auffällige Bezeichnung der einzelnen Sitzungen der Lateransynode als secretarius unterstreicht, dass es sich um ein Gerichtsverfahren handelt.72 Überdies ruft Bischof Maximus die Prozesse gegen den Archimandriten Eutyches durch die Konstantinopler Synodos endemousa im Jahr 448,73 gegen den Konstantinopler Erzbischof Nestorius auf der 1. Sitzung des III. Ökumenischen (121) Konzils von Ephesus (431)74 und den alexandrinischen Erzbischof Dioskur auf der 1. und 3. Sitzung des IV. Ökumenischen Konzil von Chalcedon (451)75 sowie die posthumen Prozesse gegen Theodor von Mopsuestia und Origenes auf dem V. Ökumenischen Konzil in Konstantinopel (553)76 als Präzedenzfälle und Muster für das Verfahren der Lateransynode auf. Vor allem die

71 Artur Steinwenter, Der antike kirchliche Rechtsgang und seine Quellen, in: ZSRG.K 23 (1934), (1–116) 21–22. 72 Darauf hat Rudolf Riedinger hingewiesen: „nach dem Corpus Glossariorum Latinorum 3 (1892), 336,42 eher δικαστήριον = secretarium“ (ACO ser. II 1, Einleitung XXII). 73 Vgl.: Eduard Schwartz, Der Prozess des Eutyches (SBAW.PPH 1929, H. 5), München 1929; Gerhard May, Das Lehrverfahren gegen Eutyches im November des Jahres 448, in: AHC 21 (1989), 1–61. 74 Vgl. z. B.: André de Halleux, La première session du concile d’Éphèse (22 Juin 431), in: EThL 69 (1993), 48–87; Thomas Graumann, Die Kirche der Väter. Vätertheologie und Väterbeweis in den Kirchen des Ostens bis zum Konzil von Ephesus (431) (BhTh 118), Tübingen 2002, 357–393. Die Aussage des Maximus von Aquileia ist an dieser Stelle unzutreffend, weil Euseb von Dorylaeum nur bei den Prozessen gegen Eutyches und Dioskur als Ankläger aufgetreten ist. Im Verfahren gegen Nestorios am 22. Juni 431 in Ephesus gab es im rechtlichen Sinn keinen Ankläger. Vgl. Graumann, a.a.O., 364–365. 75 Vgl. z. B. Monald Goemans, Chalkedon als „Allgemeines Konzil“, in: Alois Grillmeier/Heinrich Bacht (Hgg.), Das Konzil von Chalkedon Bd. I, Würzburg (1951), 51975, (251–289) 264–270; Pierre-Thomas Camelot, Ephesus und Chalcedon (GÖK 2), Mainz 1964, 137–145; Wilhelm de Vries, Das Konzil von Ephesus 449, eine „Räubersynode“?, in: OCP 41 (1975), 357–398. 76 Vgl. z. B.: Francis Murphy/Polycarp Sherwood, Konstantinopel II und III (GÖK 3), Mainz 1974, 106–121; Richard Price, The Acts of the Council of Constantinople of 553 with related texts on the Three Chapters Controversy. Translated with an introduction and notes by Richard Price (Translated Texts for Historians 51,1–2), Liverpool 2009.

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Verfahren des 5. Jahrhunderts machen deutlich, dass kirchliche Lehrverfahren gegen Kleriker und Bischöfe vor einem Synodalgericht inzwischen eine feste Struktur angenommen hatten, die mit Modifikationen den Anklageprozessen staatlicher Gerichte nachgebildet war.77 Der Prozess gegen Eutyches im Jahr 448 macht die einzelnen einzuhaltenden Schritte eines geordneten Verfahrens geradezu mustergültig deutlich, war doch dieses Verfahren durch den Ankläger Euseb von Dorylaeum der Synodos endemousa mit ihrem Vorsitzenden Erzbischof Flavian geradezu aufgezwungen worden und Flavian aufs Äußerste bedacht, keinerlei Verfahrensfehler zu begehen und alle Mittel auszuschöpfen, um zu einem straffreien Ausgang des Verfahrens zu gelangen.78 Die Lateransynode ordnet sich also programmatisch in das bestehende Prozessrecht kirchlicher Lehrverfahren gegen Bischöfe mit einem Ankläger ein, den sog. Akkusationsprozess. Bei einem kirchlichen Akkusationsprozess waren folgende Verfahrensschritte einzuhalten.79 Die als Gericht tagende Synode ist ein sog. Kollektivgericht, d. h. jeder einzelne Bischof ist Richter. Der Vorsitzende muss deshalb ebenfalls (122) Bischof sein,80 ist aber nur ein Richter unter vielen. Er leitet die Verhandlungen, ordnet die einzelnen Verfahrensschritte an, führt gegebenenfalls Verhöre, befragt die Synode nach ihrem Urteil und redigiert und verkündet das Urteil. Dieses muss einstimmig gefällt werden, denn es gilt als „Manifestation des in den Bischöfen wirkenden heiligen Geistes, der nicht mit sich selbst in Widerspruch geraten kann.“81 Es gibt deshalb auch keine Abstimmungen mit Mehr- und Minderheiten. Abgestimmt wird per Akklamation, und jeder einzelne Bischof muss seine Zustimmung schriftlich unter dem Urteilsspruch durch Unterschrift urkundlich bezeugen. Die Bischöfe haben das Recht, ihre Meinung durch Wortmeldungen zur Geltung zu bringen. Über das Verfahren muss wie im staatlichen Verfahren ein Protokoll im sog. gesta-Stil geführt werden, modern gesprochen ein Verlauf-

77 Vgl.: Schwartz, Prozess des Eutyches, (s. Anm. 73), 66; Artur Steinwenter, Studien zum römischen Versäumnisverfahren, München 1914; Ders., Rechtsgang (s. Anm. 71), 22–29; Theodor Mommsen, Römisches Strafrecht, (Leipzig 1899) ND Graz 1955, 343–351. 78 Vgl. dazu ibs. May, Lehrverfahren (s. Anm. 73). 79 Vgl.: Steinwenter, Rechtsgang (s. Anm. 71), 29–85; Schwartz, Prozess des Eutyches, (s. Anm. 73), 66–75; Spiros N. Troianos, Ἡ Ἐκκλησιαστικὴ Διαδικαισία μεταξύ 565 καὶ 1204, Athen 1969; May, Lehrverfahren (s. Anm. 73). 80 Deshalb wird die 3. Sitzung von Chalcedon auch nicht mehr von den 18 kaiserlichen Beamten geleitet, die das Konzil eröffnet und bis dahin den Vorsitz ausgeübt hatten, sondern von dem päpstlichen Legaten, Bischof Paschasinus von Lilybaeum (ACO ser. I 2,1,2 p.3,7; 8,22 [Schwartz]). 81 Schwartz, Prozess des Eutyches, (s. Anm. 73), 69–70.

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sprotokoll in direkter Rede und Dialogform.82 Dieses wird von den Notaren des Vorsitzenden aufgenommen, aber auch die einzelnen Bischöfe können ihre Notare mitbringen.83 Weiterhin musste die Zuständigkeit des Gerichtshofes gegeben sein. Nach dem in Geltung stehenden Kirchenrecht84 war ein Bischof vor der Synode seiner Provinz unter dem Vorsitz des Metropoliten zu richten. Für Metropoliten war die nächstgrößerer Synode unter dem Vorsitz des Erzbischofs/Patriarchen zuständig. Darüber stand nur noch das Ökumenische Konzil. Das Verfahren wird eigentlich erst durch den Ankläger (κατήγορος) in Gang gebracht. Dieser muss persönlich anwesend sein und eine schriftliche und persönlich unterzeichnete Anklageschrift vorlegen (κατηγορικὸς λίβελλος; δέησις καὶ ἱκεσία; ἀναφορά). Der Anklagelibell hat bestimmte Bedingungen zu erfüllen. Er muss die Klagepunkte enthalten, ohne schon einen vollständigen Beweis bieten zu sollen. Denn dieser muss erst im Verlauf des Verfahrens (123) erbracht werden. Dazu kann der Kläger später Beweisanträge stellen und Zeugen benennen, die dann auch gehört werden müssen, und auf Grund schriftlicher Zeugnisse einen Urkundenbeweis führen. Weiterhin muss der Libell ein Sachbegehren enthalten, also die Feststellung der Häresie und eine Prozessbitte über das einzuschlagende Verfahren. In die Prozessbitte gehört, „sofern der Gegner nicht ohnedies schon als Mitglied der Synode anwesend ist, dessen Ladung vor die Synode.“85 Wegen der prominenten Stellung des Klägers wird dieses Verfahren Akkusationsprozess genannt.86 Sind diese Bedingungen er-

82 Konzilsprotokolle als Verhandlungsprotokolle sind „eine unabdingbare Notwendigkeit, wenn das Konzil gerichtliche Funktionen ausübt“: Evangelos Chrysos, Konzilsakten, in: Friedhelm Winkelmann/Wolfram Brandes (Hgg.), Quellen zur Geschichte des frühen Byzanz (4.–9. Jahrhundert), Berlin 1990, (149–155) 150. 83 Auf der 2. Synode von Ephesus (449) hatten neben den drei Vorsitzenden mehrere Bischöfe ihre eigenen Notare mitgebracht. Deren Aufzeichnungen wurden jedoch von Dioskur eingezogen. Das von ihm autorisierte Protokoll erwies sich so in der 1. Sitzung von Chalcedon (451) als gefälscht. Vgl.: ACO ser. I 2,1,1 p.87,10–88,4 (Schwartz). 84 Concilium Antiochenum (a.341?), Can. 14.15; Concilium Chalcedonense a. 451, Can. 9: Pierre-Periclès Joannou, Discipline générale antique (IIe–IXe s.), Grottaferrata (Roma) 1962, I 2, 115–116; I 1, 76–77. 85 Steinwenter, Rechtsgang (s. Anm. 71), 40. 86 Davon zu unterscheiden ist ein synodales Gerichtsverfahren als sog. Kognitionsprozess. Hier treten keine Ankläger im engeren Sinne auf, sondern der Anklagegrund wird erst im Laufe der gerichtlichen Untersuchung und des dazu gehörenden Verhörs (cognitio) erhoben. Ein solcher Kognitionsprozess wurde z. B. gegen Bischof Palladius von Rithiaria wegen des Verdachts auf Arianismus unter dem Vorsitz des Ambrosius von Mailand im Jahr 381 in Aquileia durchgeführt. Vgl. dazu: Hermann Joseph Sieben, Konzilsidee (s. Anm. 45), 482–492; Jean M. Hanssens, Il concilio di Aquileia del 381 alla luce die documenti contemporanei, in: ScC 103 (1975), 562–644; Daniel H. Williams, Ambrose of Milan and the End of the Nicene-Arian Con-

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füllt, wird das Verfahren eröffnet, indem der Vorsitzende und die Synode die Klage annehmen und die Anklageschrift verlesen und zu den Akten genommen wird. Der Kläger muss sich darüber im Klaren sein, dass er den Beweis zu führen hat und die gesamte Beweislast bei ihm liegt. Gelingt der Beweis nicht, droht die Verurteilung des Anklägers wegen Verleumdung nach dem sog. Talionsprinzip mit eben der Strafe, die die erfolgreiche Anklage zur Folge gehabt hätte. Das weitere einzuschlagende Verfahren besteht im Kern in der Vorladung des Beklagten zu einem bestimmten Termin. Dem Beklagten muss die Klageschrift zugestellt werden, die von einer bischöflichen Delegation überbracht wird. Notare halten die Reaktion des Beklagten fest und berichten dem Gericht darüber. Der Beklagte kann Krankheit oder andere Verhinderungsgründe angeben, die zu einem neuen Verhandlungstermin führen können. Er hat sich vor dem Gericht selbst zu verteidigen und kann dazu seinerseits Zeugen benennen, die vorzuladen sind. Es kommt dann zum sog. kontradiktorischen Verfahren. Nach der ebenfalls bereits kirchenrechtlich fixierten und allgemein praktizierten Norm87 kann die Vorladung maximal drei Mal durchgeführt werden. Folgt der Beklagte auch der dritten Ladung nicht, muss er damit rechnen, dass der Prozess in ein sog. Kontumazialverfahren übergeht, d. h. ein Versäumnisverfahren, bei dem in einseitiger Verhandlung in Abwesenheit (124) des Angeklagten das Urteil gefällt wird.88 Jedenfalls ist ohne die sog. Versäumnisladung als zweite und dritte Ladung „ein regelrechtes Verfahren gegen einen Abwesenden nicht zulässig, weil diesem unter allen Umständen die Möglichkeit sich zu verteidigen gewahrt bleiben muß.“89 Auch bei erwiesener Schuld ist die Verurteilung nicht der einzig mögliche Abschluss des Verfahrens. Angestrebt wird die Einsicht des Angeklagten in die Verirrung, so dass nach einem Widerruf von einer Verurteilung abgesehen werden kann. Auf der Lateransynode wurden im weiteren Verlauf davon folgende Verfahrensschritte durchgeführt: Während des secretarius II am 8. Oktober 649 wurden in Gegenwart der Ankläger zwei Anklagelibelli und weitere ältere Anzeigen

flicts (OECS), Oxford 1995, 154–184. Ebenso war der Prozess gegen Nestorios ein Kognitionsverfahren, s. o. Anm. 74. 87 Vgl. Can. App. 74 = Const. Ap. VIII 47,74 (SC 336, 302,331–340 Metzger). Dahinter steht natürlich die Tradition von Dt 19,15; Mt 18,16; 2Kor 13,1. 88 Zwangsvorführungen werden im kirchlichen Verfahren nicht praktiziert. Eutyches war nach langem Zögern schließlich der dritten Ladung gefolgt, während Nestorios und Dioskur auch bei der dritten Ladung ein Erscheinen verweigerten und so im Rahmen eines Kontumazialverfahrens verurteilt wurden. 89 Steinwenter, Rechtsgang (s. Anm. 71), 66.

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vorgetragen.90 Secretarius III91 am 17. Oktober 649 begann im Rahmen eines Urkundenbeweises mit dem Vortrag und der kritischen Beurteilung von als häretisch eingeordneten Texten. Dies waren vor allem Exzerpte aus Werken des Theodor von Pharan, das siebente der 9 Unionskephalaia der alexandrinischen Union von 633, die Ekthesis sowie Auszüge aus den Akten der unter Sergios und Pyrrhos 638 und 639 gehaltenen Konstantinopler Synoden zur Bestätigung der Ekthesis. Zu Beginn von Secretarius IV am 19. Oktober 64992 wurde dies mit dem im Jahr 646/7 an Papst Theodorus geschriebenen Brief93 des Patriarchen Paulos und dem Typos fortgesetzt. Daran schloss sich die Verlesung der dem Urteil zugrunde zu legenden Urteilskriterien an. Als solche wurden zu den Akten genommen: das Nicaenum, das Nicaenoconstantinopolitanum, die 12 Kephalaia aus dem 3. Brief Kyrills von Alexandrien an Nestorios, die als vom III. Ökumenischen Konzils von Ephesus (431) bestätigt präsentiert wurden,94 die Definitio von Chalcedon und die 14 Kanones/Anathematismen des V. Konzils (553). Auf der 5. und letzten Sitzung (secretarius V)95 am 31. Oktober 649 wurde ein weiteres Kriterium hinzugefügt, indem eine kurze Passage aus den Akten der 3. Sitzung des II. Constantinopolitanums verlesen wurde.96 Es handelt sich um eine Bestätigung der Definitionen der ersten vier Ökumenischen Synoden, der zusätzlich eine Treueerklärung zur Lehre der Väter und Lehrer der Kirche97 hinzugefügt worden war. Dort heißt es: „Außerdem aber folgen wir in allem auch den heiligen Vätern und Lehrern der Kirche [...] und anerkennen alles, was von ihnen über den rechten Glauben und die Verurteilung der Häretiker

90 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.31–108 Ried.). Vgl. dazu: Price, in: Price/ Booth/ Cubitt, Acts (s. Anm. 32), 131–139. 91 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.114–179 Ried.). Vgl. dazu: Price, in: Price/ Booth/ Cubitt, Acts (s. Anm. 32), 191–199. 92 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.180–244 Ried.). Vgl. dazu: Price, in: Price/ Booth/ Cubitt, Acts (s. Anm. 32), 237–244. 93 Vgl.: Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 104. 94 Mindestens seit der Mitte des 6. Jahrhunderts hatten die 12 Kephalaia Kyrills, die tatsächlich durch das I. Ephesenum rezipiert worden waren, im Osten einen offiziellen Status erlangt. Vgl.: Graumann, Kirche der Väter (s. Anm. 74), 36–41; Price, The Acts of the Council of Constantinople of 553 (s. Anm. 76), Bd. 1,66–71. 95 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.247–403 Ried.). Vgl. dazu: Price, in: Price/ Booth/Cubitt, Acts (s. Anm. 32), 286–301. 96 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.254,26–256,8 Ried.) = Concilium Constantinopolitanum II (553): ACO ser. I 4,1, p.37,12–31 (Straub). 97 Genannt werden folgende 12 Väter: Athanasius, Hilarius, Basilius, Gregor von Nazianz, Gregor von Nyssa, Ambrosius, Augustinus, Theophilus, Johannes Chrysostomus, Kyrill, Leo und Proclus.

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dargelegt wurde.“98 Es folgen sechs thematisch sortierte Florilegien99 von insgesamt 165 Chrēseis, mit denen im Sinne eines Tatsachenbeweises nachgewiesen werden soll, dass Dyotheletismus und Dyenergismus in der Theologie der Väter fest verankert sind. Den Höhepunkt und Schluss der Akten bilden drei Reden von Maximus von Aquileia, Deusdedit von Caralis und Papst Martin, die das Ergebnis des Prozesses darlegen. Dieses wird abschließend in 20 Kanones/ Anathematismen zusammengefasst, die von allen Bischöfen unterschrieben wurden.100 Trotz dieser scheinbaren Rechtsförmigkeit des Verfahrens lassen sich bei näherem Zusehen schwerwiegende Verfahrensbrüche feststellen.

2 Verfahrenstreue und Verfahrensbruch der Lateransynode in secretarius I Es muss auffallen, dass zu Beginn der Lateransynode von mehreren Rednern als erstes betont wird, dass die Synode rechtmäßig von Papst Martin versammelt wurde. Bereits der Primicerius notariorum Theophylactus beginnt sein (126) Eingangsvotum in secretarius I mit der Feststellung, dass der Papst die Synode „kanonisch“ und „mit apostolischer Autorität“ eingeladen habe.101 Der erste Ankläger, der palästinische Bischof Stephanos von Dora102, redet in secretarius II die Synode in der Überschrift zu seinem Libellus an als „durch die Gnade Gottes und auf den anerkanntermaßen herausragenden Befehl“103 des Papstes zusammengekommen. Die Anklageschrift der griechischen Mönchsgruppe104 formuliert ‒ ebenfalls in der Überschrift zu ihrem Libellus ‒ sogar, dass die Synode „auf frommen Befehl und Anordnung unseres und aller gotter-

98 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.254,36–256,2 Ried.): πρὸς τούτοις δὲ ἀκολουθοῦμεν ἐν ἅπασι καὶ τοῖς ἁγίοις πατράσι καὶ διδασκάλους τῆς ἐκκλησίας [...] καὶ δέχόμεθα πάντα τὰ παρ᾿ αὐτῶν περὶ τῆς ὀρθῆς πίστεως καὶ εἰς κατάκρισιν τῶν αἱρετικῶν ἐκτεθέντα. 99 „1. Über die natürlichen Wirkweisen; 2. Über die natürlichen Willen; 3. Über die natürlichen Willen Christi unseres Gottes; 4. Über die natürlichen Wirkweisen Christi unseres Gottes; 5. Chrēseis von Häretikern, die Vermischung lehren; 6. Chreseis von Häretikern, die Trennung lehren“ (ACO ser. II 1, p.258,1–334,35 [Ried.]). 100 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.368,1–400,35 Ried.). 101 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.8,22 Ried.): κανονικῶς αὐτους συνεκάλεσαν ἐξ αὐθεντίας ἀποστολικῆς. 102 Zu seinem Libellus s. u. zu Anm. 107–110.144–147. 103 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.38,11 Ried.): κατὰ χάριν θεοῦ καὶ κέλευσιν ἔγκριτον. 104 Zu ihr und ihrem Libellus s. u. bei Anm. 148–165.

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wählten Vorsitzenden und die Führerschaft ausübenden Priesters der Priester und Vaters der Väter, unseres Herrn, des dreimalseligen Papstes“ versammelt wurde.105 Damit nicht genug, werden diese Titulierungen von denselben Rednern auch noch primatstheologisch entfaltet. Theophylactus beschließt seine Aufforderung an Martin, zur Eröffnung als erster das Wort zu ergreifen, mit der Aussage, dass der Papst alle überstrahle „wegen seiner höchsten und alle, die in der gesamten Welt priesterlich wirken, apostolisch überragenden hierarchischen Stellung und ihrer Gründung“.106 Stephanos von Dora bietet am Anfang seines Libellus eine ausführliche Begründung der Zuständigkeit der Lateransynode für diesen Prozess. Weil die Angeklagten „die gesamte katholische Kirche in Aufruhr versetzt haben“ und „weil fast alle gottgeliebten Bischöfe und christusliebenden Völker im Osten dies verlangen“,107 könne diese Angelegenheit nur durch den Stuhl, „der über alle herrscht und alle überragt, nämlich Euren an der Spitze stehenden und alles übertreffenden (sc. Stuhl)“ geheilt werden.108 Es sei ein „Gewohnheitsrecht, dies in aller Vollmacht von jeher und von Anfang an aus apostolischer und (127) kanonischer Autorität zu tun“.109 Außerdem habe Sophronios von Jerusalem vor seinem Ableben ihn auf dem Golgothahügel beschworen, die Angelegenheit durch wiederholte Vorsprache in Rom „kanonisch“ zu einem siegreichen Ende zu führen, „denn von dort stammen die Fundamente der frommen Lehren“.110 Dazu werden die klassischen Belegstellen der Primatstheologie zitiert: Mt 16,18; Joh 21,16–17; Lk 22,32.

105 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.50,28–30 Ried.): κατὰ κέλευσιν ὁσίαν καὶ πρόσταξιν τοῦ θεοκρίτως ὑμῶν τε καὶ πάντων προκαθεζομένων τε καὶ ἐξάρχοντος ἱερέων ἱερέως καὶ πατρὸς πατέρων, δεσπότου Μαρτινοῦ, τοῦ τρισμακαρίστου πάπα. „Κέλευσις“ ist eigentlich ein technischer Begriff für kaiserliche Mitteilungen an untergeordnete Herrscher. Darauf hat Alexander Alexakis hingewiesen (Ders., Before the Lateran Council of 649: The Last Days of Herakleios the Emperor and Monotheletism, in: AHC 27/28 [1995/6] [93–101] 98 Anm. 21.) 106 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.8,26–28 Ried.): διὰ τῆς κορυφαίας καὶ πάντων ἀποστολικῶς ὑπερκειμένης τῶν ἀνὰ πᾶσαν ἱερωμένων τὴν οἰκουμένην ἱεραρχίας αὐτῆς καὶ ἱδρύσεως. 107 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.38,36; 42,3–5 [Ried.])): πᾶσαν τὴν καθολικὴν ἐκκλησίαν ταράξαντες; τὰς περὶ τούτου σχεδὸν παρὰ πάντων τῶν ἐν τῇ Ἀνατολῇ φιλοθέων ἐπισκόπων καὶ φιλοχρίστων λαῶν αἰτήσεις. 108 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.38,41–42 Ried.): τῇ πασῶν ἀρχούσῃ καὶ ὑπερκειμένῃ καθέδρα, λέγω δὴ τῇ καθ᾿ ὑμᾶς κορυφαίᾳ καὶ ὑπερφυεῖ, πρὸς τὴν τοῦ συμπεσόντος ἴασιν τραύματος. 109 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.38,43–40,1 Ried.): τοῦτο πράττειν ἐξουσιατικῶς ἄνωθεν καὶ ἐξ ἀρχῆς ἐξ ἀποστολικῆς ἤτοι κανονικῆς εἴωθεν αὐθεντίας. 110 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.40,33 Ried.): ἔνθα τῶν εὐσεβῶν δογμάτων εἰσὶν αἱ κρηπίδες.

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Der Libellus der Mönche betont, dass sich die Herzen aller „von überall her (πανταχόθεν) nach Gott zu euch erheben, seid ihr doch durch Christus zum obersten Haupt gesetzt worden, wie die Kirchen wissen“.111 Stellung und Ausführlichkeit dieser Voten112 machen deutlich, dass den Organisatoren der Synode die Notwendigkeit einer Begründung für deren Zuständigkeit sehr bewusst gewesen ist. Vor allem die ganz aus dem Rahmen fallenden Ausführungen des Stephanos von Dora belegen dies. Denn mitnichten ist es die Aufgabe des Anklägers, die Kompetenz einer Synode zu begründen, bei der er seine Klageschrift einreicht! Ihm und den griechischen Mönchen kommt aber hier anscheinend diese Aufgabe in besonderer Weise zu, weil so aus dem Mund eines östlichen Bischofs und östlicher Mönche deutlich gemacht werden soll, dass der Anspruch auf Zuständigkeit des römischen Bischofs auch von Sophronios und „fast allen“ Bischöfen und Völkern im Osten geteilt werde. Diese Zuständigkeit ist aber keineswegs selbstverständlich. Denn nach geltendem Recht wäre ein Lehrverfahren gegen 4 Patriarchen, darunter den gegenwärtig amtierenden von Konstantinopel, alleinige Angelegenheit einer Ökumenischen Synode, die bekanntlich vom Kaiser einzuberufen wäre. Damit war natürlich unter der Herrschaft Konstans II. (641–668)113 gar nicht zu rechnen. Indem der römische Bischof nun eine entsprechende Synode mit „apostolischer Autorität“ aufgrund seines Primates einberuft und durchführt, wird im Grunde genommen die sogenannte kaiserliche „Synodalgewalt“ in Frage gestellt und ein gesamtkirchliches Richteramt des römischen Bischofs beansprucht, das der kaiserlichen Autorität vorgeordnet ist. Maximos Homologetes, der als Autor hinter diesen Ausführungen anzunehmen ist, hatte nicht lange vor der Synode in Rom einem kaiserlichen Gesandten gegenüber verneint, dass „der Kaiser auch Priester“ sei (ὅτι καὶ ἱερεύς ἐστιν ὁ βασιλεύς), und (128) damit die über die Melchisedektypologie begründete Autorität des christlichen Kaisertums in kirchlichen Angelegenheit prinzipiell in Frage gestellt. Während seines Hochverratsprozesses am 16. und 23./24. Mai 655 war dies einer der Hauptanklagepunkte.114 Meines Erachtens verbirgt sich hinter der gleich zu Beginn der Synode vom Primicerius no111 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.52,34 f. Ried.): πάντων εἰς ὑμᾶς ἤρτηνται μετὰ θεὸν αἱ καρδίαι, κορυφαίαν ὑμᾶς ὑπὸ Χριστοῦ τεθειμένους ἐπισταμένων τῶν ἐκκλησιῶν κεφαλήν. 112 Sie ließen sich noch durch weitere Beispiele ergänzen. Vgl. z. B. die überraschend steile Primatstheologie im Brief des Sergios von Konstantia/Salamis an Papst Theodorus: ACO ser. II 1, p.60,36–62,9 (Ried.). Zu diesem Brief vgl. u. bei Anm. 207–209. 113 PMBZ, Nr. 3691. 114 Relatio motionis inter Maximum et principes (CCSG 39, 21,115–27,206 Allen/Neil). Vgl. dazu: Ohme, Maximus Confessor (†662): Martyrium (s. Anm. 9), 321–325; Gilbert Dagron, Emperor and Priest. The Imperial Office in Byzantium, Cambridge 2003, 173–183.

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tariorum Theophylactus benutzten etwas vagen Wendung, dass der römische Bischof „alle, die in der gesamten Welt priesterlich wirken“, überrage (s. o.), bereits die beanspruchte Überordnung in allen kirchlichen Angelegenheiten auch über den Kaiser als Priester und damit das Recht zur Einberufung einer Synode, die nach Aufgabe und Bedeutung nur eine ökumenische sein könnte. In dieser Perspektive ist meines Erachtens auch der von Maximos nach der Synode geäußerte Anspruch zu sehen, dass die Lateransynode eine Ökumenische Synode sei. Unterstrichen wird diese beanspruchte Ökumenizität auch durch die Zweisprachigkeit der Akten. Diese wurden nun unmittelbar nach Abschluss der Synode vom Papst an den Kaiser geschickt,115 während es bislang kaiserliches Vorrecht war, die Akten Ökumenischer Synoden den Kirchen zuzusenden. Die sich hier zeigende Verschiebung in der Konzeption einer Ökumenischen Synode wird bei Maximos Homologetes gerade an der Stelle deutlich, wo er diesen Anspruch in Opusculum theol. et pol. 11 begründet.116 Denn sie erfolgt im Kontext einer Hervorhebung der römischen Kirche, aus der wegen ihres Bekenntnisses und Glaubens der Glanz der väterlichen und heiligen Lehren aufblitze, „wie es die gotterwählten und erhabenen heiligen sechs (!) Synoden lauter und höchst fromm dargelegt haben.“ Von Anfang an hätten alle Kirchen eben dort „das einzige Fundament und die einzige Grundlage“. Denn wegen der Verheißung Christi würden die römische Kirche die Pforten der Hölle nicht überwinden. Sie habe die Schlüssel des orthodoxen Glaubens und Bekenntnisses, sie erschließe die wirkliche und einzige Frömmigkeit und stopfe den Häretikern das Maul.117 Das schon länger beobachtete Phänomen, dass Maximos wie kein anderer östlicher Theologe vor und nach ihm Autorität, Primat und Privilegien der römischen Kirche betont hat,118 zielt meines Erachtens letztlich (129) ganz auf die Autorität der Lateransynode ab und damit indirekt auch auf die „ökumenische“ Durchsetzung seiner eigenen Theologumena. Entsprechend wurde diese Synode auch mit einer formal und inhaltlich dominanten Stellung des Papstes konzipiert. Vom gesamten Aktentext

115 Vgl. u. Anm. 257. 116 S. o. Anm. 43. 117 Maximus Conf., Opusculum theol. et pol. 11 (PG 91,137D–140A): καθῶς αἱ θεόληπτοι καὶ θεοπέσιοι εἰλικρινῶς καὶ πανευσεβῶς ἐξέθεντο ἅγιαι ἓξ σύνοδοι [...]. Ἀπαρχῆς γὰρ [...] μόνην κρηπῖδα καὶ θεμέλιον αἱ πανταχοῦ τῶν Χριστιανῶν Ἐκκλησίαι τὴν αὐτόθι μεγίστην ἐκτήσαντο τε καὶ ἔχουσιν. 118 Vgl.: Jean-Claude Larchet, Maxime le Confesseur, médiateur entre l’Orient et l’Occident, Paris 1998, 124–201; Ders., Saint Maxime le Confesseur, Paris, 2003, 198–210. Diese Tatsache wird gerne von römisch-katholischen Autoren hervorgehoben. Vgl. Pietro Conte, Chiesa e Primato nelle lettere die papi del secolo VII, Rom 1971, 118–120.372–374; Sieben, Konzilsidee (s. Anm. 45), 494–498. Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass der traditionelle römische Primatsanspruch hier im o. g. Sinne instrumentalisiert wird.

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entfallen 44% auf Reden;119 62 % davon sind Reden Papst Martins,120 die eine Schlüsselstellung im Verlauf der ganzen Synode einnehmen! Inhaltlich fasst Maximus von Aquileia diese Konzeption in seiner Schlussrede in secretarius IV zusammen: Gott habe „den heiligen Geist eines von Eifer erfüllten Mannes erweckt, dessen Name Martin ist, der uns fromm zusammengerufen hat und in apostolischer Weise den Vorsitz ausübt [...]. Er hat die Untersuchung geführt, wie ihr gesehen habt, [...] und sie (sc. die Häretiker) aus ihrem eigenen Mund überführt. [...] Deshalb preisen wir ‒ die ganze Synode übereinstimmend ‒ Gott, der die rettet, die auf ihn hoffen, dass er ihnen (sc. den Häretikern) dies angetan hat [...] durch die Hand seines Dieners, d. h. durch die kanonische Autorität und Vollmacht, die ihm durch den Geist übergeben wurde.“121

Die Lateransynode kann somit meines Erachtens als der erste frühmittelalterliche Versuch betrachtet werden, die Institution der Ökumenischen Synode durch ein päpstlich geleitetes Concilium universale abzulösen. Entsprechend kommt der äußerst langen Eröffnungsrede Papst Martins in secretarius I über die bereits oben genannten122 Verfahrensvorschläge hinaus besondere Bedeutung zu. Denn sie schildert nicht nur die aufgetretenen Differenzen, die wegen der Verunsicherung der Gläubigen einer Klärung zugeführt werden müssten, sondern hat bereits den Charakter einer Anklageschrift, in der im Grunde genommen das Urteil der Synode vorweggenommen wird. Nicht nur werden die Angeklagten sofort als Häretiker bezeichnet,123 sondern es wird unter Zitierung patristischer Chrēseis mit besonderer Hervorhebung des Tomus Leonis124 bereits hier eine breit ausufernde Beweisführung (130) vorgenommen, die den größten Teil der Rede einnimmt.125 So führt Martin aus, dass die alexandrinische Unionsformel von 633126 und die Ekthesis127 auf Apolinarismus

119 Riedinger, Die Lateransynode von 649, (s. Anm. 32), 173. 120 S. dazu u. bei Anm. 192–194. 121 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.236,1–13 Ried.): ἐξήγειρεν ὁ θεὸς τὸ πεῦμα τὸ ἅγιον ἀνδρὸς εὐζηλώτου, οὗ ὄνομα Μαρτῖνος, τοῦ ὁσίως συγκαλέσαντος καὶ ἀποστολικῶς ἡμῶν προκαθεζομένου [...] ἀνακρίνας οὖν, ὡς ὁρᾶτε [...] καὶ συνέστησεν αὐτοὺς ἀπὸ τοῦ στόματος αὐτῶν [...]. διὸ πᾶσα συμφώνως ἡ σύνοδος εὐλογοῦμεν τὸν θεὸν τὸν σώζοντα τοὺς ἐλπίζοντας ἐπ᾿ αὐτόν, ὅτι ἐποίησεν αὐτοῖς [...] διὰ χειρὸς θεράποντος αὐτοῦ, ταὐτὸν δὲ λέγειν τῆς ἐνδοθείσης αὐτῷ παρὰ τοῦ πνεύματος κανονικῆς αὐθεντίας καὶ ἐξουσίας. 122 S. o. bei Anm. 63–70. 123 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.14,38–39;16,30–31;18,9–10 u.ö. Ried.) 124 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.14,15–15,34 Ried.). 125 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.12,8–18,31Ried.). 126 S. o. Anm. 13. 127 S. o. Anm. 6.

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und Monophysitismus hinausliefen.128 Papst Leo I. und mit ihm die Synode von Chalcedon würden klar einen doppelten natürlichen Willen und eine doppelte natürliche Wirkweise lehren. Demgegenüber seien Sergios und Kyros bestrebt gewesen, Leo, alle Väter und die Synode von Chalcedon zu verwerfen (ἐκβάλλειν).129 Ebenso wird über Pyrrhos das Urteil der Irrlehre (κακοδοξία) und Apostasie (ἀποστασία) gefällt,130 Paulos als Anhänger „dieser absurden Häresie“ bezeichnet131 und schließlich der Typos verworfen. Die dem Papst zugebilligte Rolle eines gesamtkirchlichen Richteramtes sprengt mit ihrer Durchführung somit schon in der ersten Rede Martins die beanspruchte „kanonische“ und „satzungsgemäße“ Verfahrensordnung eines kirchlichen Akkusationsprozesses, insofern der Vorsitzende des Gerichtshofes hier als Ankläger auftritt und das Urteil vorwegnimmt. Damit ist einer tatsächlichen Rechtsförmigkeit des Verfahrens von Anfang an der Boden entzogen. Nachdem der Papst mit dieser Rede bereits eindeutig Kriterien für eine Urteilsfindung und auch das Urteil selbst vorweggenommen hatte, wandte sich ‒ wie oben erwähnt ‒ nun Maximus von Aquileia im Rahmen seiner beiden Verfahrensvorschläge mit einer Zusammenfassung des theologischen Kriteriums an die Synode, die abschließend bestätigte, dass dies die rechte Lehre der Kirche sei, die sie bekenne und die dem Urteil zugrunde gelegt werden soll. Maximus führte aus: „Jeder, der den Unterschied zwischen den natürlichen Willensvermögen und Wirkweisen desselben und einen Christus leugnet, verneint damit gleichzeitig ganz offensichtlich (ἐκδήλως) auch den Unterschied seiner Naturen, aus denen und in denen er existiert.“132 Denn es sei unmöglich, dass Christus in der Einheit der Naturen nicht auch die jeweilige natürliche Eigentümlichkeit (τὴν φυσικὴν (131) ἰδιότητα) Wille und Wirkweise behalte. Wer so denke, verwerfe die Synode von Chalcedon und alle heiligen Väter, habe doch Chalcedon klar definiert, „dass der Unterschied der beiden Naturen Christi nach der Einigung nicht aufgehoben wird, indem die natürliche Eigentümlichkeit einer jeden Natur ohne jede Einschränkung (ἀνελλιπῶς) bewahrt wird, allein außer der Sünde“.133 Damit werde „im eigentlichen Sinne definiert“ (διὰ τοῦτο κυρίως ὁρίζεται), dass „das

128 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.12,18.22–23 Ried.). 129 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.16,21–24 Ried.). 130 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.16,33–18,7 Ried.). 131 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.18,9–10 Ried.): συνέσφιξε καθ᾿ ἑαυτοῦ καὶ αὐτὸς τὴν τοιαύτην ἄτοπον αἵρεσιν. 132 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.26,8–11 Ried.): ὅτι πᾶς ὁ τὴν διαφορὰν τῶν τοῦ αὐτοῦ καὶ ἑνὸς Χριστοῦ φυσικῶν θελημάτων καὶ ἐνεργειῶν ἀπαρνούμενος ἐκδήλως καὶ τὴν τῶν αὐτοῦ φύσεων, ἐξ ὧν καὶ ἐν αἷς ὑπάρχει, συνεξαρνεῖται διαφοράν. 133 ACO ser. II 1, p.26,16–18 (Ried.).

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göttlichen Wollen und göttliche Wirken“ eine Eigentümlichkeit der göttlichen Natur Christi sei und sein „menschliches Wollen und menschliches Wirken“ eine Eigentümlichkeit der menschlichen Natur.134 Wer somit offenkundig (προδήλως) die Proprietäten jeder Natur verwerfe, beseitige auch den Unterschied der Naturen und damit auch die Synode von Chalcedon. Wie oben dargelegt135 hat die Synode in secretarius IV die Glaubensbekenntnisse und Horoi der fünf Ökumenischen Synoden und einen Text aus den Akten des V. Konzils als Kriterien für ihr Urteil benannt. Hier wird darüber hinaus deutlich, dass es im Kern die Zwei-Naturen-Lehre der Synode von Chalcedon ist, die im Zentrum steht und deren Horos auch zitiert wird.136 Sie wird allerdings wie bereits in der Rede des Papstes einer bestimmten Interpretation unterzogen. Dazu gehören zwei Prämissen, die den maximianischen Syllogismus Monotheletismus = Monophysitismus erst ermöglichen. Die erste Prämisse betrifft die Ontologie und besteht in der These, dass θέλημα und ἐνέργεια Proprietäten der menschlichen und göttlichen φύσις seien. Dieses von Maximos Homologetes in den Jahren zuvor entwickelte Argument kann durchaus auf der Grundlage des die Christologie prägenden ontologischen Denkens als ein wesentlicher Beitrag zur Klärung der in Frage stehenden Problematik verstanden werden und hat sich schließlich zu Recht auch theologisch durchgesetzt. Mitnichten aber ist dies bereits im Horos von 451 enthalten, weil Chalcedon die Willens- und Energienproblematik gar nicht im Blick hatte. Verräterisch sind die Formulierungen des Bischofs von Aquileia, dass ausgerechnet dies ἐκδήλως und ἀνελλιπῶς der Fall sei und sogar von Chalcedon κυρίως definiert worden sei. Sie machen deutlich, auf wie dünnem Eis diese Argumentation sich bewegt. Von daher erklärt sich auch der in secretarius V zu den Synodalbekenntnissen und -horoi nachgeschobene Auszug aus den Akten (132) des V. Ökumenischen Konzils.137 Denn damit wird die Beweislast des anhand des Horos von Chalcedon eigentlich nicht Beweisbaren nun dem Väterbeweis zugewiesen. Aber auch dieses Verfahren kann als gescheitert betrachtet werden. Denn sog. monenergetische und monotheletische Formulierungen finden sich zuvor sowohl bei pro-chalcedonensischen wie miaphysitischen Autoren, dyotheletische jedoch nicht.138

134 ACO ser. II 1, p.26,18–22 (Ried.). 135 S. o. bei Anm. 94–98. 136 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.26,12–14.18–19.23.24 Ried.). Die Formulierungen stimmen nicht völlig überein. Vgl. App. z. St. 137 S. o. bei Anm. 95–98. 138 Vgl. z. B. Lange, Mia Energeia (s. Anm. 8), 417–447; Karl-Heinz Uthemann, Der Neuchalkedonismus als Vorbereitung des Monotheletismus. Ein Beitrag zum eigentlichen Anliegen des Neuchalkedonismus (StPatr 29 [1997], 373–413) = Ders., Christus, Kosmos, Diatribe. Themen

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Die zweite Prämisse besteht in der Unterstellung, dass die Vertreter der Lehre des einen Willens Christi jeden Unterschied zwischen einem den Naturen zuzuordnenden Wirk- und Willensvermögen leugnen. Dies ist nachweislich nicht der Fall gewesen139 und eine deutliche Verzeichnung des Anliegens der „Monotheleten“. Beide Prämissen bilden die wesentliche Voraussetzung, die theologischen Gegner, die ja ohne Einschränkung alle in secretarius IV genannten Bekenntnisse und Entscheidungen der Ökumenischen Synoden teilen, als Leugner des Dogmas von Chalcedon darstellen zu können. Damit enthält nun eine bestimmte, bislang nur in der Theologie des Maximos verankerte Interpretation der Zwei-Naturen-Lehre den Rang eines Urteilskriteriums in einem Lehrverfahren. Dies ist ein deutlicher Unterschied zu früheren Akkusationsprozessen. So hatte sich z. B. die Konstantinopler Synodos endemousa beim Prozess gegen Eutyches darauf verständigt, als Urteilsmaßstab zwei (133) Texte zugrunde zu legen. Zum einen den zweiten Brief Cyrills an Nestorius (Καταφλυαροῦσιν) (CPG 5304), den die Synode von Ephesus (431) bestätigt hatte,140 zum anderen den Brief Cyrills an Johannes von Antiochien vom April 433 (Laetentur caeli) (CPG 5339).141 Die in letzterem enthaltene Unionsformel hatte bekanntlich das mit der Synode von Ephesus ausgebrochene Schisma zwischen Alexandrien und Antiochien überwunden. Zumindest was den zweiten Brief Cyrills an Nestorius anlangt, war hier eine von einer ökumenischen Synode als authentisch anerkannte theologische Interpre-

der frühen Theologie als Beiträge zu einer historischen Theologie (AKG 93), Berlin/New York 2005, 207–255; Richard Price, Monotheletism: a heresy or a Form of Words?, in: StPatr 46 (2010), 221–232; Marek Jankowiak, The Invention of Dyotheletism, in: StPatr 63 (2013), 335– 342; Heinz Ohme, Wer hat den Dyotheletismus erfunden? Zur Frage der Authentizität der Apologia Honorii Papst Iohannes’ IV. (640–642), in: ByzZ 110 (2017), 89–140. 139 Z.B. legen die „monotheletischen“ Gesprächspartner des Maximos während seines Exils nach dem ersten Prozess, die ihn zum Einlenken bewegen wollten, folgendes Bekenntnis ab: „Wir bekennen, dass unser Herr und Gott sowohl einen göttlichen als auch einen menschlichen Willen hat und eine vernunftbegabte Seele; und dass jede vernunftbegabte Natur von Natur aus über Wollen und Wirken verfügt, weil die Bewegung eine Eigenheit des Lebens und der Wille eine Eigenheit der Vernunft ist. Und wir wissen durchaus, dass er (scil. Christus) willensbegabt ist, nicht nur hinsichtlich seiner Gottheit, sondern auch hinsichtlich seiner Menschheit. Also leugnen wir auch nicht seine zwei Willen und Wirkweisen!“; τὸν Κύριον ἡμῶν καὶ θεὸν ὁμολογοῦμεν ἔχειν καὶ θεϊκὴν θέλησιν καὶ ἀνθρωπίνην θέλησιν, καὶ νοερὰν ψυχήν· καὶ πᾶσα νοερὰ φύσις ἔχει τὸ θέλειν ἐκ φύσεως καὶ τὸ ἐνεργεῖν, ἐπειδὴ ζωῆς ἴδιον ἡ κίνησις, καὶ νοῦ ἴδιον ἡ θέλησις. Καὶ θελητικὸν αὐτὸν οἴδαμεν, οὐ θεότητι μόνον, ἀλλὰ καὶ ἀνθρωπότητι. Ἀλλὰ καὶ τὰς δύο θελήσεις αὐτοῦ καὶ ἐνεργείας οὐκ ἀρνούμεθα (Acta in primo exsilio seu dialogus Maximi cum Theodosio ep. Caesareae in Bithynia: CCSG 39,135,676–682 Allen/Neil). 140 Vgl.: Graumann, Kirche der Väter (s. Anm. 74), 370–385. 141 Vgl.: May, Lehrverfahren (s. Anm. 73), 17–18.

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tation der fides Nicaena dem Urteil zugrunde gelegt worden. Auf der Lateransynode aber wird ein kirchlich bislang nicht anerkanntes Theologumenon eines umstrittenen Theologen zum Kriterium eines Lehrverfahrens erhoben. Das stellt eine Neuerung (καινοτομία) dar und ist eine klare Verletzung eines objektiven Verfahrens!

3 Verfahrenstreue und Verfahrensbruch der Lateransynode in secretarius II Im Verlauf von secretarius II am 8. Oktober 649 wurden rechtsförmig die Anklagelibelli persönlich anwesender Kläger und schriftliche Petitionen älteren Datums zur Verlesung gebracht. Zutreffend betonte Papst Martin zu Beginn der Sitzung, dass dies vor einer Überprüfung der Schriften der Angeklagten zu erfolgen habe, um „die Ordnung folgerichtig zu wahren“.142 Als erster erschien der bereits erwähnte Bischof Stephanos von Dora, der Protothronos des Patriarchen von Jerusalem,143 und bat um die Verlesung seiner Anklageschrift (λίβελλος).144 Entsprechend der Verfahrensordnung war dieser Libellus von ihm eigenhändig unterzeichnet und wurde danach auf Anordnung des Vorsitzenden zu den Akten genommen.145 Stephanos erhebt darin gegen Theodor von Pharan und die vier Patriarchen den Vorwurf, dass sie mit ihrer Lehre die Häresie des Apolinarius und des Severus erneuert hätten und fordert die Synode auf, diese „eingedrungene Finsternis der Häresie der verrufenen Apolinarius und Severus von Grund auf zu vernichten“. 146 Begründet wird dies erneut (134) unter Rückgriff auf Formulierungen des Horos von Chalcedon mit eben jenen Argumenten, die am Ende von secretarius I zum Urteilskriterium erhoben wurden. 147 Diese Begründung erfolgt erst im zweiten Teil des Libellus nach den oben dargestellten primatstheologischen Ausführungen zur Zuständigkeit der Synode. Die zweite Anklageschrift (δέησις; λίβελλος) wurde von 36 Äbten und Mönchen vorgebracht, die sich selbst als „Gemeinschaft (κοινόν) der hier gastweise

142 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.36,14–15 Ried.): τὴν τάξιν ἀκολούθως φυλάττεσθαι. 143 PMBZ, Nr. 6906. 144 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.38,10–46,36 Ried.). 145 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.46,33–36; 48,20–21). 146 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.46,24 Ried.): τὸ ἐπεισελθὸν ἐξαφανίσατε σκότος τῆς Ἀπολιναρίου καὶ Σεβήρου τῶν δυσωνύμων αἱρέσεως. 147 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.42,3–44,38 Ried.).

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residierenden griechischen Äbte und Mönche“ bezeichnen.148 Es handelt sich um jene bereits erwähnte Gruppe vorwiegend palästinischer Mönche, die vor den Arabern geflohen waren und sich nach Zwischenaufenthalten im römischen Africa149 seit ca. 640 in Rom niedergelassen hatten. Dort waren sie auf weitere griechische Mönche gestoßen, die hier bereits seit den persischen Eroberungen im Osten zu Beginn des Jahrhunderts Zuflucht gesucht hatten.150 Der Libellus dieses Mönchskollektivs war rechtsförmig von allen 36 Anklägern unterzeichnet worden. An 34. und 35. Stelle unterschrieben die Mönche Maximos und Anastasios,151 die nach allgemeinem Konsens mit Maximos Homologetes und seinem engsten Schüler und Begleiter, Anastasios Monachos,152 identisch sind. War es bei der ersten Anklageschrift Papst Martin, der die Klage zugelassen und deren Aufnahme in die Akten angeordnet hatte, so wurde diese Aufgabe jetzt von den beiden Co-Vorsitzenden übernommen.153 Man kann vermuten, dass dies mit der dramatischen Verschärfung der Anklagepunkte und des Sachbegehrens der Ankläger zu tun hat, wozu man wohl keine persönliche Stellungnahme des Papstes in den Akten der Synode festgehalten wissen wollte. Folgende Anklagepunkte werden jetzt gegen die 4 Patriarchen vorgebracht:154 1. Verfälschung des orthodoxen Glaubens und Häresie; 2. Verwerfung der Synode von Chalcedon und aller Väter; 3. Betrügerische Einführung des zuvor im Verborgenen vertretenen Monotheletismus und Monenergismus unter dem Vorwand kirchlicher Einheitsbemühungen mit Häretikern; 4. Festsetzung dieses neuen Dogmas in Übereinstimmung mit Severus, Apolinarius, Nestorius und Theodor von Mopsuestia. Die Synode müsse sie verurteilen, seien doch Klagen darüber „aus jedem Land und jeder Stadt und von überall (135) her“ (πανταχόθεν) aufgekommen.155 Die an die Synode gerichtete Prozessbitte, „auf kanonische und synodale Weise“156 dem bekämpften Glauben Recht zu verschaffen, ist jetzt detaillierter und deutlich radikaler als das Sachbegehren des Stephanos von Dora. Erbeten wird:157 1. Sergios, Kyros, Pyrrhos und Paulos und ihre Lehren zu anathematisieren; 2. genauso aber auch alle zu anathematisieren, „die das 148 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.50,30–31 Ried.): τὸ κοινὸν τῶν ἐνθάδε παροικούντων Γραϊκῶν ἡγουμένων καὶ μοναχῶν. 149 Vgl.: a.a.O., p.52,2–3. 150 S. o. Anm. 24. 151 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.57,1–39.37–38 Ried.). 152 PMBZ, Nr. 237. 153 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.50,15–17; 58,1–27 Ried.). 154 A.a.O., p.52,6–13. 155 A.a.O., p.52,4.28. 156 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.52,30 Ried.): κανονικῶς τε καὶ συνοδικῶς. 157 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.52,35–54,2 Ried.).

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mit ihnen auf welche Art und Weise, durch welches Wort, zu welcher Zeit und an welchem Ort auch immer unterstützt haben und zugestimmt haben oder dies tun werden“,158 und 3. alle „persönlich dem Anathema zu unterwerfen und die Entscheidung gegen sie nicht unpersönlich herbeizuführen. Denn dies ist kein Gesetz der Synode oder der Kirche, eine Entscheidung anonym zu fällen, insofern die Anklage persönlich vermittelst ihrer Schriften vorgebracht wurde.“159 Die zur Begründung vorgebrachten Argumente entsprechen auch hier ganz den bereits von Stephanos und Papst Martin in dessen Eröffnungsansprache vorgebrachten. Allerdings erfolgt jetzt eine Konzentration auf den in Geltung stehenden Typos und damit auf den amtierenden Patriarchen Paulos. Denn der Typos sei „durch lästige Anstiftung und falsche Lehre des Paulos entstanden und durch Überrumpelung und ohne Wissen und Zustimmung unseres hochfrommen Kaisers.“160 Dieses Gesetz aber müsse ebenfalls anathematisiert werden, habe es doch mit seinem Verbot, über die Anzahl der Wirkweisen und Willen Christi weiter zu streiten, „die Lehre aufgestellt“ (ἐδογμάτισαν), dass Christus „gänzlich ohne Wirksamkeit und Willen, d. h. vernunftlos, seelenslos und bewegungsunfähig“ sei.161 Denn die heiligen Synoden hätten mit der Zwei-Naturen-Lehre (136) „mit Sicherheit“ auch eine „natürliche Wirksamkeit“ 158 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.52,37–39 Ried.): καὶ πάντας τοὺς αὐτοῖς καθ᾿ οἷον οὖν τινα τρόπον ἢ λόγον ἤ καιρὸν ἤ τόπον συναπενεχθέντας τε καὶ συμφωνήσαντας ἢ ποιεῖν μέλλοντας. 159 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.52,35–41 Ried.): τούτους [...] ἀναθέματι προσωπικῶς καθυποβαλεῖν ἀλλὰ μὴ ἀπροσώπως ἐπαγαγεῖν κατ᾿ αὐτῶν τὴν ἀπόφασιν· οὐ γὰρ νόμος τοῦτο συνόδου καθέστηκεν ἢ ἐκκλησίας, ὥστε τὴν ἔγκλησιν διὰ τῶν ἐγγράφων αὐτῶν ἐμπροσώπως κομιζομένην ἀπροσώπως ἐποῖσαι κατ᾿ οὐδενὸς τὴν ἀπόφασιν. 160 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.54,2–4 Ried.): ἐκ συναρπαγῆς, οὐ κατ᾿ εἴδησιν ἢ γνώμην τοῦ εὐσεβεστάτου ἡμῶν βασιλέως, ἀλλ᾿ εἰσήγεσιν ὀχληρὰν καὶ παραδιδαχὴν Παύλου. 161 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.54,6–8 Ried.): ἀνενέργητον πάντη καὶ ἀνεθέλητον, τουτέστιν ἄνουν καὶ ἄψυχον καὶ ἀκίνητον. Genauso hatte bereits der Papst in seiner Eröffnungsansprache argumentiert und noch hinzugefügt, dass damit Christus „unwirklich“ und „inexistent“ sei (ἀνούσιον ἤτοι ἀνύπαρκτον); vgl.: a.a.O., 18,15–22. Tatsächlich ist der Typos jedoch gar keine theologische Erklärung im engeren Sinne und hat auch gar keine Lehre aufgestellt. Es handelt sich vielmehr um ein verordnetes Moratorium in der Streitfrage mit der Absicht, eine friedliche Regelung herbeizuführen. Vgl. zum Typos: Ohme, Oikonomia (s. Anm. 9), 318–322. Die hier vorgebrachte Argumentation ist typisch maximianisch überzogen. Maximos behauptete tatsächlich auch selbst, dass das Verbot eines öffentlichen Streites über die Anzahl von Willen und Wirkweisen Christi eine „Abschaffung“ (ἀναίρεσις) der Begriffe impliziere und ‒ insofern Wille und Wirkkraft ontologische Wesensmerkmale vernunftbegabter Lebewesen sind ‒ eine lehrmäßige Nihilierung des Willens und Wirkens Christi und damit die Nicht-Existenz Christi zur Folge habe. Vgl. z. B.: Disputatio Bizyae (CCSG 39,89,167– 174 Allen/Neil).

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und einen „natürlichen Willen“ festgesetzt (βεβαίως ἐθέσπισαν) und „definiert, dass wie bei den Naturen, so auch zwei natürliche Wirksamkeiten und Willen desselben einen fleischgewordenen Gott Logos von uns fromm in Ehren zu halten sind.“162 Vor allen Dingen mit der Forderung persönlicher und namentlicher Anathematisierung und der kategorialen Ablehnung nur einer Verwerfung der beanstandeten Lehren erhält die Anklage eine beträchtliche Verschärfung. Besonders bemerkenswert ist der Schlusspassus dieses Libellus, in dem diese Mönchsgruppe zu erkennen gibt, dass sie sich gegenüber der Synode gleichsam als eigenständige Autorität betrachtet, die das Synodalurteil einer eigenen Bewertung zu unterziehen befugt sei. So betonen die Mönche, dass sie sich dem Synodalurteil gegenüber „ganz und gar frei und unschuldig“ betrachten würden (ἐλεύθεροι πάντη καὶ ἀθῶοι), wenn die Synode etwas anderes entscheiden sollte als das von ihnen Geforderte. Deshalb erbitten sie schließlich eine „bis ins letzte Detail höchst genaue“ (ἄχρι μιᾶς κεραίας σύν ἀκρίβειᾳ πάσῃ) griechische Übersetzung der Akten, um dann der Synode ihre Zustimmung (συγκατάθεσις) mitteilen zu können.163 Damit erhalten die von den Mönchen an die Synode herangetragenen Prozessbitten faktisch den Charakter von Forderungen. Es ist ein in der bisherigen Synodalgeschichte singulärer und äußerst befremdlicher Vorgang, dass ein Ankläger der als Gericht tagenden Synode Bedingungen stellt, unter denen er bereit sein wird, die Entscheidung der Synode zu akzeptieren. Insofern das Synodalpräsidium in Gestalt des Co-Vorsitzenden Metropoliten von Caralis die Anklage und Prozessbitten der Mönche als „keinen Widerspruch duldend“ (ἀναντίρρητον) bestätigt164 und die Synode dann in ihrem weiteren Verlauf diese 162 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.28–30 Ried.): δύο καθάπερ φύσεις οὕτω καὶ φυσικὰς ἐνέργειας τε καὶ θελήσεις [...] πρεσβεύειν εὐσεβῶς ἡμᾶς ὁριζόμενοι. Zu dieser unzutreffenden Behauptung s. o. bei Anm. 135–138. 163 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.54,30–42 Ried.). Aus dieser angesichts der Forschungsergebnisse Riedingers irritierenden Bitte ist meines Erachtens gegen Richard Price kein Argument für seine These zu gewinnen, dass die Reden gar nicht vorgetragen, sondern erst nach den jeweiligen Sitzungen ausgearbeitet wurden. Diese Forderung der Mönche sei sonst „an element of self-mockery in the ‚minutes‘“ (Ders./Booth/Cubitt, Acts [s. Anm. 32, 64]). Mit Pietro Conte (Ders., Il sinodo Lateranense [s. Anm. 36, 128]) erklärt sich diese Bitte meines Erachtens aus der Notwendigkeit, die umgehende Versendung der lateinischen und griechischen Akten nach Abschluss der Synode an den Kaiser glaubwürdig erscheinen zu lassen. Es sollte so wohl der Eindruck erweckt werden, dass der griechische Text parallel zum Verlauf der Synode angefertigt wurde, während üblicherweise die lateinische Übersetzung der Akten Ökumenischer Synoden stets erst nach Abschluss der jeweiligen Synode erarbeitet wurde. Grundsätzlich war auch die Zweisprachigkeit der Akten einer römischen Synode begründungsbedürftig. Implizit ist darin natürlich auch der ökumenische Anspruch enthalten. S. auch u. Anm. 257. 164 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.58,4 Ried.).

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Forderungen vollständig umsetzen wird, machen die Akten deutlich, wer der entscheidende Motor hinter der gesamten Lateransynode war.165 Mit der Verlesung dieser beiden Anklagelibelli war das von der Synode unter Berufung auf die Ökumenischen Synoden des 5. Jahrhunderts gebilligte Verfahren in einem ersten Schritt umgesetzt worden. Nach der Ordnung des Akkusationsprozesse hätten allerdings nunmehr Pyrrhos und Paulos unter Zustellung der Klageschriften vor die Synode geladen werden müssen. Im Fall der bereits verstorbenen Sergios und Kyros hatte bekanntlich das II. Constantinopolitanum (553) den Weg frei gemacht, auch im Frieden mit der Kirche Verstorbene posthum einem Lehrverfahren zu unterziehen.166 Eine Einladung zur Synode an den ehemaligen und den jetzigen Patriarchen von Konstantinopel war natürlich nicht in Frage gekommen. Denn Pyrrhos war bereits durch Papst Theodorus anathematisiert und Paulos abgesetzt worden.167 Zwar wäre einer Vorladung durch die Lateransynode gewiss keine Folge geleistet worden, aber wegen der beanspruchten Rechtmäßigkeit des Verfahrens hätte sie zumindest formal erfolgen müssen, um dann nach dreimaliger Ladung rechtsförmig in ein einseitiges Verfahren in Abwesenheit eintreten zu können.168 Indem die Synode dies nicht tat, verstieß sie in substantieller Weise gegen die in Anspruch (138) genommene Rechtsordnung, war doch dadurch jede Verteidigung der Angeklagten einschließlich der Beibringung von eigenen Zeugen und Zeugnissen der Tradition ausgeschlossen worden. Weil man sich auf den Prozess gegen Dioskur als Präzedenzfall berufen hatte,169 musste den Organisatoren der Syn-

165 Vgl. dazu besonders: Boudignon, Le pouvoir de lʼanathème (s. Anm. 24), 245‒274. 166 Concilium Constantinopolitanum a. 553 (ACO IV 1, p.100,32–104,28 Straub); Vgl.: Charles Joseph Hefele/Henri Leclercq, Histoire des Conciles III/1, Paris 1909, 87; Murphy/Sherwood, Konstantinopel II und III (s. Anm. 76), 116. 167 S. o. Anm. 30. 168 Genau deshalb hatte Papst Felix III. (483–492) bei seinem Vorgehen gegen Acacius von Konstantinopel (472–488) diesem im Jahr 483 eine Vorladung vor das Gericht einer römischen Synode überbringen lassen. Der aus Alexandrien vertriebene Ioannes Talaia war in Rom mit einer Anklageschrift gegen Acacius bei Felix vorstellig geworden, der deshalb diesen libellus durch eine römische Delegation von zwei Bischöfen und dem defensor der römischen Kirche Acacius überbringen ließ. Die römische Synode von 484 verurteilte dann Acacius in Abwesenheit. Dass auch in diesem Fall allein eine ökumenische Synode für eine gesamtkirchliche Klärung der Vorgänge um das Henotikon und den alexandrinischen Erzbischof Petrus Mongus zuständig gewesen wäre, bleibt davon unbenommen. Zu diesen Vorgängen des sog. Acacianischen Schismas vgl.: Eduard Schwartz, Publizistische Sammlungen zum Acacianischen Schisma (ABAW.PH 10), München 1934, Collectio Veronensis Nr. 5; Collectio Berolinensis Nr. 20–24 [6–7.63–75.203–208]; Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica III, 18–20 (FC 57/ 2, 372–376 Hübner). 169 S. o. Anm. 69.75.

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ode eigentlich bekannt sein, dass Dioskur auf der 3. Sitzung in Chalcedon (451) seines bischöflichen Amtes und aller priesterlichen Würden enthoben wurde, weil er „gegen die kanonische Ordnung und die kirchliche Verfassung“ verstoßen und „die kirchlichen Satzungen mit Füßen getreten hat.“170 Zu den vielen im einzelnen aufgelisteten Verstößen, die in der 1. Sitzung der Synode von Chalcedon bei der Überprüfung der Akten des II. Ephesenums (449) festgestellt worden waren, gehörte, dass die Verurteilung und Absetzung Flavians von Konstantinopel, Eusebs von Dorylaeum, Theodorets von Kyros, Ibas’ von Edessa und Domnus’ von Antiochien durch eine unkanonische Zusammensetzung der Synode und ein rechtswidriges Verfahren zustande gekommen war. So war der Ankläger im Prozess gegen Eutyches, Euseb von Dorylaeum, von der Synode ausgeschlossen worden, und konnte sich ‒ obwohl in Ephesus anwesend ‒ gegenüber dem nun als Ankläger auftretenden Eutyches nicht verteidigen. Er wurde weder geladen, noch wurde ihm der Zutritt gestattet.171 Aber nicht nur die Absetzung Eusebs, sondern auch die des Ibas, Theodoret und Domnus war in Abwesenheit ohne Vorladung erfolgt.172 Bei der Rehabilitierung des Ibas von Edessa auf der 11. Sitzung in Chalcedon im Jahre 451 kam dann auch jener fundamentale Rechtsgrundsatz zur Sprache, der im Jahre 649 in Rom außer Kraft gesetzt worden war: Wir halten es für eine bewährte Tatsache, dass jemand, der bei einem Prozess nicht anwesend ist und auch nicht vorgeladen wurde, unter keinen Umständen durch das gegen ihn erlassene Urteil Schaden nehmen kann.173

Darüber hinaus war aber auch die Zusammensetzung des II. Ephesenums, durch die im Jahr 449 Einstimmigkeit erzielt worden war, unkanonisch. Den 42 (139) Bischöfen, die im Jahr zuvor in Konstantinopel unter dem Vorsitz von Flavian den Prozess gegen Eutyches geführt hatten, war nämlich das Stimmrecht

170 Concilium Chalcedonense a. 451 (ACO ser. I 2,1,2 p.28,21–29,19 Schwartz); κατὰ τῆς τῶν κανόνων τάξεως καὶ τῆς ἐκκλησιαστικῆς καταστάσεως (28,25–26); τοὺς ἐκκλησιαστικοὺς πατήσας θεσμούς (29,13–14). 171 Concilium Chalcedonense a. 451 (ACO ser. I 2,1,1 p. 96,28–33; 2,1,2 p.9,13–17 Schwartz). 172 Die Akten der Prozesse mit der Absetzung der drei Letzten auf einer eigenständigen Sitzung sind nur in syrischer Überlieferung erhalten. Vgl. Johannes Flemming, Akten der Ephesinischen Synode vom Jahre 449, syrisch mit Georg Hoffmanns deutscher Übersetzung und seinen Anmerkungen herausgegeben (AGWG.PH NF 15, 1917), ND Göttingen 1976. 173 Concilium Chalcedonense a. 451 (ACO ser. I 2,1,3 p.41–42 Schwartz): Τὸν ἐν τῇ κρίσει μὴ παρόντα, ἀλλὰ μήτε προσκληθέντα κατὰ μήδενα τρόπον βλάπτεσθαι ὑπὸ τῆς ἐξενεχθείσης κατ᾿ αὐτοῦ ψήφου δοκιμάζομεν. Es waren die Bischöfe Phrankion von Philippopolis und Basileios von Traianupolis, die dies im Rahmen der bischöflichen Sentenzen zum Urteil formulierten.

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entzogen worden,174 und Theodoret hatte von vornherein keine Erlaubnis zur Teilnahme erhalten.175 Von den im Jahr 449 in Ephesus anwesenden 135 Bischöfen waren somit 42 zum Schweigen verurteilt, und auf die 15, die die Verurteilung Flavians und Eusebs nicht mittragen wollten, wurde verbaler und physischer Druck ausgeübt.176 Die Lateransynode hat zwar nicht zu diesen Methoden Dioskurs gegriffen, um zu einer einheitlichen Entscheidung der Bischöfe zu kommen. Aber die Zusammensetzung auch dieser Synode wirft Fragen auf, denen deshalb an dieser Stelle nachgegangen werden soll. So ist es fragwürdig, ob das in den Akten dokumentierte Bild der Einstimmigkeit den tatsächlichen Verhältnissen im päpstlichen Jurisdiktionsbereich entsprach. Dies wird besonders am Fall des Erzbischofs von Thessalonike, Paulus, deutlich.177 Papst Martin hatte nämlich den zur römischen Jurisdiktion gehörenden und den Titel eines päpstlichen Vikars im Illyricum tragenden Bischof einen Tag nach Abschluss der Synode, am 1. November 649, mit einem umfangreichen Schreiben178 anathematisiert und aller priesterlichen Würden und Ämter entkleidet. Wie sich dem Brief des Papstes entnehmen lässt, war an diesem Tag eine zweite Synodika des Bischofs von Thessalonike in Rom eingegangen, in der dieser offensichtlich ablehnte, auf der Grundlage eines ontologischen Naturbegriffes ein dyotheletisches und dyenergetisches Bekenntnis abzulegen.179 Der Illyriker hatte aber schon früher nach seinem Amtsantritt eine Synodika an den Papst geschickt, deren 12 „monotheletischen“ Kephalai Martin die Zustimmung verweigert hatte.180 Der Papst schickte deshalb Apokrisiare mit einem päpstlichen Mahnschreiben nach Thessalonike und forderte Paulus auf, nach Rom zu kommen und sich zu verteidigen. Dieser aber lehnte ab und schickte die o. g. zweite Synodika. Überdies war es dem Illyriker auch noch gelungen, die päpstlichen Apokrisiare von der Stichhaltigkeit seiner Theologie zu überzeugen, was den besonderen Zorn des Papstes heraufbeschwor.181 Paulus von (140) Thessalonike hätte allerdings bei seiner Anwesenheit in Rom die langfristig vorbereitete Strategie der Lateransynode wohl heftig durcheinander gebracht. Dann wären

174 Concilium Chalcedonense a. 451 (ACO ser. I 2,1,1 p.72,21–25 Schwartz). 175 Concilium Chalcedonense a. 451 (ACO ser. I 2,1,1 p.69,1–6 Schwartz). Dass dies alles vom Kaiser ‒ gewiss nicht ohne Absprache mit Dioskur ‒ brieflich angeordnet gewesen ist, ändert nichts an der Tatsache, dass Dioskur dieses unkanonische Vorgehen umsetzte. 176 Vgl.: de Vries, Das Konzil von Ephesus 449 (s. Anm. 75), 385–392. 177 PMBZ, Nr. 5764. 178 Martinus I. pp., Epistula 12 (PL 87,181–192); zum Datum: ebd., 187C11–15. Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 123. 179 Vgl.: Martinus I. pp., Epistula 12 (PL 87,187D5–190,4). 180 Ebd., 187D4–5. 181 Ebd., 187C2–D6.

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gewiss auch unerwünschte Zeugnisse zur Sprache gekommen, wie z. B. der erste Brief des Papstes Honorius (625–638) an den Patriarchen Sergios,182 durch den dieser sich in Abstimmung mit der römischen Kirche zur Abfassung der Ekthesis befugt gesehen hatte. Damit wäre das Konstrukt einer angeblich seit den Tagen Leos I. ungebrochenen dyotheletischen päpstlichen Lehrtradition heftig ins Wanken geraten. Dies war in den Kreisen des Maximos und in Rom bekannt und hatte bereits im Vorfeld der Synode zu umfangreichen Maßnahmen zur Neutralisierung des Honoriusbriefes geführt.183 Dass es Paulus gelungen war, die päpstlichen Legaten von der Berechtigung seiner Theologie zu überzeugen, macht deutlich, dass selbst bei den engsten Vertrauten des Papstes die maximianischen Theologumena keine Selbstläufer gewesen sein können. Weiterhin fällt auf, dass auf der Synode die sizilianischen Bischöfe aus Catania und Syrakus fehlen. Man hat zu Recht darauf hingewiesen, dass sich Maximos 645/6 in einem Brief nach Sizilien für seine aktuelle theologische Position rechtfertigen musste, weil diese im Gegensatz zu früheren Äußerungen stand.184 Daraus ist zu schließen, dass es in Sizilien durchaus auch Anhänger sogenannter monotheletischer Positionen gab. In diesem Zusammenhang ist auch die Abwesenheit des Bischofs von Ravenna erwähnenswert, der sich ‒ wie bereits erwähnt185 ‒ mit einem Entschuldigungsschreiben durch einen seiner Bischöfe vertreten ließ. Darin ist zwar ein dyotheletisches Bekenntnis enthalten,186 aber die entscheidende Formulierung, mit der Maurus seine Zustimmung gab zu allem, was von der Synode entschieden wird, ist nachträglich im Gefolge der griechischen Übersetzung in den lateinischen Text des Maurus-Briefes interpoliert worden.187 Darüber hinaus ist die Zusammensetzung der Lateransynode auch aus folgenden Gründen fragwürdig. Die Namen der 106 Bischöfe, die in der Subskriptionsliste zum Urteilsspruch der Synode mit den 20 Anathematismen am Ende von secretarius V stehen,188 sind von dort in identischer Reihenfolge in die Präsenzlisten der fünf Sitzungen hineinkopiert worden ‒ und auch dies vollständig nur in der lateinischen Übersetzung der Akten. In der griechischen Fassung hat 182 Honorius I pp., Epistula I ad Sergium Patr. Const. (ACO ser. II 2,2 p.548,1–558,3 Ried.); Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 44; dazu vgl.: Kreuzer, Honoriusfrage (s. Anm. 15). 183 Vgl. dazu jetzt: Ohme, Wer hat den Dyotheletismus erfunden? (s. Anm. 138). 184 Maximus Confessur, Opusculum theol. et pol. 9 (PG 91,112C–132C). Vgl.: Jankowiak/Booth, A New Date-List (s. Anm. 19), Nr. 68; Cubitt, in: Price/ Booth/Cubitt, Acts (s. Anm. 32), General Introduction 70–71. 185 S. o. Anm. 62. 186 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.25,14–17 Ried.). 187 Dies wurde nachgewiesen von Price, Aspects (s. Anm. 42), 54–55. 188 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.390,1–400,35 Ried.).

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nur secretarius I eine solche Präsenzliste. Eine absolut identische Liste von Teilnehmern auf allen Sitzungen einer Synode ist jedoch völlig untypisch in der Synodalgeschichte. Von daher bezeugen die Präsenzlisten „also keineswegs die Anwesenheit der genannten Bischöfe bei den fünf Sitzungen“.189 Weiterhin fällt auf, dass Stephanos von Dora zu den Subskribenten des Urteilsspruches gehört.190 Das ist ein klarer Verstoß gegen die Rechtsordnung, insofern ein Ankläger nicht gleichzeitig Richter sein kann. Genau aus diesem Grund findet sich unter den Urteilen gegen Eutyches und Dioskur natürlich nicht die Unterschrift des Euseb von Dorylaeum!191 Fragt man schließlich danach, wer von diesen Bischöfen nach den Akten überhaupt und wie ausführlich zu Wort gekommen sein soll, so ist das Ergebnis noch irritierender. Bei den jeweils namentlich eingeführten Bischöfen sind die Redeanteile folgendermaßen verteilt:192 Papst Martin: 62,01%; Maximus von Aquileia: 19,73%; Deusdedit von Caralis: 13,81%; fünf weitere Bischöfe193: 4,44%. Das belegt nicht nur die absolute Dominanz des Papstes in der Konzeption der Synode, sondern macht auch deutlich, dass 95,55% aller Reden von den drei Bischöfen gehalten werden, die als Vorsitzende und Co-Vorsitzende die Synode leiten. Diese Reden bieten alle entscheidenden rechtlichen und theologischen Begründungen für das Verfahren und die Theologie der Synode. Die Voten der anderen Bischöfe beschränken sich zumeist auf marginale Bemerkungen.194 (142)

189 Riedinger, Griechische Konzilsakten (s. Anm. 39), 45 mit Anm. 5. 190 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.401,31 Ried.). 191 Vgl.: Concilium Chalcedonense a. 451 (ACO ser. I 2,1,1 p.145,20–147,30; 2,1,2 p.34,14–41,32 Schwartz). 192 Stephanos von Dora, der nur ein einziges Mal als Ankläger redet, bleibt hier unberücksichtigt. Nimmt man auch die als Reden vorgetragenen gesamtsynodalen Entscheidungen zu Verfahrensfragen und Urteilsbegründungen in die Berechnung mit auf, so stellt sich Verteilung der Redeanteile folgendermaßen dar: Papst Martin: 57,31%; Maximus von Aquileia: 18,64%; Deusdedit von Caralis: 9,23% (= Präsidium: 85,18%); fünf weitere Bischöfe: 2,56%; Reden der Synode: 12,25%. Die gesamtsynodalen Voten stehen unter den formelhaften Überschriften: „Die heilige Synode sagte“ (Ἡ ἁγία σύνοδος εἶπεν: ACO ser. II 1, p.8,13; 210,17; 314,16; 364,11) oder: „Alle hochheiligen Bischöfe sagten“ (Πάντες οἱ ἁγιώτατοι ἐπίσκοποι εἶπον: ebd., 28,25; 118,16; 194,6). An einer Stelle (ebd., 214,6) geht die kollektive Formulierung dieser Aussagen von der 1. Pers. Pl. in die 1. Pers. Sg. über. Damit wird deutlich, dass solche Erklärungen im Namen der Synode von einem einzelnen Redner vorgetragen sein sollen, ohne dass sich dessen Identität feststellen ließe. 193 Dies sind: Maurus von Cesina, Topoteret des Bischofs von Ravenna; Amabilis von Ostia; Benedictus von Ajaccio; Leontius von Neapolis; Sergius von Tempsa. 194 Maurus von Cesina macht kurze Bemerkungen zum Entschuldigungsbrief des Ravennaten und bittet, den Brief des Sergios von Zypern zu den Akten zu nehmen (ACO ser. II 1, p.23,1–19; 64,16–40). Amabilis von Ostia schließt sich dem Vorschlag Martins an, jetzt den Brief des

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Die einzige Ausnahme stellt eine Wortmeldung des Benedictus von Ajaccio zu Beginn von secretarius IV dar. Nachdem Papst Martin in einer langen Eröffnungsrede alle in secretarius III präsentierten Texte als häretisch verworfen hatte und zur Verlesung patristischer Testimonia übergehen wollte,195 intervenierte Benedictus und bat darum, auch Paulos von Konstantinopel einer Prüfung zu unterziehen. Die ganze Synode schloss sich dem an mit der Bitte, den Typos ebenfalls in die Untersuchung einzubeziehen.196 Erst daraufhin ordnete Martin an, den Brief des Paulos an Papst Theodor vom Jahr 646/7 und den Typos zu verlesen. Diese Sequenz der Akten ist meines Erachtens gegen Richard Price kein Indiz für eine hinter der literarischen Produktion der Akten stehende und noch deutlich werdende Spontaneität im tatsächlichen Ablauf der Sitzungen.197 Es handelt sich vielmehr um eine präzise konstruierte Inszenierung. Man wird ja kaum annehmen dürfen, Papst Martin habe inzwischen vergessen, dass er in seiner Eröffnungsrede zu secretarius I auch Patriarch Paulos und den Typos als häretisch dargestellt hatte und der Libellus der Mönche deren Anathematisierung gefordert hatte.198 Vielmehr ist die Synode an dieser Stelle an ihren heikelsten Punkt gelangt. Denn nun ging es nicht nur darum, den amtierenden Konstantinopler Patriarchen in den Prozess einzubeziehen, sondern auch das in Kraft stehende kaiserliche Gesetz. Damit war die Gefahr eines politischen Rechtsbruches gegeben mit gefährlichen Konsequenzen. Entsprechend vorsichtig musste hier das Verfahren konstruiert und die Begründungen gegen den Typos gewogen werden. Entweder hatten die Organisatoren der Synode deshalb bereits von langer Hand entschieden, dass an dieser Stelle nicht Papst Martin die Initiative zur Einbeziehung des Typos ins Verfahren ergreifen sollte,

Kyros an Sergios zu verlesen (a.a.O., 170,31–32). Benedictus von Ajaccio schließt sich Papst Martins Begründung der Verwerfung des Theodor von Pharan an und bittet um Verlesung des 7. Kephalaions der alexandrinischen Unionssynode von 633 (ebd., 132,3–21). Leontius von Neapolis bittet um Verlesung auch einer Passage aus den Akten des V. Ökumenischen Konzils (ebd., 252,26–37). Sergius von Tempsa bestätigt den Vorschlag Martins, jetzt Theodor von Pharan zu prüfen und bittet nach Verlesung von Kephalaion 7 der alexandrinischen Unionssynode von 633 um Verlesung von ep. 4 des Dionysios Areopagites. Eine gemeinsame Auflistung dieser fünf Bischöfe mit den drei Vorsitzenden und auch noch den fünf Notaren als „Interventori“, wie sie Conte (Ders., Il Sinodo Lateranense [s. Anm. 36], 143) vornimmt, um so die Häufigkeit der Interventionen und damit echte Debatten zu belegen, ist meines Erachtens nicht beweiskräftig. Denn sie berücksichtigt nicht die Länge der jeweiligen Reden und deren inhaltliche Bedeutung. 195 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.182,1–192,19 Ried.). 196 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.192,21–194,25 Ried.). 197 So deutet Price diese Stelle. Vgl.: Ders., Aspects (s. Anm. 42), 52–53. 198 Vgl.: Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.18,8–31 Ried.) und o. Anm. 160–161.

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(143) sondern nur als derjenige erscheinen sollte, der sich dem Willen der gesamten Synode beugt. Oder es schlägt sich hier das im Verlauf der Synode erfolgte Eintreffen des neuen Exarchen von Ravenna, Olympios,199 nieder, der mit dem Auftrag nach Italien geschickt worden war, den Typos dort bei den Bischöfen durchzusetzen und Papst Martin gefangen zu nehmen.200 Aber auch in diesem Fall würde es sich nicht um eine spontane Intervention des Benedictus von Ajaccio handeln, sondern um ein abgestimmtes Manöver aus aktuellem Anlass. Entsprechend ist es auch nicht wie sonst Papst Martin oder einer der Co-Vorsitzenden, der die Verurteilung des Paulos und die Verwerfung des Typos begründet, sondern diese Aufgabe wird jetzt mit einer langen Rede der ganzen Synode zugewiesen.201 Wegen dieser weitgehenden Inszenierung des gesamten Verfahrens bis in die einzelnen Wortmeldungen kann das Schweigen von 97 der 106 Synodalen meines Erachtens nicht nur als Folge eines „ungeheuren Bildungssturzes im lateinischen Abendland“ und einem „in Unbildung versunkenen Rom des 7. Jahrhunderts“ erklärt werden.202 Angesichts der Tatsache, dass der maximianische Dyotheletismus im Westen nicht unumstritten war, muss das Erscheinungsbild von fast allen Bischöfen als „stumm-gehorsame Statisten“203 anders erklärt werden. Meines Erachtens spielte das Interesse der Organisatoren der Synode, unter allen Umständen prozessgerecht zu einer einem einstimmigen Urteil zu kommen, eine entscheidende Rolle. Dafür musste es unerwünscht sein, während der Synode in echte Sachdiskussionen einzutreten und eventuell sogar Dissens protokollieren zu müssen. Zugespitzt kann man formulieren, dass die Lateransynode von Papst Martin und zwei weiteren Bischöfen im Präsidium deshalb einem strikt gelenkten und so geplanten Verfahren unterzogen wurde. Diese handelten im Einvernehmen mit den griechischen Mönchen und hatten fünf weitere italische Bischöfe gewonnen, ihren Namen für einige Interventionen von marginaler Bedeutung in die Akten aufnehmen zu können, die aus demselben Grund bereits weitgehend fertig vorlagen. Neben den beiden bisher dargestellten Anklageschriften, die rechtsförmig von den Anklägern persönlich eingebracht wurden, griff die Lateransynode in secretarius II nun auch noch auf bis zu sieben Jahre ältere Briefe an Papst Theo-

199 PMBZ, Nr. 5650. 200 Liber Pontificalis 76 (I, 337,7–338,13 Duchesne). 201 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.210,16–216,15 Ried.). Zu solchen Reden der Gesamtsynode s. o. Anm. 192. 202 Mit diesem nicht unproblematischen Erklärungsmuster operierte vor allem Caspar, Lateransynode (s. Anm. 34), 112.120. 203 Erich Caspar, Geschichte des Papstums II, Tübingen 1933, 555.

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dorus I. zurück, die vom Primicerius notariorum als „Petitionen betreffs der (144) vorliegenden und von Euch zu prüfenden Angelegenheit“ bezeichnet werden.204 Man fragt sich, warum diese älteren Schreiben über die Vereinbarung von secretarius I hinaus überhaupt noch herangezogen wurden. Theophylactus nennt folgenden Grund: Es solle so ein „vollständigerer Beweis“ (εἰς ἐντελέστεραν ἀπόδειξιν) geliefert werden, dass tatsächlich ‒ wie bis dahin immer wieder in den Reden behauptet ‒ die Anklagen von überall her (ἐκ πάντων) in Rom eingegangen seien.205 Dazu dient als erstes ein Brief206 des zyprischen Erzbischofs Sergios von Konstantia/Salamis207 an Papst Theodorus I. vom 29. Mai 643. Sergios fordert darin den Papst auf, gegen die neuerdings in Konstantinopel aufgekommenen häretischen Lehren vorzugehen, die er selbst schriftlich und mündlich anathematisiere.208 Wenn die häretischen Schriften verdammt seien, „dann lasst uns zu dem von Ihnen Verlangten Initiativen ergreifen und in einen Wettstreit eintreten“.209 Im Hintergrund des Briefes stehen die Konstantinopler Synoden von 636/7 (638) unter Sergios und von 639 unter Pyrrhos zur Durchsetzung der Ekthesis. Der Brief gehört deutlich einer anderen Zeit an und enthält vor allen Dingen keine Forderung nach einem Akkusationsverfahren. In noch stärkerem Maße gilt dies für ein Dossier von vier Briefen africanischer Bischöfe, mit deren Verlesung secretarius II an sein Ende gelangt. Es handelt sich um Texte, die allesamt in das Jahr 646 zu datieren sind und als Adressaten Papst Theodorus I., Patriarch Paulos von Konstantinopel und Kaiser Konstans II. haben. Zwei Briefe tragen die Unterschriften von 42 Bischöfen der Provinz Byzacium und 68 Bischöfen der Provinz Africa proconsularis.210 Die um-

204 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.58,35 Ried.): τῶν ἐν τοῖς παρῳχηκόσι χρόνοις δεηθέντων ἀναφοραί; 66,3–4: ἄλλην δεηθέντων ἀναφορὰν περὶ τῆς προκειμένης καὶ ἐξεταζομένης ὑμῖν ὑποθέσεως. 205 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.58,39–40 Ried.). 206 Sergios, archiepisc. Cypr., Epistula ad Theodorum I. pp. (ACO ser. II 1, p.60,30–64,12 Ried.). Vgl.: Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 83. 207 PMBZ, Nr. 6532. 208 Sergios, archiepisc. Cypr., Epistula ad Theodorum I. pp. (ACO ser. II 1, p.62,9–16 Ried.). 209 Sergios, archiepisc. Cypr., Epistula ad Theodorum I. pp. (ACO ser. II 1, p.62,24–25 Ried.): καὶ τηνικαῦτα περὶ τῶν αὐτοῖς ζητουμένων τὰς κινήσεις καὶ τὰς ἀγωνίας ποιησώμεθα. 210 Es handelt sich (1.) um den Brief der africanischen Bischöfe Columbus von Numidia, Stephanus von Byzacium und Reparatus von Mauretania an Papst Theodorus: ACO ser. II 1, p.67,21–71-29 (Ried.); Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 98; (2.) um den Synodalbrief des Stephanus von Byzacium mit 41 seiner Suffragane an Kaiser Konstans II.: ebd., 74,1–79,24; Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 99; (3.) um den Synodalbrief von 68 Bischöfen der Provinz Africa proconsularis an Patriarch Paulos II.: ebd., 81,9–95,13; Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 101; (4.) um die Antrittssynodica des neugewählten Primas Africae, Victor von Karthago, an Papst Theodorus I.: ebd., 99,5–103,34; Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 100.

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strittene Authentizität der Briefe, deren Herkunft und Entstehung sowie ihr (145) historischer Kontext sollen uns hier nicht interessieren.211 Die Briefe wenden sich an Paulos und den Kaiser mit der Aufforderung, die Ekthesis außer Kraft zu setzen, sowie an den Papst, mit einer „kanonischen Entscheidung“ (canonica discretione solite)212 gegen die beanstandete Lehre vorzugehen. Aber sowohl der gerade gewählte Erzbischof Victor von Karthago wie auch die anderen Bischöfe bezeichnen den Konstantinopler Patriarchen als „unseren Bruder (und Mitbischof) Paulos“213 und machen damit deutlich, dass diese Briefe noch weit von der Forderung nach einer Anathematisierung von Personen entfernt sind. Papst Martin muss deshalb in seinem Schlussvotum von secretarius II eine wenig überzeugende Interpretation aufbieten, um dieser Briefe als Forderungen an die Lateransynode darzustellen.214 Die großen Zahlen bischöflicher Unterschriften unter zwei der africanischen Briefe dürfen nun nicht zu der Annahme einer allgemeinen anti-monotheletischen Haltung in dieser Region führen. Richard Price hat z. B. darauf hingewiesen, dass die Provinz Byzacium nicht nur 42, sondern 115 Kathedren hatte.215 Der Vorgänger Victors von Karthago, Fortunius,216 war ein sogenannter Monothelet und hatte zuvor Patriarch Paulos in Konstantinopel besucht und mit ihm Gottesdienst gefeiert.217 Der Vorgänger des Sergios von Zypern, Arkadios (ca. 625–640/1),218 war gegen Sophronios vorgegangen und eher der Seite der Monenergeten zuzurechnen. Sogar Sergios scheint später ins monotheletische Lager gewechselt zu sein.219 Auch war die Haltung des Anklägers auf (146) der Lateransynode, Stephanos von Dora, alles andere als repräsentativ für die

211 Vgl. dazu: Rudolf Riedinger, Zwei Briefe aus den Lateranakten von 649, in: Ders., Kleine Schriften (s. Anm. 32), 93–117; van Dieten, Patriarchen (s. Anm. 2), 86–90; Jankowiak, Essai d’ histoire (s. Anm. 9), 220–228; Price, in: Price/ Booth/ Cubitt, Acts (s. Anm. 32), 132–139. 212 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.103,6–8 Ried.). 213 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.68,16; 75,24; 103,29 Ried.). 214 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.104,19–22.28–29 Ried.). 215 Price, in: Price/ Booth/ Cubitt, Acts (s. Anm. 32), 135. 216 PMBZ, Nr. 1908. 217 Die ergibt sich aus den Akten des VI. Ökumenischen Konzils: ACO ser. II 2,2 p.652,5–6 (Ried.). Vgl.: van Dieten, Patriarchen (s. Anm. 2), 79; Jankowiak, Essai d’ histoire (s. Anm. 9), 223–225. 218 Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), 196–198; Jankowiak, Essai d’ histoire (s. Anm. 9), 139–149; Lange, Mia Energeia (s. Anm. 8), 587–591. 219 Theodoros Spudaios berichtet in seinen Narrationes de exilio Sancti papae Martini, dass er Papst Martin während dessen Gefangenschaft in Konstantinopel ca. 653 mitgeteilt habe, Sergios habe „Schiffbruch erlitten“. Diese Wendung wird allgemein Übergang zum Monotheletismus verstanden. Vgl.: Bronwen Neil, Seventh-Century Popes and Martyrs. The Political Hagiography of Anastasius Bibliothecarius (Studia Antiqua Australiensia II), Turnhout 2006, 166,13–14.

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kirchliche Situation in Palästina. In seinem Anklagelibell teilte er selber mit, dass Bischof Sergios von Joppe220 nach dem Abzug der Perser und vor dem Amtsantritt des Sophronios im Jahr 634 durch die weltliche Gewalt als Topoteret den Jerusalemer Thronos übernommen habe und monenergetische Bischöfe geweiht habe.221 Um diese wieder abzusetzen und dyotheletische Bischöfe einzusetzen, hatte Papst Theodorus Stephanos zum seinem Vikar (τοποτηρητής) in Palästina ernannt.222 Papst Martin hat dann im Jahr 649 Ioannes von Philadelphia223 sogar zum apostolischen Vikar für die Diözesen der Patriarchate Jerusalem und Antiochien bestellt. Beides stellte als Intervention in die Jurisdiktionsgebiete anderer Patriarchen einen offensichtlichen Bruch des Kirchenrechtes dar. Die Klage Martins über die Ausbreitung der Häresie in diesen Gebieten und die Menge der von Ioannes zu korrigierenden Ordinationen machen klar, dass das Wirken des Stephanos nicht von Erfolg gekrönt gewesen sein kann.224 Die auf der Lateransynode von Stephanos aufgestellte Behauptung, dass „fast alle gottgeliebten Bischöfe und christusliebenden Völker im Osten“ eine päpstliche Verurteilung der Angeklagten fordern, entbehrt damit jeder Substanz. Price hat zutreffend darauf hingewiesen, dass Stephanos auf der Synode kein einziges von anderen Bischöfen aus Palästina unterzeichnetes Dokument vorlegen konnte.225 Von einer die römische Kirche aus der gesamten Christenheit erreichenden Woge an Appellen kann also gar keine Rede sein. Bei Lichte betrachtet reduzieren sich die Anklagen im Kern auf einen palästinischen Bischof, die Gruppe der östlichen Mönche um Maximos und deren Anhänger im römischen Africa.

4 Gegenprobe: die Konstantinopler Synoden von 636/7 (638) und 639 Die Lateransynode hat ihre Kanonizität und die Rechtsförmigkeit ihres Verfahrens nun auch noch dadurch herausstellen wollen, dass sie die Konstantinopler Synoden von 636/7 (638) und 639226 zur Bestätigung der Ekthesis als Negativfo-

220 PMBZ, Nr. 6575. 221 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.46,1–4 Ried.). 222 Ebd. p.46,9–11. 223 PMBZ, Nr. 2696. 224 Martinus I. pp., Epistula 5 (PL 87,153–164;153C;156B;160A); vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 116. In einem Brief an den Jerusalemer Priester Pantaleon beschwerte sich Papst Martin, dass Stephanos in Palästina keine Unterstützung bekommen habe (PL 87,169–174). 225 Price, in: Price/Booth/Cubitt, Acts (s. Anm. 32), 136 Anm. 16. 226 Vgl. dazu: van Dieten, Patriarchen (s. Anm. 2), 48–50.58–62.

4 Gegenprobe: die Konstantinopler Synoden von 636/7 (638) und 639

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lie benutzte. Papst Martin I. gab dazu am Ende seiner Eröffnungsrede in secretarius IV eine längere Erklärung ab.227 In dieser Rede kommentierte er nochmals die in der vorherigen Sitzung im Rahmen des Urkundenbeweises vorgetragenen Texte, zu denen auch Auszüge aus den Akten dieser von den Patriarchen Sergios und Pyrrhos abgehaltenen Synoden gehörten.228 Er bezeichnete das Verfahren dieser Synoden nicht nur als „gottlos und häretisch“, sondern auch als „im eigentlichen Sinne vollständig unkanonisch“.229 Dafür werden folgende Gründe genannt: 1. Niemand sei dort „persönlich als Ankläger oder Angeklagter eingeführt worden, der eine Beweisführung durch deutliche Anzeige oder namentliche Benennung der zu Überprüfenden vorgenommen hat, wie dies die Prozessordnung verlangt“;230 2. Demgegenüber hätten „sie“ sich selbst eigenmächtig zu Angeklagten, Anklägern und Richtern gemacht; „zu Angeklagten, indem sie sich offensichtlich selbst Vorwürfe machen wegen der Begriffsvertauschung beim heiligen Dionysios, zu Anklägern, indem sie öffentlich die (scil. Formel) μία ἐνέργεια beschuldigen oder vielmehr anklagen, zu Richtern, indem sie sich mit Leichtigkeit anstelle des einen, einen anderen Glauben ausdenken“;231 3. „Von daher wurde von ihnen in Ermangelung Erschienener (sc. Personen) durch Verdächtigungen und Vermutungen anstelle der Wahrheit des allgemein Anerkannten der Verfahrensablauf betrügerisch verdunkelt, indem sie ununterbrochen in ihren Protokollen sagen: ‚weil einige‘ (scil. sagen) und ‚dass einige‘ (scil. sagen) und ‚wie einige‘ (scil. sagen)“.232 Alles sei aus unerwiesenen Phrasen oder leichtfertigen Hirngespinsten schamlos gegen die katholische Kirche ins Werk gesetzt (148)

227 ACO ser. II 1, p.190,34–192,19 (Ried.). 228 Zur Synode von 636/7 (638) unter Sergios: Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.164,20–166,35 Ried.); vgl.: Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 51. Zur Synode von 639 unter Pyrrhos: ebd., p.168,3–170,7; vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 55. 229 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.190,34–35 Ried.): διὰ τὸ μὴ μόνον ἀσεβῆ τε καὶ αἱρετικὰ τὰ παρ᾿ αὐτῶν πεπραγμένα τυγχάνειν, ἀλλὰ καὶ ἀκανόνιστα πάντη κυρίως ὑπάρχειν. 230 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.190,35–37 Ried.): οὐδεὶς γὰρ εἰσκεκόμισται προσωπικῶς ἐν ἐκείνοις κατήγορος ἢ κατηγορούμενος, ὡς ἡ τάξις ἀπαιτεῖ τῶν πεπραγμένων, δι᾿ ἐναργοῦς ἐμφανείας ἢ ὀνομασίας τῶν ἐξεταζομένων αὐτοῖς ποιούμενος τὴν παράστασιν. 231 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.192,1–4 Ried.): κατηγορούμενοι, μέν, ὡς ἑαυτοὺς προδήλως μεμφόμενοι διὰ τὴν ἄμειψιν τῆς τοῦ ἁγίου Διονυσίου φωνῆς, κατηγοροῦντες δὲ, ὡς καταιτιώμενοι φανερῶς, μᾶλλον δὲ κατηγοροῦντες τὴν μίαν ἐνέργειαν, κριταὶ δέ, ὡς ἑτέραν ἀνθ᾿ ἑτέρας ἑαυτοῖς σὺν εὐκολίᾳ πίστιν ἐπινοοῦντες. 232 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.192,4–7 Ried.): ὅθεν ἡ ἀκολουθία τῶν πεπραγμένων διὰ τὴν ἀπορίαν τῶν ἐμφανιζομένων ἐξ ὑπονοίας τῶν εἰκαζομένων, ἀλλ᾿ οὐκ ἀληθείας τῶν ὁμολογουμένων ἀπατηλῶς αὐτοῖς ἐσκιάσθη διὰ τοῦ λέγειν αὐτοὺς συνεχέστερον ἐν τοῖς ἑαυτῶν ὑπομνήμασιν, ἐπειδή τινες καὶ ὅτι τινὲς καὶ ὥς τινες.

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worden. Jetzt aber solle „die Verurteilung synodal gemäß apostolischer, fürwahr kanonischer Rechtsprechung durchgeführt werden“.233 Diese Ausführungen des Papstes machen nochmals nachdrücklich deutlich, wie die Lateransynode von ihren Organisatoren verstanden worden ist: als kanonischer und rechtsförmiger Akkusationsprozess. Die Bedeutung dieser Rhetorik für die Organisatoren der Synode, gleichsam ex negativo die Legitimität des eigenen Verfahrens zu erweisen, wird zusätzlich dadurch unterstrichen, dass während der Disputatio cum Pyrrho Maximos Homologetes selbst in ganz ähnlicher Weise argumentiert hat.234 In typisch maximianischer Überspitzung und Schärfe und scheinbar logisch wird von Papst Martin nun der Vorwurf erhoben, dass Sergios und Pyrrhos sich selbst zu Angeklagten, Anklägern und Richtern gemacht hätten. Das Erste bezieht sich auf das Eingeständnis des Pyrrhos in seinem Dogmatikos Tomos, dass jene Wendung des Dionysios Areopagites, auf die sich die alexandrinische Unionsformel mit ihrer Formulierung der μία ἐνέργεια berufen hatte, tatsächlich nicht von einer sondern von einer neuen Wirkweise Christi spricht.235 Pyrrhos macht sich dort allerdings keinerlei Vorwürfe, sondern vertritt nicht ohne Grund die Meinung, dass es sich bei der alexandrinischen Formel um eine Interpretation handele, der Text des Dionysios aber auch gar keine andere Deutung zulasse. Der Vorwurf, Sergios und Pyrrhos hätten sich selbst zu Anklägern der sog. monenergetischen Formel gemacht, bezieht sich auf das Verbot der Ekthesis, in Zukunft weiterhin „von einer oder zwei Wirkweisen während der göttlichen Menschwerdung des Herrn zu reden oder dies zu lehren“.236 Als Begründung hatte die Ekthesis in der Tat kritisch in Richtung der Monenergeten formuliert: „Denn wenn auch einige der Väter so gesprochen haben, befremdet und verletzt der Ausdruck ‚ein Wirken‘ dennoch die Ohren mancher, die vermuten, dieser werde vorgebracht, um die in Christus unserem Gott hypostatisch vereinten zwei Naturen aufzuheben.“237 Auch hier

233 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.192,9–10.12–13 Ried.): συνοδικῶς ἡ ἐπιτίμησις ἐξ ἀποστολικῆς ἤτοι κανονικῆς προαγομέμη δικαιοκρισίας. 234 Disputatio Maximi cum Pyrrho (PG 91, 352CD). Maximos fügt dort noch weitere Argumente rechtlicher Natur hinzu, die uns hier nicht interessieren müssen. Dieser Text ist mit großer Wahrscheinlichkeit erst zwischen 655 und 662 entstanden. Vgl.: Noret, La rédaction de la Disputatio cum Pyrrho (s. Anm. 28). 235 Die Lateransynode hatte deshalb in secretarius III diese Passage aus dem Dogmatikos Tomos des Pyrrhos verlesen lassen: ACO ser. II 1, p.152,27–39 (Ried.). Die Wendung bei Dionysios lautet: ἀλλ᾿ ἀνδρωθέντος θεοῦ καινήν τινα τὴν θεανδρικὴν ἐνέργειαν ἡμῖν πεπολιτευμένος (Dionysius Areop., Epistula 4 ad Gaium [PTS 36,161,9–10 Heil/Ritter]). 236 Heraclius imp., Ecthesis (ACO ser. II 1, p.160,4–5 Ried.): οὐδαμῶς συγχωροῦντες τινι τῶν πάντων μίαν ἢ δύο λέγειν ἢ διδάσκειν ἐνεργείας ἐπὶ τῆς θείας τοῦ κυρίου ἐνανθρωπήσεως. 237 Heraclius imp., Ecthesis (ACO ser. II 1, p.160,10–13 (Ried.).

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(149) handelt es sich nicht, wie vom Papst behauptet, um eine öffentliche Anklage oder gar um ein Schuldeingeständnis. Denn die Ekthesis bestätigt gerade das monenergetische Anliegen mit der davor stehenden Formulierung, dass „jede gottgemäße und menschengemäße Wirksamkeit aus ein und demselben fleischgewordenen Gott Logos ungetrennt und unvermischt hervorging“ und sich somit alles Wirken Christi immer „auf ein und denselben bezieht“.238 Der Ekthesis geht es allein darum, einen öffentlichen durch gegenseitige Verurteilungen angeheizten Streit über eine numerische Redeweise von einem Wirken oder zwei Wirkweisen Christi zu unterbinden. Schließlich bezieht sich auch der Vorwurf, dass Sergios und Pyrrhos sich zu Richtern gemacht hätten, indem sie sich einen anderen Glauben „ausgedacht“ hätten, auf die Ekthesis. Hatte diese doch die Redeweise von zwei Wirkweisen mit der Begründung abgelehnt, dass daraus die Annahme von zwei das Entgegengesetzte Wollenden folge, während der eine, einheitliche Wille Christi traditionelle Lehre der Kirche sei.239 Die Behauptung, dass die Lehre des einen Willens Christi ein anderer ausgedachter Glaube sei, geht völlig ins Leere, denn es ist nachweisbar, dass bis zu Maximos die Annahme einer vollständigen willentlichen Übereinstimmung des das Eine wollenden einen Christus Lehrkonsens gewesen ist. Dass diese Übereinstimmung auch auf einer willentlichen rationalen Entscheidung des Menschen Jesus Christus beruht, hat erstmals Maximos herausgearbeitet.240 Bestätigung findet dies auch in der sanctio, mit der die Konstantinopler Synode von 636/7 (638) Strafen für die Nicht-Einhaltung der Ekthesis festlegte. Denn alle dort angedrohten Strafen beziehen sich ausschließlich auf eine weitere Propagierung einer numerischen Redeweise von den Wirkweisen Christi. Vom Willen Christi ist dort keine Rede.241 Der zentrale Vorwurf Papst Martins gegen die beiden Synoden von 636/7 und 639 wird nun aber in den oben aufgelisteten Gründen 1 und 3 laut. Er besteht im Kern darin, dass diese Synoden keine namentlich identifizierbaren Ankläger und Angeklagten beigebracht haben und sich stattdessen auf anonyme Formulierungen zurückgezogen hätten. Damit wird gesagt, dass beide Synoden die wesentlichen Merkmale eines kirchlichen Akkusationsprozesses missachtet

238 Heraclius imp., Ecthesis (ACO ser. II 1, p.160,8–10 Ried.): καὶ πᾶσαν θεοπρεπῆ καὶ ἀνθρωποπρεπῆ ἐνέργειαν ἐξ ἑνὸς καὶ τοῦ αὐτοῦ σεσαρκωμένου θεοῦ λόγου ἀδιαιρέτως καὶ ἀσυγχύτως προϊέναι καὶ εἰς ἕνα καὶ τὸν αὐτὸν ἀναφέρεσθαι. 239 Vgl.: Heraclius imp., Ecthesis (ACO ser. II 1, p.160,15–19.24–29 Ried.). 240 Vgl.: Jankowiak, The Invention of Dyotheletism (s. Anm. 138); Price, Monotheletism, (s. Anm. 138); Ders., Aspects (s. Anm. 42), 54–58; Ohme, Wer hat den Dyotheletismus erfunden? (s. Anm. 138). 241 Vgl.: Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.166,20–30 Ried.).

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(150) hätten und so das Verfahren „verdunkelt“ wurde, und dies auch noch in betrügerischer Absicht! Insofern diese beiden Synoden nun aber gar nicht als Akkusationsprozesse geführt worden sind, spitzt sich der Vorwurf gleichsam darauf zu, dass die Synoden nicht getan haben, was sie angeblich hätten tun müssen. Wäre dies nämlich der Fall gewesen, so lautete wohl die stillschweigende Annahme, hätte es zu einer Vorladung des Maximos kommen müssen, der gewiss alle von der Orthodoxie seiner Theologie überzeugt hätte. Dieser Vorwurf gegen die beiden Konstantinopler Synoden korrespondiert genau der Anklageschrift der griechischen Mönche in secretarius II mit ihrer Forderung nach persönlicher und namentlicher Anathematisierung.242 Es zeigt sich hier eine theologische Haltung, die gezielt auf Konfrontation und Verurteilung von Häresien und Häretikern aus ist und jeden Versuch einer gütlichen Beilegung von theologischen Kontroversen kategorisch ablehnt. Genau aus dieser Haltung heraus hat Maximos jede Oikonomia-Regelung in der theologischen Streitfrage verworfen. Der methodische Zugriff auf die Möglichkeiten der Oikonomia aber stand bereits hinter der Unionspolitik des Sergios und dann hinter der kaiserlichen Religionspolitik.243 Die inkriminierten anonymen Formulierungen in den Akten der Synoden244, die sich im übrigen auch in der Ekthesis finden,245 wollen gerade nicht einzelne Personen namentlich hervorheben, sondern nur den Streit über eine numerische theologische Redeweise eindämmen. Die Konstantinopler Synoden unter Sergios und Pyrrhos sind Tagungen der sog. Synodos endemousa gewesen,246 also jener seit dem 4. Jahrhundert institutionalisierten ständigen Synode der Kirche von Konstantinopel, an der alle in der Stadt und ihrer Umgebung weilenden und residierenden Bischöfe teilnah-

242 S. o. Anm. 159. 243 Vgl.: Ohme, Oikonomia (s. Anm. 9). 244 Diese Formulierungen beziehen sich meines Erachtens nicht auf eine angeblich fehlende namentliche Nennung der an den Synoden teilnehmenden Bischöfe, wie Richard Price meint: Ders., in: Price/Booth/Cubitt, Acts (s. Anm. 32), 252 Anm. 55. Es ist auch kein Wunder, dass diese Wendungen in den auf der Lateransynode zitierten Auszügen der Akten nicht auftauchen. Denn dort werden fast ausschließlich Sentenzen von Sergios und Pyrrhos zitiert, in denen man Gründe für eine Verurteilung erblickte. Die vollständigen Akten dieser Synoden existieren nicht mehr, weil sie der Anordnung des VI. Ökumenischen Konzils zur Vernichtung des gesamten monotheletischen Schrifttums zum Opfer gefallen sind (vgl.: ACO ser. II 2,2 p. 626,11–19 [Ried.]). Insofern es aber diese Protokolle z.Zt. der Lateransynode noch gab, sind die Teilnehmer auch durch Präsenzlisten und eine Subskriptionsliste unter der Entscheidung beider Synoden identifizierbar gewesen. 245 Vgl.: Heraclius imp., Ecthesis (ACO ser. II 1, p.160,12.14 Ried.). 246 Vgl. Joseph Hajjar, Le synode permanent (σύνοδος ἐνδημοῦσα) dans l’Église byzantine des origines au XIe siècle (OCA 164), Rom 1962, 89–90.

5 Fazit

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men. Der (151) Prozess gegen Eutyches im Jahr 448 wurde von dieser endemischen Synode geführt, die Synoden der Jahre 636/7 und 639 dienten der kirchlichen Bestätigung und Durchsetzung eines kaiserlichen Gesetzes und der kirchlichen Sanktionierung von Verstößen dagegen. Pyrrhos hat in diesem Zusammenhang davon gesprochen, dass jeder Bischof, der die von ihm dazu versandte Enzyklika nicht unterschreibt, ein „mit der Autorität der apostolischen Stühle“ ausgesprochenes Urteil über sich provoziere.247 Dies muss nicht als anmaßend abgetan werden, denn es ist nicht auszuschließen, dass der gerade neu geweihte Patriarch von Antiochien, Makedonios, der in Konstantinopel residierte, an dieser und vielleicht sogar auch an der Synode des Sergios teilgenommen hat.248 In Jerusalem war Sophronios am 11. März 638 verstorben, und der „Monenerget“ Sergios von Joppe hatte dort das Sagen.249 In Alexandrien regierte weiterhin Kyros. Sergios hatte sich bei Papst Honorius I. Rückendeckung für sein Vorgehen geholt und Pyrrhos sich sogar auf Honorius in seiner Enzyklika berufen.250 Angesichts der Tatsache, dass die Lateransynode selbst keinen der lebenden Angeklagten vorgeladen hat, fragt man sich, welche Absicht hinter dieser aktenmäßig festgehalten Polemik stehen könnte. Meines Erachtens sind die Vorwürfe in Richtung Konstantinopel in dem Bewusstsein formuliert worden, dass die Lateransynode mit diesem schweren Verfahrensfehler belastet ist. Indem man eben diesen Fehler der Gegenseite zum Vorwurf machte, meinte man anscheinend davon ablenken zu können.

5 Fazit Die Lateransynode von 649 hat als Gerichtshof getagt, um ihr synodalgeschichtlich bislang analogieloses Vorhaben einer Anathematisierung von drei Konstantinopler und einem alexandrinischen Patriarchen, zwei kaiserlichen Gesetzen und einem als Häresiarchen ausgemachten Bischof zum Ziel zu führen. Sie hat dazu einen in seinen Verfahrensabläufen und -bestandteilen weitgehend feststehenden synodalen Akkusationsprozess durchgeführt und (152) sich dabei als Präze-

247 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.168,36–170,1 Ried.): καὶ δίκην ἐφ᾿ ἑαυτὸν ἀπαραίτητον ἐκ τῆς τῶν ἀποστολικῶν θρόνων αὐθεντίας προσκαλουμένου. 248 Vgl. PMBZ, Nr. 4678; Wolfram Brandes, Die melkitischen Patriarchen von Antiocheia im 7. Jahrhundert. Anzahl und Chronologie, in: Mus 111 (1998), (37–57) 41–43. Beginn und Ende der Amtszeit des Makedonios lassen sich nur rekonstruieren. 249 S. o. Anm. 220. 250 Dagegen hatte Papst Iohannes IV. protestiert. Vgl.: Iohannes IV pp., Epistula ad Constantinum Imp. (PL 129,561–566. 561C13–D5; Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 69.

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denzfälle und Muster auf die Verfahren des 5. Jahrhunderts gegen Eutyches, Nestorius und Dioskur berufen. In auffälliger Weise wird in den Akten von mehreren Rednern wiederholt der Anspruch formuliert, dass die Synode dieses Verfahren kanonisch, ordnungsgemäß und den kirchlichen Satzungen entsprechend durchführt. Die Lateransynode ordnet sich damit programmatisch in das bestehende Prozessrecht kirchlicher Lehrverfahren gegen Bischöfe ein. Eine Überprüfung des tatsächlich durchgeführten Verfahrens der Synode hat ergeben, dass dieser Akkusationsprozess durch substantielle Verfahrensfehler gekennzeichnet ist. Der schwerwiegendste bestand darin, dass die Synode nach der weitgehend rechtsförmig durchgeführten Anklageerhebung nicht die zwingend vorgeschriebene Vorladung der lebenden Angeklagten vorgenommen hat, sondern ohne dreimalige Ladung einen einseitigen Kontumazialprozess in deren Abwesenheit durchführte. Dieser Fehler muss als Verfahrensbruch und schwerer Verstoß gegen die Prozessordnung bewertet werden, denn damit wurde den Angeklagten jede Möglichkeit der Verteidigung einschließlich der Beibringung von eigenen Zeugen und Zeugnissen der Tradition genommen. Schon dadurch ist das gesamte Verfahren eigentlich hinfällig entsprechend jenem Grundsatz, der im Jahr 451 in Chalcedon gegen Dioskur und dessen II. Ephesenum folgendermaßen formuliert wurde: „Wir halten es für eine bewährte Tatsache, dass jemand, der bei einem Prozess nicht anwesend ist und auch nicht vorgeladen wurde, unter keinen Umständen durch das gegen ihn erlassene Urteil Schaden nehmen kann.“251 Um diesen schweren Verfahrensfehler zu kaschieren, wurde den Konstantinopler Synoden von 636/7 (638) und 639 sachlich unzutreffend vorgeworfen, unkanonisch vorgegangen zu sein, weil auf ihnen keine Ankläger und namentlich identifizierbaren Angeklagten eingeführt wurden. Hinzu kommen weitere schwere Fehler. So hat die Eröffnungsrede Papst Martins in der konstituierenden Sitzung der Synode bereits den Charakter einer Anklageschrift, in der das Urteil der Synode vorweggenommen wird. Damit wurde die rechtsförmig vorgeschriebene strikte Unterscheidung von Ankläger und Richter unterlaufen. Dieser Verfahrensbruch manifestiert sich zusätzlich in den Akten durch die Unterschrift des Anklägers Stephanos von Dora unter das Synodalurteil, der damit zum Richter gemacht wurde. Vollends eindeutig wird dieser Bruch der Rechtsordnung durch die Tatsache, dass mit dem gesamten Aktentext auch der Urteilsspruch der Synode mit seinen 20 Anathematismen vor Beginn fertig abgefasst war. Dadurch stand das Urteil sogar schriftlich bereits vor Eröffnung des Verfahrens fest, das damit zur Farce wurde. (153)

251 S. o. Anm. 173.

5 Fazit

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Weiterhin war das eigentliche theologische Kriterium, das zur Durchführung des Urkundenbeweises und zur Begründung des Urteils festgelegt wurde, gar nicht in der bisherigen synodal-dogmatischen Tradition der Kirche in den auf der 4. Sitzung benannten normativen Texten definiert worden. Vielmehr wurde es in der 1. Sitzung vom Papst und seinem Co-Vorsitzenden Maximus von Aquileia gleichsam a priori der Urteilsfindung der Synode vorangestellt. Damit wurde eine bislang nur in der Theologie des Maximos Homologetes verankerte Interpretation der Zwei-Naturen-Lehre im Sinne eines Dyotheletismus und insofern ein kirchlich bislang nicht anerkanntes Theologumenon eines umstrittenen Theologen zum Kriterium eines Lehrverfahrens erhoben. Das bedeutete eine Neuerung (καινοτομία) und die klare Verletzung eines objektiven Verfahrens. Schließlich ist die Lateransynode für einen Akkusationsprozess gegen Angeklagte dieses Ranges gar nicht zuständig gewesen. Nach der geltenden kirchlichen Ordnung wäre dafür nur eine Ökumenische Synode in Frage gekommen. Um diesen prinzipiellen Verfahrensfehler zu überdecken, wurde zu Beginn der Synode in mehreren Reden die Zuständigkeit des römischen Bischofs aufgrund seiner „apostolischer Autorität“ und seines Primates breit entfaltet. Besonders die einem Ankläger in keiner Weise zukommende Begründung der Kompetenz des synodalen Gerichtshofes durch Stephanos von Dora/Palästina mit einer breiten Entfaltung der römischen Primatstheologie macht deutlich, dass den Organisatoren der Synode dieser Fehler offensichtlich bewusst gewesen ist. Indem die Begründung römischer Zuständigkeit besonders von einem östlichen Bischof und Mönchen aus dem Osten vorgetragen wurde, sollte – kontrafaktisch! ‒ deutlich gemacht werden, dass dieser Anspruch auf Zuständigkeit auch von „fast allen“ Bischöfen und Völkern im Osten geteilt werde. Tatsächlich handelt es sich dabei um eine Infragestellung der sogenannten kaiserlichen Synodalgewalt und eine usurpierte Zuständigkeit. Dieser erste frühmittelalterliche Versuch, die Institution der Ökumenischen Synode durch ein päpstlich geleitetes Concilium universale abzulösen, ist ganz wesentlich durch östliche Theologen ‒ allen voran durch Maximos Homologetes ‒ befördert worden. In diesem Sinne hat Maximos meines Erachtens deshalb dann die Lateransynode als Ökumenisches Konzil eingeordnet. Aber auch die Zusammensetzung der Synode wirft bei den mehrheitlich italischen Teilnehmern Fragen auf. Denn 95,55% aller Reden werden alleine vom Papst und zwei weiteren Bischöfen gehalten, die mit ihm als Co-Vorsitzende die Synode leiten. Dies und das völlige Schweigen von 97 italischen der 106 teilnehmenden Bischöfe erklärt sich meines Erachtens aus der dem Papst zugewiesenen Bedeutung für die Legitimität der Synode und dem verfahrensbedingten Zwang, zu einem einstimmigen Urteil zu kommen. Mögliche Interventionen oder (154) Dissens wurden so durch strikte Lenkung eines bis in die zuvor erfolgte Verschriftlichung vorgeplanten Verfahrens ausgeschlossen. In dieser Per-

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spektive relativiert sich auch die in jüngster Zeit wieder aufgegriffene Frage, inwieweit auf den einzelnen Sitzungen echte Debatten stattgefunden haben.252 In den vorliegenden Akten findet sich davon jedenfalls keine überzeugende Spur. Hier wird eher von drei Dauerrednern in ständiger gegenseitiger Bestätigung und Abwechslung und unter Beteiligung von Anklägern und einigen Notaren die bereits feststehende Inszenierung einer Synode geboten. Erklärungsbedürftig bleiben trotz allem die geringen Varianten zwischen dem griechischen Ausgangstext der Akten und der lateinischen Übersetzung.253 Mit Pietro Conte könnte man annehmen, dass dem lateinischen Text in der Durchführung der Synode eine „‘priorità operativa‘“ zukam. Insofern die Redner als lateinische Muttersprachler auch Interpreten ihrer Reden gewesen seien und sich diese zu eigen machten, habe der lateinische Text auch noch Verbesserungen erfahren und sei in dieser Form publiziert worden. Der griechische Text sei deshalb als „‘teorico‘“ vom lateinischen als „‘operativo-pratico‘“ zu unterscheiden.254 Nicht einleuchten will mir die eingangs skizzierte Hypothese von Richard Price, dass die meisten der Reden in ihrer jetzigen Gestalt erst nach der jeweiligen Sitzung und vor Beginn der nächsten abgefasst worden seien.255 Demgegenüber hatte Rudolf Riedinger meines Erachtens überzeugend nachgewiesen, dass die langwierige Arbeit der Erstellung eines griechischen Ausgangstextes, auf dessen Grundlage ja erst die lateinische Übersetzung angefertigt wurde, in den wenigen Tagen zwischen den Sitzungen „schlechterdings unvorstellbar“ ist.256 Schließlich sind die lateinischen Akten „mit ihrer Übersetzung in die griechische Sprache“ unter dem Datum des letzten Sitzungstages 31. Oktober 649 von Papst Martin an Kaiser Konstans II. verschickt worden.257 Sie müssen also zu diesem Datum vollständig fertig gewesen sein.258 (155)

252 S. o. Anm. 42. 253 Vgl.: Conte, Il Sinodo Lateranense (s. Anm. 36), 143–144. 254 Conte, Il Sinodo Lateranense (s. Anm. 36), 144–147.144. 255 S. o. Anm. 42. 256 Riedinger hat dies am Beispiel der Rede Martins am Ende von secretarius II vorgeführt. Vgl.: Riedinger, Aus den Akten der Lateransynode (s. Anm. 39), 23. 257 Martinus I. pp., Epistula 3 ad Constantem Imp. (PL 87,137–146.144D1-6): μετὰ τῆς τούτων πρὸς τὴν ἑλλάδα φωνὴν ἑρμηνείας ἀποστείλαμεν. Vgl.: Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 114. Der damit gegebene Zeitpunkt der Fertigstellung der Akten ist unabhängig von der Frage, ob dieser Brief tatsächlich abgeschickt wurde oder nicht. An der lateinischen Übersetzung der Akten des VI. Ökumenischen Konzils (680/1), die mehr als doppelt so lang sind, wurde in Rom von 682 bis 701 gearbeitet. Vgl.: Rudolf Riedinger, Die lateinischen Handschriften der Akten des VI. Konzils (680/81) und die Unizialkorrekturen im Cod. Vat. Regin. Lat. 1040, in: Ders., Kleine Schriften (s. Anm. 32), (119–133) 121–123. 258 Vgl. auch o. Anm. 163.

5 Fazit

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Diese Akten sind als literarisches Produkt einer konzeptionell geplanten und als Gerichtshof tagenden päpstlichen Synode mit ökumenischem Anspruch im Wesentlichen das Werk des Maximos Homologetes und seiner Schüler gewesen. Dennoch stellt sich die Frage, warum die Päpste Theodorus I. und Martin I. bereit waren, sich und die römische Kirche auf ein solches Unternehmen einzulassen. Neben manch anderen Gründen259 scheint Folgendes entscheidend gewesen zu sein. Wie Maximos waren auch die Päpste der Überzeugung, dass mit dem Einfall der Araber, der Eroberung Jerusalems und den immer weitergehenden Verlusten zentraler Territorien des Römischen Reiches ein apokalyptisches Szenario Wirklichkeit geworden war.260 Sie deuteten diese Ereignisse als Herrschaft des Antichrists und gingen davon aus, dass das Endgericht unmittelbar bevorstand mit der Möglichkeit des Untergangs des Imperiums. Verantwortlich für diese Entwicklung war ihres Erachtens die kaiserliche Religionspolitik seit Kaiser Herakleios. In dieser Situation hielten sie es anscheinend für zulässig, auch mit den letzten denkbaren Mitteln den Zorn Gottes abzuwenden und so auch das Imperium, das mit 2Thess 2,6–8 von alters her als „die den Widersacher aufhaltende Macht“ (τὸ κατέχον) verstanden wurde, vor dem Untergang zu bewahren. So hat Papst Martin in seinem eben genannten Brief an den Kaiser seine Aufforderung, die Beschlüsse der Lateransynode zu bestätigen, mit der Verheißung versehen, dass dies Gott mit dem Sieg über die Barbaren und erneutem Frieden belohnen werde.261 Der kaiserlichen Religionspolitik begegnete die römische Kirche mindestens bereits seit dem Drei-Kapitel-Streit des 6. Jahrhunderts und dem Umgang Kaiser Justinians I. mit Papst Vigilius (537–555) mit zunehmender Skepsis. Die Folgen dieses Streites waren für das Papsttum in einem anhaltenden Schisma

259 Vgl.: Booth, in: Price/ Booth/Cubitt, Acts (s. Anm. 32), General Introduction 40–58 („The Roman Perspective“). Dazu: Ohme, Wer hat den Dyotheletismus erfunden? (s. Anm. 138). 260 Zum Folgenden vgl.: Ohme, Geschichtstheologie (s. Anm. 9), 41–51. 261 Die kaiserliche Bestätigung der Synode diene „zur Vereinigung der katholischen Kirche und zur Sicherheit Eures christusliebenden und Gott unterwürfigen Staates. Denn die Bewahrung des Staates pflegt immer irgendwie mit dem orthodoxen Glauben zugleich in Blüte zu stehen. Der von Eurer Durchlaucht richtig geglaubte Herr wird nämlich in gerechter Weise zusammen mit Eurer Herrschaft die Feinde bekämpfen, indem er seine Stiftung bewaffnet zur Abwehr der Feinde [...], um alle barbarischen Völker, die Kriege wollen, unter seine Füße zu legen“ (Εἰς σύστασιν μὲν τῆς καθολικῆς ἐκκλησίας, ἀσφάλειαν δὲ τῆς φιλοχρίστου καὶ δουλικῆς ὑμῶν πολιτείας. Ἐπειδὴ συνακμάζειν εἴωθέ πως ἀεὶ τῇ ὀρθοδόξῳ πίστει, καὶ ἡ τῆς πολιτείας συντήρησις. Συνεκπολεμήσει γὰρ τῷ ὑμετέρῳ κράτει δικαίως τοὺς πολεμίους ὁ παρὰ τῆς ὑμετέρας γαλήνης ὀρθῶς πιστευόμενος Κύριος, ὁπλοποιῶν τὴν κτίσιν εἰς ἄμυναν τῶν ἐχθρῶν [...] πρὸς τὸ ὑποτάξαι ὑπὸ τοὺς πόδας αυτοῦ πάντα τὰ βάρβαρα φῦλα, τὰ τοὺς πολέμους θέλοντα): Martinus I pp., Epistula 3 ad Constantem Imp. (PL 87,[137–146] 144D12-145A5.8–9).

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9 Was war die Lateransynode von 649? Was sollte sie sein?

in Norditalien, (156) insbesondere in der Kirche von Aquileia, immer noch gegenwärtig.262 Auf diesem Hintergrund war die römische Kirche wohl besonders empfänglich für den zentralen maximianischen Vorwurf, dass durch den sog. Monotheletismus die Synode von Chalcedon und insbesondere die Autorität Papst Leos I. außer Kraft gesetzt würden. Tatsächlich spielte der sog. Tomus Leonis (Epistula 28; CPL 1656) und sein Verständnis während des gesamten monenergetisch-monotheletischen Streites eine zentrale Rolle. Dessen schon seit 451 umstrittener Kernsatz: Agit enim utraque forma cum alterius communione quod proprium est, verbo scilicet operante quod verbi est, et carne exequente quod carnis est263 war „the most celebrated sentence [...] for the monothelete controversy“.264 Er steht deshalb auch auf der Lateransynode in den Reden und bei den Florilegien an zentraler Stelle.265 So wurde schließlich der römische Primat und die damit beanspruchten Vollmachten für Maximos und die Päpste zur alles überragenden und alle möglichen Bedenken hintanstellenden Legitimation ihres Handelns. Nach dem Vorbild des kirchlichen Umgangs mit der von Dioskur im Jahr 449 in Ephesus organisierten „Ökumenischen Synode“ hätten die Akten der Lateransynode so wie die des II. Ephesenums in Chalcedon auf dem nächsten Ökumenischen Konzil eigentlich einer eingehenden Prüfung unterzogen werden müssen. Wohl um die Teilnahme der römischen Kirche nicht zu gefährden und die Spaltung der Kirche zu überwinden, wurde darauf im Jahr 680/1 in Konstantinopel verzichtet. Man hat deshalb dort die Lateransynode wegen der Verfahrensfehler und natürlich auch wegen der inzwischen in den Jahren 653, 655 und 662 durchgeführten Hochverratsprozesse266 gegen Papst Martin und Maximos verschwiegen und versucht, möglichst alle Verfahrensfehler des Jahres

262 Vgl. dazu: Rudolf Schieffer, Zur Beurteilung des norditalischen Dreikapitel-Schismas. Eine überlieferungsgeschichtliche Studie, in: ZKG 87 (1976), 167–201; Celia Chazelle, Catherine Cubitt (Hgg.), The Crisis of Oikoumene: The Three Chapters and the Failed Quest für Unitiy in the Sixth-Century Mediterranean, Turnhout 2007. 263 Leo I pp., Epistula 28,4 (ACO ser. I 2,2,1 p. 28,12–14 Schwartz). 264 Price, in: Price/Booth/Cubitt, Acts (s. Anm. 32), 333 Anm. 254; vgl. auch: Demetrios Bathrellos, The Byzantine Christ: Person, Nature, and Will in the Christology of St. Maximus the Confessor, Oxford 2004, 176–189. 265 Vgl.: Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 2,1 p. 15,24–26;150,22–23;244,15–16;298,26–32 Ried.). Dabei wird allerdings der originale Wortlaut der aktuellen Streitfrage angepasst, und unter Rückgriff auf die griechische Übersetzung (ACO ser.I 2,1,1 p.14,27–29 [Schwartz]), die das agit mit ἐνεργεῖ übersetzt hatte, jetzt formuliert: operatur enim utraque forma ... . 266 Vgl.: Brandes, „Juristische“ Krisenbewältigung“, (s. Anm. 26).

5 Fazit

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649 zu vermeiden.267 Dieses Schweigen kann aber nicht ungeschehen machen, was die Lateransynode von 649 war: eine kirchenrechtlich und reichsrechtlich illegale Veranstaltung, die in der beispiellosen Radikalität ihrer Entscheidungen jede Verständigung in der theologischen Kontroversfrage unmöglich machte und die es wegen der vollzogenen substantiellen Verstöße gegen das kirchliche Prozessrecht verdient, dem latrocinum von 449 als latrocinium secundum an die Seite gestellt zu werden. Die Lateransynode war ein Konzil des Unfriedens, das während der durch die arabischen Eroberungen seit 634 entstandenen größten Gefahr für Kirche und Reich auch noch die kirchliche Einheit zerstörte.

267 In wieweit das tatsächlich gelungen ist, bedarf meines Erachtens einer neuen Untersuchung.

10 Some new fruits of research on the monenergist-monothelete controversy of the seventh century Abstract: This article investigates five central aspects of the so-called monenergist-monothelete controversy of the seventh century, and comes to the following conclusions. 1. The Lateran Synod of 649 was an accusatorial process marred by serious failings in procedure. It was the first attempt to replace the institution of the ecumenical council with a papal Concilium universale. 2. The Acts of the Constantinopolitan synods of 636 and 638/9 to confirm the Ekthesis of the emperor Herakleios were destroyed, because they showed that the Ekthesis had also been received by the Roman Church and by Patriarch Sophronios of Jerusalem. 3. The so-called Apologia Honorii of Pope John IV is not a coherent text, but additions were made to it after 681 by supporters of Maximos Homologetes, who had an interest in upholding the unbroken authority of the papacy as an institution. The Roman Synod of 641 issued no anathemas. 4. The emperor Herakleios did not before his death distance himself from the Ekthesis. His stance was misrepresented by Maximos, in order to escape a charge of high treason arising from the anathematization of this imperial law at the Lateran Synod. 5. The letter of Archbishop Sergios of Cyprus presented at the Lateran Synod had been forged or falsified. It served thereby to underpin the legitimacy of the synod and to provide apparent documentary support for its proceedings from the churches of the East. The article concludes by drawing these threads together. The research on Maximos in recent decades and the related investigation of the so-called monenergist-monothelete controversy have produced rich fruits and hugely enlarged our knowledge of this supposedly “dark century”. Witnesses to this are the partially completed editions of the works of Maximos Homologetes in Corpus Christianorum,1 the editions of the sources for his life2 as also of

1 See CCSG 7, 10, 18, 22, 23, 40, 48, 86, 89. 2 Pauline Allen/Bronwen Neil (edd.), Scripta saeculi VII vitam Maximi Confessoris illustrantia, una sum latina interpretatio Anastasii Bibliothecarii iuxta posita (CCSG 39), Turnhout/Leuven 1999; Pauline Allen and Bronwen Neil (edd.), Maximus the Confessor and his Companions, Documents from Exile, Oxford 2002; Bronwen Neil, Seventh-Century Popes and Martyrs. The political Hagiography of Anastasius Bibliothecarius (Studia antiqua australiensia II), Turnhout 2006. Note: Unpublished. https://doi.org/10.1515/9783110714531-010

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10 Some new fruits of research on the monenergist-monothelete controversy

the Acts of the councils of 649 and 680/13 and their English translations, the discovery of new Syriac sources,4 the extensive prosopographical studies5 and the collections of regesta,6 and not least, naturally, the scarcely still manageable literature,7 in addition to the already fundamental resumés on Maximos and the history of the seventh century.8 It would, however, be a mistake to deduce from this that no new discoveries in this field of research are to be expected. In what follows I wish to make this clear with reference to some contributions that are hitherto been published only in German.9 These concern overwhelmingly the first phase of the so-called monenergist-monothelete controversy, which reached its climax at the Lateran Synod of 649. I begin with the question, unanswered until recently, as to which type of council is represented by the Lateran Synod. This will show that this synod was illegal in terms of both church and state law (Section 1). The Lateran Synod had condemned together with the so-called Ekthesis of the emperor Herakleios the synods of Constantinople under the patriarchs Sergios and Pyrrhos as well, and the Sixth Ecumenical Council destroyed their Acts. This poses the question as to what significance these synods had and what this signifies for the Ekthesis (2). At the Lateran Synod no single mention was made of the name of Pope Hono-

3 Rudolf Riedinger (ed.), Concilium Lateranense a. 649 celebratum (ACO ser. II 1), Berlin 1984; Richard Price, Phil Booth, Catherine Cubitt, The Acts of the Lateran Synod of 649, trans. by Richard Price (Translated Texts for Historians 61), Liverpool 2014; Rudolf Riedinger (ed.), Concilium Universale Constantinopolitanum Tertium, (ACO ser. II 2,1–2), Berlin 1990.1992. 4 Micheline Albert/Christoph von Schönborn, Lettre de Sophrone de Jérusalem à Arcadius de Chypre (PO 32,9), Turnhout 1978; Sebastian Brock, Syriac Perspectives on Late antiquity, London 1984; id., Studies in Syriac Christianity, Variorum 1992. 5 Prosopographie der mittelbyzantinischen Zeit. Erste Abteilung 641–867, completed by RalphJohannes Lilie, Claudia Ludwig, Thomas Pratsch, Ilse Rochow on the basis of preliminary work by Friedhelm Winkelmann, vols. 1–6, Berlin 1999–2002. 6 Friedhelm Winkelmann, Der monernergetisch-monotheletische Streit (BBySt 6), Frankfurt/ M. 2001; Franz Dölger/Andreas E. Müller, Regesten der Kaiserurkunden des oströmischen Reiches I.1 Regesten 565–867, 2nd edition with the collaboration of Johannes Preiser-Kapeller, Alexander Riehle, Andreas E. Müller, Munich 2009. 7 See simply on Maximos Peter van Deun, Maxime le Confesseur. État de la question et bibliographie exhaustive, SacEr 38 (1998–9), 485–573; id., Développements récents des recherches sur Maxime le Confesseur (1998–2009), SacrEr 48 (2009), 97–167. 8 See e.g. Walter E. Kaegi, Heraclius, Emperor of Byzantium, Cambridge (2003) 2004; Marek Jankowiak, Essai d’histoire politique du monothélisme, Diss. Paris-Warsaw 2009 (unpublished); Phil Booth, Crisis of Empire: Doctrine and Dissent at the End of the Late antiquity, Berkeley 2013; Christian Lange, Mia Energeia. Untersuchungen zur Einigungspolitik des Kaisers Heraclius and des Patriarchen Sergius von Constantinopel (STAC 66), Tübingen 2012; Pauline Allen, Bronwen Neil (edd.), The Oxford Handbook of Maximus the Confessor, Oxford 2015. 9 My sincere thanks to Richard Price for translating this article into English.

1 What was the Lateran Synod of 649? What was it meant to be?

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rius, to which the so-called monotheletes made constant appeal. My third section investigates the question of how, both before and after 649, Maximos and his supporters dealt with the theological inheritance of this pope (3). Maximos asserted that in a iussio/κέλευσις at the end of his life the emperor Herakleios distanced himself from the Ekthesis. How are the citations from this iussio to which he appealed rightly to be classified (4)? A letter from Sergios archbishop of Cyprus contained in the Lateran Acts testifies to both himself and the whole church of Cyprus as convinced dyotheletes and propagandists for Roman claim to universal primacy. Is the letter authentic (5)? A conclusion will shall draw these threads together.10

1 What was the Lateran Synod of 649? What was it meant to be? This synod was probably the most important papal council of the early middle ages.11 In five sessions from 5 to 31 October 649, 106 almost exclusively Italian bishops under the presidency of Pope Martin I (649–653) subjected to anathema the three Constantinopolitan patriarchs Sergios I (610–638), Pyrrhos (638–641, 654) and Paul (641‒653), the Alexandrian patriarch Kyros (631–642) and two imperial edicts – the so-called Ekthesis of 63612 and the so-called Typos of 648 ‒ and finally rejected as a heretic Bishop Theodore of Pharan († before 638) also. The radical nature of these measures was unprecedented, and they broke off communion with the Church of Constantinople. Thereby the Lateran Synod became the preliminary climax of the so-called monenergist-monothelete controversy. Ever since the research into the Acts of the Lateran Synod carried out by Rudolf Riedinger in the context of his edition it has been clear that the text of the Acts, together with insertion of older documents, was compiled by the group of eastern monks in Rome in a preliminary Greek edition before the beginning of the council, and then translated into Latin with local assistance. This conclusion was not be brought into doubt by the studies of Pietro Conte,

10 The following exposition draws together the conclusions of the considerably more extensive articles on these questions that are referred to below. Fuller argumentation and more detailed source references are to be found in them. 11 See for the following Heinz Ohme, Was war die Lateransynode von 649? Was sollte sie sein?, AHC 48 (2016/17), 109–157. 12 For this date see Section 2.

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Richard Price and Catherine Cubitt;13 the only problematic issue was simply Riedinger’s hypothesis that it was only already prepared texts that were read out at the synod. What remained unclear was what kind of council was represented by this synod. Richard Price advanced the hypothesis that “that the synod of 649 was conducted in a perfectly normal fashion”; he refers, inter alia, to the claim of the Lateran Synod to have followed “the rules of a proper synodical procedure” in contrast to the Constantinopolitan synods of 638 and 639.14 Alexander Alexakis had in 1996 advanced the thesis that “a procedure almost identical to the fifth ecumenical council can be observed throughout the Lateran Council”;15 and Catherine Cubitt spoke of “a common conciliar pattern”, according to which the Lateran Synod was conducted as a “type of enlarged council” for a Roman synod and was akin to a legal trial.16 The Lateran Synod was not merely akin to a legal trial, but operated as a conciliar court of justice. In its procedure and constituent parts it followed the conciliar accusatorial process normative in the seventh century, and therewith appealed as precedents and models to the process followed in the fifth century against Eutyches, Nestorios and Dioskoros.17 It was of the essence of a synodal

13 Pietro Conte, Il Sinodo Lateranense dell’ottobre 649 (Collezione Teologica 3), Vatican 1989; Richard Price and Catherine Cubitt, in Price/Booth/Cubitt, The Acts of the Lateran Synod of 649 (as in n. 3), General Introduction 59–102; Catherine Cubitt, The Lateran Council of 649 as an Ecumenical Council, in Richard Price/Mary Whitby (edd.), Chalcedon in Context. Church Councils 400–700, Liverpool 2009, 133–147. Riedinger was able to prove conclusively that the whole of the Latin text of the Acts (with the exception only of few original Latin texts incorporated into the Acts), including all the speeches delivered at the synod present a translation from the Greek. And because the dyenergism and dyotheletism defined by the synod and presented in the speeches correspond in their totality, even in particular formulations, to the argumentation of Maximos, it is also clear who was engaged in the composition of the texts before the synod. See Rudolf Riedinger, Kleine Schriften zu den Konzilsakten des 7. Jahrhunderts (IP 34), Turnhout 1998. This work was probably carried out in the Church of Sta. Maria Antiqua on the Palatine Hill: see Eileen Rubery, Papal Opposition to Imperial Heresies: Text as Image in the Church of Sta. Maria Antiqua in the Time of Pope Martin I (649–54/5), StPatr 50 (2011), 3–29; id., Conflict or collusion? Pope Martin (649–654/5) and the Exarch Olympius in Rome after the Lateran Synod, StPatr 52 (2012), 339–374. 14 Richard Price, in Price/ Booth/ Cubitt, Acts (as in n. 3), General Introduction, 64–68. 15 Alexander Alexakis, Codex Parisinus Graecus 1115 and Its Archetype, Washington 1996, 16. 16 Cubitt, The Lateran Council of 649 (as in n. 3), 137–138.; id., in Price/ Booth/ Cubitt, The Acts of the Lateran Synod of 649 (as in n. 13), General Introduction, 71–73. 17 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.28,2–7 Ried.). Proceedings against bishops and clerics before a synodal court had in the meantime adopted a set structure, which imitated with modifications the criminal proceedings of state courts. See Artur Steinwenter, Der antike kirchliche Rechtsgang und seine Quellen, ZSRG.K 23 (1934), 1–116; id., Studien zum römischen Versäumnisverfahren, München 1914; Eduard Schwartz, Der Prozess des Eutyches, SBAW.PPH

1 What was the Lateran Synod of 649? What was it meant to be?

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accusatorial process that the synod was conducted as a collective court of justice, that is, where each single bishop was a judge. The president had equally to be a bishop, but was still but one judge among many. Voting was carried out by acclamation, and each bishop had to testify to his agreement in writing by adding his signature under the verdict. As in the case of state trials a protocol had to be followed, and the competence of the court had to be established. A bishop was subsequently to pass judgement before the synod of his province and under the presidency of the metropolitan, while the metropolitans did the same at a council under the presidency of the archbishop or patriarch, which was inferior only to the ecumenical council. The trial was initiated by a prosecutor (κατήγορος). He had to be personally present and read out an indictment in writing and personally signed (κατηγορικὸς λίβελλος, δέησις καὶ ἱκεσία, ἀναφορά), which had to satisfy certain requirements. He could apply for the presentation of evidence and name witnesses, who had then to be heard, and conduct a documentary proof on the basis of written evidence. Furthermore, the indictment had to contain specific content, that is, a specification of the heresy and an appeal for an initiation of proceedings. This involved the accused being summoned before the council and being presented with a statement of the charges; he had to defend himself before the court and could name witnesses to be summoned. The summons could be presented to the accused not more than three times; if even the third summons was not heeded, the case became one of contumacy, that is, one by default, when the verdict would be pronounced in the absence of the accused. In either case juridical proceedings against an absentee without the second and third summonses were not permitted, because the right of the defendant to vindicate himself had to be respected in all circumstances. Because of the prominent role of the accuser this procedure was called an accusatorial process.18 The examination of the proceedings of the Lateran Synod reveals, however, that the proceedings of the Lateran Synod were marred by serious procedural failings. The most serious of these lies in the fact that, after the correctly conducted initiation of the prosecution in the second session with the presentation of two indictments by two accusers in person and further declarations of older

1929, H. 5, München 1929; Gerhard May, Das Lehrverfahren gegen Eutyches im November des Jahres 448, AHC 21 (1989), 1–61. 18 To be distinguished from this is the investigative process. Here there were no prosecutors in the strict sense of the word, but the ground of accusation was first raised in the course of a judicial investigation (cognitio). Such a procedure was, for example, followed in case against Bishop Palladius von Rithiaria because of a suspicion of Arianism under the chairmanship of Ambrose of Milan in 381 at Aquileia. Likewise the proceedings against Nestorius were those of a cognitio.

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date,19 the required summons of those accused who were still alive were not delivered, but a one-sided trial for contumacy was conducted in their absence without the required threefold summons. This omission must be adjudged as a serious violation of due procedure, for the accused were thereby deprived of every opportunity to defend themselves, including the presentation of witnesses for the defence and of the witness of the tradition. This in itself made the whole proceedings defective, according to the principle that had been formulated in the following way at Chalcedon against Dioskoros and the Second Council of Ephesus: “We hold it to be an assured fact that someone who is not present at a trial and did not receive a summons can in no circumstances be penalized by a sentence delivered against him.”20 There were in addition further serious defects. The speech by Pope Martin that opened the synod21 has already the character of an indictment in which the synod’s verdict is presumed in advance; this constituted a breach of the strict distinction according to law between accuser and judge. This same breach was similarly committed in the subscription of the verdict by the first prosecutor, Bishop Stephen of Dora, who thereby became one of the judges.22 Wholly unambiguous was the breach of legal procedure in the fact that together with the text of the complete acts the pronouncement of the verdict of the synod with its twenty anathemas had been fully composed in advance; as a result the verdict was already fixed in writing even before the proceedings opened. Furthermore, though the synod did in a formally correct way specify normative texts of the Church’s conciliar-dogmatic tradition as a basis for its judgement, yet the actual criterion to be used for the conduct of the proof from sources and as a basis for the verdict23 had already in the very first session been determined in advance by the pope and his fellow chairman Bishop Maximus of Aquileia. It consisted in its kernel of two incorrect assertions: first that the Council of Chal-

19 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.31–108 Ried.). On this see Price, in Price/ Booth/ Cubitt, Acts (as in n. 3), 132–139. 20 Concilium Chalcedonense a. 451 (ACO ser. I 2,1,3 p.41–42 Schwartz): Τὸν ἐν τῇ κρίσει μὴ παρόντα, ἀλλὰ μήτε προσκληθέντα κατὰ μήδενα τρόπον βλάπτεσθαι ὑπὸ τῆς ἐξενεχθείσης κατ᾿ αὐτοῦ ψήφου δοκιμάζομεν. 21 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.10,6–20,39 Ried.). 22 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.401,31 Ried.). The signatures to the verdicts on Eutyches and Dioskoros naturally did not include that of Eusebius of Dorylaeum! See ACO ser. I 2,1,1 p.145,20–147,30; 2,1,2 p.34,14–41,32 (Schwartz). 23 At Session IV the following texts were specified as providing the criterion for judgement: the Nicene and Nicene-Constantinopolitan creeds, the Twelve Chapters from Cyril of Alexandria’s Third Letter to Nestorius, the Chalcedonian Definition and the 14 canons/anathematisms of the Fifth Council (553); see ACO ser. II 1, p. 218,1–234,5 (Ried.).

1 What was the Lateran Synod of 649? What was it meant to be?

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cedon had already unambiguously attributed to Christ a twofold natural will (φυσικὸν θέλημα) and a twofold natural operation (φυσικὴ ἐνέργεια), because θέλημα and ἐνέργεια were properties of both the human and divine natures, and secondly that the accused denied any distinction within the willing and operation inherent in the natures.24 The result was to elevate into a dogmatic criterion a theologoumenon that had not yet been recognized by the Church and was anchored only in the two-natures theology of Maximos Homologetes, whose doctrine was still controversial. This constituted an “innovation” (καινοτομία) and a manifest breach of objective procedure. Finally, in conducting an accusatorial process against persons of this rank the Lateran Synod exceeded its powers: the only competent court would have been an ecumenical council. To disguise this fundamental defect, several speeches at the opening of the synod set out at length the competence of the Roman bishop in view of papal primacy and his “apostolical authority”. While this was particularly asserted by the prosecutors Stephen of Dora (Palestine) and the group of 36 monks from the East,25 the intention was to claim that Rome’s claim to jurisdiction was acknowledged by “almost all” the bishops and congregations of the East. In fact it constituted a devaluing of imperial authority over councils and a usurpation of competence. The Lateran Synod of 649 was the first attempt in the early middle ages to replace the system of ecumenical councils by a concilium universale under papal leadership; it was in this sense that Maximos classified the synod as an ecumenical council.26 This claim to ecumenicity was also underlined by the publication of the Acts in both Latin and Greek. A question may also be raised about the role of the overwhelmingly Italian participants at the council. Just over 95% of all the speeches were made solely by the pope and two further bishops who were co-chairmen at the council; this and the complete silence of 97 Italian bishops out of the 105 bishops who participated alongside the pope is explained, in my view, by the importance of the pope for the legitimacy of the council and the requirement for the synod to come to a unanimous verdict. The strict direction of proceedings that had been planned and indeed put into writing in advance left no room for either interventions or dissent. This fact relativizes the question still raised in recent times as to the extent of genuine debate in the individual sessions. In any case there is no convincing trace of this in the existing Acts: what we find here is rather the predetermined staging of a council with three constant speakers who speak in

24 Concilium Lateranense a. 649 ( ACO ser. II 1, p.12,8–18.31; 26,8–22 Ried.). 25 See ACO ser. II 1, p. 38,36–40,33; 42,3–5 (Ried.) 26 Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 11 (PG 91,137D).

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turn and confirm each other, together with the participation of two prosecutors and some notaries. The Latin Acts “with their translation into the Greek language” were sent by Pope Martin to the emperor Constans II (9.1.641–15.7.668) with the date of the final session on 31 October 649.27 They must therefore have been fully composed by this date.28 In accordance with the precedent of the treatment of the Acts of Ephesus II (449) at Chalcedon, the Acts of the Lateran Synod should have received a thorough examination at the next ecumenical council. In order, in all probability, not to endanger the participation of the Roman Church and to overcome the division between the Churches, this was not carried out at the council of 680/1. Because of its defective procedure and also (of course) because of the judicial proceedings of 653, 655 and 662 against Pope Martin and Maximos,29 the Lateran Synod was at that council consigned to silence. This silence cannot, however, undo what the Lateran Synod of 649 actually was: an event that was illegal by both ecclesiastical and imperial law, which in the unparalleled radicality of its decisions made any rapprochement in the theological controversy simply impossible.

2 What was the importance of the Synods of Constantinople of 636/7 and 639? These two synods30 under the patriarchs Sergios and Pyrrhos, which are traditionally dated to 638 and 639, were rejected by Pope Martin at the Lateran Synod as having proceeded uncanonically because no accuser and no accused identi-

27 Pope Martin I, Epistula 3 ad Constantem Imp. (PL 87,137–146,144D1-6): μετὰ τῆς τούτων πρὸς τὴν ἑλλάδα φωνὴν ἑρμηνείας ἀποστείλαμεν. 28 In need of explanation remain only the slight variations between the original Greek text of the Acts and the Latin translation. We may accept with Pietro Conte that in the conduct of the council the Latin text attained a “priorità operativa”. In so far as those orating as native Latin speakers were also the interpreters of their speeches and made these their own, the Latin text received improvements and was published in this form. The Greek text as “teorico” is therefore to be distinguished from the Latin one as “operativo-pratico”; see Conte, Il Sinodo Lateranense (as in n. 13), 143–147. An editing of the speeches in their present form after each session and before the beginning of the next is excluded by the time-scale. See Rudolf Riedinger, Aus den Akten der Lateransynode (1976), in id., Kleine Schriften (as in n. 13), 29–37. The Latin translation, made in Rome, of the Acts of the Sixth Ecumenical Council, which are twice as long, lasted from 682 till 701. 29 See Wolfram Brandes, ‘Juristische’ Krisenbewältigung im 7. Jahrhundert? Die Prozesse gegen Papst Martin I. und Maximos Homologetes, FBRG.FM 10 (1998), 141–212. 30 For the following see Heinz Ohme, Die Konstantinopler Synoden von 638/9 (?) und die Ekthesis des Kaisers Herakleios (610–641), in ZKG 129 (2018), 289–315.

2 What was the importance of the Synods of Constantinople of 636/7 and 639?

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fiable by name made their appearance.31 Now these synods, which constituted a reception or confirmation by the Church of the Ekthesis32 of the emperor Herakleios (610–641), were not accusatorial proceedings, and therefore the reproach made here had rather the purpose of diverting attention from the procedural defects of the Lateran Synod itself. It is notable that already in 645 Maximos had polemicized against these synods33 and also treated in detail in the Disputatio cum Pyrrho34 why Pyrrhos’ synod had allegedly been conducted “contrary to the ecclesiastical laws, rules and requirements for synods”.35 The Lateran Synod, however, included the acts of these two synods only fragmentarily in its documentation,36 in order to prove that Sergios and Pyrrhos, because of their written assent to the Ekthesis at them, were heretics, even though the complete acts of both synods were by this time in the Roman archives;37 they were destroyed at the Sixth Ecumenical Council.38 This raises the question of why the Lateran Synod used only excerpts from these acts, and in its condemnation of these synods did not scrutinize the complete acts, as was done at Ephesus II (449) in relation to the Synod of Constantinople against Eutyches and at Chalcedon in relation to the acts of Ephesus II. A detailed examination of the fragments of these acts and of the context of the two synods makes their significance plain. This applies particularly to the synod of Patriarch Sergios, which he conducted soon after the promulgation of the Ekthesis. The unusual fact that the acts of both synods were protocols (ὑπομνήματα) of considerable length speaks for their importance. Unusual too was their publication on papyrus rolls (χάρται), which at this date was to be expected only in the case of ecumenical councils; furthermore they were circulated, as is shown by their presence in 649 in the archives of the Roman Church. Even though this involved at that time

31 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.190,34–192,19 Ried.). Also Ohme, Lateransynode (as in n. 11), 146–151. 32 The exact title runs “Exposition of the doctrine of orthodoxy” (Ἔκθεσις τοῦ τῆς Ὀρθοδοξίας δόγματος), ACO ser. II 1, p.164,30 f. (Ried.). The text of the Ekthesis comes in the Acts of the Lateran Synod, ACO ser. II 1, p.156,20–162,13 (Ried.). Engl. trans. by Richard Price, in Price/ Booth/Cubitt, The Acts of the Lateran Synod of 649 (as in n. 3), 226–230. 33 Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 12 (PG 91,141–146). 34 Disputatio Maximi cum Pyrrho (PG 91, 287‒353 at 352CD). 35 Disputatio Maximi cum Pyrrho (PG 91, 352D1–3): [...] σύνοδον [...] μὴ κατὰ νόμους καὶ κανόνας συνοδικοὺς ἢ θεσμοὺς γενομένην ἐκκλησιαστικούς. 36 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.164,20–166,35; 168,1–170,7 Ried.). 37 Theophylact, the primicerius notariorum of the Roman Church, produced them in their totality from the “apostolic archives” for presentation to the Lateran Synod. Only excerpts were read out. See ACO ser. II 1, p. 162,17 f.; 164,1–4 (Ried.). 38 See ACO ser. II 2,2, p.626,11–19 (Ried.).

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10 Some new fruits of research on the monenergist-monothelete controversy

what was formally a synodos endemousa,39 both synods claimed to be of importance for the whole Church, as had already been the case (for example) with the home synod of 448 against Eutyches or that of 536, which was conducted as a trial of Patriarch Anthimos of Constantinople and Severos of Antioch.40 The reason for this lay, clearly, in the presentation and ecclesiastical reception of the Ekthesis as an imperial exposition of the faith with the force of law and a resultant claim to be of significance for the entire Church. According to the words of Pyrrhos in the fragment of these acts cited in 649 there was already at the time of the synod of 639 a liturgical commemoration of the Ekthesis in Constantinople,41 something which Maximos had earlier referred to polemically.42 This relates, in my view, to the Kontakion On the holy fathers, which had been composed for an already existing church feast dedicated to the Synod of Constantinople of 536 against Severus and the Fifth Ecumenical Council, and was celebrated on the Sunday after the Feast of Chalcedon (16 July). The Ekthesis together with Sergius’ synod were now added to what was celebrated on this Sunday.43 The synod of 536 with its liturgical commemoration was clearly here the appropriate link, since, though formally a synodos endemousa, the participation of a papal embassy bestowed on it de facto a quasi-ecumenical status.44 It is true that no Roman delegation attended Sergios’ synod, but Sergios will there have appealed to Pope Honorius I (625–638), from whom he had previously received written assent to his earlier proceedings and who had, famously, brought into play the consensual formula of one will in Christ.45 We know for certain that Pyrrhos adduced Honorius as justifying his own proceedings; for

39 Joseph Hajjar, Le synode permanent (σύνοδος ἐνδημοῦσα) dans l”Église byzantine des origines au XIe siècle (OCA 164), Rome 1962. Hajjar pays no attention to the two synods that concern us here. 40 See Jakob Speigl, Die Synode von 536 in Konstantinopel, OS 43 (1994), 105–153. 41 πολλοῖς ἄγαν καὶ διαφερόντως ἐπῃρμένοις [...] στεφανοῦμεν ἐπαίνοις: ACO ser. II 1, p.168, 16–20 (Ried.) 42 In Opusc. theol. et pol. 12 he polemisizes against “commemorative celebration” (actiones monumentorum) conducted in honour of the Ekthesis (PG 91, 142B5–6). 43 The relation of this Kontakion with its 16 strophies to the Ekthesis was first made clear by Constantine A. Trypanis (in his Fourteen Early Byzantine Cantica [WBS V], Wien 1968, 87–100), albeit with partly defective arguments and without a correct placing in the Orthodox liturgical calendar. On this see Heinz Ohme, Das Kontakion ‘Auf die heiligen Väter’ und die Ekthesis des Kaisers Herakleios (610–641), OS 67 (2018), 9–36. 44 See Speigl, The Synod of 536 (as in n. 40), 121–122. 45 On this see Section 3 below.

2 What was the importance of the Synods of Constantinople of 636/7 and 639?

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when the acts of this synod together with his encyclical reached Rome, Pope John IV (24.12.640–12.10.642) made this the justification for a letter of protest.46 Well-grounded ecumenical claims for Patriarch Sergios’ synod become still more apparent if one takes into account a synod that was passed over in silence at the Lateran Synod and in all later dyothelete sources – the Synod of Cyprus, held in 636 under the chairmanship of the archbishop of Cyprus Arcadius I (624–641/2).47 At this synod representatives of the Roman Church and of the Churches of Constantinople, Alexandria and Jerusalem (though without participation by Antioch because of the vacancy of the see) in the presence of Kyros of Alexandria and Sophronios of Jerusalem sought for a theological resolution of the debated question as to whether it was imperative, in relation to the human and divine operation of Christ to adopt exclusive numerical expressions. This they did while rejecting the attempt to have Maximos anathematized, and came finally to an agreement to submit to an adjudication by the emperor Herakleios, since synodical consensus could not be reached. This decision was arrived at with the agreement of Sophronios, whose notary was a member of the synod’s delegation to the emperor.48 This resolve by the Synod of Cyprus was a request by the Church for a decision by the emperor, which, on the background of similar measures by the emperor Justinian, could scarcely take another form than that of an imperial decree. This edict can be none other than the Ekthesis.49 Its promulgation and its synodal endorsement belong, therefore, to 636.50 The Ekthesis was thereby the result of a synod and then embedded in the synod of Sergios that immediately followed, at which the Church took posses-

46 On this see Section 3 below. 47 Sebastian Brock, An Early Syriac Life of Maximus the Confessor, chs 10–14, in Syriac Perspectives (as in n. 4), Nr. XII, 299–346, at 316/7. That this synod is a fact is by now generally recognized. See Winkelmann, Streit (as in n. 6), Nr. 50; Booth, Crisis of Empire (as in n. 8), 239–241; Pauline Allen, Life and Times of Maximus the Confessor, in Allen/ Neil, Handbook (as in n. 8), 3–18. 5; Albert/von Schönborn, Lettre de Sophrone (as in n. 4), Introduction 169–187. The arguments adduced by Jean-Claude Larchet, the last apologist for the Greek Vita Maximi (BHG 1234), can be considered superseded (id., La divinisation de l’homme selon Saint Maxime le Confesseur, Paris 1996, Introduction 8–12). See Bram Roosen, Maximi Confessoris Vitae et Passiones Graecae: The Development of a Hagiographic Dossier, Byz 80 (2010), 408–460; Christian Boudignon, Maxime le Confesseur était-il Constantinopolitain?, in Jaques Noret, Bart Janssens, Bram Roosen, Peter van Deun, Philomathestatos. Studies in Greek and Byzantine Texts Presented to J. Noret for his 65th Birthday (OLA 137), Leuven 2004, 11–43. 48 Vita Maximi syr. 12.15 (Brock 316/7). 49 For a detailed justification see Ohme, Die Konstantinopler Synoden (as in n. 30), 302–305. The hitherto objections to this were essentially based on the traditional dating of the Ekthesis to 638. 50 For this dating see also p. 363.

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10 Some new fruits of research on the monenergist-monothelete controversy

sion of the imperial decision and with the addition of ecclesiastical sanctions documented the unity of imperial and ecclesiastical handling of this question, in a manner corresponding to Byzantine self-understanding. This makes credible the concluding information in the Syriac Vita Maximi that the “edict” was sent to the four sees represented at the Synod of Cyprus and won their approval.51 From the Roman Church under Pope Honorius nothing else is to be expected; even the Latin version of the Ekthesis, which was doubtless the one used at the Lateran Synod, contains the subscription of assent that had been made under Honorius!52 The acts of Sergios’ synod must also have been sent together with the Ekthesis to the participants at the Synod of Cyprus; this explains their presence in the Roman archives. The assent by Sophronios of which we are informed can also claim credibility; for the first half of the Ekthesis is a paraphrase of the Edictum de recta fide issued by Justinian I in July 551, while its second part is an almost verbal repetition of the decree of the Constantinopolitan synodos endemousa of 633 (the so-called Psēphos),53 to which Sophronios had then given his assent54 ‒ and not only he, but also Maximos!55 And even the formula of Christ’s one will was in no way a “new dogma” as was stated in older accounts, but simply a variant of the central formulation of this Psēphos56 and – rightly understood – a thoroughly traditional expression.57 The 51 Vita Maximi syr. 16 (317 Brock). 52 Expositio orthodoxae fidaei facta ab a deo conservando et piissimo nostro domino magno principe Heraclio propter emersam ab aliquibus altercationem pro requisitione operationis, consonans in omnibus sanctis et universalibus quinque conciliis. quam cum multa satisfactione et gratia exciperunt patriarchi cum sedibus praesules, et gratanter ei consenserunt utpote pacem sanctis die ecclesiis inferente: ACO ser. II 2,1, p.157,20–25 (Ried.). A Syriac florilegium of the end of the seventh or beginning of the eighth century proves this subscription to be original: see Maria Conterno, Three unpublished texts on Christʼs will and operation from the Syriac florilegium in the ms. London British Library, Add. 14535, in Millennium 10 (2013), 115–144 at 117. 53 For an analysis of the contents of the Ekthesis see Riedinger, Aus den Akten der Lateransynode (as in n. 28), 19–29. 54 This is stated by Sergios in his Letter to Honorius (ACO ser. II 2,2 p.544,16–23 [Ried.]). 55 Maximus Conf., Epistula 19 ad Pyrrhum (PG 91,589C–597B). Maximos here praises Sergios because of the Psēphos as a “new Moses” (592B). See now H. Ohme, Mehrheit und Minderheit in den Anfängen des monenergetisch-monotheletischen Streites, AHC 49 (2018/2019), 97–126 at 100–104. 56 See ACO ser. II 2,2 p.542,16–21, with ACO ser. II 2,1 p.160,26–29 (Ried.). See also p. 364f. below. 57 See e.g. Richard Price, Monothelitism: A Heresy or a Form of Words?, StPatr 48 (2010), 221–232. The Ekthesis was contested above all because its prohibition of “speaking of one or two operations during the divine incarnation of the Lord or teaching this” (ACO ser. II 1, p.160, 4–5 Ried). That the statement of one will in Christ was in no way regarded a novelty is also shown by the sanctio with which the Constantinopolitan synod of 636 laid down penalties for non-compliance with the Ekthesis. For all the penalties threatened there concern exclusively

2 What was the importance of the Synods of Constantinople of 636/7 and 639?

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Synodica of Sophronios provides proof that this expression was one that he himself also could formulate and justify.58 It is obvious that Maximos and his supporters, whose position had twice been rejected at the synods of 636/7, found these events during an early phase of the so-called monenergist-monothelete controversy a serious embarrassment. It can be shown that from c. 641, and therefore after the deaths of Honorius, Sergios and Sophronios, these events were subjected to a treatment that increasingly distorted them. After the Sixth Ecumenical Council (680/1) this led in the dyothelete sources to a falsification of the information about the two Constantinopolitan synods. These are either not specifically mentioned in the context of the emperor’s “edict”, with the result that the Church’s reception of the Ekthesis is relegated to silence and the “heresy” in question is reduced to a personal conviction held by Sergios and Pyrrhos, or the relation of the synods to the imperial edict is not mentioned, with a consequent silence about the emperor.59 The effect of these distortions can already be perceived in the Lateran Synod and its preparation. For it is obvious that an acceptance of the Ekthesis by the Roman pope Honorius and also Sophronios, documented in the acts of the Constantinopolitan synods, would have stood completely in the way of the intentions of the Lateran Synod. As a result it is not only the stance of Pope Honorius that goes unmentioned, but also the related Synod of Cyprus. The mere name of Honorius does not occur even once! To this silence was conjoined both a reinterpretation of the facts and a rearrangement of the chronology. To this is to be attributed the chronological transference of both the Ekthesis and Sergius’ synod to the period after the deaths of Honorius and Sophronius in 638. This dating, which was taken over in the older scholarly literature, rests solely on a chronological indication by Pope Martin in his opening speech at the Lateran Synod.60 This was clearly intended to create the impression that it was only under Honorius’ successor Pope Severinus that the Roman Church

the wider dissemination of a numeration of operations in Christ; no mention is made of Christ’s will. See ACO ser. II 1, p.166,20–30 (Ried.). 58 See e.g. Sophronius Hier., Synodica (ACO ser. II 2,2 p.450,8–452,7 [Ried.]). This fact contradicts the traditional view of Sophronios, according to which after his election to the patriarchate he “almost immediately became a difficult controversialist for Heraclius and his chosen bishops to handle“‒ so, e.g., still in 2003 in Kaegi, Heraclius (as in n. 8), 209. Kaegi is entirely dependent on the account in Christoph von Schönborn, Sophrone de Jérusalem. Vie monastique et confession dogmatique (ThH 20), Paris 1972, which appeared before the publication of the Syriac Vita Maximi by Sebastian Brock in 1973. 59 See Ohme, “Die Konstantinopler Synoden” (as in n. 30), 298–300. 60 The synod took place κατὰ τὴν προσεχῶς διελθοῦσαν δωδεκάτην ἐπινέμησιν [...] ἐπ᾿ ὀνόματι τοῦ τηνικαῦτα βασιλεύοντος Ἡρακλείου: ACO ser. II 1, p.12,15–17 (Ried.).

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was confronted with the Ekthesis, and that Sophronios was wholly uninvolved.61 The information to the contrary in the acts of the Constantinopolitan synods was neutralized by the organizers of the Lateran Synod by their citation of only fragments of their acts, which were finally destroyed. This not only disguised the course and significance of these synods, but above all obscured the synodal dimension of the Ekthesis and its extensive reception in the Church.

3 How and when was the stance of Pope Honorius I reinterpreted?62 How did the Roman Church and Maximos and his supporters deal both before and after the Lateran Synod with the legacy of Pope Honorius (625–638)? Above all, the two letters of Honorius to Patriarch Sergios63 posed a problem. At the end of 633 or beginning of 634 Patriarch Sergios sent Honorius a detailed report,64 in which he informed him about the union that Cyrus had achieved in Alexandria on 3 June 633 with the supporters of Severus, which had as its climax the statement that there is in two natures “one and the same Christ and Son, who performs what is the divine and what is human with one theandric operation (μιᾷ θεανδρικῇ ἐνεργείᾳ)”.65 He went on to say that, after Sophronius’ protest at this in August 633, he had secured a synodical decree (Psēphos) of the Synodos endemousa, to which Sophronios had given his assent. This Psēphos, already mentioned above,66 laid down that no one is allowed “to propose one or two operations in Christ our God”, and that it is to be acknowledged instead “that one and the same only-begotten Son our Lord Jesus Christ true God performed both the human and the divine operations, and that every operation,

61 This had already been noted by Marek Jankowiak in relation to the curious use at the Lateran Synod of the letter from Patriarch Kyros of Alexandria to Sergios dating to 638 (ACO ser. II 1, p. 172,1–41). See id., Essai d’histoire (as in n. 8), 155–160. See also Ohme, Die Konstantinopler Synoden (as in n. 30), 307–310. 62 For the following see Heinz Ohme, Wer hat den Dyotheletismus erfunden? Zur Frage der Authentizität der Apologia Honorii Papst Iohannes’ IV. (640–642), ByZ 110 (2017), 89–140. 63 Honorius I. pp., Epistula I + II ad Sergium Patr.: ACO ser. II 2,2 p. 548,1‒558,3; 620,22–624,20 (Ried.). 64 Sergius Patr. Const., ep. ad Honorium pp.: ACO ser. II 2,2 p.534,1–546,25 (Ried.). 65 καὶ τὸν αὐτὸν ἕνα Χριστὸν καὶ υἱὸν ἐνεργοῦντα τὰ θεοπρεπῆ καὶ ἀνθρώπινα μιᾷ θεανδρικῇ ἐνεργείᾳ, ACO ser. II 2, p.598, 20 f. (Ried.): . 66 See p. 362 above.

3 How and when was the stance of Pope Honorius I reinterpreted?

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both the divine and the human, proceeds without separation from one and the same enfleshed God the Word and is to be attributed to one and the same.”67 Sergios attached to his report copies (ἰσότυπα) of both the document of union and the Psēphos. At the end of the letter he pressed the pope to acquaint himself with all of them, to supply whatever was lacking, and send it to him.68 Honorius replied with his long First Letter, expressing his assent to Sergios’ proceedings and the ruling of the Psēphos, and added his own formulation: “We profess him as the one who operates as one and the same in both the divine and human natures.”69 And: “We therefore also acknowledge one will of our Lord Jesus Christ.”70 He stressed that one must make a strict distinction between the doctrines of the Church and “personal reflection” and “private opinion” (ἴδιος λογισμός; οἰκεία γνώμη), which one should not “convert” (μεταστρέφειν) into church dogma. Only the Gospels and apostolic writings and the synodal decrees (ὅροι) of the Fathers are normative.71 He added: But whether in respect of the works of the Godhead and the manhood it was proper to state or conceive the introduction of one or two operations (μία ἢ δύο ἐνέργειαι) is a question that should not have been referred to us; we leave such matters to the grammarians or writers on rhetoric, whose habit it is, when making quibbles for children, to use the terms they have concocted as something to make money out of.72

It is manifest that Sergios, Pyrrhos and their successors constantly appealed to Honorius. The already mentioned letter of protest against this by Pope John IV73

67 Sergius I, Patr. Const., Psēphos (ACO ser. II 2,2 p.542, 2–7 Ried.): [...] μηκέτι τοῦ λοιποῦ τινι συγχωρεῖν μίαν ἢ δύο προφέρειν ἐνεργείας ἐπὶ Χριστοῦ τοῦ θεοῦ ἡμῶν, ἀλλὰ μᾶλλον [...] ἕνα καὶ αὐτὸν υἱὸν μονογενῆ τὸν κύριον ἡμῶν Ἰησοῦν Χριστὸν τὸν ἀληθινὸν θεὸν ὁμολογεῖν τὰ τε θεῖα καὶ τὰ ἀνθρώπινα, καὶ πᾶσαν θεοπρεπῆ καὶ ἀνθρωποπρεπῆ ἐνέργειαν ἐξ ἑνὸς καὶ αὐτοῦ σεσαρκωμένου θεοῦ λόγου ἀδιαιρέτως προϊέναι καὶ εἰς ἕνα καὶ αὐτὸν ἀναφέρεσθαι. 68 ACO ser. II 2,2 p.546,21–25 (Ried.) 69 Honorius I. pp., Epistula I ad Sergium Patr. Const. (ACO II 2, 556,14 f.): ὁμολογοῦντες τὸν κύριον ἡμῶν Ἰησοῦν Χριστὸν τὸν ἕνα καὶ τὸν αὐτὸν ἐνεργοῦντα ἐν τῇ θείᾳ καὶ ἀνθρωπίνῃ φύσει; vgl. auch 556, 4–6: πληρέστατα καὶ τελειότητα καὶ πολυτρόπως καὶ ἀφράστως ἡμᾶς δέον ἐστὶν ὁμολογεῖν τῇ κοινωνίᾳ ἑκατέρας φύσεως αὐτῶν ἐνεργεῖν. 70 Honorius I. pp., Epistula I ad Sergium Patr. Const. (ACO ser. II 2,2 p.556,14‒15;550,16‒17 Ried.): ὅθεν καὶ ἓν θέλημα ὁμολογοῦμεν τοῦ κυρίου Ἰησοῦ Χριστοῦ. 71 Honorius I. pp., Epistula I ad Sergium Patr. Const (ACO II 2, 554,3–6.9 f.; 552,24). 72 Honorius I, Epistula I ad Sergium Patr. Const (ACO II 2, 554,13–15 Ried.): πότερον δὲ διὰ τὰ ἔργα τῆς θεότητος καὶ τῆς ἀνθρωπότητος μία ἢ δύο ἐνέργειαι ὤφελον παραγόμεναι λέγεσθαι ἢ νοεῖσθαι, ταῦτα πρὸς ἡμᾶς ἀνήκειν οὐκ ὤφελον, ἀλλὰ καταλιμπάνομεν ταῦτα τοῖς γραμματικοῖς ἤγουν τεχνογράφοις, οἵτινες εἰώθασι τοῖς παισὶν ἐν τῷ παραγωγὰς ποιεῖν τὰ ἐφευρισκόμενα παρ’ αὐτοῖς ὀνόματα πιπράσκειν. 73 Iohannes IV. pp., Epistula ad Constantinum imp.: PL 129, 561‒566 (CPL 1729; CPG 9383).

