Galen: Einführung in die Logik: Kritisch-exegetischer Kommentar mit deutscher Übersetzung [Reprint 2021 ed.] 9783112579886, 9783112579879

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Galen: Einführung in die Logik: Kritisch-exegetischer Kommentar mit deutscher Übersetzung [Reprint 2021 ed.]
 9783112579886, 9783112579879

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D E U T S C H E A K A D E M I E D E R W I S S E N S C H A F T E N ZU B E R L I N Institut für griechisch-römische

Altertumskunde

Arbeitsgruppe für hellenistisch-römische

Philosophie

Veröffentlichung Nr. 8

GALEN

EINFÜHRUNG IN DIE LOGIK Kritisch-exegetischer mit deutscher

Kommentar Ubersetzung

von JÜRGEN

MAU

AKADEMIE-VERLAG • BERLIN

1960

Alle Rechte vorbehalten Erschienen im Akademie-Verlag GmbH, Berlin W 1, Leipziger Str. 3/4 Copyright I960 by Akademie-Verlag GmbH, Berlin W 1 Lizenz-Nr. 202 • 100/68/60 Satz, Druck und Einband: IV/2/14 • VEB Werkdruck Gr&fenhainichen • 1261 Bestellnummer: 2053/8 Preis: DM 12,50 Printed in Germany Es 7 M

INHALT Vorwort Abkürzungsverzeichnis

V—VI VII—VIII

Erklärung der oft verwendeten logischen Symbole . . V I I I Übersicht

IX

Gliederung des Textes

XI—XII

Kommentar Wörterverzeichnis zur Übersetzung

Übersetzung (als Beilage)

1—63 64—69

1—27

VORWORT

I m J a h r e 1844 gab der griechische Gelehrte M I N O I D E S M I N A S in Paris u n t e r d e m Titel rakrjvov eloaywyrj ôiaXsxnxrj eine H a n d s c h r i f t des 13. J a h r h u n d e r t s heraus, die er im Keller eines Athos-Klosters vor dem völligen Zerfall gerettet h a t t e u n d die jetzt ein Teil des Cod. Suppl. Gr. 635 der Bibliothèque Nationale in Paris ist. D a die H a n d s c h r i f t nicht nur durch Wasser-, Fäulnis- u n d mechanische Schäden stark gelitten h a t t e , sondern auch ihr Schreiber durch Mißverständnis u n d U n a c h t s a m k e i t viel Verwirrung gestiftet h a t t e , gehört dies Druckwerk, wie P R A N T L 591 — diesmal ohne zu übertreiben — sagt, ,,zu den schändlichsten Producten, welche m a n sich denken k a n n " , denn die Kenntnisse des M I N A S waren der Aufgabe der E m e n d a t i o n keineswegs gewachsen. Trotzdem erregte die Schrift lebhaftes Interesse, u n d PRANTL, obwohl er sie f ü r u n e c h t wenn a u c h nicht viel später als Galen hielt, zitiert sie in seiner verdienstvollen Geschichte der Logik des Abendlandes so ausführlich u n d m i t so vielen Textbesserungen, d a ß m a n die betreffenden Abschnitte seiner Geschichte als die erste brauchbare Ausgabe der I n t r o d u c t i o werten kann. Aus mehreren Gründen schloß m a n sich allgemein P R A N T L S Unechtheitserklärung an. 1. Die Sprache erschien auch in der von schlechthin barbarisch.

PRANTL

gebesserten F o r m als

2. Angesichts der Tatsache, d a ß Galen in seinen philosophischen u n d medizinischen Schriften viel gegen die Stoa polemisierte, befremdete es, d a ß er hier eine vermittelnde Stellung zwischen Stoa u n d Peripatos einnimmt. 3. Von der noch heute oft so genannten vierten Galenischen Figur steht nichts in unserer Schrift. E r s t als C. K A L B F L E I S C H nach sorgfältiger Vergleichung der H a n d schrift im J a h r e 1896 seine vorbildliche Teubner-Ausgabe vorgelegt hatte, in der die Masse dessen, was m a n bisher als Unsinn des Autors angesehen h a t t e , n u n m e h r unter der H a n d des scharfsinnigen Textkritikers zu einem Häuflein Korruptelen zusammengeschrumpft war,

VI

Vorwort

erwog man wieder die Autorschaft des Galen, und der Aufsatz KALBFLEISCHS in den Jahrbüchern für klassische Philologie, Suppl. 23, 1897, 679—708 beseitigte die letzten Zweifel an der Echtheit. Unser Interesse an der Schrift würde sich aber um nichts verringern, wenn bewiesen wäre, daß sie, wie PRAKTL etwa wollte, gegen Ende der zweiten Sophistik um die Wende vom 2. zum 3. Jahrhundert von einem unbekannten und minderbegabten Philosophielehrer als Schulbuch verfaßt wäre. Für uns ist wichtig, daß wir hier das einzige antike vollständig erhaltene Logikkompendium überhaupt vor uns haben und zugleich die älteste erhaltene nacharistotelische Darstellung der Logik. Von dem etwa gleichzeitigen Kompendium des Apuleius, Ilegl ¿Qprjveiag, ist ja nur der Teil erhalten, der die aristotelische Syllogistik behandelt; Diogenes Laertius und Sextus Enpiricus, unsere Hauptquellen für die stoische Logik, berichten nur innerhalb ihrer Philosophiegeschichte bzw. ihrer Polemik über einzelne Lehren. Ciceros Topik verfolgt eher ein rhetorisches als ein logisches Ziel. Gerade das, was PRANTL an unserer Schrift tadelt, ist es, was sie vom Standpunkt der modernen formalen Logik aus so interessant macht, nämlich das Bemühen, die bis dahin getrennten Systeme der aristotelisch-platonischen Begriffslogik und der stoisch-megarischen Aussagenlogik unter einer höheren Einheit zusammenzusehen. Dies aufzuzeigen ist das Hauptziel des vorliegenden Kommentars, der außerdem noch textkritisch über das von KALBFLEISCH Gegebene hinauszukommen sucht und damit eine künftige Neuherausgabe des griechischen Textes vorbereiten will. Die beigegebene Übersetzung soll nur so eindeutig wie möglich zeigen, wie ich den T e x t verstanden wissen möchte. Sie geht durchweg vom Text KALBFLEISCHS aus, abweichende Lesungen werden im Kommentar begründet. Die, soweit mir bekannt, einzige vorliegende Übersetzung, die von EMIL ORTH (S. S. V I I ) , verfolgt nicht das Ziel einer durchgehenden Exegese und wurde daher nur gelegentlich zu Rate gezogen.

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

Aristot. Anal. pr. Anal. po. BOCHEÑSKI

= Aristoteles = Analytica priora = Analytica posteriora ed. and comm. by W. D. Ross, Oxford 1949 LT

= J. M.

BOCHEÑSKI,

La Logique de Théophraste, Fribourg en Suisse

1947 BOCHEÑSKI BOCHEÑSKI BOCHEÑSKI

DL

AFL = Ders., Ancient Formal Logic, Amsterdam 1 9 5 1 FL = Ders., Formale Logik, Freiburg-München 1 9 5 6 GL = Ders., Grundriß der Logistik, Paderborn 1 9 5 4 = Diogenes Laertius, ed. R . D. H I C K S , London 1 9 2 5 (Loeb Classical Library)

Kf

= Galeni Introductio dialéctica, ed.

