Von Strittigkeit der Bilder. Band 3 Von Strittigkeit der Bilder: Texte des deutschen Bildstreits im 16. Jahrhundert 9783110780031, 9783110779899

A standard work of sixteenth-century German image theory, that never existed in this richness: The Contentiousness of Im

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Von Strittigkeit der Bilder. Band 3 Von Strittigkeit der Bilder: Texte des deutschen Bildstreits im 16. Jahrhundert
 9783110780031, 9783110779899

Table of contents :
Vorbemerkung
Inhalt
Einleitung
Texte
Spöttliche Dienst. so wir jetzt bewysen den Hailigen [1521]
Wider die Schänder der Creaturen Gottes [1525]
Der lieben Heiligen Ehrung [1523]
Von der Heiligen Ehrung [1528]
Passional-Vorrede [1529]
Stellungnahme der Esslinger Kapläne [1531]
Confessio Tetrapolitana [1531]
Woher die Bilder oder Götzen kommen [1532]
Vom Abtun der Bilder [1537]
Von Anrufen der Heiligen und Anbeten der Bilder [1537]
Von den heyligen, ob man sie anrůffen und zu jren pilden lauffen soll [1543]
Augsburger Interim [1548]
Bekenntnisse up dat Interim [1548]
Bekenntnisse und Erklärungen zum INTERIM [1548]
Vom Bild des Leidens und Creutzes Christi [1555]
Klagred der Frommen alten Teutschen Andacht [ca. 1555]
Von dem gsatzt Gottes, und von den zweyen ersten gebotten [1558]
Neue Zeitung, wie ein Bild geredt habe [1561]
Von der rechten anruffung Gottes vnd der vermeydung der Götzen [1563]
Vom Verbot der Götzen [1564]
Wider die verfluchte Lehre der Carlstader [1565]
Bienenkorb des Heiligen Römischen Immenschwarms [1580]
Bedenken von den unzeitigen Neuerungen [1584]
Wider das Verehren, Schmücken und Umtragen der Bilder [1586]
Miracula S. Imaginum [1591]
KirchenGeschmuck [1591]
Von Abschaffung der Bilder und Götzen [1592]
Consensus Bremensis [1595]
Von den Ceremonien [1596]
Notwendige Antwort [1597]
Anleytung, wie man das Wittenbergische Buch mit frucht und nutz lesen möge. [1597]
Examen der Anhaltischen Schlußsprüche von Abtilgung der Altarn und Bilder [1597]
Calvinischer Greul der Verwüstung [1597]
Wider den neuen bildstürmerischen Geist [1597]
Heydnisch Bapsthumb [1607]
Von den Bildern in der Kirchen [1615]
Bericht von den GötzenBildern [1620]
Bericht von den UngötzenBildern [1620]
Extract eines schreibens auß Prag wegen zerstörung der Thumbkirchen [1620]
Referenztext
N° 99 [Anonymus:] Baruch/Jeremias-Brief [um 400 v. Chr.]
N° 99a Baruch / Jeremias-Brief
N° 99b Baruch / Jeremias-Brief
Zweites Nachwort
Vorbemerkung
I Das Profil der Autoren
II Die Dynamik des Bildstreits
III Psychologie des Bildstreits
IV Textgruppen
V Effekte und Folgen des deutschen Bildstreits
Anhang
Weitere Quellen der Bildstreit-Autoren
Weitere Bibliographie
Weiteres Namensverzeichnis
Weiteres Begriffs- und Sachverzeichnis
Abkürzungen und Siglen
Zu den Abbildungen

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Jörg Jochen Berns Von Strittigkeit der Bilder

Frühe Neuzeit

Studien und Dokumente zur deutschen Literatur und Kultur im europäischen Kontext Herausgegeben von Achim Aurnhammer, Joachim Hamm, Martin Mulsow, Bernd Roling und Friedrich Vollhardt

Band 184/3

Jörg Jochen Berns

Von Strittigkeit der Bilder Texte des deutschen Bildstreits im 16. Jahrhundert Band 3

ISBN 978-3-11-077989-9 e-ISBN (PDF) 978-3-11-078003-1 ISSN 0934-5531   Library of Congress Control Number: 2023938965   Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.   © 2023 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: Dörlemann Satz, Lemförde Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck   www.degruyter.com

Vorbemerkung Dieser 3. Band meiner Dokumentensammlung ist mir über Jahre hin zugewachsen, nachdem 2014 die ersten beiden Bände erschienen waren. Assistenzdienste standen mir nicht mehr zur Verfügung. Doch bin ich für Fragen, Hinweise und Ermunterungen in Briefen und Gesprächen Thomas Rahn, Brigitte Robak, Martin Scharfe und Martin Warnke (†) dankbar. Marburg, im März 2023

http://doi.org.de/10.1515/9783110780031-201

Jörg Jochen Berns

Inhalt BAND 3 Vorbemerkung  Einleitung 

 V

 1

Texte N° 61

Johann Eberlin von Günzburg / Desiderius Erasmus von Rotterdam / Gerardus Listrius Spöttliche Dienst. so wir jetzt bewysen den Hailigen [1521]   5

N° 62

Johann Eberlin von Günzburg Wider die Schänder der Creaturen Gottes [1525] 

N° 63

Caspar Schatzger Der lieben Heiligen Ehrung [1523] 

N° 64

Georg Neudorffer Von der Heiligen Ehrung [1528] 

N° 65 Martin Luther Passional-Vorrede [1529] 

 15

 33

 41

 59

N° 66

Esslingen Stellungnahme der Esslinger Kapläne [1531] 

N° 67

Straßburg u.  a. Confessio Tetrapolitana [1531] 

N° 68

Wolfgang Russ Woher die Bilder oder Götzen kommen [1532] 

N° 69

Ambrosius Blarer Vom Abtun der Bilder [1537] 

 63

 69

 105

 89

VIII 

 Inhalt

N° 70

Johannes Spreter Von Anrufen der Heiligen und Anbeten der Bilder [1537] 

N° 71

Andreas Osiander Von den heyligen, ob man sie anrůffen und zu jren pilden lauffen soll [1543]   137

N° 72

Augsburger Interim [1548] 

 113

 143

N° 73a Lübeck u.  a. Bekenntnisse up dat Interim [1548] 

 148

N° 73b [Übersetzung JJB] Bekenntnisse und Erklärungen zum INTERIM [1548] 

 149

N° 74

[Anonym] Vom Bild des Leidens und Creutzes Christi [1555] 

N° 75

Adam Walasser Klagred der Frommen alten Teutschen Andacht [ca. 1555] 

N° 76

Heinrich Bullinger / Übers. Johannes Haller Von dem gsatzt Gottes, und von den zweyen ersten gebotten [1558] 

N° 77

Johannes Sylvanus Neue Zeitung, wie ein Bild geredt habe [1561] 

N° 78

Nicolaus Palladius Von der rechten anruffung Gottes vnd der vermeydung der Götzen [1563]   261

N° 79

Heidelberg, Theologische Fakultät [Zacharias Ursinus u.  a.] Vom Verbot der Götzen [1564]   283

N° 80

Erasmus Alberus Wider die verfluchte Lehre der Carlstader [1565] 

N° 81

Johann Fischart / Philips van Marnix Bienenkorb des Heiligen Römischen Immenschwarms [1580] 

 161

 199

 229

 305

 321

 215

Inhalt 

N° 82

Jeremias Viëtor Bedenken von den unzeitigen Neuerungen [1584] 

N° 83

Stephan Isaak Wider das Verehren, Schmücken und Umtragen der Bilder [1586] 

N° 84

Valentin Leucht Miracula S. Imaginum [1591] 

N° 85 Jacob Miller KirchenGeschmuck [1591] 

 IX

 365

 375

 385

 405

N° 86

Christoph Pezelius Von Abschaffung der Bilder und Götzen [1592] 

N° 87

Bremen [Christoph Pezelius] Consensus Bremensis [1595]   445

N° 88

Wolfgang Amling [?] Von den Ceremonien [1596] 

N° 89

Wittenberg, Theologische Fakultät Notwendige Antwort [1597]   483

N° 90

Wolfgang Amling Anleytung, wie man das Wittenbergische Buch mit frucht und nutz lesen möge. [1597]   517

N° 91

Adam Crato Nordhusanus Examen der Anhaltischen Schlußsprüche von Abtilgung der Altarn und Bilder [1597]   525

N° 92

Johannes Olearius Calvinischer Greul der Verwüstung [1597] 

N° 93

Abraham Taurer Wider den neuen bildstürmerischen Geist [1597] 

N° 94

François de Croy / Johann Jacob Grasser Heydnisch Bapsthumb [1607]   569

 431

 457

 543

 553

X 

 Inhalt

N° 95

Heraclius Unwerth Von den Bildern in der Kirchen [1615] 

 587

N° 96

Abraham Scultetus Bericht von den GötzenBildern [1620] 

 611

N° 97

[Anonym] Bericht von den UngötzenBildern [1620] 

N° 98

[Anonym] Extract eines schreibens auß Prag wegen zerstörung der ­Thumbkirchen [1620]   657

 627

Referenztext N° 99 [Anonymus:] Baruch/Jeremias-Brief [um 400 v. Chr.]  N° 99a Baruch / Jeremias-Brief Vulgata-Version   672 N° 99b Baruch / Jeremias-Brief, Luther-Übersetzung   673

Zweites Nachwort Vorbemerkung 

 683  683

I

Das Profil der Autoren 

1 2

Konfessionelle Zugehörigkeit  Soziale Zugehörigkeit   684

II

Die Dynamik des Bildstreits 

 688 1 Verbreitungsweisen  2 Publikumsfraktionen   688 3 Bildskepsis und deren Gründe  4 Policey   690

 684

 687

 689

 670

Inhalt 

 691

III

Psychologie des Bildstreits 

1 2

 691 Bilder als Kompensationsmittel oder Störfaktoren  Stratageme von Bildvernetzung   693 2.1 Luthers Konzept   693 2.2 Utopistische Bilddidaxe   695 2.3 Das Pietas-Konzept im bayrisch-österreichischen Raum   695

IV Textgruppen  1

2

3

 696

 697 Kontroverstexte zur Heiligenverehrung  1.1 Mathematisch angeleiteter Illusionismus   698 1.2 Drucktechnische Reproduzierbarkeit   700 1.3 Druckgraphische Gelehrten- und Heiligenportraits   701 1.4 Verinnerlichung und Veräußerlichung von Bildern   703 Kontroverstexte zur Geltungsweite von Ceremonien   705 2.1 Zur ikonologischen Relevanz von Ceremonien   706 2.2 Nichtceremoniale Sakralbilder   709 Poetische Texte   710 3.1 Knittelverspoeme   710 3.2 Satirisches   713

V

Effekte und Folgen des deutschen Bildstreits 

1 2 3 4 5

 716 Aufwertug des Mediums  Vielfalt der Bildarten   717 Erweiterung derAusstellbarkeit  Psychologisierung der Bildkritik  Volkssprachliche Öffentlichkeit 

 717  717  717

Anhang Weitere Quellen der Bildstreit-Autoren  Weitere Bibliographie 

 721

 725

Weiteres Namensverzeichnis 

 733

Weiteres Begriffs- und Sachverzeichnis 

 737

 716

 XI

XII 

 Inhalt

Abkürzungen und Siglen  Zu den Abbildungen 

 745

 749

BAND 1 Vorwort  Einleitung 

 V  1

Texte 1 [Anonymus] der spiegel des sünders [um 1480] 

 17

2

Johannes Butzbach / Übers. J J B De praeclaris picturae professoribus [1505] 

3

Johann Geiler von Kaysersberg Auszüge aus mehreren Schriften [1480–1510] 

4

Albrecht Dürer Aus den Entwürfen zum Lehrbuch der Malerei [1508  ff.] 

5

Albrecht Dürer Ästhetischer Exkurs [1528] 

6

Andreas Bodenstein, gen. Karlstadt Von abtuhung der Bylder [1522]   91

7

Hieronymus Emser vorantwurtung auf das ketzerische buch Andres Carolstats [1522] 

 57

 69

 79

8 Martin Luther Römerbrief-Vorlesung [1515/16]  9

 23

 115

 165

Martin Luther Auszüge aus zwei Predigten über die Adiaphorie der Bilder [März 1522] 

 169

Inhalt 

10 Philipp Melanchthon Der Bapstesel [1523] 

 177

11 Martin Luther Deutung des Mönchskalbs zu Freiberg [1523] 

 183

12 Hieronymus Emser Von dem Kalb zu Freyberg [1524] 191 13 Martin Reinhard Bericht über ein Gespräch Luthers mit Rat und Gemeinde von Orlamünde [1524]   197 14 Martin Luther Predigt zum Ersten Gebot [1525] 

 205

15 Martin Luther Wider die himmlischen Propheten [1525] 

 219

16 Franz von Sickingen Wie man die bildnuß der Heiligen hin weg thun söll [1522] 

 233

17 Ludwig Hätzer wie man sich mit allen götzen und bildnussen halten sol [1523] 

 237

18 [Ludwig Hätzer, Protokollant] gesprech anbetreffend die götzen und die meß [Oktober 1523] 

 249

19 Ulrich Zwingli u.  a. Ratschläge betreffend Meß und Bilder [Dezember 1523]  20 Ruodolf Koch Dass man bild mög haben [Jan. 1524] 

 269

 273

21 Ulrich Zwingli u.  a. Vorschlag wegen der Bilder und der Messe [Ende Mai 1524] 

 281

22 Hugo von Hohenlandenberg Christenliche underrichtung die Bildtnüssen betreffend [Juni 1524] 

 285

 XIII

XIV 

 Inhalt

23 Ulrich Zwingli u.  a. Cristenliche antwurt dem herren Hugen [August 1524]  24 Hieronymus Gebwiler Beschirmung des lobs Marie [1523]  25 Hans Füssli Antwurt eins Schwytzer Purens [1524] 

 327

 347

 355

26 Martin Bucer Ursach darumb die bilder sollen abgestelt werden [1524]  27 Martin Bucer Das einigerlei Bild nit mögen geduldet werden [1530]  28 Martin Bucer Kurze schriftliche Erklärung für die Kinder [1534]  29 Johannes Dietenberger Wie man die Heiligen ehren soll [1524] 

 363

 371

 387

 397

30 Johannes Dietenberger Was man halten soell von bildnussen in der kyrchen [1530]  31 [Anonymus:] Histori von der Beurischen ufrur [ca. 1527–1530] 

 423

32 Johannes Buchstab Von der bildnuß Gottes und seiner lieben heiligen [1527]  33 Berthold Pürstinger Teutsche Theologey [1528] 

 409

 455

 463

34 Heinrich Bullinger / Übers. Philipp Mertzig Vom Ursprung aller Irrthumben [lat. EA 1529, erw. 1539, dt. 1574] 

 479

35 Desiderius Erasmus von Rotterdam Vier Stellungnahmen zur Bilderfrage aus den Jahren 1503 bis 1533 527

Inhalt 

 XV

36 Paracelsus Liber de Imaginibus [Datum unbekannt] 555 37 Paracelsus Liber de Superstitionibus et Ceremoniis [Datum unbekannt]  38 Paracelsus De septem punctis idolatriae christianae [ca. 1525]  39 Paracelsus Liber de imaginibus idolatriae [ca. 1530] 

 577

 591

 601

40 [Anonymus] Klagrede der armen verfolgten Götzen und Tempelbilder [ca. 1530] 

 609

41 Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim / Übers. anonym Fünf Kapitel aus De vanitate scientiarum [1530 / 1713] sowie ein Auszug aus der Apologia [1533]   621 42 Johannes Eck Enchiridion Handbüchlin. Auszüge [1530] 

 637

43 Johannes Calvin / Anonymer Übersetzer Summa der wahren christlichen Religion. Auszüge [lat. 1536 / 1559 / dt. 1586]   651

BAND 2 44 Sebastian Franck Der Bilder und Heyligen eer [1531] 

 667

45 Sebastian Franck Paradoxa oder Wunderred, Auszüge [ca. 1534] 

 693

46 Polydorus Vergilius / Übers. Marcus Tatius Alpinus Von den erfyndern der dyngen. Auszüge [1499 / 1537]  47 Johannes Cochlæus Von altem gebrauch des Betens [1544] 

 725

 703

XVI 

 Inhalt

48 Francesco Petrarca / Übers. Stephan Vigilius DAs Glückbuch, Beydes deß Guten und Bösen. Auszüge (1539) 

 749

49 Baldassare Castiglione / Übers. Laurentz Kratzer Hofman. Auszüge [1528 / 1565]   759 50 Caspar von Schwenckfeld Der 97. Sendbrief [1553]   769 51 Martin Chemnitz / Übers. Georg Nigrinus Von den Bildern [lat. 1573, dt.1576]   775 52 Johann Fischart des gemäls nuzbarkait [1576] 

 879

53 Theodor Beza Von Reformation der Papistischen Kirchen [1588] 

 895

54 [Anonymus] Eiconoclasta. Dialogus oder Gespräch Von den Götzen [1597]  55 Johann Arndt Ikonographia [1597] 

 903

 923

56 Simon Gedik Von Bildern und Altarn [1597] 

 973

57 Matthis Quad Von den berühmtesten Künstnern (1609) 

 1003

58 Hippolytus Guarinonius Die Greuel der Verwüstung menschlichen Geschlechts, Auszüge [1610] 

Referenztexte 

 1045

[59] Anonymus (König Salomon zugeschrieben) Drei Kapitel aus: Sapientia / Buch der Weisheit [ca. 950, bzw. 50 v. Chr.]   1047

 1019

Inhalt 

[60] Gregorius Magnus / Gregor der Große Drei Briefe zur Bilderfrage [2. Hälfte 6. Jh.] 

 1057

Nachwort Vorbemerkung  I

 1067

Geschichtsbild und Quellen 

 1067

 1068 Die Bibel  1.1 Das Geschichtsmodell   1068 1.2 Biblische Typologie als Bildlehre   1070 1.3 Vom Aussehen Gottes   1076 2 Patrologie und Konzilsakten   1077 2.1 Die Autorität der Kirchenväter   1078 2.2 Die Autorität der Konzilien   1079 2.3 Zur Gregorsformel   1080 3 Kirchenhistoriographie, Legenden, Viten   1085 3.1 Kirchenhistoriographie   1085 3.2 Legenden und Heiligenviten   1087 4 Mythographie   1088 4.2 Boccaccios Mythendeutung   1089 4.3 Mythenkritik im deutschsprachigen Raum   1090 5 Liturgie- und Zeremonienliteratur   1095 5.1 Das Erbe des Guillelmus Durandus   1096 5.2 Liturgiestreit im 16. Jahrhundert   1099

1

II

Kunstgeschichte als Bildkultgeschichte 

 1100

 1100 1 Der göttliche artifex  2 Der teuflische artifex   1103 3 Bildkultgeschichte   1104 3.1 Die Problematik des triadischen Schematismus  3.2 Hieronymus Emser   1105 3.3 Hugo von Hohenlandenberg   1107 3.4 Paracelsus   1108 3.5 Heinrich Bullinger   1109 3.6 Martin Chemnitz   1110 3.7 Johann Arndt   1110

 1104

 XVII

XVIII  III

 Inhalt

Phänomenologie der acheiropoietischen Bilder 

 1114

 1114 1 Acheiropoiesis  2 Zur Bildtheorie der Abgar- und Veronica-Legenden   1117 2.1 Kriterien   1118 2.2 Die Legendenmotive   1120 3 Gnadenbilder   1123 4 Die Gnaden der Wallfahrtsbilder   1124 5 Sekundäre Gnadenbilder   1126 5.1 Pilgerzeichen und das Wunder der Reproduzierbarkeit   1127 5.2 Bildnisspiegel   1131 5.3 Blickende Bilder und Blickzeugung   1132 5.4 Einblattdrucke   1135 5.5 Votivbilder   1140 6 Naturgegebene Meditations-, Lern-, und Warnbilder   1142 6.1 Kreaturandacht   1142 6.2 Signaturen   1144 6.3 Prodigien   1145 6.3.1 Der Prodigienkatalog des Lycosthenes   1146 6.3.2 Melanchthons und Luthers Prodigien   1148 IV Historia-Bilder 

 1151

1 2 3 4 5 6

 1151 Frühe Forderungen nach Historia-Orientierung  Luthers Konzept   1152 Chemnitzens Geschichte des Historienbildes   1154 Arndts Systematiierungsversuch   1155 Arten historischer Bilder   1158 Kritik der Adiaphorie   1159

V

Christus- und Marienikonographie und deren latente Rivalität 

 1163 1 Zur Christusikonographie  2 Marienbildnisse   1164 3 Kompetenzstreit von Marien- und Christus-Bildern   1166 3.1 Konfessionsspezifische Christus-Imagination   1172 3.2 Zur Rolle von Marienbildnissen in der Bildkontroverse   1174 3.3 Zur Nachtseite der Matienverehrung   1175 3.3.1 Pogrome   1177 3.3.2 Hexenjagd   1179

 1162

Inhalt 

VI

Zur Psychologie der Bildrezeption 

 1182

 1182 1 Innere und äußere Bilder  2 scrupulositas   1184 3 Kleben am Bilde   1185 4 Erinnerungskraft der Bilder   1188 VII Zum Status des Künstlers im Bildstreit  1 2 3

Zur theologischen Kompetenz des Künstlers  Fähigkeit und Begabung   1194 Die Verantwortung des Künstlers   1195

VIII Zensur  1

2 3 4 5

 1191  1193

 1197

 1197 Verfahren und Schärfegrade der Bildzensur  1.1 Nichtbeachtung   1197 1.2 Ächtung   1198 1.3 Bilderverbote   1199 Zusammenführung von Buch- und Bildzensur   1199 Kritik der ‚newen kunst‘   1203 Innerkirchlicher Streit der Altgläubigen   1204 Vernichtung von Bildern   1207

Schluss 

 1217

Anhang Quellen der Bildstreit-Autoren  Bibliographie 

 1217

 1250

Namensverzeichnis 

 1283

Begriffs- und Sachverzeichnis  Abkürzungen und Siglen 

 1295

 1345

 XIX

Einleitung Der hier vorliegende dritte Band erhöht die Anzahl der 2014 in den beiden ersten Bänden Von Strittigkeit der Bilder präsentierten sechzig Textdokumente um neununddreißig weitere. Die Editionsprinzipien der beiden früheren Bände gelten auch für den vorliegenden Band.1 Die neuerlich ermittelten Texte wurden bisher weder insgesamt, noch partiell in ähnlichen Sammlungen ediert.2 Gefunden wurden sie durch Auswertung der jüngsten, stets noch anschwellenden Verzeichnisse digitalisierter Drucke,3 daneben durch Konsultation neuerer Forschungsliteratur – bei der die Buchpublikationen von Ricarda Höffler, Thomas Kaufmann und Susanne Wegmann besonders herauszuheben sind, − sowie gelegentlich durch Hinweise in Rezensionen. Keine Frage: Die Möglichkeit einer Rekonstruktion des frühneuzeitlichen deutschen Bilderstreits resultiert aspektspezifisch auf jener allgemeinen digitalen Revolution, welche die europäischen Bibliotheksbestände insgesamt in neue Sichtbarkeits- und Verfügbarkeitszonen hebt. Da dieser Umwälzungsprozess noch nicht abgeschlossen ist und stets auf weitere, auch entlegene Bibliotheksbestände zugreift, ist auch künftig noch mit weiteren Funden zu rechnen. Mithin lässt sich also nicht behaupten, dass die Dokumentation Von Strittigkeit der Bilder mit diesem dritten Bande zum deutschen Bildstreit des 16. Jahrhunderts nun abgeschlossen sei. Angesichts der Digitalisatsvorgaben ist freilich auch zu fragen, ob denn eine Auswahledition wie die vorliegende überhaupt noch sinnvoll sei. Indes sind gerade wegen des riesigen Aufkommens bislang unbekannter oder doch unbeachteter Quellen eine musternde Prüflektüre und differenzierende Auswahl unentbehrlich. Eine historisch ordnende Dokumentenzusammenstellung und deren Überführung in eine typographisch moderne, mit Übersetzungen, Paraphrasen und Erläuterungen versehene neue Version ist erforderlich, wenn die Dokumente, auch gerade für philologisch und kirchengeschichtlich nicht eigens geschulte Interessenten, rezipierbar werden sollen. Zudem eröffnet die Zusammenstellung neue Felder des Suchens und Findens. Denn wo Fundorte und publikationsgeschichtliche Zusammenhänge der Vorlagen, welchen die in vorliegendem Bande versammelten Volltexte oder Textpassagen entnommen sind, im zugehörigen kritischen Apparat jeweils ausgewiesen sind, ist es naheliegend, durch Eigenlektüre der Digitalisate sich selbst rasch im textlichen oder bibliotheksgeschichtlichen Terrain ein beliebig zu erweiterndes Kompetenzfeld zu schaffen. 1 ‚Einleitung‘, Bd. I, S. 1–13, besonders S. 11–13. 2 Flugschriften, ed. Laube ; Flugschriften, ed. Köhler; Cramer/Klemm Angaben s. ‚Bibliographie‘, Bd. II, S. 1250–1281. 3 Zentrales Verzeichnis Digitalisierter Drucke [zvdd], VD 15, VD 16 und VD 17. http://doi.org.de/10.1515/9783110780031-001

2 

 Einleitung

Angemerkt sei noch, dass manchen meiner Suchbemühungen kein Erfolg beschieden war. Die Absicht, durch Dokumentenzusammenstellung zu demonstrieren, wie Synagogenstürme und Vernichtung jüdischer Kultgeräte (vom 13. bis 16. Jahrhundert) inhaltlich und formal die binnenchristlichen Kirchenstürme, Bilderstürme und Zeremoniellattacken des 16. Jahrhunderts präformierten, ließ sich aus Mangel an Urkunden nicht realisieren. (Ich werde mich bemühen, durch einen längeren Aufsatz dies Problem kenntlich zu machen.) Auch die (im Frühjahr 2017 in Gesprächen und Briefen artikulierte) Anregung Martin Warnkes, meinen Schriftdokumentsammlungen ähnliche Bilddokumentsammlungen von ikonoklastisch lädierten Bildwerken an die Seite zu stellen, ließ sich nicht realisieren. Angesichts des Befundes, dass in den deutschen Bildstreittraktaten auf Sujet, Faktur, Standort, Bildart und Produzenten der attackierten und zu attackierenden Bildwerke so gut wie nie die Rede ist,4 scheint mir eine Gegenüberstellung wenig ergiebig. Die auffällige Tatsache, dass deutsche Bildproduzenten – von Dürer, Quad und Guarinonius abgesehen − nicht durch schriftliche Äußerungen in den Bildstreit eingriffen (auch Niklas Manuel und Jörg Breu d. Ä. nicht), ließ sich immer noch nicht hinreichend erklären. Man müsste auf andere Quellensorten – etwa Ratsprotokolle, Gerichtsakten, Gildenprotokolle, Briefe, autobiographische Schriften − zurückgreifen, die in meinen Bänden unberücksichtigt blieben. Es ist zu hoffen, dass alle diese Versäumnisse und Schwierigkeiten durch jüngere Forschungskräfte zu beheben sein werden.

4 Eine Ausnahme bildet N° 98!

Texte

N° 61 Johann Eberlin von Günzburg / Desiderius Erasmus von

Rotterdam / Gerardus Listrius

Spöttliche Dienst. so wir jetzt bewysen den Hailigen [1521] Diese Flugschrift hat drei Autoren: Johann Eberlin von Günzburg (1470–1533), über dessen soziale Herkunft so gut wie nichts bekannt ist, war früh verwaist, absolvierte in Ingolstadt und Basel ein Theologiestudium, das er mit Erwerb des Magistergrades abschloss, trat dem Franziskanerorden bei und arbeitete als Priester an verschiedenen Orten, u.  a. in Augsburg, Heilbronn, Tübingen, Freiburg i.Br., Lauingen und Bern. Als er, unter Einfluss von Luthers Schriften, zur Reformation übertrat und den Franziskanerorden verlassen musste, immatrikulierte er sich als knapp Fünfzigjähriger nochmals, um an der Universität Wittenberg bei Melanchthon, Bodenstein und Luther zu studieren. 1526 folgte er einem Ruf nach Wertheim, wo er zum Superintendenten aufstieg, dann aber vertrieben wurde. Als Pfarrer im badischen Leutershausen starb er 1533 nach jäher Krankheit. Sodann Desiderius Erasmus von Rotterdam (1569–1536) → STR1, S. 527. Und drittens Gerardus Listrius (1498–1546), ein niederländischer Mediziner und Humanist, der Schüler und Briefpartner von Erasmus war. Das vorliegende Dokument ist eine Kompilation von Äußerungen dieser drei Autoren: Johannes Eberlin hat mehr als die Hälfte davon verfasst, das Übrige übersetzt und alles arrangiert. Von Desiderius Erasmus stammt ein gutes Drittel des Textes und der Rest von Gerard Listrius. Erasmus als der weitaus prominenteste der drei Autoren fungiert als Gallionsfigur und Stichwortgeber. Eberlin nimmt sich die Freiheit, den überkonfessionell berühmten und umworbenen Erasmus für seine fiktional utopisierende Initiative an seine Seite zu ziehen und zum ‚Bundesgenossen‘ zu machen. Mittels Ausschnittwahl und Kommentar montiert er so eine sarkastische Warnschrift wider den Heiligendienst. Wenn Eberlin die Frage, wie der Heiligenkult und damit auch der Bilderdienst abzubauen sei, erörtert, und seinen kritischen Text als vierzehnten ‚Bundesgenossen‘ in seine aus insgesamt fünfzehn Bundesgenossen-Flugschriften bestehende Sammlung eingliedert, so gibt er ihm damit politische Stoßrichtung. Denn die an Kaiser und Reich adressierte, an Reichsreformschrifttum und Policeyordnungen orientierte reformerische Supplikations- und Gravamina-Sammlung der fünfzehn ‚Bundesgenossen‘ dringt mit subversivem Witz auf Verwirklichung. Ironisch wird suggeriert, es gebe an nicht genanntem Ort innerhalb des Reiches bereits einen Binnenstaat namens http://doi.org.de/10.1515/9783110780031-002

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‚Wolfaria‘, der seine Realitätstüchtigkeit durch Verfassungsentwürfe (namentlich im X. und XI. ‚Bundesgenossen‘-Text), insbesondere aber durch ediktartige Aufrufe behaupte und dazu Bundesgenossen anwerbe. Eberlin hat die von Gerardus Listrius kommentierte Ausgabe des ‚Moriae Encomium‘ benutzt, die 1516 bei Froben in Basel erschienen war (→ Digitalisat der STB Berlin, Sign. Ag 631 (VD16 digital)). Er übersetzt nur einen geringen Part des Textes, ab Sc. 162 samt Auszügen aus den Listrius-Kommentar. Bei der Frage nach rechter und falscher Heiligenverehrung geht es vor allem um Bilderkult, Wallfahrt, Fegefeuerdrohung und Ablass. So wird der Brauch, selbst bei Tage Kerzen vor Heiligenbildern anzuzünden, lächerlich gemacht. Kritisiert wird die Annahme, mit Gott seien geschäftliche Abmachungen zu treffen. Auch sei es thöricht, eine territoriale Zuordnung von Heiligen und Ressortzuweisungen nach Schadensund Heilskompetenzen (etwa für Zahnweh, Feuergefahr, Schiffbruch, Viehschaden u.  a.) zu treffen. Befremdlich sei, dass man zwar für gesundete Körperglieder Votivbilder stifte, dass sich indes niemand bei Heiligen dafür bedanke, wenn er zu Verstand gekommen ist. Kritisiert wird die Verbreitung fabulöser Wundergeschichten, die nur dazu diene, Alte und Leichtgläubige auszuplündern. Eberlin variiert und unterstreicht mit seinem abschließenden ‚Zusatz‘ den Vorwurf mönchischer und pfäffischer Geldgier. Er warnt vor der Lehre des Thomas von Aquin, da sie dem Heiden Aristoteles und dem Teufel stärker verpflichtet sei als Christus. Am Zustand des Franziskanerordens (dem er vordem ja selbst angehört hatte) kritisiert er die zunehmende Entfernung von den ursprünglichen Leitideen des Ordensgründers Franciscus. Die Mönche vergötterten diesen Heiligen, indem sie ihn über Christus und Maria stellten. Abschließend werden auch andere Orden wegen ihrer Heiligenkulte kritisert.

Spöttliche Dienst. so wir jetzt bewysen den Hailigen N° 61 

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Herr erasmus von Rotherodam im bůch Encomion Morias zaigt an spötliche dienst so wir jetz bewysen den hailigen. Der XIIII. bundtgnoß. [ɵ j verso]

[Eberlin.]

OB unser xiiij. bundtsgnossen schwär ist zů schriben nach miner verpflichtung [ist] kain wunder, dann so vyl hoch verstendiger meine gesellen von mir iren fleiß dargethon haben, doch das ich wol mög beston würd ich fürwenden für meinen theil, den loblichen spruch so Erasmus von Roterodam schreibt in dem bůch Encomion Morias von thorlichen hailigen dienst. Nit dz der hochberümpt lerer Erasmus widerig sy dem gots und hailigen dienst den er auch fürderlich lobt. Aber ime mißfalt so grosse abwiß [i.S.v. Thorheit], sine wort sind dyse, und nim sy alle für mißfällige ding an. [Erasmus.] Deren ist ein grosse zal, die der gotsgebärerin ein kertzlein uffstecken auch umb mittag, da man keins liechtes bedarff, aber wenig sind die sich fleissen [befleißigen] ihr nach [zu] volgen in keüschem läben, in demůt, in liebe himmlischer ding, so doch solichs rechter dienst ist und den helgen [Heiligen] am angenämsten. Welche menschen ein gefallen haben zů sagen oder hören grosse erdichte wunderzaichen von helgen, sind uberauß thorecht, sie lassen sich nit benügen [i.S.v. genügen] in sollichen fablen die sy erdencken, von erschinen geysten, seelen, teüfflen von der hell, und derley tausent miracul, die man auch für so vyl gloubhafftiger halt, wie vyl sie unmässiger erdacht sind. Solich fabulisch miracul sind nit allein kurtzw[e]ilig zů hören, sie bringen auch nutz den pfaffen und prediger. Listrius. Jn den worten verwürfft Erasmus nit ware mirackel aber erdichte, und die zů aignem nutz erdicht sind, do mit man meer [mehr] gält [Geld] außtruck [i.S.v. herauspresse] von den wiberen, alten und bald gelöubigen [Leichtgläubigen] dann welcher dem helgen ewangelio wol gloubt, der achtet nit fast solicher erdichter mirackel, und wir sähen welche solichen fablen fast glouben, die achten nit vyl der ewangelischen warheit. Erasmus wirt auch geachtet er rede hie wider das noch gültig volck der questionierer5, die der helgen heltumb [Heiltum] umbfüren und on alle scham

5 Quästionierer sind kirchlich privilegierte Almosensammler.

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predigen sie grosse lügenhafftige mirackel dem volck, der sie dar nach h[e]im[licher] wis [Weise] selbs spotten. Erasmus.

[ɵ ij recto] Es sind etlich die sich selbs thörlich uberreden wann einer einmol im

tag ansehe erdicht grossen christophorum gemalt oder sein hültzin bild dem kum den selben tag kein schad zů handen. Oder welcher eim bild sant Barbara all tag etliche bätlin [Gebetlein] spräch der werd gesund auß dem krieg wider kumen. Oder welcher sant Erasmum mit sondern gebätlin, kertzlin, uff sundere tag [an besonderen Tagen] vereret der werde bald rich [reich] werden. Auch hat man einen haidnischen Herculem erfunden an sant Jörgen [Sankt Georg]. Jtem ein Haydnischen Hypolitum, deß pfärd sy mit köstlichem gezierd umbhencken und thůnd im grosse eer an in der kirchen, bringen ime sundere opffer und ist ein künglicher [königlicher] schwůr so einer by sant jörgen isen hůt [eisernem Hut] schwert [schwört]. Aber wz soll ich sagen von denen die in [ihnen i.S.v. sich] selbst schmaichlen mit erdichtem ablaß, und mässen auß die lenge des fägfeurs mit sanduren, und zelen ab jar, monat, tag, stund, caren [i.S.v. Gnade], quadragen [i.S.v. Ablass], als hetten sie es an einer tafel gezaichnet, haben auch kein zwyfel daran es sey recht abgerechnet. Etlich haben ein groß gefallen an den zauberischen gebätlin, von den leütbeschisser erdacht umb kurtzwil oder umb nutz, deren gebätlein etlich brauchen umb rychtumb, etlich umb eer, etlich umb lust, etlich umb narung, etlich umb gesund tag, etlich umb ein krefftig alter. Etlich verhoffen durch solich gebätlin ein hohen sitz bey christo im himmel, do hin sie doch nit begeren bald zů kummen, sunder erst dann so sie müd werden zytlicher lüst, wöllen sie daruff annemen hymmlische fröid [Freude]. Durch den ablaß understat ein kouffmann oder kriegsmann oder ein richter, mit eim pfennig den er in [den] stock würfft ablegen uff ein mol allen hauffen der sind [Sünden] seins läbens, so vyl falsch schwür, unkeüscheit, füllery [Völlerei], zanck und hader, mord, betrügnüß, mainaid, verrätery, eben als het er ein geding [i.S.v. Abmachung] mit gott durch den ablaß gemacht und also die schuld abgelegt gantz und gar, daß er uff ein neu[e]s mag anfahen den vorigen raien [Reien, Tanz], was ist aber thorechter ja was ist säliger dann die inen [i.S.v. sich] selbs verheissen die höchst säligkeit so sie all tag die viij. verß uß dem psalter sprechen und dise verß hat ein tüfel offenbart, als sie sagen sant Bernhart. Soliche thorlichen dingen gelouben auch ordensleüt, nit allein einfeltige christen. [ɵ ij verso] Jst mir das auch ein thorheit, daß jetliches land hat ein sunderen helgen und jetlichem helgen geben [i.S.v. gestehen] sie zů sundere hilff und sundere eer, einer soll hälffen im zanwe [Zahnweh], etlich in kindesbanden, etlich so jemandt etwas verloren hat, etliche im schyffbruch, etliche söllen des vychs oder schoff hüten und derglichen anderes, dann ich kann nit alle ding erzelen. Aber was bit[tet] man anders von den helgen dann thorecht ding. Syhe an alle zaichen die man

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henckt an gewelb und wende der kirchen, der bild oder zaichen zaigt kaines an, daß einer der thorheit sey entladen worden, oder umb ein ha[a]r witziger sey worden dann vor. Aber sie zaigen an das einer außgeschwummen sey auß gefärlicheit deß wassers, etliche haben ein stich nit gescha[de]t am leben. Etliche sind entrunnen uß dem krieg haben andere lassen fächten. Etliche hat man an galgen gehenckt, aber auß hilff eines heiligen ist der strick gebrochen und der dieb entrunnen, das er me möcht rouben. Etlich haben auß dem thurn gebrochen. Etliche sind gesund worden vom fieber wider deß artzet [Arztes] willen. Etlich haben gyfft truncken und hat inen nit geschat, das doch iren frauen nit ist lieb gesin [i.S.v. gewesen]. Etlich haben den wagen umb geworffen, aber die pfärd sind gesund heim kummen. Etlich sind gefallen und hat yn neüt [nichts] geschadt. Einer ist bey eins anderen weib ergryffen worden und ist dem eemann entgangen. Aber keiner danckt den helgen das er sonder narrheit sey abkummen, dann man nit begärt von inen wißheit. Also ein süß ding ist umb thorheit, das wir ee manglen aller ding on [i.S.v. außer] der narrheit. Und solicher thorechter mirackel ist kain zal, doch lassen die pfaffen sy also bliben dann es inen zů nutz dienet. Wolt aber ein wyser man uffston und sagen die warheit also sprechendt, dann würdst du wol sterben wann du recht lebest. Du legst ab die sünd wann du zů dem pfennig legst reu und leid der vergangnen sünd, auch träher wachen6, gebät, fasten, und so du din gantz leben besserst, dann ist dir ein heilig günstig so du seim leben nach volgest nit allein so du ablaß kouffst, oder den helgen ein liechtlein oder ein bildlin opfferst. Solt ainer das und derglichen, das doch die warheit ist predigen, so wurd ein grosser murmul [Gemurmel, Murren] wi-[ɵ iij recto]der ihn, deßhalb daß er die leüt wolt von der thorheit zů wißheit ziehen. Zů den obgemelten thorheiten gehören auch die, welche bey irem läben ordnen wie man mit irem todten schelmen ein gebrach [Gebrauch] soll bey dem grab haben, wie vyl kertzen, wie vyl schwartze klagkleider söllen tragen, wie vil singer, wie vil weiner oder klager, eben als ob die selen in jhener wält befunden was solicher thorheit in nach geschicht [nach ihnen geschieht], als ob sich die auch von gaist müsten beschamen, wo in [ihnen] solich er [Ehre] nit uff erd nach geschäch [geschähe]. Listrius. So ein fürst stirbt fürt man ein pfärd in die kirch mit schwartzem gezieret, und bindet dem pfärd den hals unden an des roß füß, eben als ob das pfärd den kopff hencket nider uß clag und thrauren. O thorheit.

6 I.S.v. ‚Wachen unter Tränen‘.

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Ein zůsatz [Eberlins]. Obgemelte wort Erasmi und Listrij söllen wir also annemen nit das sy unß abfüren wellen von der waren eerung gotts und der helgen. Aber darumb das wir sähen wie mit närrischen sachen wir ombgondt [umgehen] auch im gotzs und hailigen dienst. So blind ist die wält daß sie kain ding wie ungeschickt es ist ersůcht und urtheilt ob es schad oder nutz sey, gůt oder böß, solichs sähen [säen] dann gytzig pfaffen und münch und brauchen zů eigen nutz die menschliche thorheit. Jst es nit ein merckliche grobe trügerey, das die leüt glouben durch ablaß werde abgeleit so gewißlich die pein des fägfeurs, das man auch darff tag und iar setzen in die ablaß bullen, und sie versiglen mit bischoff sigel, und offentlich vor gelert und ungelert in der kirchen läsen, und möcht doch ein weyser gedencken gott ließ solich falsch münch und pfaffen nit wissen die warheit seiner heimlichen urtheil. Das ist ein grosse blintheit so man als thorliche zaichen anschribt bey der helgen bild, die offt meer lachen bringen dann andacht, und meer dienet zů spot der helgen dann zů lob. Die prediger sagen, gott hab irem Thoma7 geoffenbaret sein ußlegung der geschrifft sey unfälig [i.S.v. unfehlbar] und ein ungelerter pabst hab ime zeücknüß darzů geben, so doch kundtlich daß ij. hundert jar lang sein leer verworffen ist gesin, auch von si-[ɵ iij verso]nen glich irrigen schůlgesellen, und am tag ligt das die leer Thome ein verfürung ist der christenheit, meer mit dem endtchrist und mit dem Aristotele ist dann mit christo und mit den apostlen, und ouch in niemand mag on zwyfel für ein helgen halten. Die barfüsser machen schier so vil auß irem Francisco8 als auß christo, darab auch der heilig Franciscus groß mißfallen hat, und ich ihn für kein helgen hielt, wo er nit gantz und gar verworffen hette der bättelmünch stand und wäsen [Wesen], wie sie jetz mit umbgond, und sunderlich das glyßnerisch betrüglich läben das jetz sine barfüsser observantzer halten, von dem sie selbs sagen, gott und Franciscus mög es inen nit lang vertragen [i.S.v. erlauben]. Sich [siehe] was sie von irem Francisco sagen, wer dem barfüsserorden gůtz [gutes] gunnet der stirbt keins unsäligen todts. Wer dem barfüsserorden widerig ist, stirbt keins gůten todts, ist nit das thorheit, so auch alle helgen marterer arbeitsäliglich gestorben sind. Franciscus nimpt alle iar auß dem fägfeur alle die auß sinen dry orden dar in sind. So Franciscus gestorben ist hat er das fägfeur gantz ußgelert. Sein orden werde ston biß an iüngsten tag, und ist doch allen wisen kundtlich das barfüsserorden wider vernunfft und geschrifft strebet, und es sy dann das Franciscus hab alle frumme volkomne christen für sein brüder gehalten, deren alweg etlich sein werden biß an iüngsten tag, so mag solich

7 Gemeint ist Thomas von Aquin (1225–1274). 8 Gemeint ist Franciscus von Assisi (1181–1226).

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prophecey meer [mehr] ein fabel sin erdicht von den betrüglichen münchen dann von dem heiligen vatter, und noch meer ob schon Franciscus solichen verstand gehabt hette, ist doch es verdachtlich das er wolt sich zelt [gezählt] haben under die volkomnen christen, so man doch so grosse demůt von im sagt. Jren welcher nit gůten willen hab mög nit verharren in sim [seinem] orden, sin orden wärff [würfe] yn auß, wie das mör [Meer] die todten. Eben als ob nit hundert tausent bößwilliger, unkeüscher, schamperer [schandbarer, i.S.v. schändlicher], hoffertiger, eerabschnidender, rachsäliger und vilfältig bübisch in seim orden sind, und do inn bliben yn eer und růw [Ruhe] vor denen erber, frumm, gelert, geschickt nit möge bliben. Jtem ob nit leüt weren die barfüsser orden ersatzten, wolt gott sie lassen do zů erst geboren werden. Und der ding vyl [ɵ iiij recto] sagen sie von irem Francisco, do by geschwigen sie gar deß lobs Christi und siner helgen ewangelischen lere, sagen meer von irer päbstischen, thorechten regel dann von sant pauls epistel. Gedencken weder gotts noch seiner můter dann als vil es dienet zů ires Franciscus lob, ja durch Franciscum wöllen sie hoch und gehalten sin, und under deß heiligen eer sůchen sie eer und nutz. Sie sagen selbs, wir haben nit grösser eer, dann so wir uns arm stellen in klaideren und andechtig in geberden, man gibt unß auch vyl meer, und was einer kostlichs oder hübsch hab sol er nit lassen sehen vor den leüten. Sie haben ein helgen genannt Ludowicus9, der wirt hüt [heute] ein barfüsser und morn [morgen] ein ertzbischoff, do mit ihm sein orden leichter were, und hat ihm recht gethon, dann villicht wer er im bättlerstand verdorben. Von disem geben sie auß er vermöge das ein unberhaffte [i.S.v. unfruchtbare] fraw ein kind uberkumm (das verstöd also wann ein iunger starcker barfüsser vorhin dry tag nacheinander der frawen allein etlich gebätlin vorspräch, so es nieman säch [sähe] oder höret etc.) und so einer frawen möchte mißlingen zů der geburt, hälff ihr der lieb heilig (so verr das sie das kind keim barfüsser gebe ob er schon ein wirdtger vatter ist.) Sie haben ein helgen genant Anthonius10, wer in anrůff der findt verloren löffel und mässer und schlüssel ouch verlorne nadlen und häfftlein [Spangen]. Mit sollicher narrheit gond sie umb under dem ainfeltigen volck, do mit neren sie sich mit grossem schaden christlichs wäsens und gemeines nutz. Die predigermünch11 erdencken siben guldin mäß [Messen] die darumb guldin haissen, dann man můß ihn ein guldin do von zů läsen geben. Auch rosenkrantz und unserfrawen mantel und dar zů vyl brůderschafften, wer do inn wil sin můß ein krützer geben in [ihn ein-] zů schriben, und also offt man lißt den namen jarlich můß man ein pfennig geben. Sie machen ein helgen auß irem Dominico12 und ich 9 Die Rede ist von dem Franziskaner Ludwig von Toulouse (1274–1297). 10 Gemeint ist der Franziskaner Antonius von Padua (~1195–1231). 11 Gemeint sind die Dominikaner. 12 Gemeint ist der Gründer des Predigerordens Dominicus (~1170–1221).

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 N° 61 Johann Eberlin von Günzburg / Desiderius Erasmus von Rotterdam / Gerardus Listrius

halt in darumb für hailig dann er verflůcht alle predigermünch (dann zů gelouben ist das er im geist erkant hab all ir boßheit die sie getriben hand bißhär. Als von der empfencknüß Marie und zů Bärn mit dem brůder etc.) dann sie biß uff dyse zyt von im verflůcht sind gewe-[ɵ iiij recto]sen sind, dann an seim [seinem] letzten end verflůcht er alle, die ligend gůt in sein orden brächten oder annemen, das stodt in siner legend. Liß neu getruckte bücher die uß sind gangen von der barfüsser statur, regel, historien, und auch von der prediger fabel in vilen ihrer selbs dichten, würdst du spötlich lugenhafftig ding finden, und so einer under ihnen ist dem solich unchristgläubige ding mißfallen, můß er entrinnen oder aber langwerende marter lyden. Der Carmeliten gemahelschafft und gevatterschafft mit Maria, ist ihnen ein schirm ob sie schon weder in küscheit [Keuschheit] noch armůt noch demůt, noch weltverachtung nachvolgen Marie, sagen sie doch Maria und sie sind geschwisterige kindt. Die landbeschisser genant stationierer [Bettelmönche] haben byschofflichen gewalt zů aller bübary [Buberei]. Die Valentiner geben für sant Valentin der im hornung geeret wirt, und ist erlogen man sůch der historien nach, dann ir Valentin ist ein byschoff gewesen wie sie sagen und jhener nit, und schad ist das man inen ein haller gon Rufach13 gibt. Sants Bernhart botschafft laßt die leüt am glouben es sy sant Bernhart der groß lerer den man nennt den honigflüssigen, do von Bernharder orden kumpt, und ist nit war. Die heiliggaister und Anthonier, samlen an die spytal der armen, denen doch kaum ein strow [Stroh] zů thail wirt, do uff sie mit růw [Ruhe] schlaffen in grossem hunger. Solicher trügery ist die wält vol und wirt kein uffhören do sein, biß das die pawren ein mol erhencken und ertrencken böß und gůt miteinander, so ist dar nach der trügery gelonet. Jch glaub alle die fürderung thůnd den bättelorden und den questionierern14 zů unseren zyten, thůnd grösser sünd dann ob man stäle und hůry [Hurerei] fürderet, das wirt ußfundig so uff baide syten war genummen wird der verfürlich schad daruß entspringendt. M W V Jch warn dich mit trüwen.

13 Rufach im Elsaß war dominikanisch betreutes Valentinsheiligtum und Pilgerort. 14 Quaestionierer sind Kontroversredner.

Spöttliche Dienst. so wir jetzt bewysen den Hailigen N° 61 

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Editorische Hinweise Bearbeitungsvorlage HErr erasmus von | Rotherodam im bủch Enco- | mion Morias / zaigt an spöt- | liche dienst so wir jetz bewysen den hailigen. | Der .XIIII. bundt | gnoß. Exemplar der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe, Sign. 74 A 3646 RH (VD 16 E 120; digital).

abgeglichen mit [Erasmus von Rotterdam:] ‚Morias Encomium, pro castigatissimo castigatius una cum Listrij commentariis, et aliis complusculis libellis.‘ – Basel: Johannes Frobenius, 1516. Exemplar der SBB Berlin, Sign. Ag 631 (VD16 digital).

LIT ADB; NDB; Jaumann; Wikipedia; Ajouri; Ganseuer; Heger; Noack; Peters.

N° 62 Johann Eberlin von Günzburg Wider die Schänder der Creaturen Gottes [1525] Zu Eberlins Herkunft und Werdegang → N° 61. Die Stoßrichtung dieser Disputation wider alle Arten menschlicher Weihe- und Segnungsakte ist antizeremoniell und antiklerikal. Eberlin wendet sich gegen Praxis und theologische Legitimität der Benedictiones, wie sie seit dem Hochmittelalter in eigenen Schriften gefasst wurden. Im Umfeld der Reformation waren Benedictiones regional noch recht unterschiedlich formuliert und deshalb auch umstritten; durch das Tridentinum aber wurden sie überregional zu einem Compendium Benedictionale vereinheitlicht, welches seinerseits Teil des Rituale Romanum wurde, wie es, in modifizierter Form, auch heute noch besteht. (Es bietet u.  a. auch Regeln für die Bilderweihe!) Zwar äußert sich die vorliegende Flugschrift nicht explizit zur Bilderfrage, doch war der Bildstreit ja selbst Teil der Zeremoniellkritik. Eberlins Kritik an sakralen Objekten und Zeichen ist ähnlich radikal wie die des jungen Luther, der in seiner Römerbrief-Vorlesung von 1515/16 (→ STR1, S. 165–168) die gesamte liturgische Topik, die sich das westliche Christentum des Mittelalters gegeben hatte, in Frage stellt. Grundthese von Eberlins Benedictiones-Kritik ist: Jeder Christ und alle Dinge, deren er bedarf, seien kraft seines bibelvermittelten Glaubens gesegnet. Unterstellt wird eine prinzipiellen Zweckmäßigkeit und Nutzbarkeit aller gottgeschaffenen Naturdinge für den Menschen. Eberlins Argumente gemahnen da gelegentlich schon an solche der Physicotheologie, die doch erst rund zwei Jahrhunderte später voll entfaltet war. Wer an Christus glaubt, bedürfe keiner weiteren menschlichen Mittler, keiner Heiligen, keiner Priester – und keiner gegenständlichen Medien, keines Weihwassers, keines geweihten Öles oder Salzes oder auch bestimmter Segens- und Kreuzeszeichen. Eberlin verwirft eine qualifizierende Unterscheidung von Sakralem und Profanem. Das gelte für Menschen: Ein einfacher Mensch (ein Schneider oder Schuster etwa) sei genauso viel wert wie geweihte Menschen (Priester, Nonnen, Mönche, Äbte, Bischöfe). Das gelte aber auch für soziale Menschenformationen: Die politische Gemeinde sei genauso wichtig wie die kirchliche; der Amtmann genauso wichtig wie der Pfarrer. Gleiches gelte für Gebäude: ein „Tempel“ solle als gemeindlicher Versammlungsraum dienen, sei durch die Gemeinde aber jederzeit umzuwidmen und dann als Kaufhaus, Badehaus oder Fleischhaus, zu nutzen. Im Gottesdienst verwendeten Geräte – etwa Kelch, Corporale, Messgewänder – seien nicht besser als alltägliche Gebrauchsgegenstände wie Becher, Schüssel, Kanne, Kleidung; ein steinerner http://doi.org.de/10.1515/9783110780031-003

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 N° 62 Johann Eberlin von Günzburg

Altar nicht besser als ein hölzerner Tisch. Besonders erregt streitet Eberlin gegen Glockentaufe und Friedhofsweihe. Alles Segnen von gottgeschaffnen Kreaturen sei unzulässig, da sie alle durch den Schöpfungsakt bereits geweiht seien. Gott wolle keine zusätzlichen Segnungsakte: „Gott will beschirmen und behüten allein, allein, allein“. Deshalb seien Benediktionsakte Teufelsmarkierungen, die eine Schändung und Herabsetzung aller nicht von Menschen geweihten Kreaturen implizierten. Durch priesterliche Weihe werde alles schlechter und unbrauchbar: Wasser, Öl und Salz würden dem alltäglichen Gebrauch entzogen. Geweihte Menschen, Priester, Nonnen, Mönche würden durch den Weiheakt schlecht: „Sie werden unerbittlich, unträglich, unfreundtlich, untreu, falsch, bübisch, verwegen, geytzig etc. Als ob gottes fluch befindtlich in ihnen würcke.“ Die Kritik priesterlicher Segnungsmacht, die auch die pure Möglichkeit von Exorzismus und apotropäischerTeufelsbekämpfung in Abrede stellt, artikuliert hier ein Mann, der sie aus innerster Erfahrung kennt: Eberlin war ja vor seinem Übertritt zur Reformation jahrzehntelang Priester und Franziskanermönch gewesen. Und der, den er hier so scharf attackiert, ist ebenfalls Franziskaner: der Gardian des Franziskanerklosters St. Annaberg Franciscus Seyler. Ob Eberlin ihn – den er nicht bei Namen nennt! – persönlich oder aus Publikationen gekannt hat, ließ sich (noch) nicht ermitteln. Anlass und Aufhänger für Eberlins Benediktionskritik war eine von Andreas Bodenstein gegen Seyler gerichtete Flugschrift: ‚Von geweychtem Wasser und saltz. Doct. Andreas Carlstat. wider den vnuordienten Gardian Franciscus Seyler.‘ (Wittenberg 1520) Bodensteins Zentralthese „seint doch alle ding durch gott gebenedeyet“, wird von Eberlin, der an Wittenbergs Universität bei ihm studiert hatte, variantenreich wiederholt und zu einer generellen Kritik menschlicher Segnungsfähigkeit ausgebaut.

Wider die Schänder der Creaturen Gottes N° 62 

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[Aijr]

Vorrede. VOr etlicher zeyt, hat ein grawer Franciscaner münch von sant Annaberg1, sich gantz Frantzciscanisch (das ist gleyßnerisch und ungelertt) herfür gethan, wider etliche lerer, der Gottes gnaden, im euangelio bezaygt, und ein groß Minoritisch argument und geplärr gefürt, Do wider mit geweychten Wasser und Saltz, sich lassen beduncken, damit wöllen allem unfug ein hütlein auffsetzen, und beschirmen, das ötwas anders mehr zehalten (als haylsam und nütz zu menschlichem hayl) Dann was in biblischen büchern geschriben ist, dawider sich gestelt hatt, domalen Doctor Andreas Bodenstein von Carlstat2, in etlichen seinen geschrifften, in teütscher sprach beschriben, darinnen umbgestossen geschrifftlich und beschaydenlich obgemelte einwürff des grossen Minoritischen Helden, Aber domalen soll eins, das mich verdrüst, das eim stoltzen Franciscaner so ein verschonte antwort soll haim geschickt werden, als in solcher beschaydener weyß und form. Ich wolt auch Carlstat hette des Käßjegers3 namen4 nit in sein Büchlein gesetzt, dann er nit werdt ist das sein name soll inn gedächtnus sein bey den nachkommen. Aygne hoffart hat jn dar zu getrungen gleich jhenem der in Brunnen schißs, das man auch von jm etwas sagte im volck. Die haydnischen geschichtschreyber sagen von einem solchen, der den Tempel Diane zu Epheso verbrandt5, in hoffnung man würde davon sagen ferr und lang, Die Epheser aber verboten, man solt nicht davon schreyben noch sagen, das nit solch eergeytzig hertz ervolgte [nachfolgte] sein böß fürnemen [Vorhaben]. Und ich wolte auch, des grawen Guglers6 namen were geschwigen, Aber so es geschehen ist, muß man das lassen gon wie es gat. Das aber mehr kundtlich werd seydther von newem, wie der Gotslesterer mit Gotslesterung wyder die götlich warheit fächte, will ich in diser geschrifft schlecht [i.S.v. schlicht] und einfeltig [Aijv] anzaigen, das die weyhung der creaturen wie yetz im gebrauch lang gewest nit allain ungegründt in hailiger geschrifft sey, wie Carelstat

1 Sankt Annaberg: 1502 gegründetes Franziskanerkloster samt Wallfahrtsstätte im böhmischen Erzgebirge. 2 Vgl. N° 6 in Band 1. 3 Käsejäger, als Schimpfwort. 4 Der Name, den Eberlin unterdrückt und Bodenstein nennt, ist der des Klostergardian von St. Annaberg, Franciscus Seyler. Herkunft, Lebensdaten und Publikationen dieses Mannes ließen sich (noch) nicht ermitteln. 5 Herostratos hieß der Brandstifter, der 352 v. Chr. den Tempel ansteckte, um durch diese Tat Ruhm zu erlangen. 6 Gugler meint ‚Gugelträger‘. Die Gugel ist eine Kapuze, mit der Mönche ihre Tonsur bedecken.

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anfangs wol bewert hat, sondern auch wider Gottes geschrifft und eere etc. Ich will es nit lassen bleyben bey einer gůtten bedeuttung, Als weren sie darzů auffgesetzt. Wann also möcht man bey allem mißgebrauch verston wöllen etwas gůts, wie wol frembd, und gezwungen, dabey mag man abnemen als einem lewen [Löwen] bey aim kläwlein [Kläulein, kleine Klaue] herauß wachsende was in künfftig zeitt, darmit fürgenommen werde, wann nun die senfften Christlich leerer Luther, Philip Melanchton und ander etc. auch nit mehr auf erden seind, als man vermainet, weren yetzgemelte thewre männer erwürgt, die Sophistischen Papisten hätten růw, nain nain, dise männer hindern mehr der Widerchristen7 unglück mit senfftmüttigkait, dann das sie es fürderten, so sie mundtlich und gschrifftlich leren und gebietten, man soll kain andern rumor [Gerücht, Nachrede] fürnemen wider sie, dann allayn was das rain fewrig Gotteswort erwecke. O wie ernstlich, begyrig und scharpff würde gehandlet mit feder, zungen und schwert, wo obgemelte milte leerer nit so größlich widerstünden, aber man würdt wol erfaren ayn mal das man yetz nit glaubt. Es würdt ein zeit kommen das man wünschen wirdt, obgemelter lerer und herren zeytliches leben, und wirdt doch alles umbsonst sein, Aber davon ein andermal, vernement yetz was ich von der weyhe sagen will.

Alle Creatur Gottes seind gůt. So ich von den Creaturen reden will, můß ich underschidlich reden, damit yrrsal verhiet [verhütet] werde. Es seind Gottes creaturen, Da von psalm .cxlv. [Ps 145] Gott hat beschaffen himel und erden, das Mör und alles das darinn ist etc. Es seind auch creaturen der menschen. Davon I.  Petri .2. Ir sollen underworffen sein aller menschlichen Creatur, das ist aller menschlichen geschäfft des [Aiijr] weltlichen schwerts und jr ordnung umb Gotts willen, Es sind sonst auch mehr Creaturen des widerchrists, darunder die falschen propheten auffgestanden, darvor sich menigklich verhüt und von jn geredt, darvon zů melden, wie der Creator ist, also ist auch die Creatur etc. Hie will ich reden von den ersten Creaturen, die allain Gottes seind, dovon geschriben stat Genesis 1. cap. Im anfang hat Gott geschaffen himmel und erden, und bald darnach so Moses erzelt hat die werck der sechß tag, spricht er, Gott hat gesehen alle ding, wölche er gemacht hat, und sie waren fast [i.S.v. sehr] gůt etc. [Gen 1, 31] Und Paulus 1.Tim.4. [1 Tim 4, 4] Alle Creaturen Gottes seind gůt, Der schöpffer ist gůt und das beste gůt, und all seine Creaturen seind gůt und fast [sehr] gůt.

7 In Vorlage „wider Cristen“.

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Widerspruch. Möchten etlich sagen wie mügen Wölff, Löwen, schlangen, natern, krotten etc. gůt sein, so sie grossen schaden dem vihe und den menschen bringen, Wöllyche uns auch Gott fürwürfft zů einem schrecken. Deutro xxviij. auch xxxij. [Deut 28 und 32] Antwort. Das anzaygen der vernunfft hat auch den *Plutarchum gelert, wie man auß allen dingen müge einen nutz schöpffen und nemen, als auch täglich erfarung weyßt, das uns zů grossem nutz dienent auch grawsame gyfftige thier als jre heutten [Häute], jre gebain, flaisch etc. Item der krotten stayn, der nat[t]ern zungen etc. vilfältig nutz und not seind dem menschen, und wo also ein mensch hatt grosse erkantnuß der nature der unvernunfftigen thieren, bedarff man diesen spruch nit beweren [i.S.v. beweisen] lang und vil, Auch ist darumb ein ding nit böß, so es dir nit yetz oder on mittel nutzet, hew ist ein gůtte speyß dem ochsen, aber dir nit, das Schweyn yßet menschen unsauberkeit das wider menschen lust ist, Ein storck [Storch] yßt schlangen, aber wider menschlich natur, Gott regiert die welt, wölche er auch beschaffen [i.S.v. geschaffen] hat etc. alle creatur seind gůt, wiewol nit alle ding eim yetlichen [jeglichen] zů aller zeyt nutzen oder not seind. [Aiijv] Das aber etliche thier dem menschen schädlich seind, ist nit der boßhait schuld an den thieren, aber der sünden schuld im menschen, Gott hat beschaffen den menschen ein herren aller Creaturen, im wasser, lufft und erden. Genesis.1.capitel. Aber durch die sünd hat der mensch verloren sölliche herschafft, und an stat der herschafft, ist forcht und schaden kommen, unser sünde haben das verdient, das Gott unsere ungehorsame straffe, durch der thyer ungestüme gegen uns, ja im menschen selbs ist der aygen leyb wider aigne seel, sinlichait wider vernunfft, ein vernunfftiger anschlag wider den andern. Rom.ii.cap. und der mensch ist sein selbst gröster feynd worden, und ob kayn Creatur dem menschen schaden thätte, müste er sich selb schädigen, an aim glyd mit messer, holtz, stayn, einer stößt jm selbs ein aug auß, hawet jm selbs en finger ab, erschiesset oder erwürgt sich selbs. Gott hat es also geordnet, Also ists kundtlich das man so wenig soll achten die thier für böß, Darumb das dem menschen schaden von jnen erwachßt, als wenig ayner sich selbs böser achtet, wann er jm selb schaden thůt, wiewol on gfar [ohne Gefahr], Gott gebraucht alle Creatur zů dienst, wann und wie er will, und sie müssen jm gehorsam sein.

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Alle ding seind nutz oder schädlich, wie der ist, wölcher ein ding gebraucht. Vor uns haben auch die Philosophy gsagt, wie du byst also seind dir alle ding, Aber wir wöllen meer [mehr] bawen auff die wort Gottes dann auff aygne erkandtnus oder erfarung, Christus leeret, das speyß und tranck an jm [i.S.v. sich] selbs nit böß sey, wo das hertz nit böß ist. Mathey am funfftzehenden Capitel [Mt 15]. Auch nicht gůtt machen ausserliche ding, noch auf Gott laytten wa das Hertz nit gůt ist, Mathei dreyundzwaintzigisten [Mt 23]. Auch [Aivr] Thito.1. Den raynen seind alle ding rayn, aber den befleckten und unglaubigen ist nichts rayn, aber jr gemüt und gewissen seind befleckt. Das ist, bist du gůt so sind dir alle ding gůt, bist du böß, seind dir alle ding böß etc. Bist du gůt so geschicht dir wie Romanos am achten [Rom 8, 38] geschriben stat, wir wissen aber, dz denen die Gott lieben alle ding zů dem besten dienen, die nach dem fürsatz berůfft seind, und bald darnach, ich bins gewyß das weder Tod noch leben, noch engel, noch Fürstenthum, noch gewalt, noch gegenwertigs noch zůkünfftiges, noch hohes, noch tyeffes, noch kain ander Creatur mag uns scheyden von der liebe Gottes, die in Christo Jhesu ist unserm herren, Bist du böß so fürcht in allen dingen den flůch Gottes, davon geschriben ist. Deutronomij xxviij. cap. Als auch Sapientie [Sap 1,2] geschriben ist, Alle Creatur fächten wider die unweisen ungottsäligen menschen.

Außlegung eines spruchs Pauli ad Titon. I. Den rainen ists alles rain [Tit 1, 15] spricht Paulus, den unglaubigen aber und unrainen ist nichts rain, sonder unrain ist baider jr sinn und gewissen etc. Mercke geweyhet und rain deütten gleich widerumb auch ungeweyhet und unrain, Ein rain ding ist, das gehailiget ist, das von Gott zů menschlichem gebrauch verordnet ist. Act .x. [Act 10] und xj.cap. Ein rain mensch ist ein gelaubiger mensch. Act.xv. Gott rainiget die hertzen durch den glauben, Ein unrain mensch ist, der unglaubig ist als Tito.I. Paulus spricht und außlegt das wort unrain den unglaubigen und den unrainen etc. Wisse nun, das kain underschaid ist in denen dingen so zů menschlichem gebrauch nutz oder not seindt. Der underschaid ist in den menschen wölche rain oder unrain seyen. Alle leren, welche fürgeben, ein ort, zeyt, speyß, getranck, klayd, oder ander ding, sol geweycht werden [Aivv] oder für geweyhet gehalten werden für andere (ob auch im gsatz Mosi von Gott davon gelert, oder geboten ist worden) werden von Paulo genant hie Jüdisch fablen thandmer [i.S.v. Geschwätz] etc. und das die abwenden von der warhait, Wye vil mehr wann sollich Weyhung allain auß

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menschenleeren entspringt und herkumpt, Als auch allen Sophisten bekandtlich ist im newen Testament, darinn aller eusserlich er gebracht [Ehrgebracht, Ehrengepränge] ein end hat, wölche sie Ceremonialia mandata nennen. Die Pfaffen sagen, der Tempel sey ein gebethauß, und das gebet das in dem Tempel geschehen, sey auß eim sonderlichen zůsatz meer bey Gott angenem, Gott spricht nayn darzů. Actuum vij. und Esaie am lxvj. Der allerhöchst wonet nit in Tempeln, die mit henden gemacht seyndt, als er spricht durch den propheten, Der Himmel ist meyn stůl, und die erde der schämel meiner füß, was wolt jr mir denn für ein hauß bawen, spricht der herr etc. oder wölches ist die stat meiner růwe? hat nit meine handt das alles gemacht. Und Johannis iiij. capitel zerlegt Christus den hader zwischen den Juden und den Samaritaner, der stat halb des gebets, und sagt [Joh 4, 23]. Es kompt die zeyt, und ist schon yetzt, das die warhafftigen anbeter werden den vatter anbeten im gaist und in der warhait, denn der vatter will auch haben, die jn also anbeten, Gott ist ein gaist und die jn anbeten, die müssen jn im gaist und in der warhait anbeten. Die Pfaffen sagen, an geweychten Stätten soll man beten, Christus sagt Mathei am sechsten [Mt 6, 6], Wann aber du betest, So gee in dein kämerlein, und schleuß die thür zů und bete zů deim vatter verborgen etc. Ja Paulus sagt I.Thimo.2. Ich will das die männer beten an allen orten, und auffheben hailige hende on zorn und wyderwillen etc. [Br] Do bey nyme [nimm] ab, wie Christlich von hailigen Stätten uff den kirchweyhungen gepredigt würdt. Bey den Christen soll ein Tempel nit anderst geachtet werden, dann als ein gemain hauß, verordnet zů der versamlung Christlichs volcks, zů hören predig, empfahen die Sacrament, und andere Christliche gemayne sachen außzůrichten. Die Tempel (sprich ich) seind darzů verordnet nit von Gott und gebot der schrifft, aber von den menschen in jeglicher Pfarr wonenden. So einer gemain [Gemeinde] nit mehr gefalt ein sollichs hauß, mag man es aber wol für hin [i.S.v. weiterhin] gebrauchen zů einem Kauffhauß, Badhauß, Brodthaus, Flaischhauß etc. on alle scrupel, Gott nimpt sich des nit an, welcher anderst leret, der jrret sich selbs und andere etc. Also sage ich auch von allem das im Tempel gebraucht wurdt, das bedarff kainer weyhung, Es sey kelch, Corporal8, altar, glocken, meßgewandt etc. Das man in solchen dingen ain sondere form oder gestalt oder Figur habe dann in andern gefässen, nach gefallen der lewtt [Leute] laß ich zůe, aber doch on alle notweyhung, In gemainen gefässen, klaydern und orten hielt Christus sein Testament, on zweifel auch die Apostel, und die ersten Christen. Darauß volgt, wie doctörlich, wie bischofflich thondt [tuen] unser weyhbischoff, welche gevatterschafft erwölen, so man ein glocken will teuffen [taufen]. O jr dorff-

8 Leinentuch, das zur Eucharistiefeier benutzt wird.

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narren, jr Westhfalischen Freyschöpffen, jr wissent [wisst] nit was tauff ist auch was tauffen ist, jr wissen [wisst] nit ein kindt zu tauffen und wölt ein glocken tauffen, jr seind narren auf gůt teutsch gerett [geredet]. Aber das jr reich leütt zů gevattern oder todten darzů nement, thond jr weyßlich, dann on gelt mag ewer Reych nit bestan, Geltnarren seind böß narren. Jr seindt vermaledeyet leut, davon Paulus sagt Thit. vj. Sie mainen Gottseligkayt sey umb genieß willen. Thů dich von solchen. Es ist ein grosser genieß wer gottselig ist, und lest jm genůgen etc. Das Paulus sagt, Thů dich von solchen, zaygt er, das [Bv] jr warlich im ban[n] seind und von Gott verflůcht. darumb auch all ewer handlung verflůcht und verbant ist etc.

Erschreckung der Ainfältigen Wann ein ungewitter ist am Himmel, sollen sich die Christen förchten vor Gottes zorn, und für sein angesicht fallen in demůt und andechtigem gebet, das ist nutz und gůt für ungewitter sagen sie, darumb leute [i.S.v. läute] man zů dem wetter die glocken, das die leut beten sollen. Ich sage, lieber weinbischoff9, es gehören andere glocken darzů, dann die du weyhest, Gott můß sie giessen Tit.2. Gott můß sie weyhen, wie Ro.8. Gott můß sie leütten oder ziehen Ro.x. Hiere.I.cap. Dise glocken seind ernstlich warhafftig prediger Gottes worts Psal.10. Durch hören solcher glocken würt man gläubig und geschickt zů beten und allen Gotteszorn abzůwenden. Aber nit durch euer glocken, die so wenig nütz seind das wetter abzůwenden, das auch etwan thürn [Türme] und glocken vom hagel oder stral [i.S.v. Blitzstrahl] verderbt werden. We[h]e euch schrifftschender, euch seelenverderber, euch Gottesfeyndt. Kain grösserer Abgott nach dem Endchrist ist, dann die glocken, kain grösser abgötterey dann glockengebrauch. Sollen [sollt] jr glocken weyhen? Wee wee euch, wöllen jr Gottes zorn abwenden, teüffel verjagen mit glockengethün? Jch glaub wol der teüffel erwecke etwan ein ungewitter und lasse davon ab, so man glocken leüt und weychwasser sprengt, und geweycht palmen und kertzen anprent, damit er solche abgötterey fürdere und stercke im volck, darzů gebraucht er euch als werckgezeüg, auß haimlicher ordnung Gottes. Aber das ist alles teuffelswerck zů grösserm schaden. Einem frummen Christen seind gleich geweyhet seine teller, schüssel, kanten [Kannen], Becher, als der kelch den der priester praucht, sein tischtůch als hoch geweyhet als das Corporal, sein tisch als der altar, sein Jup [Joppe] oder hosen, als die

9 Verballhornung von ‚Weihbischof‘.

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[Bijr] Albe [alba] und casul [casulal]10, das unstlyt [Unschlitt, Talg] so er zů seyner arbayt

gebraucht, als das wachß, das man weyhet, auff Lyechtmeßtag, sein wasser damit er syn händ wäscht, als das tauffwasser, oder weychwasser, Sein stub und kam[m] er als der Tempel, sein saltz das er täglich yßt, als das man am sontag weyhet, Das kraut in seinem garten oder acker als das man auff unser frawen tag weyhet, Sein öl damit er den finger salbt wann er sich geschnitten hat, als das genant hailig öl im Tempel etc. Paulus sagt, bist du ein Christen, so bist du rain, Ein Christen ist, wölcher glaubt Gott sey sein freundt, durch Christum, Christus hab durch sein todt abgetilgt sünd, tod, hell, teuffel, bist du rain, so bist du geweyhet und gebenedeyt, also, was du angreyffest zů deynem oder frembdem nutz, trost und not, ist alles rain, geweyhet etc. von Gott, gebrauchest du es in glauben, in hoffnung, in danckbarkait, was,wann, wo und wie dir nutz, not und trostlich ist, das nächst das dir für die hende kompt, on allen underscheid und außlesen, thůst also, so thůst recht, thůst du anderst, so sündest du in deinem thon [Tun], und wirdst verunrainiget durch deynen unglauben etc.

Darauß volget Alle leere [Lehre] vom weyhen etlicher ding für andere entspringt auß unglauben, auß unwissenhait, also, das ayn yeder hyrt [Hirte] mit kainem ding mehr anzaigt sein unchristlichs hertz dann mit der weyhung, Wann er ein Christ were, gelaubte er disen obgemelten worten Pauli, den rainen seind alle ding rain, were er geleert in der geschrifft so wyßte er, was rain oder unrain hie genennet würde, Aber so er ungeleret und unchristenlich ist, fallet er hin auff die weyhe, zaigt dadurch was und wie er bey jm [i.S.v. sich] selb sey. Auch schendet das weyhen Gottes Creaturn, dann sobald man eins weyhet, zaygt man an, das das ander so ungeweyhet ist, sey unrain, unhailig, das ist, es sey nit gůt, und vast gůt, Wider Gottes wort Gene. am ersten. Und Actuum x. Welcher aber Gottes wort und Gottes Creatur schendet, der würdt von Gott auch geschendet und geschmehet als man sihet wie die elenden in unmenschlichen schanden ligen, mehr dann die Philosophi, wie zun Rö. am ersten Ca. Ich frage dich du unrainer mensch der krafft Gottes zů schenden, warzů gebrauchest du dich der geweichten [geweihten] ding? Du must ye sagen, Ich will damit teufflisch gespänst verjagen, oder dadurch sünd ablegen, oder es macht mich Gott angene[h]mer etc.

10 Albe und Casel sind als Unter- und Obergewand Teile des priesterlichen Messgewandes.

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ch sage aber, Christus allain hat den teüffel krafftloß gemacht und verjagt von allen seynen glidern, der vertreybet auch biß an den Jüngsten tag alle seyne gespänst. Christus allain durch sein todt tilgt ab unser sünd. Ro.4. Und solcher abtilgung will er das wir kain ander zaychen haben dann den Tauff und das Brot, sunst weder geweyhet wasser, saltz oder ander ding. Christus allain macht uns Gott angenem, allain allain on alle ander mittel oder zaichen. Ro.3.5. Col.1.Cap. Bistu ein Christen so glaubest du disen geschrifften, gelaubest du dann disen geschrifften, so bekennest du, das alles weyhen in gewonlicher maynung irrsal sey und irrig sünd und schand und ergernus, und des teuffels werckzeuck uns zů verfüren, als diser tag anzaygt.

Außlegung eines andern Texts Pauli. I.Thi.4. Der gaist sagt deütlich, das in den letsten zeyten werden etliche von dem Glauben abtretten, und anhangen den irrigen gaystern und leren der teüffel, durch die so in gleyßnerey lügenred[n]er seind, und brandtmal in jren gewissen haben, und verbieten Eelich [ehlich] zů werden und zů [Biijr] meyden die speyß die Gott geschaffen hat zů nemen mit dancksagung den glaubigen, und denen die die warhayt erkennt haben. Denn alle Creatur Gottes ist gůt und nichts verwerfflich, das mit dancksagung empfangen würdt, dann es wirt gehayligt durch das wort Gottes und das gebet. Wann du solchs den brüdern fürheltest, sowürdestu ayn gůter diener Jhesu Christi sein. In disem Text zaigt Paulus an, das der teüffel wider Gottes wort sich eindringen solle, etliche ding für geweyhet, etliche für ungeweyhet halten, und der teüffel redet durch alle, die die also leren. Solche lerer seind lügenreder, haben brandtmasig [i.S.v. verbrannte] gewissen. Also thond [tun] alle die da leren, man sol etwas mehr11 halten uff ein geweyhet ding dann auff ein ungeweyhets etc. Und ob etlich wolten sagen, Eya wir wissen wol das alle Creatur Gottes gůt seindt12, doch so gebrauchen wir den segen und weyhen damit des teüffels gespänst zů vertreyben in Gottes namen, welcher uns an und in allen dingen nachstellig ist. Auch hat Moses und Christus gebenedyet und geweyhet etc.

11 In Vorlage „meer“. 12 In Vorlage „sendt“.

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Antwort. Moses hat auß geheyß Gottes geweyhet den Tempel Gottes und alles das darinn gebraucht warde, und geopfert zů der selbigen zeyt. Aber als Paulus leret, alle ding geschahen bey den Juden zů einer deütung und das ist aber ietzt die deütung, Ein Christen mensch ist Gottes Tempel 1.Cor.6. und 2.Corinth.6. und ein Christenmensch ist geweyhet von Gott dem hayligen gayst, welcher darinn wonet. Und alle übung und leyden eins solchen menschen soll geweyhet und Gott ergeben sein. 1. Cor.10. und Colo.3. Was jr thond [tut] in worten oder wercken, das thond alles im namen Jhesu Christi, und dancken [danket] Gott, und dem vatter durch jn, und 2. Cor.5. Christus ist für alle gestorben, darumb das die leben, jetzt nit ynen [ihnen i.S.v. sich] selbs leben, aber dem der für sy gestorben [Biijv] ist und aufferstanden, Sihest du alles leben eins Cristenmenschen, in wercken oder in leyden sol geweyhet, das ist gottergeben sein, als Paulus sagt, leben wir, so leben wir dem herren, sterben wir, so sterben wir dem Herren, unser sache ist gar auff Gott gericht, und dise deüttung des Tempels Mosi hat Gott auch dem volck Israel geöffnet, da er sagt Leviti. xxvj. Ich würde wandlen under euch und eur Gott sein, und jr werdent mein volck sein etc. Auch alle opffer eines Christenmenschen sollen geweyhet sein, ein Christ soll seynen leyb opffern Gott durch ein Christliche kästigung [Kasteiung], auch sein hertzliche begird oder gebet zů Gott, damit sich vergleychen uund sich halten an das angenem opffer Christi13, der sich selbs für uns geopffert hat Gott dem vatter. Das aber alle gottsförchtige menschen gebenedeyt seyen, und alles das sie gebrauchen sollen, zaigt an Moses Deutro. xxviij. Herwiderumb alle gottlosen menschen verflůcht, mit allem das sie gebrauchen. Das in unserm Evangelio gemeldet ist von Christo, er hab gesegnet das brot etc. ist mer ein Gratias gseyn dann ein Benedicite, das ist er hat gedanckt, nit, er hat gesegnet etc. Das aber Gott etliche thier rain oder unrain urtaylt im gsetz, ist auffgehabt [aufgehoben] durch Paulum 1.Thimo.iiij. und Thito am 1. Alle ding so zů not dienen dem glaubigen soll er gebrauchen on underschaid. Und merckt das schier alle ding so geweyhet werden, seind unnütz oder unnot etc. Mit dem weychwasser wäscht man nicht zů menschlicher not, mit dem saltz saltzt man nicht, mit dem geweychten liecht leuchtet man nit, dann allain zů einer gestalt, das auch ein geweyhet kertz da sey bey andern liechtern, so da gebrant werden, also geschicht mit dem kraut, mit [Bivr] Sandt Johans segen, nit den durst zů leschen, sonder nüchter empfahren als ein sonder hailig ding zů einer hayligung etc.

13 In Vorlage „Christum“.

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Das ist alles des teuffels gespänst, so man auch in den Creaturen wil nit nutz und not suchen, darumb sie dann geschaffen seind, sonder auch krafft wider den teuffel und feynd, und hayligung wider die sünd, auch freuntschaft bey Gott, das ist der teüffel selbs, Gott mag das nit leyden, er hat uns ein leyblich ding fürgesetzt, dabey wir gewyßlich Gott finden, das ist Christus, und will nit das etwas darzů thůend, bey seyner höchsten straff etc. Wann wir Christum recht erkönten [erkennten], so wißten wir dz dise ding alle von Christo uns allain herkommen, und ausserhalb sein nit solten gesůcht werden, als sie auch in der warhait ausserhalb sein nit gefunden werden, und ob etwan ein hilff gemerckt würdt durch söllich geweyhet ding, ist es mehr trüglich dann warlich. Kurtz alle solliche leere [Lehre] von der weyhung ist des teuffels leere, und alle so daran glauben seynd abgefallen vom glauben, und volgen yetz dem teuffel, wölcher durch sollich leerer [Lehrer] redet wie klärlich Paulus sagt. Aber ein ware leere ist, das alle Creatur Gottes gůt und geweyhet ist, und nicht verwürfflich ist. Aber dem bösen und unglaubigen menchen, seyner boßhayt halb, seind sie böß und schädlich, Ja jm ist auch sein leben schädlich, als Christus von Juda sagt, jm were besser er were nit geborn worden. Der glaub in Christum macht den menschen gůt und frumm, und gibt jm gewalt alle Creatur zů gebrauchen zů not, nutz und trost, wann, wo, wie er will. [Bivv] Der unglaubig mensch ist Gottes feynd, und er hat nit gewalt auch ein byssen brots zů essen, nit ein tropffen wasser zů trincken, und ist Gottis flůch uber jn gegeben und uber alles das er gebraucht. Nun ein Christenmensch erkennet solliche warhayt im glauben, das er durch Christum erlößt ist vom flůch und das er gewalt hat alle ding zů gebrauchen, darumb empfahet er alle ding mit dancksagung,, erkent und lobt Gott umb sollichen segen uber sich und uber alles das jm nutz ist, zů seim gebrauch. Er erzählet und spricht auß Gottes wort, darinn söllicher segen und gnad gepreyset wirt, und tregt sich und alle Creatur widerumb auff in Gott durch sein gebet. Also sagt Paulus, alle Creatur Gottes ist gůt, und nichts verwürflich, das mit dancksagung entpfangen wirdt, denn es wirdt gehayliget durch das wort Gottes und das gebet, und volgt, wenn du den brüdern sollichs fürheltest, so wurdest du ein gůtter diener Jhesu Christi sein. Syhest du wölliche leerer gůtt oder böß seindt, ich lasse dir das urtail auß den wortten Pauli. Merck auß den worten Pauli, das allain den glaubigen gewalt ist gegeben die Creaturen zů gebrauchen, wann auch allain die glaubigen erkennen die warhayt, allain die glaubigen Gott dancksagen, allain die glaubigen Gottes wort annemen, allain die glaubigen warlich zů Gott bitten und schreyen. Volgt, das die unglaubigen deren ding kains thon mügen, jr sinn und gewissen ist unrain, Sye erkennen Gott und sein wort nit, an wölchen Gott ein grewel hat, kain warer danck oder gebet in jrem mundt, wann sie gehorchen nit, und seind zů allem gůttem werck untüchtig. Tith. am ersten capitel. [Cr]

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Von der pfaffen weyhung Gott sagt durch den propheten, Ich will verflůchen was jr segnen oder weyhen, darumb soll ein Cristen kain Creatur gebrauchen fürderlicher durch der weyhung willen, wann solch weyhung ist ein flůch vor Gott und wird dem teuffel mehr gwalt geben zů schaden einem menschen welcher in seinem bösen glauben gebraucht geweyhet ding, dann ob er das nit gebraucht, und das ist des teuffels liste, das er jm selbs ein wege mach uns zů schaden in Gottes namen. Als auch Paulus sagt, er entstelle sich in ein engel des liechts. etc. Sihe, der teuffel hätt nimmer mehr mögen uns in flůch Gottes behalten, wo eher nit fürhielte Gottes namen, damit man segnet dise ding14. Darumb hat er g[e]lert, man sol Gottes namen mißbrauchen darzů uns mehr zů betriegen. Aber wir müssen wol bezalen den mißbrauch Gottes namen in disem und andern stücken. Sihe aber, ob nit solliche weyhung sey ein haymlich abermal [i.S.v. Markierung, Gegenzeichen] des teuffels, damit er alle die zeychnet, so in Gottes flůch seind, Nämlich München, Nunnen, Pfaffen, kurtz alles das zůgehört dem valschen reich, da steckt alle untrew in, und ist etwan ein gůter Christen, der mercke fleissigklich, so er würt greyffen den flůch Gottes uber alle solche weyhung. An kainem ort hat man mehr vermaledeyet geweychter personen in klaydern, kraut, wasser, saltz, kertzen stetig dann in den klöstern, und ist Gottes flůch an kaynem ort mehr dann doselbst nach dem spruch Jheremie da man offentlich wider Gott leret und thůt, und lestert alle warhayt Gottes und seyne bekenner, Also das man von jhenen sagen möcht, wie von Achab sie seind verkaufft darzů das sie böß thůndt, und als wenig ein mor [Mohr] mag sein haut endern, das sie weyß werde, so wenig mögen sie guts thon was der Clöster gewont hat, sie lassen jren valsch nit biß in das end. hüttet euch vor jn und habt nit gemain mit jnen [Cv] Ich rede yetz nit allwlosen Klosterleüten, in angesicht aller menschen, aber von denen, wölche auch erbarn haylgenscheyn haimlich und offentlich tragen, Sihe die pfaffen an, so arg ist jr weyß und wesen, das man uber sie möcht außspeyen, das man freylichen wol möcht sagen, so bald ainer in pfaffenstandt trette so sey er verkerter dann ain ander mensch, all seyn sinn und wandel zaigens, Sie werden unerbitlich, unträglich, unfreundtlich, untrew, falsch, bübisch, verwegen, geytzig etc. Als ob auch Gottes flůch befindtlich in jnen würcke, damit sie verflůcht werden in der weyhung und Gott offentlich zaige, das der erdichten weychbischoffen segen und Weyhung sey nicht dann ain flůch, und von Gott ain maledeyung. Warüber der pfaffen Weyhung gat, es sey person oder ander ding, halte ich, dem teuffel sey sonder gewalt darüber gegeben von Gott, das der teuffel bey der

14 In Vorlage „ging“.

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Weyhung, erkennt als bey ainem zaichen, über was und wie vil jm Gott gewalt gibt und verleyhet. Wann man die pfaffenweyhung der personen halb achtet als ain herrlichait so man pflegt zů gebrauchen in ainer erwölung gmainer diener oder amptleüte, möcht man es erleyden und lassen fürgeen [vor sich gehen], Als ain yetliche stat ain sondere weyß hat zu erklären, das diser oder jhener Amptman sey erwölt, Also, so man einen oder vile erwölet, zů diener der Christlichen gemain, zů pfarrern oder pfaffen, erzaigte man ein eusserlichen scheyn und geberd [Gebärde] oder herlichait [Herrlichkeit], darfür solte man halten die Weyhung, und sonst für nichts etc. Aber das Salben und anders, darin gezaigt und vil wort die anderstwohin deüttende so in der Weyhung gesprochen werden, und die leere [Lehre] vom Charackter da eingetruckt in die seelen etc. geben grosse ursach der verfierung [Verführung]. [Cijr] Kurtz, die erwölung eins yeden amptmans, und die weyhung eines pfaffen geben gleyche gnad, gleiche hayligkait, werden bayde gleych geweyhet. Allain der glaub macht frumm, Es sey Schůster oder schneyder, und allayn der unglaub macht unfrumm, unsälig, ungeweyhet, es sey pfarrer oder Abt. Merck, Christus sagt Marci ultimo [Mc 16, 18], Den glaubigen menschen schaden auch die schlangen nit, und so sie etwas tödtlichs trincken, wirts jn nicht schaden etc. Also und wie wol Gottes flůch gat [geht] in der pfaffen Weyhung über jren mißbreüch jres erdichten Weyhens, noch mag es zů nutz und not gebrauchen ein glaubiger mensch on schaden, wann mir wasser not ist die hand oder füß zů waschen, mag ich das weyhewasser oder söllich jr segenwasser gebrauchen etc. Das geweyhet saltz in die suppen, oder den schafen und allem vych [Vieh], doch sol ich kain glücksäligkait darinn verhoffen, das geweyhet öl in ain wunden oder zů ainem wagenrad, Den altarstain zů aynem heerd in der kuchen gebrauchen on sünd, on forcht, wye ander ungeweyhet ding, doch also dz die geweychte ding mein aigen vorhin seyen, dann frembds soll ich nit mit gewalt nemen. Es ist auch ain subtiler Teüffel, der da leeret man soll Creützlein von geweych­ tem wachß machen, an die wiegen der kinder, und an die stallthüren, da man das vihe hat, und dem vihe an den halß hencken. Ein gůter Crist hat ein grewel ab allem das also mit geweyhet ding versigelt ist. Befilch dich und dein vihe Gott, und gebrauch alles was dir fürkompt, zů nutz und not, und underlasse sollich Teüffelsgespänst. [Cijv] Auch gebraucht sich der Teuffel zů verfierung nit allain Gottes namen und wort, auch seyner hayligen als sant wendel [Wendelin], valtin [Valentin], kürin [Quirinus], Florian, ist alles böß. Gott will angerůfft sein, Gott will beschirmen und behüten allain allain allain etc. Darumb laß alles ander[e]s fallen, ist mein trewer radt, was Gott nit behüt, wirt sant wendel auch nit behüten. In kaynem ding haben die leutbescheisser betrüglicher scheinlicher hilff bißher für der Teüffel gesůchet dann in der weyhung der kirch[h]off, Dovon in kayner histo-

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rien vor den Christen meldung ist, Auch alle sachen diser weyhung mehr spötlich dann wörtlich ist. Abraham, Isaack und Jacob seind uff jrem aygen acker in einem höl begraben worden, also für und für yetlicher wo er wolt, on weyhung der grabstat. Die ersten frumen Christen hatten kain acht auff die gräbtnus, fewer, wasser, wilde thier, gestanckheüser etc. waren der hailigen greber [Gräber]. Man legt jetzt tůch uff die greber mit creütz gezaychnet, man besprengt wasser darauff, man macht ain rouch [Rauch] darzů, der pfaff blodert und maulsayfert darob, sonderlichen wann adams rippen [metaphor. Frauen] umbherstond oder knien, so gaffen die ölgötzen mehr den selbigen dorfgensen [Dorfgänsen] zů, dann den toten auff der bar, richtend mehr unzucht der ergernus auff dann bewarung der Gottsvorcht. Du sprichst aber, sprengen mit wasser, rouchen [Räuchern] etc. hat gůte deütung, Ich sage, erlaß mich diser deutung, dein bedeüten gilt nicht in seelensachen, allain Gottes deuten gilt da. In solcher maynung kirchoff weyhen ist nit gůt, dein acker, hof, bomgart [Baumgarten] ist gleich geweyhet als der kirchoff. Geweyhet wasser, rouch [Rauch] etc. hilft den seelen auch gar nichts. Welcher vil schwetzt von der seelen standt nach disem leben, der ist ein schwetzer, gat mit alter vettel fablen [Altweibermärchen] umb, dann Gott hat jm solchs nit anzaygt mehr dann das die glau- [Ciijr] bigen bey Christo seind, die unglaubigen seind in Gottes straffe. Etlich sagen, darumb ist das alles gůt, dz der Teuffel minder gespenst tribe mit den leichnamen. Antwort, Der Teuffel und seine diener haben jren můtwillen mit Christo und seinen hayligen getriben, do sie noch hie uff erdtrich lebten, Ist es ein wunder, ob er es thůt mit den leyben so ietzt todt seind, dafür würt nicht helffen rouch noch wasser. Auch ob der Teuffel sich zaygt in der bösen Cörper nach dem todt, ist kain wunder, so sie im leben und todt sein seindt, hilffet auch kain weyhung darfür. Ich laß zů das man die Cörper begrabt, aber doch on weyhung, on weyhwasser, rouch, wie oben etc. Was der glaubigen gebet allain nit außricht [ausrichtet] bey Gott für die todten, wirt ach kain ander ding außrichten etc. Solche thorhait in hülff für die todten fienge auch an zů zeitten der Apostel, da etlich sich für die todten tauffen liessen, am ersten Cor. etc. Als auch ain bůch der grauen münch leret, man soll am ersten tag Augusti in jr kirchen den volkommnen ablaß lassen beten für die todten, das beten vermöge aber niemant dann die grawen gugler [Kapuzenträger]15, und man erlangt auch gnadbrieff für die todten. Kurtz dohin wil ich alle dise disputation richten, Das uns allain durch Christum sey hülff, rath, schirm geben an leib, seel, eer [Ehr‘], gůt on allen zůsatz anderer ding.

15 Spottname für die Franziskaner.

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Welcher an Christum glaubt ist geweyhet wider den Teuffel und hell. Im seind auch alle ding geweyhet, welcher er bedarff. So man aber wil die weyhung etlicher ding auffrichten für andere, das ist ain teüflisch ding. Auch so man sagt, allain die pfaffen haben gewalt zů weyhen, ist auch falsch, wann Paulus sagt on allen zůsatz, alle Creatur würt geweihet durch das wort Gottes und gebet zů Gott, und das von allen, welchen not ist der gebrauch zeytlicher ding, nit allain von den pfaffen etc. [Ciijv] Kain ding weyhet dann der glaub in Christum, nichts ist geweyhet dann ein glaubiger mensch, und alles was er gebraucht, ist geweyhet von Gott. Alle andere weyhung seind Larven, mehr dienendt zů verfürung dann zů hayl, mehr ein zauberey dann ein segen. Es sey dann ein grosser glaub in einem menschen, mage übel bleyben unverfürt durch söllich Weyhung, darumb soll man allen ernst ankeren [ankehren, i.S.v. anwenden] das man ablege mit Gottes wort und durch ordenlichen gwalt des schwerts alle söllichen Larvenweyhung. Gott gebe hilff darzů. Amen. Yetz merckest du mit was waffen die Sophisten fächten wider Gottes wort, und wie ain ströin [ströhernes] argument der Franciscaner gefürt hat wider das fewrig Evangelium. finis

Editorische Hinweise Bearbeitungsvorlage [Johann Eberlin von Günzburg:] Wider die schender der Creatu||ren gottes / durch Weyhen / oder || segnen / des Saltzs / Wasser /|| Palmen / kraut/ wachß / fewr || ayer / Fladen etc: nit zu uerach||tung der Creatur / allain mel-||dung der gotslesterlichen betrüg-|| lichen falsch glaubigen || yrrsalen. Johan||nes Eberlin etc.|| 1525:|| Jar. Exemplar der BSB München, Sign.: Res/4 Polem. 2457# Beih.23 [digit.] – VD 16 E 155 – 11 Bl. 4°, unpaginiert.

Eberlins Flugschrift ist eine Assistenzschrift zu Bodensteins Flugschrift: [Andreas Bodenstein von Carlstadt:] Von geweychtem Wasser und saltz Doct. Andreas Carlstat. wider den vnuerdienten Gardian Franciscus Seyler. Wittenberg 1520. Exemplars der BSB München, Sign.: 4 Liturg. 132. – VD 16 B 6250.

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LIT Zur Geschichte des Benedictionale: LMA Zur Glockenweihe: Camerons. Zur Funktionsgeschichte der Glocken: Corbin Zu St. Annaberg, Bodenstein und Eberlin: Barge, Bd. 1.

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N° 63 Caspar Schatzger Der lieben Heiligen Ehrung [1523] Auszüge

Caspar Schatzger (auch Schatzgeyer; 1464–1527), aus Landshut gebürtig, franziskanischer Kontroverstheologe. Ab 1480 Studium in Ingolstadt; Abschluss als Baccalaureus Artium. Ab 1487 franziskanischer Lektor der Theologie und Prediger an verschiedenen Orten, u.  a. in Landshut, Ingolstadt, München, Straßburg. Eifriger Flugschriftenverfasser; Polemiken u.  a. gegen Bucer, Eberlin, Luther und A. Osiander. Befreundet mit Johannes Eck. Nur ein Jahr nachdem Andreas Bodenstein seine Fanalschrift ‚Von abtuhung der Bylder‘ 1522 (→ N° 6) vorgelegt und Hieronymus Emser noch im selben Jahr ausführlich darauf (→ N° 7) repliziert hatte, meldete sich der Franziskaner Caspar Schatzger mit einer Schrift zur Heiligenverehrung zu Wort.1 Er thematisiert – wie viele andere unserer Bildstreitautoren nach ihm (1524 Johannes Dietenberger, 1528 Georg Neudorffer, 1531 Sebastian Franck, 1537 Johannes Spreter) – den Zusammenhang von Heiligenverehrung, Heiligenbild und Heiligenlegende . Von seinem insgesamt 101 Quartseiten umfassenden nichtpaginierten Text werden im Folgenden lediglich neun Seiten (Lv–Mv) geboten. Der Text ist dialogisch gegliedert. Auf die These eines protestantischen Bildkritikers folgt jeweils eine ausführlichere Antwort. Schatzger sieht einen siebenfachen Nutzen im Betrachten von Heiligenbildern: (1) Sie förderten das Gedenken an Taten und Leiden der Heiligen; (2) reizten zur Andacht, wie Gott in seinen Heiligen gewirkt habe; (3) sie mehrten im Betrachter den Glauben, dass in den Heiligen die Verheißung Gottes erfüllt sei und nähre die Zuversicht, dass sie auch im Betrachtenden erfülllt werden könne; (4) sie erhöben das menschliche Gemüt zu himmlischen Dingen; (5) sie entflammten die Betrachtenden „gegenwürflich“ zur Liebe Gottes; (6) sie stärkten die Betrachtenden gegen die „Leiden der Widerwärtigkeit“; (7) sie reizten zur Verachtung der Welt. Schatzger bietet mithin eine frömmigkeitspsychologische Betrachtungslehre, eine Interpolation der Konstellation von transzendierender Leistung des Heiligenbildes und des betrachtenden und imaginiernden Subjekts. Kunsthistorische Fragen und gar ikonographische Erwägungen sind Schatzger – wie den meisten Teilnehmern der Bilddebatte – fremd.

1 Die erste Fassung war bereits 1521 in lateinischer Sprache erschienen. http://doi.org.de/10.1515/9783110780031-004

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 N° 63 Caspar Schatzger

Im Folgenden werden Ausführungen zur Bilderfrage ab Bl. L ivv [Sc. 87] geboten. Der XXiiij. irrsal2. Dass der lieben heyligen pildnus nit zů eeren seyen, sonder sollen hingenommen [i.S.v. weggenommen] und außgereüttet werden, wann sy auf in [ihnen, i.S.v. sich] ein gestallt der abgötterey. Antwort. Wo das wa[h]r wär, so müesten auch alle legenden der lieben heyligen außgetilgt werden. Aber wo werden ir ebenpild klärlicher außgetruckt und angezaygt, dann in iren geschichten leben und wandel. Wo ist aber der spruch unsers seligmachers Mathei am fünfften. Also soll leüchten eüer liecht vor den leüten, dz sy eüre gůte wer ck sehen. So nun söllen angeschawt werden die gůten werck der lebendigen, frummen, heyligen menschen, sag mir, aus was ursach soll nit angesehen und zů hertzen genommen werden das leben der lieben gestorbnen heyligen, yetzt im ewigen leben mit Christo regnirend [regierend]. Welcher wandel und leben, ja auch alle ihr würckung und leydung durch das gemäl, pildnus, geschnitzt, gehauen oder gossen, angezaygt und außgetruckt werden. On allen zweyffel deßhalben von götlicher ewiger weißheyt angesehen und durch den mund der selbigen warheyt am obgemelten [88] bitt Mathei angezaigt uns zur pesserung und ihrer nachvolgung zu reytzen. Es ist sich auch in dem fall bey den frummen cristen keiner abgötterey zů besorgen, die aus rechtem lebendigen glauben vergewisst [vergewissert], sy nit für natürliche wesenliche götter, sonder als die freünd des höchsten gots erkennen. So ist auch nit (lob sey got) undtern Christen zůr abgötterey so grosse neyglichkeyt [Geneigtheit],als vor zeyten bey den juden gewesen. Das aus forcht und sorg der abgötterey die pildnus der lieben heyligen hinzenemen [hinzunehmen, i.S.v. wegzunehmen] seyen. Wann die anschawung der pildnus oder gemäl der lieben heyligen, und sonderlich Christi unsers liebsten erlösers, und seiner leydens vast seer nůtz und entsprießlich [i.S.v. ersprießlich] seind, einem yeglichen frummen andechtigen Christen. Zum Ersten bringen die yetzgemelten gemäl zůr gedechtnuß der heyligen vergangen wandel, ihrer werck und ihres leydens, in welchem gott sy uns zů einem exemplar oder ebenpild und contrafayhung setzt. Dass wir nach in [ihnen] hye unser leben abcontrafayhen und ihren fůßstapffen nachvolgen, der [deren] beseligende glori wir begeren. Zům Andern raytzen uns die pild der lieben heyligen zů der andacht, wann wir erkennen in ihnen Got den allmächtigen wunderbarlich und lieblich, der durch sein gnad in ihnen grosse wunderbarliche werck gewürckt hat.

2 Irrsal i.S.v. Irrtum.

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Zum Dritten me[h]ren die gemäl auch in uns den glauben. Also (merck mich eben) dieweil wir dardurch glauben, dass alle (den außerwölten im Euangelio) verheyssung in ihnen erfültt seind und auch in uns erfüllt werden. Zum Vierdten erheben sy das menschliche gemüet über sich zůn himmelischen dingen, Dass also durch ihre pildnuß geursacht, zu hertzen nympt, wie größlich sy got in ewiger selikeit belonet hab. Zum Fünfften erflammen [i.S.v. entflammen] uns die pild gegenwürflich zů der liebe gottes und seiner lieben heyligen, so wir wägen und behertzigen die aller inprinnstigst [inbrünstigste] liebe gottes zů ihnen und ihre lieb wider zů gott. [89] Zum Sechßten stercken sy uns im leyden der widerwertigkeyt; Dieweyl wir an allen orten durch die pild und gemäl Christi und seiner lieben heyligen sehen ihre groß leyden. Als uns dann der heylig Jacobus in seiner Epistel am fünfften. Der gedultikeyt Jobs [Hiobs] und des leydens und sterbens des herren erinnert. Do er spricht. Meine lieben brüeder. Die gedult Jobs habt ihr gehört, und das end des herren habt ihr gesehen. Es werden auch uns die werck und das leyden Christi unsers haubts, mitsampt seiner glider, meer [mehr] durch die pildnus und gemäl, dann allein durch die schrifft, eingetruckt in unser hertz. Zum Sybenden, Raytzen [reizen] sy uns zů verachtung diser welt, wann sy tryumphiren yetzt im hymel, und werden geert [geehrt] auf dem erdtrich. Die ihnen ihrem leib undter die füess tretten haben die irdischen. Sy haben manchen schwären kampff bestanden, allzeyt zůn ewigen hymelischen gestrebt. Die sy auch endtlich erobert haben. Aus welchen allen offenlich scheint, dass die verwerffung der pild, und abtilgung der gemäl aus keinem gůten geyst geet [gehet], sonder von ihrem todfeind, der sy in ihrem leben mit tödtlichem hass verfolgt hat. Ja vom verstossen geyst, welchem auch der lieben heyligen grosse tugent, durchs gemäl angezayget, hässig sein. Du verwürffest und sprichst. Es werden vil unnütze, höfliche, fürwitzige, ja zů zeyten schandbare, leichtfertige pild und gemäl, auch undter der pildnuß der lieben heyligen, angezaygt. Welliche vil menschen meer ursach zůr zerstreüung geben, dann zu der andacht. Antwort. So du derhalben urteylest die pild der lieben heyligen hinzůnemen [i.S.v.wegzunehmen], dass die eyteln, untüchtigen, fürwitzigen und fleyschlichen menschen darinn ihre fleyschliche gemüet erlustigen, und also dise gmäl mißprauchen, so můstu auch nachvölgklich in gleychem fall urteylen und sprechen: Dass die gantz welt, alle creatur die von bösen menschen mißpraucht weren, sy hinzenemen [sie wegzunehmen]. Was ist aber also gantz gůt, das von einem verkerten menschen und fürwitzigen, eyteln hertzen nit in [90] ein mißprauch zogen werd. Demnach wol war ist der heydnisch spruch: Dass ein yegklichs empfengklich ding empfangen wirt nach der weiß, form und begreyflichkeyt des, welchs das selb empfecht und begreyfft. Wie dann aus einer blůmen vom pynlin [Bienlein] honig,

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und von der spynn [Spinne] gifft gesogen wirt. Wann das ist ihrer bayder art und natur. Seytmal nun alle eerung und uneerung, den pildnussen bewisen, in den (der durchs pild figurirt und bedeüt wirt) gezogen wirt, so volgt, dass alle die, so die pildnus unsers behallters oder seines creützes uneeren, Gotzlestrer [Gotteslästerer] werden in ­Christum. Deßgleychen, die uneeren die pildnus der junckfrawen Marie, sampt der lieben heyligen, Gotzlestrer seind in den lieben heyligen; welche uneer, lestrung und schmach in Christum fleüßt; nachdem er spricht in Matheo am xxv. Was ihr gethan habt einem von mynsten aus den meinen, das habt ihr mir auch gethan. Welches gleych als wol von uneerung als von der eerung seiner geliebten verstanden wirt. Und also aus disen hye und oben gesagt, volgt ein klare antwort zů allen beswärungen, so wider der lieben heiligen pilder fürpracht werden. Damit sy aber kürtzlich zů merer erklärung der warheyt inn tag kommen, so merckh das zům Ersten fürgehalten wirdt vilerley schrifft aus bayden Testamenten. Welliche all sich lenndten zů einem Sententz oder maynung. Darumb wil ich es kürtzlich hernach allein durch meldung der Büecher und bestymmung der zal ihrer Capitel verzaichnen, auff dass ich nit sy überloffen und fürgegangen, gesehen werd. Nun zům Ersten wirt fürpracht auß der Alten testament, auß dem bůch des Außgangs [i.  e. Exodus] das xx und xxvi Capi., der Leviten das xix und xxvi Ca., der Zal das xxv Ca., Josue das xxiiii Ca., der Richter das v. Ca., der Künig auß dem Ersten das vii Ca., auß dem vierden das xviii und xxiii Ca., der Cronicken, Paralip. des andern das xxxiii Ca., [91] der Psalmen der xcvi. Cv. Cxiiij. psalm, der weißheyt das xiij. Capi. Esaye [Jesaiae] das xiij und xliiij. Hieremie das x. und xiij Ca. Ezechielis das vj. und xvij. Ca., Baruch das letst Capi., Michee das Erst Ca., Abacuck das ij. Capi. Auch aus dem Newen Testament, der heylig Paulus in der Ersten zůn Corinthiern am v. viij. x. Ca., und zůn Galatern am v., dartzů der heylig Petrus in seiner Ersten am iiij. Diser geschrifft aller miteinander ist ein ayniger Sententz und mainung, welche in nach geschriben Artigkl verfasst ist. Auß welchen der Erst ist, dass nit gelaubt sol werden, die gotheyt zu sein in einem andern dann allein peym höchsten, unendtlichen got. Der ander, dass in kein andern dann in got soll gesetzt werden die fürnemlich hoffnung und zůversicht des menschen. Der dritt, dass got, der dann ist das höchst gůt, über alle ding zů lieben, und ihm nichts für zesetzen ist, noch zůvergleichen in der lieb und kostbarlichkeyt. Der vierdt, dass kein pildnus oder gleichnus zemachen sey, weliche got selbs in ihm figurirt. Wann got ist keinem nie erschinen in ayncherley natur, aus oder nach welcher ihm ein pildnus gemacht solt werden. Der Fünfft, dass keiner creatur in ihr selbs oder ihr pildnus Götliche eer und gotzdienst erpoten sol werden.

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Der Sechßt, dass das jüdisch volckh von seiner neyglichkeyt [Geneigtheit, Neigung] wegen zů der abgötterey, solt sich im gotzdienst enthalten von allerley pildern, es wär waserley [i.S.v. welcher Art] pild es wöll, entweder nach hymelisch, als Sonn, Mon und stern, oder des luffts, als der vögel, oder des wassers, als der fisch, oder aber des erdtrichs, als der vierfüessigen und kriechenden thier, ja aller gemainklich, die gepildet oder figurirt mögen werden. Auff dises alles ein kurtze und Christliche Antwort. Dass dise abberüerter [oben berührter, i.S.v. oben erwähnter] gschrifft alle nit entgegen, und widerstreben der [92] eerung der pildnus Christi, der lobwirdigen junckfrawen Marie, oder auch aller heyligen. Wann sy werden nit geert als die pilder gottes (des man kein pild hat) sonder als seiner pessten [besten] freünd. Wird ihn auch kein (allein got zůgehörende) eer bewisen. Zům Andern wirt arguirt [i.S.v. behauptet], dass got sey ein Eyffrer, und allein wöll geert und angerůffen werden, Exodi xx. und xxvij Capi. Ich pin dein got, ain starcker eyffrer. Und Esaye am xlij., Mein eer werd ich keinem andern geben. Antwort. Die eer ihm allein gepürend eyffret got und wil darinn kein mitgemaynigen haben. Die eer aber, undter diser eer, zůgibt und gündt got gern seinen liebsten freünden, der sy auch selbs eert, und wil dass sy von allen geert und gelobt söllen werden. Dieweyl das alles dient zů seiner glory, dass sein liebe freünd gepreißt und geert werden. Zům Dritten wirt fürgeworffen, dass die lieben heiligen in ihrem leben nit wolten geert werden. Darüb volgt dass sy solchs vil mynder nach ihrem tod begeren, noch gestatten. Der vorderst teyl dises Arguments wirt bewärt [i.S.v. erhärtet, bewiesen] auß dem dritten Capitel des bůchs der Apostolischen geschicht, von Petro und Johanne, die da sprachen nach der gesundtmachung des La[h]men zům volck: Warumb schawet ihr uns an, als hetten wir disen aus aygner krafft gesundt gemacht. Antwort; Das erscheint klar aus dem Text, dass sy nit wolten [erg. dass] ihnen die götlich eer zůgelegt werden, als hetten sy das wunderwerck aus aygner krafft gethan. Darumb auch gar färlich ist, zů disem tödtlichen leben gelobt zewerden, in welichem der gerecht mag abfallen von der gerechtigkeit, und der gelobt ward, mag verdampt werden. Also aber ists nit mit den lieben heiligen, so yetzt mit Christo regniren, von welchen wir hye reden. [93] Zům Vierdten wirt arguirt allso: Dass die pild an ihn selber geert werden, nympt man aus dem, dass man sy auff die alltär setzt, und sich vor ihn naygt, die knye beügt. Durch welchs die seelen betrogen und die kirch ain mördergrůb wirt. Antwort auf diß ist öffenlich, Dass kein frummer Christ acht das pild eines hey­ligen, als in ihm selbs ist holtz, stain oder dergleichen, sonder allein plößlich [i.S.v. lediglich], als es bedeüt den lieben heyligen. Wann anders mag es in rechtem glauben nit angeschawt werden. Darumb wirdts gantz zům heyligen, des pild es ist,

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gezogen. Sprechen aber, dass der pild halben der lieben heyligen die kirch werd ein mördergrůb, was ists anders, dann sagen, dass die kirch von der lieben heyligen wegen werd ain mördergrůb? Das dann ain gotzlestrung ist, in [i.S.v. gegen] die lieben heyligen und in got. Was wunders ists aber, dass der lieben heyligen pildnus auff den alltar gottes gesetzt werden, seytmal sy got ihn sich selbs gesetzt hat, mit ihm ains zesein. Wie Paulus erklärt in der Ersten zůn Corinthern am vj.: Was eyferst du so unweißlich umb gottes eer zůerretten wider sein willen und wolgefallen. Du pist ainer aus denen, von welchen redt Paulus zůn Römern am x.: Sy eyffern umb got, aber mit unverstandt. Zům Fünfften also: Die pilder werden heylig genennt. So volgt, dass die Pildschnitzer, Maler und dergleychen handtwercker die heyligen machen. Antwort: Ein pild ist ein pildnus ains andern. Darumb ein pild allweg geschawet und geacht wirt als das, das ein anders bedeüt. Ist auch nit not grosse weißheyt, soliche (des pilds zů dem heyligen durchs pild bedeüt) zůsamengleychung zů erkennen, wann alle menschen, als ainfaltig sy seyen, schawen das pild eines heyligen an, als es dann ist sein pildnus, und nit als ein holtz oder stain. Darumb so machen nit die handtwerker (wie du thöricht arguierst) die heyligen, sonder sy machen ihre pilder. [94] Dass aber die pilder von der heyligen wegen die [erg. sie] figuriren geert werden, ist nit wider got. Ja got wils, dass die lieben heyligen, die yetzt sein innerlichsten freünd seind, in ihn selbs und ihren pildern geert werden. Dann es alles gehört zů seiner eer, wann ainer solchen eer ist wirdig der, welchender künig eeren wil, wie geschriben ist vom frommen Mardocheo [Mordechai] Hester am vj. [Buch Esther, Cap. VI.]

Zům Sechßten also: Unser gepet sol geschehen im geyst und in der warheyt, Johannis am iiij. und nit durch die götzen. Antwort: Du pist villeicht also im geyst erhebt in deinem gepeth, dass du keines andechtigen pilds bedarffest. Oder durch die pilder sy seyen alls heylig gegenwürff als sy wöllen (als des leydens Christi, sampt seiner grossen werck, die er im tödtlichen leib gewürcket hat) gehindert werdest. Das ist wol war. Als vil meer das gepet lauterer im geyst geschicht, also meer erhebts das gemüet (So anders alle gůte umbstend gleych seind) in götliche ding. Nichts mynder geschicht das gepet auch im geyst, das in keiner stat [Statt, i.S.v. Ort] gefangen ist, noch in keiner figur oder bedeütung (wiewol sichs der pildnus der lieben heyligen praucht) geopffert wirt. Dann nachdem das vätterlich wort ist fleisch geworden, und bey uns gewonet hat, ists auch biß zů der abpildlichen krafft der seelen herab gestigen, von welcher es dem leib nach begriffen mag werden. Das nit was im alten Testament, wo aber, und als offt wir in unserer andacht mögen prauchen innerlich fürpiltung, da mugen wir auch die eüsserlichen pildnus gleych den innern prauchen. Wann es ist da kein ursach der underschaid.

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Zum Sybenden: Aus der andern Episteln Pauli zůn Corinthiern am fünfften: Allso, wiewol wir auch Christum erkannt haben nach dem fleysch, so kennen wir ihn doch yetzt nit meer. Darumb so söllen auch die pild und gemäl Christi abgetilgt werden. Antwort: Der heilig Paulus redt hye nit von der erkanntnus, die geschicht durch abpildliche geleychnus. Dann wo dem also wäre, so het er kein menschen [95] meer erkannt, dieweyl er darvor spricht: Hinfüro kennen wir nyemandt nach dem fleysch, sonder er redt hie von der synnlichen gleichsam als fleischlichen erkanntnuß und liebe, Wie dann auch die lieben jüngern Christi vor seinem leyden hetten. Deßhalben er zů ihn sprach Johannis am xvj.: Ich gee dann hin von eüch, so kompt der tröster der heylig geyst nit zů eüch. Darumb der Apostel nemlich dartzů spricht (nach dem fleysch) das ist, nach fleyschlicher lieb. Zům Achten also: Die pild mügen den menschen nit pesser machen, noch die heyligen selbst. Darumb sol mans abtilgen, und die heyligen nit meer anrueffen. Antwort: Wiewol uns weder die pild oder auch die heiligen an ihn [i.S.v. sich] selbst pesser mögen machen, dieweyl die gnad (alß dann auch alle andere gab, weliche den menschen pesser machen) allein von got gegeben wirt, so geben sy aber doch ursach, entzündung, raytzung, handtraich, hilff, und dergleychen, durch weliche wir sampt der götlichen mitwürckung erweckt, bekert [bekehrt] und besser werden. Dass aber die pilder und gemäl Christi und der lieben heyligen got nicht mißfallen. Dann als vil sy seiner götlichen eer nachteylig sein und ihn[en] die allein got zůgehörende eer bewisen wirt, das nympt man aus dem, dass got selbs gepot Mosy zemachen zwen Cherub (erleücht, kunstreych engel) über die Archen, welliche die pildnus hetten zwayer jüngling mit flüglen. Wie man dann gemainklich sagt und hellt, wann got acht sonderlich nit der pilder. Dann als vil in [ihnen] (wie ob gemelt) götlich eer erpoten wirt. Wider sölche eererpietung ist got ein Eyfferer, das ist, Er wil nit haben ein Got ihm gleych, wie vil mynder ainen öbern, als dann dein ströen [ströhernes, i.S.v. leeres] argument vermaint. finis

Editorische Hinweise Bearbeitungsvorlage Von der / lieben heiligen || Eerung vnnd Anrueffung / || durch Gasparn Schatz- || ger Barfüsser ordens || Das Erst teütsch || Büechlicn. || Jtem Vil mer Materien jnn jm begreyf-||end / dann das Lateinisch vor außgangen || jm jar M.D.XXIII. – Kolophon: München: Hans Schobser, 1523.

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 N° 63 Caspar Schatzger

Exemplar der BSB München, Sign.: 4 Asc. 936; VD 16 S 2335 [digit.] Lateinische Erstausgabe: CASPAR SAS-||GERVS MINORITA DE CVL|| tu & ueneratione sanctorum. Augsburg: Sigmund Grimm & Marx Wirsung, 1521, Digitalisiertes Exemplar der BSB München, Sign.: Res/4 Dogm. 473 a; VD 16 S 2333. LIT ADB, TRE, BBKL, Wikipedia; Klomps [1959], Paulus [1898].

N° 64 Georg Neudorffer Von der Heiligen Ehrung [1528]

Geburts- und Todesdatum, Herkunft und Bildungsgang Neudarffers sind nicht bekannt. Man weiß lediglich, dass er um 1525 Prior des Dominikanerklosters Rottweil war. Das Problem der Heiligenverehrung, um das es in diesem Text geht, ist aufs Engste mit der Bilderfrage verknüpft, sofern Heiligenkult nicht ohne legendenfundierten Bilderkult zu praktizieren ist. Ein Blick auf das Register der fünfundzwanzig Artikel, das die folgende Präsentation eröffnet, macht argumentative Anlage und thematische Spannweite der insgesamt fünfzig (nicht paginierte) Quartseiten umfassenden Erörterung kenntlich. Demnach wird zunächst geklärt, ob die Heiligen überhaupt im Himmel seien; ob sie dort in der Lage seien, Gebete zu empfangen und menschliche Werke des Glaubens zur Kenntnis zu nehmen; ob sie als verstorbene Menschen fähig seien, für lebende Menschen Fürsprache einzulegen; ob man auch im Zeitalter des Alten Testaments bereits Heilige um Fürbitte angerufen habe. Der Fragenkomplex des fünften bis zwölften Artikels ist auf Maria zentriert, der als der Mutter Jesu unter allen Heiligen der höchste Rang zukommt. Im dreizehnten bis sechzehnten Artikel wird erörtert, ob Heiligenverehrung Ausdruck eines Misstrauens in die Erlösungsleistung Christi sei; ob die Lebenden der aufgehäuften Verdienste der Heiligen teilhaftig werden können; ob Heilige die Lebenden durch Strafen plagen können; ob Heilige um Hilfe in gegenwärtigen Nöten (Krieg, Seuchen) anzurufen seien. Nachdem dies alles bejaht worden ist, wendet sich der Kontroversdialog zwischen thesensetzendem Skeptiker und strikt dominikanischem Heiligenverteidiger in den Artikeln siebzehn bis fünfundzwanzig zeremoniellästhetischen Problemen zu. Da geht es um die Frage, wie man Heilige ehren solle; ob man Heiligen etwas geloben solle; ob man Kirchen, die Gott und den Heiligen geweiht sind, zerstören dürfe; zum Sinn des Pilgerns; ob es gottgefällig sei, Heiltümer zu ehren; ob Heiligenbilder gottwidrig seien; Gründe dafür, die Heiligen zu feiern; was bei Heiligenfeiern betrachtet werden solle; ob zu Recht von einem Verdienst der Heiligen zu sprechen sei. Neudorffer argumentiert vor allem in strikter Bibelbindung, beruft sich aber auch auf Konzilsbeschlüsse. Daß die Bilderfrage ihm besonders wichtig ist, zeigt Neudörffer, wenn er in Anschluss an den fünfundzwanzigsten Artikel und damit zum Abschluß der gesamten Erörterung fünzehn Einwände wider die Nutzung von Heiligenbildern mit ausführlichen Antworten zurückweist. http://doi.org.de/10.1515/9783110780031-005

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 N° 64 Georg Neudorffer

[A ij verso]

Inventarium oder Register der lere [Lehre], so in disem nachvolgenden büchlin (das in fünffundzweintzig tittel geteilt) begriffen ist. Der erst Tittel, ob die heiligen im himel seyend / zwo einred [i.S.v. Einwände] mit jr

[ihrer] verantwurtung [Beantwortung] innhaltend.

Der ander tittel, ob die heiligen sehen unser gebett, auch andere unsere werck des glaubens, damit wir sie, (ja got in jnen) eeren, auch zwo einred mit jr verantwurtung innhaltend. Der dritt Tittel, ob man auß der geschrifft [i.S.v. Hl. Schrift] hab, daß die abgescheidnen heiligen bitten für die lebendigen, und hat auch zwo einred mit jren verantwortungen. Der vierd, ob die im alten Testament ein zůflucht gehabt habe zů den heiligen, und diser fürbitt gethon, hat nun ein einred sampt jrer verantwurtung. Der fünfft tittel, ob man auß der geschrifft wegweisung hab, das Maria sampt andern heiligen gott für uns bitte, hat auch nun ein einred mit jrer verantwurt. Der sechßt, ob Maria mög on [ohne] entuneerung Christi unser mitlerin und fürsprecherin genennt werden, mit verantwurtung einer einred darwider. Der sibent, ob Maria mög on gotslesterung ein miterlöserin genent werden menschlichs geschlechts, mit verantwurtung einer einred. Der acht, ob Maria ein göttin mög genent werden mit verantwurtung einer einred. Der neünd, ob Maria unser leben mög genent werden mit verantwurtung einer einred. Der zehend, ob Maria on gotslesterung unser siesse und hoffnung mög genennt werden, mit einer einred und verantwurtung. Der eilfft, ob Maria verdient hab Christum zu empfa-[A iij recto] hen und zu tragen, mit einer einred und verantwurtung.

Von der Heiligen Ehrung N° 64 

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Der zwölfft, ob es gott widerig sey, do man von Maria und andern Heiligen hilff begert, mit einer einred und verantwurtung. Der dreytzehend, ob es kein verachtung sey Christi, und ob es geschehen mög on mißtrawen in Christum, das man der heiligen hilff beger, mit einer einred und verantwurtung. Der viertzehend, ob die lebendigen des verdiensts der abgestorbnen heilgen genüssen [genießen], mit einer einred und verantwurtung. Der fünftzehend, ob die heiligen die menschen plagen, samt einer einred mit jrer verantwurtung. Die sechtzehend, ob man die heiligen anrůffen soll, und ob mans umb etwas zeitlichs anrůffen mög. Der sibentzehend, wie man die heiligen eeren soll. Der achtzehend, ob man Marie samt andern heiligen etwas globen [geloben], gott widerig sey, und obs den globern [Gelobern] nützlich sey. Der neüntzehend, ob es ein gůt zeichen sey, so man die kirchen in der eere gottes und der heiligen gebawen, zerstör. Der zweintzigst, ob zu der kirchen, in der eere der heiligen geweicht [geweiht], bilgern [pilgern] übel thon sey. Der xxj, ob das heiltumb eeren got widerig sey. Der xxij. ob die biltnuß der heiligen got widerig seyen. Der xxiij. warumb die kirch die heiligen zu feyren verordnet hab. Der xxiiij. was die Christen in feyrung der heiligen betrachten sollen. Der xxv. ob es mit der warheit beston mög, so man sage, die heiligen haben etwas verdient. [Im Folgenden werden die Artikel XVII bis XXV präsentiert.]

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 N° 64 Georg Neudorffer

[D iijr]

Der sibentzehend artickel wie man die heiligen eeren soll. Antwurt, diß gibt zuverston Paulus von jm [i.S.v. sich] und allen heiligen, redend zu den Ephes. am 1. [Eph 1, 3–6] da er spricht, gebenedeyet sey got und der vatter Jesu Christi, der uns gebenedeyt hat in aller geistlichen benedeyung in Christo, wie er uns dann erwölt [erwählt] hat vor der welt schöpffung, auff das wir weren heilig und unvermackelt [makellos], wölcher uns verordnet hat zu der kintschafft in jm, durch Jesum Christum, nach dem fürnemen seins willens, zů lob der [D iij verso] glori seiner gnad, in wölcher er uns hat angenem gemacht in seinem lieben sun [Sohn]. Hie erzelt Paulus die eere der lieben heiligen, damit sie gott der vatter geeret hat in Christo, und ist die erst benedeyung in aller geistlicher gnad, auff das wir sie in Christo wie Elizabeth Mariam Luce am ersten capi. [Lc 1] umb erpfangner gnad des glaubens, der lieb und hoffnung, und sagten, gesegnet bist du Petre, Paule etc. in Christo vom vatter in ewigkeit, gebenedeyet sey dein benedeyer, und in dem du gesegnet bist Christus unser herr. Die ander ewig erwölung [Erwählung], auf das wir sie, als die genemen fründ [Freunde] gottes, als unser fürsprecher erwölten [erwählten] und eereten [ehreten], das wir auch vom vatter under der zal der ausserwölten gefunden werden. [Nennung einer dritten Erwählung fehlt!]

Die vierd, das sie gott erwölt hat, das sie heilig und unvermackelt [i.S.v. makellos] weren, auff das wir in betrachtung jres lebens, jn nachzufolgen gereitzt wurden, und verursacht sie anzurůffen, das sie uns auch ein unvermackelte [i.S.v. makellose] seel vor gott, durch ablassung der sünd erwerbt. Die fünfft, das der vatter sie von ewigkeit verordnet hat, zů der kintschafft in jm, durch Jesum, das er jr vatter, sie seine sün [Söhne], und Christus jr brůder were, in keiner andern meinung, das der vatter in heiligen, als in seinem, und Christus als jr brůder in jnen vereeret wurde. Darumb Paulus nach disen worten spricht, das der vatter diß hab thon, nach dem fürnemen seines willens, zů lob der glori seiner gnad. Die sechst, das der vatter sie hat angnem [angenehm] gemacht in Christo, was man jnen thet, das solichs als Christo [D ivr] gethon verstanden wurd, es were in eerens weiß [in ehrender Weise], oder in entuneerens weiß [in verunehrender Weise], darumb Christus sagt Matthei am fünffundzweintzigsten Capitel [Mt 25, 40], was jr einem dem minsten [mindersten i.S.v. geringsten] disen meinen brüder habt gethon, das habend jr mir gethon. Auß wölchem klar ist, das kirchen bauwen, oder altar, dise zieren, jr tag feyren, jre abent fasten, in jrem namen psallieren [Psalmen beten], Meß singen,

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orgeln, vnd was der gleichen gschicht [geschieht] oder geschehen ist, alles gott dem vatter geschehen ist, und Christo und denen in heiligen in jnen.

Der achtzehend artickel ob gott Marie sampt andern heiligen etwas geloben, widerig sey der geschrifft, oder heilsam den gelobern. Antwurt, das solichs nit widerig sey der geschrifft, ist klar auß der geschrifft, da wir lesen Jsaie am 19. cap. sie werden dem herrn gelibt [Gelübde] globen [geloben], und erstatten, das geredt ist, als das Capittel vorgends [vorgehends] anzeigt, von den menschen des newen testaments, das aber den heiligen globen in gott, den gelobern [i.S.v. Gelobenden] heilsam sey, ist klar auß den Historien, da umb glipt [Gelübde] willen Marie geschehen zu bauwen ein Tempel die von Reütlingen (die solichs gethon haben) entlediget seind worden von der belegerung jrer feind, wölche geschehen ist als man zelt Tausent, zweyhundert, und sibenundviertzig jar, von Künig Heinrichen, der ein Landgraff von Hessen ist gewesen. Also hatt gesiget an seinen feinden Künig Clodoveus auß Franckreich, da er gott gelobt Christen [ein Christ] zu werden, und sancto Martino sein pferd zu geben verhieß. des er auch erstatt, und das sey auffs allerkürtzest auch genůg von disem artickel. [D iv verso]

Der zweintzigst artickel ob zů den kirchen, zů der eere gotts und der heiligen gebawen, bilgern übel thon sey, und ob Kirchen entuneeren ungestrafft sey bliben. Antwurt, disen artickel will ich darumb setzen, das Luther spricht, das auß bilgren [dem Pilgern] gen Aach [Aachen], gen Einsidel, gen Rom, man nichts bring dann miede [müde] bein, ein leren seckel, und ein bösen magen, wölches, so yeder will, war ist, yedoch so bringt soliche bilgerung einem fertigen [i.S.v. wohlgerüsteten] bilger, ein grössern nutz dann Luther sagt, des wir [E recto] ein klar anzeigen haben Acto. am 8. cap. [Act 8, 26–40] von der Moren Künigin hoffmeister, der auß Ethiopia, das schier zu end der welt ligt, gen Hierusalem in den tempel bilgeret, und dardurch erlangt Christenlichen glauben und tauff, und Paulus het wol auch mögen gott angebetet haben in Tyro, noch dannocht gieng er auß Tyro gen Hierusalem in tempel zu opffern, nach dem als er von Jüdischem glauben kommen war Acto. 21. das aber der kirchen entuneerer nit ungestraff seyen bliben, haben wir ein wegweisung auß plagen, so gelitten haben, die sie entuneert haben, als Justinianus der Keyser, zwang den Patriarchen zu Constantinopel, das er unser frawen kirchen zerbrech zu Constantinopel, darumb er des Reichs verjagt, und die naß [Nase] abgeschnitten, ins ellend

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in Pontum zwungen worden ist, es ließ auch Rataris der Longobardisch künig1 und arrianer einen begraben, der auch ein arrianer ward, in sant Joannes kirchen den ein geitiger [Geiziger] außgrůb und beraupt [beraubt], darumb jm sant Joannes erschin, und sagt, diser ob er schon nit recht glaubt hat, yedoch ist er mir bevolhen [befohlen] gewesen, darumb wirst du nit mer in mein kirchen gon, dz auch geschach.

Der einundzweintzigst artickel, ob das heiltumb eeren gott widerig sey. Antwurt nein, dann so die arch des alten Testaments vereeret ist worden, von wegen der tafel Moisi, die darinn lag, in wölche gott, mit seinen fingern geschriben het, und gebott sagt er wölt ob jr sein zwischen den Cherubin, 3. Reg. 8. innhaltend auch das himelbrot, wievil mer ist das gebein der lieben heiligen zů eeren, in deren hertz gott sein gesatz geschriben hat. Hiere. 31. und durch haltung seiner gebott, sie seind gewesen tempel des heiligen geists und er in jnen gewont hat. 1. Corinth. 3. Darumb jr gebein eeren, gott nit widerig ist, so gott darinn vereeret wirt, [E verso] der das gebein durch sein gegenwürttigkeit [Gegenwärtigkeit] geheiliget hat, und diß krafft an sie gezogen des heils, wie wir dann lesen von dem gebein des propheten Helizei2, wölches angerürt von einem todten cörpel, erkickt [erquickt] ward vom tod, 4. Reg. 11. wir lesen auch in den Cronicken das der fromb Christelich künig Clodoveus3, in gůtter meinung geoffnet hatt sant Dionysius4 grab zu Pariß, das er seiner arm einen in gold faßte, nichts destminder fiel er darumb in ein kranckheit, als ob er unsinnig wer, und lidt die zwey jar und starb daran.

Der xxii artickel ob die biltnuß der heilgen gott widerig sey. Antwurt, dieweil biltnuß der heiligen in keiner anderen meinung zu machen angesehen seind, dann das dardurch die Christen gereitzt werden, zu betrachten gottes gnad den heiligen beschert, der biltnuß sie vor augen sehen, auff das, das sie in seinem heiligen loben gott, so seind sie gott nit widerig, vorauß so gott selbs hat heissen Exod am 17. Cap. machen die biltnuß der Engel Cherubin, und ein örin [eherne] Schlangen auff einen pfal [Pfahl] Nume. am 21. cap. wölche ein figur des

1 Gemeint ist vermutlich der Langobardenkönig Rothari (ca. 606–652), der als Arianer Katholiken verfolgte. 2 Gemeint ist der Prophet Elisaeus. 3 König Clodaveus/Chlodwig I. (466–511) 4 Französischer Nationalheiliger, Märtyrer, 3. Jh.

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kreütz Christi und Christi ist gewesen, und auch der brauch der biltnuß von den Aposteln, wie *Damascenus schreipt lib. 4. auff uns kommen ist, wölchen die heiligen Concilien, als recht bestetiget haben, nemlich das Nicenum das ander, Constantinopolitan. under Hierenco, Lateranense under Gregorio dem andern, und Gregorio dem dritten, diß namens Bäpst, und im Concilio zu Franckfurt wider den ketzer Felicianum. Darzů ist klar, das gott die biltnuß nit widerig ist, dieweil (als die cronickschreiber melden) gott den jhenigen sig hat geben, so die biltnuß Marie vereeret haben, wie wir von Keyser Heraclio lesen, das er gewapnet hab sein rechte hand, mit der tafel, an der [E ij recto] die biltnuß Marie gemalt ist gewesen, die nit von menschen, sonder vonn himel kommen ist, wie Nauclerus schreipt 2. parte Cronice, generatione 21. folio 97. desgleichen hat gethon Arcturus ein Künig in Britania, der allweg vor jm [i.S.v. sich] hat lassen fürn [führen] ein guldin schilt, in wölchem die biltnuß Marie war. Über das alles zeigen die historien an, da nie keinen glück ist angangen, der die biltnuß Christi, Marie, und ander heiligen entuneret hat, wie wir dann lesen von dem Keyser Philippico, der in dem tempel sant Sophia in Constantinopel, dise ließ abtilgen, darumb er von Anastasio des Keiserthůmbs und der augen beraupt ist worden, der gleichen hatt thon der Keyser Constantinus, der fünfft diß namens und verjagt worden von seinem volck, auß wölchem allen wol zu vermůten, ob die biltnuß der heiligen gott widerig seyen oder nit.

Der xxiii artickel warumb die Kirch die heiligen zu feyren verordnet hab. Antwurt, diß seind vil ursach, unnder wölchen ich doch nur5 zwo yetz anzeigen will, und ist die erst, das die Christen, so von der arbeit müssig, dest geflißner in die kirchen giengen, zu hörn von der prediger mund, der heiligen leben, auß wölchem ihn[en] nachzufolgen sie gereitzet wurden, und dest Christlicher zu leben verursacht. also vermanet Paulus die gläubigen ad Hebre. 13. capit. das sie eingedenck solten sein den jhenigen, die inen fürgesetzt, und inen das wort gottes zugeredt, und das sie nit vergessen solten, der selbigen wandels, und wie sie geendet haben ir leben, das sie auch also inen im glauben nachfolgen, also Mathatias vermant seine sün, und die Sinagog, und sagt, seind eingedenckt der werck eüwerer vetter, was sie gethon haben in iren geschlechten, und zeigt in an die wercke Abrahams, Josephs, Phinees, Josue, Calephs, Davids, Helie, Ananie, Azarie, Misahelis, der gleich thut Paulus zu den Heb. am 11. Die ander ursach ist, das die kirch durch solich betrachtung des leben der heiligen, will ire glider verursachen, das sie sich in got erheben in einem rechten vertrauen, dann nichts ist das uns die götlich huld meer verei-

5 In Vorlage „nun“.

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nige, dann ein gut vertrauen in in. also sagt David psal. 146. [Ps 146, 11] ‚Got hat ein wolgefallen über die in fürchten, und die da hoffen auff sein barmhertzigkeit‘, und widerumb, ‚der in den herrn hofft, den wirt die barmhertzigkeit umbgeben‘, und widerumb, ,er hat in mich gehofft, ich will in erlösen‘, des haben wir ein exempel in Susanna, der[en] hertz ein trauen in gott hett, wölche er auch erlöset durch Danielem, und darumb manet die geschrifft und spricht [Prov 3, 5–6], hab ein vertrauen in den herrn, in allem deinem hertzen, und Sirach6 2. [Sir 2, 10–12] Secht [seht] auff ir sün in die geschlecht der menschen, und wissend, das keiner der in got gehofft hatt, ist zuschanden worden, dieweil nun aber solches vertrauen erwachsen mag, auß hörn der leben der heiligen, und gnad die in got hatt thon, so hatt der heiligen feyren die kirch angesehn das man alle werck underließ, und sich zu der kirchen fügt, ir leben zu hörn.

Der XXIIII. artickel was die Christen in irem feyren der heiligen, betrachten sollen. Antwurt, sie sollen zu dem ersten [i.S.v. zuerst] betrachten die groß gnad Christi, mit der er unser natur vereeret hat, über der engel natur, so er mensch ist worden, und sein gottheit diser vereint, das der mensch in etlich weg, auch ein got genennt mag werden, und also so die fest kommen Christi, als Weihenecht [Weihnacht] und der gleichen, jm lob und danck sagen, in den feyrtagen Christi sollen sie auch betrachtten, wie wir von der volle gnad Christi all empfangen haben Joan. 1. und wie er uns vom schweren gsatz Moisi erlößt hat Gala. 3. und hingenommen unser sünd Joan. 1. und unsern tod getödt, Osee. 13. und den teüfel unsern feind überwunden, Joan. 12. und uns kinder gots gemacht, Joan. 1. und den himmel geoffnet Heb. 9. In den festen der můter gots, sollen sie betrachten die wunderwerck, die in jr got verwirckt hat, wie sie selbs sagt Luce. 1. und das sie ein junckfrau empfangen hat ein junckfrau bliben und geborn hat, und das die tochter ist des vatters můtter worden, und das geschöpff des schöpffers narung durch jre heiligen brüst und der gleichen. In den festen der andern heiligen in gemein die gnad gots, mit der er sie an kinds statt genommen, Ephe. 1. und von ewigkeit zu der seligkeit verordnet Roma. 8. und groß wunder durch sie gethon Mar. 16. und also sie in got leben7 und got in jnen.

6 In Vorlage „Eccl.“ 7 In Vorlage „loben“.

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Der XXV artickel ob es mit der warheit besteen mög, so man sagt, die heiligen verdienen, oder haben ettwas verdient. Diß gibt uns die gschrifft klar an die hand, dann gott zů Abraham sagt Gene. 15. dein belonung ist groß bey mir und den Aposteln, spricht Christus Matth. 5. euer belonung ist vil im himmel, und gschrifft Sapi. 10. gott hat geben den lon den gerechten umb jr arbeit willen, und Christus in der parabel8 Matth. 20. beruff die taglöner und gib jn den lon, Prover. 11. Seminanti iustitiam merces fidelis, Eccle. 2. qui timetis dominum credite illi, et non evacuabitur merces vestra, Diß sprüch lautend all von belonung, und ist der erst also, der da seet [säet] die gerechtigkeit, der hat ein grossen lon, der annder, jr [D iijv] die da gott förchten, glauben [glaubt] jm, und euer belonung wirt nit ler [leer] sein, und Paulus I. Cor. 16. eines, und wölcher der selb ist, des werck bleiben wirt, das er darauff bauen hat, wirt er belonung empfahen, Diß und ander sprüch seind nit anderst zu verston, dann das gott sicht an die gnad von jm in heiligen erschaffen, und von diser die entspringenden gůtthat, auß wölcher gnad und gůtthat verdienen sie und haben verdient, jnen, und uns als jren mitglidern, wie dann auch Paulus spricht Colossenses am ersten capit. Ich fröu mich in meinem leiden für euch etc. [Es folgen fünfzehn „Einreden“ und „Antwurten“ zur Legitimation von Heiligenbildern] Die erst einred wider der heiligen bild. Gott unser gmahel verbeüt uns zu machen Exodi am 20. ca. sprechend, du solt nit fremd gött vor mir haben, mach dir kein geschnützt bild, noch sunst kein abconterfeyung deren so auff dem erdtrich seind, ja auch nit deren, so im wasser under dem erdboden sein, du solt dich vor jnen weder neigen noch bucken, ja du solt auch jnen sunst nit eere erbieten, dann ich bin der herre dein gott ein eyferer. Antwurt Salomon hat gemacht an seinem Künigstủl zwölff löwen. 2. Para. 9. zwölff ochsen under das gossen [gegossene] weschgeschirr. 2. Par.  4. sich [siehe] das seind [sind] biltnuß deren ding, so auff dem erdtrich seind, er hat auch gemacht bildnuß zweyer Engel in mancherley gstalt. 2. Paralip. 3. auß wölchem klar ist, wans [wenn es] gott in disem spruch verbotten hette, das er diß bott [Verbot] übertretten hette, so aber er sich darinn nit versündiget hatt, so ists klar (und vermags der text) das gott allein verbotten hat bild zu machen, den man götlich eere und dienst anlegen wölt, oder

8 In Vorlage „parabol“.

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für [D ivr] gött halten, Uber das alles so ist klar Exodi.25. das gott hat heissen zweyer Engel bildnuß Cherubin machen in tabernackel, auß dem volgt, da jm die bildnuß nit widerig seind, so man nit göttlich eere anlegt, oder für gött helt, das er allein, wie oben gehört, in der gestalt verbotten hat, das aber der Fuchs das lateinisch wort adorabis, das man verteütscht anbetten, bucken und neigen heißt, fall ich disem verteütschen zủ, so er gestatt, das gott hie verbotten hab den bilder göttlich eere zu thủn in buckens weiß, dann keins wegs in der gestalt vor den bilden wir uns weder bucken noch neigen sollen, Das aber gott alles neigen und bucken vor den bilden (so nit wie yetz gehört geschicht) verbotten hab in disem spruch ist nit war, dann Jacob Genesis 33. hatt sich siben mal buckt und gneigt vor seinem brủder Esau, also die sün Jacob Joseph Genesis 43. der gleich Abigil [Abigail] hat sich buckt und gneigt vor David 1. Regum 25. auß wölchem volgt zu gleicher weiß, wie die obgemelten sich geneigt haben vor den menschen, die nach der bildnuß gotts erschaffen, oder an seiner statt geamptet [i.S.v. amtiert] haben, Dieweil auch geschrifft den fründen [Freunden] gotts zủlegt, das sie gött[er] seyen, das nit unrecht ist, so man sich gegen den bildnussen der heiligen neigt, die an gott[es] statt seind gewesen, nach der bildnuß gotts erschaffen, und von der gschrifft gött genennt seind worden, participative, nit das der bildnuß geschehen soll, sonder denen, so die bildnuß bedeüten, als ob sie zugegen stünden, den wir uns geneigt und gebuckt hetten, so sie zu dieser unsern zeiten auf erden weren. Die ander einred Der herr sagt am vorigen Capittel, machen mich nit zu einem guldinen oder silberinen gott, hie verbeüt gott unser seligmacher, das wir jn auch nit sollen auffmutzen. [D ivv]

Antwurt Die recht corrigiert Bibel hat also, Non facietis mecum deos argenteos, das ist zu teütsch, jr solt mit mir nit machen silberin gött, das ist als vil gesagt, jr solt nit silberin gött machen, und die mit meiner eere, so mir allein zugehörig, eeren, aber der Brandfuchs verteütschet mecum mich, und legt auß wie gehört, auff das er sie nit verbrenn, wie die hültzen, sonder in seckel nutz genommen auß der kirchen, wie zủ Zürch und zủ Waltshủt geschehen ist, und das man sie nit kirchendieb nenn, spricht er, gott hab hie geheissen, man sol jn nit auffmutzen in einem silberin bild, das seind mein hüpschen Evangelisten, ich laß rủwen das unser gemeine Bibel hatt, Non facietis deos argenteos nec deos aureos facietis vobis.

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Die dritt einred Du solt dir selbs nit gossen götzen machen. Antwurt Vor disen worten spricht gott, ich bin gott ewer herr, jr sollen euch nit keren zu den abgöttern, und solt euch auch nit machen gossen gött, auß wölchem ye klar ist, das er hie die abgötterey verbeüt, und das sie in der gestalt kein bild sollen machen, darumb aber hat er nit verbotten, bild zu machen, die uns in sein und der lieben heiligen betrachtung verursachen, und die man doch nit eere als gött, und hat der Fuchs den anfang, von mir yetz gemeldt, mit fleiss underlassen, das er den leser dester ee betrug, das seind Füchsrenck. Die vierdt einred Jch bin der herr ewer gott, machen euch kein abconterfeyung noch geschnitzelt bild, richten auch kein saul [Fr] auff, machen auch euch kein besondern stein, dem jr eeren erbiettend, dann ich bin der herr ewer gott, sam er sagte, mir gehört alle eere. Antwurt Der Fuchs thủt die gschrifft nit recht dar, dann es stat im Hebraischen text (da wir haben insignem lapidem, das verteütscht mag werden, ein kostlichen stein) ‚mazquiz‘, id est celatum vel sculptum, das ist ‚ein außgestochnen, oder außgegrabnen stein‘, verteütscht aber er ‚ein besondern stein‘, auch laßt er auß, in terra vestra, ‚‘in eüwerm erdrich‘, das unser text hat, dann gott spricht, ‚jr sollet auch nit setzen in eüwern erdrich ein außgrabnen stein, das jr den anbetten‘, und hat helle augen,, das er in disen worten sicht (wiewol es war ist, gott gehört alle eere) das got sag, jm ker [gehöre] alle eere, und stat nit darinn, ich gang mit dem spruch auß Deutero. 4. und andern vil für, als ich noch vil thủn würd, wo er nit felschlich geschrifft dar thủt, und all sprüch die er dar thủt seind auffgelöst in der ersten einred, und haben kein andern (dann wie ich geben hab) verstand, darumb es nit not ist, das ichs so offt meld und repetier, dann es verdrußlich were. Die fünfft einred Gott heißt die bild zerbrechen, und von der straff deren sie habend und eeren Deutero. 7. also solt du denen völckern thủn, ker jre altar umb, und zerbrich jre seülen, zerstört die feldkirchen, verbrennt jre geschnützte bild, dann du bist ein besonder geliept ausserwölt volck gotts deines herrn.

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Antwurt [F ] Auß dem volgt nit, umb das gott die abgötterey dermassen außgetilgt hatt, und jre bildnuß verbrennt, das man in der kirchen der heiligen bilder verbrenn, die wir nit halten für gött, noch dermassen [i.S.v. auf die Weise] eeren, darzủ laßt der Fuchs auß des [i.S.v. was] unser text hat, quia sanctus es domino deo tuo. v

Die sechst einred Deutero. 12. das sein die gebott und urteil die du halten solt, so du in das land kommest, das dir [erg. der] gott deiner vetter [Väter] geben wirt, auff das du es besitzest dein leben lang. zerstörend [zerstört] alle ort und stett, an denen die Heiden die götzen geeret haben, es sey auff hohen und nidern bergen, oder in welden, zerreissen [zerreißt] jre altar und seülen, verbrennend [verbrennt] die feldkirchen mit fewr, und die abconterfeyg zerstören [zerstört] und zerreissen [zerreißt], ja auch jr namen von den stetten. Antwurt Dieser spruch hat ein verstand, wie oben geben, und laßt der Fuchs mit fleiß auß, das gleich hernach stat, ‚jr solt nit also thủn gott ewerm herrn, sonder zu der stat, die gott erwöln wirt, sollend [sollt] jr kommen, und opffer thủn.‘ Auß wölchem ye klar ist, ob schon gott sie geheissen hat zerstörn der abgötter altar, so hatt er doch hie verbotten, da sein nam angerủfft wirt, dieweil aber all kirchen und altar in der gantzen Christenheit ein kirch und ein altar geacht wirt, und ist umb eins gotts willen, der in allen angebettet und geert wirt, und umb eins opffers wegen, das auff allen altaren beschicht [geschieht], so ist klar das die kirchenstirmer [Kirchenstürmer] und altarumbkerer [Altarumkehrer] zủ Zürich, [Fijr] Rewtlingen, und anderstwo, wider das göttlich gebott thủnd und thon haben, und der teüfel wirt jnen den lon geben, das aber gott solich Stett erwölt hab, findest du klar im büchlin des **Walafridus Strabo gemacht hat des tittel ist De exordiis et incrementis ecclesiasticis9. Die sibendt einred Deuterono. am sibenundzweintzigsten cap. das hat Moises gebotten auß dem gehiß gottes, die Leviten sollen verkünden, und mit lautter heller stimm zủ allem volck Jsrael sagen, verflủcht ist der mensch, der ein geschnitzt oder gossen bild machet, das ein grewel gottes des herrn ist, und das heimlich an ein ort setzt, und das gantz

9 Walafrid Strabo: De ecclesiasticarum rerum exordiis et incrementis. In: Migne PL 114, Sp. 919–964.

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volck so sagen Amen, das wird war, hie verbeüt er auch heimlich bild, die eyn yeder in seinem hauß haben möcht. Antwurt Er verbeüt, das man nit abgött heimlich hab in heüser, verbeüt aber nit, das man bilder Christi oder anderer heiligen, die man nit für gott hatt, in den heüsern haben soll, als du ketzerisch einfürest, auß den worten gottes, ich underlaß sprüch, die er auß den psalmen 60. und andern Sapientia 14. Jsaia 44. Hiere. Ezechiele, Michea, Abacuc fürbringt, dann sie lauten all auff die abgötterey, die gott verbeüt, und nit auff unsere bild, die wir nit für gött halten oder eeren, und weiß [weise] den leser auff die erst antwurt im anfang geben diß büchlins. Die acht einred Jsaias am zweyundviertzigsten Cap. Wölche in geschnitzte bild hoffend, die werden mit schanden geschen-[Fijv]det, und wölche zu den goßnen sagend, jr seind unser helffer, Jtem am vorgenannten Capittel, Mein eere wird ich keinem andern geben, und mein lob nit den geschnitzten bilden. Antwurt In dem das gott spricht, mein eere, gibt er klar zu verston, das er allein von der eere die jm gebürt, redt, er verwirfft aber darumb nit die eere, so under diser ist, und sein geliebten heiligen geschicht, darzủ ist kuntbar, das kein Christ so einfeltig ist, der zủ einem geschnitzten bild hoff, oder das jr helffer seyen, darumb gat uns die geschrifft nichts an. Die neündt einred Die that deren die bild und götzen abgethon haben, wirt gerümpt [gerühmt] und brisen [gepriesen] am vierdten bủch der Künig am achtzehenden capitel, der Künig Ezechias hat die bergkirchen zerstört, und hat die zerbrochen, und hat die kirchen außgereüttet, er hat auch den örin schlangen [die eherne Schlange] zerbrochen den Moses gemacht hatt, dann die kinder Israel haben jm biß auff die selben zeit geopffert, dergleichen hat gethon Josias am 4. Regum 23. und Manasses 2. Para. 33. Antwurt Die Künig, davon geschrifft meldung thủt, haben außgereüt die abgötterey, volgt darauß nit, dieweil wir mit der heiligen bildnuß kein abgötterey anrichten, das nit zu verbrennen oder abzutilgen seind, wirt auch die geschrifft euch kein glimpff

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bringen, das jr zủ [Fiijv] Zürich die heiligen verbrennt haben, und aber das Ezechias den örin schlangen abthon hat, Zeigt geschrifft ursach an, warumb es geschehen sey, umb das (spricht sie) die kinder Israel biß auff die zeit jm opffer haben thon, und wo dergleichen yetz auch geschech, das man einem bild, als obs gott were, opffer thet, gib ich zủ das mans oberthon sol, oder den gemeinen man von seiner irrtumb weisen. Die zehend einred Die Christen sollen kein bild haben, das redt gott. Antwurt Das dis nit war sey, ist klar auß dem, das Christus die bildnuß seines heiligen antlitz[e]s geschickt hat Abagaro, dem Künig Edessenorum, das bezeügen die heiligen *Eusebius lib.1. Ecclesiastice historie, und *Damascenus, und ist noch zủ Genua in sant Bartholomeus kirch, und die biltnuß Marie, die sant Lucas gemalet hat, ist noch zủ Rom, ad sanctum Sixtum, darzủ do ists nit war, das gott red, das man nit bild soll haben, er redt, man soll die bild nit für gött haben, und in der gestalt sol mans nit machen, darzủ seind die bild der lieben heiligen angenommen von dem ChristenlichenConcilien Niceno dem andern, und im Concilio zu Constantinopel, under Hyrenco in dreyen Concilien zủ Rom gehalten, under Gregorio dem anndern, und Gregorio dem dritten, und dem Bapst Stephano, und im Concilio zủ Franckfurt, das der groß Keyser Karle mit willen des stủls zủ Rom versamelt hatt, ist der Ketzer Felicianus verdampt worden, das er die bild under-[Fiijv]standen hat abzutreiben, wie der Zwinglin und Carlstatt, darumb billich were, und auch besser, die von Zürich volgten nach jrem stiffter Karolum der vier bücher geschriben hat, wider die, so die bild außtreiben wöllen, dann dir oder dem Zwinglin, dann als Beda spricht, bild in der kirchen zu machen, hat die göttlich geschrifft nie verbotten. Die eilfft einred So du dann sprichst, du eerest die heiligen, das thủst du aber on gottes geheiß und wort, dann er will sein eere keinem andern geben, er ist ein eyferer, der mag nit leiden, das die seele der creatur anhang, hilff, gesuntheit, trost, oder einicherley bey der creatur sủchen. Antwurt Diß ist nit war, gott hat Abimelech den Künig Gerare heissen gon [gehen] zủ Abraham, das er für jn bette, Genesis am zweintzigsten capit. Item die freünd Job [Hiobs] zủ Job [Hiob], das er für sie bett, am zweyundviertzigsten capit. auß wölchem uns der

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will gottes kundtbar [i.S.v. erkennbar] ist, das jm nit widerig ist, so in der gestalt wir die abgestorbnen heiligen eeren, dann nit ein kleine eere ist gewesen Abrahe und Job, damit sie gott geeret hat, das er hat Künig zu jnen geschickt, das sie fürbitt theten für sie, Also ist es den heiligen ein grosse eere, so wir jr fürbitt begern, dann in dem erkennen wir sie über uns, und das sie gotts fründ seind, darzủ ist es nit in allweg war, was gott nit heiß, und mans thủ, das unrecht sey, dann Christus hieß Maria Magdalene salbung ein gủt werck, und hets nit ge-[Fiiijr]heissen, der geleichen [desgleichen] gefiel der gedanck Davids, das er gott ein tempel bawte, vast wol, und hett jn nit heissen einen bawen, nochließ er den gủtten gedancken nit unbelonet, und sagt zủ jm durch Natham, gott will dir ein hauß bawen, So geben wir auch zủ, das gott eyfert die eere, die jm allein gebürt, und will darinn kein mitgemeiner [i.S.v. Teilhaber] haben, das er aber die eere under diser seinen heiligen vergünd, ist nit war, wie oben yetz anzeigt, das ers im leben selbs geert hat, darumb jms nit wider ist, so man sie tod eeret, auch sủchen wir nit bey den heiligen hilff, oder trost, oder gesuntheit, sonder jr fürbitt, das wir von gott trost und gesuntheit erlangen. Die zwölfft einred Item die heiligen haben semlich [i.S.v. allesamt] eere von den menschen nit wöllen leiden, als du hast Actorum am dritten capitel, das Petrus vnd Joannes nit woltent, das man sie dergestalt ansehe, als hetten sie dem viertzigjärigen krippel [Krüppel] geholffen. Antwurt Sie haben als der text anzeigt, göttlich eer außgeschlagen, wann die menschen achtend [i.S.v. meinen] sie hettens auß eigner krafft thon [getan], darauß nit volgt, das man die menschen sunst nit eeren solt. Die dreyzehendt einred Was wir semlichs von den gestorbnen heiligen, und [Fiiijv] nit von gott sủchen, ist klar gnủg, wir opffern und brennen öl, kertzen vor jnen, wir haben einer yeden kranckheit ein besonndern heiligen, so wir gesund werden, so schreiben wir jnenn alle eere zủ, das wir für rủssige bildnuß wechse [wächserne] orn [Ohren], hend [Hände], füß hencken. Antwurt Wie die fraw, von der geschriben stat am vierdten bủch der Künig am vierdten capit. zủ Helizeo lieff, das er jren sinn erquickte vom tod, wölches werck niemants sagen kann, das sie es hab gethon in einem aberglauben in Helizeum, als ob ers auß

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eigner krafft thet, dann solicher unglaub hett verhindert, das gott durch Helizeum nit hette erquickt, so er spricht (als du offt yetz fürgeworffen hast) er wölle sein eere keinem andern geben, darauß wol zu mercken ist, das sie in gott gehofft, und durch mittel seins dieners, sollichs zu erlangen geglaubt hatt, also ist klar, so yemands zủ den heiiligen laufft umb gesuntheit, und die erlangt, das die elangt gesuntheit anzeigt, das der selbig mensch von gott gesuntheit gesủcht hat, von wölchem er verhofft hat, durch mittel des fürbittenden heiligen zu erlangen, und darumb gott zu lob und zu einer anzeigung, das gott durch fürbitten des heiligen jnen geholffen hab, henckend die krancken für die bildnuß der heiligen wechse oren, aufen, füß, hend etc. Die viertzehend einred Item wir lauffen jnen nach gen Stainen10, Rom, Einsidel, Ach [Aachen] etc. [Fvr] Antwurt Das es nit unrecht sey zủ den heikigen lauffen im glauben zu gotts hilff, und hoffnung durch der heiligen fürbitt, gesuntheit zu erlangen von gott, ist auß dem klar, das Naaman a, vierdten bủch der Künig am fünfften Capit. im glauben zủ gots hilff, das die wort anzeigen, daer spricht zủ Helizeo, warlich ich wei0 das kein anderer got ist in allem ertrich, dann allein in Israel, auß Syria kommen ist zủ Helizeo gen Damascum, und erlößt ist worden von dem außsatz, wievielmeer mögen wir die stett [Städte] und ort sủchen, da die abgestorbnen heiligen besonder gnad des fürbitts beweisen denen, so in gott recht glauben, und in jr fürbitt hoffen. Die fünfftzehend einred Mit deiner eignen that will ich beweren [bewähren, i.S.v. beweisen], das du die bilder eerest, die von holtz und stein gemacht seind, ist das nit ein grosse eere, das du sie auff den altar stellest, der gott allein gebawet soll werden. Antwurt Antwurt, es ist nit auß der weiß11 das man der heiligen bilder auff den altar gotts setzt, so gott die heiligen selbs (deren bilder diß seind) in sich selbs gesetzt hatt, dann ye Paulus spricht, der gott anhangt, der ist ein geist mit jm. Corinth. 6.

10 Vermutlich ist der Marienwallfahrtsort Stain in Tirol gemeint. 11 I.S.v. „Es ist nicht unüblich“.

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Die sechtzehend einred Item du setzt sie in die kirchen, die ein hauß gottes ist, da gott allein gebreißt [gepriesen] und angerufft [angerufen] soll werden. [Fvv] Antwurt Die heiligen so gelebt haben, seind tempel gottes gewesen, in der ersten Epistel zủ den Corinthern, am sechsten capittel, darumb jr bilder in den tempel gotts setzen sollichs den menschen zủ erinnern, das er sie auch, als vil an jm, wirdige zủ einem tempel des herrn, ist nit unrecht.

Editorische Hinweise Bearbeitungsvorlage Von der heiligen eerung || vnd anrůffen sampt ettlicher ein- || red wider der heiligen bild / Georgi-|| us Newdorffer Prior Prediger or-|| dens zů Rotweil / im sibenundzwein || tzigsten jar zugeschriben dem wol || gebornen herrn herrn Wilhelm Wern- || her / Freyherr zů Zimmer / herr zů || Wildenstein / des Keyserlichen || hoffgerichts Statthalt-|| er zů Rot-|| weil. Das büchlin zu dem leser || Kauff mich / es wirt nit ge-|| rewen dich. [Kolophon] Tübingen: Ulrich Morhart, 1528. Exemplar der SBB, Sign. Cu 4785 [digit.], 59 S., 4°. LIT zvdd; VD 16.

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N° 65 Martin Luther Passional-Vorrede [1529]

Zu Luthers Entwicklung und seiner Stellung in der Bilderfrage wurde bereits in den ersten beiden Bänden so viel gesagt und zitiert (→ N° 8, 9, 11, 14, 15 und Nachwort S. 1152  f.), dass es hier nicht wiederholt oder ausgebaut werden kann. Luther hat sein Passional, das als legendär-biblische Textsammlung mittelalterliche Tradition hat, als Vorform einer Bilder- oder Laienbibel konzipiert, indem er den Text mit weiteren didaktisch wichtigen Texten, nämlich Gebetbuch und Kalender, kombiniert. Die knappe Vorrede zum Passional musste hier nachgetrage werden, weil sie, eben ihrer Kürze wegen, ein wichtiges Kampfinstrument im Bildstreit wurde. Der Text wiederholt in verknapppter und dadurch verstärkter Form einige Grundthesen, die Luther bereits 1525 in seiner Polemik ‚Wider die himmlischen Propheten‘ [→ N° 15] niedergeschrieben hatte. Er vertritt – in Variation der Formel Gregors d.Gr. – die Auffassung, dass Bilder namentlich zur Belehrung der Kinder, der „Albernen“und generell des „Gemeinen Mannes“ (in Fortführung von Gregors Rede von ‚Laien‘, ‚Idioten‘ und Analphabeten) eingesetzt werden sollten. Er propagiert eine Art von Omnipräsenz biblischer Historienbilder, indem er nicht nur Kirchen, sondern auch Privaträume, „Stuben“ und „Kammern“ und schließlich Bücher, mit Bildern ausgestattet wissen will; ja es scheint ihm eine polysensorisch und multimedial inszenierte Erinnerungspräsenz der Worte und Werke Gottes erstrebenswert, indem man „davon singet und saget, klinget und predigt, schreibt und lieset, malet und zeichent.“ http://doi.org.de/10.1515/9783110780031-006

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 N° 65 Martin Luther

[Viiijr] Mart. Luther. ICh habe fur gut angesehen das alte Passional büchlin zu dem

bettbüchlin zu thun, allermeist umb der kinder und einfeltigen willen, welche durch bildnis und gleichnis besser bewegt werden, die Göttlichen geschicht zu behalten, denn durch blosse wort odder lere, wie Sant Marcus bezeuget, das auch Christus umb der einfeltigen willen eitel gleichnis fur yhn prediget habe12. Ich habe aber etlich mehr geschicht aus der Biblia dazu gethan, und sprüche aus dem text dabey gesetzt, das es beides deste sicher und fester behalten werde. Und das alles zum guten anheben und exempel, ob yemand dem nach wolt folgen, und so er geschickt dazu were, solches bessern, Denn ichs nicht fur böse achte, So [Viiijv] man solche geschichte auch ynn Stuben und ynn kamern mit den sprüchen malete, damit man Gottes werck und wort an allen enden ymer fur augen hette, und dran furcht und glauben gegen Gott ubet. Und was solts schaden, ob ymand alle furnemliche geschichte der gantzen Biblia also lies nach einander malen yn ein büchlin, das ein solche büchlin ein leyen Bibel were und hiesse, Fur war man kann dem gemeinen man, die wort und werck Gottes, nicht zu viel odder zu offt furhalten, Wenn man gleich davon singet und saget, klinget und predigt, schreibt und lieset, malet und zeichent, So ist dennoch der Satan ymer dar allzu starck und wacke[r], dasselbige zu hindern und unterdrücken mit seinen engeln und gliedern das solch unser furnemen und vleis nicht allein gut, sondern auch wol not, und auffs hehest [höhest] not ist. [Vvr] Ob aber das die bildenstürmer werden verdammen und verachten, da ligt mir nichts an, Sie bedürffen unser lere nichts, So wollen wir yhrer lere nicht, und sind also bald gescheiden. Misbrauch und falsche zuversicht an bilden, habe ich alle zeit verdampt und gestrafft, wie yn allen ander stücken, Was aber nicht misbrauch ist, habe ich ymer lassen und heissen bleiben und halten, also das mans zu nützlichem und seligen brauch bringt. Also leren wir die unsern und die albern13, Die klüglinge sollen widder [weder] unser schüler noch meister sein. Christus sey mit allen die yhm glewben und yhn lieb haben, Amen.

12 Mk 4, 10–14. 13 I.S.v. ‚einfältig‘.

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Editorische Notiz Bearbeitungsvorlage Ein bet-||büchlin / mit || eym Calender vnd || Passinal / hübsch || zu gericht. || Marti. Luther. || Wittenberg. || M. D. XXIX. Aus dem Faksimiledruck ‚Martin Luther, PASSIONAL. Mit 50 Abbildungen. Herausgegeben und kommentiert von Gottfried Adam. Berlin 2017.‘ S. 1–105, Vorrede hier S. 1–3. Vgl. Luther WA Bd. 10/II, S. 458  f. LIT Gottfried Adam (2017); Böttigheimer (1990).

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N° 66 Esslingen Stellungnahme der Esslinger Kapläne [1531]

Dieser handschriftlich erhaltene, 1982 von Helmuth Krabbe und Hans-Christoph Rublack erstmals und dann 2007 von Gudrun Litz abermals publizierte Text entstand in Zusammenhang mit der Esslinger Reformation. Der Rat der Freien Reichsstadt Esslingen beschloss im August 1531, das Wort Gottes solle künftig frei gepredigt werden. Zur Beförderung dessen forderte man die vier Orden und Priester der Altgläubigen in der Stadt zu einer Stellungnahme auf, die am 19. Dezember 1531 überreicht und vorgetragen wurde. Gleichzeitig hatte der Stadtrat im August 1531 den Konstanzer Reformator und Prediger Ambrosius Blarer [→ N° 68] nach Esslingen gerufen, der als energischer Gegner der Bilderverehrung bekannt war. Er war vermutlich bei der Stellungnahme der geistlichen Repräsentanten der Altgläubigen vor dem Rat zugegen. Jedenfalls wirkte er gemeinsam mit dem Rat darauf hin, dass Anfang Januar 1532 in allen Kirchen Esslingens die Bilder unter obrigkeitlicher Aufsicht entfernt wurden.1 Die Stellungnahme selbst fällt anlassgemäß knapp aus. Nachdem einleitend der Anlass der Schrift erklärt ist, wird zuerst die Messe – aus der Kirchengeschichte und funktionsbezogen – verteidigt. Im zweiten Hauptstück geht es um die ‚äußeren Bilder‘ in Form von Gemälden und hölzernen oder steinernen Skulpturen. Herkunft und Sinn dieser Bildwerke sei hier, im Interesse der Laien, nur kurz zu erläutern; die Vorlage einer ausführlicheren, biblisch profunderen Fassung behalte man sich vor. Man beruft sich auf *Damascenus und *Karl den Großen, geht aber indirekt schon auf protestantische Argumente ein, wenn man zugesteht, dass die Bilder Christi und der Heiligen vor allem und nach Möglichkeit ständig ‚innere Bilder‘ im Herzen sein sollten. Da die ‚menschliche Blödigkeit‘ indes ständig die inneren Bilder verblassen lasse, sei es vonnöten, sie entweder durch Schrift auf Papier oder aber – für Analphabeten – durch äußere Bilder „in der kirchen und auff strassen“ aufzufrischen. Hier wird also die Gregorsformel alludiert, die auch von lutherischer Seite adaptiert wurde. Die antikatholische Bildkritik basiere auf Missverständnissen, denn sie lege das mosaische Bilderverbot falsch aus. Gott habe nicht Bilder schlechthin verboten, sondern lediglich ihre Vergottung. Auch habe nie ein Christ das Bild statt dessen, was im Bild dargestellt ist, verehrt.

1 Eine sehr genaue Beschreibung dieser Vorgänge bietet Litz, a.a.O., S. 179–198. http://doi.org.de/10.1515/9783110780031-007

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 N° 66 Esslingen

Wenn die Bildgegner schon radikal gegen alle sakralen Bilder, die aus Edelmetall gefertigt sind, agierten und sie einschmolzen, sei unverständlich, wieso sie gegen bebilderte Münzen keine Einwände hätten. Bildkritik sei ein satanisches Unterfangen, das darauf ziele, den abgebildeten Heiligen ihre Erinnerung und ihre Macht der Fürbitte zu entziehen.

Stellungnahme der Esslinger Kapläne N° 66 

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Fursichtig, Ersamen und weyß [weise] Heren. Alß sich layder yetz ain lange zeit mencherlay irrung und zwitracht an vill ortten dhewscher nacion [deutscher Nation], die Hailigen sacrament, den gotßdienst, darzu alle gaistlich satzung und ordnung der christenlichen kirchen betreffend, under den gaistlichen und gelertten halten, und alhie in ewer stat zum thail auch ingerunnen2, deßhalb dan E.E.W. [Euer Ehren Werten] unß vier orden3 und priesterschafft, Ewer stat inwoner uff hyut [heute] vertagtt, vor E.W. zu erscheynen und unserß cristelichen glaubenß, Nemlich der hailigen meß und hochwurdigen sacrament und opfer, deß waren leybß und blutß Christi, deß gleichen der hailigen bildnyß und fürbit, auß ewangelischer gschrifft gruntlich bewerung [i.S.v. Beweisführung] und anzaigung von unß begert uff solchs alß die gehorsamen, auß bruderlicher lieb und fruntlicher meynung erscheynen wir und geben E.E.W. den cristenlichen und aynmundigen [i.S.v. einstimmigen] unsern bericht und beschayd. Erstlich der hailigen meß halb, darzu sagen wir also, daß die cristelich kirch von Cristo unser erloser mit seyne gotlichen wort und nach seyner hailigen uffart [Auffahrt i.S.v. Himmelfahrt] von dem hailigen gaist uffgericht, ingesetzt, declarirt und erleucht, daß fur ungezwayfalt [i.S.v. unzweiflich] helt und von anfang der kirchen und cristlichß glaubenß durch seyne hailigen apostel also gepflantzt, daß in der hailigen meß seyn trey [drei] wesentliche ding, die in der meß geybt [geübt] und gehandelt sollen werden durch den priester an stat der gemeynen cristenlichen kirchen […]4. Das ander hauptstuck unsers cristenlichen glaubens, so E.E.W. von uns fier [vier] orden auß Evangelischer geschrifft zủ erlernen, und zu beweren begert, ist der eusserlichen bildnyß halb, im holtz oder stain, des crucifix, menschwerdung und leyden cristi, auch in der lieben hailigen und marterer, sollichs mit vorbehaltung vil euangelischer hailgen geschrifft zu geburlicher zeytt dar ze thun. Aber außs cristenlicher und bruderlicher maynung wollen mir [i.S.v. wir] yetzgemelten Orden E.E.W. in layschem [laikalem, für Laien verständlichem] cristenlichen verstand mit kurtzem zủ erkennen geben Und sagen also: Wie wol vor aylffhundert iaren, wie der hailig lerer *Damascenus schreybt, der zu der selben zeyt gelebt hat, deßglychen auch vor ccclxiii [dreihundertdreiundsechzig] jaren, zu den zeytten des kaysers karoli magni zu Franckfurt5, der irrsal der bildnyß halben auch auffgestanden, so ist er doch in orient in der stat Nicea im land zủ

2 ‚eingeronnen‘ i.S.v. eingeflossen. 3 Es handelt sich um die Orden der Augustiner, Dominikaner, Franziskaner und Karmeliter. 4 Auslassung in unmarkierter Länge bei Litz. 5 Synode von Frankfurt a.M. im Jahr 794.

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 N° 66 Esslingen

bithana von der cristenlichen kunigen und fursten fur ain irrthum im glauben und ketzerisch erkennt, verworffen und verdampt worden. Außs der ursach, dweyl [dieweil, weil] wir cristen allweg und on underlassung Christum in unserm herzten eyngebildet trage[n] sollten und seyner gnaden und gủtthat danckbar seyn, so wird doch menschliche blodikayt von sorg zeyttlicher gebrechen in vergessenhayt und nachlassigkayt sollich schuld zủ bezalen abgezogen und verhyndert. Darumb, wie wol der glaub allayn im herzten ston soll, so ist doch den schrifftgelerten das euangeli desßglychen, die weyssagung der propheten mit dem buchstaben auff Bappir fur gebildet und geschriben, und den yehenen, so nit lesen kunden und des verstandts der hailgen geschrifft nit geubt und erfaren seynd, durch gemeltt und bildnyß des lebens christi und der lieben hailgen in der kirchen und auff strassen vorgebildet wurde,6 dardurch sie zủ gedechtnuß seynes leydens und unser erlosung, auch zu taglicher danckparkayt eyngefurt und ermant werden, und durch der lieben hailgen vorgebildet leben zu nachfolgung irer tugent ermant. So aber der widerthayl [i.S.v. Gegner] sollicher cristenlicher leer und underweysung yetz zu unsern zeytten die bildnyß Christi, Marie und seyner hailgen gar verwerffen, schmehen und auß der kirchen zu werffen dem layen angeben, mit anzaygen ettlicher ursachen, am ersten Got der herr im buch des der kinder von Israhel am 20. capittel [Ex 20, 4. 23.] und an vil ortten des alten gesatz hab verbotten alle geschnitzte oder gegosne bilder, und alle gemalte gleychnuß der ding, die do seynd am himel ob uns, auff dem erdtreych bey uns und im wasser under uns, und also das creutz Christi und der hailgen bildnyß so hoch schmehen, das sie die hayssen und nennen unser abgotter. Wie aber die wort Gottes an dem ort gekurzt, gefelscht und abgeschnitten werden, mugen E.E.W. auß dem erkennen: Got der herr hat gemelte [gemeldete i.S.v. ‚besagte‘] wort geredt und ain verbot der bildnyß gethon, mit den furwortten [i.S.v. Einschränkung], mit dem geding [Bedingung], das du sie wolltest anbetten fur Got und inen gottlich eer [Ehre] thủn. Da er spricht darbey: „Ich bin dein Herr und dein Got, du solt nit frombde Gotter vor dir haben.“ [Ex 20, 2  f.] Das wurt an dem ort dem gmaynen man nit also furgehalten, darumb hat Got die bildnyß nit in allweg [i.S.v. schlechthin] verbotten, sunder allayn das sie nit für Gotter gehaltten sollen werden. Dan Moyses hat hernach nach dem verbot selber auß Gottes gehayss ain schlangen gegossen und dem volck anzesehen zủ aym zaychen auffgehangen im bủch der zal 21 [Num 21, 8  f.]. Weytter in Exodo am 25. [Ex 25, 18–22] gebot Got Moysi, er sollte auff die Archen oder schreyn des tabernackels, darvor die opffer und gebet der Juden geschahen, zwen bilde cherubin, das waren zwey thier mit flugeln, wie mir [i.S.v. wir]

6 Anspielung auf die Gregorsformel.

Stellungnahme der Esslinger Kapläne N° 66 

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yetz die engel bilden und malen. Item 3 Reg 7 [3 Kön 7, 29], da Salomon den tempel Gottes zủ Jerusalem bauwet, ließ er auch gemelte [gemeldete i.S.v. besagte ] zwủ [zwei] bildnyß der cherubin schnitzen, deßgleichen auch zwen leuwen, und der bildnyß halb und zier halb ward er von Got hernach gelobt. Item Christus het auch wider Gottes verbottung gethon, da er den Juden zủließs dy bildnyß des kaysers auff der muntz oder gultpfenning und inen sollichs nit vorwarff und verbot, sonder sie leret und gebot inen, sie sollten mit dem gebildeten7 pfenning dem kayser seyn gult bezalen. Auß dem mag ain yeder verstendiger wol mercken, das Got im alten gsatz [im Alten Testament] die vorbildung und gemalte [Gemälde] der menschen oder thyer [Tiere] allayn verbotten auß der ursach, das sie die Juden die nit fur Got anbetteten wie sie das gegossen kalb, dieweyl Moyses auff dem berg Synai was [Ex 32]. Aber in dem Newen testament finden mir [wir] in kayner euangelischer geschrifft, das Christus oder Paulus die bildnyß oder gemelt verbotten haben, auß der ursach, Got der Herr, der im Alten testament ain unsich[t]parlicher, leyblicher mensch worden, und in sollicher menschlicher bildnyß und glidmaß umb uns gewonet, fur uns gelitten und gecreutzigt. Wolcher mensch wollte aber bey im [ihm i.S.v. sich] selbs sollichs nit befinden, das die gebildete glidmaß Christi unsers erlosers, seyn gebildet creutz und zaychen seynes hailgen leydens, deßgleychen die bildnyß Marie im engelischen gruß [Lk 1, 28] und anderen iren festen im euangelio gegrundet, auch die geschichten und gutte werck der lieben hailgen zủ offtermal zủ andacht, zủ betten, zủ waynen und zủ guttem fursatz und hailiger betrachtung in nit bewegt hetten. Die bildsturmer aber haben ain grosse sorg uber uns des anbettens halben der bildnyß, der sie nit bedorffen. Wolcher crist hat ye von anfang des glaubens vor der bildnyß aynes hailgen gebettet ain pater noster, das er den selbigen hailgen vermaynt fur sein vatter im himel ze seyn, das seyn nam gehailiget wird, das er im geb das taglich brot, und nit zuvor von Got im himel sollichs begert? Und bey dem bild nit das holtz, sunder den hailgen, der da gebildet ist, erkennt, und seyn furbitt sollichs zủ erwerben von Got begert. Wo ist in der cristenhayt anderst ye gepredigt und gelert worden? D[ie]weyl aber bey dem widerthayl die bildnyß des crucifix und der lieben hailgen so sorglich [i.S.v. besorgniserregend, gefährlich] und verderplich seynd dem menschen an seyner seel hail, das sie nit allayn die pater noster in der hand verwerffen, sunder auch die silberin zychen und bildnyß des crucifix, Marie und der hailgen zerschmeltzen und vertilcken [vertilgen], warumb tragen sie dan so gern bey inen iren taschen die bildnyß Christi, Marie muter Gotteß, Sant Peterß, Sant Johanß und

7 „gebildet“ meint hier ‚bebildert‘ i.S.v. ‚mit einem Bild geprägt‘.

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 N° 66 Esslingen

ander hailigen, so uff die gulden und muntz pfenig geschlagen werden, und ist bey inen kayn ersettigung der gemuntz[t]en bildnyß und besehenß vor hin so fleyssick [fleissig], ob die gulden den rechten schlag der bildnyß hab, so doch disse verbildet gold oder silber schedlicher und verdamlicher ist dem menschen, dan die bildnyß der hailigen in der kirchen. Der boß find [der böse Feind] aber, der alzeit der menschen selikait [Seligkeit] zu verhindert begert, der hat den irsal uß neid von inen wyder uffgericht, auß der ursach, die hailigen apostel und hailgen marter [Märtyrer] haben nach der auffert Cristi den haiden die bildnyß der abgotterey in irem tempel zerstort und die templ von den menschen ußtrieben, wo inen Cristus deß gewalt geben het, und deß crucifix und zaichen deß leydeß Cristi an der selben gestelt, darum Sathenaß [Satanas] und seyn geselschafft auß neid sich understanden habe, solchß an creutz Cristi und der bildnyß der hailigen apostel und ander hailigen ze rechen [rächen]. Und treyben yetz der hailigen bildnyß auch auß der kirchen, dardurch inen ir lob und eer und ireß furbitt beraubt auch enzogen werden, und Cristus menschwerdung und hailigen leyden in vergessenheit kam. Disen unsern cristenlichen bericht wolle abermalß E.E.W. fruntlicher maynung von unß annemen und unß alß E.E.W. willig, arm, underthenigk capplon und bruder bevolhen lassen seyn.

Editorische Hinweise Bearbeitungsvorlage Stellungnahme der Esslinger Kapläne und Orden zu Messe und Heiligenbildern. In: Gudrun Litz: Die reformatorische Bilderfrage in den schwäbischen Reichsstädten. Tübingen 2007. S. 302–306. abgeglichen mit: Akten zur Esslinger Reformationsgeschichte, hg. v. Helmuth Krabbe und HansChristoph Rublack. (Schriftenreihe Esslinger Studien, Bd. 3) Esslingen 1982. Nr. 149, S. 166–173. Handschriftliche Vorlage: Stadtarchiv Esslingen. Bestand Reichsstadt, Fasz. 205, Nr. 13d. LIT Litz (2007), Krabbe/Rublack (1982).

N° 67 Straßburg u.  a. Confessio Tetrapolitana [1531]

Bekenntnis der vier Frei- und Reichsstädte Straßburg, Konstanz, Memmingen und Lindau Das ‚Bekenntnis der vier Frei- und Reichsstädte Straßburg, Konstanz, Memmingen und Lindau‘ (auch unter den Namen ‚Confessio Tetrapolitana‘ oder ‚Vierstädte-Bündnis‘ bekannt), aus dem wir im Folgenden einen Ausschnitt bieten, ist eine Antwort auf eine vom Kaiser geforderte Erklärung der Grundzüge des eigenen Glaubens und seiner liturgischen Realisierung der vier miteinander verbündeten oberdeutschen Reichsstädte. Angehängt ist eine ‚Schriftliche Beschirmung und verthedigung‘ dieses ‚Bekenntnisses‘, aus der wir ebenfalls zitieren, wider eine von kaiserlichen Räthen verfasste ‚Confutation und Widerlegung‘ des eigenen Bekenntnisses. Die ‚Confessio Tetrapolitana‘ entstand aus dem selben Anlass und zeitlich kurz nach der bekannteren, von Philipp Melanchthon verfassten ‚Confessio Augustana‘. Die vier genannten Städte waren der ‚Confessio Augustana‘ vor allem wegen zweier Vorbehalte nicht beigetreten: der eine galt dem lutherischen Abendmahlsverständnis; der andere bestand in einer entschiedenen Betonung der Bilderfrage, die in der Augustana nicht zu finden war. Die Confessio Augustana bot 28 Artikel, die Tetrapolitana nur 23. Sie stimmen thematisch zu etwa 40 % überein. Martin Bucer  – zu dessen Biographie und Bildverständnis → STR1, N°  26, S. 363–396 – schrieb die ‚Confessio Tetrapolitana‘ in wenigen Wochen in Augsburg nieder, holte wegen einiger Punkte brieflichen Rat bei anderen Theologen und redigierte zuletzt noch gemeinsam mit seinem Strassburger Kollegen Wolfgang Capito die lateinische und deutsche Ursprungsfassungen, für die er schließlich auch das Placet der Theologen der Städte Konstanz, Memmingen und Lindau bekam.

Geboten werden Auszüge, nämlich Artickel  XXII, ‚Von Bildern‘ (Bl. F3 r–Gr) und ­‚Vertedigung des XXII. artickels‘ (Bl. Rv–S3r) http://doi.org.de/10.1515/9783110780031-008

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 N° 67 Straßburg u.  a.

[F3r]

XXII Von Bildern. AN den bildern haben unsere Prediger, auß göttlicher schrifft, erstlich gestraffet, das man sie wider das hell [helle i.S.v. klare] gebott Gottes so offentlich laßt von dem einfaltigen volck vereeret [verehret] und angebetten [angebetet] werden. Zủm anderen, das man an sie und ire zierd so mercklichen kosten legen lasset, damit dem hungerigen, durstigen, nackenden, weißlosen [i.S.v. verlassenen], krancken, und gefangenen Christo solte handreichung beschehen: [F3r] Zủm dritten, das man beredt ist, erst auß solcher vereerung und kosten, so auff die bilder gelegt, welche beide Gott abschewlich sind, vil verdienst bei Gott, und besondere hilff zu erlangen, Zeigen dagegen an, das die alten, da Christlicher glaub reiner gewesen, die schrifften. so bilder zur eer [Ehre] und anbettung zu haben verbietten, dermassen verstanden haben, wiewol sie auch gewißt [gewußt], das wir der bilder, wie aller äusserlichen ding, an ihnen selb nit frei seind, das bei ihnen ein greuwel gewesen sei, in der kirchen ein geschnitzlet [geschnitztes] oder gemalet bild zu haben. Dann sie daran nit gezweifflet, solches were wider das verbott der schrifft, und unsern heiligen glauben, welches neben andern genugsam erlernet wirdt, allein auß dem, das der heilig man *Epiphanius, etwan [i.S.v. dereinst] ein Bischoff zu Salamin in Cypern, gewesen, von ihm [i.S.v. sich] selb in seinem briefe an Johannem einen Bischoff zu Jerusalem geschriben hat. Welchen briefe der heilig *Hieronymus auß dem Griechischen, als dann er Christlich, und zu lesen nutzlich geachet, in das Latin verdolmetschet hat, lauten1 aber die wort des heiligen *Epiphanii also: Als wir mit einander an die heilige Statt Bethel reiseten, das ich daselbet mit dir nach dem brauch der kirchen, gemein hielte, kommen wir in das dorff Anablata, da sahe ich ein Liecht brennen, und nach dem mir, als ich gefraget, was da für ein stat [i.S.v. Stätte] were, geantwort war, es were ein kirch, und ich hineingangen was zu betten, fande ich an der kirchthür hanget [hängend] ein fürhang, der war geferbet und gemalet, und hatte eben als ein Bild Christi, [F 3v] oder sonst eins heyligen. Dann ich nit wol ingedenck bin, was es für ein Bild gewesen sei. Da ich nun gesehen hatte, das in der kirchen, wider das gebott der heiligen schrifft ein menschenbild hieng, hab ich es zerrissen, und der kirch wartern [Wärtern] daselbst den rath geben, sie solten etwan einen armen todten darein wücklen, und mit auß-[51]tragen. Und nach ettlichen worten, als er sich entschuldiget hat, das er nit an dasselbig ort einen andern fürhang, wie er verheissen, geschickt hette, schreibet er: Nun aber hab ich einen anderen fürhang gesandt, wie

1 In Vorlage „halten“ statt ‚lauten‘.

Confessio Tetrapolitana N° 67 

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ich den hab finden mögen, und du wollest die Priester desselbigen orts heissen, das sie von dem botten soliche annemen, und verbieten, das fürter [i.S.v. künftig] keyn soliche fürhäng in der kirchen Christi auffgehengt werden, welche wider unsere Religion und glauben sind. Sihe der heylig Bischoff schreibet, das auch ChristusBild [Christusbilder] in der kirchen ze halten, wider die heilig schrifft und unsern glauben sei, und das mit solichen worten, die klärlich anzeygen, das solichs der Bischoff zu Jerusalem, *Hieronymus, und männiglich der zeit gehalten haben, und das solcher glaub und brauch, die bilder zu vermeiden, zuvor in der kirchen Christi allweg gewesen, und von den Aposteln herkommmen seye. Das man aber sagen wil, Die bilder dienen zu unterweissung der Leyen2, erfindet sich erstlich, das der grösser teyl bilder mehr zum pracht und aberglauben dann anderstwo zu, angerichtet sind. Zum andern, So wil dise ursach nit bestehen, Dann die Juden hat der Herr, als ein grobverstendiger volck, weder [i.S.v. als] wir Christen sein sollen, mit vil eusserlichen Ceremonien und anruffungen wöllen unterrichten, und seiner gütte ermanen. Den brauch der bilder aber hat er dazu gar nit tauglich erkennt, das er ihne denselbigen auch zum ernstlichen verbotten hat. Dann freilich, welchen das wort Gottes, sampt seinen so herrlichen wercken, die er uns in himmel und erden fürgestellet hat, die wir stätigs [stets] vor augen, und in händen haben, zu dem ihr [ihrer] hoch geniessen, nit unterrichten, und an Gott ermanen, denselbigen wirt ey-[F 4r]gentlich das hiezu nichts helffen, das durch menschlich gedicht den geschöpffen Gottes ihre gestalt geändert wurdt, und angerichtet, das steyn, holtz, metall, und dergleichen materi, nicht mehr ihr eigen gestalt, wie ihnen die Gott geben, sonder menschen, thier, und ander ding angsichter haben. Ja der mensch wirdt mehr durch solich bilderwerck, von betrachtung götlichs thun, in seinen eygnen wercken uff solch menschengedicht abgetzogen, damit er nit allenthalben an Gott gedencke, sonder spare seine andacht biß er ettwan zu eym Bildlin komme. Warlich himmel und erde, und was darinnen, sind herrlichere Bilde Gottes, der ihren [ihrer] nur recht war neme [wahrnähme]. Es haben die heiden ihrer götzen halb [i.S.v. wegen] eben auch solche außrede, des unterweisens und erinnerens gehabt, die heiligen vätter haben ihnen aber solichs nicht gelten lassen, davon man eben vil liset bei dem *Lactantio / divinarum institut. lib. 2. Dann die heiden eben als wenig das wort haben wolten, das sie steyn und holtz anbetteten, als die unseren, sonder liessen sich allweg hören, sie hielten bilder nichts dann für bilder, suchten auch nicht durch sie dann leere [Lehre] und ermanung. Dises widerlegt ihnen aber *Athanasius mit solichen worten: Sie sagen her, welcher massen Gott durch bilder erkennet werde, ob der materi halben darauß sie gemacht, oder von wegen der gestalt, so in solche materi bracht wirt, Dienet hierzu die materi, was darff es dann der gestalt? Es erscheinet auch

2 Variante der Gregorsformel. Vgl. STR2, S. 1080–1085.

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 N° 67 Straßburg u.  a.

Gott durch die materi, ehe dann ettwas von menschenhänden daran gemacht wurd. Dann Gottes herrligkeyt bezeugen alle ding. Ist aber göttlicher erkantnuß ursach die gestalt, so in die materi gefüret ist, was bedarff man solicher bilder? Möchte nit Gott erkennet werden vil herrlicher durch die ding selbs, deren man bildnuß machet? Warlich die herrligkeit Gottes wurde vil heller erkennet, so man die durch vernünfftige und unvernünfftige thier fürhielte, dann so sie durch die todten und unbewäglichen bildnussen fürgehalten wurdend. [F 4v] Und ob man sagen wolt, diß were nur wider die bilder geredt, durch die man vermeinte in erkantnuß Gottes zu kommen, aber mit den bildern unsers Herren Christi Jesu und der lieben heiligen sei es ein anders, sol dagegen wol bedacht werden, das Gott mit Israel vil sichtbarer werck gehandlet, die er ihnen auch gebotten hat allezeit zu gedencken, dergleichen hat er ihnen auch vil theuere heiligen gegeben, welcher glaub ihnen nimmer solte ausser gedechtnuß gelassen werden, nach hat er nit gewölt, solche gedechtnuß mit bildern fürdern, dann er dem abfall, der so bald von den bildern kommet, nit hab wöllen anleittung geben. Der ursachen dann in der ersten bessern kirchen ein grewel gewesen, auch Christusbild zu haben, wie antzeigt ist. In summa unsere Prediger bekennen gern, das bilder an ihnen [i.S.v. sich] selb, wa die nicht vereeret, noch anbettet werden, frei seind. Einem Christen ist aber nit gnug, das er etwas an ihm [i.S.v. sich] selbs macht habe, sondern soll allwegen darauff sehen, ob es auch bessere. 1. Corinth. 10. und sol bevorab in der kirchen nichts geduldet oder fürgenommen werden, es habe dann eigentliche besserung auff ihm [i.S.v. sich]. So dann nun am tag ligt, was schwerer ergenuß die bilder bracht haben, und noch bringen, und man kein nutz antzeigen kan, der von ihnen zu verhoffen sei, man wölle sich dann klüger halten dann [i.S.v. als] Gott selb und die alten, rechtheiligen Christen, welche solchen nutz so gar nit erkennet haben, das ihnen die bilder in der kirchen auch ein grewel gewesen seind, solten uns die Bilder und götzen in den kirchen je abschewlicher sein. Es mögen auch die Cherubim ob der Archen, und alle tempelzierd, welche die bildschirmer fürwerffen, wider erzelte warheit kein einrede die bei den Christen gelten solte, geben, dann die Cherubim, von Gott verordnet, und dazu auch dem hauffen [i.S.v. Volksmenge] zum gesicht nit fürgestellet wurden, so was [war] das ander nur zur zierd des tempels und nicht zu erinnerung Gottes, zugerichtet, ob gleich wol die waren geistlichen auß solichem, wie auß allen andern wercken Gottes, ihnen [i.S.v. sich] ursach zu betrachtung Göttlicher güte schöpffeten. Datzu solte auch in disem handel zu hertzen füren, das [Gr] wir Gott meher [mehr], dann die alten im geist und warheyt dienen solten, die mit dem geist Christi, wo wir recht an ihn glauben, auch reichlicher begabet seind. [Artikel „XXIII. Von der weltlichen Oberkeyt.“ u.  a.]

Confessio Tetrapolitana N° 67 

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[Rv- S 3r / Sc. 130–141] [Rv]

Vertedigung des XXII.3 artickels. WIder disen Artickel in dem wir gesetzt haben dz die bilder den Christen für sich selb wol frei, aber wo sie vereeret werden, in der kirchen oder anderßwo, in keynen weg zủ dulden seind, die weil was offentlich ergeret [ärgert], und zur schmach Gottes mißbraucht würdt, durch ein Christliche Oberkeyt abzủschaffen ist, Diß haben wir mit schrifften, und erkantnuß der ersten, und elteren kirchen, so bestetiget, dz do wider mit gutem grund nichts mag auffbracht [i.S.v. vorgebracht] werden. Derhalb haben auch die Confutanten [i.S.v. Opponenten] hie gegen keine schrifft oder bewerter [bewährter] alter leerer [Lehrer] sprüch einbracht, sonder werffen erstlich für etlich Concilia, die zủn zeiten des Keysers Leonis des dritten4 und Constantini des fünfften5, Leonis des vierden6, Con-[R2r]stantini des sechsten7, gehalten seind. Nun wie aber in Bäpstlichen Concilien, und in dem, dz Irene die Keyserin8 zủ Nicea durch die Römischen hat halten lassen, der brauch der bilder in der kirchen bestetiget ist, also ist in den Concilien, so die yetz bemelten [i.S.v. genannten] Keyser, entgegen gehalten haben, das widerspiel [i.S.v. Gegenteil] beschlossen worden, ob wol die Bäpst durch die hilff *Caroli magni, die sach bei den Italis, Gallis, und Teutschen hindurch drucket haben. Bei den Griechen aber ist die warheyt obgelegen, obwol gröblich wider die gewütet worden ist, dieweil Irene bei ihnen regieret. Welche ihren Schweher Constantinum den fünfften, nach seinem tod hat lassen außgraben und verbrennen, und die aschen ins meer werffen, dorum dz er hat wie sein vatter Leo der drit9, die bilder auß der kirchen gethon. Item yrem [ihrem] eygenen son [Sohn] Constantino, dem vi. die augen außstechen, und dann in langer jemerlicher gefengnus verderben [erg. lassen], Zủ letst mit Bapst Leo dem dritten drauff gehandelt, wie sie mit dem Grossen Carolo ein heyrat bekeme, und do mit, dem selbigen das gantz Keyserthum ubergebe, wölcher practick, und verreterey halb, als die außbrochen, hat sie der oberst hauptman des Griechischen kriegsvolcks, Nicephorus [ca. 830–900], anklagt, in gefengnuß bracht, und des Keyserthumbs also aller ding entsetzet.

3 In der Vorlage irrtümlich „XXIII.“. 4 Byzantinischer Kaiser, ca. 680–741. 5 Byzantinischer Kaiser, 718–775. 6 Byzantinischer Kaiser, 750–780. 7 Byzantinischer Kaiser, 771–797. 8 Byzantinische Kaiserin, 1177–1208. 9 Byzantinischer Kaiser, ca. 680–741.

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 N° 67 Straßburg u.  a.

Das dann nun die Confutanten wöllen anziehen, yre meinung dz man die bilder in der kirchen haben solle, sei in vil Concilien beschlossen worden, haben wir auff diser seiten [i.S.v. andererseits] auch Concilien, und nit allein das Constantinopolitanisch, so wider die Römer gehalten ist, sonder auch das *Elibertanum. Dz sie dann sagen möchten, für sie hetten meer Concilien dann für unß beschlossen, zeiget solichs nit weyters an, dann das yre meinung, so vil weniger grund in der schrifft hat, dann sust [sonst] hetten sie die sach mit einem Concilio, nemlich in einer Nation, und schier zu einer zeit, mögen außrichten, namlich bei den rechtglaubigen, alß sie doch jren hauffen halten. Aber wo man irrthum soll zủr warheit machen, forderet [erfordert] es vil mühe. Zủdem ist diß exempel von einer sachen meer dann ein Concilium halten, wider dise Confutanten, die ymer schreien, es gepüre sich nit, das man von dem, so einmal in einem Concilien beschlossen, wider zu disputieren und handlen, gestatte. Zủm anderen bringen die Confutanten ein, *Gregorius und *Damascenus, wölche bede [beide] zu der zeit geschriben haben, da schon durch verstörung der Goten10 und Vandalen, auch farlessigkeyt der fürsteher, die Evangelische warheyt, mercklich verduncklet war. So seind sie auch für sich selb bei den verstendigen Christen des ansehens nie gewesen, das yre meinung, dem halten [i.S.v. Dafürhalten, Brauch] der elteren Apostel- und Martyrerkirchen, wölchem wir nachkommen, solte fürgesetzt werden. *Augustinum ziehen sie auch zủ einem zeugen an, der den brauch der figur des creutzes lobe, aber im buch de visitatione infirmorum , wölches nie kein gelerter [erg. für] ein werck Augustini erkennet hat, das buch von Christ­ licher lere, wölches warlich *Augustini ist, nennen sie wol, zeigen aber das ort nit an, do etwas für die bilder geschriben sey, als auch keins im selbigen ist, man findet aber wol drinnen, auß dem man verstohn mag dz zủ der zeit *Augustini, die bilder, in der kirchen noch nit platz gehept [gehabt] haben. [R2v] Dann im fünfften Capitel des dritten bủchs zeiget er an, das ein erbärmliche dienstbarkeit sei, zeichen für das nennen, das durch die zeichen bedeuttet wurt, und nit mögen das aug des gemüts, uber die leibliche creatur, das ewig liecht zủ vernemmen, auffheben. Alß so einer am Sabath, nichts dann die fyer [Feier] des sibenden tags, und am opffer nur das eusserlich erkennet. Im sechsten, sibenden und achten capitel zeiget er an, das die dienstbarkeit, under den Jüdischen zeichen, sey nach [i.S.v. nachher] gar vil besser gewesen, dann under den heydnischen. Dann wann die heiden schon ihre bilder für sich selb nit angebettet haben, sonder die ding so durch die bilder bedeutet wurden, so sei es nach dennoch ein fleyschische dienstbarkeyt gewesen. Und gibt ein exempel vom Neptuno, der den heiden das meer bedeutet hat, und sagt dann hierauff also.

10 Fassung von 1531 hat irrtümlich „Götzen“.

Confessio Tetrapolitana N° 67 

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Darumb so hat die Christliche freiheyt die Juden, die sie under den nützlichen zeichen, als nahe gefunden, dadurch gefreiet, das sie ihnen die bedeutung ihrer zeichen recht außlegt, und sie zu denen dingen, wölche die zeichen bedeutet haben, erhöhet hat. Den heiden aber hat die Christliche freiheyt nit allein die dienstbarkeit ihrer zeichen, sonder auch [die] zeichen selb alle hingenommen. Und dann im neunden capitel, nach dem er hat anzeiget, was freiheyt die alten vättern under ihren zeichen gehept haben, schreibt er also. Zu diser zeit aber, nach dem durch die aufferstendtnuß [Auferstehung] unsers Herren die erkantnuß der freiheyt auffs offenbarest erschienen11 ist, seind wir auch nit mit geschefft deren zeichen, die wir verstohn, beschweret, sonder gibt uns der Herr und die Apostolische lere für, etlich wenig für vil, und dieselbigen also gestalt, das sie zủ eh in gantz leicht, im verstandt gantz herrlich, und zu halten gantz rein seindt, als da ist das Sacrament des tauffs, und die herrlich gedechtnuß (celebratio) des leibs und bluts des Herren. Hec ille.12 Die weil dann der H. *Augustinus die zeichen verwürffet, durch die unß nit Gott selb und einig fürbilder wurdt, und mit namen die bilder, die man schon allein zur bedeuttung geprauchet hat, und dann für ware nützliche zeichen, die uns Christen zủ gebrauchen seind keine bilder, sonder allein die Sacrament des tauffes, und des leibs und bluts Christi zelet [zählt], ist einem yeden der sust meer auff die warheit dann zanck geneiget, ein gewaltige coniectur und mutmassen, das diser heiliger vatter die bilder für keine Christlichen zeichen gehalten hat. Dann er ye an disem ort von den zeichen bede nützlichen und unnützlichen, Jüdischen und Heidnischen, von denen die uns Christen zủ verlassen, oder auch zủ behalten sein, zủ schreiben, fürgenommen hat, so ist nit sein brauch, das er zủ kurtz sei, oder vil in eim handel umbgange. Darumb were da zủmal der brauch der bilder in der kirchen gewesen, als er von zeichen der heiden und mit namen der bilder red gehapt, und dann fürgeben, dz die Christliche freiheit, solichen heiden nit allein das dienstlich werck under solichen zeichen, sonder auch sie selb die zeichen alle (das ist bede, die Cerimonien, und bilder) vernichtet und hinweg gethon habe. Auch gleich darauff gesetzet, was zeichen uns Christen der Herr und der Apostel lere geben habe, hette sich ye gepüret der bilder auch zu gedencken, und anzuzeigen, wie wir uns derselbigen frei und recht, nit knechtisch und unrecht, als die heiden gethon, ge-[R3r]prauchen könden, wie er doch der Jüdischen zeichen halb anzeiget, das sich derselbigen etlich knechtisch, etlich aber frey geprauchet haben. Aber das bei den Christen nit wäre, oder sein solte, do könne er auch nit red von haben, als [i.S.v. wie] er im [i.S.v. sich] fürgenommen hatte.

11 In Vorlage „erschinnen“. 12 Haec ille i.S.v. So weit jener.

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 N° 67 Straßburg u.  a.

Es hat des orts dise Doctoren ein ander gut leichtgleubig man verfüret, der auch diß buch *Augustini für die bilder einbringet, und die wort anzeigt, die diser heilig vatter im neunden capitel, von den Cerimonien und zeichen, die Gott den Juden geben, geschriben hat, als er wolte anzeigen, wölche under denselbigen gedienet, und wölche frey gewesen seind. Und lauten seine wort des orts also: Under eim zeichen dienet, der etwas, dadurch ein oder ander ding bedeutet wurde, würcket oder ehret, und doch nit weiß was dasselbig ding bedeutet. Der aber würcket oder verehret ein nützlich zeichen, von Gott eingesetzet, der krafft und bedeutung er verstoht, derselbig verehret nit das do gesehen wirt, sonder mehr das zu dem alle soliche ding sollen gerichtet werden, ein solcher mensch ist geistlich und frey, etc. Dise rede zeucht wol Franciscus Maronis13, und der Mann der dise Doctoren verfüret hat, für die bilder ein, bei denen man verehre, das sie bedeuten, und nit sie selb die bilder. Der H. *Augustinus aber hat der bilder in solcher red nie gedacht, dann er hie von nützlichen zeichen, die von Gott eingesetzet seind, und mit namen von der Juden Cerimonien redet und gar nicht von bilderen. Dise Doctoren habens aber dahin bracht, das sie meinen man solte ihn glauben, Gott geb was sie sagen. Demnach bringen sie ein P. *Paulinum etwa ein Bischoff zu Nola, wölcher auch der erst, von dem man liset, das er hat bilder in die Kirch lassen malen, ware aber das seine ursach: Jarlich zu der begegnuß Sant Foelicis [Felix’ ] des Martyrers, zechet das volck mit einander in der kirchen, damit sie dann durch anschawung des gemelds, desto züchtiger weren, liesse er auß dem alten gesatz die wend mit historien malen. Wie der aber in dem gefelet hat, das er ließ in der kirchen zech halten, wider die lere Pauli 1. Corinth. 1., also kan er auch wol der bilder halb gefelet haben, und wurdt sein that und meynung, der dann auch zu der zeit gewesen ist, als die lauterkeit des Evangeli hette angefangen, vertuncklet zu werden, der elteren verstendigen kirchen auch keins wegs fürzusetzen sein. Ferner füren sie *Eusebium ein, der im sibenden buch seiner histori (als sie neben der warheyt fürgeben) schreibe, das zu seinen zeitten der H. Apostolen Petri und Pauli bildnussen seien berümbt, und zu ehren gehalten worden. Haltet [i.S.v. es verhält] sich aber, das *Eusebius schreibet, also. Nach dem er gemeldet hat von zweyen erinen gossen [ehernen gegossenen] bildern die man zu Paneada der Statt, die etwa Cesarea Philippi geheissen hat, zeige, deren eins sey ein bild eins weibs das knewet [kniet] und die hend uber sich hept, und solle des weibs bild sein, das der Herr yres fluß [von ihrem Blutfluss], als sie sein saum angerüret, geheilet hat. Das aber eins mans, der dem weib die rechte hand beutet [bietet], und Christum anzeigen solte. Hierauff schreibet er also, es ist keyn wunder das die so von Hertzen glaubet, solich ding als ein gab für die gutthaten, die sie von unserem Heyland ent-[R3v]

13 Franciscus Maro (de Mayronis oder Meyronnes), ca. 1280–1328, französischer Philosoph.

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pfangen, auffgeopferet haben, so wir doch auch yetzund sehen bildnussen der Apostolen Petri und Pauli, und auch unsers heilands selb zubereitet, und tafelen gemalet werden. Ja wir haben auch deren alte bildnussen gesehen die etliche behalten haben. Welches ich acht also auß heydnischer gewonheit, on gefer [ungefähr i.S.v. vermutlich] genommen sein, deren brauch auch ist, also verehren, welche sie der ehren werd schetzen. Dann so man der alten zeichen, zu der nachkommen bedechtnuß [i.S.v. Gedächtnis, Gedenken] behaltet, ist solichs ein anzeig der eeren an den alten und den liebenden nachkommen. Diß seind die wort *Eusebij. Auß disem sicht nun ein yeder das zu der zeit *Eusebij allein privati, das ist besondere leut, bildnussen Christi und der Apostelen gehept [gehabt] haben, wölches auch wie das *Eusebius achtet, nit von Aposteln oder andere recht verstendigen Christen, sonder von der heiden uffkommen ist, und vor den zeiten *Eusebij so ungemein gewesen, das er das bild zu Paneadas, und die er gesehen von altem her behalten, für ein ungewonets, dozu man seiner erfarung kundschafft bedörffte, meldet. Nun haben wir aber nicht allerley bilder, sonder allein die man in kirchen oder sust [sonst, sonstwo] verehret, verworffen. Wiewol auch on [ohne] verehrung, und ausser der kirchen, bilder Christi oder der heiligen [erg. zu] haben, der alten Christen brauch nit gewesen ist, wie das *Eusebius genugsam zeuget. Das sie aber auß disem *Eusebio weiters anziehen, wie er melde das Christus ein bildnuß seines gebenedeyeten angesichts Abgaro dem Herren zu Edissa14 geschickt habe, das nach zu Janua [Stadt], als man saget, in S. Bartholomeus kirchen gehalten werde, wissen die Confutanten wol, das es ein lauter gedicht ist. Wölches auch *Eusebius nit meldet, dazu ist ihnen unverborgen, das auch das im Decret verworffen ist, das *Eusebius doch nit von ihm selbs, sonder auß der Syrer schrifften, von der schrifft und botschafft Abgari zum Herren, und des Herren wider zu dem Abgaro meldet. Distinctiones xv. Eben als glaubwirdig ists, das sie vom bild Marie das S. Lucas gemalet haben solle15 fürbringen. Wider uns gilts aber alles, und wenns der Bockenfantz [i.S.v. Firlefanz] geredt hette. Zum dritten füren sie das gemein argument, das wir doch in unser bekantnuß gnugsam widerlegt haben, das nemlich die bild, die einfältigen und ungelerten underweisen16, das sie dobei gedencken die geheimnuß unsers glaubens. Mehr bringen sie den gemeinen brauch ein, das man allenthalb bildstöck an die weg

14 Legendäres Christusporträt, das durch Abdruck des schweißigen Angesichts Jesu in einem Tuch, dem Mandylion, entstanden sein soll. Zu Entstehung, Verbreitung und Varianten dieser Legende grundlegend Dobschütz. 15 Zur Legende von der Fertigung eines Marienporträts ebenfalls Dobschütz. 16 Hinweis auf die Gregorsformel.

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machet. Kündtlich ists aber, das wer nit durchs wort die geheymnuß unsers glaubens geleret ist, das denselbigen die bilder soliche nit leren mögen. So dann soliche geheimnuß durchs Evangeli gelert werden muß, könde man durch das Evangeli auch an dieselbige wol besser manen, dann mit bilderen. Wer dann auß dem Evangeli die geheimnuß deß glaubens hat leren könden [lernen können], der würde so einfältig oder ungelert nit sein, er könde auch mit dem Evangeli an dieselbigen ermanet werden. So seind die lebendige bilder Gottes vorhanden, himel, erden, und was drinnen ist, der nechst [Nächste] zur bildnuß Gottes geschaffen, wölchen soliche bild Gottes nit erinneren, zu denen dann alle schrifft weyset, dem werden alle menschliche bild ware gedechtnuß Gottes nimmer bringen, aber ihn wol durch ein fliegende andacht, so er vermeint auß geschicht der bilder [R4r] zu schöpffen, von rechter anschawung und betrachtung der natürlichen und gewaltigen werck und waren bilderen Gottes abfüren, und die ware forcht Gottes, die Gott allethalb zugegen erkennet, ehret, und vor augen hat, außlöschen. Und dasselbig schaffen auch die verehrten bilder, und nichts anders. Darumb sie dann in aller schrifft, so ein abschewlicher grewel Gottes gescholten werden, so doch nieman hat baß mögen wissen, was sie nutzen oder schaden könden, dann Gott. Und ist gar nichts das die Confutanten sagen, die Juden seien zur abgötterey sehr geneigt gewesen, die Christen aber nit, wölche die bilder nur für zeichen und bedeutnüß halten, wie auch wort und schrifft zeichen seind. Dann diweil wir von natur alle den waren Gott nit erkennen mögen, sein wir gleich alle der natur halb zu aller abgötterey geneiget. Das hat sich auch leider nur zu vil beschinen [i.S.v. erwiesen]. Hette man die bilder wie wort und schrift gehalten, wurde man ihnen nit so vil liechter [Lichter] geprennet, gereuchert, gesungen, geopffert, walfart gethon, und all die ehr bewisen haben, die den bilden von heiden ye bewiesen ist. Man hat auch die unseren nit weniger dann die heiden gelert bei den bilderen besondere krafft und gnad Gottes suchen, die man auch gar mit unverschämpten lügen, und nimmer anders dann durch des teuffels gespenst auffbracht, von den bilderen hat außgeben. Diß bild hat gewandert, das ander geredt, das dritt geblutet, das vierdt teuffel außgetriben, das fünfft kranckheiten geheilet, wölches man auch nit allen bilderen die schon eins heiligen zeichen seind, sonder nur etlichen erleßnen, die man dann genadreiche bild nennet, zugeben hat, das ye nit geschehen were, wo man die bilder allein für zeichen hielte, als wort und schrifft zeichen seind, dann ein mergen bild [Marienbild] als wol als dz ander Mariam fürbildet. Nach hat man unser Fraw zun Einsidler [Einsiedeln], zu Ach [Aachen], zu Laureto [Loreto] und dergleichen orten gar vil mehr angeruffet, ihnen opffer und fert [Fahrten, Wallfahrten] gelobet, dann andern gemeinen mergen bildern, ist auch gnug kündtlich das man in solichen, die bilder selb hat angeruffet. und nit fürnemlich dz [das, was] die bilder bedeutt [bedeuten] / dieweil kein andere Maria zu Ach dann zu Rom oder anderswo, sonder nur ein einig [einige, i.S.v. einzige] im himel ist, und aber die leut ihr gelübd

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und anruffen an die ort deren bilder gerichtet haben. Was darff es aber vil rede, es ligt nur leider zu vil am tag, das der grewel des götzendienstes bei den unsern als grob außkommen ist, als bei den heiden ye. Billich aber hat uns Gott in solichen verkerten sinn gestürtzet, dieweil wir haben wöllen weiser sein dann er, Rom. 1. Gott hat das bilder leren und manen uns in seiner schrifft als schedlich anzeiget und verboten, und auff die seine bilder, die er selb gemacht hat und täglich machet, die ihm auch kein Creatur nachmachen kan, gewisen. Yn wölchen seinen bilderen er dann sein macht und herligkeyt krefftig und lebendig erfur [hervor] thut und beweiset. So haben wir wol solicher täglich geprauchet und genossen, aber yren [ihrer] nit als Gottes werck und bild geachtet, Gottes güte und macht in denselbigen nit wargenommen, und uns erst understanden, soliche bilder, die Gott selb gemacht und fürgestellet und zu gebrauchen geben hat, zu besseren, dem stein, holtz, metall und anderen dingen menschenangesicht und gestalt gegeben, und uns dann daher erst zu grosser Gottesforcht bewegen wöllen, So wir uns doch nit haben lassen Gottes erinneren, weder die herrlichen geschöpff Gottes, auß denen wir bilder machen, nach [noch] deren, wölcher gestalt wir jenen geben, darauff dann das argument des heiligen Athanasii goht [geht], wölchs wir in der bekantnüß einbracht haben. [R4v] Zum vierden auf die schrifft, in wölchen die bilder verbotten werden, sagen die Confutanten, es möge alles leichtiglich mit disem kurtzem verstand veranwurt werden. Nemlich, dz die schrifft verbeutet [verbietet] die Heydnischen götzen und bild der abgötter, aber nit die bildnuß Christi und seiner heyligen. Lautet aber das gebott also: Du solt dir kein bild, noch17 allerley gleichnuß machen, weder deren ding die oben im himel, noch deren die unden auff erden, noch deren die under der erden in wasseren seind. Hie verbeut der Herr aller ding gleichnuß, und nit allein der Heydnischen abgott. Das sie aber dann weiter sagen, die abgötterey wurdt leichtlich vermitten [vermieden], so die ehr nit auff das bild, sonder auff den der durchs bild bedeutet, im hertzen gewendt. Ist eben der heiden außredt auch gewesen, wie man das in *Lactantio libro. 2. Institutionum, und bei andern heiligen vattern liset. Niemand under den heiden ist so torecht ye gewesen, der das bild Jupiters für den Jupiter selb gehalten, oder nit auff den Jupiter die ehr wolte gewendet haben, die er seinen bild bewise, solichs ist auch Gott unverborgen gewesen, nach hat er neben dem das er frembde götter zu haben verbotten, auch der bilder ehr verbotten, man wende die gleich wohin man wölle. Das gebott des Herrn lautet also: Du solt dich nit vor ihnen neigen oder bucken, noch dienst beweisen. Sust haben wir in unser bekantnuß selb verjehen [i.S.v. gesagt], dz die bilder, wo man sie nit verehret und gottes gnad bei ihnen sucht, frey seind.

17 In der Vorlage „nach“.

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Zum fünfften, wöllen sie die einred des kostes halb, so auff die bild gelegt wurdt, der auff den hungerigen, dürstenden, nackenden Christum gewendet werden solte, domit verantwurten, das Christus zun jüngeren sagte, als sie von wegen der köstlichen salb die Maria auff ihn gossen hat, murreten, laßt sie zufriden, sie hat an mir ein gut werck gethon. Warde aber dieselbige gutthat Marie dem lebendigen Christo und Herren aller ding bewisen, nit den unentpfindtlichen stein und holtz. Weiter sagen sie, so wir in wegen Gottes wandleten, seine gebott und Christliche breuch (dadurch verstohn sie yre genießliche Cerimonien) hielten, so [Sc. 117] wurde uns Gott wie unseren elteren und voreltern so reichlich allerley güter geben, das wir die armen versehen, und dennoch die bild auch schmucken möchten. Hierauff antworten wir, dieweil aber leyder das nicht ist, und dorumb allenthalb grosse not und armut uberhand genommen hat, und das uberttretten göttlicher gebott, daher aller solicher unrath entspringet, von den geistlichen, wie der Bapst Adrian das von ihr aller welten bekennet hat, als vom haupt herfleusset, worumb laßt man dann nicht yetz der zeit der bilder kosten auff die armen gekeret werden, so doch die alten heyligen alle köstliche gefeß der kirchen ye zerbrochen und auff notturfft der armen gewendet haben? Gott gebe aber auch wie reichlichen er wölle, so werden dennocht allweg so vil armer sein, wil man dieselbigen, als Christlich, versehen, würt warlich den götzen nicht vil uberbleiben, dann leyder nit gewonlich, das die reichen diser welt auch in guten wercken wöllen reich sein. Das sie dann vom Salomon melden der so vil geldes an Tempel und seine gefeß gehencket habe, thut nichts für die götzen die wider das wort Gottes seyndt. Dieweil Salomon in seinem thủn auß [Sr] dem befelch und nach dem wort Gottes gehandlet hat. So solten die Confutanten auch wol wissen, was *Hieronymus uff solich argument antwurtet, in der epistel ad Neptianum: Wil uns das gold der Juden gefallen, so müssen uns die Juden und alle ihre gepreuch [Gebräuche] auch gefallen. Zun sechsten wöllen sie uns, das wir mit der that *Epiphanij und der verantwortung derselbigen beweren, das man zu der zeit dessebigen H.  Bischoffs die bilder in der kirchen ze haben, für unchristlich gehalten hat, verworffen. Und erstlich mit dem, das sie fürgeben, wir seyen uns selbs zuwider, das wir hie einen Lerer anziehen für h. Schrifft, do wider wir doch im ersten artickel ein gebott gemeldet haben. Zum andern, Das sie disen lerer understohn zu verkleinen. Zum dritten, Das sie sagen, zu der zeit *Epiphanij hab man bilder zu verwerffen ein ander ursach gehabt denn yetz der zeit. Dann zur selbigen zeit, sprechen sie, sey die Ketzerey Anthropomorphitarum18 entsprungen.

18 Anthropomorphiter sind Anhänger des Anthropomorphismus, des Glaubens an die physische und psychische Menschhaftigkeit Gottes (und der Götter).

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Uffs erst antworten wir, das von uns kein gebott gemeldet ist, die H. Lerer nit anzuziehen, dann wir sie in der Bekantnuß selb anziehen, aber sie und ihre lere der schrifft fürzesetzen, davon bei uns Mandaten gemacht sind, wöllen wir noch nit thun. Darumb haben wir unseren glauben der bilder halb mit der schrifft erstlich befestiget, nemlich mid dem ersten gebott der zehen, die allen gläubigen gegeben sind. In welchem dann aller ding bilder, im himmel, erd, und deren so under der erden sind, die man verehre, zu machen oder haben verbotten sind. Demnach haben wir die zeugnuß der ältern kirchen auch anzogen, bei welcher glaubt worden ist, bilder in kirchen haben sey wider die schrifft und unser Religion, und dasselbig zu beweisen, haben wir *Epiphanium einbracht, der zum Bischoff zu Jerusalem, dem er doch etwas zuwider war, von ihm selb geschrieben hat, wie er den fürhang, daran ein bild Christi, oder eins heyligen gemalet war, abgerissen habe. Welche that er domit verantwurtet, das es wider die schrifft und den glauben sey, eins menschen bild in der kirchen hangen, begeret darumb das derselbig Bischoff zu Jerusalem, zu dem er schreibet, verschaffen wölle, das die Priester desselbigen orts, do er denselbigen fürhang gesehen und zerrissen, hinfurt leren und gepieten, das kein solche fürhenge uffgehengt werden, die wider unser Religion sind. Auß disem sihet ein yeder, seitenmal diser H. Vatter seine that, darob19 etlich gemurret hatten, und doch nit des bilds halb, als ob es wer zu gedulden gewesen, sonder das er solte einen andern fürhang geben, do er wolte den gemoleten zerreissen, welchs er dann auch verheissen hat, domit verteidigt, das wider die Schrifft und Religion sey, eins menschen bild in der kirchen hangen, das man solichs gemeinlich also zu der zeit glaubet und gehalten hat, und das weder diser Bischoff, noch *Hieronymus, der die epistel verdolmetschet, und sust disen *Epiphanium an lere und glauben hoch geprisen hat, einer anderer meynung gewesen sind. Also haben wir in disem nit allein den *Epiphanium, sonder mehr den glauben der gemeynen kirchen, so zu zeiten *Epiphanij, der dann also ein alter bewerter Bischoff ware, das ihn *Hieronymus contra Ruffinum nennet ein vatter der Bischöff, und auch vor gewesen ist, anzogen, wider welchen billich weder *Damascenus, noch der richter des buchs de visitatione infirmorum, das *Augustino fälschlich ist zugeschriben, gelten solle. *Eusebium und *Augustinum verwerffen wir nicht, als die Confutanten uns hiemit der unwarheit zeihen, dann sie der bilder halb mit der alten glauben stimmen. [Sv] Uff das ander, das die Confutanten disen *Epiphanium understohn [sich unterstehen] zu verkleinen, Erstlich das er nit sey von yederman angenommen, Darnach das er hab helffen den H. *Chrysostomum verdammen. Sagen wir erstlich, kein lerer ist von menniglich angenommen, wie das auch kein rechter lerer ye begeret hat,

19 In Vorlage „dorab“.

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mehr ansehen hat er aber diser *Epiphanius bei allen recht verstendigen ye und ye gehept, dann vil Paulini und Damasceni. Die Confutanten solten ja wissen was jhm *Hieronymus lobs in der Epist. zum Pamachio wider Johannem den Bischoff zu Jerusalem, auch contra Ruffinum verjecht, deßgleichen die *Historia Tripartita. Zum andern aber das diser H.  Mann, durch den geschwinden Theophilum, den feind *Chrysostomi, hindergangen ist, das er sich auch wider *Chrysostomum gelegt hat, wurdt dem nicht abbrechen, das er an der lere und glauben gerecht gewesen, oder auch mehr dann *Paulinus, *Gregorius, oder *Damascenus gewißt habe, wievon anfange gemeiner glaub der bilder halb bei den kirchen gehalten habe. David der ein Mann nach dem20 hertzen Gottes war, ließ sich durch das falsch vertragen Ziba des knechts Miphiboseth des suns Saul, wider seinen Herren den Miphiboseth dahin bewegen, das er demselbigen Ziba, alles das sein Herr hat, ubergabe [2 Sam 9, 10]. Und do er schon hernacher die entschuldigung Miphiboseth vernomen hatte, milteret er sein vorigs urtheil nit mehr, dann das er sie, den Herren und seinen Knecht, hieß das gut miteinander theilen. Solte man aber darumb David nit lassen ein Propheten und waren zeugen Christi sein? *Tripartita historia zeiget auch an, das der H. Mann *Epiphanius, umb seiner einfalt willen, durch den listigen Theophilum hindergangen sey. Darumb ist es nichts das die Confutanten sagen, wo wir disen Bischoff so gar unsträflich halten, das wir bekennen müssen, *Chrysostomus sey recht und billich verdampt worden. Wir machen weder *Epiphanium noch keinen andern so unsträfflich, das er nit gesündet habe, sonder haben ihn hie als einen zeugen des glaubens, so zu seiner zeit der bilder halb bei den kirchen gewesen ist, anzogen. Dozu ist er auch nieman zu verwerffen, also ist er der heyligkeit und warheit, kunst und glaubens, bey allen alten berümet. Die Confutanten haben diß ort *Tripartite historie auch nicht recht besehen das sie sagen, *Epiphanius habe sampt dem Alexandrinischen Bischoff Theophilo, *Chrysostomum verdampt, und seines Bistumbs vertriben. Dann *Epiphanius wol mit dem Theophilo wider *Chrysostomum das erst mal gen Constantinopel kommen ist. Dozumal ist aber *Chrysostomus noch nit verdampt worden, dann sie im handel wider *Chrysostomum nit dörfften furtfaren, und ist bald daruff *Epiphanius uff dem wege heymzu gestorben, das also *Chrysostomus durch *Epiphanium nit verdammet worden ist. sendet hernacher erst durch den Theophilum und andere. Des lese an das xij. und xiij. cap. des zehenden buchs *Tripartite historie. Uff das dritt, das sie wider die kundtschafft *Epiphanii fürgeben, es sey zu derselben zeit die Ketzerey Anthropomorphitarum entsprungen, welche Gott dem Herren menschliche glider zugaben, und damit solcher irrthumb uffgehaben würde, haben die H. Vätter ein zeitlang den brauch der bilder unterlassen. Hiebei

20 In der Vorlage „den“ statt ‚dem‘.

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were gut das man ein kundtschafft hette. Dann die wort *Epiphanii lauten also: Als ich dann hatt gesehen eins menschen bild. wider die schrifft / (contra autoritatem scripturarum) in der kirchen Christi hangen, hab ich den fürhang zerrissen21. Und hernacher: Du wöllest heissen die Priester leren und ge-[S2r]bieten, das man keine solche fürhäng, die wider unser Religion sind, in der kirchen Christi uffhencke. Er meldet hie nichts von unterlassung des brauchs der bilder, uff ein zeit allein fürgenomen, umb des irrthumbs willen der Anthropomorphiter, sonder saget schlecht, es sey wider die schrifft und unser religion, ein menschenbild in der kirchen Christi haben. Man laß aber sein, das doch nit ist, das man die bilder nur ein zeitlang, disem irrthumb zu begegnen, abgestellt habe, Warumb lassen dann unsere Confutanten nit zu, so man doch leyder so gröbliche abgötterey mit den bilderen allenthalben treibet, das man sie yetz auch ein zeit lang abthue? Sagen sie man solle das volck leren die ehre nit uff die bilder, sonder uff die heyligen richten, so durch die bilder bedeutet werden, das dennoch auch nichts soll, Warumb hat man solichs nit auch zun zeiten *Epiphanii gelert, und die bilder stehn lassen. Die Confutanten sagen weiter, Johannes der Bischoff zu Jerusalem sey der zeit auch diser ketzerey verdacht [verdächtig] gewesen, wie *Hieronymus in epist. ad Pamachium anzeigt. Dabei man aber sicht wie dise leut Gottes und K.M. [Kaiserlicher Majestät] achten, das sie in so wichtiger sachen also unverschampt die unwarheyt fürgeben, dann *Hieronymus in diser epistel meldet, wie derselbig Bischoff Johannes in einer predig, als *Epiphanius zugegen war, der nun etliche Origenische irrthumb verdammen wolte, deren Johannes verdacht ware, wider die Anthropomorphiter gleich gewütet und augen, händ und den gantzen leib gegen dem altar gerichtet hab, damit er ihn diser Ketzerey verdacht machte. Ebensolchs verweist *Hieronymus auch Ruffino, der dann auch Origenischer irrthumb halb, dem *Epiphanio zuwider ware, das er den H. Mann ein aberwitzigen alten und Anthropomorphiten gescholten hat. Also ists eben das widerspiel [i.S.v. Gegenteil] des [dessen] so die Confutanten sagen. Es meldet auch *Tripartita historia an obgemeldtem ort, das der *Epiphanius etwan des irrthums der Anthropomorphiten verdacht gewesen sey. Dise Doctoren sagen aber was sie gelüstet, es reime sich oder nit, und wer ihnen dann nit gehellen [i.S.v. beipflichten] wil, der muß ein Ketzer sein. Zum sibenden wöllen uns die Confutanten das argument nemen, das wir wider den mißbrauch der bilder machen: Sind die bilder den einfältigen ungelerten nützlich, so solte sie Gott den Juden nit verpotten haben. Dann Paulus die Juden für kinder in göttlichen sachen, und vil einfältiger dann uns schetzet. Und bringen aber nit mehr ein, dann den Juden sein die bilder darumb verpotten worden, das sie zur abgötterey sehr geneigt waren. Daruff haben wir oben gesagt, das wir unserthalb

21 In Vorlage „zerissen“ statt ‚zerrissen‘.

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nit weniger zur abgötterey geneigt sein dann die Juden ymmer gewesen sind, wie wir das auch leyder nur vil zevil [viel zu viel] mit der that bewisen haben. Diß ist aber auch ein widerwertigs, das die Confutanten sagen, den Christen kommen durch die bilder vil nutze, und dasselbig in dem, das die bild die einfältigen und ungelerten underweisen22, dabei gedencken die geheimnuß unsers glaubens. Diß sind der Confutanten wort, und bekennen aber nun, dieweil die Juden geneigt waren zur abgötterey, seien ihn [ihnen] die bild verbotten, wie wil sich diß zusamen reimen? Dann leren die bild die geheimnuß unsers glaubens gedencken, so ziehen sie ab von der abgötterey, und solten billich den Juden vil mehr vergönnet worden sein, so vil das volck zu abgötterey mehr geneigt war, das sie durch die bilder von der abgötterey weren abgewendt worden, dann ye nichts gewaltiger von allerley abgötterey abzeucht, dann die geheymnuß des glaubens wissen und bedencken. So hett man die Juden auch könden leren, das die ehr den bildern nit geschehen solte, sonder den verbildeten, und das stein und holtz nit möchten götter seyn. Es reymet sich aber disen Doctoren alles. [S2v] Wir haben vor [zuvor] anzeygleichengt und beweret [i.S.v. bewiesen], das Gott den Juden die bilder, dadurch man göttlich ding leren wil, und ihn vereren, darumb verbotten hat, das sie under dem schein an Gott zu manen, eigentlich von rechter warer betrachtung Gottes, seiner werck und güte, die er uns in seinen so herrlichen geschöpffen, die wir stetigs in augen haben und mit ihn umbgon, auch höchlich gemessen, fürstellet, abziehen und die ehr und forcht Gottes außleschen. Die Confutanten werden auch diß argument nimmer ufflösen: Sind die bilder dazu gut, das sie die einfältigen underweisen, die geheimnuß des glaubens zu gedencken, so solten sie den Juden vil mehr dann uns zugelassen sein, die dann (als S. Paul sagt) in gemein die einfältigen im glauben gewesen sind. Zur abgötterey sind alle menschen von ihnen selb [von sich selbst] gleich geneigt und werden von derselbigen niergen [nirgends] anders mit ab[ge]zogen, dann durch die erkantnuß und gedencken der geheimnuß des glaubens. Zum achten bringen die Confutanten die ehrine schlangen [Num 21, 4] einher, und gedencken aber nicht das Ezechias dieselbige zerbrochen hat, als bald [i.S.v. sobald] sie verehret ward. Zum neunden sagen sie: Gott sey nun mensch worden, habe sichtbarlich hie gelebt und gelitten, darum möge man ihn wol malen, das sich im alten Testament nicht gepüret hette, da er unsichtbar ware. Hierauff fragen wir die Confutanten: Ob aber nit Abraham, Isaac, Mose, und ander heyligen, item vil herrlicher wunder Gottes disen und andern bewisen, sichtbarlich gewesen seyen? Warumb hat dann Gott den Juden nit vergönnet, sölche ding zu malen, wenn das gnug ist das man etwa

22 Anspielung auf die Gregorsformel.

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malen solle, wo es sichtbar ist? Zu dem, So ist Christus auch gar nicht sichtbarlich. Dann Christus nicht nur die menschliche Figur so gesehen worden ist, sonder war [wahrer] Gott und mensch, Christus und unser heyland ist, welchs alles niemandt malen wurdt. Dazu söllen wir ihn, als Paulus sagt, zur gerechten [Rechten] des vatters, nit an wänden oder höltzinen stöcken suchen. Die rechten Christen werden auch mit Paulo Christum nicht nach dem fleysch, noch vil weniger nach eusserer figur, die das malen, giessen oder graben [i.S.v. Aushöhlen] fürgeben mag, kennen wöllen. Zum zehenden werffen sie die Cherubin für und ander tempelgeziert [Tempelzierrat], haben wir aber die bilder allein der verehrung halb verworffen. So sind in unseren kirchen auch noch uff zierdgebild. Die Cherubin aber, wissen die Confutanten wol, das sie von dem volck nicht gesehen wurden, noch weniger verehret. Zum eilfften wolten sie uns gern das argument des H. Vatters *Athanasii nemen, mit dem das sie ein lose fabel eins erdichten oder andern *Athanasii einfüren, von einem crucifix, das die Judens sollen gestochen haben. Und ist ye wol zu erbarmen, das dise Doctores mit sölchen leichtfertigen fablen in so wichtiger, und das vor Kaiserlicher Majestät und gantzem Reich, so unverschampt alfantzen [i.S.v. schwindeln] sollen. In derselbigen Fabel die sie anzeygen, wird der Irene gedacht von welcher oben meldung beschehen ist, welche bei den 400. jaren nach dem *Athanasio geregiert hat. Das sie aber sagen, der *Athanasius hab wider die heidenischen bild geschriben, bekennen wir doch selb, zeigen aber dabei an, dieweil diser heyliger Lerer eben das verwirfft, das die Confutanten, ihre bild zu beschirmen, fürwenden, nemlich das die bild an Gott ermanen, so volgt das dis argument *Athanasii auch wider sie und alle götzenschirmer fichtet, wie sie dann auch solich argument nimmermehr werden ufflösen. Dann eigentlich haben die bild, das sie leren, müssen sie dasselb der materi oder form halb haben: sagen sie der materi halb, so wurt yeder lebendig baum, fels23 und dergleichen [S3r] mehr an Gott manen dann der tote24 klotz, so zum bild geraten ist. Sagen sie dann der form halb, so wurt aber das ware und lebendige angesicht am menschen selb vil baß, dann das falsche und todte an stein und holtz hiezu dienen, und wurt sich also in alle weg gewißlich erfinden [i.S.v. herausstellen], das es des teuffels fund [i.S.v. Erfindung] ist, die leut mit bildern, die nemlich verehret werden, vil leren wöllen, oder an Gott ermanen und sie under demselbigen schein zu waren abgöttern machen. Zum zwölfften und letsten wöllen sie uns *Lactantium verwerffen, darumb das er in ettlichen stücken geirret hat, solte aber das gelten, möchte man bei keynem H. Lerer kundschafft nemen, dann sie alle menschen gewesen, und deßhalb in vilen stucken geirret haben. Die Confutanten solten anzeigen, das *Lactantius in disem

23 In der Vorlage „velß“ statt ‚Fels‘. 24 In Vorlage „tod“ statt ‚tot‘.

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stuck der bilder halb geirret hett, so sie das nicht thun könden, bleibt er ein guter zeug, das also zu seinen zeiten bei Christen von bilderen gehalten worden ist.