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10 Some new fruits of research on the monenergist-monothelete controversy

has come down in history as the Apologia Honorii. It offers an interpretation of the pope’s statements which interprets them as relating exclusively to his human nature and expressing the freedom from opposition in Christ’s human will; it contains simultaneously an elaborate dyenergist and dyothelete profession, and is thereby marked by theological contradiction. To this may be added further remarkable facts: Maximos defended Honorius several times (see below), and in his Disputatio cum Pyrrho, dating to between 655 and 662,74 which contains a precise description of the contents of the Apologia Honorii, describes John IV’s interpretation as an authentic presentation of Honorius’ meaning, but without any mention of a dyenergist and dyothelete profession by Honorius.75 Yet Marek Jankowiak spoke in 2013 of the text of the Apologia Honorii as “coherent” and advanced the thesis “that the first statements of the two wills of Christ date only from 641, when Pope John IV and Maximus the Confessor independently composed their apologies for Pope Honorius”.76 The Synodicon vetus, dating to the end of the ninth century, gives the further information that the Roman synod held by Pope John IV in 641 “anathematized Sergios, Kyros and Pyrrhos and taught two natures and two operations of our Lord and God Jesus Christ”.77 That this cannot be right was already noted by Carl Joseph Hefele, because the pope in his letter speaks of “our brother Pyrrhus” and Sergius reverendae memoriae patriarcha.78 Finally, it is striking that the Liber Pontificalis mentions neither John IV’s letter nor the synod of 641.79 Despite this, the text of the Apologia Honorii and the data in the Synodicon vetus have up till now been accepted uncritically.80 It is therefore necessary in view of these contradictions to subject the text of the Apologia Honorii to a precise analysis of its sources, its origin and the state of its text, and to inquire about its authenticity. The first point to demonstrate is that the sources are highly unusual. In the case of the Apologia Honorii of Pope John IV there are extant neither the Latin original nor the Greek text behind the reverse translation that Anastasius Bi-

74 See Jaques Noret, La rédaction de la Disputatio cum Pyrrho (CPG 7698) de Saint Maxime le Confesseur serait-elle postérieure à 655?, AnBoll 117 (1999), 291‒296. 75 Disputatio Maximi Conf. cum Pyrrho (PG 91, 328C1‒329C2). 76 Marek Jankowiak, The Invention of Dyotheletism, StPatr 63 (2013) 335‒342, here 335.339. Similarly in id., Essai (as in n. 8) 183‒190, esp. 189, which describes the Apologia Honorii as “le premier text romain qui parle avec tout de clarité de deux volontés du Christ”. 77 John Duffy/John Parker (edd.), The Synodicon vetus (CFHB XV), Washington 1979, Nr. 137. 78 Iohannes IV. pp., ep. ad Constantinum imp. (PL 129, 561D, 562C4). Charles Joseph Hefele/ Henri Leclercq, Histoire des Conciles III/1, Paris 1909, 393. 79 See Liber Pontificalis 74 (Duchesne, I, 330). 80 See e.g. Price/Booth/Cubitt, The Acts of the Lateran Synod of 649 (as in n. 3), Introduction, 12 with n. 33 (P. Booth) and 50 with n. 144 (C. Cubitt).

3 How and when was the stance of Pope Honorius I reinterpreted?

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bliothecarius made for his so-called Collectanea81 of 874/5, where this text is first attested. This collection of fifteen texts in all had as its purpose the rehabilitation of Honorius in order to defend the infallibility of the Roman Church. Anastasius had brought them back from his stay in Constantinople in 870, since these texts were not to be found in the Roman archives. It is to be noted that this applies to both the Apologia Honorii and two letters of Pope Theodore I. In second and third place in the Collectanea are extracts from two letters by Maximos (opusc. theol. et pol. 20 and 12), in which he defends Honorius. In addition to the text of the Apologia Honorii in the Collectanea there exists a still later Arabic tradition in two distinct versions, in fact a “caso unico in tutta la storia papale”.82 It is also the case as regards the reply by the emperor Konstans II of summer 642 to Pope John IV that we have neither the original nor a translation into Latin, but only an Arabic tradition, and this also exists in two versions. An examination of the Arabic tradition of the Apologia Honorii has shown that its origin lies in the context of canonical compilations. It is to be found in Maronite, Coptic and Melkite manuscripts of the fourteenth to seventeenth centuries, but is itself of Melkite origin.83 The Apologia Honorii is there coupled to texts linked to the Sixth Ecumenical Council that likewise relate to Honorius but were not part of the acts of that council.84 The Arabic used in them contains traces of a Greek original, without, however, establishing a Syriac version as the intermediary. We may deduce with Joseph Schacht85 that the common root of the Arabic versions is not to be dated later than around 900. It must already have been treated as a Melkite source in which a supplement to the Sixth Council had been taken from a Greek canonical collection and then translated into Arabic. In the revision of the Annals of Eutychios (Sa’īd ibn Batrīq, 877‒940; sedit 933‒940),86 which is the second Arabic tradition of the Apologia Honorii, in the recovered Byzantine Antioch of the eleventh century, this must already have been anchored in the then Melkite manuscript tradition.

81 Anastasius Bibl., Collectanea (PL 129, 557‒690). See Neil, Seventh-Century Popes and Martyrs (as in n. 2), 71‒79. 82 Conte, Il Sinodo Lateranense (as in n. 13), 109. 83 See Ohme, “Wer hat den Dyotheletismus erfunden?” (as in n. 62), 93–101. 84 These manuscripts generally contain in addition to the canons of the Quinisextum (691/2), which in the East counted as canons of the Sixth Ecumenical Council, a short introduction to the significance of the Sixth Council, the Apologia Honorii, the reply by the emperor Konstans II, the letter of Pope Theodore I to Konstans II, and the Horos of 681. 85 Joseph Schacht, Der Briefwechsel zwischen Kaiser und Papst von 641/2 in arabischer Überlieferung, Or 5 (1936), 229‒268. 86 Michel Breydy, Das Annalenwerk des Eutychios von Alexandrien (CSCO 471/472. Script. Arab. 44.55), Louvain 1985, CSCO 471, VI.

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A detailed comparison of the texts of these three branches of the transmission of the Apologia Honorii and of the reply by the emperor Konstans II has shown that as regards both extent and content we are not dealing with a coherent text.87 Rather, the text of the Apologia Honorii, in its transmission between 641 and 874/5 and thereafter, has clearly been subjected to updating. Passages have been added to the text which contradict the formulations of the same letter; these passage are historically false and anachronistic, and reduce the theological argument it contains ad absurdum. To understand this development, it is unnecessary to question the logical or theological competence of the editor or to invoke the collapse of western education in the seventh century.88 Rather, it is clear that such additions to the text arose repeatedly from a concern for the unambiguous orthodoxy of Honorius and the avoidance of any questioning of the orthodoxy of the Roman Church. Orthodoxy was understood to mean the dogmatic decrees of the Lateran Synod of 649 and of the Sixth Ecumenical Council, and to this the Apologia Honorii was made to conform. This concern can first be found in Maximos and his followers. Already in a letter written in 641 to the Cypriot presbyter Marinos89 Maximos states that his pupil Anastasios Monachos had been in Rome and there discussed with the senior clergy of the Roman Church why and in what way “one will” had found its way into Honorius’ letter to Sergios. Anastasios apparently found them indignant and on the defensive. He also spoke with Abbot John, who had dictated the letter of John IV in Latin. John insisted that this letter never spoke of one will in a numerical sense; this had rather been invented by those who translated the letter into Greek. “This reply by Abbot John was a conscious distortion of the facts.”90 One may ask why the Roman abbot had not simply shown Anastasios Monachos, who was bilingual, a copy of the Latin original, which must still have existed at this date. In this same letter to Marinos Maximos himself undertakes an Apologia Honorii,91 and in a letter to Petros Illustrios of 645 he places Honorius in the same class as the popes Severinus, John IV and Theodore I92

87 See Ohme, Wer hat den Dyotheletismus erfunden? (as in n. 62), 101–114. 88 This was argued by Erich Caspar, who was already struck by the inconsistencies. See id., Die Lateransynode von 649, ZKG 51 (1932), 75‒137, at 107 and 112; id., Geschichte des Papsttums II, Tübingen 1933, 541. 89 Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 20 (PG 91, 244C‒245A = PL 129, 571CD). 90 So already Georg Kreuzer, Die Honoriusfrage im Mittelalter und in der Neuzeit, Stuttgart 1975, 63. 91 Maximus Conf., Opusc. 20 (PG 91, 237C10‒D5 = PL 129, 567 A1‒9). Anastasius Bibliothecarius included this text in second place, after the Apologia Honorii, in his Collectanea. 92 Maximus Conf., Epistula ad Petrum Illustr. (Opusc. theol. et pol. 12): PG 91, 143 A14‒B1.9–C1. This letter is the third text in the Collectanea.

3 How and when was the stance of Pope Honorius I reinterpreted?

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In the Disputatio cum Pyrrho the defence of Honorius follows the original theological content of John IV’s Apologia Honorii so precisely, while also referring to a particular passage of the first Honorius letter, that one must assume that the authors had the text of both letters in front of them. Finally, in a recently edited “Account (Διήγησις) of the heresy of the monotheletes”,93 which originated soon after the Sixth Council (in my view) in Maximian circles in Palestine/Jerusalem, the anathematization of Honorius at the Sixth Council is suppressed and replaced by a temporary excommunication at an otherwise unknown synod of Patriarch Sophronios. This is the oldest source which also attributes to the Roman Synod of 641 under John IV an anathematization by name as well as a dyothelete and dyenergist profession.94 Take also John of Damascus, who belonged to the Maximianist circles in Palestine and who was the first to elevate the “saint” and “confessor” Maximos to being one of the witnesses for the veneration of images:95 in his anti-monothelete De recta sententia, written in the 720s, he makes no mention of Pope Honorius in his polemic against those anathematized in 681!96 Both before and after the Lateran Synod of 649 this concern of Maximos and his followers over Honorius looks beyond the person of Honorius in a concern for the unlimited authority of the papacy as an institution. For in cooperation with the Greek Pope Theodore I (642–649) and then his successor Martin I. the group of monks who fled from Palestine adopted the papacy and synods conducted by a pope as instruments to further its own aims in ecclesiastical politics, and with the spirit of zealots sought confrontation with Church and state.97 For this reason Maximos Homologetes, as no other eastern theologian before or after him, stressed the authority, primacy and privileges of the Roman Church.98 The universal validity of Maximos’ theologoumena was to established through the Lateran

93 Διήγησις τῆς μονοθελητῶν αἱρέσεως, ὅθεν ἀνεφύη, ἐν ᾗ, καὶ περὶ διαφόρων τοπικῶν συνόδων: Lars M. Hoffmann/Wolfram Brandes (edd.), Eine unbekannte Konzilsynopse aus dem Ende des 9. Jahrhunderts (FBRG 30), Frankfurt/M. 2013, 166‒174. 94 See Ohme, Wer hat den Dyotheletismus erfunden? (as in n. 62), 118–121. 95 See Ohme, Der lange Widerstand gegen eine offizielle Heiligenverehrung des Maximos Homologetes (†662) im Byzantinischen Reich, ByZ 109 (2016), 109‒150 at 135–6. 96 Iohannes Damasc., De recta sententia (PG 94,1421–1432). See Jack Tannous, In Search of Monotheletism, DOP 68 (2014), 29–67 at 56. 97 On this see Christian Boudignon, Le pouvoir de lʼanathème ou Maxime le Confesseur et les moines palestiniens du VIIe siècle, in Alberto Camplani/Giovanni Filoramo (edd.), Foundations of Power and Conflict of Authority in Late Antique Monasticism (OLA 157), Leuven 2007, 245‒274. 98 See Jean-Claude Larchet, Saint Maxime le Confesseur, Paris, 2003, 198‒210; id., Maxime le Confesseur, médiateur entre lʼOrient et lʼOccident, Paris 1998, 125‒201.

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Synod of 649 in virtue of papal authority. All this could not be reconciled with a pope who at the beginning of this same controversy had embraced the party of the opposition; this is why an unambiguous dyothelete profession was finally added to John IV’s interpretation of the letter of Honorius. This amendment, in my view, was made in Maximianist circles after 681; for despite the acceptance of dyotheletism at the Sixth Council it appears that the Maximianists were not ready to give their backing just like that to putting Honorius in the same category as the condemned patriarchs Sergios, Pyrrhos, Paul and Peter. The result was that the Sixth Council avoided making any acknowledgement to Maximos and the Lateran Council, while the Maximianists initiated a martyr cult of Maximos and Pope Martin, which first found a home in Palestine.99 This cult of saints was adopted towards the end of the eighth century in the iconophile monastic circles of Constantinople,100 which became increasingly radical and in the time of Patriarch Photios belonged to the militant supporters of Ignatios in Constantinople. Ignatios is known to have appealed to Pope Nicholas I (858‒867), which implied a recognition of papal claims to competence throughout the Church as the highest court of appeal in cases involving bishops. It is probably in this context of the reception by zealots of the veneration of Maximos and of the Maximian tradition that, together with other texts, the Apologia Honorii (updated in the meantime) found its way, in the scriptoria of the Ignatian monasteries of Constantinople (newly founded during iconoclasm101), into the canonical tradition of the Sixth Council. It is there that Anastasius Bibliothecarius during his stay in Constantinople during the council of 869/70 (the so-called “Eighth Ecumenical Council”) came across these traditions. In the sharp exchange of letters (dating to 862/865) between Pope Nicholas I102 and the emperor Michael III,103 Honorius, the Sixth Council, the monothelete controversy and Maximos himself provided material for the polemic conducted by both sides.104

99 Ohme, Widerstand (see n. 95), 113‒131 at 135 f.; Heinz Ohme, Die griechische Vita Papst Martins (BHG 2259), Maximos Confessor und das Concilium Quinisextum (691/2), Byz. 85 (2016), 317‒336. 100 Ohme, Widerstand (as in n. 95), 131–141. 101 See Cyril Mango, The Availability of Books in the Byzantine Empire, A.D. 750‒850, in Byzantine Books and Bookmen, Washington 1975, 29‒45 at 44; Nikephoros Eleopulos, Ἡ βιβλιοθήκη καὶ τὸ βιβλιογραφικὸν ἐργαστήριον τῆς Μονῆς τῶν Στουδίου, Athens 1967; Paul Lemerle, Le premier humanisme byzantin. Notes et remarques sur enseignement et culture à Byzance des origines au Xe siècle, Paris 1971, 121‒128; Thomas Pratsch, Theodoros Studites (759‒826) – zwischen Dogma und Pragma (BBySt 4), Frankfurt/M. 1998, 123‒125. 102 Nicolaus I., ep. 88 (MGH.Ep VI, 454‒487 Perels). 103 Dölger/Müller, Regesten (as in n. 6), Reg. 464. 104 See Ohme, Wer hat den Dyotheletismus erfunden? (as in n. 62), 122–130.

3 How and when was the stance of Pope Honorius I reinterpreted?

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In Rome itself, however, the two letters of Honorius, as also the Apologia Honorii, had evidently have become unavailable even before the Sixth Ecumenical Council. For although the emperor Constantine IV in his letter of invitation to Pope Donus in 678 had already mentioned that the theologians in Constantinople had appealed to the memory of Honorius,105 Pope Agatho in his letter of reply shows no awareness of the problems raised by the question of Honorius.106 Above all, the papal legates at the council were quite unprepared and taken aback when at the twelfth session the first letter of Honorius was presented and rejected: although up till this point they had controlled the discussion, they were now silent and made no attempt to exonerate Honorius before he was anathematized.107 This can only mean that they had no knowledge of the Apologia Honorii, nor indeed of the whole Honorius problem, including Honorius’ letter itself. This corresponds to the complete absence of information on this matter in the Liber Pontificalis. Not only is there no reference in the chapter on John IV (as already mentioned) to his synod and the Apologia,108 but the chapter on Honorius also shows no knowledge of his correspondence with Patriarch Sergios;109 and the chapter on Pope Agatho gives detailed information of the proceedings of the Sixth Council only up till the ninth session, and ends its account with the condemnation of Kyros, Sergios, Pyrrhos, Paulos and Petros, without a single mention of Honorius.110 One may conclude that these texts had been destroyed in Rome already before the Lateran Synod. As for 641, it follows that the Apologia Honorii of Pope John IV in its original form did not contain an unambiguous statement of dyotheletism. The first Roman text to do so was the speech by Pope Martin I at the opening of the Lateran Synod on 5 October 649.111 And this speech, like all the speeches of the synod, had been composed in advance by Maximos and his pupils.

105 Constantinus IV Imp., Sacra ad Donum pp. (ACO ser. II 2,2 p. 8,11‒18 Ried.). 106 See Agatho I pp., Epistula ad Constantinum IV Imp. (ACO ser. II 2,2 p. 63,14‒15; 67,8–13; 113,1‒4 Ried.). 107 See Concilium Constantinopolitanum a. 680/81 (ACO ser. II 2,2 p.524,5‒18; 548,1‒558,8; 564,1‒17; 578,12‒580,8 Ried.). 108 Liber Pontificalis 74 (Duchesne I, 330). 109 Liber Pontificalis 72 (Duchesne I, 323–324). 110 Liber Pontificalis 81,6‒14 (Duchesne I, 351,10‒354,15). 111 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 2,1 p.12, 21‒14,15 Ried.).

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4 Did the emperor Herakleios distance himself from the Ekthesis? The polemic conducted by Maximos from 641 against the Ekthesis of the emperor Herakleios and its anathematization at the Lateran Synod had perilous consequences.112 For this involved an imperial law,113 the contestation and anathematization of which automatically incurred an indictment for high treason. For this reason it is notable that, in parallel to the Maximos’ polemic, the information was spread abroad that shortly before his death the emperor had distanced himself from the Ekthesis: the text would have been written by Sergios, and it was he who had extorted the emperor’s signature. This assertion found its way into Anathema 18 of the Lateran Synod, in which together with Sergios, Pyrrhos, Paul and Kyros the Ekthesis was also anathematized, with the statement that it “had been foisted on the emperor Herakleios by the same Sergios”.114 The thesis of an imperial retractatio is twice transmitted in Maximian writings. The earliest attestation of it is in the already mentioned letter to Petros Illustrios (opusc. theol. et pol. 12) of c. 645. There Maximos informs his addressee that the heretics artfully by their services induced the one who was then reigning to serve them [...]. They induced the man to publish the Ekthesis under his own name [...]. He made known that he had in no way taken the initiative, but had been compelled by them to produce the most impious Ekthesis, as he writes in his own defence in a letter, explaining himself to John of holy memory pope of Old Rome [...]. For he had not yet applied himself to this matter, being occupied by other matters.115

The second witness to this was composed ten years later. In the so-called Relatio motionis, constructed as a verbal protocol of the first trial of Maximos on 16

112 For the following see Ohme, Mehrheit und Minderheit (as in n. 55), 97–126. 113 Dölger/ Müller, Regesten (as in n. 6), Reg. 211. 114 Concilium Lateranense a. 649, Anath. 18: [...] καὶ πρὸς τούτοις τὴν ἐξ ὑποβολῆς τοῦ αὐτοῦ Σεργίου γενομένην παρὰ Ἡρακλείου τοῦ βασιλέως κατὰ τῆς ὀρθοδόξου πίστεως ἀσεβεστάτην Ἔκθεσιν (ACO ser. II 1 p.380,33–382,4 Ried.). 115 Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 12 (PG 91,142B12–143A6): Nam eum, qui tunc imperabat, sophistice muneribus in servitutem redigentes. [...] Ex proprio nomine viro Ecthesim producere persuaserunt. [...] et innotescens quod ipse nequaquam ex se fuerit motus, sed ab illis coactus impiissimam fecerit Ecthesim, in scriptis pro seipso haec dicens, et rationem reddens Joanni sanctae memoriae papae senioris Romae. [...] Neque enim quodlibet super hoc habuit studium, utpote ab alia circumlatus. How the emperor had been persuaded and compelled is not stated.

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and 23/24 May 655, the same content was presented as a quotation from a letter (iussio/κέλευσις) of the emperor to Pope John IV. According to this the emperor had written: The Ekthesis is not by me, for I neither dictated it nor gave orders for its production. But Patriarch Sergios composed it, before I returned from the East five years ago, and asked me, when I entered this most fortunate city, to publish it under my own name and with my signature; and I granted his request. But now, on learning that some are disputing it, I am making known to all that it is not by me.116

The letter to the magister militum of Numidia Petros Illustrios has clearly an apologetic purpose. For Maximos had already in a letter from Petros been confronted with information about the origin of the so-called monenergist-monothelete controversy, which Petros had received from the in the meantime deposed and exiled Patriarch Pyrrhos, who was staying with him. Petros’ letter is not preserved, but it is clear from Maximos’ reply that it treated the role of Sophronios and Arkadios of Cyprus, but also Pope Honorius and the emperor Herakleios. The second testimony, from the Relatio motionis, involves a verbal quotation. Maximos here cites Herakleios in the context of a conversation he had in prison during his trial with two high-ranking envoys from the emperor Konstans II, who wanted to induce him to make concessions. For Maximos was refusing to be in communion with the Church of Constantinople; his conversation partners offered him on the restoration of communion the signal goodwill of the emperor.117 Maximos rejected this, and instead demanded that the emperor distance himself from the Typos,118 just as his grandfather had done with the Ekthesis. And he continued: “When he realized that some in the West had piled reproaches on him, he freed himself from criticism in the Church by writing [...]”,119 and there follows the passage given above, to which Maximos 116 Relatio motionis 368–378 (CCSG 39,41 Allen/Neil): Ἡ Ἔκθεσις οὐκ ἔστιν ἐμή· οὔτε γὰρ ἐγὼ ὑπηγόρευσα, ἢ ἐκέλευσα γενέσθαι· ἀλλὰ Σέργιος αὐτὴν ὁ πατριάρχης συντάξας πρὸ πέντε ἐτῶν τοῦ ἀνελθεῖν με ἀπὸ τῆς ἀνατολῆς, ἐδεήθη μου κατὰ ταύτην γενομένου τὴν πανευδαίμονα πόλιν, ὀνόματι μου προτεθῆναι αὐτὴν μεθ᾿ὑπογραφῆς· καὶ κατεδεξάμην τὴν ἐκείνου παράκλησιν. Νῦν δὲ γνοὺς ὅτι τινὲς ἐπ᾿ αὐτὴν διαμάχονται, πᾶσι δῆλον ποιῶ, ὅτι οὐκ ἔστιν ἐμή. 117 On this see Heinz Ohme, Maximos Homologetes (†662): Martyrium, Märtyrerbewusstsein, ‘Martyriumssucht’?, ZAC 20 (2016), 306–346 at 325–329. 118 Dölger/ Müller, Regesten (as in n. 6), Reg. 225. The emperor Konstans II issued the Typos in 648 to replace the Ekthesis, and forbade under the threat of severe penalties, in the sense of a moratorium, any further debate over the number of operations and wills in Christ. 119 Relatio motionis 366–370 (CCSG 39,41 Allen/Neil): Ἀλλὰ συμβουλεύσατε ποιῆσαι ὃ ἐποίησεν ὁ ἐν εὐσεβεῖ τῇ μνήμῃ γενόμενος αὐτοῦ πάππος. Ἐκείνος γὰρ αἰσθόμενος ὅτι ψόγον αὐτοῦ τινὲς κατὰ τὴν δύσιν καταχέουσιν, διὰ κελέυσεως ἐλεύθερον ἑαυτὸν ἐποίησεν τῆς ἐπὶ τῇ ἐκκλησίᾳ μέμψεως, γράψας ὅτι [...].

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adds the clarification that Herakleios had sent this κέλευσις to Pope John, “who had then condemned the Ekthesis in his letter to Pyrrhos, since when the Ekthesis is universally recognized as the work of Sergios.”120 As regards this second source it is to be noted that we are dealing with a tendentious literary production by Maximos’ circle, possibly composed with his participation, in order to justify his actions between 641 and 649 and to present him as a martyr in a trial conducted by persecutors of Christians.121 Both witness document the concern, in view of the planned or already performed anathematization of the Ekthesis, to present the emperor as not personally under attack. In the Relatio motionis this concern relates not only to Herakleios but also to Konstans II; simultaneously in this same Relatio motionis Maximos and his circle put fundamentally in question the authority of the imperial office as the supreme incarnation of the Christian Roman πολιτεία and denied that the emperor had any competence in church matters in general and questions of doctrine in particular.122 What was done was not only, through the supposed retractation, to remove the Ekthesis from the personal responsibility of Herakleios, but also to present its composition as an illegal act. The Ekthesis was reduced to expressing the personal convictions of its author, Patriarch Sergios, who could then be anathematized without political implications. The purpose of both the sources turns out to have been determined by the ecclesiastical politics of Maximos and his circle. Finally, the assertion formulated in 645 that the emperor had not been personally involved in the theological controversy because he was taken up with other matters is simply incredible; indeed the opposite is known to have been the case. The unification policy of the Church of Constantinople in those years was from the first conducted by Patriarch Sergios in consultation with the emperor; and from 630 onwards, during his stay in the East, Herakleios had involved himself personally in the religious negotiations.123 Scepticism as regards Maximos’ assertions was substantially reinforced by a text that became known in 1987, which in the manuscript transmission is called a κέλευσις of Herakleios to Pope John IV.124 It comes in an iconophile flori120 Relatio motionis 377–380 CCSG 39,41 Allen/Neil): [...] κατακρίνοντα τὴν Ἔκθεσιν ἐν τοῖς πρὸς Πύρρον τότε γραφεῖσιν. Καὶ ἔκτοτε Σεργίου χρηματίζει πανταχοῦ εἶναι ἡ Ἔκθεσις. 121 On this see Ohme, Maximos Homologetes (†662): Martyrium (as in n. 117), 315–335. 122 See Gilbert Dagron, Emperor and Priest. The Imperial Office in Byzantium (1996), Cambridge 2003, 173–181; Ohme, Maximos Homologetes (†662): Martyrium (as in n. 117), 321–325. 123 For this see Lange, Mia energeia (as in n. 8), 533–581. 124 Ἲσον κελεύσεως Ἡρακλείου βασιλέως πρὸς Ἰωάννην πάπαν ῾Ρώμης. See Stamatina RizouCouroupos, Un nouveau fragment de la κέλευσις d’Heráclius au pape Jean IV, in Jürgen Dummer, Texte und Textsammlungen. Eine Aufsatzsammlung (TU 133), Berlin 1987, 531–532. This same text was again published in 1995/6 in Alexander Alexakis, Before the Lateran Council of

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legium in Codex Marcianus gr. 573 (IX–X saec.), fol. 18v. Here the emperor informs the pope that three years earlier he had composed for an icon of the crucified one in the patriarchate of Constantinople an epigram whose wording he gives as follows: He is both – God and man. And both are one, for God became man. In respect of the natures he is double, but as in respect of authority and lordship he is single. It was with his own sovereign will that he was pleased to work both the divine and the human. To the same [person] belong the miracles, to the same [person] the sufferings.125

This text was transmitted without any reference to the so-called monenergistmonothelete controversy. It served, apparently, in a late stage of the iconoclast controversy as a testimony for the existence of an icon of Christ in the patriarchate of Constantinople long before the controversy broke out. This makes it highly credible. In its content this epigram corresponds throughout to the Ekthesis and its concerns: for in the context of a clear profession of the two natures of Christ it allows no further numerical expressions, but attributes all the willing and working to the one person of the incarnate one. For in the epigram the complete authority (ἐξουσία, δεσποτεία) that characterizes the masterful action of Christ is the mark of one person and not merely of one of the natures, and in this respect is single (ἁπλοῦς). Likewise the divine and human in the action of Christ (τά τε θεῖα καὶ ἀνθρώπινα ἐνεργῆσαι), although distinguishable, are said to express the one sovereign will and volition (ἰδίῳ αὐθεντικῷ θελήματι) of the one person; for this will expresses itself not only in the miracles but in the same way in the sufferings as well. This means that the subject of his operation and volition is the one Christ, to whom both his miracles and his sufferings are to be attributed, rather than divided between the two natures. It is important to note that the last two cola of the epigram involve a direct citation from the Ekthesis:126

649: The Last Days of Herakleios the Emperor and Monotheletism, in AHC 27/28 (1995/6), 93–101.97, although with a textual omission and an erroneous sentence division. 125 Codex Marcianus gr. 573 (IX–X saec.), fol. 18v: Σημαίνομεν τῇ μακαριότητι ὑμῶν ὡς ἐν τῷ εὐαγεῖ Πατριαρχείῳ ταύτης τῆς θεοφυλάκτου καὶ βασιλίδος τῶν πόλεων εἰκών ἐστιν τοῦ Κυρίου ἡμῶν Ἰησοῦ Χριστοῦ τοῦ ἀληθινοῦ Θεοῦ τοῦ ἐσταυρωμένου καὶ ἐποιήσαμεν πρὸ τούτων τῶν τριῶν χρόνων ἡμεῖς αὐτοὶ ἐπίγραμμα, τοὐτέστιν ἐπεγράψαμεν ἐν τῇ αὐτῇ εἰκόνι, ὅπερ ἐντεθείκαμεν τῇ παρούσῃ ἡμῶν κελεύσει, καὶ ἔστιν ἐν τούτοις τὰ ἀμφότερα, Θεός τε καὶ ἄνθρωπος, καὶ τὰ ἀμφότερα εἷς · Θεὸς γὰρ ἐνηνθρώπησεν · κατὰ οὖν τὰς φύσεις διπλοῦς, κατὰ δὲ τὴν ἐξουσίαν καὶ δεσποτείαν ἁπλοῦς · καὶ ἰδίῳ αὐθεντικῷ θελήματι τά τε θεῖα καὶ ἀνθρώπινα ἐνεργῆσαι ηὐδόκησεν · τοῦ οὖν αὐτοῦ εἶσιν τὰ θαύματα, τοῦ αὐτοῦ δὲ καὶ τὰ παθήματα. 126 Heraclius imp., Ecthesis (ACO ser. II 1, p. 158,27–28 Ried.): καὶ τοῦ αὐτοῦ τά τε θαύματα καὶ τὰ πάθη. This formula occurs already in Justinian’s Edictum de recta fide (καὶ τοῦ αὐτοῦ τά τε θαύματα καὶ τὰ πάθη:74, 6; 90,27 Schwartz), which is the basis of the first half of the Ekthesis (see p. 362 above), and equally in Can. 3 of the Fifth Council (ACO IV,1 p. 240,15–16

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the poetically adjusted formula in the epigram, τοῦ αὐτοῦ τά τε θαύματα καὶ τὰ πάθη, would obviously have had for the supporters of the Ekthesis a marked programmatic significance.127 The text of the epigram tells against a distancing of the emperor Herakleios from the Ekthesis late in his reign.128 How then is the assertion of a retractatio on his part to be judged, and what does this mean for the twice attested κέλευσις of Herakleios to Pope John IV? Unsatisfactory (in my opinion) is the explanation offered by Walter Kaegi, who on one side asserts a vacillation of the emperor in his attitude to the Ekthesis, and on the other describes Maximos’ assertions as a “not unusual tactic”, in order to persuade others that important persons and rulers had, contrary to the usual account, altered their opinion on a contested question.129 Even if Maximos had fallen back on such an argument, what is involved here is not merely a rumour that had circulated round the world, but a tendentious interpretation, reflecting a particular interest, of an imperial letter, from which a passage is given as an actual quotation. For this κέλευσις to Pope John IV most certainly existed!130 But it is not the case, as Pauline Allen and Bronwen Neil still thought in 2002, that the citation in the Relatio motionis is “the only extant fragment of the purported Letter of Emperor Heraclius to Pope John IV”.131 We have two fragments, where the fragment in the Cod. Marcianus, going by its diction, fits the character of an imperial document better than does the text in the Relatio motionis. Both the texts attested need (in my opinion) to be attributed to the emperor’s composition. As for the context, one could think of the transmission of the κέλευσις to the papal legates who were in Constantinople to obtain the required imperial consent to the consecra-

[Straub]). In the Ekthesis it occurs twice, once in paraphrase and once almost verbatim: there we have τὸν αὐτὸν [...] ἀπαθῆ καὶ παθητόν (κηρύττομεν), and then καὶ ἑνὸς καὶ τοῦ αὐτοῦ τά τε θαύματα καὶ τὰ πάθη (κηρύττομεν): ACO ser. II 1, p.158,38–39 (Ried.). 127 On this see Ohme, Das Kontakion ‘Auf die heiligen Väter’ (as in n. 43), 27–30. 128 Wolfram Brandes had already raised two further arguments that tell against the retractatio thesis: 1. Why does the Lateran Synod make no mention of such an imperial κέλευσις, even though the letter must still have been in the Roman archives? 2. The later Roman demand for the rescinding of the Ekthesis, which was still in force until the Typos of Konstans II. in 648, would be incomprehensible if the emperor had already rescinded it. See Brandes, ‘Juristische’ Krisenbewältigung (as in n. 29), 203 f. with n. 399. 129 Kaegi, Heraclius (as in n. 8), 271. Kaegi makes material mistakes: he says that the author of the Syriac Vita Maximi was a Monophysite and considers its account of Herakleios to be for this reason incredible; and he connects the emperor’s κέλευσις to John IV’s predecessor Severinus. But the lemma in Cod. Marc. 573 is unambiguous! . 130 See Dölger/Müller, Regesten (as in n. 6), Reg. 215. 131 Allen/Neil, Documents from Exile (as in n. 2), 180, n. 45.

4 Did the emperor Herakleios distance himself from the Ekthesis?

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tion of the recently elected John;132 this could have led to discussion also of the Roman unease over the behaviour of Patriarch Pyrrhos in relation to the synods of 638/9. I consider it probable that Herakleios’ letter was also shown to Maximos’ pupil Anastasios Monachos on his above-mentioned visit to Rome,133 and that this was how the text fell into Maximos’ hands. Yet the text of the κέλευσις was of course older than these developments! If one takes the two texts from the Relatio motionis and the Codex Marcianus gr. 573 together, the possibility of a “retraction” by the emperor is to be excluded. The imperious tone with which Herakleios in the Marcianus fragment refers to the epigram of his own composition as evidence for his stance in the controversy, its content and the fact that the Ekthesis remained valid until 648, speak clearly against this. The passage of the Relatio motionis makes clear that the emperor in his letter spoke of the history of the Ekthesis’s origin, and in this context referred to the fact that the text had been composed not by him but by Patriarch Sergios, at whose request he then published it with his own signature as law. There is nothing surprising in this communication; For it is obvious that this complex text could not have been the work of the emperor himself but was composed in the patriarchate. In this context the emperor could also have let fall a minimizing reference to the text of the Ekthesis as not of his own composition, followed, however, by mention of the epigram. Significant also is the chronological indication given in the text of the Relatio motionis, according to which Sergios wrote the text “five years before I returned from the East” and presented it to the emperor “when I returned to this most fortunate city”. Herakleios returned to Constantinople after the defeat by the Arabs at the battle of Yarmuk and the abandonment of Syria at the end of 636 or beginning of 637.134 The chronological indication in Maximos’ citation therefore fits the data in the Syriac Vita Maximi and likewise implies an earlier dating of the Ekthesis than has hitherto been customary.135 It may be presumed that Herakleios will have mentioned other relevant facts such as the Synod of Cyprus and the stance of Honorius, which for understandable reasons Maximos

132 This proposal was first made by Franz Dölger. See Dölger/Müller, Regesten (as in n. 6), no. 215. 133 See p. 368 above. 134 Kaegi, Heraclius (as in n. 8), 247 (”late 636 or early 637”); Jankowiak, Essai d’histoire (as in n. 8), 154 (“vers l’hiver 636/7”). 135 The translation of this passage offered in Rizou-Couroupos, Un nouveau fragment (as in n. 124), 531, “Mais Serge, le patriarche, l’ayant composée cinq ans avant mon retour d’Anatolie me pria [...].” is not apt. It also makes no sense, because the Ekthesis would then be date to c. 631, before the outbreak of the controversy.

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passed over. This would in any case provide a conclusive explanation for the way in which the Lateran Synod made the κέλευσις a basis for anathematizing the Ekthesis and yet kept its text from the synod. Finally, if the delegation from the Synod of Cyprus came to Constantinople before the emperor did, which is probable, nothing is more likely than that an appropriate draft for the emperor’s decree had already been composed before his arrival. The decisive feature of Maximos’ treatment of this imperial text is the taking out of context of a single passage, which could be given a meaning that clearly contradicts the author’s intentions and the overall content of the κέλευσις, with the purpose of making it serve his own ecclesiastical politics. Because we find a similar treatment of other texts of the first phase of the so-called monenergist-monothelete controversy, it is clear (in my view) that we are dealing not with an oversight, but with a method purposeful and deliberate.

5 Was Archbishop Sergios of Konstantia/Cyprus a convinced dyothelete? In his letter to Petros Illustrios of 645136 Maximos had not only defended Pope Honorius and asserted that Herakleios had distanced himself from the Ekthesis, but also treated the stance of the Cypriote archbishop Arkadios (624/5–641/2), who had convoked the Synod of Cyprus of 636 on the initiative of Sophronios and presided at it.137 Maximos writes there that right up till the last hour of his life Arkadios, like all pious priests, did not cease from begging the supporters of the Ekthesis to distance themselves from this heresy.138 This statement has hitherto led to the assumption that in the theological crisis of his time Arkadios adopted a neutral or rather a waiting position.139 The information provided by Maximos obviously contradicts all the other evidence we have about Arkadios: according to it, he showed himself from the beginning till the end of his episcopate a loyal partner, personally bound to Herakleios, in the pursuance of

136 See n. 92 above. 137 For the following see Heinz Ohme, Die Kirche von Zypern im sog. monenergetisch-monotheletischen Streit des 7. Jh.s, in ByZ 113 (2020), 933–980. 138 Maximus Conf., Epistula ad Petrum Illustr. (PG 91, 143B5–10): Quis pius et orthodoxus non supplicavit antistes, cessare illos a propria haeresi clamando et obtestando? Siquidem ultima sua exspirabat sacer Arcadius et spiritum Deo tradebat: sed neque usque ad horam illam eos rogare cessavit. 139 See e.g. Vincent Déroche, Études sur Léontios de Néapolis, Uppsala 1995, 30f. Winkelmann, Streit (as in n. 6), p. 196; Jankowiak, Essai (as in n. 8), 199.

5 Was Archbishop Sergios of Konstantia/Cyprus a convinced dyothelete?

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Constantinople’s union policy, and at the same time an opponent of the position, represented by Sophronios and Maximos, of a rigorist separation in the sphere of doctrine and liturgy from the opponents of Chalcedon.140 In addition, the six substantial letters that Maximos wrote from 636 to the Cypriot monk and priest Marinos, in order to exert through him an influence on Arkadios and then his successor Sergios, are no ground for concluding that dyenergist or dyothelete Christology predominated in Cyprus.141 In the Acts of the Lateran Synod there is no mention of Arkadios save in a letter of his successor Sergios (642–after 655) to Pope Theodore I (24.4.642–14.5.649), which is dated to 29 May 643 and expresses strong agreement with the pope’s dyothelete stance;142 in it Sergios also speaks for his fellow bishops,143 making the letter explicit testimony to the confession of the whole “synod”144 of the Church of Cyprus. It presents a petition to the Roman see for the anathematization of unspecified heretical writings and their defenders. Up till now the letter has attracted attention because it constitutes a petition from Sergios to the Roman see for the anathematization of unnamed heretical writings and their defenders. Until now the letter has received attention primarily because Sergios express the position up till this point of the Cypriote Church, of Arkadios and himself. We read there: Until today, while they were practising a certain accommodation, we have remained silent, thinking that they would change their doctrines for the better. For such were also the convictions of our divine Arcadius, now among the saints, in accord with your orthodox teaching, whose steps we pray to follow with all our strength by concurring with your orthodox and divinely inspired teaching.145

This is unambiguous that neither Arkadios nor Sergios had up till this point publicly adopted a position, put into effect by their Church, against the Ekthesis or

140 On this see Booth, Crisis (as in n. 8), 52–59, 128–143, 219–224; Ohme, Die Kirche von Zypern (as in n. 136), Section 2. 141 On this see Ohme, Die Kirche von Zypern (as in n. 136), Section 3. 142 ACO ser. II 1, p.60,30–64,12 (Ried.); English trans. in Price/ Booth/ Cubitt, The Acts of the Lateran Synod (as in n. 3), 157–160. 143 See ACO ser. II 1, p. 62,2 f.34.; 64,7 (Ried.). 144 The terms probably means here the fellowship of all the bishops of Cyprus and not an actual council. See Rudolf Riedinger, Die Präsenz- und Subskriptionslisten des VI. oekumenischen Konzils (680/81) und der Papyrus Vind. G.3., ABAW.PH NF 85, Munich 1979, p. 6 with n. 12. 145 Sergius archiep. Cypr., Epistula ad Theodorum I pp. (ACO ser. II 1, p. 62, 27–32 Ried.): Μέχρι γὰρ καὶ τήμερον οἰκονομίαν τινὰ πραγματευομένοις ἐσιγήκαμεν, οἰόμενοι πρὸς τὰ κρείττω μετοχετεῦσαι αὐτοὺς τὰ οἰκεῖα διδάγματα. οὑτω γὰρ καὶ ὁ ἐν ἁγίοις γενόμενος ἡμῶν θεῖος Ἀρκάδιος πεφρόνηκε, τῇ ὑμετέρᾳ ὀρθοδόξῳ ἑπόμενος διδασκαλίᾳ, ᾧ καὶ ἡμεῖς παντὶ σθένει εὐχόμεθα τοῖς αὐτοῦ ἐξακολουθεῖν ἴχνεσι, συνᾴδοντες τῇ ὀρθοδόξῳ καὶ θεοπνεύστῳ διδασκαλίᾳ ὑμῶν, trans. in Price/Booth/Cubitt, The Acts of the Lateran Synod (as in n. 3), 159.

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the Constantinopolitan synods of Sergios and Pyrrhos. This passage also confirms that fundamental for Constantinople’s policy towards the miaphysites was the ecclesiastical principle of Oikonomia, which applied to matters of doctrine as well. A detailed and systematic justification of it had been penned a few years before by the Alexandrian Chalcedonian patriarch Eulogios (581–607).146 Even though the supposed change of direction of the Church of Cyprus, documented by the letter of Sergios of Konstantia, is at the very least surprising, and even though some twenty years later Maximos’ supporters sent the information that Sergios had again changed his position,147 the question of the authenticity of the text has not hitherto been raised, even though on a closer examination this text reveals a quantity of features which raise justified doubts as to its authenticity. A detailed analysis of the text leads to the following conclusions:148 1. The text begins with a strong statement of Roman primacy, according to which Christ had founded the Roman see as a “fixed and immovable support and conspicuous monument of the faith”.149 With a citation of Mt 16.18–19 and with reference to 1Tim 3.15 is Christ’s “You”, addressed to Peter, applied to Pope Theodore I: You [that is, Pope Theodore] are Peter and on your foundation the pillars of the Church are fixed. To you [Theodore] he has committed the keys of heaven and given you the authority to bind and loose on earth and in heaven. You [Theodore] have been made the destroyer of profane heresies, as the torchbearer and teacher of the orthodox and unimpeachable faith.150

It is on this foundation that the pope is then besought not to overlook the fact that the faith is “assailed and endangered”. He is rather to “destroy the blasphemies and the raging of the heretical teachers”.151

146 On this see Heinz Ohme, Oikonomia im monenergetisch-monotheletischen Streit, ZAC 12 (2008), 308–343. 147 Theodoros Spudaios states in his Narrationes de exilio Sancti papae Martini that he told Pope Martin during his imprisonment in Constantinople in c. 653 that Sergios had suffered “shipwreck”. This expression is generally understood to mean that he went over to so-called monotheletism. See Neil, Seventh-Century Popes and Martyrs (as in n. 81), 166,13–14. 148 For the following see Ohme, Die Kirche von Zypern (as in n. 136), Section 4. 149 Sergius archiep. Cypr., Epistula. ad Theodorum I pp. (ACO ser. II 1, p.60,36 Ried.): Στήριγμα θεοπαγὲς καὶ ἀσάλευτον καὶ στηλογραφίαν διαφανῆ τῆς πίστεως τὴν σὴν ἀποστολικὴν κάθεδραν ἱδρύσατο, ὦ ἱερὰ κορυφή, Χριστὸς ὁ θεὸς ἡμῶν. 150 Ibid. 60,37–41. 151 μὴ ὑπερίδῃς τοίνυν τῶν πατέρων ἡμῶν, πάτερ, τὴν πίστιν κλυδωνιζομένην καὶ ὑπό τινων αἱρετικῶν ἀμέμων βιαζομένην καὶ κινδυνεύουσαν· [...] ἄνελε τὰς βλασφημίας καὶ φρυάματα τῶν καινοφώνων καὶ νεοφύτων αἱρετικῶν διαδασκάλων, ibid. 60, 43 f.

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At this points one must, in my view, pose the question as to whether such strong assertions of papal primacy are thinkable in 643 from the head of the Church of Cyprus and his whole synod.152 For the promise made to Peter is with these words, and with a simultaneity born of Petrine mysticism, directly applied to the activity of Pope Theodore and serves as the foundation for a recognition by the author of the letter of a universal primacy of the Roman see. Striking already in the heading of the letter is the ascription to the pope of the title οἰκουμενικὸς πατριάρχης.153 In view of the mounting controversy since the end of the sixth century over the justification of this title for the patriarch of Constantinople154 this gives the impression that this title is only appropriate for the bishop of Rome; this is especially so in the Latin text, which has uniuersalis papa.155 Finally, this expression of the universalist claims of the Roman Church is reinforced by the explicit subordination of Sergios and his bishops to the Roman Church. This is expressed in the pope being addressed as μοῦ δεσπότης, πατὴρ πατέρων, ἱερὰ κορυφή and also καθηγητῆς τῆς ὀρθοδόξου πίστεως156 with application to the whole Roman Church; and in the middle of the text there is a change of addressee, in that at this point a group of bishops are addressed, as θεοδίδακτοι καὶ ἀποστολικοὶ πατέρες and δεσπότες ἡμῶν καὶ θεόπνευστοι πατέρες.157 This group (ὦ ἁγιώτατοι) is now pressed to take specific measures (see below), while it is envisaged that “we, if you [...] command it, will act accordingly”.158 This clearly presumes that Pope Theodore has assembled a synod, to which the letter is equally addressed. This is accompanied by a notable subordination of the eastern theological tradition, in that it is stated that “nothing is lacking to your orthodox apostolic ordinance and tradition such that the faith

152 Because of this formulation John Hackett had already in 1901 ‒ long before the history of the so-called monenergist-monothelete controversy had been subjected to a critical reevaluation and without a further analysis of the text – expressed doubts as to its authenticity: “But its genuineness may well be questioned, as the language in places is such as an Orthodox prelate can scarcely be supposed to have used towards a Pope” (id., A History of the Orthodox Church of Cyprus from the coming of the apostles Paul and Barnabas to the commencement of the British occupation (A.D. 45–A.D. 1878), London 1901, 35 with n. 1. 153 Sergius archiep. Cypr., Epistula ad Theodorum I pp. (ACO ser. II 1, p. 60,31 Ried.). 154 See e.g. Edward G. Farrugia, Art. Patriarch Ecumenical, in id., Encyclopedic Dictionary of the Christian East, Rome 2015, 1445 f. 155 Sergius archiep. Cypr., Epistula ad Theodorum I pp. (ACO ser. II 1, p.61,29 Ried.). 156 Ibid., 60,30.36.41 f; 64,3 f.7. 157 Ibid., 62,15.23 f.32. 158 ἐπεὶ καὶ ἡμεῖς [...] διακελευόντων ὑμῶν: ibid., 62,21.23.

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should receive some addition from us”.159 In my opinion, in view of the evidence for the stance of the Church of Cyprus under Arcadius all these expressions are scarcely credible, and are only comprehensible in their context, namely the Lateran Synod of 649. 2. It is equally striking that the content of the theological controversy finds no verbal expression. The terms ἐνέργεια and θέλημα/θέλησις are not to be found in the text. Instead the talk is only of “the raging of the heretical teachers, newly sprouted and spouting novelties”,160 whose teaching is described as “blasphemy’, as “new soul-destroying doctrines” and “heretical madness”.161 In not a single assessment are they contrasted to the presentation of the “orthodox and spotless faith”.162 Is one to presume that the Cypriot archbishop lacked the competence to do this? 3. No less striking is the complete focusing of the doctrinal question on the validity of the Tomus Leonis, or rather on one part of its key sentence: “For each of the two forms operates in communion with the other.”163 It is this that, we are told, Sergios and his synod constantly “thought, recognized, preached and honoured.”164 As if the total adequacy of the Roman doctrinal inheritance needed to be demonstrated, the letter proceeds to speak of the Tomus Leonis no less than four times,165 in order in its final statement to go so far as to assert that “our synod approves and highly values the Tome of the all-holy and Godbearing Leo, and treasures it as a salvific anchor of orthodox doctrine.”166 It is most unusual for the sentence from Leo to be constantly quoted in isolation without any mention of the Council of Chalcedon (451), on which its authority

159 Sergius archiep. Cypr., Epistula ad Theodorum I pp. (ACO ser. II 1, p. 60,45–62,2 Ried.): Οὐδὲν γάρ ἐστιν ἐλλιπὲς τῇ ὀρθοδόξῳ ἀποστολικῇ ὑμῶν διατάξει καὶ παραδόσει, ὅπως καὶ προσθήκην τινὰ λάβοι πρὸς ἡμῶν τὰ τῆς πίστεως. 160 Φρυάμματα τῶν καινοφόνων καὶ νεοφύτων αἱρετικῶν διδασκάλων: ibid., 60,44 f. 161 βλασφημία; τὰ κατὰ καινῆς ψυχοφθόρα δόγματα; λύμη τῆς αἱρεσεως: ibid., 60,43 f.; 62,9 f.17.19. 162 Ibid., 60,41. 163 Ibid., 62,5. Leo I. pp., Tomus ad Flavianum (ep. 28): ACO ser. I 2,2,1 p.24–33; 28,12 (Schwartz): agit enim utraque forma cum alterius communione quod proprium est. The subordinate clause is omitted in Sergios’ letter. He offers simply ἐνεργεῖ γὰρ ἑκατέρα μορφὴ μετὰ τῆς θατέρου κοινωνίας. For the significance of the Tomus Leonis in the so-called monenergistmonothelete controversy and at the Sixth Ecumenical Council see Heinz Ohme, Rom, der Tomus Leonis und das VI. Ökumenische Konzil (680/1), ZAC 24 (2020), 289–354. 164 Sergius archiep. Cypr., Epistula ad Theodorum I pp. (ACO ser. II 1, p.62,2–4 Ried.). 165 Ibid., 62,4 f.11.22.35 f. 166 ταῦτα καὶ τῆς καθ᾿ ἡμᾶς ἱερᾶς συνόδου φρονήματα, καὶ τὸν Τόμον τοῦ παναγίου καὶ θεοφόρου προσίεται καὶ ἀσπάζεται Λέοντος, καὶ ὡς ἄγκυραν σωτηριώδη τῆς ὀρθοδοξίας διακρατεῖ: ibid., 62,34–36.

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was based. This exclusive emphasis on the Roman tradition is particularly glaring if one compares it to the letters of Maximos to Marinos; for there the Tomus Leonis plays no role. Maximos argues there exclusively from the eastern fathers, or interprets them in his sense. Still in his very last work, which is specifically concerned with the authority of the appeal to “the fathers”, he names Athanasius, Basil, Gregory of Nazianzus, John Chrysostom, Theophilus and Cyril of Alexandria, but not Leo.167 Even if one takes into account that Sergios’ letter presents a reply to the Synodica of Pope Theodore with a related proposal of action against Pyrrhos and the Ekthesis,168 the exclusive emphasis on the Tomus Leonis would need an explanation, since even the pope based his argument solely on the Council of Chalcedon and not on the Tomus Leonis.169 4. Sergius’ letter describes the actual situation of the Church as marked by splits and schisms170 and speaks of “the current plague of heresies and the writing of blasphemous anathemas”.171 What schisms in this sense were there on 29 May 643? Neither the Ekthesis nor the decrees of the synods of the Constantinopolitan patriarchs Sergios and Pyrrhos contain actual anathemas, but simply threaten excommunication.172 If one sets aside the increasing radicalization of the circle of Maximos from 641, one cannot speak, in my view, of a schism between the Churches of Rome and Constantinople at this point of time. All the anathemas involving doctrines and persons ascribed in later sources to the Roman Synod of 641 under John IV are later and unhistorical ascriptions.173 Likewise the letter from Pope Theodore I to the emperor Konstans II of 642/3, preserved only in Arabic transmission,174 is not, despite its sharpness and brazenness, evidence of actual schism.175 The Synodica of this pope to Patriarch Paul of Constantinople anathematized for the first time the Ekthesis and all who

167 Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 19 (PG 91, 224D1–2). 168 This is assumed by Caspar, Geschichte des Papsttums II (as in n. 88), 544 with n. 2. 169 Theodorus I pp., Epistula synodica ad Paulum Patr. Const. (PL 129, 577‒582 at 580C1, 581D4). 170 Διαίρεσις; σχίσματα: Sergius archiep. Cypr., Epistula ad Theodorum I pp. (ACO ser. II 1, p.62,13 f. Ried.). 171 Προκειμένης τῆς λύμης τῶν αἱρέσεων καὶ ἀναθεμάτων βλασφήμων ἐγγεγραμμένων: ibid., 62, 17 f. 172 See Ohme, Die Konstantinopler Synoden (as in n. 30) 292 f., 315. 173 See Ohme, Wer hat den Dyotheletismus erfunden? (as in n. 62) 114–122. 174 Winkelmann, Streit (as in n. Anm. 6) no 77. 175 The pope refers to Patriarch Paul several times as “our brother Paul”. See Schacht, Der Briefwechsel zwischen Kaiser und Papst von 641/2 (as in n. 85), 251 fol.83b, col. 2; fol.84a, col. 1.

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add something to valid teaching or take something away;176 but schism did not occur until, after the commotion caused by Pyrrhus and his return to Constantinople, the pope demanded a statement of belief from Paul and, when he rejected dyotheletism in writing,177 imposed an anathema on him and decreed his deposition.178 But these developments are to be dated to 646/7. But Sergios’ letter presumes an actual schism, demands that the pope subject “them” (that is, the opponents) to an anathema and expresses his own anathema against “them”: “Because they do not follow you God-beloved and apostolic fathers, we anathematize them in speech and in writing.”179 This does not correspond to the situation of the Church in 643. 5. This also makes incomprehensible the readiness expressed by the writer of the letter to accept martyrdom because of his dissidence.180 A situation of persecution involving martyrdom did not exist at the time the letter was supposedly written and was not even in prospect. This theme appears in literature only after the Lateran Synod and in connection with the trials of Pope Martin I and Maximos, and then expresses the self-understanding of the Maximianists.181 It is the preparation for the Lateran Synod that provides the context for the production of this text in its present form. Because according to law only an ecumenical council would have been competent to conduct the planned accusatorial trial, the speeches pre-prepared for the council concentrated from the first on legitimizing its proceedings; this was done with a detailed theological exposition of a papal universal primacy in both doctrine and jurisdiction. For the synod’s claim to competence indictments and petitions from the East were, moreover, particularly important, for they served the fiction that the charges came “from almost the whole Oecumene” and that “almost all the bishops of the East” were making these demands.182 To substantiate this was the main function of the letter of Sergios, which must be taken together with the indict-

176 Theodorus I pp., Epistula synodica ad Paulum Patr. Const. (PL 129, 581B1–5; 582A4–9. 177 Paulus II Patr. Const., Epistula synodica ad Theodorum I pp. (ACO ser. II 2,1 p. 196, 16–204,8). 178 Liber Pontificalis LXX (Duchesne 1, 333). 179 Sergius archiep. Cypr., Epistula ad Theodorum I pp. (ACO ser. II 1, p.62,14–16 Ried.): ἐπεὶ τοῖς θεοδίδακτοις καὶ ἀποστολικοῖς ὑμῖν πατράσιν οὐχ ἑπόμενοι, ἐν γράμμασι καὶ ἀγράφως αὐτοὺς ἀναθεματίζομεν. Likewise ibid., 62,23 f. 180 Μακρηγορίαν οὖν καὶ ἀντιρρήσεις τῶν ἐναντίων οὐ προϊέμεθα, ἕτοιμοι γὰρ καθεστήκαμεν ὑπὲρ τῆς ὀρθοδόξου πίστεως [...] τὸ μαρτύριον ἀποδέξασθαι: ibid., 62, 7–9. 181 See Ohme, Maximos Homologetes (†662): Martyrium (as in n. 117), 306–346. 182 ACO ser. II 1, p.18,34–38; 42,3–5 (Ried.). On this fiction see Richard Price in Price/Booth/ Cubitt, The Acts of the Lateran Synod of 649 (as in n. 3), 132–138; Ohme, Was war die Lateransynode von 649? (as in n. 11), 139–146.

6 Conclusion

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ments delivered by the Palestinian bishop Stephen of Dora and by the 36 eastern monks. All three begin with an acknowledgement of Rome’s universal primacy and further the assertion of an assent in the East to the synod’s proceedings. In addition, the anathemas by name demanded in the indictment by the monks183 also played a special role, a demand that found further support in the letter of Sergios that follows. It was here that for the first time the argument from the Tomus Leonis came into the foreground.184 Sergios’ letter served finally to clarify the stance of the Church of Cyprus and to present its supposed dyotheletism as beyond any doubt. If the archbishop of Konstantia did indeed react to the propositio of Pope Theodore I in 643 with assent to his accusations, it follows in my opinion from the above analysis that in the preparations for the Lateran Synod Sergios’ letter was subjected to a comprehensive “adaptation” to the needs of synod. We must at the very least reckon with a falsified text, and a complete rewriting is in my opinion not to be excluded. The Acts of the Lateran Synod were sent, already in 649, in both Latin and Greek versions, to Constantinople, along with a letter of Pope Martin;185 a letter from the pope to Sergios of Cyprus has not come down to us. It is in my opinion in no way to be presumed that the redacted form in which his letter appears in the Acts of the Lateran Synod ever reached the eyes of the archbishop of Konstantia.

6 Conclusion The Lateran Synod of 649 was conducted as a conciliar court of justice and accusatorial trial, but offended in many significant respects against the set procedure for proceedings of this kind. The required summons of the accused was not carried out, the equally fundamental distinction between accusers and judges was ignored, and the actual criterion for a conviction had not hitherto been defined in normative church tradition. Finally, the synod was not competent to conduct a trial at this level, which led to the attempt being made to cover this up with the claims of the papacy to universal primacy. The criticisms made at the synod and afterwards against the Constantinopolitan synods for the reception and confirmation of the Ekthesis do not stand up to critical examination. Above all, the synod under Patriarch Sergios, which is to be dated to 636, and the Synod of Cyprus held earlier in the same year make it clear that the Ekthesis

183 ACO ser. II 1, p.52,35–41 (Ried.) 184 Ohme, Was war die Lateransynode von 649? (as in n. 11), 129 f. 185 Martinus I pp., Epistula 3 ad Constantem imp. (PL 87, 137–146, 144D1–6).

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10 Some new fruits of research on the monenergist-monothelete controversy

was the consequence of one synod that represented almost the entire Church and was linked to a further synod that received general reception in the Church. The exceptional importance of these synods is shown by the form of the resultant acts and of their publication. The citation of them at the Lateran Synod in only a fragmentary form was intended to hide the facts of the matter. In addition, it had the purpose of avoiding mention of the name of Pope Honorius I, to which Sergios and Pyrrhos had both appealed. Because the stance adopted by Honorius was expressed in his letters to Sergios and stood in the way of the intentions of the Lateran Synod, there were attempts by Maximos and his followers, from as early as 641, to subject Honorius’ letter to a reinterpretation. This can be reconstructed in detail from the textual history of the so-called Apologia Honorii of Pope John IV, to which unambiguous dyenergist-dyothelete statements were first added after the Sixth Ecumenical Council. It is Maximos and his followers who, proceeding beyond the person of Honorius, were concerned to promote the unlimited authority of the papacy as an institution; no other eastern theologian so promoted the primatial and universalist self-consciousness of the Roman Church as Maximos did. The Apologia Honorii, as completed by the Maximianists was probably received, together with the saint and martyr cult around Pope Martin and Maximos that came from Palestine, in iconophile circles in Constantinople in the context of the iconoclast controversy, and there and then incorporated into canonical collections of material relating to the Sixth Council. It is there that Anastasius Bibliothecarius discovered them in 870 and brought them to Rome, where the letter of Honorius and the Apologia Honorii were apparently unknown even before the Sixth Council and were probably no longer available. There was a danger that the polemic, equally starting in 641, against the imperial law of the so-called Ekthesis, as also its anathematization at the Lateran Synod, would lead to penal consequences; this led to the assertion of a late retractatio by Herakleios in a κέλευσις addressed to Pope John IV. By citing in isolation a single passage in this letter and interpreting it tendentiously, responsibility for the text was removed from the emperor and transferred to the personal convictions of its drafter, Patriarch Sergios. The transmission of a second passage of the κέλευσις outside the monenergist-monothelete controversy proves that there can be no question of a retractatio; rather, the emperor was committed to the cause of the Ekthesis in his personal piety. The letter of the emperor to John IV was withheld from the Lateran Synod for a good reason. A letter from the Cypriot archbishop Sergios to Pope Theodore I was included in the Acts in its place; but this letter can scarcely be authentic. Its text was at the very least adjusted to fit the intentions of the synod and thereby made spurious. Its function lay in subjecting the actual stance of Sergios’ predecessor Arkadios

6 Conclusion

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to a correction, and in providing proof of the legitimacy of the proceedings of the Lateran Synod through evidencing the support of the whole of an eastern autocephalous church. After the death of the most important protagonists of the attempts in the thirties of the seventh century to come to an understanding with dissenting churches of the East, Maximos Homologetes and his followers proceeded from 641 to a comprehensive reinterpretation of their stance. Those making preparations for the Lateran Synod did not shy away from suppressing unwanted facts and documents, or adducing them so selectively that they corresponded to their own proceedings. The whole of the early history of the so-called monenergist-monothelete controversy, its causes and motives, as they are transmitted in dyothelete sources, needs to be subjected to revision.

III „Martyrien“, Synoden und die Folgen

11 Maximos Homologetes († 662): Martyrium, Märtyrerbewusstsein, „Martyriumssucht“? Abstract: This article addresses the question as to why Maximus the Confessor was first recognized as an official martyr and saint in the imperial Byzantine Church only in the tenth century, although his theology had been accepted by the Sixth Ecumenical Council and his followers began to practice and propagate his cult shortly after his death in 662. The argument begins with a brief description of Maximus’ early veneration and then examines the Sixth Ecumenical Council’s failure to rehabilitate him by detailing the reasons why this was impossible in 681 and also thereafter. Clearly, in the seventh and eighth centuries the cult of Maximus had its centre outside the empire in parts of Palestinian monasticism. During the iconoclastic era, as in the seventh century, Maximus’ name stood once again for opposition to imperial religious policy, for he was held up by those venerating icons as the witness of Tradition to their use. Although during this time iconophile monastic circles in the capital probably fostered his cult as well, his veneration continued to find no official recognition in the ninth century because of on-going division within the church of Constantinople. Only after a great distance in time to the events of the seventh century could official recognition in Byzantium come to Maximus, since the conflicts of that earlier era were no longer relevant. In this context, the ‘Holy Confessor Maximus’ underwent a process of acceptance by the Byzantines who anchored his biography in Constantinople. As a result, the actual circumstances of the monothelete controversy have ultimately been obscured.

Maximos Homologetes (ca. 579‒662)1, „the greatest of Byzantine theologians“2 sowie Confessor und Heiliger im orthodoxen und römisch-katholischen Heiligenkalender,3 ist wegen seines Widerstandes gegen die kaiserlich (307) geförderte

1 Prosopographie der mittelbyzantinischen Zeit. Erste Abteilung 641–867 (nach Vorarbeiten Friedhelm Winkelmanns erstellt von Ralph-Johannes Lilie, Claudia Ludwig, Thomas Pratsch, Ilse Rochow Bd. 1–6, Berlin 1999–2002, Nr. 4921. 2 So: Andrew Louth, Maximus the Confessor, London 1996, Klappentext. Zu Maximos jetzt umfassend: Pauline Allen/Bronwen Neil (Hg.), The Oxford Handbook of Maximus the Confessor, Oxford 2015. 3 Festtage sind der 13. August (röm.-kath. und orth.) und 21. Januar (orth.). Anmerkung: Zuerst publiziert in: ZAC 20 (2016), 306–346. https://doi.org/10.1515/9783110714531-011

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11 Maximos Homologetes († 662): Martyrium?

sog. monenergetisch-monotheletische Religionspolitik4 am 16. und 23./24. Mai 655 zusammen mit seinem Schüler und langjährigen Begleiter, Anastasios Monachos († 662)5, einem Hochverratsprozess vor dem römischen Senat unterzogen worden. Beide wurden daraufhin in die Verbannung geschickt, wo sie getrennt voneinander ca. sieben Jahre an verschiedenen Orten Thrakiens lebten. Als alle Versuche Kaiser Konstans II. (641‒668)6 und des Konstantinopler Patriarchates scheiterten, Maximos zur Wiederaufnahme der seit der Lateransynode von 6497 auf sein Betreiben hin aufgehobenen Kirchengemeinschaft der römischen Kirche mit der Reichskirche zu bewegen, wurden er und seine beiden Schüler Anastasios Monachos und Anastasios Apokrisiarios († 666)8 im Jahre 662 nach Konstantinopel gebracht, von einer dortigen Synode anathematisiert und von einem weltlichen Gericht wegen „Blasphemie und Hochverrat“9 zu öffentlicher Auspeitschung, Amputation der Zunge und der rechten Hand10 sowie endgültiger Verbannung verurteilt. Alle drei erreichten verstümmelt das Exil in (308) Lazikē/ Kaukasus am 8. Juni 662, wo sie auf verschiedene byzantinische Festungen verteilt wurden. Anastasios Monachos starb an den Folgen der Verstümmelung am

4 Friedhelm Winkelmann, Der monenergetisch-monotheletische Streit (BBySt 6), Frankfurt/ M. 2001); zum Monenergismus: Christian Lange, Mia Energeia. Untersuchungen zur Einigungspolitik des Kaisers Heraclius und des Patriarchen Sergius von Constantinopel (STAC 66), Tübingen 2012. 5 PMBZ, Nr. 237. 6 PMBZ, Nr. 3691. 7 Vgl.: Winkelmann, Streit (s. Anm. 4), Nr. 110; am besten jetzt die hervorragend kommentierte Übersetzung der Lateranakten, in: Richard Price, Phil Booth, Catherine Cubitt, The Acts of the Lateran Synod of 649, transl. by Richard Price (Translated Text for Historians 61), Liverpool 2014). S. auch unten S. 425–427. 8 PMBZ, Nr. 238. Anastasios Apokrisiarios war bereits als römischer Apokrisiar im Jahr 648 wegen seiner Weigerung, den gerade erlassenen kaiserlichen Typos ‒ also jenes Gesetz, das im Sinne eines Moratoriums jeden weiteren öffentlichen Streit über die Anzahl der Willen in der Person Jesu untersagte ‒ anzuerkennen, verurteilt und nach Trapezunt in die Verbannung geschickt worden. Zum Typos vgl.: Winkelmann, Streit (s. Anm. 4), Nr. 106; zu seiner kirchenpolitischen und theologischen Bedeutung vgl.: Heinz Ohme, Oikonomia im monenergetischmonotheletischen Streit, in: ZAC 12 (2008), (308–343) 316–321. Durch den Typos war explizit ein älteres kaiserliches Gesetz, die von Kaiser Herakleios (610–641) im Jahre 638 erlassene Ekthesis, aufgehoben worden, die die monotheletische Lehre propagiert hatte. Auch diese durfte seit 648 nicht mehr öffentlich vertreten werden. Zur Ekthesis vgl.: Winkelmann, Streit (s. Anm. 4), Nr. 50; Ohme, „Oikonomia“ (s. o.), 335–336.314–316. 9 Disputatio Bizyae (CCSG 39, 149,825 Allen/Neil): Βλασφημιῶν ἕνεκα καὶ τυρρανίδων. 10 Es handelt sich hierbei um die im römischen Recht üblichen Spiegelstrafen: Vgl. Spyros. N. Troianos, Ταυτοπάθεια, spiegelnde Strafen und Nasenabschneiden, in: Rainer Maria Kiesow, Regina Ogorek und Spiros Simitis (Hgg.), Summa. FS Dieter Simon zum 70. Geb., Frankfurt/M. 2005, 569–578.

1 Die Märtyrerpropaganda der Schüler und Anhänger

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22./24. Juli 662, Maximos am 13. August 662. Allein Anastasios Apokrisiarios überlebte beide um mehr als vier Jahre bis zum 11. Oktober 666. Unmittelbar nach dem Tode des Maximos und Anastasios Monachos entstanden Zeugnisse eines unter den Anhängern des Maximos einsetzenden Märtyrer- und Heiligenkultes. In diesem Zusammenhang taucht die Nachricht auf, Maximos habe bereits Jahre vor seinem Tode ‒ also zumindest im Zeitraum zwischen 655 und seiner endgültigen Verurteilung, wenn nicht bereits früher ‒ sein Martyrium vorausgesagt. Im Folgenden soll dieser Spur nachgegangen werden. Dazu werden die sog. „Prozessakten“ des Maximosprozesses, also die sog. Relatio motionis (CPG 7736) und die Disputatio Bizyae (CPG 7735), daraufhin befragt, ob sich hier bereits Hinweise für ein Märtyrerbewusstsein der Angeklagten finden. Beide Texte sind bald nach 655 entstanden und wollen das Verhalten des „Confessors“ beim Prozess sowie die Versuche, ihn im Exil zum Einlenken zu bewegen, aus maximianischer Sicht dokumentieren (Teil 2). Von daher stellt sich dann die Frage, wie die Haltung des Maximos in seinem Prozess und damit nicht zuletzt auch sein Leidensweg zu beurteilen sind (Teil 3). Am Anfang steht eine Skizze der unmittelbar nach dem 13. August 662 einsetzenden Märtyrer- und Heiligenverehrung des Maximos unter seinen Anhängern (Teil 1).

1 Die Märtyrerpropaganda der Schüler und Anhänger Anastasios Apokrisiarios hat in seinem letzten Lebensjahr zwischen dem 1. September 665 und dem 11. Oktober 666 einen Brief11 an den aus Gangra stammenden Mönchspriester Theodosios geschrieben, der wie sein Bruder, der Mönch Theodoros, zu der Vereinigung der Σπουδαίοι der Jerusalemer Anastasis-Kirche gehörte.12

11 Epistula Anastasii Apocrisarii ad Theodosium Gangrensem (CPG 7733) (CCSG 39,173–189 Allen/Neil). Zum Brief: Pauline Allen/Bronwen Neil (Hgg.), Scripta saeculi VII vitam Maximi Confessoris illustrantia, una cum latina interpretatione Anastasii Bibliothecarii iuxta posita (CCSG 39), Turnhout 1999), XX-XXII; Pauline Allen/Bronwen Neil, Maximus the Confessor and his Companions. Documents from Exile, Oxford 2002, 40–41; Winkelmann, Streit (s. Anm. 4), Nr. 151. 12 Zu den beiden Spoudaioi vgl.: PMBZ, Nr. 7816; 7439. Die Vereinigung der Spoudaioi hatte neben Jerusalem auch eine Niederlassung in Konstantinopel; mit den zuletzt von Jacques Noret vorgetragenen Argumenten (Ders., À qui était destinée la lettre BHG 1233d d’Anastase ľApocrisiaire?, in: AnBoll 118 [2000], 37–42) spricht alles dafür, den Adressaten in Jerusalem zu lokalisieren. Zur Vereinigung der Spoudaioi vgl.: Sophrone Pétridès, Le monastère de Spoudaei à Jérusalem et les Spoudaei de Constantinople, in: EOr 4 (1900/1901), 225–231; 7 (1904), 341–348.

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11 Maximos Homologetes († 662): Martyrium?

Beide Brüder (309) gehörten zum engsten Zirkel um Maximos. Das griechische Original des Briefes wurde erst 1955 von Robert Devreesse ediert,13 einige Teile des Schreibens sind nur in der lateinischen Übersetzung des Anastasius Bibliothecarius erhalten. Der Verfasser macht eingangs klar, dass er der Aufforderung von Prov 10,7LXX: „Das Gedächtnis der Gerechten geschehe in Lobreden“ (Μνήμη δικαίων μετ᾿ ἐγκωμίων) auch „in enkomiastischer Rede“ (ἐγκωμίασαι)14 Folge leisten will. Wir haben es also mit einer enkomiastischen Darstellung zu tun, mit der der schwerverletzte, seinem Tod entgegengehende Autor der Mnēme der verstorbenen „Gerechten“ dienen will. Nach der Beschreibung der Ankunft der Gruppe der Verurteilten in Lazikē schildert der Brief zuerst das weitere Schicksal des Christi Dei martyr15 Maximos. Dieser sei vor seinem Tode einer divina visio gewürdigt worden, in der ihm sein Todestag16 offenbart worden sei, was er auch anderen an seinem Verbannungsort, der Festung Σχήμαρις, mitgeteilt habe. „In Übereinstimmung mit seiner Weissagung“ (secundum diuinum eius uaticinium)17 sei er dann an diesem Tage verstorben. Hinzugekommen sei noch ein aliud miraculum, das sich dann divinitus am Grabe des Maximos ereignet habe und von vielen usque in praesens18 beobachtet und weitergesagt werde und sogar die Aufmerksamkeit führender Kreise gefunden habe: „Drei Lichter erleuchten an einzelnen Nächten das heilige Grab jenes heiligen Märtyrers Maximos.“19 Dies sei „würdig, euch Heiligen und durch euch allen, die dort heilig sind, in Briefen mitgeteilt zu werden“. Denn dies geschehe „zum Ruhm und Lobe Gottes, der in seinen Heiligen Wunder wirkt und das Gedächtnis derer verherrlicht, die ihn rechtgläubig und aufrichtig verherrlichen (1Kö 2,30LXX).“20 Indem anschließend noch Ps

13 Robert Devreesse, La lettre d’Anastase lʼApocrisiaire sur la mort de S. Maxime le Confesseur et ses compagnons dʼexil. Text grec ińedit, in: AnBoll 73 (1955), 5–16. 14 Anastasius Apocr., Epistula ad Theodosium Gangr. (CCSG 39,175,13 Allen/Neil). 15 Anastasius Apocr., Epistula ad Theodosium Gangr. (176,83 A./N.). 16 Anastasius Apocr., Epistula ad Theodosium Gangr. (176,86–88 A./N.). Der Brief macht die Angabe: Tertio decimo die Augusti mensis huius instantis quintae indictionis, feria septima = 13.8.662. 17 Anastasius Apocr., Epistula ad Theodosium Gangr. (176,90–91 A./N.). 18 Anastasius Apocr., Epistula ad Theodosium Gangr. (176,92–94 A./N.). 19 Anastasius Apocr., Epistula ad Theodosium Gangr. (178,101–102 A./N.): Tres lampades luciferae per singulares noctes sanctum sancti illius martyris Maximi monumentum illustrant. 20 Anastasius Apocr., Epistula ad Theodosium Gangr. (176,96–178,100 A./N.): Dignum est et uobis quoque sanctissimis er per uos omnibus qui ibidem sunt sancti, per litteras fieri manifestum, in gloriam et laudem Dei qui facit mirabilia in sanctis suis et glorificat memoriam eorum qui se orthodoxe ac sincere glorificant.

1 Die Märtyrerpropaganda der Schüler und Anhänger

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67,36LXX zitiert (310) wird („Wunderbar ist Gott in seinen Heiligen“21), sind damit drei im Kontext der Heiligenverehrung vielzitierte Schriftstellen aufgerufen worden. Nachdem Anastasios sodann sein eigenes Schicksal schildert, kommt er auf Papst Martin I. (649–653; †655) und die Lateransynode von 649 zu sprechen, die „auf heilige Anordnung dieses heiligen Märtyrers und apostolischen und höchsten Papstes Martin im Alten Rom versammelt worden war.“22 Er sieht sich, Martin und Maximos als Opfer einer Verfolgung, die „uns und Gott“ ungerechterweise gelte23 und die einzuordnen sei in jene Verfolgungen, Exile und Leiden, die den „heiligen Propheten, Aposteln und Lehrern“ seit Beginn der Verkündigung zuteilwurde.24 Bei dem sogenannten Hypomnesticum Theodori Spudaei (CPG 7968)25 handelt es sich um eine Denkschrift über das Schicksal nicht nur der nach den Prozessen von 655 und 662, sondern auch der nach dem Prozess gegen Papst Martin I. (649‒653; †655) schon 653 Verbannten.26 Der Text wurde nach dem Eintreffen der Epistula ad Theodosium Gangrensem des Anastasios Apokrisiarios bei Theodosios Spudaios von diesem und seinem Bruder Theodoros Spudaios verfasst.27 Die Autoren wenden sich (311) eingangs an diejenigen, die „die Kopie (τοῖς ἴσοις)

21 So wird ἐν τοῖς ἁγίοις hier verstanden. 22 Anastasius Apocr., Epistula ad Theodosium Gangr. (185,64–66 A./N.): [...] τῆς κατὰ πρόσταξιν ἱερὰν τοῦ ἁγίου μάρτυρος καὶ ἀποστολικοῦ κορυφαίου πάπα Μαρτίνου ἐν τῇ πρεσβυτέρα Ῥώμῃ ἀθροισθείσης. Zu Papst Martin I. vgl.: PMBZ, Nr. 4851. Dieser Konzilspapst der Lateransynode von 649 war bereits am 17. September 653 in Rom gefangengenommen worden und am 19. Dezember 653 in Konstantinopel wegen Hochverrats zum Tode verurteilt worden; begnadigt und nach Cherson/Krim verbannt, war er dort am 16. September 655 gestorben. 23 Anastasius Apocr., Epistula ad Theodosium Gangr. (185,70 A./N.): [...] οἱ τὸν Θεὸν καὶ ἡμᾶς ἀδίκως ἐκδιώκοντες. 24 Anastasius Apocr., Epistula ad Theodosium Gangr. (187,82–86 A./N.): διωκομένων [...] τῶν τε ἁγίων προφητῶν καὶ ἀποστόλων καὶ διδασκάλων. Der Brief enthält am Ende ein Scholion, das Theodosios von Gangra zugeordnet wird. Dort heißt es, dass „unser heiliger Vater und Märtyrer Anastasios“ an Sonntag, dem 11. Oktober 666 in dem Augenblick verstarb, als bei der Liturgie der Ruf „Das Heilige den Heiligen!“ erklang (a.a.O., 189 App.). Es handelt sich um jenen Ruf, der in der orthodoxen Liturgie vor Beginn der Kommunion die Anaphora abschließt. 25 Hypomnesticum Theodori Spudaei (CCSG 39,191–227 Allen/Neil). 26 Dies sind neben Papst Martin I. die beiden Schüler des Anastasios Apokrisiarios, Theodoros und Euprepios, die mit Martin nach Cherson verbannt worden. Zu beiden vgl.: PMBZ, Nr. 1721.7301. 27 Sie geben sich im Text selbst als Autoren zu erkennen: Hypomnesticum (CCSG 39,217,290– 292 A./N)). Zum Text vgl.: Allen/Neil, Scripta saeculi VII (s. Anm. 11), Introduction XXII–XXIII; Allen/Neil, Documents (s. Anm. 11), 41–42: Winkelmann, Streit (s. Anm. 4), Nr. 154.

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des beigefügten heiligen Briefes des Heiligen (sc. Anastasios Apokrisiarios)“ gelesen haben.28 Die Epistula ad Theodosium Gangrensem ist also kopiert und als enzyklischer Brief dem Hypomnesticum beigefügt oder auch unabhängig davon verbreitet worden. Der inzwischen verstorbene Anastasios wird jetzt als „unser heiliger Vater und Lehrer“ und „wahrhaft großer neuer Bekenner und Märtyrer der Wahrheit“ bezeichnet.29 Seine Heiligkeit wird hauptsächlich durch die Tatsache erwiesen, das die Epistula ad Theodosium Gangrensem „von eigener Hand“ (ἐξ αὐτῆς τῆς ἰδιογράφου αὐτοῦ [sc. ἐπιστολῆς]) geschrieben wurde, obwohl ihm diese doch amputiert worden war. Dies sei ein „θαῦμα παράδοξον“ und bedeute, dass dieser Brief „durch den Finger Gottes geschrieben“ sei (δακτύλῳ θεοῦ γραφεῖσης).30 Tatsächlich hatte sich Anastasios eine aus dünnen Hölzern bestehende Prothese an seinen Armstumpf gebunden, um so schreiben zu können. Die Verfasser scheuen sich nicht, die Analogie zur Beschriftung der Gesetzestafeln des Dekaloges nochmals explizit zu formulieren: diese Schriften seien geschrieben „mit dem Finger Gottes wie beim großen Mose.“31 Nach der Schilderung des Leidensweges des Papstes und der beiden Brüder kommt das Hypomnesticum auf den „heiligen Maximos“ zu sprechen, „ihren vielgepriesenen, unübertrefflichen, hochweisen großen Mitverteidiger und größten Mitmärtyrer.“32 Und hier wird nun berichtet, dass Maximos „aufgrund göttlicher Offenbarung“ (ἐκ θείας ἀποκαλύψεως) nicht nur sein Entschlafen genau vorausgesagt habe, sondern ebenso „vor etlichen Jahren bereits sein heiliges Martyrium in Christus unserem Gott für die Wahrheit.“33 Die Verfasser des Hypomnesticum, die Maximos und Anastasios Monachos auf ihrem Weg in die Verbannung begleitet hatten, berichten schließlich, dass sie dabei (312) „einige der von ihnen während ihres Leidensweges getragenen Kleidungsstücke von ihren eigenen Händen (οἰκείαις χερσὶν) erhalten (haben) zusammen mit

28 Theodorus Spudaeus, Hypomnesticum (199,37 A./N.). 29 Theodorus Spudaeus, Hypomnesticum (199,42–46 A./N.): [...] τοῦ ἁγίου πατρὸς ἡμῶν καὶ διδασκάλου κυρίου ἀββᾶ Ἀναστασίου [...] μεγάλου νέου ὄντως ὁμολογήτου καὶ μάρτυρος τῆς ἀληθείας. 30 Theodorus Spudaeus, Hypomnesticum (199,40–42 A./N.). 31 Theodorus Spudaeus, Hypomnesticum (203,98–99 A./N.): δακτύλῳ Θεοῦ ὡς ἐπὶ τοῦ μεγάλου Μωσέως. Auch hier findet sich die Argumentation für die Heiligkeit des Anastasios mit der Koinzidenz seines Todes und dem Ruf: „Das Heilige den Heiligen!“ während der Anaphora (ebd., 205,116–120). 32 Theodorus Spudaeus, Hypomnesticum (215, 251–253 A./N.): Ὁ δὲ ἅγιος καὶ ἀοίδιμος, πανάριστος τε καὶ πάνσοφος μέγας τῆς ἀληθείας συνυπέρμαχος καὶ συνμάρτυς αὐτῶν. 33 Theodorus Spudaeus, Hypomnesticum (217, 276–279 A./N.): προειπὼν [...] τὴν δὲ ἁγίαν αὐτοῦ ὑπὲρ τῆς ἀληθείας ἐν Χριστῷ τῷ θεῷ ἡμῶν μαρτυρίαν πρὸ ἱκανῶν ἐτῶν.

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den Bandagen, mit denen sie ihre amputierten Hände zur Heilung umwickelt hatten, die geheiligt und von ihrem wertvollen Blut rotgefärbt waren.“34 Die beiden Spudaioi hätten dann entschieden, „beide zusammen zu kommemorieren, weil sie ein und dasselbe geworden sind in ihrem Kampf (ἄθλησις) für den heiligen und wahrhaft orthodoxen Glauben“.35 Der kurze Text Contra Constantinopolitanos36 (CPG 7740) ist von einem anonymen Anhänger des Maximos nach 662 geschrieben worden, 37 ohne dass sich der Zeitraum näher bestimmen lässt. Ausweislich seiner Überschrift war der Verfasser Mönch und hat diese Zeilen „aus tiefer Verbitterung“ (ἐκ δριμύξεως καρδίας)38 geschrieben. Tatsächlich handelt es sich um eine Anklageschrift von schneidender Schärfe gegen die Einwohner der Hauptstadt, die für die Verurteilung des Maximos und seiner Schüler verantwortlich gemacht werden. Gleich am Anfang werden der Kaiser und zwei der bei der Disputatio Bizyae (s. u.) Anwesenden, Bischof Theodosios von Caesarea und der Patrikios Epiphanios, mit Beleidigungen überhäuft, „weil sie dem heiligen Maximos, dem dritten Theologen, Zunge und rechte Hand abgeschnitten haben“, wie auch den Anastasioi, seinen (313) beiden Schülern.39 In der Schlusspassage

34 Theodorus Spudaeus, Hypomnesticum: [...] τινων τῶν ἐν τῷ πάθει περισχισθέντων αὐτοῖς χερσὶν παρ᾿ αὐτῶν κομίσασθαι ἅμα τοῖς τῶν περιτιθεμένων ἐν ταῖς ἀποκοπείσαις αὐτῶν ἁγίαις χερσὶν ἡγιασμένων τε καὶ πεφοινιγμένων τοῖς αὐτῶν τιμίοις αἵμασιν παννίων (219,324–328 A./ N.). Alle Übersetzungen stammen – sofern nicht anders angegeben – vom Verfasser. 35 Theodorus Spudaeus, Hypomnesticum: Ἀμφοτέρους δὲ συνάψαι καὶ μνημονεῦσαι [...] συνείδομεν (219,328–221,331 A./N.). 36 Contra Constantinopolitanos (CCSG 39,230–232 Allen/Neil); vgl. Allen/Neil, Documents (s. Anm. 11), 172–175. 37 Allen/Neil, Documents (s. Anm. 11), 43: „It could stem from the same circle of monks engaged in compiling anti-monothelite material, who were possibly also the authors of the Doctrina Patrum“. Die älteste Fassung der Doctrina Patrum ist zwischen 662 und 680 entstanden, vgl. Franz Diekamp, Doctrina Patrum de incarnatione verbi. Ein griechisches Florilegium aus der Wende des 7. und 8. Jahrhundert (1907), 2. Auflage hg. v. Evangelos Chrysos, Münster 1981, Einleitung LXXIX. 38 Contra Constantinopolitanos (CCSG 39,230,3 A./N.) 39 Contra Constantinopolitanos (CCSG 39,230,16–18 A./N.): τῶν τὸν ἅγιον Μάξιμον καὶ τρίτον θεολόγον γλωσσοδεξιότμητον δρασάντων. Meines Erachtens wird hier im Rahmen der propagierten Märtyrerverehrung Maximos der Ehrenname eines „Theologen“ zugelegt, der bis dahin nur dem Evangelisten Johannes und Gregor von Nazianz zugewiesen worden war. Im selben Zeitraum hat Gregorios Presbyteros (6./7. Jahrhundert) in seiner Vita Greg. Naz. der bereits geläufigen Verwendung des Ehrentitels „Theologe“ entsprechend betont, dass nur Gregor und der Evangelist Johannes so benannt werden (μόνον τοῦτον [sc. Greg. Naz.] μετὰ τὸν εὐαγγελιστὴν Ἰωάννην θεολόγον ὀνοναμσθῆναι (PG 35,288C).

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steigert der Verfasser nochmals seine Vorwürfe gegen die Konstantinopolitaner und ihre Stadt, die nun das „siebenhügelige Babylon “ (ἑπτάλοφε Βαβυλὼν)40 genannt wird, von dem „jeder Gerechte“ (πᾶς [...] δίκαιος)41 verfolgt wird: „Mit dem heiligen Blut schmückst du dich, im Mordblut der Heiligen hüpfst du vor Freude!“42 Über dieses Babylon, das die Rechte ‒ „ich meine die Wahrheit Gottes“ (Θεοῦ ἀλήθειαν λέγω)43 ‒ abschneide, werde Gottes gerechtes Gericht kommen. „Das ewige Reich Christi aber wird die Bekenner, die nichts weniger als Märtyrer sind, aufnehmen. Mögen auch wir dies erlangen – wenn ich es zu sagen wagen darf – durch ihre (Gott) wohlgefälligen Fürbitten. Amen“.44 Das Hypomnesticum, das zusammen mit einer Kopie der Epistula ad Theodosium Gangrensem seit Ende 668/Anfang 669 verbreitet wurde, ist von der Absicht seiner Verfasser bestimmt, das Gedächtnis der Hauptprotagonisten der dyotheletischen Opposition und ihres theologischen Werkes sowie ihres Widerstandes gegen die kaiserliche Religionspolitik nach ihrem Tod lebendig zu erhalten, um so den Kampf für die beanspruchte Wahrheit des maximianischen Dyotheletismus weiterführen zu können. Dazu werden nicht nur detaillierte Berichte über den Leidensweg der Verurteilten bis zu ihrem Tod gegeben, sondern dieser Leidensweg wird als christliches Martyrium gedeutet. Diese Martyrien seien in einer Situation der Verfolgung für den wahren Glauben erfolgt, die „heimtückischer und schwerer als alle vorhergehenden heidnischen und häretischen Verfolgungen“ sei.45 Sie (314) gelte ungerechterweise „uns und Gott“.46 Um die Adressaten davon zu überzeugen, dass es sich bei den beschriebenen

40 Contra Constantinopolitanos (CCSG 39,231,45 A./N.). 41 Contra Constantinopolitanos (CCSG 39,232,47 A./N.). 42 Contra Constantinopolitanos: Αἵμασιν ἁγίοις κομᾷς, τῷ λύθρῳ τῶν ὁσίων ἀνασκιρτᾷς (CCSG 39,231,45–232,47 A./N.). 43 Contra Constantinopolitanos (CCSG 39,232,51 f. A./N.). 44 Contra Constantinopolitanos: Τοὺς δὲ ὁμολογητὰς καὶ οὐκ ἔλαττον μάρτυρας ἡ αἰώνιος Χριστοῦ ὑποδέξηται βασιλεία· ἧς καὶ ἡμεῖς, εἰ καὶ τολμηρὸν εἰπεῖν, ἐπιτύχοιμεν διὰ τῶν εὐπροσδέκτων αὐτῶν παρακλήσεων ἀμήν (CCSG 39,232,54–57 A./N.). 45 Theodorus Spudaeus, Hypomnesticum (CCSG 39,225,390–392 A./N.): παμμήχανόν τε καὶ βαρύτατον ὑπὲρ ἁπάντας τοὺς προλαβόντας Ἑλληνικοὺς τε καὶ αἱρετικοὺς διωγμούς. Das Hypomnesticum zieht eine direkte Parallele zur Verfolgung der „gottlosen Arianer“, die das Blut des „Patriarchen und Märtyrers Petros“ vergossen hätten. Allen/Neil (Documents [s. Anm. 11], 190, Anm. 41) weisen zutreffend darauf hin, dass hier eine Verwechslung vorliegt. Denn der von Athanasios als Nachfolger nominierte Petros II. konnte sein Amt auf Anordnung Kaiser Valens’ gar nicht antreten, flüchtete zu Papst Damasus und kehrte 379 nach Alexandrien zurück; Petros I. erlitt das Martyrium i. J. 311 in der Verfolgung unter Maximinus Daja. Vgl.: Tim Vivian, St. Peter of Alexandria. Bishop and Martyr, Philadelphia 1988. 46 Anastasius Apocr., Epistula ad Theodosium Gangr. (CCSG 39,185,79 A./N.)

1 Die Märtyrerpropaganda der Schüler und Anhänger

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Leiden nicht um Folgen rechtmäßiger staatlicher Strafmaßnahmen handelte, sondern die Leidenden zu einem Christi Dei martyr geworden seien, wird auf das tugendhafte Ertragen des Leidens bis zum Tode verwiesen. Im Vordergrund aber stehen die Wunder vor und nach dem Tode der Verurteilten, die hier eine zentrale Funktion der Legitimation der Personen, ihres Leidens und ihres Werkes erhalten. Das Wunder dient dem Erweis der Heiligkeit der Verurteilten und der Qualifizierung ihres Leidens als Martyrium. Dazu gehört das Wunder „göttlicher Offenbarung“, durch das Maximos und auch Anastasios47 ihre Todestage vorher bekannt gewesen seien und Maximos sogar sein Martyrium „etliche Jahre zuvor“ vorhergesagt habe. Die propagierte Beweiskraft der Wunder wird der Autorität der vertretenen dyotheletischen Lehre dienstbar gemacht. Das Licht am Grabe des Maximos „bringt Klarheit“ und „macht offensichtlich“, wer er sei, nämlich ein wahrhafter Märtyrer Christi mit Parrhesia, den man nun auch anrufen kann.48 Die mit der Prothese geschriebenen Schriften des Anastasios lasse diese „mit dem Finger Gottes“ geschrieben sein;49 dies gibt ihnen eine dem Dekalog analoge Bedeutung. In allem zeige sich so die „Vorhersehung und Mitwirkung Gottes“, der „große Wunder tut (315) in seinen Heiligen“.50 So kann es auch nicht mehr überraschen, dass bei den Verfassern des Hypomnesti-

47 Zu Maximos s. o. Anm. 33. Zu Anastasios Apokrisiarios: Theodorus Spudaeus, Hypomnesticum (CCSG 39,205,120–125 A./N.). Anastasios habe darüber hinaus bereits weitere Wunder an seinen früheren Verbannungsorten Trapezunt und Mesembria vollbracht. 48 Nach dem Hypomnesticum wird das Grab des Maximos nun schon „in jeder Nacht von dem Tag an, als er entschlief, bis jetzt und für immer“ erleuchtet (Theodorus Spudaeus, Hypomnesticum [CCSG 39,215,256–257 A./N.]: ἀφ᾿ ἧς ἡμέρας κεκοίμηται μέχρι νῦν καὶ εἰς ἀεί). Diese Lichter „bringen allen Klarheit und machen seinen freimütigen Zugang bei Gott offensichtlich“ (A.a.O., [215,256–257 A./N.]: πᾶσι καταφωτιζούσας καὶ φανερούσας τὴν αὐτοῦ πρὸς Θεὸν παρρησίαν). Der Terminus Parrhesia ist einschlägig und macht Maximos zum Inhaber jener besonderen Qualität „of martyrs, who, having π.(αρρησία) before their persecutors, attain to π.(αρρησία) before God, so that their intercession becomes efficacious.“ (Geoffrey W. H. Lampe, A Patristic Greek Lexicon, Oxford 101991, 1045 s.v., II A 3d). Parrhesia in diesem doppelten Sinne ist in den frühchristlichen Märtyrerakten zu einem Hauptmerkmal des Märtyrers geworden (vgl.: Guiseppe Scarpat, Parrhesia – Storia del termine e delle sue traduzioni in latino, Brescia 1964). Der Zusammenhang von parrhesia, Leidensbereitschaft und Freude ist in den Märtyrerakten ein verbreiteter Motivkomplex. Vgl. dazu: Christel Butterweck, „Martyriumssucht“ in der Alten Kirche? (BHTh 87), Tübingen 1995, 189–201. Wird hier noch die Anrufung des hl. Maximos um Intercessio propagiert, so wird sie am Ende von Contra Constantinopolitanos bereits praktiziert. S. o. Anm. 44. 49 S. o. Anm. 30 f. 50 Theodorus Spudaeus, Hypomnesticum (CCSG 39,203,99–101 A./N.): προνοίᾳ καὶ συνεργείᾳ τοῦ [...] θεοῦ τοῦ ποιοῦντος θαυμάσια μεγάλα ἐν τοῖς ἁγίοις αὐτοῦ.

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cum und ihren Kreisen, für die die Schmähschrift Contra Constantinopolitanos ein weiteres Zeugnis ist, bereits ein lebendiger Märtyrerkult der Verurteilten praktiziert wurde. Das Hypomnesticum scheint dabei bereits liturgische Verwendung gefunden zu haben.51

2 Martyriumsbereitschaft als Selbstdeutung Die wichtigsten Quellen für den Hochverratsprozess gegen Maximos und seinen Schüler Anastasios Monachos am 16. und 23./24. Mai 655 und deren anschließende Verbannung in verschiedene thrakische Orte unweit Konstantinopels sind die sogenannte Relatio motionis inter Maximum et principes (CPG 7736; BHG 1231)52 und die sogenannten Acta in primo exsilio seu dialogus Maximi cum Theodosio ep. Caesareae in Bithynia, wegen des Ortes der Unterredung Disputatio Bizyae genannt (CPG 7735; BHG 1233).53 Beide Schriften geben sich als wörtliche Protokolle. Die Relatio motionis will die im Konstantinopler Kaiserpalast vor dem römischen Senat geführten Verhandlungen und die Gespräche, die außerhalb der eigentlichen Verhandlungen geführt wurden, wiedergeben. Die Disputatio Bizyae dokumentiert Unterredungen zwischen Maximos und Bischof Theodosios von Kaisareia/Bithynien und den beiden Konsuln (Hypatoi) Paulos und Theodosios und anderen als Abgesandte des Kaisers während des Exils.54 Trotz wichtiger Informationen über die Anklagepunkte und Themen der Gespräche handelt es sich nicht um Verbatimprotokolle, sondern um tendenziöse (316) literarische Produkte, die ‒ ähnlich wie beim Prozess gegen Papst Martin I. im Jahre 65355 ‒ als „Dossier“ über den Prozess angelegt wurden und im 9. Jahrhundert von

51 Es hat eine Überschrift, die den Eindruck erweckt, dass es sich um „a liturgical rubric“ handelt (Allen/Neil, Documents [s. Anm. 11], 188 Anm. 1). Die Überschrift lautet: Ἱστορία σύντομος. Τὰ κατὰ τὸν μακάριον Μαρτῖνον γεγονότα πάπαν Ῥώμης καὶ τὸν ὅσιον Μάξιμον καὶ τῶν σύν αὐτῷ (Theodorus Spudaeus, Hypomnesticum [197 A./N.]). 52 Relatio motionis inter Maximum et principes (CCSG 39,12–51 Allen/Neil); Allen/Neil, Documents (s. Anm. 11), 48–74. 53 Acta in primo exsilio seu dialogus Maximi cum Theodosio ep. Caesareae in Bithynia (CCSG 39,72–151 Allen/Neil); Allen/Neil, Documents (s. Anm. 11), 75–119. 54 Zum Charakter dieser Quellen vgl.: Wolfram Brandes, Anmerkungen zu den Quellen zur Biographie des Maximos Homologetes, in: PMBZ. Prolegomena, Berlin-New York 1998, 171– 179. Allen/Neil, Scripta saeculi VII (s. Anm. 11), Introduction XV–XVI; Dies., Documents (s. Anm. 11), 35–37. 55 Zu dessen Quellen vgl. Anm. 169.

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Anastasius Bibliothecarius ins Lateinische übersetzt wurden.56 Schon in der handschriftlichen Überlieferung schließt sich die Disputatio Bizyae an die Relatio motionis an. „Das Ziel dieser Dossiers bestand vor allem in antimonotheletischer Propaganda ‒ ein Umstand, der stets zu beachten ist.“57 Beide Quellen sind in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu den berichteten Vorgängen entstanden. Die Relatio motionis wurde vor dem 8. September 656 verfasst.58 Die Unterredungen zwischen Maximos und den Delegationen um Bischof Theodosios fanden im August 656 statt, so dass die Disputatio Bizyae Ende 656 oder Anfang 657 verfasst wurde.59 Die Autoren lassen sich nicht mehr eindeutig bestimmen; sie müssen aber zum direkten Umfeld des Maximos gehört haben. Möglich ist auch eine Gemeinschaftsarbeit mehrerer Verfasser dieses Kreises. Für unsere Fragestellung ist festzuhalten, dass beide Quellen noch zu Lebzeiten des Maximos während der siebenjährigen Verbannung zwischen 655 und 662 entstanden sind und nicht auszuschließen ist, dass Maximos selbst daran beteiligt war.60 Wolfram Brandes hat die rechtlichen und historischen Dimensionen beider Quellen, insbesondere die Anklagepunkte, analysiert.61 Theologische Aspekte konnten ergänzt werden.62 Eine weitere und hier nun im Mittelpunkt der Analyse stehende Funktion dieser Texte bestand meines Erachtens darin, dass sie nicht nur der Rechtfertigung der bisherigen Aktionen der Maximosgruppe gegen die kaiserliche Religionspolitik63 seit dem Beginn der vierziger Jahre des 7. Jahrhunderts dienen, sondern darüber hinaus auch Zeugnisse der Selbstvergewisserung und Selbstdeutung am Ende dieses Weges darstellen. (317) Dabei ist die Perspektive, in der sie von den unmittelbar Betroffenen verfasst wurden, bereits die des Mar-

56 Ob überhaupt protokollarische Aufzeichnungen angefertigt wurden, ist eher unwahrscheinlich. Vgl: Brandes, „Anmerkungen“ (s. Anm. 54), 176 mit Anm. 41. 57 Brandes, „Anmerkungen“ (s. Anm. 54), 154. 58 Allen/Neil, Scripta saeculi VII (s. Anm. 11), Introduction XV; Brandes, Anmerkungen (s. Anm. 54), 174. 59 Allen/Neil, Scripta saeculi VII (s. Anm. 11), Introduction XV-XVI. 60 Alle bekannten Personen des engsten Kreises um Maximus wurden als Verfasser vorgeschlagen: Anastasios Apokrisarios, Anastasios Monachos, Theodoros Spudaios und Theodosios von Gangra, Vgl.: Allen/Neil, Scripta saeculi VII, (s. Anm. 11), Introduction XV–XVI; Allen/Neil, Documents (s. Anm. 11), 35–37. 61 Wolfram Brandes, ‘Juristische’ Krisenbewältigung im 7. Jahrhundert? Die Prozesse gegen Papst Martin I. und Maximos Homologetes, in: FBRG.FM 10 (1998), 141–212; Ders., Konstantin der Große in den monotheletischen Streitigkeiten des 7. Jahrhunderts, in: Eleonora KountouraGalake (Hg.), The Dark Centuries of Byzantium [7th–9th. c.], Athen 2001, 89–107. 62 Ohme, Oikonomia (s. Anm. 8); ders., Die Bedeutung der Geschichtstheologie im monenergetisch-monotheletischen Streit, in: ZThK 112 (2015), 27–61. 63 Dies gilt besonders für die im Jahre 649 durchgeführte Lateransynode; dazu s. u. S. 425–427.

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tyriums, als das die zu erwartende Strafe schon zu diesem Zeitpunkt gedeutet wird. Mehrere Indizien machen dies deutlich: 1. Gleich zu Beginn des Prozesses im Trullos genannten Kuppelsaal des Kaiserpalastes64 kam es ‒ nach der Relatio motionis ‒ zu einem merkwürdigen und bislang unbeachtet gebliebenen Wortwechsel zwischen dem Ankläger und Maximos, bevor der erste Anklagepunkt Hochverrat65 thematisiert wurde. Der das Verhör leitende Sakkelarios66 stellte nämlich unvermittelt als erstes an Maximos die Frage: „Bist du Christ?“ Auf die Bestätigung des Maximos: „Durch die Gnade Christi, des Gottes des Alls, bin ich Christ“, bestritt der Ankläger dies mit der Begründung: „Wie das? Wenn du Christi bist, warum hasst du dann den Kaiser?“67 Es muss doch überraschen, dass dieser Prozess, der von staatlicher Seite unter Vermeidung der theologischen Kontroversfrage als politischer Strafprozess geführt wurde, mit einer für den 75-jährigen Mönch eher absurden Frage eröffnet worden sein soll, die überdies in engste Verbindung zur Stellung und Autorität des Kaisers gebracht wurde. Es legt sich meines Erachtens vielmehr die Vermutung nahe, dass der/die Verfasser dieses „Protokolls“ gleich anfangs ein klares Zeichen setzen wollten, worum es ihres Erachtens trotz aller im Folgenden vorgebrachten hochpolitischen Vorwürfe eigentlich geht. Nämlich um den Nachweis, dass wahre christliche Existenz unter dieser sich zwar christlich nennenden römischen Herrschaft, die jedoch durch Gesetze68 den christlichen Glauben zerstört habe, grundsätzlich unmöglich sei. Alle im Weiteren dann von kaiserlicher Seite vorgebrachten Anklagepunkte werden so unter das Vorzeichen des christlichen Bekennens gestellt, das eine Befolgung dieser Gesetze angeblich für wahre Christen ausschließe. Damit ergibt sich in der Perspektive der ihren Prozess deutenden Angeklagten eine Situation, die jener der christlichen Bekenner und Märtyrer der ersten Jahrhunderte gleicht. Bekanntlich ist die bis zu dreimal wiederholte Frage „Bist du Christ?“ seit dem Briefwechsel zwischen Plinius d.J. und Kaiser Trajan (318) zwischen 111 und 113 die Standardfrage in

64 Vgl.: Brandes, Krisenbewältigung (s. Anm. 61), 180. An diesem Ort wird dann auch das VI. Ökumenische Konzil (680/1) und das Concilium Quinisextum (691/2) tagen. 65 Dazu vgl.: Brandes, „Krisenbewältigung“ (s. Anm. 61), 183–185. 66 Es handelt sich um den „Finanzminister“ des Byzantinischen Reiches. Vgl.: Jean Darrouzès, Recherches sur les ΟΦΦΙΚΙΑ de l’Église byzantine (AOC 11), Leuven 1970, 310. 67 Relatio motionis (CCSG 39,13,12–15.19 A./N.): „Χριστιανὸς εἶ;“ καὶ εἶπε· „Χάριτι Χριστοῦ τοῦ θεοῦ τῶν ὅλων Χριστιανὸς εἰμι.“ Καὶ λέγει ἐκεῖνος· [...] „εἴπερ Χριστιανὸς εἶ, μισεῖς τὸν βασιλέα;“. 68 Nämlich die Ekthesis und den Typos. Vgl. dazu o. Anm. 8.

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Christenprozessen gewesen.69 Damit verbunden war die Forderung nach Anerkennung der kaiserlichen Autorität.70 Für die beiden palästinischen Mönche,71 die der Überzeugung waren, dass ihnen wegen ihres Glaubensbekenntnisses der Prozess gemacht wurde, war diese Frage allerdings keine der Märtyrerakten vergangener Jahrhunderte. Denn am Anfang des Jahrhunderts, in den Jahren der persischen Herrschaft über Syrien und Palästina (611/2‒628) mit dramatischen Folgen für das Mönchtum72 im Heiligen Land nach der Eroberung Jerusalems am 20. Mai 614 war die Verbindung des christlichen Fundamentalbekenntnisses mit dem Verlust des Lebens erneut zu einer aktuellen Realität geworden. Im Schicksal des persischen Konvertiten, sabaïtischen Mönchs und christlichen Märtyrers Anastasios hatte diese Realität ihre exemplarische Gestalt gewonnen. Bernard Flusin hat auf der Grundlage der Edition der Acta Martyris Anastasii Persae (BHG 84) und der damit verbundenen Quellen die Geschichte Palästinas dieser Jahre detailliert zur Darstellung gebracht.73 Die Vita und Passio des Persers Anastasios ist

69 Vgl. z. B.: Martyrium Polycarpi 9,2–3;10,1 (OECT Acts of the Christian Martyrs 8,19–30; 10,1–5 Musurillo); Martyrium Justini 3,4;4,1 (OECT Acts of the Christian Martyrs 44,10–12; 44,13 f. M.); Martyrium Scillitanorum OECT Acts of the Christian Martyrs 9.10.13 (88, 5–10.16–19 Musurillo); Martyrium Perpetuae et Felicitatis 6,3–4 (OECT Acts of the Christian Martyrs 112, 27–114, 3 Musurillo). 70 Vgl. z. B.: Martyrium Polycarpi 8,2 (8,3–9 M.); Martyrium Justini 2,1 (48,1–3 M.); Martyrium Perpetuae et Felicitatis 6,3–4 (112, 27–114, 3 M.). 71 Die gegenüber der syrischen Vita Maximi des 7. Jahrhunderts (hg. von Sebastian Brock, An Early Syriac Life of Maximus the Confessor, in: AnBoll 91 [1973], 299–346 = Ders., Syriac Perspectives on Late Antiquity, London 1984, Nr. XII) erstmals in der griechischen Vita Maximi des 10. Jahrhunderts (BHG 1234; PG 90,68–109) begegnende Konstantinopolitanische Herkunft, Jugend und Bildung des Maximus, die von Bronwen Neil und Pauline Allen noch 2003 wegen seiner Vernetzung in führenden Kreisen und seiner enormen Bildung vertreten wurde (Dies., [Hg.], The Life of Maximus the Confessor. Recension 3 [Early Christian Studies 6] Sidney 2003, 11 f.), ist nach den neuesten Forschungen nicht mehr haltbar. Vgl.: Christian Boudignon, Maxime le Confesseur était-il Constantinopolitain?, in: Jacques Noret, Bart Janssens, Bram Roosen, Peter van Deun (Hgg.), Philomathestatos. Studies in Greek and Byzantine Texts Presented to Jacques Noret for his 65th Birthday (OLA 137), Leuven 2004, 11–43; Ders., Le pouvoir de lʼanathème ou Maxime le Confesseur et les moines palestiniens du VIIe siècle, in: Alberto Camplani/Giovanni Filoramo (Hgg.), Foundations of Power and Conflict of Authority in Late Antique Monasticism (OLA 157), Leuven 2007, 245–274; Bram Roosen, Maximi Confessoris Vitae et Passiones Graecae: The Developement of a Hagiographic Dossier, in: Byz 80 (2010), 408–460. 72 Vgl.: Bernard Flusin, Saint Anastase le Perse et lʼhistoire de la Palestine au début du VIIe siècle. I. Les textes; II. Commentaire; Paris1992, II 118–126.172–180. 73 Vgl.: Flusin, Saint Anastase le Perse (s. Anm. 72), II 13–182.

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noch während der (319) persischen Herrschaft entstanden.74 Dieses Werk sabaïtischer Hagiographie hatte seit den dreißiger Jahren des Jahrhunderts zu seiner kultischen Verehrung geführt, die bis nach Rom und Konstantinopel verbreitet wurde.75 Zur hagiographischen Deutung dieses im palästinischen Mönchtum hochverehrten palästinischen Märtyrers gehört es, dass Anastasios seinen Weg vom Sohn eines persischen „Magiers“ zum christlichen Mönch über die Bewunderung des Lebens und Zeugnisses christlicher Märtyrer fand, deren Darstellungen er in Kirchen in Hierapolis erblickte.76 Als Mönch vertiefte er sich in privater Lektüre zu Tränen gerührt in Viten und Passiones christlicher Märtyrer und suchte ihre fürbittende Hilfe.77 Bei seinem Prozess in Caesarea/Palästina war laut seiner Passio seine Antwort „dans la meilleure tradition des Actes des martyrs“: „Ἐγὼ χριστιανὸς ἀληθινὸς εἰμι“78. Auf den Hintergrund dieser Aktualisierung frühchristlicher Verfolgungsund Martyriumssituationen wird durch die Relatio Motionis gleich eingangs ein Szenario eröffnet, das eine Analogie zu den Prozessen der vorkonstantinischen Christenverfolgungen insinuiert. Hier wie dort ‒ so die Botschaft ‒ ging und geht es um die Alternative: Loyalität gegenüber dem Kaiser oder standhaftes Bekenntnis. 2. Nach dieser Ouvertüre verwundert es nicht, dass die Relatio motionis nun auch das Verhör zu den Hochverratsvorwürfen in einer Diskussion über die kaiserliche Autorität in der Kirche kulminieren lässt. Maximos wurde unter Beibringung von Zeugen vorgeworfen, seine anerkannte geistliche Autorität zweimal in hochverräterischer Weise gegen den Kaiser eingesetzt zu haben. So soll er dem Magister militum von Numidien, Petros Illustrios, der 633/4 den Befehl erhalten hatte, gegen die Araber zu ziehen, von diesem Feldzug abgeraten

74 Flusin, Saint Anastase le Perse (s. Anm. 72), I 17–91; II 95.185–190. 75 Flusin, Saint Anastase le Perse (s. Anm. 72), II 329–393. „The dossier of Anastasios the Persian is an important part of Sabaïte hagiography, which [...] offers through its diversity a yardstick of the vitality of Palestinian monasticism, capable of propagating a cult from one end of the Empire to another“: Bernard Flusin, Palestinian Hagiography (Fourth-Eighth Centuries), in: Stephanos Efthymiadis (hg.), The Ashgate Research Companion to Byzantine Hagiography I, Farnham 2012, 199–226.214. 76 Vgl. Acta Anastasii 9,4–8 (I,51 Flusin). 77 Vgl. Acta Anastasii 12,8–14 (I,55 Flusin). 78 Acta Anastasii 19,3 (I,61 Flusin); Flusin, Saint Anastase le Perse (s. Anm. 72), II 236. Beim 2. Prozess in Persien widersteht Anastasios allen Versuchen, ihn vom christlichen Glauben abzubringen, standhaft. Vgl.: Acta Anastasii 27,3–8 (I 81–83 Flusin).

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haben. Petros (320) hatte ihn als „heiligen Mann“ vorher um Rat gefragt79 und Maximos habe brieflich geraten: „Tue das nicht, denn Gott gefällt es nicht, dem Römischen Staat unter der Herrschaft des Herakleios und seines Geschlechtes beizustehen.“80 Petros Illustrios hatte daraufhin tatsächlich den Gehorsam verweigert und war nicht gegen die Araber gezogen. Dies brachte Maximos jetzt die Anklage ein: „Du allein hast Ägypten, Alexandrien, die Pentapolis, Tripolis und ganz Africa an die Sarazenen verraten!“81 Weiterhin wurde er angeklagt, den Usurpationsversuch des Exarchen von Africa, Gregorios, im Jahre 645/6 unterstützt zu haben.82 Der griechische Papst Theodorus I. (642‒649)83 habe einen Traum des Maximos an den Usurpator Gregorios weitergegeben, der eine Aktualisierung des Zentralereignisses der byzantinischen Kaiserideologie, nämlich

79 Relatio motionis (CCSG 39,15,33 A./N.). Dies entsprach ganz der allgemeinen byzantinischen Praxis höchster Staatsfunktionäre bis hin zum Kaiser selbst, vor entscheidenden Handlungen Rat und Weisung bei einem „heiligen Mann“ einzuholen. Vgl.: Eleonora KountouraGalake, Προρρήσεις μοναχών και ανάδειξη αυτοκρατόρων στη διάρκεια των ‚σκοτεινών αιώνων‘, in: Dies. (Hg.), The Dark Centuries of Byzantium (7th-9th. c.), Athen 2001, 421–441. 80 Relatio motionis (CCSG 39,15,34–37 A./N.): Καὶ ἀντέγραψας αὐτῷ λέγων μηδὲν τοιοῦτο ποιῆσαι ἐπειδὴ οὐκ εὐδκεῖ ὁ θεὸς ἐπὶ τῆς βασιλείας Ἡρακλείου καὶ τοῦ γένους αὐτοῦ συμπαρχθῆναι τὴν πολιτείαν τῶν Ῥωμαίων. Phil Booth (mit Rückgriff auf: Marek Jankowiak, Essai d’histoire politique du monothélisme [Diss.ungedr.], Paris-Warschau 2009) hat deutlich machen können, dass seit den persischen Eroberungen die aus Palästina geflohene Mönchsgruppe um Johannes Moschos, Sophronios und Maximos mit Parteigängern in Palästina eine zunehmend distanzierte Haltung gegenüber Herakleios und seiner Herrschaft einnahm, die auch durch den Sieg über die Perser nach 628 nicht rückgängig gemacht wurde. Die Identifizierung von Imperium und Kirche wurde je länger je mehr in Frage gestellt. In diesem Zusammenhang spielte die rituelle Abgrenzung gegenüber den vorchalcedonensischen Kirchen und die programmatische Bekämpfung jeder Interkommunion eine hervorgehobene Rolle. Umso mehr habe sich die Abwendung von Herakleios verstärkt, als dieser im Rahmen seiner Unionspolitik von Armeniern und Severianern, ja sogar Nestorianern persönlich die Kommunion empfing (Phil Booth, Crisis of Empire: Doctrine and Dissent at the End of Late Antiquity, Berkeley 2013, 160–164.184–185.221. Über dieser Frage scheint es zu einer Spaltung im Patriarchat Jerusalem gekommen zu sein (a.a.O., 186–188). Die als Skandal betrachtete inzestuöse Ehe des Kaisers mit seiner Nichte Martina (seit 611) wird das Ihre zu dieser Distanzierung beigetragen haben. 81 Relatio motionis (13, 24–26 A./N.): σὺ γὰρ μόνος Αἴγυπτον καὶ Ἀλεξάνδρειαν καὶ Πεντάπολιν καὶ Τρίπολιν καὶ Ἀφρικὴν παρέδωκας. 82 Gregorios plante anscheinend ein „orthodoxes“ Reich mit dem in Konstantinopel abgesetzten und zum Dyotheletismus „bekehrten“ Patriarchen Pyrrhos als Patriarch. Die Durchsetzung des maximianischen Dyotheletismus auf mehreren Synoden in Africa war dazu der Anfang. Vgl.: John F. Haldon, Byzantium in the Seventh Century. The Transformation of a Culture, Cambridge 21997, 306–307; Jan Louis van Dieten, Geschichte der Patriarchen von Sergios I. bis Johannes VI. (610–715) (Enzyclopädie der Byzantinistik 24), Amsterdam 1972, 83–85. 83 PMBZ, Nr. 7769.

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der Vision Kaiser (321) Konstantins des Großen 312 an der Milvischen Brücke, zum Inhalt hatte.84 Maximos habe im Traum am Himmel zwei Engelschöre gesehen. Der eine – im Osten – habe gesungen: Constantine Auguste, tu vincas!85 Der andere aber im Westen, der den östlichen laut übertönte, habe gesungen: Gregorie Auguste, tu vincas!86 Brandes hat unter Hinweis auf die hervorgehobene Bedeutung divinatorischer Träume „heiliger Männer“ für die byzantinische religiöse Mentalität die erhebliche politische Relevanz dieses Traumes deutlich gemacht. Die Umdeutung der Konstantin-Vision sei „ein Versuch massiver Manipulation eines wesentlichen Elements der byzantinischen Kaiserideologie“ gewesen.87 Kaiser Konstans II. (641‒668), der hier mit dem „Constantine Auguste, tu vincas!“ gemeint war, wird die Weitergabe dieses Traumes sehr ernst genommen haben. Der letzte Anklagepunkt gibt Maximos nun Raum für ausführliche Darlegungen zum kaiserlichen Amt. Ein Zeuge berichtet, im kaiserlichen Auftrag Papst Theodorus und Maximos im Jahre 648/9 in Rom besucht zu haben. Er hatte den Befehl (κέλευσις) überbracht, der Papst solle wieder die Kirchengemeinschaft mit Konstantinopel aufnehmen,88 schließlich „sei der Kaiser auch Priester“.89 Anastasios Monachos habe dem jedoch mit den Worten widersprochen: „Der Kaiser ist nicht würdig, auch Priester zu sein“.90 Nach der Relatio motionis stellte Maximos die Aussage des Zeugen zunächst in Frage, indem er zuerst gegen den Typos polemisierte und die kaiserliche Absicht einer Oikonomia-Regelung in der theologischen Streitrage prinzipiell ablehnte,91 um sodann jede kaiserliche Zuständigkeit in Lehrfragen in Abrede zu stellen und schließlich doch einzuräumen, dass er auf die Frage: „Ist denn nicht jeder christliche Kaiser

84 Vgl. dazu: Brandes, Krisenbewältigung (s. Anm. 61), 185–192; Ders., Konstantin der Große in den monotheletischen Streitigkeiten des 7. Jahrhunderts (s. Anm. 61). 85 Gemeint war damit Kaiser Konstans II. (641‒668). 86 Relatio motionis (CCSG 39,16,59–61 A./N.). 87 Brandes, „Krisenbewältigung“ (s. Anm. 61) 186.192; Ders., Konstantin der Große (s. Anm. 61), 102–104; Ders., Kaiserprophetien und Hochverrat. Apokalyptische Schriften und Kaiservaticinien als Medium antikaiserlicher Propaganda, in: Ders./Felicitas Schmieder, Endzeiten. Eschatologie in den Weltreligionen (Millennium-Studien 16), Berlin/New York 2008, (157–200) 182–184. 88 Es handelt sich dabei wohl um den Überbringer des Typos von 648 (s. o. Anm. 8). Papst Theodorus hatte daraufhin die Communio durch die von ihm dekretierte Absetzung des Konstantinopler Patriarchen Paulos II. (641‒653) abgebrochen. Vgl.: Van Dieten, Patriarchen (s. Anm. 82), 95 f.; Winkelmann, Streit (s. Anm. 4), Nr. 104. 89 Relatio motionis (CCSG 39,21,114 A./N.): ὅτι καὶ ἱερεύς ἐστιν ὁ βασιλεύς. 90 Relatio motionis (CCSG 39,21,115–116 A./N.): Μὴ ἀξιωθῇ εἶναι ἱερεύς. 91 Vgl. Ohme, „Oikonomia“ (s. Anm. 8), 337–343.

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auch Priester?“ mit „Nein!“ (322) geantwortet habe.92 Er begründet dies sodann mit den liturgischen Funktionen und Insignien des bischöflichen Amtes, die dem Kaiser nicht zukommen.93 Auf die Nachfrage: „Und warum sagt die Schrift, dass Melchisedek König und Priester sei?“,94 gab Maximos folgende Antwort: Melchisedek war nur Typos des Einen, der von Natur Gottkönig des Alls ist und um unseres Heils willen von Natur Hohepriester geworden ist. Wenn du aber noch einen anderen König und Priester ‚nach der Ordnung Melchisedeks‘ (Ps. 110,4; Hebr 7,17) nennen willst, dann wage auch das andere zu sagen: ‚dass er ohne Vater, ohne Mutter, ohne Stammbaum ist, weder Anfang der Tage noch Ende des Lebens hat‘ (Hebr 7,3). Und siehʼ zu, welches Übel daraus erwächst! Denn es wird sich ein anderer menschgewordener Gott ‚nach der Ordnung Melchisedeks‘ finden, der aber nicht nach der Ordnung Aarons unser Heil wirkt. Und was wollen wir mit großem Abstand noch hinzufügen? Bei der heiligen Anaphora am heiligen Altartisch werden die Kaiser zusammen mit den Laien nach den Bischöfen, Priestern und Diakonen kommemoriert, wenn der Diakon sagt: ‚Und der in Christus entschlafenen Laien, Konstantin, Konstans und der übrigen (scil. lasset uns gedenken)‘. Und so kommemoriert er auch die lebenden Kaiser nach dem gesamten Klerus.95

Darauf wurde Maximos angeschrieen: „Damit hast du die Kirche gespalten!“ (Ταῦτα λέγων ἔσχισας τὴν ἐκκλησίαν).96 Diese Passage der Relatio motionis hat

92 Relatio motionis (CCSG 39,25,182–27,183 A./N.): οὐκ ἔστι πᾶς βασιλεῦς Χριστιανὸς καὶ ἱερεύς; καὶ εἶπον· Οὐκ ἔστιν. 93 Relatio motionis (CCSG 39,27,183–190 A./N.): „Er steht nicht am Altar und erhebt das Brot auch nicht nach der Konsekration mit dem Worten: ‚Das Heilige den Heiligen!‘ Weder tauft er noch vollzieht er die Myronsalbung und weiht auch nicht Bischöfe, Presbyter und Diakone. Weder salbt er Kirchen noch trägt er die Insignien des priesterlichen Amtes, das Omophorion und das Evangelium, so wie er das Diadem und den Purpur als kaiserliche Insignien trägt.“ (οὐδὲ γὰρ παρίσταται θυσιαστηρίῳ καὶ μετὰ τὸν ἁγιασαμὸν τοῦ ἄρτου ὑψοῖ αὐτὸν λέγων· Τὰ ἅγια τοῖς ἁγίοις. Οὔτε βαπτίζει οὔτε μύρου τελετὴν ἐπιτελεῖ οὔτε χειροθετεῖ καὶ ποιεῖ ἐπισκόπους καὶ πρεσβυτέρους καὶ διακόνους· οὔτε χρίει ναοὺς οὔτε τα σύμβολα τῆς ἱεροσύνης ἐπιφέρεται, ὠμοφόριον καὶ τὸ Εὐαγγέλιον, ὥσπερ τῆς βασιλείας τὸν τε στέφανον καὶ τὴν ἁλουργίδα). 94 Relatio motionis (CCSG 39,27, 190–191 A./N.): Καὶ πῶς ἡ γραφὴ βασιλέα καὶ ἱερέα λέγει εἶναι τὸν Μελχισεδέκ;. 95 Relatio motionis (CCSG 39,27,191–206 A./N.): Ἑνὸς τοῦ φύσει βασιλέως θεοῦ τῶν ὅλων γενομένου φύσει διὰ τὴν ἡμῶν σωτηρίαν ἀρχιερέως εἷς ὑπῆρχεν τύπος ὁ Μελχισεδέκ [...] Εἰς τὴν ἁγίαν ἀναφορὰν ἐπὶ τῆς ἁγίας τραπέζης, μετὰ τοὺς ἀρχιερέας καὶ ἱερέας καὶ διακόνους καὶ πᾶν τὸ ἱερατικὸν τάγμα, μετὰ τῶν λαϊκῶν οἱ βασιλεῖς μνημονεύονται, λέγοντος τοῦ διακόνου· Καὶ τῶν ἐν πίστει κεκοιμημένων λαϊκῶν, Κωνσταντίνου, Κώνσταντος, καὶ τῶν λοιπῶν. Οὕτως δὲ καὶ τῶν ζώντων μνημονεύει βασιλέων, μετὰ τοὺς ἱερωμένους πάντας. 96 Relatio motionis (CCSG 39,29, 207–208 A./N.).

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verständlicherweise bereits schon länger das Interesse der Forschung auf sich (323) gezogen97 und ist zuletzt von Gilbert Dagron umfassend analysiert worden.98 Denn tatsächlich ist mit diesen Bemerkungen die Autorität des christlichen Kaisertums, wie sie seit Konstantin bis zu Herakleios Gestalt gewonnen hatte, in Frage gestellt worden. Man habe hierin nach Dagron geradezu den eigentlichen Kern des Konfliktes zu erblicken, der hinter der dogmatischen Streitfrage stand. „The conflict [...] would never have achieved such a intensity if imperial power had not been in the line of fire, embarrassed under Herakleios, persecuting and stubborn under Constans II and contradicting itself under Constantine IV.“99 Wegen der grundsätzlichen Bedeutung für das Selbstverständnis des Maximos im Prozess sind die wesentlichen Dimensionen dieser Frage kurz in Erinnerung zu rufen. Die Gestalt des Priesterkönigs von Salem (Gen 14,18–20) hat durch Hebr 7,1–17 mit Rückgriff auf Ps 110,1–4 bekanntlich für die frühchristliche Entfaltung der Christologie beträchtliche Bedeutung als typologische Präfiguration des hohenpriesterlichen Amtes Jesu Christi gewonnen.100 Seit frühbyzantinischer Zeit aber wurde die Melchisedektypologie zunehmend auch zur theologischen Verankerung des christlichen Kaisertums im alttestamentlichen Königtum herangezogen.101 Gleichzeitig konnte auf diesem Weg auch ein christlicher Überlegenheitsanspruch begründet werden, war das davididische Königtum doch damit als ein historisches Zwischenspiel gekennzeichnet. Wie für Melchisedek galt auch für das christliche Kaisertum seit Konstantin trotz aller ebenso gesuchten typologischen Bezüge zum davididischen Königtum, dass es direkt aus dem Heidentum sein Herkommen habe und ohne dynastische Genealogie durch Gottes Gnade und Erwählung je und je seine Kontinuität gewahrt sei. Das mit Melchisedek gleichzeitig in Anspruch genommene Priestertum war allerdings nicht das nach der Ordnung Aarons, nicht gebunden an die Zugehörigkeit zum Stamm Levi oder zum christlichen Klerus. Was ihm jedoch zukam, war „an indelible character, conferred directly by God on the ‚just king‘ for a great

97 Vgl. z. B.: Otto Treitinger, Die oströmische Kaiser- und Reichsidee nach ihrer Gestaltung im höfischen Zeremoniell, Darmstadt 1969, 131 f.; Panagiotes Chrestos, Ὁ βασιλεὺς καὶ ἱερεὺς εἰς τὸ Βυζάντιον, in: Kl. 3 (1971), 1–25; Klaus M. Girardet, Das christliche Priestertum Konstantins des Großen, in: Chiron 10 (1980), (569–592) 575–578. 98 Gilbert Dagron, Emperor and Priest. The Imperial Office in Byzantium, Cambridge 2003. 99 Dagron, Emperor and Priest (s. Anm. 89), 183. 100 Fred L. Horton, The Melchizedek Tradition: A Critical Examination of the Sources to the Fifth Century AD and in the Epistle to the Hebrews, Cambridge 1976; William R. G. Loader, Art. Melchisedek II. Neues Testament, in: RGG4 5 (2002), 1017. 101 Vgl. dazu: Dagron, Emperor and Priest (s. Anm. 98), 173–181.

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historical mission. The (324) emperor was not an specialist in sacred things, or of the clergy but he was invested with an superior priesthood.“102 Insofern läuft die Polemik des Maximos eigentlich ins Leere, denn die von ihm als Beweis angeführten liturgischen Funktionen des kirchlichen Amtes, die dem Kaiser tatsächlich nicht zukamen, waren kein Bestandteil des in Anspruch genommenen Priestertums ‚nach der Ordnung Melchisedeks‘. Auch der Hinweis auf die Diptychen der Lebenden und Verstorbenen im Kontext der Anaphora, mit dem Maximos seine Argumentation beschließt, ist nicht wirklich treffend. Denn dass die Kaiser nicht zusammen mit dem Klerus kommemoriert werden, war selbstverständlich und stand nicht im Widerspruch zum kaiserlichen Selbstverständnis. Dennoch wurden die Kaiser auch bei den Diptychen aus den „Laien“ hervorgehoben, indem ihrer nicht nur an der ersten Stelle gedacht wurde, sondern nur sie namentlich und laut hörbar genannt wurden.103 In der typologischen Bezugnahme des kaiserlichen Amtes auf Melchisedek ‒ dann auch auf David und Salomon ‒ war der Gedanke kaiserlicher auctoritas in der charismatischen Bevollmächtigung besonderer Erwähltheit verankert. In dieser Gottesunmittelbarkeit war auch die Zuständigkeit für alle Belange des Volkes Gottes begründet, die im Typos Melchisedek auch kaiserliche Rechte in kirchlichen Angelegenheiten mit einschloss. Dazu gehörte bekanntlich die sogenannte kaiserliche Synodalgewalt, das Recht, den Konstantinopler Patriarchen zu bestimmen, Grenzen und Zuständigkeiten von Bistümern festzulegen, die Ernennung von Metropoliten zu bestätigen, überhaupt kirchliche Angelegenheiten durch staatliche Gesetze zu regeln und so auch auf dogmatische Streitfragen Einfluss zu nehmen, um die Einheit der Religion und des Bekenntnisses im Reich möglichst zu wahren oder wiederherzustellen. Diese Aufeinanderbezogenheit von sacerdotium und imperium als den „beiden größten Gaben Gottes für die Menschheit“ war bekanntlich seit dem Jahre 535 im staatlichen Recht verankert.104 Sie hat dann bei Gottesdiensten in der Hagia Sophia im Zeremoniell auch liturgisch Gestalt (325) gewonnen.105 Dabei war der gemeinsame

102 Dagron, Emperor and Priest (s. Anm. 98), 181. 103 Vgl.: Robert F. Taft, A History of the Liturgy of St. Chrysostom 4: The Diptychs (OCA 238), Rom 1991, 95–120.105.165–184. 104 Justinian, Novella 6 Praef. (3, 35 f. Schöll/Kroll): Maxima inter homines dei dona. Zu Justinians Kirchenpolitik vgl. z.B: Manfred Clauss, Die συμφωνία von Kirche und Staat zur Zeit Justinians, in: Karlheinz Dietz (Hg.), Klassisches Altertum, Spätantike und frühes Christentum (FS Adolf Lippold), Würzburg 1993, 579–593; Anton Michel, Die Kaisermacht in der Ostkirche (843–1204), Darmstadt 1959; Herbert Hunger (Hg.), Das byzantinische Herrscherbild (WdF 341), Darmstadt 1975; Steven Runciman, The Byzantine Theocracy, Cambridge 1977. 105 Vgl. dazu im Detail: Dagron, Emperor and Priest (s. Anm. 98), 82–124.

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Εἴσοδος von Kaiser und Patriarch „the key moment in the ceremonial“.106 Bei klarer Unterscheidung der Funktionen von kirchlichem und kaiserlichem Amt kamen dem Kaiser gleichwohl auch hier nicht unbedeutende Privilegien zu. Gemeinsam mit dem Patriarchen zog er in die Kirche ein und betrat nach dreimaliger Prostration vor den Heiligen Türen der Altarschranken ebenfalls gemeinsam mit ihm den Altarraum. Nach dem Küssen des Altartuches, der Verehrung der Heiligen Geräte und der Übergabe seiner Opfergaben gingen beide in Prozession hinter den Altar, wo der Kaiser das Kreuz verehrte und selber inzensierte! Maximos und sein Kreis haben in Wort und Tat diese Autorität des Kaisers als höchste institutionelle Verkörperung der christlich-römischen πολιτεία prinzipiell in Frage gestellt. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist Maximos sogar mit politischem Kalkül an einer Destabilisierung der Herrschaft des Herakleios und Konstans II. beteiligt gewesen.107 Die Relatio motionis aber hat auch in dieser Hinsicht den Prozess des Maximos nach dem Muster eines Märtyrerprozesses gestaltet. „The defenders of the ‚two wills‘ [...] sincerely believed that the age of the martyrs whose Acts they had read had returned.“108 Eine dritte Beobachtung wird dies eindeutig machen. 3. Am Abend des ersten Prozesstages kamen der Patrikios und Stadtpräfekt von Konstantinopel Troïlos109 und der hohe Hofbeamte Sergios Eukratas110 zu Maximos in die Gefängniszelle, um ihn zu mehreren Themen zu befragen und zum Einlenken zu bewegen. Das Gespräch konzentrierte sich schnell darauf, dass und warum Maximos die sakramentale Communio mit dem Stuhl von Konstantinopel aufgekündigt habe. Als Gründe nennt Maximos die theologischen Entscheidungen der Konstantinopler Religionspolitik: die alexandrinische Union (326) von 633,111

106 Dagron, Emperor and Priest (s. Anm. 98), 110. 107 Dieses Ergebnis der neueren Forschungen von Wolfram Brandes (Der., Krisenbewältigung“ [s. Anm. 61]; Ders., Konstantin der Große [s. Anm. 61]; Booth, Crisis of Empire [s. Anm. 80]; Jankowiak, Essai d’histoire [s. Anm. 80]; Boudignon, Maxime le Confesseur [s. Anm. 71]; Ders., Le pouvoir de lʼanathème [s. Anm. 71]) ist meines Erachtens nicht mehr in Frage zu stellen. 108 Dagron, Emperor and Priest (s. Anm. 98), 186. 109 PMBZ, Nr. 8524: ἔπαρχος τῆς πόλεως. 110 PMBZ, Nr. 6578; ὁ ἐπὶ τῆς τραπέζης τῆς βασιλικῆς. 111 Die Union vom 3. Juni 633 wurde zwischen dem dortigen chalcedonensischen Patriarchen Kyros (631‒642) und den ägyptischen Severianern („Theodosianer“) geschlossen. Die Unionsurkunde mit ihren neun Kephalaia gipfelte auf der Grundlage der Zwei-Naturenlehre in der Aussage, dass „ein und derselbe Christus und Sohn das Gottgemäße und das Menschliche ‚durch eine gottmenschliche Wirksamkeit‘ im Sinne des Heiligen Dionysios (sc. Areopagites) bewirke“ (τὸν αὐτὸν ἕνα Χριστὸν καὶ υἱὸν ἐνεργοῦντα τὰ θεοπρεπῆ καὶ ἀνθρώπινα ῾μιᾷ θεανδρικῇ

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die Ekthesis von 638112 und den Typos von 648113, wodurch die vier (!) Ökumenischen Konzile verworfen worden seien. Die Lateransynode von 649 habe deren Urheber, also die Konstantinopler Patriarchen Sergios, Pyrrhos und Paulos von Konstantinopel und Kyros von Alexandrien, die sich bereits selbst das Urteil gesprochen hätten, zu Recht abgesetzt.114 Maximos lässt dies in ff. Aussage gipfeln: „Was für eine Mystagogie vollziehen sie denn (noch); oder was für ein Geist ist denn bei der Konsekration gegenwärtig, wenn diese die Liturgie vollziehen?“115 Er macht mit dieser Frage deutlich, dass nach seiner Überzeugung die in der Hauptstadt gefeierte eucharistische Liturgie116 gegenwärtig ein geistloser und damit entleerter und wirkungsloser liturgischer Ritus sei. Denn die hier als ἐπιφοίτησις117 bezeichnetet Konsekration vollzieht sich nach östlichem Verständnis in der Epiklese des Heiligen Geistes als zentralem Akt der eucharistischen Anaphora.118 Das ist aber für Maximos offensichtlich nicht mehr der Fall. Und dies deshalb, weil während der Anaphora bei den sog. Diptychen auch die genannten verstorbenen Konstantinopler Patriarchen, die durch die Lateransynode 649 als Häretiker verurteilt wurden, in jeder Liturgie weiterhin namentlich genannt werden.119 Bei der Disputatio Bizyae wird dies dann ausdrücklich gesagt. Denn auch bei dieser Unterredung bestand das Anliegen der Gesandtschaft darin, Maximos dazu zu bewegen, die Communio mit der Kirche (327) von Konstantinopel wieder aufzunehmen.120 Auch hier breiten die Verfasser des Textes zunächst umfangreiche Erklärungen aus zur Ekthesis, zum Typos und zur Lateransynode, zum Dyotheletismus, zur Oikonomia und zum Väterbeweis121, an die sich drei eigentlich unerfüllbare Forderungen des Maximos, die er zur Bedingung der Wiederaufnahme der Communio

ἐνεργείᾳ᾿: Decretum unionis a. 633 [ACO ser. II 2,2, p.594–600.598, 20 f. Riedinger). Vgl. dazu: Lange, Mia Energeia (s. Anm. 4), 575–581; Booth, Crisis of Empire (s. Anm. 80), 209–224. 112 S. o. Anm. 8. 113 S. o. Anm. 8. 114 Relatio motionis (CCSG 39,31,249–33, 262 A./N.). 115 Relatio motionis: ποίαν ἐπιτελοῦσι μυσταγωγίαν· ἢ ποῖον πνεῦμα τοῖς παρὰ τῶν τοιούτων ἐπιτελουμένοις ἐπιφοιτᾷ (CCSG 39,33,263–264 A./N.). 116 Unter der schon traditionellen Bezeichnung Mystagogia hatte Maximos sie selbst kommentiert, vgl.: Christian Boudignon (Hg.), Maximi Confessoris Mystagogia: una cum Latina interpretatione Anastasii Bibliothecarii (CCSG 69), Turnhout 2011. Vgl. dazu: Booth, Crisis of Empire (s. Anm. 80), 170–186. 117 Ἐπιφοιτάω ist hier terminus technicus für „konsekrieren“; vgl: Lampe, Lexicon (s. Anm. 48), 539 s.v. 2d) „in consecration of eucharistic elements“. 118 Vgl. z. B.: Karl C. Felmy, Art. Epiklese, in: RGG4 2 (1999), 1364–1365. 119 Zu dieser Tradition vgl.: Taft, Diptychs (s. Anm. 103), 95–120.105.165–184. 120 Disputatio Bizyae (CCSG 39,81,83–85 A./N.). 121 Disputatio Bizyae (CCSG 39,83,97–113,429 A./N.).

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macht, anschließen: Der Kaiser solle ein Bittgesuch (κέλευσιν παρακλητικήν) und der Patriarch zusammen mit seiner Synode ein synodales Bittschreiben (συνοδικὴν δέησιν) an den Papst schicken, in denen sie das „korrekte Glaubensbekenntnis“ (τὴν ὀρθὴν ὁμολογίαν τῆς πίστεως) formulieren,122 sich also zum Dyotheletismus bekennen. Man werde dann in Rom einen Weg finden, die Einheit wiederherzustellen. Aber damit nicht genug: „Selbst wenn dies geschehen ist, werde ich nicht kommunizieren, solange die Anathematisierten bei der Heiligen Anaphora erwähnt werden.“123 Maximos forderte also die Streichung der verstorbenen Patriarchen aus den Diptychen, die bei jeder Göttlichen Liturgie in den Kirchen des Patriarchates Konstantinopel namentlich erwähnt werden. Er und seine Gruppe sind damit der Überzeugung, dass Gott den Gottesdiensten aller Kirchen, die in Gemeinschaft mit Konstantinopel stehen, seine Gegenwart entzogen habe, solange die von der Lateransynode Anathematisierten dort noch kommemoriert werden. Auf die verständlicherweise entsetzte Frage seiner Gesprächspartner: „Wie kannst du das sagen? Wirst du denn als einziger gerettet, und alle anderen gehen verloren?“124 formuliert die Relatio motionis nun eine Antwort, die einer eingehenderen Analyse bedarf. Maximus sagt: Die drei Jünglinge (im Feuerofen) haben niemanden verurteilt, als sie das (Götzen-)Bild nicht anbeteten, vor dem doch alle anderen niedergefallen sind. Sie haben nämlich nicht darauf geachtet, was die anderen tun, sondern darauf geschaut, wie sie nicht von der wahren Frömmigkeit abfallen. So hat auch Daniel, als er in die Löwengrube geworfen wurde, niemanden verurteilt, der nach dem Gebot des Darius Gott nicht anbetete, sondern er hat auf sein eigenes Verhalten geachtet. Und er nahm es auf sich zu sterben und nicht von Gott abzufallen und vom eigenen Gewissen wegen des Vergehens gegen das natürliche Herkommen gezüchtigt zu werden. Und so gebe auch mir nun Gott, niemanden zu verurteilen oder zu sagen, dass ich allein gerettet werde. Soviel an mir liegt, nehme ich es eher auf mich zu sterben, als das Erschrecken über die Einsicht zu ertragen, (328) dass ich vom Glauben an Gott auf irgendeine Weise abgefallen bin.125

122 Disputatio Bizyae (CCSG 39,115,446–449 A./N.). 123 Disputatio Bizyae (CCSG 39,113,434–436 A./N.): Ἐγῶ γὰρ οὐδὲ τούτων γινομένων κοινωνῶ, ἀναφερομένων τῶν ἀναθεματισθέντων ἐπὶ τῆς ἁγίας ἀναφορᾶς. 124 Relatio motionis (CCSG 39,33,265 f. A./N.): Σὺ μόνος σώζῃ, καὶ πάντες ἀπόλλυνται;. 125 Relatio motionis (CCSG 39,33,267–278 A./N.): Οὐδένα κατέκριναν οἱ τρεῖς παῖδες μὴ προσκυνήσαντες τῇ εἰκόνι, πάντων ἀνθρώπων προσκυνούντων. Οὐ γὰρ ἐσκόπουν τὰ τῶν ἄλλων, ἀλλ᾿ ἐσκόπουν ὅπως ἄν αὐτοὶ μὴ ἐκπέσωσι τῆς ἀληθοῦς εὐσεβείας. Οὕτω καὶ Δανιὴλ βληθεὶς εἰς τὸν λάκκον τῶν λεόντων οὐ κατέκρινέ τινα τῶν μὴ προσευξαμένων τῷ θεῷ κατὰ τὸ θέσπισμα Δαρείου, ἀλλὰ τὸ ἴδιον ἐσκόπησε· καὶ εἵλετο ἀποθανεῖν καὶ μὴ παραπεσεῖν τῷ θεῷ καὶ ὑπὸ τῆς ἰδίας μαστιγωθῆναι συνειδήσεως ἐπὶ τῇ παράβασει τῶν φύσει νομίμων. Κἀμοὶ οὖν μὴ δῷ ὁ θεὸς κατακρῖναί τινα ἢ εἰπεῖν, ὅτι ἐγὼ μόνος σώζομαι· ὅσον δὲ δύναμαι, αἱροῦμαι

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Maximos ruft damit in seiner Antwort unvermittelt zwei Erzählungen aus dem Buch Daniel auf, die das Schicksal des aus Jerusalem in die Babylonische Gefangenschaft entführten Daniel (Dan 6) und seiner drei Freunde Ananias, Azaria und Misael (Dan 3) schildern, die lieber sterben wollten, als sich dem Verbot der Gottesverehrung oder dem Gebot der Anbetung des Götzenbildes zu fügen. Er zieht damit nicht nur eine Parallele zu seinem eigenen Verhalten, sondern setzt auch seine Situation und die seiner Freunde mit der jener nach Babylon Entführten gleich. Die Alternative, vor der er steht ‒ so die Botschaft ‒, sei dieselbe wie die, vor der Daniel und seine Freunde standen: Apostasie oder Bereitschaft des Lebensopfers. Die Überzeugung des Maximoskreises, dass die Kirche im Byzantinischen Reich sich unter der „monotheletischen“ Herrschaft in einer „Baylonischen Gefangenschaft“ befinde, wobei Konstantinopel, „das siebenhügelige Babylon“ (ἑπτάλοφε Βαβυλὼν) sei,126 nimmt hier ihren Ausgang. Das Buch Daniel stand in diesen Jahrzehnten im Fokus aller apokalyptischen Deutungen der Gegenwart. Denn angesichts des Siegeszuges der Araber, die zwischen 634 und 638 Palästina und schließlich Jerusalem erobert hatten, war schon für den Lehrer des Maximos, den späteren Jerusalemer Patriarchen Sophronios (*ca. 550‒639),127 klar, dass dies die von Christus angekündigten „Gräuel der Verwüstung“ (Mk 13,14; Mt 24,15) seien, zu denen auch die falschen Propheten gehören, die dem Kommen des Menschensohnes vorausgehen.128 Maximos hatte diese Gegenwartsanalyse noch verschärft, insofern er diese Inbesitznahme des „göttlichen Erbes“ (τῆς θείας κληρονομίας)129 und „Ausbreitung des Bösen“ (τῆς ἐνδημίας τοῦ πονηροῦ) als „Parusie des Antichrists“ und „Widersachers“130 (1Joh 2,18.22;4,3; 2Thess 2,4) deutete und mit (329) dem Untergang des „römischen Kulturstaates“ (τὴν ἥμερον πολιτείαν)131 rechnete, in dem nach allgemeiner Überzeugung der κατέχων von 2Thess 2,6–8 erblickt wurde. In weiten Kreisen war in dieser Zeit die Überzeugung gewachsen, dass das 4. Weltreich von Dan 2 und 7, das traditionell mit dem Römischen Reich

ἀποθανεῖν ἢ θρόησιν ἔχειν κατὰ τὸ συνειδός, ὅτι περὶ τὴν εἰς θεὸν πίστιν παρεσφάλην καθ᾿ οἱονδήποτε τρόπον. 126 S. o. Anm. 40. 127 Vgl. Christoph von Schönborn, Sophrone de Jérusalem. Vie monastique et confession dogmatique (ThH 20), Paris 1972); Pauline Allen, Sophronius of Jerusalem and Seventh-Century Heresy. The Synodical Letter and Other Documents, Oxford 2009; Booth, Crisis of Empire (s. Anm. 80), 44–241. 128 Vgl. Ohme, „Geschichtstheologie“ (s. Anm. 62), 36–41. 129 Maximus Conf., Epistula 14 (PG 91,541B). 130 Maximus Conf., Epistula 14 (PG 91,540B). 131 Maximus Conf., Epistula 14 (PG 91,540A); vgl. Ohme, „Geschichtstheologie“ (s. Anm. 62), 41–44.

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identifiziert wurde, verloren sei und das Ende der Geschichte mit dem Gericht Gottes bevorstehe.132 Tatsächlich sollte die seitens der Araber von langer Hand geplante vollständige Vernichtung des christlichen Imperiums mit der langjährigen Belagerung Konstantinopels erst für die Jahre 674–678133 anstehen. Die Gründe, die die Autoren der Relatio motionis dazu gebracht haben, bei ihrer Begründung des von ihnen initiierten und bis zuletzt aufrechterhaltenen Schismas auf die Erzählungen von den „Drei Männern im Ofen“ und „Daniel in der Löwengrube“ zu verweisen, haben auf diesem allgemeinen Hintergrund aber noch eine weitere Spitze: Sie haben eine martyrologische Dimension. Dazu ist zuerst daran zu erinnern, dass beide Erzählungen seit frühchristlicher Zeit als alttestamentliche Vorbilder zum Kernbestand der Entfaltung eines christlichen Verständnisses des Martyriums gehören, das auch in den ältesten Motiven christlicher Kunst seinen Niederschlag gefunden hat.134 Weiterhin gehören die sog. Daniel-Zusätze, also das Gebet des Azaria (Dan 3,26–45) und der Lobgesang der drei Männer im Ofen (Dan 3,52–88) in der LXX zu den sogenannten biblischen Oden (Cantica) des Alten und Neuen Testamentes.135 Bereits die LXX versammelt sie zusätzlich unabhängig von ihrem eigentlichen Ort im Schriftenkorpus als gesonderten Anhang zu den Psalmen und bietet 9 + 5 = 14 (330) biblische Oden. Diese Cantica haben bekanntlich früh ihren Platz im klösterlichen Stundengebet gefunden. Dan 3,52–88LXX ist bereits seit dem 3. Jahrhundert als Bestandteil der Ostervigil bezeugt und wandert im Osten ab dem 4. Jahrhundert in den Morgengottesdienst (Orthros) ein.136 Zusammen mit Dan 3,26–45 gehört der Lobgesang der drei Männer im Ofen zur sog. Vierzehn-Oden-Reihe, die ihre

132 Vgl.: Ohme, „Geschichtstheologie“ (s. Anm. 62), 51–54. 133 Die auf Theophanes Confessor zurückgehende Datierung 674–678 ist jetzt zugunsten der Jahre 667–669 von Marek Jankowiak, The first Arab siege of Constantinople, in: TMCB 17 (2013), 237–322) in Frage gestellt worden. 134 Vgl. z. B.: Ernst Dassmann, Sündenvergebung durch Taufe, Buße und Märtyrerfürbitte in den Zeugnissen frühchristlicher Frömmigkeit und Kunst (MBT 36), Münster 1973, 258–270; Theofried Baumeister, Die Anfänge der Theologie des Martyriums (MBT 45), Münster 1980, 13– 23; Gerd Buschmann, Das Martyrium des Polykarp (KAV 6), Göttingen 1998), 248–254; Reiner Sörries, Daniel in der Löwengrube. Zur Gesetzmäßigkeit frühchristlicher Ikonographie, Wiesbaden 2005; Juliane Ohm, Daniel und die Löwen. Analyse und Deutung nordafrikanischer Mosaiken in geschichtlichem und theologischem Kontex (PaThSt 49), Paderborn 2008. 135 Vgl. dazu: Klaus Koch, Art. Daniel-Zusätze, in: RGG4 2 (1999), 560. Zum kanonischen Ansehen in der Alten Kirche: Caspar Julius, Die griechischen Danielzusätze und ihre kanonische Geltung (BSt[F] 6,3/4) Freiburg i. Br. 1901. 136 Vgl. Heinrich Schneider, Die biblischen Oden im christlichen Altertum, in: Bib 30 (1949), 28–65.239–272.38.43–44.

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endgültige Gestalt im 6./7. Jahrhundert gewonnen und den Orthros in Konstantinopel geformt hat.137 Auch beim Übergang zu der aus Jerusalem stammenden Neun-Oden-Reihe ab dem 7. Jahrhundert bleiben beide Cantica integraler Bestandteil des Stundengebetes.138 Im klösterlichen Bereich scheinen alle Oden „den morgendlichen Schluss der nächtlichen Psalmodie“ gebildet zu haben.139 Im städtischen Kontext, insbesondere in Konstantinopel, hat sich ein System der Verteilung aller Oden auf die Wochentage durchgesetzt, bei dem das Gebet Azarias am Samstag und der Lobgesang der drei Männer im Ofen am Sonntag zu stehen kamen.140 Aus dieser liturgiegeschichtlichen Entwicklung kann geschlossen werden, dass dem Mönch Maximos durch das jahrzehntelange regelmäßige Gebet beide Texte aus Dan 3 innigst vertraut gewesen sind; er sollte sie sogar auswendig beherrscht haben. Überdies hat das in der Relatio motionis erwähnte Gespräch an einem Samstag stattgefunden,141 so dass man sogar davon ausgehen kann, dass Maximos Dan 3,26–45 am selben Tag gebetet hat. Es lohnt sich meines Erachtens, einen näheren Blick auf diesen Text zu werfen. Das Gebet Azarias (Dan 3,26–45LXX) gehört zur „Gattung nachexilischer Volksklagelieder“ und ist wahrscheinlich zur „Zeit der Religionsverfolgung durch Antiochus IV. Epiphanes und des Makkabäeraufstandes“ entstanden, also zwischen den Jahren 168–164 v. Chr.142 Uns interessiert hier jedoch nicht der (331) Entstehungskontext dieses Canticum, sondern seine Bedeutung für die literarische Konstruktion der Relatio motionis. Dazu soll versucht werden, die aktuelle Bedeutung dieses Textes für den Beter Maximos und seine Gruppe im Jahre 655 und den Jahren davor deutlich zu machen, die auf dem Hintergrund der Überzeugung zu erwarten ist, dass die prophetischen Weissagungen Daniels vor ihrer unmittelbaren Erfüllung stehen. Dazu müssen einige Verse aus Dan 3,26–45 näher in Betracht gezogen werden.

137 Vgl. Schneider, Die biblischen Oden (s. Anm. 136), 245–252. 138 Vgl. Schneider, Die biblischen Oden (s. Anm. 136), 253–257. 139 Schneider, Die biblischen Oden (s. Anm. 136), 259. 140 Vgl. Robert F. Taft, The Liturgy of the hours in East and West, Collegeville 1986, 283; Schneider, Die biblischen Oden (s. Anm. 136), 253. 141 Relatio motionis (43,387 A./N.). 142 Klaus Koch, Der ‚Märtyrertod‘ als Sühne in der aramäischen Fassung des Asarja-Gebetes Dan 3,38–40, in: Ders., Die Reiche der Welt und der kommende Menschensohn. Studien zum Danielbuch. Ges. Aufsätze Bd. 2, Neukirchen 1995, 66–82.66; Ders., Daniel-Zusätze (s. Anm. 135); Johann Maier, Zwischen den Testamenten. Geschichte und Religion in der Zeit des zweiten Tempels, Würzburg 1990, 148–152. Jan Willem van Henten (Hg.), Die Entstehung der jüdischen Martyrologie (StPB 38), Leiden 1989.

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Gepriesen bist du, Herr, Gott unserer Väter [...] Denn du bist gerecht in allem, was du an uns getan hast, [...] und alle deine Urteile (κρίσεις) sind wahr. [...] bei allem, was du über uns gebracht hast und über die heilige Stadt, die (Stadt) unserer Väter, Jerusalem, denn mit Wahrheit und Urteilsspruch (κρίσει) hast du dieses alles über (uns) gebracht wegen unserer Sünden. Denn wir haben gesündigt und gesetzwidrig gehandelt, indem wir von dir abgefallen sind (ἀποστῆναι ἀπὸ σου), und wir haben uns in allem versündigt (ἐξημάρτομεν ἐν πᾶσιν), und auf deine Gebote haben wir nicht gehört [...] und du hast uns in die Hände von Feinden ausgeliefert, von gesetzlosen ganz feindseligen Abtrünnigen (ἀποστανῶν), und einem ungerechten König, dem bösesten auf der ganzen Erde (βασιλεῖ ἀδίκῳ καὶ πονηροτάτῳ) [...]. Und es gibt in dieser Zeit keinen Herrscher und Propheten und Anführer (ἄρχων καὶ προφήτης καὶ ἡγούμενος), weder Ganzopfer (ὁλοκαύτωσις) noch Brandopfer (θυσία) noch Opfergaben (προσφορά) noch Räucheropfer (θυμίαμα), keinen Ort, Früchte vor dir darzubringen und Barmherzigkeit zu finden (οὐ τόπος τοῦ καρπῶσαι ἐνώπιόν σου καὶ εὑρεῖν ἔλεος) [...]. Aber mit zerbrochener Seele und niedergeschlagenem Geist mögen wir angenommen werden! Wie bei Ganzopferdarbringungen von Widdern und Stieren und wie bei Zehntausenden von fetten Lämmern, so geschehe unser Brandopfer heute vor dir (οὕτως γενέσθω ἡ θυσία ἡμῶν ἐνώπιόν σου σήμερον) und möge hinter dir (die Annahme) vollenden [...] . Und alle mögen zuschanden werden, die gegenüber deinen Knechten Schlimmes tun, und sie mögen von jeder Macht und Herrschaft beschämt werden, und ihre Stärke möge zerbrochen werden!

Die Verse 27–29 thematisieren die allumfassende Sünde (ἐν πᾶσιν) des Volkes Gottes und dessen Abfall sowie das gerechte Gericht über das Volk und die Stadt Jerusalem. Diese Aussage entspricht völlig der Deutung der politischen und kirchenpolitischen Ereignisse, die Maximos seit der Eroberung Jerusalems durch die Araber im Jahre 638 und deren dramatischem Siegeszug im Osten mit der Eroberung und Verwüstung weiter Teile des Imperiums vorgenommen hat. Er wird diese Verse im Bewusstsein ihrer unmittelbaren Aktualität gesprochen haben. Vers 32 bedeutet eine Steigerung, insofern die Feinde, in deren Hände das Volk Gottes ausgeliefert ist, hier Apostaten sind, zu denen der βασιλεύς gehört, dessen Bosheit nicht mehr zu übertreffen sei. Auch hier ist meines Erachtens mit

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einer direkten Aktualisierung durch die Maximos-Gruppe zu rechnen. Dazu passt, dass der Titel βασιλεύς seit dem endgültigen Sieg des Herakleios über die Perser im Jahr 628 zum Haupttitel des römisch-byzantinischen Kaisers geworden war.143 In dieser Tradition hat das Pamphlet Contra Constantinopolitanos den römischen Basileus, also Konstans II., zu denen gezählt, „die die Lüge umarmen“ (τὸ ψεῦδος δήπουθεν).144 Er wird an erster Stelle für das Martyrium des Maximos verantwortlich gemacht und als „äußerst vernunftwidrig, unklug und dumm“ bezeichnet.145 Vers 38 beklagt den völligen Ausfall von Führung im Volk und jeder Möglichkeit der Opferdarbringung. Der griechische Text enthält außer ὁλοκαύτωσις vier Opfertermini, die mit transformierten Inhalten wichtige liturgische Termini des griechischen Ostens geblieben sind: θυσία146, προσφορά147, θυμίαμα148 und καρπόω149. Die zentrale Aussage des Verses, dass es keinen Ort mehr gebe (οὐ τόπος), an dem der Opferkult noch vollzogen werden könne, entspricht genau der von Maximos zuvor gemachten Aussage, dass es in den Kirchen des Byzantinischen Reiches keinen fruchtbringenden Gottesdienst mehr gebe (s. o.). Die Verse 39 und 40 bedeuten Wende und Höhepunkt des Gebetes, das von der Klage zur Bitte übergeht. Als Alternative zur gegenwärtigen kultischen Notlage bietet der Beter sich und seine Gefährten Gott als „Ganzopfer“ (ὁλοκαύτωμα) an.150 „Hier wird vermutlich zum ersten Mal (zeitlich nach Jes 53, darauf aufbauend?) der Gedanke eines stellvertretenden Sühnetodes von Menschen laut.“151 Er begegnet im frühen Judentum bekanntlich weiterhin in 2Makk 7,32.37 (333) und 4Makk 17,22 und wird im Neuen Testament zu einem Interpretament des universalen eschatologischen Heilswerkes Jesu Christi.152 Darüber 143 Vgl.: Gerhard Rösch, ΟΝΟΜΑ ΒΑΣΙΛΕΙΑΣ. Studien zum offiziellen Gebrauch der Kaisertitel in spätantiker und frühbyzantinischer Zeit (ByV10), Wien 1978, 37–39.111–116. 144 Contra Constantinopolitanos (CCSG 39,230,4 A./N.) 145 Contra Constantinopolitanos (CCSG 39,230,13 A./N.): ὁ ἀλογώτατος καὶ ἀσυνετώτατος καὶ εὐηθέστατος βασιλεύς. 146 Vgl. Lampe, Lexicon (s. Anm. 48), 659–660 s.v. 6) „of eucharist“. 147 Vgl. Lampe, Lexicon (s. Anm. 48), 1184 s.v. 3e) „Christian sacrifice of worship and prayer“; 3 f) „of eucharist“. 148 Vgl. Lampe, Lexicon (s. Anm. 48), 656 s.v. 2. 149 Vgl. Lampe, Lexicon (s. Anm. 48), 704 s.v. καρποφορέω 3–5. 150 Vgl. dazu: Klaus Koch, Der ‚Märtyrertod‘ als Sühne (s. Anm. 142). Das „hinter dir“ in V. 40 ist unerklärbar: ebd., 74. 151 Klaus Koch, Daniel-Zusätze (s. Anm. 135), 560. Der Text stammt „aus einer Situation, in der der gewaltsame Tod von Blutzeugen jene Stellung einzunehmen beginnt, die bis dahin die Sühneriten am Tempel, ja der gesamte Opferdienst eingenommen hatte“ (Klaus Koch, Der ‚Märtyrertod‘ als Sühne [s. Anm. 142], 77). 152 Vgl.: Günter Röhser, Art. Sühne II.2, in: RGG4 7 (2004), 1844–1845.

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hinaus aber hat „die Theologie des Martyriums des Buches Daniel [...] eine große Wirkung auf die folgende Zeit ausgeübt.“153 Besteht das wesentliche Merkmal der frühchristlichen Märtyrer darin, als Nachfolger Jesu Christi auch zu einem Nachahmer (μιμητής) von dessen Leiden und Tod zu werden, so gehört von Anfang an auch der Opfergedanke zur Theologie des Martyriums. Besonders auffällig ist die Opferterminologie bei Ignatios von Antiochien, 154 genauso begegnet sie dann aber auch in frühchristlichen Märtyrerakten.155 Bei Origenes wird die Opferidee auch in der neu entstandenen Mischgattung Exhortatio ad martyrium aufgenommen.156 Auch (334) er nimmt Bezug auf Dan 3 und fordert dazu auf, die drei Männer im Ofen nachzuahmen.157 In der Deutung des Martyriums setzt er „das Opfer der Märtyrer in Parallele [...] zu dem Opfer Christi, das sie in Anknüpfung an Kol 1,24 aktualisieren und fortsetzen. Auf diese Weise erlangen sie Anteil an der Erlösung für sich selbst und für andere.

153 Baumeister, Anfänge (s. Anm. 134), 23. Vgl, dazu: Jan Willem van Henten, Zum Einfluss jüdischer Martyrien auf die Literatur des frühen Christentums, II. Die Apostolischen Väter, in: ANRW 2,27.1, Berlin u. New York 1993, 700–723. So hat etwa das Martyrium Polycarpi „vermutlich direkt auf das Gebet des Asarja zurückgegriffen“ (Buschmann, Martyrium des Polykarp [s. Anm. 134], 250). Deutlich wird dies vor allem an der auffällig ähnlichen Opferterminologie in Martyrium Polycarpi 14,1–3 (12,18–14,2 Musurillo). 154 Vgl.: Ignatius Antiochenus, Epistula ad Romanos 2,2;4,1 (Fischer I, 184,7–8; 186,2–7); Epistula ad Ephesios 8,1;21,1 (Fischer I, 148,5; 160,3); Epistula ad Smyrnaeos 10,2 (Fischer I, 212,11). Dazu: Hans von Campenhausen, Die Idee des Martyriums in der alten Kirche, Göttingen (1936) 21964, 71–73; Dassmann, Sündenvergebung (s. Anm. 134), 67–70; Baumeister, Anfänge (s. Anm. 134), 270–289. 155 Vgl. z. B.: Martyrium martyrum Lugdunensium 5,1,36 (OECT Acts of the Christian Martyrs, 72,28–33 Musurillo); Martyrium Carpi 3,34 (26, 8–11 Mus.); Martyrium Cononis 6,7 (192,7–10 Mus.); Martyrium Dasii 5,2 (274,31–34 Mus.). „Die Opferidee, incl. des Sühnegedankens, überträgt sich zunehmend von Christus auf die Märtyrer (vgl. schon 2Tim 4,6). Zunächst steht noch die Nachahmung im Vordergrund [...], bei Ignatios das θεοῦ ἐπιτυχεῖν [...], später die Sühnung.“: Buschmann, Martyrium des Polykarp (s. Anm. 134), 270. 156 Vgl.: Maria-Barbara von Stritzky, Origenes, Aufforderung zum Martyrium (Origenes. Werke mit deutscher Übersetzung 22), Berlin/Freiburg 2010, Einleitung 14–15. Zu den hier vereinten verschiedenen literarischen Elementen (consolatio, protreptikos logos, diatribe) vgl.: Butterweck, Martyriumssucht (s. Anm. 48), 148–159. In Exhortatio ad martyrium (ca. 235 in Caesarea/ Palästina entstanden) unterscheidet Origenes zwei Arten des Martyriums. Das Martyrium „im Verborgenen“ vollzieht sich als Kampf gegen die Sünde in Selbstverleugnung und Absage an die Welt und gewinnt seine exemplarische Gestalt im Mönchtum, das als lebenslanges Martyrium gedeutet wird (vgl. dazu: Theofried Baumeister, Die Entstehung der Heiligenverehrung in der Alten Kirche, in: Ders., Martyrium, Hagiographie und Heiligenverehrung im christlichen Altertum [RQ.S 61], Freiburg i.Br. 2009, [233–250] 244–246). Das andere besteht im öffentlichen Bekenntnis vor staatlichen Behörden und Gerichten in Gegenwart von Zuschauern zusammen mit der Verweigerung der Beteiligung an heidnischen Kultakten. 157 Origenes, Exhortatio ad mart. 33 (76,17–18 v. Stritzky).

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Wie nämlich die blutige Taufe Jesu zur Sühne für die Welt geworden ist, so werden viele Menschen durch den Dienst der Märtyrer, die Taufe ihres blutigen Martyriums, von den Sünden gereinigt.“158 Auch in der griechischen Theologie des 4. Jahrhunderts bleibt dieses Opferverständnis lebendiger Bestandteil der Theologie des Martyriums.159 Anscheinend ist es in Palästina unter der Perserherrschaft und der erneuten Erfahrung des Martyriums zu einer Aktualisierung aller Dimensionen der frühchristlichen Martyriumstheologie gekommen. Man muss gar nicht die Frage stellen, ob dort die Exhortatio ad martyrium des Origenes gelesen wurde, was sich wohl nicht mehr feststellen lassen wird,160 um doch sagen zu können, dass dem Maximos-Kreis alle skizzierten Dimensionen des Martyriums präsent gewesen sind. So bezeugen also diese von den dann Verurteilten (mit-) verfassten Texte bereits zu Lebzeiten eine Deutung ihrer bewusst in Kauf genommenen Strafen als Martyrium. Denn in der literarischen Konstruktion der Relatio motionis wird in inhaltlicher und formaler Hinsicht die Analogie zu frühchristlichen Märtyrerprozessen gesucht. Die Autorität des Kaisers als höchstem Repräsentanten des christlichen Staates wird in dieser Perspektive mit der kategorischen Ablehnung der Melchisedek-Typologie und jeder Zuständigkeit in kirchlichen Angelegenheiten prinzipiell in Frage gestellt. Die Kirche befinde sich wie zur Zeit Daniels in einer (335) „Babylonischen Gefangenschaft“ mit einem vom Glauben abgefallenen Basileus, ohne Führung und ohne einen kultisch wirksamen Ort göttlicher Gegenwart. Nur noch das Opfer einiger weniger könne durch stellvertretende Sühne Reinigung von den Sünden bewirken, die die Herakleios-Dynastie und ihre kirchlichen Parteigänger über das Volk gebracht hätten. Die zwischen 655 und 662 entstandenen sogenannten Prozessakten des Maximos-Prozesses haben eine Opferbereitschaft deutlich gemacht, die sich in der literarischen Gestaltung der berichteten Vorgänge als Martyriumsbereitschaft selbst deutet und damit in irritierender Selbstsicherheit das Urteil über den als unvermeidbar dargestellten Leidensweg vorwegnimmt. Dazu gehört auch das

158 von Stritzky, Einleitung zu: Origenes, Aufforderung zum Martyrium (s. Anm. 156), 22. Vgl.: Origenes, Exhortatio ad mart. 30.36.50 (74,4–7;84,27;108,25–28 v. Stritzky). 159 Vgl. z. B.: Gregorius Nazianzenus, Orationes theologicae 24,4 (SC 284,46,13–48,2 Mossay): Märtyrer sind ὁλοκαυτώματα λογικὰ, θύματα τέλεια, προσφοραὶ δεκταὶ [...] κόσμου καθάρσιον. 160 Andererseits entfaltet Origenes dieselben Gedanken auch an anderer Stelle: Homilia in Leviticum 9,9 (SC 287,116,38–50 Borret); Homilia in Numeri 10,2; 24,1 (SC 415,282,146–164 Baehrens; SC 461,158,77–160,89; 162,99–109 Baehrens). Vgl.: Dassmann, Sündenvergebung (s. Anm. 134), 176. Die syrische Vita Maximi berichtet, dass Maximus Mönch der Palaia Lavra/Palästina war und der Abt Pantaleon als sein Lehrer Origenist. (Brock, An Early Life [s. Anm. 71], 315 (Kap. 7).

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befremdliche Verhalten der Verurteilten, die bereits zu Lebzeiten Kontaktreliquien von sich selbst verteilen, welche der zukünftigen Märtyrerverehrung dienen sollen. Diese Gruppe palästinischer sabaïtischer Mönche um Maximos hat offensichtlich versucht, ihre kirchlichen, theologischen und politischen Gegner in die Rolle von Christenverfolgern zu drängen und die eigene Verurteilung im Strafprozess einschließlich der schweren Körperstrafen der Nachwelt als Martyrium zu überliefern.

3 Martyrium? Angesichts der bisher gemachten Beobachtungen stellen sich abschließend drei Fragen. 1. Wie sind die das „Martyrium“ des Maximos dokumentierenden Texte literarisch einzuordnen? 2. Wie ist der Prozess gegen Maximos und seine Anhänger zu beurteilen? 3. Wie ist das Leiden der Verurteilten zu bewerten? 1. Die in den Blick genommenen fünf Texte, die zwischen 656 und 668/9 – Contra Constantinopolitanos vielleicht etwas später ‒ entstanden sind, gehören zusammen mit einem weiteren Brief des Maximos an Anastasios Monachos (CPG 7701) und einem Brief des Anastasios Monachos (CPG 7725)161 zu einer Gruppe von sieben Texten, die (336) von ihren Herausgeberinnen Pauline Allen und Bronwen Neil als „Documenta biographica“ bezeichnet wurden.162 Beide erblicken die Hauptbedeutung dieser Quellen darin, dass diese „seven largely biographical documents shed light on the imperial reaction against those, who resisted monothelitism.“163 Die vorstehende Analyse hat deutlich gemacht, dass mit dieser Beschreibung bestenfalls ein Aspekt dieser Texte benannt ist. Denn darüber hinaus werfen sie ein helles Licht auf das Selbstverständnis ihrer Autoren und das der Angeklagten. Ihr Zweck bestand auch nicht nur in „antimonotheletischer Propaganda“, wie Brandes meint.164 Vielmehr ging es den nach 662 verfassten Texten primär um die Propagierung des Leidensweges der Verurteilten

161 Epistula Maximi ad Anastasium monachum, discipulum suum; Epistula Anastasii ad monachos Calaritanos (CCSG 39, 160–163.166–169 Allen/Neil); Allen/Neil, Documents, (s. Anm. 11), 120–131; vgl.: Winkelmann, Streit (s. Anm. 4), Nr. 136.137. S. dazu unten S. 427. 162 Allen/Neil (Hg.), Scripta saeculi VII (s. Anm. 11), Introduction XIV–XV; Dies., Documents from Exile (s. Anm. 11), 21–30. 163 A.a.O., 21. 164 S. o. Anm. 57.

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als Martyrium mit dem Ziel der Verbreitung eines neuen Märtyrer- und Heiligenkultes. Dieser Kult wurde bereits in diesem Zeitraum von einer Gruppe von Maximianern in Jerusalem/Palästina praktiziert. Bei der Epistula ad Theodosium Gangresem handelt es sich nach der Bekundung ihres Verfassers165 um ein Enkomion, näherhin um ein hagiographisches Enkomion166 in einem enzyklischen Brief. Das Hypomnesticum ist eine enkomiatisch-hagiographische Propagandaschrift, gewissermaßen ein Heiligsprechungsplädoyer. Die vor 662 verfassten Texte, die Relatio motionis und die Disputatio Bizyae, zeigen bereits eine Vielzahl von literarischen Formen, die Merkmale altkirchlicher Märtyrerakten sind.167 Ungeachtet ihres tatsächlichen historischen Informationswertes168 handelt es sich damit um literarische Produkte, die nach dem Vorbild altkirchlicher Märtyrerakten gestaltet wurden. (337) 2. James Howard-Johnston hat die beiden Prozesse gegen Papst Martin I.169 und Maximos im Zusammenhang seiner quellenmäßigen Einordnung ihrer Texte jüngst als „two show-trials in Constantinople in the 650s“ bezeichnet.170 Meines Erachtens ist die hier gesuchte Analogie nicht nur anachronistisch, sondern 165 S. o. Anm. 14. 166 Zu den Enkomia in byzantinischer Praxis vgl.: Herbert Hunger, Die hochsprachliche profane Literatur der Byzantiner I.II., München 1978, I, 120–132. 167 Giuliana Lanata hat Märtyrerakten definiert als hagiographische Dokumente, die Berichte über Verhaftung, ein oder mehrere Verhöre, Gefangenschaft und Exekution eines um seines christlichen Glaubens willen Angeklagtem vor einer staatlichen Behörde enthalten (Dies., Gli atti die martiri come documenti processuali, Mailand 1973, 3. Als darin auftauchende literarische Formen gelten z. B.: Protokoll; Inszenierung von Gerichtsverhandlungen und Prozess; Schilderung von Grausamkeiten; Disputationen; philosophische Dialoge; Biographie; Predigt, dramatische Form. Vgl.: Wolfgang Wischmeyer, Art. Märtyrerakten, in: RGG4 5 (2002), 874–875. 168 Die Frage nach dem historischen Informationswert stellt sich bekanntlich bereits bei den frühchristlichen Martyriumstexten. Vgl. dazu: Peter Gemeinhardt/Johan Leemans, Christian Martyrdom in Late Antiquity: Some Introductory Perspectices, in: Dies., Christian Martyrdom in Late Antiquity (300–450AD). History and Discourse, Traditon and Religious Identity (AKG 116), Berlin/Boston 2012, 14. 169 Über den Prozess Papst Martins I. und dessen Martyrium berichten die sog. Narrationes de exsilio Sancti papae Martini (BHL 5593/4), in: Bronwen Neil (Hg.), Seventh-Century Popes and Martyrs. The Political Hagiography of Anastasius Bibliothecarius (Studia Antiqua Australiensia II), Turnhout 2006, 95–103.166–233. Darin eingefügt (ebd., 182–220) ist die Commemoratio eorum quae saeuiter et sine Dei respectu acta sunt a veritatis adversarii in sanctum et apostolicum nouum reuera confessorem et martyrem Martinum papam Romae per epistulam cuiusdam Christianissimi directam his qui sunt in Occidente seu Romae et Africa orthodoxis patribus; vgl.: Winkelmann, Streit (s. Anm. 4), Nr. 138. 170 James D. Howard-Johnston, Witnesses to a World Crisis. Historians and Histories of the Middle East in the Seventh Century, Oxford 2010, 157–162.157. Die Texte bezeichnet HowardJohnston als „Supplementary Roman Sources of the Seventh Century“.