LUKASIEWICZ

=

Ar. Syll. MAIER MATES MATES

SA SL DI

C. KALBFLEISCH,

Lipsiae 1896

J A N L U K A S I E W I C Z , Aristotle's Syllogistic from the Standpoint of Modern Formal Logic, Oxford 1951 (1. Aufl.) . Die Zitate gelten auch für die 2. Aufl. von 1957

= H E I N R I C H M A I E R , Die Syllogistik des Aristoteles, Tübingen = B E N S O N M A T E S , Stoic Logic, Berkeley Los Angeles 1 9 5 3 = Ders., Diodorean Implication, The Philosophical Review 5 8 ,

1896 1949,

234-242 ORTH

= Galenos, Einführung in die Logik, Dt. Übers, von Rom 1938

PL

= Patrologiae Parisiis

POHLENZ

cursus

completus,

series

Latina,

EMIL

ORTH,

ed. P.

MIGNE,

=

MAX POHLENZ,

=

CARL

Ross

Die Stoa, Göttingen 1 9 4 8 Geschichte der Logik im Abendlande, München 1855, Neudruck: Berlin und Darmstadt 1955 = L. M. R I J K , The Place of the Categories of Being in Aristotle's Philosophy, Assen 1952 = s. unter Aristot.

RÜSTOW

=

ALEXANDER RÜSTOW,

SCHEU

= Sister M. S C H E U OSF, The Categories of Being in Aristotle and St. Thomas, Washington 1944 (The Catholic University of America, Philos. Studies, vol. 88)

PRANTL RIJK

PRANTL,

Der Lügner, Diss. phil. Erlangen

1910

VIII SE

M PH STAKELUM SVF

Symbolik = Sexti Empirici Opera, vol. 1—2 ed. H . MTJTSCHMANN, vol. 3 ed. J. MAU, Lipsiae 1912, 1914, 1954 = Adversus mathematicos I—XI = Pyrrhoneae hypotyposes I—III = J A M E S W . S T A K E L U M , Galen and the Logic of Proposition, Romae 1940 (Logicalla Nr. 2) = Stoicorum veterum fragmenta, coll. J . AB A R N I M , Lipsiae 1 9 0 3

ERKLÄRUNG DER OFT VERWENDETEN LOGISCHEN SYMBOLE Im Kommentar wird gelegentlich die logistische Schreibweise verwendet, besonders da, wo die Richtigkeit und logische Exaktheit einer Behauptung Galens bewiesen werden soll. Mir schien hierfür die Symbolik L U K A S I E W I C Z S am handlichsten, deren Hauptvorteil das Fehlen von Klammern und Punkten ist. Wendet man diese Symbolik aber konsequent an, dann muß man die alten, uns aus dem berühmten Merkvers geläufigen Konstanten der klassischen Logik (A E I 0) fallen lassen, weil drei dieser Buchstaben von LTJKASIEWICZ als aussagenlogische Funktoren verwendet werden. Diesen Verzicht leistete B O C H E N S K I in seiner vortrefflichen 'Logique de Theophraste', zum Schaden der Lesbarkeit. Ich habe sowohl die aussagenlogischen Funktoren L U K A S I E W I C Z S als auch die traditionellen Konstanten beibehalten, indem ich stets dort, wo eine Aussage von einem im Sinne der Syllogistik einfachen Ausdruck (im folgenden termlogisches Urteil), z. B., ,,A ab" (alle a sind b) gebildet wird, diese in Klammern gesetzt habe. Es heißt also: (A ab): „Alle a sind 6" A pq: „Entweder p oder q". Diese Klammern wurden auch dort verwendet, wo die Aussage durch eine mathematische Gleichung o. dgl. gebildet wird. In dem Ausdruck A p N p kann also p ersetzt werden durch z. B. ( 1 + 2 = 3). Noch einmal die Grundregel für das Lesen der L U K A S I E wiczschen Symbolik (gute Erklärung: LTJKASIEWICZ Ar. Syll. 7 8 — 7 9 ) : Die Argumente folgen stets unmittelbar auf ihren Funktor. Es heißt also z. B.: C pq C K Cp qp q C K (Abc) (Aab) (Aac)

„Wenn p, dann q" „Wenn, wenn p dann q, und p, dann q" „Wenn alle c c sind und alle o 6 sind, dann sind alle a c" (Barbara)

VIII SE

M PH STAKELUM SVF

Symbolik = Sexti Empirici Opera, vol. 1—2 ed. H . MTJTSCHMANN, vol. 3 ed. J. MAU, Lipsiae 1912, 1914, 1954 = Adversus mathematicos I—XI = Pyrrhoneae hypotyposes I—III = J A M E S W . S T A K E L U M , Galen and the Logic of Proposition, Romae 1940 (Logicalla Nr. 2) = Stoicorum veterum fragmenta, coll. J . AB A R N I M , Lipsiae 1 9 0 3

ERKLÄRUNG DER OFT VERWENDETEN LOGISCHEN SYMBOLE Im Kommentar wird gelegentlich die logistische Schreibweise verwendet, besonders da, wo die Richtigkeit und logische Exaktheit einer Behauptung Galens bewiesen werden soll. Mir schien hierfür die Symbolik L U K A S I E W I C Z S am handlichsten, deren Hauptvorteil das Fehlen von Klammern und Punkten ist. Wendet man diese Symbolik aber konsequent an, dann muß man die alten, uns aus dem berühmten Merkvers geläufigen Konstanten der klassischen Logik (A E I 0) fallen lassen, weil drei dieser Buchstaben von LTJKASIEWICZ als aussagenlogische Funktoren verwendet werden. Diesen Verzicht leistete B O C H E N S K I in seiner vortrefflichen 'Logique de Theophraste', zum Schaden der Lesbarkeit. Ich habe sowohl die aussagenlogischen Funktoren L U K A S I E W I C Z S als auch die traditionellen Konstanten beibehalten, indem ich stets dort, wo eine Aussage von einem im Sinne der Syllogistik einfachen Ausdruck (im folgenden termlogisches Urteil), z. B., ,,A ab" (alle a sind b) gebildet wird, diese in Klammern gesetzt habe. Es heißt also: (A ab): „Alle a sind 6" A pq: „Entweder p oder q". Diese Klammern wurden auch dort verwendet, wo die Aussage durch eine mathematische Gleichung o. dgl. gebildet wird. In dem Ausdruck A p N p kann also p ersetzt werden durch z. B. ( 1 + 2 = 3). Noch einmal die Grundregel für das Lesen der L U K A S I E wiczschen Symbolik (gute Erklärung: LTJKASIEWICZ Ar. Syll. 7 8 — 7 9 ) : Die Argumente folgen stets unmittelbar auf ihren Funktor. Es heißt also z. B.: C pq C K Cp qp q C K (Abc) (Aab) (Aac)

„Wenn p, dann q" „Wenn, wenn p dann q, und p, dann q" „Wenn alle c c sind und alle o 6 sind, dann sind alle a c" (Barbara)

Symbolik

ÜBERSICHT abc. . pqr. fgh. (A.. (E.. (J.. (0.. A .. G .. . D .. E .. J .. . K.. N.. 77. . Z. . W F

. X

Term = Variable (x ist bes für gebundene Variable gebraucht) Aussagen Prädikate alle . . sind . . kein . . i s t . . termlogische Konstanten mindestens ein . i s t . . mindestens ein . ist n i c h t . entweder (vel) . oder (vel) . . (Disjunktor) wenn . ., so . (Implikator) . . s c h l i e ß t . aus (Schefiferscher Funktor) aussagenlogische . . dann und nur dann, wenn. . . .(Äquivalenz) Funktoren . . ist k o n t r a v a l e n t . . sowohl . . als auch . . (Konjunktor) nicht g i l t . . (Negator) für alle . . gilt Quantoren für mindestens ein . . gilt wahr Wahrheitswerte falsch

Vereinzelt eingeführte Symbole werden jeweils an ihrem Ort erklärt.