Editorische Notiz Bearbeitungsvorlage [Martin Bucer u.  a.:] Bekandtnuß der vier || Frey vnd Reichstätt / Straßburg / Costantz / Memmin- || gen / vnd Lindaw / in deren sie Keys. Maiestat / || vff dem Reichstag zủ Augspurg / im xxx. Jar || gehalten / ihres glaubens vnd fürhabens / || der Religion halb / rechenschafft || gethan haben. Schriftliche Beschirmung vnd verthe-||digung der selbigen Bekandtnuß / gegen der Confunta-||tion vnd Widerlegung / so den gesandten der vier || Stätten / vff bemeldtem Reichstage / offen||lich fürgelesen / vnnd hie getrewlich einbracht ist. [Kolophon:] Getruckt zủ Straßburg / durch Johan. Schweintzer /|| vff den xxij. Augusti / Anno / M.D.XXXj. Digitalisat des Exemplars der BSB München, Sign.: Res/4 P.lat. 729#Beibd. 4 – VD 16 B 1524

Abgeglichen mit: > [Martin Bucer, Wolfgang Capito u.  a.:] Bekandtnuß der vier Frey || vnd ReichsStätt || Strassburg || Costnitz / Memmingen vnd Lindaw || In deren sie Keys. Majestat / auff dem Reichs- || tag zu Augsburg im 1530. Jar gehalten / ihres Glaubens || vnd fürhabens / der Religion halb / rechen- || schafft gethan haben. || Schrifftliche beschirmung vnd ver- || thädigung derselbigen Bekandtnuß gegen der || Confutation vnd widerlegung so den Gesandten der || vier Stätt / auff bemeldtem Reichstag of- || fenlich fürgelesen / und hie getrew- || lich einbracht ist. || Zu fernerer Erklärung des warhaff- || ten gründlichen Berichts / auff die Newe ver- || änderte / vnd Anno 1598 publicirte Straßburgische Kir- || chen Ordnung / auß dem rechten alten getruckten || Original itzt von Newem widerumb in den || truck verfertiget. || Zweybruck Anno 1604. Digitalisat des Exemplars der HAB Wolfenbüttel, Sign.: 23.1 142 Th. (2)

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> [Martin Bucer:] Martini Buceri Opera omnia. Ser. 1: Martin Bucers Deutsche Schriften. Hg. v. Robert Stupperich u.  a., Bd. 3: Confessio Tetrapolitana und die Schriften des Jahres 1531. Bearbeitet von Bernd Moeller. Gütersloh und Paris 1969. [Dort sind alle Editionen der Confessio Tetrapolitana zwischen 1531 und 1968 sowie die Sekundärliteratur bis 1967 aufgeführt.]

LIT ADB, NDB, zvdd; Litz (2007), Moeller (1969).

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N° 68 Wolfgang Russ Woher die Bilder oder Götzen kommen [1532] Über Herkunft, Werdegang und Vita von Wolfgang Russ ist mehr nicht bekannt, als dass er aus Ulm stammt und ein Theologiestudium an der Universität Erfurt bis zum Erwerb des Magistergrads absolvierte, Lutheranhänger wurde, mit Justus Jonas d. Ä. (1493–1555) kooperierte und seit den zwanziger Jahren in Neuötting, dann in Ulm und danach im schwäbischen Riedheim 1532–1539 als Pfarrer tätig war. Er publizierte eine Reihe von Flugschriften, die nicht selten auf Predigten basierten. Auch die vorliegende Schrift ist die überarbeitete Version einer Predigt, die Russ gleich zu Beginn seiner Amtstätigkeit in Riedheim gehalten hatte. Anlass war die „weckthuung der Bilder“, die er vor der Gemeinde verteidigte. Wenn Russ, die Einleitung seiner Schrift abschließend, darauf verweist, dass „ain christliche Oberkait der Stat Vlm“ bei Beseitigung der Bilder vorbildlich vorgegangen sei, so muss man wissen, dass in Ulm, wo Russ ja geboren und zeitweilig als Pfarrer tätig gewesen war, die Bilderbeseitigung 1531 nach Einholung eines Votums der Bürgerschaft vorgenommen worden war. Es ist denkbar, dass Russ selbst Zeuge, wo nicht gar – als Pfarrer – aktiver Teilnehmer des Ulmer ‚Bildersturms‘1 gewesen war. Die Predigt ist, wie die Zwischentitel zeigen, in fünf Kapitel gegliedert. Nachdem Russ den Schmähtitel ‚Schwärmer‘, der von Altgläubigen pauschalisierend gegen alle Reformwilligen erhoben werde, zurückgewiesen hat, und auch das seinerzeit gängige Argument, etwelcher ‚Schwachen‘ wegen solle von einer Bildbeseitigung abgesehen werden, nicht gelten läßt, erklärt er, wie aus dem ursprünglich weltweit gültigen Monotheismus ein Polytheismus habe entstehen können. Er macht dafür der „Fürwitz“ der Völker verantwortlich, die den einen Gott jeweils für sich hätten separieren wollen. Zum Beleg dessen bietet er eine eindrucksvolle Liste von Zeugnissen auf, die neben Talmud, Bibel und Koran ägyptische, phönizische, syrische, griechische, jüdische und römische Historikernamen aufführt (ohne dass doch einsehbar würde, wie die Gemeindemitglieder derlei Lektürehinweise für sich fruchtbar machen sollten). Die vom Teufel initiierte Baalsverehrung habe in Babylon und Assur fünfzehn Jahrhunderte gedauert. Danach habe man in einer mehr als zweitausendjährigen Phase fach-

1 Vgl. Gerhard Weilandt: Wider die Gotteslästerung und Götzerei. Der ‚Bildersturm‘ des Jahres 1531. In: Heribert Meurer (Hg.): Meisterwerke massenhaft. Stuttgart 1993, S.  421–428.  – Anna MorahtFromm: „Von Abtuhung der Bilder“ in Ulm, a.a.O. S. 425–436. http://doi.org.de/10.1515/9783110780031-009

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lich besonders qualifizierte Menschen in euhemeristischer Weise zu Göttern erhoben. Dies euhemeristische Verfahren hätten dann „genannte“ (sc. sogenannte) Christen für die Heiligenwahl übernommen. Unter Hinweis auf kultische Übereinstimmungen und gleichartige Lokalbindungen wird Heiligenkult als Götzenkult denunziert. Auch das Verfahren, Heilige durch Attribute zu kennzeichnen und durch Blumen, Lichter, Musik zu verehren, sei genuin heidnisch. Auffällig heftig ist Russ‘ Kritik an Gregor d.Gr. – und er setzt sich damit von anderen Protestanten ab! – , gilt er ihm doch als „der groß Götzendiener, von dem auch vast aller unrath in die welt und in die gemain Christi kommen ist“. In Kritik des Heiligendienstes beruft sich Russ zum einen auf die Bibel, zum andern aber auf Kirchenväter wie Ambrosius, Augustinus, Ciprianus, Clemens, Eusebius, Hieronimus, Hilarius, Lactantius, Tertullianus. Auch die Konzilsgeschichte kämmt er nach Fürsprechern und Kritikern des Bilderdienstes durch. Insgesamt ist zu konstatieren, dass Russ sehr detailreich zu argumentieren versteht und dabei eine Belesenheit unter Beweis stellt, die die Hörer der Predigt überfordert haben dürfte. Zugleich sei aber unterstrichen, dass er hier – im Vergleich mit anderen historisch argumentierenden Bildstreitautoren2 wie etwa Emser, Hohenlandenberg, Bullinger, Chemnitz oder Arndt – ein differenziertes, thesenreiches Modell von Kultbildgeschichte entworfen hat, das kunsthistorische Beachtung verdient.

2 Vgl. STR2, Nachwort, S. 1100–1113.

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[Averso]

Zum Christlichen leeser. Es ist, Gott sey es klagt, darzu kommen, wann man in ainer Christlichen gemain ain myßbrauch dadlet [tadelt] oder auffhebt, gleich seind die hoffertigen gaist da, denen nichts dann das sy yetz haissen und leren, ob sy es schon vor jarn auch gelert haben, ja uns kaum daran bracht, und uns zur schryfft geweyßt, gefellt, gleych gebens uns new namen, müssen von jn schwermer [Schwärmer], stürmer vnd wayß nit wie seltzam namen habent und haissen, hoff wol sie werden michs als den geringsten nit üerheben, deß sy höher, ja meine Schulmaister nit überheben, Ich waiß nit wie sie das wörtlin Schwermer, so gemain gemacht haben, es ist jn zu allen sätlen gerecht, wann man nit gleych zu all jren sachen das hütlin abzeücht, und Got willkumm sat, so prinnens auff wie ain bundtschuch, und schreyen Schwermer, es will schier jr hailige schrifft seyn, darmit sy jre Artickel eitlich erhalten. Das sy aber sehen das ich nit geschwermbt hab, das ist on schrifft und grundt mit den Götzen gehandlet, hab ichs zusamen gesamelt auff das kürtzest, waher alle Götzendienst der Haiden und der genannten Christen kummen, wie lang yeder Götzendienst gewert hab, was Gott und die uralten vätter darvon leren und sagen, ja wie sich etlich der uralten Kaiser und Bischöff gegen den Götzen und jrem dienst gehalten haben, mit was gewalt und billigkait sie erhalten seind worden etc. Bitt dich christlicher leser mit fleyß, disen mein grundt und ursach zu lesen, mir in kain hoffart, sonder in ain notwendig notdurfft rechnen, welche ich bey mir selbs behalt, und Gott waißt sy, dem sey preyß, lob, eer, und danck in ewigkait, Amen. Wolffgang Ruß, Prediger zu Riethen, Im 1532. den andern tag des Octobers. [A ij recto]

MAn hat inn wenig Jaren so vil von den mißpreüchen der Bilder und hailigen Eer [Ehre, Verehrung] gepredigt, geschriben und gesagt, das die wend [Wände], (ich schweig die leut) schier vol sein solten. und genůgsamen underricht haben. dann es geschicht schier kain Predig. man bleüt uns den ellenden myßbrauch umb das maul, noch schreyen vil, lieber verschont der schwachen, gebt nit ergernuß. Ach man het dalestme [i.S.v. jüngst] ain jungen Esel bey seiner můter aufzogen, das er hew kind [könnte] essen, kan man dann den zarten kindern nit milch und můß genůg einstreichen, es wäre lengest zeyt gewesen, das man die můß rappen entwenth [entwöhnt] het, und von der můter thon, Es wäre lengest genůg verschonet gewesen,

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sy, die zertling3 schreyen, schon, schon, erschreck mir die Brůthennen nit, biß der Teüfel vogel und nest neme, man můß recht geschehen lassen, man sagt doch, wer sich an aim Federwisch wil ergern, der frist nymmer mehr kain Gans. Damit ich aber denen, so villeicht ye mainen, sy seyen noch nit genůg vergwißt, der Bilder und heiligen Eer halb, genůg thůe, will ich noch ains ain aigne predig darvon thůn, wa her [woher] doch der schendtlich myßprauch der Bilder, Götzen, und hailigen Eer, wie mans retten möge, Wie es Gott so hefftig in Alt und new Testament verbiete, Ja wie hefftig die uralten vätter und leerer darwider geschriben und geleert haben, und das etwa vor [zuvor, früher] mer frumm Kaiser und Bischoff seyen gewesen, die die Götzen Eer gewegert [verweigert] und abgethon haben. Darzů ursacht mich sonderlich yetz eben das unser fromme Herren und getrew vätter, ain Christliche Oberkait der Stat Ulm, so ain ernstlich einsehen in abthůung der Bilder, auch bey uns thon haben, dabey ain hoffnung ist ains Christlichen eyfers und gemüts zů Gott und seiner Eer. [1] Waher der Hayden Götzen mit jrem gebreng kommen, und wie lang jr myßprauch geweret. [A ij verso] Und damit nun jr lieben freünd nit ain grawen, und mißfallen nemend, und klain gleubig werdend in der ernstlichen handlung, und auffhebung der Bilder und jrer vereerung, So wissend [wißt] das wir genůgsame kundtschafft und anzaigung haben, das sich die menschen ye von der welt her, zů allen zeyten, aller mayst aber in eererbietung Gottes, zertrennet und zwayet [entzweit] haben, und yedes land, schier ain Newen seltzamen Gott und Gotsdienst hat auffgericht und verthedingt [verteidigt], das findt man so man lißt Manethon4, bey den Egyptern Berosium5, bey den Chaldeern Mochum6 und Estium7 in Syria, Alcoram8 in der Türckey, Josephum9, Hesiodum10, und den Talmuth11 bey den Juden, Titum Livium12 bey den Römern, und die gantz Bibel, aller mayst das erst bůch Mosi. Derhalb man allweg sondere [besondere] und vil mühe und arbayt hat müssen haben, das man dem fürwitzen volck were, hat dannocht layder wenig erschossen [i.S.v. genützt], derhalb wir nit die

3 „Zärtlinge“, zart besaitete, übervorsichtige Menschen. 4 Manethon oder Manetho (3. Jh. v. Chr.), ägyptischer Priester und Vf. einer Geschichte Ägyptens. 5 Berosius = Berosus (4. Jh. v. Chr.) → STR2, S. 1220. 6 Mochus von Sidon (13. Jh. v. Chr.), angebl. Vf. einer Geschichte Phöniziens. 7 Estius, syrischer Priester (Lebensdaten?). 8 Alcoram = Koran. 9 Josephus = Flavius Josephus (1. Jh. n. Chr.), jüdischer Historiker → STR2, S. 1233  f. 10 Hesiod (7./6. Jh. v. Chr.), griech. Dichter u. Mythograph → STR2, S. 1231. 11 Talmuth = Talmud. 12 Titus Livius (ca. 59 v.–17 n. Chr.), römischer Historiker.

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ersten sein, wie ettlich maynen, die solchen mißprauch anzaygen und riegen [rügen], Sonder hat es Gott durch Mosen sonderlich geweret, nach jm durch ander frumm Ertzvätter und Propheten, Ja auch durch Christum und die Apostel selbs, yetz am end durch uns, Gott wölle das glaubt werde ee die straff volge. Wir bringen das Kraut, das fürwitz haißt, mit uns an die welt, das wir uns stäts zů Götter machen, und Gottes wort und gehaiß in ain villeicht [Vielleicht, i.S.v. Möglichkeit] und zweyfel setzen wöllen, den handel besser machen dann Gott, Also setzt sich Cain seinem brůder Abel für, bawt ain Statt, der hochmütig Nimroth13 bawt die stoltz Babilon, und herschet mit gewalt. Sen14 der Künig in Assiria, ain großvater Abrahams, bauwet den ersten Tempel der Abgötter, der auß seinem hertzen entsprang. Er satzt erstlich auff [i.S.v. er veranlasste erstmals] die Menschen für Götter zů Eeren [ehren] und anzůbethen. Bald darnach fůr Ninus zů, warff seinen vatter Belum für ain Gott auff,15 ließ die Bildtnuß seines vatters vast [i.S.v. sehr] kostlich auf ain Saul [Säule] zů richten, gab den übelthätern freyung dar bey, damit mutzt [motzte, i.S.v. putzte] er den Abgott auff, und richtet damit ain Walfart [Wallfahrt] an. [A iij recto] Bald fůr [fuhr] der Teüfel in solche Bild, gab red und antwurt, da ward der Gott Babel darauß, den Eerethen [ehrten] die Babilonier und Assirier mer [mehr] dann fünffzehen hundert jar, so lang stůnd jr Reych. Darnach riß es sich ein, wa ain gerümpter [berühmter] , namhaffter, ansehenlicher mensch was, Künstlich [kunstreich] wie Saturnus, Eergeyttig [ehrgeizig] als Jupiter, ain Tyrann wie Nimroth und Mars, listig und wol beredt als Pallas und Mercurius, Unkeüsch wie Venus und Priapus, Truncken wie Bachus, ain Warsager wie Appollo, ain Waldmensch wie Diana, Reich als Pluto, gewaltig als Belus, Der můßt dann ains Gots namen haben, dem wurden dann Tempel, altär, Seul, und gedechtnussen auffgericht. Darnach warff man sy zů allen gewerben auff, Die Krieger Martem, Schiffleut Neptunum, Bůler Venerem, Baurßleüt Saturnum, die im feüer wercken Vulcanum, und so fort an, was [da war] kainer der nit sein aygen ampt hett. Der yetz erzehlt haydnisch Götzendienst, mit seiner Eer [Ehre], zier und Pfaffendienst, weret ob zway tausent fünff und fünfftzig ja vor Christi geburt. Und damit wirs kürtzen, so well [wollen] wir nun der Haiden Götzendienst und prauch mit unserm Götzendienst vergleichen, und sehen wie yederthayl das sein verantwurt, damit werden wir dann gewiß das all unser Götzendienst von Hayden hie ist, und das wirs jnen, und nit Gott abglernet haben. 13 Nimroth = Nimrod: Sohn des Noah-Sohnes Ham. 14 Sen = Sin, König von Assur, (reg. 1839–1812 v. Chr.) 15 Zur Geschichte von König Ninus, der seinem Vater Belus (oder Baal) ein Standbild setzte, → Stri, Nachwort, S. 1106  f.

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[2] Wie die Haiden und die genannten Christen die Götzen und jren dienst verantwurten. Die Hayden so sy Lactantius strafft jrs Götzendiensts halb sagen und geben zů antwurt, sy Eeren nit die Bild, sonder die so sy uns bedeüten. Das geben auch unser Götzendiener die genandten Christen zů antwurt. Die Haiden sagten, wir vereeren sy als hailig Gottes geliebt [A iijv] lewt [Leute], die bey Gott wol verdient seind, der fürbitt wir für gůt achten, nit das sy uns helffen, sonder Gott durch sy als durch ain mittel uns helffe. Daher gehört zu lesen Cicero de Natura deorum, Plinius in Historia mundi, da wirt sich finden, das die Hayden und genannten Christen ains seind in dem handel. Die Hayden růffen jr Götter an, von wegen der gůt und wolthat jnen bewisen. Eben auß der ursach lauffen die unsern zů jren Götzen oder hailigen, dann in der that halten wirs für Götter, im namen für [i.S.v. unter dem Namen der] hailigen. Und ist auff erd kain anderer underschaid, zwischen den Hayden und den genanten Christen, dann das die Hayden die jren Götter, die genanten Christen die jren hailigen hayssen, sunst ist es ain Ceremoni, ain pracht, prauch, cost und wesen. Das will ich dich noch baß berichten. Die Hayden haben in ainer yeden Statt, in ainem yeden land, ain sondern und aignen Gott, den ain yeden Nation in sonder vor augen hat und vereeret, die wir bey uns nit Götter sonder Patronos haissen, Als die Babilonier und Assirier haben jrn Belum, Egypti Isidem und Ozirim, Aphri Neptunum, Mauri Jubam, Rhodij und Massagete Solem, Samos Junonem, Lemnos Vulcanum, Paphos Venerem, Delphos Apollins, Roma Quirinum, Athene Minervam, Socratem Carthago etc. r ain anderer barmhertzig, da beth [beten] wir disen an, dort ain andern, hie Ambrosium, die von Leyphain [Leipheim in Schwaben] Vitum, und ist kurtzumb kain Land, Statt, Dorff, ja vil hewser, es hab jr aygen hailigen die sy Patronos haissen, dero schutz, schirm, wach, und hilff sy sich bevelhen [befehlen], ja on die selben nitt růwig [ruhig] schlaffen möchten etc. Man sagt das, da die Hochschủl zủ Wien jr newe Kirchen vorm Stubenthor bawen wollt, da seyen die Doctores lange zeyt zủ rath gangen, eh unnd sy ein Patronen erkieseten, der auch dem gemainen man anmủtig wäre, dan sy hetten auch gern im jar ain mal zway drey mit dem Kautzen gevoglet, [Aivr] doch zủ letst dieweil Sant Sebastian kain aygen vogelherd in der Statt hett, und dem gemainen man nit ain wenig befolhen und angenäm, ward er von den gaystlichen Hochgelerten zủ aim Patron jrs Gotteshauß erwölt, etlich jar nit on klainen nutz. Zwen Brüder waren zủ Wien in Osterreich, hiessen der ain Otho der ander Heymo, dieweil sy reych und on Erben waren, machten sie ain Kirchen bey irer behawsung, mit styfftung etlicher Meß und Cerimoni, wie sy on zweyfel von den gaystlich genanten dazumal underricht waren, und hieß man die Kirchen zủ Otho und Heymo, nach dero bayder tod gleych verlor die Kirch den namen, und hieß

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mans zủ Sant Oth und Heym, mủßten die gủten leüt Götter, Hailigen und Patronen seyn, also das man hernach ain Mandat oder wie sy es haissen, von Rom mủßt bringen und es verbieten, dan man die gủten leüt nit also erhieb, und on wissend hailig nandte, und hieß man darnach die Kirchen ad Salvatorem. Also fellt die wellt hin und her, also erheben die vogler jre lockvögel, das der Finck wider sein art und natur schweygen und singen mủß, wann die vogler ain kurtzweil haben. [3] Was underschaid zwischen der Hayden und genannten Christen Bildern und Götzen sey. Nun wider auff der Hayden und der genandten Christen vergleychung. Die Hayden zierten jre Götter, und gaben aim yeden sein werckzeüg in die hand, dabey erkannt man dann ain yeden, als Bachum den gůten zecher krönten sy mit Weynreben, Venerem zeleten die Haiden Cupidinem mitt seinem bogen zů, Martem und Minervam machten sy gůt Kriegisch [kriegerisch] in jrem Bantzer [Panzer] und Kyriß [Küraß] etc. Also wapnen wir unser hailigen, ainen yeden mit, dabey er on schrifft und red erkennt wirt, was er thůn můß, und was er kinde [könne]. Bey den Hayden het ain yetlicher Got seine aigne Pfaffen, [C iij recto] Flamines, Salios, Tempelknecht, die den Göttern warteten, außbutzten, Kirch zierten, und der Ceremonien warteten, die zeyt und Fest verkündten [verkündeten], da von hetten sy jr gůte besöldung. Also machen die genanten Christen es auch mit jren Götzen, da haben sy jre Custodes, Pfaffen, Münich, die eben das selbig thond [tun], die jre Götzen auffmutzen, mit Singen, Orglen, Plomen [Blumen], Graß, Kräntz, Liechtern etc. Dann geht man über Altar, darnach an die Cantzel, da sagt man erstlich von deß hailigen geburt, leben und sitten, und tod, darnach warzů er gůt, und wa für er anzuruffen sey, darnach wamit er zů versünen und zů vereeren sey, darnach erzelt man die mirackel und zaichen, die einfältigen zů bewegen. Noch haben die Götzendiener ain hüpsche außred, wie sy mainen, dann sy sagen, die Götzen seynd Bücher und schrifft der layen16, Das sagt Gregorius der groß Götzendiener, von dem auch vast aller unrath in die welt und in die gemain Christi kommen ist, der dann wol sechshundert jar nach Christo erst gewesen ist, Er hat nit allain das, sonder wol mer gesetzt das wider Gott ist, dann er auch nit ain klainen schub an des Bapsts Meß thon hat. Christus sagt nit, das du ab der wand lernest17, oder ab den götzen, Er sagt, erforscht die schrift, die gibt kundtschafft von mir Jo. 5. Die schaf hören die stimm jrs hyrten Jo. 10. nit der götzen. Abraham sagt 16 Zur ‚Gregorsformel‘ vgl. STR2, S. 1080–1085. 17 I.S.v. ‚von den Wandgemälden lernest‘.

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zum Reychen, Sy hond [haben] Mosen und die Propheten Luce. 16. Christus legt den zwayen die gen Emaus giengen die schrifft und Propheten auß Luce. 24. Er weyßt den Sathan mit der schrifft von jm [i.S.v. sich] Math. 4. Petrus, Stephanus, Paulus in geschichten der Apostlen handlen die schrifft, da sy wider die Phariseer stůnden, Darumb hat man Prediger, Pfarrer, die dirß [dir es] sagen, wilt du es aber ab der wand lernen, so lerne es von Pfaff maugkus [Maukus] , der laß Meß ab dem Fensterbrett. Noch hond sy ain einred, und sagen, Sy raytzen den menschen zůr andacht und zůr besserung, Das ist ain rechte gleyßnerey, dann alle Bilder auff erden, an ain hauffen getragen, werden dich umb ain har nit frůmmer, aber wol erger machen, [Br] noch vil weniger dich zů Gott ziehen, Dann Christus sagt, niemands kumpt zů mir, es sey dann das jn mein himlischer vatter ziehe Joan. 6. Schäm [schämen] wir uns nit, das wir dem Holtz und staynen zů legen [i.S.v. zutrauen], das dem vatter im himmel zůgehört? Und Christus sagt, es kumpt niemands zum vater dann durch mich Johan. 14. Das ist warlich das Hieremias am andern klagt, oder Got durch jn, Mein volck hat zwar übel thon, Ains das sy mich verlassen haben, den brunnen des lebendigen wassers, Das ander, und sy hond jngraben alt lachen und Cisternen, die nit wasser heben. Augustinus lib. 2. revoca: Schreibt, Hermes hab zů Esculapio geschriben also, Wie haben unser großvätter so weyt geirrt, das sy bey der vernunfft Göttlicher ding ungleubig seind gewesen, und jr gemüt nit kert [gekehrt] zů der Göttlichen eer und krafft, sonder haben erfunden die kunst, damit sy Götter machten, und als sy dise kunst fanden, fügten sy die krafft der Teüfel, der natur, und dem werck jrer hend zů, wann sy mochten nit seelen machen, da erforderten sy die seel der Teüfel, und haben sy eingelassen in die bildtnuß, damit sy Götter hetten, zum bösen und gůten, die das gůt fertigten, und im bösen syg [Sieg] und überwindung geben etc. Nun haben wir gehört, woher die Abgötterey, die Bilder, und der Götzendienst sey kommen, wie lang er gewert [gewährt] hab, ja wie wir genannten Christen mit den Hayden gehůret haben, und gantz Abgöttisch worden, auch kain andern prauch noch außred haben, dann wie die Hayden, allain ist das der ainig underschaid, das der ain thayl Götter, der ander Hailigen nennet, Ceremoni, glaub, vertraw, cost, ist bayden thaylen gemain und ains, derhalb sy wol wasser an ainer stang mit ain ander tragen. [4] Was die hailig schrifft von den Bilderen und Götzendienst und vereerung sage. [B verso] Nun wöll wir sehen was Got zů Mose und andern vättern sage der Bilder und Götzen halb, ob ers haiß [heiße] machen oder brechen, Eeren oder abthůn. Oben hab [haben] wir gehört, das Sen der Assirier Künig, Abrahams großvatter oder Eny [Ahne], das erst Götzenhauß gemacht hat. Ninus bald nach jm den ersten

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Abgot oder Götzen, das ist ob [i.S.v. vor] den achthundert jarn geschehen, eh Gott seim [seinem] volck das geschriben gesatz gab, Dann Sen und Ninus seind ain lange zeyt vorm Abraham gewesen, so ist Abraham schier dreyhundert jar nach der Sündfluß geborn, Hat gelebt hundert sechs und sibentzig jar. Vom tod Abrahams biß zů Mosen, haben wir wol vierhundert und fünff und zwaintzig jar. Von der geburt Mose biß zum außgang auß Egypto, und gebung des gesatz, was [war] wol achtzig jar. Nun sihe die jar alle her, seind die Hayden mit jren Abgöttern umbgangen und an jn gehanget etc. Als nun Gott ain sonder, hailig, frumb volck haben, ziehen und machen wolt, da hat er jnen auch ain sonder, hailig, gaystlich gesatz geben, sonderlich der Götzen halb, Er hatt auch kaines dings öffter meldung thon, als das sy sich der Götzen der Hayden eüsserten [i.S.v. entledigten], und nit mit jn hůreten, Es gedenckt auch Moses in seinem abschid, da er das gantz gesatz wider äferet [i.S.v. kritisiert] , kains gebotts meer, dann deß, das sy sich frembder Götter oder Götzen nit annemen solten. Man můß der namen gewonen, was Idolum, Simulachrum, Abgott, Götz und bild sey. Idolum das in latein haißt Simulachrum, auf Teutsch ain bildtnuß oder gleichnuß haisse, darumb wa [wo] die schrift Idola verbeüt, da verbeüt sy nit allain Abgött, sonder auch damit die bildtnuß und gleichnuß. Nun also sagt Gott zů Mose Exodi. 20. Du solt nit frembd Götter vor mir haben, mach dir kain geschnitzt bild, noch sunst kain abcontrafaiung, deren so auf dem erdtrich sind, ja auch deren nit so im wasser under dem erdboden sind. Du solt dich vor jnen weder naygen noch bucken. Du sollt jnen auch sunst kain eer erbieten, dann ich bin der Herr dein Gott, ain eyferer. Ja weyter spricht er, macht mich nitt zum Silberin oder gul-[Bijr] din Gott, da will er nit das man jn auffmutz etc. Am 34. am selben bůch. Du solt dir selbs nit gossen [gegossene] Götzen machen. Levitici am .19. Ich bin der Herr ewer Gott, keren [kehrt] euch nit zů den bildnussen, und machen [macht] euch nit gossen Götzen. Am 26. Ich bin der Herr ewer Gott, machen euch kain abcontrafaiung, noch geschnitzlet [geschnitzte] bild, richtend [richtet] auch kain saul [Säule] auff, machen euch kain besondern stayn, dem jr Eer erbietend [Ehre erbietet], dann ich bin der Herr ewer Gott, sam [i.S.v. als ob] er sagte, mir gehört alle eer zů etc. Deutrono. [Deuteronomium] am .4, Hat ain sonder capitel schier von Götzen, under anderm sagt Mose, Hüt dich und nymm eben war, das du des Bundts und sicherhait Gott deins Herren nit vergessest, das du dir nit ain geschnitzt bild machst, dero ding die dir Gott dein Herr verbotten hat, dann der Herr dein Gott ist ain verzerents [verzehrendes] feür, und ain eyferender Gott. Und am 5. c[apitel]. Mach dir kain geschnitzt bild. Du solt dich vor jnen nit naygen noch bucken, ja jnen sunst kain eer embieten. Am 4. cap. sagt er zů jnen, Es sey ain groß übel vor Gott / götzen machen. Am 7. c. haißt ers zerbrechen und verbrennen. Am 11 ca. haißt er auch die Stett und ort der Götzen seybern [säubern], raumen, zerhergen [i.S.v. zerschlagen]. Am 19. ca. Wann sach wer [wäre]

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das wunderzaichen durch jrer der Propheten und Bilder fürgiengen, sollen wirs nit glauben, jnen nit nachlauffen, Gott thůt es uns zu jr versuchen etc. Ja der Trämer soll getödtet werden. Am 17. ca. [!marginal Deutehand!] Verflůcht ist der mensch der ain geschnitzt oder gossen bild macht, das ain grewl des Herren unsers Gotts ist, und das selb haimlich an ain ort setzt, und das volck sag amen, Hie seind die haußgötzen verbotten. 1.Regum 7. sagt Samuel, kerend [kehrt] jr euch mit gantzem hertzen zů Gott ewerem Herren, so werffend alle frembde götzen von euch etc. Besich [besiehe] weyter was Numeri am 25. ca. stand, wie es da so übel sey gangen von wegen der Götter etc. Josua 27. saget, Jr mögend Gott ewerm Herrn nit dienen, so jr den Herrn verlassen, und frembden göttern gedient haben [habt]. Judicum am 10. warffen sy alle götzen und Götter weg von jn [i.S.v. sich], und Gott erbarmbt sich über jr ellend etc. [Bijv] Besich den 105, Psalm, und den 114. Jr götzen sein gold und silber, ain werck der menschen hend [Hände]. Sy haben ain mund und reden nit, sy haben augen und sehen nit oren und hören nit, haben nasen und riechen nit, sy haben hend und greyffen nit, füß und gehend nit, und werden kain stimm auß jren keelen [Kehlen] geben, die bildmacher werden jnen gleich, und alle so jr vertrawen darein setzen. Sapie[ntia] am 14. steht ain gewaltiger spruch. Durch die hand wirdt das Bild und der Götz gemacht, und das ist auch verflůcht, und der, der es gemacht hat. Der götz aber, deßhalb so es ain schwach ding ist, haben sy es ain Gott genennt, Gott haßt sy aber. Darumb soll man nit sehen auff die bildtnussen und götzen, dann die Creaturn seind Gott zů schmach und haß gemacht. und zů versůchung der seel der menschen, und zů aim strick der füß der unweysen, dann die erfindung der bilder ist ain ursach und anfang, das die seel von Gott jrem Herren und Eegemahl ist abtrünnig worden, dann sy seind von anfang nit gewesen, und werden auch nit ewigklich bleyben. Fürwitz der menschen hat die Bilder erfunden, die Eer solcher bilder ist ain anfang aller laster. Wer das nit schrift genůg18 alle Bilder außzůreytten und zu verderben etc. Besich [besiehe] Esaiam am 42. 44. c[apitel]. Hieremiam 10. 13. Ezechiel 14. und die Michee. 1. Abacuc 2. am schönen text der leng [Länge] nach. 4. Reg. 18. Zerbrach Ezechias der künig die Bergkirchen, die Seülen, ja auch die Ehrin [eherne] schlang die Moses gemacht hett. 4. Regum 33. hatt Josias dergleichen thon [getan], und selbs vor der Statt verbrennen [verbrannt].

18 „Wäre das nicht Schrift genug“ i.S.v. ‚Wäre das als Bibelzeugnis nicht hinreichend‘.

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2. Paralip. 33. Manasses ob er wol ain arger Künig was, noch da er bekert war, zerbrach und thet [tat] er hinweg die Götzen, des hat er noch lob in der geschrifft. Wir finden auch das die hart gestrafft werden, so die Götzen schirmen / nämlich 4. Regum 17. Liß das schön Capitel das letst im Propheten Baruch. Es were zů lang alles zů erzellen etc. Da haben die genanten Christen aber ain einred, und ain [Cr] schlupffloch, und sagen also. Das yetz anzaigt seind zeugnussen auß dem alten Testament, das uns nit zwingt noch angeht etc. Es bederfft [bedürfte] wol kainer Antwurt, dann so man jnen die warhait schon lang sagt, so glauben sy dannocht [dennoch] nit, doch jnen da auch zů begegnen, so ist jm also. Alles so die sitten und die Eer Gotts antrifft, und im alten Testament gebotten ist. das betrifft uns auch, wa das nit were, so möchten wir uns der Zehen gebott auch eüssern [entäußern] und entschitten [i.S.v. entschlagen]. Dieweil uns aber das gebot auch angeht, Du sollt nit frembde Götter haben, do trifft uns auch das von den Bildern, wann es stat bey ainander, wenn dir ains erlaubt ist, so zimpt [ziemt] dir das ander. Und wie du schuldig bist vatter und můter zů eeren, niemannts zů tödten, also solen [ergänze: wir] auch kain Bild noch götzen haben etc. Das lassen die genanten Christen feyn in den Zehen gebotten herauß, und dispensiern [da]mit jn [i.S.v. sich] selbs, das hat sy freylich der teüfel, und nit Gott gehaissen. Damit wir aber auch kundtschafft auß dem newen Testament haben, so besich [besiehe] Paulum 1. Cor. 5. Ich hab euch vor [zuvor] in aim brieff geschriben, das jr gantz [i.S.v. durchaus] nit sollent zů schaffen haben mit den Bůlern, auch nit mit den geytzigen, mit den raubern, oder mit denen so die bild eeren. Da red er nit mit den Hayden, sonder mit denen die Christen sein wöllen. 1. Corin. 8. sagt er. Wir wissen das sy nit Götter seind, und [erg.: dass] nit mer dann ain Gott ist. 1. Cor. 10. Jr sollent den bildtnussen nit eer enbieten als jro etlich thon haben. Gal. 5. Haißt er die bilder­ eer, werck des flaischs, die die erbschafft des reych Gottes nit besitzen werden etc. Petrus 1. Pet. 4. Dieweil nun Christus im flaisch für uns gelitten hat, so wappent euch auch mit dem selbigen synn, dann welcher am flaisch leydt, der hört auff von sunden, auff das er hinfür in der zeit, so er noch überstellig hat nit den begirligkaiten der menschen, sonder dem willen Gottes lebe. Uns soll nun benügen, das wir in vergangner zeyt den můtwillen der Hayden thon [getan] haben, da wir in der gayle [Geilheit], in lüsten, in trunckenhait, fresserey, und in der schandtlichen Eerung der Bilder gelebt. Das ist nun ainmal gnůgsame kundtschafft auß dem newen Testament , wider die bilder etc.

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[5] Was die Uralten Vätter und lerer von den Götzen und Bildern, und jren diensten und vereerung sagen. Nun wöllen wir kundtschafft [i.S.v. Auskunft] der uralten lerer auch anziehen [i.S.v. zitieren], die mit Gottes wort feyn überein kommen, wiewol es uns nit von nöten, dieweil Gottes wort hie uns zůr warhait genůg ist. Das man aber sehe, das wir nichts news auff die ban [Bahn] bringen, Sonder eben das, das die alten nach den Apostlen auch geleet und gehalten haben. So besehe man Augstinum de civitate dei lib. 7. ca. 10. Tertulianum wider Marcionem lib. 1. von der Eer des ainigen Gotts, und Tertulianum in Apologetico. ca. 17. und ca. 30. und das bůch de corona militis intituliert. Da findt man ain grossen feynd der Götzen und Hailigeneer, da legt er den spruch 1. Jo. 5. aigentlich auß, sagende, Kinder hüten [hütet] euch vor den Bildern und Götzen, nit allain vor der Abgötterey an jr [i.S.v. sich] selbs und jrem ampt, sonder auch von den götzen, als dero bildtnuß enthelt euch, dann es ist nit zimlich [i.S.v. geziemend], das man dem lebendigen Gott ain todt bild zůaigne, und ain stummende [stummes] bildtnuß mach etc. Ciprianus in Tractatu, von der schnedigkait der Götzen. 4. stympt [stimmt] mit jm [erg.: überein], under anderm sagt er. Wie mag der ain tempel haben, oder jm ain Kirch bawen [gebaut] werden, des [dessen] Tempel die gantz welt ist, und ab demetrium idem. Weyset das allain Gott und kain Bild sey zů eeren und anzubethen, nympt zů hilff das [erg.: was] Exodi. 20. Hiere. 7. und Math. 4. stat [steht]. Lactantius lib. 2. institutum de Origine erroris ca. 1. 2. 7. 18. 19. da sagt er. Es ist kain zweyfel, das da kain gaystlichait oder Gottsdienst sey, da ain Bild oder Götz ist, dann weil der Gottsdienst von gayst und himlischen dingen sein soll, aber nichts göttlichs ist, dann in himlischen dingen, die im gayst ober uns seind, darumb manglen des preyß, eer und dienst Gottes alle Bilder. Und libro. 5. De iusticia. ca. 8. und 10. sagt er gleich. Und libro. 6. De vero cultu ca. 1. ca. 2. fürt er Persium ein. Und libro.1. ca. 3. 15. 16. 21. [Cijr] Ambrosius libro. 2. Officiorum. ca. 28. Da wirdt aygentlich geleert, das Gott allain im gayst und in der warhait geert wirdt, und in kainer creatur, wie Johannis. 4. Christus auch leert. Daher stympt auch Augustinus de civitate dei, libro. 10. cap. 19. da finden wir das die alten biß auff Augustinum nichts von Bildern gewißt haben, ja auch nichts von der hailigen Eer gehalten. Wiewol Hieronimus der Götzen Knecht nit hefftig darwider ist, das man Götzen hab, Sagt er doch ad raparium wider Vigilantium und Julianum die Götzenstürmer. Wir eeren der Marterer hailthumb, das wir den, deß marterer sy seind, und dem sy gestritten haben, anbethen. Ich sag aber nit das wir der Marterer haylthumb oder leychnam, ja auch der Sonnen, Mond, Potestat, Cherubin, Seraphin, Engel, Ertzengel, und alles das man in diser und jhener welt nennen mag, anbethen, oder in ainigen weg dienen, sonder allain Eeren. Also das die lerer das Honorare ettwa

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den verstorbnen, aber das Adorare und colere, anbethen und dienen, allain Gott zůlegen, allso thůt jm Hieronimus hie etc. Gott sagt aber Exodi. 20. Und setzt die wörtlin alle drey Eerem, Anbethen und dienen, und gilt mir der Götzenknecht hie nichts, dann da steht Gott mit seim wort. Augustinus De vera religione. capt. ultimo sagt also. Wir sollen im Gottsdienst kain sichtbarlich Spectackel und den schatten lieben, auff das wir nit wider von der warhait in die finsternuß geraten, wir sollen uns kain Religion machen auß unsern gespensten und fürbildungen, dann ain yede warhait ist besser dann alles das, das man auß aygnem gůtduncken erdencken mag. Wir sollen der verstorbnen menschen Eer für kain Gottsdienst halten, derhalben recht geschriben ist, das der Engel gebotten hab dem menschen, jn nit anzůbethen, sonder den ainigen Gott, under welchem er auch sein mitknecht sey Apocalip. ca. 19. und 20. Augustinus in Johann. Tracta. 13. ca. 5. sagt, das ist die Christlich Religion, das man ain Gott eer und anbeth, dann es macht [Cijv] kain anderer selig, so kanstu nit von Englen selig werden, sonder wa her der Engel selig ist, da her můst du auch selig werden. Magister in Sententijs lib. 4. sagt, Das die abgestorbnen nit wissen wie es umb die lebendigen auff erden stand [steht], oder was sy thůen, dann so vil jn Gott offenbart und ansagt, So můß jn ye Gott zůvor unser bitt, not und anligen ansagen, und zů bitten ermanen, das doch gnůg schimpflich zů sagen ist. Ambrosius verlacht auch die, Super illud ad Roman. 1. die mainen man mög nit für Gott kommen, dann durch mittlerperson der hailigen, wie fürn Kaiser durch Marschalck und Cantzler etc. Und weyter sagt Ambrosius. Sy haben verwandlet die herligkait des unvergenglichen Gotts in bild. Die bild begabt man yetz mit solchen namen und eeren, das sy den lebendigen nit haben dürffen thon, nämlich mit Gottes eeren, so sy tod seind, denen sy kain eer haben angelegt weyl sy lebten, bey denen die todten mer vermögen dann die lebendigen, dann sy weychen ab von dem lebendigen Gott, und hangen den todten an. Volgt weyter, derhalb sol man Christum allain hören, Eeren, und anbetten, und niemandts jm vergleichen, dann der das haupt eert, der eert den gantzen leib. Damit stympt auch Augustinus lib. 10. De civitate dei Ca. 7. Davon stat auch Psalmo. 86. Zů der zeyt Alexandri und Adriani der Römischen Kaiser, was noch kain Bild Christo zů dienst, sonder allain Tempel on Bildtnussen. Derhalb solch Tempel on bild bey den alten geleerten Adrianisch Tempel genannt werden. Clemens de imaginibus lib. 5. ad Jacobum fratrem etc. sagt zů eer des unsichtbarn Gotts, bethen wir die sichtlichen Bild an, welches warlich unrecht ist, dann wann jr Gottes Bild wolt eeren, so thetet jrs ainem menschen, der Gottes bild ist, damit eeretet jr das recht bild Gotts. Ist nun euch so gach Gottes bild zů eeren, so sag wir euch, thůt wol den menschen umb Gotts willen, nach Gotts bild erschaffen, speißt, klaid, trenckt sy etc. Ir eert synloß [sinnlose] taub, todt ding, und verletzt die

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lebendigen bildtnussen. Was ist doch so gar gottloß und undanckbar, dann das man gůthat von Gott empfacht [empfängt], und Holtz und stayn dafür danckt. [Ciijr] Hilarius Psalm. 64. sagt, Gott wirt in Stain, Holtz, Metal gepredigt, geert, und anbeth, und den werckmaister der welt unsern aller vatter, stellen wir in ain eyttel materi, das wolschwetzen [i.S.v. Schönrednerei] der Philosophey hat sy dahin pracht [gebracht]. Eusebius libro 7. ca. 14. Hats für seltzam, das er zů Cesaria Philippi zway örine [eherne] bilder gesehen hab, dannocht nur ausserhalb der Kirchen, und sagt es sey von Hayden hie. Zů der zeyt Constantini fieng man an, sich mer ab dem gebain dann ab dem leben und glauben der hailigen verwundern. Das rationale divinorum gibts auch zů, libro. 4. das die Kirch nach Bapst Silvestro erst hab angefangen, das gedechtnuß der hailigen zů begehen und zů eeren, nach Christo. 313. jar. So hat der hailigen Eer und Bilderdienst niemandts verfochten biß auß Hieroni ad raparium, wie oben gehört. Besich [besiehe] hieher [i.S.v. hierzu] Bullingerum de Origine erroris in divorum cultu ca. 4. So ist auch der Bilder und Götzen Eer nit so alt als der Hailigen Eer. Da man zalt 450. jar, zerstrewten die Gotti die Christen, da fieng Poncius Paulinus ain Bischof zů Nolan erstlich an, die Tempel mit figuren auß dem alten Testament zů malen. Der recht anfang des gemäls und der Bildtnuß under Theodosio, Anno. 431. Wol ist die kunst elter, aber nit da her gebraucht, Haec Eusebius libro. 7. ca. 14. Das aber vor der zeyt Constantini magni kain Tempel oder Bild in ains hailigen eer geweycht [geweiht] oder auffgericht sey worden, bezeügen Otho Episcopus Phrysingensis Annalium libro. 4. ca. 3. Eusebius lib. 9. ca. 10. klaine schlechte bethhewßlin [schlichte Bethäuslein] hetten die Christen dazumal. Anno 686. Schicket gen Rom Justinianus fünffzehen pfund schwer silbergeschirr, Belisarius sein hauptman schickt ain groß guldins Creütz mit Edlem gestain, da fieng man an Tempel zů bawen, Malen und schnitzen, wer baß mocht der thet baß, und ward der gröst Gotsdienst, Altär stifften und Götzen machen. Bald kam ain frumber Bischoff zů Massalia, Serenius ge-[Ciijv]nandt, der riß die Bilder wider ab, warffs auß der Kirchen. Da kam Gregorius Magnus, der recht Bäpstler, Meß und Götzenschirmer und styffter, der hets dem frummen Bischaff hoch für übel, und hieß für der Layen bücher haben, aber nit Eeren, gibt Karten und verbeut spylen. Diser Gregorius hat auch die besingkunst [Singekunst] der seelen auffpracht, und anders zů der Meß. Anno 600. Nach dem sechsten Concili zů Constantinopel, kam Johannes der volgent Patriarch, und hencket den Kaiser Philippum an sich, der gebot Constantino dem Bapst, das gemäl in den Templen allenthalb außzůwischen. Der Bapst aber thet es nit, sonder malet noch mer in den eingang des Tempels, und richt zů daß der Kaiser entsetzt und vertriben ward.

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Darnach kam ain anderer Götzenknecht Theodosius, der ließ als wider malen. An sein stat über ain jar kam Leo der dritt, der geboth das alle Bilder und gemäl abthon und verprennt wurden, begert es auch an Römischen Bischoff, under der weylen raumpt er zů Constantinopel sauber auß, welche darwider waren, ließ er enthaupten. Da satzt sich der Bapst Gregorius der drit wider jn, Anno im 733. und samlet ain Concili gen Rom mit tausent Bischoffen. Da ward beschlossen, das man hinfüro nit allain macht haben solt, Bilder zů machen, sonder auch zů vereeren und anbethen, an stat Gotts und der abgestorbnen hailigen, da ward der gůt Kayser Leo der dritt vermaledeyet, und in Bann gethon. Nach jm kam sein Sun [Sohn] Constantino der fünfft, der stürmet die übrigen Götzen, gebots auch dem Bapst Paulo zů thon, den gůten Kayser thet der Bapst auch in Bann, und die Bischoff die mit dem Kayser anhengig waren auch, da starb der Kaiser im Bann. Nach jm kam Leo der vierdt sein Sun, kurtz es kam dartzů das Leo der dritt, und Constantinus der fünfft, bayd lengst tod auß warden graben, und jr gebayn verprendt, von der [Civr] Götzen wegen. Constantinum den sechsten fieng sein aygene můeter, auch auff ain abentheyr [i.S.v. auf gut Glück] , die jr darnach feelet, und stach jm umb der Götzen willen die augen auß, warff jn inn ain Kercker, darein sy doch zů letst auch můßt. Also haben wir gehört, waher der schandtlich myßbrauch der Götzen und Bilder kommen, mitsampt der hailigen Eer, ja das kain underschayd ist under der Hayden Götter und unsern Hailigen, dann nur der nam. Wir haben auch gehört, wie hoch und theür uns Gott sollich Götzen und Hailigenwerck verbeüt, im Alten und newen Testament. Ja das auch die uralten lerer darwider schreyben und leren, und wie hoch sy es anziehen, wa sölcher Götzendienst sey und gehalten werd. Und am end, das vil frummer Kayser und Bischoff gewesen seind, die sy vast [i.S.v. sich sehr] gemüth haben die Abgötterey außzůreytten, aber allweg von Bäpsten nit allain kain hilff gehapt, sonder allweg verbannt von jn seind worden. Allso helt die Bäpstlich hailigkait mit jrem anhang noch hauß, wie man sicht, der Herr mach ain end daran, wann es jn zeyt dunckt, Amen. Wolffgang Růß / Prediger zů Riethen. Gott zů lob / Amen.

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Editorische Hinweise Bearbeitungsvorlage WAher die Bilder || oder Götzen mit jrem gepreng / Baid der Haiden || und genanten Christen kummen. Wie lang derselbigen myß- || brauch gewert / Wer sie auffpracht / Wie Haiden und Chris- || ten die selben verantworten / Was underschayd || zwischen der Haiden und genanten Christen || Bilder sey / Und was die hailig schrifft / || und die gar uralten vätter und lerer || davon sagen und halten / Ist || gründtlich und auffs kür- || tzest hierinn begriffen || und verzaichnet || wie volgt. || Durch Wolffgang Ruß zu Riethen / In || weckthůung der Bilder / gepredigt. || Anno M. D. XXXII. Psalmus. 32. Ich will dir verstand geben / und dir den weg weysen / den du wandlen soltest etc. [Augsburg 1532] [Exemplar der BSB München, Sign.: Res/4 Hom. 1889; digit. –; VD16 R 3859; – 18 nn. S., 4°]

LIT zvdd.

N° 69 Ambrosius Blarer Vom Abtun der Bilder [1537]

Ambrosius Blarer (auch ‚Blaurer‘, 1492–1564), aus Konstanzer Patrizierfamilie stammend, Benediktinermönch in Alpirsbach, Theologiestudium in Tübingen; wurde unter Einfluß seines Bruders Thomas Anhänger Luthers, konvertierte und stieg 1525 zum theologischen Wortführer des Konstanzer Protestantismus auf. In enger Verbindung zu den Reformatoren von Straßburg und Zürich reformierte er zahlreiche Städte der Schweiz und Württembergs. Er verfasste neben Flugschriften etliche Kirchenlieder. In der Bilderfrage vertrat er eine ähnliche Position wie Bucer und Zwingli. Das unter dem Datum des 7. Oktober 1537 verfasste Bilderdekret ist ein nur handschriftlich erhaltenes Zeugnis der reformatorischen Praxis Blarers, das er wohl nachrichtlich dem befreundeten Martin Bucer zugestellt hatte. In Bucers Nachlass fand es Rainer Henrich und publizierte es 1997. Blarer weist darauf hin, dass christliche oberkait – und zumal die des Fürstentums Württemberg – kraft ihres Gottesgnadentums gehalten sei, zur Auferbauung der christlichen gmain und policey alle abgötterey zu unterbinden. Er zeigt auf, wie das geschehen könne. Getreu der Formel Luthers, dass schädliche Bilder zunächst aus dem Herzen, und danach erst aus den Augen zu reißen seien1, empfiehlt er eine bibelbasierte Argumentationsschulung der gemeindlichen Prediger und Vorsteher durch Visitatoren. Da es freilich immer auch argumentationsresistente Gemeindemitglieder gebe, die weiterhin gestisch Bilderverehrung leisteten und darauf verwiesen, dass das immer so gewesen sei, ja man hätte die Bilder schon längst beseitigt, wenn sie nicht doch etwas bewirkten, müsse man konsequent gegen solche Widerspenstigen vorgehen. Nach einer erklärenden Kanzelpredigt seien noch vorhandene Bildwerke ordentlich, nicht mit Stürmen und Poltern, beiseite zu tun. Falls die Bildwerke verkauft werden könnten, sei der daraus gewonnene Erlös – wie 1522 auch schon Andreas Bodenstein gefordert hatte2 – in den Armenkasten zu überführen. Jedoch müsse sichergestellt werden, dass die besagten Bilder nicht von solchen Interessenten erworben würden, welche sie zur privaten Fortsetzung ihres Bilderkultes nutzen wollten.

1 Vgl. Luther Wider die himmlischen Propheten [1525]. STR1, N° 15, S. 221. 2 Vgl. Von STR1, N° 6. http://doi.org.de/10.1515/9783110780031-010

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Da Christus nie Bilder für den Gottesdienst vorgeschlagen habe, sei die frühe Kirche ohne Bilder ausgekommen. Erst als man glaubte, man könne den Gottesdienst durch Bilder optimieren, seien, heidnischem Brauch folgend, Bilder eingeführt worden, die dann tausendfach Unheil bewirkt hätten. Aus dem Bilderkult seien Wundergläubigkeit und Wallfahrtswesen erwachsen. Die Adiaphora-Lehre könne nicht die Gefährlichkeit der Bilder in Abrede stellen.

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Im Folgenden wird der gesamte Text nach der Transkription von Rainer Henrich geboten. Nach dem ain yede christliche oberkait schuldig ist, nit allain ob der andern tafel Mosi, sonder ouch der ersten zehalten, allso das sy alls ain dienerin gottes, von welchem sy den gewalt und schwert empfangen hat, die ehr gottes fürnemlich und sein hailigs wort zefordern, alle abgötterey und falschen gotzdienst, ouch wz darzủ raitzen und fordern mag, abzủthain schuldig und verbunden ist, und dann zủ lob dem allmechtigen und uffbuwung ainer christlichen gmain und policey nun byß in das vierdt jar das hailig pur luter evangelium in dem furstenthumb Wirtemperg allenthalb geprediget und verkundt worden ist, daruß dann gefolgt, das anfangs die hertzen der christen von aller abgötterey gerainiget und das bilderwerckh darus gerissen sein sollt, allso das ain yeder, so dise zeyt das hailmachend wort gehört und verstanden, wol und gnủgsam vernemen mocht, das die bilder ime weder nutzlich noch schedlich [17] sein möchten, so befindt man aber, das sich vyl daran nitt spieglen wellen, sonder vyl mehr etwan offenlich, etwan haimlich, in den kirchen, ouch für die bilder und gemäldt nider knüigent, vor denen bettend und den selbigen die ehr, die allain dem allmechtigen zủgehört, bewaisen thaind – gott wellt, dz sy soliche ouch nitt anbettend und jn solich geschnitzet und gemalet werckh ain vertrauwen setzten, etwas irem wohn nach von inen zủerlangen – und neben sölichen ouch andere befunden werden , die da sagen und unverschampt fürgeben, ja wann die bilder nitt etwas uff jhnen trügen, so hette man die hinweg gethon und nitt allso sehn lassen, dardurch dann die gottlose, verstopten und halsstarrigen ye lenger ye mehr erger und gottloser werden – dem allen zủbegegnen, und damitt in dem furstenthumb Wirtemperg allain die ehr gottes gefürdert und alles dz, so von dem waren rechten gottesdienst abfieret und ergernusß uff im tragt, abgethon werd, so ist geordnet, das alle bilder und gemäld in den kirchen uff nachfolgend mainung, form und maaß abgethon werden sollen etc. Anfangs, an welchem ort die verordnete visitatores mitt der visitation die sachen allso angericht haben, das die predicanten, pfarrer und vorsteher examiniert und tougelich erfunden worden sind und dann ouch den armen durfftigen zủ irer leybs narung und uffenthaltung fürsechung beschehen und die visitation am selbigen ort beschechen und zủ end gebracht ist, so sollen die visitatores dem nach ainen predicanten verordnen und uffstellen, der offenlich an der cantzel vor der gantzen gemaind ain christliche vermanung thủe und, sovyl an jme, die bilder und götzen mitt der hailgen schrifft usß den hertzen der menschen zereyssen understande und dann obgemeldt mainung, ouch nachvolgend ursachen anzöge. Und wann dann sölichs beschechen, so sollen alls dann die visitatores allen ober- und underamptleuten jn stetten, flecken und dorffern, da anderß die visitation beschechen und die bildtnussen noch nitt hingethon send, bevelch geben, das sy uff

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solich gehapte predig und erzelung der ursachen || die bilder und gemäld uss den kirchen – nitt mitt sturmen oder boldern, sonder mitt zucht und wie sich dann wol gepürt – abschaffen und weg thain wellen. Was dann daruß verkoufft und zủ nutz gebracht werden mag, dz soll durch sy mitt vleys beschechen, und das gellt, so darus erlöst, [18] in den armen casten gelegt und uff die armen gewendt werden. Doch soll in dem acht genommen werden, das die taflen und bilder denen nitt gegeben oder kouffweyß zủgestellt werden, die fürter soliche uffstellen und zur abgötterey brauchen wölten oder möchten. Und sind aber diß uß vylen ettliche usgezogen ursachen. Anfangs, dieweyl ain yede christliche oberkait als gottes statthalterin alles das abzethain schủldig und verbunden ist, das von warem gottesdienst abfieren und zur abgötterey gerathen thủt, als dann geschriben befunden Deut. 7. und 13. c. [Dt 7, 1–16; 13, 1–18], so sollen hieruff die bilder als die, so zủ dem gottesdienst Christi nitt gehörendt und zủ falschem gotzdienst und abgötterey gar lichtlich geraten, wie dann offenpar am tag ligt, abgethon und nitt geduldet werden. Sölicher gestallt hat Ezechias die erin schlangen zerschlagen und abgethon, Josias den tempel gottes gerumpt und Jehu die priester Baal abgeschafft, wie dann diß in den büchern der könig [2 Kg 18, 4; 13, 4–14; 10, 18–27] befunden wurdet. Nach dem dann ouch befunden, das fürstellung der bilder in hailiger schrifft gar dhainen [keinen] warhafften und ussgetruckten grund hat, sonder dz göttlich volckh vyl mehr darvor an vyl orten alts und news testaments gewarnet wirdet als durch die leichtlich abgötterey angericht werden mag, so sollen die bilder billich abgeschafft werden, Exo. 20. und Levit. am 7., ouch Deut. 6 [Ex 20, 4–6; Lev 26,1; Dt. 5, 8–10] Derhalben der allmechtig von anbegynn her sein volckh seiner göttlichen verhaissungen, gnad und gủtthaten eh durch andere zaichen dann menschliche fürgestellte bilder erinneren hat wellen, dann er menschlichs hertzens schlyfferig naiglichait zủ falschem gottsdienst und abgötterey wol gewisst; der wegen hat er darzủ kain ursach geben wellen, als Josue am 4. c. und letsten [Jos 4, 1–9; 20–24; 24, 26  f.]. Dergleichen ouch Christus im newen testament davon gar kain meldung gethon, das man bilder haben, sonder das man sein hailigs evangelium mitt vleys anhören, in dz hertz fassen und seine hailge sacrament, sein zủ gedencken, empfachen sollt. Als man dann ouch waist, das Christus, unser herr und seligmacher, alles das gelehrt hat, welches zủ rechtem christlichem gottsdienst gehörig und zur seligkait [19] notwendig ist, und aber an kainem ort die bilder zehaben bevolchen, so müssen ye die selbigen zủ der christen gottesdient kains wegs gehörig sein, so sy dann von den haiden jren waren ursprung haben und nitt von den Juden als gottes volckh, welches sich dero nie gepraucht hat. Damitt dann die christen von den haiden abgesundert und die bildtnussen von gott nitt ingesetzt, sollen die billich abgeschafft werden, dann alles das, so durch gott nitt gepflantzt und ingesetzt ist, soll ussgerüt werden [Mt 15, 13] etc. ||

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Es ist ouch uss der hailigen schrifft und historien zủ lernen, das uffstellung der bilder anfangs der christlichen kirchen von der hailigen apostel zeyten her ettlich hundert jar nitt befunden worden ist, derhalben ettlich by den alten gentzlich darfür gehalten, dz die bilder ze halten wider christlich religion seye, wie dann in dem brieff des hailigen bischoffs Epiphanij [Epiphanias von Salamis3] luter ussgetruckt wirt. So nun zủ der zeyt der rainen kirchen die christen on bilder gewesen, so sollen die selbigen zủ fürkommung allerlay ergernusß zủ diser zeyt, da das hailig evangelium widerumb leuchtet und clar erscheint und gepredigt wurt, alls deren man wol gerathen mag, abgeschafft werden. Die bilder, wie nieman leugnen mag, haben by den christen vyl tusendt erschrockenlicher irrung, greuwel, ergernuss und aberglouben verursacht, welches sy ouch für und für, wa die geduldet, thain mögen. Dann ye und allwegen die menschlich vernunfft gottes ordnung in gaistlichen sachen hat besseren wellen, hat sy es allwegen erger gemacht, wie sich das sonderlich an Adam erscheint; dann so bald Adam weyser und klủger sein wolt, dann er von gott erschaffen was, mủst er gar zủ ainem narren werden. Gleicher gestalt, so bald man die monitoria und denckzaicher, die der allmechtig allain in sein kirchen verordnet, namlich die predig seins hailgen worts und bruch der hailgen sacramenten, mitt den bilder hat schmucken und bessern wellen, jst es zủ sölichem jammer gerathen, soliche abgötterey ingerissen und sovyl unchristlich walfarten entstanden. So nun zủ gottes dienst der menschen erfinduungen nitt mitt eingemengt werden sollen, auch darzủ nitt dichtig [tüchtig] sind, soll man deren oberstehn [davon abstehen, i.S.v. Abstand halten]; dann vergebenlich dienet man gott mitt menschen satzung, Matthei am 15 [Mt 15, 9]. Derwegen die bildtnussen, als von haiden und menschen erdacht und die zum gottsdienst nitt gehörend, sollen billich abgethon werden. [20] Und ob glich die bilder, sonderlich ouch das crucifix, by ettlichen etwas erinnerung und ermanung gủter ding gewirckt hetten und vyllicht noch thain mochten, das doch nitt gewiss, sonder zwyfelich, so ist doch der selbig nutz nichts zerechnen gegen dem grossen, trefelichen [trefflichen, i.S.v. schwerwiegenden] nachtail und schaden der christenhait, so ye und allwegen daruß erfolgt mitt dem falschen gottesdienst, aberglouben, vyle der aberglöbigen walfarten, allerlay falscher miracul und aberglöbige wunderzaichen, und yetz in sonderhait gegen der ergernusß der zancks und unwillens, so von deswegen zwuschen den jhenigen, so mitt aller lieb und ainikait des gaists und gemainem vleyssigem handanschlachten [Handanlegen] gottes reich bauwen sollten, erwachsen ist. Derhalben zủ verbietung der abgotterey, abergloben und missbreuch mitt wunderzaichen und anderm, so darus || jm papstumb erfolgt und mitt allen bildern vyl beschechen ist, und dann der allmechtig im gaist und der

3 Lebens- und Literaturangaben zu Epiphanius von Salamis → STR2 S. 1226.

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warhait will angebettet sein [Joh 4, 14] und andere dann dise gedenckzaichen hinder jm unß gelassen hat, sollen die hinweg gethon werden. So nun aller freyer ding rechter prauch by den christen nach nutz und der besserung wie ouch alle ander sachen gericht werden sollen, 1. Cor. 10 und 14 [1 Kor 10, 23–33; 14, 1–40], und dann die bildtnussen frey ding seyen4, doch mehr ergernusß und schaden gepracht und noch thain werden dann nutz und besserung, wie dann laider in vylen stetten, flecken und dorffern dises furstenthumbs und andern orten vylfeltig befunden, namlich das dise zur abgötterey und missbruch alls offenbar und unlögbar gerathen, mủsß ye solichs mitt abthuung derselbigen gewendt werden, darmitt das abgöttische papsthumb, und was demselbigen anhangt, abgethon und der recht christenlich gottesdienst uffgericht und an die statt gesetzt werde. Uss erzelten, ouch ander mehr christlichen, treffelichen und trungelichen [dringlichen]

ursachen, sonderlich ouch nach vleyssiger ermessung aller umstend der zeyt und gelegenhait der personen , wie dann Paulus lehret 1. Cor. 6 [1 Kor 10, 23–33; 14, 1–40], so ist ain christliche oberkait verbunden, alls die, so von gott ingesetzt, welche ouch on das jn sölichen und andern dergleichen usserlichen dingen zủ ordnen, zủ setzen und zủ gepieten hat, und ouch fürnemlich darumb, dz das vertruwen in solich geschnitzelt oder gemaldt werckh bey den abgöttischen und halsstarrigen abgeschaffet und dann der unkost, so uff die bilder oder gemält gewendt ist und noch uffgehn möcht, furter uff die armen, die dann den christen sonderlich bevolchen seind, gewendt werde, söliche bildtnussen abzeschaffen und hinweg ze thain. [21] Wann dann soliche obgemeldte predig und verkündigung obgeschribner ursachen beschechen, dardurch die predicanten, sovyl an inen, mitt gottes hilff die götzen uss der menschen hertzen ze ryssen und den hailmachenden Christum darein ze setzen understanden haben, alls dann sollen die ober- und undervogt jn den stetten, flecken und dorffern irer empter dises furstenthumbs Wirtemperg obgemeldter massen die bilder allso füglich hinweg thain und, wie oben angezögt, gentzlich abschaffen. Properiter; mendas ipse emendabis. Auffgericht zủ Blauwburen 7. octobris 1537. [Handschriftlicher Zusatz von Martin Bucer: Ecce mitto manum Ambrosij Blaureri.]

4 Anspielung auf die Adiaphora-Lehre.

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Editorische Hinweise Bearbeitungsvorlage Blarers Autograph in Martin Bucers Nachlass: Bern StA, A V 1452, Nr. 98. In leichter interpunktioneller und orthographischer Überarbeitung geboten von Rainer Henrich: Das württembergische Bilderdekret vom 7.  Oktober 1537  – ein unbekanntes Werk Ambrosius Blarers. In: Blätter für württembergische Kirchengeschichte. 97, 1997, S. 9–21; hier S. 16–21. LIT ADB, NDB, DB, HLS, zvdd, Wikipedia; Henrich (1997), Litz (2007), Moeller (1964).

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N° 70 Johannes Spreter Von Anrufen der Heiligen und Anbeten der Bilder [1537]

Johann Spreter (auch ‚Spretter‘; geb. vor 1590, † ca. 1590), stammt aus einer Patrizierfamilie der Stadt Rottweil. Nach Absolvieren der dortigen Lateinschule studierte er ab 1506 an der Universität Heidelberg. Seit 1520 arbeitete er als lutherischer Pfarrer in Trossingen. Ab 1526 in Zusammenarbeit mit Thomas Blarer und Johannes Zwick an der Reformation der Stadt Konstanz mit. Ab 1532 bis 1535 war er in Geislingen und in Württemberg als Reformator tätig. Spreter verfasste zahlreiche, gemäßigt polemische, Flugschriften, von welchen er 1543 etliche in seiner voluminösen, über 650 Quartseiten starken ‚Christenlich Instruction‘ zusammenfasste. Der Titel der Schrift, aus der wir wichtige Kapitel prasentieren, verrät schon, dass Spreter die Bilderfrage aus verschiedenen Aspekten angeht. Fundiert sieht er das Problem in der Heiligenverehrung und der durch sie begründeten Bilderverehrung, im Wallfahrtswesen und in Wundergläubigkeit. Argumentationsbasis ist für ihn zuerst natürlich die Bibel, sodann die Patristik und vor allem Augustinus und schließlich breite Kenntnis der antiken und gegenwärtigen Historiographie sowie der Kirchengeschichte. Seine Christusfrömmigkeit verbietet ihm, jedwede Mittlerleistung von Heiligen anzuerkennen. Diese seien ja nur Creaturen und könnten als solche nicht mehr wissen und vermitteln als Gott selbst, der sie ermächtige. Ihr Wille sei von Gottes Wille, ihr Heilswissen von Gottes Vorwissen abhängig. Das Anrufen von Creaturen selbst sei heidnisches Erbe, die Arbeitsteiligkeit der Heiligen sei von der Arbeitsteiligkeit des antiken Polytheismus übernommen; ebenso der auf Gebein und Textilien bezogene Reliquienkult. Die Bilderverehrung kritisiert Spreter vor allem mit alttestamentlichen Exempeln, und er weist die Gregorsformel zurück, denn Gott sei nicht in Artefakten zu fassen, vielmehr scheine er in dem lebendigen Bild jedes „nächsten Menschen“ auf. Bemerkenswert ist, dass Spreter die monarchistische Struktur, die dem Bibelchristentum traditionell eingeschrieben ist, zurückweist mit der Behauptung, Christus sei – anders als irdische Monarchen – keines Hofstaats bedürftig! Auch Wallfahrts- und Prozessionswesen seien heidnischen Ursprungs. Es sei unsinnig zu glauben, der omnipräsente Gott sei an bestimmten Orten näher und gnädiger als an anderen. „Miracul und Wunderzeichen“ wirke Gott gelegentlich, um schwachen, wunderbegierigen Menschen entgegenzukommen. Rechte Christen benötigten keine Wunder. Wenn es gelegentlich so scheine, dass sich in der Natur Wunder ereigneten, so nur http://doi.org.de/10.1515/9783110780031-011

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 N° 70 Johannes Spreter

deshalb, weil es sich um „seltzame und ungewöhnliche“ Phänomene handle. Es gebe auf Erden keine größeren Wunder als Auf- und Niedergang der Sonne und die Veränderung des Mondes. Insgesamt argumentiert Spreter vernunft- und geschichtsbezogen nüchtern.

Von Anrufen der Heiligen und Anbeten der Bilder N° 70 

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[A ijr]

Von anruffen der heiligen. Vil ist bißher von anruffen der heiligen disputiert, aber offt daran gefelt [gefehlt], diweil durch den bäpstlichen hauffen, one Gottes wort, darvon geredt und geschriben ist, Dann alle falsch, unnütz predicanten und lerer sind, so one Gottes wort das oder jhenes schreiben und leren. Der ist gewiß ein falscher Prophet, der uns von Gott, Christo Jesu fürt, und auff creaturn weist, säligkeit, trost und hülff zu erlangen bei jnen verspricht. Dieser fällt von dem schöpffer auff die geschöpff, von dem herrn auff den knecht, von der warheit auff die lügen. So doch der allein allmechtig ist, sein eer [Ehre], glori, gewalt und maiestet niemands gibt, er ist allein der helffer, Christus der weg, die warheit, durch jn [ihn] würt uns allein geholffen. Alle ding ston in seinem gewalt. alles von jm [ihm] gesterckt und geschaffen. Nemen all leben und athem von jm, darumb auch alle hülff, so bey creaturen, lebendig oder tod, hoch oder nider, und nit bey Gott gesủcht, ein lesterung und verachtung Gottes ist. Dann es geschriben stet, wir sollen Gott alleine dienen, jn allein anrůffen oder bitten, kein andern Gott und helffer erkennen. Verflůcht sind alle die, spricht Hieremias, so den namen des herrn nit anrůffen, außgerottet sollen alle die sein, die in creaturen jr hülff, und nit in Gott stellen, dann Menschen hülff ist kein nütz. Die aber, so den namen des herrn anrůffen, will er erretten. Wölcher den schöpffer haben will, můß der creaturn emberen [entbehren], allein an Gott benügig [genügsam] sein. Der mensch ist ye zủ vil geitzig, den an Gott nit benügt, was mag er an Gott begeren, das er nit an jm finde? was wir begern, das finden wir zů tausend mal an jm, wöllen wir liebe, trüw [Treue], trost, hilff, weißheit, [A ij verso] stercke, gegenwirtigkeit [Gegenwärtigkeit] etc. das ist alles überflüssig [i.S.v. im Überfluß] an jm, begeren wir reichtum, er ist der aller reichest, stercke, er ist der aller sterckst, gewalt, er ist der aller gewaltigest, und alles on [ohne] mangel an jm. Darumb treibend [treibt] all creaturn von euch, mit all jrem trost, dann sie mügen euch nichts gehelffen. Schowet [schaut] allein Gott an, mit vergessen aller creaturn, so habt jr recht contempliert, und ist das schauwenlich [beschauliche] leben anders nichts, dann an Gott hangen, mit abscheidung der creaturn und zeitlicher ding, auch von allen irdischen gedancken frey sein, Gottes allein gedencken, das alles *Augustinus de civitate dei liber 10. capitel 4. haben will. Daher alles anrủffen der creaturn etc. vor Gott ein greüel ist, dieweil jm an seiner eer entzogen, und unser gebett unnützlich volbracht und volendet würt [wird]. Dann wo die heiligen für uns bitten, so tragen sie auch unsern mangel, hertzlich mitleiden, forcht, pein und verlangen in unser not, das aber ein mangel der seligkeit ist, darumb sie nit gantz selig weren, dieweil seligkeit ein leben on truren [Trauern] ist, und die forcht pein trägt. Ligt jn dann unser not von hertzen

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nit an, so mögen sie für uns nit bitten, dann Gott on das hertz niemand erhören will. Sag an du Sophist1, wissend die heilgen unser gebett oder nit? wo her das? aus Gott, sehen es im angesicht, wort und spiegel Gotts, darvon *Augusti.[nus]. de civi. dei, lib. 11 ca. 29. Item de spiritu et anima, ca. 29. Item de genesi ad litteram, lib. 4. ca. 24. etc. besehen magst. Notwendig můß nun Gott unser gebet vor den heiligen wissen, darumb auch hin fält, das die Engel oder heiligen unser gebett Gott nit fürtragen oder auffopffern, Obwol da eingezogen, das der engel zů Tobia sagt, ich hab dein gebett Gott fürtragen etc. mag nit mehr bestreiten, dann meister Peter, der schůlmeister2 selbs bekent, 4. sent. dis. 45. darvon du nit [A iijr] appelliern magst, Der auch entlich haben will, das die heiligen unser gebet nit opffern, dieweil er sonst alle ding vor weist, Sonder daß sie Gott wöllen darin erkennen, rats pflegen, was Gott da handeln, durch sie erstattet werd, wie der Engel mit Tobias erfült, als *Augusti.[nus] de orando deu., de trinitate lib. 15. ca. 13. etc. beschreibt. Dieweil nun unser gebet allein im angesicht Gotts von den außerwölten gesehen würt, sehen sie auch den willen Gotts, ob er uns helffen wöl oder nit, Will er uns helffen, so bedörffen wir jrer fürbit nichts, dann also jr fürbit vergebens ist, dieweil uns sonst, one sie, geholffen würt, Will aber Gott uns nit helffen, so mögen die heiligen für uns nit bitten, dann yr die seligen wider Gottes willen nichts vermögen noch wöllen, sie weren sonst nit selich noch kinder Gotts, und wölten Gott abbitten3, das nit seins willens wer, wölches unmüglich ist, dieweil die creatur wider Gottes macht nit krefftig ist, So ist auch der heilgen will, allweg Gottes willen gehorsam und eingeleibt. Aller trost und hülff, so nit allein bei Gott gesůcht, vergebens ist, wo der herr nit das haus bewart, arbeiten wir umbsonst, alles ist kein nutz, wo es nit in gottes willen angefangen und volendet würt. Was mag vil von anrůffen der heilgen disputiert und erobert sein, so doch all creaturn im himel und auff erd nichts vermögen one Gott, und was sie thund alles auß Gott beschicht [geschieht], sie auch nichts vermögen, Gott wölle dann solichs vorhin haben, dann Gott wirckt in uns das wöllen und das thůn, So ist ye jr begern (ja wo sie etwas begerten) allein das Gott vorhin haben will. Darumb von den creaturn, engeln, heiligen etc. begern, ein vergebens und unnütz ding ist. Ein warer

1 Hier in der Bedeutung ‚spitzfindiger Mensch‘. 2 „Peter der schulmeister“ ist der Pariser Bischof Petrus Lombardus (1095–1160), der unter dem Titel ‚Sententiae in quatuor libris distinctae‘ (→ Migne PL 192, 521–962) eine systematisierende Sammlung von Sprüchen der Kirchenväter zusammenstellte, die kanonische Bedeutung erlangte. 3 „Gott abbitten“ hier i.S.v. ‚von Gott etwas erbitten‘.

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gefangner mensch ist der, so sich mit liebe der creaturn, sie seind lebend oder tod, mer dann auff das, so Gott ist, vertröst. [A iijv] Weiter repliciert der obgemelt Sophist und spricht, die liebe hat die heilgen uff erd beredt, für uns zu bitten, nun nimpt die liebe bei den heilgen ab, daher bitten sie für uns etc. Antwort, Die liebe der heilgen hie und dort ist nit eins, dann der glaub modlet sie mit Gott, der dann zůmal das nit haben will. Delbora prophetissa4 also sprach, der mensch so er lebt, mag er für sich und seine kinder bitten, aber nach dem tod nit, als **Philon in antiqua bibliarum schreibt,5 Die todten spricht *Josephus li. 7. ca. 16. antiqui.6 wissend nit auß eigner krafft was wir hie auff erden thůnd. Esaias also spricht, Gott du bist unser vatter, dann Abraham weißt nichts von uns, und Israel erkent uns nit, du bist unser erlöser, das ist dein nam von alters her. Wann der mensch von hinnen abscheidt, sagt *Cyprianus contra Demetrianum, hat er nit mer zeit, stat und krafft jme oder andern zů helffen. Der gleich vil mer kindtlicher argumenta füren hie die bäpstler ein, anrůffen der heilgen zů bestreiten, die zu verantworten [i.S.v. beantworten] nit wirde hond7, mer [mehr] ein geschwetz, dann leer [Lehre] und besserung ist, darumb ich die zu schreiben, diser zeit, underlassen will. Weiter ist probiert [i.S.v. erprobt, bewiesen], daß alle die betrogen, so vermeinen dem heilgen den, dem andern jhenen gebresten und kranckheit zů heilen von Gott gegeben, als dann die heilgen in vil weiß und weg angerůfft und gebetten worden, da wir weit und nach [i.S.v. noch] weiter über die Heiden, Türcken, Juden, betrogen sind. Die Juden etc. haben keinem abgestorbnen je vertrawt, noch etwas von jm gebetten, ja wo sie in jrem glauben bliben sind, allein uff Gott verharret, jme vertrawt, allein an jm gehangen, haben nit gesagt, Abraham, Isaac, Jacob, Sonder der Gott Abraham, Isaac etc. kum uns zů hilff. Die heiden můß ich loben über uns, diweil sie kein verheis-[A ivr]sung noch geschrifft von dem waren Gott gehabt, allein uß unwissenheit die creaturn an Gottes statt angerůfft, hülff und trost bei jn gesůcht, aber des waren Gotts unbekant, den sie auch, one Gottes wort, nit mögen erkennen. Was grosser arbeit die heiden

4 Debora ist im AT (Ri 4, 1–14) die einzige Frau, der der vornehme Titel ‚Prophetin‘ zugestanden wird. Sie ist zugleich Richterin und Lehrerin. 5 Der Liber antiquitatum biblicarum (ursprünglich in jüdischer Sprache im Zeitraum von etwa 100 vor bis 150 nach Christi Geburt entstanden), dessen Verfasserschaft in Mittelalter und Früher Neuzeit fälschlich Philon von Alexandria zugeschrieben wurde, bietet eine AT-Paraphrase für den Zeitraum von Adam bis zum Tode Sauls. 6 Gemeint ist die Schrift des jüdischen Historikers Flavius *Josephus ‚De antiquitate Judaeorum‘ (Geschichte des Jüdischen Krieges) 7 „nicht Würde haben“ i.S.v. ‚nicht würdig sind‘.

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Gott recht zů erkennen gehabt, ist bei den heidischen meistern, besonder Socrate, *Platone, *Aristotele etc. hoch ersůcht, und ist jn Gott zů erkennen nichts, dann das reine Gottes wort gemanglet, wir aber in gleichen abfal kummen, und doch Gottes wort reichlich von Gott geben und beschriben han. Wie nachmals die Juden, Heiden, Türcken etc. in abfal kommen [in Abfall gekommen i.S.v. abgefallen sind], und das rein wort Gottes verlorn, sich uff creaturn, als götter verwendt [gewendet], haben wir von heiden und Christen gnůg erzelt, als *Cicerone de divinationibus li. 2. Julio *C[a]esare de bello judaico lib. 6.8 Joanne **Annio, *Beroso, *Plutarcho, *Diodoro Siculo, **Boccatio, *Eusebio li. 2. ca. 13. tri. hist. [i.  e. tripartita historia, *Historia Tripartita] li. 6. ca. 30.9 Jtem *Augustino, *Ambrosio, *Athanasio, *Lactantio, *Tertulliano, Cipriano [*Cyprianus], *Justino martyre, *Sabellico Eneade. lib. 1. lib. 4. Enea. 2. etc. Wir aber, so war geschrifft [die wahre Schrift], und die gleisten [geleisteten] verheissung Jesum Christum volkomen mit aller barmhertzigkeit vor augen haben, an der uns nichts manglet, tretten von Christo, als dem rechten, waren und einigen mitler zwischen Gott und uns ab, vertrösten uns auff geschöpff, creatur, bei der kein hoffnung ist noch wirt. Wie nun die heiden in jr unwissenheit, also wir in unser blindtheit die creaturen und abgestorbnen verert und angerůfft haben. Die glerten [gelehrten] heiden, als *Lactantius de falsa religione li.1. ca. 15. und *Quintilianus li. 3. ca. 9. geschriben, haben in jren schůlen Minervam, wir Katharinam angerůfft, die iuristen Palladem, unsere Ivonem, die artzet Esculapium, wir Cosmam und Damianum, die schifleut Neptunum, Castorem und [A ivv] Pollucem, wir Nicolaum und Christophorum, die jeger [Jäger] Dianam, wir Eustachium, die schmid [Schmiede] Vulcanum Ciclopes, wir Eulogium, die bawleüt Cererem, wir Annam, die weinleüt Bachum, wir Urbanum, die wettersegner Jovem und Junonem, wir Scholasticam und Theodolum, die kriegßleüt Martem, wir Georgium, auch für das vich [Vieh] Pan und Apollinem, wir Pelagium. Es haben auch die hůren jr eigen abgötterey, Namlich Venerem, unsere Afram und Magdalenam etc. Zů Rom, darvon *Augusti.[nus] de civi. dei lib. 3. ca. 12. li. 4. ca. 10.16. etc. Item *Athanasius lib. 1. contra gentiles etc. richten die heiden ein gemein abgott aller götter uff, darnach jedem land, so jnen underworffen, ein besundern abgott dagestelt, daß auch bei den Egyptiern gebraucht, wie *Herodotus lib. 2. spricht. Also wir, die wöllen Christen sein, eim yeden land ein sondern heiligen, oder abgott, fürgesetzt. Heüt haben die Römer Petrum, Hispanier Jacobum, Venediger Marcum, Meylender Ambrosium, Frantzosen Michaelem, wir Teutschen Mariam, vor zeitten Mer-

8 Es ist unklar, was Spreter hier meint. Caesar hat keine Schrift dieses Titels verfasst. 9 Die *Historia Tripartita ist ein historisches Sammelwerk, dessen Hauptcompilator *Cassiodor (ca. 485–ca. 580) war.

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curium, die Schwaben Isidem gehabt, als Cornelius *Tacitus de moribus Germani[a] e schreibt. Ja ein yedes land, bistumb, statt, dorff ein eigen heilgen, zům abgott (solt sprechen) patronen auffgericht, und sovil stett [Städte], sovil gött, als Hieremias spricht. Entlich ists leider dahin kommen, das die außerwölten heilgen kaufleut, artzt, schifleüt, tantzmeister, kriegsleüt, thurnhüter [Turmwächter], hebammen, teufelbeschwerer [Teufelsbeschwörer], cloacenhüter, gaugler [Gaukler] etc. worden seind. Als ob Gott iedem heilgen sondern bevelch [Befehl], dise empter aufzurichten geben hab, das götlicher maiestet zůwider ist, der sein ampt, gwalt und eer niemandts gibt, und kein mithelffer noch knecht gedulden mag, dann die werck Gotts sind von anfang in allen dingen underschiden, spricht [A ivv] der Weiß [Weise], auch seiner werck teil hat er außgeteilt, darumb er weiter keins teilens mer bedarff. Etlich ziehen auch für die pestillentz Sebastianum, ander für Venediger surren [venetianische Krankheit: Syphilis] sant Job [Hiob] und Viaxen [Viacus] zů helffer an, für den vallendn siechtag Valentinum, kaltwe Petronellam, gesůcht Wolffgangum, gehen [jähen] tod Marcum und Barbaram, für den tantz Vitum, zenn [Zähne] Apolloniam, aug Othiliam, bauch Erasmum, hend und füß Anthonium, der auch ein cloacenhüter sein můß, als ich selbs in wüsten winckeln gemalt mit brinenden fackeln gesehen hab, damit die kind den rauch förchten, und der winckel suber [sauber] bleib, hals Blasium, schultern und rucken Laurentium, schenckel Burckhardum, scham Apollinarem, für gifft Joannem und Benedictum, für schandt und laster Susannam, für den teüfel Romanum und Bernhardum. So hüt [hütet, i.S.v. ‚wacht über‘] Gallus der hennen, Anthonius der schwein und cloacen, Wendelinus der schaf, Pelagius der rinder, Gertrudis und Ulricus fahen [fangen] ratzen [Ratten] und müß [Mäuse], Margretha empfacht [empfängt] die kind, Leonhardus erlößt die gefangnen, und dergleich erdachte empter tragen sie, alles wider Gottes eer, dann also werden die heiligen allein umb eigensnutz, nit Gottes lob gesůcht und verwallet [i.S.v. durch Wallfahrt verehrt]. Die thorechten menschen haben auch der frommen abgestorbnen nit verschont, sonder zů allen handtwercken gezogen, sträl [Kämme], birsten [Bürsten], hefen [Schüsseln] etc. leeren machen [zu machen gelehrt], die schmid Eulogium, schuchmacher Crispinum, schneider Gůtmannum, hafner Goar, metzger Adauctum etc. Nit allein die heiligen, sonder auch jre kleider, wonung, ross, gräber, waffen etc. umb hülff angerůfft, und in unordenlicher vererung gehabt, als den rock Christi, gürtel, har und stüchen [i.S.v. Strähne] Marie, Hosen Joseph, schůch [Schuhe] Thome, stifel Martini, schwert Georgii, sträl Verone etc. Auch jr gebein, das alles in zweiffel, wes kleidung oder gebein gewesen sein, ja [Bv] wir haben offt für ein heiligen, der in abgrundt der hell begraben ist, verert und angerůfft, also in zweiffel bleibendt und geirrt.

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Grosser zanck von dem gebein Joannis baptiste, als *tripartita histo. lib.  6. ca. 15. item Constantini, ibidem lib. 5. ca. 31. erwachsen. Nachmals über dem gebein sant Jacobs und Marci vorhanden ist, da iedes land den rechten leib haben will, so gwiss sind wir hie unserer religion etc. Würt also Gott in seinen heilgen verschetzt [i.S.v. falsch eingeschätzt], als ob er ein grempler [i.S.v. Krempelhändler, Trödler], kriegßman, hebamm, tantzmeister und apotecker sey, das scheutzlich [scheusslich] von Gott zu gedencken. Dann kein heilge creatur anders begert noch haben will, dann Gottes eer und lob, wo aber ein creatur anders, als eigen werck, eer, rach, straff etc. seines nechsten, der jn nit anrůfft, begert, wie dann falschlich auff sie getrochen [i.S.v. gelogen], die mag nit heilig sein, dann wölcher rach begert, würt rach finden, dieweil Gott jm [i.S.v. sich] selb den rach zů straff dem bösen vorbehalten hat, der auch eigen eer begert ist scheltens werd. Auß disem clar am tag, das Gott allein durch Christum und kein heiligen angerůfft und gebetten werden sol, der auch allein helffen mag und will, auch den, so jn allein anrůffen, unbekante, grosse ding und werck berichten und zů wissen thůn, versprochen hat. Wölcher den namen des Herren anrůfft, sol sälig werden.

Von walfarten. Hiemit schmeltzen all walfarten hin, dann Gott an kein stat, zeit, zil, creatur etc. gebunden, an allen orten ist er anzubetten, von allen orten der erden ist ein gleicher zůgang zů Gott im geist und warheit. Zů Gott ist nit zů kommen mit hend und füssen, sonder mit geist und hertzen, darumb keiner [B ijr] walfart zů warten ist. Was auß walfarten erwachsen, da auß frommen töchteren und eeweibern hůren worden seind, ist in Hosea wol erzelt, wo sie sonst nit zusamen, hat der teüfel gethon, das sie in walfarten zusamen kommen sind. Laß dein weib und kind daheim, so bistu des vertragen [i.S.v. geschützt]. *Lactantius, de erroris origine lib. 2. ca. 2. fragt, und spricht, Sag an kindischer Christ, wo sind die heiligen? Sind sie bei Gott im himel? ja, was sůchst sie dann auff erden? sůchst also ein heiligen an vil und mengen orten, so doch nur an einem gesein mag, dann die seel, so heilig oder unheilig, untödlich ist. Idem de falsa sapientia libro 3. ca. 13. et de officio dei ca. 17. *Aristoteles secundo de anima. So ist die seel auch unteilich [unteilbar] und on [ohne] materi, was nun unteilich, unsichtbarlich und on materi ist, das bleibt und ist ewig, spricht Paulus mit *Ambrosio lib. 5. episto. 22. Auß disem gnůg bezeügt, wo du ein abgestorbnen heilgen anders dann im himel sůchst, das du darinn betrogen, und allein stein und holtz bekriegst, mit abgötterey besudlet bist.

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Der yetz walfartet, sůcht ein wirt da keiner ist, begert von dem abwesenden, unbekanten trost und hülff, ja von dem, der unß nit hören mag, dann allein, als vil jm Gott in seinem spiegel10 zů sehen gnediglich vergündt und gestattet. Daher die walfarten vor Gott nit bestond [bestehen i.S.v. keinen Bestand haben], dieweil der waller oder bilger die stat, zeit, zil, creatur etc. sünderet und sůcht, vermeinende Gott an einem ort genediger dann am anderen sein. Jtem das Gott nit an allen orten anzubetten sey, wider Christum dieweil sie von eim ort an das ander lauffen. Wann nun der waller nit glaubt, Gott gleich an vilen ortten anzubetten, will zů Gott, seinen heyligen, mit hend und füssen kommen, Auch an statt, zyl, zeyt, [Bijv] creatur etc. gebunden sein, glaubt er Christo nit, und ist dem Juden, Türcken, Heiden erger, volgt auch disem ungläubigen on alles mittel, das er den götzen, holtz, stein etc. nachlaufft, hülff, trost und gnad bei den götzen sůcht, das dann ein werck des teüfels ist. *Augustinus super Joannem ca. 6. tract. 62. Jtem de doctrina Christiana lib. 1. sagt, zů Gott und Christo wandlen wir mit leib. hend und füssen nit, allein mit willen des glaubens komen wir zů jm. Dann zů dem, so an allen orten gegenwertig ist, werden wir der stat [i.S.v. auf diese Weise] nit bewegt, allein mit glauben, gůtten sitten, und stetem fleiss sind wir bei jm. Zů dem spricht der Herr, jr solt frembde göttern nit nachziehen, sie zu eeren und anzubetten. Jsts sach das einer ůnder euch frembden göttern dienen würt, und jn nachlauffen, es sei weit oder nach [nah], von eim end der erden biß an das ander, Sol des tods sterben, wie Ahas gethon, darumb er gestorben ist. Schemet euch, spricht *Cyprianus contra Demetrianum, schirm und hülff von den zů hoffen, welche jr beschützen müßt, die Jebusiter11 stalten [stellten] vertrülich [vertrauensvoll] jre götzen wider David uff die mur, die statt zu beschirmen, darumb sie all der tod angriff.

Gott wöllen trutzen. Eeret jr die götzen, spricht der Herr, so trutzet jhr mich mit eüwer hend werck, das ich euch nit übersehen [i.S.v. verzeihen] wurd, wiewol jr mich nit, sonder euch trutzen [trotzt] und verderben [verderbt], Esaie 32. Hieremie 7. 8. 23. 32. 44. Psal. 16. Gala. 6. etc.

10 Anspielung auf 1. Cor 13, 12: Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise, dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin. 11 Kanaanitischer Volksstamm.

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Von bildern und götzen. Streng wirt der Herr zů den greiffen, die bei Gott nit blaiben, und andern bildern, götzen oder abgöttern nachlauf-[Biijr]fen, die nichts dann stein und holtze sind, nit athem noch leben hand, von den Esaias also redt, Alle götzenmacher sind eitel, jre geschmuck sind kein nütz, sie selbs geben jnen kundtschafft, das sie weder sehen noch verstond, auch nit götter sind. Geschendt [geschändet] sollen alle die werden, die bildnussen anbetten, spricht der Prophet, und glorieren [i.S.v. sich rühmen] in jren götzen. Joas der vatter Gedeonis zů den Juden sprach, die zů der straff Gedeonis eileten, dieweil er den abgott und altar zerbrochen hat, Jst Baal gott? so laßt jn selbs rechen, laßt sehen was kan er? Der gleich ein jüngling brach die götzen seines vatters ab, das Gott wol gefiel, *tripartita historia li. 6. ca. 33. Zwar die götzen mögen nichts helffen, auch den nit, so sie auffs höchst vereren, noch sich selbs beschützen, ja wann sie nit von den, so sie für gött halten, beschützt wurden, möchten sie nienart [niemals] beston. Sihe, spricht *Lactantius de erroris origine lib.2. ca.2. Jdem *Seneca in morali. *Tertulianus contra gentiles, *Cyprianus de vanitate ydolorum tractatu 4. et de exhortatione martyrica 1. *Athanasius contra gentiles libro primo etc. Was eeren wir an dem krafftlosen götzenholtz, wann sie in feurs not sind, lauffen mit zů, wie Panthus der priester Apollinis zů Troia in tempel eilet, die götzen von dem feur zů retten, Als *Augustinus de civitate dei li. 1. ca. 31. *Vergilius. 21. Eneidos. Was beschach Metello dem burger zů Rom, do der tempel der göttin Veste [Vesta] bran [brannte], bald er in tempel, den götzen zů retten, eilet, verbran jm ein arm vom leib, so wol hatte sie jm geholffen, als **Livius und *Plinius natura histo. li. 7. ca. 43. Jtem *Sabellicus Enea 2. lib. 3. *tripartita historia lib. 6. ca. 31. etc. geschriben han. Alle so götzen bilder eeren, spricht Baruch [vgl. N° 99], werden selbs geschendt, Wer ists der ein gott gemacht und gegossen hat, das zů nichten nutz ist, Nim war, alle so daran hangen, werden zů schanden, dann jre werckmeister sind von den henden. [Biijv] Hie, der schmid nimpt das schroteisen darzů, macht den götzen in der glůt, formiert jn mit hemmern, der zimmerman schlecht die richtschnůr an, entwirft jn mit dem rötelstein, macht jn mit dem holeisen, richtscheidt und circul auß, eim mann und schönen menschen gleich, nimpt jm [i.S.v. sich] ein aichenholtz, zerspänet das in wenig teil, das ein nimpt er, macht ein götzen darauß, den bettet er12 an, fällt vor jm nider auff die knüe, wirfft jn auff für ein Gott, malet und ferbet jn mit roter farb, verklebt was unsaubers dran ist, macht jm ein fügliche wonung, stelts uff den altar oder wand, heffts mit eisen an, das es nit herabfall, dann er jm [i.S.v. sich] selbs nit helffen kan, můß von andern hülff haben. Wie ist aber das so ein wunderbarlicher gott?

12 In Vorlage „ehr“.

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Das ander teil nimpt der zimmerman, verbrents mit feur, brat das ass [Aas i.S.v. Fleisch] darbei, und wermet sich darvon sprechende, neu, neu [nun, nun], ich bin erwarmet, ich hab den ofen gesehen etc. Auß eim macht er ein Gott, gegen dem er sich neyge und anbette, auch flehet jm und sagt, errette mich, dann du bist mein Gott, das ander teil bleibt holtz, mit feür zů verbrennen, mutzet [motzt i.S.v. putzt] jn hoflich und zierlich auff, henckt jm gold und silber an, umbstellet jn mit krucken, ketten, eisin henden, gedörten schenckelen, wechsnen nasen, oder andern thieren und glidern, gleich als ob der götz, in dem kein leben ist, dise kranckheiten all geheilet hab etc. Bewart euch vor disem betrug, und unnützen costen wol, dann das alles ein greuel vor dem Herrn ist. Mutzet und zieret die armen lebendigen heiligen und bilder Gotts [d.  h. die lebenden Mitmenschen], wie Laurentius gethon. Auch der bapst begert, 12. q. 2. ca. gloria, Truckt nit die lebendigen und henckts den todten götzen an, das dann die pfaffen, spricht Baruch, weiter legen an jren bruch13, ja sie geben von dem selbigen den hůrn, und zierend jre dirnen mit, darnach nemend sie es den hůren wider, und zierend jre göt darmit. [Bivr] Hie besich den citierten text, würstu des betrugs wol gewar. Was grosser büberei die pfaffen mit den götzen getriben, die weiber in der gestalt der gött geschwecht etc. haben wir bey *Rufino lib. 11. ca. 25. 26. *tripartita historia lib. 2. ca. 19. lib. 6. ca. 36. lib. 9. ca. 27. 28. lib. 14. ca. 8. 33. *Josepho lib. 18. ca. 7. antiquita. Daniele ca. 14. etc. der gleich on zal beschriben. Gantz kindtlich haben wir, wie auch die Heiden, an auffrichten der bilder und götzen gefelt. Zů Athen richten sie ein saul Socrati zů eer nach seinem tode auff, der aber im leben von andern götzen sprach, was ist das für ein Gott, der jm [i.S.v. sich] selbs nit helffen kan, als **Laertius in vita Socratis libro ij. sagt. Wie die abgötterei Osiridis auffgericht, ist in *Diodoro Siculo lib. 1. und die saul Cornelio zů Rom dargestelt, in *Sabellico Enea 6. lib. 1. etc. beschriben, darauß abgötterei erwachsen ist. Die Romer Horatio Cocles, und der jungfrawen Chlelia richten zů eeren bildnussen auff, alles ursach der abgötterei gewesen ist, wie **Livius deca. 1. lib. 2. schreibt. *Boccatius in genealogia deorum li.  2. also *Fulgentius li.  1. etc. gesprochen, das die alten philosophi des waren Gotts unbekant [i.S.v. in Unkenntnis des], streng gearbeitet haben [i.S.v. bemüht waren], den waren Gott zů sůchen, aber durch natur nit dahin kommen, zum teil vermeint, das humiditas, füchtigkeit [Feuchtigkeit] were ursach aller ding, richten der füchtigkeit ein bildnuß uff, ward demogorgon genant. Also der Elementenkrieg, genant litigium, darvon Philosophus 1. phisicorum, ein gleich saul oder bildnuß auff für ein Gott anzubetten, als ob dise, und der gleich, mer ursach aller creaturen oder götter wern, darauß vil abgötterei erstanden ist.

13 In etwa: „Die Pfaffen nehmen davon“ Vulgata: ‚sacerdotes erogant illud in semetipsos‘.

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Herodes richt bilder auff, abgötterey zů pflantzen, das ein auffrůr under den Juden gab, *Josephus li. 15. ca. 10. li. 18. ca. 11. anti. etc. Wie Ninus Belison, künig in Babylon, die ersten saul oder bildnuß auffgericht, welcher Belus ein son Memroth, von andern Hercules genent, haben wir bey Joanne [Bivv] Annioli. 13. Jtem Petro *Camestore [Comestore] in genesim ca. 40. klar erzelt, zů dem alle übeltheter geflohen, da frid und gnad erlangt. Sölcher auffgerichten bildnussen, von den hernach abgöttereyen bei den Heiden und uns erwachsen, finden wir on zal bei *Plutarcho, Laertio *Diogene, *Fulgentio lib. 1 de ydolo, **Nauclero Vol. 1. Gene. 19. 24. etc. beschriben. Was grosser abgötterey auß den bildnussen der guldenen kälber, so Hieroboam uffgericht, erwachsen, ist im bůch der Künig gnůg erzelt. Nit minder under uns zwitracht, so wöllen Christen sein, dann vor altem under den Heiden gewesen ist, wie etlich die bilder auffgericht, also haben sie ander abgethon. Socrates, Pythagoras, *Plato und all ware [alle wahren] Philosophi haben götzen allzeit verfolgt und abgethon, dabei vil der götzen, auch bei den Heiden nidergefelt, der götz Mercurii zů Athen umbgestürtzt, *Plutarchus in vita Alcibiadis, und der gleich on zal, wie auch die Christen die bilder, götzen abgehawen, nider geworffen, voraus in Alexandria, do Serapis den abgott Jupiter mit einem beihel [Beil] zerhawen und verbrant, hat *Rufinus lib. 11. ca. 23. 24. etc. beschriben. Also bei uns die alten Christen, so Gottes wort glaubt, alle bildnussen abgethon, als Serenus, de conse. dis. 3. ca. per latum, Jtem Leo papa primus, Philippus imperator die götzen verworffen hand, wie **Nauclerus Vol. 2. gent. 15. beschreibt etc. Diser jrrtumb14 ist nit minder under den Juden geweßt, der etlich bilder uffgericht, als Hieroboam, Jtem Ahab, und der vil mer. Wie nun die ungläubigen auffgericht, also die fromen abgethon, Assa thet die kelber ab, von Hieroboam auffgericht, das Gott wol gefiel. Jtem Josias alle bilder, götzen gantz außgefegt, der handlung one zal im bůch der künig und Chronica geschriben ist. [Cr] Wie nun etlich frumm Christen die götzen abgethon, also ander wider uffgericht, Adrianus der weltlich kunstloß bapst, der sich mer auff reiterey, dann gschrifft verstund, gebot in concilio Nicee gehalten, die götzenbilder uffzurichten, *Sabellicus Enea. 8. lib. 8. de consecra. dis. 3. ca. perlatum, ca venerabiles etc. In disen Canonibus finden wir, wie auch die bäpst die götzen abgethon, ander wider auffgericht und zů eeren gebotten, dann die seien der Leyen geschrift15, Wie blintlich Adrianus hie gehandlet, hör was sagt der Weis [der Weise, d.  i. der ‚Sapientia‘Autor] darzů, Verflůcht sei das hültzen bild, verflůcht sei auch der es macht, und zů eeren gebeüt, es sol das bild, und der es macht, mit einander verderben, dann sie

14 In Vorlage „irrtung“. 15 Gregorsformel.

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sind geschöpffe16 Gotts, die Gott zů trutz gemacht, zů letzung [Verletzung] der menschen auffgericht, und zů einem strick und fallen für die füß der torechten gestellt sind, dann der anfang alles hůrens, das ist, abtretten von Gott, ist auß erfindung der bilder, und jr erfindung ist ein verderbnuß des lebens, dann sie sind von anfang nit gewesen, sollen auch nimmermer sein etc. [Sap XIV, 12] Nichts thůt zů der bilder eer, das sie solten der leyen geschrift sein,17 ja wo dich recht betrachtst, das argument dir thorlich und schedlich ist, dann dir gebürt on dein gůtbeduncken, Gottes wort gehorsam und gewertig sein, thůn was er dich heist, der dir all ergerlich bildnus und götzen verbeüt, darby laß du [erg.: es] bleiben, wiltu Gottes diener sein, gedenck darbei auch, das schlechten glauben und liebe bei dir hast, wo du Gottes und seiner heilgen, anders nit, dann in jrer gegenwirtigkeit gedenckst, gedenck Gottes von hertzen und gemüt18, nit durch holtz, stein, creatur etc. wo du Gottes diener wilt sein. Wo du aber je ein obiectum, gegenbild, haben wilt, stell dir die bildnuß Gottes für, die du in dem nechsten menschen findst oder andern creaturn, laß die bleiben wie sie Gott er-[Cv] schaffen hat, findstu bildnussen gnüglich [genüglich i.S.v. zur Genüge], bald [sobald] aber du die in ein ander form verkörst [verkehrst], ists nit mer Gottes, sonder menschenwerck, machst auß eim baum ein menschengestalt, das nit mer Gottes, sonder der menschen werck ist, als *Athanasius contra gentiles lib. 1. sagt. Ob gleich erfochten [i.S.v. erwiesen], das götzenbilder etc. abzůthůn und nit zů gedulden sind, das umb der eer, so jn beweist, die allein Gott dem herrn zimpt [ziemt], noch dann vil dar wider stond, murmlende, Das sie nit die götzenbilder etc. sonder allein jr bedeüttung anbetten und vereren etc. Das aber nichts fechten [verfechten] mag, dann also auch die Juden gethon, die nit das kalb sonder Gott in gestalt des kalbs anzubetten verwenet [verwähnt i.S.v. gewähnt] hond, noch [dennoch] strafft sie Gott. Was entlich die bilder für götter, und wie die anzůbetten seien, mag ein yeder Christ auß disen geschriften wol verston, und woher sie ursprung und anfang han, wie auch Gott die wallerbild [Wallfahrerbilder] und deren anbetter straffen werd, als das gröst laster, würt dem, so gestrafft wol bekant, Exodi 20. 23.24. Leviti. 19. 25. Nume. 25. 33. Deut. 4.5.7. Da spricht der Herr, die bilder jrer götzen solt mit feur verbrennen, und solt nit begern das gold, silber, edelgestein das dran ist, das du dich nit dran versündigest. Jtem ca. 9.12.17.27. spricht Gott weiter, Verflůcht sind die hend, so die götzen machen, des tods sollen die sterben, so den götzen nachlauffen, etc. Jtem Judicium 2.6.10.17.18. etc. 1. Regum 5.7. 3. Reg. 11.12.14.18. Gott hat die abgöttischen

16 In Vorlage „geschöpffte“. 17 Zurückweisung der Gregorsformel. 18 In Vorlage „gmüt“.

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pfaffen durch Heliam erwürgt, 4. Regum 10.11.22.23. 2.Para. 14.25.31. spricht der text, sie machen sich auff, und thetten ab die altar die zů Hierusalem waren, und alle reuchwerck wurffen sie in bach, 33.34.Psal. 97.115.135. Esaie 1.2.19.31.40.42.44.45.46. Hiere. 2.7.8.10.13.25.51. Ezechielis 6.11.20.30. Danielis. 14. Hosee. 8.13. Amos. 5. Michee. 2.5. Abacu. 2. Acto. 15. 1. Cor. 5. Gala. 5. 1.Thessa. 2. 1. Petri. 4. 2. Joan. 5. [Cijr] Was art der götzen, und wie zů jn zů wallen sey, ist gnůg erzelt, das Gott nit von uns haben will, dann die dem glauben und liebe widerstond, dieweil zeit und gůt unnutzlich verzeren, Dardurch weib und kind unernert [unernährt] und waisen [erg. werden] lond [lassen], das Paulus straft [i.S.v. rügt], der also sagt, So jemand die seinen sonderlich haußgenossen nit versorgt, der hat den glauben verleügnet, und ist erger dann ein ungäubiger, Prover. 27. 1.Timo.5. Gala.6. Roma. 13. 2.Cor.12. 2.Joan.1. Jtem des.30.ca. si quis reliquerit etc.

Von rechtem wallen. Recht walfarten lert uns Paulus und spricht, wir sind aber getrost allezeit und wissen, dieweil wir daheim sind in dem leibe, so wallen wir im abwesen, von dem Herrn. Dann wir wandelen im glauben, und sehen jn nit, wir sind aber getrost, und haben vil mer lust ausser dem leib zů wallen und daheim zů sein bei dem Herrn, darumb fleissigen wir uns auch, wir seien daheim, oder wallen, das wir jm wolgefallen, im geist und glauben etc. Gruntlich ist zu verston, das wir uns, wo wir Gott gefallen, aller creaturen, lebendig oder tod, hoch oder nider, Engel, heiligen, götzen etc. des fürbits halb, entschlahen [entschlagen] soln, Gott will uns anders nit, dann durch Christum erhören und sälig machen. Darumb ist das wallen und creützen [Kreuztragen], so nit in Gott beschicht [geschieht], ein gr[e]üel vor dem Herrn, Als so man von eim ort an das ander lauft und gat [geht], ein hültze [hölzernes] oder silbere creütz auch vil der götzen vorhin trägt, mit ungegrüntem gesang der letanien [Litaneien] hin nahe volgt, dann darinn mer eigner nutz, lob und anrůffen der creaturen, wann Gottes glori, lob und eer volzogen wirt. [Cijv]

Von eer der heiligen. Darbey wöllen wir der heilgen eer unverletzt noch gemindert han, sonder hoch preisen und loben, das sie bey leben und tod Gott durch den glauben erkent, allein Gott das lob, hülff und gwalt zůgestellt, nit jnen selbs, Wo sie aber die eer und gewalt jn [i.S.v. sich] selbs zůgegeben [i.S.v. zugesprochen], nemen sie Gott und Christo sein eer,

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und weren sie nit heilig. Da Petrus und Joannes sahen, das sie das volck, auch Cornelius, anbetten wolt, Nit also sprachen sie, wir sind auch menschen, der Gott Abraam wircket das in uns, nit wir, Hie ließ jm [i.S.v. sich] Petrus die füss nit küssen, sonder widert [i.S.v. widersetzte] sich alles prachts und göttlicher eer, Es haben auch Paulus und Barnabas jre kleider zerrissen, do sie sahen, das das volck götter auß jnen machen, und die kraft Gotts jn zůlegen wolt, Also auch der Engel zů Joanne sprach, Ich bin ein mitknecht mit dir, bette Gott an, nit mich etc. Sihe wie heiter sehen wir, das die heilgen der vererung auff erden, noch im fleisch nit wöllen, vil minder im himel, da alle begird erloschen ist, weisend alles auff Gott und Christum Jesum unsern herrn. Wir finden in keiner legend, das ye ein heilig in seinen nöten und sterben, den andern angerůfft hab, allein auff Gott und Christo gehofft, darumb wir auch billich zůfriden sind. Wiewol erhalten auß heiliger gschrifft, das Gott uns allein durch Christum Jesum erhören will, noch findelet [i.S.v. erfindet] hie der mensch mittel, als anrůffen der heilgen, zwischen Christo und uns, vonnöten sein, zeücht das zů argumenten yn, Christus ist Gott ud künig, ists doch bei weltlichen herrn, das mitler gůt und vonnöten seind etc. Nit also, frommer Christ, ein anders ists bei Gott und dem menschen zů handlen, das Christus ein einiger mitler zwischen Gott und uns, [Ciijr] auch warer Gott und mensch, richtet unser hoffnuung auff, macht uns vertröst. Dann was mag der nit, der Gott ist, das er aber mensch, macht uns ein geheimnus und freuntschaft, was will nun der uns abschlagen, der ein mensch und brůder mit uns ist? Chistus ist unser brůder, uns senfft [sanft], milt, gütig, freüntlich, nit streng noch greülich, kein tirann, wüterich, hadert mit den seinen nit, hat uns lieb, ja so lieb, das er von unser wegen gestorben, ist auch nit ein solicher auffseher, das er unser schwachheit nit tragen wöll, so ist ein freyer zugang zů jm, als oft wir komen, will er unser früntlicher brůder sein, die sünd vergeben, nichts mangelen lon [lassen], Matth.11.12.18. Mar.2. Luce 8. Roma 3.5. 1. Joan. 2. etc. Christus ist einig Gott und mensch, was aber einig, bedarff keins mitlers nit, darumb wir zwischen jm und uns keins mitlers noch schidmans bedörffen, dieweil der schidman und mitler allein zwischen partheien, so wider einander, sein můß. Das wir aber keins mitlers zů jm bedörffen, als zů einem künig und herrn, macht das er sein künigreich und herrschafft selbs regiert, nach gepürlichem ampt, als dann eim Künig zimpt und schuldig ist, ein yeden selbs verhört, mit gnaden sein anligen erfült, wie er selbs gesprochen, Kompt all zů mir, ich will euch erquicken, weist uns allein uf jn [i.S.v. sich], nit creaturen, heilgen, cantzler, marschalck, hoffmeister etc. bei jm sollen wir allein trost und hülff sůchen, dann Gott hat die künfftigen

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welt keinem Engel noch creaturen, sonder Christo Jesu befohlen19 und underthon gemacht. Ja so volkommen hat Christus sein ampt selbs wöllen, ongebetten, erstatten und bewaren, das er auch das fürbit und ermanung seiner werden [werten] můtter Marie abgeschlagen, da sie sprach, sie hond nit wein etc. antwurtt der Herr, weib was hab ich mit dir zů thůn? Als wölt er sprechen, ich will von mir [Ciijv] selb thůn, was sich zů thůn gebürt, ich bin nit hinlässig [i.S.v. fahrlässig] noch sorgloß, das ich nit thůe was mir gebür und zu thůn schuldig sei, auch deines ermanens bedörff. [Auslassung von 26 Zeilen, die für die Bilder- und Wallfahrtsfrage sowie für den Fortgang der Argumentation irrelevant sind.]

Von Heidischen walfarten und creützgengen20. Sind also unsere walfarten und creützgeng, wie von al-[Civr]ter bei den Heiden, on allen grund, falschlich aufferstanden und erwachsen, kuntlich [i.S.v. bekannt] ist, das bei den Heiden, etwan durch tröm [Träume], falschen won [Wahn], und teüfelisch blindtheit die walfarten und creützgeng erhebt und erdacht, dardurch Gott verletzt und menschen verblendt worden seind, wie hernah durch kuntschafft bezeügt. Die Heiden Cretenses [Kreter] ein groß opffer und wallen bei dem grab Jovis angericht, als Lucianus de sacrificijs schreibt. Also die Capenates21 mit unaussprechlicher scharen, und grossem gůt zů dem tempel Feronie gelouffen, das Hanibal darnach beraubt, wie **Livius bekent. Zů den zeiten der weihung des tempels in Carinis22 stigen zwen ochsen mit leitern in den tempel auff, bald disem wunder nach, richten die Römer, wie auß dem Sibillischen bůch bewisen, der Cereri [der Ceres] ein walfart, creützgang und neüntägigen bannfast [i.S.v. Fastenstrafe] an, und das mit gecrönten höuptern und grossem pomp, Idem deca.3.lib.7. *Sabellicus Enea. 3. lib.9. Auff das ungewitter, so in dem tempel Apollinis und Cereris beschehen, haben die Heiden ein creützgang aufgesetzt, und das prenosticiern23 der priester Celibes den Römern gethon, ein walfart verkündt, **Livius deca.3.ca.9.

19 In Vorlage „bevolhen“. 20 „creützgeng“ (Kreuzgänge) meint hier das Herumtragen von Kreuzen in Prozessionen. 21 etrurischer Volksstamm. 22 Kommune bei Palermo. 23 praenosticieren, voraussagen.

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Nach dem die Göttin Juno in der statt Lavinio trähen [Tränen] geweindt, der himel blůt geregnet, die speren [Sphären] sich bewegt, richten die Römer ein dreytägigen fasttag und walfart auff, Idem eadem lib. 10. Ein grosse walfart in der statt Troades [Troja] von der göttin Minerva beschehen, da auch alles opffer nit verschimlet, stinckend noch24 vermadet wardt, *Plinius natu. hist. li.2.ca. 98. Nit allein ist die walfart zů dem grab Memnonis25 von menschen, sonder auch von vögeln auß Ethiopia volbracht die järlich das grab mit grossen scharen sůchten, idem li.10.ca.26. Nach dem tod Hastrubalis26 richten die Römer ein walfart auff den göttern zů lob, **Livius deca.3.lib.7.9. [Civv] Der gleich Marcus Atilio27 und Cornelius Scipio ein solichen götzendienst die gött zů erbitten, angeschlagen, Jdem deca.3.lib.1. Wie die oracula Dodonei Jovis28 etc. in Africa und Epyro durch vögel erwachsen, zeigt *Sabellicus Enea.2.lib.4.an. Do der himel zů brinnen gesehen ward, auch andere wunder, růfften die Römer ein dreytägigen feyrtag auß, Jdem Enea.3.li.3. Wie die walfarten und kölber von Hieroboam auffgericht, das sein volck von jm nit abschweiff [i.S.v. abspenstig] wurd, und hernach von andern künigen in abgötterei kommen, das sie hier und dort auff den bergen, spitzen, haingarten, bühelen [i.S.v. Hügeln] etc.geopffert han, ist im bůch der Künig und Chronica wol erzelt. Nit minder also zů unser zeit, so vil bergkirchen, excelsen29, capellen etc. in den und jhenen heiligen namen durch den Satan erwachsen, das nit vil stett, dörffer, weiler etc. seind, es ist ein walfart und lockkutz30 darinn auffgericht, das Gott verflucht und nit haben will, Wie das, spricht der einfeltig mensch, sind doch die vom Bischoff geweicht [geweiht]? Antwort, darumb sind sie auch kein nutz, dieweil durch weihen die ursach der abgötterey erwachsen ist, auch on Gottes wort und bevelch beschicht, Dann was Gott einmal geweihet und gesegnet, bleibt ewig gesegnet und geweicht, bedarff keins anderen besudlens mer, Gott hat einmal das erdtreich gesegnet, so bedarff es keins segnens mer, Gott bedarff keins helffers in seinen wercken, hat nichts dran versaumpt [versäumt], das der Bischoff erst hernach bessern můß, hört was die schrifft von disen kirchen sagt, Dieweil du mit solichen dingen umbgast [umgehst], und deine feld oder bergkirchen auff allen strassen bawest, darinn opf-

24 In Vorlage „nach“. 25 Memnon, mythischer Konig von Äthiopien. 26 karthagischer Feldherr, † 207 v. Chr. 27 Marcus Atilius Regulus, († ~ 250 v. Chr.), römischer Feldherr im ersten Punischen Krieg. 28 Zeusorakel in Epirus; gilt als ältestes griechisches Orakel. 29 Höhenkreuze (?). 30 Die Reliquie oder das Heiligenbild fungiert als ‚Lockkauz‘ (Lockvogel) für die Wallfahrer.

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ferst, so will ich dich überantworten, das sie deine feldkirchen abbrechen und capellen umbreissen, dein kleider außziehen, dein haab und gůt hinweg nemen, und dich also nackend [Dr] und bloß sitzen lassen, stond [steht von] disem greüel ab, wölt jr Christen sein, Also bei uns, so wöllen Christen sein, solich unnütz walfarten, feyrtag, creützgeng aufgesetzt und erwachsen seind, Eim jeden unnützen troum ist ein fest, oder walfart auffgericht, als das fest aller heiligen, seelen, lichtmeß, Michels und Jacobs fart etc. das alles erdachte fabel sind, wie dann in historien und legenden funden würt. Die Römer hielten allen abgöttern ein gemein und eigen fest, an der stat aller heiligen fest erwachsen ist. Eim meßner tröumet von den seelen ein fantasey, darumb richt der Bapst das fest aller seelen auff, Sergius31 der bapst auß heidischer jrrtung [Irrung, Irrtum] liechtmeß32 auffgesetzt, So Pluto der hellisch gott, der göttin Cereri jr dochter Proserpinam stal, suchten sie die Heiden mit kertzen nachts, und das auff etlich tag und jar, anstat diser gauglerei ist liechtmeß in ein fest verwendt. Wie das fest sant Michels erstanden, zeigt die histori an, wie einst ein stier auff den berg Garganum gelouffen, und das pfyl [der Pfeil] sich gewendt etc., glaubt auch der nit der sonst alles glaubt, und der gleich on zal jrrtumb yngerissen, darumb fasttag, feyrtag, creützgeng etc. auffgesetzt, die ich underlassen, dieweil sie nit werd zů schreiben sind. Wiewol anrůffen der heiligen mit keiner geschrifft beybracht werden mag, noch dann widerstond vil der schrifft uß unverstand, als ich selbs von eim hohen doctor gehört, der sprach, Qui negat invocationem sanctorum, negat experientiam, wölcher abschlächt [abschlägt] anrůffen der heilgen, schlächt erfarung ab, als wolt er sagen, wir haben in erfarung, mit wunderzeichen bestädt [bestätigt], das die götzen, solt sprechen, heiligen, eim hie, dem andern dort geholffen, trost und hülf bewisen hond, würt uns auch von den neüwen Evangelisten geschwöldt [i.S.v. vorgemacht], das Gottes huld uns entzogen, die uns sunst durch das fürbit, auß gnaden gegeben wurd etc. Das aber ein schöner gleiß [i.S.v. Gleißnerei], aber vermadets [madiges] argument, [Dv] dann Gott uns sonst, on heilgen, oder creaturn begnaden will, Ach lieber doctor, billich bistu allen Evangelisten zů erbarmen, das dein grawes haar nit subtiler umb sich gesehen hat, zů ergründen, von und durch wen, die wunder gewirckt, ob sie von Gott, oder teüfel volbracht seien worden, dann wo du underschidlich auff Gott und zeichen gemerckt, gewislich hettestu die zeichen der heilgen mit Gottes warheit underschidet [unterschieden], und in rechter erkantnuß der heilgen zeichen komen.

31 Es ist unklar, welcher der drei Päpste dieses Namens hier gemeint ist. 32 Das Fest ‚Mariæ Lichtmeß‘ ist in Rom aus heidnischer Tradition einer Lichterprozession entstanden.

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Von wunderzeichen. Das wir zů warer erkantnus der zeichen komen, wie die durch Gott, menschen und teüfel volbracht und gewirckt, wöllen wir underschidenlich, so vil not, erzelen. Was rechte miracul und wunderzeichen seien, würt im process heiter erzelt, darvon *Augustinus de utilitate credendi capitulo 16. tomo 3. geschriben. Von erst würckt Gott zeichen, als *Lactantius de vera sapientia libro 4. capitulo 26. *Chrysostomus tomo 1. omelia 4. capitulo 1. Jtem *Augustinus de civitate dei liber 10. capitulum 12. etc. gesprochen, das sein maiestat, urteil, macht, gewalt, glori, liebe und barmhertzigkeit den gläubigen kuntbar und herlich erzeigte, das er auch der gantzen welt erkent und offenbar wurd, dann die leiblichen zeichen, sind der inwendigen vorbild, und ynleitung Gott zů erkennen, als in enderung der schlangen, auch hand Mose, in dem brot der Israeliter, in der quellung des brunnens in Raphydim, Exo.4.14.16.17. In der růtt Aarons, so wider die natur grůndt, In dem stilston [Stillstehen] der Sonnen von Josua erbetten, in teilung des wassers durch Mosen, Heliam, Heliseum etc. Item durch Alexandrum, *Josephus lib.  2, ca.  14. gewirckt, In der speisung des volcks, so Heliseus mit xx. brot vil volck gespeiset, und doch vil über blib, Item durch das fehl Gedeonis vom thaw erfüchtet [befeuchtet], darnach trucken erfunden, Item das feur im wasser verborgen, dergleich [Dijr] in allen zeichen, so Christus und sein außerwölten auff erden mit todten, krancken etc. gewircket hond. Das aber dise wunderzeichen zů vestigung des glaubens gegeben, kompt nit daher, das sie dem glauben etwas zůtragen oder meren [mehren] sonder das sie dem wunderigen [wunderbegierigen] menschen genůg thůnd, der allweg wissen und sehen will, wiewol das beschicht noch dann ist der glaub nit allweg da, und glauben dannocht den wunderzeichen nit, Also Judas vil zeichen von Christo gesehen, noch glaubt er Christo nit, dergleich Hieroboam bei seiner verdorrten hand, die Juden der warnung zů Hierusalem glaubten nit, des sie all verdurben, *Eusebius lib.3.ca.7. Eccle. histo. Darumb machen die wunderzeichen nit allweg selig, ja straffend mer die ungläubigen, Was recht Christen sind, glaubend on zeichen. Nit allein Christus, sonder auch Propheten, Apostel, martrer [Märtyrer] etc. haben zeichen gethon, als Helias, Heliseus, Petrus, Paulus, etc. todten erquickt, wie in Actis geschriben ist. Nichts mag das probiern, das die heilgen zeichen im leben gethon, darumb sind sie anzurůffen, wirckends auch nach jrem tod etc. wiewol die heilgen zeichen im leben gewirckt, und in dem tod beschehen möcht, noch dann ists nit von jrem gewalt, als Christus selbs bezeügt, der vater der in mir ist, der thůt das werck, ich nit, verstand nach menschlicher art, Also auch Petrus sprach, der Gott Abraams wircket das in uns etc. Mag nun Christus, der menscheit [Menschheit, Menschlichkeit]

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nach, kein wunder thůn, noch vil minder die heiligen, durch sich selbs wunder zů thůn gewalt haben, dann Gott allein wunder wirckt. On not ists weiter, das die abgestorbnen zeichen thůnd, dieweil ursach der zeichen von jnen genommen ist, ursach was, das wort und glauben von Christo gepredigt, mit zeichen zů bestercken, und ungläubig zů dem glauben ziehen, dieweil sie aber nit mer verstond und predigend, ist auch ursach der zeichen hin. [Dijv] Ob aber yngezogen, das von jren cörpern etc. zeichen beschehen, als so der todt von der antastung des gebeins Helisei erquickt, oder dergleich etc. des erquickung ist nit auß der krafft des gebeins, auch nit von Heliseo und andern heilgen, dieweil sie im leben gewest, sonder aus glauben und götlicher krafft beschehen. Gott will etwan zeichen haben, und stellet uns die für, allein auff figurlich bedeü­ tungen, als den bezeichneten pfosten mit dem blůt des osterlambs, das Israel, nit wie Egypten geplaget wurd, auch den ernen [ehernen] schlangen, der den gläubign, aber nit durch sich selbs, sonder Gottes krafft, beholffen war, die jrer figurlichen auffrichtung war namen [wahrnahmen], durch wölche nochmals jhene, so gesund wurden, den künfftigen Christum im geist sahen und erkanten am creütz gehenckt, durch den wir all gesund und gläubig worden seind, nit durch den schlangen, noch hültze creütz, das ergerlich bißher von der welt, als ob etwas krafft darinn sey, verert worden, von dem in *tripartita historia lib. 2. cap. 16. 18, geschriben ist. Dann in disem creütz wir keiner figur, die all in Christo erfült, mer warten, das creütz ist auch umb der antastung Christi nit zů vereren, noch zeichen zů thůn gewaltig [i.S.v. fähig, mächtig], sonst were auch der esel, Malchus, Judas etc. die Christum angetast [berührt], zů vereren, auch zeichen zů thůn mechtig und sälig zů werden, darumb das creütz, die abgötterei abzustellen, so darmit getrieben, bald hin weg zů thůn, wie auch die auffgericht schlang von Ezechia dem künig hingethon ist. Es sind auch der regenbogen, Gene.9. die beschneidung Gene. 17. das osterlamb, Exo. 12. der sabbath Exodi. 31. die zwölff stein aus dem Jordan, Josue 4. etc. und dergleich pflicht, nit wunderzeichen gesein, doch jedes in seiner art, dardurch Gott allweg eüsserlich, ein innerliche, geistliche ermanung dem volck fürgebildet, wie er mit seinem volck gnedig-[Diijr] klichen gehandlet, und fürter hin handlen werd. Weiter werden etliche werck von Gott und creaturen volbracht, die von den unwissenden der natur für wunder geacht, daher allein, das sie seltzam und ungewonlich vor uns erschinen sind, beschehen auch vil wunder bei der natur, der ursach wir nit leichtlich erfaren mögen, als die enderung der fröschen, schlangen bei Mose und Pharaone bekant etc. darvon *Augustinus de civitate dei lib. 21. cap. 4. redt, Also was das holtz, so Moses in das wasser warff, darvon das wasser süeß dem volck zů trincken ward, Jtem die geschelten steb [die geschälten Stäbe], so Jacob in kößlenden [i.S.v. sprudelndes] brünlin legt, darvon die schaaff mit flecken besprengt, Also Tobias das gesicht von der gallen erholt, und dergleich, wiewol das alles die natur

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vermag, und philosophus [i.  e. Aristoteles] im ynflus der natur erkent, so bald aber das wunderen auffgehept [aufgehoben, beendet], fällt auch das wunder hin. Grösser wunder haben wir auff erden nit, dann der Sonnen auff und nidergang, deren und des Mons verfinsterung, noch dann umb der gemeine, hört das wunder auff. Andere wunder in täglicher erfahrung haben wir, doch nit wider, sonder ordnung der natur, als der hermafroditen, zweyzeichigen, einöugigen, zweiköpffigen, hundmüligen, dattischen, einfüssigen etc. mensch und thier geburt erzeigt, wie in *Plinio naturae historia lib. 7. cap. 2.3. Jtem **Livio deca. 3. lib. 5. *Herodoto lib. 6. *Eusebio lib.3.cap.2. *Plutarcho in vita Marcelli, *Augustino de civitate dei lib.16. cap.3. *Jsidoro Etymologiarum33 lib. 11. cap. 3. *Nauclero Vol. 1. Gene. 14. *Fulgoso lib. 1. cap. 8. de satyris etc. beschriben ist.

Durch gůt und böß beschehen wunder. Nit allein durch gůt, sonder auch teüfel und böse menschen verhengt Gott wunder zů thůn, das beschicht, als *Augustinus de civitate dei. lib.2.cap.23. de trinitate cap.7.2. sententiarum dis. 7. de hereticis [Diijv] cap. cx iniuncto in ver. miraculi. j.q.j.ca. teneamus etc. zů bügen die betrüger, zů warnen die gläubigen, zů probiern die gerechten, und gedult der leidenden zů verkünden. Also hat Leo. x. der bapst, ut fama vagatur, ein wunder gethon, teüfel außgetriben, der also zů dem beseßnen sprach, bin ich Vicarius Christi, so far teüfel auß, bald fůr der teüfel aus, betrog jn darmit, das er warer Vicarius Christi wer, das aber wider geschrifft ist. Durch böse menschen, als Christus in Mattheo sagt, sie werden zů mir sprechen, O herr, herr, haben wir nit in deinem namen weiß gesagt, teüfel außtriben, und vil krefften gewirckt, dann wird ich zů jnen sprechen, Ich hab euch nit erkent, weichendt von mir jr übelthetter, Er sagt auch, es werden falsch propheten auffston, das sie auch die außerwölten, so es möglich wer, verfüren möchten, wie das thier, so mit dem tracken [Drachen] auffgestigen, vil mit seinen zeichen und wunder verfüert, auch von dem rechten lamb Gottes gezogen hat. Seltzame wunder, und der on zahl, sind auch bei den Heiden beschehen, als **Suetonius li.2. de Cesare Augusto, Octavio de 17. presagiis, Nach dem tod des Keisers, lib. 4. de Caligula de presagiis germanici, lib.5.lib.9. de Aulo Vitellio lib. 10. de Vespasiano etc. Item **Apianus lib.1.2.4. Item *Plutarchus on zal, **Laertius Diogenes in vita Empedoclis lib.8. etc.

33 In Vorlage „Ethimoliarum“.

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Creutz in kleider gefallen. Es sind auch etwan creütz in die kleider gefallen, *Rufinus lib.10.ca.14. tripartita historia lib.  5, cap.  50. Nauclerus Vol.2. Gene.13.32. von andern wundern. Item **Sabellicus Enea. 2.lib.4.3.lib.2.4.lib.9.5.lib.5.7.9.6.lib.3.8.9.lib.4. *Valerius Maximus li.1.3.4.5. etc. Baptista **Fulgosus de miraculis prodigiis, somniis et miraculis, item Hartmann *Schedel in vita Ottonis imperatoris etate vj. etc. [Dv] Da sehen wir clar, das Gott wunder wirckt, auch wider die natur, durch Heiden, Türcken, böse menschen, als durch Judam beschehen, der das Apostelampt, wie die andern jünger volbracht, ein wunderred Cayphas thet von Christo dem Herrn, der doch ein schalcke was, darumb die zeichen der lebendigen und todten nit probiern mögen, disen heilig oder selig sein, dann die zeichen allein von Gott, und in seinem willen, oder verhengung beschehen, nit in der heiligen oder menschen namen. Gott, wo er soliche wunder wirckt, braucht er sie allein, als instrument, dardurch er in allweg sein maiestat erzeigen will, in dem namen und glauben Gotts würt ein yeder, so glauben hat, wunder und zeichen thůn in Gottes krafft, auch wider die natur, als berg versetzen, todte erquicken, teüfel außtryben. In drey weg beschehen wunderzeichen, über die natur, da sich die krafft der natur verlürt, als ein jungfrawengebern, wider die natur, als todten erquicken, blinden gesehen machen, und neben oder mit der natur, als den stab Mose in schlangen verkern, bald frösche machen etc. das vermag die natur mit langer zeit, der ordnung nach, dann aller elementischen art und natur ein wesen trägt, der eins aus dem andern geborn würt, als Aristotelis lib. 1. de generatione et corruptione lert etc. die zwei ersten vermag allein Gott und seine gläubigen, das drit und zauberer durch natur, so es jn Gott verhengt. Darwider bewar sich ein yeder wol, das es sich, zeichen zů thůn, nit leichtlich noch verwegenlich underwinde, das er seines frevels, wie die kind Sceva [jüdischer Operpriester zur Zeit Jesu] vom teüfel, durch Gottes nachlassen, nit hart gestrafft und überbollert [i.  S.  v. überrumpelt] werd, dann wunder thůn, stat nit in menschlicher blödigkeit, noch keiner geschöpf, sonder des einigen Gotts und schöpffer[s] aller ding. [Folgen auf fünfzehn Seiten (Sc. 37–52) Kapitel zu den Themen „Von wunderzeichen der teüfel und abgötter etc.“ – „Von vngnad und rach der gött.“ – „Von der Türcken heilgen.“ – „Von erscheinen der abgestorbnen.“ – „Wie der teüfel weiß und warheit sagt.“– „Von zauberern.“ – „Wie die zeichen erkent werden.“, die nichts zur Bilderfrage beitragen.]

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Editorische Hinweise Bearbeitungsvorlage: WAs von anruffen || der heilgen / deren eer / anbet-||ten der bilder / Christenlichem und heidnischem wal-|| len / wunderzeichen böser und gủter / erscheinen || der abgestorbnen / Hexen und zaube-||reyen etc. zủ halten / und wie dar-||mit zủ handelen sey etc.|| Johannes Spreterus.|| Job 17.|| Die nacht hond sie in tag verkört / widerumb den tag in nacht / || Nach finsternuß hoff ich das liecht. etc. – [Ulm: Hans Varnier, um 1537.] Exemplar der SBB Berlin, Sign.: 4° Cs 6528, VD16 [digit], 58 S., 4°

Verglichen mit [Johann Spreter:] Christenlich Instruction || vnd ware erklärung furnemlicher artickel || des Glaubens / vnd händel / art / wort / werck / thůn / lassen / we-||sen der gantzen Biblischen schrifft. Auch ein Summari vnd || Inhalt gůten vnd bösen Regimentendes geistlichen vnd welt-||lichenSchwerts / Decreten / Concilien der Bäpsten etc. Von || dem vrsprung vnd vrhab aller breüch vnd mißbreüch der Rö-||mischen kirchen / als Bilder / Heyligen ehr / Mess / Cere-||monien / Ablaß etc. wie eins nach dem andern sey einbrochen.||was / wa / wann / durch wen / vnd warum. Dieser letsten vnd zwi-||spaltigen zeyt / allen Christen trostlich vnd nützlich zů lesen /||Durch den wirdigen vnd wolgelerten Herren vnd Magi-||strum Johan Spreter von Rotweil / auß der Heyligen || Bibel vnd vralten vättern der Kirchen / als || Ireneo / Hieronymo / Augustino etc. gezo- || gen vnd zů samen gelesen. || – Job. xvij. || Den tag hand sie inn die nacht verkört / widerumb die || nacht in tag / Nach finsternuß hoff ich das liecht etc.|| Register vnd Inhalt dieser Instruction findstu || zů letst beschriben. || – [Kolophon:] Getruckt zů Basel / durch Bartho-||lomeum Westheymer.|| Anno 1543. BSB München, Sign. 4 Polem. 2817 [digit.] – VD 16 S 8387 Spreters umfängliche ‚Instructio‘ kompiliert etliche seiner früheren Publikationen, so auch Teile seiner Schrift von 1537.

LIT Bossert (1911), Grahl (2020), Wikipedia, zvdd

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N° 71 Andreas Osiander Von den heyligen, ob man sie anrůffen und zu jren pilden lauffen soll [1543] Andreas Osiander (1492–1552) erwarb als Kleriker seit 1515 an der Universität Ingolstadt Griechisch- und Hebräischkenntnisse, die sein wissenschaftliches Engagement merklich fundierten und thematisch beeinflussten. Nach der Priesterweihe 1520 kam er als Hebräischlehrer am Nürnberger Augustinerkloster mit Schriften Luthers in Berührung und wurde ab 1522 als Prediger an der St. Lorenz-Kirche zu einem der wichtigsten Reformatoren Nürnbergs. Er verteidigte das Luthertum gegen Zwinglianismus und Täufertum. Über Ausarbeitung der Nürnberger Kirchenordnung (1533), die dann auch für Brandenburg prägend wurde, kam es zu innernürnbergischen Auseiandersetzungen mit Amtskollegen und dem Ratsschreiber Lazarus Spengler, in deren Verlauf der Einfluss Osianders seit 1530 zurückging. Er widmete sich daraufhin verstärkt seinen – weit gespannten – wissenschaftlichen Interessen, gab u.  a. das Hauptwerk von Copernicus ‚De revolutionibus‘ mit einer anonymen Vorrede heraus, verfasste eine Evangelienharmonie und stellte sich in einer Verteidigungsschrift wider antijüdische Gerüchtemacherei. 1543 wurde er von dem Kurfürsten Ottheinrich von der Pfalz zwecks Reformation von Pfalz-Neuburg berufen. 1549 ging er, einer Werbung von Herzog Albrecht von Preußen folgend, nach Königsberg, wo er bis zu seinem Ableben eine Pfarre und eine Professur an der jungen Universität innehatte. Osianders Stellung zur Bilderfrage wird aus einer Predigt kenntlich, von welcher wir große Passagen des zweiten Teils präsentieren. Im ersten Teil war es dem Autor zunächst darum gegangen, Status, Möglichkeiten und Fähigkeiten von Heiligen zu erklären. Sodann legt er dar – und damit setzt unser Auszug (Bl. 19v–30r) ein – dass die einzig zulässige und förderliche Form von Heiligenverehrung in Nachahmung ihres Glaubens und Handelns bestehe. Osianer unterscheidet drei Missbräuche der Heiligenverehrung. Der erste bestehe darin, dass man Heilige zu Mittlern, Fürsprechern und Versöhnern zwischen Gott und den sündigen Menschen erkläre. Der andere bestehe darin, dass man Heilige anrufe und ihnen Gottesdienste zurichte. Es gebe keinerlei Beweis dafür, dass Heilige überhaupt menschliche Gebete hören und entgegennehmen könnten. Der dritte Missbrauch bestehe darin, dass man Heilige in und mittels Bildern verehre und Wallfahrten zu diesen anstelle. Durch alle solche Missbräuche werde die Einzigartigkeit der Mittlerstellung Christi eingeschränkt und bestritten. Bilder seien allenfalls dazu nutz, Erinnerungen wachzurufen. Die zufällige Begegnung mit ihnen sei geeignet, an etwas sonst Vergessenes zu erinnern. Auch könnten Bilder in bestimmten Zusammenhängen schwierige Sachverhalte verständlich machen. http://doi.org.de/10.1515/9783110780031-012

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 N° 71 Andreas Osiander

Auszüge [Bl. 19r] Darumb stehet alle nachfolgung alles Heiligen und Christi selbs in [19v] den zweyen stucken vollkommenlich, Daß wir uns des willens Gottis fleissen, Und all unser thun zur liebe des nechsten richten. Es ist aber in der warheit nicht ein gering ding, den Heiligen also nachfolgen, dann es kan on glaub, on lieb, und on hoffnung, das ist, on den Heiligen geist und das gantz reich Gottis nicht geschehen. Darumb folgen auch wenig leut den Heiligen also nach, Sonder gehen mit anderm gauckelwerck umb, das auch schelck und buben wol thun können, als Parfuß gehn, strick umbgürten, har abscheren, kein leinwad anlegen, kein gelt anrüren, wann man aller ding umbsonst genug hat, nichts arbeiten, und was solcher falschen heiligkeit mer ist. [20r] Aber gleich wie es schwer ist, also ist es auch ein rechte ehr, den Heyligen, wann man jrem glauben und guten wercken nachfolget, Dann das man sie lobt und preiset, von jn singt und sagt, das thut man eben darumb, das man jnen nachfolgen sol, Und wann es on das nachfolgen were, dörfften weder sie noch wir, das man vil oder wenig von jnen saget. Darumb wer sie lobt und preiset, und folget jhn doch nicht nach, der spottet nur jr, und man möcht wol zu eim solchen menschen sprechen, Lieber, lobestu die Heyligen, so folg jn nach, Wiltu jn aber nicht nachfolgen, so heltest [hältst du] nichts von jnen, und lobest sie aus falschem hertzen, Ist dir aber ernst, und wilt dannoch dem, das [20v] du lobst, nicht nachfolgen, so bißt du ja ein verstockter verzweifelter mensch. Und das sey von der rechten ehrerpietung, die den Heiligen geschehen sol, auff diß mal genug, wir wöllen nun auch etwas von den mißpreuchen hören. DReierley grobe und greuliche mißpreuch sein unter der verehrung der heiligen eingerissen. Der erst mißprauch ist, das man sie für Mitler, Fürsprecher und versöner helt, zwischen Gott und den armen Sündern, als solt Got jr verdienst ansehen, und die sünder zu gnaden nehmen. Diser mißprauch hat nicht allein kein gezeugnus und exempel der heyligen schrifft, so man doch [Gr] on Gottis wort und befelch inn Göttlichen sachen nichts annehmen oder fürnemen soll, Sonder er ist auch gestracks wider Gottis wort und die heiligen schrifft. Dann der titel und die ehr, die sünder mit Gott zu versöhnen, gehört dem Herrn Jesu Christo allein zu, Sintemal der heilig Paulus in der ersten zu Timotheo am andern capitel also spricht: Es ist ein Gott und ein mitler zwischen Gott und den menschen, nemlich der mensch Jesus Christus, der sich selbs geben hat, zur erlösung für alle. Dieweil dann der heilig Apostel diese zwey stück neben einander setzt, nemliich ein Gott, und ein mitler, der Gott und mensch sey, So ist gewiß, als wenig mer dann ein [21v] Gott ist, als wenig ist mer dann ein mitler, und als wenig der Heiligen Gott und mensch sein (dann das ist Christus allein) als wenig könne sie auch mitler

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sein. Darumb rauben die dem Herrn Jesu Christo sein ambt und ehr, die die Heiligen für mitler und fürsprecher halten, und machen abgötter aus den Heiligen, welches den Heiligen on zweifel die höchste schand ist, und jn am höchsten mißfelt, Dann es ist wider das ert gebot: Du solt nicht andre Götter neben mir haben. Darumb, wer die Heiligen ehren will, der darff sie mit solcher abgötterey nicht ehren. [Übersprungen sind hier 55 Zeilen (Bl. 21v bis 23r), die lediglich weitere Bibelstellen paraphrasieren.]

Darumb sol man disen mißprauch abstellen und meiden und die Heiligen nicht mer für Mitler und Fürsprecher halten, Sonder sich an den einigen fürsprecher Christum halten, der selbig ist die versönung für unser aller sünd. Der ander mißprauch ist aus [Gv] dem ersten hergeflossen, und ist der, das man die heiligen anrůfft, und jnen Gottisdienst anrichtet. Dann man růfft sie nicht allein an, das sie für uns sollen bitten, sonder man růfft sie auch an, das sie selbs uns sollen helffen, in mancherley nöten und geschefften, Als S.  Laurentzen und S. Florian wider das feur, S. Sebastian wider den prechen [Gebrechen], S. Jobst wider die Wölff, Und der gleichen unzelich [unzählig] vil, welches alles greuliche abgötterey ist, die man mit fleiß meiden und sich ernstlich darvor hüten soll. Dann es hat Gott der Herr in der gantzen heiligen Schrifft kein wort darvon befolhen, man find auch in der gantzen heiligen Schrifft kein exempel, das es von heilgen [24r] leuten ye also geschehen were, und ist kein gepet in der gantzen heiligen Schrifft, das sich darzu reymet, oder darzu gepraucht mög werden. Darumb, wer da betten will, wie uns Gott der Herr hat beten gelehret, der kan kein heiligen anrůffen, wann ers gleich gern thet, dann er findet weder wort noch weiß darzu. Zudem kan niemand beweysen noch gewiß machen, das die heiligen hören oder wissen, was wir beten, dann es gehört dem Allmechtigen Gott allein zu, das er an allen orten gegenwertig sey, sehe, höre, merck und wisse aller menschen gedancken. Vil weniger können sie uns helffen, dann Gott der Herr befilhet uns im 50. Psalm, Wir sollen jn anrůffen, und spricht [24v] also: Růff mich an in der zeyt der not, so wil ich dich erhören, so solt du mich preysen. Hie hören wir ja klerlich das wir nicht die heiligen, sonder jn sollen anrůffen, so wöl er uns erhören, auff das wir jn preysen. Dieweil er aber uns darumb erhöret, das er gepreiset werde, so trifft es ja sein ehr an. Nun spricht er aber, im Propheten Esaia am 42. capitel, Er wöl sein ehr keinem andern geben. Darumb wirt uns auch kein andrer erhören und helffen, Dann wann ein andrer uns erhöret und helffe, so müsten wir ja den selbigen loben und preysen, und also die ehr geben, die Gott allein zugehöret, das will aber Gott nicht haben, und will sein ehr schlechts keinem andern geben, [25r] Darumb gibt er jnen auch die macht nicht das sie helffen könten. Dann gebe er jnen die macht, so gebe er jnen die ehr darmit, das hat er aber verredet, und kan nicht liegen [lügen]. Darumb wirt ers auch gewißlich halten.

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Ob nun yemand wolt sprechen, wann sie gleich selbs nicht helffen können, so piten sie doch Gott für uns, das lassen wir wol geschehen, wie wol mans nicht beweisen kan. Wans aber gleich war und gewiß were, so folget dannoch nicht daraus, das wir sie solten anrůffen, dann ist doch das auch war und gewiß, das alle lebendige Heiligen in der gantzen welt für uns piten, und wir růffen sie doch auch in unserm gepet nicht an. [25v] Das alles könt jr fein verstehn, wann jr nur auff das Ave Maria fleissig merckt, dann in dem selben lobt und preyset man die Mutter Gottis auffs allerherlichst, sie sey vol gnaden, sie sey gesegnet, und hab ein gesegnete frucht getragen, aber man růfft sie nicht an und pitet nichts von jr, sonder lest es also bey dem loben und preysen bleiben, dann man soll allein Gott anrůffen, der auch allein helffen kan. Wie man sie nun nicht anrůffen soll, also sol man jnen auch kein Gottisdienst erzeygen. Dann unser lieber Herr Jesus Christus spricht selbs Matthei am iiij. capitel: Es steht geschrieben, Du solt Gott deinen Herrn anpeten, und jm allein dienen. Er spricht nicht schlechts [i.S.v. einfach], [26r] man sol jm dienen, Sonder spricht man sol jm allein dienen, und schleust darmit aus alle Engel, alle Heiligen, und alle abgötter, dann wir sollen schlechts keinem andern dienen dann jm allen. Und wann man einem andern Gottisdienst erzeigt, es sey gleich ein Engel oder ein Heilig, so ist es abgötterey. Dann es muß also bleiben, wie der Herr Christus spricht, man soll jm allein dienen. Der drit mißbrauch ist, das man der Heiligen pilder ehret, anpetet, und zu jnen wallen geht, gleich als könten die pilder etwas helffen, oder als weren die Heiligen bey den pildern, und das ist zumal ein grobe, greiffliche und unwidersprechliche abgötterey. Dann [26v] es spricht der heilig Paulus in der ersten zu Corinthern am viij. capitel: Wir wissen, das ein pild oder götz nichts in der welt ist. Es ist auch gewißlich war, und darff keins zweifels, wir wissen, wie Paulus sagt, das ein Götz oder pild nichts ist in der welt, wann mans nur recht bedenckt und versteht. Man muß es aber nicht so grob verstehn, als wer das holtz, stein, silber oder gold, daraus man die pilder macht, gar nichts in der welt, dann man sihet und greifts ja, das es etwas ist. So sihet und greift man auch, das der Meister sein kunst fein dran bewisen und ein schön pild daraus gemacht hat. Das ist aber warlich in der gantzen welt nichts, wann man ein [27r] hültzen klotz nimbt, den alle welt nicht anders, dann für ein hültzen klotz helt, und schnitzt ein pild, mit einem glatzeten kopff und krausen har daraus, gibt jm darnach ein Schlüssel in die hand, und wil dann darfür halten, es sey Sant Peter, oder wann man gleich subtil darvon redet, Es sey S. Peters pild, doch also, daß wer solchs pild ehre, der ehre S. Peter, und wer es eher unehre, der unehre S. Peter, und S. Peter erhöre lieber, wer jn bey oder vor solchem pild anrůff, dann an einem andern ort, Also, daß man gleich ein freundschafft und zusamenverbindung dichtet zwischen S. Peter und dem pild.

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Darvon saget S. Paulus, es sey nichts in der welt, das ist, kein ver- [27v] nünfftiger mensch kan da betrogen werden, sonder ein yeder versteht wol, das S. Peter mit dem hültzen klotz nichts zu schicken noch zu schaffen hat, nach dem schnitzen eben als wenig, als da er noch ungeschnitzt war. So hat der klotz mit S. Peter auch nichts zu schaffen, sonder ist ein klotz und bleibt ein klotz, ein weg als den andern. Dann der Pildschnitzer kan das holtz nicht an S. Peter, noch S. Peter an das holtz pinden, oder sie miteinander vereinigen. Und obs schon einfeltige leut darfür halten, so ist es doch warlich nichts, und gantz und gar nichts, wie S. Paulus saget. Und also sol mans auch von allen andern pilden in der gantzen welt verstehn. [28r] Darumb spottet auch der Prophet Esaias am 44. capitel auffs aller höflichst aller der, die vor den pildern niderknien, sie ehren und anrůffen, und spricht, sie haben vom selben holtz feur geschürt, sich gewermet, fleisch darbey gesotten, und prot [Brot] darbey gepachen [gebacken], und aus dem ubrigen schnitzen sie ein götzen, und knien darfür nider, und ruffens an, hilff mir, und beschleust darnach: Sie wissen nichts und verstehn nichts, mit sehende augen sein sie plind, und sey weder sin noch witz bey solchen leuten. Es ist auch kein wunder, dann der heilig geist spricht im hundert und fünffzehenden Psalm: Die götzen haben augen und sehen nicht, ohren und hören nicht, meuler und [28v] reden nicht, sie haben füß und gehn nicht. Und spricht dann weiter: Die sie machen, die seien eben auch also, und alle die auff sie hoffen. Das ist aber erschröcklich, das Gott der Herr selbs die jhenigen so die pilder machen und anpeten, für gröbere klötz und grösser narren helt, dann die götzen selbs sein. Darumb meine geliebte, nemets fleissig zu hertzen und flihet solche abgötterey. Machet nicht Mitler, Fürsprecher und versöner aus den Heiligen, dann das gehöret Christo allein zu, der auch eben der selbigen Heiligen mitler, fürsprech und versöner gewest ist, on den sie weder heilig noch selig hetten mögen werden. Růffet sie auch nicht an, und thut jn keinen Gottisdienst, dann [29r] man sol Gott den Herrn anpeten, anrůffen, und dem selbigen allein dienen. Darumb den Heiligen on zweifel auch kein wolgefallen dran geschicht, wann man jnen die ehr will beweisen, die Gott dem Herrn allein zugehöret und gepürt. Dann sie wissen wol, das er sein ehr keinem andern geben wil. Vil weniger solt jr die pilder anpeten oder ehren, noch zu jnen walfarten gehn, sonder sie schlecht [schlicht] für holtz, stein und klotz halten, wie sie vor [i.S.v. zuvor] warn, ehe sie der Meister pildet. Dann die Heiligen haben nichts mit den pildern zu thun, und die pilder mit den Heiligen auch nichts, können auch niemands helffen. Sie können aber gleichwol darzu nutz sein, das sie die leut erinnern, [29v] oder ingedenck machen eines dings, daran sie sonst nicht gedechten, oder aber ein ding fürpilden, das wir sonst nicht verstünden, und nicht wüsten was es gewest were. Dann wenig leut wurden ytzo wissen und verstehn, wie man Christum gekreutzigt hette, wann wirs nicht geschnitzt und gemalet vor uns sehen. Und darzu sol man

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auch die pild und gemäl allein prauchen, und nicht abgötterey mit treyben. Dargegen aber solt jr den Heiligen die rechten ehr erzeigen, die jnen gepürt, Nemlich Gottis gnad und gab an jnen loben und preysen, und von jnen singen und sagen, das sie die selbigen Christlich und wol gepraucht haben, auff das Gott der Herr in jnen gelobt werd, und sie in [30r] dem Herrn, Und alle glaubige dardurch getröst, gesterckt und gereitzt werden, jrem glauben und guten wandel nachzuvolgen, und also mit jnen durch Jesum Christum jmmer und ewigklich selig werden. Das verleihe uns Gott allen, Amen. Ende der Predig von den Heyligen.

Editorische Hinweise Bearbeitungsvorlage Von den heyligen / wie man || sie ehren / und ob man sie anrůffen / || und zu jren pilde lauffen soll / || ein Predig. Aus: Zwo Predig. || Eine von den Heyligen / wie || man sie ehren sol. || Die ander / von Verstorbnen / || wie man für sie bitten sol. Andreas Osian-|| der || 1543. (Nürnberg: Johann Petreius). Exemplar der BSB München, Sign.: Res/Bavar. 1451# Beibd. 1 [digit.] – VD 16 O 1081 Hier: Bl. 2r–30r.

Abgeglichen mit Gerhard Müller / Gottfried Seebass (Hg.): Andreas Osiander d. Ä. Gesamtausgabe. 10 Bde, Gütersloh 1975–1997. Hier: Bd.  7, Schriften und Briefe 1539  – März1543, Gütersloh 1988, S. 884–899, bearbeitet v. Ruth Albrecht. LIT ADB, NDB, TRE, BBKL, Wikipedia, zvdd: Kammerling (1998), Müller/Seebaß (1975–1997), Seebaß (1967), Sonntag (2006), Stupperich (1973).

N° 72 Augsburger Interim [1548]

Kaiser Karl V. suchte 1548 mittels des Interims, eines Reichsgesetzes, seine religionspolitischen Ziele, vor allem eine Rückführung der Protestanten in die katholische Gerneralkirche, durchzusetzen. Das Interim sollte ein Zwischenschritt sein, bis ein allgemeines Konzil die Rückführung entschiede. Der auf Karls V. Wunsch formulierte Text fand in beiden Konfessionslagern jedoch heftigen Widerspruch, sodass sich der Kaiser bereits 1552, vor allem durch einen Aufstand protestantischer Fürsten, genötigt sah, das Gesetz zurückzuziehen. Wir bieten Im Folgenden Auszüge aus dem Interimstext, die zeremoniell- und bildgeschichtlich – wie dann beispielsweise auch aus dem von uns dokumentierten Einspruch der norddeutenschen Städte Lübeck, Hamburg und Lüneburg deutlich wird – wichtig waren. http://doi.org.de/10.1515/9783110780031-013

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INTERIM Augsburg 1548; Text aus: Aller || Des Heiligen Römis. Reichs || gehaltenen || Reichs-Täge, || Abschiede und Satzungen, || Samt andern Kayserlichen und Königlichen CONSTITUTIONEN, || […] || Franckfurt am Mayn / || In Verlegung Joh. Martin Schönwetters seel. Wittib, || Im Jahr 1720. Darin S. 465–486 der Text des Interims: Der Römischen Kayserlichen Majestät Erklärung, wie es der Religion halben im heiligen Reich, biß zu Außtrag deß gemeinen Concilii gehalten werden soll, auf dem Reichs-Tag zu Augspurg / den 15. Maji, im Jahr 1548. publicirt und eröffnet, und von gemeinen Ständen angenommen. Über Intention, Aufbau und Inhalt geben Auskunft die: SUMMARIEN. Kays. Gute Intention und gesuchte Mittel zu Christl. Vergleichung in der Religion auf dem allgemeinen Concilio zu Trient, dessen Submission etlicher Stände, Beharrung bey der alten irchen, Kayserl. Erbieten zur Chrstl. Reformation der Ceremonien so zum Aberglauben Ursach geben können in praefat. §  1. usque 12. Von den Menschen vor und nach dem Fall T.  1.2. Von der Erlösung durch Christum unsern HErrn T. 3. Von der Rechtfertigung, item dessen Nutz und Frucht T. 4. 5. Von der Weise durch welche der Mensch die Rechtfertigung bekommt T. 6. Von der Liebe und guten Wercken T. 7. Vom Vertrauen der Vergebung der Sünden T. 8. Von der Kirchen, Excommunication, Schismatici oder Ketzer T. 9. Von den Zeichen und Gemercken der wahren Kirchen T. 10. Von dem Gewalt und Authorität der Kirchen T. 11. Von den Dienern der Kirchen T. 12. Von dem Obersten Bischoff und andern Bischöffen T. 13. Vom Sacrament in gemein T. 14. Von der Tauff T. 15. Von der Firmung T. 16. Vom Sacrament der Buß T. 17. Sacrament deß Altars T. 18. Von der H. Oelung T. 19. Vom Sacrament der Priester-Weyh T. 20. Sacrament der Eh T. 21. Vom Opffer der Meß T. 22. Von der Gedächtnuß der Heiligen im Opffer der Meß, und von ihrer Fürbitt und Anruffung T.  23. Von der Gedächtnuß der Verstorbenen in Christo T. 24. Von der Communion, wie sie beym Opffer der H. Meß gehalten werden soll. T. 25. Von den Ceremonien und Gebräuch der Kirchen T. 26. Wir bringen im Folgenden Auszüge von T. 23 und T. 26: [S. 482b]

XXIII. Von der Gedächtnuß der Heiligen im Opffer der Meß, und von ihrer Fürbitt, so darin begehrt wird, auch kürtzlich von Anruffung der Heiligen.

§. 1. Dieweil wir dann in diesem Opffer der Meß, der unermeßlichen Wolthat Chrissti gedencken, darin er sich selbst für seinen gantzen geistlichen Leib, das ist, für aller Gllaubigen Heyl und Gedeyen zum Opffer gemacht hat, also, daß daselbst nach deß HErrn Exempel und der Apostel Ermahnung, für das Gedeyen der gantzen Kirchen, Gebett zu GOtt außgegossen, und für alle seine Wolthaten Dancksagung geschehen soll, so sammlet die Kirch in ihr selbst alle ihre Glieder zusammen, und gedencket auch deren, welche von dieser Welt abgeschieden, bey dem HErrn leben: Und sonderlich fasset sie zusammen mit danckbarer Ehrwürdigkeit die Gott geliebten Heiligen, und dancket GOtt für sie, daß er sie,, nachdem sie von Natur schwach gewesen, durch Krafft seiner Gnad also gestärckt hat, daß sie die Gebrechen deß Flleisches überwunden, und wider die Sünd, den Teuffel und Todt, nicht durch ihre, sondern durch Gottes Krafft und Stärck, mit mannlichem

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Fechten, die Cron der Gerechtigkeit, vor dem gerechten Richter erlangt haben. Wie alt aber diese Dancksagung für die Heiligen, und daß diese Gewonheit durch die gantze Kirch außgebreitet sey, das mag man lesen bey dem Dionysio Areopagita, Cypriano lib. 3. Epist. 6. lib. 4. Epist. 5. Augustin. de Civitate Dei, lib. 8. c. 27. lib. 22. c. 10. contra Faustum Manichaeum lib. 20. cap. 21. §. 2. Aber nicht allein ehren wir die Heiligen und dancken GOtt für sie, sondern wir begehren auch, daß wir durch ihre Fürbitt und Verdienst in allen Dingen, durch den Schutz Göttlicher Dingen mögen befestiget werden, und wir glauben recht: Daß sie als einer Gemeinschafft Bürger, und eines Leibs Glieder, auch mit einem Geist und Band der Lieb mit uns [483a] verbunden seyn, auch unserer Seligkeit begehren, und Mitleyden mit unserm Unfall haben, und derhalben all unser Noth bey dem gem gemeinen GOtt Vatter durch Christum unser allgemeinen Mittlern bitten, darzu sie dann das Recht der Gemeinschafft, damit sie uns verwandt sind, und auch das Gebott bewegt: Bittet, sagt Jacobus, für einander, daß ihr selig werdet; Es vermahnet und gibt ihnen solches auch ein die Liebe, die sie zu uns tragen, und dieweil sie jetzt bey GOTT sicher und von allen Schwachheiten und Gebrechen erledigt leben, mögen sie es ohn Verhinderung wohl thun, daß sie auch solches im ewigen Leben thun, wissen wir auß gewisser Zeugnuß der Schrifft; Da Onias gesehen wird, daß er die Hände außstreckt, und bittet für das Volck, und da gesehen wird ein ander Mann im Alter und Ehren wunderlich, von dem gesagt wird: Der ist ein Liebhaber der Brüder und deß Volcks Israel, der ists, der viel betet für das Volck, und für die gantze Stadt Jerusalem, der Prophet Hieremias. Und an einem andern Ort, betet der Engel für die Stadt Juda also: HERR Zebaoth, wie lang wilt du dich über Jerusalem und über die Stadt Juda nicht erbarmen, über die du zornig bist? §. 3. Also erfordern wir nun in diesem Glauben, eben so wohl der verstorbenen Heiligen Gebet, die bey GOtt leben, für uns, als deren, die mit uns noch im Fleisch leben, und sprechen sie an mit ihrem Namen, daß sie für uns bitten, und zweiffeln nicht, daß der, welcher alle Ding vermag, leichtlich kann zu wegen bringen, entweder durch den Dienst der Engel, oder durch ein ander Weiß und Weg, der ihm gefällt, daß die Heiligen unser Bitten erfahren, welcher gleichwol auch gibt und verleyhet, daß sich die Engel freuen, wann sie erkennen im Himmel die Bekehrung des Sünders. §. 4. So viel aber den Dienst der Heiligen belangt, sagen wir auch nicht, daß die Verdienst der Heiligen gleich sind den Verdiensten, die wir in Christo finden […] [485]

XXVI. Von den Ceremonien, und Gebräuchen der Sacramenten.

§. 1. Die alten Ceremonien, so bey dem Sacrament der Tauff gebraucht werden, sollen alle bleiben, nemlich Exorcismus, das Wider sagen, Bekantnuß deß Glaubens, das Chrisma, das Oele, und ander[e]s, dann sie wohl dienen, die Krafft dieses Sacraments anzuzeigen, und zu bedeuten. §. 2. Item, in den alten Ceremonien, so die allgemeine Kirche bey der Meß gebraucht, soll man nichts ändern, dann sie sind alle zu dem, das man in der Meß handelt gantz bequem. §. 3. Und so viel den Gebraquch dieses H. Amts angehet, sollen in einer jeden Stadt, auch in einer jeden Kirchen (so mehr als eine darin wären) die einen Priester haben, und darin das Volck in ziemlicher anzahl zusammen zu kommen pflegt, alle Tag zum wenigsten zwo Meß gehalten werden, die eine frühe, darzu die Leut, so mit ihrer Handarbeit ihre Nahrung suchen, kommen, und sich mit

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dem Sacrament berichten lassen, oder sich GOtt dem HErrn gottseliglich befehlen möchten. Die andere aber so viel herrlicher gesungen werden, um acht Uhr deß Tags Vormittag, bey welcher auch gleicher Weiß, wie vor diejenigen seyn, die sich entweder mit der Eucharistien berichten lassen, oder aber sich sonst GOtt befehlen sollen. §. 4. Aber in den Dörffern soll auffs wenigst alle Sonntag und Feyertag eine Meß gehalten werden. Und damit das Volck wiederum zu der Gebrauch der Messen füglich gebracht werde, so sollen die Prediger nach Meynung, wie hie oben von diesem Heiligen Ampt angezeigt und erklärt ist, das Volck ermahnen, daß sie gern und offt wollen darbey seyn, denen man auch soll fürschreiben gewisse Betrachtungen, die sich zu einem jeglichen Stück der Messen reimen. Und vor der Praefation soll der Priester oder Diiacon, wo er vorhanden, dem Volck anzeigen, den rechten Gebrauch der Messen, und das auß einer grossen Notel1, deren man sich auch allhie vereinigen soll, nach der Art, wie hie obn von diesem Heil. Ampt gesagt ist. §. 5. Der Canon, daran man nichts zu ändern, soll auch seine klare kurtze Außlegung haben, daß darauß der Priester erstlich den Gebrauch ihres Ampt desto besser verstehen, und was sie verstehen, dem Volck fürsagen könten. §. 6. Die Ceremonien der andern Sacramenten sollen gebraucht werden, vermög der alten Agnaten, doch wo jchts [i.S.v. etwas] in den selbigen, das zu Aberglauben Ursach geben möchte, eingeschlichen wäre, das soll nach zeitlichem Rath gebessert werden. [485 b] §. 7. Die Altaria, Priester-Kleyder, die Gefäß der Kirchen, Fahnen, deßgleichen Creutz, kertzen, Bilder und Gemählde, soll man in der Kirchen halten, doch also daß sie alle in Erinnerung seynd, und an diese Ding kein göttliche Ehr gewendet werde; So soll auch zu den Bildern und der Heiligen Gemählde kein Aberglaubischer Zulauff beschehen. §. 8. Deßgleichen soll man die horas Canonicas, un die gottselige Psalm-Gesänge, die uns der Apostel selbst befohlen, keinerley Weiß auß der Kirchen wegthun, sondern löblich erhalten, fürnemlich von der Zeit, auch von den Sonntägen und andern alten hohe Festen, und wo man die abgestellt hätte, sollen sie wieder ahffgericht werden. §. 9. Was aber von den Heiligen hinzu gethan ist das soll zu dem, das in dem Communi Sanctorum gesetzt, gezogen werden; Und wo sie irgend die Maß übertretten, soll man sie corrigiren und bessern. §. 10. Deßgleichen soll man auch begehen die Vigilien und Begängnuß der Todten, wie es in der alten Kirchen gebräuchlich ist: Dann es wäre ein Grausamkeit, daß man derselben in der Kirchen nicht gedencken solt, als wären ihre Seelen zugleich mit den Cörpern untergangen. §. 11. Man soll auch die Fest, so von der Kirchen angenommen, behalten, und wo nicht alle, doch die fürnemsten, nemlich: §. 12. Die Sonntäg. Den Geburtstag deß HErrn. Die Beschneidung deß HErrn. Der Heil. drey König Tag. Den Palmtag. Die Ostern mit zweyen folgenden Tägen. Die Auffahrt deß HErrn. Die Pfingsten

1 Eine „Notel“ ist eine ‚urkundliche Schrift‘ (GWB).

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mit zweyen folgenden Tägen. Das Fest Trinitatis. Das Fest Fronleichnams Christi. Die Feyertäg der Heil. Jungfrau Mariä. Die Tag der Heil. Aposteln. St. Johannis Baptistae. St. Mariä Magdalenä. St. Stephans. St. Lorentzen. St. Martin. St. Michaele. Und aller Heiligen. §. 13. Auch in einer jeden Kirchen, der Heiligen Fest und Täge, so daselbst Patroni seynd, auf daß wir an denselben Festen GOtt in seinen Heiligen ehren, uns auch reitzen ihnen nachzufolgen, und in ihren Verdeinst zugesellet werden. §. 14. Man soll auchbehalten die Täge der Betwochen vor der Auffahrt deß HErrn, und die Litaney am St. Marx Tag, und alle gebührliche Processiones nach altem Gebrauch im Jahr. [Übersprungen §. 15 – 24, die für die Bilderfrage ohne Belang sind.][486 b] §. 25.Was aber die Disciplin der Geistlichen und deß Volcks angehet, wäre hoch vonnöthen abzuthun die Aegernussen auß der Kirchen, die grosse Ursachen gegeben haben zu der Zerrüttung dieser Zeit, welches die Sach an ihr selbst zeuget, und darüber schreyet: Derhalber wann die Kays. Majest. eine nützliche Reformation der Kirchen verschaffen, so wird die niemand, so unser H. Religion und gemeinen Fried günstig ist, verachten, sondern zum höchsten zu befördern verhelffen. §. 26. Und Wir Kayser Carl, etc. bekennen, daß obgesetzter Rathschlag dasjenig ist, davon in Unserm und deß Reichs Abschied, deß allhie zu Augspur gehaltenen Reichs-Tags Meldung geschicht. Deß zu Urkund haben Wir Unser Kayserlich Insiegel hieran thun hangen. Geben in unser und es Heil. Reichs-Stadt Augspurg, des letzen Tag deß Monats Junii, nach Christi unsers lieben HERRN Geburt, fünffzehen hundert, und im acht und zwantzigsten, und unserer Reich im drey und dreysigsten Jahr.

Editorische Notiz Bearbeitungsvorlage Der Römischen Kayserlichen Majestät Erklärung, wie es der Religion halben im heiligen Reich, biß zu Außtrag deß gemeinen Concilii gehalten werden soll, auf dem Reichs-Tag zu Augspurg / den 15. Maji, im Jahr 1548. publicirt und eröffnet, und von gemeinen Ständen angenommen. In: Aller || Des Heiligen Römis. Reichs || gehaltenen || Reichs-Täge, || Abschiede und Satzungen, || Samt andern Kayserlichen und Königlichen CONSTITUTIONEN, || […] || Franckfurt am Mayn / || In Verlegung Joh. Martin Schönwetters seel. Wittib, || Im Jahr 1720. Der Text des Interims dort S. 465–486. LIT Rabe (1971), Schorn-Schütte (2005), Seibt (1998).

N° 73a Lübeck u.  a. Bekenntnisse up dat Interim [1548]

Die drei Kommunen Lübeck, Hamburg und Lüneburg, Mitglieder des seit dem 13. Jahrhundert sich festigenden ‚Wendischen Städtebundes‘ tun sich hier zusammen, um auf das kaiserliche Dekret des Augsburgischen Interims (→ N° 72) mit einer Stimme zu antworten und ihm in etlichen Punkten, die das Ceremoniel/Zeremoniell, die Festordnung, die Heiligenverehrung und in diesen Zusammenhängen auch die Bilderfrage betreffen, zu widersprechen. Sie schwächten mit ihrer Erklärung den kaiser­ lichen Versuch, die Konfessionen zwischenzeitlich, nämlich bis zur Beschlussfassung durch ein allgemeines Konzil, nach altgläubigem Muster zu einen oder wenigstens zu beschwichtigen. Der Kaiser sah sich 1552 gezwungen, das Interim-Dekret zurückzuziehen. http://doi.org.de/10.1515/9783110780031-014

N° 73b [Übersetzung JJB] Bekenntnisse und Erklärungen zum INTERIM [1548]

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 N° 73a Lübeck, Hamburg, Lüneburg: Bekenntnisse up dat Interim

[220]

Van den Ceremonien IN den Kercken Ceremonien holden wy gerne allent wat thor beteringe in der Christliken Kercken denstlick ys, und hebben van den olden Ceremonienn ock nichts nagelaten, sonder dat allene dat unvormidtlike möste affgedan werden, ummme missbruken, ergernisse, valsche opineon und errige lere willen, de daranne hengen, und nicht konden upgehauen und wechgenamen werden, ydt wörden denne de ergerliken Ceremonien mit affgedän. Dewile de hütigen Ceremonien der Kercken, nicht Gades ordeninge, sonder der Kercken settinge syn, de tho der aedifcation, und nicht destruction der Kercken denen schölen, und nicht lenger schölen edder möten geholden werden, alse se tho bevorderinge der Seelensalicheit nütte syn, ys unrecht, De Ceremonien tho holde edder wedder an tonemen, dardorch Gades wordt vordunckert, erdom und byloven gestifftet, und affgöderie tho vorderve der Seelen erholden wert, ydt moth de Regel S. Pauli siedes in der Kercken Christi geholden und fry syn, Omnia probate, quod bonum est tenete. De Here Christus und de Apostel hebben alle Ceremonien, de thor lere des Euangelii hinderlick, affgedan und upgehauen, [221] und gestraffet, Matt. xv. S.Paulus straffet und vorwarpet allent wat in den Ceremonien unordentlick, unschicklick, ergerlick und vorförisch ys. 1. Cor. xj. xiiij. Col. ij. Augustinus secht, Lex non est, quae iusta non est. Also synt ock nen KerckenCeremonien edder Gadesdenste, sonder missbruke, De Godes wordt vordunckern, erdom und vorföringe stifften, Alse ytzundt de gröteste deel der Papistischen Ceremonien ys, Ind derhalven könen edder mögen se mit guder Conscientien, und beholdine unser Seelenheil, wedder geholden noch wedderümme angenamen werden, se werden denn thovörne gerepugeret, Und ere missbrüke sampt den errigen opinionen, so dar by ingereten syn, und daran hengen, wechgedan. Weren de Pöweste, Bischöppe, und KerckenRegerers, de, so se billick syn scholden, und hedden up de Kercken flitich geseen, und wo ydt sick gehördt, Ere Synodos geholden, De ingeförede missbrüke und erdome tho rechter tidt upgehaven, so were de vorenderinge nu thor tidt, in der Kercken nicht nödich gewest, se were ock nicht gescheen, Dewile se önerst er ampt nalaten, Gades ehre und der kercken Seelensalicheit nicht geachtet, Js uth unvorhygenckliker nodt, de voranderinge der KerckenCeremonien, dorch Godtselige Parheren vorgenamen, und synt des im fal der nodt, wol beföget gewest, Na dem de Ceremonien Middelwercke syn, van Gade wedder gebaden noch vorbaden, de na gelegenheit der tidt mögen vor-

Bekenntnisse und Erklärungen zum Interim [übers. JJB] N° 73b 

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Von den Ceremonien. In den Kirchenceremonien halten wir gerne alles, was der Besserung in der Christlichen Kirche dienlich ist, und haben von den alten Ceremonien auch nichts nachgelassen, sondern allein das Unvermeidliche mußte abgetan werden, um Missbräuchen, Ärgernissen, falscher Opinion und irriger Lehre willen, die daran hängen und nicht könnten abgehauen und weggenommen werden, es würden denn die ärgerlichen Ceremonien nicht abgetan. Dieweil die heutigen Ceremonien der Kirche nicht Gottes Ordnung, sondern der Kirchen Setzung sind, die zu der Aedification und nicht Destruction der Kirche dienen sollen oder müssen gehalten werden, wie sie zu Beförderung der Seelenseligkeit nützlich sind, ist es unrecht, die Ceremonien beizubehalten oder wiederanzunehmen, wodurch Gottes Wort verdunkelt, Irrtum und Fehlglauben gestiftet und Abgötterei zum Verderben der Seelen erhalten wird. Es muss die Regel S. Pauli stets in der Kirche Christi gehalten und frei sein: Prüft alles, das Gute behaltet! Der Herr Christus und der Apostel haben alle Ceremonien, die für die Lehre des Evangeliums hinderlich, abgetan und weggehauen und gestraft, Matt. xv. S.  Paulus straft und verwirft alles, was in den Ceremonien unordentlich, unschicklich, ärgerlich und verführerisch ist. 1. Cor. xj. xiiij. Col. ij. *Augustinus sagt, Gesetz kann nicht sein, was nicht gerecht ist. Also sind es auch keine Kirchenceremonien oder Gottesdienste, sondern Mißbräuche, die Gottes Wort verdunkeln, Irrtum und Verführung stiften, wie jetzund der größte Teil der Papistischen Ceremonien, und derhalben können oder mögen sie mit guter Conscientien1 und Erhaltung unseres Seelenheils weder behalten noch wiederum angenommen werden. Sie werden denn zuvor gerepurgiert [wieder gereinigt], und ihre Missbrauch samt den irrigen Opinionen, die dabei eingerissen sind, weggetan. Wären die Päpste, Bischöfe und Kirchenregenten, so, wie sie billig sein sollten, und hätten fleißig auf die Kirche gesehen, und, wo es sich gehört, ihre Synoden gehalten, die eingeführten Missbräuche und Irrtümer zu rechter Zeit abgehauen, so wäre die Veränderung in der Kirche nun zur Zeit nicht nötig gewesen. Sie wäre auch nicht geschehen. Dieweil sie aber ihr Amt vernachlässigt haben, Gottes Ehre und der Kirchen Seelenseligkeit nicht geachtet [haben], ist aus unvermeidlicher Not die Veränderung der Kirchenceremonien durch gottselige Pfarrherren vorgenommen [erg. worden], und sind dazu, im Falle der Not, wohl befugt gewesen. Sofern die Ceremonien Mittelwerke [Adiaphora] sind, von Gott weder geboten noch verboten,

1 I.S.v. Gewissen.

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 N° 73a Lübeck, Hamburg, Lüneburg: Bekenntnisse up dat Interim

andert werden, und de Conscientien uterhalven der ergernisse nicht könen besweren, de ock nicht lenger, alse se thor beteringe der Gemene Christi denen, vor gudt, nütte und recht geholden syn, und kann nene Ceremonie lenger gudt und nütts syn in der Kercken, alse se mit Gades worde averein sten met Wen se dem etwes affnimpt, ys se nicht ein Ceremonie, sonder ein vorförescker missbruuck, und ys nicht tho dulden, son-[222]der wech thodonde, Wol Ezechias de Erene Slanghe, De Moses süvest upgerichtet hadde, hennwech dede, darume dat se thor Affhöverye missbruket wart. Num. xxj. iiij. Reg. xvj. Wy bestan wol, dat de gelickheit der Ceremonien, umme der unvorstendigen willen sehr nütte sy, tho erholdinge fredes und enicheit, Wy willen uns dersülvigen ock gerne beflitigen, so wyth ydt mit guder Conscientie und ane ergernisse gescheen kann, Dat överst umme tidtlikes fredes willen in der Kercke, wat ergerlick, und missbrücklick, und dem worde Gades und unser Seelensalicheit tho weddere ys, antonemen syn scholde, weten wy nicht thoraden noch tholeren, Idt ys ock vele beter, de ungelickheit der Ceremonien, de enicheit unsers gelouvens nicht thotrennet, Ock tho der Seelensalicheit nicht helpet edder schadet, alse ock S. August. betüget, Epist. lxxvj. ad Casulanum, und Epist. cxviij. ad Janua. Und de Papisten, de ytzundt so hefftich up de gelickförmige Ceremonie holden, möthent doch sülvest bekennen, dat eine Diocesis mit der andern, ein Stifft mit dem andern, eine Mönnike secte mit der andern, gelickheit der Ceremonien nicht geholden hefft, Und handelen derhalven nicht allene jegen Godt, sunder ock jegen er eigen geweten, dat se unsern deel mit gewalt, und unwedderbrincklikem vordarff nicht allene gelickförmige Ceremonien, sonder ock dar mede ale ere missbrüke, affgöderye und erddome, wedder anthneomen und thoholden wolden dwingen, Darinnne doch wedder Prediger, noch jenige Christen (ane vorlöcheninge des Heren Christi und syner warheit, und vorlust eren Seelensalicheit) willigen könen, [S. 23–229, die von Tauf- und Messzeremoniell handeln, übersprungen.] [229]

Van den Gesengen und Festen DE horas Canonicas tho singen in der Kercken, ys den Kerken deneren, de süss mehr denn thovele mit erem ampte vorhindert syn, unmögelick, und süss de horas canonicas, durch weinich schöler edder Papen, wor in einem winckel laten singen,

Bekenntnisse und Erklärungen zum Interim [übers. JJB] N° 73b 

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die nach Gelegenheit der Zeit mögen verändert werden, und die Gewissen außerhalb der Ärgernisse nicht belasten können, die auch nicht länger als sie zu Besserung der Gemeinde Christi dienen, für gut, nützlich und recht gehalten sind, und kann keine Ceremonie länger gut und nützlich sein in der Kirche, als sie mit Gottes Wort überein stimmt. Wenn sie denn etwas abnimmt, ist sie nicht eine Ceremonie, sondern ein verführerischer Missbrauch und ist nicht zu dulden, sondern wegzutun. Wohl tat Ezechias die Eherne Schlange, die Moses selbst aufgerichtet hatte, hinweg, weil sie zur Abgötterei missbraucht worden war. Nu. xxj. iiij. Reg. xvj. Wir verstehen wohl, dass die Gleichheit der Ceremonien der Unverständigen wegen sehr nützlich sei, zur Erhaltung von Frieden und Einigkeit. Wir wollen uns derselben auch gern befleißigen, so weit es mit gutem Gewissen und ohne Ärgernisse geschehen kann. Zuvorderst um zeitlichen Friedens willen in der Kirche, was ärgerlich und missbräuchlich und dem Worte Gottes und unserer Seelenseligkeit zuwider ist, anzunehmen sein sollte, wissen wir nicht zu raten noch zu lehren. Es ist auch viel besser, dass die Ungleichheit der Ceremonien die Einheit unseres Glaubens nicht zertrennt, auch zu der Seelenseligkeit nicht hilft oder schadet, wie auch S. *August. bezeugt Epist. lxxvj. ad Casulanum, und Epist. cxviij, ad Janua. Und die Papisten, die jetzt so heftig auf gleichförmigen Ceremonien bestehen, müssen doch selbst bekennen, dass eine Diözese mit der anderen, ein Stift mit dem andern, eine Mönchssekte mit der andern keine Gleichheit der Ceremonien gehalten haben. Und handeln derhalben nicht allein gegen Gott, sondern auch gegen ihr eigenes Gewissen, dass sie unsern Teil mit Gewalt und unwiederbringlichem Bedarf [i.S.v. Verderb] nicht allein gleichförmige Ceremonien, sondern auch darmit alle ihre Missbräuche, Abgötterei und Irrtümer wieder anzunehmen und zu halten zwingen wollten. Darein doch weder Prediger noch irgendwelche Christen (ohne Verleugnung der Herrn Christi und seiner Wahrheit und ohne Verlust ihrer Seelenseligkeit) willigen können. [Auslassung.]

Von den Gesängen und Festen. Die horas Canonicas2 in der Kirche zu singen, ist den Kirchendienern, die mehr als zuviel mit ihrem Amt befasst sind, unmöglich, und sofern sie die Horas Canonicas durch wenige Schüler oder Popen in einem Winkel singen lassen, ist es zwar zu

2 Die sieben Horae canonicae bestimmen den Gebetsrythmus und den Tageslauf der geistlichen Personen.

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 N° 73a Lübeck, Hamburg, Lüneburg: Bekenntnisse up dat Interim

ys twar nergent nütte tho, und wo im Pawestdom de hora Canonice süss gebruket worden syn, was ydt ein apenbar missbruck Gödtlikes wordes und namens, denn ydt wart dardorch nemandt geleret und gebetert, sunder Gades wordt dorch eren ungerimeden sanck vele mehr vorachtet und belachet, Wente ydt was nicht anders, alse ein unnütte und leddich gedöne. [230] Wy laten dachlick unse schöler tho Chore gän, vor middage, und na middage thor Versper tydt, dat se Psalmos und Cantica de Tempore singen, und Lectiones uth dem olden und nyen Testamente ordentlick lesen, wy laten ock sülke Gesenge dorch de Prester mit Collecten besluten. So de Kerken mit meren und genochsamen Prestern vorsorget wörden, und de Geistliken Güder tho erem rechten gebruke kamen scholden, und men wolde denn mehr exercitia uth der hilgen schrifft, in den Kercken thor lere und beteringe anrichten, wüsten wy ydt nicht tho wedderfechten, Doch dat sülke exercitia den Prestern samptlick ordentlick und schicklick thor beteringe, und nicht losen undüchtigen und druckenen Chorschölern to gebruken und driuen opgelecht, und ein spöttisch missbrueck Gödtlikes wordes wedderůmme angerichtet wörde. Dat de vörnemesten Feste van oldinges her in der Kerken angenamen, dartho beholden werden schölen, dat gewisse tidt sy, Gades wort tho predigen und to hören, und des Heren Eucharistie tho holde, ys uns nicht thoweddern, So men överst de Vyr und festdage, de in der ersten Kercken gewesen sint, wille geholden hebben, möste men ock vorschaffen, dat sülke Vyrdage na Gades bevele gehilliget, und nicht thor anropinge der Hilligen und ander affgödischer ehre der Hilligen, ock nicht thor swelgerie und alle sünde und schande missbruket wörden, umme welkes missbrukes willen, etlike Feste nothwendich affgedan syn, wente se worden nicht thor vorderinge Gödtliker ehre, dögent und seelensalicheit, sonder tom Papengewinste, Gades namens unehre, und to allerleye sünde und laster gelegenheit geholden, und were vele beter, dat gar nene, edder weinich Feste geholden wörden, wenn men der Vyre also wolde vordan gebruken, alse se betteher gebruket ys im Pawestdome. [231] So överst etlike hilligen Feste scholden geholden, und erer tho der Imitation gedacht werden, mösten ere Historien und Legenden thovörne averseen, und repurgert werden, Dat ein yder Prediger und Parner van ene, wat recht und nüttbarlik were, tho predigen wüste, und de fabelen und lögen, de süss in den Bökern allenthalven, van den Hilligen geschreven stän, van der warheit wüsten tho underscheden.

Bekenntnisse und Erklärungen zum Interim [übers. JJB] N° 73b 

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nichts nutze, und wo im Papsttum die Horae Canonicae sonst gebraucht worden sind, da ist es ein offenbarer Missbrauch göttlichen Wortes und Namens, denn es wird dadurch niemand gelehrt und gebessert, sondern Gottes Wort durch ihren ungereimten Sang vielmehr verachtet und belacht. Denn es war nichts anderes als ein unnützes und leeres Getöne. Wir lassen täglich unsere Schüler vormittags zum Chor gehen und nachmittags zur Vesperzeit, dass sie Psalmen und Stundenlieder singen und Lectionen aus dem Alten und Neuen Testament ordentlich lesen, wir lassen auch solche Gesänge durch den Priester mit Collecten3 beschließen. Sofern die Kirchen mit mehreren und genügender Priestern versorgt werden und die geistlichen Güter zu ihrem rechten Gebrauch kommen sollen, und man wollte dann mehr Exercitia zur Heiligen Schrift in den Kirchen zu Lehre und Besserung anrichten, wüssten wir es nicht abzulehnen. Doch dass solche Exercitia den Priestern sämtlich ordentlich und schicklich zur Besserung und nicht losen untauglichen und trockenen Chorschülern zu gebauchen und treiben auferlegt und ein spöttischer Missbrauch Göttlichen Wortes wiederum angerichtet werde. Dass die vornehmsten Feste, die von altersher in der Kirche angenommen sind, dazu behalten werden sollen, dass gewisse Zeit sei, Gottes Wort zu predigen und zu hören, und des Herren Eucharistie zu halten, ist uns nicht zuwider. So man zuvorderst die Feier- und Festtage, die in der ersten Kirche gewesen sind, wollte gehalten haben, müsste man auch dafür sorgen, dass solche Feiertage nach Gottes Befehl geheiligt und nicht zur Anfrufung der Heiligen und anderer abgöttischer Ehre der Heiligen, auch nicht zur Schwelgerei und aller Sünde und Schande missbraucht würden, um welches Missbrauchs willen etliche Feste notwendig abgetan sind, denn sie wurden nicht zur Förderung göttlicher Ehre, Tugend und Seelenseligkeit, sondern zum Popengewinst, Gottes Namens Unehre und zu allerlei Sünde und Laster Gelegenheit gehalten, und wäre viel besser, dass entweder gar keine oder wenige Feste gehalten würden, wenn man der Feiern fortan also wollte gebrauchen, als sie bisher gebraucht ist im Papsttum. So zuvorderst etliche heilige Fest gehalten werden und ihrer zur Imitation gedacht werden sollte, müssten ihre Historien und Legenden von vorneherein übersehen und repurgiert werden. Dass ein jeder Prediger und Pfarrer von ihnen, was recht und nützlich wäre, zu predigen wüsste, und die Fabeln und Lügen, die sonst in den Büchern allenthalben von den Heiligen geschrieben stehn, von der Wahrheit zu unterscheiden wüsste.

3 Hier i.S.v. Gebete.

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 N° 73a Lübeck, Hamburg, Lüneburg: Bekenntnisse up dat Interim

Dat överst der hilligen Feste, dar tho scholden geholden werden, dat se alse Patronen, dorch de vyre geehret, und wy dorch solcke vyre ene in eren vordensten thogesellet, und mede deilhafftich wörden, ys affgöderye und nenes weges anthonemen. darvan vörhen wyder bericht gedan ys. Dat de Bedeweke, Procession und fanen dragen, wo gewöntlick, wedderume upgerichtet und angenamen scholde werde, weten wy noch tho raden edder anthonemen, Dewile se umme eres missbrukes willen syn affgedan, und darinne de anropinge der hilligen, und ere vordenste vorgestellet, de höltenen und silveren bilde ummegedragen, und apenbarlike Affgöderye gedreven wert, und ock in sick nichts anders denn ein unnütte und heiden Spectakel, Pompa, und missbruck ys Gödtlikes wordes und namens. De gewöntlike gesenge und Solenniteten, so in den festen gewöntlick geholden syn, laten wy so wyt unangefochten, alse se mit dem worde Gades stemmen, der kercken thor beteringe nütte syn, und ane besweringe der geweten, und ane ergernisse könen geholden und gebruket werden, Wy achtent ock darvör, Men werde uth den Ceremonien nicht nodtwercke und Artikel des gelovens maken, und miscken settinge, nicht baven Godt und syn wordt setten, und de Geweten darmede besweren. [232]

Van den bilden und gemelten. DEr Bilde und Gemelte halven, willen wy nicht striden, wy seggen överst, dat de lögenbilde und Gemelte, so weinich in den Kercken tho dulden syn, alse valsche lere und lögenböker, und dat Bilder edder Gemelte, in der kercken syn scholden, ydt erinner denn de lüde guder warhafftiger Historien, und bestendiger warhafftige lerer. Wy seggen und leren ock, dat de bilde, den Gades ehre wert thogelecht, de besocht, angebedet, und darvör affgöderye gedreven wert, ut Gades bevele und gebade schölen und möten ut der Kercken , Clüsen und Capellen wechgedan werden. Wy seggen ock, dat ydt egerlick und unrecht ys dat men up de Bilde und Gemelte so grote unkost wendet, und de hilligen anders denn ere Historien tügen, mit Güldenen stücken, bliandt, frömden, avermetigen hoverdigen ja ock lichverdigen1 habyth und also gemalet, alse weren se Köninge und Fürsten, und tho have im fruwen timmer gewesen, Wat uth sülcken Bilden und Gemelten, vor beteringe in

1 In Vorlage „lichfergigen“

Bekenntnisse und Erklärungen zum Interim [übers. JJB] N° 73b 

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Das oberste der heiligen Feste, dazu sollten gehalten werden, dass als Patrone durch die Feier geehrt und wir durch solche Feier ihnen in ihren Verdiensten zugesellt und mit teilhaftig würden, ist Abgötterei und keineswegs anzunehmen, davon vorhin weiter Bericht getan ist. Dass die Bittwege, Procession und Fahnentragen, wie üblich, wiederum eingerichtet und angenommen werden sollten, wissen wir weder anzuraten noch anzunehmen. Dieweil sie um ihress Missbrauchs willen abgetan worden sind, und darin die Anrufung der Heiligen und ihre Verdienst vorgestellt, die hölzernen und silbernen Bilder umgetragen werden und offenbarliche Abgötterei getrieben wird, und auch in sich nichts anderes als ein unnützes und heidnisches Spectakel, Pompa und Missbrauch des Göttlichen Wortes und Namens ist. Die gewöhnlichen Gesänge und Solennitäten, die in den Festen gewöhnlich gehalten werden, lassen wir insoweit unangefochten, als sie mit dem Wort Gottes übereinstimmen, der Kirche zur Besserung nützlich sein und ohne Beschwerung der Gewissen und ohne Ärgernisse können gehalten und gebraucht werden. Wir sind auch der Auffassung, man werde aus den Ceremonien nicht Notwerke und Artikel des Glaubens machen und Satzungen, nicht über Gott und sein Wort setzen und die Gewissen damit beschweren.

Von den Bildern und Gemälden. DEr Bilder und Gemälde halber wollen wir nicht streiten. Wir sagen aber, dass die Lügenbilder und Gemälde so wenig in den Kirchen zu dulden sind wie falsche Lehre und Lügenbücher, und dass Bilder oder Gemälde [nicht] in der Kirche sein sollten, sie erinnerten denn die Leute guter, wahrhaftiger Historien4 und beständiger wahrhaftiger Lehrer. Wir sagen und lehren auch, dass die Bilder, denen Gottes Ehre zugelegt, die besucht, angebetet und vor denen Abgötterei getrieben wird, aus Gottes Befehl und Gebot sollen und müssen aus der Kirche, Klause oder Kapelle weggetan werden. Wir sagen auch, dass es ärgerlich und unrecht ist, dass man auf die Bilder und Gemälde so grosse Unkosten wendet und die Heiligen, anders als ihre Historien lügen, mit güldenen Stücken, blendenden, fremden, übermütigen, hoffärtigen, ja auch leichtfertigen Habit und derart gemalet, als wären sie Könige und Fürsten und im Frauenzimmer zuhause gewesen. Was aus solchen Bildern und Gemälden für

4 Anspielung auf die Gregorsformel.

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 N° 73a Lübeck, Hamburg, Lüneburg: Bekenntnisse up dat Interim

der Kercken kümpt, ys licht thovorstande, Ydt hebben ock lange Jar her, alle Gades vorstendige lüde, hyr aver geklaget, und were wol tydt dat einmal nütlick insehent hyr van geschege, und dem syne mate gegeven wörde, Dat sülcke bekostinge, up nüttige und nödige dinge in der Kercken, alse tho erholdinge der ministeria und Studia, und underholdinge der armen, und nodttrofftigen gewendet werde. Dat ane allen bygeloven und affgödesche hilligen ehre, de nütten und tho der lere denstlike Bilde, allene tho erinneringe in den Kercken beholden werden, fechte wy nicht an, Wy vordömen nicht de Bilde und gemelte an sick, Sundern [233] den missbruck der sülvigen, und de ergernisse, so dar by ys, und raden, dat de Bilde ordentliker wyse upgehaven, und de ergernisse möge wechgedan werden. [Es folgt das Kapitel „Van vasten, underschedt der Spise und benediginge der Creaturen Gades.“]

Editorische Notiz Bearbeitungsvorlage [Johannes Aepin?] Bekentnisse vnd Erkle-||ringe vp dat INTERIM / dorch der Erbarn || Stede / Lübeck / Hamborch / Lünenborch / etc. || Superintendenten / Pastorn vnd Predigere  /|| tho Christliker vnd nödiger Vnder-||richtinge gestellet. [zwei Bibelverse als Motti] Dorch Joachim Louw gedrůcket. – [s.  l.] 1548. Exemplar der SBB Berlin, Sign. Dg 4476 (digit.),

Bekenntnisse und Erklärungen zum Interim [übers. JJB] N° 73b 

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Besserung in der Kirche kommt, ist lleicht zu verstehen. Es haben auch lange jahr her alle gottesverständigen Juden hierüber geklagt, und wäre wohl Zeit, dass einmal nützliches Einsehn hiervon geschähe und dem Sinn gegeben würde. Dass solche Kosten auf nützliche und nötige Dinge in der Kirche, wie zu Erhaltung der Ministeria und Studia und Unterhaltung der Armen und Notdürftigen gewendet werde. Dass ohne allen Missglauben und abgöttische Heiligenverehrung die nützlichen und zu der Lehre dienlichen Bilder allein zur Erinnerung in den Kirchen behalten werden, fechten wir nicht an. Wir verdammen nicht die Bilder und Gemälde an sich, sondern den Missbrauch derselben und die Ärgernisse, die dabei sind, und raten, dass die Bilder ordentlicher Weise abgehoben und die Ärgernisse weggetan werden mögen.

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 N° 73a Lübeck, Hamburg, Lüneburg: Bekenntnisse up dat Interim

N° 74 [Anonym] Vom Bild des Leidens und Creutzes Christi [1555]

Der Verfasser dieses 585 Reimzeilen zählenden Lob- und Lehrgedichts über das Kreuz ist unbekannt, doch wird aus dem Text selbst kenntlich, dass es sich um einen süddeutschen Katholiken handelt, der das Kreuz als Bild und Zeichen gegen Feinde der Kreuzesverehrung vehement und argumentreich verteidigt. Mit der Unterscheidung von fünf Kreuzesgegnern – dem Satan, den Juden, den Heiden, den Ketzern und den Evangelischen  – findet er Gelegenheit, deren jeweiligen Motive und Formen von Kreuzverachtung zu bezeichnen. Zu erinnern ist, dass Kreuzes- und Kruzifixkritik im Zusammenhang der Bildkritik und des Bildersturms eine wichtige Rolle spielten, wie aus etlichen unserer gesammelten Dokumente kenntlich wird (→ N° 31, 47, 51, 66, 67, 70, 75, 78, 81, 85, 86, 88, 96, 98). Bei Kritik der Protesstanten, insbesondere der Calvinisten, ist hervorhebenswert, dass der Verfasser bei ihnen eine genuine selbstpropagatorische Portraitgier unterstellt und gar behauptet, die Protestanten ersetzten die Heiligenbilder durch laszivfleischliche Nacktheitsdarstellungen: „Darzu ist es gekommen dieser Zeit, Daß Andacht, Treu daniederliegt. Nicht will man sich erinnern derer Bei diesem Volk, sondern vielmehr, Was fleischlich Begierde Unkeuschheit gemein Erregen kann, sieht man allein. Darum sind so viele der nackenden Bilder, Die man bestellt mit Kosten mild, Daß nun dem Fleisch genug geschehe Und man keine Reitzung übergehe.“ Es ist dies eine Argumentation, die in verschärften Form 1610 bei Hippolyt Guarinonius (→ N° 58) begegnet. http://doi.org.de/10.1515/9783110780031-015

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 N° 74 Vom Bild des Creutzes

Abb. 1: Titelblatt mit Holzschnittvignette, anonyme Arbeit der Offizin Andreas Schobser, München, 1555. [BSB München]

Übertragung JJB N° 74 

[ANONYMUS] [Ar]

Vom Bild des Leidens und Creutzes Christi aus göttlicher Schrift dem Buch des Heiligen Augustini so er nennt de visitatione infirm. liber. 3, Cap. 5.

O Weltlicher Mensch, sieh an meine Wunden! Ward je ein solcher Schmerz gefunden, Der meinem Schmerze gleich ist? Meines Leidens du ein Ursach bist. Ich sterb’ hier um der Sünde dein, Was tust du um den Willen mein? Verschmäh die Sünd und sieh an mich, Das hab’ ich alles erlitten um dich. Und verkehre gar bald deinen bösen Sinn, Denn Zeit und Weil’, die gehn dahin. Memorare novissima tua et non peccabis in æternum. [Bedenke deine Vier letzten Dinge und du wirst in Ewigkeit nicht mehr sündigen!]

[Av leer]

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 N° 74 Vom Bild des Creutzes

Abb. 2: Reproduktion Bl. A ij recto (Daten wie bei Abb. 1).

Übertragung JJB N° 74 

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[Aijr] Vom Bild des Leidens und Kreutz Christi aus göttlicher Schrift und dem Buch

des heiligen Augustini so er nennt de Visitatione infirm. lib. 3 Cap. 3. Dies Bild ist weder Mensch noch Gott, Wiewohl es eines Menschen Bildnis hat. Ein heiliges Zeichen Gottes allein, Der hier hat wollen Mensch sein. Ein wahrer Mensch und Gott zugleich, In jenem arm, in diesem reich. Beide Naturen vereinigt gar Zusammen in dem Fleisch fürwahr. Darin leidet er des Kreuzes Pein, Den bittren Tod für dich allein. Ins Grab geleget wird zur Ruhe, Am dritten Tag erstehet frühe. Durch Kraft seiner Allmächtigkeit Hat er dich vor dem Tod gefreit. Konnt’ sich das Leben währen nicht, Welches er mit dem Kreuz ersticht. Des Kreuzes Zeichen derhalben ist Ganz in dem Herren Jesu Christ Geheiligt und uns vorgestellt Als ein Geheimnis der Gewalt, Die er am Teufel hat geübt, Und all’ des Feindes Reich betrübt. Das wird er führ’n am Jüngsten Gericht Zur Freud derer, die sich des schämen nicht, Zum Schrecken, die des Feinde sein, Und achten nicht der großen Pein, [Aijv]

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 N° 74 Vom Bild des Creutzes

Abb. 3: Reproduktion Bl. Aij verso (Daten wie bei Abb. 1).

Übertragung JJB N° 74 

Welche an dem Kreuz ist geschehen, Müssen’s doch also lassen stehen. All’ das unüberwindlich bleibt Dem Leibe Christi eingeleibt. Des’ sich ein jeder Christ getröst’, Der durch das Kreuz ist erlöst, Daß ihm das Zeichen zugehör’, Weil in der Tauf’ ihm ist die Ehr’ Des heilgen Kreuzes mitgeteilt, Auf welche Gottes Gnade eilt, Als ein Ehrzeichen sonderlich An Brust und Stirnen eigentlich, So mit dem Kreuz gezeichnet wären, In Christo das zu tragen gern. Mit seinem Leiden geduldiglich In wahrer Tugend üben sich, Stehn wider Teufel, Sünd und Tod, Die Christus selbst bezwungen hat. An dem wird Christi Kreuz erkannt, Welches er austeilt durch seine Hand, Durch Leiden um die Gerechtigkeit, Ob’s gleich währt ein kleine Zeit, Soll’s unbelohnet nicht abgehn, Darum daß allerlei [Menschen] leiden Pein. Verdienstlich ist durch die Gnad Des Kreuzes Christi, wie zugesagt An allen frommen Christen rein, Die gern mit Paulus wollen sein, Erfüllen an ihrem eignen Leib, Was Christus erworben hat zur Zeit Mit Leiden an seinem Fleisch zart, Wiewohl es g’nug allein ward Zur ganzen Welt Versöhnung all’, Dennoch sollen wir uns allzumal Mit Christus an das Kreuze schlagen, Darin wir Überwindung haben. [Aiijr]

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 N° 74 Vom Bild des Creutzes

Abb. 4: Reproduktion Bl. A iij recto (Daten wie bei Abb. 1).

Übertragung JJB N° 74 

Wer ohn’ das Kreuz will selig sein, Wird eigentlich bleiben allein. Dann Christi Zeichen das Kreuz ist, Wer das nicht hat, der ist kein Christ. Sehr kläglich ist’s zu dieser Zeit, Daß unser Ehr’ daniederliegt, Das heilig’ Kreuz so gar verspott’, Veracht’, vernicht’ und wider Gott An manchem Ort gerottet aus, Welches doch aus eiines Christen Haus Nimmer sollt gelassen sein. Dann solches allein der harten Pein Ohn’ Schrifft und Wort Anzeigung ist, Die für uns leidet der Herr Christ. Auf Weg und Steg man das nit will Mehr leiden, sonder tut dem viel Mit Wort und Werken lästerlich Unehr ist wahrlich erschrecklich, Hat in der Kirchen wenig Raum, Wird in der Wochen besuchet kaum Von denen, die da wollen sein Recht evangelisch insgemein. Gar viel wird jetzt des Kreuzes Bild Von Alt und Jung dem Pöbel wild, Von Herren, Knecht, von Weib und Mann Als Abgötterei ohne Ablassen Ausgerufen gotteslästerlich Aus Satans List ganz fälschlich Als tue man wenden Gottes Ehr’ Auf das, welches an sich selbst ist leer, Ist ein verkehrte Frucht gewiß, Dann solcher Mensch nie gewesen ist, Der hat geehret schlecht dahin Das Kreuz ohn’ allen rechten Sinn. Man betet an und ehret mit Den Gottessohn und das Holz nit. [Aiijv]

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 N° 74 Vom Bild des Creutzes

Abb. 5: Reproduktion Bl. A iij verso (Daten wie bei Abb. 1).

Übertragung JJB N° 74 

Metallmaterie auch nicht hat Die Ehr’, nur der gekreuzigt’ Gott, Welcher ist unser’ Heiligkeit, Versöhnung und Gerechtigkeit. Durch sich selber an Kreuzes Stamm Dem Vater worden angenehm. Wo nun das Kreuz gesehen wird, Bald sich’s ein Christ zu Herzen führt. Das ist meines Herren Wappen gut, Der sein Volk mit seinem teuren Blut Erkauft hat, will stets bei ihm sein, Am Kreuz nimmer lassen allein. Der aber fleucht des Kreuzes Bild, Ist ungezähmt und bleibet wild, Ungeduldig, frech und ohne Scheu, Undankbar und ein Feind dabei. So nennt ihn des Apostels Mund, Der sich allein rühmen konnte, Es sei sein grosse Freud auf Erd’ Das Kreuz Christi aller Ehren wert. Nun findet man mehr denn eine Art, Die sich an diesem Geheimnis hart Anstößt und gänzlich ärgert dran, Deren fünf will ich zeigen an: Dem Satan als der alten Schlang’ Tut dies Geheimnis so sehr bang Des Kreuzes, das er’s fliehen muß, Und wird ihm ganz ein Ärgernis, Darumb, daß er überwunden ist Mit Gerechtigkeit und nicht mit List Von dem, der am Holz mit Geduld Ganz nacket hängt ohn’ seine Schuld, Bezahlt die Übertretung’ all’ Des ersten Menschen durch seinen Fall, Daß er am Holz gesündigt hat Mit Übertretung Gottes Gebot. [Aivr]

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 N° 74 Vom Bild des Creutzes

Abb. 6: Reproduktion Bl. A vj recto (Daten wie bei Abb. 1).

Übertragung JJB N° 74 

So trägt er auch den Fluch und Zorn Für alle Sünd uns angeborn, Auch des Gesetzes Hartigkeit, Welches alle Menschen maledeit, Die an das Holz gehangen sein, Nimmt er auf sich und trägt’s allein. 150 Solches Zeichen tut dem Satan weh Durch Kraft des Leidens, du versteh, Unsers Erlösers heftiglich Und wirkt allzeit kräftiglich. Man tauf’, man predig’ Gottes Wort, Man halt’ die Firmung hier und dort, Man geb’ zur Eh’, die tüchtig sein, Man laß die Sünd’ ab insgeheim, Man nehm’ zum heil’gen Amte an, Zum geistlichen Stand, wer den will han. 160 Nichts wird an dieser Zeit verbracht, Von den Aposteln ist’s herbracht. Des heiligen Altars Sacrament Mit diesem Zeichen wird erkennt Bei denen, die recht’ Christen sein, Verachten der Geheimnis kein. Das heilig Öl das Kreuz hat, Ist auch der Kirchen ohne Spott In der Anrufung Gottes Name Der Heiligen Fürbitt lobesam. 170 Eh’ dann man Speis und Trank empfähet, Man zu dem Gottessegen gehet, Geht man zu Bett, man zeichnet sich, Des Morgens auch ganz eigentlich, Zur Arbeit sich auch keiner macht, Er hab’ auf Gottes Zeichen acht. So sich stößt einer ungefähr, Bald gibt er Gott dem Herrn die Ehr’ Und zeichnet sich bald von Stund an, Also haben die alten Christen getan. [Aivv] 180

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 N° 74 Vom Bild des Creutzes

Abb. 7: Reproduktion Bl. A vj verso (Daten wie bei Abb. 1).

Übertragung JJB N° 74 

Zum Zeugnis, daß der Feind Und die ihm zugetan nit seind, Nichts hab’ an uns, nur allein Gott, Der durchs Kreuz uns erlöset hat, Durch den vor seiner Himmelfahrt Dies Geheimnis nit vergessen ward. Hob auf sein Hand, gesegnet die Mit seinem Kreuz, die blieben hie. Dasselb den alten Feind verdroß Und erlitt auf diesen Tag ein Stoß Von allen, die im Glauben recht Sich zeichnen mit dem Kreuz schlicht. Das flieht er und kann’s leiden nicht. Er weiß, was Schaden ihm davon geschieht. Er ist dem Kreuz recht bitter feind Und allen, die des Kreuz’s Diener seind. Die Juden sind die andern Feind, Ist keiner, der es anders meint Von ihnen allen, er tue recht daran, Wenn er das Kreuz speiet an, Auch den, so dran gehangen hat, Vermeinen zu gefallen Gott, Wenn sie eifern aus Unverstand Mit Fluchen, Lästern allerhand. Denn sie allein vermessen schlecht, Bei einem Gott zu bleiben recht, Welcher hat weder Geist noch Sohn, Müssen so in der Blindheit stehn, Weil sie das Licht nicht wollen sehen, Ist gewißlich recht in Irrtum gehen, Daß sie auch Gott verlieren damit, Weil sie seinem Wort glauben nit, Welcher ist geworden Mensch auf Erden, Wie die Propheten haben gelehrt. Sind nun ohn’ Gott, ohn’ Gesetz, ohn’ Trost, Sie wollen auch nit sein erlöst [Br]

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 N° 74 Vom Bild des Creutzes

Abb. 8: Reproduktion Bl. B recto (Daten wie bei Abb. 1).

Übertragung JJB N° 74 

Von Gottes Sohn aus ihrer Not, Weil sie haben die zehn Gebot, Darin wollen sie das Leben haben, Rühr’n sie mit keinem Finger an. 220 Außerdem ärgert sie Gottes Pein, Die Christus leidet am Fleisch allein, Als wär’s unmöglich, daß Gott sich Sollt’ martern lassen elendiglich. Wollen glauben nicht, warum’s geschieht, Und meinen, es sei alles erdichtet. Sein Auferstehn und Himmelfahrt, Die Jungfrauschaft der Mutter zart Ist ihnen vor allem ein Ärgernis, Der Christen größtes Geheimnis, 230 Welches bei ihnen war ein Fluch und Schande, Daß wir das haben in allem Lande, Ist ihnen von ganzem Herzen leid, Daß nicht zusammen auf einem Hauf’ Christ, Kreuz und all’ sein Volk hör’ auf, Darum sie täglich bitten all’ Und lästern Christus ohne Zahl, Den sie auf Erden gekreuzigt haben, Können hiervon nicht ablassen, Wissen die Schalkheit zu verdecken fein, So oft sie bei den Christen sind, 240 Daß man’s nicht an ihnen merken soll, [Aber] Ein treuer Christ, der kennt sie wohl Und meidet stets die Feinde fürwahr Des heiligen Kreuzes offenbar. Solches auch viel besser ist getan, Daß man sie immer hingehen lasse, Statt daß man sich halte zu ihnen, Bis daß sie den verstockten Sinn Verlassen und zu dem sich kehren, Der sie auch will aufnehmen gern [Bv] 250

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 N° 74 Vom Bild des Creutzes

Abb. 9: Reproduktion Bl. B verso (Daten wie bei Abb. 1).

Übertragung JJB N° 74 

Darum streckt er aus seine Arme bloß, Daß er sie nehme in seinen Schoß, Und will ihnen ganz gnädig sein, Sobald sie ehren das Kreuz allein. Der dritte Haufen die Heiden sind, Die Abgöttischen all’ insgemein, Welche das für eine Narrheit halten, Daß wir gleich einen solchen Mann, Der schmählich an den Galgen hoch Des Kreuzes ward genagelt doch, An dem er auch das Leben endete, Davon er genommen ward behende Und in das Grab geleget hin, Dürffen so ganz mit einem Sinn Verehren und bekennen frei, Daß er unser Erlöser sei, Und halten den für unsern Gott, Der doch gelitten hat den Tod. Dazu ist er in armer Gestalt Auf Erden gewesen hier ungezwungen. Ohne Dörfer, Städt’, ohne Regiment, Nicht wie der Heiden Götter sind Mit Ruhm und Pracht und Übermut, Vergießung manches Menschen Blut, Mit Unzucht und Ehebrechen, Mit Fressen, Saufen, Schwächen Geadelt worden und bekannt, Und ist allzeit im Judenland Elend und arm gegangen um, Da ist nit gewesen des Geldes Summ’, Nicht gute Tage, nicht Gesinde und Knechte, Nicht hohe Räte, nur Fischer schlicht, So muß er sein ein armer Gott, Vor ihrer Vernunft werden zum Spott. Solches urteilen sie nach ihrem Sinn, Als sei es ihrer hohen Weisheit Gewinn. [Bijr]

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 N° 74 Vom Bild des Creutzes

Abb. 10: Reproduktion Bl. B ij recto (Daten wie bei Abb. 1).

Übertragung JJB N° 74 

Machen einen Gott, wenn sie wollen, Und tun ihn in große Ehre stellen, So doch die Ehre bald mit dem Gott, Auch selbst mit ihnen ein Ende hat. Mit unser’m Gott ist’s nicht also, Der währet ewig und ist da, Der er allzeit gewesen ist Allmächtig, ewig, ohne List, Langmütig, geduldig und der Gleiche In Gütern unaussprechlich reich, Unwandelbar, ganz gut und mild, Und schonet viel den Menschen wild, Straft nicht so bald, wenn’s ist verdient, Erbarmt sich gern der Adamskinder, Will alle Menschen selig haben, Welches niemand sonst tun kann. Die Menschheit, die er an sich nimmt Aus Lieb, denn sonst sich’s nicht geziemt, Beraubt ihn seiner Gottheit nicht, Hat aber damit ausgerichtet, Daß wir davon Ehre und Frommen haben Und können uns darauf verlassen. In seiner Armut sind wir reich, In seiner Dürftigkeit desgleichen Ist uns geholfen vor dem Tod, Weil er den selbst geschmeckt hat, Und leben nun vom Tode frei, Daß unser Leben durch ihn sei. Um unsertwillen ist es geschehen, Daß er so dürftig hat wollen gehen, Den Weisen hier zu Ärgenis Und den Feinden zu Verdammnis, Die sein Leben verachtet haben Mit seinem Kreuz, was er hat getan. Sein Fleisch hat nun kein Leiden mehr, Ist in der allergrößten Ehr’. [Bijv]

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Abb. 11: Reproduktion Bl. B ij verso (Daten wie bei Abb. 1).

Übertragung JJB N° 74 

Obs gleich der Heid’ nicht glauben will, Ist dennoch ihr gesetzt das Ziel. Die Ketzer sind das viert’ Geschlecht, So von dem Kreuz halten unrecht, Bekennen wohl des Leidens fein, Die angenagelt leidet allein Von seinem Volk der Herre Christ An des Kreuzes Stamm,, welches also ist. Das wollen sie aber glauben nicht, Was Frummen uns dadurch geschieht, Wie es glaubt und hält in Einigkeit Die wohlgegründete Christenheit. Daß nicht allein die erste Sünde, Von unsern Eltern angezündet, Durch Kraft des Kreuzes werde gelöst Und in demselben allein getröstet, Sondern werden durch des Leidens Pein Versöhnet alle ganz insgemein. Sie seien geerbt oder getan, Sollen alle diese Hoffnung haben, Wer glaubet an den bittern Tod. Den Christus hier gelitten hat, Soll seiner Sünd’ Vergebung haben, Nur daß er’s kläglich zeige an Mit solcher Weis’, wie sich’s gebührt Und ihm die Reue das Herze rührt. Der Sünden sollen nicht sein so viel, Die Gottes Sohn nicht lieben will, Den Büßenden vergeben gern, Wenn’s nur selber wollen entbehren Und lassen von den Vorigen ab, Denn daß ihnen sollen bis zum Grab Nachfolgen und gestrafet sein Nach seiner Gerechtigkeit allein. Auch sind bei der Apostel Zeit So bald gewesen solche Leut’, [Biijr]

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Abb. 12: Reproduktion Bl. B iij recto (Daten wie bei Abb. 1).

Übertragung JJB N° 74 

Die das Kreuz Christi in geringerer Acht Behalten haben, als es seine Macht Erfordert, und beweisen tut Ihnen des unschuldigen Lämmleins Blut, Welches alle Sünden tilget aus, Wollten etwas besonderes machen daraus, Dann sollt’s dem Sünder schaden nit, Was er getan hätte gegen Gott, Das Kreuz wär’ allein in der Not Eine Hilfe und nit eine Sühnung all’ Für getane Sünde in diesem Fall. Dagegen der Apostel Schar Mit wahrem Munde einig fürwahr Erkennet und beschliessen tut Allein das teure werte Blut, Am Kreuz vergossen unsers Herrn, Kann uns in Gottes Gnad ernähren. Nicht Bocksblut, nicht Schaf und Rind Oder was man sonst zum Opfer findt, Nicht eigne Kraft und Ruhm, Darum predigen sie alle Zeit So heftig und so einiglich Ohn’ Scham und setzen beständiglich Das Kreuz, welches so verachtet war, Und geben dem die Ehre gar, Der’s durch sich hat geweihet ein, Dem folget heut’ die Kirchgemein, Die schämt sich ihres Hauptes nicht, Das solches am Kreuz hat ausgerichtet. Nun folgt ein Rott’ ihres Dünkens nach In ihrem Sinn erhaben hoch, Die fünften in der Feinde Zahl Des heiligen Kreuzes überall, Dieselb’ nennet sich mit solchem Namen, Der ihr allein wohl stehet an [Biijv]

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 N° 74 Vom Bild des Creutzes

Abb. 13: Reproduktion Bl. B iij verso (Daten wie bei Abb. 1).

Übertragung JJB N° 74 

Vom fünften Evangelium schlicht, Welches sie hat eigen durch Recht. Die Evangelisch heisset sie, Denn sie den Christennamen nie Geliebet hat, will ihn nicht haben, Greift derhalb einen neuen an, Der nicht von Christo ein Ursprung hab’, Als der gelegen ist im Grab Und sei vom Kreuz hineingelegt, Mit welchen sie auch wird bewegt, Daß sie vom Kreuz nicht sehr viel hält, Welches uns Christi Pein vorstellt. Mit Worten kanns reden davon, Die Bildnis’ läßt’s vorübergehn. Meinen, es sei Abgötterei, Wenn man das Leiden Christi frei Gedächtnis hat in Ehren wert, In allen Nöten hier auf Erd’. Desselben sich erinnert oft, Im Glauben dessen zu genießen hofft, In Krieg, in Fried, in Wassersnot, Und wenn herschleicht der bitter’ Tod, Mit Danksagen für solche Stärk’, Die uns mit seinem eignen Werk Der einig’ Gottessohn erwarb, Da er am heil’gen Kreuze starb. In’s Fleisches Schwachheit nackt und bloß Beweist er Gottes Stärke groß, In welcher er gesalbet ist, Derhalben er auch heißet Christ Für uns und nicht für sich allein, Daß wir uns alle insgemein Seines Namens sollen brauchen wert Und Christen heissen hier auf Erd’. Ob solch’s gleich diese Rott’ wohl weiß, Noch ists ihr gar ein herbe Speis [Biiijr]

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 N° 74 Vom Bild des Creutzes

Abb. 14: Reproduktion Bl. B iiij recto (Daten wie bei Abb. 1).

Übertragung JJB N° 74 

Mit Kreuzeszeichen umzugehn, Und lassen solche je mehr hinstehn, Daß geben sie Anzeigung klar Mit dem, das so ist offenbar. Ob sie gleich Christi Kreuzigung nicht haben In seiner Ehr, geht sie nichts an, Wenn sie nur mögen andere Ding Haben in Gemälden, das Freude bring’, So sind sie wohl damit zufrieden Und kümmert sie das Kreuz nicht. Denn nach dem alten Sprichwort gemein Kann nichts nicht kommen überein Mit dem, so ihm entgegen ist, Wie es allzeit sein wird ohne List. So beweist sich auch, von dem ich sage, Bei diesem Volk, das ist meine Klage, Die sich selber viel lieber haben, Als Christi Wohltat anzunehmen. Ihr Sorg und Fleiß ist darauf gewendet, Sich sowohl im fremden Land Als bei den Ihren sehen zu lassen Durch Abgemälde ihrer Person, Mit Zier und Geschmuck mancherlei, Obgleich der Tugend keine da sei. Vom Kreuz haben sie eine schlechte Meinung, Nehmen vor sich, was ihre Hände Gemacht haben mit besonderer Ehre, Keine Gemachtheit ihres Bildes ist leer. Was aber Christus hat aufgerichtet Durchs Kreuz, das Zeichen gefällt ihnen nicht. Darzu ist es gekommen dieser Zeit, Daß Andacht, Treu daniederliegt. Nicht will man sich erinnern derer Bei diesem Volk, sondern vielmehr, Was fleischlich Begierde Unkeuschheit gemein Erregen kann, sieht man allein. [Biiiijv]

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 N° 74 Vom Bild des Creutzes

Abb. 15: Reproduktion Bl. B iiij verso (Daten wie bei Abb. 1).

Übertragung JJB N° 74 

Darum sind so viele der nackenden Bilder, Die man bestellt mit Kosten mild, Daß nun dem Fleisch genug geschehe Und man keine Reitzung übergehe. Was sie bekümmern wird vor Gott, Wenn sie werden sein in ihrer Not. Solches muß geschehn und wird ergehn, Wovon man säet, das wird man mähen. Des Türken Bildnis unbekannt Wollten wir haben in unserem Land, Ist’s uns jetzt nahe vor dem Haus, Wollt’ Gott, es möchte bleiben draus. So ging’s auch mit dem Bruder Lands, Es war kein Haus im Lande ganz, Das nicht ein Rott Landsknecht hätt’ Bei Tisch im Mahl wie auch beim Bett, Wo es aber jetzt ist kommen hin, Das weiß man wohl mit kleinem Gewinn. Darum soll ein jeder Christ auf Erd’ Das heilsam Zeichen halten wert, Das Kreuz brauchen gern, Sein Geheimnis in Christo verehrn Zu Schutz und Stärkung, Glaubenstrost, Weil wir worden dadurch erlöst. In solchem Zeichen ist der Sieg Wider die, so mit stetem Krieg Uns trieben und anfechten hart. Kein Christ je so sicher ward, Der meint, er dörf’ kein streit hier haben, Wie es auch keinen wird übergehn. Leiden und Streiten muß hier sein, Wo nicht, so folgt die ewige Pein, Wie an dem Reichen ist zu sehen, Der Lazarus also ließ stehen Im heiligen Kreuzgebet wohl, Dessen nahm er sich nie an, keinmal, [Cr]

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 N° 74 Vom Bild des Creutzes

Abb. 16: Reproduktion Bl. C recto (Daten wie bei Abb. 1).

Übertragung JJB N° 74 

Wird drum aus Gottes Thron getan, Dahin da er hat seinen Lohn. Was muß ich hier gedenken bei? Welches Kreuz ohne Falsch das rechte sei, Darin wir Trost und Hilfe haben? Ist, wie ich hab gezeiget an, Allein, das Christus geheiliget hat, Daran er hing, war Mensch und Gott. Der rechten Schächers Kreuz ist’s nit, Auch nit des linken eigentlich. Die leiden um ihr Übeltat, Jenes unsere Sünde getragen hat. Bei Christi Kreuz sein Mutter steht, Der Jünger, den Christus lieb hatte, Als die seiner wahrlich würdig waren, Ließen alles zeitliche Gut hinfahren, Denselben zu bekennen doch, Welchem wir sollen folgen nach, Und meiden alle beide Seiten, Das Heil allein im Mittleren liegt. Ein Wunder ist’s, groß überall, Daß Menschen sind in diesem Fall Dem rechten Schächer sehr ungleich Darum, daß er bald ist worden reich, Dürfen sich doch weit über ihn Erhaben und nach ihrem Sinn Vergleichen Gottes Gebärerin, Des hohen Himmels Königin Maria, der edlen Jungfrau zart, Die solcher Pein teilhaftig ward, Die ihr Sohn leidet unschuldiglich, Stehend unterm Kreuz elendiglich, Ward da getröstet und angeredet Vom Sohn, der um sie Sorge hatte, Setzte sich selber an ihre Stelle, Dies hat gemacht ihm Ungefälle, [Cv]

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 N° 74 Vom Bild des Creutzes

Abb. 17: Reproduktion Bl. C verso (Daten wie bei Abb. 1).

Übertragung JJB N° 74 

Als ihr das Schwert durchschneidet ihr Herz, Des Sohnes Pein der größte Schmerz. Auch hätt nicht Raum der Jünger lieb, Denn man ihn von der Stelle trieb, Die er hat innegehabt mit Leid, Da Christus hing in herber Zeit, Befahl ihm sein Mutter rein In seinen treuen Dienst allein. Das sind vermessene Frevel-Leut, Davor sich ein treuer Christ scheut, Nehmen die Ehre ganz mit Gewalt Unter der wahren Demut Gestalt, Die doch sind Feinde offenbar Des Kreuzes Jesu Christi gar, Und heben auf die Einigkeit Des Gehorsams in der Christenheit Mit falscher Lehr’ und Ketzerei Mit Schwert und aller Tyrannei, Beschönigen das mit Gottes Wort, Als dürfte das mancher Menschen Mord. Aber geht solcher Bubendienst Die nichts suchen denn Eigengunst. Des linken Schächers Kreuz unwert Ist diesem losen Haufen beschert, Des andern sie nit würdig sein, Der selig wird in seiner Pein. Denn er bekennt sein Übeltat Und bittet dazu um Gnad. So diese haben wollen recht getan, Wenn sie ein fremd Amt greifen an, Welches doch verbietet das Gotteswort, Wie auch den Diebstahl und den Mord. Drum geht sie Christi Kreuuz nit an, Mögen beim linken Schächer stehn, Und lassen der Mutter Gottes ihren Ort, Der mit Johannes ihnen gehört [Cijr]

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 N° 74 Vom Bild des Creutzes

Abb. 18: Reproduktion Bl. C ij recto (Daten wie bei Abb. 1).

Übertragung JJB N° 74 

Unter dem heiligen Kreuz frei, Der ihr durch Betrübnis mancherlei So klar ist worden eingeweiht In Herzens Weh und Bitterkeit. Gott helf’ uns in der Einigkeit Der allgemeinen Christenheit Anbeten und verehren gern Das Geheimnis unsers lieben Herrn, Welches ist des heiligen Kreuzes Gestalt, In welchem sieget mit Gewalt Gottes Sohn, der Herr Jesu Christ, Der mit dem Kreuz stets bei uns ist.

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Editorische Notiz Bearbeitungsvorlage: Vom Bild des Leidens | und Creutzes Christi aus göttlicher Schrift | und dem Buch des Heiligen Augustini so er nennt | de visitatione infirm. liber. 3, Cap. 5. Kolophon: Gedruckt zu München | durch Andre Schobsser. [s.  a.] Exemplar der BSB München, Sign. 4 Asc. 119m; VD16 V 2332; unpaginiert, 27 Scans.

LIT

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 N° 74 Vom Bild des Creutzes

N° 75 Adam Walasser Klagred der Frommen alten Teutschen Andacht [ca. 1555] Adam Walasser (?–1581), stammte aus Ulm. Seine soziale Herkunft, Bildungsgang und Stand sind unbekannt. Seit 1551 war er in Dillingen als Drucker (der neuen Universität?), Editor und Verfasser zahlreicher deutschsprachiger Schriften tätig; danach vor allem als Drucker der Benediktiner von Tegernsee. Sein ausserordentlich reiches Oeuvre umfasst vor allem erbauliche, hagiographische, kulturpatriotische, kon­fes­sions­polemische und hymnologische Schriften. Dass Walasser selbst Verfasser des Textes, den wir hier präsentieren, ist, bezeugt das Akrostichon am Schluss. Die Besonderheit der fast vierhundert Reimzeilen zählenden ‚Klagred‘ der allegorisch personifizierten Andacht, die dem Erzähler-Ego im Traum erscheint, ergibt sich aus der Doppelperspektive von Zeitklage und laudatio temporis acti. Das Gedicht bietet eine panoramatische deutschpatriotische Sicht auf die zeichen- und handlungsgebundene Frömmigkeitspraxis im vorreformatorischen ‚Teutschland‘, die nun von den Jungen aus Stolz nicht mehr geübt werde. Das reicht von den vordem selbstverständlichen alltäglichen Gebetsübungen beim Aufstehn und Zubettgehn, bis hin zum Verhalten beim Essen und regelmäßigem Kirchenbesuch. Eindrucksvoll werden Funktion und Reichweite des Läutesignalements der kirchlichen Glocken kenntlich gemacht, die sowohl Gebete einfordern wie Arbeitszeiten steuern, heute aber eingeschmolzen würden, um Büchsen daraus zu gießen. Kirchengebäude würden zu Wirtshäusern und Pferdeställen profanisiert. Als andachtsförderlich galten Wallfahrten ‚in nahe und in ferne land‘, Barfußgehen werde als besondere Bußübung gelobt. Einhaltung des kirchlichen Festkalenders und Akzentuierung der verschiedenen Festtage durch besondere geistliche Übungen dienten der Andachtssteuerung. Messe und Eucharistie und das Segnen aller möglichen Speisen und Gegenstände, das Sichbekreuzigen und betende Singen werden gelobt. Hervorhebenswert ist dem Autor, dass Christen in alter Zeit die Bedeutung und den Appellcharakter ihrer Taufnamen ernst genommen und demgemäß gehandelt hätten. Mässigkeit bei Essen, Trinken und Kleidung seien einst selbstverständlich gewesen. Insgesamt macht Adam Walasser kenntlich, dass Bilderverehrung, wie dann auch Bildersturm, lediglich Teile – wenn auch solche, die ganz Deutschland überspannten – eines weitreichenden, in sich höchst differenzierten Amdachts- und Kultkonzepts sind : wie das gantze Teutschland Mit Kirchen und bildstöck zuhand So hüpsch und lustig gezierdt ward, http://doi.org.de/10.1515/9783110780031-016

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 N° 75 Adam Walasser

Walasser hat einen Text geliefert, der in dem Gesamtzusammenhang der Bildstreitigkeiten kein Gegenstück hat. Seine Polemik wird durch eine Trauer bestimmt, die keine Gehässigkeit kennt.

Klagred der Frommen alten Teutschen Andacht N° 75 

Abb. 19: Titelblatt mit Holzschnittvignette zu Adam Walassers Gedicht, anonyme Arbeit, o.O., o.J. (ca. 1555). [BSB München]

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 N° 75 Adam Walasser

Klagred Der Frommen alten Teutschen Andacht. [A2r]

1 Auferstehung.

IN einem Früling gieng ich auß, Ins grüne feld auß meinem hauß, Dann jetz der schne zerschmoltzen was, Und sproß herfür das grüne graß, Die bleter auch an bawmen all: Die vögel sangen mit hellem schall, Die Lerch sich hoch in die lüfft schwang, Mit jrem frewdenreichen g’sang, Die Nachtigal und auch deßgleich All vögel sungen wunnigkleich: Ich gieng eim klainen Wäldlin zủ, Daselbst zehaben meine rhủ, Bey einem wasserbächlin klein, Welchs rauscht uber die kißlingstein: Ich legt mich under ein baum nider, Zur quickung meiner müden glider, Und gedacht an die frölich zeit, Die jetz begeht die Christenheit, Der Triumphierenden urstend1 Christi, und entschlieff also b’hend: Als ich alda ein klein weil lag, Da höret ich ein grosse klag, Doch maint ich, es wer nur ein trawm, In dem als ich erwachet kaum, [A 2v] Da sah ich ein weibsbild vor mir, Und entsetzt mich erstlich ab jhr, (Dann gantz kläglich war all jhr sit, Und darzủ trawrig jhr Habit) Doch als ich sahe das sie war Demütig, und andechtig gar, Fragt ich: Mein liebe Fraw, sagt mir, Ich bit, wie kompt es doch das jhr So gantz und gar euch kleglich stelt, So jhr doch secht, das in dem feld

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Klagred der Frommen alten Teutschen Andacht N° 75 

All Creaturn zu frewd sein gnaigt, Alles Gott sich danckbar erzaigt? Secht lawb und graß die sein gar grün, Secht wie blühen die bäum so schön Und jr tragt an ein schwartzes klaid, Welches bedeut auch trawrn und laid.    Ich sprach: Ach Fraw verzeicht mir knecht, Ich bit wölt mich berichten recht, Und wölt mich der sach baß bedeuten, Wie hielt man euch vor alten zeiten?    Sie sprach: Ja mein freund, hertzlich gern, Will ich dich deiner bit gewern, Dann ich mich darumb zu dir gsell, Daß ich dir klag mein ungefell: Damit du aber hörst wie weit Diese sey von der alten zeyt, So will ich dir es nit verhalten, Wie ich vor alter zeit ward ghalten, Und wie man mich jetz in der welt, Sonderlich in dem Teutschland helt: [A 3r] Erstlich (mein freund) bedenck gantz recht, Wer der sey, der das menschlich g’schlecht Erlößt hab, nemlich Gottes sun, Gott (sprich ich) kam vons himels thron, In diß Ellend, und nam an sich Menschlich natur, zu erlösn dich, Sampt alle menschen auff der erd, Wie hielt er aber mich so werd? Das findt man fein geschriben stehn, Wann er an sein gebet wolt gehen, Da fiel er nider auff sein knie, Auff sein hailigs ang’sicht auch je, Zu seim vatter am selben end Hub er auff sein hailige hend, Gantz andechtig war all sein bett2, Das er zủ seinem vatter thet etc. Solt ich dir von Aposteln sagen,

2 Gebet.

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 N° 75 Adam Walasser

Was für andacht bey jren tagen Gehapt haben, wurd mir bey weit Zerrinnen stund, tag, weil und zeit. Drumb will ich nur summariter Dir jetzunder erzelen her, Was für andacht die alten ghapt, Und wie ich war bey jhn begabt, [A 3v] Des morgens frü vor sonnen schein, Stủnden sie auff, und giengen ein In ein Kirchen, alda zu betten, Deßgleich ein Meß sie hören theten, Das geschach in grosser andacht, Darnach ein jetlicher verbracht Sein arbait zu Gots lob und ehr: Fleissig giengen auch in d’ Versper: Die ander tagzeit wurdn betracht Mit gar löblicher andacht. Deßgleichen wann man auch vorzeiten Thet den Engelischen grủß3 leyten4, Zu abents oder z’morgens frü, Da fielen d’leut auff jre knie, Sie lobten und ehrten Gott all, Das er sich in diß jamerthal Herab gelassen hat zuhand, Und uns erloßt vons Teufels band. So mủß ich dich auch deß bedeuten, Wann man thet feyrabent leyten, So arbaiten die leut nit mehr, Sonder schickten sich zur Vesper, Damit wann ainer g’sündiget Durch geschefft in der wochen het, [A 4r] Das er auff die hailige täg, Suchet mittel, fủg und weg, Damit er Gott versünet wurd, Und von sich legt der sünden burd.

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3 Als englischer Gruß werden die Worte des Erzengels Gabriel bezeichnet (Lk 1, 28), mit welchen Maria die Geburt ihres Sohnes Jesus angezeigt wird. 4 Leuten.

Klagred der Frommen alten Teutschen Andacht N° 75 

Wann auch die alten wollten essen, Thetens5 des segens nit vergessen: Und wann man nun geessen het, Das Gratias man sprechen thet. Wolt sich dann einer zu beth legen, So sprach er ein Götlichen Segen, Deßgleichen auch zu morgens fru Segnet er sich, und sprach darzu Ein gebet, und befalch sich Gott, In Glück, unglück, wolfart und not. Ach soll ich auch nit klagen dir, Wann ich gedenck der grossen zier, Nemblich wie das gantze Teutschland Mit Kirchen und bildstöck zuhand So hüpsch und lustig gezierdt ward, Da geschach manche bilgerfart, In nahe und in ferne land, Als dann ein jeden Gott ermant. Ey wie hört man so groß gebet, Welches das Christlich völcklin thet [A 4v] Am grünen donnerstag (ich sag) Und auff den hailigen Charfreytag, So groß mitleiden hetten sie, Das sie fielen auff jre knie, Bey dem ölberg thetens betrachten Das leiden Christi, und gedachten, Wie sie jm köndten danckbar sein Der marter und der schweren pein: Vil giengen auch parfủß daher, Dem leiden Jesu Christ zu ehr: Vil fasteten die gantzen wochen In wasser und brot, nichts thetens kochen Vil wachten in jrem Gebett, Biß Christus auch erstehen thet, Als dann warens frölich mit jm, Und sangen mit frölicher stimm,

5 i.S.v. taten sie.

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Christ ist erstanden, Von der Marter alle etc. Und Frew dich du werde Christenhait, Christ hat nun uberwunden etc. Die alten (solt mich recht verstehn) Wann sie in Kirchen theten gehen, [A 5r] Fielens nider auff jre knie, An jr brust schlủgen auch offt sie: Kainer sich auch nit schemen6 thet, So er sich wol bezaichenet Mit dem Creutz. Auch vor alten tagen, Wann man thet unsern Herrn tragen Uber die gassen nach und ferr, Zu den krancken hin und her7: Wann man auch den Fronleichnam Christ Auffhủbe in der Eucharist, Und die leut solches theten sehen, Oder hörtens in der nähen, Oder von weitem darzủ leyten, Auff jre knie fielens bey zeiten, Betteten an Gott unsern Herrn, Und theten auch sein gnad begern. Vorzeit wann einer wandert auß, Und zog erstlich auß seinem hauß, Gieng er vor in ein Kirchen b’hend, Hủb da zu Gott auff seine hend, Fiel nider auch auff seine knie, Bat Gott daß er jm wollte hie Ein glückselige raiß beschern, Und wann er darnach thet einkern, [A 5v] Und wanderet durch dorff und stett, Verbracht er gleichfals sein gebet, Zu erst im Tempel, und darnach Gieng er erst seinen g’schefften nach. In dr Creutzwochen (merck mich wol)

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6 schämen. 7 Transport der liturgischen Gerätschaften zur Eucharistiefeier bei Kranken und Sterbenden.

Klagred der Frommen alten Teutschen Andacht N° 75 

Da waren die alten andachtvol, Die Fest so noch die Kirch begeht Mit gar grosser Solennitet, Dieselben theten auch die alten, Mit der Kirchen andechtig halten: Die hailigen siben Sacrament Wurden andechtig außgespendt: Beim Tauff und Confirmation Thet vil volcks gar andechtig ston: Die alten auch groß rew hetten Uber jr sünd, und beichteten, Empfiengen Absolution, Die d’ Priester uber sie gethon, Und giengen auch, nach gewonhait Der allgemainen Christenhait, Zum hochwirdigen Sacrament, Welchs jn dann offt ward außgespent8: Reliquien der Martyrer Die hielt man auch in grosser ehr, [A 6r] Die alten Christen sich beflissen, Auff daß sie möchten lernen wissen, Was inhielten jre Tauffnamen, Demselben sie auch nachkamen Mit den wercken, daß respondirt Die that dem namen, wie gebürt: Die leut ainander grüßten schon, So’s für ainander theten gon. Essen und trincken messig war, Welchs sehr halff zu andacht fürwar: Erbar die leut auch klaidten sich: Die Lieder warn andechtigklich Gesungen zu Gotts lob und ehr. Solchs geschach, und vil anders mehr, Von groß und klain, und auch deßgleichen Von armen und darzu von Reichen, Darzu vil almusen sie gaben, Vil klöster sie auch gestifft haben

8 ausgespendet.