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auch sachlich verfehlt. Bekanntlich geht der Begriff „Schauprozess“ auf die Moskauer Prozesse der Sowjetmacht vor allem der dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts und entsprechende NS-Prozesse zurück, die unter dem Anschein von Rechtsstaatlichkeit zur Verfolgung politischer Gegner bei Fehlen tatsächlicher Delikte und bereits vorher feststehendem Urteil zu propagandistischen Zwecken durchgeführt wurden. Damit setzen sie zum einen rechtsstaatliche Verhältnisse der Moderne voraus, die dem Anschein nach zu propagandistischen Zwecken imitiert werden, zum anderen ist die intendierte abschreckende Wirkung an eine existierende mediale Öffentlichkeit gebunden. Von beidem kann im Byzantinischen Reich des 7. Jahrhunderts keine Rede sein. Vor allen Dingen aber stand das Ergebnis des Prozesses gegen Maximos weder von vornherein fest, noch ist die eigentlich zu erwartende Todesstrafe umgehend wie in einem „Schauprozess“ vollzogen worden. Mit der Bezeichnung „Schauprozess“ wird überdies auch der Charakter dieser Quellen verzeichnet. Denn es handelt sich dabei eben nicht um Propagandaliteratur der anklagenden Staatsbehörde zur Rechtfertigung einer ‒ hier noch gar nicht feststehenden ‒ Strafe und Abschreckung eventueller Anhänger, sondern genau im Gegenteil um Propagandaschriften der Angeklagten, die die völlige theologische Unterwerfung unter maximianische Theologumena fordernd ihre Deutung der Ereignisse im Sinne eines beabsichtigten Selbstopfers verbreiten wollten. Das gegen Maximos und seinen Schüler im ersten Hochverratsprozess von 655 erlassene Urteil der Verbannung muss demgegenüber als ausgesprochen milde und nachsichtig beurteilt werden. Beide wurden nur an verschiedene Orte Thrakiens unweit der Hauptstadt verbannt und hatten anscheinend (338) untereinander Kontakt. Maximos konnte in Bizye und dann Perberis ungehindert seine Aktivitäten in literarischer Hinsicht fortsetzen. In diesen Jahren sind dort die Relatio motionis und die Disputatio Bizyae entstanden und wahrscheinlich auch die sog. Disputatio cum Pyrrho (CPG 7698).171

171 Vgl.: Jacques Noret, La rédaction de la Disputatio cum Pyrrho (CPG 7698) de Saint Maxime le Confesseur serait-elle postérieur à 655?, in: AnBoll 117 (1999), 291–296. Noret plädiert mit guten Gründen dafür, dass dieser Text, der die Disputation zwischen Maximos und dem vormaligen Konstantinopler Patriarchen Pyrrhos, die im Juli 645 im byzantinischen Africa stattfand, wiederzugeben beansprucht, nicht wie bislang angenommen bald danach (646) in Rom entstanden sei, sondern zwischen 655 und 667. Allgemein wird angenommen, dass Maximos der Autor ist oder zumindest daran beteiligt war. Noret plädiert allerdings für Anastasios Apokrisiarios als Autor, was allerdings nach 662 angesichts von dessen Verstümmelung meines Erachtens schlecht vorstellbar wäre. Einen Brief mit einer Prothese zu schreiben (s. o.), mag noch angehen, nicht aber diesen hochkomplexen und langen Text (PG 91,288–353). Zur theologischen Analyse der Disputatio cum Pyrrho vgl.: Guido Bausenhart, In allem uns gleich außer

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Howard-Johnston hat die von ihm gezogene Parallele dadurch zu verstärken versucht, dass er die Relatio motionis als „analogous to the journal of current events disseminated in samizdat form in the later decades of the Soviet phase of Russian history“ bezeichnet.172 Auch dieser Vergleich ist meines Erachtens unzulässig, weil die als Samizdat (Selbstverlag) in der UdSSR seit den 1950er Jahren bezeichnete systemkritische Literatur, die durch Abschreiben mit der Hand, der Schreibmaschine oder durch Fotokopie vervielfältigt wurde, ein staatlich kontrolliertes Verlagswesen und ein staatliches Zensursystem voraussetzt. Samisdat ist deshalb der Inbegriff unzensierter Literatur. Keines dieser Merkmale trifft auf die Situation der von 655–662 Verbannten zu. Im Gegenteil ist zu betonen, dass sie ungehindert literarisch tätig werden und ihre Sicht der Dinge propagandistisch verbreiten konnten. Die Reichsregierung hat überdies in dieser Zeit mehrfach durch die Entsendung hochrangiger Delegationen Versuche unternommen, mit Maximos zu einer theologischen Verständigung zu gelangen (s. u.). John F. Haldon ist zuzustimmen: „from the earliest days of the conflict in 645/6 through to the final execution of Maximusʼ punishment, the government and Constans were eager to come to a peaceful compromise.“173 Auf der Basis der gezogenen Analogie hat Howard-Johnston schließlich auch noch die Hochverratsanklagepunkte gegen Maximos für „flimsy“ und „easily rebutted“ erklärt.174 Er fällt damit in eine von den Quellen selbst propagierte (339) und im Rahmen der Heiligenverehrung des Maximos in späterer Zeit sich durchsetzende unkritische Sicht175 zurück, die angesichts der kritischen Analysen von Brandes, Christian Boudignon und Phil Booth u. a.176 nicht mehr haltbar ist. Es handelt sich beim Prozess gegen Maximos um einen nach damaligem Recht nicht unbegründeten Hochverratsprozess, bei dem die Anklage berechtigterweise die theologische Kontroverse in den Hintergrund gedrängt hat.

der Sünde“. Studien zum Beitrag Maximos’ des Bekenners zur altkirchlichen Christologie (TSTP 5), Mainz 1992. 172 Howard-Johnston, Witnesses to a World Crisis (s. Anm. 170), 161. 173 Haldon, Byzantium in the Seventh Century (s. Anm. 82), 310. 174 Howard-Johnston, Witnesses to a World Crisis (s. Anm. 170), 160. 175 Vgl. z. B. Wilhelm Maria Peitz, Martin I. und Maximus Confessor, in: HJ 38 (1917), 213– 236.429–458: „Die offensichtlich unbegründeten, versteckten Anklagen im Verhöre des Maximus beweisen gar nichts. [...] Byzanz hat stets einen Sündenbock zu finden gewußt, wenn es einen brauchen konnte (429). „Haltlose Verleumdungen“ (430). 176 S. o. Anm. 107.

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3. Die seit der alexandrinischen Union von 633177 zwischen dem dortigen chalcedonensischen Patriarchen Kyros (631‒642)178 und den ägyptischen Severianern („Theodosianer“) ausgebrochene theologische Kontroverse unter den Anhängern des christologischen Dogmas der Synode von Chalcedon (451) bezog sich auf die Frage, ob das Wirken Christi und dann auch sein Wille und Wollen an die „Person“ bzw. „Hypostase“ oder an die jeweilige „Natur“ gebunden sind. Das Problem war, dass allgemein bis zum Ausbruch des Streites menschlicher Wille nur als im Widerspruch zu Gott stehend gedacht wurde und deshalb bei Jesus ausgeschlossen war. Ebenso wurde jede Eigendynamik und Selbstmächtigkeit von Jesu Menschheit wenn nicht unwirklich, so doch unwirksam gedacht, um das Zerreißen der Einheit der Person in zwei Handlungsträger auszuschließen ‒ eine Gefahr, die man mit „Nestorianismus“ identifizierte. Maximos hatte seit Anfang der vierziger Jahre herausgearbeitet, dass Handlungsfähigkeit, Eigendynamik und Wille zur menschlichen Natur gehören. In einer Fülle luzider Distinktionen konnte er klären, dass das Wollen in verschiedene Willensakte zu differenzieren ist. So müsse grundlegend unterschieden werden zwischen einem natürlichen Streben nach dem, was der Natur entspricht, und einer auf Entscheidung hindrängenden Disposition des Menschen, die in ihrem Trachten alle Willensakte beeinflusst. Maximos nannte dies bekanntlich den „gnomischen Willen“ (γνώμη).179 Während dieser das Moment der Entscheidung notwendig einschließende Willensvollzug mit dem Schwanken zwischen Bösem und Gutem und der je und je erfolgenden Entscheidung für das Böse ein Kennzeichen des der Sünde unterworfenen Menschen sei, schloss Maximos dieses „gnomische Wollen“ freilich für Christus aus, (340) in dem keine Ambivalenz und Veränderlichkeit des Wollens war, weil sein Wollen sich Gott nicht widersetzte. Nichts anderes aber als diese dem Christus-Bild der Evangelien ganz entsprechende Aussage ist das Anliegen der sogenannten Monotheleten gewesen. 180 Maximos aber beharrte darauf, dass diejenigen Theologen, die nur

177 Vgl. dazu: Lange, Mia Energeia (s. Anm. 4), 575–581; Booth, Crisis of Empire (s. Anm. 80), 209–224. 178 PMBZ, Nr. 4213. 179 Vgl. z. B. Disputatio Max. Conf. c. Pyrrho (PG 91, 308C–309A). 180 Sofern sich dies jedenfalls anhand der noch erhaltenen Quellen feststellen lässt. Das VI. Ökumenische Konzil hat bekanntlich die Vernichtung des gesamten monenergetisch-monotheletischen Schrifttums angeordnet. Die dogmengeschichtliche Forschung zur Christologie und Anthropologie des Maximos ist jedenfalls eher unkritisch von seinem Bild als Märtyrer und Heiliger mitbestimmt oder konfessionell imprägniert. Vgl. z. B.: Felix Heinzer, Gottes Sohn als Mensch: die Struktur des Menschseins bei Maximus Confessor, Freiburg/Schweiz

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von einem einheitlichen Wirken und Wollen Jesu reden wollten, mit der einen ἐνέργεια nur die göttliche Wirksamkeit und mit dem einen θέλημα nur einen göttlichen Willen Jesu lehren, was nachweislich nicht zutrifft. 181 Darüber hinaus aber hat er zusammen mit einer Gruppe von aus Palästina geflohenen Mönchen und in Kooperation mit dem aus Jerusalem stammenden griechischen Papst Theodorus I. (642‒649)182 die Lateransynode von 649 vorbereitet und bewusst den Weg äußerster kirchlicher Konfrontation mit der Kirche von Konstantinopel gesucht. Denn die nach dem Tode Theodorus’ dann unter dem Vorsitz von Papst Martin I. vom 5.–31. Oktober 649 tagende Synode hat am Ende in ihrem 18. Anathema alle bisherigen Konstantinopeler Patriarchen des 7. Jahrhunderts: Sergios, Phyrrhos und den regierenden Paulos, zusammen mit Theodoros von Pharan, Kyros von Alexandrien samt allen ihren Anhängern anathematisiert und diese in eine Reihe mit den Häresiarchen Sabellius, Arius, Nestorius, Eutyches u. a. gestellt.183 (341) Nach den Forschungen von Rudolf Riedinger184 ist davon auszugehen, dass der gesamte Aktenbestand185 dieser Synode ‒ einschließlich der Reden der Bischöfe! ‒ von griechischen Mönchen um Maximos in Rom zuvor kompiliert und komponiert worden war.186 Dieses Mönchskollek-

1980; Bausenhart, In allem uns gleich außer der Sünde (s. Anm. 171); Louth, Maximus the Confessor (s. Anm. 2); Jean-Claude Larchet, Saint Maxime le Confesseur (580–662), Paris 2003; Ders., La Divinisation de l’homme selon Saint Maxime le Confesseur (CFi 194), Paris 1996; Demetrios Bathrellos, The Byzantine Christ: Person, Nature, and Will in the Christology of St. Maximus the Confessor, Oxford 2004; Cyrill Hovorun, Will, Action and Freedom: Christological Controversies in the Seventh Century (The Medieval Mediterranean 77), Leiden 2008. 181 Karl-Heinz Uthemann, Der Neuchalkedonismus als Vorbereitung des Monotheletismus. Ein Beitrag zum eigentlichen Anliegen des Neuchalkedonismus, in: StPatr 29 (1997), 373–413 (= Ders., Christus, Kosmos, Diatribe. Themen der frühen Theologie als Beiträge zu einer historischen Theologie [AKG 93], Berlin 2005, 207–255); Richard Price, Monotheletism: a heresy or a Form of Words?, in: StPatr 46 (2010), 221–232; Marek Jankowiak, The Invention of Dyotheletism, in: StPatr 63 (2013), 335–342. 182 PMBZ, Nr. 7769. 183 Die ganze Reihe umfasst: Σαβέλλιον, Ἄρειον, Εὐνόμιον, Μακεδόνιον, Ἀπολινάριον, Πολέμωνα, Εὐτυχέα, Διόσκορον, Τιμόθεον τὸν Αἴλουρον, Σεβῆρον, Θεοδόσιον, Κόλλουθον, Θεμέστιον, Παῦλον τὸν Σαμοσατέα, Διόδωρον, Θεόδωρον, Νεστόριον, Θεόδουλον τὸν Πέρσην, Ὠριγένην, Δίδυμον, Εὐάγριον καὶ ἁπλῶς τοὺς ἄλλους ἅπαντας αἱρετικοὺς (Concilium Lateranense a. 649, Anath. 18 [ACO ser. II 1, p.378,29–384,25;380,5–12 R.]). Vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 4), Nr. 110. 184 Rudolf Riedinger, Kleine Schriften zu den Konzilsakten des 7. Jahrhunderts (IP 34), Turnhout 1998. 185 Dies sind 436 Seiten in ACO ser. II 1. Vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 4), Nr. 110. 186 Der lateinische Text der Akten ist eine Übersetzung aus dem Griechischen. Dies ist heute Konsens. Die weitergehende These Riedingers, dass auch die lateinische Übersetzung vom Maximoskreis angefertigt wurde und von den Synodalen die fertigen Texte einfach vorgelesen

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tiv, eine kirchenpolitisch agierende Gemeinschaft („κοινόν“)187, die durch palästinische Herkunft, kompromisslose Verdammung des „Monophysitismus“, griechische Sprache und Kampf gegen die Konstantinopler Kirchenpolitik verbunden war, hat sich auf der Lateransynode unter der Leitung des Abtes des palästinischen Sabas-Klosters, Johannes, durch die vorbereitete Verlesung einer eigenständigen dogmatischen Stellungnahme188 und die damit verbundene Petition einer Anathematisierung der Konstantinopler Patriarchen zum Motor der dogmatischen Positionierung der Synode und ihrer radikalen konfrontativen Haltung gemacht. Nach Boudignon handelt es sich hierbei um eine „Machtergreifung“ der Palästinenser unter Zustimmung des römischen Klerus als entscheidendem Schachzug einer internationalen Strategie. Damit wurde das palästinische Mönchtum um Maximos „symboliquement l’Eglise véridique dans sa prétention à définir le dogma, elle devient une sorte d’Eglise pure qui devance l’Eglise institutionelle.“189 Diese Mönche „bedienten sich gleichsam des römischen Primatsanspruchs, um ihren theologischen Einsichten als Dogmata eines ‚6. Allgemeinen Konzils’ Geltung zu verschaffen“.190 (342) Diese Synode mit ihrem ökumenischen Anspruch ist eine reichsrechtlich illegale Veranstaltung gewesen,191 die Karrikatur einer kirchlichen Synode, die deswegen auch in den Akten des VI. Ökumenischen Konzils (680/1) kein einziges Mal namentlich erwähnt wird. Aber seit dem Oktober 649 war nicht nur die Kirchengemeinschaft zwischen der römischen und der konstantinopolitanischen Kirche aufgehoben, sondern die letztere kollektiv unter das Anathema des Lateranense gestellt worden mit der Folge, dass Maxi-

wurden, hat sich nicht durchsetzen können. Vgl.: Pietro Conte, Il Sinodo Lateranense dell’ottobre 649, Vatikan 1989; Richard Price, General Introduction, in Price/Booth/Cubitt, The Acts of the Lateran Synod (s. Anm. 7), 59–68. 187 Τὸ κοινὸ τάγμα τῶν μοναχῶν (Maximus Conf., Epistula 19 [PG 91, 596C]) ist ein Schlüsselbegriff der kirchenpolitischen Aktionen des Maximos. Vgl.: Boudignon, Le pouvoir de l’anathème (s. Anm. 71), 264. 188 Es handelt sich um den sog. Libellus von 36 Mönchen ‒ unter ihnen Maximos an 34. Stelle (ACO ser. II 1, p.48,25–57,39 Ried.); Price/Booth/Cubitt, The Acts of the Lateran Synod (s. Anm. 7), 150–156; Winkelmann, Streit (s. Anm. 4), Nr. 108. 189 Boudignon, „Le pouvoir de l’anathème“ (s. Anm. 71), 272. 190 van Dieten, Geschichte der Patriarchen (s. Anm. 82), 98. Maximos hat die Lateransynode so bezeichnet: Opusc. theol. et polem. 11 (PG 91,137D). Die beanspruchte Ökumenizität der Synode ergibt sich weiterhin aus der Forderung, dass die zuvor in Rom kopierten und an alle großen Kirchen verschickten Akten überall synodal rezipiert werden sollten. Vgl. dazu die Enzyklika Papst Martins I. ‒ auch hier ist der griechische Version der Originaltext des Briefes! (Martinus I. pp, Epistula encyclica [ACO ser. II 1, p. 412,2–4.11 f. R.]). 191 So bereits: Erich Caspar, Die Lateransynode von 649, in: ZKG 51 (1932), (75–137) 133–134.

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mos und seine Kreise auch in Konstantinopel selbst jede communicatio in sacris ablehnten, wenn nicht die Beschlüsse dieser Synode vorher anerkannt würden. Weiterhin hat Maximos noch im Exil nichts unversucht gelassen, jeden Versuch einer Überwindung des Schismas und einer theologischen Verständigung zu unterlaufen. Am 19. Mai 658 erreichte ihn ‒ er und Anastasios Monachos befanden sich inzwischen im thrakischen Perberis im Exil ‒ eine Gesandtschaft des Patriarchen Petros I. von Konstantinopel (654‒666)192, die ihm die Nachricht überbrachte, dass alle fünf Kirchen von Konstantinopel, Rom, Antiochien, Alexandrien und Jerusalem sich in der theologischen Kontroversfrage geeinigt hätten. Maximos berichtet davon in dem bereits erwähnten Brief an Anastasios Monachos.193 Die theologische Grundlage, auf der die Einigung möglich geworden sei, wird von Maximos mit folgenden Worten wiedergegeben: „Wir bekennen zwei Wirkweisen wegen des Unterschieds (sc. der beiden Naturen) und eine Wirksamkeit wegen der Einigung (sc. beider Naturen).“194 Und die Boten fügten hinzu: „Der Kaiser und der Patriarch haben entsprechend der Entscheidung des römischen Papstes (διὰ πραικέπτου) beschlossen, dich zu anathematisieren, wenn du nicht gehorchst, und dass du den dir von ihnen bestimmten Tod erleiden wirst.“195 Tatsächlich hat Papst Vitalian (657–672)196 gegenüber Konstantinopel (343) eine Versöhnungspolitik betrieben, die zur seiner Anerkennung durch den Kaiser und Patriarch Petros geführt hat. Die von Maximos wiedergegebene Einigungsformel wird durch einen in den Akten des VI. Ökumenischen Konzils (680/81) erhaltenen Brief des Patriarchen an den Papst bestätigt.197 Auch wenn die Formel auf den ersten Blick einen dürftigen Eindruck macht ‒ der originale Wortlaut ist unbekannt, sind doch alle „monotheletischen“ Zeugnisse nach 681 vernichtet worden ‒, so ist doch bedeutsam, dass hier das berechtigte maximianische Anliegen eines der menschlichen Natur wesensmäßig eignenden Wollens und Wirkens anerkannt wird. Damit war auch

192 PMBZ, Nr. 5941. 193 S. o. Anm. 161; vgl. dazu: Winkelmann, Streit (s. Anm. 4), Nr. 134–136; Booth, Crisis of Empire (s. Anm. 80), 321–326. 194 Maximus Conf., Epistula ad Anastasium monachum discipulum (CCSG 39,161,15 f. A./N.): Δύο λέγομεν ἐνεργείας διὰ τὴν διαφοράν, καὶ μίαν διὰ τὴν ἕνωσιν. 195 Maximus Conf., Epistula ad Anastasium monachum discipulum (CCSG 39,163,32–35 A./N.): ἔδοξε τῷ δεσπότῃ καὶ τῷ πατριάρχῃ διὰ πραικέπτου τοῦ πάπα Ῥώμης ἀναθεματισθῆναί σε μὴ πειθόμενον, καὶ τὸν ὁριζόμενον αὐτοῖς ἀπενέγκασθαι θάνατον. 196 PMBZ, Nr. 8582. 197 Petrus Patr. Const., Epistula ad Vitalianum pp. (ACO ser. II 2, p.108,18–20; 610,1–4 R.). Die Formel wird hier auch auf die Willensthematik bezogen. Petros bekennt einen und zwei Willen und eine und zwei Handlungsweisen in der οἰκονομία der Menschwerdung unseres großen Gottes und Heilandes Jesus Christus.

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die Aussage eines zwiefachen Wirkens und Wollens unvermeidbar geworden und de facto der Typos preisgegeben worden. Es ist aber bezeichnend, dass Maximos diese Einigungsformel rundweg ablehnt und sofort der Lächerlichkeit preisgibt. Damit nicht genug, hat er nun aber auch umgehend versucht, diese Einigung zu hintertreiben, indem er sofort nach Abreise der Delegation eben jenen Brief an Anastasios Monachos schrieb und ihn aufforderte, diese Informationen weiterzugeben. Anastasios wandte sich daraufhin an die Maximianer unter den Mönchen im sardinischen Cagliari198 ‒ bemerkenswerterweise gibt es anscheinend keine direkt ansprechbaren Sympathisanten in Rom mehr! Auch er zieht die Formel ins Lächerliche, indem er unterstellt, damit würden in Christus drei Willen und Wirkweisen gelehrt werden, und fordert die Mönche auf, in Rom Einfluss zu nehmen,199 um die Verständigung rückgängig zu machen. Dieses Unternehmen war allerdings nicht von Erfolg gekrönt. Noch in Bizye war Maximos durch eine kaiserliche Gesandtschaft schon in Aussicht gestellt worden, den Typos zu annullieren, wenn er wieder in die Communio eintreten würde,200 und bereits auch die Anerkennung eines differenzierten Dyotheletismus zugestanden worden.201 Schließlich bot der Kaiser sogar (344) an, Maximos öffentlich zu seinem geistlichen Vater zu ernennen und ihm damit entscheidenden Einfluss auf die weitere Kirchenpolitik einzuräumen. Einzige Bedingung war, dass zuvor durch die gemeinsame öffentliche Kommunion die Kirchengemeinschaft wieder hergestellt werde.202

198 Anastasius monachus, Epistula ad monachos Calaritanos (CCSG 39, 166–169 A./N.); s. o. Anm. 161. 199 Anastasius monachus, Epistula ad monachos Calaritanos (CCSG 39, 169,103–113 A./N.). 200 Disputatio Bizyae (CCSG 39, 93,223–225; 89,167 A./N.). 201 Die kaiserliche Gesandtschaft reagierte auf seine anhaltende Verweigerung nämlich mit folgender Aussage: „In Wirklichkeit sind wir orthodoxere Christen als du! Wir bekennen, dass unser Herr und Gott sowohl einen göttlichen als auch einen menschlichen Willen hat und eine vernunftbegabte Seele; und dass jede vernunftbegabte Natur von Natur aus über Wollen und Wirken verfügt, weil die Bewegung eine Eigenheit des Lebens und der Wille eine Eigenheit der Vernunft ist. Und wir wissen durchaus, dass er (sc. Christus) willensbegabt ist, nicht nur hinsichtlich seiner Gottheit, sondern auch hinsichtlich seiner Menschheit. Also leugnen wir auch nicht seine zwei Willen und Wirkkräfte!“ (Ὄντως πλεῖόν σου Χριστιανοί ἐσμεν καὶ ὀρθόδοξοι· καὶ τὸν κύριον ἡμῶν καὶ θεὸν ὁμολογοῦμεν ἔχειν καὶ θεικὴν θέλησιν καὶ ἀνθρωπίνην θέλησιν καὶ νοερὰν ψυχὴν· καὶ πᾶσα νοερὰ φύσις πάντως ἔχει τὸ θέλειν ἐκ φύσεως καὶ τὸ ἐνεργεῖν, ἐπειδὴ ζωῆς ἴδιον ἡ κίνησις καὶ νοὸς ἴδιον ἡ θέλησις. Καὶ θελητικὸν αὐτὸν οἴδαμεν, οὐ θεότητι μόνον, ἀλλὰ καὶ ἀνθρωπότητι. Ἀλλὰ καὶ τὰς δύο θελήσεις αὐτοῦ καὶ ἐνεργείας οὐκ ἀρνούμεθα) (Disputatio Bizyae [CCSG 39, 135,676–682 A./N.]). 202 Disputatio Bizyae (CCSG 39, 131,629–133,645 A./N.).

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Maximos aber hat allen Bemühungen der konstantinopolitanischen Religionspolitik, in den Jahren nach 655 in der theologischen Kontroversfrage zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen und dabei die zutreffenden Erkenntnisse des Maximos zu berücksichtigen, eine Abfuhr erteilt. Auf die Frage der Delegation in Perberis, zu welcher „katholischen“ Kirche er denn gehöre, wenn alle sich geeinigt hätten, antwortete er unter Inanspruchnahme von Mt 16,18, Gott habe kundgetan, dass „die katholische Kirche das korrekte und rettende Glaubensbekenntnis an ihn sei“.203 Diese Lieblingsformulierung des Maximos implizierte für ihn allerdings, dass dieses „korrekte und rettende Glaubensbekenntnis“ in einem maximalistischen Sinne die vollständige Rezeption seiner Theologumena beinhalten müsse, wie ihm dies auf der Lateransynode gelungen war ‒ einschließlich der dortigen personenbezogenen Anathematismen.204 Wie ist diese provozierende Starrheit und zelotische Unbeweglichkeit nun in Hinsicht auf den Leidensweg der Verurteilten zu bewerten? Maximos lebte spätestens seit der arabischen Eroberung Jerusalems im Jahre 638 in Erwartung des Untergangs des Imperiums und des bevorstehenden Endgerichts. Er hat die ihm verhasste Herakleios-Dynastie und deren Religionspolitik gegenüber den „Monophysiten“ dafür verantwortlich gemacht und war in politische Machenschaften verstrickt, mit denen die Hoffnung auf eine politische und kirchenpolitische Wende verbunden gewesen ist. Dies brachte ihm nicht zu (345) Unrecht den Vorwurf des Hochverrates ein. Der „Confessor“ hat weiterhin die Autorität des christlichen Kaisertums in dessen Selbstverständnis prinzipiell in Frage gestellt und ihm jede Zuständigkeit in kirchlichen Angelegenheiten abgesprochen, jedoch selbst den Anspruch erhoben, das Dogma in ökumenischer Verbindlichkeit formulieren zu können und dafür das Institut der Synode und das Papsttum instrumentalisiert. Ab 658 befand sich Maximos in jeder Hinsicht in einer isolierten und ausweglosen Situation. Das Imperium bestand immer noch, die Herakleios-Dynastie regierte, und die römische Kirche suchte die Verständigung mit Konstantinopel. In diesen Jahren entstand bei den inzwischen Exilierten die Deutung ihrer Situation als Martyrium und als mit den frühchristlichen Christenverfolgungen identisch. Das durch die Ableh-

203 Maximus Conf., Epistula ad Anastasium monachum discipulum (CCSG 39, 161,9–11 A./N.): Καθολικὴν ἐκκλησίαν, τὴν ὀρθὴν καὶ σωτήριον τῆς εἰς αὐτὸν πίστεως ὁμολογίαν [...] ὃ τῶν ὅλων Θεὸς ἀπεφήνατο. 204 In diesem Sinne hatte er 655 tatsächlich verlangt, Kaiser und Patriarch sollten Bittgesuche an den Papst senden und darin dieses „korrekte Glaubensbekenntnis“ und die Anathematismen rezipieren. S. o. Anm. 122.

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nung jeder Verständigung selbst provozierte und in Kauf genommene, aber noch ausstehende Leiden wurde bereits im Voraus in Aufnahme zentraler martyrologischer Theologumena von ihnen gedeutet ‒ bis hin zum freiwillig vollzogenen stellvertretenen Sühnopfer. Eine sich darin äußernde Selbststilisierung und Selbstüberhebung ist kaum zu übersehen. Angesichts der völlig andersartigen politischen Bedingungen und konkreten Herausforderungen verbietet sich eigentlich jeder Vergleich mit frühchristlichen Martyrien. Dies betrifft auch die in jener Zeit geführten intensiven Diskussionen über legitime und verwerfliche Motive von Märtyrern.205 Dennoch bleibt festzuhalten, dass zumindest in der vorkonstantinischen Zeit der bewussten Provokation und dem gewollt-provozierten Martyrium mit Ablehnung begegnet wurde. Die Grenzlinie lag zwischen lobenswerter Martyriumsbereitschaft und einem in „Martyriumssucht“ gesuchten und provozierten Martyrium.206 Wenn bei den frühchristlichen Martyrien tatsächlich gilt, dass „die letzten Motive der Märtyrer verborgen bleiben und daß erst nach vollendetem Martyrium von anderen rekonstruiert wurde, was zum Martyrium führte“,207 so trifft dies im Fall des Maximos gewiss nicht zu. Denn die Motive seines Handelns sind zureichend deutlich. Und sie sind auch nicht von anderen nachträglich rekonstruiert worden, sondern bereits vor dem Leidensweg von den unmittelbar Betroffenen (346) formuliert worden. Von der Kirche von Konstantinopel wurden sie jedenfalls als bewusst gesuchte Provokation wahrgenommen.208 Es kann deswegen auch nicht verwundern, dass mit der endgültigen kirchenpolitischen Kehrtwende unter Konstantin IV. (668‒685)209 und der kirchlichen Rezeption zentraler Theologumena des maximianischen Dyotheletismus durch das VI. Ökumenische Konzil (680/81) keineswegs eine persönliche Reha-

205 Vgl. dazu z. B.: Bernhard Kötting, Martyrium und Provokation, in: Adolf M. Ritter (Hg.), Kerygma und Logos. Festschrift Carl Andresen, Göttingen 1979, 329–336; Butterweck, ‚Martyriumssucht‘ (s. Anm. 46); Gerd Buschmann, MartPol4 und der Montanismus, in: VigChr 49 (1995), 105–145. 206 Vgl.: Buschmann, MartPol4 (s. Anm. 205), 113. 207 Butterweck, Martyriumssucht (s. Anm. 48), 6. Dieses Ergebnis der Untersuchung von Christel Butterweck hat freilich Widerspruch erfahren. Vgl.: Gerd Buschmann, Rez. Butterweck, ‚Martyriumssucht‘ (s. Anm. 48), in: VigChr 50 (1996), 212–215. 208 So urteilt auch Booth, Crisis of Empire (s. Anm. 80), 326: „The final trial and condemnation of Maximus, therefore, was not so much a thoughtless act of aggression or political scapegoating in a context of crisis; it was rather the long-awaited consequence of continuous recalcitrance and even provocation.“ 209 PMBZ, Nr. 3702.

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bilitierung des Maximos und seiner Schüler einhergegangen ist. In den Konzilsakten wird sein Name genauso wie die Lateransynode nicht ein einziges Mal erwähnt. Es sollte noch bald 300 Jahre dauern, bis sich die Kirche von Konstantinopel zu einer offiziellen Anerkennung dieses schillernden Theologen als Bekenner und Heiliger durchgerungen hat.210

210 Die früher mit Selbstverständlichkeit im Umfeld des III. Constantinopolitanums angesiedelte griechische Vita Maximi (BHG 1234) ist im 10. Jahrhundert entstanden. Vgl.: Wolfgang Lackner, Zu Quellen und Datierung der Maximosvita (BHG3 1234), in: AnBoll 85 (1967), 285–316; Neil/ Allen (Hg.), The Life of Maximus the Confessor (s. Anm. 71). Zum Weg dahin vgl.: Heinz Ohme, Der lange Widerstand gegen eine offizielle Heiligenverehrung des Maximos Homologetes (†662) im Byzantinischen Reich, in: ByzZ 109 (2016), 105–146.

12 Die griechische Vita Papst Martins I. (BHG 2259), Maximus Confessor und das Concilium Quinisextum (691/2) Abstract: The first Passio Maximi Confessoris („Urpassio“), which has not survived, was written in Palestine/Jerusalem in the middle of the 8th century at the same time as the Passio Martini pp. (BHG 2259). The present article confirms, complements, and extends the research by Bram Roosen (Byz 80) and Petro Conte (1989) through new insights gleaned from an analysis of the Concilium Quinisextum (691/2) and the Synopsis de haeresibus et synodis by Anastasios Sinaites, thereby refuting the position of Bronwen Neil (2006). Consequently, it would now seem untenable to maintain that BHG 2259 was written in Rome. Seitdem Wolfgang Lackner im Jahre 1967 nachwies,1 dass die bis dahin das Maximusbild bestimmende griechische Vita2 des Confessors hinsichtlich seiner ersten Lebensjahrzehnte ‒ mit vornehmer konstantinopolitanischer Herkunft, höherer Bildung und weltlicher Karriere am Hof ‒ erst im 10. Jahrhundert nach dem Muster der Vita des Theodoros Studites (759–826)3 frei erfunden worden ist, war Maximus’ Herkunft grundsätzlich in Frage gestellt. Als Sebastian Brock dann im Jahre 1973 eine syrische Vita des Maximus vom Ende 7./Anfang 8. Jahrhundert edierte,4 die nicht nur mit einer palästinischen Herkunft und Jugend ein deutlich anderes Bild präsentierte, war die Klärung der offensichtlichen Widersprüche zu einem Forschungsdesiderat geworden. Dabei geriet zuerst die Analyse der weiteren Quellen zum sog. monenergetisch-monotheletischen Streit und zur Biographie des Maximus in den Blick, insbesondere die Angaben

1 Wolfgang Lackner, Zu Quellen und Datierung der Maximosvita (BHG3 1234), in: AnBoll 85 (1967), 285–316. 2 BHG 1234; PG 90, 68–109. Robert Devreesse, La vie de S. Maxime le Confesseur et ses recensions, in: AnBoll 46 (1928), 5–49. Vgl. Friedhelm Winkelmann, Der monenergetisch-monotheletische Streit (BBySt 6), Berlin 2001, Nr. 171. 3 Es handelt sich um Recensio A der Vita. Vgl. Dirk Krausmüller, Vitae B, C and A of Theodore the Stoudite: their Interrelation, Dates, Authors and Significance for the History of the Stoudios Monastery in the Tenth Century, in: AnBoll 131 (2013), 280–298. 4 Aus dem Cod. Brit. Mus. Add. 7192. Sebastian Brock, An Early Syriac Life of Maximus the Confessor, in: AnBoll 91 (1973), 299–346 (= Ders., Syriac Perspectives on Late Antiquity, London 1984, Nr. XII); Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 172. Anmerkung: Zuerst publiziert in: Byz. 86 (2016), 317–336. https://doi.org/10.1515/9783110714531-012

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bei Anastasios Sinaites,5 Theophanes Confessor6 und in den verschiedenen epitomierten hagiographischen Varianten einer Passio oder/und Vita Maximi u.a. in Menologien, Synaxarien u.a.m.7 Eine rege Editionstätigkeit führte zu kritischen Editionen der grundlegenden Dokumente für die letzten Lebensjahre des Maximus vom ersten Prozess des Jahres 655 bis zu seinem Tod am 13. August 662 und ebenso zu einer Edition der aus dem 11. Jahrhundert stammenden Langfassung der griechischen (318) Vita („Recensio III“).8 Die damit engstens verbundene Erforschung der Quellen zur Passio und Vita des zweiten Hauptprotagonisten des sog. monenergetisch-monotheletischen Streites, Papst Martin I. (649‒653 †16. September 655), wurde durch die kritische Edition des „Dossiers“ über Prozess, Exil und Tod Martins vorangetrieben, das im 9. Jahrhundert von Anastasius Bibliothecarius ins Lateinische übersetzt worden war.9 Für die noch ausstehende Edition aller hagiographischen Texte zur Passio und Vita des Maximus hat deren Herausgeber, Bram Roosen, im Jahre 2010 eine umfassende Untersuchung zu den literarischen Abhängigkeiten dieser in den letzten Jahrzehnten vieldiskutierten Quellen vorgelegt.10 In Aufnahme einer Hypothese von Wolfgang Lackner kommt er zu dem Ergebnis, dass am Anfang der gesamten hagiographischen Tradition eine nicht mehr erhaltene „Urpassio“ gestanden habe, die noch vor der ältesten erhaltenen epitomierten Vita Maximi, dem sog. Compendium Vindobonense (BHG 1236; CPG 7707.3) aus dem 9. Jahrhundert, anzusetzen sei.11 Wegen textlicher Parallelen des Compen-

5 Anastasius Sinaita, Sermo adv. Monotheletas qui communiter dicitur Homilia tertia de creatione hominis (CCSG 12,55–83 Uthemann). 6 Theophanes, Chronographia 329,21–332,19 (De Boor). 7 Vgl. zum Forschungsstand bis 1998: Wolfram Brandes, Anmerkungen zu den Quellen zur Biographie des Maximus Homologetes, in: PMBZ. Prolegomena, Berlin-New York 1998, 171–179. 8 Pauline Allen/Bronwen Neil (Hgg.), Scripta saeculi VII vitam Maximi Confessoris illustrantia, una cum latina interpretatione Anastasii Bibliothecarii iuxta posita (CCSG 39), Turnhout Leuven 1999; Dies., Maximus the Confessor and his Companions. Documents from Exile (OECT), Oxford 2002; Dies., The Life of Maximus the Confesssor. Recension 3 (Early Christian Studies 6), Brisbane 2003. Vgl. weiterhin: Bram Roosen, On the Recent Edition of the Disputatio Bizyae, in: JÖB 51 (2001), 113–131; Ders., The Three Flyleaves of Vaticanus, Palatinus graecus 15. A contribution to the manuscript tradition primarily of the Relatio Motionis [CPG 7736], but also of two vitae [BHG 955 and 482], in: Bart Janssens/Bram Roosen/Peter van Deun (Hgg.), Philomathestatos. Studies in Greek Patristic and Byzantine Studies (OLA 137), Leuven 2004, 523–532. 9 Bronwen Neil, Seventh-Century Popes and Martyrs. The Political Hagiography of Anastasius Bibliothecarius (Studia Antiqua Australiensia II), Turnhout 2006. 10 Bram Roosen, Maximi Confessoris Vitae et Passiones Graecae: The Development of a Hagiographic Dossier, in: Byz 80 (2010), 408–460. 11 Ebd., 421–426.

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dium Vindobonense, der Passio im Synaxarium des Codex Patmensis 266,12 das im 9./10. Jahrhundert in Palästina zu verorten sei, und der Passio im Synaxarium Constantinopolitanum aus der Mitte des 10. Jahrhunderts13 mit der griechischen Vita Papst Martins (BHG 2259) zieht Roosen den meines Erachtens überzeugenden Schluss, dass die postulierte „Urpassio“ des Maximus im zeitlichen und geographischen Umfeld der Entstehung der griechischen Vita Martins anzusetzen und auch denselben Kreisen zuzuordnen sei.14 Bei der Lokalisierung dieser Kreise entscheidet er sich mit den Argumenten Pietro Contes15 für Jerusalem/Palästina, „a region, where the innerchalcedonian tensions between dyothelites and the emerging (319) monothelite Maronite church continued long after the sixth Oecumenical Council“.16 Die erste hagiographische Passio Maximi („Urpassio“) mit der Angabe einer führenden Stellung am kaiserlichen Hof in Konstantinopel sei der dort ebenfalls entstandenen monotheletischen syrischen Vita Maximi mit ihrem Maximus diskreditierenden Bericht, Kind einer unehelichen Beziehung eines Samaritaners mit einer persischen Sklavin zu sein, entgegengesetzt worden. Roosen hat allerdings für seinen Anschluss an die von Conte vertretene Lokalisierung der griechischen Vita Martini in Palästina keine weiteren Argumente ins Feld geführt, obwohl Bronwen Neil diese wieder in Frage gestellt hat.17 Im Folgenden sollen solche Argumente benannt werden, indem u.a. Ergebnisse der in den letzten Jahrzehnten erfolgten Erforschung des Concilium Quinisextum (691/2)18 für diese Fragen fruchtbar gemacht werden.

12 Ebd., 420–421. 13 Ebd., 414–417. 14 Ebd., 427–433. 15 Pietro Conte, Il sinodo Lateranense dell’ottobre 649. La nuova edizione degli Atti a cura di Rudolf Riedinger. Rassegna critica di fonti die secoli II–XII, Vaticano 1989, 235–249 („12. ‚Vita‘ Graeca di Martino“). 16 Roosen, Maximi Confessoris Vitae et Passiones Graecae (s. Anm. 10), 432 mit Anm. 89. 17 Neil, Seventh-Century Popes (s. Anm. 9), S. 109 (s.u.). 18 Vgl.: Vitalien Laurent, L’oeuvre canonique du concile in Trullo, in: REByz 13 (1965), 7–41; Heinz Ohme, Das Concilium Quinisextum und seine Bischofsliste (AKG 56), Berlin/New York 1990; George Nedungatt/Michael Featherstone (Hgg.), The Council in Trullo Revisited (Kanonika 6), Roma 1995; Heinz Ohme, Die sogenannten „antirömischen Kanones“ des Concilium Quinisextum - Vereinheitlichung als Gefahr für die Einheit der Kirche, in: Nedungatt/Featherstone, The Council in Trullo Revisited (ebd. 307–321); Heinz Ohme, Concilium Quinisextum – Das Konzil Quinisextum (FC 82), Turnhout 2006; Heinz Ohme, In tempore. Weichenstellungen für die Edition des Concilium Quinisextum (691/2), in: AHC 41 (2009), 1–68; Heinz Ohme, Nisi fallimur. Anmerkungen zu kaiserlichen Unterzeichnungsformen auf den Synoden des 7.– 9. Jahrhunderts, in: AHC 42 (2010), 241–290; Ester Brunet, La Ricezione del Concilio Quinisesto (691–692) nelle fonti occidentali (VII–IX sec.). Diritto-Arte-Teologia (Autour de Byzance 2),

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Ich werde dazu zuerst die für ihre Lokalisierung entscheidenden Passagen der griechischen Vita Martini kurz vorstellen und die bisherigen Diskussionen zur Provenienzfrage skizzieren (1). In einem zweiten Abschnitt werde ich in Weiterführung, Korrektur und Ergänzung der Analyse von Pietro Conte fünf Argumente vortragen, die eine östliche palästinische Provenienz mehr als wahrscheinlich machen (2).

1 Die Kap. 13 und 14 der griechischen Vita Papst Martins I. (BHG 2259) und ihre Provenienz: status quaestionis Ein besonderes Merkmal der von Paul Peeters 1933 nach dem Codex Patmiacus 254 erstmals edierten Vita19 besteht darin, dass sie nicht mit Kap. 12 und dem Bericht über den Tod und die Bestattung des Papstes im Blachernenkloster (320) außerhalb Chersons, des Ortes seiner Verbannung, endet, sondern noch über zwei weitere Kapitel verfügt. In Kap. 1320 bietet der Text eine summarische Darstellung des VI. Ökumenischen Konzils (680/81). Nach der Feststellung, dass Konstantin IV. (668–685) „die heilige und ökumenische Synode der 168 (ρξη´) heiligen Väter versammelt“ hatte, listet der Text detailliert die dort Anathematisierten auf, an deren Spitze ‒ vor den Konstantinopler Patriarchen ‒ „Patriarch Honorius von Rom“ steht. Es folgt in Zitatform eine Kurzfassung des Horos der Synode, die sich so nicht in deren Akten21 findet. So wie wir zwei Naturen bei der Inkarnation verkünden und glauben, so muss man auch gemäß dem Unterschied der Naturen ‒ nämlich der göttlichen und der menschlichen ‒ zwei Willen und Wirksamkeiten anbeten und verherrlichen.22

Das sich anschließende Schlusskapitel Kap. 14 thematisiert das Concilium Quinisextum (691/2), um dann mit einem Schlussgebet die gesamte Vita zu beenden.

Paris 2011; Heinz Ohme (Hg.), Concilium Constantinopolitanum a. 691/2 in Trullo habitum (Concilium Quinisextum) (ACO ser. II 2,4), Berlin – Boston, 2013. 19 Βίος καὶ πολιτεία τοῦ ἁγιωτάτου καὶ μακαριωτάτου Μαρτίνου ἀρχιεπισκόπου γεγονότος τῆς τῶν Ῥωμαίων ἁγίας τοῦ θεοῦ καθολικῆς καὶ ἀποστολικῆς ἐκκλησίας: Paul Peeters, Une vie grecque du pape S. Martin I, in: AnBoll 51 (1933), 225–262. 20 Peeters, Une vie grecque (ebd. 262). 21 Rudolf Riedinger (Hg.), Concilium Universale Constantinopolitanum Tertium (ACO ser. II 2,1.2), Berlin 1990.1992. 22 Peeters, Une vie grecque (s. Anm. 19), S. 262, 19–22: ὥσπερ δύο φύσεις ἐπὶ τῆς ἐνσάρκου οἰκονομίας κηρύττομεν καὶ πιστεύομεν, οὕτως καὶ δύο θελήματα καὶ ἐνεργείας κατὰ τὴν τῶν φύσεων διαφοράν, θειάς τε καὶ ἀνθρωπίνης, δεῖ προσκυνεῖν καὶ δοξάζειν. Alle Übersetzungen stammen – soweit nicht anders angegeben – vom Verfasser.

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Zum Quinisextum wird gesagt, dass Kaiser Justinian II. (685‒695.705‒711)23 „eine Synode von 240 (σμ´) heiligen Vätern“ einberief, die 1. „die Gültigkeit der heiligen sechs Synoden bestätigte (ἐκύρωσεν)“, aber auch 2. „eine Anzahl von 102 (ρβ´) kanonischen Kephalaia festsetzte“.24 Danach wird der can. 82 des Quinisextums mit folgender Inhaltsangabe besonders hervorgehoben: In diesen (sc. Kanones) wird in Kephalaion 82 über die verehrungswürdigen und heiligen Ikonen vorgebracht, dass sie gemäß alter Anordnung anerkannt und verehrungswürdig sind. Ist aber das Lamm als Vorzeichen Christi dargestellt, so haben sie festgesetzt, dass dieser (jetzt) nach dem Bild seiner göttlichen Menschwerdung dargestellt wird.25

Das Schlussgebet lautet: Christus unser Gott, der du deine heilige Kirche mit deinem makellosen Blut losgekauft hast und sie auf den Felsen des orthodoxen Glaubens gegründet hast (τῇ πέτρᾳ τῆς ὀρθοδόξου πίστεως αὐτὴν θεμελιώσας), bewahre sie auch jetzt (καὶ νῦν) ohne zu wanken vor jeder Häresie. (321) Es folgt eine Schlussdoxologie.

Es ist deutlich, dass vor allem diese beiden Schlusskapitel für die zeitliche Einordnung und Provenienz der Vita von zentraler Bedeutung sind. Peeters hatte wegen der Erwähnung von can. 82 des Quinisextums am Schluss bereits den richtigen Schluss gezogen, dass dieser Kanon „sans nul rapport avec lʼhérésie monothélite et avec la mémoire de S. Martin, avait pour lʼhagiographe et ses lecteurs un intérêt dʼactualité“.26 Er hat die Entstehung deshalb nach dem Beginn des Bilderstreits angesetzt, den er mit der damaligen communis opinio mit dem Jahr 726 beginnen ließ. So schlug er den Zeitraum der Jahre 730 bis 740 als Entstehungszeit vor und nahm einen griechischen Autor an, ohne sich geographisch näher festzulegen.27 Peeters hatte die Erwähnung des Quinisextums als solche allerdings als „moins naturellement appelée par le sujet“ bezeichnet, war doch für ihn der damaligen westlichen Sicht der Synode entsprechend das II. Trullanum vor allem „très hostile à la discipline occidentale et la primauté romaine“.28 Cyrill Mango hat sich dann 1973 ohne eingehende Analyse im Rahmen seiner tour ď horizon über die griechische Kultur im Abendland des 8. Jahrhun23 PMBZ, Nr. 3556. 24 Peeters, Une vie grecque (s. Anm.19), 262, 24–27. Peeters hatte die Angabe ρβ´ des Codex Patmiacus 254 irrtümlich als ρμ´ gelesen. Den Hinweis verdanke ich Bram Roosen. Conte (cf. Anm. 15) argumentierte mit der Zahl 140 (ρμ´). 25 Ebd., 262, Z. 27–31: ἐν οἷς φέρεται ἐν κεφαλαίῳ πβ´ περὶ τῶν σεπτῶν καὶ ἁγίων εἰκόνων, ἀποδεκτὰς καὶ σεπτὰς εἶναι κατὰ τὴν ἀρχαίαν θεσμοθεσίαν, τὸν δὲ ἄμνον τὸν εἰς τύπον τοῦ Χριστοῦ ἀνιστορούμενον, κατὰ τὴν εἰκόνα τῆς αὐτοῦ θείας σαρκώσεως τοῦτον ἱστορεῖσθαι ἐθέσπισθαν. 26 Peeters, Une vie grecque (s. Anm. 19), 252. 27 Ebd. 28 Ebd.

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derts auch zur griechischen Vita Martini geäußert.29 Er ordnete sie zwar dem „œuvre littéraire“ der griechischen Kolonie im Rom zu, nannte aber selbst auch Gründe, die eher gegen eine römische Provenienz sprechen. So sah er das Fehlen von Informationen zur Karriere Martins vor der Lateransynode darin begründet, dass der Autor keinen Zugang zu den lateinischen Quellen hatte, anscheinend noch nicht einmal zum Liber Pontificalis.30 Weiterhin seien die festzustellenden Latinismen nicht notwendigerweise durch einen Aufenthalt im Westen zu erklären.31 Die von ihm aufgestellte Behauptung,32 dass der Autor den can. 82 inhaltlich in sein Gegenteil verkehrt hätte, lässt sich allerdings nicht am Text verifizieren. Jean-Marie Sansterre hat sich im Jahre 1983 dieser römischen Lokalisierung der Vita im Milieu der griechischen Klöster Roms angeschlossen.33 (322) Bei seiner Auseinandersetzung mit der kritischen Edition der Lateransynode durch Rudolf Riedinger34 hat Pietro Conte im Jahre 1989 eine sehr ausführliche Analyse der Vita Martini vorgelegt.35 Er konnte dabei eine ganze Reihe gewichtiger Gründe benennen, die eine palästinische/Jerusalemer Provenienz wahrscheinlich machen. Bei seiner Analyse der von der Vita Martini herangezogenen Quellen36 hat er zutreffend erkannt, dass mehrere Indizien (s.u.) für eine Abhängigkeit von der Anastasios Sinaites (ca. 610–nach 701)37 zugeschriebenen Synopsis de haeresibus et synodis sprechen. Bedauerlicherweise aber hat er dabei die bereits 1982 erschienene kritische Edition38 der Synopsis durch KarlHeinz Uthemann nicht berücksichtigt und ist so zu einigen Fehlschlüssen gelangt.39 Richtig gesehen hatte er, dass die in der Tradition singuläre Angabe

29 Cyrill Mango, La culture grecque et lʼoccident au VIIIe siècle, in: I problemi dellʼ occidente nel secolo VIII, in: SSAM 20 (1973), (683–721) 703–704. 30 Ebd., 703. 31 Ebd., 704. 32 Ebd., 704. 33 Jean-Marie Sansterre, Les moines grecs et orientaux à Rome aux époques byzantine et carolingienne (milieu du VIe s.–fin du IXe s.), Bruxelles 1983, 138–139.181–182. 34 Rudolf Riedinger (Hg.), Concilium Lateranense a. 649 celebratum (ACO ser. II 1), Berlin 1984. 35 S.o. Anm. 15. 36 Conte, Il Sinodo (s. Anm. 15), 238–240. 37 PMBZ, Nr. 268; Zu Anastasios vgl.: Karl-Heinz Uthemann, Anastasios Sinaites. Byzantinisches Christentum in den ersten Jahrzehnten unter arabischer Herrschaft (AKG 125), Berlin Boston 2015. 38 Karl-Heinz Uthemann, Die dem Anastasios Sinaites zugeschriebene Synopsis de haeresibus et synodis. Einführung und Edition, in: AHC 14 (1982), 58–94. 39 Auf der Grundlage der von ihm herangezogenen Ausgabe von Jean-Baptiste Pitra, Iuris ecclesiastici Graecorum Historia et Monumenta II, Romae 1868, 257–271.

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von 168 Synodalen beim III. Constantinopolitanum, die merkwürdige Reihung der dort Anathematisierten und auch die knappe Zusammenfassung des dyotheletischen Dogmas der Synopsis entstammen.40 Zutreffend ist auch die von Conte bestätigte und erweiterte Beobachtung Sansterres,41 der eine besonders hervorgehobene Bedeutung der östlichen Äbte und Mönche auf der Lateransynode von 649 in §1 und §2 der Vita Martini festgestellt hatte.42 So heißt es von Maximus ‒ hier als „ὁ ὅσιος Μάξιμος ὁ ὁμολογητής“ tituliert ‒, dass er es gewesen sei, der den „hochheiligen römischen Papst Martin“ „veranlasst“/„zugerüstet“ habe (παρασκευάζει), die Lateransynode einzuberufen und die Anathemata auszusprechen.43 Auf der Synode seien „die Bischöfe und die Äbte und Mönche aus dem ganzen Osten aufgetreten und belehrten durch Schriften und mündliche Mitteilung über die äußerst frevelhafte Häresie“.44 Überdies wird auch noch ein Auszug aus dem Libellus45 des (323) Bischofs Stephan von Dor zitiert,46 der auf der 2. Sitzung der Synode vorgetragen worden war. Damit wird der Jerusalemer Beitrag zur Lateransynode ähnlich wie in der Synopsis hervorgehoben, die ausdrücklich erwähnt hatte, dass das VI. Ökumenische Konzil die Synodica des Patriarchen Sophronios zu den Akten genommen hat.47 Nachdrücklich und völlig zutreffend hat Conte weiterhin die Fehlinterpretation Mangos zur Wiedergabe von can. 82 des Quinisextums in der Vita Martini zurückgewiesen.48 Es handelt sich vielmehr um „una sintesi molto puntuale“.49 Schließlich hat Conte darauf hingewiesen, dass der Codex unicus der Vita aus Patmos stammt und die externen Bezugnahmen auf die Vita alle griechischer Provenienz sind. Es wird keine einzige lateinische Quelle zitiert einschließlich des Liber Pontificalis! Anastasius Bibliothecarius ist mehr als 100 Jahre später bei seiner Suche nach Material für seine Darstellung der Passio Martins weder

40 Vgl.: Synopsis de haeresibus et synodis (85,12.37–38; 86,3–7 Uthemann). 41 Sansterre, Les moines (s. Anm. 33), 139.271. 42 Conte, Il Sinodo (s. Anm. 15), 240.247. 43 Peeters, Une vie grecque (s. Anm. 19), 254, 7–9: ὁ ὅσιος Μάξιμος ὁ ὁμολογητὴς […] παρασκευάζει Μαρτῖνον τὸν ἁγιώτατον πάπαν Ῥώμης συναγεῖραι σύνοδον καὶ ἀναθέματι καθυποβαλεῖν τοὺς τῶν μονοθελητῶν δόγμάτων εἰσηγητάς. 44 Ebd., 254,16–19: εἰσελθόντες οἱ ἐπίσκοποι καὶ οἱ ἡγούμενοι καὶ οἱ μονάζοντες πάσης τῆς ἀνατολικῆς χώρας ἀνεδίδαξαν διὰ τε λιβέλλων καὶ λόγου τὰ τῆς δυσσεβεστάτης αἱρέσεως. 45 ACO ser. II 1, p. 38,10–46,36 (Riedinger); Winkelmann, Streit (s. Anm. 2), Nr. 82. 46 Peeters, Une vie grecque (s. Anm. 19), 254, 25–32. 47 Vgl.: Synopsis de haeresibus et synodis (85,41–86,2 Uthemann). 48 Conte, Il Sinodo (s. Anm. 15), 242–243 mit Anm. 56. Vgl.: ACO ser. II 2,4 p.54 (Ohme); Ohme, Concilium Quinisextum (FC 82), (s. Anm. 18), 106–107; Leslie Brubaker/John F. Haldon, Byzantium in the Iconoclast Era ca.680–850: A history, Cambridge 2011, 61–64. 49 Conte, Il Sinodo (s. Anm. 15), 242.

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in Rom noch in Konstantinopel auf diese Vita gestoßen.50 Die Entstehung der Vita setzte Conte im Kontext des Ikonoklasmus „kurz vor 730 oder nach 754“ an, der hinter der im Schlussgebet erwähnten Häresie stehe.51 Roosen hat sich jetzt Conte angeschlossen und plädiert als Ergebnis seiner Untersuchung für eine parallele Entstehung der Vita Martini und der „Urpassio“ des Maximus in denselben palästinischen Kreisen im selben Zeitraum, „roughly speaking the first half of the eighth century“.52 Bronwen Neil hat nun jedoch im Jahre 2006 gemeint, quasi mit einem Federstrich alle Argumente Contes beiseiteschieben zu können. Sie stellt den ikonoklastischen Kontext grundsätzlich in Frage und will die Vita Martini im zeitlichen Kontext des monotheletischen Revirements unter Philippikos Bardanes (711–713) ansetzen, womit die καὶ νῦν herrschende Häresie des Schlussgebetes gemeint sei.53 Dabei hält sie die Erwähnung des Quinisextums für „a very strange choice of subject for the conclusion of the Life of Martin“.54 Ohne Berücksichtigung der neueren Forschungen zum Quinisextum begründet sie dies mit der von der Synode in can. 36 vorgenommenen Erneuerung der Privilegien des Patriarchates Konstantinopel und (324) den sich gegen stadtrömische Praktiken wendenden can. 13 und can. 55 zum Zölibat und zur römischen Fastenpraxis.55 Sie geht schließlich so weit, dass sie mit der Möglichkeit rechnet, das gesamte Kap. 14 sei ein späterer Zusatz ohne Relevanz für die Vita.56 Dem ist aber grundsätzlich zu widersprechen.

2 Neue Beobachtungen zur östlichen palästinischen Provenienz der griechischen Vita Martini 1. Das Concilium Quinisextum des Jahres 691/2 gehört nach seinem Selbstverständnis und seiner Stellung in der orthodoxen Tradition engstens mit dem VI. Ökumenischen Konzil (680/1) zusammen. Es verstand sich als kanonische Ergänzung des V. und VI. Konzils; seine Kanones werden im Osten seit dem 50 Ebd., 245–246. 51 Ebd., 248. 52 Roosen, Maximi Confessoris Vitae (s. Anm. 10), 427–433.432. 53 Neil, Seventh-Century Popes (s. Anm. 9), 105–109.109. 54 Ebd., 108. 55 ACO ser. II 2,4 p.39.30–31.46 (Ohme). Zu diesen Kanones vgl.: Heinz Ohme, Concilium Quinisextum (FC 82), (s. Anm. 18), 140–143.128. 82–84. 56 „One should also consider the possibility that ch. 14 was added to the text at a later date, and has no relevance at all to the agenda of the hagiographer“: Neil, Seventh-Century Popes (s. Anm. 9), 109.

2 Neue Beobachtungen zur östlichen palästinischen Provenienz

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8. Jahrhundert als Kanones des VI. Konzils gezählt. Darüber hinaus aber bestand das Werk dieser Synode nach dem Willen Kaiser Justinians II. nicht allein in der notwendig gewordenen synodalen Erneuerung und Kodifizierung des orthodoxen Kirchenrechts. Es sind auch nicht antirömische Intentionen gewesen, die das kanonische Werk geprägt haben, sondern eine allgemeine Vereinheitlichungstendenz der Normen kirchlichen Lebens nach byzantinischem Muster. Von ebenso grundlegender Bedeutung aber war die von der Synode in can. 1 vorgenommene Bestätigung aller bisherigen sechs Ökumenischen Synoden.57 Hierbei kommt der Bestätigung der antimonotheletischen Konstantinopler Synode von 680/1 besondere Bedeutung zu, war doch deren Rezeption im Byzantinischen Reich schon wegen der dort zugestandenen Anathematisierung von vier Ökumenischen Patriarchen des 7. Jahrhunderts immer noch nicht völlig gesichert. Justinian II. hatte nach seiner Thronbesteigung im Jahre 685 gleich Ende 686/Anfang 687 eine Reichsversammlung zur Bestätigung der Beschlüsse und der kaiserlichen Inobhutnahme der Akten des VI. Konzils durchgeführt.58 Er hat bei dieser Gelegenheit den von seinem (325) Vater wohl wegen Widerstandes gegen dessen Konzilspläne 679 abgesetzten und von ihm selbst wieder in sein Amt eingesetzten Patriarchen Theodoros I. (677–697.686–687)59 zusammen mit den wichtigsten Vertretern von Staat, Militär und Kirche die Akten des VI. Konzils unterschreiben lassen, darunter wohl 130 Bischöfe.60 Es ist kein Zufall, dass diese Reichsversammlung dann auch in can. 1 eigens erwähnt wird.61 Die Außerkraftsetzung des III. Constantinopolitanums und Verbrennung seiner Akten gleich nach dem Sturz Justinians II. durch Philippikos Bardanes machen diese labile Situation auch noch für den Anfang des 8. Jahrhunderts deutlich.

57 ACO ser. II 2,4 p.23, 1–15 (Ohme). 58 Franz Dölger/Andreas E. Müller, Regesten der Kaiserurkunden des oströmischen Reiches. I,1 Regesten 565–867, 2. Aufl. besorgt u. Mitarbeit von Johannes Preiser-Kapeller u. Alexander Riehle v. Andreas E. Müller, München 2009, Nr. 256 a; ACO ser. II, 2,2 p. 886,3–887,21. Vgl.: Jan Louis van Dieten, Geschichte der Patriarchen von Sergios I. bis Johannes VI. (610–715), Amsterdam 1972, 146–148; Giuseppe de Gregorio/Otto Kresten, Il Papiro conciliare P. Vindob. G.3: Un ‚Originale’ sulla via da Constantinopoli a Ravenna (e a Vienna), in: Laura Pani/Cesare Scalon, Le Alpi porta d’Europa. Scritture, Uomini, Idee da Giustiniano al Barbarossa. Atti del Convegno internazionale di studio dell’ Associazione italiana dei Paleografi e Diplomatisti (Cividale del Friuli [5.–7.10.2006]), Spoleto 2009, (233–379) 322–333; Ohme, In tempore (s. Anm. 18), 22–26. Zu den Teilnehmern gehörte auch ein päpstlicher Apokrisiarios. 59 PMBZ, Nr. 7954; van Dieten, Patriarchen (s. Anm. 58), 125–129.146–148. 60 Synopsis de haeresibus et synodis §26 (86, 17–23 Uthemann). Vgl. dazu: Ohme, In tempore (s. Anm. 18), 24 mit Anm. 124. 61 Es heißt dort, dass das VI. Konzil „auf bedeutendere Weise Rechtskraft empfing, weil der fromme Kaiser (sc. Justinian II.) dessen Akten zu ihrer Sicherheit in alle Ewigkeit mit Siegeln bestätigte“. Vgl. ACO ser. II 2,4, p. 23, 3–5 (Ohme).

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Es ist diese Reichsversammlung von 686/7, die am Ende der Synopsis erwähnt wird, und nicht das Quinisextum, wie Conte noch irrtümlich annahm.62 Er hatte sich dabei auf die Angaben von Pitra verlassen, der diesen Schlusspassus der Synopsis bereits falsch deutete und deswegen wohl auch die im handschriftlichen Text enthaltenen Zahl ρλ´ (130) zu σλ´ (230) konjizierte,63 wohl in der Annahme, so die Teilnehmerzahl des Quinisextums besser zu treffen. Mit dieser falschen Zahl argumentierte nun Conte. Die Synopsis bricht jedenfalls vor dem Quinisextum ab und ist deshalb vor 691/2 zu datieren. Die griechische Vita Martini ist damit in der Darstellung des Quinisextums nicht von der Synopsis abhängig. Es ist jedenfalls ganz sachgemäß, wenn die Vita in Kap. 14 bei der summarischen Darstellung des Quinisextums an erster Stelle hervorhebt, dass diese Synode die Gültigkeit der sechs Synoden bestätigte. Aus diesem Grund gehören auch die Kapitel 13 und 14 engstens zusammen. Wollte man Kap. 14 als späteren Zusatz betrachten, müsste man dies meines Erachtens auch von Kap. 13 sagen. Dies ist aber ganz unwahrscheinlich, dokumentiert doch der Bericht über die schlussendliche Durchsetzung des Dyotheletismus auf einer (326) Ökumenischen Synode in der Perspektive der Vita die endgültige Rehabilitierung dieses Papstes und die Rechtfertigung seines Kampfes, die ihn zu einem anzuerkennenden Märtyrer der Orthodoxie gemacht habe. Deshalb steht hier auch das dyotheletische und dyoenergetische Dogma in freier Zusammenfassung am Ende von Kap. 13. 2. In diesem Zusammenhang ist bereits Sansterre und Conte aufgefallen, dass in Kap. 13 die vom VI. Konzil Anathematisierten in einer ungewöhnlichen Reihenfolge mit folgender Formulierung aufgelistet werden: auf ihr (sc. der VI. Synode) wurden endlich die boshaften Verfechter und Urheber des Häresie der Monotheleten anathematisiert, die Patriarchen Honorius von Rom, Sergios von Konstantinopel, Pyrrhos, Paulos und Petros ‒ auch sie Vorsteher von Konstantinopel ‒, Kyros von Alexandrien, der zuvor Metropolit von Phasis war, Theodoros von Pharan, Makarios von Antiochien und dessen Schüler Stephanos sowie Polychronios.64

62 Conte, Il Sinodo (s. Anm. 15), 239.242. 63 Vgl.: Synopsis de haeresibus et synodis, ed. Uthemann (s. Anm. 38), krit. Apparat zur Stelle. 64 Peeters, Une vie grecque (s. Anm. 19), 262,12–18: ἐν ᾗ τελείως ἀναθεματίζονται οἱ τῆς αἱρέσεως τῶν μονοθελητῶν ὑπέρμαχοι καὶ εἰσηγηταὶ κακόφρονες πατριάρχαι Ὁνώριος Ῥώμης, Σέργιος Κωνσταντινουπόλεως, Πύρρος καὶ Παύλος καὶ Πέτρος, καὶ αὐτοὶ πρόεδροι Κωνσταντινουπόλεως, Κῦρος Ἀλεξανδρείας, ὁ πρότερον γενόμενος μητροπολίτης τοῦ Φασίδος, Θεόδωρος τῆς Φαράν, Μακάριος Ἀντιοχείας καὶ Στέφανος ὁ τούτου μαθητής, καὶ Πολυχρόνιος.

2 Neue Beobachtungen zur östlichen palästinischen Provenienz

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Der Horos des VI. Konzils hatte demgegenüber folgendermaßen formuliert: Theodoros, den ehemaligen Bischof von Pharan, Sergios, Pyrrhos, Paulos und Petros, die ehemaligen Vorsteher dieser kaiserlichen Stadt, ferner auch Honorius, den ehemaligen Papst des Alten Rom, Kyros, den ehemaligen Bischof von Alexandrien, und Makarios, der jüngst noch Vorsteher von Antiochien war, sowie dessen Schüler Stephanos.65

Das bedeutet, dass die Vita Papst Martins die Anathematisierten nicht mehr wie der Horos von 681 im Sinne einer „genetischen“ Reihenfolge auflistet: mit dem „Häresiarchen“ Theodoros von Pharan an der Spitze, gefolgt von den vier Konstantinopler Patriarchen und Honorius als „ehemaliger Papst des Alten Rom“, der dann in der Mitte aller Anathematisierten zu stehen kommt. Die Rangfolge der Vita findet sich nun bereits in der Synopsis66 und ist ein wichtiges Indiz der Abhängigkeit. Wie aber ist diese Veränderung zu verstehen? Conte hatte eine „hierarchische Reihenfolge“ attestiert und dahinter die Absicht vermutet, Anastasios Sinaites habe damit eine „,responsabilità primaria‘ di Roma“ zum Ausdruck bringen wollen.67 Meines Erachtens wird hier einfach im Sinne der byzantinischen Pentarchie aufgezählt, die seit Justinian I. staatskirchenrechtlich verankert war.68 (327) Dafür spricht neben der Reihenfolge der Patriarchate auch die Bezeichnung des römischen Bischofs als „Patriarch von Rom“. Dies hat nun zur Folge, dass Honorius an der ersten Stelle zu stehen kommt und überdies hier mit der Bezeichnung „Patriarch“ seines Papsttitels verlustig gegangen ist. Meines Erachtens ist dies ohne weitere Hintergedanken einfach „pentarchisch“ erfolgt, hat aber in römischer Perspektive ‒ hier jedenfalls ‒ eine unerwünschte prominente Stellung des Papstes zur Folge. Es scheint mir sehr unwahrscheinlich zu sein, dass ein griechischer Autor in Rom sich mit solchen Formulierungen in diesem Zusammenhang gegen das römisch-papale Selbstverständnis gestellt haben sollte. Dazu kommt ein weiterer Aspekt, der meines Erachtens eine römische Provenienz des Textes zusätzlich unwahrscheinlich macht. Das Schlussgebet sagt von Christus, dass er seine Kirche „auf den Felsen des orthodoxen Glaubens gegründet“ habe. Damit wird implizit das „Felsenwort“ Jesu von Mt 16,16–18 auf-

65 ACO ser. II 2,2 p.772,6–10 (Riedinger): Θεόδωρόν φαμεν τὸν γενόμενον τῆς Φαρὰν ἐπίσκοπον, Σέργιον, Πύρρον, Παῦλον, Πέτρον τοὺς γενομένους προέδρους τῆς βασιλίδος ταύτης πόλεως, ἔτι δὲ καὶ Ὁνώριον τὸν γενόμενον πάπαν τῆς πρεσβυτέρας Ῥώμης, Κῦρον τὸν Ἀλεξανδρείας ἐπισκοπήσαντα, Μακάριόν τε τὸν Ἀντιοχείας προσεχῶς γενόμενον πρόεδρον καὶ Στέφανον τὸν τούτου μαθητήν. 66 Synopsis de haeresibus et synodis §25 (86,3–7 Uthemann). 67 Conte, Il Sinodo (s. Anm. 15), 241–242. 68 Vgl. dazu: Ferdinand Gahbauer, Die Pentarchietheorie (FTS 42), Frankfurt/M. 1993, 71–74; Heinz Ohme, Art. Pentarchie, in: RGG4 6 (2003), 1089.

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gerufen, das an Petrus gerichtet ist und nach dessen Bekenntnis bei Caesarea Philippi die Zusage enthält, „auf diesen Felsen“ die Kirche zu gründen. In der im 7. Jahrhundert bereits traditionellen römischen Papatologie ist Mt 16,16–18 selbstverständlich immer auf Petrus als Felsen bezogen worden, der in seinem Nachfolger handelt und wirkt. Ein einziges Beispiel mag hier reichen. So schrieb Papst Agatho I. (678–681) im Frühjahr 680 an Kaiser Konstantin IV. auf dessen Einladung zu Einigungsverhandlungen zur Beendigung des Streites, der Kaiser möge doch seine Hand nach der apostolischen Lehre ausstrecken, die der Mitarbeiter (cooperator) unserer frommen Bemühungen, der selige Apostel Petrus, überliefert hat, nicht damit sie unter einen Scheffel gestellt, sondern heller als eine Posaune in der ganzen Welt verkündet würde, weil sein wahres Bekenntnis vom Vater aus dem Himmel offenbart wurde, weshalb Petrus vom Herren aller als selig verkündet worden ist, dem vom selben Erlöser aller die geistlichen Schafe der Kirche zu weiden dreimal anvertraut wurden. Dessen apostolische Kirche ist niemals ‒ weil er (sc. Petrus) Beistand gewährte ‒ in irgendeine Richtung des Irrtums vom Weg der Wahrheit abgewichen. Dessen Autorität als Fürst (princeps) aller Apostel haben immer die ganze katholische Kirche Christi und die Ökumenischen Synoden treu hochgehalten, und dessen Lehre sind alle ehrwürdigen Väter in allem gefolgt und haben sie hochgeschätzt.69

Hier wird die in Anspruch genommene Apostolizität des dyotheletischen Bekenntnisses eindeutig aus der Autorität des Apostels Petrus abgeleitet und mit den klassischen drei neutestamentlichen „Beweisstellen“ Mt 16,16–18, Joh 21, 15–17 und Lk 22,32 begründet. Das Bekenntnis des Papstes gewinnt in römischer Sicht seine Autorität, weil es das Bekenntnis des Petrus ist, der (328) als Cooperator des römischen Bischofs ‒ wie immer, so auch jetzt ‒ seinen Beistand gewährt. Insofern wäre bei römischer Provenienz der Vita eines im Kampf gegen die Häresie zum Märtyrer gewordenen Papstes, am Ende der Vita ‒ wenn denn nun Mt 16,16–18 aufgerufen wird ‒ eine Deutung auf die Petrusnachfolge mit Fug und Recht zu erwarten. Die Vita spart ja nicht mit hagiographischen Superlativen, die durchaus auf die Apostolizität seines Amtes und auch die Nachfolge 69 Agatho pp., Epistula ad Constantinum imp. (ACO ser. II 2,2 p. 63,9–15 (Riedinger): porrigere dignamini clementissimam dexteram apostolicae doctrinae, quam cooperator piorum laborum uestorum beatus Petrus apostolus tradidit, non ut sub modio concludatur, sed tuba clarius in toto orbe praedicetur, quia eius uera confessio a patre de caelis reuelata est, pro qua a domino omnium beatus esse pronuntiatus est Petrus, qui et spiritales oues ecclesiae ab ipso redemptore omnium terna commendatione pascendas suscepit, cuius adnitente praesidio haec apostolica eius ecclesia numquam a uia ueritatis in qualibet erroris parte deflexa est, cuius auctoritatem utpote apostolorum omnium principis semper omnis catholica Christi ecclesia et uniuersales synodi fideliter amplectentes in cunctis secutae sunt omnesque uenerabiles patres apostolicam eius doctrinam amplexi.

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Petri im Lehramt Bezug nehmen.70 Aber der Papst wird eben als „Säule“ des orthodoxen Glaubens bezeichnet und nicht als „Felsen“. Der Felsen, auf dem Christus seine Kirche gründet, ist nach östlichem Verständnis allein der orthodoxe Glaube. Dies entspricht auch völlig der Haltung des Maximus Confessor, der bekanntlich wie kein anderer östlicher Theologe vor und nach ihm Autorität, Primat und Privilegien der römischen Kirche betont hat, die seines Erachtens das einzig übriggebliebene Bollwerk gegen die monotheletische Häresie war.71 Damit ist aber bei Maximus stets die Ecclesia Romana in all ihren Gliedern gemeint und nicht der Papst als ihr Repräsentant. „Lʼidée que celui-là soit le vicaire de Pierre […] est absente de la pensée de Maxime.“ „Lorsquʼil évoque ‚la pierre‘ sur laquelle est solidement fondée lʼEglise, comme la plupart des Pères il nʼa pas en vue la personne de Pierre, mais sa droite confession de foi dans le Christ.“72 Ganz in diesem Sinne hat auch Anastasios Monachos nach dem 19. April 658 im Auftrag des Maximus an die griechischen Mönche von Cagliari geschrieben, damit sie in Rom gegen die Kompromissformel des Konstantinopler Patriarchen Petros vorstellig werden. Er forderte sie auf, so schnell wie möglich nach Rom zu gehen, um „die frommen wie ein Felsen feststehenden Männer des Alten Rom“ zu beknien, alles zu unternehmen, um den orthodoxen Glauben vor aller Neuerung zu bewahren.73 In östlicher Perspektive ist der Felsen von Mt 16,16–18 nicht Petrus und sein Nachfolger, sondern der orthodoxe Glaube. Das Gebet am Ende der Vita Martins gehört (329) deshalb ganz in die dyotheletischen Kreise des Ostens. Dass diese Kreise aber auch geographisch im Osten zu suchen sind, machen weitere Beobachtungen deutlich. 3. Die Zahl 168 (ρξη´) als Teilnehmerzahl des VI. Ökumenischen Konzils ist ‒ wie gesagt ‒ ein Indiz der Abhängigkeit von der Synopsis. Sie entspricht allerdings nicht der in die Tradition eingegangenen Teilnehmerzahl 170 (ρο´) der Synode.74 Damit wird deutlich, dass zum Zeitpunkt der Abfassung der Synopsis wenige Jahre nach dem III. Constantinopolitanum die Teilnehmerzahl dieser Synode 70 Vgl. z.B.: Kap. 12 (261,24–25 Peeters): ὁ αὐτὸς ἁγιώτατος καὶ τρισμακάριος ἀποστολικὸς πάπας Ῥώμης Μαρτῖνος; Kap. 3 (255,17–18 P.): Ὅπως δὲ ἐκ τῆς καθέδρας τοῦ ἁγίου ἀποστόλου Πέτρου ὥσπερ στρουθίον ἡρπάγη; Kap. 1 (253,5 P.): ὁ στῦλος τῆς ὀρθοδόξου πίστεως. Conte (Il Sinodo [s. Anm. 15], 244–245) meinte, diese Titulaturen seien „getränkt mit einer Anerkennung des päpstlichen Primates“. In seiner römisch-primatialen Argumentation geht jedoch die deutlich andere östliche Perspektive auf Mt 16,16–18 unter. 71 Vgl.: Jean-Claude Larchet, Saint Maxime le Confesseur, Paris 2003, 198–210; Ders., Maxime le Confesseur, médiateur entre lʼOrient et lʼOccident, Paris 1998, 125–201. 72 Larchet, Saint Maxime le Confesseur (s. Anm. 71), 200–201. 73 Anastasius monachus, Epistula ad monach. Cal. 104–105 (CCSG 39,169 Allen/Neil). 74 Ohme, Das Concilium Quinisextum und seine Bischofsliste (s. Anm. 18), 325 mit Anm. 18.

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noch nicht normiert war. Die Teilnehmerzahlen der 18 Sitzungen variieren insgesamt äußerst stark und erreichen zum Abschluss der Synode ihren Höchststand, den Rudolf Riedinger mit 166 Teilnehmern beziffert hat.75 Conte hat nun in der Abhängigkeit der Vita von der Synopsis ein weiteres Argument für eine Jerusalemer Provenienz gesehen,76 insofern das Sinaikloster zum Jurisdiktionsbereich des Jerusalemer Patriarchates gehörte. Er ging allerdings noch mit Pitra von einer einheitlichen Verfasserschaft der Synopsis aus. Dies ist nach der Analyse von Uthemann nicht mehr möglich. Die sich daraus ergebenden Konsequenzen müssen deshalb in die vorliegende Fragestellung mit einbezogen werden. Uthemann ist „auf Grund auffälliger Parallelen zum Hodegos“ zu dem Ergebnis gekommen, dass die §§1–14 der Synopsis „Anastasios Sinaites selbst nicht abgesprochen werden können“.77 Anders sieht es allerdings mit den §§17–26 aus, also gerade jenem Teil, der dem monotheletischen Streit und dem VI. Konzil gewidmet ist. Denn diese Teile verraten „detaillierte Kenntnisse, die in einem eigentümlichen Kontrast zur dürftigen und recht ungenauen Darstellung des Monotheletismus im sog. Sermo III“ des Sinaiten aus dem Jahre 701 stehen.78 Aus einer Bemerkung in §12 der Synopsis sei allerdings zu schließen, dass die Synopsis „von Anfang an auch eine Geschichte des Monotheletismus geboten haben muß“.79 So kommt Uthemann zu der Schlussfolgerung, dass „ein anderer Autor, der offenbar Zeitgenosse des Sinaiten war“ mit der jetzt vorliegenden (330) Fassung des monotheletischen Streites und des VI. Konzils die entsprechenden Kapitel des Anastasios verdrängt habe.80 Vergleicht man die in Sermo III,1 gebotene Information mit den §§17–26 der Synopsis, so überzeugt die Argumentation von Uthemann sofort. Es fällt vor allem auf, dass Anastasios in Sermo III,1 die Verbannung von Papst Martin und die Amputationsstrafen an Maximus und seinen Schülern ‒ deren Namen er noch nicht einmal erwähnt ‒ in geschichtstheologischer Perspektive ganz auf das darauf folgende Strafhandeln Gottes hin interpretiert.81 Vor allem aber kommt Sophronios in der Frühgeschichte des Streites bei Anastasios gar nicht

75 Rudolf Riedinger, ACO ser. II 2,2, Einleitung XIX. Vgl.: Ders., Die Präsenz- und Subskriptionslisten des VI. Oekumenischen Konzils (680/1) und der Papyrus Vind.G.3 (ABAW.PH NF 85), München 1979. 76 Conte, Il Sinodo (s. Anm. 15), 240.247. 77 Uthemann, Synopsis de haeresibus et synodis (s. Anm. 38), 72. 78 Ebd., 68–69. 79 Ebd., 70. 80 Ebd., 72–73. 81 Anastasius Sinaita, Sermo adv. Monotheletas qui communiter dicitur Homilia tertia de creatione hominis (CCSG 12, 84–101 Uthemann). Vgl.: Heinz Ohme, Die Bedeutung der Geschichtstheologie im monenergetisch-monotheletischen Streit, in: ZThK 112 (2015), 27–61.

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vor, und Papst Honorius wird übersprungen, so dass in anachronistischer Weise Patriarch Sergios schon in Briefverkehr mit Papst Martin steht.82 Demgegenüber wird in den ausgetauschten §§17–26 der Synopsis nicht nur Papst Martin und die Lateransynode erwähnt (§20), sondern sehr ausführlich die Bedeutung des Sophronios in der Auseinandersetzung mit Kyros von Alexandrien und Sergios geschildert (§19) und die Aufnahme der Synodika „τοῦ ἐν μακαρίᾳ τῇ μνήμῃ Σωφρονίου“ in die Akten des VI. Konzils betont (§25). Darüber hinaus wird ausführlich Person und Werk und Schicksal des Maximus ‒ unter Betonung seines Mönchstandes83 und Erwähnung seiner beiden Schüler Anastasios Monachos und Anastasios Apokrisiarios ‒ geschildert (§21). Dabei trägt die Darstellung des Leidensweges von Papst Martin und der verstümmelt nach Lazikē Exilierten hagiographischen Charakter. So wird über Martin gesagt: Deswegen (scil. wegen der Lateransynode) wird er aus der Stadt Rom fortgeschleppt und nach Byzanz gebracht, und indem der Vollkommen-Apostolische den Kampf zur Unsterblichkeit durchkämpfte, wurde er für immer zur Verbannung verurteilt, in welcher er das erwartete und vielgepriesene Ende des Lebens erlangte. Maximus aber […] und seine beiden Schüler, die sogenannten Anastasioi, werden deswegen nach Byzanz gebracht und empfangen das Erbe Martins, würdig der Erkenntnis und der asketischen Praxis nach. Meinte man, dass es dem Augenschein nach sinnlos sei zu sterben, so gaben sie doch ihre Seelen sowie das irdische Leben in die Hand Gottes. Maximus übertraf alle, deren Gedenken jemals wegen ihrer Geisteskraft fortlebt; er schmückte das Leben mit (seinem) Leben ‒ dies nämlich ist die kämpferische Erkenntnis! Als sie (scil. die Gegner) Anstalten machten, sie in vielfältiger Weise durch Angst, (331) Schmeichelei und Versprechungen abzubringen (scil. von ihren Überzeugungen), setzten sie sich doch keineswegs durch. Vielmehr hielten sich jene davon fern und ließen die Wellen sich wie an einem Stein brechen. Die Gottlosen schnitten die Zunge ab und amputierten Hand und Füße (!) und schickten so den verstümmelten und blutüberströmten Kämpfer unversorgt in die Region Lazikē. Einen jeden der Schüler exilierten sie an einen anderen Ort. In gleicher Weise wie der Lehrer bestraft, trennten die von ruchloser Gesinnung Beherrschten sie, den einen dem Stand nach Presbyter, den anderen richteten sie durch schwerste Misshandlungen übel zu.84

82 Anastasius Sinaita, Sermo adv. Monotheletas 3 (CCSG 12, 56–58 Uthemann). 83 Synopsis de haeresibus et synodis §21 (84,25 Uthemann): […] μονάζων τò σχῆμα. 84 Synopsis de haeresibus et synodis §20.21 (84,21–39 Uthemann): Δἰ ἣ < ν > αἰτίαν, ἀνάρπαστος τῆς Ῥωμαίων πόλεως, ἐπὶ τὸ Βυζάντιον ἄγεται καὶ τὸν τῆς ἀθανασίας διαθλήσας ἀγῶνα ὁ ἀποστολικώτατος τὰ πάντα ὑπερορίαν καταδικάζεται, ἐν ᾗ καὶ τὸ ἐπίδοξον τοῦ βίου καὶ ἀοίδιμον ἔλαχε τέλος. (21) Μάξιμος δέ, Μαρτίνου ἐφάμιλλος, μονάζων τὸ σχῆμα, λόγιος καὶ πρακτικώτατος, ἅμα δυσὶ μαθηταῖς Ἀναστασίοις τὴν προσηγορίαν διὰ ταύτην τὴν αἰτίαν ἐπὶ τὸ Βυζάντιον ἄγονται καὶ τὸν Μαρτίνου κλῆρον δέχονται, ἀξίως τῆς τε γνώσεως καὶ πράξεως, ἐν ὀφθαλμοῖς μὲν ἀφρόνων ἀποθανεῖν δόξαντες, ἐν χειρὶ δὲ θεοῦ τὰς ψυχὰς ὥσπερ οὖν καὶ τὴν ἐν τῷ βιῷ ζωὴν παραθέμενοι. Τὸν μὲν γὰρ Μάξιμον τοὺς πώποτε περὶ λόγον μνημονευομένους ὑπερακοντίζοντα, τῷ δὲ βίῳ τὸν βίον ἐπικοσμοῦντα (τοῦτο γὰρ ἡ ἀληθὴς γνῶσις), ἐπείπερ πο-

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Deutlich steht hier das persönliche Schicksal und die Bewährung der Verurteilten im Zentrum des Interesses. Trotz aller hagiographischen Anklänge und auch Übertreibungen85 werden den gepriesenen Kämpfern für die Wahrheit hier die entsprechenden Titulaturen ἅγιος oder ὅσιος aber noch nicht verliehen! Das bedeutet, dass ca. drei Jahrzehnte nach dem Tode der Genannten in der vor 691/2 entstandenen Überarbeitung der Synopsis86 Indizien für eine beginnende Heiligenverehrung vorliegen, die sich allerdings mit der öffentlichen Vergabe der Titulaturen noch zurückhält. Der Überarbeiter hatte Zugang zu der Schrift des Sinaiabtes und korrigierte diese unter Betonung des Mönchsstandes und des Jerusalemer Beitrages zur Überwindung des sog. Monenergismus-Monotheletismus. Unter Berücksichtigung dieser überarbeiteten Synopsis entstand wenige Jahrzehnte später die griechische Vita Papst Martins. 4. Am Concilium Quinisextum nahmen neben Kaiser Justinian II. 226 Bischöfe teil, die 102 (ρβ´) Kanones beschlossen haben.87 Eine große Zahl auch ältester Handschriften überliefert die Zahl 227 (σκζ´), für die es verschiedene Erklärungsmöglichkeiten gibt.88 Daneben tauchen in der handschriftlichen Überlieferung eine Reihe weiterer Zahlen zu den Teilnehmern auf. Diese sind entweder Folge von kopialen Verschreibungen der Zahl σκζ´ (κζ´; ρκκ´; σκγ´; κ´), oder sie gehen auf die Zuordnung des Quinisextums zum V. oder VI. Ökumenischen Konzil zurück, indem deren Teilnehmerzahlen (ρξε´ oder ρξδ´; ρο´) in die Überschrift zum Quinisextum eingewandert sind.89 Die griechische Vita Martini bietet die Teilnehmerzahl 240 (σμ´). Diese ist nur in einer einzigen Handschrift überliefert. Es handelt sich (332) dabei um den Codex Hiersolymitanus monasterii τοῦ Σταυροῦ 2,90 aus dem 10. Jahrhundert, dessen Subskriptionsliste selbst allerdings nur 217

λυτρόπως ἑλεῖν μηχανόμενοι φόβῳ, θωπείᾳ, ὑποσχέσεσιν, ἴσχυσαν μὲν οὐδαμῶς, ἀπώσθησαν δὲ καὶ ὡς λίθῳ κύματα προεῤῥάγησαν, γλωσσοτομοῦσιν οἱ ἀσεβεῖς, χεῖρα καὶ πόδας συνεκκόψαντες, καὶ οὕτω τὸν ἀθλητὴν ἠκροτηριασμένoν καὶ τῷ αἵματι καταῤῥαινόμενον, ἔτι ἀνεπιμέλητον ἐπὶ τὴν Λαζικὴν παραπέμπουσι χώραν· τῶν δὲ μαθητῶν θάτερον ἀλλαχόσε ὑπερώρισαν. Τὸν μὲν γὰρ ἕνα, πρεσβύτερον τὴν τάξιν ὄντα, τὰ αὐτὰ τῷ διδασκάλῳ τιμωρησάμενοι, τὸν δ᾿ ἄλλον αἰκίαις βαρυτάταις καταξήναντες, ἀλλήλων ἀνοσιουργῷ γνώμῃ κεκρατημένοι διαζεύγνυσιν. 85 Die Füße wurden bekanntlich nicht amputiert. 86 Uthemann, Synopsis de haeresibus et synodis (s. Anm. 38), 73, datiert „zwischen 687 und 692“. 87 Vgl.: Ohme, Concilium Constantinopolitanum a. 691/2 in Trullo habitum (s. Anm. 18), Einleitung LIII–LVI; 60–61.86. 88 Vgl.: Ohme, Concilium Constantinopolitanum a. 691/2 in Trullo habitum (s. Anm. 18), Einleitung LV. 89 Vgl.: Ohme, Das Concilium Quinisextum und seine Bischofsliste (s. Anm. 18), 324–327. 90 Vgl.: zu dieser Handschrift Ohme, Concilium Constantinopolitanum a. 691/2 in Trullo habitum (s. Anm. 18), Einleitung XXIV.

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Unterschriften enthält. In einem ikonophilen Scholion am Anfang der Subskriptionsliste werden jedoch dem Quinisextum 240 Väter zugewiesen.91 Dieses Scholion zusammen mit weiteren in der handschriftlichen Überlieferung enthaltenen ikonoklastischen und antiikonoklastischen Scholien92 macht deutlich, dass das Quinisextum im 8. Jahrhundert in die Kontroverse zwischen Ikonodulen und Ikonoklasten geraten war. Der Streit spitzte sich auf die Frage zu, ob diese Synode und ihre Beschlüsse an der Autorität des VI. Ökumenischen Konzils Anteil haben und insofern Kanones einer Ökumenischen Synode seien, oder ob es sich bei diesen Beschlüssen eher um kaiserliche Erlasse handele, die durch kaiserliche Autorität im Einzelfall auch korrigiert werden könnten. Argumentiert wurde dabei mit der Teilnehmerzahl und dem zeitlichen Abstand zwischen beiden Synoden.93 Im Hintergrund dieses Streites stand die Geltung von can. 82 des Quinisextums, den die Ikonodulen als zentrales Argument für die Bilderverehrung der anerkannten synodalen Tradition in Feld führten und dessen Autorität von den Ikonoklasten in Frage gestellt wurde.94 Außerhalb der handschriftlichen Tradition des Quinisextums begegnet die Teilnehmerzahl 240 neben der griechischen Vita Martini im Apologeticus minor des Patriarchen Nikephoros I. (806–815),95 ebenfalls im Kontext der Verteidigung der trullanischen Kanones gegen deren Infragestellung. Für Nikephoros sind sie „οἱ τῆς ἁγίας ἕκτης συνόδου“. Der Apologeticus minor wurde ca. 814 geschrieben. Schließlich wird die Zahl 240 auch noch im Synodicon vetus als Teilnehmerzahl des Quinisextums geboten,96 das demgegenüber beim VI. Ökumenischen Konzil gar keine Angaben zur Teilnehmerzahl macht. Meines Erachtens handelt es sich bei dieser Hervorhebung einer großen Teilnehmerzahl auf dem Quinisextum selbst in dem nach 887 entstandenen Synodicon vetus noch um einen Nachklang der Auseinandersetzung um das Quinisextum während des Ikonoklasmus. Es ist jedenfalls deutlich, dass die Zahl 240 keinen Anhaltspunkt an der tatsächlichen Anzahl der Teilnehmer dieser Synode hat. Ihr Ursprung ist vielmehr in der Diskussion über die Autorität des Quinisextums zu suchen, bei der hier (333) offensichtlich von den Verteidigern der Ikonen mit einer das VI. Konzil noch

91 ACO ser. II 2,4 p.13, 6 („Scholion IV“). 92 Vgl.: ACO ser. II 2,4 p.10–14 (Ohme). 93 Vgl.: Ohme, Concilium Constantinopolitanum a. 691/2 in Trullo habitum (s. Anm. 18), Einleitung, LXIII–LXVIII. 94 Ebd., LXXXII. 95 PG 100,845 C–848B. Zu Nikephoros vgl.: PMBZ, Nr. 5301. 96 John Duffy/John Parker (Hgg.), The Synodicon vetus (CFHB Ser. Washingtonensis 15), Washington 1979, Nr. 143,1–3. Vgl.: Ohme, Das Concilium Quinisextum und seine Bischofsliste (s. Anm. 18), 327–329.

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weit übersteigenden „riesigen“ Teilnehmerzahl argumentiert wurde. Diese Diskussion ist aber ausweislich der handschriftlichen Überlieferung ganz im byzantinischen Kontext zu verorten. Es hat noch im 9. Jahrhundert nach der Auskunft von Anastasius Bibliothecarius keine lateinische Übersetzung der Akten des Quinisextums in Rom gegeben.97 Insofern ist diese Zahl ein wichtiges Indiz für eine östliche Provenienz der griechischen Vita Martini. 5. Schließlich entspricht auch die exklusive Hervorhebung von can. 82 aus den 102 Kanones des Quinisextums ganz dieser östlich-byzantinischen Diskussionslage des 8. Jahrhunderts, die auf dem VII. Ökumenischen Konzil Patriarch Tarasios sogar zu einer detaillierten Stellungnahme nötigte98 und can. 82 zum meistzitierten Traditionszeugen der Bilderverehrung auf dem II. Nicaenum machte. Aber auch nach 787 wurde diese Diskussion noch weitergeführt, wie ein bei Theophanes Confessor (†818) auftauchender ikonoklastischer Einschub deutlich macht.99 Es ist eben der can. 82,100 in dem sich erstmals die Argumentation findet, dass das Bild Christi wegen seiner Inkarnation geradezu notwendig sei. Das Quinisextum nahm daran Anstoß, dass „auf manchen Abbildungen der verehrungswürdigen Ikonen“ Johannes der Täufer nach Joh 1,29.36 mit einem Lamm dargestellt wird. In Aufnahme typologischer Exegese des Alten Testamentes wird das Lamm als „Typos“ des Kommenden betrachtet, dem nun die Darstellung des Menschgewordenen als „Gnade und Wahrheit“ und Erfüllung vorzuziehen sei (vgl. Joh 1,17; Hebr 10,1). Insofern trifft der zweite Teil der summarischen Wiedergabe des Kanons in Kap. 14 der Vita Martini ganz die Aussage des Kanons.101 Der erste Teil ist allerdings eine der Situation geschuldete typische Überinterpretation des Kanoninhaltes. Denn aus der Anfangsformulierung von can. 82 „Ἐν τισι τῶν σεπτῶν εἰκόνων […]“ wird die Konsequenz gezogen, dass dieser Kanon am Ende des 7. Jahrhunderts über eine noch unstrittige „Verehrung“ von Ikonen entschieden habe und dafür dann auch noch hohes Alter beansprucht.102 (334) Damit spricht meines Erachtens alles dafür, dass wir für die Entstehung der griechischen Vita Papst Martins eine östliche Provenienz im Zusammenhang

97 Vgl.: Ohme, Concilium Constantinopolitanum a. 691/2 in Trullo habitum (s. Anm. 18), Einleitung LXXXIII–LXXXIV. 98 ACO ser. II 3,2 p.346,17–348,5 (Lamberz). Vgl.: Ohme, Concilium Constantinopolitanum a. 691/2 in Trullo habitum (s. Anm. 18), Einleitung LXIII–LXIV. 99 Theophanes, Chronographia AM 6177 (361,17–362,31 de Boor). Vgl.: Ohme, Concilium Constantinopolitanum a. 691/2 in Trullo habitum (s. Anm. 18), Einleitung LXIV–LXV. 100 S.o. Anm. 48. 101 S.o. Anm. 25. 102 Ebd.

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mit dem Ikonoklasmus anzunehmen haben. Fragt man nun nach einer näheren zeitlichen Einordnung der Vita, so bietet sich dafür die Regierungszeit Leons III. (717–741) nicht an.103 Denn für eine „ikonoklastische“ Politik im eigentlichen Sinn gibt es in diesem Zeitraum keine haltbaren Indizien. Schon gar nicht gibt es eine lehrmäßige Formulierung, die den Begriff „Häresie“ des Schlussgebetes der Vita rechtfertigen könnte. Es hat im Jahre 726 kein kaiserliches Edikt gegen die Bilder gegeben.104 Ebenso hat es unter Leon keine Verfolgung oder Zerstörung oder systematische Entfernung von Bildern gegeben. Es ging vor allem darum, den Gefahren des Missbrauchs der den Bildern entgegengebrachten Proskynese zu begegnen.105 Dieser Zustand sollte sich erst in der Regierungszeit Konstantins V. (741–775) ändern,106 in dessen um 750 verfassten sog. Peuseis man einen ersten Entwurf einer bilderfeindlichen Theologie erblicken kann. Traditionell wird angenommen, dass damit das vom Kaiser im Jahre 754 durchgeführte ikonoklastische Konzil von Hiereia vorbereitet werden sollte.107 Neuerdings wird aber darauf hingewiesen, dass hinter den Peuseis eher die katastrophale Erfahrung der großen Pest von 746/7–749/50 stand. Der Kaiser habe darin eine Strafe Gottes erblickt, die ihn zu einer Verschärfung der Maßnahmen seines Vaters führte. Konstantin hat dann reichsweit öffentliche Versammlungen abhalten lassen, auf denen in der Regel wohl Bischöfe die bilderfeindlichen Thesen proklamierten, wobei es auch zum Streit mit Verteidigern der Bilder kam.108 Erst in diesem Kontext sind auch die drei Λόγοι ἀπολογητικοί109 des Jerusalemer Mönches Johannes von Damaskus († vor 754) „gegen diejenigen, die die heiligen Ikonen verleugnen“ anzusetzen.110 Für unsere Fragestellung ist (335) bemerkenswert,

103 Zur Frage eines „Ikonoklasmus“ unter Leon III. Vgl.: Brubaker/Haldon, Byzantium in the Iconoclast Era (s. Anm. 48), 69–155. 104 Ebd., 119–125. 105 Ebd., 151–155. 106 Ebd., 156–176. 107 So noch: Hans Georg Thümmel, Die Konzilien zur Bilderfrage im 8. und 9. Jahrhundert. Das 7. Ökumenische Konzil in Nikaia 787, Paderborn 2005, 65–68. 108 So: Brubaker/Haldon, Byzantium in the Iconoclast Era (s. Anm. 48), 179–183. 109 Bonifatius Kotter (Hg.), Die Schriften des Johannes von Damaskos, Band 3: Contra imaginum calumniatores orationes tres, (PTS 17), Berlin - New York 1975. 110 Traditionell wurden die Logoi früh nach 726 und 730 datiert. Vgl.: Thümmel, Die Konzilien zur Bilderfrage, (s. Anm. 107), 46 f.54. Es mehren sich jedoch die Stimmen, die im 1. Logos eine Antwort auf die Peuseis und den 2. Logos in Erwartung der bevorstehenden Synode von Hiereia geschrieben sehen und von daher zu einer späteren Datierung gelangen. Vgl.: Paul Speck, Artabasdos, der rechtgläubige Vorkämpfer der göttlichen Lehren (Poikila Byzantina 2), Bonn 1981, 179–243; Ders., Bild und Bilderstreit in Byzanz, in: Michael Brandt/Arne Effenberger (Hg.), Die Macht der Bilder. Katalog, Hildesheim 1998, 56–67; Brubaker/Haldon, Byzantium in the Iconoclast Era (s. Anm. 48), 120.183–187.

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dass Johannes von Damaskus in seinem zweiten Logos und dann auch im dritten unter den am Ende aufgeführten Chrēseis für die Ikonenverehrung eine Passage aus der Disputatio Bizyae cum Theodosio (CPG 7735) des Maximus aufgenommen hat.111 Es handelt sich um jene Passage am Ende des ersten Gespräches in Bizye am 24. August 656, bei dem es zu einer Einigung mit Bischof Theodosios von Kaisareia gekommen war und daraufhin alle zu einem Dankgebet niederknieten und zur Bestätigung des Gesagten das Evangelium, das Kreuz, eine Christus- und eine Marienikone küssten und mit den Händen berührten.112 Diese Textpassage ist in der Tat um ein wichtiges Zeugnis für eine in der Mitte des 7. Jahrhunderts praktizierte Proskynese von Ikonen.113 Das VII. Ökumenische Konzil hat dann dieses Testimonium in seinen Traditionsbeweis mit aufgenommen und zur Feststellung der Authentizität des Textes aus verschiedenen βίβλοι zweimal verlesen lassen.114 Der can. 82 des Quinisextums wurde unmittelbar danach verlesen! Das bedeutet, dass am Ende der vierziger Jahre des 8. Jahrhunderts in Jerusalem ein Grundtext aus dem Dossier der Dokumente115 über die Passio des Maximus so gut bekannt war, dass eine für dessen Passio eigentlich nebensächliche Stelle dem aktuellem Anlass des Bilderstreites unmittelbar dienstbar gemacht werden konnte. In Imag. II 65 wird Maximus merkwürdigerweise in der Überschrift ohne weitere hagiographische Titulatur einfach als „φιλόσοφος καὶ ὁμολογητῆς“ bezeichnet, während er in Imag. III 131 in der Überschrift als ἄββας bezeichnet wird, das Zitat dann aber eingeführt wird mit der Wendung: „Ὁ ὅσιος Μάξιμος εἶπεν“. Vielleicht mag es als gewagt erscheinen, zwischen der zweiten und der dritten Fassung der Logoi des Damaszeners einen Impuls für eine Forcierung der Heiligenverehrung des Maximus anzunehmen. Immerhin aber steht der dritte Logos des Johannes unter dem Verdacht, eine spätere Kompilation zu sein.116 Ausweislich der von Bram Roosen analysierten117 hagiographischen Überlieferung der Vitae und Passiones des Maximus Confessor hatte dessen Verehrung zu dieser Zeit immer noch keine offizielle Anerkennung in der Kirche des Byzan-

111 Iohannes Damasc., Imag. II 65 (164 Kotter III); Imag. III 131 (196 Kotter III). 112 Disputatio Bizyae 462–467 (CCSG 39,117 Allen/Neil); ebd., 648–651 (CCSG 39,133 Allen/ Neil). 113 Für die Annahme einer Interpolation dieser Stellen wie Wolfram Brandes vermutete (Ders., Anmerkungen [s. Anm. 7], 176 mit Anm. 43) besteht meines Erachtens kein Anlass. 114 ACO ser. II 3,2 p.340,9–342,19 (Lamberz). 115 Vgl.: Allen/Neil, Scripta Saeculi VII (s. Anm. 8), Introduction, XIV–XXIII. 116 Vgl.: Paul Speck, Wunderheilige und Bilder, in: Ders., Varia III (Poikila Byzantina 11) Bonn 1991, 163–247.195; Brubaker/Haldon, Byzantium in the Iconoclast Era (s. Anm. 48), 120 Anm. 170. 117 S.o. Anm. 10.

2 Neue Beobachtungen zur östlichen palästinischen Provenienz

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tinischen Reiches erlangt. Sie wird sich wohl auf die Kreise des sabbaitischen Mönchtums118 beschränkt haben. Die Abfassung einer konzisen Passio aber war für eine weitere Verbreitung des Maximus-Kultes eine wesentliche Voraussetzung. Der nur auf den ersten Blick überraschende Abschluss der griechischen Vita Papst Martins mit dem Quinisextum und dessen can. 82 sowie einem Verweis auf eine καὶ νῦν herrschende „Häresie“ und die Benutzung eines Zitates aus der Disputatio Bizyae durch Johannes von Damaskus legen meines Erachtens den Schluss nahe, dass das Aufkommen einer lehrmäßig abgesicherten ikonoklastischen Religionspolitik im Byzantinischen Reich ab ca. 750 und deren Erhebung zum Reichsdogma ab 754119 einen Aktualisierungsschub für die Märtyrerverehrung der beiden Hauptprotagonisten des monenergetischmonotheletischen Streites, Maximus Confessor und Papst Martin I., zur Folge gehabt hat. Deren Autorität als immer noch nur lokal verehrte Märtyrer der Orthodoxie sollte nun auch gegen die καὶ νῦν aufkommende Häresie ins Feld geführt werden. Angesichts der von Pietro Conte entfalteten und hier weitergeführten Beobachtungen spricht meines Erachtens alles dafür, dass dies in Palästina/Jerusalem erfolgt ist.

118 Zu dessen Bedeutung in diesem Zusammenhang vgl. Christian Boudignon, Le pouvoir de lʼanathème ou Maxime le Confesseur et les moines palestiniens du VIIe siècle, in: Alberto Camplani/Giovanni Filoramo (Hgg.), Foundations of Power and Conflict of Authority in Late Antique Monasticism (OLA 157), Leuven 2007, 245–274. 119 Vgl: Die ikonoklastische Synode von Hiereia 754. Einleitung, Text, Übersetzung und Kommentar ihres Horos, besorgt von Torsten Krannich/Christoph Schubert/Claudia Sode (STAC 15), Tübingen 2000.

13 Der lange Widerstand gegen eine offizielle Heiligenverehrung des Maximos Homologetes († 662) im Byzantinischen Reich Abstract: This article addresses the question as to why Maximus the Confessor was first recognized as an official martyr and saint in the imperial Byzantine Church only in the tenth century, although his theology had been accepted by the Sixth Ecumenical Council and his followers began to practice and propagate his cult shortly after his death in 662. The argument begins with a brief description of Maximus’ early veneration and then examines the Sixth Ecumenical Council’s failure to rehabilitate him by detailing the reasons why this was impossible in 681 and also thereafter. Clearly, in the seventh and eighth centuries the cult of Maximus had its centre outside the empire in parts of Palestinian monasticism. During the iconoclastic era, as in the seventh century, Maximus’ name stood once again for opposition to imperial religious policy, for he was held up by those venerating icons as the witness of Tradition to their use. Although during this time iconophile monastic circles in the capital probably fostered his cult as well, his veneration continued to find no official recognition in the ninth century because of on-going division within the church of Constantinople. Only after a great distance in time to the events of the seventh century could official recognition in Byzantium come to Maximus, since the conflicts of that earlier era were no longer relevant. In this context, the ‘Holy Confessor Maximus’ underwent a process of acceptance by the Byzantines who anchored his biography in Constantinople. As a result, the actual circumstances of the monothelete controversy have ultimately been obscured. Im Jahre 662 wurde Maximos Homologetes (579/80‒662)1 mit seinen beiden Schülern Anastasios Monachos († 662)2 und Anastasios Apokrisiarios († 666)3 in Konstantinopel als Abschluss eines Hochverratsprozesses wegen „Blasphemie und

1 Prosopographie der mittelbyzantinischen Zeit. Erste Abteilung 641–867. Nach Vorarbeiten Friedhelm Winkelmanns erstellt von Ralph-Johannes Lilie, Claudia Ludwig, Thomas Pratsch, Ilse Rochow, Bd. 1–6, Berlin 1999–2002, Nr. 4921. 2 PMBZ, Nr. 237. 3 PMBZ, Nr. 238. Anmerkung: Zuerst publiziert in: ByZ 109 (2016), 109–150. https://doi.org/10.1515/9783110714531-013

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13 Der Widerstand gegen die Heiligenverehrung des Maximos

Hochverrat“4 zu öffentlicher Auspeitschung, Amputation der Zunge und der rechten Hand5 sowie endgültiger Exilierung verurteilt, nachdem eine Synode sie zuvor anathematisiert hatte. In einem ersten Verfahren am 16. und 23./24. Mai 655 gegen Maximos und Anastasios Monachos waren beide in die Verbannung geschickt worden, wo sie getrennt voneinander ca. sieben Jahre an verschiedenen Orten Thrakiens lebten. Anastasios Apokrisiarios war bereits als römischer Apokrisiar im Jahr 648 wegen seiner Weigerung, den gerade erlassenen kaiserlichen Typos6 anzuerkennen, verurteilt und nach Trapezunt in die Verbannung geschickt worden. Die Gründe für dieses radikale Vorgehen gegen den palästinischen Mönch7 (111) und „greatest of Byzantine theologians“8 sowie seine Schüler erklären sich nicht allein

4 Βλασφημιῶν ἕνεκα καὶ τυρρανίδων: Pauline Allen/Bronwen Neil (Hgg.), Scripta saeculi VII vitam Maximi Confessoris illustrantia, una cum latina interpretatione Anastasii Bibliothecarii iuxta posita (CCSG 39), Turnhout/Leuven 1999, 149,825. 5 Es handelt sich hierbei um die im römischen Recht üblichen Spiegelstrafen: Vgl.: Spiros N. Troianos, Ταυτοπάθεια, spiegelnde Strafen und Nasenabschneiden, in: Rainer Kiesow, Regina Ogorek, Spiros Simitis (Hgg.), Summa. FS Dieter Simon zum 70. Geb., Frankfurt/M. 2005, 569‒578. 6 Dieses Gesetz untersagte im Sinne eines Moratoriums jeden weiteren öffentlichen Streit über die Anzahl der Willen in der Person Jesu. Zum Typos vgl.: Friedhelm Winkelmann, Der monenergetisch-monotheletische Streit (BBySt 6), Frankfurt/M. 2001, Nr. 106; zu seiner kirchenpolitischen und theologischen Bedeutung vgl.: Heinz Ohme, Oikonomia im monenergetischmonotheletischen Streit, in: ZAC 12 (2008), (308–343) 316–321. Durch den Typos war explizit ein älteres kaiserliches Gesetz, die von Kaiser Herakleios (610–641) im Jahre 638 (?) erlassene Ekthesis, aufgehoben worden, die die monotheletische Lehre vertreten hatte. Auch diese durfte seit 648 nicht mehr öffentlich vertreten werden. Zur Ekthesis vgl.: Winkelmann, a.a.O., Nr. 50; Ohme, Oikonomia, a.a.O., 335–336.314–316. Phil Booth, Crisis of Empire: Doctrine and Dissent at the End of Late Antiquity, Berkeley u. a. 2013, 239–241, hat unter Berufung auf Marek Jankowiak, Essai d’histoire politique du monothélisme, Diss. Paris-Warschau 2009 [ungedr.], 146–149, die Ekthesis meines Erachtens zutreffend auf 636 datiert. 7 Die gegenüber der syrischen Vita Maximi des 7. Jahrhunderts (Sebastian Brock, An Early Syriac Life of Maximus the Confessor, in: AnBoll 91 [1973], 299–346 = Ders., Syriac Perspectives on Late Antiquity, London, 1984, Nr. XII) erstmals in der griechischen Vita Maximi des 10. Jahrhunderts (BHG 1234) begegnende konstantinopolitanische Herkunft, Jugend und Bildung des Maximos ist nach den neuesten Forschungen endgültig nicht mehr haltbar. Vgl.: Christian Boudignon, Maxime le Confesseur était-il Constantinopolitain?, in: Jacques Noret, Bart Janssens, Bram Roosen, Peter van Deun (Hgg.), Philomathestatos. Studies in Greek and Byzantine Texts Presented to Jacques Noret for his 65th Birthday (OLA 137), Leuven 2004, 11–43; Bram Roosen, Maximi Confessoris Vitae et Passiones Graecae: The Development of a Hagiographic Dossier, in: Byz 80 (2010) 408–460; Marek Jankowiak/Phil Booth, A New Date-List of the Works of Maximus the Confessor, in: Pauline Allen/Bronwen Neil (Hgg.), The Oxford Handbook of Maximus the Confessor, Oxford 2015, (19–83) 19–21. 8 So: Andrew Louth, Maximus the Confessor, London 1996, Klappentext. Zu Maximos jetzt umfassend: Allen/Neil Handbook (s. Anm. 7).

13 Der Widerstand gegen die Heiligenverehrung des Maximos

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aus dem anhaltenden theologischen Widerstand gegen die von den Kaisern Herakleios (610–641)9 und Konstans II. (641–668)10 geförderte sog. monenergetisch-monotheletische Religionspolitik.11 Vielmehr müssen die in diesem Zusammenhang betriebenen politischen und kirchenpolitischen Machenschaften12 des um Maximos versammelten und „international“ agierenden palästinischen Mönchskollektivs13 in Rechnung gestellt werden.14 Angesichts der kirchenpolitischen Kehrtwende unter Konstantin IV. (668–685)15 und der Rezeption zentraler Theologumena des maximianischen Dyotheletismus durch das VI. Ökumenische Konzil (680/81) war man früher mit Selbstverständlichkeit davon ausgegangen, dass diese theologische Anerkennung mit einer persönlichen Rehabilitierung des Maximos einhergegangen sei und die griechische Vita Maximi (BHG 1234)16 deshalb im Umfeld des III. Constantinopolitanums anzusiedeln sei.17 Von einer Rehabilitierung des Maximos und seiner Schüler im Jahr 680/81 kann allerdings keine Rede sein. Vielmehr ist festzustellen, dass der Name Maximos in den gesamten Konzilsakten nicht ein einziges Mal erwähnt wird. Ausgehend von dieser (112) Beobachtung hat Wolfgang Lackner bereits 1967 nachgewiesen,18 dass die griechische Vita Maximi (BHG 1234) mit ihren Details zur angeblichen konstantinopolitanischen Herkunft des Maximos, die das Maximosbild bis in die Gegenwart bestimmt haben, erst im 10. Jahrhundert ihre endgültige Gestalt gewonnen hat. Der Herausgeber der noch ausstehende Edi-

9 Walter E. Kaegi, Heraclius. Emperor of Byzantium, Cambridge 2003. 10 PMBZ Nr. 3691. 11 Vgl.: Winkelmann, Streit (s. Anm. 6); zum Monenergismus: Christian Lange, Mia Energeia. Untersuchungen zur Einigungspolitik des Kaisers Heraclius und des Patriarchen Sergius von Constantinopel (STAC 66), Tübingen 2012. 12 Wolfram Brandes, „Juristische“ Krisenbewältigung im 7. Jahrhundert? Die Prozesse gegen Papst Martin I. und Maximos Homologetes, in: FBRG.FM 10 (1998), 141–212; Ders., Konstantin der Große in den monotheletischen Streitigkeiten des 7. Jahrhunderts, in: Eleonora KountouraGalake (Hg.), The Dark Centuries of Byzantium (7th‒9th. c.), Athen 2001, 89‒107. 13 Vgl.: Christian Boudignon, Le pouvoir de lʼanathème ou Maxime le Confesseur et les moines palestiniens du VIIe siècle, in: Alberto Camplani/Giovanni Filoramo (Hgg.), Foundations of Power and Conflict of Authority in Late Antique Monasticism (OLA 157), Leuven 2007, 245–274. 14 Zu diesen Aktionen im Detail s. u. S. 468–471. 15 PMBZ, Nr. 3702. 16 PG 90, 68‒109. 17 So: Robert Devreesse, La vie de Maxime le confesseur et ses recensions, in: AnBoll 46 (1928), (5‒49) 44; genauso noch: Hans-Georg Beck, Kirche und theologische Literatur im byzantinischen Reich, München (1959) 21977, 463: „Die Biographie des Maximos dürfte um 680 entstanden sein, also etwas zur Zeit der Synode, welche die Streitigkeiten fürs erste beendete, die Maximos das Leben gekostet hatten.“ 18 Wolfgang Lackner, Zu Quellen und Datierung der Maximosvita (BHG3 1234), in: AnBoll 85 (1967), 285–316.287.

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13 Der Widerstand gegen die Heiligenverehrung des Maximos

tion der verschiedenen hagiographischen Varianten einer Passio oder/und Vita Maximi in Menologien, Synaxarien u. a. m., Bram Roosen, hat im Jahre 2010 eine umfassende Untersuchung zu den literarischen Abhängigkeiten dieser seitdem vieldiskutierten Quellen vorgelegt.19 Zeitlich am Ende steht die Passio des Menologium Imperiale A (BHG 1235) aus dem 11. Jahrhundert mit dem Eintrag am 13. August.20 Diese Passio ist abhängig von der Passio des Synaxarium Constantinopolitanum, das Hippolyte Delehaye in der späteren Version des 12. Jahrhunderts ediert hat.21 Beim Synaxarium handelt sich in der Erstgestalt um eine Auftragsarbeit Kaiser Konstantins VII. Porphyrogennetos (913/945–959). Das von Juan Mateos edierte Typikon der Hagia Sophia hat den Eintrag ebenfalls am 13. August.22 Die griechische Vita Maximi (BHG 1234) mit ihren drei Rezensionen23, gehört mit der ältesten Fassung des 10. Jahrhunderts nach Konstantinopel.24 Diese vier Quellen bezeugen, (113) dass im 10. Jahrhundert der Maximoskult auch in Konstantinopel offiziell fest installiert gewesen ist.25

19 Roosen, Vitae et Passiones (s. Anm. 7). Zum Forschungsstand bis 1998 vgl.: Wolfram Brandes, Anmerkungen zu den Quellen zur Biographie des Maximos Homologetes, in: PMBZ. Prolegomena, Berlin/New York 1998, 171–179. 20 CPG 7707.4; Βίος καὶ μαρτύριον τοῦ ὁσίου πατρὸς ἡμῶν Μαξίμου τοῦ ὁμολογητοῦ: Βasilius Latyšev, Menologii anonymi Byzantini saeculi X quae supersunt, Fasc. alter, (Petropoli 1912) ND Leipzig 1970, 273–276. Die Passio endet mit einer Invocatio Maximi: a.a.O., 276,8‒15. Roosen, Vitae et Passiones (s. Anm. 7), 411‒413. Dieses Menologium ist Kaiser Michael IV. Paphlagon (1034‒1041) gewidmet, gehört also an den Anfang des 11. Jahrhunderts., und ist „the last example of systematic hagiographical production during the Byzantine era“: Roosen, Vitae et Passiones (s. Anm. 7) 412. 21 Ἄθλησις τοῦ ὁσίου πατρὸς ἡμῶν Μαξίμου τοῦ ὁμολογητοῦ. Hippolyte Delehaye (Hg.), Synaxarium Ecclesiae Constantinopolitanae e codice Sirmondiano (Propylaeum ad Acta Sanctorum Novembris), Brüssel (1902) 1971, 409,2‒410,17; 887,2‒890,6. Roosen, Vitae et Passiones (s. Anm. 7), 414‒417. Der Synaxareintrag erfolgt am 13. August, erst in der späteren Fassung des sog. Synaxarium Sirmondianum tritt erstmals der 21. Januar als Gedenktag des Maximos hinzu. 22 Juan Mateos, Le Typicon de la Grande Église (OCA 165), Rom 1962, 368‒369. Allerdings fehlt in der von Mateos edierten Handschrift das folio mit dem Text der Passio. Es ist derselbe Codex Hierosolymitanus Sanctae Crucis 40 (s. X‒XI), aus dem Delehaye das Synaxarium edierte. 23 Zu den drei „Rezensionen“ dieser Vita vgl.: Bronwen Neil/Pauline Allen (Hgg.), The Life of Maximus the Confessor. Recension 3 (Early Christian Studies 6), Brisbane 2003. 24 Βίος καὶ πολιτεία καὶ ἄθλησις τοῦ ὁσίου πατρὸς ἡμῶν Μαξίμου τοῦ ὁμολογητοῦ (mit Varianten!). Rec. II: PG 90, 68A1–109B9; Rec. III: Neil/Allen, The Life (s. Anm. 23); Roosen, Vitae et Passiones (s. Anm. 7), 435–439 steht der seit Devreesse gängigen Einteilung der handschriftlichen Tradition in drei „Rezensionen“ allerdings kritisch gegenüber. Zur Lokalisierung in Konstantinopel: Roosen, Vitae et Passiones (s. Anm. 7), 450–451. Die Vita endet ebenfalls mit einer Invocatio Maximi. 25 Auf dieser Grundlage basiert der Eintrag des Maximos als Confessor und Heiliger im orthodoxen und römisch-katholischen Heiligenkalender. Festtage sind der 13.8. (röm.-kath. und orth.) und 21.1. (orth.). Zum orthodoxen Gedenktag s.u. S. 496f. mit Anm. 233–234.

1 Der Beginn des Märtyrerkultes bei den Schülern

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Wie aber ist der Weg einer Rehabilitierung des Maximos bis zu seiner reichskirchlichen Anerkennung als Märtyrer mit der Folge eines entsprechenden Kultes in den bald 300 Jahren dazwischen verlaufen? Welche Hindernisse stellten sich dem entgegen? Warum hat sich der unmittelbar nach dem Tode des Maximos und Anastasios Monachos unter ihren Anhängern einsetzende Märtyrer- und Heiligenkult offensichtlich nach 681 nicht schnell im Byzantinischen Reich durchsetzen können? Der Beantwortung dieser Fragen ist die nachfolgende Untersuchung gewidmet. Dazu wird zuerst der von den Maximianern umfangreich propagierte und umgehend bereits nach 662 praktizierte Maximoskult dargestellt (1.). Ein zweites Kapitel fragt nach den Gründen, warum es im Byzantinischen Reich nach 681 nicht zu einer schnellen kultischen Verehrung eines Märtyrers Maximos gekommen ist (2.). Kapitel 3 schildert die Hindernisse, die in der Epoche des Bilderstreites zusätzlich einer offiziellen Rehabilitierung des „Confessors“ entgegenstanden. Im letzten Kapitel werden die Entwicklungen geschildert, die im 10. Jahrhundert eine „modifizierte“ byzantinische „Nostrifizierung“ des Maximos ermöglichten.

1 Der Beginn des Märtyrerkultes von Papst Martin I. und Maximos bei deren Schülern und Anhängern Die drei im Jahre 662 Verurteilten erreichten verstümmelt das Exil in Lazikē/Kaukasus am 8. Juni 662, wo sie auf verschiedene byzantinische Festungen verteilt wurden. Anastasios Monachos starb an den Folgen der Verstümmelung am 22./ 24. Juli 662, Maximos am 13. August 662. Allein Anastasios Apokrisiarios überlebte beide um mehr als vier Jahre bis zum 11. Oktober 666. Papst Martin I. (649–653; †655)26, der Konzilspapst der Lateransynode von 649, war bereits am 17. September 653 in Rom gefangengenommen worden und am 19. Dezember 653 in (114) Konstantinopel wegen Hochverrats zum Tode verurteilt worden. Begnadigt und nach Cherson/Krim verbannt starb er dort am 16. September 655. Anastasios Apokrisiarios hat in seinem letzten Lebensjahr zwischen dem 1. September 665 und dem 11. Oktober 666 einen Brief27 an den aus Gangra stammenden Mönchspriester Theodosios geschrieben, der wie sein Bruder, der Mönch Theodoros, zu der Vereinigung der Σπουδαῖοι der Jerusalemer Anastasis-Kirche ge-

26 PMBZ, Nr. 4851. 27 Epistula Anastasii Apocrisarii ad Theodosium Gangrensem (CPG 7733) (CCSG 39, 173–189 Allen/Neil). Zum Brief: Allen/ Neil, Scripta saeculi VII (s. Anm. 4), Introduction XX‒XXII; Dies., Maximus the Confessor and his Companions. Documents from Exile, Oxford 2002, 40‒41; Winkelmann, Streit (s. Anm. 6), Nr. 151.

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13 Der Widerstand gegen die Heiligenverehrung des Maximos

hörte.28 Beide Brüder gehörten auch zum engsten Zirkel um Maximos. Das griechische Original des Briefes wurde erst 1955 von Robert Devreesse ediert;29 einige Teile des Schreibens sind nur in der lateinischen Übersetzung des Anastasius Bibliothecarius erhalten. Der Verfasser macht eingangs klar, dass er der Aufforderung von Prov 10,7LXX: „Das Gedächtnis der Gerechten geschehe in Lobreden“ (Μνήμη δικαίων μετ᾿ ἐγκωμίων) auch „in enkomiastischer Rede“30 Folge leisten will. Wir haben es also mit einer enkomiastischen Darstellung zu tun, mit der der schwerverletzte, seinem Tod entgegengehende Autor der Mnēme der verstorbenen „Gerechten“ dienen will. Nach der Beschreibung der Ankunft der Gruppe der Verurteilten in Lazikē schildert der Brief zuerst das weitere Schicksal des Christi Dei martyr31 Maximos. Dieser sei vor seinem Tode einer divina visio gewürdigt worden, in der ihm sein Todestag32 offenbart worden sei, was er auch anderen an seinem Verbannungsort, der Festung Σχήμαρις, mitgeteilt habe. „In Übereinstimmung mit seiner Weissagung“ (secundum diuinum eius uaticinium) sei er dann an diesem Tage verstorben. Hinzugekommen sei noch ein aliud miraculum, das sich dann divinitus am Grabe des Maximos ereignet habe und von vielen usque in praesens beobachtet und weitergesagt werde und sogar die Aufmerksamkeit führender (115) Kreise gefunden habe: „Drei Lichter erleuchten an einzelnen Nächten das heilige Grab jenes heiligen Märtyrers Maximos.“33 Dies sei „würdig, euch Heiligen und durch euch allen, die dort heilig sind, in Briefen mitgeteilt zu werden“. Denn dies geschehe „zum Ruhm und Lobe Gottes, der in seinen Heiligen Wunder wirkt und das Gedächtnis

28 Zu den beiden Spoudaioi vgl.: PMBZ, Nr. 7816; 7439. Die Vereinigung der Spoudaioi hatte neben Jerusalem auch eine Niederlassung in Konstantinopel; mit den zuletzt von Jacques Noret vorgetragenen Argumenten (Ders., À qui était destinée la lettre BHG 1233d d’Anastase ľApocrisiaire?, in: AnBoll 118 [2000], 37–42) spricht alles dafür, den Adressaten in Jerusalem zu lokalisieren. Zur Vereinigung der Spoudaioi vgl.: Sophrone Pétridès, Le monastère des Spoudaei à Jérusalem et les Spoudaei de Constantinople, in: EOr 4 (1900/1901) 225‒231; 7 (1904) 341‒348. 29 Robert Devreesse, La lettre d’Anastase lʼApocrisiaire sur la mort de S. Maxime le Confesseur et ses compagnons dʼexil. Texte grec ińedit, in: Analecta Bollandiana 73 (1955), 5‒16. 30 Anastasius Apocr., Epistula ad Theodosium Gangr. (CCSG 39, 175,13 Allen/Neil): ἐγκωμιάσαι. 31 Anastasius Apocr., Epistula ad Theodosium Gangr. (CCSG 39, 176,83 Allen/Neil). 32 Der Brief macht die Angabe: Tertio decimo die Augusti mensis huius instantis quintae indictionis, feria septima (Anastasius Apocr., Epistula ad Theodosium Gangr. [CCSG 39, 176,86–88 Allen/Neil]): = 13. August 662. 33 Anastasius Apocr., Epistula ad Theodosium Gangr. (CCSG 39, 178,101‒102 Allen/Neil): Tres lampades luciferae per singulares noctes sanctum sancti illius martyris Maximi monumentum illustrant.

1 Der Beginn des Märtyrerkultes bei den Schülern

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derer verherrlicht, die ihn rechtgläubig und aufrichtig verherrlichen (1Kö 2,30LXX).“34 Indem anschließend noch Ps 67,36LXX zitiert wird („Wunderbar ist Gott in seinen Heiligen“35), sind damit drei im Kontext der Heiligenverehrung vielzitierte Schriftstellen aufgerufen worden. Nachdem Anastasios sodann sein eigenes Schicksal schildert, kommt er auf Papst Martin I. (649–653; †655) und die Lateransynode von 649 zu sprechen, die „auf heilige Anordnung dieses heiligen Märtyrers und apostolischen und an der Spitze stehenden Papstes Martin im Alten Rom versammelt worden war.“36 Er sieht sich, Martin und Maximos als Opfer einer Verfolgung, die „uns und Gott“ ungerechterweise gelte37 und die einzuordnen sei in jene Verfolgungen, Exile und Leiden, die den „heiligen Propheten, Aposteln und Lehrern“ seit Beginn der Verkündigung zuteilwurde.38 Bei dem sog. Hypomnesticum Theodori Spudaei (CPG 7968)39 handelt es sich um eine Denkschrift über das Schicksal aller nach den Prozessen von 653, 655 und 662 Verbannten, zu denen außer den bisher Genannten auch noch die beiden Schüler des Anastasios Apokrisiarios, Theodoros und Euprepios,40 gehören. Der Text wurde nach dem Eintreffen der Epistula Anastasii Apocrisarii ad Theodosium Gangrensem bei Theodosios Spudaios von (116) diesem und seinem Bruder Theodoros Spudaios verfasst.41 Der Letztere war Augenzeuge der

34 Anastasius Apocr., Epistula ad Theodosium Gangr. (CCSG 39, 176,96‒178,100 Allen/Neil): Dignum est et uobis quoque sanctissimis er per uos omnibus qui ibidem sunt sancti, per litteras fieri manifestum, in gloriam et laudem Dei qui facit mirabilia in sanctis suis et glorificat memoriam eorum qui se orthodoxe ac sincere glorificant. 35 So wird ἐν τοῖς ἁγίοις hier verstanden. 36 Anastasius Apocr., Epistula ad Theodosium Gangr.: […] τῆς κατὰ πρόσταξιν ἱερὰν τοῦ ἁγίου μάρτυρος καὶ ἀποστολικοῦ κορυφαίου πάπα Μαρτίνου ἐν τῇ πρεσβυτέρᾳ Ῥώμῃ ἀθροισθείσης (CCSG 39, 185,64‒66 Allen/Neil). Zu Papst Martin I. vgl.: PMBZ, Nr. 4851. 37 Anastasius Apocr., Epistula ad Theodosium Gangr. (CCSG 39, 185,70 Allen/Neil): […] οἱ τὸν Θεὸν καὶ ἡμᾶς ἀδίκως ἐκδιώκοντες. 38 Anastasius Apocr., Epistula ad Theodosium Gangr. (CCSG 39, 187,82‒86 Allen/Neil). Der Brief enthält am Ende ein Scholion, das Theodosios von Gangra zugeordnet wird. Dort heißt es, dass „unser heiliger Vater und Märtyrer Anastasios“ an Sonntag, dem 11. Oktober 666 in dem Augenblick verstarb, als bei der Liturgie der Ruf „Das Heilige den Heiligen!“ erklang (a.a. O., 189 App.). Es handelt sich um jenen Ruf, der in der orthodoxen Liturgie vor Beginn der Kommunion die Anaphora abschließt. 39 Theodorus Spudaeus, Hypomnesticum (CCSG 39, 191‒227 Allen/Neil). 40 Zu beiden vgl.: PMBZ, Nr. 1721.7301. 41 Sie geben sich im Text selbst als Autoren zu erkennen: Theodorus Spudaeus, Hypomnesticum (CCSG 39, 217,290–292 Allen/Neil). Zum Text vgl.: Allen/Neil, Scripta saeculi VII (s. Anm. 4), Introduction XX–XXII; Dies., Documents (s. Anm. 27), 41‒42; Winkelmann, Streit (s. Anm. 6), Nr. 154.

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Ankunft des gefangengenommenen Papstes Martin I. in Konstantinopel und dessen Briefpartner während seines Exils in Cherson. Nach dessen Tod war er 655/6 zur Verehrung des päpstlichen Grabes nach Cherson gereist, um dann das Schicksal Martins in den Narrationes de exilio Sancti papae Martini42 zu schildern. Im Jahre 668 reiste er mit seinem Bruder nach Lazikē, um danach diese Denkschrift zu verfassen. Der Text hat eine Überschrift, die den Eindruck erweckt, dass es sich um „a liturgical rubric“ handelt.43 Die Autoren wenden sich eingangs an diejenigen, die „die Kopie (τοῖς ἴσοις) des beigefügten heiligen Briefes des Heiligen (sc. Anastasios Apokrisiarios)“ gelesen haben.44 Die Epistula ad Theodosium Gangrensem ist also kopiert und dem Hypomnesticum beigefügt worden. Der inzwischen verstorbene Anastasios wird jetzt als „unser heiliger Vater und Lehrer“ und „wahrhaft großer neuer Bekenner und Märtyrer der Wahrheit“ bezeichnet.45 Seine Heiligkeit wird hauptsächlich durch die Tatsache erwiesen, dass die Epistula ad Theodosium Gangrensem „von eigener Hand“ (ἐξ αὐτῆς τῆς ἰδιογράφου αὐτοῦ [sc. ἐπιστολῆς]) geschrieben wurde, obwohl ihm diese doch amputiert worden war. Dies sei ein „θαῦμα παράδοξον“ und bedeute, dass dieser Brief „durch den Finger Gottes geschrieben“ sei (δακτύλῳ θεοῦ γραφείσης).46 Tatsächlich hatte sich Anastasios eine aus dünnen Hölzern bestehende Prothese an seinen Armstumpf gebunden, um so schreiben zu können. Dafür werden hochstehende „Augenzeugen“ namentlich benannt, die dies den Reisenden berichtet hätten.47 Damit nicht genug habe Anastasios noch weitere Schriften hinterlassen, von denen man „mit seiner (117) Erlaubnis (sc. des Anastasios!) auch Teile durch die Gnade Gottes zum Erbe“

42 BHL 5593/4: Bronwen Neil, Seventh-Century Popes and Martyrs. The Political Hagiography of Anastasius Bibliothecarius (Studia Antiqua Australiensia II), Turnhout 2006, 95‒103.166‒233; eingefügt darin ist die Commemoratio eorum quae saeuiter et sine Dei respectu acta sunt a veritatis adversarii in sanctum et apostolicum nouum reuera confessorem et martyrem Martinum papam Romae per epistulam cuiusdam Christianissimi directam his qui sunt in Occidente seu Romae et Africa orthodoxis patribus: ebd., 182‒220; vgl.: Winkelmann (s. Anm. 6), Nr. 138. 43 Allen/Neil, Documents (s. Anm. 27), 188 Anm. 1. Die Überschrift lautet: Ἱστορία σύντομος. Τὰ κατὰ τὸν μακάριον Μαρτῖνον γεγονότα πάπαν Ῥώμης καὶ τὸν ὅσιον Μάξιμον καὶ τῶν σὺν αὐτῷ· (Theodorus Spudaeus, Hypomnesticum [CCSG 39, 197,1–5 Allen/Neil]). 44 Theodorus Spudaeus, Hypomnesticum (CCSG 39, 199,37 Allen/Neil). 45 Theodorus Spudaeus, Hypomnesticum (CCSG 39, 199,42‒46 Allen/Neil): […] τοῦ ἁγίου πατρὸς ἡμῶν καὶ διδασκάλου κυρίου ἀββᾶ Ἀναστασίου […] μεγάλου νέου ὄντως ὁμολογητοῦ καὶ μάρτυρος τῆς ἀληθείας. 46 Theodorus Spudaeus, Hypomnesticum (CCSG 39, 199,40‒42 Allen/Neil). 47 Theodorus Spudaeus, Hypomnesticum (CCSG 39, 201,75‒82 Allen/Neil). Genannt werden Lebarnikios, Patrikios von Lazikē, und Theodoros, Protasekretis des Prätorianerpräfekten von Konstantinopel (PMBZ, Nr. 4236.7311).

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an sich nehmen konnte.48 Dies alles sei „durch die Vorsehung und Mitwirkung Gottes (προνοίᾳ καὶ συνεργείᾳ) geschehen, der „große Wunder in seinen Heiligen wirkt“ und „die verherrlicht, die ihn verherrlichen“ (Ps 135,4LXX; 67,36LXX; 1Kön 2,30LXX).49 Die Verfasser scheuen sich nicht, die schon zuvor gezogene Analogie zur Beschriftung der Gesetzestafeln des Dekaloges nun nochmals explizit zu formulieren: diese Schriften seien geschrieben „mit dem Finger Gottes wie beim großen Mose.“50 Das Hypomnesticum berichtet sodann vom Schicksal der beiden Brüder Theodoros und Euprepios, die mit Papst Martin nach Cherson verbannt worden waren. Als die beiden Spudaioi nach Cherson gereist waren, um dort das Grab des bereits verstorbenen Euprepios und „des wahrhaft ökumenischen Papstes und Großmärtyrers Martin (μεγάλου μάρτυρος) zu verehren (εἰς ἐπίσκεψιν καὶ προσκύνησιν)“, habe ihnen Theodoros „sehr viele Arbeiten der Heiligen“ (πλεῖστα πονήματα τῶν ἁγίων) gezeigt.51 Am Grabe Martins seien „sehr viele Wunder“ geschehen, und Theodoros habe ihnen schließlich „ein Stück des Halstuches, das für sie vom Heiligen zurückgelassen worden war“, sowie einen seiner Schuhe, „die niemand anderes als der heilige römische Papst trägt“, gegeben.52 Der Leidensweg des Papstes nach seiner Gefangennahme wird mit den Worten eingeleitet: „Er lieferte sich selbst aus und begehrte und ersehnte das Martyrium für Christus ganz und gar.“53 Am Ende des Hypomnesticum heißt es sogar, dass Martin sich „als Opfer für das fromme Volk hingegeben hat und dabei in allem den Kampfrichter Christus unseren Gott und den Ersten der Apostel, Petrus, nachgeahmt hat und ihnen gefolgt ist.“54 Danach kommt das Hypomnesticum auf den „heiligen Maximos“ zu sprechen, „ihren vielgepriesenen, unübertrefflichen, hochweisen großen Mitverteidiger und (118) größten Mitmärtyrer.“55 Hier ist es nun das Wunder am Grabe,

48 Theodorus Spudaeus, Hypomnesticum (CCSG 39, 203,92‒96 Allen/Neil). 49 Theodorus Spudaeus, Hypomnesticum (CCSG 39, 203,99‒102 Allen/Neil). 50 Theodorus Spudaeus, Hypomnesticum (CCSG 39, 203, 98‒99 Allen/Neil). Auch hier wird die Heiligkeit des Anastasios mit der Koinzidenz seines Todes und dem Ruf: „Das Heilige den Heiligen!“ während der Anaphora bestätigt: a.a.O., 205,116–120. 51 Theodorus Spudaeus, Hypomnesticum (CCSG 39,209,173‒176 Allen/Neil). 52 Theodorus Spudaeus, Hypomnesticum (CCSG 39,209,179‒182 Allen/Neil). 53 Theodorus Spudaeus, Hypomnesticum (CCSG 39,209,184‒185 Allen/Neil): […] ἑαυτὸν προδεδωκότα, ὀρεγόμενον καὶ ἐπιποθοῦντα πάνυ τὸ ὑπὲρ Χριστοῦ μαρτύριον. 54 Theodorus Spudaeus, Hypomnesticum (CCSG 39, 225,400‒403 Allen/Neil): ἑαυτὸν εἰς θυσίαν ὑπὲρ τοῦ πιστοῦ λαοῦ παρέδωκεν, ἐν πᾶσιν τῷ ἀγωνοθέτῃ Χριστῷ τῷ Θεῷ ἡμῶν καὶ τῷ κορυφαίῳ τῶν ἀποστόλων Πέτρῳ μιμησάμενός τε καὶ ἀκολουθήσας ἐν πᾶσιν. 55 Theodorus Spudaeus, Hypomnesticum (CCSG 39, 215,251‒253 Allen/Neil): Ὁ δὲ ἅγιος καὶ ἀοίδιμος, πανάριστος τε καὶ πάνσοφος μέγας τῆς ἀληθείας συνυπέρμαχος καὶ συνμάρτυς αὐτῶν.

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das zuerst ausführlich zur Sprache gebracht wird. Die in der Epistula ad Theodosium Gangrensem erwähnten Lichter lassen das Grab nun „in jeder Nacht von dem Tag an, als er entschlief, bis jetzt und für immer“ erstrahlen. Diese Lichter „bringen allen Klarheit und machen seinen freimütigen Zugang bei Gott (παρρησίαν) offensichtlich.“56 Zeugen dafür werden in großer Zahl benannt, die sogar „unter Schwur“ das Gesehene berichtet haben.57 Schließlich habe der „heilige Maximos“ „aufgrund göttlicher Offenbarung (ἐκ θείας ἀποκαλύψεως)“ nicht nur sein Entschlafen genau vorausgesagt, sondern ebenso „vor etlichen Jahren bereits sein heiliges Martyrium in Christus unserem Gott für die Wahrheit.“58 Zum Schluss berichten die Verfasser, dass sie „handgeschriebene Schriften“ des Anastasios Apokrisiarios einschließlich seiner Schreibprothese „als wirklich sakrale und heilige Schätze und Reliquien (ὡς ὄντως ἱερὰ καὶ ἅγιά τε κειμήλιά τε καὶ λείψανα)“ in Besitz genommen hätten. Diese seien ihnen mit einem diesbezüglichen Schreiben vom Abt des dortigen Johannesklosters in der Anastasis-Kirche übergeben worden.59 Ebenso habe man bereits, als man Maximos und Gefährten im Jahr 662 in die Verbannung begleitet habe, „einige der von ihnen während ihres Leidensweges getragenen Kleidungsstücke von ihren eigenen Händen (οἰκείαις χερσὶν) erhalten zusammen mit den Bandagen, mit denen sie ihre amputierten Hände zur Heilung umwickelt hatten, die geheiligt und von ihrem wertvollen Blut rotgefärbt waren.“60 Man habe entschieden, „beide zusammen zu kommemorieren“, „weil sie ein und dasselbe geworden sind in ihrem Kampf (ἄθλησις) für den heiligen und wahrhaft orthodoxen Glauben“.61 Das Hypomnesticum schließt mit der Information, dass man für diejenigen, die die Schriften der Märtyrer selbst lesen wollen, diese „in mehreren βίβλοι und τόμοι“ abgeschrieben habe.62 Die Leser werden noch um inständiges Gebet ersucht, damit diese Verfolgung, die schlimmer sei „als alle vorhergehenden heidnischen und häretischen Verfolgungen“, zu Ende gehe. Man möge „in unserem heiligen orthodoxen und (119) makellosen Glauben der Christen, dem einzig katholischen und apostolischen“, verharren.63

56 Theodorus Spudaeus, Hypomnesticum (CCSG 39, 215,256‒257 Allen/Neil). 57 Theodorus Spudaeus, Hypomnesticum (CCSG 39, 215,259 Allen/Neil). 58 Theodorus Spudaeus, Hypomnesticum (CCSG 39, 217,276‒279 Allen/Neil): προειπὼν […] τὴν δὲ ἁγίαν αὐτοῦ ὑπὲρ τῆς ἀληθείας ἐν Χριστῷ τῷ θεῷ ἡμῶν μαρτυρίαν πρὸ ἱκανῶν ἐτῶν. 59 Theodorus Spudaeus, Hypomnesticum (CCSG 39, 217,284–297.290–291 Allen/Neil). 60 Theodorus Spudaeus, Hypomnesticum (CCSG 39, 219,324–328 Allen/Neil). 61 Theodorus Spudaeus, Hypomnesticum (CCSG 39, 219,328–221,331 Allen/Neil): Ἀμφοτέρους δὲ συνάψαι καὶ μνημονεῦσαι […] συνείδομεν. 62 Theodorus Spudaeus, Hypomnesticum (CCSG 39,223,359–367 Allen/Neil). 63 Theodorus Spudaeus, Hypomnesticum (CCSG 39, 225,386–392.410–412 Allen/Neil).

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Der kurze Text Contra Constantinopolitanos64 ist von einem anonymen Anhänger des Maximos nach 662 geschrieben worden,65 ohne dass sich der Zeitraum näher bestimmen lässt. Ausweislich seiner Überschrift war der Verfasser Mönch und hat diese Zeilen „aus tiefer Verbitterung“ (ἐκ δριμύξεως καρδίας) geschrieben. Tatsächlich handelt es sich um eine Anklageschrift in schneidender Schärfe gegen die Einwohner der Hauptstadt, die für die Verurteilung des Maximos und seiner Schüler verantwortlich gemacht werden. Gleich am Anfang werden der Kaiser und zwei der bei der Disputatio Bizyae66 Anwesenden, Bischof Theodosios von Caesarea und der Patrikios Epiphanios, verbal beleidigt, „weil sie dem heiligen Maximos, dem dritten Theologen, Zunge und rechte Hand abgeschnitten haben“ (τῶν τὸν ἅγιον Μάξιμον καὶ τρίτον θεολόγον γλωσσοδεξιότμητον δρασάντων) wie den Anastasioi, seinen beiden Schülern.67 Ist hier mit der Bezeichnung „dritter Theologe“ ein Ehrentitel gemeint, der Maximos neben dem Evangelisten Johannes und Gregor von Nazianz zugewiesen wird,68 oder nur eine Auflistung als dritter „Theologe“ neben den beiden Anastasioi? Beide Schüler sind literarisch tätig gewesen,69 aber jeder von ihnen hätte mit Sicherheit eine Vorordnung als erster und zweiter „Theologe“ vor Maximos strikt zurückgewiesen. Klarheit in diese Frage bringt eine weitere Textpassage. Denn der Verfasser stellt sogleich die rhetorische Frage, was in „seinen bewährten theologischen und geistlichen Lehren“ und „in den ethischen, gnostischen und exegetischen Gedanken“ nicht schriftgemäß sei, um dann zentrale Werke des Maximos aufzuzählen, die (120) „jedermann bewundert hat, bewundert und weiterhin bewundern wird“.70 Es ist meines Erachtens offensichtlich,

64 Contra Constantinopolitanos (CCSG 39, 229–232 Allen/Neil). Allen/Neil, Documents (s. Anm. 27), 172–175. 65 „It could stem from the same circle of monks engaged in compiling anti-monothelite material, who were possibly also the authors of the Doctrina Patrum“: Allen/Neil, Documents (s. Anm. 27), 43. Die älteste Fassung der Doctrina Patrum ist zwischen 662 und 680 entstanden, vgl.: Franz Diekamp, Doctrina Patrum de incarnatione verbi. Ein griechisches Florilegium aus der Wende des 7. und 8. Jahrhundert (1907), 2. Auflage mit Korrekturen und Nachträgen von Basileios Phanougakis, hg. von Evangelos Chrysos, Münster 1981, LXXIX. 66 S. u. Anm. 79. 67 Contra Const. (CCSG 39,230,16–18 Allen/Neil). 68 Im selben Zeitraum hat Gregorius Presbyter (6./7. Jahrhundert) in seiner Vita Gregorii Nazianzeni der bereits geläufigen Verwendung des Ehrentitels „Theologe“ entsprechend festgehalten, dass nur Gregor von Nazianz und der Evangelist Johannes so benannt werden (μόνον τοῦτον [sc. Greg. Naz.] μετὰ τὸν εὐαγγελιστὴν Ἰωάννην θεολόγον ὀνοναμσθῆναι (PG 35, 288C). 69 Vgl.: PMBZ, Nr. 237.238. 70 Er nennt die Ambigua (Ambigua ad Thomam [PG 91,1032–1060; CCSG 48,1‒34 Janssens]), Ambigua ad Iohannem [PG 91, 1061–1417]), die Capita theologica et oeconomica (PG 90, 1084–1173), die Capita de caritate (PG 90, 960–1073; Aldo Ceresa-Gastaldo [Hg.], Massimo Confessore. Capitoli

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dass hier im Rahmen der propagierten Märtyrerverehrung mit der theologischen Brillanz des Maximos in allen theologischen Disziplinen argumentiert wird und ihm von seinen Anhängern der Ehrenname eines „Theologen“ zusammen mit dem Evangelisten Johannes und Gregor von Nazianz zugelegt wurde. In der Schlusspassage steigert der Verfasser nochmals seine Vorwürfe gegen die Konstantinopolitaner und ihre Stadt, die nun das „siebenhügelige Babylon“ genannt wird71, von dem „jeder Gerechte“ verfolgt wird, das die Rechte ‒ „ich meine die Wahrheit Gottes“ ‒ abschneidet, und über das Gottes gerechtes Gericht kommen wird. „Das ewige Reich Christi aber wird die Bekenner, die nichts weniger als Märtyrer sind, aufnehmen. Mögen auch wir dies erlangen – wenn ich es zu sagen wagen darf – durch ihre (Gott) wohlgefälligen Fürbitten. Amen“.72 Das Hypomnesticum, das zusammen mit einer Kopie der Epistula ad Theodosium Gangrensem seit Ende 668/Anfang 669 verbreitet wurde, ist von der Absicht seiner Verfasser bestimmt, das Gedächtnis der Hauptprotagonisten der dyotheletischen Opposition und ihres theologischen Werkes sowie ihres Widerstandes gegen die kaiserliche Religionspolitik nach ihrem Tod lebendig zu erhalten, um so den Kampf für die beanspruchte Wahrheit des maximianischen Dyotheletismus weiterführen zu können. Dazu werden nicht nur detaillierte Berichte über den Leidensweg der Verurteilten bis zu ihrem Tod gegeben, sondern dieser Leidensweg wird als christliches Martyrium gedeutet. Diese Martyrien seien in einer Situation der Verfolgung für den wahren Glauben erfolgt, die „heimtückischer und schwerer als alle vorhergehenden heidnischen und häretischen Verfolgungen“ sei. Sie gelte ungerechterweise „uns und Gott“73. Um die Adressaten davon zu überzeugen, dass es sich bei den beschriebenen Leiden nicht um Folgen rechtmäßiger staatlicher Strafmaßnahmen handelte, sondern die Leidenden zu einem Christi Dei martyr geworden seien, wird auf das tugendhafte Ertragen des Leidens bis zum Tode verwiesen. Im Vordergrund aber stehen die Wunder vor und nach dem Tode der Verurteilten, die hier eine zentrale

sulla carità, Rom 1963) und das „Buch mit den Urteilen“ (ὁ δὲ τῶν ψήφων κώδηξ), das man dabei mit Schweigen übergehen könne: Contra Const. (CCSG 39, 231,26–31 Allen/Neil). Mit Letzterem sind wahrscheinlich die Akten der Lateransynode von 649 gemeint. Bei den ψήφοι handelt es sich dann um die dortigen Anathematismen. Dies ist ein wichtiger Hinweis, dass die tatsächliche Autorschaft der Lateranakten unter den Anhängern des Maximos bekannt gewesen ist und auch öffentlich verbreitet wurde. Dazu s. u. S. 124–125.146. 71 Contra Const. (CCSG 39, 231,45 Allen/Neil). 72 Τοὺς δὲ ὁμολογητὰς καὶ οὐκ ἔλαττον μάρτυρας ἡ αἰώνιος Χριστοῦ ὑποδέξηται βασιλεία· ἧς καὶ ἡμεῖς, εἰ καὶ τολμηρὸν εἰπεῖν, ἐπιτύχοιμεν διὰ τῶν εὐπροσδέκτων αὐτῶν παρακλήσεων ἀμήν: Contra Const. (CCSG 39, 232,54‒57 Allen/Neil). 73 S. o., Anm. 37.

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Funktion der Legitimation der Personen, ihres Leidens und ihres Werkes erhalten. Das Wunder dient dem Erweis der Heiligkeit der Verurteilten und der Qualifizierung ihres Leidens als Martyrium. Dazu gehört das Wunder „göttlicher Offenbarung“, durch das Maximos und auch Anastasios74 ihre Todestage vorher bekannt gewesen seien und Maximos sogar sein Martyrium „etliche Jahre zuvor“ vorhergesagt habe. Die propagierte Beweiskraft der Wunder wird der Autorität der vertretenen dyotheletischen Lehre dienstbar gemacht. Das Licht am Grabe des Maximos „bringt Klarheit“ und „macht offensichtlich“, wer er sei, nämlich ein wahrhafter Märtyrer Christi mit Parrhesia, den man nun auch anrufen kann.75 Die mit der Prothese geschriebenen Schriften des Anastasios lasse diese „mit dem Finger Gottes“ geschrieben sein;76 dies gibt ihnen eine dem Dekalog analoge Bedeutung. In allem zeige sich so die „Vorhersehung und Mitwirkung Gottes“, der „wunderbar ist in seinen Heiligen“. So kann es auch nicht mehr überraschen, dass bei den Verfassern des Hypomnesticum und ihren Kreisen, für die die Schmähschrift Contra Constantinopolitanos ein weiteres Zeugnis ist, bereits ein lebendiger Märtyrerkult der Verurteilten praktiziert wurde. Er schlägt sich nieder in der verwendeten Titulatur der als Märtyrer Verehrten. Theodoros ist bereits im Jahr 655/6 nach Cherson gereist um das Grab Martins zu besuchen und zu verehren. Das bedeutet, dass dieser erste Schritt einer kultischen Verehrung unmittelbar nach dem Tod des Papstes und schon sechs Jahre vor der Verurteilung des Maximos und seiner Schüler einsetzte. Die Epistula ad Theodosium Gangrensem ist in der eingangs formulierten Absicht geschrieben worden, dem „Gedächtnis der Gerechten“ (Prov 10,7LXX) zu dienen und hat mit dem Begriff Μνήμη den Zentralbegriff der Märtyrer- und Heiligenverehrung benannt. Das Hypomnesticum scheint dabei bereits liturgische Verwendung gefunden zu haben.77 Dieser Märtyrerkult ist von einem Märtyrerbewusstsein getragen worden, das die im Jahr 662 Verurteilten bereits während ihrer ersten Verbannung nach 655 entwickelt haben. Im Hypomnesticum schlägt sich dies in der Nachricht nieder, Maximos habe bereits Jahre zuvor sein Martyrium vorhergesagt, sowie in

74 Theodorus Spudaeus, Hypomnesticum (CCSG 39, 205,120–125 Allen/Neil). Anastasios habe darüber hinaus bereits weitere Wunder an seinen früheren Verbannungsorten Trapezunt und Mesembria vollbracht. 75 Theodorus Spudaeus, Hypomnesticum (CCSG 39, 215,256‒257 Allen/Neil). Dieser Terminus ist einschlägig und macht Maximos zum Inhaber jener besonderen Qualität „of martyrs, who, having π.(αρρησία) before their persecutors, attain to π.(αρρησία) before God, so that their intercession becomes efficacious.“ (Geoffrey W. H. Lampe, A Patristic Greek Lexicon, Oxford 10 1991, 1045 s.v., II A 3d). Wurde hier noch die Anrufung des hl. Maximos um Intercessio propagiert, so wird sie am Ende von Contra Const. bereits praktiziert. S. o. Anm. 72. 76 S. o. Anm. 46.50. 77 Vgl. Anm. 43.

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der befremdlichen Information, dass sich die Verurteilten bereits zu Lebzeiten am Sammeln ihrer Kontaktreliquien aktiv beteiligt haben. Die zwischen 656 und 657 entstandenen wichtigsten Quellen zum Hochverratsprozess gegen Maximos und seine Schüler, die während des ersten Exils von Autoren, die zum direkten Umfeld des Maximos gehörten ‒ möglicherweise sogar unter dessen Beteiligung ‒ verfasste sog. Relatio motionis78 und die sog. Disputatio Bizyae79 dokumentieren ebenfalls bereits dieses Märtyrerbewusstsein. Es handelt dabei sich um literarische Konstruktionen, die die bewusst in Kauf genommene Strafe noch vor ihrem Vollzug als Martyrium deuten und in der Gestaltung dieser „Protokolle“ die Analogie zu frühchristlichen Märtyrerprozessen suchen. Es handelt sich um literarische Produkte der Selbstdeutung als Märtyrer.80 Dieser Märtyrerkult ist abgesehen von einem Kult an den Gräbern angesichts des Adressaten der Epistula ad Theodosium Gangrensem, der Verfasser des Hypomnesticum und der in diesem enthaltenen Informationen sowie der überwiegend palästinischen Herkunft der Mönchskreise um Maximos aller Wahrscheinlichkeit nach in Palästina/Jerusalem praktiziert worden und war wohl auch auf diese Region örtlich begrenzt. Dass in diesem Zeitraum an einen hauptstädtischen Maximoskult nicht zu denken ist, wird der nächste Abschnitt deutlich machen.

2 Der Ort des Maximoskultes am Ende des 7. Jahrhunderts Auf dem VI. Ökumenischen Konzil (680/1) ist es ‒ wie gesagt ‒ trotz der Rezeption wesentlicher Theologumena des maximianischen Dyotheletismus zu keiner Rehabilitierung des Maximos gekommen und deshalb auch zu keiner reichskirchlichen Rezeption seines beginnenden Märtyrerkultes. Dafür lassen sich im Wesentlichen zwei Gründe81 nennen. (123) 1. Als erstes muss man sich klarmachen, dass die im ersten Hochverratsprozess im Jahre 655 vorgebrachten Anklagepunkte weiterhin bekannt waren und anscheinend als stichhaltig betrachtet wurden. Die provozierende Starrheit ge78 Relatio motionis inter Maximum et principes: Allen/Neil (Hg.), Scripta saeculi VII (s. Anm. 4), 12–51. 79 Acta in primo exsilio seu dialogus Maximi cum Theodosio ep. Caesareae in Bithynia: Allen/ Neil (Hg.), Scripta saeculi VII (s. Anm. 4), 72–151. 80 Vgl. dazu den Nachweis im Detail: Heinz Ohme, Maximos Homologetes († 662). Martyrium, Märtyrerbewusstsein, „Martyriumssucht“?, in: ZAC 20 (2016), 306–346. 81 Zum Vorwurf des Origenismus als weiterem Grund s. u. S. 480. Die von Pauline Allen und Bronwen Neil gebotene Erklärung trifft meines Erachtens nicht den Kern: „Maximus was not mentioned at the sixth Ecumenical Council, probably to spare imperial embarrassment over his recent condemnation and martyrdom“: Dies., Documents (s. Anm. 27), 30.

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genüber allen kaiserlichen und kirchlichen Vermittlungsversuchen hatte Maximos wohl auch noch die letzten Sympathien geraubt. Maximos hatte spätestens seit der arabischen Eroberung Jerusalems im Jahre 638 in Erwartung des Untergangs des Imperiums und des bevorstehenden Endgerichts82 gelebt und ist von daher mit politischem Kalkül an einer Destabilisierung der Herrschaft des Herakleios und Konstans II. beteiligt gewesen,83 deren Religionspolitik er dafür verantwortlich gemacht hatte. So soll er dem Magister militum von Numidien, Petros Illustrios, der 633/4 den Befehl erhalten hatte, gegen die Araber zu ziehen, von diesem Feldzug abgeraten haben. Petros hatte ihn als „heiligen Mann“ vorher um Rat gefragt84 und Maximos habe brieflich geraten: „Tue das nicht, denn Gott gefällt es nicht, dem Römischen Staat unter der Herrschaft des Herakleios und seines Geschlechtes beizustehen.“85

82 Vgl. dazu: Heinz Ohme, Die Bedeutung der Geschichtstheologie im monenergetisch-monotheletischen Streit, in: ZThK 112 (2015), 27‒61. 83 Dieses Ergebnis der neueren Forschungen ist meines Erachtens nicht mehr in Frage zu stellen. Vgl.: Brandes (Krisenbewältigung [s. Anm. 12]; Ders., Konstantin der Große [s. Anm. 12]; Booth, Crisis of Empire (s. Anm. 6); Jankowiak, Essai (s. Anm. 6); Boudignon, Maxime le Confesseur [s. Anm. 7]; Ders., Le pouvoir de lʼanathème [s. Anm. 13]). Die von James D. HowardJohnston jüngst wieder vertretene Deutung der hagiographischen Tradition, dass die Hochverratsanklagepunkte gegen Maximos „fadenscheinig“ und „vorgeschoben“ seien (Ders., Witnesses to a World Crisis. Historians and Histories of the Middle East in the Seventh Century, Oxford 2010, 157–162.160) sind angesichts dieser Forschungen meines Erachtens nicht zu halten. Zu den Thesen von Howard-Johnston i. e. vgl.: Ohme, Maximos Homologetes (†662), Martyrium (s. Anm. 80). 84 Relatio motionis (CCSG 39, 15,33 Allen/Neil). Dies entsprach ganz der allgemeinen byzantinischen Praxis höchster Staatsfunktionäre bis hin zum Kaiser selbst, vor entscheidenden Handlungen Rat und Weisung bei einem „heiligen Mann“ einzuholen. Vgl.: Eleonora Kountoura-Galake, Προρρήσεις μοναχών και ανάδειξη αυτοκρατόρων στη διάρκεια των „σκοτεινών αιώνων“, in: Dies. (Hg.), The Dark Centuries of Byzantium (7th-9th. c.), Athen 2001, 421‒441. 85 Relatio motionis (CCSG 39, 15,34‒37 Allen/Neil): Καὶ ἀντέγραψας αὐτῷ λέγων μηδὲν τοιοῦτο ποιῆσαι ἐπειδὴ οὐκ εὐδοκεῖ ὁ θεὸς ἐπὶ τῆς βασιλείας Ἡρακλείου καὶ τοῦ γένους αὐτοῦ συμπαρχθῆναι τὴν πολιτείαν τῶν Ῥωμαίων. Booth (mit Rückgriff auf: Jankowiak. Essai [s. Anm. 6]) hat deutlich machen können, dass seit den persischen Eroberungen die aus Palästina geflohene Mönchsgruppe um Johannes Moschos, Sophronios und Maximos mit Parteigängern in Palästina eine zunehmend distanzierte Haltung gegenüber Herakleios und seiner Herrschaft einnahm, die auch durch den Sieg über die Perser nach 628 nicht rückgängig gemacht wurde. Die Identifizierung von Imperium und Kirche wurde je länger je mehr in Frage gestellt. In diesem Zusammenhang spielte die rituelle Abgrenzung gegenüber den vorchalcedonensischen Kirchen und die programmatische Bekämpfung jeder Interkommunion eine hervorgehobene Rolle. Umso mehr habe sich die Abwendung von Herakleios verstärkt, als dieser im Rahmen seiner Unionspolitik von Armeniern und Severianern, ja sogar Nestorianern persönlich die Kommunion empfing. Vgl.: Booth, Crisis of Empire (s. Anm. 6), 160‒164.184‒185.221. Über dieser Frage scheint es zu einer Spaltung im Patriarchat Jerusalem gekommen zu sein,

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13 Der Widerstand gegen die Heiligenverehrung des Maximos

Petros Illustrios (124) hatte daraufhin tatsächlich den Gehorsam verweigert und war nicht gegen die Araber gezogen. Dies brachte Maximos die Anklage ein: „Du allein hast Ägypten, Alexandrien, die Pentapolis, Tripolis und ganz Africa an die Sarazenen verraten!“86 Weiterhin wurde er angeklagt, den Usurpationsversuch des Exarchen von Africa, Gregorios, im Jahre 645/6 unterstützt zu haben.87 Maximos und sein Kreis haben außerdem sogar die ideologische Begründung für die Autorität des Kaisers als höchste institutionelle Verkörperung der christlich-römischen politeia auch in kirchlichen Fragen prinzipiell in Frage gestellt, indem sie den mit der Melchisedektypologie begründeten Anspruch „Kaiser und Priester“ zu sein, rundheraus abgelehnt haben.88 Vor allem aber hatte Maximos zusammen mit der Gruppe aus Palästina geflohener Mönche und in Kooperation mit dem aus Jerusalem stammenden griechischen Papst Theodoros I. (642–649)89 die Lateransynode von 649 vorbereitet und bewusst den Weg äußerster kirchlicher Konfrontation mit der Kirche von Konstantinopel gesucht. Dieses Mönchskollektiv hat sich unter der Leitung des Abtes des palästinischen Sabas-Klosters, Johannes, durch die vorbereitete Verlesung einer eigenständigen dogmatischen Stellungnahme90 und die damit (125) verbundene Petition zum Motor der dogmatischen Positionierung der Synode und ihrer radikalen konfrontativen Haltung gemacht. Dies hatte dann tatsächlich zu einer Anathematisierung der bisherigen Konstantinopeler Patriarchen des 7. Jahrhunderts, Sergios, Phyrrhos und des regierenden Paulos, zusammen mit Theodoros von Pharan, Kyros von Alexandrien samt allen ihren Anhängern geführt, die in

vgl.: a.a.O., 186‒188. Die als Skandal betrachtete inzestuöse Ehe des Kaisers mit seiner Nichte Martina (seit 611) wird das Ihre zu dieser Distanzierung beigetragen haben. 86 Relatio motionis (CCSG 39,13, 24‒26 Allen/Neil). 87 Gregorios plante anscheinend ein „orthodoxes“ Reich mit dem in Konstantinopel abgesetzten und zum Dyotheletismus „bekehrten“ Patriarchen Pyrrhos als Patriarch. Die Durchsetzung des maximianischen Dyotheletismus auf mehreren Synoden in Africa war dazu der Anfang. Vgl.: John F. Haldon, Byzantium in the Seventh Century. The Transformation of a Culture, Cambridge 21997, 306‒307; Jan Louis van Dieten, Geschichte der Patriarchen von Sergios I. bis Johannes VI. (610–715), Amsterdam 1972, 83‒85. Zur Umdeutung der Konstantin-Vision auf Gregorios in einem Traum des Maximos vgl.: Brandes, Krisenbewältigung (s. Anm. 12), 185–192; Ders., Konstantin der Große (s. Anm. 12). 88 Relatio motionis (CCSG 39,25,182‒27,208 Allen/Neil). Vgl. dazu: Gilbert Dagron, Emperor and Priest. The Imperial Office in Byzantium (1996), Cambridge 2003, 173–183; Ohme, Maximos Homologetes (†662), Martyrium (s. Anm. 80). 89 PMBZ, Nr. 7769. 90 Es handelt sich um den sog. Libellus von 36 Mönchen ‒ unter ihnen Maximos an 34. Stelle: ACO ser. II 1, p.48,25–57,39 (Riedinger); Richard Price/Phil Booth/Catherine Cubitt, The Acts of the Lateran Synod of 649, transl. by Richard Price (Translated Text for Historians 61), 2014, 150–156; Winkelmann, Streit (s. Anm. 6), Nr. 108.

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eine Reihe mit den Häresiarchen Sabellius, Arius, Nestorius, Eutyches u. a. gestellt wurden.91 Dazu war der gesamte Aktenbestand92 dieser Synode ‒ einschließlich der Reden der Bischöfe! ‒ von diesen Mönchen um Maximos in Rom zuvor kompiliert und komponiert worden.93 Nach Christian Boudignon handelt es sich hierbei um eine „Machtergreifung“ der Palästinenser unter Zustimmung des römischen Klerus als entscheidendem Schachzug einer internationalen Strategie.94 Diese Synode, für die sogar die Autorität eines ökumenischen Konzils in Anspruch genommen wurde95, war eine reichsrechtlich illegale Veranstaltung96 und die Karikatur einer kirchlichen Synode, die deswegen auch in den Akten des VI. Ökumenischen Konzils (680/1) kein einziges Mal namentlich erwähnt wird. Aber seit dem Oktober 649 war nicht nur die Kirchengemeinschaft zwischen der römischen und der konstantinopolitanischen Kirche aufgehoben, sondern die letztere kollektiv unter das „Anathema“ des Lateranense gestellt worden mit der Folge, dass Maximos und seine Kreise auch in Konstantinopel selbst jede „communicatio in sacris“ ablehnten, wenn nicht die Beschlüsse dieser Synode (126) einschließlich der Anathematismen gegen die Patriarchen vorher anerkannt würden. Er stellt sich dazu auf den anmaßenden Standpunkt, dass die in der Hauptstadt gefeierte eucharistische Liturgie ein geistloser und damit entleerter und wirkungsloser liturgischer Ritus sei, solange dort noch die auf der Lateransynode

91 ACO II 1 p. 378,29–384,25; 380,5–12 (Ried.). Vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 6), Nr. 110. 92 Dies sind 436 Seiten bei Rudolf Riedinger (Hg.), Concilium Lateranense a. 649 celebratum (ACO ser. II 1), Berlin 1984. Vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 6), Nr. 110. 93 Vgl.: Rudolf Riedinger, Kleine Schriften zu den Konzilsakten des 7. Jahrhunderts (IP 34), Turnhout 1998. Der lateinische Text der Akten ist in wesentlichen Teilen, insbesondere den Reden, eine Übersetzung aus dem Griechischen. Dies ist heute Konsens. Die weitergehende These Riedingers, dass auch die lateinische Übersetzung vom Maximoskreis angefertigt wurde und von den Synodalen die fertigen Texte einfach vorgelesen wurden, hat sich nicht durchsetzen können. Vgl.: Pietro Conte, Il Sinodo Lateranense dell’ottobre 649, Vatikan 1989; Richard Price, General Introduction, in: Ders. u. a., Lateran Synod (s. Anm. 90), 59–68. In den maximianischen Kreisen war die Erinnerung daran auch noch am Ende des 7. Jahrhundert anscheinend lebendig. S. o. Anm. 70. 94 Boudignon, Le pouvoir de lʼanathème (s. Anm. 13), 245‒274. 95 Maximos hat die Lateransynode so bezeichnet: Maximus Conf., Opusc. theol. et polem.11 (PG 91,137D). Die beanspruchte Ökumenizität der Synode ergibt sich weiterhin aus der Forderung, dass die zuvor in Rom kopierten und an alle großen Kirchen verschickten Akten überall synodal rezipiert werden sollten. Vgl. dazu die Enzyklika Papst Martins I. ‒ auch hier ist der griechische Version der Originaltext des Briefes! (ACO ser. II 1, p.404–420.412,2–4.11 f. Riedinger). 96 So bereits: Erich Caspar, Die Lateransynode von 649, in: ZKG 51 (1932), 75–137.133 f.

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anathematisierten Patriarchen in den Diptychen kommemoriert würden.97 Schließlich hat Maximos jede Oikonomia-Regelung in der theologischen Streitfrage prinzipiell abgelehnt98 und jeden Versuch einer Überwindung des Schismas und einer theologischen Verständigung zu unterlaufen versucht.99 2. Zum anderen ist der 681 synodal rezipierte maximianische Dyotheletismus im byzantinischen Episkopat keinesfalls ohne weiteres mehrheitsfähig gewesen. Dies lässt sich in mehrfacher Hinsicht verdeutlichen. So zeigt bereits der Verlauf des VI. Ökumenischen Konzils, mit welchen Schwierigkeiten die Durchführung von dessen Beschlüssen verbunden gewesen ist. Denn die römischen Legaten bestanden im Gefolge der Lateransynode auch 681 auf der Anathematisierung von inzwischen nicht weniger als vier Konstantinopler Patriarchen und der ca. fünfzigjährigen kaiserlichen Religionspolitik. Giuseppe de Gregorio und Otto Kresten haben dargelegt, dass die Sitzungen XII–XVII dieser Synode von der kaiserlichen Konzilsregie in hinhaltender Absicht eingeschoben worden waren und damit ca. sechs Monate gebraucht wurden, um hinter den Kulissen in Gegenwart Kaiser Konstantins IV. (668–685) diese höchst schwierige Frage der Anathematismen zu klären. Als man sich dann geeinigt hatte, wurde eine 17. Sitzung als Generalprobe oder Probeschlusssitzung durchgeführt, um zu prüfen, ob auch alle Bischöfe tatsächlich unterschreiben würden, oder ob sich unter den Synodalen gegen diese Zumutung für die Kirche von Konstantinopel Widerstand regen würde.100 Der Sohn Konstantins IV., Justinian II. (685–695.705–711),101 hat offensichtlich aus ähnlichen Gründen ‒ gleich nachdem er im Juli 685 infolge des frühen Todes seines Vaters im Alter von 16 Jahren den Thron bestiegen hatte ‒ Ende 686 oder Anfang 687 eine Reichsversammlung zur Bestätigung der Beschlüsse und der kaiserlichen Inobhutnahme der Akten des VI. Konzils (127) durchgeführt.102

97 Relatio motionis (CCSG 39, 31,249‒33,264 Allen/Neil); Disputatio Bizyae (CCSG 39, 81,83‒ 85; 113,434‒436 Allen/Neil). Vgl. dazu: Ohme, Maximos Homologetes (†662), Martyrium (s. Anm. 80). 98 Vgl.: Ohme, Oikonomia (s. Anm. 6), 308‒343. 337‒343. 99 Vgl.: Ohme, Maximos Homologetes (†662), Martyrium (s. Anm. 80). 100 Giuseppe de Gregorio/Otto Kresten, Il Papiro conciliare P. Vindob. G.3: Un ‚Originale’ sulla via da Constantinopoli a Ravenna (e a Vienna): Laura Pani/Cesare Scalon, Le Alpi porta d’Europa. Scritture, Uomini, Idee da Giustiniano al Barbarossa. Atti del Convegno internazionale di studio dell’ Associazione italiana dei Paleografi e Diplomatisti (Cividale del Friuli [5.7.10.2006]), Spoleto 2009, 233–379.276–279.287–292. Der Papyrus Vindobonensis Graecus 3 ist der Restbestand der Subskriptionsliste der 17. Sitzung des VI. Konzils. 101 PMBZ, Nr. 3556. 102 Franz Dölger/Andreas E. Müller, Regesten der Kaiserurkunden des oströmischen Reiches. I,1 Regesten 565–867, 2. Aufl. besorgt u. Mitarbeit von Johannes Preiser-Kapeller u. Alexander

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Er hat bei dieser Gelegenheit den von seinem Vater wohl wegen Widerstandes gegen dessen Konzilspläne im Jahr 679 abgesetzten, von ihm selbst aber wieder in sein Amt eingesetzten Patriarchen Theodoros I. (677‒697.686‒687)103 zusammen mit den wichtigsten Vertretern von Staat, Militär und Kirche die Akten des VI. Konzils unterschreiben lassen, darunter 130 Bischöfe.104 Daraus ist meines Erachtens der Schluss zu ziehen, dass eine synodale Durchsetzung des Dyotheletismus und eine zusätzliche Rehabilitation seines Hauptvertreters, der wegen Hochverrats verurteilt worden war und wesentlich für die Anathematisierungspolitik der Lateransynode verantwortlich war, im Jahre 681 und auch noch später aus politischen und kirchenpolitischen Gründen gar nicht in Frage kam. Diese prekäre Lage für die Rezeption des VI. Ökumenischen Konzils im byzantinischen Episkopat wird auch noch bei dem ebenfalls von Justinian II. einberufenen Concilium Quinisextum (691/2) deutlich, denn mit seinem grundlegenden can. 1 war es zuerst auch eine weitere Bestätigung der Gültigkeit des VI. Ökumenischen Konzils. Es kann kein Zufall sein, dass die Reichsversammlung von 686/7 in diesem Kanon eigens erwähnt wird.105 Dass eine wirkliche Rezeption des VI. Konzils immer noch ausstand, wurde nach dem endgültigen Sturz Justinians II. im Jahre 711 nochmals deutlich, als der Usurpator Philippikos Bardanes (November 711‒Juni 713)106 als eine seiner ersten Amtshandlungen auf einer Synode im Jahre 712 das von Justinian II. in persönliche Obhut genommene kaiserliche Exemplar der Konzilsakten verbrennen ließ und das III. Constantinopolitanum außer Kraft setzte ‒ unter Beteiligung auch solch späterer „Leuchten der Orthodoxie“ wie (128) des Metropoliten und nachmaligen Ökumenischen Patriarchen Germanos von Kyzikos und des Metropoliten Andreas von Kreta!107

Riehle v. Andreas E. Müller, München, 2009, Nr. 256a; ACO ser. II, 2,2 p.886,3–887,21 (Ried.). Vgl. dazu: van Dieten, Geschichte der Patriarchen (s. Anm. 87), 146–148; De Gregorio/Kresten, Il Papiro conciliare (s. Anm. 100), 322–333. 103 PMBZ, Nr. 7954; van Dieten, Geschichte der Patriarchen (s. Anm. 87), 125–129.146–148. 104 Vgl.: Karl-Heinz Uthemann, Die dem Anastasios Sinaites zugeschriebene Synopsis de haeresibus et synodis. Einführung und Edition, in: AHC 14 (1982), 58–94; § 26 (86, 17–23). 105 Es heißt dort, dass das VI. Konzil „auf bedeutendere Weise Rechtskraft empfing, weil der fromme Kaiser (sc. Justinian II.) dessen Akten zu ihrer Sicherheit in alle Ewigkeit mit Siegeln bestätigte“ (ἣ μειζόνως τὸ κῦρος ἐδέξατο, δι᾿ ὧν ὁ εὐσεβὴς βασιλεὺς σφραγίσι τοὺς ταύτης τόμους κατησφαλίσατο πρὸς τὴν ἐν τῷ παντὶ αἰῶνι ἀσφάλειαν): Concilium Quinisextum, Can. 1 (ACO ser. II 2,4 p. 23,3–5 Ohme); Heinz Ohme, Concilium Quinisextum – Das Konzil Quinisextum (FC 82), Turnhout 2006, 176,4–6. 106 PMBZ, Nr. 6150. 107 Тhеоphanes Confessor, Chronographia (381,20–23; 382,6–21 de Boor). Vgl.: Winkelmann, Streit (s. Anm. 6), Nr. 177.180.180c. De Gregorio/Kresten, Il Papiro conciliare (s. Anm. 100), 331 f. mit Anm. 273 gehen auf der Grundlage des Berichtes des Chartophylax Agathon von einem consistorium aus. Zu Andreas vgl. PMBZ, Nr. 362; zu Germanos PMBZ, Nr. 2298.