GLIEDERUNG DES TEXTES A. Allen Aussagen und Schlüssen

Gemeinsames

a) Teile des Beweises b) Die 10 Kategorien c) Teile der Aussage B. Zur

(Kap. u. Paragr.

b. Kf.)

1, 1 - 1 , 5 2, 1

2, 2 - 2 , 6

Aussagenlogik

I. Hypothetische Aussagen a) b) c) d) e)

Allgemeines Disjunktive Aussagen Konjunktive Aussagen Implikative Aussagen Terminologische Festsetzung zur Disjunktion

3, 4, 4, 4, 5,

1-3, 1-4, 4-4, 6-4, 1-5,

5 4 6 7 2

II. Hypothetische Schlüsse a) Schlüsse aus Disjunktionen b) Schlüsse aus Implikationen

5, 3—5, 4 5, 5

III. Weitere Operationen mit Aussagen a) Kontradiktion und Negation b) Termvertauschung und Umkehrung (unter Berücksichtigung kategorischer Aussagen) c) Kontraposition von Aussagen und Schlüssen d) Kontraposition von Formeln, exemplifiziert an Chrysipps Anapodeiktoi

6, 1—6, 2 6,3—6,4 6, 5 6, 6

IV. Anhang Schlüsse aus der Quasidisjunktion C. Zur

6, 7

Begriffslogik

I. Allgemein a) b) c) d)

Priorität der hypothetischen bzw. kategorischen Schlüsse Assumption nur bei hypothetischen Schlüssen Bildung kategorischer Schlüsse Terminologie

7, 7, 7, 7,

1—7, 3 4 5—7, 7 8-7, 9

XII

Textgliederung

II. Die Aristotelischen Schlüsse und ihre Ableitungen a) der ersten Figur b) der zweiten Figur c) der dritten Figur d) Welche weiteren Schlüsse sind möglich? 1. Allgemein 2. Nicht ausgeschöpfte Schlüsse 3. Umkehrungsschlüsse (4. Figur)

8, 1—4 9, 1—9, 6 10, 1-10, 8 11,3 11, 4 11, 5—11, 7

D. Beweistheorie I. Beweise durch kategorische Schlüsse a) Die Wichtigkeit der allgemeinen Aussage besonders für mathematische Beweise b) Form und Terminologie für wissenschaftliche Aussagen . . c) Die einzelnen Schlußfiguren und -modi als Beweise . . . . d) Beweise in den einzelnen Kategorien II. Beweise durch hypothetische Schlüsse a) Notwendig besonders in der Kategorie der Existenz . . . . b) Alle auf Implikationen und Disjunktionen aufgebaut . . . c) Nicht auf Konjunktionen (gegen Chrysipp) d) Aussagenverknüpfungen und die dazugehörigen Asumptionen e) Anzahl der hypothetischen Schlüsse f) Beweise durch mehr als zweigliedrige Quasidisjunktionen . g) Sachverhalt und Wortlaut. Beziehungen zwischen Implikations- und Disjunktionsschlüssen mit Beispielen E.

12, 1—12, 12, 5—12, 13, 1—13, 13, 7—13,

5 9 6 12

14, 1 14, 2 14, 3—14, 6 14, 7-14, 9 14, 10—14, 11 15, 1—15, 6 15, 7—15, 11

Axiomatik I. Der mathematischen Beweise a) Proportionen b) Summen und Differenzen c) Die Grundrechenarten II. Der Beweise beliebiger Relationen (beachte: 16, 11 Umformung kategorischer in hypothetische Aussagen) III. Semantik und Axiomatik a) Ist = Ist wahr b) Äquivalenz c) Bedeutung d) Beziehung zwischen Bedeutung und Axiom IV. Der Analogieschluß a) Allgemein b) Mathematisch V. Klassifizierung der Beweise je nach dem Axiom

F. Überflüssig/j,a An. po. 72 a 17 dasselbe wie hier, während Ross 511 Belege für andersartigen Gebrauch gibt. Der Rest des letzten Satzes weist auf die andersartige stoische Terminologie hin.

II

1. Die Aufzählung, jeweils mit Beispielen, von fieye^oq, nors, nov, xsla&ai, 7iois.lv, näa%Biv zeigt, von wenigen Lücken und der Umstellung von Tioxe und nov abgesehen, die Anordnung der Kategorientafel von Aristoteles Categ. 4 1 b 25. Der Hauptunterschied gegenüber der Aristoteles-Stelle ist der, daß hier nicht von unverbundenen Begriffen (Beispiele bei Aristoteles 'Mensch', 'Pferd', 'weiß' usw.) die Rede ist, sondern von Aussagen (S. 5,1 wohl richtig ergänzt, s. u. I I I 1 = S. 7, 12). Für Aristoteles steht aber fest (s. z. B. SCHEU 14), daß die Kategorien keine Gliederung aller Dinge sind, sondern eine Gliederung aller möglichen logischen Prädikate. Da nach Anal. pr. I alle logischen Prädikate auch als Subjekte erscheinen (nach LUKASIEWICZ Ar Syll. 5ff. sind Individuen als Terme überhaupt unmöglich), ist Airstoteies' Formulierung verständlich, die besagt, daß die Kategorien eine Einteilung rcöv xarä /AYjöe/xiav avfiTtloxrjv keyo/uevoiv seien. Wenn andererseits Galen die Aussagen nach Kategorien einteilt, liegt darin aus den genannten Gründen kein Widerspruch gegenüber Aristoteles, zumal da für diesen die Kategorien einen logischen und ontologischen Aspekt haben. Eine Aufstellung der Kategorientafeln bei Aristoteles mit logischem Aspekt findet sich bei SCHEU S. 12, solcher mit ontologischem Aspekt S. 22. Die Kategorie des Habens wird auf Grund von X I I I 1 0 sicher in der Art von K f zu ergänzen sein. Weitgehende philosophische Bedeutung hat die Frage, ob K f recht daran tat, allen Beispielen, soweit sie fehlt, Negation bzw. Position der Aussage beizufügen. Überliefert ist uns Aussage und gleiche Aussage negiert nur: s. z.

Kategorie

Beispiel

5,4

Substanz

Luft ist (nicht) Körper

5, 10

Zeit

Hippokrates lebte (nicht) während des peloponnesischen Krieges

Kommentar, II 1

s. z.