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 N° 75 Adam Walasser

Und andere Gottsheuser mehr, Gott und sein heilgen z’lob und z’ehr, Den armen seelen im Fegfewr, Kam man auch offt und vil zu stewr9, Mit gebet und almủß geben, Mit Meßlesen auch darneben. [A 6v]  Solches die alten gethon haben, Ob schon jetzund die stoltzen knaben Solches nit wöllen betrachten, Sonder vil mehr alls verachten, Auß jrem stoltzen ubermủt, Was die Christlich Kirch helt für gủt, Zerbrechen und zerreissen als10, Was unser voreltern jemals, Zu Gottes lob und ehr gestifft, Das ist jn jetzund alles gifft: Nichts dannn allein stoltz köndens sein, Und mủß doch solches underm schein, Waiß nit was für ein’r gaistlichait, Geschehen, solchs thủt mir vil laid Darumb ich auch gar vil pein leid, Daß man jetzund zu dieser zeit, Schier alle ding zerbricht, zerstört, Was zu ein’r rechten andacht g’hört: Selten ist einer, der doch je Demütig felt auff seine knie: Mit dem Creutz, in dem Teutschenland, Sich zaichnen ist bey viln ein schand: Das haupt entblössen auch deßgleich Ist spötisch schier bey arm und reich. [A 7r] Dann du sichst jetz deß laider vil, Wann mancher in Kirch gehen will, Waißt man nit wol ob derselb ist Ein Jud, ein Haid, oder ein Christ: Dann wann du sichst ein Juden gehn, Oder in der Christen Kirchen stehn,

9 I.S.v. Hilfe. 10 Kann hier sowohl „stets“ wie auch „alles“ bedeuten.

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Klagred der Frommen alten Teutschen Andacht N° 75 

Sichstu jn (will ich gar nit liegen) Weder knien, bucken noch biegen, Sein hütlin er auch nit abzeucht, Vorm Creutz (wie der Teufel) er scheucht: Also sichstu vil sich verplümen, Und für gar gủte Christen rhümen, Die, wann sie in ein Kirchen gehen, Nit anderst dann wie die blöck stehn, Thủn Gott kein reverentz erzaigen, Ja thủn sich weder bucken noch naigen. Die Bildstöck stoßt man umb zuhauffen, Uber feld thủt man jetz lauffen, Wie das wilde vich und thier: Von schendtlich dingen sagt man zwier, Ja hundertmal, eh man Gott nennt, Er wer dann g’lestert oder g’schendt: Vil thủn darbey d’warhait verlieren. [A 7v] Die Glocken man jetzund vergeußt, Macht büchsen drauß, damit man scheußt: Auß den Kirchen unnd Capellen, Macht man Weinstadel und Roßstelle, Werckhöf, Würtzheuser dergleichen, Ja Gott můß auß sein Tempeln weichen, Und der Teufel wont drinn mit gwalt, Solchs macht mich graw und uberalt: Fasten und Gebet würdt veracht, Almusen geben würdt verlacht, Kain zeit helt man jetz für die ander, Ja solt ich dirs jetzud alls sander11 Erzelen, so zerrünn mir zeit: Weil aber solchs alls am tag leit, Das ein jeder solchs selbst sicht g’schwindt Wo er nit ist an der Seel blind, So will ich nit mehr darvon sagen, Allein hilff du mir solchs Gott klagen, Daß er diß alles restaurir, und sein hailig Kirch reformir.

11 besonders,

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 Ab dieser red erschrack ich sehr, Dann als ich solches hin und her Bey mir betracht in meinem hertzen, Gebar es mir gar grossen schmertzen. [A 8v] Als ich solchs het wol bedacht, Sprach ich: O liebe Fraw Andacht, Man findt doch noch vil fromme leut, Die jetz, gleich wie vor alter zeit, Euch gar in grossen ehren halten, Als dann auch haben thon12 die alten.  Sie sprach: mein sun, du hast wol war, Doch aber findt man jr nit gar So vil, Ja es felht noch bey weit, Als man dann fand vor alter zeit.  Ich sprach: Ja Fraw das ist also: Doch het ich g’maint, jr werent fro Jetzunder mit den Christenleuten, Die sich frewen, wie die vor zeiten.  Sie sprach: Es hat auch müh mit jn, Dann wann die Fasten kompt dahin, Und d’leut beginnen frölich z’werden, So kören sie wider zur erden, Ir Geistlich frewd, die sie alhie Solln haben, die verwandlen sie In ein zeitliche schnöde frewd, Darumb trag ich diß trawrenkleid.  Ach Fraw, Verzeicht mir noch ein wort (Sprach ich) man findt an manchem ort, [Br] In Teutschen landen nöch vil Clausen, Darinn manch gaistlich mensch thůt hausen, Welch der welt seind unbekant gantz, Und doch vor Gott ein schöner glantz, Die nichts thůn, dann betten und wachen, Was sagt jr nun zu disen sachen?  Sie sprach: Ach lieber Brůder mein, Du wilt mir schier z’weit reden ein, Doch will ich dir mit kurtzen wortten

12 getan.

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Klagred der Frommen alten Teutschen Andacht N° 75 

Erzelen, wie an vilen orten Sichs mit denselben leuten helt, Die leben als weren’s in der welt: Auß mancher Claus13 thůt man mich jagen Dasselbig thů ich dir auch klagen. Doch sag ich dir, wann auch nit wer In manchem kloster nach14 und ferr, Und sonst an andern orten mehr So manches frommes Weib und Mann, Die Gott bitten on underlan15 Für das Teutschland, so wer nit wunder, Das es wer lengest gangen under, Bey denselben hab ich noch platz, Die haben mich für jren schatz. [Bv]  Ich sprach: O Fraw geht weit von mir, Wie gehet es doch zu, das jr Von solchen frommen leuten geht, Und zu mir grossen sünder steht?  Ja (sprach sie) ich waiß alles wol, Das du bist aller sünden vol, Und tritst mich auch gar offt mit füssen, Aber ich laß dich deß geniessen, Das mir die tagraiß ist zu weit, Dann ich alzeit andechtig leut Nit find, drumb ich offt li[e]gen můß In wälden, und in der wildtnuß. Auch ob du schon bist sünden vol, So g’felts dir doch von andern wol, Wann sie andechtig und frumb sind, Darumben auch (mein liebes kind) Ich offt gantz trewlich für dich bit, Das dir Gott andacht thaile mit, Und wölle dir darzů auch geben Ein Gottg’felligs unstrefflichs leben. Hiemit sey allzeit Gott bey dir. Also verschwand das weib vor mir. 13 Klause. 14 nah. 15 Unterlassen.

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 Als ich der red nun wol nachdacht, Lag ich ein weil gleich in onmacht: [B 2r] Und als ich wider kam zu mir, Sprach ich: O Herr ich dancke dir, Das du mich (da ich war verirrt) Wider hast in dein schaffstal g’fürt, In deiner glaubigen gemain, In die Christliche Kirch ich main. Gott vatter ich pit, du wölst mir geben, Das ich mög recht andechtig leben, Durch Jesum Christum deinen Sun, Der an dem hailigen Creutz so fron, Für aller welt Sünd hat g’nůg thon, Der mit dir lebt in ainigkait Des hailigen Gaists zu ewigkait.

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   AMEN. A ch Herre Gott, ich bitt, verschon,  VV as ich wider dich hab gethon,  A ll meine sünd wölst mir nachlon. D eine gebot gib mir zu halten,  L aß dein genad nit von mir walten,  A llzeit dein huld laß mich behalten, A in vesten glauben gib mir Herr,  S tete hoffnung in mir mehr,  S üsser Herr dich zu mir kör16. M ein Gott dein trew nit von mir wend,  E in fewrig lieb in mir anzind,  R aich und gib mir ein seligs end. A ch Gott vatter schick zu meim end M ariam mit jrem lieben kind, E rbarm dich meiner nichtigkait, N ach deiner grossen barmhertzigkait.17

16 kehre. 17 Das Akrostichon des Schlussgebets lautet „ADAM VVALASSER AMEN“.

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Klagred der Frommen alten Teutschen Andacht N° 75 

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Editorische Notiz Bearbeitungsvorlage Klagred der Frommen alten Teutschen Andacht s.  l., s.  a. [ca. 1555] Exemplar der BSB München, Sign. ESlg/Polem. 2099#Beibd. 10 – VD 16 W 797 [digit.] – 21 Scans.

verglichen mit [Adam Walasser:] Der Teutschen Spiegel. Dillingen: Maier, 1563. [Digitalisat der BSB München]

LIT ADB , zvdd,

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 N° 75 Adam Walasser

N° 76 Heinrich Bullinger / Übers. Johannes Haller Von dem gsatzt Gottes, und von den zweyen ersten gebotten [1558] Auszüge Einen früheren bildkritischen Text Heinrich Bullingers (1504–1575), nämlich einen längeren Auszug aus der deutschen Fassung seines Buches ‚De Origine Erroris et de Conciliis‘ (lat. 1539, dt. 1574) haben wir bereits (→ N° 34) präsentiert. Dort auch biographische Angaben zu dem Autor. Bei dem hier folgenden Text handelt es sich um einen Auszug aus der deutschen Version von Bullingers Hauptwerk, den ‚Sermonum Decades quinque de potissimis Christianae religionis capitibus‘, das er in seiner Eigenschaft als Antistes der Zürcher Kirche zwischen 1549 und 1552 niedergeschrieben und zunächst, zur Schulung der ihm unterstehenden Pfarrer, in lateinischer Sprache publiziert hatte. Die deutsche Fassung, die 1558 unter dem Titel ‚Haußbuch‘ erstmals erschien, besorgte der ihm befreundete Pfarrer und Dekan Johannes Haller (1523–1575) in Bern. Die XII. Predigt des Haußbuch-Konvoluts handelt laut ‚Register‘ (Bl. aaa 2) : [1] ‚Vom gsatz Gottes, und was es seye‘ – [2] ‚Vnderscheid der gsatzten Gottes‘ – [3] ‚Vom gsatz der sitten‘ – [4] ‚Dz das gsatz der sitten nit aufgehebt‘ – [5] ‚Daß das gsatz Gottes auch vor Mose gewesen‘ – [6] ‚Von den Zähen gebotten, und jrem hohen ansehen‘ – [7] ‚Vom ersten gebott‘ – [8] ‚Wie Gott gegen den menschen gsinnet‘ – [9] ‚Was Gott seye und heisse‘ – [10] ‚Warumb stande ,Dein Gott‘– [11] ‚Was im ersten gebott von uns erforderet werde‘ – [12] ‚Daß die geheimnuß Christi im ersten gebott begriffen seye‘ – [13] ‚Was frombde Götter seygind‘ – [14] ‚Vom anderen gebott, und was darinn begriffen werde‘ – [15] ‚Von bilderen‘ – [16] ‚Warumb Gott nit wölle verbildet werden‘ – [17] ‚Daß auch andere bilder, so zum Gottsdienst aufgerichtet werdend, verbotten seygind‘ – [18] ‚Daß auch Christo kein bildnuß aufzerichten seye‘ – [19] ‚Was man den bilderen nit beweysen sölle‘ – [20] ‚Wie verr alle bilder verbotten‘ – [21] ‚Das die bilder nichts leerind‘ – [22] ‚Wie Gott ein eyferer, rächer und strafet‘ – [23] ‚Wie Gott der vätteren sünd an den kinden heimsủche‘ – [24] ‚Von den verheissungen deren die Gott liebend, und jm nach seinem gefallen dienend‘. Es folgt die XIII. Predigt, die vom Dritten Gebot handelt. In Auslegung des Ersten Gebots legt Bullinger dar, dass der Mensch der Allgegenwärtigkeit und Allsichtigkeit Gottes wegen keinerlei Götzendienst vor ihm verbergen könne, gleichviel, ob der äußerlich oder innerlich vollzogen werde. Götzen oder http://doi.org.de/10.1515/9783110780031-017

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 N° 76 Heinrich Bullinger / Übers. Johannes Haller

„frembde Götter“ seien Creaturen jeglicher Art am Himmmel und auf Erden, welchen der Mensch Verehrung entgegenbringe. Götzen entstehen im Verehrungsakt, gleichviel, ob Sterne, Menschen oder Dinge wie beispielsweise Geld und Geschmeide verehrt würden. Wie Gott im Ersten Gebot den „inneren“ Gottesdienst lehre, so im Zweiten Gebot den „äußeren“. Fremde Gottesdienstformen seien nicht zu übernehmen, Silber, Gold und Edelsteine seien im christlichen Gottesdienst zu meiden. Götzen seien Bilder, aus deren Herstellung und Installation sinnlos Mühe und Arbeit erwachse. Aus der germanischen Geschichte bietet Bullinger Beispiele der Waldverehrung, aus der Bibel Beispiele der Tierverehrung. Gott als Geist sei weder physikalisch noch in Worten zu fassen. Alt- und neutestamentliche Exempel dienen zur Bekräftigung des Gesagten. Das Zusammmenwirken von imaginativem und handwerklichem Entstehungsprozess bei der Götzenentstehung beschreibt Bullinger in einer Zeugungsmetapher: „das Gemüt empfange den Götzen, die Hand aber gebäre ihn“. (54r) Dafür dass das frühe Christentum keine Bilder geduldet habe, führt Bullinger die Zeugnisse etlicher Kirchenväter und Kirchenhistoriker an. Auch Christus dürfe nicht bildlich dargestellt werden, denn: „Die Bilder sind lügenhaft.Wie köndte aber das öffentlich die Lüge ist, die Wahrheit lehren?“

Von dem gsatzt Gottes, und von den zweyen ersten gebotten N° 76 

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[Im Folgenden wird ein Auszug (Bl. 51v–55v) aus der zwölften Predigt geboten.] Die Zwölffte Predig. Von dem gsatzt Gottes, und von den zweyen ersten gebotten der ersten Tafel. [Bl. XLIXr –LVIr]

[Bl. 51v] Verbott der frömbden Götten.1

Der ander theil [diß ersten gebotts] verbeütet uns, das wir keine frömbde Gött habind, und schleüßt auß alle hilff und allen trost deß lebens, den wir immer außert Gott uns selbs erdencken und erwellen möchtind. Und braucht der Herr hiezů gar ein hefftige art zů reden, dann er spricht, du solt kein frembde Götter vor mir haben, du solts nicht haben, spricht er, und das, vor mir, oder vor meinem angesicht, mit mir, oder bey mir, zů mir, oder nahend mir, wie wirs nennen wöllend, oder, laß michs nicht sehen vor meinen augen. Gleich als wenn ein vatter übel erzürnt ist, und seinem sun verbeütet etwas, das vast schantlich und unchristlich ist, so spricht er, Nun lůg das du mir mitt dem ding nirgent an die augen gangist, oder mich laßist [lässest] sehen und innen werden. Also will Gott hie auch reden. Nun ist er aber allenthalben zůgegen und sicht es alles, auch die hertzen, und die heimligkeyt der hertzen. Darumb so söllend wir keinswägs, weder heimlich noch offentlich frembde Gött haben, das ist, es sol kein mensch kein einige creatur, sie seye in himmel oder auff erden, für sein Gott haben, es sol auch niemand den creaturen und geschöpfften die eigenschafften Gottes zůgeben, und ihnen das thůn, das wir pflichts halb Gott allein zů thůn schuldig sind. Das sind aber Gottes eigenschafften, allenthalben sein, alle ding sehen und wüssen, allmechtig sein, das leben geben, erlösen und reinigen von sünden, erhalten, sälig, gerecht und heilig machen, und was der dingen sind. So ist unser pflicht und ampt gegen Gott, das wir ihn anbättind, anrůffind, das wir in ihn hoffind, ihm anhangind, ihm losind [i.S.v. zuhören], ihm glaubind und gehorsamind. Was frembde Götter seyend.2 Darumb so heißt und ist ein frembder Gott alles das, das wol für sich selb seiner natur halb nit Gott ist, wir es aber uns selbs näbend dem einigen ewigen waren lebendigen Gott erdenckend, darin wir unser vertrauwen und hoffnung setzend, das wir in nöten anrůffend, liebend und förchtend, in das wir unser gemüt richtend, an dem wir gar und gantz hangend, und das wir zů allen zeyten es seye in wolstand, oder widerwertigkeit und trübsal, für unseren schatz, für unsere hilff,

1 Marginaltitel. 2 Marginaltitel.

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 N° 76 Heinrich Bullinger / Übers. Johannes Haller

und für unsere zůflucht haltend und erkennend. Dann also, do Rachel von Jacobe kinder begärt, antwortet er ihren, Bin ich dann Gott, das ich dich unfruchtbar habe gemacht? Item Joram der Künig Israels als er von Benhadad dem Künig auß Syrien brieff empfangen hat, Naamans halben, das er ihn von seinem ußsatz reinigete, zerreiß er seine kleider, ward erzürnt und sprach, Bin ich dann Gott, das ich tödten und lebendig machen könte? Darumb so söllend wir allein Gott für unseren Gott haben, das ist für unser leben, heil, hilff, zůflůcht, schirm, [52r] erlösung, hoffnung, forcht und schräcken. Und wenn wir dise stuck andern dingen zůgebend, und nit allein Gott, so machen wir uns frömbde Götter daruß. Frombd wirt auch etwan genommen für das, das von Gott nit befolhen und eingesetzt ist. Also stadt von Nadab und Abihu, das sie frömbd fewr für den Herren bracht habind, das ist, anders dann ihnen der Herr gebotten hat. So wirt auch im bůch der Sprüchen Salomons das ein frömbd weib genennt, die einem andern zůgehört. Also sind das frömbde Gött, die wir uns selbs erdenckend, denen wir anhangend, und ihrer hilff begärend [begehren], die uns aber Gott nit zů schirmherren geben noch gmacht hat. Also sind auch die lieben heiligen selb, die yetzund mit Christo dem künig inn himmlen triumphierend und frolocken, frömbde Götter, nitt sie für sich selbs oder ihrenthalb, sonder unserthalb, so wir unrecht von ihnen haltend, und ihnen die ehr gäbend, die aber allein Gott gehört, sie für unsere schützer und schirmer ehrend und anbättend. Also werden uns auch die Teüffel selb, und alle die mit ihnen zů schaffen habend, zů frömbden Göttern, so wir sie mer förchtend dann Gott. Also auch die gstirn, die Planeten und zeichen am himmel, wenn wir uns die Mathematicos lassend verfüren, und also am gstirn hangend, das wir inn allen dingen dessen wöllend war nemen, und unser gantz leben nach dem lauff deß himmels richten. Also wenn wir gelt oder menschen ehrend und liebend, wie wir aber Gott allein ehren und lieben soltend, so machen wir uns das gelt und die menschen zů frömbden Göttern. Also wirt im Künig Asa gescholten das er sich zů vil auff die Artzet verlassen, ij. Paral. xvij. Darumb so werdend uns auch die krüter [Kräuter] und die Artzet zů frömbden Göttern. Item es werdend die Juden also gescholten, Esa. am xxx. Capitel, das sie sich auff die pündtnuß [Bündnisse] mit den Egypteren zů vil verliessend und vertrostend, darumb werdend also auch pündt [Bünde] und Pundtsgenossen zů frömbden Götteren. Besonders aber werdend auch hie verdampt die pündt und pact die man der zauberey wegen mitt dem Teuffel macht. Item die sägen [Segen], die man billicher verflůchungen nannte, und das abergleübisch Teuffelbeschweren, In welchem allem auch besonders böß ist der mißbrauch deß heiligen namens Gottes etc. Wer wolt es aber alles eigentlich können erzellen [erzählen], das wider diß erst gebott geschicht, darinnen geleert [gelehrt] wirt die waare Gottsäligkeyt und der recht waar inner Gottsdienst deß hertzens, das wir nämlich Gott erkennind, ihm glaubind, recht von ihm haltind, ihn anrůffind, ihm anhangind und ihm in allen dingen gehorsam sygind [seien].

Von dem gsatzt Gottes, und von den zweyen ersten gebotten N° 76 

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Das ander gebott.3 Das ander gebott lautet also. Du solt dir kein gegrabne bildtnuß machen, noch yenen ein gleichnuß, weder deren dingen die doben [droben] im himmel, noch deren die hieniden auff erden, noch deren die inn den wassern under der erden sind, Ehr sie nit, und dien jhnen nit, Dann ich bin der Herr dein Gott, ein starcker eyferer, der ich heymsůch der vättern missethat an den kinderen biß in das dritt und viert geschlächt, deren die mich hassend, und thůn barmhertzigkeyt an vilen tausenden, die mich liebend, und meine gebott haltend. Im ersten gebott hat der Herr geleert was zum innern Gottsdienst gehört. In disem andern aber leert er wie der ausser [äußere] sein sölle. Und so wir von Gott recht hieltind und dem ersten gebott recht und wie wir soltend nachgiengind, so hette es diß andern gebotts nichts bedörffen. Das end dises gebotts ist, das es uns abziehe von frömbdem Gottsdienst. Dieweil aber Gott unsere art wol weißt und uns bekennt, so verbeütet [verbietet] er uns das, das er weißt das wir sunst thůn wurdind [würden]. Dann der merteyl welt haltet darfür, man sölle Gott mit etwas bildtnussen anbilden und mit etwas ausseren leiblichen und sichtbaren Gottsdiensten verehren, und ihm silber gold edelgestein und ander kostlich ding opfferen und bringen. Da wil uns nun Gott mit dem [52v] gebott von solichen fleischlichen gedancken ynbildungen und verehrungen Gottes hinder sich halten und abziehen. Dann wie sein krafft unaußsprechlich, und er ein ewiger geist ist, also mag er auch mit keiner zerstörlichen bildtnuß außtruckt noch anbildet werden, und will allein im geist und in der warheit vereret sein. Durch die bildtnuß und gleichnuß aber wirt auch verstanden aller äußerer Gottsdienst, und dieweil die bilder verbotten werden, so wirdt auch aller äußer und frembder Gottsdienst verbotten. Dann wo ein götz oder bild ist, da můß man jhm auch gleich ein sül oder ein fůß haben, darauff man jhn stelle oder lege. Item man můß gleich ein altar und ein Tempel bauwen, hütter und diener oder priester haben, item opffer, schänckinen, ziert, fyrtag und mercklichen kosten on end. Darumb haben die Propheten die bilder gemeiniklichen genent müy und arbeit, dann wenn man einmal götzen annimpt, so můß man für und für grossen kosten müy und arbeit darzů haben, wie man das wol sicht in der erfarung. Bilder werdend von Gott verbotten.4 Nun hatt aber diß ander gebott drey theil. Zum ersten so verbeütet Gott gegrabne bildtnussen oder einicherley gleichnußen zů machen, das ist, er wil nit das man ihm einige bildtnuß auffrichte oder consecriere, Gott geb was materi oder form es

3 Marginaltitel. 4 Marginaltitel.

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 N° 76 Heinrich Bullinger / Übers. Johannes Haller

auch sey, dann wie er es nit wil, also mag er auch durch kein bildtnuß anbildet [i.S.v. abgebildet] und verglichen werden. Darumb er fast auch alle die gestalteh erzellt und verbeütet, mit denen man ein ding gemeinlich anbildet, dann er spricht, du solt Gott kein bildtnuß machen, noch gleichnuß oder gestalt, weder deren dingen die da oben sind im himmel, Als da sind die himmelischen corpora, Sunn, Mon, planeten, sternen, Item auch die vögel deß luffts, die mengerley gestalten habend, under welichen gestalten allensammen vil der Heiden Gott verehret und anbättet habend. Oder deren (spricht er auch) solt du Gott kein bildtnuß noch gestalt machen, die hie unden auff erden sind, alls da sind menschen, thier, kreüter, gewächß, böum etc. Dann es ist offenbar, das die Heiden Gott verehret habend under der gestalt der menschen und der thieren. Es schreibt Cornelius *Tacitus von den alten Teütschen also, Sie haltend nit das die Götter in muren yngeschlossen oder das sie menschlicher gestalt gleich seyend, dieweil sie zů groß darzů, sonder sie pflantzend und wihend [weihen] ihnen [i.S.v. sich] wäld [Wälder] und boumgarten und nennend darnach die selben geheimen abgesündereten [abgesonderten] ort mit den namen der Götteren, und sehen sie nimmer on [ohne] grosse andacht und ehrenbietung an. Daruß wir sehend, das unsere altvorderen Gott auch under der gestalt der böumen und wälden verehret habend. Item es wirt auch verbotten hie, und außtruckt, das wir Gott auch mit denen dingen nit verbilden söllind, oder verehren, oder under der gestalt deren ding, die in wasser oder under den wasseren sind, dann der5 Philister Gott hat die gestalt eines fisches. So hat man vor zeiten in Egypten die schlangen verehret, welchs Paulus alles zůsamen faßt zun Römeren am 1. Capitel, da er wider die Heiden disputiert, und spricht, ihr unstendigs [unbeständiges] hertz ist verfinsteret, do sie sich weyß [für weise] hieltend, sind sie zů narren worden, und habend verwandlet die herrligkeit deß unzergencklichen Gottes durch ein glichnuß eines erdichten bilds, nit allein deß zergengcklichen menschens, sonder auch der vöglen, und der vierfüßigen, und der kriechenden thieren. Wider dise unsinnigkeit streitet der erst theil dieses gebotts. Warumb Gott kein bildtnuß haben wolle. Warumb aber Gott nit wölle mit einicher grifflichen oder sichtbaren bildtnuß verehret werden, ist offenbar, dann Gott ist ein geist, hatt kein end, mag nicht umbzilt [umzirkt?], noch auch mit worten gnůgsam außtruckt werden. Er ist allenthalben zůgegen, erfüllet himmel und erden, ist ewig und ein lebendiger Gott, der auch das leben allen dingen gibt und erhaltet, und sein Ehr und herrligkeit ist erhöcht [erhöht] über die himmel. Sein gewalt und macht hatt kein end maß noch zil. Mit was bildtnuß und materi wil man dann ein geist vergleichen? [53r] David beschreibt

5 In Vorlage „die“.

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dargegen die bilder also, der Heiden götzen sind silber und gold, werck der menschen henden, sie habend einen mund, redend aber nit, augen habend sie und sehend nit, oren habend sie und gehörend [hören] nichts, auch ist kein athem in ihrem mund. Nasen habend sie und riechend nit, sie habend hend und könnd nit greiffen, füß habend sie und könnend nit gon, kein stimm könnend sie in ihrem halß zůwegen bringen etc. Was gleichnuß sol nun sölichs mit Gott haben? Darumb Gott wöllen mit einem sichtbaren bild anbilden und außtrucken, das ist Gott zum gespött und zur verachtung machen. Da Gottes aug sicht alle ding, deß Götzen aug sicht nichts überal. Gottes ohren hörend als, deß Götzen ohren hörend nichts. Durch Gottes krafft lebend und bewegen sich alle ding, und wirdt auch alles durch ihn erhalten, die Götzen aber habend kein leben in ihnen [i.S.v. sich], und regend sich nur nit, und wo sie nit sonst durch andere hilff werdend gehalten, so zerfallend sie und gond zů scheiteren. Die Götzen habend kein athem, Gott aber gibt allen lebenden geist und athem. Worinn könnend sie dann ein anderen gleich sein? weder ist die materi oder die form deß Götzen Gott gleich? Sagst du die materi, so müßte Gott ein guldiner, silberiner oder höltziner Gott sein. Sagst du dann die form, so volgete, das die unsichtbar krafft, hinfellige und zerstörliche glider hette, und hiemt wurde bestätet der irrthum der Anthropomorphiten. Hat dann der Götz kein gleichnuß mit Gott, warumb werdend dann die Götzenbilder und gleichnuße Gottes genennt? wenn under uns menschen keiner den anderen ein Götzen oder ein bild nante, so hättind wirs für ein grosse schmach, dann ein Götz sicht wol eim menschen gleich, er ist aber kein mensch, darumb wenn wir von eim faulen, groben ungeschickten und unärtigen menschen wöllend reden, der weder vernunfft noch verstand hat, so nennend wir ihn ein Götzen oder ein bildstock. Warumb woltend wir dann erst die bilder Gottes gleichnusse nennen? Gott ist lebendig, die bilder aber gleichen den todten menschen, wie im bůch der weyßheit stat. Gott ist herrlich und gewaltig, und seiner herligkeit und Maiestet ist himmel und erden voll, die bilder aber habend kein herrligkeit, werden von meniglichen verspottet und verlachet. Die bilder sind zeichen des abwäsenden, Gott aber ist allweg allenthalben zůgegen. Die zechen aber die Gott vor zeiten seinem volck eingesetzt und gegeben hat, sind nit einfaltig zeichen und bildtnußen Gottes gewesen, sonder zeichen der gegenwertigkeyt Gottes, die da bedeütend das Gott der an ihm selbs ein geist, unsichtbar und unbegreifflich und unermessen ist, zůgegen were. Wie dann söliche zeichen gewesen sind, die wulckensul [Wolkensäule], der rouch [Rauch], und das fewr am berg Sina. Also auch die puntsladen [Bundeslade], welche darumb von den flüglen der Cherubim bedeckt ward, das damit anzeigt wurde, das kein sterblicher mensch in das angsicht Gottes selbs schawen möchte, und das man deßhalben hertz, geist und gemüt gen himmel auffheben sölte. Darumb auch zum Mose, von dem doch geschrieben stat, das Gott von angesicht zů angesicht gesehen hab, geredt ward, Niemand wirt mich sehen und leben. Nachdem wir aber auß diser zeit abscheidend, so werden wir

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ihn sehen wie er ist, wie der heilig Johannes sagt. Das sind die ursachen darumb der Herr nit wil durch einicherley materi form oder gestalt verbildet werden. Und daher dienend jetzund die zeügnußen der aller Gottsälichsten und furtreffenlichsten männeren Mosis, Isaie und Pauli, under welchen Moses also spricht; Deu. iiij. Der Herr redt mit euch mitten auß dem fewr, die stimm seiner worten hortend ihr, aber kein gleichnuß sahend ihr außerhalb der stimm. Item, So hütend euch nun wol, als lieb euch eüere seel ist, dann ihr habend kein gleichnuß gesehen deß tags do der Herr mit euch redt auß dem fewr auff dem berg Horeb, auff das ihr euch nit verderbind, und euch etwan ein gehawen oder gegraben bild machind, einer gleichnuß einicherley gestallt, es seye eines mann oder weybs, oder vichs auff erden, oder einicherley geflügleten vöglen, die da fliegend under dem himmel, oder [53v] gewürm auff dem land, oder fisch im wasser under der erden, das du nit deine augen auffhebist gen himmel, und sehist die Sonn und den Mon und die sternen, und das gantz heer deß himmels, und werdist außgestossen und bätist sie an, und dienest ihnen, welche der Herr dein Gott außgetheilet hatt allen völckeren under dem gantzen himmel. Und bald hernach weiter. So hütend euch nun, das ihr deß pundts [Bundes] deß Herren eüwers Gotts nicht vergeßind, den er mit euch gemacht hatt, und nicht bilder machind einicherley gestalt, wie der Herr gebotten hatt. Dann der Herr dein Gott ist ein verzerents feüwr und ein eyferiger Gott. So vil auß Mose. Esaias am xl. Capitel spricht also. Nimm war alle völcker sind gegen ihm (verstand Gott) wie ein tropff gegem eimer voll, und weren gegen ihm gerechnet wie das wenig das die wag außzeücht. Nimm war die Inßlen [Inseln] zerwirfft er wie kleinen staub, der Libanus möchte da fewr nicht anzünden, und alle seine thier wärind nit gnůsam zum brandopffer. Alle völcker sind gegen ihm wie nichtss, ja eytel oder lär [leer] gegen ihm gerechnet. Wäm [wem] wöllend ihr dann Gott vergleichen? oder was gleichnuß wöllend ihr ihm auffrichten? Sol ihm der zimmerman ein geschnitzts bild machen? und der goltschmidt mit guldinen blächen decken? oder mit silberinen kettinen anlöten? Ein armer erwellt [erwählt] auch ein holtz, das nit faule damit er auch opffere. Der weyß [weise] werckmeister sůcht ihm [i.S.v. sich] auch ein bild zů bereiten, das sich nit bewege. Ist euch das unbewüßt? haben ihr darumb nichts gehört? ist es euch nit von anfang här [her] geprediget, sind ihr deß nicht berichtet seyt das pfiment [i.  S.  v. Fundament] der erden gelegt ist? das er auff der kuglen der welt sitzt, und die inwoner der welt sind gegen ihm wie höwstöffel [i.  S.  v. Heuhaufen], das er die himmel außbreitet wie ein decke, das er sie außspannet wie ein zällt [Zelt] zů einer hütten außgespannet wirt, das er die fürsten zů nüte, und die richter der erden eytel machet, also das sie nit widerumb gepflanzet oder gesäyet werden, noch ihr stammen widerumb in der erd wurzlet, dann so bald er sie ankuchet, sind sie erdorret, und farend hin wie die stupflen vonn der windsbrut. Wem wöllend ihr mich nun gleich machen? und wem sol ich gleich sein? spricht der heilig. Erhebend ewere augen in die höhe und sähend, wer hat die ding geschaffen,

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die mit so grossen hauffen außziehend, und er kan ihnen allen mit dem namen růffen, dann der grösse seiner macht, stercke und krafft ist keins verborgen etc. So vil auß dem Esaia. So spricht auch Paulus do er zů Athen von dem waaren Gottsdienst leeret und disputiert under anderem also [Acto. 17.], Gott der die welt gemachet hat, und alles was darinnen ist, seittmals er ein Herr ist himmels und der erden, so wonet er nicht in templen mit henden gemachet, seinen wirt auch nit vonn menschenhänden gepflägt, als der jemands bedörffe, so er seleber jederman leben und athem allenthalben gibt, und hatt gemachet, das von einem blůt aller menschen geschlächt auff dem gantzen erdboden wonend, und hat zil gesetzt von ewigem fürsehen, wie lang und weit sie wonen söllind, das sie den Herren sůchen söltind, ob sie ihn doch spüren und finden möchtind, und zwar er ist nicht verr [fern] von einem jeglichen unter uns, dann in ihm lebend, strebend und sind wir. Als auch etlich Poeten bey euch gesagt habend, wir sind seiner art. So wir dann Göttlicher art sind, söllend wir nit meinen das die Gottheit gleich seye dem gold oder dem silber oder dem bildwerck der menschlichen kunst und dichtung etc. Das sind nur alles so hüpsche heitere und lautere zeügnußen, die sich so eigentlich selbs zů unserem fürnemen reymend, das es nit von nöten ist, das ich sie weiter außlege. Darumb der heilig *Augustinus nit unbillich und nit on grosse ursach für ein grosse schmach Gottes gehalten hatt, so jemandt ein bildtnuß Gottes deß vatters sitzender weiß auff einem stůl oder thron inn ein Tempel oder kirchen [54r] machete, dann es gebüre und zieme sich nit sölichs von Gott zů gedencken. Seine wort hab ich droben in der achtenden predig anzogen, da ich geredt hab von der gerechten deß vatters, und anzeigt was es seye zur gerechten deß vatters sitzen. Es sind auch andere bilder verbotten, zur verehrung zů bruchen. So vil aber jetzund andere bilder belanget, die man den creaturen oder Götteren auffrichtet, so sind söliche nit minder verbotten dann Gottes bildtnussen. Dann sol man dem waren Gott kein bild auffrichten, so sol mans auch vil minder einem frömbden Gott auffrichten. Dann mit den bilderen hatt es die gestalt, das deß menschen gemüt zum ersten ihm [i.S.v. sich] erwelt ein Gott zů verehren, darnach so bildet es ihm yn etwas gstalt, die gibt es ihm zů, und dannent hin so macht die hand das bild, das man deßhalb recht spricht, das gemüt empfahe den Götzen, die hand gebäre ihn aber. Nun hatt aber Gott im ersten gebott verbotten, das wir nicht frömbde Götter haben söllind. Wer nun keine frömbde Götter hatt oder ihm [i.S.v. sich] selbs erwellt [erwählt], der erdenckt ihnen auch kein bildtnuß, und richt ihnen kein Götzen auff, dann er weißt das es unrecht ist Gott ein bildtnuß wöllen auffrichten, er weißt auch das es wider Gott ist, ein frömbden Gott erwellen, und deßhalb auch eines frömbden Gotts bildtnuß inn der kirchen wellen haben und auffrichten. Darumb läsend wir auch niergent, das die kirch und gemeind Gottes im alten Testa-

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ment irgent einiche bilder ihren heiligen (deren sie doch vil hattend, nämlich die alten heiligen Patriarchen, Richter, Künig, Priester, Propheten und marterer [Märtyrer], auch vil fürnemer ehrlicher frawen und witfrawen,) auffgericht haben. So hat auch die erste kirch zun zeiten Christi und der heiligen Aposteln keine bilder gehabt inn ihren templen oder bätthüseren [Bethäusern], weder Christi deß Herren, noch anderer heiligen. Es ist auch menigklichen bewůßt die that deß heiligen Epiphanii die er in Syria zů Anablatha gethon hat, welche funden wirt inn einer Griechischen Epistel an Johannem den Bischoff zů Jerusalem, welche Epistel von Sanct Hieronymo ins latin verdolmetschet ist, Nammlich das er ein tůch daran ein bildtnuß was, eintweders Christi oder sonst eins heiligen, inn einer kirchen fand hangen, das nam er und zerzeeret [zerzerret i.S.v. zerriß] es, und sagt, das es der Christenlichen religion zůwider wäre, das inn eim Tempel Gottes eines menschen bild solt hangen. Es schreibt auch der heilig *Augustinus in dem Register der Kätzeren, von einer frawen Marcella genant, die der Carpocratianer sect anhieng, das sie bildtnussen heige [i.  S.  v. habe] gehebt deß Herren Jesu, Item Pauli, Homeri und Pythagore, und das sie die habe verehret, sie anbättet und vor ihnen geröucht [geräuchert]. Darumb auch Erasmus von Roterdam, der inn den bücheren der alten vätteren gar treffenllich geübt, nachdem er vil und scharpff von dem bruch [Brauch] der bilderen inn den Templen geschriben hatt, sagt er zum letsten wol und recht druff also. Das bilder in der kirchen sein söllind, das leert kein gebott, auch kein menschlichs nit. Und es wäre leichter, und das sicherer, das man alle bilder auß den kirchen thäte, dann das man dahin möge kommen, das man ein maß darinn halte, und kein aberglauben und superstition darmit inmische. Dann wie suber [sauber] und rein joch [i.  S.  v. je auch] das gemüt von superstition und aberglauben immer seye, so sicht es doch einer superstition und aberglauben gleich, wenn einer so er bättet, vor einem höltzinen bild niderknüwet [niederkniet], seine augen auff das setzt, mit ihm redet und es küßt, und nimmer bättet er habe dann ein bild vor ihm [i.S.v. sich]. Und wer ihm [sich] Gott anderst ynbildet, dann wie er ist, der verehret die geschnitzten bild, wider das verbott dises gebotts. Item im selben büchlin schreibt er auch ein söllichs. Es sind biß auff die zeyt deß heiligen Hieronymui sölliche männer gewesen, die inn der religion und am glauben kein fäl [Fehl] hattend, die littend inn ihren templen kein biildtnuß, weder gemalete, noch gegrabne, noch gewürckte, auch die bildtnuß Christi nicht, [54v] und das als ich acht von wegen der Anthropomorphiten. Nach und nach aber ist der brauch der bilderen in die kirchen eingeschlichen. Diß schreibt Erasmus. Das man auch dem Herren Christo kein bild mache. Nun sol man aber auch unserem Herren und waaren Gott Christo Jesu kein bildt-­ nuß auffrichten, von wegen seiner angenomnen menschlichen natur, dann er ist

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nit darumb mensch worden, das man ihn verbildete. Darzů hat er sein menschliche natur gen himmel gefürt, und wil hiemit, das so wir bätten wöllen, das wir die augen unsers gemüts und auch deß leybs daselbst hinauff hebind. Auff erden hat er seiner kirchen geschickt an sein stadt die krafft deß heiligen geists, inn welcher er ein geistlichs reich fürt, und bedarff keiner leiblichen oder eusserlichen dingen, den armen hat er geheissen gäben, nit seinen bilderen anhencken, was man ihm thůn wil. Besonders aber auch dieweil unwidersprechlich ist, das Christus unser waarer Gott ist, und der waar Gott verbeütet da man ihm kein schliche oder andere bildtnuß auffrichten sölle, das ist Gott mit menschlicher gestalt verbilde, so volget, das man auch Christo kein bild söll auffrichten, dann er der waar Gott und das ewig leben ist, 1. Johan. v. So vil vom ersten theil dises gebotts. Wie verr6 man keine bilder machen soll. Im andern theil wirt aber angezeigt und gelert, wie verr man keine bilder Gottes und der götteren sölle machen, und ob sie jemand machete, wie wir uns dargegen söllind halten. Namlich so sol man die bilder nicht machen zum Gottesdienst, oder das man sie zů der religion brauchen wölle, und so sie jemand also machet, und zur religion braucht, so söllend doch die rechten Gottsdglöubigen die verachten und nichts schetzen, und sollend sie weder verehren, noch anbätten, noch ihnen inn einigen wäg dienen. Und werdend hie zwey ding genennt, die man mercken můß, Das ein das da stadt du solt sie nicht anbätten. Anbätten heißt hie nit nur anrůffen und sie einfaltig anbätten, sonder auch das haupt vor ihnen blössen, niderknüwen sich biegen und neigen, es seye mit dem haupt oder mit dem gantzen leyb, vor ihnen niderfallen, ihnen ehrerbieten, sie verehren, förchten und hoch halten. Die glöubigen habend etwan anbättet, das ist sich geneigt, ihr haupt entblößt und niderknüwet, gegen der oberkeit und den Propheten, gegen den Fürsten und leerern deß volcks, auch gegen anderen Ehrsamen männeren und personen, dann Gott hatt sölichs gebotten, von wegen das er durch dise leüth das heil und den wolstand der menschen würckt und fürderet, Darzů so sind auch die menschen lebendige bildtnussen Gottes, Die Götzen aber sind todt, stumm, blind, holtz und stein, die söllend wir nit anbätten, das ist ihnen gantz kein ehr erzeigen wann es gleich Gottes bildtnussen wärind. Das ander aber ist, das da stadt, du solt sie auch nicht verehren, oder ihnen nicht dienen. In welchem stückli verbotten wirt aller eusserer und ungebürlicher Gottsdienst, der Gott oder frembden Götteren bewisen wirt mit superstition und aberglauben , mit ußerem kirchenpreng [Kirchengepränge], fyrtagen, und was dergleichen diß sind. Dann dienen, heißt einen verehren und vor augen haben, und

6 Lies „inwiefern“.

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ihm etwa maiestet und Göttlichs zůmessen, und zůschreiben, ihn hochhalten, ihm röuchern, opfferen, oder andere dergleichen stuck und dienst beweisen, wie dann menigklicher weißt was dienen ist und heißt, besonders in religions sachen. Darumb wirt uns hiemit verbotten das lauffen zů den bilderen, und wenn es gleich Gottes bilder wärind. Es wirdt uns auch verbotten aller dienst, das wir ihnen nützit schenckind gäbind oder zůtragind, oder ützot Göttlich zůgebind, dardurch wir uns gegen ihnen verstrickind, ja das wir sie gantz keiner ehren wärt haltind, oder sie zů unseren heiligen religions und glaubens sachen brauchen wöllind. Dieweil wir ihnen nun kein ehr noch dienst entbieten oder beweisen söllend, wie könend wir ihnen dann zůgeben, daß allein deß geists und deß worts Gottes eigenschafft und wolthat ist, namlich das sie uns leerind erinnerind und ermanind, [55r] dieweil doch auch der fürtreffenlich Prophet Abakuk, den auch der h. Apostel Paulus anzeücht und rümpt, also von ihnen schreibt, Was wirt das bild hälffen, das sein gestalter geschnitzet hat, und das gegossen bild das luginen [lügen] leert und falsch weißt, auff das sich sein gestalter vertröstet so er stumme Götzen machet? Wee [wehe] dem der zum holtz spricht, wach auff, und zum stummen stein, stand auff. Mag der etwas berichts geben? Nimm war es ist mitt silber und gold eingefasset, und kein athem ist in ihm, der Herr aber in seinem heiligen Tempel ist der, vor dem alle welt still sein sol. Was köndte heitterers und waarhaffters geredt werden? Die bilder sind lugenhafft. Wie köndte aber das offentlich die luge ist, die waarheit leeren? Die gemäl und bildtnussen habend weder bewegnuß noch leben, noch geist, Gott aber sitzt und regiert in dem Tempel seiner heiligkeyt und leert durch seinen geist und mit seinem wort alles das zur waaren Gottsäligkeit dienet, und let in den hertzen seiner heiligen und außerwölten. Darumb sollend vor ihm schweigen und still sein die zungen aller deren in der gantzen welt,, die da understond die abgötterey z schirmen und zů vertädingen.

Editorische Notiz Bearbeitungsvorlage Haußbůch || Darinn begriffen werden fünff-||tzig Predigen Heinrychen Bullingers / Dieners der || Kirchen zů Zürych. In welchen nit allein die zähen Gebott Gottes /|| die zwölff Artickkel deß Christenlichen glaubens, und das heilig Vatter un-||ser  / sonder auch alle andere artickel / leeren und hauptstuck unserer Christen-||lichen und Euangelischen Religion  / weytlöuffig  / einfalt und ordenlich gehand-||let und erklärt: dargägen die fürnembsten gegenwürff aller widersacheren freündt-||lich auß der heiligen gschrifft / auch auß den heiligen alten Vätteren / widerlegt ||werdend. Welche nun etlich mal in Latinischer spraach im truck außgangen  / || yetzzemal

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aber auch dem Teütschen land vnd dem gmeinen mann zů gůtem / || damit er aller fürnembsten artickeln eigentlichen bericht habe / und da || ers an den Predigen nit hören darff / doch in seinem hauß läsen || möge / in Teütsche spraach verdolmetschet sind / durch || Johannem Hallern / Dienern der Kirchen || zů Bärn in Ůchtland. […] || M.D.LVIII. – [477 gez. Bl.] Bayerische Staatsbibliothek, Sign. 2 Hom. 44, Digitalisat abgeglichen mit – Moderne Edition des lateinischen Werks: Sermonum Decades quinque de potissimis Christianae religionis. Hg. v. Peter Opitz. In: Heinrich Bullinger Werke. Dritte Abtlg.: Theolog. Schriften, Bd. 3 (in 2 Teilbänden). Zürich 2008. – Moderne deutsche Übersetzung: Bullinger Schriften, hg. v. E. Campi, D. Roth, P. Stotz, Bde. 3–5. Zürich 2006. LIT ADB, NDB, TRE, Wikipedia, zvdd; Büsser (2004/2005), Opitz (2004), Campi u.  a. (2006).

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N° 77 Johannes Sylvanus Neue Zeitung, wie ein Bild geredt habe [1561] Über soziale Herkunft und Bildungsgang des im tirolischen Etschtal beheimateten Johannnes Sylvanus (ca.  1525–1572) ist (noch) nichts bekannt. Amtlich trat er erst in Erscheinung, als er 1555 in Würzburg bischöflicher Prediger wurde. Durch Lektüre von Schriften Melanchthons zum Protestantismus bekehrt, ging er 1559 nach Tübingen und ab 1560 als lutheranischer Pfarrer nach Calw, trat 1563 in die Dienste des reformierten Kurfürsten Friederich III. von der Pfalz (reg.1559–1576) und wurde Superintendent in Kaiserslautern. Nach einer Reise in die Niederlande wurde er 1567 Pfarrer in Ladenburg, wo er mit Antitrinitariern wie dem Mediziner Jacob Suter (ca. 1540- ca. 1610) und dem Theologen Adam Neuser (ca. 1530–1576) kooperierte. Als Sylvanus 1570 ein antitrinitarisches Glaubensbekenntnis niedergeschrieben hatte, wude er in Heidelberg gefangengesetzt und dort zwei Jahre später auf dem Marktplatz enthauptet. Die bildkritische Schrift ist die geringfügig veränderte Neuedition des ca. 1530 entstandenen anonymen Gedichtes ‚Klagrede der armen verfolgten Götzen und Tempelbilder‘, das wir bereits (→ N° 40) publiziert haben. Gewidmet ist sie Hans Ungnad Freiherrn zu Sonneck (1493–1564), der als Offizier und Staatsmann, aber auch als Betreiber einer slowenisch-kroatischen Druckoffizin für die lutherische Sache eintrat. Wenn Sylvanus in der Dedikation erklärt, dass es ihm tunlich erscheine, „ein Büchlin, welches vor vil jaren von einem gelehrten Man gemacht“, in neuer Ausgabe zugänglich zu machen, so wird deutlich, dass ihm der Name des Verfassers – hinter dem seit dem 18. Jahrhundert Niklaus Manuel, heute aber Hans Sachs vermutet wird – nicht bekannt war; dass ihm überdies die früheste Version dieser Publikation, der anonyme Einblattdruck von ca. 1530 mit dem Titel „Klagrede der armen verfolgten Götzen …“, unbekannt war; denn der Terminus „Büchlin“ besagt, dass Sylvanus eine spätere Ausgabe vorgelegen haben muss. Dies dürfte jene ‚Klag vnd bekantnus der armen Götzen…‘1 gewesen sein, welche Jörg Spitzenberg 1538 in Konstanz gedruckt hatte. Sie bietet nach einem Holzschnittitel den Text zweispaltig auf sieben nichtnummerierten Quartseiten. Der traktathafte Prosatext, den Sylvanus dem gefundenen Gedicht voranstellt, ist umfangreicher als dieses selbst. Er hat die Aufgabe, dem Gedicht historischen und theologischen Halt zu geben, so dass nicht verwunderlich ist, dass er bibel- und kir-

1 Vorhanden in SBB, VD 16 M 545. http://doi.org.de/10.1515/9783110780031-018

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chenhistorisch argumentiert. Erstaunlich aber ist, dass er in antipapistischem Eifer die Verwerflichkeit katholischer Bildnutzung (in kultisch-zeremonieller Verehrung, Mirakelgläubigkeit, Wallfahrt) noch unter heidnische und jüdische Bildverwendung einordnet und deshalb auch pagane Poeten wie Horaz und Vergil zu psychologischer Beglaubigung heranzieht. Sylvan sieht (mit Augustin und Salomon) Ursprung und Anfang von Bildverehrung in Totenbildkult und Totengedenken, die mit der Zeit zu Bilderverehrung und Idolatrie sich gewandelt hätten. Variantenreich greift Sylvanus immer wieder die Gregorsformel an, die letztlich dafür verantwortlich sei, dass die Bildfaszination – namentlich in Italien – die Predigtdidaxe aus den Kirchen gedrängt habe, das Bild an die Stelle der Schrift getreten sei: ein Tausch, der deshalb unzulässig sei, da ja Bilder, im Unterschied zur Schrift, sich nicht selbst auslegen könnten.

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Johannes Sylvanus Neue Zeitung, wie ein Bild geredt habe [1561] [Aiir] Dem wolgebornen Herrn herr Hansen Ungnad Freyherrn zů Sonneck2 etc.

meinem gnedigen Herrn wünsche ich Iohannes Sylvanus Gnad und frid von Gott dem Herrn durch Jhesum Christum. Wolgeborner Genediger Herr, Es seind dreyerlay Götzen mit den wir Prediger zu arbeiten haben: Geschnitzelte [geschnitzte], Gemalte, und Lebendige, Die ersten macht man mit schnitzelmessern, die andern mit Pensel von farben, Die dritten seind in solcher gestalt von Gott als schöne Creaturlin beschaffen, aber dieweil sie Gottes nit achten sind sie zu scheutzlichen ungestalten Götzen gerathen, doch ist es nit des Schöpffers schuld, wie eins Malers, da er vermeint einen Engel zů malen3, gerieht es zum Teuffel, Und da er einen Hasen entwerffen solt, wurd ein Esel daraus umb der langen ohren willen: Sondern es ist ihr selbs schuld, das sie die Bildnus Gottes von sich werffen. Die erste und andere Götzen kan man leuchtlich stürmen, aber die letsten wöllen sich nit bald lassen stürmen, Der Teuffel helt [Aiiv] vest darob, und thut ihnen dapffern beistand. Es will bei ihnen weder singen noch sagen helffen. Jene Götzen sind einfeltig und schlecht, es mag sie der Mensch tragen und weltzen wohin er will, ob mans gleich verbrent, tragen sie gedult und seind willig. Dise aber seind halsstarrige, tölpische grobe knöpff: Die wölt ich gern erweichen, und vom Satan zu Gott, von lastern zum Christlichen Wandel bringen, so thun sie widerstand, der Geitzig lasset sich nit bekeren von seiner schinderey, der Trunckenboltz fart fort in seiner Fullerei [Völlerei], Der ohrenblaser und verleumbder lasset nit nach von seinem erlognen bösen geschwetz, der Neidig trit nicht von seinem Haß, Der Störrig lasset nit nach von seiner unversunligkeit [Unversöhnlichkeit], Summa, der Gottloß ist in seiner Gottlosigkeit halsstarriglich verharnet: Es ist kein Puß [Buße] verhanden, und wöllen doch Christen genant sein: All schreien Herr, Herr, Aber den willen Gottes halten sie fur gering. Solch Teuffelische Götzen betrachten nit, das alle Christen darumb Christen genant sein sollen, das sie mit Christo begraben sind durch den Tauff in dem Todt, auff dz gleich wie Christus ist aufferstanden von den Todten durch die herrligkeit des Vatters, also sollen auch sie (wo sie Christen wolten sein) in einem Newen leben wandeln. Die Predigt von der Barmhertzigkeit gehet süß ein, aber wann ich die widergeburt, das ist die Erneuwerung des Menschen (auß Paulo) [Aiiir] treibe, das will

2 Hans Ungnad Freiherr zu Sonneck (1493–1564), Lutheranhänger, ab 1530 Landeshauptmann der Steiermark, ab 1540 Landeshauptmann des Erzherzogtums Oesterreich unter der Enns. 3 In Vorlage „Malen“.

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disen Götzen pitter und saur sein: Von disen dreierlayen Götzen lase4 ich dise tag ein Büchlin, welchs vor vil jaren von einem gelehrten Man gemacht5: gedachte ich wol zů thun, das wider von der finsternus an die Sonn zu geben. Und ist ein feine kurtzweilige klag der armen Götzen, wider die lebendige Götzenen Und sintemal ich wider solch dreierlay Götzen der Papisten und Maulchristen auch wider haimliche verfechter der Götzen (die auch in ihren Stuben und Gemechern Götzen aus den Babstisten [päbstlichen] Kirchen genommen, an die Wend mit Samat und seiden gezierd geschlagen, die auch noch ein andacht und neigung zum alten Babstumb hetten, wo sies törffen [dürfen] thun) zu thun habe, thu ich vornan hin mein Vorrede und bekenne, was ich von solchen Larven, und deren verteidiger[n] halte. Dise meine Bekantnis und verlegung falscher opinionen, so auffs kurtzist jetzmals, biß es besser wird, ich zusammen gezogen, schencke ich E. G. bittend, sie wöllen solch von mir als ein geringe gab für gůt annehmen6. Damit befilhe ich E. Gnaden sampt derselben geliebten Gemahel und kindern den Gnaden, Schutz und Schirm Gottes. Datum Calw den letsten May Anno 1561. E. G. Williger Johannes Sylvanus Athesinus diener des Evangelii daselbst.

[Aiiiv] Dem Christlichen Leser Gnad und frid von Gott dem Herren durch Jesum Chri-

stum im Heiligen Geist. Es ist ein alter zanck von der Götzen und Bildnussen, so ist es auch ein alter gebrauch und herkommen das[s] man solch Larven in den Predig- und Betheusern gestattet7, darumb vil bewegt und geraitzet, solchen gebrauch hartnegiklich [hartnäckiglich] zu vertheidigen. Ob es gleich so anzusehen ein schlecht, klein und gering ding, ist doch zu besorgen, es werde (nach dem billichen urtheil Gottes, scheutzliche abgötterei zu straffen) ein ursach sein viler zenck und streit, denn aus einem kleinen fungken [Funken] mag mit der zeit oder ja ein groß fewer aufbrechen: So ist es auch des Satans art und gewonheit seiner abgötterei und Trennung (die er im volck Gottes stetigs begert anzurichten) einen kleinen unversehenlichen anfang zů machen: Damit je die einfeltigen unversehenlich ubereilet werden. Er ist nit ein redlicher streiter, so greifet er uns nit offentlich auff freyem feld an, sondern überschleicht uns heim-[Aivr] lich und tückischer weise, wie ein Mörder das liecht scheuet8.

4 In Vorlage „lasse“. 5 Sylvanus kennt den Namen des ‚erfassers offensichtlich nicht. 6 In Vorlage „anemen“. 7 In Vorlage steht noch „werden“. 8 In Vorlage „scheuchet“.

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Einer will Götzen in seiner Kirchen leiden, Der ander will jhr gar nicht, Item, einer will weder9 Bilden noch Gemel gestatten, der ander mag die Gemel leiden aber die geschnitzleten oder gegossene Götzen sturmbt [stürmt] er: Wer recht oder unrecht dran seie, wöllen wir kurtzlich besehen. Und erstlich von denen die Göttliches wesen sich mit Figurn und Bildnussen unterstehn zů representieren und darzůstellen oder deuten: Darnach von den Bildnussen leiblicher ding, als der historien und der personen: Item, Ob solche Bildnusse in den Kirchen, da man predigt und gemaine gebet helt, leiden möge oder solle: Letzlich ob der Bildnussen und Gemel ein guter Christlicher gebrauch möge sein. Darnach wöllen wir die jemerlich klag solcher armen Götzen anhören, und uns erinnern wie jhnen möcht geholffen werden. Aber zum ersten ermane ich dich freuntlicher leser, als einem eifrigen10 Christen gepiret [gebürt], allein auff Gottes befelhe sehen, in Religionssachen der vernunfft nit trauwen. In kirchischen handlungen gib der vernunft urlaub, und halt dich vest am außtruckenlichen wort, In politischen eusserlichen dingen, die das gewissen nit betreffen, magstu mit deiner vernunfft zů raht gehn, und dennach wol fursehen darmit dem gewissen kein abbruch beschehe. Solchs wirstu wissen zů thun, so du in der Schul des hailigen Geists geübt bist, und [Aivv] aus dem wort gelernet hast, dem wort Gottes weder zu geben noch zu nemen, Deut. 4.12.31 Joh. 1 Prover: 30. Rom.12. 2. Tim.3. Für erste stehet geschriben Exodi am 20. capitel also: Du solt dir kein Bildnus, noch irgent ein Gleichnus machen, weder des das oben im Himmel, noch des das undten auff der Erden, oder des das im Wasser unter der Erden ist. Bete11 sie nicht an, und diene jnen nicht, denn ich der Herr dein Gott, bin ein starcker eiferer, der da heimsůcht der Vetter [Väter] missethat an den kindern biß in das dritte und vierdte glid, die mich hassen, und thů Barmhertzigkeit an vil Tausent, die mich lieb haben, und meine gebott halten. Solch ernstlich Gebott wird im fünften Bůch Moisi am 5. capitel und anderswo in heiliger geschrifft zum öfftern widerholet. Um den Ernst Gottes anzuzaigen in disem Gebott, gebraucht sich der heilig Geist mehrer ansehenlicher wort in disem, denn in folgenden satzungen zwaier Tafeln. Er hengt dran ein grosse und schröckliche drohung12. Ich glaub umb solcher grosser mercklicher abgötterey wegen der Papisten, hab Gott nach seinem grimmigen eifer die missethat der Vetter biß ins dritt und vierte (oder ja auch daruber) geschlecht heimgesucht, und sie dermassen in einen verkerten sinn geworffen das solche abgötterey bei den Papisten etlich hundert jar geweret habe. Es ist schröcklich und erbarmlich zů hören. Gott hat

9 In Vorlage „werder“. 10 In Vorlage „eiverigen“. 11 In Vorlage „Bette“. 12 In Vorlage „droung“.

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seinen zorn mit der straff so grosser blindheit ernstlich erzaigt, [16] das ja die Papisten mit ihrem abgöttischen wesen der Haiden aberglauben weit ubertreffen und darumb auch heftiger gestraft werden: Rom: i. Gott der himlische Vatter will, das man gantz aller ding kein Pildtnuß noch einerlay [i.S.v. irgendein] Gleichnuß nach seinem uberwesentlichen wesen mache, schnitzle oder male. Es sagt Deut: 4. cap. Moyses, Die stimm seiner wort höret jhr, aber kein Gleichnus sahet jhr ausser der stimm: Item, So bewaret nun euwer seelen wol, denn jhr habt kein Gleichnus gesehen des tages, da der Herr mit euch redet aus dem fewer auff dem Berg Horab, auff das jhr euch nicht verderbet und macht euch irgend ein Bild, das gleich sey eim Mann oder Weib oder viehe auff erden etc. Gott mag mit keiner Figur abconterfet oder abgemalet werden, kein Creatur ist jhme gleich, weder im Himmel noch auff erden. {marginal: Joh: 4.} So will er angebettet werden im Geist und in der warheit. Solch heilig Gebet treiben die Propheten eintrechtigklich und mit gleichem eifer. Jesaias handlet es vom viertzigsten capitel piß auff dz 46. gar gewaltig. Damit du nicht gedencken mögest, es seie allein ein zeitlich oder ceremonisch gebott und gehöre allein dem alten Testament zů, wie etlich terffen liegen13 , lise in Geschichte am 17. capitel wie Paulus so hefftig donnert und plitzt wider den Götzendienst also: Gott der die welt gemacht hat, und alles was drinnen ist, sinte-[17] mal er ein Herr ist Himmels und der Erden, wonet er nicht in Tempeln mit henden gemacht, sein wird auch nicht von Menschenhenden gepflegt, als der jemands bedörffe, So er selber jedermann leben und athem allenthalben gibt. Bald hernach: So wir denn Göttlichs geschlechts sind, sollen wir nicht meinen, die Gottheit sey gleich den gulden, silbern, steinern Bildern, durch menschliche gedancken gemacht. Und weil war ist, wie Johannes sagt {Joh. 1.}: Niemand habe Gott jhe gesehen, Wie mögen die Menschen jn nach vermainten glidmassen abconterfeten oder schnitzeln? So ist er unbegreiflich und mag weder mit worten ausgesprochen, noch mit vernunfft verstanden werden. Seins wesens und seiner Natur ist kein end. Und seintemal die Schnitzler und Maler jn mit farben, Linien und Figuren abmalen, thun sie nicht anders, denn das sie Gottes Natur und unbegreiflichs wesen unehren und so verechtlich [verächtlich] halten, als ob einer den Engel in eins Teuffels gestalt malete. Ey wie geschickt und geschwind der Maler ist, kan er doch kein Seel abconterfeten, wievil weniger wirdt er Gott in ein Figur begreiffen und beschliessen mögen? Denn die Seel ist unsichtbar, noch vil unsichtbarer ist die Göttliche Natur. Da Gott befalhe eine[n] Gnadenstul zu machen {Exod. 25. und 37.}, liesse er die mitte des Gnadenstuls leer, schnitzlete kein Bild, malet auch kein Figur darein:

13 I.S.v. ‚glauben lügen zu dürfen‘.

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damit [18] den Menschen, die von Natur zu abgötterey geneigt, nit ursach geben wurde Bilder zu schnitzeln und Gemel [Gemälde] zu machen. Mit solchen gebott gibt der heilig Geist zu verstehen, erstlich das Gott mit keinerley Figur begriffen oder abgemalet werden mag, Zum andern das er unsichtbar und mit Menschlicher empfindligkeit nit mag umbfangen oder angetastet werden, Zum dritten das ob er gleich nit sichtbar ist, doch wölle er jeder zeit bey uns sein und in seiner kirchen wonen, wie auch alle völle [Fülle] des unsichtbarn Gottes in dem sichtbarn leib Christi wonet, Zum letsten das er wölle im Geist und in der warheit angebetten sein. Woher kommen uns solche Götzen? Das will ich dir14 sagen. Vom unglauben haben sie jhren ursprung und anfang. Denn die Menschlich vernunfft und sinnligkeit will nit glauben das Gott gegenwirtig sey, sie sehe jhn dann, oder doch sein abconterfetung. und schleußt mit Aristotele: Nihil fuit in Intellectu nisi prius fuerit in sensu.15 Dis sind uns die Hebreer ein gut Exempel, da sie zů Aaron in der Wüsten sagten {Exod: 32.}: Wollauff und mache uns Götter, die uns vorgehen, Also sagen die Papisten und falsche Christen, Mache uns Bilder in Tempeln oder lasse uns solche Figuren bleiben, damit wir daraus lernen16 das Gott bei uns wölle sein. Ob wirs gleich nit anpetten so lernen wir daraus, und sein des Layen buchstaben und Bibel17. So fein kan der Teuffel seiner eingebung [19] ein mentele und ferblin anstreichen, durch seine werckzeug. Es thun uns aber die Papisten und jene, so mit jhnen půlen [buhlen] (die Halbpapisten meine ich) solche Gegenwurff. Dieweil Gott durch die Propheten offtermals muntlich oder mit worten beschriben wird, warumb sollen wir jhn nit törffen mit messern schnitzlen und mit dem pensel abmalen, wie sie in mit worten außgesprochen und mit der feder beschriben haben? So ist ein kleiner underschid zwischen der Geschrifft und Abmalung. Denn was die Geschrifft mit buchstaben thut, das thun auch des18 maler Figuren. Wie mir Moses die histori von der schöpffung gantzer welt mit bůchstaben beschriben hat, also mag mirs der Maler mit farben abconterfeten und schnitzlen. Jesaias sagt {Jesa: 6.}, Er sahe den herrn auff eim hohen und herrlichen thron sitzen, und seine Breme [i.S.v. Saum, Säume] erfüllten den pallast, Seraphim stůnden über jhm, der ein jeder sechs flugel hett, mit zweien bedeckt er sein angesicht, und mit zweien seine füß, und mit zweien flag [flog] er etc.19 Das Jesaias in disem spruch mit worten beschreibt, solt nicht eben dasselbe

14 In Vorlage „dier“. 15 Übers.: Nichts gibt es im Verstand, was nicht zuvor in den Sinnen war. 16 In Vorlage „leernen“. 17 Anspielung auf die Gregorsformel. 18 In Vorlage „das“. 19 Jes 6, 1–2.

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ein Maler oder Bildhauwer törffen abmalen oder hawen? Item Daniel schreibt {Danie: 7.} das sich der Altbetagt nidersetzet, sein klaid was schneeweiß, und das Har seines Haupts wie ein růwe woll, sein thron was wie ein Feurflamm, und seine reder wie ein brennends fewr, etc. [20] Was hie der Prophet Daniel mit der zunge und mund außtruckt, darffe es der Maler nit entwerffen, noch der Bildschneider mit dem werckzeug schneiden? Das sein jhre argument. Köndten wir aber auch etwas hierauff antwurtn? Sind solche Schließreden so starck, das sie uns g[e]waltig pinden? Nun laß sehen, Christlicher leser. Die Geschrifft sagt und gebeut ernstlich aus dem mund Gottes, du solt dir kein Bildnus noch irgent ein Gleichnus machen {Exod: 20. Deut. 5.4.}: Tarff [bedarf ] gar keins glossierens20 oder auslegung, die wort sind clar und lauter, so sinds gesetz: wann der gesetzgeber ein gesetz macht und stellt, so bringt ers auffs einfeltigest und mit wenig worten erfur [hervor]. Es sind alhie zwey widerwertige [i.S.v. widersprüchliche] reden, Gottes und der Vernunfft. Gott sagt, du solt dir kein Pildnuß machen: Die Vernunfft sagt: du solt und magst dir Pildnussen machen. Wer triffet es am pesten? die Vernunfft? Das sagen die Papisten. Die aber Gottes wort ernstlich annemen und behertzigen, haltens wider die Vernunfft mit Gottes wort. Da uns Gottes Gebott zwingt und pindet, kan uns kein Vernunfft, ja kein Engel im Himmel lösen. kein spitzfindigkeit, kein wolredenheit, kein gewalt, kein person, kein Bischoff noch Pfatt, kein Doctor noch Magister, kein König kein Fürst, ja weder sanct Peter noch sanct Pauls, kein Creatur weder im Himmel noch auff Erden, mag uns vom ernstlichen befelhe unsers ainigen Herren im Himmel erledigen [i.S.v. entledigen] noch frey machen. Es [21] ist ein ainiger Gesetzgeber, der kan selig machen und verdammen, sagt sanct Jacob. So will er das man seinem Wort weder gebe noch neme {Deut. 4.12.}. Wie gefelt dir das? Lieber sey nicht klüger denn Gott selb. lasse jhme alle ehr und weißheit {Prov. 30. Jes. 1.} verstosse jhn nicht vom ewigen thron. Er wirds doch nicht leiden. laß dein vernunfft faren, und folge dem raht Pauli {2. Cor. 10.}, das du dein vernunfft gefangen nemest unterm gehorsam Christi. Sehe [sähe] es Gott für gůt an, all winckel der kirchen mit Gemel und Bildnussen zieren, wurde ers freilich Mosi gebotten haben, oder aber weren wir von disem gebott ledig im Newen Testament wurde Paulus nicht dawider ergrimmet sein {Act. 17.}, auch seinen Corinthern {2. Cor. 10.} nit so gar verpotten und mit höchstem fleiß gesagt: Meine liebsten, fliehet von dem Götzendienst. Sagt es sey doch ain ding schreiben und malen. Das Gott in Göttlicher Geschrifft underscheidet, wildu [willst du] es ain ding machen? Wildu das jenige so freuntlich verwirren, das Gott so vilfeltigklich, so oft, so ernstlich hat von einander abgesondert? Pfui dich du Gottesdieb. Was Gott zusamen geben hat, soll der Mensch nit schaiden {Mat. 19. Mar. 10.}: und herwider was Gott geschaiden hatt soll der Mensch nit zůsamenfügen.

20 In Vorlage „glasierens“.

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Lieber Schrifftmaister, dieweil du witziger wilt sein denn der heilige Geist, sag an, Ist kein underschaid zwischen Schrifft und Gemel? Ja zwar: Die Schrifft legt sich selb aus, das thut nicht das Bildwerck: Item, die Ge-[22]schrifft betet niemand an, aber ob man je21 Bilder habe angebettet und verehret, lasse ich dich im Babstumb noch heutigen tages erfaren, ja ich lassen dich *Bonaventuram berichten {In lib. sententiarum 3. dist. 9. quӕst. 4.}, Der will man solle das creutz daran Christus gehangen, anbetten nicht adoratione Duliӕ oder Hyperduliӕ, sonder Latriӕ, das ist als vil geredt, man soll es anbetten und verehren wie man Christum anbettet und verehret, nicht aber wie man einen Heiligen oder Menschen verehret. Item das noch mehr ist, Gott hat zugelassen und befohlen22 zu schreiben, ja auch bei Biblischer Geschrifft zu bleiben gebotten, aber nirgent hat er gebotten zu malen, Bilder zu schnitzlen. Ist das nicht ein gnugsamer unterschaid du frommer Schrifftmaister. Ob die Biblische Geschrifft gleich vil gleichnussen und leibliche ebenbild gibt von Gott und seinem willen, so legt sie sich anders wo aus und erklert sich, lisestu von den augen, armen, füssen, sitzen, gehen oder stehen Gottes, lise weiter, wurstu [wirst du] finden {Joh. 4. Luce. 24.}, Gott seie ein Geist, und ein Geist weder Fleisch noch Bein23. So wird er nicht geglidmasset sein wie ein Mensch. Warumb redet denn Gott solcher gestalt von sich selbsten? Antwurt: er redet mit uns wie wirs verstehen mögen, und callet [i.S.v. lallt] mit uns wie ein Můtter mit seinem kind. wann wir nun zum volkommenlichen Man erwachsen, wird er solcher worde [Worte] sich mit uns nicht mehr gebrauchen, ja die Bibel wird nicht mehr gelten. {1. Cor. 13.} Denn alsdann [23] werden wir jn erkennen gleich wie wir erkennet sein, so wir jn jetzt durch einen Spiegel in einem tunckeln wort durch den glauben anschawen. Das sey dir geredt du hochgelerter Doctor, der du den heiligen Geist meistern, leren und gen24 Schůl füren wild [willst] auch der Anthropomorphitischen ketzerei all thür und pforten auffschliessen. Der Türck ist in disem fall25 vil frummer und auffrichtiger dann du, dieweil er kein Gemel kein Bild weder in dem Tempel noch anderswo gestatten will. Und so er seine kleider stickt und webet, so sein es nit Bildnussen noch Gleichnussen weder der Menschen noch der Tieren, darmit je die herrligkeit des unvergencklichen Gottes nicht in ein Bilde, gleich dem vergencklichen Menschen, und der Vögel, und der vierfüssigen und der kriechenden Tiere werde verwandlet. Gehe hin du scharffsinniger Schrifftmaister und lerne vom Türckischen Alcoran des Machomets. So beschliesse ich nun mit *Augustino. lib. de fide Symbolo ca:7. Nec ideo quasi humana forma circumscrip-

21 In Vorlage „jhe“. 22 In Vorlage „bevolhen“. 23 In Vorlage „pain“. 24 In Vorlage „gehn“. 25 In Vorlage „faal“.

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tum esse Deum patrem arbitrandum est: ut de illo cogitantibus dextrum aut sinistrum latus animo occurrit: aut id ipsum, quod sedere patet dicitur, Flexis poplitibus fieri putandum est, ne in illud incidamus Sacrilegium, quo execratur Apostolus eos qui commutaverunt gloriam incorruptibilis Dei, in similitudinem corruptibilis hominis. Tale enim simulacrum Deo nefas est Christiano, in templo collocare: multo magis in corde nefarium est. [Br] Nun kompt der Teuffel, sucht ein andern weg die Bildnussen zu bestetigen, und excipiert also durch seine zungendrescher, Verstellt sich in ein Engelsgestalt, und stellt sein argument also: Ich gib zu, das man Göttliches wesen, und höchste unwandelbare Natur nicht mag abmalen, aber die Menschliche Natur Christi, die Historien des lebens und leidens Christi, auch seiner Aposteln und Heiligen mag man wol leiden. Darauff geben wir Evangelische dise antwurt. Gibst mir zu, das man darumb Gott nit möge abmalen und schnitzlen, das er in keiner Gestalt und Figur beschlossen und umbgeben seie, sintemal er ein Geist ohne Bein26 und Fleisch27 ist {Joh: 4. Luc: 24.}: Eben aus disem grund mußt du mir zůlassen dz auch die Figuren Christi und seiner Heiligen nicht zů gestatten seind in den Betheusern. Denn wie wais der Maler und Schnitzler wie das28 Wort sich mit dem Fleisch in einer Natur verainigt hat? Wie mag er solch unbegreiflich Gehaimnus begreiffen? Ist es der vernunfft unerraichlich und unbegreiflich, wird ers zwar vil weniger mit dem Messer oder Pensel mögen erfassen. Oder wildu [willst du] mir den halben Christum, das ist die Menschlich Natur abconterfeten? Und dem Nestorio29 wider aus der Hellen helffen? Wildu Christum teilen? Ich gib aber ein kleins zu es sey ihm also, Christus sey abgesondert von Göttlicher Natur, welchs schröcklich und greulich zů hören: Wie wildu einen clarificierten leib [25] abmalen, ausstechen oder hawen? Hastu je mit sterblichen augen einen solchen herrlichen gepreissten leib gesehen? Item, wiltu Christum nach seiner auffart malen, so must ihn malen wie er ist, Nun sitzet er zur gerechten [i.S.v. Rechten] Gottes seines Vatters. Hastu es aber mit augen gesehen wie er da sitzet, so wurstu es auch den Menschlichen augen mögen entwerffen. Denn er ist auffgefaren über alle Himmel, auff das er alles erfüllte: Ist je ein Maler, oder so ein gelerter Doctor droben gewesst, der es gesehen wie er alles erfüllte30, und zur gerechten [Rechten] Gottes sitze? Paulus ward entzucket piß [bis] in den dritten Himmel, hat uns aber nicht solchs herab mögen pringen. So ist das

26 In Vorlage „pain“. 27 In Vorlage „flaisch“. 28 In Vorlage „des“. 29 Nestorius (ca. 381–453), byzantinischer Theologe, Patriarch von Constantinopel, wurde wegen seiner mariologischen und christologischen Vorstellungen zum Häretiker erklärt und seiner Ämter enthoben. 30 In Vorlage „erfulte“.

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war und muß war bleiben, Et si rumpatur ilia stulto: das Paulus aus Jesaia sagt: das kein aug gesehen hat, und kein ohr gehöret hat, und in keins Menschen Hertz komen ist, das Gott bereitet hat denen, die sein harren, und jhn lieben. Kompt es in kein ohr noch augen oder Hertz, wirt es der torechte Maler auch nit mögen an die wend streichen. Beiß nur das nüßlin auff Et eris mihi magnus Appollo. Lieber streit nit so hartnegiklich fur ein satzung, die Gott nicht allein bevolhen, sonder auch gar31 ernstlich verbotten hat. Laß dich an Gottes Gebotten und satzungen begnügen32 mach dir nit mehr Menschensatzung, und gib den Papisten nit ursach eins zu beschelten, auch jhre Abgötterey zu verteidigen33. Müssen etwas vom ursprung und anfang [26] solcher Larven reden, welchs wir mit kurtzen worten ob [oben] erzelt haben. *Augustinus vermainet sie kommen her von der liebe, die die Menschen zu den verstorbnen hatten, welche er villeucht aus dem Bůch der Weißheit {Sap: 14.} genommen. Das wöllest mir zu gefallen lesen, wirstu sehen was von den Bildnussen zu halten, und was guts daraus erfolget. Denn do den Menschen jhre liebe freund starben, wurden sie traurig und bekümmert, damit aber sie getröstet wurden, machen sie jhnen [i.S.v. sich] ihrer freund gedechtnus mit abconterfetung und Bilden, Welch sie in grossen ehren auffbehielten, gleich wie jetzt man die schaupfennig grosser herren auffbehelt. Letztlich ist ein verehrung darzů kommen, aus der verehrung entsprang ein scheutzliche Abgötterey. Solchs geschach bei den Haiden, und gleicher gestalt hat es sich bei den Christen im Babstumb zůgetragen, das sie erstlich Bilder allein umb dreierlay ursach willen pillichen [billigen] und gestatteten {1. Propter simplicium raditatem. 2. Propter affectuum tarditatem. 3. Propter memoriӕ labilitatem. *Bonaventura. dist.: 9. q. 2. in lib: 3 Summa}, Erstlich das sie weren der Layen und ungelerten buchstaben34, welch nachdem sie heilige Geschrifft nicht lesen mochten, das sie es von den Bildern vernemen und lerneten. Denn mit der zeit nam das predigen ein ende, und giengen nur mit Meßhalten umb (wie duß [du es] noch heutigs tags in Italia erfaren magst, da man das gantze jar kein predigt thut, aber alle tag in allen winckeln Meß helt). Es predigen weder Bischoff noch Pfaffen, käme es dahin das die Bischoff jhr predig­ ampt dem General [27] und Bildnussen ubergeben. Bischoffe sind weltlich Herrn worden, und Bilder mussten predigen. Zum andern, damit unsere liebe und innerliche Affecten oder Anmutungen35 geraitzt und auffgemundert wurden. Denn es bewegt uns das wir sehen mehr und

31 In Vorlage „gahr“. 32 In Vorlage „benügen“. 33 In Vorlage „verteigen“. 34 Anspielung auf die Gregorsformel. 35 In Vorlage „amutungen“

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inbrünstiger36, denn das wir mit ohren hören, wölchs uns die půler [Buhler] beweisen mögen, hierauff allegieren sie den poeten *Horatium: Dieweil auch jhre Lehr37 poetisch ist und von menschlichem38 witze erdichtet. Segnius irritant animos demissa per auros     Quam quӕ sunt oculis subiecta fidelibus. Zum dritten, es seien die Bilder eingefürt und gestattet worden umb der Gedechtnus willen, damit wir Christliche Historien und wolthat dem Herren destoweniger in vergessen stellten: denn das wir sehen, hafftet besser im Sinn, denn das wir mit ohren hören. {Es wirdt Gott unbedacht sein das er nit jederzeit seinen Son vor augen der Menschen lasset leiden.} Die vierte ursach hatt der listige Satan fein verschwigen und verhelet, aber da dise drey eingzwungen, ist auch die letste mit der zeit on müh eingeschlichen, Ist derwegen die vierte ursach der Papisten die verehrung, daher kommet Servitus Latriӕ, Duliӕ & Hyperduliӕ. Ist solche Abgötterey bei den weisen fursichtigen Römern also verursacht, was will nit mit der zeit geschehen bei den Teutschen, die vor andern je und je zum aberglauben genaigt, und etwas einfeltiger sind, denn jene? Ey Gott wais was wir fur ein geschöpff sind, [28] nemblich welch zu allerlay aberglauben genaigt sind nit allein zur zeit der Juden, sondern auch jetzt. {Gen: 2.} und wie der Mensch von Jugendt auff zum bösen genaigt ist, also auch die gantze welt je lenger sie stehet, je erger wird sie. Darumb hat Gott in solchem fall gůtte fursehung gethon, wann wir nur dabei bleiben wolten, und nit witziger sein denn unser Vatter im Himmel, der uns gemacht und erschaffen. Wir lesen ja vilerlay exempel und Historien, welch euwer mainung möchten beschönen: Und ist mir unverborgen, das etliche Lerer die Bildnussen nicht gantz abgestellt, auch die Kunst des Malers und Bildschneiders fur ein gab Gottes erkant haben. Wir lesen vom Römischen Kaiser Alexandro Mammere das er in seiner Rüstkammer die Bildnus Christi, Mosis und Abrahami uffbehielte. {De hӕresibus ad *Quodvultdeum.} Da mag ichs ehe gestatten denn im Bethause oder im Tempel da man Gottes wort verkundigen und die Sacramente außtheilen solle. Sofern39 mans nicht anbettet oder ainicherlay weise verehret. Mit gůttem Recht straffet *Augustinus Marcellinam ein mitgenoßin Carpocratis: die hete [hätte] Bildnussen Christi, Pauli, *Homeri und Pythagorӕ, welchen sie verehrung thete, hatt er einen pillichen unwillen und grimmen darab.

36 In Vorlage „meer vnnd jn prunstiger“. 37 In Vorlage „leer“. 38 In Vorlage „menschlicher“. 39 In Vorlage „Souer“.

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Es bezeugt *Eusebius ein Bischove zů Cesarea, er habe gesehen die abconterfetung Petri [29] und Pauli, welche die Christen auffbehielten. und zeigt an, zů Cesarea genant Philippi ein eherine Pildnus unsers Herren Christi gewesen seie, dabei abmalet was das weib, welch von seinem blutfluß nach angeregtem Saum40 des Rocks Christi gerainiget und gesund gemacht worden ist. Darunder umbher sey ein kraut aufgewachsen, so man zu vilen kranckheiten gebraucht, und vil menschen dardurch gehailet worden seind. Und *Socrates beschreibet in der kirchischen Histori, dz Julianus ein abtrinniger verleugner des Herrn gemeltes Bild habe weckgethon, an der stat sein abconterfetung auffgestellet, welchs als pald vom donnerschlag zerschmettert und außgedilcket [ausgetilgt] sey. Es schreibet obgemelter *Eusebius von unserm Herrn Christo diese Histori. Der herr Christus habe sein abconterfetung bei seiner Jünger einem dem König Abgaro zugeschickt. Ich halts aber darfur es sey ein erdichte Histori, das ist ein erdichte fabel oder merle [Märlein]. Ich halt nicht dz Christus solcher abgötterey ursach geben. So ist er nicht mit solcher Hochfart umbgangen, ob er gleich sagt, der mich sihet der sihet den Vatter. Denn er mehr auff den Glauben, dann auff eusserliches gesicht seine Junger gewisen hatt, sonderlich da er zu Thoma sagt, Selig sein die mich nicht sehen, aber glauben. Dise und dergleichen Historien, welch uns die Pepstler furwerffen, sind mir nit unbekant. [30] Aber sie thun gar nicht, und seind unkinfftig [i.S.v. schwierig] zu beweisen, das man in Christlichen Tempeln da die Christen in offentlichen versamlungen Gottes wort zu hören und die Sacrament zů empfangen, zusammen kommen, möge und solle Gemel und Bilder gestatten. Das man kein Bild oder ainicherlay Gleichnus leiden solle haben wir außtruckenliche befelhe Gottes: Aber das man solch möge leiden in den Bet- und Predigheusern ist gantz aller ding kein befelh vorhanden. Nun ist aber mit gantzem eifer und ernst gebotten im funfften Bůch Mosis {Deut: 11.}: Ir solt des keins thun das wir heut thun ein jetzlicher was ihn recht dunckt: Und am end desselber Capitels spricht er also: Alles was ich euch gebiete, das allein solt ihr halten, das ihr darnach thut, ihr solt nicht darzu thun, noch darvon thun. Lieber höre ein kleins von etlichen Haiden, welch nit ungeschickt von disem handel geurtheilt. Numa Pompilius41 der ander König der Römer, ein Haid, erkant ein ainigen Gott, und da er zu Rom einen Tempel und Ceremonien oder Kirchenordnung auffrichtet, thete er doch kein Bild darein, wie da schreibt *Plutarchus, *Dionisius Halicarnaseus, welch mercklich Exempel auch *Cyrillus meldet wider Iulia-

40 In Vorlage „soum“. 41 ca. 750–672 v. Chr.

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num. Daher kompt es das in hundert und sechtzig jaren nach gemeltem Pompilio kein Götz in dem Römischen Tempel erfunden [i.S.v. gefunden] noch zugelassen ward, welchs bezeugt auch *Eusebius im [31] Bůch De prӕparatione Euangelica aus dem Clemente. *AElius Lampridius schreibt, das Kaiser Hadrianus Tempel bauwet aber ohne ainicherlay Bilden. Es schreibt obgemelter *Eusebius im gedachten Bůch das bey den Serern (die doch Haiden gewesen) ein Gesatz gegeben ward, kein Bildnus anzubetten. So schreiben auch *Herodotus und *Strabo, das die Perser keinerlay Bildwerck auffrichteten noch zuliessen. *Plato hat auch ein Gesetz geben, man soll kein gleichnis der Götter von Gold oder Silber, oder sunst ainicherlay materi machen. Der mainung was auch *Pythagoras ein hochberümbter Philosophus. Der sagt, Gott sey ein Geist, ohne leibliche Gestalt, Derhalben möchte man kein Bildnus nach jhme machen. Haben solch Gauckelwerck die Haiden verworffen und von ihren Tempeln enthalten [i.S.v. ferngehalten], was sollen die Christen thun? Welch fürwar sich nit allein von allem aberglauben verhüten sonder auch keins wegs ursach newe Götzendienst zů erdencken geben sollen. Nun gehe hin, feiner Schrifftmaister, lerne vom Machomet und alten Hayden, sintemal du je von Mose nicht lernen wild [willst]. Es ist nicht vergebens sich fleissig zu versehen, das kein Bild noch Gemel in die kirche zugelassen werde, Ob es gleich fein und wolgezierd sich lasset sehen. Gott will nit eusserliche zierde, sonder er begert ein wolgeschmuckt hertz mit Glauben, Liebe, Hoffnung, Geduldt und andern [32] gůtten tugenden. Denn sein Reich kompt nit mit eusserlichen geperden. So hindert solch gezierd des hertzens geschmuck, denn der eusserlich schein und hupscher glantz der kirchen ziehet das hertz ab von innerlichen gedancken, die man an solchen orten allein zu Gott und seinem Wort stellen solle. {Obiecta movent sensus & dum sensus moventur & perturbantur contemplatio & devotio.} Im Tempel sollen die Christen vil betten und vil hören, aber wenig sehen, sintemal Gott will im Geist und warheit verehret werden. Nur hinaus mit solchen Larven, damit sie nit die rechte andacht hindern, wöllen wir anders nit mit der Phariseern ud Schrifftgelerten gestrafft werden, wie Christus von jhnen redet, das sie ubertretten Gottes gebott umb jhr auffsetze [i.S.v. Aufsässigkeit] willen. Die Lacedemonier theten fursehung {Math: 15.}, das kein Figur oder Bildnus in jhrem Rahthaus, da sie zusammen kommen gericht zu halten, auffgestelt wurde, damit alda kein Spectackel aufgerichtet wurde, da man die Augen des hertzens allein auff Gericht und Gerechtigkeit wenden solle. Bessern fleiß haben sie gerechtigkeit zu furdern angewendt, denn du die rain Religion und rechten Gottesdienst oder ja Gottes eer und preiß unbefleckt zu erhalten anwendest. Gehe hin abermals und lerne von den Haiden, Es schreibt *Vergilius von AEnea, da er zu Didone kam, und erstlich im Tempel eingienge, ward sein erste arbeit, das er das schöne Gemele und zierd der kirchen besahe, also ward das betten [Beten] gehindert. Lerne jetzt vom Haidnischen poeten, was gůts von dem [33] Gauckelwerck und von Faßnachttüchern folgen thut.

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Zudem, da *Augustinus uber den 113. Psalm Davids schreibt in der andern predigt, beschreibt er woher den Götzen solch Eer möge kommen, nemblich, darumb werden sie hochgehalten und vor andern Creatur[n] verehret, das sie im Tempel gestelt sein, Item darumb das es nit schlecht personen, sonder furtreffenlich leut zugelassen und eingesetzt haben. Denn die Menschen sind von Natur auffs eusserlich gebreng [Gepränge] zu sehen genaigt, und mit der zeit kompt ein verehrung und aberglauben darzu. Demnach dieweil die Götzen und Bilden von furtreffenlichen und achtsamen mennern in den Tempeln mit grosser Reverentz gestellt sind, vermainet der ainfeltig Man, es were etwas himmlischs und heiliges darin verborgen, also mit der zeit haben sie aus Creaturen einen schöpffer, als vil an jhnen ist, gemacht. Denn der gemain unverstendig Man schliesst42 also: Dieweil so heilig und furtreffenlich Männer solch Bildnussen an so heiligen orten bestellen, die unsere vorsteher sind, welche wir auch anhören sollen, als wenn Gott selb redet, laut des spruchs, wer euch höret, der höret mich, So werden solch Bild nit sein wie ander Bild. Es43 hatt zwar wol einen schein als wer es unglaublich, aber die erfarung gibt es. Lieber woher kompt es im Babstumb, das man den Chrisam höher verehret denn den Tauff? Eben daher das ein schlechter priester den Tauff be-[34]raiten mag, aber den Chrisam zu beraiten behalten ihnn [ihnen, i.S.v. sich] die Bischove bevor, so sagt man zum Schmirwerck, Ave sanctum oleum Ave sanctum Chrisma, Nicht aber sagt man, Ave sanctum Baptisma. Woher kompt es dz, wz von Rom geschickt wirt, heiliger muß sein, dann sunst andere Creaturen? Umb der vermainten heiligkeit des Babstes wegen. Und glaub, wann ein kü[h]dreck von rom geschickt wurde, es wurden ihn die Bischove kussen und verehren. Solchergestalt möchte ich auch reden von den Gebeinen der Heiligen. Daher kompt das Bucken, Naigen, Kussen, Verehren, Räuchern, so man im Babstumb den Götzen beweiset, welchs furwar nichts anders ist denn ein mercklichs anbetten und abgötterei. Solchem aber fur zu kommen folge man dem raht des allerhöchsten Gottes im Himmel, da er inn [in den] zehen Gebotten verbeut Bildnussen noch ainicherlai Gleichnussen zu machen. Exod: 20. Deut: 45. Spricht, Sie thun aber mirackel und mit wunderwercken werden solch verehrung befestiget. Antwurt lieber Gesell. Was sagt David, Dii gentium44 Dӕmonia, Die Götter der Haiden sind Teuffel {Psal: 95.}. Mainst nicht, Satan möge auch mirackel thun? Wird nit propheciert im Paulo von der zukunfft des widerwertigen oder widerchrists, das sein zukunfft geschehen werde nach der wurckung des Satans mit allerlay lugenhafftigen krefften und Zaichen, und wundern {2. Thess:

42 In Vorlage „schleisst“. 43 In Vorlage „Eß“. 44 In Vorlage „gratium“.

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2.}? Frage man was Balthasar Hubmaier45 [~1485–1528] von dem Regenspurgi-[35] schen Bild in seiner Bekantnus zu Wien (da er verbrent worden) veriehen [gesagt] hatt. Befrage man sich vom Munchischen Crucifix im Schweitzerland. Dergleichen Historien findestu vil. Der listige Satan hatt ein gewunnen spil, wann man vom recht rainen Gottesdienst abweichet, da ist ihm thür und Fenster offen, da hatt er gewalt von Gott die Menschen zu betören und zu betriegen. Denn wirffet Gott solch menschen in einen verkerten sinne, und wirffet sie von einer blindheit in die ander. Gedenckt doch das Satan tausendlistig ist, und ein lugner vom anfang. Er schlagt sich gern zu, und mischet sich gemainiglich ein, da aberglauben zunimbt. Er ist hochfertig und listig: Darumb sucht er alle mittel und weg wie er Gottes verehrung auff sich möcht ziehen und wenden. Denn am anfang begehrt46 er neben Gott zu stehen. So mag er sich mit geschwindigkeit den Bilden einmischen, daraus reden, dardurch wunder thun. In so zweifelhafftiger und unsichern mainung ist ratsam, Gott zu folgen, nemblich die Tempel von Bildern und Gemel rain zu halten, Und der schwachen menschlichen Natur nit ursach geben zum Götzendienst, daruber Gott hefftig zurnet. Hurerei zu vermeinden ist rahtsam mit weibern, so verdacht sein, kein gemainschafft zu treiben. So setze man nit leus [Läuse] in peltz. Ist derhalben ein gute fursehung geschehen von den frommen Vettern im Elibertinischen Concilio47, da sie außtruckenlich sich entschlossen [36] gar kein Bild noch Gemel in den Christlichen Tempeln zů gestatten. Und unterm Römischen Kaiser Leone Isaurico ist zu Constantinopel ein Concilium gehalten worden, da sind Gemel und Bildnussen verdampt, abgethon, zerrissen, zerschmettert und verbren[n]t worden. Es soll uns das weib Irene, so naher mit jhrem Sohn Constantino ins regiment kommen, nicht hindern oder irren, dieweil sie aus eingebung Tharasii, des Constantinopolitanischen patriarchen48 zu Nice [Nicäa] ein Concilium gehalten, darinn die Bilden und Gemel, auch derselben verehrung wider ersetzet und bestetiget seind. Weiber sind weiber, so sind Narrn nicht witzig. Sie sind auch Menschen gewesen. Man lasse Menschen mit irrer vernunfft faren und folge dem trewen raht und befehle Gottes. Kain Engel im Himmel wirds besser machen. Es verschonet Paulus den Engeln im Himmel nicht: so wöllen wir auch sagen, Und wann ein Engel im Himmel uns wolt Bilder und Gemel bestetigen, so sey es verflucht. Gal: 1. Sollen uns dennoch die mirackeln bewegen lassen, Denn auch Ezechias die Ehrene schlangen von wegen abgötterei weckthete, welche49 doch Gott

45 In Vorlage „Walthasar Hiebmaier“. 46 In Vorlage „begehet“. 47 306 n. Chr, 48 Gest. 806 n. Chr.; veranstaltete 787 in Nicäa ein Konzil zur Bilderfrage. 49 In Vorlage „wette“.

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selbs auff zu stellen Mosi befolhen. Lese man, wie fein Moses mit dem guldin kalb handlet. Der Halbchrist aber spricht: Ey man muß es dennocht so machen, das wir die Papisten nit gar verbittern50 noch die schwachen ergern. Ja ich verstehe dich gar wol, du wilt deine fromme [37] Papisten nit gar verstossen, und das kind nit von der wiegen werffen. Lieber, lasse den hund schlaffen, und dir gar ins maul thun: Sag mir darnach was du guts habest? Und ob ubels zu thun seie, auff das guts daraus komme, ja ob auch etwas guts von disem ubel kommen möge? Ich kan dir aber aus Paulo fein begegnen, und dir ein trewen raht geben: Ziehet nicht am fremden Joch mit den ungläubigen, denn was hat die Gerechtigkeit für gnieß mit der Ungerechtigkeiit? Was hat das liecht gemainschafft mit der51 finsternus? Wie stimbt Christus mit Belial? oder was für ein thail hatt der glaubige mit dem unglaubigen? Was hatt der Tempel Gottes fur eine gleiche mit dem Götzen? Sind wir nun der Tempel Gottes, lasset uns mit dem Tempel der Papisten nicht bulen noch ainicherlay gemainschafft antichten. Gehe hin, hab gemainschafft mit den Papisten, und lasse dir gar auffs maul thun. Machs alsoo das man nit sagen möge aus dem mund des propheten Elie, Wie lang hincket ihr auff baiden seiten? Ist der Herr Gott so, so wandlet ihm nach. 1. Re: 18. Wirst nit zweien herrn mögen dienen. Was muß man denn mit den armen Götzen und Bildnussen thun? Das laß dir Gott sagen im funfften Bůch Mosis also: Ihre altar solt ihr zerreissen, ihr Seulen zerbrechen ihre hayne abhauwen und ihre Götzen mit fewer verbrennen. Item am letzten52 theil gemelten capitels stehet also: Die Bild ihrer Götter soltu mit feuwer ver-[38]brennen, und solt nicht begeren des Silbers oder Goldes, das dran ist, oder zu dir nemen, das du dich nit drinnen verfahest [verfängst], denn solchs ist dem Herrn deinem Gott ein grewel, drum soltu nicht in dein hauß den grewel bringen, das du nicht verbannet werdest wie das selb ist, sondern du solt ein eckel und grewel daran haben, denn es ist verbannet. Wir lesen wie es Achan ergangen ist {Judic: 72. 1. Sam: 15.}, Und wie Saul, da [erg. er] Amelech bekriegt, gestrafft worden. Es sehen die vermainten Christen auff welch Crucifix und andere Götzen aus den kirchen in ihre behausung tragen. Dieweil Gott ernstlich befilhet solch abgöttische Bild zu verbrennen. Das sey den frommen Christen zur treulichen warnung geredt. Wildu es annemen wol und gut, wo nicht, so far dem Teuffel gar zum hindern. Ich will singen mit David, Jener Götzen sind Silber und Gold, von menschenhenden gemacht, Sie haben Meuler und reden nicht, Sie haben Augen und sehen nicht, Sie haben Ohren

50 In Vorlager „verpittern“. 51 In Vorlage „dem“. 52 In Vorlage „lesten“.

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und hören nicht, Sie haben Nasen und rüechen nicht, Sie haben Hend und greiffen nicht, Füß haben sie und gehen nicht, und reden nicht durch ihren Hals: Die solchs machen sind gleich also, und also die auff sie hoffen: Noch eins setze ich darzu: Die solch vertheidigen und gestatten sind auch also. Götzen sind sie, blind, stumm, lam, die Gott in verkerten sinn gegeben, und [39] jenen den lohn ihres irrtumbs (wie es denn sein solte) zulassen kommen. Sovil jetzmals von den Götzen. Der eiferig Gott und allein Herr Himmels und der Erden wölle solche verkerte weis sturtzen und gantz und gar außtilcken, dem allein und seinem eingebornen Son Jesu Christo sampt dem Heiligen Geist seie alle ehr und dancksagung in ewigkeit. Nun lasset uns hören die jemmerlich klag der armen Götzen.

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Klag und bekantnus der Armen Götzen, Wie es jnen ergeht, mit treuwem Raht, sich vor allem götzen leben zủ hüten. [2a] MIr [wir] armen götzen, groß und klain

bekennend uns alhie gemain, All unser sünd und missethat die Gott und dwelt erzürnet hat Das wir im Tempel gstanden sind gleich wie des himmels hußgesind. Und haben g’fürt so gůtten schin, Als wärind wir Gott selber gsin. Der ain hat tröwt [trauert], der ander glacht, und solchen won den menschen gmacht Als ob wir wärind, wais ich was, und möchtind geben alles das, Aim jeden prist [presst], ja hie und dort in aller welt, an allem ort, Zủ uns hat geschruwen yederman, dem ettwas was gelegen an, Fur wassernöten, und fur für für alle angst, und alls unghür, Fur all kranckhaiten überal, růfft man uns an on alle zal, Man luff [läuft] uns zů durch alle lannd es ist doch gsin ain blůt schand. Kund ainer nit schlaffen oder wachen wol uff wir wend [werden] uns dahin machen. Da ist ein bild, das thut vil zaichen dem wellend wir ain gab darraichen, Es ist ein bild vast gnadenrych als funden würt uff erdtrych. Da kam man dann mit grosser eer über das land und übers meer Und opffert uns als ainem gott dem rechten Gott zu warem spott Silber und gold ouch edelgstain ettwas seltzsams, ettwas gemain Von essen trincken und ouch gwand uns götzen gmalet an der wand

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Und uff den götzen tisch gestelt, als ob Gott söllichs haben welt Und mir ouch darumb möchtend geben alle notturfft zủ lyb und leben, [2b] So sind wir darnach gstanden hie als wärind wir glych eben die An denen Gott hett wol gefallen zủ denen man müßt also wallen Und uns haimsủchen wyt und nach zủ eeren uns für alle rach Man sy dann gwäret oder nit so ist doch loblich gsin das bitt Und habend mir gehebt den nammen, als wärind mir deß himmels stammen Und wär Gott damit dienet wol so man uns götzen innen hol Von ussen zieret hüpsch und fin das solt dann schöner gotzdienst sin Glich als Gott ouch ein sölcher wär, von ussen hüpsch und innen lär. Sölch sind mir gsin und ist also, das Gott nie unser worden fro Und sind jm ya vil mee gros laid und hettend mir noch so vil klaid Von silber und gold an uns tragen das müssend by der warheit sagen Mir götzen all, so vil mir sind dann Gott ist uns von hertzen find. So sagend mir ouch fry darzủ wie wol die menschen vil unrủ Mit uns gehept on underlas darzủ vil gủt und gelt on mas An uns gewent, noch ist es war das aller cost verloren gar Das bkennend mir uß warem hertzen got geb wie dwelt mit uns thủ schertzen Man trib mit uns ernst oder schimpff so gebend mir uns doch kainn glimpff Und wend gern noch unrechter hon diewyl man doch davon will lon

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Das wider Gott, wie man thủt sagen man well abgöttery verjagen Mir sind zủfriden überus, Gott well das rechter ernst werd druß [3a] So wellend mir die ersten sin und willig tragen dise pin. Allain das dwarhait kumm ann tag die sich so gar nit bergen mag. DIe wyl uns aber zůglon [zugelassen] ist zủ reden alles das unns prist So wend mirs thain, nit unns zůgůt mit denen man so gůten mủt In schimpf und ernst jetzt haben will und mir ye sind das faßnachtspil, Wie wol uns dannocht wunder nympt, worumb die welt so gar ergrymmpt Sy uber uns, und solchen poch mit uns ußstos, diewyl es doch On zwyfel ist und gantz gewiß das wir nit schuldig unsers bschiß, Was mügendts mir, das man uns hatt in dkirchen gstelt, an gwychte statt Unnd uns anbettet glych als ob sölch eer und dienst wär Gottes lob Wer hat ye ghört uns söllichs bgern im nammen Gots, der mags bewären, Ain block ist aim vor zyten gsin do ward er gschnitzt zum götzen fin Der ander ist uß stain gehowen noch hat man uns thủn anschowen Darumb das uns ward gen ain gstalt alls einer jung wär oder alt Der ain ain wyb diser ain man das habend jr selbs gfangen an Mit uns, die wir kein leben hond und dannocht jetzund tragen sond Die schuld und straf fur ander lüt das ist doch ein unglyche püt,

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Ir selbs hond uns zủ götzen gmacht von denen mir yetz sind verlacht Und ist an uns deßhalb kain schuld, jr selbs by uns hond gnad und huld [3b] Gesủcht, und gmaint wir wärind die, die mir üch möchtind dort und hie Zủ hilff kummen unnd vil er werben, damit jr nit müßtind verderben An lyb und seel, yetz unnd härnach darumb üch gwesen also gach Uns haimzủsủchen und zủ eeren und den gotlosen huffen meeren Drumb hond jr uns selb dahin bracht darnach mir habend nie gedacht. Daran ist schuldig der uns gmacht deßglychen der mit solchem pracht All winckel voll hat gstifft inn tempel und uffgericht ainn sölchen grempel. Mir hond doch nyemandts betten drumb das man uns hielt also für frumb, Kain wort mir ye nit reden künnen wie vyl man uns will abgewünnen, Härzủ hond mir kain tritt nit thon ouch kundend mir darvon nit gon Man hat uns in die kirchen tragen das mügend mir mit warheit sagen Unnd hat der Tempel ettwa prunnen so sind die pfaffen wol endtrunnen Mir aber habend müssen blyben kainr hett sich künden umbhin schyben Mir sind da gstanden wie ain stock dahin verbrunnen wie ain block. Und so uns selb an hilff zerrunnen so sind doch tusend zủ unns kummen Umb hilff und radt in jren nöten und gwiß vermaint, mir soltens trösten So hond mir gar kain klag nit ghört und hett sich alle wellt empört Mir hettend doch kain wort nit gsagt drumb ists nichts was man uns klagt,

Neue Zeitung, wie ein Bild geredt habe N° 77 

Das ist ouch yetz wol offenbar man roff uns hin und här bim har Und thủ uns glych wol wie man well noch sind mir jedermans gesell, [4a] Dann es thủt uns nichts wol noch wee was sollend wir dann sagen mee? Thủt man uns eer, so lond mirs sin, mir reden auch gar nichts darin, Ob man uns flủcht, und gar verbrent o wär der falsch damit gewent Das welte Gott von himmelrych wie gult es uns so gantz gelych Das mir jetzt also prinnen müssen möchtend mir nun ouch anders büssen Für so vyl götzen tusent hundert das ists das uns jetz wundert Ob man die selben auch werd nyden und mit so grossem ernst vermyden Sy straffen noch jr sünd so hart wie uns dann yetzund widerfart.

Von den lebendigen Götzen Man kan wol sagen, wer mir sind und was man falsches an uns find Was aber andern manglet vyl Da hat man noch nit so vil wyl Dasselb zủstraffen, und ist wol zủ sorgen, das die welt sy vol Vil grösser götzen, die noch lang nit werdend lyden solchen trang Wie mir, das lassend mir doch sin wie wol mir nit so bös sind gsin, Dwyl mir uns selbs nit darzủ pracht das sagend mir, ja wol bedacht, Hettind mir hilff darzủ gegeben, billich verlurind mir das leben

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Das mir doch nie hond ghept uff erd wie gar mirs yetz hond so unwerdt, So hond wir niemandts laid gethon das solt man von uns ouch glernt hon Man zycht [zeiht] uns der gröst abgötry. noch hört man nit das ainer schry O das die welt all ihres lyden so willig trüg, und so künd schwygen Wie mir still gschwyget hond bishär das wärind köstlich nüwe mär [4b] Damit nit so vyl böser wort wurdind [würden] uß gestossen da und dort, Das man ouch dultig wär gen finden [Feinde], ja wo willt söllich götzen finden? Kain kirchengötz den andern je ain böses wort hat geben nye, Wer hatt uns ghört ein schwürle thain es sye glych groß oder klain Kain frömbdes gủt hond mir begärt jr selbs hond uns damit beschwärt Den pfaffen und den jren zgủt damit sy ghept ainn fryen mủt, So hond mir niemand ztodt geschlagen wer ist der solchs von uns müg klagen? Ouch hatt man uns nye gsehen spilen oder in ander weg kurtzwilen, So hat ouch kainr sin tag ainn pfennig, gott geb waß sy, vyl oder wenig Unnütz verprasset im würtzhuß da man so voll würt uberus, Es hat ouch kainr den andern truncken das er sy undern tisch gesuncken, Kain bủbenleben hond mir gfürt ouch hat uns nye das hertz berürt Eebruch und ander hủrery deß wissend mir uns warlich fry. Und yetz so will uns mancher fressen der doch sin selb so gar vergessen Das er in allem sinem leben nye kain ding umb Gott hat geben,

Neue Zeitung, wie ein Bild geredt habe N° 77 

Unnd will an uns zủ ritter werden und ist doch er mit allen perden Mit allen wercken und aller kunst ain grösserer götz denn zehen sunst. Wie wol mir nit gantz luter sind und ist man uns wol billich find So mir im tempel also gstanden und jr hond gmaint Got wär vorhanden. Soll aber an uns solcher schin (wie er ja soll) verworffen sin [5a] Und über uns das urtail gon damit Gott wird die eer an thon Wie mir dann willig sind fủr war wärind mir nun ußtilgget gar Und ließ man nun kain uberblyben damit man ye kain falsch möcht tryben Mit uns den bösen götzn mee es gschech uns glych wol oder wee So hörend doch mit gantzem fliß und nemmend war ouch anders gliß Der sich noch allenthalb verloft und ouch fürwar schändtlich verkoft Under dem nammen Jesu Christ das frylich wol zủ klagen ist Der götzen sind so vil on zal schier alle menschen überal Vyl gytigkait unnd hủrery groß schand und laster, bủbery, Fressen, suffen, und gotßlestrung, trybend yetzund alt und jung Vergiessend das unschuldig blủt thủt man so frech umb zitlich gủt Eebruch ist jetzund so gemain nyemandt sins wibs gelebt allaein, Schinden unnd schaben yederman waißt yederman, nun frisch daran Der hinderst mủs ain bettler blyben der nit kan all vortail tryben Mit sinem nächsten, fründ und find da ist die welt so mächtig gschwind

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Das sy nit anderst waißt vom glouben dann es söll sin den nächsten rouben Die jugendt ist so gar unzogen und was sy redt, das ist erlogen Uppigkait ists was sie thủt vatter und mủtter honds vergůt Und sehend zủ dem argen leben bis das jn Gott den lon würt geben. Wie mancher ist der bsinnet sich zủ flůchen also ergerlich [5b] Das sich der himmel möchte byegen geschwygen deß schandtlichen lyegen Das man yetz thủt in aller welt und manchem nun vast wol gefelt. Das hůrenleben gadt empor ja in der statt und znächst darvor Und die nach kumb sind halb gewachsen die tribend mủtwill uff der gassen, Und ainest luffend bủbn wyt den metlin nach zủ diser zyt So loffend dmetlin selbs hernach Den bủben ist nit halb so gach Man nempt ouch jetzt gar vil junckfrowen ja wenn mans by dem liecht thủt schowen, So sind es hủren überal und ist derselben ya kain zal. Der glychen schand ist yetz so vyl das nyemand haben mag der wyl Dar von zủ singen oder sagen mir thủnd es aber Gott klagen Und allen den die Gott erkennen und sich auch lassend Christen nennen Ouch denen selb die unrecht thaind [tuen] in diser hailgen gottes gmaind, Deren ergerlichen leben nichts thủt dann wider Gott strreben Das jr gedenckind, wie jr sind gros mächtig götzen und star blind Ja vor üch selbs und ouch vor Gott das sagend mir üch yetz zủ spott

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Die mir vor üch nit kundend gnesen unnd fürend jr doch söllich wesen Der tüfel hett gewiß solchen mủt nit in der tyeffen hell vergủt. Wie mancher ist, der unns yetz flủcht, und ist doch er so gar verrủcht In allem leben, und sin hertz ist voller sünd, das ist kain schertz. Man zuckt gen uns vyl messer blos das soll dann sin der yfer gros [6a] Das man so wild mit uns umgaht und zucht uns hin und här im kat Und sind doch tusent götzen meer zủ den man sagt: gnädiger herr. Darzủ dann ouch die Puren ghörend die glych so uppig sin thörend Als ander lüt, das ist gewiß jr vyl die steckend voller bschiß. Der leben ouch ist on vernunfft und honds dannocht als fur ain kunst Wüst kinden, und gantz süwisch sin die Obren redend nit vast drin, Darnach so ists umb uns zủthain [i.S.v. getan] als ob mir syind die allain Die wider Gott hond gsündet hie kain grösser sach gehört ward ye Da müssend mir zum bildstock uß und blybt noch dhür im hủrenhus Mir müssend uß den fenstern ouch mir ghörend all zum für und rouch Noch blybt die hủr ouch an der wand gemalet so mit grosser schand Und ergert sich nyemandts darab im Tempel müssend mir härab. Darzủ dem schlaf und abend trincken bis das man thủt zu boden sincken Spilen und raßlen nichts abgadt es gadt wol hin gleich frü und spadt, Schlahen und rouffen uber tisch und füren ein solch leben frisch,

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Das soll nit sin der götzen glyß o nayn, es ist der hailgen wyß. Im bapstum trugend uns die pfaffen und thettend uns gar fin angaffen Drumb das wir warend zyert mit gold dem selben warend sy vast hold Dy eert ain grosser götz den klainen das kundend sy gar nit vernainen Und yetz gats uns gleich ouch also die ettwa unser warend fro [6b] Die thaind uns yetz all plagen an das kainer vor jnn blyben kan Ain grosser götz yetz dahär fart den ruggen er so gar nit spart Er tregt an uns, er möcht zerbrechen, alls unglück will er an uns rechen Und spricht: den tod sy lyden sond umb das das mir nye gwißt hond Das thủnd uns götzen eben menger Gott well das es nit wäre lenger. Das mag geschehen so man will allain das man nit halte still Und main es sy schon alls volbracht drumb das man hat an uns gedacht Und das man uns yetz nümmer sicht fürwar damit nit gnủg geschicht, Es sy dann das man wyter far und hab gủt acht wol hin und har Damit das ubel gstraffet werd und abgestelt all schandtlich perd [i.S.v. Gebärde]. Man soll nit lyden alles schweeren [Schwören] mit gantzem ernst soll man dem weeren. Wer schweert dem solt man zungen ryssen so wurd man sich wol anderst flyssen Und uß der bösen gwonhait kummen die üch sunst nimmer wirt genummen Deßglychen spilen und das raßlen hoppen und dantzen uff der gassen Und all ander lychtvertigkait die wider zucht und erberkait

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Soll man nit lyden überal und ist doch deß on alle zal. Deß über trinckens und vyl essen und bis zủ mitternacht gesessen Deß ist ouch zvil, und der ain batzen gewunnen hat, der sitzt denn kratzen Und hat kain rủw, bis das er drey (Gott geb, wie wyb oder kind schrey) [7a] Unnütz verthủt, und schreyt dann mort, das man nit hilffet hie und dort Sinr grossen armủt ja sint spil, o deren gsellen sind gar vil. In klaidung ist solch uberfluß ain yeder solt deß hon verdruß Dem Christus wandel wäre kundt und der welt ghören in sein pundt Doch würt sich aller hoffart end härzủ nahen und das behend. Den Eebruch, so man jnn erfart Ja freylich solt man straffen hart Man solt in straffen mit dem blủt zủ vyl dingen wurd das sein gủt. Der hủrery solt man nit schonen die wächter solt man wol belonen Das sy allzit hettind gủt acht im tag und darzủ ouch by der nacht Dann wo man uns yetz götzen brent und das laster würt nit gewent Da kan man mercken das kain grund ins hertz ist kummen nye kain stund. Der jugend halb wär vyl zủ klagen, wer kan es aber alles sagen Wo rechter gloub, da waißt man wol das man die jugend straffen sol Sy gond dahär mit langen dägen mit gůten růten solt mans fägen Das jnen das blůt naher gieng o das man söllichs anfieng Mit würffel spilen und mit kartten Beim Wein ouch ains ufs ander wartten

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Der hủrery gantz jung nachlouffen ain andern darzủ übel rouffen, Gott lestren und nun übel flůchen Das Wirtzhauß ee dann dkirchen sůchenn Das klaid zerhouwen und mit gsellen tag und nacht spacieren wellen Das ist als gmain yetz by der jugend sy lebt doch gar ohn alle tugend [7b] Ist es nun sach, das man würt schwygen zủ sölchen lastern, und sy lyden Und ainr will sin ain biderman und will dannocht nit helffen dran Mit allem ernst, und flisse thain damit gestraft werd groß und klain Und helfen ordnung machen gủt und darob halten ernstlich hủt Damit das Gott hab wol gefallen ab ainem yeden und ab allen So würt man sehen das Gott lebt der allem ubel widerstrebt Und glych wie Er hatt haimgesủcht die pfaffen die so gar verrủcht Ouch wie er hat uns götzen funden das uns jetzt hend und füß gebunden Umb den falsch und umb den Schein den mir im tempel gfürt hond fein Also würt Gott on zwyfel finden all andern falsch und den ouch binden Wie uns, mit henden und mit füssen und jnn mit andern lassen büssen Die solchs verdient und nun vast wol ain yeder deß gwarnt sein soll Das sey jetzt gnủg, das niemand denck als ob mir sủchind söllich renck Mit denen mir uns machind schon, damit man unns nit geb den lon. Man thủt uns recht, nuur frisch dahin nun wellend mir doch willig sin Und dise welt verlassen gern als ob wir nye här kommen wärn,

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Und wie wärs doch so ain fein ding so jr ouch möchtind also ring Der welt absterben unnd erkennen das glon mủß sin, was man kan nennen Darumb mir ouch gern wend daran es hat mit unns nun gar kain span [8a] Allain wer götzen prennen well der lủg das er nit sy ain gsell Der sünd und ergerlichen leben so sy dann alle sach vergeben Aim yeden der hand an uns legt und nit den falschen schyn vertregt Den wir bißhär gefüret hond jr menschen ouch darvon lond. [8b] Ain yeder well sin falsch verlon und von sim götzenleben ston Es würt jm sunst härnach ergon wie es uns gat den götzen schon Dann Gott vertragt nit falschen won er gibt dem selben sinen lon. Gott sey gelobt in ewige ewigkeit. Solchs hab ich Johan[n]es Sylvanus geschriben und trucken lassen gleich in der Creutzwochen, da die abgöttische Papisten mit ihren Creutzen, Götzen, Gebeinen oder Heilthum, Wallfarten und dergleichen affenspil am mainsten zu thun haben, Ob villeucht diß Büchlin auch an die ort als gen53 Wirtzburg, da merckliche grosse abgötterey widerauffgerichtet, die vil jar unterwegen gelassen ward, möchte gebracht werden, frommen Gottseligen Evangelischen Burgern daselbs zur Brüderlichen warnung, auff das sie sich darzu weder creutz noch himmel zu tragen nicht gebrauchen lassen, welchs fürwar heißt die knie vor dem Baal biegen54, Gott behüte alle glaubige fur solcher abgötterey. Amen, Amen, Amen. Faxit Deus omnipotens.

53 In Vorlage „gehn“. 54 In Vorlage „piegen“.

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Editorische Notiz Bearbeitungsvorlage [Johannes Sylvanus:] Neuwe Zeitung. || Wie ein Bild ge||redt / klagt vnd Bekannt || habe / zur warnung sich vor allem | Götzenleben zu-|| hütten. || Mit einer vorred Iohannis Syluani Athesini || darinn etwas von den Götzen gehandlet || frommen Christen zur Brüderlichen || warnung. || Psalmus. 115. || Die solche machen (vnnd verteidingen) seind || auch also. || Gedruckt zů Tübingen / Durch || Vlrich Morhart. || 1561. Exemplar der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek, Sign.: Th 2380 [digit.], 46 nn. Quartseiten

LIT Mencke, Jöcher, wikipedia, zvdd; Höffler (2022); Manuel (1999).

N° 78 Nicolaus Palladius Von der rechten anruffung Gottes vnd der vermeydung der Götzen [1563] Der Däne Nicolaus Palladius (1510–1560) absolvierte 1534–1540 in Wittenberg ein Theologiestudium bei Martin Luther und Philipp Melanchthon, das er mit Erwerb des Magistergrades abschloss. Danach bemühte er sich als Pfarrer in Maribo und Kopenhagen und seit 1552 als Superintendent des Bistums Lund, Dänemark im Sinne der lutherischen Lehre zu reformieren. Zu diesem Zweck verfasste er eine Predigtlehre und übersetzte etliche deutschsprachige theologische Werke ins Dänische. Doch fanden umgekehrt auch seine Schriften in Deutchland Beachtung, wie die im Folgenden gebotene Flugschrift bezeugt. Dabei handelt es sich um die deutschsprachige Version einer Schrift, die 1557 zunächst lateinischsprachig in Wittenberg unter dem Titel Commonefactio de vera invocatione Dei et de vitandis idolis erschienen war. Die Verbundenheit mit Wittenberg spricht auch aus dem Umstand, dass Melanchthon bereit war, eine Vorrede für Palladius zu schreiben. Melanchthon mahnt hier – mit deutlicher Anspielung auf die dänische Krone – die Pflichten der weltlichen Obrigkeit bei Schutz und Unterstützung des rechten Gottesdienstes an. Er bietet eine Art Fürstenspiegel in Sachen Bilderfrage. und fordert energische Bekämpfung von Bilderverehrung und Götzendienst, welche an halsstarrigen Bildverehrern notfalls durch das Schwert zu ahnden sei. Melanchthon zeigt seine breite Gelehrsamkeit, indem er auf alttestamentliche und antike Musterregenten verweist, aber auch mythische Exempel anführt. Palladius beklagt die seelenzerstörende Menge der allenthalben in den Kirchen noch vorhandenen Götzen und Bilder, welche insbesondere von „armseligen blinden Leuten“, welchen Gottes Wort unbekannt und unerschlossen geblieben sei, verehrt würden. Als Superintendent sieht er sich von Amts wegen gehalten, seine Pfarrer und Kirchendiener zu ermahnen, in allen Predigten vor dem, durch den „Sathan und die Papisten“ veranlassten, Götzendienst zu warnen. Die Bilderverehrung, als eine Form von Verzauberung, sei weder stillschweigend zu dulden, noch gar um Gewinns willen zu bestätigen. Gefährdet sei insbesondere „das gemein Bauersvolk“, wenn es nicht durch vielfach zu wiederholenden Bibel- und Katechismusunterricht erzogen werde. Rechter Kirchenschmuck bestehe in Verkündigug des göttlichen Wortes und Gebrauch der Sakramente vor gläubigen Menschen als „lebendigen Bildnissen“, nicht aber vor hölzernen Skulpturen oder Gemälden. Palladius kritisiert die (dänischen) Wallfahrtsorte und deren Heiligenverehrung, das Rosenkranzbeten und das Aufstellen von Heihttp://doi.org.de/10.1515/9783110780031-019

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ligenbildern in Wäldern, Thälern und auf Bergen; denn dadurch werde Gott gleichsam angebunden an Dinge und Orte, an die er nicht gebunden sein mag. Er bietet breite argumentative Hilfe für die Predigten seiner Pfarrer, indem er viele Bibelstellen und Kirchenväter, breit aber auch Luther zitiert. Er wünscht, in Übereinstimmung mit der dänischen Krone, in den Kirchen eine radikale Bildbeseitigung.

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Nicolaus Palladius Von der rechten anruffung Gottes und der vermeydung der Götzen. [Vorrede Philipp Melanchthons, Aijrff.] ERwirdiger besonders günstiger lieber Herr und freund, Es ist dem Almechtigen one zweyfel sehr angenem und wolgefellig, daß jr den götzendienst so ernstlich straffet, und darneben anzeiget, wie man den waren Gott, und Jhesum Christum unsern HERREN anbetten und jm allein dienen. Gleich aber wie es einem jeden diener des H. Euangelij befohlen ist, dieweil er mit dem schwert und eusserlichem [Aijv] gewalt nicht bewapnet ist, daß er durch seine Predig die leuth von der abgötterey und götzendienst abweyse: Also ist es auch der weltlichen Oberkeyt mit sonderem ernst gebotten, daß ein jeder in seinem gebiedt, alle bilder und götzen, die man mit walfarten, anruffung, oder auff einige andere wege verehret, mit gewalt abschaffen und hinweg thun solle, und die jenigen so sich durch ernstliche erinnerung davon nicht abweisen lassen, sondern halßstarriglich darinnen fortfaren, oder sunst gotslesterung begehen, und dieselbe weiter ausbreiten, mit dem schwert auch am leib straffe. Denn es einer Christlichen Oberkeyt zusteht, so viel die eus[s]erliche zucht anlangt, das gantze gesetz Gottes, das ist, die erste und die ander thaffel1 der zehen gebott Gottes, zu schützen und zu hanthaben. Und thun solche der würden und dem Ampt einer weldtlichen Oberkeyt nicht geringen abbruch, die da vermeinen, es gebüre der Oberkeyt weithers nichts [Aiijr] denn allein, gleich als ob sie viegtreiber [Viehtreiber] weren, den leib und den bauch jrer underthanen zu versorgen, das ist, daß sie allein diese gebott hanthaben, Du solt nicht thöten, Du solt nicht stehlen2. Es soll aber ein Christliche Oberkeyt wissen, daß sie von Gott ander leuten darumb ist vorgesetzt, daß sie vornemlich hanthabe die lehr des Göttlichen gesetz[es] vom rechten Gottesdienst Und dem nach auch die underthanen in bürgerlicher zucht und einigkeyt erhalte, Was für ein underscheit under der gerechtigkeyt und ungerechtigkeyt sey, erstlich mit worten, darnach mit der that zu verstehn gebe, die ubeltheter straffe, und die frommen schütze und beschirme, Daß sie streng und mit einem rechten eyfer entzündet sey, die unheilsame glieder hinweg zu thun, und wacker und wolgemudt die gehorsamen zu verthedigen, die Armen und schwachen, und in summa alle menschen, die einen züchtigen erbaren wandel füren, jhr

1 Gemeint sind die beiden steinernen Gesetzestafeln, die Moses von Gott übergeben worden waren. 2 In Vorlage „sthelen“.

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[i.S.v. sich] vetterlich lasse befohlen3 seyn, [Aiijv] und sie genediglich und günstiglich

under jren schutz und schirm auffneme und beware. Derhalben auch im Psalmen gesagt wird: Ich hab gesagt, jhr seit Götter, das ist, jr seit in der welt stathalter gottes und teilet Göttliche gaben auß, weißheit, ware erkäntnuß Gottes, und lehret was fur ein underscheit under den thugenten und den lasteren ist, hanthabet die gerechtigkeyt und den gemeinen frieden. Was kan nuhn für grössere ehr jnen wiederfaren, denn daß sie götter genennet werden, das ist, werckzeug und Stathalter Gottes? Denn Gott gibt diesen herlichen namen den Regenten, nicht, daß es nur ein blosser titel sey, Sonder daß sie warhafftig Gottes werckzeug seien, durch welcher stim Gott sein gesatz lest erschallen, und durch welcher hand er die boßhafftige ubeltheter zerstöret, und die fromme gehorsame erhelt und beschützet. Also redt die weißheyt Gottes im Salomone. Durch mich regiren die König und die Fürsten setzen was recht [Aiiijr] ist. Diese weißheit dienet nicht allein zur unterhaltung des bauchs, sonder zeigt uns den waren Gott an: darnach auch lehret sie uns daß die gemeinschafft under den menschen sol erhalten werden, auff daß in der selben die menschen gemeinschafft mit Gott bekomen. Derhalben auch was Josua, Josaphat, Ezechias, Josias, Constantinus, etc. und viel andere Gottselige König und Fürsten gethan haben, Gott dem HERREN angenem und wolgefellig gewesen ist. Welche das volck zur anruffung des waren Gottes gehalten haben, und mit grossem eyfer alle bilder und götzen, bey welchen abgötterey getrieben würd, dapffer außgereuttet. Under welchen Hochlöblichsten Königen auch ewer König Christianus4 droben im himmel in der ewigen freuden, Gott den HERREN lobet und preiset, und wird von allen frommen, insonderheyt aber von denen auß ewren Kirchen, gelobet und gepriesen werden. Wie nuhn E. E.5 vermanung in diesen schriff-[Aiiijv]ten an die gottselige lehrer der kirchen gericht ist: Also wolt ich gern daß auch an allen orten die oberkeyt jres Ampts erinnert und ermanet würde, Und bitt von gantzem hertzen den Sohn Gottes unsern HERREN Jhesum Christum, der für uns gecreutziget, gestorben und wider aufferstanden ist, er wölle also in vieler Regenten hertzen, erstlich das liecht der reinen waren lehr, und denn auch einen rechtmessigen und brünstigen eyfer zu allem guten anzünden.Es seind wol viel, den es am guten willen nicht mangelt, aber balt kompt der Sophisten gespenst und macht jnen einen blawen dunst für

3 In Vorlage „befholen“. 4 Christian  III. (1503–1559) König von Dänemark und Norwegen führte in seinem Herrschaftsbereich die Reformation in lutherischer Ausrichtung mit Kirchenordnung von Johannes Bugenhagen ein. 5 „E. E.“ Abkürzung des Titels ‚Euer Ehren‘.

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die augen, daß sie die warheit nicht ersehen noch annemen können. Solcher jamer und elendt der menschen, betrübt alle gottselige hertzen gantz hefftig, die auch stets in jrem gebet von Gott begeren, er wolle umb seines geliebten Sohns willen, etliche erleuchten, und den feinden der warheyt wehren unnd steuren, Welche nicht anderst denn wie der Anteus6 dem Neptuno ei-[Avr]nen Tempel bawet auß den hirnschalen seiner gest [Gäste] so er erwürget: Also vermeinen diese unsinnige leuth Gott dem HERREN ein wolgefelligs opffer zu thun, wenn sie die fromme Christen würgen und metzlen. Mittler weil, welchs zu erbarmen, zancken und streiten wir under einander und verderben unß selbst, So es doch viel rathsamer und besser were, da sich etwa ein streit erhüb, daß man solchen gütlich vertrüge und hinlegt, und sich also one weitere verbitterung vergliche und vereiniget. Es seind leider grewliche zerrüttungen allenthalben, welche on merckliche schmertzen von trewen gottseligen hertzen nicht können bedacht werden, Und solten billich die Regenten erwecken und dahin bewegen, daß sie einmal trachten, wie man die geferliche wunden der Kirchen dieser land möchte heilen. Es kan zu dieser zeit nicht woll fehlen7, da die blödigkeyt und schwacheyt der menschen so groß ist, da so gar kein Regiment ist, [Avv] letztlich auch die welt in jrem höchsten alter, nuhn in die aberwitz gehen, es müssen viel uneinigkeyten, gezenck und streit erwachssen: Aber dennoch will Gott daß verstendigen und weyse Regenten die mutwillige köpff im zwang und zaum halten, und den gebrechen der gantzen gemeinen, mit rathsamer artzney zuhülff kommen. Und fürnemlich solte man daran sein, daß in diesen unsern Kirchen die lehrer [erg. sich] zusamen setzten, und sich wider die gemeine feindt legten, damit der Gottseligen einigkeit jederman bekant, und viel dardurch gesterckt würden. Es zeugt jetzunder der Thammerus8 bey Minden umbher, und lest viel gotslesterliche schrifften außgehen, Welchen die feindt des Heyligen Evangelii allein darumb hoch und werdt achten, daß er wider die Lutherischen hefftig tobet und wütet, one angesehen daß er außdrückliche Heydnische und gotslesterliche lehr in seinen offnen schrifften füret. [Avir] Es schreiben auch hin und wieder die Papistische Clamanten9 grosse bücher, gleich als thunnerstreich [Donnerstreiche] wider unsere Kirchen, welche zu wider-

6 Anteus/Antaios, ein Sohn des Poseidon und der Gaia, war ein mythischer Riese, der in Lybien sein Unwesen getrieben haen soll. 7 In Vorlage „fhelen“. 8 Gemeint ist Theobald Thamerus (†1569) nach Studium bei Luther und Melanchthon in Wittenberg ab 1543 Theologieprofessor in Marburg, Pfarrer am Dom zu Frankfurt a.M., 1553 Konversion zu Katholizismus und Romreise, danach Priester in Minden. 9 „Clamant“ heisst so viel wie ‚Schreihals‘.

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legen, wol nutz und noth were daß viel [erg. sich] zusamen setzten und ein ander trewlich hülffen. Derhalben ich den einigen Sohn Gottes unsern HERREN Jhesum Christum bitte, welcher für uns gecreutziget und wider aufferstanden ist, und jhm [i.S.v. sich] durch sein Heyliges Evangelium warhafftig ein ewige Kirch auß dem menschlichen geschlecht samlet, er wölle gnediglich verleyhen, daß alle lehrer in diesen unsern Kirchen, in jm eins seyen. Datum den ersten Februarij, Anno 1557. [Aviv]

Erinnerung Von der rechten anruffung Gottes und vermeidung der Götzen. Nicolai Palladii. DIe grosse mennig der gotslesterlichen götzen und bilder in diesen unsern Kirchen hab ich one hertzlichen grossen schmertzen nicht können anschawen, welche von armseligen blinden leuten, so biß anher auß Gottes wort besser nicht underricht, auff so mancherley weg verehret werden, dadurch der ware Gottesdienst verhindert, und dem ewigen Gott seine gebürende ehre benommen wird. Dan wie Christus selbst bezeuget, Matth: 6. Niemands [Aviir] kan zweyen Herren dienen, So können sich auch Christus und Belial in einem Tempel nicht bey einander vertragen. 2. Corin. 6. Und Gott spricht durch den Propheten, Er wölle seine ehr keinem andern geben. Uber das streitet solcher Götzendienst, von dem Sathan und den Papisten erdacht, gantz und gar mit aller Prophetischer und Apostolischer lehr. Ist auch wider das außtrückliche wort Gottes, welchs im ersten gebott des göttlichen gesetz[e]s verfasset ist, und weiset die hertzen der menschen ab vom waren lebendigen Gott, daß sie sich dem allmechtigen allein nicht gantz ergeben, jm nicht allein vertrawen, jn nicht allein anruffen und ehren. Derhalben bin ich verursacht, von wegen meines aufferlegten ampts10, alle und jede Pfarhern und diener der Kirchen zu ermanen, daß sie in allen jren Predigen, das volck von solchem Teufellischen götzendienst mit ernst abziehen, Nachdem sie vor augen sehen den [Avijr] merentheyl jrer zuhörer, auch noch in diese hellen klaren liecht des Euanglij, mit solchem götzendienst verhafft und bezaubert. Das sollen sie fleissig thun. Erstlich darumb, auff daß sie jre eigene gewissen hierin nicht weiter verletzen. Zu dem auch daß sie den einfeltigen nicht ursach

10 Palladius ist als Superintendent (Bischof) der höchste Amtsträger der Kirche des dänischen Episkopats Lund.

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geben zu jrer verdamnuß. Denn, wie der Prophet Ezechiel bezeuget, alle diener des worts, sein zu wechtern und auffsehern von Gott gesetzt. Wo sie dem gottlosen nicht werden sagen, und jn ernstlich ermanen, daß er sich bekere von seinen bösen wegen, so wil Gott deren bludt, von der diener hende erfordern. Item, Verflucht sey, der des HERREN werck lessig thut. Darauß gnugsam zu ermessen, daß alle mutwillige nachlessigkeiyt, faulheyt und untrew der Kirchendiener ein thot sünde ist. Und haben solche Kirchendiener eine grausame straffe von Gott zu gewarten, welche die grewliche götzendienst stilschweigents nicht allein dulden, [Avijv] sonder auch von wegen eines gottlosen gewin[n]s, noch understehen zu bestetigen, nicht anders denn wie die stummen Pfaffen im Pabstumb, Gott dem HERREN zur schmach, allein jres gewins halben, stumme götzen haben auffgericht. Etliche dörffen auch solche grewel und betrigerey gar selten, auch wol nimmermehr11, oder ja mit gar keinem ernst antasten und straffen, darumb daß sie nicht etwan damit der leuth ungunst auff sich laden, oder sonst in gefahr12 jres lebens kommen. Dieweil nun das gemein Bawersvolck in diesen landen noch in so dicker finsternuß der unwissenheyt steckt, und gleich als wilde gottlose leuth deren ding gar nichts weiß13, was zum rechten Gottesdienst und warer Religion gehöret: so ists hoch vonnöten daß die Kirchendiener auff dem lande sich dessen in sonder­ heyt befleissen, wie sie dem gemeinen Mann die recht Gottesforcht und einfaltigen underricht Christlicher lehr, nemlich den Catechismum, auffs [Aiijr] aller fleyssigst einbilden. Und dieweil solchs Bawrenvolck etwas gröberes verstants [erg. ist], muß man jnen zu offtermals ein ding erholen [i.S.v. wiederholen] und dermassen einblewen [einbläuen] daß sie es nicht leichtlich widerumb vergessen. Es hat gedachter Catechismus, bey vielen außlendischen völckern, und denn auch sunst in diesem gantzen Königreich [sc. Dänemark] viel wunders gethan, dermassen daß das volck darauß recht und wol underricht, wie man den rechten waren Gottesdienst wider auffrichten, und die abgötterey des götzendiensts abschaffen soll. Und nimpt mich wunder, wie eben in diesen Kirchen, da das Heylig Evangelium so hell und klar geprediget wird, die gotslesterliche götzen und bilder in so grossen ehren gehalten werden. Es wird Gott lob jetzt in unseren Kirchen das lautter und rein wort Gottes gelehret, Welches allen kirchengeschmuck, so dem selbigen zuwider, und den Christglaubigen ergerlich sein mag, verdammet. [Br] Das ist aber der rechten Christlichen Kirchen schmuck, die verkündigung des Heyligen worts Gottes, und der brauch der Heyligen Sacramenten, mit jren gebürlichen Ceremonien, zu welchen sich verfügen nicht blöcher [trunci, Blöcke], höltzene

11 In Vorlage „nimmermher“. 12 In Vorlage „gefhar“. 13 In Vorlage „wayß“.

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nasen und augen, nicht gemalte oder geschnitzte angesichter: Sonder lebendige biltnussen, welche sich etwan zum Predigstůl keren, etwan zum tisch des HERREN, etwan auff jren knien Gott den HERRN anruffen, etwan sitzen und Gottes wort hören, etwan stehn und mit jrem gesang den HERREN loben, und werden also von tag zu tag erneweret zu dem Ebenbilt Gottes, wie der Apostel sagt. Damit man nuhn den menschen solche Teuffelslarven und verblendungen desto abschewlicher mach, und sie dahin bring, daß sie dieselbige anders nicht, denn den Teuffel selbs und die ewige verdamnuß flihen und verfluchen, dargegen aber daß sie den einigen waren und lebendigen Gott (welcher sich [Bv] und seinen Göttlichen willen dem menschlichen geschlecht durch sein lebendiges wort hat offenbaret) recht lernen14 anruffen, ehren, jm dienen und allein vertrawen: So bitt ich umb der ehren Gottes, und der menschen heyll und seligkeyt willen, alle und jede Kirchendiener dieses landts, und vermög meines, mir von Gott aufferlegtes Ampts, gebiete ich jnen, daß sie hinfortan diesen theyl der gebott Gottes, Nemblich, Du solt dir kein bildnuß noch irgent eine gleichnuß machen. etc. one fleiyssige außlegung in jren Predigen nicht fürübergehn: Sondern daß sie sich mit allem ernst wider solche scheützliche götzen und des Teuffels larven setzen, welche der armen Menschen Sinn und gemüter von Gott zu sich abwenden, und gleich als gefangen halten, damit sie Gott den HERRN in vergeß und verachtung stellen, und solchen stummen krafftlosen götzen dienen, und jnen die ehr so allein Gott gebüret erzeygen. Und wenn man den Catechismum verlist und er-[Bijr]kleret, sol man in keinen weg dieses teil außlassen, wie es biß anher außgelassen ist worden, ja so schlecht und obenhin angerüret (wo es anders angerürt ist worden) gleich als ob es kein theyl were der Heyligen Zehen gebott, oder daran nicht so viel gelegen, daß es vonnöten [wäre] dasselbig zu verlesen und zu erkleren: So wir doch sehen daß mitlerzeyt das arme einfeltige volck sich nicht allein an solchen bildern und götzen vergafft: sonder auch (Welchs in diesen unsern Kirchen leyder zuviel ist zu sehen) daß der mehrerteil dieselbe anrüfft und anbetet, sie verehret mit Wachskertzen, opfferen, kleidungen, kniebiegen, niderfallen, drübergehen und anderen derergleichen gauckelspiel. Wie aber solches alles ein so grosser grewel für dem angesicht Gottes und seiner lieben Engelen sey, können alle die leichtlich ermessen, welche in diesem hellen liecht des Euangelij Gott recht dienen. Und wiewol auch etlich, auß Gottes wort recht underricht, die götzen in [Bijv] Kirchen nicht verehren: so geben sie doch den unverstendigen und unwissenden anleytung zur abgötterey und zum abfall von Gott. Deren wegen solte man ein Christliches bedencken und einsehens haben, daß wir sie mit unsern bildern und gemehlen, nicht zu der ewigen verdamnuß brechten. Es ist ja ein grausame

14 In Vorlage „lehrnen“.

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und Teuffelische vermessenheyt, von einer vernünfftigen Creaturen Gottes, daß sie wider den außdrücklichen befehl seines schöpffers, (Du solt dir kein biltnuß noch irgent eine gleichnuß machen) beydes, so freventlich, auch in der Christlichen Kirchen thun darff, welche jetzt nicht darzu auffgericht und erbawen werden, daß man geschnitzte und gemalte götzen darein setzet, sonder daß man den waren Gottesdienst darin erhalte und ferners außbreyte, denn solche götzen weder den lehrern noch den zuhörern einiges wegs nutz seind, sonder viel mehr der reinen lehr Gottes ein schand und schmach, und die da verhinderen alle gute Christliche gedancken. [Biijr] Derhalben deren brauch in der Kirchen nirgent zu gut ist, wie solchs der Prophet Esaias bezeuget, am 44. Cap. Wo sie der Leyen bücher sein sollen15, (wie es etlich darfür halten) so lasse man sie in büchern bleiben, und daheym, ausserhalb der Christlichen Kirchen, in welchen sie keiniges wegs geduldet sollen werden, damit nicht durch solchen betrug die menschen allgemach vom wort Gottes und waren gottesdienst widerumb abgefüret werden. Denn die erfarne Christliche Lehrer wissen wol, daß Gott in seinen Zehen gebotten, und durch die gantze schrifft, gar ernstlich verbeut, Erstlich daß kein mensch auff erden einige götzen und biltnuß mach oder machen laß deren ding die entweders droben im himmel oder hienyden auff erden, oder under der erden sein, wie die namen haben mögen. Zum andern daß solche bilder von keinem menschen angebetten, verehret, oder denen einiges wegs gedienet werde. Dieweil solcher götzendienst in den [Biijv] einfeltigen und unwissenden ein irrthumb ist, in den halßstarrigen ein Ketzerey, aber in denen, so solchen noch vertedigen wöllen, ein offne gotslesterung und entliches verderben, Nemlich darumb daß es den einfeltigen ein ursach gibt jrer ewigen verdamnuß. Denn es sein zweyerley leuth in der welt, welche wider die erst Taffel der Heyligen gebott Gottes sündigen: Erstlich die gottlosen, als da seind die wilde wüste verächter Gottes: in dem sie mit der that gantz und gar verleugnen, daß ein Gott sey, und derhalben jn nicht preysen, nicht fürchten, anruffen, jhm nicht vertrawen, geben jm nicht seine gebürliche ehr, daß er Almechtig, gütig und gerecht sey, und seind an vielen orten solcher verruchter leuth nicht wenig, die gleich wie das vieg [Vieh] jr gantz leben zubringen, one einiges wort oder furcht Gottes. Deren find man auch viel, die im gantzen Jar kaum einmal ein Predig hören. Etlich kommen jr gantz lebenlang nur zweymal zur Kirchen, nemlich Erst-[Biiijr]lich wenn man sie zum tauff, darnach wenn man sie zum grabe tregt. Die andern aber so wider die erste Taffel sündigen, seind die Abgöttische, welche die ehre, so Gott allein gebüret, den Creaturen entweder im himmel oder

15 Hinweis auf die Gregorsformel.

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auff erden, sichtbaren oder unsichtbaren zuschreiben, Wie denn im Pabstumb vielfaltig geschehen, da man die ehre so Gott gebüret, als da ist die anruffung und das vertrawen, auff die ding gericht hatt, die nicht Gott waren, Man hat Gott one, ja wider sein wort und außdrücklichen befelch, an die götzen und bilder gebunden, und gelehret, er sey bey diesen oder jhenen götzen krefftiger, denn bey einem andern. Was ist nuhr anher für ein Heidnisch geleuff gewesen, zu dem biltnuß Sanct Magni zu Thorrom, zum Heyligen Creutz zu Edenstet, auch zum Heyligen Losen, in der Pfarkirchen Losen? Wie viel find man noch heutiges tags, die der jungfrawen Marien zu lob und ehren, vor deren biltnuß wachskertzen [Biiijv] brennen? und sie in aller noth umb hülff anruffen, und jhr gaben opfferen? Zudem befindt sichs auch, daß noch in vielen Pfarkirchen, Mann und Weyb, jhre Paternoster oder Rosenkrentz, (wie mans zu nennen pflegt) tragen, und noch nicht auffhören sich des Engelischen gruß zu mißbrauchen, auch stets im mund haben, Gutds lon oc merilon. Das ist, Gottes lohn und Marien lohn. Ist aber das nicht ein grewliche Abgötterey, daß man die Gottheyt, Almechtigkeyt, und die ehre so allein Gott gebüret, dem sol zuschreiben das nicht Gott ist? Daß man in stat des waren Gottes, einen stummen todten götzen, der sich nicht regen noch bewegen kan, der sich weder von dieben noch von den menschen erretten kan, also sol anruffen und verehren? Es ist kein grössere sünd, die auch für dem angesicht Gottes mehr verflucht sey, denn daß man Gott den schöpffer aller Creaturen verlest, sich von jhm abwend und andern Göttern dienet, auch [Bvr] wider seinen außdrücklichen befelch, in Wäldern16, Thalen, Bergen, ja auch in den Christlichen Kirchen, bilder und götzen auffrichtet, und Gott gleich als anbinden wil an ein ding oder ort, da er nicht angebunden sein wil. Denn das heist einen Abgott machen, wenn der mensch sein hertz und gemüdt von dem waren Gott abwendet, jhn veracht, und aber mit seinen eignen gedancken und henden jhm [i.S.v. sich] selber newe falsche erdichte götter macht durch welche die ehre Gottes verhindert wird, Es geschehe gleich auß unverstandt und unwissenheit, als etwan durch einen falschen wahn, oder daß der mensch mit auffsatz [i.S.v. Vorsatz] sein hertz gantz von Gott abwendt, oder allein euserlich den Creaturen Göttliiche ehr erzeigt, auff was weg oder gestalt das geschehen mag.

16 In Vorlage „wälden“.

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Die Gottslesterliche Abgötterey kan auff viellerley weg begangen werden. Erstlich begeht man Abgötterey, wenn man gedenckt, Gott neme sich un-[Bvv]ser nicht an, sey müssig, ungerecht, oder einiges wegs anders denn er an jhm [i.S.v. sich] selbst ist, und er sich in seinen Creaturen, gleich als in einem spiegel, und denn auch in seinem Heyligen wort hat offenbaret. Zum andern, Wenn man Gott schon recht erkennt, will jhn aber mit erdichtem ubd falschem Gottesdienst anders verehren denn es seiner Göttlichen Maiestet gebüret. Zum dritten, Wenn man mit Göttlichem namen oder ehrerbietung dem ding dienen wil, das in der warheyt nit Gott ist, es sey gleich ein so herlichs und gewaltigs ding anzusehen, als immer möglich. Zum vierten, Wenn man die unsichtbare unbegreiffliche Maiestet des ewigen Gottes, auß irrthumb irgent an ein empfintlich ding anbinden wil, oder deren bildnuß und gleichheyt machen, was weyß oder gestalt das sey, auff daß die Gott­ heyt, gleich als darin begriffen und eingeschlossen, angebetet und verehret werde. [Bvir]

Und wird denn in der warheyt Gott am aller hefftigsten geschent [geschändet] und geschmecht [geschmäht], wenn die menschen wider seinen befelch vermeinen, er solle ein wolgefallen an solchem götzendienst und deren gleichen eytelen dingen haben, und machen jhn und seine Heyligen (welche itzunder im himmel mit jhm leben) schlechten und verächtlichen Creaturen gleich. Item, wenn sie der hohen Maiestet Gottes Namen und ehr, ja den unvergencklichen Gott selbst, der sich nicht lest anbilden17, under vergengliche ding und figuren wollen einschliessen, anbilden und jhn damit zu erkennen geben. Item, wenn man ihn stat des unsichtbaren unsterblichen Gottes, der menschen oder anderer ding, was es auch sey, biltnuß verehret. Und also Gott verachtet und in seine stat solchen grewlichen götzen dienet. Item, wenn die menschen Gott dem HERRN seine Göttliche ehr, krafft und eygenschafften so viel an jhnen benemen, und die den bildern und Götzen zuschreiben, welche sie, mit verachtung [Bviv] Gottes, verehren und anbetten. Kein grewlichere gottslesterung kan von menschen erdacht werden. Wie nerrisch ist es doch, ja wie schentlich und grewlich für dem angesicht Gottes und seiner lieben Engelen, daß man Gott den Vatter abmalet und anbildet, als einen alten Mann, mit einem grawen bard, und trieffenden augen, der seinen

17 Palladius verwendet mehrfach das Verbum „anbilden“, das nicht nur ‚abbilden‘, sondern auch ‚mit einem Bild versehen‘ bedeutet.

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gecreutzigten und bludtichten Sohn in henden helt, und bey jhm hat eine taube. Ist denn unser HERR Gott also gestalt, so doch der himmel sein Stuhl, und die Erde sein fůßschemel ist? Was kan doch alle menschliche vernunfft und verstandt dichten oder erdencken, das entweders Gott gleich sey, oder seine ewige Gottheyt, seine Herrligkeyt, Weyßheyt, Allmechtigkeyt, grosse Güthe, Warheyt, Heyligkeyt, Gerechtigkeyt, Gnad und Barmhertzigkeyt unß möcht fürbilden? So sich aber einer solchs understehn würd, was kündte der Gott dem HERRN für grössere schmach anthun? Denn er [Bviir] ihn one zweyfel viel anders würde anbilden denn er an jhm [i.S.v. sich] selbs ist. Ist nicht das eine grewliche schentliche böse thadt, wenn man in stat des lebendigen Sohns Gottes, welcher von todten aufferstanden, und zu der Rechten Gottes des Almechtigen Vatters sitzet, einen hültzenen todten götzen, der Christo, wie er ans Creutz gehefftet ist gewesen, gleich sein soll, anruffet und verehret, und darfür helt, Christus habe sich also an ein solchs bloch angebunden, und wölle die so ihn da anruffen, vil ehe erhören denn anderstwo? Vor wenig jharen waren etliche Münch, welche nicht zufrieden, daß sie eine todte figur hetten Christi wie er ans Creutz gehenckt ist: sonder schrieben an einen wunderbarlichen Künstler, daß er ihnen einen lebendigen gecreutzigten Christum mächte. Darauff jhn der Meyster also antwortet: Wo ich euch einen lebendigen mach, so werdet jhr jhn etwan auff ein newes creutzigen. Doch wurde er zuletzt durch vielfältige bitt, und [Bviiv] grosse geschenck dahin bewegt, daß er jhnen ein Crucifix macht, gleich als ob es lebet, macht dem gecreutzigten den kopff beweglich, auch die augen und die lefftzen etc. daß man sie bewegen kundt, Solchs biltnuß henckten die Münch uber die thür ihres Chors, und betrogen damit ein lange zeit viel volcks. Denn so offt sich das volck vor dem Chor versammlet, auff daß sie gedachtes Crucifix anschaweten und anbeteten, stund ein Münch darhinden und zog dem götzen mit einem seyl den kopff auff ein seyten, gleich als ob er nicht erhören wolte noch ansehen das gebet deren, die jhn anruffeten, darob sich denn das volck gantz hefftig entsetzet. Alsdenn hub der Münch an zu schreyen und zum volck zu sagen, Jhr lieben freundt, Opffert und gebt unß armen Brüdern reichlich, so wird diß Bildt euch wider mit gnaden anschawen, Welches die Leuth verursacht, daß sie weydlich auff den Altar opfferten: Und mitlerzeit zog der Münch wie-[Bviijr] derumb heimlich ein anders seillein18, damit sich des Götzen Kopff wider zum volck wendet, gleich als ob er anzeigen wolt, er were nun mit solchen gaben versö[h]net. Letztlich aber ist solcher betrug verraten und offenbar worden, und das gantze Kloster darumb zerstöret.

18 In Vorlage „seylein“.

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Ist nicht das ein grosse gedult von Gott, daß er19 diesem verfluchten grewel also hat mögen zusehen. Also haben die Antichristlichen Gottsdieb, Gott den Vater und seinen eingebornen Sohn, seiner gebürender ehr beraubt, indem, daß sie mit einem gottslesterlichen frevel Gott den HERREN an solche stumme, todte und eytele gedicht der menschen angebunden, und ihn solche Götzen gleich gemacht haben. Und (Welchs zu erbarmen) so fin[de]t man noch heutiges tags in diesem hellen liecht des Euangelij, die solche gottslesterliche Bilder und Götzen gut heissen und vertedigen, welche sich eusserlich als Heylige Gottselige leuth lassen ansehen: mittler [Bviijv] weil aber füren sie nicht allein sich selbst in verdamnuß, sonder verfüren auch mit jhnen [i.S.v. sich] viel einfältige hertzen. Solche geben klärlich zu erkennen, daß sie götzendiener seind, und daß sie die Götzen Gott gleich oder auch höher achten, und understehen sich die Herlichkeyt des ewigen Gottes durch geschnitzte Bilder und allerley Götzen anzubilden, eben da mit, daß sie sich von newen befleissen, die Christlichen Kirchen miit solche Götzen zu entheyligen, und daß es sie gar ubel verdreust, wenn man nach dem befelch Gottes, solche gotlesterliche Bilder zerstöret und hinweg schafft. Dermassen erheben sie und halten in grossem wert jhre gemahlte, geschnitzte und gegossene Bilder, daß sie in mittler zeit das rechte natürliche Biltnuß Gottes, nemlich unsern einigen Mittler Jhesum Christum, gar in windt schlagen, dieweil sie an jhn nicht glauben, und darneben auch jhre nechste, welche zum ebenbilt Gottes erschaffen sein, verachten, und nicht lieben, haben jhren lust und [Cr] wolgefallen an todten götzen, und die lebendige ware Bilder Gottes verachten sie. Dieweil nun noch etlich erfunden werden, welche die Götzen verthedigen wöllen, Soll man solche, nach dem man sie einmal oder zwey ermanet hat, flyhen und verfluchen, nicht anders als verbannte Leuth, Nach der lehre Pauli, Da er spricht: So jemand ein ander Euangelium prediget, der sey verflucht, und durch das urtheil Gottes von der Christlichen Gemein außgeschlossen, Und solchen soll jederman flyhen, auff daß niemandt von jhm befleckt werde, wie im Psalmen steht. Er hat den fluch angezogen wie ein kleidt. Ich beger keines menschen freundschafft, welcher mit mir Gottes freund nit sein will. Wie David spricht: Ich hasse sie mit rechtem ernst. Item: Ich hasse die boshafftige, und liebe dein gesetz. Also tröste ich mich auch wider alles fluchen und schelten der götzendiener und deren verthedigern, mit dem spruch auß dem Psalmen: [Cv] Fluchen sie, so segnest du. Das ist je gewiß auß Gottes wort, daß gleich wie Christus keine gemeinschafft hat mit Belial, also will er auch in seinem Reich den götzen kein stat geben: Sonder wird bald selber durch die Klarheyt seiner ankunfft, alle Götzen und Bilder, mit zeitlichem fewer verbrennen und zu nichts machen. Und denn wird es mit den götzendie-

19 In Vorlage „ehr“.

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ner und jhren schutzherrn, auch ubel zugehen in dem ewigen fewr, da jhr wurm nimmermehr in Ewigkeyt wird sterben. Die Gottseligen aber werden am jüngsten gericht Richter sein auch uber alle böse geister, will der gleisner, und der gotslesterlichen götzendiener und deren beschirmer geschweygen. Derhalben ermane ich die, so mit solchem götzenwerck umbgehen, daß sie vor allen dingen bůß thun, und auß Gottes lernen, wie sie Gott recht dienen und anruffen sollen (Wie geschrieben steht: Dein wort ist meiner füssen leuchte. Item. Hütet euch für den Götzen). Und [Cir] Gott bitten, daß er, von wegen seines geliebten Sohns, sie wolle auß solcher verfluchten gottslesterung, blindheyt und irrthumb erledigen. Wo sie aber auß Teuffelischer halßstarrigkeyt in solcher ungottseligen verachtung Gottes und seines worts werden fortfaren, und sich understehen, wider den willen Gottes Bilder und Götzen auffzurichten und die zu verthedigen: so wird sie Gott mit grösserer blindtheyt und unsinnigkeyt straffen, und sie nachmals im zukünfftigem leben in die ewige Hellische qual stürtzen. Ich ermane auch alle gottsfürchtige Pfarrherrn und Kirchendiener, sie wollen sich auch im eusserlichen wandel solcher gottlosen Leuth geselschafften entschlagen, und hinfortan sich gentzlich befleissen, mit allem ernst, wider solchen Götzendienst zu predigen, und allen falschen Gottesdienst zu straffen, und das gebott Gottes, Du solt dir kein Biltnuß machen etc. nimmermehr so schleferich und unachtsam fürbey gehen. Das bitt ich, und er-[Civ]mane sie umb der ehren Gottes willen, und der Herden heyl und seligkeyt so jhnen zu weyden befohlen ist, von welcher wegen sie an jenem tag werden müssen rechenschafft geben, wenn wir alle stehen werden für dem Richtersthul Christi. Auff daß aber die Pfarrherrn, auß dem wort Gottes (Welchem alle menschen, bey vermeydung ewiger verdamnuß, zu gehorchen sich schuldig sollen wissen) die gottslesterliche Götzen und Biilder, desto gehertzter straffen und verdammen können: Will ich jhnen alhie etliche sprüch anzyhen, in welchen Gott der HERR selber die Götzen und Götzendiener verspott, verlacht und zu schanden macht, damit sie mit jhrem undfladt die ware Christliche Kirch nicht beflecken noch vergiefften [vergiften]. Will auch hinz setzen etliche exempel und sprüch der Alten Heyligen Lehrer, welche keine Bilder in jhren Kirchen haben können dulden. Exodi. 20. Du solt dir kein Biltnuß, noch irgend ein Gleichnuß machen. [Cijr] Esaiӕ 42. Die müssen zuschanden werden, die sich auff Götzen verlassen, und sprechen zum gegossenen Bilde, jhr seid unsere Götter.

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Esaiӕ 46. Nach wem bildet und wem vergleicht jhr mich? Gegen wem messet jhr mich dem ich gleich sein soll? Sie schütten das Golt auß dem Beutel, und wägen20 dar das Silber mit der wagen, und lohnen dem Goltschmid, daß er einen Gott darauß macht, für dem sie knyen und anbeten. Sie heben jhn auff der achseln und tragen jhn, und setzen jhn an seine stete, Da stehet er, und kompt von seinem ort nicht. Schreyet einer zu jhm, so antwort er nicht, und hilfft jhm nicht auß seiner noth. Jerem. 10. Sie hawen im walde einen baum, und der werckmeyster macht sie mit dem Beyell, und schmuckt sie mit Silber und Golt, und hefftet sie mit negeln und [Cijv] Hemmern daß sie nicht-umbfallen.Es seynd ja nichts denn Seulen uberzogen, sie können nicht reden, so muß man sie auch tragen, denn sie können nicht gehen. Item, Sie seind allzumal Narren und Thoren, Denn ein holtz lehret ja anders nichts denn eytelheyt. Item, alle Goltschmid stehen mit schanden mit jhren Bildern, Denn jhre Götzen seind triegerey, und haben kein leben. Baruch. 6. Ließ die gantze Epistel biß zum ende, und halte sie gegen den Götzen und Bildern so heutiges tags in Kirchen seind, so wirstu befinden daß alles damit uber ein kompt. Ezech. 6. Ließ auch hie das gantz Capitell, und sieh21, ob nicht alles uberein kompt mit dem Götzendienst so noch heutiges tages an etlichen orten in Teutschlant, Dennemarck und anderswo getrieben wird. Ezech. 16. Du namest deine schöne gefehß die [Ciiijr] ich dir von meinem Golt und Silber gegeben hatte, und machtest dir Mannßbilder drauß. und triebest deine hurerey mit den selben. etc. Abac. 3. Was hilfft das Bilde das sein Meyster gebildet hat, und das falsche gegossen Bilde?

20 In Vorlage „wegen“. 21 In Vorlage „sich“.

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Psalm. 97. 22 Schämen müssen sich alle, die den Bildern dienen, und sich der Götzen rühmen23. etc. Psalm. 115. Der Heyden Götzen seind Silber und Golt etc. Sie haben meuler und reden nicht. etc. Sapientia. 14. Da wirst du eine gantze History finden von Götzen und jhrem ursprung. Rom. 1. Sie haben verwandelt die Herligkeyt des unvergenglichen Gottes in ein Bilt gleich dem vergenglichen menschen, und der vögel. etc. [Ciiijv] 1.Cor. 8. Wir wissen daß ein Götz nichts ist in der welt, etc. Item. 10. Meine liebe, fliehet von dem Götzendienst.

Kindlein, hütet euch für den Götzen.

1.Iohan. 5.

Diese und deren gleichen sprüch soll man woll einblewen, auff daß sich die menschen von den todten Bilderen abkeren, und sich bekeren zu dem waren und lebendigen Gott, der Himmel und Erden erschaffen hat, dem Vater unsers HERREN Jhesu Christi.

22 In Vorlage „Schemen“. 23 In Vorlage „rümen“.

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Auch Lernen uns die Exempel der Heyligen, daß man die gotlesterliche Götzen hinweg thun soll. Ezechias hat die höhe zerstöret, die Götzen zermalmet24, auch die Erne schlang welche Moses auß Gottes befelch gemacht hat. [Cvr] Josias feget den Tempel von vielerley Götzen. Moses zerschlug das Güldene Kalb. Dieser und anderer gottseligen Königen Exempel solten alle Oberkeyten fleissig nachkommen und nach dem gebott Gottes alle Götzendienst und was die Leuth darzu mag verursachen, mit allem ernst hinweg schaffen. Epiphanius ein Bischoff in Cypern da er im Land Chanaam in ein Kirch kam, und fand da bey der Thüren einen gemalten fürhang, darauff entweders Christi oder sunst eines andern Heyligen Biltnuß gemahlet war. Hieß er jhn hinweg thun, und befahl, daß man einen armen verstorbenen darein wicklen und begraben solt. Und sprach, es were wider alle Göttliche schrifft, daß man in der Christen Kirchen einiges menschen Biltnuß hette. Christus spricht Luce am 8. Selig seind, die Gottes wort hören. Er spricht nicht, Selig seind, die durch Bilder und [Cvv] Götzen Gott erkennen lernen. Er hat seinen Aposteln nicht befohlen, daß sie Bilder auffrichten solten: sonder das Euangelium predigen. Item in den worten des Heyligen Abendmals spricht der HERR, Diß thut zu meiner gedechtnuß. Sagt nicht: Macht und richt euch Crucifix auff zu meiner gedechtnuß. etc. Lieber wo oder wann hat doch Christus oder auch seine Aposteln befohlen, daß in der Christen Kirchen jhre Biltnuß gemahlet würden? Wo haben doch unsere Mahler der Apostel angesicht gesehen, darnach sie die selbe so eygentlich wissen nach zu malen? Ambrosius uber die Epistel zun Römern 1. Cap. Was für ein thorheyt ist das, daß bey denen die sich weyß und klug schelten, die todten mehr gelten denn die lebendigen? Sie weichen von dem lebendigen Gott und hangen an den verstorbenen. [Cvir] Item uber Jeremiam, im 10. Cap. schreibet er, Der irrthumb von ubergülten Bildern sey auch zu jhnen kommen, Also daß man meinet die Religion oder Gottesdienst stehe in Golt und Silber. Clemens, von Bilderen. Was ist das für ein Gottesehr, daß man von einem Hültzenen oder Steinen Bild muß zum andern lauffen, und solche eytele und todte Bilder glaich als Götter verehren, und den menschen, welcher das rechte Ebenbilt Gottes ist, so gar verachtet? Augustinus im buch da er die Ketzereyen erzelet, straffet er eine mit namen Marcellina, daß sie die Bildnuß Christi und Pauli verehrt hat.

24 In Vorlage „zermalwet“.

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Item uber die Epistel zum Timoth. 1. straffet er [d.  h. Augustinus] die gemahlte Bilder, und verdampt, die solche anbeten. Denn (spricht er) das anschawen der Bilder [Cviv] macht daß die menschen mit jhren gedancken auff den Bildern kleben [haerere] bleiben, und nicht hinauff gedencken zu dem, das da angebildet wird. So lang bleibst du am Biltnuß des gecreutzigten hangen, biß der gecreutzigte verschwind, und du allein uberbleibst bey den Mördern. Denn ein jeder der lang an den zeychen kleben bleibt, der verleuret das, so durch die zeychen bedeutet wird. Daß aber Martinus Lutherus in der außlegung uber das 7. Cap. des Füfften Buchs Mosis die Biltstürmer gar ubel anfehret, das ist, diejenigen so auß eygenem můtwillen und Teuffelischem frevel, one befelch der ordentlichen Oberkeyt, mit gewalt und ungestümigkeyt die Bilder zerschlagen: Solches gehet die gar nichts an, welche entweder zum Predigampt oder zur weltlichen Oberkeyt von Gott gesetzt seind. Denn gleich wie die Kirchendiener wider solchen aberglaubischen Gottesdienst sollen predigen: Also soll [Cviir] auch die weltliche Oberkeyt auß jhrem befohlnen Ampt die Bilder hinweg nemen, da es vonnöten ist. Denn so viel die euserliche [äußerliche] zucht und Policey anlangt, soll die Oberkeyt beyde Taffelen des gesetz[e] s Gottes schützen und hanthaben. Von denen (sage ich) schreibt Lutherus nicht: sonder schilt zum theil den gemeinen pöfel so aus eignem můtwillen und verachtung der Oberkeyt uber höltzene und steinern Götzen wütet: zum theil auch die tolle unsinnige Prediger, welche dem gemeinen pöfel wehr und waffen25 darreichen die Götzen damit zu zerstören, Welche er alle mit einander blůtdürstige, auffrürische Leuth und Mörder nennet. Blůtdürstige, darumb daß sie anders nichts in jhrem hertzen haben, denn mord und todschlag. Auffrürische, daß sie mit verachtung der Oberkeyt, auß eigner unsinnigkeyt, Bilder und Götzen angreiffen und zerstören, So man doch in der gantzen schrifft kein Exempel findt, daß der gemeine Mann26 one haupt und Oberkeyt (es were gleich eine or-[Cviiv]dentliche oder sunst von Gott darzu erweckt) die Bilder hette hinweg gethan. Wie zu sehen in Gedeone, Ezechia, Hosia und dem König Ahab. Mörder und todschleger heist er sie darumb, daß wenn sie die Götzen zerstöret haben, fahren sie fort auch die menschen, das ist, die Oberkeyt zu erwürgen, wie die unsinnige Wiederteuffer gethan haben. Diß aber alles miteinander geht uns gar nichts an, Denn wir lehren, daß man auß dem wort Gottes, wider die Abgötterey so im hertzen steckt, predigen, und die Götzen und Bilder, mit einhelliger verwilligung und auß geheyß der Oberkeyt abschaffen und hinweg thun soll.

25 In Vorlage „wapffen“. 26 In Vorlage „man“.

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Und in der Königlichen [Dänischen] Mayestet Ordnung wird es außdrücklich gebotten, daß man alle gottslesterliche Bilder und Götzen von wegen der Abgötterey abschaffen soll etc. Wie solches in der Ordnung stehet am 38. bladt. Was aber Lutherus eygentlich von den Bildern gehalten hab, setzt er in gedachter seiner außlegung balt hernach, [Cviijr] da er spricht: Wie wol ich auch selber nicht viel lust und lieb hab zu den Bildern, und wolt daß man sie in die Kirchen nicht setzte: Nicht daß ich allein das bedencken darauff habe, daß sie verehret und angebeten werden, welches, meines erachtens, selten geschicht: sonder die weil man ein vertrawen hat auff das werck, wenn man köstliche und schöne Götzen gemacht hat, daß denn Gott gleich als ein sonders wolgefallen daran haben soll, So es doch nichts denn ein eyteler vergebener kosten ist, den man wol nützliger anlegen und zu underhaltung der Armen künte wenden? Sonst kan ich schlechte gemehl [schlichte Gemälde] daheim in den heusern nicht verwerffen. etc. Hierauß genugsam zu verstehn, daß weder die Oberkeyt, so die Götzen hinweg thut, noch diie trewe diener des H. Euangelii, so wider den Götzendienst und die Abgötterey predigen, Bildstürmer vom Luthero genennet werden: sonder allein der Gemeine Pöfell, mit jhren schwürmgeistern, deren ungestümige [Cviijv] wüterey er am selben ort nacheinander erzelet, und setzt, daß man eben die selbige, als blůtdürstige und auffrürische Leuth, zum Land hinauß treiben soll. Also gehet auch das weder die gemalte oder geschnitzte Götzen an, daß Lutherus die Anthropomorphitas freyspricht und verthediget, so von anderen als Ketzer gescholten würden, darumb daß sie von Gott redeten als von einem menschen, der Augen, Oren und Arm hette etc. Und spricht, sie seind unbillig verdampt worden darumb daß sie gesagt, Gott hab Augen mit welchen er die Armen anschawe, er habe Oren, mit welchen er erhöre die jhn anrůffen etc. So doch die schrifft hin und wider also pflegt zu reden. Denn die Propheten auch also schreiben, gott sitze auff einem Königlichen Stuhl. Und Esaias im 6. Cap. sagt, Er habe Gott in einem Herrlichen Kleid gesehen. Wie können aber die menschen under einander von Gott anders reden? dieweil unsere menschliche natur das [Dr] Geistliche wesen anderst nicht verstehen nach begreiffen kan. Ließ weiter Lutherum in seiner außlegung uber das Erste Cap. des Ersten Buchs Mosis. Ließ auch Augustinum, im Buch von dem Göttlichen Wesen, wie die schrifft nach menschlicher art, aber doch figürlicher weiß, von den gliedern Gottes pflegt zu reden, Und was durch das Haupt Gottes, durch seine Ha[a]r auff dem Haupt, durch die Augen und O[h]ren etc. geistliche verstanden werde. Denn in allem diesen muß man nichts fleischlich und nach den Buchstaben verstehen, sondern alles was man von Gott redet, muß geistlich verstanden, geglaubt und bekan[n]t werden. Denn Gott lest sich an keinem ort sehen, wird auch mit leiblichen Augen nicht gesucht, und mit keines menschen gesicht [i.S.v. Sehvermögen]

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gefasset, mag mit antastung nicht gehalten werden, noch mit seiner reden gehöret, noch gefü[h]let werden wenn er einher gehet, wie Augustinus spricht. [Dv] Derhalben so irren die gantz weit, die da vermeinen mit diesen Exempeln des H. Augustini und Lutheri die gottslesterliche Bilder und Götzen zu verthedigen. Ferners daß man sagen wil, die Bilder seien der Layen Bücher: Laß sein, daß die Gemehl [Gemälde] von der Empfencknuß Christi, von seiner geburt, Wie er versugt [versucht] worden, gestorben und aufferstanden ist, etc. (Wie solche Historien im Passionall Büchlein, wie mans nennet, gemahlet stehen27) etwan der Layen Bücher, vor die so erstlich im Christlichen glauben underwiesen würden, gewesen seind: Was gehet das die gottslesterliche Bilder und Papistische Götzen an in den Kirchen? Ist es nicht ein schöner Götz wenn man ein Sanct Peter macht, der schlüssel in Henden tregt? Was bedeut das anderst, denn daß der Pabst von Rom seine Hoheyt dardurch wil beweisen? Was werden doch die Layen auß solchem Buch guths lernen oder ersehen? wer-[Dijr]den sie nicht viel mehr an den Pabst von Rom, denn an den Apostel Petrum gedencken? Ja freylich. Betracht des gleichen das Bildnuß des Heyligen Jacobi, wird nicht ein Lay so bald ers ansihet, in seinem sin[n] gedencken an die gottlose walfart zu S. Jacob zu Compostellen und an andern orten? Das Bild der Jungfrawen Marien, wie sie jhre Brüst ihrem Sohn, der auff einem Regenbogen sitzt, zeiget: ist das nicht ein bestetigung der grewlichen Abgötterey von der fürbitt der Heyligen? Was ist des Pabst Gregorij Bildnuß, da er stehet und Meß helt für die Lebendigen und für die Todten? und also von anderen deren gleichen mehren. Das wölle Gott nimmermehr, daß solche Bilder der gottseligen Layen Bücher sein solten, in welchen sie uber die maß erschreckliche Exempel, gleich als in einem spiegel sehen mögen, welche sie nicht zum Ewigen leben, sonder zu der Ewigen verdamnuß füren. [Dijv] Laß sie der gottlosen Papisten Bücher sein und bleiben, welche an solchem Schawspiel ein sonders wolgefallen28 haben, zu welchen man wol sag[en] mag: Jhr wisset nicht, was jhr anbetet. Wir aber wissen, was wir anbeten. Aber es kompt die zeit, und ist schon (Gott lob) kommen, daß die warhafftigen anbeter werden den Vatter anbeten, nicht auff dem Berge, nicht im Tempell: sonder im Geist und in der warheyt. Gott ist ein Geist, Wenn Gott ein leiblich ding were (spricht der Heyligen Augustinus) so müst er auff dem Berg angebetet werden, denn der Berg ist leiblich, man müste jhn im Tempell anbeten, denn der Tempell ist ein leiblich ding. Gott ist aber ein Geist, und die jhn anbeten, die müssen jhn im Geist und in der warheyt anbeten. Johannes 4. und 1. Corin. 3 und 6. Der Tempel Gottes ist heylig,

27 Das Passional ist eine Legendensammlung des 13. Jahrhunderts. Die frühen Druckfassungen des späten 15. und frühen 16. Jahrhunderts (VD 15 und 16) sind mit zahlreichen Holzschnitten illustriert. 28 In Vorlage „wolgafallen“.

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der seit jhr, spricht der Heylig Paulus zu allen glaubigen. Zu dem so ist der mensch zum Ebenbild Gottes geschaffen, das ist, daß er Gott [Diijr] recht erkenne, anruffe, ehre und gerecht sey. Solch sein Ebenbild, seinen Diener und Priester, wil Gott nimmermehr verlassen, sonder viel mehr hanthaben und erhalten, auff daß er jhm diene und jhn anruffe. Und so jemand solchs sein Ebenbild, seine Diener und Priester beleydiget, wird er es ungerochen und ungestrafft nicht lassen hingehen Ließ weiter was in der Außlegung uber den Euangelisten Johannem vom Natürlichen gesetz geschrieben ist. ENDE. [Diijv] Gedruckt in der Churfürstlichen Statt Heydelberg, durch Johannem Mayer. 1563.

Editorische Hinweise Bearbeitungsvorlage Erinnerung | Von der recht-| ten anruffung Got-| tes  / vnd der vermeydung der Götzen. | NICOLAI PALLADII. | Mit einer Vorred des herrn Philippi Me- | lanchthonis. | Auß Lateinischer sprach | ins Teutsch bracht. | Deutero. VI. Du solt Gott deinen Her- | ren anbetten vnd jm allein dienen. – Heidelberg: Johannes Mayer 1563. Exemplar der BSB München, VD 16 P 132 – [53 Scans (Ajr-Divr]

abgeglichen mit der lateinischen Fassung: NICOLAI PALLADII COMMMONEFACTIO DE VERA INVOCATIONE DEI, ET DE VITANDIS IDOLIS. – WITENBERGAE EXCUDEBANT HAEREDES PETRI SEITZII. ANNO 1557. Exemplar der ULB Sachsen-Anhalt, VD 16 P 130

LIT zvdd; Wikipedia. – Schwarz Lausten, Martin: Die heilige Stadt Wittenberg. Die Beziehungen des dänischen Königshauses zu Wittenberg in der Reformationszeit. A.d. Dänischen übers. v. Dietrich Harbsmeier. Leipzig 2010.

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N° 79 Heidelberg, Theologische Fakultät [Zacharias Ursinus u.  a.] Vom Verbot der Götzen [1564] Auszüge

Zacharias Ursinus (1534–1683), gebürtig aus Breslau, stammte aus patrizischakademischer Familie, studierte sieben Jahre lang in Wittenberg bei Melanchthon, besuchte auf seiner peregrinatio academica u.  a. Zürich, Genf (Calvin), Paris. Ging nach Melanchthons Tod als Gymnasialrector zurück nach Breslau, das er aber seiner philippistischen Lehre wegen wieder verlassen musste. Nach Aufenthalt in Zürich Ruf an die Theologische Fakultät der Universität Heidelberg, zu deren führendem reformierten Theologen er aufstieg. Er erarbeitete im Auftrag des Kurfürsten Friederich III. Pfalzgrafen bei Rhein ab 1562 den Heidelberger Catechismus, der europaweit zu Ansehen und Anerkennung (besonders in den Niederlanden, England und Böhmen) gelangte, aber auch, gerade im lutherischen Konfessionsgebiet, zu heftigem Widerspruch von mehr als vierzig protestantischen Theologen führte, welche durch diesen neuen Katechismus die Einheit der Confessio Augustana (1530) bedroht sahen. Wichtige lutheranische Gegenschriften verfassten u.  a. Mathias Flacius Illyricus und Tilemann Heßhusius, vor allem aber auch Johann Brentz, der 1563 in fürstlichem Auftrag ein Verzeichnis der Mängel des Heidelberger Catechismus zusammenstellte. Ursinus replizierte 1564 auf die Einwände der „Widersacher“ mit einer 91 Blatt umfassenden ‚Verantwortung wider die ungegründten Auflagen und Verkehrungen‘. Aus dieser Antwort bieten wir im Folgenden Bl. 62v – 78r, in welchen die Einwände zur Bildkritik zurückgewiesen werden. Bemerkenswert ist, dass Ursinus in seiner Replik die Darlegungen zur Bilderfrage sehr viel breiter und detaillierter anlegt als in dem Catechismus selbst, breiter auch angelegt als die bildspezifischen Kritikpassagen der Flacius Illyricus, Tilemann Heßhusius und Johann Brentz. Da Ursinus jeden Einwand präzise zitiert oder doch beschreibt, schien es uns nicht erforderlich, die Äußerungen der Gegner selbst aus ihren Schriften zu zitieren.(Die einschlägigen Fundstellen in deren digitalisierten Texten sind unten in den ‚Editorischen Hinweisen‘ präzise angegeben,) Da Ursinus es versteht, präzise zu artikulieren und begriffsfreudig zu definieren, ist sein Text ikonologiehistorisch wichtig. Es werden, wie üblich, viele Bibelstellen angezogen; wichtiger aber ist, dass Ursinus viele Kirchenväter, vor allem Augustinus, als Argumentationshelfer aufruft. http://doi.org.de/10.1515/9783110780031-020

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 N° 79 Heidelberg, Theologische Fakultät [Zacharias Ursinus u.  a.]

Vom Verbot der Götzen [62v] Jetzund wollen wir auch sehen, mit was grund der Verkerer [unseres Catechismus]

uns Bildstürmer schilt. Erstlich helt er in diesem stück, wie in den vorigen, seinen brauch, mit offentlicher verfelschung der wort des Catechismi. Denn er schreibt, der Catechismus wolle stracks, ein Christ könne mit gutem gewissen keine Bilder haben, sonderlich in der Kirchen. Dargegen lauten die wort des Catechismi also, Frag, Soll man denn gar kein Bildnis machen? Antwort, Gott kan und soll keines weges abgebildet werden; Die Creaturen aber, ob sie schon mögen abgebildet werden, so verbeut doch Gott derselben Bildnus zu machen und zu haben, daß man sie verehre, oder jhm damit diene. Frage, Mögen aber nicht die Bilder als der Laien Bücher in den Kirchen geduldet werden? Antwort, Nein, Denn wir nicht sollen weiser sein denn Gott, welcher seine Christenheit nicht durch stumme Götzen, sonder durch die lebendige Predigt seines worts wil unterwiesen haben. In diesen worten sicht jederman, daß der Catechismuus in keinen weg schlecht und stracks alle Bilder verwirfft, sonder zu rechtem verstand des Göttlichen verbots der Bilder, mit diesem unterscheid auff [63r] die frage von Bildern antwortet, Erstlich daß Gott ungemalet und unabgebildet sein wil, Zum andern daß man Bildniß der Creaturen wol machen und haben möge, und solches unverboten sey, allein daß solche Bilder zu keiner Abgötterey, das ist, weder zu der Creaturen, noch Gottes verehrung gebraucht werden, Aus welchem alsdenn folget, daß man sie auch in die Kirchen nicht stellen soll, wie hernach soll angezeiget werden. Ja er zeugt auch selbst des Catechismi zeugnis an, da er wil beweisen, daß nicht stracks alle Bilder zu haben verboten sey, Und schreibt also daß die Bildstürmer selbst nicht also gar bezaubert sind, daß sie meinen, daß die Christen gantz und gar kein gemäle oder Bilder haben sollten, sonder thue der Catechismus diese erklärung dieses verbots, daß die Bilder nur so fern verboten sind, wenn man sie anbeten wollte, Und daß man nur in der Kirchen keine Bilder haben solle. Wer diese und die abgesetzten wort des Verfelschers gegen einander helt, der kan ja mit henden greiffen, wie dieser schwindelgeist für aller Weld sich selber auff das maul schlecht [schlägt], und zuschanden macht. Weil aber nicht allein dieser, sonder auch etliche andere obgedachte unsere verleumder, uns von wegen der Bilder in Kirchen angefochten haben, wird uns dadurch ursach gegeben, den einfaltigen zu gůt auch von diesem stück alhie kurtzen und gründlichen bericht zu thun, Und sind fürnemlich vom brauch der Bilder diese drey fragen zu bedencken, Die Erste, Ob die menschen Gott jrgend ein Bildnis machen sollen oder mögen? Die ander, Ob man die Bilder der Creaturen zum Gottesdienst möge brauchen? Die dritte, Ob man die Bilder in den Kirchen haben

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solle, sonderlich darzu daß sie sollen der Laien Bücher1 sein? [63v] Die erste frage darff nicht viel disputierens, dieweil gewis ist, daß Gott nicht wil abgebildet, oder durch Bilder bedeutet werden, Wird auch unsers wissens von dem gegenteil2 nicht offentlich angefochten, als daß mit wenige scheinbarem behelff geschehen könde. Denn daß man Gotte kein ebenbild machen solle, wird nicht allein in dem andern Gebot der zehen Gebot, sonder auch in Mose und den Propheten offt außdrücklich und ernstlich verboten, Sonderlich im 5. Buch Mosis am 4. Capit. Da Gott nicht allein verbeut, durch jrgend ein Bildnis oder gleichnis einiger3 Creatur jhn abzubilden, sonder auch die ursach dieses verbots darzu setzet, Daß der Herr auff dem berg Horeb, wie er sich seinem volck offenbaret, mitten aus dem fewer mit jhnen geredt, und sie seine stim[me] gehöret, aber kein Bildnis oder gleichnis gesehen haben ausser der stim. Deßgleichen vermanet Gott das volck im 46. Cap. des Propheten Jesaia, falschen Gottesdienst zu vermeiden, mit diesen worten, Nach wem bildet und vergleichet jhr mich denn? Gegen wem messet jhr mich, dem ich gleich sein solle? Darzu müssen auch alle rechtsinnige bekennen, weil Gott ein geistliches unend­ lichs und nicht allein mit augen, sonder auch mit gedancken unbegreiflichs wesen ist, daß jhn zů malen oder abzubilden unmüglich sey, Und derhalben weil die gemäle oder anbildungen4 nichts anders denn sichtbare wort sind, eben so wol die göttliche Maiestet, so man sie durch Bildnisse bedeuten wil, geunehret5 und verkleinert wird, als wenn man mit worten unwarheit von jhr redet. Und weil Gott so offt in seinem wort bezeuget, daß er mit leiblichen augen weder könne noch wolle gesehen werden, so ist offenbar, daß alle sichtbare von menschen erdachte anbildung, [64r] solchem seinem willen widerstrebet. Darumb auch etliche weise Heiden von den alten Christlichen Scribenten in diesem gelobet werden, daß sie nicht haben gewollt, daß Gott mit einigerley menschlicher oder anderer gestalt angebildet würde. Denn ob gleich etliche sich also wollen entschuldigen, sie sind nicht so grob, daß sie darumb meineten, Gott hette ein solche gestalt wie er wird geschnitzt oder gemalet, sonder die Bildnis sind nur erinnerungen und bedeutungen des unsichtbaren unbegreiflichen Gottes, so sollen sie doch wissen, daß solche ihre subtiligkeit [i.S.v. Feinheit] wider Gottes wort nicht gilt, Denn daß wir jetzund geschweigen, daß das junge und einfältige volck nicht so subtil ist als sie, sonder

1 Gregorsformel! 2 d.  h. von den Catechismus-Kritikern. 3 Hier im Sine von ‚irgendwelcher‘. 4 Die Begriffe „anbildung“ und „anbilden“, die in diesem Text (und auch bei Fischart) häufig verwendet werden, bedeuten nicht nur ‚Abbildung‘ und ‚abbilden‘. sondern ‚zudenken‘ oder ‚insinuieren‘. 5 i.S.v. ‚in Unehre gesetzt‘.

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die erfarung leret, wie leichtlich jhnen irdische und ungeschickte gedancken von Gott, zu denen sie one das geneiget, einzubilden, und wie schwerlich sie jhnen, auch durch alles predigen und sagen, wider aus den hertzen zu bringen sind, Item, Daß solche Bilder viel leichtlicher denn andere in mißbrauch geraten, So ist dies wol zu bedencken und zu mercken, Daß alle Creaturen in Himmel und in Erden diese macht nicht haben, daß sie einiges zeichen mögen dichten oder machen, dadurch Gott werde bedeutet, welches nicht von Gott selbest darzů ist verordnet und gegeben, viel weniger daß von jhm ist verboten, Und derhalben one mißbrauch und unehr des Göttlichen Namens, von einem gemalten oder gehawenen Bilde eines alten mannes, oder deßgleichen, nicht kan gesaget werden, das ist Gott oder Gottes Bildnis, man entschüldige und mäntele [bemäntele] es gleich wie man wolle. Drumb sollen wir es bey der Lere [Lehre] des Apostels Pauli lassen bleiben, die er in Geschichten der Aposteln am 17. Cap. nicht allein aus dem Geist Gottes, sonder auch aus natürlichem [64v] verstand giebet, und uns von allen mit henden und mit gedancken gemachten anbildungen Gottes abmanet, da er spricht, Wir sollen nicht meinen, die gottheit sey gleich den gülden, silbern, steinern Bildern, durch menschliche gedancken gemacht. Deßgleichen spricht auch S. Augustin, Wir glauben daß Christus sitzet zur Rechten Gottes des Vatters, und soll aber niemand wehnen, als hette Gott der Vatter ein menschliche gestallt, oder eine rechte und lincke seite, oder wenn man von seinem sitzen sagt, daß solches mit gebogenen knien zugehe, Auff daß wir nicht in dieselbe Gotteslesterung geraten, umb welcher willen der Apostel die jenigen verflůcht, welche die herrligkeit des unvergenglichen Gottes verwandelt haben in ein Bilde, gleich dem vergenglichen menschen etc. Denn es were ein unsägliche schand, ein solch Bildnis Gottes auch in ein Kirchen unter den Christen zu stellen, viel schändlicher were es im hertzen zu gedencken. Und *Hilarius darff noch mehr sagen, Gott verbilden und Gott verleugnen ist eines so gottloß als das ander. Aus welchen und dergleichen zeugnissen dieser und anderer alten Lerer jederman versteht, daß solche anbildungen Gottes zu jhren zeiten unter den Christen nicht allein ungebreuchlich und frembde gewesen, sonder auch für unchristlich und gottloß sind gehalten worden. Auff die ander frage ist noch leichter und kürtzer zu antworten, Daß nemlich nicht allein die Creaturen oder Bilder, sonder auch Gott in oder bey denselben anbeten oder verehren, abgöttisch und verboten sey, wie zuvor ist angezeiget, und viel ort der H. Schrifft, samt allen recht unterwiesenen Christen zeugen, Auch, wie wir uns versehen, das gegenteil selber beken[n]t, dieweil auch sie sagen, Die [65r] Bilder sind verboten, sofern sie zur Abgötterey werden mißgebraucht. Was aber die dritte frage belanget, Ob man die Bilder Christi und der Heiligen in die Kirchen setzen oder darin behalten solle, können wir es mit dem gegenteil nicht halten. Die erklärung des verbots der Bilder, und diese zeiten und Landes ort, für welche die form des Catechismi geschrieben ist, haben wir ursach gegeben,

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dieser gemeinen rede, daß die Bilder in der Kirchen der Laien Bücher sollen sein6, damit viel unraths in die Kirchen eingerissen und noch beschönet wird, kürtzlich zu gedencken. Dies deutet der Verkerer dahin, als wolle der Catechismus alle Bilder stracks unter den Christen auffheben, streittet so trewlich und ernstlich für die höltzene und steinerne Heiligen in den Kirchen, daß schier jemand gedencken möchte, er hette ein hoffnung, nach seinem tode7 auch unter dieselben gesetzt zu werden. Derhalben daß auch hie der gemeine Christliche Leser urteilen könne, was hierinnen dem wort Gottes gemäs sey, wollen wir ursachen anzeigen, warumb wir achten, daß nutz und not sey, das Bilder werck aus den Kirchen zu thun, und darnach des Widerlegers gründe besehen, damit er es darinnen zu erhalten vermeinet. Damit aber die einfältigen [erg. den] grund der sachen verstehen, sollen sie anfenglich auff diese drey Regeln acht haben, Erstlich, Daß Gott zum offentlichen zeugnis der unaußsprechlichen grewels, den er hat an aller Abgötterey, ernstlich will und befihlet,, daß zu allen zeiten und orten, alle von menschen erfundene mittel und werckzeug der Abgötterey, und derwegen auch alle Bilder, so in diesen mißbrauch gerathen sind, daß Gott oder Engel oder Heiligen oder an-[65v]dere Creaturen oder auch erdichte Götter darinnen oder dabey sind angebetet und verehret worden, nicht allein forthin unverehret bleiben, sonder auch durch die Oberkeit, oder sonst ordenlicher weise, hinweg gereumet und vertilget sollen werden, Nach laut des Gebots, Du sollt dir kein Bildnis noch gleichnis machen, nemlich zu einigem gottesdienst. Denn soll man sie nicht machen, so soll man auch die von andern gemacht sind, nicht behalten, Wie dieses Gott selbst an vielen orten erkläret, als im 5. Buch Mosis am 12. Capit. Verstöret alle ort, da die Heiden (die jhr einnemen werdet) jhren Göttern gedienet haben, Es sey auff hohen Bergen, auff hügeln, oder unter grünen bäumen, und reisset umb jhre Altar, und zerbrecht jhre Seulen, und verbrennet mit Fewer jhre Haine, und die Götzen ihrer Götter thut ab, und vertilget jhren Namen aus demselben ort. Zum andern, Daß mit grossem ernst und allem möglichen fleiß alle ergernis verhütet, und derhalben alle menschliche fünde und satzungen, auch die gleich an jhnen [i.S.v. sich] selbst nicht böse, und von Gott unverboten sind, dennoch so sie zu mißbrauch und Abgötterey oder anderem ergernis anlaß oder ursach geben, oder leichtlich geben können, abgeschafft und unterlassen sollen werden, Es sey denn daß man Gott mutwillig versůchen, und sich mit samt andern in gefar der Sünden

6 Wenn Ursinus darauf hinweist, dass die Gregorsformel zu einer Redensart verkommen sei, vermeidet er zugleich, auf ihre ehrwürdige Traditionslinie, die von Gregor d. Gr. über Wilhelm ­Durandus zu Paracelsus und Martin Luther führt, einzugehen. Vgl. STR2, S. 1057–1063 und 1080– 1085. 7 In Vorlage „thode“.

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und Göttliches zorns will geben, Wie Gott im Buch der Richter am 2. Capittel spricht, Weil das volck Israel die Heidnischen Götzen und Altar nicht vertilget hatte nach seinem befelch, so sollen sie jhnen zum strick und netze werden. Zum dritten, Daß die gantze Christliche Kirche dem waren Gotte und seinem Sohn zů ehren schuldig ist, nicht allein mit worten, sonder auch mit [66r] der that, offentlich für der gantzen Weld zu bekennen und zu beweisen, daß sie aller Abgötterey müssig gehe und feind sey, Und derhalben solche Bilder, die zur Abgötterey sind mißgebraucht, oder das ansehen der Abgötterey haben, abzuthun und zu vermeiden, wie geschrieben stehet im 5.  Buch Mosis am 7. Cap. Ihre Altar sollt jhr zerreissen8, jhre Seulen zerbrechen9 etc. denn du bist ein heilig volck Gott deinem Herren, dich hat Gott dein HERR erwelet zum Volck des eigenthums etc. Item 1. Corinth. 10. Fliehet von dem Götzendienst, Item, 1. Johan. 5. Hütet euch für den Götzen. Daß aber nun die Bilder in den Kirchen oder an andern orten, da sie verehret sind worden oder noch werden, auff alle jetzt gemelte weisen streflich und ergerlich sind, were wol zu wüntschen, daß es die erfarung minder hette bewiesen. Denn es wissen alle so die Schrifft je gelesen, was denselben Bildern, darinnen an vielen orten im Propheten Jesaia, in den Psalmen und sonderlich nach der leng im Bůch der Weißheit und im Baruch für lob und zeugnis gegeben wird, daß sie nemlich von jhrem ursprung und anfang her ein grewel so aus der Creatur Gottes gemacht, ein ergernis der menschen und strick der unverstendigen gewesen sind. Und darff niemand sagen oder meinen, daß dieselben langen und hefftigen Predigten wider die Götzen, und strenge Gebot Gottes dieselben abzuthun, nicht auff die Kirchenbilder unter den Christen, sonder allein auff die Bilder der Heidnischen Abgötter gehören. Denn es eben so grosse und greuliche Abgötterey ist, den verstorbenen Heiligen, als andern menschen oder Creaturen oder erdichten Göttern Bilder machen, sie damit zu verehren, Und alle rechte Christen mit unsäglichem schmertzen erfaren haben, [66v] daß unter den Christen nicht minder Abgötterey denn unter den Jüden und Heiden damit ist getrieben, und im Papstum noch getrieben wird. Denn, wie abgemeldet, wir nicht von allerley Bildern, die ein jeder in seinem haus oder sonst hat, reden, als die wir nicht der meinung sind, wie wir von den Türcken vernemen, daß man gantz und gar keine Bilder haben möge, Sonder dies ist die frag, Ob man sie auff Altar, in Kirchen, in Capellen und dergleichen orten haben solle. Von diesem ist zu bedencken, daß Gott alle dieselben Bilder gebeut abzuschaffen, die er verbeut zů machen, Und derhalben wie den Juden die Bildnis Mosis oder Helias zu verehrung Gottes oder der Heiligen zu machen, oder da sie darzů gemacht

8 In Vorlage „zureissen“. 9 In Vorlage „zubrechen“.

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oder gerathen weren, zu behalten und stehen zu lassen, eben so wol als die Heidnischen Götzen, verboten war, Also noch heut dieser befelch Gottes fo[r]dert, nicht allein daß die Bilder Christi und der Heiligen zu keiner Abgötterey gemacht oder mißbraucht, sonder auch aus den Kirchen und dergleichen orten werden abgethan, dieweil sie darinnen in so grewlichen mißbrauch gerathen, Ja auch wie die historien und das gantze Papstum zeugen, eben dieser abgöttischen meinung in die Kirchen gesetzt und darinnen mit wütender halßstarrigkeit und blutvergiessen verfochten worden sind, daß Christo und den Heiligen mit solcher darstellung jhrer Bilder in die Kirchen ehre erzeiget würde, Und also freilich, wie *Athanasius von allen Götzen sagt, aus keinem guten, und wie *Augustinus und *Eusebius eben von diesen Bildern sagen, aus Heidnischer gewonheit die verstorbenen zu ehren, in die Kirchen sind kom[m]en. Und darff sich weder dieses willen Gottes, noch dieses mißbrauchs der Kirchenbilder niemand lassen wundern, der [67r] nur bedencken wil, daß die Kirchen der Christen darzu verordnet sind, daß darinnen Gottes wort geleret, er angeruffen, und offentlicher Gottesdienst gehalten werde, Die Bilder aber keines wegs zum Gottesdienst nicht gebraucht sollen werden, Und derwegen nicht allein Gott sie an diesem ort, sonderlich nach dem sie einmal zur Abgötterey gerathen sind, eben so wenig und viel weniger wil haben, denn die Kauffer und Verkauffer im Tempel zu Jerusalem, zu welchen Christus sagte, Mein haus ist ein bethaus, jhr aber habt ein Mördergruben daraus gemacht, Dieweil er one zweifel viel weniger wil, daß auß den Christlichen betheusern Götzenheuser als kauffheuser gemacht werden, wie auch S. Paulus spricht, Was hat der Tempel Gottes für eine gleicheit mit den Götzen? Sonder auch dieweil sie keinen nutz noch ordenlichen brauch alda nicht haben, viel leichter denn an andern orten in schädlichen mißbrauch komen. Denn der nutz, welchen sie in der Kirchen geschaffen hetten, sich noch nie hat erzeiget, auch von keinem glaubwirdigen Scribenten oder zeugen gemeldet wird, Der manigfaltige grosse schade aber, den sie haben gethan, wird so viel von allen Christen beklaget und ist so offenbar und am tag, daß niemand leugnen kan, daß nichts anderst darauß entstanden sey, denn verfelschung rechter Le[h]re und Gottesdienstes, verfürung und betrug der einfältigen, und der Mönch und Pfaffen unersättiglichen geitzes rauberey. Derhalben ein jeder bedencken mag, ob nicht der warheyt eben so unehnlich ist, daß die jenigen, so das Bilderwerck in den Kirchen verteidigen, dem manigfaltigen grewel, so daraus erwachsen, von hertzen feind sind, Als daß einer unzüchtiges wesen von [67v] hertzen hasse, der die gemeinen unzüchtigen heuser und personen entschuldigen und handhaben wollte. Was meinen wir auch, daß solche leut einer gottseligen und jhrem von Gott aufferlegten amt genůg zu thun begierigen Oberkeit für guten rath in solchem fall würden geben? Denn was der Oberkeit, zu rettung und erhaltung rechtes Gottesdiensts und zu möglicher abwendung aller schmach Christlicher Religion und

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Namens von Gott befohlen, Auch was vorzeiten löbliche und gottliebende Regenten in solchem gethan, zeuget reichlich die H.  Schrifft und Historien der Christlichen Kirchen, darinnen dieselben fürnemlich angezogen, gerühmet, und den nachkom[m]en bis ans ende der Weld, zum Exempel werden fürgestelt, die mit fürstlichem und heiligen eifer10, alles was zu Abgötterey und nachteil des göttlichen Namens und waren Gottesdiensts, von menschen ist erfunden und gestifftet worden, bis auff den boden zerstöret und außgerottet haben. Weil aber leider mehr denn zuviel am tage ist, daß die Bilder in den Kirchen, unter denen die sich Christliches Namens rühmen, nicht allein als ein anlaß, ursach und werckzeug zu allem obgemelten ubel gedienet, sonder auch wo nicht grössere, doch nicht geringere Abgötterey denn zuvor bey den Heiden und Jüden damit getrieben ist worden, Welches Christliches hertz sollte denn nicht wünschen, daß Gott in den Christlichen Kirchendienern, nach eines jeden amt und gebür, Doch ein füncklein des eifers, so in dem Propheten Helia war, und in den Christlichen Regenten, den můth des Königs Ezechias, alle verfälschungen des rechten Gottesdienstes abzuthun erweckte, der in Göttlicher Schrifft gerühmet wird? Denn der Widerleger wil mit der Ehrenen [ehernen] Schlan-[68r]gen, die Gott in der wüsten hies auffrichten, erhalten, daß man die Bilder in die Kirchen setzen, und auch nach begangener Abgötterey, darinnen behalten möge. Warumb sollte aber auß dem Exempel des Königs Ezechias, der eben dieselbe Schlang, nachdem jhr die kinder Israel gereuchert und Abgötterey damit getrieben hetten, zerstieß, nicht so wol und viel mehr folgen, daß man die Götzen, so zu der Papistischen Abgötterey gerathen sind, auß dem weg solle reumen? Sonderlich weil die Schlange durch Mosen auß Gottes befelch gemacht, ein fürbild Christi gewesen, und ein gedächtnis der wunderbarlichen erlösung von den feurigen Schlangen in der Wüsten war, und dennoch der Geist Gottes in dem König Ezechia derselben, da sie in mißbrauch gerieth, nicht verschonet hat, Die Bilder aber one, ja viel mehr wider alles Gottes wort und Gebot in die Kirchen eingefüret sind, Darzu auch die Juden mit der Ehrenen Schlangen nicht grösser Abgötterey haben treiben können, denn mit der Bildern getrieben ist worden, als die der fürnemsten grewelen des Papstums einer gewesen, Deren sich auch jhre verteidiger jetzund müssen schämen. Alhie aber wissen wir wol, daß etliche wollen sagen, sie verteidigen nur die Bilder, den mißbrauch aber und die Abgötterey verdammen sie so wol als wir. Dies aber ist nichts anders, denn ein vergeblich gesuchte außrede, die ubertrettung göttliches Gebots, und unterhaltung der Abgötterey zu entschuldigen. Denn diese antwort hat in denen dingen stadt, welche von Gott zu halten geboten, oder sonst nötig, oder zu

10 In Vorlage „eiuer“.

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mercklichem nutz dienstlich sind. In diesen mußman also handlen, daß man den mißbrauch, darein sie gezogen [68v] werden, abschaffe, die ding aber selbst, so nutz und not sind, behalte. Also haben die Propheten hefftig wider den Abgöttischen mißbrauch der von Gott eingesetzten opfer und Ceremonien geprediget, Deßgleichen Paulus den mißbrauch des Abendmals, an den Corinthern ernstlich gestrafft, die göttliche ordnung aber fleissig zu halten und widerumb in jhren rechten brauch zu bringen befolhen. Also mag man auch von dem amt der Weltlichen Oberkeit, von essen und trincken, und allen andern geschöpffen und ordnungen Gottes sagen, welche in keinen weg umb des mißbrauchs willen verworffen, sonder viel mehr von demselben unterschieden und gefreiet, und rechtmässig gebraucht sollen werden. Also müssen wir auch heut die mißbreuch der h. Sacrament, so durch unverstand oder boßheit oder farlässigkeit der menschen eingerissen sind, abthun, und die H. Sacrament nach der einsetzung Christi gebrauchen. Diese gestalt aber hat es gar nicht mit dem Bilderwerck in den Kirchen. Denn solches weder einigen göttlichen befelch, noch jrgend eine nötige ursach oder auch mercklichen nutz hat, Sonder findet sich gerad das widerspiel. Was das wort Gottes darvon saget, ist droben angezeiget, und nicht unbewust. Vom nutz wollten wol etlich gerne sagen, Aber darvon bald hernach. Itzund ist diß genug zur antwort, daß man mit gutem grund und warheit sagen mag, und alle gottsfürchtigen leut, ja alle die nur augen haben, müssen bekennen, da gleich irgend ein nutz darbey were, So würde doch solcher viel zu tewer gekaufft, mit so grossem schaden und nachteil, so der gantzen Christenheit darauß ist entsprungen. Derwegen, weil nach entpfangenem schaden auch die thoren witzig zu werden pflegen, So müssen die zumal unbesunnen, und unerfarne [69r] Schiffleut sein, die zum andern mal fürsetzlich an dem felsen anfaren wollen, daran die Christliche Kirche zuvor so einen harten Schiffbruch hatt erlitten, Und muß mit dem Syrach jederman von jhnen sagen, daß sie gefarlichen und billich darinnen verderben. Es stehet einer weisen und wolregierenden Oberkeit zu, nicht allein schand und laster zu verbieten, sonder auch alle anleituungen und reitzungen zu denselben, so viel möglich auffzuheben und hinweg zu nemmen, Wie viel mehr sollen denn die jenigen welche gott zu hütern11 und wechtern seiner Kirchen gesetzt hat, solchen fleiß und fürsichtigkeit brauchen? Daß aber solche gefar zu besorgen und fleißig zu verhüten sey, hat Gott selber genugsam damit angezeiget, daß er seinem volckk nicht allein die Heidnischen Götzen nicht zu verehren, sonder auch gantz und gar abzuthun und zu vertilgen so ernstlich hat geboten, auff daß sie jhnen nicht zum fal[l]strick würden. Und daß die verderbte menschliche natur heutiges tages nicht minder zu Abgötterey geneiget ist denn vor zeiten, haben uns, meinen wir, die Exempel unserer zeiten freilich al[l]zu sehr gelehret. Daß aber das

11 In Vorlage „hüttern“.

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gegenteil so verstendig ist, daß jhm keine solche gefar auff den Götzen stehet, geben wir jhnen gerne zu, Allein sollen sie auch herwiderumb auff uns nicht zürnen, so wir nicht allein der verstendigen, sonder auch der jungen, einfältigen und schwachen wahrnehmen12, welche auch in den himmel gehören, Sonderlich weil die erfarung giebt, daß auch in den Evangelischen Kirchen nicht allein die von den papistischen orten dahin komen, sonder auch viel einfältige und in dem Papstum erzogene, die sich doch zu Euangelio bekennen, mit lang gewonter ehrerzeigung gegen den Bildern den Namen Christi verunehren und die Christliche gemein [69v] beschämen, zu welchen sünden ein Christliche Oberkeit, so die warheit verstehet, mit gutem gewissen nicht zusehen kan. Auch da gleich die Bilder in den Kirchen niemand unter den Christen ergerlich weren, So sind doch die Christlichen gemein[d]en schuldig, weil das bekentnis der warheit nicht allein in worten, sonder auuch in der that stehet, und die Kirchenbilder im Papstum zu Götzen worden sind, nicht allein mit Le[h]re und worten, sonder auch mit der that alle Abgötterey zu verwerffen und auch die eusserliche gestalt derselben zu vermeiden, nach der gemeinen Le[h]re, zun Röm. am 12. Cap. Stellet euch nicht dieser Weld gleich, Damit Christus und sein Evangelium nicht von den ungläubigen aus dieser ursache gelestert werde. Derhalben so auch nach des gegenteils bekentnis alle mißbreuch der Bilder verboten sind, So sollen alle, denen Gottes ehre und der Kirchen heil ist angelegen, ein jeder nach seinem berůff möglichen fleiss ankeren [ankehren i.Sv. anwenden], daß auch dieser mißbrauch gewendet werde, daß man sie in die Kirchen stellet, weil aus diesem die andern mißbreuch alle herkommen und geflossen sind, Und were dies nicht ein so hochnötige und dem Widerleger von Gott befohlene arbeit gewesen, ist auch nicht eine so grosse anzeigung Christlichen eifers, als er sich rhümet, daß er dem Catechismo zu trutz und der Christenheit zu nachteil und zu schmach, den Papst seine Götzen hilfft ferben und verteidigen. Damit aber niemand meine, wir sagen hierin etwas newes, oder stehen allein auff unser meinung, und das gegenteil die zeugnis Göttliches worts desto minder könne verkeren, so wollen wir uber die obgemelten [erg. hinaus] noch etliche ort der alten Scribenten alhie anzeigen, daraus alle die nicht verfälschung 13, sonder erkentnis der warheit suchen, leichtlich [71r] verstehen können, was dieselben samt der alten reinen Christlichen Kirchen in diesem stück haben gehalten. Es hat *Epiphanius ein Epistel an Johannem den Bischoff zu Jerusalem geschrieben, welche *Hieronymus hat aus dem Griechischen ins Latein verdolmetschet, als die er jhm [i.S.v. sich] ließ gefallen und in den Lateinischen Kirchen lesenswerd

12 In Vorlage „warnemen“. 13 In Vorlage „verfülschung“.

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achtete. In derselben schreibt *Epiphanius also, Da wir miteinander an das heilige ort zogen, das Bethel heist, das Almosen daselbst nach Christlicher gewonheit zu samlen, und ich in ein Dorff kam, mit Namen Anablatha, und sahe daselbst im fůrgehen ein liecht brennen, fragte ich, was diß für ein ort were, und als ich hörete daß es die Kirche were, gieng ich hinein zu beten, da fand ich ein geferbtes und gemaltes Tůch wie einen fürhang an der Kirchenthür, darauff ein Bildnis Christi oder eines andern heiligen war, denn ich nicht wol ingedenck bin, wes Bildnis es gewesen. Als ich aber sach in einer Christlichen Kirchen wider den befelch der Schrifft eines menschen Bildnis hangen, zerreiß ich dasselbe und gab denen die des orts warteten den rath, daß sie lieber solten etwa eines armen Leich darein wickeln und darin begraben. Und nach wenig worten folget, Ich bitte dich du wollest den Priestern desselben orts anzeigen, daß sie von zeigern den fürhang entpfangen, den wir hiermit schicken, und befelhen daß forthin in der Christen Kirchen solche fürheng, die wider die Christliche Religion sind, nicht gebraucht werden. Denn es deiner würde gebüret sorg zu tragen, daß solche ergernis vermieden werden, welche der Christlichen Kirchen und dem volck, das dir befolhen ist, ubel anstehen. Mit diesen klaren worten leret Epiphanius nicht allein was es zu seiner zeit habe gethan, Sonder auch [71v] was sich in gleichem fall zu allen zeiten in der Christlichen Kirchen zu thun gebüre. Denn erstlich ist aus dieser that und rede *Epiphanii zu sehen, daß unter den Christen etlich hundert ja[h]r von der Aposteln zeiten für ein frembdes und ungereimtes ding ist gehalten worden, daß sie Bilderwerck in jhren Kirchen sollten gehabt haben, und die Bilder alsdenn erst in den Kirchen, die zum Gottesdienst verordnet sind, platz haben funden, da man die reine Apostolische Le[h]re daraus zu treiben und rechten gottesdienst zu verfälschen angefangen hat, und solche leut der Kirchen begund haben fůrzustehen, die den todten und stummen Götzen mehr denn menschen oder seelsorgern und le[h]rern der Christlichen gemein zu vergleichen waren. Aus welchem denn jederman abnemen kan, von wem diese gewonheit herkome. Auch ist wol zu bedencken, von was für einem Bilde er sagt, Es war nur ein gemaltes tůch, das für der thür hieng, und wie er meinet, ein Bildnis Christi. Man halte dieses gegen den grossen hauffen Götzen, die hernach gefolget sind. Was meinen wir wol, wenn *Epiphanius oder ein ander seines gleichen gelerter und heiliger Bischoff jetzund auffstehen und in viel Kirchen unter den Christen kom[m]en sollte, daß er würde darzu sagen? Ob er sie für Christliche betheuser oder für Heidnische Götzenheuser ansehen würde? Etliche suchen heut behelff, wo nicht alle Bilder, doch zum wenigsten jhre geschnitzte und gemalte und in aller mensche gesicht mit fleiß hoch auffgerichte Crucifix, in der Kirchen zu behalten, Wie wollen sie aber neben diesen bestehen, die auch ein gemaltes tůch hinder der thür nicht wollten in der Kirchen leiden? Derhalben haben sich alle Hirten und Lerer der Kirchen hieraus jhres amts zu erinnern, und alle Christen zu ver-[71r]nemen, ob der Widerleger und seinesglei-

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chen uns oder die warheit und gantze Apostolische Kirche anfechten und als irrig verdammen. Denn damit nicht jemand meine, *Epiphanius habe unbedechtig oder unrecht alhie gehandelt, so setzt er selbst die ursach darzu, die jhn den fürhang nicht allein wegzuthun, sonder auch zu zerreissen beweget hat, nemlich, daß er wider den befelch der Schrifft, in einer Christlichen Kirchen eines menschen Bild hat sehen hangen. Damit leret er erstlich daß in allem, so die Religion und Gottesdienst betreffende, nichts fürzunemen sey, daß der H. Schrifft nicht gemäs were. Darnach spricht er außdrücklich, daß der Schrifft zuwider sey, auch das Bild, das daselbst fůr der Kirchenthür hing, und derhalben viel mehr das geheuffte Bilderwerck, das hernach ist eingerissen, und von dem gegenteil verteidiget wird. Hiemit gibt er genugsam zu verstehen, daß er die angezogenen ort der Schrifft, welche die Bilder, so zu Abgötterey gebraucht sind oder darzu reitzen, zu haben verbieten, nicht allein auff die Heidnischen Götzen deutet, Sonder auch von Christi und der Heiligen in die Kirchen eingeführten Bildern verstehet, wie sie denn im grund sollen verstanden werden. Denn Gott zu allen zeiten alle Abgötterey hasset und verflůcht, und wil daß alle reitzung und schein derselben vermieden, und derhalben alle Bilder, die darzu ursach gegeben oder noch leichtlich geben mögen, abgethan sollen werden, Und also dieselben ernstlichen Gebot von abschaffung der Heidnischen und Jüdischen Götzen bis ans end der Welt in allen gleichen fällen ihre krafft behalten. Auch sagt er noch weiter, Es sey solcher brauch der Bilder wider die Christliche Religion und ein ergernis, das der Christlichen Kirchen ubel anstehe, Und derhalben [71v] trewe Lerer und Seelsorger, solchen samen des abgöttischen unkrauts nicht, wie unsere ankläger thun, säen14 und pflantzen helffen, sonder vielmehr zu dempffen und außzurotten sich befleissen sollen. Dieser meinung ist auch S. *Augustin, Welcher also schreibet [marginal: In Psal. 113 Hom. 2.] Jederman weiß wol, daß die Götzen nichts entpfinden, Aber dennoch wenn man sie an diese ort stellet, an die ehrlichste stett, und in die höhe setzt, da die leute, weil sie beten und den Gottesdienst üben, auff sie sehen, So werden die schwachen gemüter durch die lebendige gestalt gegen den toten Bildern beweget als lebten sie, Sonderlich wenn sie sehen, daß jhnen der grosse hauffe so viel ehre anthut. Daß solche Lere *Augustini nicht allein von den heidnischen Götzen, sonder auch von den Kirchenbildern unter den Christen allzu war sey, zeuget uber die verderbte und zur Abgötterey itzund so wol als vorzeiten geneigte natur der menschen, auch die erfarung selbst, welche schon bey zeiten etliche Concilia und Christliche Römische Keiser solchem unrath forthin zu wehren, die Bilder in den Kirchen ernstlich zu verbieten und abzuschaffen hat verursacht. Dargegen aber der Sathan durch die Römischen Päpste und andere Götzenknechte grossen lermen und

14 In Vorlage „seen“.

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unrůge [Unruhe], die Abgötterey zu erhalten, in der Kirchen hat angerichtet, welches wir allhie, weil die Historien zu lang, und Gottes wort uns soll ein genügen thun, zu erzelen unterlassen, Und wüntschen mit allen, denen die ehre Gottes lieb ist, daß diese und alle andere ergernis und ubelstände in der Christlichen Kirchen werden auffgehalten. Zu mehrem unterricht aber der einfältigen wollen wir auch kürtzlich erwegen, mit was grund die Bilder in den [73r] Kirchen werden verteidiget. Und erstlich von dem fürnemsten und einigen schein, damit sie etlich wollen verantworten, daß sie nemlich sollen der Laien Bücher sein. Solchen behelff ihnen zu nemen were die übrig genug, wie auch im Catechismo darauff geantwortet wird, daß er mit keinem wort in der H. Schrifft ist gegründet, Denn Gott nicht durch Bilder, sonder durch die Stimm seines darzů eingesetzten Predigamts seine gemein in ihren versamlungen zu unterweisen befolhen hat, Und derhalben das Christliche Volck auff diese weise in der Kirchen zu leren, sich niemand auß menschlichem gutdüncken soll unterstehen. Aber auß vorgehenden gründen und zeugnissen ist offenbar, daß solches auch dem wort Gottes zuwider ist. Denn weil Gott ernstlich gebeut, alle Bilder, so in mißbrauch kommen sind, wie diese so in die Kirchen gestellt worden, abzuschaffen, so will er one zweifel nicht, daß seine Kirch dadurch geleret werde. Auch machen sie one allen schein den unterscheid der gelerten und der Laien. Denn Paulus sagt [margin. Rom. 1], er sey durch sein Predigamt schuldig zu leren die weisen und unweisen. Und weil die einfältigen viel mehr denn die andern bedörffen, daß man sie mit vielen worten fleissig unterweise, sonderlich in Religionssachen, in welchen die menschen am aller leichtisten und am geferlichsten irren, So können die Bilder viel weniger den Laien denn den gelerten dienstliche Bücher sein,15 Sonder sie lernen viel ehe allerley aberglaub und irrthum daraus, wie auch aus den manigfaltigen von menschen erdachten Ceremonien, denn etwas gutes und nützliches. Uber diß, wenn gleich etwa solcher nutz darbey möchte sein, wie wir die Malerkunst und Göttlichem [75v] wort nicht widerwärtige Gemäl in heusern oder sonst, da sie nicht leichtlich gefar bringen mögen, nicht verwerffen, So ist doch der schad und gefar so darauß entstanden und noch entstehet, so groß, daß derselbe nutz dargegen gantz und gar verschwindet. Denn was das einfältige volck aus diesen Büchern hat gelernet, nemlich allerley verfürung und Abgötterey, hat freilich die erfarung dermassen geleret, so bald sie in die Kirchen komen, und so lang sie darinnen blieben sind, daß wir billlich eben umb derselben Laien und einfältigen willen, denen sie damit wollen gedienet haben, diese Bücher aus den Kirchen sollen wüntschen. Wir wollen jetzund geschweigen, daß ein grosser teil der Kirchenbilder entweder gar nichts, oder auch von den München erdichte, schädliche

15 Erneute Erörterung der Gregorsformel.

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und abgöttische fabeln und ir[r]thume, ja auch etliche, wie *Clemens Alexandrinus sagt, schand und laster leren. Sonderlich aber können die Bildnis, damit die Göttliche Maiestet angebildet wird, weder der Laien noch der gelerten Bücher sein, Es sey denn daß man ihnen fürsetzlich unwarheit und irrthum von Gott einbilden wölle, wie bißher ist geschehen. Darumb so wir wollen wissen was die Götzen für Bücher sind, so sollen wir hören, was Gott selbst darvon sagt, im Propheten Jeremia, am 10. Capit. da er spricht, Ein holtz, das ist, ein höltzener Götz ist ein Lere der eitelkeit, das ist, er leret nichts, denn eitel lügen von Gott, Item am 2. Cap. des Propheten Habacuck, Was ist das Bilde nutz das sein meister gebildet hat, und das gegossene Bilde, welches lügen leret? Wie solte das leren? Und ist vergebens, so jemand hie diese außflucht suchen wil, Die Propheten reden nur von den Heidnischen oder Jüdischen, und nicht von der Christen Götzen und Kirchenbildern. Denn diese eben so [73r] viel von Gott können leren, und eben so viel guts haben außgerichtet als jene, Wie auch S. *Augustin bezeuget {margin. De Conf. Euang. lib.1. Cap. 3.}, da er hefftig wider etliche schreibet, welche fürgaben, Christus hette Zauberbücher an Petrum und Paulum geschrieben, Und spricht also, Da sie wollten erdichten, daß Christus etwas solches seinen Jüngern zu hette geschrieben, und gedachten, an welche am gleublichsten were, daß er es sollte geschrieben haben, Und denen er als seinen besten freunden solche heimligkeit hette vertrawet, ist ihnen Petrus und Paulus eingefallen, wie ich halte, aus dieser ursache, daß sie diese zwene [zwei] an mehren orten neben ihm gemalet haben gesehen, dieweil der wandel Petri und Pauli, als die auch auff einen tag sollen getödtet sein, zu Rom fürnemlich gepriesen wird. Solches jrrthums aber sind diese werd gewesen, die Christum und seine Apostel nicht in der Schrifft, sonder an den gemalten wenden gesucht haben. Wie hette *Augustinus klärer und deutlicher von den Gemälen Christi und der Heiligen eben dasjenige können sagen, das die Schrifft von der Heiden und Jüden Götzen redet? Es solte sich billich das gegenteil schämen, die ungegründte rede *Gregorii von der Laien Bücher,16 durch welchen auch sonst viel aberglauben und affenwerck in die Kirchen ist eingefürt, herfür zu bringen wider diese wolbedachte und Gottes wort gemässe Lere des fürtreflichen und Heiligen Lerers Augustini, welcher von diesen Büchern und Schülern, die daraus wollen lernen, eben dasselbe sagt, daran wir one schmertzen nicht können gedencken. Und weil man die zeugnis der alten Lerer so ferrne annemen soll, als sie der Schrifft gleichstimmig sind, So soll die meinung Sereni des Bischoffs zů Massylien, der die Kirchenbilder umb der Abgötterey willen, die er sach [73v] darauß entstehen, abschaffte, billich mehr bey uns gelten, denn des Römischen Bischoffs Gregorii, welcher an Serenum schreibet, Er solte nur die Abgötterey verboten haben, und die Bilder so zu Götzen und zum grewel für Gottes

16 Gregorsformel.

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angesicht waren worden, und ursach zu der sünden gegeben hatten, und dieselbe täglich mehreten, in der Kirchen lassen stehen. Denn weil er keinen bessern grund herfür bringt denn diesen, daß sie der Laien Bücher sollen sein, so beweist er damit genůg, daß solche seine meinung aus menschlichen gedancken sey geschöpfft und nicht aus dem Geist Gottes, welcher uns durch die H. Propheten und Apostel von gemalten und geschnitzten Bildern abfüret, und dargegen, Erstlich die H. Schrifft, Darnach Himmel und Erden und alle geschöpffe Gottes zu Büchern verordnet hat, die Almechtigkeit, weißheit und Gütigkeit Gottes darinnen als in einem lebendigen spiegel zu erlernen und zu betrachten, wie in Jesaia am 44., Job am 12., im 19. Psalm, Im Buch der Weißheit am 13., zu Römern am 1. zu sehen ist. Daher auch *Augustinus wol gesagt, Die Heiden wollen ihre Götter durch ihre eigene werck zeigen, wir aber erkennen unsern Gott nicht aus unsern, sonder aus seinen wercken. Derhalben wir die Gregorianischen Laienbücher nicht in die Kirchen tragen, sondern denselben Lerern und Kirchendienern lassen, die selber nicht viel besser denn die stummen Götzen sind, und derhalben jhr amt denselben befelhen, welches die rechten und getrewen Hirten und Seelsorger one zweifel nicht werden thun. Der Widerleger füret etliche andere behelff ein, die Bilder in den Kirchen zu erhalten. Erstlich sagt er, daß der spruch von Bildern nicht also schlecht und one alle erklärung zu [74r] verstehen sey, wie die ersten wort lauten, daß man stracks keine Bilder haben solle. Alhie, weil es ihnen also gelegen, sind diese leut bald fertig einen andern verstand zu suchen, denn die wort geben, wie sie an jhnen [i.S.v. sich] selbst lauten, Im Abendmal aber, da von Sacramenten wird geredet, in welchen viel gebreuchlicher ist auff sonderliche weise zu reden, denn in Artickeln des Glaubens und in [den] Zehen Geboten, muß es jhnen ein grosse todtsünde sein, so man die wort anders denn sie lauten wollte verstehen. Dies erinnern wir nur darumb den Christlichen Leser, daß man sie desto bas [besser] lerne kennen. So viel diese einrede belanget, haben wir nun mehrmal geantwortet, daß uns der Verkerer ungütlich thut, in dem daß er uns auffdichtet, wir verstehen das Gebot von Bildern also, daß man gantz und gar keine Bilder haben möge. Denn wir allein sagen, daß man diese Bilder, damit Gott angebildet werde, oder auch der Creaturen Bildnisse, Gott oder die Creaturen dadurch zu verehren, oder die zu solchem mißbrauch sind gerathen, oder offentlich darzu reitzen, nicht machen oder haben solle. Daß Gott von solchen Bildern rede in diesem Gebot, erkläret er selbst in seinem wort, wie droben ist angezeiget, und auch der Widerleger selbst bekennen muß. Derhalben man von diesen Bildern keinen andern verstand der wort sůchen darff. Er wirfft uns auch für den alten Papistischen behelff, daß Gott habe die Cherubin, die Ehrene Schlange, die gegossenen Ochsen im Tempel heissen machen. Auß diesen Exempeln aber folget noch lang nicht, daß man die Bilder in den Kirchen haben solle, dieweil zwischen diesen und jenen ein grosser unterscheid ist. Denn jene sonderliche befelch Gottes dem andern Gebot eben so wenig nemen,

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als der befelch, [74v] daß Abraham seinen Sohn solte opffern, dem sechsten Gebot hat genomen. Das gegenteil zeige uns Gottes wort, daß man Gottes und der Heiligen Bilder in der Christen Kirchen setzen soll, wie von den Cherubin und der Schlangen Gottes wort fürhanden war, und ziehe alsdenn die schantz. Darzu hat die obgemelten ding, wie fast den gantzen eusserlichen Kirchendienst des Alten Testaments Gott nur eine gewisse zeit lang zu halten befolhen, umb gewisser ursachen und bedeutungen willen, welche nachdem sie erfüllet sind, er selbst dieselben fürbildungen hat abgeschafft. Und weil S.  Peter in Geschichten auch von diesen von Gott gebotenen Ceremonien sagen darff, daß die jenigen Gott versuchen, die sie im Newen Testament noch wollten gehalten haben, wie viel mehr ist solches zu sagen von andern unnützen Ceremonien und fünden [i.S.v. Erfindungen], die von menschen one und wider Gottes wort erdacht sind? Ja weil das gegenteil so geschwind ist die Ehrene Schlangen anzuziehen [i.S.v. zitieren], Wie komts daß es so gar [i.S.v. gänzlich] vergisset, daß Gott dieselbe zerbrechen lies, da sie in mißbrauch gerahten war, welche doch aus seinem befelch gemacht war, und gar viel billicher der Laien Buch genent mochte werden denn alle Päpstische Götzen, die Gott nicht allein nie befolhen, sonder auch verbotten hat zu machen und zu behalten? Gott hatte einen Altar befolhen zu machen im Tabernackel und im Tempel zu Jerusalem, Darneben aber verdamt er höchlich des Jeroboams Altar zu Samaria und alle andere Altar, die das Jüdische volck machte im gantzen Lande. Wir wollen jtzund geschweigen, daß die Cherubin nicht im gesicht des volcks, sonder in dem heiligthum stunden, da nur der Hohe priester des jares ein mal hineinging, Und die ochsen, darauff [75r] das wassergefeß, als auff seinem fuß stund, nicht ein reitzung zu Abgötterey waren, wie die Heiligenbilder in der Christen Kirchen. Aber wie gesagt, weil wir nicht sagen, daß man gantz und gar keine Bilder haben möge, So ist solches alles gar nicht wider uns, Sonder entdecket viel mehr des Verkerers leichtfertige unwarheit und böses gewissen, dieweil er einmal von uns sagt, wir verdammten schlecht und stracks alle Bilder, bald selber bekent, wir wollen nur die abgöttischen und zum mißbrauch gelangenden Bilder nicht haben. Denn der Catechismus jhm [i.S.v. sich] niergend selbst zuwider ist, wie aus seinem schwindel der Widerleger dichtet, Sonder bestendigöich und unterschiedenlich leret, daß man allein Gott nicht anbilden solle, Der Creaturen Bildnis aber möge man wol machen und haben, allein daß sie nicht zu Abgötterey mißbraucht werden, Und derhalben dieses zu vermeiden und zu bezeugen, solche Bilder, die in mißbrauch gerathen sind oder gerathen können, nicht in den Kirchen zu haben seien. Endlich schleust er also, die Bilder sind ein mittelding17, das einem Christen frey sei zu haben oder nicht zu haben. Dies hette uns der Widerleger nicht dörffen

17 Adiaphora-Lehre.

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leren, viel weniger darüber streitten. Denn wir es nie geleugnet. Daß aber ein mittelding sey, Gott anbilden, und zur Abgötterey gebrauchte und reitzende Bilder in den Kirchen haben, das hat er noch nicht bewiesen. Denn warzu unter dem Papstum der Heiligen Bilder in die kirchen gesetzt sind, ist genugsam angezeigt worden mit diesem, daß man sie fürnemlich auff Altar und dergleichen ort gestellet hat, da für jhnen Meß gehalten, liechter gebrent, gebetet und ander falscher Gottesdienst getrieben ist. Auch hat sich mit grossem schaden der Christenheit und nachteil des Christlichen Namens alszu [75v] sehr erzeiget, was jhr brauch und nutz in den Kirchen gewesen ist. Derhalben dieser kluge Adiaphorist solte aus Gottes wort bewiesen haben, daß solche werckzeug und reitzungen mehr dann Heidnischer Abgötterey in der Christen Kirchen zum spectackel stehen lassen, und nach dem auffgegangenen Liecht der Göttlichen warheit Gott widerumb, wie zuvor in der Christenheit geschehen ist, versuchen, Die braut Christi mit dem Babylonischen schmuck behengen und dern feinden Christi seinen namen und sein H. Evangelium zu schmähen, mit wust [Durcheinander] und willen ursach geben, mittelding und von Gott unverboten were. Welcher weldliche Fürst oder Potentat würde diese für seine trewe unterthanen erkennen, welche, nachdem sie von seinem feinde ein zeitlang unbillich beherschet, und widerumb aus desselben gewald unter jhres rechten Herren regierung bracht weren dennoch die siegzeichen des feindes, so zur schmach jhres Herren auffgerichtet weren, unverrückt wollten behalten? Warumb sollen denn wir, so wir anders wollen für die gehalten sein, die allem grewel der Papistischen Abgötterey abgesagt, und von hertzen feind sind, und alle schmach des Namens Christi abzuwenden begeren, die malzeichen und zeugnis der Tyranney des Antichrists, seine Götzen und Altar, mit willen und gedultigen gemüt für unsern augen sehen, wollen geschweigen handhaben und verteidigen? Denn daß wir alhie im fürgang, neben den Götzen auch der Götzenaltar gedencken, Sonderlich weil er etliche auch derselben abschaffung getadelt haben, So ist den einfältigen Christen zu wissen, daß unter dem Newen Testament alle eusserliche Altar, wie andere Ceremonien und Fürbildungen des künfftigen opfers Christi uffgehaben sind, Und die Christen keinen an-[76r]dern Altar sollen haben, denn das Creutz Christi, darauff er sich selbst geopffertt hat, Und Christus selbst, der unser Mitler ist, und unser gebet und danckopffer Gotte gefellig macht, darvon der Apostel zun Hebr. am 13. sagt. Derhalben diejenigen so die eusserlichen Altar, die ein Fürbilde des zukünfftigen waren, unter dem Newen Testament wider einfüren, oder auch, weil sie mit dem abgöttischen grewel der Meß bespeiet sind, unserem einigen hohen Priester Christo, und seinem einigen Opffer seines leibs auff dem Altar des Creutzes zu nachteil und schmach verteidigen, Gott viel einen grössern ungefallen thun, und viel weniger scheins haben, denn die Juden, so zu Zeit des Alten Testaments, andere Altar ausser dem einigen von Gott im Tempel zu Jerusalem geordneten Altar, wider den Gottlichen befelch auffriichten, und von allen Propheten so ernstlich darumb

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werden gestrafft. So wissen wir auch daß Christus nicht ein eusserlich Sünopffer, wie im Alten Testament waren, Sonder ein Abendmal zu halten befolhen hat, Darumb denn Paulus dieses Abendmal nicht einen Altar, wie die opffer des Alten Testaments, sonder diieses von denselben zu unterscheiden, den Tisch des HErren nennet. Daß aber die Alten Christlichen Scribenten den Tisch des HErren, den Altar nennen, geschicht eben dieser meinung, wie sie das Nachtmal, das opffer Christi am Creutz, und das brot, das auff diesem tisch gebrochen wird, den leib Christi nennen, der am Creutz für uns geopffert und getödtet ist, Nemlich von wegen der bedeutung, wie sie sich selbst an vielen orten erklären. Derhalben weil auch dieses und dergleichen des Röm. Papsthums affenwerck, so auß mißverstand und abgöttischer vermischung [76v] des Alten und Newen Testaments gestiftet ist, umb vieler ursachen willen abgethan soll werden, So müssen die ein weites gewissen haben, aus dem das Gott geboten oder verboten hat, mittel oder freigelassenen ding zu machen, die das ubel gerathene und nicht aus Jüdischem, sonder aus heidnischem gebrauch, in die Kirchen mit grossem spot und nachteil eingefürte Götzenwerck unter die mittelding zelen. Alhie aber können alle Christen in Teutschen landen sehen, was diese gesellen im schilde füren. Als vor wenigen jaren etliche Gottselige und wolverdiente leut von den Widersachern und andern hart bedrengt wurden, und in guthertziger meinung, der Kirchen und der schwachen mit jhrer lindigkeit zu verschonen, den Chorrock und was etwa dergleichen, und auch noch nicht in allen Evangelischen Kirchen gefallene stück waren, als mittelding zu halten sich erboten, Da meinete dieser Widerleger, er hette die schlüssel zu seinem newen Papstum funden, und wie noch in frischem gedechtnis, und seine gifftige schmähscartecken, wo die noch in den winckeln stecken, genugsm außweisen, müßte niemand kein grössere thodsünde je begangen haben, denn dieselben an denen er seinen mut zu külen lust hatte, und muste sich der Chorrock also weit lassen de[h] nen, daß darunter das gantze Römische Papstum widerumb war eingefürt, und kunde er diese Regel meisterlich herfür suchen und auffmutzen, daß auch dieselben menschensatzungen, die gleich an jhnen selbest mittelding sind, dennoch wenn sie zu mißbrauch und ergernis gerathen, sollen abgethan und unterlassen werden. Wiewol aber wir unsers achten weniger Chorröck anziehen denn das gegenteil, So ist doch also bekant und offenbar, Ob mit den Bildern oder mit dem Chorrock, ein grössere gre-[77r]wel getrieben, und welches aus mehren und wichtigern ursachen in der Kirchen abzuschaffen und daraussen zu lassen sey, daß es alhie zu widerholen unnot ist. Warumb kunde denn zur selben zeit der Chorrock kurtzumb kein mittelding nicht sein, und müssen es jetzund aber die Kirchenbilder sein? Freilich darumb, daß es dem Herrn Widerleger also gefelt. Hie wollen alle ehrliche und verstendiige leute bedencken, wenn Gott diesen newen Päpsten jhre boßheit und mutwillen nach jhrem sin[n] zu verbringen gestattete, ob irgend ein Römischer Papst so arg were gewesen, den diese nicht from[m] würden machen.

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Zum beschluß wollen wir noch diese zwey den Christlichen Leser erinnern, daß uns der Widerleger fürwirfft, Wir haben auch sonst ein Scartecken in sonderheit, von diesem irrthum die Bilder belangend, lassen außgehen, Und daß er uns Bildstürmer schilt. So viel das erste belanget, ist unter andern vielen seinen ehrlichen stücken auch dieses zu mercken, daß er arglistig verschweiget, welches dieselbe irrige, von uns außgegangene Scartecke sey, dieweil er wol gewust, es würde jhm dies zu seiner sachen nicht dienstlich sein. Denn es hat Nicolaus **Palladius, Bischoff in Dennemarck, der nicht unbekannt, ein büchlein geschrieben, Von rechter anruffung Gottes und vermeidung der Götzen18, darinne er gründlich und christlich leret und beweiset, daß nötig19 sey, das Bildwerck aus den Kirchen abzuschaffen, und hat jhn, wie er selber darinnen zeuget, zu solchem schreiben beweget die offentliche Abgötterey, so er selbst noch zu diesen seinen zeiten das einfältige und von Christlicher Religion wenig wissende volck in denen Kirchen, die sich zu Evangelio bekennen und die jhm waren befolhen, begehen und [77v] treiben, mit grossem und billichem schmertzen hat gesehen. Dies schreiben ist erstlich zu Wittenberg außgangen mit einer Vorred Philippi *Melanchthonis an Palladium, darinnen er, wie auch in andern seinen Schrifften, ernstlich leret, daß die oberkeit schuldig ist, die Bilder, so in mißbrauch gerathen, mit hand und waffen hinweg zu reumen. Und damit niemand zweifeln könne, daß er von dem gantzen Götzengerümpel in den Kirchen rede, sagt er, daß vorzeiten Josua, Josaphat, Ezechias, Josias und die Christlichen Keyser *Constantinus, *Theodosius und andere recht und Gott einen gefallen haben gethan, daß sie das Kirchenbilderwerck und anders dergleichen mit brennendem eifer haben auffgereumt. Als wir aber gesehen, daß auch in diesen Landen so wol als in Dennemarck solche Lere und vermanung nötig were, nicht allein von wegen des unverstendigen volcks, sonder auch etlicher dieses Widerlegers gleichen gesellen, die alles schenden, one das sie haben gethan, Ist gemeldtes schreiben des Herrn Palladii alhie nachgedruckt worden. Dies ist die Scarteken, welche der Widerleger also spöttlich gedenckt, und sie mit uns gleichen irrthums beschuldiget. Die Christlichen Leser aber werden hieraus verstehen, Erstlich, daß nicht allein im Papsthum, sonder auch in den Evangelischen Kirchen mehr denn zuviel ursach ist, das Bilderwerck in Kirchen abzuschaffen, Zum andern, daß wir nicht allein oder die ersten sein, die solches halten und sagen, Sonder Herr Nicolaus *Palladius und Philippus [*Melanchthon] und andere mehr, dem Evangelio Christi und der Augspurgischen Confession verwante eben dieser meinung gewesen und noch sind, Zum dritten, was für ein eifer den Widerleger treibe, der niemandes verschonet, damit er nur uns [78r] einen tadel geben möge.