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In diesem Zusammenhang ist es bedeutsam, dass es dasselbe Quinisextum gewesen ist, das die von Maximos propagierte prinzipielle Infragestellung des kaiserlichen Selbstverständnisses als „Kaiser und Priester“ hinsichtlich der damit verbundenen liturgischen Sonderrechte des Kaisers auf kirchenrechtlicher Ebene zurückgewiesen hat. So hat diese Synode in can. 69 zwar den Laien das Betreten des Altarraumes verboten, den Kaiser aber davon ausdrücklich mit folgenden Worten ausgenommen: „Keineswegs soll aber die kaiserliche Majestät und Autorität daran gehindert werden, wenn sie dem Schöpfer Gaben darbringen möchte, gemäß sehr alter Tradition“.108 Eine Märtyrer- und Heiligenverehrung des Maximos und seiner Schüler ist deshalb nach 681 vor allem auf Kreise außerhalb des Reiches, insbesondere im palästinischen Mönchtum, beschränkt gewesen. Aber auch hier kann nicht von einer umfassenden Rezeption des Kultes gesprochen werden. Dies wird im Werk des Sinaimönches und Abtes Anastasios Sinaites (ca. 610 ‒ nach 701) deutlich.109 Denn in dessen authentischem Werk spielen Person und Werk des Maximos noch keine nennenswerte Rolle! Für das Hauptwerk des Sinaiten, den Hodegos, lässt sich dies mit dem Herausgeber, Karl-Heinz Uthemann, folgendermaßen erklären: „Die einzelnen Teile des Hodegos seit der Zeit des Cyrus von Alexandrien bis spätestens 686/7 (sind) vermutlich […] noch vor dem 6. Ökumenischen Konzil entstanden […] und zwischen 686 und 689 zu einem ‚Gesamtwerk‘ zusammengestellt worden“, ohne dass sich im Text ein Hinweis auf das VI. Ökumenische Konzil oder die gesamte monenergetisch-monotheletische Kontroverse findet. Dies liege daran, dass „der Verfasser eine Widerlegung des Monophysitismus beabsichtigte und sich deshalb nicht mit ‚innerkirchlichen‘ Fragen der chalkedonischen Kirche auseinandersetzen wollte.“110 In seiner im Jahre 701 entstandenen sog. 3. Homilie (129) über die Erschaffung des Menschen111 bietet Anastasios Sinaites zwar eine detaillierte, allerdings fehlerhafte, jedoch wirkmächtige Kurzfassung des monenergetisch-monotheletischen Streites, in der es ihm vor allem um eine geschichtstheologische Deutung der Ereignisse jener Zeit ging.112 So interpretiert er dort die Verbannung

108 ACO ser. II 2,4 p.50 (Ohme); Ohme, Concilium Quinisextum (s. Anm. 105), 118.260. 109 PMBZ, Nr. 268; Zu Anastasios: Karl-Heinz Uthemann, Anastasios Sinaites. Byzantinisches Christentum in den ersten Jahrzehnten unter arabischer Herrschaft (AKG 125), Berlin-Boston 2015. 110 Karl-Heinz Uthemann (Hg.), Anastasii Sinaitae viae dux (CCSG 8), Turnhout 1981, Einleitung CCXVIII mit Anm. 72. 111 Karl-Heinz Uthemann (Hg.), Sermo adv. Monotheletas qui communiter dicitur Homilia tertia de creatione hominis (CCSG 12, 55–83); CPG 7749; Winkelmann, Streit (s. Anm. 6), Nr. 175. 112 Anastasius Sinaita, Sermo adv. Monotheletas (CCSG.12, 84‒101 Uthemann). Vgl. dazu: van Dieten, Geschichte der Patriarchen (s. Anm. 87), Exkurs II, S. 179‒218; Ohme, Geschichtstheologie (s. Anm. 82), 33–35.55–61.

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Papst Martins und die Amputationsstrafen an Maximos und seinen Schülern in geschichtstheologischer Perspektive ganz auf das darauf folgende Strafhandeln Gottes hin. Die Namen des Maximos und seiner Schüler aber hält er dabei keiner Erwähnung wert,113 und Sophronios von Jerusalem kommt in seiner Darstellung überhaupt nicht vor! Es handelt sich hier um ein deutliches Indiz gegen einen Maximoskult im Umfeld des Sinaiten. Dies steht allerdings in starkem Kontrast zu der hervorgehobenen Würdigung des Maximos und Sophronios in der Anastasios zugeschriebenen Synopsis de haeresibus et synodis.114 Denn jener Teil der Synopsis, der dem monotheletischen Streit und dem VI. Konzil gewidmet ist (§§ 17–26), verrät „detaillierte Kenntnisse, die in einem eigentümlichen Kontrast zur dürftigen und recht ungenauen Darstellung des Monotheletismus im sog. Sermo III“ des Sinaiten aus dem Jahre 701 stehen.115 Dort werden nicht nur Papst Martin und die Lateransynode erwähnt (§ 20), sondern ausführlich die Bedeutung des Sophronios in der Auseinandersetzung mit Kyros von Alexandrien und Patriarch Sergios von Konstantinopel geschildert (§ 19) und die Aufnahme der Epistula Synodica116 „τοῦ ἐν μακαρίᾳ τῇ μνήμῃ Σωφρονίου“ in die Akten des VI. Konzils117 betont (§ 25). Darüber hinaus werden ausführlich Person und Werk und Schicksal des Maximos ‒ unter Betonung seines Mönchstandes118 und Erwähnung seiner beiden Schüler Anastasios Monachos und Anastasios Apokrisiarios ‒ geschildert (§ 21). Dabei trägt die Darstellung des Leidensweges von Papst Martin und der verstümmelt nach Lazikē Exilierten hier nun hagiographischen Charakter: (130) Deswegen (sc. wegen der Lateransynode) wird er aus der Stadt Rom fortgeschleppt und nach Byzanz gebracht, und indem der Vollkommen-Apostolische den Kampf zur Unsterblichkeit durchkämpfte (διαθλήσας), wurde er für immer zur Verbannung verurteilt, in welcher er das erwartete und vielgepriesene Ende (ἀοίδιμον τέλος) des Lebens erlangte. Maximos aber […] empfängt zusammen mit seinen beiden Schülern, den Anastasioi, das Erbe Martins, würdig der Erkenntnis und der Tat nach. Meinte man, dass es dem Augenschein nach sinnlos sei zu sterben, so gaben sie doch ihre Seelen sowie das irdische Leben in die Hand Gottes. Maximos übertraf alle, deren Gedenken jemals wegen ihrer Geisteskraft fortlebt; er schmückte das Leben mit (seinem) Leben ‒ dies nämlich ist die kämpferische Erkenntnis! Als sie (sc. die Gegner) Anstalten machten, sie in vielfältiger

113 Anastasius Sinaita, Sermo adv. Monotheletas (CCSG 12, 59,84–61,101 Uthemann). 114 Uthemann, Synopsis de haeresibus et synodis (s. Anm. 104). 115 Ebd., 68–69. 116 Pauline Allen, Sophronius of Jerusalem and Seventh-Century Heresy. The Synodical Letter and Other Documents, Oxford 2009. 117 ACO ser. II, 2,2 p.410,13‒494,8 (Ried.). 118 Synopsis de haeresibus et synodis § 21 (84,25 Uthemann): μονάζων τò σχῆμα.

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Weise durch Angst, Schmeichelei und Versprechungen abzubringen (sc. von ihren Überzeugungen), setzten sie sich doch keineswegs durch. Vielmehr hielten sich jene davon fern und ließen die Wellen sich wie an einem Stein brechen. Die Gottlosen schnitten die Zunge ab und amputierten Hand und Füße (sic!) und schickten so den verstümmelten und blutüberströmten Kämpfer (ἀθλητήν) unversorgt in die Region Lazikē. Einen jeden der Schüler exilierten sie an einen anderen Ort. In gleicher Weise wie der Lehrer bestraft, trennten die von ruchloser Gesinnung Beherrschten sie, den einen dem Stand nach Presbyter, den anderen richteten sie durch schwerste Misshandlungen übel zu.119

Deutlich steht hier das persönliche Schicksal und die Bewährung der Verurteilten im Zentrum des Interesses. Uthemann hat wegen dieser Diskrepanz zu den erstgenannten Werken des Sinaiten die Konsequenz gezogen, dass die §§ 1‒14 der Synopsis „Anastasios Sinaites selbst nicht abgesprochen werden können“120, mit den §§ 17–26 aber „ein anderer Autor, der offenbar Zeitgenosse des Sinaiten war“ in der jetzt vorliegenden Fassung des monotheletischen Streites und des VI. Konzils die entsprechenden Kapitel des Anastasios verdrängt habe.121 Dies muss zwischen 686/7 und 691/2 erfolgt sein, denn die Synopsis bricht nach der Erwähnung des VI. Konzils und der o. g. Reichsversammlung Justinans II. ab, ohne das Concilium Quinisextum von 691/2 noch zu erwähnen. Trotz aller hagiographischen Anklänge und auch Übertreibungen122 werden den gepriesenen Kämpfern für die Wahrheit hier aber die entsprechenden Titulaturen ἅγιος oder ὅσιος noch nicht verliehen! Das bedeutet, dass ca. drei Jahrzehnte nach dem Tode der Genannten in der Überarbeitung der Synopsis Indizien für eine beginnende Heiligenverehrung vorliegen, die sich allerdings mit der öffentlichen Vergabe der Titulaturen noch zurückhält. Der Überarbeiter hatte Zugang zu der Schrift des Sinaiabtes und korrigierte diese unter Betonung des Mönchsstandes und des Jerusalemer (131) Beitrages zur Überwindung des Monenergismus-Monotheletismus. Man wird schließen dürfen, dass dies in den bislang deutlich gewordenen Zirkeln der palästinischen Anhängerschaft des Maximos erfolgte.

119 Synopsis de haeresibus et synodis §§ 20.21 (84,21–39 Uthemann). Die Übersetzungen stammen sofern nicht anders angegeben vom Verfasser. 120 Uthemann, Synopsis de haeresibus et synodis (s. Anm. 104) 72. 121 Uthemann, Synopsis de haeresibus et synodis (s. Anm. 104) 72–73. Genauso jetzt: Uthemann, Anastasios Sinaites (s. Anm. 109), 779‒781. 122 Die Füße wurden den Verurteilten bekanntlich nicht amputiert.

3 Maximos und sein Kult in der Epoche des Ikonoklasmus

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3 Maximos und sein Kult in der Epoche des Ikonoklasmus Der Mönch Theophanes Confessor (759/60–818),123 dessen Chronographia den Zeitraum von 284–813 abdeckt, prädiziert dort im Rahmen seiner Informationen zum sog. monenergetisch-monotheletischen Streit Papst Martin I. und Maximos mehrfach als „Heilige“ und „Bekenner“.124 Dennoch ist er über wichtige Details der Propagandaliteratur für eine kultische Verehrung beider nicht im Bilde. Die zeitlichen Angaben sind ‒ wie häufig in der Chronographia ‒ durchweg unpräzise. Bereits in der von Theophanes unter AM 6121 (AD 628/9) gebotenen vorausschauenden Darstellung des Streites bis zur römischen Synode des Jahres 680 unter Papst Agatho (678‒681)125 bezeichnet er Maximos und Martin als „ἁγιώτατος“,126 um dann zu berichten, dass Kaiser Konstans „den heiligen Martin und Maximos (τόν τε ἅγιον Μαρτῖνον καὶ Μάξιμον) nach Konstantinopel brachte, sie folterte und nach Cherson und in die Klimata ins Exil verbannte.“127 Mit τὰ κλίματα sind die südlichen Teile der Krim gemeint.128 Offensichtlich ist Theophanes der Ort der letzten Verbannung des Maximos und seines Todes unbekannt gewesen. Unter AM 6149 (AD 656/7) berichtet er, dass in diesem Jahr „gegen den heiligen Maximos und seine Schüler“ vorgegangen wurde, „die für den rechten Glauben gegen die Monotheleten gekämpft hatten“. Weil Konstans nicht vermochte, sie zu seiner Irrlehre hinüberzuziehen, schnitt er die gottweise und hochgelehrte Zunge des Heiligen ab, genauso wie seine rechte Hand, weil er sehr vieles zusammen mit seinen Schülern, den Anastasii, gegen dessen Gottlosigkeit verfasst hatte, was diese auch in (132) Dialogform geschrieben hatten, wie die Wissbegierigen wissen.129

123 PMBZ, Nr. 8107; Howard-Johnston, Witnesses (s. Anm. 83), 268–312. 124 Papst Martin wird unter AM 6150 (AD 657/8) als ὁμολογητής bezeichnet: Theophanes Conf., Chronographia (347,21–23 de Boor). Zu Maximos s. u. 125 PMBZ, Nr. 129. 126 Theophanes Conf., Chronographia AM 6121 (331,12.25 de Boor). Beim Papst könnte es sich auch um eine Titulatur handeln, bei Maximos indes nicht. 127 Theophanes Conf., Chronographia AM 6121 (332,2–4 de Boor): ἐν Χερσῶνι καὶ τοῖς κλίμασιν. 128 The Chronicle of Theophanes Confessor, hg. v. Cyril Mango/Roger Scott, Oxford 1997, 463 Anm. 16. Unter AM 6160 (AD 667/8) wird präziser von τὰ τῆς Χερσῶνος κλίματα gesprochen und diese Angabe korrekt nur auf Martin bezogen (351,19 de Boor). 129 Theophanes Conf., Chronographia AM 6149 (347,7–14 de Boor): τῷ δ᾿ αὐτῷ ἔτει καὶ τὰ κατὰ τὸν ἅγιον Μάξιμον καὶ τοὺς μαθητὰς αὐτοῦ ἐπράχθη ὑπὲρ τῆς ὀρθῆς πίστεως ἀγωνισαμένων κατὰ τῶν Μονοθελητῶν. οὓς Κώνστας εἰς τὴν ἑαυτοῦ κακοδοξίαν μὴ ἰσχύσας μετενέγκαι, τὴν θεόσοφον καὶ πολυμαθεστάτην γλῶσσαν τοῦ ἁγίου ἀπέτεμε μετὰ τῆς δεξιᾶς χειρὸς αὐτοῦ, ὡς πλεῖστα κατὰ τῆς αὐτοῦ δυσσεβείας σὺν τοῖς μαθηταῖς αὐτοῦ Ἀναστασίοις συγγραψαμένου, ἃ καὶ κατ᾿ ἔπος οὗτοι γεγράφασιν, ὡς οἱ φιλομαθεῖς γινώσκουσιν.

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13 Der Widerstand gegen die Heiligenverehrung des Maximos

Theophanes zieht hier also den 1. und 2. Prozess gegen Maximos zusammen und berichtet an dieser Stelle nur die Verstümmelung des Maximos. Die Schlusswendung haben Cyril Mango und Roger Scott wohl zu Recht auf die in Dialogform verfasste Relatio motionis und die Disputatio Bizyae bezogen.130 Man könnte in dieser Formulierung einen Hinweis auf die Beteiligung des Maximos an der Abfassung dieser Texte erblicken. Unter AM 6160 (AD 667/8) erwähnt Theophanes dann die Ermordung Kaiser Konstansʼ II. in Syrakus und gibt als Grund an, dass der Kaiser einerseits „von den Byzantinern“ wegen der Ermordung seines Bruders gehasst worden sei, besonders aber, weil er den hochheiligen römischen Papst ehrlos nach Konstantinopel gebracht und in die Klimata von Cherson exiliert hatte, und weil er Maximos, dem hochweisen Bekenner, Zunge und Hand abgeschnitten hatte und viele Orthodoxe zu Misshandlungen, Exil und Enteignung verurteilte, weil sie sich nicht zu seiner Häresie überreden ließen, und die beiden Anastasii, die Schüler des Bekenners und Märtyrers Maximos waren, dem Exil und der Folter preisgab.131

Anastasios Monachos und Anastasios Apokrisarios werden von Theophanes also nicht als Heilige, Bekenner oder Märtyrer bezeichnet. „Bekenner“ sind Martin und Maximos, nur dieser aber auch Märtyrer. Damit ist die Person des Maximos deutlich herausgehoben aus der Gruppe der 655/662 Verurteilten. Theophanes sieht in deren Leidensweg einen wesentlichen Grund für die Ermordung des Kaisers. Theophanes lebte und wirkte in Konstantinopel und war Bilderfreund. Er verweigerte sich der ikonoklastischen Reaktion unter Kaiser Leon V. (813–820)132 und wurde wegen seines Festhaltens an der Ikonenverehrung und den Beschlüssen des II. Nicaenums von 787 nach 815 festgenommen und nach Samothrake exiliert. Den geschilderten Darstellungen in seiner Chronographia wird man entnehmen können, dass ihm seit Ende des 8. Jahrhunderts eine entsprechende kultische Verehrung des Maximos nicht unbekannt gewesen sein wird, obwohl er

130 Mango/Scott, The Chronicle (s. Anm. 128), 484 Anm. 3. Meines Erachtens sollte man hier auch die Disputatio cum Pyrrho hinzunehmen, die wohl ebenfalls erst in der Zeit zwischen 655–662 entstanden ist. Vgl.: Jacques Noret, La rédaction de la Disputatio cum Pyrrho (CPG 7698) de Saint Maxime le Confesseur serait-elle postérieure à 655?, in: AnBoll 117 (1999), 291‒296. 131 Theophanes Conf., Chronographia AM 6160 (351,17–24 de Boor): ἐμισήθη ὑπὸ τῶν Βυζαντινῶν, καὶ μάλιστα ὅτι καὶ Μαρτῖνον, τὸν ἁγιώτατον πάπαν Ῥώμης, ἀτίμως ἤγαγεν ἐν Κωνσταντινουπόλει καὶ ἐξώρισεν εἰς τὰ τῆν Χερσῶνος κλίματα, καὶ Μάξιμον τὸν σοφώτατον καὶ ὁμολογητήν ἐγλωσσοτόμησεν καὶ ἐχειροκόπησε καὶ πολλοὺς τῶν ὀρθοδόξων αἰκίαις καὶ ἐξορίαις καὶ δημεύσεσι κατεδίκασε διὰ τὸ μὴ πείθεσθαι τῇ αἱρέσει αὐτοῦ, καὶ τοὺς δύο Ἀναστασίους μαθητὰς ὑπάρχοντας τοῦ ὁμολογητοῦ καὶ μάρτυρος Μαξίμου ἐξορίαις καὶ βασάνοις ἐπέδωκεν. 132 PMBZ, Nr. 4244.

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den Ort seines Todes nicht kennt. Auf einen in Konstantinopel verbreiteten oder gar offiziell anerkannten Kult in diesem Zeitraum wird man daraus meines Erachtens aber nicht schließen können. Fragen könnte man, ob die dargestellten Urteile bereits Teil der von Theophanes kompilierten Quellen gewesen sind. Was davon identifizierbar ist,133 kommt hierfür jedenfalls nicht in Frage, so dass man in den Bekenner-, Märtyrer- und Heiligkeitstitulaturen für Maximos und Papst Martin I. wohl ein Urteil des Theophanes und seiner ikonodulen zelotischen Mönchskreise erblicken muss. Es hat nach diesen ersten Beobachtungen zur Epoche des Bilderstreites den Anschein, dass der Maximos-Kult in Konstantinopel zu dieser Zeit in ikonodulen monastischen Kreisen zu suchen ist, die im Hintergrund der hier festgestellten Indizien einer Heiligenverehrung stehen. Die weiteren Texte werden dies bestätigen. Patriarch Nikephoros (757/8–828; sedit 806–815)134 stammte aus einer ikonodulen Familie und hatte als kaiserlicher Asekretis am VII. Ökumenischen Konzil im Jahre 787 teilgenommen. Als Patriarch wurde er wegen des Umschwungs in der Bilderfrage unter Leon V. im Jahre 815 abgesetzt und verbannt.135 Seine dann im Exil entstandenen Werke zur Verteidigung der Ikonen sind allerdings für unsere Fragestellung wenig ergiebig. Das aus den 70er Jahren stammende historiographische Frühwerk,136 das den Zeitraum 602‒769 behandelt, enthält für die Regierungszeit Konstans II. (641–668) eine merkwürdige Lücke, über deren Ursachen man nur spekulieren kann. Die einzige Erwähnung des Maximos im Breviarium des Patriarchen erfolgt in Kap. 31, wo „Maximos und Theodosios“ im Kontext der Disputatio cum Pyrrho vom Jahre 645 als Anführer der Mönche in Africa erwähnt werden.137 Die Namensnennung ist erstaunlich distanziert und enthält keinerlei Hinweise auf eine Verehrung des Maximos. Erst in dem nach 820 geschriebenen Spätwerk des Nikephoros, der Refutatio et eversio definitionis synodalis anni 815, die weitgehend aus einer Zusammenstellung älterer Texte des (134) Autors besteht,138 tauchen Anzeichen einer Verehrung des Ma-

133 Vgl.: Mango/Scott, The Chronicle (s. Anm. 128), LXXIV–LXXXI. 134 PMBZ, Nr. 5301. 135 Zum Konflikt vgl.: Thomas Pratsch, Theodoros Studites (759–826) – zwischen Dogma und Pragma (BBySt 4), Frankfurt/M. 1998, 203–231. 136 Nikephoros, Patriarch of Constantinople: Short History. Text, Translation and Commentary by Cyrill Mango (CFHB 13), Washington/D. C. 1990. Vgl. dazu: Howard-Johnston, Witnesses (s. Anm. 83), 237–267. 137 Nikeph. Patr., Brev. 31,33 (Mango). In Kap. 37 über das VI. Ökumenische Konzil erfolgt keine Erwähnung des Maximos. 138 Michael J. Featherstone (Hg.), Nicephori Patriarchae Constantinopolitani refutatio et eversio definitionis synodalis anni 815. Refutatio et eversio definitionis synodalis anni 815 (CCSG 33), Turnhout 1997, XVII.

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ximos auf, wenn der Patriarch ein Zitat des Maximos aus den Ambigua einführt mit der Bemerkung: Ταῦτα ἐπεξηγείσθω καὶ σαφηνιζέτω ὁ μέγας τῆς εὐσεβείας ὁμολογητὴς Μάξιμος φάσκων.139 Bei dem Zeitgenossen der beiden Vorgenannten, dem Reformer des koinobitischen Mönchtums und Abt des Studiosklosters Theodoros Studites (759–826),140 wird ein Maximoskult an einigen wenigen Stellen deutlicher, auch wenn in den 560 erhaltenen Briefen des Studiten Maximos nur ein einziges Mal erwähnt wird. In Epistula 471, einem Schreiben an einen Schüler namens Gregorios aus den Jahren 821–825,141 fordert Theodor diesen auf, dem Metropoliten von Chalkedon mitzuteilen, dass die vom „heiligen Maximos“ vertretene Lehre von drei Arten der Apokatastasis auf Gregor von Nyssa und den Apostel Paulus zurückgehe. Mitnichten sei origenistisch, was „der Vater Maximos“ sage.142 Neben der Titulierung des Maximos als Heiliger macht der kurze Brief deutlich, dass der Vorwurf des Origenismus gegen Maximos auch in den zwanziger Jahren des 9. Jahrhunderts noch immer im Raume stand. Maximos hatte sich während des Prozesses im Jahr 655 durch eine Verfluchung des Origenes selbst vor dem Vorwurf des Origenismus schützen müssen.143 Man wird hierin einen weiteren Grund erblicken dürfen, der der offiziellen Rezeption eines in bestimmten Kreisen gepflegten Maximos-Kultes entgegenstand. Ein weitaus gewichtigerer Grund ergibt sich aber aus folgender Beobachtung. In seinem antikonoklastischen Antirrheticus II benutzt Theodoros als Traditionsbeweis für den Bilderkult ein Zitat aus der Disputatio Bizyae.144 Es handelt sich um jene Passage am Ende des ersten Gespräches in Bizye am 24. August 656, bei dem es zu einer scheinbaren Einigung zwischen Maximos und Bischof Theodosios von Kaisareia gekommen war, woraufhin alle zu einem Dankgebet niederknieten und zur Bestätigung des Gesagten das Evangelium, das Kreuz, eine Christus- und eine Marienikone küssten und mit den Händen berührten.145 Diese Textpassage ist (135) in der Tat ein wichtiges Zeugnis für eine in der Mitte

139 Nikeph. Patr., Refutatio Kap. 50,1 f. (CCSG 33,96 Featherstone). 140 PMBZ, Nr. 7574. Pratsch, Theodoros Studites (s. Anm. 135). 141 Georgios Fatouros, Prolegomena, in: Ders., Theodori Studitae Epistulae (CFHB XXXI ser. Berol.), Berlin-New York 1992, 433*. II 676–678. 142 Theodorus Studita, Epistula 471 (676‒678 Fatouros II); 677,13: τὸν ἱερὸν Μάξιμον; 677,38–39: Μάξιμος ὁ πατήρ; 678,48: τῷ ἁγίῳ Μαξίμῳ; 677,41: οὐκ ᾿Ωριγενιαστική, ἄπαγε·. 143 Relatio motionis (CCSG 39, 29,225–230 Allen/Neil). 144 Theodorus Studita, Antirrheticus II (PG 99,381AB). 145 Disputatio Bizyae 462–467 (CCSG 39,117 Allen/Neil); vgl. ebd., 648‒651 (CCSG 39,133 Allen/Neil).

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des 7. Jahrhunderts praktizierte Proskynese von Ikonen.146 Deshalb hatte das VII. Ökumenische Konzil diese Stelle bereits als Testimonium in seinen Traditionsbeweis aufgenommen und zur Feststellung der Authentizität des Textes aus verschiedenen βίβλοι zweimal verlesen lassen. Die βίβλοι wurden dort bereits als „βίβλοι τοῦ ἁγίου καὶ ὁμολογητοῦ Μαξίμου“ bzw. „βίβλοι τοῦ ἁγίου Μαξίμου“ bezeichnet.147 Das bedeutet, dass Maximos während des Bilderstreites von ikonoduler Seite zu einem namhaften Zeugen der Ikonenverehrung erhoben und in diesem Zusammenhang als Heiliger und Bekenner tituliert wurde. Es ist meines Erachtens bemerkenswert, dass der Studite diese Stelle ohne Erwähnung des II. Nicaenums zitiert, sondern direkt aus der Primärquelle mit der Angabe: Τὰ πρακτικὰ τοῦ ἁγίου καὶ πολυάθλου Μαξίμου. Mit dem Terminus πρακτικά wird meines Erachtens Folgendes deutlich. Innerhalb der gesammelten Werke des Maximos, die den Bilderverehrern 787 in Nicaea als βίβλοι vorlagen, galten die Disputatio Bizyae zusammen mit der Relatio motionis ‒ beide werden in den Handschriften stets zusammen überliefert! ‒ in ikonodulen Kreisen als Prozessakten des Maximosprozesses mit Protokollcharakter. Damit wurde der tendenzöse Charakter dieser literarischen Produkte des Maximos-Kreises und die damit verbundenen Deutung des erwarteten Urteils als Martyrium148 von den Ikonenverehrern rezipiert, so dass im Zusammenhang eines hier existierenden Maximoskultes diese Texte anscheinend als Märtyrerakten galten. Der Ursprung dieser Tradition und der damit verbundenen Instrumentalisierung des Maximos im Bilderstreit liegt allerdings wiederum in Jerusalem/Palästina. Denn zuvor war es bereits Johannes von Damaskos († vor 754)149 gewesen, der in seinem zweiten Logos „gegen diejenigen, die die heiligen Ikonen verleugnen“ und dann auch im dritten unter den am Ende aufgeführten Chrēseis für die Ikonenverehrung eben diese Passage aus der Disputatio Bizyae aufgenommen hatte.150 Die drei Λόγοι ἀπολογητικοί151 des Jerusalemer Mönches sind nach heutigem (136) Konsens nicht vor Ende der vierziger Jahre des 8. Jahrhunderts anzu-

146 Für die Annahme einer Interpolation dieser Stelle, wie Wolfram Brandes vermutete (Ders., Anmerkungen [s. Anm. 19], 176 mit Anm. 43), besteht meines Erachtens kein Anlass. 147 ACO ser. II 3,2 p. 340,9‒342,19 (Lamberz). In actio VI hat die Synode diese Stelle im Kontext der Widerlegung des Horos von Hiereia erneut aufgenommen, vgl.: ACO ser. II 3,3 p.788,31–790,1 (Lamberz). 148 Vgl. dazu im Detail: Ohme, Maximos Homologetes (†662), Martyrium (s. Anm. 80). 149 PMBZ, Nr. 2969. 150 Ioannes Damasc., Imag. II 65 (PTS 17,164 Kotter 3); Imag. III 131 (PTS 17,196 Kotter 3). 151 Bonifatius Kotter (Hg.), Die Schriften des Johannes von Damaskos, Band 3: Contra imaginum calumniatores orationes tres (PTS 17), Berlin-New York, 1975.

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setzen.152 Das bedeutet, dass zu diesem Zeitpunkt in Jerusalem jene Texte so gut bekannt waren, dass eine eigentlich nebensächliche Passage dem aktuellem Anlass des Bilderstreites unmittelbar dienstbar gemacht werden konnte. In Imag. II,65 wird Maximos in der Überschrift zu dieser Chrēsis „φιλόσοφος καὶ ὁμολογητής“ genannt, in Imag. III,131 wird er als ἄββας bezeichnet und das Zitat dann mit der Wendung eingeführt: „Ὁ ὅσιος Μάξιμος εἶπεν“. In Imag. II,65 steht vor dem Zitat: Ἐκ τῶν περὶ αὐτοῦ πεπραγμένων μεταξὺ αὐτοῦ τε καὶ Θεοδοσίου ἐπισκόπου. Auch der Terminus πεπραγμένα macht deutlich, dass bereits hier die Quelle dieses Testimoniums mit einem weiteren technischen Begriff für Prozessprotokolle bezeichnet wurde und damit der Anspruch der Texte, Märtyrerakten zu sein, übernommen wurde. Überdies hat der Damaszener nun in jeder der drei Reden153 gegen kaiserliche Maßnahmen und Gesetze in der Bilderfrage mit Worten und Argumenten polemisiert, die die Polemik des Maximos gegen den Anspruch, „Kaiser und Priester“ zu sein, übernehmen und aktualisieren.154 „John of Damascus does little more than repeat […] the complains of Maximus the Confessor.“155 Auch sonst erweist er sich als Kenner der Werke des Maximos, findet sich in der Expositio fidei doch eine Fülle von ‒ allerdings dem Programm entsprechend nicht kenntlich gemachten ‒ Zitaten des „Confessors“.156 Zusammenfassend lässt sich Folgendes sagen: Anscheinend hat das Aufkommen einer lehrmäßig abgesicherten ikonoklastischen Religionspolitik im Byzantinischen Reich in den vierziger Jahren des 8. Jahrhunderts und die Erhebung der (137) bilderfeindlichen Theologie zum Reichsdogma auf der Synode

152 Traditionell wurden die Logoi früh nach 726 und 730 datiert. Vgl.: Hans-Georg Thümmel, Die Konzilien zur Bilderfrage im 8. und 9. Jahrhundert. Das 7. Ökumenische Konzil in Nikaia 787, Paderborn u. a. 2005, 46 f. 54. Es mehren sich jedoch die Stimmen, die im 1. Logos eine Antwort auf die Peuseis Konstantins V. und den 2. Logos in Erwartung der bevorstehenden Synode von Hiereia geschrieben sehen und von daher zu einer späteren Datierung gelangen. Vgl.: Paul Speck, Artabasdos, der rechtgläubige Vorkämpfer der göttlichen Lehren (Poikila Byzantina 2), Bonn 1981, 179‒243; Ders., Bild und Bilderstreit in Byzanz, in: Michael Brandt/Arne Effenberger, Die Macht der Bilder. Katalog, Hildesheim 1998, 56‒67; Leslie Brubaker/John F. Haldon, Byzantium in the Iconoclast Era ca. 680–850: A history, Cambridge 2011, 120.183–187. 153 Ioannes Damasc., Imag. I,66; II,16.69 und III,12 (166–67;112–114;102–104 Kotter 3). 154 Vgl. z. B.: „Ich akzeptiere keinen Kaiser, der das Priestertum auf tyrannische Weise an sich reißt!“: Ioannes Damasc., Imag. II,16 (113,66–114,68 Kotter 3). 155 Dagron, Emperor and Priest (s. Anm. 88), 184. 156 Vgl.: Bonifatius Kotter, (Hg.), Die Schriften des Johannes von Damaskos. Bd. 2 Expositio fidei (PTS 12), Berlin-New York 1973, Indices, 256–257. Es handelt sich um direkte und modifizierte Textübernahmen aus den Opuscula theologica et polemica und der Disputatio cum Pyrrho.

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von Hiereia (754)157 einen Aktualisierungsschub für die in einigen Kreisen bereits bestehende Heiligen- und Märtyrerverehrung der beiden Hauptprotagonisten des sog. monenergetisch-monotheletischen Streites, Maximos und Papst Martin I., zur Folge gehabt. Deren Autorität als Märtyrer der Orthodoxie sollte bei den Bilderfreunden nun auch gegen die jetzt aufkommende und als Häresie bewerte bilderfeindliche Theologie ins Feld geführt werden. Damit aber war die Person des Maximos erneut Bestandteil eines bedeutenden kirchenpolitischen Konfliktes im Byzantinischen Reich geworden. Wiederum stand der Name des Maximos in Opposition zur kaiserlichen Religionspolitik. Überdies kam die Initiative zu diesem Heiligenkult zusammen mit dem Widerstand gegen die bilderfeindliche Religionspolitik auch noch von außerhalb des Reiches. Einer offiziellen byzantinischen Rehabilitierung des Maximos standen damit zusätzliche Hindernisse im Wege. In diesem Zusammenhang verdienen auch noch die beiden sogenannten Briefe158 Papst Gregoriusʼ II. (715–731)159 an Kaiser Leon III. (717–741)160 Erwähnung, weil sie detaillierte Kenntnisse der Texte zu den Prozessen gegen Papst Martin I. und Maximos verraten. Die Authentizität dieser Briefe ist bekanntlich mehr als 100 Jahre kontrovers diskutiert worden.161 Nach der Untersuchung und Edition von Jean Gouillard162 sowie den Analysen von Paul Speck163 und Helmut Michels164 ist ein breiter Konsens über die Unechtheit beider Briefe festzustellen. Die in einem äußerst scharfen, ja geradezu unverschämten Ton und unter Missachtung aller forma-

157 Vgl.: Die ikonoklastische Synode von Hiereia 754. Einleitung, Text, Übersetzung und Kommentar ihres Horos, besorgt v. Torsten Krannich/Christoph Schubert/Claudia Sode (STAC 15), Tübingen 2000. 158 Philipp Jaffé, Regesta pontificum Romanorum ad a.p.Chr.n. MCXCVIII (Leipzig 21881– 1888), ND Graz 1956, Nr. 2180.2182. 159 PMBZ, Nr. 2522. 160 PMBZ, Nr. 4242. 161 Den Diskussionsverlauf bis 1988 dokumentiert: Helmut Michels, Zur Echtheit der Briefe Papst Gregors II. an Kaiser Leon III. in: ZKG 99 (1988), 376–391; zum gegenwärtigen Stand vgl.: Dölger/Müller, Regesten (s. Anm. 102), Reg. 280g (279). 162 Jean Gouillard, Aux Origines de lʼIconoclasme: Le Témoignage de Grégoire II?, in: TMCB 3 (1968) 243–307; Edition: 277–297.299–305. Eine auszugsweise (tendenziöse) deutsche Übersetzung findet sich bei: Hugo Rahner, Kirche und Staat im frühen Christentum, München 1961, 438‒459. 163 Paul Speck, Ich bin’s nicht, Kaiser Konstantin ist es gewesen. Die Legenden vom Einfluß des Teufels, des Juden und des Moslem auf den Ikonoklasmus (Ποικίλα Βυζαντινά 10), Bonn 1990, 637–695. 164 Michels, Zur Echtheit (s. Anm. 161).

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len Normen päpstlicher Briefe dieses Zeitraums geschriebenen Texte stehen schon (138) durch ihre Behauptung radikaler bilderstürmerischer Maßnahmen165 Leons III. im Widerspruch zur feststellbaren bilderfeindlichen Politik dieses Kaisers, so dass sie für dessen Regierungszeit als Quellen nicht herangezogen werden können.166 Ihre Entstehung ist vielmehr im byzantinischen Osten zu lokalisieren und muss vor 814 erfolgt sein, werden sie doch von Theophanes als „vielen gut bekannt“ erwähnt, der sie allerdings dem Jahre 724/5 zuordnet.167 Besondere Aufmerksamkeit hat diesen Texten auch Gilbert Dagron geschenkt.168 Denn im Zentrum der dort behaupteten Polemik des Papstes gegen den Kaiser steht dessen angebliche Aussage „Ich bin Kaiser und Priester!“169 als Begründung für seine Maßnahmen. Der Autor dieser Texte betont demgegenüber die Unabhängigkeit der Bischöfe in allen kirchlichen Angelegenheiten, aus denen sich die Kaiser herauszuhalten hätten, zumal sie im liturgischen Sinne keinerlei priesterliche Funktionen in Anspruch nehmen dürften.170 Dagron hat weiterhin wichtige Beobachtungen zum Entstehungsmilieu gemacht: „It was a milieu with an active memory extending back to about 650. The historical allusions that stud the two texts are rare and cursory for the earlier periods, but numerous and significant when they relate to the arrest and deportation of Pope Martin, the martyrdom of Maximus the Confessor.“171 Der Autor sei überdies bemerkenswert vertraut mit zentralen Texten dieses Konflikts. Neben dem Hypomnesticum ist es die Relatio motionis, deren Absage172 an das kaiserliche Selbstverständnis als „Kaiser und Priester“ geradezu als Quelle für den Schreiber der Gregorius-Briefe betrachtet werden müsse.173 Tatsächlich wird Leon III. Kaiser Konstantin IV. (668–685) als vorbildlicher Kaiser entgegengehalten, habe dieser doch auf dem VI. Ökumenischen Konzil nicht den Vorsitz in Anspruch genommen und sei sogar bereit gewesen, seinen

165 Vgl.: Gregorius II pp., Epistula ad Leonem III imp. I,22–25.199 (279.293 Gouillard). 166 „They are of no relevance to the actual history of the period (sc. Leosʼ III) dealt with here“: Brubaker/Haldon, Byzantium in the Iconoclast Era (s. Anm. 152), 83 Anm. 52. 167 Theophanes Conf., Chronographia AM 6217.6221 (404,6–9; 408,28–29 de Boor); Mango/ Scott, The Chronicle (s. Anm. 128) 558.565. 168 Dagron, Emperor and Priest (s. Anm. 88), 158–166. 169 Gregorius II pp., Epistula ad Leonem III imp. II,293 (299 Gouillard). 170 Gregorius II pp., Epistula ad Leonem III imp. I,192–195 (291–293 Gouillard); Epistula II,316‒333 (301 Gouillard). 171 Dagron, Emperor and Priest (s. Anm. 88), 166. 172 S. dazu o. Anm. 88. 173 Dagron, Emperor and Priest (s. Anm. 88), 167–171.

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eigenen Vater Konstans zu anathematisieren.174 Weiterhin wird Leon die Drohung in den Mund gelegt, er werde den Papst in Rom gefangennehmen lassen, „wie es (139) einst Konstans mit Martin gemacht hat“.175 Gregor entgegnet hier, dass er dann rechtzeitig fliehen werde; es werde ihm deshalb nicht so ergehen wie seinem Vorgänger Martin, den Konstans tyrannisch nach Byzanz hatte entführen lassen. Und er tat ihm viele Bösartigkeiten an und schickte ihn ins Exil. Aber auch dem Mönch Maximos und dessen Schüler Anastasios erwies er viele Bosheiten und schickte sie ins Exil nach Lazikē. […] Vom seligen Martin aber legt die Stadt, in die er verbannt wurde, Cherson und Bosporos und der ganze Norden Zeugnis ab, und die Bewohner des Nordens strömen zu seinem Grab zusammen und empfangen dort Heilung.176

Diese sog. Briefe Papst Gregors II. an Leon III. bestätigen also die bisherigen Beobachtungen, wonach das Gedächtnis der in den Prozessen von 653/5 und 662 Verurteilten besonders in ikonodulen Kreisen gepflegt wurde. Für den Autor steht hier verständlicherweise das Schicksal Papst Martins im Vordergrund. Denn die Intention dieser Texte bestand darin, ein analoges Eingreifen des Papsttums wie im sog. monotheletischen Streit so im gegenwärtigen Konflikt zu befördern. So lässt der Autor den Papst sogar ausrufen: „Ach, würdest du doch auch uns würdigen, den Weg Martins zu beschreiten!“177 Ausdrücklich wird zwar ebenfalls Maximos und sogar Anastasios Monachos erwähnt. Auffällig ist allerdings, dass nur der Papst als „Seliger“ bezeichnet wird und nur die Wunder an seinem Grab Erwähnung finden. Maximos aber ist schlicht nur Mönch. Meines Erachtens hängt dieser Unterschied auch mit der Frage der Datierung dieser Texte zusammen. Gouillard hat die Entstehung dieser Texte „dans la période militante de lʼiconoclasme“ angesetzt und in Konstantinopel oder dessen Umgebung lokalisiert.178 Speck hat den Kern der Briefe ähnlich als gegen Konstantin V. gerichtet 174 Gregorius II pp., Epistula ad Leonem III imp. I,186–191 (291 Gouillard); Epistula II,294‒301 (299 Gouillard). Davon kann natürlich keine Rede sein. 175 Gregorius II pp., Epistula ad Leonem III imp. I,236‒238 (295 Gouillard). 176 Gregorius II pp., Epistula ad Leonem III imp. I,247–256 (295 Gouillard): Καὶ πολλὰ στοιχίσας αὐτὸν κακὰ ἐξώρισεν, ἀλλὰ καὶ Μάξιμον τὸν μονάζοντα καὶ τὸν τούτου μαθητὴν Ἀναστάσιον πολλὰ κακὰ ἐνεδείξατο ἔπεμψεν ἐν Λαζικῇ.[…] Τὸν δὲ μακάριον Μαρτῖνον μαρτυρεῖ ἡ πόλις ἐν ᾗ ἐξωρίσθη Χερσῶνος καὶ Βοσπόρου καὶ ὅλος ὁ βορρᾶς, καὶ οἱ οἰκήτορες τοῦ βορρᾶ εἰς τὸ μνῆμα κατατρέχοντες κατεκχύνονται καὶ τὰς ἰάσεις λαμβάνοντες. Nach Notitia I, 62.63 und Notitia II 66.67 sind Cherson und Bosporos zwei autokephale Bistümer von Zēkchia (Krim). Vgl.: Jean Darrouzès, Notitiae Episcopatuum Ecclesiae Constantinopolitanae, Paris 1981, 206.218. 177 Gregorius II pp., Epistula ad Leonem III imp. I,257 (297 Gouillard). 178 Gouillard, Aux Origines (s. Anm. 162), 275.

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betrachtet, dann aber mehrere Redaktionen postuliert, in deren Gefolge Gregor II. schließlich zum Absender geriet, was erst nach 800 erfolgt sei. Bei der Frage der Datierung wurde folgender Passage bislang keine Aufmerksamkeit geschenkt, in der Gregor den Kaiser zitiert, der geschrieben habe: „Warum wurde denn auf den sechs ökumenischen Konzilien nie über Bilder gesprochen?“. Darauf antwortet der (140) Papst: „Ganz richtig, Kaiser. Es wurde dort (aber auch) nicht über Brot und Wasser geredet, essen und nicht essen, trinken und nicht trinken“, weil eben die Bilder von Anfang an Teil der Tradition gewesen seien.179 Diese fiktive päpstliche Antwort bestätigt implizit, dass die Aussage Leons zutrifft. Der Text bietet damit ein tatsächlich von ikonoklastischer Seite benutztes Argument gegen die Bilder, das allerdings voraussetzt, dass die Kanones des Concilium Quinisextum und dessen Bilderkanon can. 82180 nicht als Bestandteil des VI. Ökumenischen Konzils angesehen wurden. Dies ist in der Tat im 8. Jahrhundert ein zentraler Streitpunkt zwischen Bilderfeinden und Bilderverteidigern gewesen, der sich in der handschriftlichen Überlieferung der Akten des Concilium Quinisextum niederschlägt.181 Mindestens mit dem II. Nicaenum aber hat sich in ikonodulen Kreisen die Bezeichnung der Kanones des Quinisextums als Kanones des VI. Ökumenischen Konzils breit durchgesetzt.182 Insofern wäre bei Entstehung des Textes nach 787 die Behauptung des Kaisers sicher nicht unwidersprochen geblieben, zumal auch Papst Hadrian I. (772–795)183 in seinem Schreiben an Patriarch Tarasios, das auf der 2. Sitzung des VII. Konzils verlesen wurde, diese Zuordnung von can. 82 des Quinisextums zum VI. Ökumenischen Konzil bestätigt.184 Meines Erachtens muss der Text deshalb deutlich vor 787 entstanden sein. In dieser Datierung könnte auch eine Erklärung für die tituläre Zurückhaltung gegenüber dem „Mönch Maximos“ liegen. War dieser doch neben den gewiss noch bekannten Anklagepunkten von 655 durch die Aufnahme als Testimonium in die Kampfschriften des Johannes von Damaskos erneut Teil einer polarisieren-

179 Gregorius II pp., Epistula ad Leonem III imp. II,370‒374 (305 Gouillard). 180 In diesem Kanon findet sich erstmals die Argumentation, dass das Bild Christi wegen seiner Inkarnation geradezu notwendig sei. Der Kanon bemängelt, dass „auf manchen Abbildungen der verehrungswürdigen Ikonen“ nach Joh 1,29.36 Johannes der Täufer mit einem Lamm dargestellt wird. Ab sofort solle die Darstellung des Menschgewordenen an die Stelle des Lammes treten: ACO ser. II 2,4, p.54 (Ohme); Ohme, Concilium Quinisextum (s. Anm. 105), 106‒107. 181 Vgl. dazu: Heinz Ohme (Hg.) Concilium Constantinopolitanum a. 691/2 in Trullo habitum (Concilium Quinisextum) (ACO ser. II 2,4), Berlin/Boston 2013, Einleitung LXIII‒LXX. 182 Vgl. dazu: Heinz Ohme, Das Quinisextum auf dem VII. Ökumenischen Konzil, in: AHC 20 (1988), 325–344. 183 PMBZ, Nr. 2536. 184 Hadrianus I pp., Epistula ad Tarasium Patr. (ACO ser. II, 3,1 p. 174–186.176,7–9 Lamberz); dazu: Ohme, Concilium Constantinopolitanum a. 691/2 (s. Anm. 181), Einleitung LXXXII.

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den Kontroverse geworden. Eine solche Zurückhaltung gegenüber Maximos wäre bei einer Jerusalemer Provenienz der Briefe gewiss nicht zu erwarten, so dass auch von daher vieles dafür spricht, dass sie in Konstantinopel entstanden sind. Dies wird durch eine letzte Beobachtung bestätigt. Während Johannes von Damaskos die maximianische Polemik gegen das kaiserliche Selbstverständnis als „Kaiser und Priester“ außerhalb des (141) Byzantinischen Reiches ungebremst weiterführte, macht schon der zweite sogenannte Brief Papst Gregors II. an Leon III. deutlich, wie innerhalb des Byzantinischen Reiches auch bei den Anhängern des Maximos deutlich vorsichtiger agiert wurde. Obwohl die Gregorbriefe vor keinem Vorwurf gegen den Kaiser zurückschrecken, wird eine prinzipielle Unvereinbarkeit von kaiserlichem und priesterlichem Amt hier nicht mehr behauptet. Vielmehr vertritt der zweite Brief eine harmonische Verbindung beider Größen als „in Tat und Wort“ bestehende Möglichkeit, die bei etlichen Kaisern musterhaft gegeben war.185 So kann der Verfasser Leon III. in diesem Sinne ‒ jetzt sogar mit der Titulatur ἀρχιερεύς (!) ‒ geradezu auffordern: „Werde Priester und Kaiser, wie du geschrieben hast!“186 Diese Beobachtungen zu mehreren Vertretern des ikonodulen Widerstandes in der ersten und zweiten Phase des Bilderstreites machen deutlich, dass der Maximoskult in diesem Zeitraum anscheinend auch in hauptstädtischen ikonodulen Kreisen gepflegt wurde. Victor M. Zhivov hat überdies darauf hingewiesen,187 dass die Übertragung des von Maximos in der Mystagogia und in Ambigua 7 entwickelten liturgischen Bildbegriffs auf die Ikone für die Entwicklung der Ikonentheologie von Johannes von Damaskos bis zu Theodoros Studites von Bedeutung gewesen sei. Diese bildertheologische Rezeption des Maximos durch die Verteidiger der Bilder zusätzlich zur Benutzung der Disputatio Bizyae als Testimonium für den Bilderkult und der Relatio motionis als Quelle ikonoduler Polemik gegen das kaiserliche Selbstverständnis als „Kaiser und Priester“ werden die hauptsächlichen Gründe gewesen sein, dass ein offizieller Maximoskult in Konstantinopel im Zeitraum des Ikonoklasmus undenkbar war.

185 Gregorius II pp., Epistula ad Leonem III imp. II,294–301 (299 Gouillard). Genannt werden: „Konstantin der Große, Theodosios der Große, Valentinianos der Große (?), Justinian der Große und Konstantin IV.“ 186 Gregorius II pp., Epistula ad Leonem III imp. II,377 (305 Gouillard): γενοῦ ἀρχιερεὺς καὶ βασιλεὺς καθὼς προέγραψας. 187 Victor M. Zhivov, The Mystagogia of Maximus the Confessor and the Development of the Byzantine Theory of the Image, in: SVTQ 31 (1987), 349–376.

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13 Der Widerstand gegen die Heiligenverehrung des Maximos

4 Der Maximoskult im 9. und 10. Jahrhundert Schon länger wurde gesehen, dass die beiden sogenannten Briefe Papst Gregors II. an Leon III. nach dem Ende des Bilderstreites (843) in liturgische Sammlungen Eingang fanden, wo sie als Lesungen ‒ im Gottesdienst oder in der Trapeza des Klosters ‒ zum Sonntag der Orthodoxie vorgesehen waren.188 Damit war anscheinend nach der endgültigen Durchsetzung des Bilderkultes in Konstantinopel ein Hindernis für eine öffentliche Praktizierung eines Kultes Papst Martins und Maximosʼ (142) beseitigt. Allerdings wird man bedenken müssen, dass noch die antiphotianische Synode von 869/70 in can. 3 die Ikonenverehrung zur Pflicht erklären musste und für deren ‒ offensichtlich vorkommende ‒ Verweigerung die Exkommunikation androhte.189 Die sich nach 843 fortsetzende Spaltung der Kirche von Konstantinopel in konkurrierende kirchenpolitische Strömungen, die sich teilweise als programmatisch bestimmte „Parteien“ identifizieren lassen („Zeloten/Rigoristen“ gegen „Liberale“)190 und die im sog. „Photianischen Schisma“ zur offenen Konfrontation führte, bot für eine offizielle Rezeption des Maximoskultes anscheinend weiterhin keine guten Voraussetzungen. So kann es dann auch nicht überraschen, wenn das kurz nach 887 entstandene Synodicon vetus keine Anzeichen eines Maximoskultes deutlich werden lässt. Dies überrascht umso mehr, als dessen Kapitel 128–146 über den Monotheletismus starke Parallelen zu Theophanes aufweisen und von denselben Quellen abzuhängen scheinen.191 Jedenfalls wird Maximos hier im Kontext der Disputatio cum Pyrrho nur als „Μάξιμος ὁ ἐν μοναχικοῖς αἰδέσιμος“ bezeichnet.192 In Kap. 139 über die Lateransynode ist die Bezeichnung Martins als „ὁ ἁγιώτατος πάπας“ möglicherweise nur Titulatur. Maximos wird hier nur „θεόσοφος“ genannt. Obwohl im selben Kapitel auch die Prozesse und die Strafen erwähnt werden, erhalten weder Papst Martin I. noch Maximos das Prädikat „Confessor“ oder gar „Heiliger“. Maximos ist nur „der edle Maximos“.193 Das Kontrastprogramm dazu bietet eine jüngst erstmals edierte, bislang unbekannte Konzilssynopse, die etwa zeitgleich mit dem Synodicon vetus in Kon-

188 Gouillard, Aux Origines (s. Anm. 162), 254 mit Anm. 56. 189 Mansi XVI, 400C2-D5. 190 Beate Zielke, Methodios I., in: Ralph-Johannes Lilie (Hg.), Die Patriarchen der ikonoklastischen Zeit (BBySt 5), Frankfurt a.M. 1999, 183–260.183–260.230–259; Francis Dvornik, The Photian Schism. History and Legend, Cambridge (1948) ND 1970, 37–51. 191 Vgl.: van Dieten, Geschichte der Patriarchen (s. Anm. 87), Exkurs II, 179–218. 192 Synodicon vetus 138 (114 Duffy/Parker). 193 Synodicon vetus 139,2.8 (116 Duffy/Parker): τὸν γενναῖον […] Μάξιμον.

4 Der Maximoskult im 9. und 10. Jahrhundert

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stantinopel entstanden ist.194 Sie bietet in Kapitel XVI „eine in sich geschlossene ‚Geschichte des Monotheletismus‘[…], die so zwar sonst nicht überliefert ist, sich (143) jedoch in eine Reihe von ähnlichen Texten einreiht, die nach dem Constantinopolitanum III von 680/681 entstanden“ sind.195 Hier ist es „der Bekenner Maximos, der in Wissen und Tugend die höchste Stufe erklommen (hat)“ und der den orthodoxen Glauben verkündete und die Häresie der Monotheleten widerlegte.196 Zum Prozess von 662 weiß der Autor zu berichten: Nicht viel später indes wurde auch der hochheilige Maximos (ὁ θειότατος Μάξιμος) nach zahlreichen Verbannungen und Kämpfen wie auch Bestrafungen um der Frömmigkeit willen von demselben Kaiser in die Hauptstadt vorgeladen, und nachdem seine rechte Hand abgeschlagen und seine gottverkündende Zunge herausgeschnitten war, wurde er zusammen mit seinen Schülern in das alleräußerste Grenzgebiet der Romania verbannt. Und dort wurde er den heiligen Märtyrern zugerechnet (τοῖς ἁγίοις μάρτυρσι συνηριθμήθη) […]. Als auch der Bekenner Martin (τοῦ ὁμολογητοῦ Μαρτίνου) sein Leben in Cherson zu Ende gebracht hatte, wurde der heilige Agatho zum Bischof von Rom ernannt.197

Beide zeitgleichen Konzilssynopsen dokumentieren somit einen sehr unterschiedlichen Umgang mit der Bewertung des Schicksals von Papst Martin und Maximos noch in den 70er und 80er Jahren des 9. Jahrhunderts in Konstantinopel. Offensichtlich ist der Maximoskult noch immer nicht offiziell rezipiert worden. Dies muss nicht überraschen, wenn man sich Folgendes klar macht. Es charakterisiert den Weg der „Heiligsprechung“ im Bereich den orthodoxen Kirchen bis heute, dass eine zu Lebzeiten bereits verehrte Person nach ihrem Tod von ihren Anhängern als heiligmäßig kultisch verehrt wird und ein solcher Kult damit zuerst nur partikular und auch lokal praktiziert wird und erst in einem längeren Prozess kirchlich synodal rezipiert wird, um so offiziel-

194 Lars M. Hoffmann/Wolfram Brandes (Hg.), Eine unbekannte Konzilsynopse aus dem Ende des 9. Jahrhunderts (FBRG 30), Frankfurt/M. 2013, 21.25–30. Den Autoren war nicht bekannt, dass die Kanones des Quinisextums in dieser Zeit im Osten sicher als Kanones des VI. Konzils gerechnet werden. Weil das Concilium Quinisextum nicht gesondert erwähnt wird, ziehen sie daraus die unzutreffende Schlussfolgerung, dass der Autor „eine Kanonessammlung ohne die Kanones des Quinisextum vor sich hatte“ (24.291). Vor diesem Fehlurteil hätte schon der Text der Synopse bewahren können, der zum VII. Konzil dessen Horos zitiert, in dem can. 82 des Quinisextums vollständig zitiert und als Kanon des „sechsten heiligen und ökumenischen Konzils“ eingeführt wird (a.a.O., 198, 138–151). 195 Hoffmann/Brandes, Konzilsynopse (s. Anm. 194), 32.283. 196 Ebd., 168,26–29. 197 Ebd., 172,67–73.

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13 Der Widerstand gegen die Heiligenverehrung des Maximos

len Status zu erlangen.198 Eine solche zuerst nur partikulare und lokale kultische Verehrung kann aber auch auf Ablehnung bei anderen Gläubigen stoßen, ja sogar zu Konflikten mit der Kirchenleitung führen, die dann die kultische Verehrung als solche zu unterbinden versucht. Dies lässt sich z. B. am Fall Symeons des „Neuen Theologen“ (949–1022)199 studieren, der als Abt des Konstantinopler Mamasklosters für seinen geistlichen Vater, den Studios-Mönch Symeon Eulabes, umgehend nach dessen Tod (986/7) einen Heiligenkult eingeführt hat, der auf beträchtlichen Widerstand stieß und zu einem Prozess gegen Symeon führte. Dieser Kult war also nicht (144) kirchlich anerkannt, wurde gleichwohl aber praktiziert.200 Niketas Stethatos († vor 1092)201 berichtet in seiner Vita202 des Symeon Neos Theologos, was dieser im 10. Jahrhundert unternahm, um einen Kult des Symeon Eulabes zu initiieren. Er machte die „guten Taten“ und das „apostolische Leben“ des Verehrten sowie die „Werke Gottes“ und die „göttlichen Gnadengaben“ (θεῖα χαρίσματα) öffentlich bekannt (ἀνακηρύττειν), indem er Hymnen und Enkomia „und dessen ganze Vita“ schrieb (καὶ ὅλον τὸν βίον αὐτοῦ) und dann das Gedächtnis des Heiligen jährlich feierte.203 Bereits im Hypomnesticum ist uns ein sehr früher Text begegnet, der diesen Angaben entspricht und sogar eine liturgische Rubrik enthält.204 Die Epistula Anastasii Apocrisarii ad Theodosium Gangrensem versteht sich als Enkomion.205 Was wir bislang nicht in den Blick genommen haben, ist aber eine Vita mit der Passio des Maximos. Es spricht aber alles dafür, dass angesichts des in Kapitel I deutlich gewordenen frühen Maximoskultes in Palästina/Jerusalem lange vor der im 10. Jahrhundert entstandenen griechischen Vita Maximi (BHG 1234) bereits früh auch ein Bios des Maximos existiert haben wird.

198 Vgl.: Hamilkar Alivisatos, Ἡ ἀναγνώρισις τῶν ἁγίων ἐν τῇ Ὀρθοδόξῳ Ἐκκλησíᾳ, in: Theol (A) 19 (1941–1948) 18–52; Konstantinos (Metropolit von Serres), Περὶ ἀναγνωρίσεως τῶν ἁγίων ἐν τῇ Ὀρθοδόξῳ Ἐκκλησίᾳ: Theologia 27 (1956), 609–615. 199 PMBZ, Nr. 27488. 200 Vgl. dazu: Johannes Koder, Normale Mönche und Enthusiasten: Der Fall des Symeon Neos Theologos, in: Dieter Simon (Hg.), Religiöse Devianz. Untersuchungen zu sozialen, rechtlichen und theologischen Reaktionen auf religiöse Abweichung im westlichen und östlichen Mittelalter, Frankfurt/M. 1990, 97‒119. 201 PMBZ, Nr. 25842. 202 Irénée Hausherr/Gabriel Horn, Un grand mystique byzantin. Vie de Syméon le nouveau théologien (949–1022) par Nicétas Stéthatos (OrChr[R] 12,1), Rom 1928. 203 Vita Symeon. N.Theol., Kap. 72,18‒20 (98 Hausherr). 204 S. o. Anm. 77. 205 S. o. S. 114.

4 Der Maximoskult im 9. und 10. Jahrhundert

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In Aufnahme einer Hypothese von Wolfgang Lackner ist der bereits eingangs erwähnte206 Herausgeber der noch ausstehende Edition der verschiedenen hagiographischen Varianten einer Vita/Passio Maximi in Menologien, Synaxarien u. a. m., Bram Roosen, zu dem Ergebnis gekommen, dass am Anfang der gesamten hagiographischen Tradition eine nicht mehr erhaltene „Urpassio“ gestanden haben müsse, die noch vor der überlieferten epitomierten Vita Maximi eines Menologiums des 9./10 Jahrhunderts anzusetzen sei (sog. Compendium Vindobonense).207 (145) Wegen textlicher Parallelen dieses Compendium Vindobonense, der Passio im Synaxarium des Codex Patmensis 266 (s.XI–XII) und der Passio im Synaxarium Constantinopolitanum (s.X) mit der griechischen Vita Papst Martins (BHG 2259) zieht Roosen den meines Erachtens überzeugenden Schluss, dass die postulierte „Urpassio“ des Maximos im zeitlichen und geographischen Umfeld der Entstehung der griechischen Vita Martins anzusetzen und auch denselben Kreisen zuzuordnen sei.208 Dabei sei mit Pietro Conte209 an Jerusalem/Palästina zu denken, „a region, where the innerchalcedonian tensions between dyothelites

206 S. o. S. 458. 207 Roosen, Vitae et Passiones (s. Anm. 7), 421‒426. Neben den eingangs erwähnten Zeugnissen (s. o. S. 111–112) eines offiziell installierten Maximoskultes im 10. Jahrhundert gehören zu diesen hagiographischen Texten außerdem noch: ein Synaxarium im Codex Patmiacus 266 (s. XI‒XII), das nach Roosen im 9./10. Jahrhundert in Palästina zu lokalisieren ist, mit dem Eintrag: Τοῦ ὁσίου Μαξίμου τοῦ ὁμολογητοῦ (Αleksej Dimitrievskij, Opisanie liturgičeskich rukopisej I, [Kiev 1895] Hildesheim 1965, 103; vgl: Roosen, Vitae et Passiones [s. Anm. 7] 420‒ 421). Die Handschrift bietet den Anfang einer Passio und bezeugt einen von Konstantinopel unabhängigen Maximoskult auch durch einen doppelten Synaxareintrag am 13. und am 26. August. Weiterhin existieren noch zwei voneinander unabhängige Vitae et passiones: Βίος καὶ πολιτεία καὶ ἄθλησις τοῦ ἀοιδίμου καὶ μακαριωτάτου πατρὸς ἡμῶν καὶ ὁμολογητοῦ Μαξίμου, καὶ περὶ τῶν β´ μαθητῶν αὐτοῦ (BHG 1233 m; „Recensio Mosquensis“); Βίος καὶ πολιτεία καὶ ὁμολογία τοῦ ὁσίου πατρὸς ἡμῶν Μαξίμου (BHG 1233n; „Recensio Atheniensis“; vgl.: Roosen, Vitae et Passiones [s. Anm. 7] 443‒451). Diese sind durch eine gemeinsame Vorlage verbunden, die ihrerseits der griechischen Vita (BHG 1234) als Vorlage gedient hat. Beide setzen Theophanes Confessor voraus und sind zwischen dem Beginn des 9. Jahrhunderts und der Mitte des 10. Jahrhunderts entstanden. Schließlich ist die Epitome einer Passio (BHG 1236), das sog. „Compendium Vindobonense“, zu beachten: Ἄθλησις ἐν ἐπιτόμῳ τοῦ ὁσίου πατρὸς ἡμῶν Μαξίμου τοῦ ὁμολογητοῦ (S. L. Epifanovič, Materialy k izučenija žizni i tvorenij prep. Maksima Ispovednika, Kiev 1917; vgl.: Roosen, Vitae et Passiones [s. Anm. 7] 421‒423 mit Anm. 54). Sie gehört ins 9./10. Jahrhundert zu einem Menologium mit Eintrag am 13. August. Als Kurzfassung (ἐν ἐπιτόμῳ) einer längeren Vita mit einem Schlussgebet entstammt der Text liturgischer Verwendung. BHG 1233 mn und 1236 lassen sich geographisch nicht eindeutig zuordnen. 208 Roosen, Vitae et Passiones (s. Anm. 7), 427–433. 209 Pietro Conte, Il sinodo Lateranense dell’ottobre 649. La nuova edizione degli Atti a cura di Rudolf Riedinger. Rassegna critica di fonti die secoli II–XII, Vaticano 1989, 235–249 („12. ‚Vita‘ Graeca di Martino“).

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13 Der Widerstand gegen die Heiligenverehrung des Maximos

and the emerging monothelite Maronite church continued long after the sixth Oecumenical Council“.210 Der Zeitraum sei „roughly speaking the first half of the eighth century“.211 Dieses Ergebnis wird wesentlich durch folgende Beobachtung bestätigt. Die von Paul Peeters im Jahre 1933 nach dem Codex Patmiacus 254 erstmals edierte griechische Vita Martini pp.,212 die das älteste Zeugnis eines wesentlichen Bestandteils eines Kultes des „ἐν ἁγίοις πατὴρ ἡμῶν καὶ ὁμολογητὴς τοῦ Χριστοῦ Μαρτῖνος“ ist,213 ist ihrerseits von der maximianisch überarbeiten Fassung der oben erwähnten Synopsis de haeresibus et synodis des Anastasios Sinaites (146) abhängig.214 In § 1 und § 2 wird die Rolle der östlichen Äbte und Mönche auf der Lateransynode von 649 stark hervorgehoben. So heißt es von Maximos ‒ hier nun ebenfalls als „ὁ ὅσιος Μάξιμος ὁ ὁμολογητής“ tituliert ‒, dass er es gewesen sei, der den „hochheiligen römischen Papst Martin“ „veranlasst“/„zugerüstet“ habe (παρασκευάζει), die Lateransynode einzuberufen und die Anathemata auszusprechen.215 Auf der Synode seien „die Bischöfe und die Äbte und Mönche aus dem ganzen Osten aufgetreten und belehrten durch Schriften und mündliche Mitteilung über die äußerst frevelhafte Häresie“.216 Überdies wird auch noch ein Auszug aus dem Libellus217 des Bischofs Stephanos von Dora zitiert218, der auf der zweiten Sitzung der Lateransynode vorgetragen worden war.219 Damit wird der Jerusalemer Beitrag zur Lateransynode ähnlich wie in der überarbeiteten Synopsis stark hervorgehoben. Weisen diese Indizien bereits auf eine palästinische Proveni-

210 Roosen, Vitae et Passiones (s. Anm. 7), S. 432 mit Anm. 89. 211 Roosen, Vitae et Passiones (s. Anm. 7), 427‒433.432. 212 Βίος καὶ πολιτεία τοῦ ἁγιωτάτου καὶ μακαριωτάτου Μαρτίνου ἀρχιεπισκόπου γεγονότος τῆς τῶν Ῥωμαίων ἁγίας τοῦ θεοῦ καθολικῆς καὶ ἀποστολικῆς ἐκκλησίας: Paul Peeters, Une vie grecque du pape S. Martin I, in: AnBoll 51 (1933), 225–262. 213 Peeters, Une vie grecque (s. Anm. 212) 253, § 1, Z.1. 214 Conte, Il sinodo Lateranense (s. Anm. 93); dazu: Heinz Ohme, Die griechische Vita Papst Martins (BHG 2259), Maximus Confessor und das Concilium Quinisextum (691/2), in: Byz. 86 (2016), 317–336. Zur Synopsis des Sinaiten s. o. S. 475f. 215 Peeters, Une vie grecque (s. Anm. 212) 254, 7‒9. Diese Aussage konvergiert mit der bereits gemachten Beobachtung (s. o. Anm.: 70.93). In maximianischen Kreisen blieb das Wissen lebendig, dass der Initiator der Anathematisierung der Kirche von Konstantinopel und „Schriftleiter“ der Akten der Lateransynode Maximos gewesen ist. 216 Peeters, Une vie grecque (s. Anm. 212), 254,16–19: εἰσελθόντες οἱ ἐπίσκοποι καὶ οἱ ἡγούμενοι καὶ οἱ μονάζοντες πάσης τῆς ἀνατολικῆς χώρας ἀνεδίδαξαν διὰ τε λιβέλλων καὶ λόγου τὰ τῆς δυσσεβεστάτης αἱρέσεως. 217 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.38,10–46,36 Ried.); Winkelmann (s. Anm. 6), Nr. 82. 218 Peeters, Une vie grecque (s. Anm. 212), 254, 25‒32. Zu Stephanos vgl.: PMBZ, Nr. 6906. 219 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.38,10–46,36 Ried.).

4 Der Maximoskult im 9. und 10. Jahrhundert

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enz der griechischen Vita Martini hin, so machen die weitere Merkmale der Darstellung des VI. Konzils und des Concilium Quinisextum in den Schlusskapiteln 13 und 14 eine palästinisch/Jerusalemer Herkunft mehr als wahrscheinlich.220 Dazu gehört auch die exklusive Hervorhebung und Bewertung des Bilderkanons can. 82 des Quinisextums,221 die eine Entstehung der griechischen Vita Martini im Kontext des Bilderstreites ca. in der Mitte des 8. Jahrhunderts nahelegt.222 Damit legen das nach 668 entstandenen Hypomnesticum und die vor 691/2 entstandene überarbeitete Fassung der Synopsis de haeresibus et synodis, von der wiederum die in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts in Palästina entstandene griechische Vita Martini abhängig ist, sowie der Umgang des Johannes von Damaskos mit den „Prozessakten“ des Maximos Palästina/Jerusalem als Entstehungsort eines Kultes des Maximos und seiner Schüler zusammen mit der Verehrung Papst Martins nahe. Damit wird die These von Roosen bestätigt, dass auch die älteste Vita Maximi in diesen Kreisen entstanden sein wird. Der Kurzfassung dieser Vita, der (147) Ἄθλησις ἐν ἐπιτόμῳ τοῦ ὁσίου πατρὸς ἡμῶν Μαξίμου τοῦ ὁμολογητοῦ (s.IX/X; Compedium Vindobonense) ist zu entnehmen, dass bereits hier von einer führenden Stellung des Maximos am kaiserlichen Hof in Konstantinopel in frühen Jahren die Rede ist. Die These von Roosen ist bestechend, dass diese Angabe der im selben geographischen Raum zuvor entstandenen „monotheletischen“ syrischen Vita Maximi223 mit ihrem Maximos diskreditierenden Bericht, Kind einer unehelichen Beziehung eines Samaritaners mit einer persischen Sklavin zu sein, entgegengesetzt worden sei.224 Mit der offiziellen Rezeption des Maximoskultes in Konstantinopel im 10. Jahrhundert ist der damit einsetzende Vorgang einer byzantinischen „Nostrifizierung“ des „heiligen Bekenners Maximos“ anscheinend biographisch vollendet worden, indem Details seiner ersten Lebensjahrzehnte mit vornehmer konstantinopolitanischer Herkunft, höherer Bildung und weltlicher Karriere am Hof hinzugefügt und weiteren Einzelheiten und Texte aus Relatio motionis, Disputatio Bizyae, Epistula Maximi ad Anastasium monachum und Epistula Anastasii Apocrisarii ad Theodosium Gangrensem225 ergänzt wurden. W. Lackner hat bereits

220 S. dazu im Detail: Ohme, Die griechische Vita Papst Martins (s. Anm. 214). 221 Zu seiner Bedeutung in der ersten Phase des Bilderstreites s.o. S. 486. 222 Vgl. dazu: Ohme, Die griechische Vita Papst Martins (s. Anm. 214). 223 Brock, An Early Syriac Life (s. Anm. 7). 224 Roosen, Vitae et Passiones (s. Anm. 7), 432 f. 225 Vgl.: Neil/Allen, The Life of Maximus the Confessor (s. Anm. 23), 4–11.40–44; Boudignon, Maxime le Confesseur était-il Constantinopolitain (s. Anm. 7); Roosen, Vitae et Passiones (s. Anm. 7), 440‒451.

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13 Der Widerstand gegen die Heiligenverehrung des Maximos

1967 nachgewiesen,226 dass jene seitdem das Maximosbild bestimmenden Angaben der griechischen Vita (BHG 1234) über Geburt, Jugend und Bildung im 10. Jahrhundert nach dem Muster der Vita des Theodoros Studites227 frei gestaltet worden sind. Diese schließlich erfolgte byzantinische „Nostrifizierung“ scheint durch eine ganze Reihe von Faktoren ermöglicht worden zu sein. Bedeutende zeitbedingte Widerstände waren mittlerweile obsolet geworden. Die Ikonenverehrung wurde zum Normalfall, und Maximos galt nun als Zeuge der Tradition. Die aus apokalyptischer Zeitdeutung erwachsenen politischen und kirchenpolitischen Machenschaften des Maximoskreises waren geschichtstheologisch überholt und konnten mit der dominant gewordenen Deutung228 des sog. monenergetisch-monotheletischen Streites durch Anastasios Sinaites und Theophanes Confessor dem Vergessen anheimgestellt werden. Die schwerwiegenden Anklagen in den Prozessen von 655/662 wurden zu Verleumdungen (συκοφαντίας) und gingen so in die (148) Vita ein.229 Die von Maximos propagierte prinzipielle Infragestellung des kaiserlichen Selbstverständnisses als „Kaiser und Priester“ war bereits früh auf kirchenrechtlicher Ebene durch das Concilium Quinisextum zurückgewiesen worden und von den Maximosverehrern innerhalb des Byzantinischen Reiches schon modifiziert worden. Entsprechend wird in Recensio II der griechischen Vita Maximi, die eine gekürzte und paraphrasierende Fassung der Relatio motionis bietet,230 an dieser Stelle deren Text auch korrigiert.231 Ein weiterer erleichternder Faktor bestand in der inzwischen erfolgten breiten Rezeption des maximianischen theologischen Werkes, obwohl dies nicht zu einer Ehrenstellung als „dritter Theologe“ geführt hat. Schließlich mag auch das inzwischen möglich gewordene Eingeständnis kaiserlichen Fehlverhaltens eine Rolle gespielt haben, das Basileios I. (867–886) und Leon VI. (886–912) zu öffentlichen

226 Lackner, Zu Quellen und Datierung der Maximosvita (s. Anm. 18). 227 Es handelt sich um Recensio A der Vita. Vgl.: Dirk Krausmüller, Vitae B, C and A of Theodore the Stoudite: their Interrelation, Dates, Authors and Significance for the History of the Stoudios Monastery in the Tenth Century, in: AnBoll 131 (2013), 280‒298. 228 Vgl.: Ohme, Geschichtstheologie (s. Anm. 82), 33‒35.55‒61. 229 Vita Maximi Rec. II (PG 90, 89B8‒C4); Rec. III: 24,554 (82 Neil/Allen). 230 PG 90,68‒109; dazu: B. Neil, The Greek Life of Maximus the Confessor (BHG 1234) and its Three Recensions, in: StPatr 36 (2001), 46‒53.52‒53. 231 Maximos verneint hier kategorisch, eine Verbindung von Kaisertum und Priestertum prinzipiell bestritten zu haben. Vielmehr habe er gesagt, dass die Definition von Dogmen und deren Diskussion „mehr“ Sache der Priester als der Kaiser sei: ἱερέων μᾶλλον ἢ βασιλέων ἐστί (PG 90,92A7–C10.C2-3). Die dem 11. Jahrhundert angehörende Recensio III der Vita bietet den Text der Relatio motionis an dieser Stelle ungekürzt: Vita Maximi (Rec. III) 55,1334‒1435 (152 Neil/Allen).

4 Der Maximoskult im 9. und 10. Jahrhundert

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Erklärungen der Buße geführt hatte und in dem Mosaik des „Kaisers als Büßer“ über der kaiserlichen Tür im Narthex der Hagia Sophia ikonographisch Gestalt angenommen hatte.232 Es ist also historisch nachvollziehbar, dass ein offizieller Märtyrerkult des Maximos in der Kirche des Byzantinischen Reiches erst im 10. Jahrhundert möglich geworden ist, obwohl seine Anhänger und Schüler umgehend nach seinem Tode am 13. August 662 in Propagandaschriften dafür warben und in Palästina/ Jerusalem eine solche kultische Verehrung liturgisch installiert wurde. Dem stand aber auch nach 680/1 entgegen, dass die Anklagepunkte des Hochverratsprozesses von 655 und 662 weiterhin als stichhaltig betrachtet wurden. Überdies hatte Maximos alle entgegenkommenden Vermittlungsbemühungen starr zurückgewiesen und war persönlich für die von der Lateransynode im Jahre 649 vorgenommene Anathematisierung der Konstantinopler Kirchenleitung verantwortlich, an der er bis zum Schluss unerbittlich festhielt. Außerdem war die innerbyzantinische Rezeption der theologischen Entscheidung des VI. Ökumenischen Konzils in den Jahrzehnten danach so unsicher, dass sie unmöglich mit einer Rehabilitierung des Maximos zusätzlich belastet werden konnte. Der Maximoskult innerhalb des chalcedonensischen palästinischen Mönchtums war aber auch dort nur auf (149) bestimmte Gruppen beschränkt, zu denen Johannes von Damaskos gehörte. In seinen antiikonoklastischen Schriften erhob dieser Maximos zu einem Traditionszeugen der Bilderfrömmigkeit und aktivierte dessen radikale Polemik gegen das kaiserliche Selbstverständnis als „Kaiser und Priester“ für seine Polemik gegen die bilderfeindliche Religionspolitik Konstantins V. Indem Maximos zum Traditionszeugen der Ikonodulen wurde, war seine Person erneut mit einer langen kirchenpolitischen Kontroverse verbunden, auch wenn seine prinzipielle Infragestellung der kaiserlichen Autorität in kirchlichen Angelegenheiten von den Ikonodulen im Reich stark modifiziert wurde. In ikonodulen monastischen Kreisen der Hauptstadt wird ein partikularer Maximoskult auch innerhalb des Byzantinischen Reiches seit der 2. Hälfte des 8. Jahrhunderts praktiziert worden sein. Aber auch nach dem Ende des Bilderstreites gab es im 9. Jahrhundert noch keine einheitliche Bewertung des persönlichen Schicksals des Maximos. Ein Konsens über sein Wirken und Leiden wurde erst in großer historischer Distanz zu den Ereignissen des 7. Jahrhunderts möglich. In diesem Prozess kam es zu einer „Nostrifizierung“ der Person des „heiligen Bekenners“, die seine Vita „kreativ“ korrigierte und ergänzte, und damit zu einer hagiographischen Verdunkelung

232 Vgl. dazu: Dagron, Emperor and Priest (s. Anm. 88), 114‒124.

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13 Der Widerstand gegen die Heiligenverehrung des Maximos

der tatsächlichen historischen Umstände des sogenannten monenergetisch-monotheletischen Streites.233 Seit der von Hippolyte Delehaye edierten, dem 12. Jahrhundert zugehörenden Fassung des Synaxarium Constantinopolitanum begegnet als eigentlicher Festtag des Maximos der 21. Januar neben seinem Todestag am 13. August.234 Diese bis heute bestehende Verschiebung seines Gedenktages in den orthodoxen Kirchen235 ist wohl von daher zu erklären, dass der 13. August als sog. Apodosis des Hochfestes der Metamorphosis (6. August) ganz von diesem Festinhalt bestimmt ist. Schwer erklärbar aber bleibt die seitdem beim 13. August anzutreffende Notiz: Ἀνάμνησις τῆς μεταθέσεως τῶν λειψάνων τοῦ ἁγίου Μαξίμου τοῦ ὁμολογητοῦ. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist damit nicht eine Übertragung der Reliquien nach Konstantinopel, sondern in das Kloster des Heiligen Arsenios gemeint, das erstmals im sog. Compendium Vindobonense (s.IX/X) als letzter Ruheort des Maximos erwähnt wird.236 Dieses in der Nähe der vormaligen byzantinischen Festung Σχήμαρις gelegene Kloster bei der heutigen georgischen

233 Dieses Ergebnis konvergiert mit dem Befund ikonographischer Darstellungen des Maximos. Edmond Voordeckers (Ders., L’iconographie de Saint Maxime le Confesseur dans l’art des églises de rite byzantin, in: Antoon Schoors/Peter van Deun (Hg.), Philohistôr. Miscellanea in honorem Caroli Laga Septuagenarii (OLA 60), Leuven 1994, 339‒359) und Peter van Deun (Ders., Suppléments à l’iconographie de Maxime le Confesseur dans les arts byzantin et slave, in: Kristoffel Demoen/Jeannine Vereecken (Hgg.), La spiritualité de l’univers byzantin dans le verbe et l’image. Hommages offerts à Edmond Voordeckers à l’occasion de son éméritat (IP 30), Turnhout 1997, 315‒331) haben den gesamten Bestand von Miniaturhandschriften, Handschriften mit den Werken des Maximos, Fresken, Kalenderikonen, Privatikonen usw. untersucht. Außer einem halbfigürlichen Medaillon neben zwei Testimonia des Maximos im Cod. Parisinus gr. 923 (s. IX) mit den Sacra Parallela des Johannes von Damaskus (Voordeckers, ebd., 352; Van Deun, ebd., 316 f.) datieren alle Zeugnisse erst ab dem 11. Jahrhundert Aber auch danach existiert keine einzige Ikone, „où Saint Maxime le Confesseur occupe seul le milieu du champ du paneau […], et qui aurait été l’icône titulaire sur le registre inférieur de l’iconostase d’une église dédiée à lui“ (Voordeckers, a.a.O., 353). Insgesamt sei eine „pauvreté iconographique“ zu konstatieren, die Voordeckers damit erklärt hat, dass Maximos weder Bischof, noch Klostergründer, Hymnograph oder frühchristlicher Märtyrer gewesen sei (Ders., ebd., 341). Er sei vielmehr „avant tout un saint monastique“ gewesen (Van Deun, ebd., 316). Meines Erachtens muss man die in diesem Aufsatz dargelegten Überlegungen nun auch bei der Erklärung der Dürftigkeit dieses ikonographischen „Dossiers“ berücksichtigen. 234 S. o. Anm. 21; dazu: Roosen, Vitae et Passiones (s. Anm. 7) 414 Anm. 17. 235 Μηναῖον τοῦ Ἰανουαρίου, Athen 1991, 404‒421; Μηναῖον τοῦ Αὐγούστου, Athen 1991, 174. Vgl. dazu auch: Voordeckers, L’iconographie (s. Anm. 233), 340 f.; Van Deun, Suppléments à l’iconographie (s. Anm. 233), 318–319. 236 Vgl.: Roosen, Vitae et Passiones (s. Anm. 7), 422.

4 Der Maximoskult im 9. und 10. Jahrhundert

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Stadt Tsageri wurde später in Kloster des heiligen Maximos umbenannt.237 Bemerkenswert ist schließlich, dass es neben diesem georgischen Kloster bis zum Ende des 20. Jahrhunderts kein weiteres orthodoxes Kloster und keine orthodoxe Kirche gegeben hat, die Maximos zu Ehren geweiht wurden.238 Ob man darin einen Rest an Zurückhaltung gegenüber der in vielerlei Hinsicht problematischen Gestalt dieses so bedeutenden Theologen zu erblicken hat?

237 К. Кекелидзе. Сведения грузинских источников о препод. Максиме Исповеднике, in: Труды Киевской дух. академии. 1912, 1‒41.451‒486; А. Бриллиантов, О месте кончины и погребения св. Максима Исповедника: Христианский Восток 6 (1917) 1‒62. 238 Vgl.: Anm. 233 und das Interview (www.patriarchia.ru/db/text/2034049.html; letzter Zugriff am 23.5.2015) mit dem Erzbischof von Tsageri und Lentekhi, Stephan, vom 27. Februar 2012, in dem er über die Auffindung der Reliquien des Maximos in diesem Kloster berichtet.

14 Rom, der Tomus Leonis und das VI. Ökumenische Konzil (680/1) Abstract: This article analyses the dyothelete and dyenergist Christology in the following texts: the Horos and the Logos Prosphonetikos of the Sixth Ecumenical Council (680/681), the epistle of pope Agatho, which became officially authorized as a teaching text, and the letter of the roman synod of the 125 bishops. The results of this analysis are compared with the Christology of the Lateran Council of 649 and the theology of Maximus the Confessor, upon which it is based. The council claims to define things in a way that complements and concludes the results of the council of Chalcedon (451) by designating the will and the capacity to act as properties of the ontological categories of φύσις/οὐσία and thus formulating the doctrine of the double willing and acting of Christ. In fact, the council draws on text of the Acts of the Council of Chalcedon but changes the order of priority of the texts (which were made authoritative in Chalcedon) of Cyril of Alexandria and Pope Leo I. so that the Tomus Leonis, which contains pointed statements that were controversial both during and after Chalcedon, becomes the hermeneutical key to the doctrine of two natures. Both natures become subjects of willing and acting and the meaning of the ὑπόστασις remains underdeveloped in comparison with that of φύσις and πρόσωπον. Thus the council neither comes to terms with the development of Leo’s thought nor with the Christology of the Lateran Council nor with the Christology of Maximus. In fact, fundamental distinctions in the meaning of θέλημα and ἐνέργεια as well as of φύσις and ὑπόστασις have not been taken into consideration by the council in 681. Instead, the council remains with the initial ontological concepts due to its recourse to an ontologized Tomus Leonis. Additionally, it is worth mentioning that this is the first ecumenical council to establish the primacy of and infallibility of the Roman Pope. The final concern of this article is to ask how this development could come about. (290) Als auf der zweiten Sitzung des VI. Ökumenischen Konzils1 im Kuppelsaal (Trullos) des Konstantinopler Kaiserpalastes am 10. November 680 in Gegenwart

1 Rudolf Riedinger (Hg.), Concilium Universale Constantinopolitanum Tertium (ACO ser. II 2,1–2), Berlin 1990.1992. Es fehlt bis heute zu dieser Synode eine umfassende Darstellung, die die vielfältigen neuen historischen Ergebnisse der vergangenen 40 Jahre zum sog. monenergeAnmerkung: Zuerst publiziert in: ZAC 24 (2020), 289–354. https://doi.org/10.1515/9783110714531-014

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Kaiser Konstantins IV. (668‒685)2 die Akten des Konzils von Chalcedon (451) verlesen wurden und beim Vortrag des sog. Tomus Leonis3 dessen „Spitzensatz“: Agit enim utraque forma cum alterius communione quod proprium est, uerbo scilicet operante quod uerbi est, et carne exequente quod carnis est. unum horum coruscat miraculis, aliud subcumbit iniuriis4

(291) in griechischer Übersetzung erklungen war, erhoben sich die päpstlichen Legaten und wandten sich mit folgenden Worten an den Kaiser: Wie du siehts, guter Herr, verkündet dieser hochheilige Vater ganz offenkundig zwei naturhafte unvermischte und ungetrennte Wirkweisen (ἐνέργειαι) bei unserem Herrn Jesus Christus. Dessen vorliegendes Schreiben hat das Vierte Konzil als ‚Säule der Orthodoxie‘

tisch-monotheletischen Streit in theologischer Perspektive berücksichtigt. Die 2011 nur als Dissertationsdruck publizierte Arbeit von Daniel Larison, die mir erst nach Anschluss dieser Untersuchung bekannt geworden ist, erfüllt diese Aufgabe nicht (Ders., Return to Authority: The Monothelete Controversy and the Role of Text, Emperor and Council in the Sixth Ecumencal Council (Diss. Univ. of Chicago, Department of History, 2009). Die schon lange erwartete, aber immer noch ausstehende kommentierte Übersetzung der Akten der Synode durch Richard Price und Marek Jankowiak wird hier eher eine erste Lücke füllen. Die leider ungedruckt gebliebene Dissertation von Marek Jankowiak (Essai d’histoire politique du monothélisme [Diss. Paris-Warschau, 2009], 427–518) beleuchtet die historischen Hintergründe der Synode neu, ohne den theologischen Fragen Aufmerksamkeit schenken zu können. Die Darstellung der Synode durch Polycarp Sherwood in: Francis X. Murphy und Polycarp Sherwood, Konstantinopel II und III (GÖK 3), Mainz 1990 (Übers. der französischen Ausgabe von 1974) ist in jeder Hinsicht überholt. Dasselbe gilt für: Jan Louis van Dieten, Geschichte der Patriarchen von Sergios I. bis Johannes VI. (610–715) (Enzyclopädie der Byzantinistik 24) Amsterdam 1972, 134–145; Erich Caspar, Geschichte des Papsttums II, Tübingen 1933, 597–610; Charles Joseph Hefele und Henri Leclerq, Histoire des conciles III,1, Paris 1909 (Nachdruck Hildesheim 1973), 472–538. 2 Ralph-Johannes Lilie/Claudia Ludwig/Thomas Pratsch/Ilse Rochow (Hgg.), Prosopographie der mittelbyzantinischen Zeit. Erste Abteilung 641–867. Band 1–6, Berlin 1999–2002, Nr. 3702. 3 Leo I. pp., Tomus ad Flavianum (ACO ser. I 2,2,1 p.24,15–33,10 Schwartz); Carlos Silva-Tarouca (Hg.), S. Leonis Magni Tomus ad Flavianum Episcopum Constantinopolitanum (TD.T 9), Rom 1932, 20–33. 4 Leo I. pp., Tomus ad Flavianum (ACO ser. I 2,2,1 p.28,12–14 Schwartz); (26,94–95 S.-T.): „Denn jede der beiden Gestalten tut in Gemeinschaft mit der anderen, was ihr eigen ist: das Wort wirkt, was des Wortes ist, und das Fleisch vollzieht, was des Fleisches ist; eines von diesen glänzt in Wundern, das andere unterliegt Schmähungen“. Deutsche Übersetzung: Theresia Hainthaler, in: Rudolf Kirchschläger und Alfred Stirnemann (Hg.), Chalzedon und die Folgen. 1. Wiener Konsultation mit der Orientalischen Orthodoxie 1971. Festschrift Mesrop K. Krikorian (PrOr 14), Wien 1992, 42–51. Bereits in den Akten der Synode von Chalcedon bietet die griechische Übersetzung für agit ἐνεργεῖ und für caro σῶμα: ἐνεργεῖ γὰρ ἑκατέρα μορφὴ μετὰ τῆς θατέρου κοινωνίας ὅπερ ἴδιον ἔσχηκεν, τοῦ μὲν λόγου κατεργαζομένου τοῦθ᾿ ὅπερ ἐστὶν τοῦ λόγου, τοῦ δὲ σώματος ἐκτελοῦντος ἅπερ ἐστὶν τοῦ σώματος: Concilium Chalcedonense a. 451, Epistula Leonis I. pp. ad Flavianum Patr. (ACO ser. I 2,1,1 p.14,27–29 Schwartz).

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zur Zerstörung jeder Häresie klassifiziert, was doch ganz mit dem Bekenntnis des großen Apostelfürsten Petrus übereinstimmt.5

Mehr als zehn Monate später, am 16. September 681, wurde auf der 18. und letzten Sitzung6 des Konzils durch 165 Bischöfe das sog. dyotheletische und dyenergetische Dogma definiert: Die gegenwärtige heilige und ökumenische Synode […] definiert und bekennt übereinstimmend […] auch zwei naturhafte Willensvermögen oder Willen und zwei naturhafte Wirkweisen, die gemäß der Lehre der heiligen Väter ungetrennt, unwandelbar, unteilbar und unvermischt in ihm (sc. unserem Herrn Jesus Christus) sind.7

Mit dieser Entscheidung vollzog sich eine überraschende und radikale theologische und kirchenpolitische Wende in der letzten großen christologischen Kontroverse der Alten Kirche, dem sog. monenergetisch-monotheletischen Streit.8 Galt doch bis dahin in der Reichskirche jenes unter dem Vorgänger

5 Concilium Constantinopolitanum a. 680/1, Actio 2 (ACO ser. II 2,1 p.32,21–25 Ried.): Ἰδού, δέσποτα ἀγαθέ, φανερῶς δύο φυσικὰς ἐνεργείας ἀσυγχύτως καὶ ἀδιαιρέτως ἐπὶ τοῦ κυρίου ἡμῶν Ἰησοῦ Χριστοῦ ὁ παρὼν ἁγιώτατος κηρύσσει πατὴρ, οὗτινος τὸν παρόντα λόγον ἡ ἁγία τετάρτη σύνοδος „στήλην ὀρθοδοξίας“ ἀπεγράψατο κατὰ καθαίρεσιν πάσης αἱρέσεως ἅτε τοῦ μεγάλου καὶ κορυφαίου τῶν ἀποστόλων Πέτρου ὁμολογίᾳ συμβαίνουσαν. Deutsche Übersetzungen stammen sofern nicht anders angegeben vom Verfasser. 6 In der griechischen Überlieferung der Konzilsakten gibt es nur 17 Sitzungen. Zu den Gründen: Riedinger, ACO ser. II 2,1 (s. Anm. 1), Einleitung XIXf.; Guiseppe de Gregorio/Otto Kresten, Il Papiro conciliare P. Vindob. G.3. Un ‚Originale‘ sulla via da Constantinopoli a Ravenna (e a Vienna), in: Laura Pani/Cesare Scalon (Hgg.), Le Alpi porta d’Europa. Scritture, Uomini, Idee da Giustiniano al Barbarossa. Atti del Convegno internazionale di studio dell’ Associazione italiana dei Paleografi e Diplomatisti Cividale del Friuli 5.–7.10.2006, Spoleto, 2009, 233–379. 7 Concilium Constantinopolitanum a. 680/1, Actio 18 (ACO ser. II 2,2 p. 772,23;774,5 f.20 f Ried.): ἥτις παροῦσα ἁγία καὶ οἰκουμενικὴ σύνοδος […] συμφώνως ὁρίζουσα ὁμολογεῖν […] καὶ δύο φυσικὰς θελήσεις ἤτοι θελήματα ἐν αὐτῷ καὶ δύο φυσικὰς ἐνεργείας ἀδιαιρέτως ἀτρέπτως ἀμερίστως ἀσυγχύτως κατὰ τὴν τῶν ἁγίων πατέρων διδασκαλίαν. 8 Vgl.: Friedhelm Winkelmann, Der monenergetisch-monotheletische Streit (BBySt 6), Frankfurt/ M., 2001; Christian Lange, Mia Energeia. Untersuchungen zur Einigungspolitik des Kaisers Heraclius und des Patriarchen Sergius von Constantinopel (STAC 66), Tübingen 2012; Jankowiak, Essai d’histoire (s. Anm. 1); Phil Booth, Crisis of Empire: Doctrine and Dissent at the End of Late Antiquity (The Transformation of the Classical Heritage 52), Berkeley u. a. 2013; Heinz Ohme, Motive und Strukturen des Schismas im monenergetisch-monotheletischen Streit, in: AHC 38 (2006), 265–296; Heinz Ohme, Oikonomia im monenergetisch-monotheletischen Streit, in: ZAC 12 (2008), 308–343; Heinz Ohme, Die Bedeutung der Geschichtstheologie im monenergetisch-monotheletischen Streit, in: ZThK 112 (2015), 27‒61; Heinz Ohme, Maximos Homologetes (†662): Martyrium, Märtyrerbewusstsein, „Martyriumssucht“?, in: ZAC 20 (2016), 306–346.

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und (292) Vater Konstantin IV., Konstans II. (641–668),9 im Jahr 648 erlassene Gesetz ‒ der sog. Typos10 ‒, das im Sinne eines theologischen Moratoriums die exklusive Beanspruchung der Orthodoxie für jede numerische Aussage über Wollen und Wirken Jesu ‒ sei es nun ein einziges oder zwei ‒ mit staatlichen Sanktionen zum Schweigen bringen wollte. Nun aber waren mit der Dogmatisierung des Dyotheletismus und Dyenergismus auch noch zehn namhafte Vertreter der gegenteiligen Überzeugung ‒ darunter ein römischer Papst, vier konstantinopler, ein alexandrinischer und ein antiochenischer Patriarch11 ‒ zu Häretikern erklärt worden. Keine andere ökumenische Synode zuvor hatte eine dogmatische Grundsatzentscheidung mit einer so großen Zahl von Anathematismen verbunden, die sich zudem auch noch gegen Anhänger des Dogmas von Chalcedon richteten. Nimmt man den Horos des Jahre 681, aus dem der oben zitierte Satz stammt, und weitere zentrale Dokumente dieses Konzils näher in den Blick, so wird schnell deutlich, dass dieses Dogma unter gezielter Inanspruchnahme des IV. Ökumenischen Konzils von Chalcedon (451) formuliert wurde. Schon der zitierte Satz benutzt die vier alpha-privativa Adverbia Chalcedons und schließt sich unmittelbar an die zuvor wörtlich zitierte dogmatische Definition Chalcedons (451) an.12 Darüber hinaus aber hat bei der theologischen Begründung dieser Entscheidung der Tomus Leonis eine besondere Rolle gespielt. Und dies vor allem13 mit dem eingangs zitierten „Spitzensatz“, der im Jahr 451 bekanntlich (293) nicht berücksichtigt wurde, aber seitdem zu den umstrittendsten Formulierungen Leos gehörte. Wie ist es zu verstehen, dass in dieser Schlussphase christologischer Festlegungen in der Alten Kirche dem Tomus Leonis offensichtlich eine entscheidende Bedeutung beigemessen wurde? Und in welchem Sinn wurden seine

9 PMBZ, Nr. 3691. 10 Franz Dölger und Andreas E. Müller u. a., Regesten der Kaiserurkunden des oströmischen Reiches. I,1 Regesten 565–867, München 22009, Nr. 225; Winkelmann, Streit (s. Anm. 8), Nr. 106. 11 Zu den konkreten Personen vgl. u. Anm. 25–33. 12 Concilium Constantinopolitanum a. 680/1, Actio 18 (ACO ser. II 2,2 p.768,1–776,27; 774,4–19 Ried.). 13 Daneben spielt eine Rolle auch die in die Definitio Chalcedons eingegangene Formulierung Leos: Salva igitur proprietate utriusque naturae et in unam coeunte personam („Gewahrt wurde also die Eigenart beider Naturen im Zusammenkommen zu einer Person“): Leo I. pp., Tomus ad Flavianum (24,54–55 S.-T.). In der Definitio Chalcedons sind es mit der Stichenzählung von Ignacio Ortiz de Urbina (Das Glaubenssymbol von Chalkedon – sein Text, sein Werden, seine dogmatische Bedeutung, in: Alois Grillmeier/Heinrich Bacht, Das Konzil von Chalkedon I, Würzburg 1951, [389–418]), Nr. 20–21; Concilium Chalcedonense a. 451, Actio 5 (ACO ser. I 2,1,2 p.129,32 f. Sch.): σῳζομένης δὲ μᾶλλον τῆς ἰδιότητος ἑκατέρας φύσεως καὶ εἰς ἓν πρόσωπον καὶ μίαν ὑπόστασιν συντρεχούσης.

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Aussagen dabei in Stellung gebracht? Hat sich im Jahre 681 ‒ wie Alois Grillmeier meinte ‒ die zukunftsweisende Bedeutung dieses „wichtigste(n) Dokument(es) der lateinischen Kirche, das […] für die Christologie verfasst worden ist“, erwiesen, weil bereits die Väter von Chalcedon in die dort berücksichtigte Formulierung Leos „leicht […] eine Schutzklausel gegen die Lehre von dem einen Willen und der einen Tätigkeit in Christus“ hätten „einbauen können“?14 Wie aber verhält sich die in den Texten des VI. Konzils für das dyotheletische Dogma deutlich werdende Rolle des Tomus Leonis zu seiner Stellung auf der Synode von Chalcedon? Es ist ja nicht so gewesen, dass nur Dyenergeten und Dyotheleten sich immer wieder auf den eingangs zitierten Satz Leos berufen haben. Vielmehr war er generell „the most celebrated sentence in Leos Tome for the monothelete controversy“.15 „Aus Dreistigkeit und in extremer Schamlosigkeit“16 ‒ wie die Dyotheleten meinten ‒ haben auch die von ihnen bekämpften sog. Monenergeten und Monotheleten17 durchaus gemeint, damit argumentieren zu können. Es ist allerdings nicht möglich, im Rahmen eines einzigen Aufsatzes die Verwendung des Tomus Leonis durch beide Seiten im Verlauf des gesamten Streites zu analysieren.18 Im Folgenden wird deshalb ausgehend vom VI. Ökumenischen Konzil die Verwendung des Tomus Leonis durch Dyotheleten/Dyenergeten (294) untersucht. In einem ersten Schritt werden dazu die offiziellen Beschlusstexte des VI. Ökumenischen Konzils in den Blick genommen. Dies sind zuerst der Horos der Synode und ihr Arbeitsbericht gegenüber dem Kaiser, der sogenannte Logos Prosphonetikos (1). Weil von der Synode autorisiert, gehören dazu weiterhin die Briefe Papst Agathos (678‒681)19 und der römischen Synode der 125 Bischöfe an Kaiser Konstantin IV. Als vorkonziliare Positionierungen der römischen Kirche und um einen

14 „Die Worte, die aus dem Tomus Leonis entnommen waren […] wiesen in die Zukunft. Wäre aber den Vätern ein offener Blick in diese Zukunft gewährt gewesen, dann hätten sie leicht in diese Grundformel eine Schutzklausel gegen die Lehre von dem eine Willen und der einen Tätigkeit in Christus, also gegen Monotheletismus und Monergismus, einbauen können“: Alois Grillmeier, Jesus der Christus im Glauben der Kirche I, Freiburg u. a. 31990, 734.763. 15 Richard Price, in: The Acts of the Lateran Synod of 649 (hg. von Richard Price/Phil Booth/ Catherine Cubitt, übers. von Richard Price; Translated Texts for Historians 61), Liverpool 2014, 333 Anm. 254. 16 So der Co-Vorsitzende der Lateransynode von 649, Bischof Maximos von Aquileia: Concilium Lateranense a. 649, Secr. 4 (ACO ser. II 1, p. 244,27 f. Ried.): διὰ τήν […] περισσεύουσαν αὐτοῖς ἐκ προπετείας ἀναίδειαν. 17 Diese Begriffe werden hier nur noch eingeschränkt verwendet, s. dazu Anm. 200.201. 18 Demetrios Bathrellos, The Byzantine Christ: Person, Nature, and Will in the Christology of St. Maximus the Confessor (OECS), Oxford 2004, 176–189, hat dazu einen ersten Versuch unternommen, der freilich der Revision und wesentlicher Ergänzungen bedarf. 19 PMBZ, Nr. 129.

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Vergleich mit den Synodalentscheidungen zu ermöglichen, empfiehlt es sich aber, diese Texte gesondert zu betrachten. Dabei wird sich zeigen, dass Agatho und seine Synode versuchten, die Entscheidungen der Lateransynode von 649 zur Geltung zur bringen (2). In einem dritten Kapitel werden deshalb die Ergebnisse der ersten beiden Kapitel ins Verhältnis zu dieser Lateransynode und zu der dahinterstehenden Christologie des Maximos Homologetes gesetzt (3). Das letzte Kapitel zieht nach einer Zusammenfassung die sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen (4).

1 Der Tomus Leonis im Horos und im Logos Prosphonetikos des VI. Ökumenischen Konzils Der Horos20 des VI. Ökumenischen Konzils lässt sich in sechs Abschnitte gliedern. Auf den Prolog (1)21 mit der Feststellung der Einberufung der Synode durch den Kaiser wegen aufgetretener Irrlehren folgt die Bestätigung grundlegender Lehrnormen (2).22 Als solche werden die Entscheidungen der fünf aufgelisteten ökumenischen Synoden, das Nicaenum und das Nicaeno-Constantinopolitanum genannt, die wörtlich zitiert werden.23 Sodann werden die neuen Häretiker und ihre Lehre präsentiert (3)24: Theodor von Pharan († vor 638),25 die Konstantinopler (295) Patriarchen Sergios I. (610–638),26 Pyrrhos (638–641.654),27 Paulos (641‒653)28 und

20 Concilium Constantinopolitanum a. 680/1, Actio 18 (ACO ser. II 2,2 p.768,1–776,27 Ried.); Guiseppe Alberigo (Hg.), Conciliorum Oecumenicorum Generaliumque Decreta I. Turnhout 2006, 195–202; Josef Wohlmuth (Hg.), Dekrete der ökumenischen Konzilien I, Paderborn 1998, 124–130. 21 Concilium Constantinopolitanum a. 680/1, Actio 18 (ACO ser. II 2,2 p.768,6–13 Ried.). 22 Concilium Constantinopolitanum a. 680/1, Actio 18 (ACO ser. II 2,2 p.768,13–770,35 Ried.). 23 Ebenda. 24 Concilium Constantinopolitanum a. 680/1, Actio 18 (ACO ser. II 2,2 p.772,1–17 Ried.). 25 Werner Elert, Der Ausgang der altkirchlichen Christologie. Eine Untersuchung zu Theodor von Pharan und seiner Zeit als Einführung in die Alte Dogmengeschichte, Berlin 1957; Lange, Mia Energeia (s. Anm. 8), 540–542. 26 van Dieten, Geschichte der Patriarchen (s. Anm. 1), 1–56; Winkelmann, Streit (s. Anm. 8), 258–260. 27 PMBZ, Nr. 6386; van Dieten, Geschichte der Patriarchen (s. Anm. 1), 57–75; Christian Boudignon, Maxime le Confesseur était-il Constantinopolitain?,“ in: Jaques Noret u.a (Hg.), Philomathestatos. Studies in Greek and Byzantine Texts Presented to Jacques Noret for his 65th Birthday (OLA 137), Leuven u. a. 2004, (11–-43), 29–31. 28 PMBZ, Nr. 5763.

1 Der Tomus Leonis im Horos und im Logos Prosphonetikos

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Petros (654–666)29, Papst Honorius I. (625–638)30, Patriarch Kyros von Alexandrien (631–642)31 sowie Patriarch Makarios von Antiochien (669–681)32 und dessen Schüler Stephanos.33 Durch den „Skandal“ ihrer „Lehre eines Willens und eines Wirkens der zwei Naturen des Einen aus der heiligen Dreieinigkeit, Christus, unseres wahren Gottes“ werde dessen „vollkommene Menschwerdung aufgehoben“ und „sein vernunftbeseeltes Fleisch willenlos und wirkungslos.“34 Im nächsten Abschnitt informiert der Horos, dass das Konzil zwei römische Lehrschreiben35 als Lehrnormen rezipiert36 habe (4), nämlich den Brief des Papstes Agatho (ἀναφορά)37 an Kaiser Konstantin IV.38 und den Synodalbrief (συνοδικὴ ἀναφορά)39 der Lateransynode der 125 Bischöfe unter Papst Agatho, ebenfalls an Kaiser Konstantin IV.40 Als Begründung dafür wird angegeben: „weil sie ja (296) übereinstimmen“41 mit der Synode von Chalcedon, dem Tomus Leonis und den Synodalschreiben (ταῖς συνοδικαῖς ἐπιστολαῖς) Kyrills von Alexandrien an Nestorius und die Orientalen.42 Extra hervorgehoben wird dabei, dass Leo im Horos von 451 als „Säule der Orthodoxie“ bezeichnet wurde.43

29 PMBZ, Nr. 5941. 30 Georg Kreuzer, Die Honoriusfrage im Mittelalter und in der Neuzeit (PuP 8), Stuttgart 1975. 31 PMBZ, Nr. 4213; Phil Booth, The Last Years of Cyrus, Patriarch of Alexandria († 642), in: TMCB 20 (2016), 509–558. 32 PMBZ, Nr. 4670. 33 PMBZ, Nr. 6920. 34 Concilium Constantinopolitanum a. 680/1, Actio 18 (ACO ser. II 2,2 p.772,11 f.14–16 Ried.): τὰ σκάνδαλα ἑνὸς θελήματος καὶ μιᾶς ἐνεργείας ἐπὶ τῶν δύο φύσεων τοῦ ἑνὸς τῆς ἁγίας τριάδος Χριστοῦ τοῦ ἀληθινοῦ θεοῦ ἡμῶν […] καὶ τὸ τέλειον τῆς ἐνανθρωπήσεως τοῦ αὐτοῦ ἑνὸς κυρίου Ἰησοῦ Χριστοῦ τοῦ θεοῦ ἡμῶν ἀνελεῖν […] ἀθέλητον ἐντεῦθεν καὶ ἀνενέργητον τὴν νοερῶς ἐμψυχωμένην αὐτοῦ σάρκα δυσφήμως εἰσάγουσαν. 35 Concilium Constantinopolitanum a. 680/1, Actio 18 (ACO ser. II 2,2 p.772,18–774,4 Ried.). 36 σύνοδος […] δεξαμένη; ἀσπασαμένη; προσηκαμένη (ACO ser. II 2,2 p.772,23.24.28 Ried.). 37 Concilium Constantinopolitanum a. 680/1, Actio 18 (ACO ser. II 2,2 p.772,25 Ried.). 38 Agatho pp., Epistula ad Const. IV imp. (ACO ser. II 2,2 p. 52,13–123,4 Ried.); Winkelmann, Streit (s. Anm. 8), Nr. 157. 39 Concilium Constantinopolitanum a. 680/1, Actio 18 (ACO ser. II 2,2 p.772,30 R.). 40 Concilium Lateranense a. 680, Epistula ad Const. IV imp. (ACO ser. II 2,2 p. 123,8–159,31 R.); Winkelmann, Streit (s. Anm. 8), Nr. 158. 41 Concilium Constantinopolitanum a. 680/1, Actio 18 (ACO ser. II 2,2 p.772,31 Ried.): ὡς ἅτε συμφωνούσας. 42 Concilium Constantinopolitanum a. 680/1, Actio 18 (ACO ser. II 2,2 p.772,31–774,4 Ried.). Mit Letzterem ist der zweite Brief Kyrills an Nestorios (Καταφλυαροῦσιν) (CPG 5304) und der Brief Kyrills an Johannes von Antiochien vom April 433 (Laetentur caeli) (CPG 5339) gemeint, die beide zusammen mit dem Tomus Leonis durch die Synode von Chalcedon autorisiert worden waren. 43 Vgl. Concilium Constantinopolitanum a. 680/1, Actio 18 (ACO ser. II 2,2 p.774,2 Ried.) mit Concilium Chalcedonense a.451, actio 5 (ACO ser. I 2,1,2 p.129,15 Schwartz).

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Es folgt die dogmatische Definition im engeren Sinne (5).44 Diese wird eingeleitet mit einer den Wortlaut der Definitio des IV. Ökumenischen Konzils (451) leicht variierenden Wendung: „In der Nachfolge der heiligen und ökumenischen fünf Synoden und der heiligen und auserwählten Väter definiert und bekennt (die Synode) übereinstimmend“,45 an die sich die Definitio von 451 anschließt, der wiederum das dyotheletische und dyenergetische Bekenntnis direkt in syntaktischer Zuordnung angefügt wird (5a).46 Mit ὡσαύτως κηρύττομεν wird eine neue Phrase der Definitio eingeleitet,47 die sich mit weiteren differenzierenden Aussagen zuerst dem dyotheletischen (5b), dann dem dyenergetischen Bekenntnis (5c) zuwendet. Diese Einteilung des Textes zwischen Abschnitt 5a und 5b/c findet sich allerdings nur in der kritischen Edition Rudolf Riedingers in den ACO. Alle relevanten römisch-katholischen Textsammlungen48 folgen ohne Berücksichtigung der ACO den älteren Editionen,49 die dem sich an den Horos von 451 anschließenden dyotheletischen und dyenergetischen Grundbekenntnis die Wendung ὡσαύτως κηρύττομεν (297) syntaktisch zuordnen. Damit verschiebt sich die Einteilung dieser beiden Abschnitte. Das Zitat der Definitio von Chalcedon bleibt dann unergänzt für sich stehen, und das dyotheletische und dyenergetische Grundbekenntnis eröffnet den nächsten Abschnitt (5b/c). Dadurch wird jedoch die syntaktische Abhängigkeit des dyotheletischen und dyenergetischen Grundbekenntnisses von der Eingangsformulierung der Definitio übersehen, und der dann folgenden Detailaussage zum dyotheletischen Bekenntnis (5b) fehlt das Verb. Vor allem aber wird die theologische Absicht des VI. Konzils nicht mehr erkennbar, das durch die syntaktische Zuordnung des dyotheletischen und dyenergetischen Bekenntnisses zum Wortlaut des Horos von 451 deutlich machen will, dass dieses sich notwendigerweise aus

44 Concilium Constantinopolitanum a. 680/1, Actio 18 (ACO ser. II 2,2 p.774,4–776,10 Ried.). 45 Concilium Constantinopolitanum a. 680/1, Actio 18 (ACO ser. II 2,2 p.774,4–6 Ried.); Ἑπομένη τε ταῖς ἁγίαῖς καὶ οἰκουμενικαῖς πέντε συνόδοις καὶ τοῖς ἁγίοις καὶ ἐκκρίτοις πατράσι καὶ συμφώνως ὁρίζουσα ὁμολογεῖν. 46 Concilium Constantinopolitanum a. 680/1, Actio 18 (ACO ser. II 2,2 p.774,4–21 Ried.). Der zum Horos von 451 hinzugefügte Wortlaut findet sich o. in Anm. 7. 47 Concilium Constantinopolitanum a. 680/1, Actio 18 (ACO ser. II 2,2 p.774,22–34 Ried.). 48 Heinrich Denzinger/Peter Hünermann, Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen, Freiburg i.Br. 452017, (227) Nr. 556; Wohlmuth, Dekrete (s. Anm. 20) 128,13–17. Genauso: Alberigo, Decreta (s. Anm. 20), 199 Zeile 199 f., obwohl hier angeblich der ACO-Text zugrunde gelegt wurde. 49 Vgl.: Jean Hardouin, Acta Conciliorum et Epistolae decretales ac Constitutiones Summorum Pontificum ab anno 34 ad annum 1714, Bd. 3, Paris 1714, 1400C12 f.; Joannes D. Mansi, Sacrorum Conciliorum nova at amplissima collectio, Bd. 11, Florenz 1765, 637C.

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der chalcedonensischen Zwei-Naturen-Lehre ergebe bzw. in ihr faktisch bereits enthalten sei. Der Horos betont sodann in 5b, dass die zwei naturhaften Willen Christi (δύο φυσικὰ θελήματα) im Gegensatz zu der Behauptung der „gottlosen Häretiker“, nicht einander entgegengesetzt seien, sondern dass der menschliche Wille Christi folgsam, nicht widerstrebend und dem göttlichen und allmächtigen Willen gehorsam sei.50 Für diese Aussage wird auf ein ps.athanasianisches Testimonium verwiesen51 und sodann mit Verweis auf Joh 6,38 betont, dass der menschliche Wille Jesu Christi der eigene Wille (θέλημα ἴδιον) des fleischgewordenen Logos ist.52 So wie die Sarx Christi nicht aufgehoben, sondern vergöttlicht wurde, dabei jedoch „in ihren eigenen Grenzen und ihrem Wesensbestand verblieb“, so werde auch ‒ mit einem Zitat Gregors von Nazianz53 ‒ sein menschlicher Wille nicht aufgehoben, sondern vergöttlicht.54 (298) Mit wenigen Bemerkungen zum dyenergetischen Bekenntnis beginnt der nächste Abschnitt der Definitio (5c).55 Das wiederholte Bekenntnis zu zwei Wirkweisen Christi, einer menschlichen und einer göttlichen, wird hier mit dem Zitat des oben genannten Spitzensatzes des Tomus Leonis begründet.56 Dem wird ein Zitat und eine freie Zitatenkombination Cyrills hinzugefügt. Das Zitat formuliert ‒ in trinitätstheologischem Zusammenhang ‒ den Grundsatz, dass Gott und Ge-

50 Concilium Constantinopolitanum a. 680/1, Actio 18 (ACO ser. II 2,2 p.774,22–44 Ried.): ῾Ωσαύτως κηρύττομεν καὶ δύο φυσικὰ θελήματα οὐχ ὑπενάντια, μὴ γένοιτο, καθὼς οἱ ἀσεβεῖς ἔφησαν αἱρετικοί, αλλ᾿ ἑπόμενον τὸ ἀνθρώπινον αὐτοῦ θέλημα καὶ μὴ ἀντιπίπτον ἤ αντιπαλαῖον, μᾶλλον μὲν οὖν ὑποτασσόμενον τῷ θείῳ αὐτοῦ καὶ πανσθενεῖ θελήματι. 51 Ps. Athanasius, Ad Iovianum imp. (PG 28,532A = ACO ser. II 2,2 p.774,25 Ried.): ἔδει γὰρ τὸ τῆς σαρκὸς θέλημα κινηθῆναι, ὑποταγῆναι δὲ τῷ θελήματι τῷ θεϊκῷ („Denn der Wille des Fleisches musste bewegt werden und dem göttlichen Willen untergeordnet werden.“). 52 Concilium Constantinopolitanum a. 680/1, Actio 18 (ACO ser. II 2,2 p.774,27 R.). 53 Gregorius Naz., Oratio 30,12 (PG 36,117C6f.): τὸ γὰρ ἐκείνου θέλειν τοῦ κατὰ τὸν σωτῆρα νοουμένου οὐδὲ ὑπεναντίον θεῷ, θεωθὲν ὅλον („Denn wenn man ihn als Erlöser versteht, ist sein Wille nicht Gott entgegengesetzt, sondern vollständig vergöttlicht.“ Diese Stelle mit dem gesamten Kap. 12 von Oratio 30 wurde genauso von den sogenannten Monotheleten benutzt und war hart umkämpft. Vgl.: Price, in: Price, Booth, Cubitt, Lateran Synod (s. Anm. 15), 297 f. 54 Concilium Constantinopolitanum a. 680/1, Actio 18 (ACO ser. II 2,2 p.774,31 f. Ried.): ἀλλ᾿ ἐν τῷ ἰδίῳ αὐτῆς ὅρῳ τε καὶ λόγῳ διέμεινεν, οὑτως καὶ τὸ ἀνθρώπινον αὐτοῦ θέλημα θεωθὲν οὐκ ἀνῃρέθη. 55 Concilium Constantinopolitanum a. 680/1, Actio 18 (ACO ser. II 2,2 p.776,1–10 Ried.). 56 Concilium Constantinopolitanum a. 680/1, Actio 18 (ACO ser. II 2,2 p.776,3–5 Ried.). Es handelt sich um dieselbe griechische Fassung wie in der Übersetzung des Tomus Leonis in den Akten von Chalcedon: Concilium Chalcedonense a. 451, Epistula Leonis I. pp. ad Flavianum Patr. (ACO ser. I 2,1,1 p.14,27–29 Schwartz).

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schöpf nicht „eine naturhafte ἐνέργεια“ haben.57 Der Abschnitt schließt mit dem Bekenntnis, dass „die Wunder und die Leiden ein und desselben sind“,58 eine Wendung, die zu den Kernformeln der Gegner gehörte.59 Die Definitio schließt mit folgender „Kurzfassung“60 des Definierten (5d): Weil wir glauben, dass unser Herr Jesus Christus, unser wahrer Gott, auch nach der Fleischwerdung Einer aus der heiligen Dreieinigkeit ist, sprechen wir von seinen beiden Naturen in seiner einen durchscheinenden Hypostase, in welcher er während seines gesamten heilschaffenden Wandels sowohl die Wunder als auch die Leiden nicht nur scheinbar, sondern wahrhaftig sehen ließ; dabei wird der naturhafte Unterschied in dieser einen Hypostase daran erkannt, dass jede der beiden Naturen in Gemeinschaft mit der anderen ungetrennt und unvermischt das ihr Eigene will und wirkt. Aus diesem Grunde also preisen wir sowohl zwei naturhafte Willen wie auch Wirkweisen, die zum Heil des Menschengeschlechtes in (299) jeweiliger Entsprechung zusammenkommen.61

In dieser Zusammenfassung wird demnach V. 94a des Tomus Leonis ‒ in sprachlich modifizierter Form ‒ ein weiteres Mal herangezogen. Er wird jetzt auch auf die Willensthematik angewendet und die Aussage Leos, dass beide Naturen das je Eigene „in Gemeinschaft“ (wollen und) wirken, dient der Erkenntnis des Naturunterschiedes. Der Horos wird beschlossen durch Sanktionen gegen anders Lehrende (6).62 Der Tomus Leonis ist somit als Ganzer und mit seiner umstrittenen Formulierung der dominante Referenztext des Horos des VI. Ökumenischen Konzils. Er wird nicht nur im Zusammenhang der Synode von Chalcedon als Lehrkriterium

57 Cyrillus Alex., Thesaurus 32 (PG 75,453B13-C3). 58 Concilium Constantinopolitanum a. 680/1, Actio 18 (ACO ser. II 2,2 p.776,8 f. Ried.): ἑνὸς γὰρ καὶ τοῦ αὐτοῦ τά τε θαύματα καὶ τὰ πάθη γινώσκομεν. 59 Dazu: Heinz Ohme, Das Kontakion ‚Auf die heiligen Väter‘ und die Ekthesis des Kaisers Herakleios (610–641), in: OS 67 (2018), 9–36. 60 Concilium Constantinopolitanum a. 680/1, Actio 18 (ACO ser. II 2,2 p.776,11 f. Ried.): συντόμῷ φωνῇ τὸ πᾶν ἐξαγγέλλομεν. 61 Concilium Constantinopolitanum a. 680/1, Actio 18 (ACO ser. II 2,2 p.776,12–19 Ried.): ἕνα τῆς ἁγίας τριάδος καὶ μετὰ σάρκωσιν τὸν κύριον ἡμῶν Ἰησοῦν Χριστὸν τὸν ἀληθινὸν θεὸν ἡμῶν εἶναι πιστεύοντες φάμεν τάς δύο αὐτοῦ φύσεις ἐν τῇ μιᾷ αὐτοῦ διαλαμπούσῃ ὑποστάσει, ἐν ᾗ τά τε θαύματα καὶ τὰ παθήματα δι᾿ ὅλης αὐτοῦ τῆς οἰκονομικῆς ἀναστροφῆς οὐ κατὰ φαντασίαν, ἀλλ᾿ ἀληθῶς ἐπεδείξατο τῆς φυσικῆς ἐν αὐτῇ τῇ μιᾷ ὑποστάσει διαφορᾶς γνωριζομένης τῷ μετὰ τῆς θατέρου κοινωνίας ἑκατέραν φύσιν ἀδιαιρέτως καὶ ἀσυγχύτως θέλειν τε καὶ ἐνεργεῖν τὰ ἴδια · καθ᾿ ὃν δὴ λόγον καὶ δύο φυσικὰ θελήματα τε καὶ ἐνεργείας δοξάζομεν πρὸς σωτηρίαν τοῦ ἀνθρωπίνου γένους καταλλήλως συντρέχοντα. Die erst nach der Synode angefertigte lateinische Übersetzung der Akten fügt am Schluss ein in eo zu convenieter concurrentes hinzu (ACO ser. II 2,2 p.777,18 f. Ried.). Sollte hier eine als erforderlich empfundene Korrektur vorgenommen worden sein? 62 Concilium Constantinopolitanum a. 680/1, Actio 18 (ACO ser. II 2,2 p.776,20–27 Ried.).

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erwähnt (4), sondern das Zitat seiner „Spitzenformulierung“ in 5c dient als unmittelbarer Erweis des dyenergetischen Bekenntnisses. In der abschließenden Kurzfassung der Definitio (5d) wird schließlich sprachlich adaptiert mit dieser Formulierung das doppelte Wollen und Wirken Christi in Gemeinschaft der jeweils handelnden und wollenden Naturen (cum alterius communione)63 formuliert. Mit dieser prominenten Stellung des Tomus Leonis sind allerdings einige Auffälligkeiten verbunden. Zuerst ist festzustellen, dass es bei Leo die göttliche forma bzw. das uerbum ist, das „in Wundern aufleuchtet“,64 während hier mit dem aus der griechischen Übersetzung des Tomus Leonis stammenden Verb διαλάμπειν gesagt wird, dass die Hypostase durch beide Naturen „hindurchscheint“ bzw. in beiden Naturen „aufleuchtet“!65 Insofern abschließend und zusammenfassend gesagt wird, dass es die beiden Naturen sind, die das je Eigene wirken und wollen (300) und in ihrem Handeln und Wollen die eine Hypostase „durchscheint“ und sichtbar wird, geben die Verfasser des Horos den Naturen gegenüber der Hypostase eine deutliche Präponderanz. Die Dominanz des Tomus Leonis hat weiterhin bemerkenswerte Folgen für die grundsätzliche Inanspruchnahme der Synode von Chalcedon und ihrer Zwei-Naturen-Lehre. Besonders auffällig ist die im Jahr 681 vorgenommene Verschiebung der Stellung des Tomus Leonis unter den von Chalcedon autorisierten Lehrtexten. Denn Chalcedon hatte bekanntlich bei seiner Auflistung von Referenztexten an erster Stelle die beiden Briefe Cyrills rezipiert und erst da-

63 Concilium Constantinopolitanum a. 680/1, Actio 18 (ACO ser. II 2,2 p.777,16 Ried.). 64 Leo formulierte: unum horum coruscat miraculis, aliud subcumbit iniuriis: Leo I. pp., Tomus ad Flavianum (26,95 S.-T.) = Concilium Chalcedonense a.451, Epistula Leonis I pp. ad Flavianum episc. (ACO ser. I 2,2,1 p.28,14 Schwartz). Griechische Übersetzung: καὶ τὸ μὲν αὐτῶν διαλάμπει τοῖς θαύμασιν, τὸ δὲ ταῖς ὕβρεσιν ὑποπέπτωκεν: ACO ser. I 2,1,1 p.14,29–15,1 Schwartz). 65 In der deutschen Übersetzung bei Denzinger und Hünermann, Kompendium (s. Anm. 48), (259) Nr. 558, wird diese inhaltliche Verschiebung nicht deutlich, weil der Übersetzung nicht die ACO-Edition zugrundegelegt wurde. Dort liest man: „[…] behaupten wir zwei Naturen, die in seiner einen Hypostase aufleuchten“; ähnlich übersetzt auch Wohlmuth, Dekrete (s. Anm. 20), 129. Der vorkritische Text der älteren Editionen hatte tatsächlich τάς δύο αὐτοῦ φύσεις ἐν τῇ μιᾷ αὐτοῦ διαλαμπούσας ὑποστάσει anstelle von ACO: διαλαμπούσῃ ὑποστάσει. Wohlmuth berichtet zwar, die neu edierten Texte von Riedinger „vorab zur Verfügung gestellt“ bekommen zu haben, hat diese aber offensichtlich nicht zur Kenntnis genommen und bringt dafür ohne Begründung den Text der Edition von Philippus Labbé und Gabriel Cossart, Hg., Sacrosancta concilia ad Regiam editionem exacta (Paris, 1671–1672): Wohlmuth, Dekrete (s. Anm. 20), 123 Anm. 2 u. 3). Könnte man an dieser Stelle noch fragen, ob die editorische Entscheidung Riedingers richtig war, so macht dieselbe ‒ nun variantenlose ‒ Formulierung des Logos Prosphonetikos die Sache eindeutig (s. u. Anm. 88).

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nach den Tomus Leonis mit diesen beiden Briefen „verbunden“.66 Hier aber wird die Reihenfolge umgekehrt! Das ist meines Erachtens weder Zufall noch eine Petitesse. Seit der Analyse des Horos von 451 durch André de Halleux67 ist deutlich, dass mit der in Chalcedon vorgenommenen Reihenfolge eine „hiérarchie descendante“ verbunden war. „Pour des pères de Chalcédoine, il ne s’agissait pas d’établir la conformité de Cyrill à Léon, mais au contraire, celle du Tome, nouveau venu dans la tradition, aux lettres cyrilliennes canoniques lieés au concile œcuménique d’Éphèse […] l’orthodoxie de chaque profession étant mesurée par le critère de sa fidélité à la précédente.“68 Dementsprechend ist der Beitrag Leos im Horos von 451 auch auf dessen Stichoi 54–55 beschränkt.69 Nun aber scheint die Umkehrung der Rangfolge mit der Vorordnung des Tomus Leonis die logische Konsequenz seiner Bedeutung für die Begründungen der Lehre von den zwei Willen und Wirkweisen Christi zu sein. Der Horos versucht zwar, mit der zu Beginn und am Ende der Definitio herausgestellten70 justinianischen und durch das V. Ökumenische Konzil breit rezipierten71 Formel vom Menschgewordenen als dem „Einen der heiligen Dreieinigkeit“ in der Tradition des cyrillischen christologischen Ansatzes mit seiner Betonung der Einheit der Person im Vorgang der Menschwerdung zu bleiben, bei (301) der zentralen cyrillischen „Frage nach dem Subjekt des Heilshandelns Christi und damit […] nach dem Subjekt der biblischen Hoheits- und Niedrigkeitsaussagen“72 und der im 7. Jahrhundert neu hinzugekommenen Frage nach dem Willen und Wollen Jesu setzt sich jedoch eine dualistische Sichtweise durch, die sich weder direkt aus dem Horos von 451 ergibt, noch auch der Selbstkorrektur Leos in seinem sog. Tomus II gerecht wird.73 Die Autoren des Jahres 681 haben schließlich über die strukturelle Parallele hinaus weitere Anleihen beim Text des Horos und der Akten von Chalcedon ge-

66 Concilium Chalcedonense a. 451, Actio 5: αἷς […] συνήρμοσεν (ACO ser. I 2,1,2 p.129,11–16); Concilium Chalcedonense a. 451, Actio 5 (ACO ser. I 2,3,2 p.137,14 Schwartz): coaptauit. 67 André de Halleux, La définition christologique à Chalcédoine, in: RTL 7 (1976), 3–23.155–170. S. dazu: Grillmeier, Jesus der Christus I (s. Anm. 14), 755–759; Karl-Heinz Uthemann, Zur Rezeption des Tomus Leonis in und nach Chalkedon. Wider den dogmenhistorischen Begriff ‚strenger Chalkedonismus‘, in: StPatr 34 (2001), 572–604; hier zitiert nach: Ders., Christus, Kosmos, Diatribe (AKG 93), Berlin/New York 2005, (1–36) 6–12. 68 de Halleux, „La définition christologique“ (s. Anm. 67), 163. 69 S. o. Anm. 13. 70 S. o. Anm. 34 u. 61. 71 Vgl. Concilium Constantinopolitanum a. 553, Anath. 4.5.10 (ACO ser. I 4,1 p.240–242 [Straub]); Alberigo Decreta (s. Anm. 20), 179,393 f.; 180,440 f.; 183,543. 72 Uthemann, Tomus Leonis (s. Anm. 6), 35. 73 S. dazu u. S. 552f.

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nommen. So ist die am Ende des Horos stehende sanctio (6) wörtlich von dort übernommen worden.74 Weiterhin wird die dogmatische Entscheidung formal nicht in Gestalt von Anathematismen präsentiert, wie das seit dem V. Konzil75 üblich geworden war,76 sondern als Verlaufstext wie im Jahre 451. Auch die Frage des Kaisers, ob die Synode den verlesenen Horos annehme und die folgenden ersten Akklamationen einschließlich einer Parallelisierung des in Chalcedon als neuer Konstantin akklamierten Kaisers Markian mit dem „Neuen Justinian Konstantin IV.“ sind den Akten von Chalcedon entnommen.77 Schließlich imitiert der Logos Prosphonetikos mit der den Brief Agathos qualifizierenden Wendung: „Durch Agatho sprach Petrus“78 die viel berufene Akklamation nach der Verlesung des Tomus Leonis auf der Synode von Chalcedon: „Durch Leo hat Petrus gesprochen!“79 Vor allem aber die oben dargestellte direkte syntaktische Ergänzung des Horos von 451 mit dem Dogma von 681 macht meines Erachtens deutlich, dass Chalcedon und sein Horos nicht nur in formaler Hinsicht im Jahre 681 „Vorbild“ (302) gewesen sind,80 sondern dass es sich hier um eine bewusst intendierte Ergänzung Chalcedons handelt, allerdings unter verändertem Vorzeichen, wie sich an der veränderten Stellung des Tomus Leonis zeigt. Nach der Verlesung des Horos und seiner durch Akklamationen und die Unterschriften der Bischöfe vollzogenen Annahme wurde der an den Kaiser gerichtete sog. Logos Prosphonetikos81 vorgetragen. Dieser Text, im Umfang etwa dem Horos vergleichbar, hat eigentlich den Charakter einer Huldigungsadresse an den Kaiser mit einem Arbeitsbericht der Synode und einer Begründung für

74 Vgl. Concilium Constantinopolitanum a. 680/1, Actio 18 (ACO ser. II 2,2 p.776,20–27 Ried.) mit Concilium Chalcedonense a.451, actio 5 (ACO ser. I 2,1,2 p.130,4–11 Schwartz). 75 S. o. Anm. 71. 76 So haben die Unionssynode des alexandrinischen Patriarchen Kyros mit den Anhängern des Severus im Jahre 633 und die Lateransynode von 649 ihre Entscheidungen als Anathematismen formuliert. Siehe: Concilium Constantinopolitanum a.680/1, actio 13 (ACO ser. II 2,2 p.594,17–600,20 Ried.); Concilium Lateranense a.649, secr. 5 (ACO ser. II 1, p.368,1–400,35 Ried.). 77 Vgl.: Concilium Constantinopolitanum a. 680/1, Actio 18 (ACO ser. II 2,2 p.798,1–13 Ried.) mit Concilium Chalcedonense a.451, actio 6 (ACO ser. I 2,1,2 p.155,9–14 Schwartz). Zur Bedeutung der Justinianverehrung s.: Günter Prinzing, Das Bild Justinians I. in der Überlieferung der Byzantiner vom 7.–15. Jahrhundert, in: FBRG.FM 7 (1986), 1–99. Dazu s. u. Anm. 296. 78 Concilium Constantinopolitanum a .680/1, Actio 18 (ACO ser. II 2,2 p.818,1 Ried.): δι᾿ Ἀγάθωνος ὁ Πέτρος ἐφθέγγετο. S. dazu S. 515f. 79 Concilium Chalcedonense a. 451, Actio 3 (ACO ser. I 2,1,2 p.81,26 Schwartz): Πέτρος διὰ Λέοντος ταῦτα ἐξεφώνησεν. 80 So: Sherwood in: Murphy/Sherwood, Konstantinopel II und III (s. Anm. 1), 288. 81 Concilium Constantinopolitanum a. 680/1, Actio 18 (ACO ser. II 2,2 p.804,14–829,6 Ried.). Der inhaltliche Text endet p.820,17. Danach stehen die Subskriptionen der Bischöfe.

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ihr Vorgehen. Vor allem aber hat der sermo acclamationis einer Ökumenischen Synode das Ziel, den Kaiser zu bitten, dem Horos durch Unterschrift Gesetzeskraft zu verleihen (ἐπικύρωσις) und dies durch ein Edikt und weitere Anordnungen zu bestätigen. So auch hier.82 Dem Text kommt also keine dogmatische Bedeutung im eigentlichen Sinne zu. Dennoch enthält er einige dogmatische Begründungen, die im Horos nicht zur Sprache gebracht werden, aber für das Verständnis der dogmatischen Definition bedeutsam sind. Das in die Ansprache integrierte erneute dyotheletische und dyenergetische Bekenntnis83 nimmt unter ausdrücklicher und wörtlicher Bezugnahme auf den Horos von Chalcedon den Ausgang bei dessen Zwei-Naturen-Lehre, der formelhaft „zwei naturhafte Willen und zwei naturhafte Wirkweisen“ zugeordnet werden.84 Erstmals werden hier aber θέλημα und ἐνέργεια als Proprietäten (ἰδιώματα) der beiden Naturen bezeichnet85 und dadurch die ontologische Grundlage der Argumentation präzisiert. Das Axiom aller weiteren Ausführungen ist auch hier die Behauptung, dass die Lehre des einen Willens und Wirkens Jesu Christi eine der beiden Naturen willenlos und wirkungslos mache: „von keiner der beiden Naturen, die in Christus während seines Heilswirkens sind, wagen wir darzulegen, dass sie willenlos und wirkungslos sind.“86 Weiterhin wird hier erstmals deutlich, dass eine wesentliche Ursache für das dyotheletische und dyenergetische Dogma in der Soteriologie zu suchen ist. Denn die Ansprache führt nun aus, dass der naturhafte Wille und die naturhafte ἐνέργεια der Menschheit (303) Christi deshalb nicht verleugnet würden, „damit wir nicht das heilsgeschichtliche Hauptstück unseres Heils zunichtemachen (τὸ τῆς σωτηρίας ἡμῶν οἰκονομικὸν κεφάλαιον) und der Gottheit das Leiden zuteilen.“ Dies hätten nämlich diejenigen angestrebt, „die kürzlich ruchlos die Neuerung eines Willens und einer Wirkweise bei ihm vertreten haben.“87 Und dann fährt der Text fort:

82 Concilium Constantinopolitanum a. 680/1, Actio 18 (ACO ser. II 2,2 p.818,18 f. Ried.). 83 Concilium Constantinopolitanum a. 680/1, Actio 18 (ACO ser. II 2,2 p.812,16–814,15 Ried.). 84 Concilium Constantinopolitanum a. 680/1, Actio 18 (ACO ser. II 2,2 p.812,22–814,1 Ried.): δύο φυσικὰ θελήματα καὶ δύο φυσικὰς αὐτοῦ τὰς ἐνεργείας. 85 Concilium Constantinopolitanum a. 680/1, Actio 18 (ACO ser. II 2,2 p.814,2 f. Ried.) 86 Concilium Constantinopolitanum a. 680/1, Actio 18 (ACO ser. II 2,2 p.8141 f. Ried.): οὐδετέραν γὰρ τῶν ἐν Χριστῷ φύσεων ἐπὶ τῆς οἰκονομίας αὐτοῦ τολμήσομεν ἀθέλητον ἢ ἀνενέργητον ἀποφήνασθαι. 87 Concilium Constantinopolitanum a. 680/1, Actio 18 (ACO ser. II 2,2 p.814,3–7 Ried.): οὐ γὰρ ἀρνούμεθα τὸ φυσικὸν αὐτοῦ τῆς ἀνθρωπότητος θέλημα ἢ τὴν κατὰ φύσιν ἐνέργειαν, ἵνα μὴ καὶ τὸ τῆς σωτηρίας ἡμῶν οἰκονομικὸν κεφάλαιον ἀθετήσωμεν καὶ τῇ θεότητι τὰ πάθη προσάψωμεν. τοῦτο γὰρ ἔσπευδον οἱ προσεχῶς ἓν ἐπ᾿ αὐτοῦ τὸ θέλημα καὶ τὴν μίαν ενέργειαν ἀνοσίως καινοτομήσαντες.

1 Der Tomus Leonis im Horos und im Logos Prosphonetikos

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Wenn wir nämlich zugestehen würden, die menschliche Natur des Herrn willenlos und wirkungslos zu nennen, wie wäre dann das ‚vollkommen in der Menschheit‘ gewahrt? Nichts anderes begründet nämlich die Vollkommenheit des menschlichen Wesens als der wesenhafte Wille (τὸ οὐσιῶδες θέλημα), durch den auch das Vermögen zur Selbstbestimmung (ἡ τῆς αὐτεξουσιότητος ἐν ἡμῖν δύναμις) in uns charakterisiert ist. Genauso muss es sich auch mit der wesenhaften energeia verhalten. Wie sollen wir denn von ihm sagen, dass er ‚in der Menschheit vollkommen‘ ist, wenn er nichts Menschliches leidet und wirkt? Wie nun das Zusammenlaufen der beiden Naturen (ἡ τῶν δύο φύσεων συνδρομή) für uns die unvermischte und unteilbare Hypostase gewährleistet, so leuchtete die eine Hypostase in den beiden Naturen auf und ließ das einer jeden zukommende Eigene sehen.88

Zusammenfassend lässt sich zu den Lehraussagen des Horos ‒ und ergänzend des Logos Prosphonetikos ‒ an dieser Stelle Folgendes festhalten. Die Grundlage aller dogmatischen Festlegungen und Vorwürfe an die Verurteilten ist eine ontologische Bestimmung der Begriffe Natur (φύσις) bzw. Wesen (oὐσία), insofern Wille und Wirken (θέλημα; ἐνέργεια) als Proprietäten (ἰδιώματα) der Naturen bestimmt werden.89 Sie gehören zum Wesensbestand (λόγος) der jeweiligen Natur, und im Fall der menschlichen Natur sind dadurch auch deren Grenzen bestimmt (ὅρος).90 Deshalb werden sie als „naturhaft“ (φυσικός)91 oder wesenhaft (οὐσιώδης)92 (304) bezeichnet und müssen auf der Grundlage des dyophysitischen Bekenntnisses als doppelt bekannt werden: δύο φυσικὰ θελήματα τε καὶ ἐνέργειαι.93 Aus dieser axiomatischen Bestimmung ergeben sich teilweise syllogistisch gewonnene Schlussfolgerungen, die als Vorwürfe an die Verurteilten über deren angebliche Lehren erhoben werden: Danach bedeute die Lehre eines Willens und eines Wirkens Jesu Christi automatisch die Leugnung eines menschlichen Willens und Wirkens Christi und gehe zu Lasten seiner menschlichen Natur, die deshalb nicht mehr im Sinne des Dogmas von Chalcedon

88 Concilium Constantinopolitanum a. 680/1, Actio 18 (ACO ser. II 2,2 p.814, 8–15 Ried.): εἰ γὰρ ἀθέλητόν τε καὶ ἀνενέργητον τὴν ἀνθρωπίνην τοῦ κυρίου φύσιν λέγειν παρήσομεν, ποῦ τὸ „τέλειον ἐν ἀνθρωπότητι“ σέσωσται; οὐδὲν γὰρ συνίστησιν ἕτερον τὴς ἀνθρωπίνης οὐσίας τὴν τελειότητα εἰ μήτοιγε τὸ οὐσιῶδες θέλημα, δἰ οὗ καὶ ἡ τῆς αὐτεξουσιότητος ἐν ἡμῖν χαρακτηρίζεται δύναμις. οὕτως ἐχέτω καὶ ἡ οὐσιώδης ἐνέργεια. πῶς γὰρ πάλιν φάμεν αὐτὸν „ἐν ἀνθρωπότητι τέλειον“ μηδὲν ἀνθρώπινον πάθοντα ἢ ἐνεργήσαντα; ὥσπερ οὖν ἡ τῶν δύο φύσεων συνδρομὴ μίαν ἡμῖν ἀσύγχυτον τε καὶ ἀδιάτμητον ἐφύλαξε τὴν ὑπόσταστιν, οὕτω καὶ ἡ μία ὑπόστασις ἐν δύο διαλάμπουσα φύσεσι τὰ ἑκατέρᾳ προσήκοντα παρεδείκνυεν ἴδια. 89 S. o. Anm. 85. 90 S. o. Anm. 54. 91 S. o. Anm. 7.50.61.84. 92 S. o. Anm. 88. 93 S. o. Anm. 61.

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„vollkommen“ sei.94 Im polemischen Umkehrschluss ergibt sich so „logisch“ der Vorwurf, Jesus Christus würde als Mensch dadurch „willenlos“ und „wirkungslos“ (ἀθέλητός τε καὶ ἀνενέργητος).95 Daraus wird weiterhin gefolgert, dass das willentliche Leiden Jesu Christi dann gar kein menschlich gewolltes und erlittenes sein könne. Es müsse deshalb der göttlichen Natur zugeschrieben werden,96 was das gesamte Heilswerk auflöse. Und noch zugespitzter: hier würde mit dem wahren Menschsein Christi die ganze Menschwerdung Gottes aufgehoben.97 Positiv wird definiert, dass Christus als menschgewordener Logos „Einer aus der heiligen Dreifaltigkeit“ bleibe.98 Die in den Horos von Chalcedon eingegangene Formulierung Leos des „Zusammenkommens“ oder „Zusammenlaufens“ der beiden Naturen in einer Person und Hypostase99 wird jetzt damit interpretiert, dass es in der einen Hypostase die beiden Naturen sind, die das jeweils Eigene wollen und wirken.100 Sie tun dies mit den Worten Leos in Gemeinschaft (μετὰ τῆς θατέρου κοινωνίας)101 und mit den Begriffen des Horos von 451 ungetrennt und unvermischt (ἀδιαιρέτως καὶ ἀσυγχύτως).102 Insofern nur im Wirken und Wollen Jesu Christi überhaupt der Unterschied der Naturen (φυσικὴ διαφορά) in der einen Hypostase erkannt wird,103 leuchte die Hypostase im Wirken und Wollen der Naturen auf.104 Ein Gegensatz zwischen menschlichem und göttlichem Willen existiere in ihr nicht, weil der menschliche Wille als mit der Natur angenommener zum „eigenen“ Willen des fleischgewordenen Logos geworden sei und (305) vergöttlicht wurde.105 Deshalb sei er folgsam und dem göttlichen Willen untergeordnet.106 Für das Heilswerk des Leidens und Sterbens Jesu Christi sei die mit dem Willen gegebene Fähigkeit zur Selbstbestimmung (ἡ τῆς αὐτεξουσιότητος δύναμις) der menschlichen Natur von grundlegender Bedeutung.

94 S. o. Anm. 88. 95 S. o. Anm. 34.88. 96 S. o. Anm. 87. 97 S. o. Anm. 34. 98 S. o. Anm. 61. 99 S. o. Anm. 13. 100 S. o. Anm. 57. 101 Vgl. Anm. 4. 102 Vgl. Anm. 61. 103 S. o. Anm. 57. 104 S. o. Anm. 61.88. 105 S. o. Anm. 54. 106 S. o. Anm. 50.

1 Der Tomus Leonis im Horos und im Logos Prosphonetikos

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Der Logos Prosphontikos macht darüber hinaus deutlich, dass diese Lehraussagen engstens mit anderen Aspekten verbunden sind. Denn er bietet nicht nur die zur Gattung gehörenden üblichen Versatzstücke der byzantinischen Kaiserideologie,107 wozu auch gehört, dass Christus den Kaiser „erweckt“ habe diese Synode einzuberufen, „um das kürzlich entstandene Machwerk der Häresie zu zerstören“.108 Ungewöhnlich ist jedoch, wie hier die Bedeutung Papst Agathos betont wird und damit Aussagen der römischen Papatologie verbunden werden. Schon bei der Erwähnung der kaiserlichen Einladungsschreiben zur Synode wird Papst Agatho als „der hohenpriesterlichste Vorsitzende des ältesten Roms und der apostolischen Akropolis“ deutlich abgesetzt von „uns, den geringsten Priestern und Dienern Christi“.109 Die drei päpstlichen Legaten bezeichnen Agatho in ihrer Unterschrift unter den Logos Prosphonetikos als οἰκουμενικὸς πάπας (papa universalis).110 Vor den Ausführungen zur dogmatischen Entscheidung reicht es den Verfassern des Textes nicht, herauszustellen, dass „wir alle darin völlige Übereinstimmung und völliges Einvernehmen erzielt haben“, sondern es wird hinzugefügt, dass „wir auch mit dem dogmatischen Brief unseres allerseligsten Vaters und an der Spitze stehenden Papstes Agatho […] gleicher Gesinnung sind und auch dem Schreiben seiner heiligen Synode der 125 Bischöfe beistimmen.“111 Nach der Erwähnung der Anathematismen wird die Erwartung ausgesprochen, dass „niemand hoffentlich etwas an dem göttlichen Eifer des hochheiligen (306) Papstes wie auch der gegenwärtigen engelgleichen Versammlung tadelnswert finden möge.“112 In letzter Steigerung heißt es schließlich:

107 Vgl. z. B. Herbert Hunger, Prooimion. Elemente der byzantinischen Kaiseridee in den Arengen der Urkunden (WBS 1), Wien, 1964. 108 Concilium Constantinopolitanum a. 680/1, Actio 18: Χριστὸς […] καὶ νῦν τὴν ὑμετέραν γαλήνην ἐξήγειρε καὶ πρὸς τὸν τῆς ὀρθοδοξίας ζῆλον κεκίνηκεν, ὥστε τὴν οἰκουμενικὴν ταύτην ἐφ᾿ ἑαυτὸν συγκαλέσασθαι σύνοδον καὶ τὸ μὲν τῆς προσεχῶς φυείσης αἱρέσεως ἀνατρέψαι καινούργημα (ACO ser. II 2,2 p.804,25–806,2 Ried.). 109 ὅτε τῆς πρεσβυτάτης Ῥώμης καὶ ἀποστολικῆς ἀκροπόλεως ἀρχιερατικώτατος πρόεδρος καὶ ἡμεῖς οἱ ἐλάχιστοι, Χριστοῦ δὲ ὅμως ἱερεῖς καὶ θεράποντες (ACO ser. II 2,2 p.806,10f. Ried.). 110 Concilium Constantinopolitanum a. 680/1, Actio 18 (ACO ser. II 2,2 p.822, 5.8.11; 779,7─9 Ried.). 111 Concilium Constantinopolitanum a. 680/1, Actio 18 (ACO ser. II 2,2 p.812,13–16 Ried.): πάντες ὁμοφωνήσαντες καὶ ὁμονοήσαντες καὶ τοῖς Ἀγάθωνος τοῦ μακαριωτάτου πατρὸς ἡμῶν καὶ κορυφαιοτάτου πάπα δογματικοῖς […] ὁμοφρονήσαντες γράμμασι. 112 Concilium Constantinopolitanum a. 680/1, Actio 18 (ACO ser. II 2,2 p.816,10 f. Ried.): καὶ μὴ τινες ἴσως ἐπιμεμφθέσθωσαν τῆς τε τοῦ παναγίου πάπα παραζηλώσεως τῆς τε παρούσης ἀγγελικῆς συνελεύσεως.

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Mit uns stritt der an der Spitze stehende Erstapostel, denn sein Nachahmer und Nachfolger auf dem Stuhl bereitete uns vor und erklärte uns durch Briefe das Geheimnis der Theologie. Ein von Gott geschriebenes Bekenntnis breitete die Stadt Rom, die alte, vor dir aus, o Kaiser, und ließ den lichten Tag rechter Lehre von Westen aus aufgehen. Papyrus und Tinte kamen zum Vorschein, aber durch Agatho sprach Petrus!113

Auf keiner der früheren ökumenischen Synoden sind die Primatsvorstellungen der römischen Kirche in Verbindung mit Spitzensätzen der Petrinologie, Petrusmystik und Papatologie als Überzeugung einer gesamten ökumenischen Synode in vergleichbarer Weise in den Akten festgeschrieben worden. Vor allem aber werden sie hier funktional als Begründung für die Rechtmäßigkeit und Autorität der dogmatischen Entscheidung der Synode in Stellung gebracht. Es ist nun nicht mehr nur die Synode von Chalcedon, an deren Autorität direkt angeknüpft wird; es ist nicht mehr nur die Autorität Leos und seines Tomus, die beansprucht wird ‒ der Tomus Leonis wird hier gar nicht mehr erwähnt! ‒, sondern es ist die Autorität des Apostels Petrus, der durch Agatho gesprochen habe und selbst das dyotheletische und dyenergetische Dogma zur apostolischen Lehre des Hauptes der Apostel erhebt. Aber damit nicht genug, ist das Bekenntnis Agathos als das des Petrus auch noch „von Gott geschrieben“ (θεοχάρακτον), eine Formulierung, die bis dahin nur auf die zehn Gebote, die Evangelien oder die Jungfrau Maria angewendet wurde.114 Ein höherer Autoritätsanspruch ist nicht mehr denkbar! Damit verbunden wird nun auch noch der Lehrprimat der römischen Kirche über den gesamten Osten. Das Licht des richtigen Dogmas geht im Westen auf. Jetzt gilt: Ex occidente lux! Und die Bischöfe und Theologen der Kirchen des gesamten Ostens müssen „vorbereitet“ werden,115 ja das „Mysterium der Theologie“ muss ihnen aus dem Westen erklärt werden, das zu erkennen sie alleine (307) offenbar gar nicht imstande wären! Selbst wenn man Hyperbolik und Hypertrophie als gängige Stilmittel byzantinischer Rhetorik in Rechnung stellt, handelt es sich hier um eine Demütigung der überwältigenden Mehrheit der Synodalen, die östlicher Herkunft waren. Denn von den 165 Subskribenten des Horos sind nur die sechs Legaten des Papstes und der römischen Synode

113 Concilium Constantinopolitanum a. 680/1, Actio 18 (ACO ser. II 2,2 p.816,19–818,1 Ried.): ὁ δὲ κορυφαιότατος ἡμῖν συνηγωνίζετο πρωταπόστολος. τὸν γὰρ ἐκείνου μιμητὴν καὶ τῆς καθέδρας διάδοχον εἴχομεν ὑπαλείφοντα καὶ τὸ τῆς θεολογίας μυστήριον διὰ γραμμάτων ἐκφαίνοντα. ὁμολογίαν σοι θεοχάρακτον ἡ Ῥώμη πόλις ἡ πρεσβύτις ἀνέτεινε, τὴν τῶν δογμάτων ἡμέραν ἐκ τῆς ἑσπέρας ἀνέτειλε, χάρτης καὶ μέλαν ἐφαίνετο καὶ δι᾿ Ἀγάθωνος ὁ Πέτρος ἐφθέγγετο. 114 Vgl.: Geoffrey H.W. Lampe, A Patristic Greek Lexikon, Oxford 101991, 643 s.v. θεοχάρακτος. 115 Wörtlich „gesalbt“ (ὑπαλείφοντα), eine Metapher, die die Vorbereitung zum Kampf beinhaltet.

2 Der Tomus Leonis in den Briefen Papst Agathos und der römischen Synode

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sowie der Stellvertreter des Erzbischofs von Ravenna im eigentlichen Sinne westlicher Herkunft.116 Noch bevor die Briefe Agathos und der römischen Synode nun in den Blick zu nehmen sind, lässt sich bereits jetzt festhalten, dass sowohl der Horos als auch der Logos Prosphonetikos durch eine starke Dominanz römischer Theologie und römischen Selbstverständnisses in der Begründung und Autorisierung des Dogmas von 681 bestimmt sind.

2 Der Tomus Leonis in den Briefen Papst Agathos und der römischen Synode vom 27. März 680 Der Brief117 Papst Agathos (27. Juni 678–10. Januar 681), adressiert an den Maior Imperator (Μεγάλος Βασιλεύς)118 Konstantin IV. und seine Brüder Herakleios und Tiberios und kurz nach der römischen Synode der 125 Bischöfe vom 27. März 680 zusammen mit deren Brief abgeschickt, stellt die späte Antwort auf das noch an den Vorgänger Agathos, Donus (2. November 676–11. April 678), gerichtete Einladungsschreiben (sacra)119 des Kaisers vom 12. August 678 dar. Konstantin bekundete darin seine Absicht, die Kirchengemeinschaft mit Rom (308) wiederherzustellen. Diese war durch Papst Martin I. (649–653)120 und die Lateransynode von 649121 unter theologischer und strategisch umfassender Fe-

116 Dies waren die die Presbyter Theodorus und Georgius sowie der Diakon Iohannes als Stellvertreter des Papstes sowie die Bischöfe Iohannes von Porto, Abundantius von Paternum und Tempsa und Iohannes von Rhegium als Legaten der römischen Synode und der Presbyter Theodorus als Stellvertreter des Erzbischofs von Ravenna. Die in Konstantinopel zur römischen Delegation kooptierten Bischöfe von Thessalonike, Gortyna, Korinth und Athen können als Illyriker theologisch kaum dem Westen zugerechnet werden. Vgl.: Agatho pp., Epistula ad Const. IV imp. (ACO ser. II 2,1 p. 57,6–11 Ried.); zu Letzteren vgl. Heinz Ohme, In tempore. Weichenstellungen für die Edition des Concilium Quinisextum, in: AHC 41 (2009), (1–68) 19–21.52–54. 117 Agatho pp., Epistula ad Const. IV imp. (ACO ser. II 2,1 p.52,13–123,4 Ried.); Winkelmann, Streit (s. Anm. 8), Nr. 157; Caspar, Geschichte (s. Anm. 1), 588–596. Der Brief wurde auf der 4. Sitzung der Synode am 15. November 680 verlesen und auf der 8. Sitzung am 7. Mai 681 feierlich bestätigt. 118 Zu dieser Titulatur vgl.: Peter Schreiner, Zur Bezeichnung ‚Megas‘ und ‚Megas Basileus‘ in der byzantinischen Kaisertitulatur, in: Byz(T) 3 (1971), 175–192. 119 Constantinus IV. imp., Sacra ad Donum pp. (ACO ser. II 2,1 p.2,1–10,8 Ried.); Dölger und Müller, Regesten (s. Anm. 10), Nr. 242; Winkelmann, Streit (s. Anm. 8), Nr. 156. 120 PMBZ, Nr. 4851. 121 Zu dieser Synode vgl.: Price/ Booth/ Cubitt, Lateran Synod (s. Anm. 15), General Introduction 1–108; Heinz Ohme, Was war die Lateransynode von 649? Was sollte sie sein?, in: AHC 48 (2016/7), 109–157.

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derführung des Maximos Homologetes (ca. 579–662)122 und seiner Schüler aufgehoben worden, indem bereits dort die Konstantinopler Patriarchen Sergios, Pyrrhos und Paulos, Kyros von Alexandrien und Theodor von Pharan sowie die kaiserlichen Gesetze Ekthesis und Typos anathematisiert worden waren.123 Jetzt lud der Kaiser zu einem „Glaubensgespräch der beiden Thronoi“124 von Rom und Konstantinopel in die Hauptstadt ein ‒ von einer Synode war noch keine Rede ‒ und bat um Entsendung einer Delegation, zu deren Zusammensetzung er Vorgaben machte. Von den Reizthemen Lateransynode von 649, Papst Martin und Maximos Homologetes war keine Rede,125 und auch im Brief Agathos fällt dazu kein Wort. Das Antwortschreiben des Papstes ist von außergewöhnlichem Umfang, zusammen mit der griechischen Übersetzung füllt der Text nicht weniger als 70 Seiten in den ACO. Der Brief hat den Charakter eines Mahnschreibens, mit dem der Papst den Kaiser auffordert, die römische dyotheletische und dyenergetische Lehre als uerae regula fidei126 und euangelicae atque apostolicae nostrae fidei regularisque traditio anzunehmen.127 Die beanspruchte Normativität dieser Lehre wird nicht nur durch den Verweis auf die Heilige Schrift und die fünf Ökumenischen (309) Synoden128 sowie die Tradition129 begründet, sondern schwergewichtig auch mit dem römischen Primat, der Unfehlbarkeit der römischen Kirche und Argumenten politischer Theologie. Dazu aber später. Der Text enthält ein kurzes Glaubensbekenntnis, in das die geforderte Lehre eingebettet ist.130 Die Argumentation nimmt ihren Aus-

122 PMBZ, Nr. 4921; Pauline Allen/Bronwen Neil (Hgg.), The Oxford Handbook of Maximus the Confessor, Oxford 2015; Bart Janssens/Peter Van Deun/ Carlos Steel, Maximos der Bekenner, in: Christoph Riedweg/ Christoph Horn/Dietmar Wyrwa, Die Philosophie der Antike 5,3. Philosophie der Kaiserzeit und der Spätantike, Basel 2018, 2268–2330. 123 Zu den Gesetzen s. o. Anm. 10; Heinz Ohme, Die Konstantinopler Synoden von 638/9 (?) und die Ekthesis des Kaisers Herakleios (610–641), in: ZKG 129 (2018), 289–315. 124 Constantinus IV. imp., Sacra ad Donum pp. (ACO ser. II 2,1 p.2,23 Ried.): πρὸς καθολικὴν συνάθροισιν τῶν ἀμφοτέρων θρόνων.. 125 Die Lateransynode war eine reichsrechtlich und kirchenrechtlich illegale Veranstaltung, Papst Martin und Maximos waren im Jahre 653/4, 655 und 662 als Hochverräter verurteilt worden. Vgl.: Ohme, Lateransynode (s. Anm. 114); Wolfram Brandes, ‘Juristische‘ Krisenbewältigung im 7. Jahrhundert? Die Prozesse gegen Papst Martin I. und Maximos Homologetes, in: FBRG.FM 10 (1988), 141–212; Heinz Ohme, Der lange Widerstand gegen eine offizielle Heiligenverehrung des Maximos Homologetes (†662) im Byzantinischen Reich, in: ByzZ 109 (2016), 109–150. 126 Agatho pp., Epistula ad Const. IV imp. (ACO ser. II 2,1 p.65,5 Ried.). 127 Agatho pp., Epistula ad Const. IV imp. (ACO ser. II 2,1 p.59,23 Ried.). 128 Agatho pp., Epistula ad Const. IV imp. (ACO ser. II 2,1 p.57,13–15; 59,20–22; 75,4–23 Ried.). 129 Der Text bietet ein umfangreiches Florileg: Agatho pp., Epistula ad Const. IV imp. (ACO ser. II 2,1 p.83,26–95,27 Ried.). 130 Agatho pp., Epistula ad Const. IV imp. (ACO ser. II 2,1 p.59,23–61,21 Ried.).

2 Der Tomus Leonis in den Briefen Papst Agathos und der römischen Synode

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gangspunkt beim Natur- bzw. Wesensbegriff der Trinitätslehre (natura, substantia, essentia), der allen drei trinitarischen Personen in gleicher Weise gemeinsam sei, weswegen der Trinität auch ein naturhafter Wille und ein naturhaftes Wirken zukomme und über die Personen der Trinität hinsichtlich ihrer Natur alles in der Einzahl ausgesagt werde.131 Demgegenüber werde wegen der beiden Naturen Christi und deren proprietates naturales „entsprechend der evangelischen Tradition“ über Christus alles doppelt ausgesagt.132 Deshalb „bekennen wir nämlich zwei Naturen und zwei naturhafte Willen und zwei naturhafte Wirkweisen in unserem einen Herrn Jesus Christus, die nicht einander widerstrebend noch entgegengesetzt sind, wie die vom Weg der Wahrheit Abgeirrten die apostolische Tradition anklagen.“133 Eine weitere Argumentationsebene wird eröffnet mit dem Vorwurf, dass diejenigen, die „einen Willen und ein Wirken der beiden Naturen“ Christi behaupten, die Lehre der Arianer, Apolinaristen, Eutychianer und Anhänger des Timotheus (Ailurus) sowie der akephalen Theodosianer und Gaianiten erneuern und „der ganze häretische Wahnsinn derer, die das Geheimnis der Menschwerdung vermischen oder trennen“, gelehrt werde.134 Vermischen würden diejenigen, „die behaupten, dass Christus als einer einen personhaften Willen und eine (310) personhafte Wirkweise (uoluntas et operatio personalis) habe, weil man dadurch eine Natur der Gottheit und Menschheit Christi lehrt“. Trennen würden diejenigen, „die die zwei Naturen, die ‒ wie sie wissen ‒ der Erlöser hat, nicht durch eine Einung vereinen, die als hypostatisch erfolgt erkannt wird, sondern die lästern und sie durch einen Willensaffekt ‒ als seien es zwei Hypostasen, d. h. zwei Bestimmte ‒ durch Eintracht (concordia) verbinden.“135 Zusätzlich werden dann Konsequenzen für die Trinitätslehre geltend gemacht.

131 Agatho pp., Epistula ad Const. IV imp. (ACO ser. II 2,1 p.59,25–27,1 Ried.): […] unius esse deitatis, unius naturae et substantiae siue essentiae, unius eam praedicamus et naturalis uoluntatis, uirtutis, operationis […] et quiquid de eadem sancta trinitate essentialiter dicitur singulari numero. 132 Agatho pp., Epistula ad Const. IV imp. (ACO ser. II 2,1 p.61,5 f. 4–13 Ried.): omnia duplicia unius eiusdemque domini saluatoris nostri Iesu Christi secundum euangelicam traditionem asserimus. 133 Agatho pp., Epistula ad Const. IV imp. (ACO ser. II 2,1 p.61,13–16 Ried.): cum duas autem naturas duasque naturales uoluntates et duas naturales operationes confitemur in uno domino nostro Iesu Christo, non contrarias eas nec aduersas ad alterutrum dicimus, sicut a uia veritatis errantes apostolicam traditionem accusant. 134 Agatho pp., Epistula ad Const. IV imp. (ACO ser. II 2,1 p.67,12–16 Ried.): […] unam uoluntatem unamque operationem duarum naturarum asserentes […] et omnis omnino hereticus furor siue confundentium seu diuidentium incarnationis Christi mysterium docuit. 135 Agatho pp., Epistula ad Const. IV imp. (ACO ser. II 2,1 p.67,16–21 Ried.): Confundentes […], eo quod deitatis et humanitatis Christi unam naturam dicant, unam eum sicut unius uoluntatem et operationem personalem habere contendunt, diuidentes autem inseparabilem unitionem duas naturas, quas saluatorem habere cognoscunt, non per unitionem, quae secundum subsistentiam

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„Denn wenn jemand den Willen personhaft denkt, dann ist es notwendig, insofern es in der heiligen Trinität drei Personen gibt, auch drei personhafte Willen und Wirkweisen zu behaupten, was absurd und überaus ruchlos ist.“136 Mit dem Verweis auf das Gebet Jesu in Gethsemane (Mt 26,39) wird der Schriftbeweis eröffnet und für diese Stelle u. a. auch Leos sogenannter Tomus II in Anspruch genommen, insofern Leo dort der forma serui (μορφὴ δούλου) von Phil 2,7 unter Berufung auf Joh 6,38 den menschlichen Willen Jesu zuordnet.137 Die im weiteren ins Feld geführten sanctarum testimonia scripturarum138 sind in zwei Gruppen sortiert. Agatho unterscheidet zwischen solchen Schriftzeugnissen, „die manchmal gemäß der Natur der Menschheit“ und solchen, „die wiederum nach der Gottheit unseres einen und selben Herren Jesus Christus, des wahren Gottes und Menschen, aufgebaut sind.“139 Die Entscheidung Jesu nach Galiläa zu gehen oder sich nicht nach Judäa zu wenden, sich in Tyrus in einem (311) Haus zu verbergen (Joh 4,3; 7,1; Mk 7,24), aber auch seine Jünger in Seenot zu retten (Mt 14,25) und den Willen dessen zu tun, der ihn gesandt hat, und sein Werk zu vollenden (Joh 4,34), werden dem menschlichen Willen zugeordnet. Jedoch lebendig zu machen, wen er will (Joh 5,21), heilen zu wollen (Mt 8,3) und den Vater zu offenbaren, wem er es will (Mt 11,27), gehöre zu seinem göttlichen Willen. Und im Philipperhymnus (Phil 2,6–8) schreibe Paulus den Gehorsam bis zum Tode kundig der menschlichen forma zu. Wer ist denn so weit vom Licht der Wahrheit entfernt, dass er annehme, unser Herr Jesus Christus sei dem Vater gemäß seiner Gottheit gehorsam gewesen? […] Oder wer versteht nicht, dass der Gehorsam vielmehr mit dem menschlichen Willen zusammenfällt, in welchem es überhaupt keine Sünde gibt?140

facta cognoscitur, uniunt, sed blasphemantes per affectum uoluntatis tamquam duas subsistentias, id est per duos quosdam, per concordiam iungunt. 136 Agatho pp., Epistula ad Const. IV imp. (ACO ser. II 2,1 p.69,6–8 Ried.): nam si personalem quisquam intellegat uoluntatem, dum tres personae in sancta trinitate dicuntur, necesse est, ut tres personales uoluntates et tres personales operationes, quod absurdum est et nimis profanum, dicerentur. 137 Agatho pp., Epistula ad Const. IV imp. (ACO ser. II 2,1 p.73,23–75,3 Ried.); Leo I. pp., ep.165 (ACO ser. I 2,4 p.117,25 f. Schwartz). 138 Agatho pp., Epistula ad Const. IV imp. (ACO ser. II 2,1 p.75,3–23 Ried.). 139 Agatho pp., Epistula ad Const. IV imp. (ACO ser. II 2,1 p.75,5 f. Ried.): quae nunc quidem ex natura humanitatis, nunc autem ex diuinitate unius eiusdemque domini nostri Iesu Christi ueri dei et hominis astruuntur. 140 Agatho pp., Epistula ad Const. IV imp. (ACO ser. II 2,1 p.77,18–23 Ried.): […] et oboedientiam usque ad mortem humanae formae adsignat. nam quis in tantum luce ueritatis abscessit, ut secundum diuinitatis suae uoluntatem presumat dicere dominum nostrum Iesum Christum patri oboedisse […] aut quis non intellegat oboedientiam humanae magis competere uoluntati, in qua nullum habuit omnino peccatum.

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Das diesen Abschnitt dann abschließende Zitat des Horos von Chalcedon141 und des 7. Anathematismus des V. Ökumenischen Konzils142 solle daran erinnern, dass es nötig ist, treu darüber zu wachen, dass wir nicht wegen der Einung den Unterschied der Naturen wegnehmen, sondern unter Wahrung der Eigenheit einer jeden Natur den einen Christus […] bekennen.143

An den Schriftbeweis schließen sich 14 Testimonia patrum an.144 Sie sind alle aus dem Florilegium der Lateransynode von 649 übernommen worden145 und können hier nicht i. e. analysiert werden. (312) Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Argumentation Agathos sich grundsätzlich wie im Horos und im Logos Prosphonetikos auf der Ebene eines ontologischen Begriffes von natura/substantia samt deren Proprietäten voluntas und operatio bewegt. Von daher argumentiert er trinitätstheologisch und schließt syllogistisch aus der Wesenseinheit der trinitarischen Hypostasen und dem dyophysitischen christologischen Bekenntnis auf die Notwendigkeit einer dualen Bestimmung des Willens und Wirkens Jesu Christi.146 Nicht in den Horos aufgenommen wurde die Auseinandersetzung Agathos mit einem zentralen Argument der Gegner, wonach Wille und Wirken Jesu Christi nicht (nur?) den beiden Naturen, sondern (auch?) der einen Person zuzuordnen sei. Die Kritik Agathos basiert hier auf der Annahme, dass der persona bzw. Hypostase Jesu Christi jenseits des Wirkens und Wollens der Naturen für sein Handeln und Wollen keinerlei Bedeutung zukommt. Weil er Wirken und Wille Jesu Christi exklusiv naturhaft denkt, behauptet er auch, die Gegner würden mit ihrer Lehre einen einzigen Willen und eine einzige Wirkweise „der beiden Naturen“ aussagen.147 Die Ablehnung einer einzigen uoluntas et operatio personalis wird damit begründet, dass dies entweder zur Vermischung oder Trennung

141 Agatho pp., Epistula ad Const. IV imp. (ACO ser. II 2,1 p.81,4–15 Ried.). 142 Agatho pp., Epistula ad Const. IV imp. (ACO ser. II 2,1 p.81,17–83,2 Ried.); Vgl.: Concilium Constantinopolitanum a. 553, Anath. 7 (ACO ser. I 4,1 p.242,1–11 Schwartz); Alberigo, Decreta (s. Anm. 20), 181 f.; Wohlmuth, Dekrete I (s. Anm. 20), 117. 143 Agatho pp., Epistula ad Const. IV imp. (ACO ser. II 2,1 p.83,2–6 Ried.): […] fideliter necesse est custodire, ut nusquam diffentiam naturarum propter unitionem adimamus, sed salua proprietate utriusque naturae unum Christum […] confiteamur. 144 Agatho pp., Epistula ad Const. IV imp. (ACO ser. II 2,1 p.83,26–95,27 Ried.). 145 S. die vergleichende Auflistung bei: Alexander Alexakis, Codex Parisinus Graecus 1115 and Ist Archetype, Washington D.C. 1996, 24 Anm. 106. Dasselbe trifft auch für die von Agatho pp., Epistula ad Const. IV imp. (ACO ser. II 2,1 p. 103,27–107,15 R.) genannten neun häretischen Testimonia zu. 146 S. o. Anm. 131–133. 147 S. o. Anm. 134.