Kategorie

5

Beispiel

5, 12

Ort

Die Sonne ist von der Erde aus (nicht) das zweite Gestirn

5, 19

Tun

Rosensalbe wärmt (nicht)

5, 20

Leiden

Wir werden von Rosensalbe (nicht) gewärmt

Es sind dies nur fünf von insgesamt zehn bzw. elf Kategorien, statistisch also kein Anlaß, für die übrigen Besispiele Bejahung bzw. Verneinung zu ergänzen. Nach Kf's Lesung scheint das Beispiel für bloße Existenz hinzuzukommen. Hier aber liegt ein Mißverständnis vor. Kf liest nämlich mit D I E L S Z. 2 statt des überlieferten onoioi SITCSQ die Worte onoiav einrjt;. Dadurch erscheinen die Sätze 'Es gibt die Vorsehung' und 'Nicht gibt es den Kentaur' als ein bejahter und verneinter Satz. Es ist aber nach der Überlieferung zu lesen: emeg Jigovoia sariv, irnioxevTavQoq ovx eanv,

denn

unten XIV 2 heißt es, zur Entscheidv.ig von Fragen nach Sein oder Nichtsein bediene man sich vorwiegend hypothetischer Aussagen. Wenn Lukrez im Rahmen seiner die Vorsehung leugnenden darwinistischen Entstehung der Arten V 878 (freilich mit überraschender Wendung, vgl. B A I L E Y Z. St.) auf die Kentauren zu sprechen kommt, zeigt uns dies, daß unter den Stoikern seiner Zeit die Existenz der Vorsehung und die von Fabelwesen miteinander in Verbindung gebracht wurden. Es bleibt demnach bei fünf Beispielen, für die Bejahung und Verneinung überliefert sind. Da die letzten beiden sachlich identisch sind, sind es eigentlich nur vier. Wenn man nun in der überwiegenden Zahl von Fällen Bejahung bzw. Verneinung ergänzt, dann erweckt dies den Anschein, als ob man das negative und positive Urteil für zwei grundsätzlich verschiedene Arten von Urteilen hielte. Das gilt in gewisser Hinsicht für die Qualität der Urteile bei Aristoteles, denn bei ihm ist z. B. ein generell verneinender Satz keineswegs die Negation eines generell bejahenden Satzes, und solche Urteile, die als Ganzes negiert sind, werden von ihm auf Grund des logischen Quadrats in solche verwandelt, bei denen der ganze Satz bejaht wird und nur ein Satzteil negativ ist. An unserer Stelle aber ist nach der Überlieferung durchweg der ganze Satz negiert, und von Verneinung eines bestimmten Satzteils, durch die allein die Anführung der korrespondierenden Beispiele interessant sein könnte, ist nicht die Rede. Mit anderen Worten: Da sich hier die Verneinung bzw. Bejahung nicht auf die Quantität oder Modalität eines Urteils bezieht, wie in der Syllogistik des Aristoteles, sondern auf die Wahr- bzw. Falschheit der Aussage, Letzteres aber charakteristisch ist für die stoische Logik, haben wir trotz der zweifellos aristotelischen Kategorientafel diese Beispielssätze vom Standpunkt der stoischen Logik zu betrachten. Bei ihr aber sind, wie aus 2

Mau: Galen, Einführung in die Logik

6

Kommentar, Il 1

der Formulierung der chrysippischen Anapodeiktoi hervorgeht (s. u. V 5), positive und negative Aussagen logisch völlig gleichwertig und in allen stoischen Schlußschemen frei gegeneinander vertauschbar. Es gibt mithin keinen logisch zwingenden Grund, den Beispielssätzen durchweg ihre positiven bzw. negativen Korrelate zur Seite zu stellen. Wenn Galen dies nach der Überlieferung in den oben angeführten Fällen doch getan hat, geschah das mithin nicht aus logischen, sondern aus inhaltlichen Gründen. Für die Beispielssätze, die inhaltlich kontrovers waren, führt er eben Bejahung und Verneinung an: Darüber, ob Luft Körper ist oder nicht, stritten schon die Vorsokratiker. Ob die Sonne sich inner- oder außerhalb der Venus- und Merkurbahn befindet, ist entscheidend wichtig für die Erklärung der Anomalien und war unter den Astronomen umstritten nach Angabe des Ptolemäus (Almagest = Meg. synt. I X 1 S. I I 206 Heiberg), des großen Zeitgenossen unseres Autors. Auch die Lebenszeit des Hippokrates dürfte trotz der ungemein genauen und angeblich archivarisch beglaubigten Angabe Sorans (Vita Hippoer. sec. Soranum, CMG I V 175, 12) kontrovers gewesen sein, denn die mythische Genealogie (ebda Z. 4 und Suda s. v. Hippoer.) widerspricht jenem Datum ( R E X I V . Hbd. 1803, 5). Daß ferner ein Arzt die Indikation einer Salbe in Frage stellen konnte, leuchtet ohne weiteres ein. Die anderen für ihn weniger strittigen Sätze spricht er nur bejaht bzw. verneint aus: Daß die Sonne nicht einen Fuß groß ist (Z. 5), gilt ihm im Gegensatz zu den Epikureern (Cleomedes I I 1) als ausgemacht, ebenso daß die Sonne nach Aristoteles (Meteor. 341 a 12) nicht von Natur warm ist. Daß die Sonne größer als der Mond ist, ist ebenso unbestritten, wie daß der Zeus in Olympia sitzend dargestellt ist und Schuhe trägt (Aristot. Categ. 2 a 3 in Verbindung mit Pausanias V 11, 1). Aus alldem ergibt sich, daß wir an den Beispielen nichts zu ergänzen haben. So ausführlich wurde dies abgehandelt, um zu zeigen, daß auch hier Galen sich eklektisch verhält. E r übernimmt die Kategorien von Aristoteles, die Aussagentheorie von den Stoikern. Auch darin verbindet er Aristotelisches mit Stoischem, daß er anderenorts (Belege bei P r a n t l 563ff.) zwar die Kategorien für grundlegend für alle Logik hält, aber nicht an die 10-Zahl gebunden ist, sondern auch mehrere unter einer subsumieren kann. Der Anfang des Paragr. läßt sich nicht mit Sicherheit herstellen. Daß Z. 1 nach P r a n t l unter Streichung des titulus der Handschrift mit xwv òè nqoràaemv zu ergänzen ist, wurde schon gesagt. Z. 2 bleibt das überlieferte onoloi rätselhaft, sicher aber ist (s. o.) das folgende e meg zu halten. Z. 3 verbirgt sich unter ainy/ia RJ wohl èviai óè V(TZSQ rov ri, xa&auzeQ) ai roiaiÖe. Damit wäre die anXfj vTiao^iQ, von der P r a n t l 592 richtig sagt, sie sei stoisch bezeichnet, nicht unter die folgenden zehn Kategorien eingereiht, sondern durch die hypothetische Form des angefügten Beispiels deutlich von diesen abgehoben. Die folgenden zehn Kategorien werden § 2 Z. 22 mit Tag roiavrag wieder aufgenommen, die Erstere erst in I I I 1.