18 S.o. Dokument N° 78. 19 In Vorlage „nöttig“.

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Letztlich auch in diesem, daß er uns Bildstürmer schilt, können jhn diese Land und Leute offentlicher unwarheit uberzeugen. Denn meniglich bewust, daß weder in diesem, noch in andern stücken nichts mit einigem stürmen oder unordnung geschehen, Sonder alles aus Christlicher Oberkeit wol bedachtem befelch und verfügung, welche ihres von Gott aufferlegten amts halben, nicht weniger rechten Gottesdienst, denn eusserlichen fried zu handhaben und zu befördern schuldig ist, und derwegen uber solcher jhrer hochnötigen, Christlichen und ungesparten sorg und fleis von diesen unsern anklägern unbillich und unchristlich angetastet und verleumbdet wird, Und was *Lutherus wider die Bildstürmer schreibt, auff uns mit keinem schein kan gezogen werden. Uber dies, so ist auch nicht erst jetzund, sonder schon zuvor von dem Durchleuchtigsten hochgebornen Churfürsten, Pfaltzgraven Ottheinrichen20 etc. löblicher und seliger gedechtnis, von solcher der Kirchen und andern ergerlichen Bilder abschaffung, befelch und verordnung gethan, welchem Göttlichen und churfürstlichen geheis, so die jenigen, denen es fürnemlich gebüret, gentzlich zur selben zeit hetten nachgesetzt, Jetzund etliche leut in uberbliebener volziehung desselben, jhrer unnützen reden vieleicht weniger hetten ursach funden. Denn dazumal uber diesem und anderm kein geschrey gemacht ward, welches itzund zur grossen Ketzerey ist worden. Daraus denn alle verstendige leichtlich abnemen können, warumb es dem vatter aller Abgötterey zu thun sey. Es folgen Darlegungen zum Brotbrechen im Abendmahl sowie ein „Beschluß“ (S. 78v–99r).

Editorische Hinweise Bearbeitungsvorlage [Anonym, federführend Zacharias Ursinus (1534–1583) und andere Verfasser des ‚Heidelberger Catechismus‘:] Verantwortung | Wider die vngegründ-|ten aufflagen vnnd verkerungen  / mit | welchen der Catechismus Christlicher lere /| zu Heidelberg jm Jar M.D.LXIII, außgan| gen  / von etlichen vnbillicher weise | beschweret ist. | Geschrieben | Durch die Theologen der Uni- | uersitet Heidelberg. […] [Kolophon:] Gedruckt in der Churfürstlichen Statt | Heidelberg / durch Johannem Maier / | Jm jar 1564. – [Digitalisat des Exemplars der Kreisbibliothek Regensburg, Sign.: Th. syst. 8444]

20 Kurfürst Ottheinrich von der Pfalz (1502–1559).

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Referenzschriften A [Kurfürst Friederich III. Pfalzgraf bei Rhein (1515–1576), Hg.:] Catechismus Oder Christlicher Vnderricht/ wie der in Kirchen vnd Schulen der Churfürstlichen Pfaltz getrieben wirdt. Gedruckt in der Churfürstlichen Stadt Heydelberg/ durch Johannem Mayer. 1563. [Digitalisat UB Heidelberg; VD 16 P 2166] Der Catechismus nimmt S. 62/63 und 67/68 zum Bilderverbot Stellung.

B Flacius Illyricus, Mathias: Widerlegung  / Eines Kleinen Deutschen/ Calvinischen Catechismus/ so in diesem M.D.Lxiij. Jar/ samt etlichen andern jrrigen Tractetlein ausgangen. – Ursel: Nicolaus Henricus, s.  a. [1563]. Flacius nimmt Sc. 308–315 zur Auslegung des Bilderverbots durch den Heidelberger Catechismus Stellung.

C Heßhusius, Tileman: Trewe Warnung/ für den Heidelbergischen Calvinischen Catechißmum/ sampt wiederlegung etlicher jrthumen desselben. D. Tilemannus Heßhusius Exul Christi. […] s.  l. [Eisleben] 1564. Heßhusius nimmt Sc. 131–134 (= Bl. 47v–49r) zur Auslegung des Bilderverbots durch den Heidelbeger Catechismus Stellung.

Johann Brentz (?) im Auftrag der Fürsten Wolfgang Herzog von der Pfalz (1526–1569), Christoph Herzog zu Württemberg (1515–1568) und Carl Markgraf zu Baden (1529–1577), an Pfalzgraf Friederich Kurfürsten von der Pfalz, den Initiator des Heidelberger Catechismus:

Verzeichnis der Mängel [des Heidelberger Catechismus von 1563]. In: Wolters, S. 164–191.

Das Verzeichnis der Mängel nimmt Sc. 200 (S. 181) zur Auslegung des Bilderverbots durch den Heidelbeger Catechismus Stellung.

LIT Mencke, ADB, NDB, Wikipedia, Zedler, zvdd [Wolters, Albrecht:] Der Heidelberger Katechismus in seiner ursprünglichen Gestalt, herausgegeben nebst der Geschichte seines Textes im Jahre 1563 von Albrecht Wolters. Bonn 1864.

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N° 80 Erasmus Alberus Wider die verfluchte Lehre der Carlstader [1565] Auszüge

Der in der Wetterau beheimatete Erasmus Alberus (~ 1500–1553), Sohn eines katholischen Priesters, studierte nach Besuch von Lateinschulen in Nidda und Weilburg an den Universitäten von Mainz und Wittenberg, wo er nach anfänglicher Begeisterung durch Bodenstein treuer Anhänger von Luther wurde. Seit 1522 wirkte er als Lehrer an den Lateinschulen von Büdingen, Oberursel und Eisenach. Ab 1526 als Pfarrer in Sprendlingen, dann 1536 als Reformator im Herzogtum Küstrin, danach kürzere Aufenthalte in Marburg und Basel, Pfarrstellen in Rothenburg ob der Tauber und in der Wetterau, ab 1541 Superintendent in Brandenburg an der Havel. 1543 Promotion zum Doktor der Theologie an der Universität Wittenberg. Alberus hielt es nie lange an einem Ort, weil er streng und streitbar war und sich gerne mit Kollegen, Vorgesetzten und Magistraten anlegte. Neben vielen theologischen Streitschriften verfasste er Kirchenlieder, Fabeln und Satiren. Von seiner Kampfschrift gegen die Karlstadt-Anhänger und andere vom Luthertum abweichende Protestanten – vor allem die Münsteraner Wiedertäufer, Thomas Müntzer, Zwingli, Calvin u.  a. – sind drei typographisch, orthographisch und teilweise auch inhaltlich voneinander abweichende Versionen überliefert, von denen die beiden späteren posthum erschienen. Wir bieten im Folgenden einen Auszug aus der Version von Neubrandenburg 1565, da in der Fassung von 1553/15561 keine so ausführliche Stellungnahme zur Bilderfrage geboten wurde. Alberus stellt seiner Kritik an Bodenstein-Carlstadts Umgang mit den Bildern eine scharfe Kritik an dessen (angeblicher) Musikfeindschaft voran. Er denunziertt Bodensteins Kritik an Bildverwendung in Kirchen mit Lutherzitaten und Bibelexempeln als teuflisch und vertritt die (auf die Gregorsformel zurückweisende) Lehre, dass man „des Herren Christi, seiner Mutter, der Aposteln und ander Heiligen Historien Bilder wol haben“ dürfe, und er scheut sich auch nicht, legendäre Exempel aus der Kirchenhistorie des Eusebius heranzuziehen. Bilder garantierten Zeugenschaft und Gedächtnis. Auffällig ist, dass Alberus gerne pauschalisiert. So sieht er eine fatale Übereinstimmung von islamischer, jüdischer und wiedertäuferischer Bildkritik.

1 Die befremdliche Tatsache, dass die Erstauflage auf dem Titelblatt zwei Jahreszahlen – 1553 und 1556 – bietet, ist wohl so zu erklären, dass der Drucker (oder Herausgeber) andeuten wollte, dass der Autor 1553 verstorben war. http://doi.org.de/10.1515/9783110780031-021

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 N° 80 Erasmus Alberus

Von der Musica Sc. 322–326 [Sc. 322] 25. Nun folget ein ander Merckzeichen, das Carlstad durch den bösen Geist

getrieben ward. Denn er veracht die schöne gabe Gottes, die holdselige Musica und Organa Musica. Quia scientia nullum habet hostem, nisi illius imperitum, sagt Laurentius Valla. Solt ich von einem solchen Geist, der Musicam veracht, lernen, was von des Herren Abendmal zu halten sey? Diss war aber Carlstads argument, welchs ich getruckt gelesen habe, ehe denn er vom Sacrament anfieng zu schwermen. O ein schön Argument, darauss zu mercken, was für ein Prophet aus ihm werden solt. Nu vernemet Carlstads Argument, und lachet auch nicht. Gleich [323] wie nur ein Gott ist, also sol auch nur eine Stimme sein. Darumb sol man kein Discant, Bass, noch Alt singen. Wie gefelt dir nu abermal der Carlstad? Möchstu nicht gern von solchem Geist lernen, was du von des Herrn Abendmal halten soltest? Were nicht Carlstad umb dieses EselArgument willen wert gewest, das man ihm den Hindern wol gesteupt hette? Hat aber Carlstad recht arguiert [i.S.v. dargelegt], so möge ich auch also sagen. Gleich wie nur ein Gott ist, also sol der Mensch auch nur ein Auge, ein Ohre, ein Hand, ein Fusse, ein Messer, einen rock, einen pfenning haben. Der unsinnige Carlstad hatte mich auch schier uberred, das ich meine Partes [i.S.v. Notenblätter] und Gesangbücher zerrissen hette, denn ich war ein junger Theologus, und mercket noch nicht was Carlstad im Schilde füret. Und wiewol diss ein grobe Schwermerey ist, noch war Bucer, der doch gelert war, derselben meinung, Auch noch zu der zeit, da er die Zwinglische ketzerey zu Wittenberg widerruffen hatte, so [324] gar truncken hatt er sich des Carlstads Geists gesoffen, das ers nicht gar los werden kont. Es haben alle Sacramentschender und Widerteuffer diese Teuflische mal­ zeichen an sich, das sie ein abschewen für der Musica haben (quia Diabolus a quo reguntur isti, est Spiritus tristiӕ, pater monachorum, hypocritarum2) und haltens für leichtfertigkeit, das man in den Kirchen orgelt, und mit vier stimmen singt. Etliche haltens für ein Grewel, das man Christliche Gesenge Lateinisch in der Kirchen singt, und sagen, es sey Papistisch, das ist Teufelisch, das wirt ihnen Gott nicht schencken. Etliche sind so gar vol Geists, das sie auch keinen Teutschen gesang in ihren Kirchen leiden wöllen, welchs alles daher kompt, das ihr Gott ein Gott der trawrig-

2 Zu Deutsch: „Weil der Teufel, von dem sie beherrscht werden, ein Geist der Traurigkeit und Vater der Mönche und Hypokritiker ist.“

Wider die verfluchte Lehre der Carlstader N° 80 

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keit und sawr sehender Münch ist, dem hofieren sie mit verachtung der edelen gaben Gottes, welche doch rechtschaffene Leute nicht gnug loben können. In den Kirchen, da Schüler und ge-[325]lerte Burger sind, ists fein, das man Lateinische Gesenge neben den Teutschen liedern singt. Denn schöner Melodey kan man itzt nicht machen, denn die Lateinische Gesenge haben, als Verbum carofactum est. A solis ortus cardine. Puer natus est nobis. Illuminare Ierusalem. Letare Ierusalem. Osianna filia David. Cum rex gloriӕ. Victimӕ paschali. Ad cœnam agni providi. Vita sanctorum. Festum nunc cӕlebre, etc. Und der Lateinisch text klingt viel besser unter denselben Noten, denn der Teutsche. Ich habe die weise, wo gute Noten bösen Text haben, da gebe ich den selben Noten ein guten Text, Lateinischer oder Teutsch. Dem Sacramentschender Gott zu verdriess solt man die gute Lateinische Gesenge in der Kirchen singen, Denn was den Schwermergeist verdreust, das ist gut. Gleich wie unser Herr Gott uns vor andern Völckern die Truckerey und Sprachen offenbaret hat, Also hat er uns auch vor andern Völckern, Türcken, Tartern, Muscowiten, etc. die edele Musicam offenbaret. So faren unsere Teutschen Türcken (das ist, die Sacrament-[326]schender) zu und verachten die schöne verehrung Gottes. Sie solten Gott umb seine sieben gaben dancken, so wolten sie lieber dieselbige wider von uns jagen. Es müssen fürwar rechte Schweinharden [i.S.v. Unfläter] sein, so die Musicam verachten, man solt sie bey die Swein und Esel weisen, weil sie solche Unmenschen und Misantropi sind. Ey sagen sie, wir verdammen die Musicam nicht, sagen nur, sie gehöre nicht in die Kirche etc. Lieber wo stehet das geschrieben? Freilich in Marcolpho3. Doch wil ich dieser Schwermerey gedencken, wenn ich das Buch vom lob der Musica für mich nemen werd, ob Gott wil. {Es folgen Darlegungen zu Carlstadts Lehre von der Werkgerechtigkeit; bis Sc. 331.} [Sc. 331] 34. Ich wil dir lieber Leser mehr Zeichen erzelen, dabey Carlstads Geist zu

er-[332] kennen, auff das du für seiner Lere, als für dem Tode und Helle fliehest. Denn der Teufel hat den Menschen immer aus einer Schwermerey in die ander gefürt. und ihm keine ruhe4 gelassen. Er must sich an die arme Bilder in den Kirchen machen, mit den fieng er ein Krieg an, die musten ihm herhalten, er ward ihr mechtig, denn sie konten sich nicht weren, Und wolt gleichwol ein gewaltiger Bildstürmer gerhümet sein, so doch solchs ein jeglicher böser Bub, Jüde und Türck thun kan.

3 Gemeint ist der närrisch-witzige Bauer Marcolphus/Markolf aus dem Schwankroman ‚Salomon und Markolf‘, der in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, vermutlich nach lateinischer Vorlage des 13. Jahrhunderts, niedergeschrieben wurde. 4 In Vorlage „ruge“.

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 N° 80 Erasmus Alberus

35. Was in der Kirchen zu leren nötig war, das liess Carlstad anstehen und drang auf unnötige dinge. Wenn ein Bawr so viel gelernet hatte, das er ein Bild stürmen kont, so lies er sich beduncken, er hett im Christlichen Glauben wol zugenomen, ob er schon nicht beten konte. 36. Ein Kirch, darinnen kein Bild ware, hiessen die Schwermer ein reine Kirche, so sie doch vol Carlstadischer Grewel war. Doctor Martinum verspottet Carlstad, das er immer nur vom Glauben und [333] der Liebe prediget, sagt, man müst weiter komen und höher faren. {Folgen bis Sc. 338 andere Exempel, die für die Bilderfrage unergiebig sind.} [Sc. 338] Nu höret die grosse kunst in Carlstads Büchlein. Aus Mose wolt er beweisen,

das man aller ding kein Bild haben must, Und verhenget [i.S.v. befahl] dem Gemeinen

[339] Man Bilder zu stürmen, die er doch nicht hatte lassen machen, noch in seiner

gewalt waren. Dagegen leret D.  Martinus, das nicht alle Bilder, sondern nur die Abgöttischen verbotten weren. Denn wenn alle Bilder verbotten weren, so dürffte man auch keine Bilder auff der Müntze, noch in Büchern haben. Die ehrne Schlang, die Moses in der Wüsten auffgericht hatte, kont man on Sünde haben und anschawen. Das sie aber zur Abgötterey geriet, und ein grosse Walfart dahin ward, thet sie der frome König Hiskia hinweg. Levit. 26. spricht Gott, Jhr solt mich kein Götzen machen noch Bild, noch kein Mal, noch Stein auffrichten, das jhr anbetet, spricht Gott. Es ist nur umbs anbeten zu thun, sonst mag man sie wol machen und auffrichten, wie diese folgenden Historien bezeugen. Der heilige Fürst Josua hatt diss Gebott Gottes von Bildern auch also verstanden wie wir. Denn er richtet zu Sichem einen Stein auff, unter einer Eichen, nicht zum anbeten, sondern zum zeugen, [340] Jos, 24, Es war ein Stein des zeugnis und nicht des anbetens. Darumb leugt Carlstads Geist, das alle Bilder verbotten sein. Also richtet der Prophet Samuel einen Stein auff, nicht zum anbeten, sondern zum gedechtnis, und hiess jhn helffenstein. 1. Sam. 17. Mercke noch ein gewaltig Exempel wider den SchwermerTeufel. Die Stemme Ruben, Gad und Manasse macheten ein grossen Altar zum Jordan. Des erschracken die andere Stemme, meineten, der Altar were zum anbeten auffgericht, und beschlossen dieselbige Stemme umb solcher Abgötterey willen zu uberziehen. Da schicketen sie zu jhnen den heiligen Priester Pinehas und zehen Obersten, die sagten also, Wie versündiget jhr euch also an dem Herren, und keret euch von jhm, damit, das jhr euch ein Altar bawet, und vom Herren abfallet, etc. Da empfiengen sie diese Antwort. Der starcke Gott der weis, so weis Israel auch, Fallen wir von dem, so helffe er uns nicht. Wir haben den Al-[341]tar nicht gebawet, das wir uns vom Herrn wenden wöllen, Brandopffer oder Speiseopffer darauff zu opffern, sonder das ist die ursach, darumb wirs gethan haben. Heut oder morgen möchten ewre

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Kinder zu unsern Kindern sagen, was gehet euch der Herr der Gott Israel an? Der Herr hat den Jordan zur Grentze gesetzt, zwischen uns und euch, Jhr habt kein teil am Herren. Darumb sprechen wir, Last uns ein Altar bawen, nicht zum Opffer, noch zum Brandopffer, sonder das er ein Zeuge sey zwischen uns und euch, und unsern Nachkommen, das wir dem Herren dienst thun mögen für jhm, mit unseren Brandopfferen. [Hier 27 Zeilen übersprungen, in denen nur weiter dieselbe alttestamentliche Geschichte paraphrasiert wird.] [342]

Were aber Carlstad mit seinen Röltzen [i.S.v. Flegeln] da gewest, so hetten sie geschrien, Nein, nein, breche ab, reisse umb, schlage tod, etc. Denn diss Exempel, das so klar ist als die liebe Sonne, habe ich den Sacramentschendern offt fürgehalten, Aber sie sind so verstockt, als Jüden und Türcken, und vom Teufel also besessen, [343] das sie der öffentlichen Warheit mutwilliglich widerstehen und wider den heiligen Geist sündigen. Diss lasse dir lieber Leser, ein warnung sein, das du dich für des Carlstads Geist hütest. So ist nun aus gemelten Exempeln klar, lauter und offenbar, das man dencke und zeuge [erg. daß man] Bilder haben mag. Wie keme ich darzu, das mich ein heil[l] oser Schwermer solt gefangen nemen und der freiheit berauben, die ich von Gott habe? Darumb mögen wir wol des Herren Christi, seiner Mutter, der Aposteln, und ander Heiligen Historien Bilder haben. In den alten Historien der Kirchen stehet, das die Frawe die der Herr vom Blutgang erlöset hatte, des Herren Bild zu Cesarea Philippi habe lassen auffrichten zu gedechtnis, das jhr Christus geholfen hatte.Dasselbe Bild hat hernach keiser Julianus, der Mammeluck, zerbrochen5, Und an desselben stat sein eigen Bilde setzen lassen. 55. Es bezeugen die Historien, das diejenen, so alle Bilder on unterschied verworffen haben, böse Buben gewest sind. [344] Es hies ein schalck Xenaias6, der war ein verlauffener knecht aus Persia, und gab sich aus für ein Priester, und war nit getaufft, er kam zu seines gleichen, eim bösen buben, der sich ins Bistumb zu Antiochia ingedrungen hatte, der hies Petrus Gnapheus7, der nam jhn an, da gab er jhm ein anderen namen, und hies jhn Philoxenus, und setzt jhn gen8 Hierapolis zum Bischoff. Als aber dem Petro Gnapheo angezeigt ward, das Xenaias nicht getaufft were, wie er denn Bischoff sein kund? Antwortet Petrus Gnapheus: Sufficit ei pro Baptismo Consecratio, das ist, ist er doch geweihet. Die weihe sol jhm für die

5 In Vorlage „zu brochen“. 6 Xenaias, syrischer Theologe 5./6. Jh. n. Chr., Monophysit. 7 Petrus Gnaphaeus (5. Jh.) war Kosmopolit von Antiochia und dann Patriarch von Constantinopel. 8 In Vorlage „gehn“. Gemeint ist hier das lokal hinweisende ‚gegen‘, ‚in der Gegend von‘.

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 N° 80 Erasmus Alberus

Tauffe gerechnet werden. Sehet lieben Christen, vor zeiten seind auch böswichter gewest, so die Heilige Tauffe nicht besser denn Menschenwerck und unnötig ding gehalten haben. Diser ungetauffte böswicht (Bischoff wolt ich sagen) war auch Carlstadisch, Türckisch und Jüdisch, und wolt keine Bilder, auch kein Crucifix, in der Kirchen leiden. Dis ist geschehen vor eilffhundert jaren. [Aussparung von 10 Seiten.] [345] Keiser Leo, dises namens der dritte, wolt auch kein Crucifix in der Kirchen leiden. Desgleichen sein Son Constantinus, der weichling und zauberer, welcher Copronimus genent wird, darumb das er in die Tauffe hoffiert [d.  h. geschissen] hatte, als er getaufft ward. Die Widerteuffer zu Münster wolten auch keine Bilder leiden, schlugen die fenster aus, darinnen Bilder stunden, wolten auch nicht sehen, das die Wende gemalet wären, und trieben neben solcher heucheley alle schand und laster. Kennestu auch nun schier den Geist, lieber Leser, der keine Bilder leiden, noch das Brod im Abendmal für des Herren leib halten wil? In summa, es sind eitel falsche Propheten, die so hart darauff dringen, man müsse keine Bilder haben, und machen sünde da keine sünde ist. Denn sünde machen da keine sünd ist, und sagen, Bilder haben sey sünde, ist des Teufels malzeichen. Die Sacramentschender sind vol Mahomeths Geist, denn Mahometh und seine Türcken, die Bluthunde und Gotts-[346]lesterer, wöllen auch keine Bilder haben. Des Teufels heiligen, ja so heilig und in des Teufels andacht ersoffen sind sie, das sie auch auff jhrer müntze kein bild haben wöllen, und stickt doch jhr Hertz vol abgötterey. Rom. 2. Also grawet auch den Jüden für den Bilderen, und jhr Hertz ist daneben vol Gottslesterung. 56. Weil nun die Sacramentschender Gottes gebott von Bilderen so ferne deuten, das man gar kein Bild haben sölle, warumb haben sie denn nicht ein abschewen für den Talern, Gulden, Engelotten9, Kronen, Nobelen und Ducaten umb der Bilder willen, die darauff stehen? Weil sie nun dieselbige Bilder nicht verwerffen, so bekennen sie mit der that, das nicht alle Bilder, sonder nur die Abgöttischen verbotten sind, und lügenstraffen also jhr eigen lere von Bilden. 57. Das aber die schwermer sagen, in der Kirchen sey verbotten Bilder zu haben, aber nicht in anderen heusern, noch auff der müntze, etc. da biete ihnen trotz, das sie das beweisen. Denn was in der Kirchen sünde ist, das ist auch an ande-[347] ren orten sünde. Darzu sind der Christen heuser eben so wol Gottes heuser, als die Kirchen. Gregorius ad Serenum Maßiliӕ Episcopum scribit, vetustatem admisisse, ut historiӕ depingerentur in Templis.10 Und da Gott die Bilder verbeut, verbeut er sie

9 Englische Goldmünze. 10 Siehe Gregors Brief an Serenus von Marseille: STR2, S. 1060–1062.

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in gemein an allen örtern. In ewrem Lande (spricht er) solt ihr kein Bilde auffrichten, Spricht nicht, in ewer Kirchen. Ein Land heist nicht ein Kirch. Da sihestu, lieber Leser, wie die schwermer mit ihrer Lere in schanden stehen, noch [i.S.v. trotzdem] wöllen sie der warheit nicht recht geben. Möcht ich doch Marten [Mars], Mercurium und andere Götzenbilder ansehen, gleich wie ich an sie gedencke und von ihnen rede, wer wolte mirs wehren, wenn mirs Gott nicht verbeut? In der Kirchenhistorien steht geschriben, als der fromme Keyser Theodosius, der Heiden Götzen abthun hies, das die Nachkomen sehen kundten, was ihr vorfahren angebet und die Heiden nicht leugnen kundten, das sie stein und holtz angebet herren etc. Gieng doch der fromme Naama [348] mit seinem gottlosen Könige in die Kirch, 4. Reg. 5. da man Abgötterey triebe, und wartet als ein diener, auff seinen Herrn den König, stund da für den Götzen, und thet dennoch kein sünd dran, weil er sie nicht anbetet , sonder rieff in der Götzenkirchen den rechten Gott an, denn alle heuser sind Gottes, und der Götze ist nichts, spricht S. Paulus. Und was wöllen die Schwermer darzu sagen, das der Prophet Elisa dem Naaman nicht verbeut den rechten Gott im Götzenhause anzubeten? Solches hett kein schwermer zugelassen, so sehr eckelt den heiligen leuten für den Götzen. Gleich wie ein Christ ein ungleubige Ehefrau haben mag, und ihr doch nicht zu liebe Abgötterey treibt, also ists ihr frey ein Bild zu haben, aber dasselb anzubeten ist ihm ein Grewel. Denn gleich wie den Christen Sünd, Tod und Teufel unschedlich sind, also ist ihm auch das ungleubige weib und Götzenbild unschedlich. Der Götze, den Rahel ihrem vatter nam, war ihn[en] unschedlich, ja sie hielt den [349] Götzen in solchen ehren, das sie mit dem11 hinderen darauff sasse. Den Christen ist die gantze welt eitel Heiligthumb, rein und nütz, ob sie wol für sich selbs unheilig, unrein und schedlich ist. Dagegen sind den Unchristen alle creaturen eitel unreinigkeit und schaden. Ja Gott selbs ist den Ungleubigen unheilig, unrein, unnütz, wie im 18. Psalm stehet. Also war Christus Pilato, Herodi und den gottlosen Juden unheilig, unrein, unnütz. Den heiligen sind alle creaturen heilig, sie können alles seliglich brauchen, können sich daran heiligen und reinigen, denn auch das böse mus den Chriisten gut sein. Aber die unglaubigen versündigen, entheiligen und verunreinigen sich an allen dingen, auch an Gott selbs, wie Saul, etc. könnens nicht recht und seliglich brauchen. Dem Propheten Jonas war der Walfisch unschedlich, und het er ihn gleich auffgefressen, so were es dem Jonas doch kein schad gewest, also sind den Christen Tod, Sünde, Teufel und Helle unschedlich, ja darzu auch noch fürderlich, vil weniger kan ihnen ein [350] Götz schaden. Tit. 1. Immundo nihil es mundus, mundum omnia munda.

11 In Vorlage „den“.

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Die Juden hatten ein gros abschewen für den Bildern, noch brauchten sie die Müntze, darauff des gottlosen Keisers Bild stund, und unser Herr Christus nahm sie in die hand und besahe sie, und und begieng eine widerteuffische missethat. Denn die Widerteuffer haltens für sünde, ein Bild auff die Müntze schlagen. Desgleichen thun die Türcken. Item S.  Paulus sasse im schiffe, darin er teglich zween Abgötter, Castor und Pollux, sahe, was fraget er darnach? Sie waren ihm unschedlich. Gleich wie S. Paulus 1. Cor. 7. von der Beschneidung sagt, sie sey nichts, das ist, frey, das sie kein gewissen bind, Also redet er auch von Götzen, und spricht, 1. Cor. 8. und 10. Ein Götz ist nichts in der Welt, das ist, Es gilt den Christen gleich vil, es sein Götzen oder nicht. Denn er helt nichts darvon, es bringt ihm keinen schaden. Wenn er schon unter eitel Götzen sesse (wie Daniel unter den Lewen) gleich wie er unter eitel Teufeln und gottlosen sein muss, die ihm [351] doch nicht schaden können, weil er an Christo bleibt. Und gleich wie der Götz nichts ist, also ist auch das Götzenopffer nichts. Darumb sagt S.  Paulus 1. Cor.  10., ein Christ möge wol zu einem Heiden zu gast gehn, und wenn ihm der Heide Götzenopffer fürsetzt, so möge er darvon essen, als von einer ander speise, die Gott darumb geschaffen hat, das man davon essen sol. Was fragt der Christ darnach das es Götzenopffer ist? Was geht ihn der Götz an? Sol der rechte Göttliche brauch dem unrechten Teuflischen misbrauch weichen? Denn das die speise den Götzen geopffert und den Götzen zu ehren gessen wird, ist ein schendlicher misbrauch der guten creaturen Gottes. Die Erde ist des Herren, spricht S. Paulus, und alles was drinnen ist. Darumb ist auch das Götzenopffer sein, ob es wol durch die Gottlosen misbraucht wird. Also liset man in der alten Kirchenhistorien, das die Heiden den Christen zu verdries [Verdruss], Götzenwasser in die dome gossen, auffdas sie ein abschewen dafür het-[352]ten, und das wasser in des Teufels namen geweihet, nicht braucheten, und notleiden müsten. Aber die Christen dachten an S. Paulus lere, der Götz ist nichts. Das Götzenopffer ist nichts. Den reinen ist alles rein, und brauchten das wasser wie andere creaturen Gottes, mit dancksagung, nach S.  Paulus lere. Denn durch ein frembde sünde und misbrauch der creaturen Gottes kund ihr gewissen nicht beschweret werden. Wenn aber ein Christ Götzenopffer der meinung esse, das er mit dem unglaubigen heucheleund hofiret (gleich wie S. Peter heuchelt, da er nicht wolt gemeine speis essen, Gal. 2.) und den ungleubigen in seinem unglauben stercket, solches were ein bös stück und verleugnung des Glaubens. Darumb auch S. Paulus sagt, Wenn der ungleubige, der dich geladen hat, zu dir sagt, das ist Götzenopffer, so esse es nicht, umb des willen, der es angezeiget hat, auff das du des gewissen verschonest, ich sage aber nicht von deinem, sondern der andern gewissen. Denn warumb solt ich meine freyheit lassen urteilen von eines anderen gewissen? [353] Demnach ist gut zu antworten auff die frage, ob auch ein Evangelische möge in ein Papistische Kirche gehen? Gehet er in die Kirche wie Naaman, so thut er kein

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sünde. Naaman must auff seines Herrn des Königes dienst warten, darumb wo der König hingieng, in die Kirche oder anders wo hin, da folget ihm Naaman nach, und fragte nichts nach den Götzen im Tempel, sondern betet den waren Gott an. Denn ein Götz ist nichts, und alle stette sind des Herren. Und den reinen ist alles rein. Wo ein Christ ist, da ist Gottes Tempel. Denn die Christen sind selbs Gottes Tempel, und der heilige Geist wonet in ihnen. Hett aber der König den Naaman wöllen zwingen, nicht allein in GötzenTempel zu gehen, sonder auch die Götzen anzubeten, Da hett Naaman gesagt. Hebe dich Teufel, denn es ist geschrieben, du solt den Herren deinen Gott allein anbeten. Wenn du nun ein knecht oder magd bist, und dein Herr oder Fraw ist ungleubig, und wöllen das du auff sie warten, und mit ihnen in die Götzenkirch gehn solt, [354] so thue wie Naaman, was fragstu nach dem falschen Sacrament? Hebe du nicht deine hend auff zu dem falschen Gottesdienst, sonder bitte Gott, das er doch einmal die Abgötterey zerstöre12, und seinen Namen heiligen lasse, etc. Es gehört aber ein starcker Glaub darzu, wenn alle Menschen für dem falschen Sacrament nider falle, und du solt allein anders thun, denn andere Menschen. Denn die Bluthunde werden [erg. es] nicht leiden. Bist due ein Christ, so mus es gewagt sein. Was bistu aber besser denn die Propheten, Apostolen, vil tausent merteler [Märtyrer] und dein lieber Herr Christus selbst. Bistu aber so schwach im Glauben und besorgest, du werdest in der trübsal nicht bestehen, so zihe hinweg von den Bluthunden. Wo sol aber ein armer Bürger hinzihen, der weib und kinder hat? Antwort. Domini est terra. Die Erde ist des Herrn. Fragstu weiter. Ich wolt wol gern hinweg zihen, weis aber anders wo meine narung nicht zu suchen wie hier? Antwort. Wolan, es ist noch gut rat da. Du solt mit deiner Hausfrawen und kindern teglich für Gott [355] nider fallen (wie Daniel, der teglich dreimal sein Gebet zu Gott thet. Dani. 6. denn er war auch in solcher [ge]fahr darinnen du steckest) und mit ernst beten, das er ewer Hertz im Glauben stercke, so wirt er euch den heiligen Geist geben, den er uns, die wir bitten, verheissen hat, das du alles umb Christi willen wagen wirst, wie Daniel, Hanania, Misael und Asaria. Denn als Daniel das teufelische Mandat veracht, und keinen Gott o[h]n [i.S.v. außer] seinen Gott anbeten wolt, ward er unter die Lewen geworffen. Ihm widerfur aber kein leid, und Gottes name ward durch Daniels standhafftigkeit gepreiset, und Gottes reich gemehret. Desgleichen als Hanania, Misael und Asaria nicht wolten für den Götzen wie andere leute niderfallen, wurden sie in den glü[h]enden ofen geworffen, und Gott lies sie nicht umbkommen. Ein Adiaphorist hett dem Daniel und seinen gesellen geraten, Dan. 3. sie solten thun wie andere leute, und doch im Hertzen an Gott gleuben (das ist Gott verleug-

12 In Vorlage „zurstöre“.

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nen) das ist ein bauchrat, ein Mameluckrat. [6 Seiten ausgespart, in welchen von alttestamentlichen Standhaftigkeiten, nicht aber von Bildern die Rede ist. Weiter ab Sc. 361 unten]

Nun kom ich wider auff die Bilder, und sage also, Die Bilder oder Gemelde [362] von des Herren Empfengnus, Geburt, Leiden, Begrebnus, Aufferstehung etc. und seinen Historien, sind nicht allein [nicht] verboten, sonder auch Gott wolgefellig und löblich. Denn Gott hat ein wolgefallen an seinen Creaturen. Und solche Bilder werden gemacht, das sie zeugen, zeichen und gedechtnus sein. Und wenn man sie ansihet, sol man nicht allein dran gedencken, wie Christus so viel umb unsert willen gethan und gelitten hat, und ihm darumb dancken, sondern söllen uns auch uber die edle kunst und Gottes wercken verwunderen, der alle ding so fein, wol und löblich geschaffen hat, dabey söllen wir Gott erkennen und in seinen wercken loben und ihm darumb dancken. Denn da sihet man Gottes almechtigkeit, weisheit freundligkeit, holdseligkeit und grosse lieb zum Menschen, dem er so grosse gnad und verstand gibt, solche schöne werck zu machen. Ists nicht ein lieblich und wunderlich werck Gottes und edle kunst, das ein Mensch allerley malen, Bilder in holtz und stein so behendiglich formieren, und darzu abconterfeien kan? Ich kan mich [363] nicht gnug darüber verwundern. Est Divinӕ virtutis, sapientiӕ & dulcedinis opus. Umb solche schöne werck sollen wir Gott loben, gleich wie ich Gott lobe, wenn ich im Sommer auff einer schönen Wiesen, auff einer grünen awen, in eim lustigen Garten, in einem grünen oder durch die liebliche flor spatzieren gehe, und sehe so mancherley feyne farbe, Rot, Grün, Geel, Weiis, Braun, Blaw, Bundt, etc. damit die Blümlöein, Rosen und Kreuter durch den lieben und lieblichen Gott geschmückt sind, etc. Da dancke ich Gott, und mercke dabey, wie grosse lust und freude im ewigen leben ist, wie im 16. Psal steht. Für dir ist freude die füll, und lieblich wesen zu deiner rechten ewiglich, eya weren wir da. Sind diese zeitliche werck Gottes so schön, lustig und lieblich, wie viel schöner, lustiger und lieblicher wirds in jener welt sein? Gott lest uns seine wunderwerck sehen, auff das wir seine almechtigkeit, weisheit, freundlichkeit und holdseligkeit dabey erkennen und preisen, uns darüber verwunderen, frewen und dencken. [364] Kan das der sündige,sterbliche Mensch machen, was solte er denn gethan haben, wo er nicht in sünden gefallen were? Kan ein Mensch so schöne arbeit in disem sterblichen sündigen leben machen, wie vil herlicher wirts zugehn im ewigen leben? Solche gedancken und betrachtung der Göttlichen werck gefallen unserem Herren Gott wol, und kommen vom Heiligen Geist, der ein wolgefallen an seinen wercken hat. Psal. 104. Durch das anschawen und betrachten der wercke Gottes gewinnet der Mensch Gott je lenger je lieber, wirt je lenger je frömmer, und tracht desto vleissiger nach dem ewigen leben. Dagegen faren die feindselige schwermer, die Carlstadische Esel und Zwinglische Sewe [Säue] zu, und verachten und tretten mit füssen die schöne wercke Gottes. Denn ihr Gott ist ein feind aller gaben Gottes und freien künsten.

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Die schwermer sind böse Dialectici, das sie immer das gute umbs misbrauchs willen verwerffen. Sie solten auch den Wein verdammen und sich des enthalten, weil er so sehr misbraucht wirt. Sie [365] sagen, das heisse Pura Ecclesia, darinnen kein Bilde sind. Sie solten auch Puram mensam nennen, darauff kein Wein stund. S. Marcus war auch ein Maler, ich halte er habe auch feine und göttliche Historien, und nicht eitel Teufel, Sewe und Esel gemalet. Sind alle Bilder verbotten, wie die Schwermer sagen, warumb hat denn unser Herr Gott selbst geheissen, die Cherubin und ander Bilder, davon im anderen Buch Mosi stehet, zu machen? Und daselbst im 35. cap. spricht unser Herr Gott, er habe einen man[n], mit namen Bezaleel beruffen, und ihm seinen Geist gegeben, allerley werck künstlich zu bereiten, an Gold, silber, ertze, Edelstein schneiten und insetzen, und hab ihm sein Hertz unterweiset, etc. Was wöllen die Schwermer hierzu antworten? Wenn Carlstads, Zwingels, der Widerteuffer, und Türcken lere recht were, das man gar keine Bilder haben möge, so müst kein Goldschmid, Kantengiesser, Tapetmacher, Maler, Bildschnitzer, Bildhawer, Steinmetz, Steinschneider und Seidensticker mehr sein. Gott [366] müst auch den Mond vom Himel werffen, denn es stehet auch ein Bild drinnen, etc. 58. Und ob wol die Schwermer mit ihrem Bildsturmen in allen schanden stehen, noch haben sie ein gros bedencken, das man keine Bilder haben sol, und sagen also. Wenn ein Bild in der Kirchen stünd, so möcht etwa ein frembder oder unverstendig Mensch da für [davor] anbeten. Darumb ists besser man thue es hinweg. Hӕc es Philosophia Carlstadiana & C[w]ingliana. Ist das nicht grosse klugheit, weisheit, fürsichtigkeit? Der Schwermer Syllogismus lautet also. i. Was missbraucht kan werden, sol man hinweg thun, zerbrechen, etc. ij. Die Bilder können missbraucht werden. iij. Darumb sol man sie hinweg thun und nicht leiden, etc. Was wil noch daraus werden? O wie ein grosse verenderung, beide im Himel und Erden, wird hieraus folgen, wenn dieser Syllogismus recht ist. Es were auch recht, das diser Syllogismus erstlich an den [367] Schwermern selbst versucht würde. Denn sol man das jhene hinwegthun, das man missbraucht, und daran man sich ergeren kan, so müssen sie auch ihre hausfrawen und manbare Töchter hinweg thun, denn es möcht sie etwa einer mit bösen gedancken ansehen, und im Hertzen die Ehe brechen, oder zum Hurer werden. Desgleichen wenn ein Schwermer guten Wein hette, so müst er ihn ausschütten, auffdas er nicht missbraucht würde. Christus hat auch zu Cana nicht alzu weislich gehandelt, das er den Leuten so guten Wein gab. Denn ist jemand truncken davon worden, so ist die schuld unsers Herren Christi, besser were es gewest, er hette wasser wasser lassen bleiben, so were niemand truncken worden. Der Schwermer meinung nach künd kein Creatur in ihrem wesen bleiben, denn sie sind alle dem missbrauch unterworffen. Wie offt sind Sonne, Mond und Sternen

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missbraucht und angebetet worden, Warumb hat sie denn unser Herr Gott so lang am Himel gelitten, und nicht herab geworffen in abgrundt der [368] Helle, auff das sie nimmermehr so schentlich missbraucht würden? Warumb ist unser Herr Gott nicht ein Sonnenstürmer, Mondstürmer und Sternstürmer worden? Müste doch ein jeglicher ihm [i.S.v. sich] selbst die Augen ausstechen, die zung abschneiden, die hende und füsse abhawen lassen, ja sich gar umbringen, umbs missbrauchs willen. Endlich müst auch unser Herr Gott und sein heiliger name herhalten, denn sie werden ohn unterlas missbraucht, geschend und gelestert in aller Welt, und unter allen Teufeln. Und das nur ja unser Herr Gott nicht auch auff der Schwermer seyten were, denn er spricht. Ergert dich dein Auge, so steche es aus, etc. Aber hie hat die geistliche auslegung statt. Denn ausstechen heist von sünden lassen. Also solten die Schwermer auch leren geistliche Bilder stürmen, und wider den missbrauch predigen, weil sie doch sonst all ihr ding wöllen geistlich haben. Wo die Bilder aus den Hertzen sind (sagt D.  Martinus) so thun sie für den [369] Augen keinen schaden. Ist das nicht fein und wol geredt? Aber es lest sich kein Schwermer uberreden. Schvvermerorum superbia Sathanica, Und wenn Gott persönlich vom Himel keme, und ihnen diesen unterricht gebe, so nemen sie ihn doch nicht an. Denn sie haben ins Teufels namen beschlossen, auff ihrem sinne zu bleiben und der offentlichen, klaren und lauteren warheit wissentlich und mutwilliglich, nach aller Ketzer art, zu widersprechen. Drumb hüte man sich für ihnen. Und dieweil die Carlstader Gottes Gebot von Bildern weiter denn auffs anbeten deuten, so sind sie ihrer eigen Lere nach schuldig, zu verlassen alle Müntze, darauff Bilder stehen, alle gemalte Fenster auszuschlagen, wie die Widerteuffer zu Münster gethan haben, alle Gleser und Tranckgefes, darauf Bilder stehen, [zu] zerbrechen, alle Bücher darinnen Bilder stehen [zu] zerreissen, alle Kachelöfen darauf Bilder stehen umbzureissen. Auch den schönen Thurn zu Strasburg, daran vil Bilder sind, abzubrechen, etc. So lang sie solchs nicht thun, so liegen [lügen] sie auff [370] Gott, das er nicht allein die GötzenBilder, sondern auch andere Bilder verboten habe. Da sihest du lieber Leser, was das für Propheten und Ploratores gewest, die im Lande zu Wittenberg, in Engeland, und an andern orten, alle Bilder aus den Kirchen gestürmet haben, und nicht ein Crucifix lassen stehen. Sind sie nicht gut Türckisch und Jüdisch? Wenn ich an unsers Herren Christi werck und wolthaten gedencke, so entwirfft sich in meinem Hertzen ein Bilde eines kleinen Kindleins, das beschnitten, in Tempel gebracht, und mit seiner Mutter und Joseph verjagt wirdt, und gedencke an ein schönen, holdseligen Man[n], der unter den krancken, Blinden, Tauben, Stummen, und armen Leuten wandelt, und gern jederman hilfft, seinen Jüngern die füsse wescht, im garten betet, und blut schwitzt, verrhaten, gefangen, verspeiet, gegeisselt und gecreutzigt wird, etc.

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Mag ich solche Bilder im Hertzen haben, so mag ich sie auch für Augen in Büchern, an wenden, in Kirchen haben. Denn [371] das Hertz ist mehr denn die Augen, und die Augen richten sich nach dem Hertzen, das Hertz richt sich nicht nach den Augen. D.  Martinus strafft auch den Carlstad und Müntzer darumb, das sie nicht lereten, die Götzen ordenlicher weise abthun, sonder hiessen den gemeinen Man hinderrück [hinterm Rücken] der Christlichen Oberkeit, und schrien in den Kirchen, hawe drein, stosse umb, reiss, schmeiss, brich, stich, schlage den Götzen ins maul. Sihestu ein Crucifix, so speye ihm ins angesicht, etc. 59. Durch solch brechen und stechen wurden die Bawren zum auffrhur bewegt, die lerneten an den riemen ledder fressen, das war die frucht des Bildstürmens. Denn im Gesetz Mosi gebeut Gott den Kindern von Israel nicht allein der Heyden Götzen, sonder auch die Götzendiener zu vertilgen, welches Gebot uns nicht angeht. Denn uns ist nicht befohlen das Land Canaan einzunemen, Bildstürmen und die Heyden todt schlagen, sonder unser befehl heist, prediget das Evangelium, etc. Das geistliche Schwerd ist uns befohlen. Wo das Evangelium an-[372]genommen wird, da felt der Götzendienst selbst. Götzenstürmen ist ein schlecht kunst, aber Gottes wort rein und lauter, vleissig und trewlich predigen, das ist ein kunst, den Schwermern unbekandt, wie ihre kale und kalte Bücher zeugen. 60. Vom Bildstürmen wird niemand frömmer. Die rechten Götzen sitzen im Hertzen, Die müssen durch Gottes wort und das Gebet abgethan werden. Wenn wir schon aller Bilder los weren, was were damit sonderlichs ausgericht? Was sind die Jüden, Türcken, und Widderteuffer gebessert, das sie keine Bilder leiden? Dabey solt man ja mercken, das unsinnigkeit ist, so hart auff Bilderstürmen dringen, ein recht Teufelsgespenst ist es, damit er den Leuten das maul auffsperret, als were es was sonderlichs, und lassen dieweil die rechten Götzen im Hertzen sitzen. 61. Weil nun die Bawren das alt Testamentisch Bildstürmen auff sich deuteten, must auch das jenige folgen das dabey stehet, nemlich Götzendiener todt [373] schlagen. Sihe, daher kam der Bawren auffruhr, denn sie wolten alles umbringen, was Götzen anbetet, und war doch zur selben zeit Gottes wort an wenig örtern geprediget. Es fingens die Bilde- und Menschenstürmer tapffer an, nach Carlstads und Müntzers lere. Den Graffen von Helffenstein jagten sie durch die spiesse. Im Franckenland stürmten sie bey 180. Schlösser, etc. Werens Raubschlösser gewest, und aus befehl weltlicher Oberkeit zerstöret worden, als da vorzeiten Keyser Rudolff die Raubschlösser in T[h]üringen zerbrach, so hetten sie recht gethan. Was gewunnen aber die Bawren dran, das sie die Schlösser zerbrachen? Das gewunnen sie, das hundert tausent Bawren darüber umbkamen, und ihre kinder die Schlösser wider bawen musten. Das möcht Bilderstürmen heissen.

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Ich war erstlich auch der meinung, durch den Carlstad verfüret, man müste kein Bild, auch nicht ein Crucifix haben, bis ich sahe, was D. Martinus von Bildern schreibe. Da danckte ich Gott, umb [374] den rechten und klaren bericht. Denn ich trachtet stets mit ernst darnach, das ich rechten verstand der Religion möcht uberkommen. Da mir nun die Warheit, aus D. Martini Büchern, so helle ins Hertz leuchtet, lies ich die Carlstadische schwermerey und lügen faren. Carlstad name aus Mose, was ihn daucht zu seiner schwermerey fürderlich sein, Was aber seinem fürnemen zuwider war, das uberhüpfft er. Denn was Mose der ordenlichen Oberkeit befihlt, das deutet Carlstad auff das gemeine volck, das stürmet Bilder aus frevel, mit verachtung der Oberherrn, und kondten selbst nicht das Vatter unser beten. Aber im alten Testament und andern Kirchenhistorien steht geschrieben, das nicht der tolle hauff, sonder die Oberherrn, als die Könige Jehu, Josia, Hiskia, Constantinus, Theodosius, etc. Götzen abgethan haben. Wiewol aber D. Martinus Carlstads irrthumb mit der heiligen Schrifft gewaltiglich widerlegt, und den Baum bey den früchten erkennen leret, und jederman [375] für dem bösen Geist warnet, noch waren Leut (auch von weisen, ehrlichen und gelerten) die des Carlstads unsinnigkeit zufielen, sahen mehr auff sein gleissnerey, denn auff Gottes wort. Denn Carlstad war ein heuchler, und kundt sich stellen, als were er from, wie Philippus von ihm schreibt. Carlstadius miras quasdam artes habet irrependi in animos hominum, qui parum cavent. De Religione & cœlestibus rebus magnifice prӕdicat, etc. Carlstad gab grosse demut für, und schalt D.  Martinum ein hoffertigen Man, weil er dem Teufel nicht wolte recht geben. Des verwundert ich mich sehr, und thet mir wehe, das auch (wie gesagt) weise, erbare und gelerte Leute Carlstads ketzerey annamen. Doch dacht ich an die Historia von Korah, Dathan, Abiram und On, von denen die Schrifft sagt, es sein die fürnembsten Rahtsherren und ehrliche Leute gewesen. Ich achts auch dafür, Oecolampadius, Zwingel und andere selbst gewachsene Doctores haben D. Martini Bücher wider Carlstad aus hohmut veracht und nie gelesen, sonst were es unmüglich, sie hetten müs-[376]sen Carlstads unsinnigkeit und teuscherey sehen, wo sie nicht gar Communem sensum verloren hetten. Kündt doch ein halber Narr mercken, das Carlstad ein Narr were. Es sind bey 30. jare, das Oecolampadius ein schön herrlich zeugnis von D. Martino, durch den Truck ausgehen lies, darinnen er ihn erhub uber alle alte Lerer nach den Aposteln. Als er aber unter die Schwermer geriet, da ward er gar vergifftiget. Es möchte aber jemand sagen, warumb ich so hefftig der Bilder halben streite, so doch kein seligkeit drinnen ist, wie an der Tauffe und Abendmal des Herren? Antwort. Weil der Teufel Gott sein und sünde machen wil, da doch kein sünde ist, die heilige Schrifft felschlich deutet, und auff Gott leugt, so gebürt uns, Gottes Ehr zu verteidigen, und dem Satan die Gottheit, der er sich anmasset zu nemen, sein lügenmaul stopffen, Christliche freyheit erhalten, und die Christen recht unterrich-

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ten, das sie nicht den Teufel an Gottes stat anbeten, nicht sünde machen, da keine sünde ist. [377] Warumb sind wir anders vom Bapsthumb gefallen, denn das er sünde ertichtet, da keine sünde war, und sich an Gottes stat anbeten lies. Auch bin ich nicht dawider, das man die alte ungehörige Götzen aus der Kirchen thue. Aber der Schwermer Teufel greifft zu weit, drumb mus man den schelmen auff die hende schlagen. Er wil sünde machen da kein sünde ist, und verkeret unserm Herrn Gott seine wort, wie droben angezeigt. Die schöne kunstreiche Bilder von des Herren Geburt, Leiden, Sterben und dergleichen lasse man stehen, zum geschmuck der Kirchen und gedechtnis der wolthaten Gottes etc. Ich sehe gerne, beide in und ausser den Kirchen die Bilder und Gemelde, von der Historia Christi, Abraham, Isaac, Jacob, Joseph, etc. und dancke Gott umb alle seine wolthaten. Wil doch Gott das wir ihm bey allen seinen Creaturen dancken sollen. Warumb soll man denn seiner auch nicht gedencken bey dem Gemelde und Bildern von seiner Geburt, Leiden, Sterben, etc. Es folgen Darlegungen zu Bodenstein-Carlstadts Abendmahlslehre.

Editorische Notiz Bearbeitungsvorlage [Zweite Auflage] Wider die ver-|fluchte Lere der Carlsta-|der / und alle fürnemste Heubter | der Sacramentirer / Rottengeister / Wi-|derteuffer / Sacramentlesterer / Ehe- |schender  / Musicaverechter  / Bild-|stürmer  / Feiertagsfeinde  / und | verwüster aller guten | ordnung. | Erasmus Alberus Doctor / und | Süperintendens zu ­Newenbrandenburg | im land zu Meckelnburg. | Psal. 139.| Ich hasse ja HErr die dich hassen / und | verdreust mich auff sie das sie sich wider | dich setzen / Ich hasse siie in rechtem | ernst / darumb sind sie mir feind. | Gedruckt zu Newen- | brandenburg. [1565] 2. veränd. Aufl., Exemplar der BSB München, Sign. Polem. 40 [Digitalisat] – VD 16 A 1563 – 8°, 607 Scans [A1r–m7r].

Abgeglichen mit der kürzeren Erstausgabe. Sie weicht nach Umfang, Typographie und Orthographie von der zweiten, aus der wir hier Auszüge präsentieren, ab. Widder die verfluchte || lere der Carlstader/ vnd alle fürnem-||ste Heubter der Sacramentirer/ Rot-|tengeyster/ widderteuffer/ Sacramentlesterer/ Ehe-||schender/ Musicaverechter/ Bildstürmer/ feiertagsfein-||de/ vnd verwüster aller gủten ordnung.|| Erasmus Alberus. Doctor.|| vnd Superintendens zủ Newenbran-||denburg im land zu

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Mecklenburg.| Psal: 139 | Ich hasse ja HERR/ die dich hassen/ vnd verdreust mich vff sie das sie sich wider dich|| setzen / ich hasse sie inn rechtem ernst / dar||umb sind sie mir feind. || 1553.|| Getrucket zủ Newenbrandenburg || bei Anthonio vnd Walthero Brenner ge-||brüdern/ im jar 1556. Erstausgabe. Exemplar der BSB München, Sign. 4 Polem. 32 [Digitalisat] – VD 16 A 1562 – 365 Scans, 4° [*ir–uijv].

Eine dritte Ausgabe: Wider die verkehrte Lehre | der Carlstader/| Vnd alle für-| nemste Häüpter der Sa-| cramentirer/ Rottengeister/ Wi-| derteuffer{ Sacramentlesterer/ Ehe-| schender/ Musicaverächter/ | Bildzstürmer/ vnd ver-|wüster aller guten| ordnung.| ERASMVS ALBERVS D.| vnd Superintendes zu Newenbranden-|burg im Land zu Meckelnburg. | PSAL. CXXXVIIII.| Ich hasse ja HERR die dich hassen/ | vnd verdreust mich auff sie/ das sie sich | wider dich setzen / Ich hasse sie in | rechtem ernst / darumb sind | sie mir feind. | Getruckt zu Newenbranden- | burg/ im Jahr | M.D.XCIIII. – 3. veränd. Aufl.: Exemplar der BSB München, Sign. Polem. 41 [Digitalisat] – VD 16 A 1564 – 8°, 619 Scans [ )( ir-Oo7v]. LIT ADB, BBKL, Killy/Kühlmann, NDB, Wikipedia.

N° 81 Johann Fischart / Philips van Marnix Bienenkorb des Heiligen Römischen Immenschwarms [1580] Auszüge Am Zustandekommen dieses knapp sechshundert Großoktavseiten zählenden Buches waren drei sehr unterschiedliche Köpfe in unterschiedlichen Rollen beteiligt: der Franzose Hervet, der Niederländer van Marnix und der Deutsche Fischart. Anlass gab in den frühen sechziger Jahren der katholische Kleriker und hochrangige – in England, Bordeaux, Rom und Reims engagierte, zeitweilig für das Konzil von Trient tätige – Kirchenmann Gentian Hervet (1499–1584) mit polemischen Brieftraktaten wider die Anhänger der (calvinistischen) ‚nouvelle eglise‘, durch die er zugleich den Glauben der ‚Hl. Mutter Kirche‘ zu stabilisieren suchte. Auf diesen replizierte der aus Brüssel stammende Freiherr Philips van Marnix (1540–1598), der nach Studium bei Beza und Calvin in Genf sich als vielseitiger Autor betätigte und zu einem der bedeutendsten Berater, Diplomaten und Offiziere Wilhelms I. von Oranien (1533–1584) aufstieg. Marnix lieferte 1569 mit seiner Satire: ‚De Biȅnkorf Der H. Romsche Kercke, Welck is een clare ende grondelicke utlegginge des Sendbriefs M. Gentiani Heruet‘ die unmittelbare Vorlage für den Straßburger Juristen und Gelehrten Johann Fischart (1546–1591 → N° 52 in STR2). Von Fischart ist bekannt, dass sein geniales Sprachfeuer sich zumeist an Vorgaben und Vorlagen anderer Autoren entzündete, wie exemplarisch seine Rabelais- oder Bodin-Adaptionen zeigen. Wie dort geht es Fischart auch hier beim Umgang mit dem Marnix-Text nicht nur um treues Übersetzen, sondern um paraphrasierend-fortspinnendes Weiterdenken. Fischart verfügt – mehr als jeder andere deutschsprachige Autor, die Dadaisten eingeschlossen – über ein stupendes Sprachwitzvermögen, das unter Nutzung aller Stilebenen zwischen Gelehrtensprache und mundartlichen Gassenjargons, Reihung von Wortpielereivarianten und onomatopoetischen Kaskaden eine Witzkombinatorik bis hin zu Sinnentleerung und Blödelei betreibt. Ein Beispiel: „Und ist wol zu vermuten, daß sie kein Altar ohn schöne Bildlin von unser L. Frawen, ohn das schön Götzlin S. Christoffel, oder von S. Anthonii Fährlin [i.S.v. Ferkel], oder eins anderen Heyligen Bild bestellet und auffgericht haben. Dann ein Altar ohn Heiligen ist wie ein Kuh ohn ein Schwantz, oder ein Marcipan ohn Zucker, oder wie ein Blinder ohn ein stecken und wie ein Kirchthurn ohn ein Glock, oder wie ein Glock ohn ein Schwengel.“ Es ist hier nicht der Ort, das intertextuelle Verhältnis der Schriften von Fischart, Marnix und Hervet herauszustellen,. Denn wir bieten ja lediglich ikonologisch belangvolle Auszüge aus Fischarts Version, und zwar aus der zweiten Ausgabe (Straßburg 1580), die als orthographisch überarbeitete und leicht erweiterte Fassung der Ersthttp://doi.org.de/10.1515/9783110780031-022

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ausgabe (Straßburg 1579) durch die vielen weiteren Ausgaben (1581, 1586, 1588, 1590, 1599 u.  ö.) traditionsbildend war. Präsentiert werden: aus dem 2. Stück Capitel 13 und 14 sowie aus dem 4. Stück Capitel 1, 3 und 5. Darin geht es, wie die Überschriften annoncieren, um die Themen: 2. Stück, 13. Cap.: Beweisung auß der Schrifft, das man die Bilder anbetten soll, das ist, Daß die Römischen Bienlein sollen andächtig küssen und lecken die schön gebildten und gemalte Blümlein. 14. Cap.: Von etlichen sondern Bildern und Gemälden, welche im Römischen Bienenkorb bräuchlich seind, befestiget mit der heyligen Schrifft. 4 Stück, 1. Cap.: Vom Namen Idololatriae, und daß man die Bilder anbetten müß, mit derselbigen Anbettung, welche den angebildten dingen gezimmet, auch welcher massen die Juden mit der Röm. Kirchen sich wol vergleichen und vertragen; und ferner vom geweyheten Agnus Dei. 4. Stück, 3. Cap.: Von Anbettung der Bilder, und in sonderheit deß Creutzes: auch von der Krafft und dem Urtheil deß Creutzes, das ist, wie die Röm.Bienlein sich so gern mit Creutzlein besegnen, und gern Höltzin Creutz bey ihren BienenKörben stehn haben. 4. Stück, 5. Cap.: Von dreyerley Griechischem Anruffen der Heiligen:das ist, von Außlegung und Bedeutung der wörtlin Latria, Dulia, und Hyperdulia: wie sie Gott,seiner Marter, und eim jeden Heiligen zuertheilt werden.

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Abb. 20: Titelvignette zu Fischart / Marnix ‚Bienenkorb des Heiligen Römischen Immenschwarms‘, Straßburg, Bernhard Jobin, 1579 und 1580. Anonymer Holzschnitt. [BLB Karlsruhe]

Die inhaltlich und orthographisch überarbeitete Zweitausgabe, Straßburg. Jobin 1580, hat den Titel: Bienenkorb || Deß Heil. Röm.|| Immenschwarms  / seiner Hum-||melszellen (oder Himmelszellen) Hur-||naußnäster  / Brämengeschwürm vnd || Wespengeröß:|| Sampt läuterung der H. Röm. Kirchen || Honigwaben: Einweyhung und Beräuchung || oder Fegfewrung der Immenstöck: und Erlesung der || Bullenblumen / der Decretenkräuter / deß Heydnischen || Klosterhysops / der Suiter Säwdisteln / der Saurboni||schen Säwbonen deß Magisnostrischen Liripipesenscheis / und deß Immen-|| plats der Platunnen / auch deß Meßthawes und H. Saffts von Wun-||derbäwmen / etc. Alles nach dem rechten Himmelsthaw|| oder Manna justiert / und mit Men-||tzerkletten durchziert: || Durch Jesuwald Pickhart / deß Canonischen Rechtens Canonisierten oder Gewürdigten / etc. [Holzschnitt-Titelvignette zeigt von allerlei Insekten umschwärmten tiaraförmigen Bienenkorb, auf dem der Papst thront.] [Colophon:] Getruckt zu Christlingen [i.  e. Straßburg] bey Vrsino Gottgwinn[i.  e. Jobin]. 1580.

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Wir bieten im Folgenden den Wortlaut der zweiten Ausgabe, da diese für die zahlreichen weiteren Auflagen (1581, 1586, 1588, 1590, 1599, 1600, 1601 u.  ö. bis 1847) traditionsbildend wurde. Präsentiert werden ikonologisch wichtige Auszüge: aus dem 2. Stück Capitel 13 und 14 sowie aus dem 4. Stück Capitel 1, 4 und 5.

2. Ausgabe: Straßburg 1580 [Aus dem Zweiten Stück] [152 ] Das Dreyzehende Capitel.1 r

Beweisung auß der Schrifft / das man die Bilder anbetten soll / das ist / Daß die Römischen Bienlein / sollen andächtig küssen und lecken die schön gebildten und gemalte Blümlein. NUn wöllen wir etwas von Anbettung der Bilder sagen, und sehen, mit was Schrifften die unterstützt sey. Dann das ander Concilium zu Nicӕa steckt zweyfels on voll solcher hiezu füglicher schrifften, die darzu so wol zu paß gebracht werden, wie Rosen in ein Säwtreck. Aber wir wöllen schlechtes die besten und bequemesten außlosen, auff daß man darauß von den andern allen urtheylen möge. {In dem Brieff Bapsts Adriani, so im Concilio zu Nicæa gelesen und angenommen. Act.2. Besehet das 2. buch der

Concilien fol.482.a.b. Act.2.pag.486.} So haben sie auß dem alten Testament beybracht, daß Gott den Menschen nach seinem Bild geschaffen hab, und darauß geschlossen, daß man wol Bilder haben mög. Item GOtt hab das Liecht von der Finsternuß gescheyden. Darumb (sagt Agapius der allerheiligste Bischoff der Statt Cesarӕa) neme ich die Bilder gern an, wie das Liecht in der Finsternuß, und verfluch alle die jenige, die andrer meynung sein. Ho, ho, ihr Gesellen, wie laufft das so tapffer fort, wie ein gebrochen Mühl. Demnach ward deß Römischen Bapsts Adriani Brieff gelesen. darin er sagt: Daß Jacob hab den Stab Josephs angebettet. als wann er Joseph selbst were. Warumb solten wir dann die Bilder nicht mögen anbetten? Dann wo gleich die Ketzer allhie auff den Hebrӕischen Text sich beruffen, da er sagt: Daß er auff [152v] seinem Bett oder Stab leynende (dann man mag es auff beyd weg nemmen) Gott anruffte: dannoch ist es uns genug, das diß unsere L. Mutter anders verstanden hat, auch diß alle die Heyligen darzu gehörende Bischoffe, so zu Nicӕa versammlet waren, anders haben außgelegt.

1 Vgl. Marnix, De Biënkorf (1569), Sc. 415  ff.

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{Concilium von Nicæa durch die Irrende Keyserin Irene gehalten. Eyferiger GötzenGeyst.}

Dann sie kondten nicht fehlen oder irren, dieweil sie durch den H. Geyst der Keyserin Irene versammlet und regiert worden: welcher Irene Geyst in dieser Bilderhandlung also eyferig war, daß sie ihrem eygnen Sohn, dem rechten natürlichen Keyser, die Augen außriesse. und ihn in ein Loch verstiesse, damit sie allein möcht regieren2, und Bilder nach ihrem gutdüncken aufführen. Warumb solten wir dann diesem H. Geist nicht glauben, der durch den Mund der Bischoff erkläret hat, daß auff Josephs Stab {Josephs Geckenpferd.} ein Männlin seye geschnitzlet [geschnitzt] gestanden. wie man sihet an denen Stecken, da Kinder und andere Gecken auff zu reitten pflegen, und diß Männlin habe Jacob angebettet. Ey wie wol versigelt, gebt dem Procurato zwen Schilling darauff. {Actio 3. Synodi Nicæn. pa. 498. Sind in Gottes hand, nit an der wand.}

Weiters haben sie auch diesen Text angezogen: Die Seelen der Gerechten sind in der Hand deß HERren. Item Gott ist wunderbar in seinen Heyligen. Dann bey diesen Heyligen nemmen sie anders nichts, dann die Stummen Heyligenstöck, die in den Kirchen angenagelt stehen. Sintemal an einem andern ort geschrieben steht: Die Heyligen die auff Erden sind, Item Noah hat Gott ein Altar auffgericht: {Die Altvätter und Patriarchen haben auch Heylige Bilder auff jhre Altär gestellt.} deßgleichen Abraham mit vielen andern mehr. Und ist wol zu vermuten, daß sie kein Altar ohn schöne Bildlin von unser L. Frawen, ohn das schön Götzlin S. Christoffel, oder von S.  Anthonii Fährlin3, oder eins anderen Heyligen Bild bestel-[153r]let und auffgericht haben. Dann ein Altar ohn Heiligen ist wie ein Kuh ohn ein Schwantz, oder ein Marcipan ohn Zucker, oder wie ein Blinder ohn ein stecken und wie ein Kirchthurn ohn ein Glock, oder wie ein Glock ohn ein Schwengel. Item Moses hat das Propitiatorium, das ist, die Bundsladen von eitel Gold gemacht, und aus befelch Gottes zwen Cherubin darauff gesetzt. Warumb solten dann wir nicht auch Bilder auff unsere Altär nach befelch der H. Kirchen stellen. setzen oder lähnen? Belangend aber daß die Ketzer sagen, diese Cherubin und gulden Arch oder Bundslad seye verborgen und verdeckt gewesen, daß sie niemand ansehen, viel weniger anbetten können. Darauff antwort unser Liebe Mutter die H. Kirch fürs erst, daß sie diß auch wol nachthun könne. Dann die gantze Fasten durch, so hocken ihre vermumpte Bilder hinder den blawen Umbhängen {Bilderspiele unter den Hungerthüchern deß verbergens.}, und spielen deß Spiels: Pfeiffet, oder ich such euch nicht, Biß die Ostern herbey nahet, so kommen die Pfaffen und spielen dann fürter: Hänlein schlieff auß dem Schälchen, Füchßlein komm auß dem Hölchen. Also daß die Ketzer auß betrachtung dieser Bildermummerey kein

2 In Vorlage „Regieren“ statt ‚regieren‘. 3 i.S.v. Ferkel.

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ursach haben zu zancken, daß unser Bilder nimmermehr verborgen seyen? So sie doch lang gnug der Mummerey spielen: und sonderlich als dann, wann ander Leut in der Faßnacht außgeraset haben, so fangen sie das Faßnachtspiel erst in der Fasten an, daß es eim schier die andacht zerstören solt. Zum andern sagen sie, Ob wol die Cherubin verborgen waren, das sie niemand sehen möcht: bedacht, daß niemandt ins Heiligthumb, dann der Hohepriester im jar einmal dorfft tretten: Nichts desto weniger so unterliessen die Juden drumb nicht dieselbige anzubetten: [153v] Wie dann solchs die Vätter in vorgenantem Concilio auß ihrem eygnen Hirn haben geschlossen: Ey der holtzseligkeit mit dem Seligen holtz. {So man den unflat mag verborgen tragen, warumb nicht viel mehr öffentlich?}

Zum dritten sagt sie, so man die Bilder verdeckt oder verborgen mag haben, warumb solt man sie nit viel mehr offentlich haben und sie anbetten? Dann ob schon Gott solchs verbotten hat, muß man ihne doch der sachen anders berichten: {Gregorius Magnus heyßt die Bilder der Leyen bücher.} sintemal er villeicht noch nit wußte, daß die bilder der Leyen bücher weren, ehe dann Bapst Gregorius kommen, der solches gelehrt hat. Nun weiß aber ein jeglicher wol, daß man die bücher auff ein Pultbrett, zu mäniglichs lesen, legen muß: und sie nit unter die Banck werffen: sintemal offentlich geschrieben steht, daß man ein Liecht nicht unter ein Sester4, sonder auff ein Liechtstock, damit es jedermann leuchtet, stecken soll. Welches die vorgemelte H. Vätter {Im brieff Adriani an den Synodum, Act.2. fol.481.b.} auch auff die höltzine Marmelsteinene und Glockenspeisine Bilder5 verstanden haben, daß sie auff dem Altar bringen, und vom Hänßlin jederman [Hans Jedermann] andächtiglich angebettet werden sollen. Hierüber haben sie noch herzu geholt, daß Moses in der Wüsten auß Gottes befelch eine ährne [eherne] Schlang auffgericht, auff daß alle, so sie anschaweten, von Bissen der feurigen Schlangen geheilet würden. Dann darüber sprechen sie also: Was für ein tollheit solt dann diß bey uns sein, daß wir noch zweifeln wolten, ob die jenige, so die Bilder Christi, unser lieben Frauen oder anderer heyligen ansehen, auch seelig werden und aller ihrer kranckheiten genesen? Und diß wird auch vom H. Vatter Bapst Adriano mit Brieff und Sigel kräfftiglich bewärt und versichert, also daß kein zweifel mehr dran ist. Wie man das wol zu Hall [Hall in Tirol?] sehen mag, da so vieler Krüppel und Lamer Steltzen [153v] und Krucken, und so manche Täfelin, deren so von kranckheiten und gebrechen genesen, hangen, daß der mehr teil deren, so sie dahin gehenckt, weder an der lincken noch rechten zehen mehr sich ubel geheben. Ich geschweig so vieler weiber, die, nachdem sie

4 Ein Hohlmaß. 5 Bilder aus Glockenmetall.

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unser L. Frawen umbgehabt, fruchtbar worden sein. Und noch unlängst in Holland

ergangen, daß ein arm hogerig [höckerig] und buckelecht weiblin, unser L. Frawen zu Henckelem sehr andächtig besucht, ihr ein Opffer gethan, darnach zu Hauß gangen, und ihren Hoger [Höcker] und Buckel dahinden gelassen hat. {Hogerige legen den Hoger wie ein Büntel ab.} Secht hie, wo ligt der Büntel im kram? Ja als gen S. Job zu Wesemal ein blinder Edelman auß Franckreich ein Walfart gethan, damit er sein gesicht [i.S.v. Sehvermögen], so er von S. Jacobs leyden verloren, wider bekäm: Und da er daselbs seine sach ordentlich verricht gehabt, {Im Tafareel oder in der verzeichnuß von S.Jobs wunderzeichen. Dann Je vois heißt beides, Ich verreiß und ich sehe.} da rieff er seinen Dienern auff frantzösisch: Je vois. welches die Lövischen

Nostrandi nit dahin verstanden haben, das er verreissen oder hinwegziehen wolte, sonder das er gesehend6 worden were. Darumb auch dasselb in die Kirch für ein groß Wunderzeichen eingezeichnet worden. Und solle man unzweiffenlich bey verlust der seeligkeit glauben, das er ohn ein Brill eben so wol als bey Liecht sahe. Ich geschweig der grossen und mächtigen L. Frawen, die in Italien zu Loreto und in Hispanien zu Montserrato groß wunder würcken, von Sanct Jacob von Compostell, von S. Catharinen von Senis, unser Lieben Frawen zu alten Oeting, die Mergen7 zu Mentz, und anderer dergleichen grossen heiligen: Dann das ist kein Sultz für jedermans Mund, wir müssen uns wol mit schlechterin kosten betragen, und unser Maul von solcher leckerey abgewähnen. Da nun irgend ein grober solche Teutsche Catholische Herrenbißlein zu kosten lust hette, [154v] und ein Walfart thun wolte, also daß er in 3. Jahren heim zu kommen sich verwagte, der mag das thun, und sein lust zu büssen hinziehen und erfahren, was unser liebe Fraw in Italien oder Hispania für treffliche herrliche wunderzeichen thue. {Allweil die Männer wallen gen Compostell, die weil ziehen jhre weiber gen Zumpenstell.}

Es dörfft ihm bald gerahten wie dem guten Mann von Pariß, welcher kein Kinder mit seiner Haußfrawen bekommen kont, und derhalben einer andächtigen Walfahrt sich unterfieng . Dann der gut Mann gieng erstlich gen Compostell, S. Jäcklin [Jakob] daselbst zu besuchen, und reißte von dannen gen Rom, die heyligen Aposteln Petrum und Paulum allda anzureden: ferner schlepft er zu unser Frawen gen Loreto, von dannen gen Jerusalem, und zum letsten zu der Catharina von Senis. Summa summarum, er blib uber die drey Jar auß, und da er zu Hauß kam, befand er daß sein Weib hiezwischen drey kinder, durch hilff der lieben Heiligen, die er so andächtig besucht, gekriegt hette. {Heylige dienen für ein Badenfart. Walfart zu stumen Bildern gibt brotheischende Bildlin daheim.} Ist das nicht ein groß wunderzeichen, so sey der Palmesel nit hültzin. Darumb welchen auch der Kützel nicht

6 In Vorlage „geschend“ statt ‚gesehend‘. 7 Dialektform von Maria.

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sticht, von Hauß zu ziehen, und die Heiligen zu besuchen, der mach sich morgens mit den Jacobsbrüdern auff die Fahrt, der Karch [i.S.v. Karren] ist schon geschmiert und fertig. So singen wir alsdann, welcher zu S. Jacob will gahn, der muß ein par Schwestern han, etc. Wir sollen darzwischen wider auff unsere Materien kehren und den Ketzern begegnen, die nur ihren spott treiben mit den H. Vättern deß vorgedachten Concilions, welche das Exempel der ährnen Schlangen zu bestätigung ihrer Bilder herfür brachten {Soll dann ein Schlang ein Heiligenbild sein, so haben die Egypter nit unrecht Schlangen angebett.} und sprachen, daß dieselbe ein alte Testamentliche Figur gewesen und auff Christum gewiesen habe, auch auff außgedruckten befelch Gottes sei auffgericht worden. Darauff antworten wir ihnen, sie [155r] wöllen allzeit ein Lauß schinden, und wissen doch nit wie viel sie Füß hat. Sie wöllen spitzfindig sein, und sehen nicht, daß unsere Bilder, auch Christi und seiner Lieben Mutter und Großmutter, und anderer lieben Heiligen figuren sein. Auch daß sie auß sonderm befelch des Papsts der H. Kirchen auffgericht seind. Aber die Ketzer fahren nicht desto minder fort und sagen daß der H. König Ezechias die ährne Schlang umbgeworffen, und zu Pulver verbrennt hab, so bald er sahe, daß man sie zu beräuchern, und gleich wie die H. Kirch ihre Heiligen, zu verehren anfieng. Und wöllen daraus schließen, daß man alle unsere Bilder auch müßte also verbrennen. Aber wir sagen nein darzu, dann diß war ein anders, angesehen daß unsere Heiligen kein Schlangen sein, wie die in der Wüsten war. Das ist wol war, das man der S. Margareten, und des S. Gregorii Drachen, sampt deß S. Anthonii Heutzlin [i.S.v. Ferkel] eben so wol anbettet und beweyraucht, als die Heiligen selbst, {Papisten räuchern den Säwen.} ob sie gleichwol nicht besser als Schlangen sein. Aber das hat auch ein andere meinung: Dann das geschicht nit dem Drachen zu ehrn, sondern den Heiligen, bey denen sie stehen. Gleich wie diß ein löblicher Magister noster als er zu Löven auß der Kirchen zun Barfüssern gieng, und vor Pilati Bild sein Hut abgezogen hat, kehrt er sich von stund an wider umb, und rieff uberlaut, Non tibi Pilate, sed Christo. Eben als het er sagen wöllen: Hör Pilate, was bistu für ein Bengel, was lastu dich beduncken, Ich hab mein Hütlin vor dir abgezogen? Nein, nein, des protestier ich mich, vor dir nicht, sonder vor Christo, den du unter händen hast. Er solt auch ein stecken genommen und ihn wol abgebört haben, wie jener den Esel, der das Heyligthumb trug, und gumpet, da die Leute vor ihm niderfie-[156v]len, vermeinend man thet seiner Oritet8 die Ehr. Secht [seht] also gehets auch mit unserm Drachen S. Anthonii Heutzlin zu: Sie bekommen wol manches Opffer und Wachsliecht, und werden manchsmal von Nachbarschafft wegen geküßt umb der L. Heyligen willen, bey denen sie stehen,

8 „seine Ohrität“: Spottitel für den langohrigen Esel.

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gleich wie der Palmesel von wegen des Götzen der drauff sitzt. {Man küßt das Kind von wegen der Mutter, und die Mutter von wegen der Tochter.} Aber sie nemmen sich deß nit mehr an als ein ander ploch [Block]: dann sie haben kein schein [i.S.v. Nimbus] umb den Kopff wie das Lämlein9 und die Taube10. Darumb bleiben diese reden der H. Vätter deß vorgemelten [i.S.v. vorerwähnten] Concilii allzeit fest und unbewegt, also daß die H. Kirch Bilder haben muß: Dieweil die Juden ein ährne [eherne] Schlang gehabt haben. {Worauß sie beweisen, das man Gott ein Bart malen soll? Psal.96. Psal.28.}Und diß behencken sie ferner mit vielen andern freyen zeugnussen, nemlich mit diesem, so David sagt, Da ist lob und herrlichkeit vor seinem Angesicht. Item: Ich hab den Schmuck deines Hauses lieb. Dann darauß folgt, daß man die Kirch mit schönen Bilder auff­ mutzen muß. Item: Ich such O Herr dein Angesicht. Item: die Reichen sollen dein Angesicht anbetten. Item, Laß leuchten uber uns das Liecht deines Antlitz[e]s. Dann hierauß schliessen sie, daß man unsers lieben Herren Angesicht muß gemalt haben und es anbetten. Und daher kompts, daß man zu Rom alle Jar auff den Karfreytag die Heil. Veronica (das ist ein stücklein alts verschlissen Leinwats darauff man saget deß HERREN Antlitz gemalet stande) offentlich zeiget und mit grosser andacht anbettet. Da dann das Volck allemal uberlaut ruffet, Misericordia, Misericordia. Gleich wie man auch zu Bisantz in Hochburgund und an vielen andern orthen mehr thut, dann dieser Frawen Antlitz ist auff ein guten Acker gepflantzt worden, und also tapffer gewachsen, und so vielfaltig worden, daß man ihr mit hauffen find [i.S.v. sie häufig findet], die alle Wunderzeichen thun können. [156r] Hierüber bringen sie noch diese zeugnuß weiters: daß der Glaub nit allein auß dem Gehör, sonder auch auß dem Gesicht komme: weil Johannes sagt, Daß wir gehört haben und daß wir gesehen haben mit unsern Augen. Item daß die Juden breite Borten und Gebräm an ihren Röcken tragen: Ergo muß man auch Bilder in der Kirchen haben: Mit vielen andern dergleichen Scheingründen: Die sich eben reimen und schicken wie ein Haspel auff ein Topff. Jedoch so jemand dise schöne zeugnuß all zu sehen begert, der mag den gantzen handel deß vorgeschriebenen 2. Concilii zu Nicӕa, inmassen das im 2. buch der Concilien zu finden, lesen: {Besehet das Nicænisch Concilium Act.4.fol.33. da erzelt der Mönche Theodosius die lieblich Histori vom

Traum deß Keysers Constantini und dem wächsenen bild Cosmae und Damiani.} oder mag dz büchlein durchsehen, das selbiger zeit im Namen Keysers Caroli Magni von demselben Concilio außgangen. Da soll einer mögen sein Hertz erquicken mit den11 schönen geheimnußreichen und artigen Allegationen, so die Vätter zu diesem für-

9 Das Lamm als Christussymbol. 10 Die Taube als Symbol des Heiligen Geistes. 11 In Vorlage „dem“ statt ‚den‘.

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haben vorbrachten. Auch seinen lust an den Träumen Keysers Constantini lesen, wie er durch vergiessung jung Kinderbluts seines Aussatzes entledigt und darüber von Petro und Paulo im12 Traum getröst worden. Daselbsten soll einer auch vil herrlicher schöner wunderwerck der Bilder finden, die auß dem buch Cosmi und Damiani, auch auß dem buch Sophronii von Wunderzeichen der Heiligen und vilen andern dergleichen löblichen büchlin, so die Heil. Vätter alle haben lesen hören, zusammen gerafft, und mit ihrem Urtheil befestigt und für gut angenommen haben. Also daß weniger zweiffels hieran, dann uber der Gulden Legend, die zum Meßbuch authentisiert und für glaubwürdig bestätigt ist, fürfallen kann. Und auff daß man sie dester lieber lese, so will ich ein Exempel, größlich zu unser Materi dienend, darauß erzehlen, auff daß man am Nest erkennen solle, was für ein Vogel darinnen sey. [156v] Es war ein tapfferer Heiliger Mönch, der stätiglich biß in sein höchstes Alter vom Teuffel gequelet war; Und da es ihne auffs letzt verdriessen ward, bath er den Teuffel sehr freundtlich, daß er ihne mit frieden lassen wolte. Darauff nun der Teuffel antwortet: So du ein heimlichkeit, die ich dir sagen werde, zu halten wilt schweren, so will ich dich zu plagen auffhören. Der Mönch gelobts ihm mit eim schweren Eyd. Da sagt der Teuffel, Wo du wilt daß ich dich nicht mehr quele, so magstu wol diß Bild nicht mehr anbetten. Und zeigt zugleich auff unser L. Frawen Bildnuß, das ihr Kindlin in Armen hielt. Aber der Mönch war verschmitzter als der Teuffel und beichtet deß andern tags solches seinem Abt, der entschlug [i.S.v. entband] ihne deß Eyds, so er allzeit das Heylig Bild forthin anbetten würde. {Gehört ins Mentzer Nasenspiegel von Dominici leben, da er wider F. Nasen die kundschafft

der Teuffel zu den Mönchen beweiset.} Ist das nicht ein schöns artlichs zeugnuß vom

Teuffel entlehnet, darmit die Heyl. Vätter in gerührtem Concilio das anruffen der Heiligen befestigt haben? Sie wer [wär’ ] fürwar werd, daß man sie an die Büne [i.S.v. Decke] und Balcken schrieb, damit sie kein Kälber noch Geissen ableckten. Und unsern M. Gentian solt man mit einem Trifuß krönen, dieweil er die Würde dieses Concilions fein gegen dem andern Gebott Gottes, welchs alle Bildverehrung und Anbettung auffs schärffst verbeut, Ja auch wider das Concilium zu Eliberto, so uber 1200. Jar in Spanien dem Wort Gottes gemeß ist gehalten worden, so stattlich darff vergleichen, und gleichsam mit einer Wag gegen einander abwegen. Aber die vollen Krätzen trucken den Esel am aller minsten. Darumb weiß M. Gentian nicht, ob Saltz oder Schwammen schwerer seyen, biß er ins Wasser kompt. Da ligt er aldann in der Andacht, wie der Pfaff vor dem Palmesel. [157r]

12 In Vorlage „in“ statt ‚im‘.

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Das Vierzehend Capitel. Von etlichen sondern Bildern und Gemälden, welche im Römischen Bienenkorb bräuchlich seind, befestiget mit der heyligen Schrifft. {Sonderbare Bilder und Gemäld zu der Rö. Kirchen.}

DIeweil aber die Ketzer mit etlichen sondern Bildern, deren die Kirch mit grosser andacht gebraucht, ihr gespött treiben, so wers gut daß wir dieselbige auß der Schrifft auch befestigten. Daß sie dann erstlich die Heyl. Dreifaltigkeit mit dreyen Angesichten in ihre Meßbücher und Kirchen gemalt haben, diß ist nicht zu verwundern: Dann unser liebe Mutter die Heil. Kirch hat das zu Rom, da man der Heyden für und hindersichtigen Janum mit zweyen Antlitzen pflag zu bilden, also gelehrt. {Janum verstehn etliche für Noa, dieweil er zwo Welt gesehen.} Und ferner steht im Johanne geschrieben, daß ihrer drey im Himmel seyen, die zeugnuß geben, der Vatter, das Wort und der H. Geist, und diese drey seind eins, etc. So muß man ja, sprechen sie, es mit dreyen Häuptern oder dreyen Angesichten an einem Halß machen. Wann aber die Ketzer sagen, daß außtrucklich verbotten sey, Gottes wesen in eynigerley Weg abzumalen, dieweil er gesagt hab: Du hast wol die Stimme auß der Flammen gehört, aber keine gleichnuß gesehen. Darumb secht euch wol für, daß ihr mich keins wegs anbildet. Das ist allein den Juden gesagt, und nun durch die löbliche gewonheit unserer L. Mutter der Heyl. Kirchen geändert. Sechst, lößt mir diesen Knopff auff, habt ihr gut Zän und spitze Nägel. Und daß die Rö. Kirch hernacher die Gleichnuß eins alten Manns mit einem grauen Bart erwehlt hat, Gott den [157v] Vatter damit fürzustellen, und eins Gecreutzigten, den Sohn damit anzubilden, sampt einer Tauben, den Heyl. Geist darmit zu erkennen geben, daß sie fleußt aus ihrem freyen willen. Dann sie hette doch wol mögen ein Hagenbusch, oder ein Fewrflamm, oder ein Wolcken, oder ein Kiste, Gott den Vatter damit anzuzeigen, machen mögen. {Die Erscheinungen sind nit das Wesen.} Dieweil er in diesen gestalten als wol erschienen ist, als in einer gestallt eines Menschen. Und sie hett auch wol ein Kindlein in der Wiegen, oder ein Menschen, der das Volck lehrete, Christum damit zu bedeuten, erwehlen mögen: aber diß hat ihr gefallen. Dergleich hett sie wol ein Zung oder Fewerflamm, den H. Geist damit zu bezeichnen, so wol als ein Taub nemmen mögen. Aber hierin gebraucht sie sich ihrer Freyheit: sie gebraucht sich der Regul: Wir haben Recht und Macht allein. Was wir setzen, das gilt gemein. Und trotz [erg. dem] der uns das wehre. Oder wie der Poet Horatius dort saget: Pictoribus atque Poetis Quidlibet audendi semper fuit ӕqua potestas.

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Das ist: Malern und Dichtern ist erlaubet Zu malen offt das man nicht glaubet. Ihr Recht ist, viel zu malen und reimen Welches uber Nacht ihn nur thut träumen. Zum andern, daß man die Engel mit Flügeln malet, das ist aus Esaia und Ezechiele genommen, welche sagen, daß ihnen die Cherubin mit Flügeln im Gesicht vorkommen seyen. Daß man auch S. Micheln mit einer Wag malet, geschicht darumb, daß er die Seelen wegen muß, ob ihre gute werck und verdienst ihre Sünde und untugend uberwigen. Dann wird droben am 115. blat gesagt, so hat die H. Kirch, auff daß er nit müßig gang, diß Ampt ihm befohlen. Dieweil sie ohn das vor ein gewissen Artickel halt, [158r] man könne auß dem Glauben ohn die Verdienst und das vergossen Blut Christi nit selig werden, wie Paulus saget; sonder es müsse ein jeglicher durch die schwere gewichtigkeit seiner guten wercken, und mit volle zalung und Genugthuung die seligkeit erlangen: Aber wo nemmen? Darnach daß man Mosen mit Hörnern malet, geschicht auß dieser ursachen: dieweil dort geschrieben steht, daß sein Angesicht gar glanzend ware (wie solches Paulus selbst außlegt). Das hat die gemeine verdolmetschung der H. Röm. Kirchen also außgelegt, daß Moses Hörner hatte, Damit er sich in diesem stuck den Bischoffen, so auch zwey Hörner tragen, vergleichen möcht. Und daß sie weiter auß den dreyen Weisen auß Morgenlandt drey Könige gemacht, und den einen so Berschwartz [bärenschwarz] als ein Moren, ist auß den Weissagungen David[s] oder Salomonis gefischet, die da sagen, Daß die König auß Morenland Christum anzubetten kommen werden. Dann diß hat sie also, als obs von den drey Weisen geredt were, außgelegt. Und wiewol das Judenland den Juden vielmehr gegen Nidergang denn gegen Auffgang, daher die Weisen kommen waren, gelegen: jedoch kann die H. Kirch die gelegenheit der Länder wol verändern, und auß Morgen Moren, und auß West Ost, und auß Morenlandt Nordwegen machen. Item daß sie ein Ochßen und Esel zur Krippen bey ein klein JesuKindlein, welches sie mit ihrem Athem erwärmen, gestellt, ist dasselbige auff den klaren Text Esaie fundiert und gegründet, der da sagt: Ein Ochß kent sein Meister wol, und ein Esel die Kripp seins Herrn, aber das Volck Israel wils nit verstehn, etc. Und man möcht auch wol sagen, daß durch den Ochssen die Bischoff, Aebt und Prelaten zu verstehn seyen, welche auch Hörner wie Ochssen tragen, und können wie Ochssen gar schröcklich wider die [158v] Ketzer, anstatt der Predig GottesWorts brüllen. Und bey dem Esel die Min[der]brüder oder Barfüsser, die auch Eselgraw sein, samt allen andern München und schlechten Pfaffen, die nicht mehr als ein Esel wissen, und sehen unsern Herrn Gott für ein Kindlein an, das stäts in Krippen ligen muß. Wollen ihne derhalben allzeit mit hüpschen Bildlein und Puppen, mit Schellelein

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und schlötterlin [i.S.v. Klapper], Pfeiffen und Moriskendäntzlen und andern Kinderspiel schweigen und zufrieden stellen. Item daß man S. Longinum malt, welcher mit einer Spär [einem Speer] die seiten Christi öffnet, und vom Blut, das ihme in die Augen sprützte, sehend ward, das ist auch auß deutlicher Schrifft gezogen. Dann der Evangelist Johannes sagt: Daß ein Kriegsknecht mit eim Spär Christo in die seiten stach, und nent diesen Spär in Griechischer Sprach Lonchi. Darauß die H. Kirch ein Heiligen gezimmert, und ihn Longinum genennt hat. Zudem, daß Johannes sagt, daß solches geschehen sey, auff daß die Schrifft erfüllt würde, die da sagt: Sie sollen sehen, in welchen sie gestochen haben. Darauß hat sie die Lugend [Wortspiel aus Legende und Lüge] von Longino gefischt, daß er blind gewesen, und als er nach einer Krähen zu stechen vermeint, in Christi Seit gestochen hab, darauß gleich Blut auff seine Augen gesprützt, und er dardurch sehend worden seye. Folgends ist der gut blind Kräenstecher vom Bapst canonisiert und in Calender allmanachisiert worden; darinn er noch mit seim Thurnierspießlin stehet, trutz der ihn darauß kratze. Frater Nasus13 wird ein sonst bald für ein Calenderketzer außschreien; Wie er dann dem Thurneysen in offenen Truck thut / dieweil er ihme seinen Fünffwundigen Franciscum außgemustert hat. Ey daß man ihn nicht für seinen CalenderEyfer auff seinen Nigri-[159r]nischen Schneiderbock setzet, ihm Nadeln unter das Gesäß steckt, und also mit Calenderbrieffen umb und umb behengt, auff der Post gen Rom schicket, daselb ein wichtigen Calenderbann außzubringen. In summa alle ihre Gemälde, alle ihre stummen Menschengestalten, die in den Kirchen stehn, als da sein die Aposteln mit den runden Tellern hinder den Köpffen, und ein jeder mit seim besondren Waffen in der Hand. Item unser L. Fraw mit krausem Har, verguldten Kleydern, grünen Kräntzlein und Sträussen, gulden Armbanden und Fingerringen, und aller ihrer zierd, wie ein weltliche Fürstin, oder wie ein Braut zum dantz gerüst. Deßgleichen S. Catharina, S. Magdalena und S. Barbara mit ihrem blossen Brüsten, mit Königlichen Kronen, gestickten Kleidern, und gulden pleigen [i.S.v. Besatz] so frey geschmuckt, angestrichen und auffgeraumt, wie die köstlichsten Cortisanen zu Rom, Venedig und Antorf. Ja diese alle (sag ich) kann sie fein artig auß der Schrifft holen und ein jeder Nadel ein faden einfädemen, daß die Ketzer nichts darauff zu antworten haben. Dann alles was auß guter intention und meinung, und zur verzierung unserer L. Mutter der Heyl. Kirchen geschicht [geschieht], das muß Gott ohn allen zweiffel angenem sein, und es in seim Rechenbuch lassen durchgehn, sonst wer [wäre] Mossel [i.S.v. Muschel] kein Fisch.

13 Die Rede ist von dem Franziskanermönch und späteren Bischof von Brixen Johannes Nas (1534– 1590), der zahllose antireformatorische Schriften verfasste.

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In einer summa, wir müssen Bilder und schöne gleissende Gemäld in der Kirchen haben, und solts auch nur allein deßhalben geschehen. daß die junge Gesellen und Jungfrawen desto lieber zur Metten und Vesper kommen. Dardurch manchmal sich begibet, daß sie allein darumb erscheinen, vorhabens die Bilder und künstliche Gemäld und schöne Angesichter zu besichtigen. Und bekommen darzwischen ein andacht ein Meßlein zu beknappen, oder [159v] ein Salve zu hören. Dardurch sie haben Ablaß ihrer Sünd wider ihren danck bekommen. Darumb gehn wir nicht auff alles das, was die Ketzer hierauff sagen: sondern wöllen unsere alte andacht und herkommene weiß unverbrüchlich unterhalten.{Bapst ist ein Marcksteinverrucker.} Dann man muß die alten Marckstein nicht verrucken. Gleich wie die Bäpst vorzeiten die zwen Marckstein deß alten und newen Testaments verruckt und auff ihnen bekommliche weiß getruckt haben. Umb welcher willen heut die Ketzer so viel unruh der Rö. Kirchen machen, als ob das gantz Himmelreich daran stand. Aber wir wöllen ihnen nicht glauben, und solten sie das Credo selbs sein.

[184v–190r, 191v–198r ]

[Vierdtes Stück] Das Erste Capitel. Vom Namen Idololatrae, und daß man die Bilder anbetten müß, mit derselbigen Anbettung, welche den angebildten dingen gezimmet, auch welcher massen die Juden mit der Röm. Kirchen sich wol vergleichen und vertragen; und ferner vom geweyheten Agnus Dei. DAs vierdte Stuck ist gar ein schwerer handel, welcher den M. Gentian sehr kränckt, wie er sagt, als nämlich, daß diese Ketzer sich nicht schewen, die Alte und andächtige Catholische Leut für Götzendiener und Bildanruffer zu schelten, und Idololatras zu nennen. Ey der eytelen laster, ist das nicht ein grosse schmach? Wie kann man doch eim [einem] also an seiner Ehr reden? So doch unser Mutter die Heilige Kirch diesen Namen und Titul keins sinns leiden noch dulden kann, Und eins für allemal befohlen und geordnet hat, bei straff der Bannuß und Verdamnuß; Daß man ihre Heyligen nicht mit dem Namen Idola , welches so viel als Bildnussen und Gleichnussen heis-[183r]set, nennen soll. Ja hat kurtzumb gewölt, daß diß wörtlin fortan nicht mehr eygentlich die Bilder und Gleichnussen, die man zu eines Ehr auffricht, bedeuten solle, wie es zu allen zeiten bey den Griechen und Latinern hiervor dafür verstanden worden. {Götzen müssen der Röm. Kirchen kein Götzen sein: Die Rö. Kirch ist Babel in den sprachen.} Sonder soll nun anders nichts bezeichnen, dan solches der Heyden oder Juden Abgötter und Götzen. Also das nun der natürliche

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eygentliche Verstand dieses wörtleins gäntzlich transsubstantiirt, das ist, in ein ander gestalt und wesen verwandelt ist, wie das Brot in der Meß. Derhalben haben diese Ketzer groß unrecht, daß sie unsere hertzliche Mutter widerumb auff ein newes mit disem wörtlin Idola kommen zu plagen, und sagen, daß die gehorsam Röm. Catholischen rechte Idololatres, Götzenverehrer seyen. Dieweil sie unserer lieben Frawen und aller anderer lieben Heyligen Bildnussen in grossen würden und ehren halten, dieselbige küssen und lecken; mit schönen Röcklein, Hemdlein, Kleinoten und Geschmeid behencken; ihnen mit brennenden Kertzen zünden [i.S.v. leuchten], dieweil sie doch ohn liechter nit sehen wollen; mit wolriechendem Weyrauch brandopffern; {Hierzu reimet sich wol das letzt cap. im Propheten Baruch.} ihre Laudes Lobgesäng andächtiglich singen; sie auff den Achseln tragen, so sie doch selbs nicht gehn können, und fallen vor ihnen auff die Knie, und sprechen zu ihnen: Unser Vatter der du bist im Himmel, Deßgleichen sie auff die Altar stellen, zu ihnen Walfarten thun, glück und gesundheit von ihnen zu erlangen; Und in summa ihnen alle diese Ehr anthun, welche die Alte Römer und Griechen, oder auch die falschen Israeliter ihren Abgöttern thaten. Die Ketzer [d.  h. die Protestanten] sagen, daß sie [d.  h. die Katholiken] darinn sehr ubel thun, und beweisen auß erzehlten Heiligendienst, daß sie rechte Idololatrae und Abgötterdiener seyen. Aber sie sehen nicht, daß unsere Bilder keine Abgötter sein, sonder [185v] Heyligen, die viel und grosse Miracul thun können. Sie wöllen auch nicht verstehn, daß unser L.  Mutter die Höllische Kirch uns diß zu thun auffgelegt hat. Dann alle H. Catholische Lehrer haben sehr lieblich und einträchtiglich beschlossen, daß man alle Bilder mit dieser Ehr ehren muß, mit welcher man diesen ehrt, der durch ein solch Bild angedeutet wird. Wie solches der heilig Thomas de Hacquino fein außtrucklich hat beschrieben. {Diese Histori steht beschriben in der gulden Legend. Item im buch Bruders Leandri Alberti von Bolognien in der beschrei-

bung Italien[s],14 im 146. blatt deß buchs, getruckt im Jar 1550.} Ja dieweil er diese sach so wol getroffen, darumb hat ein Crucifix in der Statt Neapolis zu ihm gesagt: Lieber Thomas du hast so wol und recht von mir geschriben, was wilt du für ein Lohn darfür haben? Darauff gab er dem Crucifix zur Antwort: Ich beger anders nichts, dann dich zu haben. Ob nun diß Crucifix, welches er so sehnlich begerte, von Gold oder Silber gewesen sey, das weiß ich nit. Das weiß ich ja immers [i.S.v. immerhin] daß er den Bildern zu Ehr und Lob wunder wol geschrieben hat. Und ist deßhalben auch vom Bapst Joanne dem 21. canonisiert, und mit einem runden gelben Schindelteller hinderm Kopf begabt worden. Dann er hat erkannt (darinn ihm auch unser Liebe Mutter die H. Kirch folget), Daß, dieweil Christus wird angebett mit Latria, das ist,

14 Siehe Leandro Alberti (1479–1552): Descrittione di tutta Italia. Bologna 1550.

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nach ihrer außlegung, im Geist als Gott. So soll man auch sein Bild, das an einer Wand iergendts mit einer Kolen oder eim Pensel abgemalet steht, mit der Latrie anbetten, und als Gott selbs ehren; wann es nur mit langem Haar und mit einem runden Teller hinder dem Haupt, und mit zwen auffgereckten Fingern gemalet steht, und die gecreutzigt Weltkugel in der lincken hand hat; Dann ein solcher Gesell ist ihr rechter Salvator mundi. Diß bevestiget auch der Ehrw. Bonaventura, ja alle [186r] Sententienschreiber haben diß also zu gleicher hand beschlossen und geordiniert, dermassen, daß es die Ketzer jetzt nicht mehr in zweifel stellen können. {Der größt Fußküsser deß Papstes wirdt ein Götzenketzer.} Gleichwol ists war, daß es Bischoff Durandus, der Rationalscribent15, nicht hat annemmen wöllen. Ja hats offentlich widersprochen, daß die Bilder mit eben der Ehr, damit man das angebildete ehrt, müßten angebettet werden. Aber die andern all haben ihne darinn gestrafft, dieweil er der H. Kirchen Authoritet nicht wolte folgen. Und ist möglich, wenn er solchs nit geschrieben het, er wer gleich so wol als Thomas de Hacquino calendermäßig canonisiert worden. Wiewol ihm ein Spanier, genannt Perez16, hierin nachgefolgt hat, schreibend: Daß die Stein, Blöcher und Klötz nicht mit Latria als Gott mögen angebettet und verehrt werden; Angesehen, daß sie allzeit Stein und Klötz bleiben, wie viel man sie auch weihe und belese. {Perezius im buch genant de Traditionibus.} Aber hierinn hat er groß unrecht, und wird gewißlich, da er die Götzlin hat angesehen, ein Ketzerisch helle Stechbrill, {Die Evangelische stechbrillen seind den Papisten zu hell.} die in die weite sicht, gebraucht haben, dieweil er die Götzen für Klötzer ansicht; het er ein Catholisch blaw Speculum gebraucht, er würd wol gesehen haben, daß nie kein Ostien mit Blut bestrichen, sonder Mirackels weiß also sey verwandelt worden. Auch solt er gewußt haben, daß den Sanct Thomam de Aquavino17 , Sanct Peter und Sanct Paul selbs persönlich hierin unterwisen haben, also daß er nicht hat fehlen können. Und daß unser Liebe Mutter sein gut beduncken [Gutdünken] fürs best erkannt und angenommen hat. Und warumb nicht? {Diß erzehlt bruder Bernard von Lutzenburg,18 auch Leander Alberet und andere mehr.} Dann so ein schlechter Pfaff mit fünff wörtlein auß eim stuck Teigs ein Gott kann machen, warumb solt ein Bischoff von eim schön verguldten Bild auch nicht können ein Gott

15 Anspielung auf den Titel des liturgietheoretischen Handbuchs von Guillelmus Durandus, das Rationale divinorum officiorum, entstanden gegen Ende des 13. Jahrhunderts. 16 Martin Perez de Ayala (1504–1560): De divinis, apostolicis atque ecclesiasticis Traditionibus. Köln 1549. 17 Verballhornung von „de Aquino“ mittels Kobination der lateinisch-italienischen Termini ‚aqua‘ (Wasser) und ‚vino‘ (Wein). 18 Bernard van Lutzenburg, OP (gest. 1535). Verfasste u.  a. einen Catalogus haereticorum. EA Köln 1523.

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machen? Das wer fürwar unserer Hertzlieben Mutter der [186v] Heyligen Kirchen zu nahe geredt. Darumb so müssen wir an der Opinion und Gutbeduncken der Heyl. Röm. Kirchen fest eingegossen und vernagelt bleiben, wie ein Götz an einer Seulen. In summa die Götzenketzer und Ketzergötzen thun groß unrecht, daß sie uns Götzendiener, Abgottsehrer und Bilderanbetter oder Idololatras nennen, gleich wie die Juden, welche uns auch kein ehrlichen Namen wissen zu geben. {Die Juden haben im Reich heimliche bestallung: da secht zu, jhr Fürsten. Doch weiß man wol, das die Juden zu Rom

dem Bapst zinßbar sein.} Darumb sagt M. Gentianus hierzu, daß gute Leute, welche der sachen tieffer nachsinnen, schier gedencken müssen, daß diese Ketzer etwann ein heimlichen verstand [i.S.v. Einverständnis] mit den Juden haben. Ja in ihrer heimlichen bestallung und besoldung sein [i.S.v. sind] , freundlich Gemeinschafft miteinander zu halten; Doch setzt er hinzu, daß er solchs seins theils nicht glaube. Darauß man schier abnemmen möcht, daß er den Ketzern schmeicheln will, und mit honigbeschmierten worten sich bey ihnen einkauffen. Aber es ist nichts dran. Dann er redt hie von wie eim guten frommen Catholischen Underthanen der Heyl. Röm. Kirchen gezimpt. Sonst würde er den Ketzern allzugroße ehr angethan haben, wann er sie in einen Karren mit den Juden eingespannt hette. Sintemal ja das Judenthumb (inmassen hie oben bewiesen worden) die beste Stiffterin und die fürnembste Bronnquell und springender Bronnen aller Ceremonien und auffsätz der H. Röm. Kirchen ist. Gleichwol ists auch war, daß solche jüdische Kirchensatzungen unser Mutter viel verbessert und auff ein schönere art gebracht und gemustert hat, so viel nämlich ihr klugheit und verstand, Mosis und Aaronis weißheit weit ubertrifft. {So viel götzen, So viel tempel.} Und darumb hat sie an statt eines eintzigen geweiheten Tempels Salomonis mehr dann hundert [187r] tausend auff allen Höchinen und in allen Thälern gebawet und geweyhet. An statt dreyer oder vier Altär hat sie ein solchen unsäglichen hauffen auffgericht, daß man in siebentzig Jaren sie nit all zählen könte. Und wann die Altarstein all beyeinander weren, könt man ein Statt Ninive und den Thurn zu Babel samt der Statt und Vorstatt darauß bawen. {Das wer alsdann ein feste Statt, dann man braucht kein Holtz zu Altaren. Sie wer auch Heilig, weil sie von

geweyhten Steinen wer.} Jedoch ist allzeit (wie oben genugsam erwiesen) die Visierung und Patron von den Juden entlehnet; welche Schatten und Figuren sie sehr naßrichtig [i.S.v. nasengetreu] nachgeömet [nachgeahmt] hat. Derhalben, daß die Ketzer mit dem Apostel zun Hebrӕern wöllen bewären, daß alle Figuren und Schatten deß alten Testaments durch die Zukunfft [i.S.v. Ankunft] Christi auffgehaben [aufgehoben] und vergangen sein [sind] und nicht mehr in brauch kommen sollen: das ist ein grosse feyßte Ketzerey. Und fürwar sie beweisen genug hierin, daß sie mit den Juden weder in weissem noch in schwartzem einigen verstand [i.S.v. Einverständnis] haben. Denn die Juden halten diß für ihren neundten Articul und Fundament ihres Glaubens, daß das Gesatz Moisis mit allen seinen

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Ceremonien und Figuren nimmermehr soll abgethan noch verändert werden, sonder ewiglich im Wesen bleiben. Inmassen solchs erscheint auß ihrem Lehrer, genant Rabbi Moises Ben-Maimon19, welcher ein Büchlin von den dreyzehen Articuln deß Juden-Glaubens20 geschrieben hat. Dises Judenstuck streit doch schnurgerad mit der Lutherischen und Zwinglianer Lehren, welche gut rund bewären wöllen, daß man kein andere Ceremonien mehr halten mög, dann die Christus mit seinen Aposteln selbst eingesetzt hat. Derhalben wöllen sie in ihren Kirchen kein Altar, kein verguldte Bilder, noch einigen andern dergleichen geschmuck oder Zierrath haben; Sonder wöllen schlechts [187v] daß, so man zusammen kommet, anders nichts sollte fürbracht werden, dann wie Paulus fürgibt, nach dem ein jeglicher ein Gaab [Gabe, i.S.v. Begabung] hat, oder Psalmen, oder Lehr, oder Sprach, oder Offenbarung, oder Außlegung, und diß alles zur Erbawung; ob er gleichwol anderswo sagt: Das jenig, was wir vom Herren empfangen haben, etc. Und sind so tölpisch und plumb, daß sie nicht mercken, daß solchs In illo tempore, zu der zeit war, da die Kelch hültzin und die Priester gulden waren. Aber jetzo (wie die Märtyrer Bonifacius21, und nach ihme Durandus22 gesagt haben) ist das Blätlin umbkehrt, und sein die Priester hültzin und die Kelch gulden. Dann jetzt ist die Herrligkeit der Kirchen und Gottesdienst viel besser worden, dann sie zur Zeit der Aposteln war. Derhalben hat die H. Röm. Kirch [erg. sich] viel besser mit den Juden vertragen können, in dem sie verbotten hat, daß man kein Meß mehr mit hültzin Kelchen halte, damit Gott nicht erzürnt würde, daß man ihn schlechts [i.S.v. schlechterdings] mit Holtz versühnen wolte, da Gold und Silber ihn baß [i.S.v. besser] versühnte. Wie solchs in Concilien zu Triburo23 und Remis24 beschlossen, und in die Decreten gesetzt gewesen. Dann sie will nach der Juden brauch ihren Gottesdienst mit Gold und Silber köstlich geziert haben. Ja je mehr die Religion und das Evangelium zunimpt, je mehr will sie die Jüdischen Zierden und Ceremonien gebraucht haben. Derhalben M. Gentius sehr unrecht dran sein würde, so er die Hugonoten und Calvinisten mit den Juden vergleichen [i.S.v. vergliche]. Welche Juden doch mit unser L. Mutter der H. Kirch so wol uberein kommen, daß sie als in eim Plotzfaß Milch plumpen und samptlich in eine Schule gangen sein. Aber diese Hugonoten wollen alles ihr ding auff ein besonder weiß nach dem Evangelio reformiert [188r]

19 Moses Maimonides (1135–1204)20 ‚Tredecim articuli fidei Judaeorum‘. Eine frühe von Sebastian Münster betreute Druckversion erschien 1529 in Worms bei Peter Schöffer. 21 Bonifatius (673–755), von heidnischen Friesen bei Dokkum erschlagen. 22 Durandus s. STR2, Nachwort S. 1096–1098. 23 Die Angabe „Triburo“ meint die ostfränkische Reichssynode von Trebur in Hessen (895). 24 Gemeint ist die Synode von Reims (995).

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haben, wie es zun [zu den] zeiten der Aposteln war. Darumb wöllen wir sie ein gutes Jar lassen haben und es mit den Juden halten. Es wird uns doch mit ihnen das Paradeyß nit eins machen. Dann unser hellischer Vater der Bapst hat die Juden uber die massen lieb, und beweißt ihnen alle freundschafft, wie ein Jud, einer dem andern. Er erhaltet sie in seiner Statt Rom, und gönnt ihnen ein oder zwo der besten Gassen, die da seind. Ja er ist recht in ihrer Besoldung: Dann von eim jeglichen Juden, der ein Synagog in seinem Hauß haben will, entpfängt er zu Besoldung dreyssig pfund Turnois, sieben Ducaten, und sechs Caroliner. Und so sie wöllen erlaubnuß haben, ein newe offentliche Synagog auffzurichten, so ist die Besoldung in der Apostolischen Rechenkammer taxiert und gesetzt auff sechtzig pfund Turnois, und fünffzehen Ducaten. {Dieser Tax hat ausserhalb Italien platz, aber in Italien werden die Pfund Turnois in groß Pfund verändert.} Secht [seht] was für ein grawsame lästerung dann das sein würd, wann man sagen wolt, die Hugonoten weren auch in der Juden bestallung. Dann hierauß müßt folgen, daß sie deß Heyl. Vatters deß Bapsts Brüder und Gesellen sein würden. Neyn / neyn fürwar, er kompt viel besser mit den Juden, ja mit den Türcken und Heyden, dann mit diesen Gösischen [geusischen] und Hugonotischen Ketzern, so seinen Stul nach dem Evangelio reformieren wöllen, uberein. Er kann sie doch weder hören, sehen noch riechen. Und so fern ist es, daß er ihnen versammlungen oder zusammenkünffte gönnen solte, welches er doch den Juden umb ein schlechts [i.S.v. geringes] Geltlin thut, daß er sie auch allzumal, da er sie nur betretten oder ertappen kann, viel eher verbrennet, ertrencket, köpffet und hencket. Es ist wol war, daß die Juden uns auch Götzendiener, Idololatras oder Bilderverehrer nennen, und mit [188v] den Hugonoten in diesem stuck uberein kommen. Aber es ist ihnen wol zu verzeihen. {Propheten sollen nichts vom Antichrist gewußt haben.} Dann sie haben es von altersher auß ihren Bibeln also gelehrt und auß ihren Propheten begriffen; welche [erg. es] von den lieben Hellischen Ordinantzen der Römischen Bäpst noch nicht besser wußten; und verstunden nicht, daß alle Bilder mit derselbigen Ehr und Anbettung müßten verehrt werden, mit welcher das angebildet ding verehret wirdt. Dann S. Thomas de Aquino, der Himmelische oder Engelische Lehrer, war noch nicht erstanden solchs zu lehren. Auch hetten sie noch kein Zeytung [i.S.v. Nachricht] gehöret von unsern Heiligen und allen ihren Mirackeln die sie thun. Und die liebe Keyserin Irene hat ihrem Sohn noch nit die Augen außgekratzt, damit sie nur den Götzendienst mit hülff deß andern Nicӕnischhen Concilii25 auffrichtete. Und derhalben verstunden sie noch den unterscheid nicht, der zwischen Latria, Dulia und Hyperdulia ist. Und daher hat sichs begeben, daß sie alle die jenigen, so einige Bilder anbeteten, für Götzendiener scholten, ohne einigen unterscheid zwischen Catholischen und den Heyden.

25 Zweites Konzil von Nicӕa 787 n. Chr.

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Und nun, wann die Juden das lesen, meinen sie, daß die Propheten auff unsere liebe Mutter die Heil. Kirche, gleich wie auff ihre Vorältern geredt haben und reden. Wann sie dann im Jeremia finden, daß er sagt: Sie opffern Kuchen der Königin der Himmel: So verstehn sie es gleich von denen, die unsere liebe Fraw die HimmelsKönigin nennen, und ihr Kuchen, Fladen und Tarten und allerley lustig ding unverdrossen opffern. Aber diese Ketzer wissen wol bessers, ja ihre alte Bein wissen wol, daß die Propheten die Juden, und nit uns angesprochen [189r] haben dieweil wir noch nicht geboren waren, und darumb dörffen wir uns dessen nicht annemmen. Dann dem kein Schwein stirbt, was darff der Sanct Töngis [i.  e. Antonius] beklagen?26 Noch dannoch stellen sie sich als ob sie nirgends von wüßten, und unterlassen nicht, uns Götzendiener, Bilderbuler und Puppenkrämer zu schelten. Dadurch mögen sie mit den Juden nicht freyledig außgehn. Und ist keinswegs zu vermuten, daß sie mit den Juden ein heimlichen vertrag oder Compact haben; gleich wie es M.  Gentian sehr nasweislich27 erschmackt hat. Doch darinn hat er sich gröblich vergriffen, daß er den Juden ihr gülden Kalb so spöttisch verweißt, sprechende, daß unser Heil. Mutter die Röm. Kirch noch nie inn dergleichen aberwitz seye gerahten. Fürwar wann ihm diß nicht auß eim guten schlechten Catholischen Eiffer entwischt wer [wäre], man solt es schier für ein Lästerung und Ketzerey ansehen. Dann ob ihm schon also, daß die H. Kirch kein gulden Kalb hat, hat sie nicht deß minder das Original und die Fußstapffen der Juden, ihren guten Schulmeister hierinn zu folgen nicht vergessen. Dann an statt, daß Aaron der HohePriester das gulden Kalb einmal geweyhet, hat sie gesetzt und ordiniert, daß der Bapst von Rom, welcher onzweiffenlich an Aarons statt kommen, alle Jar weyhen und benedeyen soll ein gewisse zahl von wächßinen Lämblin, die sie nennt Agnus Dei, das Lamb Gottes oder der Sone [Sohn] Gottes, so der Welt Sünden hingenommen, und mit dem er als ein Lämblein sich hat schlachten lassen, uns von deß Teuffels dienstbarkeit erlößt. Gleich wie auch Aaron und die Juden ihr Kalb den Gott nannten, der sie auß Egypten erlöset hat. Und ob gleich ein Kalb besser ist dann ein Lamb, und das Gold köstlicher ist dann Wachs, so weiß doch unser [189v] H. Vatter der Bapst so ein artige Kunst und Alchimisterey darzu, daß er durch diese Lämlein wol feißte Ochsen in sein Kuchen [Küche] bekompt, und solche klumpen Golds, die nicht vil minder dann das gulden Judenkalb werth sind. Dann dieser Lämblein krafft ist so groß, daß es nicht wol außzusprechen ist. Und solchs kann man wol vernemmen auß dem Lateinischen Klip-

26 Antonius war der Heilige der Schweine. Ihm waren die auf den Gassen freilaufenden, vom Abfall lebenden Schweine geweiht, die den Armen der Gemeinde geschlachtet wurden. 27 In Vorlage „Naßweißlich“.

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pelverßlein, die einmal der Bapst Urbanus an den Keyser auß Griechenland, sampt fünf solcher Agnus Dei für ein groß Geschenck gesandt hat, welche also lauten: Balsamus & munda Cera, cum Chrismatis unda Conficiunt Agnum, quod Munus do tibi magnum: Fonte velut natum, per Mystica sanctificatum: Fulgura de sursum depellit, & omne malignum Peccatum frangit, ut Christi sanguis, & ungit. Praegnans servatur, simul & partus liberatur: Dona refert dignis, virtutem destruit ignis Portatus munde, de fluctibus eripit undae. Das ist: Ein grosse Gaab ich dir hie send, Die ist das Lämblin Gotts genent, Ist von Jungfrawwachs, Balsam, Oel, Von Chrysam sein bereit ohn fehl, Rein wie ein Quell; und ist besegnet Mit sondern Worten, daß wanns regnet, Und wittert sehr, es solchs verjag, Und gar abtreib all Teuffelsplag; Auch brich die Sünd, wie Christi Blut, Und schwangere Frawen halt in Hut, Bring auch die Leibsfrucht von ihn leichtlich, Und sonst begab die würdige reichlich: Deßgleichen nimpts sein krafft dem Fewr, Und rett auß Wassern ungehewr, Wann man es reinlich trägt bey sich, Und solchs verehret würdiglich. [190r] Hoho ihr Gesellen was ist das für starcker Senff, der die Augen außbeißt? Laßt

nun sehen, ob auch das gulden JudenKälblin solche krafft wie das RomanistenLämlin gehabt habe? Aber das ist weit fehl. Auch schreiben ihm die Juden solches nit zu; Sondern gedachten schlechts, weil Moses nit da wer, so müßten sie ein sichtbar Zeiche haben, daran sie der Erlösung Gottes eingedenck weren, und derhalben nannten sie das geweihet Kalb den Gott, der sie auß Egypten geführet hatte. Gleich wie auch unser L. Mutter die Heyl. Kirch von eim alten wurmstichigen Ploch pflegt zu sagen: Secht da, hie ist ewer Gott, der für euch gecreutzigt war; Oder diß ist unser L. Fraw, die wunderzeichen gethan hat. So war ja ihr guldene Kuhe mit unserm Agnus Dei keins wegs zu vergleichen. Jedoch dieweil die Juden diß nicht wißen, auch nicht die krafft, so hierin gelegen, verstehen, so möchten sie wol nicht

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unfüglich gedencken, daß ihr gulden Kalb und unser Agnus Dei gar einer Mutter Kinder weren, gleich Weyhkälber und Weinkälber inn Weinkellern. Derhalben so hette M. Gentianus fürsichtiger gethan (doch mit verbesserung) daß er den Juden diß nit so trutziglich und schimpflich het verwiesen. Damit sie nicht sagen, der Hafen verweiß dem Keßel, daß er berußiget sey.28 Aber er sticht kein Wildschwein, allweil ein Bratwurst drey Heller gilt.

[191v]

Vierdtes Stuck. Das Dritt Capitel. Von Anbettung der Bilder, und in sonderheit deß Creutzes: auch von der Krafft und dem Urtheil deß Creutzes, das ist, wie die Röm. Bienlein sich so gern mit Creutzlein besegnen, und gern Höltzin Creutz bey ihren BienenKörben stehn haben. Demnach fällt unser M. Gentian widerumb von der Anbettung deß geschaffenen Gottes auf die Anbettung der Bilder, der Figuren und deß Creutzes, das ist vom Ochsen zum Esel. Doch hat ers sehr weißlich vor, da er sagt: Daß man das Creutz keins sinns anbete als ein Creatur oder Geschöpff: Dann so sinnloß und toll war nie kein Mensch, der etwas auff Erden solte an Gottes statt anbetten, als ein bloß schlechte Creatur; Ja die Juden selbs (wie wir hiervor gesehen haben) da sie das gulden Kalb anbetteten, thaten das nit der gulden Creatur zu Ehren; sonder zur Gedächtnuß dessen, der sie auß Egypten geführt hat. inmassen sie dann selbs bezeugten, da sie es mit dessen Namen nenten, den sie anbilden wolten. Gleichfals haben auch alle Heyden jederzeit gethan, und deßhalben haben sie ihre Bilder Idola oder Simulachra genant, das ist, Gleichnussen oder Abbildungen, dieweil sie die Krafft Gottes anbildetteten. Und derwegen betteten die Egypter mehrteils diese Creaturen an, daran sie die Krafft Gottes und seine gute [192r] neigung zum Menschen am allermeisten könten spüren, als Ochssen und Kühe, Sonn und Mon, und andere hülffsame und nütze Creaturen. Gleich wie man sehen mag bey Justino, Athenagora, Arnobio, Augustino, Lactantio, Eusebio, und anderen dergleichen, die wider die Heyden geschrieben haben. Und sehr mercklich auß Esaia erscheinet : welcher als er wider die Juden redt und spricht, daß Gott durch Ewige und unbegreiffliche Krafft Himmel und Erden

28 Sprichwort: ‚Der Topf bezichtigt den Kessel, daß er rußig sei.‘

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erschaffen hab, fragt er sie zu letst: Wem wolt ihr Gott vergleichen? Oder womit wolt ihr ihn anbilden? Was für ein gleichnuß wolt ihr ihm zurichten? Mercklich zu erkennen gebend, daß sie die Stein und Klötz nit anbetten als blosse Creaturen; Sonder Erinnerung von Gott zu haben. Eben gleich wie auch M. Gentian hie fürwirfft; Und ward auch also im andern Nicӕnischen Concilio beschlossen. Dann fürwar ein Kalb solt diß mercken, daß unser Liebe Mutter die H. Kirch wol so bescheiden als die abgöttischen Juden und Heyden ist. Es kann sich aber wol zutragen, daß etliche schlechte [schlichte] Leut und alte andächtige Weiblin das geschnitzelt ploch oder den Stein selbs, wie es da stehet, für ein rechten Gott ansehen (wie jenes liebs Mütterlein, welches S. Franciscum und S. Dominicum, so neben dem Creutz Christi gemalet stunden, für die zwen Mörder hat angesehen) In sonderheit so der Götz anfangt sie anzulachen, oder auß grossem mitleiden saur zu sehen, oder bittere Tränen zu weinen. Doch hat diß seinen bescheid, wann es in guter andächtiger meynung und Intention geschicht: welches dann die Heil. Kirch gönstig zum besten deutet. [192v] Gleichwol ist ihr eygentlicher grund anders nichts, dann der grund, so der bestimpten Juden und Heyden auch war. Doch mit gutem bedacht außgenommen das Bild deß H. Creutzes, welchs ein sonderlichen Vortheil uber alle andere Bilder und Gleichnussen hat: dann sie ist deß Glockners Kuh, die darff auch auff dem Kirchhoff grasen gehn. Das Heilig Creutz hangt ja da, die andere Götzen stehn oder kleben: hängt auch viel höher, darumb hats ein Weißbrot mehr, und wird mit doppelter Andacht angebett. Dann auff daß ich deß AblaßCreutzes geschweige, das man in der Kirchen auffgericht, wann newe Bullen und AblaßBrieff von Rom kommen: welches een die Krafft hat (wo man anders deß Bapsts Legaten nit will zu Lugnern machen) als das Opffer deß Leibs und Bluts Christi am Holtz deß Creutzes für unser Sünd auffgeopffert. So muß man darneben alle schlechte Crucifix mit Latria, das ist mit der Ehr, die Gott allein gezimpt, verehren und anbetten: vermöge ihrer gemeinen Schulregel, von uns hieoben angezogen. Darnach so muß man noch darzu das ware Holtz deß Creutzes, das von Jerusalem kommen ist, und daran unser HErr gehangen hat, als ein Creatur auß seiner selbs eigenen Würdigkeit ehren und anbetten mit Hyperdulia, das ist, mit der Ehr, die der Jungfrawen Maria zugeschrieben wird. Angesehen insonderheit das grosse Mirackel, welches darvon entstanden ist: daß es nemlich also vermanigfaltigt und gewachssen ist, daß man wol sieben Hauptschiff oder Holländer Hulcken [i.S.v. Lastschiff ] damit beladen, ballasten oder befrachten möcht. Und zum letsten muß man noch ferner zun Ehren dem rechten heyligen Creutze, alle andere Figuren und [Sc. 408] Zeichen deß Creutzes anbetten. Darinn dann unser liebe Mutter dem Heiligen Creutz grossen vortheil thut, uber alle andere Reliquien, Heyligthumb und köstlichkeiten. Sie bettet gleichwol auch ein hauffen Spär [Speer] an, darmit Christi Seite durchstochen ward, und ein totzend [Dutzend] zwey oder

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drey von den rechten Nägeln, darmit unser HErr ans Creutz genagelt ward: Ja sie hat auch einen heiligen tag zu ihren Ehren eingesetzt, und hat ihnen ein sondere Meß zugeeignet, nemlich In Festo Lanceӕ & Clavorum Domini: Dieselbige grüßt sie alsdann sehr freundlich mit einem Liedlin, da sie also singet: Ave Ferrum triumphale, Intrans pectus tu vitale, Cœli pandis ostia: Fœcundata in cruore, Fœlix hasta nos amore, Per te fixi saucia, &c. Sampt dem jhenigen was nachfolget; welches man auff unser Sprach also möcht verteutschen: O Triumphierend Eisen schön, Welchs durch deß Lebens Hertz thetst gehn, Und öffnetest deß Himmels Pfort, Und bänest dahin den Weg hinfort. O Heyliger Spieß, glückselig geschätzet, Der selbst mit Christi Blut warst gnetzet, Verwund uns recht im hertzengrund, Mit dessen Liebe alles stund, Welchen dein spitze hat verwundt. Darnach hat sie auch wol vier oder fünff rechter Schwammen, damit man Christo sein durst mit Eßig gelöscht hat, die sie auch sehr andächtig leckt und küsset, und für ein sonderlich Heyligthumb auffhebt. Item sie hat auch wol den rechten natürlichen schwantz vom Esel da er auff ritt, und die rechte Kripp, darinn er lag: da sie viel Fests von macht. [193v] Aber was hat das alles zu bedeuten gegen der Ehr, die sie dem Heyl. Creutz be­weißt? Dann ob sie schon fünff oder sechs Lantzen oder Spieß, und ein totzend Nägel anbettete, will sie doch nit alle die Lantzen, die man in Krieg führet, anbetten: noch alle Nägel, so inn der Eisenschmidt gemacht werden: noch alle die Schwämm, so an der See wachssen: noch alle die schmale fürthücher, so den Eseln vorm Arß hangen: noch alle Krippen und Barren darauß die Pferd essen, wie sie alle die Creutz, so man machen kan, lasset anbetten. Dann diß hiesse dem Narren zu nahe geschoren. Nicht desto weniger möcht jemand frembd nemmen, ob dann alle andere Reliquien oder Heylthumb gegen den Mond gepißt29 hetten, oder nicht redlich geboren weren, weil sie nicht solches vortheils mögen geniessen. Da alle Gerten und Ruten möchten gleichfalls solches Privilegium von rechtswegen heischen, zu Ehren der Ruten, darmit Christus gegeisselt worden: Und alle die Corden [Kordeln] oder Strick, zu Ehren deß Stricks, darmit gebunden worden. Und alle die Hagdornen zu Ehren

29 „gegen den Mond pissen“ i.S.v. ‚Vergebliches tun‘.

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den Dornen, darmit er gekrönet ward. Aber sie mögen sich mit ihrer Portz und ihrem antheil zufrieden setzen, dann sie sein nicht vertheilt worden. {Sie ehrt das Creutz, dann sie creutzigt gern.} Und so die H. Kirch dem Creutz einigen vortheil gönnet, da fleußt auß guter ihrer Miltigkeit her: Sie ist dem Haußvatter gleich, der sich nicht laßt so schäl ansehen, wann sie schon den letsten dem ersten vorzeucht: Sie thut es auß sonderlicher lieb, die sie zum gebildten Creutz trägt. Welches sie deßhalben höher ehrt, dann den Leichnam Christi selbst, welcher am Creutz gehangen hat: Oder mehr dann sein Blut, das er am Creutz vergossen hat. Dieweil man ja nicht sihet, daß man zur Ehr deß Leichnams Christi alle Leichnm, viel [194r] minder alle Abbildnussen oder gleichnussen eines Leichnams verehrt und anbettet. Gleich wie man nicht allein alle Creutz, sonder auch alle Figuren, gestalten und Anbildungen deß Creutzes verehrt, anbettet, küßt und leckt, zu ehren deß einigen Creutzes, daran sein Leichnam gehangen hat. Aber solches hat unserer lieben Mutter der H. Kirchen also geliebet: Jedoch nicht ohne schwere gewichtige ursachen. Dann die gestallt deß Creutzes hat unzweiffelich solche krafft, daß es der Teuffel für ein Mummelesser [i.S.v. Kinderfresser], ein Butzenmann, ein Kinderschrecker und Schewsal ansihet, und fliecht [flieht] darvor, wie ein Hund vor einem stück Specks. Wie man klärlich in der gulden Lugend30 von Sant Christoffel sehen mag: Ja auch in hundert andern Legenden, da er etlichmal bey nahe das Bruch [i.S.v. Kleiderfalte] beschissen hat, so bald man ein Creutz gemacht hat. Ja newlich zu alten Oeting [Altötting31] hat Canisius32 dem Teuffel kein ärgern bossen als mit Crucifixlin reissen können. {In Eisengreins33 beschreibung vom Canisischen Teuffelaußtreiben.} Dann er hats dem besessenen Jungfräwlein stäts hinden an Nacken gehalten, das hat dem Teuffel so weh gethan, als hett man ihn an halß geschlagen. Ja das Crucifix ist auch ein mal der Stecken gewesen, damit man ihn gut ding geschmiert hat: Wie man dasselbig klärlich an allen Altären und Proceßionen sehen kan, da unser Herr mit einem Creutz vor der Höllen klopffend gemalt wirdt, und da alle Teuffel, als ob sie besessen weren, darvor hinweg lauffen. Das ist nemlich die geisel, damit man den Höllischen Hund auß der Kirchen treibet. Ja es ist auch das zeichen, darmit Gott Himmel und Erden gemacht hat, wie man in allen Kirchen und Altaren sehen mag, da hebet er drey

30 Wortspiel „gulden Lugend“ / Goldene Legende (Legenda aurea), die berühmteste mittelalterliche, von Jacobus de Voragine ca 1264 zusammengetragene Legendensammlung. 31 Bedeutender Pilgerort seit dem 15. Jahrhundrt. 32 Petrus Canisius SJ (1521–1597) führte in Altöttig einen spektakulären Exorzismus an einem jungen Mädchen durch, der reich dokumentiert und von von protestantischer Seite scharf kritisiert wurde. 33 Martin Eisengrein (1535–1578), vielschreibender katholischer Kontroverstheologe, publizierte u.  a. 1571 in Ingolstadt ein Büchlein mit dem Titel Unsere Liebe Fraw zu AltenÖtting.

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Finger auff und machet ein [194v] Creutz, da er alle ding schuff. Und das ist das jenig, so Esaias sagen will, nach der außlegung unser lieben Mutter der Heiligen Kirchen, da er sagt: Wer misset die Wasser mit seiner Faust, und fasset den Himmel mit seiner Spannen? Wer begreifft mit einem Treyling [Dreiling]34 die Erde, wer hat die Berge und Bühel abgewegen [abgewogen]? Das ist so viel gesagt, daß Gott mit dreyen Fingern ein Creutz gemacht, da er Himmel und Erden geschaffen. Ja die Heilig Kirch sagt auch, daß Moses mit eines Creutzes gestalt in der Wüsten die bittere Wasser süß und Wasser auß einem Steinfelsen lauffen gemacht habe. Dann ob schon die Schrifft von keim Creutz, sonder schlechts [schlicht] von einem Stab, da Moses mit an Felsen schlug, vermeldet: Jedoch hat diß unser liebe Mutter die H. Kirch also außgelegt der meinung, daß Moses den Bischoffen nachgeschlagen, die mit ihrem Stab ein Creutz machen, und also dem Volck den Segen geben. Sie hat auch gedichtet, daß die jhenige, so ihre Thürpfosten mit deß Osterlambs Blut bestrichen, ein Figur eins Creutzes darüber machen, darvor der schlagende Engel umb deß Creutzes willen furüber gangen. Wie das auß ihrer Sequentz (die sie auff den Creutztage Inventio sanctae Crucis genennet, singet) hieoben ist erzählet worden. Da beneben das jhenig, was Ezechiel vom Buchstaben Tau vermelt, das ist, vom Zeichen oder Sigel, so an der Außerwehlten Stirnen gedruckt ward, da hat sie auch ein Creutz außgemacht. Dann ob wol der Buchstab Tau der Figur deß Creutzes nicht mehr als ein Katz einem Antvogel gleichet, weil das ein wort also Ӆ und das ander so Т geschrieben wird. Dannoch nimpt sie es so genaw nicht. Man muß es den Bawren durch ein Wildgarn reutern, und grob durch lassen lauffen, sie [195r] mögen als dann bachen [backen], wann sie wol wöllen. Es ist je so viel dran, daß man alle beschwerungen [Beschwörungen] und belesungen, alle Weyhungen und Benedeyungen, alle Mysterien und Consecrationen mit Creutzen machen muß. Die Heylig Meß ist auch voll Creutz von einem ort zum anderen. Beyweilen zwey beyeinander, beides Seel und Leib zu bewaren, auch beydes Brot und Wein zu veränderen. Beyweilen drei zugleich, zu Ehren deß Vatters, Sohns und Heyligen Geistes; zuweilen fünff, zu Ehren den fünff Wunden Christi. Deßgleichen das H. Weyhwasser wird mit Creutzen gemacht. Die Wachßkertzen, das Saltz, das Heilig Oel, die Palmen, das Agnus Dei, die Heilig Aesch [Esche] und aller Pfaffen Haußrath, werden all mit Creutzen zur Welt gebracht. In allen Processionen muß das Creutz vorgehen. Auff allen Ciborien [Hostienkelche], Monstrantzen und Sacramenthäußlin, müssen Creutze stehen, auff daß der Teuffel sein Naß [Nase] nicht drein stoß. Ja auff allen Altaren und Ostien [Hostien], in den Strassen, uber allen Thoren und Kirchen, auff Waffen und Wehrn, in Blutfanen35 und Panern [Bannern], auch auff dem Geldt,

34 Dreischenkliger Zirkel zum Messen von gekrümmten Flächen. 35 Im Hl. Röm. Reich Zeichen der königlichen Blutgerichtsbarkeit.

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dem Mammon iniquitatis, muß ein Creutz prangen. Summa summarum das Creutz ist ein rechts Elßlin umb und umb36, und der Rohfinck37 in allen der Heyl. Röm. Kirchen Ceremonien. Da geschicht nichts, es muß uberal im spiel sein. Ja es solte ein alte Begin38 nicht ein fürtzlin lassen, sie müßt sich gleich mit einem Creutz segnen, und Jesu Maria darzu sagen. Die Pfaffen und Mönch sind nimmer so ubel dran, dz sie nit ein Creutzer39 im Seckel hetten. Darumb ist es ohn großwichtig ursach nicht, daß unser liebe Mutter das Creutz in so grossen Ehren halt, daß sie auch umb seinet willen drey oder vier Heyliger [195v] tage angestellt und gebotten hat. Als nämlich Inventio Crucis40, Rogationum41, Exaltatio Crucis42, und andere dergleichen. Sie hat auch ein besondere Meß, die sie Missam de sancta Croce nennt, und ein Meßampt, Officium de sancta Croce genandt, Und noch darzu hat sie auch geordnet und befohlen, daß man auf den Karfreytag nach dem Grünen Donnerstag das Creutz stattlich und andächtig auf der Erden, auf blossen Knien herzu kriechend, solle anbetten, und allda ein gutes feißtes Opffer und milte Handtreichung thun, zu trost den armen Pfaffen, damit sie auch mit Creutzern im Seckel für ihren Feinden sich schirmen mögen. Darfür hat sie ein grossen hauffen Ablaß geschencket denen, so es andächtiglich thun. Dann sie acht [i.S.v. erachtet] und glaubt, daß die Creutzgestalt nicht weniger Krafft als das Blut Christi Jesu, deß Sohns Gottes habe. Dann schaue diß sind die Wort, darmit sie das Creutz consecrieren und weyhen laßt: Oramus te Sancte Pater, &c. ut digneris benedicere hoc lignum Crucis tuae, ut sit remedium salutare generi humano, sit soliditas fidei, bonorum operim profectus, & redemptio animarum, sit solamen & profectio, ac tutela contra saeva jacula inimicorum, &c. Das ist: Wir bitten dich O Herr Gott Heyliger Vatter, daß du diß Holtz deines Creutzes also segnen wolst, daß es deß Menschlichen geschlechts heilsame hülff, ein grundfeste deß glaubens, zunemmung der guten werck, und Erlösung der Seelen, unser trost und schirm, auch bewarung vor allen schädlichen Pfeilen der Feinde seye, etc. Was soll man Christo Jesu dem Sohn GOttes [196r] mehr können zuschreiben, zu hülff und trost der Menschen, dann was unser liebe Mutter die Heil. Kirch dem 36 ‚Elslein um und um‘ bedeutet so viel wie die Redewendung ‚Hans Dampf in allen Gassen‘. 37 ‚Rohfink, Rollfink‘ i.S.v. ‚Allerweltsvogel‘. 38 Beginen: seit dem 12. Jh. Angehörige einer christlichen Gemeinschaft, deren Mitglieder ohne Ordensgelübde ehelos zusammen lebten. 39 Seit dem 13. Jh. eine kleine Silbermünze, deren Vorderseite ein Doppelkreuz zeigt. 40 Auffindung des Kreuzes durch die hl. Helena, die Mutter Kaiser Constantins, zu Beginn des 4. Jahrhunderts. 41 Bittgänge in der Karwoche. 42 Aufrichtung des Kreuzes, am am 14. September des Kirchenjahrs zu feiern.

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Creutzstock allhie zuschreibet? Ja alles was Christus jemals gethan, und alles was man guts erdencken kan, das hat sie gleich der Figur und dem Zeychen deß Creutzes zugeeygnet. Dann damit man nicht meine, wir reden aus einem holen Hafen, so seynd diß ihre eygene wort: Ista suos fortiores, Semper facit & victores, Morbos sanat & languores, Reprimit Dӕmonia: Dat Captivis libertatem, Vitӕ confert novitatem, Ad antiquam dignitatem, Crux reduxit omnia. O crux lignum triumphale, Mundi vera salus vale, Inter ligna nullum tale, Fronde, flore, germine: Medicina Christiana, Salve sanos, ӕgros sana. Quod non valet vis humana, Fit in tuo nomine, &c.

Das ist:

Diß Creutz macht stärcker seine Leut Und macht sie sighafft jederzeit, Heylt Krancke, Hilfft den Schwachen: Vertreibt die Teuffel, Gfangne freyet, Ein newes Leben es verleyhet, Diß Creutz kan alles gantz machen. O Triumphirend Holtz voll Ehr, Du wares Heyl, Gott grüß dich sehr, Kein Holtz wird dir gleich gfunden: Weder an Zweigen, Frucht noch Plüst [Kürbisart], Die Christlich Artzeney du bist, Darumb bewar die Gsunden, Heyl die Krancken, uns all erhalt. Dann was icht kan deß Menschen gwalt Das geschicht durch deinen Namen, Den preisen wir allsamen.

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[196v] Sehet hie könd ihr sehen, daß Christus Jesus von seinem Ampt abgesetzt, und

sein Macht dem höltzinen Creutz zugelegt ist. Also daß nicht umbsonst die Catholische Kinder unserer Mutter der H. Kirchen, Leibeygene und Schlaven [Sklaven] deß Creutzes sich nennen: Als da sie also singen: Servi Crucis , Crucem laudent, Qui per Crucem sibi gaudent, Vitae dari munera. Dicant omnes, dicant singuli: Ave salus totius sӕculi Arbor salutifera.

Das ist:

Lobet das Creutz mit reichem schall, Ihr Knecht deß Creutzes allzumal, Dann es gibt euch das Leben. Sag jeder, sagt all in gemein: Gegrüßt seist der Welt Heyl allein, O Heylsam Blümlein eben. Derhalben ist es auch kein wunder, daß sie es so andächtiglich anrufft, und bitt daß es uns vor allem unglück wölle bewaren. Auch mit heller stimme rufft:

Ecce lignum Crucis, Venite Adoremus.



Das ist:

Secht hie deß H. Creutzes Stamm, Kompt her laßt uns betten an.

Item: O Crux spes unica, Auge pia Justitiam, Dona Reis veniam. [197r] Das ist:

O süßes Holtz, O Nägel süß, Du43 den Süssesten hast getragen:

43 In Vorlage „Die“.

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O Herrlichs Holtz sey offt gegrüßt, Welches allein thetst behagen, Das an dich ward geschlagen Deß Himmels Herr mit plagen. Mit andern Liedlein mehr, die all auff dieselb weiß gehen, welche sie in der Creutzwochen andächtig singt. Und auff daß sich niemand dessen verwundere, so beweißt hie M. Gentian, daß diß alles auff die Schrifft gegründet sey: Welches er mit diesen worten Pauli befestiget. Es sey fern von mir, daß ich mich etwas anders rühme, dann deß Creutzes Christi: Dann bey diesem Creutz verstehet er nicht die versönung und Seligkeit, so uns durch den Tod und das Leiden unsers HErren CHristi erworben ist, (Dann diß ist ein Hugonotischer und Lutherischer verstand) sonder allein die gestallt, Form, Figur, und anbildung des Creutzes, gleich wie solches unser liebe Mutter die H. Röm. Kirch außgelegt hat, auch geordnet und befohlen, daß man diese wort Pauli auf den tag der Creutzerfindung [Kreuzauffindung] mit aufgespärter Kälen [Kehle] uber die Bildnuß des Creutzes sperren soll. Auch ist wol zu vermuhten, daß diß der rechte sinn Pauli geweßt sey: Dann sonsten, so ers wie die Ketzer wollen außlegen, solt verstanden haben, wz solt anders dann allerley anfechtung, betrübniß, verfolgung und creutz darauß folgen? Welcher unrath aller miteinander durchs Creutz Christi Jesu angezeigt wird. Dann die Creutzigung war der schändlichst und verfluchtest Tod, wie bey uns der Galgen ist. Fürwar unser M. Gentian, und die Prӕlaten der H. Kirchen, haben kein hoffart in solchem schmä[197v]lichem Creutz, sonder sie gönnen es den Ketzern und Evangelischen sehr gern: uber welche sie dann gemeiniglich rủffen, Crucige, Crucige, Gehengt, Gehengt. Aber die gestalt und das Heylig zeichen des Creutzes in Gold oder Silber gefaßt, ist die einige Hoffnung, Trost und zuversicht der Röm. Kirchen, und aller ihrer lieben getrewen. Dann solches trägt ihnen gute Renten ein, und macht ein feißte helle Kuchen [Küche], und wolgespickte Tafel. Darumb muß man Paulum daselbst also verstehen, daß sein Text mit vorgemelten Lobgesängen der Heil. Kirchen ubereinstimme, wie der Bettlerdantz auff Krucken zur gebrochenen Leyren. Belangend aber daß M. Gentian sich hie erzürnet, und uber die Ketzer tobt und sagt, daß es ein Teuffelisch gespött sey, daß sich die Ketzer nicht schewen zu fragen, Ob man, wann man ein zeichen deß Creutzes mit dreyen Fingern macht, die Mucken wölle verjagen? Daran thut er ihme [i.S.v. sich] meines bedunckens selbst groß unrecht an, daß er sich also entrüstet. Dann so man die Teuffel mit dem zeichen des Creutzes kan vertreiben, was wunder solts dann sein, daß man nicht auch die Mucken oder Fliegen, so doch kümmerlich [i.S.v. schwerlich] den Teuffeln in boßheit zu vergleichen, darmit könte verjagen? {Aber schwerlich den König der Mucken genant Beelzebub verjagen.} Wiewol die losen Fliegen manchmal das Sacramenthäußlein, ja ihren Gott selbsten, der darin wohnet, sehr unverschӕmpt dörffen beschmeissen:

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und die liebe Herrlin wann sie uber ihre Memento und Secreten entschlaffen, in ihrer tieffen andacht verstören, und sie für ein Dominus vobiscum in Traum ein Traumpff44 außschreien machen, oder für ein Gloria ihrer Kellnerin Clara rufen. Jedoch ist dieser unverstand der Mucken mit den Teuffeln nicht zu vergleichen, eben so wenig, als der Nonnen Kloster-[198r]flöh. Aber ein eiferige Schnack [Schnake, Stechmücke] hat unsern Gentianum hie also bestochen, daß er mit vorgedachten [i.S.v.oben erwähnten] zornigen worten ist herauß gefahren. Darum verziecht [verzeiht] ihm die Mucken, uber ein Jahr bringt er Brämen [Bremsen]. Nun von den Fliegen fliegt er wieder auff die Bilder, dern er dann nicht vergessen kan: und will sie auß dem andern Nicӕnischen Concilio beweisen. Dieweil wir aber hieoben genug darvon gesagt, so wöllen wir den Leser damit nicht weiters bemühen noch aufhalten. Demnach geschrieben stehet, Man soll die Todten lassen ruhen. Derhalben will ich die sechs und vierzig Fuder45 Bilder, die man zu S. Gallen auf dem Prüel [i.S.v. Wiese]46 verbrandt, unaufgeweckt lassen, Requiescant in pice47, im schebigen Leben, sampt dem Jeckle must in Ofen. Denn da stechen sie kein Würm mehr und dörffen keins Rauchfaß, welchs Murnar in die Bettlerstub ins Spital vermacht hat, sampt dem Altarstein für ein Herdblat.

Das Vierdt Capitel. Von Anruffung der Heyligen, und außtheilung ihrer Ӕmpter und Officien im Röm Bienenkorb; Insonderheit aber auch von unser L. Frawen von Loreto; und dann ferner, wie sich die Catholischen und Heyden miteinander vergleichen. FErners vom Anbetten der stummen Bilder schreitet er zur anrủffung der verstorbnen Heiligen, so im Himmel seind, und sagt, daß sie von unser L.  Mutter der H. Kirchen, nicht als Götter werden angebetten, Sonder man bitt sie allein, daß sie für uns bitten wöllen. Dann obs schon war ist, daß, wie Pau-[198v]lus sagt, nur ein Gott ist, und ein Mittler zwischen Gott und den Menschen, nemlich Jesus Christus. Jedoch muß daselb von der zeit verstanden werden, da der Hell. Immenvatter48 der

44 Vermutlich absichtliche Umschreibung von „Triumpf“ 45 Ein Fuder ist die Ladung eines zweiräderigen Karrens. 46 Auf einer Wiesenkoppel des Münsters von St. Gallen wurden im Februar 1529 binnen zwei Stunden vierzig Wagenfuhren von Altarbildern und anderem Sakralgerät verbrannt. 47 Unflätige Umschreibung ‚pice / Pisse‘. 48 „Hell. Immenvatter“ lies ‚höllischer Bienenvater‘.

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Bapst noch kein Heiligen canonisirt hat, noch gebotten, daß man ihnen Kirchen und Altar auffrichten, Meßhalten, opffern und durch ihre verdienst Vergebung der Sünden erbitten soll. Dann seit der zeit her, hat die Heil. Kirch in vielen Concilien beschloßen, daß sie unsere Mutter, Fürsprecherin und Advocatin sein solle, und daß wir sie umb hülff in allen unseren nöten sollen anruffen. Ja sie hat einem jeglichen sein Ampt und officium fürgeschrieben, gleich wie an der drey König Abend jedem sein Ampt im Königreich mit Brieflin zugetheilt wirdt. Unser L. Fraw, und die Mutter die H. Kirch die hat die Bon im Königskuchen gefunden49 , und ist die Königin der Himmeln, ist der Romanisten50 hoffnung und zuversicht, ist die Porte des Himmels, die Königin und Mutter der Barmhertzigkeit, die Mutter der Gnaden, ihr Leben, ihr süßigkeit, und ihr sonderliche Fürsprecherin, Advocation und Mitlerin. In summa, da ist kein ander Trost noch Hoffnung vorhanden, dann Maria allein. Wie sie das mit deutlichen worten in ihren Lobgesängen täglich singt. Nemlich in ihrem Christi virgo dilectissima; in ihrem Ave maris stella; O intemerata; Stabat Mater und andern mehr schönen lieblichen stücklin. Welche die H. Vätter zu Rom selbs gedicht haben, und mit vielem Ablaß gespickt, behenckt und geschmuckt; Aber insonderheit in ihrem Salve Regina; Ja sie bitten sie in einem ihrer Gebett, so sie Prosas nennen, sie wöll ihrem Sohn Jesu Christo, dem waren und ewigen Gott von [199r] Mütterlichs Rechts wegen gebieten, daß ers thue, und mit der that erweisen, daß sie die Mutter sey. Weiters bitt die Röm. Kirch auch, daß die Mutter Gottes ihren Geist auffnemmen wölle, in dem letsten Todtstündlein, und sie von ihren Feinden erlösen. Und solchs im Gebettlein Maria Mater gratiӕ, &c. Darnach alles was in den hohen Liedern Salomonis, Cantica Canticorum genant, von Christo dem Sohn Gottes, und seiner lieben Braut, der Gemeynden der Gläubigen, geredt wirdt. Und alles was Esaias vom Schoß der Zweig, so auß dem Stamme Jesse herfürkommen solle, geweissagt, und von dem jenigen, so die alte Schlang zertretten soll, gemeldt wird, das legen sie alles auff die H. Gottes Mutter auß: Ja auch die erste verheissung, so Gott unserm ersten Vatter Adam gethan, daß deß Weibes Samen der Schlangen den Kopff zertretten soll, das hat unser liebe Mutter die H. Kirch alles auff Mariam sonderlich außgelegt. Und daher anstatt, das da stund ′er soll zertretten′ hat sie gesetzt ′sie soll zertretten′, nicht als obs von Christo Jesu dem Sohne Gottes, sonder von der Maria solches solt geredt sein, daß sie der verheissene Samen sein würde.

49 Die „Bohne im Königskuchen finden“: Gesellschaftsspiel, aus dem als Sieger hervorgeht, wer bei gemeinsamem Verzehr eine in einem Kuchen verborgenen Bohne findet ; heißt so viel wie ‚das große Los ziehen‘. 50 Mit „Romanisten“ sind hier die Romanhänger als Anhänger der Papstkirche gemeint.

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In summa alle die Ehre, die Christo Jesu dem Sohne Gottes in der Schrifft wirdt zugeeygnet, das hat die liebe Rö. Fraw Mutter unser L. Frawen gegönnet. Und daher will sie auch, daß beneben so vieler Heiliger Tagen, die zu ihrer Ehr angestellt und gebotten sein, man auch den Sambßtag in ihrem Namen feiren und heiligen soll, Auff daß sie zum wenigsten so viel vortheils hab, als ihr Sohn Jesus Christus, welchem die Sontag zugeeygnet worden. Wie wol nicht desto weniger auch auff den Sontag, das Officium Beatӕ Mariӕ, das ist, unser L. Frawen Ampt zu halten nicht vergessen wirdt. [199v] Und daher kompts, daß auff ein zeit zu Venedig ein schwerer handel entstund: {Diß erzält Bernardin Ochinus51 in seinen Apologis: Barfüßer uneinigkeit.} als die Barfüsser auff Sanct Francisci tag predigten, wie außbündig grossen Ablaß und Verdienst man alle Jar erobern könte, so man disen tag in ihre Kirchen käm zu feiren, Meß zu hören, und feißte Opffer zu opffern; und auff solche weiß vil Gelts bekamen. Dann alsbald neideten sie die Frawenbrüder darumb, fiengen an zu predigen, wie daß es nit nöhtig were, ein gantz Jar lang, biß an S. Frantzen tag auff Ablaß zu warten, weil man den alle Sambstag könne besser kauffen kriegen, so man zu ihrer Patronin, nämlich unser lieben Frawen alle Wochen käme, und ihr zu Ehren in ihrem Kloster die Andacht spielte. Damit sie so viel zu wegen brachten, daß das Volck S. Fräntzlin gäntzlich verließ, und sich zu unser lieben Frawen begab, dardurch die Brüder begunten sehr reich zu werden, und feißter Specksuppen zu kochen. Aber da die Creutzbrüder auß vergonst desse, auch predigen wolten, daß man vollkommenen Ablaß, nicht allein von Wochen zu Wochen, sondern auch alle Tag uberflüssig bey ihnen könte bekommen, so man dem Creutz Christi zu feiren in ihr Kloster täglich käme: {Gleichmäßigen Mönchsstreit und bossen beschreibt auch Erasmus in Colloquiis, wie sie bei eim Sterbenden umb die Specksupp zancken, welches auch im Nasenspiegel

von Dominici Leben zu finden.} Weil Christus durch sein Creutz und Leiden ein solchen Ablaß aller Sünden erworben hette, daß man nicht nach Sambstagen, viel weniger nach S. Fräntzlins tag, noch einigem andern Heiligen dörfft nachlauffen, wenn man es auß der Bronquell selbst schöpffen möchte. Darüber wurden die andern Mönche also böß, daß sie von stundan bey der Herrschafft zu Venedig zuwegen brachten, daß sie den Creutzbrüdern das Maul stopfften, das Handtwerck niderlegten, und solches zu predigen verbotten, als einem scheinbaren Nachtheil den Heyligen, und [200r] insonderheit der lieben Mutter Gottes, die von den Catholischen angebetet wirdt: Welche dann, wie jeder erachten kan, sehr betrübt war, daß man sie verließ,

51 Der Sienenser Bernardino Ochino (1487–1554) war einer der wenigen Italiener, die sich der Reformation anschlossen. Er verfasste u.  a.: Apologi nelli quali siscuoprano li abusi […] della sinagoga del Papa. S.l., 1554.

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und ihrem Sohn nachlieffe. Also hat unser liebe Mutter die Heil. Kirch nicht ohn ursach sehr weißlich versehen und geschickt, daß unserer L. Frawen zum wenigsten so viel Andacht und Ehr soll widerfahren als Jesu Christo selbst. Dann diese ihre liebe Fraw, wie sie es außbläsiren, ist sehr ehrgeitzig und auff solche andacht fast verleckert; welches mercklich an ihrem Kämmerlein, darin sie erzogen und geborn worden, erscheint. {Diese Histori find man in der Kirchen zu Loreto beschriben, und befestigt, deß Leandri Alberti von Bologna Histori von beschreibung Italiæ, da er von Recanati schreibet.} Dann als die Juden den Machomenschen glauben einführ-

ten (Nun rahtet ihr zu, wann diß geschehen) da verschafft sie daß die Engel ihr Kämmerlein zu Nazareth auß dem grund hinweg namen, und durch den Lufft in Schlavonien {Schlavonien käm schier auff Schlauraffenland.} führten. Da sie aber merckte, daß man sie daselbst auch nit gnugsam verehrt, wie sie wol begerte, so ließ sie fluchs ihr Kämmerlein durch die Engel auff den Berg Recanati. in einen Busch, der einer guten Frawen, Loreta genant, zugehörig, führen. Darvon sie noch auff den heutigen tag, unser lieb Fraw von Loreto genandt wirdt. Wiewol sie daselbst nicht lang kont Haußhalten; dieweil uber dem grossen zulauff deß Volcks viel Raubens und Mordens fürgieng. Derhalben so verreißte sie widerumb, und ließ ihr Kämerlin auff ein andern Berg führen, der zweyen Brüdern zugehörte, welche umb deß grossen gwins willen, der ihnen darvon zustunde, miteinander zanckten, und wie die Hund und Katzen lebten. {Man zanckt sich umb unser Lieben Frawen Gut, wie auch denn umb S. Peters Erb.} Also daß sie auff ein newes verreysen wolt. Und ließ sich ansehen, als ob sie Bienenschwarmen art bekommen hett, daß sie nimmermehr an einem ort bleiben könte. In summa die Engel führten diß Kämmerlein wider von dannen, und brachten es in ein gemeine Straß, [200v] da es an jetziger stund noch stehet, ohn einiges Fundament, dieweil dasselb zu Nazareth geblieben. Und ist nun mit starcken Pollwercken, Thürnen und Mauren rundsumb bewaret, {Unser L. Fraw wirdt eingemaurt.} welche Mauren doch der Heyl. Kammer auß grosser Reverentz und Ehrerbietung, die sie zu ihr tragen, nicht dörffen genahen. Und daß diß also war sey, erscheint zum ersten darauß, daß unsere L. Fraw eim andächtigen Mann im traum erschinen ist, und ihme alle dise ding hat geoffenbaret. Und derselb hats den Burgern zu Recanati angezeigt, welche darauff von stundan sechzehnen erlesener Mann gen Jerusalem gesand, die warheit allda zu erfahren. Kürtzlich sie haben die Fundament der Kammer noch allda gefunden, also daß nun mehr kein zweiffel dran ist, die scherben zeigen an, daß der Hafen [i.S.v. Schüssel] gebrochen ist. Zum andern so hat ein guter Heil. Claußner oder Waldbruder (ungefähr umb zwey Uhren vor tags) gesehen, daß ein grosses Liecht, als ein Fewr vom Himmel hernider auff die Kirch sich gelassen. Und diß Liecht war sieben schuch lang und sechs schuch breit. Daß es unser L. Fraw unzweifenlich hat sein müssen, welche dann damals ihr Fest und Kirchmeßtag zu besuchen kam. Dann diß geschach auf

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ihren geburtstag den achten Septembris {Nämlich zur zeit deß strengen Finckenritters.52} zur zeit da die Häußer flogen, die Thier redten, die Bäch branten, und man mit Stro lescht, die Baueren bollen [i.S.v. bellen], die Hund mit Spiessen herauß loffen, und da krähet der Han: und da ich erwacht, da wards tag. Gott geb euch ein gute Nacht: Madonna di Loreto kompt morgen hernach. Zum letsten mag man diß mercklich erkennen, auß so viel schönen Täfarelen [i.S.v. bemalte Tafeln] und anderer köstlicher Zier und [201r] Geschäncke, die Keyser, Könige und Fürsten und allerley Leut in solche geflogenen Kirch zu ewiger gedächtnuß gehängt haben. Es ist fürwar kein schimpff, als wann Brüder mit langen Zöpffen im Thorhäußlein sitzen. Dann der Bapst zu Rom pflag alle Jar bey hundert tausend Ducaten darvon auffzuheben (wiewol jetz zumal diese Renten sehr abgeschlagen ist). {Hundert tausent ducaten hebt der Bapst auß eim Kämmerlein: ists nicht ein feiner Wirt?} Und daher kompts, daß ers fleißig laßt bewehren und so starck vermauren, und bestelt ihr allzeit einen Cardinal zu eim Schirmherren, auch uber vier oder fünff dotzend Thumbherren und Capitän, die ihren Lauretendienst andächtig pflegen, und sie für [i.S.v. vor] Dieben, Räubern, Spinnweppen, Mucken, Mot[t]en, Schaben und andern ihren Feinden bewahren. Welches also war ist, daß der, so schlechts nur daran zweifflen dörfft, für ein Ketzer geacht und angegeben würd. Wie solches erscheint auß dem Exempel Petri Pauli Vergerii53, der dieser ursachen halber einmal unter der Ketzermeister händ gerahten war. Darauß man klärlich und genugsam mercken kan, daß dise L. Frauw sehr ehrgeitzig ist und für die Königin der Himmeln angesehen und angeruffen zu sein, und den vortheil für allen heyligen des Paradises zu haben, sehnlich begeret. Dann sie ist vil einer andern art, dann dort die H. Jungfraw Maria, die Mutter Jesu Christi geweßt ist, welche sich ein arme Magd Gottes sein bekant, und wiese die jenigen, so etwas begeret, zu ihrem Son Jesu. Aber dise Lauretanische Märgen steht da mit Gold und Silber behängz, wie eine Königin, und will daß man ihre Kleider und Zierde, ihre Kirchen und Capellen, ihre verguldte Casseln [Caseln] und ander Geräht an statt deß ewigen lebendigen Gottes soll anbetten. Summa summarum, die H. Kirch hat sie zur Königin gemacht; und trotz der Prillen, die sie für anders ansicht. Demnach hat sie forter alle andere Heyligen gemu-[201v]stert, und eim jeglichen sein Ampt und befelch auffgelegt. Jeglicher hat sein Heiligentag, seine besondere Collecten, Hymnos und Prosen, jeglicher weiß uber was hanthierung, uber welche Kranckheit, uber welche Statt und Kirch er ein Patron, Nothelffer, Schirmherr, Baal und Abgott bestellet sey. Die Teutschen seind unter dem schutz Sanct Georgen. Die Burgunder hulden dem S. Andres für ein Patronen. Die Frantzosen S. Michel. 52 Der Finckenritter ist der Titel eines anonymen Nonsensromans, der erstmals 1560 in Straßburg im Druck erschien. 53 Pietro Paolo Vergerio (1498–1525) bekehrte sich als katholischer Priester zum Luthertum.

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Die Spanier S. Jacob. Die Polen S. Stanißle. Die Böhem S. Wentzel. Die Bayren S. Liedel. Und ferner so sind S. Peter und S. Paul an die Stat Romuli und Remi getretten, und beschirmen die Stat Rom mit Schlüssel und Schwert. S. Marci Löw ist der Statt Venetig Patron. Der reitende Georg ist uber Genua, S.  Ambrosius mit seim Stab und der Geissel in der Hand uber Meyland. Die Drey König uber Cöln gesetzt. S. Dionyß bewart von an die wegen reimens die Statt Pariß. S. Goele hält zu Brüssel die Schildwacht. S. Bano und S. Lievo haben die Statt Gent lieb. S. Reinhold hält sein Garnison in Mechel, S. Lamprecht zu Lüttich, und so fortan. Folgends haben S.  Huprecht und Eustachius die Jäger in ihre verwahrung bekommen, S. Martin und S. Urban die guten Zechrüder, Weinzapffen und Bierbrüllen. S. Crispinus und Crispinianus sind der Schumacher Schirmheiligen. S. Arnold ist der Müler Baal, S. Severin der Weber, S. Lucas der Maler. Und die Artzet, die sich sonsten hierüber zu beklagen gehabt hetten, daß man ihnen S. Lux mit dem Harnglaß enzuckt, haben dafür S. Cosmum und Damianum zum besten bekommen. Die Zimmerleut rühmen sich S. Eulogii. Die Schneider, so sonsten allweg gute Gesellen sein, halten sich an S. Gutman. {S. Gutman wird des jetzigen Bapsts Bon. Compagnon Gevatter sein gewesen.} Die Hafner haben einen Heyligen Gott erkohren, welcher ein schwartzen [202r] Teuffel mit fewrigen Augen und ein Hasen in der hand auff der Achsseln trägt. Die Huren und leichte Weiber seind mit einer Patronin nicht zufrieden geweßt, sonder haben erstlich S. Aphra (welche an Venus statt mag kommen sein, dann vorzeiten hieß dieselb auc Aphrodite) und darneben noch S. Magdalena, darmitekomme. Und also in andern ständen unnd Handwercken seinnd andere Heyligen bekümmert, auf daß sie nur ht müssig seyen. Wie man dann in den stattlichen Proceßionen und umbgängen in Braband und anderswo sehen mag, da jeglich handthierung, Pöffel und Zunfft ihren sondern Patron oder Baal auff ein fliegenden Fändlein [Fähnlein] sehr stattlich umbfüret. Uber diß muß auch S. Anthonius der Säw, S. Loy der Pferd und Küe, S. Hundprecht54 der Hund, daß sie nit rasend werden, S. Gall der Gänß, S. Wendling der Schaffhürten, und Gertrud der Gerten und Ruten über Ratten und Mäuse regieren. Ja daß noch mehr ist, jeglich Kranckheit hat ihren besondern Apotecker und Doctor. S.  Johann und Sanct Valentin heylen, von wegen Namens, den fallenden siechtagen. Wiewol S. Johann mit S. Benedict auch uber alle Vergifft geordnet ist. S. Anthonius kan das Fewr meistern, S. Rochus die Pestilentz. Wiewol sich S. Sebastian auch was drum verstehet. S. Romanus bringt die esessene und unsinnige wider herumb. Sanct Marcus behüt die Menschen für dem schnellen gähen tod. S. Cosman und S. Damian werden bürg für alle böse geschwären und geschwulst. {Cosman und Damian waren zwen Schulgesellen mit Lechus und Zechus.} S. Job für die Pockete Frantzo-

54 Verballhornung von ‚Sankt Humbrecht‘ (auch Hubertus, Hubert).

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sen, S. Apolonia oder Abfulonia fürs Zä[h]nabfaulen. S. Clara macht die rote Augen klar. S. Agatha [202v] weiß mit den schwärenden Brüsten umzugehn. {Daher gehn die alte Mütterlin noch gern mit Kälberartzney umb.} Sanct Margret ist zuvor ein Hebamm in Kindsarbeit, drumb heißt sie Mirgeräth. Jedoch sie stäts ein Jungfraw geblieben, und derhalben deß handels nicht zum besten erfaren sein möcht, so hat man ihr als Notbürgen S. Norburg zu einer trewen mithülffin zugefügt. S.  Petronell kan alle Feber feberschnellisch vertreiben. S.  Vincentius und S. Vindo können alle verlorne ding wiederfinden. S. Servatius macht daß alle ding serviert oder bewart werden. S. Veltin ist der Däntzer und der Springer Vordäntzer und Voltirer. Darnach hat ein jeglicher Heyl.[iger] noch seine besondere Gliedmaß in der Menschen Leib zu regieren, wie vorzeiten die 12. zeichen der Sonne. S. Ottilia her[r]scht uber die Haupt, an statt deß ersten zeichens deß Wid[d]ers. Wiewol sie von wegen vieler geschäfft der S. Catharina die Zung, und S. Apolonia die Zä[h]n befohlen hat. S. Blasius ist uber den Halß geordnet wie der Stier. S. Laurentz bewart den Rucken sampt den Schultern, an statt der zeichen Zwilling, Krebs und Löwen. S. Erasmus hat das gantz gehäpel [i.S.v. Innereien] im Bauch innen, an statt der Wag und deß Scorpions. Wiewol S. Apollinaris deß Scorpions regiment auch hat eingenommen, und Prӕsident uber die Schame ist. Und weiter an statt des Schützen, Steinbocks, Wassermans und Fische hat die Heyl. Röm. Kirch S.  Burckhart, S.  Rochus, S.  Quirin, S. Johann und andere mehr erkoren, welche die Tiech [i.S.v. Rücken], Knie, Schienbein und Füsse zu regieren haben. Ja der Mentzer hat auch im Nasenspiegel von S.  Dominici leben die legendisch Theomachiam, das ist der Heilgen Götterkrieg und Ӕmpterzanck in den Legenten mercklich angerürt. {Der lugentisch Heiligen Krieg und Aempterstreit im Nasenspiegel beschrieben55.} Wie nemlich die Catholische Lugentenschmid offt ein Ӕmpt-[203r]lin und eine kunst ihrer zwen oder drey Heiligen zugeschrieben haben, und also eine verwirrung und unordnung unter sie gebracht. {Vermischen deß Neptuni Wasserampt mit deß Vulcani Fewrampt.} Damit nur die andächtige Catholische hertzlein in fürfallender noth nit verkürtzt würden. Sonder wann der Heilig vielleicht nit daheim wer, oder mit dem Baal viellleicht wer schlaffen oder spatzieren gangen, sie flugs einen andern, der eben deß vorigen Kunst kan, könten zur Hand haben und zum Beystand beruffen. In summa ein jeglicher Heilig hat das sein. Ja beynah ein jeder lieber Catholischer hat den seinen, welchen er im Traum ihm [i.S.v. sich] erwehlt, und sein Bildnuß und Gemähl bey dem Tisch oder Bett stehn oder kleben hat. Und wer der aller andächtigst ist, dise Heiligen mit brennenden Wachßkertzen, mit RosenKräntzen, mit schönen Röcken und guten feißten Opffern zu verehren, der ist unser lieben

55 In Vorlage „beschreiben“.

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Mutter der H. Kirchen der allerliebst, der muß auff den Fronleichnamstag mit dem Liecht vor dem Sacrament gehn. Es ist fürwar ein groß außruffen umb ein klein gelt, daß die armen Leut (was not oder kranckheiit sie anstößt) zur stund wissen, wo sie ein guten Apotecker, Quacksaler oder Triackelkrämer finden sollen, die ihnen auß nöhten helffe, daß sie nicht weit ins Bad dörffen ziehen. Dann anlangend, daß die Ketzer uns56 hierüber verweisen, wir sei[e]n den Gottlosen, Heiden und Götzendienern hierin gleich: Diß kan nit bestehn, weil die jenige, so wir anruffen (wie offt gesagt) keine Abgötter sein, wie Jupiter, Mars, Mercurius, Vulcanus, Juno und Diana, und andere dergleichen; sonder sie sind liebe Heyligen und Gottsfreunde. Und darumb sollen wir ihnen zum wenigsten so vil Ehr beweisen, als die Heiden ihren Abgöttern bewisen. Wir sollen sie in unsern nöten anruffen, und auff sie unser vertrawen setzen, ihre Reguln als ein Gebot Gottes unterhal-[203v]ten, Stätt und Land in ihren schutz und schirm befehlen, Tempel und Altar in ihrem Namen auffbawen, Klöster und Abteyen umb ihrem willen stifften, Priester, Mönch und Thumbherren, Nonnen und Beginen zu ihrer Ehre weyhen und consecrieren. Und gleich wie die Heyden, hatten jhre Flamines, das ist, Priester, deß Abgotts Iovis deß Martis, der Cereris, deß Bacchi, der Dianæ: und auch jhre Nonnen zu Ehren der Vestæ. der Floræ. der Bonæ Deæ. der Cibeles oder der Magnæ Matris, und anderer dergleichen: Also muß nun auch die H.  Rö. Kirch jhre Canonicos von S. Peter, von S. Stephan, von S. Lorentz, von S. Thoma, von S. Lamprecht, von S. Chilian: Vnd Nonnen von S. Clara, von S. Brigitta, von S. Margareta, von Nicolaus in Undis, von S. Salvia, etc. haben. Item gleich wie sie jhre sacrificia oder opfferung zu Ehren dem Apollo, der Diana, der Ceres imd Proserpina zu halten pflegen: Also muß sie jhre Messen, Officia und Aempter halten zu ehren S. Anthonij, S. Hubrecht, S. Sebastian, S. Rochi, S. Barbaren, S. Luden und aller Heyligen. In summa die Heiden thaten jhren Abgöttern kein ehre noch vortheil, die Heil. Kirch thut jhren lieben Heyligen zehenmal mehr: Dann sie schreibt jhnen viel dings zu, welchs die Heyden jhren Abgöttern nit hetten dörffen zuschreiben. Dann wie Homerus erzählt, wann Iuno, Pallas oder Apolllo oder jemands anders auß diser Göttergesellschaft, einen jhrer Freund wollten zu hülff kommen, so mủßten die vom Himmel hernider fahren, und konten das Gebett der Menschen von fernen nicht hören, weil sie jhre gedancken nit wußten, ob sie schon Mitler und Fürsprecher der Menschen bey dem grossen Gott Jupiter wa-[204r]ren. Ja Iuno selbst, die Iovis Schwester und Haußfraw war, die kont nit wissen, was jhme Thetis hette vorgehalten. Aber unsere Heiligen bleiben im Himmel sitzen, und hiezwischen können

56 Hier spricht wieder der Verteidiger der Papstkirche.

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sie den Menschen gleichwol fein helffen durch ihre Bilder hie auff Erden: welche können lachen und schreyen, öl schwitzen und weinen, und allerley wunder thun, erhören auch daroben alle gebett der Menschen, so wol als Gott selbst. Dann ob schon die schrifft bezeugt, daß niemand die gedancken und hertzen der Menschen sehen noch wissen mag, dann Gott allein: Jedoch hat unser liebe Mutter die H. Kirch ein feinen rath darzu gefunden, mit dem artigen gedicht vom Spiegel der Dreifaltigkeit: fürgebend, daß die H. Dreifaltigkeit ein Spiegel sey, darin die Heiligen alles was auff Erden geschicht, sehen können: Ja können auch das verborgen im Hertzen, und die heimlichkeit der Nieren durchgründen. {Dieser Dreifaltigkeit spiegel ist uber der Zauberer Salomonis spiegel.}

Diß ist wol war, daß wir usere Heiligen mit dem Namen Gottes nit benennen, wie die Heyden ihre Canonisierte Heiligen pflegen zu nennen. Aber was ist am Namen gelegen, wann man die sache nur wol verstehet?Wiewol wir sie doch auch Divos heissen: Welches eben so viel istals Götter, oder vergötte[r]te Menschen: Gleich wie die Heyden ihre newlich Canonisierte Helden pflegten zu nennen, als den Herculem, den Dionysium, Augustum, Vespasianum etc. Und darzu geben wir ihnen diesen Namen Sanct oder Heylig eben in dem verstand und sinn, als da Gott sich nennet, der Heilig in Israel, das ist, der Beschirmer und Vorsteher Israels, der Israel Heilig macht: Also daß unsere Heiligen zum allerwenigsten so höchlich von uns geehrt werden, als vorzeiten jemals einiger Abgott der Heyden ist verehrt worden, und als Gott selbst von uns kann verehrt werden. Und wa-[205r]rumb nit? So man doch vor Augen sicht, daß die zu Cölln vor 4 Jaren gewißlich jhr drey Kronen im Wappen verlohren hetten, wann die H. drey König so wol nicht gehüt hetten, daß man ihnen nichts, dann ihren geopfferten Schatz, sampt drey verguldten par Schuhen, hat können stelen: Dann es gilt nicht den Kopff, sondernur den Arß, sagt das fromb Kind.

Das Fünffte Capitel. Von dreyerley Griechischem Anruffen der Heiligen: das ist, von Außlegung und Bedeutung der wörtlin Latria, Dulia, und Hyperdulia: wie sie Gott, seiner Marter, und eim jeden Heiligen zuertheilt werden. DAnn so viel den Einwurff der Ketzer, den sie hie thun, belangt: als daß Gott befohlen habe, man soll ihne allein in der Noth anruffen, und Er achte solchs mehr dann alle Opffer und Brandopffer, die man thun kan: Ja daß Er der allein ist, so uns helffen kann. Und daß Abraham uns nicht kennt, noch Israel etwas von uns wisse, sonder daß Gott allein uns durch sein Krafft helffen könne: Das hat nit viel zu

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bedeuten. Dann diesen knopff kann unser Mutter die H. Kirch so hurtig aufflösen, dz ein wunder ist, mit der Distinction, die M. Gentian hie zu marckt bringt: Welche von allen Catholischen Schrifftgelehrten, und in sonderheit von dem Ehrwürdigen Herrn Sonnio57 hierinn für das best Plochhauß geachtet wirdt: Nemlich das Mischmeß und gehackt Stro zwischen Latria, Dulia und Hyperdulia. Dann die H. Kirch hat hiemit zwischen Gott und den Heiligen ein theilung gemacht, wie Noa unter seinen 3. Söhnen, [205r]und Durandus zwischen den 3. Kronen an deß Bapsts Bienenkorb, da ein jeder mit seim theil zufriden sein muß. Als nämlich also: Daß Gott allein mit seinen Bildern58, sampt dem H. Creutz soll mit Latria: Die Heiligen mit ihren Bildern mit Dulia: und unser L. Fraw, mit allen den Bildern, die sie angeben, sambt allen Heiliigthumb deß waren Creutzes mit Hyperdulia verehrt werden. Es ist wol war, Daß Gott den geringsten theil hat: Dann so man es nach natür­ licher eigentlicher bedeutung der wörtlin außlegen will, so ist Latria anders nichts, dann ein verdingt Lohndienst: Dann Lytron ist ein Griechisch wörtlin und heißt ein Lohn oder Besoldung den man gedingten Botten und Dienstknechten zahlt, und hiervon nennen sie ein gedingten Knecht Lares, und ein Dienstmagt Latris. Und also wird unserm Gott von der H. Rö. Kirchen allein umb lohn gedient, gleich wie eim Meister von seim gedingten Knecht. Dargegen Dulia, welche den Heiligen im Loß zugefallen, ist so viel, als ein Leibeigener Schlavendienst. Dann Dulos ist auff Griechisch ein Schlave oder Leibeigener: Aber unser L. Fraw betreffend, hat sie den besten theil gekriegt: Dann Hyperdulia ist soviel gesagt, als Uberschlävischer oder Uberknechtischer dienst, und mehr dann Leibeigenschafft. Also daß die guten Cathol schlechts unsers Herrgotts gedingteund der Heiligen Leibeigene, und unser L. Frawen, noch uber diese alle zum höchsten verleibeigenet, verpflicht und verbunden sein. Dem aber sey wie jm wöll, Quod scripsi, scripsi, sagt Pilatus, die H. Kirch will ihre theilung nicht widerruffen, das loß ist geworffen, das geschriben bleibt geschriben, und leckt kein Kuh von der Bühnen. Jedoch auff das unser Herrgott damit nicht ubel zufrieden sey, so hat sie verordnet, daß ihm die Heiligen von [207v] ihrer Dulia etwas mittheilen sollen, und mit einstehen laßen, doch dz er ihm allzeit die Latriam allein behalte: also dz forhin Latria anders nichts bedeuten soll, als der dienst, der Gott allein eigentlich zugehört. Derhalben so hat Gentian und alle Catholische Scribenten groß recht, so sie bewärn, daß die H. Kirch die Heil.[igen] nit wie Gott mit Latria, sonder allein als Heiligen mit Dulia und Hyperdulia verehret. Dann diß besteht fest in klaren Texten der schrifft, da Christus zu dem Satan sagt: Den Herren deinen Gott soltu anbet-

57 Gemeint ist vermutlich Franciscus Sonnius (1507–1576), der erste römisch-katholische Bischof von Antwerpen. 58 In Vorlage „Brüdern“.

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ten, und ihme allein dienen: Dann in diesen letsten worten braucht er dz wörtlin λατρινειν, welches mit Latria uberein kompt, und sagt daß man solchs Gott allein soll zueignen: Aber der vorgehenden wörter gedenckt er nicht einest,, daß man Gott allein müsse anbetten mit προϭκυνησει, das ist, mit dem Fußfall und niderknien. Derhalben so will die Heil. Kirch den Heiligen den Fußfall zugleich auch mit zugeschrieben haben. Wie solches auß dem andern Nicænischen Concilio und allen Catholischen Schrifften klärlich erscheint. Und ob schon Christus diese wort auß gezeugnuß Mosis anzeucht, welcher das erste sowol alß das letste, Gott allein zuschreibt: Jedoch hat die H.  Römisch Kirch mit Mose in diesem theil nichts zu schaffen: Dieweil Moses sollchs für die Juden, so zur Abgötterei gar geneigt waren, geschrieben hat, und nit für die Römische Kirchen, welche kein Abgötter, sondern allein der Heiligen verehrung kennt und annimmet. Item da find sich noch ein klarer Text im Paulo, welcher zun Galatern sagt, daß da sie Gott nit kanten, da dienten sie denen, die kein Götter waren: Allda er das wörtlin Duleuin gebraucht, welches von Dulia kompt. Darauß ja klärlich erscheinet, daß auch die Heyden diese Catholisch distinction wol gewußt haben, und haben derhalben ihr Heiligen, als Apollini, Bacho, Herculi, [206r] Castori und Polluci, und andern dergleichen mehr, nicht mit Latria, sonder allein nur Dulia gedient, eben wie jetzt die H. Röm. Kirch ihren Heiligen thut. Ferner belangend alle unsere Prophetenn, die so offtmahls ruffen, daß man sich zu Gott allein in der noht keren muß, und daß er darum geehrt will sein, wann wir ihn anruffen: Ja sagen auch, daß alle Patronen, Schutzheiligen, Beschirmer und Baalim59, die man dahin erdencken kann, ihnen unser noht zu erkennen geben, seien eitele Abgötter: Diß hat alles nicht zu bedeutwn. Dann sie wußten zu den zeiten noch gar nichts von dieser unser distinction und unterscheid zu sagen: Darumb haben sie so gut rund, ohn viel umbwickelns, das Kind getauffet, und allen Götzendienern, Patronbittern, HeiligenAnruffern und aller verstorbenen Menschen zugethane Schlaven und Leibeigenen, ohne unterscheid uber einen Kamb [Kamm] geschoren. Wenn aber die Juden und andere Götzendiener so witzig geweßt, daß sie diese köstliche Distinction, den Propheten für ein Schildt oder Tartschen fürgeworffen hetten, sie sollten ihnen das Maul wol so leichtlich gestopfft haben, als man jetzt diesen newen Evangelischen Predicanten thut, die stäts die Naß in die Bibel stecken: Da die frommen Benedictiner mit der Nasen gern auff den Nonnen liegen. Dann ihr Regul vermag, daß sie die Schrifft nit studiren sollen. Daher sagt man, wan zwen BenedictinerMönche zusamen kommen, so geht ein finsternuß, als käm ein Köler und Kemmerfeger [Kaminfeger] zusamen. finis

59 Baalsanhänger (?).

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 N° 81 Johann Fischart / Philips van Marnix

Editorische Notiz Bearbeitungsvorlage: Bienenkorb || Deß Heil. Röm.|| Immenschwarms  / seiner Hum-||melszellen (oder Himmelszellen) Hur-||naußnäster  / Brämengeschwürm vnd || Wespengeröß:|| Sampt läuterung der H. Röm. Kirchen || Honigwaben: Einweyhung und Beräuchung || oder Fegfewrung der Immenstöck: und Erlesung der || Bullenblumen / der Decretenkräuter / deß Heydnischen || Klosterhysops / der Suiter Säwdisteln / der Saurboni||schen Säwbonen deß Magisnostrischen Liripipesenscheis / und deß Immen-|| plats der Platunnen / auch deß Meßthawes und H. Saffts von Wun-||derbäwmen / etc. Alles nach dem rechten Himmelsthaw|| oder Manna justiert / und mit Men-||tzerkletten durchziert: || Durch Jesuwald Pickhart / deß Canonischen Rechtens Canonisierten oder Gewürdigten / etc. [Holzschnitt-Titelvignette zeigt von allerlei Insekten umschwärmten tiaraförmigen Bienenkorb, auf dem der Papst thront.] [Colophon:] Getruckt zu Christlingen [i.  e. Straßburg] bey Vrsino Gottgwinn [i.  e. Jobin]. 1580. VD 16 M 1048 (= digitalis. Exemplar der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe, Sign. 42A 1596 R) Abgeglichen mit a) der Erstausgabe: Binenkorb||Des Heyl. Römischen Imen-||schwarms / seiner Hummelszellen (oder|| Himmelszellen) Hurrnaußnäster / Brämen-||geschwürm vnd Wäspengeröß.|| Sampt Läuterung der H. Römischen Kirchen|| Honigwaben: Einweihung vnd Beräuchung oder Feg-||fewrung der Imenstöck: vnd Erlesung der Bullenblumen  / deß Heydnischen|| Klosterhysops / der Suiter Säudisteln / des Magisnostrischen Liripipefen||cheis / vnd des Imenplatts der Plattimen: auch deß Meßthaues vnd H.|| saffts von Wunderbäumen / etc. Alles nach dem rechten Himels-||tau oder Manna justirt / vnd mit Mentzerkletten durchzirt.|| [Ein rubrifizierter Titelholzschnitt zeigt den mitraförmigen Bienenkorb.]

Vnlängst hat klagt mein Frater Naß Inn offnem truck, wie ichs selbs laß. Es sei eyn Römischer Binkorb truckt (Deß honig er sonst vil het gschluckt) Aber der sei jm nit bekantlich Weil das Teutsch ist so vnverständlich/ Das er nicht wiß/ ob es Teutsch sei/ Oder eyn Kuderwelscher prei. Nun ists nit on/ er ist ausgangen Auf Nider Teutsch/ vnd wol abgangen: Welchs Teutsch die Nas nit schmacken mag. Deßhalb/ damit er führ keyn klag/ Will ichs jm zu lieb teutschen thun Auff gut/ prait/ Fränckisch hoch Teutsch nun Dan ich jn so vil lieber haß/ Wen er nit ist gescheider baß. Wolauf/ die Hummeln prummen schon / Eyn jeder seiner Nasen schon

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Wer mit den Wäspen vmm will gohn. Zu Christlingen/ Anno 1579. Exemplar der BSB München, Sign.: Res/Polem. 991 d, VD 16 M 1046 [digit.]. Nota: Eine als Bd. VIII vorgesehene Neuedition der Erstausgabe des ‚Binenkorbs‘ (Editor Wolfgang Neuber) in der von Ulrich Seelbach herausgegebenen Fischart-Gesamtausgabe wird laut Auskunft des Verlages Fromman-Holzboog (Juli 2022) nicht vor 2025 erscheinen,

b) dem Text von Philips van Marnix: De Biȅnkorf||Der H. ROOM-||sche Kercke||Welck is een clare ende grondelicke wtleg||ginge des Sendbriefs M. Gentiani || Heruet / nu corts wtgegaen int Fran-||soys ende int Duytsch: Ghescreuen aen||de afgedwaelde van het Christen ghe-||looue, Emden 1569. 379 Bl., 8°. – VD 16 ZV 17689 [Vgl. Philips van Marnix: Œuvres. 8 Bde., ed. Edgar Quinet, Paris 1857–1860.] c) dem Text von Gentian Hervet: Deux Epistres aux Ministres, Predicans et supports de la congregation et nouvelle eglise, de ceux qui s’appellent fideles, et croyans à la parole. – Paris 1561. LIT ADB, NDB, Jaumann, Wikipedia, → N° 52. Duits (2001); Flögel Bd. 3 (1786), S. 568–575; Lingnau (2011); Oosterhof (1971); Seelbach (2011).

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 N° 81 Johann Fischart / Philips van Marnix

N° 82 Jeremias Viëtor Bedenken von den unzeitigen Neuerungen [1584] Auszüge

Jeremias Viëtor (1556–1609), Sohn des Schulrectors und Pfarrers Justus Viëtor (dt. Büttner), stammt aus Alsfeld. Er studierte ab 1569 am Marburger Pædagogium und dann an der Universität Marburg Theologie. Als Schüler des orthodox lutherischen Marburger Professors Aegidius Hunnius (1550–1605) erwarb er 1574 den Magisterund 1579 den Doktorgrad. Seit 1580 war er in Gießen als lutherischer Pfarrer und ab 1601 als Superintendent für das darmstädtische Oberhessen tätig. Seine „Bedencken“ richten sich als aktuelle Kampfschrift gegen die sich anbahnenden Neuerungen der Reformierten, die in Marburg schon früh der lutherische Orthodoxie opponierten – was schließlich 1605 zu der, von Landgraf Moritz dem Gelehrten selbst betriebenen, konfessionellen Umorientierung der Universität hin zum Calvinismus heidelbergischer Prägung sowie 1607 zur Gründung einer lutherisch ausgerichteten, von Viëtor gestützten Universität in Gießen führte, die von Hessen-Darmstadt unterhalten wurde. Viëtor kritisiert die vor allem auf das Abendmal bezogenen Zeremoniellneuerungen, und tadelt in diesem Zusammenhang in den zwei letzten Kapiteln die rigide Bilderfeindschaft sowie die Ablehnung eines gestischen Zeremoniells, welche sich namentlich in der Ablehnung des Kniebeugens äußert. Wenngleich auch er als Lutheraner die „Bepstische Abgötterey“ strikt ablehnt, hält er doch die zwinglianische Bilderfeindschaft, die da alle „Kirchen inwendig weiss anstreichen“ möchte, für unsinnig. Die per se adiaphorischen Bilder würden auf diese Weise zu „res necessaria“ umgedeutet. Es komme darauf an, alte verehrte Bilder, die noch in Kirchen verblieben seien, durch Predigen „aus den Hertzen [zu] stürmen“ und nicht gewaltsam zu zerstören. Viëtor greift mithin Luthers Formel aus dessen Schrift ‚Wider die Himmlischen Propheten‘ (→ N° 15) auf und modifiziert sie paulinisch unter Hinweis auf die Epistel an die Philipper. Heikel wird Viëtors Argumentation, wo er Bilder als Gedächtnismedien preist, die, weil sie im herrscherlich-höfischen Bereich ihre Effektivität erwiesen, auch für sakrale Zwecke zu nutzen seien. Gleiches will er für zeremonielle Verehrungsgesten – Kniebeugen, Kopfneigen, Kopfbedeckung Abziehen – anerkannt wissen. http://doi.org.de/10.1515/9783110780031-023

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 N° 82 Jeremias Viëtor

(Es sei darauf verwiesen, dass Viëtor gut zwanzig Jahre nach diesem Kampftraktat seine Argumente abermals publizierte und damit heftige Kritik von calvinistischer Seite erntete, wie die Menge der polemischen Schriften bezeugt.1)

1 Siehe dazu in zvdd unter „Vietor, Jeremias“.

Bedenken von den unzeitigen Neuerungen N° 82 

[Sc. 30]

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Bedencken Jeremie Vietoris, von dem Zwinglischen Brodbrechen im Abendmal, und andern dergleichen Stücken.

NAch dem der Hocherleuchte Apostel S. Paulus, mit grossem Ernst, in seiner Ersten Epistel am Vierzehenden Capitel, die Christen vermanet, Das sie ja alles Ehrlich und Ordentlich, in der Gemeine Gottes, sollen lassen zugehen. So muss man mit allem Vleiss darauf achtung geben, das ja nicht einige Mutation, oder Verenderung in den Ceremonien, welche dem waren und Christliche Gottesdienst nicht zu entgegen sind, und ohne Sünde oder verletzung des Gewissens können behalten werden, vorgenomen und introducieret werden, Dadurch nachmals (welches man aber vorhin wol hette verhüten können) die einfeltigen Christen ohne Ursach geergert, und zu allerley Ungleichheit, Unordnunge und Zerrüttunge, ahnlass gegeben wird. ALso, Nach dem durch die Gnade des getrewen Vaters im Himel, in den Kirchen der löblichen Aug-[27]spurgischen Confession, der schreckliche Grewel der Bepstischen Mess, mit allerley Missbreuchen, Als da sind der Brauch des Abendmals unter einerley Gestalt, Die Anbetung des Sacraments, Das Umbtragen desselbigen, Das Gedicht von der Wesentlichen Verenderung des Brodts und Weins in den Leib und Blut Jesu Christi, Und denn auch die Aberglaubischen Ceremonien, so auss dem Alten Testament in die Mess eyngefurt, abgeschafft, und nunmehr (Gott lob) die Christen von dem Wesen des Sacraments des heiligen Abendmals, von dem warhafftigen und Christlichen Gebrauch desselbigen, gnugsam, wol, und gründlichen berichtet. So kan man freylich die ubrigen Ceremonien, so nicht Abergleubisch ohn Sünde und verletzung des Gewissens wol behalten. [… 29 …] WAs nun von disem unzeitigen, und ohn Notwendigen [unnotwendigen] Reformieren, und sehr ergerlichen Enderung der gewonlichen Ceremonien, unsere Benachbarten Zwinglischen Newlinge und Predicanten zu halten sey, dadurch (es rebus per se mediis & indifferentibus) blosse Mitteldingen ein Notwendig Stück wider die Christliche Freyheit gemacht, viel guthertziger Christen geergert, allerley Zerrüttung ohne Ursach angerichtet, Andere reformierte und wolberstelte Kirchen bey den unverstendigen in Verdacht gezogen werden, als handelten sie wider die Einsatzunge, und heuchelten der Papistischen Messe, Will ich als ein Diener des Evangelii (an welchen der Apostel nicht allein erfordert, das sie sollen krefftig sein im Wort, sondern auch mechtig den Widersachern das Maul zu stopffen) der lieben Warheit zu stewer, und zur Ehre jederman, begrifflichen, durch die Gnade Gottes anzeigen, Darneben auch auff jre vermeynte Gründe antworten, und den Christlichen Leser darüber das Urtheil befohlen haben.

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 N° 82 Jeremias Viëtor

[Es folgen sechs Kapitel mit den Überschriften: I.  Vom Zwinglischen Brodbrechen [Sc.30  ff.] II. Von der Gestalt oder Form des Brods. [40  ff.] III. Von dem Brodbrechen. [47  ff.] IIII. Von Abschaffung der Altar, Tauffstein und Kelche. [60  ff.] V. Von Abschaffung der Bilder und Gemehlte. [75  ff.] VI. Von Abschaffung der Ordentlichen Sonteglichen Evangelien und Episteln, Und dem Verbott des Kniehebeugens. [80  ff.] Wir bieten im Folgenden Kapitel V. und Auszüge aus Kapitel VI.] [Sc. 75]

V. Von Abschaffung der Bilder und Gemehlte.

UNTer andern Stücken haben diese Leute und Reformatores jnen [i.S.v. sich] auch vorgenomen, die Bilder und Gemehlte an den Wenthen [Wänden] zu reformieren, Ja an etlichen Orten gerhaten jres Glaubens genossen auch dahin, das sie die Fenster in den Kirchen ausschmeissen, in welchen etwa Roth oder Gelb Glass, und Bilder gestanden. Wer wollte nicht gleuben, das ein grosser Eyffer bey jnen were, und das sie es von jrem Vater Carlstat, oder dem Geist zu Alstet2, gelernt hetten. Davon were nun auch viel zu sagen, Weil aber sehr deutlich hievon handelt D. Luther seliger, in seinem Buch wider die Himlischen Propheten3, will ich alhie desto kürtzer sein. UND Erstlichen, so billichen wir gantz und gar nicht die Bepstische Abgötterey, so sie mit den GötzenBildern getrieben haben. Es ist auch keiner in unseren Kirchen, welcher die Bilder, so entweder zur verehrunge oder anruffung angestelt worden, vertheidigte, Sondern straffen in allen Predigten die Abgötterey, auff wasserley weise dieselbige nur kann begangen werden, [76] wissen gar wol, was die Schrifft des wegen uns berichtet. Wir wöllen auch mit denen nicht streitten, die im anfang des Euangelij, da man angefangen wider das Bapsthumb zu fechten, die Bilder weiter Ergernus und Abgötterey zu verhüten, auss dem Wege ordentlich gethan haben. DAs aber nunmehr unrhuige Predicanten, nach dem die Leute wol wider den Bilderdienst unterrichtet sind, Auch wol wissen, das sie nichts helffen können, keiner auch Hülffe bey jnen sucht: Desgleichen aller Missbrauch von jnen, als an jnen [i.S.v. sich] selbst Mitteldingen abgeschafft, Daher kommen, ein gross Reformation anfangen, und dadurch so viel zu verstehen geben, als wenn solche Bilder oder Gemehlts, nicht für sich selbst Res indifferentes weren, Man müsse sie abschaffen, Man müsse die Kirchen inwendig weiss anstreichen, Gleich als wenn die Apostel solches auch an allen Enden gethan hetten, da sie die Kirchen reformierten. Und kürtzlich davon zu sagen, Auss den Adiaphoris res necessarias machen. Solches

2 Anspielung auf Thomas Müntzer. 3 Vgl. N°15.

Bedenken von den unzeitigen Neuerungen N° 82 

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alles sage ich, sehen wir nicht, wie es mit frucht der Zuhörer und der Christlichen Freyheyt bestehen möge, Sondern vermöge der Schrifft newes Testaments, So were das der neheste Weg, wo etwa noch Bilder hin und wider in den Evangelischen wolbestelten Kirchen weren, welche entweder viel oder wenig zur Abgötterey brauchten, das denn getrewe Lerer, jren Zuhöreren dieselbige vollends mit allem Ernst und grunde auss den Hertzen predigten und stürmten. Da were denn kein zweyffel, das sie selbst bald fallen würden. SOlches erkante der Heydnische Goldschmid Demetrius zu Epheso4 viel besser, als diese Reformatores. Denn [76] ob wol Paulus in Asia und zu Epheso die Bilder und Götzen nicht stürmte mit der Faust, Sondern nur auss Gottes Wort darwider predigte, Jedoch merckte von stunden an gemelter Goldschmid, das sie darüber fallen und in verachtung komen würden. Berufft derhalben seine Zunfft zu berhatschlagen, wie sie Pauli Vornemen [i.S.v. Vorhaben] möchten verhindern. WEre es nun nicht auch jetzt im newen Testament genug, das man auff Pauli weise stürmte und reformierte, Oder wöllen wir es besser machen? Man lese das gantze Buch der ApostelGeschichte, da werden wir zwar finden, das durch die Aposteln das Reich Christi in der Welt gewaltig ist angericht[et] worden, Aber nimermehr werden wir hören, das sie in den Kirchen, welche sie haben wöllen von der Heydenschafft reformieren, und Christlich constituieren, die Bilder oder Götzen und Tempel mit der Faust gestürmet, Nicht zwar als wenn sie den Bilderdienst billichten, Oder nicht so küne weren gewesen sie zu stürmen, da es von nöten, Sondern weil sie wusten, das sie selbst würden fallen, von wegen der reinen Evangelischen Lere, in welchen sie jre Zuhörer vermanten, sie sollten sich für den Abgöttern hüten, den Götzendienst fliehen, alle Hülffe bey Jesu Christo suchen, Und denn auch, weil sie nicht sollten Fleischlicher weise streitten, sondern mit Geistlichen Waffen des Worts, welche da mechtig waren zu verstören alles, das sich erhube wider das Erkantnus Gottes, Wie geschrieben stehet, 2. Cor. 10. HAben nun diesen Process gehalten die lieben Apostel in constituendis & plantandis Ecclesiis, in den angehenden Kirchen, welche sie noch erstlich pflantzten, [77] Wie viel mehr sollen wir denn heutigs Tags den nachfolgen, in den Ecclesiis bene constitutis, in den Kirchen, so schon mit dem reinen Wort Gottes versehen sind, dasselbige so lange gehabt haben, darin wider alle Abgötterey mit dem Gebete und Wort streitten, und sonsten weiter still sein, wie 1. Thess. 4. geschrieben steht. ES ist aber gut zu gedencken, es werde alles mit diesen Predigern in leren kalt abgehen, Darumb so wöllen sie die Zuhörer die Warheyt mit Hand stürmen leren.

4 Demetrius, der Mitte des 1. Jahrhunderts als Feinschmied in Ephesus tätig war, ist bekannt durch seine Gegnerschaft zu dem Apolstel Paulus, welcher ihm durch seine Predigten wider den ArtemisKult das Souvenirgeschäft verdarb. Vgl. Apg 19, 23–40.

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 N° 82 Jeremias Viëtor

Im Fall aber solche ernstliche Predigten, wider allerley Abgötterey bey viel[en] nichts würden verfahen [verfangen], sondern unterm Hauffen etliche sein, die da viel auff die Bilder hielten, Da sol als denn ein fromer Lerer nicht mit Unvernunfft auss Kirchen Schewer [Scheunen] machen, oder darzu der lieben fromen Obrigkeit rhaten, sondern bescheydentlich dieselbige jres Ampts erinneren, Sagen die oder jene Bilder, so zwar an jnen [i.S.v. sich] mit jrem Gebrauche unter die mittelding gezelet werden, wöllen zur Abgötterey gebraucht werden, Von wegen welches zufelligen Missbrauchs, sie nicht mehr als blosse Mittelding zu dulden, Derhalben so sey von nöten, das sie (die Obrigkeit) in Betrachtunge des Exempels Ezechiae, welcher die Ehrne Schlange abthete, als sie zur Abgötterey gebraucht war, Solche Abgöttische Offendicula und Ergernuss auss dem wege thue. DAs ist der rechte Wege Bilder zu stürmen, Da sie doch sonsten ausser diesem Fall, ohn allen unterscheid, als Res per se mediae & ornamenta Templorum, nicht mit Unvernunfft, In Ecclesiis bene constitutis, sollen aussgemustert, Sondern unter den frey gelassenen Dingen behalten werden. [78] HAben wir doch den Brauche, das wir entweder auffs Papir schreiben, mahlen, das wir gerne bey Gedechtnus wöllen behalten haben, Was ligt denn dran, das wir die Gemehlte oder Bildnuss, welche uns vieler Christlicher Dinge erinneren, und lange zeit Laicorum Biblia behalten. Wir pflegen die Tryumph und Victorien Weltlicher Helden abzumahlen, zu schnitzen und für die Augen zu stellen, die Jugend guter Tugend zu erinneren. Wer wollte denn unbillichen [i.S.v. missbilligen] fürzumahlen und zu schnitzen unsern Siegsfürsten Christum Jesum Apostolos Antesignanos, Martyres, strenuos Christi milites. Und nimpt mich wunder, Weil diese Leute den Bildern, wie sie auch ausser dem Missbrauche betracht werden, so feind sind. Warumb sie denn jre eygenen Bücher offt mit Gemehlten illuminieren, Warumb sie zu Genff das Bildnus der Sonnen lassen auff die Kronen schlagen, Warumb sie die Thaler so lieb haben, Ob sie auch Lübeckische oder andere Schwedische Thaler nehmen, auff welche der Salvator mit zweyen auffgereckten Fingern geschlagen, und sein Tryumph Fehnlein in Henden helt. Wollte Gott, sie beteten nicht etwan dieselbigen an, und fielen in die ergste Abgötterey, Davon geschrieben steht, 1. Timot. 6. DOch so wölllen wir auch der jenigen Meynunge nicht gebillichet haben, welche die Zuhörer bloss und einig zun Bildern und Gemehlten weisen, das sie sich darin Christlicher Tugend sollten erholen, sondern streitten pro libero usu Adiaphororum, Aber hievon ist D. Lutherus sehr gut, in gemeltem Buch wider die Himmlischen Propheten, Darumb wöllen wir es hiebey bewinden lassen. [Folgt (Sc. 80  ff.) Cap. ‚VI. Von Abschaffung der Ordentlichen Sonteglichen Evangelien und Episteln, Und dem Verbott des Kniehebeugens.‘ Wir zitieren im Folgenden nur dies letztere Verbot der zeremoniellen Gesten:]

Bedenken von den unzeitigen Neuerungen N° 82 

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[82] MUssen auch was sagen von jrem Verbotte des Kniebeugens. Bissher ist der

löbliche Gebrauch gewesen, in der Christlichen Kirchen, Das, wenn5 der Name Jesu, unsers Seligmachers ist genennet worden, alsdenn die Christen sich mit jren Kniehen gebeuget, Mit Heuptern verneygt, oder die Parethen [Barette] abgezogen haben, Dadurch anzuzeigen, die innerliche Reverentz des Hertzens gegen jrem Herren Jesum Christum. DIeser Gebrauche aber sol nicht mehr gelten, Sondern diese Zwinglische Reformatores verbietens jnen, und habens jnen verbotten, Wöllen nicht haben, das man sich sol beugen bey dem Altar, wenn man zum Nachtmal geht, oder wenn der Name Jesu Chrissti genennet werde. Was haben sie für Ursach? Dieweil sagen sie, die Menschen dadurch zum Aberglauben und [83] Abgötterey leichtlich mögen gerhaten: Wolan, was diese Leut für Gemüter und Hertzen haben, ist leichtlich zu erachten. Für Fürsten und Herren neygen sie sich, Irer einer beweist dem andern Ehre und Reverentz, und wöllen solche eusserliche Reverentz unserm Seligmacher abschneiden. Das ist ja kein gut Anzeigunge, sie drehens wie sie immer wöllen. BEza selbert spricht in seiner zwölfften Epistel, Das Kniehe beugen, wenn man zum Tische des Herren gehet, hat wol das Ansehen einer Christlichen und Gottseligen Ehrerbietung, und hat vor Zeiten mit Nutzen können gebraucht werden: Jedoch, weil daher komen ist die verfluchte Weise, das sie im Bapsthumb das Brod sonderlich verehret, so deuchte mich, sie werde billich verworffen. WOlan, Es hat Bezam wol ehe etwas gut bedeucht, und ist doch nicht viel rechts daran gelegen: Man frage nicht, was Bezam gut duncket, sondern was billich und unergerlich sey. Hat es vor zeiten können mit Nutze gebraucht werden, Warumb solte man es auch nicht jetzt noch brauchen können. Den das jr saget, die Leute gerhaten darüber zur Abgötterey, solches hetten die in der Ersten und alten Kirchen auch können sagen, und deshalben das Verneygen6 gleich im Anfang mögen eynstellen. Weil sie aber das gute an jm [i.S.v. sich] selbst gebraucht ohne Rhat, was von bösen Leuten für Missbreuche möchte hinzu komen, So mögen wir auch in unseren Versamlungen und allenthalben, uns neygen ob dem Namen Jesu Christi, Und wöllen derhalben mit dem Brod im Abendmal, oder dem eusserlichen Kniebeugen kein Abgötterey treiben. [84] WIr mögen auch wol sagen, Weil auss jrem Verbot des Kniebeugens allerley Sicherheyt und Verachtung vermehret werde, die ohne das gross gnug, und man kein Leuse darff in Beltz setzen, So solle kein Mensche unter der Sonnen, der den Namen Jesu Christi lieb habe, dartzu willigen. Es nimpt mich aber wunder, ob diese Leut auch gelesen haben den Spruch Pauli, zun Philip. am 2. [Phl 2, 9  f.] Da Paulus

5 In Vorlage „wen“. 6 In Vorlage „Verneyhen“.

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 N° 82 Jeremias Viëtor

sagt, Gott habe Christum erhöhet, und jme einen Namen gegeben, der uber alle Namen ist, Das in dem Namen Jesu sich beugen sollen alle Kniehe, deren im Himmel und auff Erden, und unter der Erden. Ja, sagen sie, Paulus redt von dem innerlichen Beugen des Hertzens. Ja, das weisse ich wol, denn ohne dieselbige ist das eusserlich Kniehen ein Heucheley, die Gott missfellet. Das er aber allein von solchem jnnerliche Kniebeugen rede, das ist falsch und unrecht, Wie nicht allein ichs sage, sondern es sagts auch jr eygen Oberster, Nemlich Calvinus, uber die Ausslegungen dieses Spruchs, Da er schreibt: OB wol mit der Gewonheyt des Kniebeugens auch die Menschen verehret werden, So ist doch kein Zweiffel, das Paulus in diesem Spruch versteh die Ehre, so Gott gebüret, Et cuius symbolum est genu flexio, Welcher eusserlich Anzeigung ist das Kniebeugen, Da denn wol zu mercken, das man Gott sol ehren nicht allein innerlich mit dem Hertzen, sondern auch mit den eusserlichen Geberden. Bis hieher Calvinus. WElcher, nach dem er die Gewonheyt des eusserlichen Kniebeugens nicht verwirfft, mögen sie sich erstlichen mit jme vereinigen. Wie fein stimmen sie aber ubereyn. Aber solten es diese Reformatores hierin [85] besser machen als anderswo. Wir lesen Luce 17. Das der gereinigte Samaritaner für Christum nicht allein auff die Kniehe, sondern gar auffs Angesicht felt: Ist es nun nicht recht, das man sich beuget, Warumb hat jn denn Christus nicht darumb alhie gestraffet? Es würden diesen Samariter die jetzigen Reformatores ubel angelassen haben, wenn er jnen were zu theil worden. […]

Editorische Notiz Bearbeitungsvorlage Gründtlicher Bericht | Von den Altarn  / ob | dieselbige Heutiges Tages in den | Reformirten Kirchen sollen abgeschafft werden / | Oder ob man mit gutem Gewissen / auff denselbi- | gen das Abendmal der Herrn / Vermöge der | Einsatzung Jesu Christi / ausspenden | vnd Empfangen könne. | Gestelt Durch | Egidium Hunnium, Der heiligen Schrifft | Doctorem vnd Professorem / bey der löblichen Vniversitet Marpurg in Hessen. | Jtem  / | Christliches vnd Einfältiges Bedencken  / Von | den vnzeitigen Newrungen / so Heutiges Tages etzliche | vnrhuige / Benachbarte Predicanten / mit höchstem Er | gerniss vnd Zerrüttunge der armen einfeltigen Ley- | en / Belangend das Brodbrechen im heiligen Abendmal / Vnd was dem weiter anhengig / in die vorhin wolbestelte Kirchen / Aug- | spurgischer Confession / Eingefü- | ret / Gestelt vnd

Bedenken von den unzeitigen Neuerungen N° 82 

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zusamen ge- | tragen Durch | Ieremiam Vietorem, S. Theologiae D. Vnd | Jetziger zeit Pfarherrn zu Giessen.7 [[Kolophon Sc. 94:] Gedruckt zu Vrsel / Durch | Nicolaum Henricum / | Anno 1584.] Exemplar der BSB München, Sign. Polem. 3129 o; VD 16 ZV 8388. – unpaginiert, 102 Scans (A- M3). – Viëtors Beitrag Scan 26–94, [D-M3]

LIT DB; Leichenpredigt von Balthasar Mentzer, Gießen; Nicolaus Hampel, 1609. – Exemplar der SBB Berlin, Sign. Ee 110–261 (21) [digit.]. Matthias (2003).

7 Hervorhebung JJB.

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 N° 82 Jeremias Viëtor

N° 83 Stephan Isaak Wider das Verehren, Schmücken und Umtragen der Bilder [1586] Auszüge

Der Lebenslauf Stephan Isaaks (1542–1598) ist seiner zahlreichen Konfessionswechsel wegen von besonderem Interesse. Denn diese Wechsel bezeugen nicht etwa Labilität in Glaubensdingen, sondern sucherische Energie und nimmermüdes Wissenwollen. Aus jüdisch-rabbinischer Familie in Wetzlar stammend, wurde er gemeinsam mit seinem Vater, dem international berühmten Hebraisten Johannes Isaak (? –1577) bereits 1546 in Marburg von dem Theologieprofessor Johannes Draconites (ca. 1494–1566) lutherisch getauft. 1547 zog die Familie nach Löwen und trat zum Katholizismmus über. 1551 wechselte man nach Köln, wo Stephan die Lateinschule, anschließend auch noch die in Zwolle, besuchte. 1559 nahm er in Köln das Studium der Artes auf, um nach Erwerb des Magister artium 1561 ein Medizinstudium aufzunehmen, das er noch im selben Jahr in Löwen fortsetzte. Ab 1564 praktizierte er als Arzt in Douai und wurde mit einer Hebraistik-Professur betraut. Bereits 1565 ging er aber wieder nach Köln, widmete sich der Theologie und ließ sich zum Priester weihen. Als Priester und Prediger höchst beliebt, konnte es nicht ausbleiben, dass er in den unter Erzbischof Gebhard sich in die kölnischen Konfessionsauseinandersetzungen ziehen ließ. Zwei Predigten wider die Bilderverehrung, die er 1582/83 hielt, führten unter den Katholiken zu starken Spannungen, die es mit sich brachten, dass er im April 1584 resignierte und nach Heidelberg ging. Dort amtierte er als reformierter Pfarrer, bis er 1591 zum Superintendenten in Bensheim berufen wurde, in welchem Amt er bis zu seinem Tode verblieb. Was wir hier vorlegen, sind Auszüge aus der ‚Historia‘ Isaaks, die die Bilderfrage betreffen. Ihr besonderer Wert ergibt sich aus der lokalspezifischen und gleichwohl exemplarischen Gültigkeit der autobiographischen Schilderung eigentümlicher Formen von Bildgläubigkeit als Wundergläubigkeit. Sie erscheinen dem Priester als Teufelwerk nach heidnischem Vorbild. Isaak versteht es, die Bildkontroverse in ihrer Rollenspezifik nicht nur auf Konfessions-, sondern auch auf Sozial- und Geschlechtsrollen hin transparent zu machen, und Wunder – wie etwa das ‚Schwitzen‘ von Sakralbildnissen – aus natürlichen Vorgängen wie Temperaturschwankungen zu erklären. http://doi.org.de/10.1515/9783110780031-024

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 N° 83 Stephan Isaak

[Dijv] Nun hat ich da bevoren1, wie der Churfürst Gebhard2 noch im Regiment war,

und ich das erste Buch Mosis außlegt, auß dem 31. Capittel desselben eine hefftige Predigen, gethan wider die Götzen und Bilder. Denn diß sind meine wort gewesen. Gleich wie Rachel jhrem Vatter Laban seine Götzen gestolen, und die wahre Religion mit Heydnischer Abgötterey vermischt und besudelt: Also ist auch heut zu tag, unsere Christliche Religion bey uns, mit grewlicher Abgöttereyen der verehrung und umbtragung3 der Götzen oder Bilder verunsaubert worden. Denn dieweil sich zur Christlichen Religion, so wol, und mehrertheils Heyden als Juden, begeben, hat ein jede Nation etwas von dem alten Sauerteig, mit derselben vermischt, also finden wir nicht allein heutigs tags in der Kirchen Gottes viel Jüdische Ceremonien: Sondern auch vil Heydnische gebreuch, daß es sich läst ansehen und uns von unserm Gegentheil wirdt fürgeworffen, als ob unsere Religion, auß diesen beyden zusammen geflickt sey: der Allmächtige Gott, wolle doch einmal [Diijr] uns die Augen eröffnen, daß wir diese und dergleichen mißbräuch erkennen und abschaffen, damit unsere Christliche Religion zu jhrer vorigen Reinigkeit und schönheit, so sie im anfang gehabt wider kommen möge. Umb dieser Predigt willen, die zwar hefftig genug gewesen, darauß meine Widerwertige4 grosse ursachen hetten können haben, mich zu betrüben, ist mir nicht ungütlichs widerfahren, dieweil der Churfürst Gebhart im Regiment war, und meine Widerwertige umb der Burgerschafft willen nichts durfften anfangen, Allein daß sie etliche zu mir gesandt, und bitten lassen, mich hinfürter solcher Reden zu enthalten. Als ich aber folgends anno 83. den 12. Octobris die zweite Predigt thet wider die Götzen, wurden meine Widerwertige, so sich zuvor lang gern an mir hetten gerochen, sehr fro, verhofften, dieweil sie jetzt einen mächtigen Bischoff5 hetten, den auch die gantze Statt Cöln must forchten, und jhren Feind den Churfürsten Gebharten jhrs erachtens uberwunden, wolten sie das jenige, so sie vorlängst wider mich gepracticiert jetzt mit ernst durch treiben. Ich predigte aber zu der zeit das zweite Buch Mosis, nemlich das 16. Capittel, da der text also lautet:

1 i.S.v. zuvor. 2 Die Rede ist von Gebhard Freiherr zu Waldburg (1547–1583), der 1577–1583 als Kurfürst und Erzbischof von Köln amtierte, dann zum Protestantismus konvertierte und heiratete. 3 Skulpturen und Gemälde von Heiligen wurden demnach in Köln bei Prozessionen mitgeführt. 4 i.S.v. Widersacher. 5 Nachfolger Erzbischof Gebhards war Ernst von Bayern (1554–1612).

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TEXTUS EXOD. 16.6 Und Moses sprach, Das ist das der Herr gebotten hat. Fülle ein Gomer7 darvon zubehalten auff ewre Nachkommen, auff daß man sehe [D iijr ] das Brot damit ich euch gespeiset habe in der Wüsten, da ich euch auß Egyptenlandt führete. Außlegung. IHr geliebten in Christo Jesu, es hat gemeinlich Gott der Herr diesen brauch, daß er seinen willen und erzeigte wolthaten, so wol durch außwendige zeichen als durch seine wort, läst einbilden. Also ist es an diesem ort nicht genug, daß er uns sein Wort lest, durch welches wir erinnert solten werden zu ewigen zeiten, seiner Vätterlichen Genaden und Barmhertzigkeit, in dem er die Israeliten mit dem Himmelbrot in der wüsten, so eine lange zeit gespeiset hat: Sondern er will auch uns solcher entfangenen wolthat erinneren durch ein eusserlich Memorial und zeichen, in dem er bestelt, daß man eben solch Manna zu ewigen zeiten in einem Krüglein verwahren soll, damit alle die jenige, so dasselbig sehen werden, sich wissen zu erinnern, seiner Vätterlichen Güt und Barmhertzigkeit. Solchen brauch hat auch biß anhero gehabt und gehalten, die Christliche Kirch, daß sie jhre Christgläubige, zum theil mit dem wort, zum theil auch mit eusserlichen Zeichen als Ceremonien, Gemehle und verhaltung des Gebeins der lieben Heyligen zur nachfolgung unterbauwen und befordern wollen. Aber es hat der leidige Satan solche ding in jhrem rechten gebrauch nicht lang gelassen, Sondern als baldt mit seinem Sawerteig verfälschet. Dann wie Gott der HERr nicht gebotten, daß man das Himmelbrot solt anbetten, sondern allein zur Gedächtnuß und erinnerunng behalten: Also ist der Alten Vättern meinung nicht gewesen, daß wir vor solche [Er] eusserliche ding solten niderfallen, dieselige anbetten, sondern daß sie allein uns zu erinnerung solten dienen, und als Spiegel der Leyen8 gebraucht werden. Und das zu bedawren ist, wirdt hierin von keinem theil maß oder ziel gehalten. Erstlich unser Gegentheil wollen dise eusserliche ding, als Ceremonien, Gemehls und dergleichen gantz und gar in der Kirchen Gottes nicht dulden, Sondern schmeissens entzwey, und werffens mit grosser ungestümmigkeit und Ergernuß uber einen hauffen zur Kirchen hinauß. Da sie doch sich solten wissen zu erinneren, daß in der Kirchen Gottes, beneben der Predigt Göttlichs worts, solche Gemähls und andere außwendige Zeichen, oder erinnerungen, von alters her gewesen sein. Also sind auß dem befelch Gottes, Exod. 25. Güldene Cheru-

6 2. Mose 16, 16. 7 Ein Flüssigkeitsmaß, Krug. 8 Bei der Bezeichnung „Spiegel der Laien“ handelt es sich um eine Variante der Gregorsformel, die die Bilder als ‚Bücher der Laien‘ bezeichnet.

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bim und allerley Gemähls gewesen, wie denn auch Salomon dergleichen hat lassen machen zum gezier deß Tempels. 3. Reg. 7. und 2. Parlip. 3. Auch ist bewust daß die Kupffere Schlang, so Moses auß dem befelch Gottes, Num. 21. hatt auffgericht, stehen blieben, zur Gedächtnuß, und erinnerung, mehr denn 700. jar, biß so lang, daß sie zur Abgötterey mißbraucht ist worden, und durch Ezechiam abgeschafft. 2. Reg. 18. Diese und dergleichen Exempla solten die Bilderstürmer bedencken, und den Historicum usum imaginum, und Picturarum, das ist, den Historischen gebrauch der Bilder und Gemähls, nicht so gar verwerffen. Ich rede aber allein, von dem Gemehls und rechtem gebrauch desselben: Denn was anlangt gehauwene Bilder auß Holtz oder Stein, dieselbe weiß ich nicht zu vertedigen, dieweil sie in Gottes wort, außdrücklich verbotten sein. Exod. 20. Und wann sie in den Kirchen Gottes nicht albereit9 weren, wolt ich sie nicht darein setzen. Dieweil sie aber schon drin seyn, und [Ev] ohn gefahr und ergernuß nicht wol abgeschafft können werden, ist mein rath, daß man sie laß stehen ad usum Historicum tantum, das ist, allein zur gedächtnuß, und thue jhnen kein Ehr an. Denn es will sich ja nicht gebüren, daß ein jeder Privatus die Kirch Gottes reformiere: solches gebürt der Obrigkeit alleine. Und so viel sey gesagt von dem Irrthumb unsers Gegentheils10. Jetzunder wil ich nun auch anzeigen, warin wir Catholischen jrren, und der Sachen zu viel thun. Erstlich, gleich wie jehne jrren daß sie das Gemähls keinerley wegs dulden wollen in der Kirchen, und auch den Historicum usum desselben verwerffen: Also jrren wir Catholischen uns sehr, und thun der sachen viel zu viel, daß wirs bey dem Historischen gebrauch der Bilder und Gemähls nicht lassen bleiben, sondern zieren dieselben mit schönen Kleidern, Golt und Silber (lassen dabey neben nackendig gehen und verderben die lebendige Bilder11, und Heyligen, die Christus Jesus mit seinem thewren Blut erlöset hat) fallen für sie nider, zünden jhnen Liechter an, tragen sie umb mit Trommen und Pfeiffen, welches alles Gottes wort zu wider ist, und seinen anfang von den Heyden hat. Derohalben gleich wie das Gegentheil [die Protestanten] sündiget in defectu, also sündigen wir in excessu. Diese grossen Mißbrauchs haben sich so höchlich besorgt die alte Vätter, in der erst wachsenden Christlichen Kirchen. Denn nachdem jhnen bewust, daß der Mensch zu der Abgötterey geneigt, und die erste Christen mehrertheils auß dem Heydenthumb kommen, haben sie mehr denn 300. jahr mit grossem eyffer gewehret, daß kein Bildt in die Kirch Gottes kommen. Dermassen daß auch *Epiphanius, als er an einem ort in eine Kirch kommen, und auff dem fürhang Christi Jesu Bildnuß [E 2r] gesehen, denselben zu rissen [zer-

9 i.S.v. bereits. 10 d.  h. der Protestanten. 11 Gemeint sind arme, unbekleidete Menschen.

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rissen]: Denn wie gesagt, sie besorgten sich der Agötterey, und deß mißbrauchs, so

leyder zuletzt drauß entstanden, der massen dz sie nit lenger wehren kondten. Wenn wirs bleiben liessen bey dem Historischen gebrauch, hetten die Bilderstürmer, und andere, keine ursach uns zu straffen. Jetzunder aber, da wir sie gebrauchen zur abgötterey. fallen vor sie nieder, ziehren sie mit schönen Kleidern, tragen sie umb, zünden Liechter dafür an, stellen Bilgerfahrten, und Gelobten 12 an sie ein, wie die Heyden vorzeiten getahn: Darmit, sag ich, geben wir jhnen ursach uns zu tadelen. Denn zwar diese ding können auß Gottes wort nicht vertedigt werden. Auch sagt Christus nicht: Wer mein Bildt zieret und kleidet, der thut mirs: Sondern wer diese lebendige Bilder der Armen einen kleidt, der thut mirs. Auch list man an keinem ort, daß man den lieben Heyligen im Himmel ein gefallen darmit thut, daß man jhre Bildtnussen zieret und bekleidt, und in der Procession umbschleiffen läst, Sonder die aller gröste Ehr, die wir jhnen erzeigen mögen, ist, daß wir jhnen im Glauben und wandel nachfolgen. Daß du aber diese dingen alle wilt entschudigen, und sagen, du thust es auß guter meinung und Eyffer, solches gilt nicht. Denn du must dir selber nicht erdencken ein eigene weiß Gott zu dienen, Sonder in allen dingen bist du schuldig zu folgen Gottes wort. Denn es steht geschrieben: Du solt nicht thun was dir wolgefelt, und dich dünckt recht und gut sein, sey, Sonder was ich dir befehle, das solt du thun. Derhalben, es sey dein Eyffer so groß als er wöll, so ist er doch ein grewel vor dem Angesicht Gottes, Dieweil er nicht nach Gottes wort gericht ist. Dessen hastu ein Exempel Judicum 17. da die Mutter Michӕ auß grossem eyffer ein Bildt ließ machen von dem [E 2v] geldt so jhr der Son gestolen hatt, und richt dafür einen Gottesdienst an, Welches Gott höchlich strafft, und sie sich nicht mit jrem eyffer, und daß sie solchs auß guter meinung getan, entschuldigen kondte. Liebe Christen, bedenckt doch obs nicht ein recht Abgöttisch und Heydnisch wesen sey, die Bilder also zu schmücken, und durch schöne junge Mägd, welcher jede einen Cuculocris, oder Stabträger bey sich hat, mit vorangehendem Spiel, Pfeiffen und Trommen, wie hier zu Cöln bräuchlich, in der Proceßsion, also umb zu tragen, und um zu schleiffen. Welcher Teuffel, hatt uns doch hier zu Cöln, in diesen Abgöttischen dingen, so andächtig und Heylig gemacht, daß wir mit solchen Heydnischen, Abgöttischen Händlen, uns mehr besulpern13, als andere Nationen? Denn anderswo, nemblich in Jtalia, Hispania, Franckreich, ja zu Rom selbst, werden sie mit solchem frembden Gepreng nicht umbgetragen. Es heist zwar, und hat den Namen daß wir unsere Töchter herrlich außschmücken und zieren, daß sie die Bilder zu Gottes Ehren sollen tragen, So es doch mehr

12 i.S.v. Gelübde, Verlobung. 13 i.S.v. besudeln.

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zu dem ende geschicht, damit unsere Töchter gesehen werden, wie schön sie seyn, und durch diß mittel Freyer bekommen. Werden also im gantzen umstandt, mehr fleischliche lüsten, und böse begirden, denn Andacht und Gottesfurcht erweckt, und geschicht endtlich daß wir hiermit nicht Gott, sonder viel mehr dem Teuffel dienen. Dann den Vormittag, heist es, daß unsere Töchter zu Gottes ehren die Bilder oder heyligen getragen, den Nachmittag dienen sie dem Teuffel, ziehen mit jhrem Cuculocrisen, so jhnen in der Proceßsion den Stab getragen, zum Stattgraben hinein, oder gehen ins Feldt, daselbst wird dann Schand, unehr, und unzucht begangen, daß manchem sein Kindt zur [E 3r] Huren gemacht wirdt, wie ich denn dessen Exempla in kurtzen hie in meiner Pfarren mit grossem Hertzleide etlich mal gesehen habe. Das heißt die Heyligen und Götzen tragen. Ob ich nun wol solches offtmal gestrafft, so hab ich doch nichts außgericht, Sonder von etlichen unverstendigen Leuthen müssen hören: Ich wolt die Bildertracht14 gern abschaffen, umb meines nutzens und gewins willen, damit ich Suppen, Fleisch und Bier, so ich den Mägden, Bilderund Stabträgern, als ein Pfarrherr zu geben schuldig bin, möcht ersparn. So erbiet ich mich dessen offentlich, so jhr die Bilder wöllt lassen stehen, und nicht umbtragen, so will ich an statt der Suppen, Fleisch und Bier, euch ein gute Malzeit, gebratens und Wein geben, Damit jederman erkenne, daß ich hierin Gottes ehr, und nit meinen Geitz suche. Solches hab ich nicht unterlassen können euch anzuzeigen, es gehe mir darüber, wie der liebe Gott will. So weit erstreckt sich diese Predig. Diß ist Christlicher Leser die zweite Predig, so ich wider die Götzen gethan, wie sie von wort zu wort gelaut hat, dessen ich Gott den Herren, und alle Menschen die sie gehört, zu Zeugen neme, umb welcher willen ich so viel erlitten, und meine Widerwertige darauß ursach geschöpfft mich zu betrüben. Isaac beschreibt sodann die Bildgläubigkeit einiger Einwohner Kölns:

[Hr] Es soll hie unvermeldet nicht bleiben, welcher gestalt eben umb diese

zeit eine langwirige Kälte und grosser Frost zu Cöln war. Als aber solche Kälte, mit einem warmen Wetter, und regen, so darauff erfolgt, abgieng, fiengen alle wende, und steinen Mawren an zu schwitzen, wie gemeinlich pflegt zu geschehen. Denn der inwendige Frost gab sich herauß, und ward durch die wärme resolvirt in guttas oder tröpfflein. Nun hat ich eine Capell an meiner Pfarrkirchen, unser lieben Frawen Capell genanndt, darinn stehet ein abgemahltes Bildt, unser lieben Frawen, vor welchem stets viel Weiber, und Abgöttische Leuth, auff jhren Knien ligen. Denn dieweil diese liebe Fraw viel mehr Künst kann, denn andere, daher kömpts daß viel Leuth, die etwan einen heimlichen mangel haben, zu jhr Walfahrten gehen, oder gelübten thun, und viel Messen vor jr lesen lassen. Und darnach wenn sie gesundt werden, opffern sie zur Dancksagung etliche Pfundt Wachs, Als

14 i.S.v. Bildertragen, Herumtragen der Bilder.

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nemlich, da ein unfruchtbare Fraw, durch dise liebe Fraw, oder vielleicht durch einen München, so sehr in diser Capellen handtieret, fruchtbar worden, opffert sie ein wachsen15 Kindtlein. Da eine [erg. Frau] bresthafftige Brüst gehabt, und jre geholffen wirdt, opffert sie eine, oder zwo wachsene Brüst. Da ainer jre böse Augen, Arme, Schenckel, oder Kopff gesund gemacht, oder zu recht gebracht würdt, opffert sie dergleichen in Wachs. Ob ich nun von solchem wesen, etliche jar einen zimlichen nutzen gehabt (denn wann solch Wachs eine zeitlang da gehangen, und den Kram geschmücket, ließ ichs abnemen, und verkauffen) jedoch da mich Gott erleucht, kundt ich die Abgötterey vor meinen Augen nicht mehr leiden, sondern strafft dieselbe, so sehr ich kundt. [Hv] Als nun, wie gesagt, die kelte und der frost abgieng. fieng das Bildt an zu schwitzen, wie auch andere steine Mawren, Und erhub sich unter den Abgöttischen Weibern, ein groß geschrey wider mich, verklagten mich an allen örtern, und sagten man sehe dem Bildt die thränen auß den Augen fallen, und sich betrüben, daß ich wider das verehren der Bilder geprediget hette. Also erhub sich ein groß geläuff da hin, denn jeder wolt solch groß Mirackel sehen, und durch anstifftung der Jesuiten, mengten sich unter das Volck etliche Jesuitinnen16 , wie man sie zu Cöln nennet, dieselbige bestettigten das Mirackel, und reitzten das Volck zur auffruhr wider mich, und kamen jhrer etliche in mein Hauß gelauffen, begerten ich solt in die Capell gehen und sehen, was groß unrecht ich den lieben Heyligen gethan hett, dieweil ich wider die verehrung jhrer Bildtnussen gepredigt hett. Als ich aber mein gespött darmit trieb, wurden sie gar unsinnig, und wie jehne rieffen, Groß ist der Epheser Diana, also rieffen diese: Groß ist die liebe Fraw, zu S. Marien Ablaß, und wer mir schier ergangen wie den armen getaufften Juden in Portugall. deren, wie Hier. Osorius Sylvensis17 im vierdten Buch, de rebus gestis Emanuelis Portugalliae Regis schreibt, Anno 1506. den 19. Aprilis zu Lysibon durch anreitzung etlicher Münch Prediger Ordens, umb solcher ursach willen, dieweil einer von jhnen nit glauben wöllen, dz in der Wunden deß Crucifixes, oder Bildtnuß Christi so in einer Capellen daselbst gehangen, einig Wunder oder Mirackel geschehen, etlichtausendt mit Weib und Kindt, ermordt worden. Folgendts ließ der Obersiegler Heresbachius18 durch die Jesuiten andere Fragstück wieder mich einstellen, unter welchen eins war: Dieweil ich mit dem Mirac-

15 i.S.v. wächsernes. 16 i.S.v. Jesuitenanhängerinnen. 17 Der portugiesische Erzbischof und Historiker Hieronymus Osorius (Jerónymo Osório da Fonseca, 1506–1580) publizierte das Geschichtswerk De Rebus Emmanuelis Regis Lusitaniae Invictissimi Virture et Auspicio Gestis. Olyssipone [Lissabon] 1571 u.  ö. 18 Die Rede ist von Ludger Heresbach, dem erzbischöflichen Obersiegler (Verwaltunsvorsitzenden). Vgl. Ennen.

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kel, so man an dem Bildtnuß unser lieben Frawen, in der Capellen gesehen, mein [H 2r] gespött getrieben, ob ich denn nit glaubte, daß Gott der HErr bey und an den Bildtnussen seiner lieben Heyligen, hett jemahls Miraculen lassen geschehen, Auch sagt zu mir ein prӕlat, er hette manichmal gehört von seinen Eltern, dz man vor etlichen jaren, die Cappel wöllen weissen oder mit Kalck abstreichen, man hette aber diß Bildt oder Gemähls nit können außstreichen. Und derhalben hielte man es darfür, daß diß Bildt, nicht ein Gemeines, sondern ein besonders Bildt wer, welches unser lieben Frawen gestalt recht reprӕsentirte, und derhalbeen hette man es nit können außwischen, sondern müssen stehen lassen. In summa, es ist an diesem Abgöttischen geschmeiß erfüllet, das jehnige so der Apostel Paulus sagt, Dieweil sie die liebe zur warheit nit haben angenommen, daß sie Selig würden, darumb wirdt jhnen Gott kräfftige jrrthumb senden, dz sie glauben der Lügen, auff das gerichtet werden, alle die der Warheit nicht glauben, sondern haben lust an der ungerechtigkeit, 2. Thess. 2. Darnach sagten etliche Geistliche zu mir, wann es schon nichts were mit dem Mirackel, so man an dem Bildtnuß gesehen, so solt ichs doch (ergernuß zu vermeiden) nicht gestraffet, noch damit gespott haben, sondern das Volck, in solcher einfalt, persuasion und meinung, bleiben lassen, denn (sagt der Obersiegler, invereratam consuetudinem, & conceptam opinionem redarguere, est periculosum), das ist, Es ist gefährlich eine alte gewonheit, und gefasten wahn oder meinung zu straffen. Nota: Isaac legte wenig später alle seine Ämter in der katholischen Kirche Kölns nieder, verließ die Stadt und trat zur evangelisch-reformierten Kirche über. Er schloss seine Verteidigungsschrift mit einer ausführlichen Begründung seines Glaubens, die in unserem thematischen Zusammenhang nicht wichtig ist, ab.

Editorische Notiz Bearbeitungsvorlage Wahre und einfältige Historia Stephani Isaaci / || der H. Schrifft Licentiati / etwan Pastorn zu S. Marien Ablaß /|| und Canonici zu S. Ursulen in Cöln / || der unbillichen und unchristlichen Betrübung / auch Verfolgung / die jhm / von wegen / || dern zu Cöln / Anno etc. 83. den 12. Octobris / || wider das verehren / schmücken / vnd umbtragen der Bilder / || gehaltenen Predigten / begegnet / || Mit vermeldung der Ursachen  / umb welcher willen er dem Abgöttischen Papsthumb || nicht lenger beywohnen können / || sondern dasselbig mitfreywilliger ubergebung aller seiner Geystlichen Lehen und Würden ||verlassen.|| Auch angehenckter Christlichen Bekandtnuß von allen ReligionsArtickeln: || Sambt nothwendiger / wahrer und bestendiger Apologia und Antwort auff die || Ehrenrhürige || Schrifften / und unleiden-

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liche Schmähwort / so newlich Michael Eitzinger auß Oesterreich /|| und Michael Isselt von Amerßfort  / beyde vom Abgöttischen Geschmeiß in Cöln  / gedingte || Landlügener / in jhren vom jetzigen Cölnischen Kriegswesen / außgegangenen Historien / || wider seine Person erdacht / und unbillich außgesprengt haben. || Allen frommen Christen und Liebhabern der Warheyt zu nutz in Druck verfertiget / im Jar || M. D. XXCVI. Exemplar der BSB München, Sign.: 4 H. ref. 768 # Beibd. 2; VD 16 I 334 – 56 Bl. 4°.

LIT ADB, NDB, Wikipedia; zvdd; Ennen (1849), Rotscheidt (1910).