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der Naturen führe. Denn wenn Wille und Wirken exklusiv naturhaft verstanden werden, kann eine personal gedachte Willenseinheit nur noch als unio per concordiam zweier eigenständiger Subjekte gedacht werden. Das aber wäre in der Tat eine Auflösung der unio hypostatica. Implizit ist damit natürlich ein Widerspruch in der Argumentation des Papstes gegeben, wenn er gleichzeitig bei den Gegnern die Entgegengesetztheit von göttlichem und menschlichem Willen in der Person Jesu Christi diagnostiziert.148 Der syllogistisch gewonnene Vorwurf der Auflösung des trinitarischen Bekenntnisses basiert auf der Voraussetzung eines einheitlichen Hypostasenbegriffes im trinitätstheologischen und christologischem Kontext, wäre doch bei der Bindung des Willens an die Person/Hypostase die Willenseinheit der einen Gottheit aufgehoben. In mehreren Anläufen begründet Agatho ‒ um mit den Worten des Horos zu sprechen ‒, dass der naturhafte Unterschied in der einen Hypostase an dem je das Eigene Wollen und Wirken der beiden Naturen erkannt werde. Dem dient auch seine Aufteilung von Schriftzeugnissen über Jesu willentliches Handeln auf die beiden Naturen. Es gibt hier für den Papst anscheinend nur ein Entweder-Oder, so dass auch der Gehorsam des menschgewordenen Logos im Philipperhymnus der menschlichen Natur zugeordnet wird, weil es für Agatho nur die ‒ absurde ‒ (313) Alternative gibt, die göttliche Natur als gehorsam zu bezeichnen. Agatho geht also im Prinzip genauso vor, wie Leo es in seinem ersten Tomus hinsichtlich des Wirkens Jesu gemacht hatte. Er zitiert deshalb unter den 14 Testimonia patrum an 11. Stelle den Spitzensatz des Tomus Leonis149 und bringt danach auch eine Passage aus Leos zweitem Tomus, in der dieser von communes actiones der einen Person Jesu Christi sprach. Dort formulierte Leo: Obwohl also in dem einen Herrn Jesus Christus, dem wahren Gottes- und Menschensohn, die Person des Wortes und Fleisches eine ist, welche untrennbar und ungeteilt gemeinsame Handlungen vollzog, so muss man doch die Eigenschaften der Werke selbst wahrnehmen und in der Betrachtung aufrichtigen Glaubens einsehen, wozu die Niedrigkeit des Fleisches erhoben und die Höhe der Gottheit erniedrigt wird; was es bedeute, dass das Fleisch nicht ohne das Wort handelt und das Wort nichts ohne das Fleisch bewirkt.150

148 S. o. Anm. 133. 149 Agatho pp., Epistula ad Const. IV imp. (ACO ser. II 2,1 p.95,1–6 Ried.) = (26,94–97 S.-T.). 150 Agatho pp., Epistula ad Const. IV imp. = Leo I. pp., Epistula 165,6 ad Leonem imp. (ACO ser. II 2,1 p, 95,9–13 = ACO ser. I, 2,4 p. 115,30–116,1 Schwartz): Licet ergo in uno domino Iesu Christo uero dei atque hominis filio uerbi et carnis una persona sit, quae inseparabiliter atque indiuise communes habebat actiones, intellegendae tamen sunt ipsorum qualitates, et sincerae fidei contemplatione cernendum est, ad quae prouehatur humilitas carnis et ad quae inclinetur altitudo deitatis, quid sit, quod caro sine uerbo non agit, et quid sit, quod uerbum sine carne non efficit.

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Wie Agatho diese Worte versteht, wird aus einer Zusammenfassung zu den Testimonia insgesamt deutlich, in der Agatho beide Leo-Zitate hervorhebt. So heißt es nun zum Tomus Leonis: Und indem der Verteidiger der Wahrheit, der heilige Leo, in seinem dogmatischen Tomus an den Bekenner Christi, Flavian, sagt: ‚Denn jede der beiden Gestalten tut in Gemeinschaft mit der anderen, was ihr eigen ist‘ und konsequenterweise aufgrund verständiger Überlegung unterscheidet: ‚das Wort wirkt, was des Wortes ist, und das Fleisch vollzieht, was des Fleisches ist‘, und die entsprechenden Handlungen einer jeden der beiden Naturen betrachtet ‒ sowenig er sie auch von der Gemeinschaft einer mit der anderen trennt ‒, zeigt der ausgezeichnete Pontifex dadurch ‒ vielmehr überhaupt mit ihm das gesamte heilige Konzil von Chalcedon ‒, dass die Gottheit Christi das naturhafte Wirken unvermischt in der Einheit bewahrt hat, und seine Menschheit das, was zum Wirken des menschlichen Wesens passt, vollzieht. Und beides geht unvermischt und untrennbar aus unserem einen Herrn Jesus Christus hervor, der aus beiden Naturen besteht und in beiden (314) ein und derselbe geblieben ist.151

Und zum Testimonium aus Epistula 165 schreibt Agatho, Leo verkünde hier wahrheitsgemäß, dass ‚die Person des Wortes und des Fleisches eine ist‘; gleichwohl eröffnet er einen Weg zum Verstehen, damit ‚aus den Eigenschaften der eigenen Werke‘ Christi, d. h. aus dem naturhaften Wirken, erkannt werde, welchen Wesens eine jede der in Christus hypostatisch geeinten Naturen sei. Weder hat der Herold der Wahrheit zugelassen, dass das menschliche Wirken, das der Herr zeitweise mit der Natur angenommen hat, seinem ewigen Wesen beigemessen wird oder das Maß menschlichen Wirkens seinem göttlichen Wesen zugeschrieben wird, sondern die Naturen ‒ indem sie nichtsdestoweniger in der Einheit der Person verbleiben ‒, die in Christus hypostatisch vereint sind, hat er aus seinen Wirkweisen erkannt.152

151 Agatho pp., Epistula ad Const. IV imp. (ACO ser. II 2,1 p.97,19–28 Ried.): et dum defensor ueritatis sanctus Leo ad confessorem Christi Flauianum in dogmatico Tomo edisserit inquiens: „agit utraque forma cum alterius communione quod proprium est“ et subsequenter per intellegentiae rationem discernit „uerbum quod uerbi est operantem et carnem quod carnis est exsequentem“ et uniuscuiusque naturae congruentia opera contemplatur, quamvis eas ab alterutrum communione non separet, rebus ipsis ostendit eximius pontifex, immo et omnis cum eo generalitas sancti Chalcedonensi concilii, quod et deitas Christi naturalem operationem inconfusam in unitate seruauit, et humanitas eius quae ad operationem humanae substantiae competunt exsecuta est; et utraque de uno inconfuse atque inseparabiliter processerunt domino nostro Iesu Christo, qui ex utrisque naturis subsistit et in utrisque unus idemque permansit. 152 Agatho pp., Epistula ad Const. IV imp. (ACO ser. II 2,1 p.99,1–9 Ried.): ‚uerbi carnisque unam personam esse‘ ueraciter praedicat, intellegentiae tamen uiam adaperit, ut ‚ex ipsorum operum‘ Christi ‚qualitatibus‘, id est ex naturali operatione, unaquaeque unitarum in Christo secundum subsistentiam naturarum cuius sit substantiae cognoscatur. neque enim hic praeco ueritatis ammisit, ut humanam operationem, quam ex tempore dominus cum natura suscepit, aeternae eius assignetur essentiae aut diuinae eius substantiae humanae operationis mensura assicribatur, sed ‒ ma-

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Damit wird meines Erachtens deutlich, dass Agathos Deutung der chalcedonensischen Zwei-Naturen-Lehre hier ganz von jenem umstrittenen Satz des Tomus Leonis bestimmt ist. Denn auch die in Epistula 165 von Leo genannten communes actiones sind für ihn nur eine Variation der Stichoi 94–95 des Tomus Leonis, die das „unvermischt und ungetrennt“ von Chalcedon interpretieren. Dass Leo in Epistula 165 die communes actiones der una persona als vollziehendem Subjekt zuordnet, übergeht er einfach. Denn das passt auch schlecht zur vorhergehenden Polemik gegen eine uoluntas et operatio personalis. Das Gemeinsame der communes actiones verbleibt damit in der Unbestimmtheit des cum alterius communione von Tomus I. Ist mit Agathos Formulierungen ausgeschlossen, dass die beiden Naturen als eigenständige Subjekte nur im Wirken eine Gemeinschaft eingehen? Und ist diese Gemeinsamkeit mehr als eine Gleichzeitigkeit zweier eigenständig Wollender und Handelnder, deren actiones dann auch nur noch aus der una persona „hervorgehen“? Der gleich zu interpretiernde Brief der römischen Synode betont ausdrücklich das simul.153 Für Agatho ist die Erkenntnisordnung, in der sich in der Betrachtung (315) die Naturunterschiede in der Person Jesu Christi erschließen, mit der Seinsordnung des Wirkens und des Wollens Jesu Christi identisch. Hier wird meines Erachtens Leos Tomus II durch Tomus I interpretiert. Schließlich benutzt der Agatho-Brief für die Autorisierung der dyotheletischen und dyenergetischen Lehre auch die römische Primats- und Infallibilitätstheologie sowie eine bestimmte Art politischer Theologie. Für das Erstere werden die dicta probantia der Petrinologie (Mt 16,16–19; Joh 21,16; Lk 22,32) in Stellung gebracht. Dabei wird die Zusage Jesu, dass das Christusbekenntnis des Petrus auf göttlicher Offenbarung beruhe (Mt 16,17), auf die nun propagierte Lehre übertragen und Petrus so zum „Mitwirkenden“ (cooperator) des Papstes154 und wegen des Beistandes Petri der Anspruch auf Unfehlbarkeit erhoben.155 Der Papst geht so

nente nihilominus unitate personae ‒ naturas, quae in Christi secundum subsistentiam unitae sunt, ex operatonibus suis agnouit. 153 S. u. Anm. 181. 154 Agatho pp., Epistula ad Const. IV imp. (ACO ser. II 2,1 p.63,9–14 Ried.) 155 Agatho pp., Epistula ad Const. IV imp.: „Diese seine (sc. des Petrus) apostolische Kirche ist niemals ‒ weil er Beistand gewährte ‒ in irgendeine Richtung des Irrtums vom Weg der Wahrheit abgewichen. Seine Autorität, die ja die des Fürsten aller Apostel ist, haben stets alle katholischen Kirchen Christi und alle allgemeinen Synoden treu hochgehalten und sind ihr in allem gefolgt. Und alle verehrten Väter haben ihre (sc. die apostolische Kirche des Petrus) apostolische Lehre gerne angenommen (cuius adnitente praesidio haec apostolica eius ecclesia nunquam a uia ueritatis in qualibet erroris parte deflexa est, cuius auctoritatem utpote apostolorum omnium principis semper omnis catholica Christi ecclesia et uniuersales synodi fideliter amplectentes in cunctis secutae sunt omnesque uenerabiles patres apostolicam eius doctrinam

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weit zu behaupten, dass die römischen Bischöfe es niemals versäumt hätten, die Bischöfe der Kirche von Konstantinopel zu ermahnen, wenn diese eine häretische Neuerung in die Kirche einzuführen versuchten, damit sie nicht den Anfang der Spaltung in die Kirche brächten, „indem sie einen Willen und ein Wirken der beiden Naturen in einem Herrn Jesus Christus behaupten“.156 Diese Aussage ist ein wichtiges Indiz dafür, dass die gesamte Honorius-Problematik zu diesem Zeitpunkt in der römischen Kirche nicht mehr bekannt war.157 Auf dieser Grundlage wird schließlich auch noch der politische Anspruch erhoben, dass die römische Kirche die spiritalis mater imperii sei,158 der zu folgen ist, wenn das Imperium keinen Schaden nehmen soll. Denn diese apostolische Überlieferung der römischen Kirche sei es, (316) welche Gott durch ein wahrhaftes Bekenntnis versöhnt und bei dem Herrn Christus empfehlenswert macht, welche das christliche Imperium Eurer Milde bewahrt, vom Herrn des Himmels der Tapferkeit Eurer Frömmigkeit Siege im Überfluss zuträgt, in Schlachten zur Seite steht und Gegner überwindet, welche Euer von Gott ausgedehntes Imperium überall wie eine Mauer schützt, Schrecken erregt bei gegnerischen Völkerschaften und mit göttlichem Zorn zu Boden wirft, welche sowohl in Kriegen triumphale Siege nach Vertreibung und Unterwerfung der Feinde vom Himmel gewährt als auch im Frieden Eure äußerst dauerhafte, sichere und heitere Herrschaft immer beschützt.159

So lässt sich zusammenfassend sagen: Das durch den Horos des VI. Ökumenischen Konzils in Analogie zur Normierung des Tomus Leonis durch das Konzil von Chalcedon autorisierte Schreiben Papst Agathos an Kaiser Konstantin IV. bietet eine ausschließlich vom Spitzensatz in Leos Tomus I bestimmte Interpre-

ampexi)“ (ACO ser. II 2,1 p.63,15–18 Ried.). Ähnlich unter Berufung auf Lk 22,31 f.: a.a.O., 65,10–18. 156 Agatho pp., Epistula ad Const. IV imp. (ACO ser. II 2,1 p.67,8‒13 Ried.): numquam neglexerunt eos hortari atque obsecrando commonere […] ne ex hoc exordium discidii in unitate ecclesiae facerent, unam voluntatem unamque operationem duarum naturarum asserentes in uno domino Iesu Christo. 157 Zu den Hintergründen vgl.: Heinz Ohme, Wer hat den Dyotheletismus erfunden?, in: ByzZ 110 (2017), (89–140) 130–139. 158 Vgl.: Agatho pp., Epistula ad Const. IV imp. (ACO ser. II 2,1 p.57,21 f.; 61,22 f.; 65,6; 67,22; 113,1 u.ö. R.). 159 Agatho pp., Epistula ad Const. IV imp. (ACO ser. II 2,1 p.63,22–65,5 Ried.): Quae per ueridicam confessionem deo conciliat, quae Christo domino commendabilem facit, quae clementiae uestrae christianum conseruat imperium, quae a caeli domino largas uictorias uestrae piissimae fortitudini conferet, quae comitatur in proeliis et expugnat aduersos, quae uestrum a deo propagatum imperium ubique ut murus inexpugnabilis protegit, quae terrorem in contrarias nationes immittat et ira diuina percellat, quae et in bellis triumphales palmas de hostium deiectione atque subiectione caelitus tribuat et in pace securum et hilarem uestrum fidelissimum principatum semper custodiat.

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tation der chalcedonensischen Zwei-Naturen-Lehre als impliziten Dyenergismus und Dyotheletismus auf der Grundlage eines ontologischen Naturbegriffes. Sie wird mit dem römischen Infallibilitätsanspruch als regula fidei propagiert und als Garant des siegreichen Bestandes des Imperium Romanum präsentiert. Man fragt sich nun, wie sich der Papst auf dieser Grundlage eine Verständigung mit der Kirche von Konstantinopel vorgestellt haben mag? Und wie hat Agatho wohl seine Legaten auf das vom Kaiser angebotene „Glaubensgespräch der beiden Thronoi“160 vorbereitet? Welche Richtlinien wurden ihnen für die Verhandlungen mitgegeben? Dass eine Verständigung schwierig werden würde, war klar. Der Kaiser hatte schon Agathos Vorgänger mitgeteilt, dass der Konstantinopler Patriarch Theodoros I. (677–679.686–687)161 und der in der Hauptstadt lebende Patriarch von Antiochien, Makarios I.,162 ihn unter Druck setzten, den in den Konstantinopler Diptychen stehenden römischen Papst Vitalian I. (657–672)163 zu streichen und allein Honorius als Repräsentant der römischen Kirche dieser Zeit stehen zu lassen, was Konstantin allerdings abgelehnt habe.164 Agatho (317) hat jedenfalls im Vorfeld des Treffens keinen Kontakt mit Theodoros aufgenommen, und als dieser abgesetzt und der wohl aus kaiserlicher Sicht gespächsbereitere Georgios I. (679–686)165 an seine Stelle tragt, mit diesem auch nicht. Der Papst setzte anscheinend ganz auf den Kaiser. Was lässt sich über die römischen Vorbereitungen sagen? Das Schreiben166 der römischen Synode vom 27. März 680 an Kaiser Konstantin IV. und seine Brüder,167 das zusammen mit dem Brief Agathos nach Konstantinopel expediert wurde, trägt die Unterschrift von 125 Bischöfen und nennt als Absender Agatho CUM UNIUERSIS SYNODIS SUBIACENTIBUS CONCILIO APOSTOLICAE SEDIS.168 Die Bischöfe bezeichnen sich dem Kaiser gegenüber als „Diener in den nördlichen und westlichen Teilen Eures christlichen Reiches.“169 Das ist beides sehr übertrieben, denn tatsächlich stammen von den 125 Subskriben-

160 Vgl. Anm. 124. 161 PMBZ, Nr. 7317. 162 S. o. Anm. 32. 163 PMBZ, Nr. 8582. 164 Vgl.: Constantinus IV. imp., Sacra ad Donum pp. (ACO ser. II 2,1 p.8, 11–19 Ried.) 165 PMBZ, Nr. 1968. 166 Concilium Lateranense a. 680, Epistula ad Const. IV imp. (ACO ser. II 2,1 p.123,8–159,31R.); Winkelmann, Streit (s. Anm. 8), Nr. 158. 167 Zur Synode vgl. Caspar, Papsttum (s. Anm. 1), 590–592; Jankowiak, Essai d’histoire (s. Anm. 1), 402–414. 168 Concilium Lateranense a. 680, Epistula ad Const. IV imp. (ACO ser. II 2,1 p.123,12 f. Ried.). 169 Concilium Lateranense a. 680, Epistula ad Const. IV imp. (ACO ser. II 2,1 p.125,3 f. Ried.): uestri christiani imperii famuli in septemtrionalibus uel occiduis partibus constituti.

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ten nur 4 Teilnehmer nicht aus Italien: Neben Wilfrith von Eboracum (York) sind dies die drei gallischen Bischöfe Adeodatus von Leuci (Toul), Felix von Arelate (Arles) und der Diakon Taurinus von Telo (Toulon). Alle unterzeichnen als „Legaten der Synode“ von Britannien bzw. von Gallien.170 Wilfrith von York und Adeodatus von Toul waren allerdings Zufallsgäste der römischen Synode, weil sie sich ‒ der Erste vom Erzbischof von Canterbury, Theodor, von seiner Kathedra vertrieben und in Rom appellierend171 und der Zweite als Mitglied einer austrasischen Gesandtschaft172 ‒ eigentlich wegen Klärung des Falles Wilfriths in Rom befanden. Dazu hatte Agatho bereits im Jahr 679 eine Synode in Rom (318) versammelt.173 Schon Erich Caspar hat daraus den Schluss gezogen: „Eine wirkliche Vertretung der transalpinen Kirchen hatte man vergebens angestrebt.“174 Vor allem werden auch die Kirchen von Spanien und Africa nicht erwähnt. Der Begriff synodus ist hier wohl auch nicht im Sinne eines Konzils zu verstehen, das die Genannten entsandt hätte, sondern in der Bedeutung einer Ortskirche, als deren Repräsentanten die Vier sich bezeichnen.175 Allein im Falle Britanniens hat tatsächlich eine Synode stattgefunden, die am 17. September 679 in Hatfield tagte und nicht nur die fünf Ökumenischen Synoden bestätigte, sondern auffälligerweise auch noch die Lateransynode Papst Martins von 649. Beda Venerabilis berichtet über diese Synode von Hatfield, Agatho habe dazu die Beschlüsse der Lateransynode mit einer Gesandtschaft unter der Leitung des römischen Archicantors Iohannes nach Britannien geschickt, „um genau zu untersuchen, welchen Glauben die Kirche der Engländer hätte“.176 Daraus ist zu schließen, dass Agatho

170 Concilium Lateranense a. 680, Epistula ad Const. IV imp. (ACO ser. II 2,1 p.149,1–4.9–14 Ried.). Die Unterschriften lauten mit geringen Varianten: N. N. legatus uenerabilis sinodi per Galliarum prouincias (bzw. per Brittania) constituti. 171 Vgl. z. B.: Henry Chadwick, Theodore of Tarsus and Monotheletism, in: Hanns Christof Brennecke (Hg.), Logos. FS Luise Abramowski zum 8. Juli 1993 (BZNW 67) Berlin/New York 1993, 534–44; Henry Chadwick, Theodore, the English church an the monothelete controversy, in: Michael Lapidge (Hg.), Archbishop Theodore: Commemorative Studies on his Life and Influence, Cambridge 1995, 88–95; die dortigen Darstellungen des sog. monenergetisch-monotheletischen Streites sind allerdings vorkritisch. 172 Vita Wilfridi 28 (MGH Script. rerum Merovingicarum VI, 221,16 f. Levinson). 173 Mansi, Sacrorum Conciliorum collectio (s. Anm. 49), 179–182; Wilhelm Levinson, Die Akten der römischen Synode von 679, in: ZSRG.K 33 (1912), (249–282) 251–254. 174 Caspar, Papsttum (s. Anm. 1), 590 f. 175 Vgl. Lampe, Lexicon (s. Anm. 107), 1334 s.v. σύνοδος B3a. Genauso benutzt auch Agatho in seinem Schreiben den Begriff, vgl.: Agatho pp., Epistula ad Const. IV imp. (ACO ser. II 2,1 p.54,24 f. Ried.). 176 Beda venerabilis, Historia ecclesiastica gentis Anglorum 4,17–18 [15–16]; 18 [16] (Bertram Colgrave und Roger A. B. Mynors, Hg., Bede’s Ecclesiastical History of the English People [Ox-

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in Vorbereitung seiner Reaktion auf die Einladung des Kaisers vom 12. August 678 und unter Rückgriff auf die Lateransynode von 649 eine breite westliche Front aufzubauen versuchte.177 Während er selbst in seinem (319) Schreiben an den Kaiser die Synode Papst Martins ‒ wohl aus taktischen Gründen ‒ mit keinem Wort erwähnt, war es anscheinend die Aufgabe des Briefes der 125 Bischöfe, auch deutlich zu machen, dass deren Beschlüsse weiterhin die Grundlage der römischen Position darstellen sollten. In diesen Brief integriert ist ein Glaubensbekenntnis,178 in dem sich an das ausgeführte Nicaeno-Constantinopolitanum179 ein dyophysitisches Bekenntnis anschließt,180 das unter syntaktischer Adaption der Verse 94–95 des Tomus Leonis auf die dyotheletischen und dyenergetischen Formeln zuläuft: Einer nämlich aus beiden und durch einen beides, weil die Hoheit der Gottheit und die Niedrigkeit des Fleisches gleichzeitig sind, indem jede der beiden Naturen auch nach der

ford Medieval Texts; Oxford, 1969], 384–390; 388): Ipse autem […] et aliud in mandatis ab apostolico papa acceperat, ut, cuius esset fidei Anglorum ecclesia, diligeter edisceret Romamque rediens referret; deutsche Übersetzung: Günter Spitzbart, Beda der Ehrwürdige. Kirchengeschichte des englischen Volkes II, Darmstadt 1982, 367–375. 372. Diese Gesandtschaft war nach den überlieferten Akten von der römischen Synode des Jahres 679, die den Fall Wilfrids behandelte, entsandt worden. Vgl.: Mansi, Sacrorum Conciliorum collectio (s. Anm. 49), 182 = Levinson, Akten (s. Anm. 173), 282 (Kap. 12). Levinson hielt dies für eine von Beda abhängige „Fälschung“ der Akten (259). Vgl. aber Jankowiak, Essai d’histoire (s. Anm. 1), 402–414. 177 Dazu gehörte wohl auch eine vom Mailänder Erzbischof Mansuetus (PMBZ, Nr. 4693) wahrscheinlich noch vor der römischen Synode durchgeführte Synode, die sich in einem eigenen Brief mit einem dyenergetisch/dyotheletischen Glaubensbekenntnis (PG 87,1261C–1267B) direkt an den Kaiser wandte, dies wohl auch in dem Bewusstsein, in hac magna regia urbe zu tagen. Das Schreiben betont die Rolle der Kaiser bei den eingangs gewürdigten fünf ökumenischen Synoden und will so möglicherweise die Notwendigkeit einer erneuten ökumenischen Synode nahelegen, ohne dies jedoch direkt auszusprechen. Es werden auch keine Namen von zu verurteilenden Häretikern genannt, sondern nur gegen diejenigen polemisiert, die „durch Frechheit der Dialektik aufgeblasen […] die einfache Glaubensdenkweise erschüttern wollen und die von den Vätern anvertrauten Normen verachten und schänden wollen“ (qui audacia dialecticae artis inflati […] simplicem fidei rationem convellere et delegatas a Patribus regulas conculcare vel temerare voluerint). Zu den dann aufgelisteten Vätern, die zu verehren, zu verteidigen und zu predigen seien, gehören praecipue sanctae memoriae Leonis apostolicae sedis praesulis dicta: Mansuetus Archiep. Mediolanensis, Epistula ad Const. IV. imp. (PG 87,1264B7– 13; 1264D10 f.). 178 Concilium Lateranense a. 680, Epistula ad Const. IV imp. (ACO ser. II 2,1 p.127,23–131,18 Ried.). 179 Concilium Lateranense a. 680, Epistula ad Const. IV imp. (ACO ser. II 2,1 p.127,23–129,19 Ried.). 180 Concilium Lateranense a. 680, Epistula ad Const. IV imp. (ACO ser. II 2,1 p.129,20–131,3 Ried.).

2 Der Tomus Leonis in den Briefen Papst Agathos und der römischen Synode

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Einung ihre proprietas ohne Abstriche bewahrt und jede der beiden formae in Gemeinschaft mit der anderen tut, was ihr eigen ist: das Wort wirkt, was des Wortes ist, und das Fleisch vollzieht, was des Fleisches ist; eines von diesen leuchtet in Wundern auf, das andere unterliegt Schmähungen. Wie wir nun wahrheitsgemäß bekennen, dass er zwei Naturen oder substantiae unvermischt, ungeteilt und unwandelbar hat, so auch zwei na(320) turhafte Willen und zwei naturhafte Wirkweisen.181

Dieses Bekenntnis wird nun jedoch direkt mit der Lateransynode von 649 verbunden: Wir alle wissen, dass auch die heiligen Synode, die in der Stadt Rom […] unter Papst Martin, apostolischen Angedenkens, zusammengekommen ist, diese unverfälschte Norm des katholischen und apostolischen Bekenntnisses synodal verkündet und beständig verteidigt hat.182

Dies ist die einzige Erwähnung dieser Synode in den Akten des VI. Konzils. Zusammen mit dem Bericht Bedas über die Synode von Hatfield wird so klar, dass die Beschlüsse der Lateransynode für Rom Grundlage und durchzusetzendes Ziel der Verhandlungen in Konstantinopel waren. Die Legaten hatten offensichtlich einen eindeutigen Auftrag erhalten. Damit aber stellt sich jetzt die Frage, wie sich das Bekenntnis des Jahres 681 zu den Beschlüssen der Lateransynode von 649 verhält. Und insofern der Text der Akten dieser Synode einschließlich der dogmatischen Beschlüsse die Theologie ihres Verfassers, Maximus Homologetes, widerspiegelt,183 hat diese Frage Weiterungen. Man muss nach Übereinstimmun-

181 Concilium Lateranense a. 680, Epistula ad Const. IV imp. (ACO ser. II 2,1 p.131,3–10 Ried.): unus enim ex utrisque et per unum utraque, quia simul sunt et altitudo deitatis et humilitas carnis seruante utraque natura etiam post adunatione sine defectu proprietatem suam et operante utraque forma cum alterius communione quod proprium habet, uerbo operante quod uerbi est et carne exsequente quod carnis est; unum coruscat miraculis, aliud succumbit iniuriis. Unde consequenter sicut duas naturas siue substantias […] inconfuse indiuise incommutabiliter eum habere ueraciter confitemur, ita quoque et duas naturales uoluntates et duas naturales operationes habere. Nähere Erläuterungen werden dazu nicht gegeben. Alles Weitere sollte wohl durch Agathos Brief gesagt werden. Die Synodalen fordern den Kaiser dann ebenfalls auf, die namentlich Genannten als Urheber des neuen Irrtums „wie Unkraut abzuschneiden“ (133,4–10): zizaniorum genimina spiritali falcae ut offensionis ac deceptionis occasio de medio Christi ecclesiarum abscidatur. 182 Concilium Lateranense a. 680, Epistula ad Const. IV imp. (ACO ser. II 2,1 p.131,19–22 Ried.): Hanc igitur merae catholicae atque apostolicae confessionis regulam et sanctum concilium, quod in hanc Romanam urbem […] sub apostolicae memoriae Martinum papam conuenit, praedicasse synodicae ac constanter defendisse omnes nos […] cognoscimus. 183 Rudolf Riedinger hat den Nachweis geliefert, dass der gesamte lateinische Aktentext einschließlich aller auf der Synode gehaltenen Reden eine Übersetzung aus dem Griechischen darstellt. Der griechische Ersttext wurde seit 646/7 von der um Maximos in Rom versammelten

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gen und Unterschieden der Beschlüsse von 681, der Lateransynode von 649 und dem Denken des Maximos fragen.

3 Dyotheletismus und Dyenergismus des VI. Ökumenischen Konzils, der Lateransynode von 649 und bei Maximos Homologetes im Vergleich Die ontologische Erkenntnis, dass die menschliche und göttliche φύσις bzw. oὐσία184 Jesu Christi durch θέλημα und ἐνέργεια gekennzeichnet sind, die (321) deshalb als deren Proprietäten verstanden werden müssen und zum Wesensbestand der jeweiligen φύσις/oὐσία gehören, so dass je ein naturhaftes oder wesenhaftes θέλημα und eine naturhafte oder wesenhafte ἐνέργεια zu bekennen sind, ist der grundlegende und gemeinsame Ausgangspunkt des Denkens beider Synoden und des Maximos. So hat die Lateransynode diesen Ansatz schon in der Vorrede zu ihren 20 Anathematismen gleichsam als deren Voraussetzung deutlich gemacht und als direkte Folge aus dem zuvor zitierten Horos von Chalcedon und dessen Bekenntnis zur vollkommenen, unvermischten und unverwandelten Menschheit und Gottheit Christi proklamiert.185 Und Anathematismus 9 formuliert in diesem Sinne: Wenn jemand nicht gemäß den heiligen Vätern im eigentlichen Sinne wahrhaft bekennt, dass die naturhaften Proprietäten der Gottheit und Menschheit Christi ausnahmslos und unvermindert bewahrt werden zur wahrhaften Bestätigung, dass derselbe naturgemäß vollkommener Gott und vollkommener Mensch ist, der sei verdammt.186

Dem entspricht in Anathema 10 und 11 die Aussage, dass Christus „mit einer jeden seiner beiden Naturen naturgemäß zu unserem Heil willensbegabt (θελητικός)

Gruppe aus dem Osten geflohener Mönche erstellt. Vgl.: Rudolf Riedinger, Kleine Schriften zu den Konzilsakten des 7. Jahrhunderts (IP 34), Turnhout 1998. 184 Der äquivalente Gebrauch von φύσις und oὐσία ist im 7. Jahrhundert bereits allgemein üblich und ein Erbe der neuchalkedonischen christologischen Debatten des 6. Jahrhunderts. Vgl.: Marius Portaru, Classical Philosophical Influences: Aristotle and Platonism, in: Allen/ Neil, Handbook (s. Anm. 122), (127–148) 139. 185 Concilium Lateranense a. 649, Secr. 5 (ACO ser. II 1, p. 364,23–366,4 Ried.). Die Lateransynode hat ihr dyotheletisches und dyenergetisches Grundbekenntnis allerdings nicht syntaktisch dem Horos von 451 zugeordnet! 186 Concilium Lateranense a .649, Anath. 9 (ACO ser. II 1, p.374,1–9 Ried.): Εἴ τις οὐχ ὁμολογεῖ κατὰ τοὺς ἁγίους πατέρας κυρίως καὶ ἀληθῶς τὰς φυσικὰς ἰδιότητας τῆς θεότητος τοῦ Χριστοῦ καὶ τῆς ἀνθρωπότητος ἀνελλιπῶς ἐν αὐτῷ καὶ ἀμειώτως σωζομένας εἰς πίστωσιν ἀληθῆ τοῦ τὸν αὐτὸν θεὸν τέλειον καὶ ἄνθρωπον τέλειον κατὰ φύσιν ὑπάρχειν, εἴη κατάκριτος.

3 VI. Ökumenisches Konzil, Lateransynode und Maximos im Vergleich

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und handlungsfähig (ἐνεργητικός) sei.187 Diese beiden Begriffe sind maximianischer Herkunft und machen deutlich, dass auch für sein Denken die naturhafte und wesensmäßige Befähigung zum Handeln und das Wollen-Können ausschlaggebend war. Dies wird in der schon schon früh von Maximos extensiv verwendeten Trias οὐσία, δύναμις, ἐνέργεια deutlich,188 die als Teil des neuplatonischen Erbes, vermittelt durch die alexandrinische christliche Philosophenschule, „a common doctrine“ darstellte.189 Die dieser ontologischen (322) Grundentscheidung entsprechende Terminologie und Argumentationsweise wird deshalb in den Akten der Lateransynode und bei Maximos genauso wie beim VI. Konzil durchgängig verwendet.190 Es war Sophronios von Jerusalem (†11. März 638), der als erster am Anfang der Kontroverse diese Erkenntnis in die Diskussion eingebracht hatte.191 Wie wir gesehen haben, hat der Horos von 681 ‒ auf dieser Grundlage und mit maximianischer Terminologie ‒ den Vorwurf erhoben, dass durch die Lehre eines Willens und Wirkens Christi dessen menschliche Natur ἀθέλητός τε καὶ ἀνενέργητος werde.192 Dabei wird einfach unterstellt, dass die Lehre eines Willens und Wirkens sich dann nur auf eine der beiden Naturen Christi beziehen könne und diese die göttliche sein müsse. Die in den analysierten Texten des VI. Konzils deutlich gewordene axiomatische Zuordnung des menschlichen

187 Concilium Lateranense a. 649, Anath. 10.11 (ACO ser. II 1, p.374,14–16.23–25 Ried.): διὰ τὸ καθ’ ἑκατέραν αὐτοῦ φύσιν. 188 Vgl.: Polycarp Sherwood, The Earlier Ambigua of St. Maximus the Confessor (StAns 36), Rom 1955, 103–116. 189 Sherwood, The Earlier Ambigua (s. Anm. 188), 104. Zu den alexandrinischen Philosophen Elias, David und Stephanos vgl. Christoph Helmig, Elias und David, in: Riedweg u. a., Philosophie der Kaiserzeit (s. Anm. 122), 2084–2096; Christian Tornau, „Stephanos“, in Riedweg u. a., Philosophie der Kaiserzeit (s. Anm. 122), 2097–2107; Portaru, Classical Philosophical Influences (s. Anm. 184), 134. 190 Vgl. z. B. φυσικὰ θελήματα τε καὶ ἐνέργειαι; ἰδιώματα; φυσικὴ ἰδιότητα: Concilium Lateranense a.649, Secr. 1 (ACO ser. II 1, p.26,8–13 Ried.); Disputatio Maximi Conf. cum Pyrrho (PG 91,300A11B2); φυσικός; οὐσιώδης: Concilium Lateranense a.649, Anath. 13 (ACO ser. II 1, p.376,3 Ried.]); Disputatio Maximi Conf. cum Pyrrho (PG 91,289B12 f.C2–3). 191 In seiner Synodika agumentiert er so, allerdings nur auf die ἐνέργεια bezogen: „Wir wissen, dass die ἐνέργεια einer jeden der beiden Naturen ‒ ich meine die jeweils wesenhafte und naturhafte und entsprechende ‒ ungetrennt aus jeder Wesenheit und Natur gemäß der ihr eingepflanzten natur- und wesenhaften Beschaffenheit hervorgeht (τὴν ἑκατέρας φύσεως ἴσμεν ἐνέργειαν, τὴν οὐσιώδη λέγω καὶ φυσικὴν καὶ κατάλληλον, ἀδιαιρέτως ἐξ ἐκάστης προϊούσαν οὐσίας καὶ φύσεως κατὰ τὴν ἐμπεφυκυῖαν αὐτῇ φυσικὴν καὶ οὐσιώδη ποιότητα): Sophronius Hier., Epistula synodica (ACO ser. II 2,1 p.444,21–446,2 Ried.). Zur Synodica vgl. Pauline Allen, Sophronius of Jerusalem and Seventh-Century Heresy. The Synodical Letter and Other Documents (OECT), Oxford 2009). 192 S. o. Anm. 34.

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und göttlichen Wollens und Wirkens Jesu Christi zu jeweils einer der beiden Naturen und die Einordnung der verurteilten Position in dieses Schema bildet auch die Grundlage aller daraus syllogistisch gewonnener Vorwürfe an die Adresse der sogenannten Monenergeten/Monotheleten. Diese Vorwürfe, die jede nur denkbare Verirrung in der Christologie bis hin zur Trinitätslehre umfassen193 ‒ auch wenn sie sich gegenseitig ausschließen ‒ sollen uns hier nicht näher beschäftigen. Denn zum einen machen schon die wenigen dem Vernichtungsbeschluss des VI. Konzils194 entgangenen authentischen (323) Dokumente der Verurteilten deutlich, dass diese Argumentation ins Leere läuft.195 Zum an-

193 Seien es nun Arianer, Apolinaristen, Eutychianer, Severianer aller Untergruppen (Anhänger des Timotheus [Ailuros], Theodosianer, Gaianiten) Nestorianer oder Anhänger des Theodor von Mopsuestia. Vgl. Anm. 134–137 und 199. 194 Concilium Constantinopolitanum a. 680/1, Actio 13 (ACO ser. II 2,2, p.626,11–19 Ried.). 195 Cyrill Hovorun, Will, Action and Freedom. Christological Controversies in the Seventh Century (The Medieval Mediterranean 77), Leiden/Boston 2008, 126; genauso: Cyrill Hovorun, Maximus, a Cautious Neo-Chalcedonian, in Allen/Neil, Handbook (s. Anm. 122), (106–124) 118, erneuert den Vorwurf des Apolinarismus und versucht, dies mit einer Passage aus dem Synodalschreiben des Patriarchen Paulos von Konstantinopel an Papst Theodorus vom Mai 645 (vgl. Winkelmann, Streit [s. Anm. 8], Nr. 104) zu beweisen, freilich durch eine falsche Übersetzung und deshalb auch unzutreffende Interpretation. Hovorun bietet: „[Christ’s] flesh, endowed with an rational and immaterial soul, was through the same consummate unity enriched with divine [things], for [the flesh] obtained the invariable will of the Logos who united it with himself according to the hypostasis, and it was constantly led and moved by him.“ Der griechische Text lautet: ἡ αὐτοῦ λογικῶς τε καὶ νοερῶς ἐψυχωμένη σὰρξ ἐξ αὐτῆς ἄκρας ἑνώσεως ἀρρήτως τα θεῖα καταπλουτήσασα τὸ τοῦ ἑνώσαντος αὐτὴν ἑαυτῷ καθ᾿ ὑπόστασιν λόγου θεῖον ἐκέκτητο καὶ οὐ διάφορον θέλημα, ὑπ᾿ αὐτοῦ διὰ παντὸς ἀγομένη τε καὶ κινουμένη: Paulus II. Patr. Const., Epistula ad Theodorum I. pp. (ACO ser. II 1, p.200, 32–34 Ried.). Hovorun behauptet, dies belege die Lehre einer „will-less human nature of Christ“ der Monotheleten: „[They] consolidated a concept of a single will, entirely divine, and lacking any human element.“ Dazu ist Folgendes zu sagen: 1. Die Wendung ἡ αὐτοῦ λογικῶς τε καὶ νοερῶς ἐψυχωμένη σὰρξ ist keineswegs ‒ wie Hovorun behauptet ‒ eine von den „Monotheleten“ bevorzugte, „because it seemed to exclude will from the human nature of Christ“. Sie ist vielmehr bekanntlich anti-apolinaristischen Ursprungs und traditionell. Spätestens seit ihrer Kanonisierung durch Anathematismus 4 des V. Konzils (Concilium Constantinopolitanum a. 553, Anath. 4 [ACO ser. I 4,1 p.241,6 Schwartz]) ist sie normativ. Die Behauptung, dass eine über λόγoς und νοῦς verfügende σάρξ keinen Willen haben könnte, ist in sich schon eine Absurdität, auch wenn nach vormaximianischem Verständnis im Osten darunter die προαίρεσις oder συγκατάθεσις verstanden wurde (Vgl.: Albrecht Dihle, Die Vorstellung vom Willen in der Antike, Göttingen 1985). 2. καταπλουτέω: „reich sein“; „in Fülle besitzen“ ist eine auch von Cyrill benutzte Wendung, z. B. um den Reichtum Christi an Göttlichem auszudrücken (vgl.: Lampe, Lexicon [s. Anm. 107], 715 s.v.). Weder die menschliche Natur, noch λόγoς und νοῦς Christi werden wegen der Bereicherung durch ihre Gemeinschaft mit dem Logos als nicht vorhanden ausgesagt, sondern im Gegenteil: Das Berei-

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deren haben Maximos und seine Anhänger selbst zugegeben, dass von den sogenannten Monotheleten durchaus eine ontologisch-naturhafte Grundlegung des menschlichen und göttlichen Willens und Wirkens Jesu Christi (324) anerkannt wurde.196 Vor allen Dingen aber handelt es sich bei diesen syllogistisch gewonnenen Vorwürfen ‒ um es mit Richard Price zu sagen ‒ um „a standard, and regrettable, feature of patristic polemic – the attribution to one’s opponents

chernde setzt das Bereicherte voraus. 3. Das οὐ διάφορον θέλημα ist nicht „the invariable will of the Logos“, dann müsste es ἀμετάβλητον θέλημα heißen. Gemeint ist vielmehr, dass der Mensch Jesus Christus wegen der hypostatischen Einung mit dem göttlichen Logos den „ununterscheidbaren Willen des Logos“ besaß. Auch hier setzt der vom menschlichen nicht mehr zu unterscheidende göttliche Wille den vorhandenen menschlichen voraus, der weder fehlt noch ersetzt wird. Die Aussage ist sehr nah an dem, was Maximos mit den Metaphern des Zusammenwachsens des menschlichen Willens mit dem göttlichen oder seiner Überformung durch ihn gesagt hat (s.u. S. 543–545). Die ganze Passage lautet korrekt übersetzt: „Nicht wegen einer Verschmelzung auf jede mögliche Weise oder einer Vermischung der zwei Naturen, die in ihm betrachtet werden, gebrauchen wir den derartigen Ausdruck des einen Willens, noch bevorzugen wir allein den einen zur Aufhebung des anderen (scil. Ausdrucks), sondern wir machen durch den derartigen Ausdruck dies deutlich, dass sein mit Vernunft und Geist beseeltes Fleisch infolge seiner äußersten Einung in unaussprechlicher Weise überaus reich war an Göttlichem und den ununterscheidbaren göttlichen Willen des Logos besaß, der es mit sich hypostatisch vereint hatte. Durch ihn wird es (scil. das Fleisch) in allem geführt und bewegt“; οὐκ ἐπὶ συναλοιφῇ παντοίως ἢ συγχύσει τῶν δύο φύσεων τῶν ἐν αὐτῷ θεωρουμένων τὴν τοιαύτην τοῦ ἐνὸς θελήματος προσφέροντες φωνήν, ἢ ἐπ’ ἀναιρέσει θατέρας μόνην τὴν ἑτέραν εἶναι πρεσβεύοντες, ἀλλὰ τοῦτο διὰ τῆς τοιαύτης σημαίνοντες φωνῆς, ὡς ἡ αὐτοῦ λογικῶς τε καὶ νοερῶς ἐψυχωμένη σὰρξ ἐξ αὐτῆς ἄκρας ἑνώσεως ἀρρήτως τα θεῖα καταπλουτήσασα τὸ τοῦ ἑνώσαντος αὐτὴν ἑαυτῷ καθ᾿ ὑπόστασιν λόγου θεῖον ἐκέκτητο καὶ οὐ διάφορον θέλημα, ὑπ᾿ αὐτοῦ διὰ παντὸς ἀγομένη τε καὶ κινουμένη (ACO ser. II 1, p.200, 28–34 Ried.). Offensichtlich war auch für Paulos der Ausdruck „zwei Willen“ sachlich nicht ausgeschlossen. Das Verständigungspotential im Jahre 645 war noch beträchtlich! Der von Hovorun erneuerte Vorwurf des Apolinarismus ist verfehlt. 196 In dem wohl von Maximos selbst redigierten Bericht über Verhandlungen mit hochrangigen „monotheletischen“ Gesprächspartnern, die ihn während seines Exils nach dem ersten Prozess zum Einlenken bewegen wollten, sagen diese: „Wir bekennen, dass unser Herr und Gott sowohl einen göttlichen als auch einen menschlichen Willen hat und eine vernunftbegabte Seele; und dass jede vernunftbegabte Natur von Natur aus über Wollen und Wirken verfügt, weil die Bewegung eine Eigenheit des Lebens und der Wille eine Eigenheit der Vernunft ist. Und wir wissen durchaus, dass er (scil. Christus) willensbegabt ist, nicht nur hinsichtlich seiner Gottheit, sondern auch hinsichtlich seiner Menschheit. Also leugnen wir auch nicht seine zwei Willen und Wirkweisen!“ (τὸν Κύριον ἡμῶν καὶ θεὸν ὁμολογοῦμεν ἔχειν καὶ θεϊκὴν θέλησιν καὶ ἀνθρωπίνην θέλησιν, καὶ νοερὰν ψυχήν· καὶ πᾶσα νοερὰ φύσις ἔχει τὸ θέλειν ἐκ φύσεως καὶ τὸ ἐνεργεῖν, ἐπειδὴ ζωῆς ἴδιον ἡ κίνησις, καὶ νοῦ ἴδιον ἡ θέλησις. Καὶ θελητικὸν αὐτὸν οἴδαμεν, οὐ θεότητι μόνον, ἀλλὰ καὶ ἀνθρωπότητι. Ἀλλὰ καὶ τὰς δύο θελήσεις αὐτοῦ καὶ ἐνεργείας οὐκ ἀρνούμεθα: Acta in primo exsilio seu dialogus Maximi cum Theodosio ep. Caesareae in Bithynia 676–682 [CCSG 39, 135 Allen/Neil]).

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of tenets they did not hold but which could (arguably) be deduced from the tenets they did.“197 Maximos hat diese Methode „meisterhaft“ beherrscht,198 und auch in die Texte der Lateransynode einfließen lassen.199 Die Zeugnisse (325) des VI. Konzils sind hiervon nur der Nachklang. Auf dieser Argumentation basiert schließlich auch die spät aufgekommene häresiologische Bezeichnung „Mon“energeten bzw. „Mono“-theleten,200 die eben den so Bezeichneten unterstellt, sie würden nur eine göttliche ἐνέργεια bzw. einen göttlichen Willen lehren. Sie ist meines Erachtens problematisch und wird von mir nur noch unter Vorbehalt verwendet.201 Zu den Gemeinsamkeiten von VI. Konzil, Lateransynode und Maximos gehört weiterhin die Betonung der Widerspruchsfreiheit von göttlichem und menschlichem Willen in der Person Jesu Christi.202 Die den sogenannten Monotheleten damit zugewiesene Position einer Gegensätzlichkeit menschlichen und göttlichen Wollens in Christus bezieht sich auf eine Passage in der vom Patriarchen Sergios

197 Richard Price, in: Price/ Booth/ Cubitt/ Lateran Synod (s. Anm. 15), 92. 198 Vgl. z. B.: Disputatio Maximi Conf. cum Pyrrho (PG 91,289D4–292A1; 296B11–C4; 336D– 337B; 340D; 349C11–D9). Deduktionen für die Trinitätslehre finden sich PG 91, 289D4–12; 313C2–8. 199 Vgl. z. B. Concilium Lateranense a. 649, Anath. 12 (ACO ser. II 1, p. 374,1–9 Ried.). Die Anklageschrift der Mönche behauptet sogar, dass die Gegner die Lehre aufgestellt hätten, dass Christus gänzlich ohne Wirksamkeit und Willen, d. h. vernunftlos, seelenlos und bewegungsunfähig sei (ἀνενέργητον πάντη καὶ ἀνεθέλητον, τουτέστιν ἄνουν καὶ ἄψυχον καὶ ἀκίνητον: Concilium Lateranense a. 649, Secr. 2 [ACO ser. II 1, p.54,6–8 Ried.]). Den Vogel schoss Papst Martin in seiner Eröffungsansprache ab. Er fügte noch hinzu, dass Christus bei den „Monotheleten“ „unwirklich und inexistent“ sei (ἀνούσιον ἤτοι ἀνύπαρκτον): Concilium Lateranense a. 649, Secr. 1 (ACO ser. II 1, p.18,15–22 Ried.). Die Mönche behaupten auch, dass die Gegner gleicher Gesinnung wie Severianer, Apolinaristen, Nestorianer und die Anhänger des Theodor von Mopsuestia seien (Concilium Lateranense a. 649, Secr. 2 (ACO ser. II 1, p.52,14 f. Ried.). Konsequenzen für die Trinitätslehre deduziert Papst Martin auf der 3. Sitzung (Concilium Lateranense a. 649, Secr. 3 (ACO ser. II 1, p.148, 20–23 Ried.). 200 Nach Lampe, Lexicon (s. Anm. 114), 882 s.v. μονοθέλητος ist dieser Begriff erstmals in der Chronographia des Theophanes (759/60–818) belegt. 201 Lange, Mia energeia (s. Anm. 8), 629 f. hat aus demselben Grund meines Erachtens zutreffend in Analogie zur Unterscheidung von monophysitisch und miaphysitisch die Nomenklatur miaenergetisch und henotheletisch vorgeschlagen. Ob sich das durchsetzen wird, bleibt abzuwarten. 202 Zum VI. Konzil vgl. Anm. 50. Anathematismus 16 der Lateransynode indiziert bei den „Häretikern“, dass „nach ihnen törichterweise Meinungsverschiedenheiten und Trennungen im Geheimnis des Heilswerkes Christi“ existieren (διχονοίας καὶ διαιρέσεις ἀφρόνως τῷ κατ᾿ αὐτῶν μυστηρίῳ < οἰκονομίας >: Concilium Lateranense a. 649, Anath. 16 [ACO ser. II 1, p. 378,7 f. Ried.). Zu Maximos vgl. z. B.: Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 4 (PG 91, 60A9–14); Disputatio Maximi Conf. cum Pyrrho (PG 91, 316C5–D9).

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verfassten sog. Ekthesis des Kaisers Herakleios (610–641) vom Jahre 636/7,203 in der jede Rede von zwei Wirkweisen mit der Begründung ablehnt wurde, dass daraus „zwei im Gegensatz zueinander stehende Willen“ in Christus folgen würden.204 Die dort mit jeder Dualität vorausgesetzte (326) Gegensätzlichkeit war in der Tat christologisch problematisch, weil hier das menschliche Wollen Christi kurzschlüssig mit dem Wollen des Menschen unter der Sünde identifiziert wurde. Die Intention der Aussage besteht aber gerade in der Überzeugung vom Gegenteil. Das verschweigt die Polemik. Im Jahre 681 war der Vorwurf außerdem überholt, weil die Ekthesis durch den o. g. Typos Konstans II. seit 648 außer Kraft gesetzt war. Auf den ersten Blick besteht eine weitere Gemeinsamkeit in der starken Betonung des römischen Primats für die Autorität des dyotheletischen und dyenergetischen Dogmas. Papst Agatho hatte in seinem Antwortschreiben so argumentiert,205 und das VI. Konzil hatte in seinem Logos Prosphonetikos diesen Ansatz in nochmals gesteigerter Form rezipiert.206 Auch für die Lateransynode von 649 hat diese Argumentation grundlegende Bedeutung. In ihren Akten wird der römische Primat für den Anspruch der Synode, in der Streitfrage ein Urteil und namentliche Anathematismen mit gesamtkirchlicher Geltung zu beschließen, unter Rückgriff auf die klassischen Belegstellen der Primatstheologie mehrfach zur Geltung gebracht.207 Außerdem wurde diese Synode mit einer formal und inhaltlich dominanten Stellung Papst Martins konzipiert. Ca. 62 % aller gehaltenen Reden fallen auf ihn, und der Co-Vorsitzende, Maximus von Aquileia, dankt in

203 Dazu und zu dieser Datierung (traditionell. 638) s. jetzt: Ohme, „Konstantinopler Synoden” (s. Anm. 123). 204 Heraclius imp., Ecthesis (ACO ser. II 1 p.160, 13–19 Ried.): „Ebenso bereitet aber auch die Rede von zwei Wirkweisen vielen ein Ärgernis, weil sie auch von keinem der heiligen und anerkannten Mystagogen der Kirche gebraucht wurde. Vielmehr folgt aus ihr auch, ebenfalls zwei im Gegensatz zueinander stehende Willen anzunehmen, so als wollte nämlich der Gott Logos das heilbringende Leiden vollbringen, während seine Menschheit seinem Willen widerstrebte und sich ihm entgegensetzt, und von daher zwei das Entgegengesetzte Wollende einzuführen, was gottlos ist und der christlichen Lehre fremd“ (ὡσαύτως δὲ καὶ τὴν τῶν δύο ἐνεργειῶν ῥῆσιν πολλοὺς σκανδαλίζειν, ὡς μήτε τινὶ τῶν ἁγίων καὶ ἐγκρίτων τῆς ἐκκλησίας μυσταγωγῶν εἰρημένην, ἀλλὰ γὰρ καὶ ἕπεσθαι ταύτῃ τὸ καὶ δύο πρεσβεύειν θελήματα ἐναντίως πρὸς ἄλληλα ἔχοντα, ὡς τοῦ μὲν θεοῦ λόγου τὸ σωτήριον θέλοντος ἐκπληρωθῆναι πάθος, τῆς δὲ κατ᾿ αὐτὸν ἀνθρωπότητος ἀντιπιπτούσης τῷ αὐτοῦ θελήματι καὶ ἐναντιουμένης, καὶ ἐντεῦθεν δύο τοὺς τἀναντία θέλοντας εἰσάγεσθαι, ὅπερ δυσσεβὲς ὑπάρχει καὶ ἀλλότριον τοῦ Χριστιανικοῦ δόγματος). 205 S.o. S. 524f. 206 S.o. S. 515f. 207 Vgl.: Ohme, „Was war die Lateransynode“ (s. Anm. 121), 125–129.

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einer Schlussrede Gott dafür, dass die Häretiker überwunden wurden „durch die Hand seines Dieners (sc. Martin), d. h. durch die kanonische Autorität und Vollmacht, die ihm durch den Geist übergeben wurde.“208 Maximos Homologetes, der hinter diesen Worten steht, hatte zur Autorisierung der Lateransynode wie kein anderer östlicher Theologe vor und nach ihm, Primat und Privilegien der römischen Kirche betont.209 Und doch wurden beim VI. Konzil viel weitergehende primatstheologische Aussagen in den Akten platziert. Denn die Autorität der römischen Position wurde nun wesentlich durch den Stellvertretungsanspruch des Petrusvikariats mit Offenbarungsqualität, Infallibilität und gesamtkirchlichem Lehrprimat begründet. Dies aber entsprach nicht mehr der Überzeugung des Maximos, der das Felsenwort von Mt 16,16–18 stets auf das (327) Bekenntnis der Ecclesia Romana bezogen hatte und nicht auf den Papst: „Lʼidée que celui-là soit le vicaire de Pierre […] est absente de la pensée de Maxime.“ „Lorsquʼil évoque ‚la pierre‘ sur laquelle est solidement fondée lʼEglise, comme la plupart des Pères il nʼa pas en vue la personne de Pierre, mais sa droite confession de foi dans le Christ.“210 Hier ist im Jahre 681 eine bedeutende Verschiebung festzustellen. Dieser argumentativ in den Vordergrund gerückten Primatspapatologie entspricht nun auch die dominante Stellung des Tomus Leonis im Jahre 681 mit der daraus in den Horos aufgenommenen Aussage, dass es die beiden Naturen in der einen Person Jesu Christi sind, die in Gemeinschaft, ungetrennt und unvermischt das je Eigene wollen und wirken. Es stellt sich deshalb die Frage, welche Rolle diese 681 adaptierte Spitzenaussage des Tomus Leonis auf der Lateransynode spielte und wie sie verstanden wurde, als die Federführung bei Maximos lag. Zunächst ist festzuhalten, dass der Tomus Leonis in den 20 Anathematismen, die den Horos des Jahres 649 bilden, keine Rolle spielt. Man muss in den Reden von Papst Martin suchen, um hierzu eine Aussage zu treffen. Dazu betrachten wir im Folgendenden zwei einschlägige Beispiele. In der konstituierenden Sitzung am 5. Oktober 649 interpretierte der Papst in seiner Eröffnungsansprache den von ihm wörtlich zitierten211 umstrittenen Satz Leos (Vers 94/95) folgendermaßen:

208 Concilium Lateranense a. 649, Secr. 4 (ACO ser. II 1, p.236,1–13 Ried.): διὰ χειρὸς θεράποντος αὐτοῦ, ταὐτὸν δὲ λέγειν τῆς ἐνδοθείσης αὐτῷ παρὰ τοῦ πνεύματος κανονικῆς αὐθεντίας καὶ ἐξουσίας. 209 Vgl.: Jean-Claude Larchet, Maxime le Confesseur, médiateur entre l’Orient et l’Occident (CFi 208), Paris 1998, 124–201; Jean-Claude Larchet, Saint Maxime le Confesseur: (580–662) (Initiations aux Pères de l’Église), Paris 2003, 198–210. 210 Larchet, Saint Maxime le Confesseur (s. Anm. 209), 200–201. 211 Concilium Lateranense a. 649, Secr.1 (ACO ser. II 1 p.15,25–27 Ried.). Das agit Leos ist hier durch operatur aktualisiert worden.

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(1) Wenn also, wie der vorher erwähnte Vater (sc. Leo) sagt, ebenderselbe naturhaft und willentlich „wirkt, was“ einer jeden der beiden Naturen „eigen ist“, aus denen und in denen er untrennbar existierend erkannt wird, dann besitzt zweifelsohne ebenderselbe den naturhaften Willen und (die naturhafte) Wirkweise von beiden. Wenn er sie nämlich nicht besessen hätte, würde weder eine jede Natur „wirken, was (ihr) eigen ist“, weil das, was ohne Wirken und Willen wäre, natürlicherweise weder irgendetwas bewirken wird noch überhaupt etwas will, (2) solange feststeht, dass derjenige, der will, durch den Willen auch das Wollen hat, und derjenige, der wirkt, durch das (Vermögen zu) Wirken von Natur aus die Wirksamkeit des Wirkenden hat, wie auch der, der sieht, durch das Sehvermögen sieht, und der, der hört, wesensgemäß durch das Gehör hört. (3) Deshalb nämlich hat er selbst, der um unseretwillen menschgewordene Gott Logos durch seinen göttlichen und ungeschaffenen Willen und (sein göttliches und ungeschaffenes) Wirken das, was seiner göttlichen und väterlichen Natur eigen ist, von Natur aus gewollt und gewirkt, d. h. die Wunder. Weswegen er dies bezeugt, indem er sagt: (es folgt Joh. 5,21). (328) (4) Und wiederum erduldete er durch seinen menschlichen, also geschaffenen Willen und (sein menschliches) Wirken das, was der menschlichen Natur eigen ist, aus eigenem Antrieb für uns, d. h. das heilbringende Leiden, weil er selbst, der über die Natur hinaus Gott ist, um unseretwillen Menschliches wollte und Hunger, Durst, Müdigkeit, Betrübnis und Angst auf sich nahm, und nach alledem auch noch die Erfahrung des Todes zu unserem Heil. Und dies wiederum bezeugt über ihn der Evangelist, der sagt: (es folgen Mk.7,24; 9,30; Joh 1,43; Mt 27,34). (5) Kurz gefasst: Alles, was auch immer der von ihm von uns angenommenen Natur eigen ist, die Sünde ausgenommen, ging ‒ auch wenn es Eigentümlichkeiten einer jeden Gestalt bzw. Natur gab ‒ in Gemeinschaft mit der anderen in untrennbarer Einheit hervor, wie der Lehrer (scil. Leo) sagt. So bewirkte er das Göttliche leibhaft, indem er es durch sein mit einer Geistseele ausgestattetes hochheiliges Fleisch hervorbrachte, das Menschliche aber auf göttliche Weise, denn vollmächtig nahm er schuldlos unseretwegen die Erfahrung dieser Dinge auf sich.212

212 Concilium Lateranense a. 649, Secr. 1: Si igitur, quomodo dicit praedictus pater, utriusque naturae ex quibus et in quibus indiuise existens cognoscitur, ‚quod proprium est‘, isdem naturaliter et uoluntariae ‚operatur‘, sine dubio utriusque naturalem habuit isdem uoluntatem et operationem. si enim non habuisset, nec utriusque natura ‚operabatur quod proprium est‘, quia quidquid sine operatione fuerit et uoluntate, neque naturaliter operabitur aliquid omnino nec uult, dum constet, quia per uoluntatem uelle habet qui uult et per operationem naturaliter effica-

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Es fällt auf, mit welcher Selbstverständlichkeit in Phrase 1 das operatur der Formulierung Leos hier auf die Person bezogen wird und es deshalb zuerst „er“, d. h. der Christus deus213 ist, der „das, was eigen“ ist, naturhaft und willentlich tut, auch wenn die Formulierung Leos danach noch einmal aufgenommen wird. Die Teile 3–5 bestätigen diesen Befund. Es ist der deus verbum, der „selbst“ Göttliches und Menschliches will, wirkt, erträgt und erleidet und dies so untrennbar, dass er Göttliches körperlich und Menschliches göttlich bewirkt. Es ist in diesen Aussagen meines Erachtens deutlich, dass der naturhafte Wille und (329) die naturhafte operatio, um deren Erweis es ja in diesem Zusammenhang geht, zwar zum doppelten Wesensbestand der Person gehören, aber im jeweiligen Vollzug an die Person gebunden sind. Das „Hervorgehen“ (προήρχετο/procedebat) göttlichen und menschlichen Wollens und Wirkens ist personal vermittelt (Phrase 5). Unterschieden wird hier die naturhafte Befähigung zu wollen und zu wirken von der je und je erfolgenden Aktuierung, die der Person zugeordnet wird (Phrase 2). Diese Unterscheidung ist grundlegend für das Denken des Maximos, das hinter diesen Formulierungen steht. Denn für ihn ist es das „Wollen an sich“ (τὸ ἁπλῶς θέλειν), das zur Natur gehört, und vom „Auf-eine-bestimmte-Weise-Wollen“ (τὸ πῶς θέλειν) unterschieden werden muss.214 Der Wille des Wollenden ist als Vermögen eine naturhafte Kraft (φυσικὴ δύναμις), die vom πῶς θέλειν und vom Gewollten sowieso (τὸ θελητόν) zu unterscheiden ist.215 Das πῶς θέλειν hat Maximos dann bekanntlich als „Etwas-Bestimmtes-Wollen“ (θέλοντες βουλόμεθα) in Willensakte vom ersten Impuls bis zur Erfüllung des Willens ausdifferenziert.216

tiam operantis qui ‚operatur‘, sicuti per uisum uidere qui uidet et per auditum essentaliter audire qui audit. propterea enim et ipse qui propter nos incarnatus est deus uerbum per diuinam eius et inconditam uoluntatem et operationem suae diuinitatis et paternae naturae quae sunt propria uolens operabatur naturaliter, id est ‚miracula‘ […]. et iterum per humanam, id est conditam, eiusdem uoluntatem et operationem his ipse quae sunt propria humanae naturae sponte pro nobis sustinebat, id est salutares passiones, quoniam uolens humanae propter nos ipse, qui super naturam est deus, esuriem, sitim, fatigium, tristitiam atque timorem suscepit et post haec omnia mortis experimentum pro nostra salute. […] καὶ ἁπλῶς, πᾶν εἴ τι τις ἐξ ἡμῶν προσληφθείσης αὐτῷ καθέστηκεν ἴδιον φύσεως μόνης δίχα τῆς ἁμαρτίας, κἂν ᾖ τὰ ἑκατέρας ἴδια μορφῆς ἤγουν φύσεως, ὡς φησὶν ὁ διδάσκαλος, μετὰ τῆς θατέρου κοινωνίας προήρχετο καθ᾿ ἕνωσιν ἀδιαίρετον. οὑτω γὰρ τὰ μὲν θεῖα σωματικῶς ἐνήργει, διὰ γὰρ τῆς νοερᾶς ἐψυχωμένης αὐτοῦ προὐβάλλετο ταῦτα παναγίας σαρκός, τὰ δ᾿ ἀνθρώπινα θεϊκῶς, κατ᾿ ἐξουσίαν γὰρ τὴν τοῦτων πεῖραν ἀναιτίως ἐδέχετο δἰ ἡμᾶς (ACO ser. II 1, p. 15,31–16,19 Ried.). Der Anfang dieses Passus der Akten ist nur lateinisch überliefert. 213 Das ist das regierende Subjekt seit Z. 21. 214 So z. B.: Disputatio Maximi Conf. cum Pyrrho (PG 91,292B7.D11). 215 Disputatio Maximi Conf. cum Pyrrho (PG 91,292 C6; 293B12). 216 Vgl. z. B.: Disputatio Maximi Conf. cum Pyrrho (PG 91,293BC; Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 1 (PG 91,21D–24B). Dazu: Guido Bausenhart, „In allem uns gleich außer der Sünde“.

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Dabei ist die Begriffsbildung von θέλησις für den naturhaften Willen als Vermögen und vernünftiges Begehren der menschlichen Natur, das von seinem eigenen Streben getragen ist vor jeder Intervention des Wissens, „an original teaching of Maximus“217, denn es gab „no tradition of thelēlis-speculation before Maximus“.218 „Θέλησις als konstitutives Merkmal der menschlichen Natur meint für Maximus nicht den Willensakt als personalen Vollzug, sondern das Willensvermögen, und steht somit auf der Ebene der Natur.“219 Insofern hat das VI. Konzil mit seinem Bekenntnis zu δύο φυσικὰς θελήσεις ἤτοι θελήματα220 sich zwar der maximianischen Terminologie bedient, indem es aber θέλησις und θέλημα gleichsetzt und im weiteren nur noch von θέλημα spricht, ohne diesen (330) Begriff über seine naturhafte Dimension hinaus zu differenzieren, muss schon an dieser Stelle ein beträchtlicher Niveauverlust gegenüber Maximos und vor allem auch der Lateransynode festgestellt werden. Das VI. Konzil bleibt damit im Grunde genommen in seinen Aussagen auf der Ebene ontologischer Axiome stehen. Dieser Mangel an Differenzierung lässt sich auch bei der Verwendung des Begriffes ἐνέργεια feststellen. Maximos hat auch hier nicht nur von einer naturhaften ἐνέργεια κατὰ φύσιν als δύναμις und ἀνθρωπίνη κίνησις gesprochen, 221 die er beim Menschen als „lebensbefähigende ἐνέργεια (ζωτικὴ ἐνέργεια)222 und bei Christus als „naturhaften Wesensbestand“ (ὁ φυσικὸς τῶν οὐσίων τοῦ Χριστοῦ λόγος) bezeichnet hat,223 sondern davon ἐνέργεια in der Bedeutung von ἔργον, πρᾶξις und ἀποτέλεσμα unterschieden.224 Insofern muss man auch in

Studien zum Beitrag Maximos’ des Bekenners zur altkirchlichen Christologie (TSTP 5), Mainz 1992, 151–152. 217 Portaru, Classical Philosophical Influences (s. Anm. 184), 128. Den Nachweis lieferte zuerst: René Antoine Gauthier, Saint Maxime le Confesseur et la psychologie de l’acte humaine, in: RTAM 21 (1954), 57–79. 218 John D. Madden, The Authenticity of Early Definitions of Will (Thelēsis), in: Felix Heinzer/Christoph von Schönborn (Hg.), Maximus Confessor. Actes du Symposium sur Maxime le Confesseur, Fribourg, 2.–5. Septembre 1980, Fribourg 1982, (61–79) 75. Madden weist nach, dass alle in maximianischen Florilegien auftauchenden älteren Definitionen von θέλησις mit dieser Bedeutung „fabricated“ waren. 219 Felix Heinzer, Anmerkungen zum Willensbegriff Maximus’ Confessors, in: FZPhTh 28 (1981), (373–392) 374. 220 S. o. Anm. 7. 221 S. o. Anm. 188; Vgl. aber auch: Disputatio Maximi Conf. cum Pyrrho (PG 91,349C8–352B). Weitere Belege bei: Bausenhart, „In allem uns gleich“ (s. Anm. 216), 135. „Die Bedeutungen der Begriffe κίνησις, δύναμις und ἐνέργεια sind nicht präzise abzugrenzen“, sondern „werden austauchbar gebraucht“ (ebd.). 222 Vgl. z. B.: Disputatio Maximi Conf. cum Pyrrho (PG 91,345Β13–C3). 223 Vgl. z. B.: Disputatio Maximi Conf. cum Pyrrho (PG 91,341C4–7). 224 Vgl. z. B.: Disputatio Maximi Conf. cum Pyrrho (PG 91,341B–D).

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der deutschen Übersetzung zwischen Wirkkraft, Wirken und Wirkweise, Werk, Tat und Ergebnis unterscheiden! Eine präzise Begriffsbestimmung und Klärung des breiten Bedeutungsspektrums von ἐνέργεια lag zu Beginn des sog. monenergetischen Streits noch gar nicht vor, als Kyros von Alexandrien im Jahr 633 eine Union mit den ägyptischen Severianern schloss auf der Grundlage des gemeinsamen Bekenntnisses, dass ein und derselbe Christus und Sohn das Gottgemäße und das Menschliche ‚durch eine gottmenschliche Wirksamkeit‘ (μιᾷ θεανδρικῇ ἐνεργείᾳ) im Sinne des heiligen Dionysius (sc. Areopagita) bewirkt.“225

Maximos hat erst daraufhin Pyrrhos ‒ damals noch Archon und Hegumenos der Klöster in Chrysopolis und Vertrauter des Patriarchen Sergios ‒ um eine präzise Definition von ἐνέργεια und deren verschiedenen Arten gebeten, und was darüber hinaus dann ἐνέργημα bedeute, und was der Unterschied zu ἔργον und πρᾶξις sei.226 In den folgenden Jahren hat er dann für begriffliche Klarheit gesorgt. Das (331) sechste Konzil knüpft hier jedoch nicht an, sondern spricht plakativ von ἐνέργεια nur im naturhaften Sinn und undifferenziert. Indem jedoch gleichzeitig auf Leos Spitzensatz zurückgegriffen und dieser zur Lehrnorm erhoben wird, ohne die nötigen Differenzierungen im ἐνέργεια-Begriff vorzunehmen und ohne zu fragen, in welcher Bedeutung die sogenannten Monenergeten von ἐνέργεια reden, belässt das Konzil nicht nur die eigene Aussage im Unklaren oder macht sie sogar missverständlich, sondern wird auch den Verurteilten in keiner Weise gerecht. Die Lateransynode argumentierte da anders, wie das zweite Beispiel noch deutlicher macht. Im Anschluss an die Verlesung des entscheidenden Anathematismus VII des alexandrinischen Unionsdokuments von 633 auf der 3. Sitzung am 17. Oktober 649 interpretierte Papst Martin die von den sogenannten Monotheleten seitdem als Väterzeugnis beanspruchte Aussage des Areopagiten.227 Nach-

225 Concilium Constantinopolitanum a. 680/1, Actio 13 (ACO ser. II 2,2 p.598,20 f. Ried.): καὶ τὸν αὐτὸν ἕνα Χριστὸν καὶ υἱὸν ἐνεργοῦντα τὰ θεοπρεπῆ καὶ ἀνθρώπινα, ‚μιᾷ θεανδρικῇ ἐνεργείᾳʽ κατὰ τὸν ἐν ἁγίοις Διονύσιον. 226 Maximus Conf., Epistula 19 (PG 91, 596B1–6). Auch in der auf der 11. Sitzung des VI. Konzils verlesenen Synodika des Patriarchen Sophronios von Jerusalem fehlt trotz ihres außerordentlichen Umfangs noch jede Differenzierung des Begriffes ἐνέργεια. Vgl.: Sophronius Hieros., Epistula synodica (ACO ser. II 2,1 p.410,13‒494,9 Ried.). Maximos selbst hatte den Begriff in seinen frühen Ambigua uneinheitlich verwendet, vgl.: Sherwood, Earlier Ambigua (s. Anm. 188), Excursus II, 122–123. 227 Der „heilige Dionysius, Bischof von Athen“ (so: Papst Martin: Concilium Lateranense a. 649, Secr. 3 [ACO ser. II 1, p.140, 15 Ried.]), dessen Zeugnis im 7. Jahrhundert als apostelgleich galt, spricht dort bekanntlich davon, dass Christus „als Gott menschgeworden unter uns wan-

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dem er dargelegt hatte, dass Dionysius „mit einem zusammengesetzten Begriff eine doppelte (scil. ἐνέργεια) dessen, der der Natur nach doppelt war“ aussagen wollte, erklärte er, der Areopagite habe uns damit die „vollständige Einung“ (ἄκρα ἕνωσις) beider Naturen lehren wollen, weil es eine Eigenheit (ἴδιον) der vollständigen Einung ist, beides zugleich in wechselseitiger Verbindung (κατ᾿ ἐπαλλαγὴν) in einer die Naturen transzendierenden Weise (ὑπερφυῶς) zu wirken, d. h., dass derselbe das Göttliche menschlich und das Menschliche göttlich wirkt. Denn er wirkte das Göttliche nicht durch die bloße Gottheit, noch auch das Menschliche durch die bloße Menschheit, sondern durch das mit einer Geistseele beseelte und mit ihm hypostatisch geeinte Fleisch wirkte er in unbegreiflicher Weise die Wunder und nahm mit allumfassender Vollmacht (κατ᾿ ἐξουσίαν παναλκῆ) freiwillig die Erfahrung seiner lebensspendenden Leiden für uns auf sich, um sowohl die Einung bekannt zu machen als auch den Unterschied aufzuzeigen, die Einung durch wechselseitiges Hervortreten und Zusammenwachsen der eigenen Wirkweisen (τῇ κατ᾿ ἐπαλλαγὴν προβολῇ καὶ συμφυΐᾳ τῶν οἰκειῶν ἐνεργειῶν), den Unterschied durch Bewahrung der naturhaften Proprietät.[…] Dies ist es auch, was der vormalige Vorsitzende unserer apostolischen Kirchen, Leo […], meinte als er schrieb: (es folgt das (332) Zitat des Tomus Leonis V.94).228

Der Nachsatz macht deutlich, dass mit der dyenergetischen Interpretation des Dionysius-Logions auch die Spitzenformulierung Leos und das dortige cum alterius communione interpretiert wird. Grundsätzlich gilt auch hier, dass die Person („derselbe“) das Subjekt ist, das beides reziprok wirkt. Dieser Selbe ist der als Gott Menschgewordene des Dionysius, der aufgrund der hypostatischen Einheit mit der menschlichen Natur durch diese in der seiner Gottheit zukommenden allumfassenden Vollmacht wirkt und als solcher freiwillig ins Leiden geht. Diese Freiwilligkeit ist deutlich an die „allumfassende Vollmacht“ der göttlichen Natur gebunden und keine „rein menschliche“. Dieses Wirken und Wollen trans-

delte und seine ἐνέργεια auf eine ganz neuartige Weise gottmenschlich war“ (ἀλλ᾿ ἀνδρωθέντος θεοῦ, καινήν τινα θεανδρικὴν ἐνέργειαν ἡμῖν πεπολιτευμένος): Ps.Dionysius Areop., Epistula 4 (PTS 36,161,9 f. Heil/Ritter). 228 Concilium Lateranense a. 649, Secr. 3: ἐπειδὴ τῆς ἄκρας ἐστὶν ἑνώσεως ἴδιον τὸ κατ᾿ ἐπαλλαγὴν ὑπερφυῶς ἐνεργεῖν τὰ ἑκάτερα, τουτέστιν ἀνθρωπίνως τὰ θεῖα καὶ θεϊκῶς τὰ ἀνθρώπινα τὸν αὐτόν. οὐ γὰρ γυμνῇ θεότητι τὰ θεῖα, οὔτε ψιλῇ ἀνθρωπότητι τὰ ἀνθρώπινα, ἀλλὰ διὰ σαρκὸς μὲν τῆς νοερῶς ἐψυχωμέμης καὶ ἑνωθείσης αὐτῷ καθ᾿ ὑπόστασιν ἐνεργεῖ παραδόξως τὰ θαύματα, κατ᾿ ἐξουσίαν δὲ παναλκῆ τὴν τῶν ζωοποιῶν αὐτοῦ παθημάτων ὑπὲρ ἡμῶν ἑκουσίως κατεδέχετο πεῖραν, ἵνα καὶ τὴν ἕνωσιν γνωρίσῃ καὶ τὴν διαφορὰν παραστήσῃ, τὴν μὲν ἕνωσιν τῇ κατ᾿ ἐπαλλαγὴν προβολῇ καὶ συμφυΐα τῶν οἰκείων ἐνεργειῶν, τὴν δὲ διαφορὰν τῇ συντηρήσει τῆς φυσικῆς ἰδιότητος […] Ὅπερ καὶ ὁ τῆς καθ᾿ ἡμᾶς ἀποστολικῆς ἐκκλησίας γενόμενος πρόεδρος Λέων […] ἐννοήσας γεγράφηκεν· „ἐνεργεῖ […] (ACO ser. II 1, p. 148,30 f.34–150,5.21 Ried.)

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zendiert die Naturen und vollzieht sich auf der Grundlage ihrer συμφυΐα, d. h. dem „Zusammenhalt“ und „Zusammenwachsen“ ihrer naturgemäßen Wirkkräfte, deren Subjekt die Person ist. Mit denselben Formulierungen haben auch Anathematismus 10 und 11 der Lateransynode ausgedrückt, dass die beiden Willen (θελήματα) und Wirkweisen (ἐνέργειαι) „ein und desselben Christus Gott“ συμφύως vereint sind, weil „derselbe“ mit jeder seiner Naturen naturgemäß willensbegabt und handlungsfähig ist.229 Das bedeutet einerseits, dass die naturhaft gegebenen Befähigungen auch hier vom personal gebundenen Vollzug zu unterscheiden sind, andererseits aber, dass die hypostatische Einheit des Wirkenden in den Focus gerät. Diese Diktion und Argumentation ist ganz maximianisch. So formulierte Maximos im Jahr 640 in einem Brief an den Bischof Nikandros ebenfalls als Interpretation des Tomus Leonis: Indem man einsieht, dass die hypostatische Einheit die beiden Naturhaften (sc. der beiden Willen und Wirkkräfte) ‒ wie auch die Naturen ‒ nicht schwächt, auch wenn sie diese durch sich selbst zu einem zusammenführt gemäß der einen Hypostase, […] kann man sogar sagen, dass sie die natürlichen Idiomata durch ihr gegenseitiges Zusammenwachsen ganz und gar zu einem macht (τῇ πρὸς ἄλληλα συμφυΐᾳ διόλου πάλιν ἑνίζουσα) und keines von beiden ohne das andere ist oder eines von beiden außerhalb der Gemein(333) schaft des anderen gemäß dem vielgepriesenen Papst der Römer, Leo.230

Diese starke Betonung der einheitsstiftenden Bedeutung der Hypostase, die sich nicht nur auf die Einung der Naturen, sondern auch auf den Vollzug ihrer Idiomata Wille und Wirkkraft bezieht, konnte Maximos sogar zur Verteidigung der Formel μία ἐνέργεια ins Feld führen, die bereits vor der Kontroverse des 7. Jahrhunderts von anerkannten Theologen verwendet wurde. So auch von Anastasios von Antiochien (sedit 559–570.593–598) in dessen Diatetes,231 den

229 S. o. Anm. 187. 230 Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 8 (PG 91, 96C12–D6): γινώσκοντας, ὡς ἡ καθ᾿ ὑπόστασιν ἕνωσις οὐδὲν παραβλάπτει τῶν φυσικῶν, καθάπερ οὐδὲ τὰς φύσεις αὐτάς· εἰ καὶ ταύτας εἰς ἓν ἄγει δἰ ἑαυτῆς κατὰ τὴν μίαν ὑπόστασιν […]· ὥσπερ οὖν καὐτὰ δὴ λέγω τὰ φυσικὰ ἰδιώματα, τῇ πρὸς ἄλληλα συμφυΐᾳ διόλου πάλιν ἐνίζουσα, καὶ μηδέτερον τοῦ ἑτέρου χωρὶς, ἢ τῆς θατέρου πρὸς θάτερον κοινωνίας ἐκτὸς, κατὰ τὸν τῶν Ῥωμαίων πάπαν ἀοίδιμον Λέοντα θεωρεῖσθαι. Vgl. dazu: Marek Jankowiak und Phil Booth, „A New Date-List of the Works of Maximus the Confessor,“ in Allen und Neil, Handbook (s. Anm. 122) (19‒83) Nr. 60 („ca. 640“). 231 Zu Anastasios vgl.: Karl-Heinz Uthemann, Der Neuchalkedonismus als Vorbereitung des Monotheletismus. Ein Beitrag zum eigentlichen Anliegen des Neuchalkedonismus, in: StPatr 29 (1997), (373–413) 394–403 (= Ders., Christus, Kosmos, Diatribe. Themen der frühen Theologie als Beiträge zu einer historischen Theologie [AKG 93] Berlin/New York 2005, 207–255). Anastasios hat die Wirkkräfte als δύναμις in den Naturen verankert, sie gleichzeitig aber auch als ihr ἀποτέλεσμα an die Hypostase gebunden. „Indem wir betrachten, wie aus den Naturen die

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Maximos im Jahr 641 in einem Brief an den zyprischen Presbyter Marinos verteidigt und interpretiert. Der Antiochener meine damit nichts anderes, als die unzerreißbare Einheit der eingepflanzten Wirkkräfte und das aus ihnen (hervorgehende) Resultat (ἀποτέλεσμα), ich meine das Werk und die Tat, als Anzeige und Kundgebung ihre Existenz“. Anastasios habe von μία ἐνέργεια geredet, „weil nichts Göttliches oder Menschliches getrennt vollzogen wird, sondern aus ein und demselben zugleich zusammengewachsen und vereinigt hervortritt (ἀλλ᾿ ἐξ ἑνὸς καὶ τοῦ αὐτοῦ συμφυῶς ἅμα καὶ ἡνωμένως προάγεσθαι), jedoch gemäß der einheitsbewirkenden Perichorese (ἑνιαίαν πε(334) ριχώρησιν).232

Marcel Doucet hat gezeigt, dass diese Begrifflichkeit, die um den Begriff συμφυΐα kreist,233 eine Schlüssel-Terminologie für das maximianische Denken darstellt.234 Sie soll deutlich machen, dass die Einheit des Wollens wie des Handelns der einen Person Jesu Christi eine tiefere Grundlage hat als es die Übereinstimmung zweier Subjekte in der Intention des gemeinsamen Handelns ist oder der Gehor-

ἐνέργειαι hervorgehen und sich miteinander vereinen ‒ so wie wir aus den zusammenkommenden Naturen eine ungetrennte und unvermischte Hypostase erblicken ‒, so nehmen wir auch aus den unterschiedlichen ἐνέργειαι ein einziges Resultat (ἀποτέλεσμα) des einen Christus wahr“ (ἀλλὰ ταῦτα θεωρήσαντες ὥσπερ καὶ τὰς φύσεις, ὃθεν προΐασιν αἱ ἐνέργειαι, καὶ ἑνώσαντες αὐτὰς ἀλλήλαις, ὥσπερ ἐκ τῶν συνελθουσῶν φύσεων μίαν ἐθεωρήσαμεν ὑπόστασιν ἀδιαίρετόν τε καὶ ἀσύγχυτον, οὕτω καὶ ἐκ τῶν διαφόρων ἐνεργειῶν τὸ ἀποτέλεσμα ἓν καὶ ἑνὸς Χριστοῦ θεωροῦμεν). Schaue man auf das Ergebnis des Wirkens Christi, so könne man nicht mehr trennen, denn „wenn das geistbeseelte Fleisch Christi niemals für sich selbst bestand, so bekräftigen wir, dass es auch niemals selbständig gewirkt hat, sondern in dem mit ihm untrennbar zusammengesetzen und zusammen bestehenden Logos“ (εἰ μὲν ὑποστῆναι πώποτε καθ᾿ ἑαυτὴν τὴν ἔμψυχον τοῦ κυρίου σάρκα ἐλέγομεν, ἢ ἰδίᾳ καὶ ἀνὰ μέρος αὐτὴν ἐνεργεῖν διαβεβαιούμεθα […] μετὰ τοῦ συντεθειμένου καὶ συνυφεστῶτος αὐτῇ λόγου ἐνεργεῖν αὐτὴν πάντοτε ὁμολογοῦμεν): Anastasius Antioch., De operationibus (Franz Diekamp und Evangelos Chrysos, Hgg., Doctrina patrum de incarantione verbi [Münster, 1981], 79,28–80,3; 135,23–136,3). Auf dieser Grundlage verteidigte Anastasios den Tomus Leonis, indem er mit Leos utraque forma eine einzige ἐνέργεια φυσική (!) ausschloss (vgl.: Uthemann, Der Neuchalkedonismus s. o., 396–397). 232 Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 20 (PG 91,229C12–15; 232A7–11): ἡ τὴν τῶν ἐμφύτων ἐνεργείων ἀδιάσπαστον ἕνωσιν, καὶ τὸ ἐξ αὐτῶν ἀποτέλεσμα, τὸ ἔργον φημὶ καὶ τὴν πρᾶξιν, ὡς ἐνδεικτικὴν τούτων ὑπάρχουσαν καὶ δηλωτικὴν […]. μίαν εἶπεν ἐνέργειαν, διὰ τὸ μηδὲν θεῖον ἢ ἀνθρώπινον κεχωρισμένως ἐπιτελεῖσθαι, ἀλλ᾿ ἐξ ἑνὸς καὶ τοῦ αὐτοῦ συμφυῶς ἅμα καὶ ἡνωμένως προάγεσθαι, κατὰ τὴν ἐν τούτοις ἑνιαίαν περιχώρησιν. Vgl.: Jankowiak und Booth, Date-List (s. Anm. 230), Nr. 42 („a. 641“). 233 Maximos benutzt neben συμφυΐα die Begriffe: συμφυῆς, ἔμφυτος, προσφυῶς, ἐπιφυέναι. 234 Marcel Doucet, La volonté humaine du Christ, spécialement en son agonie. Maxime le Confesseur interprète de l’écriture, in: ScEs 37 (1985), (123–159) 147–152.

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sam des einen gegenüber dem anderen.235 Diese Grundlage wird nach Maximos bereits auf der Ebene der Naturen geschaffen, indem diese in der einen Hypostase eine „unzerreißbare Einheit“ durch ein „Zusammenwachsen“ eingehen, das nicht ohne Grund mit pflanzenphysiologischen Analogien beschrieben wird. Maximos redet neben der συμφυΐα236 auch von einer „Prägung/Überformung“ (τύπωσις) des menschlichen Willens,237 einer „Weise des Austausches“ (τρόπος ἀντιδόσεως)238 und von Vergöttlichung (τὸ θέλειν […] τεθεωμένον)239, bei den (335) Wirkkräften ebenfalls von συμφυΐα240 und von einer „Perichorese“, die einheitsbewirkend sei (ἑνιαίαν περιχώρησιν).241 Diese Überformung, Vergöttlichung und Durchdringung erfolgt im Vorgang der Annahme der menschlichen Natur durch die Hypostase des Logos, der das Subjekt ist, bei dem die Initiative des Wollens und des Handelns bleibt.242 Der Wesensbestand (λόγος φύσεως) der menschlichen

235 Es handelt sich meines Erachtens um eine Verdeutlichung der in Chalcedon von Leo aufgenommenen Formulierung et in unam coeunte personam, um ein solches Verständnis eben auszuschließen. S. o. Anm. 13. 236 Gerade angesichts der Todesangst in Gethsemane erweise sich, dass „die äußerste Konvergenz des menschlichen mit seinem göttlichen und väterlichen Willen“ (τὴν ἄκραν τοῦ ἀνθρωπικοῦ πρὸς τὸ θεῖον αὐτοῦ θέλημα καὶ πατρικὸν […] σύννευσιν) Folge des „vollständigen Zusammenwachsens“ ist (συμφυΐας δὲ μᾶλλον ἐντελοῦς). Denn das Menschsein Christi sei nicht „nach dem Muster unseres, sondern nach dem des Erlösers zu verstehen“ ([μὴ] τοῦ καθ᾿ ἡμᾶς [ἀλλὰ] τοῦ κατὰ τὸν σωτῆρα νοουμένου ἀνθρώπου): Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 6 (PG 91, 65C1-68A10). Vgl.: Jankowiak/ Booth, „Date-List“ (s. Anm. 230), Nr. 59 („ca. 640–41). 237 Vgl. z. B. Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 3 (PG 91,45CD): Der menschliche Wille Christi als φυσικὴ δύναμις ist „naturhaft bewegt und geprägt durch den Logos zur Erfüllung des Heilswerkes (φυσικῶς κινουμένην τε καὶ τυπωμένην ὑπὸ τοῦ Λόγου πρὸς τὴν τῆς οἰκονομίας ἐκπλήρωσιν). Genauso: Ders., Opusc. theol. et pol. 3 (PG 91, 48A12-14). Vgl.: Jankowiak/ Booth, „Date-List“ (s. Anm. 221), Nr. 61 („a. 640–643). 238 Als Pyrrhos in der Disputatio nach dem Gemeinsamen der Naturen (τὸ κοινόν) fragte und mit Vers 122 f. des Tomus Leonis argumentierte (quamuis enim in domino Iesu Christo dei et hominis una persona sit, aliud tamen est unde in utroque communis est contumelia, aliud unde communis est gloria (ACO ser. I 2,2,1 p.29,10–12 Schwartz), verwies Maximos auf die ἀντίδοσις: Disputatio Maximi Conf. cum Pyrrho (PG 91,296D3–297A6). Der von Pyrrhos aufgerufene Satz Leos gehört ebenfalls zu den in Chalcedon umstrittenen Sätzen. Vgl. Concilium Chalcedonense a. 451, Actio 3 (ACO ser. I. 2,1,2 p.82,24–31 Schwartz). 239 Maximus Conf., Opusc. theol. et. pol. 3 (PG 91,48B2): τῇ τοῦ θεοῦντος δήλονοτι συμφυΐα τεθέωτο; „Vergöttlicht wurde er nämlich durch die συμφυΐα des Vergöttlichenden. Combéfis übersetzte συμφυΐα hier mit: conjunctio et quasi naturalis cohaesio; s.: Lampe, Lexicon (s. Anm. 114), 1292 s.v. allgemein: „growing together; union“; Christology: coming together into one. Vgl. auch: Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 7 (PG 91,81D5): συμφυΐᾳ τεθεωμένον u.ö. 240 Vgl.: Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 7 (PG 91,88A3). 241 S. o. Anm. 232. Weitere Stellen bei: Doucet, La volonté humaine (s. Anm. 234), 151 Anm. 152. 242 Doucet, La volonté humaine (s. Anm. 234), 149: „L’ordre des notions est donc le suivant: (1) union de la nature assumée à la Personne divine, (2) symphyïa et périchorèse des natures,

3 VI. Ökumenisches Konzil, Lateransynode und Maximos im Vergleich

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Natur ist davon nicht betroffen, sie bleibt unverwandelt, wird aber zu einer neuen Existenzweise geführt (τρόπος ὑπάρξεως),243 in der der Mensch Jesus (336) Christus im Wollen und Handeln in einer konstanten Übereinstimmung mit dem Willen Gottes lebt. Der Horos des VI. Konzils hat diese Aussagen nur ansatzweise übernommen, indem in Teil 5b betont wird, dass der menschliche Wille Christi der „eigene Wille“ des fleischgewordenen Logos ist und der Gehorsam Christi mit der Vergöttlichung seines menschlichen Willens erklärt wird.244 Durch die dann aber in der zusammenfassenden Schlussformel des Horos wieder in den Vordergrund gerückte umstrittene Formulierung Leos ist hier zumindest eine beträcht-

mode d’être nouveau et divinisation de la nature humaine et, en elle, de la volonté-puissance, (3) synneusis constante, c’est-dire accord des volontés en acte.“ In Opusc. theol. et pol. 4 nimmt Maximos zusätzlich die traditionelle Metapher des glühenden Eisens auf und erklärt, der göttliche Logos habe im Vorgang der Menschwerdung unsere usia „mit allem, was ihr eigen ist, nach Art eines glühenden Eisens vergöttlicht und sie dadurch selber als Göttliches wirkend erscheinen lassen, indem er sie ganz bis ins Letzte durchdrungen hat kraft der Einung und so in ein und derselben Hypostase mit ihr eins geworden ist (Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 4 [PG 91,60B11–15C1]): εἰ καὶ ταύτην [sc. τὴν ἡμετέραν οὐσίαν] μετ᾿ ἐκείνων ἁπάντων ἐθέωσε, πυρακτωθέντος δίκην σιδήρου, πᾶσαν θεουργὸν ἀποφήνας, ὡς διόλου κατ᾿ ἄκρον αὐτῇ περιχωρήσας διὰ τὴν ἕνωσιν· καὶ ἓν μετ᾿ αὐτῆς ἀσυγχύτως κατὰ τὴν αὐτὴν καὶ μίαν ὑπόστασιν γεγονώς. Felix Heinzer ist durch eine problematische Übersetzung von πᾶσαν θεουργὸν ἀποφήνας (der Logos habe unser Wesen durch die Vergöttlichung „selber ganz als vergöttlichendes erscheinen lassen“) zu dem Ergebnis gekommen: „Die Menschheit erscheint also nicht bloß als passive Hülle, sondern selber aktiv mitwirkender Faktor im Geschehen der Erlösung und Vergöttlichung des Menschengeschlechtes“; es gehe hier um die „soteriologische Bedeutung der Menschheit Christi“ (Felix Heinzer, Gottes Sohn als Mensch: Die Struktur des Menschseins Christi bei Maximus Confessor (Par. 16), Fribourg 1980, 122.123.125. Von einer Perichorese als „gegenseitige Durchdringung und Synergie“ ist hier jedoch gerade nicht die Rede. Alleiniges Subjekt bei der Vergöttlichung der menschlichen Natur ist für Maximos der göttliche Logos! Von einer Perichorese als „gegenseitige“ Durchdringung (τρόπος τῆς εἰς ἀλλήλας τῶν Χριστοῦ φύσεων περιχωρήσεως) spricht Maximos nur in Hinsicht auf das Wirken des Menschgewordenen, und dies wiederum in Interpretation der καινή τινα θεανδρικὴ ἐνέργεια des Ps.Dionysius (vgl. Anm. 227). Diese „gegenseitige“ Durchdringung setzt aber eben die Vergöttlichung der menschlichen Natur voraus. Vgl.: Maximus, Conf., Disputatio cum Pyrrho (PG 91,345C6–448A2). Zu θεουργός vgl.: Lampe, Lexicon 641 s.v. (1). Richtig übersetzt Emmanuel Ponsoye, in: Jean-Claude Larchet, Saint Maxime le Confesseur. Opuscules Théologiques et Poĺémiques (Paris, 1998), 139. 243 Zur Distinktion λόγος-τρόπος vgl.: Heinzer, Gottes Sohn als Mensch (s. Anm. 242), 29–54.117–149. Mit Doucet, „La volonté humaine“ (s. Anm. 234), 149, ist festzuhalten: „Le tropos se dédouble: d’hyparxis de la volonté-puissance (comme de la nature), et d’exercice. Le premier, avec la divinisation, fonde le second, identique à l’impeccabilité, à la constante rectification de la synneusis.“ 244 S. o. Anm. 54.

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liche Inkongruenz in der Aussage festzustellen. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass sowohl der Horos wie auch Logos Prophonetikos ihre Lehraussagen mit der in den Horos von Chalcedon eingegangenen Formel Leos vom „Zusammenkommen“ oder „Zusammenlaufen“ der beiden Naturen abschließen, und die Hypostase jetzt nur noch im Wirken der Naturen „aufleuchtet“. Zusätzlich muss auch auffallen, dass der Logos Prosphonetikos in diesem Zusammenhang auf die soteriologische Bedeutung des Vermögens zur Selbstbestimmung der menschlichen Natur abhebt (ἡ τῆς αὐτεξουσιότητος δύναμις),245 ohne dies weiter zu präzisieren. Maximos hatte das αὐτεξούσιον als naturhafte innere Bewegung aller vernunftbegabten Lebewesen verstanden, und θέλησις geradezu durch αὐτεξουσιότης definiert, so dass auch der Menschgewordene darüber verfügen müsse.246 Bekanntlich hatte er jedoch von der Selbstmächtigkeit und Selbstbestimmung des Menschen Jesus jede προαίρεσις als Notwendigkeit menschlichen Wählen-Müssens und Entscheidens ausgeschlossen und sie als θέλημα γνωμικόν oder γνωμή bezeichnet.247 Denn weil sie (sc. die Menschheit Gottes) in der Einung mit dem Gott Logos das Sein empfangen hat, war ihr naturhaftes Streben, d. h. der Wille, nicht schwankend, sondern vielmehr fest (στάσιμον). Um es noch präziser zu sagen: Sie besaß eine unbewegte Stetigkeit (στάσιν [337] ἀκίνητον) im Gott Logos, da sie in ihm ihr unverfälschtes und vollständig vergöttlichtes Dasein hatte.248

Der menschliche Gehorsam Christi im Angesicht des Todes, den Maximos in wiederholten Auslegungen249 der Gethsemaneperikope nach Mt 26,39 beschreibt, ist für ihn nicht die Folge einer auf Wahl zwischen Ungehorsam und Folgsamkeit beruhenden Entscheidung, sondern Ausdruck der in der hypostatischen Einheit

245 S. o. Anm. 88. 246 Vgl. z. B.: Disputatio Maximi Conf. cum Pyrrho (PG 91,301C4–11): Εἰ οὖν κατὰ φύσιν πρόσεστι τοῖς νοεροῖς ἡ αὐτεξούσιος κίνησις, ἄρα πᾶν νοερὸν καὶ φύσει θελητικόν. θέλησιν γὰρ τὸ αὐτεξούσιον […] εἶναι […] ἄρα καὶ [ὁ Θεὸς Λόγος] καθ᾿ ἄνθρωπος, οὐσιωδῶς ὁ αὐτὸς ἦν θελητικός. 247 Vgl. z. B.: Disputatio Maximi Conf. cum Pyrrho (PG 91,308C–309A; Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 1 (PG 91,32A6–B1). Zum gnomischen Willen bei Maximos vgl.: Heinzer, Anmerkungen zum Willensbegriff (s. Anm. 219), 385–389; Bathrellos, The Byzantine Christ (s. Anm. 18), 148–174. 248 Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 1 (PG 91,32 A9–B1): ἀλλ ἅμα τῇ πρὸς τὸν Θεὸν Λόγον ἑνώσει τὸ εἶναι λαβὸν, ἀδίστακτον, μᾶλλον δε στάσιμον τὴν κατ᾿ ὄρεξιν φυσικὴν ἤτοι θέλησιν, κίνησιν ἔσχεν· ἢ κυριώτερον εἰπεῖν, τὴν στάσιν ἀκίνητον ἐν αὐτῷ κατὰ τὴν ἀκραιφνεστάτην οὐσίωσιν τῷ Θεῷ καὶ Λόγῳ παντελῶς θεωθεῖσαν. 249 Z.B. Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 3; 6; 20 (PG 91,48B–49C; 65A–68D; 233B–237C) u.ö.

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begründeten, nicht schwankenden und selbstbestimmten Stetigkeit seines menschlichen Willens, den Willen Gottes zu erfüllen.250 Man kann geradezu sagen, dass bei Maximos „der Schlüssel zum Verständnis des Modus des Menschseins Christi in seiner Hypostase“ liegt.251 Dennoch hat Maximos es abgelehnt, von einer hypostatischen ἐνέργεια oder einem hypostatischen Willen Christi zu reden. Der Grund liegt zum einen im Axiom eines identischen Hypostasenbegriffes in der Christologie und Trinitätslehre. Im syllogistischen Verfahren wird so aus der These eines hypostatischen Willens des Menschgewordenen auf den Verlust der Willenseinheit der drei trinitarischen Hypostasen geschlossen.252 Als zweiter Grund argumentierte Maximos damit, dass das Ganze nicht etwas anderes neben seinen Teilen sein könne.253 Papst Martin hat ebenfalls auf der Lateransynode das trinitätstheologische Argument verwendet,254 und Papst Agatho übernimmt diese Argumentation breit in seinem Brief.255 Bezeichnend ist jedoch, dass Agatho auf diesen Syllogismus seine gesamte weitere christologische Argumentation aufbaut und alle anderen maximianischen hypostatischen Begründungszusammenhänge für die Stetigkeit des Wollens und Wirkens Jesu Christi bei ihm unter den Tisch fallen. Der zum (338) Lehrkriterium erhobene umstrittene Satz des Tomus Leonis fordert hier seinen Preis!256 Dieses Vorgehen Agathos schlägt sich schließlich auch in seiner Aufteilung von Schriftzeugnissen über das Wollen und Handeln Jesu Christi auf jeweils eine der beiden Naturen nieder.257 An dieser Stelle wird die Distanz zur Christologie der Lateransynode von 649 besonders deutlich. Denn diese hatte sich in ihrem 16. Anathematismus ausdrücklich gegen dieses Vorgehen ausgesprochen:

250 So bereits früh: Maximus Conf., Ambigua ad Ioh. 41 (PG 91,1309D3–5): πληρώσας ὡς ἄνθρωπος ἔργῳ καὶ ἀληθείᾳ καθ᾿ ὑπακοὴν ἀπαράβατον ὅσα προώρισεν αὐτὸς ὡς θεὸς γενέσθαι; „So erfüllte er als Mensch in Tat und Wahrheit in Gehorsam ohne Übertretungen, was er selbst als Gott vorherbestimmte, dass es geschehe“. Jankowiak/ Booth, Date-List (s. Anm. 221), Nr. 3 „early (before 633/4)“. 251 So: Bausenhart, In allem uns gleich (s. Anm. 216), 160. 252 Vgl. z. B.: Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 9 (PG 91,116A8–C3); vgl. auch: Disputatio Maximi Conf. cum Pyrrho (PG 91,313C2–6). 253 Vgl. dazu i. e.: Uthemann, „Neuchalkedonismus“ (s. Anm. 231), 408–410. 254 Vgl.: Concilium Lateranense a. 649, Secr.3 (ACO ser. II 1, p.148,12–27 Ried.). 255 S.o. Anm. 136. 256 In der Tat kann man an dieser Stelle auch fragen, ob der kappadokische Hypostasenbegriff in seiner Anwendung auf die Christologie spätestens hier nicht an seine Grenzen gerät. Vgl. Bausenhart, In allem uns gleich (s. Anm. 216), 45–109; Georg Essen, Die Freiheit Jesu. Der neuchalkedonische Enhypostasiebegriff im Horizont neuzeitlicher Subjekt- und Personphilosophie (Rafi 5), Regensburg 2001, 24–60, folgt ihm. 257 S.o. S. 522–524.

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Wenn jemand […] die evangelischen und apostolischen Ausdrücke über eben den Heiland selbst nicht wesensmäßig einer und derselben Person zuteilt, nämlich „eben unserem Herrn und Gott Jesus Christus“ gemäß dem vielgepriesenen Cyrill, zur Bestätigung, „dass derselbe von Natur aus wahrhaft Gott und Mensch ist“, der sei verdammt.258

Bemerkenswert ist hier die Berufung auf Cyrill von Alexandrien. Gemeint ist dabei dessen Zuordnung aller biblischen Hoheits- und Niedrigkeitsaussagen zu einem Prosopon, „der einen fleischgewordenen Hypostase des Logos“, in seinem dritten Brief an Nestorius, die dem dortigen viertem Anathematismus zugrundeliegt.259 Die Lateranynode hatte nämlich neben dem Nicaenum, dem Nicaenoconstantinopolitanum und dem Horos von Chalcedon auch die 12 Anathematismen Cyrills aus diesem Brief und die 14 Anathematismen des V. Konzils, die alle auf der 4. Sitzung am 19. Oktober 649 verlesen wurden, als Urteilskriterien ihrem Akkusationsverfahren zugrunde gelegt.260 Damit wird eindeutig, (339) woraus sich die deutlichen Unterschiede zwischen der Christologie der Lateransynode und den Beschlüssen des VI. Konzils erklären. Die Lateransynode steht ganz in der Tradition des sogenannten Neuchalkedonismus, das VI. Konzil nur sehr eingeschränkt. Das VI. Konzil listet zwar im Horos auch das II. Constantinopolitanum von 553 als Ökumenische Synode mit auf, dessen Beschlüsse spielen aber im Weiteren keine Rolle, wenn man von der zweimal auftauchenden Formulierung des

258 Concilium Lateranense a. 649, Anath.16 (ACO ser. II 1, p.378,9–17 Ried.): Εἴ τις […] τὰς εὐαγγελικὰς καὶ ἀποστολικὰς περὶ τοῦ αὐτοῦ τοῦ σωτῆρος φωνὰς οὐχ ἑνὶ καὶ τῷ αὐτῷ προσώπῳ οὐσιωδῶς ἀπονέμει, τουτέστιν „αὐτῷ τῷ κυρίῳ ἡμῶν καὶ θεῷ Ἰησοῦ Χριστῷ“ κατὰ Κύριλλον τὸν ἀοίδιμον εἰς πίστωσιν „τοῦ θεὸν εἶναι φύσει καὶ ἄνθρωπον ἀληθῶς τὸν αὐτόν“, εἴη κατάκριτος. 259 Cyrillus Alex., Epistula 3 ad Nestorium (ACO ser. I 1,1,1 p.38,21 f. Schwartz): ἑνὶ τοιγαροῦν προσώπῳ τὰς ἐν τοῖς εὐαγγελίοις πάσας ἀναθετέον φωνάς, ὑποστάσει μιᾷ τῇ τοῦ λόγου σεσαρκωμένῃ; Cyrillus Alex., Epistula 3 ad Nestorium. Anath. 4 (ACO ser. I 1,1,1 p. 41,1–4 Schwartz): Eἴ τις προσώποις δυσὶν ἢ γοῦν ὑποστάσεσιν τάς τε ἐν τοῖς εὐαγγελικοῖς καὶ ἀποστολικοῖς συγγράμμασι διανέμει φωνάς, ἢ ἐπὶ Χριστῷ παρὰ τῶν ἁγίων λεγομένας ἢ παρ᾿ αὐτοῦ περὶ ἑαυτοῦ, καὶ τὰς μὲν ὡς ἀνθρώπῳ παρὰ τὸν ἐκ θεοῦ λόγον ἰδικῶς νοουμένῳ προσάπτει, τὰς δὲ ὡς θεοπρεπεῖς μόνῳ τῷ ἐκ θεοῦ πατρὸς λόγῳ, ἀνάθεμα ἔστω. Übersetzung: Wohlmuth, Dekrete (s. Anm. 20), 56,8–11; 59,30–39. 260 Concilium Lateranense a. 649, Secr. 4 (ACO ser. II 1, p.218,1–234,5 Ried.). Die lateinischen Akten bezeichnen die 12 Anathematismen Cyrills sogar als Symbolum apud Ephesum duocentorum patrum: (a.a.O., 219,36). Mindestens seit der Mitte des 6. Jahrhunderts hatten die 12 Kephalaia Cyrills, die tatsächlich durch das I. Ephesenum rezipiert worden waren, im Osten einen offiziellen Status erlangt. Vgl.: Thomas Graumann, „Reading“ in the First Council of Ephesus (431), in: Richard Price/Mary Whitby, Chalcedon in Context: Church Councils 400– 700, Liverpool 2009, 27–44.36–41; Richard Price, The Acts of the Council of Constantinople of 553 (Translated Texts for Historians 51), Liverpool 2009, 66–71.

3 VI. Ökumenisches Konzil, Lateransynode und Maximos im Vergleich

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„Einen aus der heiligen Dreieinigkeit“ absieht.261 Wesentliche Merkmale der nachchalkedonischen theologischen Klärungen, die in die Anathematismen von 553 eingegangen sind und im Jahr 649 berücksichtigt wurden, sucht man jedoch in den Beschlüssen von 681 vergebens. Dazu gehören: die Präzisierung der hypostatischen Einheit als ἕνωσις κατὰ σύνθεσιν, ἤγουν καθ᾿ ὑπόστασιν,262 die „cyrillische Formel“ der μία φύσις τοῦ θεοῦ λόγου σεσαρκωμένη,263 die Aufnahme der Formel ἐκ δύο φύσεων neben ἐν δύο φύσεσιν264 und die sog. „theopaschitische Formel“.265 Dies alles kommt zum Verbot der Aufteilung der Schriftzeugnisse auf beide Naturen hinzu. Die Erklärung für diesen Sachverhalt kann nur lauten: Hinter dem gesamten Aktentext der Lateransynode steht Maximos Homologetes, dessen Christologie in der sogenannten neuchalkedonischen Tradition steht, insbesondere in der Aufnahme der Theologie des Corpus Leontianum.266 Hinter dem Text der Beschlüsse des VI. Ökumenischen Konzils (340) aber stehen Verfasser, denen diese Tradition trotz der Erwähnung des V. Ökumenischen Konzils und der strategisch verfolgten Absicht, die Beschlüsse der Lateransynode durchzusetzen, fremd geblieben ist. Sie können meines Erachtens nur unter den

261 Vgl. o. Anm.: 34.61. Diese Formulierung ist Teil des Anathematismus 5 des V. Ökumenischen Konzils: Concilium Constantinopolitanum a. 553, Anath. 5 (ACO ser. I 4,1 p.241 Schwartz). 262 Vgl. Concilium Constantinopolitanum a. 553, Anath. 4 (ACO ser. I 4,1 p.240 f. Schwartz) mit Concilium Lateranense a. 649, Anath. 8 (ACO ser. II 1, p. 372,30 f. Ried.). 263 Vgl. Concilium Constantinopolitanum a. 553, Anath. 8 (ACO ser. I 4,1 p.242 Schwartz) mit Concilium Lateranense a. 649, Anath. 5 (ACO ser. II 1, p. 372,3 f. Ried.). 264 Vgl. Concilium Constantinopolitanum a. 553, Anath. 8 (ACO ser. I 4,1 p.242 Schwartz]) mit Concilium Lateranense a. 649, Anath. 6 (ACO ser. II 1, p. 372,12 f. Ried.). In der Vorrede zu den Anathematismen hat die Lateransynode sogar das ἐκ δύο φύσεων in das Zitat des Horos von Chalcedon eingefügt: Concilium Lateranense a.649, Secr. 5 (ACO ser. II 2,1 p.364 f. Ried.). 265 Vgl. Concilium Constantinopolitanum a. 553, Anath. 10 (ACO ser. I 4,1 p.242 Schwartz) mit Concilium Lateranense a. 649, Anath. 2 (ACO ser. II 1, p. 372,21–27 Ried.). 266 Vgl. Heinzer, Gottes Sohn als Mensch (s. Anm. 242), 70–116. Bathrellos, The Byzantine Christ (s. Anm. 18), 99–116.112–114, bezeichnet Maximos „as a typical exponent of extreme neo-Chalcedonism“ (112). Hovorun, Maximus, A Cautious Neo-Chalcedonian (s. Anm. 195) hält ihn für „a faithful neo-Chalcedonian“, denn „Maximus regarded Cyril of Alexandria as the highest christological authority and accepted his entire theological language“ (116). „Maximus developed neo-Chalcedonism further and applied it to the issues of activities and wills of Christ. […] At the same time he was cautious and critical of what he believed to be abuses“ (123). Uthemann, „Neuchalkedonismus“ (s. Anm. 231), 404–411, will Maximos wegen einer schließlich „rein formale(n) Definition der Hypostase als Existenzweise und Subsistenz“ in der „Nähe zu einer betont, wenn auch nicht ausschließlich symmetrischen Christologie“ verorten (411). Meines Erachtens ist dieses Urteil angesichts des oben Dargestellten nicht haltbar. Denn unberücksichtigt bleiben dabei die dominante Zuordnung des Wollens und Handelns Christi im Vollzug zur Person, συμφυΐα und τύπωσις des menschlichen Willens und das Fehlen jeder γνώμη.

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römischen Legaten gesucht werden. Dieser Befund macht deutlich, was den römischen Theologen 30 Jahre nach der Lateransynode und ohne Beratung des Maximos Homologetes von deren Beschlüssen wesentlich war.

4 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen Das VI. Ökumenische Konzil (680/1) hat mit der Erkenntnis, dass die im theologischen Denken eingebürgerten ontologischen Kategorien φύσις und οὐσία unabdingbar auch die natur- und wesenhaften Proprietäten (ἰδιότητες, ἰδιώματα) des Willens- und Handlungsvermögens (θέλησις; ἐνέργεια) der menschlichen Natur einschließen, das dyenergetische und dyotheletische Dogma formuliert. Als konsequente und logische Folge des chalkedonensischen Bekenntnisses zur göttlichen und menschlichen Natur Jesu Christi wurde deshalb sein zweifacher Wille und ein doppeltes Wirken definiert. Diese grundlegende Schlussfolgerung ist zuerst von Sophronios von Jerusalem († 11. März 638) ‒ allerdings nur für die ἐνέργεια!267 ‒ benannt und dann von Maximos Homologetes (ca. 579–662) vor allem für die Willensthematik herausgearbeitet und entfaltet worden. Das III. Constantinopolitanum formuliert dieses Dogma in seinem Horos allerdings als bereits implizit im Dogma von Chalcedon enthalten, indem es der Definitio des IV. Ökumenischen Konzils syntaktisch hinzugefügt wird, um danach erläutert zu werden. Die Absicht, in der Autorität des IV. Ökumenischen Konzils komplementär und abschließend definitorisch zu handeln, schlägt sich in textlicher und formaler Hinsicht im bewussten Rückgriff auf die Akten von 451 nieder. Dabei sind jedoch bedeutende Verschiebungen und Veränderungen festzuhalten. So hat der Horos von 681 die Rangfolge der in Chalcedon autorisierten Lehrtexte Cyrills von (341) Alexandrien und Papst Leos I. verändert. An erster Stelle steht jetzt der Tomus Leonis vor den „Synodalschreiben“ Cyrills. Was als eine dem Kontext geschuldete formale Belanglosigkeit erscheinen könnte, erweist sich bei näherer Analyse als Schlüssel zu seinem Verständnis. Denn die in Chalcedon mit der Reihenfolge der Briefe Cyrills und Leos intendierte Rangfolge für das Verständnis des dyophysitischen Dogmas wurde im Jahre 681 mit ökumenischem Anspruch einer Inversion unterzogen. Es wird jetzt nicht mehr der Tomus Leonis durch Cyrill interpretiert, sondern Cyrill durch den Tomus Leonis! Dies zeigt sich nicht nur daran, dass der Tomus Leonis der dominante Re-

267 Im Bereich des Willens finden sich dagegen ausgesprochen „monotheletische“ Formulierungen. Vgl.: Heinz Ohme, Mehrheit und Minderheit in den Anfängen des monenergetisch-monotheletischen Streites, in: AHC 49 (2018/9), (97–126) 111 mit Anm. 70.

4 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

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ferenztext des Horos ist, sondern dass es nun ausgerechnet auch jene so umstrittenen Verse Nr. 94/95 dieses Briefes sind, die zum entscheidenden Deutungsmuster für das zu bekennende doppelte Wollen und Wirken Jesu Christi erhoben werden. In der Fixierung auf diese Formulierungen sind es nach der Kurzfassung des Horos die beiden Naturen, die im Wollen und Wirken dessen, was ihnen eigen ist, zu Subjekten des Handelns und Wollens werden ‒ auch wenn dies mit Leo „in Gemeinschaft“268 geschieht. Hinzu kommt, dass es im Unterschied zu Leos Formulierung nicht die göttliche forma oder das uerbum ist, das „in Wundern aufleuchtet“, sondern die Hypostase ‒ Leos persona ‒, die im Wirken und Wollen der Naturen „hindurchscheint“ oder „aufleuchtet“.269 Die im Jahre 681 dogmatisierte Präponderanz der Naturen führt zu einer deutlichen Unterbestimmung der Bedeutung der Hypostase für das Verständnis des Willens und Wirkens Jesu Christi! Damit nicht genug, hat das VI. Konzil ‒ wohl um dem Verfahren Chalcedons bis ins Letzte zu entsprechen ‒ wichtige Stellungnahmen aus dem Vorfeld der Synode als Lehrnormen autorisiert. Allerdings sind es jetzt nur noch römische Texte, und auch nicht nur einer, sondern zwei: Die beiden Briefe Papst Agathos I. (678‒681) und der römischen Synode der 125 Bischöfe vom 27. März 680 an Kaiser Konstantin IV. (668–685). Der gegenüber dem Tomus Leonis mehr als doppelt so lange Brief des Papstes hat einen deutlich anderen Charakter und keine vergleichbare theologische Relevanz. Die gesamte christologische Argumentation reduziert sich im Kern auf die ontologische Bestimmung des Begriffes der Natur und ihrer proprietates naturales, wobei hier natura, substantia und essentia in eins gedacht werden, um daraus zu schließen, dass „entsprechend der evangelischen Tradition“ über Christus „alles“ doppelt ausgesagt werden müsse.270 Dies sei die uerae regula fidei.271 Alle weiteren christologischen Aussagen und alle Vorwürfe gegen die sogenannten Monenergeten und Monotheleten (342) werden syllogistisch aus dieser Axiomatik abgeleitet. Dazu gehört auch die nur syllogistisch begründete Ablehnung jedweder Zuordnung von Wille und Wirken Jesu Christi zur Person. Dies wiederum hat zur Folge, dass Agatho zwar den sogenannten II. Tomus Leos beansprucht und zitiert, dabei aber die von Leo dort deutlich betonte Bedeutung der Person Jesu Christi als Subjekt seines Willens und Wirkens übergeht. Im Gegensatz zu Leo wird hier Tomus II durch Tomus I interpretiert. Für Agatho bleibt es dabei, dass die

268 Vgl. Anm. 4. 269 Vgl. Anm. 64. 270 Vgl. Anm. 132. 271 Vgl. Anm. 126.

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Naturen als Subjekte die Wollenden und Wirkenden sind, und dies in Gemeinschaft. Dem entspricht auch seine Aufteilung der sanctarum testimonia scripturarum auf die beiden Naturen, ungeachtet der Tatsache, dass Cyrill dies in seinem 4. Anathematismus ‒ und selbst die Lateransynode von 649 im 16. Anathematismus ‒ verurteilt hatten. Der entscheidenden Frage, wie das cum alterius communione272 Leos zu verstehen sei, wurde jedoch keine Aufmerksamkeit geschenkt. Für Agatho hat die Hypostase außer ihrer die Naturen vereinigenden Funktion anscheinend keine weitere Bedeutung. So kann nur noch gesagt werden, dass das Wollen und Wirken einer jeden Natur aus Jesus Christus „hervorgeht“ (processerunt).273 Damit aber ist fraglich, ob die auf dem VI. Konzil durchgesetzte Interpretation des Tomus Leonis überhaupt der Entwicklung des Denkens Leos gerecht wird. Herbert Arens war bei seiner Analyse der christologischen Sprache Leos zu dem Ergebnis gekommen, dass die von Leo verwendeten Begriffe natura, essentia und substantia nicht eindeutig festgelegt sind und er generell auch keine Definitionen anbietet. Gerade der Zentralbegriff natura ist in einer eigentümlichen Weise durch natiuitas-natus bestimmt und soll der sich „aus Herkunft und Geburt ergebenden Eigenart des Wesens“ Ausdruck verleihen. Arens zufolge könne man nicht sagen, dass Leo in seinem Tomus „mit dieser Redeweise Rücksicht auf die in der Kontroverse erwachsenen terminologischen Schwierigkeiten genommen“ habe.274 Es ist auch schon länger beobachtet worden, dass bereits zu Lebzeiten Leos die griechischen Übersetzer des Tomus Schwierigkeiten mit den problematischen Versen hatten. Meist wurde forma als Ablativ verstanden und im Griechischen in den Dativ gesetzt, so als sei Christus das Subjekt der Aussage.275 Bernard Green hat gezeigt, dass „the passage is unique“, denn ansonsten „he speaks of the single agency of the divine word in two forms.“ „His failure to emphasize it (scil. Christ’s persona) in the Tome“ erkläre sich allein aus dem Versuch Leos, im Tomus gleichzeitig Nestorius und Eutyches als zwei Seiten derselben Medaille (343) zu adressieren, und der damit verbundenen Fehleinschätzung des Nestorius als Adoptianist.276 Als Leo denn auch die auf

272 Vgl. Anm. 4. 273 Vgl. Anm. 151. 274 Herbert Arens, Die christologische Sprache Leos des Großen (FThSt 122), Freiburg u. a. 1982, 187–337.200.226. 275 Vgl. Leonard Prestige, The Greek Translation of the Tome of St. Leo, in: JThS 31 (1930), 183–184. 276 Bernard Green, The Soteriology of Leo the Great, Oxford 2008, 217–221.221.

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der Synode von Chalcedon laut gewordenen Anfragen an seinen Tomus277 bekannt wurden, betonte er ab der Weihnachtspredigt des Jahres 451 bis zu seinem Brief an die rebellierenden Mönche in Palästina vom Sommer 453 (Epistula 124) „with unusual firmness the unity of the divine and human in the person of Christ“.278 Ab dem Predigtzyklus der Karwoche 453 ist die Formulierung unius personae fuerint totius temporis actiones nachweisbar, die dann im Jahr 458 auch in die an Kaiser Leon gerichtete weitgehende Wiederholung von Epistula 124, den sog. Tomus II (Epistula 165), einging.279 Agatho übergeht diese Aussage einfach. Aber bereits Epistula 124 „was effectively a replacement and emendation of the Tome“.280 Kann man bei der Unbestimmtheit der Begrifflichkeit Leos vielleicht noch für das Jahr 449 darüber spekulieren, ob im Tomus Leonis Vers 94/5 das „grammatikalische Subjekt […] nicht zugleich auch ontologisches“ sei,281 so handelt es sich bei Agatho und im Horos des VI. Konzils um eine eindeutig ontologische Aussage. Papst Agatho hat schließlich für die Autorisierung des dyenergetisch-dyotheletischen Dogmas auch die römische Primats- und Infallibilitätstheologie in Stellung gebracht. Bei der Formulierung des zu definierenden Dogmas habe Petrus als cooperator mitgewirkt. Die römische Kirche habe auch stets so geglaubt und in diesem Sinne die Bischöfe von Konstantinopel in den vergangenen (344) Jahrzehnten auch stets ermahnt. Die ca. 40 Jahre zurückliegende Kooperation seines Vorgängers Honorius mit Patriarch Sergios war Agatho anscheinend nicht mehr bekannt. Durch die Aufnahme des Agatho-Briefs im Horos der Syn-

277 Dazu vgl.: Stephan Otto Horn, Petrou Kathedra: Der Bischof von Rom und die Synoden von Ephesus (449) und Chalcedon (KKTS 45), Paderborn 1982, 172–195; Uthemann, Tomus Leonis (s. Anm. 67), 12–19. 278 Green, Soteriology (s. Anm. 276), 229. 279 Vgl.: Leo I. pp., Tractatus 65,1 (CChr.SL 138A, 395,15 f. Chavasse); Leo I. pp., Epistula 124 (ACO ser. I 2,4 p.161, 25–26 Schwartz); Leo I pp., Epistula 165 (ACO ser. I 2,4 p.116,15 Schwartz). 280 Green, Soteriology (s. Anm. 276), 236. Vgl. auch: Uthemann, Tomus Leonis (s. Anm. 67), 24–34. Uthemann (s. o., 26 f.) meldet Zweifel an einer „eindeutigen“ Wende Leos an, weil in Tractatus 64,4 und Epistula 124 sich daneben noch die Formulierung utraque essentia communes habeat actiones findet, vgl.: Leo I. pp., Epistula 124 (ACO ser. I 2,4 p.161,6 Schwartz). Er übergeht dabei jedoch die in Anm. 279 belegte Schlüsselformulierung Leos. Spätestens im Tomus II ist Leo mit dem in Anm. 150 zitierten Satz eindeutig. Die von Uthemann für diesen Satz als lectio difficilior ins Feld geführte Variante habeant anstelle habeat kann nicht ins Gewicht fallen. Denn den beiden Zeugen (s.IX–XI) für habeant stehen sechs unabhängige Zeugen gegenüber, darunter die älteste Handschrift des 6. Jahrhunderts (Cod. Paris. 12097; vgl. ACO ser. I 2,4 p.115,31 Apparat zur Stelle). Außerdem sprengt der Plural die Syntax des Satzes. Der Text in den Akten des VI. Konzils (habebat) ist ohne Varianten und macht die Sache eindeutig. Die editorische Entscheidung von Eduard Schwartz war zutreffend. 281 So z. B.: Bausenhart, In allem uns gleich (s. Anm. 216), 78 Anm. 207.

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ode wurde die römische Primats- und Infallibilitätstheologie erstmals durch ein ökumenisches Konzil rezipiert. Der Logos Prosphonetikos bestätigt dies. Denn mit seinen Worten imitiert die gesamte Synode mit ihrem Ausruf: „Durch Agatho sprach Petrus!“ nicht nur die Väter von Chalcedon, sondern bestätigt ausdrücklich Agathos petrinisch begründeten Lehrprimat, wodurch er ihr „das Geheimnis der Theologie“282 erklärt habe. Es handelt sich hier um eine singuläre Festschreibung von Petrinologie, Primatstheologie und römischer Infallibilität durch ein ökumenisches Konzil ‒ und dies in einer für den griechischen Osten demütigen Art und Weise! Die Beschlüsse des III. Constantinopolitanums tragen so bis ins letzte Detail eine römische Handschrift.283 Die ausgiebigen und langwierigen Vorbereitungen Agathos zur Umsetzung des kaiserlichen Angebotes eines „Glaubensgespräches“ zwischen den Kirchen von Konstantinopel und Rom über die aufgetretenen Lehrdifferenzen lassen erkennen, dass es ihm gezielt darum ging, bei dieser Gelegenheit die Beschlüsse der Lateransynode von 649 durchzusetzen. Denn diese galten in Rom als catholicae atque apostolicae confessionis regula, wie die Bischöfe der römischen Synode in ihrem Brief deutlich machen.284 Man kann jedoch das VI. Konzil in seinen Beschlüssen nicht als Wiederholung der Lateransynode bezeichnen ‒ in seinem (345) Verfahren schon gar nicht!285 Dies liegt weniger an den prinzipiel-

282 Vgl. Anm. 113. 283 Verständlicherweise haben die Aussagen zu Primat und Papatologie in den Akten des VI. Ökumenischen Konzils zusammen mit der Verurteilung des Papstes Honorius in der römisch-katholischen Theologie zwischen dem I. und II. Vatikanischen Konzil ein umfangreiches Echo gefunden. Im Umfeld des II. Vaticanums hat jedoch Wilhelm de Vries, Die Struktur der Kirche gemäß dem III. Konzil von Konstantinopel, in: Remigius Bäumer und Heimo Dolch (Hg.), Volk Gottes. Zum Kirchenverständnis der Katholischen, Evangelischen und Anglikanischen Theologie. FS Josef Höfer, Freiburg u. a. 1967, 262–285 in „ökumenischer“ Absicht versucht, gegen die Inanspruchnahme der in Anm. 78 und 113 zitierten Aussagen und des Agatho-Briefes zugunsten einer „absoluten“ und „unbedingten“ Lehrautorität des römischen Bischofs die Synodalität des Beschlossenen und die Bedeutung der Rolle des Kaisers dabei herauszustellen. Obwohl die Prämissen der Ex-cathedra- und Infallibilitäts-Theologie nicht anachronistisch für das III. Constantinopolitanum beansprucht werden können, ist doch nicht wegzudiskutieren, wie extensiv auf diesem Konzil eine römische universale Lehrautorität „ökumenisch“ zur Geltung gebracht werden konnte. Bezeichnend ist, dass de Vries den mit Anm. 110 zitierten Titel und den mit Anm. 113 zitierten bestätigten Offenbarungsanspruch einer römischen Lehraussage übersieht. Der vorkritischen Sicht auf den sogenannten monenergetisch-monotheletischen Streit geschuldet ist die Vermengung von Aussagen Papst Martins und Papst Agathos durch de Vries. 284 Vgl. Anm. 182. 285 Sherwood, in: Murphy/Sherwood, Konstantinopel II und III (s. Anm. 1), 239, behauptet unzutreffend, das Verfahren „war im Wesentlichen das gleiche wie bei dem Laterankonzil“. Vgl. demgegenüber: Ohme, Lateransynode (s. Anm. 121).

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len Vorbehalten Konstantinopels gegenüber dieser Synode einschließlich Papst Martins I. (649–653) und Maximos’ Homologetes, die deshalb auch verschwiegen werden. Vor allem liegt es an einem äußerst selektiven Umgang des VI. Konzils mit der in den Akten der Lateransynode deutlich werdenden Theologie, die Maximos und seinen Schülern aus der Feder geflossen war. Was von der Lateransynode übernommen wurde, war der Ansatz des Denkens bei einem ontologischen Naturbegriff und seinen Proprietäten Wille und Wirken. Übernommen wurden weiterhin die daraus abgeleiteten Vorwürfe, die sogenannten Monenergeten und Monotheleten würden nur einen Willen, nämlich den göttlichen, und nur eine Wirkweise Jesu Christi, nämlich die göttliche, lehren. Übernommen wurde die bereits bei Maximos auf die Spitze getriebene syllogistische Methode für den „Nachweis“ der Häresie. Übernommen wurde schließlich die intransigente Unerbitterlichkeit der Lateransynode für eine namentliche Anathematisierung, die auf der 16. Sitzung der des VI. Konzils gegen die Bitte des Patriarchen von Konstantinopel und einiger seiner Bischöfe durchgesetzt wurde, 286 und der die größte Anzahl jemals auf einer ökumenischen Synode Anathematisierter zum Opfer fiel. Aber bereits beim römischen Primatsverständnis sind beide Synoden nicht mehr deckungsgleich. Maximos hatte die römische Kirche wegen ihrer in der Petrusverheißung begründeten Bekenntnistreue hochgeschätzt und die Päpste Theodorus I. und Martin I. dafür gewonnen, mit einer römischen Synode den von ihm herausgearbeiteten Dyotheletismus zu einem römischen Synodalbeschluss mit ökumenischem Anspruch zu erheben. Jetzt aber wurde von der römischen Kirche ein an die Person des successors Petri gebundener Lehrprimat für die gesamte Catholica mit Offenbarungsanspruch und Infallibilität zur Geltung gebracht und anerkannt. Es darf bezweifelt werden, dass Maximos dem zugestimmt hätte. Nicht übernommen wurden schließlich im Jahre 681 alle für die maximianische Christologie grundlegenden ausdifferenzierenden Erkenntnisse über Wollen und Wirken Jesu Christi. So argumentierte das VI. Konzil mit einem plakativen Begriff von θέλημα und ἐνέργεια und rezipiert nicht die Unterscheidung der Befähigung zum Wollen und Handeln vom konkreten Vollzug und dem Ergebnis des Gewollten und Bewirkten. Es findet sich keine Differenzierung von ἐνέργεια und θέλησις als δύναμις im Sinne eines natur- und wesenhaften Bestandsmerkmals und dem Wollen und Wirken im Vollzug und dem ἀποτέλεσμα. Es fehlen nicht nur bei Agatho, sondern auf der ganzen Synode Überlegungen, wie das (346) cum alterius communione Leos zu denken sei, was bei Maximos zu den Konzepten von συμφυΐα, τύπωσις, θέωσις und περιχώρησις als Schlüsselterminologien

286 Concilium Constantinopolitanum a. 680/1, Actio 16 (ACO ser. II 2,2 p. 700,22–702,4 Ried.).

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geführt hatte und in den Akten der Lateransynode in den Reden Papst Martins bis in die Anathematismen herangezogen wurde. Der Horos spricht zwar vom vergöttlichten menschlichen Willen Christi, zieht daraus aber keine Konsequenzen. Der Logos Prosphonetikos lässt sogar erkennen, dass zentrale Erkenntnisse des Maximos dem 681 beschlossenen Dogma der zwei in Gemeinschaft wollenden und wirkenden Naturen im Wege standen. So hat die Synode dort auch noch in einem soteriologischen Kontext auf das dem „vollkommenen“ menschlichen Wesen Jesu Christi zukommende Vermögen zur Selbstbestimmung abgehoben (ἡ τῆς αὐτεξουσιώτητος δύναμις),287 das auch Maximos lehrte, aber seinen grundsätzlichen Ausschluss jeder προαίρεσις288 im Sinne einer Notwendigkeit der Wahl und Entscheidung für den Menschen Jesus weggelassen. Das legt die Vermutung nahe, dass die römischen Legaten, die bei der Abfassung des Logos Prosphonetikos eine dominante Rolle gespielt haben müssen, versucht haben könnten, auch noch die Soteriologie Leos mit dem anhand von 1Tim 2,5 begründeten, aber ganz von römischen Rechtsdenken bestimmten Gedanken „der ‚Mitwirkung‘ des Menschen bei der Erlösung“289 durch den Gehorsam eines Menschen zur Selbsthingabe in den Tod zur Geltung zu bringen. Demgegenüber hing die Erlösung des Menschengeschlechtes für Maximos nicht am Gehorsam Jesu Christi im Sinne einer „vollmenschlichen“ Entscheidung, sondern ‒ mit Cyrill ‒ an der hypostatischen Einheit mit dem Gott Logos, die der Ermöglichungsgrund der keiner Schwankung unterworfenen Stetigkeit seines menschlichen Willens zum Heil der Menschen war. Schon angesichts dieser beträchtlichen Unterschiede ist es meines Erachtens völlig ausgeschlossen, von einer „Rehabilitierung“ des Maximos durch das VI. Konzil zu sprechen, wie von eigentlich kundiger Seite noch in jüngster Zeit behauptet wird.290 Nicht nur taucht der Name des Maximos kein einziges Mal in den Akten auf, sondern es wird auch keine einzige seiner Schriften zitiert oder auch nur erwähnt. Vor allem aber werden seine theologischen Erkenntnisse nur ansatzweise unter Auslassung wesentlicher Schlussfolgerungen aufgenommen, so dass man nicht nur ihm, sondern auch der Lateransynode gegenüber (347) von einem deutlichen Unterschied, ja einem Niveauverlust im Denken des VI. Konzils sprechen muss. Das VI.

287 Vgl. Anm. 88. 288 Vgl. Anm. 247. 289 Vgl.: Arens, Christologische Sprache (s. Anm. 274), 229–236.236; Uthemann, Tomus Leonis (s. Anm. 67), 29–31; Green, Soteriology (s. Anm. 276), 61–93. 290 So: Janssens und Van Deun, Maximos (s. Anm. 122), 2270 („Anlässlich des sechsten ökumenischen Konzils wurde Maximos rehabiliert“.) Eine offizielle Anerkennung des Maximos und insofern „Rehabilitierung“ ist erst im 10. Jahrhundert erfolgt. S. Ohme, Der lange Widerstand (s. Anm. 125).

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Ökumenische Konzil bleibt bei der Frage nach Wille und Wirken Jesu Christi bei den Anfangsbegriffen einer ontologischen Grundlegung stehen. Worin ist dieser Niveauverlust begründet? Soll man annehmen, dass ein bewusster Verzicht weitergehender Präzisierungen diese Folgen zeitigte? Kaiser Konstantin IV. hatte immerhin die römischen Legaten bei ihrer Antrittsvisite ermahnt, nicht in Sturheit oder mit Wut, sondern in friedfertiger Haltung und unter Auslassung von philosophicas adsertationes dem reinen und bewährten Glauben der heiligen Schriften und Väter mit Synodalbeschlüssen Genüge zu tun,

‒ dies berichtet jedenfalls der Liber Pontificalis.291 Die Texte legen diesen Schluss meines Erachtens allerdings nicht nahe. Der wesentliche Grund ist vielmehr im gezielten Rückgriff auf den Tomus Leonis mit seinen umstrittenen Formulierungen als hermeneutischer Schlüssel für die Deutung des Dogmas von Chalcedon zu suchen. Auch die Lateransynode hatte diese Formulierungen Leos herangezogen. Aber die ausführlichen Interpretationen Papst Martins hatten darauf abgehoben, neben den Naturen die Bedeutung der persona deutlich zu machen, indem das Subjekt aller Willensäußerungen und Handlungsvollzüge Jesus Christus selbst ist. Klar unterschieden wird dort die je und je vollzogene Aktuierung von dem im Wesensbestand gegebenen Vermögen. Und dieses Subjekt ist dort der Christus deus, so dass auch das freiwillig übernommene Leiden an die göttliche Vollmacht der Person gebunden wird. Der Vergleich mit den von Maximos direkt verantworteten Texten hat gezeigt, wie stark sein Denken hier zur Wirkung gekommen ist, für das die einheitsstiftende Bedeutung der Hypostase auch Folgen für den Vollzug der naturhaften Idiomata hat. Für Maximos hatte die Übereinstimmung von göttlichem und menschlichem Willen und Wirken Jesu Christi tiefere Grundlagen als die Übereinstimmung zweier Subjekte in der Intention ihrer Handlungen oder im Gehorsam des einen dem anderen gegenüber. Diese Aspekte der maximianischen Christologie und der Synodaltheologie von 649, die überdies auch das Potential zu einer Verständigung mit den sogenannten Monenergeten und Monotheleten enthalten hätten, kamen im Jahre 681 gar nicht zum Tragen, weil sie auf der Grundlage der Christologie Cyrills basierten, dessen 12 Anathematismen (348) die Lateransynode als „Symbolum“ des III. Ökumenischen Konzils zum Lehr- und Urteilskriterium erhoben hatte. Die Christologie der Lateransynode steht ganz in der cyrillisch-

291 Liber Pontificalis 81.4 (351,2–4 Duchesne): commonens eos atque adortans ut non per pisma (πεῖσμα) aut furore, sed pacifica dispositione, remittens philosophicas adsertationes, puram sanctarum Scripturarum Patrumque probatam fidem per synodalia decreta satisfacerent.

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neuchalkedonischen Tradition, während sich beim VI. Konzil nur ansatzweise deren Merkmale identifizieren lassen, wesentliche aber fehlen. Anstelle dessen war es den römischen Legaten gelungen, mit einem „ontologisierten“ Tomus Leonis auch eine integralistische römische Theologie einschließlich Lehrprimat usw. ökumenisch durchzusetzen. So ist abschließend die Frage zu stellen, wie es den Legaten gelingen konnte, diese Theologie durchzusetzen. Konstantin IV. hatte in seinem Einladungsschreiben an Papst Donus noch deutlich gemacht, dass die Patriarchen von Konstantinopel und Antiochien strikt gegen eine dyenergetisch-dyotheletische Christologie eingestellt waren und auch er selbst beide Seiten als orthodox betrachtete.292 Weiterhin hatte er Überparteilichkeit und Gleichstellung beider Seiten zugesichert sowie versprochen, „überhaupt keinen Zwang“ in Glaubenssachen ausüben zu wollen.293 Er hatte zwar vor der Synode noch einen Wechsel auf der Konstantinopler Kathedra veranlasst, aber auch der neue Patriarch Georgios I. war kein Dyothelet. Durch die Positionierung des Kaisers im Jahr 678 musste der römischen Seite klar gewesen sein, dass eine explizite Anerkennung der Lateransynode, wie sie Maximos bis zuletzt als Voraussetzung jeder Wiederherstellung der kirchlichen Einheit gefordert hatte,294 ausgeschlossen war. Mit der römischen Beurteilung der Lateransynode im Hintergrund, die Maximos als VI. Ökumenisches Konzil bezeichnet hatte,295 scheinen die römischen Legaten gleich bei ihrem ersten Zusammentreffen mit dem Kaiser darauf bestanden zu haben, dass für die römische Kirche Verhandlungen der anstehenden Fragen nur im Rahmen eines ökumenischen Konzils möglich seien, nicht aber im Rahmen des vorgeschlagenen bilateralen Glaubensgespräches.296 Dies 292 Constantinus IV. imp., Sacra ad Donum pp. (ACO ser. II 2,1 p 8,20 Ried.): τοὺς ἀμφοτέρους ὀρθοδόξους ἔχοντες. 293 Constantinus IV. imp., Sacra ad Donum pp. (ACO ser. II 2,1 p.6, 17–19 Ried.): οὐκ ἔστι παρ᾿ ἡμῖν ἑτερομέρησις ἡ οἱαδήποτε, ἀλλ᾿ ἰσότητα τοῖς ἀμφοτέροις φυλάξομεν μηδ᾿ ὅλως ὑπαναγκάζοντες ἐν οἱῳδήποτε κεφαλαίῳ. 294 S.: Ohme, Martyrium (s. Anm. 8), 325–327. 295 S.: Ohme, Lateransynode (s. Anm. 121), 128. 296 So erklären sich auch die von römischer Seite vorgebrachten, überraschenden Lobeshymnen ausgerechnet auf Kaiser Justinian I. und dessen Bekenntnistreue. Papst Agatho hatte ihn gewürdigt als einen, alle vorher von ihm genannten Kirchenväter „übertreffenden Eiferer für den wahren und apostolischen Glauben, der Kaiser Justinian frommen Angedenkens: dessen Striktheit des Glaubens hat in dem Maß, wie sie zugunsten des deutlichen Bekenntnisses Gott gefiel, das überaus christliche Staatswesen erhöht. Und bis jetzt wird sein gottesfürchtiges Gedenken von allen Völkern der Verehrung gewürdigt (et prae omnibus emulator uerae apostolicae fidei piae memoriae Iustinianus augustus, cuius fidei rectitudo quantum pro sincera confessione deo placuit, tantum christianam rem publicam exaltauit – et usque < nunc > ab omnibus gentibus eius relegiosa memoria digna censetur): Agatho pp., Epistula ad Const. IV imp. (ACO ser. II 2,1 p.

4 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

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ergibt sich aus der unmittelbar danach, (349) am 10. September 680 an Patriarch Georgios I. gerichteten kaiserlichen sacra, in der er diesen und den antiochenischen Patriarchen aufforderte, schnellstmöglich ihre Metropoliten und Bischöfe in der Hauptstadt zu versammeln.297 Bezeichnenderweise aber leisteten nur wenige davon dieser Aufforderung Folge. Denn auf den entscheidenden ersten acht Sitzungen des VI. Konzils zwischen dem 7. November 680 und dem 8. März 681 sind nur Vertreter von 42 Bistümern anwesend. Die immer noch geringe Anzahl von 165 Bischöfen wurde erst zum Schluss des Konzils erreicht, als alle Entscheidungen längst gefallen waren. Und selbst dann musste mit der 17. Sitzung noch eine Probeabstimmung eingeschoben werden, um sicherzugehen, dass die Bischöfe auch wie gewünscht abstimmen würden. Sie ist nur in der lateinischen Überlieferung erhalten. Welche Faktoren, Winkelzüge und Entscheidungen im Verlauf ca. eines Jahres zu diesem Ergebnis geführt haben, wird sich wohl nie definitiv klären lassen. Denn die publizierten Akten des Konzils verdecken mehr, als dass sie Einblick in die entscheidenden Vorgänge bieten. Die völlige Inkongruenz zwischen den Akten und dem Bericht des Liber Pontificalis hinsichtlich Ablauf, Anzahl der Sitzungen und deren Daten spricht Bände. Gerade die Akten der ersten acht Sitzungen sind auffällig ausgedünnt und informationsarm. Zieht man die Präsenzlisten und die dokumentierten beiden römischen Briefe ab, so bleiben nicht mehr als 28 zweisprachige Seiten in den ACO übrig. Die tatsächlichen Gründe für den Seitenwechsel von Patriarch Georgios in der achten Sitzung bleiben völlig im Dunkeln. Besonders (350) be-

101, 8–11 Ried.); Übersetzung.: Günter Prinzing, Das Bild Justinians (wie Anm. 77), 31. Die römische Synode der 125 Bischöfe stellte die Pläne Konstantins IV. ausdrücklich in die Tradition Konstantins I., Theodosios I., Markians und Justinians, „jenes zwar zum Schluss genannten, aber alle überragenden großen Justinian; wie dessen Tugend, so hat auch dessen Frömmigkeit alles in eine neue, bessere Ordnung gebracht“ (et sicut extremi quidem, praestantissimi tamen omnium magni eius Iustiniani, cuius uirtus ita et pietas omnia in meliorem ordinem restaurauit): Concilium Lateranense a. 680, Epistula ad Const. IV imp. (ACO ser. II 2,1 p.135,19–137,12. 137,7–9 Ried.); Übersetzung: Günter Prinzing, Das Bild Justinians“ (wie Anm. 77), 32. Es handelt sich nach Prinzing hier um den „m.W. frühesten (sogar begründeten) Beleg des Epithetons magnus für Justinian“. Konstantin IV. wird mit einer imperialen captatio benevolentiae nahegelegt, in die Nachfolge Justinians als Konzilskaiser zu treten, nicht aber nur wegen der „guten Verwendungsmöglichkeit der theologischen Schriften Justinians“ hier erwähnt, wie Prinzing, Das Bild Justinians I. (s. Anm. 77), 31 meint. Dazu passt dann auch die in Anm. 77 belegte Akklamation Konstantins IV. als „Neuer Justinian“. 297 Constantinus IV. imp., Sacra ad Georgium Patr. Const. (ACO ser. II 2,1 p.10,11–12,25 Ried.). Die Datierung findet sich im lateinischen Exemplar. Vgl. Dölger und Müller, Regesten (s. Anm. 10), Nr. 244.

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fremdlich ist die gezielte Unterdrückung unerwünschter, weil dem Dogma widersprechender Traditionszeugnisse, wie es der Logos des Konstantinopler Patriarchen Menas an Papst Vigilius vom Jahr 552 und der Brief von Papst Vigilius an Kaiser Justinian waren.298 Dies geschah unter aktiver Beteiligung des Kaisers, wie der Liber Pontificalis berichtet.299 Genauso wurde die Verlesung der umfangreichen Schriften des Patriarchen Makarios (2 Codices und ein Tetradion) abgebrochen und diese wie auch seine Florilegiensammlungen (3 Codices) nicht in die Akten aufgenommen.300 Marek Jankowiak hat von einem „concile surveillé“ und „des actes épurés“ gesprochen.301 Tatsächlich ist das VI. Konzil eine strikt gelenkte und kaiserlich beaufsichtigte Synode gewesen. Auffällig ist nicht nur die große Anzahl anwesender hoher kaiserlicher Beamter,302 sondern die persönliche Anwesenheit des Kaisers auf den ersten 11 Sitzungen und der Abschlusssitzung. Konstantin IV. hat auch mehrfach mit Befragungen interveniert und den Ablauf der Sitzungen vollständig gelenkt. Das ist ‒ abgesehen vielleicht vom Konzil in Nicaea (325) ‒ singulär. Dieser Kaiser hatte offensichtlich die entschiedene Absicht, die während der Regierung seines Großvaters Herakleios (610‒641)303 entstandenen und der seines Vaters Konstans II. (641–668) eklatant gewordenen Lehrdifferenzen zwischen den Kirchen von Rom und Konstantinopel und die damit verbundenen Zerwürfnisse zu überwinden. Auch wenn das durch die Lateransynode im Jahr 649 römischerseits vollzogene Schisma nach der Verurteilung von Papst Martin (653) und Maximos (655) nicht durchgehalten wurde und Papst Vitalian (657– 672) von Konstans II. und Patriarch Petros von Konstantinopel (654–666) anerkannt worden war, bestand doch keine Lehreinheit in der Kontroversfrage des Jahrhunderts. Die kirchliche Einheit auf der Grundlage von Lehreinheit war jedoch ein wesentlicher Bestandteil der römisch/byzantinischen Reichsideologie.304 Zu ihr gehörte als eine der vornehmsten Aufgaben des Kaisers, diese kirchliche Einheit zu bewahren und gegebenenfalls auch wieder herzustellen.

298 Vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 8), Nr. 1. 299 Vgl. Liber Pontificalis 81.7 (353, 4 f. Duchesne). 300 Vgl. Winkelmann, Streit (s. Anm. 8), Nr. 127, 127a, 127b, 128, 129, 130, 130a. 301 Jankowiak, Essai d’histoire (s. Anm. 1), 439. 302 Zusammen mit dem Kaiser sind es in den entscheidenden Actiones 1–11 und 18 insgesamt 13 Patrikioi, Konsuln und Militärs. Vgl.: Concilium Constantinopolitanum a. 680/1, Actio 1 (ACO ser. II 2,1 p.14,19–34 Ried.). Die Actiones 12–16 werden von zwei Patrikioi und zwei Konsuln geleitet. Vgl.: Concilium Constantinopolitanum a. 680/1, Actio 12 (ACO ser. II 2,1 p.514,16–21 Ried.). 303 Walter E. Kaegi, Heraclius. Emperor of Byzantium, Cambridge (2003) ND 2004. 304 Vgl. z. B.: John Meyendorff, Imperial Unity and Christian Divisions: The Church 450–680AD, Crestwood New York 1989.

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In Verbindung mit einer triumphalistischen Reichs- und Geschichtstheologie war diese Gemengelage im (351) 7. Jahrhundert einem steten Auf und Ab unterworfen. Nach dem endgültigen Sieg über die Perser im Jahr 628 durch Kaiser Herakleios hatte die Kaiserideologie neue Höhenflüge erlebt305 und den Kaiser in der umstrittenen Lehrfrage bereits in eine Schiedsrichterrolle versetzt.306 Die ab 636 einsetzenden Niederlagen gegen die Araber führten schnell zu einem dramatischen Umschwung, so dass ab den 40er Jahren eine apokalyptische Stimmung aufkam und Maximos die kaiserliche Religionspolitik für den von ihm nun erwarteten Untergang des Reiches und das bevorstehende Endgericht verantwortlich gemacht hatte.307 Jetzt aber war mit der Abwehr der ab 674 andauernden arabischen Belagerung Konstantinopels und der Vernichtung der arabischen Flotte ein entscheidender Sieg gelungen, der im Jahr 677/8 zu einem Friedensvertrag für 30 Jahre mit dem Kalifen Mu’āwiya geführt hatte.308 Ein Friedensschluss mit den Awaren folgte unmittelbar,309 und auch in Italien gelang es, zwischen 678/680 mit den Langobarden einen Frieden zu vereinbaren.310 In der Logik der herrschenden Geschichtstheologie war dies alles eine göttliche Bestätigung der römischen Herrschaft im allgemeinen und des Kaisertums Konstantins IV. im besonderen. Agatho hatte ihn deshalb auch als νικητὴς καὶ τροπαιοῦχος tituliert.311 In diesem Bewusstsein hat Konstantin IV. seine kirchliche Initiative ergriffen. Die Wiederherstellung voller kirchlicher Einheit mit Rom musste umso dringlicher erscheinen, als mit dem Verlust Syropalästinas, Ägyptens und des römischen Africa die Kirche von Rom der einzige kirchliche Partner innerhalb der Reichsgrenzen geblieben war. Die römischen Legaten konnten angesichts dieser Ausgangssituation anscheinend ihre Bedingungen stellen und die Methoden und strategischen Schritte zur Erreichung des kaiserlichen Zieles diktieren. Zu diesen Bedingungen gehörte die prinzipielle Ablehnung einer inhaltlichen Verständigung mit den Gegnern weiterer dualistischer christologischer Definitionen. Entgegen dem anfänglichen kaiserlichen Wunsch bestand diese Synodalstrategie von der ersten Sitzung an darin, die östlichen Theologen der Häresie zu überführen und eine namentliche Anathe-

305 Vgl. z. B.: Mary Whitby, The Propaganda of Power (MnS 183), Leiden 1998. 306 Vgl.: Ohme, Konstantinopler Synoden (s. Anm. 123), 12–19. 307 Vgl.: Ohme, Geschichtstheologie (s. Anm. 8). 308 Dölger/Müller, Regesten (s. Anm. 10), Nr. 239; Andreas Kaplony, Konstantinopel und Damaskus. Gesandtschaften und Verträge zwischen Kaisern und Kalifen 639–750 (IKU 208), Berlin 1996, 77–97. 309 Dölger und Müller, Regesten (s. Anm. 10), Nr. 241. 310 Dölger und Müller, Regesten (s. Anm. 10), Nr. 240. 311 Agatho pp., Epistula ad Const. IV imp. (ACO ser. II 2,1 p. 52,15 f. Ried.).

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matisierung durchzusetzen. Es war Konstantin IV. so (352) unmöglich geworden, seine ursprünglich angekündigte Neutralität aufrechtzuerhalten. Die in seinem Einladungsschreiben formulierten Zusagen wurden deshalb nur noch den römischen Legaten gegenüber eingehalten. Er hat es zugelassen, dass „seine“ Kirche von Konstantinopel theologisch einer tiefen Demütigung ausgesetzt wurde, die à la longue zu einer tiefen Verbitterung gegenüber Rom führen musste. Der Kaiser scheint der Überzeugung gewesen zu sein, dass sich anders sein Ziel nicht erreichen lasse und der deshalb zu erwartende Widerstand der östlichen Bischöfe seine Präsenz erforderlich mache. So erreichte die vorrangige Interpretation des Dogmas von Chalcedon durch den Tomus Leonis und zugespitzt durch dessen gerade in Chalcedon so umstrittenen Spitzensatz auf dem VI. Ökumenischen Konzil ihren Höhepunkt und wurde unter dem Vorzeichen römischen Primats- und Infallibilitätsanspruchs und durch kaiserliche Überwältigung der östlichen Theologen im Zusammenhang der Dogmatisierung von Dyenergismus und Dyotheletismus mit der Autorität einer ökumenischen Synode fixiert. Das nach Abschluss der Synode am 16. September 681 promulgierte und dann in die Akten aufgenommene kaiserliche Edikt312 macht deutlich, dass Konstantin IV. und den Theologen, die an der Abfassung beteiligt waren ‒ ganz offensichtlich waren dies nicht die römischen Legaten! ‒ bewusst war, dass diese schmachvolle und überraschende Entscheidung der Synode nach einer öffentlichen Erklärung und Deutung verlangte. Denn das Edikt beschränkt sich nicht darauf, den Beschluss der Synode mitzuteilen, seine Notwendigkeit zu begründen, ihn zu bestätigen und mit Rechtskraft auszustatten, sondern bietet eine umfangreiche dogmatische Interpretation, die den Horos an Umfang und Tiefgang weit übertrifft.313 Dabei fällt sofort auf, dass der Bedeutung der römischen Kirche und Papst Agathos kein Raum gegeben wird. Es fehlen alle Hinweise auf einen römischen Lehrprimat, und das implizit angesprochene Felsenwort von Mt 16,18 wird demonstrativ auf die Bedeutung des Bekenntnisses der Kirche bezogen.314 Die ausführlichen christologischen Erklärungen,315 die hier nicht im Detail vorgeführt werden sollen, betonen konsequent den GottLogos als Subjekt der Menschwerdung und Einung beider Naturen zu dem einen „Emmanuel“, der auch das Subjekt der Bewahrung ihrer Proprietäten bleibt:

312 Constantinus IV. imp., Edictum a.681 (ACO ser. II 2,2 p.832,1–857,5 Ried.); Dölger und Müller, Regesten (s. Anm. 10), Nr. 245; Winkelmann, Streit (s. Anm. 8), Nr. 165. 313 Die dogmatischen Ausführungen im engeren Sinne umfassen mehr als sechs Seiten in den ACO: Constantinus IV. imp., Edictum a.681 (ACO ser. II 2,2 p.836,18–850,4 Ried.). 314 Constantinus IV. imp., Edictum a.681 (ACO ser. II 2,2 p.832,13–16 Ried.). 315 Constantinus IV. imp., Edictum a.681 (ACO ser. II 2,2 p.838,10–848,18 Ried.).

4 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

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Denn zwei zu einer unzerbrechlichen Einheit zusammenkommende Naturen vollendeten den einen Emmanuel, wobei er (!) die Eigentümlichkeiten der Naturen ohne jeden Mangel bewahrte, aus denen er (!) sie zusammenfügte.316

Dies wird auch bei der Willensthematik durchgehalten, indem die Vorstellung eines „eigenständigen“ Willens der menschlichen Natur ausgeschlossen wird: Wir glauben nicht nur, dass die hochheilige Seele des Heilandes über Denkvermögen verfügt und willensbegabt ist (νοεράν τε καὶ θελητικήν), sondern dass sie auch durch alle naturhaften Kräfte wahrhaft bewegt wird und nach allen uns gleichen sündlosen Affekten willentlich (θελητικῶς) strebt, wenn der Logos ihr gestattet, das Eigene zu begehren und zu wollen.317

Entscheidend ist hier der über den Horos hinausgehende Konditionalsatz am Schluss. Die damit betonte Bedeutung der Hypostase des Gott-Logos bewegt sich ganz in den Bahnen cyrillischen Denkens. Als sündlose Affekte werden sodann Hunger, Trauer, Erschrecken und Zagen benannt und damit eine Deutung des Gethsemane-Gebetes (Mt 26,39) verbunden. Und auch hier bleibt die Person das wollende Subjekt: „Als Mensch nämlich versuchte er (!) den Tod abzuwenden“, und „als Gott aber trachtete er (!) entschlossen nach dem Leiden.“ „Einer nämlich und derselbe spricht in jeder der beiden Naturen, manchmal erhebt er seine Stimme wie es dem Menschen geziemt, manchmal wie es Gott geziemt.“318 In diesem Sinne wird ausgehend von der in Chalcedon aufgenommenen Formel Leos auch dessen umstrittener Satz eingebunden und gleichsam einer „authentischen Interpretation“ unterzogen: Wir aber […] bekennen zwei Naturen Christi und deren an Zahl gleiche naturhafte Wirkweisen, die unteilbar zu einer Hypostase zusammenlaufen, die (scil. die Hypostase!) die Eigentümlichkeiten einer jeden (scil. Natur) zu einer Gesamtheit zusammenführt, nicht so, als ob neben den Naturen die Person noch eines anderen teilhaftig wird, sondern indem in der Hypostase des Logos die gesamte menschliche Natur gestaltet wird und das Ihre ohne jeden (354) Mangel zusammen mit dem Logos bewirkt, mit dem sie hyposta-

316 Constantinus IV. imp., Edictum a.681 (ACO ser. II 2,2 p.838,22–840,2 Ried.): δύο γὰρ φύσεις συνελθοῦσαι πρὸς ἀδιάσπαστον ἕνωσιν ἕνα μὲν τὸν Ἐμμανουὴλ ἀπετέλεσαν σῳζοντα δὲ τὰς ἐξ ὧν συνέστηκε ἀνελλιπῶς ἰδιότητας. 317 Constantinus IV. imp., Edictum a.681 (ACO ser. II 2,2 p.842,9–12 Ried.): οὐ μόνον νοεράν τε καὶ θελητικὴν τὴν παναγίαν τοῦ σωτῆρος ψυχὴν οὖσαν πιστεύομεν, ἀλλὰ καὶ πάσαις αὐτὴν ταῖς φυσικαῖς ἀληθῶς κινουμένην δυνάμεσι καὶ τῶν ὁμοίων ἡμῖν καὶ ἀναμαρτήτων θελητικῶς ἀντιποιουμένην παθῶν, ὅταν ὁ λόγος αὐτῇ παρεχωρῇ ζητεῖν καὶ θέλειν τὰ ἴδια. 318 Constantinus IV. imp., Edictum a.681 (ACO ser. II 2,2 p.842,19–20.21; 844, 2 f. Ried.): ὡς μὲν ἄνθρωπος παρῃτεῖτο τὸν θάνατον· […] ὡς δὲ θεὸς ὁ αὐτὸς προθύμως ἐπὶ τὸ πάθος ἠπείγετο. […] εἷς μὲν γὰρ καὶ ὁ αὐτὸς ἐν ἑκατέρᾳ φύσει λαλῶν ποτὲ μὲν ἀνθρωποπρεπῶς, ποτὲ δὲ θεοπρεπῶς ἀφιησι τὴν φωνὴν.

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tisch vereinigt wurde ‒ die Sünde ausgenommen ‒, gleichwie auch der Logos das Seine vollkommen zusammen mit eben der menschlichen Natur bewirkt, die er aufnahm. So wird von uns, wenn wir fromm glauben, das vom seligen Leo (Gesagte) bewahrt werden: (es folgt das Leo-Zitat).319

Dieses Edikt ist in zwei Versionen überliefert: eine griechische, gerichtet an die Einwohner der Hauptstadt und eine lateinische, adressiert an die Bewohner des Abendlandes.320 Weitere Fassungen, insbesondere an östliche Städte, müssen existiert haben. Die so angestrebte Öffentlichkeit war ohne Zweifel größer als die Verbreitung der Akten des Konzils. Auf die Dauer aber hatte das Edikt für die Interpretation der dogmatischen Aussage des VI. Ökumenischen Konzils keine Bedeutung. Die problematischen Formulierungen des Horos, die dem Dogma von Chalcedon nicht gerecht werden, waren so nicht aus der Welt.

319 Constantinus IV. imp., Edictum a.681 (ACO ser. II 2,2 p.846,13–23 Ried): ἡμεῖς δε […] δύο Χριστοῦ τὰς φύσεις καὶ τὰς τούτων ἰσαρίθμους φυσικὰς ἐνεργείας ὁμολογοῦμεν εἰς μίαν ἀμερίστως συντρεχούσας ὑπόστασιν καὶ τὰ ἑκάτερα ἐν τῷ κοινῷ συνεισάγουσαν ἰδιώματα, οὐχ ὡς ἑτέρου παρὰ τὰς φύσεις τοῦ προσώπου τυγχάνοντος, ἀλλ᾿ ἐν τῇ τοῦ λόγου ὑποστάσει τῆς ἀνθρωπίνης ὅλης διαπλασθείσης φύσεως καὶ τὰ ἑαυτῆς ἀνελλιπῶς ἐνεργούσης, μεθ᾿ οὗ ἥνωται καθ᾿ ὑποστάσιν λόγου δίχα μόνης ἁμαρτίας, ὥσπερ καὶ τοῦ λόγου τελείως ἐνεργοῦντος τὰ ἴδια, μεθ᾿ ἧς ἀνθρωπίνης ἀνέλαβε φύσεως. οὕτω τε ἄν ἡμῖν εὐσεβῶς πιστεύουσι φυλαχθήσεται τὸ κατὰ τὸν μακάριον Λέοντα […]. 320 Dölger und Müller, Regesten (s. Anm. 10), Nr. 246.

15 Theodor von Pharan revisited: Häretiker und Häresiarch der μία ἐνέργεια Jesu Christi? Abstract: The analysis offered here of the extant passages from the writings of Bishop Theodore of Pharan, who in both 649 and 681 was anathematized as a monophysite and heresiarch because of his acknowledgement of a single operation (μία ἐνέργεια) in Christ, does not confirm this accusation. What instead it reveals is that as a Chalcedonian theologian Theodore adopted through attention to Christ’s work as Saviour a complementary perspective to that of an ontological analysis of the distinction between the two natures, human and divine. This enabled him to recognize the whole of Jesus’s activity as a single work of God’s, in a double perspective that he shares with his near contemporary Anastasios of Antioch and even with Maximos Homologetes before 645. This raises the question of why the potentiality of this idea was not made use of in the monenergist-monothelete controversy to enable the supporters of Chalcedon to achieve a common understanding. The concluding section presents the reasons that led to Theodore’s condemnation.

Christologisches Denken im Ausgang von den dogmatischen Entscheidungen der Synode von Chalcedon (451) hat in der aktuellen protestantischen Theologie kaum Konjunktur. Die Gründe sind vielfältig und hier nicht aufzulisten. Die Folgen aber sind offensichtlich: eine zunehmende Entleerung der Predigten vom Christuszeugnis der Kirche. Dabei ist das in Chalcedon formulierte Bekenntnis nicht auf prüfungsrelevante Kurzformeln der Zwei-Naturen-Lehre zu reduzieren. Es erschließt sich eigentlich erst von der am Ende der Definitio stehenden Aussage, dass „der Unterschied der Naturen wegen der Einung niemals aufgehoben wird, vielmehr wird die Eigentümlichkeit jeder der Naturen bewahrt, auch im Zusammenkommen zu einer Person und einer Hypostase“. Die Frage, was das bedeutet, war Ausgangspunkt einer enormen theologischen Produktivität vom 5. bis zum 7. Jahrhundert im griechischen Osten. Es ging darum, den „in zwei Naturen“ bekannten Christus dem neutestamentlichen Zeugnis entsprechend als einzelnes unverwechselbares Subjekt seines Lebens zu beschreiben und dabei das Verhältnis von Göttlichem und Menschlichem im Wirken und Wollen der Person Jesu zu beachten. Die ontologischen Begriffe der Definition von Chalcedon, die das Geheimnis seiner Person sichern sollten, wurden am Christuszeugnis der Evangelien auf ihre Tragfähigkeit hin überprüft. Dabei sprachen

Anmerkung: Zuerst publiziert in: ZThK 117 (2020), 409–471. https://doi.org/10.1515/9783110714531-015

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mehrere Theologen auch von einem Wirken (μία ἐνέργεια) der einen Hypostase und Person Jesu Christi. Zu ihnen gehörte Theodor, der Bischof des Sinaibistums Pharan. Im 7. Jahrhundert entstand darüber eine sich zuspitzende Kontroverse, ob eine solche Aussage ‒ und zusätzlich auch die eines Willens Christi ‒ mit dem Bekenntnis zu den zwei Naturen übereinstimme. Unter der erklärungsbedürftigen und problematischen Bezeichnung „monenergetisch-monotheletischer Streit“ ist sie in die Geschichte eingegangen. Der zentrale Akteur in dieser Kontroverse war der Jahrhunderttheologe Maximus Confessor (ca. 580–662), der diese Aussagen als Monophysitismus verwarf und ihre Verurteilung betrieb. Die Folge waren die Anathematismen der Lateransynode von 649 und des VI. Ökumenischen Konzils (680/1). An deren Spitze stand Theodor von Pharan. (410) Diese Endphase einer zweihundertjährigen Entwicklung christologischen Denkens fand nur bei sehr wenigen evangelischen Theologen in den vergangenen Jahrzehnten Beachtung. Werner Elert mit seiner Studie über Theodor von Pharan nimmt hier fast eine Sonderstellung ein.1 Das Gegenteil ist der Fall in den römisch-katholischen und orthodoxen Theologien, denen die theologische Erforschung und vor allem auch die Bewertung dieser Kontroverse bis vor kurzem überlassen wurde. Die Erforschung ihrer historischen Hintergründe erfolgte weitgehend durch Byzantinisten, die allerdings meist theologisch nicht urteilsfähig sind. Die Literatur über Maximos Homologetes z. B., die seit dessen „Wiederentdeckung“ durch Hans Urs von Balthasar (†1988) und die französische Nouvelle Théologie entstand, ist kaum noch überschaubar.2 Hinzu kommt die fortgeschrittene kritische Edition seiner Werke im Corpus Christianorum und die kritischen Editionen der Akten der genannten Synoden in den Acta Conciliorum Oecumenicorum. In der orthodoxen Theologie ist es geradezu zu einem Maximos-Hype gekommen, gilt er doch wegen seiner umfassenden Durchdringung aller Bereiche der Theologie und seiner asketisch-monastischen Lebenspraxis sowie durch sein vermeintliches Martyrium beglaubigt als idealer Repräsentant orthodoxer Theologie.3 Allerdings

1 Werner Elert, Der Ausgang der altkirchlichen Christologie. Eine Untersuchung zu Theodor von Pharan und seiner Zeit als Einführung in die Alte Dogmengeschichte, Berlin 1957. Hervorzuheben ist außerdem der evangelische Theologe und Byzantinist Friedhelm Winkelmann, der als Byzantinist ein grundlegendes Regestenwerk zu der damit verbundenen Kontroverse vorgelegt hat: Ders., Der monenergetisch-monotheletische Streit (BBySt 6), Frankfurt a.M. 2001. 2 Zwei umfangreiche Aufsätze dokumentieren die bis 2009 erschienene Literatur zu Maximus Confessor: Peter van Deun, Maxime le Confesseur. État de la question et bibliographie exhaustive, in: SacEr 38 (1998/1999), 485–573; Ders., Développements récents des recherches sur Maxime le Confesseur (1998–2009), in: SacEr 48 (2009), 97–167. 3 Hervorzuheben sind: Vasilios Karayannis, Maxime le Confesseur. Essence et Énergies de Dieu (ThH 93), Paris 1993; Jean-Claude Larchet, La divinisation de l’homme selon Saint Maxime le Confesseur, Paris 1996; Ders., Maxime le Confesseur, médiateur entre l’Orient et l’Occident (CFi

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geht die enthusiastische Identifizierung hier meist zu Lasten der kritischen historischen Analyse. In der grundlegenden und zutiefst beunruhigenden Frage, warum es in dieser theologischen Kontroverse im 7. Jahrhundert unter den Anhängern des Chalcedonense nicht zu einer Verständigung gekommen ist und stattdessen in präzedenzloser Weise schließlich nicht weniger als zehn theologische Gegner ‒ darunter ein römischer Papst, vier (411) konstantinopler, ein alexandrinischer und ein antiochenischer Patriarch ‒ zu Häretikern erklärt wurden, werden die Urteile des Maximus weitgehend wiederholt. Ich frage: Musste es dazu kommen? Gab es wirklich kein geistliches und theologisches Potential zu einer Verständigung? Oder waren es andere Faktoren, die sich dominant in den Vordergrund schoben und der Kirche ein weiteres Schisma bescherten, obwohl paradoxerweise das Bemühen um die Überwindung eines bestehenden Schismas mit den Gegnern Chalcedons den Ausgangspunkt des Streites bildete?4 Das christologische Denken der 681 Anathematisierten ist nur mühsam zu rekonstruieren, denn das VI. Konzil hat die Schriften aller Verurteilten dem Feuer übergeben. Im Fall des Theodor von Pharan ist immerhin so viel erhalten, dass den genannten Fragen im Folgenden nachgegangen werden kann. Es handelt sich gleichzeitig um eine Einführung in das christologische Denken jener Zeit. Als Häretiker und Häresiarch begegnet der Bischof Theodor von Pharan (ca. 570/80‒vor 638) erstmals auf der Lateransynode des Jahres 649.5 Diese unter dem Vorsitz von Papst Martin I. (649‒653)6 tagende Synode verstand sich

208), Paris 1998; Ders., Saint Maxime le Confesseur (580–662) (Initiations aux Pères de l’Église), Paris 2003; Andrew Louth, Maximus the Confessor, London/New York 1996; Demetrios Bathrellos, The Byzantine Christ: Person, Nature, and Will in the Christology of St. Maximus the Confessor (OECS), Oxford 2004; Cyril Hovorun, Will, Action and Freedom. Christological Controversies in the Seventh Century (The Medieval Mediterranean 77), Leiden/Boston, 2008; Die wichtigste Literatur zum sog. monenergetisch-monotheletischen Streit wird in den folgenden einleitenden Ausführungen benannt. 4 Mit den Entscheidungen des VI. Konzils waren diese Bemühungen definitiv beendet und wurden erst im 20. Jahrhundert wieder aufgenommen. Dazu vgl.: Dorothea Wendebourg, Chalkedon in der ökumenischen Diskussion (1995), in: Dies., Die eine Christenheit auf Erden. Aufsätze zur Kirchen- und Ökumenegeschichte, Tübingen 2000, 116–146. 5 Rudolf Riedinger (Hg.), Concilium Lateranense a. 649 celebratum (ACO ser. II 2,1–2), Berlin 1984; Richard Price, Phil Booth, Catherine Cubitt, The Acts of the Lateran Synod of 649, transl. by Richard Price (Translated Texts for Historians 61), Liverpool 2014. 6 Prosopographie der mittelbyzantinischen Zeit. Erste Abteilung 641‒867 (nach Vorarbeiten Friedhelm Winkelmanns erstellt von Ralph-Johannes Lilie, Claudia Ludwig, Thomas Pratsch, Ilse Rochow Bd. 1‒6; Berlin 1999‒2002), Nr. 4851.

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als bischöflicher Gerichtshof und führte einen sog. Akkusationsprozess7 durch. Er richtete sich gegen jene Bischöfe und Theologen, die in den zurückliegenden ca. 30 Jahren in einer sogfältig geplanten konzertierten Aktion den letztmaligen Versuch unternommen hatten, mit den Gegnern der Zwei-Naturen-Lehre des IV. Ökumenischen Konzils von Chalcedon (451) in den Kirchen Syriens, Armeniens und Ägyptens zu einer Erneuerung der kirchlichen Gemeinschaft zu kommen. Den politischen Bedingungen des spätrömisch-byzantinischen Reiches entsprechend war dieses Vorhaben gemeinsam mit dem Kaiser Herakleios (610‒641)8 geplant und ab ca. 616/7 sukzessive9 durchgeführt worden. Es bestand (412) die Erwartung, auf der Grundlage der den Anhängern von Chalcedon wie den Antichalcedonensern gemeinsamen Aussage des einen, einheitlichen Heilswirkens der einen Person Jesu Christi die Kontroverse über die Bedeutung des Naturbegriffes und die Anzahl der Naturen Christi überwinden zu können, die seit der 2. Hälfte des 5. Jahrhunderts die Theologie auf beiden Seiten beherrscht hatte. Tatsächlich war es dann u. a. gelungen, am 3. Juni 633 mit der ägyptischen Majoritätskirche der dortigen Severianer („Theodosianer“) eine Union zu schließen. Sie erfolgte auf der Grundlage der Zwei-Naturen-Lehre und der Aussage, dass „ein und derselbe Christus und Sohn das Gottgemäße und das Menschliche ‚durch ein gottmenschliches Wirken‘ (μιᾷ θεανδρικῇ ἐνεργείᾳ) im Sinne des Heiligen Dionysius (scil. Areopagita) bewirkt hat“.10 Daraus entstand ein sich ab 636/7 zuspitzender theologischer Konflikt, als ein kaiserliches Gesetz, die sog. Ekthesis, jeden weiteren Streit über numerische Aussagen zum Verhältnis von göttlichem und menschlichem Wirken Jesu verbot und den Konsens in der vermeintlich unstrittigen Überzeugung von seinem einen einheitlichen Willen und Wollen suchte.11

7 Zu diesem Charakter der Synode und ihrem kirchenrechtlich und reichsrechtlich illegalen Vorgehen vgl.: Heinz Ohme, Was war die Lateransynode von 649? Was sollte sie sein?, in: AHC 48 (2016/7), 109‒157. 8 Walter E. Kaegi, Heraclius. Emperor of Byzantium, Cambridge (2003) ND 2004. 9 Vgl.: Christian Lange, Mia Energeia. Untersuchungen zur Einigungspolitik des Kaisers Heraclius und des Patriarchen Sergius von Constantinopel (STAC 66), Tübingen 2012, 531‒616; Heinz Ohme, Die Kirche von Zypern im monenergetisch-monotheletischen Streit, in: ByzZ 113 (2020), 933–980. 10 Concilium Constantinopolitanum a. 680/81 (ACO ser. II 2,2, p.598,20 f. Riedinger): […] καὶ τὸν αὐτὸν ἕνα Χριστὸν καὶ υἱὸν ἐνεργοῦντα τὰ θεοπρεπῆ καὶ ἀνθρώπινα, μιᾷ θεανδρικῇ ἐνεργείᾳʽ κατὰ τὸν ἐν ἁγίοις Διονύσιον. Die Unionsurkunde mit ihren neun Kephalaia findet sich in den Akten des VI. Ökumenischen Konzils: Concilium Constantinopolitanum a. 680/81 (ACO ser. II 2,2, p.594,17‒600,20 Ried.); Winkelmann, Streit (s. Anm. 1), Nr. 27. 11 Zur Ekthesis, dem Kontext ihrer Entstehung nebst einer Übersetzung s. jetzt: Heinz Ohme, Die Konstantinopler Synoden von 638/9 (?) und die Ekthesis des Kaisers Herakleios (610–641), in: ZKG 129 (2018), 289‒315.