Kommentar, II 2—4

7

2. und 3. Das Wort „kategorisch" bedeutet bei Aristoteles noch „bejahend" im Gegensatz zu „oatotparixog" (Belege bei B O N I T Z ) . Das, was hier mit kategorisch bezeichnet wird, heißt bei Chrysipp „änXovv ä^im/ia", eine f ü r die Stoa typische rein syntaktische Bezeichnung. Wie aus Galens eigenen Worten hervorgeht, hat er diesen terminus neu eingeführt, erst später bei Boethius begegnet er ebenso wie sein Korrelat „vna&exixög" als geläufige Bezeichnung. Wenn dem omXovv bzw. ov% änXovv ä^ieopa der Stoiker bei Galen die kategorische bzw. hypothetische nqöraoig gegenübertritt, sehen wir daran eine Rückwendung von der fast rein formalen Logik Chrysipps zur metaphysisch gebundenen Logik der alten Peripatetiker. Während Chrysipp nur die Form der Aussage mit seiner Bezeichnung charakterisiert, umfaßt Galen gleich die Momente, auf denen die Wahrheit der damit bezeichneten Urteile beruht, d. h.: Eine kategorische Aussage ist die, deren Wahrheit auf der richtigen bzw. falschen Verknüpfung des Subjekts mit dem Prädikat (xarrjyOQrjfia) beruht, hypothetisch diejenige, deren Wahrheit auf der richtigen oder falschen Verknüpfung des Nachsatzes mit dem Vordersatz (vjtofteoig) beruht. Wir halten uns im Kommentar an diese seit Galen gebräuchlich gewordene Terminologie. Auch „OQOQ" hat sich gegenüber Aristoteles gewandelt. Nach Aristoteles (Anal. pr. 24 b 16, vgl. LTTKASIEWICZ Ar. syll. 3) sind OQOI die Teile, in die eine Aussage (ngoraaig) zerfällt, wobei elvai oder [xi] elvai hinzutritt (unter diese Teile also nicht mitzuzählen ist). Wie auch immer man sich textkritisch an dieser Aristotelesstelle entscheiden mag, entgegengesetzte Standpunkte vertreten W A I T Z und Ross, feststeht, daß f ü r Aristoteles nach dieser Definition nur diejenige Aussage syllogistisch verwertbar ist, bei der zwei Nomina durch „ist" verbunden sind. Das ist nicht anders denkbar, weil im Syllogismus ja stets ein Term als Subjekt u n d als Prädikat fungieren muß. Bei Galen ist das anders, weil f ü r ihn der aristotelische Syllogismus nicht die einzige, sondern nur eine von vielen Schlußweisen ist (s. u. X V I 1). Zur Funktion des Hilfsverbs im Urteil s. Aristoteles, De int. 3 16 b 22. Wie Aristoteles die einfache Subjekt-Prädikataussage in eine solche von der Form „A ist B" umwandelt, zeigt P R A N T L 147 mit Belegen. Wenn auch die Forderung, der Term müsse Subjekt und Prädikat sein können, zunächst nur für den terminus medius gilt, so fordert doch das Verfahren der Rückführung der zweiten und dritten Figur auf die erste, daß einer der Außenterme zum medius werden kann. 4. Daß hier Aussagen im Hinblick auf ihre Brauchbarkeit in Schlüssen untersucht werden, ist sicher, denn alle besprochenen Formen kommen später in Schlüssen vor. Nun sagten wir schon, daß f ü r Aristoteles' Syllogistik individuelle Terme ausgeschlossen sind. Das Vorkommen von Individualaussagen in De int. 17 b 28 ist f ü r uns nicht von Belang, weil jene Schrift nicht wie die unsere auf Beweise und Schlüsse hinzielt, und wenn auch nach Anal. pr. I 43 a 40 etwas von einem Individuum be2*

8

Kommentar, II 5—III 1

wiesen werden kann, so ändert das nichts an der von Ross z. St. und von LUKASIEWICZ Ar. syll. 5 festgestellten Tatsache, daß in den SyllogismusBeispielen zur Analytik keine Individualterme vorkommen. Somit hegt hier etwas Neues vor, wenn Galen den vier aristotelischen Urteilsformen, die er § 5 selbst darstellt, als fünfte und sechste die Individualaussage zur Seite stellt. — Es ist das stoische Interesse an der Form einer Aussage, das Galen zu der trivialen Feststellung veranlaßt, ein Individualterm werde nicht quantifiziert, ebenso unten X I I 7, bei generellen Aussagen könne der Quantor fehlen. Den alten Logikern lagen solche Erörterungen fern. 5. Hier werden streng nach Aristoteles Anal. pr. 24 a 16 und De int. Kap. 7 die Bezeichnungen für die Urteile nach Qualtität und Quantität eingeführt. Erlaubt sei mir für das unbestimmte Pronom Tic, die sinngemäße Wiedergabe „mindestens ein", weil nur so eine einheitliche Übersetzung möglich ist. Beachten wir noch, daß hier xartjyoQelv im aristotelischen Sinne für „bejahen" gebraucht ist.

III

1. Galen geht jetzt zu Aussagenverknüpfungen über, sieht in ihnen aber nicht wie die Stoiker Verknüpfungen einfacher Aussagen (ov% anhi ä£id>{iara DL V I I 68. SE M V I I I 93), sondern eine andere Gattung von Aussagen, deren Charakter als je eine Aussage ausschließlich auf der Art der Verknüpfung beruht. Er schließt sich damit nicht an die Stoiker, sondern an Aristoteles und den alten Peripatos an. Aristoteles fordert Anal. pr. 47 a I0ff., bes. 35ff., man solle Schlüsse aus Bedingungssätzen erst in kategorische Syllogismen umwandeln, bevor man sie auf ihre Stringenz hin untersuche. Diese Umwandlung läßt sich auch nach Galen (s. u. X V I 11, weiteres dort) vollziehen, der hierin auf Theophrast (Philopon. In anal. pr. 302, 9ff., BOCHENSKI L T 113) fußt. Seine Charakterisierung dieser Art Aussagen weicht erheblich von der stoischen ab. Die Sammelbezeichnung „hypothetisch" hierfür ist neu (BOCH. L T 103if. STAKELTJM 18f.), hat sich aber nach Galen eingebürgert, siehe z. B. Boethius, De syll. hypothetico, (PL 64, 832 BC, 834 B, wo auch die hier bereits gültige Beziehung zwischen kategorischer und hypothetischer Aussage formuliert ist). Bei Aristoteles kommt das Wort VJIo&erixög überhaupt nicht vor, und ovxioyiofiol e| vjio&eoeojg sind solche, bei denen eine Prämisse oder ein Prinzip durch Verabredung mit den Gesprächspartnern zugrunde gelegt wird, statt wie sonst der natürlichen Ordnung der Dinge entnommen zu werden (s. Ross 30—32). Sowohl der ovkkoyiofiog vno&exi-

8

Kommentar, II 5—III 1

wiesen werden kann, so ändert das nichts an der von Ross z. St. und von LUKASIEWICZ Ar. syll. 5 festgestellten Tatsache, daß in den SyllogismusBeispielen zur Analytik keine Individualterme vorkommen. Somit hegt hier etwas Neues vor, wenn Galen den vier aristotelischen Urteilsformen, die er § 5 selbst darstellt, als fünfte und sechste die Individualaussage zur Seite stellt. — Es ist das stoische Interesse an der Form einer Aussage, das Galen zu der trivialen Feststellung veranlaßt, ein Individualterm werde nicht quantifiziert, ebenso unten X I I 7, bei generellen Aussagen könne der Quantor fehlen. Den alten Logikern lagen solche Erörterungen fern. 5. Hier werden streng nach Aristoteles Anal. pr. 24 a 16 und De int. Kap. 7 die Bezeichnungen für die Urteile nach Qualtität und Quantität eingeführt. Erlaubt sei mir für das unbestimmte Pronom Tic, die sinngemäße Wiedergabe „mindestens ein", weil nur so eine einheitliche Übersetzung möglich ist. Beachten wir noch, daß hier xartjyoQelv im aristotelischen Sinne für „bejahen" gebraucht ist.