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N° 84 Valentin Leucht Miracula S. Imaginum [1591] Auszüge Valentin Leucht (ca. 1550–1619), in Unterfranken beheimatet, studierte in Würzburg und Mainz Theologie, erwarb den Titel eines Doktors der Theologie und wurde mit dem Titel eines Comes palatinus ausgezeichnet, wurde 1576 zum Prieser geweiht, nahm Pfarren in der Oberlausitz (1578), in Erfurt (1582) und Neustadt/Saale (1584) wahr, bis er ab 1589 in Frankfurt am Main am Bartholomäusstift in vielen Ämtern und Funktionen tätig wude: als Kanoniker des Domkapitels, als Päpstlicher Protonotar und ab 1597 als kaiserlicher Bücherkommissar der Frankfurter Buchmesse (mithin der wichtigsten Buchmesse der damaligen Welt). 1583 setzt eine rege Publikationstätigkeit ein, deren Großteill aus hagiographischer Kompilationswerken, Predigten und kontroverstheologischen Schriften besteht. Leuchts Textsammlung zu den Wundern heiliger Bilder, die wir hier auszugsweise vorstellen, ist bildgeschichtlich und bildtheologisch aufschlussreich. Es geht ihm um einen Wunderdokumentarismus, dessen empirischer Anspruch mit dem erkenntnislogischen Anspruch, welcher sich aus der Frage nach den Konditionen der wunderträchtigen Bilder ergibt, kollidiert. In seiner „Vorrede“ benennt Leucht sechs Nutzbarkeiten sakraler Bilder. Sie seien (1.) Bücher der Laien, (2.) Merk- und Bekenntniszeichen katholischen Glaubens, (3.) hätten Appellfunktion für die Heiligennachfolge, (4.) weckten die Liebe zu Heili­ gen, (5.) förderten durch Bilderehre die Ehre Gottes, und sie fungierten (6.) als ‚Schatten‘ und ‚Anzeigungen‘ künftigen ewigen Lebens. Woher Leucht seine Exempelhistorien bezog, wird deutlich, wenn er vor jeder Historie Quellen anführt, nämlich Kirchenväter, Kirchenhistoriker und neuere Autoren (wie Blosius, Durandus, Lindanus, Surius). Dass er am Ende seines voluminösen Bandes seine Leser auffordert, ihm weitere Exempel zuzuschicken, zeigt, dass er beachsichtigte, Fortsetzungen zu publizieren. Solcher durch Einbeziehung der Leserschaft geförderter Dokumentarismus wurde im 17. Jahrhundert vor allem durch Jesuiten wie Athanasius Kircher und Wilhelm Gumppenberg systematisch ausgebaut und fand seinen Höhepunkt im 19. Jahrhundert bei Editoren wie den Brüdern Grimm oder Johann Andreas Schmeller. Die Wunderbildhistorien, die Leucht in seinem Sammelband vorstellt, sind nach Umfang, Alter und Lehrhaftigkeit sehr verschiedenartig. Bisweilen argumentieren sie, http://doi.org.de/10.1515/9783110780031-025

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wie beispielsweise die drei letzten Historien, nur punktuell. In anderen, theologisch besonders wichtigen Fällen – wie etwa der Historie von Abgars Mandylion, dem vor und neben Veronikas Sudarium berühmtesten acheiropoietischen Christusportrait – entschließt sich Leucht zu Wunderepisodenreihungen, die romanhaft psychologisieren und wuchern.

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Im Folgenden werden Auszüge aus der Dedikation für Georg von Lyßkirchen, den General-Praeceptor des S. Antonius-Ordens in Frankfurt a.M., sowie die dritte Mirakelerzählung aus dem ersten Teil und drei Mirakelerzählungen vom Schluss des Buches geboten.

Aus der Vorrede: [Sc. 8] … under vielen und deren mancherleyen Sturmwinden, so bißhero von den

alten und newen Ketzern wider die Catholische Römische Kirchen gangen, ist mit nichten der geringste welcher wider die Bilder und ge-[Sc. 9]dechtnuß deß HERren Christi, Marie und anderer Heiligen Gottes mit starcker Gewalt gelauffen. Dardurch sie sich durch eingebung deß leidigen Teuffels vermessentlich understanden, die fürnembste Wolthaten durch das Leiden Christi und seiner lieben Heiligen dem Menschlichen Geschlecht auß sonderlicher Barmhertzigkeit und inbrünstiger Lieb erzeiget, gäntzlich zu verdunckeln und gar mit Wurtzeln auß derer Hertzen hinweg zu reissen, und dagegen allerley Laster der Undanckbarkeit gegen GOTT und den Nächsten mit argem list einzupflantzen, darauß dann mehr ein Epicurisch und Atheisch1 als ein Christlichs Tugendreichs Leben erfolget. [Sc. 10] Möcht aber jemandt fragen, wie kommen diese Leuth immermehr zu solcher Blindheit, daß die Bilder ihnen also die Augen verletzen, daß sie deren keines leiden oder anschauwen können? Denen ist zu antworten, daß solche verblendung mehrertheils uber das einblasen deß hellischen Sathans auß ihrer eigensinniger Witz und Halsstarrigkeit hero fliesse, weil sie gern unwissendt deß rechten Stiffters der Bilder erkandt, und willig nachlessig zu ergründen, deren Nutz und Miracula sein wöllen. So ist aber nun der rechte und erste Werckmeister der Bilder niemands anders als der höchste Gott, der von Ewigkeit zeuget einen gleichwesenden Sohn [Folgen über sechzig Zeilen Ausführungen zur Ebenbildlichkeit Christi mit Gott, zur Ebenbildlichkeiit des Menschen und zu Bildern der alttestamentlichen Juden.Danach erklärt Leucht den Nutzen der Bilder in sechs Punkten:] [Sc.13] Was aber für nutz auß dem Brauch der Bilder wir haben, [Sc.14] seind derer

viel und mancherley.

1 i.S.v. ‚atheistisch‘.

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Erstlich seindt die Bilder Bücher und Underrichtungen der einfeltigen und ungelehrten, dann was die Gelehrten in den Büchern lesen, das sehen die Ungelehrten in den Bildern, S. *Gregorius lib. 7, Epist. 109. Item **Sanderus lib. de imaginum s. hon.; Cap. 8. Secundum Concilium Nicenum, *Damasc. orat. 3. Der ander Nutz der Bilder ist dieser, daß dieselbigen in unseren Kirchen und Häusern2 rechte Merckzeichen und Bekantnussen seind unsers Catholischen Glaubens. Dann wo man in einer Kirchen oder in einem Hauß der Heiligen Bilder findet, so merckt man also baldt, daß an solchem Ort müssen fromme Catholische [Sc. 15] Christen seyn. Sintemal weder bey den Ungläubigen, Juden, Heyden noch Ketzer[n] solche funden werden. Der dritte Nutz der Bilder ist nemlich, sie zeigen uns an, daß wir nachfolgen sollen der Tugend deren so sie uns bedeuten, an dem Bild Nohe [Noahs] haben wir ein Exempel der Gerechtigkeit, Genes.7. Bey dem Bild Abrahams erinneren wir uns deß Glaubens und Gehorsams, Genes.22. Am Joseph haben wir ein Bild der Keuschheit, Gen. 19. An dem Moses ein Bild der Sanfftmütigkeit, Numer.12. an dem David ein Bildt der Demütigkeit, an den Propheten haben wir Bilder der Gedult und Heiligkeit. In dem neuwen Testament [Sc. 16] seind der Heiligen Bilder anders nichts als Exempel und Spiegel, darinnen wir sehen können, wie wir ihren Tugenden nachfolgen sollen: Sehen wir ein Bildnuß Marie der Jungfrauwen, so sehen wir als in einem Spiegel ein Exempel eines vollkommenen Lebens und aller Tugenden. Sehen wir der Aposteln Bilder, so haben wir Exempel der Bekantnuß deß Evangelii, bey den Bildern der Heyligen Märtyrern, haben wir Exempel der Bestendigkeit, bey den Bildern der Beichtigern und Kirrchenlehrern, haben wir Exempel der andacht und Gottesförchtigkeit, und ob wir zwar lang von diesen Heyligen Leuthen hören reden, werden wir wenig zur nachfolgung [Sc.  17] bewegt, wenn wir aber deren Bilder für [vor] uns sehen, so erinnern wir uns bald ihrer Tugend und ihres Lebens, wie der Poet [i.  e. Horaz] saget. Segnius irritant animos immissa per aures,  Quam quae sunt oculis subiecta fidelibus.3 Der vierdt nutz ist eine Erklärung der Lieb gegen deme, welchen ein Bild bedeutet, dann lieb ich ein Crucifix, und bete vor demselbigen, so lieb ich ja Christum den Gecreutzigten vielmehr und bete denselbigen an, nit das Holtz oder Gemähle,

2 Leucht spricht mehrfach von Sakralbildern in Privathäusern. 3 Horaz, Ars poetica, V. 179/80. Zu deutsch: Die Geister werden in geringerem Maße durch das, was durch die Ohren dringt, erregt als durch das, was vor die verlässlichen Augen gelangt.

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sonder den, welcher durch dasselbig bedeutet wirdt, wie Sanct *Augustinus saget:4 [Sc. 18]

Nec Deus est nec homo prӕsens quam cerno figura: Sed Deus est, & homo quem signat sacra figura.5 Also mag man auch von den Bildern der Heiligen GOTTes urtheilen, wie S. *Gregorius lib. 7. Epist. 53 ad Secundinum6 meldet. Der fünffte nutz ist die Förderung der Ehr Gottes, dann alle Reverentz so den Heiligen von Menschen bewiesen, die nimpt Gott an, als wer [wäre] solches ihm erzeigt, wie D. *Basilius homilia in 40 Martyres. & D. *Ambrosius. sermon. 10. in psalm. 118. melden. Hergegen wer die Bilder und Heiligen Gottes unehret, der thut es Gott selbsten. [Sc. 18] Der sechste nutz, die Bilder seindt auch Schatten und bedeutungen des zukünfftigen Lebens, dann gleich wie die Bilder im alten Testament haben uns vorbedeutet den Stand des Eyangeliums, also seind unsere Bilder in der Catholischen Kirchen anders nichts als anzeigungen des ewigen Lebens. Hiervon handelt **maches. sess. 25. Decr. 2. Diese herrliche Nutz und frucht der Bilder wollen die ohnglaubigen Ketzer nicht wissen. Darumb stürmen sie dieselbigen auß den Kirchen und Bethheusern; Wie solches anzeigen: Gabriel **Prateolus de Hӕr: **Thomas Waldens: Tom. 3. Tit. 19. Cap. 150. *Sigebert: Synod: 7. Gen. act: 5. Nicol.** San[derus]: tract: de imag: lib. 1. Cap: 10. *Durandus lib. 3. Sent. distinct: 9. q. 2. **Concilium Trident: sess. 25. Decr: 20. Es seindt aber je und allezeit die Bildstürmer hergegen hefftig an Leib, Ehr, Gut, und der Seelen gestraft worden, wie von Juliano Apostata melden, *Nicephorus Callistus lib. 10. Cap. 34. *Theodoretus lib. 3. Cap. 20. *Socrat.[Socrates Scholasticus] lib. 3. cap. 8. *Sozom.[Sozomenus] lib. 6. c. 1. Leo Isauricus Imperator dieses Namens der dritte [680–740 n. Chr.], ein hefftiger Bildtstürmer, ist nicht allein an seinem eigen Leib mit dem Blutlauff und der Pestilentz, sondern sein gantz Reich mit mancherleyen Kranckheiten gestraffet [Sc.  19] worden und zergangen. Constantinus Copronymus [719–775 n. Chr.] weil er wider Gottes und seiner Heiligen Bilder tobet, verleurt in einer Meerschlacht zweitausent schiff mit seinem gantzen Volck, und er bekommet ein unheilsame [i.S.v. unheilbare] Kranckheit, stirbet mit grossem Schmertzen seines Leibs. *Sigebertus in Chron. **Onuph. Panvinius in cat. Imp. Videatur **Thomas Waldens. tom. 3. tit. 19. ca.  15. 2. Item **Molanus in Quot. I. lib. de pict. Und werden in diesem Büchlein 4 Augustinus, De visitatione infirmorum , Lib.2, cap. 2 & 3. 5 Zu deutsch: Das Bild, das ich wahrnehme, ist weder Gott noch Mensch. Aber Gott und Mensch ist, was das heilige Bild darstellt. 6 Abgedruckt in STR2, S. 1058/1059.

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wie die alte und newe Bildstürmer seindt gestraffet worden, deren Historien viel erzehlet, welche ja billich den Widersachern einen schrecken solten eintreiben, sich vorthin von dem Bildstürmen zu enthalten. […] Geben in deß H. Reichs Statt Franckfurt auff der H. dreyen Königen Tag im Jar unseres Heyls 1591. Es folgen einhundert Historien, die von Mirakeln berichten, die sich bei und durch Bilder ereignet haben. Leucht präsentiert diese Mirakelerzählungen in drei Teilen: [Sc.7] I. Der erste Theil begreifft die Miracul, welche bey dem heiligen Creutz und

Bildnuß Christi geschehen. II. Der ander Theil erzehlet die Wunderwerck, so bey den Bildnussen Marie der Mutter Gottes sich begeben. III. Der dritte Theil vermeldet die Geschicht, die bey den Bildern der Aposteln, Martyrern, Beuchtigern und anderen Heiligen Gottes sich zugetragen.“ Einen Eindruck von Leuchts Argumentation mögen das dritte sowie die letzten drei Exempel vermitteln:

[Bl. 12r] Die dritte Historia.

Wie ein Bildnuß oder Gestalt unsers HErrn Christi, so nicht mit Händen gemachet7, auß der Statt Edessa8 gen Con-[12v]stantinopel verschaffen. Und was für Miracul darbey geschehen. Ex Constantini Porphyrogeniti Rom. Imperatoris narratione: Item **Simeone Metaphraste, & *Nicephoro Callisto Ecclesiasticae historiae lib. 2. cap. 7. & lib. 17. ca. 16. Videatur **Euagrius lib. 4. Ecclesiasticæ historiæ capit. 26. Item *Eusebius li. 1. Eccles. hist. cap. 13. Et recitatur a D. Ioanne *Damasceno de Imaginibus oratione 1. Item Ludovico **Blosio in appen-[13r]dice facule de pio usu S. imaginum: Et F. Laurentio **Surio in vitis Sanctorum 16. Augusti. Anno Christi 33. ALs Christus Jesus unser HErr Gott und Seligmacher, zur erlösung deß armen verderbten Menschlichen Geschlechts, vom hohen Himmel hernider auff diese

7 Leucht übersetzt ‚acheiropoieton‘ mit „nicht von Händen gemacht“. 8 Heute Stadt mit Namen ‚Urfa‘ oder ‚Sanhurfa‘ in der Türkei.

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schnöde Welt kommen, darinnen dazumal ein gemeiner Fried, und die mancherley Uneinigkeiten auffgehoben, die Herrschafften under einem [13v] Regenten gestanden, und ist ein solches gut vertrawen under den Menschen gewesen, daß einer mit dem andern sich [14r] gar wol hat vertragen können: Da habens auch die Leut darfür gehalten, und nicht anders gemeynet, als wann sie in einem unzertrennten Land woneten, welches ein einiger HErre besesse, von einem regieret würde, Ehrten und förderten derentwegen einander, wie sie immer köndten und vermögten. Dahero Abagarus der König oder Verwalter in der Statt Edessa, also bekandt war mit dem Presidenten oder Statthalter in Egypten, daß sie einander durch Bottschafften und ihre [14v] Abgesandten offt begrüsseten. Als nun eben zur selbigen zeit unser lieber HErr und Heylandt Jesus Christus nach seines Himmlischen Vatters willen auff diese Welt gesandt, sein Ampt mit predigen und Wunderwercken anfieng zu vollbringen, und viel Volcks durch sein Evangelium und Predigt bekehret: Hat es sich begeben, daß einer auß den Dienern Abgari, mit Namen Ananias in Egypten reisete, und als er durch Palestinam oder das Jüdische Landt zoge, trifft er zugleich den HErren Christum an, und [15r] sihet augenscheinlich, wie er das Volck mit seiner Predigt von dem Irrthumb zur Warheit führete, und solche Wunderwerck mit Hilff unnd gesundtmachung an den Krancken, welche alle Menschliche vernunfft uberreicheten9, wirckete. Und wie er nun seine Sachen in Egypten mit fleiß verrichtet, und in dem rurckreysen war, gedencket er seins Herren, der mit Gichtbruch, so wol auch mit dem schwartzen Aussatz hefftig gepeiniget, und sehr geplaget, darvon er grossen schmertzen hat müssen dulden, leiden und [15v] außstehen, dahero dann solche Kranckheiten ihme seine gestalt also verendert haben, daß er sich geschemet für die Leuth zu gehen, darumb bemühet sich sein Diener desto mehr mit fleiß außzuforschen, ob seinem Herren von Christo auch gesundtheit widerfahren könnte: Fande derentwegen den Herren abermals an dem vorigen Ort, eben zur zeit als er einen Todten erwecket, die Blinden sehend , und die Lamen gehend gemacht, und allerley Kranckheiten heilete. So baldt er nun anheim und zu hauß kommen, zeiget [16r] er alles, was er für Wunderwerck von Christo gesehen, seinem Herren dem Abagaro an: deren guten frölichen Bottschafften halben nach verrichten sachen, dann dieser Diener Ananias seinem Herren sehr angenem gewesen. Dahero Abagarus einen grossen Verlangen bekommen, diß, darvon er berichtet worden, warhafftig zu erfahren, schreibet derenthalben alsbalden an den Herren Christum einen solchen Sendtbrieff: Abagarus ein König oder Statthalter zu Edessa entbeut Jesu dem Seligmacher, und [16v] besten Arzt zu Jerusalem Genad und Wolfart: Ich hab von dir und deiner Hilff viel gehöret, und man sagt, daß du ohn Artzeney und Kreuter, die Blinden

9 i.S.v. ‚überstiegen‘.

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sehendt, die Lamen gehend, die Aussetzigen rein machest, die unreinen Geister außtreibest, machest gesundt die mit langwiriger Kranckheit seindt behafft gewesen, und erweckest die Todten. So baldt ich diß alles von dir verstanden, ist mir in meinen Sinn kommen und eingefallen, daß Ich gedacht, du müssest entweder Gott, weil du vom Himmel [17r] kommen oder Gottes Sohn seyn. Habe derentwegen zu dir geschrieben bittend unbeschwerlich zu mir zu kommen, und mich von der langwirigen Kranckheit, damit ich behafft, zu entledigen. Dann ich verstehe, daß du keinen platz bey und under den Juden habest. Und ob ich wol eine kleine Statt hab, ist doch solche herrlich, lustig, und für uns beyde groß genug, daß wir friedlich besammen wohnen können. Und sintemal Ananias seine trewe Dienst und Gutwilligkeit gegen seinem Her[17v]ren genugsam erzeiget und wol bewiesen, deme auch nun mehr Wege und Stege wol wissend, darzu war er auch ein guter Maler Abreisser, seindt ihme die Sendtbrieff an Jesum gehörendt uberantwort worden, mit diesem Befelch, da er Christum mit den Brieffen nicht würdt bewegen können, daß er persönlich zu jhme käme, sollte er sich doch befleissen, daß er seine gestalt oder Contrafeit wol abgemalet zu jhme brächt, damit er nicht allein durchs Gehöre, sondern auch durchs Anschauwen kennen möge den Men-[18r]schen der so viel Miracul und Wunderzeichen ­würckete. Als nun der abgesandte Ananias in das Jüdische Landt kommen, hat er den HErren Christum under offnem freyen Himmel mit dem Volck, welches häuffig beysammen war, redendt, und grosse Wunderwerck thun, antroffen und funden. Demnach er aber wegen der grossen menig10 deß Volcks, welches dazumal umb allerley Ursachen halben gegenwertig, zu Jesu nicht kommen konnte, steiget er auff einen erhöhten Ort, nicht ferrn von Chri-[18v]sto, und setzet sich daselbsten hin, und als er Jesum ins Gesicht gefasset11, nimbt er eine chartam oder tafeln, beschreibet12 und reisset abe Christi gestalt, diß wust nun Jesus im Geist, beruffet derentwegen Thomam zu sich, und spricht zu jhme. Gehe hin und führe hierher zu mir den Menschen, der dort sitzet auff dem Felsen, und beschreibet meine Gestalt, der auch ein Sendtbrieff an mich gehörendt bey sich hat, damit Ich vollende, was ihm befohlen, von dem er gesandt ist. Thomas gehet hin und findet den Menschen daselbsten [19r] sitzendt, wie ihme Jesus anzeiget, und führet ihn zu ihme. Der HErr Christus aber erkläret und eröffnet Ananiæ erstlich die Ursach seiner Zukunfft, und seine begerens, ehe dann er die Brieff empfangen und gelesen, schreibet er widerumb einen Sendtbrieff zu Abagaro mit diesen Worten: Selig bist du O Abagare, der

10 „menig“ d.  h. ‚Menge‘. 11 i.S.v. ‚in den Blick genommen‘. 12 i.S.v. ‚zeichnet ab‘.

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du an mich glaubest, da du mich doch zuvor nicht gesehen hast: Dann es ist von mir geschrieben, daß die mich gesehen haben, an mich nicht [19v] glaubent, und die mich nicht gesehen, die werden an mich glauben und leben. Daß du aber mir schreibest, Ich solle zu dir kommen, kann jetzt nicht geschehen, dann Ich muß allhie erfüllen alles das jenige, darumb ich bin gesandt worden, und nach vollendtem Werck, werde ich wider gehen zum Vatter, der mich gesandt hat. Wann ich aber bin auffgenommen worden, will ich einen auß meinen Jüngern zu dir senden, der deine Kranckheit heylen, und dir das ewige Leben und den Frid geben soll, Und wirdt deine [20r] Statt also beschützen und verwahren, daß kein Feind jemal dieselbige uberwinden soll. Und demnach nun der HErr Christus dem Ananiæ den Sendtbrieff uberliffert, und vermeeret daß er sorgfeltig war, wie er das ander Gebott seines Herren auch außrichten, nemlich, daß er ihme deß Herren Christi Gestalt bringen möchte: Nimbt der Herr Wasser, und wäschet sein Angesicht, und ein Trucktüchlein und trucknet darmit dasselbige, also baldt bleibet durch seine Göttliche Allmechtigkeit die schöne gestalt [20v] seines Angesichts in dem Wüschtüchle, gantz und volkomlich, solches gabe er dem Ananiæ seinem Herren dem Abagaro zu bringen, daß er ihne damit trösten, und seine Schwachheit lindern möchte. Nach disen Geschichten nimmt Ananias Urlaub vom Herren Christo, kehret wider zu ruck anheims, und kömpt zur Statt Hieropolis13, welche die Saracenen Membith, die Syrier aber Mabut nennen, Als aber Ananias in der Vorstadt geherbergt14, und sein heiliges Tuche mit der Gestalt Christi daselbsten in einer Zie-[21r]gelhütten verborgen, ist in Mitternacht am selbigen Ort ein heller schöner Glantz erschienen und gesehen worden, daß die in der Statt anderst nicht vermeynet, als brenne die Vorstatt, lauffen derentwegen auß der Statt zu sehen, wo das Fewer sey auffgangen. Da finden sie den Jüngling Ananiam, fahen denselben, vermeynende ihnen ein Ursach zu seyn sollches Fewers, fragen ihn derentwegen, wer er sey, wo er herkommen, und wo er hin begere. Als sich aber der Jüngling wegen der frembden Anklag entse[21v]tzet, zeiget er sich an, und gibt zu erkennen, woher er komme, wo er hin begere, und was er mit sich dahin gebracht, saget auch daß das jenige, so er in der Ziegelhütten verborgen, ein solchen Glantz von sich geben hette, wie sie gesehen. Da begerten sie alsbaldt zu wissen, was es für ein gelegenheit darmit hette, und in dem sie den Ort besichtigen, finden sie nit allein das jenige, so von dem Anania dahin geleget, sondern auff einem Ziegelstein die Gestalt Christi, so artlich abgerissen, daß sie sich alle darüber zum höchsten ver-[22r]wundert, nemmen demnach solche Göttliche Form auff dem Ziegelstein, welche einen solchen hellen klaren schein als Fewer von sich geben, von dem leinen Tuch getrucket, und verwahren solche bey

13 Hieropolis/Hierapolis, antike griechisch-phrygische Stadt, heute türkisch. 14 In Vorlage „geherbert“.

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ihnen, als einen thewren werden Schatz, wie dann solche Göttliche Würckung und Gestalt nicht mit Menschen Händen auff den Ziegelstein geschriben oder gemahlet, bey denselbigen Völckern noch in grossen Ehren gehalten wirt. Ananias aber als er seine Reiß vollendet, und widerumb zu hauß kommen ist, erzehlet [22v] er seinem Herren alles, wie und was sich mit ihm auff der Reiß begeben und zugetragen, und uberantwortet ihme die heylsame Gaben und Pfandt, so er von dem HErren Christo selbsten empfangen. Als nun nach Christi Himmelfahrt, die Jünger deß HErren in die gantze Welt zu predigen außgesandt, ist der heilige Apostel Judas Thadeus gen15 Edessa kommen, und erstlich bey einem Juden mit Namen Tobias eingekehret, und fahet zuvor und ehe mit den Wunderwercken und Thaten als mit dem [23r] Predigen an, dem Abagaro bekannt zu werden, darumb macht er viel Krancken in derselben Statt mit Anruffung deß Namens Jesu Christi gesundt. Als solches in der Statt erscholl16 und ruchbar worden (wie es pfleget gemeiniglich zu geschehen, wann sich etwas newes, wunderbarlichs, und wider die Natur begibt, daß es baldt laut erschallet, und jedermann kundt gethan wirt) wirdt es dem Abagaro durch einen seiner17 fürnemsten Dienern, mit Namen Abdu, vermeldet, daß deß HErren Christi Apostel einer ankommen, [23v] und gegenwertig sey in der Statt. Wie nun Abagarus solches vernommen, gedencket er mit grosser Zuversicht es müsse der Jünger seyn, welchen CHristus, in dem schreiben an ihne gethan, verheissen hette, Schicket derentwegen nach dem H. Aposteln, welcher dann sich nicht lang geseumet, sondern alsbalden kommen, Und wie ihn Abagarus nur ansichtigworden, beduncket ihne, er sehe einen solchen glantz, daß ihme das Gesicht18 darob vergeht, darüber er sich höchlichen verwundert, vergisset demnach [24r] alles seines schmertzens, stehet auff auß dem Betth, und geht dem Apostel entgegen , da machet ihn der heilig Apostel alsbaldt an seinem gantzen Leib durch die Krafft und Allmechtigkeit deß HERren Christi Jesu gesundt, fahet an zu predigen, von deß HERREN Christi Wunderwercken, Leiden und Sterben, von seiner Aufferstehung und Himmelfahrt: Darauff antwortet Abagarus mit grosser Verwunderung und Zuversicht warhafftig, sagt er. Bist du ein Jünger Jesu Christi deß Sohns Gottes, welcher den [24v] Krancken ohne Artzney und Kreuter geholffen, den ich also liebe, daß wann ich den grossen Gewalt der Römer nicht förchte, welchhe nicht zulassen noch gestatten, daß einerley underthanen gegeneinander streiten, so wollte ich mich an den Juden, welche den HErren Christum gecreutziget, rechen, und sie alle erlege. Weil ich aber verstehe, daß er also willig gelitten und gestorben, (dann wo er nicht freywillig darzu gewesen, hetten 15 In Vorlage „gehn“. 16 In Vorlage „erschall“. 17 In Vorlage „seinen“. 18 Hier i.S.v. ‚Sehfähigkeit‘.

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die undanckbaren Juden keinen gewalt an ihm19 erzeigen können) bin ich nun zufrieden. Und [25r] begere jetzt allein mit meinem gantzen Hauß und Hoffgesindt die Christliche Tauff: Und als der Apostel zuvor viel gesundt gemacht, führet er den König Abagarum zu einem Teich, und tauffet ihn daselbsten nach gewonheit, mit Weib Kind und gantzem Hoffgesindt. Und wie er auß diesem heylsamen Badt gestigen, ist er am Leib und an Seel gantz und gar sauber rein und gesundt gewesen, dahero dann Abagarus forthin in grossen Ehren hielt deß HErren Christi Gestalt, auff dem Leinwadt nicht mit Händen ge-[25v]macht. Und als von den alten Inwohnern der Statt Edessa vor die Stattporten ein steinerne Säul eines fürnemmen Heydnischen Abgotts auffgericht und gestanden, welchen, alle so durch diese Stattporten wollen gehen, haben müssen anbeten, dieses Abgöttische Bild hat Abagarus außstreichen, und an dieses statt setzen lassen das Bild und die Gestalt unsers HErren Jesu Christi, mit reinem Goldt auffs zierlichst eingefasset, und ein solche Uberschrift in das Goldt graben: Christe Deus, qui in te spe-[26r]rat, à spe non excidit. Das ist: O Christe wahrer Gott, wer auff dich hoffet und trauwet, der wird nicht betrogen. Oder also Reymweiß: O Christe wahrer HErr und Gott, Wer auff dich hoffet in der Noth, Wirt nit zuschanden noch zu spott, Ist sicher vorm ewigen Todt. Wer nun wolt zur Stattporten eingehen, der muste zuvor an statt deß Abgotts dieses Bild Christi ehren, darumb ist dieser Ort Gott dem Allmechtigen dediciert, so lang Abagarus gelebet, nach seinem Todt ist sein Sohn an [26v] das Regiment kommen, uund hat gleichfalls nicht mit weniger Andacht solches Bild geehret und heilig gehalten: Aber der dritte regierender Erbe und Nachkömmling ist bantz und gar von seinem Vatter undv A[h]nherrn in der Pietet und Andacht abgewichen, und sich zu den leydigen Teuffeln und falschen Abgöttereyen gewendet, auch dahin sich lassen verreitzen und verführen, daß wie sein Anherr deß Abgöttischen Bild vertilget und außgestrichen, Also wolt er auch dem Bild deß HErren Christi thun, und dasselbig auß-[27r]streichen. Ist ihme aber hierinnen nicht gelungen, noch nach seinem Wunsch ergangen: dann alsbaldt solches der Bischoff desselben Orts erfahren, hat er Vorsichtigkeit gebrauchet, ist den Sachen zuvor kommen, und weil der Ort an welchem das heilige Bildnuß deß HErren Christi verwahret, etwas rundt auß gehölet und tieff in der Mauur stundt, als ein halbe Kugel eingebogen, bereitet er ein brennende Lucern oder Leuchte, mit einer brennenden Fackeln oder Liecht, setzet

19 In Vorlage „mir“.

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solche für das Bild vermauret und [27v] vermachet, nachmals mit Ziegelstein und Kalck die Höle deß Orts, und verstreichet also die Mauwer und die Wand, daß alles gleich, und die Göttliche Gestalt nicht mehr gesehen ward, als solchs geschehen, hat auch der Fürst nicht mehr darnach gefraget, vermeynet solches sey nach seinem Geheiß geschehen, daß das Bild seye abgeschafft worden. Also ist nun dieses heilige Göttliche Bild oder die Gestalt unsers HErren Christi ein lange zeit verborgen blieben, daß auch die Menschen [23r] kein gedechtnuß mehr darvon gehabt, biß Cosröes der Persische König20, die meiste und fürnembste Stätt Asiæ verwüstet, und nun kommen war biß gen Edessa, und sein Läger darfür auffgeschlagen, und allerley Instrumenta und Werckzeug bereitet und angestellet, wie er die Statt mit starcker Gewalt erobern und einnemmen möchte: Wie aber die Edessener, sich in solcher grosser gefahr steckend, befunden, stellen sie sich zur gegenwehr, beschützen sich auch hergegen so wol sie immer köndten. Und fertigen ab ihre [28v] Gesandten an die Römer bittend, damit sie von ihnen wider ihre Feind möchten Beystandt und Hilff erlangen. Aber der Römische Fürst dazumal mit Namen Ilion ward selbsten von den Feinden dermassen geengstiget, daß er denen zu Edessa keinen Beystandt leysten kundte: Tröstet und vermahnet sie aber durch schreiben, daß sie ernstlich und Ritterlich sich halten und wehren sollten, Und führet ihnen darinne gleich zu gemüt, das Sendtschreiben an den König Abagarum gethon, nemlich daß ihre [29r] Statt nimmermehr sollte von den Feinden uberwunden eingenommen und zerstöret werden. Die Persianer aber bemüheten sich under dessen, mit gar vielen und mancherleyen, nicht allein offentlichen sonder auch heymlichen Listen, wie sie die Statt erobern und einnemmen möchten. Fahen [fangen] von ferrn an tieff zu graben, und also under der Erden einen schlieff [i.S.v. Schlupfloch] oder Eingang in die Statt zu machen, und als sie nun mit ihrem graben gleich under die Stattmaur kommen, seindt ihre listige Anschlege und heimliche Practi-[29v]cken in der Statt offenbaret worden, dann an demselben Ort der Statt, da sie allbereit under der Erden gegraben, hat ein Rotgiesser oder Messin[g] Schmidt gewohnet, wenn nun die Feind under der Erden gegraben, haben die Messing Geschirr oben in dem Hauß und Werckstatt einen schall und laut von sich geben, Als nun die Edessenische Bürger fast gar keinen Rath wusten, fliehen sie zu GOtt dem Allmechtigen, und suchen bey ihme ihre Hilff mit andechtigen flehen, bitten und weinen: Deß nachts erschei-[30r]net dem Bischoff in der Statt (welcher Eulalius genannt) ein Ehrbares Wolgeziertes Weibsbild, vermahnet ihn, er sollte deß HErren Christi Bild, so nicht mit Händen gemacht, nemmen, und ein Procession oder Bettfahrt21 darmit anstellen, so werde GOtt ihnen seine Wunderwerck und Barmhertzigkeit gewiß erzei-

20 Gemeint ist vermutlich der persische Sassanidenkönig Cosroe I., der 531–571 regierte. 21 i.S.v. ‚Betfahrt‘ oder ‚Bittfahrt‘.

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gen. Darauff antwortet der Bischoff, er wisse nicht wo solches bey ihnen oder auch anderswo zu finden. Da sagt das Weibsbild: das uber der Statt Porten (und nennet das Ort) solches Bild [30v] verborgen were. Deß morgens stehet der Bischoff auff, betrachtet bey sich emsig, was er deß nachts im Gesicht22 gesehen und gehöret, gehet in grosser Hoffnung mit der Clerisey und Bürgerschafft an dasselbige Ort, mit innigem beten und herzlichem seuftzen, suchet und findet dieses Bildnuß gantz rein, volkömmlich, schön, unversehret, und die Lucern oder Leuchte, welche so viel Jahr dafur gestanden, mit dem Liecht noch hell brennendt und unverzehret. Als er nun diß Bildnuß [31r] oder die Gestalt deß HErren Christi, welcher ist wahrer Gott und Mensch, in seine Hand genommen, empfähet er ein grosse Freud und trost, kompt darmit an den Ort, da sie wusten, daß die Persianer gegraben: Und als die Bürger in der Statt an gleichem Ort innwendig angefangen zu graben, und nun baldt zusammen kommen, nehmen sie Holtz, zünden solches mit der Lucern oder Liecht, welches in der Leuchte gebrennet, an, als bald fanget solches Holtz mit gewalt an zu brennen, daß alle Persianer, so un-[31v]der der Erden gewesen, darvon ersticket, und umbkommen seind, nach dem sie nun von diesen Hindernissen entlediget, haben sie derengleichen Erfahrnuß gebrauchet gegen die Feind auch ausserhalb der Statt, und deren viel durch diß heilige Fewer verbrennet und erwürget. Darauff werden sie viel getroster und beherzter, werffen mit Steinen von der Stattmaur, erlegen den Obersten, und viel Volcks mit ihme, zu deme hette der Feind gegen die Statt außwendig ein grosse Schantze mit Holtz zusammen getragen, [32r] und von allerley geschlecht der Bäumen gemacht, aber die Krafft dieses Bildnuß, welches der Bischoff in seiner Handt truge,, und gegen dem Holtzhauffen hielt, wendet es, daß also baldt die Schantz und Polwerck [Bollwerk] angangen, und ist ein grosser Sturmwind kommen, der das Fewer gegen die Feind gewehet, sie verbrennet, zerstrewet, und grossen Schaden under ihnen angerichtet. Also hat Cosröes an seinem Vornemmen ganz verzweiffelt, mit seinem Schaden entlich, erkennt den Göttlichen Gewalt, der diese Statt be-[32v]schützte, und ist wider in sein Königreich gezogen, nit mit geringem Schaden und spott, denn er allen Unkosten, und alle Arbeit umbsonst, vergebens angewendet, durch welche er die Händ wider Gott hat wöllen auffheben und streiten. Nicht lang hernach erlanget er auch durch dieses Bild grosse Hilff und gewaltigen Beystandt: Denn als seine leibliche Tochter von dem bösen Feind dem Teuffel hart besessen, gantz und gar irr und unrichtig worden, grosse Pein Qual litte, stets ohn underlaß [33r] schrye und sprach: Der in mir ist, wirdt nicht abweichen, es sey dann, daß das Bild zu Edessa, welches nicht mit Händen gemacht, gegenwertig sey. Als der König solches höret, und zugleich noch in frischem Gedechtnuß hätt: Was

22 Hier i.S.v. ‚Traumgesicht‘.

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ihme in der Belägerung derselben Statt begegnet (dann er wuste wol, woher de Edessenern ihr Stärck und Krafft kommen) schreibet er alsbaldt an den Fürsten, so wol an den Bischoffen Eulalium, und an ein gantze Gemein zugleich der Statt Edessa, und bitt fleissig, daß man das Göttliche [33v] und kräfftige Bildnuß ihme alsbaldt mit schicken wollte, und zeiget mit mehrem an die Ursachen seines Begerens, nemlich den bösen Zustandt und grosse gefahr seiner Tochter, so mit dem Teuffel behafftet und besessen. Die Edessener aber vermeinten, es wer ein falscher Persianischer Betrug, und besorgten sich, der König möchte ihnen also hierdurch ihre Stärck und Gewalt abnemmen, gehen derentwegen zusammen, halten zeitigen Rath, wie sie den sachen thun möchten: Und damit sie aber [34r] gleichwol ihme seiner Bitt nicht we[i]gerten, lassen sie das Göttliche Bild mit gleicher Farb und gestalt abmahlen, und schicken also das gemahlte zu dem König Cosröe: Sobaldt nun die Abgesandten an die Persianische Grentzen ankommen, Schreyet der Teuffel auß des Königs Tochter, er begere und wölle alsbalden weichen, und auß dieser wohnung durch den gewalt dessen, den sie jetzunder brächten, fahren, wenn nun solches Bild wider zurück, und nicht in Persia getragen würde. Solches begeret der Teuffel auffs [34v] aller hefftigst von dem König. Da diß der König Cosröes höret, verheisset er , wenn er außfahre, und dem Mägdlin kein schad sonder seine gesundheit wider erstattet werde, so wölle er ihme seiner Bitt gewehren, Also fähret der böse Feind auß dem Mägdlin, und weil sich auch Cosröes der König wegen seiner bösen sitten und Thaten vor dem Gewalt Gottes besorget, Schicket er seine Diener mit vielen herrlichen Geschencken, und mächtigen Gaben, denen entgegen, so das Bild bey sich hette, und lässet sich auffs [35r] fleissigest bedancken, und zugleich bitten, sie wöllen solches wider zurück und an seinen Ort tragen und verschaffen. Also seind die Edessener wider zurück und anheims gezogen, und haben dises Bildnuß für ihren grossen Schatze allwege gehalten. Wie aber dieses heilige Bild von der Statt Edessa gen23 Constantinopel transferiert und gebracht worden, soll jetzunder angezeigt werden: Dann als diese grosse Königliche Statt in der gantzen Welt hoch berühmpt gewesen, hat sich Romanus, so das Römi-[35v]sche Reich dazumals regieret24, beflissen, daß durch ihne das Bild so nicht mit Händen gemacht, dahin möchte gebracht und verschafft werden, Schicket derentwegen seine Gesandten gen Edessa, mit freudtlicher Bitt, man wölle ihme den Sendtbrieff, und das Bildnuß der HErren Christi lassen zukommen: dagegen verheisset er ihnen zu geben zweyhundert Saracenen, und zwölfftausendt Taler:

23 In Vorlage „gehn“. 24 Es könnte der oströmische Exarch Romanus (reg. 589–587) gemeint sein.

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Darauff antworten die Edessener nach gehaltenem Rath, daß es nicht zuträglich were, ihrer Statt Beschützer [36r] und Erhalter umb Gelt und sterbliche Menschen zu verwechßlen [i.S.v. austauschen] und zu geben, und ist diß nun zum öfftern geschehen, daß die Edessener den Constantinopolitanern ihre Bitt wegen deß Bilds Christi abgeschlagen haben: Biß endtlich Ameras, der Verwalter zu Edessa, zu dem Keyser schicket, und ihm25 anzeigen ließ, daß wann eine Verschreibung auffgerichtet und bekräfftiget würde, daß die Römer vier Stätt, nemblich Edessam, Charram, Sarotze, und Samosam, frey lassen, und dieselben nimmermeh bekriegen, [36v] oder mit Gefängnussen und beschwernussen beleidigen wollten, und darzu ihnen die zweyhundert Saracene, mit dem zuvor versprochenen Gelt uberantworten, so wollten sie ihme solches begerte Bildnuß mit dem Sendbrieff deß HErren Christi uberschicken. Das verwilliget der Keyser alles miteinander: Und schicket demnach den Gottsförchtigen Somosatenischen Bischoff Abraminum, daß er Christi Bildnuß und Sendtbrieff von den Edessenern abholen solte. Entstehet derentwegen ein grosser Streit und Auff-[37r]lauff zu Edessa under den Bürgern, welche mitnichten zulassen noch gestatten wollten, daß solche heilige Sachen sollten entfremdet werde, biß sie der Edessenische Pfleger dahin nötiget, daß sie mußten still und zufrieden seyn, und in dem Abreisen erhebet sich ein grosses ungestümes Gewitter, mit Donner und plitzen, daß die Edessener sagten: Gott wollte es doch nicht haben, daß solches Heiligthumb von ihnen solte weggeführet werden. Weil aber der Edessenische Verwalter das Volck erinnerte, und hart betheuret, [37v] das müste gehalten seyn, was einmal abgeredet und verwilliget, seindt solche auß der Statt geführet worden: wie sie nun darmit an den Fluß Euphratem kommen, enstehet wider ein grosses Ungewitter, daß die Edessener sagten: Wo ihnen nicht ein sonderliches Zeichen gegeben würde, wollten sie ihr Heiligthumb mitnichten lassen hinweg füren. Darumb ist ihnen ein solchs Zeichen geben worden, daß das Schiff damit sie wollten uber den Euphratem fahren, so baldt die Bischoffen, welche das Heiligthumb bey sich [38r] hatten, dareyn kommen, vom Landt ohne die Schiffregenten26 gangen, und kommen also gen Samose dahin sie begerten, wie solches die Edessener gesehen, seindt sie desto besser zufrieden gewest: An diesem Ort als sie ein zeitlang verziehen, geschehen viel Miracul und Wunderzeichen bey diesem Heiligthumb. Dann die Blinden werden sehendt, die Lamen gehendt, und derengleichen wirt vielen Krancken und Armen geholffen, wie sie nun ein lange Zeit auff der Reiß zubracht, kommen sie auch zu dem Kloster Eusebii, [38v] setzen das Heiligthumb in die Kirchen, da werden abermal viel Krancken gesundt: Und ist auch gegenwertig gewesen ein besessener von dem bösen Feind, der schrye und sprach: Wir wissen, daß dieser dessen Gestalt

25 In Vorlage „jm“. 26 i.S.v. ‚Schiffsmannschaft‘.

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allhie, ist der heilig Israel, so empfahe nun O Constantinopel diese Ehr mit fröligkeit, und du Constantine Porphyrogenite oder auß Porphyro geboren, fahe [fange] an dein Reich: Und alsbaldt ist der besessene erlöset worden, von dem bösen Feind. Am fünfftzehenden Tage Augusti, Als man nach ge-[39r]wonheit pfleget zu halten das Fest der Himmelfahrt der Mutter Gottes und Jungfrawen Marie, in der Kirchen zu Balthern, kompt das Heiligthumb auff den Abend dahin, und wirdt in den Chor daselbsten gestellet: An solchem Ort ist deß keysers Sohn kommen, und solches demütig verehrt, darnach als mit vielen Liechtern und einer grossen Versammlung der Menschen, das Heithumb beleytet [begleitet] worden an das Schiff oder Galeen, und kommen sind in das Keyserliche Gebiet und in den Tempel Pharos solches gestellet, haben sie es dazumal widerumb geehret: Nachmals seind sie fortgefahren und kommen an die Statt Constantinopel: Wie sie nun auß dem Schiff steigen, folgen alle deß Keysers Sohn, so wol der gantze Rath und gemeine Volck dem Heilthumb nach, und beleyten solches mitten durch die Statt, und weil vilerley Volcks zu dieser Procession läufft, wirdt ein Gichtbrüchiger Mensch, so bald er sich mit seinem Stab auffrichtet, und das Heilthumb ansichtig worden, mit starckem Glauben, widerumb ge-[39v]sundt, lasset Krücken und alles ligen, läufft und folget dem Heiligthumb nach, wie solches das Volck gesehen, preißten und lobten sie Gott: Also ward das Heiligthumb fortgetragen in die Kirch Sophiæ, und gestellet auff einen Königlichen erhobenen Ort, und als sie solches daselbsten geehret und angebetet, seind sie wider herausß gangen, und solches in den Tempel Pharos beleytet, da es in grosser Ehren und Würden gehalten worden ist. [40r] Morale. AUß dieser Historien haben wir kürtzlich zu lehrnen, weil der HErr Christus selbsten, sein Gestalt und Bildnuß in ein reine Leinwath gedrucket und abconterfeyet, dem König Abagaro zu Edessa, so dazumal noch ein Heyd gewesen, zugeschicket, durch welches der König, so aussetzig gewesen, widerumb ist rein und gesundt worden, und bey solchem Bild viel und mancherley Wunderzeichen geschehen: Warumb solt es uns Christen nit viel mehr gebüren, daß wir Christi Bildnuß in den Kirchen auffrichten, und bey uns haben sollten, dann darbey können wir uns erinnern und zur gedechtnuß führen aller Wolthaten, so uns der [40v] HErr Christus erzeiget und bewiesen durch sein Evangelium, so wol Leiden und Sterben, darfür ihm dancksagen, und dessen nimmermehr vergessen.27

27 In Vorlage „wergessen“.

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[353v] Die 98. Historia. [354r] Wie die Geusen so S. Anthonii Bild geunehret, gestrafft worden.

Ex **Guilhelmo Lindano lib 2. de fugiendis idolis capite. 1. Item Apologetici ad Germanos To. 2. cap. 11.28

Anno Domini 1566. IM Jahr Christi 66. Als die Geusen in Niderland die Bilder stürmeten, hat sich zu Hertzo-[354v]genbusch begeben, daß ihr etlich S. Anthonii Bild zerstucket, und öffenlich wöllen verbrennen. Aber was geschihet? Dann sie seind nicht ungestraffet geblieben; Alsbaldt kommt sie S. Anthonii plag an, daß sie am gantzen Leib voller stöpfflich werden, wie Mohnkörner, da lauffen die unselige Leut heym zu hauß, und sterben allzumal deß andern Tags. Morale. Die newen Rotten und Secten thun anders nicht, als [355r] wolten sie mit Gewalt und Macht Juden und Heyden in der Gottlosigkeit und Abschaffung deß Christenthums uberwinden. Aber nichts gewissers als gleiche Straff haben sie mit denselbigen zu gewarten, wie allhie geschehen.

Die 99. Historia. Wie die Geusen zu Hassel, im Stifft Lüttich die Bilder wöllen verbrennen, aber solches nicht vermocht. Ex **Guilhelmo Lindano [355verso] lib. 2. cap. De fugiendis idolis. **Surio in Chronicis29. Anno 1566. Als Hermannus Moder ein Anfänger der Auffrührer bey der Statt Hassel, Lütticher Bisthums zum sechsten mal in die Kirchen gelauffen, die Bilder darinnen zu verwüsten und zu verbrennen, seindt ihm allemal die Liechter ausgeloschen. Darnach wirfft er die Bilder auff einen Hauffen, dieselben zugleich auff einmal [356recto] zu

28 Es handelt sich um zwei Schriften des Niederländischen Inquisitors und Bischofs Wilhelm Damasi Lindanus (1525–1588): a) De Fugiendis Nostri Seculi Idolis. Köln: Maternus Cholinus, 1580. – b) Apologeticum Ad Germanos, Pro Religionis Catholicae Pace. Antwerpen: Plantin, 1570. 29 Gemeint ist die fünfbändige chronologisch aufgebaute Schrift von Laurentius Surius (1522– 1578), De Probatis Sanctorum Historiae. Köln 1570–1573. Oder desselben commentarius brevis rerum in orbe gestarum. Köln 1574.

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verbrennen. Aber das Fewr hat gar nicht brennen wollen, sondern wenn es angezündet, ist von stundt an, alß durch einen Platzregen wider außgangen und verloschen. Also erhelt GOtt wunderbarlich zum öfftern seiner Heiligen Bilder, wie er denn auch hergegen die stürmer derselbigen nicht ohngestraffet lasset. Morale. Die Gottlosigkeit ist bey den Secten also eingewurtzelt, daß wann Christus und seine Heiligen leiblich vom Himmel kämen, sie würden für ihnen nit bleiben können, solchs geben sie augenscheinlich zu erkennen mit dem Bilderstürmen. [356verso]

Die 100. Historia. Wie drey Hugenotten S. Anthonii Bild angreiffen und gestraffet worden. Ex **Guilhelmo Lindano libro 2. Capit. de fugiendis idolis. Anno 1576. Im Jahr Christi 76, den 21. Julii, als der Hertzog Alenzonius, deß Königs von Franckreich bruder in der Statt Castillan [357recto] war, und sein Fußvolck in dem Flecken Soulei eine kleine meil wegs von der Stadt gelegen, haben drey gottlose Kriegsknecht auf einer sewlen, vor der Pforten sehen stehen S.  Antonii Bildnus, und nach dem sie gegen demselbigen vil Lästerung und unnützes Geschwetzes außgegossen, setzen sie dem Bildt einen Sturmhut auffs Heupt, und geben ihme eine Helleparthen in die Hände, und ruffen: Nun Antoni, so were [wehre] dich unserer, laß sehen, wie starck bistu, was vermagstu, und in dem streichen sie mit ihren Wehren zu [357verso] dem Bild ein, und schiessen mit Büchsen zum andern und dritten mahl auff dasselbige und treffen durch das Angesicht und den Kopff. So bald die schöß [Schüsse] geschehen, und sie nun genugsam gelästert, hebt der Schütz an zu schreyen und heßlich zu ruffen: O wehe mein gantzer Leib brennt, ich brenne gantz und gar, fallet alßbalden zu boden und ist todt. In dessen Angesicht gleich an dem Ort, doran er das Bild geschossen, gehet ihm ein dampf auß, alß wann ein Fewer in seinem Leib angezündet were [wäre]. [358recto] Der ander schreyet gleichßfals: O ich kan das Fewer an meinem Leib nicht erdulden, leufft hin, vermeint sich in dem Wasser zu külen und erseufft darinnen. Der dritte sihet den erbarmlichen außgang seines gesellen, ist seiner nicht mechtig, feldt [fällt] auff die Erden und wird sehr gequelet von einem hitzigen Fieber, daß esx alllen so solches gesehen, ein erschröcklicher ahnblick gewesen ist. Wird also in das nechste Hauß getragen, darinnen kommen viel Guthertzige Catholische CHristen zusammen, [358verso] thun

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ihr andechtiges Gebet, und lassen ein Opffer der heiligen Meß auff S. Antonii Altar halten für die Arme Seel dieses Menschen. Und wie ihr Gebet und heiliges Ampt der Meß volendet, wird er vom Priester mit weihe Wasser besprenget. Also bald kömpt der arme Mensch zu sich selbsten, erkennet seine Sünd, ruffet Gott umb gnad ahn und bekennet mit auffgehobenen Henden seinen irrthumb, begeret das vorbitten [Fürbitten] aller umbstehenden. Wie solches geschehen, ist er alßbald wider genesen und zu sein [359recto] gesundheit kommen. Diß haben mehr als drey tausent Menschen gesehen. Morale. Diese geschicht lehret, wie wir die Bilder der Heiligen billich verehren sollen. Dann ob sie zwar nicht Götter und almechtig seind, doch erinneren sie uns deren, die sie uns bedeuten und anzeigen, daß wir die grosse Wunderwerck Gottes in seinen Heiligen loben und ehren, und derer, so itzund bey Gott leben, vorbitt begeren sollen. Unsere liebe alte Voreltern30, wo sie sein gewesen, sie haben gessen oder getruncken, gearbeitet oder gefeiert, gethan was sie gewollet tag und [359verso] nacht, haben Christi uund seiner lieben Heiligen Gedächtnuß allezeit gehalten. darumb hat sie Gottt gesegnet an Leib und Seel, Ehr uund Gut. Weil aber unsere Widersacher alle Andacht, Pietet, Ceremonien und Gedächtnuß Christi und seiner lieben Heiligen außrotten, müssen wir solche geschwinde zeit erleben, wie jetzt für Augen. Der Allmechtige verleiihe seine Göttliche Gnad, daß die alte Andacht wider erwecket, und wir Christum Jesum sampt seiner lieben Mutter Maria und allen lieben Heiligen in ihren Bildnussen loben und ehren hie zeitlich und dort in alle Ewigkeit. Amen, Amen, Amen.

Am Ende des Buches [Sc. 769  f.] folgt ein Aufruf zur gemeinsamen Erweiterung der Historiensammlung:

An den Catholischen Leser. DIeweil, freundtlicher lieber Leser, hin und wider nicht allein in unserem hohen Teutschlandt, sonder auch in anderen Landen viel herrlicher und gewisse Miracul bey dem heiligen Creutz Christi und anderen heiligen Bildern geschehen, und sich deren noch täglich, durch Gottes Allmechtigkeit viel mehr warhafftig begeben,

30 In der Vorlage „vorEltern“.

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Als bitte ich, damit die Wunderwerck Gottes, so sich in der Catholischen Kirchen zutragen, jederman bekandt und offenbaret werden, solche mir mitzuteilen: und auff dißmal mit disem fürlieb zu nemmen, auch mich in deinem andächtigen Gebet zubefohlen seyn lassen. Vale.

Editorische Notiz Bearbeitungsvorlage MIRACVLA S.|| IMAGINVM || Oder || Historische Be-||schreibung vieler herrli||cher Miraculn vnnd Wun-||derwercken: Welche bey dem heili-||gen Creutz vnd Biltnussen Christi/ Ma-||rie, der Aposteln/ Martyrern/ Beuchti-||gern vnd anderer H.  Gottes warhafftig || geschehen. Auß H. schrifft vnd den aller-||bewertesten Vättern vnd KirchenLeh-||rern zusammengetragen/ in die hohe Teut-||sche Sprach vertieret.|| Durch || M. Valentinum Leuchtium, || Concionatorem Catholicum. – Gedruckt zu Meyntz durch || Caspar Behem. 1591. Exemplar der SBB Berlin, Sign. Dt 8325. digit.- 359 gez. S. (+ 29 ungez. S.), 8°

Erstfassung der später mehrfach unter dem Titel Speculum Historicum Illustr. Miraculorum S. Imaginum erweitert publizierten Schrift. LIT NDB, Kühlmann/Killy, zvdd, wikipedia; Brückner (1960), Falk (1903).

N° 85 Jacob Miller KirchenGeschmuck [1591] Auszüge

Jacob Miller (auch ‚Müller‘ oder ‚Mylius‘, 1550–1597) stammte aus dem Allgäu, besuchte die Lateinschule in Radolfzell; absolvierte anschließend ein Theologiestudium am Collegium Germanicum in Rom. das er mit einer Doktorpromotion abschloss; ab 1578 war er Domprediger und Visitator in Konstanz; ab 1586 ‚Verweser in spiritualibus‘ für das Bistum Regensburg, ab 1593 auch Domprobst daselbst. Ein ebenso nüchtern-pragmatisches wie ob seiner ungewöhnlichen Informationsdetails anregendes Buch ist es, was Jacob Miller hier mit seinen Darlegungen zum „KirchenGeschmück“ (Ornatus Ecclesiasticus) von amtswegen (als Vertreter des nur eingeschränkt handlungsfähigen Bischofs) vorgelegt hat: ein episkopales Dekret für Bau, Einrichtung und Ausstattung der katholischen Sakralgebäude des Bistums Regensburg. Es adressiert die gesante Geistlichkeit samt dem weltlichen Administrationspersonal und wurde deshalb gleichzeitig in lateinischer und deutschsprachiger Version formuliert und publiziert. Es sollte die Zuständigen auf Misstände hinweisen, Korrekturen ermöglichen und Neubauten initiieren. Zu diesem Behufe musste es freilich Normen vorgeben. Diese hatte Miller gewonnen, indem er die in katholischem Besitz – Regensburgs Bevölkerung war seit 1542 mehrheitlich protestantisch – verbliebenen Sakralbauten persönlich in Augenschein genommen hatte und indem er die Beschlüsse des Tridentinums (1545–1563) für seine Diözese verbindlich gemacht hatte. In einer bereits 1588 unter dem Titel ‚Constitutiones Et Decreta Omnibus Ecclesiarum Rectoribus, Ac Presbyteris Per Dioecesim Ratisbonensem observanda‘ zusamengestellten Grundsatzschrift hatte er eine Informationsbasis geliefert, die er nunfür Regensburg pragmatisch ausbaute. Im Kontext unserer Dokumentensammlung nimmt es sich höchst ungewöhnlich aus, dass Millers Darlegungen jegliche frömmelnde Einbettung und theologische Umwölkung meiden und sich auch jede konfessionspolemische Zuspitzung versagen. Ästhetische Emphase wird ebenfalls vermieden. Dagegen geht es allenhalben zwecks pragmatischer Funktionsoptimierung um Maß, Zahl und Material, um sinnlich mediale Nutzungsinteressen in Kalkulierung von Belüftung und Geruchsvermeidung und Sauberkeit, Beleuchtung und optischen Strategien, Akustik, Begehbarkeit und Hindernisvermeidung. Die Gebäude gewinnen so im Zusammenwirken von Außenund Innengestaltung eine nachgerade körperhafte Wirkungspräsenz, die vom großen http://doi.org.de/10.1515/9783110780031-026

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Ganzen – etwa der Lage des Gebäudes in Relation zu seiner landschaftlichen und architektonischen Nachbarschaft – bis zum scheinbar peripheren Detail – etwa der Beschreibung verschiedener Verschmutzungsarten und den Gerätschaften zu ihrer Beseitigung – reicht. Miller hat sein geschichtshaltiges, beobachtungs- wie vorschriftenreiches Buch thematisch in zehn „Titul“ unterteilt, bei denen er jeweils vom großen Ganzen zu Details fortschreitet. Der 1. handelt „Von der Kirchen und ihren Theilen“, der 2. „Von dem Hochwürdigen Sacrament deß Altars“, der 3. „Von mancherley Geschirrlein, Gefeß, Büchßlein oder Schächtlein zu dem H.  Sacrament deß Altars, H.  Öl und Hostien, so noch geweicht oder consecriert sollen werden, gehörendt.“ Der 4. handelt „Von kleinerem seidenen Haußrath“; der 5. „Von den heiligen Ölen und Tauffstein“; der 6. „Von dem Heiligthumb1 und dessen Ort, Gefeß und Geschirr“; der 7. „Von den Altärn und ihrer Gezier“; der 8. „Von der Sacristey und was hierzu gehörig“; der 9. „Von mancherley leinen Tüchlein der H. Meß gehörig“; und der 10- schließlich „Von gemeinem Haußrath.“

1 Gemeint sind damit Reliquien aller Art samt den Möglichkeiten ihrer historischen Herkunftsbestimmung.

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Wir haben im Folgenden Auszüge jener Textpassagen und Kapitel zusammengestellt, die, wie vermittelt auch immer, ästhetisch belangvoll und bezugreich sind. [S. 1]

Der erste Titul. Von der Kirchen und ihren Theilen. Von dem Gebäw der außwendigen materialischen Kirchen, und derselben Aigenschafft und Gelegenheit. Das I. Capitul.

OB gleichwol zu disen ellenden und arbeitseligen Zeiten mehr Kirchen zu grund gericht und nidergerissen, es sey gleich durch die abgefallne Christen, und Feind wahrer Catholischen Religion, oer auch durch Trägheit und Faulheit, deren so sonsten noch Catholisch, dann auffgericht und gebawen werden, wie es laider der Augenschein heller, dann daß einigs betheurens und probierens vonnöten, mit sich bringt: Dieweil wir aber uns nun mehr lengst fürgesetzt, den alten Schein und Herrligkeit deß Gottsdiensts, auch der Mayestät und Ansehen der Ceremoniem und Kirchengepreng, eusserstem Vermögen nach, widerumben zu erholen und herumb zu bringen, haben wir in disem Büchlein uns nit allein understanden waser massen allerley heilige Ding, so in der Kirchen, Heilig und Gottselig sollen auffgehalten werden, Wiewol wir diß fürnemblich mainen, sondern auch und uber das, wie der Kirchen gebäw an ihme selber solle gestaltet und geartet seyn, sovil diß Orts vonnöten zu lehren und fürzuschreiben: Damit hierauß Bericht eingenommen werde, wie, wa nit neue Kirchen zu bauen, doch zu dem wenigisten die jenigen so vor Zeiten auß sonderer Gottsforcht, und ansehenlicher Freygebligkeit, unse-[2]rer Voreltern auffgericht, und nun mehr Alters halber eingefallen, oder auß Schalckheit, oder auch Hinlessigkeit der Leuth entweyht und entunehrt, oder entlich sonsten in geringen Ehren gehalten, widerumben zu dem vorigen Stand, und alter Würdigkeit, so vil möglich gebracht, und fürgeschribner Regel nach ersetzt und auffgeputzt werden möchten. Derohalben ist diß die Form oder Art, sovil Gelegenheit deß Orts halben möglich, deß Kirchengebäus im fall ein neue Kirchen zu erbauen. Sie solle an ein erhöchtes Ort gesetzt werden, also daß man drey, vier oder fünf Staffel auffs wenigist hinauff steigen müsse: Daher so an etlichen Orten, oder vorlengst erbauten Kirchen die Maur mit Erdenstein, Kalch oder Scherben dermassen angefüllet und uberschüttet, daß sie der Thür gleich seyn, und nun keine Staffel mehr verhanden, sollen diie jenigen so diß angeht und obligt, fürsehen, damit solches alles weg geraumbt, es wäre dann dem Fundament und Grundvest nachteilig, und die Stiegen zu der Kirchthür widerumb zugericht werde.

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Insonderheit aber sein zwey ding, so weit von jeder Kirchen abgeschafft sein solle. Das erst ist, allerhand Wust und Unlust, alles Kath2, Mist, Stäl3, Pfitzen, Kotlachen und dergleichen darumben auch mit höchstem Fleiß solle verhüt werden, daß keines nachbaren Hauß, Schloß oder Palast, heimliche Ort oder Gemach, ob es schon mit Prettern oder Mauren, eingemacht und verdeckt, einerley weiß oder weg gegen der Kirchen gericht sey. Das ander aber ist allerley Geräusch, Getöß und Zusamenlauffen, wie sichs begibt in den Schmitten [Schmieden], Wirthshäusern, Jaroder Wochenmärckten, Kauffplätzen (von deme etwas weiters hieunden in dem 6. Capitul) welche ding zwar jederzeit, fürnemblich aber an den Kirchweyhungen, bey welchen solche Mißbräuch meisttheils eingeschlichen seyn: und da es vonnöten, auch mit hülff und zuthun derselben Orten Weltlicher Obrigkeit, mit Ernst abgeschafft werden sol-[3]len. Dann durch dise und dergleichen Sachen wirt der Gottsdienst sehr verhindert, und die heilige und geweichte Ort nit ein wenig entunehrt. Derowegen am sichersten und besten ist, die Kirchen so jemandt in disen ellenden Zeiten, nach dem herrlichen Vorbild und Exempel seiner Eltern, gedacht, ein Kirchen zu bawen, an ein solch Ort zu setzen, welcher gleichsam als ein Insel gestaltet sey, als nemblich, daß er etlich Schritt von allen andern Häusern abgesondert sey, welches fürnemblich in Dörffern kan und solle fürgenommen und gehalten werden. Im fahl [Fall] aber etliche Kirchen solche Mängel hetten, und liesse sich ansehen, als ob dieselbige, ohn höchste Beschwerdt und Beysorg, mehrers Ubels nit köndten gewendt werden, sollen derselbigen Kirchenprelaten oder Vorsteher, dessen uns4 mit ehistem berichten, damit wir, was in der Sach fürzunemmen, an Statt und in Namen deß Hochwürdigen in Gott, Durchleuchtigen, Hochgebornen Fürsten und Herrn, Herrn Philippen, confirmierten Bischoffs zu Regenspurg, Pfaltzgrafens bey Rhein, Hertzogen in Obern und Nidern Bayrn, etc.5 unsers gnädigen Fürsten und Herrns, zeitlich berathen und schliessen können. Da auch ferner etliche Kirchen, Capellen oder Altär, vorhanden, so Alters halben, oder auß andern Ursachen wären zu grund gangen, wöllen wir daß dieselbige in allweg, auch von dem Fundament an, da es sein kan, widerumb auffgericht und erbawt werden, Wa ferr aber zu solchem Gelt und Unkosten nit verhanden, oder andere Hindernuß einfielen, sollen ebenmässig der Orten Geistliche Regenten oder Kirchenpfleger, uns deß gantzen Handels verständigen, und ohne unser

2 i.  e. ‚Kot‘. 3 i-S.v. Ställe, Gestelle. 4 Miller spricht hier als Repräsentant der Episkopalbehörde, welche Dekrete erlassen und Visitationen anordnen kann. 5 Die Rede ist von Philipp Wilhelm, Herzog zu Bayern (1576–1598), der als Dreijähriger bereits zum Bischof gewählt worden war und amtlich u.  a. durch Jakob Miller vertreten wurde

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Bewilligung und Vorwissen, einigerley Kalch [Kalk], Stein, Ziegel, Holtz, Eysen, und was dergleichen, von solchem abzutragen, oder hinwegzuführen, oder diß zu thun andern gestatten, bey hoher Straff, so wir uns vorbehalten, in dem wenigisten nit [4] underfangen noch vermessen, da wir dann alle Sachen, und deß Orts allerley Umbständ, Gelegenheit oder Ungelegenheit, satten Bericht geschöpfft, wöllen wir nach Ordnung und Außweisung Geistlicher Rechten, und der allgemainen, sonderlich deß Trientischen6 Concilien, was zu thun oder zu lassen, vonnöten, unverzogenlich [unverzüglich] abordnen und verschaffen.

Von den Theilen darauß die Kirch gemacht. Das II. Capitul. DEr erste Theil so uns fürkompt ist das Tach [Dach], das soll vest, starck, auch mit notwendigen Underzug, Balcken, Trämen7 und Latten, wol versorgt, und wo nit mit Kupffer oder Bley, doch auff das wenigist mit guten Zieglen oder frischen Schindlen, gedeckt und verwahrt seyn. Und weil von dem Tach schier alle andere Theil der Kirchen in Erhaltung hangen und bestehn, ist vonnöten, daß solches mehrmalen von Meßnern und Kirchenpröbsten beschawet, und nach möglichistem Fleiß, auch alle kleine Tachlöchlein oder Spältlein, durch welche es kan einregnen oder tropffnen, gemacht und gebessert werden. Und also soll das Tach von aussen geschaffen seyn. Inwendig aber und gegen der Kirchen solle es mit einem Gewölb, oder sonsten schönen kunstreichen Täfer8 , nach Gelts Vermögen und Freygebligkeit desselbigen Völckleins, geziert und versehen seyn. Wo aber die gantze Kirch, wegen geringes Einkommens, nit kan Gewölbt werden, ist sich zu bemühen, daß zu dem wenigsten der Chor oder Ort, wo der Hoch- oder Fronaltar steht, gewölbt werde. Und da auch solches das kleiin Vermögen der Kirchen nit erleiden köndte, soll er doch in allweg getäfert [getäfelt] werden. Uber das ist zu befleissen, daß jeder Altar so sonsten kein Gewölb ob sich hat, mit schönen von Geistlichen Bildern, ge-[5]mahlten Tafeln (es geliebe dann mehr ein seidener Himmel zu machen, von welchem unden an dem 39. Capitul außführlicher gehandlet) gleichsam bedeckt, und von allerley Staub, Spinnen, Wust und Unrath, so von oben herab fallet, versichert und gefreyet seye.

6 Zur Kritik am Bilderdekret des Konzils von Trient (1545–1563) ausführlich Martin Chemnitz → STR2, N° 51, S. 775–878. 7 Gemeint ist eine bestimmte Balkenart. 8 i.S.v. Getäfel.

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Von den Wänden. Das III. Capitul. DIe Wänd sollen von Stein oder Ziegel gemacht sein, gantz, nit bawfellig, starck, innwendig glatt und sauber, von Kalch zubereit, mit schönen und Geistlichen Historien, (dann allerley Weltliche Gemähl, und andere so zur Gottsforcht nit fürträglich, gebieten wir mit Ernst von den Wänden, Grabsteinen, Altären, und waserley Orten der Kirchen abzuschaffen, hinzulegen und außzulöschen) auß der Bibel, oder dem Leben deß Heiligen, so derselben Kirchen sonder Patron und Fürbitter gezogen, gemahlet und gezieret. Außwendig aber gedulden wir sie [nämlich andere Heiligenbildnisse] ob sie schon nit sonders gezieret wären, gefällt uns dannoch beneben sehr wol deren andächtigen Christen Brauch und Gewonheit, so auch außerhalb der Kirchen, an derselbigen Mauren, der Heiligen Bildnussen mahlen zu lassen. Die Ort aber darinn die Fenster und Thüren gesetzt werden, sollen auch rings umbher gemahlt, oder doch gewiß mit Dunckelschwartz oder Aschenfarb, durch schwartze Linien underzeichnet, so wol auß- als innwendig, wiewol von aussen gerings Gemähl genugsam, angestrichen und gezieret seyn. Da dann die Wänd gedachter massen zugericht, sollen sie in bäwlichen Ehren, rein und sauber, von Staub, Spinnen, Weppen [i.S.v. Spinnweben], und dergleichen Unrath erhalten, und mehrmalen mit Besen gekehrt und geputzt werden. [6]

Von den Fenstern. Das IIII. Capitul. DIe Fenster sollen mit hellem und klarem Glas beschlossen, und von aussen, da sie nit bey viertzehen Spannen hoch, von der Erden mit EisenGättern verwahrt seyn. Sie sollen auch alle, wa möglich, mit Netzlein, von Eisendrat gestrickt, damit das Glas nit zerworffen und sonderlich die Vögel sampt derselbigen Nestern abgehalten, von aussen uberzogen werden, so hoch und brait sollen sie auch seyn, das daher auff jedem Altar zu singen und lesen, gnugsame helle oder liecht einfalle. Es sollen auch die Fenster, und fürnemblich die so gegen Mitternacht stehn, und den Nort- oder Reißwind auffahen, also gantz und wol verwahrt seyn, daß keinerley Gäch- [Gächwind i.S.v. Windstoß] oder Sturmwind, wie starck auch immer derselbe anfalle, dem Gottsdienst, und insonderheit dem jenigen darinn das heilige Sacrament deß Altars gehandlet wirdt (da dann eusserster Fleiß und Mühe angewendt soll werden damit auch das wenigste oder geringste Lüfftlein durch versehrte Fenster, oder unverwahrte Thüren, so zu nach [i.S.v. nahe] gelegen, den Altar nit bewehe, und wa solchem Ubel anderst nit köndte fürkommen werden, bevehlen wir hiemit, daß solche Fenster und Thüren vermauret, oder gewißlich die Altär

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auß unserm Geheiß und Vorwissen abbrochen werden) oder auch der Glaubigen Andacht und Gebett, verhinderlich und nachtheilig sein köndte. Jedoch ist es nutzlich und rathsam, daß etliche Fenster also zugericht und eingesetzt seien, daß sie füglich auff und zugethan mögen werden, damit also hierdurch allerley Feuchtigkeit, Dampff, Rauch, Staub und dergleiche, so dem Volck, wann es in grosser Anzahl beysamen, uberlästig, und dann auch dem Gezier der Kirchen und Altartüchern, sehr schädlich, desto leichter möge außziehen, verhindert oder abgewendt werden. [7] Die jenigen Fenster so also nider auff dem Boden, daß die so heraussen stehn, hinein können sehen, sollen alle vermaurt, oder ja also verglast werden, daß man nit mehr dardurch könne hinein schawen. Es wäre auch zu wünschen, daß alle Fenster, so sonsten in die Kirchen von aussen eingericht sein (außgenommen die so für den Bischoff oder derselben Kirchenprelaten zuberaitet) vermacht und zugemauret wären.

Von den Thüren. Das V. Capitul. DIe Thüren sollen beschlossen und groß: auch deren so vil sein, wievil und groß derselbigen Orten Gottsdienst, Pfarrmenig9, und auch die grösse der Kirchen an ihr selbst erheischet, sollen aber von vestem und frischem Holtz, dick, auch starck gnug gemacht, und wo Unkosten halber sein kan, mit eisenem Blech uberzogen seyn, mit Riglen, Schlossen, Schlüsseln, und dergleichen Sachen dermassen versehen, daß sie vor Kirchenrauberen, oder andern mutwilligen losen Leuthen, gnugsam und gewißlich versichert seyen, welche außerhalb deß Gottsdiensts, fürnemblich wo sich einiger Gefahr zu besorgen, und deren Orten Brauch und Gewonheiten nit darwider, niemalen offen, sondern allzeit, wo möglich, beschlossen seyen, auff daß also auch hiemit, das gemaine und vilfältige Durchlauffen durch die Kirchen verhütet werde. Nit weit von der Thür seye ein Weihkössel [Weihkessel] voller geweichten [geweihtem] lautern Wassers, mit welchem sich die andächtigen Christglaubigen besprengen, welcher Weyhbrunnen alle Sontag außgereiniget, und ein frisches Wasser gesegnet oder geweyhet soll werden. [8]

9 „Pfarrmenig“ meint ‚Pfarrmenge‘ oder ‚Menge der Pfarrkinder, bzw. Gemeindemitglieder‘.

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Von dem Boden oder Pflaster der Kirchen. Das VI. Capitul. DEr Boden in der Kirchen solle niergendts bloß, sonder aller Orten mit gepalierten [polierten], oder außgehackten Blatsteinen [i.S.v. Steinplatten], gelästen [glasierten] Zieglen, so sie zu bekommen, oder andern vesten Steinen, seytemal die Marmelstein hie[s]iger Landtsart schwerlich zu bekommen, zierlich besetzt und gepflastert seyn. Auff welchem Pflaster oder Boden, kein heiliges Bild, sonderlich aber das Zeichen deß heiligen Creutzes solte seyn, und wo sie seyn, sollen sie abgethan, und sovil deren Orten Gewonheit zulasset, außgelöscht, oder doch keins von newem hingesetzt, gamahlt, gestochen und [als Relief ] gegraben werden. Wann jemandts in der Kirchen zu begraben, das gleichwol selten zugelassen, sollen die Gräber also tieff gemacht, auch dermassen verschlossen werden, daß keinerley Geschmack bey dem wenigisten sich nit mercken lasse. Seytemal aber die Reichen gemeinigklich auff ihrer verstorbnen Voreltern Gräbern, oder bey nechst derselbigen in die Wand oder Mauren, Grabstein, Schrifften oder Gedenckzeichen pflegen zu machen und auffzurichten, damit solches Werck die Kirchen nit mehr hindere, dann fürdere, seynd zwey Ding wol zu mercken. Erstlich, daß dergleichen Stein gentzlich keiner mehr in die Wand auffgerichet werde, und da solche auffgericht seyn, wäre unser ernstlich ansinnen, daß solche abgebrochen, und auff den Boden, wo möglich, nidergelegt wurden, jedoch durch die Stein, so von den Wänden, oder andern Orten sollen abgelegt werden, verstehn wir die nit, so also auffgericht seyn, daß sie der Maur oder Wand, allerdings gleich, und also eben seyn, daß sie nit für [vor] die Maur herauß stehn . Sonder allein die jenigen, so dermassen eingemauret oder gebawet seyn, daß sie den Chor und Kirchen schänden, grossen Platz einnem-[9]men, weit herauß raichen, die Priesterschafft und das Volck verhindern [i.S.v. behindern], und den ordenlichen Durchoder Fürgang benemmen. Die Grabstein aber, so gemelte Mängel mit sich bringen, sonder schlecht ein Uber- oder Grabschrifft, sambt Helm und Wappen begreiffen, können wol in die Mawr gesetzt werden. Das ander aber so hierunder zu mercken, ist dises, daß, wann nemblich ein solcher Grabstein auff den Boden nider zu legen ist, daß er nit tieff außgegraben sey, sonder werde allein ein schlechte Uberschrifft, sambt deß Geschlechts Wappen darauff gestochen oder gegraben, der Stein aber soll also gelegt werden, daß er dem Boden oder Gepfläster in allweg gleich und eben sey, und also kein Gruben mach, und auch nit uberauß [i.S.v. hervor] stehe. Dann wo dergleichen Stein heut in der Kirchen funden werden (außgenommen der Heiligen, Bischöffen, Königen, Fürsten, und Fundatorn, oder Stifftern derselbigen Gottshäusern, Begräbnussen) so auch ein wenig als das ander Pflaster, höher, soll man das Erdreich darunder etwas außgraben, und den Stein also legen, daß er dem Pflaster, wie mehrmalen gemelt, gleich sey.

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Gedachts Pflaster oder Boden, soll öffters gekehrt, der Staub von den Stülen, Wenden, Fenstern, Gemälden, Altärn, Bildern, mit füglichen Beßmen [Besen], Fuchsschwentzen, oder etwan mit einem Tüchlein, abgeputzt und hingewischt werden. Es sollen die Spinnen auch und derselbigen Gewepp [Gewebe], auß allen Winckeln oder Eggen [Ecken] der Kirchen, auch oben von dem Gewölb oder Getäfer, mit, auff lange Stangen, angestöckten Beßmen, so wir dann derentwegen unden in disem Teutschen Exemplar, in dem 78. Capitul, abgemahlet haben, abkehrt und weg gethan werden. Und letztlich mit wenigem zu vermelden, solle die gantze Kirch also rain und sauber, gezieret und zugeputzt sein, daß die guthertzigen Christglaubigen leichtlich mögen erkennen, daß [10] diß ein Betthauß [Bethaus], und nit ein Kauffhauß oder Mördergruben seye. Damit aber solches desto geringer und füglicher möge beschehen, so gebieten und befehlen wir nach Ordnung oder Satzung deß heiligen Concilii zu Trient, in der 22. Session, mit Ernst und bey hoher Straff, nach unserm Wilkühr auffzuladen, daß in der Kirchen, Creutzgäng, Vorhöff und Freydhöff, fürnemblich wo solche Mißbräuch eingerissen, keinerley Märckt, kauffen, verkauffen, noch einigerley Welt­ liche Sachen, als Wein, Getraide, Holtz, Stein, Ziegel, Platten, Kalch, Latten, Balcken, und dergleichen, ob auch schon solche Ding zu dem Baw der Kirchen gehörig: Item Spatzieren, Werbungen, Handlungen, Zusammenkunfft, Comedi, Schawspil, Geschrey, und was dergleichen mehr, auff keinerley Weiß noch Weg geduldet, gelitten, zugesehen oder gestattet, sonder solches alles fern (auff das ehist) von der Kirchen auß und abgeschafft werden. Neben dem ist auch nit geringer Sorg zu tragen, daß nit etwa die Kirch, oder Freythöff, mit Menschlichem Blut oder Samen, oder auch durch Begrabung der Ketzer und Verbannten, befleckt und entweyhet werde, im fall aber sich ichtes [etwas] solches begebe, solle man uns dessen eilendts berichten, damit wir mit ehisten, gedachter Orten Weyhung, Versöhnung und Reinigung mögen verordnen.

Wie das heilig Creutz in die Kirchen gestellt soll werden. Das VII. Capitul. MItten in der Kirchen, oder an dem Ort, das da mitlet, zwischen dem Chor und der Kirchen, den Priestern und dem Volck, auff nach zwerch uberzognen gemahlten oder mit Farben gezierten Bal-[11]cken, solle die Bildnuß deß gecreutzigten unsers Herrn Jesu Christi, in der grösse, wie es die höhe deß Orts, und die weite der Kirchen erfordert,gegen dem Volck, oder mittern Kirchthür, andächtig auffgericht werden,

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damit auch hierauß die Einfältigen, desto eher und leichter, sich Menschlicher Erlösung, wer Haußherr an disem Ort, und mit wem sie zu handlen und zu reden haben, erinnern können.

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Der sechste Titul, Von dem Heiligthumb vnd dessen Ort, Gefeß und Geschirr. Von dem Heiligthumb. Das XXXVI. Capitul. IN gleicher weiß, wie nach Gott, den Heiligen die höchste Ehr und Reverentz gebürt: Also nach eusserstem Fleiß, mit welchem wir das H. Sacrament deß Altars auffzuhalten befohlen, sollen der lieben Heiligen Gebein und Heiligthumb, mit grosser Sorg in der Kirchen behalten und bewahrt werden. Seye darumb ein jeder Vorsteher und Prelat der Kirchen erstlich dahin gedacht, daß er das Heiligthumb so in seiner Kirchen, beschawe und erkenne, auch fleissig acht gebe, daß dem Volck nit falsche für rechte, oder Todtenbeiner10 für Heilig­ thumb zu verehren fürgesetzt oder getragen werde. Ist derowegen rathsam einmal alle Heiligthumb [erg. zu] erkundigen, und sehen (die jenigen in allweg außgenommen, so in die Altär, als sie geweyht, durch den Bischoff verschlossen und eingelegt worden. Welche weil sie ungezweiflet Heiligthumb seyn, sollen sich dieselben zu sehen, oder den Altar ohne unser Vorwissen zu erbrechen11, bey hoher Straff niemandts vermessen noch understehn) auch und welches Heiligen jede seyen, von wem, wann, wie, woher, und auß wessen Bevelch, so man dise ding erfahren kan, solche hieher kommen, gelegt und uberschicket worden, möglichistem Fleiß nach ergründen, die gewisen, von den Zweiffelbaren absonderen, und zu den gewisen ihre [72] Namen, auff Pergamen mit schönen leßlichen [i.S.v. lesbaren] Buchstaben geschriben oder gemahlt, legen und anhefften, die Ungewissen aber, und deren Namen verborgen, in ein eigens Geschirrlein einfassen, und gleichwol mit den andern auffhalten. So auch etliche Briefliche Urkund und Zeugnuß, von Ubersendung, Begrabung, und gewisse der Heiligthumben, in den Kirchenladen, Saalbüchern12, Jar­büchern

10 Gemeint sind normale Knochen toter Menschen. 11 i.S.v. aufbrechen. 12 i.S.v. Register, Verzeichnis.

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oder Schatzkästen, verhanden, sollen sie fleissig auffgehalten werden, da sie anderst noch gantz und unversehrt: so sie aber verletzt, und jedoch eben wol noch leßlich, sollen sie auß Geheiß und Fürsorg deß Prelaten oder Vorstehern, derselben Kirchen, durch einen offentlichen Notarium abgeschriben, mit dem Original collationiert und abgelesen underschriben und fidimiert [i.S.v. beglaubigt] werden. Was aber grosser ansehenlicher Heiligthumb, als Kopff, Arm, Schinbein, auch gantze Leiber, verhanden, sollen dieselben an ihren Orten und Särchen oder Gefessen, im fall sie anderst nach gebür auffbehalten, unverruckt verbleiben und von disen was es für Heiligthumb, waher, wann, und wie sie daher kommen, solle sich der Pfarrherr auffs fleissigist verständigen und erkundigen. Wir verbieten auch hiemit bey hoher Straff und Peen, daß sich die Pfarrherren, ohne Vorwissen deß Ordinarii, etwas von dem Heiligthumb ihrer Kirchen, under waserley Deckel13 und gesuchtem Schein, auch denen nit so sonst Andächtig und Gottsförchtig, das aller wenigiste außzutheilen, oder in ander weg zu verwenden, nit underfangen. Von gemeltem Heiligthumb solle auff bestimpte Täg und Zeit, oder ja auff das wenigist in dem Jar einmal ein Gedechtnuß, Suffragium14 oder Commemoration gehalten, und dem Volck auff gewissen Fest- und Feyrtäg (wa nit öffter in dem Jar) alle ordenlich, und mit Namen bey angezündten waxkertzen fürgestellt und angezeigt werden. Die gantze Leiber sollen allein genennt, und wie obgedacht, [73] in ihren Orten, Särchen [Särgen] oder Gräbern, unverruckt verbleiben. Die kleine aber werden auff ein Altar, wa nit ein besonderer Ercker oder Außschutz, hierzu gemacht, in der Kirchen verhanden, ausserhalb deß Chors (es seyen dann deren sehr vil, und sich einer Gefahr zu besorgen, in welchen fall jedes mal nur zwey Stuck, zumal sollen außgeholt werden) zusamen getragen. Alßdann weise und zeige, der Priester so mit einem Chorrock (ohne welche, und angezündte Kertzen, die Heiligthumb niemalen getragen, gesetzt, auffgethon, geschawet, noch tractieret werden sollen) und Stol[a] angezogen, mit grosser Reverentz und Ehrerbietung, dem Volck ein Gefeß oder Geschirr, nach dem andern, und sage in Teutscher Sprach: In disem Gefeß, Geschirr oder Brustbild, etc. sein deß Heiligen N. Gebein, Finger, Füß, Händ, Haupt, etc. oder brauche andere gleichlautende Wort, nach wilkühr. Wo diß vollendt, so trage er mehrgemelte Heiligthumb mit ebenmässiger Ehr widerumb an ihr Ort und Stell. Die blosse Gebein oder Heiligthumb, soll er niemalen das Volck, oder jemandts küssen noch anrüren lassen. Wiewol er etliche Gefeß in welchen gewisse und benennte Heiligthumb, möge bißweilen, gleichwol auch selten, nach Gelegenheit

13 Metaphorisch i.S.v. Vorwand. 14 i.S.v. Votum, Bekräftigung.

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der Zeit und Person, mit einem Kuß verehren lassen. Da aber etliche auß eigner Andacht die Gefeß deß Heiligthumbs, durch ein Priester oder geweichte Person, so mit einem Chorrock angezogen, hierzu verordnet, mit ihren Rosenkräntzlein oder Paternostern, wie sie es nennen, begerten anzurüren, solle ihnen solches, doch das kein Aberglaub noch schändtlicher Gewin mitlauff, unverbotten seyn. Dann es sehen sich die Priester wol und fleissig für, daß sie keinerley, auch freywillige Gaben noch Schanckungen, zu ihrem eignen Nutz und Seckel dienstlich, wegen daß sie das Heiligthumb gezeigt, an-, ein-, noch auffnemen, so aber jemandts auß eigner Bewegnuß und Andacht, Gold, Silber oder Gelts werth, opffern, und zu Zierung deß [74] Heilligthumbs schencken und verehren wolte, solle der Pfarrer in beywesen [i.S.v. Anwesenheit] der Kirchenpfleger oder Pröbsten, die Gaab annemmen, und mit ehistem ohne allen Auffschub derselben, so solches verehrt, Willen und Mainung, in Zierung deß Heiligthumbs volziehen, und in das Werck setzen.

[74]

Von dem Ort deß Heiligthumbs. Das XXXVII. Capitul. WAs dann ferner den Ort deß Heiligthumbs betrifft, ist sich zu bemühen, daß die jenige so in Silber oder in Gold eingefaßt, und im Altar, oder sonst an einem erhöchten und gebürenden Ort, der Kirchen begraben, sicher und wol verschlossen, sonderlich wann es gantze Leiber, oder doch fürnemblich ansehenliche Stuck seyn, und an gedachten ihren Orten, wie mehrmalen gemeldt, jederzeiit unverruckt verbleiben. Andere aber kleiner Heiligthumb15, so zu gewissen Tägen in dem Jar, auff die Altär, dem Volck sie zu verehren, fürgesetzt, von einem Ort an das ander getragen werden, so fern in der Kirchen kein besonderer auffgemachter Ercker, auff welchen sie den Glaubigen gezaigt, und durch das Jar uber behalten werden, verhanden, so sey in einer dicken Maur, nechst bey dem Hochaltar, oder einem andern gebürenden Ort, Capellen, oder doch gewiß in der Sacristey, ein eingemaurter Kasten, gleichsam ein Grab, also groß, weit, tieff, hoch und brait, wie solches alles die vile und grösse deß Heiligthumbs desselben Orts, so hierinn gesetzt und auffbehalten solle werden, erheischet, (es sey dann deß Heiligthumbs so gar vil und köstlich , das es ein besonder Gewölb oder Gemach müste haben) mit Aichnen [eichenen], Alberbäumenen16, oder von anderem hartem, langwirigem [i.S.v. dauerhaftem] Holtz,

15 Unter ‚kleineren Heiligtümern‘ sind vermutlich kleine Körper- oder Gewandteile zu verstehen. 16 Der Alberbaum ist eine Pappelart.

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Tafeln oder Brettern, so mit Carmesinatlas beschlagen und uberzogen. Innwendig allenthal-[75]ben gefütert, und mit zwey oder drey Tafeln, auff daß also desto mehr Stuck hinein mögen gesetzt und auffbehalten werden, underschiden und abgetheilt. Innwendig oben her sey ein Eisens [eisernes] rundes Stänglein, so lang als der Kasten brait, an welchem ein weisser, roter oder blawer Seidener, mit Gold und Silber gezierter, oben an das Stänglein, mit Ringlen eingefaßter Fürhang, herab hang, biß zu End deß Kastens, also zugemacht, daß er in der mitten von oben herab getheilet, damit er auff bedye Seiten, rechte und lincke, wann das Heiligthumb zu besehen oder herfür zu tragen, abgezogen, und wann der Kasten zu beschliessen, widerumb zusammen und fürgezogen können werde. Diser Kasten aber seye mit Schlossen, Schlüsseln, Riglen und Thüren, wol verwahret, und wo das Vermögen, mit einem eisenen Gatter (es seyen dann die Thürlein selbsten gantz Eisen [eisern], und folgendts [folglich] starck und sicher genug) so mit Gold, Silber, oder ja schönen Farben gezieret, welches auff beyden Seiten in Angel gehenckt, gleichsam ein zwifache Thür auff und zu gehe verschlossen. Und endlich soll der gantze Kast mit festen Thüren, von Aichenem oder anderm starcken Holtz gemacht, und außwendig da es vonnöten, mit eisenem Blech uberzogen und beschlagen, zugeschlossen, und solchen Schlossen und Riglen, wie es der Schatz deß Heiligthumbs erfordert, und es den Vorstehern derselben Kirchen für nützlich und nothwendig ansihet, versichert und zugeschlossen werden. Wo dann nun solcher Kasten, wie er jetzt beschrieben und die hier unden gesetzte Figur erklärt, in einer Statt, Marckt oder Dorff, verhanden, und wegen grosser Anzahl deß Silbers, Golds, Perlen und Edelgesteins (dann auff solche Weiß haben unsere liebe Voreltern die Heiligthumb begabet und gezieret) so an dem Heiligtthumb, auch die weltliche Obrigkeit daselbsten Schlüssel darzu haben wolte, sollen jetztgemeldte Schlüssel also abgetheilt und verwahrt werden, daß kein [76] Theil ohne den andern, das ist, weder der Pfarrer ohne die Weltlichen, noch dise ohne den Pfarrer, gedachten Schatzkasten öffnen können, und dann in öffnung desselben also freundlich einander wilfahren, das kein Theil saumselig oder beschwert sich finden lasse. Damit das Heiligthuumb zu seiner Zeit, und auff die Fest und Feyertäg, zu dem Gottsdienst zeitlich [i.S.v. beizeiten] herfürgetragen werden. Wann aber nur der Kasten auffgethan: sollen sich die Weltlichen die Heiligthumb anzurühren vil weniger auß oder ein zu heben und zu tragen, keins wegs, auch bey dem wenigisten nit anmassen, sonder solches alles der Priesterschafft, denen es und ihnen allein, Ampts halber gebüret, heimbstellen und befehlen, und dann nach verrichtem Gottsdienst, wie das Heiligthumb widerumb in den Kasten geliffert, allein zu sehen, die Thüren alßdann helffen verschliessen, und also mit ihrem Schlüssel widerumb zu Hauß ziehen. Da aber dergleichen Kästen, wie wir ihne jetzund etwas außgemachter und vollkommenlicher, für die reichen Kirchen und Clöster, da vil Heiligthumb und

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grosse Schätz verhanden, beschrieben, wegen der Armut der Kirchen nit kan gemacht werden, oder auch wol das geringe Heiligthumb so verhanden, dessen nit vonnöten, so werde ein anderer mit geringerm Uncosten, jedoch sauber und wol beschlossen, und alleinig zu dem Heiligthumb vermeint, in der Sacristey gemacht, es sey dann sach, daß so wenig und schlechte Heiligthumb verhanden, daß sie in zwey oder drey Geschirrlein gefaßt, mit und neben den Kelchen, füglich können auffbehalten werden. Die Figur aber und Gestalt gedachtes Kastens ist dise.

Abb. 21: Reliquien- und Kleinodienschrein. Modelldarstellung aus Jacob Millers ‚KirchenGeschmuck‘, anonyme Radierung, Offizin Adam Berg, München, 1591. [SUB Göttingen]

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Von Geschirrlein oder Gefeß der Heiligthumb. Das XXXVIII. Capitul. WAs jetzund aber die Geschirrlein, darinn die Heiligthumb eingefaßt, belangt, wie ein jedes nach Grösse und Gelegenheit deß Heiligthumbs, geartet und gemaht seyn soll, wöllen wir den Verstand und Klugheit, eines jeden Prelaten und Pfarrherren, ubergeben und heimgestellt haben, uns zwar mißfelt [missfällt] zuvorderst, das man die Heiligthumb in die Monstrantzen, darinn sonsten das H. Sacrament in offentlicher Procession getragen, einschleusset, wie wir auch oben in dem 17. Capitul, solches verbotten, und warumben wir es verbieten, darbey vermeldet. Wöllen doch gleichwol auch wir allhie, Weiß und Maß, wie die Heiligthumb eingefaßt mögen werden, fürzuschreiben, den Einfältigen zu gutem, nit underlassen. Kurtz zuvor haben wir vermeldet, daß die gewisse und bekante Heiligthumb von dannen [hier: denen], deren Namen unbewust [i.S.v. unbekannt], und doch ebenmessig für gewisse Heiligthumb gehalten werden, zu absonderen seyen. Was dann nun die gewisen anlangt, sollen die schönen und grossen Stuck, auch schöne und köstliche Gefeß haben, so auß Gold, Silber, Christall und dergleichen Gezeug, von kunstreicher Form, Art und Arbeit gemacht werden. Das Heiligthumb aber solle nit bloß [i.S.v. unbedeckt], sonder mit Seiden engewicklet und verdeckt (es seyen dann schöne grosse Gebein, und in Christall eingefaßt) in sollich Gefeß gelegt werden. So das Gefeß Gulden oder Silberen ist, soll es der Heiligthumb Namen fornenher gegossen oder gegraben haben, wann es aber von Christall gemacht, so seyen die Namen auff Pergamen, wie auch oben befohlen, geschrieben, und auch an die Seiten [Seide], damit das Heiligthumb bedeckt, gehefftet, also das es meniglich leichtlich lesen könne: Was aber kleine Stücklein, [79] außgenommen die, so von dem H.  Creutz (dann dise wie klein sie auch seyn, in gantz köstliche Creutz und Geschirr eingefaßt werden sollen) betrifft mögen solche zwey, drey oder vier, in ein Gefeß zusammen mit ihren eignen Namen, gelegt und eingeschlossen werden. Wann gewisse und warhafftige Heiligthumb verhanden, aber doch also kleine Brosämlein17 [i.S.v. Partikel], und vermischet, das man nit kennen kan, welche von einem oder andern Heiligen, das dann, wo die Namen nit fleissig darzu geordnet, leichtlich beschehen kan, sollen solche zumal in ein Gefeß eingelegt, und jedes Heiligen Namen auff Papir oder Pergamen, verzeichnet, darzu an- oder auffgehefft werden. Da man aber etwa kleine Kernlein, Brosämlein oder auch Aschen, von Heiligthumb, so in eigne Geschirrlein schwerlich zu fassen, hette, soll ein Gefeß oder

17 In Vorlage „Broßmänlein“.

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Geschirr, auff nachfolgende Manier (dergleichen auch wol für andere Heiligthumb mag zuberaitet werden) in welches alle zugleich, sambt beygelegten Namen eingeschlossen, gemacht seyn. Ein kleines Kästlein oder Lädlein, werde von Silber, Gold, Nußbäumen Holtz, oder anderer gebürender Materi gemacht, hoch und brait, nachdem vil Hei­lig­ thumb darein zu thun, ungefährlich fünff Finger tieff, in disem seyen kleine viereckte Zellen und Häußlein, underschieden und zierlich zuberaitet, alle mit vergulten Rähmlein (da sie von Holtz gemacht) eingefaßt, und wann nun das Heiligthumb darinn, so werde es mit einem schönen durchsichtigen Glas also uberzogen, das eben mit disem alle Häußlein dermassen zugeschlossen, damit nichts möge herauß reisen, welches Glas dann auch mit einem verguldten Rähmlein, und von oben her mit eim Crönlein eingefaßt, und das es fest und sicher bleiibe, angehefftet seyn solle, eh und aber die Heiligthumb in gedachte Zellen eingeschlossen, seyen sie mit seiden, silberen oder gulden Tüchlein, die allzeit zugleich, so in ein Häußlein kommen, eingewicklet, welcher [80] Seiden das Zedelein, darauff die Namen geschrieben, wie gemeldt, angehefft werde, und sollich Gefeß zwar, so es von Holtz gemacht, kosten also wenig, daß die Faulen und Nachlässigen gar nichts zu irer Entschuldigung oder Beschwerung fürwenden können. Letztlich sollen die ungewissen Heiligthumb, das ist, deren Namen man ver­ loren und nicht weist, in einem ehrlichen Geschirrlein, nachdem derselben vil und ansehenlich, auffbehalten werden, mit diser oder dergleichen Uberschrifft: Heiligthumb, deren Namen in dem Buch der Lebendigen geschriben (oder nit bewust) sein. So aber etliche verargwonet, als wann sie nit Heiligthumb oder gefälscht wären, sollen solche niemalen dem Volck zu verehren fürtragen, sonder in der Sacristey, an einem gleichwol ehrlichen und verschloßnem Ort auffbehalten werden, biß und daß wir in schierister Visitation und Besuchung der Kirchen, was darmit fürzunemmen, verordnen. In dem Chor, oder etwan an einer Saul in der Kirchen, werde ein schöne Tafel auffgehenckt, in welcher auff Pergamen schön, und mit Blumenwerck gezieret, die Namen der Heiligen, deren Heiligthumb in derselben Kirchen, der Tag, wann sie gewisen, und der Ablaß gedachter Kirchen verlihen, mit schönen leßlichen Buchstaben kürtzlich, und in einer summ begriffen und verzeychnet seyen. Ob gedachtes Lädlein oder Kästlein, hat dise Form.

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Abb. 22: (Haupt-)Altar. Modelldarstellung (Daten wie bei Abb. 21). [SUB Göttingen]

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Der sibendt Titul, Von den Altärn und jrer Zier. Von gemeinem Altar Das XXXIX. Capitul. SO der Königen und Fürsten Tisch, auff welchem Fleisch von Ochsen, Schweinen und Gewilden, dem Bauch, der Morgens zu Staub und Aschen, erfaulen muß, zu ersettigen, auffgetragen werden,mit Königlichem Pracht und köstlichem Uberfluß, wie [82] vor augen, zuberaitet und gedeckt werden. Mit was Zier, Fleiß und Geschmuck gezimmet es sich dann, dem H. Tisch auff welchem das Brot, so von Himmel kommen, das Lamb, so der Welt Sünd hinweg nimbt, der Leib und Blut Christi Jesu, unsers Herrn, Gott dem Himlischen Vatter zu einem Opffer, und den Seelen, so in Ewigkeit leben werden, zu einer Speiß, auffgesetzt und dargestellt wirdt, zu ziern, decken und beraiten? Es gebürte sich zwar gentzlich, das an solchem Ort alles von Gold, Silber, Edelgestein und Perlein scheinte, gläntzte und mit höchstem Fleiß geziert wäre. Derowegen sein die deß Christlichen Namens weder würdig noch werth, so das Tischtuch, dann das Altartuch, Fatzenetlein18, dann das Corporal19, die Zwehel20, dann das Kelchtüchlein, die Becher, dann die Kelch, bas versorgen, öffter endern, fleissigger warnemmen und sauberer halten, welches wir warlich nit ohne sondere Hertzenleid, von ihnen vilen gehört, und mehr dann an einem Ort mit augen selbsten gesehen haben. Daher wöllen wir jetzund lehren und anzeigen, waßermassem [i.S.v. welchermaßen] der Altar, sambt all seiner Zugehör, nach vermögen jeder Kirchen, solle zugericht und gezieret seyn. Ernstlich und bey hoher Straff hiemit gebietent, daß sei in der Visitation oder Besichtigung der Kirchen nach dieser unser fürgeschribnen Regel, Mas [Maß] und Ordnung erfunden werden. Seytemal wir allhie Fürsetziglich und mit Fleiß, von dem Gezier und Haußrath deß Altars handlen wöllen. Dann wie vil der Altär in jetweder Kirchen sein söllen oder können, wie sie gesetzt und außgetheilt, welche, wegen das sie nit wol stehn, auß Befelch des Ordinarii abzubrechen zu verenderen oder zu versetzen, von deren Weyhung, Grab, Gäntze, Widerbawung, Stifftung, öffterm Gebrauch, und was dergleichen mehr, kan vil leichter, wann die Kirchen besucht, und aller Dingen der Augenschein eingenommen, dann

18 Sacktuch, Taschentuch. 19 Teil der linnenen Altarbedeckung. 20 Altartuch.

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anjetzo geurtheilt und beschlossen werden: wie wol wir auch hierinn nach fürfallender Gelegenheit, etlich der gemelten Stucken etwas anrührern werden. [83] Und zwar hat es uns für nothwendig angesehen, den Puncten, so wir von dem Abbrechen oder hinwegraumen, der Altär angedeutet, disem gegenwertigem Wercklein außfürlich einzuverleiben. Dann alls wir ohne lengst etliche Kirchen auff den Dörffern, unserm obligenden Ambt nach, wie so wol die Zier, als auch der Gottsdienst darinn Beschaffenheit hette, in Erfahrung zu bringen, und zu erkündigen, besuchten und visitierten, haben wir beynach [beinahe] allwegen befunden, das mitten in der Kirchen, zu End deß Chors, und Anfang deß ubrigen Theils der Kirchen, ein Altar auffgericht sey, darauß dann zwey Übel und Ungelegenheiten erfolgen. Erstlich das hierdurch das Ansehen, Weite, Form und Gestalt der Kirchen, sehr geschmälert und geschändt, auch der Eingang zu dem Thor, dem Volck beynach genommen wirdt. Für das ander, so hindert ehgedachter Altar das Volck, das es schier nit in den Chor zu dem Hochaltar, und ja auch so gar weder den Priester ob dem Altar, noch in der Wandlung deß H. Sacraments, sehen oder anschawen kann. Damit wir dann solchem, und etlichen andern Übeln und Mängeln, fürkommen [i.S.v. zuvorkommen], so lassen wir zu, schaffen heissen und gebieten, auß habendem Gewalt, in Krafft diß Decrets und Befelchs, das dergleichen Altär, so angerührte Mängel mit sich bringen, aller orten, und in allen Kirchen durch diß gantz Bistumb (außgenommen die Kirchen, in welchen der gantz Chor von der andern Kirchen abgesöndert, und allenthalben gleichsam mit einer Maur eingeschlossen ist, wie in der Thumbkirchen, und in beyden der alten Capelllen, und S. Johannis collegiat Stifften, allhie zu Regenspurg, und beynach in allen Clöstern zu sehen) ohn weitere unsere Erlaubung, mit ehistem abgebrochen, hinweg gethan, abgestellt, und da sie gestiffte Pfründen oder Beneficien hetten, dieselben sampt dem schuldigen Gottsdienst auf den nechsten Altar verwendet und gelegt werden. […] [94]

Von der Tafel der Bilder, so auff den Altar zu stellen. Das XLVI. Capitul. ES solle ferner, auff jedem Altar ein Tafel, darinn ein andächtiges Bild Christi unsers Herrn an dem Creutz, oder ein anders, wie allenthalben gebräuchig, gemahlt oder geschnitzlet, auffgericht seyn, so fleissig von Staub, und allerley Wust abgesäubert, auch zu seiner Zeit, auff und zugethan oder verhenget werde.

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 N° 85 Jacob Miller

Von der Form und Gestalt deß Fürhangs deß Altars. Das XLVII. Capitul. WEil der Schmuck und Zier deß Altars vil an dem gelegen, daß der Fürhang deß Altars recht gemacht sey, wöllen wir zuvor eh und der Altar bekleidet, von der Form, Gezeug und Farb, deß gemeldten Fühangs handlen, und hernach dann, wie mit disem der Altar zu zieren, bericht thun. So ist derwegen die Form und Gestalt deß Fürhangs, dann andere Kleider, so ohne Noth allhie zu beschreiben, diese: Er wirdt lang und brait seyn, nachdem der Altar, so darmit angezogen soll werden, von der seiten der Epistel, biß an die seiten deß Evangelii, lang, und von dem Fußschemel biß zu dem Tisch oder Altarstein, hinauff hoch ist. […]

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Von den Creutzen. Das LXXII. Capitul. IN jeder Kirchen sollen vil Creutz, von Gold, Silber, Kupffer, Möß [Messing], oder auch etwa (wo die Armut groß) von Holtz gemacht, verhanden seyn. Im fall aber etlich auß Holtz zu machen, sollen sie sauber zugericht, mit Gold, Farben, und in andere weg gezieret seyn, damit man solche bey der H. Meß, Procession und Creutzgäng gebrauchen möge. Andere zwey oder drey sollen auch zu dem vergraben und der Leich, auß Holtz, mit schwartzer Farb angestrichen, mit ringem Uncosten gemacht werden. Mögen auff folgende #‘‘Weiß zugericht seyn.

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Von den Fahnen. Das LXXIII. Capitul. DEr Fahnen seyen auch so vil, und also köstlich gemacht, wie solches alles der Kirchen Ansehen, Schein und Zier, oder auch der Creutzgäng vilfältigkeit ervordert. Wievil aber nun derselbigen, oder wie sie gleich gemachet, wöllen wir, daß sie rein und sauber erhalten werden. Wir verbieten auch hiemit ernstlich, daß die jenigen, so zerrissen und zerlumpt, in dem Gottsdienst oder Creutzgängen, weil solche herauß mehr geschändt, dann geziert, verachtet, dann gelobt werden, keins wegs, es seye dann daß sie widerumb ersetzt und zugericht, gebraucht werden.

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Abb. 23: Drei Kruzifixe samt Stecksockeln. Modelldarstellung (Daten wie bei Abb. 21) [SUB Göttingen]

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Da newe Fahnen zu machen, seyen sie von Seiden, oder ja (in den armen Kirchen) von Harras und dergleichen Zeug zugericht, in der Mitten aber, haben sie, wo anderst die Kirchen deß Vermögens, die Bildnuß Christi vnsers Herrn, der hochgelobten Jungfraw Marie, oder deß Heiligen so daselbst gnädig oder Patron. Die Stangen daran der Fahn, sey mit gebürenden Farben angestrichen und gezieret, oben auff dem Knopff, seye ein Silberes, Kupfferes oder Mössins verguldtes Creutz. In den gemeinen und ofentlichen Creutzgängen, deßgleichen in den Creutztägen , und zu anderer Zeit-, Fest- und Feyrtägen in dem Jar, nach Gewonhet jedes Orts und Andacht, oder fürfallende Noth deß Volcks, gehalten oder angesehen werden, so grosse und hefftige Regen zu förchten, solle man die Fahnen in der Kirchen lassen, oder da ja ein Schöne [i.S.v. Schönwetterabschnitt] zu hoffen, eingewunden mit tragen.

[159]

Von dem Beichtstul. Das LXXIX. Capitul. DIeweil wir in unsern jüngst außgegangnen Constitutionibus21, in dem Titul, von dem Sacrament der Buß, bey Niderlegung und Verbott deß beichthörens, und aller Priesterlichen Empter, gebotten und befohlen haben, wie wir dann solches nachmal, und zu dem andern allhie (dann wir dises, damit es desto leichter in Gedächtnuß gehalten und war genommen werde, mit sonderem Fleiß auff die letzte verschoben) widerumb bey ehgedachter Straff und Peen, ernstlich gebieten und befehlen, das nemblichen die Priester [weder] in den Häusern, außerhalb krancke Personen, noch in der Sacristey, noch hinder dem Altar, noch ninderts [nirgends] anderstwo auch in der Kirchen, es sey dann ein sollich Ort, an welchem menigich, so wol das Beichtkind, als auch den Priester sehen möge, beicht hören. Hat uns für rathsam angesehen, auch diß Orts den Beichtstul, in welchem, und ihme allein, die Krancken außgenommen, die Beicht solle angehört werden, wie er zugericht seyn solle beschriben. Wirdt derwegen auff nachfolgende Weiß beraitet seyn. Man macht erstlich gleichsam einen Kasten, von Dännenen oder sauberm gehobletem Holtz und Brettern, bey sechs Spannen brait, neun hoch, und dritthalben tieff, mit ehgedachten Brettern auff allen Seiten beschlossen, nemblich oben, unden und auff beyden Seiten, vornen aber seye er gantz offen, oben habe er ein gemeine Rahm oder Stell, mitten in disem Kasten, oder ein wenig uber das mittel:

21 Vgl. [Jacob Miller:] Constitutiones Et Decreta Omnibus Ecclesiarum Rectoribus, Ac Presbyteris Per Dioecesim Ratisbonensem observanda. – Ingolstadt: Wolfgang Eder, 1588.

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gegen der rechten Hand, von unden biß oben an, werde ein zwerche Tafel auffgericht, also tieff, hoch, brait und lang, wie der Kasten an ihme selbst, mitten in disem Brett, werde ein viereckets Fensterlein außgeschnitten, allenthalben einer Spannen lang und brait, [160] so doch gleichwol mit einem eisenen oder stürtzenen22 Blech, so voller Löchlein, einer welschen Erbs gros, oder ja mit einem engen höltzenen Gätterlein verschlossen werde, jedoch nit wie ein Thürlein, sonder aller Orten mit Näglen, das mans nit auffbringen könne, verschlagen. Dann obschon die Aufflegung der Händ, auß altem löblichem und wolhergebrachtem Brauch der Catholischen Kirchen, recht und wol gebraucht wirdt in der Beicht, (wiewol auxh diß zu der Essentz, eigentllicher Natur der Absolution und Loßzehlung der Sünden nit gehörig) ist doch nit vonnöten, daß der Priester deß Beichtkinds Haupt berühre, sonder ist gnug, wann er die Hand, indem er die Absolution spricht, ein wenig uber sich halte. Auff der Seiten aber, wo der Priester sitzt, welches die lincke Seiten deß Kastens ist, also das das Beichtkind, dem Beichtvatter under der rechten Hand knie, seye ein Sltz gemacht, und daselbst gleich under obermeldtem Fensterlein, ein braite Leisten, so lang als das mittel Brett brait, angenaglet, oder eingefelst. auff welche der Priester die rechte Hand, ein Büchlein, Rosenkrantz, Fatzinetlein oder dergleichen, etwas legen könne. An der andern Seiten in welcher das ‚Beichtkind kniet, sey ein Fußschemel, auff welchem das Beichtkind füglich knien möge, und oben bey der Brust an der Wand deß Beichtkastens, sey ein andere braite, abgehölte leiisten eingezogen, auff welche das Beichtkind die auffgehebte Händ, ein Büchlein, Zettel und dergleichen legen könne. Vor dem Angesicht deß Beichtkindts a,n gemelte Wand, obgedachter Leisten, sey ein andächtiges Bild, als Christi deß Herrn an dem Crutz, wie er gegeißlet und gekrönet, oder ein anders andächtiges, und zu dem Schmertzen, Rhew, und Hertzenleid der Sünden, fürtregliches Bild angeschlagen. Es wäre auch sehr nützlich und bequem, wann die Beichtvätter nit die Beichtstül auff die seiten wo sie sitzen den Bäpst-[161]lichen Bannbrieff, Bulla Cœnæ Domini23 genannt, die Casus, Fähl24 oder Sünd, so ihme der Ordinarius vorbehelt, die Reglen und Canones, wie die Buß für die Sünd auffzulegen, die Form oder Wort der Absolution, oder Loßsprechung der Sünden, und was dergleichen mehr, an- und auffschlügen.

22 i.S.v. perforiert. 23 Die Bulla in coena Domini wurde 1336 erlassen. Eine erste Druckfassung erschien 1522 in Rom. 24 Hier in der Bedeutung von ‚Fehler, Verfehlung‘.

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Abb. 24: Beichtstuhl. Modelldarstellung (Daten wie bei Abb. 21) [SUB Göttingen]

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Solcher Beichtstül nun werden in der Kirchen hin und wider, sovil an fügliche Ort gesetzt, wievil deren, wegen menig [Menge] der Beichtvätter und deß Volcks, fürneblich zu Oesterlichen zeiten vonnöten. In welchen, und nit anderstwo, wie auch obgedacht, sollen die Priester, mit einem Chorrock und Stol angezogen, züchtig und andächtig, wie sichs gebürt, die Beichtkinder anhören. [Acht Zeilen, in denen von „KirchenHaußrath“ die Rede ist, übersprungen.]

Die Form deß Beichtstuls ist dise.

Editorische Hinweise Bearbeitungsvorlage KirchenGeschmuck. || Das ist: || Kurtzer Begriff der fürnembsten || Dingen /damit ein jeder recht vnd wol zugericht Kirchen  / ge-||ziert vnd auffgebutzt seyn solle  / Allen Prelaten vnd Pfarrherren durch das || gantze Bistumb Regenspurg sehr notwendig. In Lateinischer vnd Teutscher Sprach  / || sambt beygesetzten etlichen schönen Figuren. Beschrieben || Durch || Herrn Jacob Müllern / H. Schrifft Doctorn / vnd wolermelter hoher || Stifft Regenspurg / von Bäpst: Heyl: verordneten Vicarium / etc. || {Wappenvignette}Gedruckt zu München bey Adam Berg. || Anno Domini M.D.XCI. Exemplar der SUB Göttingen, digit.- 168 S., 188 Sc.

abgeglichen mit der lateinischen Ausgabe: Ornatus Ecclesiasticus Hoc Est: Compendium Praecipuarum Rerum, Quibus Quaevis in Rite Decenterque Compositae Ecclesiae Exornari, Ac Redimiri Debent: omnibus Ecclesiarum Praelatis & Rectoribus per totam Ratisbonensem Dioecesin cum primis necessarium. latine & germanice, adiectis etiam quarundam suppellectilium figuris conscriptum a Jacobo Myller SS. Theol. Doctore […] München: Adam Berg, 1591. Exemplar der Staatl. Bibl. Regensburg, Sign.: 999/Rat.ep. 171 [digit.]

LIT ADB, NDB, Wikipedia, zvdd; Bauer (2014), Hausberger (1989), Höffler (2022).

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N° 86 Christoph Pezelius Von Abschaffung der Bilder und Götzen [1592] Auszüge

Christoph Pezelius (auch ‚Pezel‘ oder ‚Pezelt‘; 1539–1604) stammte aus einer Ratsfamilie in Plauen. Er studierte nach Besuch der Lateinschule seiner Heimatstadt ab 1558 an den Universitäten Jena und Wittenberg. Danach wurde er Lehrer in Plauen und Annaberg. 1564 erwarb er den Magistertitel in Wittenberg , ab 1567 war er Professor für Didaktik und Ethik daselbst; 1570 wurde er zum Doktor der Theologie promoviert. Da er als Philippist (Melanchthon-Anhänger) des Kryptocalvinismus verdächtigt wurde, wurde er 1574 für zwei Jahre in Haft genommen und schließlich 1576 aus dem Lande Sachsen verwiesen. Von dort ging er nach Eger in Böhmen, von wo er 1577 als Prediger an den nassauischen Hof des calvinistisch engagierten Graf Johann d. Ä. von Siegen-Dillenburg (1536–1606) berufen wurde; seit 1578 war er auch Pastor und Kircheninspektor im nahegelegenen Herborn. Er befand sich damit im Zentrum der europaweiten reformierten Aktion, denn in Herborn war 1584 jene Hohe Schule gegründet worden, die bis 1817 Kaderschmiede des gesamteuropäischen Calvinismus (und seiner Unterarten) war. Bevor Pezelius das aber weiter miterleben und mitgestalten konnte, wurde er 1579 vom Senat der Hansestadt Bremen berufen, um dort theologischen Dissenz zu schlichten. 1582 wurde Pezelius Prediger der St. Ansgarii-Gemeinde, 1584 Superintendent, Prediger der Liebfrauenkirche und Professor für Ethik und Geschichte am Bremer Gymnasium Illustre. Die Schrift über „Lehre und Ceremonien der Evangelisch-reformierten Kirchen“, die Pezelius 1592 publizierte und aus der wir im Folgenden die Passagen betreffs „Abschaffung von Bildern und Götzen“ präsentieren, war noch in Nassau, ca. 1578/79, entstanden. (Der Herausgeber Heinrich Heppe bezeichnet sie 1860 deshalb als „Nassauisches Bekenntnis“.) Dass sie nun mit vierzehnjähriger Verzögerung erschien, bezeugt, dass ihr Konzept immer noch aktuell war und dass Graf Johann d.Ä. sie aus konfessionsstrategischen Gründen gedruckt sehen wollte, um sie an Leute, die für die reformierte Partei zu gewinnen waren, versenden zu können. Dies alles erklärt Pezelius in seiner Dedikation für den Grafen, der seinerzeit höchstselbst die Abfassung der Schrift und ihre Ratifizierung in einem synodalen Prozess veranlasst hatte, und nun, nachdem er im niederländischen Kriege politisch anderweitig engagiert gewesen war, die Konfessionpolitik wieder in die Hand nahm. http://doi.org.de/10.1515/9783110780031-027

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 N° 86 Christoph Pezelius

Wir bieten hier vier Kapitel vom Schluss des Buches, die allesamt der Bilderfrage gelten. Auffällig ist dabei, dass Pezelius drei Dinge besonders wichtig sind: Zum einen, dass die bildlose Glaubensvermittlung gemäß biblischer und frühchristlichgemeindlicher Normen zu erfolgen habe; zum andern, dass für die Regulierung der Bildabschaffung die weltliche Obrigkeit zuständig sei. zum dritten, dass es wahrnehmungspsychologisch erforderlich sei, die Aufmerksamkeit für Gottes Wort und dessen verbale Auslegung nicht durch Bilder – in den Kirchenräumen, in Privaträumen oder auch in Büchern – zu irritieren.

Von Abschaffung der Bilder und Götzen N° 86 

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[Auszug S. 136–159]

Von Abschaffung der Bilder und Götzen aus den Kirchen. LEtztlich sind auch aus dieser LandtKirchen, durch die Christliche Obrigkeit die uberbliebene Götzen und Bilder, sambt allerhand Creutzen und Fahnen, und was mehr zum Geschmuck der Götzen ubrig gewesen, abgeschaffet. Davon man zwar zu nothwendiger entschuldigung dieser LandtKirchen nur des [137] einigen fürnehmen Lehrers der Augspurgischen Confess. Herrn Phil. Melanth. [Philipp Melanchthon] Urtheil anzeigen kundte, der im bedencken von einem künfftigen Synodo als von Abthuung der Bilder geschrieben. {Marginalie: Zeugnus Phil. Melant. von Abschaffung der Bilder.} Erstlich sollen wir gleich lehren, daß man ware Anruffung zu Gott, durch den Glauben an den HErrn Jesum Christum unangebunden an die Bilder erkenne. Item: Daß man nit erdichte, Gott erhöre lieber bey diesem Bilde, denn sonsten. Item: Daß man nit vor den Bildern niderknie oder darzu lauffe, wie gewön­ lichen ist gewesen, und soll in Summa die Lehr von der Anruffung recht seyn. Zum andern, Da ein Protestant die Bilder aus der Kirchen weg thut, dieweil solches ohne sedition [d.  h. Aufruhr] geschicht, soll solches nit condemniret werden, Dann es ist öffentlich, daß nit nötig ist Bilder zu haben, Und gibt den Leuthen die nit rechte Lehr haben, Ursach zu solcher Opinion [d.  h. Vermutung], daß Gott oder die Heiligen daselbst gnedig seyen. Aber weil insonderheit, von wegen der Abschaffung der Bilder, jhrer viel jhnen [i.S.v. sich] selbst Ergernus und Ursach genommen, diesen Kirchen ubel nachzureden, erfordert die notturfft, etwas weitleufftiger Erinnerung hiervon zu thun. [138] {Marginalie: Streit von den Bildern, ist ein alter Streit in der Kirchen.} Und ist dieser Streit nit erst newe, sondern auch in der alten Kirchen offt fürgefallen, was von den Bildern und Gemehlen durchaus zu halten, ob sie gantz und gar bey den Christen mehr seyn sollen, oder welche1, und an was Orthen, und wie ferne sie zu dulden. Sonderlich ist diese Sache in den Griechischen Kirchen hart gestritten worden, mit grossem Zwitracht und Verfolgung, nit allein der Gelerten, sondern auch der Keiser in Constantinopel, deren eins teils den Bildern zuwider gewesen, eins teils aber dieselbe zum höchsten erhaben. Und sind ettliche Synodi wider einander gehalten worden, biß entlich in Synodo 7. Oecumenea2, so von der Keyserin Irene3 angestellet, dieses Gottlose Decretum 1 In Vorlage „Welche“. 2 Im Jahre 787 in Nicäa. 3 Irene lebte 752–803.

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gemacht, Daß man die Bilder nit allein in den Kirchen haben und behalten, sondern auch sie ehren und jhnen dienen solle. Diß heist man in den Historien, das ander Concilium zu Nicea, Darauff sich die Papisten auch vor wenig Jahren im Tridentischen Concilio beruffen, Und wer [wäre] höchlich zu wünschen, daß jedermenniglich die Acta desselben Synodi bekant weren, darmit auch der gemeine Man verstehen könte, wie [139] gar uff losen faulen Gründen das gantz Götzenwerck erbawet sey. Es hat aber auch dazumahl *Carolus Magnus (dessen Vorfahren doch die Römische Bepste wider die jenigen Keiser zu Constantinopel, so den Bildern nit beyfallen wolten, an sich gezogen) zu Franckfurt fast 800.  Jahr nach Christi Geburt einen Synodum darwider anstellen, und under seinem Nahmen ein öffentliche Schrifft oder Buch außgehen lassen, darinnen das obgedachte Gottlose Decretum widerlegt ist. Noch hat der Römische Antichrist mit seiner Abgötterey biß uff diese zeit, mit dem Grewel der Bilder in den Kirchen Gottes geherschet, und es so ferne [i.S.v. weit] gebracht , daß aus der Ordnung der Zehen Gebott auch der Befehl Gottes wider die Bilder und derselben Verehrung eine so lange zeit den Leuthen aus den Augen gesetzt, und biß auff diesen Tag dem gemeinen Man wenig bekandt ist. {Marginalie: Unbillich Geschrey underichter Leuth von Abschaffung der Götzen.} Zu beklagen aber ist es, daß aus unbedachtsamkeit jhr viel die vom Bapst wollen abgestanden seyn, gleichwol umb die verthedigung der Bilder sich so hart annehmen, daß sie auch schmehen und lestern dürffen, die jenigen, so mit gebürender Bescheidenheit [140] aus Christlichem Eyfer dieselben aus den Kirchen abschaffen. {Marginalie : Warvon eigentlich der Streit sey, wenn man von den Bildern handelt.} Damit nun jedermenniglich für solchen Calumnien und Schmehungen so viel desto mehr verwahret sey, ist zu bedencken, Daß, wenn man die Bilder straffet und verwirfft, man nit von allen Bildern in gemein redet, gleich als wenn man auch in seinem Hause oder sonsten gar keine Gemälde oder Bildnus Geistlicher oder Weltlicher Historien haben dörffte, wie man schreibet von den Türcken, daß sie gantz und gar keine Bilder haben. Sondern diese drey Ding streittet man, Erstlich, Daß GOtt keines weges soll oder kan abgebildet werden. Darnach von den Creaturen, ob sie wol mögen abgebildet werden, daß dennoch verboten sey, derselben Bildnus also und zu diesem ende zu machen und zu behalten, auff daß man sie verehre oder Gott und den Heiligen damit diene. Daraus dann das Dritte folget, Ob Christliche Obrigkeit solche Bilder, die zu falschem Gottesdienst Ursach gegeben oder noch Ergernis bringen aus den Kirchen, als denen Orthen, da der Gottesdienst gehalten wird, gebürlicher weis abzuschaffen, schuldig sey.[141]

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Ob man Gott möge abbilden. {Marginalie: Verbot Gottes.} DAß man nun GOtt kein Ebenbild machen solle, wird nit allein in den Zehen Gebotten, wie die selben gantz beschrieben werden, Exod. 20. Deut. 5. Sondern auch an unzelich viel Orten in Mose und den Propheten außdrücklich und ernstlich verbotten. {Marginalie: Ursach des Verbots4.} Und sonderlich Deut. 4. verbeuth Gott nicht allein durch jrgendt ein Bildnus oder Gleichnus einiger Creatur sich abzubilden, sondern setzt auch die Ursach des Verbots darzu, daß der HErr auff dem Berge, wie er sich seinem Volck geoffenbaret, mitten aus dem Fewer, mit jhnen geredet, und sie seine Stimme gehöret, aber kein Bildnuus oder Gleichnus gesehen. Desgleichen vermanet Gott das Volck Esa. 46. Nach weme bildet oder wem vergleichet jhr mich? Gegen wem messet jhr mich, dem ich gleich seyn solle? Darzu müssen alle Rechtsinnige bekennen, weil Gott ein Geistliches, Unendliches, und nit allein mit Augen, sondern auch Gedancken unbegreiffliches Wesen ist, daß jhn zu mahlen oder abzubilden unmöglich sey. Daher dann auch der Apostel Paulus, nicht allein aus dem Geist GOttes, son[142]dern auch aus natürlichem Verstand, diese Regul gibet, und uns von allen mit Henden oder Gedancken gemachten Abbildungen Gottes abmahnet, Da er spricht Act. 17. Wir sollen nit meinen, die Gottheit sey gleich den Güldenen, Silbern, Steinern Bildern, durch Menschliche Gedancken gemacht. {Marginalie: Bilde der H. Dreyfaltigkeit und sonderlich des ewigen Vatters under dem Bapstumb.} Derwegen leicht zu urtheilen, was von den gemahlten oder geschnitzten Bilden zu halten, so under dem Bapstumb von der Heiligen Dreyfaltigkeit, und sonderlich von Gott dem Vatter fürgestellet, und noch hin und wider gemahlet werden, Do man die Drey Göttliche Personen mit Dreyen Heuptern uff eines Menschen Cörper, oder die Person des Vatters in gestalt eines Alten Mans mit einem langen grawen Barth und Güldener Kron auff dem Haupt abbildet und schnitzet. Welche Gemälde freylich nit allein aus den Kirchen, sondern auch von allen Wenden und Büchern außgelassen werden, und weder für die Augen der Christen, noch in unsere Gedancken kommen solten, Weil geschrieben stehet: GOtt ist Geist, Darumb er auch im Geist und in der Warheit erkandt und angebetet seyn wil. Dann ob gleich ettliche sich entschuldigen wollen, sie seyen nit so gros, daß sie drumb [143] meyneten, Gott hette ein solche Gestalt, wie er geschnitzet oder

4 In Vorlage „Vorboths“.

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gemahlet wird, Sondern die seyen jhnen nur Erinnerungen und Bedeutungen des unsichtbaren und unbegreifflichen Gottes, So kan doch dieses wider GOttes Wort nicht gelten. {Marginalie: Keine Creatur hat macht, einiges Zeichen von Gott, ausser seinem Wort zu machen.} Sintemahl keine Creatur weder im Himmel noch auff Erden, diese macht hat, daß sie einiges Zeichen möge richten oder machen, dardurch Gott bedeuttet werde, welches von Gott selbst nicht darzu verordnet und gegeben, viel weniger aber das von jhme verbotten ist. Darumb ohne Schmach und Unehre Gottes und seines H. Nahmens, von einem gemahlten oder gehawenen Bildt eines alten Mannes oder dergleichen nit kan gesaget werden, Das ist Gott, Oder, Das ist Gottes Bildnus, Man entschuldige und mentele [bemäntele] es gleich wie man wölle. So gibt die Erfahrung, daß das junge und einfeldige [einfältige] Volck von solchen Bildern Gottes gar leichtlich jhme [i.S.v. sich] irdische und ungeschickte Gedancken von Gott (zu denen sie ohne das geneigt) einbilden, welche jhnen under dem Gebet darnach stets fürkommen, und jhnen schwerlich durch alles Predigen und Sagen wieder aus den Hertzen zu bringen sind. [144] {Marginalie: Abgötterey ist es, ein ertichtes Bildt für Gott anbeten.} Und gehet gleichwol diese Abgötterey indessen jmmer fort, daß man an stadt des waren, lebendigen, unsichtbaren GOttes das geticht [erdichtete] Bildt des alten Mans, in seinem langem und grawem Barth als einen Götzen in dem Menschlichem Hirn geschmidet, anbetet. Dis ist nun das erste, so wider die Bilder gestritten wirdt, Daß man Gott unabgemahlet und unabgebildet soll seyn lassen, Uff daß wir nit, wie S. Augustinus saget, In diese Gottslesterung gerathen, umb welcher willen der Apostel die jenigen verfluchet, welche die Herrligkeit des unvorgenglichen Gottes verwandelt haben in ein Bild, gleich den vergenglichen Menschen, Rom. 1.

Von der Creaturn Bildtnissen. {Marginalie: Bildtnus der Creaturn zum Gottesdienst gebraucht, sind abgöttisch.} SO viel aber der Creaturen Bildtnussen anlanget, ist dieses auch aus Gottes Wort die ewige unwandelbare Warheit, daß dieselben, sie werden gleich gemahlet, gegraben, geschnitzet, gehawen, oder wie sie immer können, uff schönste und herrlichste zugerichtet, dennoch zu keiner Abgötterey, das ist, weder zu der Creaturn, noch [145] zu GOttes Verehrung oder anbetung gebraucht werden sollen. Dann nit allein die Creaturn oder Bilder, sondern auch Gott, in oder bey denselben anzubetten, abgöttisch und verbotten ist, Wie solches viel orth der Heiligen

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Schrifft bezeugen, Und auch die jenigen (so nit offenbarlich Papisten seyn) bekennen müssen, daß alle Bilder verbotten sind, so ferne sie zur Abgötterey werden mißbrauchet. Denn also spricht Gott, Levit. 26. Ihr solt euch keinen Götzen machen, noch Bildt: und solt euch keine Seulen auffrichten, noch kein Malstein [i.S.v. Gedenkstein] setzen in ewerem Lande, daß jhr darfür anbetet. Zu deme sind alle Prophetischen Text voll der ernsten Verboth und harten Straffpredigten umb schimpflichen Vernichtungen und gantz spöttlichen Verachtungen aller Bilder und Götzen, so man verehret und anbetet. Daraus dann folget, daß man die Bilder, so in Mißbrauch der Abgötterey kommen, soll abschaffen, Dann soll man sie nit machen zum Gottesienst, so soll man auch die von andern darzu gemacht sind, nit behalten. Nun darff es nicht viel beweisens, daß grewliche Abgötterey mit den Bildern und Götzen under dem Pabstumb von alters gewesen sey. [146] Man sehe nur, wie solche Abgötterey uffs Newe im Concilio zu Trient vor wenig Jahren mit diesem Canone ist gestercket worden, Daß man nemblich die Bilder verehren und jhnen eben den Dienst erzeigen soll, der dem jenigen gebürte, dessen Bildtnus sie seyen, Es mögen nun GOttes oder Christi oder Mariæ oder ander Heiligen Bilde seyn. Ja man sehe sich viel mehr an den Benachbarten Orthen, da das Bapstumb in vollem schwang ist, ein wenig umb, wie man noch die Bilder Gottes und der verstorbenen Heiligen mit Gold, Silber, Edelgestein, Sammet und Seyden schmücket. Wie man Liechtlein vor jhnen anzündet und reuchert, Wie man sich zu jhnen gelobet, Sie mit Walfarten besucht, grüsset, küsset, Sich vor jhnen neiget, die Hende für jhnen uffhebt, das Haupt entblösset, für jhnen das Gebet thut, und sie in den Processionen mit herumb tregt, und bey jhnen Hülff und Erlösung in allerley Noth suchet. Ja auch das Creutz, aus Leymen, Holtz, Stein, Eisen, Silber und Goldt gemacht, alß das Heil unser Seelen anbetet. Viel mehr aber ist aus jhren alten Legenden offenbar und unverneinlich, Daß vor dieser zeit die Bilder Christi und der Heiligen [147] in den Bestischen5 Kirchen, in so grewlichen Mißbrauch gerathen sind, Daß wo nit grössere, doch nit geringere Abgötterey, dann bey den Heiden und Juden darmit ist getrieben worden. {in magina: Bilder, so noch in den Evangelischen Kirchen von ettlichen vortheidingt werden, sind vom Bapstumb uberblieben, und werckzeuge schrecklicher Abgötterey gewesen.} Demnach solte man je solche Bepstische Götzen und Bilder, als die so schrecklicher Abgötterey Werckzeug gewesen sind, in den Evangelischen Kirchen ferner nicht dulden. Ja man solte an der Papisten schaden billich klug werden und aus jhren Exempeln lernen, daß man keine Bilder uff den Altar, in Kirchen, in Capel-

5 „Bestisch“ (i.S.v. bestialisch) steht hier als Schmähwort für ‚Päbstlich‘.

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len und dergleichen Orthen setzen oder behalten solte, da man den Gottesdienst helt. Ursachen sind diese: Denn sie haben keinen Nutz oder ordentlichen Brauch alda, Sintemahl die Kirchen der Christen darzu geordnet sind daß darinnen GOttes Wort gelehret und Gott allein angeruffen, und was mehr zum öffentlichen Gottesdienst gehöret, daselbst vorrichtet [verrichtet] und gehalten werde. Die Bilder aber können6 noch sollen zu keinem Gottesdienst gebraucht werden. Darnach, So kommen sie auch daselbst viel leichter, dann an andern Orthen, in schedlichen und abschewlichen Mißbrauch, daß [148] sie eine Ursach und Werckzeug der Abgötterey werden. {Marginalie: In der alten Kirchen sind keine Götzen breuchlich gewesen.} So geben die Historien, daß in der alten Christlichen Kirchen, viel hundert Jahrlang, da die reine Lehre und Gottesdienst recht getrieben woren, kein Götz in der Christlichen Kirchen gewesen. Und *Epiphanius, als er nur ein geferbtes oder gemaltes Tuch, gleich einem Fürhang, in einer Kirchen funden, darauff ein Bildtnus entweder Christi oder eines andern Heiligen war, zureiß [zerriss] er dasselbe, und sagte: Es were ein solcher Brauch, Bilder in den Kirchen zu haben, wider die Christliche Religion, und eine Ergernus, daß der Christlichen Kirchen ubel anstünde. {Marginalie: Von den Crucifixen.} Zwar, die Crucifix, das ist, die geschnitzten oder gemahlten Creutz, daran ein MenschenBild, mit außgestreckten Armen, und mit Henden und Füssen durchnagelt hanget, die man under den Bilden in dem Bapstumb am meisten rühmet, als Gedenckzeichen des Leidens und Todts Christi, hat man erst umb das Jahr 690. angefangen zu machen, und in die Kirchen zu setzen. Dann zuvorn hat man, nach Keysers Constantini zeit, nit mehr als zwey Höltzer Creutzweise ubereinander gemacht, wie Constantinus auch ein solches Creutz ex lineis [149] transversis in seiner Feldtfahnen gefüret, und uff der Müntz bregen [prägen] lassen. {Marginalie: Grewliche Abgötterey mit dem weyhen der Crucifixen im Bapstumb.} Daß aber in dem Bepstischen Pontifical das Creutz mit einem solchen Gebet eingeweyhet wird: Wir bitten dich Herr heiliger Vatter, Almechtiger ewiger Gott, daß du gnediglich segnen wöllest das Holtz deines Creutzes, daß es sey ein heilsame Artzney dem Menschlichen Geschlecht, Eine Stercke des Glaubens, Eine Fürdernus [Förderung] und Hülff zu guten Wercken, und der Seelen Erlösung, ein Trost, Schutz und Schirm wider die grimmigen Pfeil der Feinde, durch unsern HErrn Jesum Christum. Solches ist der alten Christenheit niemals in sinn kommen. Dann daß der Apostel spricht, Daß er sich rühme des Creutzes Christi, Oder daß *Chrysostomus, zu dessen zeiten die gantzen Crucifix noch nit bekandt gewesen, schreibet, Das Creutz Christi

6 In Vorlage „kommen“.

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sey die Hoffnung der Christen, die Ufferstehung der Todten, der Blinden Leitung, die Uberwindung des Sathans. Item: Das Creutz sey die Ursach unserer gantzen Seligkeit. Das reden sie keines weges von den Gehöltz oder Gemälden des Creutzes, so die Papisten in jhren Kirchen haben, sondern von dem Geheimnus der Erlösung des Menschlichen Geschlechts, so am Creutz einmal volnbracht ist. Wolte GOtt aber, Daß wir alle [150] umb diß Geheimnus uns also annehmen [annähmen], daß in unsern Hertzen durch die Predig des Evangelij (welches ist die Lehre von dem gecreutzigtem Christo) und durch den rechten Brauch des H. Sacraments diese Göttliche Krafft und Göttliche Weißheit in warem Glauben gefasset und der einmahl gecreutzigte Christus, wie S. Paulus sagt, nit mit Leiblichem Malwerck, Sondern durch den Finger des lebendigen Geists GOttes für unsere Augen und Hertzen gemahlet were. So würde man umb die Hültzerne Crucifixen (derer die Christenheit so viel hundert Jahr keine gehabt) sich so viel desto weniger bekümmern, Hiergegen aber haben die jenigen, so nit Papisten seyn wollen, und doch nit allein die Hültzerne Crucifix, sondern auch allerley andere Bilder in den Kirchen vertheidigen, diese zwen Behelff, warumb sie vermeinen, daß man sie den Kirchen lassen soll. {Marginalie: Scheinursachen, damit etliche die Bilder in den Kirchen vertheidigen.} Der eine Behelff ist, Daß sie sagen, Die Bilder seyen der Leyen Bücher. Gleich als wenn Gelerte und Ungelerte nit uff eine weise von Gott und Christo zu lehren wären7, So doch S.  Paulus sagt, Daß er schuldig sey die Weisen und Unweisen durch einerley Evangelium zu lehren. [151] Wo ist aber mit einem Wort in der Schrifft gegründet, daß die Einfeltigen durch Bilder sollen gelehret werden? Dann Gott hat nicht durch Bilder, sondern durch die Stimm seines darzu verordneten Predigthauffs seine Gemeine in jhren Versamblungen zu underweisen befohlen 8. Hat auch keine Verheissung gegeben, daß er mit seinem Geist durch die Bilder als durch die Schrifften der Propheten und Aposteln krefftig seyn wolle. Derwegen niemandt sich aus Menschlichem Gutdüncken understehen soll, das einfeltige Volck in der Kirchen uff diese weise zu lehren. Daruber hat auch die Erfahrung bißhero gegeben, so bald die Bilder in die Kirchen kommen und so lang sie darin geblieben, was das einfeltige Volck aus diesen Büchern gelernet hat, nemlich9 Verführung und allerley Abgötterey. Daß man billich eben umb der Leyen und Einfeltigen, denen sie damit wöllen gedienet haben, diese Bücher aus der Kirchen lassen solte,

7 In Vorlage „wehren“. 8 In Vorlage „bevohlen“. 9 In ‚Vorlag „Nemlich“.

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Zu geschweigen indessen, daß ein grosser hauff der Kirchenbilder, entweder nur von den Mönchen erdichte, schendliche, [152] und Abgöttische Fabeln und Irrthumb, oder auch Schand und Laster gelehret haben. Ist demnach dieses gar eine ungegründte Rede, die man so offt anzeucht, daß die Bilder der Leyen Biblien seyn, Welche Rede zwar vom Bapst Gregorio also zum ersten gebrauchet ist10, durch den auch sonsten viel Aberglauben und Affenwerck in die Kirchen ist eingeführet. Will aber jemandt wissen, was Götzen für Bücher sind, Der höre was Gott selber darvon sagt, Jerem. 10. Ein Holtz, das ist, ein Höltzern Götz, ist ein Lehr der Eytelkeit, Das ist, Es lehret nichts dann eytel Lügen und Unwarheit. {Marginalie: Obs genug sey, allein den gegenwertigen Mißbrauch der Bilder verhüten.} Der ander Behelff, den man fürgibt, ist, Daß ettliche wollen sagen: Sie vertheidigen nur die Bilder, Den Mißbrauch aber und Abgötterey verdammen sie so wol alß andere. Diß ist aber nichts anders, denn ein vergebliche gesuchte Außrede, die Unterhaltung [i.S.v. Erhaltung] des Götzenwercks zu entschuldigen. Dann diese Rede hat allein in denen Dingen stadt, welche von Gott zu halten gebotten oder sonst nötig, oder zu mercklichem nutz dienlich seyn. In solchen Dingen mus man den den Mißbrauch, darein sie gezogen werden, abschaffen, Die Ding aber selbst, so nütz und nötig sind, behalten. [153] Also haben die Propheten hefftig wider den Abgöttischen Mißbrauch derer von GOtt eingesetzten Opffer und Ceremonien gepredigett. Deßgleichen hat Paulus den Mißbrauch des Abendmals an den Corinthern ernstlich gestrafft, Die Göttliche Ordnung aber fleissig zu halten und widerumb in jhren rechten Gebrauch zu bringen befohlen11. Also mag man auch von dem Ampt der Weltlichen Obrigkeit, von Essen und Trincken und andern Geschefften und Ordnungen Gottes sagen, welche in keinem weg umb des Mißbrauchs willen gar verworffen, sondern viel mehr von demselben underschieden und gereiniget und rechtmässig sollen gebrauchet werden. Diese gestalt aber hat es gar nit mit dem Bilderwerck in den Kirchen, dann solches weder einem Göttlichen Befelch, noch jrgend ein nötige Ursach oder auch mercklichen nutz hat, sondern es sind sich gerad dz Widerspiel: Darumb auch *Lutherus bekennet, daß die Bilder gefehrlich sind, Und ich wolte, spricht er, Es weren keine uff den Altarn. Dis wird darumb desto weitleufftiger alhier angezogen, Dann man nit allein in gemein gründlich und eigentlich verstehen möge den streitt von den Bildern, der bey den Alten Krieg und Verfolgung offtmals erreget: [154] sondern daß man auch gründlich vernehme, ob die jenigen, so nit Papisten

10 Vgl. Gregors einschlägige Briefäußerungen in STR2, N° 60, S. 1057. 11 In Vorlage „beuohlen“.

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seyn wöllen, guten Fueg und gnugsame Ursache haben, Christlicher Obrigkeit ubel nachzureden, so jhrem Ampt nach das Götzenwerck aus den Kirchen abschaffet.

Daß Christliche Obrigkeit nicht allein macht habe, sondern auch jhres Ampts halben schuldig sey, die Abgöttischen Bilder abzuschaffen. WOl were zu wünschen, daß in den Evangelischen Kirchen dies Ubel baldt mit dem Anfang der gereinigten Ehr gebürlichen begegnet, und zu Rettung und Erhaltung des rechten Gottesdiensts und zu müglicher Abwendung vielerley Schmach der Christlichen Religion und Nahmens, die Abgöttischen Bilder, als die der fürnembsten Grewel des Bapstumbs einer gewesen und noch sind, durch die Euangelischen Stende allenthalben weren abgeschaffet worden. {Marginalie: Befehl Gottes an die Obrigkeit.} Dann GOtt der HErr zum öffentlichen Zeugnus des unaußsprechlichen Grewels, den er hat an aller Abgötterey, ernstlich will [155] und befiehlet, daß in allen zeiten und Orthen alle Menschen erfundene Mittel und Werckzeuge der Abgötterey, und derwegen auch alle Bilder, so in diesen Mißbrauch gerathen, daß Gott oder Engel oder andere Creaturen oder auch ettliche Götter darinnen abgebetet und verehret werden, nit allein forthin unverehret bleiben, sondern auch durch die Obrigkeit hinweg gereumet und vertilget werden sollen. So befiehlet auch Gott, daß mit grossem ernst und fleiß alle Ergernus verhüttet, und derwegen alles, was von Menschen ohne GOttes Gebot angerichtet, und zur Abgötterey Ursach gibt, abgeschaffet und underlassen werden soll, Man wolle dann GOtt muthwillig versuchen, und sich mit andern in gefahr der Sünden und Göttliches Zorns setzen. Zudem ist die Christliche Obrigkeit (dem waren Gott und seinem Son zu ehren) schuldig, nicht allein mit Worten, sondern auch mit der That öffentlich für der gantzen Welt zu bekennen und zu beweisen, daß sie aller Abgötterey müssig gehe und feind seye, Und derhalben solche Bilder, die zur Abgötterey mißbraucht sind, oder das Ansehen der Abgötterey haben, abzuthun und zu vermeyden12. [156] Weil aber solches in diesem Stück anfenglichen mit der gereinigten Lehr des Euangelij nit allenthalben beschehen, ist demnach heutiges tages Christliche Obrigkeit, welcher Gott die Augen und Verstand ferner geöffnet, nicht zu verdencken, daß sie noch mit Christlichem fleiß sich bemühet das ubrig gelassene Götzenwerck aus jhrer Lande Kirchen vollends abzuthun. Dann, Ob wol solche Abgötterey nun viel Jahr aus Gottes Wort gnugsam gestrafft, so bringt man doch allein durch die Predigt

12 In Vorlage „vormeyden“.

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gemeinen Leuthen die Götzen nit aus dem Hertzen, wo man nicht auch die Seulen [i.S.v. Skulpturen] und Bilder aus den Augen hinweg reumet. {Marginalie: Aberglauben des gemeinen Mans noch heutiges tages von den Bildern.} Dann noch heutiges tages die Superstition und Aberglauben bey vielen so tieff ins Hertz eingewurtzelt ist, daß Leuthe gefunden werden, die auch wol in diesen Landen Walfarten besuchen, und vor den Steinern und Klotzen niderfallen und anbeten, daruff etwa vor zeiten ein Crucifix oder HeiligenBildt gestanden ist. Und wollen doch die jenigen, so die Bilder in den Kirchen verthedigen, jhre eigne Hertzen und Gedancken erforschen, ob sie mit einem rechten ernst darfür halten, daß alle Götzen nichts mehr dann ander gemein Holtz und Stein seyen. [157] Und da sie ein Bild für sich stehen haben, ob sie nit dasselbige mit einer besondern Bewegung anschawen, Wie sie auch nicht gern ohne Berathschlagung sich würden unterstehen, dieselben (wenn es gleich in jhrer Macht und Gewalt were) zu zerbrechen oder zu zerschlagen, wie man einem andern gemeinen Holtz oder Stein thut. Wann auch gleich allen Leuthen dieser zeit die Augen so weitt auffgethan wären13, daß der Bilder halben jetzund kein Ergernus oder Anstoß mehr ubrig, So köndte doch bey den Nachkommen sich, aus den hinderlassenen Götzen nit weniger als vor dieser zeit, allerley Nachtheil zutragen. Und da auch diß nicht zu befahren, ist es doch an sich selbst recht, und wie droben zum offtern gesagt, von Gott befohlen, daß man die monumenta Idolatriæ, oder die Gedenckmal, mit welchen vor wenig Jahren so grosse Abgötterey getrieben worden, hinweg thue, Und kompt dieses uberein mit den bewerten Exempeln der H. Schrifft. {Marginalie: Bewerte Exempel Gottseliger Obrigkeit, so die Bilder abgeschaffet.} Dann der König Hiskias die Ehrne Schlange zerstösset, die Moses aus Gottes Befelch gemacht hatte, als ein Fürbild [i.S.v. Typus] uff Christum, Nach dem die Kinder Israel derselben gereuchert hatten. 2. Reg. 18. Moses lest es nicht darbey bleiben, daß [158] er das auffgerichte Güldenen Kalb niderwirfft und durchs Fewer in einen Klumpen schmeltzet, sondern er verbrennet und zermalmet die Materie selbst zu Pulver und strewets uffs Wasser, damit ja nichts darvon uberbleibe Exod. 32. Also Josias lest [lässt] 2. Reg. 23. alles Gereth [Gerät] und Gezeug, was zum Gottesdienst des Baals, und des gantzen Heers des Himmels war gebraucht worden, verbrennen, und den Staub uff die Gräber strewen, Damit solcher Grewel gantz und gar hinweg gethan, und Gott der HErr durch diese Reliquien nicht ferner erzürnet würde. Auch ist bekandt die Historien von Gideon, Jud. 6. welcher, als er von Gott zum Fürsten gefordert wardt uber das Volck Israel, bricht er auff den Befehl GOttes den Altar Baal[s] ab und hewet [haut] den Hayn, der dabey stunde, umb. Und als umb solcher

13 In Vorlage „wehren“.

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That willen das Volck der Stadt den Gideon tödten wolte, antwortet Joas sein Vatter: Wolt jhr umb Baal hadern14? Wolt jhr jhm helffen? Wer um jhn hadert, der soll dieses morgens sterben, Ist er Gott, so rechne er umb sich selb, daß sein Altar zerbrochen ist. Diß mögen bedencken noch heutiges tages [159] die jenigen, so die Bilder in den Kirchen (Es sey Gott und der Obrigkeiit lieb oder leid) erhalten haben wollen, denn warumb lassen sie die Bilder sich selbst nicht schützen noch rechnen [i.S.v. rächen]? Sehen sie aber nicht, daß wenn jhre Meynung gelten solte, sie auch die Gottseligen Regenten verdammen müsten, die zugleich mit dem Anfang des gereinigten Euangelij in jhren Landen das Götzenwerck gantz oder zum theil aus den Kirchen hinweg gethan? Oder do sie solches wider jhren danck an denselben müssen gut seyn lassen? Warumb halten sie es für eine Todtsünde, do Christliche Obrigkeit den ubrigen Zeug des Götzenwercks aus den Kirchen vollend abschaffen?

Editorische Hinweise Bearbeitungsvorlage Auffrichtige || Rechenschafft || Von Lehr vnd Ceremonien, || So inn den Euangelischen Refor-|| mirten Kirchen  / nach der Richtschnur || Göttliches Worts angestellet. || Sampt || Nothwendiger Anzeigung / Der Gegen- || Lehr / inn den zu dieser zeit am fürnemb- ||sten strittigen ReligionsPuncten. || Auch || Anmeldung  / vnd Widerlegung / der / bey || vielen im Anfang deß gereinigten Euangelij || vber gelassenen / Abergleubische vnnd Bepsti-||schen Gebreuchen / in Bedinung der Heili- || gen Sacrament / vnd andern eusser- || lichen Dingen. || Gestellet vnd in Druck gegeben / || Durch || CHRISTOPHORVM PEZELIVM || der H. Schrifft Doctorn vnd Professorn || in der Kirchen vnd Schulen || zu Bremen. – Kolophon: Gedruckt zu Bremen / bey Bernhard Peterß. Anno 1592.] Exemplar der Universitätsbibliothek Leipzig, Sign.: Symb.498-f/5, [digit.]

abgeglichen mit der Edition von Heinrich Heppe (Hg.); Schriften zur reformirten Theololgie . Elberfeld 1880, Nr, III, S. 68–146. LIT Zedler, ADB, NDB, Wikipedia, zvdd; Heppe (1880), Moltmann (1958).

14 In Vorlage „haddern“.

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N° 87 Bremen [Christoph Pezelius] Consensus Bremensis [1595] Auszüge

Zu Herkunft und Werdegang Pezels → N°86. Wurde das ‚Nassauische Bekenntnis‘ durch Synoden ratifiziert, so wurde das ‚Bremische Bekenntnis‘, das Pezelius auf Wunsch des Rates formuliert hatte, sämtlichen Predigern der Stadt zur Approbation und unterschriftlicher Bestätigung vorgelegt. Der Text umfasst etliche „Articuln“, die von glaubenskonstitutiven Problemen sprechen: so z.  B. von der Person Christi, dem Abendmahl, von Taufe und Exorzismus, Meßgewändern und Altar bis hin zur Zulässigkeit von Gesängen und Orgelmusik. Die den Gesamttext abschließenden Passagen, die wir im Folgenden präsentieren, erörtern die Zulässigkeit von Bildern in Gottesdienst und Frömmigkeitspraxis. Drei Generalfragen gliedern die Argumentation: 1) die nach der Abbildbarkeit Gottes; 2) die nach der Zulässigkeit von Abbildungen göttlicher Geschöpfe in frömmigkeitsdidaktischem Zusammenhang; und 3) die nach der Zulässigkeit von Bildanbetung und Bildverehrung. Jede dieser drei Generalfragen ist in Detailpunkte untergliedert. Bei Beantwortung der ersten Generalfrage nimmt Pezelius Gelegenheit, einige in der Papstkirche gängigen Verfahren der Gottesdarstellung herauszugreifen. Als besonders anstößig gelten ihm die Darstellung der Hl. Dreieinigkeit als die eines dreiköpfigen Wesens, die Darstellung Gottvaters als die eines grauhaarigen Greises mit Tiarakrone oder die Darstellung Jesu als die eines schwarzbärtigen Jünglings, der verwundet auf dem Schoß des Vaters liegt. Die Erwähnung solcher ikonographischen Eigenheiten wurde im deutschen Bildstreit in der Regel vermieden. Anlässlich der zweiten Generalfrage erklärt Pezelius, dass der jüdisch-alttestamentliche Glaube – im Unterschied zum Islam (der das Abbilden von Kreaturen sowohl im sakralen wie im weltlichen Zusammenhang radikal untersage) – gewisse Geschöpfdarstellungen in Schmuckinteresse freistelle: so die der Cherubim, der ehernen Schlange oder der goldenen Löwen an Salomons Thron. Denn die Kunst der Naturnachahmung sei eine von Gott verliehene Gabe. Mißbräuchlich aber sei es, wenn naturnachahmende menschliche Bildnisse als Heiligen- oder Gottesbildnisse verehrt würden. In Beantwortung der dritten Generalfrage verweist Pezelius darauf, dass jedwede betende – sei’s verbale, sei’s gestische – Zuwendung zu Bildern abergläubisch sei. Zu http://doi.org.de/10.1515/9783110780031-028

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Erinnerung von Historien und zur Lust der Augen aber seien Bildwerke, zumal auch in privaten Räumen, unanstößig. Ein Blick in die Kirchengeschichte und die Konsultation bestimmter Kirchenväter lehre, dass das Christentum erst spät Bildwerke in seine Sakralräume eingelassen habe.

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Von Abschaffung der Bilder und Götzen auß den Kirchen. Auf daß auch die einfeltigen Pastoren hiervon gründlichen bericht haben mögen, sollen underschiedlich diese fünff Puncten betrachtet werden. Erstlich wird gefraget, ob man Gott möge abbilden, darvon zu wissen, daß solches auf keinerlei weise geschehen soll oder möge. Dann dieß geben die Wort des andern Gebotes Gottes klar: Du solt dir keine Bildnuß, noch einige gleichnus machen, weder dessen, das oben in Himmel, noch dessen so hierunden auf Erden ist, noch das im wasser under der Erden ist. Daß aber dieses eigentlich von der abbildung Gottes oder göttlichen Wesens zu verstehen sei, siehet man im 4. Cap. des fünfften Buchs Mosis, da also gesagt wird, So bewahret nun euwer Seelen woll, denn jhr habt keine gleichnus gesehen des tags, da der Herr mit euch redet auß dem feuwer, auf dem Berg Horeb, auf daß jhr euch nicht verderbet, und machet euch irgent ein Bild, das gleich sei einem Mann oder Weib oder Viehe auf Erden, oder Vogel under dem Himmel, und siehest die Sonne und Mond und Stirnn [Sterne], und das gantze Heer des Himmels, und fallest ab, und betest sie an. [229] Hieher gehöret, daß Esaiae im 40. Cap. geschrieben steht, wem wollet jhr Gott nachbilden, oder was für ein gleichnuß wollet jhr jhm zuerichten. Den[n] das muß jedermann gestehen, daß Gott ein geistliches unsichtbars Wesen ist, unumbschrieben und ausser aller Figur und leiblicher gestalt, darumb auch S. Paulus Act. 17. spricht, Wir sollen nicht meinen, die Gottheit sei gleich den gülden, silberen, steinern Bilde, durch menschliche gedancken gemacht, und zur den Römern am ersten strafft der Apostel ernstlich diese abgötterey. Da sie sich für weise hielten, schreibt er, sind sie zu Narren geworden, und haben verwandelt die Herrligkeit des unvergenglichen Gottes in ein Bild, gleich dem vergenglichen Menschen, und der Vögel, und der vierfüssigen und Kriechenden Thier, damit sie die Wahrheit Gottes verwandelt haben in die lügen. Hiermit wird die verkerte unart und fürwitz der Menschen widerlegt, welche in dieser verderbten Natur das Göttliche Wesen gerne sehen wolten, als auch Philippus der Apostel sich hören ließ zue Christo: Herr zeige unß den Vatter so genüget unß, darüber dann die Menschen weitter zuefahren, und bilden jhnen [i.S.v. sich] in jhrem sinn und gedancken, oder auch außwendig mit der Hand ein gewisse leibliche form und gestalt für, welche nach ihrer meinung Gott sein soll. Daher ist kommen, daß die Heiden in der gestalt des einen und anderen Planeten, sonderlich aber der Sonnen Gott abgebildet haben, Item in gestalt feuwers und wassers, und mancherhand Thieren. Auch fordern die Juden von Aaron, daß er in abwesen Moisis jhnen Götter machen soll, und weill sie in Egypten gesehen hatten, daß man das Kalb oder Ochsen Apim genandt für einen Gott verehret, wird das güldene Kalb jhnen fürgestellet, welches

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auch hernach von Hierobeam aufs newe im Königreich Israel angestellet worden ist. Im Bapstumb hat man die Heilige Dreieinigkeit Gottes gleich dem Geryonj mit dreyen häupteren gemahlet und geschnitzet. Gemeinlich aber mahlen und schnitzen sie noch Gott den Vatter in gestalt eines alten Mannes, mit einem greißen Bart, und einer Bäpstlichen dreifachte Kronen, und weiten Chorkappe. Dem Sohn Gottes aber geben sie die gestalt eines Jünglings mit einem schwartzen Bart und DornenKron der da verwundet liege in des Vatters schoß. Den Heiligen Geist mahlen sie in Taubengestalt, uber dem Vatter und Sohn schwebende, und solches stellen sie der armen thorhafften Jugendt und schlechten einfeltigen Leuten zur grossen ergernuß für, welche dann daher in gebet nicht Gott den Herren im Geist und Wahrheit, sondern diesen ertichteten Götzen Menschliches gehirns anbeten, und damit die Wahrheit Gottes, wie S. Paulus redet1, in lügen verwandlen, Ja, die Heiligkeit des unsichtbahren und unvergencklichen Gottes in ein Bildt gleich dem sichtbahren und vergenglichen Menschen und der Vogell verenderen. Nun2 ist solches auch in den alten Rechtglaubigen Kirchen, alß ein stückh des jrrthumbs der Anthropomorphiten3 verdampt worden, und schreibet *Niceph. Lib.  18. Cap.7. den4 Jacobitis haereticis zu, daß sie gewisse Bildnuß des Vatters, Sohns und Heilgen Geistes abgebildet und den Leuten fürgestellet haben. Und *Aventinus Lib. 7. erzehlet vom Bapst Johanne dem 22. daß5 er diejenige, so an den grentzen des Bohemer Landts und Oesterreich gewohnet und die hohe Mayestet Gottes in gestalt eines alten Mannes, und Jünglings, und einer Tauben abgebildet, für Anthropomorphiten gehalten und verworffen habe. Derwegen nicht allein für ein schande zue achten ist, daß heutiges Tages in so hellem liecht des Evangelij noch Leut gefunden werden, die solchem Götzenwerck anhengig sein, sondern es sollen die Pastorn mit grossem ernst und eifer solche abbildung straffen [i.S.v. kritisieren], die zur schmach der Hohen Mayestet Gottes gereichen, alß auch alle fromme Christen dieselben, wo sie sindt oder gefunden werden, scheuwen und meiden sollen. *Augustinus zeucht auß *Varrone an, daß die Römer vorzeiten in die 170. Jahr kein Bildnuß Gottes gehabt, welches so es auch nachfolgender zeit gehalten wehre [wäre] worden, spricht *Varro, werde der Gottesdienst viel reiner und heiliger blieben sein. Dann die zum ersten die Bildtnuß Gottes fürgestellet, haben wohl viel jrrthumb von Gott eingeführet, aber die furcht Gottes auß dem hertzen hinweg genommen, Seine Wort sind diese: Romanj 170. 1 In Vorlage „Rehdet“. 2 In Vorlage „Nuhnn“ 3 Anthropomorphiten sind Menschen, die die Menschengestaltigkeit der Götter lehren. 4 In Vorlage „Den“. 5 In Vorlage „Daß“.

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annis Deum coluerunt sine simulacris, quod si mansisset, castius Dej observarentur. Nam qui primo imagines fecerunt, ij errorem auxerunt, Dej timorem hominibus ademerunt. Zum andern wird gefragt, weil es unrecht, daß man Gott abbilde, ob dann die Creaturen oder geschöpff Gottes mögen abgebildet werden, dann von den Türcken ist bekandt, daß sie gar kein Bildnuß zulassen noch gebrauchen, nicht allein bei dem Gottesdienst, sondern auch nicht in einigen Weltlichen oder privat sachen, wie dann aus jhrer müntz zu sehe, darauf nichts als etzliche Arabische Buchstaben stehen, Ingleichen auch auf jhren Tapezereywerckh kein Bildnuß weder einiges Thiers noch Menschen zu spüren ist. Nuhn hatt aber dennoch *Moses die Cherubim gemacht, und die ehrne schlange auß und nach dem befehl Gottes, wie auch *Salomon die eherne Ochsen, güldene Löwen. So ist die Kunst zue mahlen und zu schnitzen nicht weniger als andere Künste eine gabe Gottes, wie auch die sichtbahren Creaturen der art und Natur seindt, daß man sie abmahlen und mit schnitzwerck für augen stellen kann. Derwegen der Creaturn abbildung nicht durchauß noch allerdings zu verwerffen, sondern das end und Ziel darzu sie gemacht, zu bedencken und in acht zue nehmen ist. Denn dieses ohn gottlosigkeit und aberglauben geschehen kan, daß gleich wie im alten Testament der Bilder gebrauch entweder typicus [231] gewesen ist, etwaß damit geheimnuß weise zue bezeichnen (alß mit dem Cherubim und Ehrnen schlangen) oder politisch6 (alß daß auf der müntz ein geprech gestanden, denn der Jüdische Sickel [Sekel]7 hat auf einer seite die Rute Aaronis gehabt, auf der andern seiten ein Kelch mit Rauchwerck und die müntz zur Zeit Christi hette das Bild des Römischen Keysers) oder aber hat zur Zierde und schmuck dienen sollen (alß im Tempel *Salomonis allerhand solcher Bilder zum Zierat gemacht worden sindt). Also auch im Neuwen Testament können die Bildtnuß der Creaturen, nach weise und masse, wie darunder vermeldet, geduldet werden, umb dieser dreyen ursachen willen: Eine, daß sie entweder erinnerung sindt von beschehenen Historien oder geschichten, oder daß sie zue einem politischen gebrauch dienen, oder auch zum Zierath und schmuck gereichen. Dieß aber ist ein aberglaubischer oder viel mehr ein abgöttischer gebrauch der Bilder, wenn sie nur den Creaturen nach gebildet sindt, So man entweder solche Bilder für sich selbst, oder durch und bey denselben Bilderen Gott oder die verstorbenen Heiligen anbetet oder verehret. Alß nicht allein heutiges Tages im Bapstumb ohn schew geschiehet, Sondern auch vorzeiten *Simon der Zauberer seinen Discipeln zue verehren fürgestellet hatt, seine und seiner Buelschafft der

6 In Vorlage „Politisch“. 7 Antike Silbermünze im Mittelmeerraum.

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Silenes Bildnuß, so er nach dem Heidnischen Bildwerck Jovis und Minervae hette zurichten lassen, Dergleichen auch die Ketzer, so sich gnosticos [Gnostiker] genennet haben, etzliche Bildnisse Jesu auß gold und silber gemacht oder auch mit farben gemahlet, gebraucht und verehrt haben. Zum dritten ist auß diesem leicht zue antwortten auf diese dritte frage: Ob dann irgent ein Bildnuß (man nenne es Christi oder eines Heiligen) oder auch an der stett und orth, da solche Bildnuß sind, Christus oder einiger Heiliger angebetet und verehret werden möge. Denn daß dieses unrecht sey, wird klerlich gesagt im andern Gebot des gesetzes Gottes: Du solt sie nicht anbeten, noch jhnen dienen, darmit nicht allein verbotten wird, daß wir selbst keine Bildnuß zue solchem gebrauch machen sollen, Sondern auch die von andern hierzu gemachte Bildnuße weder anbeten noch verehren sollen. Es begreift aber das anbeten auch die eusserliche geberde, alß do man mit dem gantzen Leib niederfallet auf die Erde, und bücket und neiget sich für den Bildern, entblöset das Haupt, hebet die Hende auf, klaget den Bilderen seine Noth, und begehret Hülffe von jhnen, welche doch selbst weder sehen, noch hören, noch jhnen [i.S.v. sich] oder andern irgent was helffen können. Das verehren aber oder jhnen dienen heisset auch, wann man sie mit goldt oder seidenschmuck behengt, rauchert, wachßlichte brennet, und dergleichen aberglauben treibet. Welches alles auch Levit. 26. Ver. 1. von Gott dem Herren hart verbotten ist: Ihr sollet euch keine Götzen machen, noch Bilde, und solt [232] auch keine seule aufrichten, noch keine Mahlstein setzen in euwerem Lande, daß jhr dafür anbehtet, denn ich bin der Herr ewer Gott. Und weil der Engel in der offenbahrung Johannis nicht gestatten will, daß er angebetet werden solte, wie auch Petrus, Paulus, Barnabas in der Apostelgeschichten mit grossem eiffer zurück halten diejenigen, welche sie anbeten wolten, wie viel weniger sind dann jhre Bildnuß anzubeten, sie mögen gleich gemahlet, geschnitzt oder gegossen sein. Zum Vierten ist hierauß auch leichtlich zue urtheilen von dieser Vierdten frage: Ob an den orthen und stetten, da der Gottesdienst geübet wird, Bilder und Götzenwerck aufgestellet werden mögen. Dann weil Gott verbeut, daß man gar kein Bildnussen zum Gottesdienst machen solle, So verbeut er je zugleich, daß sie auch dahin gesetzt werden sollen, da der Gottesdienst fürnemlich und im schwang gehen soll. So mögen nun ausser der Kirchen und ausser das anbeten und verehrung die Bildnuß Christi oder der Heiligen (die doch nicht einerlei weiß von allen, sondern8 von diesem also, von einem andern auf andere gestalt formiret und gebildet werden, und man gar keine gewisse nachrichtung haben kann, was für eine eigentliche gestalt sie bei jhrem Leben hierniden auf Erden gehabt haben) entwe-

8 In Vorlage „Sondern“.

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der zum gedechtnuß jhrer Historien, oder die Heuser und gebeuwe vornehmer Leute zue schmücken, oder zue einer ehrlichen und zugelassenen Lust der augen, so schön9 und wol proportionirte Bildnuß gerne sehen, auch bei den Christen geduldet werden, daß sie aber nicht in den Kirchen sein sollen, erweisen folgende gründe und ursachen: 1.Erstlich sein die Kirchen nicht zue dem ende gebauwet, daß man Bilder und Götzen darin bringen, und den leiblichen augen jhre Lust büßen solte, Sondern daß die glaubigen alda zusammen kommen, Gottes Wort hören, die Sacrament gebrauchen, Gott mit einander anrüeffen und dancken, und seinen heiligen Nahmen preisen10 sollen, und solches alles im Geist und in der Wahrheit. Daher Christus aus Esaia sagt: Mein Hauß ist ein Bethauß, und S. Paulus 2. Cor. 6. Waß für ein gleiche hat der Tempel mit den Götzen, darumb man dies falls den Papisten und aberglaubischen Leuten, so das Götzenwerck in der Kirchen vertheidigen, eben so wohl entgegen setzen kan diejenigen verß, so vorzeiten Keyser **Alexander Severus von dem Pracht und Schmuck der Tempel und Capellen auß den Poeten pflegte anzuziehen: Discite Pontifices, in templo quid facit aurum, Quin superis iustos mores castosque dicamus.11 Hiernechst ists nicht allein unzimlich, die Kirchen, so zue des einigen wahren Gottes rechtschaffenem Dienst gerichtet sein sollen, mit Götzen und Bilderen, so je nicht Gott sein, erfüllen. 2. Sondern es ist auch gefehrlich und schedlich in den Kirchen das [233] Bild und Götzenwerck zue underhalten, Sintemahl die gemüter der Menschen durch dieselben abgewendet werden von ernster und bestendiger betrachtung der Göttlichen dingen, damit man sich under dem Gottesdienst bekümmeren soll. Nuhn haben auch die Spartaner vorzeiten auf jhrem Rathauß keine Bilder leiden wollen, damit die RatsHerren jhre gedancken beisam[m]en behalten möchten, einig und allein den sachen, darvon gerathschlaget wurde, nachzuetrachten. 3. Noch grösser gefahr und schaden ists, daß der gemeine Mann durch anschauwung der Bilder gar leichtlich zur Abgötterey und aberglauben gebracht wird, alß die erfahrung under dem Bapstumb gnugsamb hat außgeweiset. 4. Zue deme ist ja kein Wort noch einige Sillaben [eine einzige Silbe] in der Heiligen Schrifft, daraus erzwungen werden konte, daß man in den Kirchen müsse das Bild oder Götzenwerck haben oder behalten; Welches der Herr Christus und die Apostelen nicht würden mit stillschweigen fürbeigangen haben, wann die Kirchen in der Christenheit der Bilder nicht entrathen konten. S. Paulus hatt in der Kirchen zue

9 In Vorlage „schon“. 10 In Vorlage „Preisen“. 11 Herkunft des Zitats unklar.

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 N° 87 Bremen [Christoph Pezelius]

Corintho angeordnet, wie sich Mann und Frauwen in der Kirchen verhalten, und mit der Kleidung erzeigen sollten, hat aber nicht mit einigem buchstaben erfordert [i.S.v. gefordert], daß Bilder in den Kirchen sollen gesetzt werden. 5. Hierüber hat S.  Paulus nicht vergeblich vermahnet, daß man auch allen schein des bösen meiden und fliehen, auch niemand ein ergernuß oder anstoß geben soll. Ists aber nicht also, daß unzehlich viel ergernuß auß dem Götzenwerck in der Christlichen Kirchen entstehen? Dann so die Papisten sehen, daß auch in den Evangelischen Kirchen Bilder und Götzen underhalten werden, nehmen sie jhnen daher ursach sich zue rühmen, daß man jhre mahlzeichen noch behalte, und mit jhnen in aberglaubischen Wesen, noch etzlichermassen einig sei. Viel schwache aber, so das Bapstumb verlassen, werden in diese gedancken gebracht, man habe sich noch niehmahls mit ernst von dem Reich des Antichrists abgesondert. Die Türcken und Juden werden vom Christlichen glauben nicht wenig abgehalten wegen der Götzen, so sie in den Kirchen der Christen mit solchem hauffen stehend sehen, wie sie dann den Christen daher stets fürwerffen, daß sie abgöttische Leute sein müeßen. Und als ein Türckischer gesandter auf ein Zeit in Franckreich am Königlichen hoffe gefragt war, warumb doch die Türcken der Christen Religion so gar12 feindt wehren [wären], hat13 er geantwortet, daß je es kein verstendiger dafür halten könne, alß wehre dieß ein wahre Religion , da man solche Götter hette, welche viel weniger, ja14 durchaus geringer wehren alß die so denselben ehr erzeigten. Darvon auch *Paulus Riccius ein gelehrter und getaufter Jude geschrieben, daß es sehr nützlich sein würde, so man auß der [234] Christen Kirchen die Götzen hinweg thete, als darüber sich die Juden uberauß sehr ergerten. Es ist auch auß den KirchenScribenten zue beweisen, daß in der ersten und Eltesten Kirchen die Christen in die vierhundert Jahr gantz kein Bildnuß noch Götzen in jhren Kirchen gehabt haben, wie auch kein einiges Crucifix. Denn daß Keyser *Constantinus Magnus nach dem gesichte [Gesicht, i.S.v. Vision] so jhm am Himmel erschienen, die formb [Form] eines Creutzes an seiner Fahnen machen lassen, ist solches zu hoff und im kriege, nicht aber in der Kirchen gebrauchet worden. Ist auch nicht ein thodter Götze, den man für den gecreutzigten Christum hette außgeben, sondern allein ein Holtzwerck gewesen, in formb und gestalt eines Creutzes, so auß zweyen ubereinander geschrenckten Höltzeren oder stangen zuegerichtet worden ist. Under den griechischen Scribenten findet man bei *Nisseno15, welcher zue *Hieronymi zeiten gelebt, zuem aller ersten meldung von gemehlden, auß der

12 In Vorlage „garr“. 13 In Vorlage „Hat“. 14 In Vorlage „Ja“. 15 Gemeint ist der kappadokische Kirchenvater Gregor von Nyssa (ca. 335–394).

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Biblischen Historien genommen. *Epiphanius aber, der in 200. Jahr für den zeiten *Gregorij Magnj gelebet, schreibt, daß es wider die Heilige Schrifft sey, Gemehlde in den Kirchen zue haben, und daß er auf seiner reiße, alß er ein Tuch in einer Kirchen hangen gefunden, darauf Christus oder ein ander Heiliger gemahlet war, dasselbe zuereissen [zu zerreißen] und zum begrebnuß eines armen Mannes zue brauchen befohlen habe. Diese narration hat S. *Hieronymus, der auch mit *Epiphanio dieser meinung gewesen, auß dem griechischen in Latein ubersetzet. Bey denen aber so gegen Occident wohnen, ist Pontius *Paulinus Bischof zue Nola in Italien der erste gewesen, welcher umb das Jahr Christi 420 die Wende in der Kirchen mit Biblischen Historien mahlen und schmücken lassen, die Leut so das gedechtnus der Martyrer begingen und hielte, desto mehr zue vermeinter andacht und sobrietet [i.S.v. Mäßigkeit] zue bewegen. Aber warumb hat er wider16 den befelch des Apostels gastereyen und Mahlzeiten in der Kirchen angestellet? Warumb hat er nicht vielmehr durch die lehr Göttliches Worts und durch eine gutte Kirchendisciplin die Leute zur messigkeit in essen und trincken angehalten? So ist ein Christliches decret im Concilio * Elibertino in Hispanien gemacht worden, wider das gemahlte und Bildwerck in den Kirchen: Placuit picturas in Ecclesia esse non debere, ne quod colitur et adoratur, in parietibus depingatur. Aber der Römische Antichrist hat dessen ungeacht, das Götzenwerck heuffig in die Christenheit eingeführet, die Griechischen Kirchen, so dasselbe nicht billichten [billigten] in Bann gethan, auch auß dem gesatz Gottes das ander Gebot gentzlich darüber hinweg genommen, und den Leyen, daß sie es auch nicht wissen solten, mit frevel gestohlen und geraubet. Zum Fünfften und letzten ist noch diese frage ubrig, wehme es gebühre, die aberglaubischen Bilder und Götzen abzustellen? Hiervon ist [235] kein Zweiffel, daß aller trewen Lehrer und Pastorn ampt ist, jhre zuehörer durch underricht Göttliches Worts von allem Aberglauben der Bilder abzumahnen, und dagegen anzuhalten, daß auch eusserlich die ergernuß solcher aberglaubischen dinge gebührlichen abgeschaffet werden, Nachmahls ist gewiß, daß auch die Haußvätter in jhren eigenen Heusern dieselbe abthun können und sollen, nach dem Exempel des Patriarchen Jacobs Gen.  35, deme die in seinem Hause waren17, alle frömbde Götter gaben, die under jhren henden wehren [wären], und ihre ohrenspangen, und er vergruebe sie under eine Eiche bei Sichem. Daher auch gehöret, daß wider die, die solchs nicht thuen, Deut. 27. stehet: verfluchet sey, wer einen Götzen oder gegossen Bild machet, ein greuwel des Herren, ein Werck der Werckmeisterhende, und satzt es verborgen, und alles Volck18 soll sagen Amen.

16 In Vorlage „wieder“. 17 In Vorlage „wahren“. 18 In Vorlage „Volckh“.

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Was aber für Götzenwerck in publicis locis, das ist an stetten und örteren, so einer gantzen gemeine zuekommen, zum ergernuß und anstoß gefunden wird, das soll durch die Obrigkeit auctoritate publica abgeschaffet werden, und solches soll die Obrigkeit umb dreyerley ursachen willen thun, von dehnen die erste ist, der ernst befehl Gottes, damit Er gebeuth, daß alle Götzen und falsche Gottesdienst hinweg genommen und außgerottet werden sollen, denn Exod. 23. spricht Gott: Du solt nicht thun wie die Cananiter und andre Heiden thuen; Sondern du solt jhre Götzen umbreissen und zuebrechen, Welches Gebot wiederholet wird Exod. 24. Num. 23. Deut. 7. et 12. Die andere ursach ist, daß die bekandtnuß in erhaltung des reinen Gottesdienstes, und in thatlichen erweisung, daß man abschew und greuel habe an den falschen Gottesdienst und alle Abgötterey, ein hochnothwendig werck ist, so einem jeden Christen nach erheischung seines beruffes oblieget: Sintemal die bekandtnuß nicht allein in Worten und im Mundt bestehet; Sondern auch durch eusserliche anzeigung im Werck und mit der thath zu erzeigen ist, auf daß auch andere sehen und spüren, daß es unß ein rechter ernst ist, mit fliehung der abgötterey, nach dem Spruch des Apostels I. Joh. 5. Kindlein hütet euch für der Abgötterey. Die dritte ursach ist die nothwendigkeit das ergernuß abzuwenden, so bei den schwachglaubigen und denn auch bei den feinden der Wahrheit von dem Götzenwerck entstehet. Ja auch die nothwendigkeit den schaden und gefahr hinweg zu nehmen, so zue allen Zeiten der Kirchen Gottes von dem Bild und Götzenwerck zuekommen ist, wie hievon im Buch der Richter, Cap.  2. geschrieben stehet: Sie sollen auch zum stricke werden unnd jhre Götter zum netze, welches jmmerdar in der Kirchen des Alten und Neuwen Testaments also geschehen ist. Wann aber die Obrigkeit ihr ampt nicht thuet, so mag sie sich nicht verdriessen lassen, wenn Gott wider die gemeine Ordnung in seinem [236] Wort uns fürgeschrieben, auch gemeine Leut erwecket, daß sie die Götzen so instrument und Werckzeuge gewesen sein, die Abgötterei von so viel hunder Jahren hero uber einen hauffen werffen, alß Gedeon da er noch ein privatus gewesen, den altar Baals und den Hain umbgerissen hat auf Gottes geheiß. Davon sein Vatter Joas dem Volck, das umb den Baal eiferte, antwortet: Wolt jhr umb Baal hadern? Wolt Jhr ihn helffen? Ist er Gott, so reche [räche] er umb sich selber, daß sein altar zubrochen ist. Dergleichen Extraordinarij werck, auch in vielen MartyrerHistorien zue finden, welche der Wahrheit bestendigs Zeugnus gegeben haben. Derer etliche die Götzen, so in der pompa umbhergetragen, etliche auch die hostiam, darmit die Papisten so grosse Abgötterey treiben, dem Meßpfaffen aus der handt gerissen und hernieder auf die Erden geworffen haben, Welches wie es nicht jederman, der nicht gleiche gaben des Geistes hat, nachzufolgen gebühret, Also sind die Regenten Ampts und beruffs halber pflichtig das jhre zue thuen, mit abschaffung der Götzen auß den Kirchen, denn die Obrigkeit ist Custos beider Tafeln des gesetzes Gottes, so wirt den Eltesten in Israel allenthalben von Mose befohlen, daß sie die Götzen, Seulen, Altar, Hayn der

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Abgötterey sollen abbrechen, Welches nicht weniger die Christliche Obrigkeit als vor zeiten die Jüdischen Regenten angehet. Derhalben hochlich gerühmet werden Ezechias, Josias und andere so die Tempel Baals und die höhen abgethan, Ja auch daß Hiskias die ehrne Schlange von Mose aufgerichtet, alß es in mißbrauch mit derselben kommen war, zuenichte gemacht, und in der Christenheit hat *Constantinus Magnus, **Theodosius Magnus und andere die heidnische Tempel zum theil geschlossen, zum theil zerbrochen, deren Exempel auch zu unseren zeiten viel lobliche Fürsten und Herren, auch Regenten in Evangelischen Stetten loblich haben nachgefolget. [Es folgt ein Kapitel ‚Von der Kirchen Disciplin‘, das bildgeschichtlich belanglos ist.]

Editorische Notiz Bearbeitungsvorlage: [Christoph Pezelius:] Consensus Ministerii Bremensis Ecclesiae, Kurtze und Richtige Bekentniß der sämpt­ lichen Prediger in Bremen von den fürfallenen streiten in der Lehr und Ceremonien von einem Jeglichen approbirt und unterschrieben Anno 1595. Aus: Die Bekenntnisschriften der reformirten Kirchen Deutschlands. Hg. v. Heinrich Heppe. Bd. 1, Elberfeld 1860.

LIT → N° 83, Gramatzky (2016), Heppe (1860).

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N° 88 Wolfgang Amling [?] Von den Ceremonien [1596] Auszüge

Wolfgang Amling (1542–1606), Sohn eines Wollwebers und Ratsherrn aus dem unterfränkischen Münnerstadt, absolvierte die Lateinschule seiner Heimatstadt und danach Schulpforta. Ein Theologiestudium in Jena, Tübingen und Wittenberg schloss er mit Erwerb des Magistergrades ab. Seit 1566 Rektor der Schule von Zerbst, ab 1569 Pfarrer im anhaltischen Coswig, 1573 Pfarrer in Zerbst, ab 1578 daselbst Superintendent der Anhaltinischen Landeskirche. Er nutzte diese einflussreiche Position zu Verbreitung und Festigung des reformierten Bekenntnisses in Absetzung von Luthertum und Konkordienformel. Obwohl die Schrift, aus der hier Teile präsentiert werden, nicht namentlich gezeichnet ist, ist sie doch mit hoher Wahrscheinlichkeit Wolfgang Amling zuzuschreiben. Dafür spricht zum einen, dass diese Schrift nach Form und Inhalt in den Kompetenzbereich Amlings als Superintendenten fällt; zum andern, dass sie im Verlag von Jacob Zanach in Zerbst erschien, wo Amling zuvor und danach einige andere Schriften publizierte; zum dritten, dass sie argumentativ mit Amlings philippistisch-calvinistischem Anliegen übereinkommt. Wir bieten im Folgenden einen Auszug, der die Seiten 11–18, 57–138 umfasst. Der Text erklärt zunächst, was Ceremonien überhaupt seien und unterscheidet Göttliche und Menschliche Ceremonien. Die göttlichen seien von Gott selbst gesetzt und deshalb notwendiger Bestandteil des Gottesdienstes; die menschlichen seien lokal und situationsbedingt unterschiedlich, adiaphor, aber doch, wenn sie nach den Regeln göttlichen Worts eingerichtet sind, für das Erlassen von Kirchenordnungen konsti­ tutiv. http://doi.org.de/10.1515/9783110780031-029

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Was man Ceremonien nennet, und wie mancherley dieselbige seyen. DAs Wort cæremonia ist aus Lateinischer sprach hergenommen. Dann die Römer haben mit diesem gemeinen namen jhren gantzen (wiewol Heydnischen) vermeinten Gottesdienst geflegt zu nennen: Und solches der stadt Cære in Hetruria (da nun Florentz die Hauptstadt ist) zu ehren, weil sie etwan dahin all jhr Götzenwerck geflüchtet, und es daselbst erhalten, als nemlich da die Frantzosen vorzeiten die stadt Rom erobert hatten, bis sie Camillus wider einbekommen. Es ist aber diss wörtlein mit der zeit auch in der Teutschen sprach bekant, und bey der wahren Religion breu[ch]lich worden, und wird in dem alten Lateinischen text der Bibel, vielmals gesetzt, wie auch in mehr Lateinischen newen translationibus oder verdolmetschungen, an statt der wörtlein statuta & leges, da im Teutschen gemeiniglich stehet, befelch, rechte und satzungen. marginal: Was Ceremonien seyen in gemein oder in sonderheit.

Also nennet man nun mehr Ceremonien erstlich in gemeinem verstand, allerhand eusserliche zeichen, wercke, gebreu[c]he und hendel, dadurch etwas anders und sonder-[12] liches beheu[p]tet, bestetiget oder erkleret wird, offenlich oder privatlich, in geistlichen oder weltlichen sachen, entweder zu gemeinem beharrlichen gebrauch, oder auff gebrauch [i.S.v. Aufbrauchen], oder auff gewisse personen, zeiten, örter, leuffte [i.S.v. Verläufe] und handlungen gerichtet. Darnach werden in diesen trachtetlein [Traktätlein] vornemlich und sonderlich durch das wörtlein Ceremonien verstanden die Kirchenbreuche beym Gottesdienst. Dann weil der eusserliche Gottesdienst, im Predigampt auch ordentlicher bestellung, verrichtung, ubung und gebrauch desselbigen, belangend den beruff, die lehr und anhörung des Wortes Gottes, die heiligen Sacramenta, Catechismum, Gebett, Dancksagung, Psalmengesenge, Kirchendisciplin, allmosen und dergleichen dinge, ohne gewisse ordnung, form und weis nit verrichtet werden können: So nennet man demnach auch Ceremonien alle eusserlichen Process, Manier, sitten und weise, so bey verhandlug solcher Puncten gebraucht werden: Welche doch mehrertheils zu dem ende gerichtet seind, das der Gottesdienst desto bequemlicher verrichtet, auch besser verstanden, bestettiget, und in guter Ordnung, zu mehrerm wolstand, zierde und anmutigkeit, und also zu erbawung der gantzen Gemeine, und vervorab der Schwachgleubigen angestellet, erhalten, befürdert und fort gesetzet werde: Wiewol auch viel andere dinge (als obgemelt) under dem Namen Ceremonien, mit begriffen werden, die sonst unter dem Volck Gottes gebrauchlich gewesen oder geschehen, und doch nicht für Kirchenordnungen zu achten seind.

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marginal: Ceremonien zweyerley: Göttliche und Menschliche.

Solche nun desto besser zu verstehen, sol man wissen, dass die Ceremonien zweyerley seind. Etliche von Gott selbst eingesetzt und gebotten, welche ohn seinen befehl (so ferne sie, vermöge dieselbigen, sich erstrecken) nicht zu endern: und entweders ein stücke oder theil des nohtwendigen Gottesdiensts oder sonsten zu besonderem nutz und gebrauche, beharrlich oder eine zeitlang in gemein [13] oder besonders, verordnet seind. Wie hernach mit allerhand exempeln, in specie, sol beybracht und bezeuget werden. Die andern Ceremonien werden auff der Christlichen Kirchen gutachten, nach gelegenheit und erheischung der notturfft und umbstende jedes Orths, von Menschen, als Kirchenordnungen, erfunden und eingefüret. Und solche dinge sollen allwege nach der Regel Göttliches Worts, und demselbigen gemess, angestellet und verrichtet werden. marginal: Adiaphora.

Diese nennet man sonsten adiaphora, mitteldinge oder freygelassene dinge, Item, Kirchenordnungen, Kir[chen]breuche, Kirchensatzungen, etc. Weil sie zu behalten , zu endern oder abzuschaffen, in Christlicher Freyheit und der Kirchen willkühr stehen. Und seind nicht der Gottesdienst selbst: Sondern eine Eusserliche Menschliche Ordnung, so allein zum Process und bequemer verrichtung des Gottesdiensts gebraucht wird. marginal: Menschensatzungen bestricken nicht das gewissen.

Darauff man sonst weiter, des Gewissens halben, keine notwendigkeit, noch einiges vertrawen gegen GOTT, oder besondere andacht und Heiligkeit setzen sol: Und so bald solches geschicht, ist es schon gefehlet, Und werden damit solche Ceremonien, uber jhren ordentlichen zugelassenen brauch, viel zu hoch erhaben. Davon Matthei am funffzehenden stehet: Man ehret mich vergeblich mit Menschensatzungen etc.

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Von Ceremonien Das ander Capitel Wozu die Ceremonien nütz und dienlich: Und worauff man in anrichtung und ubung derselben achtung zu geben.

Damit man das jenige, so bis anhero gesagt ist, desto besser verstehen möge, ist vonnöten zu erwegen [erwägen], wozu dann beyde die Göttliche und auch die menschliche Ceremonien und breuche in der kirchen oder sonst bey dem Volck Gottes in gemein oder in besondern wercken und sachen, nütz und notwendig sein. Und

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stehet demnach der rechte nutz und gebrauch derselbigen, in diesen nachfolgenden puncten. marginal: Sacramentliche Ceremonien und derselben nutz oder gebrauch.

Erstlich, Seind unter den Göttlichen Ceremonien die H.  Sacramenta nicht schlechte [i.S.v. einfache] Kirchenbreuche, sondern offendliche gemeine sigel und zeugnissen der gantzen gnad des Evangelii, und bunds oder vertrrags zwischen Gott und den menschen, dadurch man im glauben von vergebung der sünden, und schenckung ewiger seligkeit vergewissert und gesterckt, auch zur danckbarkeit gegen Gott und der liebe gegen dem nechsten verpflichtet wird. Welchs dergestalt von keinen andern Ceremonien, ohn allein von der Sacramenten, kan gesagt werden. Wie dann im alten Testament solche sacramenta, zeichen und zeugnis seind des Göttlichen Gnadenbunds gewesen, die beschnidung und das Osterlemlein, Nun mehr aber im newen Tesstament, die Tauffe und das Heilge Abendmal. marginal: Mancherley andere Ceremonien so nit eigentlich sacrament auch

nit allwegen Kirchenordnung seind. Exempel allerhand Ceremonien, so zu besserem verstand und bericht dienen: Baum des lebens Gen.  2,9, Baum der erkentnis gutes und böses. Gen.2.17. Opfferung Isaacs Gen.22.2. Andere opffer, eherne schlange und lade des bundes. Gen.4.34. Exod.20.24.cap.29.31. Lev.1.2.3.4.6.7.Exo.25.1.Num.21.8.9. Predigen, beten, Psalemen singen. Exempel allerhand Ceremonien, so zum zeugnis gewisserdinge dienlich. Regenbogen. Gen.2.16. Felle Gedeons. Jud.6.36.Sonnenuhr. Achatz. 2.Reg.20. Esa. 39.8. Salbung. Ec.40.5. Reg.19.15.Sam. 10.4. Christus bleset die Jünger an. Joh. 20.22. Brausen des windes und feurigen zungen. Act.2.2.3. Aufflegung der hende. Zum andern, Seind noch mehr andere eusserliche Ceremonien, im Alten und Newen Testament, von Gott selbst oder von den Propheten und Aposteln geordnet, welche doch nicht besondere sacramenta der kirchen oder gemeine Bundeszeiichen und sigel, auch nicht [15] stetswerende dinge seind, noch alwegen Kirchenordnungen und gemeine breuche: Sondern haben auch bisweilen andere nutzen: dass sie dem Volck Gottes zu besserm verstand und bericht in dem jenigen, dazu sei verordnet dienlich sind. Als, vorzeiten im Paradeis der baum des Lebens, ein zeugnis gewesen ist zeitliches und ewiges segens und wolfahrt für unsere ersten Eltern, und alle ihre nachkömling, wenn sie bestendig bleiben würden. Und hergegen den baum der erkentnis gutes und böses, ein zeichen und zeugnis zeitliches und ewiges fluchs und tods, wann sie vonn Gott abfallen würden. Apoc.2. Dahin gehöret auch die figur der opfferung Isaacs, darinnen das werck der erlösung des gantzen Menschlichen geschlechts den vetern [Vätern] gleich als in

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einem Spiegel sichtlich ist vor augen gestellet worden. Item, die verordnete opffer die ehrine [ehernen] schlange, und lade des Bundes. Item, noch zur zeit das predigen Matth.1. Joh.20.21. Luc.24.47. I.Cor.9.16. Gal.6.6. das gebet geistlicher Psalmenlieder, I.Tim.2.8.9. Coloss.5.16. Oder sie dienen zum zeugnis gewisser und besonderer wolthaten, oder zu befestung sonderlicher verheissung, als, die verheissung, dass die welt nicht mehr mit Wasser verderben werden und umbkommen solte, bestetiget Gott mit dem Regenbogen. Dass er dem Gedeoni si[e]g wolte geben, bezeuget er damit, dass er das fell, so Gedeon auff die Tenne gelegt, lies vom taw nass1 werden, und blieb die Tenne umbher trocken, und hergegen ward die Tennen umbher vom taw nass und blieb das fell trocken. Als er dem Ezechiel sein leben auff funffzehen jar lang zu erstrecken verheissen, lesset er dessen zum zeugnis den schatten an der Sonnenuhr zurückweichen. Also ist bey erwehlung der Könige, Priester und Propheten vorzeiten die Ceremonia des öls oder salbung (zum zeugnis, dass Gott allerhand notwendige gaben des H. Geists zu solchem hohen beruff verleihen würde) gebraucht worden. Da Christus seinen Jüngern den H. Geist gibt, [16] braucht er darbey, umb mehrer gewissheit2 uund bestetigung willen, die Ceremonien, dass es sie anbleset, Joh.20. etc. Item, das brausen als eines gewaltigen Winds und Fewriger zungen. Und seind viel andere dergleichen exempel, ein jedes in seiner ordnung und in seinem gebrauche. Dahin gehöret auch die aufflegung der hende, So zum zeugnus der gaben des H. Geistes und bestetigung des beruffs dienlich gewesen, und noch hin und wider gebreuchlich ist. Marc. 10. Act. 8.9.19. 1.Timoth. 4.2. Tim.1. Hebr.6. Zum dritten, Weil auch die von Gott verordnete Ceremonien, so lange dieselbige von jhm selbst nicht verendert werden, noch jhr ende (dazu sie gegeben) erreicht haben, in ehren zu halten und zu brauchen, notwendig, Bedarff man dazu nach gelegenheit der3 zeitenleufften zuhörer und andere umbstend mehr, besondere ordnung, form und weise, oder Process zu der gebürlichen verhandlung, bedienung und verrichtung. marginal: Menschliche Ceremonien, so man adiaphora nennet. Und werden demnach auch andere menschliche Ceremonien, nach der Kirchen, in einer jeden Landschafft, gut achten, aus Christlicher freyheit gebraucht, welche man sonsten adiaphora oder frey gelassenen dinge und Kirchensatzungen zu nennen pfleget, Und haben dieselbigen auch jhren vielfeltigen nutzen.

1 In Vorlage „nas“. 2 In Vorlage „geweisheit“. 3 In Vorlage „den“.

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marginal : Adiaphora oder menschliche Ceremonien, und derselbigen nutz

oder brauch. Zum erten, Dienen sie bequemer verrichtung des Gottesdiensts im Wort und Sarament, Gebette, Psalmensingen, disciplin, allmosen und dergleichen: Deren keines ohne besondere handlung, manier und weis geschehen kan. Zum andern, zu guter ordnung, zierd und wolstand in Kirchen, so Gottes wort erfordert. Dahin ist vorzeiten auch gericht [gerichtet] gewesen (aber doch under den Göttlichen Ceremonien) die köstliche kleidung des Hohenpriesters, sampt anderm geschmuck des Tempels im alten Testa-[17]ment, Item, dass David und Salomon ihre senger und ander Empter im Tempel bey dem Gottesdienst so ordentlich bestellet haben, und eben dasselbige meynet S. Paulus, als er lehret, es sol alles zierlich und ordentlich in der Kirchen zugehen, 1. Cor.14. Hieher gehöret die haltung des Herrentags, 1. Cor. 16. 2. Apocal. 1.10. Item, das hendeauffheben oder falten, oder kniend oder stehend beten. Item, dass ein Weib in der Gemeine nicht reden, sondern stillschweigen sol. Item, dass der Man mit blossem, das Weib aber mit bedecktem Haupt erscheinen und beten sollen: Dass die gantze Gemeine der Gleubigen mit einander zum Tisch des HERRN gehen, nicht einer vor, der andere nach, sein besonder abendmahl halten sol, sampt der gantzen form die Sacramenta zu halten, und dergleichen anders mehr 1. Cor.11.14. Zum dritten, Zu erbawung und besserung der gantzen Gemeine, Und sonderlich der Schwachgleubigen. Darumb sagt S.Paulus, Thut alles zu Gottes ehren, seyd ohne Ergernis den Juden und Griechen und der Gemeine Gottes. 1. Cor.10. Item, lasset alles zur erbawung geschehen. 1. Cor.14. Zum vierdten, Die Conformitet und einhelligkeit mit andern rechtgleubigen zu bezeugen. Dann weil das bekentnis der Lehre offentlich geschehen sol: Und man sich des Evangelii nicht schemen: So wil sich nicht gebüren, dass man mit frembden und von der falschen Kirchen oder feinden der Wahrheit entlehneten Ceremonien sich behelffe und flicke, als ob mans mit jnen hielte: Sondern viel lieber die Ceremonien, so bey der wahren Kirchen Christi breuchlich, und Gottes Wort gemess, auch in der Kirchen nützlich seind, behalte. Wie Paulus zu Petro saget: so du, der du ein Jude bist, heydnisch lebest, und nicht jüdisch, warumb zwingestu dann die Heyden jüdisch zu leben? Gal.2.v.14. [18] Weil sich aber gar leichtlich etwas zutragen mag, dadurch solcher ordentlicher rechter nutz und brauch der Ceremonien zurückgestellet, und davon abgewichen wird, So ist vonnöten, die ursachen des jrrthums fleissig hierbey in achtung zu haben. Und seind derselbigen vornemlich fünffe. marginal: Ursachen des jrrthums bey den Ceremonien. Die erste, Dass nicht unterscheid gehalten wird zwischen Ceremonien, so Gott selbst befohlen und verordnet hat, und denen, so von menschen herrüren. Wie die Phari-

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seer Matth. 15. jhr Corban, das ist, wenn sie jhre güter zum Tempel gegeben hatten, höher hielten, dann Gottes gebott, dass man vater und mutter ehren sol. Die ander, Dass man entweder die Ceremonien allesampt, ohne underscheid, verachtet und verwirft, oder dieselbigen uber jhren zugelassenen Brauch, abergleubischer weise zu hoch erhebt. Wie diejenigen thun so entweder die aus dem Bapstum [Papsttum] uberbliebene Ceremonien zu halten begeren: oder da sie deren im mangel stehen solten, sich darüber zugleich des gantzen Gottesdienstes entschlagen. Item die heuchler , von welchen Christus sagt, Matth. 23. Alle jhre Wercke thun sie, dass sie von den menschen gesehen werden. Die dritte, Dass man gemeiniglich sihet auff das blosse Werck, eusserlichen schein und geprenge der Ceremonien, mehr dann auff das ende und rechten nutzen derselbigen. Wie die falschen Aposteln auff die Beschneidung, newmonden Sabater, Tagewehlung [Tageswahl], unterscheid der Speise, und dergleichen dinge gedrungen: Und wohin sie gerichtet gewesen, im wenigsten nit bedacht, viel weniger die Lehre des Heiligen Evangelij recht verstanden haben. So doch Christus dem Mosaischen Gesetz, in diesem stück, sein endschafft gemacht4 hat, Gal. 4. 5. Coloss. 2. Die vierdte, Dass man zu viel gehet auff den alten Brauch oder auff ansehen der Person, oder auff das mehrertheil und den grössten hauffen; Wie das Jüdi-[19]sche volck zur zeit Christi gethan hat; Und im Bapstthumb noch heutiges tages geschicht. Dann Christus sagt nicht: Ich bin die gewohnheit, sondern die Wahrheit. Und es heisset: Veritate manifesta, cedat consuetudo veritati.5 Wann die Wahrheit am tage ist, so sol die gewonheit der Wahrheit weichen. Die fünffte, Dass man auf die blosse Ceremonien dringen wil, wenn gleich die ursachen, ende und nutz, dahin sie gerichtet, und darumb sie angestellet gewesen, auffgehöret haben. Wie man im Bapstumb noch mit dem heiligen öhle und Altarien pranget, so doch die gabe der gesundmachung nicht dabey ist, Jacob.5. Und auch die Opffer auffgehöret haben, Hebr. 5. vers 5. Cap. 8. vers 13. Solche ursachen des Missbrauchs mus nun ein jeder fliehen, damit der rechte brauch unverfelschet in den Ceremonien erhalten werde. Welche sonsten beym Gottesdienst, umb guter Ordnung und zierlicher bequemlicher verrichtung willen wol nützlich und erbewlich seyn können: In massen hiebevor ist angezeigt worden. Es folgt das dritte Capitel, in dem dargelegt wird, wie und bei welcher Gelegenheit Ceremonien wieder abzuschaffen seien und welche Rolle dabei Obrigkeit und Kirchendienern zukomme. S. 19  ff.

4 In Vorlage „gemecht“. 5 Marginalie: Decr. dist. B. Cam. veritatem. → Decretum *Gratiani C14 (= Augustinus, De unico Baptismo, Lib. 2.)

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Im zweiten Teil des Ceremonienbuchs wird erörtert, was von den päpstlichen Zusätzen und Interpretationen der gottgegebenen Ceremonien zu halten sei und wie sie zu korrigieren wären. Von bildtheoretischem Interesse sind die Darlegungen zum Kreuzzeichen bei der Taufe

[57  ff.]

Von Menschlichen Ceremonien: Erstlich bey der Tauffe. Bey der Tauffe seind Vier dinge abgestellet worden: Zum ersten, Das Creutzmachen an der stirn und brust, Zum andern, Fragen vom bekantnis des glaubens zu den unmündigen kindern gerichtet, Zum dritten, Exorcismus oder beschwerung und ausbannung des teuffels, Zum vierdten, Jach- und Weibertauffe.

I. Das Creutzmachen ist aus nachfolgenden ursachen abgeschafft. marginal Warumb das Creutzmachen beim Gottesdienst abgeschafft.

Zum ersten, Weil in Gottes wort davon kein befehl noch verheissung zu finden. Zum andern, weil die leute einen notwendigen Gottesdienst, der Christlichen freyheit zuwider, auß dieser Ceremonien machen wollen, welcher irrthumb allbereit zu S. Augustini zeiten eingerissen gewesen. c. Tract. in Johannem 118. Zum dritten, Weil es zu aberglauben mißbraucht wird, dass die leute sich mit dem gemachten Creutze vermeinen sonderlich zu gesegnen, und für unfall zu bewahren: setzen ein vertrawen auff diese Ceremonien, und lassen darüber aus der acht den trost des wahren Creutzes und leidens Christi sampt dem Gebett. Zum vierdten, Weil die Tauffe aus der einsetzung Christi, an ihr selbst krefftig und vollkommen gnug ist, und keines Creutzmachens oder dergleichen menschliches zusatz[e]s bedarff, Marc. 16. Matth. 28. Zum fünfften, Weil das Creutz Christi nicht durch solche oder einig andere von Menschen auffgebrachte Ceremonien, sondern allein durch wahren Glauben, das ist, ein rechtes gewisses vertrawen und zuversicht auff Chri-[59]stum und seine Evangelische verheissungen uns6 zugeeignet wird. Joh. 3.

6 In Vorlage „und“.

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Zum sechsten, Weil das Creutz Christi dann allererst recht getragen wird: Nicht so mans mit der Hand für sich machet, oder von Goldt und Silber am Halse treget: Sondern es im Hertzen hat, und was man umb Christi Namens willen zu leyden schuldig ist, mit Christlicher gedult auffnimpt und uberwindt, 1. Johannis 3. Gal. 2.6.

Ableynung allerhandt hierwider auffbrachter Eynreden und Gegenwürffe. Zum ersten, Das Creutzmachen ist ain alter in der Kirche Gottes wolhergebrachter Christlicher gebrauch und gute erinnerung, davon fast alle patres ud alten Kirchenlehrer viel rühmen und schreiben.

Antwort. Die Alten haben diese Ceremonien nicht.

[119]

Von den Götzen und Bildern in der Kirchen. DIE stumme Götzen und Bilder in den Kirchen, seind abgeschaffet, als ein hochschedlich und verdamlich ding beym Gottesdienst: aus nachfolgenden ursachen: [Die hier folgenden Zwischentitel sind in der Vorlage als Marginalien gesetzt. ]

1. Warumb die Götzen abgeschafft, zehen wichtige ursachen. Weil Gott als ein starcker eyferer, im zweyten Gebott mit grossem ernst alle Bilder und Geleichnissen, beyde zu machen oder auffzurichten beym Gottesdienst, und auch siw zu verehren oder jhnen zu dienen, Ewiglich verbotten. Exod. 20.v.45. Cap.32.v.19.20.26.27. Cap. 34.v.13.14.17. Levit.16.v 4. Num.33.v.52. Deu t.4.v.12.13.14.15.16.17.18.19. Cap.5.v.8. Cap.  7.v.2. Cap.12.v.3.4.29.30.31. Cor.8.v.4.5.6. Cap.10.v.7.14. Joh.5.v.2. Act.15.v.20. 2. Die Götzen seind Teuffel und hurerey. Weil die Götzen für Teuffel gerechnet, und das Götzenwerck in der Schrifft unter die schwersten Sünden, umb welcher willen Gottes zorn und straffe uber sein eigen Volck, nicht weniger als uber die Heyden, herkompt, gezehlet, und hurerey genennet wirt. Exod. 32. v.19.20.26. Iudic.2.v.11.14. Cap.3.v.7.8. Cap.8.v.27.33. Cap. 10.v.6.7.

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1.Reg.17.v.7.8.9. 2.Reg.17.v.7.8.9. 2.Reg.21.v.3.4.10.11.21. Esa.2.v.6.8.9. Cap.44.v.5 &c. Sap.13.v.10.11. &c. Cap.14.v.7.8.9.10. und in summa dem schendlichenn Götzen dienen, ist alles bösen anfang, ursach und ende Sap. 14.v.27. 3. Götzen seind Menschensatzungen. Weil man Gott vergeblich ehret mit Menschensatzungen, Matth. 16. und die Götzen zu nichts gutes nütze oder dienlich seind, Esa.44.v.10.11. sondern vielmehr seind doctores vanitatis & mendacii, das ist Lehrer der eitelkeit und lügen. Hab.2.v.18. und v.19. Wehe dem der zum holtz spricht, wacht auff, und zum stummen steine, stehe auff, wie solte es lehren? etc. Psalm15.v.4.5.6.7.8.9. 4. Christus hat uns keine Götzen, sondern sein wort und Sacramenta eingesetzet. Weil uns Gott der HERR, und sein So[h]n unser Heiland Jesus Christus niemals auff einige Bilder, sondern auff sein wort und Sacramenta zu seinem gedechtnis gewiesen, auch niemals zu den Götzenwerck die gnade seines heiligen Geistes, sondern dieselbige bey der ordnung des von jhm selbst vorgeschriebenen Gottesdienstes allein versprochen hat, Matth.18.v.19. Act. 5.v.3. Gal. 3.v.2. Rom.13.v.19. 5. Götzen seind des Antichrist Grewel. Weil die Bilder in den Kirchen vom Römischen offenbarten und erwiesenen Antichrist7, zu vertunckelung des reinen Gottesdienstes ertichtet und herkommen, [121] auch anders nit dann des leydigen Antichrists grewel und Hoffarben seind: Dafür er und sein hauffe mehr streiten, dann für ein lebendig Bild Gottes, also das sie auch umb beheuptung willen der todten Götzen, die lebendige Christen mangel leiden lassen, ja noch dieselbigen vieler unschuldtiges Blut, als rasende wa[h]nwitzige leute, tyrannischer weise, vergiessen. Wie zu sehen bey **Balæo lib.2. cap.12. von *Gregorio Magno der mit dem Bildnis der jungfrawen Mariæ einen bösen anfang gemacht. Aber viel unsinniger und schrecklicher haben Gregorius III. ein Syrer, und zuvor Adrianus I. diese abgötterey mit den Bildern in den Kirchen, eingeführet und bestetiget. **Balæus lib.3.cap.25.31. *Platian in Adriano & Gregorio g. und lib.3. cap.2. von Bonifacio IIII. lib.3. cap.25. von Constantino, dem Syrer, der am ersten dem Keyser Iustiniano die Füsse zu küssen dargereichet, und die Bilder in Kirchen zu haben und ehren decretiret hat. Also hat Innocentius III. den frommen gelehrten Mann8 Almericum zu Paris, als er wider die Bilder in der Kirchen geschrieben und gelehret, für einen Ketzer

7 In Vorlage „unterwiesenen antichrist“. 8 In Vorlage „man“.

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verdampt, und seiinne todtenbeine sampt allen anhengern die jhm beipflichteten, im fewer zu verbrennen befohlen Bal. lib. 5. cap. II. 6. Der Apostel und Väter Concilia verdammen die Götzen. Es haben auch nechst dem Concilio der Aposteln selbst zu Jerusalem, Act. 15.v.20. andere mehr vorneme Concilia, beneben gemeiniglich allen Orientalischen Kirchen, bey welchen die Lehre unnd Gottesdienst weniger dann in Occident, ist verfelschet worden, dem Basthumb und Occidentalischen jhm anhangenden Kirchen, im handel der Götzenbilder sich hart widersetzt, und bezeuget, das solche Bilder in den Kirchen und beym Gottesdienst nicht zu dulden sein. In massen dann das * Elibertinum Concilium in Hispania zur zeit des Keysers Constantini Magni gechlossen hat cap. 30. Picturas in Ecclesiis non habendas, ne, quod colitur & adoratur, in parietibus pingatur, das ist, man soll das Gemehlt aus der Kirchen abschaffen, damit das jenige so man ehret und anbetet, nit an die wende gemahlet werde. Item, zu Keyser Constantini Copronymi [122] zeiten, umb das Jahr Christi 760. hat auch das grosse Concilium zu Constantinopel geordnet, dass die Bilder aus den Kirchen sollen geworffen werden. Also lieset man von dem alten Lehrer *Epiphanio, dass er zu Anablatha in Syrien in der Kirchen einen vorhang funden, daran CHristi oder eines Heiligen Bildnis gemahlet, welchen er zurissen [zerrissen], und Johanni Patriarchæ Hierosolymitano (unter welches inspection es geschehen) zugeschrieben habe, er wolte doch die vorsehung thun, dass hinfort solche Gemehlde nicht mehr in den Kirchen auffgehangen werden. Dieser Lehrer hat auch gesagt: Nefas & abominationem esse, aspici in Templo Christianorum imagines. Das ist, Es sey ein Grewel und gottlos9 ding, wenn Bilder in den Kirchen der Christen gesehen werden: *Hieronimus epistola ad Iohannem Hierosolymitanum. Und haben die Griechische Kirchen derentwegen wider Iohannem *Damascenum, so die Bilder behaupten wolte, einen sonderlichen streit und disputattion gehabt. Eutrop. lib. 22. Auch hat Serenus præsul Massiliensis umb das jahr Christi 600. das Bilderwerck dermassen verworffen und zu ehren verbotten, dass *Gregorius Magnus (der doch selbst mit dem Marienbild, wie gesagt, einen bösen eingang gemachet) jhm hat beypflichten müssen, und jhn derentwegen gerümet: *Gregor. lib.5. epist. cap.9.10 *Clemens Alexandrinus in parænetico, schreibt von den Bildern also: Nobis aperte vetitum est, artem fallacem exercere. Non facies enim (inquit Propheta) cuiusvis rei similitudinem, eoruum, quæ sunt in Cœlo & quæcunque sunt in terra & infra. Das ist, Uns ist verbotten, öffentlich die betrügliche kunst nicht zu üben. Dann du solt nicht machen (spricht der Prophet) einiges dinges gleichnis, weder des das im Himmel, noch alles das auff erden oder

9 In Vorlage „GOttloß“. 10 Vgl. STR2, N° 60, S. 1057–1064.

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darunter ist. Item lib.6. Stromatum: Nobis nullum est simulacrum in mundo, quoniam in rebus genitis nihil potest Dei referre imaginem. Wir (sagt er) haben kein Bildnis in der Welt, dann nichts das von Menschen gemachet ist, kan Gottes ebenbild sein. 7. Götzen seind ein heidnisch ketzerisches werck. Ferners sollen billich allen Christliebenden die Bilder beym Gottesdienst verdechtig und abscheulich seyn, [123] weil solcher mißbrauch von den Heyden und Ketzern seinen ursprung gehabt, bis sie der Bapst oder Antichrist, zu seinem vortheil auch den Christen auffgedrungen. Dass es aber ein heidnisches werck sey, bezeuuget die gantze heilige Schrifft, in Moise, bey den Propheten, und in den Psalmen so klerlich, dass es niemand, der nur ein wenig die Bibel gelesen, in zweiffel ziehen kan. Und sonderlich *Euseb. lib.7.cap.18. Dass die Bilder Christi und der Heiligen, so etwan zu Cæsaria Philippi gewesen, von den alten auß Heidnlicher gewonheit und nachfolgung seyen gemacht worden. Vide *Clement. Alex. in oratione ad Gentes. So viel die Ketzer belanget, bezeuget Irenæus, auch *Epiphanius und *Augustinus de hæresibus: Dass die Gnostici oder Carpocratianer11 und Valentinianer12 etliche gemalet Bilder, auch von Gold, Silber und dergleichen Materien gemacht, heimlich gebraucht, und gesagt haben, dass es Bildnissen Jesu seyen und unter Pontio Pilato nach dem gleichnis Jesu, als er bey den Leuten gewandelt und umbgangen, gemacht worden. Also hat auch des Carpocratis mitgeselline Marcella, zu bestetigung jhres Irrthums gehabt die Bilder Pauli, Homeri, Aristotelis, Pithagoræ &c. August. de hæresibus. Nun dann die Heyden und Ketzer sampt dem Antichrist (niemals aber die liben Propheten oder Aposteln) mit dem Götzenwerck umbgangen, , sol es billich allen guthertzigen Christen eine warnung sein, sich desto weniger damit zu beladen. 8. Götzenwerck ist kindisch. Es ist auch nur eine lust uund Kurtzweil für die junge kinder, mit Puppen zu spielen und umbzugehen: Welches verstendige Christen, sonderlich im hochwichtigen handel des Gottesdiensts (da man für Gottes angesicht mit innerlicher andacht des Hertzens erscheinen, und nit also kindischer weise in solchem ernstlichen handel mit Bildwerck, dem ausdrücklichen verbot Gottes zuwider schertzen und schimpffen sol) keines wegs zustehet, oder für gut kan gehalten werden, Joh. 4.23. Deut.4.v.12. bis auff v.19.

11 Gnostische Sekte des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts in Rom. 12 Christliche Anhängergruppe des Gnostikers Valentinus, 4. Jh.

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9. Götzenwerck ist gefehrlich der nachkömlingen halber. Auch sollen der ursachen halben die Bilder abgeschafft werden, damit die rechte lehr (zu ehren und danck-[124]sagung Gottes) nicht allein bey unsern zeiten möge erhalten, Sondern ferners auff die Nachkömlinge fortgepflantzet, und allerhand Instrumenta und befürderung der Abgötterey, aus den Augen geräumet und verhindert werden: In betrachtung , dass uns GOTT so gnediglich einmahl von den Heydnischen und Papistischen Abgöttischen, Aberglauubigen Götzenwerck errettet hat, dabey man so viel betrugs und jammers gesehen und befunden, dass es zu erbarmen, ja höchlich zu beklagen: und wir billich alle Welt für diesen Grewel warnen, und nimmermehr mit unserer fahrlessigkeit an anderer Leute oder unserer eigenen kinder verführung schuldig werden sollen. Wie Paulus diese gelegenheit gegen einander helt, und die Corinther höchlich darauff ermanet, 1.Cor.12. Ihr wisset, dass jhr Heyden seid gewesen, und hingegangen zu den stummen Götzen, wie jhr geführet wurdet. etc. v.2.3. Item Gal.4.v.8.9. Aber zu der zeit da jhr Gott nicht erkantet, dienetet jhr denen, die nicht von Natur Götter seind. Nun jhr aber Gott erkandt habt (ja vielmehr von Gott erkandt seyd) Wie wendet jhr dann euch widerumb zu den schwachen und dürfftigen Satzungen, welchen jhr von newem an dienen wolt? etc. Und mit solcher trewe den Gottesdienst rein zu halten, und andern rein nachzulassen [i.S.v. zu hinterlassen], ist man der Posteritet und Nachkömmlingen verpfllichtet: Exod.12.v.26.27.28. Deut.6.v.7. Marc.10.v.4. Matth.18.v.6. Welches auch sonderlich gerühmet wird vom Patriarchen Abraham, Gen. 18.v.19. Dann ich weis (spricht der HERR) er wird befehlen seinen kindern und seinem hause nach jhm, dass sie des Herrn Wege halten, und thun was recht und gut ist, damit der Herr auff Abraham kommen lasst was er jhm verheissen hat. 10. Patriarchen, Propheten und fromme Könige haben ein abschewens gehabt an den Götzenwerck und es abgeschafft. Endlich haben auch die lieben heiligen Patriarchen, Propheten und Könige, so jemals den Gottesdienst trewlich gemeynet und recht geseubert, vor allen dingen die Götzen und Bilder mit ernst abgeschaffet. Jacob begrebet die entführte Götzen des Labans, und was er dergleichen unter seinem hausgesindt gefunden hat, bey Sichem13 unter einem eich-[126]baum, Genes.15. Moises verbrennet das güldene Kalb Aaronis mit fewer, Exod.32. Dergleichen lieset man14 von Gedeon, Iudicum cap. 6.v.27.28. etc. vom Helia.1. Reg.18. vom Könige Ezechia, der auch die eh[e]rne schlange Moyses zerbrochen hat. 2.Reg.18. vom König. Josia, 2. Reg. 23. vom König Assa, 2. Paral. 15. etc. Und es haben solchen löblichen exempeln nachgefolget die

13 In Vorlage „sichem“. 14 In Vorlage „mann“.

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Christliche Keyser Constantinus. *Eusebius in vita Constantini lib.3.4. Item Theodosius wie *Ruffinus schreibet lib.2.cap.19. *Theodoretus lib.5.cap.20. *Ambrosius lib.5. epist. 31. Dergleichen lieset man vom Keyser Philippico. Item vom Keyser Leone  III. *Isaurico Eutrop. lib.21. von Sabano der Bulgarorum Könige, der es in dem teil it Keyser Constantino des namens dem sechsten Copronymo genand, nemb­lich Leonis III. So[h]ne, gehalten, als auch Leo IIII. Copronymi Son gethan hat. Vide Philipp. lib.3. Chronic. Anno 760. Item von *Carolo Magno, sonderlich der ein außfürlich buch wider die Bilder geschrieben und Concilia derentwegen gehalten: in massen auch Keyser Ludwig *Caroli Magni Son, noch viel ein scherffers und ernsthaffters buch wider die Bilder hat außgehen lassen Vide catalogum testium veritatis15. Item vom Keyser Theophilo und andern meist Gottesfürchtigen Keysern, denen wol der Römische Antichrist mit eusserlicher gewalt sich hat widersetzet, aber mit keinen grunde noch schein Göttliches worts jemals sie hat in solchem fürnemen strafen oder beschuldigen können. Weil dann Gott selbst die Bilder beim Gottesdienst verbotten hat: dieselbige als Abgötterey in der H.  Schrifft gestraft worden, seind unnütz und nichtig, haben keine erhoffung16 und wirckung des H. Geistes, haben jhren ursprung von den Heyden und Ketzern und vom Antichrist selber, werden in vornemen Conciliis und von den alten lerern verdampt: seind nur ein Puppenwerck und kinderspiel, verhindern und vertunckeln die wahre religion bey den nachkömlingen: und seind von den Patriarchen, Propheten und Königen des alten testaments, auch von vilen christlichen Keysern verworffen worden, als gehören sie gar ab, nit in die Kirchen, sondern sollen mit ernst abgeschaffet und hinweg geraumet werden. [126] Beantwortung der Eynreden. HErgegen die jenige so noch dem Götzenwerck anhangen wenden für, die Kunst des Schnitzens und Malens sey eine sonderliche gabe Gottes: darum sol man das Bildwerck in der Kirchen nicht also verachten und außmustern. Antwort. Marginalie:

Kunst des Malens sol nicht mißbraucht werden. Keyser *Carolus Magnus macht unterscheid zwischen Bildern und Götzen. In ordentlichem gebrauch nennet ers Bilder: aber im Mißbrauch und beim Gottesdienst nennet ers Götzen idola.

15 Siehe Matthias Flacius: Catalogus testium veritatis. Basel: Oporinus, 1562. 16 I.S.v. Hoffnung auf.

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Dass es eine gabe Gottes sey bezeuget die heilige Schrifft cf. Exod.28.v.3. 31.v.3.4.5. Aber die gaben Gottes sollen nicht wider seinen offenbarten willen mißbrauchet werden. Und können die Bilder beym Gottesdienst so wenig damit entschuldiget werden, als wenn einer die trunckenheit loben wolte, weil Gott den Wein geschaffen hat. Nun hat Gott die Bildnis beim Gottesdienst verbotten, Exo. 20. hat auch verbotten jhn selbst nicht nachzubilden, Deut.4.v.1. etc. Wie es dann gleichfalls ohne sünde nicht geschehen kan, dass einer Irrthum wider die Historien Göttliches Worts an stad [anstatt] der wahrheit malen, oder schnitzen, oder schendliche zur unkeuschheit reitzende dinge anbilden und für augen stellen wolte. Welche mißbreuche allesampt zu vermeiden seind sampt allem unnötigen ubrigen, auff solche dinge gewendten unkosten, und darinne gesuchten weltlichen pracht. Und sol das schnitzen und malen als Gottes gabe, zu seinen ehren und nach seinem willen nützlich und recht, worinnen sichs gebüret, angewendet und gebrauchet werden. FUrs ander sagen sie: Es habe doch Gott selbst, uneracht des angezogenen verbots, beim Gottesdienste des alten Testaments, Engelbilder, auch Ochsen und Löwen Bilder im Heiligthumb zu machen befohlen. Antwort. marginal: Bilder des Alten Testaments figüerlich gewesen. Was Gott wil und heisset [i.S.v. befiehlt], ist allzeit recht und gut. Darumb hat niemand wegen des verbots, ohne sünde können [127] einiges Bilde im Tempel machen oder ehren. Und weil es Gott gefellig, die Engel, Ochsen und Löwenbilder, doch im Heiligthumb, biß auff die zukunfft Christi, als eine figürliche deutung zu gebrauchen, ist es auch als ein gemessener [i.S.v. angemessener] befehl der zeit recht gewesen. Aber weiter hat niemand damit greiffen oder sich mechtigen [i.S.v. ermächtigen] dörffen. Also hat Gott den Todtschlag in gemein verbotten, und dennoch der Obrigkeit in gewissen fellen zu tödten befohlen: hat das ste[h]len verbotten, und nicht desto weniger in einem besondern fall den Israeliten erlaubet, der Egyptiern schetze lehnensweise hinweg zu tragen: Welches alles beyderseits recht ist, weil es Gott also gefellig ist gewesen. Wann nun Gott auch eine solche Exception im newen Testament Bilder beym Gottesdienst zu haben, an sein verbot angehangen hette, So möchte man das Exempel von den Engelbildern, etc. hierauff anziehen. Welches dieweil es nicht geschehen, so stehet das verbot Gottes noch gantz und volkömlich in seinen wirden, marginal: Beim Gottesdienst im newen Testament keine figürliche noch andere Bilder zu haben, erlaubt. und kan uns das Exempel von Bildern des alten Testaments keine newe Regel machen, ohne sonderlichen geheiß und erklerung des willens Gottes, beym Gottes-

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dienst des newen Testaments Bilder zu haben. Dann wir seind nicht befugt alles nachzuthun, so im alten Testament verhenget und zugelassen worden, ohne sonderlichen beruff und befehl: So wenig jemandt nach dem Exempel der Israeliten, andern leuten jhr golt und silber zu entragen sich unternemen sol. Zum dritten ziehen sie an, dass nicht weniger Concilia sein, So die Bilder in der Kirchen zu haben bewilligen: Als auff der ander seyten etliche Concilia solche verbieten. Antwort.

marginal: Concilia haben ohne gründe der Schrifft die Bilder gehandhabt.

Man mus allwegen darauff sehen, ob die Concilia mit Gottes wort ubereinstimmen: Wo nicht, seind sie von keiner wirden [Würde]. Nun sehe man doch an, womit die lehrer und veter, So zur zeit der Keyserin Irenes in einem grossen [128] Concilio zu Nicea versamlet gewesen, bewiesen haben, dass man Bilder in der Kirchen haben und verehren sol. Dann *Carolus Magnus hat darnach ein besonder buch ausgehen lassen, darinnen des gedachten Concilii beschlus von den Bildern mit anziehung der eingeführten argumenten, widerlegt wird. Und ist der erste beweis­ thumb, Bilder in der Kirchen zu haben, aus dem Spruch eingeführet worden: Gott schuff den Menschen zu seinem ebenbild. marginal: Elender beweißthumb für die Bilder. Item aus dem Hohenliede Salomonis cap.2. Zeige mir dein gestalt, dann sie ist lieblich. Item aus dem vierdten Psalmen, Herr erhebe uber uns das liecht deines antlitz. Item Psal. 6. Herr, ich habe lieb den Schmuck deines Hauses. Item Psalm 48. Wie wir gehört haben, so sehen wirs an der Statt des Herrn Zebaoth. Psalm 68. Gott ist wundersam in seinem Heiligthumb. Psalm 16. Für die Heiligen die auff Erden seind. Welche sprüche so gar auff die Bilder sich nicht reymen, dass es mehr als kindisch ist zu hören. Dass man aber die Bilder auff den Altar stellen sol, wollen sie beweisen aus dem 5. Capitel Matthei: Man zündet nicht ein Liecht an und stellet es unter eine Meste17 oder Sester18. Das man sie auch anbeten solle, unterstehen sie sich also zu beweisen, weil geschrieben stehet Psalm 59. Bettet an den Schemel19 seiner Füsse. Item ibidem: Bettet an auff seinem heiligen Berge. Item, Dein angesicht werden anbeten alle reichen des Volcks. Psalm 45. marginal: Kindischer und lecherlicher außspruch, wie man im Nicenischen Concilio von den Bildern handeln sol. 17 Die „Meste“ ist ein mitteldeutsches Hohlmaß, meist aus Holz gefertigt. 18 Der „Sester“ ist ein Hohlmaß für Getreide und Flüssigkeiten. 19 In Vorlage „Schemmel“.

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Mit solchem elenden behelff, und offentlicher, ja nerrischer verkennung der Schrifft seind damals die Bilder in die Kirchen bracht worden: Darein das gantze Concilium bewilliget hat, und was noch weiters angezogen, ist nichts dann Menschengedicht und schrifften und episteln gewesen. Und als der beschluß hat geschehen sollen, haben des Bapstes von Rom gesandten den ausspruch also gethan: Man sol des folgenden tags ein ehrwürdiges Bild mitten in die sitzende versamlung darbringen, und ein jeder es grüssen, und alsdann ferners davon geschlossen werden. Als nun solches geschehen, ist der beschluss mit weitleufftigen prechtigen worten, in dieser forma erfolget: wir definieren, schliessen und ord-[129]nen mit allem fleis und sorgfeltigkeit, dass man die ehrwirdigen und H. Bilder, nach der weise und form des ehrwirdigen und lebendigmachenden Creutzes, aus farben und vierecketen steinlein oder sonst anderer materien bequemlich gemacht, weyhen und in den H. Tempel Gottes auffstellen und haben sol, auch an den h. gefessen [Gefäßen] und kleidungen, an wenden und tafeln, daheim in den privatheusern, und an offentlichen strassen: sonderlich aber das Bild des HErrn unsers Erlösers Jesu Christi, darnach unserer unbefleckten frawen der mutter Gottes, der ehrwirdigen und allerheiligsten menner. Und bald darnach folget: und man sol sie grüssen, und jhnen ehrerbietige anruffung leisten. Item: Imaginis enim honor in prototypum resultat. Das ist, die verehrung des Bildes springet zurücke auff den heiligen selbst. marginal: Rasendes geschrey die Bilder zu erhaben im Nicenischen Concilio. Entlich, nach vielen andern worten, darinnen auch verdampt werden die anders davon halten und lehren, und nach unterschreibung der Römischen und Constantinopolitanischen gesandten, ruffet die gantze heilige versamlung überlaut: Also glauben wir alle, also halten wir alle, diß haben wir alle bewilliget und unterschrieben. Das ist der Apostel glaub, das ist der Veter glaub, das ist der rechtlehrender glaub, dieser glaube hat den erdkreis befestiget. Wir glauben an einen GOtt, gelobet in der Dreyfaltigkeit, nemen an die ehrwirdige Bilder: Die anders thun, seind verflucht: Die nicht also halten, Sollen von der Kirchen verstossen werden. Wir stehen bey den Satzungen der alten Kirchen. Wir bewahren die decreta der Veter: Wir verfluchen alle die jenigen so der Kirchen etwas zuthun oder abziehen: Wir nemen auff die ehrwirdige Bilder: Wir verfluchen die jenigen so anders handeln: Welche die sprüche der heiligen Schrifft von den Götzen wider die ehrwirdige Bilder anziehen, die seyen verflucht: Welche die ehrwirdigen Bilder Götzen nennen, die seyen verflucht, etc. Dieses wird aus vielen so kürtzlich zum Exempel angezogen, dass ein jeder sehen möge, mit was Ungrund und Unfuge das Nicenisch Concilium die Bilder in die Kirchen eingeführet habe, und [130] wie gar nerrisch und kindisch mit der sachen sey umbgangen worden, auch wie viel oder wie gar nichts auf Concilia zu geben, wenn sie nicht nach inhalt Göttliches worts angestellet werden und decretiren.

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marginal: Was von den Conciliis in gemein zu halten. Derwegen der Spruch des alten Lehrers *Augustini billich hiebey zu betrachten ist, als er lib. 3. contra Maximinum sagt: Ich wil dir nicht das Concilium Nicænum, und du solt mir nicht das Ariminense verfenglich fürwerffen. Ihre authoritet sol weder mich noch dich auffhalten. Durch authoritet der Heiligen Schrifft, die nicht einem theil allein, sondern beyden theilen in gemein gilt, sol ein handel mit dem andern, eine sache mit der andern, ein ursach mit der andern fechten und streiten. Wie auch Christus Johan. 17. sagt: Dein wort ist die Wahrheit. Und Petrus Johan. 6.: Wo sollen wir hingehen, du hast Wort[e] des ewigen Lebens. David Psalm 19. vers 8. Zum vierdten citiren sie den spruch *Gregorii, dass die Bilder sein der Leyen Bibel. Antwort. marginal: Die Bilder nicht ein Leyen Bibel. Gott der HErr hat nicht den Leyen ein besondere Bibel, und den gelehrten ein andere verordnet, sondern allen in gemein die einige rechte Bibel des alten und newen Testaments fürgestellet, sich darnach zu richten und zu halten. Und weil der spruch Gregorii damit nicht ubereinstimmet, so sol sich niemand dardurch irre machen lassen, sondern ein jeder sich halten zum wort und zeugnis Esa.  8.v.20. Matth. 15.v.10. Dann wer aus den Götzen und Bildern studiren wil, der wird wol ein Leye bleiben müssen, sonderlich weil die schnitzer und maler offtermals fehlen, und weil Gott die Bilder zum lehrampt nit verordnet, und seinen H. Geist und gnade nicht dabey verheissen hat, auch weil die Bilder stumm20 seind, haben ohren und hören nicht, haben augen und sehen nit, haben meuler und reden nicht, und ist kein stimme in ihrer kelen, etc. Psalm 115. und die sie machen seind auch also, und alle die auff sie hoffen. Zum fünfften, Wenden sie für, sie beten nicht die Bil-[131]der an, sondern ehren21 die Heiligen und Gott selbst in denselbigen oder durch dieselbigen Bilder, darumb haben sie gesagt: Nam Deus est, quod imago docet, sed non Deus ipse22? Hanc videas, sed mente colas quod cernis in ipsa. Das ist so viel zu Teutsch: Dann das ist Gott, was dis Bild lehret, 20 In Vorlage „stum“. 21 In Vorlage „Ehren“. 22 In Vorlage „ipsa“.

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Es ist nicht selbst Gott, den man ehret. Schaw an das Bild, und ehr im sinn Das jenig so du sichst darinn.

Und vom Bildnis Christi23 sagen sie auch: Christum, non illum, sed Christum crede per istum. Das ist: Nicht halt diß Bild für Christum selbst, Doch glaub an Christum durch dasselb. Antwort. marginal: Man sol nit GOtt durch Bilder verehren. Dis were wol ein meinung, wenns Gott ihm [i.S.v. sich] wollte gefallen lassen. Er wil aber nicht, dass man ihn durch Bilder verehren sol. Exo. 20. Deut.4. Viel weniger kan es nicht bestehen mit verehrung anderer Heiligen, weil man Gott allein sol anbeten und ehren. Gebüret denn die anruffung den Heiligen selbst nicht, die Gott geschaffen und erlöset hat: wieviel weniger den verfluchten stöcken, steinen, silber oder gold, so zum gleichnis und Bild der Heiligen durch Menschen zugerichtet werden? Es haben auch Aaron und die kinder Israel keinen newen oder frembden Gott ehren, auch das gülden Kalb nicht für Gott halten, sondern allein dabey des wahren Gottes der sie aus Egypten gefüret hatte, gedencken wollen. Aber damit konnten sie nicht für Gott, auch für Moyse nicht bestehen: sondern musten als grewliche Götzendiener gestrafft werden. Und D. *Augustinus uber den 113. Psalmen, verwirfft eben denselbigen griff und behelff, und strafft es an den Heyden, dass sie sagten: sie sehen allein durch die leibliche gestalt das zeichen desjenigen, das sie ehren solten. So es denn an den Heyden zu straffen, ist es fürwahr ein grössere schande, wenn noch allererst Christen sich damit entschuldigen wolten. [132] Zum sechsten ziehen sie an allerhand geschichte von wunderwercken, so durch Bilder und bey denselbigen sich erzeigt haben, und geschehen seyen.

23 In Vorlage „Christophori“.

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Antwort. Erstlich seind im Bapstumb viel fabeln zu bestetigung der Götzenbilder ertichtet worden, denen kein glaube zu stellen, und deren sich die Götzendiener (da nunmehr den leuten die augen auffgangen) selbst schemen müssen. Zum andern, Seind viel betrieglich zugericht befunden worden, das einfeltig Volck mit falschem Schein einiger Wunderwercken zu blenden und im Aberglauben auffzuhalten. Fürs dritte, da etwas wunderbarlichs sich zugetragen, ist es nicht wunder, dass der Satan sein bestes gethan, die Abgötterey desto anmutiger zu machen. Welches Gott also zu merer [mehrer i.S.v. vermehrter] straff der abgöttischen verhenget hat. Zum vierden haben sich dergleichen betrug und auch wunderbarliche dinge an sich selbsr unter den Heyden, und bey jhren Abgöttern vielfaltig zugetragen: welchs doch alles solche Billder nicht hat gut machen können. Darumb auß angeregten wunderwercken nichts zu behauptung der Bilder in den Kirchen mag geschlossen werden. Dahin gehört die Historia von dem Abgott Bel zu zeit Danielis. Item die Historia von den betrüglichen Bilde Serapide zu Alexandria, dessen *Ruffinus gedencket, Historiæ Ecclesiast. lib.2. cap.13. Item die oracula pythonis Apollinis und die Sybillen sampt was dergleichen in Historien befunden wird. marginal: Nicht wunder, sondren närrisches und lächeriges fabelwerck von den Bildern im nicenischen Concilio fürbracht. Wenn man aber bedencket, was für elende wunderwerck in obgedachtem concilio zu Nicæa fürgelauffen und erzehlet worden sind wirt leichtlich ein jeder daraus verstehen, dass es ungeschickt, lecherlich ding und nicht der reden wehrt ist, sich darumb zu bemühen. Als nemlich: Der Teuffel hat einen Mönch besessen, und wolte ihn verlassen, wofern er das Bildnis Marie nit mehr anbetete: und mus die verehrung der Bilder ja ein heiligs ding sein. Item, ein weib zu Apameæ hatte einen [133] brunnen gegraben, und als sie das Bildnis Abbæ Theodosii hinzu brachte, gab der brunnen wasser. Item, ein Einsidler hatte ein Marienbild, dem befahl er ein angezündtes Licht zu bewaren, biß er wider keme, und da er zwei Monat ausgewesen, fand er die Kertzen noch brennend. Histor. Ecclesiastica Magdeburg Cent.8.cap.9. Solten aber solche lahme beweistum und kindische wunderwerck jemand zum Götzendienst reitzen können, und nicht viel mehr allen verstendigen davon ein hertzliches abschewen machen? Dann es ja zu erbarmen, dass mit diesem Lumpenwerck die Welt so lang hat müssen gethöret [betört], geeffet [geäfft], und in Irrthum auffgehalten werden. Zum sibenden sprechen sie, die Bilder beissen ja niemand, und wenn sie nicht grossen nutzen bringen, so schaden sie doch auch nicht, man möge sie stehen lassen, als adiaphora und freygelassene ding.