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Die theologische Opposition gegen diese Aussagen wurde von einer Gruppe von Theologen aus dem Asketentum getragen, die vom Geist rigoroser sakramentaler und dogmatischer Abgrenzung und Verurteilung der „Monophysiten“ bestimmt waren und jede Verständigung mit ihnen ablehnten.12 Ihre Wortführer waren der Sophist und ab 634 Patriarch von Jerusalem Sophronios (ca. 550‒638[639])13 und dessen Schüler Maximos (413) Homologetes (ca. 579‒662),14 der mit den Päpsten Theodorus I. (642‒649)15 und Martin I. (649‒653) den Plan eines päpstlich geleiteten synodalen Gerichtsverfahren entwickelt und durchgeführt hatte. Die Lateransynode, die vier östliche Patriarchen und Theodor von Pharan sowie zwei kaiserliche Gesetze anathematisierte, stellte den vorläufigen Höhepunkt dieses Konfliktes dar und hatte die Aufhebung der Kirchengemeinschaft mit der Kirche von Konstantinopel zur Folge. Es war Bischof Stephanos von Dora,16 der Protothronos des vakanten Patriarchates von Jerusalem, der als Ankläger auf der 2. Sitzung dieser Synode am 8. Oktober 649 erstmals den Vorwurf der Häresie gegen Theodor von Pharan erhob. Dieser sei zusammen mit den Patriarchen Kyros von Alexandrien (631‒642)17 und Sergios I. (610‒638),18 Pyrrhos (638‒641.654)19 und Paulos von Konstantinopel (641‒653)20 ein „Widersacher des Wortes des Glaubens“,21 der „zuerst (ἐν πρώτοις)

12 Vgl.: Phil Booth, Crisis of Empire: Doctrine and Dissent at the End of Late Antiquity, Berkeley u. a. 2013, 46‒49.54‒79.138 f.; Christian Boudignon, Le pouvoir de lʼanathème ou Maxime le Confesseur et les moines palestiniens du VIIe siècle, (in: Alberto Camplani u. Giovanni Filoramo, Foundations of Power and Conflict of Authority in Late Antique Monasticism [OLA 157], Leuven 2007, 245‒274; Heinz Ohme, Mehrheit und Minderheit in den Anfängen des monenergetisch-monotheletischen Streites, in: AHC 49 (2018/2019), 97–126. 13 Christoph von Schönborn, Sophrone de Jérusalem. Vie monastique et confession dogmatique (ThH 20), Paris 1972; Pauline Allen, Sophronius of Jerusalem and Seventh-Century Heresy. The Synodical Letter and Other Documents (OECT), Oxford 2009, 15‒23; Booth, Crisis of empire (s. Anm. 12), 44‒139. 14 PMBZ, Nr. 4921; Pauline Allen/Bronwen Neil (Hg.), The Oxford Handbook of Maximus the Confessor, Oxford 2015. 15 PMBZ, Nr. 7769. 16 PMBZ, Nr. 6906. 17 PMBZ, Nr. 4213; Phil Booth, „The Last Years of Cyrus, Patriarch of Alexandria († 642), in: TMCB 20 (2016), 509‒558. 18 Jan Louis van Dieten, Geschichte der Patriarchen von Sergios I. bis Johannes VI. (610‒715), Amsterdam 1972, 1‒56; Winkelmann, Streit (s. Anm. 1), 258‒260. 19 PMBZ, Nr. 6386; van Dieten, Geschichte der Patriarchen (s. Anm. 18), 57‒75; Christian Boudignon, Maxime le Confesseur était-il Constantinopolitain? (in: Jacques Noret u. a., Philomathestatos. Studies in Greek and Byzantine Texts Presented to J. Noret for his 65th Birthday [OLA 137], Leuven 2004, 11‒43), 29‒31. 20 PMBZ, Nr. 5763. 21 Vgl.: 1Tim 4,6.

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die Lehren der Häretiker Apolinarius und Severus erneuert“ habe und „einen Willen und ein Wirken der Gottheit und der Menschheit Christi gelehrt“ habe.22 Die Synode möge „diese eingedrungene Finsternis der Häresie der verrufenen Apolinarius und Severus von Grund auf vernichten.“23 Auf der 5. Sitzung kam die Synode dieser Aufforderung im 18. Anathema nach; Theodor steht an erster Stelle.24 Das VI. Ökumenische Konzil (680/81) hat dann in seiner 18. und letzten Sitzung am 16. September 681 in seinem Horos dieses Urteil – inzwischen ausgeweitet auf zehn Personen – erneuert, auch hier mit (414) Theodor an erster Stelle.25 Die Verurteilung im Jahr 649 genauso wie 681 erfolgte auf der Grundlage eines Dossiers26 von elf Auszügen aus zwei Schriften Theodors, das von Maximos Homologetes und seinen Anhängern in Vorbereitung der Lateransynode zusammengestellt worden war.27 Hinter der häresiologischen Nomenklatur „Häresie des Apolinarius und Severus“ steht hier der Vorwurf, durch die Lehre des einen Wirkens, Willens und Wollens Christi (μία ἐνέργεια; ἕν θέλημα) werde der naturhafte Unterschied seines menschlichen und göttlichen Handelns und Wollens geleugnet und aufgehoben und damit auch der Unterschied der beiden Naturen Christi, wie ihn die Synode von Chalcedon bekannt hat. Denn Wirken und Wille seien naturhafte Proprietäten (ἰδιώματα; ἰδιότητες) der jeweiligen Natur. Werde nur ein Wirken

22 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.38,23‒29 Ried.): Οὗτοι γὰρ τὰ Ἀπολιναρίου καὶ Σεβήρου τῶν αἱρετικῶν ἀνεκαίνισαν δόγματα, δι᾿ ὧν πεφρονήκασιν ἓν θέλημα καὶ μίαν ἐνέργειαν τῆς θεότητος καὶ τῆς ἀνθρωπότητος τοῦ Χριστοῦ δογματίσαντες. Alle deutschen Übersetzungen stammen, sofern nicht anders angegeben, vom Verfasser. 23 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p.46,24 Ried.): τὸ ἐπεισελθὸν ἐξαφανίσατε σκότος τῆς Ἀπολιναρίου καὶ Σεβήρου τῶν δυσωνύμων αἱρέσεως. 24 S.: ACO ser. II 1, p.380,22–26; 384,2‒4 (Ried.). 25 S.: ACO ser. II 2,2 p.772,2‒17 (Ried.). Zu den Hintergründen: Heinz Ohme, Rom, der Tomus Leonis und das VI. Ökumenische Konzil (680/1), in: ZAC 24 (2020), 289–354. Richard Price hat darauf hingewiesen (Ders., Booth, Cubitt, The Acts of the Lateran Synod [wie Anm. 5], 191) dass zu Beginn der 13. Sitzung der Synode Patriarch Sergios als erster genannt wird und mehrfach als derjenige bezeichnet wird, der “begonnen hat, die Neuerung bzw. berüchtigte und blasphemische Lehre in die katholische Kirche einzuführen” (ACO ser. II 2,2, p. 582,20 f.; s. a. 578,23 f.), während Theodor an letzter Stelle stehe. Er schloss daraus, dass hier Sergios als Häresiarch betrachtet werde. Man wird m. E. freilich berücksichtigen müssen, dass erst nach der 13. Sitzung die Texte des Pharaniten zur Verlesung kamen und im entscheidenden Horos Theodor an erster Stelle steht. Richtig urteilt Price jedenfalls: “The designation of either Theodore or Sergius as heresiarch served equally do discredit the doctrine as a recent innovation” (ebd.). 26 ACO ser. II 1 p.120,5‒125,7; 2,2 p.602,1‒606,14 (Ried). 27 Dazu s. u. S. 621.

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und ein Wille bekannt, könne sich dies nur auf eine der beiden Naturen beziehen, und weil von den Angeklagten stets vom göttlichen Wirken und Wollen gesprochen werde, liege hier Apolinarismus und Monophysitismus vor.28 Dieses Urteil über Theodor wird bis in die Gegenwart von römisch-katholischen und orthodoxen Autoren vertreten.29 Aber auch Werner Elert (1885‒1954), (415) der einzige evangelische Theologe, der sich bisher eingehend mit Theodor befasst hat, sprach von „monotheletischer Ketzerei“ und „monenergetische(n) Gifttropfen“.30 Ein wesentliches Verdienst Elerts bestand in dem heute allgemein rezipierten Nachweis der Identität des Priestermönches und Abtes von Raithu (atTûr) im Südwesten der Sinaihalbinsel mit dem (späteren) Bischof von Pharan (Firân) im Süden des Sinai.31 Von Theodor von Raithu existiert eine in der byzantinischen Tradition breit überlieferte und oft ausgeschriebene propädeutische Einführung in die chalcedonensische Christologie, die sog. Praeparatio, aus der sogar noch die lutherische Konkordienformel zitieren sollte.32 Bereits im Jahr 1938 hatte

28 So vorgetragen z. B. vom Co-Vorsitzenden der Lateransynode, Bischof Maximus von Aquileia: ACO ser. II 1, p.26,16‒22 (Ried.). Auf dieser Argumentation basiert auch die erst später aufgekommene häresiologische Bezeichnung „Mon“-energeten bzw. „Mono“-theleten, die eben dies unterstellt. Sie ist meines Erachtens problematisch und wird von mir nur noch unter Vorbehalt verwendet. Stattdessen werde ich gelegentlich die Begriffe „miaenergetisch“ und „henotheletisch“ mit Varianten verwenden. Dies hatte zuerst Lange, Mia energeia (s. Anm. 5), 629 f., in Analogie zur Unterscheidung von monophysitisch und miaphysitisch vorgeschlagen. 29 Vgl. z. B. Allen, Sophronius (s. Anm. 13), 18: „the real intellectual author of this doctrine“ (sc. Monenergismus); Guido Bausenhart, „In allem uns gleich außer der Sünde“. Studien zum Beitrag Maximos’ des Bekenners zur altkirchlichen Christologie (TSTP 5), Mainz 1992, 115: „theologische Urquelle der Verbreitung des Monenergismus“. Theresia Hainthaler und Alois Grillmeier haben sich – dem Stand des Gesamtwerkes entsprechend – nur zu „Theodor von Raithu“ geäußert (Dies., Jesus der Christus im Glauben der Kirche 2/3, Freiburg u. a., 2002, 117‒127). Aber auch hier ist die Tendenz klar: „der geistige Urheber der alexandrinischen Union von 633“ (119); „Verfälschung des Verhältnisses von Hypostase und Natur“ (127). Die orthodoxen Autoren, Demetrios Bathrellos und Cyril Hovorun erneuern den Vorwurf der Lateransynode ohne jede Differenzierung. Bathrellos (Ders., The Byzantine Christ [s. Anm. 3], 71 Anm. 57) wiederholt unter der Überschrift „The Monothelite Heresy“ sogar das Urteil von Émile Amann (Ders., Art. Théodore de Pharan [DThC 15, 1946, 279‒282], 282): „an exponent of a subtle docetic Christology“; Hovorun (Ders., Will, Action and Freedom [s. Anm. 3] wiederholt generell die Urteile des 7. Jahrhunderts. 30 Elert, Ausgang (s. Anm. 1), 195.208. Das aus dem Nachlass von Elert herausgegebene Werk besteht aus einer Reihe von Einzelstudien, aus denen er geplant hatte, eine neubegründete Dogmengeschichte vorzulegen, was sein früher Tod verhinderte. Die Ausführungen über Theodor von Pharan beschränken sich auf die S. 7‒11.185‒229. 31 Den Nachweis hatte Elert bereits früher gesondert publiziert: Ders., Theodor von Pharan und Theodor von Raithu, in: ThLZ 76 (1951), 67‒76. 32 Zu FC VIII, 15. Vgl.: Irene Dingel (Hg.), Die Bekenntnisschriften der Evangelisch-lutherischen Kirche, Göttingen 2014, 1512,1‒20.

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Franz Diekamp nachgewiesen, dass ein in vielen Handschriften anonym überlieferter Text mit Definitionen und Erklärungen christologischer Zentralbegriffe wie z. B. οὐσία, φύσις, ὑπόστασις, πρόσωπον usw. der zweite, verlorengeglaubte Teil der Praeparatio ist. Diekamp edierte erstmals beide Teile kritisch zusammen und datierte den Text auf den Zeitraum 580‒620.33 Daran anknüpfend konnte Elert vor allem anhand der von Maximos Homologetes vorgenommenen Zuordnung34 der Praeparatio gerade mit ihrem dialektischen Teil zu Theodor von Pharan die Identität beider Theodoroi klären. Viele der historischen und dogmengeschichtlichen Urteile des Systematikers und Kirchenhistorikers35 Elert müssen allerdings heute als kaum noch haltbar bezeichnet werden. Vor allen Dingen hat er die Bedeutung des Bischofs von Pharan für den sog. monenergetisch-monotheletischen Streit überschätzt36 und die späteren Urteile seiner Ankläger nicht kritisch genug analysiert. (416) Bis heute existiert keine verlässliche deutsche Übersetzung37 der elf in den Jahren 649 und 681 verurteilten Texte und auch keine Analyse, die den in den vergangenen ca. 40 Jahren stark veränderten Forschungsstand38 zu jener großen

33 Franz Diekamp, Theodorus von Raïthu (in: Ders., Analecta Patristica [OCA 117], Rom 1938, 173‒222). 34 Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 10 (PG 91,136C10‒137B6). S. u. S. 580. 35 Vgl.: Thomas Kaufmann, Werner Elert als Kirchenhistoriker, in: ZThK 93 (1996), 193‒242. Kaufmann behandelt jedoch nicht die späten patristischen Arbeiten Elerts (195 f.). 36 Unhaltbar ist z. B. die Aussage: „in der Energienfrage geht alles, was nachmals von monotheletischer Seite gesagt wurde, zuletzt auf Theodor v. Pharan zurück. Dieser hat dadurch eine größere Wirkung auf den weiteren Verlauf der christologischen Verhandlungen ausgeübt als irgendein anderer außer Maximus Confessor“ (Elert, Ausgang [s. Anm. 1], 219). 37 Die Übersetzung in: Francis X. Murphy/Polycarp Sherwood, Konstantinopel II und III (GÖK 3), Mainz 1990, 350‒352, basiert auf der französischen Ausgabe von 1974. Sie ist ungenau und oft irreführend. 38 Über die bereits genannten Arbeiten hinaus vgl. z. B.: Karl-Heinz Uthemann, Der Neuchalkedonismus als Vorbereitung des Monotheletismus. Ein Beitrag zum eigentlichen Anliegen des Neuchalkedonismus (StPatr 29, 1997, [373‒413], 394‒403 [= Ders., Christus, Kosmos, Diatribe. Themen der frühen Theologie als Beiträge zu einer historischen Theologie (AKG 93), Berlin/ New York 2005, 207‒255]); Ders., Das anthropologische Modell der hypostatischen Union (in: Ders., Christus, Kosmos, Diatribe [a.a.O], 103‒206); Marek Jankowiak, Essai d’histoire politique du monothélisme (Diss.ungedr.), Paris-Warschau 2009; Jack Tannous, In Search of Monotheletism, in: DOP 68 (2014), 29–67); Heinz Ohme, Motive und Strukturen des Schismas im monenergetisch-monotheletischen Streit, in: AHC 38 (2006), 265‒296; Ders., Oikonomia im monenergetisch-monotheletischen Streit, in: ZAC 12 (2008), 308‒343; Ders., Die Bedeutung der Geschichtstheologie im monenergetisch-monotheletischen Streit, in: ZThK 112 (2015), 27‒61; Ders., Maximos Homologetes (†662): Martyrium, Märtyrerbewusstsein, „Martyriumssucht“?, in: ZAC 20 (2016), 306‒346; Ders., Wer hat den Dyotheletismus erfunden?, in: ByzZ 110 (2017), 89‒140; Weitere Arbeiten werden im Verlauf der Untersuchung genannt.

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christologischen Kontroverse des 7. Jahrhunderts, der letzten unter den Bedingungen der Alten Kirche, berücksichtigt. Wo über Theodor in der neueren Literatur vernichtend geurteilt wird, ist die Darstellung gelegentlich wie bei dem orthodoxen Theologen Demetrios Bathrellos schon im Ansatz problematisch. Man kann Theodor kaum gerecht werden, wenn man aus den bereits aus dem Zusammenhang gerissenen elf Fragmenten einzelne Sätze herauspickt, sie nicht zu anderen ins Verhältnis setzt und vor allem nicht auch die Praeparatio mit heranzieht. Ebenso müssen die Aussagen Theodors zeitlich und dogmengeschichtlich eingeordnet werden.39 Es ist meines Erachtens auch nicht weiterführend, den Begriff ἐνέργεια, um den es hier vor allem geht, gar nicht oder durchgängig mit derselben Übersetzung zu übersetzen. Denn man entzieht sich damit der grundlegenden Frage, was Theodor eigentlich jeweils damit zum Ausdruck bringen wollte. Es geht in der folgenden Untersuchung also darum, aus den erhaltenen Texten des Theodor von Pharan das Profil seiner Christologie zu erheben, um die Frage zu beantworten, ob diese Christologie im Rahmen der altkirchlichen Koordinaten als häretisch zu beurteilen ist. Und weil sich zeigen wird, dass davon keine Rede sein kann, ist auch noch zu klären, warum und wie Theodor zum Häretiker und Häresiarchen geworden ist. Ich setze deshalb im Folgenden mit einer Skizze der Praeparatio Theodors ein (1). Sie soll seine Bedeutung als chalcedonensischer Theologe verdeutlichen (417) und ihn in die theologische Tradition einordnen, wie sie sich seit der Synode von Chalcedon entwickelt hatte. Dazu gehört auch die Frage, welche Bedeutung Begriffsdefinitionen und Fragen der Axiomatik als Grundlage theologischer Argumentation in dieser Zeit gewonnen hatten. Das zweite Kapitel ist der Übersetzung und Analyse der elf verurteilten Fragmente gewidmet (2). Dazu ist es einleitend angebracht, über den Anlass und die Entstehungszeit der verurteilen Schriften Theodors Klarheit zu schaffen (2.1). Die Fragmente werden dann nach den Schriften, zu denen sie gehören, in zwei Unterkapiteln (2.2 und 2.3.) betrachtet. Bei der Analyse dieser Texte wird sich herausstellen, dass Theodor neben seiner traditionellen Benutzung der ontologischen Begrifflichkeit der Zwei-Naturen-Lehre in Hinsicht auf das Heilswirken Christi noch eine andere Perspektive einnimmt, die ich ökonomisch-heilsgeschichtlich nenne. Ich frage deshalb weiter, ob das Anliegen Theodors, nämlich das gesamte Wirken Christi als ein Werk zu bekennen, im selben Zeitraum nicht auch in ontologisch-analytischer Perspektive zum Ausdruck gebracht werden konnte. Ich veranschauliche dies anhand von Anastasios von Antiochien († 598/99), der neben einer dyenergetisch-analytischen Perspektive auf das Wirken Jesu auch eine miaenergetisch-synthetische vertrat (3). Damit

39 Beides tut bzw. unterlässt Bathrellos, The Byzantine Christ (s. Anm. 3).

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aber stellt sich die Frage, wie mit dieser theologischen Option im sog. monenergetisch-monotheletischen Streit umgegangen wurde. Ich mache dies deutlich anhand der zuerst zustimmenden Haltung von Maximos Homologetes zur μία ἐνέργεια-Formel des Anastasios von Antiochien (4). Die radikale Verwerfung dieser Option durch Maximos ab ca. 646 verlangt nach einer Erklärung, warum dieser Ansatz in der Kontroverse des 7. Jahrhunderts nicht zur Geltung kam und stattdessen Theodor von Pharan zum Häresiarchen wurde (5). Eine Zusammenfassung (6) schließt die Untersuchung ab.

1 Zur Praeparatio des Theodor von Pharan Der genaue Titel dieser Schrift lautet: „Eine Vorbereitung und Übung für die, die lernen wollen, was die Art und Weise der göttlichen Menschwerdung und Heilswirksamkeit ist, nach der sie vollzogen wurde, und einige Worte an die, die sie nicht richtig verstehen – von den Zöglingen der Kirche“.40 Der Text des ersten Teils besteht aus einer Vorrede, einer Doxographie von sechs vorchalcedonensischen Häretikern und einer sich daran anschließenden Darstellung der chalcedonensischen (418) Christologie.41 Diese wird als Begriffserklärung (ἐξήγησις τοῦ ὅρου) zwischen der Darstellung der Doxa des Eutyches, des Julian von Halicarnassus und des Severus geboten.42 Dazu entfaltet Theodor drei christologische Zentralformeln, die ihn als neuchalcedonischen Theologen ausweisen. Dies sind: 1. Die erweiterte sog. „cyrillische Formel“: „eine mit einer Geist- und Vernunftseele beseelte fleischgewordenen Natur des Gott-Logos“43, die chalcedonensisch interpretiert wird. In diesem Sinne war sie seit dem V. Ökumenischen Konzil (553) theologisch normativ.44 2. Die erweiterte Zwei-Naturen-Formel von Chalcedon: „zwei seinshaft geeinte Naturen“.45 Schließlich 3. die Einheitsformel der „zu-

40 Θεοδώρου πρεσβυτέρου τῆς Ῥαϊθοῦ προπαρασκευή τις καὶ γυμνασία τῷ βουλομένῳ μαθεῖν, τίς ὁ τρόπος τῆς θείας ἐνανθρωπήσεως καὶ οἰκονομίας, καθ᾿ ὃν πέπρακται, καὶ τίνα τὰ πρὸς τοὺς ταύτην μὴ ὀρθῶς νοοῦντας λεγόμενα παρὰ τῶν τῆς ἐκκλησίας τροφίμων (185,1–5 Diekamp). 41 Theodorus Raith., Praeparatio (185‒200 Diek.). Zum Folgenden vgl. auch: Theresia Hainthaler, Die „Via media“ des Theodor von Raithu (in: Grillmeier, Jesus der Christus 2/3 [s. Anm. 29]), 117‒123. 42 Theodorus Raith., Praeparatio (191,13‒200,22 Diek.). 43 Μία φύσις τοῦ θεοῦ λόγου σεσαρκωμένη σαρκί ἐμψυχωμένῃ ψυχῇ νοερᾷ καὶ λογικῇ (190,19‒191,12 Diek.). 44 Vgl.: Concilium Constantinopolitanum a. 553, Anath. 4.8 (ACO ser. I 4,1 p.241,6; 242,12‒23 Straub); Josef Wohlmuth (Hg.), Dekrete der ökumenischen Konzilien I, Paderborn 1998, 115.117. 45 Theodorus Raith., Praeparatio (191,7 f. Diek.): Δύο φύσεις οὐσιωδῶς ἡνωμένας.

1 Zur Praeparatio des Theodor von Pharan

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gleich unzerreißbaren und unvermischten hypostatischen Einheit“.46 Diese Formeln markieren für Theodor den „mittleren Weg“ kirchlicher Orthodoxie47 zwischen Apolinarius, Eutyches und Severus auf der einen Seite und Nestorius auf der anderen. Er betont, dass weder die Natur des Gott-Logos durch die Annahme der menschlichen Natur eine andere wurde, „noch sie die menschliche Natur […] über ihre naturhaften und wesensmäßige Definition und ihren Seinsgrund hinaus veränderte“.48 Vielmehr „bleiben beide Naturen unvermindert in ihren jeweiligen Grenzen und ihrem Wesensbestand“.49 Die Formel der hypostatischen Einheit schließe aus, dass die Menschheit Christi bereits zuvor gebildet worden war und die Gottheit so in sie hineingegangen wäre. „Vielmehr war sie gerade im Bestehen vom ersten Anfang an mit der Gottheit vereint“.50 Die Menschheit Christi sei deshalb auch nie in einer „eigenen Hypostase für sich allein gewesen, sondern sie hat in dem sie annehmenden Gott-Logos das Sein und den Bestand empfangen. Sie hat keine Hypostase oder Prosopon, das eigens für sich besteht und als Teil für sich erkannt wird (419) (ἰδιοσύστατον καθ᾿ ἑαυτὸ καὶ ἀνὰ μέρος γνωριζόμενον).“51 Gleichwohl werde mit der chalcedonensischen Formel des ‚Christus ἐν δύο φύσεσι γνωριζόμενον‘ deutlich, dass die Proprietät (ἰδιότης) einer jeden Natur bestehen bleibe und auch erkennbar ist, „was das Eigene (τὸ ἴδιον) eines jeden der Zusammengekommenen ist und was vom Eigentümlichen jedes wechselseitig zuteilwerden lässt.“52 Durch die Einung werde „sowohl das Gemeinsame (τὰ κοινά) als auch das Eigene (τὰ ἴδια) eines jeden der Zusammengefügten sichtbar“.53 Alles gelte aber stets für Ein-und-

46 Theodorus Raith., Praeparatio (191,11 f. Diek.): ἕνωσις καθ᾿ ὑπόστασιν ἀδιασπάστως ἅμα καὶ ἀσυγχύτως. 47 Theodorus Raith., Praeparatio (194,30 Diek.): μέσην τινὰ ὁδόν. 48 Theodorus Raith., Praeparatio (190,27–191,2 Diek): Οὐδὲ μὴν τὴν ἀνθρώπου φύσιν […] ἠλλοίωσεν ἔξω τοῦ κατὰ τὸν φυσικὸν αὐτῆς καὶ οὐσιώδη ὅρον καὶ λόγον. 49 Theodorus Raith., Praeparatio (191,26 f. Diek.): […] καὶ ἑκατέραν τῶν φύσεων μένειν ἀμειώτως ἐπὶ τῷ οὐσιώδει αὐτῆς ὅρῳ καὶ λόγῳ. 50 Theodorus Raith., Praeparatio (191,20–23 Diek.): […] ἀλλ᾿ ὅτι κατ᾿ αὐτὸ τὸ ὑφίστασθαι τὴν πρώτην ἀρχὴν ἥνωτο τῇ θεότητι. 51 Als Frage formuliert: Πῶς οὖν αὕτη ἡ ἐν Χριστῷ ἀνθρωπότης ἐν ἰδιαζούσῃ ὑποστάσει καθ᾿ ἑαυτὴν οὔποτε γενομένη, ἀλλ᾿ ἐν τῷ προσλαβομένῳ αὐτὴν θεῷ λόγῳ τὸ εἶναι τε καὶ ὑποστῆναι λαχοῦσα, ὑπόστασις ἄν λεχθείη ποτέ, ἢ πρόσωπον ἰδιοσύστατον καθ᾿ ἑαυτὸ καὶ ἀνὰ μέρος γνωριζόμενον ἔχοι; (Theodorus Raith., Praeparatio: 192,18–22 Diek.). 52 Theodorus Raith., Praeparatio (194,5 f. Diek.): […] τί ἴδιον ἑκάστου τῶν συνελθόντων, καὶ τί τῶν οἰκείων ἕκαστον ἀλλήλοις παρέχον. 53 Theodorus Raith., Praeparatio (194,8 f. Diek.): [ … καὶ τὰ κοινὰ τοῦ συναμφοτέρου καὶ τὰ ἴδια ἑκάστου τῶν συνημμένων ἐμφαίνειν.

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denselben, denn „‘wenn nun die so beschaffenen Naturen gemischt werden und einander durchdringen aufgrund des Zusammenwachsens und der Einung, werden auch die Bezeichnungen gemischt und durchdringen einanderʼ, und er wird beides: ein Sohn Gottes und gleichzeitig Menschensohn“.54 Diese grundlegenden christologischen Aussagen können als traditionell bezeichnet werden. Sie stehen in der sog. neuchalcedonischen Tradition z. B. eines Leontius von Byzanz, Leontius von Jerusalem55 und Kaiser Justinian56 und bestätigen zusammen mit der breiten handschriftlichen Überlieferung dieses Teils der Praeparatio, dass deren Orthodoxie nie in Frage gestellt wurde. Kein einziger dieser Sätze war im 7. Jahrhundert Gegenstand der Kritik. (420) Der zweite, dialektische Teil der Praeparatio57 bietet über die ausführliche Erklärung und Definition der Begriffe οὐσία, φύσις, ὑπόστασις und πρόσωπον hinaus eine erweiterte Kategorienlehre. Zusätzlich erläutert werden: Differenz (διαφορά), Eigenes (ἴδιον), Akzidens (συμβεβηκός), Haltung (ἕξις), Verlust (στέρησις), Disposition (διάθεσις), Quantität (ποσότης), Qualität (ποιότης), Relation (πρὸς τι) und Objekt (ἀντικείμενον). Bemerkenswert ist die dazu gebotene Begründung: Weil Severus denjenigen für den besten Theologen halte, der „in den Kategorien des Aristoteles und den übrigen Glanzstücken der nichtchristlichen Philosophen (τῶν ἔξω φιλοσόφων) geübt ist“, sei es „für uns notwendig, die Bedeutung eines jeden Wortes zutreffend zu erklären im Sinne der Lehrer der Kirche“.58

54 Theodorus Raith., Praeparatio (194,13–17 Diek.): Κιρναμένων οὖν τῶν τοιούτων φύσεων καὶ περιχωρουσῶν εἰς ἀλλήλας τῷ λόγῷ τῆς συμφυΐας καὶ τῆς ἑνώσεως, κιρνῶνται καὶ περιχοροῦσιν εἰς ἀλλήλας ὡσαύτως καὶ αἱ κλήσεις καὶ γίνεται ἀμφότερα εἷς υἱὸς θεοῦ τε ὁμοῦ καὶ ἀνθρώπου. Die communicatio idomatum wird hier mit einem Zitat von Gregor von Nazianz formuliert: Gregorius Nazianzenus, Epistula 101,31 (SC 208,48 Gallay). Der Begriff der „Mischung“ (κεράννυμι; κρᾶσις) wird in der Tradition von der ausgeschlossenen „Vermischung“ (σύγχυσις) zu einem Dritten unterschieden und ist gängig. 55 Zu den beiden Leontii vgl.: Alois Grillmeier, Jesus der Christus im Glauben der Kirche 2/2, Freiburg i.Br. 1989, 190–241;286–328; Karl-Heinz Uthemann, Definitionen und Paradigmen in der Rezeption des Dogmas von Chalkedon bis in die Zeit Justinians (in: Johannes van Oort/Johannes Roldanus [Hg.], Chalkedon: Geschichte und Aktualität. Studien zur Rezeption der christologischen Formel von Chalkedon, Leuven 1997, 54–122), 94–122. Zu Leontios von Byzanz: Brian E. Daley, Leontius of Byzantium. Complete Works (OECT), Oxford 2017; Adolf Martin Ritter, Leontios der Eremit bzw. von Byzanz (in: Christoh Riedweg/Christoph Horn/Dietmar Wyrwa (Hg.), Die Philosophie der Antike 5,3. Philosophie der Kaiserzeit und der Spätantike, Basel, 2018, § 178, S. 2263–2267). 56 Vgl. dazu: Uthemann, Neuchalkedonismus (s. Anm. 38), 389–394; Grillmeier, Jesus der Christus 2/2 (s. Anm. 55), 190–484. 57 Theodorus Raith., Praeparatio (200–222 Diek.). 58 Theodorus Raith., Praeparatio (200,14–19 Diek.): Οὗτος δὲ παρ᾿ αὐτῷ Σευήρῳ κράτιστος θεολόγος γνωρίζεται, ὃς ἂν τὰς κατηγορίας Ἀριστοτέλους καὶ τὰ λοιπὰ τῶν ἔξω φιλοσόφων κομψὰ ἠσκημένος τυγχάνοι, ἀναγκαῖον ἡμᾶς τὰ σημαινόμενα ἑκάστης λέξεως τῶν εἰς τὰ πρὸς

1 Zur Praeparatio des Theodor von Pharan

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Die Erklärung der Begriffe Wesen und Natur (οὐσία und φύσις) bewegt sich ebenfalls in herkömmlichen Bahnen. Dazu gehört auch der äquivalente Gebrauch beider Begriffe, der im 7. Jahrhundert bereits allgemein üblich war und ein Erbe der neuchalcedonischen christologischen Debatten des 6. Jahrhunderts ist.59 Die Definition von usia bei Theodor lautet: „Usia ist zuerst und im eigentlichen Sinne alles, das dadurch existiert, dass es in sich selbst Bestand hat, d. h. was an sich ist und nicht durch etwas anderes oder in einem anderen das Sein hat, d. h., nicht irgendeines anderen außerhalb seiner selbst bedarf um da zu sein.“60 Diese Definition ist traditionell und findet sich sehr ähnlich auch bei anderen chalcedonensischen Theologen des 6. Jahrhunderts wie z. B. Anastasius von Antiochien (559–598/9) und Leontius von Byzanz (†543).61 Theodor erklärt sie am Beispiel des kategorialen Unterschieds des Körpers und seiner Farben. Während eine Farbe nicht notwendigerweise einem Körper zukomme und deshalb nur mittelbar über ein Anderes Bestand habe und so Akzidens ist, komme (421) einem Körper usia zu. Alles, was in sich selbst Bestand hat, sei usia, sei es Materielles wie Erde, Wasser, Luft, Feuer, Stein, Pflanze beseelter Körper oder Immaterielles wie Vernunftseele oder Engel. Das mit dem Begriff „Natur“ Bezeichnete trete hinzu, denn „Physis ist das all diesem zugehörige Prinzip von Bewegung und Stillstand.“62 So verändere und bewege sich z. B. die Erde zwischen Wachstum und Erzeugung von Leben und unbeweglichem Stillstand. Der Begriff physis stamme ab von ‚befähigt sein zu‘ (πεφυκέναι), usia von ‚Sein‘. „Beides lässt das Dasein erkennen, so dass usia und physis nicht nur dem Begriff nach, sondern auch tatsächlich dasselbe sind.“63 Mit der Definition von usia und physis nimmt Theodor zentrale Be-

αὐτὸν Σευῆρον λεγόμενα χρειωδῶς λαμβανομένων, ἐπὶ καιροῦ σαφηνίσαι κατὰ τὸν νοῦν τῶν ἐκκλησιαστικῶν διδασκάλων. 59 Vgl. z. B.: Marius Portaru, Classical Philosophical Influences: Aristotle and Platonism (in: Allen/Neil, Handbook [s. Anm. 14], 127–148), 139. 60 Theodorus Raith., Praeparatio (201,13–16 Diek.): Οὐσία ἐστὶ πρώτως τε καὶ κυρίως πᾶν, ὅτι αὐθυπόστατον ὑπάρχει, τουτέστιν ὃ καθ᾿ ἑαυτό ἐστι καὶ οὐ δι᾿ ἄλλο οὐδὲ ἐν ἑτέρῳ ἔχει τὸ εἶναι, τουτέστιν ὃ μὴ χρῄζει ἄλλου τινὸς ἔξωθεν αὐτοῦ εἰς τὸ ὑπάρχειν. 61 Die Definition des Anastasius von Antiochien lautet: ἔστι δὲ οὐσία πρᾶγμα ὑφεστὸς αὐθυπόστατον· καὶ ἄλλως, πᾶν τὸ κατ᾿ ἰδίαν ὕπαρξιν ὑφεστὸς καὶ μὴ ἐν ἄλλῳ τὸ εἶναι ἔχον: Karl-Heinz Uthemann, Die „Philosophischen Kapitel“ des Anastasius I. von Antiochien (559–598), in: OCP 46 (1980), (306–366) 349 (Nr. 46). Bereits Leontius von Byzanz hatte definiert: οὐσία, τουτέστι πρᾶγμα ὑφεστός: Ders., Adversus Nestorianos et Eutychianos (PG 86,1277D8 f.). 62 Theodorus Raith., Praeparatio (202,10 f. Diek.): Φύσις δέ ἐστιν ἀρχὴ […] κινήσεώς τε καὶ ἠρεμίας. 63 Theodorus Raith., Praeparatio (202,20–22 Diek.): Ἀμφότερα γὰρ δηλοῦσιν τὴν ὕπαρξιν, οὐ μόνον δὲ ὀνόματι, ἀλλὰ καὶ πράγματι ταὐτόν ἐστιν οὐσία καὶ φύσις.

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griffe aristotelischer Topik und Metaphysik auf, die als allgemeine Bestandteile des Denkens gelten können und insbesondere bei der Definition von physis64 keine Zitate darzustellen brauchen. Auch die Bestimmungen von Hypostase und prosōpon ordnet Theodor sehr nah zusammen: „Die Hypostase ist eine für sich seiende und wesenhafte Realität, in der die Menge der Akzidenzien in einer einzigen zugrundeliegenden Realität und im Wirken Bestand hat.“65 „Die Hypostase lässt nicht nur das Sein erkennen, sondern stellt auch das So-Sein und das So-Beschaffen-Sein dar, […] so dass die usia das Sein im allgemeinen Sinn, die Hypostase aber das Individuell-Sein bedeutet.“66 Mit diesem Verständnis der Hypostase als Begriff, der ein Seiendes nicht nur nach seinem allgemeinen Wesen, sondern auch hinsichtlich seiner jeweiligen Besonderheiten im Sinne des unverwechselbar Individuellen bezeichnet, folgt Theodor der Tradition des sog. „kappadokischen“ Hypostasenbegriffs, wie er zwischen 362 und 381 durch Basilius von Caesarea, Gregor von Nyssa und Gregor von Nazianz in der trinitätstheologischen Kontroverse entwickelt worden war.67 Bemerkenswert ist allerdings, dass Theodor (422) hier ein als Hypostase bezeichnetes einzelnes Seiendes nicht nur durch seine individuellen Eigentümlichkeiten definiert, sondern sein Wirken, seine Wirksamkeit, seine ἐνέργεια so in Beziehung zum Individuum setzt, dass seine individuellen Eigentümlichkeiten darin geradezu ihren Bestand haben. Das mache die Nähe der Begriffe Hypostase und Prosopon aus. Denn die Wirksamkeit sei das bestimmende Merkmal des Prosopon, also der Hypostase als Person. Denn „die aus dem Wirken (διὰ τῆς ἐνεργείας) entstehende Erkenntnis eines Individuums lehrt uns, dass dies das Prosopon ist und es das Wirkende zu nennen (τὸ ἐνεργοῦν).“68 So sei „das Prosopon das, was

64 Obwohl Aristoteles Physis genauso bestimmt: Φύσις ἐστιν ἀρχὴ κινήσεως καὶ ἠρεμίας (Arist., Phys. II 1, 192b,20–23). 65 Theodorus Raith., Praeparatio (205,15–17 Diek.): Ὑπόστασίς ἐστι πρᾶγμα ὑφεστός τε καὶ οὐσιῶδες, ἐν ᾧ τὸ τῶν συμβεβηκότων ἄθροισμα ὡς ἐν ἑνὶ ὑποκειμένῳ πράγματι καὶ ἐνεργείᾳ ὑφέστηκε. Grillmeier, Jesus der Christus 2/3 (s. Anm. 29), 124 übersetzt: „[…] und einer (einzigen) Energie“. Das steht nicht da. 66 Theodorus Raith., Praeparatio (204,10 f.15 f. Diek.): Ὑπόστασις δὲ οὐ μόνον τὸ εἶναι δηλοῖ, ἀλλὰ καὶ τὸ πῶς ἔχειν καὶ τὸ ὁποῖόν τι εἶναι παρίστησι […]· ὥστε ἡ μὲν οὐσία κοινόν τι εἶναι σημαίνει, ἡ δὲ ὑπόστασις ἰδικόν. 67 Vgl. z. B.: Jürgen Hammerstaed, Art. Hypostasis (RAC 16, 1994, 986–1035), 1020–1022; Bausenhart, In allem uns gleich außer der Sünde (s. Anm. 29), 45–53. Einschlägig ist hier Basilius Caes., Epistula 38 (I, 81–92 Courtonne); Deutsche Übersetzung: Basilius von Caesarea. Briefe I. Teil, eingel., übers. u. erl. v. Wolf-Dieter Hauschild (BGrL 32), Stuttgart 1990, 83–91.182–189; Alois Grillmeier, Jesus der Christus des Glaubens I, Freiburg i.Br. u. a. 31990, 542–545. 68 Theodorus Raith., Praeparatio (206,10 f. Diek.): ἡ οὖν διὰ τῆς ἐνεργείας ἐγγινομένη τινὸς ἡμῖν γνῶσις, πρόσωπον τοῦτο αὐτὸ τὸ ἐνεργοῦν καλεῖν ἡμᾶς ἐκδιδάσκει.

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durch seine eigentümlichen Wirksamkeiten und eigenen Merkmale (διὰ οἰκείων ἐνεργημάτων τε καὶ ἰδιωμάτων) seine deutliche von allen Seienden, die mit ihm gleicher Natur sind, abgegrenzte Erscheinung erwirbt.“ Am Beispiel des Menschen zeige sich, dass wir die einzelnen Prosopa der Erscheinung nach unterscheiden „und deshalb nennen wir das, was durch eigentümliche Wirksamkeiten (δι᾿ οἰκείων ἐνεργείων) von den Wesensgleichen unterschieden ist, Prosopon.“ Damit scheinen die Begriffe Hypostase und Prosopon „ungefähr dasselbe zu bezeichnen und wenig oder gar nicht verschieden zu sein“.69 Das Prosopon bringt somit den gnoseologischen Aspekt der Hypostase zur Geltung, insofern sich das Individuelle, Unverwechselbare nach Theodor vorrangig aus den Wirksamkeiten des einzelnen Seienden erschließt. Damit ist das erkennbare Wirken nach Theodor ein Merkmal der Hypostase. Er hat dabei offensichtlich die konkreten Tätigkeiten eines Einzelseienden im Blick, wie er denn auch die Begriffe ἐνεργήματα und ἐνέργειαι (Pl.!) austauschbar verwendet. Aber auch damit hat sich Theodor nicht wesentlich vom kappadokischen Hypostasenbegriff entfernt. Denn obwohl dort der Begriff ἐνέργεια noch keine Verwendung fand, wurden schon dort zum Komplex der Eigentümlichkeiten neben Name und Ort auch seelische Eigenschaften und insbesondere „äußerliche Merkmale“ gezählt, zu denen z. B. auch die Merkmale des Ethos gehören.70 So urteilte auch Alois Grillmeier, dass nach dem kappadokischen Hypostasenbegriff „die Tätigkeit, das Handeln (auf allen Gebieten, ob physisch oder moralisch) […] zu den Besonderungen der Ousia (gehört), die zur Einzelhypostase (423) führt. Solange dieser Begriff der Hypostase gilt, kann Theodor von Raithu kein Vorwurf daraus gemacht werden.“71 Theodor kann allerdings auch von einer „naturgemäßen ἐνέργεια“ (κατὰ φύσιν ἐνέργεια) sprechen. Im Abschnitt über „Haltung, Verlust und Disposition“ (Περὶ ἕξεως καὶ στερήσεως καὶ διαθέσεως) definiert er: „Haltung (ἕξις) ist das naturgemäße Wirken (κατὰ φύσιν ἐνέργεια) und die Ganzheit eines Einzelnen, wie es bei der Seele Besonnenheit, Tapferkeit, Klugheit und Gerechtigkeit,

69 Theodorus Raith., Praeparatio (206, 5–7.13–17.18 f. Diek.): Πρόσωπον δέ ἐστιν, ὃ διὰ τῶν οἰκείων ἐνεργημάτων τε καὶ ἰδιωμάτων ἀρίδηλον καὶ περιωρισμένην τῶν ὁμοφυῶν αὐτοῦ παρέχεται τὴν ἐμφάνειαν· […] τούτου χάριν καὶ τὸ δι᾿ οἰκείων ἐνεργειῶν τε καὶ ἰδιοτήτων τῶν ὁμοουσίων διαιρούμενον πρόσωπον ἐκαλέσαμεν. […] δοκεῖ δέ πως ταὐτὸν σημαίνειν (sc. τὸ πρόσωπον) τῇ ὑποστάσει καὶ ἢ μικρὸν ἢ οὐδὲν διαλλάττειν. 70 Basilius Caes., Epistula 38,3 [I 83,20 f.25 Courtonne]): τὰ τοῦ ἤθους γνωρίσματα; τὰ τῆς ψυχῆς ἰδιώματα; τὰ ἔξωθεν περὶ αὐτὸν θεωρούμενα. 71 Grillmeier, Jesus der Christus 2/3 (s. Anm. 29), 125. Der dortige Beitrag Grillmeiers datiert vor 1992 (s.: a.a.O., VIII).

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beim Leib aber Vollständigkeit und Entsprechung der Glieder und die Gesundheit sind.“72 Offensichtlich bedeutet ἐνέργεια hier einerseits ein den Fähigkeiten der menschlichen Seele entsprechendes naturgemäßes ethisches Verhalten, das den aufgelisteten Kardinaltugenden entspricht, in somatischer Hinsicht die in der Gesundheit der Glieder des Leibes gegebene Disposition und Voraussetzung zum Naturgemäß-Sein. Man kann also sagen, dass Theodor auch den Aspekt der Beziehung des Wirkens zu Befinden, Fähigkeit und Disposition im Blick hat, wie sie naturhaft gegeben sind. Dennoch ist es seine Zuordnung der ἐνέργεια zur Hypostase gewesen, die ab Mitte der 40er Jahre des 7. Jahrhunderts grundsätzlichen Widerspruch hervorgerufen hat. In einem zwischen 643 und 646, eventuell schon Juni 643 zu datierenden Schreiben aus Karthago an den zypriotischen Presbyter Marinos73 (Opusc. theol. et pol. 10)74, erwähnt Maximos Homologetes, dass er „zufällig in einer Schrift des Theodor von Pharan über Usia und Physis, Hypostase und Prosopon und die übrigen Kapitel, die als Einführung nicht ohne Nutzen ist, bei den Ausführungen über Prosopon und Hypostase“ darauf stieß, dass Theodor „nicht mehr mit den diesbezüglichen Regeln (τοῖς περὶ τούτων κανόσι) übereinstimmt, sondern mit seinen eigenen, indem er die energeia als hypostatisch bezeichnet (ὑποστατικὴν λέγοντι τὴν ἐνέργειαν).“75 Es handelt sich hier (424) um einen zentralen Beleg für die Identifizierung des Theodor von Pharan mit dem Autor der Praeparatio. Maximos fährt fort: „Damit aber hat er den Sinn irgendwie verdunkelt und trübe gemacht, indem er die energeia der Person als Person zuschrieb, die doch die Natur kennzeichnet.“76 Maximos kann zu diesem Zeitpunkt dem

72 Theodorus Raith., Praeparatio (219,2–4 Diek.): Ἕξις δέ ἐστιν ἡ κατὰ φύσιν ἑκάστου ἐνέργεια καὶ ὁλοκληρία, οἷον ἐπὶ μὲν ψυχῆς σωφροσύνη, ἀνδρεία, φρόνησις, δικαιοσύνη, ἐπὶ δὲ σώματος τὸ ἐντελὲς τῶν μέλων καὶ ἀνάλογον καὶ ὑγεία. 73 Zu ihm s. u. S. 615–617. 74 Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 10 (PG 91,133A–137C). Die Ausführungen zu Theodor finden sich in 136C10–137B6. Vgl. dazu: Marek Jankowiak und Phil Booth, A New Date-List of the Works of Maximus the Confessor (in: Allen/Neil, Handbook [s. Anm. 10]), Nr. 43 („c.643– 646). Polycarp Sherwood, An Annotated Date List of the Works of Maximus the Confessor (StAns 30), Rom 1952, Nr. 79 datierte auf 645/6. S. a.: Winkelmann, Streit (s. Anm. 1), Nr. 93. 75 Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 10 (PG 91,136C10–D3): Τῷ δὲ περὶ οὐσίας καὶ φύσεως, ὑποστάσεώς τε δὴ καὶ προσώπου, καὶ τῶν καθεξῆς κεφαλαίων, ἐνέτυχον σχέδει Θεοδώρου τοῦ τῆς Φαράν· καὶ ὡς ἐν εἰσαγωγῆς τρόπῳ τυχὸν οὐκ ἀσυντελοῦσιν· ἐν δὲ τῷ περὶ προσώπου καὶ τῆς ὑποστάσεως λόγῳ, οὐ τοῖς περὶ τούτου κανόσι μᾶλλον ἢ ἑαυτῷ φαίνεται στοιχήσας πῶς, ὑποστατικὴν λέγοντι τὴν ἐνέργειαν. 76 Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 10 (PG 91,136D8–11): Καὶ γὰρ κατὰ ταῦτα λόγον συνεσκίασέ πως καὶ ἡμαύρωσε, τῷ προσώπῳ δεδωκὼς ὡς προσώπῳ τὴν χαρακτηρίζουσαν τὴν φύσιν ἐνέργειαν.

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Werk Theodors zwar noch positive Seiten abgewinnen und es fällt noch nicht der Vorwurf der Häresie. Aber er fährt fort: Man muss sich sehr genau vor denen hüten, die diesbezüglich etwas auszusetzen haben, weil sie ja die Definitionen und Regeln (ὅρους καὶ κανόνας) der Dinge irgendwie vergewaltigen und missbrauchen, indem sie sie zur eigenen Meinung passend wie auf Befehl verändern, um so nämlich die eigenen Ansichten durch Abänderung festzusetzen.77

Es geht Maximos also um Definitionen und Regeln, die einzuhalten seien, weil sie die Grundlage zutreffender theologischer Aussagen darstellen sollen. Mit dieser Bemerkung ist ein grundsätzlicher Dissens markiert, der den axiomatischen Bereich ontologischer Definitionen betrifft. Dieser Dissens hat den sogenannten monenergetisch-monotheletischen Streit tatsächlich wesentlich bestimmt. Er betrifft im Kern die ontologische Zuordnung des Wirkens eines Individuums zu seiner ontologischen Bestimmtheit als Usia oder Hypostase und die Anwendung der so definierten Begriffe auf die Christologie. Damit stellt sich allerdings die Frage, ob es zum Zeitpunkt der Schriften des Theodor von Pharan überhaupt solche anerkannten Definitionen und Regeln für diese Thematik gegeben hat. Mit seiner Sammlung philosophischer Begriffe in einer vorbereitenden und in die Christologie einführenden Schrift reihte sich Theodor von Pharan in einen seit dem 6. Jahrhundert aufgekommenen Stil theologischer Argumentation ein, der seinen Ausgang bei Begriffsdefinitionen und Fragen der Axiomatik nimmt, um so in der Auseinandersetzung mit den Gegnern der Synode von Chalcedon deren Rechtgläubigkeit zu begründen und zu verteidigen. Die Theologie arbeitete seitdem „mit den Mitteln der Logik und Kategorienlehre, mit dem Ausweis von Konsistenz einer Beweisführung im Ausgang von präzisen Definitionen, mit Dilemmata und Aporien, wenn es sein muß, mit der logischen reductio ad absurdum des Gegners.“78 In diesem Zusammenhang entstanden Kompendien mit (425) Sammlungen von Definitionen philosophischer Begriffe, die ein großes Spektrum philosophischer Grundbegriffe in christlicher Verwendung abdecken. Sie trugen häufig den Titel:

77 Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 10 (PG 91,137B2–6): Τηρητέον δὲ δἰ ἀκριβείας τοὺς περὶ τι παρεγκληθέντας. ἐπειδὴ βιάζονταί πως καὶ ἕλκουσι τοὺς τε τῶν πραγμάτων ὅρους καὶ τοὺς κανόνας πρὸς τὸ δοκοῦν, ὥσπερ ἐξ ἐπιτάγματος μεταφέροντες, ἵνα τὰ οἰκεῖα δῆθεν ἐκ παρατροπῆς ὑποστήσωσι. 78 Uthemann, Definitionen und Paradigmen (s. Anm. 55), 60. Es war vor allem Leontius von Byzanz (†543), der programmatisch forderte, dass die christologische Argumentation von ersten Prämissen und Axiomen ausgehend „definitorisch“ (ὁριστικῶς) vorzugehen habe (Leontius Byz., Epilysis [PG 86/2,1924D–1925A6]).

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„Philosophische Kapitel“ (Κεφάλαια φιλοσοφικά).79 Insbesondere unter den Werken des Maximos Homologetes finden sich mehrere Sammlungen solcher Definitionen.80 Diese Entwicklung der Theologie kann unterschiedlich bewertet werden. Einerseits ist richtig, dass hier der theologischen Sprache „erstmals eine umfassende Reflexion gewidmet“ wurde, so dass „die Überwindung eines schablonenhaften Gebrauchs der konziliaren Formeln […] möglich geworden war.“81 Andererseits kann man hierin auch einen „frühbyzantinischen Vorläufer mittelalterlicher Scholastik“ erkennen.82 Jedenfalls war es eine Folge dieser theologischen Entwicklung, „that the monothelite controversy was fought primarily in the language of logic.“83 Es ist offensichtlich, dass in diesem Zusammenhang vor allem die im sog. Organon zusammengefassten logischen Schriften des Aristoteles zur Wirkung gekommen sind, davon insbesondere die Kategorienschrift. Deren Vermittlung erfolgte im 6. Jahrhundert durch die Kommentierung und Lektüre der in den neuplatonischen Schulbetrieb Athens und dann vor allem Alexandriens integrierten Schriften des Aristoteles. Insbesondere die Isagogē des Porphyrios und sein Kommentar zur Kategorienschrift des Aristoteles spielten dabei eine besondere Rolle.84 Ebenso wurden (426) aber auch Ethik, Physik, Mathematik

79 Eine Auflistung solcher Sammlungen findet sich bei: Alois Grillmeier, Jesus der Christus des Glaubens 2/1, Freiburg i.Br. u. a. 21991, 96–99. Eines der ältesten Kompendien stammt von Anastasius I. von Antiochien (559–570.593–598): Uthemann, Die „Philosophischen Kapitel“ (s. Anm. 61). 80 In den 27 sog. Opuscula theologica et polemica sind dies: Opusc. 14 (PG 91,149–151); Opusc. 17.18 (PG 91,212–216); Opusc. 23 (PG 91,260–264.265–268); Opusc. 27 (PG 91,280–285). Vgl. dazu: Jankowiak/Booth, Date-List (s. Anm. 74), Nr. 17.82.18.72. Hinzu treten die neuerdings als maximianisch identifizierten Additamenta 21.25.34 (aaO., Nr. 17.72.88). Unter den von Mossman Roueché herausgegebenen rein philosophischen Kompendien aristotelischer Logik befinden sich zwei, die Maximos zugeschrieben wurden. Sie tragen die Überschriften: (1) Τοῦ αὐτοῦ μακαριωτάτου Μαξίμου, εἰς τὴν εἰσαγωγὴν Πορφυρίου καὶ εἰς τὰς κατηγορίας Ἀριστοτέλους. Τί ὁρισμὸς καὶ τί ὅρος; (2) Ὅροι σὺν Θεῷ εἰς τὴν εἰσαγωγὴν Πορφυρίου καὶ εἰς τὰς κατηγορίας Ἀριστοτέλους: τοῦ αὐτοῦ Μαξίμου τοῦ ὁμολογητοῦ. Zumindest das erste ist Maximos zuzurechnen. Vgl.: Mossmann Roueché, Byzantine Philosophical Texts of the Seventh Century, in: JÖB 23 (1974), 61–75), 61; Jankowiak/Booth, Date-List, a.a.O, Nr. 88 (Additamentum 34). Die zweite Sammlung wurde von Roueché herausgegeben: Ders., Middle Byzantine Handbook of Logic Terminology, in: JÖB 29 (1980), 71–98. 81 Grillmeier, Jesus der Christus 2/3 (s. Anm. 29), 140. 82 Uthemann, Definitionen und Paradigmen (s. Anm. 55), 60. 83 Roueché, Byzantine Philosophical Texts (s. Anm. 80), 64. 84 Adolf Busse (Hg.), Porphyrii Isagoge et in Aristotelis Categorias Commentarium (CAG IV,1), Berlin 1887. Dt. Übers.: Porphyrios. Einführung in die Kategorien des Aristoteles, in: Aristoteles, Organon, hg. u. übers., mit Einl. vers. v. Hans Günter Zekl, Hamburg 1998, II, 155–188.

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und Metaphysik des Aristoteles unterrichtet.85 Dieser Schulbetrieb wurde in Alexandrien in der 2. Hälfte des 6. Jahrhunderts bis zum Beginn des 7. Jahrhunderts von den wahrscheinlich christlichen Philosophen Elias, David u. Stephanos geleitet.86 Es ist bezeichnend, dass das umfänglichste dyenergetischdyotheletischen Florilegium, die sog. Doctrina Patrum de Incarnatione Verbi – in ihrer ältesten Fassung aus der 2. Hälfte des 7. Jahrhunderts –, zum Thema δύναμις und ἐνέργεια auch Texte von Elias und Stephanos aufgenommen hat.87 In der Maximos-Forschung besteht heute Konsens, dass dessen umfassende philosophische Bildung auf dem Studium der Lehrschriften der alexandrinischen philosophischen Schultradition basiert: „It is certain, that Maximus came in direct contact with them.“88 Es ist sogar wahrscheinlich, dass diese Bildung auch in Alexandrien erworben wurde.89 Bezeichnend ist jedoch, dass er als Quelle seiner philosophischen Definitionen mehrfach90 einen anonym bleibenden „frommen Mönch“ (ὁ εὐλαβῆς μοναχός) angibt und damit diese Definitionen mit der Aura

85 Vgl.: Damian Caluori/Adolf Martin Ritter, Überblick: Die neuplatonischen Schulen von Athen und Alexandrien (in: Riedweg/Horn/Wyrwa, Philosophie der Antike 5,3 (s. Anm. 55), § 146, S. 1859–1870.1869. 86 Vgl.: Klaus Oehler, Aristotle in Byzantium, in: GRBS 5 (1964), 133–146; Leendert G. Westerink, The Alexandrian commentators and the introduction to their commentaries, in: Richard Sorabji (Hg.), Aristotle Transformed. The ancient commentators and their influence, London 1990, 325– 348; Christian Wildberg, Philosophy in the Age of Justinian (in: Michael Maas [Hg.], The Cambridge Companion to the Age of Justinian, Cambridge 2005, 316–340); Christoph Helmig, Elias und David (in: Riedweg/Horn/Wyrwa, Philosophie der Antike 5,3 (s. Anm. 55), 2084–2096); Christian Tornau, „Stephanos“ (in: ebd., 2097–2107). 87 Franz Diekamp (Hg.), Doctrina Patrum de incarnatione verbi. Ein griechisches Florilegium aus der Wende des 7. und 8. Jahrhundert, 2. Auflage mit Korrekturen und Nachträgen v. B. Phanougakis, a cura di Evangelos Chrysos, Münster 1981, Einleitung LXXIX. 201–204.259. Vgl. dazu: Raymond Vancourt, Les derniers commentateur alexandriens dʼAristote, lʼécole dʼOlympiodore, Étienne dʼAlexandrie, Lille 1941, 39–42. „The DP is nothing more than a collection of logically based arguments against monotheletism“: Roueché, Byzantine Philosophical Texts (s. Anm. 80), 64. Die Verfasser sind im Kreis der Schüler des Maximos zu suchen. 88 Portaru, Classical Philosophical Influences (s. Anm. 59), 134. S. a.: Wolfgang Lackner, Studien zur philosophischen Schultradition und zu den Nemesioszitaten bei Maximos dem Bekenner, Diss. phil. (masch.), Graz 1962, 29–43. 89 Boudignon, Maxime le Confesseur (s. Anm. 19), 15–22. Die ältere Annahme, dass dies in Konstantinopel erfolgt sei, ist von der sog. griechischen Vita Maximi (BHG 1234) abhängig und als überholt zu beurteilen. Zur Problematik der griechischen Vita vgl.: Booth, Crisis (s. Anm. 12), 143–155; Pauline Allen, Life and Times of Maximus the Confessor (in: Allen/ Neil, Handbook [s. Anm. 14], 3–18), 9–14. 90 Vgl. z. B.: PG 91, 185D1, 192B2.D4; 196A10 u. ö.

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geistgewirkter Sätze umgibt. De facto handelt es sich dabei um (427) Adaptionen philosophischer Texte. Dass sein theologisches Nachdenken stets in Auseinandersetzung mit der alexandrinischen philosophischen Tradition erfolgte, hat er damit verschleiert.91 Für das weitere Vorgehen der vorliegenden Untersuchung ergibt sich daraus, dass es zum Verständnis und vor allem zur Beurteilung des im Jahr 649 durch die Lateransynode formulierten und von Maximos initiierten Häresieurteils nötig sein wird, sich auch ein Bild über dessen Verhältnis zu angeblich feststehenden Definitionen und Regeln zu machen.

2 Die elf verurteilten Fragmente Theodors von Pharan Diese elf Texte gehören zu zwei weiteren Schriften Theodors. Die Fragmente 1–5 sind einem Logos an den Bischof der ägyptischen Diözese Arsinoë entnommen, Fragmente 6–11 einem Logos mit Auslegungen patristischer Testimonia. Sie sind nur in den Akten der Lateransynode und des VI. Ökumenischen Konzils erhalten,92 die keine näheren Angaben zur Datierung und zum Adressaten machen. Alle Texte wurden 649 und 681 zusammenhanglos präsentiert, einige Fragmente bestehen noch nicht einmal aus ganzen Sätzen. Bei den Auslegungen von Vätertexten fehlen Angaben, auf welches Testimonium sich der inkriminierte Text jeweils bezieht. Was diese Texte vereint, ist die in fast allen – außer Fr. 10 – anzutreffende Aussage der μία ἐνέργεια. Die Schriften, denen diese Texte entnommen sind, existieren nicht mehr, weil sie wie alle anderen Werke der im Jahr 681 Verurteilten auf der 13. Sitzung des VI. Konzils verbrannt wurden.93 Wir kennen diese elf Fragmente also nur aus der Überlieferung ihrer Richter. Bevor wir uns den inhaltlichen Aussagen zuwenden, empfiehlt es sich, zur Datierung und zum Kontext dieser Texte einige Vorüberlegungen anzustellen. (428)

91 Schon Lackner, Studien (s. Anm. 88), 24–28, hat festgestellt, dass bei Maximos die Nennung von profanen Schriftstellern „äußerst dürftig“ ist. Dabei mag auch die im Mönchtum seit Evagrius Ponticus herrschende Scheu eine Rolle gespielt haben, außerchristliche Gewährsmänner anzuführen. Dieser rechnete die σοφία τῶν ἑλλήνων zur σοφία τοῦ κόσμου im Sinne von 1Kor 3,19 und ordnete deren Kenntnis und Anwendung dem Laster der eitlen Ruhmsucht (κενοδοξία) zu: πρὸς ψυχὴν ὑπὸ κενοδοξίας θλιβομένην καὶ σοφίαν τῶν ἑλλήνων μαθεῖν ἐπιθυμοῦσαν (Evagrius Ponticus, Antirrheticus magnus 7,37 [Frankenberg 537]). Vgl. auch: Matthias Haak, Institutionelle Rahmenbedingungen. 11. Klöster, Mönchtum und Philosophie (in: Riedweg/Horn/Wyrwa, Philosophie der Antike 5,1 [s. Anm. 55], 46–51. 92 S. o. Anm. 26. 93 Concilium Constantinopolitanum a. 680/1, Actio 13 (ACO ser. II 2,2, p.626,11–19 Ried.).

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2.1 Anlass und Entstehungszeit der verurteilen Schriften Theodors von Pharan Auch für die zeitliche Einordnung und sachliche Zuordnung der beiden Traktate Theodors zum sog. monenergetisch-monotheletischen Streit sind wir ganz auf eine absolut parteiische Quelle angewiesen. Der als Protokoll stilisierte Text der Disputation94 des Maximos Homologetes mit dem in Konstantinopel abgesetzten Patriarchen Pyrrhos im Jahr 645 in Karthago ist die wichtigste Quelle für die anfänglichen Initiativen des Konstantinopler Patriarchen Sergios zur Wiederherstellung der kirchlichen Einheit mit den Gegnern der Zwei-Naturen-Lehre Chalcedons. Kaiser Herakleios hatte diesen Plan bald nach seiner Machtergreifung zusammen mit dem Patriarchen ab ca. 616 entwickelt und ab den zwanziger Jahren des 7. Jahrhunderts konsequent umgesetzt. Die Disputation des Maximos mit Pyrrhos gehört zu den ab den 40er Jahren von Maximos durchgeführten Maßnahmen einer offensiven Bekämpfung dieser Unionspolitik.95 Pyrrhos, zuvor entschiedener Verfechter der Unionspolitik, ließ sich – in den Thronwirren nach dem Tode seines kaiserlichen Förderers inzwischen abgesetzt und ins römische Africa verbannt – während der öffentlich durchgeführten Disputation von Maximus zum Dyotheleten „bekehren“, um danach in Rom durch Papst Theodorus I. zum Konstantinopler Gegenpatriarchen erhoben zu werden.96 Der Text der Disputatio ist allerdings erst zwischen 655 und 662 – also zwischen dem ersten und zweiten Prozess gegen Maximos – entstanden97 und stellt eine rein literarisches Produkt in propagandistischer Absicht aus dem Kreis seiner Anhänger dar. In diesem Text erwähnt Maximos nun vier Briefe des Patriarchen Sergios an chalcedonensische und antichalcedonensische Theologen, mit denen im Rahmen einer ersten Kontaktaufnahme die theologische Tragfähigkeit des Konzeptes der μία ἐνέργεια für die angestrebte Verständigung geprüft werden sollte.98 Diese Angaben werden allgemein als historisch (429) zutreffend betrachtet. Sie machen auch deutlich, dass die Verfasser der Disputatio in

94 Disputatio Maximi Conf. cum Pyrrho (PG 91,288–353). Deutsche Übersetzung und theologische Analyse des Textes: Bausenhart, In allem uns gleich außer der Sünde (s. Anm. 29). S. a.: Winkelmann, Streit (s. Anm. 1), Nr. 92. 95 Dazu i. e. S. 621–623. 96 Zu Pyrrhos s. Anm. 19. 97 Jaques Noret, La rédaction de la Disputatio cum Pyrrho (CPG 7698) de Saint Maxime le Confesseur serait-elle postérieure à 655?, in: AnBoll 117 (1999), 291–296; Winkelmann, Streit (s. Anm. 1), Nr. 92. 98 Disputatio Maximi Conf. cum Pyrrho (PG 91, 332B–333A). Dies waren Theodor von Pharan, der armenische Antichalcedonenser und wahrscheinliche Julianist Paulos Monophthalmos, der Paulianist und antiochenische Severianer Georgios Arsas und der chalcedonensische Bischof von Phasis, Kyros, nachmals Patriarch von Alexandrien. Vgl. zu Letzteren: Winkelmann,

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Konstantinopel gut vernetzt gewesen sein müssen. Denn die erwähnten Briefe waren gewiss nur im Archiv des Patriarchates vorhanden und scheinen den Verfassern erst in dieser Zeit bekannt geworden sein, denn in älteren Quellen ist davon keine Rede.99 Der Kontext für die Erwähnung der vier Briefe ist folgender: Weil Pyrrhos in der Disputation den Vorwurf erhob, dass Sophronios von Jerusalem (ca. 550–638[639?]) für die Entstehung des innerkirchlichen Konfliktes verantwortlich sei,100 versuchte Maximos dies zu entkräften. Er fragt deshalb rhetorisch, wo denn Sophronios bei diesen ersten Kontaktaufnahmen des Sergios gewesen sei, was er also damit zu tun hatte, und berichtet dann an erster Stelle: Als Sergios an Theodor von Pharan schrieb, und ihm durch Vermittlung des Bischofs Sergios Makaronas von Arsinoë auch den Libellus schickte, der, wie er behauptete, von Menas stammte, und als er ihn aufforderte, seine Meinung über das in dem Libellus dargelegte eine Wirken und den einen Willen zu sagen, und als er antwortete, er billige das, – wo war denn damals Sophronios?101

Streit (s. Anm. 1), Nr. 9–10a; Lange, Mia Energeia (s. Anm. 9), 540–553; Ohme, Die Kirche von Zypern (s. Anm. 9) S. 942–948. 99 Ryan Strickler, A Dispute in Dispute: Revisiting the Disputatio cum Pyrrho Attributed to Maximus the Confessor [CPG 7678], in: SacEr 56 (2017), 243–272 hat kürzlich die These vertreten, dass der Text der Disputatio PG 91,328A–333B8.12–353B4, zu dem auch der hier interessierende Teil 332B–333A gehört, eine 2. Redaktion der Disputatio darstellt, die nach der von Noret identifizierten 1. Redaktion (s. o. Anm. 97) erst im Vorfeld des VI. Ökumenischen Konzils von „a member of the greek diaspora in Rome“ verfasst worden sei (263–272). Die These der zweiten Redaktion scheint mir überzeugend zu sein, weil dieser den sog. Monenergismus und die Anfänge der Kontroverse behandelnde Teil in der Tat den Eindruck einer nachgeschobenen Ergänzung macht. Nicht überzeugen kann meines Erachtens die Lokalisierung in Rom, weil dort die hier deutlich werdenden Quellenkenntnisse zu den frühen Initiativen des Sergios nicht vorhanden gewesen sein können und vor allem auch die in der zweiten Redaktion geführte Diskussion über den zustimmenden Brief Papst Honoriusʼ I. (625–638) von 634 an Patriarch Sergios (vgl. Winkelmann, Streit [s. Anm. 1], Nr. 44) im Rom der 70er Jahre undenkbar ist. Zu dieser Zeit hatte man dort keine Kenntnis mehr über den Brief des Honorius und seine Brisanz. Vgl. dazu: Ohme, Wer hat den Dyotheletismus erfunden? (s. Anm. 38); Ders., Rom, der Tomus Leonis und das VI. Ökumenische Konzil (680/1) (s. Anm. 25). Schließlich durchziehen alle in der Disputatio dokumentierten Kontroversen über bestimmte Traditionszeugen den gesamten sog. monenergetisch-monotheletischen Streit und werden nicht erst auf dem VI. Konzil virulent. 100 Dies trifft durchaus zu. S. dazu: Ohme, Mehrheit und Minderheit (s. Anm. 12), 106–111.114 f.; Ders., Die Kirche von Zypern (s. Anm. 9), 948–953. 101 Disputatio Maximi Conf. cum Pyrrho (PG 91, 332B12–C6): ὅτε Σέργιος ἔγραψε πρὸς τὸν τῆς Φαρὰν Θεώδορον, πέμψας καὶ ὅν φησι λίβελλον Μηνᾶ διὰ τῆς μεσιτείας Σεργίου τοῦ Μακαρωνᾶ τοῦ Ἀρσινόης ἐπισκόπου, προτρεπόμενος αὐτὸν περὶ τῆς ἐν τῷ λιβέλλῳ μιᾶς ἐνεργείας καὶ ἑνὸς θελήματος τὰ δοκοῦντα εἰπεῖν, καὶ ἀντέγραψεν, ἀποδεχόμενος αὐτὰ, ποῦ οὖν τότε Σωφρόνιος;.

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(430) Der hier erwähnte Libellus des Konstantinopler Patriarchen Menas (536– 552) an Papst Vigilius gehörte zu den wichtigsten patristischen Zeugnissen für die Legitimität einer theologischen Rede von einem Wirken und einem Willen Christi in chalcedonensischer Tradition. Seine Authentizität wurde von Maximos und seinen Anhängern in Zweifel gezogen.102 Patriarch Sergios hatte also vor Beginn der offiziellen Unionskampagne im Jahr 624/5103 den anerkannten chalcedonensischen Theologen Theodor um eine Stellungnahme gebeten, ob man auf der Grundlage des Bekenntnisses zu den zwei Naturen Christi hinsichtlich seines Wirkens gleichwohl von μία ἐνέργεια sprechen könne, weil diese Formel auch bei den Antichalcedonensern weit verbreitet104 war. Dazu hatte er auch ein seines Erachtens einschlägiges Testimonium einer seiner Vorgänger mitgeschickt. Für eine mögliche Datierung dieses Vorgangs stellt der an derselben Stelle von Maximos als zweite Initiative erwähnte Brief an den antichalcedonensischen Bischof Paulos Monophthalmos von Theodosiupolis/Armenia Magna den terminus ante quem dar. Denn Maximos weiß dort zu berichten, dass Sergios auch in diesem Fall den Libellus des Patriarchen Menas mitgeschickt habe, darüber hinaus aber auch bereits die zustimmende Antwort des Theodor von Pharan.105 Dieser Brief wird auf 622 oder 623 datiert.106 Marek Jankowiak hat meines Erachtens zutreffend darauf hingewiesen,107 dass der Briefwechsel des Sergios mit Theodor von Pharan kaum nach der persischen Eroberung Alexandriens und Ägyptens im Jahr 619 vorstellbar ist. Man kann sich auch fragen, warum die Kontaktaufnahme (431) mit Theodor nicht direkt erfolgt ist, sondern über den gewiss

102 Vgl.: Winkelmann, Streit (s. Anm. 1), Nr. 1. Auf dem VI. Ökumenischen Konzil versuchte man, den Libellus als Fälschung zu erweisen. In der syrischen Überlieferung sind Fragmente erhalten, die seine Authentizität bestätigen. Vgl.: Lange, Mia Energeia (s. Anm. 9), 439–441. Zu seiner zentralen Stellung als Testimonium vgl.: Tannous, In search of Monotheletism (s. Anm. 38), 37–40. 103 In der iussio/κέλευσις des Kaisers Herakleios an den Erzbischof von Zypern, Arkadios I. (624/ 5–641/2) „gegen Paulos, das Oberhaupt der üblen Gruppe der Akephaloi“ wurde erstmals eine Darlegung des orthodoxen Glaubens publiziert, „die der Rede von zwei Wirkweisen nach der Einung (sc. der beiden Naturen) bei unserem Herrn Jesus Christus entgegentrat“ (ACO ser. II 2,2, p.528,4–7 Ried.). Vgl.: Franz Dölger/Andreas E. Müller, Regesten der Kaiserurkunden des oströmischen Reiches. I,1 Regesten 565–867, 2. Aufl. besorgt u. Mitarbeit v. Johannes Preiser-Kapeller u. Alexander Riehle v. Andreas E. Müller, München, 2009, Reg. 180a; Winkelmann, Streit (s. Anm. 1), Nr. 14. Die ältere, überholte Datierung war 623. So: van Dieten, Geschichte (s. Anm. 18), 28 f.; und noch: Allen, Sophronius (s. Anm. 13), 27. Zu den Hintergründen der iussio des Kaisers vgl. jetzt: Ohme, Die Kirche von Zypern (s. Anm. 9), 944–948. 104 Vgl. die Nachweise dazu bei: Lange, Mia Energeia (s. Anm. 9), 153–158.417–428. 105 PG 91, 332C6–333A1. 106 Winkelmann, Streit (s. Anm. 1), Nr. 13. Dazu: Ohme, Die Kirche von Zypern (s. Anm. 9), S. 945. 107 Zum Folgenden vgl. Jankowiak, Essai d’histoire (s. Anm. 38), 29.

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chalcedonensischen Bischof Sergios Makaronas des mittelägyptischen Nomos von Arsinoë.108 Vielleicht spielte dabei eine Rolle, dass das Bistum Pharan zu dem zu dieser Zeit vakanten Patriarchat Jerusalem gehörte, das sich überdies unter persischer Herrschaft befand und Sergios deshalb die Vermittlungsdienst eines Pharan nahegelegenen Bischofs außerhalb des persischen Machtbereichs in Anspruch nahm. Eine Rolle könnte auch gespielt haben, dass kurz zuvor im Jahr 616/7 im Auftrag des ägyptischen praefectus augustalis und Cousin des Kaisers Herakleios, Niketas, durch die Vermittlung des Patrikios Flavios Strategios Paneuphemos aus Arsinoë die Kirchengemeinschaft zwischen den antichalcedonensischen Hauptkirchen Syriens und Ägyptens wiederhergestellt werden konnte.109 Diese Union war bereits ein erster Schritt in den kirchenpolitischen Plänen des Kaisers und des Konstantinopler Patriarchen, so dass sich Vermittlungsdienste aus Arsinoë bereits bewährt hatten. Mit einiger Wahrscheinlichkeit wäre dann auch der praefectus augustalis in diesen Vorgang involviert gewesen. Der Bischof von Arsinoë ist nun auch Adressat der ersten inkriminierten Schrift Theodors und in den Fragmenten der zweiten finden sich Hinweise, dass es sich ebenfalls um ein Antwortschreiben handelt.110 Es liegt deshalb meines Erachtens nahe, dass beide Logoi – eine systematische Darlegung und eine Zusammenstellung und Erläuterung patristischer Testimonia – zusammengehören und die Antwort Theodors an Sergios darstellen, die somit vor 619 zu datieren ist. (432)

108 So erklärt sich die in den Akten von 649 und 681 gebotene Schreibweise: πρὸς Σέργιον τὸν γενομένον ἐπίσκοπον τοῦ Ἀρσενοήτου (sc. νόμου) τῆς Αἰγύπτιακῆς ἐπαρχίας (ACO ser II 1, p.120,5–7); bzw. […] τοῦ Ἀρσενοΐτου τῆς Αἰγύπτιακῆς διοικήσεως (ACO ser. II 2,2 p.602,1–3). Arsinoë (arab. Madīnat al-Fayyūm), die Metropolis des Nomos, liegt in der Nähe des heutigen Suez und ist seit dem Beginn des 4. Jahrhunderts als Bischofssitz belegt. Um 600 war die Region ein bedeutendes monastisches Zentrum. Vgl.: Stefan Timm, Das christlich-koptische Ägypten in arabischer Zeit (TAVO Beihefte B41,4), Wiesbaden 1988, 1506–1525. Zu den Bischöfen der Stadt: Klaas A. Worp, A Checklist of Bishops in Byzantine Egypt (AD 325–c.750), in: ZPE 100 (1994), 283–318). Sergios fehlt sowohl bei Timm wie bei Worp. Timm hatte offensichtlich nicht Riedingers seit 1984 vorliegende Edition der Akten der Lateransynode von 649 eingesehen. Worp resümiert nur die vorhandene Sekundärliteratur. 109 Sie wurde vollzogen zwischen Patriarch Athanasios I. Gamala (593/4–630/1) von Antiochien und dem alexandrinischen Patriarchen Anastasios „Apozygarios“. Vgl. dazu: Michael Syrus, Chronik X, 26–27 (381–399 Chabot); David M. Olster, Chalcedonian and Monophysite: the union of 616, in: BSAC 27 (1985), 93–108. Chabots Übersetzung des Patrikios Flavios Strategios als „strategos Patrikios“ von Arsinoë ist im o. g. Sinne zu korrigieren. Vgl.: Bernhard Palme, Die domus gloriosa des Flavius Strategius Paneuphemos, in: Chiron 27 (1997), (95–125) 99. 110 S. u. S. 597.

2 Die elf verurteilten Fragmente Theodors von Pharan

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2.2 Die fünf Fragmente aus dem Logos Theodors von Pharan an Sergios von Arsinoë111 „Aus der Abhandlung des ehemaligen Bischofs von Pharan, Theodoros, die er an Sergios, den ehemaligen Bischof (des Nomos) Arsinoë in der ägyptischen Provinz schrieb: 1. Alles, von dem berichtet wird, dass es der Herr gesagt oder vollbracht hat, das hat er durch Geist (νοῦς), Wahrnehmung und Sinnesorgane gesagt und getan. Und deswegen soll alles ein Wirken (μία ἐνέργεια) des Logos genannt werden, insofern er selbst ein Ganzer und Einer ist – sei es das des Verstandes, des Geistes oder das des wahrnehmenden und mit Organen versehenen Leibes.112 2. Weil er besonders wegen eines gewissen göttlichen und höchst weisen Heilsplanes (οἰκονομία) wann immer er wollte Schlaf und Ermattung, Hunger und Durst auf sich nahm (προσήκατο), und wir ganz mit Recht auch dem allmächtigen und überaus weisen Wirken des Logos hierbei Bewegung und Stillstand zuschreiben (κίνησιν καὶ ἠρεμίαν προσάπτομεν), deshalb reden wir von dem einen Wirken (μίαν ἐνέργειαν) desselben und einen Christus.113 3. Ich meine, dass die Darstellung uns durch die Prüfung hinlänglich vor Augen gestellt hat, dass alles, was über den Herrn Christus berichtet wird, sei es, dass es zu Gott gehört, sei es, dass es zur Seele gehört, sei es, dass es zum Leib gehört oder beides zusammen – ich meine Leib und Seele – einheitlich, gleichzeitig und ungetrennt (μοναδικῶς, ἅμα καὶ ἀδιαιρέτως) ausgeführt wurde, indem es seinen Anfang nimmt und sozusagen hervorquillt aus der Weisheit, Güte und Kraft des Logos und durch Vermittlung der Geistseele und des Leibes hervorgeht. Und deshalb ist dies alles – und wurde auch so genannt – ein Wirken (μία ἐνέργεια) unseres Heilandes, wie derselbe denn ein Ganzer und Einer ist.114 (433)

111 Die 11 Fragmente werden in diesem und im nächsten Unterkapitel nach den beiden Schriften unterteilt behandelt, aber den Quellen entsprechend durchnummeriert. Der dokumentierte Text ist der der Lateransynode. Geringfügige Varianten im Text von 681 werden nicht vermerkt, weil sie keine sachliche Ursache haben, sondern nur auf die handschriftliche Tradition zurückgehen. 112 Πᾶν ὅ τι οὖν ἱστόρηται ἢ εἰπὼν ἢ δράσας ὁ κύριος, διὰ νοῦ καὶ αἰσθήσεως καὶ αἰσθητηρίων καὶ εἶπε καὶ ἔπραξε. καί οὕτως αὐτοῦ ὡς ὅλου καὶ ἑνὸς μία ἐνέργεια τοῦ λόγου, τοῦ νοῦ καὶ τοῦ αἰσθητικοῦ καὶ ὀργανικοῦ σώματος, τὰ πάντα λεχθείη (ACO ser. II 1 p.120,9–11; 2,2 p.602,4–6 Ried.) 113 Ἐπειδὴ προηγουμένως διὰ τινα θείαν καὶ σοφωτάτην οἰκονομίαν ὕπνον καὶ κάματον καὶ πεῖναν καὶ δίψαν προσήκατο ὁπότε καὶ ἠβουλήθη, καὶ μάλα δικαίως καὶ τὴν ἐν τούτοις κίνησιν καὶ ἠρεμίαν τῇ πανσθενεῖ καὶ πανσόφῳ τοῦ λόγου ἐνεργείᾳ προσάπτομεν, κἀντεῦθεν μίαν τοῦ αὐτοῦ καὶ ἑνὸς Χριστοῦ ἐνέργειαν προσαγορεύομεν (ACO ser. II 1 p.120,15–18; 2,2 p.602,8–11 Ried.). 114 Ἱκανῶς οἶμαι παρέστησεν ἡμῖν ὁ λόγος διὰ τῆς ἐξετάσεως, ὅτι πάντα ὅσα ἱστόρηται περὶ τοῦ δεσπότου Χριστοῦ, εἴτε θεοῦ, εἴτε ψυχῆς, εἴτε σώματος ἢ τοῦ συναμφοτέρου, ψυχῆς λέγω

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4. Es ist demnach daraus klar, dass alles, was wir über Christus hören und glauben, ein Werk Gottes ist (ἔργον θεοῦ), sei es, dass es der göttlichen oder der menschlichen Natur zukommt (προσεοικότα). Und demgemäß wird dies alles in frommer Weise ein Wirken (μία ἐνέργεια) seiner Gottheit und Menschheit genannt.115 5. […] so dass die gesamte Menschwerdung von Anfang bis Ende und was auch immer an Kleinem und Großem dazugehört, ein wahrhaft höchst erhabenes und göttliches Wirken ist (μία θεία ἐνέργεια).“116 Alle fünf Fragmente laufen auf die Aussage der μία ἐνέργεια zu. Es ist auffällig, dass sie fast alle (Fr. 1,3,4,5) von der Gesamtheit des Lebens und Wirkens Jesu Christi sprechen, und zwar in Hinsicht auf das, was „berichtet wird“ (Fr. 1,3) und „was wir über Christus hören und glauben“ (Fr. 4). Formulierungen mit πᾶν, πάντα, ἅπαντα, πᾶσαν sind bestimmend und machen deutlich, dass der Ausgangspunkt aller Teilaussagen das Christusbild der Evangelien ist und der verkündete und geglaubte Christus. Die Antwort Theodors auf die Frage nach der ἐνέργεια Jesu Christi steht dementsprechend primär unter dem Vorzeichen seines „Heilwerkes“ (οἰκονομία), bzw. der „gesamten Menschwerdung“ (Fr. 2,5), in der der christliche Glaube ein „Werk Gottes“ erkennt (Fr. 4). Theodor nimmt seinen Ausgangspunkt also nicht primär bei einem ontologischen Wesens- oder Naturbegriff, um von daher in der Analyse einzelner Handlungen Christi zu einer Verhältnisbestimmung von Göttlichem und Menschlichem darin zu gelangen. Vielmehr ist es mit der Gesamtheit des Wirkens auch die „Ganzheit“, also Einheit seiner Person („der Herr“, „er“, „der Herr Christus“, „Christus“), von der her alle weiteren Aussagen gewonnen werden. Hier wird nicht die menschliche oder göttliche Natur je für sich in den Blick genommen – auch wenn das in den nicht erhaltenen Teilen des Logos durchaus der Fall gewesen sein mag! –, sondern der „ganze, eine und selbe Heiland“ (Fr. 1,3).

καὶ σώματος, μοναδικῶς ἅμα καὶ ἀδιαιρέτως ἐπράττετο, ἀρχόμενα μὲν καὶ, οἷον εἰπεῖν, πηγάζοντα ἐκ τῆς τοῦ λόγου σοφίας καὶ ἀγαθότητος καὶ δυνάμεως διὰ μέσης νοερᾶς ψυχῆς καὶ σώματος προϊόντα· καὶ διὰ τοῦτο μία ἐνέργεια ὅλου ὡς ἑνὸς καὶ τοῦ αὐτοῦ σωτῆρος ἡμῶν ταῦτα πάντα καὶ εἰσὶ καὶ ἐλέχθησαν. (ACO ser. II 1 p.120,22–27; 2,2 p.602,13–18 Ried.) 115 Ἔχομεν ἄρα ἐκ τούτων σαφῶς, ὅτι ἔργον θεοῦ ἅπαντα ὅσα περὶ Χριστοῦ καὶ ἀκούομεν καὶ πιστεύομεν, εἴτε τῇ θείᾳ φύσει προσεοικότα εἴτε καὶ τῇ ἀνθρωπίνῃ, καὶ κατὰ τοῦτο μία ἐνέργεια ταῦτα τῆς θεότητος αὐτοῦ καὶ τῆς ἀνθρωπότητος εὐσεβῶς ὠνόμασται. (ACO ser. II 1 p.120,31–34; 2,2 p.602,20–23 Ried.) 116 […] ὡς εἶναι πᾶσαν τὴν ἐνανθρώπησιν ἀπ᾿ ἀρχῆς μέχρι τέλους καὶ ὅσα ταύτης μικρά τε καὶ μεγάλα μίαν ἀληθῶς ὑψηλοτάτην καὶ θείαν ἐνέργειαν (ACO ser. II 1 p.120,38–39; 2,2 p.604,2–3 Ried.).

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Dieser Ansatz entspricht den Erklärungen der Praeparatio zur hypostatischen Einheit, obwohl der Bischof von Pharan in diesen Fragmenten den Begriff Hypostase nicht verwendet. So wie die Menschheit Christi nicht für sich besteht und auch nicht als gesonderter Teil für sich erkannt wird (ἀνὰ μέρος), so werde auch seine Gottheit nicht als Teil gesondert für sich erkannt, sondern (434) jedes nur in der Einheit beider, in der Christus als Prosopon in der Vielzahl seiner Wirksamkeiten in unverwechselbarer Weise in Erscheinung trat.117 Alle Aussagen Theodors über das Heilswirken Christi beziehen sich deshalb auf die Person als Subjekt des Wirkens. Und darum geht es ihm hier, wenn er von der μία ἐνέργεια „desselben und einen Christus“ spricht (Fr. 2). Dem steht nicht entgegen, dass der Bischof von Pharan auch mit ontologischer Begrifflichkeit im Rahmen der chalcedonensischen Zwei-Naturen-Lehre unterscheidet, was „der göttlichen und menschlichen Natur zukommt“ (Fr. 4), oder „was zu Gott gehört, zur Seele oder zum Leib“ (Fr. 3). So ist auch unstrittig, dass Christus als Mensch an den Merkmalen der menschlichen Natur erkannt wird, insofern „alles, was er gesagt oder vollbracht hat“, durch den menschlichen Geist (νοῦς), die Sinne und den Körper und seine Organe gesagt und getan wurde (Fr. 1). Und zu diesen Merkmalen gehören auch ganz traditionell118 die sogenannten „untadligen Affekte“ (ἀδιάβλαπτα πάθη), von denen Fr. 2 Schlaf, Müdigkeit, Hunger und Durst nennt. Theodor operiert hier sogar wie schon in der Praeparatio119 mit den zwei Begriffen κίνησις καὶ ἠμεμία der aristotelischen Naturdefinition und wendet sie nicht nur auf die menschliche Natur, sondern auch auf die göttliche an, insofern „wir ganz mit Recht“ (μάλα δικαίως) „auch dem […] Wirken des Logos hierbei Bewegung und Stillstand zuschreiben“, also bei Schlaf und Ermattung, Hunger und Durst des Menschen Jesus Christus. Grundlage dieser im Grunde die philosophische Metaphysik sprengenden Aussage ist das in der Praeparatio über die Perichorese beider Naturen und deren Zusammenwachsen (συμφυΐα) Gesagte.120 So werden die Definitionsmerkmale der menschlichen Physis auf das göttliche Wirken des Logos übertragbar. Kann man angesichts dieses Befundes sagen, Theodor sei nicht bewusst gewesen, „daß sein aristotelischer Physis-Begriff dem (scil. der Bindung der ἐνέργεια an die Hypostase) entgegenstand“?121 Theodor von Pharan versteht die Person und das Heilswerk Christi ganz in alexandrinisch-cyrillischer Tradition in der Perspektive der Menschwerdung des göttlichen Logos (Fr. 5,1) und

117 S. o. Anm. 51 u. 69. 118 Vgl. z. B. schon Cyrillus Alex., Epistula ad Succensum I,9 (ACO ser. I,1,6 p.155,21–22 Schwartz). Hier werden auch noch Angst und Schmerz erwähnt. Vgl. aber u. Fr. 7. 119 S. o. Anm. 62. 120 S. o. Anm. 54. 121 So: Grillmeier, Jesus der Christus 2/3 (s. Anm. 29), 126.

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dessen Annahme der menschlichen Natur als Inbegriff der „göttlichen und höchst weisen“ Oikonomia. Dieses Heilsgeschehen sei in einem göttlichen Willensakt begründet, und weil dazu im Sinne der Kenosis das immer wieder erneute „Auf-SichNehmen“ (προσήκατο) der physischen Zwänge menschlicher Existenz gehört, werde dieser in göttlicher Freiheit vollzogene Willensakt je und je erneuert („wann immer er wollte“) (Fr. 2) (435). Auch mit dieser zur sogenannten Logoshegemonie gehörenden Aussage bewegt sich Theodor ganz in dem den Neuchalcedonismus charakterisierenden Verständnis des Chalcedonense, das ihn mit seinen späteren Anklägern vereint. Ich demonstriere das mit einer sachlich identischen Aussage des Sophronios von Jerusalem in dessen Synodica von 634: Wenn er wollte, gab er nämlich der menschlichen Natur Gelegenheit, das Eigene zu wirken und zu erleiden […]. Denn er nahm dies nicht unfreiwillig oder gezwungenermaßen auf sich, auch wenn er es auf natürliche und menschliche Weise an sich heranließ und mit menschlichen Bewegungen tat und vollbrachte […]. Als Gott nämlich war er derjenige, der es ertrug, dies fleischlich zu erleiden und der uns durch die eigenen Leiden errettete und für uns durch sie die Freiheit von den Leidenschaften (ἀπάθεια) anordnete. Aber (dies geschah), wenn derselbe entschlossen war (ἐβεβούλετο) zu leiden, zu handeln und auf menschliche Weise zu wirken (πάσχειν καὶ πράττειν καὶ ἐνεργεῖν) […] und nicht, wenn die naturhaften und fleischlichen Bewegungen naturhaft zum Wirken bewegt werden wollten.122

Mit solchen Aussagen soll nicht gesagt werden, dass der menschlichen Natur Christi jede eigene Spontaneität zu naturgemäßer Bewegung und naturhaftem

122 Sophronius Hierosolymitanus, Epistula synodica (ACO ser. II 2,1 p.450,8–16 Ried.): ἐδίδου γάρ, ὅτε καὶ ἤθελε, φύσει τῇ ἀνθρωπείᾳ καιρὸν ἐνεργεῖν καὶ πάσχειν τὰ ἴδια […]. οὐ γὰρ ἀκουσίως ταῦτα ἢ ἀναγκαστῶς προσεδέχετο, κἂν φυσικῶς αὐτὰ καὶ ἀνθρωπίνως προσίετο καὶ ἀνθρωπίναις κίνησιν ἐποίει καὶ ἔπραττεν […] θεὸς γὰρ ἦν ὁ ταῦτα πάσχειν σαρκικῶς ἀνεχόμενος καὶ σῴζων ἡμᾶς τοῖς οἰκείοις παθήμασι καὶ βραβεύων ἡμῖν δἰ αὐτῶν τὴν ἀπάθειαν. ἀλλ᾿ ὅτε πάσχειν καὶ πράττειν καὶ ἐνεργεῖν ἀνθρωπίνως ὁ αὐτὸς ἐβεβούλετο […] καὶ οὐχ ὁτε αἱ φυσικαὶ κινήσεις καὶ σαρκικαὶ κινεῖσθαι φυσικῶς πρὸς ἐνέργειαν ἤθελον. Gleiche Aussagen finden sich auch bei Papst Martin und Maximos. „Εr gestattete es seinem Willen entsprechend, dass diese völlig makellosen Affekte in ihm bewegt werden“ (ταῦτα τὰ πάθη τὰ δίχα μώμου παντὸς ἐν ἑαυτῷ κατὰ θέλησιν κινηθῆναι παραχωρῆσαι): Martinus I. pp. (ACO ser. II 1, p.360,6–7 [Ried.]); „Aber wie er wahrhaft hungerte und dürstete, so hungerte und dürstete er doch nicht so wie wir, sondern auf eine uns überlegene Art und Weise, nämlich freiwillig“ (ἀλλ᾿ ὥσπερ πεινάσας ἀληθῶς καὶ διψήσας οὐ τρόπῳ τῷ καθ᾿ ἡμᾶς ἐπείνασεν καὶ ἐδίψησεν, ἀλλ᾿ τῷ ὑπὲρ ἡμᾶς· ἑκουσίως γὰρ): Disputatio Maximi Conf. cum Pyrrho (PG 91, 297D9–12). Bereits Gregor von Nyssa führte aus, dass mit der Menschwerdung auch die Annahme des „triebhaften Impulses der (menschlichen) Natur zur Nahrungsaufnahme“ verbunden war, und formulierte zum Hungern Jesu nach seinem vierzigtägigen Fasten (Mt 4,2): „Er gab immer, wenn er wollte, der (menschlichen) Natur Gelegenheit zu wirken“: ἐδέξατο τὴν ὀρεκτικὴν τῆς φύσεως ὁρμὴν τὴν ἐπὶ τῇ τροφῇ γινομένην. […] ἔδωκε γὰρ ὅτε ἐβούλετο τῇ φύσει καιρὸν τὰ ἑαυτῆς ἐνεργῆσαι: Gregorius Nyss., De beatitudine oratio 4 (114,5–9 GNO 7,2 Callahan).

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Wirken fehlte, sondern dass deren Vollzug in einem göttlichen Willensakt begründet war. Und wenn Theodor formuliert, dass „Bewegung und Stillstand“ auch dem Wirken des Logos zugeschrieben werden, weil er Schlaf, Hunger usw. je und je freiwillig auf sich nahm, werden „Bewegung und Stillstand“ und damit Vernunft, Sinneswahrnehmung und leibliches Wirken (Fr. 2), oder „das, was (436) zur Seele und zum Leib gehört“ (Fr. 3) mitnichten zu einer alleinigen und exklusiven Wirksamkeit des Logos bzw. der göttlichen Natur.123 Vielmehr ist hier die Aussage in Fr. 3 hinzuzunehmen, dass „alles“ im göttlichen und menschlichen Wirken Christi „gleichzeitig und ungetrennt (ἅμα καὶ ἀδιαιρέτως) vollzogen wird. Das Gleichzeitige und Ungetrennte setzt die Unterschiedenheit des Gleichzeitigen voraus. Diese wird auch nicht dadurch aufgehoben, dass der Vollzug „wie von einer Einheit“ (μοναδικῶς) erfolgt. Die μία ἐνέργεια, von der Theodor hier spricht, ist das gleichzeitige und ungetrennte und deshalb einheitliche göttliche und menschliche Wirken in allen Lebensvollzügen, Worten und Taten Christi. Alles, was Christus zum Heil des Menschen vollbracht hat, ist für Theodor menschlich – d. h. durch die konstitutiven Bestandteile der menschlichen Natur – vermittelt. „Alles“ geht mit Fr. 3 „durch Vermittlung der Vernunftseele und des Leibes hervor“ (διὰ μέσης νοερᾶς ψυχῆς καὶ σώματος προϊόντα). Die Formulierung „Hervorgehen“ oder „Hervorkommen“ ist theologisches Allgemeingut124 und bezieht sich auf die Hypostase oder Person. Fr. 3 macht also deutlich, dass die Menschheit Christi nicht nur das der menschlichen Natur Zukommende wirkt (Fr. 4), sondern durch Seele und Leib auch das vermittelt, „was zu Gott gehört“. Die Bedeutung der menschlichen Geistseele (ψυχὴ νοερά) als Vermittlungsinstanz ist in der cyrillisch geprägten Christologie des 6. Jahrhunderts ein fester Topos. Man beachte aber die Unterschiede. Der Chalcedonenser Pamphilos von Jerusalem argumentierte mit der Vermittlung der Geistseele nur für den Prozess der Einung des

123 Dies behauptet Bathrellos, The Byzantine Christi (s. Anm. 3),70: „Due to the fact that Christ felt hungry, thirsty, weary, etc. whenever he willed, the movement of these (passions) must be attributed to the energy of the Logos, Theodore held, which means that Christ had one energy.“ Dies ist meines Erachtens eine Verzeichnung, denn die genannten Affekte bleiben ja Eigenheiten der menschlichen Natur und werden allein durch Perichorese und synapheia auch dem Wirken des Logos „zugeschrieben“. 124 Auch Papst Martin bediente sich dieser Wendung: „Alles, was auch immer unserer von ihm angenommenen Natur eigen ist ‒ außer der Sünde ‒, und auch das, was einer jeden der beiden Gestalten oder Naturen eigen ist, ging ‒ wie der Lehrer sagt ‒ in Gemeinschaft mit der jeweils andern hervor (πᾶν εἴ τι τῆς ἐξ ἡμῶν προσληφθείσης αὐτῷ καθέστηκεν ἴδιον φύσεως μόνης δίχα τῆς ἁμαρτίας, κἂν ᾖ τὰ ἑκατέρας ἴδια μορφῆς ἤγουν φύσεως, ὡς φησὶν ὁ διδάσκαλος, μετὰ τῆς θατέρου κοινωνίας προήρχετο καθ᾿ ἕνωσιν ἀδιαίρετον: Concilium Lateranense a. 649, secr. 1 [ACO ser. II 1, p.16,14–17 Ried.]).

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Logos mit der menschlichen Natur Christi.125 Bei dem Severianer Johannes Philoponos ist die anima mediatrix Vermittlerin der μία ἐνέργεια der Gottheit an den Leib oder die sarx Christi.126 Bei Theodor (437) von Pharan jedoch sind es hier127 Geistseele und Leib als Inbegriff der menschlichen Natur, die das göttliche Heilswerk vermitteln. Passt dazu der Vorwurf: „The active aspect of Christʼs soul never enters into the picture“?128 Diese grundlegende Bedeutung der Menschheit Christi betrachtet Theodor allerdings in der Perspektive der Menschwerdung Gottes und des frommen Bekenntnisses, dass alles ein „Werk Gottes“ ist. So kommt hier tatsächlich der Menschheit Christi keine eigenständige Bedeutung in der Oikonomia Gottes zu,129 sondern eine vermittelnde, weil alles, was das Heilswerk Gottes ausmacht, „seinen Anfang nimmt und sozusagen hervorquillt aus der Weisheit, Güte und Kraft des Logos“ (Fr. 3). Der verursachende Anfang von allem, was die Oikonomia Gottes ausmacht (τὰ ἀρχόμενα), wird so allein der Initiative des göttlichen Logos zugeschrieben. Und diese Initiative hat nicht nur einen einmaligen Anfang, sondern wird als Kontinuum im gesamten Wirken Jesu Christi betrachtet (πηγάζοντα). Wird damit die Menschheit Christi jeder „Eigendynamik“ beraubt und ist die μία ἐνέργεια dann nur eine der göttlichen Natur? Theodor sagt, dass es „ein Wirken unseres Heilandes“ ist, oder „ein wahrhaft höchst erhabenes und göttliches Wirken“ (Fr. 5). Selbst mit dieser Aussage einer Energeia ist der Bischof von Pharan kein Neuerer, sondern argumentiert cyrillisch. Einschlägig ist hier Cyrills Interpretation der Auferweckung der Tochter des Jairus (Mk 5,35–42), die dieser paradigmatisch für seine Deutung von Joh 6,53 heranzog.130 Cyrill ging es dabei um die „lebenspendende Kraft“ der sarx Christi,131 denn Christus habe nicht „durch das Wort allein, noch auch nur durch göttlichen Befehl“, sondern mit seiner sarx als „Mitarbeiter“ (συνεργάτης) geheilt. Und er kommt zu dem Schluss: Er macht zwar mit seinem umfassend wirksamen Befehl lebendig als Gott; er macht aber auch lebendig durch die Berührung mit seinem heiligen Fleisch und zeigt damit eine

125 Pamphilus Hier., Solutio Qu. IV (CCSG 19,14–33 Declerck). 126 Iohannes Philop., Diaitetes 4 (Sanda 39). Vgl.: Theresia Hainthaler, Johannes Philoponus, Philosoph und Theologe in Alexandria (in: Alois Grillmeier, Jesus der Christus des Glaubens 2/4, Freiburg i.Br. u. a. 1990, 109–149), 131. 127 Vgl. aber Fr. 7. 128 Bathrellos, The Byzantine Christi (s. Anm. 3), 71. 129 Genau dies aber scheint es zu sein, was Bathrellos bemängelt, wenn er Theodor vorwirft: „Thus, the active participation of the humanity of Christ in the work auf our salvation is jeopardized.“ (ebd.). 130 Cyrillus Alex., In Ioann. Ev. IV (I, 530,8–26 Pusey). 131 Vgl. dazu u. Fr. 7.

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Wirksamkeit, die aus beiden zusammengewachsen ist (μίαν τε καὶ συγγενῆ δἰ ἀμφοῖν ἐπιδείκνυσι τὴν ἐνέργειαν).132

Bei der cyrillischen Verwendung des neutestamentlichen Begriffes σάρξ ist zu beachten, was Cyrill an anderer Stelle grundlegend feststellt: „Immer, wenn wir (438) ‚Fleisch‘ sagen, sprechen wir vom Menschen“.133 Die Einheit, um die es Cyrill geht, ist die Einheit von göttlichem Wort und körperlichem Handeln. Dabei ist die Sarx Christi als „Mitarbeiter“ ihrerseits lebenspendend. Das aber bedeutet, dass das Subjekt der Heilung, um die es hier geht, die Person ist, die durch Wort und leibliche Berührung handelt. Auch dieser Text wird später eine zentrale Stelle unter den von den sogenannten Monenergeten beanspruchten Väterzeugnissen einnehmen. In Fr. 1 formuliert Theodor von Pharan nun allerdings sogar, dass „alles ein Wirken des Logos genannt werden soll“. Schon angesichts der bisherigen Beobachtungen kann aus dieser Aussage meines Erachtens nicht auf das Fehlen einer naturgemäßen menschlichen ἐνέργεια im Denken Theodors geschlossen werden. Aber sehen wir weiter.

2.3 Die sechs Fragmente aus dem Logos des Theodor von Pharan über patristische Testimonia „Aus der Abhandlung desselben, die er zur Interpretation patristischer Testimonia verfasste:134 6.ߝDer göttliche Wille aber, welcher der Wille Christi selbst ist, denn sein Wille ist einer und dieser ist göttlich.135

132 Cyrillus Alex., In Ioann. Ev. IV (I, 530,16–19 Pusey): Ζωοποιῶν μὲν ὡς Θεὸς, τῷ παντουργῷ προστάγματι· ζωοποιῶν δὲ αὖ πάλιν καὶ διὰ τῆς ἁφῆς τῆς ἁγίας σαρκὸς, μίαν τε καὶ συγγενῆ δἰ ἀμφοῖν ἐπιδείκνυσι τὴν ἐνέργειαν. 133 Cyrillus Alex., Epistula ad Succensum II (ACO ser. I,1,6 p. 158,24 f. Schwartz): Τὸ δὲ σαρκός ὅταν εἴπωμεν, ἀνθρώπου φαμεν. Schon von daher wirft die Interpretation dieses Textes durch Alois Grillmeier Fragen auf. Er erhebt den Vorwurf, dass hier die Seele Christi im Unterschied zu der von ihm zum Vergleich herangezogenen Auslegung der Heilung des Aussätzigen (Mt 8,1–4) durch Gregor von Nyssa „nicht erwähnt“ wird. Damit würden „die Gleise schon gelegt, die zu einer neuen Kontroverse führen werden, welche für die soteriologische Aktivität der Seele Christi keinen Platz mehr hat, den Monenergismus und Monotheletismus.“ (Ders., Jesus der Christus 2/ 2 [s. Anm. 55], 235–238.236). Dagegen ist schlicht festzustellen, dass sich für Cyrill die Willensfrage hier gar nicht stellt, weil in Mk 5,35–42 im Unterschied zu Mt 8,3 davon gar keine Rede ist. 134 ACO ser. II 1, p.122,1–124,7; 2,2 p.604,4–606,14 (Ried). 135 Τὸ δὲ θεϊκὸν θέλημα ὅπερ ἐστὶν αὐτοῦ τοῦ Χριστοῦ, αὐτοῦ γὰρ τὸ θέλημα ἕν ἐστι καὶ τοῦτο θεϊκόν (ACO ser. II 1, p.122,3 f. Ried.).

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7.ߝDadurch werden wir also ohne jeden Zweifel unterrichtet, dass alles, was zum rettenden Heilswerk (σωτηριώδης οἰκονομία) gehört, sei es Göttliches oder Menschliches, von unserem Heiland Christus erzählt wird. Er empfing zwar ursächlich sozusagen den Impuls und die Veranlassung (ἔνδοσιν καὶ τὴν αἰτίαν) aus dem Göttlichen, bediente sich (ὑπουργεῖτο) aber durch Vermittlung der denkenden und vernünftigen Seele des Leibes, sei es, dass man von einer gewissen wundertätigen Kraft, sei es von einer gewissen naturhaften Bewegung des Menschen (φυσικὴν τινα τοῦ ἀνθρώπου κίνησιν) spricht, wie es Hunger, Schlaf, Ermattung und Annahme von Schmerzen, Betrübnis und Angst sind, was im gewöhnlichen Sprachgebrauch ‚Leiden‘ (πάθη) genannt wird. Im eigentlichen Sinne (439) entstammen sie jedoch der naturhaften Bewegung (φυσικῆς κινήσεως) bei dem mit Seele und sinnlicher Wahrnehmung ausgestatteten Lebewesen. Das jedoch, was strenggenommen ‚Leiden‘ (πάθη) ist und so heißt, das Kreuz, das Sterben, die Striemen, die Wunde, die Nägel, das Anspucken und die Schläge, dies alles dürfte wohl richtig und rechtmäßig (ὀρθῶς καὶ δικαίως) als ein Wirken (μία ἐνέργεια) desselben einen Christus bezeichnet werden.136 8.ߝEs sei nämlich von uns ganz und gar zu begreifen, dass alles, was mit der Menschwerdung zu tun hat, ein göttliches und wirklich rettendes Wirken ist (μία […] ἐνέργεια).137 9.ߝWegen dieser und ähnlicher (Dinge) sind alle Eigenheiten (ἴδια), die zur Menschwerdung gehören, genau und ganz rechtmäßig (εὖ γε καὶ μάλα δικαίως) als ein Wirken Gottes zu glauben und so zu nennen (μία θεοῦ ἐνέργεια).138 10.ߝUnsere Seele nämlich hat von Natur aus nicht so große Kraft, um die naturhaften Eigentümlichkeiten des Leibes (τὰς φυσικὰς ἰδιότητες) von diesem

136 Διὰ τούτων ἄρα χωρὶς πάσης ἀμφιβολίας παιδευόμεθα, ὅτι πάντα τὰ τῆς σωτηριώδους οἰκονομίας, εἴτε θεῖα εἴτε ἀνθρώπινα, περὶ τοῦ σωτῆρος ἡμῶν Χριστοῦ ἀνιστόρηται. ἀρχοειδῶς μὲν ἐκ τοῦ θείου οἷον εἰπεῖν, τὴν ἔνδοσιν καὶ τὴν αἰτίαν ἐλάμβανε, διὰ μέσης δὲ τῆς νοερᾶς καὶ λογικῆς ψυχῆς ὑπουργεῖτο παρὰ τοῦ σώματος, εἴτε θαυματοποιόν τινα δύναμιν εἴποις εἴτε καὶ φυσικὴν τινα τοῦ ἀνθρώπου κίνησιν, οἷον τροφῆς ὄρεξιν, ὕπνον, κάματον καὶ πόνων ἀντίληψιν, λύπην καὶ ἀδημονίαν, ἃ και πάθη κατὰ σύγχρησιν ὀνομάτων ἐκ τῆς συνηθείας προσαγογεύεται. κυρίως δὲ φυσικῆς κινήσεως διὰ τοῦ ἐμψύχου καὶ αἰσθητικοῦ ζώου πεφύκασι, καὶ αὐτὰ δέ, ἅπερ κυρίως ἐστὶ καὶ λέγεται πάθη, ὁ σταυρός, ἡ νέκρωσις, οἱ μωλώπες, ἡ ὠτειλή, αἱ καθηλώσεις, τὰ ἐμπτύσματα, τὰ ῥαπίσματα, πάντα ταῦτα ὀρθῶς καὶ δικαίως κληθείη μία καὶ τοῦ αὐτοῦ ἑνὸς Χριστοῦ ἐνέργεια (ACO ser. II 1, p.122,8–18 Ried.). 137 Νοείσθω οὖν ἡμῖν ἐκ παντὸς ἅπαντα τὰ κατὰ τὴν τοῦ σωτῆρος Χριστοῦ ἐνανθρώπησιν μία θεία τε καὶ σωτηριώδης ὄντως ἐνέργεια (ACO ser. II 1, p.122,22 f. Ried.). 138 Ἐκ τούτων γε πάντων καὶ τῶν ὁμοίων εὖ γε καὶ μάλα δικαίως μία θεοῦ ἐνέργεια πάντα τῆς ἐνανθρωπήσεως ἴδια πιστευέσθω καὶ λεγέσθω (ACO ser. II 1, p.122,27 f. Ried.).

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und von sich selbst auszuschließen, und die Vernunftseele hat sich auch nicht als über den eigenen Körper so mächtig erwiesen, dass sie das, was ihm gemäß von Natur aus mit ihm verbunden ist, wie Schwere, Ausfluss und Farbe, beherrscht und er irgendwann einmal ohne dies besteht. Dies alles wird (aber) bei dem Heilswerk (κατὰ τὴν οἰκονομίαν) unseres Heilandes Christus berichtet und ist (tatsächlich) geschehen mit seinem göttlichen und lebenspendenden Leibe; denn schwerelos und sozusagen unkörperlich ging er hervor ohne Ausdehnung aus dem Mutterschoß und dem Grabe und durch Türen und schritt auf dem Meer wie auf festem Boden.139 11.ߝEs ziemt sich uns nun so zu denken und zu sprechen, dass wir alles, was bei der Menschwerdung über den Heiland Christus berichtet wird, als ein Wirken (μία ἐνέργεια) (440) erkennen, dessen Handwerker und Werkmeister (τενχίτης καὶ δημιουργός) der Gott-Logos ist, die Menschheit aber das Werkzeug (ὄργανον). Alles, was nun über ihn gesagt wird, entweder als Gott oder menschlich, ist das Wirken der Gottheit des Logos (ἐνέργεια τῆς τοῦ λόγου θεότητος).“140 Wie bereits angedeutet besteht die Schwierigkeit eines angemessenen Verständnisses dieser Fragmente zusätzlich darin, dass offen ist, auf welche Testimonia sich die jeweiligen Zitate beziehen. Nur in einem Fall lässt sich der dazugehörende patristische Text wahrscheinlich machen (s. u.). Ebenfalls nicht eindeutig ist das Verhältnis dieses Traktates zum vorhergehenden. Meines Erachtens handelt es sich um den zweiten Teil der Antwort auf die Anfrage des Patriarchen Sergios. Denn in Fr. 7 und 9 wird die Aussage der μία ἐνέργεια mit ähnlichen Formulierungen und einer gewissen Zurückhaltung als Schlussfolgerung aus der zuvor angeführten und erklärten Chrēsis präsentiert.141 Diese Formulierungen

139 Ἡ μὲν γὰρ ἡμετέρα ψυχὴ οὐ πέφυκε τοσαύτης δυνάμεως εἶναι, ἵνα καὶ τὰς φυσικὰς τοῦ σώματος ἰδιότητας ἐξ αὐτοῦ τε καὶ ἑαυτῆς ἀπελαύνῃ, ἀλλ᾿ οὐδὲ κυρία τοσοῦτον ὤφθη ἡ λογικὴ ψυχὴ τοῦ ἰδίου σώματος, ὥστε καὶ τῶν κατ᾿ αὐτὸ καὶ συμφυῶν αὐτῷ ὄγκου καὶ ῥοῆς καὶ χρώματος ἐπικρατῆσαι καὶ ἔξω τούτων αὐτὸ καταστῆσαί ποτε, ἅπερ ἅπαντα κατὰ τὴν οἰκονομίαν τοῦ σωτῆρος ἡμῶν Χριστοῦ καὶ ἱστόρηται καὶ γεγένηται ἐν τῷ θείῳ καὶ ζωοποιῷ σώματι· καὶ γὰρ ἀόγκως καὶ οἷον εἰπεῖν ἀσωμάτως προῆλθεν ἄνευ διαστολῆς ἐκ μήτρας καὶ μνήματος καὶ θυρῶν καὶ ὡς ἐπ᾿ ἐδάφους τῆς θαλάσσης πεζεύει (ACO ser. II 1, p.122,32–39). 140 Δέον οὖν ἐστιν οὕτω φρονεῖν τε καὶ λέγειν ἡμᾶς, πάντα τὰ κατὰ τῆν ἐνανθρώπησιν περὶ τὸν σωτῆρα Χριστὸν ἱστορούμενα εἶναι μίαν γινώσκειν ἐνέργειαν, ταύτης δὲ τεχνίτην καὶ δημιουργὸν τὸν θεὸν λόγον, ὄργανον δὲ τὴν ἀνθρωπότητα. τὰ τε οὖν ὡς θεοῦ, τὰ τε ἀνθρωποπρεπῶς περὶ αὐτοῦ λεγόμενα πάντα ἐνέργειά ἐστι τῆς τοῦ λόγου θεότητος (ACO ser. II 1, p.124,3–7 Ried.). 141 Fr. 7: „all dies dürfte wohl richtig und rechtmäßig (ὀρθῶς καὶ δικαίως) als ein Wirken […] bezeichnet werden; Fr. 9: „genau und ganz rechtmäßig (εὖ γε καὶ μάλα δικαίως) ein Wirken Gottes“.

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passen zu einer diesbezüglichen Anfrage. Darüber hinaus wäre es auch überraschend, wenn der Bischof von Pharan seiner systematischen Begründung keinen Väterbeweis beigefügt hätte! Zwei Fragmente fallen etwas aus dem Rahmen. Fr. 6 schneidet als einziges die Willensthematik an, die noch gar nicht Focus des Sergios stand. Fr. 10 enthält keine Aussage der μία ἐνέργεια, sondern betrifft das Thema der Seele Christi. Sie werden deshalb zum Schluss behandelt. Für alle anderen Fr. 7–9 und 11 lässt sich genauso wie bei 1–5 als erstes feststellen, dass „alles, was zum rettenden Heilswerk gehört“ (Fr. 7), bzw. die Menschwerdung (Fr. 8–9.11) der Ausgangspunkt für das Bekenntnis der μία ἐνέργεια Christi ist. Dazu gehören die Wunder genauso wie „die naturhaften Bewegungen des Menschen“ (Fr. 7) und die Leiden Christi. Auch hier wird die Aussage über das Wirken Christi nicht mit einer ontologischen Analyse anhand des Naturbegriffes gewonnen, sondern in der Perspektive des „wirklich rettenden“ Wirkens (Fr. 8) „desselben einen Christus“ (Fr. 7) formuliert. Ähnlich wie in Fr. 3, aber präziser, ist von einem „ursächlichen Impuls und der Veranlassung aus dem Göttlichen“ die Rede und der vermittelnden Funktion „der denkenden und vernünftigen“ Seele Christi für göttliches und menschliches Wirken (Fr. 7). Bezeichnend aber ist meines Erachtens, dass hier der „Empfänger“ des Impulses „er“, also die Person Jesu Christi ist, die sich der Vermittlung der Seele bedient, und nicht (441) nur die menschliche Natur. Dazu passt nun auch der problematisierende Umgang mit der zentralen ontologischen Kategorie κίνησις, die hier eindeutig als φυσικὴ κίνησις markiert und ebenso wie in Fr. 2 auf die menschlichen Affekte bezogen wird, nun auch Schmerzen, Betrübnis und Angst einschließend. Die cyrillische Perspektive wird auch durch die Formulierung „Annahme“ der Affekte (ἀντίληψις) deutlich, die dem „Wann-immer-er-wollte“ von Fr. 2 entspricht. Fr. 7 macht eindeutig, dass es Theodor nicht um eine präzise ontologisch-analytische Bestimmung des Verhältnisses von Göttlichem und Menschlichem im Wirken Christi ging. Gerade der Begriff φυσικὴ κίνησις wird ja später im maximianischen Denken zum Ansatzpunkt einer ontologisch-analytischen dyenergetischen Perspektive, insofern dort die φυσικὴ κίνησις mit der ἐνέργεια der jeweiligen Natur indentifiziert wird.142 Dass Theodor diesen Ansatz hier nicht verfolgt, zeigt meines Erachtens auch seine Präzisierung des Begriffes πάθος (Pl. πάθη). Denn die aufgezählten zu erduldenden Affekte nimmt er nicht nur als Konstitutionsmerkmale der menschlichen Natur in den Blick,143 sondern als die aller „mit Seele und sinnlicher Wahrnehmung ausge-

142 Dazu s. u. S. 610–615. 143 Als „Eigenheiten“ (ἰδια, Fr. 9) gehören sie wie die „Eigentümlichkeiten“ (ἰδιότητες, Fr. 10) des Leibes zu den Merkmalen der menschlichen Natur.

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statteten Lebewesen“. Im Griechischen werden diese Affekte gewöhnlich wegen ihres Zwangscharakters als „Leiden“ (πάθη) bezeichnet. Theodor aber fokussiert den Begriff πάθη – um seine ontologische Dimension durchaus wissend – im christologischen Kontext auf die passiones Christi, die ebenfalls der Reihe nach aufgezählt werden. Und darin erblickt er den eigentlichen christologischen Sprachgebrauch. Bezeichnend für seine Perspektive ist, dass er die passiones Jesu, die ja ein passives Hinnehmen des aktiven Wirkens anderer bedeuten, als das Wirken, eben die energeia Christi bezeichnet. Denn in der Perspektive der σωτηριώδης οἰκονομία Gottes sind die Leiden Christi an Leib und Seele als aktives Wirken und Werk „desselben einen Christus“ zu würdigen und nicht nur als Indizien seiner Zwängen unterworfenen menschlichen Natur. Weil Theodor das Wirken Christi als Vollzug und Werk des göttlich Gewollten betrachtet, in dem das menschliche und göttliche Wirken Christi zu einer Einheit werden, handelt es sich so für ihn auch um ein Wirken. Dieser Ansatz muss dann auch die Willensthematik bestimmen, wie Fr. 6 zeigt. Nach allem bisher Festgestellen ist gar nicht zu erwarten, dass Theodor bei dieser Thematik nun eine ontologisch-analytische Perspektive eingenommen hätte. Für ihn ist der Wille Christi „einer und dieser ist göttlich“, weil er im Gewollten vom Willen Gottes ununterscheidbar ist. Richard Price ist zuzustimmen: „such a statement does not necessarily deny to Christ a human faculty (442) of will“.144 Denn der Begriff θέλημα ist vor und nach Theodor theologisch mehrdeutig verwendet worden und nicht nur eingeschränkt als naturhaftes Vermögen verstanden worden, nach dem zu streben, was naturgemäß ist und alle Eigentümlichkeiten umfassend, die wesenhaft zur Natur gehören, wie dies Maximos nach 641 definiert hat.145 Θέλημα wurde eben auch im Sinne des Gewollten verwendet, wie schon ein Blick ins Wörterbuch zeigt.146 Dass der Lebensund Leidensweg Christi in der willentlichen Erfüllung des Willens Gottes bestand, war ein Gemeinplatz im Christentum. Entsprechend ist das im sogenannten monenergetisch-monotheletischen Streit dann vieldiskutierte GethsemaneGebet Jesu (Mt 26,39; Lk 22,42), in dem ein Unterschied seines und Gottes Willens formuliert wird, stets als instinktiver Ausdruck des Lebenswillens des Menschen Jesus verstanden worden, nicht aber als Ausdruck einer rationalen Willensentscheidung.147 Insofern handelt es sich bei diesem Fragment meines Erachtens

144 Richard Price, Monothelitism: A Heresy or a Form of Words?, in: StPatr 48 (2010), (221–232) 224. 145 Vgl.: Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 16 (PG 91,185D2–4). 146 Geoffrey H. W. Lampe, A Patristic Greek Lexikon, Oxford 101991, 620 s.v.: A. various senses 1. Properly, that which is willed, object of an act of willing; 2. Faculty of will or act of willing; 3. Result or product of will. 147 S. dazu: Price, Monothelitism (s. Anm. 144), 225–232.

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auch nicht „um den einzigen im strengen Sinne monotheletischen Satz“ Theodors, wie Werner Elert meinte,148 weil dies eben eine ontologisch-analytische Perspektive voraussetzt und nur dann ein Fehlen menschlichen Wollens unterstellt werden könnte. Zu welch absurden und verzerrenden Deutungen es führt, wenn man die Sätze Theodors in ontologischer-analytischer Perspektive liest, zeigt sich auch in Fr. 11, in dem der Gott-Logos als τενχίτης καὶ δημιουργός des einen Wirkens Christi bezeichnet wird, die Menschheit aber als Werkzeug (ὄργανον). Papst Martin I. hat auf der Lateransynode gerade diese Formulierung aufgespießt, dabei δημιουργός als „Schöpfer“ gedeutet und von daher das eine Wirken Christi bei Theodor sogar als ausschließlich geschaffenes und somit rein menschliches behauptet. Dies führte zu den Vorwurf, Theodor sei Arianer und Nestorianer und Christus hier ein „bloßer Mensch“.149 So zieht sich dieser Text auch noch heute den Vorwurf zu, die Menschheit Christi sei für Theodor „a more or less passive instrument of his divinity“.150 Der dazu gerne zitierte Schlusssatz von Fr. 11 darf aber nicht isoliert werden. Er muss zusammen mit den anderen Fragmenten, vor allem aber mit Fr. 4 interpretiert werden. Dieses Verdikt erweist sich (443) nicht nur anhand aller anderen Textfragmente als absurd, sondern geht auch am Wortlaut von Fr. 11 vorbei. Denn die dortige Parallelisierung von τενχίτης und δημιουργός schließt die Wortbedeutung von δημιουργός als göttlicher Schöpfer aus.151 Vielmehr ist δημιουργός als analoger Begriff zu τενχίτης (Handwerker) zu verstehen und z. B. als Werkmeister zu übersetzen.152 Beide Metaphern sind Komplementärbegriffe zum gängigen Bild der Menschheit Christi als Werkzeug des Logos.153 Damit sagt der Text das Gegenteil des von Papst Martin Unterstellten aus. Fr. 10 wurde offensichtlich zu den verurteilten Sätzen hinzugenommen, weil man meinte, damit den Vorwurf des Verlustes der Eigentümlichkeiten der menschlichen Natur Christi durch die Lehre der μία ἐνέργεια und die Aufhebung des Unterschiedes der beiden Naturen bei Theodor nachweisen zu können, selbst wenn die inkriminierte Formulierung hier fehlt. Deshalb nahm dieser Text in der Rede Papst Martins den größten Raum ein.154 Der Vorwurf lautet, mit diesen Worten werden der beseelte Leib Christi und dessen naturhafte Eigentümlichkeiten

148 Elert, Ausgang (s. Anm. 1), 222. 149 ACO ser. II 1, p.124,23–33 (Ried). Dieser Vorwurf wird von Bathrellos, The Byzantine Christi (s. Anm. 3), 71 Anm. 55 einfach wiederholt. 150 Bathrellos, The Byzantine Christi (s. Anm. 3), 71. 151 So bereits Elert, Ausgang (s. Anm. 1), 225–226. 152 Vgl.: Lampe, Lexicon (s. Anm. 146), 342 s.v. 1. (craftsman). 153 Vgl. z. B.: Lampe, Lexicon (s. Anm. 146), 969 s.v. ὄργανον 5. 154 Vgl.: ACO ser. II 1, p. 126,3–130,30 (Ried.).

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vollständig aufgehoben.155 Im Zentrum der Polemik steht das „unkörperlich“ (ἀσωμάτως), wobei das vorbehaltliche „sozusagen“ (οἷον εἰπεῖν) unterschlagen wird. Die eindeutigen Aussagen Theodors zur Geistseele Jesu und zur Körperlichkeit seiner Existenz und seines Wirkens in anderen Fragmenten (vgl. Fr.1,3 und 7) stehen dem Vorwurf des Papstes klar entgegen und werden offensichtlich deshalb von ihm übergangen. Fr. 10 setzt damit ein, was die menschliche Seele im Verhältnis zum Leib vermag und was nicht. Vorausgesetzt ist auch hier die allgemein im antiken Denken verankerte Vorstellung des Leibes als ὄργανον der Seele. Ausgehend von den evangelischen Berichten über die wunderhafte Geburt Jesu, sein Wandeln auf dem Meer und das Schreiten des Auferstandenen aus dem Grabe und durch geschlossene Türen156 will Theodor hier anscheinend auf die Konsequenzen für die menschliche Natur Christi hinweisen, die sich aus ihrem Charakter als Werkzeug des Logos und ihrer Einung mit der göttlichen Natur als zusammengesetzte Hypostase ergeben. Es geht um die Vergöttlichung der menschlichen Natur (θέωσις). Elert hat zutreffend gesehen,157 dass dieses Fragment zu einer Auslegung der Epistula 4 ad (444) Gaium des Ps.Dionysius Areopagita gehören muss. Denn dort158 wird wie bei Theodor nicht nur mit der „übernatürlichen“ Geburt (ὑπερφυῶς) und der „übernatürlichen“ Kraft des Wandelns auf dem Wasser argumentiert, sondern die „Schwere“ als Merkmal der menschlichen Natur thematisiert. Es ging Theodor anscheinend in dieser Textpassage darum, die Worte des Areopagiten von dem „über das Menschenmaß hinausgehenden Wirken des Menschlichen“159 durch Christus zu deuten. Seine Interpretation zielt auf die Aussage eines „neuartigen gottmenschlichen Wirkens“ (καινή τις θεανδρικὴ ἐνέργεια)160 des Ps.Dionysius ab, eine Aussage, die dann ebenfalls zu den zentralen patristischen Testimonia der sogenannten Monenergeten gehören sollte. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass auch die elf der Verurteilung Theodors zugrunde gelegten Textfragmente ihn als einen konventionellen Theologen

155 Concilium Lateranense a. 649 (ACO ser. II 1, p. 126,11–12; vgl. 126,27–28 Ried.): Δῆλον γὰρ ὡς ἐν τούτοις τοῖς ῥήμασιν αὐτό τε τὸ τοῦ κυρίου νοερῶς ἐψυχωμένον σῶμα καὶ τὰς αὐτοῦ φυσικὰς ἰδιότητας ἀναιρεῖ παντελῶς. 156 Vgl. Lk 1,34–35; 24,3; Joh 20,19.26; Mt 14,25. 157 Elert, Ausgang (s. Anm. 1), 226. 158 (Ps.)Dionysius Areop., Epistula 4 ad Gaium (PTS 36, 160,1–161,10; 160,12–161,2 Heil/Ritter); Deutsche Übers.: Adolf Martin Ritter, Pseudo-Dionysius Areopagita, Über die Mystische Theologie und Briefe (BGrL 40), Stuttgart 1994, 91 f. 159 (Ps.)Dionysius Areop., Epistula 4 ad Gaium (PTS 36, 160,11 f. Heil/Ritter): ὑπὲρ ἄνθρωπον ἐνήργει τὰ ἀνθρώπου. 160 (Ps.)Dionysius Areop., Epistula 4 ad Gaium (PTS 36,161,9 f. Heil/Ritter): […] ἀλλ᾿ ἀνδρωθέντος θεοῦ, καινήν τινα τὴν θεανδρικὴν ἐνέργειαν ἡμῖν πεπολιτευμένος.

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alexandrinisch-cyrillischer neuchalcedonensischer Tradition zeigen. Er argumentiert mit Selbstverständlichkeit auf der Grundlage der chalcedonensischen ZweiNaturen-Lehre mit der Unterscheidung, was der göttlichen und der menschlichen Natur Christi zukommt (Fr. 3,4), ja sogar mit der Unterscheidung von göttlichem und menschlichem Handeln (πράττειν) (Fr. 1,3,7). Die Eigenheiten der Menschwerdung bzw. der menschlichen Natur, ja der naturhaften Bewegungen des Menschen Jesus Christus (Fr. 7,9,10) werden für Theodor durch das die Geistseele, Sinnesorgane und leibhafte Existenz bezeugende Reden und Handeln Jesu konkret (Fr. 1,3), genauso aber auch durch die seelischen tadelsfreien Affekte (Fr. 2,7). Der Geistseele Christi kommt eine vermittelnde Funktion zu (Fr. 3,7). Als Merkmal der göttlichen Natur werden die Wunder erwähnt (Fr. 7). Auch wenn der Hypostasen- und Personenbegriff in diesen Texten nicht auftaucht – wie auch der Usia-Begriff –, spiegelt sich doch das Konzept der hypostatischen Union in der durchgängigen Betonung der Ganzheit und Einheit desselben einen Christus (Fr. 1,3,7) sowie in der den Ausführungen zugrundeliegenden communicatio idiomatum und Theosis (Fr. 2,11). Bestimmend für das Verhältnis von Göttlichem und Menschlichem ist die Logoshegemonie und damit verbunden das Verständnis der Menschheit Christi als Organon im Heilswerk des menschgewordenen göttlichen Logos (Fr. 2,3,7,11). Die Aussage des einen göttlichen Willens Christi im Sinne der Ununterscheidbarkeit vom Willen Gottes ist ebenfalls traditionell (Fr. 6). Das eine Wirken (μία ἐνέργεια) (445) Jesu Christi steht bei Theodor zuerst für die gleichzeitige, ungetrennte und einheitliche Ausführung des Menschlichen und Göttlichen (Fr. 3) und ist als Folge des Bekenntnisses zur hypostatischen Union und der Einheit der Person zu verstehen. In diesem Sinne kann er sogar von einem Wirken seiner Gottheit und Menschheit sprechen (Fr. 4). Theodor argumentiert also mit den ontologischen Prämissen der chalcedonensischen Tradition bis hin zur Begründung für die Formel der μία ἐνέργεια Christi. Angesichts seiner Aussagen zu den Merkmalen der menschlichen Natur Jesu Christi ist meines Erachtens der Vorwurf nicht nachvollziehbar, dass seine Bestätigung der μία ἐνέργεια Christi zum Verlust der Proprietäten seiner menschlichen Natur und damit des Menschseins selbst führe. Man muss sich allerdings klarmachen, dass Theodor trotz seiner traditionellen Benutzung der ontologischen Begrifflichkeit der Zwei-Naturen-Lehre bei der Frage nach der ἐνέργεια Christi nicht eine ontologisch-analytische Perspektive einnimmt, um so in der Analyse einzelner Handlungen Christi zu einer ontologischen Verhältnisbestimmung von Menschlichem und Göttlichem im Wirken Christi zu gelangen. Der Ausgangspunkt seiner Betrachtung ist vielmehr stets die Gesamtheit des Lebens und Wirkens Jesu Christi nach dem evangelischen Zeugnis (Fr. 1,3,4,5) und somit das, „was wir über Christus hören und glau-

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ben“ (Fr. 4). Damit aber sind seine Einheitsaussagen zum Wirken Christi im eigentlichen Sinne auf die „gesamte Menschwerdung“ und das „rettende Heilswerk“ Christi fokussiert (Fr. 5,7,8), man kann hier meines Erachtens von einer heilsökonomischen Perspektive im Unterschied zu einer ontologisch-analytischen sprechen. Die später als vermeintlich eindeutige Beweise seines Apolinarismus und Severianismus besonders aufgespießten Wendungen des einen Wirkens Gottes (Fr. 9), des einen göttlichen Wirkens (Fr. 5,8), des einen Wirkens des Logos (Fr. 1) und des einen Wirkens der Gottheit des Logos (Fr. 11) erschließen sich meines Erachtens nur, wenn man diesen Perspektivwechsel in Rechnung stellt. Dieser wird greifbar in seiner Deutung des griechischen Begriffes der πάθη Christi. Theodor weiß genau, dass üblicherweise die mit diesem Begriff bezeichneten Affekte ontologisch der naturhaften Bewegung beseelter und über sinnliche Wahrnehmung verfügender Lebewesen zugeordnet werden, will den Begriff aber auf die passiones Christi fokussieren und gerade in dem dabei erfolgten ‚passiven‘ Hinnehmen des aktiven Wirkens anderer die ἐνέργεια Christi als Konkretion der Oikonomia erblicken. Insofern kann es nur in die Irre führen, wenn man die μία ἐνέργεια-Aussagen Theodors ontologisch-analytisch interpretiert. Sie sind alle meines Erachtens nur Varianten der grundlegenden frommen Aussage, dass „alles, das der Herr gesagt und vollbracht hat“, „ein Werk Gottes“ ist (Fr. 1,4). Schließlich konnte sich Theodor über den ihm von Sergios zugesandten Menas-Brief hinaus auch auf Kyrills Interpretation der Auferweckung der Tochter des Jairus (Mk 5,35–42) und die Formel der καινή τις θεανδρικὴ ἐνέργεια des Ps.Dionysius Areopagita berufen. (446) Es ist somit festzuhalten, dass Theodor von Pharan eine in ontologischen Kategorien beschriebene naturhafte Bewegung der menschlichen Natur, die er sogar auch mit dem Begriff ἐνέργεια bezeichnen kann, nicht in Frage stellt. Wenn es allerdings um das Heilswerk Christi geht, bevorzugt er eine heilsökonomische Perspektive, in der der menschlichen Natur keine eigenständige Bedeutung zukommt. Angesichts dieser doppelten Perspektive auf die ἐνέργεια Christi erhebt sich die Frage, ob nicht auch in strikt ontologischer Perspektive das hinter der μία-ἐνέργεια-Formel stehende Anliegen Theodors aussagbar war. Dazu lohnt ein Seitenblick auf Anastasius von Antiochien, bei dem eben dies deutlich wird und der nur wenig früher als Theodor wirkte.

3 Μία ἐνέργεια bei Anastasius von Antiochien († 598/99) Patriarch Anastasius I. von Antiochien (sedit 559–570.593–598) hat seine literarische Tätigkeit vor allem der Verteidigung der Synode von Chalcedon und ihres Dogmas gewidmet. Er hat dabei „durch seine klare, fast ‚scholastische‘

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Darstellungsweise […] großen Einfluß ausgeübt“.161 Von seinen Schriften sind allerdings fast nur Fragmente erhalten, so dass das Gesamtbild seines bedeutenden theologischen Werkes aus vielen Einzelteilen mühsam zusammengesetzt werden musste.162 Vor seiner Wahl zum Patriarchen war er Apokrisiar des alexandrinischen Patriarchen in Antiochien. Wegen dieser Nähe zu Alexandrien und seiner „guten Beherrschung philosophischer Methodik“ und „Neigung zu scharfer Dialektik“ wird angenommen, dass er seine philosophische Schulung auch dort erhalten hat.163 Diese Prägung seines theologischen Denkens hat auch dazu geführt, dass er als Erster mehrfach Analysen des EnergeiaBegriffes vorgenommen hat, so auch in seiner Sammlung von Definitionen, die wohl das älteste erhaltene Exemplar dieser Gattung sein dürfte.164 Dort definiert er ἐνέργεια unter folgenden Nummern so: (447) 68. Ἐνέργεια ist das natürliche Vermögen (φυσικὴ δύναμις) und die (natürliche) Bewegung (κίνησις) einer jeden Wesenheit. 70. Ἐνέργεια ist die Bewegung (κίνησις) jeder wesenhaften Existenz. 71. Ἐνέργεια ist die Bewegung (κίνησις) der Wesenheit, durch welche ganz allein ihre Existenz sichtbar wird.165

Energeia wird hier also als δύναμις und κίνησις der οὐσία definiert und damit als eine dem Wesen per definitionem zukommende naturhafte Fähigkeit, sich zu bewegen. Sie ist als Bewegung in gnoseologischer Hinsicht der einzige Erkenntnisgrund für Wesen und Natur eines einzelnen Existierenden. An anderer Stelle hat Anastasius diesen Grundsatz als Axiom formuliert: Es ist zu bekennen, dass die energeia jeder usia die usia zu erkennen gibt, aus der sie hervorgeht. Und wiederum ist es klar, dass jede Natur – mithin also jede usia – eine eigene energeia hat. Denn es ist weder möglich, dass eine usia ohne energeia ist, noch auch eine energeia ohne usia. Deshalb ist jenes Axiom zwingend: Dasjenige Seiende, das die-

161 Christiane Schmidt, Art. Anastasius I. von Antiochien, in: Siegmar Dörr/Wilhelm Geerlings (Hg.), Lexikon der antiken christlichen Literatur, Freiburg i.Br. u. a. 32002, 31. 162 Grundlegend: Günter Weiss, Anastasiana I. Studien zum Leben, zu den Schriften und zur Theologie des Patriarchen Anastasius I. von Antiochien (559–598) (MByM 4), München 1965; Uthemann, Der Neuchalkedonismus (s. Anm. 34), 394–403; Ders., Die „Philosophischen Kapitel“ des Anastasius I. (s. Anm. 61); Ders., Des Patriarchen Anastasius I. von Antiochien Jerusalemer Streitgespräch mit einem Tritheïten (CPG 6958) (Tr. 37, 1981, 73–108). 163 Vgl.: Weiss, Anastasiana I. (s. Anm. 162), 1–14.145. 164 Uthemann, Die „Philosophischen Kapitel“ (s. Anm. 61), 308. 165 Anastasius Antioch., Capita philosophica (352 f. Uthemann): ξη´ Ἐνέργειά ἐστιν ἡ φυσικὴ ἑκάστης οὐσίας δύναμίς τε καὶ κίνησις. ο´ Ἐνέργειά ἐστιν ἡ πάσης οὐσιώδους ὑπάρξεως κίνησις. οα´ Ἐνέργειά ἐστιν κίνησις οὐσίας δι᾿ αὐτῆς καὶ μόνης τὴν ὕπαρξιν αὐτῆς ἐμφανίζουσα.

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selbe energeia hat, gehört auch zur selben usia, und wiederum hat dasjenige Seiende, das zur selben usia gehört, auch dieselbe energeia.166

Damit wird eine wesenhafte ontologische Bindung der energeia an die Natur zum Ausdruck gebracht, so dass energeia hier nicht nur als Potenz zum Wirken zu verstehen ist, sondern auch als das der usia zukommende naturhafte Wirken selbst, insofern sie aus der usia „hervorgeht“ (πρόεισιν). Zu übersetzen ist die so definierte ἐνέργεια deshalb als naturhaftes Wirkvermögen und Wirkweise. Damit ergibt sich in christologischer Hinsicht auf der Grundlage der Zwei-Naturen-Lehre die Notwendigkeit, auch von δύο ἐνέργειαι zu sprechen. Mit dieser Argumentation hat Anastasius im Rahmen einer Apologie des Tomus Leonis das Konzil von Chalcedon verteidigt. Dieses Lehrschreiben Papst Leos I. (440–461) an Patriarch Flavian von Konstantinopel,167 das das Konzil von Chalcedon in seinem Horos zusammen mit zwei Lehrschreiben Cyrills von Alexandrien an (448) Nestorius und die Orientalen als Lehrtexte168 autorisiert hatte, stand bekanntlich im Zentrum der Polemik der Gegner von Chalcedon und führte zu einer großen Zahl von Verteidigungsschriften. Vor allem der umstrittene Spitzensatz Leos: „Denn jede der beiden Gestalten tut in Gemeinschaft mit der anderen, was ihr eigen ist: das Wort wirkt, was des Wortes ist, und das Fleisch vollzieht, was des Fleisches ist; eines von diesen glänzt in Wundern, das andere unterliegt Schmähungen“169 führte zu der Frage nach dem Wirken Christi. Die Gegner schlossen daraus auf ein eigenhypostatisches Wirken der beiden Naturen und unterstellten Leo und damit der Zwei-Naturen-Lehre generell eine „nestorianische“ Zerreißung der einen Person Christi in zwei Subjekte.170 Das VI. Ökume-

166 Dieser Text findet sich in einem Florilegium dyotheleticum, das im Codex Vaticanus gr. 1455 (a.1299) überliefert wird (ACO ser. II 1, p.435,11–16 Ried.): ἔστι μὲν παρομολογούμενον, ὅτι πάσης οὐσίας ἐνέργεια τὴν ἐξ ἧς πρόεισιν οὐσίαν δηλοῖ· καὶ πάλιν σαφὲς ὅτι πᾶσα φύσις εἴτ᾿ οὖν οὐσία ἐνέργειαν ἰδίαν ἔχει· οὐδὲ γὰρ δυνατὸν οὐσίαν εἶναι δίχα ἐνεργείας, οὐδὲ πάλιν ἐνέργειαν χωρὶς οὐσίας. ὅθεν ἀναγκαῖόν ἐστιν τὸ φάσκον ἀξίωμα, τῆς αὐτῆς οὐσίας εἶναι τὰ τὴν αὐτὴν ἐνέργειαν ἔχοντα καὶ ἔμπαλιν τὰ τῆς αὐτῆς οὐσίας ὄντα τὴν αὐτὴν ἐνέργειαν ἔχειν. 167 Leo I. pp., Tomus ad Flavianum (ACO ser. I 2,2,1 p.24–33 Schwartz); Carlos Silva-Tarouca, S. Leonis Magni Tomus ad Flavianum Episcopum Constantinopolitanum (TD.T 9), Rom 1932, 20–33. 168 Dies waren der zweite Brief Kyrills an Nestorios (Καταφλυαροῦσιν) (CPG 5304) und sein Brief an Johannes von Antiochien vom April 433 (Laetentur caeli) (CPG 5339). 169 agit enim utraque forma cum alterius communione quod proprium est, uerbo scilicet operante quod uerbi est, et carne exequente quod carnis est. unum horum coruscat miraculis, aliud subcumbit iniuriis: Silva-Tarouca, S. Leonis Magni Tomus (s. Anm. 163), Verse 94/95 = ACO ser. I 2,2,1 p. 28,12–14 Schwartz. 170 Dabei wurde geflissentlich übergangen, dass Leo sich selbst sehr schnell nach der Synode in Predigten und bedeutenden Lehrschreiben („Tomus II“) korrigiert hatte und seitdem formu-

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nische Konzil (680/1), für dessen Entscheidung der Tomus Leonis grundlegende Bedeutung haben sollte,171 zitierte dazu aus einem römischen Florilegium auch eine Passage aus der Apologie des Anastasius, in der er offensichtlich den o. g. Spitzensatz Leos verteidigt. Ausgehend davon, dass Christus sowohl „auf göttliche Weise wirksam war“ als auch „auf menschliche Weise tätig war“, stellt er dort fest, dass „die eine Wirkweise von beiden ganz und gar zur göttlichen Natur gehört, die andere jedoch zur menschlichen“ (ἑτέρα […] ἑτέρα ἡ ἐνέργεια). „Folglich gibt es zwei Wirkweisen so wie es zwei Wesenheiten gibt.“172 In derselben Apologie hat er deshalb auch die von den Antichalcedonensern vertretene μία-ἐνέργεια-Fomel abgelehnt.173 Diese Aussage kann sich dem Kontext nach nur auf die zur Natur gehörende φυσικὴ ἐνέργεια beziehen.174 Davor und unmittelbar danach macht (449) Anastasios allerdings klar, dass es dennoch nur ein Subjekt im Wirken Christi gibt: „Einer ist der Wirkende“, denn „Einer war und ist es, der auf unterschiedliche Weise durch seine verschiedenen Naturen wirksam ist“.175 Und noch zugespitzter bekräftigt er an anderer Stelle: „so wie die beseelte sarx (scil. Christi) nie für sich selbst bestanden hat, so hat sie auch niemals als einzelne und Teil für sich (ἰδίᾳ καὶ ἀνὰ μέρος) gewirkt.“ „Vielmehr hat sie immer untrennbar zusammen mit dem mit ihr zusammengesetzten und zusammen bestehenden Logos gewirkt.“176 Es ist deutlich, dass Anastasius von Antiochien ganz im theologischen Stil des 6. Jahrhunderts in seinem Denken den Ausgang von philosophischen Definitionen und axiomatischen Bestimmungen nimmt. Seine Perspektive auf das Wir-

lierte: unius personae fuerint totius temporis actiones (Leo I. pp., Tractatus 65,1 [CChr.SL 138A, 395,15 f. Chavasse]; Leo I. pp., Epistula 124 [ACO ser. I 2,4 p.161, 25–26 Sch.]; Leo I pp., Epistula 165 [ACO ser. I 2,4 p.116,15 Sch.]). Vgl.: Bernard Green, The Soteriology of Leo the Great, Oxford 2008, 217–221.236. 171 Vgl.: Ohme, Rom, der Tomus Leonis und das VI. Ökumenische Konzil (s. Anm. 25). 172 Anastasius Antioch., Apologia Tomi Leonis (Concilium Constantinopolitanum a. 680/1, Actio 10 [ACO ser. II 2,1 p.362,15–364,11; 362,18–20; 364,8 f. Ried.]): […] ἑτέρα μέν ἐστι πάντως τῆς θείας φύσεως, ἑτέρα δὲ τῆς ἀνθρωπίνης ἡ ἐνέργεια. […] οὐκοῦν δύο μέν εἰσιν αἱ ἐνέργειαι ὥσπερ καὶ αἱ οὐσίαι. 173 „Also ist das hervorgehende Wirken auch nicht eines“ (οὕτως οὐδὲ ἡ προϊοῦσα ἐνέργεια μία ἐστίν). Dies überliefert jedenfalls das o. g. (vgl. Anm. 162) Florilegium dyotheleticum, Nr. 80: Anastasius Antioch., Apol. Tom. Leonis (ACO ser. II 1, p.436 Ried.). 174 So bereits: Uthemann, Neuchalkedonismus (s. Anm. 38), 397. 175 Anastasius Antioch., Apol. Tom. Leonis (Concilium Constantinopolitanum a. 680/1 Actio 10 [ACO ser. II 2,1 p.362,24–364,1.9 Ried.]): Εἷς γὰρ ἦν καὶ ἔστι καὶ διαφόρως ἐνεργῶν διὰ τῶν διαφόρων αὐτοῦ φύσεων· […] εἷς δὲ ὁ ἐνεργῶν. 176 Anastasius Antioch., De operationibus (Doctr. Patr.135,23–25; 136,1–2 Diek.): ὑποστῆναι πώποτε καθ᾿ ἑαυτὴν τὴν ἔμψυχον τοῦ κυρίου σάρκα ἐλέγομεν, ἢ ἰδίᾳ καὶ ἀνὰ μέρος αὐτὴν ἐνεργεῖν διεβεβαιούμεθα […] μετὰ τοῦ συντεθειμένου καὶ συνυφεστῶτος αὐτῇ λόγου ἐνεργεῖν αὐτὴν πάντοτε ὁμολογοῦμεν ἀχωρίστως.

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ken Jesu Christi ist deshalb als eine ontologisch-analytische zu charakterisieren. Deshalb ist es überraschend, dass er in anderen Zusammenhängen durchaus auch von der μία ἐνέργεια Jesu Christi sprechen kann. In seiner Streitschrift Diaitētēs (Schiedsrichter) gegen Johannes Philoponos sagt er: „Andererseits muss man allgemein sagen, dass es ein Wirken (μίαν ἐνέργειαν) aus den so beschaffenen zusammengekommenen Naturen gibt, nämlich durch die Gemeinschaft der Einung und eben die endgültige Ausführung (συμπέρασμα).“177 In einem erst 1985 von Sebastian Brock entdeckten syrischen Florileg der chalcedonensischen Gegner des VI. Konzils vom Ende des 7./Anfang 8. Jahrhunderts sind vier entsprechende Fragmente des Anastasius enthalten. Dort liest man z. B.: Wenn wir also schon bei uns als geschaffene Menschen, in denen die Eigentümlichkeiten (unserer) Naturen (scil. Seele und Leib) bewahrt werden, ein einziges Wirken annehmen, welches (beiden) angemessen ist, warum sollten wir dies dann nicht in Bezug auf das Geheimnis des Christus ebenso aussagen wollen? Diese beiden (scil. Naturen), deren Eigentümlichkeiten erhalten geblieben sind, als sie miteinander verbunden worden sind, (450) bewirken ein einziges Wirken, weil derjenige, der es bewirkt, nur einer ist.178

Wie ist es möglich, dass Anastasius von Antiochien sowohl von δύο ενέργειαι als auch von μία ἐνέργεια sprechen konnte? Und was bedeutet dies für die Kontroverse des 7. Jahrhunderts? Es ist nun weiterhin ausgerechnet die sog. Doctrina Patrum de Incarnatione Verbi, in der sich unter der Überschrift „Aus der Abhandlung des Anastasius von Antiochien περὶ ἐνεργειῶν“ – wohl eher versehentlich – ein Textauszug findet, der deutlich macht, dass es auch für Anastasius mehrere Betrachtungsweisen gibt, wenn sich die Frage nach der ἐνέργεια Jesu Christi stellt.179 Der Patriarch analysiert hier den Begriff ἐνέργεια und macht deutlich, dass er ein Homonym ist, indem er anhand des konkreten Sprachgebrauchs verschiedene Verwendungen erläutert. So gehöre zu den ἐνέργειαι des Menschen das Denken, das Sprechen, das Verhältnis des Wirkenden zum Bewirkten und das Resultat des Wirkens, das ἀποτελούμενον oder ἀποτέλεσμα.180 Dabei unterscheidet er die ἐνέργεια der Seele von jener des Lei-

177 Καὶ ἄλλως δὲ τὸ αὐτὸ καθόλου φάναι, μίαν μὲν τῶν συνελθουσῶν τὴν ἐκ τῶν ὁποίων δὴ φύσεων ἐνέργειαν εἶναι, τῇ κοινωνίᾳ δηλονότι τῆς ἑνώσεως καὶ τοῦ συμπεράσματος αὐτοῦ, πᾶσα ἀνάγκη. Das Zitat überliefert nur Maximos Homologetes: Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 20 (PG 91,232C6–10). 178 Sebastian Brock, A Monothelete Florilegium in Syriac, in: OLA 18 (1985), (35–45) 40–42.41 (= Ders., Studies in Syriac Christianity, Farnham 1992, XVI). Die deutsche Übersetzung stammt von: Lange, Mia Energeia (s. Anm. 9), 443, der allerdings stets „Wirkweise“ übersetzt. Das führt bei der Einheitsformel meines Erachtens in die Irre. 179 Doctrina Patrum 78,16–80,3 (Diek). Vgl. Anm. 87. 180 Anastasius Antioch., De operationibus (Doctr. Patr.78,22–79,2 Diek.).

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bes und als Drittes diejenige des mit Geist beseelten Leibes, wobei das Resultat eines sei (ἀποτέλεσμα ἕν) und dem Menschen zuzuordnen sei.181 Diesen Ansatz überträgt er im Rahmen des christologisch gängigen sogenannten „anthropologischen Modells“182 sodann auf die Christologie: „Wie nun die Wirksamkeit (ἐνέργεια) der Geistseele und die des Leibes jeweils eine andere ist, das Gemeinsame daraus (τὸ κοινὸν) aber (Sache) des Menschen, der es aus jedem von beiden zusammengefügt hat, so denken wir auch über unseren Heiland, den menschgewordenen Gott Logos.“183 Anastasios benennt sodann göttliche Aktivitäten (θείας ἐνεργείας, Plural!) und menschliche und verwendet dabei auch den Begriff κίνησις, worunter er das menschliche Leben als solches versteht, „demgemäß wir uns bewegen zum Verlangen nach Nahrung und Wachstum. Aktivität (ἐνέργεια) ist sowohl das Leben als auch das erste Wirken (ἐνέργεια) des Lebewesens“.184 (451) Auch in diesem Zusammenhang bindet er wie in der Apologie des Tomus Leonis die jeweiligen ἐνέργειαι an die beiden Naturen und formuliert, dass sie aus ihnen „hervorgehen“ (προΐασιν), in Hinblick auf das Ergebnis des Wirkens, die Gesamtheit des Resultats aber werden sie zu dem einen ἀποτέλεσμα des einen Christus und sind so als Einheit an die Person gebunden: „Allein, indem wir dies ebenso betrachten wie die Naturen, aus denen die Wirkungen (ἐνεργείαι) hervorgehen und sie (dabei) miteinander vereinen, und so wie wir aus den zusammenkommenden Naturen eine ungetrennte und unvermischte Hypostase erblicken, so erblicken wir auch aus den unterschiedlichen Wirkweisen ein einziges Resultat des einen Christus (τὸ ἀποτέλεσμα ἕν καὶ ἑνὸς Χριστοῦ).185

181 Anastasius Antioch., De operationibus (Doctr. Patr. 79,9–12 Diek.): καὶ τὸ μέν ἐστι ψυχῆς ἁπλῶς, τὸ δὲ ψυχῆς σώματι κεχρημένης, τὸ δὲ σώματος νοερῶς ἐψυχωμένου, πλὴν τῆς ἐνεργείας ἀποτέλεσμα ἕν ἐστι τοῦ ἀνθρώπου. Johannes von Damaskus hat diese Passage in seine Expositio fidei eingefügt. An der entscheidenden Stelle lässt er jedoch bei ἀποτέλεσμα das ἕν ἐστι weg. Er zitiert nur Doctrina Patrum 78,22–79,11. Vgl.: Ioannes Damasc., Expositio fideì 59 (III 15) (PTS 12,145,23–30 Kotter). 182 Vgl. dazu für den Kontext dieser Untersuchung: Uthemann, Das anthropologische Modell (s. Anm. 38). 183 Anastasius Antioch., De operationibus (Doctr. Patr. 79,16–19 Diek.): ὥσπερ οὖν ἄλλη μὲν ψυχῆς ἐνέργεια νοερᾶς, ἄλλη δὲ σώματος, τὸ δὲ ἐκ τούτων κοινὸν τοῦ ἐξ ἑκατέρων ἐστὶ συνεστῶτος ἀνθρώπου, τὸν αὐτὸν τρόπον καὶ ἐπὶ τοῦ σωτῆρος ἡμῶν τοῦ ἐνανθρωπήσαντος θεοῦ λόγου νοοῦμεν. 184 Anastasius Antioch., De operationibus (Doctr. Patr. 79,23–26 Diek.): ἀνθρωπείας δέ (sc. ἐνέργειας), τὴν ζωὴν αὐτὴν λέγω τὴν κατὰ ἄνθρωπον, καθ᾿ ἣν κινούμεθα πρὸς ὄρεξιν τροφῆς, πρὸς αὔξησιν. ἐνέργεια γὰρ καὶ ἡ ζωὴ καὶ ἡ πρώτη τοῦ ζώου ἐνέργεια. 185 Anastasius Antioch., De operationibus (Doctr. Patr. 79,28–80,3 Diek.): ἄλλὰ ταῦτα θεωρήσαντες ὥσπερ καὶ τὰς φύσεις, ὃθεν προΐασιν αἱ ἐνεργείαι, καὶ ἑνώσαντες αὐτὰς ἀλλήλαις, ὥσπερ ἐκ τῶν συνελθουσῶν φύσεων μίαν ἐθεωρήσαμεν ὑπόστασιν ἀδιάιρετόν τε καὶ ἀσύγχυτον, οὕτω καὶ ἐκ τῶν διαφόρων ἐνεργειῶν τὸ ἀποτέλεσμα ἕν καὶ ἑνὸς Χριστοῦ θεωροῦμεν.

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Anastasius von Antiochien nimmt somit auf der Grundlage seiner ontologischen Argumentation gleichwohl eine doppelte Perspektive auf das Wirken Jesu Christi ein. Blickt er ontologisch-analytisch auf die einzelnen Handlungen, so spricht er von zwei Wirkweisen Christi, einer göttlichen und einer menschlichen, die aus den beiden Naturen hervorgehen, blickt er auf das Resultat des Wirkens, das ἀποτέλεσμα oder συμπέρασμα, so kann er von dem einen vollzogenen Handlungsergebnis als einer ἐνέργεια reden. Günter Weiss hat hier zutreffend von einer „synthetischen Schau“ gesprochen.186 Es ist meines Erachtens bedeutsam, dass diese doppelte ontologische Perspektive deutlich vor der Kontroverse des 7. Jahrhunderts theologisch entwickelt wurde. Es ist deshalb eigentlich auch nicht überraschend, dass man ca. 20 Jahre nach dem Todes des Anastasius an dieser Erkenntnisse des „großen wegweisenden Lehrers der Gottesstadt (scil. Antiochien)“187 für eine Verständigung mit den Miaphysiten anknüpfen wollte. Es hat sich somit für das Verständnis der μία ἐνέργεια-Formel neben der heilsökonomischen Perspektive auf das Wirken Jesu Christi auch im Rahmen einer ontologischen Perspektive neben der dyenergetisch-analytischen eine miaenergetisch-synthetische gezeigt. Wir stellen deshalb nun die Frage, welche Rolle diese theologische Tradition im sogenannten monenergetisch-monotheletischen Streit gespielt hat. Dies ist im Kern die Frage, wie Maximos Homologetes damit umgegangen ist. (452)

4 Maximos Homologetes und die μία ἐνέργεια des Anastasius von Antiochien Eine ausführlich theologisch begründete Ablehnung der μία ἐνέργεια-Formel der Alexandrinischen Union vom 3. Juni 633 hat Maximos Homologetes erstmals im Jahr 634/5 in den Ambigua ad Thomam 5 vorgetragen.188 In dieser eingehenden Interpretation der Epistula 4 des Ps.Dionysius Areopagita mit seiner

186 Weiss, Anastasiana I (s. Anm. 162), 208. 187 So urteilte Maximos über Anastasios: Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 20 (PG 91,229C1f.). 188 Maximus Conf., Ambigua ad Thomam 5 (CCSG 48,19–34 Janssens). Engl. Übers.: Maximus Confessor. Ambigua to Thomas. Second Letter to Thomas, Introd., transl. and notes by Joshua Lollar (CCT 2), Turnhout 2009, 62–74. Vgl: Jankowiak/Booth, Date-List (s. Anm. 74) Nr. 38, „634 or 635“. Die aus dem Jahre 633 stammenden, nach der Union verfassten und sie bereits ablehnenden Ep.14.15 und 19 enthalten noch keine explizit dyenergetischen oder antimonenergetischen Aussagen. Vgl. Jankowiak/Booth, Date-List (s. Anm. 74), Nr. 35.36.37. Zu Ep. 19 s. a.: Ohme, Mehrheit und Minderheit (s. Anm. 12), 102 f.

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Spitzenformulierung καινή τις θεανδρικὴ ἐνέργεια,189 auf die sich die Unionsurkunde mit ihrem Bekenntnis zu μιᾷ θεανδρικῇ ἐνέργειᾳ berufen hatte, kommt Maximos zu dem Schluss: Er (scil. Ps. Dion. Areop.) sagt ‚neu‘ […], nicht jedoch ‚eine‘ […]. Denn die Neuheit gehört zur (Kategorie der) Qualität, nicht aber zur Quantität […]. Wenn nämlich die Definition (ὅρος) jeder Natur der Seinsgrund ihres wesensgemäßen Wirkens ist (ὁ τῆς οὐσιώδους αὐτῆς ἐνέργειας καθέστηκε λόγος) […], wie soll dann unter dieser Voraussetzung jemand, der natürlicherweise eine Wirkweise hat (μίαν ἐνέργειαν) und diese naturhaft ist, damit Wunder und das Leiden vollbringen, die sich aufgrund der Natur voneinander unterscheiden […]? Deshalb ist es nicht erlaubt, bei Christus schlechthin ein oder ein naturhaftes Wirken (μίαν ἁπλῶς ἢ φυσικήν ἐνέργειαν) der Gottheit und des Fleisches auszusagen, denn Gottheit und Fleisch sind nicht dasselbe hinsichtlich ihrer natürlichen Qualität (ποιότητι φυσικῇ).190

Diese Argumentation bewegt sich ganz auf ontologisch-kategorialer Ebene. Indem Maximos die quantitative Aussage der Unionsformel mit der qualitativen des Ps.Dionysius konfrontiert, ruft er die Kategorien Quantität und Qualität auf. Er argumentiert mit einer Definition von φύσις, zu der ein wesensgemäßes Wirken gehöre, so dass naturunterschiedenes Wirken nicht durch eine Wirkweise vollzogen werden könne. Ausdrückliche Voraussetzung dieses Arguments (453) ist das Verständnis der μία ἐνέργεια-Formel als Aussage über die Natur des Wirkens. Dieser Schlussfolgerung entspricht folgende Definition von δύναμις und ἐνέργεια, die Maximos typischerweise gleich an den Anfang seiner Abhandlung gesetzt hatte: der einzige und wahre Beweis (scil. der menschlichen Natur Christi) ist deren naturgemäßes konstitutives Vermögen (κατὰ φύσιν συστατικὴ δύναμις). Man würde die Wahrheit nicht verfehlen, wenn man es eine naturhafte Wirkkraft nennt (φυσικὴν ἐνέργειαν). Dessen (scil. des Vermögens) hauptsächliches und erstes Merkmal ist, dass es als formgebende und ganz zur Gattung gehörende Bewegung existiert (εἰδοποιὸν ὑπάρχουσαν κίνησιν γενικωτάτην), die jede Eigentümlichkeit enthält, die natürlicherweise zu ihr ge-

189 S. o. Anm. 160. Die Fülle der weiteren von Maximos vorgenommenen Versuche, diesen Text im Sinne eines ontologischen Dyenergetismus zu interpretieren, dokumentiert Polycarp Sherwood, Art. Denys lʼAreopagite, IV: Influence du Pseudo-Denys en Orient. 4. Saint Maxime le Confesseur, in: DSp 3 (1957), 295–299. 190 Maximus Conf., Ambigua ad Thomam 5 (CCSG 48,30 f.,225.237 f.240–251 Janssens):,Καινὴνʽ μὲν […]. Οὐ δ᾿αὖ πάλιν,μίανʽ […]. Ποιότητος γὰρ, ἀλλ᾿οὐ ποσότητος ἡ καινότης […]. Εἴπερ πάσης φύσεως ὅρος, ὁ τῆς οὐσιώδους αὐτῆς ἐνέργειας καθέστηκε λόγος […]. Πῶς δὲ καὶ τούτου δοθέντος, ὁ τοῦτο πεφυκῶς μίαν ἔχων ἐνέργειαν, καὶ ταύτην φυσικὴν, ἐπιτελέσει τῇ αὐτῇ τὰ θαύματα καὶ τὰ πάθη, λόγῳ φύσεως ἀλλήλων διαφέροντα. […] Διὸ μίαν ἁπλῶς ἢ φύσικὴν ἐπὶ Χριστοῦ θεότητος καὶ σαρκὸς ἐνέργειαν λέγειν οὐ θέμις, εἴπερ μὴ ταυτὸν ποιότητι φυσικῇ θεότης καὶ σάρξ.

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hört. Ohne sie (scil. die Bewegung) ist nur das Nicht-Sein, wie nach diesem großen Lehrer (sc. Ps.Dion. Areop.) auch nur das Nicht-Sein weder Bewegung noch Existenz hat.191

Ausschlaggebender Bestandteil des menschlichen Natur- oder Wesensbegriffs ist hiernach die konstitutive Fähigkeit (δύναμις) zur Bewegung (κίνησις). Dieses Vermögen sei formgebend und gattungsspezifisch und durch die entsprechenden naturhaften Eigentümlichkeiten gekennzeichnet. Es sei die unabdingbare Voraussetzung für menschliches Sein und menschliche Existenz. Diese Definition von δύναμις/κίνησις identifiziert Maximos mit einem naturhaften EnergeiaBegriff (φυσικὴ ἐνέργεια), so dass man hier ἐνέργεια mit Wirkkraft übersetzen kann. Die Definition bewegt sich vollständig in philosophisch-ontologischen Bahnen und lässt deutlich ihre aristotelische Herkunft erkennen. Die dem alexandrinischen Schulbetrieb zugrundeliegende Isagogē des Porphyrios ist dafür als Grundlage nicht ausreichend, denn sie behandelt nur die sog. quinque voces γένος, εἶδος, διαφορά, ἴδιον und συμβεβηκός, der Kommentar auch noch οὐσία. Die für die maximianische Argumentation und Polemik bedeutende Identifizierung von δύναμις und ἐνέργεια aber behandelt Aristoteles vor allem im 4., 8. und 9. Buch der Metaphysik. Polycarp Sherwood hat 1955 eine Analyse der von Maximos verwendeten Trias οὐσία, δύναμις, ἐνέργεια in den Ambigua vorgenommen. Er kam dabei zu dem Ergebnis, dass es sich bei dieser Trias um „a common doctrine“ handele: „in origin Aristotelian, (it) has become part of the neoplatonic heritage.“ Dennoch: „Maximus, to my knowlegde, is the first to use it extensively.“192 Und dabei sei festzustellen, dass (454) er in dieser Zeit den Begriff ἐνέργεια uneinheitlich verwendete, manchmal unterschieden von δύναμις, manchmal aber auch einfach synonym. Sherwood stellte weiterhin zwei von Maximos selbst differenzierte

191 Maximus Conf., Ambigua ad Thomam 5 (CCSG 48,19 f.,14–19 Janssens): ἧς μόνη τὲ καὶ ἀληθής ἐστιν ἀπόδειξις, ἡ κατὰ φύσιν αὐτῆς συστατικὴ δύναμις· ἣν οὐκ ἄν τις ἁμάρτοι τῆς ἀληθείας, φυσικὴν φήσας ἐνέργειαν, κυρίως τὲ καὶ πρώτως χαρακτηριστικὴν αὐτῆς, ὡς εἰδοποιὸν ὑπάρχουσαν κίνησιν γενικωτάτην, πάσης τῆς φυσικῶς αὐτῇ προσούσης περιεκτικὴν ἰδιότητος, ἧς χωρὶς μόνον ἐστὶ τὸ μὴ ὂν, ὡς μόνου τοῦ μηδαμῶς ὄντος κατὰ τοῦτον τὸν μέγαν διδάσκαλον, οὔτε κίνησιν οὔτε ὕπαρξιν ἔχοντος. Im Zitat bezieht sich Maximos auf Ps.Dionysius Areop., Eccl. Hierar. II (PTS 67,69,10 f. Suchla). 192 Polycarp Sherwood, The Earlier Ambigua of Saint Maximus the Confessor and his Refutation of Origenism (StAns 36), Rom 1955, 103–127.104 f. Dies gilt meines Erachtens aber erst seit den Ambigua und damit in den Jahren 634/5. Noch im Jahr 633 direkt nach der alexandrinischen Union bat Maximos in einem Schreiben nach Konstantinopel selbst um eine präzise Definition von ἐνέργεια und deren verschiedenen Arten und was darüber hinaus dann ἐνέργημα bedeute, und was der Unterschied zu ἔργον und πρᾶξις sei. Vgl.: Maximus Conf., Epistula 19 (PG 91,596B1–6). Auch in der Synodika des Patriarchen Sophronios von Jerusalem von 634 fehlt trotz ihres außerordentlichen Umfangs noch jede Differenzierung des Begriffes ἐνέργεια. Vgl.: Sophronius Hier., Epistula synodica (ACO ser. II 2,1 p.410,13–494,9 Ried.)

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Bedeutungen von ἐνέργεια fest: 1. „the immanent, producing something homogeneous and consubstantial, and (2.) the transitiv, producing some product outside the operator“. Der Begriff stehe so für „operation but also for the product. The proper word for this would be not merely ἔργον […], but ἐνέργημα or ἀποτέλεσμα.“193 Josef Stallmach hat in seiner Untersuchung zur aristotelischen Modalontologie anhand von dessen Verwendung von δύναμις und ἐνέργεια eine Doppeldeutigkeit des Dynamis-Begriffes beim Stagiriten festgestellt, insofern dessen erste und eigentliche Bedeutung „Kraft, Macht und Vermögen“ sei, aus der sich dann erst die Bedeutung „Möglichkeit“ ergebe.194 Beide Bedeutungen seien nicht austauschbar. Im Rahmen dieser ersten Bedeutung seien δύναμις und ἐνέργεια so eng aufeinander bezogen, „daß das eine immer nur aus der Korrespondenz mit dem anderen verstanden werden kann und wir von einem Zwiebegriff Dynamis/Energeia sprechen“.195 Unterscheidet man das ‚Woraus‘ und das ‚Was‘, so sei bei Aristoteles eine doppelte Bedeutung von ἐνέργεια gegeben. Einerseits sei „‚Vermögen‘[…] gerade das, was aus sich heraus zu dem übergehen kann, was es vermag.“196 Zum Vermögen gehört nach Aristoteles also der Übergang zu dem ihm eigenen Akt als Selbstentfaltung der in ihm liegenden Fähigkeit, wie z. B. das Sehvermögen das Sehen impliziert.197 Es handelt sich hier um Wirkzusammenhänge, bei denen neben dem Sichauswirken kein weiteres ἔργον entsteht. Die Energeia ist hier das Sichauswirken der Dynamis und damit selbst das Telos. Das entspricht der ersten von Sherwood bei Maximos festgestellten Bedeutung von ἐνέργεια. In anderen Wirkzusammenhängen aber ist das Entstehende etwas anderes neben dem Vollzug und das Telos dann das ἔργον, wie der (455) Bau im Verhältnis zum Bauen und Bauvermögen.198 Maximos nimmt dies als zweite Bedeutung ebenfalls auf. Es ist meines Erachtens somit klar, woher die Grundentscheidungen des maximianischen Energeia-Begriffes stammen, auch wenn eine neuplatonische Vermittlung in Rechnung zu stellen wäre.199 Es fällt allerdings auf, dass Maximos in der obigen Definition die Identifizierung von naturhafter Bewegung und naturhaftem Wirken noch relativ zu-

193 Vgl.: Sherwood, Earlier Ambigua (s. Anm. 192), Excursus II, 122–123.122. 194 Josef Stallmach, Dynamis und Energeia. Untersuchungen am Werk des Aristoteles zur Problemgeschichte von Möglichkeit und Wirklichkeit (MPF 21), Meisenheim am Glan 1959, 12.21, mit Verweis auf Arist., Met. Δ 12,1020 a4ff.; Η1, 1045b35. 195 Stallmach, Dynamis und Energeia (s. Anm. 194), 49 f., mit Verweis auf Arist., Met. Θ 6, 1048 a30 ff. 196 Stallmach, Dynamis und Energeia (s. Anm. 194), 24. 197 Stallmach, Dynamis und Energeia (s. Anm. 194), 39–42, mit Verweis auf: Arist., Met. Θ 6,1048 a34.37 ff., b1ff. 198 Die klassische Definition hierfür findet sich in: Arist., Met. Θ 8, 1050 a21ff. 199 Dies betont: Portaru, Classical Philosophical Influences (s. Anm. 59), 138.141.