III

1. Galen geht jetzt zu Aussagenverknüpfungen über, sieht in ihnen aber nicht wie die Stoiker Verknüpfungen einfacher Aussagen (ov% anhi ä£id>{iara DL V I I 68. SE M V I I I 93), sondern eine andere Gattung von Aussagen, deren Charakter als je eine Aussage ausschließlich auf der Art der Verknüpfung beruht. Er schließt sich damit nicht an die Stoiker, sondern an Aristoteles und den alten Peripatos an. Aristoteles fordert Anal. pr. 47 a I0ff., bes. 35ff., man solle Schlüsse aus Bedingungssätzen erst in kategorische Syllogismen umwandeln, bevor man sie auf ihre Stringenz hin untersuche. Diese Umwandlung läßt sich auch nach Galen (s. u. X V I 11, weiteres dort) vollziehen, der hierin auf Theophrast (Philopon. In anal. pr. 302, 9ff., BOCHENSKI L T 113) fußt. Seine Charakterisierung dieser Art Aussagen weicht erheblich von der stoischen ab. Die Sammelbezeichnung „hypothetisch" hierfür ist neu (BOCH. L T 103if. STAKELTJM 18f.), hat sich aber nach Galen eingebürgert, siehe z. B. Boethius, De syll. hypothetico, (PL 64, 832 BC, 834 B, wo auch die hier bereits gültige Beziehung zwischen kategorischer und hypothetischer Aussage formuliert ist). Bei Aristoteles kommt das Wort VJIo&erixög überhaupt nicht vor, und ovxioyiofiol e| vjio&eoeojg sind solche, bei denen eine Prämisse oder ein Prinzip durch Verabredung mit den Gesprächspartnern zugrunde gelegt wird, statt wie sonst der natürlichen Ordnung der Dinge entnommen zu werden (s. Ross 30—32). Sowohl der ovkkoyiofiog vno&exi-

Kommentar, III 2

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XOQ als auch die VW&eTixrj ngotaaiQ sind nach dem Zeugnis der Aristoteleskommentatoren wahrscheinlich theophrastisch. Auch die gleich folgenden Definitionen f ü r Implikation und Disjunktion sind nicht stoisch, weil sie nur den Sachverhalt, nicht den Wortlaut berücksichtigen. Fast dieselbe Formulierung benutzte f ü r den modus ponens und modus tollens schon Aristoteles Anal. pr. I I 57 b lff. (dazu LUKASIEWICZ, Arist. syll. 49). Die Stoiker benutzten dagegen die grammatische Konjunktion als Definitionsmerkmal (DL V I I 68ff. und SE M V I I I 93ff. s. u. IV 6). 2. Paläographisch elegant und sachlich richtig hat PRANTL Z. 20 rot; "Elhqaiv änaai a u s rolg (illou;

Iva näai h e r g e s t e l l t . O b w i r k l i c h Z. 19 elvai

hinter Xeyeiv de ergänzt werden muß, ist nicht so sicher. Sachlich schließt sich die sprachliche Betrachtung von „Sein" an die Formulierungen des vorhergehenden Paragr. an, wo, wie die moderne Logik-Geschichte zeigt, die Klärung der Bedeutung von elvai wirklich nötig ist. (s. u. zu XIV 1). So gibt PRANTL 473 z. B. den ersten stoischen Anapodeiktos wieder in der Form „Wenn das Erste ist, ist das Zweite usw.", obwohl es in den Quellen, so auch hier bei Galen VI 6, einfach „siro ä, toß" heißt. PRANTL mußte sich von H. SCHOLZ (Gesch. d. Logik, Berlin 1931) den Vorwurf gefallen lassen, Aussagen- mit Termvariablen verwechselt zu haben, ein Vorwurf, den er sich nicht zugezogen hätte, wenn er geschrieben hätte: „Wenn das Erste w a h r ist, ist das Zweite w a h r " . Eben dies betont Galen an unserer Stelle, VJI&QXEIV sei dasselbe wie „wahr sein". Es konnte dies schon bei Aristoteles bedeuten (s. z. B. Anal. pr. 49 a 6). Wenn wir Anal. pr. 25 b 39ff. lesen, daß Aristoteles xarrjyoQela§ai und vjiäo%eiv wiederum als Synonyme verwendet, dann werden wir versucht sein, an unserer Stelle auf die Ergänzung von elvai zu verzichten. Indessen verliert dann die Bemerkung den Anschluß an das Vorhergehende, was nicht vertretbar ist. elvai ist also aufzunehmen. Daß f ü r Galen „Sein" = „Wahr sein" ist, lesen wir unten X V I I 4 (vgl. dazu aber Komm, zu I I I 3). Das Folgende hält PRANTL 594 für rein stoisch und benutzt es zum Beweis dessen, daß unsere Schrift nicht von Galen stammen könne. Indessen: Gerade das Wort AFI'CU[ia, dessen Gebrauch PRANTL als Hauptbeweis dient, erscheint hier nicht in seiner stoischen Bedeutung. Die Alten sind nämlich bei Galen nicht die Stoa, sondern der alte Peripatos (BOCHENSKI F L 118). Bei den Stoikern ist ja das al-iwfia schlechthin „Aussage", „das, von dem wahr und falsch gilt" (DL V I I 66 und S E M V I I I 11). Hier dagegen ist agiio/ua eingeschränkt auf Aussagen von Kenntnissen, die allen Menschen von der Natur mitgegeben sind, geradezu von synthetischen Urteilen a priori, genau solchen Sätzen, wie sie Euklid als Axiome dem ersten Buch seiner Elemente voranstellt. Dieser Wortgebrauch ist Aristoteles geläufig (Bei. bei BONITZ, Ind. 70 b 4). Die hier vorgebrachte Bedeutung von evvoia und voqoig beschränkt sich keineswegs auf die stoische Schule. Sehr fraglich ist die Textherstellung Z. 8,1: xaddjiEQ el rv%oi 'A&rjvaicov. Hiernach nämlich wären die Objekte