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Antwort. So jemand dem Götzenwerck anhanget und Gott oder seine Heiligen damit zu verehren meynet, den beissen solche Götzen nicht eusserlich, aber doch innerlich im Hertzen, dass er zum rechten narren darüber wird: und mehr daran wendet, auch hefftiger darfür marginal: Götzenbilder schaden mehr als man meinet. streitet dann für Gottes ehre oder des nechsten nutzen oder für seine seligkeit. Und ist ohne das ein morsus conscientiæ, ein innerlicher schedlicher biß wider das Gewissen, so jemand dem wort und willen Gottes entgegen, mit den losen Bildern sich beladet. Darnach ist der schade von Bildern beym Gottesdinst grösser, dann die leute zu bereden seind. Dann obwol die Bilder und kunst des malens und schnitzens in Politischen und privatsachen, ihren nutzen hat, zum zier[r]at und gedechtnis, zum unterschied der herschafften, wie Christus sagt Matth. 22. Ist das Bild und uberschrifft an der zinsmüntze des Keysers: so gebt dem Keyser was des Keysers ist, und Gott was Gottes ist: jedoch hat es Gott der Herr einmal beym Gottesdinst, als unnützlich, schedlich, und als ein unleidlichen grewel verboten, Exod. 26. Deut.4. etc. Darumb es in diesem fall sculptile ad nihil utile, [134] ein unnützes schnitzwerck, recht genennet wird. Esa.44.v.10. Und ist billig zu rühmen des Keysers *Caroli Magni spruch, lib.2. de imaginum cultu, cap. 21. Dass die Bilder, auch alle verehrung und anbetung davon außgeschlossen, zu gedechtnis der Historien und zum geschmuck in den Kirchen sein mögen oder nicht, kan man mit keinem vorgriff des Catholischen glaubens beybringen: Dieweil sie zu verrichtung der geheimnissen unsers heils gantz und gar keinen nutz oder Brauch zu haben, erkand werden. marginal: Bilder in der Kirchen seind nicht adiaphora. Endlich dass auch die Bilder beym Gottesdienst nicht res mediæ oder freigestelte, sondern viel mehr hochschedliche dinge seyen, ist nicht allein aus dem verbote, Exod. 20. Deut.4. gnugsam zu ermessen, sondern es habens auch die gelehrten Heyden verstanden. Wie dann S. *Augustinus lib.4. de civit. Dei cap.9&31. des *Varronis Spruch anzeucht, also lautendt: Welche am ersten der Götzen Bildnisse eingefüret, die haben die Gottesforcht eingenommen [i.S.v. weggenommen], und den Irrthum vermeret. Und sagt *Augustinus uber den 113. Psalm: Dass niemand für einem Bilde, das er anschawet, betet oder anbeten könne, der sich nicht also befü[h]le, dass ihn bedünckt24, er werde vom Bild erhöret, oder verhoffe, was er begeret, werde ihm desto eher widerfaren. Deßgleichen sagt er Epist.49. Wenn die Bilder also hoch und ehrlich beim Gottesdienst gesetzt werden, bewegen sie (wiewol sie selbst nichts fülen noch verstehen) die schwachen gemüter durch das gleichnis oder anbildung

24 In Vorlage „benünckt“.

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der lebendigen Dinge dermassen, dass es scheinet, als hetten sie leben und athem. Und abermals uber den 113. Psalm klagt *Augustinus: Dass die Bilder krefftiger sein eine unselige Seele zu bewegen und zu beugen, weil sie mund, augen, ohren und füsse haben, dann die Seele damit zu besseren, dass sie nicht können reden, stehen, noch wandeln. Zum achten wird vorgewendet, Die Bilder seyen zum wenigsten ein Zier und geschmuck in der Kirchen, damit es nicht alles wüste und ledig stehe, wie in einem schweinstall. Antwort. [135] Der Synodus zu Franckfurt bey *Caroli Magni zeiten gehalten, gibt hierauff den bescheid, dass der geschmuck des hauses Gottes nicht an materialischen Bildern, sondern an geistlichen tugenden gelegen sey. Und dass Paulus, *Antonius und *Hilarius also bekante Gottselig menner keine Bilder noch Götzen gehabt, und dennoch laut des Psalmens, den schmuck des hauses Gottes geliebet haben. Darumb sein die Billder nit ein zier der Kirchen. Und wie könten sie zierlich an dem orth und bey dem wercke geachtet werden, da sie Gott zu machen und ehren verbotten hat. Darumb nennet sie die heilige Schrifft nicht ornamentum oder ein zier, Sondern abominationem desolationis, den grewel der verwüstung an der heiligen stete, Dan.9. Wie auch sonsten vielmal dieselbige ein grewel genennet worden, Esa.10. Ezech.5. Item einen fluch und fluchs werht [verfluchennswert] Sap.14. Und es könte die Braut Christi nicht jemmerlicher und schendlicher verstellet werden als eben mit dem frembden hurenkleit der abgöttischen abergleubigen Bilder. Dann all ihr geschmuck ist innerlich, Psal. 45. So viel aber das haus und der ort, da die Kirche versamlet wird, anlanget, kan es wol rein und sauber gehalten werden, wie viel andere herrliche gebew und heuser, ob wol keine Bilder darinnen seind, und aller überflüssiger pracht am gebew dabey vermidden [vermieden] wird. Das aber ist der beste wolstandt und schmuck, wenn in der Kirchen viel frommer Christen zusammen komen, und die lehr, der Brauch der Sacramenten, das gebett, die disciplin rein und unverfelschet geübet und erhalten, und das leben unergerlich angestellet wird. Dann das Volck ist nicht heilig umb des orts willen, sondern der ort umb des Volcks willen 2. Mach. 5. Zum neundten bedünckt etliche, es haben die Bilder vil gekostet, und man solle sie bleiben lassen, damit solcher unkosten nicht gar verloren sey. Antwort.

marginal: Verlorner unkosten an den Götzen nicht zu achten.

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Es ist nicht ohn, und höchlich zu beklagen, dass (leyder) mehr unkostens auff das lose Götzenwerck, dann auf arme hungrige Christenmenschen ist angewendet [136] worden, und geschicht an vielen orten noch. Gleich wie die Phariseer unter dem schein der stifftung zum Tempel, sagten, Corban, und liessen darüber ihre Eltern mangel leyden, die Gott zu ehren gebotten hatte, darumb der Herr zu ihnen spricht: Wol fein habt ihr Gottes Gebott auffgehaben, dass ihr ewere Auffsetze [i.S.v. Vorsätze] haltet. Marci.7.vers.9. Aber besser ist es Gott zu ehren und mit guten Gewissen, solchen allbereit von andern angewandten Unkosten verloren sein lassen: Dann ursach zur Abgötterey und Aberglauben geben, dadurch Gottes Name geschmehet, die reine Lehre vertunckelt, und viel Seelen verführet und beschediget werden, welcher schade mit der gantzen Welt nicht zu erstatten wehre: Matth. 16. Es hatten auch die Heydnische Götzen viel gestanden: Und schryen die abgöttischen auch zu Epheso: Gros ist der Ephesier Diana: aber solches mus nicht angesehen werden, Deut.7. wie dann auch die Zauberbücher, Act. 19. So ins Fewer geworffen wurden, viel gekostet hatten, nemlich an die funffzig tausent groschen: Und musten doch umb grössers nutzes willen im Fewer verbrennen. Darumb viel mehr darauff zu sehen ist, dass es dem Sohn Gottes nicht Silber oder Golt, sondern sein theures Blut gekostet, uns von der Welt eytelkeit von Götzen, Teuffel, Sünden und ewiger verdamnis zu erlösen: Und sollen nicht umb geringes oder grosses unkostens willen, Christi ehre und den wahren Gottesdienst, sampt der Menschen seligkeit in den wind schlagen. Dann wir nit mit den undanckbaren Gergesenern25 uns die schwein lieber sein lassen, dann Christum, Matth.8. Zum 10. meinen etliche, wann es mit malen, schnitzen und Bilderwerck die gestalt [i.S.v. Bewandnis] habe, So müste mans gar verwerffen und nirgens weder in büchern noch auff der müntz, noch an einigem gebew dulden oder leyden. Antwort.

marginal: Nicht der rechte gebrauch, sondern der misbrauch des malens ver-

botten. Gottlose und schendliche Bilder, von denen zuvor bey der ersten Einrede gehandelt, samt überflüßigem pracht am gebewe, sol man nach gelegenheit der personen, standes [137] und sachen, allezeit und an allen orten vermeyden, als einen Mißbrauch. Aber gleichwol ist das malen und schnitzen, etc. eine gabe Gottes, und wird damit der rechte gebrauch nicht auffgehaben. Als da Salomon 14 löwenbilder an seinem Königstul hat 1.Reg.10. und des Keysers Bildnis stehet auff der zinß-

25 Bewohner eines bestimmten Seeufers in Galilea.

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müntze, Matth. 22. Also malet Ezechiel die statt Jerusalem mit einer belegerung nach Gottes befehl, auff einen ziegel, dem hause Israel zum zeichen. Derwegen kan wol das Bilderwerck recht gebrauchet werden, zu allerhand nutzen, ob gleich dasselbige beym Gottesdienst zu machen und zu ehren verbotten ist. Dann es heisset: Sublatio abusus non tollit ordinationem Dei: abschaffung des mißbrauchs hebet nit auff die ordnung oder gaben Gottes. Zum eylfften, Werffen sie für: Man solle erstlich die Bilder aus dem Hertzen predigen und abschaffen: Item, das Bildstürmen sey ergerlich, und bringet mehr zerstrewung dann erbawung in der Kirchen: Item es seyen grössere Götzen aus der [erg. zu] Kirchen werffen, weder [i.S.v. als] die Höltzern und steinern etc. Nemlich geitz, wucher, trunckenheit, unkeuschheit, haß, neid und dergleichen, daran viel mehr gelegen. Antwort. marginal: Bilder sol man aus dem Hertzen und augen zugleich hinweg thun. Die Bilder aus dem Hertzen zu predigen ist notwendig, aber nicht weniger ist auch dazu notwendig, das sie hinweg gethan werden aus dem gesicht. Dann objecta movent sensus. Weit aus den augen, weit aus dem Hertzen, sagt man gemeiniglich. Sonst sihet man wol, dass an vielen orten uber 50. jahr lang ist geprediget worden, und eyfert das Volck gleich sehr uber die Götzen: dessen man sich nit zu besorgen hette, wenn sie gentzlich abgeschaffet würden. Das ergernis belangend, ist es ein mutwilliges und genommenes ergernis, dabey nit die abschaffung der Bilder, als ein gutes werck, sondern die eigensinnigkeit mutwilliger widerwertiger leute zu straffen. Dann also ergerten [erg. sich] allzeit auch an Christi lehre und wercken die Schrifftgelehrten und Phariseer , welche dinge doch ihres mutwillens halben nit haben sollen zurücke gestellet werden. [138] Und ist darneben ein grosser unterscheid zwischen auffrührischer Bildstürmung (die man hie nicht lobet) und zwischen gebürender26 ordentlicher abschaffung des Götzenwercks. Betreffent andere unordnung, sünd und laster abzustellen, ist es auch billich und notwendig: aber daraus folget nicht, dass man unterdes müsse der Götzen verschonen, und mit ihnen stille halten: sondern Christus helt gros und klein gegen einander, Matth.22. und spricht: Diß solte man thun, und jenes nicht unterlassen. Also hat man auch in diesem theil, wie sonst in allen dingen, mehr auff gottes wort und willen, dann auff die Menschen und ihre kluge gedancken und reden zu setzen. Act.5.vers.29. Man mus Gott mehr gehorchen denn den Menschen.

26 In Vorlage „gebürrender“.

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Wer von diesen sachen weiter ausführlichen bericht zu wissen begeret, der mag lesen das büchlein keysers *Caroli Magni von den Bildern: oder die gantze acta des Franckfurtischen Concilii vom jahr 794. oder den auszug derselbigen in Histor. Eccles. Magdeb. cent.8.cap.5. fol. 641. DIese biß anher erzehlte Ceremonien und besondere puncten in denselbigen seind fürnemlich reformieret, geendert und verbessert worden, in den Kirchen, so vorhin allbereit vom Bapsthumb getretten, aber die Papistische Ceremonien noch nicht allerdings hingeleget gehabt. Derwegen nicht allein im ersten Theil dieses büchleins aus Gottes wort gemeine Regulen angewiesen, darauff ein solches Werck der Reformation gegründet, sondern auch in specie bey einem jeden puncten besonders erhebliche ursachen, mit widerlegung allerhand Einreden, seind gesetzt worden: Damit ein jeder die sache in der forcht Gottes behertzigen möge: Und niemand aus unbedacht sich ergere, oder ein unbilliches urtheil vergreifflicher weise vor erkandtnis der sachen felle [fälle]: sich selbst oder andere zu verwirren, auffzuhalten oder abzuschrecken. Es wöllen aber alle guthertzigen, welche rechten grund der wahrheit zu wissen begeren unverdrossen sein, diese kurtze Schrifft zu lesen und zu erwegen, auch darbey fürnemlich Gott den Herrn umb gnade und erleuchtung ernstlich anruffen: die er zweiffels ohne denen, die da suchen, bitten und anklopffen, nicht versagen wird: auff dz sie nit weniger in den Ceremonien als auch in der lehr, den rechten verstand und ordentlichen Brauch erkennen, und den Gottesdienst desto besser anstellen helffen, auch selbst halten und verrichten mögen, zu Gottes ehren, ihrer seligkeit, und vieler anderer beförderung und erbawung. Welches alles der vatter unsers Herrn Jesu Christi, durch die krafft und hülffe seines heiligen Geistes, und seines lieben Sohns unsers Herrn und Mitlers Jesu Christi willen gnediglich einem jeden verleihen wölle, Amen.

Editorische Hinweise Bearbeitungsvorlage Bericht vnd lehre Göttliches Wortes/ || Was von den Cere-||monien vnd eusser­lichen Kirchen-||breuchen / so wol beym heiligen Abendmal vnsers || HErrn Christi / als auch andern mehr Exercitiis vnd || handlungen des ordenlichen Gottesdiensts nach || außweisung heiliger schrifft / zu statuiren || vnd zu halten sey. || [Eingefügt: Zwei Bibelverse und Druckermarke] Gedruckt || Zu Zerbst / in verlegung Jacob Zanachs. || ANNO M.D.XCVI. Exemplar der ULB Sachsen-Anhalt; VD 16 B 1841] – 138 gez. S.; Groß-8°

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 N° 88 Wolfgang Amling [?]

LIT Zedler, ADB, NDB, zvdd; Freytag (1999); Lück (2011).

N° 89 Wittenberg, Theologische Fakultät Notwendige Antwort [1597] Auszüge

Die Schrift, deren ikonologische Passagen hier vorgestellt werden, ist die wichtigste lutheranische Äußerung im Kontext der sogenannten Zweiten Anhaltinischen Reformation und eine der konzisesten der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts überhaupt. Ihr Entstehen erklärt sich aus dem Umstand, dass unter Fürst Johann Georg I. von Anhalt (1567–1618) eine reformierte Konfessionalisierung in Sachsen-Anhalt begonnen hatte. Der Landesherr tendierte zum Calvinismus heidelbergischer Prägung, wobei ein Einfluss seiner zweiten Gemahlin, Dorothea von der Pfalz und seines Superintendenten Wolfgang Amling zu vermuten ist. Bereits 1583 verfügte Johann Georg die Abschaffung des Exorzismuszeremoniells bei der Taufe und 1596 in seiner Kirchenordnung, dass „die kirchen unsers fürstenthumbs von deme noch uberigen päbstischen sauerteige zuerledigen“ seien. Ebenfalls 1596 erschien dann in Zerbst eine Erinnerungs Schrifft etlicher von Adel und anschließend eine Reihe weiterer Stellungsnahmen, unter welchen die der Theologischen Fakultät Wittenberg die profundeste und wirksamste war. Die Schriften erschienen in folgender Reihe: 1596 (Zerbst) {a} Erinnerungs Schrifft etlicher von Adel 1597 (Wittenberg) {b} Theol. Fakultät Wittenberg, Notwendige Antwort [N° 89] 1597 (Zerbst) {c} Wolfg. Amling, Anleytung, wie man das Wittenbergisch Buch [N° 90] 1597 (Halle) {d} Johannes Olearius, Wider die Calvinische Grewel [N° 92] 1597 (Magdeburg) {e} Simon Gedik, Von Bildern und Altarn [N° 56] 1597 (Halberstadt) {f} Johann Arndt, Ikonographia [N° 55] 1597 (Magdeburg) {g} Adam Crato, Examen von Abtilgung Altarn und Bilder [N° 91] 1597 (Eisleben) {h} Abraham Taurer, W ider den neuen bildstürmerischen Geist [N° 93]

Für die Autorschaft der Wittenberger Schrift, die im Folgenden auszugsweise vor­ gestellt wird, steht das Kollektiv der Fakultätsmitglieder. Doch dürfte es, wie die ironischen Einlagen vermuten lassen, auch einen individuellen Redaktor gegeben haben. Wir präsentieren lediglich solche Textauszüge, welche ikonologische und ikonographische Fragen ansprechen. Auf die Wiedergabe der Originalformulierungen der Anhaltiner glauben wir – um Redundanzen zu vermeiden – verzichten zu dürfen, da http://doi.org.de/10.1515/9783110780031-030

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 N° 89 Wittenberg, Theologische Fakultät

die Wittenberger, wie wir überprüft haben, die Passagen und Begriffe ihrer Gegner korrekt und ausführlich zitieren. Die Notwendige Antwort, mit der 1597 die Theologische Fakultät der Universität Wittenberg auf den Vorstoß reagierte, den ein Jahr zuvor in Anhalt einige Adelige und Stadthonoratioren mit ihrer Erinnerungsschrift gewagt hatten, erregte, wie die verschiedenen Drucke (Zerbst; B. Schmidt, 1596; Zerbst; B. Schmidt, 1597; Amberg: M. Forster, 1597; Hamburg: E. Thannenbergk, 1597; Zerbst: J. Zanach, 1597) zeigen, starkes Aufsehen. Das musste aus mehreren Gründen so sein. Zum einen musste man sich in Luthers Wittenberg durch calvinistische Landnahmen bedroht sehen, wie sie in Heidelberg und Rheinland-Pfalz, in Siegen-Dillenburg und Hessen Nassau, in Bremen und in Hessen-Kassel und anderswo statthatten. Und Wittenbergs Theologische Fakultät war ja nicht irgendeine, sondern die Fakultät, an der und durch die Martin Luther bis zu seinem Tode 1546 gewirkt hatte. So war es verständlich, dass ein halbes Jahrhundert später Luthers Fakultätsnachfahren dessen Lehre verteidigten und, in bestimmter Hinsicht, zu einem orthodoxen Luthertum systematisierten und verfestigten. Davon zeugt auch die vorliegende Schrift. Man muss dazu erinnern, dass mittelalterliche und verstärkt frühneuzeitliche Universitätsfakultäten – und namentlich deren juristische und theologische – vielfach als gutachterliche Schiedsinstanzen fungierten, an welche Territorialadel und Stadtkommunen appellieren konnten, wenn es um Fragen von generellem Interesse – etwa Verfassungsprobleme, Probleme der Zensur, der Häresie (samt Hexenprozessen) – ging. War im Fall der anhaltinischer Erinnerungsschrift keine förmliche Appellation ergangen, so sahen sich die lutherischen Theologen der Wittenberger Fakultät gleichwohl zu einer Antwort gedrängt. Denn sie sahen durch die Anhaltiner „die reine Lehre vom heiligen Abendmal … feindlich angestochen“, und sie sahen sich samt allen Lutheranern „als Götzendiener, als verfluchte Knaben von hundert Jahren, als feind des Sohns Gottes, als Belialsfreundt“ u.  dgl.m. „verketzert, verbannet und verdammt.“ [Bl.  1r] Die wittenbergische Antwortschrift konnte so erfolgreich sein, weil sie den okkasionellen anhaltinischen Text theoretisch vertiefte und zum Teil auch systematisierte; sodass sie überregionalen Orientierungswert gewann, wie ihn kein anderer lutheranischer Text zur Bilderfrage in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts erlangte. Das erkenntnistheoretische und – in diesem Rahmen – ikonologische Interesse der ‚Notwendigen Antwort‘ sowie die Subtilität ihres Problematiserungsverfahrens erwiesen sich als wesentlich stärker als die der Erinnerungsschrift selbst. Das Widerlegungsverfahren der Wittenberger bestand vor allem darin, die Aporetik des ikonotheoretischen und ikonopraktischen Argumentierens der Anhaltiner offenzulegen. Die Wittenberger Luthernachfolger standen – das zeigt sich auch hier – zwischen Papstkirche und Reformierten (Calvinisten, Zwinglianern, Bucerianern). Sie verteidig-

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ten die Bilder im kirchlichen Raum als didaktische Lehrmittel, sofern sie historico usu verwendet werden. Sie stellten sich damit entschieden in die (altgläubige) Tradition der Gregorsformel1 – ohne allerdings den Namen Gregors d. Gr. oder auch nur den von Guillelmus Durandus2 zu erwähnen. Kritisierten sie an der Bildverwendung der Papstkirche zeitgenössisch insbesondere Gnadenbildkult und Wallfahrtswesen und insgesamt gestische Verehrung und Anbetung, so kritisierten sie an den Reformierten die Rigidität und Pauschalität der Ablehnung, welche zwischen gottesdienstlicher und profaner Bildverwendung keinen Unterschied mehr gelten lassen wolle. Schließlich sei keine Erkenntnis mehr möglich, wo die erkenntniskonstitutive Notwendigkeit von inneren Bildern („Gedankenbildern“) bestritten werde. Dagegen möchten die Lutheraner die glaubensförderliche Kraft von „Historischen Bildern“ genutzt wissen. Dabei ist es ihnen primär um neutestamentliche Bibelhistorien zu tun, von denen sie – was andernorts nie versucht wurde! – sogar einen thematischen Katalog zusammenstellten. Die Wittenberger bestreiten, dass Bildrezeption akustische und schriftliche Wortrezeption behindere und verweisen auf gegenteilige Erfahrungen, die sich etwa beim Schrifterwerb von Kindern, aber auch bei der individuellen Nutzung illustrierter Bibeln zeigten. Die Ächtung jedweder Bildlichkeit negiere die Metaphern- und Gleichnisfreudigkeit biblischer Sprache und so schließlich auch die Jesu. Überdies evoziere die Bildächtung Ängste bei allen Betern, wenn wortevoziertes Imaginieren als sündhaft gebrandmarkt werde.

1 Vgl. zur Gregorsformel die Darlegungen in meinem Nachwort von STR2, S. 1080–1085. 2 Zur Nachwirkung von Durandus vgl. mein Nachwort von STR2, S.  1096–1098, sowie Thomas Lentes (2010).

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Von den Bildern.

DEmnach aber das Anhaltische Buch allermeist, und gar ausführlich von Bildern handelt, So wollen auch wir an diesem stück den anfang machen, und damit man wissen müge, was eigentlich der Bilder halben gestritten werde, So wollen wir zu erst der Concipisten3 meinung, mit ihren selbst eigen Worten und allegaten [i.S.v. Zitate] fürbringen. Hernach unserer Kirchen wahrhafftige Lehr von [5r] diesem Puncten setzen, und dieselbe aus Göttlichem Wort erweisen, dargegen der Novatorum [i.S.v. Neuerer] irrigen wahn und geführten falschen Beweis mit grundt heiliger Schrifft widerlegen. WAs nun ihre meinung betrifft, ist offenbar, dass sie (ober die abgöttischen Götzenbilder, und sonst leichtfertig gemeld [Gemälde], die auch wir verdammen) erstlich alle Bildnissen, darmit man Gott den Himlischen Vater abmalet, für sündlich ausruffen, Desselben gleichen (fürs ander) das Bild Christi und seiner Creutzigung; Zum dritten die Bilder der heiligen; Zum vierdten, alle gemahlte Biblische Historien. Und wenn die Wort Exod. 20. (Du solt dir kein Bildnis etc.) zu verstehen sind, wie sie von den Concipisten gedeutet werden, so muss folgen, dass alle Bilder zugleich, ohne einige exception [i.S.v. Ausnahme], auszug oder underscheid zu verwerffen seien. Welches ebener massen erfolgen muss, wann ihr schlussred giltig, daß zwar (wie sie vorgeben) im alten Testament, und unter dem Levitischen gesetz, Bilder der Ochssen und Cherubim im Tempel zu haben erlaubt gewest, Itzund aber Bilder zu haben nicht erlaubt sein soll, nachdem das Levitisch Gesetz sein endschafft erreichet hat. Dergestalt aller Keiser, König, Fürsten, Grafen, Herren und vom Adel, Bildnis und Wapen, so in den Kirchen oder sonst zu finden (wenn in denselben entweder Ochssen oder Lewen [Löwen], oder Beeren [Bären], oder Adeler [Adler], oder andere Bilder stehen) werden als sündlich und unrecht zu exterminirn [i.S.v. vertreiben] und auszurotten sein. DAß nun das Bild des Himlischen Vaters, auch Christi und seines Creutzes, für Gott ein greuel sey, setzen diese Novatores4 ausser allem zweiffel, pag. 31, 51, 52, 58. Eben solche meinung hat es bey ihnen auch mit der Heiligen Bildern, wie aus dem 112. blat ihrer Schrifft zu ersehen.

3 Als „Concipisten“, „Tichter“ und „Novatores“ bezeichnen die Wittenberger Theologieprofesssoren abschätzig die Verfasser der kritisierten Flugschrift. 4 Auch als „Novatores“ (Neuerer) bezeichnen die Wittenberger die Anhaltischen Flugschriftenautoren.

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Demnach gestatten sie auch nicht die Biblische Historien zu malen, denn sie den usum historicum gar verwerffen, bevorab, weil Gott nicht ein ander Bibel vor die Gelehrten, ein ander vor die Ungelerten, verordnet habe, pag. 56. VOn allem Gemäld und Bildern schreiben sie pag.  57. wie die [5v] Altar und Messgewandt jüdentzen [i.S.v. jüdischen Zeremoniell folgen], also heidentzen [i.S.v. heidnischem Zeremoniell folgen] originaliter und ursprünglich ALLE Gemälde und Bilder. Welches der Christliche Leser wol mercken wolle. Solches geben sie auch darmit gnugsam zu verstehen, dieweil Bilder und Götzen ihnen müssen synonyma und also gar eins sein, daß, was hin und wider in der Schrifft von den Götzen geredt wird, sie dasselbig auch auff die Bilder mit ihren glossen und zusätzen verdrehen. WElcher verdacht (dass sie alle Bilder verdammen) noch mehr gestercket wird, in dem sie unsere Erklärung uber das gebot von den Bildern (das nemlich allein zur Abgötterey und Götzendienst Bilder zu machen und zu haben verboten seye) gantz und gar vernichtigen, und hiermit an tag geben, daß sie alle und jede Bilder (auch welche nimmermehr angebetet wer-den) ohn unterscheidt verwerffen und verdammen. Welches abermals der Christliche Leser wol in acht nehmen, auch aus nachgesetzten ihren selbs eigen Worten solches noch gründli-cher prüffen wolle. Dann es haben die vom Adel und von Städten in ihrer Erinnerungs-Schrifft recht und wol erwehnet, daß Gott nicht schlecht und bloss dahin die Bilder, sondern den cultum oder das anbeten derselbigen verbild, welches sie auch aus dem gegenhalt des Kalbs in der Wüsten, und der Ochsen im Tempel Salomonis also erwisen, daß den Calvinischen Reformatorn etwas gründlichs dargegen auffzubringen vermüglich. Do nun die Anhaltischen auch der meinung weren, daß Gott allein die jenigen Bilder verbotten hette, denen man durch Abgötterey dienet, die andere aber hette er nicht verbotten, so were es bey der antwort auff jetzberührten Gegenhalt, zeit gewest, anzuzeigen, daß sie (die Concipisten) selber nicht alle Bilder ohne unterscheid verwerffen. Dis aber thun sie so gar nicht, daß sie vielmehr unverholen also schreiben: Daß aber in der eingewandten Admonition oder Erinnerungsschrifft mit angehenget, und fast odiose mit so vielen Worten inculciret [i.S.v. beteuert] wird, da man das erste Gebot Gottes in einen unrechten verstandt ziehe, und nicht sehen noch verstehen wolle, daß nicht die imagines simpliciter, [6r] sondern allein der Cultus darin verbotten, welches aus der vergleichung des Kalbs Aaronis, der zwelff Rinder unterm Meer Salomonis sol zu beweisen sein, ist fast grob und ungereimt. Sintemal in der Bibel mit klaren und ausgedruckten [i.S.v. ausdrücklichen], gar verstendtlichen Worten, man alles beides mit höchstem ernst verbotten findet, nicht allen nicht anzubeten, sondern auch kein Bildnis zu machen, ja wo sie gemacht sind, Soltu sie (spricht Gott) nicht dulden, sondern ihre Altar soltu umbstürtzen und ihre Götzen zubrechen [i.S.v. zerbrechen], etc. Weil dann die Concipisten des Anhaltischen Buchs den unterscheid zwischen den Bildern, die man anbetet, und die man nicht anbetet, bey gegenwertiger frag vernichtigen und verwerffen, so ist unwider-

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sprechlich ihr gemüth und meinung daher abzunehmen, daß sie durchaus keine Bilder passirn noch gut sein lassen, man bete sie an, oder bete sie nicht an. UNd mag hie nicht stat haben, daß jemand sprechen wolt, sie wollen vielleicht die Bilder allein in der Kirchen nicht dulden, sonsten aber liessen sie dieselbige gut sein. Dann daß diese Novatores die Bilder ausmustern, nicht allein aus der Kirchen, sondern auch aus den Privathäusern, bezeugen sie selbst, mit einführung, approbation und billichung des Spruchs *Epiphanii Pag. 58. und 59. Welchen sie also schlecht dahin gantz und gar canonisirn, recht und gut, ja denckwirdig heissen, daß *Epiphanius sagt, ne imagines tolerentur in domo communi, das ist, die Bilder sollen auch in gemeinen wohnungen oder Häusern (wie es die Anhaltischen selbst verdeutschen) nicht geduldet werden. Inmassen dann die jenige Bilder, welche das erste Gebot für abgöttisch erkläret, und von wegen der Anbetung verbeut, ja freilich solcher gestalt nicht nur im Tempel, sondern auch in Häusern zu haben und anzubeten verbotten sind. UNd ist ihre meinung desto deutlicher zu vernehmen, aus ihrem 15. Schlusspruch pag. 117. da sie sprechen, alle, die da auff waserley [i.S.v. welcherart] schein oder weise es geschehen mag, für die Altar, Liechter, Messornat etc. Item für die Bilder, weil im alten Testament Che-[6v] rubim, Rinder etc. sind im Gottesdienst gewesen, reden, streiten, oder eifern, die begehen ein confusionem legis Ceremonialis & Moralis, Das ist, sie vermischen das Levitisch gesetz mit dem stets wehrenden Gesetz der heiligen Zehen Geboten5. WAnn dis alles noch nicht gnug were zu erweisen, wie die Tichter [Dichter, hier ironisch] des Buchs ohn unterscheid alle Bilder verdammen, so haben sie doch pag. 112. eine Regel gesetzt, welche den bettel auff ihrer seiten eben gar verderbet. Dann nicht allein von Christo am Creutz, sondern auch von den Aposteln schreiben sie, man könne sie nicht recht malen, darumb dieweil niemand jetzt in der Welt lebet, der sie gesehen habe. Werde also beides wider die erste und andere Tafel der Zehen gebot Gottes die unwahrheit bestetiget, und falsch zeugnis wider den Schöpffer und sein geschöpff gegeben. DEmnach nunmehr die Bilder der Apostel, und anderer Heiligen, nicht allein von wegen der ersten Tafel in der Calvinisten Theology verdammet sind, sondern auch in der andern, als falsche zeugnis, weil man der Apostel und der andern Heiligen gestalt nicht treffen kan. DAraus wird diese uberkünstliche Regel erwachsen, daß alle die jenigen Bilder (kein einiges ausgeschlossen) welche nicht durch und durch ihren prototypis ehnlich sind, müssen falsche zeugnissen sein. Und weil das gebot Gottes „du solt nicht falsch zeugnis reden wider deinen nechsten“ allenthalben gilt, nicht nur in

5 In Vorlage „gebotten“.

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geistlichen, sondern auch in Politischen Weltlichen sachen, so mus folgen, wann eines Fürsten oder Herren Bildnis nicht eigentlich exprimirt oder ausgedruckt [ausgedrückt] wird, oder wenn der Keiser, König, und Fürsten etc. Bildnis auff der Müntz, nicht gar eigentlich getroffen, daß alsdann wider Gottes gesetzt ein falsch zeugnis gegeben sey. DErgestalt da gleich ein Bild durch die erste Tafel der Zehen gebot köndte unverdammet durchpassirn, so würde es doch in der andern Tafel behangen bleiben, und verwerfflich sein müssen, darumb daß es mit seinem prototypo nicht allerdings ubereinstimmet. [7r] HIe ist den Anhaltischen Reformatorn unmüglich durch einige ausflucht dieser Absurditet zu entgehn, so lang es wahr ist (wie es dann ewig wahr ist und bleibet) daß falsche zeugnis nicht allein in Göttlichen, sondern auch in Politischen dingen (so in diese Welt gehören) von Gott höchlich verbotten und für abscheuliche Sünde erkläret sind. Aus welchem allein nicht undeutlich abzunehmen, wie durch ihre lehr und allegata [i.S.v. angezogene Texte], auch geführte vermeinte Beweise, nicht nur etliche, sondern alle und jede Bilder verbotten und verworffen seyen. Denn wenn alle Bilde und gemälde heidentzen, die Christen aber sich all dessen, was da heidentzet, enthalten sollen, so müssen sie sich aller Gemäld und Bilder gentzlich und zumahl eussern [i.S.v. entäußern], nicht allein in den Kirchen, sondern auch (wie sie aus *Epiphanio streiten) in den Privat- und Wohnhäusern, also daß man für alle gemäld und Bilder (sintemal sie alle heidentzen sollen) auff waserlei [i.S.v. welcherart] schein oder weiss [Weise] es geschehen mag, nicht reden noch streiten sol. Das ist ja unsers erachtens deutsch genug. Ob es aber den stich halten, und neben der Schrifft bestehen müge, wird sich hernach finden an seinem ort. AUff daß nun auch wir unsere meinung von den Bildern darthun, scheiden wir anfeng-lich hie ab, und setzen aus, die Abgöttische Bilder der Heidnischen Götter, Iovis Olympii und dergleichen, und halten dafür, daß dieselbigen, wo sie in den Kirchen zu finden weren, billich abzuschaffen, es were denn sach, daß in einer Biblischen Historien ihrer nicht auff Heidnische Weise (sie anzubeten) sondern nach der Schrifft anleitung, zu solcher Götzen vernichtung, gedacht würde. Welcher Gestalt der heillose elende Tropff Dagon6, der Philister Gott, zu seiner selbst eigen verachtung in der Bibel gemalet wird, da man sich einiger verleitung zur Abgötterey dannenher im wenigsten nicht zu befahren. Auff solche weise hat **Theophilus Alexandrinus der Heidnischen Götter Bilder alle abgeworffen, allein ein Bild eines Heidnischen Gottes hat er gantz behalten auff die Nachkommen, damit nicht in künfftigen zeiten die Heiden solche ihre grobe greiffliche Abgötterei verneinen köndten. Ausser solchem und dergleichen fall, so jemand der Heidnischen Götter

6 Dagon war ein altsyrischer Wettergott.

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Bilder in [7v] die Kirchen setzen wolte, halten wir, daß es im Christenthumb nicht zu leiden, nicht zwar, als solte der Götze etwas sein 1. Cor. 8. sondern weil solches zumahl ergerlich, und allem Evangelischen wolstandt zuwider, auch da es dem Bilde zu Ehren geschehe, gantz abgöttische were. Doch können wir hierneben den Christlichen Leser zu berichten nicht umbgehen, daß solche heidnische Götzenbilder, wo sie auch noch an einem ort anzutreffen, eben so wenig einen Christen (der nichts darauff helt noch achtet) für Gott verunreinigen können, Als wenig der Götz Rimmon7 konde Narman den Syrer verunreinigen 2. Reg.  5. oder so wenig die Bilder der Zwillinge Castoris und Pollucis, (welche auch vermeinte Götter der Heiden waren) dem H. Apostel Paulo schaden gebracht haben, da er im selbigen Schiff fuhre, das am Segel mit solchen Abgöttischen Bildern gezeichnet ward, Act. 28. BElangend ferner die Bilder, welche entweder in vorzeiten von Papisten geehret, oder noch heutiges tags geehret werden, als da sind die Bildnis Christi, Mariӕ und anderer Heiligen, wissen wir abermahl, daß, wie S.  Paulus sagt, ein Götz nichts ist in der Welt, und daß nur ein einiger Gott ist, den man anbeten sol. Und zwar, wo in einer Kirchen die menge solcher Bilder ist, sonderlich die in solido corpore [i.S.v. in massiver Gestalt] geschnitzelt, gegossen oder gehauen sind, so rathen wir selbs, daß man einen theil derselben (bevorab welche keinen usum historicum haben, oder sonsten für andern ergerlich sein) wegthue, Doch nicht in dem falschen wahn, als ob solche remotion und abschaffung schlechter ding nötig, auch nicht in dem Carlstadischen Process, welchen die Concipisten aus verkerter auslegung des Spruchs Ose. 7. von welcher hernach gesagt werden sol, fürzuschreiben sich unterstehen, Als solte man die Bilder vor allen dingen aus den Augen thun, ehe denn die Abgötterey durch die Predigt des Evangelii in den Hertzen der Zuhörer gestürtzet und weggereumet [weggeräumt]. Dann dadurch werden die noch entfrembdeten gantz und gar vom Evangelium abgeschreckt, wie in Franckreich und Niderlanden mit vieler tausent Seelen, die sonst noch weren zu gewinnen gewest, ewigem [8r] verderben geschehen ist. Neben dem, daß solch unzeitiges Bildstürmen den schwachgleubigen zum mercklichen anstoss gereichet. Sondern das ist der weg, daß man zu erst das Volck unterweise, und ihre gemüter auff beiden seiten mit Gottes Wort wol verwahre, Auff der einen seiten zwar, wie [erg. man] alle Abgötterey nach Gottes ernstem gebot fliehen und meiden sol, Auff der andern seiten aber solle man sie unterrichten, von der Christlichen Freiheit unterm Evangelio, und derselben rechten gebrauch, was für nötig zu halten als zum Gottesdienst gehörig, Was hergegen als Gottlos zu meiden, Und was zwischen diesen beiden für freye mitteldinge zu achten, die man behalten oder abschaffen müge, nach dem es der Kirchen jedes orts gelegenheit erfordert.

7 Rimmon war ein syrischer Gott, 2. Sam 5,18.

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BEtreffend die Altväterischen Bilder und gemäld aus der Papisten lügenden8 gezogen, ob wol dieselbe nicht viel verderben können, So ist doch unser meinung, es sey wegen anderer ursachen besser, man schaffe sie (ordentlicher weise) ab, als daß man sie behalte. LEichtfertige Gemäld aber, (und was der jugendt zu bösen ergerlichen unzüchtigen gedancken möchte anlas geben, schaffe man ohn einig bedencken (doch in seiner gebürlichen ordnung) gentzlich ab. DEmnach wenn etliche Bäpstliche Prӕlaten ihre Concubinen und Hurenkinder auff den Altartaffeln fürgestellet haben, wie die Anhaltischen pag.  51 berichten, geht dise unsere Kirchen nichts an, sintemal wir solches als einen greuel verfluchen und verdammen. DAmit aber die gantze Sach von den Bildern desto klärer fürgestellet und er­örtert werde, ist der unterscheid zwischen Bildern (wie sie der eusserlichen Figur und gestalt nach Bilder sind) und dann zwischen den Götzen wol zu mercken. Dann welche Bilder angebetet oder Göttlich verehret werden, die sind denselbigen ihren cultoribus und anbetern Götzen und Abgötter. Da sie sonst denen, die sie nicht anbeten, noch Göttlich ehren, weder Götzen noch abgöttisch sind. Als zum Exempel, ihre zween gehen mit einander in ein Bäpstische Kirch, der ein ist ein Papist, der ander ein Lutheraner. Da sehen sie nun allerley Bilder. Ist die [8v] frag, ob solche Bilder ihnen beiden zugleich Abgötter oder Götzen sein? Darauff spricht S. Paulus, Nein. Dann wer das wissen hat (wie er redet) das ist, wer im Christlichen glauben, auch Evangelischer freyheit unterrichtet ist, dem ist ein solch Bild auch in einer Bäpstischen Kirche allerdings kein Götz, sondern ein Holtz, wie ein ander Holtz, ein Stein, wie ein ander Stein. Dem Papisten aber, der für solchem Bild sich neiget, und es anbetet, ist es wahrhafftig ein Götz, und wird er dadurch für Gott beflecket und verunreiniget. AUs welchem dann ein jeder einfeltiger schliessen kan, daß (sonderlich im Neuen Testament) so bald der Abgöttische Missbrauch durch fleissigen unterricht Göttliches worts aus dem Hertzen der Zuhörer gereümet ist, alsdann solche Bilder nicht mehr Götzen, sondern für freye mittelding in Kirchen mit gutem gewissen gelassen, oder fürfallender ursachen willen von der Obrigkeit weggethan werden können. DIs kan man durch andere Exempla erklären. In der blinden Heidenschafft haben die armen Leut die Sonne am Himel angebetet. Solcher gestalt ist die Sonne denen Leuten, von welchen sie angebetet ward, wahrhafftig ein Götz oder Abgott gewest, so wol als Holtz und Stein, die man anbetet, Abgötter und Götzen sind. Dann alles was man (ausserhalb Gott) anbetet, das ist seinem Anbeter ein Abgott. Als aber

8 Abschätzige Verballhornung von „Legenden“ als Lügen.

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nun die Heiden durch der Apostel Predigt bekeret wurden von den Abgöttern, zu dienen dem lebendigen Gott, da ist ihnen die Sonne kein Abgott oder Götz mehr, wie auch Holtz und Stein seind ihnen nicht mehr Götzen, sondern ja so unverwerffliche Creaturen, als die Sonne ist. [Es folgen auf den folgenden Seiten (9 verso ff.) Ausführungen zu zeremoniellen Regeln wie …] [14r, 5. Abs.] SO nun alle Bilder, wie die Anhaltischen disputiren, Götzen sind, und

in den Zehen Geboten auffgehoben9. als welche ALLE heidentzen sollen, das ist (wie sie dis Wort, heidentzen, erklären pag. 108) von der Heiden Abgötterey nicht rein seyen, so hette GOtt dieselbe in seinem heiligen Tempel zum Levitischen Gottesdienst, so wenig erlaubet, so wenig er gestattet bey verrichtung des Levitischen Gottesdiensts, Ehebruch oder andere greuel und sünden zu begehen. ZUm Andern, fragt man hie nicht unbillich unsere Bildtstürmer, weil Gott dem HErrn alle Bilder sollen zuwider sein, ob er sie dann hasse und verbiete umb ihrer selbs willen, das ist, von wegen ihrer Figur und Gestalt, und darumb daß sie Bilder sind, oder aber zufelliger weise, von wegen des Unchristlichen missbrauchs? Sagen sie, Gott [14v] hasse sie des missbrauchs halben, weil sie zur Abgötterey werden gewendet und sünde darmit begangen, so haben sie mit dieser antwort ihr gantzes Buch von den Bildern also widerlegt, daß es weiteren Widerlegens nicht bedarff. Dann solcher gestalt werden die Bilder erst zufälliger weise böss, an sich selbst aber, und ausserhalb solchem missbrauch sind sie frey und zugelassen, wie wir halten, Besonders weil durch den auffgang des heiligen Evangelii die finstere Nacht Bäpstischer Abgötterey vertrieben und man sich derselben bey dem seligen Liecht dessen in vollem schwang gehenden Göttlichen Worts, Gott lob, nicht zu befahren. ANtworten sie dann, Gott habe greuel an ihnen, der Figur und gebildeten Form und Gestalt halben, Warumb macht dann er selbs solche Bilder? Dann alle seine leibliche geschöpff ihre Figuren, Formen und Bilder haben, wie solches niemand leugnen kan. SO nun er selber solche Figuren an10 seinen Creaturen macht, so müssen sie ja an sich selbst ihm nicht zu wider sein. Wenden sie ein, eben dis sey unrecht, daß man Gott seine kunst nachthun wolle, so müste folgen, dieweil dis auch Gottes kunst ist, daß er die Blumen auff dem Felde schmücket und bildet, daß man gleicher ursachen halben auch nicht eine Rosen oder Liligen oder eine andere Blumen malen dörffte, dergestalt der Medicorum herbaria und Kreuterbücher aus dem gantzen Christenthumb würden zu verweisen sein.

9 In Vorlage „auffgehahen“ statt ‚auffgehoben‘. 10 „an“ hier i.S.v. ‚in Form von‘.

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FErner, wenn die Anhaltischen die Bilder an und für sich selbst Göttlicher Maiestet zu wider sein erachten, so werden sie in solchem ihrem wahn den Propheten Ezechiel, ja Gott den HERRN selbst meistern müssen, daß er den Propheten zum Maler macht, der die belegerung Jerusalems auff einem Ziegelstein abreissen, und ein Heer (welches freilich Menschenbilder sein musten) umb die Stad hero machen solte, Ezech. 4. DEm heiligen Apostel wird sein gleichnis, in welchem er das Alt und Neu Testament gegeneinander helt, auch in Bronnen fallen. Sintemal da er sagt: Das Gesetz (verstehe das Levitische gesetz) hat den schatten [15r] der zukünfftigen güter, und nicht εıĸονα, das Ebenbild selbst; ist solch gleichnis unwidersprechlich von der Malerkunst hergenommen, anzuzeigen, daß Christus nach dem fleisch im Alten Testament der Israelitischen Volck gleichsam durch einen Entwurff (den die Maler σκιαν oder schatten zu nennen pflegen) sey fürgebildet, bis das rechte wesent­lichen volkommene Ebenbild an die stat kommen, und die schattierung des Levitischen Gemälds und delineation verschwunden. Daß nun der heilige Geist die zwey Testamenten, Alt und Neu, so wol die daran fürgebildete und geleistet güter, solte vergleichen einem solchen ding, welches für Gott ein greuel were, können wir uns keins wegs bereden lassen. Sind nicht bey nahe alle offenbarungen Gottes in der Schrifft voll Bilder? Wie offt erscheinet der Sohn Gottes in Gestalt eines Manns? als Gene. 18. 32. Jos.5. und anderswo. Wahrlich wer die Bilder abthun wil, mus die gantze Offenbarung S. Johannis una litura11 ausleschen, Weil darinnen Gott seinem Diener Johanni alles in Bildern zeiget und gleichsam für Augen malet, was er ihm vom künfftigen zustand seiner Kirchen offenbahret, wie alle und jede Capitel darinnen bezeugen. […187 Zeilen übersprungen…] [17v] UNd wie gar die Novatores sich verhauen, das wolle der Christliche Leser ferner auch darbey abnehmen. Im fünfften Buch Mosi am 4. widerholet der HErr dis gebot solcher massen: Ihr hab kein gleichnis gesehen des tages, do der HErr mit euch redete aus dem feur, auff dem Berg Horeb, auff daß ihr euch nicht verderbet, und macht euch irgen ein Bild, das gleich sey einem Mann oder Weib, oder Viehe auff Erden, oder Vögel unter dem Himmel, oder Gewürm auff dem Lande, oder Fisch im wasser unter der Erden, Daß du auch nicht deine Augen auffhebest gen Himmel, und sehest die Sonne, und den Mond, und die Sterne, das gantze Heer des Himmels, und fallest ab und betest sie an, und dienst ihnen. HIe legen wir den Anhaltischen ein getheiltes für, zu wehlen, welches sie wollen. Entweder sie müssen mit uns halten, solche Bilder der Thiere, Vögel, Gewürm, Fisch, Sternen, seien allein verbotten, ratione finis, daß man sie nicht anbete, wie Moses selbs gleich darauff klärlich setzet, und also ligt ihr Buch im kot, Oder wenn sie da

11 „una litura“ heißt etwa ‚in einem einzigen Ausstreichungsakt‘.

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hinaus [18r] wollen, daß die erzehlte Bilder verbotten seien simpliciter, man bete sie an oder lasse sie unangebeten: so bleibt es in ewigkeit wahr, daß man solcher weiss nicht ein Schaf oder Zigen, nicht einen Sperling, auch nicht einen Hering malen dörffte, weil des Viehes, der Vögel, und der Fisch so gar deutliche meldung geschihet. Auch dörffte sich niemand mehr, weder Mann noch Weib, abcontrafeien lassen, dann auch des Bildes, das einem Mann oder Weib gleich sey, allhier gedacht wird. Und weil dis Gebot, das der HErr von Bildern gibt, ein freies durchgehendes Gebot ist, an keine sonderliche stet [Stätte] gebunden, so dörffte man keine solche Bilder weder in Kirchen, noch ausser der Kirchen, weder in den Büchern, noch in den Wapen, noch in der Signeten oder Pitschafftringen [Petschaftringe12] , noch sonsten irgend haben. DEs Römische Keisers Adeler, der Churfürstlichen Pfaltz Lew, der Anhaltischen Fürsten Bären13 in ihrem Wapen, so wol alle andere, darinnen Mann oder Weib, oder Vogel, oder Thiere, oder Fisch, oder auch Sterne abgebildet sind, würden in dieser Reformation gentzlich auff dem Platz bleiben. Solten demnach die Anhaltischen Scribenten, ehe sie das Buch publicireten, zuvor den Bonaventuram14 zu Zerbst für sich gefordert, und ihme das Fürstliche Anhaltische Wapen fornen am ersten blat ihres Buchs auffzudrucken untersagt haben, damit nicht, wie vorzeiten das stumme lastbare Thier mit Menschlicher stimm des falschen Propheten Bileams thorheit straffete, Also dieser Leut Thorheit, und ein gros theil ihres Buchs durch die gebildeten Bären15 des Fürstlichen Anhaltische Wapens gleich fornen im Titel ihrer Schrifft redarguirt16 und widerleget würde. Es würde aber des Reformirens noch kein ende sein. Die Müntz müste auch herhalten, so wol zu des HErren Christi, als zu unsern zeiten. Dann einmahl das erst Gebot (unter welchem die Anhaltischen alle Bilder einschlissen) hat kein solche Exception, daß die Bilder zwar in der Kirchen nicht zu dulden, auff der Müntz aber seyen sie wol zu machen, und in den Taschen, Beutel, Secken, Kisten und [18v] Kasten wol zu haben, Diese Exception findet sich in Mose nicht. […9 Seiten übersprungen …bis 23v]

UNter andern lassen sich die Anhaltischen vernehmen, pag.  36, Man sol die Bilder nicht allein nicht anbeten, sondern man sol auch darfür nicht anbeten17[i.S.v. davor nicht beten]. Do sie dann abermal eine fallaciam ӕquivocationis begehn, in dem

12 Siegelringe. 13 In Vorlage „Beeren“. 14 Anspielung auf den Zerbster Drucker Bonaventura Schmidt. 15 In Vorlage „Beeren“. 16 redarguere i.S.v. ‚Lügen strafen‘. 17 In Vorlage „arbeten“.

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wörtlein „darfür“. Dann wann sie diese phrasin „darfür anbeten“ verstehen nach der Schrifftsprach, als daß entweder das Gebet zu den Bildern gerichtet, dieselbige pro obiecto adorationis gehalten, und mit vorgesetztem fleiss, beide das Angesicht und das Hertz und gemüth auff sie gewendet wird, oder auff Papistisch in dem abgöttischen wahn für ihnen wird gekniet und gebetet, als ob Gott dem HERRN ein solch Gebet (für den Bildern verrichtet) solte angenemer sein, als sonst, so wird solches unsern Kirchen zu ungebühr zugelegt, und berichten daran die Novatores ihre hohe Obrigkeit den offenbaren ungrundt. [24r] SOnst wenn man betet, so mus man ja das angesicht etwa [i.S.v. irgendwo] hinwenden, man kans ja nicht in Busem stecken. Bistu in deiner Kammer, so wendestu freilich dein Angesicht gegen den Fenstern oder zu den Wänden, sie seyen gleich von holtz, oder stein, oder leimen gemacht: Und betest doch nicht die Fenster oder Wand an. Beteten doch die Israeliten für der Laden des Bunds, den HErrn an. Und Josua, da er gar eiferig und inbrünstig beten wolte, fiel er auff sein Angesicht für der Laden des HErrn, bis auff den Abend, und betete, Josu. 7. Von Hiskia, dem frommen König lesen wir, als ihm angezeiget ward, er würde sterben, daß er sich gewendet zu der Wand, und zum HErrn gebetet18, Esa. 32. Er hat aber darumb nicht für [i.S.v. vor] der Wand angebetet, wie die Schrifft diese Rede zu verstehen pflegt. Deut. 4. spricht Moses: Auff daß du nicht deine Augen auffhebst gen Himmel, und sehest die Sonne und den Mond und die Sterne, das gantze Heer des Himmels, und fallest ab, und betest sie an, und dienest ihnen. Ist nun die Frag, Ob hierumb verbotten sey, unter dem Gebet die Augen gen19 Himmel auffzuheben? Zeugen doch die Evangelisten von Christo dem HERRN offtmals, wenn er gebetet, habe er seine Augen auffgehaben gen Himmel, da freilich Sonn, Mond und Sterne stehen.Und hatt doch nicht den Himmel, noch des Himmels Liechter angebetet. Würde doch solcher gestalt einer nicht wol in seiner Stuben beten dürffen, er müste immer besorgen, wenn er von ungefehr das Angesicht nach dem Ofen wendete, so von gebildeten [i.S.v. bebilderten] Kacheln gemacht, er möchte darüber durch des gegentheils urtheil zu einem Götzendiener werden. Heisst das nicht die Gewissen20 mit Menschensatzungen verstricken, und das Joch Calvinischer dienstbarkeit auff die Hälse der Christen legen? […152 Zeilen übersprungen …] [26v] INsonderheit aber von der Creutzigung Christi zu reden, wenn es Gott so hoch zuwider, die Passion in Bilder zu exprimiren: Warumb hat er selber Christi Leiden und Creutzigung durch eine aus Ertz gegossene und gebildete Schlange am Holtz erhöhet, seinem Volck gleich als vor Augen zu mahlen befohlen? wie die

18 In Vorlage „gebeten“. 19 In Vorlage „gehn“. 20 In Vorlage „gewissen“.

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Histori Num. 21. und des HErrn Christi deutung Johan. 3. lautet. Dann ob wol dis auff befehl geschehen, so sihet man jedoch hieraus, dass der Göttlichen Majestet die abbildung der Passion Christi nicht an und für sich selbs zuwider, Auch wie man sich aus Figuren und Bildern ohne Sünde des Leidens Christi wol erinnern könne. WEr wolte auch wehren auff den heutigen tag, wenn einer einen [27r] Pelican (lebendig oder in einem Bild abgerissen) anschaüete, wie er mit seinem Blut, aus der geöffneten brust geflossen, seine Jungen erquickete, daß er sich nicht erinnern dörffte, welchermassen Christus mit seinem Blut, aus seiner geöffneten seiten geflossen, uns erquicket zum ewigen Leben? Wie dessen auch der heilige *Augustinus uber den 101. Psalmen gedencket. Es mag Gegentheil antworten, ob man einen Pelican malen dörffe? Sprechen sie, Nein, so ist offenbar, daß sie die gantze kunst der Maler verdammen. Sintemal man nicht einen Vogel, einen Pelican, dörffte abmalen. Und werden solcher gestalt alle Christen urtheilen können, was von des Gegentheils vorhaben zu halten. Sprechen sie aber, ja, es sey erlaubet, so fragen wir ferner, ob man bey einem solchen gemalten Pelican und seinen Jungen müge mit unverletztem Gewissen des Blutvergiessens Christi und seiner krafft oberzehlter masse erwehnen? Antworten sie, ja, so ligt ihre Schrifft im kot, dahin sie auch gehöret. Antworten sie dann, Nein, so stellen wir es zu der gantzen Christenheit erkentnis, was von solchen Lehrern sampt ihrer Lehr zu halten, und was für Tyranney sie in der Christenheit einführen, indem sie durch lauter Menschentandt den Leuten Gewissen zu machen sich bemühen, in solche dingen, die GOtt selbst uns frey gelassen hat. KÖnnen doch diese Disputatores selber nicht in abred sein, daß so offt man von dem zu Jerusalem gecreutzigten JEsu von Nazareth prediget, sich beides in des Predigers und seiner zuhörer Gemüth ein Bild desselben entwirfft. Es ist auch unmüglich an den am Creutz hängenden CHristum zu gedencken, daß nicht der Mensch im Hertzen ihme [i.S.v. sich] denselbigen einbilde. Solcher gestalt würden unsere Reformatores auch ihr hirn und phantasiam reformiren müssen, daß sie kein einige Bildnis von CHristo und seiner Creutzigung concipirn, oder in Gedancken fassen, wenn sie darvon hören. So doch vielmehr das die beste Prediger sindt, welche vom gercreutzigten CHrist so deütlich, hell und klar predigen, als wenn die Zuhörer [27v] ihne gleichsam für Augen gemalet anschaueten, Wie auch der Apostel zun Galatern am 3. klerlich andeutet. DOmit aber der Anhaltischen Reformation nicht ein unvollkommen Werck sey, müssen sie nicht allein die Bilder, so man von aussen sihet, sondern auch die im Hertzen auffsteigen, exterminirn und ausrotten, und vom Creutz Christi gedencken ohne einige einbildung. Welches obs müglich, stellen wir menniglich zu betrachten anheim. MIt was Gewissen solte uns auch jemand darüber richten, Wenn wir schon aus der gemainen Histori der Opfferung Isaacs uns derselben verlaufenen geschicht,

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und zugleich der doselbs fürgebildeten Passion Christi erinnerten? Dörfte man ein Bild und gleichnis machen des im Tabernackel stehenden Altars des HErren, zu obberührtem Memorial und gedechtnis, wie die Rubeniten21 haben gethan, warumb solte gewehret sein ein Bild und gleichnis zu haben der Opferung Isaacs? Ists den Rubeniten frey gestanden mit dem Altar, so steht es uns mit der Biblischen Histori von Isaac auch frey, dieselbe zu malen, und sich des Opffers Christi darbey zu erinnern. Ist dis erlaubt, so bleibt auch unverbotten, wenn man im freien Christenthumb die Creutzigung Christi selbst für Augen malet, wenn nur der misbrauch durch Christlichen unterricht verhütet wird. WIe dann auch S.  Paulus, als er seiner Predigt vom gecreutzigten Christ an seine Galater gedenckt, scheuet er sich nicht, eben dis gleichnis vom gemalten Bild Christi zu gebrauchen, sagende, O ihr unverstendigen Galater, wer hat euch bezaubert, dass ihr der wahrheit nicht gehorchet? welchen CHristus JEsus für die Augen gemalet ward, unter euch gecreutziget. Daß nun S. Paulus die heilige Predigt des Evangelii von Christo, einem Abgöttischen und in der Schrifft verbottenen Götzenwerck (wie es Gegentheil darfür helt22) vergleiche, das mügen die Calvinisten gleuben, wir gleuben diesen Artickel nicht wahr sein. WEnn einer zu den Barbarischen Völckern kehme, bey [28r] welchen kein usus literarum [i.S.v. Schriftgebrauch], das ist, die weder schreiben noch lesen köndten, und unterrichtete sie im Evangelio Christi gründlich, wer wolte denselbigen wehren, dass sie (in mangel der Buchstaben) zu steter erinnerung der Auffopfferung CHristi am Creutz, an ihre Wände ein Crucifix maleten, wann sie darneben würden gelehret, kein aberglauben darmit zu treiben, sondern sich derselben an stat des schreibens und lesens, so mit Buchstaben geschihet, zu gebrauchen? Solte es für Gott nicht gleich gelten, das Creutz Christi mit Buchstaben, oder aber mit andern notis, daraus die meinung zu vernehmen were, zu exprimiren und für Augen zu stellen? Hette man doch im ersten anfang, ehe die Buchstaben auffkommen, mögen andere notas gebrauchen, welche denen dadurch angedeuten sachen, ihrer eusserlichen Figur und Gestalt nach, etwas ehnlicher gewesen weren, damit wie man an den heutigen Buchstaben ein adminiculum memoriӕ [Stütze des Gedächtnisses] hat, und sich daraus der beschriebenen sachen erinnert, Also man (in verbleibung der jetzigen) an denselbigen, deren darinnen abgebildeten sachen, hette mögen erinnern? WAs wolten sie darzu sagen, wenn einer (nach D. Luthers exempel) in seinem Wapen und Pitschafftring [Siegelring] führte ein Hertz, und in demselbigen ein Creutz, zur teglichen erinnerung des Creutzes CHristi durch den glauben ins Hertz

21 Ruben war der älteste der zwölf Söhne Abrahams und wurde Gründer einer eigenen Dynastie. Seine Nachfahren und Anhänger sind die ‚Rubeniten‘. 22 I.S.v. ‚wie unsere Gegner meinen‘.

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eingeschlossen? Solte das nicht vielmehr von allen wahren Christen für löblich und Christlich zu halten sein? UNd weil die Concipisten nicht verneinen können,dass die jenige, welche nicht lesen können, aus dem gemaleten ProfanHistorien, alle umbstend derselbigen ihnen [i.S.v. sich] einbilden und behalten, Mit was Gewissen wolte man dann den usum historicum in den abgerissenen Biblischen geschichten leugnen, wider die öffentlich Sonnenklare wahrheit? Sintemal was Gott selbs wil, daß seinem Volck zum fleissigsten eingebildet werde, das befihlet er bisweilen nicht blos zu sagen, sondern fürzumalen. […] [Es folgen auf den Seiten 31r – 77v „der Anhaltischen Concipisten 20. Calvinische Schlus-sprüche“, von denen im Folgenden lediglich die Nummern 5 (S. 49r) bis 8 (S. 63r) heran-gezogen werden, weil sie ergänzend zu wesentlichen Punkten der Bilderfrage Stellung beziehen.]

[49r] Widerlegung des fünfften und sechsten Anhaltischen Calvinischen Schlusspruchs. Gott hat für seine auserwehlten, ja für alle Menschen, nicht zwo, sondern nur eine Bibel verordnet. Die (also genandten) Laien gehören so wol unter die Auserwehlten Menschen, als die Gelerten. Darumb haben wir alle nicht mehr, denn einerley Bibel, laut des Spruchs, „Predigt allen Creaturen“ Marc. 16. Item, „sie haben Mosen und die Propheten, lasst sie dieselbigen hören,“ Luc. 16. Der Sechste Schlusspruch. Wer des Bapst Tyranney stercken hilfft, daß die Bibel allein für das geweihete Volck (die Clerici genant) gehört, derselbige ungeacht ob ers wissentlich thue, macht sich gleicher Sünden, und demnach auch gleicher straffe theilhafftig. Die für die Bilder streiten, unterm schein, daß sie der Layen Bibel seien, stercken dieselbige Bäpstische Tyranney. Denn der Bapst helt alle, die nicht geweihet sind, für Layen, sie heissen gleich Fürsten, Edelleut, Bürger, Bauer, Gelert, oder Ungelert, etc. Darumb machen sie sich gleicher sünde und straffen theilhafftig. Qui enim iunguntur in culpa non separantur in pœna. Gleiche schuld bringet gleiche straff. Antwort. [49 ] DIs Argument, welches sie auff den fünfften und sechsten Schlusspruch bauen, haben sie pag. 56 mit verdrieslichen gewäsch und greulichen Calumnien [i.S.v. Verdrehungen] vorgebracht, deren inhalt ist, Wann die gemalte Bilder der Layen Bibel sein solten, so müste Gott ein andere Bibel für die Gelehrten, und eine andere für v

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die Ungelerten verordnet haben, und also ein anseher der Person sein. Diß treiben sie hernach noch hefftiger , und bemühen sich ohne noth, mit gantz verspielter arbeit, zu erweisen, wie Gott allen Creaturen, das ist, allen Menschen, wes standes ein jeder sey, das Evangelium zu predigen, und Mosen und die Propheten zu hören befohlen habe. Was sollen wir hierzu anders sagen, denn dass es eine mutwill[ig]e zunöthigung ist, und ihr geführtes Argument auff steltzen gehet, und auff beltzern Ermeln [pelzene Ärmel]23 erbauet ist. Sintemal der gantzen Christenheit bekandt ist, dass wir 24 das Evangelium unserm Volck (den Ungelerten so wol, als den Gelerten) getreulich und fleissig fürtragen, aus der heilgen Bibel selbst, aus Mose und den Propheten, aus dem Wort Christi25 und seiner Apostel. Darumb mangelt in der öffentlichen Verkündigung des Evangelii, den armen ungelehrten nichts überall an dem gehör der heiligen von Gott eingegebenen Bibel, aus welcher ihnen so wol, als den andern, das Wort Gottes vorgelesen und erkläret wird, ohne einig ansehen der Person. Trotz, daß der Calvinische Geist auff uns und unsere Kirchen in ewigkeit ein anders erweise. Auch ist der gantzen Christenheit ferner bewust, da bey uns jedermänniglichen die Bibel zu lesen gestattet wird, er sey hohes oder nidriges, geistliches oder weltliches Stands, ohn einig ansehen der Person, und Trotz sey abermal dem Calvinischen Geist geboten, daß er ein anders auffbringt in ewigkeit. WAnn man aber entweder in der Kirchen, oder daheim in [50r] den Häusern, Biblische Historien abgemalet hat, nimpt man darumb nicht eine Neue Bibel an, wie dann in solchen Gemälden nicht ein anders als eben das, so in der Bibel steht, fürgemehlet wird. So wenig als die Rubeniter, Gaditer26 und der halbe Stamm Manassis darumb eine neue Bibel annamen, als sie den Altar Gottes abbildeten, zur erinnerung, daß auch sie dem27 HErren angehören, wie sonst die Bibel selber lehrete, und derselben Biblischen lehre sie durch das Biblische Memorial, nemlich durch den von ihnen auffgerichteten Altar erinnert wurden. Also sind auch die gemäld der Biblischen Historien freye unverbotten adminicula memoriӕ. Sintemal das Wort, welches man in der Kirchen höret, muß daheim repetirt und eingebildet [i.S.v. in die Vorstellung eingeprägt] werden, wie der HErr selber Deut. 6 gebeut. Darzu den jenigen welche weder schreiben noch lesen können, die fürgemalte Biblische Geschichten, es sey in der Kirchen oder in Häusern, ein adminiculum oder behelff ist.28 Und gilt

23 Herkunft und Sinn dieser Metapher sind unklar. 24 In Vorlage „mir“. 25 In Vorlage „Christo“. 26 Gad war der siebente Sohn Jacobs; die Gaditer sind seine Anhänger und Nachfahren. 27 In Vorlage „den“. 28 Umschreibung der Gregorsformel.

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vor Gott gleich, man werde derselbigen durch geschriebene characteres, oder durch gemälde erinnert. SOlte nicht, ehe denn die Buchstaben erfunden worden, einem frommen Menschen frey gestanden haben, die Histori der Erschaffung, des Falls der Menschen (der Sindflut, der Vertilgung der sündhafftigen Stet [Städte] Sodoma, Gomorrha etc. und dergleichen zu stetswehrender erinnerung derselben) fürzustellen, mit was characteren oder Figuren er immer geköndt hatte? SO hat auch unser HErr Christus dem einfeltigen Volck die geheimnissen seines Reichs einzubilden, in seinen Parabeln und Gleichnissen das Volck gewisen auff den Acker, in den Weinberg etc., daß, wann noch heutiges tages ein einfeltiger Laye kompt auff seinen Acker, in seinen Weinberg, erinnert er sich, wie es in der Kirchen Gottes mit dem Samen Göttliches Worts, auff den weg [50v] unter die Stein und Dornen, und dann auff ein gut Land geseet [gesät], pflege zuzugehen. Und mag gleichwol nicht gesagt werden, daß Christus mit solchen seinen Gemälden und Bildern (dann was sind die Parabeln anders?) das Volck von der rechten Bibel geweiset habe. Darumb bedarff es dieses Cavillirens [i.S.v. Deuteln] gar nicht. Dann die Anhaltischen wol wissen, in welchem verstand diese Red gebraucht sey, daß die Bilder der Layen Bibel29 seyen, nemlch anders nicht, als wie einem einfeltigen Bauersman, der weder Schreiben noch Lesen kan, sein Acker oder Weinberg möchte sein Bibel heissen, das ist, ihme gute Biblische Lehr geben, und ihme der Biblien sachen erinnern, der einigen, rechten und wahren, von Gott eingegebenen, und eigentlich also genandten Bibel hier durch nichts benommen, sondern vielmehr auff die in derselbigen beschriebene sachen und geschichten fruchtbarlich angeweiset. AUch ists eine vanitet, die weniger als nichts wiget, daß sie im sechsten Schlusspruch uber kindischen sachen ein gros poltern machen, als helffe man mit erwehntem Spruch von der Layen Bibel, so wol mit dem gebrauch des Wörtleins „Layen“ dem Bapst seine Tyranney stercken, der alle die, welche nicht unter seinem vermeinten Geistlichen Hauffen begriffen, Layen nennet, und ihnen die Bibel zu lesen verbeut [verbietet]. Das heisst doch zumal weit gesucht, und zusammengeraspelt, was sie vermeinten einen schein zu haben, ihrer bösen und im grund verdorbenen sachen ein wenig uff die bein zu helffen. SOlte nach Schlusspruchs Recht und Regel ihr Argument wider30 uns gelten und hafften, müste der Minori propositioni ein anderer Rock angezogen, das ist, ein andere gestalt gegeben, und darzu mit klaren gründen bewehret und ausgeführet sein, und müste also lauten: Die für die Bilder streiten unter dem schein, daß sie

29 Gregorsformel. 30 In Vorlage „wieder“.

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der Layen Bibel sein , ( also, daß sie darneben die von Gott einge-[51r] gebene Schrifft und Bibel den Layen nicht fürtragen, noch ihnen daraus Gottes Wort lauter und rein verkündigen; Ja ihnen auch dieselbe zu lesen nicht gestatten, sondern solche macht [i.S.v. Möglichkeit] einig und allein denen Personen vorbehalten, so Geistliches stands und im Predigambt sind ) die sinds, welche dem Bapst seine Antichristliche Tyranney stercken helffen. Daß nun wir unsers theils die von Gott offenbarte heilige Bibel den Layen nicht solten erklären, auch ihnen dieselbige zu lesen nicht gestatten, sondern sie nur allein auff die Bilder weisen, solches uber uns außzuführen wirdt den Anhaltischen noch viel schnaufens kosten, und werden sie es doch ohne allen ihren danck müssen lassen anstehn ewiglich. Derwegen auch (aus mangel dieses Beweis[es]) ihr geführter Schlusspruch auff seinem ungrund ersitzen bleibet. Sonderlich auch darumb, weil sie mit dem wörtlein „Layen“ ihr würffelspiel treiben, und begehen fallaciam ӕquivocationis [i.S.v. Betrug mit Gleichlautendem], indem sie den underschiedlichen gebrauch und deutung des wörtleins „Layen“ under einander mengen, auff daß sie uns den Bepstischen verstand desselben auffsatteln, dessen wir aber den Anhaltischen mit nichten gestendig sind. Das wolle der Christliche Leser also vermercken. WAnn der Bapst und Papisten von Layen reden, so begreiffen sie under diesem Titel, alle die, welche nicht aus dem vermeinten Geistlichen Hauffen der Bäpstischen Clerisäw31 sind. Als, so offt sie reden von der Communion unter einer gestalt, daß man nicht schuldig sey den Layen den Kelch im Heiligen Abendmal zu reichen. Item, daß den Layen nicht erlaubt sey, die Bibel zu lesen. Da sie dann mit diesem Titul „Layen“ in einen klumpen zusammen fassen, alle die, so nicht (uff ihre Bepstische weise) zum Geistlichen stand geweihet sind, wenn gleich einer alle Facultates, Künste und Sprachen ausstudieret hette, und were in Theologia so gelehrt als Petrus und Paulus, in der Juristerey geschickter als Bartolus und Baldus32, in der Medicin erfarner als *Galenus und *Hippocrates, [51v] und in der Philosophey geübter als Salomon im Volck Gottes oder *Aristoteles in der Heidenschafft. Jedoch wenn er nicht auff Päbstische Manier33 geweihet ist, so ist und bleibt er in der Papisten vocabulario ein Laye, darfür mag ihn alle seine kunst nicht schützen noch helffen. Und so versteht dis Wort der Bapst und sein Antichristischer anhang. HErgegen wann etliche under den unsern anziehen den alten Spruch „dass die Bilder oder fürgemahlte Biblische Geschichten sein der Layen Bibel“34, verstehen

31 Eigentlich „Clerisei“; hier polemische Kontamination von ‚Clerus‘ und ‚Säue“. 32 Die Rede ist von Bartolus de Saxoferrato (ca. 1313–1357) und Baldus de Ubaldis (1327–1400), zwei berühmten italienischen Rechtslehrern. 33 In Vorlage „Monier“. 34 Paraphrase der Gregorsformel.

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sie durchs Wörtlein „Layen“ nicht ohne underscheid alle und jede Personen, so in weltlichem Standt sind. Sondern allein die idioten, welche nicht studiert haben, zuvoraus die weder schreiben noch lesen könnnen, bey welchen solcher mangel durch die picturas in den privaterinnerungen der Biblischen Historien erstattet wirdt, nach dem bekandten Lateinischen reimen: quod doctis est scriptura, id indoctis est pictura. Und solcher gestalt sind Layen, welche Act. 4. àγραμμαται και ιδιωται, das ist (wie es D. Luther gibt) ungelehrte und Layen genennet werden. Under welche Layen die jenigen nicht gehören, welche studirt haben, und die Bibel selbst doheim lesen können, unangesehen, dass sie nicht im Geistlichen, sondern im Weltlichen oder im Hausstand sind. DIese deutliche erklärung des Wörtleins „Layen“ machet zunicht der Anhaltischen unschieslichen [i.S.v. unersprießlich] Calvinischen Schlusspruch, daß sie darmit nimmer und niergend fortkommen können. Und bleibt hergegen fest, daß mit den gemalten Biblische Historien, dem einfeltigen, unverstendigen und ungelehrten Layen, zur erinnerung, gar wol gedienet sey, sonderlich wenn die schreckliche Geschichten des zorns Gottes wider die Sünde, der fall unserer ersten Elter[n], der undergang der ersten Welt durch die Sündflut, die verwirrung der Sprachen im Menschlichen geschlecht, die verehrung der Sündlichen Stette Sodom und Gomorrha, [52r] die plagen Egypti, Ersauffung Pharaonis im roten Meer, und dergleichen werden für die Augen gestellet, und teglich angeschauet. So wol hergegen die tröstlichen Historien von des HErrn Christi geburt, seinem freundlichen holdseligen wandeln mit den armen Sündern auff Erden, von seiner Passion, Aufferstehung etc. Und wirdt doch hiemit den Layen im allergeringsten nichts benommen an der Bibel, ja vielmehr werden sie durch die gemäld angeführet, die in der heiligen Bibel auffgezeichnete Historien zu lernen, und mit allen umbstenden ihnen [i.S.v. sich] selber einzubilden. Widerlegung des Siebenden Calvinischen Schlusspruchs. Derselbige wirdt fürgebracht mit nachfolgenden worten: Was wider die Wahrheit ist, daraus kan man die Wahrheit nicht lernen. Das Bilde des Himmlischen Vaters unter eines alten Mans gestalt, mit einem grauen Häupt und Bart, ist wider die Wahrheit Rom.1. Jes. 40. So kan man Christum am Creutz, und seine Apostel, weil niemand jetzt in der Welt lebt, der sie gesehen, auch nicht recht malen. Wird also, beides wider die erste und andere Taffel der Zehen Gebot Gottes, die Unwahrheit bestetigt, und falsch Zeugnis, zugleich wider den Schöpffer und sein geschöpff gegeben. Darumb kan man aus solchen Gemälde oder Bildern die Wahrheit nicht lernen, Psal. 115. 135. [52v]

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Antwort. DIe erste Proposition ihres Schlusspruchs ist wahr. Die andere (Minor propositio) ist zumahl baufellig, in etlichen Stücken, darauff wir unterschiedlich wollen antworten. BElangend das Bilde des Himmlischen Vaters sagen wir erstlich, daß wir nicht ohne unterscheid allerley Bilde Gottes des Vaters, oder der heilgen Treifaltigkeit billichen und recht heissen. Und mögen uns die Anhaltischen wol zutrauen, daß wir selber nicht gern etwas für gut wolten passiren lassen, welches der Göttlichen Maiestet zuwider were. WIr können aber allhie zu berichten nicht umbgang haben35, daß, wenn es schlecht allerdings unrecht sein solte, Gott den Vater zu malen, und zwar eben umb der ursach willen, welche von Concipisten angezogen wird, nemlich, dieweil sein Bild unter eines alten Manns gestalt mit einem grauen Haupt wider die Wahrheit, So würde hiemit der heilige Prophet Daniel gemeistert, der Gott den Vater, für welchen einer, (nemlich Gott der Sohn) in des Himmels Wolcken gebracht wird (gleich eines Menschen Sohn) eben in solchem Bild beschreibet, mit diesen ausdrücklichen Worten (Dan. 7.): „Solches sahe ich, bis das Stühle gesetzet wurden, und der Alte setzt sich, des Kleid war schneeweis, und das haar auff seinem Häupt, wie reine Wolle,“ etc. HAt also Gott der HErr selbs in einem solchen Bild und Gestalt eines alten Manns, in grauen Häupt sich offenbaren wollen, nicht der meinung, als ob er seinem eigen Göttlichen ewigen Wesen ein solcher alter grauer Mann sey, uns Menschen gleich, sondern hiermit als in einem Bild sein ewige Maiestet gleichsam fürzumalen, und [53r] anzuzeigen, daß vor ihm kein anderer, sondern er der erste und der letzte, und ausser aller zeit von ewigkeit her gewesen sey. ALso und in gleicher Gestalt erscheinet er dem Propheten Esaiӕ, auff einem sehr hohen und erhabenen Stuel, und sein Saum füllete den Tempel Esa. 6. Wie dann ebenmessiger weise hin und wider in der Schrifft, von Gottes Augen, Ohren, Händen, Füssen, etc. gelesen wird. Darmit aber wird er nicht, wie er in dem unsichtbarn geistlichen wesen seiner ewigen Gottheit an ihm selber ist, beschrieben, sondern es wird angedeut die wirckung seiner Weisheit, krafft und vermögen in seinen Wercken, die er thut, daß er nemlich alles sihet, alles höret, alles weiß, alles vermag, und alles thut und schaffet, was er wil in Himmel und auff Erden. Wie solche art zu reden in heiliger Schrifft, und sonderlich in Mose, Psalmen und Propheten sehr gemein ist. Eben diese und kein andere meinung hat es auch mit dem daher genommenen36 Gemäld und Bild des Vaters.

35 I.S.v. ‚wir können nicht umgehen‘. 36 In Vorlage „genommenem“.

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Dasselbige hat zwar mit dem ewigen, unendlichen, unbegreifflichen Wesen Gottes keine proportion oder vergleichung allermassen wie auch das Bild und Gestalt, darin sich Gott dem Propheten Esaia und Daniel offenbaret, dem unbegreifflichen wesen Gottes nicht ehnlich, noch ebenmessig ist. Und hat doch in angeregter deutung und erklärung seine veritatem, wie nemlich die Schrifft die Augen, Ohren, Mund, Nasen Hände etc. Gottes ausgeleget und erkläret. Was aber anlanget den Spruch Esa. 40. „Wem wolt ihr Gott nachbilden? oder, was für ein gleichnis wöllet ihr ihm zurichten?“ Item Rö. 1. „sie haben verwandelt die herrligkeit des unvergenglichen Gottes in ein Bild, gleich den vergenglichen Menschen“ etc. Sind diese zween Sprüch der angedeuten apparition und Erscheinung Gottes (wie er sich menschlicher weise den Propheten erzeiget) nicht zuwider. Es prediget aber daselbs der heilige Geist von Heiden, welche [53v] gantz und gar in dem verkehrten37 irrthumb und blindheit stecketen, als sey Gott in seinem selbst eigenen Göttlichen wesen einem Menschen gleich, habe auch solche Augen, Ohren, etc. wie sie dann von ihrem Jove tichten, welcher gestalt er mit den Weibspersonen im Menschlichen geschlecht zu thun habe, und Kinder aus ihnen zeuge. Und in diesem heidnischen wahn richteten sie ihren vermeindten Göttern Bildnisse auff, dieselbe anzubeten und göttlich zu verehren. DArwider setzet sich der Prophet Esaias und sagt: „Wem wolt ihr Gott nachbilden? Oder was für ein gleichnis wolt ihr ihm zurichten?“ Als wolte er sprechen, Meinet ihr, Gott sey in seinem wesen wie ein Mensch oder ander leiblich geschöpff, das mit den leiblichen Bildern eine vergleichung habe? Das ist gröblich und verdamlich gefehlet. Sintemahl sein Natur und Wesen (weil es unendlich, ewig, göttlich und geistliich ist) sich mit keinem sichtlichen begriefflichen Bild oder leiblicher umbschriebener gleichnis erreichen lest, Sondern Gott ist und bleibt in seinem Wesen schlecht unbegreifflich, dem nichts in oder ausser allen Himmeln ebenmessig noch zu vergleichen. Ist demnach verdampte blindheit, daß die Heiden tichten, sein Göttlich wesen sey eines sterblichen Menschen oder anderer Creatur Bild gleich. Noch viel mehr aber ist es schendliche Abgötterey, daß sie vor solchen Bildern und Götzen niderfallen, sie anbeten, und ihres Hertzen zuversicht darauff richten und wenden. Mit S.  Pauli zeugnis hat es durch und durch eben diese meinung. Es kan auch mehr und weiter, weder aus des Propheten Esaie, noch aus S. Pauli Worten geschlossen werden, Man wolle dann Unchristlich fürgeben, daß Esaias dem Propheten Daniel, ja ihme [i.S.v. sich] selbst in seinem sechsten Capitel, offenbarlich zuwider sey. AUs dieser Erklärung kan der günstige Leser abnehmen, was uff ihr Comment zu halten: do sie Pag. 52. schreiben: Albere [alberne] [54r] Kinder und das einfeltige

37 In Vorlage „verkherten“.

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Gesind sehen den gemalten grauen Mann an, mit der dreyfachen Cron, im Habit der Antichristlichen Bestien. Weil man sie denn uberredet hat, es bedeute Gott den Vater, so kompt ihnen, so offt sie ans Vaterunser erinnert werden, ein solch Bild für, welches sie in ihren gedancken anbeten. Derwegen auch ihr gebet, dieweil sie des rechten Gottes fehlen, hierdurch mehrertheils, ihnen und uns zum schaden, unerhört bleibet. ANtwort. Es werffen die Anhaltischen in ihrem scripto etlich mal mit dem Habit der Antichristlichen Bestien umb sich, wie in gleichem hie, mit der dreifachen38 Kronen. Und zwar wenn man Gottes Bildnis eben umb des Bapstes willen also malete, würde billich dasselbig auch aus andern ursachen, als die Anhaltiischen einführen, verworffen. Es ist aber weder das kleid, noch die Cron von des Bapsts Habit hergenommen. Dann zu geschweigen, daß solcher Bilder, wie sie von Anhaltischen alhier beschrieben werden, wenig zu befinden [i.S.v. finden], so ists auch ferner an dem, daß das Kleid, darinnen man Gott den Vater malet, dem Kleid, dessen Esaias in seiner Beschreibung am sehsten Capitel gedencket, ettlicher massen ehnlich und gemeß. Die dreyfache Cron betreffendt, wann dieselbige des Bapsts dreyfacher Cron nachgemalet were, wüsten wir fürwahr solche Bild nicht zu billichen, wir müstens gut rund verwerffen und verdammen. Wie wir denn selber dafür achten, dieweil man sich in den Bildern Gottes leichtlich wider39 Gottes Gebot versündigen kan, daß je weniger man Gott malet, je besser thue man daran. WIr halten aber dafür, befindens auch augenscheinlich in dem Gemäld uber das 19. Capit. der Offenbarung S. Johannis, daß doselbst das ewige Wort, der Sohn Gottes, mit einer solchen Cron gemalet wirdt, nicht des Bapsts halben, wider welchen der [54v] Sohn Gottes vilmehr doselbst streitend eingeführet wirdt. Sondern allein darumb, dieweil im Text desselben Gesichts austrücklich gesagt wirdt, daß Johannes ihne gesehen hab auff einem weissen Pferdt, seine Augen seien gewest wie feuerflamme, und auff seinem Häupt viel Cronen. Darff man nun, vermög dieser Vision, Gott den Sohn also malen, mit viel Cronen (es seyen ihrer gleich drey oder mehr) so mags bey des Vaters Bild in itztgethaner Erklärung auch passiren [i.S.v. hingehen]. WAs denn ferner ihr vorbringen anlangt, so demselben statt und beyfall gegeben würdt, so möchte man wol auch dem Propheten Daniel, ja Gott dem HErrn selbst schuld zulegen, weil er in solcher Gestalt eines grauen Manns sich selbs offenbahret, und Daniel solches zum ewigen zeugnis uff alle nachkommen auffzeichnet, daß es jung und alt lesen kan. Es bedarff aber dessen nicht. Sintemal die Schrifft solcher offenbarungen halben notwendig Erklärung thut (die, Gott lob, auch in

38 In Vorlage „drifachen“. 39 In Vorlage „wieder“.

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unsern Kirchen nicht mangelt) , wie und in welchem verstand solches alles vermercket werden sol. Daß nemlich Gott kein solch leiblich wesen, wie die Anthropomorphisten40 vorzeiten geticht haben, sondern ein Geist sey, Joan. 4. UNd weil die Anhaltischen gedencken, wie unsern Kindern, so das Bild des Himmelischen Vaters etwa gesehen, hernacher wenn sie beten wollen, unter dem Gebet ein solche Bild vorkomme welches sie anbeten, und ihr Gebet hierdurch krafftlos gemacht werde: Möchten wir gern von ihnen berichtet sein, Wenn sie die obangeregte Wort Danielis (wie nemlich der Alte sich gesetzt habe, dessen Kleid sey schneeweiß, und das Haar auff seinem Häupt wie die reine Wolle gewest) lesen, ob nicht ihnen selbst, aus Verlesung ein solche Bild fürkomme, wie die klare Wort mit sich bringen? Das können sie mit einigem schein nimmermehr leugnen. Dann die Wort, die so ar außtrücklich von dem Alten, des Haar wie die [55r] reine Wolle gewest sey, reden und handeln, sind viel zu deutlich, denn daß in derselben Betrachtung sich auch die Calvinisten der darinnen angedeuten Einbildung [erg. weder] können noch mögen erwehren. WAnn es nun solche meinung mit ihnen selber hat, und sie hierumb nit gern wolten in ungnaden bey Gott stehn, was ist dann dis für eine gottlose Heucheley, und mehr als Bäpstische Tyranney, daß diese verdrießliche Geister, umb solcher Einbildung willen, der armen Kinder Gebet so dürstiglich, als untüchtig und krafftlos verdammen? Solte der Christen Gebet nicht eher erhöret werden, bis sie zuvor aller Einbildung, wenn sie mit Gott reden, los wären41, so würden sie wol nimmermehr erhöret. ES mögen auch die Anhaltischen Concipisten uns antworten, wann Gott dem Abraham in menschlicher Gestalt erschienen Genes. 18., wann er sich offenbaret dem Patriarchen Jacob, wie er oben auff der leiter steht Genes. 28., wann er sich dem Josua in eines Kriegsfürsten Gestalt und Bild darstellet Jos. 5., wann er seinem Knecht Esaiae sich erzeigt in Mannsgestalt Es. 6., desgleichen seinem diener Daniel in Bild eines alten grauen Manns, Dan. 7. Und diesen H. Männern Gottes ist domals, oder aber hernach in ihrem Gebet solch Bild vorkommen, wie es gewislich nicht aussen geblieben ist, sonderlich wenn sie sich under dem gebet solcher tröstlichen Offenbarungen Gottes erinnert haben, da (sagen wir) mögen die Concipisten antworten, ob derwegen ihr Gebet sey unkrefftig gewest? Sprechen sie, Ja, so mag ein jeder Christ urtheilen, was auff solche Antwort zu halten sey. Sagen sie dann, Nein, es sey deßwegen ihr Gebet nicht unkrefftig worden: was haben dann unsere kleine Kinder verschuldet, daß ihr Gebet sol von Gott verstossen sein, wenn ihnen in ihrer kindlichen Einfalt schon ein solch Bild vorkommet, in welchem Gott sich offenba-

40 Leute, die sich Gott menschenförmig vorstellen. 41 In Vorlage „wehren“.

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ret und auf menschliche weise per anthropopathiam42 beschreibet, auch des-[55v] selben die hohe Patriarchen und Propheten Gottes in ihrem Gebet nicht allerdings kondten los sein? WAs wird doch das (hilff, ewiger Gott) für ein hellische plag und Marter der geengstigten angefochtenen Gewissen verursachen,, sonderlich in todesnöthen, wenn sie gern in ihrem Hertzen zu Gott ihrem Vater seufftzen wolten, und sich jedoch besorgen müssen, wenn ein Bild in ihrem Hertzen sich entwürffe, so were es mit ihrem Gebet und ihnen selbst geschehen ewiglich? HEisst das nicht unaussprechliche Tyranney gestifftet, Seelenmord angericht, und mit hellischem Netz und stricken unter das Calvinische Joch solcher verderblichen Menschensatzungen gefangen genommen die arme Gewissen, und betrübte Seelen der Menschen, welche der gute getreue Hirt Jesus Christus mit seinem blut erkaufft, und von solchen mördlichen stricken durchs Evangelium befreiet hat? WElches alles nicht zu dem ende gesaget wird, als sol man die Kinder, oder auch die einfeltigen gemeine Layen, in solchen einfallenden Gedancken und Bildern dergestalt stercken, daß sie halten und gleuben solten, Gott were in seinem eigen wesen, ein solch umbschriebener und mit leilicher Gestalt und Bildern begreifflicher Gott, auch nicht, daß wir ohne unterscheid alle Bilder, darmit man Gott malet, recht und gut hiessen, (Dann wir allein die verteidigen, in welchen Gottes Offenarungen, deren die Schrifft gedencket, Historischer Weise fürgemalet werden) Sondern dahin ists gemeint, daß man von wegen einfallender Bilder niemand freventlich richten oder verdammen sol, wenn er nur solche Einbildung und Gedancken regulirt nach der Richtschnur des glaubens und der Schrifft Erklärung, nach welcher auch die obangeregten Offenbarungen Gottes und die gewönliche Anthropopathia der Schrifft sich regulirn und richten mus. SOnst nach des Gegentheils verkehrtem urtheil müste einer [56r] nicht allein im Gebet, sondern auch sonsten uber allen solchen Gedancken erschrecken, als für Todsünd, wann er an Gott gedecht, und ihm etwa ein leiblich Bild einfiel. Köndte doch einer nimmer frölich von Gott gedencken, zu geschweigen von ihm reden, predigen, etc. Zum Exempel, wann die Schrifft den heiligen Geist nennet den Geist des Mundes Gottes Psal. 33. von wegen seines ewigen Ausgangs, wie ists wol müglich, daß einem nicht ein leiblich Bild fürkomme, weil er höret vom43 Mund, welches sonst einen leiblichen Mund heisst, ob er wol weis, daß es von dem geistlichen Mund ewiger Gottheit zu verstehen sey?

42 In Vorlage „anthropopathian“. Anthropopathie heißt, einer Gottheit menschliche Emotionen zuschreiben. 43 In Vorlage „von“.

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ALso wenn die Schrifft mit so herrlichen Worten redet von der Ausführung und erlösung der Kinder Israel aus Egypten, und saget, wie Gott die Israeliten habe mit einem hohen ausgereckten Arm aus dem Diensthaus und Feuerofen Egypti geführet, dargegen ihre feind im roten Meer erseufft, ist nicht wol müglich, ihme [i.S.v. sich] nicht ein solchen hohen, erhabenen, gewaltigen ausgestreckten Arm Gottes einzubilden. Welch Bild allerdings unstrefflich ist (weil die Schrifft selber also redet) wenn nur nach der Schrifft auslegung solcher Arm nicht von einem leiblichen umbschrieenen Arm, sondern von der Allmechtigen Krafft Gottes verstanden wird, die an sich selbst weder mit maß, noch ziel, noch einigem Bild umbschrieben werden kan. OB nun wol die Kinder neben ihren Gedancken von Gott (die ohne Einbildung nicht seind, wenn sie gleich all ihr lebtag kein gemaltes Bild gesehen) noch zur zeit die Erklärung derselben, wegen ihres kindlichen unverstands, in sinn nicht also fassen können, wie die Alten, so ist doch die vielgedachte Einbildung Gottes unter eines alten Manns Gestalt, ihnen für Gott unschädlich, und an erhörung ihres kindlichen Gebets im aller geringsten nicht hinderlich. Sintemal der Allmechtige Vater (der ohne das auch mit uns Alten in seinem Wort auff menschliche weise redet) vielmehr den lie-[56v]ben jungen Kindern in Väterlichen gnaden zu gut helt, daß sie noch zur zeit die hohen Disputationen, von unterscheid zwischen einem geistlichen und leiblichen Wesenv nicht verstehn, wie nemlich Gott ein Geist, der weder menschliche Augen noch Ohren hab, etc. Man sage ihnen auch darvon, was man wölle, so bleibt doch der einfall der Bilder nicht dahinden, fangen wol an nachzusinnen, . wenn man ihnen von Geist und geistlichem Wesen saget, was dann wol ein Geist für ein ding sey, wie er [aus-]sehe etc. und kommen ihnen doch abermal auch hiervon leibliche Bilder für. HAt doch Gott den lieben Aposteln zu gut gehalten, daß sie, bis auff die zeit der Aufferstehung Christi, ihnen [i.S.v. sich] einen solchen Christum haben eingebildet, der weder leiden, noch am Creutz sterben, sondern ein weltlich Reich auff Erden anfangen solte Matth. 16. Luc. 18. ungeachtet, daß solche Einbildung den Schrifften der heiligen Propheten gantz ungemeß und stracks zuwider ward. WOllen nun die Anhaltischen uber all diesen gegebenen bericht noch kurtzumb auff ihrem kopff stehn, und mit dem tyrannischen Condemniren [Verdammen] des Gebets unserer Kinder nicht geirret haben, wolan so sind sie vermög dieser ihrer Lehr schuldig ihre Kinder bey vermeidung des Calvinischen Banns, und verlust aller krafft ihres Gebets, zu solcher vollkommenheit zu dringen und zu bringen, daß, wenn sie beten wollen, sie ja sich hüten, damit nicht unter dem Gebet ihnen einig Bild in ihre Gedancken komme, und sie ja durchaus von Gott keine Einbildung in ihrem Hertzen auffsteigen lassen, sonst beten sie dasselbige Bild an, und sey ihr Gebet vergebens, und bleibe unerhört. Wann köndte solcher gestalt ein Vater oder Mutter gewis sein, ob seines Kinds Gebet dem lieben Gott angene[h]m, und erhöret

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were? Und ob ihm kein Bild unterm Gebet fürkommen sey, welches das Gebet des Kinds unkräfftig gemacht hette? TRachten die Concipisten nach ausflucht, mit vorwendung, es were ein anders, wenn einem Christen, der an Gott gedenckt, Bildnisse für [57r] sich selbs einfallen, oder auch aus Betrachtung solcher Biblischen Offenbarungen und Erscheinungen: ein anders aber, wenn durch Gemäld solche Bilder im Hertzen verursachet werden: So ists aber hinwiderumb an dem, daß unser Bilder und Gemäld aus der Schrifft, und sonderlich aus Danielis Offenbarung gezogen sind, für uns. Darnach ist die Frag nicht vom ursprung solcher Einbildung im Hertzen der Kinder, sondern dieweil keine einige Bilder unserer Hertzen mit dem ewigen Wesen Gottes eintreffen (denn alle solche Bilder, auch welche den Propheten gezeigt worden, sind mit qualitet, Form und Gestalt, auch quantitet und grösse, umbschrieben, welches alles sich auff Gottes Wesen nicht schicket) So ist demnach die Frag, ob dann ein Mensch eben das einfallende Bild seines Hertzen[s] anbete und darneben des rehten Gottes fehle, und sein Gebet unerhört bleibe, wie die Anhaltischen von unsern Kindern urtheilen? Do sagen wir lauter Nein zu, aus denen unbeweglichen gründen und ursachen, welche biß doher aus heiliger Schrifft beygebracht und nach der lenge erkleret sind. KÜrtzlich, es spannen dies die Anhaltischen so hoch als sie wollen, so werden sie es doch in dieser Welt darbey müssen [be]wenden lassen, daß unser wissen und erkendtnis stückwerck ist. Wenn aber kommen wird das Vollkommene44, so wird das stückwerck auffhören. „Wir sehen jetzt (spricht der Apostel) durch einen Spiegel in einem dunckeln Wort, denn aber von angesicht zu angesicht. Jetzt erkennen wir es stückweis, denn aber werden wirs erkennen, gleich wie wir erkennet sindt.“ 1. Cor. 13. und alßdenn (in jenem ewigen, und nicht hie in diesem zeitlichen Leben) werden wir ihn sehen, wie er ist. 1. Joan. 2. WEislicher theten die Anhaltischen, sie setzten ihren Kindern keinen anstoß mit solchen imaginationibus und Einbildungen Gottes, die seiner ewigen Maiestet, Wesen und Willen stracks entgegen und zuwider sind. Als daß etliche vornehme Redlinsführer ihrer Sect die Rechte Gottes, zu wel-[57v]cher Christus am tag seiner Himmelfarth gesetzt worden, für ein[en] erschaffenen Ort der Seligkeit ausgeben, und also die Herrligkeit der unbegreifflichen Rechten Gottes (welche in aller Schrifft heist die ewig Erschafferin selbst, nemblich Gottes unendliche Allmacht) verwandeln in ein Bild eines räumlichen und in der zeit erschaffenen umbschriebenen hohen ortes, wie *Zwingel, *Bullingern, **Petrus Martyr und andere streiten, welchen ihren traum und falsche gotteslesterliche Einbilden sie für Glaubens-Artickel und ewige Wahrheit verkauffen dörffen.

44 In Vorlage „das volkommen“.

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SO wol auch ihr geticht und traum von Gott, welchen sie ihrer Jugendt so unmechtig einbilden, als könne er mit all seiner macht nicht verschaffen, daß ein wahrer menschlicher Leib, ja auch Christi Leib, ohne desselben verstörung, zugleich an vielen oder allen orten sey, wie etlice under ihnen sich des mit deutlichen Worten abscheulich verlauten lassen. Als **Petrus Martyr in Dialogo. *Bullingerus, in der Antwort wider die Rettung des Testaments **Brentii. *Beza und sein Anhang im Mompelenscgartischen colloquio45, in ihrem doselbst ubergebenen scripto etc. gantz ungescheucht und unverschampt solche Allmacht Gottes verneinen, und also die Herrligkeit des Allmechtigen Gottes, bey welchem kein ding unmüglich ist, verwandeln in ein Bild eines solchen vermeinten Gottes, der mit aller seiner macht nit verschaffen könne, daß ein Leib zugleich an zweien orten sey. UNd dann das gräßlich schrecklich Bild, da sie das allerholdseligste VatersAngesicht Gottes, und seine hochberümpte freundligkeit und leutseligkeit uber alle Menschen, abscheulicher weise verwandeln in ein Bild eines grimmigen, unbarmhertzigen, grausamen, blutdurstigen Tyrannen und Stockmeisters, der etliche Menschen von Ewigkeit aus keiner andern ursach, dann allein aus seinem blossen ledigen Rhat und willen zum hellischen Feuer, durch ein unwandelbar ewig decret und unverrücklichen Rhatschlus, verordnet, auch in der zeit sie darzu erschaffen habe, deren er sich niemals von Ewigkeit her erbarmet, noch in Ewigkeit erbarmen [58r] wolle, auch ihnen seinen Sohn nicht gesandt, denselben für sie nicht lassen sterben, noch für ihre Sünde genug thun, und ob er gleich ihnen durchs Evangelium seine gnad anbieten lasse, so sey es doch sein ernst nicht, ihnen gnad zu erzeigen, oder Glauben und Seligkeit in ihnen zu wircken, sintemahl er das gegenspiel vor der Welt Zeit beschlossen habe, Sondern er lasse allein zu dem ende ihnen das Wort des Evangeliums verkündigen, auff daß ihr verdamnüs dardurch geheuffet und gemehret werde. IN dis feindselig Bild und ungeheure Larven verwandeln sie die hohe Göttliche Maiestet des freundtlichen, getreuen, gnedigen und barmhertzigen Gottes, wie solches in unsern offenen Schrifften mit der Calvinisten selbs eigen, ungestümmelten und getreulichen angezogenen Worten hievor gezeiget, und, wofern es die Anhaltischen widersprechen wolten, nochmals von Wort zu Wort augenscheinlich fürzeigen können. Ob die Anhaltischen disfals mit den andern Calvinisten halten, das lest man zu ihrer Erklärung gestellet sein. Sie nennen ja dieselbige Calvinische Kirchen die rechte Christliche Kirch. Pag. 115. mit denen sie sich vergleichen wollen. HIe were es zeit, solche ungeheure Bilder und TeuffelsLarven, so die Calvinisten der armen Jugend in ihren vergifften Büchern einbilden, aus dem Hertzen zu reumen. Dann diese Bilder sindts, dardurch der Jugend ein solcher Gott ins Hertz

45 Colloquium von Montbeliard (auch ‚Mömpelgard‘), 1586, zwischen Lutheranern und Calvinisten.

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hinein gebildet wird, der nie gewest, und in ewigkeit nimmermehr sein wirdt. Solchergestalt beten sie (die Calvinisten) nicht den wahren Gott an, sondern ihres Hertzen[s] geticht und selbs geschöpffte träum und Götzenbilder, die sie noch für recht und für Artickel des glaubens verfechten thun, zu ihrer selbst und aller deren, so ihnen folgen, ungezweiffeltem ewigen schaden und verdamniß. NOch eins müssen wir den Concipisten alhier zu gemüt führen. Wenn sie ja darauff beruhen, daß man allerdings kein Bild Gottes malen mag, es geschehe welcher meinung, oder auch zu welchem [58v] ende es immer sein mag, also gar, daß auch formas revelationum46, in welchen sich der Vater Daniel. 7., der Sohn im angenommenen Fleisch, der heilige Geist in Gestalt der Tauben offenbaret, nun Historischer Weise zu malen, verbotten sein sol, So möchten wir gern hören, wie sie dann ihre Gemäld, darmit sie die Gottheit abbilden, verantworten wolten. Sintemal bekandtlich und unwidersprechlich war, daß an etlichen Calvinischen örtern die Bibeln mit solchen Figurn getruckt sind, darin nicht allein der grosse Nam Gottes „Jehova“ mit Hebraischen Buchstaben, sondern um denselben her ein Schein, gleich der Sonnen Schein oder Himmels Glantz, gemalet ist. Nachdem aber das Gebot Exodi. 20. Deuteronom. 4. und 5. darauff sie hoch dringen, nicht allein verbeut, daß man Gott kein Bild machen soll, das gleich sey irgend einem Mann (verstehe, darmit sein Göttlich unbegreifflich Wesen abzubilden), sondern auch, daß man ihme kein Bild noch gleichnis machen sol, des, das oben im Himmel ist (darunter freilich auch die Sonne, sampt ihrem Schein, so wol des Himmels Glantz zu rechnen), So sihet man, wie sie mit ihrem eigen schwerdt eschlagen werden, entweder zu bekennen, daß die Calvinisten selbs wider dis Gebot in ihren eigen Biblien sich vergreiffen, oder mit uns zu halten, daß die Bilder Gottes, wenn man nicht das Wesen Gottes selbs, sondern allein die modos revelationum darmit meinet, historicè zu malen erlaubt sey. Sonst köndte man ihnen thun, wie sie uns thun, und gleicher Gestalt fürwerffen, daß ihre Kinder, Knaben, Jugend, etc. wenn sie solche Bild anschauen und aus ihren Biblischen Figuren beredt sind, das bedeute Gott, So kommen ihnen (so offt sie Gott anruffen wollen oder anzuruffen erinnert werden) ein solche Bild für, welches sie in ihren gedancken anbeten, Derwegen auch ihr Gebet, dieweil sie des rechten Gottes fehlen, hierdurch mehrerteils unerhört bleibe. WOllen sie excipiren und vorwenden, man pflege in ihren Biblien Gott den Herrn also fürzuilden, darmit zu lehren, daß vermög [59r] der Schrifft, Gott ein Liecht ist, und in einem verborgen Liecht wonet, So ist hiemit der Erklärung des Gebots Gottes (wie sie dieselbe geben) noch kein gnüge gethan, und bleiben sie noch in gleicher schuld mit uns, so es anders mit denen beiderseits erwehnten Bildern schuld und Sünde sein sol, wie die Anhaltischen von den unsern fürgeben. Auch

46 ‚Formen der Enthüllung oder Offenbarung‘.

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würden sie mit solcher Antwort unsere meinung stercken, die ihrige aber, was die Hauptsachen belanget, umbkehren. Dann gleicher Gestalt können auch wir Erklärung unser Bilder aus der Schrifft auffbringen, daß nemlich Gott selber in denen Formen, die unsere Figuren haben, sich offenbart habe, welche eben so wol ihre gute erinnerung und schrifftmessige Erklärung haben, als sie bey dem Sonnenglantz ihr bedeutung geben, Inmassen droben gesagt ist, in auslegung des Gesichts Danielis, und deren Spruch, darinnen Gott sich in menschlicher Gestalt per anthropopathian beschreibet. Und so viel von dem ersten Puncten Minoris Propositionis des Siebenden Anhaltischen Schlusspruchs. Ferner gedencken sie auch des Bildnis Christi am Creutz. Aber droben ist hiervon ausführlich gehandelt, darbey wir es auch [be-]wenden und bleiben lassen. ES kompt uns aber wercklich und wunderlich vor, was sie, beides von Christo und seinen Aposteln, gleich als in einem neuen auffzug auff die bahn bringen, nemlich weil niemand jetzt in der Welt lebet, der sie (Christum und die Apostel) gesehen, auch nicht recht malen kan, so werde beides wider die erste und andere Tafel der zehen Gebot Gottes, die unwahrheit bestetiget und falsch zeugnis zugleich wider den Schöpffer und sein geschöpff gegeben. Bis hieher der Concipisten Wort. Von der ersten Tafel, daß das Bild Christi und seiner Apostel (ausserhalb abgöttischer Anbetung) derselbigen nicht zuwider, ist der Leser im vorgehenden nach aller genüge berichtet. [59v] Die ander Tafel betreffend, mustu, freundlicher lieber Leser, allhier von diesen leuten etwas , neues lernen, Nemlich, wenn ein Bild, darinn man jemand abcontrafeiet, nicht getroffen wird, so sol es ein falsch zeugnis wider die ander Tafel der Zehen Gebot sein. Dann deshalben sollen die Bilder Christi und der Apostel falsche zeugnissen sein, dieweil jetzt niemand in der Welt lebet, der sie gesehen und recht malen könne. SOl nun ihr argument gelten, so mus desselben erster Spruch oder Maior propositio universal und durchaus wahr sein, und also lauten, Alle die Bilder, in welchen nicht getroffen sind die jenigen, so darin abcontrafeiet worden, die sind falsche zeugnis wider die ander Tafel der heiligen Zehen Gebot. Christi und der Apostel Bilder sind solche Bilder, darin sie nicht recht gemalt, noch getroffen sind. Darumb sind sie falsche zeugnissen. Sonsten wann die Maior propositio nicht universalis und durchaus giltig, sondern particularis were, so würde kein nothwendige Folg oder Schlus daher zu machen sein, und also das Anhaltische argument auff einem triebsant [Treibsand] erbauet stehen. Sol man sie dann für universal annemen, so wird daher ein wunderlich Wesen folgen. DAnn offenbar ists, daß die falsche zeugnisse nit allein in theologischen, sondern auch politischen weltlichen Sachen verbotten sind. Sollen nun alle Bilder,

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die ihren prototypis nicht ehnlich, falsche zeugnissen sein, wie der Anhaltischen lehr mit sich bringt, so mus folgen, weil die Malerjungen, so erst die Kunst anfangen zu lernen, mit ihren Bildern, wie dieselbe immer namen haben mögen, nicht zutreffen (wie sie dann freilich nicht zutreffen, dann sie lernens erst) daß sie demnach anders nichts, als lauter falsche zeugnissen malen, und Sünde begehen wider Gottes Gesetz und Gebot. Eben solcher Sünd und darauff gelegten straff werden sich theilhafftig machen die Goldschmid, die Kannengiesser, die Bildhauer, die Müntzer, die Buchdrucker mit ihren Stöcken, die Teppichmacher, die [60r] Töpffer mit ihren gebildeten [i.S.v. bebilderten] Ofenkacheln, die Brieffmaler und andere Künstler und Handwercker mehr, welche mit ihren Bildnissen nicht zutreffen, die müssen in der Anhaltischen Calvinisten Bann sein, als welche wider die ander Tafel der Zehen Geboten haben falsche zeugnissen begangen. Solten also wol diese Reformatores das Joch ihrer Calvinischen dienstbarkeit auch auff die Zunfften und Handwercker legen, damit ja alles reformirt und nichts im vorigen stand gelassen werde. EIn Kind umb zehen jahr kan aus diesem kurtzen bericht abnehmen, was für jämmerliche arbeit der Anhltischen Reformatorn ausgesprengte Schrifft, und welch ein nichtig Fabelwerck es sei, daß falsche zeugnissen wider Gottes gesetz begangen werden sollen, wenn die Bder mit ihren archetypis nicht durchaus ubereinkommen. Solcher gestalt würden alle Offenbarungen Gottes, in welchen er sich in menschlicher Gestalt erzeiget (so er doch Gott ist, und nit Mensch, Ose. 11.) müssen falsche zeugnissen sein. Dann dieselbige formӕ revelationum, das ist, Bilder der Göttlichen Offenbarungen, erreichen und treffen Gottes Wesen nicht. UBer das, ist ihm nicht also, daß der Mensch zu Gottes Ebenbild erschaffen ist? Wie Gen. 1. gelesen wird. Und bleibt doch ein unmesslicher underscheit und ewige unendtliche ungleicheit zwischen Gott und dem Menschen? Darumb ist es ein lauter geticht, daß zwischen den archetypis und ihren Bildnissen ein solche gleichförmigkeit sein müsse, daß wenn die archetypa nit eigentlich getroffen, hiemit wider die ander Tafel gesündiget und falsche zeugnissen gegeben werden. Es ist all gnug zum historischen Gebrauch, wenn man solche Bildnissen kennet und weis[s], was darmit angezeigt sein sol. Wann mans sonst so genau suchen und falsche zeugnis machen wil, wenn ein Bild eusserlich nicht recht getroffen wird, und aber wider das Achte Gebot (du solt nicht falsche zeugnis geben) so wol als wider die andere, nicht nur eusserlich gesündiget wirdt, sond-[60v]ern auch mit Gedancken innerlich, so müste folgen, so offt wir gedencken an Adam und Eva, an Enoch, Noah, Sem, Abraham Isaac und Jacob, Mosen und Aaron, Eliam und Elisӕum, und andere Propheten Gottes, und (wie es nicht aussen bleibet) uns ein Bild derselben fürkompt, daß mit allen denselben Bildern falsche zeugnis werden gegeben, Ursach, dann weil jjetund niemand in der Welt lebet, der sie gesehen, so kan auch niemand dieselbe ihm [i.S.v. sich] recht einbilden, wie sie gestaltet gewesen sind. Wäre demnach eben so

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gut, zu verhütung so viler falscher zeugnissen, nimmermehr weder an Adam oder Araham, weder an Mosen oder die Propheten zu gedencken. Mit solchen ungeschickten dingen kommen unsere Anhaltischen in ihrer zur Deformation verfertigter Schrifft auffgezogen, und das sind die herrliche fundamenta, darauff sie ihr intent und vorhaben bauen, darüber sie auch gantze Kirchen, die mit ihnen hierin nicht üereinstimmen, als antichristlich verdammen, und Fürsten und Herrn zu gefehrlicher Enderung verleiten und auff ein Eiß führen. Daß sie aber ihrem Schlusspruch anhangen die zahl des 115. und 135. Psalm, welche von den stummen, tauben, blinden, lahmen und todten Götzen reden, Begehen sie hiermit eine . schülerische [i.S.v. schülerhafte] fallaciam secundum plures interrogationes, in dem sie unterschiedliche fragen unter einander mengen. Sintemal ein andere frag ist von unsern Bildern, die man nicht anbetet, Ein andere aber von denen zur Anbetung dargestellten, und abgöttischer weise verehrten Götzen. Diese verdammen wir so wol, als die Anhaltischen immermehr thun können. Die andere, welche nicht angebetet werden, auch hierzu weder gemacht noch dargestellet seind, hat Gott mit grosser anzahl in seinem eigen Tempel passiren lassen, und klar zu verstehen gegeben, daß die Bilder nicht darumb Götzen seien, dieweil sie Bilder sind, sondern alsdann werden sie zu götzen, wenn sie angebetet werden, Und zwar nur den jenigen, die sie an-[61r]beten, und nicht den andern, die sie nicht anbeten, wie aus S. Paulo droben gehört, ohne noth anhero solches alles zu erholen. WIr verfluchen aber hierneben mit rechtem47 Ernst und von Hertzens48 Grund nicht allein der Heiden Abgötterey, sondern auch den verdampten Götzendienst unserer Widersacher, der Papisten, welche nicht allein mit anruffung der heiligen Engel und Menschen, sondern auch mit abgöttischer anbetung und verehrung der stummen, inden, lahmen, untüchtigen und leblosen Götzen von dem einigen wahren lebendigen Gott abfallen. Auch straffen wir ausdrücklich, als sündlich und abergleubig, die eusserliche geberde, wenn man die Bilder mit niederfallen oder verneigen, oder Hut abziehen vor denselbigen, verehret, man wende da für, was man wölle, als ob solches denen dardurch abgebildeten49 prototypis zu ehren geschehe, welchen prӕtext und vergebliche Scheinrede vorzeiten die Heiden, heutiges tages aber die Papisten gebrauchen, darmit aber wir unsers theils weder theil noch gemein haben wollen. WIe dann, daß wir es im geringsten, weder mit der groben noch subtilen Abgötterey der Papisten nicht halten, sondern dieselbige nach unserm vermögen straffen, widerlegen, verwerffen und verdammen, disfals unsere öffentliche Lehr,

47 In Vorlage „rechten“. 48 In Vorlage „hertzen“. 49 In Vorlage „angebildeten“.

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Bekentnis, Predigten, Lectiones, auch in druck publicirte Schrifften uns vor Gott und aller Welt zeugnis geben. [Es folgen Widerlegungen weiterer Schlußsprüche der Anhaltischen Autoren, die aber nicht die Bilderfrage thematisieren.]

Editorische Hinweise Bearbeitungsvorlage Notwendige Antwort  / || Auff die im Fürstenthumb Anhalt || Ohn langsten ausgesprengte hefftige || Schrifft / || DArinnen nicht allein || die jetzige vnnötige Newerung / mit Ab-|| werffung der Bilder / Altäre / auch anderer Ceremoni- || en, vergeblich beschönet / sondern auch die in unsern Kirchen gebreuch- || liche Ceremonien / von den Anhaltischen (Gottes wort / der Augspurgischen Con- || feßion / Apologia, auch Franckfurtischem Abschiedt o)ffenbarlich zu wider) als An-||tichristisch verdammet / vnd die Lehr von den Sacramenten vnd || Christlicher Freyheit jämmerlichen verkeh||ret wirdt. || Darauff zur gründtlichen ablehnung beygemessener || aufflagen gebürlich in dieser Schrifft geant- || wortet wirdt / || Wider die Concipisten / Verfasser / Meister vnd || Tichter des Buchs  / gerichtet  / vnd || gestellet  / || Durch die Theologische Facultet zu || Wittenberg. || Auffs New corrigirt / Vnd vermehret mit einem zu Ende || angehefften Register. || Gedruckt durch Zacharias Lehman / || Jm Jahr 1597. Exemplar der BSB München, Sign.: Polem. 3130p; VD 16 W 3745 [digit.]

Verglichen mit: ErinnerungsSchrifft etlicher vom Adel || und Stedten / || An den Durchleu.|| chtigen Hochgebornen Fürsten und || Herrn / Herrn Johann Georgen / Fürsten zu || Anhalt / Graffen zu Ascanien  / HErrn zu Zerbst || und Bernburg  / etc. || gnediger verantwortung und erklerung. Sampt darauff erfolgten gnediger verantwort-|| tung und erklerung. || [Sammelwappen der Fürsten zu Anhalt, Holzschnitt] || Gedruckt || Zu Zerbst / bey Bonaventur Schmidt. || M.D.XCVI. Exemplar der SBB, Sign.: Dk 7114. [digit.]

Die Wittenberger arbeiteten, wie ihre Paginierungshinweise bezeugen, mit diesem Druck des Anhaltinischen Textes.

LIT RGG; Kaufmann (2006), Steiger (2014).

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N° 90 Wolfgang Amling Anleytung, wie man das Wittenbergische Buch mit frucht und nutz lesen möge. [1597] Auszüge

Zu Herkunft, Bildungsgang und Berufsstationen Wolfgang Amlings → N° 85. Zur Erwiderung auf die Kritik der Wittenberger (→ N° 89) hat Amling eine Form gewählt, die als keck und dreist empfunden werden musste, bot er doch eine „Anleitung, wie man das Wittenbergische Buch mit Frucht und Nutz lesen möge.“ Er unterstellt darin, dass die Wittenberger die Anhaltinische Schrift schlicht verkannt hätten, was sich insbesondere dadurch erweise, dass sie gegen Behauptungen anschrieben, die die Anhaltiner nie aufgestellt hätten. Um den Funktionszusammenhang der drei Kapitel, die im Folgenden präsentiert werden, kenntlich zu machen, sei die Gliederung der vierzigseitigen Schrift vorausgeschickt: Vorrede (I) – Anleitung (S. 1–6) – Das man die Götzen vnd alle das jenige damit man Abgötterey getrieben hat,solle weg thun. (6–8) – Das man Gott nicht solle abbilden. (8  f.) – Das man die zehen Gebot Gottes solle ungestümmellt lernen. (9  f.) – Das man nicht in fremder Sprach, in der Gemeine soll reden, singen und bete. (11) – Das man beym H. Nachtmahl sol Brot nehmen, und dasselbe brechen. (11–13) – Von alle dem jenigen das im Bapsthumb zu Abgötterey gestifftet, und noch bey jnen darzu gebrauchet wird, Ob man [das] in den Evangelischen Kirchen wol behalten möge. (13–21) – Von den Bildern. (21–26) – Von dem Bildniß Gottes. (26  f.) – Von den zehen Geboten. (27–29) – Vom Brot des H. Abendmals. (29–31) – Vom Brotbrechen. (31–40). http://doi.org.de/10.1515/9783110780031-031

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Von den Bildern.

VOn den Bildern tichten erstlich die Wittenberger den Anhaltischen eine solche meinung auff, welche ihnen niemals in sinn ist kommen: als wenn sie nemlich alle Bilder ohn unterscheid verwürffen. {fol. 6.7.8.9.} Darnach streiten sie wider solche meinung durch viel blätter. {fol. 19.20.21. &c.} Dabey du diese gute lehr solst mercken. Thun die Wittenberger den Anhaltischen und andern reformirten Kirchen unrecht in solchen sachen, die ein jederman kann mit Augen sehen. Denn wer nicht gar stockblind ist, der sihet ja bey ihnen Bilder gnugsam. Wie viel mehr werden sie denn ihnen unrecht thun in denen sachen, die man nit kann mit Augen sehen, ja die auch ein gemei-[22]ner Mann mit seinem verstand nicht leichtlich kann erreichen. Das aber ist unser meinung von den Bildern in gemein, (denn von dem Bildnis Gottes wollen wir darnach besonders reden) das man gar keine Bilder solle machen: oder auffstellen: oder dulden: dafür anzubeten oder ihnen zu dienen. Nu sind die Wittenberger dessen mit uns einig {fol. 18. 64.} Das Gott die Bilder verbeut, dafür anzubeten oder ihnen zu dienen. {Beweis, das die in den Evangelischen Kirchen ubrige Bilder auch sein zur anbetung uffgestellet: und deswegen von Gott verbotten,}

Das aber die im Fürstenthumb Anhalt abgeschaffte Bilder solche Bilder sind gewesen: oder das auch ihre, der Wittenberger und anderer Evangelischen Kirchenbilder solche Bilder sein: dessen sind sie uns nicht geständig. Denn, sprechen sie: Kein Mensch betet bey uns die Bilder an {fol. 93.} Item, In unsern Kirchen ist Gottlob niemand uberal der die Bilder anbete {fol. 81.} Antwort: Das ist ihnen zu beweisen unmüglich. Denn wie können sie ds wissen, ob nit etwan Völklein unter ihnen wonet, das im Bapsthumb ist erzogen, und die Bilder noch anbetet: wo es dieselben findet. {Alle tage kann sichs zutragen, daß sich Papisten zu den Evangelischen verdingen, oder auch wol gar verheiraten: Sonderlich wo man mit ihnen grentzet. Da geschihet denn, was geschrieben stehet. Exod. 34. v.15.16.}

Zum andern: So können sie es nicht verhüten, das nicht etwan durchreisende Papisten ihre Bilder anbeten. Wie wir dessen, das es hin und wider geschiehet, in den Evangelischen Kirchen leyder nur zu viel Exempel haben. Zum dritten, so hat Gott nicht allein befohlen, das man die Bilder nit sol anbeten, sondern auch, das man ihnen nicht sol dienen, wie sie selbst bekennen {fol. 17.18.} und der Text der zehen Gebot mit sich bringet. Nu erzeiget man den Bildern auch in den Evangelischen Kirchen hin und wider noch viel dienst und ehre: mit Gedancken, Worten und Wercken. Denn der unverstendige Pöbel helt sie also hoch und heilig, das sie auch inbrünstig drüber seufftzen, wenn man die Bilder will verbrennen. Und die Gelehrten halten sie so würdig, das sie auch grosse lange Bücher zu

Anleytung, wie man das Wittenbergische Buch mit frucht und nutz lesen möge. N° 90 

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Verantwortung der Bilder schreiben. Da sie an den gemeinen Höltzern, wenn man dieselben wollte verbrennen, gewißlich keine Verantwortung schreiben würden. Und hin und wider sihet man an ihren orten, wie so gar viel Leute die Hüt abziehen, und die Knie beugen für den Bildern, sonderlich für den grossen Crucifixen, so wol in den Kirchen als auff den Strassen. Drumb ihr [23] rhum gantz nichtig, da sie also sagen und schreiben: Der Götzendienst ist in unsern Evangelischen Kirchen dermassen gefallen, das auch nit einer zu zeigen, der solche Bilder anbete oder Abergleubiger weise verehre. Zum vierden, Und wenn gleich jetzund niemand auff der Welt were, der die Bilder in den Evangelischen Kirchen anbetete und verehrete, so können sie doch in folgender zeit, von den Nachkömlingen darinnen angebetet und verehret werden. Die Wittenberger sagen wol: Man hab sich der Abgötterey bey dem seligen liecht, dessen in vollem schwang gehenden Göttlichen worts, nit zu befahren. Aber wir glauben billicher dem Propheten Baruch, der da spricht von den Götzen: Sie geben den Nachkommenen nur ergernis und ursach zur schendlichen Abgötterey. {Baruch 6.v.47. Liess auch Exod. 34. v. 12–16. Item im Buch der Weisheit. Sap. 14.v.12. etc.} So hat auch der Geist Gottes geweissaget, Das die Wunde des Thiers (das ist des Bapstumbs) sol widerumg geheilet werden. {Apoc. 13.3.} Wenn nu das geschicht, wird man denn nicht die Bilder anbeten? Und werden wir denn nicht die jenigen sein, die die Bilder zur anbetung haben auffgestellet: Sintemal wir sie haben stehen lassen, da wir sie wol hetten können weg thun? Zum fünfften, Und wenn gleich das alles nichts were, so ist doch diß unleugbar, daß alle die Bilder, so noch vom Bapsthumb in den Evangelischen Kirch ubrig, vor zeiten von den Papisten sind zum anbeten auffgestellet, und von viel tausent Menschen angebetet worden. Darumb hat sie der befehl des HErrn getroffen. Ihre Götzen soltu zubrechen {Exod. 34. 3.} und mit Fewer verbrennen. {Deut. 7.5.} Zum sechsten, Und wenn auch gleich diese Bilder, die jetzund in den Evangelischen irchen, auff den Altaren und sonst auffgestellet sein, nicht vom Basthumb kemen, auch niemals angebetet worden weren: So werden doch dergleichen hin und wider in dem Bapsthumb angebetet, und ist sonst der brauch gewesen aller abgöttischen Völcker von anbegin der Welt, das sie Gott bey Bildern haben dienen wollen. Drumb ist solcher dienst dem HErrn ein grewel. Und darumb hat er sinem Volck denselben außdrücklich verbotten, und gesprochen: Ir solt dem HErrn [24] ewrem Gott nicht ALSO thun. Item, Ir solt euch keinen Götzen machen, noch Bilde, und solt euch keine Seule auffrichten, noch keinen Malstein setzen in ewrem Lande, das ihr DAFUR anbetet. {Levit. 26.1.}

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Ist demnach alles umbsonst und vergeblich, das1 die Wittenberger also weitleufftig disputiren von dem unterscheid der Bilder und der Götzen. Denn ob schon für sich selbst ein grosser unterscheid ist zwischen den Bildern und den Götzen, so ist doch zwischen denen beym Gottesdienst auffgestelten Bildern und zwischen den Götzem gar kein unterscheid: Sondern eben diese Bilder sind die Götzen die Gott hat verboten. {fol. 11.a. Die Wittenberger sinds gestendig, daß man im Alten Testament haben sollen alles wegthun, damit man Abgötterey getrieben, und demnach auch die Götzen.}

Und sol der Leser mercken, daß gleich wie bey den vorigen Punct die Wittenberger es mit dem Alten Testament verloren gegeben: also geben sie es auch in diesem Punct mit dem Alten Testament verlohren. Und es mus auch folgen. Denn wenn man im Alten Testament hat sollen wegthun alles, damit man Abgötterey getrieben, wie sie rund bekennet, so hat man ja auch die Gotzen müssen wegthun. Das ist eins. Fürs ander, sol der Leser mercken, das gleich wie sie beym vorigen Punct sich auff Paulum felschlich2 haben beruffen, mit dem erdichten erlaubnis der Götzenopffer: Also beruffen sie sich auch in diesem Punct auff den Paulum felschlich: und wollen aus ihm erzwingen, daß man im Newen Testament die Götzen nach abgeschaffter anbetung wol möge in den Kirchen stehen lassen. Ire wort sind diese: Paulus spricht ein Götze sey nichts in der welt, das ist, die Abgötterey stecket eigentlich nicht in der Creatur, die aus ihr [i.S.v. sich] selber gut ist und bleibet, wie ubel sie auch von Menschen gehandelt wirt, sondern die Abgötterey stecket in den Hertzen. {fol. 12.b.}Aus welchem denn ein jeder einfeltiger schliessen kann, das, sonderlich im Newen Testament, so bald der abgöttische Mißbrauch durch fleissigen unterricht Göttliches worts aus den Hertzen der zuhörer gereumet ist, alsdenn3 solche Bilder nicht mehr Götzen sondern für frey Mittelding in Kirchen mit guten gewissen gelassen werden können. {fol. 11.b.} Die Summa ist: Ein Götz ist nichts in der welt, sondern nur im Hertzen. Drumb darff man ihn nicht aus der Welt reumen, sondern nuur aus dem Hertzen. Antwort: Es folget nicht. Denn im Alten Testament war ein Götz auch nichts, Er hatte Ohren und höret nichts, etc. und den-[25]noch hieß ihn Gott wegreumen, nicht allein aus den Hertzen, sondern auch aus der Welt. Wie die Wittenberger droben {pag. 13.}selbst gestanden. Ja Gott sagt: Er gleube es nicht, das die Götzen dem Volck gentzlich aus dem hertzen weren außgereumet, wenn sie nicht aus der Welt, das ist, dem Volck aus den Augen weggereumet weren. Das bringen die wort mit sich: So ihr euch mit gantzem Hertzen zu dem HErrn bekehret, so thut von euch die frembden Götter und Astharoth. {1. Sam. 7. 31.}

1 In Vorlage „Das“. 2 In Vorlage „Felschlich“. 3 In Vorlage „als den“.

Anleytung, wie man das Wittenbergische Buch mit frucht und nutz lesen möge. N° 90 

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Zu dem, so hat Paulus nie also geschlossen, Ein Götze ist nichts, drumb mögt ihr ihn wol bey euch leiden. Sondern gehet aus von ihnen, spricht er. Die Corinthischen wisser schlossen also: Wir wissen das ein Götz nichts ist. Drumb mögen wir wol ins Götzenhaus gehen und von den Götzenopffern essen. Paulus anntwortet ihnen: Es hat aber nicht jedeman das wissen. Darumb fliehet von den Götzendienst. Uber das alles, so schreiben die Wittenberger selbst an einem ort {fol. 7.b.}; So jemand der Heidnischen Götter Bilder in die Kirchen setzen wollte, halten wir, daß es im Christenthumb nit zu leiden, nit zwar als sollte der Götz etwas sein: 1. Cor. 8. sondern weil solches zumal ergerlich, und allem Evangelischen wolstand zuwider, auch da es dem Bilde zu ehren geschehe, gantz abgöttisch were. Mit welchen worten sie klar bekennen: Ob schon ein Götze nichts sey: So folgt drumb nicht, das er nit könnte zur Abgötterey mißbraucht werden. Das wissen sie, und bekennen es, das es nicht folge. Noch wollen sie den gemeinen Man bereden das er folge. Nur daß sie bey dem grösten hauffen recht behalten. {Die Wittenberger beschlissen von den Götzen also: Es sey nicht gut das man viel Götzen in den Kirchen habe. fol. 10.a.}

Und sagen doch in mittels, daß es nicht gut sey, daß man vil Götzen in den Kirchen habe, sondern man solle sie ein theil hinaus thun. Ihre eigene wort sind diese: Belangend die Bilder, welche entweder vorzeiten, von den Papisten geehret oder noch heutiges tages geehret werden, als da sind die Billdnis Christi, Marie und anderer Heiligen, etc. Wo in einer Kirchen die menge solcher Bilder ist, sonderlich die in solido corpore geschnitzet, gegossen oder gehawen sind, rahten wir selbst, daß man ein theil derselben, bevorab die keinen usum historicum haben, oder sonsten FUR [26] ANDERN ERGERLICH seyn, wegthue. Doch nicht in dem falschen wahn, als ob solche remotion und abschaffung schlechter ding nötig, etc. In welchen worten du solst mercken: Erstlich, daß die Wittenberger bekennen: Daß die Bilder in der Kirchen ergerlich sein. Doch EINS FUR DEM ANDERN: sonderlich aber die geschnitzten. Zum andern, und das sie es dennoch nit wollen für nötig gehalten haben, auch die FUR ANDERN ERGERLICHE Bilder abzuschaffen, sondern nennen solchen wahn einen falschen wahn, nur daß sie uns nit recht geben: Die wir sagen:Dieweil die Bilder ergerlich seyn: so kan man sie nit für frey Mittelding passiren lassen, sondern es ist schlechter ding nötig, daß man sie wegthut. So dencke nu der sache nach in der Furcht des HErrn, ob unser wahn ein falscher wahn sey, und ob du es auch bey dir befinden kanst, daß ein Christliche Obrigkeit, auch die FUR ANDERN ERGERLICHE Bilder, wol für frey Mittelding mit gutem gewissen in den Kirchen könne stehen lassen. Wir wissen daß geschriben stehet {Matth. 18. v.6. und 7.}: Wehe den Menschen durch welche ergernis kompt, etc. Es were besser, daß ein Mülstein an seinen hals gehengt und erseufft würde im Meer, da es am tieffsten ist. Sollte denn nicht eine Christliche Obrigkeit nicht für nötig halten, sich für solchem WEH zu hüten?

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Von dem Bildniß Gottes. {Rechte meinung der Wittenberger. fol. 72. a.}

GEstehen uns erstlich die Wittenberger: Dass man sich in den Bildern Gottes leichtlich wider Gottes Gebot versündigen könne. Drumb je weniger man Gott mahle je besser thue man daran. Darauß unwidersprechlich folget, das es nit ein frey Mittelding sey, Gott abzubilden. Denn es keines wegs ein frey Mittelding ist, sich in gefahr der Sünden und des zorns Gottes zu begeben, da mans gar nicht dürffte: sonden es stehet geschrieben {Matt. 4. 7. Syrach 3.27.}, Du solt Gott deinen HErrn nit versuchen. Item, Wer sich gern in fahr gibt, der verdirbt drinne, und einem vermessenen Menschen gehets endlich ubel aus. {Falsche meinung der Wittenberger. Man möge Gott wol malen wie einen alten Mann, mit einem grawen heupte. fol. 70.a. Deut. 4. 15.}

Und dennoch wollen sie es mit Disputiren erhalten, es sey ein frey Mittelding, und man möge Gott wol mahlen: wie einen alten Mann mit einen grawen heupte. Denn er sey dem Daniel und dem Jesaiæ also erschienen. [27] Antwort: Gott erscheinet wie er will. Uns aber hat ers außdrücklich verbotten, daß wir ihn auff keinerley weise sollen abbilden, auch nit wie einen Mann. Bewaret ewere Seelen wol (spricht er) denn ihr habt kein gleichnis gesehen, des tages da der Herr mit euch redet aus dem Fewer, auff dem berge Horeb. auff das ihr euch nit verderbet, und macht euch irgend ein Bilde, das gleich sey einem Manne oder Weib, etc. Bey disem befelch sollen wir billich bleiben. Denn wir wissen, wie es den Heiden deüber ist ergangen. Welche Gott mit erschrecklicher blindheit gestrafft, und in abschewliche unnatürliche laster hat fallen lassen, erben darumb: Dieweil sie verwandelt den vergenglichen MENSCHEN. Wie der Apostel Paulus zeuget.

{Außflucht der Wittenberger. Fol. 71.a.}

Und ist eine nichtige außflucht, daß die Wittenberger fürgeben, die Heiden haben gemeinet, Gott sey in seinem selbseigenen Göttlichen wesen einem Menschen gleich, wie sie von dem Jove getichtet, etc. Denn Paulus bezeugt selbst {Rom. 1.v.18.}, sie habens wol anders gewust, da er spricht: Sie haben die warheit in ungerechtigkeit aufgehalten, etc. So bezeugens auch ihre, der Heiden Bücher, daß sie GOTT nicht für ein leiblich wesen, sondern für einen Geist gehalten. {Cato. Si Deus est animus nobis, ut carmina dicunt, etc.}Ohn der Gemeine Pöbel: Der auch noch wol solche gedancken schöpffet, als wenn GOtt ein leiblich wesen were und gleich wie ein Mann mit einem grawen Heupte: Dieweil ihn die Mahler also mahlen.

Anleytung, wie man das Wittenbergische Buch mit frucht und nutz lesen möge. N° 90 

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Von den Zehen Geboten. {Die Wittenberger wollen die worte von Bilder[n] auß den zehen Geboten nit außgemustert haben. Und dennoch verteidigen sie die auslassung solcher worte fol.103.b.} Was die Zehen Gebot belanget, gebens die Wittenberger gnugsam zu erkennen, daß sie die außlassung des Gebots von Bildern in ihrem hertzen nit für ein frey Mittelding halten, denn also schreiben sie unter andern: Es ist nit die frage, ob man die wort, du solt dir kein Bildnis machen, etc. aus den zehen Geboten außmustern sol oder nicht: Das ist weder D. Luthern noch uns in sinn kommen. Das ist ihre bedingung. Und dennoch bald in der nechsten zeill hernach heben sie an, die auslassung der Wort von den Bildern (Wie sie es kurtz zuvor {fol. 101.} selbst genennet) mit vielenn Argumenten zu vertheidigen {fol.103.b.}. Heist aber das nicht Gottes und der Men-[23]schen spotten? {fol. 105.a.}Wir mustern solche worte, Du solt dir kein Bildnis machen, etc. nicht aus, (sagen sie) Wir thun sie auch nit hinweg, etc. Sondern wir ziehen sie nur zusammen. Antwort: Heist das zusammenziehen, wenn keine Sylber mehr davon ubrig bleibet? Und meinstu frommer Leser, daß sich Gott mit solchen Fündlein wird abweisen lassen, wenn dermaleins sein ‚Gericht wird angehen? {Das fürnembste Argument der Wittenberger, für die stümmelung der H. zehen Gebot. fol. 104.}

Sie sprechen: Wenn Gott sagt, du solt nicht frembde oder ander Götter neben mir haben, so verbeut er nicht nur etliche frembde Götter, sondern alle auff den hauffen, etc. Nu werden aber auch die geschnitzten und gegossene und zum Gottesdienst unnd zur anbetung gemachte Bilder und Götzen in der Schrifft für frembde Götter geachtet, und also genennet. Daher folget unwidersprechlich, das auch die geschnitzte, gemahlte, gegossene, und zur anbetung dargestelte Götzen unter dem Namen der frembden Götter begriffen gefasset, eingeschlossen und verbotten sein. Antwort: Dem sey wie ihm wolle: So hat es Gott für eine notturfft geachtet: Von den Bildern sonders zu gebieten. Auff das wir wüsten, daß wir nicht allein die frembden ertichten Götzen und ihre Bilder nit verehren, sondern auch ihm dem rechten waren Gott nicht mit Bildern und bey Bildern dienen sollten. Was nu Gott für nötig hat geacht, das sollen wir nicht für unnötig halten. Die Wittenberger sprechen {fol. 105.a.}: Der Götzen wird aus der ursach explicite gedacht, dieweil Gott dem Jüdischen Volck, welches ohne das zu aller Abgötterey geneigt, und zum theil damals den Götzen dienete, etc. Durch diese specification solch gebot scherffen, und sie desto krefftiger davon abhalten wolte. Antwort: Die Heiden seind von natur nicht besser als die Jüden. Ja die Abgötterey ist von den Heiden erstlich herkommen, und sonderlich bey ihnen im schwang gegangen, wie der Apostel Paulus bezeugt zun Röm. am 1. Cap. So dienet auch jetzt (Gott erbarms) der gröste theil der Christenheit den Götzen. Drumb ist das Gebot von Bildern uns Christen ja so nötig als den Jüden. Und sollten billich jetzund, da des Bapsts Abgötterey in Deutschland wider zunimpt, alle Evangelische Fürsten und

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Herren darauff bedacht sein, das sie ihren Unterthanen und der lieben posteritet, diese Göttliche und krefftige Artzney wi-[29]der den Seelengifft der Götzen trewlich und unverzüglich mittheileten, auff das sie sich nicht theilhafftig machen frembder Sünden {1. Timo. 5. v. 22.}, die sie durch diß mittel bey ihren und ihrer unterthanen Kindern und Kindeskindern eine lange zeiit durch GOttes gnade wol hetten verhindern und verhüten können. Was die Unterthanen belanget: wer Gott fürchtet, und seine droben angezogene befehl recht betrachtet, der wird nit viel drüber disputiren, ob er und seine Kinder das Gebot von den Bildern in den zehen Geboten Gottes mit lernen wolle oder nit. Sintemal Gott eben von diesem Gebot und seinem inhalt, mit so grossem ernst gesprochen {Deut. 4. v. 23. 24.}: HÜTET EUCH DAS IHR DES BUNDES des HErrn ewers Gottes NICHT VERGESSET, den er mit euch gemacht hat, und nicht Bilder machet einicherley gleichnis, WIE DER HERR DEIN GOTT GEBOTEN HAT. Denn der HErr dein Gott ist ein verzehrend Fewer, und ein eyfferiger Gott. Wem nit der Bund Gottes lieb ist, und wer sich begehret zu hüten für dem Zorn und eyffer Gottes, der wirdts gewißlich NICHT VERGESSEN WIE DER HERR DEIN GOTT GEBOTEN HAT, das man ihm nicht sol Bilder machen, noch ihm darfür [i.S.v. davor] Gottesdienst leisten. {Es folgen Darlegungen „Vom Brot des H. Abendmals.“}

Editorische Notiz Bearbeitungsvorlage Anleytung/ || wie man das || WIttenbergische || Buch / mit frucht vnd nutz || lesen möge. || Welches die Theologische Fa-||cultet daselbsten wider die Anhalti-||sche neulicher tage hat außge-||hen lassen.|| Johann 7.v.24. || Richtet nicht nach dem ansehen/ son-||dern richtet ein recht Gericht. || Gedruckt || In der Churfürstlichen Statt Amberg || durch Michael Forster. ANNO || M.D.XCVII. Exemplar der Staatl. Bibl. Regensburg, Sign.: 999 Caps. 92 (15); VD 16 A 2268; 44 [digit.]

Weiterer Druck

[Gleicher Titel, gleicher Umbruch:] Gedruckt || Zu Zerbst / In vorlegung Jacob Zanachs ||

Buchführers. || ANNO || M.D.XCVII.

Exemplar der SBB Berlin, Sign. 4 in: Dk 7102 [digit.], 53 S., 4°.

LIT Zedler, ADB, NDB; Freytag (1999)0; Lück (2011); Th. Kaufmann (2006); Steiger (2014).

N° 91 Adam Crato Nordhusanus Examen der Anhaltischen Schlußsprüche von Abtilgung der Altarn und Bilder [1597] Auszüge

Über Herkunft und Bildungsgang von Adam Crato (dem Jüngeren)1 ist wenig bekannt. Er stammt aus Nordhausen, besuchte die Lateinschule in Walkenried (Südharz), wurde 1581 in Calbe zum Pfarrer und dann auch zum Superintendenten bestellt. In diesem Amt war er bis 1599 tätig. Ob er auf eine andere Stelle an anderem Ort berufen wurde oder der Tod seine Amtszeit beendete, ist unbekannt. Bei dem ‚Tractatus‘ handelt es sich um die kämpferische Stellungnahme eines orthodoxen Lutheraners gegen calvinistische Intentionen, die er bereits bei Karlstadt (Bodenstein → N° 6) nun aber bei Amling in Anhalt (→ N° 88 und 90) angestrebt sieht. Das Dokument ist Teil des anhaltinischen Komplexes, in welchem auch die Theologische Fakultät der Universität Wiottenberg (→ N° 89), Johann Arndt (→ N° 55), Simon Gedik (→ N° 56) und andere Stellung bezogen hatten. Crato hat sein ‚Examen‘ der reformierten Vorhaben vier Kollegen – Ludwig von Lochau, Christian Hopkorp, Friedrich von Arnstedt und Christoph von Arnim  – gewidmet, und er legt in der umfänglichen Dedikation dar, dass „der unruhige Carlstadische Geist“, der sich akut bei den „Amlingitische Bildstürmenden“ zeige, auf die eigene Region, das Erzstift Magdeburg, überspringen könne. Dem sei zu wehren- So möchte er, dass sein Traktat den eigenen Pfarrkindern Handhabe biete, „den disputierlichen Köpfen“ aus der Nachbarschaft entgegenzutreten. Der Traktat ist in 20 Abschnitte gegliedert, die jeweils durch thesenhafte „Schlußsprüche“ (welche Crato von vorneherein als „Paralogismi“ diffamiert) eröffnet werden, worauf Crato jeweils mit einer breiten „Antwort“ repliziert. Wenn beispielsweise die V. und VI. These darauf hinweisen, dass es nur eine Bibel gebe (und nicht zwei, wie sich in Konsequenz der Gregorsformel und aus der Vorstellung von einer Bilderbibel als „LayenBibel“ ergibt), dann weist Crato das empört als Untersstellung zurück. Er will bei der Bilderfrage zwischen „Historischen“ und „Apologischen“ Bildern unterschieden wissen. Bemerkenswert ist, dass Crato als einer der wenigen unter den

1 Der ältere Adam Crato (1493–1558) stammte aus Fulda, wirkte als Theologieprofessor in Marburg und war neben Martin Bucer der bedeutendste Reformator Hessens. http://doi.org.de/10.1515/9783110780031-032

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Bildstreitautoren, auf Sujets christlicher Bilder konkret eingeht. Wenn die Anhaltiner in der VII. These behaupten, niemand dürfe Christus und die Apostel im Bilde darstellen, weil keiner der heutigen Maler sie von Anngesicht gesehen habe, dann weist Crato das zurück. indem er auf christliche Billdtraditionen (Abgar-Legende, Lukas-Legende) verweist und auf Inkonsequenzen der Calvinisten verweist, die zum einen selbst illustrierte Bücher, zum anderen Bilder auf Kleidungs- und Schmuckstücken verwendeten. Crato greift auf Luthers berühmte Formel (→ N° 15) zurück: Bilder sollten zunächst (durch Predigen) aus den Herzen gerissen und danach erst – falls sie sich dann noch als gefährlich erwiesen – aus den Augen gerissen werden. Auf die XVI.  These, Gott habe in der Kirche jedwedes „Poppenwerck“ verboten, antwortet Crato, es gebe zwei Arten von Kirchenzier: äusserliche und innerliche. Bei den äusserliche Bildern im Kircheraum duldeten die Calvinisten selbst die Totenbildnisse von Adeligen. Der Kirchenraum sei ein locus publicus, in dem keine Erinnerungsbilder untersagt werden dürften. Folgerung: „So es nun zugelassen wird, eines Edelmanns Bilde in der Kirchen zu haben, woher sollte dann nicht auch können verantwortet werde, des Herrn Christi Bildnis oder anderer Heiligen Gottes und wolverdienter Leute, als Luther und anderer treuer Lehrer gedechtnis und effigiem darinnen zu haben.“

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[Sc. 32]

V. GOtt hat für seine Außerwelten [Auserwählten], ja für alle Menschen nicht zwo, sondern nur eine Bibel verordnet. Die (also genante) Layen gehören so wol unter die Außerwelten Menschen als die Gelerten. Darumb haben wir alle nicht mehr denn einerley Bibel laut des Spruchs, prediget allen Creaturen. Marci 16. Item sie haben Mosen und die Propheten, laß sie dieselben hören. Luc. 16.

VI. WEr des Bapsts Tyranney stercken hilfft, das die Bibel allein für das geweihete Volck (die Clerici genant) gehöre, derselbige, ungeacht ob er wissentlich oder unwissentlich thue, macht sich gleicher Sünden theilhafftig. Die für die Bilder streiten, unterm schein, daß sie der Layen Bibel sein, stercken dieselbe Bäpstliche Tyranney. Denn der Bapst helt alle die nicht geweihet sind, für Layen, sie heissen gleich Fürsten, Edelleut, Bürger, Bawr, Gelert oder Ungelert, etc. Darumb machen sie sich gleicher Sünden und Straffen theilhafftig. Qui enim iunguntur in culpa, non separantes in pœna. Gleiche schuld bringt gleiche straffe. [33] Antwort: DIese zween Paralogismi2 gehören auch zusammen und alhier geben die Schribenten3 dem Kind einen Namen das es jhnen umb die Bilder in der Kirchen zu thun sey. Was sie aber im ersten Schlußspruch mit Pericleischer sanfftmuth4 gesetzt, Jedoch die fallaciam a dicto secundum quid ad dictum simpliciter mit untergesteckt, eben das scherffen sie im andern mit der unerhörten und untreglicher [unerträglicher] Calumnia, als ob in dieser Lande Kirchen irgend ein Lehrer zu finden sein möchte, welcher Fürsten und Herrn, Graffen, Edelleuten, Bürgern und Bawren, Gelerten oder Ungelerten die nicht Clerici und des Bapst Chresam5 und Ornat oder Characte-

2 Crato bezeichnet die Thesen oder „Schlußsprüche“ der Calvinisten als „Paralogismi“, h.h. Fehlschlüsse. 3 „Schribenten“: polemische Verballhornung von ‚Scribenten‘, i.S.v. ‚Schreiberlingen‘. 4 „Pericleische sanfftmuth“ ist eine Charaktereigenschaft, die dem athenischen Staatsmann und Demokratieförderer Perikles (ca. 490–429 v. Chr.) zugeschrieben wurde. 5 ‚Chresam‘ (auch ‚Chrisam‘) ist ein geweihtes Salböl.

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rem nicht empfangen oder nach Bepstischer weise nicht geweihet weren, verbieten solte die Bibel zu lesen, oder darauff dringen, daß die Bibel allein für das geweihete Volck (die Clerici genant) gehörete. Ob sie die Anhaltischen Bücherschreiber vor dieser zeit in solchen groben unverstand gesteckt, und so Tyrannisch uber ihre Zuhörer geherschet hetten, So ists zeit, daß sie es erkennen und Gott abbitten. Sie solten aber gleichwol unschuldige Lehrer und Christliche Communen mit solcher giftigen Calumnien und Lügenhafftiger anklage verschonen, wo ein Füncklein eines erbaren gemüts und Christlicher liebe in ihnen were. Denn da ist unser Lobebrieff nicht mit Dinten, sondern durch Gottes Geist in den Hertzen aller unser Zuhörer geschrieben, der uns vor Gottes Angesicht und vor der werden [werten] Christenheit, Ja vor der gantzen weiten Welt ein anders und bessers zeuget, das Gott lob unser L[iebe] Landesfürstliche Obrigkeit die H. Bibel zu vierzehen mal durchgelesen, und besser drinnen bewandert ist, In massen auch viel Gottselige Hertzen von Adel, Bürger und gemeinen Leuten, als es den betrieglichen Amlingiten6 lieb ist. Darumb sol Gott Richter sein zwischen uns und ihnen. Dieweil aber allhier ursach gegeben wird von Bildern zu reden, so protestire und bedinge ich anderweit zierlichst, das ich keinem unnützen schedlichen oder schandgemelte [Schandgemälde], oder auch keinem Abgöttischen Bilde und erdichteten falschgenanten Heiligen das Wort zu reden mir vorgenommen, viel weniger darü-[34]ber zu eifern bedacht bin. Denn derer sollen sich Christenleute billich enthalten und abethun. In massen ich auch nicht billichen [billigen] kan, ob jemand ein Bildt anbeten, oder sein Gebet vor einem Bilde zu Gott richten, oder dasselbe mit Opffer und dergleichen verehren wollte, als Gott lob in diesen Landen nicht geschicht, vor eins. Fürs ander, kan gleichwol nicht geleugnet werden, daß beydes, die Historischen Bilder und die Apologischen Bilder in der Schrifft so wol als bey den Heydnischen Poeten ihren nutz und mannigfaltigen gebrauch haben können. Denn wer erinnert sich nicht grosser und nötiger Lehrpuncten, wenn er ansihet, wie die Schlange vom Baum mit unsern ersten Eltern Adam und Heva [Eva] geredt hat, Gen. 3. wie die Engel Gottes auff der langen Leiter7 die von der Erden biß in Himmel reichet, die Engel Gottes auff und absteigen, und der HERR von der Leiter herab mit dem Patriarchen Jacob redet, Gen. 32. Oder wie Jotham von der Beume versamlung und Reichstage redet, (einen König uber sich zu wehlen) Judic. 9.8 Wie die Engel Gottes den Hirten vor Bethlehem, und ein Stern den Weisen in Morgenlanden erschienen, ihnen die Geburt Jesu Christi kund zu thun und offenbaren, Luc. 2. Matth. 2. Wie sich der

6 Anhänger des anhaltinischen Reformators Wolfgang Amling. 7 Ge 28, 10–20. 8 Jud 9, 8–15.

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Himmel uber der Tauff Christi auffgethan, der Vater vom Sohn im hellen Licht oder Glantz und stimme, der H. Geist in taubengestalt uber ihm geschwebet habe, Matth. 3. Luc. 3. Daß ich geliebter kürtze halber, anderer Historien, der Creutzigung, der Aufferstehung, Himmelfahrt Christi und künfftigen Gerichts, etc. geschweige. So auch der jenige nicht ehrenwert zu achten, sondern für einen verzweiffelten Landschelmen zu halten ist, welcher seines Landesfürsten Bildnis verhönete, oder ihm die Augen ausstechen, und es in Dreck tretten [treten] würde, Also ist der nicht werd das er ein Christen heisse oder genennet werde, der das Bildnis seines Erlösers Jesu Christi, wie man es nach der warhafftigen Contrafactur **Egesippi wol haben kan, verhönet, als einen Baderknecht verlestert und dem gecreutzigten selbst dadurch hohn spricht, wie Dominica 2. Adventus, Anno 1596. zu Cöthen geschehen, als der Prediger auffs höltzerne Creutz gescholten, und endlich in die wort heraus gefallen ist, Sihe man hat lange gesagt du seist All-[35]mechtig allenthalben etc. Bistu denn hie oder bistu dort. Da hengstu. Und der Pfarr von Großpaschleben9 sagte, was man viel von Christi gegenwart in seinem10 Abendmal sagen sollte. Were er doch entlauffen als ein Schelm. Dafür möchte sich wol Sonne und Mond verfinstern. Einen solchen Landschelmen und Lesterer hetten unsere L[ieben] Vorfahren nicht leben lassen. Itzo sollens die Allerheiligsten sein im Lande und die Erleuchtesten11 Leute. Also gibts viel feiner nothwendiger nützlicher Erinnerung, wenn man siehet ein Bilde wie Abraham seinen Sohn Isaac opffern wollte, Gen. 22. Wie die H. Blutzeugen12 jhre Lehre und Bekentnis mit ihrem13 tode bestetiget haben, etc. Davon herrlich und reichlich Lutherus berichtet, wideauuchr die Bildstürmer14. Solcher Bilder, und die uns zu schuldiger Danckbarkeit gegen wolverdiente Leute reitzen, können sich ChristenLeute ohn verletzung ihres gewissens wol gebrauchen. Fürs dritte, kan ich nicht umbgang haben15 an diesem ort zu melden, woher den Anhaltischen dis Licht und unzeitige schedliche Landverderbliche Weißheit zugewachsen sey. Als unser lieber Doctor und Vater der selige Lutherus auff dem Wormser reichstage für Keyserlicher Maiestat und dem H. Römischen Reich nicht ohn grosse gefahr Leibes und Lebens, welchs alles er aber nichts achtet, ein herrlich Bekentnis gethan, und zu keinem widerruf seiner Bücher und Schrifften zu bewegen, hat er sich auff Rath, und durch bitte hoher und vornemer Personen und

9 Gemeinde im Landkreis Anhalt-Bitterfeld. 10 In Vorlage „seinen“11 In Vorlage „Erleuchtester“. 12 In Vorlage „Blutzeuger“. 13 In Vorlage „ihren“. 14 Gemeint ist Luthers Schrift ‚Wider die himmlischen Propheten‘ (1525), → STR1, N° 15. 15 I.S.v. ‚ich kann es nicht umgehen‘.

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verstendiger guter Freunde in seinen Pathmum16 gethan, ein wenig auszuruhen, do er dann schöne und nützliche Erbeit an seiner Kirchenpostil etc. verrichtet. in mitler weile beginnet die Ehrsucht und der Neid seinen Capellan D. Carlstadt wie des *Athanasij Collegam Arrium17 zu Alexandria zu stechen, das er anhebet die Bilder aus der Kirchen zu Wittenberg mit grosser unruhe und ungestümmigkeit abzuschaffen, darüber Lutherus vor der zeit sich hat wieder aus seinem Pathmo nach Wittenberg begeben müssen, und die unruhe wider stillen. Als aber D. Carlstadt mehr sachen regte, auch sein Bildstürmen verantworten, gedruckte Büchlein ausliß von abthuung der Bilder, Anno 1521.18 Und zugleich Zwingel [Zwingli] in der Schweitz seinen Sa-[36]cramentschwarm anfieng und bald drauff Nicolaus Storck19 und Müntzer der Bawren auffruhr erwecketen, hat sich da Carlstadt, alsbald zu ihnen gesellet, und die Auffruhr nicht wenig stercken helffen, und der straffe, als er sich in Rotenburg an der Tauber verstecket, kümmerlich entrunnen ist. Wie er auch in seiner predigt hernachmals erschreckt durch Gesicht eines schwartzen Mannes und darüber plötzlich abgefahren, ist gnug bekand und Landrüchtig20 worden dieselben Büchlein und lengst widerlegte ungründe des Carlstadts von abthuung der Bilder haben die Anhalter irgendt in einer alten Liberey gefunden, rühmens den ihren als ein herrlich new Licht und unterstehen sich darob alle Bilder ohn unterscheit und ander Kirchenzimmer21 zu zerstören und abzuschaffen, behalten des Carlstadts einrede und gegenwurffe, und schmücken sich mit seinen Federn. Wenn man ihnen dieselben wird ausreissen so wird’s ihnen gehen wie der Elster, als die Vögel ein jeder seine Feder von ihm namen, weil sie immer zu oberst sitzen, und das grosse wort allein im Schnabel füren wolte. In demselben Büchlein setzet Carlstadt diese wort. Gregorius der Bapst hat seiner Bäpstlicher art nicht vergessen, und den Bildern die Ehre geben, die Gott seinem Wort geben hat und spricht, das Bildnis der Leyen Bücher sein.22 Hactenus Carlstadij verba deren inhalt er in seinem23 Buch offte widerholet.

16 Die griechische Insel Patmos gilt als Visions- und Entstehungsort der ‚Offenbarung Johannis‘. Analog wurde die Wartburg als Luthers Patmos bezeichnet. 17 Arius (ca. 260–327) war Diakon und Presbyter zu Alexandria, Begründer des Arianismus, der als antitrinitarische Irrlehre bekämpft wurde. 18 Vgl. STR1, N° 6. 19 Der Tuchweber Nicolaus Storch (vor 1500 – nach 1536) gehörte als Visionär und Laienprediger zu den ‚Zwickauer Propheten‘, beeinflusste Thomas Müntzer und zeitweilig selbst Melanchthon. 20 I.S.v. ‚landesweit berüchtigt‘21 I.S.v. ‚Ausstattungsstücke der Kirche‘ (Altar, Kanzel, Orgel u.  a.) 22 → STR1, S. 98  f. 23 In Vorlage „seinen“.

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So viel nun Carlstadt der Sacramentirer und Bildtstürmer dieser zeit Grossvater von diesen sachen gewist, so viel wissen die Anhaltischen deformatores24 der Kirchen auch, gleich wie ein Sackpfeiffe nicht mehr noch länger klingen und lauten kan, denn der Wind helt25, welcher in sie geblasen war, wie in vorgehender erklerung zu sehen. Das ist ihre viel und falsch gerümbte Orthodoxa Antiquitas. Man finder aber diese Reden bey den alten h. Vätern und Lehrern der Kirchen Gottes, *Basilio, *Athanasio, *Eusebio, *Damasceno, *Augustino, und andern, die etlich 100. Jar vor *Gregorio dem Bapst gelebt haben, daher nicht allein in Synodo œcumenica zu Nicea gehalten die Iconoclastæ, das ist, Bildzubrecher [Bildzerbrecher] als Ketzer verdampt, und bericht gescheen welcher massen die Christen Bilder haben mügen, dz nemlich die Bilder zu tugend [37] und nachfolgung der lieben Heiligen erwecken, etc. Oder wie Petrus *Comestor sagt, ad excitandam pigriciam26 memoriæ, Sondern es ist auch fast zum gemeinen Sprichwort worden, Scriptura est pictura loquens: Pictura27 vero est scriptura tacens, das ist, die Schrifft ist ein redent gemelde: Ein gemelde aber ist ein schweigende Schrifft. Nichts desto weniger ist nur eine Bibel und eine heilige Schrifft, dahin die Leyen so wol als die geistlichen verbunden sind und angeweiset werden in teglichen predigten. Darinnen schreibt gleichwol der HERR Christus uns offt und vielmals eine feine kurtze LeyenBibel vor oder Leyenpostil, wenn er uns weiset zu den Vögeln des Himmels, zu den Lilien auff dem Felde, von der Hochzeit des Königes Sohn etc. Und werden dennoch diese deformatores so from sein, und den HErrn Christum darumb nicht tadeln, als hette er darumb Mosen und die Propheten verworffen. Salomon sagt am 6. Cap. seiner Sprichwörter28. Gehe hin zur Ameissen, siehe ihre weise an und lerne, ob sie wol keinen Fürsten noch Hauptman noch Herrn hat, Bereitet sie doch ihr Brod im Sommer und samlet ihre Speise in der Erndte, etc. Aber damit verbeut Salomon nicht daß die Faulen derowegen Mosen und die Propheten nicht hören sollten. Wenn nun ein Christlicher Mahler oder Schnitzer ein solches Werck mahlete oder schnitzete die anschawte und sonderlich die jenigen die nicht lesen noch schreiben können, solche Tugenden und gebürlichen vleiß und vorsichtigkeit in ihrem beruff zu erinnern, der hette damit das ordentliche Predigampt nicht auffgehalten und so gar [i.S.v. sehr] grosse Todtsünde nicht begangen.

24 Wortspiel mit reformatores. 25 In Vorlage „hefft“. 26 In Vorlage „prigriciam“. 27 In Vorlage irrtümlich zusätzlich „est“ eingefügt. 28 Prov 6, 6–8.

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VII. WAs wider die Warheit ist, daraus kan man die Warheit nicht lernen. Das Bilde des Himlischen Vaters unter eines alten Mannes gestalt, mit einem grawen Heupt und Bart ist wider die warheit, Rom. 1. Jes. 40. so kan man Christum am Creutze, und seine Aposteln, weil niemand jtzo in der Welt lebt, der sie gesehen, auch nicht recht mahlen. Wird also beydes wider die erste und andere Taffel der zehen Gebot Gottes die unwarheit beste-[38]tigt, und falsche zeugnis zugleich wider den Schöpffer und sein geschöpff gegeben. Darumb kan man aus solchen Gemelden oder Bildern die warheit nicht lernen, Psal. 115. 135. Antwort: DIe alte Schulregel sagt: Unius possunt multi fines esse, das ist, ein ding kan vielerley nütze sein. So nun die Bilder nicht dienen die warheit draus zu lernen, so haben sie sonst ihren nutze und ursach in der Kirchen. Denn alle Bilder sind nicht Götzen, und Paulus sagt, Ein Götze oder Abgott ist nichts, ohn das ein Menschlich Hertz ihm ein falsch vertrawen zu etwas setzet, und das ist einen Götzen machen oder Abgötterey treiben. Anlangede das Bild des Himlischen Vaters in eines alten Mannes gestalt, davon schreibt S, *Athanasius in lib. Responsionum ad obiecta Arrianorum an Luciferum Episcopum also: Das die Mahler solchs genommen haben, aus dem Propheten Daniele, welchen Gott der Vater dergestalt erschienen, Cap. 7. Davon Daniel selbst bekent, er habe gesehen daß Stüle gesetzet worden, und der Alte sezte sich, das Kleid war Schneeweiß, und das Haar auf seinem Heupte wie reine Wolle, etc. Und bald hernach, sihe, es kam einer in des Himmels Wolcken, wie eines Menschen Sohn, biß zu dem Alten, und ward für denselbigen gebracht. Der gab ihm Gewalt, Ehre und Reich, daß ihm alle Völcker, Leute und Zungen dienen sollten. Sein Gewalt ist ewig, die nicht vergehet, und sein Königreich hat kein ende. Dis Bilde führet und erkleret der H. Geist sonsten hin und wider in der Schrifft, sonderlich aber im 103. Psalm, wie sich ein Vater erbarmet uber seine Kinder, also erbarmet sich der HERR uber die, so ihn fürchten, etc. Das stimmet mit der lehre des H. Evangelii und mit den predigten Christi uberein, Joan. 3. Der Vater hat den Sohn lieb. Item, Also hat Gott die Welt geliebet, daß er seinen eingebornen Sohn gab. Item, Joan. 17. Das ist das ewige leben, das sie dich Vater allein waren Gott, und den du gesand hast Jesum Christum erkennen. Beneben welchen zeugnissen der Schrifft uns Danielis gesichte gleichwol nicht fast [i.S.v. so sehr] auff die [39] grawen Haar und Bardt, als auf das alte trewe VaterHertz Gottes uns weiset, welches kein Mahler mahlen und kein Schnitzer schnitzen kan. Es kan aber der H. Geist den Hertzen offenbaren, durchs gepredigte Wort und angehefftete Gnaden und Bundeszeichen die hochwirdigen

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Sacramente, und wer daraus Gottes Hertz hat kennen lernen, der achtet des Bildes nichts mit den grawen Haar und Barte, Es ergert ihn auch nichts, wenn er gleich ein solch Bilde vor sich siehet, hat er eins, so gibt’s ihm nichts mehr, denn das ihm das Wort geben hatte. Hat er keins, so behelt er doch das er aus dem Wort bekommen hatte, ohn daß des Vaters name auch die jenigen die nicht lesen können dieser seligen geheimnis beneben dem Wort berichtet. Die nun dem Vaterbilde Gottes so hefftig zuwieder sind, setzen gleichwol an ihre gedruckte Bücher ein ander Bilde, Nemlich den Namen Jehova in ein Fewrflamme an den Wolcken des Himmels, ohn zweiffel wollen sie damit auff S. Pauli Spruch sehen, Gott wohnet in einem Licht, da niemand zu kommen kan, Und führet zu dem ungeoffenbarten unergründlichen und unerforschten Göttlichen wesen, welches ausser dem Vaternamen ein verzehret Fewr ist, und leichtlich in viel gefehrlichern mißbrauch, wie mit dem Persischen Orimasda29 oder Urimchasdim geschehen, könnte gezogen werden. Denn durchs Bilde des gecreutzigten HErrn Christi, sagt *Damascenus lib. 4. Orthodoxae fidei cap. de imaginibus, wiewol Gott in seinem30 Göttlichen Wesen niemand entwerffen oder bilden kan, dennoch, weil Gott uns nicht wie dem Abraham allein in gestalt eines Menschen, sondern als ein warhafftiger Mensch in Menschlicher Natur und Wesen auff Erden erschienen, Philip. 2. Und an geberden als ein Mensch erfunden, gecreutzigt, gestorben, begraben, und wider aufferstanden ist, welche dinge alle zu gedechtnis und lehre uns in die Schrifft gefasset, und aber nicht ein jeder schreiben oder lesen kan, oder allwege müssig ist zu lesen, So haben unsere Väter zugelassen, daß man solchs denselben, durch gemalte oder geschnitzte Bilder fürhalten und zu gedechtnis führen mag, etc. Was sonsten *Eusebius Histo. Ecclesiasticæ lib.  1. Cap.  1s. und [40] lib.7. von Christi Bilde meldet, welchermaß es dem König der Edessener31 Abgaro32 zugefertigt, und zeuget [bezeugt], er habe zu Cæsarea das Bildt Christi33 selbst gesehen, welches ihm das Blutflüssige Weiblein daselbst zur Danckbarkeit auffgerichtet, so doch *Eusebius fast in die drey hundert Jahr nach Christi Geburt gelebt, das mag ein jeglicher daselbst lesen. Als auch Julianus ein abgesagter Feind Christi dasselbe Bildz abwerffen, und seins an die stete setzen lassen, ists vom Donner zerschmettert worden. Sonst schreibt *Athanasius, daß die heimlichen Jünger Christi ihres Mei-

29 Orimasda war ein persischer König, der mit einem Feuerkult verehrt wurde. 30 In Vorlage „seinen“. 31 In Vorlage „Edessner“. 32 Hier ist die Rede von Abgar/Abagarus, dem König von Edessa, an den sich eine große Legendentradition betreffs des ersten Christusbildnisses und seiner acheiropoietischen Entstehung knüpft. Vgl. dazu Dobschütz. 33 In Vorlage „Christo“.

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sters Contrafect ihnen [i.S.v. sich] zum gedechtnis gemacht, und *Damascenus bezeugt an gemeltem orte, daß S. Lucas, welcher ein Mahler gewesen, des HERRN Bildnis abgemahlet habe. Daß nun die Lineamenta nicht von allen so gewiß observieret und getroffen werden, wie kan man denn thun. Simile non est idem. [Das Ähnliche ist nicht das Selbige.] Es ist auch so grosse gefahr nicht dabey als wenn die Anhaltische Bücherschreiber von der Analogia des Glaubens in verkehrung der Schrifft abweichen und darnach groß Mundgesperre machen, weil niemandt Christum gesehen, so könne auch niemandt sein bilde recht schnitzen oder mahlen, die Mückenseyer und Camelverschlucker. Was aber und wie sich gegen solche Bilder zu erzeigen, und zu verhalten, davon lese man Lutherum Tom. II. Und Tom IIII. zu Jena34 gedruckt nach der lenge.

VIII. Was man sihet das entwirfft sich im Hertzen oder Gedancken nach dem Sprichwort objecta movent sensus [Die Gegenstände bewegen die Sinne.]. Derowegen ists billich das man GOtt folge, der durch den propheten befihlet allerley anreitzung zur Abgötterey erstlich aus den augen schaffe, so kömpts desto ehe vom Hertzen Hos. 2. v. 2. Antwort: DIs ist auch der Carlstadtischen Federn eine, dadurch sie dem lieben Luthero gedencken den Sterbekittel zu ubersenden, welcher geraten hat, das man die Leute von Bildern erst recht unterrichten sol. To. 3. Jen. fol. 44. Als denn werden die Bilde wol von sich selbst hinfallen. Dis zihen die Papisten Luthero [41] als eine arglistigkeit auff: Carlstadt aber sihet es an als einen unglauben: Und die Anhaltischen haltens vor hinderbliebene Bepstische Hefen und Götzenwerck. Lutherus aber hat recht geraten. Weil alle Bilde nicht Götzen sein, noch abzuschaffen, daß man nicht ab executione anfahen und den sachen zuviel thun, sondern wol erwegen und bedencken könne, was für Bilder abzuschaffen oder zu behalten, oder welcher massen sie ohn zerrüttung gemeines friedens und ohn ergernis abgeschaffet werden könten. Was auch das gewaltsame beginnen vor glück habe, wenngleich die Redelsführer jemandt von der Obrigkeit mit dreinflechten, das zeiget die erfahrung und der augenschein. Do nun Lutherus befunden daß viel

34 In Vorlage „Gena“.

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Bilder zu Götzendienst, Abgötterey, Ablas, Krentzerey35 und andern mißbreuchen gestifftet oder sonsten geraten waren, die hat er alsbald heissen abschaffen, wie von den Abgöttischen Bildern im Grimmenthal36 zur Eichen, To. III. f. 47. zu lesen ist, darauff unzehlich viel andere mehr hin und wider nachgefallen sind: Nach dem thun und befehlich des HErrn, Hose. 2. Und hat D.  Carlstadt derowegen etlicher massen solcher Bilder halber können ursach haben und entschuldigung finden, etliche Bilder aus den Kirchen abzuschaffen, die nemlich zu Götzendienst und öffentliicher Abgötterey mit Opffer, Gebet, und in anderwege mißbraucht wurden, ohn daß er darinnen zu weit gangen, daß er die lehre vom Glauben verlassen, ohn unterscheid alle Bilder danider gerissen, die Faust und Hand angelegt, und doch mit dem Wort nicht zuvor aus den Hertzen gestürmet und Mosis gebot nur auff den Pöfel gezogen, und sich zu den Mordgeist der auffrürischen gesellet hat. Itzo aber hat man keine ursach in diesen Landen solch stürmen und Kirchenplündern anzufangen, weil niemand die Bilder weder mit Opffer noch Gebet, noch in anderwege zu Götzendienst oder Abgötterey gebraucht und ehret, ohne das die heutigen Bildtstürmer Carlstadts pfad und in seinem Fusstapffen auff Calvinischen Pantoffeln herein schleichet, die Heuptstücke Christlicher lehre umbzukehren der Lehre geschweigen, und allein auff eusserlichen schein dringen, und die Leute vom Wort auff die Werck verleiten, darinnen man aber ihnen zu folgen keines weges schuldig ist. Weil aber die Papistischen Götzendienst und [42] mannigfaltige Abgötterey durch Gottes sonderbare grosse gnade in dieser Landt Kirchen ohn zerrüttung des lieben Landfriedens weggefallen, sollen wir uns daran billich gnügen lassen, und Gott dafür dancken, und zu sehen daß wir die edle Beylage des seligmachenden Worts und den rechten gebrauch der hochwirdigen Sacrament, beneben dem hochgewünschten Landtfrieden behalten, und die Wehren nicht zu sehr scherffen, daß nicht Blut hernach gehe, oder wie das Sprichwort sagt, alzu scharff schartig mache. Ob man denn irgend auch ein abgöttisch Bild in Kirchen behielte, quia obiecta movent sensus, zur erinnerung und zum nachdencken bey der Posteritet [Posterität, d.  h. Nachommenschaft] der grawsamen Blindheit, so unter dem Bapstumb gewesen, und nun mehr die Bepstler schier nicht gerne gestehn wollen, und liesse solchs durch die Prediger mit vleiß [Fleiß] berichten und erkleren, daß es nicht darumb da stünde die alten Götzendienste wider anzurichten, sondern als ein Tropheum und Siegszeichen des Evangelii Jesu Christi, achtet ich solte seine entschuldigung und nutzen finden, damit nicht was solcher sachen so gar vergessen werden, Und niemandt bey den Nachkommen weiß, was Bapstumb vor ein grewel gewest, unver-

35 In Vorlage „Krentzferey“. ‚Krentzerei‘ bedeutet hier vielleicht ‚Kränzerei‘ i.S.v. ‚Bildbekränzerei‘ (vgl. Nikolaus Gussone (1982 u. 1990)) oder aber ‚Rosenkranzbeterei‘. 36 Seit 1498 ist Grimmenthal im Werratal Zielort einer Marienwallfahrt.

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sehens wider drein geraten, Jedoch will ich hiemit wider meine vorige protestation nichts gesetzt, auch præiudicierlich niemand vorgeschrieben haben, und laß es andere besser bedencken und richten. [15 Kapitel übersprungen.]

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XVI. WAs GOTT verbotten hat, das gibt seiner Kirchen weder zier noch Christliche warhafftige andacht, sondern bringet nur ein fleischliche anmutung mit Aberglauben. GOTT aber hat jenes Poppenwerck alles verbotten. Darumb dienets weder zur Kirchenzier, noch Christlicher [56] waren Andacht, sondern erreget nur Aberglauben, und fleischliche anmutung. Antwort. PEr distinctionem. Denn das Wort Kirche heisset zu zeiten das Gebewde, darinnen man zusammen kompt, GOttes Wort beneben den Hochwirdigen Sacramenten zu handlen und zu gebrauchen. Zu zeiten heisset es die versamlung der Leute und gleubiger Kinder GOttes, vor eins. Zum andern wie das Wort ‚Kirche‘ zweyerley verstandt hat in Deutscher sprache, also ist auch zweyerley zierde der Kirchen. Die eusserliche, daß gleichwol eine Kirche oder Kirchengebewde anders formieret und in[nen] mit seinen Kirchenzimmern Altar, Cantzel, Tauffstein, Orgel, Brichen37 und Bencken, Auch unverbottenen Historischen oder andern Christlichen Bildnissen, oder wol verdienter Leute gedechtniß und Epitaphiis zugerichtet und geschmücket sey, damit ein solch Gebewde von einem genanten Schenck- oder andern Wonhauß underscheiden, und alles in der Kirchen ordentlich und zierlich gehandelt werden möge. Auch sich beydes Christi und seiner L. Heiligen tröstlich erinnern, und wolverdienter Leute Tugent, Liebe und Trew danckbarlich bedencken mag, etc. Das kan keiner Christlichen Gemeine noch ehrlichen Bidermanne verwiesen werden. Inmassen GOTT seine gerichte in lauffendem jetzigen Carlstadtischen furore und vastu [Verwüstung] der Anhaltischen Calvinisten wunderlich offenbaret, welche sie vor sechs jaren in ihrem Anhaltischen newen Liecht- und Tauffbüchlein, als unnötig, unkrefftig, und abergleubig, ob sie auch durch einen ordentlichen Kirchendiener38 abministrieret

37 Eine „Briche“ ist ein Sitzabteil. 38 In Vorlage „kirchenDiener“.

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würde, erkandt und verworffen, jetzt selbst haben gebrauchen müssen: Also lassen sie nunmehr zu, daß wo die vom Adel ihre oder ihrer lieben Eltern und Vorfahren Bilde in die Kirchen gesetzt, dieselben drinnen bleiben mögen, wie die Fürstlichen Rescripta und außschreiben bezeugen. Domit diß ihrer schlußspruch auffgehaben und durch die selben widerlegt wird. Und hat fürwar bey verstendigen Leuten ein groß auffmercken, wenn man einem Rittermessigen Manne sein effigiem39 und Bilde in loco publico40 außleschet, und schlecht [schlägt] ihm Schilde und Helm abe, etc. Wer kan sich dann ihrer vermeinten [57] Reformation undergeben., weil sie noch also darinnen vacillieren [schwanken] und wancken. So es nun zugelassen wird, eines Edelmans bilde in der Kirchen haben, woher solte dann nicht auch können verantwortet werden, deß HERRN Christi Bildniß oder anderer Heiligen Gottes und wolverdienter Leute, als Luther und anderer trewer grosser Lehrer gedechtniß und effigiem darinnen zu haben, sonderlich wo die Leute recht underrichtet sind, daß sie die Bilder weder mit opffer noch mit gebet noch mit einigerley Göttlicher ehre Abergleubiger weise verehren. An welchen bericht es die Prediger billich nicht sollen mangeln lassen. Die innerliche zierde der Kirchen ist glaube, liebe, hoffnung, gedult, demut der gleubigen, die sich in einigkeit des Geistes freundlich und brüderlich zusammen halten, schuldiger danckbarkeit gegen GOtt, ihre Obrigkeit, und Lehrer befleissigen, auch nach dem Todte ihrer trewen dienste und wolthat nicht vergessen. Von solchem innerlichen schmuck reden die hernach gesatzten zeugniß der Schrifft 1. Cor. 1. Psal. 10. Laßt nicht spaltunge under euch sein, sondern haltet fest aneinander, in einem sinne, und in einerley meinunge. Item Ebr. 10. Laßt uns untereinander unser selbst warnemen, mit reitzen zur liebe und guten wercken, und nicht verlassen unser versamlung, wie durch jetzige unnötige deformation der Kirchen vil trennung geschicht mit reitzung zum Zorn, etc. Item Galat. 2. So jemandt euch ein ander Evangelium predigt, der sey verflucht. Item Psal. 45. Deß Königes Tochter (das ist freylich nicht der Steinhauffe, das sichtbare Kirchengebewde, davon doch jetzo alle unruhe erwecket wird.) ist gantz herrlich innwendig, sie ist mit Gülden stücken gekleidet, man fähret sie in gestickten Kleidern zum Könige, und ihre Gespielen die Jungfrawen die ihr nachgehen, führet man zu dir, etc. Item das reich GOttes kompt nicht mit eusserlichen geberden. Man wird auch nicht sagen, siehe hie oder da ists. Denn siehe das reich Gottes ist inwendig in euch, Luc. 17. Und wie die folgenden dieses orts angezogene Sprüche der schrifft ferner außweisen, haben gleichwol die unordnung in Corradendo ein debile Iudicium anzeigt, welchs doch an seinen ort gestellet wird.

39 In Vorlage „effigium“. 40 Bemerkenswert ist, dass das Kircheninnere hier als locus publicus gilt.

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Non valet igitur consequentia in disperatis, weil man also [58] schliessen will, der gleubigen Christen zier und schmuck ist innerlich im hertzen der glaube, dadurch sie Gott gefallen, welcher von liebe und anderen tugenden auußbricht gegen dem nechsten. darumb sollen gleubige Christen keine eusserliche Kirchen, Altar, Cantzel, Tauffstein, Bildt und Ceremonien haben, etc. Was Gottes gebott anlanget, daß sie so offt hiebey anziehen, davon sagt *Beda in lib. de Templo Salomonis Cap. 19. Es meinen etliche, das durch daß gesetz Gottes Exod. 20. do die schrifft sagt, du solt dir kein bildniß machen, etc. alle41 Bilder ohne unterscheid verbotten sein sollen. Welchs sie doch nicht sagen würden, weil sie gedechten an die Ehrine schlange, an die zween Cherubin und andere Bilder die Gott selbst zu machen befohlen hat, derhalben wenn wir die Wort im gesetz fleissig ansehen, so befinden wir, daß die Bilder anderst nicht verbotten werden zu schnitzen oder zu machen, ohne daß man sie nicht ehre und anbete, welcher massen die verirreten Heiden Bildniß gemacht und auffgeworfffen haben. So fern Bedæ Wort. [Die Teile XVII–XIX sind übersprungen.]

XX. [63] Endlich und zum beschluß bitte ich alle Erbare, fromme hertzen umb GOttes

willen, wollen mir ein kleines Wörtlein hiebey zu gute halten. Mundis omnia munda, Tit. 2. Und protestiere solenniter daß ichs gleichwol keiner Fürstlichen noch Grefflichen oder andern Erbarn Matron und Person zu spott oder zu verachtung und verkleinerung geredt noch gemeinet haben will. Demnach möchte ich von diesen klüglingen gerne hören, Weil ihnen alle Bilder, die gemahlet, geschnitzet oder gegossen sind, für Götzen ohne under scheidt gehalten werden sollten, die gestickten und gewirckten Bilder, Adeler, Löwen, Greiffen,, Einhörner, Tauben, Schaffe, Hunde, etc. Deßgleichen Rosen, Lilien, Laub und Blumenwerck, welche Fürstliche und Greffliche Frewlein und ihre Frauenzimmer umb und antragen in der Kirchen, an Hauben und Schauben, Rock und Mantel, auff den Handtschen [Handschuhen?] und in den Krausen, in den Schorlitzen [Schurztuch], Facinetlein [Tüchlein] und fast allen stücken ihrer Kleidung, ob das der geschmuck sey, welcher GOTTE an ihnen gefallen solle, oder ob sie das alles für Götzenwerck und Abgötterey achten, und den Bildstürmern zu gefallen abschaffen und wegwerffen wollen, damit die Braut des HERRN JEsu nach Carlstadts Rath und meinung nackent und bloß für ihrem Breutigam erscheine, oder im Kittel herein gehen wollen, als eine arme Dienstmagdt, wie D. Carlstadt darüber zum Lauren [Schelm] wird. Do sie aber solch Bildtwerck

41 In Vorlage „Alle“.

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ohne beschwerde ihres Christlichen gewissens, und ohne schaden und Nachteil ihres Christenthumbs behalten und tragen, wie nicht unbillich, und darumb für keine Götzendienerin oder Götzenknechte können noch wollen gescholten werden, wie sie dann auch den Trost ihrer seligkeit darinn nicht setzen, so wollen doch sie die Jaucherey und Gottlose zunötigung der Calvinisten zu dieser lande Kirchen in diesem stücke erkennen und in erwegung, daß es nicht einerley ist, Bilder haben und Bilder anbeten, oder sein Trost und zuversicht in Bilder setzen, die ihren, in ihren Fürstlichen Löblichen Frawenzimmern, beneben den Predigern Göttlichs worts, für ihrem [64] hochergerlichen beginnen und Gotteslesterlichen schwarm warnen und verwaren helffen, Vor eins. Darnach und vors ander, wofür gehalten werden sollen, die gepregte [geprägte], geschlagene oder gedruckte Bilder auff der Müntze, und an Guldenen oder Silbernen Schaugroschen oder an den Eingehengen und Kleinodien, Halß- und Armbanden, von Perlen, Edelgestein oder Schmeltzwerck, künstlich zugerichtet, damit Herrn und HernRethe [Herrenräthe], vom Adel und Hochgelehrte leute auch zur Kirchen gehen, oder ihre Hutschnuren und Kniebendel damit besetzen lassen. Ob das auch ölgötzen und Götzenwerck und Dienst, und sie als Götzenknechte, und derhalben Belials Freunde und nicht rechte Jünger Jesu CHristi mögen oder wollen gescholten und beschreyet sein. Und weil solcher geschmuck und zierat so wol bey Calvinischen Herrn und Adel, als bey den Lutherischen und Bäbstischen gemeine ist, ob man ihn nicht billich zur Antwort gebe nach laut deß alten Sprichworts, àφ ȅϭκας άρχου, das ist, kehre vor deiner Thür, und rieche in deinen Busen, und daß *Salustius sagt Omni vitio carere debet is, qui in alterum dicere paratus est. Aber wenn mans beym Lichten recht ansiehet, so ist die Hoffart bey den Calvinisten in solchen geblümeten, gestickten, und gepregten Bildwerck in tracht und kleidung, beneben dem hochmut andere gegen sich für Kinder und Narren zu halten, eben der grosse vier schrötige balcke in ihren verwendten [verwöhnten] Augen und hertzen, den sie nicht erkennen noch gewar werden. Und in mitler weile nur weidlich auff die Todtenbilder in der Kirchen schelten und darwider stürmen, wüten und toben, die doch per se niemandt beleidigen, Aber mit solcher hochmütigen verachtung andrer leut versündigen sich solche Splitterrichter nicht geringlich an Gott und ihren Nechsten, ohne daß die ubermachte hoffart an kleidung und schmuck bey etlichen die nicht nachzufolgen haben offte nicht ohne beschwerung Armer leute geführet werden mag. Summa Summarum ein Bildt ist ein Bildt, es sey geschnitzt, gemahlt, gegossen, gepreget, gewirckt, oder gestickt, in glaß gebrendt [gebrannt] oder welcherley art es gleich formieret sein kan. So nun alle Bilder ohne underscheid Götzen sein, wie diese Bildstürmer vorgeben, und es sol Sünde und Götzenwerck sein, Bilder in der Kirchen haben, ob man sie gleich weder mit [65] gebet noch des hertzens zuversicht, nicht ehret, so muß es nicht geringe Sünde und Götzenwerck sein, wenn jemandt

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gestickte oder gewirckte Bilder an seiner kleidung, oder gepregte Bilder an seiner Brust oder in der Tasche und Beutel mit sich in die Kirche tregt, als wann sonsten ein hültzern oder steinern Bilde drinnen zu sehen ist, welchs sie doch vor ein absurdum achten, die Bilder an kleid, krausen, Facinetlein, Silber und gülden Trinckgeschirr, oder Müntze nicht abschaffen, ob mans gleich mit sich in die Kirchen treget. Und derowegen ihren eigenen schluß verwerffen werden, etc. Dann das suchet doch Sathan endlich under dem Bildestürmen, daß er als ein Trawergeist Christenleuten Gewissen mache, und sie nicht ein reinlich kleidt oder Tischgerede [Tischgeräte] ohne anfechtung gebrauchen mögen, und also fein auff ihren eusserlichen wandel und eusserlichen gehorsam als ein opus operatum42 ihr Christenthumb stellen, so hat er sie dann in seinen klammern, und diß letzte Babsthumb erger als das erste, dafür sich billich ein jeglicher zu hüten und vorzusehen hat. Zuletzt hengen sie einen gewaltigen Drachenschwantz an ihre verantwortung, von der Consecration und einweihung des holtzes am Crucifix, daran das Bilde des gecreutzigten HErrn Christi henget in der Kirchen, und beschliessen, ist das nicht des H. Namens Gottes, und des allerheiligsten verdienstes Jesu Christi schrecklichen mißbrauch und verkehrung? Wer kan diese wort ohne entsetzung in seinem hertzen betrachten? Hiemit hat man unsere liebe Vorfahren verführet, und wir soltens noch auß blindem Eiffer helffen beschönen. Das sey ferne. So fern die Wort der Anhaltischen verantwortung. Darauff unterrichte ich meine liebe Pfarrkinder also: den reinen ist alles rein. Aber den unreinen ist auch alles unrein, beide hertzen und gewissen, und wer da stincket, der stincket immer fort, Apoc. 22. Ignoti nulla cupido, die unwissenheit solches beschwerens hat die unsere (GOTT lob) vor dem anruffen des Creutzes bewaret. Die andern, die es gewist43 [gewußt], haben sichs enthalten, weil sie einen bessern bericht haben, wohin sie nemlich ihr gebet und anruffung richten sollen, nicht zum holtz, noch zum Bilde, das doran hengt, sondern zum gecreutzigten lebendigen Sohne Gotte und Messia Jesu Christo, und haben sich an [66] dem Bilde lauter nichts geergert, wie ihnen darüber diese Anhalter groß ergernis machen, aus ubergeistlicher Pharisäischer Wiederteufferischer und Carelstadischer Heiligkeit, und sich dadurch hefftig an dem Gebet, der Liebe ihres Nechsten versündigen. Und ist doch nicht zu gleuben, daß ihr [ihrer] einer jemals das jenige bey den Hültzernen Crucifix im Gebet gesucht hat, das ihm das Römische Pontificiat wil zuschreiben. Sublata causa, tollitur effectus. Ist denn keine Abgötterey dabey, so ist auch keines thetlichen [tätlichen] Bilderstürmens vonnöten. Denn wenn man alles wolte nider

42 Theologischer Fachbegriff für eine vollzogene sakramentale Handlung, welche, unabhängig von der aktuellen sittlichen Eignung des Priesters, gültig ist. 43 In Vorlage „gewise“.

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werffen und verstören, was durch Bäpstische mißbreuche ist entweihet gewesen, so müsten die getaufften Kirchen und Glocken, Ecker und Wiesen und viel dinges auch nicht mehr sein. Die rechte Heiligung und Weihung stehet im Gebet und Wort Gottes, wie Christus den Tempel zu Jerusalem heiligte, Luc. 19, Und warff die Tische wol hinaus, aber den Altar und Cherubin etc. ließ er drinnen bleiben. Nun macht mans nach der Widerchristen art, werffen die Altar aus den Kirchen und setzen Tische wider hinein, als hetten sie gewisse Bürgen dafür, daß sie nicht auch könten in Mißbrauch gezogen werden, ohn daß sie mit grossem Ergernis und zerrüttung des lieben Friedes bey Nebel und Nacht ausgeworffen und eingefletzet [i.S.v. missbraucht] werden. So aber das die Heuptursache ist, die Crucifix abzuschaffen, weil sie auff Papistisch geweihet waren, was hat man denn vor ursach zu den Crucifixen und Taffeln, die nicht Papistisch geweihet waren, welche Lucas Cranach und andere Christen gemalet haben, auff begehren der Christlichen löblichen Vorfahren des Fürstlichen Hauses Anhalt. Und so man billich eiffert wider die verführung, welcher Eyffer auch sein maß halten muss, das es nicht ein blinder unbesonnener Eyffer werde, Wie kan man denn der errettung durch den L. Lutherum geschehen, so undanckbarlich und schendlich vergessen, daß man auch seinen Catechismum nicht mehr gedulden mag. Wie heilig ist hie der Teuufel, als ein Engel des Lichts, darumb ihn auch der HERR selbst schelten muß. Von anschawung und betrachtung des Creutzes Christi berichte ich meine Pfarrkinder, daß solchs auff zweyerley weise geschehe. [67] Die Bepstischen wenden ihre Augen und Hertzen auff das hültzerne Creutz, machen groß geplumpe de inventione Crucis , de exaltatione S.  Crucis, de adoratione, de reliquiis S. Crucis, führen Creutz und Fahnen mit sich in den processionen, setzens an die Wege und Stege, und ziehens hoch an als ein wares Bildnis Christi, daher sie die hültzerne Creutz und ihre erdichtete Reliquias mit sonderlichen Ceremonien und dieser Collecta enweihen: Wir bitten dich heiliger Vater allmechtiger ewiger Gott, daß du gnediglich segenen wollest das Holtz deines Creutzes, daß es sey ein heilsame Ertzney dem Menschlichen Geschlecht, eine stercke des Glaubens, fürdernüs und hülffe zu guten Wercken und der Seelen erlösung, ein trost, schutz und schirm wider die geringen Pfeile der Feinde durch unsern HErrn Jesum Christum, pontifi. Rom. ChristenLeut aber sehen die Person Christi an, welcher Gott und Mensch ist, und bedencken die ursach seines todes und die krafft und wirckung, daß wir dadurch bey GOtt ausgesöhnet, der Sünden und ewiger Verdamnis loß, und ewig selig werden. So gibt uns das rechte ware Bilde des gecreutzigten Jesu Christi feine tröstliche anblick und gedancken, die dem Glauben ehnlich sein. Denn da henget er zwischen Himmel und Erden, als der Mitler zwischen Gott und Menschen, 1. Tim. 5. […]

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Editorische Notiz Bearbeitungsvorlage EXAMEN || DEr Anhaltischen ge-||nanten  / vnd vom Doctor Andreas Carlstat || entlehneten / Schlußsprüche / von abtilgung der Altarn vnd || Bilder / In den re­for­ mir­ten Kirchen Augspurgischer Confession || verwandt / mit nicht geringer Vnruhe vnd Wiederwillen der || Christlichen Gemeinen / auch vieler Trewher- | tziger vom Adel vnd Prædican- | ten im Landt. || Item: || VICTORIA || Das ist: || Siegbuch des Christlichen Geistreichen vnd || heiligen Catechismi D. Martini Lutheri, Darinnen grund || vnd vrsach gezeigt / das er kein Sacrilega noch Kirchenreuber ist / Vnd || das die abtheilung der zehen Gebot Gottes / die er hat / So wol || auch seine Lehre von den anderen Heubtstücken Christlicher || Religion / vnd insonderheit vom Abendmal || des HErrn / recht vnd nicht || vnrecht sey. Beschrieben durch: || ADAMVM CRATONEM NORTHVSANVM || Pfarherrn vnd Superintendenten zu Calbe / etc. || Gedruckt zu Magdeburg / Durch Paul Donat / || Im Jahr / M. D. XCVII. Exemplar der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt [Halle], Sign. X.4° 82d – VD 16 K 2173 [digit.] 117 Scans.

LIT zvdd; Th. Kaufmann (2006).

N° 92 Johannes Olearius Calvinischer Greul der Verwüstung [1597] Auszüge

Johannes Olearius (1546–1623), Sohn eines Ölschlägers in Wesel, studierte nach Gymnasiumsbesuch in Düsseldorf ab 1566 Theologie und Hebraistik an der Universität Marburg, danach in Jena, wo er 1573 den philosophischen Magistergrad erwarb. Ab 1574 Archipaedagogus am Gymnasium in Königsberg, 1577 Professor der Hebraistik an der dortigen Universität; von dort 1578 in gleicher Position an die neu gegründete Universtät Helmstedt berufen; ab 1581 Oberpfarrer und Superintendent in Halle, zugleich Hebraistikprofessor am dortigen Gymnasium. Er verfasste aus orthodox lutherischer Sicht zahlreiche Streitschriften und Predigten, so auch gegen den reformierten Wolfgang Amling [→ N° 88 u. 90]. Mit unseren Auszügen aus der Schrift von 1597 bietet Olearius eine umfängliche, polemische (sonst aber uninspirierte) Geschichte der Bildverwendung, beginnend mit Historien des Alten Testaments, dann zu Exempeln der Kirchenhistoriker (Eusebius u.  a.) übergehend und schließlich bei jüdischen und türkischen Beispielen des Bildumgangs endend. Olearius setzt sich – recht argumentearm – für das Bildbedürfnis „der Einfeltigen“ ein, vertritt also auch die Gregorsformel. http://doi.org.de/10.1515/9783110780031-033

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 N° 92 Johannes Olearius

Vom Catechismo. [S. 36] Wenn das machen aller Bilder und pesilim solt verbotten sein, und nicht das

machen zur anbettung allein, so müste aller steinmetzen, und Zimmerleut, oder Tischer [Tischler] handwerck oder arbeit damit, sein verboten. Denn das wort Pasel und Pesel bedeut nicht allein Bilderschnitzen, sondern polire, dolare, lævigare, allerley hobeln an stein und holtz, auch da man Tafeln, Bret[t]er, Tische, pfosten, Balcken, Sulen, zum gebewd, und kasten zurichtet, wie [37] keiner leugnen kann, der die Hebreische Bibel jemal gelesen. So wird Mose geboten, er sol andere Tafeln formiren hobeln, oder poliren, pesollecha stehet Exod. 34. Deut 20. v. 1. Von Salomonis Tempel und gebew stehet Reg. 5. v. ult. vvaij phselu {jüdisches Wort} sculpserunt ædificatores Salamonis, & ædificatores Hiram, Das hat D.  Luther also geben, die Bawleut Salamo, und die Bawleut Hiram und Giblim, hieben aus, und bereiteten zu Holtz und steine1, zu bawen das Hauß. Darumb auch das wort Pesilim sculptilia2 Gentium, welche man zerstören und mit Fewr solt verbrennen. Deut. 7. vers. 5. & pen, nicht allein die Bilder bedeutet, damit die Heiden Abgötterey getrieben, sondern auch die höltzerne und steinern Gebewd, oder Kirchen und Capellen, die man zugleich umbreissen und verbrennen müssen, Wie ausdrücklich das gesetz gebeut, und D. Luther Tom. 3 Ienensi wider Carlstad ausfürlich erstreitet. Es bedeut auch das wort Pesillim die Steinbrüch und Steinhütten, oder bawhöffe, da man also geschnitzez, gehobelt und poliret hat, wie den sprachverstendigen bekand ist. Daher bald solt erwiesen werden, das die Calvinisten alle unser Kirchen und Heuser sampt den jren, gantz würden zu verbrennen und umbzureissen haben, wen[n]s nach jrer Jüdischen und Türckischen glossen solt hergehen. Sonderlich weil sie auff die umbreissung der altar umb der ursachen willen so hefftig dringen, das damit viel Abgötterey getrieben. Welche mit den Kirchen auch gleich so wol, und in den selben mehr, den[n] allein auff den Altaren geübet ist worden. Derwegen offenbar, das die wort von Bildern, oder geschnitzter, gehobelter erbeit, nicht ein sonderlich Gebot, [38] sondern ein stück und erklerung des ersten gebots ist, darzu die vorigen Wort genommen müssen werden, sol anders der verstand richtig sein ‚Du solt sie nicht anbeten, noch jhnen dienen‘, wie solche Gebot und sprüch sehr viel in der Schrifft zu finden, da certo quodam respectu, das ist, mikt gewissem beding, etwas verboten und verdampt wird, aber nicht durchaus

1 In Vorlage „steinen“. 2 In Vorlage „sculpilia“,

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nicht simpliciter. Wie Gal. 5. die Beschneidung bey verlust der gnaden Christi verbotten wird. Nemliich der meinunng, als were sie nötig zur Seligkeit. […]

[48]

Von Bildern und Crucifix. DAs nicht die Bilder schlecht, für und an sich selbst, nicht die Imagines simpliciter, wie die bede Anhaltische Schrifften felschlich vorgeben, sondern cultus Imaginum, das ist, die anbetung der Bilder im ersten Gebot, und auch mit denen worten, daraus die Calvinisten das ander Gebot schnitzen wollen, verbotten [49] sey, ist aus vielen Sprüchen, Gebotten und Exempel[n] oder Historien des Alten und Newen Testaments offenbar. Auch der Unterscheid zwischen Abgöttischen, anbetischen 3 Bildern, wie Lutherus redet, und denen, so zum Gedechtnus und erinnerung, Historien und ornat gehören, daraus so hell und klar als die Sonn im Mittag, wie aus folgenden gründen und erweisungen offenbar.

I. Erster grund. WAs Gott ausdrücklich zu unterschiedlichen mahlen geboten hat, auch allezeit im Volck Gottes im Tempel und an heiliger Stet[te] ist behalten, das ist nicht wider das erste oder ander Gebot, viel weniger ists ein schewel [i.S.v. Erregung] oder grewel der verwüstung an heiliger Stet. Nu aber hat Gott ausdrücklich zu unterschiedlichen malen geboten, Bilder und Gleichnissen zu machen. Es sind auch wol 1500. Jar lang gemalte, geschnitzte Bilder in der Hütten des Stifftes und im Tempel und Schloß Salomonis nachmals verordnet und erhalten, die doch nicht haben müssen angebetet werden. Derwegen Bilder machen und haben, dieselbe in unsern Kirchen oder Heusern dulden und ungestürmet lassen, ist keine Sünde, noch grewel für Gott: sondern ist ein Adiaphoron oder willkürlich ding, das man mit gutem gewissen brauchen mag bey den Christen, wie es damals bey den Juden wegen Göttlichs Gebots nötig war. [50]

3 ‚anbetisch‘ i.S.v. ‚zu Anbetung reizend‘.

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Bekrefftigung des Ersten Spruchs. Unmüglich ists, das Gottes Will sol jm selbs zuwider lauffen. Mal. 3. Deus ego sum & non mutor. Ich bin der Herr, der nit leugt. 1. Tim. 6. Deus se ipsum negare non potest. Gott kann seinem Heiligen unwandelbaren willen nichts zuwider gebieten und verordnen. Unmüglich ists, das Gott ein grewel der verwüstung oder Abgöttisch ungöttlich wesen in seinem Heiligthumb anzurichten, auch für und für daselbst zu behalten, befolen haben sol, denn so er hefftig uber die Söne Eli zürnet, da sie unzucht und fleischlichen ehbruch an H. stete getrieben: wie viel mehr würde er für Geistliche Hurerey ein abschew gehabt haben, wo Bilder und Götzenwerck schlechts ein ding were. Wie die Anhalter mit dieser Fallacia Æquivocationis & confessionis rerum diversissimarum sich immer schleppen. pag. 37. 48. 49. 50. A.

Bekrefftigung des andern Spruchs. Das Gott zu vielen unterschiedlichen malen, nicht nur ein, zwey, oder drey mal geboten, Bilder zu machen und zu haben, [51] beweiset sich also augenscheinlich und greifflich. Exod. 25. gebeut Gott Mosi, er sol mit allem fleis alles in der Hütten des stifftes machen nach dem Bild, das jm auff dem Berg gezeigt worden. Wie den[n] solcher spruch im gemelten cap. 1. & ultimo, und Heb. 6. allegirt wird, wird auch ein Heuptspruch deß gantzen alten Testaments und Regel aller auslegungen uber die Mosaische satzungen von D. Luther billich gehalten. Nu hat aber Moses in der Hütten des stifftes machen müssen nicht allein zwey Engelische Bild uber der laden des Bundes, auff dem Gnadenstul, sondern auch viel andere Cherubim, das ist, Bilder der Engel, auff den seidenen Teppichen von mancherley farben, und solchs alles hat er nach dem auffm Berge gezeigetem Fürbild machen müssen. Besaleel aber der oberste Bildschnitzer, Goldschmid, Maler und Seidensticker wird von Gott selbs gerühmet, das er durch den Geist Gottes sey unterrichtet und erleuchtet mit dieser weisheit und geschicklich[k]eit, das er alles künstlich und artig hat erstlich entwerffen und malen, nachmals schnitzen, und aus Gold oder Silber giessen müssen. Wie denn Exod. 26. und 35. Gott selbst zeuget. Nu gibt aber Gott seinen Geist nimmermehr, verheisset auch keine weißheit zur sündt und Schandt, zu abgöttischen greweln der verwüstung. Derwegen offenbar, das Bilder und gemelde für sich nicht sind grewel und Götzen. Sondern werden

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allererst zu grewel und Götzen, wenn man sie machet anzubeten, oder darzu mißbraucht, wie auch der Heidnische Poet **Martialis fein spricht: Qui fingit sacros auro vel marmore vultus  Non facit ille Deus, qui rogat, ille facit. [52] 3. Solchs bezeugt auch die Ehrne Schlang welche Moses gemacht hat, und zum zeichen des heils hoch auff ein Holtz gehengt. Die ist zwar ein gegossen Bild oder Pesel gewesen, aber nicht ein Götze, nicht dem ersten Gebot zuwider, sondern hernach demselben zuwider mißbraucht zur zeit des Königs Hißkiæ. Zuvor hat sie wol ohn Sünde, zum Gedechtnis erhalten und als ein feine Antiquitet angeschawet können werden. 4. Salomonis tempel hat auch sehr viel Bilder gehabt nach Gottes befehl, wie die Mosaischen Hütten des Stifftes. Denn so spricht David 1. Paral. 29. Alles ist mir beschreiben gegeben von der Hand des HERREN das michs unterweiset alle Werck des Fürbildes. Nu hat aber K[önig] Salomon in dem Tempel viel und mancherley, gegossen, gegraben, geschnitzt, und gewirckt gehabt, als zwelff OchsenBilder aus ertz gegossen, darauff dz gegossen ehrne mehr4 gestanden, 2. Chron. 4.2. die zwene grosse ubergüldete Cherubim mit Flügeln, deren igliche 5. el[l]en lang sich ausgestreckt, und also 20 elen weit, die auff jren Füssen gestanden, und jr andlitz zum Hause werts gewand gehabt, 2. Paral. 3.4. Hat auch Cherubim, das ist Engelische Bilder, schnitzen lassen an die wende, welche mit Parvaim Gold, oder Peruanisch Gold (aus Peru der jtzigen Newen welt Landschafft gebracht, wie etliche meinen) überzogen gewesen, 2. Paral. 3.2. Er hat auch gegossene und gegrabene Bilder der Cherubim, Lewen, Ochsen, PalmenBeume lassen machen an den zehen grossen ehrnen gestülen, da ein jedes 4. elen [53] lang und breit gewesen, und auff 4. redern [Rädern] gestanden, auch etlich 100. granatepfel aus ertz an den beiden seulen. Nu ist aber unmüglich, das Gott solchs geboten haben solt, da es stracks dem ersten (oder nach Calvinischer Abtheilung dem andern) Gebot zuwider sein solt Bilder machen, zum Gedechtnis oder zum ornat. Derowegen offenbar, das[s] Bilder machen, hawen, giessen, schnitzen, haben und dulden, nit sey für sich ein Sünd oder Laster wider das erst oder ander Gebot, Sondern das[s] die anbetung der Bilder im ersten Gebot nur verbotten sey.

4 ‚das gegossene eherne Meer‘ vgl. 2. Chronik 4, 2  f.

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Darumb denn offenbar, der es falsch und aus einem Jüdischen blinden eiver [Eifer] von **Philone5 geschrieben, dz Mose alle Bildtschnitzer und Maler aus der Jüdischen Policey verwiesen und verbannet hab. Denn aus vielen Historien altes und New[es] Test[amentes] offenbar, das[s] die Juden nicht solche bewrische barbarische, ja gottlose verechter [Verächter] dieser herrlichen kunst (welche von Mose dem H. Geist zugeschrieben wird, Exod 35.) des Malens und Bildens gewesen, wie die Calvinisten sind. Sintemal wir in Historia Davidis nach lesen, das[s] seint Michol hab ein Bild ins Bett gelegt an Davids stat, das[s] man gemeinet, er wer es selbs. Nu wird aber David keine Abgöttische Bilder in seinem Hause geduldet haben, derwegen es sonsten ein Bildnis oder statua wird gewesen sein, zur6 zierd, in grossen Pallasten breuchlich, wie Salomon grosse und kleine Lewen an seinem Königlichen Thron zur Politischen [54] zierd lassen formiren aus golt und Elfenbein. Weil auch die Apostel auffm H. Berg Mosen und Eliam gekent, ist gleublich, das ihre Bildnissen auch bei gemeinen Leuten oder ja in grosser herren Heusern wol werden breuchlich sein gewesen, wie denn auch der Evang. Lucas ein Medicus und Maler in Eccl. Historiis wird beschrieben. Was das New Test. belanget, zeugen die KirchenHistorien, das[s] Constantinus Magnus, da er dem Christlichen Glauben für den Tyrannen ruge [Ruhe] und friede geschafft, herrliche Kirchen bawen und mit schönen Bildern und gemeldem von Gold und Silber lassen schmücken, Teste *Damaso & *Platina. Auch zeugt *Eusebius in Eccl. Histo. lib. 6. cap. 41. das[s]die Hæmorrousa7, darvon Matth, 9. Luc. 12. dem H.  Christo zu Cæsaria für jhrem Hause ein Seule und oben drauff sein Bild von Messing lassen machen, und jhres zugleich auch, wie sie sich gebücket und seines Kleides Saumen angerüret. Welches Bild Christi nachmals (über 300. Jar nemlich) der abtrünnige Mammeluck und Bildestürmer Julianus umbgerissen und seines an diestete setzen lassen, welchs aber bald der Donner zuschmetterte. Nu wird aber das Weiblin wegen jhres Christlichen Glaubens von dem Herrn Jesu hochgerühmet, dardurch sie auch selig worden, und nicht ein Heidin gewesen oder geblieben. Derwegen es nicht ist wider den Christlichen glauben, Bilder machen, dulden oder behalten: wenn man sie nur nicht anbetet. Das[s] aber jemand aus *Eusebio lib. 7. cap. 14. wolt sagen, dasselbige Weiblin hette es aus Heidnischen Aberglauben und Abgötterey dem H. Christo zu ehren gethan, nicht aus rechtem Glauben und warer Gottseligkeikt, das [55] helt den stich nicht. Denn solche laster und Todtsünde, als da ist Abgötterey, kann nicht stehen im hertzen neben dem waren seligmachenden Glauben. Christus aber gibt dem Weiblein zeugnis jhres Waren Glaubens, da er

5 Philon von Alexandria (ca.15 v. – ca. 55 n. Chr.) schrieb u.  a. eine Moses-Biographie. 6 In Vorlage „zum“. 7 ‚Hæmorrhousa‘ Bezeichnung für das ‚blutflüssige Weib‘.

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sie seine Tochter nennet und spricht, Fides tua te salvavit. Derwegen ist sie nicht Heidnisch noch Abgöttisch blieben, da sie gleich also gewesen möchte sein. Die Calvinisten streiten zwar hefftig, das[s] der rechte ware glaube auch neben Abgötterey, neben verleugnung des names Christi, neben Todschlag, Ehebruch und hurerey bleiben und bestehen könne: Wie in Colloquio Mompelgardense und Miscell. Zanchi8 zu sehen, aber solcher jrrthumb wird in Gottes Wort, und vermüg desselben in der Augsp. Confession, Apologia und Schmalkald. Articul. und lib. Concordiæ billich verflucht und verdampt. Darumb nicht zu tichten, als wenn die Hæmorrhousa aus Heidnischem jrrthumb oder unglaben solche Historische gemeld und Bilder hette machen lassen. Weil der H.  Christus jhren Glauben so herrlich rühmet. So lesen wir auch das[s] zur zeit des H. *Basilii, *Nasianzeni, *Hieronymi, (welche zu gleich gelebt) auch Bilder in den Christlichen Kirchen sind gebreuchlich gewesen, wie in sonderheit aus folgenden allegatis offenbahr. *Gregorius Nyssenus, *Basilii Magni Bruder in Orat. de Theodoro Martyre zeuget dz in der Kirchen, darin es domal gepredigt, so auch zum Gedechtnis Theodori Martyris gebawet, desselben Marter,und bestendigs leiden, wie er im Fewrigen Ofen verbrand, künstlich abgemalet {Editio. Basil. fol. 317.}sey gewesen mit herlichen farben. Meldet auch darneben, warz die Gemeldt nützlich sein, nemlich das[s] sie in allerley sprachen die Historien oder geschicht bekannt machen, da sonst ein schrifftlikcher bericht nur einerley nation völcker unterrichtet. Fürs 2. das[s] es Christliche andacht und ehrerbietung gegen Gott und den9 waren Gottesdienst in den hertzen erwecke. [56] Also lesen wir das[s] ohn langst hernach *Paulinus Bischoff zu Nola in seiner Kirchen hab ein Creutz und ein Cron oben drauff lassen malen, mit diesen schönen versen. Cerne coronatam Domini super atria Christi Stare crucem, celso spondentem celsa labori Præmia: tolle crucem, si vis auferre coronam. Ob nu wol aber auch bekand, wie *Epiphanius, Bischoff in Cypro, fast im selben seculo, sehr den Bildern zuwider gewesen, und ein gemalet tuch mit des H. Christi oder eines Apostels contrafeit abgerissen, darneben ein schreiben an den Bischoff zu Jerusalem gethan, als wenn sich das in Christlichen Kirchen nicht gebürete zu leiden, So ist doch offenbar aus diesen bewerten zeugnissen, deren mehr angezogen könten werden, das[s] solche meinung *Epiphanii nicht ist Catholica noch allen

8 Vgl. Girolamo Zanchi (1516–1590), reformier Theologe Univ. Heidelberg: Miscellanarum Libri Tres. Neustadt 1582. 9 In Vorlage „dem“.

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reinen Lerern wolgefellig gewesen. Denn es ja offenbar, das *Epiphanius zur selbigen zeit gelebt hat, da diese Historien, davon gemeld, sich zugetragen, Ja das[s] er nach der zeit *Eusebii gelebt hab, umb das Jar Christi 400. zur zeit der Keyser Arcadii & Honorii. Wer aber von den Bilder weiter bericht zu lesen10 begert, der lese den ausfürlichen Tractatum H. Doctoris M. Chemnicii [→ N° 51], im dritten Theil des Examinis Tridentini Concilii, Deutsch und Latin ausgangen, Item in part. II. Locorum Communium. Wöllen jtzt mit wenig worten etliche unschlüssige Schlusreden der Anhaltischen [57] Scribenten auff dem test setzen, damit sie die Bilder durchaus verdammen. Im ersten Buch Fol. 52. nemlich in der Fürstlichen verantwortung, setzen11 sie diese wort: Wo lebt jtzt jemand auff erden, der die gestalt des für uns gecreutzigten Heilandes gesehen? Welchen man doch auff so mancherley weise, darunter noch ein heimlicher (Wie leicht zu verstehen) Arianismus und Nestorianismus verborgen, abmalet und schnitzet? Haec ibi. Antwort. DAs[s] kein Arianismus oder Nestorianismus darunter verborgen, ob man gleich gemalete oder geschnitzte CrucifixBilder hat in unsern Kirchen, und bisweilen auff dem Altar, viel mehr aber das[s] bey den Calvinischen Bildestürmern ein grober Arianismus, Nestorismus und Turcismus erfür kuckt12, ist offenbar. Denn bey uns, Gott lob und danck, schallet das öffentliche Bekendnis von dem gecreutzigten Jesu von Nazaret, das[s] der zugleich Gottes und Mariæ Sohn gleicher Maiestet, und nach der Gottheit eben derselben natur und wesens mit dem Vater und H. Geist sey, von ewigkeit her, und derwegen anzubetten sey mit einer anruffung nach beiden naturen, Wider die lesterung der Arianer und Nestorianer, von Danæo den Calvinisten, und Amlingo wider aus der Hellen erfür gesucht, Wie denn aller Propheten Sprüch dahin in unsern Kirchen erkleret werden, von dem Son Gottes, welche die Calvinisten auff Jüdisch verkeren. Ergern uns derwegen nicht an der armen gestalt des gecreutzigten, berauben jhn nicht drumb seiner so wol eusserlichen als innerlichen ehren, nehmen die hüte ab, und beugen unser knie nach der lere Pauli, Philip. 2. wenn das kindlin JESUs genent, und des gecreutzigten namen verkündiget wird. [58] Was machen aber unsere tollen Calvinischen Reformirer?

10 In Vorlage „Lesenden“. 11 In Vorlage „Setzen“. 12 In Vorlage „Kuck;“.

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Sie gönnen dem H.  Christo diese ehre nicht, das[s] man die Historia seines Bittern Leidens und Sterbens für die augen der einfeltigen malet, welches doch Paulus Gal.  3. für eine gantz bewegliche Predigt achtet, da er spricht, O ihr thörichten Galater, wer hat euch bezaubert, der warheit nicht zu gleuben, denen doch Christus für den augen gemalet war, und jtzt unter euch gecreutzigt wird? Sind in dem den Türckischen Bestien und Bluthunden gantz gleich, welche der Arianer und Nestorianer Ottergeszicht sind, wie alle Historien zeugen. Wie nun die Türcken mit dem Crucifix in eroberung der Stat Constantinopel umbgangen, anno 452. Also thun die Calvinisten im Fürstenthumb Anhalt. Beza schreibet {Col. Mompel. fol.  82.}, er hasse unter andern Bildern keines so sehr, als das Bild des gecreutzigten Christi, denn es sey Imago Crudelitatis Iudæorum, ein Bild der grausamkeit der Jüden. Es solt aber bedencken, das[s] es auch fürnemlich ein Bild sey der unaussprechlichen liebe und Leutseligkeit Christi, des Sons Gottes, gegen uns arme würmlein, und ein Idea der grossen Marter, die ein jeder mit seinen eigen Sünden wol verdienet hette. [Auf den übrigen Seiten (59–231) des Buches keine weiteren Darlegungen zur Bilderfrage.]

Editorische Notizen Bearbeitungsvorlage Wider den || Calvinischen Grewel der || Verwüstung/ || In des Fürstenthumb Anhalts Kirchen newlich || mit gewalt eingesetzet. || Trewhertzige || Warnung und Bericht / || IOHANNIS OLEARII || von Wesel, der H. Schrifft D. || Neben gründlicher widerlegung || Der F. Verantwortung auff etlicher vom Adel und Stedten Erinnerungsschrift. || Bericht von Ceremonien, beyde zu Zerbst newlich ausgangen- || Abfals ursachen D. Peuceri zum Calvinismo, dem Hertzbergischen, zu Zerbst gedruckten Colloquia angeflickt. || Calumnien, so in desselben Vorrede wider D. Olearium ausgesprengt. || Auch Erweisung aus Gottes Wort. || Das grosse Herren keines wegs befugt, ihren Un- || terthanen, die Valvinische falsche Lehre || auffzudringen. || Gedruckt zu Hall in Sachsen, bey Paul || Gräber, In verlegung Johan Francken, || Buchhändlers zu Magdeburg, 1597. LIT Jöcher, Zedler, Ersch/Gruber, ADB, NDB, BBKL, RGG, VD 17, Wikipedia.

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N° 93 Abraham Taurer Wider den neuen bildstürmerischen Geist [1597] Auszüge

Von Adam Taurer wissen wir nicht mehr, als dass er Ende des 16.  Jahrhunderts lutherischer Pfarrer in Schwertzau (Schwerzau) bei Magdeburg war. Seine umfängliche Monographie von 1597. mit welcher er die anhaltinischen Reformierten bekämpft, ergänzt die Kritik der Wittenberger Theologischen Fakultät desselben Jahres. Die thematische Gliederung ist aus den auf dem Titelblatt genannten sieben Punkten ersichtlich. Taurers Traktat zeichnet sich weder durch Scharfsinn noch rhetorische Geschmeidigkeit aus, ist aber wegen der Breite seiner denunziatorischen Polemik interessant, in der ihm als Gegner namentlich Calvin, Beza, Zwingli attackierenswert erscheinen, im anhaltinischen Kontext aber Amling, Carlstadt, Gundermann, Peucer, Pezelius wichtig sind. Die polemische Pauschalisierung führt zu Gleichmacherei, in welcher Anhaltiner mit Calvinisten, Carlstadtanhängern und selbst Türken (qua Korananhängern) verquellen. Taurer sucht die anhaltinische Bildkritik lächerlich zu machen, indem er ihre Aporien und Inkonsequenzen markiert. So behauptet er, es sei empirisch nicht zu erhärten, dass Bilder in Kirchenräumen die Besucher bei Aufnahme des göttlichen Worts und der Predigt behinderten, da es sonst ja auch unzulässig wäre, Bibeln und Katechismen zu bebildern oder bebilderte Bibeln zu benutzen. Im Privatbereich seien Sakralbilder an den Wänden, als Kaminkacheln und auf Geschirren üblich, die drum auch beim Bildersturm berücksichtigt werden müssten. Analog zur fürstlichen Bildverwendung auf Schaumünzen und Einblattdrucken müsse es erlaubt und mnemotechnisch hilfreich sein, Bilder Christi und der biblischen Historien in gleicher Form zu verbreiten. Widersinnig sei es, wenn die anhaltinischen Reformierten Kupferportraits ihrer Leittheologen Amling und anderer verbreiteten. Im Folgenden werden lediglich Auszüge der umfänglichen Druckschrift Taurers geboten, da sie vielfach redundant ist. http://doi.org.de/10.1515/9783110780031-034

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 N° 93 Abraham Taurer

AUSZÜGE aus der Vorrede [Sc. 12–23]: [12] Liebe Christenheit, es ist nicht Spielwerck, wacht auff, und schawt dem Anhaltischen Bildstürmerischen Geist frisch unter Augen, Es trifft an die Ehre des gecreutzigten Jhesu Christi unsers Heilandes, den sie verlestern, und einen nackenden Baderknecht1 nennen. Der liebe Assaph mahlet die Anhaldischen Bildstürmer ,dergestalt abe, als wenn er jetzo lebte, und es alles mit seinen Leiblichen Augen ansehe, Man sihet, spricht er, im angezogenen 74. Psalm [Ps 74, 4–9], die Exte [Äxte] oben her blicken, wie man in einen Wald hawet, und zu hawen alles Taffelwerck, mit Beil und Barten2, Sie verbrennen dein Heiligthumb, Sie entweihen die Wohnung deines Namens zu boden. Man sehe heutiges tages an die Kirchen im Fürstenthumb Anhald: Es haben ja die Exte [Äxte] von oben her geblicket, wie man in einen Wald hawet, Es sind ja die Altar, Crucifix, und dergleichen mit Beil und Barten zerhawen worden, wie Assaph im 74. Psalm bitterlich drüber klaget. Und stehet jetzo im Fürstenthumb [13] Anhald mit den Kirchen, wie zur zeit Nebucadnezars, des Königes zu Babel, es stund umb den Tempel zu Jerusalem, der Nebucadnezar, der König, liesse alle güldene und silbern Gefeß [Gefäße] und dergleichen Schmuck des Tempels hinweg reissen, und gen Babel führen, 2. Reg. 25. Dan. 5. Also werden heutiges Tages alle Bilder, Altar, Kelche, und dergleichen, aus den Kirchen im Fürstenthumb Anhalt, gestürmet, und stehet recht der Grewel der Verwüstung an der heiligen Stete [Stätte], Und mögen wir wol zu den Anhaldischen Bildstürmern sprechen: Danckestu [dankest du] also dem HERRN deinem Gott, du toll und thöricht Volck, Deut. 32. Ist das der Danck, den wir Gott dem HERRN geben, das Er uns durch das selige Werckzeug Lutherum, sein Wort rein und klar zu diesen letzten Zeiten offenbarete? Darumb sollen trewe Lerer und Seelsorger zu dieser Carlstedtischen Bildstürmerey mit nichten schweigen. [24 Zeilen übersprungen.]

[14] Die eusserste Nothdurfft erforderts, das man wider diese newe Anhäldische

Carlstedtische Bildstürmer Tag und Nacht schreye, denn viel frommer Hertzen werden durch dis jr verflucht Kirchenrauben, dergestalt betrübet gemacht, das sie nicht wissen, wo aus oder ein, was aber Gottlose Epicureer und freche Welt-

1 Dass Christus als Baderknecht bezeichnet wurde, hat Tradition. So bot der Franziskaner Thomas Murner 1514 (Straßburg bei Grieninger) eine allegorische Pilgerfahrt als „geistliche Badenfart“ dar, in welcher Christus in vielen Handlungen als Baderknecht  – in Wort und Bild  – dargestellt ist. Erasmus wies 1524 darauf hin, dass es erotisch verfänglich sei, bei Darstellung einer Madonna eine „schandbare Dirne“ Modell sitzen zu lassen, oder bei Darstellung Christi „ein Trunknen oder ein Buben“. Es sind dies die Auswirkungen der Ähnlichkeitsforderungen der neuen Portraitkunst. 2 Die „Barte“ ist ein altes Spaltwerkzeug.

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kinder seind, die werden durch das Carlstadtische Bildstürmen in jrem Gottlosen Sinn gesterckt, das sie von Gott, seinem Wort, und den heiligen Sacramenten nichts halten, weil die Kirchen gleichsam zu Gasthöfen gemacht werden. [12 Zeilen übersprungen.]

Sondern [15] es suchen die Anhaldischen Bildstürmer unter dieser Bildstürmung die Außtilgung der gantzen Evangelischen Lutherischen Lere, und die Einführung der verfluchten Calvinisterey. [97 Zeilen übersprungen.]

[17] Wo die Carlstadtische Anhaldische Bildstürmer uberhand haben, da wird dem

gecreutzigten Jhesu Christo Thor und Thür wenig geöffnet, sondern alles für jme verriegelt und zugeschlos-[18]sen, Ja es wird das Bildnis des gecreutzigten Jhesu Christi, unsers Erlösers, offentlich von den Anhaldischen Bildstürmern aus den Kirchen geworffen, zu unfeilbaren Zeichen, das sie dem gecreutzigten Jhesu Christo spinnen feind sind. Wenn man eines Fürsten und Herrn Bildnis für Augen nicht dulden köndte, so were es ein gewis Zeichen, das man denselben Fürsten, dessen Bildnis so verunehret würde, wenig achte, Wie denn billich Christliche Gottselige Hertzen alle Calvinische Bildnis, als das Bildnis Wolffgangi Amlingij3, Peuceri4, des alten verfluchten Redlinsführers, Calvini5, Gundermanni6, Bezæ7, Pecelij8, und andern Carlstadtischen Bildstürmer, hassen und verwerffen. [46 Zeilen übersprungen] [19] Es mus ja einem waren Christen das Hertz im Leibe erkalten, wenn er höret, wie die Gottslesterlichen Anhaldischen Bildstürmer, das Bildnis des gecreutzigten Jhesu Christi, einen nackenden Baderknecht, das Bildnis Gottes des Himlischen Vaters, einen alten Leinweber, das Bildnis des heiligen Geistes eine Krah [Krähe] nennen, alle Bildnis, alle Altar, Orgeln, und dergleichen Schmuck der Kirchen gentzlich hinweg [20] werffen. [27 Seiten übersprungen.] [47] GRundfester Beweis, aus Göttlicher, heiliger Prophetischer und Apostolischer Schrifft, das man mit gutem Gewissen, Christliche Bilder, so man nicht anbetet, oder sonst zur Abgötterey brauchet, in den Evangelische reformierten Kirchen haben, leiden und dulden könne.

3 Wolfgang Amling → Dokument N° 85 und 87. 4 Christoph Peucer → Brosseder [2004]. 5 Johannes Calvin → N° 43. 6 Christoph Gundermann (1549–1622), reformierter Theologe, → ADB. 7 Theodor Beza → N° 53. 8 Christoph Pezelius → N° 83 und 84.

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Erster Beweis. ANfenglich sol hie der Christliche Leser wissen, mercken, und wol jm [i.S.v. sich] einbilden, das wir nicht reden und handeln, etwa von ertichten [erdichteten], Heidnischen Götzen und Bilden, als der ertichten Götter Martis, Iovis, Neptuni, &c. So wollen wir auch diesen unsern Beweis nicht ver-[48]standen haben, von denen Bildern, die man nach Bepstischen Brauch anbetet, und jnen Göttliche Ehre anleget. Von diesem allen soll gegenwertiges Stücke von den Bildern nicht aufgenommen werden, Als wollten wir die Heidnischen götzen in unsern Kirchen haben, oder die Papistischen Bilder anbeten, Sondern wenn gesagt wird, man könne mit gutem Gewissen Bilder in den reformirten Kirchen dulden, so verstehn wirs alleine von Christlichen Bildern, von dem Bildnis unsers einigen HErrn Jhesu Christi, der für die Sünde der Welt am Stam des Creutzes gestorben, und von andern Bildern, die man nicht Göttlich verehret, sondern nur zur Zierde der Kirchen, und zur Christlichen Gedechtnis und Gottseligen Erinnerung behelt [behält]. Wir lassen auch willig und gerne zu, das die Bilder, davon wir hie reden, sind res adiaphoricæ, Das ist, Mitteldinge, welche in Gottes Wort nicht außdrücklich gebotten noch verbotten, aber gleichwol dem gantzen offenbarten Wort Gottes gleichstimmig, und deßwegen aus Christlicher Evangelischer Freyheit wol können gelidten werden, oder auch, da es one Ergernis köndte geschehen, möchten abgeschafft werden, wo es nicht verdechtige Calvinische Personen theten, die da Bilder in Kirchen zu haben für eine Abgötterey achten, und nicht alleine die Abschaffung der Bilder, Sondern eine Newrunge in der gantzen Christlichen Lere darunter suchen und begeren einzuführen. [28 Seiten übersprungen.] [76]

Der siebende Grundfeste Beweiß. ES geben die Calvinisten nicht allein zu, das man auff die Müntz Bildnissen pregt, sondern sie können auch das gar wol leiden, das man in der heiligen Bibel Figuren und Bildnissen [77] braucht, Ja, die Calvinisten selber in jren außgegangenen Bibeln9 haben Bildnissen gesetzet. Ist es nu in Gottes Wort verbotten, kein Bild zu machen, so jrren die Calvinisten weit, das sie die heilige Bibel mit Figuren und Bildnissen geschmücket. So die Bilder an sich selbst schedlich und verbotten, oder kann man in der Kirchen kein Bildniß mit gutem Gewissen leiden, so wird man es viel weniger

9 Zur Frühgeschichte der deutschsprachigen calvinistischen Bibeln vgl. Sonderegger [1998] und Sigrist [2011].

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in ipso Spiritus sancti contextu, in der heiligen Bibel, welches sind wort des heiligen Geistes, dulden mögen. [23 Zeilen übersprungen.]

[78] Ist es wider Gott und sein Wort, wenn man das Crucifix oder Bildniß Jhesu

Christi zum Gedechtniß seines heiligen unschuldigen Leidens und Sterbens für die Sünde der Welt, in die Kirchen setzet, könd jr in der heiligen Bibel so viel Figuren und Bildnissen teglich anschawen? Mein Rath were, jr nehmet alle Bibeln Herrn Lutheri, und auch von den Calvinisten selbst in Druck verfertigte, darinnen Figuren zu finden, und verbrennet sie alle, und stürmet sie hinweg, wie jr mit dem Bildniß Jhesu Christi in der Kirchen pfleget zu handtieren, Da würde man doch sehen, das jr gleich hindurch gienget, und keines verschonetet, sonsten thut es ewrer Sachen einen mercklichen und unüberwündlichen Abbruch. [89 Zeilen übersprungen.] [81] Bey diesem siebenden Beweißgrunde, das man one Verletzung des Gewissens

Christliche Bilder in den reformirten Kirchen wol haben möge, müssen wir auch dessen nicht vergessen, Nemlich: Sind alle Bildnissen in Gottes Wort zu haben gäntzlich verbotten, so werden die newen Carlstedter nicht alleine alle Figuuren aus der heiligen Bibel müssen hinweg reissen, sondern sie werden auch alle andere Christliche Bücher, als die Außlegugen der Sonntäglichen Evangelien, Den Catechismum des Herrn Lutheri, und alle andere Bücher, darinnen viel Christlicher Bilder verfasset, aus jren Libereien, Buchläden, Kirchen und Heusern gäntzlich müssen hinweg thun, Denn es ist verbotten, Wie sie fürgeben, einig [i.S.v. irgendein] Bild zu machen, Darumb so müssen alle Bücher, so mit Figuren gezieret, hinweg geworffen sein, welches ein schön Leben und Wesen in der Welt geben würde? [68 Zeilen übersprungen.]

[83] Bey diesem siebenden Grundfesten beweis mercke der Christliche Leser auch

dieses gar wol, Nemlich, die Calvinischen Bildstürmer und newen Carlstedter lassen nach, das man sie abmahlet, und jre Bildnissen allenthalbern feil hat. Das man Calvini10, Bezæ11, Becelij12, Amlingij13, Peuceri, und anderer Gotteßlesterlichen Calvinisten Bildnis-[84]sen druckt oder mahlet, können sie sehr wol lassen hingehen, geschicht jnen auch hieran ein mechtiger Gefallen, lassen jnen [i.S.v. sich] unter solche jre Bildnissen Lob verschreiben, was sie für grosse Männer,

10 Johannes Calvin, → STR1, N° 43. 11 Theodor Beza, → STR2, N° 53. 12 Gemeint ist Chritoph Pezelius, → N° 83 und 84. 13 Wolfgang Amling, → N° 85 und 87.

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und wollen hiemit für der gantzen Christenheit jnen [i.S.v. sich] ein Ansehen machen. Nu fragen wir darnach nicht groß, sie möchten sich lassen abcontrafeyen und heraus streichen, wie sie wollen, man kennet die Calvinische Vögel doch wol, wer sie sind, aber das verdreust uns nicht unbillich auf die newen Carlstedter, daß sie das Bildnis jres Abgottes Amlingij können leiden, habens öffentlich feil, tragens umbher in allen Landen, das jedermann dieses Himlischen Propheten Bildnis sehe, keuffe, ja in Heusern und Stuben anschlage: Aber Christi Jhesu Bildnis, auch in dem Hause Christi, in der Kirchen, können sie mit nichten leiden, sehen, oder darvon hören, Sondern mus alles von grund aus weg gestürmet sein. [3 Seiten übersprungen.]

[87] Mit was Gewissen können auch die newen Bildstürmer aus einer Schüssel essen,

oder aus einer kanne trincken, daran das Bildnis Jhesu Christi gemachet, denn die Kandelgiesser machen offtmals auch an die Schüsseln, und sonderlich jnwendig auff dem Boden in die Kandeln das Bildnis Jhesu Christi, wie Er als das Lamb Gottes am Stam des Creutzes, die Sünde der Welt getragen, und ist dieses jr Thun nicht zu schelten, Sondern vielmehr zu loben, man kann sich Christi und seines Todes nicht zu viel erinnern, Wir essen oder trincken, schlaffen oder wachen, so sollen wir allezeit Jhesum Christum, den Gecreutzigten für Augen haben!14 [88] Die Töpffer haben diesen brauch, das sie grosse Kacheln machen, daran das Bildnis Jhesu Christi von seiner heiligen Tauffe, von seinem heiligen Leiden und Sterben, von den Personen der heiligen Dreyfaltigkeit, Die Histori von Abraham, wie er seinen Son Isaac haben wollen auffopffern, Die Bildnis der heiligen Evangelisten, Matthæj, Marci, und was dergleichen Biblische Historien mehr sind. [8 Zeilen übersprungen.]

[89] Wer auch einen solchen Ofen hat, dessen Kacheln mit Bildern gezieret, der mag

sein wol warnehmen, das der Bildstürmerische Geist nicht etwa darüber kömpt, und die Kacheln sampt dem Ofen uber ein hauffen stürmet, wenn er sonsten nicht viel erlangen köndte. Summa, sind die Bilder in der heiligen Schrifft gantz und gar verbotten, so darff man keines weder in Kirchen noch in Heusern haben, denn es were wider Gottes außdrückliches Gebot, welchs aber die newen Carlstedter wol in Ewigkeit unbeweiset werden lassen, wie jr erster Vater Carlstad. Der achte Grundfeste Beweiß. Fürs achte kann man mit gutem Gewissen die Bilder, so heutiges Tages in der reformirten Lutherischen Kirchen gefunden werden, behalten, quia non sunt imagines

14 In Vorlage statt „!“ ein „?“.

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sectitiæ, sed verum aliquod repræsentant, Es sind nicht ertichte Bilder von denen Dingen, so niemalen geschehen weren, Sondern es sind solche Bilder, die ware Geschichten anzeigen, und mit der heiligen Schrifft ubereinstimmen, als das Bild von Christi Geburt, [90] von Christi Leiden, von Christi Aufferstehung, die Historia von Abraham, von Joseph, von Davide, von Salomone, und was sonsten warhafftige Historien und Bilder, als der heiligen Aposteln und anderer heiligen Männer, Herrn Lutheri, Brentij15, etc. Und ob wol Gott der HERRE secundum essentiam suam, nach seinem Göttlichen Wesen nicht kann abgemahlen werden, Denn Gott ist ein Geist, ein Geist aber hat weder Fleisch noch Beine, Johannis am vierden Capitel. Jedoch, so kan man mit gutem Gewissen die Personen der heiligen Dreyfaltigkeit abmahlen, secundum Epiphaniam seu secundum apparitionem, nach der Erscheinung, wie sie den Menschen erschienen, und sich jnen offenbaret. Weil Gott der HERRE den Menschen in solcher und keiner anderer Gestalt sich offenbaret, Warumb sollte jm zu wider sein, das man es also abmahlete, wie Er den heiligen Propheten erschienen. Als zum Exempel, Esaiæ am sechsten Capitel, spricht der Prophet: Er habe Gott den HERRN sehen sitzen auff einem hohen und erhabenen Stuel, Sein Saum füllet den Tempel, Seraphin stunden uber jme, Ein jeder hatte sechs Flügel, etc. Also erscheinet Gott der HERRE dem Propheten Danieli, Als der Antiquus dierum, in Gestalt eines alten Mannes, Wie wir lesen im siebenden Capitel des Propheten Daniels, [Seiten 91–104 übersprungen.]

[Sc. 104 ]

Der zwölffte Grundfeste Beweiß. IMagines sunt Biblia Laicorum, Die Bilder sind der Leyen und einfeltigen Bibel16, darumb so soll man die Bilder in den reformirten Lutherischen Kirchen behalten, und keines weges mit solchem grossen Ergernis abschaffen. Denn die Einfeltigen, so weder schreiben noch lesen können, erinnern sich darbey der Biblischen Geschicht und Historien. Quod doctis est Scriptura, Laicis est Pictura. Was den Gelerten ist die Schrifft, das sind den gemeinen Leuten die Bilder. Das ist, Wie die Gelerten in der Schrifft lesen, und haben die Historien, so von Anfang der Welt geschehen, für

15 Johannes Brentius (Brenz) (1499–1570), lutherischer Theologe. 16 Taurer adaptiert die Gregorsformel, ohne deren Herkunft zu benennen.