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rückhaltend vornimmt („Man würde die Wahrheit nicht verfehlen …“). Er zieht auch noch nicht die logische und christologische Konsequenz zu einer Aussage von δύο ἐνέργειαι,200 spricht aber bereits von einer der doppelten Natur Christi entsprechenden „doppelten Wirkweise Christi“.201 Maximos nimmt für seinen theologischen Kampf gegen eine gemeinsame μία ἐνέργεια-Aussage mit den Gegnern Chalcedons also eine fundamentale ontologisch-analytische Perspektive auf das Wirken Jesu Christi ein. Dennoch ist in diesem frühen Text selbst auf rein ontologischer Basis noch ein bemerkenswertes Verständigungspotential mit den von ihm bekämpften theologischen Gegnern festzustellen. Denn er führt nun auch konkret aus, wie denn diese als Energeia definierte wesenhafte menschliche Bewegung Jesu Christi inhaltlich zu verstehen sei: Als auf einmal ‚der überseiende Logos das Menschsein annahm‘202, besaß er mit dem menschlichen Wesen unvermindert auch die ihn generell (γενικῶς) als Menschen charakterisierende, zum Wesen gehörende Bewegung (τῆς οὐσίας κίνησιν) als seine eigene. Diese war in allem, was er als Mensch wirkte, auf naturhafte Weise formgebend (φυσικῶς εἰδοποιουμένην), wenn anders er wahrhaft Mensch wurde, indem er atmete, redete, lief, seine Hände bewegte, seine Sinne natürlicherweise zur Sinneswahrnehmung benutzte, hungerte, Durst hatte, aß, schlief, ermüdete, weinte, kämpfte – wie wohl er (scil. der Logos) eine aus sich selbst Bestand habende Kraft ist (καίτοι δύναμις ὢν αὐθυπόστατος),– und alles Übrige, worin er (scil. der Logos) die angenommene Natur bewegte (τὴν προσληφθεῖσαν φύσιν κινῶν) nach Art der Seele, die natürlicherweise den (mit ihr) zusammengewachsenen Leib selbsttätig (αὐτουργικῶς) bewegt, weil sie (scil. die Natur) wahrhaft seine geworden ist und auch so genannt wird. Oder um es genau zu sagen: er wurde ohne sich zu verwandeln das, was die (menschliche) Natur real ist und erfüllte in unvorstellbarer Weise das Heilswerk für uns (τὴν ὑπὲρ ἡμῶν οἰκονομίαν).203

200 Zu den Gründen von deren Fehlen zu diesem Zeitpunkt vgl.: Ohme, Mehrheit und Minderheit (s. Anm. 12), 100–103. 201 Maximus Conf., Ambigua ad Thomam 5 (CCSG 48,30 f.,218–220 Janssens): […] τοῦ διττοῦ τὴν φύσιν Χριστοῦ τὴν διττὴν παραδηλοῦντος ἐνέργειαν. 202 (Ps.)Dionysius Areop., Div. Nom. II 6 (PTS 33,130,5 f. Suchla). Diese Passage wird hier von Maximos interpretiert. 203 Maximus Conf., Ambigua ad Thomam 5 (CCSG 48,23 f.,85–98 Janssens): Ἅπαξ γὰρ ἀνθρωπικῶς οὐσιωθεὶς ὁ ὑπερούσιος Λόγος, μετὰ τῆς ἀνθρωπίνης οὐσίας ἀμείωτον εἶχεν ὡς ἰδίαν αὐτοῦ, καὶ τὴν γενικῶς αὐτὸν ὡς ἄνθρωπον χαρακτηρίζουσαν τῆς οὐσίας κίνησιν, πᾶσιν οἷς ὧς ἄνθρωπος ἐνήργει φυσικῶς εἰδοποιουμένην, εἴπερ ἀληθῶς γέγονεν ἄνθρωπος, ἀναπνέων, λαλῶν, βαδίζων, χεῖρας κινῶν, προσφυῶς ταῖς αἰσθήσεσι χρώμενος εἰς ἀντίληψιν τῶν αἰσθητῶν, πεινῶν, διψῶν, ἐσθίων, ὑπνῶν, κοπιῶν, δακρύων, ἀγωνιῶν, καίτοι δύναμις ὢν αὐθυπόστατος, καὶ τὰ λοιπὰ πάντα, οἷς, αὐτουργικῶς ψυχῆς δίκην φυσικῶς τὸ συμφυὲς σῶμα κινούσης, τὴν προσληφθεῖσαν φύσιν κινῶν, ὡς αὐτοῦ καὶ γενομένην […], ἢ κυρίως εἰπεῖν, αὐτὸς δίχα τροπῆς τοῦθ᾿ὅπέρ ἐστι πραγματικῶς ἡ φύσις γενόμενος, ἀφαντασιάστως τὴν ὑπὲρ ἡμῶν οἰκονομίαν πεπλήρωκεν.

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(456) Diese Aussage ist trotz der syntaktischen Unausgewogenheit sehr bemerkenswert. Einerseits wendet Maximos hier strikt seine ontologische Definition der Natur des Menschen an, indem er die generell zum menschlichen Wesen gehörende, formgebende Bewegung der menschlichen Natur Christi konkretisiert. Andererseits aber ist diese Bewegung gleichzeitig konstitutiv dadurch bestimmt, dass es die eigene Bewegung des Logos ist (ὡς ἰδίαν αὐτοῦ). Und deshalb gilt auch gleichzeitig für alle menschlichen naturhaften Bewegungen Christi, die als ἐνέργειαι identifiziert werden, dass es der Logos ist, der die menschliche Natur bewegt, und zwar gemäß dem „anthropologischen Modell“ analog zur Hegemonie der Seele im Verhältnis zum Leib. Maximos bietet hier eine klassische Formulierung der sog. Logoshegemonie. Damit nicht genug gehören die aufgelisteten Konkretionen menschlich naturhaften Wirkens Christi durchweg zu den physiologischen Funktionen der menschlichen Natur. Man könnte die Beispiele auch als vormoralische instinkthafte oder reflexhafte Bewegungen bzw. Wirksamkeiten bezeichnen. Es handelt sich um eine physiologisch-ontologische Konkretion der menschlichen Natur Christi, die der allgemein menschlichen entspricht und fraglos ganz real (πραγματικῶς) am Heilswerk Christi (οἰκονομία) beteiligt war. Jedoch: Wer hat dies von den sogenannten Monenergeten je bestritten? Die Oikonomia jedoch, um die es Theodor von Pharan bei seinen Einheitsaussagen stets ging, bewirkt auch nach Maximos „er“, der menschgewordene Logos! In einer ähnlichen Phrase in Ambigua ad Thomam 4 hat Maximos diesen Gedanken auch noch auf das Verhältnis von Naturen und Hypostase Christi hin formuliert und dabei hinsichtlich der Wirkens Christi nicht nur denselben Begriff μοναδικῶς verwendet, den auch Theodor von Pharan gewählt hatte,204 sondern den Gedanken der Einheitlichkeit und Einheit des Wirkens zusätzlich mit der nochmals zugespitzten Formulierungen ἑνοειδῶς205 beschrieben: Er beglaubigte klar die Naturen, deren Hypostase er war, und deren wesenhafte Wirkweisen (ἐνεργείας), d. h. Bewegungen, deren unvermischte Einheit er selbst war, die keine Trennung beider Naturen zuließ, deren Hypostase er selbst war, jedes Mal, wenn er durch sich selbst natürlicherweise, einheitlich, d. h. in einer einzigen Form wirkte (εἴπερ ἑαυτῷ προσφυῶς, μοναδικῶς τουτέστιν ἑνοειδῶς ἐνεργῶν).206

204 S. o. S. 589 (Fr. 3). 205 Lampe, Lexicon (s. Anm. 146), 477 s.v. „of a single form; one only; indicating unity“. 206 Maximus Conf., Ambigua ad Thomam 4 (CCSG 16,75–79 Janssens): […] σαφῶς ἐπιστοῦτο τάς τε φύσεις ὧν αὐτὸς ὑπόστασις ἦν, καὶ τὰς αὐτῶν οὐσιώδεις ἐνεργείας ἢγουν κινήσεις, ὧν αὐτὸς ἕνωσις ἦν ἀσύγχυτος, μὴ δεχομένη διαίρεσιν κατ᾿ἄμφω τὰς φύσεις ὧν αὐτὸς ὑπόστασις ἦν, εἴπερ ἑαυτῷ προσφυῶς, μοναδικῶς τουτέστιν ἑνοειδῶς ἐνεργῶν (s.a: ebd., 25, 131).

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(457) Man fragt sich, warum selbst auf einer so differenzierten ontologischen Grundlage keine Verständigung mit den Verfechtern einer dyophysitischen miaenergetischen Christologie möglich gewesen sein soll? Nach dem Gesagten ist es eigentlich nicht verwunderlich, dass Maximos noch im Jahre 641 in einem umfangreichen Schreiben an den zypriotischen Presbyter Marinos (Opusc. theol. et pol. 20) sogar auch noch die doppelte Perspektive des Anastasius von Antiochien auf das Wirken Jesu Christi ausdrücklich bestätigt hat.207 Marinos hatte Maximos drei Testimonia entgegengehalten, die von Miaenergeten ins Feld geführt wurden. Dazu gehörte auch der Verweis auf Anastasius von Antiochien mit seiner Aussage einer Energeia im Diaitētēs. Marinos fragt: „Wie konnte er bei ihm (scil. Christus) das Wirken (τὴν ἐνέργειαν) eines nennen, obwohl er doch lehrte, dass die Wirkweisen (τὰς ἐνεργείας) naturhaft sind?“208 Maximos verteidigt in seiner Antwort Anastasius ausführlich, nennt ihn einen „weisen Ausleger und Lehrer“ und „bewährten und göttlichen Vater“209 und begründet mit Zitaten210 aus dem Diaitētēs, dass es legitim sei, auch von einer ἐνέργεια Christi zu sprechen. Maximos interpretiert zutreffend, dass Anastasius damit nichts anderes erkläre, „als die unzerreißbare Einung der eingepflanzten Wirkkräfte und ihr Resultat (ἀποτέλεσμα), ich meine das Werk (ἔργον) und die Tat (πρᾶξιν)“.211 Insofern das Resultat, d. h. die Tat, die beiden naturhaften Energien umfasse, habe Anastasios von der μία ἐνέργεια geredet, „weil nichts Göttliches und Menschliches getrennt vollzogen wird, sondern von Ein-und-demselben in engster Verbundenheit und zugleich geeint (συμφυῶς ἅμα καὶ ἡνωμένως) ausgeführt wird.“212 Dabei unterscheidet Maximos hier einen „teilweisen“ und einen „allgemeinen“ Gebrauch (μερικὸν καὶ καθολικόν) des Begriffes ἐνέργεια. Während der teilweise von der naturhaften (458) ἐνέργεια herrühre, gehöre der andere in den Bereich des Allgemeinen.213 Anastasius habe deshalb nicht von einer naturhaften oder wesenhaften

207 Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 20 (PG 91,228B–245D). Vgl.: Jankowiak/Booth, DateList (s. Anm. 74), Nr. 42 (a.641); Winkelmann, Streit (s. Anm. 1), Nr. 60; eine Textanalyse bietet: Uthemann, Der Neuchalkedonismus (s. Anm. 38), 400–403. 208 Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 20 (PG 91,229 C8 f.): πῶς ἐπ᾿αὐτοῦ μίαν φησὶ τὴν ἐνέργειαν, καίτοι φυσικὰς δογματίζων τὰς ἐνεργείας. 209 Maximus Conf., Opusc. et pol. 20 (PG 91, 229C10 f.; 233A13): σοφὸν ἑρμηνευτὴν καὶ διδάσκαλον; ἔγκριτὸς καὶ θεῖος Πατὴρ. 210 S. o. Anm. 177. 211 Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 20 (PG 91,229C11–14): […] ἢ τὴν τῶν ἐμφύτων ἐνεργειῶν ἀδιάσπαστον ἕνωσιν, καὶ τὸ ἐξ αὐτῶν ἀποτέλεσμα, τὸ ἔργον φημὶ καὶ τὴν πρᾶξιν. 212 Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 20 (PG 91,232 A3–11): […] μίαν εἶπεν ἐνέργειαν, διὰ τὸ μηδὲν θεῖον ἢ ἀνθρώπινον κεχωρισμένως ἐπιτελεῖσθαι, ἀλλ᾿ ἐξ ἑνὸς καὶ τοῦ αὐτοῦ συμφυῶς ἅμα καὶ ἡνωμένως προάγεσθαι. 213 A.a.O., 229D1–232A3.

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ἐνέργεια gesprochen, vielmehr habe er im Diaitētēs unterschieden zwischen einer ἐνέργεια als „naturhaftes Merkmal, das die Fähigkeit zum Wirken habe und dem Wirken selbst, das aus dieser Anlage (ἐπιτηδειότης) zum Werk und zur Tat hervorgeht.“214 Anastasius habe also – wie manch anerkannter Vater – gelehrt, „dass die ἐνέργεια bei Christus eine und zwei sei, das eine in Hinblick auf die Einung der naturhaften Wirkkräfte genauso wie die der Naturen, das andere in Hinblick auf deren wesenhaften Unterschied.“215 Auch in einem nur wenige Monate zuvor ebenfalls an Marinos nach Zypern gesandten Brief (Opusc. theol. et pol. 7)216 kam Maximus nicht umhin, angesichts der ihm entgegengehaltenen Testimonia die Legitimität einer miaenergetischen Ausdrucksweise anzuerkennen. Zur Formel des Areopagiten217 heißt es dort einerseits, dass damit keine numerische Aussage gemeint sei, andererseits aber habe Dionysius damit „die Einung (ἕνωσις) der naturhaften ἐνέργειαι einheitlich (μοναδικῶς) beschrieben“.218 Die Einung der Naturen in der einen Hypostase des Menschgewordenen hat also nach Maximos auch eine Einung der Wirkweisen zur Folge. Maximos benutzt auch hier wiederum den Begriff μοναδικῶς. Zu der Einheitsformel Cyrills219 erklärt er sogar, Christus habe bei der Heilung der Tochter des Jairus beide naturhaften Wirkweisen „durch Zusammenwachsen und gegenseitige Durchdringung als ganz und gar vereint erwiesen, so dass er durch die Einung des Logos selbst und seines hochheiligen Fleisches gezeigt habe, dass das Wirken eines sei (μίαν δείκνυσθαι τὴν ἐνέργειαν)“.220 Es ist festzuhalten, dass Maximos in diesen beiden Briefen an Marinos einen in der anerkannten theologischen Tradition gegebenen legitimen theologischen (459) Sprachgebrauch der μία ἐνέργεια Christi bestätigt und dabei die von Anastasius von Antiochien „äußerst wissenschaftlich“221 vorgenommene Unterscheidung

214 Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 20 (PG 91, 232 B7–12): διαγορεύων […] περί τε ἰδιότητος φυσικῆς τῆς πρὸς ἐνέργειαν ἐπιτηδείως ἐχούσης, καὶ αὐτῆς ἐνεργείας τῆς εἰς ἔργον καὶ πᾶξιν ἐκ τῆς ἐπιτηδειότητος προϊούσης. 215 Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 20 (PG 91, 233A12–B1): […] γεγραφὼς, μίαν ἐπὶ Χριστοῦ τὴν ἐνέργειαν καὶ δύο, τὸ μὲν τὴν ἕνωσιν ἀποσκοπῶν τῶν κατὰ φύσιν ἐνεργειῶν, ὥσπερ οὖν καὶ τῶν φύσεων· τὸ δὲ, τὴν οὐσιώδη τούτων διαφοράν. 216 Jankowiak/Booth, Date-List (s. Anm. 74), Nr. 41 (ca. 640/1). 217 S. o. Anm. 160. 218 Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 7 (PG 91, 85A4–6): […] καὶ μοναδικῶς τὴν τῶν φυσικῶν ἐνεργειῶν ἕνωσιν ἐπισημαίνων. 219 S. o. S. 594 f; hier wiedergegeben als: ἡ συγγενῆς δὲ καὶ δἰ ἀμφοῖν ἐπιδεδειγμένη μία ἐνέργεια. 220 Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 7 (PG 91,88A2–5): παρέστησε ταύτας ἡνωμένας διόλου τῇ πρὸς ἀλλήλας συμφυΐᾳ καὶ περιχωρήσει· ὡς μίαν διὰ τὴν ἕνωσιν αὐτοῦ τε τοῦ Λόγου καὶ τῆς παναγίας αὐτοῦ σαρκὸς δείκνυσθαι τὴν ἐνέργειαν. 221 λίαν ἐπιστημόνως: a.a.O, 232B8.

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der Verwendung des Begriffes im christologischen Kontext würdigt. Festzuhalten ist auch, dass diese Differenzierung des Energeia-Begriffes den ontologisch-wesenhaften Aspekt zwischen der naturhaften „Anlage“ und Fähigkeit zum Wirken (ἐπιτηδειότης) – identisch mit δύναμις/ἐνέργεια – und dem Vollzug des Wirkens als Tat und sowie das Ergebnis des Wirkens als ἔργον, ἀποτέλεσμα oder συμπέρασμα unterscheidet. Für alle Aspekte kann danach der Begriff ἐνέργεια verwendet werden. Zu beachten ist allerdings auch der historische Kontext der Briefe an Marinos. Denn beide gehören zu einer seit 636 von Sophronios und Maximos gestarteten konzertierten Aktion, über den zum Umfeld des Erzbischofs von Zypern, Arkadios I. (624/5–641/2), gehörenden Marinos auf Letzteren Einfluss zu nehmen. Denn Arkadios spielte in dieser Phase des sogenannten monenergetischmonotheletischen Streites eine Schlüsselrolle.222 Die unter seinem Vorsitz im Jahr 636 durchgeführte Synode von Zypern hatte nämlich die von Sophronios und Maximos praktizierte Agitation gegen jede Verständigung mit den Gegnern von Chalcedon und die prinzipielle Infragestellung jeder miaenergetischen Aussage in der Christologie durch beide abgelehnt. Und auf Initiative der Synode kam es noch 636/7 zu jenem kaiserlichen Gesetz, der sog. Ekthesis, das zur Verhinderung eines innerkirchlichen Streites jede Verabsolutierung einer numerischen Aussage sei es von einer, aber eben auch von zwei ἐνέργειαι untersagte.223 Maximos argumentiert in beiden Briefen an Marinos zwar tendenziell gegen diese Ekthesis und für eine dyenergetische (und dyotheletische) Christologie; umso bedeutender sind gerade deshalb die Zugeständnisse, die er hier machen muss. (460)

222 Vgl.: Ohme, Die Kirche von Zypern (s. Anm. 9), Kap. 2–3. Zu Arkadios vgl. auch: Winkelmann, Streit (s. Anm. 1), S. 196–198. 223 Zu den Hintergründen und auch dem Datum der Ekthesis vgl. jetzt: Ohme, Die Konstantinopler Synoden (s. Anm. 11). Dort findet sich auch eine deutsche Übersetzung der Ekthesis. Die mit der μία ἐνέργεια-Formel gemeinte Überzeugung wurde dadurch nicht aufgegeben. Denn die Ekthesis formulierte nun: „Wir bekennen, dass ein und derselbe einziggeborene Sohn, unser Herr Jesus Christus, wahrer Gott, das Göttliche wie auch das Menschliche gewirkt hat und alles gott- und menschengemäße Wirken aus ein und demselben fleischgewordenen Gott Logos ungetrennt und unvermischt hervorgeht und sich auf ein und denselben bezieht. […] Deshalb bekennen wir […] einen Willen (ἕν θέλημα) unseres Herrn Jesus Christus, des wahren Gottes, weil zu keinem Zeitpunkt sein mit einer Vernunftseele ausgestattetes Fleisch gesondert für sich und aus eigenem Antrieb (ἐξ οἰκείας ὁρμῆς) seine natürliche Bewegung (τὴν φυσικὴν αὐτῆς κίνησιν) entgegen dem Wink des mit ihm hypostatisch geeinten Logos vollzogen hat, sondern wann, wie und in welchem Maß sie der Gott-Logos wollte“: ACO ser. II 2,1 p.160,7– 10.26-29 (Ried.).

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5 Die Kehrtwende des Maximos und der Weg zur Anathematisierung des Theodor von Pharan Im Jahre 645/6 hat Maximos nun jedoch in Opusc. theol. et pol. 9 eine umfassende retractatio seines ontologisch grundgelegten Verständnisses der Möglichkeit, sowohl von zwei Wirkweisen als auch von einem Wirken Christi zu sprechen, vorgenommen.224 Letzteres wird nun prinzipiell ausgeschlossen. Der Anlass für diese Kehrtwende war ein für ihn negativ ausgegangenes Lehrgespräch mit Äbten und Mönchen auf Sizilien, wo er nach der Disputation mit Pyrrhos225 wohl auf seiner Reise von Karthago nach Rom Station gemacht hatte. Er sah sich jetzt genötigt, seine Position nochmals schriftlich zu erklären, so dass dieser Traktat den Charakter einer Apologie hat. Seine Gesprächspartner hatten unter Berufung u. a. auf seinen Brief an Marinos – gemeint sein muss entweder Opusc. 7 oder 20 – den Vorwurf erhoben, dass er gleichzeitig einen und zwei Willen und eine und zwei ἐνέργειαι bekannt habe und damit de facto drei.226 Das Gespräch hatte offensichtlich eine polemische Wendung genommen. Dabei wurde Maximos mit der Frage konfrontiert: „Was sollen wir denn dem Ganzen prädizieren, außer dass wir ihm als dem einen Ganzen wegen der Einung die eine ἐνέργεια zuweisen?“227 Daraus kann man schließen, dass seine Gesprächspartner die Berechtigung einer μία ἐνέργεια-Aussage verteidigt haben.228 Maximos bestreitet, dies jemals gesagt zu haben und leugnet sogar seine Autorschaft des Briefes an Marinos.229 Er benutzt den polemischen Vorwurf einer „dritten ἐνέργεια“, um die Möglichkeit der Aussage eines Wirkens der Hypostase als des „Ganzen“ – und dem Stand der Kontroverse ent-

224 Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 9 (PG 91,112C–132). Die Adresse spricht für die Abfassung des Textes auf Sizilien: „An die heiligen Väter, Äbte, Mönche und das orthodoxe Volk, die hier auf der christusliebenden Insel wohnen“. Vgl.: Jankowiak/Booth, Date-List (s. Anm. 74), Nr. 68 („late 645 or 646“); Winkelmann, Streit (s. Anm. 1), Nr. 102. 225 Maximos erwähnt in diesem Brief selbst, dass er Pyrrhos wieder zum rechten Glauben zurückgeführt habe: Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 9 (PG 91,132B13–C10). Zur Bedeutung dieser Disputation s. o. S. 585; und u. S. 622. 226 Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 9 (PG 91,113B12–C2). 227 Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 9 (PG 91,117C1–2): Καὶ τί τῷ ὅλῳ παρέχομεν, φασὶν, εἰ μὴ τὴν μίαν ὡς ἑνὶ τῷ ὅλῳ διὰ τὴν ἕνωσιν διδοῦμεν ἐνέργειαν;. 228 Eindeutig ist dies allerdings nicht. Traditionell wird angenommen, dass die Adressaten Dyenergeten waren, weil man davon ausging, dass der gesamte Westen im späteren Sinne so gedacht habe. Das aber ist eine reine petitio principii. Es fällt jedenfalls auf, dass die wichtigsten sizilianischen Kathedren von Syrakus und Catania auf der Lateransynode von 649 nicht vertreten waren. S. auch unten S. 620–623. 229 Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 9 (PG 91,129B12f.).

5 Die Kehrtwende des Maximos und Theodor von Pharan

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sprechend (461) nun auch eines Willens – mit umfänglichen ontologischen Argumentationen230 prinzipiell zu bestreiten. So ist es für ihn ausgeschlossen, dass „das Ganze eine einzige und selbe energeia oder Wille oder Natur (haben kann), die zugleich göttlich und menschlich sind.“231 Indem damit und dann durchgängig die Einheitsaussage μία ἐνέργεια auf die Naturebene einer Natur verschoben wird, laufen alle Argumente des Maximos nun auf den Vorwurf des Monophysitismus hinaus. Er unterstellt dementsprechend, dass die Zuordnung des einen Wirkens zum Ganzen impliziere, dass dieses dann „etwas anderes“ (ἄλλο τι) neben seinen Teilen sein müsse. Weil es jedoch keine andere naturhafte Existenz habe, könne man ihm auch kein anderes naturhaftes Wirken (οὐδ᾿ ἑτέραν κατὰ φύσιν ἐνέργειαν) zuschreiben über seine naturhaften Wirkweisen hinaus. Man muss sich fragen, wer das je behauptet hat! Zusätzlich wird die Argumentation polemisch verschärft, indem Maximos schließt, dass das nun von ihm tatsächlich als „dritte“ ἐνέργεια bezeichnete eine Wirken die Abschaffung der beiden naturhaften Wirkweisen zur Folge haben müsse.232 Schließlich wird auch noch der zuvor verteidigte Aspekt der ἐνέργεια als ἀποτέλεσμα lächerlich gemacht, indem monophysitisch argumentierend erklärt wird, dass ein solches ἀποτέλεσμα ein verfälschtes hybrides Mittleres sei, das als „drittes Resultat nach dem Beispiel der Maultiere“ der frommen Verkündigung der Väter widerspreche.233 Mit diesem Traktat vollzieht Maximos einen radikalen Bruch mit einem Teil seiner bisherigen Argumentation, die bis zu den Briefen an Marinos bei aller Ablehnung der alexandrinischen Union und der Ekthesis des Kaisers Herakleios noch einen Ansatzpunkt für eine mögliche Konsensfindung auf ontologischer Ebene mit seinen Gegnern einschloss. Jetzt werden alle bis dahin noch vorhandenen Brücken für eine Verständigung abgebrochen und ein Weg beschritten, der nach vier Jahren auf der Lateransynode nicht nur zu den eingangs genannten persönlichen Anathematismen einschließlich des gegen Theodor von Pharan führte, sondern zusätzlich auch noch zu einem Anathematismus gegen jeden, der „zusätzlich anordnet, zusammen mit den in der Einung bei Christus Gott wesensmäßig bewahrten […] zwei Willen und zwei Wirkweisen, der göttlichen und der menschlichen, auch einen Willen und ein Wirken […] zu bekennen (συνομολογεῖν)“.234

230 Eine ausführlichere Analyse bietet: Uthemann, Neuchalkedonismus (s. Anm. 38), 406–411. 231 Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 9 (PG 91,117A9–11.B1–3): Οὐ γὰρ οἷόν τε τὴν αὐτὴν καὶ μίαν ἐνέργειαν, ἢ θέλησιν, ἢ φύσιν τὸ σύνολον, θείαν ἐν ταὐτῷ καὶ ἀνθρωπίνην ὑπάρχειν. 232 Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 9 (PG 91,117D2–4). 233 Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 9 (PG 91,121A12–16): οἷόν τι νόθον καὶ μεταίχμιον, ἤγουν τρίτον ἀποτέλεσμα, κατὰ τὴν τῶν ἡμιόνων παράδειξιν. 234 Concilium Lateranense a. 649, Secr. 5, Anathema 13 (ACO ser. II 1, p.376,1–10 Ried.).

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(462) Wie ist diese Kehrtwende zu verstehen? Die Beantwortung dieser Frage ist gleichzeitig auch die Erklärung, warum Theodor von Pharan zum Häresiarchen wurde. D. Bathrellos hat noch im Jahr 2004 folgende Erklärung angeboten. Maximos habe sich zu diesem Zeitpunkt in dem Dilemma befunden, „of either allying himself to the hard dyothelite position which characterized the West, which had the determination and the ecclesiastical power to confront monothelitism“, oder an seiner bisherigen Offenheit für eine Einheitsaussage festzuhalten und damit die Einheit des „anti-monothelite camp“ zu untergraben. Dieser „hard-line dyothelitism and dyoenergism“ des Westens habe dann in den Anathematismen der Lateransynode seinen Ausdruck gefunden. Deshalb gelte: „It could not have been too difficult for him to decide.“235 Diese Erklärung ist jedoch nicht haltbar, weil sie im Widerspruch zu wesentlichen historischen und philologischen Erkenntnissen über diese Phase des sogenannten monenergetisch-monotheletischen Streites steht, von denen die meisten auch schon im Jahr 2004 bekannt waren, aber von Bathrellos ignoriert wurden. So ist die These eines „hard-line dyothelitism and dyoenergism“ des lateinischen Westens unbegründet. Denn die Konstantinopolitanische Unionspolitik auf der Grundlage der μία ἐνέργεια-Formel wurde von der römischen Kirche unter Papst Honorius I. (625–638) mitgetragen wie nicht nur sein Brief an Patriarch Sergios belegt.236 Auf der Synode von Zypern im Jahr 636237 war die römische Kirche durch einen Legaten vertreten und hat dann auch die Ekthesis von 636/7 rezipiert.238 Erst unter dem zweiten Nachfolger des Honorius, Papst Johannes IV. (640–642) lässt sich Protest gegen die Maßnahmen des Konstantinopler Patriarchen Pyrrhos zur erneuten Bestätigung der Ekthesis feststellen. Aber auch hier bestand noch theologische Gesprächsbereitschaft. Die unter diesem Papst im Jahr 641 durchgeführte römische Synode hat weder den sogenannten Monotheletismus anathematisiert, noch namentliche Anathematismen vorgenommen, wie es dann erst in Quellen des 9. Jahrhunderts behauptet wird.239 Die Haltung von Papst Honorius (463) ist auch nicht durch die sog. Apologia Honorii Papst Johannesʼ IV. in

235 Bathrellos, The Byzantine Christi (s. Anm. 3), 200 f. 236 Honorius I. pp., Epistula I ad Sergium Patr. (ACO ser. II 2,2 p.548,1–558,8 Ried.); Winkelmann, Streit (s. Anm. 1), Nr. 44; Deutsche Übers.: Georg Kreuzer, Die Honoriusfrage im Mittelalter und in der Neuzeit. Stuttgart 1975, 32–47. 237 S. o. S. 617. 238 Das bezeugt die durch ein Versehen in den Akten der Lateransynode überlieferte lateinische Übersetzung der Ekthesis in ihrer Überschrift (ACO ser. II 1, p.157,20–25 Ried.). Bestätigung findet dies weiterhin durch ein syrisches Florileg vom Ende 7./Anfang 8. Jahrhundert, vgl.: Maria Conterno, Three unpublished texts on Christ’s will and operation from the Syriac florilegium in the ms. London, British Library, Add. 14535 (in: Millennium 10, 2013, 115–144), 117. Vgl. dazu: Ohme, Die Konstantinopler Synode (s. Anm. 11), 306 f. 239 Nachweise bei: Ohme, Wer hat den Dyotheletismus erfunden? (s. Anm. 38), 114–122.

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Frage zu stellen, weil dieser Brief an die Nachfolger des Herakleios,240 der nur in einer lateinischen Rückübersetzung aus dem Griechischen aus dem Jahre 874/5 und in arabischer Überlieferung existiert, nach 641 unter dem Einfluss des Maximos und dann nach dem VI. Ökumenischen Konzil mehrfach fortgeschrieben wurde, um seine Aussagen aktuellen Überzeugungen anzupassen.241 Und schließlich ist auch die Lateransynode von 649 kein Beweis für eine allgemeine dyenergetische und dyotheletische Haltung des Westens zu dieser Zeit. Denn Rudolf Riedinger hat bereits im Rahmen seiner 1984 publizierten Edition242 der in lateinischer und griechischer Sprache überlieferten Akten dieser Synode unbestreitbar beweisen können,243 dass der gesamte lateinische Aktentext244 einschließlich aller auf der Synode gehaltenen Reden eine Übersetzung aus dem Griechischen darstellt. Und weil der von der Synode dogmatisierte und in den Reden vertretene Dyenergismus und Dyotheletismus bis in einzelne Formulierungen hinein vollständig der maximianischen Argumentation entspricht, ist klar, dass die um Maximos in Rom versammelte Mönchsgruppe seit 646/7 mit der Herstellung und Kompilation des gesamten Aktentextes und dessen Übersetzung ins Lateinische vor Beginn der Synode befasst war. Inzwischen konnte aufgrund von kunstgeschichtlichen Untersuchungen sogar wahrscheinlich gemacht werden, wo diese Arbeiten durchgeführt wurden: in der Palastkirche Sta. Maria Antiqua auf dem Palatin.245 Dies alles ist in enger Abstimmung mit Papst Theodorus I. (642–649) erfolgt, der selbst griechischer Herkunft und Sohn eines Bischofs aus Jerusalem war, dann aber überraschend vor Synodenbeginn verstarb. Die Reden der Synode, von denen Papst Martin I. und seine beiden Co-Vorsitzenden 95,55% halten, sind rein literarische Produkte. Die Beiträge der restlichen 103 Bischöfe, fast ausschließlich italischer Herkunft, beschränken sich auf marginale Äußerungen. Die in der Forschung diskutierte Möglichkeit eventueller tatsächlicher Debatten ändert nichts an diesem (464) Sachverhalt.246 Die

240 Iohannes IV., Epistula ad Constantinum Imp. (PL 129,561‒566); Winkelmann, Streit (s. Anm. 1) Nr. 69. 241 Nachweise bei: Ohme, Wer hat den Dyotheletismus erfunden? (s. Anm. 38). 242 S. o. Anm. 5. 243 Vgl. dazu die gesammelten Aufsätze Rudolf Riedingers: Ders., Kleine Schriften zu den Konzilsakten des 7. Jahrhunderts (IP 34), Turnhout 1998. Wichtige Vorarbeiten dazu erbrachte Erich Caspar, Die Lateransynode von 649, in: ZKG 51 (1932), 75–137. 244 Ausgenommen sind nur wenige in die Akten aufgenommene original lateinische Texte. 245 S.: Eileen Rubery, Papal Opposition to Imperial Heresies: Text as Image in the Church of Sta. Maria Antiqua in the Time of Pope Martin I (649–654/5), in: StPatr 50 (2011), 3–29; Dies., Conflict or collusion? Pope Martin (649–654/5) and the Exarch Olympius in Rome after the Lateran Synod, in: StPatr 52 (2012), 339–374. 246 Zu den Details vgl.: Ohme, Was war die Lateransynode von 649? (s. Anm. 7).

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Lateransynode steht somit am Ende einer gezielt geführten kirchenpolitischen Kampagne jenes bereits eingangs erwähnten Kollektivs palästinischer Mönche, denen es gelungen war, die Päpste Theodorus I. und Martin I. für ihre Pläne zu gewinnen. Die Mönche waren schon vor den Persern, die 619–628 Syropalästina und Ägypten besetzt hatten und im Jahr 626 fast Konstantinopel erobert hätten, und dann vor den Arabern in den Westen geflüchtet und hatten sich um den Sophronios-Schüler Maximos gesammelt.247 Maximos hatte spätestens seit der arabischen Eroberung Jerusalems im Jahre 638 – es war die zweite nach der persischen! – in Erwartung des Untergangs des Imperium Romanum und des bevorstehenden Endgerichts gelebt und Lk 21,7–36 und 2Thess 2,3–8 apokalyptisch auf die Zeitereignisse gedeutet.248 Er war damit nicht allein, denn die apokalyptische Deutung der Gegenwart war bald Allgemeingut. Die Eroberung auch Alexandriens und Ägyptens, der Pentapolis und Tripolis durch die Araber im Jahr 642/3 nach dem Tod des Kaisers Herakleios muss zu einer Radikalisierung bei ihm und seinen Anhängern geführt haben. Denn die nun ergriffenen Maßnahmen zielten mit politischem Kalkül auf die Isolierung der Kirche von Konstantinopel ab und auf die Destabilisierung der Herrschaft der weiter herrschenden Dynastie des Herakleios, dessen Religionspolitik Maximos für die Zeitereignisse verantwortlich machte. Diese wurden als Strafe Gottes für die angeblich häretische miaenergetische und henotheletische Christologie gedeutet und die nun ergriffenen Maßnahmen offensichtlich als letzte Möglichkeit verstanden, den Zorn Gottes abzuwenden. Zu diesen Maßnahmen gehörte wohl auch die Unterstützung eines Usurpationsversuches des Exarchen des römischen Africa, Gregorios,249 im Jahre 645/6, mit dem zusammen schon die Disputation mit Pyrrhos im Jahr 645 in Karthago durchgeführt worden war. Der Exarch plante anscheinend ein „orthodoxes“ Reich mit dem in Konstantinopel abgesetzten und nach Africa verbannten Pyrrhos, der dazu auf Disputatio mit Maximos zum Dyenergetismus und Dyotheletismus „bekehrt“ wurde. Pyrrhos ist daraufhin ca. 646/7 nach Vorlage einer entsprechenden Erklärung in Rom von Papst Theodorus I. zum einzig legitimen Patriarchen von Konstan-

247 Dazu vgl.: Jean-Marie Sansterre, Les moines grecs et orientaux à Rome aux époques byzantine et carolingienne (milieu du VIe s.–fin du IXe s.), Bruxelles 1983; Boudignon, Le pouvoir de lʼanathème (s. Anm. 8), 245–274; Booth, Crisis (s. Anm. 12), 278–329; Ohme, Maximos Homologetes (†662): Martyrium, (s. Anm. 38). 248 Vgl. dazu: Ohme, Geschichtstheologie (s. Anm. 38), 41–51. 249 PMBZ, Nr. 2345; John F. Haldon, Byzantium in the Seventh Century. The Transformation of a Culture, Cambridge 21997, 306 f.; van Dieten, Patriarchen (s. Anm. 18), 83–85.; Wolfram Brandes, „Juristische“ Krisenbewältigung im 7. Jahrhundert? Die Prozesse gegen Papst Martin I. und Maximos Homologetes, in: FBRG.FM 10 (1998), (141–212) 185–192.

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tinopel (465) erklärt worden. Als er sich wenig später wieder davon distanzierte und nach Konstantinopel zurückkehrte, war die beabsichtigte politische Wirkung der Installation eines Gegenpatriarchen hinfällig geworden. Der Papst suchte daraufhin die direkte Konfrontation, indem er im Jahr 647 Pyrrhos durch eine römische Synode anathematisieren und absetzen ließ und schließlich auch die Deposition des amtierenden Konstantinopler Patriarchen Paulos beschloss.250 Die Lateransynode mit ihren Anathematismen gegen drei Konstantinopler Patriarchen, Kyros von Alexandrien und Theodor von Pharan schließt diesen Eskalationsprozess ab. Die völlige Distanzierung des Maximos von einem theologischen Ansatz für eine Verständigung mit den Anhängern einer Einheitsaussage für das Wirken und Wollen Jesu Christi und damit der Bruch im eigenen Denken, der bis zur Verleugnung eigener Schriften reichte – später verstieg er sich sogar zu der Aussage, dass die Einheitsformel Cyrills in dessen Johanneskommentar eine Interpolation des Timotheus Ailurus sei251 – wird meines Erachtens nur im Rahmen dieses zunehmenden Radikalisierungsprozesses nach 641/2 verständlich. Häresien hatten nach herrschendem Verständnis ihre Ursache stets in einer Erfindung neuer Lehren (καινοτομία) und deshalb auch einen Neuerer, der als erster den Irrtum aufgebracht und in die Theologie eingeführt hatte. Dass man diesen schließlich mit Theodor von Pharan identifizierte, bot sich an. Denn Maximos hatte bereits zwischen 643 und 646 neben seinen oben genannten252 theologischen Einwänden gegen Theodors Praeparatio festgestellt, dass „die Gegner“ ihn als „Lehrer und Anwalt ihrer eigenen Meinung“ angeben und dann „aus seinen Worten fast die gesamte Ekthesis diktiert haben“.253 Wie bereits festgestellt, wird Theodor aber zu dieser Zeit noch nicht als Häretiker bezeichnet. In der äußerst umfangreichen, im Jahr 634 verfassten Synodica des Patriarchen Sophronios von Jerusalem, die am Ende eine ebenfalls extensive Häretikerliste enthält, taucht der Namen Theodors ebenfalls noch nicht auf.254 Zum Häretiker ist er offensichtlich erst im Zusammenhang der Lateransynode geworden und dies mit der Anklage wegen Neuerung (καινοτομία).255 Auf der 3. Sit-

250 Liber Pontificalis 75,3.6 (332,15–16; 333,8 Duchesne). 251 Acta in primo exsilio seu dialogus Maximi cum Theodosio ep. Caesareae in Bithynia (CCSG 39, p.101, 297–304 Allen/Neil). 252 S. o. S. 580. 253 Maximus Conf., Opusc. theol. et pol. 10 (PG 91,136D3–5): ὃν καὶ τῆς οἰκείας δόξης καθηγητὴν καὶ συνήγορον, οἱ τῆς ἐναντίας προβάλλονται· τὴν πᾶσαν ἐξ αὐτοῦ καὶ τῶν αὐτοῦ ῥημάτων σχεδὸν τυπώσαντές τε καὶ ὑπαγορεύσαντες Ἔκθεσιν. 254 Sophronius Hier., Epistula synodica (ACO ser. II 2,1, p. 410,13–494,9. 476,10–486,16 Ried.). 255 Concilium Lateranense a. 649, Secr. 2 (ACO ser. II 1, p.40,17;42,32;46,7 Ried.).

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zung der Synode wurden die Schriften „aller wegen Neuerung angeklagter Personen“ überprüft, an erster Stelle aber die Theodors mit den Vorwurf, „in seinen abwegigen Schriften (466) diese Neuerung initiiert zu haben“.256 Mit der Bestätigung dieser Anklage durch die Synode wurde er zum Häresiarchen. Den Logos des Patriarchen Menas von ca. 540257 überging man dabei geflissentlich. Im Jahre 701 hat der entschieden dyotheletische Abt des Sinaiklosters, Anastasios, in der ältesten erhaltenen, nichtsdestoweniger aber konfusen Darstellung des sogenannten monenergetisch-monotheletischen Streites erstmals behauptet, dass die alexandrinische Union von 633 von Patriarch Kyros von Alexandrien zusammen mit Theodor von Pharan „gemacht“ worden sei und dabei „ein naturhaftes Wirken“ beschlossen worden sei. Nochmals 100 Jahre später hat der Chronist Theophanes Confessor diese Vorlage übernommen und formuliert: „Kyros, der Bischof von Alexandrien, brachte vereint mit Theodor, dem Bischof von Pharan, jene substanzlose Union zustande, indem sie Christus ein naturhaftes Wirken zuschrieben.“258 Nichts davon trifft zu. Aber so ging der Name Theodors in die Geschichtswerke ein.

6 Zusammenfassung Der Bischof des Sinaibistums Pharan, Theodor, war ein anerkannter chalcedonensischer Theologe, den der Konstantinopler Patriarch Sergios zwischen 616 und 619 um ein theologisches Gutachten zu der Frage gebeten hatte, ob es auf der Grundlage der Entscheidung des IV. Ökumenischen Konzils von Chalcedon und dem Bekenntnis zu den zwei Naturen Jesu Christi hinsichtlich seines Wirkens theologisch sachgerecht sei, von einem Wirken Jesu Christi (μία ἐνέργεια) zu sprechen. Theodor scheint den Ruf einer theologischen Autorität genossen zu haben, denn der Patriarch wollte mit seiner Anfrage offensichtlich die theologische Tragfähigkeit des Konzeptes der Formel μία ἐνέργεια prüfen lassen, die die Basis für das von ihm gemeinsam mit Kaiser Herakleios geplante erneute

256 Concilium Lateranense a. 649, Secr. 3 (ACO ser. II 1, p.118,9–12 Ried.): τὰ Θεοδώρου συγγράμματα τοῦ τῆς Φαρὰν ἐπισκοπήσαντος ἀχθῶσιν ἡμῖν ἐν πρώτοις, ἐπειδὴ τοῦτον […] προαρξάμενον τῆς τοιαύτης καινοτομίας ἐν ταῖς ἀτόποις αὐτοῦ λογογραφίας διήγγειλεν […] Στέφανος. 257 S. o. S. 587. 258 Theophanes Conf., Chronographia a.m. 6121 (330, 8–11 de Boor): Κῦρος ἐπίσκοπος Ἀλεξανδρείας, καὶ ἑνωθεὶς Θεοδώρῳ, τῷ ἐπισκόπῳ τῆς Φαράν, ἐποίησε τὴν ὑδροβαφῆ ἐκείνην ἕνωσιν, μίαν καὶ αὐτοὶ γράψαντες ἐν Χριστῷ φύσικην ἐνέργειαν. Vgl. damit: Anastasius Sinaita, Homilia tertia de creatione hominis (CCSG 12, 59,54–57 Uthemann). Dazu: van Dieten, Geschichte der Patriarchen (s. Anm. 18), Exkurs II, 179–218.

6 Zusammenfassung

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Vorhaben einer Verständigung mit den antichalcedonensischen Kirchen Armeniens, Syriens und Ägyptens bilden sollte. Weil in den theologischen Traditionen der Anhänger wie der Gegner der Synode von Chalcedon die Aussage (467) eines Heilswirkens Christi vertreten wurde, bestand die Hoffnung, auf dieser Grundlage die Kontroverse über die Bedeutung des Naturbegriffes und die Anzahl der Naturen Christi überwinden zu können, die mittlerweile zu unfruchtbaren theologischen Frontbildungen geführt hatte. Seinen Ruf begründet hatte Theodor bereits lange davor mit einer propädeutischen Einführung in die chalcedonensische Christologie, der sog. Praeparatio, die im theologischen Stil der Zeit auch noch einen dialektischen zweiten Teil mit ausführlichen Definitionen und Erklärungen christologischer Zentralbegriffe einschließlich einer erweiterten Kategorienlehre bot. Die Praeparatio weist ihren Verfasser als traditionellen neuchalcedonischen Theologen aus, der allerdings ausgehend von der hypostatischen Einung der beiden Naturen Christi unter Wahrung ihrer Proprietäten wegen ihres „Zusammenwachsens“ (συμφυΐα), ihrer gegenseitigen Durchdringung (Perichorese) und der communicatio idiomatum nicht nur nach dem je Eigenen (τὰ ἴδια) der Naturen fragt, sondern Gewicht auf das Gemeinsame (τὰ κοινά) in der Einheit beider legt. Das führt zu einer starken Betonung der einen Person Jesu Christi als dem Subjekt alles Wirkens und einer inhaltlichen Füllung des Begriffes der Hypostase. Auch damit aber steht Theodor in einem breiten Strom neuchalcedonischen christologischen Denkens. Er hat davon ausgehend das mit dem Begriff Hypostase bezeichnete einzelne Seiende nicht nur durch seine individuellen Eigentümlichkeiten definiert, sondern sein Wirken, seine Wirksamkeit, seine ἐνέργεια so in Beziehung zum Individuum gesetzt, dass seine individuellen Eigentümlichkeiten im Wirken geradezu ihren Bestand haben. Das Individuelle, Unverwechselbare erschließt sich nach Theodor deshalb vorrangig aus den Wirksamkeiten des einzelnen Seienden und erweist es dadurch als Prosopon. Gleichzeitig hat er aber den Begriff der Natur (φύσις) als das dem Wesen (οὐσία) eigene Prinzip von Bewegung und Stillstand (ἀρχὴ κινήσεώς τε καὶ ἠρεμίας) gedeutet und damit auf Konzepte der aristotelischen Metaphysik zurückgegriffen, die in seiner Zeit zu allgemeinen Bestandteilen des diskursiven Denkens geworden waren. So konnte Theodor auch von einer „naturgemäßen ἐνέργεια“ (κατὰ φύσιν ἐνέργεια) sprechen und meinte damit ein Wirken, in dem Befinden, Fähigkeit und Disposition zur Auswirkung gelangen, wie sie naturhaft gegeben sind. Offensichtlich aber sind solche naturhaften Wirksamkeiten für Theodor nicht ausreichend, um das Wirken, das er der Hypostase Jesu Christi zuordnet, zu bestimmen. Auch die Übersetzung und Analyse der elf aus dem Zusammenhang gerissenen Textfragmente, die aus zwei wahrscheinlich zusammengehörenden Schriften stammen, mit denen Theodor die Anfrage des Patriarchen beantwor-

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tet hatte und die 649 und 681 zu seiner Anathematisierung als Häretiker und Häresiarch führen sollten, haben ihn als einen konventionellen Theologen alexandrinischer-cyrillischer neuchalcedonensischer Tradition gezeigt. Er argumentiert mit Selbstverständlichkeit auf der Grundlage der chalcedonensischen Zwei-Naturen-Lehre (468) mit der Unterscheidung, was der göttlichen und der menschlichen Natur Christi zukommt, ja sogar mit der Unterscheidung von göttlichem und menschlichem Handeln. Auch hier operiert er mit den zwei Begriffen κίνησις καὶ ἠμεμία der aristotelischen Naturdefinition und spricht auch von einer naturhaften Bewegung (φυσικὴ κίνησις) der menschlichen Natur, die er auf die sog. tadelsfreien Affekte anwendet. Die Eigenheiten der menschlichen Natur werden für Theodor weiterhin durch das die Geistseele, Sinnesorgane und leibhafte Existenz bezeugende Reden und Handeln Jesu konkret. Theodor versteht die Person Christi ganz in kyrillischer Tradition in der Perspektive der Menschwerdung des göttlichen Logos und dessen Annahme der menschlichen Natur. Ganz bestimmend für das Verhältnis von Göttlichem und Menschlichem ist für ihn deshalb auch die sog. Logoshegemonie und damit verbunden das Verständnis der Menschheit Christi als Organon des göttlichen Logos. Das Konzept der hypostatischen Union spiegelt sich in der durchgängigen Betonung der Ganzheit und Einheit desselben einen Christus einschließlich der Konzepte der communicatio idiomatum und der Theosis. So ist auch das von Theodor hier verfochtene eine Wirken (μία ἐνέργεια) Jesu Christi als Folge des Bekenntnisses zur hypostatischen Union und der Einheit der Person zu verstehen. Es bedeutet für ihn die gleichzeitige, ungetrennte und einheitliche Ausführung des Menschlichen und Göttlichen in allen Lebensvollzügen Christi. In diesem Sinne spricht er von einem Wirken seiner Gottheit und Menschheit. Dabei ist alles, was Christus zum Heil des Menschen vollbracht hat, für Theodor durch die konstitutiven Bestandteile der menschlichen Natur vermittelt, denn alles gehe durch Vermittlung der Vernunftseele und des Leibes hervor. Theodor argumentiert also mit den ontologischen Prämissen der chalcedonensischen Tradition bis hin zur Begründung für die Formel der μία ἐνέργεια Christi. Angesichts seiner Aussagen zu den Merkmalen der menschlichen Natur Jesu Christi ist meines Erachtens der Vorwurf nicht nachvollziehbar, dass seine Bestätigung der μία ἐνέργεια Christi zum Verlust der Proprietäten von dessen menschlicher Natur und damit des Menschseins selbst führe. Trotz dieser bis hierher reichenden traditionellen Benutzung der ontologischen Begrifflichkeit der Zwei-Naturen-Lehre hat sich weiterhin gezeigt, dass Theodor keine ontologisch-analytische Perspektive einnimmt, um in der Analyse einzelner Handlungen Christi zu einer ontologischen Verhältnisbestimmung von Menschlichem und Göttlichem im Wirken Christi zu gelangen. Der Ausgangspunkt für seine Aussage des einen Wirkens Jesu Christi ist vielmehr stets die Ge-

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samtheit seines Lebens und Wirkens. Damit aber sind seine Einheitsaussagen zum Wirken auf die „gesamte Menschwerdung“ und das „rettende Heilswerk“ (σωτηριώδης οἰκονομία) Christi fokussiert. Theodor nimmt bei dieser Frage zusätzlich ein heilsökonomische Perspektive ein. Dies erschließt sich besonders in seiner Deutung des griechischen Begriffes πάθος (Pl. πάθη). (469) Obwohl er genau weiß, dass üblicherweise die damit bezeichneten Affekte ontologisch der naturhaften Bewegung zugeordnet werden, will er doch den Begriff auf die passiones Christi fokussiert wissen und erblickt gerade in dem dabei erfolgten ‚passiven‘ Hinnehmen des aktiven Wirkens anderer die ἐνέργεια Christi als Konkretion der Oikonomia. Theodor ist also bei der Frage nach dem Wirken Christi nicht primär an einer Beschreibung der Konstitutionsmerkmale der menschlichen Natur interessiert, zu denen die Affekte gehören und deren Annahme durch den Menschgewordenen er selbst ausführlich gewürdigt hat, sondern an den Leiden Christi an Leib und Seele als aktives Wirken und Werk „desselben einen Christus“. In dieser heilsökonomischen Perspektive werden meines Erachtens auch seine zugespitzten Formulierungen des einen Wirkens Gottes, des einen göttlichen Wirkens, des einen Wirkens des Logos und des einen Wirkens der Gottheit des Logos verständlich. Sie sind meines Erachtens alle Varianten der grundlegenden frommen Aussage, dass „alles, das der Herr gesagt und vollbracht hat“, „ein Werk Gottes“ ist. Seziert man diese μία ἐνέργεια-Aussagen Theodors aus den bereits vom Textzusammenhang abgetrennten Fragmenten heraus und interpretiert sie dann ontologisch-analytisch, werden sie tatsächlich problematisch. Genau dies sollte später geschehen. Theodor von Pharan hat also eine in ontologischen Kategorien beschriebene naturhafte eigene Bewegung der menschlichen Natur, die er sogar auch mit dem Begriff ἐνέργεια bezeichnen kann, nicht in Frage stellt. Wenn es allerdings um das Heilswerk Christi geht, bevorzugt er eine heilsökonomische Perspektive, in der der menschlichen Natur keine eigenständige Bedeutung zukommt. Er hat damit eine doppelten Perspektive auf die ἐνέργεια Christi eingenommen. Die fast zeitgleichen Überlegungen des Anastasius von Antiochien zur ἐνέργεια Jesu Christi haben deutlich gemacht, dass auch auf der Grundlage eines explizit ontologisch-analytischen Dyenergetismus ein miaenergetisches Bekenntnis begründbar war und auch von einem anerkannten chalcedonensischen Theologen neben Theodor von Pharan vertreten wurde. Einerseits hat Anastasius eine wesenhafte ontologische Bindung der energeia an die Natur vertreten, so dass energeia hier nicht nur als Potenz zum Wirken zu verstehen ist, sondern auch als das der usia zukommende naturhafte Wirken selbst. Die damit in christologischer Hinsicht gegebene Notwendigkeit, von δύο ἐνέργειαι zu sprechen, hat Anastasios für die Verteidigung des Tomus Leonis eingesetzt. Gleichzeitig aber hat er wie Theodor auch nach dem Gemeinsamen (τὸ κοινόν) der göttlichen und menschlichen Wirk-

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samkeiten Christi gefragt und in Hinblick auf das Ergebnis des Wirkens und die Gesamtheit des Resultats von μία ἐνέργεια und dem einen ἀποτέλεσμα des einen Christus gesprochen, das als Einheit an die Person gebunden ist. Die Analogien zum Denken Theodors sind beträchtlich und man muss sich fragen, warum auf dieser Grundlage im 7. Jahrhundert unter den Anhängern Chalcedons keine Verständigung erfolgen konnte. (470) Dies umso mehr, als Maximos Homologetes zwar bei seinem theologischen Kampf gegen eine gemeinsame μία-ἐνέργεια-Aussage mit den Gegnern Chalcedons ab 634/5 in den Ambigua ad Thomam 4 und 5 ebenfalls eine fundamentale ontologisch-analytische Perspektive auf das Wirken Jesu Christi eingenommen hat, gleichwohl aber noch 641 mehrfach bestätigte, dass es mit Anastasius von Antiochien legitim sei, auch von einer ἐνέργεια Christi zu sprechen und dass die ἐνέργεια bei Christus eine und zwei sei. Maximos hat das in der aristotelischen Tradition konstitutiv dem Wesens- und Naturbegriff zugeordnete Vermögen (δύναμις) zur Bewegung (κίνησις) in die Christologie integriert und die sich ebenfalls von Aristoteles herleitende Korrelation des Duals κίνησις/ἐνέργεια zu einer Identität werden lassen. Gleichzeitig aber hat er die κίνησις/ἐνέργεια der menschlichen Natur Jesu Christi als eigene Bewegung des Logos bestimmt und damit all seine menschlichen naturhaften Bewegungen analog zur Hegemonie der Seele über den Leib dem Logos zugeordnet. Diese naturhaften Bewegungen oder Wirksamkeiten (ἐνέργειαι) des Menschen Jesus identifiziert er als physiologische Funktionen oder instinkthafte-reflexhafte Bewegungen der menschlichen Natur, während das Subjekt der Oikonomia auch für ihn der Logos ist. Die Einheitlichkeit und Einheit des Wirkens Christi, das für ihn freilich nur das Wirken der Naturen ist, deren Hypostase er ist, hat er wie Theodor von Pharan mit den Begriffen προσφυῶς, und μοναδικῶς, zusätzlich sogar mit der nochmals zugespitzten Formulierungen ἑνοειδῶς beschrieben. Umso erklärungsbedürftiger ist sein im Jahr 645/6 vollzogener Bruch mit diesen vormaligen Überzeugungen, der bis zur Verleugnung eigener Schriften reichte. Maximos hat die seitdem prinzipiell ausgeschlossene Einheitsaussage μία ἐνέργεια stets auf die Naturebene einer Natur verschoben und so als Monophysitismus interpretiert. Diese überraschende theologische Kehrtwende des Maximos lässt sich weder theologisch noch taktisch als Einordnung in den kirchlich durchsetzungsfähigeren „hard-line dyothelitism and dyoenergism“ des Westens erklären. Eine solcher Erklärungsversuch steht nicht nur im Widerspruch zu wesentlichen historischen Erkenntnissen über diese Phase des sogenannten monenergetisch-monotheletischen Streites. Er kann auch nicht verständlich machen, warum die Lateransynode von 649 in Anathematismus 13 auch die vormalige Position des Maximos anathematisierte und damit eine Entscheidung fällte, die er selbst mit der um ihn in Rom versammelte Mönchs-

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gruppe ab 646/7 bei der Abfassung und Kompilation der Akten der Synode und der Vorwegnahme ihrer Entscheidungen auf den Weg gebracht hatte. Eine Erklärung bietet meines Erachtens nur die gesteigerte apokalyptische Stimmung nach der Eroberungen Syropalästinas und im Jahr 642/3 auch Alexandriens und Ägyptens, der Pentapolis und Tripolis durch die Araber. Maximos und seine Anhänger lebten in der Erwartung des Untergangs des Imperium Romanum und des bevorstehenden Endgerichts und machten die Dynastie des Kaisers Herakleios für die Zeitereignisse verantwortlich, (471) die als Strafe Gottes für die angeblich häretische „monenergetische“ und „monotheletische“ Christologie gedeutet wurden, die dann auch eines Häresiarchen bedurfte, zu dem Theodor von Pharan wurde. Nach dem Scheitern des Usurpationsversuches des Exarchen von Africa und dem vergeblichen Versuch, mit Pyrrhos einen „orthodoxen“ Konstantinopler Gegenpatriarchen aufzubauen, sollten die Entscheidungen der Lateransynode wohl den Schlussakkord darstellen, um im Endgericht bestehen zu können.

Hinweise und Nachträge Hinweise zu Nr. 1: Motive und Strukturen des Schismas im monenergetisch-monotheletischen Streit. Anm. 2:

Anm. 5:

Anm. 7:

Anm. 15:

Anm. 19:

Anm. 21–24:

Anm. 25:

Zu Maximus Confessor vgl. jetzt grundlegend: Pauline Allen/ Bronwen Neil (Hg.), The Oxford Handbook of Maximus the Confessor, Oxford 2015; Peter van Deun/Pascal Mueller-Jourdan, Maxime le Confesseur, in: C. G. Conticello, La Théologie Byzantine et sa Tradition I/1, Turnhout 2015, 374–510 Die Spiegelstrafen wurden wahrscheinlich in gleicher Weise an den beiden Schülern des Maximos, Anastasios Apokrisiarios und Anastasios Monachos vollstreckt. Zu beiden vgl. PMBZ, Nr. 237. 238. Danach wurden alle drei zur Abschreckung durch alle 12 Bezirke Konstantinopels geführt. Das Urteil ist als sog. Psēphos γ᾿ überliefert (CCSG 39,151 Allen/Neil; Pauline Allen/Bronwen Neil, Maximus the Confessor and his Companions, 119). Die Quellen sind sich jedoch nicht einig, ob eventuell nur einer der beiden Schüler dieselbe Strafe wie Maximos erlitt oder beide. Vgl. Nr. 11 (Martyrium), Hinweis zu Anm. 9 f. Diese traditionelle Aussage, die ab dem 8./9. Jh. aufkam, ist inzwischen von mir falsifiziert worden. Vgl. u. Nr. 7 (Wer hat den Dyotheletismus erfunden?), Kap. 3. Zur Bedeutung der Apokalyptik für die Krise des 7. Jahrhunderts vgl. Nr. 3 (Die Bedeutung der Geschichtstheologie) mit umfassender Dokumentation der Literatur zu diesem Thema. Zu diesen Versuchen im Einzelnen vgl. Nr. 15 (Theodor von Pharan revisited), Kap. 2.1 und Nr. 8 (Die Kirche von Zypern), Kap. 1–2. Vgl. dazu: Christian Lange, Mia Energeia. Untersuchungen zur Einigungspolitik des Kaisers Heraclius und des Patriarchen Sergius von Constantinopel (STAC 66), Tübingen 2012, 545–574. Dass diese Union nur mit den „Theodosianern“ geschlossen wurde, ist eine in der Literatur verbreitete Annahme. Nach Patriarch Sergios von Konstantinopel betraf sie „alle, die

Anmerkung: Die Seitenangaben beziehen sich auf die jeweilige Erstpublikation. https://doi.org/10.1515/9783110714531-016

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Anm. 26: Anm. 30: Anm. 32: Anm. 34:

Anm. 78:

S. 270:

Anm. 37: S. 271: Anm. 39: S. 272:

Hinweise und Nachträge

früher in verschiedene Gruppen gespalten waren und Dioskur und Severus als ihre frevelhaften Vorväter bezeichneten.“ Dazu gehörten auch die Anhänger des Julian von Halikarnassos. (Sergius I., Patriarcha Const., Epistula ad Honorium pp.: ACO ser. II 2,2 p.536,19 f.23–25). Vgl. Übersetzung Nr. 5. Vgl. Übersetzung Nr. 3. Vgl. Übersetzung Nr. 4. Zu diesen Entwicklung nach der alexandrinischen Union vgl. im Detail Nr. 4 (Mehrheit und Minderheit), Kap. 1. Vgl. bes.: Pauline Allen, Sophronius of Jerusalem and Seventh-Century Heresy. The Synodical Letter and Other Documents (OECT), Oxford 2009. Vgl. jetzt auch: Karl-Heinz Uthemann, Anastasios Sinaites, 222–242: Exkurs IV: Chalkedons ὅρος im Verständnis des Konzils selbst und die Neuchalkedonier. „die man nun Monenergismus nannte“. Diese Aussage ist zu korrigieren. Denn die Bezeichnung „Monenergismus“ genauso wie „Monotheletismus“ und Derivate sind häresiologischer Natur und setzen sich erst nach dem VI. Ökumenischen Konzil (680/1) durch. Sie unterstellen, dass die so Bezeichneten in Christus nur ein naturhaftes Wirken und Wollen bekennen, und dieses sei das göttliche, weshalb es sich um „Monophysitismus“ handele. Diese Bezeichnungen werden hier und in den folgenden Beiträgen nur der Konvention halber weiterverwendet. Im Kern sind sie unsachgemäß. Zu ihrem Aufkommen vgl. die Hinweise zu Nr. 14, Anm. 200. Vgl. Übersetzung Nr. 8. Vgl. dazu unten Hinweise zu Nr. 2 (Oikonomia), S. 316. Vgl. Übersetzung Nr. 11. „die menschliche Willentlichkeit nur im Widerspruch zu Gott vollzogen dachten und deshalb bei Jesus ausschlossen. Ebenso dachten sie alle Eigendynamik und Selbstmächtigkeit von Jesu Menschheit ‚wenn nicht unwirklich, so doch unwirksam‘.“ Das ist zu präzisieren: Die sogenannten Monotheleten haben nur eine im Widerspruch zu Gott stehende menschliche Willentlichkeit Jesu ausgeschlossen, nicht den menschlichen Willen Jesu Christi an sich, ebensowenig „Eigendynamik“ und „Selbstmächtigkeit“. Es handelt sich hier um die Wiedergabe der Urteile von Guido Bausenhart, „In

Hinweise und Nachträge

633

allem uns gleich außer der Sünde“. Studien zum Beitrag Maximos’ des Bekenners zur altkirchlichen Christologie (TSTP 5), Mainz 1992, 111–131. Zu meinen aktuellen Einschätzungen vgl. Nr. 14 und 15. Anm. 55–56: Maximos war nicht Augenzeuge. Die Berichte sind tendenziös und dienten einer bestimmten Absicht. Vgl. Nr. 4 (Mehrheit und Minderheit), Kap. 3. Zu S. 276–278: Zur Oikonomia als Hauptmotiv der Konstantinopler Unonspolitik vgl.: Nr. 2; zur Ablehnung durch Sophronios: Nr. 8 (Die Kirche von Zypern), Anm. 80–90. Anm. 70: Vgl. dazu Übersetzung Nr. 3. Anm. 75: Vgl. u. Nr. 15 (Theodor von Pharan revisited). Anm. 77: Vgl. dazu jetzt: Christian Lange, Mia Energeia. Untersuchungen zur Einigungspolitik des Kaisers Heraclius und des Patriarchen Sergius von Konstantinopel (STAC 66), Tübingen 2012. Anm. 81–85.90–95: Vgl. dazu Nr. 3 (Die Bedeutung der Geschichtstheologie). Anm. 134: Vgl. Nr. 15 (Theodor von Pharan), Kap. 2.1. Anm. 137: In der syrischen Überlieferung sind Fragmente erhalten, die die Authentizität des Menas-Libellus bestätigen. Vgl.: Lange, Mia Energeia, 439–441. Zu seiner zentralen Stellung als Testimonium vgl.: Tannous, In search of Monotheletism, 37–40. Anm. 138–139: Vgl. dazu: Nr. 7 (Wer hat den Dyotheletismus erfunden?). S. 284: „Vernichtung fast des gesamten monenergetisch-monotheletischen Schrifttums nach dem VI. Konzil“. Die Vernichtung fand auf dem Konzil statt. S.: Concilium Constantinopolitanum a. 680/1, actio 13 (ACO ser. II 2,2, p.626,11–19 Ried.). Anm. 139: Hierzu detailliert: Nr. 7 (Wer hat den Dyotheletismus erfunden?). Anm. 145–154: Vgl. dazu Nr. 9 (Was war die Lateransynode?). Anm. 154: Die Disputatio ist mit aller Wahrscheinlichkeit erst zwischen 655 und 662 entstanden. Vgl.: J. Noret, La rédaction de la Disputatio cum Pyrrho (CPG 7698) de Saint Maxime le Confesseur serait-elle postérieure à 655?: AnBoll 117 (1999), 291– 296. Zur Kritik an den Konstantinopler Synoden vgl. Nr. 6 (Die Konstantinopler Synoden von 638/9). Hinweise zu Nr. 2: Oikonomia im monenergetisch-monotheletischen Streit Anm. 2:

Sophronios hatte bereits früher in der Auseinandersetzung mit Arkadios von Zypern über die dortige Verwendung des Trisha-

634

Anm. 13: Anm. 17: Anm. 18: S. 311–312:

Anm. 23: Anm. 28: S. 314:

Anm. 34: S. 315:

Anm. 39: S. 316:

Anm. 42: S. 316:

Hinweise und Nachträge

gions ohne Zusatz jede Anwendung der Oikonomia prinzipiell abgelehnt. Vgl. Nr. 8 (Die Kirche von Zypern), Anm. 80–90. Zu dieser Information vgl. Hinweise zu Nr. 1, Anm. 25. Vgl. dazu: Lange, Mia Energeia, 531–575. Vgl. auch: Schönborn, Sophrone de Jérusalem; Allen, Sophronius of Jerusalem and Seventh-Century Heresy. Dass die Oikonomia das wesentliche Handlungsprinzip der Unionspolitik des Kyros und Sergios darstellte, bestätigt später der Brief des Erzbischofs Sergios von Zypern an Papst Theodorus I. (ACO ser. II 1, p. 62,27–32 Ried.), vgl. Übersetzung Nr. 9. Vgl. Übersetzung Nr. 3. Vgl. Übersetzung Nr. 4. „Damit war die Kontroverse auf die Willensthematik überführt worden“. Das ist insofern zu präzisieren, als der Konstantinopler Synodos endemousa, die diesen Bescheid formulierte, gewiss nicht bewusst war, dass dieser Satz Widerspruch hervorrufen würde. Vgl. Übersetzung Nr. 5 und 6. „die 10 Jahre zuvor im Jahre 638 von Kaiser Herakleios erlassene Ekthesis“. Es ist jetzt von dem Datum 636/7 auszugehen. Vgl. dazu Nr. 7 (Die Konstantinopler Synoden). Vgl. Übersetzung Nr. 11. „Die Ekthesis hatte … eine Lösung auf der Grundlage der Willensthematik im Sinne der Lehre eines Willens in Christus propagiert. Damit war eine Lehre per Gesetz publiziert worden …“. Diese Aussage und genauso unten S.335 f. sind zu korrigieren. Die Formel des einen Willes Christi ist durchaus traditionell in dem Sinne, dass dieser im Gewollten vom Willen Gottes ununterscheidbar ist. Die Ekthesis suchte die Überwindung des Streites in dieser vermeintlichen Konsensformel, mit der jedoch kein neues Dogma formuliert werden sollte. Die Einwände von Richard Price (in: Price/Booth/Cubitt, The Acts of the Lateran Synod of 649, 197 f.) gegen die Aussage auf S. 316 und 335 f. treffen zu. Einschlägig ist jetzt: Allen /Neil, The Oxford Handbook of Maximus the Confessor. „641 hatte … eine römische Synode unter Papst Johannes IV. (640–642) Patriarch Sergios und dessen Nachfolger Pyrrhos (638–641) sowie Kyros anathematisiert. Diese Behauptung

Hinweise und Nachträge

Anm. 44: Anm. 51: S. 317:

S. 321:

Anm. 102:

Anm. 110:

Anm. 138: Anm. 140:

S. 335 f.:

Anm. 159: Anm. 172:

635

späterer Quellen wurde von mir inzwischen falsifiziert. Vgl.: Nr. 7 (Wer hat den Dyotheletismus erfunden?), 114–122. Vgl. dazu Nr. 6 (Die Konstantinopler Synoden). Vgl. Übersetzung Nr. 10. „aus den Verhörprotokollen des Prozesses gegen Maximos“. Zum propagandistischen Charakter dieser Quellen vgl.: Nr. 5 (Maximos Homologetes [†662]: Martyrium), 315–317. 335–339. „die seit 638 propagierte monotheletische Lehre ab sofort nicht mehr öffentlich vertreten werden durfte“. Vgl. o. den Hinweis zu S. 316. Präziser formuliert: Es durfte nicht mehr öffentlich unter exklusiver Inanspruchnahme der Orthodoxie darüber gestritten werden. S. jetzt: Concilium Universale Nicaenum Secundum, ed. E. Lamberz (Acta Conciliorum Oecumenicorum ser. II 3,3), Berlin/Boston 2016, 736,3–27. S. jetzt: Concilium Universale Nicaenum Secundum, ed. E. Lamberz (Acta Conciliorum Oecumenicorum ser. II 3,1), Berlin/New York 2008, 78,14–80,17. Vgl. Übersetzung Nr. 8. Zu den Gründen für die Verfasserschaft des Patriarchen Sergios und der Instrumentalisierung dieser Tatsache zur Behauptung einer Distanzierung des Kaisers von der Ekthesis vgl. Nr. 4 (Mehrheit und Minderheit), Kap. 4. „der „Monotheletismus“ wurde den traditionellen christologischen Aussagen an die Seite gestellt und quasi auf die Ebene des Dogmas erhoben“. Das ist zu korrigieren. S. o. den Hinweis zu S. 316. Vgl. die Übersetzungen Nr. 12 und 13. Dazu vgl.: Nr. 9 (Was war die Lateransynode von 649?).

Hinweise zu Nr. 3: Die Bedeutung der Geschichtstheologie im monenergetisch-monotheletischen Streit des 7. Jahrhunderts Anm. 2: Anm. 7: Anm. 8: Anm. 12: Anm. 14:

Vgl. jetzt vor allem: Allen, Pauline /Neil, Bronwen (Hgg.), The Oxford Handbook of Maximus the Confessor, Oxford 2015. Vgl. Hinweise zu Nr. 1, Anm. 25. Vgl. Übersetzung Nr. 3. Zur Ekthesis vgl. Nr. 2 (Oikonomia) und Nr. 9 (Die Konstantinopler Synoden) sowie Übersetzung Nr. 8. Vgl. Übersetzung Nr. 11.

636

Hinweise und Nachträge

Anm. 16–17:

Anm. 42: Anm. 43/44:

Anm. 80:

Anm. 117: Anm. 120: Anm. 123:

Anm. 130: Anm. 165:

Vgl. jetzt auch: Uthemann, Anastasios Sinaites, 222–242: Exkurs IV: Chalkedons ὅρος im Verständnis des Konzils selbst und die Neuchalkedonier. Zu diesen Vorgängen vgl.: Nr. 4 (Mehrheit und Minderheit) und Nr. 8 (Die Kirche von Zypern, Kap. 2. Zur Bedeutung Synode von Zypern, die ins Jahr 636 zu datieren ist, und zu deren genauen Beschluss s.: Nr. 6 (Die Konstantinopler Synoden); Nr. 4 (Mehrheit und Minderheit), Nr. 8 (Die Kirche von Zypern). Vgl. jetzt: M. Jankowiak/Ph. Booth, A New Date-List of the Works of Maximus the Confessor, in: P. Allen/B. Neil (Hg.), The Oxford Handbook of Maximus the Confessor, Oxford 2015, Nr. 37 a.633. Vgl. Übersetzung Nr. 14. Zur Lateransynode vgl. Nr. 9 (Was war die Lateransynode von 649?). Zu diesen Initiativen Papst Martins in den fränkischen Herrschaftsgebieten vgl.: R. Price, General Introduction, in: Price/ Booth/Cubitt, The Acts of the Lateransynod, 77–81. Vgl. dazu die Hinweise zu Nr. 2 zu S. 316 und S. 335. Zur Ekthesis des Kaisers Herakleios und seiner Haltung zu ihr vgl. Nr. 9 (Die Konstantinopler Synoden) und Nr. 4 (Mehrheit und Minderheit).

Hinweise zu Nr. 4: Mehrheit und Minderheit in den Anfängen des monenergetisch-monotheletischen Streites Anm. 4: Anm. 5: Anm. 9: Anm. 17: Anm. 29: Anm. 50: Anm. 51:

Vgl. Hinweise zu Nr. 1, Anm. 25. Vgl. Übersetzung Nr. 3. Zum früheren Wirken des Sophronios in Alexandrien vgl. Nr. 8 (Die Kirche von Zypern). Vgl. Übersetzung Nr. 4. Vgl. Übersetzung Nr. 5. Vgl. die Übersetzung der die Synode betreffenden Passagen: Übersetzung Nr. 7. Zur Bedeutung der syrischen Vita Maximi: Eine ausführliche Darstellung der Diskussion über die griechische und syrische Vita des Maximos mit einer abwägenden Bestätigung der syrischen Vita findet sich bei: Peter van Deun, in: van Deun/Mueller-Jourdan, Maxime le Confesseur, 375–388, I.

Hinweise und Nachträge

637

Biographie). Es ist auffällig, dass gerade orthodoxe Autoren am hagiographisch verfestigten Bild des Maximos der griechischen Vita des 10. Jh.s festhalten und die syrische Vita entweder verwerfen oder so tun, als könne man sich nicht entscheiden, oder sie einfach ignorieren. Neben Larchet und Bathrellos (s. o.) wären besonders Andrew Louth (Maximos, 4–5; Ders., The Ecclesiology of St. Maximos, 110), Joshua Lollar (Maximus Confessor. Ambigua to Thomas, 12–15) und Nicholas Constas (Ders., On Difficulties in the Church Fathers, VII) zu nennen. Der Letztere bietet i. J. 2014 in seiner Einleitung eine kurze Wiederholung der griechischen Vita des 10. Jh.s, ohne die syrische Vita auch nur zu erwähnen. Dass dies in einer Publikation der Reihe Dumbarton Oaks Medieval Library möglich ist, die über ein namhaftes Byzantine Greek Editorial Board verfügt, kann man nur mit Verwunderung zur Kenntnis nehmen. Neuerdings hat schließlich Luis Josué Salés i. J. 2020 die These aufgestellt, dass Maximos alexandrinischer Herkunft war, ohne dass seine Argumente überzeugen könnten (Ders., The Other Life of Maximus the Confessor). Er argumentiert hauptsächlich mit der Fülle jener Korrespondenzpartner des Maximos, die in den nordafrikanisch-alexandrinischen Raum gehören. Boudignon hatte bereits 2004 (Ders., Maxime le Confesseur était-il Constantinopolitain?) eine eingehende Analyse der Briefpartner des Maximos vorgelegt, dadurch aber keineswegs dessen palästinische Herkunft in Frage gestellt gesehen. Salés beachtet nicht, dass nach der persischen Eroberung Palästinas und der Zerstörung vieler Klöster, insbesondere der sabaitischen Lavren, eine große Zahl der dortigen Mönche geflohen war und sich inzwischen in Africa, Rom oder Konstantinopel im Exil befand. Dieser Sachverhalt muss bei der manchmal schwierigen Identifizierung von Adressaten des Maximos in Rechnung gestellt werden, die Maximos als Mönche und/oder Äbte bezeichnet und die er offensichtlich seit längerem kennt (so z. B. bei dem Abt Stephanos [in Konstantinopel?; ep. 23.40]; ebenso bei dem Priester Johannes [ep.8], Bischof Kyriskios oder Kuriskios [ep. 28.29], dessen Name früher zu Johannes von Kyzikos konjiziert worden war, nunmehr jedoch

638

Hinweise und Nachträge

als die bezeugte hellenisierte Fassung [Κυρίσκης] des armenischen Familiennamens Ter Hussik zu betrachten ist; und Bischof Johannes [ep. 30.31] sowie Priester und Abt Georgios [ep. 29.31.opusc. 4], die inzwischen anscheinend wieder nach Palästina zurückgekehrt waren (Vgl. Jankowiak/ Booth, A New Date List, sowie van Deun/Mueller-Jourdan, Pascal, Maxime le Confesseur, 380 f.). Ebenso ist auf Pyrrhos zu verweisen, den Salés übergeht. Pyrrhos stammte aus Konstantinopel, war aber von ca. 620–627 Mönch in Jerusalem (Flusin, Saint Anastase le Perse, 384 − 389). Maximos hat sich noch vor dessen Patriarchat an ihn als Konstantinopler Abt und guten Bekannten gewendet (ep. 19) und dabei als Gemeinsamkeit die Zugehörigkeit zum κοινὸ τάγμα τῶν μοναχῶν betont, das mit Boudignon (Ders., Le pouvoir de lʼanathème, 262 − 265) als Zugehörigkeit zum sabaitischen palästinischen Mönchtum zu verstehen ist. Diese Identität ist dann auch für die Zugehörigkeit des Maximos zur Gruppe der Mönche unter Führung sabaitischer palästinischer Äbte wichtig, die auf der Lateransynode ihre Anklageschrift einreichen. Die auffällige Menge der alexandrinischen und nordafrikanischen hochgestellten Briefpartner des Maximus aus der dortigen Reichsverwaltung erlaubt ebenfalls keinen Rückschluss auf die Herkunft des Maximos. Denn sie erklärt sich bestens aus dem seit 617/8 bestehenden Lehrer-Schüler-Verhältnis zu Anastasios monachos, der Maximos dann bis zum gemeinsamen Ende begleitete und der zuvor Notarios der Großmutter von Konstans II. war. Diese ist wahrscheinlich nicht mit der ersten Ehefrau des Herakleios, Eudokia, zu identifizieren ist, sondern mit der Ehefrau des Patrikios Niketas, des Cousins von Herakleios. Sie entstammte der Oberschicht des byzantinischen Africa, wodurch Anastasios, der zweisprachig war, die entsprechenden Kontakte vermitteln konnte. Für eine direkte Herkunft des Maximos aus Alexandrien bietet Salés als einzigen quellenmäßigen Beleg das sog. Additamentum 34 (vgl. Jankowiak/Booth, A New Date List Nr. 88), das Exzerpte und Anmerkungen zu der Vorlesung des alexandrinischen Philo- sophen David über die Isagoge des Porphyrios zu den Kategorien des Aristoteles enthält. Umstritten ist allerdings,

Hinweise und Nachträge

Anm. 52: Anm. 90:

Anm. 96: Anm. 104:

639

wie die Überschrift dieses Textes in den Handschriften zu interpretieren ist, die ihn direkt Maximos zuordnen. Bram Roosen (Ders., Epifanovich Revisited, 879 − 902) hält den Text für maximianisch; Roueché (Ders., Byzantine Philosophical Texts, 63) vermutete ihn nur unter dem Nachlass des Maximos. Salés will in diesem Text einen Beweis sehen, dass Maximos während einer Vorlesung Davids diese Exzerpte am Ende des 6. Jh.s in Alexandrien selbst angefertigt habe. Er sei deshalb schon früh in Alexandrien zu lokalisieren und habe dort in jungen Jahren Philosophie studiert, bevor er Sophronios und Johannes Moschos ebenfalls in Alexandrien bereits zwischen 603–605 begegnet sei. Das gibt das Additamentum 34 jedoch nicht her. Selbst wenn der Text von Maximos stammen sollte, kann er genauso gut später aus der inzwischen publizierten Vorlesung Davids über die Isagoge exzerpiert worden sein. Es ist festzuhalten, dass es keine einzige Quelle gibt, die die Herkunft des Maximos aus Alexandrien bezeugt. Zur Bedeutung des Arkadios vgl.: Nr. 8 (Die Kirche von Zypern), Kap. 2. Das Urteil einer „schillernden Haltung“ des Arkadios hält einer genauen Analyse nicht stand. Vgl. dazu Nr. 8 (Die Kirche von Zypern), Kap. 2. Vgl. Übersetzung Nr. 3. Vgl. Übersetzung Nr. 11.

Hinweise zu Nr. 5: Das Kontakion „Auf die heiligen Väter“ und die Ekthesis des Kaisers Herakleios Anm. 10: Anm. 90: Anm. 85–90:

Vgl. Übersetzung Nr. 8. Zur Frage einer Widerrufung der Ekthesis durch Herakleios vgl. ausführlich: Nr. 4 (Mehrheit und Minderheit), Kap. 4. (Zur Formel: Desselben sind die Leiden und die Wunder) Diese Formel wurde auch in der Unionsurkunde der alexandrinischen Union von 633 als gemeinsame Aussage bestätigt (Kap. 3; vgl. Übersetzung Nr. 3). Sie geht letztlich auf das Henotikon von 482 zurück (vgl. Uthemann, Kaiser Justinian 236; Brennecke, Chalkedonense und Henotikon 45). Bei Miaphysiten (vgl. Uthemann, Anastasios Sinaites 109, Anm. 4; 110, Anm. 2; 189, Anm. 6) wie Chalcedonensern war sie in Ge-

640

Hinweise und Nachträge

Anm. 91–92: Anm. 100: Anm. 107–108:

brauch und wurde im 7. Jh. offensichtlich von den sog. Monenergeten besonders hervorgehoben. Auch Makarios von Antiochien verwendete sie in seiner großen Glaubensdarlegung (ACO ser. II 2,1 p.222,17 Ried.). Vgl. Übersetzung Nr. 8. Zur besonderen Bedeutung des Festes der Konstantinopler Synode von 536 siehe auch: Hinweise zu Nr. 15, Anm. 31 (7.). S. dazu Nr. 6 (Die Konstantinopler Synoden).

Hinweise zu Nr. 6: Die Konstantinopler Synoden von 638/9 (?) und die Ekthesis des Kaisers Herakleios Anm. 18: Anm. 20: Anm. 87: Anm. 90: Anm. 91: Anm. 107:

Vgl. Übersetzung Nr. 8. Vgl. Hinweis zu Nr. 2, S. 316. Vgl. die Übersetzung von S. Brock: Anhang Nr. 7. Zur syrischen Vita Maximi: vgl. dazu Nr. 4, Hinweise zu Anm. 51. Zu Arkadios von Zypern vgl. Nr. 8, Kap. 2. Vgl. Übersetzung Nr. 4.

Hinweise zu Nr. 7: Wer hat den Dyotheletismus erfunden? Zur Frage der Authentizität der Apologia Honorii Papst Iohannesʼ IV. Anm. 7: Anm. 8: Anm. 13:

Anm. 97: Anm. 119: Anm. 121: Anm. 123:

Zur Ekthesis vgl. Übersetzung Nr. 8. Die Ekthesis ist auf 636/7 zu datieren. Vgl. Nr. 6, Kap. 3–4. Zur Synode des Pyrrhos s. Nr. 6 „Die Konstantinopler Synoden von 638/9 (?) und die Ekthesis des Kaisers Herakleios“. Zum Briefe des Sergios an Honorius vgl. Übersetzung Nr. 5. Er wird heute auf Ende 634/Anfang 635 datiert. Vgl. Nr. 6 Anm. 112. Zur Frage, mit wem die ägyptische Union von 633 geschlossen wurde s. o. Hinweise zu Nr. 1, Anm. 26. Vgl. Übersetzung Nr. 14. Vgl. Übersetzung Nr. 12. Vgl. Übersetzung Nr. 3. In dem Brief des Maximos an Marinos (Opusc. theol. et pol. 20) von 641 interpretiert Maximos im dritten Teil eingehend den 1. Honoriusbrief, um zu erweisen, dass der Papst nicht von „einem Willen“ Christi geredet habe, um dadurch einen doppelten naturhaften Willen in Frage zu stellen. Vielmehr habe er damit entweder die Menschwerdung im Blick ge-

Hinweise und Nachträge

Anm. 142:

S. 137:

641

habt, insofern diese allein aus Gottes Willen erfolgt sei, oder damit gemeint, dass im Wollen Christi kein Widerspruch zum Willen Gottes gegeben sei (PG 91,237C11–244B10). Daran schließt sich die in Anm. 123 genannte Information über die Auskunft des römischen Klerus zur Entstehung des Honoriusbriefes an (244B11–D1), die Maximos abschließend mit Bemerkungen über angebliche Verschlagenheit, Betrug und Fälschung der Gegner kommentiert. Dadurch wird die Argumentation freilich widersprüchlich, weil die apologetische Interpretation gerade auf der Legitimität der Formel des einen Willens basiert. Es wird dabei jedenfalls deutlich, dass Maximos den Text des Honoriusbriefes sehr genau kennt. Im ersten Teil dieses sog. Tomus dogmaticus hatte Maximos auch die Formel „μία ἐνέργεια“ bei Anastasios von Antiochien verteidigt. Vgl. dazu: Nr. 15 (Theodor von Pharan), Kap. 4. Zur Frage einer Distanzierung des Herakleios von der Ekthesis vgl. die detaillierten Nachweise in Nr. 4 (Mehrheit und Minderheit), Kap. 4. „Ebenso aber könnte eine solche Ergänzung bereits im maximianischen Kontext palästinischer Klöster erfolgt sein“: Diese Annahme wird verstärkt durch die Beobachtung, dass auch noch Johannes von Damaskus in De recta sententia bei seiner Verteidigung des VI. Ökumenischen Konzils unter den von ihm aufgezählten Anathematisierten Honorius nicht nennt (PG 94, 1421–1432.1432B5–7). Zu seiner Nähe zum palästinischen Maximos-Kult s.: Nr. 13 (Der lange Widerstand), Kap. 3.

Hinweise zu Nr. 8: Die Kirche von Zypern im sog. monenergetisch-monotheletischen Streit Anm. 47: Anm. 73: Anm. 78: Anm. 79: Anm. 100: Anm. 129:

Zu diesen Informationen vgl. im Einzelnen Nr. 15, Kap. 2.1. Vgl. Übersetzung Nr. 8. Zur Anzahl der Kirchen, mit denen diese Union geschlossen wurde, vgl. Hinweise zu Nr. 1, Anm. 25. Vgl. Übersetzung Nr. 3. Vgl. die Übersetzung von S. Brock in Übersetzung Nr. 7. Hier ist zu präzisieren. Gemeint ist der Tadel für diejenigen, die Jesus “scheinbar als Gott bezeichnen”. Maximos hat hier Lk 4,33-35.41 im Blick.

642

Hinweise und Nachträge

Anm. 140: Anm. 198/99: S. 979:

Zu Opusc. 7 und 20 vgl. ausführlich: Nr. 15 (Theodor von Pharan) und Nr. 7 (Wer hat den Dyotheletismus erfunden). Man könnte höchstens auf Anathematismus 7 der Unionsurkunde von 633 hinweisen. Vgl. Übersetzung Nr. 3. Zu: „begegnet uns die Kirche von Zypern erst wieder in ihren Teilnehmern am VI. Ökumenischen Konzil“: Marek Jankowiak hat gezeigt, dass die dem Erzbischof von Zypern, Epiphanios, zugeschriebene Notitia episcopatuum 1 der Kirche von Konstantinopel vom Nachfolger des Sergios stammt, der um 660 sein Amt angetreten hat und diese Liste auf der großen Konstantinopler Synode von 662 verfasst haben muss. Diese Synode hat das endgültige Urteil über Maximos Homologetes und seine Schüler demnach mit Zustimmung der Kirche von Zypern gefällt. S.: Ders., The Notitia 1 and the impact of Arab invasions on Asia Minor).

Hinweise zu Nr. 9: Was war die Lateransynode von 649? Was sollte sie sein? Anm. 11: Anm. 12: Anm. 17: Anm. 39: Anm. 42:

Zu den Anfängen der Unionspolitik vgl. Nr. 4 (Mehrheit und Minderheit), Kap. 1; Nr. 15 (Theodor von Pharan), Kap. 2.1 Vgl. Übersetzung Nr. 3. Zur Datierung der Ekthesis auf 636/7 vgl.: Nr. 6 Kap. 3–4. Vgl. auch: R. Price, The Frescoes in Santa Maria Antiqua. In dem dort zitierten Aufsatz von Richard Price (Ders., Aspects of the Composition of the Acts of the Lateran Synod of 649, in: AHC 42 (2010) 51–58) liegt – wie mir erst später bekannt wurde – auf S. 53 ein Druckfehler vor. Die zitierte Fügung: „it would, of course, be to suppose that these interventions were wholly spontaneous” ist deshalb auch grammatikalisch nicht korrekt. In: Price, R./Booth, P./Cubitt, C., The Acts of the Lateran Synod of 649, transl. by R. Price (Translated Text for Historians 61), Liverpool: Liverpool University Press, 2014, 66 steht das bereits in AHC 42 Gemeinte: “It would be naïve to suppose that these interventions were spontaneous – these bishops had doubtless been asked to relieve the pope of personal responsibility for the condemnation of Patriarch Paul and the Typos –, but is it likely that they were wholly fictitious, or that even this small detail had been planned before the synod had ope-

Hinweise und Nachträge

Anm. 57: Anm. 112: Anm. 123 ff.: S. 131:

Anm. 161: Anm. 182: Anm. 184: Anm. 197: Anm. 206–209: Anm. 218: Anm. 226: Anm. 250:

643

ned?”. Meine Argumentation auf S. 142 gegen Richard Price ist deshalb gegenstandslos. Vgl. Übersetzung Nr. 12. Zum Brief des Erzbischofs von Zypern, Sergios, s. jetzt: Nr. 8 (Die Kirche von Zypern), Kap. 4. Vgl. Übersetzung Nr. 12. Zu: “Dieses von Maximos Homologetes in den Jahren zuvor entwickelte Argument kann durchaus auf der Grundlage des die Christologie prägenden ontologischen Denkens als ein wesentlicher Beitrag zur Klärung der in Frage stehenden Problematik verstanden werden.“ Maximos ist nicht der erste gewesen, der dies festgestellt hatte. Dieselbe Argumentation findet sich bereits bei Anastasios von Antiochien hinsichtlich der ἐνέργεια. Bei Anastasios ist dadurch aber nicht ausgeschlossen, auch von einem Wirken Christi zu sprechen. Vgl. Nr. 15 (Theodor von Pharan revisited), Kap. 4. Zum Typos vgl. Übersetzung Nr. 11. Vgl. Übersetzung Nr. 6. Dazu vgl. Nr. 15 (Theodor von Pharan), Kap. 5. Vgl. o. den Hinweis zu Anm. 42. Vgl. o. den Hinweis zu Anm. 112. Zu Arkadios von Zypern vgl.: Nr. 8 (Die Kirche von Zypern), Kap. 2–3. Zu den Konstantinopler Synoden von 636/7 (früher 638) und 639 vgl. Nr. 6 (Die Konstantinopler Synoden). Zu diesen Vorgängen vgl. Nr. 7 (Wer hat den Dyotheletismus erfunden?).

Hinweise zu Nr. 11: Maximos Homologetes (†662):Martyrium, Märtyrerbewusstsein, „Martyriumssucht“? Anm. 8:

Anm. 9 f.:

„war … die … Ekthesis, aufgehoben worden, die die monotheletische Lehre propagiert hatte“. Dieses Urteil über die Ekthesis ist zu korrigieren. Vgl. die Hinweise zu Nr. 2, S. 316. 335 f. Die Quellenlage ist nicht eindeutig, ob mit Maximos auch an beiden Anastasioi dieselben Verstümmelungsstrafen exekutiert wurden oder nur bei einem. Die griechische Vita Maximi (Neil/Allen, Recenion 3, Kap. 69) berichtet dies nur von Anastasios monachos neben Maximos; ebenso nennt die Dispu-

644

Hinweise und Nachträge

Anm. 22:

Anm. 40:

Anm. 71: Anm. 111: Anm. 112: Anm. 113: Anm. 182–191.

tatio Bizyae, die das Urteil dokumentiert (Psēphos 3), nur einen der Anastasioi, ohne deutlich zu machen, welchen (Allen/Neil, Scripta saeculi VII [CCSG 39,151,836–839]). Das Hypomnesticum Theodori Spudaei gibt an, dass auch Anastasios Apokrisarios die rechte Hand und die Zunge amputiert worden seien (s. hier Anm. 29–30). Nach dem Text Contra Constantinopolitanos haben alle drei die gleiche Strafe erlitten (s. hier Anm. 39). Dieses Urteil über die Bedeutung des Maximos für die Lateransynode entspricht ganz den kritischen Ergebnissen zur Entstehung ihrer Akten. Vgl. Nr. 9 (Was war die Lateransynode). Dies ist der früheste Beleg der Bezeichnung Konstantinopels als „siebenhügelig“. Es handelt sich um eine Übertragung der frühchristlichen Romkritik (Vgl. Offb 17,6–9; 1Petr 5,13) auf das Neue Rom im Kontext der apokalyptischen Deutung der Gegenwart. Vgl.: Wolfram Brandes, Sieben Hügel. Die imaginäre Topographie Konstantinopels zwischen apokalyptischem Denken und moderner Wissenschaft, in: Rechtsgeschichte 2 (2003), 58–71; s. a.: Nr. 3. Zur syrischen Vita Maximi. Vgl. dazu Nr. 4, Hinweise zu Anm. 51. Vgl. Übersetzung Nr. 3. Zur Anzahl der die Union betreffenden Kirchen vgl. o. Hinweise zu Nr. 1, Anm. 25. Vgl. Übersetzung Nr. 8. Vgl. Übersetzung Nr. 9. Zur Lateransynode von 649 vgl.: Nr. 8 (Was war die Lateransynode von 649?). Die „dogmatische Stellungnahme“ des Mönchskollektivs war eine der beiden Hauptanklageschriften.

Hinweise zu Nr. 12: Die griechische Vita Papst Martins I., Maximos Confessor und das Concilium Quinisextum (691/2) Anm. 118:

Vgl. dazu Nr. 5 (Der lange Widerstand)

Hinweise und Nachträge

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Hinweise zu Nr. 13: Der lange Widerstand gegen eine offizielle Heiligenverehrung des Maximos Homologetes († 662) im byzantinischen Reich Anm. 2-3: Anm. 5: Anm. 6: Anm. 16–25: S. 111: Anm. 71: Anm. 90: Anm. 90: S. 124 f.: Anm. 214: Anm. 215–219:

Vgl. Nr. 11 Anm. 8. Zu den Amputationsstrafen vgl. Nr. 11, Hinweis zu Anm. 9f. Vgl. die Übersetzungen Nr. 11 und 8. Zur griechischen Vita Maximi. Vgl. dazu Nr. 4, Hinweise zu Anm. 51. „der Name Maximos in den gesamten Konzilsakten nicht ein einziges Mal erwähnt wird“. Vgl. Hinweise zu Nr. 14, S. 346. Vgl. Hinweise zu Nr. 11 Anm. 40. Vgl. Übersetzung Nr. 13. Vgl. Übersetzung Nr. 13. Zur Lateransynode vgl.: Nr. 9 (Was war die Lateransynode von 649?) H. Ohme, Die griechische Vita Papst Martins, s. Nr. 12. Zur Lateransynode und zur Rolle des palästinischen Mönchtums dort s. jetzt: Nr. 9 (Was war die Lateransynode von 649?).

Hinweise zu Nr. 14: Rom, der Tomus Leonis und das VI. Ökumenische Konzil (680/1) Anm. 10: Anm. 25: Anm. 195: Anm. 200:

Vgl. Übersetzung Nr. 11. Vgl. Nr. 15. Vgl. dazu auch die Detailanalyse in Nr. 15 (Theodor von Pharan). Eine Überprüfung der Quellen über das Aufkommen des häresiologischen Begriffes „Monotheleten“ (Μονοθελῆται) ergibt Folgendes: Der älteste mir bekannte Beleg liegt in der Anastasius Sinaites zugeschriebenen Synopsis de haeresibus et synodis vor, und zwar in jenem Teil (§ 17–26), der dem „monotheletischen“ Streit und dem sechsten Konzil gewidmet ist und nach der Analyse von Karl-Heinz Uthemann von einem anderen Autor zwischen 686/7 und 691/2 eingefügt wurde (Ders., Die dem Anastasios Sinaites zugeschriebene Synopsis de haeresibus et synodis, 72 f. 86,7–8). Diese Einfügung ist den palästinischen Anhängern des Maximos

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Anm. 204: Anm. 211: Anm. 224: Anm. 225:

Hinweise und Nachträge

zuzurechnen und m. E. und in Klöstern der Umgebung Jerusalems zu lokalisieren (vgl. o. Nr. 13, S. 129–131). Bei Anastasius Sinaites selbst finden sich keine Belege, weder im Hodegos/Viae Dux (CCSG 8 Uthemann), noch in den Capita adversus Monotheletas (CCSG 12, 99–157 Uthemann). Auf ihn geht allein die häresiologische Titulatur „Monophysiten“ zurück, denen seine Polemik auch vorrangig gewidmet ist (vgl. Uthemann, Anastasios Sinaites, 3 Anm. 4). Mehrfach taucht der Begriff „Monotheleten“ dann in der Διήγησις τῆς μονοθελητῶν αἱρέσεως, ὅθεν ἀνεφύη, ἐν ᾗ, καὶ περὶ διαφόρων τοπικῶν συνόδων auf, die nach 681 entstanden ist und im 9. Jh. in eine anonyme Konzilssynopse inkorporiert wurde. Vgl.: Hoffmann/Brandes, Eine unbekannte Konzilsynopse, 166,1; 168,39; 170,53. Auch dieser Text ist im Kontext aktiver Märtyrer- und Heiligenverehrung von Papst Martin I. und Maximos wohl in Palästina entstanden. Vgl. o. Nr. 7, 118–121. Die in der Doctrina Patrum nach 681 in der Epistula Synodica des Sophronius ergänzten Anathematismen bezeichnen die im Jahr 681 Verurteilten ebenfalls mit dem Terminus „Monotheleten“ (Doctrina Patrum 271, 6–16). Auch dieser Text gehört in den engsten Kreis der Maximianer. Dasselbe tut die Vita Martini pp. graeca (262,12–18 Peters), die wohl nach 754 ebenfalls im sabaitischen Mönchtum Palästinas entstanden sein wird (Vgl. Nr. 12). Der hier ebenso zu verortende Johannes von Damaskus benutzt den Begriff genauso, vgl: De haeresibus 99 und De duabus in Christo voluntatibus 20,6 (PTS 22, 59,20; 204,1 Kotter). Damit ist deutlich, woher die häresiologische Titulatur „Monotheleten“ stammt: aus der Anhängerschaft des Maximos im palästinisch-sabaitischen Mönchtum. Es ist signifikant, dass die polemische Identifizierung von „Mone- nergetismus“ und „Monotheletismus“ im 7. Jh. auch nur zu einem Oberbegriff geführt hat. Der Begriff „Monenergeten“ ist erst eine Parallelbildung der modernen Dogmen- geschichtsschreibung. Vgl. Übersetzung Nr. 8. Vgl. Übersetzung Nr. 12. Vgl. dazu ausführlich: Nr. 15 (Theodor von Pharan). Vgl. Übersetzung Nr. 3.

Hinweise und Nachträge

S. 346:

S. 351:

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(Name des Maximos in den Akten des sechsten Konzils) Tatsächlich wird Maximos nur in den Anathematismen des Makarios von Antiochien am Ende von dessen großer Glaubenserklärung auf der achten Sitzung erwähnt. Bei seiner Bestätigung der Verurteilungen des fünften Konzils anathematisiert Makarios Maximos zusammen mit Theodor von Mopsuestia, der „der verfluchte Lehrer der Häresie und der Trennung (scil. der zwei Naturen) des Maximos“ sei. Und er fügt dann hinzu: „und neben all diesen Häretikern (anathematisieren wir) den jüngst ihnen zugewachsenen verrufenen Maximos zusammen mit seinen gottlosen Schülern, der wie ein Heide gelehrt hat, in manichäischer Weise den Leib unseres Gottes Christus wegzuwerfen, und seine frevelhafte Gesinnung der Trennung, was bereits vor uns unsere seligen Väter zurückgewiesen haben (ACO ser. II 2,1 p.228,12–18 Ried.). Gemeint ist damit die Konstantinopler Synode des Jahres 662 unter Patriarch Petros, die „die Häresie der Maximianer verurteilte“ (a.a.O., 230 f.) (Belagerung Konstantinopels 674–678). Zur der inzwischen rezipierten Neudatierung auf 667-669 vgl. Nr. 11, Anm. 133.

Hinweise zu Nr. 15: Theodor von Pharan revisited: Häretiker und Häresiarch der μία ἐνέργεια Jesu Christi? S. 4: Anm. 10: Anm. 11: Anm. 28: Anm. 31:

Zum Umfang der ägyptischen Union von 633 vgl. Hinweise zu Nr. 1, Anm. 26. Vgl. Übersetzung Nr. 3. Vgl. Übersetzung Nr. 8. Zum Aufkommen des Begriffes “Monotheleten” s. Nr. 14 Anm. 200. (Zur Identität Theodor von Raithu/Theodor von Pharan). In der neueren Forschung fand der Nachweis von Elert überwiegend Zustimmung (vgl.: van Dieten, Patriarchen 27; Bausenhart, In allem uns gleich 115; Winkelmann, Streit 271 f.; Böhm, 3LThK 9; Uthemann, 4RGG 8; Lange, Mia Energeia 8, Anm. 44. 536, Anm. 26). Die mit der Identifizierung der beiden Theodoroi verbundene Zuweisung der in der orthodoxen handschriftlichen Tradition weit verbreiteten Praeparatio zum „Häresiarchen“ Theodor von Pharan wurde indes

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Hinweise und Nachträge

vor allem auf orthodoxer Seite angezweifelt (vgl. z. B. Panagiotes Chrēstos, Art. Θεόδωρος ἐπίσκοπος Φαράν, in: TEE 6 [1965], 225). Im Jahre 1980 wurde sie von Athanasios Nikas (Ders., Θεόδωρος τῆς Ῥαιθοῦ. Βίος, ἔργα, διδασκαλία [Diss. Athen 1980], Athen 1981, 87–100) sogar im Rahmen einer Dissertation bestritten und die zweiteilige Praeparatio des Theodor von Raithu in die Jahre 537–544 datiert. Damit wurde auch die Datierung des Herausgebers F. Diekamp aufgegeben, der seinerseits für in die Jahre 580–620 plädiert hatte und dem sich Elert angeschlossen hatte. Nikas berief sich gegen Diekamp auf die 1946 noch vor Elerts Studie vorgenommen zeitlichen Einordnung durch Marcel Richard (Ders., Art. Théodore de Raïthou, in: DThC 15,1 [1946], 282–284). Die These von Nikas hat schließlich i. J. 2002 durch Wassilios Klein sogar Eingang in die TRE gefunden (Ders., Art. Theodor von Raithu, in: TRE 33 [2002], 246–248). Neuere orthodoxe Autoren meinen deshalb häufig, Theodor von Pharan ausschließlich anhand der 649 und 680/81 inkriminierten Fragmente beurteilen und verwerfen zu können und ziehen sich bei der These von Elert auf ein angebliches „disagreement“ in der Forschung zurück (vgl. Bathrellos, Byzantine Christ 69–71; Hovorun, Will 58, Anm. 30). Der am päpstlichen Institut für Christliche Archäologie in Rom lehrende Carlo dellʼ Osso hat schließlich i. J. 2010 im Rückgriff auf den TRE-Artikel von Klein nicht nur die These von Nikas übernommen (Ders., Cristo e Logos. Il calcedonismo del VI secolo in oriente, 156–158) sondern auf dieser Grundlage gemeint, die in der neueren Forschung seit Helmer bis Uthemann herausgearbeitete Beziehung des Neuchalkedonismus zum sog. Monenergismus des 7. Jh.s prinzipiell in Frage stellen zu können (dazu vgl. Uthemann, Anastasios Sinaites [2015], 225–227). Die These von Elert hat also einige Bedeutung für das Verständnis der Entstehung und Bedeutung des sog. Monenergismus. Es scheint deshalb angebracht, die Argumente von Nikas anhand seiner Dissertation zu überprüfen. Ich werde dies im Folgenden tun. Es empfiehlt sich jedoch, den Text meines Beitrages erst bis zur S. 580f., Anm. 75–77 weiterzulesen.

Hinweise und Nachträge

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Nikas führt folgende Argumente gegen eine Identifizierung des Theodor von Raithu mit Theodor von Pharan an: 1. Maximos spricht davon, dass er „in (einer Schrift) des Theodor von Pharan über Usia und Physis, Hypostase und Prosopon und die übrigen Kapitel“ auf die von ihm beanstandeten Ausführungen gestoßen sei (s. hier Anm. 75). Diese Schrift sei jedoch nicht die Praeparatio des Theodor von Raithu, weil Maximos hier nicht deren Titel nenne, sondern ein anderes Werk des Bischofs von Pharan mit einem anderen Titel. Dagegen ist festzuhalten: Nikas macht aus einer Inhaltsangabe des Maximos eine Überschrift. Die von Maximos genannten Themen entsprechen genau den ersten Kapiteln des zweiten Teils der Praeparatio, deren Erklärungen zudem auch diese Überschriften tragen. Maximos ist nur an diesem zweiten Teil interessiert. Der Titel der gesamten Schrift besteht aus 34 Worten (s. hier Anm. 40). Warum sollte Maximos diesen ganzen Titel angeben? Was spricht gegen die Vermutung, dass schon zur Zeit des Maximos Teil II der Praeparatio gesondert unter dem Namen des Bischofs von Pharan umlief? 2. Nikas meint, Maximos spreche von einer Εἰσαγωγή in die genannten Begriffe „und die übrigen Kapitel“, nicht aber von einer „propädeutischen“ Schrift. Dagegen ist zu fragen: Was ist der Unterschied zwischen einer „Einführung, die nicht ohne Nutzen ist“ zu einer propädeutischen Schrift? Der Begriff Εἰσαγωγή trifft genau auf die Erklärungen der Begriffe in Teil II zu, aber ebenso auf den Inhalt der gesamten Schrift. Außerdem: In der Praep. verweist Theodor am Ende des ersten Teils (200,19–22 Diek.) auf „weiter unten folgende Abhandlungen“ (ὑπογεγραμμένοι λόγοι). K.-H. Uthemann hat an die bereits von Diekamp (1938,174 f.) geäußerte Hypothese erinnert, dass dieser Hinweis sowie die handschriftliche Überlieferung, in der auf die Praeparatio häufig Schriften des Anastasios von Antiochien folgen, und auch die Worte des Maximus darauf schließen lassen, dass die Praeparatio ursprünglich entstand, „um einen Zugang zum Hauptwerk des Anastasios von Antiochien zu schaffen“ (Ders., Art. Theodor v. Pharan, 4RGG 8, 242). 3. Nikas behauptet, der Einwand des Maximos, dass in dieser Schrift Theodor von Pharan „die energeia als hypostatisch

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Hinweise und Nachträge

bezeichnet“ könne sich nicht auf die Praeparatio beziehen, weil bei den von Elert genannten Stellen (s. hier Anm. 68.69) die energeia der Hypostase mit der ἐνέργεια τῆς φύσεως identisch sei. Dagegen ist festzustellen: Die naturhafte überindividuelle energeia als Befähigung des Menschen zum Wirken einschließlich seiner physiologischen Energien wird klar von einem Wirken als Individuum unterschieden, das ein Erkenntnismerkmal der Person darstellt. Die individuelle energeia des Paulus z. B., „das Evangelium von Jerusalem bis ins Illyricum zu verkünden und jeden Tag für das Evangelium zu sterben“ unterscheidet sich deutlich von seinem allgemeinen Menschsein (Praep. 204,17–205,10; s. auch Anm. 68.69) und seiner „naturgemäßen energeia“ (s. Anm. 72). Die Doctrina Patrum stellt diesen Zusammenhang mit Zitaten aus der Praeparatio explizit her (41,16– 42,15 Diek.). 4. Nach Nikas können diese Stellen auch nicht vom „häretischen“ Bischof von Pharan stammen, weil „die orthodoxe Doctrina Patrum“ (41,16–42,7) und auch Johannes von Damaskus (Dialectica 27 [PTS 7,109 Kotter]) sie heranziehen. Dagegen ist zu beachten, dass sowohl die Doctrina Patrum als auch der Damaszener Textabschnitte anderer Autoren ohne Angabe des Verfassers heranziehen. Darunter befinden sich auch Passagen, die eigentlich nicht den Intentionen dieser Kompilatoren entsprechen. Das ist nicht nur an den o. g. Stellen der Fall, sondern z. B. besonders auffällig bei dem langen Zitat aus der Schrift Περὶ ἐνεργείας des Anastasios von Antiochien, das sowohl die Doctrina patrum (78,16–80,3 Diek.) als auch Johannes von Damaskus (Expositio fidei 59 [III 15]: PTS 12,145,23–30 Kotter) bringen, letzterer allerdings unter Weglassung der entscheidenden Formulierung (s. hier Anm. 181). 5. Nach Nikas beziehen sich die Begriffserklärungen in Teil II im Unterschied zu Teil I gar nicht auf die Christologie. Dagegen machen sowohl der Titel der Schrift (s. hier Anm. 40), die Ausführungen am Anfang (s. u. 7.) und die hier in Anm. 58 zitierte Bemerkung den christologischen Bezug auch von Teil II eindeutig. 6. Weil Theodor von Raithu am Anfang von der Ruhe in der Kirche spricht und einem völligen Rückzug der Häresien,

Hinweise und Nachträge

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könne dies nach Nikas angesichts der sich nach 553 definitiv kirchlich verselbständigenden Antichalcedonenser nicht zu der späten Datierung 580–620 passen. Dagegen ist daran zu erinnern, dass Theodor seine Schrift eingangs mit der Überlegung begründet, dass es auch dann nötig sei, elementare Kenntnisse über die zu lehren, „die sich von Seiten des Eutyches und Dioskur durch Lüge zusammenrotten und die Wahrheit bekämpfen“ (185, 7–9 Diek.), wenn „durch die Gnade und das Wohlwollen Gottes die kirchlichen Angelegenheiten befriedet sind und wir uns in großer Ruhe und Gelassenheit abseits von jeder Häresie befinden, die sich in ihren eigenen Höhlen verborgen hat (ἐν γαλήνῃ τε καὶ ἀταραξία πάσης αἱρέσεως ἐκποδών)“. Denn „einige von uns sind schon wehrlos und im Kampf unerfahren“ (185,18–20 Diek.). Elert hatte festgestellt, dass mit solchen Angaben „ein ziemlicher Spielraum“ für eine Datierung gegeben sei und es naheliege, dass die origenistischen Streitigkeiten und der Dreikapitelstreit weiter zurückliegen (206 f.). Nikas meint dagegen die Datierung genau eingrenzen zu können auf 537–544, also auf die Jahre nach der Verurteilung des Konstantinopler Patriarchen Anthimos und des Severos von Antiochien auf der großen Konstantinopler Synode von 536 bis zu den Edikten Justinians gegen die Origenisten und die Drei Kapitel. M.E. erschließen solche zeitlichen Eingrenzungen nicht den Sinn der Worte Theodors. Er hat bei dieser Aussage ja besonders die Erben des Eutyches und Dioskur im Blick (s. o.). Die ganze Schrift ist auch nicht gegen alle Häresien der Zeit gerichtet, sondern gegen die Julianisten und Severianer, die im ersten Teil auch gesondert erst nach der Darlegung der „kirchlichen Orthodoxie“ ausführlich widerlegt werden. Diese können tatsächlich seit der Synode von 536 „in der Kirche“ nicht mehr für Unruhe sorgen, weil sie nun definitiv außerhalb stehen. Es sind vor allem Mönche gewesen, zuerst die Konstantinopels, mit ihnen aber vor allem die chalcedonensischen Mönche des Sinai, die die Synode von 536, zu der auch eine Synode in Jerusalem gehörte, erzwungen hatten (Vgl. dazu jetzt: Brimioulle, Das Konzil von Konstantinopel 536, 132–147.152.212– 216). Mit dem „Presbyter des heiligen Berges Sinai, Theonas,“ der als „Apokrisiarios der Laura von Raïthu und der heili-

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Hinweise und Nachträge

gen Kirche von Pharan und Sprecher für alle dortigen Mönche“ dort unterschrieb (ACO ser. I 3, p.51 Nr. 129; p.174 Nr. 92 u.ö.), gehörten sie zu den Subskribenten der Konzilsakten. Das Ziel dieser Mönche bestand vor allem darin, alle von Justinian unternommenen Versuche einer Verständigung mit den Antichalcedonensern zu unterbinden. Sie waren auf Abgrenzung und Verurteilung als einzige Handlungsoption bedacht, damit kirchlicher Friede in diesem Sinne einkehre. In dieser Tradition steht Theodor. Dass die Miaphysiten damit in die Illegalität gedrängt wurden und Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt waren, stört seine kirchliche Ruhe nicht. Die endgültige Verselbständigung der Antichalcedonenser und ihre zunehmende Zersplitterung fand für ihn außerhalb der Kirche statt und war ebenfalls nicht beunruhigend, eher im Gegenteil. Die Verfolgungen nach 571 unter Justin II., Tiberios, Maurikios und Phokas stehen m. E. im Hintergrund der Aussage, dass sich die Häretiker „in ihren Höhlen“ verbergen. Gerade dies spricht auch für eine späte Datierung im 6. Jh. Dass Theodor terminologisch nicht ganz auf der Höhe der Zeit ist, mag mit der Abgelegenheit seines Lebensraumes zusammenhängen. 7. Bei einer späten Datierung hätte nach Nikas auch das V. Ökumenische Konzil (553) erwähnt werden müssen, Theodor aber erwähnt nur die Konstantinopler Synode von 536. Dagegen steht fest, dass die Zuordnung der Bezeichnung „V. Ökumenisches Konzil“ in den Quellen bis zur Jahrtausendwende zwischen den Synoden von 536 und 553 schwankt. Alle Handschriften der in den ACO von E. Schwartz edierten Synode von 536 stehen unter der Überschrift „Akten des in Konstantinopel durchgeführten fünften heiligen Konzils“ (ACO ser. I 3, p.3 App.; vgl. dazu: von Stockhausen, Die Edition der Konzilsakten und das Problem der Sammlung, 129–144.132 Anm. 15; 135). Der Autor einer Konzilssynopse des 9. Jh.s – ein Konstantinopler Priester – erwähnt in seinem Bericht über die Synode von 553, dass in der Liturgie der Hagia Sophia zum Fest des „V. Ökumenischen Konzils“ nicht der Horos von 553 verlesen werde, sondern der der Synode von 536 (Hoffmann/Brandes, Konzilssynopse 29 f.; 160–163). Noch im 6. Jh. wurde nach der Einführung des Chalcedon-Festes i. J. 518 für den Sonntag

Hinweise und Nachträge

Anm. 82:

Anm. 83:

Anm. 87:

Anm. 93:

S. 431: Anm. 232: Anm. 236:

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nach dessen Festtag (16. Juli) ein eigenes Fest zum „Gedenken der hl. Synode, die in Konstantinopel gegen den gottlosen Severos gehalten wurde“ – also der Synode von 536 – eingeführt und nach 553 diesem Festtag zusätzlich das Gedenken der Synode von 553 zugeordnet. Das führte auch dazu, dass die Akten beider Synoden in Handschriften zusammengebunden wurden. Für Theodor von Pharan ist die große Synode in Konstantinopel/Jerusalem des Jahres 536 offensichtlich das entscheidende Ereignis gewesen und als solches wohl auch das V. Ökumenische Konzil. Noch auf der Unions-Synode von Ferrara (1438) wird von der griechischen Delegation ein Text aus den griechischen Akten des „V. Ökumenischen Konzils“ verlesen, der von der Synode des Jahres 536 stammt (vgl.: Joseph Gill [Hg.], Concilium Florentinum. Documenta et Scriptores I: Res Ferrariae gesta, 66,24–26; zitiert nach: Price, The Acts of the Council of Constantinople of 553, 108, Anm. 19. S. weiterhin: Salaville, La fête du concile de Chalcédoine; Devreesse, Le cinquième concile). Nikas urteilte unhistorisch aus gegenwärtiger Perspektive. Bestätigt wird dieses Urteil durch Mueller-Jourdan, in: van Deun/Mueller-Jourdan, Maxime le Confesseur, 487: „On ne saurait nier lʼimmense appareil conceptuel issu de lʼélaboration lexicale et conceptuelle dʼune certaine scolastique de tradition néoplatonicienne dans le système maximien. Zur Bedeutung der Logik für die theologische Argumentation des Maximos vgl.: Mueller-Jourdan, in: van Deun/Mueller-Jourdan, Maxime le Confesseur, 433–441. Vgl.: Mueller-Jourdan, Pascal, Une initiation à la Philosophie de lʼAntiquité tardive. Les leçons du Pseudo-Élias, Paris/ Fribourg 2008 Riedinger ging davon aus, dass Texte Werke Theodors, aus denen die 11 Fragmente von Maximos und seinen Mönchen für die Lateransynode von 649 exzerpiert worden waren, schon i. J. 680 auch in Konstantinopel „nicht mehr vollständig vorhanden waren“, weil man nur dieselben Exzerpte benutzte wie 649 (Ders., Lateinische Übersetzungen 12 f.) Zu: „Bistum Pharan“: Zur Geschichte des Sinaibistums Pharan vgl.: Shahîd, Byzantium and the Arabs, 969 − 972. Vgl. Übersetzung Nr. 8. Vgl. Übersetzung Nr. 6.

Übersetzungen 1 Aus der Abhandlung des Anastasios von Antiochien (†598/99): Über die Energien (Περὶ ἐνεργείων) (78,17)1 Da der Ausdruck energeia vieldeutig ist und das Homonym oft für Viele eine Ursache des Irrtums wird, ist es notwendig, genau zu unterscheiden, auf wie viele Weisen von energeia gesprochen wird. Wir dürfen uns ja auch nicht täuschen lassen, wenn wir zufällig einen Begriff hören, den wir aller Wahrscheinlichkeit nach in einer anderen Bedeutung verwenden im Unterschied zu der, von der (gerade) die Rede war. (78,22) Energeia wird nämlich der erste in uns entstehende Gedanke genannt; dieser ist eine einfache und nicht relationale Wirksamkeit des (menschlichen) Geistes (ἁπλῆ καὶ ἄσχετος ἐνέργεια τοῦ νοῦ), der sich allein auf unsichtbare Weise die eigenen Gedanken vorhält, ohne die er nicht zu Recht Geist genannt werden könnte. Andererseits wird die Kundgabe und Entfaltung des Gedachten durch die Aussprache des Wortes eine Wirksamkeit (ἐνέργεια) genannt. Diese ist aber nicht beziehungslos und einfach, sondern wird in ihrer Beziehung betrachtet (ἐν σχέσει θεωρουμένη). (79,2) Denn auch diese Beziehung, die der Handelnde zum Entstehenden hat, ist eine gewisse Wirksamkeit (ἐνέργεια). Und das wiederum ist gleichsam das Vollbrachte (τὸ ἀποτελούμενον), wie es auch bei der Architektur und beim Schiffbau zu sehen ist. Sie haben nämlich das Zukünftige in sich im Voraus betrachtet ‒ der Architekt das Gebäude und der Schiffbauer den Rumpf ‒; erst danach bringen sie das Gedachte ans Licht, legen Hand an und vollenden es. Meinst du nicht, dass jedes einzelne davon eine Wirksamkeit des Handelnden ist (ἐνέργεια τοῦ ποιοῦντος)? Gewiss, wirst du sagen. Das eine ist schlechthin (Sache) der Seele, das andere ist (Sache) der sich des Leibes bedienenden Seele, das dritte (Sache) des mit Geist beseelten Leibes, nur dass das Resultat der Wirksamkeit des Menschen eines ist (πλὴν τῆς ἐνέργειας ἀποτέλεσμα ἕν ἐστι τοῦ ἀνθρώπου). (79,12) So denke ich es mir auch in der vorliegenden Frage der Wirksamkeiten (ἐνέργειαι) unseres Heilandes, weil auch unsere heiligen Väter oftmals das Beispiel des Menschen an sich gebrauchten (τῷ κατὰ τὸν κοινὸν ἄνθρωπον ἐχρήσαντο παραδείγματι), als sie die Einheit der Naturen genau in Erwägung

1 Doctrina Patrum 78,16–80,3 8 (Diekamp). Anmerkung: In den Übersetzungen werden die Seiten und Zeilenangaben der jeweils zugrunde gelegten Ausgaben absatzweise angegeben. https://doi.org/10.1515/9783110714531-017

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Übersetzungen

zogen. Wie nun das Wirken (ἐνέργεια) der Geistseele und das des Leibes jeweils eine anderes ist, das Gemeinsame daraus aber (Sache) des Menschen ist, der es aus jedem von beiden zusammengefügt hat, (τὸ δὲ ἐκ τούτων κοινὸν τοῦ ἐξ ἑκατέρων ἐστι συνεστῶτος ἀνθρώπου), so denken wir auch über unseren Heiland, den menschgewordenen Gott Logos. Göttlichen Aktivitäten (ἐνέργειαι) nehmen wir als göttlich wahr, wie z. B. das Bilden des eigenen Leibes aus einem jungfräulichen Mädchen ohne Verkehr mit einem Mann in Unkenntnis jeder natürlichen Lust, (oder) das Verwandeln von Wasser in Wein allein aus Antrieb des Willens, und anderes dieser Art. Menschliche (scil. Aktivitäten) wiederum nenne ich dieses menschliche Leben, demgemäß wir uns bewegen zum Verlangen nach Nahrung und Wachstum. Aktivität (ἐνέργεια) ist sowohl das Leben als auch das erste Wirken (ἡ πρώτη ἐνέργεια) des Lebewesens […]. (79,28) Allein, indem wir dies ebenso betrachten wie die Naturen, aus denen die Wirkungen (ἐνέργειαι) hervorgehen und sie (dabei) miteinander vereinen (ὃθεν προίασιν αἱ ἐνέργειαι, καὶ ἑνώσαντες αὐτὰς ἀλλήλαις), und so wie wir aus den zusammenkommenden Naturen eine ungetrennte und unvermischte (80,1) Hypostase erblicken, so erblicken wir auch aus den unterschiedlichen Wirkweisen ein einziges Resultat des einen Christus (οὕτω καὶ ἐκ τῶν διαφόρων ἐνεργείων τὸ ἀποτέλεσμα ἕν καὶ ἑνὸς Χριστοῦ θεωροῦμεν).

2 Theodor von Pharan (ca.617/9): Die elf durch die Lateransynode (649) und das VI. Ökumenische Konzil (680/1) verworfenen Sätze Aus der Abhandlung des ehemaligen Bischofs von Pharan, Theodoros,2 die er an den ehemaligen Bischof Sergios von Arsenoë in der ägyptischen Provinz schrieb: (120,9)3 1. Alles, von dem berichtet wird, dass es der Herr gesagt oder vollbracht hat, das hat er durch Geist, Wahrnehmung und Sinnesorgane gesagt und getan. Und deswegen soll alles ein Wirken (μία ἐνέργεια) des Logos genannt werden, insofern er selbst ein Ganzer und Einer ist – sei es das des Verstandes, des Geistes oder das des wahrnehmenden und mit Organen versehenen Leibes. (120,15) 2. Weil er besonders wegen eines gewissen göttlichen und höchst weisen Heilsplanes (οἰκονομία) wann immer er wollte Schlaf und Ermattung, Hunger und Durst auf sich nahm (προσήκατο), und wir ganz mit Recht auch dem allmächtigen und überaus weisen Wirken des Logos hierbei Bewegung und Stillstand zu-

2 Theodor, Bischof von Pharan/Sinai (ca.570/80–vor 638). 3 ACO ser. II 1 p.120,5–125,7; 2,2 p.602,1–606,14 (Riedinger); Seitenangaben nach ACO ser. II 1.

2 Theodor von Pharan: Die elf verworfenen Sätze

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schreiben (κίνησιν καὶ ἠρεμίαν προσάπτομεν), deshalb reden wir von dem einen Wirken (μίαν ἐνέργειαν) desselben und einen Christus. (120,22) 3. Ich meine, dass die Darstellung uns durch die Prüfung hinlänglich vor Augen gestellt hat, dass alles, was über den Herrn Christus berichtet wird, sei es, dass es zu Gott gehört, sei es, dass es zur Seele gehört, sei es, dass es zum Leib gehört oder beides zusammen – ich meine Leib und Seele – einheitlich, gleichzeitig und ungetrennt (μοναδικῶς, ἅμα καὶ ἀδιαιρέτως) ausgeführt wurde, indem es seinen Anfang nimmt und sozusagen hervorquillt aus der Weisheit, Güte und Kraft des Logos und durch Vermittlung der Geistseele und des Leibes hervorgeht. Und deshalb ist dies alles – und wurde auch so genannt – ein Wirken (μία ἐνέργεια) unseres Heilandes, wie derselbe denn ein Ganzer und Einer ist. (120,31) 4. Es ist demnach daraus klar, dass alles, was wir über Christus hören und glauben, ein Werk Gottes ist (ἔργον θεοῦ), sei es, dass es der göttlichen oder der menschlichen Natur angemessen ist (προσεοικότα). Und demgemäß wird dies alles in frommer Weise ein Wirken (μία ἐνέργεια) seiner Gottheit und Menschheit genannt. (120,38) 5. … so dass die gesamte Menschwerdung von Anfang bis Ende und was auch immer an Kleinem und Großem dazugehört, ein wahrhaft höchst erhabenes und göttliches Wirken ist (μία θεία ἐνέργεια). Aus der Abhandlung desselben, die er zur Interpretation patristischer Testimonia verfasste: (122,3) 6. Der göttliche Wille aber, welcher der Wille Christi selbst ist, denn sein Wille ist einer und dieser ist göttlich. (122,8) 7. Dadurch werden wir also ohne jeden Zweifel unterrichtet, dass alles, was zum rettenden Heilswerk (σωτηριώδης οἰκονομία) gehört, sei es Göttliches oder Menschliches, von unserem Heiland Christus erzählt wird. Er empfing zwar ursächlich sozusagen den Impuls und die Veranlassung (ἔνδοσιν καὶ τὴν αἰτίαν) aus dem Göttlichen, bediente sich (ὑπουργεῖτο) aber durch Vermittlung der denkenden und vernünftigen Seele des Leibes, sei es, dass man von einer gewissen wundertätigen Kraft, sei es von einer gewissen naturhaften Bewegung des Menschen (φυσικὴν τινα τοῦ ἀνθρώπου κίνησιν) spricht, wie es Hunger, Schlaf, Ermattung und Annahme von Schmerzen, Betrübnis und Angst sind, was im gewöhnlichen Sprachgebrauch ‚Leiden‘ (πάθη) genannt wird. Im eigentlichen Sinne entstammen sie jedoch der naturhaften Bewegung (φυσικῆς κινήσεως) bei dem mit Seele und sinnlicher Wahrnehmung ausgestatteten Lebewesen. Das jedoch, was strenggenommen ‚Leiden‘ (πάθη) ist und so heißt, das Kreuz, das Sterben, die Striemen, die Wunde, die Nägel, das Anspucken und die Schläge, all dies dürfte wohl richtig und rechtmäßig (ὀρθῶς καὶ δικαίως) als ein Wirken (μία ἐνέργεια) desselben einen Christus bezeichnet werden.

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Übersetzungen

(122,22) 8. Es sei nämlich von uns ganz und gar zu begreifen, dass alles, was mit der Menschwerdung zu tun hat, ein göttliches und wirklich rettendes Wirken ist (μία […] ἐνέργεια). (122,27) 9. Wegen dieser und ähnlicher (Dinge) sind alle Eigenheiten (ἴδια), die zur Menschwerdung gehören, genau und ganz rechtmäßig (εὖ γε καὶ μάλα δικαίως) ein Wirken Gottes zu nennen (μία […] θεοῦ ἐνέργεια). (122,32) 10. Unsere Seele nämlich hat von Natur aus nicht so große Kraft, um die naturhaften Eigentümlichkeiten des Leibes (τὰς φυσικὰς ἰδιότητες) von diesem und von sich selbst auszuschließen, und die Vernunftseele hat sich auch nicht als über den eigenen Körper so mächtig erwiesen, dass sie das, was ihm gemäß von Natur aus mit ihm verbunden ist, wie Schwere, Ausfluss und Farbe, beherrscht und er irgendwann einmal ohne dies besteht. Dies alles wird (aber) von dem Heilswerk (κατὰ τὴν οἰκονομίαν) unseres Heilandes Christus berichtet und ist (tatsächlich) geschehen mit seinem göttlichen und lebensspendenden Leibe; denn schwerelos und sozusagen unkörperlich ging er hervor ohne Ausdehnung aus dem Mutterschoß und dem Grabe und durch Türen und schritt auf dem Meer wie auf festem Boden. (124,3) 11. Es ziemt sich uns nun so zu denken und zu sprechen, dass wir alles, was bei der Menschwerdung über den Heiland Christus berichtet wird, als ein Wirken (μία ἐνέργεια) erkennen, dessen Handwerker und Werkmeister (τενχίτης καὶ δημιουργός) der Gott-Logos ist, die Menschheit aber das Werkzeug (ὄργανον). Alles, was nun über ihn gesagt wird, entweder als Gott oder menschlich, ist das Wirken der Gottheit des Logos (ἐνέργεια τῆς τοῦ λόγου θεότητος).

3 Unionsurkunde der alexandrinischen Union vom 3. Juni 633 (594,18)4 Weil unser aller Herr und wahrer Gott, Christus, erschienen ist und alle im heilbringenden und wahren Glauben an ihn lenkt und sie zu seiner einen und selben heiligen Kirche zusammenruft, haben wir die vorliegende Übereinkunft betreffs der Einigung der heiligen Kirchen Gottes vollzogen im Monat Payni, sechste Indiktion.5 Übereinkunft (πληροφορία), vollzogen durch Kyros, durch Gottes Gnade Bischof,6 der nach göttlicher Weisung unserer guten und siegreichen Herrscher den

4 ACO ser. II 2,2 p.594,18–600,20 (Riedinger). 5 = 3. Juni 633. 6 Kyros, Patriarch von Alexandrien (631–642).

3 Unionsurkunde der alexandrinischen Union vom 3. Juni 633

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Platz des apostolischen Stuhles dieser christusliebenden Stadt der Alexandriner einnimmt. (596,1) Kapitel 1 Wenn jemand Vater, Sohn und Heiligen Geist, die wesenseine Dreieinigkeit, nicht als eine Gottheit in drei Hypostasen bekennt, sei er verflucht. Kapitel 2 Wenn jemand nicht bekennt, dass „Einer der Heiligen Dreieinigkeit“, der GottLogos, der vor aller Zeit zeitlos aus dem Vater gezeugt wurde und vom Himmel gekommen ist und Fleisch angenommen hat aus dem Heiligen Geist und unserer Herrin, der heiligen hochgepriesenen Gottesgebärerin und immerwährenden Jungfrau Maria, und Mensch geworden ist, in seinem eigenen Fleisch gelitten hat und gestorben ist und begraben wurde und am dritten Tage auferstanden ist nach der Schrift, der sei verflucht. Kapitel 3 Wenn jemand nicht bekennt, dass die Leiden und Wunder zu ein und demselben unserem Herrn und wahrhaftigen Gott Jesus Christus gehören, sondern „[das eine] zu einem und [das andere] zu einem anderen“, der sei verflucht. Kapitel 4 Wenn jemand nicht bekennt, dass der Gott-Logos infolge dieser innigsten Einung im Mutterleib der heiligen Gottesgebärerin und immerwährenden Jungfrau Maria gemäß der Einung aus dieser heiligen Gottesgebärerin das mit uns wesenseine, mit Vernunft- und Geistseele beseelte Fleisch mit sich zum Dasein und So-Sein gebracht hat (ὑποστῆσαι ἑαυτῷ) durch eine naturhafte und hypostatische Einigung (ἑνώσει φυσικῇ τε καὶ καθ᾿ ὑπόστασιν) und so aus ihr als einer hervorgegangen ist – unvermischt und ungetrennt ‒, der sei verflucht. Kapitel 5 Wenn jemand nicht bekennt, dass unsere heilige Herrin und immerwährende Jungfrau Maria im eigentlichen Sinn und in Wahrheit Gottesgebärerin ist, weil sie den fleischgewordenen Gott-Logos im Mutterleib getragen und geboren hat, der sei verflucht. (598,4) Kapitel 6 Wenn jemand nicht bekennt: „aus zwei Naturen“, d. h. aus Gottheit und Menschheit ein Christus, ein Sohn, „eine fleischgewordenen Natur des Gott-Logos“ (μίαν τοῦ θεοῦ λόγου φύσιν σεσαρκωμένην) gemäß dem heiligen Cyrill, unvermischt, unverwandelt, unveränderbar, nämlich eine zusammengesetzte Hypostase (μίαν ὑπόστασιν σύνθετον), was eben unser Herr Jesus Christus selbst ist, der „einer ist aus der heiligen wesenseinen Dreieinigkeit“, ein solcher sei verflucht.

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Übersetzungen

(598,11) Kapitel 7 Wenn jemand sagt, dass unser einer Herr Jesus Christus in zwei Naturen betrachtet wird (ἐν δυσὶ θεωρεῖσθαι λέγων ταῖς φύσεσιν) und nicht bekennt, dass derselbe „einer aus der heiligen Dreieinigkeit“ ist, (nämlich) der in Ewigkeit aus dem Vater geborene Gott-Logos, der als derselbe aber in den letzten Zeiten dieses Äons Fleisch geworden ist und aus unser hochheiligen und makellosen Herrin, der Gottesgebärerin und immerwährenden Jungfrau Maria, geboren wurde, sondern diesen (598,15) für „einen und einen anderen“ (ἕτερον τοῦτον […] καὶ ἕτερον) hält und nicht für „ein und denselben“ gemäß dem hochweisen Cyrill „vollkommen in der Gottheit und derselbe vollkommen in der Menschheit“, und (nicht bekennt,) dass deswegen „derselbe auch nur gedanklich betrachtet (καὶ μόνον […] θεωρούμενον) in Bezug auf das eine und das andere in zwei Naturen leidet und nicht leidet“, (598,19) wie derselbe heilige Cyrill sagt,7 dass er nämlich einerseits menschlich im Fleisch leidet wie ein Mensch, andererseits aber als Gott ohne Leiden im Leiden des eigenen Fleisches bleibt, und (nicht bekennt,) dass derselbe eine Christus und Sohn das Gottgemäße und Menschliche „durch eine gottmenschliche Wirksamkeit“ (ἐνεργοῦντα […] μίᾳ θεανδρικῇ ἐνεργείᾳ) wirkt gemäß dem heiligen Dionysius; – (das bedeutet,) dass man also nur in der gedanklichen Betrachtung unterscheidet (θεωρίᾳ μόνῃ διακρίνων),8 woraus die Einung geschah, und (nur) im Verstand überlegt (καὶ ταῦτα τῷ νῷ διασκοπῶν), dass dieses (scil. das Gottgemäße und Menschliche) nach seiner naturhaften und hypostatischen Einung unwandelbar und unvermischt bleibt (ταῦτα […] ἄτρεπτα καὶ ἀσύγχυτα […] μένοντα) und hierbei der eine und selbe Christus und Sohn unteilbar und ungesondert erkannt wird (καὶ ἐν τούτοις ἀδιαιρέτως καὶ ἀχωρίστως τὸν ἕνα καὶ τὸν αὐτὸν Χριστὸν καὶ υἱὸν γνωριζόμενον), eben in dem Maße, wie man die Zwei, die miteinander unvermischt zusammengekommen sind, im Verstand betrachtet und dabei deren gedankliche Anschauung durchaus für real (600,1) und nicht für falsche Einbildung und nichtige Erfindungen des Verstandes hält, sie dabei jedoch in keiner Weise trennt, ist doch eine Aufspaltung in Zwei durch die unsagbare und unvermischte, ja unbegreifliche Einung ausgeschlossen, und man dabei gemäß dem heiligen Athanasius9 sagt: „zugleich nämlich Fleisch und zugleich Fleisch des Gott-Logos, zugleich beseeltes vernunftbegabtes Fleisch und zugleich beseeltes vernunftbegabtes Fleisch des Gott-Logos“; – (wer dies also nicht bekennt), sondern diesen

7 Zu 598,15–19 vgl.: Cyrillus Alex., Epistula II ad Succensum (ACO ser. I 1,6 p.153,1–10.16–154,3 Schwartz). 8 Vgl.: Concilium Constantinopolitanum a. 553, Anathema 7: ACO ser. I 4,1 p.242,1–11 (Straub). Josef Wohlmuth (Hg.), Dekrete der ökumenischen Konzilien I, Paderborn 1998, 117. 9 Ps.Athanasius, Epistula ad Iovinianum (PG 28,532A).

4 Synodalentscheid (Psēphos) der Synodos endemousa

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Ausdruck (scil. in zwei Naturen) im Sinne einer Trennung in Teile auffasst, der sei verflucht. Kapitel 8 (Erneuerung der Verfluchung der Häretiker Arius, Eunomius, Makedonius, Apolinarius, Nestorius, Eutyches und aller, die die 12 Kapitel Cyrills abgelehnt haben.) Kapitel 9 (Erneuerung der Verurteilung der Schriften des Theodoret gegen Cyrill, des Briefes des Ibas von Edessa und der Schriften des Theodor von Mopsuestia sowie Bestätigung der Schriften Cyrills gegen Theodor, Theodoret, Andreas von Samosata, Nestorius und alle, die so denken wie jene.)

4 Synodalentscheid (Psēphos) der Konstantinopler Synodos endemousa unter Patriarch Sergios I. (August 633) (544, 16)10 Und endlich wurde beschlossen (καὶ πέρας ἔδοξε),11 (542,2) niemandem mehr zu erlauben, eine oder zwei Wirkweisen bei Christus, unserem Gott, zu propagieren (μίαν ἢ δύο προφέρειν ἐνεργείας). Vielmehr muss man ‒ so wie es die heiligen und ökumenischen Synoden überliefert haben ‒ bekennen, dass ein und derselbe einziggeborene Sohn, unser Herr Jesus Christus, wahrer Gott, das Göttliche wie auch das Menschliche gewirkt hat und dass alles gott- und menschengemäße Wirken aus ein und demselben fleischgewordenen Gott Logos ungetrennt hervorgeht und sich auf ein und denselben bezieht (πᾶσαν θεοπρεπῆ καὶ ἀνθρωποπρεπῆ ἐνέργειαν ἐξ ἑνὸς καὶ αὐτοῦ σεσαρκωμένου θεοῦ λόγου ἀδιαιρέτως προϊέναι καὶ εἰς ἕνα καὶ αὐτὸν ἀναφέρεσθαι). Denn der Ausdruck „ein Wirken“ (τὴν τῆς μιᾶς ἐνεργείας φωνήν) befremdet und verwirrt ‒ auch wenn er von einigen heiligen Vätern verwendet wurde ‒ dennoch die Ohren mancher, die vermuten, dieser werde vorgebracht, um die in Christus, unserem Gott, unvermischt und in der Hypostase vereinten zwei Naturen aufzuheben, was niemals möglich ist und nicht geschehen soll.

10 ACO ser. II 2,2 p.544,16; 542,2–544,18 (Riedinger). Vom Vf. überarbeitete Übersetzung von: Bausenhart, „In allem uns gleich außer der Sünde“, 319. 11 Maximus Homologetes bezeichnet in Epistula 19 (PG 91,592BC) dieses Dokument, das als Selbstreferat im Brief des Patriarchen Sergios an Papst Honorius enthalten ist (s. 5.), als Psēphos (Urteil). Sergios selbst spricht von einer ἀπόκρισις, einer „Antwort“ (ACO ser. II 2,2 p. 544,21). Anlass war die Auseinandersetzung mit Sophronios in Konstantinopel wegen der Alexandrinischen Union vom 3. Juni 633, bei der Sophronios um die schriftliche Fassung der „Antwort“ des Patriarchen bat.

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Ebenso bereitet aber auch die Rede von zwei Wirkweisen (τὴν τῶν δύο ἐνεργείων ῥῆσιν) vielen ein Ärgernis, weil sie von keinem der gotterfüllten und anerkannten Mystagogen der Kirche gebraucht wurde. Vielmehr folgt aus ihr auch, ebenfalls zwei im Gegensatz zueinander stehende Willen anzunehmen, so als wollte nämlich der Gott Logos das heilbringende Leiden vollbringen, während seine Menschheit seinem Willen widerstrebte und sich ihm entgegensetzt, und von daher zwei das Entgegengesetzte Wollende einzuführen, was gottlos ist. (542,16) Denn es ist unmöglich, dass in ein und demselben Subjekt zwei Willen existieren, die zugleich und in derselben Hinsicht Entgegengesetztes wollen. Die heilsame Unterweisung der gotttragenden Väter lehrt aber deutlich, dass das mit einer Vernunftseele ausgestattete Fleisch des Herrn niemals gesondert für sich und aus eigenem Antrieb (κεχωρισμένως καὶ ἐξ οἰκείας ὁρμῆς) seine natürliche Bewegung entgegen dem Wink des mit ihm hypostatisch geeinten Gott Logos vollzogen hat (τὴν φυσικὴν αὐτῆς ποιήσασθαι κίνησιν), sondern wann, wie und in welchem Maß sie der Gott Logos wollte. (542,21) Um es klar zu sagen: Wie unser Leib von unserer vernunft- und verstandesbegabten Seele geführt, geordnet und bestimmt wird (ἡγεμονεύεται καὶ κοσμεῖται καὶ τάττεται), so war auch in Christus, dem Herrn, seine ganze menschliche Konstitution von der Gottheit des Logos selbst immer und in allem geführt und göttlich bewegt (ἀεὶ καὶ ἐν πᾶσιν ἀγόμενον θεοκίνητον ἦν) ‒ wie Gregor von Nyssa in seinen Büchern gegen Eunomius sagt: Als Gott ist der Sohn gänzlich leidensunfähig und ohne Makel; wenn aber im Evangelium ein Leiden von ihm ausgesagt wird, dann wirkte er (ἐνήργησεν) dieses Leiden ganz und gar durch die angenommene Menschheit. In der Tat wirkt nämlich die Gottheit das Heil des Ganzen durch den Leib um sie herum (ἐνεργεῖ γὰρ ὡς ἀληθῶς ἡ θεότης διὰ τοῦ περὶ αὐτὴν σώματος τὴν τοῦ παντὸς σωτηρίαν), so dass das Leiden Sache des Fleisches, das Wirken aber Sache Gottes ist (τοῦ δὲ θεοῦ τὴν ἐνέργειαν).12

5 Brief des Patriarchen Sergios I. von Konstantinopel an Papst Honorius I. (Ende 633/Anfang 634) (534,3)13 So wissen wir uns Eurer Heiligkeit ganz verbunden und im Geist geeint und bemühen uns so, Eure Heiligkeit bei all unseren Plänen und Taten an unserer Seite zu haben; und wenn nicht die räumliche Entfernung so trennend wirkte,

12 Gregor v. Nyssa, Adversus Eunomium 3(4).8 (GNO II,136,19–24 Jaeger). 13 ACO ser. II 2,2 p.534,1–546,25 (Riedinger). Vom Vf. überarbeitete Fassung der Übersetzung von: Bausenhart, „In allem uns gleich außer der Sünde“, 317–321.

5 Brief des Patriarchen Sergios I. an Papst Honorius

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täten wir dies täglich und holten zu unserer Sicherheit den bewähren und zuverlässigen Rat Eurer geschätzten und seelenverwandten Brüderlichkeit ein; aber da ja das Wort und der Buchstabe uns ohne Mühe das Gewünschte ermöglichen, beeilen wir uns, davon, weswegen wir schreiben, zu berichten. Vor einiger Zeit, als der glorreiche und von Gott bevollmächtigte Herrscher und Maior Imperator (μέγας βασιλεύς)14 den Feldzug gegen die Perser15 führte, um für den von Gott ihm anvertrauten, christusliebenden Staat zu kämpfen, kam er auch in Teile der Region der Armenier. Einer der Führer der verfluchten Partei des gottlosen Severos mit Namen Paulos16 erschien aber in jener Gegend und näherte sich Seiner Frömmigkeit, wobei er vorschützte, eine Rede über dessen (scil. des Severos) irreführende Häresie zu halten und dies offensichtlich verteidigte. Dabei widerlegte ihn aber Seine hochfromme und kaiserliche Großmut – zusammen mit den anderen Gnadengaben Gottes war er nämlich auch reich an Erkenntnis der göttlichen Lehren – und triumphierte über dessen elende Gottlosigkeit und setzte dessen ruchloser Arglist die richtigen und reinen Lehren unserer heiligsten Kirche als wahrer Kämpfer für sie entgegen; dabei erwähnte er auch das eine Wirken Christi, unseres Gottes (ἐν οἷς καὶ μιᾶς ἐνεργείας Χριστοῦ τοῦ ἀληθινοῦ θεοῦ ἡμῶν ἐποιήσατο μνήμην). (534,22) Nach einiger Zeit aber, als der von Gott installierte Kaiser sich in der Region Lazikē befand, erinnerte er sich der – wie erwähnt – geführten Unterredung mit jenem Häretiker Paulos in Gegenwart des hochheiligen Kyros, der damals Metropolit in dieser christusliebenden Region Lazikē war, jetzt aber das Hirtenamt im großen Alexandrien ausübt.17 (536,1) Als der hochheilige Mann davon hörte, antwortete er Seiner Durchlaucht, er wisse nicht genau, ob es nötig sei, eine oder zwei Wirkweisen Christi unseres wahren Gottes zu lehren (εἴ τε μίαν εἴ τε δύο ἐνεργείας […] χρεών ἐστι δογματίζειν). Und so fragte uns denn der erwähnte hochheilige Mann auf Befehl Seiner Frömmigkeit (scil. des Kaisers), ob man von einer oder zwei Wirkweisen bei unserem Heiland Christus reden müsse und ob wir irgendwelche von den heiligen und seligen Vätern kennen, die von einem Wirken gesprochen haben (μίαν εἰρηκότας ἐνέργειαν). Darauf machten wir ihn in unserer Antwort aus eigener Kenntnis auf eine Schrift des ehemaligen hochheiligen Patriarchen dieser gottbeschützten Kaiserstadt, Menas,

14 Kaiser Herakleios (610–641). 15 Die Feldzüge des Herakleios gegen die Perser, die ab 611 Syrien, Palästina mit Jerusalem und Ägypten erobert hatten, begannen 622/3 und endeten i. J. 628 mit dem endgültigen Sieg der Römer. 16 Paulos (Monophthalmos), wahrscheinlich armenischer Bischof von Theodosiupolis (Karin/ Erzerum) in der römischen Provinz Armenia magna. 17 Kyros, Metropolit von Phasis/Lazikē, von 631–642 Patriarch von Alexandrien.

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aufmerksam und schickten sie ihm – eine Schrift die von ihm (scil. Menas) an den hier anwesenden Vigilius gerichtet war18 und diesem übergeben wurde, dem unter den Heiligen weilenden Vorgänger Eurer Heiligkeit, die auch verschiedene Väterzeugnisse über ein Wirken und einen Willen unseres Heilandes und wahren Gottes Christus enthielt (ἔχοντα χρήσεις πατρικάς διαφόρους περὶ μιᾶς ἐνεργείας καὶ ἑνὸς θελήματος). Wir haben überhaupt nichts eigenes in unserer Antwort dargelegt wie Eure Heiligkeit aus der Übereinstimmung (scil. des Originals) mit den geschickten Kopien erkennen kann; und seit jener Zeit ruhte dieses Kapitel. (536,15) Seitdem hat nun vor kurzem Kyros, der hochheilige Patriarch der Großstadt Alexandrien und unser gemeinsamer Bruder und Mitliturg durch die Mitwirkung und Gnade Gottes, der will, dass alle Menschen gerettet werden und sie zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen,19 aber auch ermuntert vom frommen Eifer des mächtigsten und glorreichen Maior Imperator in gottgefälliger und angemessener Weise die in der Großstadt Alexandrien an den (Lehren) der gottverhassten Eutyches und Dioskur, Severus und Julian Krankenden dazu gebracht, sich der katholischen Kirche zuzuwenden. Und nach vielen Gesprächen und Anstrengungen, die er mit größter Klugheit und einer ganz zur Lösung führenden Oikonomia (καὶ λυσιτελεστάτης οἰκονομίας) in der Sache auf sich nahm, erreichte er sein Ziel mit der Gnade von oben, und es wurden von beiden Seiten einige lehrmäßige Kapitel vereinbart (δογματικά τινα κεφάλαια). Auf Grund von ihnen wurden alle, die früher in verschiedene Parteien gespalten waren und Dioskur und Severus als ihre frevelhaften Vorväter bezeichneten mit der hochheiligen und einzig katholischen Kirche vereint. Das ganze christusliebende Volk von Alexandrien (538,1) und dazu fast ganz Ägypten, die Thebaïs und Libyen und die übrigen Provinzen der ägyptischen Reichsdiözese wurde zu einer Herde20 Christi unseres wahren Gottes. Diejenigen, die man – wie gesagt – früher in eine unzählbare Menge von Häresien gespalten sah, wurden jetzt alle eins durch das Wohlgefallen Gottes und die gottgefällige ernsthafte Anstrengung des erwähnten hochheiligen Hierarchen der Stadt der Alexandriner und mit einer Stimme und in der Einheit des Geistes bekennen sie die richtigen Lehren der Kirche. Unter den erwähnten und aufgeführten Kapiteln war auch das eine über ein Wirken Christi (τὸ περὶ μιᾶς ἐνεργείας), des großen Gottes und unseres Heilandes. (538,8) Als dies so fortgeschritten war, befand sich der hochehrwürdige Mönch Sophronios, der jetzt, wie wir nur vom Hörensagen erfahren haben, zum Vorsitzenden der Kirche von Jerusalem geweiht wurde21 – wir haben nämlich 18 Patriarch Menas von Konstantinopel (536–552); Papst Vigilius (537–555). 19 1Tim 2,4. 20 Vgl.: Joh 10,16. 21 Patriarch Sophronios von Jerusalem (634–638 [639]).

5 Brief des Patriarchen Sergios I. an Papst Honorius

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sein dem Brauch entsprechendes Synodalrundschreiben (Synodika) bis jetzt noch nicht erhalten – in Alexandrien und war bei dem genannten hochheiligen Papst (scil. Kyros) zu der Zeit, als – wie erwähnt – dieser dabei war, die unerwartete Union mit den vormaligen Häretikern durch das Wohlgefallen Gottes zustande zu bringen. Und als er mit ihm die diesbezüglichen Kapitel prüfte, widersetze er sich und widersprach dem Kapitel von dem einen Wirken (τὸ τῆς μιᾶς ἐνεργείας κεφάλαιον) und verlangte, dass auf jeden Fall zwei Wirkweisen Christi unseres Gottes gelehrt werden (δύο παντὶ τρόπῳ ἐνεργείας […] ἀξιῶν δογματίζεσθαι). (538,15) Der erwähnte hochheilige Papst brachte ihm gegenüber vor allem Testimonia der heiligen Väter vor, die vereinzelt in einigen ihrer Schriften von einem einzigen Wirken geredet haben (μίαν ἐνέργειαν εἰρηκότων). Dann sagte er obendrein, dass unsere heiligen Väter oft, um das Heil vieler Seelen zu gewinnen, mit derartigen entstandenen Zusammenfassungen eine offenbar gottgefällige Nachsicht geübt hätten (θεαρέστοις οἰκονομίαις χρησάμενοι) und sich verständigt hätten, ohne die Genauigkeit (τῆς ἀκριβείας) der richtigen Lehren der Kirche ins Wanken zu bringen; und er sagte, man solle doch, wo gegenwärtig das Heil so unzählig vieler Menschen auf dem Spiel stehe, nicht über jenes Kapitel unter Brüdern heftig streiten, da doch – wie gesagt – jene Aussage auch von manchen gottbegeisterten Vätern verwendet werde und der Inhalt der Orthodoxie dadurch keinen Schaden leide. Der erwähnte gottgeliebte Sophronios aber akzeptierte eine solche Oikonomia überhaupt nicht. (540,4) Als er nun deswegen mit Briefen seiner Heiligkeit, unseres Mitliturgen (scil. Kyros), zu uns kam, regte er sich deswegen auf und bestand darauf, dass aus jenen Kapiteln nach der vollzogenen Union der Ausdruck ‚ein Wirken‘ (τὴν τῆς μιᾶς ἐνεργείας φωνήν) wieder entfernt werde. Wir hielten dies für hart; denn wie sollte es nicht hart sein, ja äußerst unerträglich, da dies doch jene so schön zustande gekommene Eintracht und Union wieder auflösen und zunichte machen müsste sowohl in der Stadt Alexandrien als auch in den ihr unterstehenden Provinzen, die bis jetzt noch nie bereit waren, auch nur des Namens unseres erhabenen und vielgepriesenen Vaters Leo22 oder des heiligen, großen und ökumenischen Konzils von Chalcedon zu gedenken, die jetzt aber mit heller und lauter Stimme bei den Feiern der eucharistischen Gottesdienste (ἐν ταῖς θείαις μυσταγωγίαις) verkündet werden23. Nachdem wir also deswegen viel auf den besagten hochehrwürdigen Sophronios eingeredet hatten, forderten wir ihn schließlich auf, uns Testimonia heiliger und hervorragender Väter vorzu-

22 Papst Leo I. (440–461). 23 Also: in den Diptychen.

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legen, und zwar offenkundig von solchen, die wir alle als gemeinsame Lehrer anerkennen und deren Lehren die heiligen Kirchen Gottes als Norm (νόμος) betrachten, die ausdrücklich und mit diesen Worten (ῥητῶς καὶ αὐταῖς λέξεσιν) von zwei Wirkweisen bei Christus zu sprechen überliefern. Dazu aber war er in keiner Weise imstande. (540,19) Wir überlegten nun, dass der von dort angefangene Streit von einigen auch hier aufgegriffen werden könnte, und weil wir wussten, dass aus solchen Rechthabereien die Spaltungen der Häresien entstehen, erachteten wir es für notwendig, uns mit ganzer Kraft dafür einzusetzen, diese überflüssige Wortgezänk zu beruhigen und ihm gründlich ein Ende zu bereiten. Und an den oftmals erwähnten hochheiligen Patriarchen von Alexandrien haben wir geschrieben, er solle, nachdem er mit den zuvor Getrennten mit Gott die Union zustande gebracht hat in Zukunft keinem mehr erlauben, eine oder zwei Wirksamkeiten bei Christus, unserem Gott, zu propagieren (μίαν ἢ δύο προφέρειν ἐνεργείας). (Die folgenden Ausführungen [542, 2–544,8] geben den Inhalt der sog. Psēphos wieder: vgl. Übersetzung Nr. 4). (544,9) Weil wir also diesen beginnenden Streit aufflammen sahen, war es notwendig, in allem lieber den vertrauten Aussagen der heiligen Väter und den Definitionen der Synoden zu folgen und nicht dem, was selten von einigen Vätern gesagt worden ist, die diesbezüglich auch gar nicht die Absicht hatten, eine klare und unzweideutige Lehre darüber dazulegen und sie in irgendeiner Weise zur Richtschnur und Norm der Lehre zu erheben (εἰς κανόνα καὶ νόμον), wie das auch bei ihrer Rede von einem Wirken der Fall ist; ebensowenig durfte man das als kirchliche Lehre vortragen (ὡς δόγμα προφέρειν ἐκκλησιαστικόν), was den hervorragenden Vätern in keiner Weise gesagt wurde, jetzt aber von einigen Leuten vorgebracht wird, ich meine die zwei Wirkweisen. Und endlich wurde beschlossen und Übereinstimmung erzielt, dass der erwähnt hochehrwürdige Sophronios zukünftig niemanden mehr zu Diskussionen über eine oder zwei Wirksamkeiten anstiftet, sondern sich begnügen soll mit der vorgenannten sicheren und verbreiteten richtigen Darstellung und Lehre der heiligen Väter. Damit nun gab sich der schon mehrfach erwähnte hochehrwürdige Mann zufrieden, versicherte, er werde dies beachten, und bat uns, die diesbezügliche Antwort (ἀπόκρισιν)24 auch in Briefform zu geben, damit er – wie er sagte – diesen Brief denen zeige, die sich bei ihm über die erwähnte Frage erkundigen wollen, was wir auch gerne getan haben. Daraufhin reiste er von hier mit dem Schiff wieder ab. (546,1) Jüngst hat unser hochfrommer und von Gott bevollmächtigter Herrscher, als er sich in der Stadt Edessa aufhielt, uns eine hochfromme Notiz zu-

24 S. o. Nr. 4.

5 Brief des Patriarchen Sergios I. an Papst Honorius

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kommen lassen mit der Aufforderung, jene Testimonia der Väter zu exzerpieren, die in dem erwähnten, von dem unter den Heiligen weilenden Menas dem hochheiligen Vigilius übergebenen Lehrschreiben (δογματικῷ λόγῳ) über das eine Wirken und den einen Willen angeführt sind (ἐμφερομένας […] περὶ μιᾶς ἐνεργείας καὶ ἑνὸς θελήματος). Und wir sollten sie seiner von Gottes Weisheit erfüllten Durchlaucht zusenden, was wir dann auch in die Tat umgesetzt haben. Wir haben aber, weil wir daran dachten, was schon in Bewegung geraten war, und die Unruhe kannten, die aus so einer Bewegung entstand, seiner hochfrommen Durchlaucht durch unseren Bericht und ein Schreiben an den hochberühmten kaiserlichen Sakkelarios das von uns diesbezüglich in dieser Sache Unternommene der Reihe nach in allen Details dargestellt, und dass man dieser Frage nicht weiter nachgehen solle, sondern bei der vertrauten und von allen übereinstimmend bekannten väterlichen Lehre über diese Frage bleiben und bekennen solle, dass der eingeborene Sohn Gottes, der in Wahrheit zugleich Gott und Mensch ist, als derselbe das Göttliche und das Menschliche wirke (τὸν αὐτὸν ἐνεργεῖν τὰ θεῖα καὶ τὰ ἀνθρώπινα) und dass aus demselben fleischgewordenen Wort Gottes, wie wir schon gesagt haben, ungeteilt und ungetrennt alles göttliche und menschliche Wirken hervorgehe (πᾶσαν προϊέναι ἀμερίστως καὶ ἀδιαιρέτως θείαν τε καὶ ἀνθρωπίνην ἐνέργειαν). Denn dies lehrt uns der gotttragende Leo,25 der ausdrücklich sagt: „Denn jede der beiden Gestalten wirkt in Gemeinschaft mit der anderen, was ihr eigen ist.“ Als Antwort darauf erhielten wir einen hochfrommen Befehl seiner äußerst gütigen Majestät, der enthielt, was seiner von Gott geführten Durchlaucht geziemte. (546,19) Nachdem dies alles von Anfang an so erfolgt ist, schien es uns vernünftig und zugleich notwendig zu sein, Eurer brüderlichen und seelenverwandten Seligkeit durch die von uns mitgeschickten Kopien Kenntnis von dem im Einzelnen Erwähnten zu geben. Und wir ersuchen Eure Heiligkeit dringend, sich mit all dem zu befassen und, indem Ihr auch jetzt der Euch eigenen gottgefälligen und vollkommensten Liebe folgt, wenn dann vielleicht etwas gefunden wurde, das fehlt, dies mit der Euch von Gott gegebene Gnade zu ergänzen und uns durch Euer hochehrwürdiges Schreiben mit Eurer erwünschten Entschlossenheit mitzuteilen, was Euch in dieser Sache richtig erscheint.

25 Papst Leo I. (440–461). Es folgt die Spitzenformulierung aus dem sog. Tomus Leonis (ep.11, 4 ad Flavianum): agit enim utraque forma cum alterius communione quod proprium est in der bereits in den Akten der Synode von Chalcedon belegten griechischen Übersetzung: ἐνεργεῖ γὰρ ἑκατέρα μορφὴ μετὰ τῆς θατέρου κοινωνίας ὅπερ ἴδιον ἔσχηκεν (ACO ser. I 2,1,1 p.14,27 f. Schwartz).

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6 Antwortschreiben von Papst Honorius I. an Patriarch Sergios I. von Konstantinopel (634) (548,4)26 Den Brief Eurer Bruderschaft haben wir erhalten, durch den wir von gewissen Streitereien und neuem Zank um Ausdrücke (φιλονεικίας τινὰς καὶ νέας φωνῶν ζητήσεις) erfahren haben, die von einem gewissen Sophronios aufgebracht wurden als er Mönch war – jetzt aber, wie wir hören, zum Bischof der Stadt Jerusalem eingesetzt wurde – mit Kyros, unserem Mitbruder und Vorsitzenden der Stadt Alexandrien, der denjenigen, die aus der Häresie umgekehrt sind, ein Wirken unseren Herrn Jesus Christus verkündet hat (μίαν ἐνέργειαν […] κηρύξαντος). Als dieser Sophronios zu Eurer Mitbruderschaft kam, hat er den gleichen Vorwurf erhoben und verlangt, nachdem er von Euch ausführlich unterrichtet worden war, dass ihm das, worin er von Euch belehrt worden war, schriftlich erläutert werde. Die Kopien dieses Schreibens an eben diesen Sophronios, die von Euch übersandt wurden, haben wir erhalten, und nachdem wir es gelesen haben, loben wir Eure Bruderschaft, dass Ihr mit viel Voraussicht und Überlegung geschrieben habt und die neue Bezeichnung weggenommen habt (περιαιροῦσαν τὸ καινὸν τῆς ὀνομασίας), die imstande ist, für einfachere Leute zum Ärgernis zu werden. (548,15) Denn wir müssen so wandeln, wie wir es empfangen haben27 und denn auch unter Gottes Führung zum Maß des Glaubens28 gelangt sind, welchen die Apostel durch das Licht der Wahrheit der göttlichen Schriften ausgebreitet haben. Sie bekannten den Herrn Jesus Christus als Mittler zwischen Gott und den Menschen,29 der das Göttliche mittels der mit dem Gott-Logos hypostatisch geeinten Menschheit wirkte und als derselbe das Menschliche wirkte in unaussprechlicher und einzigartiger Weise, nachdem das Fleisch ungetrennt, unwandelbar und unvermischt von der vollkommenen Gottheit angenommen wurde (ἐνεργοῦντα τὰ θεῖα μεσιτευούσης τῆς ἀνθρωπότητος τῆς ἑνωθείσης αὐτῷ τῷ θεῷ λόγῷ καθ᾿ ὑπόστασιν καὶ τὸν αὐτὸν ἐνεργοῦντα τὰ ἀνθρώπινα ἀφράστως καὶ προσληφθείσης τῆς σαρκὸς ἀδιαιρέτως, ἀτρέπτως, ἀσυγχύτως τελεί < α > ς τῆς θεότητος). Und der im Fleisch durch Wunder in vollkommener Gottheit glänzte, ist auch der, der in Schimpf und Schande des Leidens das Verhalten des Fleisches bewirkte und (so) Gott und Mensch (καὶ ὁ ἐκλάμψας ἐν σαρκὶ τοῖς θαύμασι τελείᾳ θεότητι, αὐτὸς ἐστιν ὁ καὶ τῆς σαρκὸς τὰς διαθέσεις

26 27 28 29

ACO ser. II 2,2 p.548,1–558,8 (Riedinger). Vgl. 1Thess 4,1. Vgl. Röm 12,3. 1Tim 2,5.

6 Antwortschreiben von Papst Honorius

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τοῖς ὀνειδισμοῖς τοῦ πάθους ἐνεργήσας, τέλειος θεὸς και ἄνθρωπος).30 Einer ist Mittler zwischen Gott und den Menschen31 in jeder der beiden Naturen. Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns32(und) der Menschensohn selbst ist vom Himmel herabgekommen,33 ein und derselbe (550,1) wie geschrieben steht: gekreuzigt wird der Herr der Herrlichkeit,34 auch wenn man bekennt, dass die Gottheit in keiner Weise irgendein menschliches Leiden erdulden kann. Und nicht aus dem Himmel, sondern aus der heiligen Gottesgebärerin wurde das Fleisch angenommen, denn die Wahrheit spricht durch sich selbst in den Evangelien folgendermaßen: Und niemand ist gen Himmel aufgefahren außer dem, der vom Himmel herabgekommen war, nämlich der Menschensohn,35 der im Himmel ist. Sie (scil. die Wahrheit) unterrichtet uns nämlich, dass das dem Leiden unterworfene Fleisch auf unaussprechliche und einzigartige Weise mit der Gottheit geeint wurde, sowohl unterschieden und unvermischt, als auch ungetrennt mit der Herrlichkeit geeint, so wie unbestreitbar durch einen wunderbaren Lehrsatz erkannt werde, dass beide Naturen geeint werden, während die Unterschiede bleiben. […] (550,16) Deshalb bekennen wir auch einen Willen des Herrn Jesus Christus (ὅθεν καὶ ἓν θέλημα ὁμολογοῦμεν), weil ja offenkundig unsere Natur von der Gottheit angenommen wurde. Es war keine Sünde in jener36 – sie war offenbar die vor dem Sündenfall geschaffene Natur, nicht diejenige, die nach der Übertretung verdorben war. Denn Christus der Herr, der in der Gestalt des sündigen Fleisches37 gekommen ist, hat die Sünde der Welt hinweggenommen,38 und von seiner Fülle haben wir alle genommen,39 und er nahm Knechtsgestalt an und wurde der Erscheinung nach als Mensch erkannt,40 weil er nämlich ohne Sünde empfan-

30 Honorius zitiert hier indirekt ebenfalls den Spitzensatz des Tomus Leonis (s.o. Anm. 25), nun die Schlussformulierung: unum horum coruscat miraculis, aliud subcumbit iniuriis (eines von diesen glänzt in Wundern, das andere unterliegt Schmähungen); griechische Übersetzung in Chalcedon: καὶ τὸ μὲν αὐτῶν διαλάμπει τοῖς θαύμασιν, τὸ δὲ ταῖς ὕβρεσιν ὑποπέπτωκεν (ACO ser. I 2,1,1 p.14,29–15,1 Schwartz). Bemerkenswert ist, dass der Papst Wunder und Leiden nicht auf die Naturen aufteilt, wie es der Text Leos nahelegt, sondern beides der einen Person Jesu Christi zuordnet. 31 1Tim 2,5. 32 Joh 1,14. 33 Joh 6,41. 34 1Kor 2,8. 35 Joh 3,13. 36 Vgl. Hebr. 4,15; 2Kor 5,21, 1Joh 3,5. 37 Röm 8,3. 38 Joh 1,29. 39 Joh 1,16. 40 Phil 2,7.

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gen wurde aus dem Heiligen Geist, deshalb ist auch die Geburt aus der heiligen unbefleckten Jungfrau und Gottesgebärerin ohne Sünde und hat an keiner Erfahrung der sündhaften Natur Anteil. […] (552,10) Vom Heiland wurde also, wie wir gesagt haben, nicht die sündhafte Natur angenommen, die dem Gesetz in meinem Geist widerstreitet,41 sondern er kam zu suchen und zu retten, was verloren ist,42 nämlich die sündhafte Natur des Menschengeschlechtes. Ein anderes Gesetz in den Gliedern43 oder ein uneiniger oder entgegengesetzter Wille (ἢ θέλημα διάφορον ἢ ἐνάντιον) war nämlich nicht im Heiland, weil er nämlich jenseits des Gesetzes der menschlichen Natur geboren wurde. Und wenn geschrieben steht: Ich bin nicht gekommen, um meinen Willen zu tun, sondern den des Vaters, der mich gesandt hat,44 und: Nicht wie ich will, sondern wie du willst, Vater45 und anderes Ähnliches, dann ist dies nicht (Ausdruck) eines uneinigen Willens, sondern der Heilsbedeutung der angenommenen Menschheit (ἀλλὰ τῆς οἰκονομίας τῆς ἀνθρωπότητος τῆς προσληφθείσης). Dies ist nämlich unseretwegen gesagt worden, damit wir seinen Fußtapfen nachfolgen,46 indem der Lehrer der Frömmigkeit seine Schüler lehrt, damit nicht jeder von uns seinem eigenen Willen, sondern in allem vielmehr dem des Herren den Vorzug gibt. (552,20) Wenn wir also auf einem königlichen Weg wandeln und rechts und links die ausgelegten Fallen der Jäger meiden, werden wir unseren Fuß nicht an einen Stein stoßen.47 Wir überlassen den Idumäern, d. h. den vergänglichen Häretikern das Ihnen Eigentümliche und (treten) nicht in eine irdische Fußspur, d. h. wir nehmen nicht zu ihrer üblen Lehre irgendwie gedanklich Kontakt auf, damit wir zu den Definitionen der Väter gelangen können, wenn wir auf den Pfaden gehen, auf die sie uns führen. (554,1) Auch wenn einige etwas stottern – um es so zu sagen –, die versucht haben, sich als Verkünder darzustellen, in dem sie sich zu Lehrern stilisiert haben, damit sie die Gedanken ihrer Zuhörer formen können: Man darf das nicht in kirchliche Dogmen verwandeln (πρὸς δόγματα ἐκκλησιαστικὰ μεταστρέφειν), was weder Synoden überprüft, noch authentische kanonische (Synoden) zu erklären beschlossen haben, so dass es jemand wagen könnte, eine oder zwei Wirkweisen bei unserem Herrn Jesus Christus (öffentlich) zu verkünden (ἵνα μίαν ἢ δύο ἐνεργείας τις τολμήσῃ […] κηρύξαι). Dies scheinen

41 42 43 44 45 46 47

Vgl. Röm 7,23. Lk 19,10. Röm 7,23. Joh 6,38. Mt 26,29. 1 Petr. 2,21. Ps 91,12.

6 Antwortschreiben von Papst Honorius

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weder die evangelischen noch die apostolischen Schriften, noch auch deswegen erfolgte Synodalentscheidungen definiert zu haben. […] Es ist nicht hilfreich, wenn das in kirchliche Dogmen übertragen wird, was jeder einzelne in der überfließenden Fülle seines eigenen Denkens als eigene Meinung vorträgt. (554,11) Dass nämlich unser Herr Jesus Christus, der Sohn und der Logos Gottes, durch den alles gemacht ist,48 ein und derselbe ist, der das Göttliche und das Menschliche wirkt (εἷς καὶ ὁ αὐτός ἐστιν ἐνεργῶν τὰ θεῖα καὶ τα ἀνθρώπινα), zeigen vollendet und deutlich die heiligen Schriften. Ob es aber wegen der Werke der Gottheit und der Menschheit nötig ist, eine oder zwei vorhandene Wirkweisen zu nennen oder zu denken (μία ἢ δύο ἐνέργειαι ὤφελον παραγόμεναι λέγεσθαι ἢ νοεῖσθαι), dazu müssen wir überhaupt keine Position beziehen, sondern das überlassen wir den Grammatikern und Rhetoriklehrern, die gewöhnlich den Knaben von ihnen ersonnene Begriffe verkaufen, um sie in ihre Schule zu bekommen. (554,17) Wir haben nämlich durch die heiligen Schriften nicht empfangen, dass unser Herr Jesus Christus und sein Heiliger Geist eine oder zwei Wirkweisen hat (οὐ μίαν ἐνέργειαν ἢ δύο […] παρελάβομεν), sondern wir haben erkannt, dass er auf vielfältige Weise wirkt (ἀλλὰ πολυτρόπως ἔγνωμεν αὐτὸν ἐνεργοῦντα). Denn es steht geschrieben: […] Niemand kann Jesus den Herrn nennen außer im Heiligen Geist. Es sind verschiedene Gaben, aber es ist e i n Geist. Und es sind verschiedene Ämter, aber es ist e i n Herr. Und es sind verschiedene Wirkweisen, aber es ist derselbe Gott, der da wirkt alles in allen (καὶ διαιρέσεις ἐνεργειῶν εἰσίν, ὁ αὐτὸς δὲ θεός, ὁ ἐνεργῶν τὰ πάντα ἐν πᾶσιν).49 Wenn nämlich die verschiedenen Wirkweisen viele sind und Gott sie alle in allen Gliedern des ganzen Leibes wirkt, um wieviel mehr kann dies bei unserem Haupt, dem Herrn Christus, vollständig stimmen, auf dass das Haupt und der Leib ein vollkommenes Eines sei, damit es nämlich zutreffe, was geschrieben ist: zur vollendeten Mannesreife, zum vollen Maß der Fülle Christi.50 (556,1) Wenn nämlich in anderem, d. h. in den eigenen Gliedern der Geist Christi auf vielfältige Weise wirkt, in dem sie leben, sich bewegen und sind,51 um wieviel mehr müssen wir bekennen, dass er durch sich selbst als Mittler zwischen Gott und den Menschen52 vollständig und vollkommen und auf vielerlei und unaussprechlicher Weise in der Gemeinschaft der beiden Naturen wirkt (δι᾿ ἑαυτοῦ […] τῇ κοινωνίᾳ ἑκατέρας φύσεως αὐτῶν ἐνεργεῖν). (556,6) Wir aber müssen gemäß den Festlegungen der göttlichen Worte gesinnt sein und es für ratsam erachten, jenes klar zu beseitigen, von dem be-

48 Joh 1,3. 49 1Kor 12,3–6. Dort heißt es in V. 6: καὶ διαιρέσεις ἐνεργημάτων εἰσίν. 50 Eph 4,13. 51 Vgl. Apg 17,28. 52 1Tim 2,5.

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kannt ist, dass es durch Neuerung des Ausdrucks in den heiligen Kirchen Gottes Ärgernis erzeugt, damit nicht etwa die Unmündigen an der Bezeichnung „zwei Wirkweisen“ Anstoß nehmen (τῇ ἐπωνυμίᾳ τῶν δύο ἐνεργειῶν προσκόψαντες) und meinen, dass wir den nestorianischen Wahnsinn vertreten, oder, wenn wir andererseits meinen sollten, dass ein Wirken unseres Herrn Jesus Christus zu bekennen sei (μίαν ἐνέργειαν […] ὁμολογητέαν εἶναι δοξάσωμεν), von dummen Ohren für Bekenner der törichten Unvernunft der Eutychianer gehalten werden. […] (556,14) Wir fassen es besser auf, wenn wir in Einfachheit und Wahrheit bekennen, dass unser Herr Jesus Christus ein und derselbe ist, der in der göttlichen und menschlichen Natur wirkt (τὸν ἕνα καὶ τὸν αὐτὸν ἐνεργοῦντα ἐν τῇ θείᾳ καὶ ἀνθρωπίνῃ φύσει), so dass die, die die Naturen unnütz erwägen, (nämlich) die müßigen tatsächlichen und dünkelhaften Philosophen, ihr lärmendes Froschgequake anschwellen lassen, damit – wenn es denn wirklich so ist – die einfacheren und im Geiste demütigen Christenleute hungrig blieben können. Niemand nämlich wird durch Philosophie und leeren Betrug53 die Schüler der Fischer in die Irre führen, die deren Lehre folgen. Denn jede versteinerte und überflüssige Annahme eines schlauen logischen Schlusses (πᾶσα γὰρ ἡ ὑπόθεσις ἡ πετρώδης καὶ περιρρέουσα πανούργου συλλογισμοῦ) wurde in ihren Netzen zuschanden gemacht. (558,1) Dies wird Eure Bruderschaft mit uns verkünden, wie auch wir dies mit Euch einträchtig verkünden werden, indem wir Euch ermahnen, damit Ihr die eingeführte Bezeichnung des neuen Ausdrucks ‚eine oder zwei Wirkweisen‘ vermeidet und mit uns in orthodoxem Glauben und katholischer Einheit verkündet, dass der eine Herr Jesus Christus, der Sohn des lebendigen Gottes, wahrhaftiger Gott, in zwei Naturen das Göttliche und das Menschliche wirkt. Gott möge Dich standhaft bewahren, lieber und hochheiliger Bruder!