10

Kommentar, III 3

von Vorstellungen (vorjoeiq), Begriffen (evvoiai) und Axiomen irgendwelche Terme; der Sinn und vor allem das zuletzt eingeführte ä&tofia fordern aber, daß es sich um Urteile handle. Wären die verdächtigen Worte besser überliefert, könnte man schon hier an die Prädikaten-logische Gleichsetzung von hypothetischen und kategorischen Aussagen denken, über die unten (XVI) 11 gehandelt wird. 3. Auch hier (Z. 8, 8) ist vnaQ%eiv wie ,,Wahr sein" zu verstehen. Das Beispiel (Z. 12) läßt zwar vermuten, daß hier doch das „Existieren" eines Subjekts gemeint ist, andere Stellen aber zeigen, daß es sich nur um die Existenz eines Sachverhalts handeln kann (vTiaggig ngay/iarog). Wollen wir dergleichen in die Symbolsprache der modernen Logik übersetzen, dann werden wir vom Wahrheitswert einer Satzfunktion zu sprechen haben, dürfen aber nicht vergessen, daß hier ausdrücklich die Sprache der alten Peripatetiker (s. o. zu I I I 2) gesprochen wird, und diese betrachteten Sachverhalte, nicht Aussageformen (s. u. I I I 5). Ein Sachverhalt aber kann nicht wahr bzw. falsch sein, er kann nur existieren, vorliegen, bzw. nicht existieren ( = vorliegen). Beispiel Z. 9, 19: Der Sachverhalt „Dion ist in Athen" existiert (vndgxei) bzw. nicht. — Das Folgende bietet formallogische Schwierigkeiten (Z. lOff.): Die Aussage „Wenn (weil, da) nicht p, dann (darum) q" soll von den Peripatetikern alternativ (Öiainerixog) genannt worden sein, was dem Disjunkt (die£evyfievog) der Stoiker entspreche. Uns überrascht das nicht, denn es gilt E C N pq A pq (auf deutsch etwa: 'Wenn nicht p, dannq', ist dasselbe wie: 'p oder q'), nun lesen wir aber, daß die Stoiker als Disjunkt (dieCevyfievog) Aussagen der Form K A p q A N p N q bzw. J pq (auf deutsch etwa: Von den Aussagen p und q ist eine und nur eine wahr bzw. falsch) bezeichneten (s. u. V 1). Wenn wir das als Implikation ausdrücken wollen, benötigen wir die Konjunktion zweier Implikationen KC

NpqCpNq

Unser Beispiel spricht aber nur eine aus, die zweite ist der tatsächlichen außerlogischen Beziehung der gewählten Einzelaussagen bzw. Sachverhalte zueinander zu entnehmen. Auch daraus ergibt sich also, daß nicht eigentlich Aussagenverknüpfungen, sondern Sachverhalte betrachtet werden ( s . u . I I I 5 ) . Zu beachten ist hier aber, daß Galen ebenso wie er bei den Disjunktionen neben der Nicht-exklusiven vel-vel-Verknüpfung, (Apq), zwei Arten von exklusiven Disjunktionen, Dpq und J p q , kennt, offenbar auch zwei Arten von Implikationen annimmt, die den Funktoren C und E entsprechen. Darüber s. u. zu X I V 5—8. Z. 9 lies rj statt rj. Die Ergänzung in Z. 10 entfällt.

Kommentar, III 4 - I V 2

11

4. Die K o n j e k t u r Z. 3 vemrÉQOVQ f ü r naXaiovg ist notwendig. Man beachte, daß bei beiden gewählten Beispielen konvertible Implikation bzw. exklusive Disjunktion vorliegt. 5. "Iaov dvvarai begegnet bei Aristoteles (Anal. pr. 49 b 3) in der F o r m To avròv òvvaa&ai u n d heißt dort nicht „äquivalent sein", sondern „bedeutungsgleich sein" (vgl. 49 b 8 ro avrò atj/mivó/ievov). Dort handelt es sich aber u m Begriffslogik, in der von den Termen nur als „bedeutungsgleich", nicht als von „äquivalent" zu sprechen sinnvoll ist. „Äquivalent" im Sinne von „den selben Sachverhalt wiedergebend" k a n n nur von Aussagen gelten. I m heute üblichen Sinne von „den gleichen Wahrheitswert h a b e n d " ist es hier natürlich nicht gemeint. Wir übersetzen mit „äquivalent", weil dies die sprachlich getreue Wiedergabe des griechischen Ausdrucks ist. Die Worte ,jo. òvv." finden wir ferner 115, X I 2 , X V I I 5 u n d X I X 6. X I 2 u n d X V I I 5 hören wir, daß die Äquivalenzen ein besonderes Studienfach bildeten und daß Galen ein Buch darüber schrieb, welches eine Anleitung gewesen sein d ü r f t e zur Umformung von sprachlich frei gestalteten E n t h y m e m e n in eine Art Normalform, die die logische Struktur leicht erkennen ließ. Diejenigen, die sich an den Wortlaut halten, sind sicher hauptsächlich die Stoiker. Vgl. z. B. Alexander Aphr. I n anal. pr. 372, 29 und 373, 28. LUKASIEWICZ, Arist. Syll. 18. 19. Aristoteles befaßte sich dagegen in seiner Syllogistik mit dem Gemeinten, s. Anal. po. I 10 76b 24. Über die Ineinander-Umwandelbarkeit von Implikation u n d Disjunktion (Interdefinibility) s. z. B . BOCHENSKI F L 138 u n d A F L 92. B E C K E R Anekdota Graeca I I 489, 2ff.

IV

1—2. Ohne die Konjekturen K f ' s zu 9, 19—21 ergibt der Text keinen Sinn. Allenfalls ist zu erwägen, ob Z. 21 fir\ avfi[ia%6iieva sich vielleicht doch in derselben Bedeutung wie das von Kf hergestellte ¡xaxöfieva lesen läßt. Der terminus xeksia n&%ri findet sich f ü r denselben Sachverhalt bei SE, P H I I 162, wo s t a t t des vnäo%£iv bzw. /xrj vnaQ%eiv oder aszoXlvadai unserer Stelle von äÄrj&eg bzw. rpevÖBQ gesprochen wird. Dadurch wird unsere Feststellung zu I I I 2 bestätigt. Am Schluß gibt die Hs. ävayxr] övolv fidrsgov ovx elvai. Bezieht man den Satz auf die xeXeLa fJ.a%rj, wie es der Zusammenhang erfordert, dann m u ß sinngemäß das ovx gestrichen werden. Paläographisch ist das durch die von Kf vermerkte alte R a s u r gerechtfertigt. Zur Übersetzung vgl. BOCHENSKI F L 138. Die Aussageformen, die diese Sachverhalte abbilden, werden V 1 definiert.