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sich, also haben die gemeinen Leute, so nicht lesen können, solches alles für Augen, durch die Bilder und Gemelde. Man findet viel arme Leyen, die weder schreiben noch lesen können, und wissen gleichwol alle Historien, so sie für Augen abgemahlet sehen, was sie sind, und wie es geschehen. Wenn man nu alle Bilder und Gemelde gantz hinweg thun solte, so würde diese Wissenschafft [i.S.v. Kenntnis] von Gott und seinem Worte nicht allein bey vielen Alten, die bis anhero durch die17 stetige Anschawung der Bilder, solche Wissenschafft, in ir Hertz gedruckt, verle-[105]schen, sondern es wirdt auch sonderlich bey den Nachkommen, wenn die Gottlose durchteufelte Welt lenger stehet, unter dem gemeinen Mann fast niemand etwas von Gott, von Christo, und den Biblischen Geschichten wissen. Denn man sihet für Augen, wie schwerlich es den Einfeltigen ist einzu­bringen. Die Bilder und Gemelde sind der Anfang, damit man den kleinen Kindern, Gott und Christum, sampt allen seinen Wolthaten andeutet, und dadurch zur Gottseligkeit und Christlichen Tugenden, von Jugend auff gewenet [gewöhnet]. Die Alten aber erinnern sich, durch tegliches anschawen der Bilder, alle des jenigen, was sie in den Predigten gehöret, und durch die Gemälde, bilden sie es inen [ihnen i.S.v. sich] desto tieffer ins Hertze. [116 Zeilen übersprungen.]

[105] Summa, wenn die Bilder, welche warhafftig können genennet werden der

Leyen Bibel, zehen oder wenig mehr Jahr, Jungen und Alten solten gentzlich [106] aus den Augen gesetzet sein, man würde mit Schmertzen erfahren müssen, wie bey Jungen und Alten eine merckliche Unwissenheit, von Gott und seinem heiligen Evangelio, eingerissen. [97 Zeilen übersprungen.]

Dieses alles wil der Bildstürmerische, Calvinische Geist, mit sehenden Augen nicht sehen, noch verstehen, sondern gehet nur auff den Schlag, wie bey Jungen und Alten, alle Wissenschafft von Gott möge ausgetilget, und hergegen sein Calvinischer Schwarm fortgesetzet werden. Nicht allein aber bey Jungen und Alten haben die Bilder diesen heilsamen Nutz, das sie sind der gemeinen Leute Bibel, Sondern auch die Gelerten werden durch das anschawen der Bilder der wolthaten Christi sich zu erinnern, gereitzet, denn es heisset: Obiecta movent sensus, Was man stetig für Augen sihet, das beweget einen. Es mag ein jedes Christliches Hertz bekennen, es sey unter Gelerten oder Ungelerten, wenn es ein Crucifix und Bildnis seines Seligmachers Jhesu Christi, oder eine andere Biblische Historien ansihet, das im durch Bewegung des heiligen Geistes sein Hertz gerühret wird, in dem er sich dabey seines einigen Seligmachers Leiden, Sterben,

17 In Vorlage „das“.

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und herben, bittern Todes erinnert, und dessen herrliche Mirackel und Wunderwerck, Item, die andern Actus der Passion, als der Oelberg, die Verspottung, Verspeyung, Verschmehung und Geisselung, ime gleichsam für die Augen gestellet werden. Zwar die Calvinischen, Carlstedtischen newen Bildstürmer wissen hiervon nichts, denn sie haben jr Hertz, wider des HErrn Christi Tod und Leiden so erbittert, das sie mit hörenden Ohren nicht mehr [107] hören können, Und weil sie nicht achten, das sie Gott erkennen, hat sie Gott auch dahin gegeben, in reprobum sensum, in einen verkehreten Sinn, zu thun, das nicht taugt. Roman. I. Welcher Christe wolte doch nicht ein wenig zurücke dencken, wenn er für Augen sihet abgemahlet, wie Christus der HErr wegen unser Sünde habe blutigen Schweis geschwitzet, Item, Wie i[h]n Pilatus dermassen habe zugerichtet, das er von i[h]m sagt: Ecce Homo, Sihe, Welch ein Mensche ist das? Ein adamantinum cor, ein steinern Hertz müste das sein, welches nicht solte behertzigen: Ach das hat Christus gelidten für und umb unser Sünde willen, Esa. am 53. Also, wenn ein Christlich Hertze in der Kirchen oder Heusern sihet abgemahlet, das Jüngste Gerichte, wie Christus Jhesus, als der gerechte Richter werde kommen, zu richten die Lebendigen und die Todten, Und wie alles Fleisch für ime werde müssen offenbaret werden, zu empfahen, nach dem er gehandelt. Wer wolte doch unter waren Christen hierüber nicht in sich selbst gehen, und dadurch zur Gottseligkeit bewogen werden, da man wol sonsten in langer Zeit nicht dergestalt hieran gedechte? Deßgleichen geschicht mit dem Bildnis von der Tauffe Christi, von Christi Aufferstehung und Himmelfarth, und was für Biblische Geschichte mehr sind, die erinnern einen waren Christen, so offt er sie anschawet, der Wolthaten des Sons Gottes, und reitzen ein Christlich Hertz zu aller Gottseligkeit und Erbarkeit. Wenn einer seiner seligen in Gott ruhenden Eltern Bildnis oder Begräbnis sihet, erinnert er sich darbey, und dancket Gott für iren Glauben, und das Gott ime [Sc. 108] durch dis Mittel das zeitliche Leben, und andere Wolfarth gegeben: Solte denn solches nicht vielmehr geschehen, wenn ein Christ das Bildnis seines Seligmachers Jhesu Christi teglich für Augen sihet. Haben doch Fürsten und Herren diesen löblichen brauch, das sie ire Effigies oder Bildnis irem eigenen oder andern irer gefreundten Diener pflegen zu verehren, irer Chur und Fürstl. G. darbey unterthenigst zu gedencken: Warumb solten denn wir Christen zur Gedechtnis unsers einigen Heilandes Christi Jhesu, das Crucifix und Bildnis Christi in der Kirchen nicht behalten? Ach du lieber Gott, man kan ja des HErrn Christi, unsers getrewen Erlösers, so offt und viel nicht gedencken, und sich erinnern, auff was weise es auch geschehe, es ist viel mehr und höher18 von nöthen. Christi Jhesu Tod ist unser höchster Trost

18 In Vorlage „hörer“.

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im Leben und Sterben, Warumb solte man sich dessen nicht offte und viel erinnern, und die Christen durch allerley Gottselige Mittel zu solcher Betrachtung anreitzen? *Augustinus der alte Lerer, sagt von dem Wunder Christi: Turbabor sed non per turbabor, quia vulnerum Christi recordabor, Ich werde wol zagen, ich wil aber nicht gar verzagen, Sondern mich erinnern der Wunden Jhesu Christi. *Bernhardus spricht auch gar Christlich: Nihil est tam efficax, ad medenda vulnera peccatorum, quam meditatio passionis Chisti, Es ist nichts so krefftig, die Wunden der Sünden zu heilen, als die Betrachtung des bittern Leidens und Sterbens Jhesu Christi. Solches alles geschicht auch, wenn man Christi Tod und Leiden für Augen abgemahlet sihet, Nemlichen, das man mit Sanct *Augustino der Wunden Christi sich tröstet, Und mit Sanct *Bernhardo [Sc. 109] das Leiden Christi für die krefftigste Artzney wider die Sünde achtet, denn es ist in keinem andern Heil, als in Jhesu Christo, Actor. 4. Von des Herrn Lutheri Bildnis mus ich bekennen, das, so offt ich dasselbe anschawe, mich erinnere, was Gott durch diesen Mann, für grosse Wolthaten uns Deutschen am letzten Abend der Welt erzeiget, und wie dieser selige Mann so einen kecken Muth gehabt, das er für keiner Menschlichen Gewald sich im geringsten entsetzet, sondern wenn gleich Wormbs so voll Teufel, als Ziegel auff den Dechern weren, wolte er doch im Namen des HERRN hinein ziehen19. Also haben wir die Bildnissen grosser Fürsten und Potentaten, sich zwar darbey zu erinnern, was sie bey der Christlichen Kirchen gethan, und wie sie gegen ire Unterthanen gantz gnediglich sich erzeiget. Aus dieser und keiner andern Ursach behalten wir in unsern Kirchen auch das Bildnis Christi, und andere Bilder, und sagen klerlich von dem Crucifix Christi der HErren: Non istum Christum, sed Christum crede per istum, Halt nicht das auffgehengete höltzerne Creutz für Christum deinen Heiland, sondern durch das erinnere dich Christi Jhesu, der am Stam des Creutzes für dich gestorben, und für alle deine Sündt gnug gethan hat. Effigiem Christi cum tansis semper honora, Non tamen effigiem, sed quem designat adora. So offt du für dem Bildnis Christi fürüber gehest, so ehre es, nicht aber das höltzerne Bildt, sondern den, der dadurch bedeutet wird, bete an. Im vierden Buch Moisis am 15. Capitel lesen wir, das Gott der HERR den Jüden befohlen, Sie solten auff ire Kleider Leplein machen, Gottes des HERRN [110] sich dabey zu erinnern, Denn also lautet daselbst der Text: Und der HERR sprach zu Mose, rede

19 Luther zog im April 1521 zum Reichstag nach Worms, wo er beim Eintritt in die Stadt die Menge der ihm widrigen Teufel mit der Zahl der Ziegel auf den Dächern verglichen haben soll.

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mit den Kindern Israel, und sprich zu inen, das sie inen [ihnen i.S.v. sich] Leplein machen, an den Fittigen irer Kleider, unter allen euren Nachkommen, und gele [gelbe] Schnürlein auff die Leplein, an die Fittigen thun. Und solten nu die Leplein darzu dienen, das jr sie ansehet, und gedencket aller Gebot des HERRN, und thut sie, etc. Also behalten wir in unsern Kirchen das Bildnis Christi, und andere, zum Gedechtnis und Gottseligen Erinnerung, und sind die Bilder ja so krefftig, zur heilsamen Erinnerung, als bey den Juden die Leplein an den Fittigen der Kleider waren. Mit einem wort diesen zwölfften Beweisgrund zu widerholen, Wer alle Christliche Bilder aus dem Kirchen stürmet, der nimmet dem gemeinen Manne gleichsam die Bibel aus der Hand, wie sie vor zeiten im Bapsthumb den armen Leyen verbotten, die heilige Schrifft zu lesen. [83 Seiten übersprungen.]

[193] Warumb schaffen die Calvinischen Irrgeister alle Orgeln und Figuren aus

jren Kirchen hinweg? Antwort: Die Christliche wolklingende Musica ist Gottseligen Hertzen ein Vorschmack des ewigen Lebens, und werden sie dadurch erinnert der grossen unaussprechlichen frewde, so im ewigen leben die Gleubigen Christen haben werden: Dieses mißgönnet der Bildstürmerische, Peucerische Geist den waren Christen, darumb reisset er alle Orgeln und Christliche figuren aus den Kirchen, damit man ja nicht so offt an die Frewde des ewigen Lebens gedencken möge. Summa Summarum, der Anhaldische bildstürmerische Geist suchet durch dis verfluchte Kirchenrauben die Verfelschung und Außtilgung der Evangeli-[194] lischen Lutherischen Lere, und begeret hergegen die Calvinische, ja, endlichen die Türckische Gotteßlesterung von Christo einzusetzen, beneben Einführung eines gottlosen Sewischen [säuischen] Lebens in der Christenheit.

[225]

Das siebende Anheldische Bildstürmerische Argument. ZUm siebenden pflegen die Bildstürmer auch also zu schliessen: Man hat nach Christi Geburt, in den ersten drey hundert Jahren, keine Bilder in den Kirchen gehabt, Darumb sollen auch wir auff den heutigen tag keine Bilder in unsern Kirchen leiden! Antwort: Eine Gewonheit machet kein Gebot. Sie haben dieselbe zeit uber keine Bilder in der Kirchen gehabt, nicht aus der Ursachen, als were es jnen in Gottes Wort, Bilder und Gemelde zu haben, getzlich verbotten gewest,Sondern darumb, weil zur selben zeit

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die Christliche Kirche mit grawsamen Verfolgungen und Blutvergiessen angegrieffen ward, kondten sie damalen die Kirche nicht viel schmücken und zieren, wie die Juden etliche Jahr lang, wegen jrer Feinde vom Baw des andern Tempels verhindert worden. [45 Zeilen übersprungen.]

[227.]

Das achte Anheldische Bildstürmerische Argument. ZUm achten schliessen sie auch also: Was die Leute hindert und abhelt, vom Gehöre

[i.S.v. Anhören] Göttliches Worts, das sol man billich aus den Kirchen reumen. Die

Bilder verhindern die Leute, das sie nicht auff Gottes Wort achten, Sondern nur dieselben anschawen, und wenig auff die Predigt achten, darumb sol man alle Bilder gentzlich aus den Kirchen hinweg thun. Antwort: Minor propositio est manifeste falsa. Das ist, wie der Teufel ein Heilige[r] ist, also ists auch wa[h]r, das die Bilder die Leute vom Gehöre Göttliches Worts abhalten. Frage man Gelerte oder Ungelerte: Hindern dich die Bilder und Altar etwas am Gehör Göttliches Worts? Da werden alle fromme Christen antworten: Der Anheldische Bildstürmerische Geist redet die Unwarheit, Die Bilder hindern mich am Gehör Göttliches Worts durchaus nichts. [228] Hieher gehöret nu was droben ist vermeldet worden, das die Bilder der Leyen Bibel sein und einen mechtigen Nutz haben, bey Gelerten und Ungelerten. Hieher ziehe auch der Christliche Leser die güldene Vorrede D. M. L. [Doctor Martin Luthers] so bey Widerlegung des andern Anhäldischen Arguments ist angezogen worden, aus welcher Vorrede Lutheri der Christliche Leser sehen wird, das es eytel nichtig vorgeben, als solten die Bilder einen vom Gehör Göttliches Worts verhindern. Fürs ander, wenn gleich war were, das die Bilder etlichen hinderlich, so hiesse es doch, distinguendum est inter rei usum & abusum. Das ist, man mus unterscheiden zwischen eines dinges rechten Brauch und Mißbrauch. Wisset jr Calvinischen Peucerischen20 Klüglinge nicht die Regel, so man den Knaben in Schulen fürgibt: Abusus non tollit substantiam rei. Der Mißbrauch hebet ein Ding an sich selbsten nicht auff. Optimӕ rei potest esse pessimus abusus. Ein Ding so an jm [i.S.v. sich]

20 Gemeint sind Peucer-Anhänger.

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selbsten gut ist, kan wol von etlichen schendlich mißgebraucht werden. Wenn nu gleich die Bilder etlichen am Gehör Göttliches Worts hinderlich, so geschehe es allein per accidens, zufelliger weise, und aus Mißbrauch, welcher die Sache an sich selbsten nicht auffhebet. Jr viel mißbrauchen des Weins zur Trunckenheit, aber dieser Mißbrauch hebet die Sache an sich selbsten nicht auff. Wenn auch der Calvinische Schlus solte gelten, die Bilder verhindern die Leute vom Gehör Göttliches Worts, darumb soll man sie gäntzlich aus der Kirchen abschaffen, köndte man auff gleiche weise schliessen: Die Junckfrawen soll man nicht in die Kirche lassen, denn viel junge Gesellen werden dadurch vom Gehör Göttliches Worts verhindert und abgehalten.

[237]

Das zwölffte Anhäldische Bildstürmerische Argument. ETliche unter den Calvinisten tragen sich auch mit diesem nichtigen ströernen [ströhernen] Argument: Man soll das Geld und Gut, so uns Gott der HERR bescheret, nicht unnützlich anwenden. Wo man Bilder und gemelde lest machen, da wird viel Geldes unnützlich angewendet und außgegeben. Darumb soll man billich alle Bilder und Gemelde weg schaffen, weil viel Geldes unnützlich dadurch außgegeben wird, welches viel nützlicher angewendet würde, wenn man es armen nothdürfftigen Leuten mittheilete. Antwort: Wenn die Christlichen Bilder, davon wir handeln, und für welche wir streiten, gar keinen Nutz hetten, so folgete, daß die Unkosten unnützlicher weise hierauff gewendet würden, welches aber kein Anheldischer Bildstürmer in Ewigkeit wird erweisen können. Hieher gehöret abermal die obangezogene Vorrede D. Luthers, uber das Passionalbüchlein21, darinne er handelt von den grossen Nutzen, so die Bilder und Gemelde haben. Und hierher ziehe auch der Christliche Leser all das jenige, was droben im zwölfften Beweisgrunde des ersten Stücks, vom Nutz der Bilder weitleufftig ist gesagt worden. [Sc. 238] So können wir demnach eben aus diesem Grunde wider die Anheldischen Bildstürmer also schliessen: Man soll das Gelt und Gut, so uns Gott der HERR besche-

21 Vgl. Martin Luther: Passional [1529]. Mit 50 Abbildungen herausgegeben und kommentiert von Gottfried Adam. Münster 2017.

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ret, nützlich und wol anwenden. Wo man Bilder und Gemelde, Epitaphia, Orgeln, und anderen Schmuck der Kirchen auffrichtet, da wird das Geld und Gut nicht unnützlich, Sondern nützlich und wol angewendet, denn die Bilder einen grossen Nutz in der Kirchen haben. Ja, Gott der Allmechtige hat selbsten befohlen, das es alles ehrlich und ordentlich in der Kirchen soll zugehen, darunter billich die Bilder und Gemelde, Epitaphia, Orgeln, und derogleichen Schmuck der Kirchen gezogen werden. Also hat Salomon der hochweise König, den Tempel des HERRN mit köstlichem Goldt uberzogen, inwendig und außwendig, Wie wir sehen, 1. Reg. am 6. Und kan ein Christlich Hertze nicht one sonderbare verwunderung lesen oder hören von dem Schmucke, welcher inwendig und außwendig am Tempel zu Jerusalem gewesen. Und wer wolte doch sagen, das Salomon das Gold, Silber, Ertz, Cedern, und das andere, so hierzu gebraucht worden, unnützlich verschwendet hette? Belangende, daß man das Geld, so auff Bilder, Orgeln, und Epitaphia gewendet wird, viel nützlicher köndte anlegen, wenn mans armen Leuten gebe. Ist dis hierauff die Antwort: hӕc est faciendum, illud vero non omittendum. Das ist, Eins soll man thun, und das ander nicht lassen. [Sc. 239] Man soll freylich armen bedrengten Leuten gutthun und außhelffen, wie die heilige Schrifft uns an vielen orten darzu vermahnet: Man soll aber auch etwas zu Erbawung und Schmuck der Kirchen geben, wenn uns Gott der HERR reichlich mit Gütern dieser Welt gesegnet. So viel sey kürtzlich gesagt von den Argumenten, welche zu Beschönung der Anheldischen Bildstürmerey köndten fürgewendet werden, sampt der selben Widerlegung. Hie forder ich nu euch Anheldische Peucerische Bildstürmer abermal auff den Plan, kompt herfür, und gebet Antwort auff das jenige, was wider ewre nichtige Bildstürmerische Ströerne Argument, aus Gottes Wort krefftiglich ist fürgebracht worden, stellet euch nu herfür mit einer öffentlichen Schrifft, es soll ob Gott wil, euch und ewren Argumenten, so jr ferner fürbringen möchtet, wol von mir begegnet werden, durch Krafft und Beystand der Gecreutzigten Jhesu Christi. [Scan 240–290 werden hier nicht angeführt, da sie lediglich Ausführungen zur Abschaffung der Altäre sowie über die rechte Bezeichnung der Anhaltinischen Theologen bieten, die für die Bilderfrage ohne Belang sind.]

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Editorische Hinweise Bearbeitungsvorlage Hochnothwendigster || Bericht / || Wider den newen || Bildstürmerischen Carlstad- || tischen Geist im || Fürstenthumb Anhald. || In sieben nachfolgende Punct verfasset:|| 1. Grundfester Beweis aus Göttlicher Schrifft, das man mit gutem Gewissen Christliche Bilder zur Zierde der Kirchen haben könne. 2. Von dem Crucifix oder Bildnis unsers Heilandes Jhesu Christi. 3. Von den Altaren, ob man dieselben in den reformirten Lutherischen Kirchen dulden könnt. 4. Was die Calvinische Carlstadtische Bildstürmer, unter der abschaffung der Bilder und Altar suchen. 5. Gründliche widerlegung aller Calvinischen Einrede so sie zu Beschönung ires Grewels, von Abschaffung der Bilder und Altar, pflegen fürzuwenden. 6. Von den ordentlichen Sontäglichen Evangelien, ob man dieselbigen in der re­for­ mir­ten Kirchen behalten könne. 7. Ob die Anhaldtischen Theologen für Calvinisten zu halten, sampt Wiederlegung irer Einredt. Gestellet durch || M. Abrahamum Taurerum, jetzo Pfarrherrn zu || Schwertzaw im Ertzstifft Magdeburgk. Im Jahr, 1597. Exemplar der BSB München, Sign. 4 Polem. 2903 – VD 16 T 266 – unpaginiert, 297 Scans, 4°.

LIT DBA, zvdd; Kaufmann (2006).

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N° 94 François de Croy / Johann Jacob Grasser Heydnisch Bapsthumb [1607] Auszüge

Der französische Autor Franciscus Croius (François de Croy; † 1606), Adeliger aus dem Artois, trat nach einer Kavalierstour, die ihn vor allem durch Italien geführt hatte, in Grenoble in den Karthäuserorden ein. Durch Lektüre calvinistischer Bücher bekehrt, verließ er diesen wieder, um nach einem Studium in Montpellier als reformierter Seelsorger in Usais (Languedoc) zu arbeiten. Sein Hauptwerk hat den Titel „Les Trois Conformités: Assavoir, l’harmonie & convenance de l’Eglise Romaine avec le Paganisme, Judaisme & heresies anciennes“, s.  l. 1605. Grasser, der den Verfasser persönlich kannte, präsentiert hier nur eine Übersetzung des ersten, von ihm erweiterten Teils; die zwei übrigen, deren Übersetzung er im Vorwort ankündigt, sind nie erschienen. Eine anonyme englische Übersetzung der französischen Gesamtschrift erschien 1620 in London unter dem Titel „Franc. de Croy Harmony of the Romish Church with Gentilisme, Judaisme, and ancient Heresies“. Johann Jacob Grasser (1579–1627), Sohn eines Pfarrers, studierte Theologie in seiner Geburtsstadt Basel, ging 1603 auf eine fünfjährige Studienreise, die ihn durch Frankreich und Italien führte. Ab 1610 war er in verschiedenen schweizerischen Gemeinden als Pfarrer tätig, nebenher schrieb er zahlreiche selbst recherchierte oder übersetzte Bücher zu stadt- und landeshistorischen Themen, aber auch Kometenflugschriften. Grasser zeigte bei alledem ein historisch und geographisch weit gespanntes Interesse. Im Folgenden werden geboten: das Titelregister, Teile der Vorrede sowie sechs Capitel, in welchen es um ästhetisch belangvolle Zeremoniellprobleme geht. Das Buch insgesamt darf als ein erster Versuch vergleichender Religionswissenschaft auf der Basis vergleichender Zeremoniellwissenschaft gelten; einer historischen Wissenschaft, wie sie dann seit dem 18. Jahrhundert durch von Rohr, Lünig und Moser u.  a. bis hin zu den Studien P.E. Schramms im 20. Jahrhundert verfeinert wurde. Die ‚Vorrede‘ entfaltet die These, das Christentum habe im Zusammenhang seiner Heidenbekehrung, insbesondere seit dem vierten Jahrhundert, aus einer Art von Opportunismus viele heidnische Bräuche und Kultformen samt deren Objektbezogenheit (Bilderkult z.  B.) übernommen und habe sie dann nicht mehr abstreifen können. Die akuten jesuitischen Missionstheologie vertrete diese Lehre immer noch. http://doi.org.de/10.1515/9783110780031-035

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 N° 94 François de Croy / Johann Jacob Grasser

Breite und Variantenreichtum des zeremoniellen Repertoires und seiner Geltungsbereiche werden aus dem ‚Register‘ der einundfünfzig Kapitelüberschriften kenntlich, von welchen hier die ästhetikgeschichtlich aufschlußreichsten hier abgedruckt sind. Das XI.  Kapitel weist darauf hin, dass der von den Heiden übernommene Brauch, Bilder zu bestimmten Zeiten den Blicken der gemeindlichen Öffentlichkeit zu entziehen, nicht nur aus – mit Ovid-Versen nachweislich – heidnischer Tradition stamme, sondern auch dem didaktischen Anspruch der Gregorsformel widerspreche, derzufolge Bilder Bücher der Laien sind. Das XIV. Kapitel bietet eine Kritik des Wallfahrens, wobei insbesondere der Sinn von Fernwallfahrten in Frage gestellt wird, da doch sicher sei ‚das[s] wir nichts zu Hierusalem finden, das wir nicht auch in unsern Landen haben, sonderlich da es allenthalben Kirchen hat.‘ Die Praxis des Wallfahrens und selbst die Bevorzugung bestimmter Orte sei durch die Christen von Griechen und Türken übernommen worden. Das XV. Kapitel leitet das Schwören aus heidnisch-römischer Tradition her und weist auf zahlreiche biblische Verbote hin. Das XVI. Kapitel handelt vom Reliquienkult und dessen vor- und außerchristlichen Formen. Das XIX. handelt von Geschichte und Herkunft der Fahnen als bewegten Bildern. Das XXII. Kapitel schließlich legt dar, auf welche Weise heidnische Götzenverehrung im kirchlichen Christentum durch Heiligenverehrung substituiert worden sei. Diese, spätestens seit dem 16. Jahrhundert, auch von Luther, vertretene These, wird hier breit entfaltet. Auffällig ist das Bemühen, die Argumentation nicht nur durch Bibelzitate, sondern durch antike heidnische (Herodot, Strabo, Plutarch) und christliche (Augustinus, Eusebius) Historiker zu stützen. Gregor d. Gr. sei bei seiner Bildlizensierung zu lässig gewesen, sodass das in seiner Frühzeit strikt bildlose Christentum in seiner Nachfolge immer mehr Kultbilder in unterschiedlichen zeremoniellen Verwendungsarten adaptiert habe.

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Register uber alle Capitel, von denen in diesem Buch gehandlet wirt, einen jeden Hauptpuncten (so deß Heydenthumbs auß den besten und eltesten Authoren gründtlich uberwiesen werden) desto besser zu finden Ein Vorred darinn erwiesen, wie die Heydnischen Mißbräuch in der Kirchen eingerissen, und fortgepflantzt worden. 1. Von deß Bapsts Namen, Macht und Pracht 2. Von dem Pantoffelküssen 3. Von deß Bapsts Wapen, Schlüssel und dreyfacher Kron 4. Von den Cardinälen, Bischoffen und anderen Prelaten 5. Von den weissen Hembdern, Kappen, Kardinalshüt, Meßgwandt, Bischoffsstab, etc. 6. Von Kron oder Krantz, und Bartschären 7. Von den Mönchen, und jhren Orden 8. Von den Nonnen, und Closterfrawen 9. Von den Geyselbrüdern 10. Von den Fasttagen 11. Von den Götzen und Bildern, so in der Fasten bedeckt werden 12. Von den Hochzeiten, und Handschlägen 13. Von der Priester Ehestandt 14. Von den Wahlfahrten 15. Von dem schweren bey den Heyligen 16. Von der abgestorbenen Heyligen Gebein, und allerley Heylthumben 17. Von dem abschewlichen Fest Fronleichnam, oder unsers Herrgotts Tag 18. Von den Creutzgengen und Processionen 19. Von den Fahnen, so in der Procession fürgetragen 20. Von den Litaneyen, so zu anruffung der Heyligen gesungen 21. Von allerley Instrumenten und Seitenspielen 22. Von den Bildern und Götzen 23. Von den Facklen, Wachskertzen und Lampen 24. Von der Kirchweyh 25. Von den Altaren 26. Von den Freystetten 27. Von dem Weyhwasser 28. Von dem Rauchfaß, die Meß und Götzen zu beräuchen 29. Von den Stäben so in der Meß, und Procession vorgetragen werden 30. Von den guldenen Geschirren, und andern Kleinoten 31. Von der Meß und ihrer Ceremonien

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32. Von dem Kyrie Eleyson, so neun mal in der Meß gesungen, und andern ungraden zalen 33. Von den runden Ostien 34. Von der Brotweyhung 35. Von dem Sacramenthäußlin 36. Von den Jubeljahren 37. Von dem Fegfewr 38. Von den Heiligen, so man in den Kranckheiten, und andern zufählen anrufft 39. Auß was ursach dise Heyligen angeruffen werden 40. Wie fein sich der Heyden Götter mit den Heyligen vergleichen 41. Wie der Heyden Fest, mit den heutigen im Bapsthumb mögen verglichen werden 42. Von der Bibel so zu lesen verbotten 43. Von dem rechten alten Glauben 44. Von den Gottesdiensten, so gegen auffgang verrichtet werden 45. Von den Glocken, und ihrem Tauff 46. Von dem freyen Willen 47. Von dem Saltz und Speychel 48. Von der Firmung 49. Von dem heiligen Oel, damit die Krancken geschmieret 50. Von den Begrebnussen, dreissigsten, und dergleichen 51. Das der H. Apostel Petrus, niemahlen Bischoff oder Bapst zu Rom gewesen.

[Sc. 32]

Vorrede

[…], Darinn erwiesen,

wie die Heydnische Mißbräuch in die Kirch eingerissen, und in derselben fortgepflantzet worden. [Br] Als zur zeit Constantini deß grossen sich die Christenlichen Kirchen etwas erhol-

ten, und nach vielfeltigem verfolgen und marteren ein wenig ruh hatten, namen die Armen Heyden mit grossem hauffen dz Evangelium an. Aber in was gestalt? Sie kamen erst frisch von der verunreinten Dienstbarkeit der falschen Götter von dem Heydenthumb, von der verehrung der Bildern, hatten noch ihre Füß besudelt von der Abgötterey. Darzu hulff auch viel das ettliche schon wol betagt, und mit ihren grauwen Bärten zu dem Christenthumb kamen: welches war [Bv] die ursach das sie nicht so geschwindt ihre gewonte bräuch hinweg legten, so sie mit der Milch von ihren Müttern gesogen hatten. Aber sehet alles unglück mit einander, dt stillschweigen und zusehen der Bischoffen, so der Kirchen waren vorgesetzt, welche

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nicht von weitem vorsahen die gefahren so auff solche hinlässige zulassen haben erfolgen mögen. Da sie nun zu solchen Mißbräuchen, doch einer mehr weder1 der ander, hatten geschwiegen, satzte der Heyden thun ein Fuß, und ubergung [überging] alle maß, so von Gottes wort geordnet und fürgeschrieben. Sie vermeinten die Christenheit mechtig fort zu pflantzen, wann sie die Heyden von dem anbetten jrer alten Göttern, führten zu den abgestorbenen Heiligen, welches war nur den nammen [Namen], und nicht den Handel selbs und [Sc. 39] die mißbräuch endern. Da man aber hernach diesem einreissenden ubel solt vorkommen sein, so hat man an stat der abschaffung, und reformierung dieser mißbräuchen von Tag zu Tag mehr hinzu gesetzt, also das diß Heydenthumb die wahre Gottesforcht, und Christenliche einfalt uberwachsen hat, das man auch noch kein verbesserung verhoffen kann, fürnemlich dieweil die Jesuiter haben mit gethaner verheissung fürgenommen diese Irrthumen zu beschirmen, haben auch in ihren Schrifften lassen außgehn, dz die Christenliche Kirche dieser Heydnischen Ceremonien gar wol gebrauchen möge, welches doch so viel ist, als wann man sagte, Gott brauch deß Teuffels Gesetz zu der seinen Seligkeit, daher kompt das die Römische Kirch durch ungrundliche gründ gegründet, fahret noch auff disem schrot [Bijr] her2, und befählt [i.S.v. bekräftigt] böse bräuch an statt deß heiligen Gesatzes, und die uberleibenden des Heydenthumbs an statt des reinen Evangelii. Jhr habt vermeint das Geistliche Reich unsers HErren Jesu Christi sollte wie die Monarchien und Reich dieser Welt administriert werden, in welchen die Oberkeiten, umb deß eusserlichen Friedens willen, vil fähler [Fehler] ubersehen, aber allhie hat es nicht ein sollche gelegenheit: dann wann es eygentlich betrifft was man von _Gott dem Allmächtigen, von seinem heiligen unverfälschten Dienst, von dem gewissen, von dem wesen der Kirchen-regierung solt halten, als dann muß die heilige Schrifft die sein, bey deren wir unser zuflucht und underrichtung suchen sollen, und nicht deß gemeinen pöffells mißbrauch, diß ist die regel deß Glaubens, so man dem Volck [Bijv] fürhalten muß, und nicht die geferbte Menschen-meinung, wider welche die H.  Vätter so Mannlichen haben gestritten. Zum beschluß wird euch diß klein Büchlin weisen wie ewer Religion mit Heydnischem geschmuck ist geziert und bekleidet. Gott der Allmächtige und Barmmhertzige Getrewe Vatter im Himmel, wölle euch die Gnad seines H. Geists verleihen, dz ihr die ungestalt mögen erkennen, auch von derselbigen außtretten, und euch kehren zu deren so da ist gantz rein und schön, nemlich die Christenliche Kirchen, in welcher wir durch die Gnad Gottes, bey dem allein seligmachenden Evangelio seind, so sich benüget

1 i.S.v. „als“. 2 „auf dem Schrot herfahren“ Redensart i.S.v. ‚leeres Stroh dreschen‘.

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der schönen Zierden, mit welchen sie von ihrem Breutgam Jesu Christo unserem HErren ist begabt worden, welchem sey Lob, Ehr und Preiß in alle ewigkeit, Amen.

[Divv]

Das XI. Capitel. Von den Götzen und Bildern, so in der Fasten bedeckt und verborgen. ES ist keiner under euwern Lehrern so gering als er immer sein mag, der nicht anmelde, auß was trieb und ursach die schöne Bilder, beyde groß und klein, Mann und Weib in der Fasten verhenckt und verborgen werden. Aber sie thun mir nicht genug, und nimpt mich wunder, dz der gemein Pöffel euch nicht in das Angesicht speuet [speit], sintemal ihr in der grösten zeit der Buß ihre [Er] Bücher3 zuschliessen [zuschließt] und dieselbige ihnen auß den Augen hinweg nemmen [nehmt]. Ich hab dieses weder im alten, noch im newen Testament gesehen und hab mich sehr bemüht damit ich doch etwas erfahre. Nach dem ich aber in der Heyden Priester Bücher gelesen, hab ich gefunden, das ihr dieses von ihnen, wie dann anders mehr, entlehnet und genommen haben [habt], welche gleicher massen zu solcher zeit ihre falschen Götter und Bilder mit Thücher haben bedeckt, und vor den Menschen verborgen. Daher dann *Ovidius in seinen Jahrzeiten im andern Buch geschrieben: Dii quoqu; templorum foribus celentur opertis, Thure vacent aræ stentqu; sine igne foci. Item Fana tamen veteres illis clausere diebus, Ut nunc ferali tempore operta videt. Das ist: Die Tempel jetzt beschlossen sind, Kein Opffer sich auch drinnen find, Die Götter sind nun all verdeckt, In Kästen und Umbheng versteckt.

[…]

3 Anspielung auf Gregors Formel, derzufolge Bilder Bücher der Laien sind. Vgl. STR2, N°  60, S. 1067  ff.

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[Eiijv]

Das XIV. Capitel. Von den Wahlfahrten. DEr Brauch der Wahlfahrten hat erstlich zur zeit Constantini4 angefangen, und ist biß auff uns kommen, welches der alte Lehrer *Gregorius von Nisse [Nissa] gar schön hat widerlegt, als er diese drey Hauptpuncten fein auß dem grund erwiesen. Erstlich, das unser Herr Christus [Eiiijr] Matthei am fünfften die Wahlfahrt nicht under die Werck gesetzt, so den Menschen selig machen. Zum andern, das es viel Geistliche Gefahren habe in disen Wahlfahrten, fürnemlich die Weiber betreffendt. Endtlich, das wir nichts zu Hierusalem finden, das wir nicht auch in unsern Landen haben, sonderlich da es allenthalben Kirchen hat. Und es sind auch ursachen so mit der Heiligen Schrifft mögen bestätiget werden. Der heilig *Hieronymus schreibt ad Paul[um]. Es seye ein schlechtes [i.S.v. geringes] ding Hierusalem gesehen [erg. zu haben], aber selig gelebt haben, seye ein grosses und wichtiges [erg. Ding]. Aber unsere Altforderen, als sie erst auß dem Heydenthumb kommen, haben sie sich nit so wol reinigen und abwäschen können, das jhnen nit vil unsauberkeit seye ankleben blieben: und under andern dieser arbeitselige Wahn in die ort, so sie für andre auß heilig gehalten, zu reisen, welches jhnen die Heyden ohn allen zweiffel als ein Erbschafft haben hinderlas-[Eiiijv]sen, welche sich vor euch in diesen weiten und grossen reysen bemüht, auß Andacht und Aberglauben die weissagungen deß Abgotts zu Delphos, des5 Jupiters Ammons anzuhören, und andere unzalbare ort zu verehren. Die Türcken thun auch nit weniger, dann sie haben jhr gewisse Wahlfahrten, und reisen nach Meche [Mekka], da der Machomet begraben und das mit so grossem eyfer, als jhr nimmer nach Rom, Hierusalem, Compostell und anders wo hin lauffen [lauft]. Und gleich wie die blinden Heyden vermeinten, die Götter haben solch groß gefallen ab jhren gesetzten Bildern, das sie auch denselbigen mit raht und that beywohnen, also sind [seid] auch jhr beredt, und verhoffen [hofft] an solchen orten sondere Gnad und Hilff zu erlangen, so doch unser HErr Christus Jesus zu dem Samaritische Weib bey dem Brunnen Jacobs, Johan. am vierten gesprochen: es kompt die zeit, und ist schon hie, das die warhafftigen anbetter werden den Vatter anbetten im Geist und in der Warheit: dann der Vatter will auch haben die jhn also anbetten. Gott ist ein Geist, und die jhn anbetten, die müssen jhn im Geist und in der Warheit anbetten. [Evr]

4 Constantin d.Gr. (ca. 270–337). 5 In Vorlage „das“.

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Das XV. Capitel. Von dem schweren. DEr H.  Geist wil, dz, wann man schweren [schwören] soll, es geschehe bey dem Namen deß ein[i]gen Gottes. Die weiß und form ist uns in der Heiligen Schrifft im fünfften Buch Mosis am 6. und 10. Capitel, und Esaia am 45. und 65. mit dräwungen [Drohungen] wider die ubertretter beschrieben. Warumb schweren [schwört] jhr dann bey den Gebeinen der verstorbenen, so ewer Heylthumb, ja bey eweren Heiligen selbs? Die Heyden pflegten bey dem Jupiter, Hercules, bey dem Glück deß Keysers und bey dem Gestirn zu schweren, wie wir es bey den Poeten und andern Scribenten, welcher Bücher dises voll sind, hin und wider finden. Und haben [habt] jhr es nicht auß jhren Büchern gelehrt [i.S.v. gelernt]? und wird nicht S. Anthonius, bey dessen Arm jhr schweren [schwört], bey euch gehalten wie vor zeiten von den Heyden Pater Patratus6, des Eydes Schirmherr? Und in was acht haben [habt] jhr die Gebott Gottes? Alles was ich euch gesagt hab, spricht der HERR, [Evv] durch den Propheten Mosen im 2. Buch am 23. Capitel, das haltet, und an deren Götter Namen solt jhr nicht gedencken, und auß ewerem Muund sollen sie nicht gehört werden. Und dise verbott sind in dem Buch Josua am 23. Capitel, Jeremias am 5. und anders wo wideräfert [i.S.v. unterstrichen]: und bey Zephonia [Zephania] im ersten Capitel dräwet [droht] GOtt die außzureuten, so bey dem Namen Malchom schweren. Und wisset jhr nicht das die Christenliche Religion in der Epistel an die Hebreer am 6. Capitel lehret, wann es von nöhten seye bey dem Namen Gottes zu schweren, so da grösser ist dann die Menschen?

Das XVI. Capitel. Von der abgestorbenen Heiligen Gebein, und allerley Heylthumen. WEr kan zweifflen das nicht der Teuffel die Leut hab verursacht der abgestorbnen Heiligen Gebein, und uber-[Evjr]leibenden anzubetten? Es geben die Kirchenhistorischreiber *Rufinus und *Socrates genugsam Zeugnuß, da sie von dem Leib des frommen Martyrs Babilas7 schreiben. In was acht wir auch diese Gebein und dergleichen Sachen halten sollen, gibt uns gnugsam zu verstehn der Beschluß,

6 Pater Patratus war der Titel eines für Außenpolitik und Zeremoniellangelegenheiten zuständigen Staatspriesters. 7 Gemeint ist Babilas von Antiochien († 250).

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welchen die Vätter in der versamlung des Concilij zu Constantinopel8 zur zeit Leonis9 genommen und bestätiget. Man hat vier gantz hundert Jar nach Christi geburt von diesen gebräuchen, so mit auffgesperrtem Mund nach der Abgötterey riechen, nichts gewust. Der Heilige *Augustinus hat die nicht angenommen, in lib. de cura pro mortuis agend. cap. 13. & de ciuitat. Dei lib. 8. cap. 27. zu sehen. So hat sie auch der Heilige Lehrer *Chrysostomus verdampt und verworffen, als wir in hom. 2. de Macch. & in cap. 23. Matth. hom. 43. lesen. Durch was [i.S.v. welche] Thür sind sie dann in die Christenheit eyngangen? Denen so in Heydnischen Historien geübt, ist nicht unbekandt, wie Cimon die Gebein deß fürtreffenlichen Helden Thesej10 auß der Insel Scyros11 habe nacher Athen gebracht, und gleichfelliges thet auch Antigonus mit den Gebeinen De-[Evjv]metrij, welche er mit grosser pomp und Solennitet auß Syrien in Griechenland getragen, wie wir es dann bey dem *Plutarcho in dem Leben Thesej und Demetrej finden. Und umb der Ehr willen so der abgestorbenen Gebeinen von den Heyden erwiesen, so siht was der Heilig *Cyrillus von Alexandrien contra Iulian. lib. 6. tem. 3. schreibt. Als vor zeiten, spricht er, sich etliche in der Schlacht vor der mächtigen Statt Marathan [Marathon] in Achaia, in die größten Gefahren gegeben, auch wie die Helden wider das groß Kriegsheer deß Königs Xerxis auß Persien biß in den Todt Mannlichen gestritten, haben die von Athen nach altem Brauch der erschlagenen Gebein gesamlet, und mit Jährlichem Lob gekrönt. So sagt auch *Plato selbs, das man die, so wol gelebt und loblich gestorben, sich auch als Göttliche Geister gemacht, sollen nach jhrem Todt ehren und Begrebnussen anbetten. Es thut auch dieser Heyden *Eusebius de præparat. Evang. lib. 3. ca. 7. meldung, so jhr Gebett bey der abgestorben Gräbern verrichtet. Und in diesen angezogen orten braucht *Cyrillus und *Eusebius das wort θηκας, welches *Rufinus verdolmetschet the-[Evijr]cas , ein Lädlin, Krug oder dergleichen Gefäß, die Gebein und Eschen [Asche] auffzuhalten [aufzubewahren], Wie wir dann deren noch heut bey Tag zu Genff, Wien, Arleß, Nymis und andern orten in Franckreich und Italien sehen. Dieser Brauch von den Heyden erfunden, ist endtlich von den Christen angenommen worden. Und ist auß diesen Heydnischen Exemplen ein unzeitiger und Abergläubischer eyfer erwachsen, von welchem solcher mechtiger Keyser getrieben, die Gebein und Eschen deren, so er für heilig gehalten, mit allem fleiß zu suchen, vor welchen er, wie auch leider Keyser Theodosius12 nidergefallen. Und war zur zeit des heiligen Lehrers *Ambrosius dieser mißbrauch

8 Gemeint ist das 3, Konzil von Konstantinopel (680–681). 9 Gemeint ist Papst Leo II. († 683). 10 Vgl. Plutarchs Theseus-Biographie. 11 Insel in der Ägäis. 12 Gemeint ist Theodosius I. (347–395).

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ernewert, und dermassen auff die ban [Bahn] gebracht, das man diese Heilthumb allenthalben herfürsucht, von einem ort zu dem andern truge, und dem armen Volck als ein sehr heiligen Schatz hoch befahl, wie hie von *Augustinus zu sehen, de opere Monachorum cap. 28. Auß diesem Brauch so die Heyden hatten, den raub und uberleibenden jhrer Göttern, wie sie *Apuleius im II. Buch nennet, ist herkommen, das man so schwerlich die Christen uber den Leichnam jhres Bischoffs [Evijv] *Polycarpi hat können vereinbaren, so da vermeinten, sie wurden ein Gott auß jhm machen können. Es hat auch *Eusebius in seiner KirchenHistory im vierten Buch am 15. Capitel gar fein die antwort verzeichnet, so die Christen geben, welche da bezeugten, Dz es nur ein einiger Gott seye, welchem dieses anbetten gehöre. Dises Mißbrauchs ursprung beweisen auch die schönen gezierten küssen der Betth im vorderen theil des Theatri oder Schawhauß, darauff die Gebein oder Eschen [Asche] der verstorbenen mechtigen Männer dem Volck gewiesen und in den Procession oder Creutzgengen umbgetragen worden, wie wir solchs bey dem *Livio im 3. Buch decad. 3. **Plauto in Amphitr[io] und neben andern bey **Tibullo im ersten Buch Eleg. 7. sehen. Wo wollten wir dann nun den ursprung dieser Abgötterey nicht hernemmen? Gleicher gestalt hat man mit dem Schweißtuch von Schamberi [Giamberi, Chambery], jetzund nach Turin geliefert, gehandlet. Es ist ein vereherung [Verehrung] und ein dienst, so man heut in ewern Kirchen der verstorbenen Gebeinen erweiset. Die Türcken haben auch solche uberleibenden und E-[Eviijr]schen jhrer Heiligen, so sie Schidun nennen, erzeigen jjhnen auch wie jhr gleichförmige Ehrerbietung. Wie wir dann auch in jhren Historien lesen, das sie deß mächtigen Helden Scanderbergs13 Gebein auß dem Grab gezogen, und in Silber und Gold zu grosser Ehrerbietung eingeschlossen und behalten haben. [Kapitel XVII und XVIII übersprungen]

[Evijr]

Das XIX. Capitel. Von den Fahnen so in der Procession fürgetragen. ICh hette schier der Fahnen vergessen, die ihr in ewern Creutzgängen so lustig lassen in Wind fliegen. Antenor, so wie etliche vermeinen, die mächtige Statt Trojam, sein Vatterland verrahten, ist der urheber geweßt, und diweil er die falsche Göttin Juno

13 Gemeint ist der albanische Fürst und Befehlshaber Gjergj Kastria (1405–1468), genannt Skanderbeg.

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so gar hoch geachtet, als die von den Närrischen Alten ein Königin deß Himmels war gehalten, hat er ihren sein Fahnen, an welchem ein Schwein gebildet, verehrt und befohlen, das er in ihren Tempel gesteckt wurde, und das nicht ohn sondere geheimnuß, sintemal ein Schwein das Opffer war, so man jhren, als einer unzüchtigen pflegte auffzuopffern. Die Römer hatten an ihren Fahnen den Sczepter Mercurij mit zwo Schlangen eingewicklet, und hernach den Minotaurum so ein halber Mann und halb Rossz, endlich ein Adler und dergleichen. Es waren diese Fahnen von Gold und Edelgestein auff das köstlichest geziert, [Evijv] auch von den Keysern und gantzem Volck in grosser Ehr gehalten, also das auch *Dionysius Halicarnassus in seiner Römischen Histori im sechsten Buch verzeichnet, sie seien geweyht, und wie die Götzen geheiliget, mit grosser superstition verehrt worden. Cornelius *Tacitus nennet diese Fahnen im zwölfften Buch seiner Römischen Chronica Götter deß Kriegsheers. *Tertullianus im 6. Capitel seiner entschuldigung sagt, der Römer Religion seye aller Kriegisch, dann sie schweren bey ihren Fahnen und Kriegszeichen, so sie mit sonderm andacht verehren, halten sie auch höher dann die übrigen Götter. Kompt es aber nicht hieher das ihr ewer Fahnen mit so grosser vereherung und superstition in ewern Gottesdiensten und Processionen vortragen? Also da man sich nicht verwundern solle, daß das Creutz an dieser Heydnischen Fahnen statt kommen, und durch Stapffel [i.S.v. in der Spur] dieses mißbrauchs in den grösten Andacht, Aberglauben und lautere Abgötterey ist fort geschritten, wie bey dem *Sozomeno im ersten Buch am vierdten Capitel seiner Kirchenhistori zu sehen. Und ist also diesem Handel under euch und den Heyden kein [Eviijr] underscheid, dann sie haben ihre Fahnen ihren Göttern verehret, so weyhen ihr euwere den abgestorbenen Heiligen, die ihr auch als Götter verehren. Also das der heilige Lehrer *Ambrosius billich dises alles ein Heydnisch Irrthumb, und ein Gottlose leichtfertigkeit, das Holtz deß Creutzes anzubeten genandt hat. Es ist uns nicht unbewust, was Constantinus der groß für ein verbesserung in diesen Fahnen hatte fürgenommen, dann er befohlen den Namen Jesu Christi unsers Herren in seine Fahnen und Kriegszeichen zu setzen, wie *Nicephorus im acten Buch am 32. Capitel seiner KirchenHistory meldet, nicht das man sie anbetten und in die offentliche gebett tragen soll, sonder das sie an statt eines Kriegsfahnen im Feld dienten, anzudeuten, das Jesus Christus der Herr der Herrscharen aller seiner Hoffnung und zuversicht Felß und Ancker seye.

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[Gv]

Das XXII. Capitel. Von den Bildern und Götzen. Wann wir der gebür nach solten von den Bildern reden, wurden wir als in einem tieffen abgrund des breiten Meers hin und her fahren. Wir wollen aber unsere Segel, so viel als müglich, mit bester behendigkeit auffziehen und in die Lufft außspannen, damit wir nicht lang in diser Schiffart verbleiben, fürnemlich da uns der guten Wind deß Wort GOttes kan bey guter zeit an das Port [Hafen] bringen. Das nun die erste Kirchen von diesem Abgöttischen Mißbrauch nichts gewißt habe, ist daher gnugsam abzunemmen, das die Heyden zu der sel-[G ijr]bigen zeit, den Christen, als ein grosse ergernuß haben fürgeworffen, sie haben keine Bilder und gemäl bey jhrem Gottsdienst, wie wir es dann bey den alten KirchenLehrern *Origine, *Arnobio, **Minutio14 [Minucio] und andern finden, so jhnen widerumb hergegen eingeworffen, so verehren [verehrt] jhr aber die Götter die auß Holtz sind gehawen: welches wir dann beyde[n], jhnen und euch wol können auffrucken [i.S.v. vorwerfen]. Es hatten aber die Heyden zweyfachen brauch dieser Bildern, ein Weltlichen, zur History und gedechtnuß dessen so sich in Bürgerlichen sachen hat zutragen [zugetragen]: und ein Geistlichen, zu jhrem Abergläubischen falschen Gottsdienst. Ob wir aber gleichwol jenen, als der den Glauben nicht antrifft [i.S.v. betrifft], nicht verwerffen, können wir doch disen umb der Ehr Gottes willen nicht gut heissen. Die Persier hatten vor zeiten kein Bildnuß in jhren Templen, daher auch einer under jhren Königen, die so von den Griechen waren auffgerichtet, hat auff die Erden geworffen. So waren auch die alten Römer gelobt, das sie jhre Götter ohn einige Bildnuß hundert und siebentzig Jahr verehrt haben. Es hat auch [G ijv] *Varro, so doch ein Heydnischer Priester gewesen, frey rund bezeugt, das die, so die Bilder erdacht, haben die forcht Gottes außgelöscht, und alle Irrthumben eingeführt: sintemal die Götter, spricht er, seyen leichtlich durch der Bilder dummheit in verachtung kommen, wie dieses alles von glaubwürdigen Authoren, *Herodoto, *Strabone, *Plutarcho, und dem Heiligen *Augustino im vierdten Buch am 31. Capitel von der Statt Gottes [De civitate dei] außführlich bezeugt wirdt. So besichtigen [besichtigt] dann die lebendigen frücht diser Bildern, als nemlichen die außlöschung der forcht Gottes, und vermehrung der Irrthumben. Es ist wol war das die liebe und verlangen gegen jhren abgestorbenen Freunden und Verwandten, disem armen Volck zu solchem schandtlichen, und vor Gott abschewlichen Mißbrauch, hat erstlichen anlaß geben: beyde zu milterung [Milderung] ihres Kummers, gedechtnuß und verehrung deren so ihnen durch den todt seye hinweg genommen. Und ist Prometheus, wie *Isidorus

14 Gemeint ist Marcus Minucius Felix (Wende vom 2. zum 3. Jh.).

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verzeichnet, der erst gewesen, so auß lätt [Lett, i.  e. Lehm] einen Menschen gebildet hat. Was können die ellenden Menschen erfinden und erdencken, das den Gebotten GOttes deß Herren solt vorgezogen [Giijr] werden? Wann jetz *Gregorius von Nissen solt von den Todten aufferstehn, wie ein grosse matery wurde er haben wider euch zu schreiben? Warumb bringet ihr under dem schein deß Christenthumbs diese Dienst der Götzen wider auff die baan? Aber lasset uns sehen, in was gestalt dieser Irrthumb sich in der Kirchen gewermbt [gewärmt] und gesterckt hat? Als die Heyden mit grossem hauffem zu dem Christenthumb kamen, hat man ihnen viel ubersehen: und hatten etliche Seelsorger vermeint, nit wenig nutz zu schaffen, wann man ihnen anstatt der Heydnischen Götzen, der abgestorbenen Heiligen Bildtnuß wurde vergönnen [vergönnt]. Aber *Gregorius Bischoff zu Rom laßt ihnen den Zaum zu weit, und an statt solche Heydnische Bräuch zu verhindern, und abzuschaffen, wurd er, wie auch etliche andere Bischoff vor und mit ihm, bedacht sich nach ihren alten gewohnheiten zu richten. Und sehet in was innhalt er an den eyferigen Serenum Bischoff zu Marsilien, so diese Mißbräuch nicht wolt zulassen, im 9. Buch und 9. Capitel geschriben: ‚Du soltest betrachtet haben, das du under den Heyden [Giijv] wandlest, welche das gemäld an statt ihres lesens haben, damit du nicht ihnen, under dem schein eines rechten Eyfers, so dich etwas unbefindters [i.  S.  v. unbesonnen] eyngenommen, Ergernuß gebest.‘15 Durch diese fleischliche Fürsichtigkeit *Gregorij ist die Abgötterey mit vollem Meer eingerissen, das sie auch den Gottesdienst ertrenckt, und sein Kirchen auch schier uberschwembt [überschwämmt] hat. Lassen [Lasst] uns aber zu einer Artzney dieser Kranckheit erwegen, das, so Baruch in seinem 6. Capitel geschrieben: dann der Beschluß so der Prophet macht, ist eben so wol wider euch als wider sie, dieweil es in der warheit alles ein ding ist. Under den Heyden waren die Bilder von Gold und Silber, waren von den Menschen auff den Achßlen getragen. Nun thun [tut] ihr nicht eben solches mit ewerm H. Rocho, H. Genuina, und andern? Ihr fallen [fallt] vor ewern Bildern auff die Erden, und dienen [dient] ihnen mit grossem andacht, solchs haben auch die Chaldeer vor ihren Götzen gethan. Zu dem zierten die Heyden ihre Götter mit köstlichen Kleidern, als wann sie lebendige Menschen weren. Di-[Givr]ses ist bey euch im Brauch, so es doch Molucius Bischoff zu Valentzen16, **Salignacus17, Espensӕus18 und andere ewerer fürnemsten Doctores hetten gern lengest in ewern Kirchen abgeschafft. Die Chaldeer hatten der Wachskertzen nicht vergessen, so ewerer Götzen gröste

15 Vgl. den Brief Gregors d.Gr. an Bischof Serenus von Marseille oben, STR2, N° 60. 16 Nicht identifiziert! 17 Gemeint ist Barthélemy de Salignac (1558–1612). 18 Gemeint sein dürfte Claudius Espensaeus (?), ein französischer Akademiker des 16. Jahrhunderts

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zierden sind. Ich will euch lassen urtheilen, ob S. Jacob zu Compostell, und andre ewere Heiligen, under disen Lampen und Wachskertzen, so bey iren Bildtnussen brennen, besser sehen. Nun ist eben diß räuchen [Räuchern] under euch in grossem brauch, ist auch eines von den fürnemsten Diensten so ihr ewern Bildern erweisen. Wann etwan ein Krieg solt kommen, war der Priestern gröster fleiß die armen Götter zu verbergen, und vor deß Feindes unsinnigkeit zu bewahren. Daher hat das Bild der Jungfrawen Marien, nit one ursach sich wider Hiacynthum, so vor 3. Tagen in der heiligen zal auffgenommen, zu beklagen, dz er dz glück habe gehabt zu entfliehen, sie aber seye in der Tartern gewalt kommen, von welchen sie one barmhertzigkeit in die stuck werde gehauwen, wie Severinus19 de vita mira. & act. canonis. S. Hiacynthi lib. 1. cap. 3. beschreibt. Ihr [G iiijv] haben [habt] vermeindt, ihr haben [habt, i.S.v. hättet] ein Loch gefunden, hinauß zu schlupffen als jr fürgaben [vorgabt], ihr erweisen [erwieset] solche Ehr nit schlechtlich den Bildern, sonder denen so durch die Bilder bedeutet werden: Vermeinen [vermeint] ihr aber, dz die Heyden nicht auch diese außflucht gewist [gewusst] haben? Aber hiervon ist der glaubwirdige *Plutarchus von der Iside und Osiride zu lesen. Nun haben [habt] ihr dann gleich wie die Heyden, die Maiestet Gottes geschendet, indem ihr sie der abbildung der vergenglichen Menschen, und der wüsten und scheutzlichen [scheußlichen] Thieren haben [habt] verglichen. Die Heyden haben ihre Bilder auffgerichtet ihre falsche Götter abzubilden, ihr aber haben [habt] die ewern erhaben, anzudeuten so da nicht kan abgebildet werden, als da ist die Heilige Dreyfaltigkeiit. Jene haben GOtt entehret durch ihre Götzen, ihr aber thun [tut] nicht minders durch ewere Bilder. Hat nicht GOtt der Herr den seinen verbotten, in diesem den Heyden nicht nachzufolgen, als er im 5. Buch Mosis am 12. Capitel mit allem ernst gesprochen: ‚Wann der Herr dein Gott für dir her die Heyden außrottet, das du hin kommest sie einzu-[G vr] nemmen, und sie eingenommen hast, und in ihrem Lande wohnest, so hüte dich, das du nicht in den strick fallest ihnen nach, nach dem sie vertilget sind für [vor] dir, und nicht fragest nach ihren Göttern, und sprechest, wie dise Völcker haben ihren Göttern gedient, also will ich auch thun. Du solt [sollst] nicht also an dem HErren deinem GOtt thun, dann sie haben ihren Göttern gethan, alles was dem Herren ein grewel ist, und das er hasset.‘ Und lieber mercken [merke], das Gott nicht sagt, ihr sollen [sollt] solliches nicht thun dem Mercurio oder der Palladi, dann er redet von ihm [i.S.v. sich] selbs, und verbietet die Bilder under sein [seinen] Dienst einzumischen, dieweil er solches für ein grewel hat. Ob schon aber diese Bilder jeder zeit, wie in deß *Eusebii Kirchenhistory im siebenden Buch am achtzehenden Capitel, und deß heiligen *Hieronymi außlegung

19 Gemeint ist der katholische Theologe Severinus von Krakau, eigentlich Seweryn **Lubomlczyk (1532–1612).

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uber den Propheten Jeremiam, im andern Buch am zehenden Capitel zu sehen, waren auß der Kunst gemacht, und köstlich mit allerley geschmuck [G vv] und Kleidung geziert, so hat sie doch der hochlobliche Keyser *Carolus Magnus, de imagin. lib. 4. cap. 18. sampt ihrer verehrung, billichen ein alten wurmstichigen Irrthumb der Heyden geheissen. Und können wir aber euch nicht auch fürwerffen, so *Faustus den Abgöttischen Christen gethan, Ihr haben [habt] die falschen Götter in Martyrer und Heilige, welchen ihr mit gleichem andacht dienen [dient], verwandlet? Es ist ewer *Gregorius wol daran, da er sagt (wie wir es schon ein wenig berührt haben) zu bestätigung der notwendigkeit der Bildern, sie seyen Bücher der Leyen und Ungelehrten. Diß ist eben der Heydnischen Weltweisen antwort, man möge durch die Bilder, so dem Menschlichen geschlecht, als die wahren und rechten anfeng der weißheit geben seyen, zu der Göttern erkandtnuß kommen. O deß dummen Volcks, so da noch dümmere Lehrmeister hat: was ist diß für ein Schul? Werden dann die so da Mäuler haben und nicht reden, auch aller Menschlichen übungen beraubt sind, die lehren so da reden und verstand haben? So ist dann der Teuffel in solchem Collegio Rector, welcher auch hat wollen, das man ihm, es [G vir] koste gleich was es immer wölle, Bilder solt auffrichten. Es hat auch *Durandus Rat. divin. offic. lib. 1. cap. 6. recht gesagt, das die Römische Kirch hab von dem König Nabuchodonosor den brauch die Kirchen zu weyhen gelehrt, gleich wie er geweyht hat das gulden Bild, [erg. um] dasselbig anzubetten, gleich wie den grossen Christoffel zu Pariß in der Thumbkirchen. Und gleich wie die Heyden halten für ein sondere Gottesforcht, und andacht an allen ecken und Creutzgassen [i.  e. Gassenkreuzungen], auch auff der Häuser Thürgestell, kleine Bilder zu erinnerung und verehrung ihrer Göttern, auffzurichten, also ist auch bey euch kein winckel der nicht mit disem kram geziert seye. Und sehet warumb der Abgott Apollo, von den Griechen bey dem **Euripide in der Tragedi Phönissa Gassenhüter genandt ist. Uber das alles haben [habt] ihr auch noch wie die Heyden, so die Römer oscilla, als bey dem *Macrobio satur. libr. 1. cap. 7. & 11. zu sehen, an welchen nur das Antlitz abgebildet, weyhen [weiht] auch ewere Heiligen die abbildung ewerer bresthafftigen Gliedern, heilung und gesundheit dadurch zu er-[G viv] langen. Die Mawren an ewern Kirchen sind eben wie die Tempel deß Abgotts Aesculapii, so mit Schencklen, Armen und andern gliedern des MenschenLeibs waren ubersäyet [übersät]: welches erstlichen von dem Hercule erfunden und hernach von den Abergläubischen Griechen, wie Polydorus Virgilius20 und andere bezeugen, in grossen brauch kommen: daher wir bey den alten Heydnischen Scribenten so offt finden, das sie ihren falschen Göttern Taflen haben auffgehenckt, daran die Kranckheiten, von welchen sie durch ir hilff, wie sie vermeinten,

20 Polydorus Vergilius vgl. STR2 N° 46.

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erlediget [i.S.v. entledigt], schrifftlich verzeichnet waren. Und ist ewer Aberglauben so weit außbrochen, das ihr auch gleichfelliges für das unvernünfftige Thier thun, wie an ewern Kirchenthüren mit Huffeisen beschlagen, und andern dingen leider zu sehen. So thut auch der alte **Cato in seinem Buch von dem Bawrenleben, gewisser gelübden meldung, so die Heyden für die Gesundheit ihres Viehs pflegten zu thun, welches doch dieser arme Heyd selbs verspottet. Uber das wo sind ewere Wächtelin, so ihr Agnus Dei, die Heyden Sigilla nennen, und [G viir] dergleichen gauckelwerck herkommen, welchen ihr so grosse Krafft wider allerley ungemach, und gefahr zueignen [zueignet]? Die alten Zauberer hatten geschnitzte Engel, Planeten, ja die Teuffel selbs, als ein preservatiff [Praeservativ, Schutzmittel] wider allerley ubel. Ist aber diß nicht ein unaußsprechlicher Grewel vor Gott, daß ihr diese auß Brot, Wachs, Holtz, und dergleichen geformierten ellende Bildlin, dz Lamb Gottes heissen [heißt, i.S.v. nennt], sie auch Gott, der uns allein erlößt hat, vergleichen [vergleicht], in dem ihr außtruckenlich sagen [sagt]: Omne malignum peccatum frangit, ut Christi sanguis: wie mit grewel zu sehen, Ceremon. Rom. Eccles. lib.  1. tit.  7. capite de consecratione Agnus Dei. und under andern Jesuitern will **Gregorius von Valentzen21 lib. 2. cap. 2. de Idolis erhalten, das etliche Abgöttereyen gut seyen. So doch durch den Propheten Ezechiel am 18. Capitel sagt: das der, so seine Augen zu den Götzen auffhebe ein grewel seye, und nicht leben solle. Und der Apostel Paulus in der ersten an die Kirch zu Corintho am 6. Capitel bezeugt, das die Abgöttischen das Himmelreich nicht werden [G viiv] ererben. So schließ ich dann das ihr den Heyden nachthun [nachtut], die ihr gleicher massen ewere Götter anbetten [anbetet], die ihr ewere Bilder in die Kirchen auff die Küssin [Kissen] setzt, wie die jenige ihre Götter auff das Bett, Pulvinar genandt, so in dem nidersten theil der Schawhäuser diese Schutzherren desto besser zu sehen, gestanden.

Editorische Hinweise Bearbeitungsvorlage Heydnisch Bapsthumb || Das ist / || Grundlicher Be- || richt / was für Gebräuch vnnd || Ceremonien / die Römische Kirch || hab auß dem Heydenthumb || genommen. || Durch || Den Wolgebornen vnd Hochgelehrten || Herren FRANCISCUM CROIVM auß || Artoiß  / weyland nach gethaner Maltesischer Schiffart  / || Carthäuser zu Granoblen / vnd hernach durch die Gnad || Gottes / Pfarrherrn der reformierten Kirchen zu Vsais || in Langendock / mit sonderer freundtlichkeit Frantzö- || sisch

21 Gregor von Valencia, SJ (1549–1603)

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beschrieben / Jetzung aber / dieweil deß- || gleichen bey vns noch nicht gesehen / || auff vielfeltiges anhalten || Durch || Johan Jacob Grasser mit bester Weiß || in vnser gemein Teutsch gebracht / vnd an || vielen ohrten auß den eltesten Scri- || benten gebessert.  – Getruckt im Jahr  / vnsers Herren Jesu Christi || M. DC. VII. [Basel: Johann Schröter, 1607] Exemplar der Staatl. Bibl. Regensburg, Sign.: Th. syst. 1151/4 [digit.].

Abgeglichen mit der französischen Erstausgabe: Les Trois Conformités: Assavoir, l’harmonie & convenance de l’Eglise Romaine avec le Paganisme, Judaisme & heresies anciennes. Par François de Croy G. Arth. L’an. 1605. Exemplar der HAB Wolfenbüttel, Sign. M: Tm 269 [digit.]; auch vorhanden in SBB Berlin, Sign. Dh 580 [digit.].

LIT Draudius; Adelung; Ersch-Gruber; Hist.Lexikon d. Schweiz; Wikipedia; zvdd.

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N° 95 Heraclius Unwerth Von den Bildern in der Kirchen [1615] Auszüge

Heraclius Unwerth ist biographisch nicht zu fassen. Auf dem Titelblatt wird behauptet, die Schrift sei „Auff Ihrer Churfürstlichen Gnaden zu Brandenburg sonderbahren Befehlich erstellt worden“. Das müsste sich – was hier nicht geschehen kann – vielleicht anhand der Akten des brandenburgischen Hofes und/oder der Academie zu Frankfurt/Oder prüfen lassen. Die helmstädtische Dissertation eines Albert Steinhaus (s.  u.) ist ebenfalls ratlos, wer der Autor sein könnte. Die Schrift erlebte (mindestens) drei Auflagen zwischen 1615 und 1617 und blieb nicht unwidersprochen. Unwerth bietet einen dialogischen Lehrtext. Auf Fragen und Einwürfe (obiectiones) eines wissbegierigen Altgläubigen antwortet breit belehrend ein lutherisch geschulter Besserwisser. Im Laufe des langen, wendungsreichen Gesprächs lässt sich der Wissbegierige von dem vielwissenden Lutheraner überzeugen. Es geht um eine Bildkritik, die sich zwar auf Luther beruft und viele seiner einschlägigen Argumente zitiert, letztendlich aber doch in rigiden Bildverboten gipfelt, wie Luther sie nie forderte. Unwerth ist ein nachgerade lutherkritischer Lutheraner, wenn er zum Beispiel varian­ ten­reich in Abrede stellt, dass Kirchenbilder als Adiaphora zu dulden seien. Auch dreht er Luthers Argumentation, die Bilder seien zunächst verbal (durch Predigt) zu „stürmen“ und erst dann, wenn die verbale Neutralisierung (qua Entdämonisierung) nicht gelinge, handfest zu „stürmen“ (nach Möglichkeit obrigkeitlich-policeylich) zu beseitigen seien. Der Text dürfte sich seiner klaren Gliederung wegen als didaktisch effizient erwiesen haben. Er fasst seine Zwischenergebnisse thesenhaft zusammen und drückt sich auch nicht um die Frage, obe denn die Arbeit von Malern und Bildhauern schlechterdings zu verwerfen sei. http://doi.org.de/10.1515/9783110780031-036

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 N° 95 Heraclius Unwerth

[A ijr]

An den Christlichen Leser. Christlicher lieber Leser, Es ist ein grosser und fest blutiger Streit von den Bildern in der Kirchen, auch unter den Evangelischen. Wann ich dann auch gemeinet, Es were so ein nothwendig Stück deß Gottesdiensts, dorüber steiff sollte gehalten werden, und mich hierüber mit etlichen guten freunden unter redet, doch in Christlicher friedlicher bescheidenheit, Alß ist mir von dero einem dieses Büchlin in die Handt gegeben dorinnen Gesprächs weise, die gantze Sache mit allen ihren Häuptgründen deutlich und verständlich außgeführet und erörtert wird. Das habe ich mit fleiß durchlesen, und für meine Person guten unterricht und Grundt befunden. Zweiffele nicht eß solle bey anderen, die der Sachen noch keinen satten grund haben, gleichen nutz schaffen. Demnach weil ein jeder Christ schuldig ist, daß gemeine beste nach vermögen zu beförderen, habe ich gedachtes Büchlin anderweit aufflegen und drucken lassen. Die Christliche Wahrheit begierige Hertzen wollen es mit bedacht lesen, und für den nutz den sie zweiffels ohne drauß schepffen werden, Gott und dem Authori dancken.

[1]

Fragstücke von den Streitigen Bildern und Götzen. {Altgläubiger Frager} Was soll ein Christ von den Bildern und Götzen halten?

{Lutherischer Antwortgeber} Er soll nicht anders und mehr darvon halten, alß was Gott in seinem Wort davon helt und gehalten haben will. Was helt aber Gott in seinem Wort darvon?0 Er helt darfür, und saget auch klar, daß sie närrische, verführische, hurische , ergerliche, verderbliche gottsvergessene, verfluchte, schreckliche, unnütze, sündhafftige Grewel und Schandtflecke seines Volckes sein, dadurch Gott erzürnet und zur straffe gereitzet, Seine Kirche und Gottesdienst aber wie mit einem Hurenschmuck verstellet, und verunreiniget wird, und was dergleichen andere Schandtittel und schädliche Früchte der Bilder und Götzen mehr sein. Wo stehet das geschrieben? Bey dem Propheten Jeremia im 10. Capit. beschreibet Gott die Götzenmacher mit ihren Götzen also …

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[Es folgt hier wie auch bei Beantwortung weiterer Fragen ein umfängliches Aufgebot von Bibelzitaten. bis S. 49.]

Unwerth bietet ab S. 49 bis 98 eine Geschichte der Bilderverwendung in der christlichen Kirche. { marginal:} Crucifix anfang. Was aber die Crucifixe oder höltzerne und steinerne Herrgotte insonderheit betriff und belanget, so sind dieselbigen der ersten Kirchen gantz und gar frembde und unbekant gewesen, und haben sich allererst umb das Jahr Christi 690. in der Kirchen angefangen, wie D. Chemnitius in seinem Examine1 darvon schreibet.

Es hat aber Gott sein Volck ihrer Götzen halben, beides mit worten und wercken so hefftig gestrafft, umb zweyer Ursachen willen. Erstlich, weil es Götzen gewesen sein. Zum andern, weil sie dieselbige angebetet oder auff Göttliche Weise verehret haben, welches aber wir gegen unsern Bildern nicht thun, und dieselbigen auch für keine Götzen nicht halten oder schelten lassen, lieber was wirstu darzu sagen? Ich sage, Erstlich, daß die Bilder und Götzen ein Ding sein, gleich wie Socke und Hose, Pferd und Gaul, es seind zween unterschiedliche Namen eines Dinges. [S. 50] Zum andern sage ich, daß ewre Bilder eben so wol Götzen, und ihres gantzen wesens halben, nicht besser, als der Heyden Bilder und Götzen sein. Ey lieber, was sagstu, wie wiltu doch das immermehr darthun und beweisen? A. Daß Bilder und Götzen in heiliger Schrifft ein Ding sein, bezeugen nachfolgende sprüche: Im 3. Buch Moysis am 26 Capitel spricht Gott: Ihr sollt euch kein Götzen noch Bilder machen, hörestu, daß es alles beydes verboten und ein Ding ist? Im 97. Psalm spricht Gott: Schämen müssen sich alle, die den Bildern dienen, und sich der Götzen rühmen. Wer verstehet hiraus nit, daß Bilder und Götzen ein Ding, und eins so schädlich sey, als das ander. Jeremiӕ am 51. Capitel spricht Gott: Alle Menschen seind narren mi ihrer kunst, und alle Goldschmide bestehen mit schanden mit ihren Bildern, denn ihre Götzen seind triegerey, und haben kein Leben, es ist eitel nichts, und ein verführisch Werck. Mercke was der HErr das erste mahl Bilder nennet, das nennet er das ander mahl Götzen.

1 → N° 51.

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Ezechiel am 6. spricht Gott: Ewre Götzen sollen zerbrochen werden, und ich wil ewre Leichnam für den Bildern todschlagen lassen, daß ihrs erfahren sollt, Ich sey der HErr, wann [51] die erschlagenen unter den Götzen ligen werden2. Hie wird erstlich gesaget, Daß Gott der HErr die Leichnam wölle todschlagen für den Bildern, und darnach, daß sie unter den Götzen ligen würden. Müssen derowegen die Bilder für welchen sie todt3 geschlagen, und die Götzen für welchen sie todt gelegen, ein Ding sein. Hoseӕ am 13. Cap. spricht Gott: Auß ihrem Silber machen sie Götzen, wie sie es erdencken können, nemlich Götzen. Wiltu nun es mir nicht glauben, daß Bilder und Götzen ein Ding sein, lieber so glaube es doch Gott dem HErren, der es allhier selber spricht und saget: Sie machen Bilder, nemlich Götzen. Micheӕ am 1. spricht Gott: Alle ihre Götzen sollen ­zerbrochen werden, und alle ihr Hurenlohn soll mit Fewer verbrennet werden, und alle ihre Bilder will ich verwüsten: wie es einem gehet (will Gott sagen) so solls den andern auch gehen. Ursache, denn sie seind alle beiden von Hurenlohn, das istr, wie vorgesaget, wie Socke und Hose, eines ist so gut als das ander, eines seind Hurenkinder, das ander seind Bastarte und Banckarte. Darumb laß dich ja nicht uberreden, daß zwischen Götzen und Bildern, oder zwischen den Bildern der Heyden und Christen ein grosser Unterscheid sei, dann sie seind ein Ding in materia & forma, ja in fine und efficiente dazu. [52] Mit ihrer Form und materien werden sie in der Bibel zu zweyen unterschiedlichen mahlen, nemlich im 116. und zum andern mahl im 135. Psalmen also beschrieben: Der Heyden Götzen sind Silber und Goldt, von Menschenhänden gemacht, sie haben Mäuler und reden nicht, sie haben Augen und sehen nicht, sie haben Ohren und hören nicht, auch ist kein Athem in ihrem Munde, sie haben Nasen und riechen nicht, sie haben Hände und greiffen nicht, und reden nicht durch ihren Halß. Und eben solche Muster seind der Christen Götzen und Bilder auch. Sie heissen Petrus oder Paulus, Wentzel oder Stentzel, Kuntz oder Heintze, denn sie sind Silber und Goldt (oder auch wol nur Holtz und Steine, welches noch ärger ist) sie sind von MenschenHänden gemacht, sie haben Mäuler und reden nicht, sie haben Nasen und riechen nicht, sie haben Hände und greiffen nicht, sie haben Füsse und gehen nicht und reden nicht durch ihren Halß. Daraus unwidersprechlich folget, daß der Heyden und Christen Bilder und Götzen in mteria und forma ein Ding sein: Es were dann, daß du mir das widerspiel darthun und beweisen, oder ein redendes, sehendes, hörendes, riechendes,

2 In Vorlage „werde“. 3 In Vorlage „Todt“.

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greiffendes, gehendes, lebendes Bild unter ewren Götzen in der Kirchen zeigen und weisen köndtest: darnach du dich wirst weit umbzusehen haben. [53] Was aber die Bilder und Götzen betrifft und belanget, darauß entweder der Teuffel selbst, wie im Heydenthum geschehen ist, oder die Mönche und Pfaffen, wie im Basthumb geschehen ist, geredet und andere Gauckeley getrieben haben, das sey dir frey gestellet, ob du dieselbigen zu hülffe nehmen, und deine Bilder darmit vertheidigen und bescheinen wilt oder nicht, ich wil deiner darmit gewertig sein. Ey behüte mich Gott, du sollt mich dafür nicht ansehen, das wil ich ob Gott wil nicht thun, und sollte der Teuffel alle Götzen darüber holen und wegführen, denn ich lerne Gott lob die Sache je lenger, je besser verstehen, und bitte, du wollest fortfahren, und mir de efficiente und fine vom Ursprung und Ende der Bilder auch etwas sagen. Was die Efficientem oder wirckliche Ursache der Bilder und Götzen betrifft, so ist dieselbige zweyerley: Propinqua & Remota, nahe und ferne. Die nahe wirckliche Ursache der Bilder und Götzen ist der Teuffel, der sie dem wahren Gott zu trotze und spotte erdacht und auffgebracht hat, wie du droben aus dem Lactantio gehöret hast, darbey auch zugleich die endliche Ursache mit vermeldet wird, daß es zu dem ende geschehen sey, darmit die Hertzen der Menschen dadurch vom rechten dienste deß wahren Gottes möchten abgewendet und verführet werden. [54] Denn es ist und bleibet ein verführisch werck, wie es die Propheten nennen, und du gleichfalß droben bey ihrer beschreibung auch gehöret und verstanden hast. Summa summarum, Bilder hin, Bilder her, Götzen hin, Götzen her, es ist ein ding und in heiliger Schrifft eines so viel verboten als das ander. Denn so lautet das Gebot Gottes, du sollt dir kein Bildniß noch irgend ein Gleichniß machen, Es heißt nicht alleine du sollt dir kein Götzen machen, das ist kein solche Bild, dadurch Gott angebetet und verehrt wird: Sondern Gott spricht, du sollt dir kein Bildniß oder Gleichniß, das ist auch kein solch Bild nicht machen, dadurch Gott mit seinem Geistlichen und Göttlichen Wesen und Wercken abgebildet wird, oder dafür man anzubeten, und neben dem Gebet auch allerley andere Gottesdienst zu verrichten pfleget, wie in der Kirche, in der Heiligen Stelle, da neben dem täglichen Gebete, auch die heiligen Sacramenta verrichtet werden, geschicht. Denn so spricht Gott bey der widerholung seines Gebotes von den Bildern und Götzen im 3. Buch Mose am 26. Capitel ferner: Ihr sollt euch keine Götzen machen noch Bilder, und sollt euch keine Seule nicht auffrichten, und keinen Mahlstein setzen in ewrem Lande, daß ihr dafür [davor] anbetet: Hie heisset anbeten nicht alleine das Gebet thun: sondern auch allerley andere Gottesdienst darneben verrichten, wie das Wort anbeten in solcher bedeutung in heiliger Schrifft, und auch

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sonst mehr zufrieden ist. A potiori fit denominatio, das ist, weil das öffentliche und gemeine Gebet das vornehmste stücke deß Gottesdienstes ist, so wird der gantze Gottesdienst darvon genennet. Als da Johannes am 4. Cap. das Samaritische Weib zum HERREN Christo spricht und saget: Unsere Väter haben auff diesem Berge angebetet, und ihr saget zu Jerusalem sey die Städte, da man anbeten solle: da nicht alleine das blosse Gebete: sondern auch das Opffer und der gantze Gottesdienst verstanden wird. Wir haben uns eben weit mit unserem Gespräche verlauffen, meine Meynung ist zwar anfenglich gewesen, daß wir nur gar kürtzlich mit einander von den Bildern reden wollen: Ich sehe und befinde aber selbst, daß es solcher weitleufftigkeit, meiner Person halben, wol bedürffet habe, auch noch ferner bedürffe: Dancke auch Gott und dir dafür, und bitte, wollest mich nur noch einmahl oder etlich hören, denn ich habe noch etliche bedencken, so mich von deiner Meynung zurückhalten, und bey der gemeinen Meynung erhalten, daß mans mit den Bildern nicht so genawe suchen und nehmen dürffe? [56] So gerne als ich dich biß daher gehöret und auß Gottes Wort unterrichtet habe, so gerne wil ichs auch ferner thun, darumb sage nur fort im nahmen Gottes, was ist denn das jenige das dich noch zurücke und von meiner dir trewlich offenbahreten und in Gottes Wort gegründeten meynung zurücke helt? Obiectio I Erstlich, so ist man der Bilder von alters und langer Zeit her gewohnet, dieweil sie bald von Anfang deß Evangelij her in der Kirchen gewesen und geblieben, auch in den meisten Evangelischen Kirchen noch gebreuchlich sein und behalten werden; daß mich deuchte man möchte sie wol vollend bleiben lassen, und dörffte daran sich nicht ärgern. Es ist ein alt Sprichwort Consuetudo cedat veritati, die Gewonheit soll der Wahrheit weichen, wie der Mann Gottes Lutherus im 3. Theil seiner Jenischen Bücher an die Christen zu Halle, uber ihres Predigers George Wirckelers tode, auß den Geistlichen Rechten schreibet und beweiset. Wenn die Wahrheit offenbar wird (spricht er mit dem *Augustino) so soll die Gewonheit weichen. Item, Niemand soll die Gewonheit der Wahrheit fürziehen. Und abermal: So jemand die Gewonheit der Wahrheit fürhelt, so ist zu mercken daß der HERR spricht: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, er spricht nicht, Ich bin die Gewonheit. Und abermal: Eine Ge-[57] wonheit, sie sey so alt und gemeine, als sie wolle, so soll sie doch der Wahrheit weichen, und abermal, weil wir alle Christum hören sollen, so sollen wir nicht achten, was weyland ein anderer zu thun gerathen hat; sondern was der getahn hat, der für allen ist, Christus; Denn man muß nicht Menschengewonheit, sondern

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Gottes Wahrheit folgen. Und endlich spricht und beschleust der Herr D. Luther: hie wolte ich sie (nemlich die Papisten) gerne hören antworten, Er redet aber daselbst von der einerley gestalt deß Sacraments, welche die Papisten gleich wie du die Bilder auch mit der alten Weise und Gewonheit verteidigen und erhalten wollen. Es ist jhnen aber in solchem Fall ihr Geistlich oder Bäbstlich Recht selbst zuwider: Denn es saget die Glossa desselbigen, unter andern: neminem excusari a culpa, ratione multitudinis aut consuetudinis: Errantium enim multitudo, non parit erranti Patrocinium. Durch die menge der jenigen, die ein Ding mit einander thun und halten, deßgleichen auch durch die Gewonheit kan niemand entschuldiget oder recht gemacht werden. Consuetudo sine veritate (spricht *Cyprianus) est vetustas erroris. Eine Gewonheit ohn Wahrheit (spricht er) ist ein alter Irrthumb, darumb lasset uns der Wahrheit folgen unf den Irrthumb verlassen. [58] Wenn das Argument oder die Schlußrede gelten sollte, die Gewonheit bringets also mit, Es ist eine alte Weise darumb mag mans wol thun, und darff jhm [i.S.v. sich] keine Gewissen darüber machen. Wann das, sage ich, gelten sollte, so würde man auch schliessen können: die Sünde ist beydes bey unserem Fleisch und Blut, und darnach auch bey der Welt: und allen Menschen eine alte Weise und Gewonheit. Darumb mag man die Sünde wol thun, und darff jhm [i.S.v. sich] keine Gewissen darüber machen. O Nein lieber nein, darauff sündige und verlasse sich nur keiner nicht. Denn Gott saget viel anders, da er unter andern bey und durch den Propheten Jeremiam am 13. Capitel also spricht: Kan auch ein Mohr seine4 Haut wandeln und ein Parder seine Flecken? So könnet ihr auch gutes thun, weil ihr deß bösen gewohnet seyt, darumb wil ich sie zerstrewen wie Stoppeln, die für dem Wind auß der Wüsten verderbet worden. Das soll dein Lohn sein und dein Theil, den ich dir zugemessen habe, spricht der HErr: Wehe dir Jerusalem etc. Hie hörestu klar daß die Gewonheit für Gott und seinem Gerichte nichts helffe, und daß er die böse Gewonheit eben so woll, als andere Sünden straffen und heimsuchen wolle: darumb daß der Gewonheit halben am allerbesten ist, daß wir sehen, ob sie gut oder böse sei, und uns zum guten gewehnen, dargegen aber vom bösen abgewehnen lernen. [59] Wenn hat sich dann die Gewonheit mit den Bildern und Götzen in der Kirchen angefangen? Darauff antwortet dir Chemnitius in seinem Examine5 also: Gleich wie Christus nicht befohlen hat, daß man in der Kirchen und beim Predigampt Bilder haben sollte: 4 In Vorlage „seiner“. 5 → N° 51.

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Also lieset man auch von den Aposteln nirgendt nicht, daß sie das Evangeliuum bey den Bildern geprediget, oder die Bilder zu hülffe und Erklerung genommen und gebraucht haben. Sie haben auch die widerholung und erinnerung ihrer Lehre und Predigt, wenn sie von einem Orte zum andern gezogen sein, nicht den Bildern, sondern frommen und getrewen und gläubigen Menschen, die zum Lehrampte tüchtig gewesen, anbefohlen, und durch dieselbige auffschreiben lassen. Sie haben auch nirgend nicht gelehret, daß die Billder und Götzen des heiligen Geistes Werckzeug sein, dardurch er kräfftig ist,dardurch er die Menschen erleuchtet, beruffet, bekehret und heiliget: sondern haben je und allezeidas Wort Gottes oder die Schrifft und Predigt, Anhörung und Betrachtung desselbigen für einen solchen kräfftigen Werckzeug deß heiligen Geistes gehalten und außgegeben. Auch da sie den Abgöttischen Gottesdienst bey den Bilder abgeschafft, und dagegen den wahren Gottesdienst angerichtet [60] haben, lieset man nirgend, daß sie die vorigen Bilder zum wahren dienste des lebendigen Gottes genommen und gezogen, oder an statt derselbigen andere Bilder an welchen, durch welche oder bey welchen der Gottesdienst sollte geübet und verrichtet werden, verordnet, und also einen Götzen umb den andern gegeben haben: sondern sie haben ja und allezeit gelehret, daß man den wahren Gott auch auff wahre götliche Weise, nemlich im Geist und in der Wahrheit ehren solle, welches ausser allem streit und zweiffel ist. Und seind also in der ersten und besten blüthe der Kirchen, zu Christi und der Apostel Zeit, beim wahren Gottesdienste keine Bilder und Götzen gefunden worden. Bey ihrer Jünger und nachfolgender Zeit wird auch keiner Bilder und Götzen nicht gedacht, ja es haben die ersten Christen für den Bildern und Götzen eine solche abschew gehabt, da’sie die jenigen, welche entweder die Bilder oder auch Christum selbst an den Bildern oder durch die Bilder ehren und anbeten wolten, alsbald vor [für] Ketzer gehalten und verdammet haben, wie solches daselbst auß dem *Theodoreto, *Augustino, *Irenӕo und *Epiphanio, von dem Simone dem Zauberer und den Ketzern, so man Carpocratianer6 oder Gnosticos genennet hat, mit nahmen bewiesen wird. Unter andern Klag-Artickeln der Heyden wider die Christen seind sie von jhnen auch be-[61]schuldiget worden, daß sie eine Religion ohne Bilder hetten. Summa summarum, daß ich meine Meynung kurtz sage, spricht Doctor Chemnitius, so ists auß gewissen und bewerten Historien klar und offenbahr, wie auch *Erasmus in seinem Catechismo spricht, daß biß zu *Hieronymi zeit (nemlich biß auffs jahr nach Christi Geburt 372) rechtgläubige Männer seind gefunden worden, welche in ihren Kirchen kein gemahltes, keiin geschnitztes oder gewircktes Bild (auch das Bild Christi selber) durchauß nicht gelitten noch geduldet haben. Und da

6 Gnostische Sekte.

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man gleich zur zeit Constantini etliche Bilder an andern Orten gehabt, so hat man sie doch nicht in die Kirche gesetzet, wie beym *Eusebio im 3. und 4. Buch vom leben Constantini zu sehen ist, wiewol Platina darwider schreibet und berichtet, daß Constantinus die Bilder in die Kirche gesetzet habe. Endlich so beschleust Chemnitius seine meynung also: Es kan auß warhafftigen und gewissen Historien nicht gewisen und bewiesen werden, daß die Bilder in der ersten Kirchen zum Gottesdienst gebraucht, oder in die Bethäuser, das ist in die Kirche sein gesetzet worden in die 300. Jahr und drüber. [62] Obiectio II. Zum andern, so seind gleichwol die Kirchenbilder auch von etlichen Vätern und Kirchenlehrern nicht alleine ungetadelt blieben: sondern auch gebraucht und gelobet worden. Denn unter andern schleust *Athanasius ein alter Kirchenlehrer im 4. sermon wider die Arrianer also: Wer eines Königes Bild anbetet, der betet daran den König selber an, dieweil das Bild nichts anders als des Königes Form und Gestalt ist. Responsio I. Antwort: Erstlich ist das gantz falsch, und zu glauben verboten, daß die Bilder unsers HErren Gottes Gestalt und Gleichnusse sein. Denn niemand hat Gott den HErren jemals gesehen7, darumb kan und soll ihn auch niemand sichtbarer Gestalt abbilden oder mit den sichtbaren Bildern vergleichen. Wir sollen nicht meinen, daß die Gottheit den Bildern gleich sey, spricht Paulus in den Geschichte der Apostel am 17. Cap. [v. 20], wie du droben auch gehöret. Responsio  II.  Zum andern, so assumiret oder zeucht der heilige *Athanasius seine obbedachte Schlußrede oder Beweisung mit den Königlichen Bildern nit auff die eusserlichen Bilder und Gleichnisse Gottes; sondern auff das wesentliche Bild seines Sohnes Jesu Christi, welcher das ebenbild seines Wesens ist, wie er zun Hebreern am I. Cap. genennet und beschrieben wird. [63] Responsio  III.  Zum dritten, so widerleget dich mit deinen Bildern dein vermeineter mitgehülffe, der heilige *Athanasius auch selbst, da er in seiner Oration wider die Heyden erstlich in gemein und darnach auch insonderheit darthut und beweiset, daß der Götzendienst oder vermeinet Gottesdienst bey den Bildern gantz nichtig und eitel sey. Und in derselbigen Oration stehet unter andern mit klaren und außdrücklichen worten των ειδολων χρεσις του απ’ αγαϑου αλλα απο κακιας γεγονε. das ist: Die erfindung der Bilder, die zum öffentlichen Spectacul in der Kirchen stehen (denn das heisset Idolum eigentlich) die erfindung derselbigen, spricht er, ist nicht vom

7 In Vorlage „geschehen“.

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guten; sondern von der Boßheit herkommen. Wie sollte er sie denn selbst bestättiget haben. Es gedencket auch *Tertullianus, daß zu seiner zeit an etlichen Orten die Historien oder das Gleichniß von dem guten Hirten und verlornen schaffe auff den Kirchenkelchen gemahlet oder gestochen sey gefunden worden, wie in seinem Buch von der Keuschheit zu sehen und abzunehmen ist. Darumb könte und möchte man solche Historische Bilder in der Kirchen noch wol leyden und passiren lassen? Responsio I. Erstlich so redet *Tertullianus in demselbigen Orte nur allein de more und nicht de jure. [64] Er meldet nur was geschehen sey, und nicht was recht sey, und also wird bey den Evangelisten und Aposteln in ihren Schrifften und Büchern auch viel und offt der Bilder und Götzen gedacht, wie sie dieselbigen hin und wider angetroffen haben, ja Christus saget auß dem Propheten Daniele auch selbst, daß der Grewel der verwüstunge (welches von einem Bilde oder Götzen verstanden und außgeleget wirdt) in der heiligen Stelle stehen werde. Daraus aber folget nicht, daß ihm solche Stelle gebühret habe, oder daß er noch heutiges tages daselbst stehen sollte, oder daß Christus solchen Mißbrauch der heiligen Stelle dadurch gebilliget habe. Responsio II. Zum andern. So widerleget dich mit deinen Bildern dein vermeineter mitgehülff *Tertullianus auch selbst, da er im 30. Capitel seines Apologetici, das ist seiner Schutzrede und Verantwortungsschrifft, also spricht und saget: Wann wir beten, spricht er, so heben wir unsere Augen auff gen Himmel und nicht zu den Bildern und gemählden. Und im Büchlein vom Soldatenkrantze [de corona militis] spricht er ferner: Ihr Kindlein hütet euch für den Götzen, nicht allein für der Abgötterey als fürm Götzenampte oder –dienste; sonden auch vor den Götzen selbst, das ist vor ihrer Gestalt. Es hat auch *Damascenus ihm [i.S.v. sich] die Bilder nicht ubel gefallen lassen. [678] Antwort. Er hats ihm [i.S.v. sich] aber auch müssen gefallen lassen, da er in Synodo Christiana als ein Bilder-Diener ist verdammet worden. Diesen und andern dergleichen Kirchenlehrern aber, welche den Bildern und Götzen das Wort geführet und ubergeholffen haben, wil ich nun auch entgegensetzen und halten diejenigen, welche die Bilder gehasset und verworffen haben. Ich wil dich aber nicht lange damit auffhalten; sondern nur die vornembsten erzehlen.

8 Paginierung der Vorlage von S. 64 auf S. 67 gesprungen!

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*Clemens Alexandrinus, welcher ohngefehr 200.  Jahr nach Christi Geburt gelebet hat, schreibt und saget in seiner Oratione hortatoria ad gentes, das ist in seiner vermanungsschrifft an die Heyden, daß die Bilder eitel und nichtig sein, und beweiset solches mit nachfolgenden Ursachen. Erstlich spricht er: Seind sie von Menschen gemacht oder Menschlicher hände Werck. Zum andern spricht er: Seind sie auch von den Heyden selbst verlachet und verachtet worden, wie Dionysius der Tyran gethan hat, welcher dem Jovi sein Gülden Kleydt genommen und getauscht und dafür eine geringe Bierhülle9 von schlechtem Tuch gegeben und umbgehangen hat, die ihm im Sommer leichter und im Winter wärmer were. Wie gleichfals von Antiocho Cyzizeno auch geschehen ist, welcher dem Jupiter sein [68] grosses güldenes Bild hat umbgiessen und ein ubergüldten Messinges Bild darauß machen lassen. Zum dritten spricht *Clemens Alexandrinus haben die Bilder so gar ein geringes und schlechtes ansehen, daß auch die kleine Vöglein die Schwalben nichts nach ihnen fragen, sondern ihnen für die Nase, oder gar auff die Nase hinauff schmeissen und scheissen, gleich als wolte er sagen, sie seind nicht so gut und ansehnlich, als die Schewsal sein. Zum vierden spricht *Clemens Alexandrinus haben auch ihre Meister und Väter die Bildthawer und Götzenmacher, ihrer Bilder selbst gespottet und sie verachtet, wie Phidias, der dem Iovi Olympio auff seinen Finger geschrieben hat πανταρκης κολος Ey du schöner helffer. Und Praxiteles da er Veneri Bild machen und auffrichten sollte, na[h]m er das Muster von seiner Huren der Cratina, und brachte sie dardurch zu solchen Ehren, daß ihr freundlich Angesicht an statt der Veneris geehret und angebetet wurde. Zum fünfften spricht *Clemens Alexandrinus daselbst sehr artlich: Imagines vestræ omnes terrestres sunnt; ego autem terram calcare didici, non adorare. Das ist: Ewre Bilder seind Erde und Irdisch, Nun habe ich aber gelernet, daß man die Erden mit füssen tretten und nicht anbeten soll. [69] Zum sechsten spricht *Clemens Alexandrinus ferner, daß Antisthenes, des Socratis guter Freund, gesagt habe, Gott sey niemanden gleich, darumb könne ihn auch niemand auß einem Bild lernen. Mercks mit deiner höltzernen LeyenBibel wol. Und in seinem Parænetico schreibet *Clemens Alexandrinus ferner: und ist offentlich verboten, die betriegliche Kunst (mit den Bildern) zu uben: Dann du sollt dir keines dinges Gleichniß machen, weder deß das im Himmel, noch deß, das auff Erden oder unter der Erden ist.

9 Kneipenkleidung.

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Und im 6. Buch seiner Stromatum spricht er ferner: Wir haben kein Bildniß (Gottes) in der Welt: denn nichts, das von Menschen gemacht ist, kan Gottes Ebenbild sein. *Origenes, deß vorgedachten Clementis Jünger oder Schüler, schreibet in seinen Büchern und RefutationsSchrifften wider Celsum untern andern also: Die Christen wollen nicht leiden, daß man Jesum bey den Altarn, Tempeln und Bildern ehren solle: Sondern haben einen Abschew dafür, wenn sie hören daß geschrieben stehet: Du sollt keine andere Götter haben. Du sollt dir keiin Bildniß noch Gleichniß machen, du sollt sie nicht anbeten noch ihnen dienen. [70] Und ferner, wir fliehen die Stifftung und auffrichtung der Bilder darumb; denn nach dem wir durch die Lehre Jesu Christi erfahren haben wie Gott sollte geehret werden, meiden wir (billich) solche Sachen, welche die Leute unter dem Schein der vermeineten Andacht gottloß machen. *Arnobius, ein alter Lehrer, welche ohn gefehr 300. Jahr nach Christi Geburt gelebet hat, gibet den Heyden, da sie eben wie jetzund andere mehr sprechen und vorgeben, wir halten die materien der Bilder nicht vor Götter; sondern wir ehren und meinen sie nur dadurch, ehren und meinen also nicht die Bilder selbsten, wann wir ihnen mit opffern und beten dienen (wie die gemeine kale Entschuldigung auch noch lautet) darauff aber gibet *Arnobius in seinem 6. Buch wider die Heyden eine solche Antwort: Seind die Götter in den Bildern, so seyd ihr ja grosse Narren, daß ihr sei einsperret und verschliesset, und wie daselbst seine antwort ferner lautet. Solche Narren hats auch noch jetzt auff der Welt, die sich wol mögen bey der Nasen ziehen und schämen lernen. *Lactantius, ein ander Kirchenlehrer, deß *Arnobii Schüler, beweiset in seinem andern Buch vom Ursprung deß Irrthumbs, daß die Bilder und Götzen keines ansehens nicht sein, mit [71] nachfolgenden Ursachen. Denn erstlich (spricht er) sein sie in der Menschen Gewalt (und gleich wie ihre Gefangene) Zum andern können sie zerbrochen, verbrent und verderbet werden, denn sie können sich selbst nicht beschützen, und wie du droben deß Lactantii Meynung von den Bildern und Götzen, da er sie gar deß teuffels Hurenkinder genennet, mit mehrem gehöret hast. *Epiphanius, ein ander Kirchenlehrer, schreibet im Beschluß seines Sendbrieffs an Joannem Patriachen oder Bischoffe zu Jerusalem unter andern also: Ich gieng in eine Kirche zu beten, und fand darinne nit weit von der thüre einen gefärbten Vorhang, darauff das Bildniß Christi, oder etwan eines heiligen gemahlet war (denn ich weiß nicht eigentlich, was es für ein Bild gewesen ist) da ich nu sahe und gewar ward, daß solch Bild der heiligen Schrifft zur verkleinerung in der Kirchen Christi hieng, nam ich dasselbige und zerschnid es, und gab den Glöcknern oder Kirchenknechten Rath, man sollte viel lieber einem verstorbenen armen Menschen einen Sterbekittel darauß machen und ihn darinnen begraben, oder ein Leichtuch, und

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ihn darunter zu Grabe tragen, sie murreten aber wider mich und sprachen: hette ers wollen zerreissen, so hette er uns ein anders geben, oder gerecht dafür werden sollen. [72] Da ich solches hörete, sagte ich ihnen zu, daß ich ihnen alsbaldt einen andern geben und schicken wolte. Es verzoch sich aber ein wenig, weil ich mich umb einen stattlichen Vorhang für sie bemühete und vermeinete, ich würde ein auß Cypern bekommen. Nun aber sende ich dir einen, so gut als ich ihn habe bekommen können, und bitte dich du wollest solches die Priester desselbigen Orts von dem Botten annehmen lassen und auch hinfort Befehl und anordnung thun, daß solche Vorhänge, die der wahren Religion zu wider sein, nicht mehr auffgehenget werden, denn das wil deiner Ehrwürden gebühren etc. Und auß den Acten oder vorgelauffenen händeln deß Nicenischen Concilii erscheinet auch noch ferner, was deß *Epiphanii Meynung von den Bildern gewesen sey, welches kürtzlich also lautet: Gebet achtung auff euch und bleibet bey ewrer empfangenen Kirchenordnung, gedencket dran daß ihr nicht Bilder in die Kirche bringet, noch auff die Kirchhöffe Creutze der heiligen setzet; Sondern traget Gott den HERREN allezeit in ewren Hertzen herumb, ja ihr sollt auch die Bilder in einem gemeinen oder schlechten Hause nicht leiden, denn es ist nicht recht, daß eines Christen Andacht an seinen Augen hange, sondern muß an seinem Hertzen hangen. Und an vorgedachten briffe an Johan-[73] nem, den Patriarchen zu Jerusalem, schreibet er ferner also: Es ist ein Grewel und gottloß Ding, wann Bilder in der Kirchen der Christen gesehen werden. *Cyprianus schreibet unter andern an Demetrianum also: Laß die Bilder oder Götzen, so Menschlicher Irrthumb erfunden hat, fahren und bleiben, und kehre dich zu Gott, so wird er dir auff dein Gebet zu hülffe kommen. *Augustinus im 7. Capitel vom Glauben: das sitzen des himmlischen Vaters ist nicht von gebogenen Knien zu verstehen (wie es nemlich gemahlet und geschnitzet wird) , darumb wird es einem Christen nicht gebühren, ihm ein solche Bild in die Kirche zu setzen, viel weniger aber ins Hertze, da der Tempel Gottes ist. Und was dergleichen Sprüche der alten Väter und Kirchenlehrer sein. Denn es seind die Väter den Bildern meisten theils sehr gehässig und auffsetzig gewesen, weil sie sahen, daß die jenigen, so sich von den Heyden zum Christenthumb bekehreten, dem wahren Gott auch an den Bildern, durch die Bilder und bey den Bildern ehren und anbetten wolten, wie sie im Heydenthumb gewohnet gewesen waren. Wie *Lampridius vom Keyser Alexandro Severo, welcher sich zumallerersten zum Christenthumb geneiget hat, schreibet, daß er daheime in seiner Hoff-Capelle unter andern Bildern auch das Bild [74] des HErren Christi gehabt und geehret habe. Daß ich also endlich der Väter und vornembsten Kirchenlehrer Meynung mit des HErren Chemnitii worten beschliesse.

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Obiectio III. Zum dritten so seind die Bilder nicht alleine von etlichen Vätern und Kirchenlehrern; Sondern auch von etlichen Concilien und KirchenVersamblungen ungetadelt blieben und zugelassen worden: Als nemlich im Concilio oder Kirchenversamlunge zu Nicæa, welches die Keyserin Irene, Constantini deß 7. Mutter, gehalten und verleget hat, da beschlossen worden ist, daß man die Bilder in der Kirchen haben und behalten möchte, welches 787. Jahr nach Christi Geburt geschehen ist. Responsio I. Erstlich, gleich wie die Väter und alle Menschen sich nach Gottes Gebot halten und richten sollen; so sollen auch die Concilia oder Versamlung der Väter und Kirchenlehrer [erg. sich] nach Gottes Wort und Befehl, und nicht das Wort Gottes nach den Vätern oder Concilien richten. Wo nun die Concilien mit Gottes Wort uber­ einstimmen, so seind sie gut und richtig, und wird ihnen auch billich gefolget und nachgelebet; Wo nicht so muß man Gott mehr gehorchen als den Menschen, und wann sie gleich alle uber einem hauffen weren; Drumb folget dein Schlußrede nicht, das ander Nicenische [75] Concilium hets gut geheissen und zugelassen, daß man Bilder in der Kirchen haben solle; Darumb mag mans wol thun und geschehen lassen. Denn ich setze dir einen andern Grundt entgegen, der etwas stärker ist, Gott hats verboten: Darumb soll mans nicht thun, sondern bleiben lassen. Darvon der heilige Augustinus im 3. Buch wider Maximum also schreibet. Ich wil dir nicht das Concilium Nicænum, und du sollt mir nicht das Ariminense verfenglich fürwerffen, ihre autoritet und ansehen soll weder mich noch dich auffhalten, durch autoritet der Schrifft10, die nicht einem Theil alleine, sondern beyden Theilen in gemeine gilt, soll eine Sache und Ursache mit der andern streiten und fechten. Responsio II. Zum andern was dein angezogenes Concilium betrifft, so kanstu darmit deine Bilder nicht vertheidigen, denn es ist in demselbigen nicht alleine geschlossen worden, daß man die Bilder in der Kirchen haben und behalten möge; Sondern daß man sie auch ehren und anbeten solle, wiltu nun das erste darauß beweisen, so wirstu den Papisten auch das ander darauß zugeben und gestehen müssen, oder (welches das beste ist) mit dem Concilio gantz und gar zufrieden sein, dieweil du deinen Bildern keine Ehre und anbetung nicht gestehen wilt. [76] Responsio III. Zum dritten, So hat *Carolus Magnus sieben Jahr hernach dasselbige Concilium durch ein sonderlich Buch auch selbst widerholet und in einer Zusammenkunfft der Geistlichen, darbey drey hundert und weniger fünfftzig, eben so viel Bischoff als zu Nicæa, ohne die alte und andere gewesen sein, das vorgedachte Nicenische Conciliumm für ein Untüchtiges und nit werdiges Concilium erkennet und erkleret, und dadurch die Bilder gantz und gar wider verboten und auffgehaben. Derselbige Synodus oder zusammenkunfft der Geistlichen auff *Caroli Magni anordnung und Unkosten ist im Jahr 794. nach Christi Geburt zu Franckfurt am

10 In Vorlage „Gchrifft“.

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Meyn geschehen, dessen Beschluß wider die Bilder also lautet: Bilder in der Kirchen oder an andern Orten haben, ist zwar an ihn selbst so gar gottloß nicht, wenn sie zum Schmucke und Historischen Gedächtniß gemacht werden: Aber das ist dem Christlichen Glauben gantz ungemässe und gantz heydnisch, die Bilder anbeten oder auff irgend eine andere Weise ehren, sie bekleiden, ihnen Liechter anzünden oder räuchern oder für ihnen niederknien, den hut für ihnen abnehmen oder sich für ihnen neigen. Und das haben andere Christliche Keyser und Könige vor und hinder ihm auch gethan. *Constantinus Magnus ein ander Keyser, welcher das erste und rechtgläubige Concilium zu Nicæa (dessen Glaubensbekant- [77]niß wir auch noch heutiges tages in unsern Kirchen haben und behalten) gehalten und versamlet, hat ohne gefehr 469. Jahr für *Carolo Magno bey seiner vorgenommenen Kirchreformation solch Gebot außgehen lassen: Nequisquam in templo statuas erigat. Es soll niemand in der Kirchen Bilder auffrichten, wie beym *Eusebio zu sehen ist. Du erinnerst mich dieses Keysers gleich recht, denn eben der ists, welchem auff seiner Reyse in Italien ein Creutze in der Lufft erschienen mit dieser Uberschrifft: IN HOC SIGNO VINCES. Darauß abzunehmen, daß gleichwol die Creutze nicht gar böse sein und in der Kirchen noch wol zu dulden weren? Antwort. Es ist nicht ein solche Creutze gewesen, wie man in etlichen Kirchen hat, und du dir nach deiner Einfalt eingebildet hast; Sondern es seind zween Griechische Buchstaben gewesen, welche so viel als Christus geheissen haben, in solcher form und Gestalt: XP. wie sie Constantinus hernachmals zum Gedächtniß solches gesichtes auch auff seinem Fähnlein und aller seiner Rüstung geführet hat. Aber wir wollen von den Keysern fortfahren, Theodosius der Jünger hat Bilder zu Antiochia auch gantz und gar abgeschafft und abgestellet, wie beym *Chrysostomo befunden wird. [78] Leo Isaurus der Keyser, hat ohn gefehr 58. Jahr für der vorgedachten Franckfurtischen Synodo die Kirchenbilder zu vermeidung deß Aberglaubens auch gantz und gar abgeschaffet, wiewol er den Babst *Gregorium seine heiligkeit hefftig dadurch erzürnet, wie **Paulus Diaconus11 bezeuget, also daß er auch drüber in seinen Bann kommen und gerathen ist. Und solchem löblichen Exempel hat auch mit grossem ernst und Eiffer nach­ gefolget Constantinus Copronymus sein Sohn, welcher 338. Väter darüber versamlet und wider Bapst *Gregorium ohne seinen danck die Bilder gantz und gar verdammet und außgerottet hat. Und hieher gehören auch nachfolgende Keyser, die den Bildern auch von Hertzen gram und feindt gewesen sein, Alß nemlich Constantinus der sechste,

11 In Vorlage „Daiconus“.

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welcher zur zeit *Caroli Magni gelebet hat, deßgleichen *Nicephorus, deß vorgedachten Constantini und seiner Mutter Irenes successor oder nachfolger im Reich12. Item Leo der Morgenländische Keyser, der Mönche und Nonnen Feindt, dem die Bilder auch nicht lieb seindt. Und ferner Theophilus, sampt den allermeisten Constantinopolitanischen oder Griechischen Keysern. Daß ich aber wider auff deine vorgethane Objection oder einwurff von den Bildern komme, so kan ich deinem angezogenen Nicenischen Concilio, darinnen die Bilder auß Be-[79] fehl und antrieb eines Weibes, nemlich der Keyserin Irene (an welcher auch sonsten nicht viel gutes gewesen ist, wie ihre Mordstücke an ihren eigenen Blutsfreunden und Kindern, dafür sie auch endlich selbst im Elend hat sterben müssen, außweisen) seind vertheidiget worden, entgegen setzen und halten andere rechtgläubige Concilia, darinnen (wie in vorgedachtem Synodo zu Franckfurt) das Nicenische Concilium mit sampt den Bildern, pari autoritate oder mit gleichem ansehen, wider umbgestossen und geunbilliget [i.S.v. mißbilligt] ist. Sonderlich aber gehöret hieher das Concilium Elibertinum, welches Anno 792. nach Christi Geburt zu Eliberten oder Granaten in Hispanien ist gehalten worden und im 36. Canone oder Beschluß also lautet: Placuit picturas in Ecclesia esse non deberent ne quod colitur aut adoratur, in parietibus depingatur, das ist: Es hat uns gefallen, daß keine Bilder sollen in der Kirchen sein: damit nit dasjenige was gehöret und angebetet wird, an die Wände geschmiret oder gemahlet wird. Und im 41. Canone oder Beschluß lautet dasselbe Concilium also: Prohibentur fideles Idola in dominibus suis habere, das ist: Es soll den gläubigen verboten sey, Bilder oder Götzen in ihren Häusern zu haben. Gleichfals hat das grosse Concilium zu Constantinopel unter dem Keyser Constantino Copronymo umb das Jahr Christi 760. gehalten, auch [80] geordnet, daß die Bilder solten auß der Kirchen geworffen werden. Obiectio IV. Zum vierden so ists gleichwol umb das schnitzen und mahlen eine herrliche Kunst und schöne Gabe Gottes, darumb soll und muß man das Bildwerck nicht gantz und gar verwerffen. Antwort: Die Kunst an ihr [i.S.v. sich] selbst ist und bleibet gut, wenn sie nur recht und nicht wider Gottes Gebot gebrauchet wird, darumb auch in heiliger Schrifft nicht alle Bildmacher in gemein; sondern nur die Götzenmacher oder Meister der Bilder, die zum Gottesdienste genommen und gebrauchet werden, für narren gehalten, gestraffet und verfluchet werden. Zu deme, so hats mit Gottes Befehl und unserem Eifer auch nicht die Meynung, als wann alle Bilder auff der gantzen Welt dardurch sollten verboten sein und verworffen werden; sondern es ist allhie nur

12 In Vorlage „reich“.

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alleine die rede von den Kirchenbildern, dardurch der unsichtbare und ungesehene Gott fälschlich verehret und abgebildet wird. was aber andere Politische, Mathematische, Historische und allerley andern Bildern in der Welt betrifft und belanget: darvon ist allhie die Frage nicht. Denn es kan das Bildwerck wol sonst und in andere wege auch nützlich sein und gebraucht werden, wens gleich beim Gottesdienst verboten ist, Gleich wie Schue oder Pantoffel an sich selbst gut und notwendig sein und bleiben, ob sie gleich nicht [81] auff den Kopff gesetzet werden. Sublatio enim abusus non tollit ordinationem Dei. Das ist: der auffgehobene Mißbrauch hebet drumb die Ordnung Gottes nicht gar auff. Ein Saltzfaß kan wol sonst in ander wege gebraucht werden, wenn man gleich nicht darauß trincket, und so fort an. Ist derowegen eine lauter mutwillige Calumnien, daß wir die Bilder gantz und gar verbieten und verwerffen, denn wenn wir das thun sollten, so müsten wir ja pur lauter Narren sein, dieweil die Müntze, die wir täglich zu unserer Notturfft brauchen, die Pfennige und Groschen, damit wir handeln und wandeln, auch Bilder sein, die keiner nicht gantz und gar entperen und entrahten kan, wiewol ewre geitzige Pfaffen, denen das Maul nach allem Gold und Silber stincket, uns dieselbigen in der Sache offt vorwerffen und auffrücken, gleich als wann sie alles alleine haben und begeitzen sollten. V. Objectio. Es hat aber Gott der HERR etliche Bilder in seine Kirche in der Wüsten, nemlich in die hütten deß Stieffts, wie dann auch in seine Kirche zu Jerusalem, alß die Lade deß Bundes, die Cherubim, Ochsen und andere ding mehr zu machen selbst befohlen und angegeben: Derwegen es nicht allerdings wider ihn sei muß, wenn man Bilder in die Kirchen machet? [82] Der Befehl Gottes, darinne die Bilder verboten werden, ist gemein, und gehet alle Menschen an; Der Befehl aber von den TempelBildern ist ein sonderlicher und absonderlicher Befehl, und gehet niemanden mehr an, als nur die Israeliter und ihre Regenten, Moysen und Salomon, an welche er geschehen ist. Was nun Gott wil und heisset, das ist und heisset allezeit gut und recht, daß er aber dem Israelitischen Volcke und dem Salomon solche Bilder durch einen sonderlichen Befehl zu machen geboten, dessen hat er sonderliche Ursachen gehabt. Denn es sind alles sonderliche Vorbildungen und Geheimnisse gewesen, welche jetzundt bey dem vollen Schein deß newen Testaments, nach der zukunfft deß Messiæ, auff welchen alle Bilder und Vorbilde deß alten Testaments gegangen und gerichtet gewesen, nicht mehr von nöthen sein. Denn wo eine brennende Fackel ist, oder die Sonne selber scheinet, da bedarff man keiner Laterne nicht, es were denn, daß man mit sehenden Augen blind, und bey guter Vernunfft unsinnig sein wolte. Zum andern, so hat und behelt Gott der HERR auch allezeit die macht, wider und uber sein voriges Gebot zu thun und zu befehlen, denn er selbst ist nicht an sein Gesetz gebunden, wie wir seind. Und also hat Er wider und uber sein Gebot vom

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stelen [Stehlen] seinem Israelischen [83] Volck zu ihrer Reyse auch erlaubet, etliche sachen mitzunehmen und den Egyptern zu entwenden, welches sonst beim stelen verbotten ist. Aber darauß folget nicht, die Kinder Israel haben solches gethan, darumb sollen wirs auch thun. Wie du von den Bildern schleussest, Salomon hat lassen Bilder in die Kirche machen, darumb sollen wirs auch thun. Nein darmit würde sich kein Dieb vom Galgen loß reden und disputiren, denn was Salomon gethan, das hat ihnen Gott absonderlich befohlen und erlaubet. Wann uns nun Gott absonderlich auch befehlen13 und erlauben wirdt, daß wir in den Kirchen sollen und mögen Bilder haben, so sollen wirs auch billich thun, und wollens auch willig thun. Unterdeß aber, weil die deinigen keinen sonderlichen Befehl und Erlaubniß Gottes uber ihr Bilderwerck herfürbringen und aufflegen, können wirs nicht dafür halten, daß sie recht daran thun und handeln. Denn so lange sich Gott nicht anders gegen uns erkläret, sollen und müssen wir bey seinem ersten Befehl und Willen bleiben, welcher also heist und lautet: Du solt dir kein Bildniß noch irgend ein Gleichniß machen, etc. Das Gebot gehet uns alle auch an, so wol als die andern, und bleibet so lange stehen, biß ihr ein anders auß Gottes Worte darthut und beweiset, dadurch dieses sey abgeschafft und auffgehoben worden. [84] Und wann wir daran wolten, diß und jenes im alten Testament geschehen, darumb sollen wirs auch thun; So würde ich auch schliessen und sagen können, Im alten Testament hat man Ochsen und Böcke geopffert, darumb sollen wirs auch thun; Im alten Testament hat man die Kinder beschnitten, darumb sollen wirs auch thun. Lieber, wo würde aber auff die letzte mit solcher weise und Sophisterey das newe Testament gar mit einander bleiben? Aber es stehet nirgends geschrieben, daß wir den Juden und Israeliten im alten Testament alles nachthun und nachäffen sollen. Und hie magstu den Unterscheid der Ceremonialischen Gesetze und Vorbilde wol besser alligiret und angezogen haben, als droben, da du die Verstümlunge der zehen Gebote darmit hast beweisen und vertheidigen wollen. Zum sechsten, daß die Sprüche der Bilder unnd Götzen nicht allein von der Heyden und Juden, sondern von allen und allerley Götzen in gemein zu verstehen sein, ist droben außführlich bewiesen worden. Wie denn gleichfals die eingewanten Ursachen, warum man die zehen Gebot verstümmeln und das ander Gebot von den Bildern außlassen möge, gründlich widerleget worden sein. Daß Bilder und Götzen in heiliger Schrifft und Sprache, quo ad efficientem materiam [85] formam und finem ein Ding sein, ist droben gleichfals auch dargethan und bewiesen worden, Daß nicht allein die Bilder ehren und anbeten ihnen gedienet

13 Vorlage hat „befohlen“.

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heisse; Sondern auch ihnen das Wort reden etc. ein Bilder-Dienst sei, ist gleichfals auch schon bewiesen. Und ist derowegen nicht gnug, wir beten die Bilder nicht an, darumb mögen wir sie haben: Gleich wie es nicht gnug ist: Ich schlaffe bey der Huren nicht, darumb mag ich mich wol mit ihr hertzen und küssen, Ich habe sie nicht in meinem Bette, darumb mag ich sie wol sonsten in meinen Armen oder an meiner Seiten haben: darmit du durch Vergleichung der geistlichen Hurerey mit der leiblichen eine Unfläterey und Ungebührligkeit mit der andern kennen und fliehen lernest. Daß die Bilder keine rechtmessige Kirchenzierd und Leyen-Bibel sein, hastu droben auß dem Grund auch gehöret und vernommen. Welches auch D. Chemnitius selbst bestättiget, da er in seinem Examine also spricht und saget: Man saget von der Erinnerung durch die Bilder, was man wolle¨ So kan und soll doch ein Bild oder Gemählde dem geschriebenen, gepredigten, gelesenen, gehöretem Wort Gottes keines weges nicht verglichen, viel weniger aber vorgezogen werden. Man solls auch nicht dafür halten, daß man den Gelehrten die Stimme der Heiligen Schrifft, [86] den Ungelehrten aber die Bilder an statt derselbigen zur Erinnerung vorstellen solle. Daß man mit den Bildern in der Kirchen auch nicht könne zufrieden sein; Ob sie schon nicht immediate ohne Mittel von den Heyden, sondern von unsern Alten und Gottseligen Vorfahren, und von derselbigen Weise und Andacht, guter Intention und guter meynung herkommen, und nicht auff unnütze Fabeln, sondern auff nützliche und tröstliche Historien gegründet sein, ist droben gleichfals auß Gottes Wort und dem Herren Luthers auch bezeuget und bestättiget worden. Daß die Bilder und Götzen den Christen vielmehr und hefftiger verboten sein als den Heyden, ist ferner droben auch zu finden. Daß man die Bilder nicht alleine nicht anbeten; sondern auch nicht machen und haben, ja nicht allein nicht haben; sondern auch die Augen zu ihnen nicht auffheben solle; ist droben auch angezeiget und bewiesen worden. So hab ich ferner auff deine ubrige Einwürffe: 1. Von der alten hergebrachten Gewonheit. 2. Von den angezogenen Vätern und Kirchenlehrern. 3. Von den angezogenen Concilien und Kirchenversamlungen. 4. Von der Mahler und Schnitzer Kunst. [87] 5. Von Gottes Befehl uber die Tempelbilder deß alten Testaments, auch also geantwortet, daß verhoffentlich du und alle auffrichtige bekenner und liebhaber deß Worts und Willens Gottes, darmit wirst zufrieden sein und darauf beruhen können. Antwort: Es ist ja war, wann ich die Warheit sagen und bekennen soll, und ich bin nun auch gar wol zufrieden, thue mich auch gegen dir höchlich bedanc-

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ken, denn ich sehe, daß du es gut und trewlich meinest. Es ist aber nicht so gut und tewer, man gibet ein wenig zu, derowegen bitte ich dich, du wollest dich nicht beschweren, mir nur noch auff zwo fragen, die mir noch im Kropffe ligen, bericht und antwort zu geben. Erstlich. Obs nicht gleich so viel were, wann man den Leuten die Bilder desto fleissiger auß dem Hertzen predigte, da sie ihnen gleich für den Augen stehen bleiben; dieweil mans an vielen Orten doch nicht ändern kan. Zum andern. Ob dann die Bilder nicht für Adiaphora und mittel oder freygestelte Dinge könten uber bleiben und gehalten werden. Antwort. Auff die jetzt gethane erste Frage antwortet dir Gott beym Propheten Hosea im [88] 2. Capitel, da er mit uns Predigern von der Reformation der Kirchen also redet. Heisset sie ihre Hurerey von ihrem Angesicht wegthun, und ihre Ehebrecherey von ihren Brüsten. Hie hörestu gar ein anders: Denn Gott wil die Reformation mit den Bildern und Götzen erstlich an den Augen anfangen und darauff im Hertzen fleissig continuiret und vollzogen haben. So kehret ihrs umb, und wolt klüger sein, als Gott selber gewesen ist, Aber es gibt dirs auch die Vernunfft und Erfahrung selber, denn obiecta movent sensus, das ist ihm bur schwer auß dem Sinn und Hertzen zu bringen. Dargegen heissets und ist auch war, komstu mir auß den Augen, so kommestu mir auch auß dem Hertzen, und das halte ich auch vor den nechsten und geradesten Weg. Daß aber die Bilder und Götzen (denn eines ist so gut als das ander) keine Adiaphora oder freygestelte Mitteldinge sein, ist zum Theil bewiesen worden, und kan auch noch weiter bewiesen werden. Ich wils zur Zugabe kürtzlich widerholen und zusammenfassen und endlich darmit beschliessen. Die Bilder und Götzen seynd keine Adiaphora oder freygestelte Mitteldinge nicht, auß nachfolgenden Ursachen. Denn sie seynd an vielen Orten der Schrifft, sondern aber in den heiligen zehen Gebotten [89] und allen beyden Exemplaren derselbigen bey dem starcken Eiffer gottes ernstlich verbotten nicht allein anzubeten, sondern auch zu machen und auffzurichten Exod. 20. 34. Levit. 19. 26. Deut. 4. 5. 12. 27. etc. Wer aber Gottes Wort wider die Bilder und Götzen verwirfft, den verwirfft Gott wider. II. Zum andern. So seynd die Bilder und Götzen närrische, verführische, hurische, ärgerliche, verderbliche, Gottsvergessene, verfluchte, schreckliche, unnütze und sündhafftige Grewel und Schandflecke deß Volckes und Dienstes Gottes, dardurch Gott erzürnet und zur straffe gereitzet, seine Kirche und Gottesdienst aber wie mit

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einem Hurenschmuck verstellet und verunreiniget wird. Wie solches alles von Stück zu Stück auß heiliger Schrifft ist bewiesen worden. III. Zum dritten. So können die Bilder keine Adiaphora oder Mitteldinge nicht seyn, dieweil sie dem Wort und Willen Gottes zu verdrieß, der ersten reinen Kirchen zuwider, und dem keuschen Gottesdienste zum Schandflecke, vom Teuffel auff die Heyden, von den Heyden auff die Juden und Ketzer, von Juden und Ketzern auff die Papisten und endlich von den Papisten auch in etliche Evangelische Kirchen kommen und dort fortgepflanzet worden seyn: und also einen Papistischen, Ketzerischen, Heydnischen und Teuff- [90] lischen Ursprung haben; wie du droben auch gehöret und vernommen. IV.  So können die Bilder und Götzen keine Adiaphora oder freygelassene Mitteldinge, die man thun oder lassen, behalten oder verwerffen mag, nicht seyn: denn Gott hat sie befohlen abzuschaffen. Dessen haben wir ein Exempel an dem Altvater Jacob im ersten Buch Moyse am 35. Cap. v. 1.2.4. An Moyse in seinem andern Buch am 23. und 24. Cap. deßgleichen in seinem vierten Buch am 33. Cap. […] [Es folgen weitere Bibelstellenangaben zur Adiaphora-Frage in 65 Zeilen, die hier übergangen sind.] [92] Und was dergleichen für Ursache, warumb die Bilder nicht Adiaphora oder frey-

gestalte willkürliche Sachen, darmit ein jeder thun und lassen mag, was er will, seyn können, noch viel mehr in der heiligen Schrifft zu finden seyn. Die du nach solcher kurtzen anleitung ferner selbst nachschlagen und nachsehen magst. Es soll mit allem fleiß geschehen, aber nur noch eines, ehe wir gar von einander gehen. Wie kombts dann, daß D.  Luther die Bilder nicht allein für Adiaphora gehalten und außgegeben, sondern im ersten Theil wider die himlischen Propheten auch mit eifferigem fleisse und ernste vertheidiget und verfochten hat?

[93] Daß die Bilder keine Adiaphora oder Mitteldinge und freygelassene Sachen,

die man thun und lassen, haben oder nicht haben, behalten oder wegwerffen mag, nicht seyn, ist bißher auß Gottes wort bewiesen worden. Daß aber Lutherus wider Carlstadten und andere auß unzeitigem Eiffer darüber gehalten, ist seiner Schwachheit zugemessen und hat den Verstand gar nicht, als wann er dadurch die Bilder vertheidigen und verfechten wollen: denn er nur die unordentliche Bildstürmerey dardurch hat anfechten wollen, wie im vorgedachten Buch und ersten Theil wider die Himlischen Propheten seine eigene Wort bezeugen und außweisen, da er untern andern zum ersten mahl also spricht und saget: Das sey nach der strenge deß Gesetzes Moysis gesaget von Bildern, nicht der meynung, daß ich die Bilder vertheidigen wölle, wie gnugsam gesaget etc. Und auff dem folgenden Blat spricht er ferner: das sage ich abermal, die Gewissen frey zu halten für freveln Gesetzen

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und ertichteten Sünden, und nicht darumb, daß ich die Bilder vertheidigen oder die urtheilen wölle, so sie zerbrochen, sonderlich die die Gottes und anbetische Bil[der] brechen. Welches zwar Teutsch gnug geredet ist: weil er aber unverwandtes fusses auff demselbigen Blat die Historischen Gedenckbilder und Zeugenbilder, die Crucifixe und heiligen Bil-[94] der (welches gleichwol auch Gottesbilder und anbetische Bilder seyn) dargegen außdinget und vertheidiget, ja auch Moysen gar mit einander weder hören noch sehen wil, und auff dem dritten Blat hernach außdrücklich saget: Daß auch im alten Testament die rechten Abgötter nicht schaden, wann man gleich eusserlich für ihnen anbetet, da nur der rechte Gott mit dem Hertzen angebetet wird. Welches seiner Vorrede uber die Propheten gantz und gar zuwider ist, da er solches, wie du zuvor gehöret hast, selbst widerleget hat: so kan man auff solcher Streitschrifft und hitzigen, unbeständigen Meynung nicht beruhen: sondern muß sich in seinen Lehrschrifften eines bessern Berichts erholen, da er gar viel anders darvon schreibet, erstlich in seiner Vorrede uber die Propheten, die ich dir zuvor commendiret und zu besehen gebotten habe: da unter andern diese klare und wahre Wort stehen: Es gilt nicht meinens und denckens: sondern da sehe ein jeglicher zu, daß er gewiß sey, daß sein Gottedienst durch Gottes Wort gestifftet, und nicht auff eigener Andacht erfunden oder wolgemeinet sey. Denn welcher Gottesdienst pfleget, der kein GottesZeugniß hat, der soll wissen, daß er nicht dem rechten Gott; Sondern seinen eigenen errichteten Abgötte[rn], das ist seinem dünckel und falschen Gedancken und damit dem Teuffel selbst dienet, und gehen aller Propheten Wort wider ihn etc. [95] Von den PassionBildern oder Crucifixen insonderheit schreibet er in seiner KirchenPostill und KarfreytagsPredigt vom Trost und betrachtung deß Leidens Christi im Beschluß also: Christi Leiden muß nicht mit Worten und Schein; sondern mit dem Leben und warhafftig gehandelt werden. Denn so vermanet S. Paulus zun Hebreern am 12. Gedencket an den, der ein solches widersprechen von den Sünden wider sich erduldet hat, auff daß ihr in ewrem Muth nicht matt werdet und ablasset. Und S.  Petrus: Wie Christus im Fleisch für uns gelitten hat, so wapnet euch auch mit demselbigen Sinn. Aber diese Betrachtung ist auß der Weise kommen und seltzam worden, deren doch die Episteln S. Pauli und Petri voll seyndt. Wir haben das Wesen in ein Schein verwandelt, und das bedencken deß Leidens Christi allein auff die Brieffe und an die Wände gemahlet. Und in demselbigen Buch in der Erklärung der Epistel an S. Stephans Tage im Beschluß der ersten Lehre setzt er diese Wort: Ich wil hie sagen ein Exempel von der heiligen Frawen Elisabeth, die kam einmal in ein Kloster und sahe, daß unsers HERREN Leiden hübsch gemahlet war an den Wänden, und sprach, diese Kostung soltet ihr zur Nahrung deß Leibes gesparet haben, denn solches [96] solte in ewrem Hertzen gemahlet seyn. Sihe da (spricht D. Luther.) wie ein einfältig Göttlich und kräfftig Urtheill ist das uber die Dinge, die doch jederman köstlich achtet. Wann sie

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es itzt redete, solten sie die Papisten gewißlich verbrennen, als die da Christi leiden lesterte und gute werck versprochen hatte: Sie müste eine Ketzerin seyn, wann sie zehen Heiligen werth were. Von den Bildern und Götzen in gemein schreibet er in demselbigen Buch und außlegung deß Evangelii am ersten Sontage deß Advents also: Was hilffts, daß du Silber und Goldt an die Wände, Steine unnd Holtz schmirest in den Kirchen? Wer ists gebessert, ob alle Kirchen voll Silberne Bilder und Kleynodien weren? Eitel Narrenwerck und Verführung ist das allesampt, MenschenLügen habens ertichtet und gute Werck genennet, geben für, man diene Gott damit, gerade als were Gott mit unserem Gute geholffen. Stock und Steine seynd nicht mehr so Grob und Tolle, als wir sind. Und kurz hernach, O tolle, tolle, darzu Bischoffe und Fürsten, die es wehren solten, die fürnembsten in solchem Narrenwerck seyndt, und führet ein Blinder den andern. [97] Es gemahnet mich solcher Leute eben wie der jungen Mägdlein, die mit den Tocken spielen, und der Knäblein, die auff Stecken reiten. Fürwar es sind rechte Kinder und Tockenspieler und Steckenreiter. In seiner Teutschen Messe und Ordnung deß Gottesdienstes Anno 1526. geschrieben, setzet der Herr Lutherus unter andern diese Worte: In der rechte[n] Messe unter eitel Christen müste der Altar nicht so bleiben und der Priester sich immer zum Volcke kehren, wie ohne zweiffel Christus im Abendmahle auch gethan hat. Nun das erharre seine Zeit. Deßgleichen schreibet er auch in seiner weise Messe zu halten und zu Gottes Tische gehen, an Herren Niclas Haußmann Pfarherrn zu Zwickau Anno 1525. außgangen, unter andern also: Einem jeden frey war hinzu zu setzen und ändern, wie ihn gelüstet, und deß Geitzes Tyranney und der Geistlichen Pracht auch mitte zuschlug, da fingen an unsere Gottlose Könige, das ist unsere Bischoffe und Hirten den Abgott Baal und andern Abgöttern wie vor zeiten die Juden Altare und Bildwerck zu setzen. Was sol ich aber sagen von den eusserlichen zusätzen der Kleider, der Gefesse, deß Wachs, der Kertzen14, Altartücher, nachmals der Orgeln und allerley Spiel der Musica, der Götzen etc. Aber es sey mit dem allen hin und fahre noch immer hin, weil das Evangelium [98] klar anzeiget solche Grewel, (N.B.) so lange biß sie einmal gar abgethan werden. Indeß wollen wir alle Ding prüfen, und das alleine behalten, so das beste ist. Und da hastu nun deß Herren Lutheri rechte Lutherische Meynung von den Bildern und Götzen auch. Mehr weiß ich dir auff dißmahl nicht zu sagen. Gehab dich wol.

14 In Vorlage „Ketzern“.

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Baruch 6. v. ultimo. Wol dem Menschen, der gerecht ist, und keine götzen hat: der wird nicht zuschanden.

Editorische Notiz Bearbeitungsvorlage [Heraclius Unwerth:] Gründlicher Vnterricht | Von den Bil- | dern in der Kirchen /| Wie Starcken vnnd Festen | Grund die haben  / in der heiligen | Schrifft  /| Vnd der Rechtgläubigen Vä-| ter Zeugniß /| Auch| Kurtze Beantwortung deß /| was da wider möcht eingewant | werden /| Allen Einfeltigen Liebhabern der | Göttlichen Warheit zum besten | Gestellet Durch | HERACLIUM Vnwerth S. | Jm Jahr 1615. | Auff Jh, Churfürstl. Gn. zu Branden-| burg sonderbahren Befehlich / Gedruckt in der Chur-| fürstl. Academien Franckfurt an der Oder  / bey | Friderich Hartman Buchdrucker | vnd Händler. Exemplar der SBB Berlin, Sign. Dt 8420 [digit.] – 8 ungez., 98 gez. S.

Beziehungen zu [Albert Steinhaus:] Refvtatio | Dialogismi Germanici| De | IMAGINIBVS | HERACLII Vnwerth S. | In Ivlia Illvstri | Svb Praesidio | HENRIC-IVLII STRVBII s: s: | Theolog. Doctoris Professoris, ac | Superintendentis, | Ad Dialogismum publicum | scripta & exhibita | à | M. ALBERTO STEINHVSIO | Hildesheimensi. | Helmaestadi, Typis heredum Iacobi Lucij, | M D CXVII. Exemplar der HAB Wolfenbüttel, Sign. 880 Helmst. Drucke (15). [digit.]

LIT zvdd.

N° 96 Abraham Scultetus Bericht von den GötzenBildern [1620]

Abraham Scultetus (1566–1624), Spross einer Ratsfamilie der schlesischen Stadt Grünberg, studierte ab 1588 in Wittenberg und Heidelberg Theologie und stand seit 1595 in mannigfachen kirchlichen und politischen Ämtern und Funktionen – u.  a. als Theologieprofessor, Hofprediger und Diplomat – im Dienste Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz. 1619 ging er, als Friedrich die Wahl zum Böhmischen König annahm, mit ihm nach Prag und leitete dort die Umformung der böhmischen Kirche nach calvinistisch-heidelbergischem Modell. Besonderes Aufsehen erregte die obrigkeitlich verfügte Beseitigung von Altären, Reliquien und Bildwerken aus allen Kirchen, für deren Durchführung Scultetus selbst das Muster lieferte, indem er zu Heiligabend die königliche Hauptkirche in Prag, den St. Veits-Dom, leerräumen ließ und diesen Akt mit einer Predigt begleitete, die vor Ort und auch, wie die Menge der Drucke und Entgegnungen zeigt, überregional große Beachtung fand. Wir bieten im Folgenden den kompletten Text des Heidelberger Drucks von Gotthard Vögelin. Scultetus ist mit seiner Predigt bemüht, die theologisch-seelsorgerische Verantwortlichkeit und Notwendigkeit des obrigkeitlich verfügten rigorosen Reinigungsaktes einsehbar zu machen. Er wisse, sagt er eingangs, wie dem „gemeinen Mann“ ums Herz sei, wenn er sehe, dass das Kircheninnere „nunmehr fast öde und leer“ sei. Dagegen führt er nun das biblische Bilderverbot – Exodus 20, 4–6 – an, das er zum Predigt-Textus erwählt hat. In seiner Auslegung trägt er drei Folgerungen vor: Dass Gott nicht abgebildet werden könne, wolle und solle; dass Gott durch Bilder nicht angerufen werden könne; und dass es Sache der christlichen Obrigkeit sei, den Missbrauch der Bilder zu unterbinden. Der breiteste Teil der Predigt gilt zehn „vermeinten Gründen“, mit welchen christliche Bildnutzer traditionell ihr Tun rechtfertigten. Auffällig sind dabei besonders die Kritik der Erinnerungspotenz von Bildnissen, die Kritik der Adiaphoriebehauptung, die Kritik der „Zierde“-Funktion von Kirchenbebilderung, die Kritik der (auf Luther zurückweisenden) Behauptung, Bilder seien zuerst aus den Herzen und dann erst aus den Augen zu entfernen, und schließlich die Kritik an der Behauptung, mit Rücksicht auf die einfachen Leute sei von einer Bilderbeseitigung abzusehen. Insgesamt zeichnet sich die Predigt durch eine Klarheit aus, die sie geeignet erscheinen lässt, sie durch individuelle Lektüre zu prüfen und zu vertiefen, sie aber auch andernorts argumentativ zu nutzen. http://doi.org.de/10.1515/9783110780031-037

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 N° 96 Abraham Scultetus

[Aijr]

Eingang. MIr zweiffelt nicht, es werde ihr vielen fremd vorkommen, die entweder itzt sehen oder bald hören werden, daß die Altar und Götzen in dieser Kirchen sind abgethan worden. Dann das werden vieler Menschen gedancken seyn. Man habe gleichwol durch die Bilder, Gott können ehren: So seyen auch die Bilder des gemeinen Manns Bibel gewesen: Und haben Bilder und altar den Tempel gezieret, welcher nunmehr fast öde und wüst zu seyn scheine, noch dem er solcher zierd ist beraubt worden. Nun solchen gedancken zu begegnen, will ich den heutigen Evangelischen Text für dismal lassen anstehn, und E. L. [Euer Liebden] kürtzlich aber deutlich und verständlich erklären, welches des allmächtigen Gottes will und meynung sey von solchen Götzen und altaren. Welcher wille Gottes wenn er aus der Heiligen Schrifft an das helle Taglicht wird gebracht worden seyn, so wird sich an der säuberung dieses Tempels vom Götzenwerck niemand ärgern. Sonder alle fromme Menschen, die es sehen oder hören, werden ihnen [i.S.v. sich] hierüber eine geistliche freud machen, und dafür Gott dem allerhöchsten zuvorderst, nechst Gott aber Ihrer Königl. Mayestät, hertzlich dancksagen. Damit nun alle fruchbarlich abgehe, wollen wir zuvorderst Gott den HErrn um die gnad und beystand seines Heiligen Geistes anruffen, mit dem gebett, welches uns unser HErr und Heylandt Christus selbsten hat gelehret: Unser Vatter, etc.

TEXTUS. Also redet der starcke eyfrige Gott, aus dem feuer, zu dem Volck Israel. Exodi am XX.

DU solt dir kein Bildnis, noch irgend ein gleichnis machen, weder des das oben im himmel, noch [Aijv] des das unden auf erden, oder des das im wasser under der erden ist: Bette sie nicht an, und diene ihnen nicht. Dann ich der HERR, dein Gott, bin ein eyferiger Gott, der da heimsucht der Vätter missethat an den Kindern biß in das dritte und vierdte glied, die mich hassen, und thue Barmhertzigkeit an viel tausenden, die mich lieb haben, und meine gebott halten.

Bericht von den GötzenBildern N° 96 

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Auslegung. Und wann gleich Moses und Aaron da stünden, so könten sie doch nicht gnugsam aussprechen, mit was für einem feurigen eyfer Gott der Herr, die Bilder zu machen und anzubeten, verbotten hat. Denn als der HErr die zehen Gebott gegeben, hat er bey keinem gebot den verbrechern eine solche hart straffe angedrowet [angedroht], und bey keinem gebot den gehorsamen eine solche grosse belohnung verheissen, als beym gebot von den Bildern. Sintemal er diejenigen, welche dis gebot ubertretten, biß ins vierdte glied straffen, diejenigen aber, welche disem gebot gehorsamen, mit gnad und barmhertzigkeit reichlich und uberflüssig belohnen wil. Es hat auch Gott der HErr kein gebot so oft wiederholet, als eben das gebot von den Bildern. Dann im zwantzigsten Capittel des andern Buchs Mosis, als er die Zehen Gebott erst gegeben, so wiederholet er bald darauf kein ander gebot, als dieses, und spricht: Ihr habt gesehen, daß ich mit euch vom Himmel geredet habe. Darumb solt ihr nichts neben mir machen. Silberne und güldene Götter solt ihr nicht machen. Und als Moses sterben solte, druckte er dem Volck kein verbot so tieff ins hertz, als eben das verbot von den Bildern. Dann im fünfften Buch Mosis am vierdten Capittel redet er das Volck also an: So bewahret nun euer seelen wol, denn ihr habt kein gleichnüs gesehen des tages, da der HErr mit euch redete aus dem feuer auf dem berge Horeb: Auf daß ihr euch nicht verderbet, und macht euch irgend ein Bilde, das gleich sey einem mann oder weib, oder vieh auf erden, oder vogel under dem Himmel, oder gewürm auf dem Lande, oder fisch im wasser under der erden. Und abermal im gemeldten Capittel: So hütet euch nun, daß ihr des bundts der Herren euers Gottes nicht vergesset, den er mit euch gemacht hat, und nicht [Aiijr] Bilder machet einiger gleichnis, wie der Herr dein Gott gebotten hat. Dann der Herr dein Gott ist ein verzehrend feuer, und ein eyfriger Gott. Darumb haben diejenige ubel gethan, welche im Bapstthumb diesen ernsten Willen Gottes dem gemeinen Volck verhalten, und das gebott von den Bildern aus den Zehen Gebotten ausgemustert haben. Daher eine solche blindheit entstanden, daß noch heutiges tags viel, auch noch under den Evangelischen, in dem wahn stecken, Es sey doch ein fein ding umb die Götzen, Man könne Gott dadurch ehren, sich dabey viel guter Historien erinnern, und zugleich die kirchen damit schmücken und zieren. Wie viel einer andern meinung aber Gott der Herr sey, das ist aus abgelesenem Text zu vernemen, als welcher klar zeiget: I.Gott Wolle, Solle und Könne nicht abgebildet werden. II.  Gott wolle nicht durch irgend ein gleichnis oder Bildnis angeruffen und verehret seyn. III. Darauff fürs dritte leichtlich wird zu schliessen seyn, Was einer Christlichen Obrigkeit zu thun gebüre, wann sie in den Kirchen, welche sie zu ihrem Gottesdienst gebrauchen will, Götzenbilder findet: nemblich daß sie dieselbigen solle abreissen und beyseit schaffen lassen.

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Daß dis des Allmächtigen Gottes meynung sey, das wollen wir aus seinem wort darthun und beweisen. Vom ersten. SO werden nun anfangs alle Bildnisse Gottes, in Heiliger Schrift verworffen und verdambt. Dann Gott will nicht, Gott kan nicht, Gott soll nicht abgebildet werden. Gott W I L L nicht abgebildet seyn. Darumb sagt er klar: Du solt dir kein Bildnis machen. Item: Macht euch nicht irgend ein Bildt, das gleich sey einem Manne: Deuteronomii am 4. Item: Hütet euch, daß ihr nicht Bilder machet einiger gleichnis.[Aiijv] Gott K A N N nicht abgebildet werden. Denn ihr habt kein gleichnis gesehen des tages, da der Herr mit euch redet aus dem feuer auf dem berge Horeb, spricht Moses zum Volck, Deuteron. 4. Wem wolt ihr ihn denn nachbilden? fragt der Prophet Isaias am 40. Capittel. Ja, sagen etliche, Gott kan ja nicht nach seinem wesen abgebildet werden: Man kan ihn aber abbilden nach der gestalt, in welcher1 er etlichen glaubigen im Alten Testament ist erschienen. Antwort: Gott mag erscheinen in welcher gestalt er will: Uns aber gebühret zu folgen seinem befelch: Du solt dir kein Bildnuß machen. Item: Macht euch nicht Bilder einiger gleichnuß. Zu dem, so seynd auch die gestalte[n], in welchen GOtt der HErr etwa den Heiligen erschienen, keines wegs Gottes Bildnisse gewesen. Sintemal GOTT solche gestalten nur eine zeit lang an sich genommen, und bald wider abgelegt. So hat er sich auch bald in dieser, bald in einer andern gestalt offenbaret, daß man im zweiffel stehen müßte, welche gestalt das rechte gleichniß GOttes sey. Derowegen der Prophet Jesaias, unangesehen er den HErrn hat sehen sitzen auff einem hohen und erhabenen stuel, dessen Kleides saum den Tempel erfüllet hat, dennoch alle die strafft, welche Gott wollen abbilden, und fragt sie, Wem sie ihn doch wollen nachbilden? Welches er nicht hette thun können, wann er in der meinung gewesen were, daß man Gott nach der gestalt, in welcher Er sich etwa offenbaret, nachmahlen könne. Ferners, so S O L L auch GOtt nicht abgemahlet werden. Denn solch mahlwerck ist dem Menschen schädlich, und GOtt dem HErrn verkleinerlich. Schädlich ist es dem Menschen: Denn er sich bald dadurch verderben, und GOtt den HErrn erzörnen kan, wie geschrieben stehet Deuteronom. am 4. Capitel. Verkleinerlich ist es

1 In Vorlage „welchen“.

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GOtt dem HErren, als welches Mayestät und Herrligkeit keines wegs in einem sichtbaren Bildniß kan abcontrafeyet werden. Daher der Apostel Paulus schreibt zun Römern am 1. Capitel: Die Heyden seynd darüber zu narren worden, daß sie die herrligkeit des unvergänglichen Gottes verwandelt haben in ein Bilde, gleich dem vergänglichen Menschen, und der vögel, und der vierfüßigen, und der kriechenden Thiere. Diese unsere lehre von den verbottenen Bildnussen GOttes, ist so klar und hell, daß sie auch von vornehmen Bäpstischen Theologen ist für recht und dem willen GOttes gemäß erkannt worden. Dann einer, genandt Gabriel Vasquetz2, bekennets rund (lib. 2. de adoratione, disputatione cap. 4.) daß im andern gebott alle abbildung Gottes verbotten sey. Und die vornembsten Sorbonische Doctoren zu Pariß, Claudius Espencӕcus, Salignacus3, Picherellus4, wie auch Bischoff Monlucius5 mit ihnen, haben vorlengst bezeuget: Sie wünschten darumb (Hist. Ecclesiarum re-[Aivr] form. Gall. l.4.) daß alle Bildnusse der Heiligen Dreyfaltigkeit auß den Tempeln und häusern weg gethan würden, dieweil dieselbige durch die Heilige Schrifft, durch Synodos, und durch viel fromme, gelehrte und berümbte Männer verbotten were. Allhier aber wirdt gefragt: Weil der Sohn Gottes Mensch worden, ob man ihn denn nicht nach der Menschheit6 abmahlen möge? Antwort: Christus ist nicht darumb in die welt kommen, daß man ihn abmahle, sondern daß man an ihn glaube, und sich zu ihm bekehre. Drumb haben wir solches abmahlens keinen befelch, haben auch kein exempel in dem gantzen Neuen Testament. Wie er denn auch nicht kan heutiges tages abgemahlet werden nach seiner menschheit, weil kein mensch auf erden lebet, der ihn gesehen hette. Daher ihm einer einen gelblichen, der ander einen fahlen, der dritte einen schwartzen, der vierdte einen braunen bart anstreicht. Und muß man also das für Christi Bildnis halten, was der mahler nach seinem eignen gutdüncken das beste zu sein erachtet hat. Wil geschweigen weil Christus warer Gott und Mensch ist in einer person, daß diejenige, die sich mit seinen Bildnussen schleppen, nur einen halben Christum an demselbigen haben. Was belanget die Bilder der Aposteln, Mariӕ, Elisabeth, und anderer Heiligen: Wann man wüßte, wie sie eigentlich weren gestallt gewesen, möchte man wol ihre Bilder im hause haben. In den orten aber, da man den öffentlichen Gottesdienst verrichtet, sollen sie keines wegs aufgestellet werden, weder zur anbetung, noch

2 Gabriel Vasquez (1549–1604), spanischer Jesuit und Spätscholastiker. 3 Gemeint ist vermutlich Bertrand de Salignac (1523–1589), der als französischer Botschafter am britischen Hof arbeitete. 4 Petrus Picherellus (ca. 1510–1590). Französischer Mönch. 5 Johannes Monlucius, Bischof von Valence. 6 In Vorlage „menschheit“; hier im Sinne von ‚Menschlichkeit‘ oder ‚Menschhaftigkeit‘.

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zur zierde. Nicht zur anbetung: Dann es stehet geschrieben: Du solt Gott den Herrn anbeten, und ihm alleine dienen. Nicht zur zierde: Denn es stehet geschrieben: Meidet allen bösen schein. I. Thess. 5. Nun haben die in heiligen orten aufgestelte Bildnusse den schein der anbetung: sintemal vil meinen, sie seyn zu dem ende dahin gesetzt. Und wann sie gleich den schein nicht hetten: so ist doch die gefahr dabey, daß sie von den aberglaubigen möchten angebettet werden: wie wir es dann biß anhero gesehen, daß es an diesem ort nur zu viel geschehen. Solcher gefahr sollen wir, so viel möglich, vorkommen [i.S.v. zuvorkommen]. Denn es stehet geschrieben: Du solt für den blinden kein anstos setzen: Denn du solt dich für deinem Gott fürchten. im dritten buch Mosis im 19. Capitel. Item Du solt Gott deinen Herrn nicht versuchen. Math. 4. Darumb gilt die folgerung gar nicht: Ich mag der Apostel Bild im hause haben: Drumb kan man sie auch wol in der kirchen dulden. Denn im hause ist nicht der schein der anbettung, auch nicht die gefahr, daß sie möchten von andern aberglaubischen menschen möchten angebettet werden. Und so viel zum Ersten. [Aivv]

Vom Andern. HIe finden sich aber leute, welche fürgeben, Man solle freylich nicht die Bilder anbetten und verehren, Sie thun es auch selbsten nicht. Man könne aber doch Gott den Herrn durch die Bilder anruffen und verehren: Inmassen an dem balcken under dem grossen Crucifix alhie diese Vers geschrieben stunden:

Effigiem Christi, cum transis, semper honora: Non tamen effigiem, sed, quem designat, adora.

     Das ist: Wenn du für Christi Bildtnus stehst, Oder für ihm füruber gehst, Du dessen nicht vergessen must, Daß du ihm allzeit ehr anthust: Doch nicht anbette eben das Bild, Sondern den Herrn, auf den es zielt. HIerauf ist dis unser Antwort: Daß es wol zu wündschen were, daß die Götzenbilder nicht angebettet und verehret würden. Die that aber bezeugt viel ein anders: weil man sihet, wie man sich für den Altarbildern und Crucifixen neiget und beuget, wie man die hüte für ihnen abzeucht, wie man ihnen kertzen und lampen anzündet. Und solte mancher sehen, daß ein Crucifix zerhauen oder verbrennt würde, so

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würde sein hertz drüber weinen. Das heißt ja die Götzenbilder rechtschaffen ehren. Aber laß seyn: Man bette die Götzenbilder nicht an: Man verehre sie auch nicht an sich selbsten. So wil doch Gott auch das nicht haben, daß man ihn durch die Götzenbilder anbeten und verehren soll. Dann einmal so sagt er rund heraus: Man solle sie nicht anbeten, noch ihnen dienen. Mit welchen worten er alle ehrerbietung, so den Götzenbildern auf irgend eine weise geschehen mag, verbieten thut. So kombt auch niemand zum Vater, ohn durch den Sohn: steht geschrieben Johannis am 14. Nicht aber durch Bildnusse und stumme Götzen. Zu dem, so läßt sich die Abgötterey damit nicht entschuldigen, daß man wolte fürgeben, Durch das Bild bete man den Heiland an. Sintemal auch die Israeliten nicht wolten dafür angesehen seyn, daß sie das güldene kalb anbeteten, sondern Gott den Herrn durch das kalb. Wie sie dann sagen: Nicht des kalbes, sondern, Des Herren Fest wird morgen seyn: im andern buch Mosis im 32. Nichts desto weniger sagt Gott zu Mose, Sie haben das güldene kalb angebetet, und ihm geopffert, und wil das Volck in seinem zorn auffressen. Ja so weit fehlets, daß Gott durch die Bilder wolte geehret seyn, daß er ihm auch [Br] nicht VOR7 DEN BILDERN will gedienet haben. Denn so lauten seine eigne wort im dritten buch Mosis im 26. Cap. Ihr solt euch kein Götzen machen noch Bildt, und solt euch kein seulen aufrichten, noch keinen malstein setzen in eurem Lande, daß ihr davor8 anbetet. So soll man nun vor9 den Götzen nicht beten, nicht tauffen, nicht das Abendmahl halten. Dann man ziehe gleich den hut für die augen oder nicht, man sehe die Götzen oder sehe sie nicht, so wird doch dem willen Gottes zu wider gehandelt, wann man fur den Götzen betet. Soll man nun den HErrn Christum durch die Götzen nicht anbeten, so soll man viel weniger die verstorbene Heiligen, als Mariam, Petrum, Wenceslaum, Rochum, Sebastianum, und andere, durch und vor ihren Bildern, anbeten und verehren. Dann die heilge Menschen sind ohne das nicht anzubeten: Weder für sich selbst: Denn es stehet geschrieben: Du solt anbeten Gott deinen HErrn, und ihm allein dienen, Matth. 4.: Noch als mitler und vorbitter: Denn es stehet geschrieben: Es ist ein Gott und ein Mitler zwischen Gott und den Menschen, nemblich, der Mensch Jesus Christus, I. an Timoth. am 2. Drumb ob jemand sündiget, so haben wir einen Fürsprecher bey dem Vatter, Jesum Christ, der gerecht ist. I. Johan. 2. Derselbige vertrit uns, Rom. 8. Sintemal Er in den himmel selbst ist eingegangen, zu erscheinen vor10 dem angesicht Gottes für uns. Hebr. 9. Darumb mögen diejenige wol zusehen, wie sie es gegen Gott verantworten wollen, welche die Götzenbilder so

7 In Vorlage „FVR“. 8 In Vorlage „dafür“. 9 In Vorlage „für“. 10 In Vorlage „für“.

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lieb haben, daß sie sie mit kniebeugen, mit hut abziehen, und andern Ceremonien verehren. Dann sie gehören in die zahl deren, von welchen der Prophet Esaias im andern Capittel schreibet: Ihr Land ist voll Götzen, und anbeten ihrer hände werck, welches ihre finger gemacht haben. Da bucket sich der Pöbel, da demütigen sich die Junckern. Das wirstu ihnen nicht vergeben.

Vom Dritten. HIeraus ist nun leichtlich zu schliessen, was einer Christlichen Obrigkeit zu tun sey, wann sie zu der ubung ihres Gottesdiensts einen Tempel oder Kirche ein­nimpt, welche mit Götzenbildern erfüllet ist. Gott der Herr selbst gibt den ausschlag. Exodi. 34. V. 13. Ihre Altar soltu umbstürtzen,und ihre Götzen zerbrechen, und ihre haine ausrotten. Deuteronomii 7. V. 5. Also solt ihr mit ihnen thun: Ihre Altar solt ihr zerreissen, ihre seulen zerbrechen, ihre haine abhauen, und ihre Götzen mit feuer verbrennen. Deuteronomii 12. V. 3. Reisset umb ihre Altar, und zerbrecht ihre seulen, und verbrennet mit feuer ihre haine, und die Götzen [Bv] ihrer Götter thut ab, und vertilget ihren namen aus demselbigen orth. I. Samuel 7. V. 3. Samuel sprach zum gantzen Hause Israel: So ihr euch mit gantzem hertzen bekehret zu dem Herrn, so thut von euch die frembden Götter, und Astharoth, und richtet euer hertz zu dem Herrn, und dienet ihm allein: So wird er euch erretten aus der Philister hand. Hoseӕ 2. V. 2.: Sprecht das urtheil über eure mutter, Sie sey nicht mein weib, und ich wil sie nicht haben: Heist sie ihre Hurerey von ihrem angesicht wegthun, und ihre ehebrecherey von ihren brüsten. I. Joh. 5. V. 21.: Kindlein hütet euch für den Abgöttern. 2. Corinth. 6. V. 14. 15.: Ziehet nicht am frembden joch mit den ungläubigen. Dann was hat die gerechtigkeit für genieß mit der ungerechtigkeit? Was hat das liecht für gemeinschaft mit der finsternus? Wie stimmet Christus mit Belial? Oder was für ein theil hat der gläubige mit dem ungläubigen? Was hat der Tempel Gottes für eine gleiche mit den Götzen? Er verheist auch denen alle wolfahrt, welche diesem seinem befelch nachkommen. Wie geschrieben stehet im verlesenen Text: Ich thue barmhertzigkeit an viel tausenden, die mich lieben und meine gebott halten. Und in der andern [erg. Epistel] an die Corinther am 6.: Ihr seid der Tempel des lebendigen Gottes, wie dann Gott spricht: Ich wil in ihnen wohnen, und in ihnen wandeln, und will ihr Gott seyn, und sie sollen mein Volck seyn. Darumb gehet aus von ihnen, und sondert euch abe, spricht der HErr, und rühret kein unreines an: So wil ich euch annehmen, und euer Vatter seyn, und ihr solt meine Söhne und Töchter seyn, spricht der allmächtige Gott. Die ursachen, warumb Gott der Herr den Götzenbildern so starck zu wider ist, hat er auch nicht verschwiegen. Dann einmal so sagt er: Sie seyn EIN GREUEL für

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ihm, Deut. 27. Vers 15. So nennet Er sich auch selbsten im verlesenen Text einen EYFRIGEN GOTT. Wie nun ein ehrlicher Ehmann nicht leiden kan, daß sein weib in seinem beysein mit einem andern bule: also wil der eyferige GOtt es nicht haben, daß sein weib, die Christliche Kirche, für seinem angesicht mit den Götzenbildern bule, dieselbigen liebe, hertze und küsse. Und anderswo sagt der Herr, die Götzen seyn zu nichts nütze, als daß sie nur die leute verführen und verderben. Deuter. 4. V. 16. 25. und Deuter. 7. V. 5. OB nun wol die befelch Gottes sehr starck seyn, Ob wol auch die ursachen, welche ihn zu solchen befehlichen bewogen, sehr mächtig sind: So finden sich doch nichts desto weniger hin und wider leute, welche sich understehen wider den allmächtigen Gott zu disputiren: und, wann Gott sagt, Man solle die Götzenbilder und Altar abreißen, So sagen sie, Man11 solle die Götzenbilder und Altar stehen lassen. Was für baw-[Bijr]fällige gründe sie aber dem klaren wort Gottes entgegen setzen, das muß alhie nothwendig angezeigt, und auf solche gründe, umb der einfältigen willen, kürtzlich geantwortet werden. Ihr Erster vermeinte[r] Grund ist dieser. Gott redet in den Zehengebotten von den Götzenbildern der Heyden und ungläubigen Völcker: Drumb gehet das gebot von Bildern die Götzenbilder der Christen im Neuen Testament nicht an. Antwort. Daß Gott allein von der Heyden Götzen im Alten Testament rede, ist falsch. Dann die Zehen gebot sind der ewige unwandelbare wille Gottes und erstrecken sich auf alle und jede Menschen in der gantzen welt, wie auch auf alle und jede zeiten beydes des Alten und des Neuen Testaments. Wie nun ein dieb und ehebrecher im Neuen Testament eben so wol wider die Zehengebot sündiget, als ein dieb und ehebrecher im Alten Testament: also wer die Götzenbilder ehret im Neuen Testament, der sündiget eben so wol wider die Zehengebot, als der, der die Götzen im Alten Testament geehret hat. Der Ander vermeinte Grund. Gott hat doch selbst im Tempel Salomonis allerley Bilder gehabt. Antwort. Es ist wa[h]r. Aber keine Bilder der verstorbenen Heiligen, als Abrahams, Isaacs und Jacobs, keine Historische gedächtnusbilder, von welchen alhie geredt wird.

11 In Vorlage „Mann“.

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Der Dritte vermeinte Grund. Es kan sich gleichwol ein gemeiner Laye bey den Bildern viel gutes dings erinnern: insonderheit bey dem Crucifix, des leidens und sterbens unsers HErrn Christi. Antwort. Es stehet nicht bey dem Menschen, daß er ihm [i.S.v. sich] selbst ein öffentlich gedächtnus der wolthaten Gottes stiffte, sondern bey Gott dem Herrn alleine: Wie geschrieben stehet im 111. Psalm: Er hat ein gedächtnis gestifftet seiner wunder, der gnädige und barmhertzige Gott. Und eben darumb hat Gott der Herr die Predigt des Evangelions angeordnet, auf daß durch dieselbige die wolthaten des Herrn Christi den Menschen gleichsamb für die augen gemahlet würden. Inmassen der Apostel Paulus von sich bezeuget, Er habe den Galatern Christum Jesum für die augen gemahlet nicht durch ein Crucifix, sondern, wie Er selbst bekennet, durch die Predigt vom Glauben, Galat. 3, versu. 1. & 6. Eben darumb hat der Herr Jesus das heilige Abendmal eingesetzt, daß wir es sollen halten zu seiner gedächtnus. Denn das brod, das wir brechen, ist das nicht ein herrlich gedächt-[Bijv]nus, daß Christus Jesus unzehlich viel marter, und endlich den tod selbsten, für uns gelitten hat, do Leib und Seel am stamm des Creutzes von einander gerissen worden? Der Kelch der dancksagung, ist er nicht ein herrlich gedächtnus, daß das Blut Christi miltiglich aus seinem leibe geflossen, und für unsere sünde vergossen sey worden? Dis gedächtnus hatt der Herr Christus gestiftet. Das Götzengedächtnus hat der Widerchrist, der Bapst, gestiftet. Vor welchem man in der Kirchen Gottes von keinem Götzengedächtnus gewust hat. Das hat man aber wol gewust, ‚daß die Götzen trügerey seyn‘, Jerem. 10. versu 14. und daß sie lügen lehren, Habacuc 3. versu 18. Der Vierdte vermeinte Grund. Wegen des mißbrauchs eines dinges muß man drumb das ding selbst nit verwerffen: Wie man guten wein nicht verwirfft, weil sich etliche desselben zum vollsauffen mißbrauchen. Also mag man auch wol die Bilder in den Evangelischen Kirchen behalten, wenn man sie nur nicht anbetet. Antwort. Diese Regel, Ein ding ist darumb nicht bald zu verwerffen, weil es mißbraucht wird‘, hat keine statt noch platz in denen dingen, welche nicht nötig, und doch gefährlich sind. Nu bekennen alle Evangelischen, daß die Götzen nicht nötig sind. Daß sie aber gefährlich sind, das haben wir mit unsern augen in dieser Kirche gesehen. Drumb kan man die Götzen mit obgemeldter Regel gantz und gar nicht vertheidigen. Der Fünfte vermeinte Grund. Du stehest doch selbst auf dem Predigtstuel, von welchem viel abgöttisches dinges ist gepredigt worden. Du heltst das Abendmal in der Kirche, in welche[r] die Bäpstler die

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Meß gehalten haben. Warumb bricht man nicht Predigtstuel und Kirch zugleich mit einander ab? Antwort. Wir lehren nicht, daß man alles dasjenige zerbrechen solle, was die Menschen zur Abgötterey mißbrauchen können. Dann auff diese weise würden himmel und erden und alle erschaffene ding müssen zerstöret werden. Sondern das lehren wir, daß man die dinge, deren man wol entrathen kan, und welche gefährlich sein, und gar leicht einem oder dem andern zur Abgötterey anlaß geben können, beiseit raume vermöge des klaren worts Gottes: Mache dich nicht frembder sünden theilhaftig, I. Timoth. 5. versu 22. Item: Du solt Gott deinen HErrn nit versuchen. Nach dieser Regel haben die fromme Priester zur zeit des theuren Heldens Judӕ Maccabӕi, da das Heiligthumb durch den gottlosen Antiochum jämmerlich verwüstet war worden, reformiret. Sie rissen den Tempel nicht ab, in welchem schändliche Abgötterey war getrieben worden, Sondern sie reinigten das Heiligthumb und trugen den Greuel und die unreinen steine weg an un-[Biijr]heilige orte: wie die Schrift klar zeuget, I. Macc. 4. v. 34. Nach dieser Regul reformirte der Herr Christus zu Jerusalem. Er riß weder den Tempel noch die Predigtstüle der Phariseer ab, von welchen sie lauter menschentand lehreten: Er sties aber der Wechßler tische und der Taubenkrämer stüle umb, durch welche sein Bethaus eine mördergrube gemacht wurde. Wie abermal klar geschrieben stehet, Matth. 21. v. 12. 13. Der Sechste vermeinte Grund ist dieser. Wenn man denn alles soll wegthun, das etwan angebettet ist worden, oder ins künftig angebettet möchte werden: so muß man auch Sonn, Mond und Sternen abschaffen, als welche vorzeiten sind angebettet worden, und noch heute zu tag von etlichen Indianern angebettet werden. Antwort. Es folget gar nicht. Dann Sonn, Mond und Sterne sind begriffen in der Zahl der Creaturen Gottes, von welchen geschrieben stehet in der ersten am Timoth. am 4. vers 4. Alle Creatur Gottes ist gut, und nichts verwerflich. Die Götzenbilder aber sind nicht Gottes, sondern der Menschen geschöpf und werck: Von welchen geschrieben stehet: Ihre altar solt ihr zerreissen, und ihre götzen mit feuer verbrennen. Deuter. 7. v. 5. Exod. 34. v. 13. Der Siebende vermeinte Grund. Die Götzenbilder zieren gleichwol den Tempel, und es scheinet alles wüste und öde zu seyn, nach dem man der Götzen mangeln thut. Antwort. Die Götzen sind nicht eine zierde, sondern ein schandfleck in der Christen Tempeln und Kirchen. Sie sind auch ein ergerniß den Türcken, Juden und Heyden. Und so viel Götzen noch in unsern Kirchen seyn, so viel zeugen stehn wider uns, daß wir den gebotten Gottes nicht gehorsamen, und dem exempel der

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frommen Könige im Alten Testament nicht nachfolgen: Welche, alsobald sie in die regierung getretten, die Götzen abgethan. Da dann denckwürdig, daß der fromme König Hiskias auch die Ehrne schlange, welche doch anfangs nicht zu dem ende war aufgerichtet, daß man sie anbetten solte, hat lassen abbrechen, dieweil er ver­merckt, daß man sich derselbigen zur Abgötterey hat wöllen mißbrauchen . Wenn man aber je von der Kirchen zierde und schmuck reden will, so ist das einer Kirchen gröste zierde: wann Prediger auf der Cantzel stehen, die da ihren Zuhörern den weg des lebens aus den Propheten und Apostelschriften zeigen, die H. Sacrament nach der einsetzung des Herrn Christi ausspenden, und die Christmenschen zum gehorsam des Evangelions ernstlich anhalten: Und wann die Zuhörer Gottes wort willig und gern anhören, demselben folgen, und den namen Gottes mit busfertigem hertzen anruffen. Dieser schmuck wird gerühmet in dem Tempel und Syn[Biijv]agogen zu Jerusalem. Gott ist in ihren Pallästen bekandt, spricht David im 48. Psal. Und im 76. Psal. : Gott ist in Juda bekandt, und in Israel ist sein name herrlich. Abermal im 147. Psalm: Er zeiget Jacob sein wort, Israel seine sitten und rechte. Der Achte vermeinte Grund. Wolt ihr dann klüger seyn als die Alten12? Vor viel hundert jahren haben unsere vorfahren die Götzen an diesem ort lieb und werth gehabt. Antwort. Ob wir diesfalls klüger wollen seyn als die Alten, darauf lasse ich antworten den König David im hundert und neunzehenden Psalm, da er sagt: Ich bin klüger denn die Alten: Denn ich halte deinen befehl. Will man aber nach der Götzenbilder Alter im Christenthumb fragen: So wird sichs befinden, daß vor zwölff hundert, vor dreyzehen hundert, vor vierzehen hundert, vor fünffzehen hundert, vor sechzehenhundert jahren kein Bild Gottes des Vatters, kein Bild des Sohnes, kein Bild des Heiligen Geistes, kein Bild irgend eines verstorbenen Heiligen in der Christen Bethäusern sey gefunden worden. Ja als viel der Götzenbilder, als viel der Altare, als viel der Kelche, Meßgewänder, Taufsteine,und anderer vermeinten Kirchenzierd bey uns gefunden werden, so viel sind zeugnussen vorhanden, daß wir von der alten Apostolischen einfalt abgewichen: als da man von keinem Götzenbild, von keinem Altar, Kelch, Meßgewande, Taufsteine und dergleichen gewust hat. Wie solches aus *Iustino Martyre (Apologia secunda), aus *Irenӕo, *Tertulliano, *Origine, *Cypriano und andern uhralten berühmbten Vättern sonnenklar13 zu beweisen.

12 In Vorlage „alten“. 13 In Vorlage „Sonnenklar“.

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Der Neundte vermeinte Grund. Wann man je die Götzen wil abthun, so soll man sie zuvor aus den hertzen thun, darnach aus den augen. Antwort. Das sagen die Menschen auf erden. Gott aber im himmel sagt viel ein anders: ‚Reiß ab, zerstöre, verbrenne‘, das ist, thue sie aus den augen. Und das nit ohn ursach. Dann gleich wie man einem diebe nicht zusiehet daß er ste[h]le, und einem ehebrecher nicht zusiehet, daß er die ehe breche, mit dem vorwenden, man müsse ihnen zuvor den diebstal und ehebruch aus Gottes wort erklären14: Also soll und kan eine Christliche Obrigkeit nicht zusehen, daß man Gott dem Herren seine ehre stele, und mit den Götzen bule. Weil das gebot: ‚Du solt dir kein Bildnuß machen, noch dasselbe anbetten‘, so klar ist, als die gebotte: Du solt nit stelen: Du solt nit ehebrechen. Der Letzte vermeinte Grund. Die leute ergern sich an der abschaffung der Bilder.[Bivr] Antwort. Sie ergerten sich auch an des Herrn Christi predigten, Johannis am 6. Solte darumb Christus nicht gepredigt haben? Wer den willen Gottes thut, der hat sich disfals keines ergernusses, das von ihm herrühre, zu befahren. Wer sich aber an der volziehung des willens Gottes ergert, der versündiget sich an Gott und an seinem nechsten.

Aus diesem allen kan menniglich verstehen, was für bewegliche ursachen Ihre Königl. Mayest. gleichsamb gedrungen haben, diesen Tempel von den Götzenbildern und Altaren zu reinigen. Und ist Ihre Königliche Mayestät keines weges gesinnet, jemands in seinem gewissen zu beschweren. Wie sie auch solches in ihren Erblanden nie gethan haben. Dann sie halten es in diesem fall mit dem löblichen Kayser Maximilian dem Andern, welcher hat pflegen zu sagen: Die Könige beherschen der underthanen leibe, aber nicht deroselben gewissen. Sondern Ihre Königliche Mayestät wöllen (wie billich) ihr eigen gewissen unbestrickt haben, und begeren dem lieben Gott zu dienen, nach dem hellen erkandtnuß, mit welchem Er Sie erleuchtet, und nach dem willen, welchen Er Ihr offenbaret hat. Was derselbige wille Gottes sey, habt ihr nunmehr verstanden, Nemlich, Er wolle nicht abgebildet seyn: wie denn auch nicht sol noch kan abgebildet werden. Er wolle nicht durch die bilder und für den bildern geehret seyn.

14 In Vorlage „erlaiden“.

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Er wolle, daß man alle Götzenbilder und Altar abreisse, und von gantzem hertzen an Ihm hange. Wer diesem allen in der furcht Gottes nachdencket, der wird sich an der abschaffung der Götzenbilder nicht ergern. Dancken wird er aber Gott dem Herrn, daß die offentliche greuel und ergernusse beyseit sind gereumet worden. Und solte jemands seyn, der noch eingen Skrupel und Zweiffel hierin hette, der solle nur getrost zu uns kommen. Es sol ihm mit aller sanftmut und bescheidenheit geantwortet, und aus dem wort Gottes satter underricht mitgetheilet werden. Denn je das unser einiger fürsatz ist, uns dahin zu bearbeiten, wie wir viel menschen dahin mögen bringen, daß sie den willen Gottes recht erkennen, und nach solcher erkantnis ihm treulich und eyfrig dienen. Dazu gebe uns und euch den Heiligen Geist der Herr, welcher uns ihn zu geben versprochen hat, wann wir ihn drumb anruffen, Christus Jesus, gelobt samt dem Vatter und Heiligen Geist, in ewigkeit. Amen. [Bivv] Gebett nach der Predigt. ALlmächtiger, barmhertziger, getreuer Gott und Vatter, Wir sagen dir lob und danck für alle deine wolthaten, die wir ohn underlas von deiner reichen güte empfangen, daß du uns die gantze zeit unsers lebens so gnädiglich regieret, behütet und bewahret, und biß dahero erhalten hast. Bevorab aber dancken wir dir, daß du uns den lieben tag hast lassen erleben, in welchem dieser Tempel von allem Götzenwerck ist geseubert worden. Wir bitten dich, Herr Ewiger Gott, Erleuchte die augen derer15, die noch im finsternis des Bapstthumbs sitzen, daß sie doch sehen mögen: wie du nicht wollest, sollest, noch könnest abgemahlet werden: wie du dir nicht wollest durch und für den Götzen gedienet haben: wie endlich das dein ernster befelch sey, daß man alles Götzenwerck aus den offentlichen Gotteshäusern abthue, zerstöre und zerbreche. Uns aber, die wir deinen willen in dem hellen licht deines Wortes erkennen, verleihe die gnade, daß wir gedencken, es sey nicht gnug, daß man den steinern und höltzern Götzen nicht diene, sondern man müsse auch denen Götzen den dienst aufkündigen, welche heissen Geitz, Hoffart, Unzucht, Trunckenheit, Neid, Haß, und was der namen mehr seyn: damit du in uns, als heiligen Tempeln, lust habest zu wohnen, und dich von tag zu tag je länger je mehr in gnad und barmhertzigkeit uns offenbaren mögest. Laß dir in deinen schutz befohlen seyn, die Königl. Mayest. in GrosBritannien, die Königl. Mayest. in Böheim, und Dero Königl. Gemahlin: welche, weil du abermal mit leibsfrucht gesegnet hast, sagen wir dir dafür lob und danck, und bitten dich,

15 In Vorlage „deren“.

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du wollest sie sampt der Leibsfrucht für allem unfall vätterlich bewahren, zu seiner zeit gnädiglich entbinden, und beyde Ihre Königl. May. mit einem gewündschten anblick erfreuen. Wir befehlen dir auch Ihrer Königl. May. Frau Mutter, Herrn Bruder, Junge Herrschaft und Fräulin, sampt allen an- und zuverwandten, wie auch die beyde Fürstliche Herren Stadthalter in der Nieder und Obern Churfürstl. Pfaltz. Segne die löblichen Stände dieses Königreichs und der demselbigen einverleibten Länder. Gib glück und sieg allen denen, die für dein Wort und das Vatterland streitten. Insonderheit nim dich in gnaden an deren, die hin und wider, umb der bekandtnus des Evangelii willen, drangsall leiden: Tröste sie durch den Tröster den Heiligen Geist, und erhalte sie in warem glauben und bestendiger hoffnung, biß an ihr seliges ende. Endlich stärcke alle schwache, erfreue alle traurige, erquicke alle angefochtene hertzen, und sende uns und ihnen den zeitlichen und ewigen frieden, durch Jesum Christum, deinen Sohn, unsern Herrn. Welcher uns hat befohlen, dich in seinem namen also anzuruffen: Unser Vatter, etc. ENDE.

Editorische Hinweise Bearbeitungsvorlage [Abraham Scultetus:] Kurtzer  / aber Schrifft- | mäßiger Bericht  /| Von den | GötzenBildern: | An die Christliche Gemein zu Prag /| Als aus Königlicher Mayestät gnädigstem | Befelch / die Schloßkirch von allem Gö-| tzenwerck gesäubert worden / ge- | than / Sontags den 12./22. De-| cembris des 1619. | Jahrs /| Durch | ABRAHAMVM SCVLTETVM. | Gedruckt zu Haydelberg bey | Gotthard Vögelin / im Jahr | 1620. Exemplar der BSB München, Sign.: 4 Hom. 2005 [digit.], unpaginiert, 4°

Abgeglichen mit [Theophilus Mosanus, ed.] VINDICIÆ, Oder Gründtliche Rettung der kurtzen vnd Schrifftmässigen Predigt / So D. Abraham Scultetus Königlicher Majestät in Böhmen Hoffprediger / Anno 1619. den 12/22. Decembris zu Prag in der Schloßkirchen von Götzenbildern / gethan / vbd daselbst in Druck gegeben hat. […] Hanau: Georg Baumeister, 1620. Exemplar der SLUB Dresden, Sign.: Hist. Germ. C. 134 [digit.]

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LIT ADB, BBKL, Wikipedia, zvdd, Benrath, Gustav Adolf (Hg.): Die Selbstbiographie des Heidelberger Theologen und Hofpredigers Abraham Scultetus (1566–1624). Karlsruhe 1966. Kühlmann, Wilhelm, e.a. (Hg.): Die deutschen Humanisten. Abt. 1, Die Kurpfalz, Bd. 3. Turnhout 2010. [Zu Abraham Scultetus dort S. 295  ff.] Waite (2020).

N° 97 [Anonym] Bericht von den UngötzenBildern [1620] Es handelt sich um die satirisch-polemische Replik eines anonymen katholischen Autors auf die Predigt, die Abrahm Scultetus [→ N° 96] als Hofprediger des Winterkönigs 1619 in der Schlosskirche zu Prag gehalten hatte, um die Beseitigung der Bilder aus dieser Kirche vor der Gemeinde zu rechtfertigen. Schon der Titel des Gesprächs parodiert den Titel des Drucks der Scultetus-­ Predigt. Da werden aus ‚GötzenBildern‘ nun ‚UngötzenBilder‘, aus dem ‚schriftmäßigen Bericht‘ ein ‚unschriftmäßiger Bericht‘ u.  dgl.m.: (Scultetus:) Kurtzer, aber Schrifftmäßiger Bericht, Von den GötzenBildern: An die Christliche Gemein zu Prag, Als aus Königlicher Mayestät gnädigstem Befelch die Schloßkirch von allem Götzenwerck gesäubert worden, gethan … (Anonymus:) Einfältiges Gespräch | vber den kurtzen | Aber vnschrifftmässigen Bericht | Von den | Vngötzen Bildern | An die Christliche Gemein zu Prag / Als auß vngnädigsten befelch die Schloß-| Kirch von allem Gottswerck vngesäubert … Das Personal des szenisch angelegten Gesprächs besteht aus drei konfessionell verschiedenen Rollensprechern: einem ‚Lutheraner‘, einem ‚Hussiten‘ und einem (sich selbst so bezeichnenden) ‚Papisten‘. Die drei sind sich einig in ihrer Ablehnung des Calvinismus, wie ihn der neue böhmische König, der ‚Winterkönig‘, und dessen ranghöchster Geistlicher, Abraham Scultetus [→ N° 96] , vertreten. Im Gang des Gesprächs erweist sich der Papist als der theologisch versierteste und didaktisch geschickteste der drei sonst gleichrangigen Gesprächspartner. Er bringt auch die weitaus breitesten Gesprächsbeiträge ein. Der Hussit fungiert in dem Gespräch als Stichwortgeber. Er kann und muss das schon deshalb sein, weil er die Götzenbilder-Predigt des Scultetus am besten kennt, da er ihren Wortlaut aus Lektüre oder womöglich auch als Ohrenzeuge des Predigtvortrags kennt. Der Papist gefällt sich als Polemiker, ist aber auch zu subtilen Darlegungen in der Bilderfrage fähig. So weist er beispielsweise darauf hin, dass eine totale Bildvermeidung, wie sie rigide Calvinisten fordern, schon deshalb nicht möglich sei, weil bei jedem Sehakt wahrnehmungsphysiologisch Bilder im Auge entstünden: „P. Wann der Predicant keine Bilder in der Kirchen will leyden, so muß man ihme die Augen außstechen, damit sein Lehr in das Werck komme. − H. Wie also? − P. Wann der Predicant in der Kirchen und auff der Cantzel ist, und seine Augen wirfft auff die Leuth, hat er alsdann in seinen Augen Bilder. Derowegen soll man dem Predicanten http://doi.org.de/10.1515/9783110780031-038

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die Augen außstechen, damit also keine Bilder in seinen Augen in die Kirche trage, oder darinn habe.“ Als guter Katholik erweist er sich, wenn er all‘ die Bilderlegenden, die Eusebius und andere Kirchhistoriker mitteilen, für wahr erklärt und also die Abgar-, Veronika-, Lukas- und Haemorroissa-Erzählungen in seine historische Beweisführung einfügt. Hussit und Lutheraner, die doch sonst eine frühe christliche Bildnutzung bestreiten, wissen dem nichts entgegenzusetzen. Wir präsentieren das gesamte Gespräch.

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[S. 3]   Lutheraner.   Hussit.   Papist.

Luthera[ner]. Wie geths, wie stehts mein Nachbaur? gibst kein antwort? wie sichst du so sauer? ich glaub du hast ein saure Milch gessen, oder dein bitter bier seurlet nicht wenig. Hussit. Gehe meiner müssig. Lutheraner. Der Teuffel gehe deiner müssig, nit ich. Du bist mein Nachbaur. Ein Nachbaur soll mit dem anderen zeit und weil vertreiben, heben und legen, sonderlich in diser zeit, in welcher vil frembde Gäst, auß der Pfaltz und Engellandt in unser Landt kommen. Hussit. Du bist nicht meines glauben[s]. Lutheraner. Was ist desto mehr? Es ist unverborgen, daß ihr Hussiten und wir Lutheraner vast an einer stangen das Wasser der Religion tragen, und in ein Hörnlein1 zugleich blasen. Huss ist ein Ganß, Luther ist ein Schwan. Euer Huss ist unsers Luthers Prophet gewesen, und euers Huss Rucken unser Luther. Hussit. Die Lutheraner haltens mit den Calvinisten, nit mit den Hussiten. Lutheraner. Ich hette schier ein Creutz gemacht vor dem Namen der Calvinisten: gleich wie die Papisten ein Creutz machen vor deß Teuffels Namen. Wann ich höre der Calvinisten Namen, stehn mir alle haar gen berg. Hussit. Es were euch und uns besser, mit den Jesuitern halten, als mit den Calvinisten. Die Jesuiter haben weder uns noch euch so ein grossen stein jemals in Garten geworffen, als eben die Calvinisten. Lutheraner. Das Lob muß ich auch ihnen geben. Die Jesuiter zwar haben starck wider uns und euch geprediget; aber allezeit Hundt die vil bellen, beissen nicht vil. Hussit. Ist dir ernst? [4]

1 In Vorlage „Hörlein“.

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Lutheraner. Freylich ist mir ernst. Es ist mir laid, daß die Ständt den Jesuitern das grosse Kuchefenster gezaigt haben, und wolte von hertzen gern, das Bier were wiederumb im Faß, und die Jesuiter im Landt. Hussit. Du hast mir vast allen unmuth außgeschöpfft. Lasse uns nidersitzen. Dann was uns die Calvinisten kochen, das kochen sie euch auch: wir müssen ihr Muß zugleich essen. Aber sihe wunder: da kombt ein Papist. Papist. GOtt grüsse euch meine Nachbaurn: wie so traurig? Hussit. Wir haben ursach traurig zu seyn. Papist. Villeicht die Predig, die Abraham Scultetus2, oder Schultes oder Abraham Richter oder Nachrichter gethan, macht euch traurig. Hussit. Vilmehr die abbrechung der Bildern: was halst du von diser abbrechung? Lutheraner. Was soll ich halten? Die Calvinisten will ich mein lebenlang halten für Juden und Heyden, die sich mit Händen und Füssen understünden, Christum unsern Herrn auß der Menschen Gedächtnuß zu vertilgen. Hussit. Ich sag das auch. Lutheraner. Sie seind verteuffelte, durchteuffelte, uberteuffelte Ketzer. Hussit. Das sag ich auch. Lutheraner. Wann wir nicht werden auffsichtig [i.S.v. vorsichtig] seyn, werden sie auß allen Kirchen die Bilder werffen, und darauß Calvinische Kirchen machen. Papist. Du sagst recht. Wann die Katz einmal kombt uber den Käß, kombt sie öffter. Der Hundt kombt nicht von dem Läder, wann er einmal angehebt hat. daran zu nagen3. Aber was haltet ihr von der Predig deß Predicanten?

2 → N° 96. 3 Vgl. Luther: Wider die himmlischen Propheten (→ N° 15, S. 225): „auf das der hund nicht lerne an den rymen das leder fressen.“

Bericht von den UngötzenBildern N° 97 

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Hussit. Ich wolte euch gerne hören. Ihr habt beyde studirt, [5] du bey den Jesuitern vil jar, du zu Leipzig bist Magister worden: Ihr könnet vil darvon sagen: Ich kan von diser Farb nicht vil reden, hab wenig studiert, bin nur mit der Sau durch die Schul geloffen: allein das kan ich sagen, indem Abraham Scultetus von den Götzen geprediget hat, ist er mir fürkommen, wie ein natürlicher ölgötz. Lutheraner. Haltet er nicht die Engel Gottes, ja auch GOtt Vatter, Sohn und Heiligen Geist für Götzen? Papist. Freylich halt er sie für Götzen. Dann wann Englische Bilder Götzenbilder seyn, müssen die Engel Götzen seyn. Wann Gottes Vatters, Sohns und heiligen Geists Bilder Götzenbilder seyn: Muß Gott Vatter, Sohn und heiliger Geist Götzen seyn. Dann wann deß Predicanten Bildt ein Diebsbildt ist, muß der Predicant ein Dieb seyn. Lutheraner. Als Christus gefragt hette die Phariseer, weß ist das Bildt und die Uberschrifft? Sprachen sie nicht deß Götzens, sondern deß Keysers.4 Hussit. Haben nicht die Calvinisten wider den MayestetBrieff5 gehandlet? Lutheraner. Sie haben dem MayestetBrieff ein guten stoß gegeben, und ihn zum fall gericht: indem sie die Schloßkirchen genommen den Papisten, und die Bilder darauß geworffen. Sagt mir meine Nachbauren: Wann Kayser Ferdinand nur ein Banck oder Stein auß unseren Kirchen genommen hett, hetten wir nicht geschryen, Kayser Ferdinand will den MayestatBrieff cassiren und umbstossen? Papist. Kayser Matthias hat euch nur ein Kirchen, die zu Bethlehem als sein Königliche Kirchen gesperrt: und alsbald ward das Feuer im Dach, und ihr im Har-[6]nisch. Hussit. Es ist die sag [Sage, Gerücht], man wölle im gantzen Landt die Bilder abschaffen. Lutheraner. Also sagt man: und darauff geht6 die Predig deß glaublosen Predicanten. Und zu disem intent sollen kommen etlich tausendt auß Engellandt.

4 Vgl. Mt 22, 20  f. 5 Der von Kaiser Rudolf im Juli 1609 ausgestellte ‚Majestätsbrief‘ war eine Urkunde, die den protestantischen Landständen Böhmens Religionsfreiheit gewährte. 6 In Vorlage „geth“.

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Hussit. Auwe, auwe. Papist. Freylich auwe. Aber recht auff die Katz. Warumb seyn wir vom Keyser Ferdinand abgefallen? Wann die Frösch den frommen König nicht können leyden, müssen sie ein Storch zum König haben7. Auff ein solches Holtz gehört ein solcher Keyl. Hussit. Was halst [hältst] du von den Schrifften, die er auß der Bibel wider die Bilder hat angezogen? Lutheraner. Alte Leyren, alte Geigen, alte Waar. Kombt mir für, wie die Juden allhie zu Prag , welche sich vil bemühen, damit sie alte Hosen für neue den Christen verkauffen. Wie lauten die Schrifften? Hussit. Ex c. 20. stehet geschriben: Du solt kein bildtnuß noch irgent ein gleichnuß machen, weder deß das oben im Himmel, noch deß, das unden auff Erden, oder deß, das im Wasser, under der Erden ist. Papist. Der Ehrloß Predicant hat etwas außgelassen: dann also stehet geschriben: Du solt dir kein bildtnuß dere ding so nicht seyn, noch irgent der ding, so für augen seyn, ein gleichnuß machen, weder deß das oben im Himmel, noch deß das unden auff Erden, oder deß das im Wasser, under der Erden ist. Hussit. Auß dem kan ich spinnen, daß der Predicant Abraham Scultetus falliert [i.S.v. fehlgeht]: aber was meinst du? Ist dise schrift wider die Bilder? [7] Papist. So wenig als ein Feur wider das ander Feur ist. Kein Pater, kein Lehrer, kein Prediger, vom anfang und anbegin der Christenheit, biß dato hat jemals dise Schrifft angezogen wider die andacht, welche die fromme Christen wider die Bilder haben und tragen. Dise Schrifft geht auff die Götzen: Götzen aber und Bilder seynd nicht zwey par Hosen eines thuchß: seyn weit von einander. Wie die uhralte Lehrer und Patres vermelden: Ein Götz ist nichts anders als ein vermainter Gott, ein gedichter und erdichter, falscher Gott, als Iupiter, Mars, &c. Ein Bildt aber ist nichts anders als ein gleichnuß dessen, welchen das Bildt repraesentiert und vor Augen stelt. Also

7 Vgl. die Fabel von den Fröschen, denen Gott den Storch zum König gab. Frühneuzeitliche Adaptionen dieser ursprünglich antiken Fabel bei Guilelmus Goudanus, Erasmus Alberus, Burkhard Waldis u.  a.

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sagt Euthymius in pan. tit. 23.8 Der heilig *Augustinus l. 6. veteris test. sagt:9 ein Götz ist nichts anders als eines falschen Gottes gleichnuß. Lutheraner. Dise Glossa ist gut, und kan kein bessere seyn. Daher dann Exo c. 25. Liesse Moyses zween Cherubim machen, und König Salomon 3. Reg. c. 6. macht auch im Chor zween Cherubim, zehen el[l]en hoch von ölbaumholtz. Hussit. Der Predicant hat diß in der Bibel nicht gelesen. Lutheraner. Sein Schulmeister hat ihn gelehrt in der Bibel lesen, gleich wie der Eulenspiegel seinen Esel im Buch gelehrt hat lesen10. Papist. Die Völcker haben die Bilder für ihre Götter gehalten, auff die Bilder haben sie sich gesteuret und gefusset, und den Bilder haben sie alles zugeaignet, was ihnen guts widerfahren: etliche haben Sonn und Mon für Götter angebettet und gleichnuß dessen das oben, der Sonnen und deß Mons gemacht: etliche haben die bestien für Götter gehalten, und gleichnuß dessen, das unden auff der Erden, der bestien nemb­ lich, gemacht, etliche haben die Fisch für Götter geehret, und gleichnuß dessen, das im Wasser under der Erden, der Fischen nemblich, gemacht. Darmit der Allmächtige Gott dem vorkomme, und seinem Volck Thür und [8] Thor versperte zu der Abgötterey, hat er den Juden verbotten, Bilder zu machen und zu haben. Weil aber wir Christen, Gott sey lob, disen humor nicht haben, weder Sonn noch Mon, noch Bilder und andere sachen für Götter erkennen, wissen, was Sonn und Mon, was Stöck und Plöck ist, ist uns nit verbotten, Bilder zu machen und zu haben. Hussit. Die ander Schrifft die er angezogen hat wider die Bilder, lautet also: Bette sie nicht an und diene ihnen nicht. Dann ich hör dein Gott, bin ein eyferiger Gott, der da heimbsucht der Vätter Missethat an den Kindern, biß in das dritte, und vierte glidt, die mich hassen. und thue Barmhertzigkeit an vil tausenden, die mich lieb haben und meine Gebott halten11

8 Vgl. Euthymius Zygabensis (11./12. Jh.), der ‚Heuriskomena panta‘ verfasste. 9 Doppelpunkt nicht in Vorlage. 10 Vgl Till Eulenspiegel [„Ein kurtzweilig Lesen von Dil Ulenspiegel“. Nach dem Druck von 1515, hg. v. Wolfgang Lindow (RUB 1687), Stuttgart 2001.] 96. Episode. 11 → Num 14, 18  f.

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Lutheraner. Gmach, gmach. Wann man zwar das Kindt streichen [i.S.v. schlagen] will, findet sich baldt ein ruthen: aber wann man die Bilder will schlagen, findet sich nicht baldt ein Schrifft. Papist. Du sagst recht: und der Predicant schneydet sich selbs mit dem schwerdt in die finger. Dann die angezogne wort, geben zu verstehen die ursach warumb Gott verbotten hat den Juden die Bilder: Dann darumb hat er ihnen die Bilder eingestelt, damit sie kein anlaitung hetten, dieselbige anzubetten für Götter und ihnen als Göttern zu dienen, und den wahren Gott zu verlassen. Hussit. Occasio facit furem. [Die Gelegenheit macht den Dieb.] Papist. Diese ursach hat in der Christenheit ihr esse nicht, gilt auch nit. Hussit. Mein, was halst du von dem Predicant, in dem er eben in derselbigen Predig, baldt hernach die folgende wort gesagt: Was belangt die Bilder der Apostlen, Mariӕ, Elisabet, und andere Heyligen, wann [9] man wüste wie sie eygentlich weren gestalt gewesen, möchte man wol ihre Bilder im Hauß haben. Lutheraner. Der Predicant hat mehr marmori als memori12: man sagt zwar, mendacem memorem esse oportet13: aber der Predicant hat dise qualitet nicht. Hussit. Er redt wider und für die Bilder, wie mans haben will: weiß und schwartz. Er ist Fisch und Fleisch. Papist. Die Brunnlautere und Spiegelklare warheit ist ihme auß dem Maul gefallen. Dann wann man kan der Heyligen Bilder im Hauß haben, so hat Gott die Bilder nit verbotten. Hussit. Er hat weiter auß dem fünfften Buch Moysis Cap. 4. dise wort angezogen: So bewahret nun euer Seelen wol. Dann ihr habt kein gleichnuß gesehen deß Tags, da der Herr mit euch redete, auß dem Feuer, auff dem Berg Horeb, auff daß ihr nicht verderbet, und macht euch irgent ein Bildt, das gleich sey einem Mann oder Weib, oder Vich auff Erden, oder Vögel under dem Himmel, oder Gewürm auff dem Landt, oder Fisch im Wasser under der Erden.14 Und abermal im gemeldten Capittel: So

12 Lateinisches Wortspiel von ‚Marmorsteinen‘ und ‚Gedächtniskraft‘. 13 Übers.: „Es ist nützlich, wenn ein Lügner ein gutes Erinnerungsvermögen hat.“ 14 Deut 4, 16.

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hütet euch nun, daß ihr deß bundts deß Herrn, euers Gottes nicht vergesset, den er mit euch gemacht hat, und nicht Bilder machet, einiger gleichnuß, wie der Herr dein Gott gebotten hat. Dann der Herr dein Gott ist ein verzehrent Feur, und ein eyfferiger Gott.15 Papist. Dise wort schicken sich auff deß Predicant Redfürnehmen [i.S.v. Redevorhaben], wie ein Faust auff ein Aug. Hussit. Du sagst vil. Ein Faust auff deß Predicanten Aug schickt sich mächtig wol. Die Faust auff deß Predicanten Aug macht eiin blaues Aug. Ein blaues Aug aber stehet einem Predicanten besser an, als einer Predicantin. [10] Lutheraner. Die Widertauffer halten dise Schrifft, und weichen nit ein härlein darvon. Kein Handwercksmann darff bey ihnen ein gleichnuß, weder eines Manns oder Weibs, weder Viechs noch Vogels, noch Wurms oder Fisches machen. Aber die Calvinische Mahler, Bildthauer, Goltschmid, machen allerley gleichnuß, deß Teuffels eben so baldt als Gottes. Papist. GOtt hat darmit verbotten Bilder zu machen, gleich wie die unglaubige Völcker gemacht haben. Die Persianer und andere unglaubige Völcker haben die Sonne für ihren Gott angebettet, und der Sonnen die gestalt eines Jünglings gegeben, und Phoebum genennet. Andere wie wir lesen bey dem Prophetam Jeremiam, haben den Mon für [erg. eine] Göttin gehalten und gemahlet als ein Göttin, und genennet Reginam cӕli. Die Egyptier haben die Ochsen für Götter gehalten: daher das glaubige Volck in Egypren nicht dörffte Ochsen Gott auffopfferen. Haben auch den Adler und Storch, den grossen Wurm Crocodilum für Götter auffgeworffen, und ihre Bilder für GötternBilder geehret: Die Philister haben den Dagon für einen GOTT erkennet, und den Kopff deß Dagon wie [erg. einen] Fischkopff gemahlet. Also und auff dise16 manier hat GOTT Bildtnuß und Gleichnuß verbotten: und solche Bildtnuß und Gleichnuß seind nichts anders als Götzen, und falsche Göttern Gleichnuß. Hussit. Also muß man dise Schrifft glossieren und außlegen. Daher dann Gott gesagt, er sey ein eyfferiger GOtt: er eyffert: er kan kein anderen GOtt neben ihme [i.S.v. sich] leyden: Dagon kan nicht bestehen vor der Archen Gottes. Zween König in einem Königreich können nit regieren, noch zwo Sonne[n] die Welt.

15 Deut 4, 24. 16 In Vorlage „diser“.

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Papist. Es ist nicht ohne, daß etliche unsere Doctores auß disem c. wöllen zwingen und pressen, daß Gott in dem alten [11] Testament den Juden allerley Bilder verbotten hat, nicht alleyn anzubetten, sonder auch zu haben. Lutheraner. Aber das verhindert unsere Bilder mitnichten nicht. Papist. Gar nicht. Dann zum ersten, welche päpstliche Lehrer und Doctores, der Allmächtig Gott hat den Juden gebotten kein bildtnuß zu haben in gemein, alle dieselbige Lehrer und Doctores verthädigen unsere Bilder, und verfechtens. Zum anderen, gesetzt, daß GOTT alle Bilder auch in gemein den Juden in dem alten Testament verbotten hat, ist doch darmit den unseren Bilderen nichts genommen: Dann dasselbig Gebott war nicht naturale, sondern alleyn cӕremoniale, das ist, dasselbig Gebott hat nicht alle Völcker zu allen zeiten gebunden, sondern ward nur 17 ein Jüdische ceremoni, welche in dem alten Testament ihren gang gehabt, in dem neuen Testament haben sie kein esse und gelten nichts. Zum dritten seind andere Päpstliche Lehrer und Doctores, welche sagen, GOtt hat allein in dem alten Testament verbotten den Juden, Bilder als Götter und für Götter zu haben und zu ehren. Und das bezeugen sie mit dem König Salomon, welcher in seinem Tempel gehabt hat Cherubim und stehende18 MenschenBilder, auch Löwen, Rinder, Palmbaum, Lilienblat, Granatöpffel. 3. Reg. 7. Hussit. Warden nicht Bildtnuß auff der Müntz der Juden? Papist. Freylich warden. Daher Christus gefragt, weß ist das Bildt? Lutheraner. Ohne zweiffel, der Predicant Abraham Scultetus hat gern die alte ungarische Ducaten, wie wol darauff ist das Bildt der gebenedeyten Mutter Gottes: Schmeckt ihme auch wol der Wein auß der Kandel, wiewol im boden ein Crucifix ist. [12] Hussit. Der Predicant will auß allen disen Schrifften zwingen dise drey stuck: Gott will nicht, Gott soll nicht, Gott kan nicht abgebildet werden. Papist. Alle Calvinische Mahler, Abcontrafeher, Abreisser, Bildtschnitzler, Bildthauer, Formschneider, heissen den Predicanten lügen19.

17 In Vorlage „nun“. 18 In Vorlage „stehenden“. 19 In Vorlage „liegen“.

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Hussit. Sonderlich will er folgern und abnemmen auß disen Schrifften, daß Gott nicht kan abgebildet und abgemahlet werden. Papist. Wann die Krüppel nicht mehr können hincken, oder wann die Hennen werden für sich scharren, alsdann wird der Predicant das auß den Schrifften können folgern. Dann indem der Predicant auß der Schrifft will darthun, daß Gott nicht will abgebildet werden, gibt er zeugknuß daß Gott kan abgebildet werden und widerumb, indem der Predicant sagt, es ist verbotten, Gott abzubilden, gibt er zu verstehn, daß man kan Gott abbilden: sintemal was nicht kan seyn, das hat Gott nit verbotten. Zum anderen, wiewol man nicht kan die eygentliche gestalt Gottes abmahlen, dannoch kan man Gott auff dise weiß abbilden, wie er pflegt zu erscheinen. Zum dritten, der Predicant sagt categorice , Gott habe die gestalt ein zeitlang an sich genommen, und baldt abgelegt, Gott habe sich baldt in diser, baldt in jener gestalt offenbaret. Wann das wahr ist, wie es auch dann wahr ist, kan ein gestalt Gottes seyn: wann ein gestalt Gottes kan seyn, kan Gottes bildtnuß seyn, sintemal gestalt und bildtnuß Gottes einerley ist: wann ein bildtnuß Gottes kan seyn, kan man Gott abbilden. Hussit. Die phantasey deß Predicanten will mir nicht eingehn: dann wiewol GOtt weder Leib noch Glider hat, dannoch kan man ihn abmahlen in der gestalt eines Menschens: sintemal er also erschinen ist, wie hin und her das offenbar macht die heilige Schrifft, und wann Gott gefallen in [13] diser gestalt zu erscheinen, wirdt ihme auch gefallen wenn wir ihn abmahlen in derselbigen gestalt. Papist. Wann wir bey den Propheten und in den Apostolischen Geschichten lesen, daß man die Göttliche Majestät nit kan abbilden, müssen wir verstehn, daß man die Göttliche Natur nit kan abconterfehen, auch nit kan seyn ein lebendiger abriß der Göttlichen hochheit: gleich wie die beste abconterfeher und abreisser etliche Fürstliche personen nit können treffen: also kein Apelles kan die Göttliche grandeza eygentlich abreissen. Hussit. Aber das verhindert die bilder nicht. Papist. Gar nicht. Wiewol kein Mensch soll sich unterfangen, die Göttliche Natur zu verstehn, und mit seinem verstandt außzumessen, dannoch ist nicht verbotten, von der Göttlichen Natur zu verstehn, so vil einer fassen kan. Wiewol kein Mensch kan Gott abmahlen eygentlich und abconterfehen: dannoch ist der Menschlichen Kunst zugelassen, so vil ihr müglich, Gott ab[zu]bilden.

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Hussit. Was halst du von dem, daß der Predicant gesagt hat: Gott wölle nicht durch irgent ein gleichnuß oder bildtnuß angeruffen und verehret seyn. Papist. Ich glaub, daß der Predicant mit Lugen will faist und fett werden, wie die Ratzen mit schlaffen. Dann die Bibel sagt, Gott will durch gleichnuß oder bildtnuß angeruffen und verehret seyn. Also wolte Gott in dem alten Testament angeruffen und verehret seyn durch den Gnadenstul, und durch sein Arch. Bettet an den Schemel seiner Füß, sagt David. Mit andern gleichnussen, durch welche Gott angeruffen und verehret ward, will ich hinder dem Berg halten: dise gleichnussen seyn dem Predicant bastant und gnug, und können ihn treiben in ein Bockshorn20. Lutheraner. Ist ihme nicht also, daß, wie die Dialectici reden, voces sunt signa rerum: die wort seyn zeichen und gleichnussen der sachen? Ist ihm nicht also, daß der Namen Ie- [14]sus ein wort ist, und ein gleichnuß und zeichen Christi? Ist ihme nicht also, daß Gott durch disen Namen, durch dises zeichen, durch dise Gleichnuß angeruffen und verehret wirdt? Hat ihme ein Namen geben, der uber alle Namen ist, daß in dem Namen Iesu sich biegen sollen alle der Knye, die im Himmel und auff Erden, und under der Erden seyndt. Ad Philipp. 2. c. Hussit. Das ist dem Predicant zu hoch. Er hat kaum dem Prӕceptori in der Dialectica ein guten Tag gesagt: oder hat nach der Dialecticam mit dem Maul geschnap[p]t, wie ein Storch nach einem Frosch. Ferners hat der Predicant gesagt, die Bilder seind den Menschen schädlich, und Gott verkleinerlich. Papist. Die Katz kan das mausen, und der Predicant das lügen21 nicht lassen. Wie nutzlich die Bilder den Christen seyn, und wie ein grosses interesse die Menschen darbey haben, machen vil hundert wunderzeichen und Bücher weltkündig22. Lutheraner. Daß die Bilder schädlich seyn, hat der Predicant bezeugt mit dem Jesuiter Gabriel Vasquetz, l. 2. de ador. d.4.c.2.23 Papist. Auß dem können wir abnemmen, wer in dem Predicant ist. Man sihet wol an dem Nest, was für ein Vogel darinn wohnet: man sihet wol auß den worten, daß aller lugen Vatter in der PredicantenGoschen sitzet. Gabriel Vasquetz sagt nichts

20 In Vorlage „Bochßhorn“. 21 In Vorlage „liegen“. 22 In Vorlage „Weltkündig“. 23 Gabriel Vasquez SJ (1549–1604): De cultu adorationis libri tres. Alcala 1594 u.  ö.

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anders, als, Gott habe in dem alten Testament den Juden die Bilder verbotten, damit sie nit ursach möchten haben, sich daran zu stossen: und sagt zugleich, GOtt habe den Christen niemal Bilder verbotten, sintemal die Christen sich daran nit verbrennen: ist also nach seiner Lehr kein solches verbott in dem neuen Testament: er behaupt und verfecht die Bilder, er hauet alle Calvinisten zur banck. Hussit. Er hat auch wider die Bilder Christi vil außgespürtzet [i.S.v. ausgespieen] : und gesagt, Christus ist nit darumb kommen in die Welt, daß man jn abmale, sonder daß man an jn glaube. [15] Papist. Ey wie witzig ist unser Predicant? er hat gewiß das Gänßhör[n]lein [Gänsehörnlein] oder die Holtzscher [Holzschere] funden24. Wann Christus nicht ist kommen in die Welt, daß man jn abmahl: warumb hat Christus selb sein heiliges Angesicht zweymal abgedruckt, und ein Exempel oder Bildt dem König Abagaro zugeschickt: das ander bey der frommen Veronicӕ verlassen? Lutheraner. Christus ist auch kommen in die Welt zu leyden. Wann damals die Calvinisten weren in rerum natura gewesen, hetten sie Christo zu disem intent fleissig geholffen: sie hetten ihn nit zwar wie die Mahler, sondern wie die Häncker außgestrichen und abgemahlet. Vil hundert Exempel seyn, welche zu verstehn geben, daß die Bilder den Leuten helffen auß dem Unglauben, und fürtreffliche mittel seyn, dardurch die Menschen in Christum glauben. Hussit. Was halstu [hältst du] von dem, daß der Predicant gesagt hat, man solle Christi Bilder abthun, sintemal nicht durch die Bilder Christi, sonder durch Christum kommen wir zum Vatter. Papist. Er will die Bibel, Tauff und andere von Gott verordnete mittel abschaffen. Dann wann er zu verstehn hat geben, daß man allein durch Christum zu Vatter kommt: warzu ist uns die Bibel? warzu ist die Tauff? warzu seyn andere mittel, welche von Gott deputiert seyn, damit sie uns führen zum Vatter: und qualificiert und staffiert seyn uns zu helffen, darmit wir durch Christum kommen zum Vatter? Hussit. Was halstu von dem, daß der Predicant gesagt hat: man kan Christum nit mahlen, einer mahlet ihn mit gelbligen, ein anderer mit einem fahlen, der dritt mit einem schwartzen, der viert mit einem braunen Bart.

24 Höhnische Unterstellung, Scultetus habe vermutlich so absurde Dinge wie das Hörnlein einer Gans oder eine Schere zum Holzschneiden ge- oder erfunden.

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Lutheraner. König Fridrich, wie wir ihn nennen, hat allen Mahler diß Privilegium geben, daß, welche Mahler ihn abcontrafehen, keiner im Bart kan fehlen. [16] Papist. Wir wöllen Christi Bilder in Ehren halten. Fromme Mahler malen Christi Bart vast in gleicher Farb. Die Calvinische Mahler mögen Christi Bart underschidliche farben geben: aber ihnen soll man die Kunst verbieten, die Bilder soll man nicht abschaffen. Hussit. Der Predicant nach den Bildern ist widerumb kommen auff die Schrifft wider die Bilder, welche er zuvor angezogen hat. Papist. Blinde Fidler geigen allezeit ein Lied. Der Predicant ist mir fürkommen wie ein Aff: Wie ein Aff sich selbs übet und treibet an einer stangen, also der Predicant an einer Schrifft. Lutheraner. Nach grossem25 geschrey hat der Predicant gesaget, der Heiligen Bilder, wann man wüste, wie sie eygentlich weren gestaltet gewesen, möchte man wol im Hauß halten, aber nicht in den orthen, da man offenlich den Dienst Gottes verrichtet. Hussit. Wann die Bilder nach der mainung deß Predicanten verbotten sein, sein sie verbotten allenthalben, so wol in den Häusern als in den Kirchen, und wann sie in einem orth schädlich seyn den Menschen, seind sie allenthalben schädlich: sintemal idem manens idem semper est aptum facere idem.26 Papist. Wann der Predicant keine Bilder in der Kirchen will leyden, so muß man ihme die Augen außstechen, damit sein Lehr in das Werck komme. Hussit. Wie also? Papist. Wann der Predicant in der Kirchen und auff der Cantzel ist, und seine Augen wirfft auff die Leuth, hat er alsdann in seinen Augen Bilder. Derowegen soll man dem Predicanten die Augen außstechen, damit also keine Bilder in seinen Augen in die Kirche trage, oder darinn habe.

25 In Vorlage „grossen“. 26 Sentenz von Avicenna.

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Lutheraner. Die Häxen und Männer, welche Häxerey treiben, [17] sollen keine Bilder in den Augen haben. Villeicht hat der Predicant auch dise unarth. Papist. Das kan auch seyn. Hussit. Er hat gesagt, die Bilder sollen keines wegs auffgestelt werden zur anbettung. Papist. Der Aff kombt widerumb zu seiner Stangen. Welcher Christ hat jemals die Bilder auffgericht zu anbettung? Wer hat sie angebettet? Lutheraner. Er hat das aus dem gefolgeret, daß die Leuth sich vor den Bildern naigen und bucken. Papist. Wann der Predicant seiner hohen Obrigkeit Namen nennet, oder höret nennen, er aber sich naigt und bucket, bettet er seiner hohen Obrigkeit Namen an? O tölpel, wo seyn wir im Landt? Sich naigen und bucken vor einem Bildt, ist nicht das Bildt anbetten. Ich begehe kein Abgötterey, wann ich, wie billich ist, den Hut rucke oder die Knye biege, so offt ich nenne und höre nennen den Namen Jesus. Dann das bin ich schuldig zu thun: Ad Phil. c.2. Keiner auch kan mich einer Abgötterey beschuldigen, wann ich mein Haupt vor einem Bildt entblösse. Hussit. Er hat gesagt, die Bilder sollen keines wegs auffgestelt werden zur zierde: dann der heilig Paulus hat geschriben, Meydet allen bösen schein. 1. Thessal. c. 5. Papist. Mit dem will der Predicant schön machen seinen Maister und Ertzdieb und Kirchenrauber Calvinum. Heinricus Bischoff zur Rurmonden in Oratione ad Mauritium Comitem Nassovium schreibt, daß Calvinus sambt seinem Gesellen Theodoro Beza zu Türsch in Franckreich auß den Kirchen daselbs zwey tausent Marck Silber und tausent Marck Golt gestolen und geschmeltzt, und solche köstliche Schätz in ihren eygen nutz verwendet. Aber die schwartze Katz muß sich lang lecken, biß daß sie sich weiß macht, und der Predicant lang schreyen, biß daß er sey- [18] nen Calvinum beschönet. So kan auch der Predicant die angezogne wort auß der ersten Epistel ad Thessal. Cap. 5. oder den schein nicht verstehen auff die Bilder. Dann zum ersten der H. Evangelist Lucas, wie der H. *Hieron.[nymus] redt, war des heiligen Apostels Pauli comes individuus, gesell und gefert [Gefährte], und war allezeit umb den heiligen Apostel, hat etliche Bilder unser lieben Frauen gemahlet. Wann der H.  Apostel Paulus were wider die Bilder gewesen, hette er solches nit gelitten. Zum andern, der uralte Lehrer Ioannes *Chrysostomus hat in seinem Zimmer gehabt das Bildt deß H. Apolstels Pauli: und der H. Apostel Paulus hat durch sein

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Bildt offt geredt mit dem H. uralten Lehrer Ioan. *Chrysost[omus]. Zum dritten, kein Lehrer hat jemals dieselbige gedeuttet auff die Bilder. Zum vierten hat der H. Apostel Paulus mit denselbigen worten zu verstehn geben allen Christen, daß sie nichts27 böses under dem schein deß guten28 reden und thun, noch böse Lehr mit der H. Schrift bekräfftigen sollen. Item, eben mit disen worten will er die Calvinisten auch ermahnet haben, darmit sie nicht Bildtstürmerey mit der H. Schrift verthädigen, und under dem schein der Religion die Bilder abthun. Hussit. Wie ist das zu verstehn, daß der Predicant nicht allein mit vilen Schrifften auß der Bibel sein hohe Obrigkeit angehetzt hat Bilder zu stürmen, sonder auch ihr allezeitliche Wolfahrt verheissen, wann sie wirdt [würde] alle Bilder allenthalben abthun, und alles abschaffen, was ihrem Gewissen und Religion zuwider ist. Lutheraner. Ich sihe von weiten ein Wolffsgruben. Wir werden alle hinein müssen, und tantzen wie er uns wirdt pfeiffen29. Papist. Ich wolte umb euere Religion nicht ein schnelling [i.S.v. Schnips] geben, sintemal baldt von ihr weder stil noch stumpff wirdt verhanden seyn. Hussit. Das were zu grob. Were wider die Landttaffel30 gehandlet. [19] Papist. Man wirdt sich nicht an die Landttaffel binden. Hussit. Were wider den MayestatBrieff. Papist. Er hat jetzunder die letzte ölung empfangen. Wirt uns geschehen was widerfahren ist dem jenigen Bauren, welcher auff dem Weg ein verfrornene [steifgefrorene] Schlangen auffgehebt [aufgehoben], und in sein warme Stuben getragen hat: Sobaldt die Schlang ein wenig erwarmet, hat sie den Bauren sambt Weib undt Kindt auß der Stuben gebissen.

27 In Vorlage „nichst“. 28 In Vorlage „gutes“. 29 In Vorlage „pfeuffen“. 30 Bei der seit dem 14. Jahrhundert bestehenden Böhmischen Landtafel handelte es sich um ein buchförmiges Verzeichnis der Privilegien, Rechte und Gerichtsurteile, welche sowohl die einzelnen Adeligen wie auch die gesamte Landschaft betrafen.

Bericht von den UngötzenBildern N° 97 

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Lutheraner. Zu disem intent hat der Predicant seiner Obrigkeit alle Wolfart verheissen. Papist. Grosse Wolfart haben die Bildtstürmer, wie die Bauren Spieß tragen, also prosperiren sie. Grosse Bildstürmer, Kayser Philippicus, Kayser Leo, Isauricus, Kayser Constantinus, Copronymus, Kayser Leo Armenius, Kayser Michael Balbus, Kayser Theophilus, haben durch die Hächel müssen lauffen. Anno 1529. zu Basel wircket das Oecolampadisch Evangelion so vil, daß alle Hültzene Bilder zu scheitter gemacht, die Silberne aber der Müntzbanck zugetragen worden. Und alß in der Faßnacht alle Hültzene Bilder zu hauff geführt, und mit Feuer angestäckt, hat sich darbey der Häncker munder gebraucht, welcher ein groß schwer Crucifix zum Feur geschlaifft mit seinem Roß: und alß er hernach sein Weib ermordt, ist er eben mit demselben seinem Pferdt zum Galgen hinauß und auff die Richtstatt geschleifft31 worden. Oecolampadius32 aber ist mit umbgekrümbten Hals todt im Bett gefunden worden. Hussit. Kan auch anderen widerfahren. GOtt laßt nicht mit sich schertzen: Kan wol borgen ein Zech: seind noch nicht alle schlaffen gangen, die ein böse Nacht sollen haben: vil seind zwischen zween Sessel nidergesessen. Aber weitter: Der Predicant hat auff die Cantzel gebracht alle gründt, auff welche die Papisten ihre Bilder gründen. [20] Lutheraner. Wir wöllens hören. Hussit. Der erste grundt auff welchen die Papisten ihre Bilder gründen ist diser: Die heilige Schrifft ist den Götzen allein zuwider, und nit den Bildern. Papist. Was hat der Predicant darauff gesagt? Hussit. Zum ersten hat er seinem wahn33 nach ohne ursach gesagt, Die heilige Schrifft ist den Bildern zuwider. Darnach hat er gesagt: Gleich wie alle Menschen in dem Neuen Testament nicht weniger als in dem Alten Testament schuldig seyn zu halten die zehen Gebott Gottes: also seind sie auch schuldig zu halten die heilige Schrifft, welche die Bilder verbotten hat.

31 In Vorlage „geschleipfft“. 32 Johannes Oecolampadius (1482–1531), zwinglianisch-bucerianischer Theologe und Reformator von Basel. 33 In Vorlage „wohn“.

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Papist. Der Predicant redt wider die Sonne: sintemal augescheinlich und handtgreifflich ist, daß die heilige Schrifft den Christen niemals verbotten hat die Bilder, welche Bilder uns von Gott nicht abführen, uns auff frembde Götter nicht weisen, auch mit Göttlichen Ehren nicht angebettet werden. Was der Predicant von zehen gebotten gesagt hat, kan er nicht außführen: aber ich will es außführen: Im ersten Gebott Gottes stehen auch dise wort, ‚Du solt dir kein Bildtnuß machen‘: Welche wort Bilder verbieten, und dieweil dise wort stehen im ersten Gebott, binden sie auch die Christen und verbieten ihnen die Bilder. Darauff zum ersten gib ich antwort wie zuvor, und sage, nit alle Bilder können seyn durch dise wort verbotten: sintemal die ehrene Schlange auch ein Bildt war, und so lang die Juden nit mißbrauchten, liesse es Moyses, Josue, Samuel und andere Regenten, auch König under den Juden passiren: Moyses widerumb liesse machen die Cherubin, dise und andere Bilder liesse machen König Salomon. Christus unser Herr und Heylandt hat zweymal sein heiligist Angesicht auffgedruckt: und andere Exempel mehr. Zum andern, [21] wiewol ich wolte etwas dem Predicant nachgeben und sagen, alle und jede Bilder seyn verstanden worden in dem ersten Gebott, ‚Du solt dir kein Bildtnuß machen‘: Dennoch wurde der Predicant nichts können auß dem zwingen, wurde müssen verdammen alle Bilder, auch aller Fürsten abcontrafey. Darnach wolte ich fragen den Predicant, ob nit auß den zehen Gebotten eins ist: ‚Gedenck deß Sabbathtags, daß du ihn heiligest‘. Wann diß auß den zehen Gebotten eins ist: Warumb halt der Predicant seine Calvinisten nit zu dem Sabbath? warumb feyren nit die Calvinisten den Sabbath? Was geht34 sie an der Sontag? Seindt doch alle schuldig die zehen Gebott zu halten und consequenter den Sabbath zu feyren: und wann alles was in den zehen Gebotten begriffen ist, sowol im Neuen als im Alten Testament gültig seyn und sein esse haben und binden soll, wirdt35 auch der Sabbath sowol in dem Neuen als Alten Testament sein esse haben und gelten und die Leuth binden. Lutheraner. Der Predicant ist jetzt im Korb, kan nit herauß. Papist. Wir Papisten können red und antwort darauff geben. Dann alle Menschen, auch die, so meiner Religion nit zugethan, müssen bekennen, daß nicht alles was in den zehen Gebotten stehet, ist prӕceptum naturale, oder ein Gebott, das allezeit den Menschen bindt, sondern in den zehen Gebotten seyn auch begriffen Jüdische ceremonien, welche allein in dem Alten Testament Macht36 haben gehabt zu binden:

34 In Vorlage „geth“. 35 In Vorlage „/ soll wir“ statt ‚soll, wirdt‘. 36 In Vorlage „macht“.

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im Neuen Testament aber haben sie die Macht mit ihrem esse verlohren. Also im dritten Gebott Gottes, wiewol der Sabbath begriffen ist, dennoch diweil er nur war ein Jüdische ceremoni, hat er allein Macht gehabt in dem Alten Testament die Leuth zu binden, in dem Neuen Testament hat er dise Macht verlohren. Also, wiewol im ersten Gebott stehet, ‚Du solt dir kein Bildtnuß machen‘, und etliche [22] dise wort ziehen und deuten auff alle und jede Bilder, dennoch diß verbott war nur eine Jüdische ceremoni, hat sein esse und valor nur gehabt in dem Alten Testament: In dem Neuen Testament ist diß verbott nicht gültig. Lutheraner. Also kan der Predicant uns von unserem grundt nicht treiben: Ist am tag, daß kein Göttliche Geschrifft wider die Bilder der Christen ist. Hussit. Der ander grundt, auff welchem der Christen Bilder stehen, ist diser: Im Tempel Salomonis warde auch Bilder, derowegen können [erg. solche] auch in den Kirchen seyn. Papist. Diß erkenne ich nicht für unseren grundt: aber ich wills lassen passiren: Was hat der Preicant darauff gesagt? Hussit. Er hat bekent, daß Bilder gewesen seyn in dem Tempel Salomonis, und hat nicht können dieselbige Bilder tadlen oder carpiren [i.S.v. bekritteln]: Hat aber hinzugesetzt daß keines todten Heiligens, wie etwa37 deß todten Abrahams, Isaac, Jacob, Bildtnuß in dem Tempel gewesen ist. Papist. Ich wolte nicht Küchel [Küchlein] oder Krapffen oder Böhmisch Collaz darfür essen. Dann mi dem gibt der Prediger zu verstehen, daß Gottes und Christi und seiner Englen Bilder wol können seyn in der Kirchen, sintemal sie lebendig seyn, und der Predicant allein der todten Heiligen38 Bilder in den Kirchen nicht will leyden. Darnach was er von den todten Heiligen, als Abraham, Isaac, Jacob gesagt hat, hat er mit dem nicht allein uber die schnur der warheit gehauen, sonder auch wider das heilige Evangelium geredt. Dann Marci am 12. lesen wir also: ‚Ich bin der Gott Abrahams und der Gott Isaacs und der Gott Jacobs‘: Es ist kein Gott der todten, sonder es ist ein Gott der lebendigen. Widerumb die Juden zwar haben gesagt Joan. Cap. 8. ‚Abraham ist gestorben und die [23] Propheten‘: aber Christus gab antwort und sprach, ‚Abraham euer Vatter hat sich erfreuet , daß er meinen tag sehen soll: und er hat ihn gesehen und sich erfreuet. Wie können die Heiligen Gottes todt seyn?

37 In Vorlage „als“ statt ‚wie etwa‘. 38 In Vorlage „der Todten heiligen“.

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Ist nicht Moyses, ist nicht Elias auff dem Berg Tharbor Christo erschinen?‘ Der Predicant kan lesen das 15. Capittel deß andern Buchs der Machabeer vom Onia und Jeremia, wirdt sehen und greiffen, daß die Heiligen Gottes im anderen Leben auch leben. Derowegen die Heiligen Gottes nicht todt seyn Joan. C. 6. Ich bin das lebendig Brodt vom Himmel kommen: Wer von disem Brodt essen wirdt, der wirdt leben in ewigkeit. Hussit. Die Papisten sagen, man soll die Bilder lassen passiren, darumb, daß die Menschen sich darbey erinneren der gutthaten Gottes. Lutheraner. Was hat der Predicant zu disem gesagt? Hussit. Es stehet nicht bey den Menschen, daß sie ihnen [i.S.v. sich] ein offentliche gedechtnuß der Wolthaten Gottes stifften, sonder bey dem Allmächtigen Gott. Papist. Der Predicant will witzig seyn, gleich wie die jenige, welche ihrer mainung nach hören das graß wachsen, und sehen die Flöhe husten. Solche Witz aber verursacht Unwitz. Dann ist nicht ein grosse Unwitz, uns Papisten das verargen, was im schwung und schwang ist bey den Calvinischen Predicanten? Der Predicant verarget uns die offentlich Gedächtnuß der Wolthaten Gottes, welche wir uns machen, und die Calvinische Predicanten machen hin und her offentliche Gedächtnuß der Wolthaten Gottes. Dann was seyn ihre Gebettbüchlein anders als ein offentliche Gedächtnuß, darbei die Calvinisten sich erinneren der Wolthaten Gottes? steht nicht bey ihnen solche Gedächtnuß stifften? Widerumb Maria Magdalena hat die Salben auff Christi Leib gegossen, zu einer bedeuttung und Gedächtnuß seiner begräbnuß. Ist nicht ein grosse Unwitz sagen, Maria [24] Magdalena hat diß nicht können thun, und mit Juda an ihr den unfletigen Saurüssel reiben? Widerumb das Weib, welches unser Herr und Haylandt Christus von der zwölffjärigen Kranckheit gehailet hat, liesse Christi Bildt in Ertz giessen und auffrichten. Ist nicht ein grosse Unwitz dasselbig tadlen, und sagen, bey ihr ist nicht gestanden, ein solche Gedächtnuß stifften? Dasselbig Bildt ist 300. Jahr unverletzt zu Cӕsarea Philippi39 mit grossen wolgefallen Gottes, sintemal untern Füß allezeit ein unbekannts kraut auffgewachsen, welches so baldt es den Saum40 deß Bildts angerüret, für allerley Kranckheit hailsam gewesen. Was will der Predicant darwider? der abtrinnige Keyser Julianus hat befohlen dasselbig Bildt weg zu thun. Will der Predicant deß Juliani Aff seyn, und ihme das nachthun? Wie vil hundert ja tausent Heilige Gottes,

39 Zu dieser Legende siehe *Eusebius und Dobschütz. 40 In Vorlage fälschlich „Samen“; vgl. *Eusebius.

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vil Keyser und König, haben ihnen [i.S.v. sich] mit den Bildern solche Gedächtnuß gemacht. Ist nicht ein grosser Unwitz sagen, diß haben sie nicht sollen thun? Christus hat sein heiligst Angesicht zweymal abgedruckt, und uns darmit ein Exempel geben, daß wie er gethan hat, auch wir thun. Hussit. Der vierte grundt für der Papisten Bilder war diser: wegen deß Mißbrauchs eines dings, muß man darumb das ding selbs nicht verwerffen: also mag man wol die Bilder in den Evangelischen Kirchen behalten. Papist. Der Predicant hette sollen darthun und erweisen den Mißbrauch der Bilderen und uns Papisten beschuldigen deß Mißbrauchs und Abgötterey, und uberweisen. Das wär41 redlich gewesen. Vil aber sagen auff die Bilder, und beschuldigen die Papisten deß Mißbrauchs, und das nicht erweisen, ist unredlich. Aber was hat er darauff gesagt? Hussit. Die Regel gilt nicht in den sachen, die nicht nötig, sondern gefährlich seyn. Papist. Der Predicant hat wöllen sagen, was nicht von [25] nöthen, sondern gefährlich ist, das soll man abschaffen: Bitterbier, Schwartzbier, Jörgerbier, Rakonitzerbier ist unvonnöthen und von den Menschen gemacht und gefährlich, verursacht Hummeln42 in dem Kopffe: derowegen muß mans abschaffen. Was werden die Bierschenck darzu sagen? Hussit. Ich mercke den bossen. Der Predicant will unserm Herrn Christo ein Schellen anhencken und sagen, in dem Christus sein heiliges Angesicht zweymal abgedruckt hat, hat er ein unnötige und gefährliche Sach gestifft. Papist. Wann der Predicant uber die Dialecticam nur wie ein Haan uber die feurige Kolen were geloffen, wolte ich auff die ban [Bahn] bringen etliche distinctiones necessitatis. Dieweil ich aber auß diser antwort kan mercken, daß er weniger als mein Schuch darinn erfaren: will ich ihme also fein grob begegnen: was Speck gibt in die Bratwürst, und Meel in Brey, das ist nötig, necessitate secundum quid, auff wenigist oder ad melius esse, und nicht gefehrlich. Oder ich will also sagen: Was nutzet zu der andacht und gibt der Sach ein zierd und gestalt, das ist nötig, und nit gefährlich. Die Bilder aber nutzen zu der andacht, und geben den Kirchen ein zierdt: seindt auch den Leuthen eintweder ein sporn und machent das Rößlein lauffen zu

41 In Vorlage „wer“. 42 In Vorlage „Humel“.

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der andacht, oder seind stupffgärten43, stupffen und treiben die faule Ochsen fort zu der andacht: Die Menschen auch folgen denen Heiligen nach, welcher Bilder sie sehen44, daher imago genent wird quasi imitago, nutzen auch nicht allein denen, die nicht lesen können, wie solches *Augustinus de doctrina Christi bezeugt, sondern helffen auch den Hochgelehrten Männern zu der andacht, wie solches erfahren hat der uralte Lehrer *Gregorius Nyssenus. Hussit. Der fünffte grundt für die Bilder ist diser: Wann man soll alle abgöttische Sachen abschaffen, muß man nicht allein die Bilder, sonder auch die Canzel und die Kirch abbrechen. Papist. Abraham Scultetus sihet nit wol, sihet ein Haa- [26] sen für ein Kuh45 an, und unser Kirchen fü abgöttisch. Was hat er darauff gesagt? Hussit. Er lehre nicht, daß man alles das jenig zerbrechen solle, was die Menschen zu Abgötterey mißbrauchen können, sondern deren man wol gerathen kan, und welche gefehrlich seyn: Also die Priester zur zeit Judӕ Machabӕi haben nit zerbrochen den Tempel. Papist. Mit seiner ursach hat er sich widerumb geschlagen: Wann die Kirchen der Papisten und Canzel[n] abgöttisch seyn, seyn sie gefehrlich, und nit allein kan man, sondern muß man46 deren entrathen, und man muß die abtragen. Darnach diweil das Calvinisch regiment im Böhmerlandt wie ein tantz auff die Hochzeit fürkombt, soll billich der Predikant rathen zur abbrechung der Kirchen: damit nit widerumb die Papisten, wann sie oberhandt werden haben, [sie] mißbrauchen. Zum dritten was der Predicant sagt von den Priestern zur zeit Judӕ Machabӕi, kan dem Predicant nicht helffen, darumb daß dasselbig geschriben stehet in der Machabeer schrifften, umb welche die Calvinisten kaum ein stück Brot geben. Zum vierten, haben die Priester damals den Tempel lassen stehen darumb, daß ihre glaubige vorfahren denselbigen gebauet haben, und die Heyden [ihn] allein entweichet [entweiht]. Lutheraner. Ich weiß wol, wo der Schuch den Predicant truckt: Die Calvinisten müssen Golt haben, bauen nicht gern Kirchen: Haben also ihr contento in der Papisten Kirchen.

43 D.  h. ‚Gerten zum Anstupfen‘ beim Viehtreiben. 44 In Vorlage „welcher sie bilder sehen“. 45 In Vorlage „Khu“. 46 In Vorlage „man muß“.

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Hussit. Der sechste grundt für die Bilder ist: wann man die Bilder abschafft, muß man auch Sonn und Mon abschaffen, sintemal, wie die Papisten die Bilder, also die Heyden Sonn und Mon pflegen anzubetten. Lutheraner. Was hat der Predicant darauff gesagt? Hussit. Es folgt gar nicht: sintemal Sonn und Mon Creaturen Gottes sein, die Bilder aber sein nicht Gottes, sondern Menschen geschöpff. [27] Lutheraner. Der Predicant hette vil mehr sollen sagen: Sonn und Mon sein uns zu hoch, wir Calvinisten könnens nicht ersteigen: Wann wirs möchten ersteigen, wolten wir Sonn und Mon herunder reissen, und auff die Erden werffen, und mit Füssen tretten. Hussit. Wann der Predicant bekent, daß zwar Sonn und Mond so schädlich und gefährlich sein wie die Bilder, aber man muß [sie] lassen passiren, darumb, daß sie Gottes geschöpff sein: Macht der Predicant ein guten handel allen Dieben und Mördern, welche, wiewol sie schädlich und gefährlich sein, dieweil sie aber Gottes facturen und Creaturen sein, muß man sie lassen passiren. Lutheraner. Ich kans nit lenger halten, was ich offt hab wollen sagen. Hussit. Was ists dann? sag, damit nit ein Kropff darauß entstehe. Lutheraner. Der Predicant kombt mir für, wie der Schuster zu47 Orlamunda, welcher mit meinem Doctor Martin Luther daselbs disputirt hat48, Anno 1524. Als er gen Orlamunda kam, und wolte daselbs wider die Bildtstürmer die Bilder erhalten, trat ein Schuster herfür und sprach: Ich hab offt fůr ein Bilde an der Wandt oder auff dem Wege mein Hut abgezogen: das ist ein Abgötterey und Gottes unehre und der armen Menschen grosser schaden, darumb soll man Bilder nit haben. Sprach Martin : so must du deß mißbrauchs halben auch Weiber umbbringen, auch den wein verschütten [i.S.v. wegschütten]. Antwort ein ander auß der gemein, nein49, das sein Creatur von Gott uns zur hülf und notturft erschaf[f ]en, die er uns nit befohlen hat umbzubringen: die Bilder aber, die Menschenhändt gemacht haben, die sein uns

47 In Vorlage „zur“. 48 Das Gespräch Luthers mit dem Schuster wurde aufgezeichnet von Martin Reinhard, → N° 13, (STR1, S. 200). 49 In Vorlage „nain“.