7 Bericht der syrischen Vita Maximi über die Synode von Zypern (636) 8.54 Now Sophronios, in that he held a grudge against Arkadios,55 readily accepted all that the rascal56 had to say, and Maximos57 (then) told Sophronios: „Send

53 Kol 2,8. 54 Kap. 8–16 in der englischen Übersetzung des Herausgebers Sebastian Brock (Ders., An Early Syriac Life of Maximus the Confessor, 315–317). 55 Arkadios I., Erzbischof von Zypern (624/5–641/2). 56 Scil. Maximos. 57 Maximos Homologetes (ca. 579–662).

7 Bericht der syrischen Vita Maximi über die Synode von Zypern (636)

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and gather for me those who are in doubt about this, and I will unite them with a defence.“ This Sophronios at once sent a letter to Arkadios, inviting him to send to the holy Kyros of Alexandria and to Honorios patriarch of Rome and to Sergios patriarch of Constantiople, (saying) that there should be a synod and gathering of bishops wherever they liked, and they should make trial of these things, saying „It is not pleasing to the Lord that we should consume the revenue of the sheep of the church, while there is an upheaval of dissension in our midst; why should we come to destruction on behalf of the flock which the head shepard has entrusted to us?“ 9. For there was disagreement and dispute between the patriarchs over this foul doctrine, and Maximos did not cease from causing trouble and disturbance until he had completely corrupted the place where he was and its whole neighbourhood with his foul teaching, saying that „we should not say ‚who was crucified for us‘ in the Trishagion.“ And he wrote four books, acknowledging in them two wills and two energies and two minds, acknowleding everything to do with Christ to be double, apart from the matter of the persons (qnume) only. 10. When the holy Arkadios received the letter from Sophroniosʼ notary and from the deacon John, who was going around the churches of Mount Sinai, and when he had read it, he did not delay from carrying this out, and he wrote off sending (letters) to the above-mentioned patriarchs. The holy Kyros of Alexandria did not shrink from the labour of the journey, but came at once without any delay to Arkadios in Cyprus, together with five bishops from his jurisdiction. Honorios sent his deacon Gaios, a virtuous man, wise in understanding and illustrious in the divine scriptures; Sergios, the chaste patriarch of Constantinople, sent to them his archdeacon Petros. And when they (all) arrived in Cyprus Arkadios sent to Sophronios „Come to us now, and we will make inquiry into the matters over which the church is disturbed“. 11. When Maximos learnt which bishops were there in Cyprus he was afraid to go (himself), saying „I cannot undertake this to-day, but let Anastasios, my pupil, go with you, and I will give him a book on this subject.“ So we set off and arrived in the island of Cyprus – I, George,58 and two of my pupils, together with eight other bishops from Sophroniosʼ jurisdiction. 12. When we arrived they received us with great joy and fitting honour, and on the following morning we sat down to make inquiry into this matter. After much had been said some of the bishops were saying that „we should accept Maximosʼ doctrine“, while others said „No, it is pernicious“; and they decided to

58 Bischof Georgios von Resh’aina, der Verfasser der Vita, der sich in Kap. 5 als „disciple of Sophronios the bishop of Jerusalem“ bezeichnet.

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put this doctrine down in writing and send it to the victorious emperor Heraklios. When they had done this they sent it by the hands of Georgios, the archdeacon of the holy Arkadios, bishop of Cyprus, and of Leon, the deacon of the holy Kyros of Alexandria, and of Elias, the notary of Sophronios. Now Sophronios was also afraid of the disturbance that had taken place there because of him shortly before. 13. Those who gathered were fourty six persons. When the letter in which Maximosʼ doctrine was outlined had been written, the holy Arkadios, remembering what has happened to Sophroniosʼ letter which had previously been sent to him, said: „Everyone who accepts this doctrine and believes it from his heart shall be anathema“. 14. Sophronios says to him: „What then do you want – that this should reach the emperor?“ Arkadios replies to him: „It is because of your lack of belief, and because of the false doctrine you and your companions hold, in that you resist the truth.“ The holy Kyros of Alexandria, however, gave orders and silenced the dispute by means of a veto, saying: „We did not assemble so as to make strife, but to inquire into and uncover the truth, and to lay bare and refute error“. And thus everyone left for his own city and country, awaiting the outcome of the (letter) that had been sent. 15. When the above-mentioned men reached the imperial city they entered before the victorious emperor Heraklios, and the letter containing the doctrine of Sophronios and the rascal Maximos was read out in their presence, wherupon they perceived that it was alien the the entire Christian teaching. The emperor at once made a document called an ‚Edict‘, and sent it to the four (patriarchal) sees. In it he rejected this despicable doctrine and ordered it to be brought to naught as beeing pernicious, and he laid down in the definition he made that everyone who confessed (this doctrine), or believed on such lines, should be ejected from his position. 16. When this order from the emperor arrived and was received by the four sees and all the bishops, they added the signatures of their agreement, and anathematized everyone who added or subtracted anything. Thereupon all who held this doctrine were in fear, and in this way there was peace until the death of the victorious emperor Heraklios, and (the doctrine) came to nothing and faded out.

8 Die Ekthesis des Kaisers Herakleios

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8 Die „Darlegung der Lehre der Orthodoxie“ („Ekthesis“) des Kaisers Herakleios (636/7) [Darlegung (Expositio) des orthodoxen Glaubens, vorgenommen von unserem gottbeschützten und äußerst frommen Herrn, dem großen Fürsten Heraclius, wegen des von einigen aufgebrachten Disputes über die Frage der Wirkweise (pro requisitione operationis) und mit allen fünf heiligen und ökumenischen Konzilen übereinstimmend. Sie wurde mit großer Befriedigung und Dankbarkeit von den Bischöfen zusammen mit den Patriarchalsitzen aufgenommen, die ihr freudig zugestimmt haben, da sie den heiligen Kirchen Gottes Frieden gebracht hat.]59 (156,26)60 Wir glauben an den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist, die wesenseine Dreieinigkeit, eine Gottheit oder Natur und ein Wesen, eine Kraft und Macht in drei Hypostasen oder Personen. Wir kennen von jeder Hypostase die Eigenheiten, Einheit in Dreiheit und Dreiheit in Einheit, eine Einheit nämlich aufgrund des Wesens bzw. der Gottheit, eine Dreiheit gemäß den Hypostasen oder Personen. Weder geben wir den Unterschied der Personen auf, wenn wir das Eine im Wesen denken, noch heben wir die Dreiheit der Personen auf, wenn wir die eine Gottheit glauben. Ein Gott der Vater, ein Gott der Sohn, ein Gott der Heilige Geist;61 die drei sind ein Gott in der Selbigkeit und Unveränderlichkeit der Gottheit. Der Unterschied der Personen führt keine Trennung der Gottheit oder des Wesens ein. Wir ehren also eine Gottheit, indem wir die Eigenheiten unvermischt bewahren und sie nicht zu einer Person mit drei Namen zusammenstreichen wie Sabellius und die eine Gottheit auch nicht in drei Wesen trennen oder den Sohn oder den Heiligen Geist vom Wesen des Vaters entfremden wie es der Wahnsinn des Arius getan hat. Denn wie der große Theologe Gregor sagt: „Die Gottheit ist Eins in Dreien und die Drei, in denen die Gottheit ist, sind Eins ‒ oder zutreffender gesagt ‒ welche die Gottheit sind“.62 (158,1) Wir bekennen den Einen der Heiligen Dreieinigkeit, den einziggeborenen Sohn Gottes, den Gott-Logos, der aus dem Vater geboren wurde vor aller Zeit, Licht vom Licht, Abglanz der Herrlichkeit,63 Ausprägung des väterlichen

59 Diese Überschrift findet sich nur im lateinischen Text der Akten der Lateransynode von 649. Sie ist älter als die Lateransynode. 60 ACO ser. II 2,1, p.156,20–162,13 (Riedinger). 61 Vgl. 1 Kor 8,6. 62 Gregorius Nazianzenus, Oratio 39,11 (PG 36, 345D3–5). 63 Hebr 1,3.

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Wesens,64 durch den alles geworden ist,65 der in diesen letzten Tagen66 um unseret- und unseres Heiles willen vom Himmel herabgekommen ist und es für würdig erachtete, im makellosen Leib der hochheiligen Gottesgebärerin und immerwährenden Jungfrau Maria einzuwohnen und aus dieser das mit einer Vernunft- und Verstandesseele ausgestattete Fleisch mit sich hypostatisch zu vereinen und aus ihr geboren zu werden und als derselbe immer vollkommener Gott und vollkommener Mensch zu sein – unvermischt und ungetrennt. Er ist mit Gott dem Vater wesenseins gemäß der Gottheit, und derselbe ist mit uns wesenseins gemäß der Menschheit und in allem uns gleich außer der Sünde.67 Folglich bekennen wir auch zwei Geburten des einen einziggeborenen GottLogos, die eine vor aller Zeit zeitlos und unkörperlich aus dem Vater, die andere desselben zusammen mit dem vernunftbeseelten Fleisch in diesen letzten Tagen aus der heiligen makellosen Gottesgebärerin und immerwährenden Jungfrau Maria. Und deshalb verkünden wir die heilige und hochgelobte immerwährende Jungfrau Maria im eigentlichen Sinn und in Wahrheit als Gottesgebärerin, nicht als ob der Gott-Logos den Beginn seiner Existenz aus ihr genommen hätte, sondern dass er in diesen letzten Tagen aus ihr unwandelbar Fleisch und Mensch geworden ist und freiwillig um unseretwillen das Leiden im Fleisch auf sich genommen hat. (158,18) Indem wir der Lehre der heiligen Väter folgen, sind wir der Meinung, dass Christus zusammengesetzt ist (σύνθετον). Im Geheimnis Christi schließt die Einung durch Zusammensetzung (ἡ κατὰ σύνθεσιν ἕνωσις) sowohl Vermischung wie auch Trennung aus und bewahrt die Eigenheit einer jeden Natur: eine Hypostase und eine Person des Gott Logos auch nach Erweis seines mit einer Vernunftseele ausgestatteten Fleisches. Wir führen dadurch nicht eine Vierheit anstelle der Heiligen Dreieinigkeit ein ‒ das sei ausgeschlossen! ‒, denn der Heiligen Dreieinigkeit wurde keine vierte Person hinzugefügt selbst als ihr einer Gott-Logos Fleisch wurde. Denn der als Gott Wunder tat war kein anderer als jener, der das Leiden ertrug. Sondern wir bekennen ein und denselben Sohn, zugleich Gott und Mensch, eine Hypostase, eine Person, leidensfähig im Fleisch, ohne Leiden in der Gottheit, vollkommen in der Gottheit wie auch derselbe vollkommen in der Menschheit, und dass die Wunder und die Leiden, die er freiwillig im Fleisch ertrug, die desselben sind. Entsprechend bekennen wir auch einen Christus aus zwei Naturen (ἐκ δύο φύσεων), einen Sohn, einen Herrn, eine Person, eine zusammengesetzte Hypo64 65 66 67

Hebr 1,3. Joh 1,3. Hebr 1,2. Hebr 4,15.

8 Die Ekthesis des Kaisers Herakleios

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stase (μίαν ὑπόστασιν σύνθετον) und eine im Fleisch fleischgewordene Natur des Gott Logos, die mit einer Vernunftseele ausgestattet ist, wie es der inspirierte Cyrill68 gedacht und gelehrt hat. Und wir denken, dass derselbe in zwei Naturen ist (ἐν δύο φύσεσι), weil wir bekennen, dass unser einer Herr und wahrer Gott Jesus Christus in Gottheit und Menschheit erkannt wird und bezeichnen dadurch nur (μόνον σημαίνοντες) den Unterschied der Naturen, aus denen unvermischt und unaussprechlich die Einung erfolgte. Denn weder ist die Gottheit ins Fleisch übergegangen, noch wurde das Fleisch in die Gottheit umgewandelt, sondern ein jedes blieb in seiner natürlichen Eigenart auch nach der hypostatischen Vereinigung. (158,37) Folglich wissen wir, dass unser Herr Jesus Christus einer ist, aus einem ursprunglosen Vater und einer makellosen Mutter, derselbe vor aller Zeit und in diesen letzten Tagen leidensunfähig und dem Leiden unterworfen, sichtbar und unsichtbar. Wir verkünden auch von ein und demselben die Wunder und das Leiden, und jede (160,1) göttliche und menschliche Wirksamkeit (πᾶσαν θείαν καὶ ἀνθρωπίνην ἐνέργειαν) weisen wir ein und demselben fleischgewordenen Gott Logos zu. Und wir bringen ihm eine Anbetung dar, der für uns freiwillig und wahrhaftig im Fleisch gekreuzigt wurde und von den Toten auferstanden ist und in den Himmel emporgestiegen ist, der zur Rechten des Vaters sitzt, und der wiederkommt zu richten die Lebenden und die Toten. (160,4) Keinesfalls gestatten wir irgendjemandem, von einer oder zwei Wirkweisen während der göttlichen Menschwerdung des Herrn zu reden oder dies zu lehren (μίαν ἢ δύο λέγειν ἢ διδάσκειν ἐνεργείας), sondern kommen vielmehr überein ‒ so wie die heiligen und ökumenischen Synoden es überliefert haben ‒ zu bekennen, dass ein und derselbe einziggeborene Sohn, unser Herr Jesus Christus, wahrer Gott, das Göttliche wie auch das Menschliche gewirkt hat und alles gott- und menschengemäße Wirken aus ein und demselben fleischgewordenen Gott Logos ungetrennt und unvermischt hervorgeht und sich auf ein und denselben bezieht. Denn wenn auch einige der Väter so gesprochen haben, befremdet und verwirrt der Ausdruck „eine Wirkweise“ dennoch die Ohren mancher, die vermuten, dieser werde vorgebracht, um die in Christus unserem Gott hypostatisch vereinten zwei Naturen aufzuheben. Ebenso bereitet aber auch die Rede von zwei Wirkweisen vielen ein Ärgernis, weil sie auch von keinem der heiligen und anerkannten Mystagogen der Kirche gebraucht wurde. Vielmehr folgt aus ihr auch, ebenfalls zwei im Gegensatz zueinanderstehende Willen anzunehmen (δύο […] θελήματα ἐναντίως πρὸς ἄλληλα ἔχοντα), so als wollte nämlich der Gott Logos das heilbringende Leiden vollbringen, während seine Menschheit seinem Willen

68 Cyrill, Erzbischof von Alexandrien (412–444).

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widerstrebte und sich ihm entgegensetzt, und von daher zwei das Entgegengesetzte Wollende einzuführen (δύο τοὺς τἀναντία θέλοντας εἰσάγεσθαι), was gottlos ist und der christlichen Lehre fremd. Wenn nämlich der abscheuliche Nestorius, obgleich er die göttliche Menschwerdung des Herrn getrennt hat und zwei Söhne eingeführt hat, nicht wagte, bei diesen von zwei Willen zu sprechen, sondern ganz im Gegenteil die Willensidentität (ταυτοβουλίαν) der von ihm erdichteten zwei Personen lehrte, wie sollte es dann möglich sein, dass diejenigen, die den rechten Glauben bekennen und unseren Herrn Jesus Christus, den wahren Gott, als einen Sohn denken, bei ihm zwei auch noch entgegengesetzte Willen akzeptieren? (160,25) Deshalb bekennen wir ‒ indem wir den heiligen Vätern in allem und auch darin folgen ‒ einen Willen (ἕν θέλημα) unseres Herrn Jesus Christus, des wahren Gottes, weil zu keinem Zeitpunkt sein mit einer Vernunftseele ausgestattetes Fleisch gesondert für sich und aus eigenem Antrieb (ἐξ οἰκείας ὁρμῆς) seine natürliche Bewegung (τὴν φυσικὴν αὐτῆς κίνησιν) entgegen dem Wink (ἐναντίως τῷ νεύματι) des mit ihm hypostatisch geeinten Logos vollzogen hat, sondern wann, wie und in welchem Maß sie der Gott-Logos selbst wollte. Diese Lehren der Frömmigkeit „haben uns von Anfang an die Augenzeugen und Diener des Wortes“69 überliefert und deren Diener und Nachfolger, die [ihnen] folgenden inspirierten Lehrer der Kirche, d. h. die fünf heiligen und ökumenischen Synoden der seligen und gotttragenden Väter, nämlich diejenigen, die sich in Nicaea, in dieser Kaiserstadt, in Ephesus, in Chalcedon und nochmals in Konstantinopel zur fünften Synode versammelt haben. Indem wir diesen [Synoden] in allem folgen und ihre göttlichen Lehren begrüßen, erkennen wir alle an, die sie anerkannt haben und (162,1) verwerfen und anathematisieren die, die sie verworfen haben: insbesondere Novatus, Sabellius, Arius, Eunomius, Makedonius, Apolinarius, Origenes, Euagrius und auch Didymus, Theodor von Mopsuestia, Nestorius, Eutyches, Dioskur und Severus, weiterhin die gottlosen Schriften Theodorets gegen den rechten Glauben, gegen die erste heilige Synode von Ephesus und die zwölf Kapitel des heiligen Cyrill sowie das, was er zur Unterstützung von Theodor (von Mopsuestia) und Nestorius geschrieben hat, schließlich auch den sog. Brief des Ibas. Wir ermahnen alle Christen so zu denken und zu lehren und diesen [Entscheidungen] nichts hinzuzufügen und von ihnen etwas wegzunehmen, noch auch ‒ wie geschrieben steht70 ‒ „die ewigen Grenzen aufzuheben“, die die inspirierten Mystagogen der Kirche zum Heil aller abgesteckt haben. Ich, Herakleios, an Jesus Christus, Gott, glaubender Kaiser, habe unterschrieben

69 Lk 1,2. 70 Spr 22,28.

9 Brief des Erzbischofs Sergios von Zypern an Papst Theodorus I.

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9 Brief des Erzbischofs Sergios von Zypern an Papst Theodorus I. (29. Mai 643?) (60,30)71 An meinen hochheiligen, allerseligsten und von Gott installierten Herrn, den Vater der Väter, Erzbischof und ökumenischen Patriarchen, Herrn Theodorus.72 Sergios, geringster Bischof,73 sendet Grüße im Herrn. Christus unser Gott gründete Deinen apostolischen Stuhl, o heiliges Oberhaupt (ὦ ἱερὰ κορυφή), als von Gott befestigte und unerschütterliche Stütze und deutliches, hochaufragendes Denkmal des Glaubens. Du bist Petrus,74 wie das göttliche Wort untrüglich erklärt, und auf Deinem Fundament sind die Säulen der Kirche befestigt.75 Dir hat er die Schlüssel des Himmels übergeben und vollmächtig bestimmt, auf Erden und im Himmel zu binden und zu lösen.76 Du wurdest zum Zerstörer der gottlosen Häresien eingesetzt als an der Spitze Stehender und Wegweiser des orthodoxen und makellosen Glaubens (ὡς κορυφαῖος καὶ καθηγητὴς τῆς ὀρθοδόξου καὶ ἀμωμήτου πίστεως). Deshalb, mein Vater, lenke Dein Augenmerk auf den Glauben unserer Väter, der von häretischen Stürmen bedrängt wird und gefährdet ist! Beende die Finsternis der Geistesgestörten durch das Licht Deiner Gotteserkenntnis, Hochheiliger! Vernichte die Gotteslästerungen und das Toben häretischer Lehrer, die Neuerungen verkünden und neu aufgekommen sind! Denn Eurer apostolischen Anordnung (62,1) und Tradition fehlt nichts, als ob das Glaubensgut bei uns noch irgendeinen Zusatz erhalten sollte. Denn als Inspirierte und Kollegen und Beisitzer der heiligen Apostel haben wir seit ältester Zeit und von Kindesbeinen an gedacht und auch bekannt, indem wir mit dem heiligen und gottweisen Papst Leo77 allen verkündet und in Ehren gehalten haben: „Denn jede der beiden Gestalten wirkt in Gemeinschaft mit der anderen.“78 Damit stimmen alle gotttragenden und hochheiligen Väter überein und dasselbe gilt bei uns, Euren geringsten Knechten und Schülern. Weitschweifige Auslassungen und Widerspruch der Gegner lassen wir gar nicht zu, denn wir sind bereit, für den orthodoxen Glauben das Marty-

71 72 73 74 75 76 77 78

ACO ser. II 1, p. 60,30–64,13 (Riedinger). Papst Theodorus I. (642–649). Erzbischof Sergios von Zypern (642–nach 655). Vgl. Mt 16,18–19. Vgl. 1Tim 3,15. Vgl. Mt 16,18–19. Papst Leo I. (440–461). S.o. Anm. 25.

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rium auf uns zu nehmen, mit der Unterstützung Eurer hochheiligen Gebete. Und wenn sie denn bereit wären, die neuerdings in der glückseligen (Stadt; scil. Konstantinopel) festgesetzten seelenzerstörenden Lehren zu verurteilen, die doch zur Abschaffung des Denkens und Bekennens der heiligen Väter und des berühmten und vielgepriesenen Papstes Leo führen, und zu denen unser Denken stets entgegengesetzt sein wird, dann wäre es gut und der von Gott geliebte Friede würde in den Kirchen herrschen, alle Trennung der Kirchen wären aus dem Wege geschafft und die Spaltungen zur Wiederrichtung der Einheit beherrscht. Weil sie aber Euch gottgelehrten und apostolischen Vätern nicht folgen, anathematisieren wir sie schriftlich und mündlich. Denn es ist ganz und gar nicht gottgemäß und rechtmäßig, noch über Worte zu streiten, wenn der Schaden der Häresien und gotteslästerlicher Anathematismen in schriftlicher Form vorliegt. Sollen sie doch das Wohlbegründete hochachten, Gott fürchten und diese Blasphemien gänzlich abschaffen, und dann lasst uns, an welchem Ort und welchen Zeitpunkt auch immer sie wählen, die Lehren zur Sprache bringen, die sie zu denken für nötig halten. (62,21) Kurz zusammengefasst, Ihr Hochheiligen, sagen wir dies: Das, was zur Widerlegung und Abschaffung der gotttragenden Väter und des hochheiligen Vaters Leo und des von Euch über Gott Gesagten geschrieben wurde, muss beseitigt werden! Denn auch wir, wie gesagt, unterwerfen Sie dem Anathema, wenn Ihr – unsere Gebieter und inspirierten Väter – uns dazu auffordert (ἐπεὶ καὶ ἡμεῖς […] διακελευόντων ὑμῶν, τῶν δεσποτῶν ἡμῶν καὶ θεοπνεύστων πατέρων, βάλλομεν αὐτοὺς τοῖς ἀναθέμασι), sind wir doch voller Hoffnung in Eure gottgelehrte und inspirierte Leitung, so dass wir keine Bedenken haben werden, oder vor Furcht verzagen, worüber es keine Furcht gibt,79 wenn es um Gott oder den orthodoxen Glauben geht. Denn wir haben auch bis heute denen gegenüber geschwiegen, die eine gewisse Oikonomia praktizieren, weil wir der Meinung sind, dass sie die eigenen Belehrungen zum Besseren wenden. So dachte auch unser unter den Heiligen weilender göttlicher Arkadios,80 der Eurer orthodoxen Lehre folgte und dem auch wir in seinen Schritten mit aller Kraft zu folgen geloben im Einklang mit Eurer orthodoxen und inspirierten Lehre, die Ihr unsere Gebieter und Väter seid. Wir werden diejenigen nicht weiter ertragen, die in der ganzen Welt Unkraut und – um es so zu sagen – Fallstricke aussäen.81

79 Ps 13,5 (LXX). 80 Erzbischof Arkadios von Zypern (624/5–641/2), der Vorgänger von Sergios. 81 Vgl. Mt 13,25–41.

10 Synodalschreiben des Patriarchen Paulos II.

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(62,34) Das sind die Ansichten unsere heiligen Synode, die auch den Tomos des hochheiligen und gotttragenden Leo annimmt und hochschätzt, ihn als rettenden Anker der Orthodoxie beibehält und sich an den Lehren Eurer Gotteserkenntnis erfreut, indem sie nichts verfälscht und dafür betet, mit diesem orthodoxen Bekenntnis zum Herrn abzuscheiden und vor seinem furchtbaren Richterstuhl zu stehen. (64,3) Gott, der Schöpfer des Alls möge unserem hochheiligen Gebieter ein langes Leben erhalten für den Bestand seiner heiligen Kirchen und des orthodoxen Glaubens, dem guten Hirten, der für seine geistlichen Schafe sein eigenes Leben gibt82 und mit seinem Hirtenstab die räuberischen Wölfe vertreibt. Allen, die gewürdigt werden, meinem hochheiligen und gottgeehrten Gebieter zur Seite zu stehen, entbieten Ich und die mit mir sind die vorzüglichsten Grüße. Gottgeehrter Vater der Väter, bete für mich, dass ich gesund bleibe und dem Herrn wohlgefällig bin. Geschrieben und abgeschickt am 29. Mai der ersten Indiktion.83

10 Synodalschreiben des Patriarchen Paulos II. von Konstantinopel an Papst Theodorus I. (Mai 645) An den hochheiligen und allerseligsten Bruder und Mitliturgen Herrn Theodorus84; Paulos, der unwürdige Bischof,85 sendet Grüße. (196,23)86 Siehe, wie fein und lieblich ist’s, wenn Brüder einträchtig beieinander wohnen!87 Ich meine: in einer geistlichen Wohnung, in der Gleichgesinntheit der Einheit und des Glaubens an Gott, dieser wahrhaften Wohnstätte, die besonders Aaron und denen, die mit priesterlicher Würde bekleidet sind, wohl ansteht, die wie Salböl auf dem Haupt die leitenden Gedanken wohlriechend macht bis herab zum Saum und zur letzten Aufregung. Für einen solchen Aufenthaltsort hat der Herr Segen und ewiges Leben befohlen.88 (196,29) Indem wir uns an diesen prophetischen Ausruf halten, haben wir die vorliegende brüderliche Verlautbarung abgefasst und wir suchen oder fordern wegen der Liebe nicht das Unsrige. Denn es ist nicht gut, denen, die be-

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Vgl. Joh 10,11 f. 29. Mai 643. Papst Theodorus I. (642–649). Patriarch Paulos II. von Konstantinopel (641–653). ACO ser. II 1, p.196,16–204,8 (Riedinger). Ps 132(133),1–3 (LXX). Vgl. Ps 132,1–3 (LXX).

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schimpfen, mit Beschimpfungen entgegenzutreten, und auch nicht – gemäß einer verbreiteten Redewendung – einen Nagel mit einem Nagel herauszuschlagen – das sei ferne! So etwas ist nicht unsere Sache – in keinem Fall! Nicht so zu siegen, sind wir nach dem bei uns üblichen Benehmen gelehrt worden, sondern durch langmütige Geduld und Sanftmut des Geistes. Wie – um es prophetisch zu sagen – der schwarze Kümmel nicht durch Härte gereinigt wird89 ‒, so wird auch die Frucht des Friedens, die in den Gedanken reift, nicht durch Grobheit offenbar. Deshalb haben wir auch sogleich die Schläge mit Worten ertragen, damit wird den nachahmen, der sich für uns im Geringsten gedemütigt hat und (damit wir) durch die Strafe hier den Strafen der letzten Pein dort entfliehen. (198,1) Lasst uns also auf den Wortführer der Kirche hören und ihm gehorchen, der Zunge des Heiligen Geistes, die mit lauter Stimme ruft: Alle eure Dinge lasset in Liebe geschehen!90 Sei es nun, dass wir Nachforschungen anstellen, sei es, dass wir nur reden oder hören, die Liebe möge bestimmend sein, ist sie doch eine gewisse Kunst, um Vorkehrung zu treffen für feste Verbundenheit und ein gutes Gewissen. Als über Gott Forschende, indem wir mit der Richtschnur des Denkens den Tempelbezirk vermessen,91 müssen wir nämlich friedfertig in ihm lagern wegen des Herrn, der durch den Propheten spricht: „Wenn Du Nachforschungen anstellst, dann suche und wohne in meiner Gegenwart!92 Denn Gott hat uns zum Wächter für das Volk eingesetzt, und es ziemt sich, dass diejenigen, die von Gott zum priesterlichen Dienst bestimmt sind, die Stufen des Denkens übereinander in Sanftmut nehmen, wie es eben besser ist, wenn die, die uns genau beobachten, erbaut werden, als dass durch unsere – ich zögere es zu sagen – Streitsucht der Pfad ihrer Schritte erschüttert wird. Lasst uns also zur Einmütigkeit neigen, zur Einheit in Liebe gesinnt sein und die Demut ehren, durch welche die Erhabenheit des Geistes ergriffen zu werden pflegt. Wenn wir bis jetzt das Schweigen höher geschätzt haben als das Reden, so haben wir dies zu tun gutgeheißen, damit wir nicht in einen Wettstreit der Beleidigung eintreten, wenn wir auf das Geschriebene erwidern, und wegen Engherzigkeit verurteilt werden von dem, der festgesetzt hat, alles mit Liebe zu bedecken […]. (198,22) Wenn wir zwar geschwiegen haben, so werden wir doch nicht immer still bleiben, hat uns doch Gott die Riegel zur Rede durch das Erscheinen der von Eurer brüderlichen Seligkeit entsandten Apokrisiare geöffnet, die nach hinreichend vielen nicht zu einer Verständigung führenden Unterredungen mit uns über die kirchliche Streitfrage zu diesem Ende gelangten, und sie schlugen

89 Vgl. Jes 28,27 (LXX). 90 1Kor 16,14. 91 Vgl. Ez 40,3. 92 Jes 21,12 (LXX).

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vor und nötigten uns, den Gedanken des einen Willens (τοῦ ἑνὸς θελήματος ἔννοιαν) bei Christus, unserem wahren Gott, zu erklären und die so beschaffene Erklärung Eurer hochheiligen Ehrwürdigkeit zu übersenden. Wir haben deshalb den gewissenhaften Vorschlag der erwähnten gottgeliebten Männer akzeptiert, und haben ‒ wissend, was der Oberste der Apostel lehrt: dass wir allezeit bereit sein sollen zur Verantwortung vor jedermann, der von uns Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in uns ist93 ‒ für ein gutes Gewissen die Sanftmut mit der Gottesfurcht verbunden. Wir legen also durch diese Zeilen unser Denken über diese einzige Frage dar, indem wir wegen des Überdrusses und der mangelnden Harmonie zum gegenwärtigen Zeitpunkt übermäßige Spekulation und Wiederholung ausschließen und uns davor hüten. Dabei denken oder lehren oder sagen wir nicht etwas von uns aus, sondern was wir gehört und gelernt haben von den heiligen und ökumenischen großen Synoden und was die Väter uns gelehrt haben. Denn die Wege des Lebens sind die Gedanken der Verständigen,94 wie der Verfasser der Sprüche Salomos richtig und wahrlich meint. (200,1) Aber weil der rechte Augenblick uns nun zur Einlösung des Versprechens und zur Entfaltung des Geprüften drängt, so lasst uns die Gestalt unserer rechten Lehre in Bildern durch den Buchstaben abbilden und wie mit unauslöschlichen Farben durch Väterzeugnisse das Gesagte verschönern. Wir also, bzw. die Jurisdiktion und Synode unserer Kirche, bekennen, dass Einer der über allem Wesen stehenden lebensverursachenden Dreieinigkeit, der Sohn und Logos des anfanglosen Erzeugers, der Herr Jesus Christus, unser wahrer Gott, aus dem heiligen Geist und der makellosen Gottesgebärerin und immerwährenden Jungfrau Maria ohne Veränderung Mensch geworden ist, derselbe vollkommen in der Gottheit und vollkommen in der Menschheit. Wir verkünden eine Person und eine zusammengesetzte Hypostase in zwei Naturen auch nach der Einung und kennen den Unterschied einer jeden Natur gemäß ihrer jeweiligen Eigenheit (ἕν πρόσωπον, μίαν ὑπόστασιν σύνθετον ἐν δύο καὶ μετὰ τὴν ἕνωσιν κηρύττοντες φύσεσι, τὴν διαφορὰν ἑκατέρας γνωρίζοντες φύσεως κατὰ τὴν αὐτῶν ἰδιότητα). Deren Trennung in Teile oder Verwandlung ineinander oder Mischung und Zusammenfluss denken oder billigen wir überhaupt nicht – das sei ferne! ‒, sondern beide Naturen, Gottheit und Menschheit, werden in dem einen Christus bewahrt, und in der je eigenen Definition des Wesens werden sie bei dem hypostatischen unaussprechlichen Zusammenkommen der äußersten Einung festgehalten und bestehen fort. „Der Logos blieb nämlich, was er war, und wurde, was er nicht war“ (ἔμεινε γὰρ ὁ λόγος ὃ ἦν, καὶ γέγονεν ὅπερ οὐκ

93 1Petr. 3,15. 94 Prov. 15,24 (LXX).

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ἦν).95 (200,15) Deshalb sagen wir, dass jedes gottgemäße und menschengemäße Wirken aus einem und demselben fleischgewordenen Gott Logos hervorgeht und auf ein und denselben bezogen wird (διὰ τοῦτο καὶ πᾶσαν θεοπρεπῆ καὶ ἀνθρωποπρεπῆ ἐνέργειαν ἐξ ἑνὸς καὶ τοῦ αὐτοῦ προσιέναι σεσαρκωμένου θεοῦ λόγου φαμέν, καὶ εἰς ἕνα καὶ τὸν αὐτὸν ἀναφέρεσθαι). Von daher wird Trennung nicht eingeführt und Unvermischtheit bewahrt. (200,18) Möge die Menge der gottlosen Häretiker ein Ende haben! Möge den boshaften Severus, Eutyches und Apolinarius das Maul gestopft werden zusammen mit Nestorius, Diodor und Theodor, die trotz gegensätzlichem Missklang übereinstimmen in der Gottlosigkeit, wobei die einen sich mit der Vermischung und die anderen mit der Trennung schlecht wappnen und von der Wahrheit schön entblößt werden. Wir verkünden die Wunder und wissen um die Leiden des einen und selben fleischgewordenen Gott Logos, welche er im Fleisch um unseretwillen freiwillig auf sich nahm (τὰ τε θαύματα κηρύττομεν καὶ τὰ πάθη γνωρίζομεν, ἅπερ σαρκὶ δι’ ἡμᾶς ἑκουσίως ὑπέμεινεν). Deshalb wird auch gesagt, Gott leidet und der Menschensohn ist vom Himmel herabgestiegen wegen der alles Verstehen überschreitenden unzerreißbaren hypostatischen Einung der zwei Naturen. Deshalb werden wir auch eines Willens unseres Herrn und Gebieters Jesus Christus gewahr (ἓν θέλημα […] νοοῦμεν), damit wir keinen Gegensatz oder Uneinigkeit der Willen (ἑναντίωσιν ἢ διαφορὰν θελημάτων) der einen und selben Person unseres Herrn Jesus Christus zufügen oder lehren, dass er mit sich selbst im Widerstreit liegt oder zwei Wollende einführen. Nicht wegen einer Verschmelzung auf jede mögliche Weise oder einer Vermischung der zwei Naturen, die in ihm betrachtet werden, gebrauchen wir den derartigen Ausdruck des einen Willens, noch bevorzugen wir allein den einen zur Aufhebung des anderen (scil. Ausdrucks), sondern wir machen durch den derartigen Ausdruck dies deutlich, dass sein mit Vernunft und Geist beseeltes Fleisch infolge seiner äußersten Einung in unaussprechlicher Weise überaus reich war an Göttlichem (τὰ θεῖα καταπλουτήσασα) und den ununterscheidbaren göttlichen Willen des Logos besaß, der es mit sich hypostatisch vereint hatte (τὸ τοῦ […] λόγου θεῖον ἐκέκτητο καὶ οὺ διάφορον θέλημα). Durch ihn wird es (scil. das Fleisch) in allem geführt und bewegt (ὑπ’αὐτοῦ διὰ παντὸς ἀγομένη τε καὶ κινουμένη), „weil es zu keinem Zeitpunkt gesondert für sich und aus eigenem Antrieb seine natürliche Bewegung entgegen dem Wink des mit ihm hypostatisch geeinten Logos vollzogen hat, sondern wann, wie und in welchem Maß sie der Gott Logos selbst wollte“,96 damit wir nicht wegen Blasphemie verurteilt werden, was zu sagen vermeidbar und auch entsetzlich ist.

95 Vgl.: Gregorius Nazianzenus, Oratio 29,19 (PG 26,100A3). 96 Zitat der Ekthesis: s. o. Nr. 8 (ACO ser. II 1, p.160,25 ff.).

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Was für eine Verkehrtheit, (202,1) wenn man (die Vorstellung) einführt, dass seine Menschheit aus Naturnotwendigkeit (ἀνάγκῃ φύσεως) dem Zwang unterworfen gewesen sei und mit Petrus jene Tadel verdienterweise gemein hätte, wenn sie denn mit ihm die gleiche Ablehnung des Leidens mit Worten teilt.97 Last uns den Ausspruch des Evangeliums: „Ich bin vom Himmel gekommen, nicht damit ich meinen Willen tue, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat“,98 so verstehen, dass wir bei der Ablehnung des Leidens99 nicht einen uneinigen und widerstrebenden Willen bei dem einen und selben Christus entsprechenderweise einführen (οὐ διάφορον […] καὶ ἀντιπίπτον ἀντεισφέροντες θέλημα), und lasst uns einen derartigen Ausspruch eher verneinend und nicht in einem bestätigenden Sinne verstehen. Denn die Aussage bezieht sich nicht auf das, was ist, sondern auf das, was nicht ist, wie das „weder meine Sünde noch meine Missetat“100 nach dem präzisen Lehrexperten, Gregor dem Theologen.101 Und alle Lehrer, die den Ausspruch im Leiden102 erwähnten, haben diesen „gemäß Aneignung“ (κατ’ οἰκείωσιν) und Bezugnahme auf unseren „Teig“ [scil. unsere Natur] aufgefasst ‒ wie auch der große Erleuchter der Kirche, Athanasius, uns lehrt, wenn er unsere dem Leben zugewandte Natur darstellt als eine, die vom Leiden unbehelligt nicht wünscht, vom gegenwärtigen Leben hinweggerissen zu werden, ‒ nicht aber (lehrte er, dass Christus das Leiden ablehnt), weil angeblich das mit Vernunft beseelte Fleisch des Gott Logos zaudernd war gegenüber dem heilsamen Leiden für die Welt oder im Widerspruch zum Vater und dem einwohnenden Logos (stand).103 (202,14) Als genauesten Exegeten und Ausleger dieses Verständnisses aber vernehmen wir die Doppellanze des Geistes, Cyrill […], der im vierten Anathematismus gegen das, was von Theodoret gegen die 12 Kapitel gesagt worden war,104 die beim heiligen und ökumenischen Konzil von Chalcedon und auf der fünften

97 Vgl.: Mt 16,23. 98 Joh 6, 38. 99 Vgl.: Mt 26,39. 100 Ps 58,4 (LXX). 101 Vgl.: Gregorius Nazianzenus, Oratio 30,12 (248–252, SC 250 Gallay/Jourjon). Gregor interpretiert hier Joh 6,38 u. Mt. 26,39 dahingehend, dass Christus keinen vom Vater unterschiedenen Willen hatte. 102 Scil. Mt. 26,39. 103 Vgl.: Athanasius Alexandrinus, Oratio 3,34 contra Arianos (Athanasius Werke I,1,3 Metzler/Savvidis). 104 Gemeint ist die Apologie des vierten Anathematismus seiner zwölf gegen Nestorius gerichteten Capitula, die Cyrill von Alexandrien gegenüber der Kritik des Theodoret von Kyros verteidigte: Cyrillus Alexandrinus, Apologia XII Capitulum, in: ACO I 1,6 p. 120–125. 124,30– 125,27 (Schwartz).

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Synode gebilligt wurden, diesen Ausspruch des Evangeliums sehr deutlich erklärt und entfaltet. Und alle Lehrer und Prediger der Frömmigkeit stimmen überein in einer derartigen Lehre des einen Willens, deren entsprechende Testimonia wir, wenn die fortscheitende Diskussion es wünschenswert macht, zitieren werden. Mit diesen übereinstimmend und gleichgesinnt waren die im frommen Gedenken vielgepriesenen Sergios und Honorius, von denen der eine den bischöflichen Thron des Neuen, der andere den des Älteren Rom zierte. (202,26) So halten wir es damit, so denken wir, so verkündigen wir. Darin befindet sich die Darlegung der Orthodoxie, darin liegt der Stolz der Kirche und unsere Hoffnung auf Rettung. Dies ist das nahrhafte Futter des Geistes, dies ist die Heilpflanze der Väter, dies ist das lebengebende Paradies der Wahrheit für die vernunftbegabten Schafe. Wir geloben, dies zu studieren, darin zu verweilen und dadurch erleuchtet zu werden und zu erleuchten. […] Wir machen diese Aufstellungen nicht aus Streitsucht, wir sind nicht auf Rechthaberei aus, wir schätzen keine hohle Bemühung, sondern mit dem Wort Gottes haben wir eine Darlegung des in Frage stehenden Problems vorgelegt und sind getrost, dass Gott, der Herr des Friedens, Einheit und Liebe unter uns bewahre zum Ruhm seiner überguten Herrlichkeit. (204,3) Wir und die mit uns sind grüßen vielmals die ganze Bruderschaft in Christus, die mit Eurer Seligkeit ist. Der du dich guter Gesundheit erfreust im Herrn, bete für uns, hochheiliger und allerseligster Bruder. Ausgefertigt im Monat Mai der dritten Indiktion.105

11 Der Typos Kaiser Konstans II. (648) (208,3)106 Weil es unsere Gewohnheit ist, uns um alles genauestens zu kümmern und in Betracht zu ziehen, was den Nutzen unseres christlichen Staates im Blick hat, und insbesondere alles, was unserem untadeligen Glauben zuträglich ist, durch welchen alles, wie wir glauben, wohl gerät, haben wir bemerkt, dass sich unser orthodoxes Volk in großer Unruhe befindet, weil einige nämlich bei dem Heilswirken (οἰκονομία) unseres großen Gottes und Heilandes Jesus Christus107 einen Willen annehmen und sagen, dass „ein und derselbe das Göttliche

105 = Mai 645. Diese Datierung wird in den Akten der Lateransynode nur in der lateinischen Übersetzung des Briefes angegeben. 106 ACO ser. II 1 p.208,3–210,15 (Riedinger). 107 Vgl.: Tit 2,13.

11 Der Typos Kaiser Konstans II. (648)

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und das Menschliche wirke“, während andere „zwei Willen und zwei Wirkweisen bei diesem Heilswirken (οἰκονομία) des Logos im Fleisch“ lehren. (208,9) Und während die einen zur Verteidigung vorbringen, dass unser Herr Jesus Christus, weil er „eine Person“ „in zwei Naturen“ ist, das Göttliche und das Menschliche „unvermischt und ungetrennt“ will und wirkt, sagen die anderen, dass derselbe und eine Christus wegen der ungetrennt in derselben Person zusammenkommenden Naturen und damit ihr Unterschied bewahrt und erhalten bleibt, das Menschliche und das Göttliche in entsprechender und den Naturen zukommender Art und Weise (καταλλήλως καὶ προσφυῶς ταῖς φύσεσι) wirkt. Daher lassen sich die (Angehörigen) unseres christlichen Staates zu großer Zwietracht und Zank fortreißen, so dass sie als Dissentierende nicht zu einer Verständigung kommen (ὡς διχονοοῦντες μὴ συμβαίνειν ἀλλήλοις) und dadurch der Staat auf vielerlei Weise Schaden nimmt. Wir haben gemeint, unter Führung des allmächtigen Gottes die verzehrende Flamme der Zwietracht auslöschen zu müssen und nicht zuzulassen, dass sie die menschlichen Seelen weiterhin verwüstet. (208,19) Deshalb verkündigen wir unseren Untertanen, die in der Orthodoxie verharren und im Glauben von uns Christen untadelig feststehen und zur katholischen und apostolischen Kirche gehören, dass es ab sofort nicht erlaubt ist, miteinander irgendeine Auseinandersetzung, irgendeinen Streit oder rechthaberisches Gezänk über einen Willen oder ein Wirken, oder über zwei Wirkweisen oder zwei Willen auszutragen (περὶ ἑνὸς θελήματος ἢ μιᾶς ἐνεργείας, ἢ δύο ἐνεργειῶν καὶ δύο θελημάτων οἱανδήποτε προφέρειν ἀμφισβήτησιν, ἔριν τε καὶ φιλονεικίαν). (208,23) Wir ordnen dies an, nicht weil wir angeblich irgendetwas des von den bewährten heiligen Vätern fromm über den Wandel des Gott Logos im Fleisch ein für alle Mal Gelehrten abschaffen würden (οὐχ ὡς ἀναιροῦντές τι καθάπαξ τῶν δογματισθέντων), sondern weil wir vielmehr darauf bedacht sind, die Streitsucht (φιλονεικίαν) wegen der vorliegenden Fragen zu zähmen und dass man diesbezüglich sich danach richte und sich allein genügen lasse an den Göttlichen Schriften und den Überlieferungen der heiligen fünf ökumenischen Synoden und ohne Besserwisserei (auch) an den einfachen Aussagen und Ausdrücken (ταῖς ἁπλαῖς […] χρήσεσιν ἤγουν φωναῖς) der anerkannten heiligen Väter, deren Lehren Richtlinien und Vorschriften (ὧν τὰ δόγματα κανόνες τε καὶ νόμοι) der heiligen, katholischen und apostolischen Kirche Gottes sind, ohne ihnen etwas Eigenes hinzuzufügen oder etwas wegzunehmen und ohne sie nach dem eigenen Interesse zu interpretieren (μηδὲν αὐταῖς προστιθέντας οἰκεῖον ἢ ὑφαιροῦντας ἢ κατὰ τὸν ἴδιον αὐτὰς ἑρμηνεύοντας σκοπόν). (208, 31) Vielmehr soll überall der Zustand bewahrt werden, der vor dem Aufkommen des Streites über die oben genannten Fragen geherrscht hat (ἀλλὰ

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τὸ πρὸ τῆς ἀνωτέρω τῶν εἰρημένων ζητήσεων προελθούσης φιλονεικίας ἁπανταχοῦ φυλαχθῆναι σχῆμα), damit keine Verspottung deswegen erfolgt und niemandem von denen, die bisher einen Willen und ein Wirken oder zwei Willen und zwei Wirkweisen gelehrt haben, deswegen irgendein Vorwurf gemacht wird oder eine Anklage erhoben wird (ὑπὸ τὴν οἱανοῦν μέμψιν τούτου χάριν ἢ κατηγορίαν γινομένου) außer natürlich gegenüber den von den heiligen fünf ökumenischen Synoden und den übrigen orthodoxen anerkannten Vätern verworfenen Häretikern einschließlich ihrer gottlosen Lehren und Schriften und denen, um es mit einem Wort zu sagen, die von der heiligen katholischen Kirche zurückgewiesen und verworfen sind. (208,38/210,1) Im Hinblick auf die vollkommene Einheit der heiligsten Kirchen Gottes und die allgemeine Eintracht, auch damit denen, die endlos streiten wollen (τοῖς ἀτελευτήτως φιλονεικεῖν ἐθέλουσιν), keine Gelegenheit mehr gegeben wird, haben wir befohlen, dass die noch im Narthex der heiligsten Großen Kirche dieser unserer gottbehüteten Kaiserstadt angebrachten Dokumente, die sich mit den genannten Fragen befassen, aufgehoben werden.108 (210, 6) Diejenigen, die dies zu übertreten wagen, sind an erster Stelle Gegenstand des Gerichtes des furchtbaren und allmächtigen Gottes, dann aber müssen sie den außergewöhnlichen kaiserlichen Unwillen fürchten, wodurch sie, wenn sie Bischöfe oder Kleriker sind, ihres eigenen Priestertums und klerikalen Ranges auf jede Weise verlustig gehen; wenn sie Mönche sind, werden sie exkommuniziert und aus ihren Klöstern entfernt, wenn sie eine weltliche Würdestellung, ein Amt oder einen militärischen Grad haben, werden sie davon entkleidet. Führen sie ein Privatleben und gehören zur Prominenz, ist von ihnen die Konfiszierung ihres Besitzes zu ertragen; gehören sie zur gewöhnlichen Bevölkerung werden sie durch körperliche Züchtigung und permanentes Exil zur Besinnung gebracht, so dass alle, durch die Gottesfurcht in Schranken gehalten und durch die verdientermaßen von ihnen erhaltenen Strafen vorsichtig geworden, den unerschütterlichen und ungestörten Frieden der heiligen Kirchen Gottes bewahren.

12 Ansprache Papst Martins I. (649–653) zur Eröffnung der Lateransynode (5. Oktober 649) (10,9)109 Das für alle Menschen heilbringende Wort des Evangeliums, das durch die Kraft seiner göttlichsten Verkündigung alle Enden der bewohnten Welt um-

108 Gemeint ist die bei den Pforten der Hagia Sophia angeschlagene Ekthesis (s. o. Nr. 8). 109 ACO ser. II 1, p.10,9–20,39 (Riedinger).

12 Ansprache Papst Martins I. zur Eröffnung der Lateransynode

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fasst, wollte bekannt machen, dass nur wir, die Hirten der überaus frommen Völker und Priester des göttlichsten und großen Heilshandelns des Gott Logos im Fleisch, durch welches er unsere Natur umgürtet und erneuert hat, genau Eingeweihte und Boten sind (μύστας ἀκριβεῖς εἶναι καὶ κήρυκας μόνους ἡμᾶς). Und (dieses Wort) hat aufgeschrieben ‒ wie ihr wisst, gottgeliebteste Brüder ‒, dass Hirten auf dem Felde waren, die hüteten des Nachts die Hürden110 in der Zeit, als der für uns menschgewordene Gott selbst als samenlos empfangen und unversehrt gezeugt aus der Jungfrau hervorging. Mit ihnen (scil. den Hirten) ist der Evangelist Zeuge, wenn er sagt: Und sie kamen eilend und als sie gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, das zu ihnen gesagt war. Und alle, vor die es kam, wunderten sich über das, was ihnen die Hirten gesagt hatten; diejenigen, die die Herrlichkeit des Herrn vom Himmel her umstrahlte und die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.111 Mit ihnen ist es auch unsere Pflicht, […] (10,26) den Wortlaut (τὸ ῥῆμα) des makellosen Glaubens an ihn (scil. den Herrn) zu beurteilen und zu überwachen (διαγνῶναι καὶ ἐπιδεῖν), damit die Herrlichkeit des Herrn diesen (scil. den Wortlaut) durch die uns fromm überlieferten apostolischen und väterlichen heiligen Definitionen und Satzungen mit dem Heer und dem Lobpreis der himmlischen Engel umstrahlt und auch bei uns alle, die das vollständige Gelingen (τὴν ἐν κυρίῳ τελείαν κατόρθωσιν) unserer Bemühungen im Herrn um die Frömmigkeit hören, den Gott alles Wunderbaren mit Verwunderung verehren.112 (10,32) Nachdem nun einige fälschlicherweise so genannte Priester von denen, die ihn mit ihren Geschenken, d. h. den richtigen Lehren der Frömmigkeit, in Lauterkeit anbeteten, erfahren hatten, dass er durch die wahrhaftige Erkenntnis und das Bekenntnis in allen Kirchen und Seelen auf göttliche Weise herrscht, gerieten sie in Verwirrung und weil sie gegenüber dem Schein seines Lichtes Widerwillen empfanden, arbeiteten sie darauf hin, dass wir das göttlichste Bekenntnis zu diesem (scil. Herrn) auch zu unseren Zeiten oder wenigstens zu denen unserer Vorgänger durch neue Einfälle im Wortlaut zugrunde richten ( ἡμᾶς ἀνελεῖν καιναῖς ῥημάτων ἐπινοίας ἐσπούδασαν). Daher haben sie hinterlistig geheuchelt, ihn anzubeten, und, nachdem sie die Schrift- und Väterzeugnisse über ihn gefälscht hatten, nahmen sie Fehlinterpretationen vor und verdrehten sie in häretische Irrlehre (τὰς περὶ αὐτοῦ γραφικὰς καὶ πατρικὰς

110 Lk 2,8. 111 Lk 2,16–18.9.13–14. 112 Vgl. Lk 2, 9.13.18.

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νοθεύσαντες παρεξηγήσαντο μαρτυρίας εἰς αἱρετικὴν αὐτὰς μεταστρέφοντες κακοδοξίαν. Wer sind nun diese Leute? (10,40) Es ist nötig, sie öffentlich zu benennen, die ihr, Geliebte, und alle, die sozusagen den gesamten Erdkreis bewohnen, ganz bestimmt kennt, denn sie haben dies weder im Verborgenen noch an einem dunklen Ort der Erde gemacht, wie der selige Jesaja sagt.113 Hätten Sie doch nur dieses Übel allein und für sich unbemerkt angestellt, es nicht aber öffentlich und in den Kirchen zum Schaden Vieler und zur Zerstörung (εἰς ἀνατροπήν) des makellosen Glaubens schriftlich verkündet! Ich nenne also Kyros, der Bischof der Kirche von Alexandrien war,114 und Sergios, der den Vorsitz in der Kirche von Byzanz hatte,115 und dessen Nachfolger Pyrrhos und Paulos,116 die im Wettstreit darin miteinander übereinstimmten. (12,8) Der eine, also Kyros, definierte vor 18 Jahren117 in der Stadt Alexanders „bei Christus ein Wirken seiner Gottheit und Menschheit (μίαν ἐπὶ Χριστοῦ […] ὁρίσας ἐνέργειαν, τῆς τε θεότητος αὐτοῦ καὶ τῆς ἀνθρωπότητος)“ genauso wie die häretischen Akephaloi,118 und dekretierte dies in einer Zusammenstellung von 9 Kapiteln,119 die vom Ambon ihnen verkündet wurden mit einer Anathematisierung derer, die nicht so wie er dachten. (12,13) Sergios akzeptierte mit einem eigenen an diesen Kyros geschriebenen Brief gleichermaßen dasselbe eine Wirken (μίαν ἐνέργειαν) und setzte dies mit jenem vernunftwidrig fest. Und nicht nur das, sondern einige Jahre nach der Neuerung des Kyros, d. h. während der soeben vergangenen 12. Indiktion, verfasste er auch eine häretische Darlegung des Glaubens120 im Namen des damals herrschenden Herakleios121 und lehrte darin in Übereinstimmung mit dem äußerst gottlosen Apolinarius122 einen Willen und ein Wirken unseres Heilandes (μίαν […] ἐδογμάτισε θέλησιν καὶ ἐνέργειαν), indem er unvernünftigerweise sagte, „dass der Wille Folge des Wirkens sei (ἕπεσθαι τῇ ἐνεργείᾳ τὸ θέλημα)“.

113 Vgl. Jes 45,19 LXX. 114 S.o. Anm. 17. 115 S.o. Anm. 73. 116 Patriarch Pyrrhos von Konstantinopel (638–641.654); Patriarch Paulos II. von Konstantinopel (641–653), s. o. Nr. 10. 117 Die Unionssynode von Alexandrien fand am 3. Juni 633 statt. 118 Häresiologische Bezeichnung, die im 7. Jh. alle Gegner der Synode von Chalcedon (451) meint. Weil deren Bischofsämter nicht anerkannt wurden, wurden sie polemisch als „Hauptlose“ bezeichnet. 119 S. o. Nr. 3. 120 Die sogenannte Ekthesis. S. o. Nr. 8. 121 S. o. Anm. 15. 122 Apolinarius, Bischof von Laodicea/Syrien (360–ca. 392).

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Es ist nämlich klar, dass wenn sich überhaupt etwas für das Folgende folgerichtig ergibt, d. h. für den einen Willen, dann bekennt er auch das Vorausgehende mit, ich meine das von ihm schriftlich bestätigte eine Wirken. Offensichtlich leugnen sie damit die unhintergehbar definierte (ἀπαραβάτως ὁριζομένην) übereinstimmende Lehre der Väter, dass „das, was ein Wirken hat, auch eine Natur hat“, und „dass der Wille mit dem Wesen übereinstimmt“ („ὧν ἡ ἐνέργεια μία, τούτων και ἡ φύσις μία“ καὶ ὅτι „σύνδρομος ὑπάρχει τῇ οὐσίᾳ ἡ θέλησις“). So sagt nämlich auch der hl. Basilius123 in seiner Schrift gegen Eunomius124: „Das, was ein Wirken hat, hat auch ein Wesen“ (ὧν ἡ ἐνέργεια μία, τούτων καὶ οὐσία μία).125 Und an den heiligen Amphilochius126 schreibt derselbe: „‘Wer mich sieht, der sieht den Vater’127, nicht die Gestalt und auch nicht die Form, denn die göttliche Natur ist frei von Zusammensetzung, sondern die Güte des Willens, die dem Wesen entspricht und als ähnlich und gleich, ja sogar als identisch im Vater und im Sohn betrachtet wird.“128 Und der hochweise Cyrill129 schreibt in seinem Thesaurus: „Was dieselbe Wirkweise hat, pflegt immer desselben Wesens zu sein und ein Naturunterschied ist hierbei ganz unwahrscheinlich (φιλεῖ γὰρ ἀεὶ τὰ τὴν αὐτὴν ἐνέργειαν ἔχοντα τῆς ἀυτῆς ὑπάρχειν καὶ οὐσίας, καὶ τὸ ἑτεροφυὲς ἐν τούτοις παντελῶς ἀπίθανον)“.130 Und in seinem Dialog mit Hermias sagt derselbe: „Es wäre wohl überflüssig und unklug zu meinen, dass der Vater unwillentlich oder willentlich Zeugender ist, er ist es vielmehr von Natur aus und wesensmäßig (φύσει δὲ μᾶλλον καὶ οὐσιωδῶς). Denn er ist nicht in ungewollter Weise, was er natürlicherweise ist, weil er den Willen übereinstimmend mit der Natur hat, zu sein, was er ist.“131 (14,1) Deshalb erklärten sie (ἐθέσπισαν) (scil. die Väter), dass zum göttlichem Wesen und zur göttlicher Natur auch der göttliche naturgemäße Wille und das göttliche Wirken gehören, zu menschlichem Wesen und menschlicher Natur offensichtlich menschlicher Wille und menschliches Wirken, damit sie nicht unter Umständen deswegen, d. h. infolge von einem Willen und einem Wirken auch eine Natur der Gottheit und Menschheit Christi in lehrmäßiger Übereinstimmung mit jenen Häretikern, die in den Irrtum der Vermischung ge-

123 Basilius, Bischof von Caesarea/Kappadokien (370–378). 124 Eunomius, Bischof von Cyzicus (360–362). 125 Vgl.: Ps. Basilius, Contra Eunomium IV,1 (PG 29,676A2). Dort anderer Wortlaut. 126 Amphilochius, Bischof von Iconium/Lykanonien (373–ca. 398). 127 Joh 14,9. 128 Basilius Caes., De spiritu sancto 8,21 (SC 17bis 318,1–5 Pruche). 129 Cyrill, Erzbischof von Alexandrien (412–444). 130 Cyrillus Alex., Thesaurus 32 (PG 75, 517D8-10). 131 Cyrillus Alex., Dial. 2 (PG 75,780A13-B3).

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fallen sind, zu bekennen erlauben; vielmehr verkündigten sie uns fromm durch jeden seiner beiden Willen und jede der beiden Wirkweisen auch jede Natur (δι᾿ ἑκατέρας τοῦ αὐτοῦ θελήσεως καὶ ἐνεργείας ἑκάτεραν ἡμῖν τοῦ αὐτοῦ φύσιν κηρύξωσιν). Wenn es hier nämlich ein naturgemäßes Wirken (μία κατὰ φύσιν ἐνέργεια) gibt, lehren sie, dann gibt es da auch eine Natur; sind da verschiedene Naturen, lehren sie klar, dass die wesenhaften Wirkweisen verschieden sind, weil durch den Unterschied der Natur der Unterschied der natürlichen Wirkweise eingeführt wird (δῆλον ὡς ἔνθα διάφοροι φύσεις, διαφόρους εἶναι τὰς οὐσιώδεις ἐνεργείας παιδεύουσιν, ἐπειδὴ τῷ διαφόρῳ τῆς φύσεως τὸ διάφορον εἰσάγεται τῆς φύσικῆς ἐνεργείας). (14,9) Wie eben für das der Natur nach Selbe mit Fug und Recht Unterschiedslosigkeit gilt, und sie deshalb nämlich eine göttliche und ungeschaffene Natur und auch ein Wirken sowie auch einen Willen bei Vater, Sohn und Heiligem Geist, der heiligen wesenseinen und anzubetenden Dreieinigkeit, lehrten, so verkündeten sie entsprechend bei dem einen für uns fleischgewordenen Gott Logos der Heiligen Dreieinigkeit gemäß der unvermischten und untrennbaren Einheit zwei Naturen und Wirkweisen wie auch Willen (δύο δὲ καταλλήλως φύσεις καὶ ἐνεργείας ὥσπερ οὖν καὶ θελήσεις), ich meine eine(n) jeweils göttliche(n) und menschliche(n) bzw. ungeschaffene(n) und geschaffene(n) ‒ ist es doch unmöglich, dass jede(r) von beiden der Natur nach die(der)selbe ist. Und dies lehrt uns klar der selige Leo, der der Vorsitzende unserer apostolischen Kirche war;132 in seinem zweiten an den Kaiser Leon133 gerichteten Brief erläutert er das betreffs der Willen desselben (scil. Jesu Christi) so: „nach der Gestalt Gottes sind er und der Vater eins, nach der Knechtsgestalt kam er nicht, seinen Willen zu tun, sondern den Willen des, der ihn gesandt hat. Und nach der Gestalt Gottes gab der Vater, insofern er Leben in sich selbst hat, auch dem Sohn Leben in sich selbst zu haben, nach der Knechtsgestalt aber ist seine Seele betrübt bis in den Tod.“134 (15,20)135 Ganz deutlich zeigt er uns, dass ein und derselbe Christus, Gott, entsprechend seinen Naturen zwei Willen hat (secundum naturas duas […] uoluntates), indem er sagt „Wille der Knechtsgestalt“, der der menschliche Wille ist, und durch das, was er den „Willen des, der ihn gesandt hat“ nennt, der naturgemäß der göttliche ist. (15,24) Aber der eben erwähnte Vater sagt auch in seinem Tomus, den er an Flavian seligen Angedenkens geschrieben hat, über die Wirkweisen (de operationibus) unseres selben Heilandes: „Denn jede der beiden Gestalten wirkt (ope-

132 S.o. Anm. 25. 133 Kaiser Leon I. (457–474). 134 Leo I papa, Epistula 165 ad Leonem I imp. (PL 54,1167C7–14; ACO ser. I 2,4 p.117,25–29 Schwartz); darin: Phil 2,6–7; Joh 10,30; 6,38; Mt 26,38. 135 Die Passage 15,20–16,9 ist nur in der lateinischen Übersetzung überliefert.

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ratur enim utraque forma) in Gemeinschaft mit der anderen, was ihr eigen ist: das Wort wirkt, was des Wortes ist, das Fleisch aber vollzieht, was des Fleisches ist; eines von diesen glänzt in Wundern, das andere unterliegt Schmähungen.“136 Diesen (Tomus) hat die heilige Synode von Chalcedon als „Säule des orthodoxen Glaubens“ definiert, das aber bedeutet: der Chor aller heiligen (Väter), weil das, was eine Synode der heiligen Väter offenbar beschließt, bekanntlich alle Synoden und insgesamt alle Väter bestätigen, weil sie ja in ein und demselben Ausdruck des Glaubens miteinander in unauflöslichem Einklang übereinstimmen. Wenn also, wie der vorher erwähnte Vater sagt, ebenderselbe naturhaft und willentlich „wirkt, was“ einer jeden der beiden Naturen „eigen ist“, aus denen und in denen er untrennbar existierend erkannt wird (utriusque naturae ex quibus et in quibus indiuise existens cognoscitur, „quod proprium est“, isdem naturaliter et uoluntariae „operatur“), dann besitzt zweifelsohne ebenderselbe den naturhaften Willen und (die naturhafte) Wirkweise von beiden (sine dubio utriusque naturalem habuit isdem uoluntatem et operationem). Wenn er sie nämlich nicht besessen hätte, würde weder eine jede Natur „wirken, was (ihr) eigen ist“, weil das, was ohne Wirken und Willen wäre, natürlicherweise weder irgendetwas bewirken wird noch überhaupt etwas will, solange feststeht, dass derjenige, der will, durch den Willen das Wollen hat, und derjenige, der wirkt, durch das (Vermögen zu) Wirken von Natur aus die Wirksamkeit des Wirkenden hat (quia per uoluntatem uelle habet qui uult et per operationem naturaliter efficatiam operantis qui operatur), wie auch der, der sieht, durch das Sehvermögen sieht, und der, der hört, wesensgemäß durch das Gehör hört. (17,1) Deshalb nämlich hat er selbst, der um unseretwillen menschgewordene Gott Logos durch seinen göttlichen und ungeschaffenen Willen und (sein göttliches und ungeschaffenes) Wirken das, was seiner göttlichen und väterlichen Natur eigen ist, von Natur aus gewollt und gewirkt (quae sunt propria uolens operabatur), d. h. die Wunder. Weswegen dies auch bezeugt wird durch das Wort: Denn wie der Vater die Toten auferweckt und macht sie lebendig, so macht auch der Sohn lebendig, welche er will.137 Und wiederum erduldete er durch seinen menschlichen, also geschaffenen Willen und (sein menschliches) Wirken das, was der menschlichen Natur eigen ist, aus eigenem Antrieb für uns, d. h. das heilbringende Leiden, weil er selbst, der über die Natur hinaus Gott ist, um unseretwillen Menschliches wollte und Hunger, Durst, Müdigkeit, Betrübnis und Angst auf sich nahm, und nach alle-

136 Leo I pp., Tomus ad Flavianum Archiep. Const. (ACO ser. I 2,1,1 p.14,27–15,1 Schwartz); Das dortige agit wird hier durch operatur ersetzt. 137 Joh 5,21.

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dem auch noch die Erfahrung des Todes zu unserem Heil. (16,9) Und dies bezeugt wiederum auch der Evangelist (folgendermaßen) über ihn: Und er ging in ein Haus und wollte es niemanden wissen lassen und konnte doch nicht verborgen bleiben,138 und wiederum: Und sie gingen von dort weg und zogen durch Galiläa; und er wollte nicht, dass es jemand wissen sollte,139 und: am nächsten Tag wollte Jesus nach Galiläa gehen,140 und: sie gaben ihm Wein zu trinken mit Galle vermischt; und als er’s schmeckte, wollte er nicht trinken.141 Kurz gefasst: Alles, was auch immer der von ihm von uns angenommenen Natur eigen ist, die Sünde ausgenommen,142 ging ‒ auch wenn es Eigentümlichkeiten einer jeden Gestalt bzw. Natur gab ‒ in Gemeinschaft mit der anderen in untrennbarer Einheit hervor, wie der Lehrer (scil. Leo) sagt (πᾶν […] ἴδιον φύσεως […], κἄν ᾖ τὰ ἑκατέρας ἴδια μορφῆς ἤγουν φύσεως […] μετὰ τῆς θατέρου κοινωνίας προήρχετο καθ᾿ ἕνωσιν ἀδιαίρετον). So bewirkte (ἐνήργει) er das Göttliche leibhaft, indem er es durch sein mit einer Geistseele ausgestattetes hochheiliges Fleisch hervorbrachte, das Menschliche aber auf göttliche Weise, denn vollmächtig nahm er schuldlos unseretwegen die Erfahrung dieser Dinge auf sich. Denn er hat keine Sünde getan und in seinem Mund fand sich kein Betrug,143 wie das heilige Wort bezeugt. (16,21) Von daher hat Kyros durch diese orthodoxe Aussage des seligen Papstes Leo widerlegt und offensichtlich bestrebt, sie ‒ vielmehr alle heiligen Väter und die heilige Synode von Chalcedon, zu der, wie ich gesagt habe, das gehört, was von ihr definitiv beschlossen wurde ‒ zu verwerfen, die Zusammenstellung der Neun Kapitel – wie gesagt wurde – angefertigt, Sergios hat die frevelhafte Ekthesis. Diese veröffentlichte er, indem er sie an die äußeren Pforten seiner Kirche144 hängte, und nicht nur das, sondern er hat sie auch noch durch einen eigenen Beschluss (ψήφῳ οἰκείᾳ) zusammen mit einigen von ihm eilig zusammengerafften Bischöfen schriftlich autorisiert (ἐγγράφως ἐκύρωσεν).145 Dabei haben sie nicht die rechtmäßige, im ehrwürdigen Horos dieser heiligen Synode von Chalcedon enthaltene Entscheidung gegen diejenigen, die Neuerungen gegen den makellosen Glauben vornehmen, bewahrt, gegen die (scil. die Synode von Chalcedon) ihr ganzes Bestreben und ihr ganzer Kampf gerichtet war. Weil sie ihr nämlich die gegen die katholische Kirche gerichteten Lehren der Häretiker hinzufügen wollten,

138 Mk 7,24. 139 Mk 9,30. 140 Joh 1,43. 141 Mt 27,34. 142 Hebr 4,15. 143 1Petr 2,22. 144 Also die Hagia Sophia. 145 Gemeint ist die Konstantinopler Synodos endemousa von 636/7.

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hatten sie eine Vermischung mit ihren eigenen Schriften im Sinn. Soviel zu Kyros und Sergios. (16,33) Die Nachfolger des Sergios, Pyrrhos und Paulos, vergrößerten noch durch ihre Torheit das Übel, das wie eine zweite Saat von jenen zu ihnen gekommen war. Der eine, nämlich Pyrrhos, brachte mehrere Bischöfe entweder durch Furcht, dann wieder durch Schmeichelei zu Fall und bestätigte die Gottlosigkeit durch Synodalprotokolle und die eigenhändige Unterschrift (διὰ πράξεως ὑπομνημάτων καὶ ἰδιοχείρων ὑπογραφῶν) gerade der von ihm bedrängten Männer,146 nachdem er seine eigene Irrlehre gegen die Erkenntnis Gottes aufgerichtet hatte. Ihretwegen fing er vor einiger Zeit an, sich zu schämen, denn das verurteilte Übel ist tadelnswert, und war bestrebt, den eigenen Irrtum zu korrigieren. Er kam deshalb alleine hierher147 und überreichte unserem apostolischen Stuhl ein Dokument mit eigener Unterschrift, indem er in diesem Dokument alles, was auch immer von ihm und seinen Vorgängern gegen den makellosen Glauben von uns Christen geschrieben und getan wurde, verurteilte. Nachdem er das gemacht hatte, ist er später wie ein unreiner Hund zu seinem eigenen Erbrochenen der Gottlosigkeit zurückgekehrt148 und zog sich so die kanonische Strafe als gerechte Vergeltung für seinen eigenen Abfall zu. (18,8) Paulos aber wollte die ihm Vorauseilenden darin noch übertreffen und band sich selbst nicht nur durch einen schriftlich an unseren Stuhl gerichteten Brief149 mit dieser sonderbaren Häresie zusammen, sondern hat sich auch noch dreist zu schriftlichen Widerreden gegen die rechten Dogmen der Kirche hinreißen lassen und sich den väterlichen Bestimmungen (ὅροι) entgegengestellt. Deswegen hat er sich auch die angemessene Absetzung aus apostolischer Autorität zugezogen.150 Darüber hinaus war er bemüht, zur Verdeckung seiner eigenen Häresie in Nachahmung des Sergios Geraubtes zu missbrauchen und den hochfrommen Kaiser zu verleiten, den Typos gegen den Glauben zu erlassen.151 In diesem Typos verdrängte er alle Aussprüche der heiligen Väter durch die Worte der unsäglichen Häretiker, indem er festlegte, weder einen noch zwei Willen oder eine oder zwei Wirkweisen bei Christus Gott zu bekennen, so dass er deshalb nunmehr Christus völlig willenlos und wirkungslos, d. h. ohne Wesen und Existenz beschreibt (ἀνεθέλητον παντὴ καὶ ἀνενέργητον τὸν Χριστὸν ὑπο-

146 Gemeint ist die von Pyrrhos i. J. 639 in Konstantinopel durchgeführte Synodos endemousa. 147 Im Jahre 645. 148 2Petr 2,22; Spr. 26,11. 149 S. o. Nr. 10. 150 Papst Theodorus I. reagierte auf den Synodalbrief des Patriarchen Paulos II. (s. o. Nr. 10) mit dessen Absetzung. 151 S. o. Nr. 11.

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γράφειν ἤτοι ἀνούσιον καὶ ἀνύπαρκτον). „Denn das, was überhaupt keine Kraft (δύναμις) besitzt“, wie der heilige Dionysius sagt, „existiert nicht und existiert nicht auf eine gewisse Weise, und es gibt auch durchaus keine Affirmation desselben“,152 denn wie erkannt wird, hat jede Natur nicht anders ihr Sein (und) besteht nicht anders in wahrhaftiger Existenz, als durch das ihr zukommende natürliche und wesenhafte Vermögen, welches sie naturhaft zu prägen pflegt (πᾶσα φύσις οὐχ ἑτέρως οὖσα γινώσκεται καθ᾿ ὕπαρξιν ὑφεστῶσα τὴν ἀληθεστάτην, εἰ μὴ διὰ προσούσης αὐτῇ φυσικῆς καὶ οὐσιώδους δυνάμεως). (18,23) Von daher hat er seine derartige Verkehrtheit verteidigt und sich erdreistet ruchlos zu tun, was noch niemals von anderen Häretikern gewagt worden war. Er zerstörte nämlich den Hausaltar unseres apostolischen Stuhls, der im Placidia-Palast153 in unserer schuldlosen Kapelle heiligmäßig errichtet worden war, und verbot unseren Apokrisiaren, das unblutige und geistige Opfer, d. h. die Hierurgie Gott darzubringen und an seinen göttlichen und lebensspendenden Mysterien zu kommunizieren. Diese verfolgte er wegen der Ermahnung bzw. Beschwörung, die von ihnen ihm gegenüber im Auftrag der apostolischen Autorität wegen dieser Häresie erfolgt waren, zusammen mit anderen orthodoxen Männern und gottgeliebten Priestern; die einen sperrte er ein, die anderen exilierte er, wieder anderen misshandelte er.154 (18,32) Was aber macht es nötig, diese öffentlichen Angelegenheiten der Reihe nach durchzugehen, die doch niemandem gänzlich unbekannt geblieben sind, sind sie doch ‒ wie ich gesagt habe ‒ in so vielen Jahren durch ihn und seine Vorgänger geschehen, um gegen fromme Männer und Lehren ausführliche Erörterungen vorzunehmen? In Folge davon haben sie fast die ganze Welt in Verwirrung gestürzt, und die meisten Orthodoxen (πλεῖστοι τῶν ὀρθοδόξων) aus verschiedenen Orten sahen sich genötigt, gegen sie bei unserem apostolischen Stuhl Anklagen und Beschuldigungen einzureichen, entweder schriftlich als Wunsch und Petition, oder durch persönliches Erscheinen und Bittgesuch, indem sie darauf drängten, das so große und einflussreiche Übel mit apostolischer Vollmacht auszurotten (ἐκκοπὴν […] γενέσθαι δι᾿ ἀποστολικῆς ἐξουσίας),

152 Τὸ γὰρ μηδεμίαν δύναμιν ἔχον, οὔτε ἔστιν, οὔτε τί ἐστιν, οὔτε τις αὐτοῦ παντελῶς θέσις: Ps.-Dionysius Areop., De div. nom. 8,5 (PTS 33,203,2–4, Suchla). Gemeint ist die Kraft bzw. das Vermögen (δύναμις) zur Bewegung, das in aristotelischer Tradition konstitutiv zur Natur von Lebewesen gehört. Die Übersetzung dieses Satzes folgt Beate R. Suchla, Die Namen Gottes. Pseudo-Dionysius Areopagita (BGrL 26), Stuttgart 1988, 83. 153 Der im Nordwesten Konstantinopels befindliche Palast der Galla Placidia war der Sitz der Apokrisiare des Papstes beim Patriarchen von Konstantinopel. 154 Es handelt sich insgesamt um Anwendungen der Sanktionen, die am Ende des Typos als staatliche Strafen bei Nichtbefolgung angekündigt worden waren. S. o. Nr. 11.

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damit die schädliche Krankheit der Ekthesis jener sich nicht über den gesamten Leib der katholischen Kirche verbreitet. (20,2) Deshalb haben die uns vorausgegangenen Bischöfe seligen Angedenkens die schriftlich und mündlich von den Frommen vorgebrachten Petitionen nicht übersehen und nicht geruht, den erwähnten Männern zu verschiedenen Zeiten fürsorglich zu schreiben, indem sie manchmal ermahnten, manchmal auch kanonische Konsequenzen androhten (κανονικῶς ἀπειλοῦντες), dann aber auch ‒ wie erwähnt ‒, indem sie sie durch eigene Apokrisiare bzw. apostolische Männer, die speziell zu dieser Sache von ihnen geschickt wurden, von Angesicht zu Angesicht beschwörten und mündlich ermahnten, damit sie ihre eigene Neuerung (τὴν οἰκείαν καινοτομίαν) korrigieren und zum orthodoxen Glauben der katholischen Kirche zurückkehren. Aber weder durch Bitten noch durch Ermahnungen brachten sie jene zur Umkehr, sondern wie der Herr über die Unheilbaren (περὶ τῶν ἀνιάτως ἐχόντων) sagt: Wir haben euch aufgespielt und ihr wolltet nicht tanzen; wir haben Klagelieder gesungen und ihr wolltet nicht weinen;155 denn ihr Herz ist verstockt, wie geschrieben steht, ihre Ohren hören schwer und die Augen sind geschlossen, damit sie nicht etwas mit den Augen sehen und mit den Ohren hören und mit dem Herzen verstehen und sich bekehren und geheilt werden156 durch die Annahme der heilbringenden Verkündigung. (20,16) Deshalb habe ich auch wegen ihres unbußfertigen Herzens und der von ihnen getäuschten und verdorbenen Seelen, ferner auch ‒ wie schon gesagt ‒ wegen der deshalb an unseren apostolischen Stuhl gerichteten schriftlichen Petitionen der sie Anklagenden, und auch in Furcht vor der bestehenden Drohung für die, die das Werke des Herrn nachlässig ausüben, notgedrungen euch alle, die ihr aus Gnade seine Priester seid, ermahnt und wegen der gegenwärtigen Angelegenheit im Namen des Herrn versammelt. (Und dies deshalb), damit wir alle gemeinsam in der Überzeugung, dass der Herr selbst uns und alles, was wir tun, beobachtet und beurteilt, die genannten Männer bzw. ihre Neuerungen in der Lehre (περὶ […] τῆς ἐν τοῖς δόγμασι καινοτομίας σκεψώμεθα) prüfen, insbesondere weil wir einen apostolischen Auftrag haben, acht zu haben auf uns selbst und die Herde, in der uns der Heilige Geist zu Bischöfen eingesetzt hat, zu weiden die Kirche Gottes, die er durch sein eigenes Blut erworben hat,157 und wiederum uns in Acht zu nehmen vor den Hunden, uns in Acht zu nehmen vor den böswilligen Arbeitern,158 die verkehrtes lehren, um die Jünger an sich zu ziehen,159 damit nicht

155 156 157 158 159

Mt 11,17. Mt 13,15. Apg 20,28. Phil 3,2. Apg 20,30.

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eine bittere Wurzel aufwachse160 und den Glauben schädige durch die Nachlässigkeit derer, die von ihm aufgestellt wurden, das Schlechte auszurotten und das Beste zu pflanzen, also durch uns Priester. (20,29) Weil also jeder von uns ohne Furcht dem das Wort gegeben hat, der den Erdkreis in Gerechtigkeit richten wird161, denn wenn er zurückweicht, heißt es, hat meine Seele kein Gefallen an ihm,162 und besonders weil von uns allen, die wir zu diesem Zweck hier zusammengekommen sind und zu Gericht sitzen (πᾶσιν ἡμῖν τοῖς […] προκαθεζομένοις), die Fülle ihrer Verkehrtheiten gegen den untadeligen Glauben durch die Personen, die sie schriftlich anklagen und natürlich durch das von jenen Geschriebene genau erkannt wurde, möge ein jeder mit göttlicher Inspiration zur Ehre Gottes, der ihn selbst bewegt, den Beschluss fassen (τὸ δοκοῦν σὺν ἐμπνεύσει θείᾳ πρὸς δόξαν αὐτοῦ τοῦ κινοῦντος αὐτὸν διεξιέτω θεοῦ), indem er in allem, was er über diese Angelegenheit zum Schutz und zur Verfassung der katholischen Kirche und über den orthodoxen Glauben denkt und redet, die Furcht (Gottes) voranstellt, was dasselbe ist wie das Heil unserer Seelen, das für uns alle in großer Klarheit die Frucht eines lauteren Bekenntnisses zu unserem Herrn und Gott Jesus Christus darstellt.

13 Die Petition der griechischen Äbte und Mönche auf der Lateransynode (8. Oktober 649) (50,1)163 Ioannes, Presbyter und Abt der frommen Lavra des heiligen Sabas, die in der Wüste nahe der heiligen Stadt Christi, unseres Gottes, liegt, und Theodoros, Presbyter und Abt der frommen Lavra (sc. des heiligen Sabas),164 die in dem Christus liebenden Land Africa liegt, und Thalassios, Presbyter und Abt des frommen Klosters der Armenier, das hier gastweise residiert in dem Kloster, das (Kloster) „des Renatus“ genannt wird, und Georgios, Presbyter und Abt des frommen Klosters der Kilikier, das hier gastweise residiert in dem Kloster, das „bei Aquae Salviae“ genannt wird, und alle frommen Äbte und Mönche, die bei ihnen waren, stellten sich vor die hl. Synode, und sagten [ … .] (Es folgt die Bitte um Verlesung der nachstehenden Petition, der stattgegeben wird). (50,25) An die heilige und apostolische Synode Gottes, die nach dem Wohlgefallen und der Gnade und unteilbaren Gemeinschaft des hochheiligen Geistes

160 Hebr 12,15. 161 Apg 17,31. 162 Hebr 10,38; Hab 2,4. 163 ACO ser. II 1, p.50,1–54,42 (Riedinger). 164 Dies ergibt sich aus seiner Unterschrift.

13 Die Petition der griechischen Äbte und Mönche

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in Harmonie und Eintracht in diesem ruhmreichen und älteren Rom versammelt wurde zur heiligen Bestätigung und Wiederherstellung (πρὸς βεβαίωσιν ἱερὰν καὶ ἀνόρθωσιν) des frommen und makellosen Glaubens von uns Christen auf frommen Befehl und Anordnung des von Gott bestimmten euch und allen vorsitzenden und anführenden Priesters der Priester und Vaters der Väter (κατὰ κέλευσιν ὁσίαν καὶ πρόσταξιν τοῦ θεοκρίτους ὑμῶν τε καὶ πάντων προκαθεζουμένου τε καὶ ἐξάρχοντος ἱερέων ἱερέως καὶ πατρὸς πατέρων), unseres Herrn Martin,165 des dreimalseligen Papstes. Wir, die Gemeinschaft der hier gastweise residierenden Griechischen Äbte und Mönche (τὸ κοινόν τῶν ἐνθάδε παροικούντων Γρaϊκῶν ἡγουμένων καὶ μοναχῶν), der Knechte Eurer Heiligkeit, machen betreffs des Nachstehenden folgende Mitteilung. (50,36) Weil die in der Tat naturhaft anfanglose Weisheit166 Gottes des Vaters, unser Herr, Gott und Heiland Jesus Christus, jeden, der nach dem jetzt in ihm verborgenen, dann aber offenbaren göttlichen Leben fragt, beschwört und ermahnt: Wer mich bekennt vor den Menschen, den werde auch ich bekennen vor meinem himmlischen Vater. Wer mich aber verleugnet und meine Worte, den werde auch ich verleugnen vor meinem himmlischen Vater.167 Und: Wer sein Leben liebt in dieser Welt, wird es verlieren, wer aber sein Leben hasst um meinetwillen, der wird es erhalten zum ewigen Leben,168 haben wir notwendigerweise, Eure Seligkeiten, dem allerheiligsten Glauben an unseren Gott und Heiland Jesus Christus in allen unseren Entscheidungen den Vorzug gegeben, geht doch die Welt dem Ende entgegen und das Leben dem Sterben, ja auch unser eigenes Leben. Und auch früher schon zu der Zeit, als wir in der Region Africa residierten, haben wir gemeinsam (κοινῶς) diesen apostolischen und an der Spitze stehenden Stuhl aufgefordert ‒ dies aber übereinstimmend nicht nur wir, sondern auch jedes Land und jede Stadt bzw. die Gesamtheit der Priester und Gemeinden, die in einer jeden im Glauben wohnen ‒, nicht zu übersehen, dass der orthodoxe Glaube durch Neuerungen verfälscht wurde und die heilige Synode von Chalcedon offensichtlich verworfen wurde (μὴ παριδεῖν τὴν ὀρθόδοξον πίστιν καινοτομηθεῖσαν καὶ τὴν ἁγίαν ἐν Χαλκηδόνι σύνοδον προφανῶς ἐκβληθεῖσαν), ebenso aber auch alle heiligen und berühmten Väter und dies ist durch Sergios, Pyrrhos und Paulos erfolgt, die den Vorsitz in der Kaiserstadt innehatten, und nicht weniger durch Kyros, den vormaligen Bischof der Stadt Alexandria. Diese führten den falschen Glauben der Häretiker (τὴν αὐτῶν τῶν αἱρετικῶν κακοπιστίαν) im Gegensatz zu den orthodoxen Lehren der Kirche 165 166 167 168

Papst Martin I. (649–653). Vgl. 1Kor1, 24. Mt 10,32 f. Joh12,25; Mt 16,25.

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ein, indem sie nämlich in betrügerischer Weise (πανούργως) die Einladung an die gottlosen Häretiker als Vorwand benutzten, um ihre eigene Neuerung zu verbergen und offenbarten so ihre zuvor verborgene Häresie, indem sie festsetzten und entschieden (θεσπίσαντές τε καὶ ψηφισάμενοι), dass die heilige katholische Kirche Gottes bei Christus einen Willen und ein Wirken bekennt (ὡς μίαν ἐπὶ Χριστοῦ θέλησιν καὶ ἐνέργειαν ὁμολογεῖν) in Übereinstimmung mit den Anhängern von Severus, Apolinarius, Nestorius und Theodor, den starrsinnigen Häretikern, die durch Vermischung und Trennung das Geheimnis von Christus-Gott verdorben haben. (52,17) Bei der heiligen und wesenseinen und anzubetenden Dreieinigkeit, die von Natur aus die Ursache alles Seienden und einzige ewige Gottheit ist, und bei dem ganzen himmlischen heiligen Heer der Engel und seiner Ordnung, das dieser seligen Gottheit ohne Unterbrechung den Lobgesang des Dreimalheilig darbringt, und bei den heiligen Aposteln, Propheten, Märtyrern und Lehrern und den heiligen und ökumenischen vier Synoden, derjenigen von Nicaea und derjenigen von Konstantinopel und der ersten von Ephesus und der von Chalcedon, sowie der zum zweiten Mal in Byzanz zusammengekommenen heiligen fünften Synode, und ‒ um es zusammenfassend zu sagen ‒ bei den Heiligen aller Zeiten, durch deren Lehren nicht weniger als durch deren Blut der heilige Glaube bestätigt wurde und feststeht und Euch Hochheiligkeiten überbracht wurde, bitten wir als jetzt Anwesende kniefällig und flehen euch hochheilige Väter alle sowie den apostolischen und an der Spitze stehenden Stuhl an (τὸν ἀποστολικὸν καὶ κορυφαῖον θρόνον), die flehentlichen Bitten der Christen, die sich in so vielen Jahren von überall her (πανταχόθεν) an Gott, ebenso aber an Eure Hochheiligkeiten gewendet haben, nicht zu übersehen und auch nicht die diesbezüglichen Bitten unter Tränen von uns Demütigen sowohl An- wie Abwesenden, sondern auf kanonische und synodale Weise dem von den vorgenannten Männern bekämpften heiligen Glauben Recht zu schaffen und nächst Gott ihn für alle unversehrt, lauter und ohne Neuerungen durch fromme Rede umstrahlt wie früher den orthodoxen Priestern und dem Volk und den Mönchen auf der ganzen Welt zu erhalten, weil die Herzen aller ‒ nach Gott ‒ an euch hängen, seid ihr doch durch Christus zum obersten Haupt gesetzt worden, wie die Kirchen wissen (κορυφαίαν ὑμᾶς ὑπὸ Χριστοῦ τεθειμένους ἐπισταμένων τῶν ἐκκλησιῶν κεφαλήν). (52,35) Deshalb (bitten wir), ebendiese, also Sergios und Kyros und Pyrrhos und Paulos, und die Reden und Lehren ihrer gottlosen Neuerung und alle, die das mit ihnen auf welche Art und Weise, durch welches Wort, zu welcher Zeit und an welchem Ort auch immer mitgetragen haben und zugestimmt haben oder dies tun werden, wegen der Übertretung der väterlichen Definitionen und Lehren (ἐπὶ τῇ παραβάσει τῶν πατρικῶν ὅρων τε καὶ δογμάτων) persönlich dem

13 Die Petition der griechischen Äbte und Mönche

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Anathema zu unterwerfen, jedoch die Entscheidung gegen sie nicht unpersönlich herbeizuführen (ἀναθέματι προσωπικῶς καθυποβάλλειν ἀλλὰ μὴ ἀπροσώπως ἐπαγαγεῖν κατ᾿αὐτῶν τὴν ἀπόφασιν.) Denn dies ist kein Gesetz einer Synode oder der Kirche, eine Entscheidung anonym gegen niemanden zu fällen, insofern die Anklage namentlich vermittelst ihrer Schriften vorgebracht wird (οὐ γὰρ νόμος τοῦτο συνόδου καθέστηκεν ἢ ἐκκλησίας, ὥστε τὴν ἔγκλησιν διὰ τῶν ἐγγράφων αὐτῶν ἐμπροσώπως κομιζομένην ἀπροσώπως ἐποῖσαι κατ᾿ οὐδενὸς τὴν ἀπόφασιν). (54,2) Zusammen mit ihnen soll gerechterweise auch der Typos169 demselben Anathema unterworfen werden, der jetzt gegen den orthodoxen Glauben durch Überrumpelung (ἐκ συναρπαγῆς), und nicht mit Wissen und Zustimmung unseres hochfrommen Kaisers, sondern durch lästige Anstiftung und falsche Lehre des Paulos entstanden ist, der durch den Vorgänger Eurer Hochheiligkeit, Theodorus, den heiligen Papst Eures apostolischen Stuhles, abgesetzt wurde. Im Typos haben sie als Lehre festgelegt (ἐδογμάτισαν), dass der Gott der Herrlichkeit selbst, unser Herr Jesus Christus, gänzlich ohne Wirksamkeit und ohne Willen ist, d. h. ohne Vernunft, seelenlos und bewegungslos (ἀνενέργητὸν πάντη καὶ ἀνεθέλητον, τουτέστιν ἄνουν καὶ ἄψυχον καὶ ἀκίνητον), ähnlich den seelenlosen Götzen der Heiden, über die der große David sagt: Die Götzen der Heiden sind aus Silber und Gold, von Menschenhand gemacht. Sie haben einen Mund und reden nicht, sie haben Augen und sehen nicht, sie haben Nasen und riechen nicht, sie haben Ohren und hören nicht, sie haben Hände und greifen nicht, sie haben Füße und gehen nicht. Die das machen und alle, die auf sie hoffen, mögen ihnen gleich werden!.170 (54,14) Denn all das ist das Wirkungslose und Willenlose in jeder Beziehung, wenn man sagt, dass es niemandem erlaubt sei, bei Christus eine(n) oder überhaupt zwei Wirkweisen oder Willen zu bekennen (μίαν ἢ δύο καθάπαξ ἐνεργείας ἢ θελήματα ὁμολογεῖν), was eine vollkommene Verleugnung (τέλεια καθέστηκεν ἄρνησις) aller heiligen Väter und Synoden, ja mehr noch desselben Geheimnisses Christi Gottes darstellt. Denn niemand von den heiligen Vätern und auch nicht eine der heiligen Synoden hat verkündet und definiert (ἐκήρυξέ τε καὶ ὥρισεν), dass unser Herr und Gott Jesus Christus selbst des göttlichen und menschlichen Wirkens und Willens von Natur aus entbehrt (θείας καὶ ἀνθρωπίνης ἄμοιρον ὄντα κατὰ φύσιν [ … .] ἐνεργείας τε καὶ θελήσεως), sondern sie haben mit Sicherheit festgesetzt (βεβαίως ἐθέσπισαν), dass, so wie eine göttliche und eine menschliche Natur, d. h. zwei Naturen unvermischt und ungetrennt bei

169 S. o. Text Nr. 11. 170 Ps 113,12–16 LXX.

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demselben gemäß der Einung durch das Auftreten seiner unglaublichen und göttlichen Wunder und die Annahme der freiwilligen und menschlichen Leiden bei ein und demselben fleischgewordenen Gott Logos bestätigt wurden (κυρουμένας), so auch ein göttlicher Wille und ein göttliches Wirken und ein menschlicher Wille und ein menschliches Wirken (οὕτω καὶ θείαν θέλησιν καὶ ἐνέργειαν καὶ ἀνθρωπίνην θέλησιν καὶ ἐνέργειαν). (54,24) (Dies haben sie festgesetzt) zur uneingeschränkten und klaren Beglaubigung der wahren Tatsachen, aus denen und in denen und die unser selber einer Herr und Gott ist, nämlich der naturhaften Gottheit und Menschheit desselben, insofern keine von beiden je so bestanden hat, dass sie des natürlichen Wirkens und des (natürlichen) Willens entbehrte (ὡς οὐδετέρας ἀμοίρου καθεστηκυίας ἐνεργείας φυσικῆς καὶ θελήσεως), und um die Frömmigkeit synodal zu bestätigen, indem sie definiert haben, dass so wie zwei Naturen auch zwei natürliche Wirkweisen und Willen desselben einen fleischgewordenen Gott Logos von uns fromm in Ehren zu halten sind (δύο καθάπερ φύσεις οὕτω καὶ φυσικὰς ἐνέργειας τε καὶ θελήσεις […] πρεσβεύειν εὐσεβῶς ἡμᾶς ὁριζόμενοι) gemäß der erwähnten höchst göttlichen Überlieferung der heiligen Väter. (54,30) Es muss von Euren Heiligkeiten klar erkannt werden: wenn etwa von Eurer Seligkeit etwas entschieden wird (ὁρισθῇ), das gleichsam gegen das ist, was wir gesagt haben, d. h. gegen das fromm für die Frömmigkeit Geforderte, ‒ was nicht sein möge, und nicht sei! Denn wir glauben das nicht im Geringsten, wäre es doch für die Vollkommenheit des Glaubens vernichtend ‒, dann würden wir dem Geschehen gegenüber ganz und gar frei und unschuldig dastehen. Deswegen bitten wir Eure Heiligkeit, dass die jetzigen Akten und Verlautbarungen Eurer Heiligkeit zur höchst vollständigen Erbauung und Sicherheit unserer Nichtigkeit bis ins letzte Detail mit aller Genauigkeit um des orthodoxen Glaubens willen in die griechische Sprache übersetzt werden, damit wir darüber in Kenntnis gesetzt im Wissen darum diesbezüglich Euren Seligkeiten unsere Zustimmung vortragen und unhintergehbar in dem bleiben, was ihr ‒ wie gesagt ‒ orthodox gemäß der heiligen Lehre und Überlieferung der heiligen Väter und Synoden um des klaren Bekenntnisses und des Glaubens willen an ihn, unseres Herrn und Gott, entscheidet (ὁρίζετε). (57,1 ff.) (Es folgen die Subskriptionen von 36 griechischen Äbten, Mönchspriestern und Mönchen, unter ihnen an 34. und 35. Stelle die Mönche Maximos und Anastasios, wahrscheinlich identisch mit Maximos Homologetes und seinem engsten Schüler Anastasios Monachos).

14 Die Anathematismen der Lateransynode

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14 Die Anathematismen der Lateransynode (31. Oktober 649) (364,15)171 Auch wenn die Wortführer der Neuerung in feindseliger Weise die gesunden Bestimmungen unserer frommen Lehrer, die sie zur festen Bewahrung des orthodoxen Glaubens dargelegt haben, nicht zu beherzigen verstanden haben – sagt der Prophet doch: Sie wissen nichts und verstehen nichts; denn sie sind verblendet, dass ihre Herzen nichts merken können172– wie es von uns in jeder Hinsicht genau nachgewiesen worden ist, indem die gottlosen Aussagen jener nicht nur durch sich selbst vollständig widerlegt wurden, sondern auch die häretischen und ruchlosen Lehren in allem mit ihnen harmonieren und die väterlichen und synodalen Darlegungen der katholischen Kirche diesen gegenüber vollständig fremd sind; (364,23) so glauben wir doch fromm und ohne Neuerung, wie wir es von ihnen (sc. den frommen Lehrern) empfangen haben – indem wir mit dem Herzen zur Gerechtigkeit glauben und mit dem Munde zur Rettung bekennen wie der selige Paulus sagt,173 – ohne jede Übertretung: Unser Herr und Gott Jesus Christus ist ein und derselbe einziggeborene Sohn, derselbe vollkommen in der Gottheit und derselbe vollkommen in der Menschheit, wahrhaft Gott und derselbe wahrhaft Mensch mit vernünftiger Seele und Leib, wesenseins mit dem Vater der Gottheit nach und derselbe wesenseins mit uns der Menschheit nach, uns in allem gleich außer der Sünde, vor den Zeiten aus dem Vater geboren der Gottheit nach, am Ende der Tage aber derselbe unseretwegen und um unseres Heiles wegen (geboren) aus Maria der immerwährenden Jungfrau und Gottesgebärerin der Menschheit nach, ein und derselbe Christus, Sohn, Herr, Einziggeborener, aus zwei Naturen und in zwei Naturen unvermischt, unverwandelt, ungetrennt und ungesondert erkennbar, wobei niemals der Unterschied der Naturen aufgehoben der Einung wegen wird, vielmehr die Eigentümlichkeit jeder der beiden Naturen ausnahmslos gewahrt wird auch im Zusammenkommen zu einer Person und Hypostase, nicht geteilt oder getrennt in zwei Personen, sondern ein und derselbe eingeborener Sohn, Gott, Logos, der Herr Jesus Christus.174 Und wie wir (glauben), dass seine geeinten Naturen (366,1) unvermischt und unverwandelt zwei sind, so (glauben wir), dass seine naturgemäßen Willen, der göttliche und der menschliche, zwei sind (δύο τὰ κατὰ φύσιν

171 ACO ser. II,1 p.364,15–388,31 (Riedinger). 172 Jes 44,18. 173 Röm 10,10. 174 Concilium Chalcedonense a. 451, Horos (ACO ser. I 2,1,2 p.129,3–130,3 Schwartz); Wohlmuth, Dekrete (s. Anm. 8), 83–84. Ergänzungen im Sinne des V. Ökumenischen Konzils (553) und ein betonender Zusatz im Sinne dieser Lateransynode sind unterstrichen.

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θελήματα), und seine naturhaften Wirkweisen, die göttliche und die menschliche, zwei sind (δύο τὰς φυσικὰς ἐνεργείας) zur vollständigen und ausnahmslosen Bestätigung dessen, dass ein und derselbe, unser Herr und Gott Jesus Christus, von Natur aus (φύσει) vollkommener Gott und wahrhaft vollkommener Mensch ist, die Sünde ausgenommen, und dass er so zugleich auf göttliche und menschliche Weise unser Heil will und wirkt (ὡς θέλοντα τε καὶ ἐνεργοῦντα θεϊκῶς ἅμα καὶ ἀνθρωπικῶς) wie denn seit alters her die Propheten über ihn und Jesus Christus selbst uns gelehrt haben und das Symbol der heiligen Väter es überliefert hat175 und einfach alle ökumenischen fünf Synoden und die anerkannten Prediger der katholischen Kirche. Nachdem dies nun von uns fromm und rechtgläubig gemäß ihrer inspirierten Lehre bekannt worden ist, definieren wir alle in Übereinstimmung und gleicher Meinung folgendermaßen: Summarischer Beschluss der heiligen und apostolischen Synode der heiligen Bischöfe, die im älteren Rom zusammenkam (368,4) Kapitel 1 Wenn jemand nicht gemäß den heiligen Vätern Vater, Sohn und Heiligen Geist im eigentlichen Sinn und wahrhaft (κυρίως καὶ ἀληθῶς) als Dreiheit in Einheit und Einheit in Dreiheit bekennt, d. h. einen Gott in drei Hypostasen, die eines Wesens und gleicher Ehre sind und ein und dieselbe Gottheit der Drei, ein und dieselbe Natur, ein und dasselbe Wesen, ein und dieselbe Kraft, Macht, Herrschaft, Freiheit, ein und derselbe Wille, ein und dasselbe Wirken (μίαν καὶ τὴν αὐτὴν θέλησιν, ἐνεργείαν) und ein und dieselbe Souveränität, ungeschaffen, ursprungslos, unendlich, unveränderlich, schöpferisch und fürsorglich dem Seienden gegenüber und es zusammenhaltend, der sei verdammt. (368,19) Kapitel 2 Wenn jemand nicht gemäß den heiligen Vätern im eigentlichen Sinn und wahrhaft bekennt, dass der eine Gott Logos der heiligen, wesenseinen und anzubetenden Dreiheit selbst aus dem Himmel herabgekommen ist und Fleisch geworden ist aus dem Heiligen Geist und der allheiligen und immerwährenden Jungfrau Maria und Mensch geworden ist, dass er im Fleisch um unseret- und unseres Heiles willen gekreuzigt wurde und freiwillig gelitten hat, dass er begraben wurde und am dritten Tage auferstanden ist und in den Himmel aufgefahren ist und zur Rechten des Vaters sitzt und wiederkommen wird mit seiner väterlichen Herrlichkeit zusammen mit dem vernunftbeseelten Fleisch, das er angenommen hat, um die Lebenden und Toten zu richten, der sei verdammt.

175 Schlussformel des Horos des IV. Ökumenischen Konzils von Chalcedon (451).

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(370,1) Kapitel 3 Wenn jemand nicht gemäß den heiligen Vätern im eigentlichen Sinn und wahrhaft bekennt, dass die heilige, immer jungfräuliche, unbefleckte Maria Gottesgebärerin ist, weil sie diesen im eigentlichen Sinn und wahrhaft vor aller Zeit aus Gott dem Vater geborenen Gott Logos aus dem Heiligen Geist samenlos empfangen und keusch geboren hat, und weil ihre Jungfräulichkeit auch nach der Geburt unauflösbar bestehen blieb, der sei verdammt. (370,13) Kapitel 4 Wenn jemand nicht gemäß den heiligen Vätern im eigentlichen Sinn und wahrhaft bekennt, dass es bei ebendemselben unserem einen Herrn und Gott Jesus Christus zwei Geburten gibt, nämlich die vor aller Zeit aus Gott dem Vater körperlos und in Ewigkeit und die aus der heiligen immerwährenden Jungfrau Maria zu dieser letzten Zeit im Fleisch, und dass derselbe unser einer Herr und Gott Jesus Christus eines Wesens mit Gott dem Vater gemäß der Gottheit und eines Wesens mit der Jungfrau und Mutter gemäß der Menschheit ist, und derselbe leidensfähig im Fleisch, leidensunfähig in der Gottheit, dem Körper nach begrenzt, dem Geist nach unbegrenzt, derselbe ungeschaffen und geschaffen, irdisch und himmlisch, sichtbar und erkennbar, fassbar und unfassbar, damit der ganze Mensch, der unter die Sünde gefallen ist, durch denselben, der ganz Mensch und ganz Gott ist, neu gebildet wird,176 der sei verdammt. (372,1) Kapitel 5 Wenn jemand nicht gemäß den heiligen Vätern im eigentlichen Sinn und wahrhaft bekennt, dass (die Formel) „eine fleischgewordene Natur des Gott Logos“ (μία φύσις τοῦ θεοῦ λόγου σεσαρκωμένη)177 wegen der Aussage „fleischgeworden“ bedeutet, dass unser Wesen vollständig und ausnahmslos in eben dem Christus Gott war, allein die Sünde ausgenommen, der sei verdammt. (372,10) Kapitel 6 Wenn jemand nicht gemäß den heiligen Vätern im eigentlichen Sinn und wahrhaft bekennt, dass unser selber einer Herr und Gott Jesus Christus aus zwei Naturen, Gottheit und Menschheit, und in zwei Naturen, Gottheit und Menschheit existiert, die unvermischt und ungetrennt hypostatisch vereint sind, der sei verdammt.178

176 Gregorius Nazianzenus, Epistula 101 ad Cledonium (SC 208, 42,12–15 Gallay). 177 Vgl.: Concilium Constantinopolitanum a.553, Anathema 8 (ACO ser. I 4,1 p.242 Straub); Wohlmuth, Dekrete (s. Anm. 8), 117. 178 Vgl.: Concilium Constantinopolitanum a. 553, Anathema 7.8 (ACO ser. I 4,1 p.242 Straub); Wohlmuth, Dekrete (s. Anm. 8), 117–118.

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(372,20) Kapitel 7 Wenn jemand nicht gemäß den heiligen Vätern im eigentlichen Sinn und wahrhaft bekennt, dass der wesensmäßige Unterschied der beiden Naturen, aus denen der eine und einzige Christus existiert, auch nach der unaussprechlichen Einung unvermischt und ungetrennt bewahrt bleibt, der sei verdammt. (372,27) Kapitel 8 Wenn jemand nicht gemäß den heiligen Vätern im eigentlichen Sinn und wahrhaft bekennt, dass die zusammengesetzte oder hypostatische Einheit der Naturen, aus welchen der eine und einzige Christus existiert, in ihm ungetrennt und unvermischt erkannt wird, der sei verdammt.179 (374,1) Kapitel 9 Wenn jemand nicht gemäß den heiligen Vätern im eigentlichen Sinne wahrhaft bekennt, dass die naturhaften Eigentümlichkeiten der Gottheit und Menschheit Christi ausnahmslos und unvermindert bewahrt werden zur wahrhaften Bestätigung, dass derselbe naturgemäß vollkommener Gott und vollkommener Mensch ist, der sei verdammt. (374,10) Kapitel 10 Wenn jemand nicht gemäß den heiligen Vätern im eigentlichen Sinn wahrhaft bekennt, dass zwei Willen ein und desselben Christus Gott durch Zusammenwachsen vereint sind (δύο […] τὰ θελήματα συμφυῶς ἡνωμένα), ein göttlicher und ein menschlicher, weil derselbe mit jeder seiner beiden Naturen naturgemäß zu unserem Heil willensbegabt (θελητικόν) ist, der sei verdammt. (374,19) Kapitel 11 Wenn jemand nicht gemäß den heiligen Vätern im eigentlichen Sinne wahrhaft bekennt, dass zwei Wirkweisen ein und desselben Christus Gott durch Zusammenwachsen vereint sind (δύο […] τὰς ἐνεργείας συμφυῶς ἡνωμένας), eine göttliche und eine menschliche, weil derselbe mit jeder seiner beiden Naturen naturgemäß zu unserem Heil handlungsfähig (ἐνεργητικόν) ist, der sei verdammt. (374,27) Kapitel 12 Wenn jemand mit den verfluchten Häretikern eine Natur oder einen Willen oder ein Wirken (μίαν φύσιν ἢ μίαν θέλησιν ἢ μίαν ἐνέργειαν) der Gottheit und Menschheit Christi bekennt, und so das Bekenntnis der heiligen Väter umstürzt und das Heilshandeln (οἰκονομία) dieses unseres Heilandes zunichtemacht, der sei verdammt.

179 Vgl.: Concilium Constantinopolitanum a. 553, Anathema 4 (ACO ser. I 4,1 p. 240–241 Straub); Wohlmuth, Dekrete (s. Anm. 8), 114–115.

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(376,1) Kapitel 13 Wenn jemand mit den verfluchten Häretikern zusätzlich anordnet, zusammen mit den in der Einung bei Christus Gott wesensmäßig bewahrten und von unseren heiligen Vätern fromm verkündeten zwei Willen und zwei Wirkweisen, der göttlichen und der menschlichen, auch einen Willen und ein Wirken im Gegensatz zu der Lehre jener zu bekennen (συνομολογεῖν), der sei verdammt. (376,11) Kapitel 14 Wenn jemand mit den verfluchten Häretikern zusammen mit dem einen Willen und dem einen Wirken, die von eben den Häretikern über Christus Gott frevelhaft bekannt werden, auch die zwei Willen und die zwei Wirkweisen, der/die göttliche(n) und der/die menschliche(n), die bei demselben Christus Gott bei der Einung naturgemäß bewahrt werden und von den heiligen Vätern über ihn verkündet werden, verleugnet und verwirft, der sei verdammt.180 (376,25) Kapitel 15 Wenn jemand mit den verfluchten Häretikern sinnloserweise annimmt, dass das gottmenschliche Wirken (θεανδρικὴν ἐνέργειαν) eines sei und es nicht mit den heiligen Vätern als ein doppeltes bekennt, nämlich ein göttliches und ein menschliches, oder (annimmt), dass die Redeweise „neu“ bei ebendem gottmenschlichen (Wirken) ein Wirken bedeutet,181 nicht aber die unbegreifliche und übernatürliche Einung beider bezeichnet, der sei verdammt. (378,1) Kapitel 16 Wenn jemand mit den verfluchten Häretikern unter Aufhebung der zwei Willen und zwei Wirkweisen, der göttlichen und menschlichen, die bei Christus Gott in der Einung wesensmäßig bewahrt werden und von den heiligen Vätern fromm verkündet werden, törichterweise dem Geheimnis des ihnen gemäßen Heilshandelns (sc. Christi) Uneinigkeit und Trennungen zuteilwerden lässt und deshalb die evangelischen und apostolischen Ausdrücke über den Heiland selbst nicht wesensmäßig einer und derselben Person zuteilt (τὰς εὐαγγελικὰς καὶ ἀποστολικὰς περὶ αὐτοῦ τοῦ σωτῆρος φωνὰς οὐχ ἑνὶ καὶ τῷ αὐτῷ προσώπῳ οὐσιωδῶς ἀπονέμει), nämlich eben unserem Herrn und Gott Jesus Christus gemäß dem vielgepriesenen Cyrill,182 zur Bestätigung, dass derselbe von Natur aus wahrhaft Gott und Mensch ist, der sei verdammt.

180 Bezugspunkt ist der Typos von 648, s. o. Nr. 11. 181 Vgl. Kapitel 7 der alexandrinischen Union von 633, s. o. Nr. 3. 182 Cyrillus Alexandrinus, Epistula 3 ad Nestorium, Anathema 4 (ACO ser. I 1,1,1 p.41,1–4 Schwartz); Wohlmuth, Dekrete (s. Anm. 8), 59.

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(378,19) Kapitel 17 Wenn jemand nicht gemäß den heiligen Vätern im eigentlichen Sinn und wahrhaft alles, was der heiligen katholischen und apostolischen Kirche Gottes durch diese heiligen Väter und die anerkannten fünf ökumenischen Synoden überliefert und verkündet wurde, dem Wortlaut und dem Sinn nach bis ins letzte Detail183 bekennt, der sei verdammt. (378, 29) Kapitel 18 Wenn jemand nicht gemäß den heiligen Vätern im Einklang und gleicher Meinung mit uns mit Herz und Mund all jene verrufenen Häretiker mit all ihren Schriften bis ins letzte Detail184 verwirft und verflucht, die die heilige (380,1) katholische und apostolische Kirche Gottes ‒ d. h. die heiligen und ökumenischen fünf Synoden und eben alle gleichgesinnten und anerkannten Väter der Kirche ‒ verwirft und verflucht, nämlich: Sabellius, Arius, Eunomius, Makedonius, Apolinarius, Polemon, Eutyches, Dioskur, Timotheus Ailurus, Severus, Theodosius, Kolluthus, Themistius, Paulus von Samosata, Diodor, Theodor, Nestorius, Theodulus den Perser, Origenes, Didymus, Euagrius und einfach alle von der katholischen Kirche verworfenen und verstoßenen Häretiker, deren Lehren Erzeugnisse teuflischer Wirksamkeit sind, ebenso auch diejenigen, die bis zum Schluss unbußfertig Ähnliches wie sie gedacht haben, denken oder denken werden, und zusammen mit diesen jene, die in rechtmäßiger Weise durch das, was sie gelehrt haben als mit ihnen gleicher Meinung und gleicher Gesinnung erwiesen sind und die in ihrem eigenen Irrtum ihr Leben vollendet haben, nämlich Theodor, den vormaligen Bischof von Pharan,185 Kyros von Alexandrien,186 Sergios von Konstantinopel187 und dessen Nachfolger Pyrrhos188 und Paulos,189 die in ihrem Irrglauben verharren, und alle ihre ruchlosen Schriften, sowie alle, die bis zum Schluss unbußfertig das Gleiche mit ihnen gedacht haben, denken und denken werden, d. h. einen Willen und ein Wirken (μίαν θέλησιν ἢ μίαν ἐνέργειαν) der Gottheit und Menschheit Christi, und dazu (382,1) die durch Unterschiebung desselben Sergios von Kaiser Herakleios gegen den orthodoxen Glauben herausgebrachte äußerst gottlose Ekthesis,190 die bestimmt hat, einen Willen und implizit auch ein Wirken in Ehren zu halten, und alles,

183 184 185 186 187 188 189 190

Mt 5,18. Mt 5,18. S. o. Anm. 3. S. o. Anm. 6. Sergios I., Patriarch von Konstantinopel (610–638). S. o. Anm. 116. S. o. Anm. 116. S. o. Nr. 8.

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was zu ihrer Unterstützung von ihnen in unfrommer Weise geschrieben und getan wurde, wie auch diejenigen, die sie oder das zu ihrer Unterstützung Geschriebene oder Getane akzeptieren, zusammen damit ferner den durch Anstiftung desselben Paulos jüngst von dem jetzt durchlauchtigst herrschenden Kaiser Konstantin herausgegebenen, gegen die katholische Kirche gerichteten äußerst gottlosen Typos,191 der bestimmt, dass die von den heiligen Vätern bei Christus selbst, unserem wahren Gott und Heiland, fromm verkündeten zwei naturhaften Willen und Wirkweisen, die göttlichen und menschlichen, zusammen mit dem von den Häretikern gottlos bei ihm gepriesenen einen Willen und dem einen Wirken verleugnet und verschwiegen werden (συναξαρνηθῆναι τε καὶ συναποσιωπηθῆναι), und der deshalb festsetzt, sie (scil. die Ekthesis) zusammen mit den heiligen Vätern und auch die verfluchten Häretiker ohne Tadel und Verurteilung ungerechtfertigterweise abzulösen und der so die Horoi und Kanones der katholischen Kirche zerstört: Wenn also nun jemand, wie gesagt, nicht im Einklang mit uns alle diese gottlosen Lehren ihrer Häresie und das zu ihren Gunsten oder zur Verteidigung für irgendjemanden von ihnen allen (384,1) unfromm Geschriebene und die genannten Häretiker selbst, die Feinde der katholischen Kirche sind, nämlich Theodoros, Kyros, Sergios, Pyrrhos und Paulos, verwirft und verflucht, oder wenn jemand überhaupt einen für abgesetzt oder verurteilt betrachtet, der von ihnen oder den ihnen Gleichgesinnten schriftlich oder mündlich auf irgendeine Weise, an irgendeinem Ort oder zu irgendeiner Zeit voreilig abgesetzt oder verurteilt wurde, weil er nicht so wie sie gedacht hat, sondern mit uns die Väterlehre bekannt hat, und diesen ‒ wer er auch sei, d. h. Bischof oder Presbyter oder Diakon oder irgendeines anderen kirchlichen Ranges oder Mönch oder Laie ‒ nicht für fromm und orthodox hält und für einen Verteidiger der katholischen Kirche und in ihr gewiss als in dem Rang bestätigt betrachtet, in welchen er vom Herrn berufen wurde, und der jene unfrommen und ungesetzlichen Urteile und Entscheidungen über diesen nicht als überholt, nicht rechtskräftig und null und nichtig bestimmt, vielmehr als ruchlos, verflucht und verwerflich, der sei verdammt. (384,29) Kapitel 19 Wenn jemand aus voreiliger Torheit von den (Lehren) der verfluchten Häretiker notorisch denkt und meint, dies sind die Lehren der Frömmigkeit, welche die, die Augenzeugen und Diener des Wortes von Anfang an gewesen sind, überliefert haben,192 also die heiligen fünf ökumenischen Synoden, und so eben die heiligen Väter selbst und die heiligen ökumenischen fünf Synoden verleumdet zur

191 S. o. Nr. 11. 192 Lk 1,2.

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Täuschung der Unverdorbenen und zur Weitergabe des eigenen ruchlosen Irrglaubens, der sei verdammt. (386,9) Kapitel 20 Wenn jemand mit den verfluchten Häretikern frevelhaft auf welche Art und Weise, aus welchem Grund, zu welcher Zeit oder an welchem Ort auch immer die Grenzen verrückt,193 welche die heiligen Väter der Kirche dauerhaft gesetzt haben, also die heiligen und ökumenischen fünf Synoden, und sich frecherweise Neuerungen ausdenkt und Darlegungen (ἐκθέσεις) eines anderen Glaubens oder Musterregelungen (τύπους) oder Gesetze oder Definitionen oder Traktate oder Berichte oder Briefe oder Schriften oder unterschriebene Dokumente oder falsche Testimonien oder Synoden oder Protokollakten oder ungültige und nach kirchlicher Norm nicht anerkannte Ordinationen oder satzungsfremde und der Norm widersprechende Stellvertretungen oder Stellvertreter, und ganz einfach: wenn jemand in unredlicher und verschlagener Weise irgendetwas anderes, was die unfrommen Häretiker aus teuflischer Wirksamkeit zu tun gewohnt sind, gegen die katholische Kirche der Frommen und Orthodoxen tut, d. h. gegen ihre väterliche und synodale Verkündigung, und so das lautere Bekenntnis zu unseren Herrn und Gott Jesus Christus zerstört und fortwährend bis zum Schluss unbußfertig solche Dinge gottlos wirkt, ein solcher sei von Ewigkeit zu Ewigkeit verdammt. Und das ganze Volk soll sagen: Amen. Amen!194 Nachdem wir nun fromm und mit aller Genauigkeit (σὺν ἀκριβείᾳ πάσῃ) gemäß der Anordnung des Herrn Bestimmungen aufgestellt haben, und das Unkraut und alle, die Ärgernisse verursachen, zusammen mit der Spreu ihres häretischen Denkens ins Feuer des mit apostolischer Autorität gefällten kanonischen Urteils geworfen haben, den Weizen aber des orthodoxen und makellosen Glaubens von uns Christen an ihn in der Scheune bzw. seiner heiligen katholischen Kirche mit der Worfschaufel der Väterlehre sicher gesammelt haben,195 stimmen wir mit dem Propheten Zephania Siegeslieder für sie an: Freue dich, Tochter Zion! Rufe laut, Tochter Jerusalem! Juble und jauchze aus ganzem Herzen, Tochter Jerusalem! Der Herr hat die Übeltaten deiner Gegner von dir genommen. Er hat dich aus der Hand deiner Feinde erlöst. Der Herr herrscht in deiner Mitte, du wirst kein Übel mehr sehen,196 ist doch von dir jede häretische Neuerung beseitigt worden und der ganze orthodoxe Glaube in Geltung gesetzt worden (πάσης ἀποβληθείσης καινοτομίας αἱρετικῆς καὶ πάσης σοι κυρωθείσης ὀρθοδόξου πίστεως) zum Ge-

193 194 195 196

Prov. 25,18. Ps 106,48. Vgl. Mt 3,12. Zeph.3,14–15.

15 Der Horos des VI. Ökumenischen Konzils

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winn des ewigen Lebens von Christus dem Gott und Heiland unserer Seelen.197Ihm sei zusammen mit dem Vater und dem Heiligen Geist Ruhm, Ehre, Macht und Anbetung jetzt und allezeit und in alle Ewigkeit. Amen. (Es folgen die Unterschriften von 106 Bischöfen mit Papst Martin I. an der Spitze sowie drei weiteren, die nachträglich unterzeichnet hatten.)

15 Der Horos des VI. Ökumenischen Konzils (16. September 681) (768,1)198 Die heilige und große ökumenische Synode, die durch Gottes Gnade und auf fromme Anordnung des äußerst frommen und gläubigen großen Kaisers (μέγας βασιλεύς) Κonstantin199 in dieser gottbehüteten Kaiserstadt Konstantinopel Neu-Rom zusammengeführt wurde im Sekretron des göttlichen Palastes, dem sogenannten Trullos,200 hat das Folgende beschlossen: (768,6) Der einziggeborene Sohn und Logos Gottes des Vaters, der – in allem uns gleich die Sünde ausgenommen – Mensch geworden ist, Christus, unser wahrer Gott, hat mit den Worten des Evangeliums laut verkündet: Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.201 Und wiederum: Meinen Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch.202 Durch diese von Gott verkündete Lehre des Friedens in göttlicher Weisheit geführt, brachte unser gütigster Kaiser, der Verteidiger der Rechtgläubigkeit und Bekämpfer der Irrlehre, diese unsere heilige ökumenische Versammlung zusammen und vereinigte das Ganze der Kirche. Daher hat unsere heilige und ökumenische Synode den seit einiger Zeit bis jetzt andauernden ruchlosen Irrtum weit von sich gewiesen und ist dem geraden Pfad der heiligen und anerkannten Väter unbeirrt gefolgt. Sie stimmt in allem mit den heiligen fünf ökumenischen Synoden überein – mit der (Synode) der 318 in Nicaea zusammengekommenen heiligen Väter gegen den wahnsinnigen Arius; mit der danach in Konstantinopel (versammelten Synode) der 150 gotttragenden Männer gegen den Pneumatomachen Makedonius und den ruchlosen Apolinarius; ebenso auch mit der in Ephesus erstmals zusammengetretenen (Synode) der 200 gegen den jüdisch gesinnten Nestorius weissagenden

197 Tit 2,13; 1 Petr 2,25. 198 ACO ser II. 2,2 p.768,1–776,27 (Riedinger). 199 Kaiser Konstantin IV. (668–685). 200 Von einer Kuppel überwölbte große Halle im Konstantinopler Kaiserpalast. 201 Joh 8,12. 202 Joh 14,27.

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Übersetzungen

Männer und mit der (Synode) in Chalcedon der 630 inspirierten Väter gegen die Gotteshasser Eutyches und Dioskur; dazu auch mit fünften und letzten (Synode) davon, die hier versammelt wurde gegen Theodor von Mopsuestia, Origenes, Didymus und Euagrius und gegen die Schriften Theodorets gegen die 12 Kapitel des berühmten Cyrill und den sogenannten Brief des Ibas an den Perser Mari – indem sie ohne Neuerungen in allem die Beschlüsse der Frömmigkeit erneuerte, die frevelhaften und ruchlosen Lehren jedoch verbannte. Und unsere heilige und ökumenische inspirierte Synode besiegelte auch das von den 318 Vätern dargelegte und erneut von den 150 (Vätern) in göttlicher Gesinnung bestätigte Symbol, das auch die übrigen heiligen Synoden zur Vernichtung jeder seelenzerstörenden Häresie von Herzen angenommen haben. (770,5–35) (Es folgen die beiden Glaubensbekenntnisse von Nicaea [325] und Konstantinopel [381]). (772,1) Die heilige und ökumenische Synode sprach: Dieses fromme und rechtgläubige Symbol der göttlichen Gnade hätte eigentlich zur Erkenntnis und Bestätigung des orthodoxen Glaubens genügt. Aber weil der Erfinder der Bosheit von Anfang an nicht ruhte und die Schlange als Mitarbeiterin ersann, durch die er der menschlichen Natur das Gift des Todes beibrachte, so fand er auch jetzt geeignete Werkzeuge für sein eigenes Vorhaben, nämlich Theodor, den vormaligen Bischof von Pharan,203 Sergios,204 Pyrrhos,205 Paulos206 und Petros,207 die ehemaligen Vorsitzenden dieser Kaiserstadt, ferner auch Honorius, den ehemaligen Papst des älteren Rom,208 Kyros, den früheren Bischof von Alexandrien,209 Makarios der jüngst noch Vorsitzender von Antiochien war210 und dessen Schüler Stephanos. Durch sie ruhte er nicht, in der ganzen Kirche das Ärgernis des Irrtums eines Willens und eines Wirkens (τῆς πλάνης ἐπεγείρειν τὰ σκάνδαλα ἑνὸς θελήματος καὶ μιᾶς ἐνεργείας) bei den zwei Naturen des Einen der heiligen Dreieinigkeit, Christus, unseres wahren Gottes zu erregen. So säte er im rechtgläubigen Volk mit neuen Ausdrücken (καινοφώνως) die Häresie, die mit der unsinnigen falschen Meinung der Frevler Apolinarius, Severus und Themistius übereinstimmt und infolge einer gewissen listenreichen Überlegung eifrig bestrebt war, die vollständige Menschwerdung unseres einen Herren Jesus Christus aufzuheben, indem sie deshalb lästerlich dazu

203 204 205 206 207 208 209 210

S.o. Anm. 3. S. o. Anm. 187. S. o. Anm. 116. S. o. Anm. 116. Petros I., Patriarch von Konstantinopel (654–666). Papst Honorius I. (625–638); vgl. Nr. 6. S. o. Anm. 6. Makarios I., Patriarch von Antiochien (669–681).

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führte, dass sein vernunftbeseeltes Fleisch willenlos und wirkungslos sei. Darum nun erweckte Christus, unser Gott, den gläubigen Kaiser, den Neuen David, den er als Mann nach seinem Herzen befand,211 der nach dem Schriftwort seinen Augen keinen Schlaf gönnte, noch Schlummer seinen Lidern,212 bis er durch diese unsere heilige von Gott zusammengerufene Versammlung die vollkommene Verkündigung der Rechtgläubigkeit erwirkte, nämlich nach dem göttlichen Wort: Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.213 (772,23) Diese gegenwärtige heilige und ökumenische Synode hat vertrauensvoll und mit offenen Armen den Bericht (ἀναφορά) des hochheiligen und seligen Papstes des älteren Rom, Agatho,214 begrüßt (ἀσπασαμένη), den er an unseren äußerst frommen und gläubigen Kaiser Konstantin gerichtet hatte, welcher (scil. der Bericht) namentlich diejenigen verwirft, die – wie zuvor erklärt wurde – einen Willen und ein Wirken beim Heilswerk im Fleisch (ἓν θέλημα καὶ μίαν ἐνέργειαν ἐπὶ τῆς ἐνσάρκου οἰκονομίας) unseres Herrn Jesus Christus, unseres wahren Gottes, verkünden und lehren. Ebenso wurde der andere Synodalbericht (συνοδικὴ ἀναφορά) der unter demselben hochheiligen Papst zusammengetretenen heiligen Synode der 125 gottgeliebten Bischöfe an seine gottesweise Durchlaucht gebilligt (προσηκαμένη), weil ja beide mit der heiligen Synode von Chalcedon und dem Tomus des hochheiligen (774,1) und seligen Papstes des älteren Rom, Leo,215 übereinstimmen (συμφωνούσας), den er an den unter den Heiligen weilenden Flavian geschickt hatte216 und den diese Synode „Säule der Orthodoxie“ genannt hatte. Ferner stimmen beide auch mit den Synodalbriefen überein, die von dem seligen Cyrill217 gegen den gottlosen Nestorius und an die Bischöfe des Ostens geschrieben wurden.218 (774,4) Indem diese gegenwärtige heilige und ökumenische Synode den fünf ökumenischen Synoden und den heiligen und anerkannten Vätern folgt, definiert sie übereinstimmend und bekennt, dass unser Herr Jesus Christus, unser wahrer

211 Vgl. Apg 13,22. 212 Ps 131,1 (LXX). 213 Mt 18,20. 214 Papst Agatho I. (678–681). 215 Papst Leo I. (440–461). 216 Leo I. pp., Tomus ad Flavianum (ACO ser. I 2,2,1 p.24,15–33,10 Schwartz); (Carlos SilvaTarouca, Hg., S. Leonis Magni Tomus ad Flavianum Episcopum Constantinopolitanum [Textus et Documenta, Series theologica 9; Rom, 1932], 20–33. 217 S. o. Anm. 129. 218 Gemeint ist der zweite Brief Cyrills an Nestorius (Καταφλυαροῦσιν) (CPG 5304) und der Brief Cyrills an Johannes von Antiochien vom April 433 (Laetentur caeli) (CPG 5339), die beide zusammen mit dem Tomus Leonis durch die Synode von Chalcedon autorisiert worden waren.

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Übersetzungen

Gott, einer aus der heiligen wesenseinen und lebensspendenden Dreiheit ist, vollkommen in der Gottheit und derselbe vollkommen in der Menschheit, wahrhaft Gott und derselbe wahrhaft Mensch mit vernünftiger Seele und Leib, wesenseins mit dem Vater der Gottheit nach und derselbe wesenseins mit uns der Menschheit nach, uns in allem gleich außer der Sünde, vor den Zeiten aus dem Vater geboren der Gottheit nach, am Ende der Tage aber derselbe unseretwegen und um unseres Heiles wegen der Menschheit nach (geboren) aus Maria der Jungfrau, der im eigentlichen Sinne wahrhaften Gottesgebärerin, ein und derselbe Christus, Sohn, Herr, Einziggeborener, in zwei Naturen unvermischt, unverwandelt, ungetrennt und ungesondert erkennbar, wobei niemals der Unterschied der Naturen der Einung wegen aufgehoben wird, vielmehr die Eigentümlichkeit jeder der beiden Naturen gewahrt wird auch im Zusammenkommen zu einer Person und Hypostase, nicht geteilt oder getrennt in zwei Personen, sondern ein und derselbe eingeborener Sohn, Gott, Logos, der Herr Jesus Christus, wie die Propheten von Anfang an über ihn lehrten und er selbst, Jesus Christus, uns gelehrt hat und wie es uns das Glaubensbekenntnis der heiligen Väter überliefert hat,219 und dass zwei naturhafte Willensvermögen oder Willen und zwei naturhafte Wirkweisen (καὶ δύο φυσικὰς θελήσεις ἢτοι θελήματα ἐν αὐτῷ καὶ δύο φυσικὰς ἐνεργείας) ungesondert, unverwandelt, unteilbar und unvermischt in ihm sind gemäß der Lehre der heiligen Väter. (774,22) Ebenso verkünden wir auch zwei nicht entgegengesetzte naturhafte Willen – das sei ferne! – wie es die unfrommen Häretiker behaupteten, sondern dass sein menschlicher Wille folgsam ist und nicht widerstrebt oder sich widersetzt, sondern sich seinem göttlichen und allmächtigen Willen unterordnet. Denn es musste der Wille des Fleisches bewegt werden und dem göttlichen Willen untergeordnet werden nach dem allweisen Athanasius,220 so wie sein Fleisch Fleisch des Gott Logos genannt wird und es auch ist und so auch der naturhafte Wille seines Fleisches der eigene Wille des Logos genannt wird und es auch ist, wie er selbst sagt: Ich bin vom Himmel gekommen, nicht dass ich meinen Willen tue, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat221; hier nennt er den Willen seines Fleisches seinen eigenen, weil auch das Fleisch sein eigenes geworden ist.222 Auf die Weise wurde sein allheiliges und untadeliges Fleisch nicht aufgehoben, indem es vergöttlicht wurde, sondern es verblieb in seinen eigenen Grenzen und seinem Wesensbestand, infolgedessen wurde auch sein menschlicher Wille nicht aufgehoben, indem er vergöttlicht wurde; er wird

219 Concilium Chalcedonense a. 451, Horos (ACO ser. I 2,1,2 p.129,23–130,3 Schwartz); Wohlmuth, Dekrete (s. Anm. 8), 83–84. 220 Athanasius Alexandrinus, Homilia in: Nunc anima mea turbata est (PG 26,1241D). 221 Joh 6,38. 222 Athanasius Alexandrinus, Homilia in: Nunc anima mea turbata est (PG 26,1241D).

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vielmehr bewahrt, wie Gregor der Theologe sagt: Wenn man nämlich sein Wollen dem Heiland gemäß bedenkt, dann ist es keineswegs Gott entgegengesetzt, sondern ganz vergöttlicht.223 (776,1) Ferner preisen wir auch zwei naturhafte Wirkweisen (δύο δὲ φυσικὰς ἐνεργείας) ungesondert, unverwandelt, unteilbar und unvermischt in Jesus Christus selbst, unserem Herrn und wahren Gott; das heißt, eine göttliche und eine menschliche Wirkweise ganz wie der gottverkündende Leo sagt: Denn jede der beiden Gestalten tut in Gemeinschaft mit der anderen, was ihr eigen ist: das Wort wirkt, was des Wortes ist, und das Fleisch vollzieht, was des Fleisches ist.224 Denn wir werden doch wohl nicht ein naturhaftes Wirken für Gott und das Geschöpf konzedieren, damit wir das Gemächte nicht zum göttlichen Wesen erheben, noch das Außerordentliche der göttlichen Natur auf die Ebene herabziehen, die dem Erzeugten zukommt.225 Denn wir erkennen die Wunder und das Leiden ein und desselben je nach dem einen und dem anderen der Naturen, aus denen er ist und in denen er das Sein hat, wie der herrliche Cyrill sagte. (776,11) Indem wir also in jeder Hinsicht sowohl das Unvermischt als auch das Ungesondert bewahren, verkünden wir das Ganze in folgender Kurzfassung (συντόμῳ φωνῇ): Weil wir glauben, dass unser Herr Jesus Christus, unser wahrer Gott, auch nach der Fleischwerdung Einer aus der heiligen Dreieinigkeit ist, sprechen wir von seinen beiden Naturen in seiner einen durchscheinenden Hypostase (φάμεν τὰς δύο αὐτοῦ φύσεις ἐν τῇ μιᾷ αὐτοῦ διαλαμπούσῃ ὑποστάσῃ), in welcher er während seines gesamten heilschaffenden Wandels sowohl die Wunder als auch die Leiden nicht nur scheinbar, sondern wahrhaftig sehen ließ; dabei wird der naturhafte Unterschied in dieser einen Hypostase daran erkannt, dass jede der beiden Naturen in Gemeinschaft mit der anderen ungesondert und unvermischt das ihr Eigene will und wirkt (τῷ μετὰ τῆς θατέρου κοινωνίας ἑκατέραν φύσιν ἀδιαιρέτως καὶ ἀσυγχύτως θέλειν τε καὶ ἐνεργεῖν τὰ ἴδια). Aus diesem Grunde also preisen wir sowohl zwei naturhafte Willen wie auch Wirkweisen, die zum Heil des Menschengeschlechtes in jeweiliger Entsprechung zusammenkommen. (776,20) Nachdem dies nun von uns allenthalben mit aller Genauigkeit und Sorgfalt formuliert worden ist, bestimmen wir, dass es niemandem erlaubt ist, einen anderen Glauben vorzubringen, niederzuschreiben oder abzufassen oder anders zu denken und zu lehren. Diejenigen, die es wagen, einen anderen Glauben

223 Gregorius Nazianzenus, Oratio 30,12 (PG 36,117c). 224 Leo I. pp., Tomus ad Flavianum (ACO ser. I 2,2,1 p.28,12–14 Schwartz). 225 Cyrillus Alexandrinus, Thesaurus 32 (PG 75,453BC).

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Übersetzungen

abzufassen, vorzubringen oder zu lehren oder ein anderes Symbol denen überliefern, die sich aus dem Heidentum, dem Judentum oder irgendeiner Häresie zur Wahrheit bekehren wollen, oder es wagen, neue Ausdrücke oder ein erfundenes Wort zur Verdrehung des von uns jetzt Definierten einzuführen, diese werden, seien es Bischöfe oder Kleriker, vom Bischofsamt bzw. vom Klerus ausgeschlossen; wenn es Mönche oder Laien sind, werden sie mit anathematisiert.226

226 Concilium Chalcedonense a. 451, Horos (ACO ser. I 2,1,2 p.130,4–11 Schwartz).

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Register 1 Quellen Altes Testament Gen 14,18–20 408 1Kö 2,30LXX 394 Ps – 67,36LXX 395 – 110,1–4 408 Prov 10,7LXX 394 Dan – 2,7 98f., 413 – 3,26–45 414–420 – 3,52–88 414 – 7,2–26 101 2Makk 7,32.37 417 4Makk 17,22 417 Neues Testament Mt – 8,3 520 – 11,27 520 – 14,25 520 – 16,16–18 429, 444 – 24,15 413 – 24,22 96 – 26,39 22, 520, 546, 599 Mk – 5,41f. 22 – 5,35–42 594f. – 7,24 520 – 13,14 413 Lk – 21,7–36 90, 622 – 22,32 444 – 22,42 599 Joh – 1,29.36 450 – 4,3 520 – 4,34 520 – 5,21 520 – 6,38 22, 507, 520 – 6,53 594

https://doi.org/10.1515/9783110714531-020

– 7,1 520 – 21,15–17 444 Röm – 7,23–25 223 – 11,25–27 101 2Kor 5,21 22 2Thess – 2,1–8 99, 106 – 2,4 90, 413 – 2,6–8 90, 347, 413, 622 Phil – 2,6–8 520 – 2,7 520 Kol 1,24 418 1Tim – 2,4 13, 37 – 3,14–16 151f. – 4,1 96 2Tim – 4,4 96 1Joh – 2,18.22 90, 413 – 4,2f. 90f., 413 Hebr – 1,4 22 – 7,1–17 408 Weitere Quellen Agatho, pp. – Ep. ad Const. IV imp. 517–526 Anastasius Apocrisiarius – Ep. ad Theodosium Gangrensem 393–395, 459–461 Anastasius Patriarcha Antiochenus – Capita philosophica 604f. – De operationibus 606–609, 655f. Anastasius Bibliothecarius – Collectanea 195, 203–205, – Ep. ad Iohannem diaconum 203f.

752

Register

Anastasius Sinaita – Homilia tertia 15, 20, 79–82, 474f. – Synopsis de haeresibus er synodis 446f., 475f. Concilium Chalcedonense (a.451) XI, 506, 509–511, 514 Concilium Constantinopolitanum (a.680/1) 23, 27, 499–517, 530–550, 711–716 Concilium Lateranense (a.649) 21, 69, 309–343 Concilium Lateranense (a.680) 526, 688–711 Constans II., imp. – Ep. ad Iohannem IV., pp. 212f. Contra Constantinopolitanos 397f., 465f. Cyrillus Alexandrinus – In Ioann. Ev. IV 594f. – Ep. 56 57 – Ep. 57 57 – Ep. 72 57 Cyrus, Patr. – Ep. ad Sergium Patr. (633) 13 – Ep. ad Sergium Patr. (639) 170 Διήγησις τῆς μονοθελητῶν αἱρέσεως 183f., 228–231, 489 (Ps.) Dionysius Areopagita – Ep. 4 ad Gaium 601, 609f. Disputatio Bizyae (CCSG 39,73–151) – 83–115 3, 49 – 97–106 49 – 106–166 49, 66 – 167–174 49 – 176–183 50, 67 – 261–277 27 – 416–419 68

– 629–649 50 – 647–661 10, 50, 67 – 676–682 50 – 683–691 67 – 689f 26 – 695 66 – 707–712 67 – 713–734 68 Disputatio Maximi c. Pyrrho (PG 91, 288–353) – 289D 11 – 296D 22 – 300D 21 – 304B 11 – 316BC 23 – 328AB 27 – 332B 120, 260, 586 – 332C 27 – 333AB 11 – 336D 21 – 352D 29 Doctrina Jacobi nuper baptizati 101 Ecthesis Heraclii imp. 8, 21, 63f., 675–678 Georgios Pisides – Bellum Avaricum 18 Gregorius II., pp. – Ep. ad Leonem III. imp. 483–488 Gregorius Nazianzenus – Oratio 21 54 – Oratio 41 55 – Oratio 43 55 Honorius I., pp – Ep. I ad Sergium 24f., 41f., 668–672 Iohannes IV., pp. – Apologia Honorii 203–224 Leo I., pp. – Tomus ad Flavianum 502f., 504–530

1 Quellen

– Ep. 124 553 – Ep. 165 523, 553 Martinus I. pp. – Ep. 15 96 – Ep. 3 97, 347 Maximus Confessor – Opuscula theol. et pol. – 1 281 – 5 21 – 6 201 – 7 201, 278, 616f., 618 – 9 332, 618f. – 10 16, 280, 580 – 11 29, 52, 320 – 12 (ad Petr. Ill.) 11, 126–132, 180, 282f. – 15 21 – 19 281 – 20 201, 222f., 244, 279f., 615f., 618, 641 – Epistulae – 14 89f., 116 – 15 23, 116 – 19 116f. – 20 274–278 – Ep. ad Anastasium monachum 427 – Ep. ad Thalassium 195

– 249–264 – 287–290 – 320 67 – 334 45 – 353ff. 10 – 368–378 – 430–439 – 464f 68

753

3, 68 67

132f. 3

Sergius I., Patr. – Ep. ad Honorium pp. 13f., 16, 34f., 36–39, 62f., 114f., 117, 662–667 – Ep. ad Cyrum Phas. 22, 263 Sergius Archiep. Cyprii – Epist. ad Theodorum I pp. 283–292, 679–681 Sophronius – Ep. synodica 83f., 114–119, 592, 611 – Sermo de nativitate 19, 84f. – Sermo de baptismo 85f. Stephanus Dorensis – Accusatio 12, 16, 87f. Synodicon vetus 15, 182f., 226, 488

Michael Syrus (ed. Chabot) – 402 18 – 405–408.412 16

Theodorus I., pp. – Epistula synodica 224f.

Photius, Patr. – Bibliotheca Cod. 227 53, 56

Theodorus Pharanita – Praeparatio 574–584 – „Fragmenta haeretica“ 584–603, 656–658

Psēphos (633) 7, 24, 40, 115f. Relatio motionis (CCSG 39,12–51) – 33–37 92 – 127–131 45, 68 – 135–142 10, 26, 45, 68 – 143–147 66 – 151f. 68 – 162–174 15, 26, 33, 70 – 211f. 67 – 246–248 25

Theodorus Spudaeus – Hypomnesticum 395–397, 461–464 Theophanes Confessor – Chronographia 20, 107, 502f., 504–530 Typus (648) 25, 46, 686–688 Unionis Decretum (633) 7, 15, 39, 60–62, 658–661

754

Register

2 Griechische Termini ἀδελφοποίησις 255 ἀδιάβλαπτα πάθη 591 ἀθέλητος 505, 512f., 531 ἄθλησις 397 ἀθλητής 476 αἰσθητήρια 589 ἀκέφαλος 264 ἀκίνητος 327, 534 ἀκολουθία τῶν πραττομένων 311 ἀκολουθία τῶν πεπραγμένων 309 ἀκρίβεια 14, 38, 56, 58, 67, 258, 269 ἀκριβολογεῖσθαι 58 ἀνὰ μέρος 575, 591, 606 ἀναντίρρητον 328 ἀναφορά 314 ἀνεθέλητος 327, 534 ἀνενέργητος 327, 505, 513, 531, 534 ἄνουν 327, 534 ἀνούσιος 327, 534 ἀντίδοσις, ἐκ θεοῦ 20, 81 – τρόπος ἀντιδόσεως 544 ἀντικείμενος 90 ἀντικειμένη δύναμις 89f. ἀντίληψις 598 Ἀντίχριστος 89 ἀμφισβήτησις 46 ἀναίρεσις, ἀναιρεῖν 50, 66, 68 ἀνύπαρκτος 327 ἀποκάλυψις θεῖα 396 ἀποστασία 322 ἀποτέλεσμα 539, 543, 612 – ἕν 543, 608, 615, 619 ἀρχηγὸς τῆς σωτηρίας 280 ἀσωμάτως 601 αὐτεξούσιον 546 αὐτουργικῶς 613 ἀφαίρεσις 49, 66 ἄψυχος 327, 534 Βαβυλὼν ἑπτάλοφε 398, 413 βασιλεύς 416f. – καὶ ἱερεύς 406–410, βδέλυγμα τῆς ἐρημώσεως 85 βιβλία ὀνειροκριτικά 94

γνώμη, οἰκεία 25, 42, 546 δακτύλῳ θεοῦ 396 δέησις καὶ ἱκεσία 310, 314 δέησις συνοδική 412 δεσποτεία 135, 160 δημιουργός 597, 600 διάστασις 46, 48 διὰ μέσης νοερᾶς ψυχῆς καὶ σώματος 593 δίκαιος 398 διχόνοια 46 διωγμός 398 διώκειν 395 δόγμα ἐκκλησιαστικόν 25, 41f. δόγματα ὀρθοί 38 – (siehe κύριον δόγμα) δύναμις 116, 531, 539, 542, 612 – αὐθυπόστατος 613 – τῆς αὐτεξουσιότητος ἐν ἡμῖν δ. 513, 546 – κατὰ φύσιν συστατική 610 – φυσική 538, 604 ἔγκλησις 310 ἐγκωμίαζειν 394 εἰρήνην οἰκονομεῖν 45 ἐκβάλλειν 322 ἑκουσίως 541 ἐνδημίας τοῦ πονηροῦ 413 ἔνδοσις 596 ἐνέργεια 114, 116, 119, 125, 604 – ζωτική 539 – θεανδρική 39, 76, 201, 278, 303, 340, 540 – θεοπρεπής καὶ ἀνθρωποπρεπής 115, 303, 341 – κατὰ φύσιν 512, 579f., 619 – μία ΧΙΙ 25, 38f., 41, 62, 97, 115, 119, 183f., 261, 263, 267, 278f., 505, 512, 542, 589–603, 607–609, 616 – μία φυσική 508, 624 – μία τε καὶ συγγενής 595, 616 – οὐδιώδης 119, 513, 531 – ὑποστατική 580 – φυσική 116, 201, 304, 322, 328, 500, 531, 610

2 Griechische Termini

ἐνεργεῖν 116, 160 – ἐκ φύσεως 50, 324, 428 – τὰ ἴδια 508 ἐνέργειαι (φυσικές) δύο 22, 25, 41, 62, 97, 115, 201, 226f., 263, 324, 427f., 500, 508, 535, 606 ἐνέργημα 579 ἐνεργητικóς 67, 531 ἐνεργοῦν, τό 578 ἐνεργῶν, ὁ 83, 201, 606 ἑνοειδῶς 614 ἐνθεσμῶς 309 ἑνίζειν 542 ἕνωσις – ἄκρα 541 – κατὰ σύνθεσιν 549 – ἐκκλησιῶν 47 ἐξουσία 135, 160 ἐπιεικῶς 37 ἐπικύρωσις 512 ἐπιτηδειότης 616 ἐπιφοίτησις 411 ἔργον 116, 539, 543, 615 ἔρις 46 ἑτερομέρησις 558 ἡγούμενος 275 ἠρεμία 578, 589, 591 θαῦμα 396 θαυμάσια 399 θέλειν 278 – ἁπλῶς θέλειν 538 – πῶς θέλειν 538 – ἐκ φύσεως 50, 324, 428 – τὰ ἴδια 508 – τεθεώμωνον 544 θέλημα 223, 599 – αὐθέντικον 135, 160 – γνωμικόν 546 – ἕν 12, 120, 161, 171, 201, 279, 505, 512 – θεωθέν 507 – ἴδιον 507 – οὐ διάφορον 532f. – οὐσιῶδες 513 – φυσικόν 201, 220, 304, 322, 512

θελήματα (φυσικά) δύο 201, 501, 507f. – ἐναντία 124, 191, 535 θέλησις 324 – ἀνθρωπίνη 50, 324, 428 – θεϊκή 50, 324, 428 – κινουμένη 544 – μία 183f. – τυπωμένη 544 – φυσική 328, 539 θελήσεις δύο 227f., 324, 428 θελητικός 50, 67, 324, 428, 530 θελητικόν, τό 538 θεολογία δαιμόνων 275 θεουργός 545 θεοχάρακτον 516 θορυβεῖν 62 θυμίαμα 417 θυσία 417 ἰδιοσύστατον 575 ἰδιότης (φυσική) 322, 530, 541, 575 ἰδιώματα (φυσικά) 512, 542 ἱστορεῖν 589 καινοτομία 25, 49, 87, 281, 623 καιριώτατα, τῆς εὐσεβείας 56 κακοδοξία 322 κανονικῶς 309 κανὼν καὶ νόμος δογματικός 41 καρπόω 417 καταπλουτεῖν 532 κατηγορικὸς λίβελλος 314 κατήγορος 313, 339 κατηγορούμενος 339 κατέχων (κατέχον) 90 κέλευσις 136, 318, 406 – παρακλητική 412 κεφάλαια, δογματικά 37 κίνησις 50, 64, 324, 428, 578, 589, 591f. – ἀνθρωπίνη 539, 546 – αὐτεξούσιος 546 – εἰδοποιημένη 613 – εἰδοποιός 610 – τῆς οὐσίας 613 – φυσική 596, 598, 604 κληρονομία, θεία 90, 413

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Register

κλίματα 477f. κοινόν 325f., 426, 575, 608 κοινωνεῖν 3, 412 κοινωνία 58 – τῶν φύσεων 508 – τῶν ἰδιωμάτων 542 κορυφαίος 236, 318f., 395, 516 κορυφή 285 κυρίως 322f. κύριον δόγμα 49, 52 κυρία φωνή 55 κυρίως καὶ ἀληθῶς 68 κώδηξ τῶν ψήφων 306 λαὸς τοῦ Χριστοῦ 80 λείψανα 464, 496 λογισμός, ἴδιος 42 λόγοι, θεοδίδακτοι 26, 67 λογομαχία 114 λόγος – φυσικός τῶν ουσίων 539 – φύσεως 544 μαρτυρία 396 μάρτυς 395, 398, 466, 478 – τῆς ἀληθείας 396 μέμψις 47 μία ἐνέργεια. Siehe ἐνέργεια, μία μιμητής 418 μνημονεύειν 464 μοναδικῶς 589, 614, 616 μονοθέλητος 534 μορφὴ δούλου 520 ξενίζειν 62 οἰκείωσις 281 οἰκονομία 14, 34, 37f., 49f., 53–56, 268f., 284 – σωτηριώδης 589, 596f., 613f. – διηνεκής 53 – πρόσκαιρος 53 – οἰκονομία πραγμάτων 58 οἰκονομεῖν 45, 48, 50, 69 ὁλοκαύτωμα 417 ὁλοκαύτωσις 417

ὁμολογητής 396, 398, 439, 452, 466, 477f., 480–482, 489, 492 ὁμολογία πίστεως – ἀκριβῆς 26, 51 ὁμόνοια κοινή 47 ὄργανον 597, 600f. ὁρίζειν 119, 322 ὅρους καὶ κάνονες 581, 610 οὐσία 577 πάθη 596, 598f. – ἀδιάβληπτα 125, 602 παράκλησις 310 παρρησία 399 πατριάρχης οἰκουμενικός 286 περιχώρησις 545, 616 – ἑνιαία 543f. πεφυκέναι 577 πόλεμος ἄσπονδος 259 πολίτευμα 83 πρᾶξις 116, 543 προαίρεσις 532, 546 πρόσληψις 281 προσομολογεῖν 194 προσφορά 417 προσφυῶς 614 προσωπικῶς/μὴ ἀπροσώπως 327 πρόσωπον XI, 578f. πρᾶξις 539, 615 Ῥωμύλος 100 σκανδαλίζειν 62, 535 στάσις ἀκίνητος 546 συκοφαντία 494 συγκατάθεσις 532 συμφυΐα 542f., 576, 591 – ἐντελής 544 – τῶν οἰκείων ἐνεργειῶν 541, 616 συμφύως 542f., 615 συναναιρεθῆναι 66 συναποσβεσθῆναι 66 συνεργείᾳ θεοῦ 80 συνέργεια συνεπαγομένη 119 συγκατάθεσις 328 συνμάρτυς, μέγας 396

2 Griechische Termini

συννεύσις, ἄκρα 544 σύνοδος 284, 288 συνομολογεῖν 619 συντεκνία 255 σχίζειν 407

ὑπόστασις XI, 578f. – διαλάμπουσα 508, 513, 578f. ὑφεστός 578

τάξις τῶν πεπραγμένων 309 τρόπος ὑπάρξεως 545 τύπωσις 544

φιλονεικία 40f., 46–48, 54, 114 φιλόνεικον 58 φύσις 7, 71, 577 φωναί, μέσαι 70 φωνή 10, 14, 25, 47, 55, 62, 67, 548

ὑπερφυῶς 541 ὑπογραφή 175 ὑπομνήματα 175

χάρις 157 χάρται 176 χρῆσις 47, 54, 114, 261

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Register

3 Personen Personen der Vergangenheit ʿAbd al-Malik, Kalif 104 Acacius, Patr. 329 Agatho pp. 240f., 505, 511, 547 ʿAlī, Kalif 104 Anastasios von Antiochien 17, 279, 542f., 577, 603–609, 615 Anastasios Apokrisiarios 28, 392f., 395, 459f., 631 Anastasios „Apozygarios“, Patr. 257, 588 Anastasios Monachos 137, 221, 392, 406, 427f., 631 Anastasios der Perser 403 Anastasios Sinaites 20, 446, 474–476 – Geschichtstheologie 79–82, 102–105, 252f. Anastasius Bibliothecarius – Collectanea 195, 203–205, 211f., 232f., 401 – Photianisches Schisma 232–239, – Honorius pp. 233f., 239 Aristoteles 576, 578, 582, 611f. Arkadios v. Zypern 82, 121f., 129, 262–273, 284 Athanasios I. Gammala 6, 15, 103, 256 Athanasius v. Alexandrien 54 Augustinus v. Hippo 105 Azaria 414 Basileios I., Ks. 494 Benedictus v. Ajaccio 334 Bonos, Magistros 155 Cyrill v. Alexandrien 56, 548, 552, 594 Daniel, Prophet 412f. David, Philosoph 583 Deusdedit v. Caralis 310 Dionysios Areopagites 340, 540f. Dioskur 311, 329f. Donus pp. 517

Elias, Philosoph 583 Epiphanios v. Zypern, Erzb. 642 Eulogios v. Alexandrien 52–60, 258, 269 Euseb v. Caesarea 56, 99 Euseb v. Dorylaeum 311, 333 Eutyches 311 Eutychios v. Alexandrien 209 Felix III., pp. 329 Flavian, Erzbischof 313 Flavios Strategios 256 Gaius, Diakon 121 Gelasius v. Caesarea 56 Gennadius, Archimandrit 56f. Georgios I., Patr. 526, 558f. Georgios Arsas 261f. Georgios Pisides 165f. Georgios von Resh’aina 121 Gregor v. Nazianz 54 Gregorios, Asekretis 45 Gregorios, Exarch 18, 43, 92, 405f. Gregorius II., pp. 483–486, Hadrian I., pp. 486 Hadrian II., pp. 232, 237 Herakleios, Ks. XII, 5, 75, 111, 117, 155, 159, 254 – Geschlecht des H. 18, 92, 405 – Retractatio der Ekthesis 131–139, 226, 372–378 – Epigramm des H. 135f., 160, 375 Heraklonas 200 Hippolyt v. Rom 98 Honorius I., pp. XII 7, 27, 41f., 65, 113, 117, 119, 129f., 189, 195, 200, 364–371, 436, 505, 526, 620 – und Photios 234, 237f. Ignatios Patr. 232, 235f. Isaakios, Exarchos 193

3 Personen

Isaias v. Edessa 266 Ioannes. Siehe Johannes Johannes v. Antiochien 57 Johannes IV., pp. 4, 27, 43, 134, 136, 159, 178 – Protestbrief 200, siehe Apologia Honorii – Synode (641) 202, 224–231 – Datierung 225f. Johannes v. Damaskus 451f., 481f., 608 Johannes Diaconus 203, 233 Johannes Eleēmon, Patr. 254–262 Johannes Moschos 258–260 Johannes v. Philadelphia 338 Johannes Philoponos 594 Johannes, röm. Abt 221 Justinian I., Ks. 17, 63, 558 – „Neuer Justinian“ 511 Justinian II., Ks. 104, 472 Konstans II., Ks. 8, 43, 81, 104, 132f., 212, 319, 392, 428, 478 Konstantinos I. – Vision 93, 406 Konstantinos III., Ks. 27, 200, 272 Konstantinos IV., Ks. 8, 81f., 104, 240, 436, 484, 505, 511, 517f., 557–562 – Edikt (681) 562–564 Konstantinos V., Ks. 451 Kyros – Bischof v. Phasis 6, 263 – Patr. 4, 75, 112, 121, 193f., 196, 505 Leo I., pp. 38, 552f. Leon III., Ks. 483–486 Leon VI., Ks. 494 Leontios von Byzanz 17, 577 Leontios von Jerusalem 17 Leontios von Neapolis 257, 272, 292 Makarios v. Antiochien 20, 240f., 505, 526 Makedonios v. Antiochien 65 Marinos 274–282, 543, 580, 615f. Martin I., pp. XII, 4, 29, 76, 96, 193, 331, 334f., 339f., 347, 395, 459, 536–540 – Prozess 94

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– Vita 434–453 Martina 272 Maurus v. Ravenna 310, 332 Maximos Confessor XII, 3, 8, 9, 18, 25, 45, 74f., 126–130, 274–283, 402, 439, 580 – Africaaufenthalt 88f. – Christologie 530–550, 609–617, 619 – „dritter Theologe“ 397, 465f. – Ekthesis 201 – Geschichtstheologie 88–98 – Hochverrat 404–410 – Ikonographie 496 – Kult 459–468, 474–87 – Oikonomia 66–71 – Papsttum 245, 536 – Prozess 92f., 400–408 – Traum 18, 405f. – Vita 433–435, 456–458, 491–494, 637–639 Maximus v. Aquileia 310f., 322 Maximus, Diakon 57f. Melchisedek 407–410 Menas, Patr. 17 – Logos des M. 27, 263, 586f., 633 Michael III., Ks. 234, 237 Muʿāwiya 104, 561 Nestorius 311 Nicolaus I., pp. 232, 234f. Nikephoros, Patr. 479–481 Niketas, Augustalis 254f., 256, 588 Niketas Stethatos 490 Olympios, Exarch 18, 94, 335 Omar, Kalif 87 Ontologie 530–534 Origenes 311 Paulos II., Patr. 94, 281, 288f., 504 – Ep. synodica 532f., 681–686 Paulos v. Antiochien, Patr. 261 Paulos Monophthalmos 6, 263–266, 587 Paulos v. Thessalonike, Erzb. 331 Petrus, Apostel 511, 516 – cooperator 524 Petros I., Patr. 97, 427, 505

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Register

Petros, Archidiakon 121 Petros Illustrios 18, 88f., 92, 126, 404f. Philippikos Bardanes 441 Photios 53, 232–239 – zu Honorius 234 Porphyrios 582, 611 Proclus v. Konstantinopel 57f. Pyrrhos, Patr. 4, 43, 120, 126f., 178, 260, 329, 504, 586 Romanos Melodos 142 Sergios I., Patr. XII, 4, 5, 7, 41, 62f., 75, 111, 113–117, 156, 166, 178, 504, 586 Sergios v. Joppe 267, 338 Sergios v. Konstantia, Erzb. 283–293, 336f., 378–385 Sergios Makaronas v. Arsinoë 586, 588 Severinus pp. 193, 195 Severus 155, 165f. Stephanos v. Dora 15, 87f., 317f., 325, 333, 338, 569f. Stephanos, Philosoph 583 Sophronios XII 4, 7, 11, 19, 37, 39, 75, 112–115, 121, 128, 258–260, 318, 531, 586 – Ekthesis 190f. – Epistula synodica 7, 83, 118f., 125, 163, 259 – Epistula ad Arcadium 267–270 – Geschichtstheologie 82–88 – Oikonomia 268 – Todesdatum 11 Symeon Eulabes 490 Symeon der „Neue Theologe“ 490 Tarasios, Patr. 450, 486 Theodor v. Canterbury 527 Theodor v. Mopsuestia 311 Theodorus I., pp. 4, 29, 43, 93f., 347, 405, 621 – Ep. synodica 224f., 280 Theodoros v. Pharan 6, 16f., 263, 316, 504, 569–603, 647–653 Theodoros I., Patr. 240, 441, 473, 526 Theodoros Skribōn, Patr. 255 Theodoros Spoudaios 96, 337, 393–395 Theodoros Studites 53, 433, 480f.

Theodoros Synkellos 17, 156 Theodosios v. Alexandrien 16 Theodosios v. Kaisareia/Bithynien 49, 400 Theodosios Spoudaios 393–395 Theophanes Confessor 20, 107f., 253, 477–479 Theophilus v. Alexandrien 56 Victor v. Karthago 337 Vigilius, pp. 17, 27 Vitalian, pp. 427, 526 Wilfrith v. York 527 Willibald 299 Yaḥya ibn Sa’id 209 Zitierte Autoren Alexakis, Alexander 308 Allen, Pauline 136f., 420, 571 Arens, Herbert 552 Balthasar, Hans Urs von XIV Bathrellos, Demetrios 121, 185, 571, 594, 600, 620, 648 Bausenhart, Guido 12, 13 17, 26, 115, 571 Beck, Hans-Georg 13, 20, 29 Beihammer, Alexander D. 209 Booth, Phil 259, 281, 430 Boudignon, Christian 426 Brandes, Wolfram 19, 136, 228, 401, 406 Brock, Sebastian 189 Caspar, Erich 66, 202, 335 Chrysos, Evangelos 314 Conte, Pietro 306, 328, 346 Cubitt, Catherine 308 Dagron, Gilbert 101, 408–410, 484 Déroche, Vincent 273 Deun, Peter van XIV Dieten, Jan Louis van 12, 14, 44, 48, 102, 426 Dörries, Hermann 55 Doucet, Marcel 543 Drecoll, Volker H. 55

3 Personen

Elert, Werner 12, 16, 571f., 600, 647–653 Felmy, Karl Christian 141 Gelzer, Heinrich 272 Green, Bernard 552f. Grillmeier, Alois 16, 503, 571, 579, 582, 591, 595 Hacket, John 286 Haldon, John F. 97, 423 Halleux, André de 510 Harnack, Adolf von XVI, 12 Hefele, Carl Joseph 202 Heinzer, Felix 539, 545 Hoffmann, Lars M. 228 Hovorun, Cyrill 122, 186, 532f., 648 Howard-Johnston, James 421f. Jankowiak, Marek 172, 193, 202, 211, 227, 266, 281, 560, 587 Kaegi, Walter 136, 191 Kaufhold, Hubert 205f. Larchet, Jean-Claude 116, 121, 185, 277, 278, 445 Léthel, François-Marie 116 Maas, Paul 142, 155 Μadden, John D. 539 Maspero, Jean 255f. Metcalf, David M. 293 Neil, Bronwen 136f., 211, 420, 440 Nikas, Athanasios 647–653

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Pannenberg, Wolfhart XIV Pitra, Jean-Baptiste 142 Portaru, Marius 583 Price, Richard 307, 328, 334, 337, 342, 346, 348, 533, 599, 642 Prinzing, Günter 559 Rahner, Hugo 35 Reinink, Gerrit J. 107 Richard, Marcel 27 Richter, Gerhard 34f. Riedinger, Rudolf 28, 95, 291, 305f., 308 Roosen, Bram 435 Roueché, Mossmann 582 Salés, Luis Josué 637–639 Schacht, Joseph 210 Schönborn, Christoph von 191 Sherwood, Polycarp 531, 611f. Sieben, Hermann Josef 307 Trypanis, Konstantinos A. 142f. Schwartz, Eduard 178 Strickler, Ryan 586 Uthemann, Karl-Heinz 16, 116, 582 Völker, Walter XIII Winkelmann, Friedhelm XIV, 5. 12, 13, 21, 26, 35 Whitby, Mary 188

762

Register

4 Sachen und Begriffe Abgrenzung 259, 268f. actiones communes 522, 524 Ägypten, „Monophysiten“ 36 Africanische Synoden 336f. Agarener 85 Akephaloi 263f. Akklamation 313 Akkusationsprozess 308, 312–315 Alexandrien 583, 604 Amalek 80 Amathous 254 Anathema 326f. Anklageschrift 314f. Ankläger 313f., 328, 339, 341 Antichrist 89, 100 Apokalypsen – jüdische 100f. – Ps.Methodios 106f. Apokalyptik 98–102 Apokrisiar 331 Apolinarismus 321, 325, 532f. Apologia Honorii 137, 179, 202 – Quellen 203–211 – Text 211–224, 239–247 – bei Maximos 221–223, 244–246 Apostasie 413 Apostolischer Vikar 96 Appellation in Rom 236f. Aquileia 348 Araber 19 Arianer 70 Armenien 264f. Armilos 100 Arsinoë 256, 588 Ausdruck, hauptsächlicher 55 Awaren 561 Babylon, siebenhügeliges 398 Babylonische Gefangenschaft 413 Barbaren 83 Bekenner 396, 398, 439, 452, 466, 477f., 480–482, 489 Bewegung 50 Blasphemie 92, 392

Cagliari 428 Catania 332 Cantica, biblische 414f. Cherson 436, 477f., 485 Chrēseis. Siehe Testimonia Communio. Siehe Kirchengemeinschaft Dathesmos 80 Definition – synodale 40 – theologische 576, 581–584, 604, 606, 610, 614 Doctrina Patrum 28 Dogma 24, 41 Diptychen 39, 409, 411 „Diskussionsverbot“ 47 Disputatio Bizyae 49, 400–402 Disputatio cum Pyrrho 47, 180, 585f. Edictum de recta fide 63, 190 Einstimmigkeit 331 Ekthesis 8, 43, 48, 63f., 68, 76, 122–124, 126f., 143, 171, 316, 321, 675–678 – Entstehungsdatum 138, 177, 183, 192–196 – Edictum de recta fide 159 – in späteren Quellen 182–184 – Synode v. Zypern 184–192 – Kirche v. Rom 192 Enkomion 394, 421 Energeia-Begriff 74, 117, 539f., 573 – numerischer 66, 82, 103 Fälschung 27 Fest des IV. Ökumenischen Konzils 163 Fest der Synode gegen Severus (a.536) 163 filioque 280 Florilegien 21f., 28 Frieden, kirchlicher 45 – öffentlicher 47f. Gabithas 80 Gaianiten 53, 258 Gemeinschaft

4 Sachen und Begriffe

– kirchliche 49 – mit Juden 69 Genealogie der Häresie 20f. Gewand Mariens 156 Glaubensbekenntnis, präzises 26, 67 Grammatiker 41 Gräuel der Verwüstung 82–88, 413 Häresie 11, 310 – kaiserliche 78 – der Maximianer 20 Häretiker 321 Hatfield. Siehe Synode von Hatfield Hieromuchas 80f. Hochverratsprozesse 8, 34, 45, 92f., 94, 97, 392, 400–420, 421–423, 468 Hoheits- u. Niedrigkeitsaussagen 548 Hypostase XI, 7, 17, 74, 542, 547, 578 hypostatische Energie 17 hypostatischer Wille 17 Imperium Romanum – göttlicher Beistand 105f. – Friedensphase 104 – als Katechon 99 – Untergang 91, 101 Inthronistica. Siehe Sophronios, Epistula synodica Irrtumsfreiheit Roms 240 Jakobiten 6 Juden 69 Kaiser – Autorität 409f. – Kaiserideologie 19, 123, 133, 188, 402, 515 – Melchisedektypologie. Siehe Kaiser, Priester – Priester 319f., 406–410, 474, 482, 484, 487, 494 – Schiedsrichter 122f., 187f. – „Synodalgewalt“ 319, 409, 558–560 Kardinaltugenden 579f. Kategorienlehre 576 Kirchengemeinschaft 97, 392, 410–412, 428, 471

763

Kognitionsprozess 314 Kollektivgericht 313 Kompromisstheologie. Siehe Vermittlungstheologie Konsekration 411 Konstantia 270 Konstantinopel – Belagerung – (a.626) 155f. – (a.667–669[674–78]) 106, 561 – Verteidigung (a.626) 17 – eschatologische Bedeutung 99 Kontradiktorisches Verfahren 315 Kontumazialverfahren 315 Kläger. Siehe Ankläger Kontakion 150f., 177 Langobarden 561 Lateransynode (a.649) XV, 4, 8, 28, 48, 52, 76, 94f., 157, 178f., 290–293, 301–349, 353–358, 471, 621 – Akkusationsprozess 309–317 – Aktentext 305f., 328 – Anathematismen 68f., 703–711 – Christologie 530–550 – Ökumenisches Konzil 29, 307, 320 – Petitionen 284–292 – Petition der Mönche 698–702 – Subskriptionsliste 332f. – Urkundenbeweis 170, 316 – Urteilskriterien 316 – Verfahrensfehler 317–338 – Zuständigkeit 318f. Lateransynode (a.680) 526–529 Lazikē 392–394, 447, 485 Logoshegemonie 592, 614 Logos Prosphonetikos 512–517, 546 Martyrium 290, 396, 398, 414, 420–431 Martyriumstheologie 417–419 Märtyrer 396, 398, 402, 404, 418f., 466 Märtyrerakten 481f. Märtyrerkult 393–400, 414, 421, 447f., 460–468 Meinung 24

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Register

Mönche, palästinische 95, 325–329, 426, 403, 420, 453, 469f., 637f. Monenerget(ismus), Begriff 534 Monophysitismus 322 Monothelet(ismus), Begriff 534, 645f. Moratorium. Siehe Typos Mordblut 398 Mystagogie 411 Neuerung 23, 25, 49 Neues Israel 99 Neues Jerusalem 99 Neues Rom 99 Neuchalkedonismus XV, 6, 16, 39, 77, 549, 574–576, 592 Norm u. Richtschnur 41 Notar 313, 315 Oikonomia 13f., 26, 30, 34, 37, 44–71, 268f., 284 Oikonomia-Begriff 34f. – Homonym 35 Ökumenische Synoden – (a.431) 312 – (a.451) 312, 322, 330, 502 – (a.553) 39, 312, 549, 652 – (a.680/81) 27, 52, 240–242, 348, 436, 441–443, 445f., 468, 472f., 499–530, 530–550, 558–560 – (a.787) 58, 450 Ommayaden 104 Oneirokritika 94 Ontologie 323, 530–550, 558, 581, 591, 602, 605, 611 Opfergedanke 418 Papyrusrolle 176 Parrhesia 399 Perserkriege 79f. Perserherrschaft 403 Phoinix 81 Physiologie 614 Politische Orthodoxie 47 Priester. Siehe Kaiser

Primat(sanspruch), römischer 96, 232, 236, 238, 317–320, 426, 443–445, 515f., 518, 535f., 553f. proprietates naturales 519 Proprietät 323, 530 Protokoll, v. Synoden 176, 313 Prozesse. Siehe Hochverratsprozesse Psēphos (633) 7, 23, 40–42, 62f., 114–116, 661f. Quinisextum (691/92) XV, 228, 436f., 440–442, 448f., 473f., 486 Reichsreligion 17 Reichstheologie 84, 103 regula fidei 518 Relatio motionis 45, 131–133, 400–402 Reliquien 396f., 464 – Kontaktreliquien 420 Rhetoriklehrer 42 Römische Synode – (a.484) 329 – (a.641). Siehe Johannes IV., pp. – (a.649). Siehe Lateransynode (649) – (a.680). Siehe Lateransynode (680) Romania. Siehe Imperium Romanum Sabaïtisches Mönchtum. Siehe Mönche, palästinische Sabaïtische Hagiographie 404 Sakkelarios 402 Sarazenen 83–85 Schauprozess 422 Schēmaris 394, 496 Schriftbeweis 21 Schweigen. Siehe Verschweigen Secretarius 312 Sermo acclamationis. Siehe Logos Prosphonetikos Selbstdeutung 401 Sizilien 332, 618f. Spiegelstrafen 3, 631 Sprechverbot 120 Sta. Maria Antiqua 291

4 Sachen und Begriffe

Studios-Kloster 247 Syllogismus, dogmatischer 21, 26, 323f., 532–534, 547 Synodalgericht 313 Synodaltheologie 157 Synode v. Ephesus (a.449) 330f. Synode v. Theodosiupolis 264f. Synode v. Hatfield 527 Synode v. Zypern (a.636) 82, 120–125, 184–192, 270f., 276, 672–674 Synodentyp 307 Synodica. Siehe Sophronios, Epistula synodica Synodos endemousa 177f. – gegen Eutyches (a.448) 312, 324 – gegen Severus (a.536) 155, 162–165, 178 – zur Psēphos (a.633) 40, 114 – zur Ekthesis (a.636/7[638]) 170, 172f., 176, 338–343, 358–364 – zur Ekthesis (a.639) 170, 173–176, 180f., 338–343, 358–364 – gegen Maximos (a.653) 92 – gegen Maximos (a.662) 642, 647 Syrakus 332 Schisma 289 Sühne 418f. Syntagma XIV titulorum 58 Talionsprinzip 315 Tatsachenbeweis 310 Testimonia 21f., 321 Theodosianer 6, 53, 258, 631 Theologie 152, 161 – Dialektik 162 Theologoumenon 24, 41 Tomus Leonis 39, 118, 265, 287f., 291, 321, 348, 500, 502f., 504–530, 536–541, 552f., 605 Tongern (Maastricht) 95 Topoteret 338 Traum des Maximos. Siehe Maximos Träume, divinatorische 19, 93, 406 Trishagion-Hymnus 258, 268f. Trullos 402

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Typos 10, 25, 26, 43–48, 68, 327, 334f., 428, 502 – Moratorium 48, 70 Union, ägyptische – (a.616/7) 256f., 259 – (a.633) 37, 112, 321, 624 – Unionsurkunde 39, 60–62, 76, 316, 658–661 unio per concordiam 522 Urkundenbeweis 314, 316 Usurpation 18, 92 Väterbeweis 22f. Verbannung 97, 392, 396, 401, 436 Verfolgung 395, 398 Verleumdung 315 Vermittlungstheologie XVI, 16, 30, 77 Versäumnisladung 315 Verschweigen – von Begriffen 67, 70 – von Fakten 120, 138, 180, 291f. Verständigungspotential 218f., 533, 427, 613–617, 619f. Vikar, apostolischer 29 Vier-Kaiser-Jahr 272 Vierzehn-Oden-Reihe 414 voces communes 70 uoluntas et operatio personalis 519, 521 Vorladung 315, 329f. Widerruf 315 Widerspruchsfreiheit 534f. Widerstand 391 Wille, gnomischer 9, 71, 75, 424 Willensbegriff 74 – numerischer 66 Wunder 396, 399 Yarmuk 81, 91, 123, 196 Zelotismus 69, 108 Zorn Gottes 86f. Zwangstaufe v. Juden 101 Zypern 254, 292f.