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befohlen abzuthun. D. Martinus hielt aber fest auff dem wort Abgöttische Bilder. Sprach der Schuster wider: ja ich wolt dirs wol nachlassen, wann nit in Moyse alle Bilder verbotten were[n]. Sprach Martin: [28] Es stehet nit in der Schrifft, sagt der Schuster: Es gilt, was du willt, es stehet darinn. Und schlugen die Händt zusammen und wetten. Sprach der Schuster: was ist das gesagt, Gott spricht: Ich will mein Braut nackent haben, und will ihr das Hembd nit anlassen. Da sanck Martinus nider, strich mit seiner Handt uber das Angesicht: bedacht sich und sprach: Ey höre zu, das heist Bilder abthun, ey wie ein seltzam teutsch ist das? ich will mein Braut nackent haben, soll eben so vil heissen, als ich will kein Bildt haben. Hussit. Abraham het schir gesagt Stultetus kombt eben mit diser Schusterischen Probation und erweisung wider die Bilder. Lutheraner. Er will auch sein Braut oder die Schloßkirchen nackent haben. Pfui der schandt. Papist. Eins muß ich noch sagen und dem Predicant in Bart reiben. 4. Reg. 18. König Ezechias thet ab die hohen und zerbrach die Seul, und reuttet die Wäld auß. Wann wie der Predicant sagt, man nicht soll die Creaturen Gottes abthun, wiewol sie gefährlich seyn, sonder auch wegen deß mißbrauchs bleiben lassen, warumb hat König Ezechias das Holtz und den Wald lassen außhacken, in welchem Holtz vil Abgötterey geschehen? Oder ist das Holtz kein Creatur Gottes? Hussit. Der sibende grundt für die Bilder: die Bilder geben ein zierdt der Kirchen, und darumb soll man sie nicht abbrechen. Lutheraner. Freylich geben die Bilder ein zierdt der Kirchen, gleich wie die Kleyder und gestalt geben der Braut. Was hat er aber darauff gesagt? Hussit. Mehr als er hat können. Er hat gesagt, zum ersten die Bilder seyn ein schandtfleck und ergernuß: Darnach man soll folgen den Exempeln der frommen Könige50 im Alten Testament, welche, alsbald sie in die Regierung eingetret- [29] ten, die Götzenbilder abgethan haben. Zum dritten ist er kommen mit der Ehrinen Schlangen: Zum vierten, hat er gesagt, der Prediger auff der Canzel ist ein zierdt. Papist. Der Himmel hette sich allein nicht sollen biegen, sonder auch einfallen, also hat der Predicant gelogen. Er hat gelogen, in dem er gesagt, die Bilder seyn ein

50 In Vorlage „Königin“.

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schandtfleck. Hat darmit Gott und seine Heylige geschendet. Dann gleich wie jener den König schendet, welcher deß Königs Bild schendet, also welcher Gottes und seiner Heyligen Bilder schendet, der schmehet Gott und seine Heyligen. Wie solches die uralten Lehrer weitleuffiger außführen, Tarasius in Act. 4. Syn. 7. Basilius in c. 13. Esa Chrysoii. in homilia in parabolam de semente. Damas orat. 3. de imag. Lutheraner. Man soll dem Predicant die Zunge mit einem Messerlein temperiren und verkürtzen, sintemal sie zu lang und zu scharpff ist. Papist. Freylich soll man dem Exempel deß Königs Asa folgen, welcher in dem eingang seines Königreichs alle Abgöttische Götzen seines Vatters abgethan. und das Silber und Goldt und Geschirr, und alles was geheiliget zum Hauß Gottes in das Hauß Gottes gebracht hat. Aber man hat den Geist deß Königs Nabuchodonosor, welcher den Tempel Gottes geblündert hat. Wann Gott den Geist deß abtrinnigen Juliani, welcher die Kirchengüter zu sich genommen und gesagt, selig seind die arme, denn ihr ist das Reich der Himmelen. Man hat den Geist des gottlosen Keysers Constantini Copronymi, welcher auß der Kirchen ein guldine Cron genommen, auff seine Kopff gesetzet und gesagt, Christus wölle die Armut und nit die Schätz und Edelgestein in seiner Kirchen haben. Lutheraner. Daß aber der Predicant gesagt hat, der Predicant auff der Cantzel ist ein zierdt: hat ers wol getroffen: der Predicant auff der Cantzel ist ein zierdt, sicut bos in quadra [30] argentea, wie König im Kartenspiel, wie die Katz auff dem Tisch deß Marcolfischen Königs, wie ein Khue [Kuh] auff dem Nußbaum, wie ein Narr uber die Eyer gesetzt. Hussit. Was halst du von der Ehrenen Schlangen? Papist. So lang die Juden das Bildt der Ehrenen Schlangen nit mißbrauchten, sondern der wolthaten Gottes sich darbey erinnerten, ließ es Moyses, Josue, und andere Regenten unter den Juden passiren: so baldt aber die Juden diß Bildt mißbraucheten, ist es vom frommen König Ezechia zerbrochen worden. Auß dem können die Calvinisten nichts wider unsere Bilder spinnen, können kein Kindt nennen, welches zu Prag die Bilder mißbraucht hette, vil weniger werden sie einen Mann oder Weib nennen. Hussit. Der acht grundt für die Bilder ware diser: Wolt ihr Calvinisten klüger sein als die Alten? vor vil hundert Jahren haben unsere Vorfahren die Bilder in disem orth lieb und werth gehabt.

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Lutheraner. Was hat er darauff gesagt? Hussit. Ob wir (sprach er) klüger wöllen sein alß die Alten, darauff laß ich antworten den König David Psal. 119. Ich bin klüger dann die Alten. Vor zwölff hundert / dreyzehen hundert Jahren etc. war kein Bildt, kein Kelch, kein Altar, kein Meßgewandt, wie solches Justinus Martyr, *Irenӕus, *Tertullianus, *Cyprianus bezeugen. Papist. Der Predicant kan51 seine Calvinisten mit dem König David nicht collationiren noch vergleichen: König David hat gesagt zwar, Ich bin klüger dann die Alten. Aber er hat die Ursach hinzu gesetzt, warumb er klüger sey denn die Alten, und gesagt, er sey darumb klüger denn die Alten, daß er Gottes Gebott gesucht hatte. Das können die Calvinisten nicht sagen. Wann die Calvinisten ihnen [i.S.v. sich] einbilden, daß sie können Gottes Gebott nicht halten, [31] so suchen sie nicht Gottes Gebott: Wann die Calvinisten Gottes Gebott nicht suchen, seind sie nicht klüger dann die Alten. Zu dem König David hat auß allen seinen kräfften zuberait zum Hauß Gottes allen Vorrath, Golt zu Guldinen, Silber zu Silberin, Ertz zu Ehrinen, Eysen zu Eysenen, Holtz zu Höltzenen Geschirr, Onichstein, eingefaste Rubin etc. Uber das hat er geben drey tausent Centner Golts von Ophir, und siben tausent Centner Silbers, hat die Potentaten seines Landts verursachet, daß sie zum Hauß Gottes gegeben haben fünff tausent Centner Golts, zehen tausent Centner Silbers, achtzehen tausent Centner Ertz, hundert tausent Centner Eysen. 2. Paral. c.29. Ey wie fleissig thun dis die Calvinisten dem David nach? Darnach daß der Predicant gesagt hat, vor zwölff hundert 13.hundert Jahr etc. war kein Bildt, kein Kelch, kein Altar, kein Meßgewandt, wirdt er diß in ewigkeit nie wahr machen. Christus hat das Bildt seines heiligisten Angesichts dem König Abagaro zugeschickt, und ein anders Bildt bey der frommen Veronica verlassen. Das Weib von Christo curiert, hat lassen Christi Bildt in Ertz giessen. Der heilig Evangelist Lucas hat unser liebe Frau etlich mal abgebildet. Nicodemus hat Christum abgemahlet. Der erste Christliche Keyser Constantinus , wo er Kirchen zu Rom, zu Constantinopel, zu Jerusalem gebauet, hat dieselbige geziert mit vilen Silbernen und Guldenen Bilderen: apud *Euseb. l.3. c.4. de vit. Const. Zu Rom ist zu sehen der Altar, auff welchem der heilig Apostel Petrus Meß gelesen. Tertullianus l. de pudi. gibt zeugknuß, daß zu seiner zeit auff den Kelchen gemahlet sey worden Christus in der gestalt eines Hirtens. Justinus Martyr. in dial. cum Tripl. *Irenӕus c. 32. *Cyprianus l.2. c.3. gedencken der Meß. Lutheraner. Wie offt hat der Predicant gelogen?

51 In Vorlage „san“.

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Hussit. Wann dem Predicant, wie vor zeiten vom Alex- [32] andro Magno dem Poeten Cherilo für ein jedes böses Carmen geschehen, ein Maultaschen soll werden, würde er keine Zähn mehr im Maul haben. Papist. Vom Meßgewandt kan der Predicant lesen die andere Predig am tag S. Laurentii, welche P. Georgius Scherer52 gethan und andere mehr. Lutheraner. Der Predicant will das Liecht halten und leuchten denen, welche auß unseren und eueren Kirchen im Sinn haben zu nemmen Kelch und allen vorradt. Papist. Auff das geht er. Gleich wie ihr Hussiten in einer Statt Prag vil Clöster, das Closter bey S. Apollinarem, das Closter bey S. Catharinam, das Closter Zderatz, das Closter in Emauß, das Closter unser lieben Frauen ad Nives, das Closter in Strohof, und noch andere Clöster in der Statt Prag gestürmet habt, also wird man euere Kirchen stürmen. Kein Gut blaibt lang bey seinem unrechten Herrn. Hussit. Ich lasse mich nit auß der Nuß bringen. Ich komme zum neundten grundt für die Bilder. Wann man die Bilder je will abthun, so soll man sie auß dem Hertzen thun, darnach auß den Augen. Papist. Zum ersten soll der Predicant weder ein Zeißlein für ein Khue, noch ein Khue für ein Zeißlein, noch Götzen für Bilder ansehen, soll nit vergleichen böß mit gut, noch Teuffel mit Gott, noch Götzen mit Bildern. Zum andern, wann er dise wort verstehet auff die Bilder, hat ihme diß sein schwartzer Gott im Himmel, da das Feuer zum Fenster außschlegt, gesagt: und er will darmit alle Gedenckzeichen und memorialia Gottes und seiner Heyligen auß dem Menschlichen Hertz reissen, nach dem [33] Sprichwort: Auß den Augen, auß dem Hertzen. Zum dritten, hat er wider den heiligen Geist und sein Schrifft, wider Gott und wider die Menschen geredt. Hussit. Der letzte grundt für die Bilder war: die Leuth ärgeren sich an der abschaffung der Bilder. Papist. Wer wolt sich nit ärgeren? Gott hat in dem Alten Testament befohlen seinem Propheten Moysi Bilder zu machen und auffzurichten. Auß eingebung Gottes hat Salomon Bilder in seinem Tempel lassen machen. Christus hat außgethailet die Bilder seines Angesichts. Der heilig Evangelist Lucas hat Bilder gemahlet. Die Bilder

52 Georg Scherer SJ (1540–1605), Reformationsgegner und Hexenverfolger.

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im anfang der Christenheit bey den heiligen Christen waren gang: und gehnhafftig [i.S.v. üblich]. Gott hat durch die Bilder vil wunderzeichen gewircket. Und jetzunder will der Predicant Bilder abschaffen. Wer wolte sich nicht ärgeren? Aber was hat der Predicant darauff gesagt? Hussit. Ligt wenig dran. Sie ärgern sich auch an deß Herrn Christi Predigen. Papist. Freylich ärgeren sich die Calvinisten wie die Juden an deß Herrn Christi Predigen. Die Juden und Calvinische Predicanten seyn zwai Goller53 eines läders [Leders]. Als Christus gepredigt hat und gesagt Ioan. c.6. Mein fleisch ist warhafftig ein Speyß, und mein Blut ist warhafftig ein Tranck: ärgerten sich die Juden daran, und woltens nit glauben. Thun nit das die Calvinische Predicanten in ihrem Abentmal? seind sie nit und die Juden in diser Waag gleich? Lutheraner. Wie hat der Predicant sein Predig beschlossen? Hussit. Mit dem Gebett. Er hat gebettet für sein Obrigkeit und für unser Königreich. Papist. Wir wöllen auch unser Gespräch also beschliessen: O Gott, wir bitten dich, straffe nicht, wie du den König Nabuchodonosor gestrafft hast: welcher deiner Göttlichen [34] gerechtigkeit Instrument und Werckzeug oder Organum ward, aber deinen Tempel und was darinn gewesen, gestürmet hat: straffe nit, wie du gestraff hast den König Balthasar, welcher auß den Geschirren, die man auß dem Tempel genommen, getruncken, straffe nicht, wie den König Antiochum, welcher auch deinen Tempel entweyhet und verwüstet hat, straffe nit , wie den abtrinnigen Keyser Julianum, der dein Bildt zu Cararon Philippi54 von dem frommen Weib, welches du von ihrer zwölffjärigen Kranckheit curirt hast, auffgericht, befohlen abzuthun, straffe nicht wie den Bildtstürmerischen Kayser Constantinum Copronymum, welcher zwar die Guldene und Edelgestainene auß der Kirchen genommene Cron auff sein Kopff auffgesetzt, aber sein Kopf ward mit der Pest, welche wir nennen Carbunculum, geschlagen. Amen. E ND E .

53 Ein ‚Goller‘ (oder ‚Koller‘) ist ein über die Schulter ragender Kragen. 54 Gemeint ist (wie oben) Caesarea Philippi. Vgl. Dobschütz.

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Editorische Notiz Bearbeitungsvorlage [Anonymus:] Einfältiges Gespräch | vber den kurtzen | Aber vnschrifftmässigen Bericht | Von den | VngötzenBildern | An die Christliche Gemein zu Prag / Als auß vngnädigsten befelch die Schloß-| Kirch von allem Gottswerck vngesäubert | Durch | Abraham Scultetum | vast | Jn ein- vnd außgang deß Christmonats | Anno | 1619. | Gedruckt zu Prag | 1620. Exemplar der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg, Sign. 4 Gs Flugschr. 1049 – Zahlreiche Exemplare erhalten, auch weitere Auflagen.

LIT zvdd, VD 17

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 N° 97 [Anonym]

N° 98 [Anonym] Extract eines schreibens auß Prag wegen zerstörung der ­Thumbkirchen [1620]

Der anonyme Verfasser der vorliegenden Flugschrift, ist, wie sich aus dem Text ergibt, ein hochgestellter katholischer Laie, der die Gegebenheiten am Prager Hof gut überblickt und die hochrangigen Beamten des Winterkönigs persönlich kennt; was ihm ermöglicht, als Augenzeuge den ikonoklastischen Aktionen im Veitsdom beizu­ wohnen. Friedrich V. Kurfürst von der Pfalz (1596–1632) hatte sich im August 1619 durch die in der böhmischen Konföderation zusammengeschlossnen Länder und Stände zum König von Böhmen wählen lassen. Der Dreiundzwanzigjährige zog im Oktober in Prag ein und ließ sich im November im Veitsdom krönen. Unser Autor bietet eine protokollartige Schilderung des bildstürmerischen Vorgehens, das mit Billigung des Königs und unter Leitung von Abrahm Scultetus [→ N° 96] vom 21. bis 29. Dezember 1619 stattfand. Sie ist in dieser Genauigkeit singulär. Als Augenzeuge spricht er in Ich-Form, nennt seinen Namen aber nicht, während er Namen anderer maßgeblich Beteiligter jedoch nennt. Bei der Umrüstung des Veitdoms, und dann auch aller anderen böhmischen Kirchengebäude, geht man gemäß bestimmter, vom König erlassener „Artikul“ vor. Dabei geht es um Beseitigung aller Bilder aus den Gebäuden; insbesondere um Beseitigung der Crucifixe und Gemälde auf den Altären; um Beseitigung der steinernen Altäre und deren Ersetzung durch hölzerne Tische; um Beseitigung der Taufsteine und deren Ersetzung durch „Becken“; das Kreuzschlagen und gestische Benedeien soll unterbleiben; die bildtragenden Prieserornate sollen abgeschafft werden; bei Nennung des Namens Jesu soll sich niemand mehr verneigen u.  a.  m. Dem Berichterstatter ist es wichtig, die antikatholischen Zeremoniellverstöße sowohl in der Kirchenzurüstung wie auch in den höfischen Zeremoniellbräuchen herauszustellen und zu zeigen, wie die Distanz der Prager Bevölkerung gegen den zunächst jubelnd begrüßten König und seine Entourage ständig zunimmt, Die ikonoklastischen Akte spielen bei dieser Entfremdung eine wichtige Rolle. http://doi.org.de/10.1515/9783110780031-039

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 N° 98 [Anonym]

Extract eines schreibens, welches auß Prag, einem bekandten freundt, wegen zerstörung der Thumbkirchen daselbsten, alles zur trewhertzigen warnung und erinnerung in offnen truck geben. Sampt einem schreiben an die Ottomanische Porten. Gedruckt im Jahr 1620. [3] Auß Prag vom 2. Ianuarii Anno 1620.

WEgen Außraumung der Altar Crucifix und andern Bilder auß der Schloßkirchen1 ist layder erfolgt, und ich weiß in der warheit nicht, wie ich solchen abscheulichen erschrecklichen Greuel der Gottslästerichen verwüstung beschreiben solle. Am 21. Decemb. nemlich an S. Thomas tag nach mittag hat man den anfang gemacht. Der Herr Bohußlav Berckha2, Herr Rupa3, Herr Budawitz, Herr Michalowitz, Berbistorff, Herr Daniel Slereta und viel andere, irer opinion sein darbei gewesen, alle Altär, Crucifix und Bilder abgebrochen, theil selbst mit Axt und hacken darein geschlagen. Das grosse Crucifix so uber dem Chor, mit etlichen andern Bildern underm Creutz, haben die Arbeiter wollen gemach herablassen, daß es nicht zerbrechen solte, hat man befohlen solches herunder zu werffen, und nicht zu verschonen, welches dann ein solchen erschröcklichen fall gethan, als wann daß gantze gebeu uber einen hauffen fiel. Der Berbistorff hat darzu gesagt mit dem fuß daran gestossen, hie liegstu Armer, etc. Hilff dir selbst. Unser lieben Frauen und S. Johannes Bilder haben sie zusammen gelegt, unnd so gottslästerlich darzu gemelt: Ihr habt beym leben eines das ander lieb gehabt, liebet jetzt auch eines das ander. Mit dem schönen unser lieben Frawen Bildt, so die Fraw Schlabatin etlich mal kleiden schmücken und ziehren lassen, hat man viel hon und spot, lästerung und gottloßigkeit getrieben.

Die 2. Eissengätter [Eisengatter] von deß H.  Beichtigers Johannis4 Grab hinweg gebrochen, allenthalber die Crucifix an den Steinen Epitaphien zerschlagen. Der gräber der heiligen Patronen entblost und beraubt, darbey viel erschröckliche grausame Lästerung wieder Gott und seine lieben Heiligen geredt worden, so nit zu

1 Es handelt sich um den Stephansdom. 2 War 1619/20 Oberstburggraf unter Friedrich V. 3 Vaclav Vilem von Ruppau war oberster Kanzler. 4 Johannes Nepomuk (um 1350–1393), Patron des Beichtwesens und Brückenheiliger; beigesetzt im Veitsdom.

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schreiben ist, also daß ich nicht weiß, uber welches sich mehr zu verwundern, [S. 4] uber die güte und langmütigkeit unsers frommen GOttes, oder uber die grausamkeit und verkehrte verblendung dieses unchristlichen volcks. Der hohe Altar und alle stüll [Stühle] seind auß dem Chor auch weck, der mittlere unser LiebfrawenAltar zwischen dem Chor und dem Kayserlichen begräbnuß ist biß zur Erden weg geschleifft und nieder gebrochen. Das uberauß künstliche Crucifix so Kaysser Rudolphus hochlöblicher gedächtnuß mit grossem uncosten von Maylandt bringen lassen, und beym Kays. Grab gestanden, hat der Herr Poppel Kaumb außgebetten, dasselbe, wie ich selbs gesehen, heimführen, und wie man sagt, will ers in der newen Kirchen auff den Tauffstein auffrichten lassen. Solches Altar und Bilderstürmen hat den selbigen 21. Decembris5 biß lang in die Nacht gewehrt. Die folgende tag hat man allen fleiß angewendet, damit alles recht auß der Augen geräumbt würde. Am Montag, bin ich selbst bey einer gantzen stunde darbey gestanden, und hab mit meines Hertzen betrübnuß zugesehen (ist sonst kein Catholischer in der Kirchen gewest) wie man die H. reliquien auß den zween schönen Altärn in der Pernstainischen Capeln herauß gebrochen, hienunder geworffen mit füssen gestossen und getretten, theils zerschlagen, gantze grosse auffgehauffte Körb voll häubter und andere H. gebeine so mehrer theils auß S. Ursula gesellschafft: Item deß heiligen Mauritii und seiner heiligen gesellschafft, alle mit Seiden Sammet, Ateleß [Atlas], Taffet [Taft] , und anderer güldner schöner ziehr eingefast, durch deß Calvinischen Predicanten Sculteti6 zween Küchenratzen oder diernen [Dirnen] zu verbrennen heimgetragen worden, hab mich mit fleiß darzu gefügt und bemühet, ob ich etwas von diesen7 H. reliquien bekommen möchte, aber nichts erhalten können. Als ich hinein kommen bin, hat mich herr Pauschreiber gewarnet, Er rahte mir, ich soll mich nicht lang drin auffhalten, bin fort blieben und hab der schönen Comedy zugesehen, etliche gebein hat man zerschlagen, deß Königs Doctor und raht einer ist darbey gewesen, und wie ich fast gemerckt, auff anstiefftung deß herrn Pauschreibers, sich mit allerley discursen und gesprechen zu conversieren an mich gemacht, bin ihn aber nicht auffgesessen: Hat mir wahrhafftig fürgeschnitten: Er hette under

5 In Vorlage irrtümlich „Novembris“. 6 Abrahm Scultetus, Hofprediger des Winterkönigs. 7 In Vorlage „diesem“.

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den H. Gebein deren man theils ehe ich herein kommen weggetragen ein scheidt8 oder Hirnschale von einem Hundtskopff gefunden, und dergleich gebeine mögen [S. 5] wol mehr darunder, auch wol theils vom Galgen und anderstwoher sein, die abgötterey und superstition sey bey den Catholischen dermassen groß, und hab also uberhandt genommen gehabt, daß die einfältigen Leute umb das gelt gebracht, und gar leicht mit dergleichen gebeinen betrogen worden. Der Königliche Doctor sagt mir weiter, er wolle nicht hinweggehen, biß alle diese knochen und abgöttische sachen laut9 ihrer Mayst. befehls10 hinauß geraumbt seind. Das den König darzu bewogen hab, sey fürnemlich diß, daß er in seinem oratorio zum offtern gesehen, wie in conspectu sui Catholische Leut in die Kirchen kommen, dort und da, hin und wieder vor dem Altar, Crucifixen und andern Bildern niedergefallen, und solche abgötterey vor seinen Augen getrieben, welches ihre Mayst: also die dergleichen zu sehen, vielweniger in ihrer Kirchen zu gedulden gar ungewont frembt vorkommen, derowegen selbsten diese tage in der Kirchen hierumb spaciren gangen, den augenschein recht eingenommen vor wehme [wem] doch die Elenden Leute, also abgöttische Ceremonien gebrauchet, so hetten sie etliche vermeinte reliquien, Crucifix, Marien und andere Bilder geschnitzt und gemahlet befunden, sich darauff resolvirt, Er woll sein Kirch von allerley abgötterey rein haben, und damit vorthin [i.S.v. fortan, künftig] Ihr Mayst. zu ihrem sondern verdruß und mißfallen, vor ihren Augen dergleichen abgöttische Ceremonien nicht mehr von den Leuten sehen dörfften, hetten sie befohlen, dieses alles auß dem weg zu raumen, und dardurch die mittel und gelegenheit hierzu benommen. Ferner als wir in der Pernstainischen Capeln11, der abangedeuten [der oben angedeuteteten] ungebührlichen arbeit, mit den reliquien zugesehen, fragt er mich, was das Conterfeit deß Herrn von Pernstein auff den flügeln deß Altars, und wer der Herr gewest sey, Ich hab ihm geantwortet, Es sey einer auß dem aller ansehenlichsten geschlecht, und ein sehr vortrefflicher Mann in diesem Königreich gewesen, und wie ein Fürst respectirt worden, darauff er zu wissen begehrt, was für ein amptt im landt er gehabt, so hab ich gesagt, er ist ihrer Kay. Mayst. geheimer Raht und OberCantzler deß Königs[reichs] Böheimb gewesen, darauff er wieder vermeldt, wann er seim Käyser und König und dem landt nit anderst trewlicher und besser hab gerahten, so were er wehrt gewesen daß man ihn het sollen auffhencken. Der

8 I.S.v. segmentum. 9 In Vorlage „Laut“. 10 In Vorlage „befechls“ 11 Kapelle der Familie Bernstein im Veitsdom.

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vorigen und jetzigen Herrn Käys. Rähte [S. 6] gehen alles auff die Spanische Consilia, auff undertruckung vertilgung und außrottung der Evangelischen Religion, und hab weder warnung noch erinneren nichts geholffen, Man12 habs bey 10. Jahren hero viel und offt deutlich genug zu verstehen geben, und trewlich avisirt, es werd endtlich (wann man solche Consilia nicht würd endern,) kein bestandt haben, er selbst habs dem Herrn Hegmüller vor 3. Jahren zu Aschaffenburg in einer Conversation zimblich angedeutet. Er sey zwar ein sehr hochverstendiger Mann, Aber wie alle andere in diesem fall gantz verblendt, daß sie nicht sehen wie ubel und böß sie ihren Herrn rahten, dieselben verführen und umb ihre Länder und Königreich bringen.Die HERrn von Österreich seyn für ihre Persohn fromm, allein haben sie diesen Mangel, daß sie sich mit solchen bösen Rähten regiren lassen, und nicht selbst zur sachen sehen, es sey schad umb den Käyser Ferdinanden daß er allein von solchen Rähten durch ihre und der Jesuiter böse Spanische Consilia, in diesen wiederwertigen zustandt geführt, und umb alle diese schöne Länder gebracht worden, nun sey es schon auß und geschehen etc. Und was der gleichen reden mehr gewesen sein. Endlich als ich nichts von den reliquien zu erhalten getrawet, etliche Calvinische Predicanten darzu kommen, hab ich freundlichen abschied genommen, und bin darvon gangen, hab mich auch bedunckt, daß es zeit seye. Als nun selbigen und folgenden tag nemblich am Heiligen Christabend die Kirch also auß geraumbt, mehrer theils in der Sacristia und Sanct: Sigismundi Capeln, das underste zu oberst gekehrt, ubern hauffen geworffen worden, hat man im Chor ein Tisch mit 12 Sesseln zum Calvinischen Abendtmal oder frühestück zugericht, ein CredentzTisch gestelt. Am Heiligen Christag hat erstlich der König ihm [i.S.v. sich] selbst den Kolatschen13 oder Kuchen brochen, den andern hat mans in schnitten auff einer Schalen gereicht, davon jeder ein schnittel genommen, gessen, und ein Trunck darauff gethan, wie dann ohne das diese Ceremonien bewußt sein, wiewol sie von anfang der Christenheit in diesem Schönen GOTTESHauß, ja im gantzen Königreich: Dann auch die Predicanten haben bey ihrem Abendtmal solche Ceremonien allhier in Böheimben [Böhmen] nie gebraucht: gesehen worden. Der Herr von Rupa Herr Budawitz [S. 7] Herr Harant, Herr Daniel Slerota und viel anders Volck seind auch mit gäste gewesen.

12 In Vorlage „Mann“. 13 Slavische Verballhornung von Collation.

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Es seind viel hundert Personen auß der gemein kommen diesem ungewöhlichen Spectacul beyzuwohnen und haben sich sehr daruber entsetzt daß sie von solchem Abendtmal ihr lebenlang nichts gehört, und daß es sie zum höchsten gereut, daß sie solchen König, für ihr Haupt angenommen haben, daß unmüglich sey ein Segen Gottes darbey zu verhoffen. Am andern Christag, hat man auff beyden seiten neben dem Chor wo man zum Grab deß Heiligen Beichtigers Johannis und auch auff der andern seiten bey der Sacristey wo man zu S. Veit hinumb gehet, mit laden und bredtern vernagelt und verschlagen, von der ursach redet man in gemein gar seltzsamb [seltsam] und underschiedlich. man vertuschts und druckt es under, etliche sagen es sey einer so freventlich uber deß seeligen Johannis Grab gangen, wie unsinnig nieder gefallen, andere sagen ein vornehme Person sey bey dem Grab deß H. Viti [des hl. Veit], deß gehenden [i.S.v. jähen] Todts gestorben, andere sagen es hab sich sonst etwas Wunderliches umb diese Örter bey den Heiligen zugetragen, heut hat man mich bericht, es sey darumb geschehen, daß man das Grab deß H. Viti auffgebrochen, und darin ein Armb in Silber eingefast14 gefunden, man habs darumb verschlagen, daß es noch in geheimb bleiben und niemandt daselbst hingehen, solches sehen solle, es sey nun was es wölle, so muß ein wichtige ursach sein, daß solches gleich also geschwindt geschehen müssen. Damals alß ich wie oberzehlt [oben erzählt] in der Schloßkirchen gewest, ist kein einziger Altar mehr gestanden alß in S. Sigismundi Capeln, und deß H. Martinitz Privilegirter, beyde zugethan, so wol die zween in der Pernsteinischen Capeln, ob sie bleiben werden, glaub ich nicht, dieweil man auch vor gewiß sagt die Königin wolte das Grab deß H.  Wenceslai zerbrechen, und sein gebein hinweg werffen lassen. Damit alles was aberglaubisch und abgöttisch ist, auß dem Weg kommen, die Crucifix heist man nur Nackende Baderknecht15, welche man nicht vor Augen sehen möge, S. Wenceßlay Capeln ist noch nichts gesehen, und stehet gesport16, wie es mit dem Kayserlichen Begräbnuß werden wirdt, weiß ich nicht, besorg aber wol, wie man allbereit darfür helt, und davon sagt, es werde auch fort müssen, sonsten kann ich auch nicht genugsam schreiben, [8] wie alles Volck sie sein was Religion sie wöllen, so male-content mit dieser greulichen verwüstung der Bilder und Altarn seind, wie ubel man allenthalben davon redet, ja wie gantz alteriert und sehr verbit-

14 Es handelt sich offenbar um ein silbernes Armreliquar. Ob es mit dem St. Veits-Armreliquar identisch war, das sich heute im Diözesanmuseum Bamberg befindet, ist ungeklärt. 15 Vgl. dazu N° 93, Anm. 1. 16 „stehet gesport“ i.S.v. ‚stehet in der Spur / ist abzuwarten‘.

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tert das volck auff den17 König ist, und gehen solche wunderliche seltzame reden, die ich nit alle schreiben darff, viel sagen, er hab all seinen handel dardurch verderbet, sie haben kein lieb mehr zu ihm, der Kayser Ferdinant werd umb viel leichter zu der Cron und Königreich kommen, wann sie nur ihrer Religion von ihrer Mayst. versichert wären18, jetzt gehen ihnen die Augen auff und sehen wo es hinauß will, die Lutherischen Predicanten predigen hefftig darwieder und rahten es sehr, dardurch wirdt das gemeine volck hefftig endtrüst, daß zu besorgen es werd entlich etwas seltzambs darauß werden, deß Königs eigene leut sprechens vile unrecht, weil sie in der statt wo sie hinkommen, sich deß todtschlags fürchten müssen. Als man auch dieser tag den Altstäder Raht andeutung gethan sie solten das Crucifix auff der Prücken abschaffen lassen, ist zur antwort erfolgt, es stehe nicht in ihrer macht, es habs die gantze gemeine Bürgerschafft machen und dahin setzen lassen, und ausser ihrem Consens könten sie es nicht hinweg nehmen, da es aber ihrer Königl. May. auß dero eigenen verordnung hinweg nehmen lassen wolten, und durch das gemeine volck, ein ungelegenheit darauß entstünde, wolten sie kein antwortung [i.S.v. Verantwortung] haben, oder gut darfür sein. Nach dem solches under die leut kommen, ist der wacht auff der Brücken anbefohlen worden, auffs fleissigste darauff achtung zu geben, und den allerersten so es andasten [antasten] wollte, er sey wer und wie ansehnlich er wölle, ihn uber die Brücken hinunder ins wasser zu werffen, also daß noch was seltzams dardurch entstehen dörffte, die Bürger sagen, trutz daß man ihnen das geringst19 dergleichen in ihren Kirchen thun solte, ja ich halte dafür, daß sie nicht gestatten daß einer Catholischen Kirchen hierunden in der Statt wiederfahren solte. Der Predicant auff dem Schloß hat viel Maulberens20 wider die andern und verweist es ihnen gar hoch, daß sie halbe abgöttische Papisten sein, weil sie solche götzen noch in ihren Kirchen gedulten, ja erst neulich auß der Jesuiter Kirchen einen Altar in ihrige heruber genommen. Alle das holtzwerck von den Altarn und geschnitzten Bildern, Crucifixen und anderm, ist der Calvinischen Predicanten, die lassen es zerhacken [9] brauchens zum einheitzen21 und kochen, nehmen ihnen [i.S.v. sich] auch ein gewissen, wann

17 Jn Vorlage „dem“. 18 In Vorlage „wehren“. 19 In Vorlage „gerinst“. 20 Redensart. 21 In Vorlage „einhitzen“.

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 N° 98 [Anonym]

sie einem Catholischen umbs gelt solten etwas darvon geben, fürchten sie wären22 schuldig an einer grossen sünd und abgötterey, wie ich vernimb so sein die obgemelten heiligen Gebein, noch denselbigen Abendt, und also Christus und seine lieben heiligen, soviel die grosse unehr und schmach belangt (ob sie zwar, Gott ein dienst daran zu leisten, vermeinen) von Newem martirisiert worden. Den 27. und 28. Decembris, Hat man ferner in der Schloßkirchen alle steinernere Altar, biß auff die Erden nieder gebrochen, und hinauß geraumbt, auch das schöne sehr Künstliche gemahlte Unser lieben frawen Altar in S. Sigismundi Capeln, so Käyser Ferdinandus oder Maximilianus dem vortrefflichen Mahlern Lucasen Cranachen23 mahlen lassen, zu trümmern geschlagen und weg getragen, und als diese tag die Authores und deformatores drin herumb gangen, und alles abgesehen, und angeordnet, was man noch abbrechen und hinauß werffen solle, haben die Herrn von Ruppa, Herr Budawitz und mehrertheils der andern dahin geschlossen man soll alles weck thun, es nehme den besten Platz ein, werd hernach desto grössern raumb haben, der Müller hat darzugesetzt, und andere mit ihm ubereingestimbt und gesagt, was ist das narrenwerck nutz da, der Herr Bohußlaw Bercke aber hats wiederrahten, es werde viel auff sich haben, warauff es entlich verblieben, kan ich es nicht wissen. Besorg aber es würd auch fort müssen, die Bilder und was an die Mauren gemahlt, soll alles außgelescht werden, damit ja weder Gott noch seine heiligen kein gedächtnuß mehr drin behalten die Bilder und schnitzwerck an Predigstüln so die Instrumenta Passionis Domini gehalten ist alles hinunder geschlagen und zertrümmert. Der Pauschreiber hat hiemit in einer langen disputation und discurs den wir mit einander gehabt vermelt wans Heilige seind deren gebein man anitzo also tractirt und hinauß würfft, warumb sie sich nit wehren und zeichen thun. Sie haben nun kein ruhe vor den Priestern gehabt, alle stundt seye das ruffen und schreyen bey ihren gräbern und gebeinen gewest, ora pro nobis, hilff mir , jetzt werden sie ein weil fried haben, aber Gott weiß ob das ihre gebein, oder wer24 weiß wer sie etwa können sein. [10] Weil die Königin ihren besondern Engeländischen Predicanten helt, nit Teutsch verstehet, will sie ihr [i.S.v. sich] die Kirch bey allen Heiligen zu ihrem exercitio nehmen, soll diese tag auch also gesaubert (oder vielmehr entunehrt, und einer viehe- oder heustadt gleich gemacht werden,) der liebe Sanctus Procopius wirdt müssen auch Calvinisch oder für [i.S.v. vor] die Kirchen hinauß geworffen, und

22 In Vorlage „wehren“. 23 Es geht um das Marienbild von Lucas Cranach d.Ä., das am 27./28. Dezember auf Geheiß von Scultetus zerstört wurde. 24 In Vorlage „wehr“.

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verbrennet werden, diß ist nun der schöne ablaß oder indulgentz so auff das verschinen Iubilaeum folgt und Anno 1608. sein anfang genommen, der Allmächtige GOtt gebe uns und unsern nachkommen uber 100 Jahr ein bessers JubelJahr, und helffe uns baldt von dem jetzigen, diß ist also das wenige so ich auffs kürtzest (Dann es mir fast unmüglich alles zu beschreiben gewest) von der Schloßkirchen deformation oder verwüstung berichten wollen. Man verlangt gar sehr zu vernemmen was das Spanische Kriegsvolck so im Stifft Passau angelangt, guts werd verrichten, zuvor hat man nur umbs Kaysers, und allerhöchsten hauses Osterreich, Ehr und gerechtigkeit gestritten, seind aber gar faul und träg gewesen, damit man sie ein wenig von der Faulheit ermundere, und sehe ob sie auch seindt auß der militie Jesu Christi, so verhengt Gott und stelt ihnen vor Augen, ob sie auch Gottes und seiner Heiligen Ehr, welche höher ist als das Haus Osterreich, zu beschützen, auch ein wenig bemühen wolten, dieweil die Calvinisten zu Manuterierung [i.S.v. Fortführung] ihrer Gottslästerlichen Kätzerey weder gut, Ehr, Leib und Leben, nit sparen, sondern dasselbe ohne gewissen und beicht treulich daranseitzen. Es ist abe ja ein schandt, daß die Kinder dieser Welt klüger sein, als die Kinder deß Lichts, in ihrem geschlecht. Die ankunft desselben Spanischen volcks, hat man hie gar ungern gehört, und ist der König malecontent helts für ein unfleiß und nachlässigkeiit daß man den Gülden Steig nicht besser verwahrt. Die grossen Messinge Leuchter, so in beyden oder drey Kirchen im JesuitenCollegio vor den Altarn gestanden, hat man gen hoff [Hof ] führen lassen. Diese verschinene wochen hat der König ein gesandten, den Grafen [S. 11] von Solms zum Churfürsten nach Dresden25 [erg. geschickt], sein anbringen und bescheidt wirdt man hernach vernehmen, des Churfürsten von Sachsen so starcke werbung, macht viel Mücken, man veracht und verspot ihn hie auffs eusserst. Man sagt er hab uber seiner Taffel neulich diesen Reimen schreiben lassen, Ich fürchte Gott, lieb die Gerechtigkeit, und ehre meinen Kayser. Es verlaut auch starck daß er alsbald nach der Musterung mit einer starcken Summa Volck nach Eger rücken wolle, und daß man allbereit 4. grosser sehr schöne stück [sc. Kanonen] aus dem Zeughauß gezogen.

25 In Vorlage „Dresen“.

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 N° 98 [Anonym]

Er erzeigt sich auff des Kaysers seiten sehr gut, soll sich verlauten haben lassen, auch dem Kayser geschrieben haben, welches von den Böhmen intercepiert26 und geöffnet worden, weil ihre Mayst. von GOtt zum höchsten Haupt deß Römischen Reichs und der gantzen Christenheit gesetzt worden, daß er als ein gehorsambes Gliedt und Churfürst, sein schuldige trew im werck also erweisen, auch alles das seinig zu beschützung Ihrer Mayst. Ehr und hochheit, willig darsetzen wolle, und da es gleich so weit käme, daß er sein eigenes blut in seinem hembt sehen solte. Besorgt wol es wirdt sehr ubel zugehen, und ein grosse beangstigung uber uns kommen, jetzt ist man gantz sicher, alß wan es tempore imperatoris Augusti wäre, da die gantze Welt im frieden stündte. Der König ist den 19. Decembris nachmitag, biß gar in die Nacht, zwar mit schlechter reputation und Authoritet, daß man in gemein mehrer theil gar spötlich darvon redt, in der Statt herumb im Schlitten gefahren, hat ein Roht Sammetes [rotsamtenes] Peltzel, ein weisen Hud [weißen Hut] und gelbe Federn darauff gehabt, hat Abendts beim Herrn Graffen von Thurn27, (welcher vor 6. tagen allhier angelangt, und sein gemahl gar tödtlich kranck liegt) einkehrt, und die Nachtmalzeit daselbst sambt seinem Bruder und den von Anhalt eingenommen, der Herr von der Lipp ist gar woll daran, und fährt28 allenthalben mit, der Bauschreiber ist von ferne29 vorangeritten, die gassen und die weg gewiesen. Mich bericht einer, der Herr Graff von Thurn habs dem König gleichwol verwiesen, daß er die Bilder und Altar auß des König- [12] Reichs Böheimben Hauptkirchen hab außwerffen lassen, mit vermelden, daß es ein gar gefehrliches vornehmen sey, es könte dardurch ein grosser tumult und auffruhr in der Statt verursacht werden, daß Ihre Mayst. im Schloß nit sicher wären30, dergleichen lasse sich zu Prag nit so geschwindt wie anderstwo thuen. Der König sol darauff geantwortet haben, ich habs vor mich selbst weder gethan noch geheissen, die eurigen selbst habens gethan, und also haben wollen, habs geschehen lassen.

26 intercepirt i.S.v. ‚abgefangen‘. 27 Gemeint ist Heinrich Matthias Graf Thurn (1567–1640), militärischer Führer der Böhmischen Stände. 28 In Vorlage „fehrt“. 29 In Vorlage „fehrne“. 30 In Vorlage „wehren“.

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Den 28. Decembris. Seind alle Forstmeister dem König gehörige auff Citation allhier erschienen, denen hat man den newen Jägermeister, Herr von der Lipp, so sich gantz alterirt vorgestellt und installirt. Herr Pfefferkorn geheimer Cammerraht und gewester Director ist gestorben, und hat wie man sagt das hellisch fewer noch auff der Welt empfunden, der Allmechtige behüt uns daß wir umb deß zeitlichen willen nit das Ewig verliehren. Der gewesene Hoffzimmermann, Hanß Rost, als er und viel andere unlengst die Pün [Bühne] zur Crönung auffgemacht, ist deß tags gar offt und viel mahl auff die Cantzel gestiegen, auffs allerspötlichst und gottslästerlichs gepredigt wieder [wider] die Catholischen, Pabst, Jesuiter, und andere gelästert, und ihme [i.S.v. sich] solches nit wehren lassen, ist diese tag weiß nit31 gestorben oder verrickt [verreckt]. Den 27. Decembris umb 10. uhr hat unser jetzige Königin ein Jungen Printzen geborn, derowegen grosse freud vorhanden, seind noch in der nacht Curirer mit dieser zeitung [i.S.v. Meldung] hin und wieder abgefertigt worden, den folgenden tag hat man auß grossen stücken [Kanonen] viel freudenschöß [Freudenschüsse] ergehen lassen. Der König hat wollen, daß man noch dieselbige Nacht mit allen Glocken in allen Kirchen leuten solle, und die Mußketirer im Schloß das salve loßbrennen, und daß man noch dieselbige Nacht die grosse geschütz aufführen solle. Man hat ihn kaumb uberred daß ers biß auff den Morgen auffgeschoben. Er macht sich mit den leuten, mit Landherrn und Frawenzimmer gar gemein, begleitet sie auß seinem zimmer, und zeucht sein Hud ab fast gegen jederman, wann jemandt zu ihm kombt, ehe er einem die antwort gibt so fragt er alle zeit sein OberCämmerer [13] Herrn von Ruppa, was er thun soll, und sagt zu ihm , was rahthet [rät] der Herr? hat ihn gefragt, ob er auch die Catholischen von den Böhmischen Ständen auff die Kindtauff laden solle, darauff er geantwortet, Raht es nicht, dann sie möchten einen spot darauß dreiben [treiben], haltet zum offtermahl Täntz auff dem newen Saal, so uber dem Stall gestanden, wie auch auff dem H. Weihnachtabent alldort gedantzet. Er gehet offt spaciren gar hinauß in thiergarten, nur mit einem Jungen und lackheien. 32Den H. Bildern ist er gar feindt, hat den Neustättern sagen lassen, sie sollen ihm behülfflich sein, daß man das Crucifix auff der Brücken außm weg raumen können, hat den Altstättern zu entbieten lassen, Er wolt 8000 Mann tapffere Soldaten in die statt kommen lassen, und gern sehen wer ihn verhindern wolt, und seinen

31 Im Sinne von ‚ich weiß nicht wie‘. 32 In Vorlage kein Absatz.

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 N° 98 [Anonym]

befelch und anordnung nit gehorsamen solte, also daß jetzt allererst den Pragern und vielen andern die Augen eröffnet werden. Daß sie sehen wie schändlich sie mit annemung solches haupts verführt worden seind, und der meiste theil wünschen und erwarten mit verlangen Ihrer Mayst. deß Käysers Ferdinandt Macht, damit dieselben dessen sie zu erledigen [i.S.v. entledigen] erscheinen wollen. Verzeichnuß der vornembsten Articul, so der Chur Pfaltz in seinen Kirchen verordnet und gebotten. 1. Alle die Bilder sollen auß der Kirchen gethan werden. 2. Die Steinen Altar, weil sie auß dem Papstumb sein, sollen zugrund abgerissen, und an statt derselben ein höltzernen Tisch und Cästelin mit schwartzer leinwath biß auff die Erden bedeckt. Wann man das Abentmal halten will, soll man ein weiß tuch darauff decken. 3. Alle Altar, Crucifix, Taffeln, und gemähle, weil sie Abgöttisch und auß dem Bapstumb herrühren, soll man gantz und gar abschaffen. An statt den Hostien soll man Brodt und Sem[m]eln und bereite Kuchen machen, welche in lange Rinden geschnitten, in ein schüssel gelegt, also den Leuten in die hand gegeben, welches sie selbst essen und gebrauchen mögen, als auch den Kelch. 4. Die Wort vom Abendtmal sollen nit mehr gesungen werden, sondern gelesen. 5. Das gebet und Collect soll außgelassen werden. 6. Die Meßgewänder und ander ornat sollen nit mehr getragen werden. [14] 7. Keine Liechter soll man auff den Altar setzen oder brennen lassen. 8. Den Communicanten soll man kein Tuch mehr vorhalten. 9. Man soll sich auch nicht mehr neigen als wann Christus vorhanden [i.S.v. zugegen] wäre33. 10. Es sollen auch die Communicanten nit mehr knien. 11. Die Creutzmachung oder benedeiung soll underlassen werden. 12. Die Priester sollen nicht mehr stehen und den Leuten den Rücken kehren. 13. Die Collecten sollen nicht mehr gesungen sondern gelesen werden. 14. Man soll nicht mehr beichten, sondern durch wordt und schreiben solches dem Priester anmelden. 15. Wann man sagt oder nennet den Namen Jesus, soll man sich nit neigen noch den Hud abziehen. 16. Auff der Cantzel soll man nicht heimlich sondern öffentlich beten. 17. Die Krancken soll man mit der Communion nit besuchen, dann es ist gefehrlich sonderlich in Pestilentzzeit. 18. Die Tauffstein soll man außbrechen und becken brauchen.

33 In Vorlage „wehre“.

Extract eines schreibens auß Prag wegen zerstörung der ­Thumbkirchen N° 98 

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19. Epitaphia und Crucifix sollen in der Kirchen nicht mehr geduldet werden. 20. Die zehen gebott und Cathechismus sollen geendert werden. 21. Die Wort und Sacrament sollen geendert und für ein zeichen gehalten werden. 22. Auch soll die H.  Dreyfaltigkeit in kein Weg mehr geschnitzt noch gemahlt werden. 23. Man soll kein Epistel noch Evangelium mehr predigen, sondern ein stück auß der Bibel nehmen. [15]

Die 34zeilige Kopie eines Schreibens des Königs von Böhmen an den Obervesier der Böhmischen Pforte vom 2. Januar 1620, die die Flugschrift (auf S. 14) beendet, bleibt hier unberücksichtigt, da sie mit den vorigen Mitteilungen in keiner inhaltlichen Verbindung steht.

Editorische Notiz Bearbeitungsvorlage [Anonymus:] Extract eines schreibens / || welches auß Prag / einem bekandten || freundt / wegen zerstörung der Thumbkirchen34 da- || selbsten / alles zur trewhertzigen warnung / || und erinnerung in offnen || truck geben. || Sampt einem schreiben an die Ot- || tomanische Porten. || Gedruckt / im Jahr 1620. Exemplar der BSB München, Sign. Res/4 Eur. 352.65 [digit.] s.  l., 14 S., 4°; etliche gleiche Exemplare in anderen Bibliotheken [→ VD 17].

LIT Onno Klopp (1861), S. 48  ff.

34 Domkirche, Veitsdom.

Referenztext N° 99 [Anonymus:] Baruch/Jeremias-Brief [um 400 v. Chr.]

Der ursprünglich in hebräischer Sprache verfasste Brief ist nur in griechischer Sprache erhalten. Er entstand im vierten oder dritten vorchristlichen Jahrhundert. In der ‚Septuaginta‘ war der Brief als selbständiger Text aufgeführt, in der ‚Vulgata‘ aber und so auch in Martin Luthers deutscher Version wurde er dem Buch Baruch als sechstes Kapitel angehängt. Der bis heute biographisch nicht identifizierte Verfasser wendet sich mit seinem Brief an die nach Babylon verbannten Juden und warnt sie eindringlich vor den Standbild-Götzen der Babylonier. Luther hielt von dem Text nicht viel, wie er in seiner „Vorrede auff den Baruch“ (Bl. liiijv) klarstellt: „SEer geringe ist dis Buch, wer auch der gute Baruch ist. Denn es nicht gleublich ist, das S.Jeremias Diener, der auch Baruch heist (dem auch diese Epistel zugemessen wird) nicht solt höher und reicher im Geist sein, weder dieser Baruch ist. […] Baruch lassen wir mit lauffen unter diesem Hauffen [sc. der kleineren Propheten], weil er wider die Abgötterey so hart schreibet, und Moses gesetz furhelt.“ http://doi.org.de/10.1515/9783110780031-040

Referenztext N° 99 [Anonymus:] Baruch/Jeremias-Brief [um 400 v. Chr.] 

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Luther hat das Buch Baruch samt Jeremias-Brief nur in seine Zusammenstellung von 1544 „Die Propheten alle Deudsch“, nicht aber in seine Vollbibel von 1545 aufgenommen. Trotzdem fand die deutsche Version des Briefes viel Beachtung, weil sie im Kampf um die Bilder gute Dienste leistete, so z.  B. bei Johannes Spreter Caspar Schatzger, Nicolaus Palladius, Wolfgang Amling u.  a.  m. Vorliegender Text ergänzt die beiden Referenztexte N° 59 und 60.

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 Referenztext: N° 99a Baruch / Jeremias-Brief, Vulgata-Version

Epistola Ieremiae ad Iudaeos exules Exemplar epistolae quam misit Ieremias ad abducendos captivos in Babyloniam, ut annuntiaret illis secundum quod praeceptum est illi a Deo. 1] Propter peccata quae peccastis ante Deum, abducemini in Babyloniam captivi a Nabuchodonosor, rege Babyloniorum. 2] Ingressi itaque in Babylonem, eritis ibi annis plurimis, et temporibus longis, usque ad generationes septem; post hoc autem educam vos inde cum pacem. 3] Nunc autem videbitis in Babylonia deos aureos et argenteos, et lapideos et ligneos in humeris portari, ostentantes metum gentibus. 4] Videte ergo ne et vos similes efficiamini factis alienis, et metuatis , et metus vos capiat in ipsis. 5] Visa itaque turba de retro, et ab ante, adorantes dicite in cordibus vestris: Te oportet adorari, Domine. 6]Angelus enim meus vobiscum est; ipse autem exquiram animas vestras. [803] 7] Nam lingua ipsorum polita a fabro; ipsa etiam inaurata et inargentata, falsa sunt, et non possunt loqui. 8] Et sicut virgini amanti ornamenta, ita accepto auro fabricati sunt. 9] Coronas certe aureas habent super capita sua dii illorum; unde subtrahunt sacerdotes ab eis aurum et argentum, et erogant illud in semetipsos. 10] Dant autem et ex ipso prostitutis, et meretrices ornant; et iterum cum receperint illud a meretricibus, ornant deos suos. 11] Hi autem non liberantur ab aerugine et tinea. 12] Opertis autem illis veste purpurea, extergunt faciem ipsorum propter pulverem domus qui est plurimus inter eos.  13] Sceptrum autem habet ut homo, sicut iudex regionis, qui in se peccantem non interficit. 14] Habet etiam in manu gladium et securim, se autem de bello et a latronibus non liberat. Unde vobis notum sit quia non sunt dii; 15] non ergo timueritis eos. Sicut enim vas hominis confractum inutile efficitur, tales sunt et dii eorum. 16] Constitutis illis in domo, oculi eorum pleni sunt pulvere a pedibus introeuntium. 17] Et sicut alicui qui regem offendit circumseptae sunt ianuae, aut sicut ad sepulchrum adductum mortuum; ita tutantur sacerdotes ostia clausuris et seris, ne a latronibus expollientur. 18] Lucernas accedunt illis, et quidem multas, ex quibus nullam videre possunt; sunt autem sicut trabes in domo. 19] Corda vero eorum dicunt elingere serpentes, qui de terra sunt, dum comedunt eos, et vestimentum ipsorum, et non sentiunt.

http://doi.org.de/10.1515/9783110780031-041

Referenztext: N° 99b Baruch / Jeremias-Brief, Luther-Übersetzung 

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Baruch B, Kap. VI, Luthers Übersetzung von 1544. VI. DIes ist die abschrifft der Epistel, die Jeremias gesand hat, An die so gefangen weggeführet sollten werden gen Babel, von dem König zu Babel, Darin er jnen solches verkündiget, wie jm Gott befolhen hatte. [1] UMb ewr Sünde willen, die jr gethan habt wider Gott, werdet jr gen Babel gefangen weggefüret werden, von NebucadNezar dem Könige zu Babel. [2] Und jr werdet zu Babel bleiben müssen eine lange zeit, nemlich, siebentzig jar, Darnach will ich von dannen wider [h]er aus füren, mit friede. [3] UNter des aber werdet jr sehen zu Babel, Das man auff den achseln tragen wird, die silbern, gülden und hültzern Götzen, Fur welchen sich die Heiden fürchten. [4] Darumb sehet euch für, das jr jnen solchs nicht nachthut, und den Heiden nicht gleich werdet. [5] Und wenn jr sehet das Volck, das vor und nach gehet, die Götzen anbeten. So sprecht in ewren hertzen, HERR, Dich sol man anbeten, [6] Denn mein Engel sol bey euch sein, Und ich will ewer Seelen rechen. [7] IRe Zunge ist vom Werckmeister fein gemacht, und sie sind mit Gold und silber gezieret, und haben geschnitzte Zungen, Aber es sind nicht rechte Zungen, und können nicht reden. [8] Sie schmücken sie mit Gold, wie eine Metze zum tantz, [9] und setzen jnen kronen auff. Und die Pfaffen stelen das Gold und silber von den Götzen , und bringens umb [i.S.v. bringen es durch] mit den Huren im Hurhaus. [10] Und schmücken die silbern, gülden und hültzern Götzen mit Kleidern, als werens Menschen. [11] Sie können sie aber nicht verwaren für dem Rost und Motten, [12] Und wenn man jnen ein Purpurkleid anzeucht, so mus man jnen den staub abwischen, der auff jnen ligt. [13] UNd er tregt ein Scepter in der hand, wie ein König, Und kan doch niemand straffen, der jm leid [an]thut. [14] Er hat auch ein Schwert und ein Axte in der hand, Er kann sich aber der Diebe und Reuber nicht erwelen [i.S.v. erwehren]. Daran sihet man wol, das sie nicht Götter sind, [15] Darumb fürchtet sie nicht. GLeich wie ein Gefess, das ein Mensch brauchet, wenn es zubrochen wird, unnütze ist, Eben so sind jre Götzen. [16] Wenn man sie in jre Heuslin setzt, werden sie vol staubs von den füssen dere, die hin eingehen. Die Priester verwaren der Götzen tempel mit thüren, schlossen und rigeln, das sie von den Reubern nicht gestolen werden. [17] Eben als wenn man einen gefangen legt und verwaret, der sich am König vergriffen hat, und zum Tode verurteilt ist. [18] Sie zünden jnen Lampen an, und der viel mehr, denn sie für sich selbst anzünden, [19]Und die würm so auff der Erden kriechen, fressen jr Hertz und jre Kleider, und sie fülens doch nicht.

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 Referenztext: N° 99a Baruch / Jeremias-Brief, Vulgata-Version

Nigras fiunt facies eorum a fumo qui in domo fit. 21] Supra corpus eorum et supra caput eorum volant noctuae, et hirundines, et aves etiam similiter et cattae. 22] Unde sciatis quia non sunt dii; ne ergo timueritis eos.  23] Aurum etiam, quod habent ad speciem est; nisi aliquis exterserit eruginem, non fulgebunt; neque enim dum conflarentur, sentiebant. 24] Ex omni pretio empta sunt, in quibus spiritus non inest ipsis. 25] Sine pedibus, in humeris portantur, ostentantes innobilitatem suam hominibus; confundantur etiam qui colunt ea ! 26] Propterea si ceciderint in terram, semetipsis non consurgunt; neque si quis eum statuerit rectum, per semetipsum stabit; sed sicut mortuis munera eorum illis opponentur. 27] Hostias illorum vendunt sacerdotes ipsorum, et abutuntur; similiter et mulieres eorum decerpentes, neque infirmo, necque mendicanti, aliquid impertiunt. 28] De sacrificiis eorum fetae et menstruatae contingunt. Scientes itaque ex his quia bon sunt dii, ne timeatis eos. 29] Unde enim vocantur dii? Quia mulieres apponunt diis argentiis, et aureis, et ligneis; 30] et in domibus eorum sacerdotes sedent habentes tunicas scissas, et capita et barbam rasam, quorum capita nuda sunt. 31] Rugiunt autem clamantes contra deos suos sicut in coena mortui. 32] Vestimenta eorum auferunt sacerdotes, et vestiunt uxores suas et filios suos. 33] Neque si quid mali patiuntur ab aliquo, neque si quid boni, poterunt retribuere; neque regem constituere possunt, neque auferre. 34] Similiter neque dare divitias possunt, neque malum retribuere. Si quis illis votum voverit et non reddiderit, neque hoc requirunt. 35] Hominem a morte non liberant, neque infirmum a potentiori eripiunt. 36] Hominem caecum ad visum non restituunt, de necessitate hominem non liberabunt. 37] Viduae non miserebuntur, neque orphanis benefacient. 38] Lapidibus de monte similes sunt dii illorum, lignei, et lapidei, et aurei, et argentei; qui atem colunt ea confundentur. 39] Quomodo ergo aestimandum est aut dicendum illos esse deos? 40] Adhuc enim ipsis Chaldeis non honorantibus ea; qui cum audierint mutum non posse loqui, offerunt illud ad Bel, postulantes ab eo loqui; 41] quasi possint sentire qui non habent motum! Et ipsi cum intellexerint, relinquent ea; sensum enim non habent ipsi dii illorum. 42] Mulieres autem circumdatae funibus in viis sedent, succendentes ossa olivarum; 43] cum autem aliqua ex ipsis, attracta ab aliquo transeunte, dormierit cum eo, proximae suae exprobrat quod ea non sit digna habita., sicut ipsa , neque funis eius diruptus 20]

Referenztext: N° 99b Baruch / Jeremias-Brief, Luther-Übersetzung 

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UNter jrem angesicht sind sie schwartz vom rauch im Hause, [21] und die Nachteulen, Schwalben und ander Vögel setzen sich auff jre Köpffe, des gleichen auch die Katzen. [22] Daran jr ja mercken könnet, das es nicht Götter sind, Darumb fürchtet sie nicht. [23] DAs Gold das man umb sie henget, sie damit zu schmücken, gleisset nicht, r [m ii ] wenn man den rost nicht abwüschet. Da man sie gegossen hat, fületen sie es nicht. [24] Aus allerley köstlicher materien hat man sie gezeuget, Und ist doch kein Leben darin. [25] Weil sie nicht gehen können, mus man sie auff den achseln tragen. Daran die Leute sehen können, das es schendliche Götter seien. [26] ES müssen sich auch jrer schemen, Darumb, das sie weder von jnen selber können auffstehen, so sie auff die Erden fallen, Noch sich regen, so man sie auffgericht hinsetzet, Noch sich auffrichten. so man sie lehnet. Und wie man den Todten opffer fürsetzet, Also setzet mans jnen auch für. [27] Jre Priester aber bringen das umb [i.S.v. durch], das jnen gegeben wird, Desgleichen auch jre Weiber brassen [prassen] davon, und geben weder dem Armen noch dem Krancken etwas davon. [28] Unreine Weiber und Sechswöchnerin rüren jre Opffer an. Daran jr ja mercken könnet, das es nicht Götter sind, Darumb fürchtet sie nicht. [29] UNd woher sollen sie Götter heissen? Denn die Weiber pflegen der silbern, gülden und hültzern Götzen. [30] Und die Priester sitzen in jren Tempeln, mit weiten Chorröcken, scheren den Bart ab, und tragen Platten, sitzen da mit blossen Köpffen, [31] heulen und schreien für jren Götzen, wie man pflegt in der Begengnussen [i.S.v. Totenfeier], [32] Die Pfaffen stelen jnen jre Kleider, und kleiden jre Weiber und kinder davon. [33] MAn thu jnen böses und gutes, so können sie es doch nicht vergelten. Sie vermügen weder einen König einzusetzen, noch abzusetzen. [34] Sie können weder gelt noch gut geben. Gelobet jnen jemand etwas, und helt es nicht, So foddern [fordern] sie es nicht. [35] Sie können einen Menschen vom Tod nicht erretten., noch einem Schwechern helffen wider den Starcken. [36] Sie können keinen Blinden nicht sehend machen. Sie können einem Menschen in der not nicht helffen. [37] Sie erbarmen sich der Widwen nicht, und helffen den Waisen nicht. [38] Denn sie sind hültzern, mit Gold und silber gezieret, den Steinen gleich, die man aus dem Berg hawet, Darumb die sie ehren, müssen zu schanden werden. [39] WIe sol man sie denn für Götter halten, oder so heissen? [40] weil auch die Chaldeer nicht gros von jnen halten. Denn wenn sie einen Stummen sehen, der nicht reden kann, bringen sie den Bel, und sagen, der Stumme sol jn anruffen, gleich als verstünde ers, [41] Und wiewol sie wissen, das kein Leben in jnen ist, noch lauffen sie jnen nach. [42] Die Weiber aber sitzen für der Kirchen mit stricken umbgürtet, und bringen Obs[t] zum opffer. [43] Und wenn jemand fur ubergehet, und eine von jnen hin weg nimpt, und bey jr schlefft, Rhümet sie sich wider die andern, das jene nicht sey werd gewest, wie sie, das jr der Gurt auffgelöset würde. [20]

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 Referenztext: N° 99a Baruch / Jeremias-Brief, Vulgata-Version

sit.44] Omnia autem quae illi fiunt, falsa sunt; quomodo aestimandum aut dicendum est illos esse deos? 45] A fabris autem et ab aurificibus facta sunt; nihil aliud erunt, nisi id quod volunt esse sacerdotes. 46]Artifices etiam ipsi, qui ea faciunt non sunt multi tem-[804]poris numquid ergo possunt ea, quae fabricata sunt ab ipsis, esse dii? 47] Reliquerunt autem falsa et opprobrium postea futuris. 48] Nam cum supervenerit illis praelium et mala, cogitant sacer dotes apud se ubi se abscondant cum illis. 49] Quomodo ergo sentiri debeant quoniam dii sunt, qui nec de bello se liberant, neque de malis se eripiunt? 50] Nam cum sint lignea, inaurata et inargentata, scietur postea quia falsa sunt ab universis gentibus et regibus; quae manifesta sunt quia non sunt dii, sed opera manuum hominum et nullum Dei opus cum illis. 51] Unde ergo notum est quia non sunt dii, sed opera manuum hominum, et nullum Dei opus in ipsis est. 52] Regem regioni non suscitant, neque pluviam hominibus dabunt. 53] Iudicium quoque non discernent, neque regiones liberabunt ab iniuria, quia nihil possunt, sicut corniculae inter medium caeli et terrae. 54] Etenim cum inciderit ignis in domum deorum ligneorum, argenteorum et aureorum, sacerdotes quidem ipsorum fugient, et liberabuntur; ipsi veri sicut trabes in medio comburentur. 55] Regi autem et bello non resistent. Quomodo ergo aestimandum est aut recipiendum quia dii sunt? 56] Non a furibus, neque a latronibus se liberabunt dii lignei, et lapidei, et inaurati, et inargentati; quibus hi qui fortiores sunt, 57] aurum et argentum et vestimentum quo operti sunt, auferent illis, et abibunt, nec sibi auxilium ferent. 58] Itaque melius est esse regem ostentantem virtutem suam, aut vas in domo utile, in quo gloriabitur qui possidet illud, vel ostim in domo. quod custodit quae in ipsa sunt, quam falsi dii. 59] Sol quidem et luna ac sidera, cum sint splendida et emissa ad utilitates, obaudiunt; 60] similiter et fulgur cum apparuerit, perspicuum est; idipsum autem et spiritus in omni regione spirat; 61] et nubes, quibus cum imperatum fuerit a Deo perambulare universum orbem, perficiunt quod imperatum est eis; 62] ignis etiam missus desuper, ut consumat montes et silvas, facit quod praeceptum est ei; haec autem neque speciebus, neque virtutibus, uni eorum similia sunt. 63] Unde neque existimandum est, neque dicendum illos esse deos, quando non possunt neque iudicium iudicare, neque quidquam facere hominibus. 64] Scientes itaque quia non sunt dii, ne ergo timueritis eos.  65] Neque enim regibus maledicent, neque benedicent.

Referenztext: N° 99b Baruch / Jeremias-Brief, Luther-Übersetzung 

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Alles was durch sie geschicht, ist eitel triegerey, Wie sol man sie denn für Götter halten, oder so heissen? [45] VOn Werckmeistern und Goldschmiden sind sie gemacht, und was die Werckmeister wollen, mus daraus werden, und nicht anders. [46] Und die so sie gemacht haben, können nicht lange leben1, Wie sollten denn das Götter sein, so von jnen gemacht sind? [47] Darumb geben sie den Nachkomen nur ergernis und ursache zur schendlichen Abgötterey. [48] Denn wenn Krieg oder sonst ein unglück uber sie kom[m]et, ratschlahen die Pfaffen untereinander, Wo sie sich zugleich mit den Götzen verbergen wollen. [49] Darumb kann man wol mercken, das es keine Götter sind, weil sie sich selber weder fur Krieg noch anderm unglück schützen können, [50] Denn es sind doch nur hültzern, vergüldet und versilberte Götzen. [51] DArumb kann man nu fort wol erkennen, das es triegerey ist, allen Heiden und Königen offenbar, und nicht Götter, sondern von Menschen henden gemacht, und ist keine Gottheit in jhnen. Darumb kann jederman wol mercken, das es nicht Götter sind. [52] Denn sie erwecken keinen König im Lande, Sie geben den Menschen nicht regen, [53] und nehmen sich keins regierens noch straffens an, So wenig als die Vögel, so in der Lufft hin und wider fliegen. [54] WEnn das Haus der hültzern, vergüldeten und ubersilberten Götzen [m ijv] vom fewr angehet, So lauffen die Pfaffen davon, und verwaren sich für schaden, die aber verbrennen, wie ander Balcken. [55] Sie können weder Königen noch keinem Kriegsvolck nicht widerstehen, Wie sol man sie denn für Götter halten oder nennen? [56] DIe hültzern, ubersilberte und vergüldete Götzen können sich nicht schützen für Dieben und Reubern, Denn sie sind jnen zu starck, das sie sie berauben und ausziehen, [57]nehmen jnen Gold, silber und Kleider weg, und komen davon, do können sie jnen [i.S.v. sich] selber nicht helffen. [58] Darumb ists viel besser ein König sein, der seine macht beweisen kan, Oder ein nützlich Hausrat sein, das im Hause nütze ist, Oder eine Thür, die das Haus verwaret, oder eine hültzerne Seule in einem königlichen Saal, denn ein solcher onmächtiger Götze. [59] SOnn, Mond und Sterne scheinen, und sind gehorsam, wie sie Gott heisst, [60] Desgleichen der Blitz leuchtet, das man jn sihet, Der Wind wehet in allen Landen, [61] Und die Wolcken faren durch die gantze welt, und thun was sie Gott heisst. [62] Also auch das Fewr von oben her, schlegt berge und welde [Wälder], und thut was jm geboten ist. [63] Die Götzen aber können sich weder regen noch etwas thun. Darumb sol man sie nicht für Götter halten, oder so heissen, Denn sie können weder straffen noch helffen. [64] WEil jr denn wisset, das es nicht Götter sind, So fürchtet euch nicht fur jnen, [65] Denn sie können die Könige weder verfluchen noch segenen. [44]

1 D.  h. Sie sind sterblich.

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 Referenztext: N° 99a Baruch / Jeremias-Brief, Vulgata-Version

Signa etiam in caelo gentibus non ostendunt; neque ut sol lucebunt, neque illuminabunt ut luna. 67] Bestiae meliores sunt illis, quae possunt fugere sub tectum ac prodesse sibi. 68] Nullo itaque modo nobis est manifestum quia sunt dii; propter quod ne timeatis eos.  69] Nam sicut in cucumerario formido nihil custodit, ita sunt dii illorum lignei, et argentei, et inaurati. 70] Eodem modo et in horto spina alba, supra quam omnis avis sedet, similiter et mortuuo proiecto in tenebris, similes sunt dii illorum lignei, et inaurati, et inargentati. 71] A purpura quoque et murice , quae supra illos lineant, scietis itaque quia non sunt dii; ipsi etiam postrmo comeduntur, et erunt opprobrium in regione. 72] Melior est homo iustus qui non habet simulacra, nam erit longe ab opprobriis. 66]

Editorische Notiz Bearbeitungsvorlage für N° 99a [A Vulgata] Biblia Sacra iuxta Vulgatam Clementinam Nova Editio. Logicis Partionibus aliisque subsidiis ornata a Alberto Colunga, O.P., et Laurentio Turrado. Septima Editio, Madrid 1985. – S. 802–804. [Die Herausgeber Colunga und Turrado bieten die ‚Epistola Ieremiae‘ als Kapitel 6, S. 802–804.]

Referenztext: N° 99b Baruch / Jeremias-Brief, Luther-Übersetzung 

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Sie können auch kein Zeichen am Himel den Heiden anzeigen. Sie können es nicht liecht machen, wie die Sonne, noch einen schein geben, wie der Monde. [67]Die unvernünfftigen Thier sind besser denn sie, die können doch in eine Hüle [Höhle] fliehen und sich verwaren. [68] DArumb ist aller ding offenbar, das sie keine Götter sind, [69 ]Denn wie ein Schewsal [i.S.v. Vogelscheuche] im Garten nichts verwaren kann, Also sind auch jr hültzern, vergüldete und versilberte Götzen kein nütz. [70] Und wie eine Hecken im Garten ist, darauff allerley Vögel nisten, oder, wie ein Todter der im Grabe ligt, Also sind jre hültzern, vergüldete und versilberte Götzen. AUch kan man es daran mercken, das sie nicht Götter sind, [71]Denn der Scharlacken [Scharlach], den sie umbhaben, wird von den Motten zufressen, und sie selbs endlich auch dazu, das jr [ihrer] jederman spottet. [72]Wol dem Menschen der Gerecht ist, und keine Götzen hat, Der wird nicht zu spot. [66]

Editorische Notiz Bearbeitungsvorlage für N° 99b Die Propheten alle || Deudsch.|| D. Mart. Lut. || Gedruckt zu Wittem-||berg / Durch Hans Lufft.|| Exemplar der Landesbibl. Coburg, Sig. Lula 1545,5 (1/2)#2 – VD16 B 2718 – Scan 411–413; Bl. m jv. Die Luther-Version hat keine Verszählung, deshalb wurde für die vorliegende Ausgabe in eckigen Klammern die (moderne) Vulgata-Zählung übernommen.

Zweites Nachwort

„Wann wir der Gebühr nach sollten von den Bildern reden, würden wir wie in einem tiefen Abgrund des breiten Meers hin und her fahren.“ Croy/Grasser: Heydnisch Bapsthumb (1607).

Vorbemerkung Die Darlegungen des Nachworts zu den ersten beiden Bänden gelten auch für diesen dritten Band. Im Folgenden geht es deshalb nur um Probleme und Phänomene, die 2014 noch nicht oder aus anderer Perspektive in den Blick geraten waren. Wurden im ersten Nachwort Funktion und Herkunft der Bildvorstellungen von außen dargestellt und so der Rahmen gekennzeichnet, in welchem sie agierten, so sollen nun im zweiten Nachwort vor allem Bedingungen und Wirkungen der Bildstreittexte von innen, also aus den Dokumenten selbst, eruiert werden. Nochmals erinnert sei, dass Bildstreit und Bilderstreit auseinanderzuhalten sind. Im Bildstreit ging es um die Frage, ob das Medium Bild neben dem Medium Schrift in Sachen Heilserwerb und Frömmigkeitspraxis überhaupt eine Funktion haben könne. Diese Frage ist für die meisten unserer Autoren, gleichviel welcher Konfession sie zuzurechnen sind, zentral. Im Bilderstreit hingegen ging es um die Bedeutung verschiedener Bildarten und -themen und deren Legitimität, vor allem aber um zwei verschiedene Bildarten − nämlich Gnadenbilder und Historische Bilder − und deren unterschiedliche Nutzbarkeit.

I Das Profil der Autoren Das Ziel, alle Parteien des Streites gleichberechtigt zu Wort kommen zu lassen, wurde erreicht, denn von den 99 zusammengestellten Dokumenten wurden 88 durch 66 einzelne, namentlich bekannte Autoren niedergeschrieben. (Von manchen Autoren, etwa Luther, Paracelsus, Dürer oder Bucer, wurden mehrere Texte aufgenommen!) Sieben Texte wurden anonym, bzw. von institutionellen Kollektivsubjekten wie Fakultäten, Konsiststorien u.  dgl.m., formuliert. Sechs Texte (N° 1, 2, 3, 59, 60 und 99) stammen aus vorreformatorischen Zeiten.

http://doi.org.de/10.1515/9783110780031-042

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 Zweites Nachwort

1 Konfessionelle Zugehörigkeit Die konfessionelle Verteilung stellt sich folgendermaßen dar: Von einzelnen, namentlich genannten römisch-katholische Autoren wurden 25 Texte verfasst, von protestantischen insgesamt 58 Texte; davon wiederum 29 von protestantisch-lutherischen. Weitere 29 Texte stammen von nichtlutherischen Protestanten (Calvinisten, Zwinglianern, Bucerianern, Täufern u.  a.  m.). Etliche Autoren lassen sich nicht konfessionell zuordnen, weil sie ihre Konfession mehrfach wechselten oder sich selbst keiner Konfession zurechnen mochten. Das gilt für Andreas Bodenstein von Karlstadt (N ° 6), Sebastian Franck (N° 44 und 45), Ludwig Hätzer (N° 17), Stephan Isaak (N° 83), Paracelsus (N° 36−39) oder Caspar von Schwenckfeldt (N° 50), mittelbar aber selbst für Desiderius Erasmus (N° 35 und 61) und Albrecht Dürer (N° 4 und 5). Mithin ist die konfessionelle Streuung der Äußerungen breit und variantenreich und damit perspektivisch zurechenbar.

2 Soziale Zugehörigkeit Schwieriger gestaltet sich die soziale Zurechnung der Aussagen unserer Autoren. Ihre Kenntnis ist aber belangvoll, wenn es um eine Bestimmung der Trägerschicht des Bildstreits und ihrer politischen und sprachlichen Konditionen geht. Fragt man nach familärer Herkunft des Autors und nach dem Beruf des Vaters, ergibt sich Folgendes: Lediglich bei 49 der 66 namentlich bekannten Autoren ließen sich (bisher) dazu Daten finden. Von diesen 49 stammen 6 aus adeligen oder patrizischen Familien (Agrippa v. N., Beza, Blarer, Hohenlandenberg, Sickingen, Quad), 8 stammen von Ratsverwandten oder Amtsleuten ab (Amling, Bodenstein, Eck, Gedik, Geiler, Luther, Pezelius, Scultetus). Akademikersöhne sind 5 (Calvin, Guarinonius, Paracelsus, Pürstinger, Viètor); dazu kommen noch 3 weitere, die als (natürlich uneheliche) Söhne katholischer Priester prekäre Voraussetzunen für den Start einer Lebenskarriere hatten und vielleicht gerade deshalb besondere psychische Energien entwickelten: Erasmus Alberus, Heinrich Bullinger und Desiderius Erasmus von Rotterdam. (Die Frage, wie und warum nach sozialer Ächtung der Kinder katholischer Priester just die Söhne protestantischer Pfarrer im deutschen Sprachraum kulturtragende Bedeutung gewinnen konnten, wäre eine eigene Studie wert.1) 11 unserer Autoren standen in Positionen von Superintedenten oder Bischöfen kirchlichen Gremien vor (Amling, Arndt, Bullinger, Chemnitz, Crato, Hohenlandenberg, Palladius, Pezelius, Sylvanus, Viëtor, Zwingli). Ein Professorenamt hatten 9 inne (Beza,

1 Dazu einige Anregungen bei Albrecht Schöne (1968).

Das Profil der Autoren 

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Bodenstein, Eck, Gedik, Geiler, Luther, Melanchthon, Olearius, Scultetus). Auf diese Datenzusammenstellung rückblickend lässt sich konstatieren, dass die Autoren aus der gehobenen Mittelschicht kamen, wo man es gewohnt war, seine Stimme in politischen, akademischen oder kirchlichen Zusammenhängen geltend zu machen, ohne sich dabei schwerzutun, von der deutschen Volkssprache ins lateinische Idiom zu wechseln. Einen ebenso breiten wie verwirrenden Überblick bietet hingegen 1576 Johann Fischart in seiner Abhandlung von des gemäls nuzbarkeit (→ N° 52, S. 880) an, wenn er behauptet, dass „nicht allein vor längst verschinen jaren vil Hochgelehrte und erleuchte Männer von Philosophis, Historicis, Mathematicis und Poeten sich haben gefunden, welche die rümliche könstlicheit des gemäles, durch ire wolberedenhait als ein materi deren gemäs, hoch erhuben: Sondern es erzeigen sich auch bei noch gegenwärtiger lebzeit von tag zu tag in allerlai sprachen vil mehr solcher kunst verständige und geflissene Leut, die sie, baides jrer von erfindungs zeiten her gehabter würde, und heutiger höchstgeprachter vollkommenhait, in zirlichen vorreden, gantzen orationen und vilen Büchern, zugleich schriftlich, und auch würklich, in scheinlichen bewärten proben, hoch einher tragen und ausher streichen.“ Fischart deutet mithin Interessenstandpunkte an, unter denen Bildnerei in Geschichte und Gegenwart Beachtung fand und sich schriftlich artikulierte. So breit sein Panorama auch ist, bleibt doch erklärungsbedürftig, wieso Philosophen, Historiker, Mathematiker und Poeten, nicht aber Theologen unter den Interessenten erwähnt werden. Der Befund indes, dass es doch vor allem Theologen waren, die im deutschen Bildstreit das Wort nahmen, drängt zu der Frage, wen Fischart denn gemeint haben könnte. Man darf unterstellen, dass er, der weltgewandt, polyglotte Jurist und sprachgewandte Übersetzer (von Rabelais, Bodin, Marnix u.  a.) die außerdeutsche lateinische, italienische, französische und niederländische Literaturszene kannte und hier also eine übernationale europäische Diskursbewegung meinte. Freilich gab es in der Frühen Neuzeit Ikonographie- und IkonoklasmusTraktate nicht allein im deutschen Sprachraum, sondern überall dort, wo Protestanten im Vormarsch waren, also beispielsweise in Frankreich, den Niederlanden und England. Doch sind die Verflechtungen dieser nationalen Bewegungen in unserm Zusammenhang nicht zu erörtern. Als Theologen und Akademiker waren die meisten Teilnehmer der deutschen Debatte es gewohnt, sich bei schriftlichen Äußerungen der lateinischen Sprache zu bedienen. Im Bildstreit aber verhielten sie sich anders. Der Franziskanertheologe Johann Eberlin von Günzburg, der sich dem Luthertum zugewandt hatte, erklärt 1521, weshalb viele Gelehrte sich nun der Volkssprache bedienten:

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 Zweites Nachwort

„Erasmus, Luther und Hut2 vnd vyl andere vnderstond die rechte warheit in das volck zu bringen in teütscher sprach, vnd jederman warnen vor den falschen propheten in schaffs kleideren, in hoffnung, got wird seinem armen teütschen volck die ougen auffthun.“3

Der vertikalen sozialen Durchlässikeit der deutschsprachigen Streittexte entsprach eine horizontale ethnische Ausschließlichkeit: Wer die deutsche Sprache nicht beherrschte, war von der Debatte ausgeschlosssen. Insofern kann von einer originär deutschen und gemeindeutschen Debatte in kulturpatriotischem Kommunikationsinteresse, das auch einen Aufwertungsprozess der deutschen Sprache in sich begriff, gesprochen werden. Erkennbar wird dadurch erstmals, welche medienspezifische – nämlich auf Bildverwendung, Bildwirkung und schließlich auf Bildtechnik bezogene – Begriffskompetenz das Deutsch jener Zeit aus sich entwickeln konnte.4 Hinzu kam das Faktum, dass Luther tatsächlich in Auseinandersetzung mit der Papstkirche den Spottitel ‚deutscher Prophet‘ akzeptierte und militant patriotisch wendete.5 So entwickelte sich im 16. Jahrhundert zunehmend ein Trend zur Deutschsprachigkeit, der sich in unterschiedlichen wissenschaftlichen und politischen Bereichen, je aktuellen Bedürfnissen folgend, unterschiedlich früh zeigte.6 Der Übersetzer und Historiker Johannes Herold beispielsweise deutete das an, wenn er 1554 dem außerhalb Deutschlands gelegentlich geäußerten Verdacht entgegentrat: „dz vnser Vatterland nit auch der menschen habe / die in anerporner sprach alle lher möglichen vnd zuwissen würdige künsten fassen möchtend / oder zum Sternensehen / Erdmessen / Singen / einen Teütschen vnglürnig achten / weil das Rechnen ein grundvestin dieser künsten / auffs höchst bey vns kommen: Solt der Teütsch seine buchstaben / liebliche ahrt vnd den pluomen der rede / oder die eröhrterung seines vorhabens nit wissen einzubilden / do doch schier aller Welten sprachen vnd künste / vnß Teütschen so gemein vordem?“7

2 Gemeint ist vermutlich der aus dem oberhessischen Haina stammende Täufer Hans Hut (ca. 1490–1527), vielleicht auch der im Titel genannte Ulrich von Hutten? 3 Johann Eberlin von Günzburg: Warumb man Herr Erasmus von Roterodam in Teütsche sprach transferiert. Warumb doctor Luther vnd herr Vlrich von Hutten teütsch schreiben. Wie nutz vnd not es sy das sollich ding dem gemeinen man für kom. Der VIII. bundts gnoß. In: Johann Eberlin von Günzburg: Ausgewählte Schriften. Bd. 1. Hg. v. Ludwig Enders. Halle 1896, S. 79–88; hier S. 86. 4 Vgl. dazu das „Begriffs- und Sachverzeichnis in STR2, S. 1295–1344 und in vorliegendem Bande. 5 So schreibt er 1531 in der Warnung an seine lieben Deutschen: „Aber weil ich der Deudschen Prophet bin (Denn solchen hoffertigen namen mus ich mir hinfurt selbs zu messen / meinen Papisten und Eseln zur lust vnd gefallen) So will mir gleichwol / als einem trewen Lerer / gebüren meine lieben Deudschen zu warnen / fur jrem schaden vnd fahr.“ Luthers Werke. Hg. v. Otto Clemen. 6. verb. Aufl., Bd. 2. Berlin 1967, S. 194–228.; hier S. 208. 6 Vgl. dazu Kühlmann (1989), Klein (2011) und Berns (1982 u. 2010). 7 Herold (1554), Bl. IVr.

Die Dynamik des Bildstreits 

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Gewiss, die ‚Teutschen‘ des 16.  Jahrhunderts waren nicht Repräsentanten eines Volkes von ‚Dichtern und Denkern‘, wohl aber galten sie sich selbst und ihren Nachbarn als Liebhaber und Förderer aller mathematischen Künste samt der Musik. Das ließ auch ihr Verhältnis zu den Bildkünsten nicht unberührt.

II Die Dynamik des Bildstreits Anlässlich der Frage, wie der Bildstreit entstand, sich entfaltete und über fast zwei Jahrhunderte hinzog, muss zunächst erinnert werden, dass mit Auftreten der drei abrahamitischen Religionen – Judentum, Christentum, Islam – dieser Streit immer schon latent war, wie die Tradition der Bilderverbote bezeugt. Wenn der frühneuzeitliche deutsche Bildstreit aber eigene Brisanz gewann, dann deshalb, weil er medienhistorisch zäsursetzende Kraft hatte. Dieser Bildstreit war unvermeidbar. Wer ihn lediglich als theo-ikonologischen und frömmigkeitspsychologischen Streit zwischen Exponenten verschiedener christlicher Konfessionen deuten wollte, griffe zu kurz. Denn das theologische Vokabular des Streites war nicht dazu angetan, den Streit entscheidbar zu machen. Es verdeckte vielmehr ein objektives Problem: das des Kampfes einer tradierten, frömmigkeitspraktisch vertrauten Nutzung von Bildern mit einer Nutzung neuer visueller Möglichkeiten und Erfahrungen. Wenn sich seit dem 15. Jahrhundert zunehmend die Auffassung durchsetzte, mit der Zentralperspektive (Fluchtpunktperspektive) sei die Methode gefunden, Dinge so darzustellen, wie das menschliche Auge sie sieht, dann veränderte diese Auffassung Faktur und Nutzungsmöglichkeit von Bildern gravierend, vor allem in zwiefacher Hinsicht. Man gewann etwas, und man verlor etwas. Was man gewann, war veristische Exaktheit von Realiätsdarstellung; was man verlor, war die phantasmatische Eigenheit bildgeleiteter meditativer Akte. Infolge dieser doppelten Veränderung ergaben sich etliche neue Möglichkeiten, die die Reformatoren in ihrem Sinne zu nutzen suchten, ja die sie auch nutzen mussten. Die Bilder neuen Typs brachten − auch und gerade im Bereich der Bildniskunst − Meditationsbehinderung und -vereitelung mit sich. Das erörtern unsere Bildstreitautoren in dreierlei Hinsicht: 1. durch Kenntlichmachen des wahrnehmungspsychologischen Phänomens, dass man bei Betrachten dieser Bilder, an ihnen ‚kleben‘ bleibe (d.  h. den Blick nicht von ihnen abwenden könne); 2. durch erkenntniskritische Einwände gegen die frömmigkeitsstrategische Verwendung von Bildern überhaupt; und 3. durch Aufwertung der phantasmatischen Eigenständigkeit und Assoziationspotenz von Schrift, die nun zum wichtigsten Meditationsmedium wurde.

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 Zweites Nachwort

1 Verbreitungsweisen Die meisten Bildstreittexte entstanden jeweils fallbezogen, aus lokal akutem, zeitlich punktuellem Anlass. So artikulierte sich beispielsweise Andreas Bodenstein von Karlstadt während der Wittenberger Unruhen, wie dann auch Martin Luther, der in Predigtserien und agitatorischen Flugschriften das Wort nahm. Ulrich Zwingli, Ludwig Hätzer und Heinrich Bullinger artikulierten sich in Zürcher Zusammenhängen, auf die dann der auch für Zürich zuständige Konstanzer Bischof Hugo von Hohenlandenberg antwortete. Martin Bucer, Wolfgang Capito und andere nahmen in den Straßburger Religionsunruhen das Wort, in Bremen war es namentlich Pezelius, in Zerbst Amling, in Heidelberg Sylvanus und Ursinus, in Prag Scultetus, auf die dann jeweils andere zustimmend oder ablehnend Bezug nahmen. Die ad hoc formulierten und lokal motivierten Verlautbarungen gewannen rasch Flügel, wenn es andernorts gesinnungsverwandte Bildgegner und Bildfreunde oder auch geschäftstüchtige Drucker gab, die für schnelle Verbreitung sorgten. So gelang es Reformationsfreunden und -gegnern, sich eilends zu vernetzen. Zumeist lässt sich noch nachprüfen, wann und wo jeweils bestimmte Predigten zu Flugschriften oder Schmähgedichte zu Flugblättern wurden. Oft lassen sich Anlässe für Nachdrucke oder auch für Gegenschriften an anderen Orten in scheinbar beliebigen Auflagen benennen. Und in Ratsprotokollen und ähnlichem Schriftgut lassen sich vielerorts noch lokale obrigkeitlich-policeyliche Verbote bestimmter Flugschriften nachweisen.

2 Publikumsfraktionen Es waren unterschiedliche Publica, verschiedene Publikumsfraktionen, die da von diversen Autoren unterschiedlichen sozialen und intellektuellen Ranges, unterschiedlicher Legitimation, unterschiedlichen Auftrags oder auch unterschiedlicher Eigenmächtigkeit mittels eigner Botschaften adressiert wurden. Die Formulierung dieser Botschaften bestimmte ihre Reichweite ebenso wie den Grad der Zumutung, die sie für Andersgläubige bereithielten. Wenn die Streitautoren sich nur selten explizit aufeinander bezogen, taten sie es oft aber implizit. So entstand durch Übernahme von Motiven und Argumenten oder auch von thesenhaften Formeln eine innere Verflechtung. Man kann unterstellen, dass alle Autoren zumindest die Initialschrift Bodensteins und Luthers Antworten darauf zur Kenntnis genommen haben. Ein innerer Zusammenhang der Bildstreitliteratur ergab sich vorab aber schon daraus, dass alleAutoren den gleichen Bildungsstandard theologischer und akademischer Art und damit eine gemeinsame ideologische Ausgangsbasis hatten: in Bibel, Patristik (namentlich

Die Dynamik des Bildstreits 

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Augustinus), Canones, Liturgik (namentlich Durandus), Kirchenhistoriographie (namentlich Eusebius), in antik-paganer Historiographie (Homer, Vergil, Plinius), Philosophie und Rhetorik. Der Etablierungskampf der unterschiedlichen protestantischen Fraktionen und der Behauptungskampf der romtreuen Altgläubigen forderte oder begünstigte ein Überspringen von Ort zu Ort, das die Bilderfrage nicht nur nebenbei einbezog, sondern sie ihrer kämpferisch-triumphalen Signifikanz wegen als Demonstrationsmedium wichtig machte. Wo die Heiligenbilder schwanden, sahen sich die einen im Vormarsch, während Parteigänger römischen Glaubens sich mühten, ganze Territorien mit Bildstationen in und vor allem auch außerhalb der Kirchen – an Wegen, Kreuzungen und Plätzen – zu überziehen und zu festigen. Die Ausbreitung der ikonologischen Vorstellungen und der ihnen folgenden Bildfavorisierung und Bildkritik folgte Wegen, die bereits in früheren Jahrhunderten gebahnt worden waren: dem Netz der diversen Mönchsorden, dem Netz der Versippung von Dynastien, den Städtebünden, dem Konnex der Universitäten und ihres wandernden Personals, dem Netz der Gelehrtenkorrespondenzen und, seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, dem Netz der sich rasant ausbreitenden Druckerfamilien.8

3 Bildskepsis und ihre Gründe Sich in den Bildstreit einzulassen gab es unterschiedliche Motive. Jedenfalls lassen sie sich nicht als bloße Voreingenommenheit für oder wider kultische Bildnutzung, als Ausfluss konfessioneller Parteiung oder sozialer Verpflichtung hinlänglich erklären. Wenn die Bildskepsis im Deutschland des 16. Jahrhunderts vehement anstieg und militant wurde, so gab es dafür mehrere, einander teils verstärkende, teils widersprechende Beweggründe. Drei seien besonders hervorgehoben: ein frömmigkeitslogischer, ein technologischer und ein politischer. Frömmigkeitslogisch ermöglichte ein Satz von Neuerungen eine Wende von der priesterlich geleiteten, liturgisch strukturierten Gottesdienstpraxis hin zu einer ‚wilden‘ unstrukturierten Heilserwerbspraxis, in welchen statt Reliquien nun Bilder eine treibende Rolle spielten. Ergeben hatte sich dies dadurch, dass neben den Fernwallfahrten (nach Jerusalem, Rom, Santiago de Compostela) Nahwallfahrten in deutschen Landen sich seit dem 13. Jahrhundert rapide vermehrt und vernetzt hatten. Ihre Zahl ging auf dem Boden des Reichs in die Hunderte, und sie

8 Dazu sehr instruktiv Thomas Kaufmann (2019).

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 Zweites Nachwort

brachten eine Vermehrung wundermächtiger Gnadenbilder mit sich. Ein Netz von Pilgerorten überzog das Land und schwächte insofern die lokale kirchliche Gewalt, als jedermann nun pilgern konnte. Nicht unbeträchtliche Teile der Bevölkerung strebten ohne priesterliches Zutun aus eigenem Antrieb zu den Pilgerorten, um bei den dortigen Heiltümern, vor allem aber bei mirakelerprobten Gnadenbildern, ihr Heil zu suchen. Auch die erst im späten 15. Jahrhundert einsetzende Nutzung des Rosenkranzes – als eines Instrumentes zur Imaginationssteuerung und Heilsakkumulation – leistete einer individuellen, von priesterlicher Steuerung und Betreung nicht abhängigen Heilserwerbspraxis Vorschub.9 Eine technologische Delegitimation priesterlicher Heilsverwaltung ergab sich aus der technischen Reproduzierbarkeit von Lettern und Bildern und damit aus deren massenhafter Verbreitung. Die seit dem 13.  Jahrhundert sich zunehmend verbreitenden Pilgerzeichen, die das Wallfahrtsbild verkleinert reproduzierten, wurden an der Wende zum 15. Jahrhundert durch Holzschnitt- und Metallschnittreproduktionen ergänzt oder ersetzt. In Reproduktionsform wurden Gnadenbilder individuell erwerbbar und privat in eigenen Gemächern nutzbar. Die so ermöglichte Vermehrung und Dislozierung brachte eine Desakralisierung des singulären Gnadenbildes und selbst eine tendenzielle Minderung seiner Mirakelpotenz mit sich. Wenn – wie bereits ein Beispiel des 13. Jahrhunderts lehrt – das Staunen vor dem miraculum des Gnadenbildes vom Staunen über das mirabile seiner Reproduzierbarkeit10 abgelöst wurde, dann ist daraus bereits die radikale Umwertungsbewegung ablesbar, die die folgenden Jahrhunderte bestimmen wird.

4 Policey Ein wichtiger Anstoß zum Bildstreit ergab sich auch aus der seit dem 15. Jahrhundert voranschreitenden Ablösung kirchlicher Fürsorgeinstitutionen durch das weltlich-kommunale und –territoriale Reglementierungs- und Steuerungswesen: die Policey.11 Die sozialen Spannungen, die sich in den städtischen Kommunen aus starker Zuwanderung von unprivilegierten Arbeitskräften ergaben, konnten durch kirchliches Allmosen- und Spitalwesen nicht mehr aufgefangen werden und wurden deshalb durch ein ‚Zucht und Ordnung‘ anstrebendes Erlasswesen reglementiert.

9 Vgl. Berns (2003a). 10 Vgl. dazu das Nachwort in STR2, S. 1127–1130. 11 Zum Policey-Problem Stolleis (1996), Wüst (2017), Berns (1982 u. 1991).

Psychologische Implikationen des Bildstreits 

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Auch bei der Aufsicht über die Bildausstattung von Kirchen, Ratshäusern und anderen kommunalen Gebäuden, Straßen und Wegen löste die Policey als Instrument der weltlichen Obrigkeit die Kirche ab. Mit Etablierung des Buchdrucks wurden Graphik- und Textzensur gleichgestellt und policeylicher Reglementierung überantwortet. Dabei ließ es sich nicht vermeiden, dass selbst die in privaten Räumen deponierten Bilder und Bücher polceylicher Prüfung unterzogen und gegebenenfalls konfisziert wurden. In Anbetracht dessen ist nicht erstaunlich, dass Bildverteidiger ebenso wie Bildkritiker auf Gehör bei der Obrigkeit rechneten und diese – wie beispielsweise in vorliegendem Band Ambrosius Blarer12, Nicolaus Palladius13 und Johannes Olearius14 – zur Verteidigung ihrer Sache anriefen.

III Psychologische Implikationen des Bildstreits Die psychologisch grundlegende Frage des gesamten Bildstreits ist die nach dem Verhältnis bildförmiger visueller Mitteilungen und verbaler, sowohl akustischer wie schriftförmiger, Mitteilungen. Bei dieser Frage ging es um die wahrnehmungspsychologische und –physiologische Bestimmung frömmigkeitsstrategischer Potentiale. In Tradition aristotelischer Vorstellungen ging man davon aus, dass unter den fünf menschlichen Sinnen eine Art prästabilisierter Harmonie herrsche. Werde die Leistung eines Sinnes beeinträchtigt – etwa gemindert oder überlastet –, so müssten die übrigen vier Sinne diese Beeinträchtigung kompensieren. Bis in die heutige Anästhesie-Medizin hinein nutzt man diese Wechselabhängigkeit, indem man etwa gesteigerte taktile Reizungen akustisch kompensiert: bei schmerzhafter Zahnbehandlung akustische Ablenkung (durch Musikbeschallung) einsetzt.

1 Bilder als Irritations- und Kompensationsmittel Hinsichtlich der visuellen, bildgeleiteten Kompensation gustatorischer Überreizung (also der Sinnlichkeitskonkurrenz von visus und gustus) weiß 1573 Martin Chemnitz zu berichten: Paulinus von Nola habe bereits im 5. Jahrhundert Gemälde zur Hungerbetäubung eingesetzt: „Als das Volck welchs zusammen kam, das fest deß H. Felicis zu begehn, in der Kirchen zu essen pflegte, habe er die wände der Kirchen, mit gemähl-

12 Vgl. Ambrosius Blarer, N° 63, S. 108. 13 Vgl. Nicolaus Palladius, N° 78, S. 263  ff. 14 Vgl. Johannes Olearius, N° 92, S. 548  f.

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 Zweites Nachwort

den auß altem und neuem Testament genommen, lassen zieren und schmücken, daß, welche zu Tisch sassen, zu thun hetten sie anzusehen, und deßdo messiger die Mahlzeyt vollnbrechten.“15 In diese Traditionslinie ist nun auch die radikal calvinistische Vorstellung zu rücken, die da unterstellt, die visuellen Reize von Bildwerken seien so stark, dass sie verbale Botschaften überdeckten. Bildinformationen lenkten die phantasmatische Freiheit in engere Bahnen als Verbalinformationen. Es geht mithin um Fragen der Konzentrations- und Assoziationsfähigkeit. Bilder im Gottesdienstraum, so behaupten die Bildgegner, behindern oder vereiteln gar Austeilung und Verständnis des göttlichen Wortes, das in Form von Bibellesung und Predigt die Gemeindemitglieder erreichen soll. So gelte bei den anhaltinischen Reformierten: „Was die Leute hindert und abhelt, vom Gehöre [i.S.v. Anhören] Göttliches Worts, das sol man billich aus den Kirchen reumen. Die Bilder verhindern die Leute, das sie nicht auff Gottes Wort achten, Sondern nur dieselben anschawen, und wenig auff die Predigt achten, darumb sol man alle Bilder gentzlich aus den Kirchen hinweg thun.“ Dem hält der wackere Lutheraner Taurer entgegen: So wenig „wie der Teufel ein Heiliger ist, also ists auch wahr, dass die Bilder die Leute vom Gehöre Göttliches Worts abhalten. Frage man Gelerte oder Ungelerte: Hindern dich die Bilder und Altar etwas am Gehör Göttliches Worts? Da werden alle fromme Christen antworten: Der Anheldische Bildstürmerische Geist redet die Unwarheit, Die Bilder hindern mich am Gehör Göttliches Worts durchaus nichts. Hieher gehöret nu […], das die Bilder der Leyen Bibel sein und einen mechtigen Nutz haben, bey Gelerten und Ungelerten.“16 Bewiesen hat Taurer damit freilich nichts; er lässt sich auf die physiologische Argumentation gar nicht ein. In Bremen greift der Calvinist Pezelius (N° 87)17 zur Rechtfertigung seiner Bildkritik gar bis in die griechische Antike zurück: „es ist auch gefehrlich und schedlich in den Kirchen das Bild und Götzenwerck zue underhalten, Sintemahl die gemüter der Menschen durch dieselben abgewendet werden von ernster und bestendiger betrachtung der Göttlichen dingen, damit man sich under dem Gottesdienst bekümmeren soll. Nun haben auch die Spartaner vorzeiten auf jhrem Rathauß keine Bilder leiden wollen, damit die RatsHerren jhre gedancken beisammen behalten möchten, einig und allein den sachen, darvon gerathschlaget wurde, nachzuetrachten.“ Bildverteidiger hingegen – die Lutheranhänger und natürlich auch die an Rom orientierten Altgläubigen  – unterstellen, Bilder stärkten die Wortrezeption. Sie

15 Chemnitz → STR2, N° 51, S. 828. 16 Taurer, N° 93, STR3, S. 564. 17 STR3, N° 87, S. 451.

Psychologische Implikationen des Bildstreits 

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berufen sich deshalb auf illustrierte Bücher, insbesondere auf illustrierte Bibeln, aber auch auf didaktische Schriften wie illustrierte Katechismen und Schulfibeln, denen Bilder zur Verbesserung des Textverständnisses und –gedächtnisses dienen sollen. Gerade der Ungebildeten – der Kinder, Analphabeten und aller mental nicht gut Gerüsteten – wegen seien Bilder erforderlich. Und in rechter Zusammenstellung böten Bilder, so lehrt Gregor d. Gr., lehrt Durandus, lehrt aber auch noch Luther, eine ‚Bibel der Laien‘. Gegen diese vielzitierte Gregorsformel erheben Bildgegner sehr entschieden Einspruch, mit dem Hinweis, dass auf diesem Wege zwei Bibeln propagiert würden, eine Schriftbibel und eine Bilderbibel, und dass den Ungebildeten mithin Schrifterwerb und mentale Selbstmächtigkeit vorenthalten würden. Die Frage, ob denn Bilder bei Erwerb von Schriftmächtigkeit nicht tatsächlich hilfreich seien, ist damit freilich noch nicht geklärt. Ganz generell war spätestens seit dem Spätmittelalter anerkannt, dass Bilder erinnerungsförderlich seien und bei Verbalmitteilungen auch analytische Hilfe leisten könnten.

2 Stratageme von Bildvernetzung Noch genauere Beachtung verdient, dass in der Frühen Neuzeit bereits Strategien entwickelt wurden, mittels komplexer Bildangebote und Bildvernetzungen erinnerungsträchtige Appellstrukturen zu schaffen, wie sie heute noch zur Warenwerbung oder zur politischen Propaganda genutzt werden. Das sei hier an Beispielen erläutert: 2.1 Luthers Konzept Luther forderte und förderte bereits in des zwanziger Jahren des 16. Jahrhunderts eine raumgreifende Bebilderung, die, von Buchillustrationen ausgehend auf Kirchenwände, ja selbst auf kommunale und private Räumlichkeiten übergreifen sollte. So verlangte er 1525: „Das wyr auch solche bilder [erg. wie sie in die Bibeltexte eingefügt wurden] mügen an die wende malen umb gedechtnis und bessern verstands willen, Syntemal sie an den wenden ja so wenig schaden als yn den büchern, Es ist yhe besser, man male an die wand, wie Gott die welt schuf, wie Noe die arca bauet und was mehr guter historien sind, denn das man sonst yrgent weltlich unverschampt ding malet, ja wollt Gott, ich kund die herrn und die reychen da hyn bereden, das sie die gantze Bibel ynwendig und auswendig an den heusern fur ydermans augen malen liessen. das were eyn Christlich werck.“18 Und 1529 forderte er

18 STR1, S. 230.

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 Zweites Nachwort

ergänzend, man solle dem „gemeinen Mann“ allenthalben „in Stuben und Kammern“ Bilder (bibel-)historischen Inhalts anbieten. Denn man könne „die wort und werck Gottes nicht zu viel oder zu offt fürhalten.“19

Erstaunlich sind dabei zwei Aspekte: Zum einen, dass Luther nicht erörtert, dass da sehr verschiedenartige Bildmedien zum Einsatz kommen sollen, die wegen ihres Formats und die dadurch bedingten Rezeptionsweisen unterschiedliche Öffentlichkeitsgrade und verschiedene Publikumsfraktionen konstituieren und erreichen. Da sind die Bildchen im Intimraum des Buches, und da sind die monumentalen Bilder in, an und vor den öffentlichen Gebäuden. Denn die kleinen Buchillustrationen sind nur individuell, im persönlichen Nähebereich zu rezipieren, während die vergleichsweise riesigen Bildwerke aus größerer Distanz wahrgenommen und, weil sie von vielen gemeinsam betrachtet werden, zugleich gemeindebildend wirken wollen. Zum andern ist bemerkenswert, dass Luther bei Verfolgung seines didaktischen Ziels es nicht für erheblich hält, ob Bildwerke an (Kirchen-)Wänden und auf Altären, oder aber in weltlichen öffentlichen oder privaten Räumen zum Einsatz kommen. Das aber hätte (und hatte auch in der Tat) Konsequenzen für die Reichweite der Bildzensur. Im 16.  Jahrhundert war das Reglement der Bildzensur das gleiche wie das der Buchzensur.20 Sofern es der Zensur oblag, die Autorschaft und den gesamten Produktionsbereich, sodann aber den Vertrieb und schließlich gar den Besitz von Büchern und Bildern zu überwachen, kannte man keinen Unterschied von Privat- und Öffentlichkeitsbereichen und also keine Zensurgrenzen. Welche Vorstellungen Luther mit der Illustration seiner Bibeldrucke verband und welches persönliche Engagement er entwickelte, sie zu realisieren, erinnert noch 1563 sein Corrector Christoff Walther: „DEr Ehrwirdige Herr Doctor Martinus Luther / hat die Figuren in der Wittembergischen Biblia zum teil selber angegeben / wie man sie hat sollen reissen oder malen / Und hat befohlen / das man auffs einfeltigst den inhalt des Texts solt abmalen und reissen / Und wolte nicht leiden, das man uberley [i.S.v. überflüssige] und unnütz ding / das zum Text nicht dienet, solt dazu schmieren / Wie jtzt die Nachdrucker in jren Biblien gethan haben / Die Figuren in jren Biblien sind klein, und was den Text belanget / fast vnkentlich / Vmb die Figuren aber herumb / haben sie viel Narrenwerck / Puppenwerck vnd Teufelswerck lassen malen / Denn sie haben etliche Leisten vmb die Figuren lassen machen / weil die Figuren so klein sind / darauff stehet so nerrische fantasey / von Teuflischen angesichten / Uhu und andern

19 STR3, N° 65. 20 Genauer dazu STR2, S. 1197–1211.

Psychologische Implikationen des Bildstreits 

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unfletigen greslichen angesichten und monstris. Vnd haben solche Leisten umb die Figuren geschlossen vnd gesatzt / welche viel besser im Marcolfo /21 denn in der Biblia / neben Gottes wort / stehen solten.“22

Ist es Luther also um möglichst einfache, klare und im Verhältnis zu Textspiegel große Illustrationen zu tun, so macht er doch nicht deutlich, wie denn aber eine strikte Entsprechung von (biblischem) Text und Bild herzustellen wäre. 2.2 Utopistische Bilddidaxe Dass derlei aus- und durchgreifende Bildstratageme, wie sie Luther und andere Bildfreunde entwickelten, in der Luft lagen, zeigen überraschend deutliche Entsprechungen in den gleichzeitig valenten Vorstellungen inselutopistischen Literatur, aber auch in römisch-katholischen Pietas-Konzepten. Der Graecist Caspar Stiblin (1526–1563) und der Mönch Tommaso Campanella (1568–1638) propagierten in ihren urbanistischen Modellen umfassende Bilddidaxe. So ist die Stadtkernanlage von Stiblins utopischer Kommune Macaria durch emblemartige Bild-Schrift-Monumente geprägt, welchen eine volksdidaktisch-polizierende Rolle zugedacht ist,23 und Campanellas Civitas Solis ist als konzentrischringförmiges Straßensystem angelegt, das zugleich als Lernmodell fungiert. Denn die arkadenhaft gegliederten Ringwände der die Straßen säumenden Häuser sind allesamt derart bemalt oder auch mit Realien (wie Instrumenten, Steinen oder Pflanzenpräparaten) bestückt, dass im betrachtenden Abschreiten dieser Straßen ein im ureigensten Sinne encyklopädischer Lern- und Merkakt zu vollziehen ist.24 2.3 Das Pietas-Konzept im bayrisch-österreichischen Raum Beide Arten der Bilddidaxe, die lutheranische und die utopistische, gingen an der Wende zum 17. Jahrhundert endlich im katholischen Pietas-Konzept des bayerischösterreichischen Raumes die sinnlichkeitsstrategisch vielseitigste Verbindung ein.

21 Gemeint ist das mittelalterliche Volksbuch ‚Salomon und Marcolf‘, das in verschiedenen europäiischen Volkssprachen in Europa erschien. 22 Christoff Walther: Von vnterscheid der Deudschen Biblien. Wittemberg 1563. Bl. Bijr + v 23 Vgl. Berns (2000) sowie Stiblin, Caspar: Commentariolus de Eudæmonensium Republica. Basel 1555. 24 Vgl. [Campanella, Tommaso:] Civitas Solis. Idea Reipublicæ Philosphicæ. In: F.  Thomæ Campanellæ Calabri O. F. Realis Philosophiæ Epilogisticæ Partes Quatuor […] A Tobia Adami nunc primum editæ. Frankfurt a.M. 1623. S. 415–464. – Zur enzyklopädischen Struktur der Civitas Solis vgl. Berns (2009).

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 Zweites Nachwort

Pietas Bavarica25 und Pietas Austriaca26 waren höfisch-dynastisch geprägt; sie betrafen alle sinnlichen Künste und deren frömmigkeitsdidaktischen Potentiale. Das auf den Gesichtssinn bezogene Vorhaben bestand in Schaffung eines Bildnetzes, das das gesamte Herrschaftsterrain überspannen sollte, wobei Klöster, Kapellen und Wallfahrtsorte die wichtigsten Schalt- und Umspannstationen bildeten, während kleinere Bildzeichen – etwa Bildstöcke, Kruzifixe und Heiligenbilder am Wegesrand, auf Hügeln und vor allem an Weggabeln und –kreuzungen – psychische Anstoßwirkungen entfalten sollten, und zwar, wie es 1620 ein Katholik formuliert, nach Art von „Stupffgerten, stupffen und treiben die faule Ochsen fort zu der andacht“.27 Wenn noch heute Plakatwerbung im öffentlichen Raum auf ähnliche Anstoß- und „Stupf“-Wirkung vertraut, so ist zu konstatieren, dass auch die Bildsignale des Pietas-Konzepts insofern reklamegleich genutzt wurden, als sie selbst nicht Ziele darstellten, sondern mehr oder minder zufällig die Vorbeikommenden affizieren und dabei mehr oder minder beiläufig fromme Wünsche evozieren sollten. Alle diese Stratageme – die lutheranischen, die utopistischen, die pietasorientierten und die modernen werblichen – gewinnen psychologische Wirkung durch wohlkalkulierte Beiläufigkeit.

IV Textgruppen Drei große Textgruppen sind, schon wenn man das Inhaltsverzeichnis unserer drei Bände befragt, anhand thematischer und formaler Kriterien zu unterscheiden: die der Heiligenverehrung, die der sakralen Ceremonienlehre und die der poetischen Streittexte. Diese Dreiteilung ist nicht trennscharf, ist aber beschreibungspraktisch und heuristisch hilfreich. Zu Grüppe 1 lassen sich demnach elf Texte rechnen: N° 16, N° 24, N° 29, N° 32, N° 44, N° 61, N° 63, N° 64, N°70, N°71 und N° 94; zu Gruppe 2 zählen vor allem sechs Texte: N° 37, N° 56, N° 62, N° 82, N° 85 und N° 88; und schließlich zu Gruppe 3 folgende zwölf Dokumente: N° 10, N° 11, N° 12, N° 31, N° 40, N° 48, N° 52, N° 54, N° 74, N° 75, N° 77 und N° 97. Welche Verwandtschaften haben diese drei Gruppen und wie setzen sie sich voneinander ab?

25 Vgl. Woeckel (1992). 26 Vgl. Coreth (1982) 27 Bericht von den Ungötzenbildern, STR3, N° 97, S. 648.

Textgruppen 

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1 Kontroverstexte zur Heiligenverehrung Die ikonologische Bedeutung von Heiligenverehrung ergibt sich aus der traditionellen römisch-katholischen Lehre, die da besagt, dass solche Verehrung ohne Bilder, ohne Bildnisse der Heiligen, nicht statthaben könne. Welche Aufgaben und Funktionen haben solche Bildnisse? An erster Stelle zu nennen ist die mnemonische Funktion.28 Die zumeist als Brustbildnisse dargebotenen Bilder von Heiligen appellieren an die Betrachtenden, sich der dargestellten Heiligen als lebender und handelnder zu erinnern, ihr einstiges Tun als vorbildlich zu begreifen und nachahmend fortzusetzen. Der Appell wird allemal und jederzeit, beim gezielten Ansichtigmachen ebenso wie beim zufälligen Ansichtigwerden eines solchen Bildnisses, wirksam. In Aufnahme des Appells aktualisieren sich die von Priestern oder anderen kirchlich befugten Personen erteilten Instruktionen verbaler (oft auch zusätzlich ikonischer) Art. Das heißt: Die im Bildnis kondensierten Informationen werden imaginativ freigesetzt und zu kinetischer Bewegtheit verflüssigt. Die Heiligenbildnisse können auch mit ikonischsignethaften Detailinformationen aufgerüstet werden, die bevorzugt als periphere Marken ringförmig um das Bildnis gesetzt werden. Diese Marken, die analog zu den Arma Christi als Arma Sanctarum vel Sanctorum zu bezeichnen wären, erlauben oder fordern eine strukturierte sukzessive Vergegenwärtigung der Aktionen der Heiligen, kraft welcher sie vordem ihre Heiligenqualität erlangten. Die erinnernde Vergegenwärtigung der sonst inaktiven, weil toten Heiligen erweckt sie zu neuem Leben, sie revitalisieren sich imaginativ in den Betrachtenden. Damit ineins laden sich die Betrachtenden an den Erinnerten auf, indem sie sich imitatorisch an ihnen ausrichten. Die protestantische Kritik an solcher bildgeleiteten Heiligenverehrung richtet sich auf die eigentümliche Vitalitätsunterstellung, die dem Heiligenkult inhärent ist. Insbesondere richtet sie sich gegen die Vorstellung, die Heiligen hätten vermöge ihres heilsförderlichen Tuns einen Heilsschatz akkumuliert, an welchem mittels Heiligenanrufung alle partizipieren könnten, indem sie den Heilsschatz zugleich nutzen und damit mindern, wie auch beglaubigen und durch imitatio mehren. Eines der Hauptargumente, das protestantische Kritiker der Heiligenverehrung mobilisierten, war der Polytheismus-Vorwurf; so zum Beispiel historiographisch ambitioniert und detailreich in dem Buch ‚Heydnisch Bapsthumb‘ von Croy/Grasser (N° 94). Das Unterfangen, das christliche Heiligenkonsortium aus dem griechisch-römischen Götterkonsortium herzuleiten, das spätestens seit dem frühen 16. Jahrundert bereits von vielen anderen Autoren gefördert worden war

28 Vgl. dazu Hecht (2012), S. 73–120.

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 Zweites Nachwort

(u.  a. von Martin Luther), war damals angesichts des ausgreifenden Antikeninteresses29 gewiss zeitgemäß, es war aber auch zwieschlächtig. Denn (wie ich andernorts gezeigt habe30) dem denunziatorischen Diskriminierungsinteresse, das in der genetischen Herleitung des christlichen Heiligenkults aus heidnischem Polytheismus Ausdruck fand, stand ein Anerkennungsinteresse gegenüber, das die Namen und Taten antiker Gottheiten allegorisierend zur identifikatorischen Glorifizierung gerade lebender fürstlicher, militärischer oder auch künstlerischer Persönlichkeiten nutzte. So manche Fürstin wurde als Diana, so mancher Fürst als Zeus, so mancher Feldherr als Mars, so mancher Historiker als Homer gefeiert. Zu fragen ist, wie frühneuzeitliche Intellektuelle mit dieser moralisch vertrackten Doppelrolle mythologischen Zuweisens umgingen. Wie konnte es einerseits verächtlich sein, einen bestimmten Heiligen paganer Herkunft zu überführen, wenn es doch andererseits höchst erstrebenswert war, als teutsche Venus, teutscher Apoll, teutscher Horaz gefeiert zu werden. Der gravierendste Unterschied beider Nutzungsweisen bestand darin, dass die eine historisch-genetisch argumentierte, während die andere allegorisierend verfuhr. Nur antike Gottheiten, nicht aber christliche Heilige ließen sich allegorisch zuweisen. Und anders als antike Gottheiten kehren christliche Heilige, wenn sie einmal vergessen wurden, nicht wieder. (Oder doch? Es lassen sich seit dem 19. Jahrhundert Tendenzen beobachten, heilige als Patrone medienästhetischer Innovationen zu reklamieren; so beispielsweise die heilige Veronika − des Sudariums wegen − als Patronin der Photographie oder die Santa Maria Lauretana − ob ihres flugerprobten Hauses − als Patronin der Luftfahrt. Solche Allusionen wurden indes nur möglich, wenn die Heiligen gleich den paganen Göttern behandelt und also allegorisiert wurden.) Objektiv in Frage gestellt wird die mnemonische Meditationsenergie der Heiligenbild verehrung durch zwei technische Neuerung en: Illusionismus und technische Reproduktion. 1.1 Mathematisch angeleiteter Illusionismus Es waren einige technische Innovationen − namentlich die Mathematisierung der Wirklichkeitserfassung (Zentralperspektive), die Armierung des Blicks durch Linsenoptik (Brille, Mikroskop, Makroskop), die Optimierung der Projektion durch apparative Aufrüstung (Camera obscura artficialis und Laterna magica) und endlich die drucktechnische Optimierung von Bildreproduktion (Holzschnitt, Stahlstich, Kupferstich, Radierung u.  ä.) − die den neuen Illusionismus anbahnten. Alles diese

29 → JJB (2019). 30 → JJB (2010).

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sensationellen Neuerungen wurden nun, sofern sie sich auf die Fertigung von Heiligenbildnissen auswirkten, zum Streitpunkten. Dabei ist zu erinnern, dass im Bildstreit des Zeitraums zwischen Gutenberg und Zedler zwei Arten von ‚Wahrheit‘, zwei Formen von Wahrheitsanspruch auf einander stießen und mit einander kämpften. So gab es bei der Darstellung von Heiligen zum einen den  – in der Frühen Neuzeit als ‚griechisch‘, ‚moscowitisch‘ oder ‚byzantisch‘ bezeichneten  – Ikonen-Typ und zum andern den veristischen, lebenswahren Conterfait-Typ.31 Das Heiligenbildnis des Ikonen-Typs baut auf die Urbild-Abbild-Relation,32 das Heiligenbildnis des Conterfait-Typs baut auf Autopsie.33 Mithin vermitteln beide Arten auch ein unterschiedliches Geschichtsbild. Der Ikonen-Typ vermittelt die Lehre, es habe da dereinst ein Urbild/Vorbild (Prototyp) gegeben, von welchem eine beliebig lange Kette von Abbildern sich herleite; wobei die Qualität des ikonenhaften Abbildes sich nicht aus der zeitlichen Distanz zum Urbild, sondern aus seiner Ähnlichkeit mit dem Urbild ergebe. Der ConterfaitTyp hingegen vermittelt die Lehre, der Bildnisproduzent habe den dargestellten Menschen selbst gesehen und unter Nutzung dieser Präsenz bildlich festgehalten. Kurzum: Der Ikonen-Typ überbrückt die Distanz von Urbild und Abbild in beliebiger Elastizität; der Conterfait-Typ muss darauf dringen, die Distanz von Urbild/ Vorbild und Abbild verschwinden zu lassen. Wenn der Mediziner Pietro d’Abano (1250–1316) bereits zu Beginn des 14. Jahrhunderts von einem Portrait forderte, es müsse durch similitudo individualis Aufschluss über den Charakter einer dargestellten Person bieten, was aber nur durch physiognomische Darstellung34 gelinge, dann besagt das zugleich, dass ein Heiligenbild, welches meditativ genutzt werden soll, kein Portrait des Conterfait-Typs sein kann und darf. Denn indem ein physiognomisch charakteristisches Bildnis den Bildbetrachter zur Dechiffrierung der Charakteristica des Portraitierten auffordert, lenkt es ihn zugleich von einer meditativen Nutzung ab. Es biegt das Meditationsverlangen sozusagen weg und verlangt zwecks Detaildechiffrierung ein entzifferndes Verweilen bei den dargestellten physiognomischen Besonderheiten: es verlangt, am Bild kleben35 zu bleiben. Die physiognomisch lesbaren Seelenqualitäten eines Heiligen sind für den Bildnisbetrachter ohne Belang. Von Belang sind einzig seine

31 Die begriffliche Unterscheidung von ‚Ikonen-Typ‘ und ‚Conterfait-Typ‘, die ich hier einführe, wird von den historischen Dokumenten nicht befolgt, erweist sich aber, wenn man deren Differenzierungen beachtet, als in der Sache selbst begründet. 32 Vgl. dazu Hecht (2012), S. 90  f. 33 Weitere Hinweise zum Problem vgl. Krass (2012a u. 2012b) und Gerken (2015). 34 Zu d’Abano und seiner Physiognomik siehe Reisser, S. 48. 35 Zum Problem des ‚Klebens‘ am Bilde vgl. STR2, Nachwort, S. 1186  f.

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Taten. Denn nur die Taten mehren den Heilsschatz der Kirche und mehren die Erbauung des Bildbetrachters. Apologeten des Conterfait-Autopsie-Anspruchs waren allemal die Reformierten. So heißt es 1595 im Consensus Bremensis: „die Bildnuß Christi oder der Heiligen“ seien nicht auf „einerlei weiß von allen, sondern von diesem [Künstler] also, von einem andern auf andere gestalt formiret und gebildet“, sodass „man gar keine gewisse nachrichtung haben kann, was für eine eigentliche gestalt sie bei jhrem Leben hierniden auf Erden gehabt haben.“36 Und Scultetus erklärt in seiner Prager Predigt anlässlich der Bilderbeseitigung aus dem Veitsdom: „Christus ist nicht darumb in die welt kommen, daß man ihn abmahle, sondern daß man an ihn glaube, und sich zu ihm bekehre. Drumb haben wir solches abmahlens keinen befelch […]. Wie er denn auch nicht kan heutiges tages abgemahlet werden nach seiner menschheit, weil kein mensch auf erden lebet, der ihn gesehen hette. […] Daher ihm einer einen gelblichen, der ander einen fahlen, der dritte einen schwartzen, der vierdte einen braunen bart anstreicht. Und muß man also das für Christi Bildnis halten, was der mahler nach seinem eignen gutdüncken das beste zu sein erachtet hat. […] Was belanget die Bilder der Aposteln, Mariӕ, Elisabeth, und anderer Heiligen: Wann man wüßte, wie sie eigentlich weren gestallt gewesen, möchte man wol ihre Bilder im hause haben. In den orten aber, da man den öffentlichen Gottesdienst verrichtet, sollen sie keines wegs aufgestellet werden, weder zur anbetung, noch zur zierde.“37

1.2 Drucktechnische Reproduzierbarkeit Die quantitativ (fast) beliebige Herstellung von Druckgraphiken – und so eben auch von gedruckten Bildnissen jedweden Typs – brachte es mit sich, dass die Reproduktionstechnik durch Bilderdruck sowie durch Bildprojektion die Abschaffung der Dauerbilder ermöglichte. Das Sakralbild verlor damit seinen fixen Ort, an dem der Orant sich bislang meditierend und kontemplierend in Stellung gebracht hatte. Der Subjektbezug zur Bildmitteilung wurde anders, seit gedruckte Sakralbilder massenhaft privatisierbar wurden. Indem Schrift und Bild in ein und demselben Technikmedium, dem des mechanischen Drucks, hergestellt wurden, glichen sie sich einander an. (Am auffälligsten wird das an der Kunst der Zerlegung.38)

36 Consensus Bremensis → STR3, N° 87, S. 450. 37 Scultetus (1619), STR3, N° 96, S. 615. 38 Zu Problemen von Bildzerlegung und Kombinationsbildern vgl. Seelig (1995) und Berns (1997).

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1.3 Druckgraphische Gelehrten- und Heiligenportraits Von nahezu allen uns namentlich bekannten Bildstreitautoren existieren noch heute – wie leicht anhand der einschlägigen Digitalisatdateien zu überprüfen ist – druckgraphische Portraits, und zwar überwiegend in Form ornamental gerahmter Brustbildnisse des Conterfait-Typs. Mit Erleichterung der Herstellung, Multiplizierung und Verbreitung von druckgrafischen Portraits wurde es seit Beginn des 16.  Jahrhunderts unter den (männlichen) Mitgliedern der mittleren und oberen Stände üblich und zunehmend auch obligat, sich in Grafikportraits darstellen zu lassen. Verpflichtend wurde das für Angehörige des Adels, der Offiziersschulen, der Priesterschaft, der Akademikerschaft (ab Doktorgrad), der Buchautoren, Schützengilden und anderer prestigebringender Sozietäten. Solche Portraitgrafiken, die in Auflagen von 200–300 Exemplaren gedruckt wurden, tauschte man unter Standesund Berufsgenossen und gelegentlich auch unter Freunden und Verwandten aus. Abraham Taurer echauffiert sich noch 1597, dass auch calvinistische Wortführer ihre Graphikportraits verbreiten lassen, obwohl sie doch sonst bildfeindlich sind: „Wenn man eines Fürsten und Herrn Bildnis für Augen nicht dulden köndte, so were es ein gewis Zeichen, das man denselben Fürsten, dessen Bildnis so verunehret würde, wenig achte, Wie denn billich Christliche Gottselige Hertzen alle Calvinische Bildnis, als das Bildnis Wolffgangi Amlingij39, Peuceri40, des alten verfluchten Redlinsführers Calvini41, Gundermanni42, Bezæ43, Pecelij44, und andern Carlstadtischen Bildstürmer, hassen und verwerffen. […] aber das verdreust uns nicht unbillich auf die newen Carlstedter, daß sie das Bildnis jres Abgottes Amlingij können leiden, habens öffentlich feil, tragens umbher in allen Landen, das jedermann dieses Himlischen Propheten Bildnis sehe, keuffe, ja in Heusern und Stuben anschlage: Aber Christi Jhesu Bildnis, auch in dem Hause Christi, in der Kirchen, können sie mit nichten leiden, sehen, oder darvon hören, Sondern mus alles von grund aus weg gestürmet sein.“45 Umstritten ist unter Altgläubigen, ob man denn Personenbildnisse des Conterfait-Typs in Kanonisierungsprozessen (beispielsweise für Ignatius von Loyola) einsetzen dürfe. Denn das lege ja den Verdacht nahe, der Heilige habe schon zu Lebzeiten und spätestens auf dem Totenbett, jedenfalls aber schon vor Einsetzen des Heiligsprechungsprozesses sich portraitieren lassen und habe erlaubt, dass sein

39 Wolfgang Amling → Dokumente N° 85 und 87. 40 Christoph Peucer → Brosseder [2004]. 41 Johannes Calvin → N° 43. 42 Christoph Gundermann (1549–1622), reformierter Theologe, → ADB. 43 Theodor Beza → N° 53. 44 Christoph Pezelius → N° 83 und 84. 45 Taurer, STR3, N°93, S. 558.

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Bildnis (in effigie) Wunder wirke, wie sie für die Kanonisation erforderlich sind. (Es bahnt sich hier ein Problematisierungsprozess an, der sich im 20. und 21. Jahrhundert anlässlich des Einsatzes von fotogenerierten Wundern noch verschärfte. Beispielsweise weiß man von dem neapolitanischen Arzt Giuseppe Moscati (1880– 1922), der 1987 heiliggesprochen wurde, dass er auch posthum noch Heilungswunder vollbringt, sofern man Todkranke mit seinem Portraitfoto in Kontakt bringt.46) Dass jedenfalls der massenhafte Druck von Heiligenbildnissen privater Frömmigkeitspraxis zuträglich sei, wissen Katholiken. So erläutert Johann Geiler von Kaisersberg 1514 in Straßburg, wie intim mit einem preiswert zu erwerbenden frommen Bildblatt oder Einblattdruck umzugehen sei: „Kanst weder schreiben nach lesen, so nim ein gemalten Brief [oder Einblattdruck] vor dich, daran Maria die Mutter Gottes und Elisabeth gemalt ston, als sie zusamen komen seind und Maria Elisabeth gegrüsset hat in Zacharias huß. Du kaufest einen umb ein pfenning. Thue zum ersten eins und sitz nieder und siehe den Brief an und gedenck daran, wie sie fröhlich gewesen seind und guter Dinge, und erkenn das im glauben. Darnach, wann du es erkannt hast, so hab ein gefallen daran, laß dir das wohl gefallen. Zu dem dritten darnach so erzeige dich gegen ihnen in eusserlicher ehrerbietung, küss die Bild an dem Brief. kannst du anders nit besser, neig dich vor ihrem Bild oder knie davor nieder und ruf sie an oder gib einem armen menschen ein almosen um ihretwillen: das ist geehret Maria, die Mutter Gottes, und ihre Muhme Elisabeth.“47

Wo und zu welcher Verwendung die massenhafte Reproduktion von Heiligenbildnissen ein Vordringen in Privatzonen der Gläubigen möglich machte, wird gut hundert Jahre später aus einem Marienlied deutlich, das 1637 in München publiziert wurde. Darin ist über Bildverwendung u.  a. zu erfahren: [7] Zu München an so manchem Haus Steht ein MariaBildt heraus. Maria bitt für uns. Du Hertzogin in Bayern bist. Das Hertzogthumb dein eigen ist. [8] Es ist nit leicht ein Haußgesind, Bey dem man nit dein Bildniß findt. Maria bitt … Kein Stuben oder Kammer ist Da nit dein Bildt darinnen ist.

46 Vgl. BBKL; zum Problemkomplex auch Krass (2010). 47 → STR1, N° 3, S. 59.

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Dein Bildt an d’Bettstatt mancher henckt. Wann ers ansicht an dich gedenckt. Maria bitt … Befilcht sich dir, wann er auffsteht, Wann er zu Abendt schlaffen geht.

[9]

Vil Bilder dir gemahlet seyn, Vil seind possirt auß Wachs gar fein. Maria bitt … Vil seind gemacht auß Helffenbein, Aus Silber, Goldt und Edelgstein.48

[10]

Das Lied − ein Dokument der Pietas Bavarica − bezeugt und propagiert zugleich eine auch materiell vielfältige und ständesoziologisch transparente Ausstattung. Stuben und Kammern des Gesindes sind nun Bildorte geworden, und zumal an der Bettstatt dirigiert das reproduzierte Marienbild die seelische Zurüstung jeweils für den Tag und die Nacht. Die Mitglieder der Herrschaftsfamilie hingegen erbauen sich mittels singulärer Frömmigkeitsartefakte aus Gold, Silber, Elfenbein und Edelgestein. 1.4 Verinnerlichung und Veräußerlichung von Bildern Dass äußere Bilder verinnerlicht werden und innere veräußerlicht, ist eine physiologische Bedingung visueller Wahrnehmung. Der katholische Verfasser jenes anonymen Trialogs (N° 97), in welchem die Predigt von Abraham Scultetus (N° 96) kritisiert wird, weist darauf hin, dass ein bildloses Leben – auch ein bildloses Glaubensleben – unmöglich sei. Denn selbst wenn, wie die Calvinisten forderten, die Kirchen bildfrei würden und selbst Bücher und Gebrauchsgegenstände keine Bildausstattung mehr haben sollten, so sei doch damit keine absolute Bildlosigkeit zu erlangen. Denn da ja bei jedem Sehakt – auch bei dem des calvinistischen Predigers auf der Kanzel – im Auge Bilder entstünden, müsse man zur Erzwingung radikaler Bildlosigkeit die Augen ausstechen: „Papist. Wann der Predicant [sc. Scultetus] keine Bilder in der Kirchen will leyden, so muß man ihme die Augen außstechen, damit sein Lehr in das Werck komme. Hussit. Wie also? Papist. Wann der Predicant in der Kirchen und auff der Cantzel ist, und seine Augen wirfft auff die Leuth, hat er alsdann in seinen Augen Bilder. Derowegen soll man dem Predicanten die Augen außstechen, damit er also keine Bilder in seinen Augen in die Kirche trage, oder darinn habe.“49

48 Woeckel: Pietas Bavarica. S. 228. 49 STR3, N° 97, S. 640.

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 Zweites Nachwort

Georg Christoph Lichtenberg führt diese Argumentation 1774 fort: „Einige Leute wollen das Studieren der Künste lächerlich machen, indem sie sagen man schriebe Bücher über Bildchen. Was sind aber unsere Gespräche und unsere Schriften anders als Beschreibungen von Bildchen auf unserer Retina oder falsche Bildchen in unserem Kopf?50

Demnach gäbe es nicht nur ein genuines Bildverlangen, sondern einen Imaginationsreflex? Das behauptet, implizit, auch Martin Luther 1525, und er hat dafür das hehrste Beispiel: „So weys ich auch gewiss, das Gott wil haben, man solle seyne werck hören und lesen, sonderlich das leyden Christi. Soll ichs aber hören oder gedencken, so ist myrs unmüglich, das ich nicht yn meym hertzen sollt bilde davon machen, denn ich wolle, oder wolle nicht, wenn ich Christum höre, so entwirft sich yn meym hertzen eyn mans bilde, das am creutze henget, als sich meyn andlitz entwirft yns wasser, wenn ich dreyn sehe, Ists nu nicht sunde sondern gut, das ich Christus bilde ym hertzen habe, Warumb sollts sunde seyn, wenn ichs yn augen habe? syntemal das hertze mehr gilt denn die augen und weniger soll mit sunden befleckt seyn denn die augen, als das da ist der rechte sitz und wonunge Gottes.“51

Bei Lokalisierung der Imagination und mithin der inneren Bilder konkurrierten in der Frühen Neuzeit zwei Vorstellungen: die vom Herzen und die vom Hirn. Die Vorstellung vom Herzen als Imaginationssitz, die die Frömmigkeitslehre dominiert, stammt aus biblisch-alttestamentlicher und mithin jüdischer Tradition. Die vom Hirn als Imaginationssitz stammt aus griechisch-römischer Tradition; sie dominiert seit Galen, also seit dem 2. Jahrhundert, die physiologisch-medizinische Anschauung.52 Wichtig ist, dass Luther den Automatismus der (wortvermittelten) Phantasmaleistung als Spiegelungsvorgang beschreibt.53 Gleichwohl ist aber seine Schlussfolgerung von den inneren Bildern auf die Zulässigkeit materieller äußerer Bilder in dieser erkenntnistheoretischen (aristotelischen) Tradition nicht zu rechtfertigen. Gleichwohl etablierte sich diese Argumentationsweise bei den Lutheranern (nicht aber bei den Calvinisten!) variantenreich. Schon 1523 hatte Caspar Schatzger argumentiert: „wo aber, und als offt wir in unserer andacht mögen prauchen innerlich fürpiltung, da mugen wir auch die eüsserlichen pildnus gleych den innern prauchen.

50 Lichtenberg: Sudelbücher. 1774. 51 → Luther, STR1, N° 25, S. 230  f. 52 Dazu ausführlich → Berns (2020). 53 Zur Tradition der Spiegelbildlichkeit für die Wahrnehmung heiliger Prototypen → Hecht (2012), S. 90–96. Luther hat hier vermutlich auch den Narziss-Mythos alludieren wollen.

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Wann es ist da kein ursach der underschaid.“54 1565 versteigt sich Erasmus Alberus zu der abenteuerlichen Folgerung: „Mag ich solche Bilder im Hertzen haben, so mag ich sie auch für Augen in Büchern, an Wenden, in Kirchen haben. Denn das Hertz ist mehr denn die Augen, und die Augen richten sich nach dem Hertzen, das Hertz richt sich nicht nach den Augen.“55 Demnach wäre die Umsetzung jedweden inneren Bildes in ein äußeres erlaubt? Albrecht Dürer ist da skeptisch, weiß er doch aus eigener künstlerischer Erfahrung: „Wir müssen grosse Acht haben, daß sich die Ungestalt nit stetig von sich selbs in unser Werck flechte.“56

2 Kontroverstexte zur Geltungsweite von Ceremonien Von den Dokumenten zur Heiligenverehrung ist kein weiter Weg zu den Abhandlungen über Ceremonien. Vorweg sei gesagt: Sakrales Ceremoniel, insbesondere der kirchlichen Sphäre, und politisches Zeremoniell, insbesondere der höfischen Sphäre,57 sind zu unterscheiden. Das politische Zeremoniell ist aus dem sakralen Ceremoniel erwachsen, was ihre partiellen Übereinstimmungen erklärt. Haben wir andernorts dargelegt, dass das Zeremoniell als „höfische Ästhetik“58 fungierte, so lässt sich behaupten, dass das Ceremoniel analog als „kirchliche Ästhetik“ zu lesen ist. Die große Welle der empirisch-historischen Erfassungen und theoretischen Bestimmungen der rituellen Modelle setzte erst um die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert ein und fand in noch heute von Diplömatie und Kirche konsultierten Monumentalwerken ihren Ausdruck. Für den Zeremoniell-Bereich erarbeiteten diese von Rohr (1728/1733), Lünig (1719/1720), Ménestrier (1660  ff.) und Moser (1754/1755), für den Bereich des Ceremoniels aber vor allem Martène (1700) und Slevogt (1732). Gleichwohl steht angesichts unserer Textsammlung außer Frage, dass das Ceremoniel bereits im deutschen Bildstreit des 16. Jahrhunderts zentrales Thema war. Das ist hier zu erläutern.

54 Schatzger (1523)→ STR3, N° 63, S. 38. 55 → Erasmus Alberus, STR3, N° 80, S. 317. 56 Dürer, STR1, N° 4, S. 72. 57 Ich verwende im Folgenden der griffigen Unterscheidbarkeit wegen die Schreibweise ‚Ceremoniel‘ für die sakrale und die Schreibweise ‚Zeremoniell‘ für die politische Form des Ritus. Der in der Frühen Neuzeit nur sehr selten verwendete Terminus ‚Liturgie‘ wurde als Synonym von ‚Ceremoniel‘ verstanden. 58 → Zeremoniell als höfische Ästhetik (1995). Darin besonders der Beitrag von Berns/ Rahn: Zeremoniell und Ästhetik. S. 650–666.

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 Zweites Nachwort

Die Anzahl der Streitschriften, welche sich mit Problemen der Kirchen-Ceremonien befassen, nahm gegen Endes des 16. Jahrhunderts zu. Besondere Akzente setzten: Paracelsus, Gedik, Eberlin, Viёtor, Miller und Amling. Doch streifen auch sonst fast alle Autoren CeremonienProbleme, da ja Bilder selbst Teil des traditionellen katholischen Ceremoniels sind und folglich durch die calvinistische Ceremonien-Kritik bekämpft werden.

2.1 Zur ikonologischen Relevanz von Ceremonien Im Folgenden soll versucht werden, die ikonologische Relevanz der Ceremonien durch Bestimmung ihrer Amplitude aufzuzeigen. Das aber heißt: Es sollen hier nicht alle einschlägigen Texte vorgestellt werden, sondern vor allem jene vier, welche die Extreme markieren. Das sind N° 98, N° 85, N° 88 und N° 62. Dass die calvinistische Attacke auf das römisch-katholische Ceremoniel selbst ceremoniellen Regeln folgte, wird exemplarisch aus dem ‚Extract eines Schreibens‘ aus Prag (N° 98) kenntlich, das ein sich nicht namentlich ausweisender, hochgestellter katholischer Augenzeuge über den Bildersturm im Prager Veitsdom, der rund um die Weihnachtstage 1519 stattfand, publizierte. Der protokollartige Bericht zeigt die Auswechslung eines Ceremoniels durch ein anderes. Den calvinistischen Akteuren, zu denen weisungsgebundene Arbeiter und höfische Beamte als Weisungsgeber gehören, geht es um die radikale Beseitigung aller Sakralmöbel, welche in die Praktizierung des römischen Kults eingebunden gewesen waren. Dabei schreitet man vom Heiligsten und choreographisch Zentralen zum Periphereren fort, also von den Reliquien zu den Kruzifixen, den steinernen Altären, den Taufsteinen, Altarbildern und auch den Fresken, zu Altargerätschaften und Leuchtern fort, die zerstört oder beseitigt und durch einfache Zweckmöbel und Zweckgeräte ersetzt werden. Der Priester, der ja selbst kraft des Bildprogramms auf dem Rücken seines Ornats Teil der Mess-Performance ist, darf der Gemeinde nicht mehr den Rücken zukehren. Geht es hier also um planvolle Ceremoniel-Vereitelung und -Zerstörung, so geht es in einem anderen Zeugnis um Ceremoniel-Ermöglichung. Der deskriptive und zugleich anweisende Text (N° 85) des Regensburger Episkopats, den Jacob Miller formulierte und 1591 publizierte, handelt vom „KirchenGeschmück“ (Ornatus Ecclesiasticus), der die ceremoniel-korrekte Abwicklung gottesdienstlicher Handlungen durch Dekret für Bau, Einrichtung und Ausstattung der katholischen Sakralgebäude des Bistums Regensburg gewährleisten soll. Es adressiert die gesamte Geistlichkeit samt weltlichem Administrationspersonal. Das Dekret soll die Zuständigen auf Misstände hinweisen, Korrekturen ermöglichen und Neubauten anregen. Normen dafür gewann Miller, indem er die in katholischem Besitz verbliebenen Sakralbauten – Regensburgs Bevölkerung war seit 1542 mehrheitlich zum Protestantismus konvertiert – persönlich in Augenschein nahm, und indem er die Beschlüsse des Tridentinums (1545–1563) für seine Diözese verbindlich machte. Millers Darlegungen enthalten sich  – das ist ungewöhnlich in

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diesem Kontext!  – jeglicher Frömmelei und auch jeder konfessionspolemischen Pointierung. Dagegen geht es allenhalben zwecks pragmatischer Funktionsoptimierung des Ceremoniels um Maß, Zahl und Material, um sinnlich mediale Nutzungsinteressen in Kalkulierung von Belüftung und Geruchsvermeidung und Sauberkeit, Beleuchtung und optischen Strategien, Akustik, Begehbarkeit und Hindernisvermeidung. Die Gebäude gewinnen so im Zusammenwirken von Außen- und Innengestaltung eine nachgerade körperhafte Präsenz, die vom großen Ganzen – etwa der Lage des Gebäudes in Relation zu seiner landschaftlichen und architektonischen Nachbarschaft – bis zum scheinbar peripheren Detail – etwa der Beschreibung verschiedener Verschmutzungsarten samt Gerätschaften zu ihrer Beseitigung – reicht. Eine dezidiert reformierte Ceremonien-Kritik bot sodann 1596 der anhaltinische calvinistische Superintendent Wolfgang Amling (N° 88). Amling will unveränderbare göttliche strikt von adiaphoren menschlichen Ceremonien unterschieden wissen. Er sieht eine merkliche Gefahr darin, sie einander anzunähern oder gar gleichzusetzen. Menschliche Ceremonien, die er auch als „Kirchenordnung“ bezeichnet, hätten der „bequemen Verrichtung des Gottesdienstes“ zu dienen sowie „zu guter ordnung, zierd und wolstand in Kirchen, so Gottes wort erfordert“. Sinnlich zu erfahrende Ordnung (ordo) und Zier (ornatus) bewirkten, dass das „Bekenntnis der Lehr“ im Gottesdienst „öffentlich“ geschehe. (Es meldet sich hier – wie auch andere Texte des deutschen Bildstreits bezeugen – eine gemeindliche Öffentlichkeit, die als eine Vorform jener Öffentlichkeit, die Jürgen Habermas59 für das 18. Jahrhundert als ‚bürgerliche‘ reklamiert. Die Ceremonienbindung des Gottesdienstes konstituiert diese gemeindliche Öffentlichkeit.) Auffällig ist übrigens, wie entschieden Amling die Gregorsformel kritisiert. Die Rede von den Bildern als ‚Bibel der Laien‘ sei falsch, weil Gott nur eine Bibel geschaffen habe und nicht etwa deren zwei, eine bildgebundene für die Laien und eine schriftgebundene für die Gelehrten. Wer aus Bildern studieren wolle, werde immer Laie bleiben. Auch böten Maler und Bildhauer mit ihren Bildwerken oft fehlerhafte Textdeutungen. Wie wichtig Amling die Bilderfrage ist, wird im zweiten Teil seiner Abhandlung deutlich, wenn er nach Darlegungen zur Veränderung der Tauf-Ceremonien (I)60 und Abendmahl-Ceremonien (II)61 in einem umfänglichen III. Kapitel „Von den Götzen und

59 Habermas (1962). 60 U.a. Abschaffung des Exorzismus und Verbot der Vollziehung von Nottaufen durch Frauen. 61 U.a. Abschaffung der steinernen Altäre, da sie wohl von Juden und Katholiken, aber nie von Christus selbst verwendet worden seien. Abschaffung der Messgewänder; Abschaffung brennender Lichter auf dem Altar; Ersetzung der runden Abendmahlsoblaten durch gewöhnliches Brot; Verbot von Niederknieen und Händefalten beim Abendmahl; Verbot von Privatabendmahl für Kranke und Sterbende.

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 Zweites Nachwort

Bildern in der Kirchen“ handelt und darlegt, weshalb diese als seelengefährdende Dinge im Kirchenraum keinen Platz haben dürften. So führt er nicht weniger als zehn Gründe für ihre Abschaffung auf und referiert die wichtigsten „Einreden“dawider, um sie jeweils mit einer „Antwort“ zu bedenken. Bemerkenswert ist die Entschiedenheit seiner Adiaphoriekritik; er behauptet nämlich, im Gottesdienst büßten Bilder ihre adiaphore Unschuld ein. Augustinus paraphrasierend gibt er zu bedenken: „Dass niemand für einem Bilde, das er anschawet, betet oder anbeten könne, der sich nicht also befühle, dass ihn bedünckt, er werde vom Bild erhöret, oder verhoffe, was er begeret, werde ihm desto eher widerfaren. […] Wenn die Bilder also hoch und ehrlich beim Gottesdienst gesetzt werden, bewegen sie (wiewol sie selbst nichts fühlen noch verstehen) die schwachen gemüter durch das gleichnis oder anbildung der lebendigen Dinge dermassen, dass es scheinet, als hetten sie leben und athem.“62 Die imaginationsförderliche Potenz der (Heiligen-)Bilder steigert sich mithin vermöge ihrer Situierung im Gottesdienstraum und der damit gegebenen gemeindlich choreographischen Ausrichtung im Gruppenkollektiv zu einer suggestiv imputierenden Belebung. Mit andern Worten: Heilige werden in ihren Kultbildern mittels Empsychose (Beseelung) und Ensomatose (Bekörperung) lebendig. Die radikalste Ceremonienkritik bot indes schon 1525 Johann Eberlin [N° 62]. Obwohl er den Terminus ‚Ceremonie‘ gar nicht benutzt, entzieht er doch aller ceremonialen Argumentation die Basis, indem er sich gegen jedwede Praxis menschlicher Weihe- und Segnungsakte, gegen Praxis und theologische Legitimität der Benedictiones wendet, wie sie seit dem Hochmittelalter in eigenen Schriften gefasst worden waren. Im Umfeld der Reformation waren Benedictiones regional noch recht unterschiedlich formuliert und deshalb auch umstritten; durch das Tridentinum aber wurden sie überregional zu einem ‚Compendium Benedictionale‘ vereinheitlicht, welches seinerseits Teil des ‚Rituale Romanum‘ wurde. (Das ‚Rituale Romanum‘ besteht, in modifizierter Form, auch heute noch. Es bietet u.  a. auch Regeln für die Bilderweihe!) Grundthese von Eberlins Benedictiones-Kritik ist: Jeder Christ und alle Dinge, deren er bedarf, seien kraft seines bibelvermittelten Glaubens gesegnet. Unterstellt wird eine prinzipielle Zweckmäßigkeit und Nutzbarkeit aller gottgeschaffenen Naturdinge für den Menschen. Die Argumentation gemahnt da gelegentlich schon an solche der Physicotheologie, die doch erst rund zwei Jahrhunderte später voll entfaltet war. Wer an Christus glaubt, bedürfe keiner weiteren menschlichen Mittler, keiner Heiligen, keiner Priester  – und keiner gegenständlichen Medien, keines Weihwassers, keines geweihten Öles oder Salzes, erst recht keiner bestimmten Segens- und Kreuzeszeichen. Eberlins Kritik an sakralen Objekten und Zeichen

62 Sc. 22  f.

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ist ähnlich radikal wie die des jungen Luther, der in seiner Römerbrief-Vorlesung von 1515/16 die gesamte liturgische Topik, die sich das westliche Christentum des Mittelalters gegeben hatte, in Frage stellt.63 Eberlin äußert sich hier nicht explizit zur Bilderfrage, doch war der Bildstreit ja selbst Teil der Benedictiones- und Zeremoniellkritik. Eine qualifizierende Unterscheidung von Sakralem und Profanem verwirft Eberlin. Ein einfacher Mensch, etwa ein Schneider oder Schuster, sei genauso viel wert wie ein „geweihter“, etwa ein Priester oder eine Nonne. Die politische Gemeinde sei genauso wichtig wie die kirchliche; der Amtmann genauso wichtig wie der Pfarrer. Gleiches gelte für Gebäude: ein „Tempel“ solle als gemeindlicher Versammlungsraum dienen, sei durch die Gemeinde aber jederzeit umzuwidmen, in ein Kaufhaus, Badehaus oder Fleischhaus zum Beispiel. Alles Segnen von gottgeschaffnen Kreaturen sei unzulässig, da sie alle durch den Schöpfungsakt bereits geweiht seien. Gott wolle keine zusätzlichen Segnungsakte: „Gott will beschirmen und behüten allein, allein, allein“. Deshalb seien menschliche Benediktionsakte Teufelsmarkierungen, die eine Schändung und Herabsetzung aller nicht von Menschen geweihten Kreaturen implizierten. Liest man Eberlins Weihekritik als Gegenstück zu Millers ‚KirchenGeschmuck‘-Direktiven, so ist die Amplitude des frühneuzeitlichen Ceremonien-Denkens damit markiert. 2.1 Nichtceremoniale Sakralbilder Einen systemischen Ort im Ceremoniel können nur Bildwerke einer gewissen Größe und einer bestimmten Situierung behaupten. Denn erst hinlängliche Größe und bestimmte Positionen im gemeindeöffentlichen oder auch im kommunalen Raum ermöglichen kollektive Wahrnehmung und damit, auch choreographisch, den Gemeindezusammenhang. Druckgraphische Bilder wie Einblattdrucke oder Buchillustrationen hingegen können ihres geringen Formats wegen nicht kollektiv rezipiert werden, sie können nicht im Ceremonienzusammenhang und also auch nicht gemeindebildend wirken. In Tradition der Gregorsformel verteidigt indes kein geringerer als Martin Luther eine ceremonienfreie Rezeption von Sakralbildern. Gleichwohl empfiehlt er, der ja auch seine Bibel nicht von ungefähr illustrieren ließ, sie nachdrücklich: „was solts schaden, ob ymand alle furnemliche geschichte der gantzen Biblia also lies nach einander malen yn ein büchlin, das ein solche büchlin ein leyen Bibel were und hiesse.“64

63 STR1, N° 8, S. 165–168. 64 → Luther, N° 65. Ähnlich Luther auch in STR1, N° 15, S. 230.

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 Zweites Nachwort

3 Poetische Texte Ein nicht unerheblicher Teil der hier versammelten neunundneunzig Streitdokumente ist poetischer Art. Ihrer Versbindung wegen sind acht als poetisch zu bezeichnen; hinzu kommen fünf Texte, die, ganz unterschiedlicher Sichtweisen wegen, als Texte uneigentlicher Rede und als satirisch gelten dürfen. Es fragt sich freilich, welche Signale von solchen Poemen ausgingen, wer sie verfasste, an wen sie adressiert waren und was sie didaktisch und ästhetisch bewirken sollten. 3.1 Knittelverspoeme Unsere acht Verspoeme sind durchweg in strengen Knittelversen verfasst, das heißt: in paarig reimenden, acht- oder neunsilbigen Verszeilen, wie sie vor allem im 15. und 16. Jahrhundert für erzählende und dramatische Texte, aber auch für Lehrgedichte in Verwendung kamen. Bekannte Meister solcher strenger Knittelverspoeme waren Sebastian Brant, Johann Fischart, Hans Rosenplüt oder Hans Sachs. Vier unserer neun Knittelverspoeme wurden anonym publiziert; vier weitere von den namentlich genannten Johannes Dietenberger, Johannes Fischart, Adam Walasser und Johannes Sylvanus. Mithin waren es Autoren aller Konfessionen, die hier die gleichen formalen Mittel nutzten. Was signalisieren sie? Der Dominikaner Johannes Dietenberger wendet sich 1524 an von der Reformation beeindruckte Laien, indem er einen Kloster-‚Bruder‘ gegen ein ‚Weltkind‘ aufbietet. Es kann nicht erstaunen, dass der theologisch geschulte Bruder das laikale Weltkind im einfachen katechetischen Dialog argumentativ bezwingt. Sehr viel aspektreicher und ästhetisch ambitionierter ist die um 1527 publizierte anonyme Histori von der Beurischen ufrur. Sie bietet, unterstützt von eindrucksvollen, artifiziell elaborierten Holzschnitten, eine allegorienreiche Generalabrechnung mit der gesamten Reformationsbewegung. Das 760-zeilige KnittelversPoem stammt aus der Feder eines unbekannten altgläubigen Autors. Offizin und Verleger, Jahr und Ort der Publikation, von der sich nur ein Exemplar erhalten hat, sind bislang ebensowenig identifiziert wie der Illustrator. Geboten wird die Kurzdarstellung einer biblizistisch angeleiteten Weltgeschichte des Aufruhrs (oder „Bundschuhs“), die von der Erhebung Lucifers hin zu Sodom und Gomorra, Nebukadnezar und den Turmbau zu Babel bis zu Luthers Reformation führt und im bäurischen Aufruhr ihren Endpunkt findet. Als Akteure kommen allerhand Personen zu Wort: neben dem Ich des Autors, das eine breite ‚Vorrede‘ liefert, bittet ein geharnischter „wolgeborner Herr“ die heilige Dreifaltigkeit um Wiederherstellung des Friedens. In seiner Antwort sagt Gottvater das zu. Da nimmt Luthers Ehefrau das Wort, sodann der Teufel in Schlangengestalt, ein Narr, Martin Luther selbst,

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etliche Bilderstürmer, sogar das Kruzifix selbst und schließlich auch ein „frummer [katholischer] Christ“. Als etliche Repräsentanten der Reformation – ein „Doctor“, ein „Prasser“, „Martin Luther“ selbst und ein „Bauerman“ – dafür plädieren, das „sant Peters schifflin mit der kyrchen“ zu versenken, tritt Petrus selbst auf den Plan. An seiner Statt überreicht ein einfacher „Mann mit blossem haupt“ dem Kaiser, der hoch zu Ross erscheint, eine „Supplication“, die ihn auffordert, die „Teutsche Nation“ zu retten. Nach der Zusage des Kaisers appelliert der teutsche Bittsteller auch an den Papst: der möge selbst eine eigne (Gegen-)Reformation einleiten. Eine Pauschalermahnung an alle Geistlichen, ihr Leben zu bessern, beschließt das Poem. Die Vielzahl der sprechenden Personen und bildlichen Vorstellungen – achtzehn Rollenrepräsentanten agieren in Wort und Tat – und deren unterschiedlicher Realitätsstatus im Himmel und auf Erden, in Kirche und Reich, beim Bildersturm und Versenkung des Schiffs der Kirche, lässt ein multiperspektivisches Kunstgebilde entstehen, das eine komplexe Weltdeutung anstrebt. Imaginationsreich ist dann auch der etwa 1530 publizierte anonyme Einblattdruck (N° 40), der in Knittelversen eine holzschnittillustrierte Klagrede der armen verfolgten Götzen- und Tempelbilder präsentiert, als deren Inventoren der Graphiker Erhard Schön und der Poet Hans Sachs vermutet werden.65 Dass nicht nur sterbliche Menschen, sondern auch idealische Standesrepräsentanten wie Kaiser und Pabst, numinose Gestalten wie Gottvater und der Teufel, und endlich gar Artefakte wie ein Kruzifix redefähig sind, hat uns ja bereits das vorige Poem, die Histori von der Beurischen ufrur, gezeigt. Hier nun sind es allein die Kirchenkunstwerke, die zu Wort kommen. Und zwar so, dass ihre Existenz und Funktionsweisen aspektreich in den Blick gebracht werden. Die als Kollektivsubjekt sprechenden Kirchenbilder schildern dem Kollektiv der menschlichen Leser- und Hörerschaft ihre eigene Entstehung durch menschliche Produktion. Sie beklagen den Dienst, die Imputationen und Projektionen, welche die Menschen ihnen zumuten. Wenn sie, die Bilder, nun zu Recht beseitigt würden, so gebe es doch noch viel größere Götzen (die Menschen selbst nämlich, die sie zu ihrem Dienst gezwungeb haben, und andere, die in Luxus leben), welche straffrei blieben. So produzierten lebendige Götzen weiterhin immerfort tote Götzen. Dass die Vorsstellung von den sprechenden Kirchenbildern für das 16. Jahrhundert phantasieanregend und ästhetisch reizvoll gewesen sein muss, bezeugt die Tatsache, dass der Text (mindestens) noch zweimal  – in leicht veränderter Gestalt  – publiziert wurde: 1538 brachte der Drucker Jörg Spitzenberg in Konstanz das Knittelverspoem zweispaltig auf sieben Quartseiten als unbebildertes

65 Vgl Höffler (2022) und Wegmann (2016).

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 Zweites Nachwort

„Büchlin“ mit leicht verändertem Titel auf den Markt.66 Dies Büchlein wiederum regte 1561 den aus Tirol stammenden, zum Luthertum konvertierten Theologen Johannes Sylvanus dazu an, das Knittelverspoem mit einer ümfänglichen prosaisch dozierenden Vorrede und einer kurzen Nachrede zu umrahmen (N° 77). Damit sah er sich berechtigt, den Gesamttext, der nun mehr als doppelt so umfangreich wie das Verspoem geworden war, als ‚Neue Zeitung‘, als aktuelle Meldung also, zu annoncieren. 1555 fragt ein anonym publiziertes katholisches Knittelversgedicht – Vom Bild des Leidens und Creutzes Christ – nach dem Niedergang der Kreuzesverehrung (N° 74), wie sie vor allem von reformierten Bildkritikern forciert wurde. Für den Autor selbst steht fest: „Dann Christi Zeichen das Kreuz ist, /  Wer das nicht hat, der ist kein Christ.“ In 565 knittelnden Versen findet er hinreichend Raum, die fünf Hauptgegner der Kreuzesverehrung – den Satan, die Juden, die Heiden, die Ketzer und endlich und vor allem die Evangelischen  – zu kennzeichnen und ihre Aktionen drastisch und doch auch wehmütig zu beklagen. Einen ähnlich elegischen Ton schlägt im selben Jahr Adam Walasser an, wenn er mit seiner Klagrede der Teutschen Andacht (N° 75) eine deutschpatriotische Traumgestalt zu Wort kommen lässt. Die Besonderheit der fast vierhundert Reimzeilen zählenden Klagrede der allegorisch personifizierten „teutschen Andacht“, die dem Erzähler-Ego im Traum erscheint, ergibt sich aus der Doppelperspektive von Zeitklage und laudatio temporis acti. Geboten wird auf diese Weise eine panoramatische deutschpatriotische Sicht auf die zeichen- und handlungsgebundene Frömmigkeitspraxis im vorreformatorischen „Teutschland“, die nun von jungen Leuten nicht mehr geübt werde. Die alltäglichen Gebetsübungen und regelmäßigen Kirchenbesuche würden nicht mehr vollzogen. Glocken, die früher Gebete einforderten und Arbeitszeiten steuerten, würden heute eingeschmolzen, um Kanonen daraus zu gießen. Kirchengebäude würden zu Wirtshäusern und Pferdeställen umgewidmet. In der einst weitverbreiteten Bilderverehrung wie dann auch im gegenwärtigen Bildersturm sieht Walasser Momente eines deutschlandweiten, in sich höchst differenzierten Wandels aller Andachts- und Ceremoniel-Konzepte. Johann Fischart nutzt 1576 Knittelverse zu einem Lehrgedicht, mit welchem er Des Gemäldes Nutzbarkeit (N° 52) erklärt. Das 128 Zeilen umfassende Poem ist Teil der Dedikation eines Bildbandes, den Fischart gemeinsam mit dem Graphiker Tobias Stimmer konzipiert hatte. Die Faszinationskraft künstlicher Bilder, so sagt er dort, erstrecke sich von der Tierwelt über die Kinder bis hin zu den Weisen, um Historien und „gemalte Poesie“ zu vermitteln.

66 [Anonym:] Klag vnd bekantnus der armen Götzen […]. Konstanz: Jörg Spitzenberg, 1538. – SBB, VD 16 M 545

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Was bringen alle diese Reimereien? Die acht charakterisierten Knittelpoeme eröffnen, so lässt sich verallgemeinernd sagen, durchaus andere Sichtweisen auf die Phänomene von Bildstreit und Bilderstreit als die behördlichen, akademischen oder kirchlichen Verlautbarungen. Ihre Verfasser müssen anderen gesellschaftlichen Kreisen angehört haben. Anch wenden sie sich nicht an ein einheitliches Publikum, sondern an ein konfessionsdogmatisch (noch) nicht verhärtetes. das noch zum Räsonnement bereit ist. Der Impetus der Reimereien zielt auf Merkfähigkeit und Merkfreude der Leserschaft und vor allem der Hörerschaft. Denn es ist davon auszugehen, dass solche Gedichte – wohl auch mit verteilten Sprecherrollen – akustisch realisiert sein wollten. So darf man diese Versstatements als Versuche werten, gegen die verhetzten Konfessionsparteiungen einen gewissen Freiraum des Denkens und Sprechens zu behaupten. 3.2 Satirische Blickweisen Da jede kritisch-polemische Artikulation per se zur Satire tendiert, zeigt der Bildstreit insgesamt eine vielgesichtige Affinität zum Einsatz stilistischer Mittel., die geeignet sind, den Widerpart dubios und lächerlich zu machen. So gilt wie allgemein auch hier insbesondere: Je größer das Pathos einer Äußerung ist, desto leichter lässt sie sich mittels Ironie und Parodie diskreditieren. Die satirischen Mittel können dabei unterschiedliche Schärfegrade erreichen. Jeder kritische Einwand gerät unter Blasphemieverdacht. Denn da Pathos gerade bei religiösen Äußerungen immer naheliegt, ist es leicht zu lädieren. Wie sieht das in den Einzelfällen aus? Wir eröffnen unsern Überblick mit einer besonders schwierigen Frage: Inwiefern wären denn Flugschriften der Thematik und Gestaltung von Melanchthons Papstesel-Schrift (N° 10) sowie von Luthers (N° 11) und Emsers (N° 12) MönchskalbPolemiken als satirische Werke zu werten? Alle drei nehmen auf Prodigien,67 in diesem Fall auf Tierföten, Bezug, die ihnen in Holzschnittdarstellungen vorliegen. Parodiert, d.  h. verzerrend portraitiert, sehen sie in den monströsen Gestalten zum einen den Papst, und zum andern die Mönche (wo nicht gar den einstigen Mönch Luther). Da indes weder die Verbalinterpreten, noch die (unbekannten) graphischen Meister der Prodigiendarstellungen deren Inventoren sind, muss in gut augustinischer Tradition der Schöpfergott als deren Inventor gelten: der Gott, der sie schuf, um damit gezielte, aktuelle Warnzeichen an die Christenheit zu senden. So wäre am Ende gar Gott selbst Satiriker, wenn er seine normalen Kreaturen (Esel und Kalb) durch monströs verzerrte Exemplare parodiert? Das lässt sich behaupten, wenn bedacht wird, dass Gott schließlich auch den Teufel schuf, der ja immer mon-

67 Zu den frühneuzeitlichen Prodigien ausführlich Berns (2016).

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 Zweites Nachwort

strös erscheint und selbst Monströses und Absurdes schafft.68 Just solche Absurdität ist aber Beweis dafür, dass niemand anderes als eben Gott der Autor des Zeichengemenges sein kann: So erklärt Melanchthon in seiner Papstesel-Flugschrift, die im monströsen Eselsfötus kombinierten Zeichen seien derart greulich, „das nicht muglich were eynigem menschen solchs zuertichten, Sondern man sagen muß, das gott selb disen greuel also abcontrofeyt habe.“69 Selbst wenn man aber auf diesem Wege das Problem der Möglichkeit von Satire in metaphysisch-außermenschliche Zonen verschiebt, so lässt es sich doch nicht vollends dort halten. Denn die Autoren und Graphiker dürften ja durchaus – wie geheim auch immer! – satirische Freude und Genugtuung empfunden haben, wenn sie ihre Bildgrotesken und Interpretationen zusammenstellten. Klarer ist die Situation bei dem anonymen Dokument N° 97 von 1620. Da handelt es sich um die satirisch-polemische Replik eines anonymen katholischen Autors auf die Predigt, welche Abraham Scultetus (→ N° 96) als Hofprediger des Winterkönigs 1619 in der Schlosskirche zu Prag gehalten hatte. Hatte Scultetus mit seiner Predigt die Kirchenbilder als Götzen perhorresziert, um ihre Beseitigung aus der Kirche zu rechtfertigen, so operiert die Gegenschrift mit Mitteln der Parodie. Schon der Titel des kritischen Gesprächs parodiert den Titel des Drucks der Scultetus-Predigt. So werden aus ꞌGötzenBildernꞌ nun ꞌUngötzenBilderꞌ, aus dem ꞌschriftmäßigen Berichtꞌ ein ꞌunschriftmäßigerꞌ usw. Die drei Gesprächspartner, ein ‚Hussit‘, ein ‚Lutheraner‘ und ein ‚Papist‘, kritisieren gemeinsam die calvinistische Bildfeindlichkeit des Scultetus. Hussit und Lutheraner, die als biedere Männer aus dem Volke präsentiert sind, artikulieren sich teilweise mundartlich, bedienen sich auch volkstümlicher Redensarten und Metaphern und bieten gemeinsam dem gelehrten Katholiken Gelegenheit, seine Argumente ausführlich auszubreiten. Am deutlichsten, ja grellsten gibt sich die Satire, die Johann Fischart (N° 81) – in Übernahme und Fortschreibung der niederländischen Papststaats-Satire des Philips van Marnix – vorgelegt hat: die Geschichte vom Bienenkorb des Heiligen Römischen Immenschwarms. Dem vielgereisten, hochbelesenen, polyglotten in Straßburg beheimateten Juristen Johann Fischart ist in der deutschen Literaturgeschichte der denkbar höchste Platz unter den Sprachschöpfern – die mit Sprachzertrümmerung und Sprachzusammensetzung, Lettern- und Silbentausch, onomatopoetschen Stotter- und Plappereffekten, Sinnverdrehungen und Klangverzerrungen operieren – zuzugestehen. Man muss kaum drei Sätze Fischarts lesen, um von der unbändigen spielerischen Lust ebenso wie von dem satirischen Ingrimm dieses Sprachmeisters überzeugt zu werden. Sein Sprachfluss entfaltet Drift und Sog, die

68 Vgl. JJB: Der malende Teutel (2020). 69 Melanchthon* (ed. Berns), S. 179.

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alles mitreißen. Die Spielenergie kennt keine Grenzen, aber auch kein Erbarmen. Es fragt sich freilich, ob Ironie, wo sie denn einmal eingesetzt und Schärfe gewonnen hat, aus sich selbst heraus sich noch entschleunigen und mindern kann oder gar auszubremsen vermag, um neuerdings Momente positiven Urteilens zu entwickeln und wiederum neue Ebenen direkten, planen Sprechens zu gewinnen. Die Immenstaats-Allegorie fügt sich in die breite und variantenreiche Tradition der Tierstaats-Utopien, der Vogel-, Hasen-, Affen- oder Pferdestaaten; wie sie in allen europäischen Sprachnationen zu finden sind. Die Affinitäten, Interferenzen und Kongruenzen zwischen den arbeitsteilig hierarchisierten Tier- und Menschensozietäten – zum Beispiel der zwischen einem Immenstaat und der römischen Papstkirche – bauen eine Witzspannung auf, die sich nur satirisch zur Entladung bringen lässt. Fischart ist dabei die analogische Konsequenz wichtiger als die logische; weil die Analogie realitätsnäher und damit politisch-moralisch aussagefähiger ist als die Logik. Blasphemische Zonen streift Fischarts Papstsatire nicht nur obenhin, vielmehr sucht und findet er sie, um sie hämisch zu markieren. Er legt seinen Finger nicht auf die Wunde, sondern bohrt ihn in sie hinein, um sie zu vertiefen; so beispielsweise, wenn er von der Römischen Kirche behauptet: „Sie ehrt das Creutz, dann sie creutzigt gern.“ Hat die Immenstaats-Satire, wie gezeigt, utopische Züge, so sucht auch Eberlin von Günzburg 1521 mit seiner Schrift Spöttliche Dienst. so wir jetzt bewysen den Hailigen Utopienähe. Denn wenn er die Frage, wie der Heiligenkult und damit auch der Bilderdienst abzubauen wären, erörtert, und seinen kritischen Text als vierzehnten Bundesgenossen („XIIII. bundtgnoß“) in seine aus insgesamt fünfzehn Bundesgenossen-Flugschriften bestehende Serie eingliedert, so gibt er ihm damit politische Stoßrichtung. Denn die an Kaiser und Reich adressierte, an Reichsreformschrifttum und Policeyordnungen orientierte reformerische Supplikations- und Gravamina-Sammlung der fünfzehn Bundesgenossen dringt mit subversivem Witz auf Verwirklichung. Ironisch wird suggeriert, es gebe an nicht genanntem Ort innerhalb des Reiches bereits einen Binnenstaat namens ‚Wolfaria‘ (Wohlfahrtsstaat), der seine Realitätstüchtigkeit durch Verfassungsentwürfe (namentlich im X. und XI. ‚Bundesgenossen‘-Text), insbesondere aber durch ediktartige Aufrufe behaupte und dazu Bundesgenossen anwerbe. Methodische Voraussetzung dieser Subversion ist, dass die als Bundesgenossen deklarierten Autoritäten – in vorliegendem Fall Erasmus von Rotterdam – nicht erst eigens um Billigung gebeten, sondern als politisch affine Köpfe einfach adaptiert werden. Absicht und und Funktion der poetischen Bildstreitdokumente bestanden, so lässt sich zusammenfassend sagen, darin, didaktische Aufgaben zu übernehmen, die über institutionelle Rahmen hinausreichten. Sie sollten zu Übung und Selbstschulung derer dienen, die vom Bildstreit betroffen waren, und sie vertrauten auf die

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 Zweites Nachwort

mnemonische Kraft versgebundenen und satirischen Sprechens. Was ihre Stärke ausmachte – die Tatsache nämlich, dass sie in höherem Maße ‚privat‘ waren, parteiisch nicht so festgelegt wie kirchliche oder obrigkeitlich-institutionelle Texte – war zugleich ihre Schwäche: Sie hatten geringere Durchsetzungschancen. Ihrer Erheblichkeit für die Beurteilung ikonologischer Probleme tut das aber keinen Abbruch.

V Effekte und Folgen des deutschen Bildstreits In Italien hatte sich seit dem 15.  Jahrhundert eine eigene Kunsttraktatistik entwickelt, die durch die Namen Ghiberti, Pacioli, Alberti, Giovo und dann vor allem Vasari markiert sei. Ihr Diskurs überschnitt sich mit dem deutschen Diskurs, den wir in unseren drei Bänden nun in seinen wesentlichen Zügen rekonstruiert haben, nicht; und zwar deshalb nicht, weil das Interesse der Italiener (vornehmlich) den Werken und Viten der einzelnen Künstler galt, während die deutschsprachigen Autoren bevorzugt den seelischen Wirkungen von Bildwerken überhaupt mit bildtheologischen Fragestellungen nachspürten. Dass beide Diskurslinien  – die italienische und die deutsche – im 17. Jahrhundert zusammenfinden konnten und eine gesamteuropäische Kunstgeschichte ermöglichten, war wesentlich Karel van Mander und Joachim von Sandrart geschuldet, die in ihren datenreichen Werken Vasaris Vitenmodell modifizierend auf niederländische und deutsche Gegebenheiten anwandten. Fragt man nun nach den Effekten und Folgen des genuin deutschen Bildstreits aus der Zeit zwischen 1480 und 1620, so sind vor allem fünf Phänomene zu bedenken: Die Aufwertung des Mediums Bild; die Vielfalt der Bildarten; die Erweiterung der Ausstellbarkeit; die Psychologisierung der Bildkritik und die volkssprachliche Öffentlichkeit des Streites.

1 Aufwertung des Mediums Bild Das Medium Bild wurde durch den Streit und in dessen Folge generell aufgewertet. Es trat in Konkurrenz zum akustisch und schriftlich vermittelten Wort. Der Iconic turn, wie er im 20. Jahrhundert ausgerufen wurde, kündigte sich – in Form einer forcierten Acheiropoiesis-Lehre70 – von ferne erstmals vage an. Bildcode und Schriftcode kooperierten stärker als zuvor, indem sie einander assistierten, ergänzten und kommentierten.

70 Näheres dazu im ‚Nachwort‘ zu STR2, S. 1115–1150.

Effekte und Folgen des deutschen Bildstreits 

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2 Vielfalt der Bildarten Vielfalt der Bildarten und Menge der Bildinformationen wuchsen stärker denn je. Ursächlich dafür waren Maschinisierung und Mathematisierung der Bildkünste, die sich vor allem aufgrund von vier technischen Innovationen durchsetzten: Optimierung räumlicher Darstellung durch Perspektivierung; Optimierung des Blicks durch Linsenoptik; Optimierung der Projektion mittels Camera obscura und Laterna magica; Optimierung der Bildreproduktion durch Drucktechniken. Auffällig ist, dass unsere Streitautoren diese vier Neuerungen nicht eigens thematisieren und problematisieren, wohl aber ihre Effekte zu Kenntnis nehmen, um sie bei Gelegenheit theologisch zu werten und zu nutzen.

3 Erweiterung der Ausstellbarkeit Die Separierung von kollektiver und individueller Bildrezeption wurde wichtiger als je zuvor. Denn neben die Wandbilder und Altarbilder, die eine gemeischaftliche Wahrnehmung forderten und erzwangen, traten nun die vielen ­Reproduktionswerke geringeren Formats (Einblattdrucke, Buchillustrationen u.  a.), die eine individuelle Befassung förderten und anbahnten, zugleich aber eine ubiquitäre Normierung von Bildvorstellungen erwirkten. In der Praxis der Bildvervielfältigung meldet sich ein Interesse an individueller Bildlektüre und Wiedererkennungsschulung.

4 Psychologisierung der Bildkritik Die Bildwerke wurden nicht nach ihrer Machart, sondern nach ihrer Wirkung beurteilt. Das Bild wurde als wahrnehmungspsychologisch elastisches, alle erdenklichen biologischen und sozialen Formationen integrierendes Kommunikationsmittel gedeutet, das Tiere ebenso einbegriff wie Kinder und Analphabeten, Geistliche und Gelehrte aller erdenklichen Sprachnationen.

5 Die volkssprachliche Öffentlichkeit des Streites Die Volkssprachlichkeit des deutschen Bildstreits konstituierte eine eigene geistige Öffentlichkeit, die geeignet war, die Publizität anderer gesellschaftlicher Forma-

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 Zweites Nachwort

tionen (etwa die der Gelehrten, der Adeligen, des Klerus) zu korrigieren und ihre Abgeschlossenheit aufzubrechen. Alle diese Effekte und Folgen des deutschen Bildstreits verstärkten sich wechselseitig, mit oder gegen einander. Ersichtlich wird so, wie zukunftshaltig dieser Streit war. Die Befassung mit seinen Dokumenten lehrt verstehen, dass sie so oder so bis heute fortwirken.

Anhang

Weitere Quellen der Bildstreit-Autoren Die hier aufgeführten Verfassernamen sind in den Dokumenten selbst mit Doppelasterisk ** gekennzeichnet. Die mit einfachem Asterisk * markierten Quellen sind in STR2, S. 1217-1249 aufgeführt. Alexander Severus → Bergen, Sebastian [Annius von Viterbo:] Antiquitatum variarum volumina XVII. Rom 1498. Apianus Alexandrinus: De bellis civilibus. Venedig: De Pensis, 1500. [Arnobius Rhetor:] Arnobii disputationum adversus gentes […]. Rom: Florentinus 1542. [Aulus Vitellius, röm. Kaiser] Grundlegend die Biographie von → Suetonius. Balaeus (Bale), Ioannes: Acta Romanorum Pontificum, a dispersione disciplinorum Christi, usque ad temporum Pauli quarti, qui nunc in ecclesia tyrannizat. – Basel: Oporinus, 1558. Bergen, Sebastian: Oratio de Vita Alexandri Severi. Wittenberg 1583. Blosius, Ludovicus: Psychagogia, Hoc est: Animae Recreatio Quatuor Libris Distincta. Passau 1517. Blosius, Ludovicus: Illustrium Germaniae Scriptorum Catalogus, quo doctrina simul et pietate illustrium vitae et opera celebrantur. Leuwen 1553. [Bodenstein, Andreas (1520)]: Von geweychtem Wasser und saltz. Doct. Andreae Carlstat. wider den unvordienten Gardian Franciscum Seyler. Wittenberg 1520. [Boccatius i.e. Giovanni Boccaccio:] Ioannis Boccatii Peri Genealogiae Deorum, Libri Quindecim; cum annotationibus Iacobi Micylli. Basel: Herwagen, 1532. [Brentius] Johannes Brenz eine Studienausgabe, hg. v. Martin Brecht. Tübingen 1970-1986. [Bisher fünf Bde. erschienen.] [Cato, Marcus Porcius:] Catho in latin durch Sebastianum Brant geteutscht. […] Leipzig: Jacob Thanner, 1512. [Cato, Marcus Porcius:] Opuscula aliquot Erasmo Roterodamo castigatore et interprete […] Libellus elegantissimus qui vulgo Cato inscribit, complectens sanctiss. vitae communis praecepta.[…] Köln: Martin von Werden, 1514. Concilium Tridentinum, […]. Venetia: Hieronymus Polus. 1578. [Croy, Franҫois de:] Les Trois Conformtés: Assavoir, l’harmonie & Convenance de l’Eglise Romaine avec le Paganisme, Judaisme & heresies anciennes […]. [s.l.] 1695. Cyprianus, Thascius Caecilius: Das die Juden von Got abgewichen […]. Köln 1591. Damasi Lindanus, Wilhelm: Apologeticum ad Germanos, pro religionis catholici pace. Antwerpen 1570. Damasi Lindanus, Wilhelm: De fugiendis nostri seculi idolis. Köln 1580. Diogenes Laertius:[FD] Vitae et sententiae philosophorum. Ed. lat. Ambrosii Traversarii. Brescia: Jacobus Britannicus, 1485. Diogenes Laertius:[ME] Diogenis Laertii vitae Philosophorum. Hg. v. Miroslav Marcovich u. Hans Gärtner. 3 Bde., München / Leipzig 2002. Du Préau → Prateolus [Egesippus (i.e. Pseudo-Hegesipp)] Egesippi Historiographi […] de rebus a Judaeorum principibus […] deque excidio Hierosolymorum […]. Köln: Cervicornus, 1525. [Egesippus (i.e. Pseudo-Hegesipp)] Egesippi, des Hochbrühmten Fürtrefflichen Christlichen Geschichtschreibers fünff Bücher Vom Jüdischen Krieg vnd endlicher zerstörung der Herrlichen […] Statt Jerusalem. Jetzt newlich […] verteutschet […]. Straßburg: Rihel, 1578. [Euagrius Ponticus] Euagrius of Pontus, the Greek ascetic corpus. Ed. Robert Edward Sinkewicz. New York u.a. 2006. Euripides: [FD] Tragœdiae octodecim. 2 Bde., Basel: Johannes Herwagen, 1537. http://doi.org.de/10.1515/9783110780031-043

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 Anhang

Flacius, Matthias: Catalogus testium veritatis. Basel 1562. Fulgosus, Baptista: Opus incomparabile, in IX. Libros digestum, de dictis et factis memorabilibus. Basel 1541. Gregor de Valencia SJ: De idololatria adversus probissimas nostri temporis haereticorum. Ingolstadt: Wolfgang Eder, o.J. [ca. 1578.] Guillelmus Lindanus → Damasi Lindanus, Wilhelm HAURECH, Julianus Aurelius: De cognominibus deorum gentilium libri tres. Lovani 1569. Hegesippos (Pseudo-Hegesippos) → Egesippus Laertius → Diogenes Laertius Leo X., Papst: Bulla in coena Domini. – Erster Druck: s. l. 1522. Lindt, Willem van der → Damasi Lindanus [Livius, Titus:] Titi Livii Ab urbe condita libri. Gesamtausgabe, hg. v. Wilhelm Weissenborn. Leipzig 1860-1888. Lubolmczyk, Seweryn: De vita, miraculis et actis canonicationis sancti Hyacinthi confessoris ordinis fratrum praedicat. Roma 1594. Lutzenburg, Bernard van: Catalogus haereticorum. Köln 1523. Martialis, Marcus Valerius: Epigrammata cum interpretamento dictionum grecanicarum […] Othmari Nachtgall Argentini. – Straßburg: Knobloch 1515. [Mill.er, Jacob:] Constitutiones Et Decreta Omnibus Ecclesiarum Rectoribus, Ac Presbyteris Per Diœcesim Ratisbonensem observanda. – Ingolstadt: Wolfgang Eder, 1588. [ND Delhi, Indien: True World of Books, 2021.] Minucius Felix, Marcus: [FD] Octavius: in qua agitur veterum Christianorum causa. Restitutus a Franҫois Balduino. Heidelberg 1560. Minucius Felix, Marcus: [ME] M. Minuci Felicis Octavius. Hg. v. Bernhard Kytzler. Stuttgart 21992. Minutius → Minucius Felix Molanus, Johannes: De Picturis Et Imaginibus Sacris Liber Unus: tractans de vitandis circa eas abusibus & de earundem significationibus. Leuwen: Hieronymus Wellæus, 1570. Nauclerus, Johannes: Memorabiliüm Omnis Aetatis Et Omnium Gentium Chronici Commentaria. […] Tübingen 1516. Netter, Thomas, (gen. Waldensis): Doctrinale Antiquitatum Fidei Catholicæ Ecclesiæ De Sacramentalibus. Paris 1521. [Önuphrius Panvinius:] Epitome pontificum Romanorum a S. Petro usque ad Paulum III. Venedig: Strada, 1557. [Paulus Diaconus:] De origine et gestis Regum Langobasdorum Libri VI. Paris: Ascenio 1514. Petrus Lombardus: [FD] Sententiarum libri iv. Venedig: Wendelin von Speyer, 1477. Petrus Lombardus: [ME] Sententiarum Libri Quatuor. Migne PL 192, 521-962. Petrus Martyr Festa: Summarium Constitutionum, Declarationum, Et Ordinationum: Pro regimine sacri Ordinis Praedicatorum.[…] Paris: Sonnius, 1616. Philon Alexandrini Opera quae supersunt. VII Vol. ed. Leopold Cohn e.a., Berlin 1896-1930. [Pseudo-Philo:] Antiquitates biblicae (Liber antiquitatum biblicarum).In: Jüdische Schriften römischhellenistischer Zeit. Hg. v. Christian Dietzfilbinger. Bd. 2, Gütersloh 1975. Philon von Alexandria (auch Philon Iudæus): Philonis Iudæi Alexandrini, Libri Antiquitatum Quæstionum Et Solutionum in Genesin. De Essaeis. De Nominibus Hebraicis. De Mundo. Basel: Adam Petri, 1527. Philon von Alexandria: Philonis Alexandrini opera quae supersunt. Ed. Leopold Cohn / Paul Wendland / Siegfried Reier. 7 Bde., Berlin 1896-1930. Platina, Bartholomaeus: Vitae pontificum. Nürnberg: Anton Koberger, 1481.

Weitere Quellen der Bildstreit-Autoren 

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Weitere Bibliographie Die Hauptbibliographie zum Thema ‚Strittigkeit der Bilder‘ findet sich am Ende von Band 2. Die folgende Bibliographie zu diesem 3. Band bietet lediglich Ergänzungen. Zur Verifizierung der in Anmerkungen und am Ende jedes Dokuments gebotenen Namen sind mithin beide Bibliographien zu konsultieren. Ad Fontes! Niederländische Kunst des 17. Jahrhunderts in Quellen. Hg. v. Claudia Fritzsche, Karin Leonhard, Gregor J. M. Weber. Petersberg 2015. Adam (2019) → Luther, Martin: Passional [1529]. [Adelung, Johann Christoph:] Allgemeines Gelehrten-Lexicon. […] 4 Bde., Leipzig 1774–1786. Akten zur Esslinger Reformationsgeschichte, hg. v. Helmuth Krabbe und Hans-Christoph Rublack. (Schriftenreihe Esslinger Studien Bd. 3) Esslingen 1982. Angenendt, Arnold: Heilige und Reliquien. Die Geschichte ihres Kultes im frühen Christentum bis zur Gegenwart. 2. überarb. Auflage, Hamburg 2007. Arnulf, Arwed: Architektur- und Kunstbeschreibungen von der Antike bis zum 16. Jahrhundert. München/ Berlin 2004. Arnulf, Arwed (Hg.): Kunstliteratur in Antike und Mittelalter. Eine kommentierte Anthologie. Darmstadt 2008. Battafarano, Italo Michele: Die Imagination in Hexenlehre, Medizin und Naturphilosophie. Zur Debatte um den teuflischen, göttlichen oderr physiologischen Ursprung der Imagination bei Bodin, Binsfeld, Delrio sowie Weyer, Fienus, Johann Baptist van Helmont und Knorr von Rosenroth. In: Morgen-Glantz 13 (2003), S. 369–398. Bauer, Barbara (Hg.) → Melanchthon und die Marburger Professoren (1527–1627). Bauer, Karl (2014): Regensburger Kunst-, Kultur- und Alltagsgeschichte. Regenstauf 2014. Belting, Hans: Bild und Kult. Eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst. München 1990. Benrath, Gustav Adolf (Hg.): Die Selbstbiographie des Heidelberger Theologen und Hofpredigers Abraham Scultetus. Karlsruhe 1966. Berns, Jörg Jochen (1982): Utopie und Polizei. Zur Funktionsgeschichte der frühen Utopistik in Deutschland. In: Hiltrud Gnüg (Hg.): Utope-Entwürfe (stb 2017) Frankfurt a.M. 1982. Berns, Jörg Jochen (1991): Policey und Satire im 16. und 17. Jahrhundert. In: SIMPLICIANA XIII (1991), S. 423–441. Berns/Rahn (1995): Zeremoniell und Ästhetik. In: Zeremoniell als höfische Ästhetik in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. Hg. von Jörg Jochen Berns und Thomas Rahn. Tübingen 1995 (Frühe Neuzeit, Bd. 25), S. 650–666. Berns, Jörg Jochen (1997): Künstliche Akzeleration und Akzeleration der Künste in der Frühen Neuzeit. Eine ästhetikgeschichtliche Skizze. In: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft 24 (1997), S. 159–178. Berns, Jörg Jochen (2000): Caspar Stiblins Macaria-Utopie und die utopische Satiretradition am Oberrhein. In: SIMPLICIANA XXII (2000), S. 129–144. Berns, Jörg Jochen/Neuber, Wolfgang (Hg. 2000): Seelenmaschinen. Gattungstraditionen, Funktionen und Leistungsgrenzen der Mnemotechniken vom späten Mittelalter bis zum Beginn der Moderne. Wien, Köln, Weimar 2000. Berns, Jörg Jochen (2003a): Rosarium und Bilddrift. Zur präcinematischen Bedeutung des Rosenkranzgebets. in: Urs-Beat Frei/Fredy Bühler (Hg.): Der Rosenkranz: Andacht – Geschichte – Kunst. Bern 2003. S. 302–319. Berns, Jörg Jochen (2003b): Sakralautomaten. Automatisierungstendenzen in der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Frömmigkeitskultur. In: AUTOMATEN in Kunst und Literatur des Mittelalters und http://doi.org.de/10.1515/9783110780031-044

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Weiteres Namensverzeichnis [Druckorte wurden nicht als Städtenamen erfasst.] Aachen / Aach, Ach 45, 58, 76 Aaron 131, 235, 337, 340, 447, 449, 469, 475, 487, 513, 613 Abagarus / Abgar 391, 394  f., 533 Abel 99 Abraham 29, 49, 54, 84, 95, 97, 117, 298, 319, 325, 359, 469, 483, 506, 513, 529, 533, 558  f., 645, 650 Adam 109, 217, 352, 513  f., 528 Aegypten / Egypten, Egipten 132, 220, 340–342, 391, 448, 475, 508 Agrippa 684 Alberus, Erasmus 305, 319, 632 Ambrosius 63, 90, 100  f., 277,356, 389, 470, 577, 671 Amling, Wolfgang 483, 525, 528, 543, 553, 555, 557, 671 Anablatha 224, 293, 467 Anna 89 Antichrist 339, 434, 453, 466, 468, 470 Antonius 11, 340, 387, 478 Antorf 333 Apelles 637 Apollo 358, 583 Aristoteles 6, 120, 133, 501 Arndt, Johann 90, 483, 525, 684 Arnobius 598 Arrianer 46,595 Baal 89, 93, 108, 122, 259, 355–357, 361, 442  f., 454  f., 609 Babel 93, 334, 337, 554, 673 Babilonier / Babylonier 93  f., 690 Babilon / Babylon 89, 93, 124, 670, 672 Bachus / Bacchus 93 Barbara 8, 119, 333 Baruch 36, 99, 122  f., 275, 288, 335, 519, 610, 670 Basel 5  f., 13, 135, 320, 470, 569, 585, 643 Behem 404 Belial 245, 266, 273, 618 Belus 93, 124 http://doi.org.de/10.1515/9783110780031-045

Berg Horeb 222, 285, 447, 493, 634 Bern 5, 111, 215 Bethel 70, 293 Beza, Theodor 321, 371, 510, 551, 553, 555, 557, 641,648 Blarer, Ambrosius 63, 113, 684, 691 Blasius 357 Bodenstein → Karlstadt Bonaventura 239, 326, 494 Bremen 431, 443, 455, 484 Brigitta 358 Bucer, Martin 33, 69, 86  f., 105, 110, 306, 525 Bullinger, Heinrich 90, 215  f., 227 Butzer → Bucer Cesarea Philippi 533, 646, 654 Calvin, Johannes 283, 305, 321, 372, 553, 555, 557, 641 Carlstadt → Bodenstein Castor 118, 312, 361, 490 Catharina / Katharina 118, 327, 333, 357, 653 Chemnitius 589, 593–595, 605 Chemnitz, Martin 90, 409 Cherubim / Cherubin 46, 50, 66  f., 72, 85, 100, 221, 297  f., 315, 325  f., 332, 445, 449, 486, 538, 541, 546  f., 603, 633, 636, 644 Cicero 94 Clemens 90, 101, 277 Clemens Alexandrinus 296, 467, 597 Cöln / Cölln / Köln 336, 356, 359, 375  f., 379–383, 401 Constantinus 47, 103, 264, 301, 310, 318, 389, 438, 452, 455, 470, 548, 579, 595, 601, 643, 652 Corinth 452, 584 Corinther 38, 57, 140, 236, 291, 440, 469, 618 Cranach 541, 664 Crato, Adam 463 Cupido 540 Cyprianus 117  f., 121  f., 593, 599, 652 Cyrillus 241, 577

734 

 Anhang

Dagon 489, 635 Damascenus 47,54, 63, 65, 74, 81  f., 533  f., 596 Daniel 236, 312  f., 503–506, 511, 522, 532, 658, 611 Deutschland → Teutschland Diana 93, 358, 381, 479 Dietenberger, Johannes 33 Dillenburg 431, 484 Dionysius 579, 597 Dürer, Albrecht 2 Eberlin von Günzburg, Johann 33 Eck, Johannes 33 Elias 646 Elisabeth 608, 615 Emser, Hieronymus 33, 90 Engellandt 629, 631 Epiphanius 70, 82  f., 109, 277, 292–294, 378, 438, 453, 468. Epiphanius 70, 82  f., 109, 277, 292–294, 378, 438, 453, 468, 488, 549  f., 598 Erasmus 224, 353, 357, 555, 594 Eva / Heva 513, 528 Ezechias 53  f., 84, 98, 108, 152  f., 244, 264, 277, 290, 301, 328, 455 Faustus 583 Felix 76, 580 Fischart, Johann 285 Florian 28, 139 Franciscus 6, 10  f., 16  f., 30, 76, 360 Franck, Sebastian 33 Franckfurt 47, 54, 144, 147, 390, 434, 478, 600, 602, 610 Franckreich 45, 327, 379, 402, 452, 490, 577, 641 Gabriel 204, 389 Gedik, Simon 483, 525 Gent 124, 356 Gertrud 356 Gießen 199, 365, 373 Gnostici 468 Gomorrha 500, 502 Gregorius Magnus 74, 82, 95, 102  f., 311, 326, 388  f., 466  f., 530, 581,583

Griechen 73, 334  f., 462, 570, 580, 583 Guarinonius, Hippolytus 2, 161 Ham 93 Hamburg 143, 148, 484 Hebreer / Hbräer 235, 576 Heidelberg 113, 229, 281, 375, 484, 549, 611 Helena 347 Herborn 431 Hercules 124, 576 Heva → Eva Hiob / Job 54, 119, 135, 297, 327, 356 Hiskia 308, 318, 442, 455, 495, 622 Hispania / Hispanien 327, 379, 453, 467, 602. Hohenheim, von, Theophrastus Bombastus → Paracelsus Hohenlandenberg, Hugo von 90 Homer 224, 240, 358, 468 Horaz 236, 388 Horeb 222, 285, 447, 493, 522, 613  f., 634 Hussit 627–643, 645 – 654 Ingolstadt 5, 33, 137, 345, 426 Irene 73, 85, 244, 325, 339, 433, 600, 602 Isaak → Isaac 84, 117, 319, 380, 382, 497, 513, 529, 558, 645 Israel 25, 53–56, 72, 117, 132, 288, 290, 308  f., 317, 332, 359, 400, 442, 448, 454, 475, 480, 508, 563, 604, 612, 618, 622 Italia 239, 335 Jacob 29, 50, 117, 132, 236, 280, 319, 324  f., 327  f., 356, 463, 469, 506, 513, 528, 582, 607, 622, 645 Jacobus 35, 145, 345 Jesuit / Jesuiter 573, 615, 629  f., 638, 661, 663, 667 Johannes 83, 102, 195, 222, 234, 329, 333, 505, 592, 658 Jordan 132, 308  f. Joseph 50, 119, 316, 319, 324, 388, 559 Juda 26, 145, 622, 646 Juden / Jüden 21, 25, 34, 66  f., 71, 75  f., 78, 80, 83  f., 92, 108, 117  f., 121  f., 124  f., 131, 159, 161, 175, 208, 218, 240, 288, 290, 296, 299, 309–312, 317, 322, 326, 329,

Weiteres Namensverzeichnis 

331  f., 334, 337–343, 354, 361, 376, 381, 387  f., 392, 394  f., 401, 437, 447, 452, 462, 523, 545, 548, 551, 562–564, 604, 607, 609, 621, 630, 632–634, 636, 639, 644  f., 651, 654, 670 Jüdisch 20, 37, 310, 316, 375, 445, 462, 550. Julianus Apostata 389 Juno 129, 358, 578 Jupiter 79, 93, 124, 358, 576, 597 Justinus Martyr 652 Karlstadt / Karlstatt, Carlstadt, Carolstat 5, 16  f., 30  f, 33, 105, 305, 319, 525, 530  f., 534  f., 538, 553 Köln 336, 375  f., 380, 382, 401 Laban 376, 469 Lacedemonier 242 Lactantius 85, 90, 94, 100, 118, 120, 122, 131, 598 Latiner 334 Lazarus 137, 191 Leipzig Leo 73, 103, 124, 133, 244, 310, 389, 470, 577  f., 601  f., 643 Lombardus 116 Lorentz 358 Lübeck 143 Lüneburg 143, 148–158 Luther, Martin 5, 15, 18, 33, 45, 105, 261  f., 265, 287, 305, 368, 484, 502, 526, 537, 544, 546, 562, 565, 570, 587, 593, 607  f., 611, 629  f., 649, 670  f. Magdalena 118, 147, 333, 356, 646 Mahometh 310 Mainz / Meyntz 305, 385, 604 Manasse 53, 99, 308 Marburg 265, 305, 365, 375, 525, 543 Marcus 60, 129, 315, 356. 580 Maria 6, 12, 41–43, 78, 80, 118, 130, 140, 147, 193, 204, 327, 343, 347, 352  f., 355, 403, 437, 466, 490, 550, 615, 617, 634, 646 Maria Magdalena 55, 147, 646 Massilien 467 Maximilian 623, 664

 735

Melanchthon, Philipp 5, 69, 229, 261, 263, 265, 283, 301, 431, 433, 530 Meyntz → Mainz Minerva 94  f., 118, 129, 450 Mose / Moyses über 100x Naaman 56, 311–313 Neudorffer, Georg 33 Nicaea 324  f., 329, 339, 476, 600  f. Nicea 65,73, 434, 472, 531 Nicodemus 652 Nicolaus 301, 303, 358, 373, 530, 671 Nimroth / Nimrod 93 Ninus 93, 96  f., 124 Noah / Noa 93, 325, 331, 360, 513 Numa Pompilius 241 Nürnberg 137, 142 Oesterreich / Osterreich 94, 231, 383, 448, 661, 665, 695 Olearius, Johannes 483, 685, 691 Opitz, Peter 227 Origenes 598 Osiander, Andreas 33 Palladius, Nicolaus 301, 671 Pallas 93, 358 Paracelsus 287 Paris 283, 466 Paulus über 100x Pelagius 119 Perser 242 Peter / Petrus 36, 55, 96, 99, 116, 127, 131, 140  f., 236, 280, 296, 298, 309, 312, 336, 345, 356, 358, 450, 474, 501, 509  f., 531, 572, 590, 608, 615, 6 Pezelius, Christoph 553, 555, 557 Phariseer 96, 479  f., 621, 631 Philippus 124, 301, 318, 447 Plato 124, 242, 577 Pluto 93, 130 Pollux 312 Priapus 93 Prometheus 580 Quad, Matthis 2 Quirinus 28

736 

 Anhang

Reinhard, Martin 649 Rom 45, 54, 56, 78, 95, 102  f., 118, 122  f., 130, 241, 243, 280, 296, 300, 321, 379, 390, 405, 427, 458, 468, 473, 541, 572, 575, 581, 584, 652 Römer 74, 118, 123, 128–130, 241, 335, 394, 396, 399, 448, 458, 579  f., 583 Samos Babilon 94 Satan 60, 129, 161, 171, 173, 231, 240, 243  f., 318, 360, 377, 476 Saturnus 93 Schatzger, Caspar / Schatzgeyer 671 Schöffer, Peter 338 Scultetus, Abraham 627, 631  f., 636, 639, 648, 657, 659, 664 Sen 93, 96  f. Serenus 124, 310, 467 Siegen 431, 484 Simon der Zauberer 449, 594 Socrates 124, 241, 389, 576 Spanien 330 Spreter, Johannes 33, 617 Straßburg 33, 105, 321–324, 355, 362, 554

Taurer, Abraham 483 Teutsch / teutsch 17, 22, 39, 50  f., 73, 97, 188, 220, 227, 240, 281, 300, 306  f., 327, 355, 362, 413, 415, 429, 458, 474, 585, 608  f., 650, 664 Teutschland 199, 203, 205, 211, 403 Theodosius 103, 301, 311, 318, 329, 455, 470, 577, 601 Türcken 92, 117  f., 121, 134, 288, 307, 309  f., 312, 315, 317, 339, 434, 449, 452, 551, 575, 578, 621 Vasquetz, Gabriel 615, 638 Venus 93, 356 Vergilius, Polydorus 122, 242, 583 Veronika / Veronica 329, 386, 628, 639, 652 Vulcanus 358 Wittenberg 5, 16, 261, 265, 281, 283, 301, 305  f., 316, 431, 457, 530, 553, 611 Würzburg 229, 385 Zerbst 457, 483  f., 494, 551, 688 Zürich 52, 54, 105, 283 Zwingli, Ulrich / Zwingel 54, 105, 305  f., 314  f., 318, 338, 509, 530, 553

Weiteres Begriffs- und Sachverzeichnis Dieses Verzeichnis bietet Begriffe, die bildtheologisch, kunsthistorisch, psychologie- oder wahrnehmungsgeschichtlich bedeusam sind. Begriffe, die mehr als hundertmal in den Dokumenten erwähnt sind, wurden nicht in das Verzeichnis aufgenommen. Es sind dies namentlich die Begriffe bild / bildt,bildnis / bildniß, bildnuß, buch, ceremonie, form, gebet / gebett, gebot / gebott, geist / geyst, gestalt, gleichnis / gleichniß, gleichnuß, gott, gottesdienst, götter, götze, heiden / haiden, hayden, heilig / hailig, haylig, hertz, himmel, histori / historie, historia, leben, liebe, lieben, mensch, menschlich, papist, predigt, schreiben, schrift, sehen, sünd / sünde, tempel. volck, war / wahr, welt, werck, zeichen / zaichen. abbild 699  f. abbilden 271, 285, 435, 445, 447, 511, 517, 522, 595, 614, 637 abbildung 285, 447, 448, 449, 496, 582, 583, 615 abcontrafeher / abcontrafeier 512, 615, 636. abcontrafeien / abcontrafeyen abcontrafehen, abconterfeten 234, 235, 238, 494, 512, 558, 640 abcontrafey 644 abgott 22, 53, 79, 93, 97, 118, 119, 122, 124, 270, 355, 359, 476, 491, 492, 532, 583, 609 abgötterey 22, 110, 120, 124, 129, 139–142, 226, 233, 235, 239–241, 259, 263  f., 267  f., 270  f., 278–280, 284, 286–292, 294–296, 298  f., 301  f., 308, 310  f., 313, 365, 368–371, 376, 378  f., 381, 395, 434, 436–442, 447, 451, 454  f., 466, 469  f., 476, 479, 487, 489  f., 492, 504, 514, 517, 519–521, 523, 532, 534  f., 538, 540, 544, 548  f., 555  f., 572, 577–579, 581, 584. 596, 617, 621  f., 633, 641, 647–650, 660, 664, 670, 577 abgöttisch 96, 110, 125, 155, 159,179, 234, 245, 259, 269, 286, 289, 291, 294, 296, 298–300, 308, 310, 343, 370, 379–383, 395, 436, 440  f., 452, 469. 476, 478  f., 486, 488–491, 495, 497, 512, 514, 519–521, 528, 535, 545  f., 548  f., 580, 583  f., 594, 620, 648, 650  f., 660, 662  f., 668 abreissen 493, 613, 637 abreisser 392, 636, 637 abschew / abschewen 306, 319, 312, 454, 469, 496, 546, 594, 598 http://doi.org.de/10.1515/9783110780031-046

adiaphora 106, 110, 151, 298, 459, 461, 462, 476, 477, 587, 606, 607 altar 16, 21  f., 28, 44, 51  f., 56, 83, 93, 95, 102, 122, 126, 144, 146, 173, 219, 245, 272, 287  f., 298–300, 308  f., 372, 403, 406, 408–411, 413–416, 421–424, 426, 437, 442  f., 445, 454, 463, 472, 483, 487  f., 491, 497, 499, 519, 525, 527, 529, 536, 538, 541, 544, 550, 554  f., 564, 567, 571, 598, 609, 612, 618  f., 621–624, 652, 657–660, 662–666, 668, 692 analogia 534 anbeten / anbetten, anbethen 21. 50  f., 66  f., 70–72, 100–103, 107, 112, 122  f., 125, 127, 197, 237, 240, 243, 249, 263, 268, 271  f., 275, 278, 280, 284, 286, 308, 311, 313, 315–317, 319, 322, 324–326, 328–330, 334, 336  f., 339, 342–345, 347, 351, 355, 360  f., 367, 377, 395, 436  f., 442, 448–450, 467, 472, 475–477, 485, 487  f., 490  f., 493–495, 504–505, 509, 511, 514, 518–520, 523, 528, 538  f., 544  f., 547  f., 555  f., 573, 575, 577–579, 584, 591  f., 594  f., 597–601, 604  f., 608, 615–618, 620, 622  f., 641, 673 anbilden 219, 221, 271  f., 285, 298  f., 342  f., 371 anbildung 285, 350, 477, 708 andacht 10, 33–35, 38, 67, 74, 78, 96, 161, 189, 199–213, 220, 232, 242, 310, 326, 329–331, 334, 343, 351, 353, 354, 380, 388, 395, 403, 411, 416, 426, 453, 459, 468, 538, 549, 575, 579, 581, 583, 598  f., 605, 608, 632, 647  f.

738 

 Anhang

angesicht 22, 27, 77, 79, 85, 116, 121, 217, 221, 235, 268, 270  f., 277, 297, 317, 320, 331  f., 334, 372, 379, 393, 402, 427, 468, 472, 495, 509  f., 528, 574, 597, 606, 617–619, 639, 644, 647, 650, 652  f., 675, 694  f. anschauen / anschawen, anschauwen 387, 392, 451, 496 anschawung 34, 76, 78, 541,, 560 ansehen 82, 138, 215, 272, 273, 288, 293, 311, 315, 325, 326, 340, 343, 345, 354, 371, 376, 407, 408, 423, 424, 441, 463, 499, 538, 558, 591, 597, 600, 602, 653 antlitz 54, 329, 331, 472, 583 arme (Menschen) 12, 70, 80, 107, 110, 123, 138, 158  f., 207, 225, 263, 279, 379, 399, 675 armut 12, 80, 181, 257, 418, 424, 651 auffmutzen 50, 95, 100, 129 auge / augen 46  f., 51, 60, 71, 73, 78, 83  f., 94, 98, 103, 105, 118, 141. 217, 221  f., 224  f., 237–240, 242, 245, 265  f., 268, 271  f., 279, 285, 291, 299, 316  f., 325, 329, 338  f.,341, 355, 357, 359, 370, 376, 381, 387, 403, 422, 434  f., 439, 441  f., 446, 449, 451, 461, 469, 471, 474, 476, 478, 480, 490,493, 495–497, 502–505, 508, 518, 520, 526, 529, 534, 539, 541, 551, 554  f., 558, 560–562, 574, 584, 590, 596, 599, 603, 605  f., 611, 617, 620, 623  f., 627, 632, 640  f., 653, 659  f., 662  f., 665, 668 bappir / papier 66 baum 85, 125, 202  f., 275, 318, 460, 469 beichtstul / Beichtstuhl 426, 427, 428, 429 bethaus / bethauß, betthaus 102, 224, 240, 289, 413, 595, 621  f. betrachtung 44, 47, 51, 67, 71  f., 78, 84, 146, 314, 325, 370, 451, 469, 506, 509, 541, 562, 594, 608, 692 bilden 67, 331, 447, 533, 560 bildschnitzer / bildtschnitzer, pildschnitzer 38, 141, 315, 546, 548 bildstock 77, 199 bildstürmer 67, 279, 284, 301  f., 307, 389  f., 539, 554  f., 561, 563, 565  f., 567, 643

bildthauer / bildhawer 315, 513 bildschneider 236, 240 bildwerck / bildtwerck 223, 237, 242, 301, 450, 453, 468, 470, 533, 602  f., 609 blut 65, 75, 129, 132, 171, 179, 181, 223, 241, 247, 253, 257, 316, 332, 333, 336, 346, 413, 446, 535, 564, 666 brauch 47, 60, 70, 71, 73, 75, 77, 82, 224, 267, 269, 284, 287, 291, 294, 299,, 312, 337, 338, 367, 377, 387, 410, 411, 427, 438, 439, 459, 462, 463, 477, 478, 481, 519, 556, 558,, 561, 564, 572, 573, 575, 577, 578, 580–583 brennen / verbrennen 52, 53, 55, 70, 73, 97  f., 123, 125, 236, 245, 270, 273, 293, 301, 328, 335, 357, 395, 397, 401, 402, 442, 467, 476, 479, 518  f., 544, 554, 562, 603, 609, 618, 621, 639, 659, 668, 677 brief [brieff 70, 99, 109, 218, 324, 326, 391–393, 398, 399, 414, 598, 608, 670, 702 brieffmaler 513 brot / prot 24–26, 67, 131, 141, 205, 300, 335, 343, 346, 377, 422, 517, 572, 584, 648 büchlin 42, 52, 53, 57, 60, 224, 229, 232, 259, 330, 338, 573, 588, 700 buchstaben 66, 235, 239, 279, 346, 414, 420, 449, 452, 497, 500, 511, 601, 686 bürgerlich 263, 580 closter, clöster 27, 417, 423, 571, 653 comedi / comedy 413, 659 conterfeit 660 creutzstock 348 druck 515, 557 dulia 322, 339, 359, 360, 361 edelgestein 125, 219, 422, 437, 539, 651, 703 einbilden 267, 296, 377, 436, 498, 509, 510, 513, 556, 652 einbildung 496, 506–509 einfalt 82, 226, 382, 506, 573, 601, 622 einfältig / einfeltig 60, 232, 266, 269, 367, 372, 388, 439, 447, 448, 500, 502, 507, 543, 551, 559, 560 empfindligkeit 235

Weiteres Begriffs- und Sachverzeichnis 

engel 20, 27, 39, 46, 48–50, 67, 100, 101, 116, 126–128, 140, 145, 231, 234, 236, 244, 287, 332, 346, 354, 441, 450, 471, 514, 528, 541, 546, 584, 631, 673 entwerffen 231, 236, 238, 533, 546 erinnern 57, 137, 141, 183, 233, 293, 297, 301, 377, 388, 400, 414, 496  f., 500, 531, 596, 556–562, 620 erinnerung 72, 109. 146, 159, 263, 266, 285, 343, 377  f., 433, 436, 446, 449, 465, 497, 499, 400, 502, 512, 529, 535, 545, 558, 563, 583, 594, 605, 658 exempel 48, 60,74, 138  f., 144, 235, 240  f., 274, 277  f., 280, 290  f., 308  f., 328, 330, 355, 379, 388, 408, 442, 453, 455, 460  f., 471–473, 497, 507, 518, 545, 559, 601, 607  f., 615, 629, 639, 644, 647, 651 fabel 11, 12 85, 130, 154, 155, 241, 296, 440, 476, 513, 604 fahne 146, 424, 426, 433, 452, 541, 570, 571, 578  f. fantasey / phantasey 130, 637, 694 farbe 231, 234  f., 413, 417, 424, 426, 450, 473, 546, 549, 640 fenster 244, 310, 316, 368, 410, 411, 495 feuer / feur 39, 97, 122, 123, 125, 131, 139, 141, 493, 510, 612–614, 618, 621, 631 632, 634, 638, 643, 653 figur 21, 38, 74, 85, 132, 234, 235, 238, 242, 272, 328, 346, 348, 350, 417, 418, 447, 460, 491, 492, 497 formschneider 636 fürbild 290, 299, 442, 546 fürbildung / fürpildung 38, 101, 298, 299, 704 fürwitz 93, 98, 447 furcht / forcht 19, 20, 28, 34, 60, 78, 84, 115, 218, 269, 448, 521, 580, 624 fürhang 70, 71, 81, 277, 293  f., 378, 417, 424, 438 gebärde / geberde 11, 28, 256, 372, 533, 537 gebein 11, 46, 119, 120. 414, 415, 419, 571, 576–578, 650, 660, 662, 664 gedächtnis / gedächtniß. gedechtnus 144, 300, 302, 308, 309, 318, 342, 355, 377, 378, 403, 426, 466, 477, 497, 526, 533  f.,

 739

547, 549, 556, 561, 563, 630, 646, 647, 659, 664, 693 gedencken 10, 11, 72, 75, 77, 84, 108, 115, 120, 144, 146, 223, 234, 278, 280, 286  f., 296, 299, 307, 314, 319, 337, 342, 369, 475, 496, 506  f., 512–514, 534, 561, 563, 576, 624, 652, 704 gedicht / geticht 71, 77, 199, 201, 273, 352, 359, 367, 436, 506, 510, 511, 513 gegossen 66, 67, 122, 226, 275, 419, 450, 453, 490, 521, 538, 539, 547, 646, 675 gegraben 222, 396  f., 412, 419, 436, 476, 547 gehirn 448 geiz / geitz 380, 480, 624 geld / geldt 7, 80, 179, 346, 379, 565, 566 gemäl / gemel 34  f., 39, 102, 142, 226, 295, 580 gemälde 67, 157, 159, 279, 280, 333, 434  f., 486  f., 489, 500, 502, 560 gemüt / gemüth 20, 96, 217, 221, 223, 224, 299, 396, 511 gesang 126, 268, 306 geschicht / geschichte 50, 60,78, 328, 332, 333, 343, 347, 348, 359, 380, 390, 403, 433, 459, 463, 479, 496, 549, 559 geschmuck 122, 189, 242, 319, 338, 422, 433, 462, 477  f., 538  f., 573, 583, 595 geschnitzt 34, 52, 53, 66, 97, 98, 141, 231, 268  f., 273, 279, 285, 293, 325, 450, 539, 547, 660, 669 geschrifft 10, 17, 18, 23, 36, 42, 45, 48, 50, 51, 53, 54, 65–67, 99, 117, 118, 130, 133, 233, 235–237, 239, 645 gesicht 72, 132, 241, 293, 298, 327, 329, 332, 392, 452, 480, 530 giessen 22, 85, 546, 547, 646, 652 glantz 210, 242, 393, 394, 511, 529 glas / glass 368, 410, 420 glocke 21, 22, 31, 199, 209, 541, 572, 667, 712 gold / golt 46, 68, 80, 98, 123, 125, 140, 219, 221, 223, 226, 242, 245, 247, 248, 256, 315, 325, 335, 338, 340, 350, 355, 416  f., 419  f., 422, 424, 437, 450, 468, 475, 546–548, 566, 578, 579, 581, 603, 673, 675, 677 götzendienst 91, 93, 96, 103, 129, 215, 234, 236, 242, 244, 261, 263, 266, 267, 269,

740 

 Anhang

271, 274–277, 279, 288, 317, 339, 369, 476, 487, 514, 519, 521, 535, 595 grab 9, 46, 128, 129, 165, 179, 183, 187, 416, 422, 578, 658, 659, 662 graben 85, 103, 395–397 Gregorsformel 63, 66, 71, 77, 84, 95, 113, 124, 125, 157, 230, 235, 239, 269, 285, 287, 295, 296, 305, 377, 485, 499, 500, 501, 525, 543, 559, 570, 693 grewel / greuel 26, 28, 52. 72, 78  f., 245, 267, 268, 273, 288  f., 296, 299, 306, 308, 311, 367, 379, 434, 441, 442, 466, 467, 469, 477  f., 483, 519, 535, 545, 546, 551, 554, 582, 584, 588, 596, 599, 606, 609 hafner 119, 356 hand 12, 23, 28, 47, 49, 67, 76, 83, 95, 98, 122, 124, 131, 135, 140, 167, 175, 216, 223, 259, 264, 301, 306, 312, 325, 333, 336, 355–357, 369, 397, 415, 427, 431, 447, 465, 535, 547, 563, 618, 668, 673 hauß / haus 21, 53, 55, 57, 103, 202, 206, 227, 245, 327  f., 339. 381, 388, 391, 394–396, 491  f., 408, 417, 451, 544, 634, 640, 651, 652 heilthumb 400, 578 heimlich 52, 53, 217, 272, 468, 578 helle / hölle 307, 311, 316, 345 heßlich 402 hirn 326, 436, 496, 704 holtz 19, 37  f., 56, 65, 67, 71, 79, 80, 84, 85, 96, 102, 120, 121, 123, 125, 132, 140  f., 222, 225, 226, 275, 296, 311, 314, 326, 337, 338, 343, 347–350, 378, 388, 397, 409, 411, 413, 416, 417, 420, 424, 426, 437, 438, 440, 442, 466, 491  f., 495, 540, 541, 544, 547, 579, 580, 584, 590, 609, 632, 650, 652 hüpsch 205, 248 hure / hur 118, 120, 123, 254, 356, 380, 597, 605, 673 hyperdulia 322, 339, 343, 359, 360, 361 idolatria / idololatria 332, 442 idolum, idola 261, 401, 402, 584 imago 378, 384, 390, 477, 545 innerlich 38, 372, 477, 478, 704

irrthumb / irrtum 82, 83, 269, 271, 274, 277, 318, 378, 391, 403, 440, 464, 504, 579, 581, 583, 593, 599 kertze 9, 22, 27, 55, 130, 146, 335, 415, 476, 616 ketzer 47, 54, 83, 144, 183, 279, 316, 324, 325, 328, 331–337, 340, 350, 355, 358, 359, 388, 389, 413, 450, 466, 468, 531, 594, 607, 630 kind / kindt 28, 48, 53, 54, 59, 60, 66, 83, 100, 116, 117, 218, 290, 309, 313, 317, 325, 327, 342, 349, 442, 468, 469, 475, 504, 506–509, 511, 524, 532, 536, 539, 555, 604, 609, 665 kirchengeschmuck 267, 404  ff. kirchhoff 343 kleben (am bilde) 278, 343, 357, 687, 699 knittelvers XI, 710–712 kosten / costen 70, 80, 123, 159, 161, 191, 219, 279, 327, 420, 501 krieg 8, 9, 41, 187, 191, 307, 344, 357, 440, 582, 677 kunst 82, 96, 102, 140, 223, 240, 253, 255, 308, 314, 317, 340, 357, 380, 445, 449, 467, 470, 477, 492, 496, 501, 313, 548, 583, 589, 597, 602, 605, 637, 640 künstler 272, 513 künstlich 93, 315, 539, 546, 549 lachen 10, 96, 359 laie / laye 65, 66, 102, 235, 239, 280, 284, 285, 287, 295, 296–298. 377, 385, 498, 500, 501, 502, 507, 527, 570 landtkirche 433 larve 30, 232, 239, 242, 268, 510 latria 322, 335, 338, 339, 343, 359, 360, 361 lebendig 34, 42, 43, 80, 96, 100–102, 113, 123, 134, 217, 251 261, 266, 268, 272, 276, 277, 280, 297, 355, 420, 436, 439, 478, 492, 514, 540, 561, 580, 594, 618, 645 legende 34, 130, 154, 155, 345, 437, 491 leib 29, 35, 38, 83, 101, 120–122, 126, 144, 167, 235, 238, 263, 300, 310, 346, 357, 367, 389, 394  f., 401–403, 422, 450, 510, 576, 620, 637, 646, 665

Weiteres Begriffs- und Sachverzeichnis 

leuchten 34, 329 leuchte 274, 388, 395, 397 licht / liecht 25, 34, 70, 74, 135, 232, 245, 254, 264, 266, 268, 273, 293, 299, 324, 326, 327, 329, 354, 358, 395, 397, 410, 448, 472, 492, 511, 519, 536, 518, 653, 679 lineamenta 534 linie 234, 410 lohn 193, 246, 270, 335, 360, 593 lüge / Lüge 78, 115, 155, 296, 318, 382, 440, 447, 448, 466 lügen 139, 157, 226, 296, 316, 620 malen / mahlen 370, 410, 435, 448, 449, 453, 495. 522, 532, 534, 602, 639, 664 maler / mahler 277, 522, 531, 532, 534, 605, 615, 635, 636, 639, 640, 700 marienbild 78, 467, 476, 664, 703 marter 12, 68, 205, 206, 322, 359, 507, 549, 551, 620 marterer / martyrer 10, 65, 100, 207, 224, 338, 453, 583 materi / materia 71, 72, 85, 102, 120, 219–222, 242, 330, 420, 685 mißbrauch 27, 83, 140, 218, 286, 287, 289–292, 295, 297, 298, 300, 301, 376, 408, 413, 437  f., 440, 441, 455, 468, 470, 479, 520, 533, 540, 541, 564  f., 571–573, 577, 580, 581, 596, 603, 647 mönch 289, 330, 347, 353, 358, 476, 591, 602 monstrantz 346, 419 musica 306, 307, 563, 609 narr 22, 109, 141, 220, 275, 344, 447, 477, 539, 589, 598602, 603, 615 nation / nacion 65, 74, 94, 376, 549 nonne 351, 358, 361, 571, 602 oberkeit / obrigkeit, oberkeyt 73, 261, 263, 264, 278, 279, 370, 378, 408, 417, 432–434, 440–443, 454, 471, 491, 495, 521, 528, 534, 537, 602, 611, 613, 618, 623, 641–643, 654, 691 offenbar 110, 131, 177, 189, 195, 220, 251, 272, 285, 289, 295, 300, 309, 437, 486, 496, 512, 544–550, 592, 637, 677, 679

 741

öffentlich 10, 27, 70, 73, 216, 217, 226, 232, 241, 284, 285, 287, 288, 289, 297, 301, 302, 309, 316, 326, 329, 336, 339, 380, 396, 415, 419, 433, 434, 438, 441, 462, 467, 473, 498, 499, 514, 550, 555, 558, 566, 570, 579, 592, 595, 597, 615, 620, 624, 646, 668, 717 ohr 55, 141, 221, 231, 240, 245, 474, 478, 503  f., 508, 520, 561, 590 öl 23, 28, 53, 173, 359 ordnung 18, 22, 65, 109, 133  f., 151, 258, 279, 291, 409, 413, 422, 434, 440, 454, 458, 459, 461–463, 480, 491, 603, 609, 690 orgel 45, 555, 563, 566, 609 pensel / pinsel 231, 235, 238, 336 phantasey 637 pild 34–39, 140, 142 pildtnuß 34–39, 241, 704 pilgern 43 poet 223, 240, 242, 331, 388, 451, 528, 547, 576, 653, 685 poetisch 240 pöfel [pöbel] 169, 278, 518, 522, 535, 618 policey 105, 107, 278, 548 politisch 233, 449, 477, 489, 512, 578 predigtstuel 620, 621 privat 449, 485 procession 156, 157, 379, 396, 400, 419, 424, 571, 578 puppe / poppe 332, 468 puppenwerck / poppenwerck 470, 536, 694 reliquie 207, 343, 344, 442, 659, 660, 661, 698 säule / seule, saul 52, 97, 98, 245, 275, 287, 288, 337, 437, 442, 450, 454, 519, 547, 548, 591, 617, 618, 677 scartecke 300, 301 schand / schande 24, 139, 208, 247, 253–255, 269, 286, 291, 296, 310, 380, 440 schatten 101, 337, 389, 461, 493 schein 84, 85, 204, 208, 242, 243, 258, 294, 295, 302, 329, 393, 407, 415, 424, 452, 463, 470, 476, 479. 488, 489, 498, 500,

742 

 Anhang

506, 511, 527, 535, 581, 598, 603, 608, 616, 641  f., 679 schmehen 66, 434 schmertz 210, 265, 266, 288, 296, 301, 389, 391, 427, 560 schmuck 267, 299, 329, 424, 449, 451  f., 472, 478, 537–539, 554  f., 566, 622 schmücken 80, 109, 374, 379, 451, 453, 530, 548, 564,613, 658, 673, 675, 692 schnitzen 67, 102, 141, 370, 448, 449, 471, 479, 532, 534, 538, 545, 546, 547, 602 schnitzer 474, 531, 532, 605 schnitzlen 235, 237, 238 schnitzwerck 449, 477, 664 schön 98, 122, 314, 316, 329, 335, 352, 355, 357, 378, 379, 409, 410, 414, 417, 419, 420, 429,548, 549, 574, 578, 658, 659, 661 spectakel 156, 157 seele 7, 28, 29, 37, 38, 96, 102, 130, 146, 150, 151, 208, 234, 325, 332, 347, 389, 422, 437, 438, 447, 479, 490, 507, 522, 541, 613, 634, 673 selig 101, 115, 131, 134, 141, 142, 145, 169, 181, 195, 236, 241, 277, 332, 382, 392, 541, 548, 575, 651 seligkeit 48, 68, 115, 145, 318, 332, 350, 439, 460, 477, 479, 481, 509, 510, 539, 545, 573 sichtbar 85, 219, 220, 221, 235, 285, 270, 341, 537, 595, 615 silber 68, 98, 123, 125, 140, 216, 219, 221, 223, 226, 242, 245, 247, 248, 275–277, 315, 335, 338, 350, 355, 378, 416, 417, 419, 420, 422, 424, 437, 450, 465, 468, 472, 475, 479, 540, 546, 548, 566, 578, 581, 590, 590, 603, 609, 641, 651, 652, 662, 673, 675, 677, 703 similitudo 238, 467 sonn / sonne 37, 222, 232, 242, 309, 315, 357, 447, 49–493, 495, 511, 529, 545, 603, 621, 633, 635, 644, 649, 677, 679 sophist 21, 30, 264 spaciren / spacieren, spatzieren 213, 258, 314, 357, 413, 660, 667 spiegel 116, 121, 213, 237, 271, 280, 297, 359, 377, 488, 461, 509

spiel / spil 244, 257, 347, 379, 609 spott 173, 179, 247, 254, 328, 395, 397, 538 statua 548, 601 stein 51, 56, 79, 80, 84, 85, 120–122, 125, 132, 140, 141, 225, 226, 308, 311, 314, 336, 343, 378, 409, 410, 412, 413, 437, 442, 491, 492, 495, 500, 544, 626, 631 Stern, Sterne 447, 493–495, 621, 677 straffe / strafe 19, 29, 263, 267, 465, 498, 527, 530, 588, 606, 613, 654 straffen / strafen 125, 232, 251, 257, 267, 274, 368, 379, 382, 448, 475, 480, 498, 514, 527, 593, 613, 673, 677 stürmen 108, 231, 302, 308, 316, 365, 369, 370, 389, 535, 539, 587, 642, 653 tabernackel / tabernakel 50, 298, 497 tafel / taffel 8, 46, 47, 107, 217, 296, 350, 420, 423, 427, 488, 489, 502, 512, 513, 532, 665 tauffstein 536, 538, 659, 668 teuffel 22–24, 26–30, 78, 144, 218, 231, 235, 238, 243, 245, 268, 330, 345,346, 348, 350, 356, 379, 380, 397, 398, 465, 476, 479, 576, 583, 584, 591, 607, 608, 629, 653 tichten / dichten 12, 272, 288, 504, 518, 549 tichter 488 tod 20, 23, 37, 46, 48, 55, 73, 85, 94, 95, 97, 101, 103, 115, 117, 119, 121, 126, 129, 131, 133, 165, 167, 179, 181, 183, 187, 256, 309, 311, 350, 356, 561, 562, 620, 675 traum 329, 330, 351, 354, 357, 509–511 ungestalt 231, 573, 705 unsichtbar / unsichtbarlich 84, 101, 120, 221, 234, 235, 270, 271, 285, 436, 447, 503, 603 unwarheit / unwahrheit 81, 285, 296, 298, 302, 440, 488, 502, 512, 532, 564, 692 ursprung 108, 125, 187, 230, 235, 239, 276, 288, 468,470, 509, 578, 591, 598, 607 verbieten 24, 71, 95, 291, 294, 415, 419, 424, 472, 528, 603, 617, 640, 644 verbilden 220, 222, 286 verbrennen → brennen

Weiteres Begriffs- und Sachverzeichnis 

verehren 77, 90, 179, 197, 219, 220, 223, 225, 237, 243, 268,270, 271, 277, 286, 288, 291, 297, 328, 343, 357, 374, 381, 493, 414, 416, 420, 437, 449, 450, 465, 472, 475, 477, 504,523, 528, 537, 561, 575, 579, 580, 616–618 verehrung 77, 85, 91, 138, 216, 223, 230, 239, 240, 243  f., 284, 288, 307, 361, 376, 381, 434, 436, 450, 473, 475–477, 485, 502, 514, 572, 578, 580, 583 vernunfft 10, 19, 96, 109, 221, 233–236, 238, 244, 255, 272, 391, 603, 606 verstand 11, 51  f., 65, 79, 104, 131, 221  f., 235, 284, 286, 297, 314, 318, 335, 337, 350, 359, 419, 435, 441, 458, 460, 481, 500, 501 506, 518, 544, 583, 607 wachs 340, 380, 38, 584, 609, 703 wahn 128, 270, 382, 486, 490, 493, 495, 504, 521, 575, 613 walfart / wallfahrt 109, 120  f., 126, 128–130, 141, 263, 335, 437, 442 wappen / wapen 171, 359, 412, 486, 494, 497, 571 warheit / wahrheit 7, 9, 10, 17, 43, 49, 72, 74, 75, 82, 115, 120, 130, 134, 138, 152, 154, 219, 234, 235, 242, 248, 250, 265, 291  f., 294, 299, 309, 311, 316, 318, 354, 367,

 743

382, 391, 435, 436, 522, 532, 551, 575, 581, 605, 634, 645, 658 wunder 7, 29, 38, 48, 76, 84, 128, 129, 130, 132, 133, 134, 141, 193, 243, 244, 267, 327, 349, 350, 359, 360 wunderzeichen / wunderzaichen 7, 98, 109, 130, 131, 132, 134, 327, 329, 330, 341 zahl 133, 177, 185, 340, 405, 514, 562, 618, 621, 689 zählen 337, 696 zauberer 134, 310, 359, 449, 584, 594 zauberey 30, 218 zeichnen 173, 392, 553 zerbrechen 45, 51, 53, 80, 84, 97–99, 122, 208, 245, 256, 287, 288, 298, 309, 315–317, 442, 443, 455, 469, 487, 531, 590, 598, 608, 618, 621, 624, 648, 650, 651, 658, 662 zerreissen 52, 81, 208, 245, 294, 316, 599, 618, 621 zerschlagen 97, 108, 278, 442, 658, 659 zerstören 41, 52, 278, 326, 365, 530, 544, 611 zier 67, 93, 189, 205, 355, 422–424, 477  f., 536, 538, 707 zierde [zierdt, ziert] 242, 355, 449, 458, 536, 537, 556, 587, 611, 700 zieren 44, 236, 378, 379, 424, 564, 613, 621

Abkürzungen und Siglen ADB Allgemeine Deutsche Biographie AT Altes Tetament BBKL Biogaphisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, ed. Bautz BKV Bibliothek der Kirchenväter Bl. Blatt Badische Landesbibliothek Karlsruhe BLB BSB Bayersche Staatsbibliothek München CCCM Corpus Christanorum, Continuatio Medievalis CCSL Corpus Christianorum, Series Latina CSEL Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum EA Erstausgabe Ed. Editor (=Hg.)) ed. edidit (=hg.) FC Fontes Christiani FD Frühdruck fol. folio (=Bl.) GNM Germanisches Nationalmuseum Nürnberg HAB Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel HdA Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens HdM Handbuch der Marienkunde Hg. Herausgeber hg. herausgegeben HRG Handwörterbuch der deutschen Rechtsgeschichte i.S.v. im Sinne von JJB Jörg Jochen Berns KDA Künstlerlexikon der Antike LDP Lexikon der Päpste LCI Lexikon der christlichen Ikonografie LexMa Lexikon des Mittelalters LIT Literaturangaben LThK Lexikon für Theologie und Kirche ME Moderne zitierfähige Editionen MGH Monumenta Germaniae Historica MPG Migne Patrologia Gaeca MPL Migne Patrologia Latina ND Nachdruck (=Reprint) NDB Neue Deutsche Biographie N.F. Neue Folge NT Neues Testament OFM Ordo Fratrum Minorum (Franziskanerorden) OSB Ordo Sancti Benedicti (Benediktinerorden) o.  J. ohne Jahresangabe o.O. ohne Ortsangabe ÖNB Österreichische Nationalbibliothek Wien http://doi.org.de/10.1515/9783110780031-047

746 

 Anhang

p. pagina/page (Seite) RAC Reallexikon für Antike und Christentum s.  a. sine anno (= o.  J.) SBB Staatsbibliothek Berlin seq. sequentes (folgende, ff.) SJ Societas Jesu (Jesuitenorden) s.  l. sine loco (= o.O.) SLUB Sächsische Landesbibliothek, Staats- und Universitätsbibliothek Dresden s.t. sine tempore STR1 Von Strittigkeit der Bilder, Bd. 1 STR2 Von Strittigkeit der Bilder, Bd. 2 STR3 Von Strittigkeit der Bilder, Bd. 3 SUB Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen ThULB Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena TRE Theologische Realenzyklopädie UBL Universitätsbibliothek Leipzig ULB Düsseldorf Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf ULB Sachsen-Anhalt Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen Anhalt (Halle) VD 15 Verzeichnis der Drucke des 15. Jahrhunderts VD 16 Verzeichnis der Drucke des 16. Jahrhunderts VD 17 Verzeichnis der Drucke des 17. Jahrhunderts VD 18 Verzeichnis der Drucke des 18. Jahrhunderts WdM Wörterbuch der Mystik (ed. Dinzelbacher) Wikipedia Digitale Enzyklopädie zvdd Zentrales Verzeichnis Digitalisierter Drucke

Namen, die für Handbücher stehen Belting Belting, Hans: Bild und Kult. Benzing Benzing, Josef: Die Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts. Feld Feld, Helmut: Der Ikonoklasmus des Westens. Hecht Hecht, Christian: Katholische Bildertheologie. Jaumann Jaumann, Herbert: Handbuch der Gelehrtenkultur Jöcher Jöcher, Christian Gottlieb: Allgemeines Gelehrten-Lexicon. Kindler Kindlers Literatur Lexikon Kühlmann/Killy Wilhelm Kühlmann (Hg.): Killy-Literaturlexikon. 13 Bde., Berlin 2008. KlPauly Der Kleine Pauly. Lexikon der Antike. Mencke Mencke, Joh. Burchard: Compendiöses Gelehrten-Lexikcon. Rechenberg Rechenberg,Adam: Hierolexicon Reale. Schnitzler Schnitzler, Norbert: Ikonoklasmus – Bildersturm. Schulthess/Imbach P. Schulthess u. R. Imbach: Die Philosophie im lateinischen Mittelalter. Zedler Zedlers Universal-Lexicon.

Abkürzungen und Siglen 

Siglen der biblischen Bücher AT Gen Genesis (1. Mose) Ex Exodus (2. Mose) Lev Leviticus (3. Mose) Numeri (4. Mose) Num Deut Deuteronomium (5. Mose) Ios Josua Iud Judices (Richter) Ruth Ruth 1 Sam 1 Könige (1 Samuelis) 2 Sam 2 Könige (2 Samuelis) 3 Reg 3 Könige 4 Reg 4 Könige 1 Par 1 Paralipomenon (1 Chronik) 2 Paralipomenon (2 Chronik) 2 Par 1 Esdra Esdr Neh Nehemia (2 Esdra) Tob Tobias Iudith Judith Esth Esther Iob Hiob Ps Psalmen Prov Proverbia (Sprüche Salomons) Ecclesiastes (Prediger Salomon) Eccl Cant Canticum Canticorum (Hoheslied) Sap Sapientia (Weisheit Salomons) Eccli Ecclesiasticus Is Jesaias Ier Jeremias Lam Lamentationes (Klagelieder Jeremiae) Bar Baruch Ez Ezechiel (Hesekiel) Dan Daniel Hos Hosea Ioel Joel Am Amos Abd Abdias Ion Jonas Mich Micha Nah Nahum Hab Habacuc Soph Sophonias (Zephanja) Agg Aggaeus (Haggai) Zach Zacharias

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 Anhang

Mal Maleachi 1 Mac 1 Maccabaeer 2 Mac 2 Maccabaeer NT Mt Matthäusevangelium Mc Markusevangelium Lc Lukasevangelium Io Johannesevangelium Act Actus Apostolorum (Apostelgeschichte) Rom Römerbrief 1 Cor 1 Korintherbrief 2 Cor 2 Korintherbrief Gal Galatherbrief Eph Epheserbrief Phil Philipperbrief Col Kolosserbrief 1 Thess 1 Thessalonicherbrief 2 Thess 2 Thessalonicherbrief 1 Tim 1 Timotheusbrief 2 Tim 2 Timotheusbrief Tit Titusbrief Philem Philemonbrief Hebr Hebraeerbrief Jac Jacobusbrief 1 Petr 1 Petrusbrief 2 Petr 2 Petrusbrief 1 Io 1 Johannesbrief 2 Io 2 Johannesbrief 3 Io 3 Johannesbrief Iudae Judasbrief Apocalypse (Offenbarung des Johannes) Apoc

Zu den Abbildungen S. 162

Abb. 1 Titelblatt mit Holzschnittvignette, anonyme Arbeit der Offizin Andreas

S. 164–196

Abb. 2–18 Reproduktionen von Druckblättern des Gedichttextes, Offizin Andreas

S. 201

Abb. 19 Titelblatt mit Holzschnittvignette zu Adam Walassers Gedicht,

S. 323

Abb. 20 Titelvignette zu Fischart / Marnix ‚Bienenkorb des Heiligen Römischen

Schobser, München, 1555. [BSB München] Schobser, München 1555. [BSB München] anonyme Arbeit, o.  O., o.  J. (ca. 1555). [BSB München] Immenschwarms‘, Straßburg, Bernhard Jobin, 1579 und 1580. [BLB Karlsruhe] S. 481

Abb. 21 Reliquien- und Kleinodienschrein. Modelldarstellung aus Jacob Millers ‚KirchenGeschmuck‘, anonyme Radierung, Offizin Adam Berg, München, 1591. [SUB Göttingen]

S. 421

Abb. 22 (Haupt-)Altar. Modelldarstellung (Daten wie bei Abb. 21).

S. 423

Abb. 23 Drei Kruzifixe samt Stecksockeln. Modelldarstellung (Daten wie bei

S. 428

Abb. 24 Beichtstuhl. Modelldarstellung (Daten wie bei Abb. 21)

[SUB Göttingen] Abb. 21) [SUB Göttingen] [SUB Göttingen]

Abbildungslizenzen für Abb. 1–19

BSB München

für Abb. 20

BLB Karlsruhe

für Abb. 21–24

SUB Göttingen

http://doi.org.de/10.1515/9783110780031-048