Kommentar, III 4 - I V 2

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4. Die K o n j e k t u r Z. 3 vemrÉQOVQ f ü r naXaiovg ist notwendig. Man beachte, daß bei beiden gewählten Beispielen konvertible Implikation bzw. exklusive Disjunktion vorliegt. 5. "Iaov dvvarai begegnet bei Aristoteles (Anal. pr. 49 b 3) in der F o r m To avròv òvvaa&ai u n d heißt dort nicht „äquivalent sein", sondern „bedeutungsgleich sein" (vgl. 49 b 8 ro avrò atj/mivó/ievov). Dort handelt es sich aber u m Begriffslogik, in der von den Termen nur als „bedeutungsgleich", nicht als von „äquivalent" zu sprechen sinnvoll ist. „Äquivalent" im Sinne von „den selben Sachverhalt wiedergebend" k a n n nur von Aussagen gelten. I m heute üblichen Sinne von „den gleichen Wahrheitswert h a b e n d " ist es hier natürlich nicht gemeint. Wir übersetzen mit „äquivalent", weil dies die sprachlich getreue Wiedergabe des griechischen Ausdrucks ist. Die Worte ,jo. òvv." finden wir ferner 115, X I 2 , X V I I 5 u n d X I X 6. X I 2 u n d X V I I 5 hören wir, daß die Äquivalenzen ein besonderes Studienfach bildeten und daß Galen ein Buch darüber schrieb, welches eine Anleitung gewesen sein d ü r f t e zur Umformung von sprachlich frei gestalteten E n t h y m e m e n in eine Art Normalform, die die logische Struktur leicht erkennen ließ. Diejenigen, die sich an den Wortlaut halten, sind sicher hauptsächlich die Stoiker. Vgl. z. B. Alexander Aphr. I n anal. pr. 372, 29 und 373, 28. LUKASIEWICZ, Arist. Syll. 18. 19. Aristoteles befaßte sich dagegen in seiner Syllogistik mit dem Gemeinten, s. Anal. po. I 10 76b 24. Über die Ineinander-Umwandelbarkeit von Implikation u n d Disjunktion (Interdefinibility) s. z. B . BOCHENSKI F L 138 u n d A F L 92. B E C K E R Anekdota Graeca I I 489, 2ff.

IV

1—2. Ohne die Konjekturen K f ' s zu 9, 19—21 ergibt der Text keinen Sinn. Allenfalls ist zu erwägen, ob Z. 21 fir\ avfi[ia%6iieva sich vielleicht doch in derselben Bedeutung wie das von Kf hergestellte ¡xaxöfieva lesen läßt. Der terminus xeksia n&%ri findet sich f ü r denselben Sachverhalt bei SE, P H I I 162, wo s t a t t des vnäo%£iv bzw. /xrj vnaQ%eiv oder aszoXlvadai unserer Stelle von äÄrj&eg bzw. rpevÖBQ gesprochen wird. Dadurch wird unsere Feststellung zu I I I 2 bestätigt. Am Schluß gibt die Hs. ävayxr] övolv fidrsgov ovx elvai. Bezieht man den Satz auf die xeXeLa fJ.a%rj, wie es der Zusammenhang erfordert, dann m u ß sinngemäß das ovx gestrichen werden. Paläographisch ist das durch die von Kf vermerkte alte R a s u r gerechtfertigt. Zur Übersetzung vgl. BOCHENSKI F L 138. Die Aussageformen, die diese Sachverhalte abbilden, werden V 1 definiert.

12

Kommentar, IV 3—4

p

3

w F W F

w w F F

TEL fidxn¿XXin. fid-XV naQa&ie&vyjiivov F W w F

F W W w

w w w F

B O C H E ^ S K I AFL 90—91 stellt die verschiedenen ¡jla%ai und die einschlägigen Quellen zusammen. Oben sehen wir Wahrheitswert-Matrizen, wobei zur besseren Übersicht noch die dritte Art, die der heute in der Mathematik fast ausschließlich gebrauchten Form der Disjunktion entspricht, hinzugefügt wurde. In unserer Schrift wird diese V 1 eingeführt. Vgl. zu obiger Definition Boethius, De syll. hypoth. P L 64, 834 C. 839 B.

3. Galen behandelt jetzt Schlüsse aus Sachverhalten. Die hiermit eng verwandten, aber rein formalen stoischen Anapodeiktoi werden erst VI 6 beim Übergang auf die Aussageformen (hier: Formeln = rqönoi) eingeführt. Über die Geschichte der jiQooÄrjipig (lat. assumptio, s. z. B. Boethius, De syll. hypoth. P L 64, 844 A) handelt P R A N T L 595. Danach ist der terminus nqöahr^ic, stoisch, während die Peripatetiker dasselbe mit fieTdÄrjipig bezeichneten. An unserer Stelle bedient sich also Galen in einem peripatetischen Gedankengang eines stoischen terminus. P R A N T L zitiert hierfür Philoponus, I n anal. pr. 40 b 1 7 , S. 243, 8 W A L L I E S . Die sehr viel feinere und genauere Unterscheidung steht bei Alexander Aphrod. In anal. pr. S. 263, 26ff., der Quelle des Philoponus. 4. Wenn Galen sagt, das unvollständige Einander-Ausschließen habe im Griechischen gewöhnlich diesen Wortlaut ((pmvtf), dann muß an dieser Stelle der einfachste Ausdruck, nicht ein wenn auch äquivalenter komplizierter Ausdruck gestanden haben. Ich schließe mich deshalb der Ergänzung K f ' s und der P R A N T L S nicht an, sondern lese Z. 10, 11 statt re xal die Worte eariv rj in der Annahme, daß hier vom Schreiber die Kompendien des nicht verstandenen Textes falsch aufgelöst wurden. Das Wörtchen 77 charakterisiert tatsächlich die Disjunktion, vgl. oben 111,3. I m folgenden wird die Konjunktion als das definiert, was einander weder bedingt noch ausschließt. I m Gegensatz zu der stoischen Wahrheitswert-Definition (SE M V I I I 124-125) ist diese nicht mit den Matrizen des Aussagenkalküls darzustellen. Wollte man das tun, dann müßte man den Text Z. 14 lesen: äre äxoXovdiav E%EI TIQOQ aXXiqXa ¡xrjte /j-dyjjv axotr\v. Das wäre möglich, denn das erste ¡ir\re ist eine Schreiberkorrektur, das älteste ßiav re kann aus ä rs entstanden sein, wo a fälschlich als Zahl gelesen und aufgelöst wäre. Dann lassen sich folgende Matrizen aufstellen:

Kommentar, IV 4

p

q

w

W

F W F

w F F

13

I II III KK I II III AxoXov&ia tiqoq äXXrjAa fiö-XV äiuxpaTixiij avfinmXeyiiivov Cpq G qp N AN pN q Kpq

W W F W

W F W W

W F F F

W F F F

Hier wäre die Konjunktion definiert als logisches Produkt von gegenseitiger Implikation und negierter exklusiver Disjunktion, wie unser Text es zu fordern scheint. Abgesehen davon aber, daß hier überflüssige Operationen durchgeführt sind (die Negation der exklusiven Disjunktion würde schon genügen), verbietet das gleich Folgende Z. 10, 17—18 und unten 33, 24 diese Auslegung. An beiden Stellen heißt es ausdrücklich, daß beide Teilsätze der Konjunktion in keinem realen Verhältnis zueinander stehen. Man wird die Stelle so verstehen müssen: Es ist nicht von dem Wahrheitswert konjunktiver Aussagen die Rede. Dieser müßte freilich in der oben skizzierten Weise durch Matrizen darstellbar sein und durch die angeführte SE-Stelle definiert werden (s.u. zu X I V 5—8). G A L E N spricht aber von solchen S a c h v e r h a l t e n , die durch konjunktive Aussagen abgebildet werden. Wenn das so ist, müssen wir erwarten, daß unsere Stelle streng scheidet zwischen Aussagen und Sachverhalten, vorausgesetzt daß Galen korrekt denkt. Dies ist in der Tat der Fall. III 5 wird unterschieden zwischen solchen, die sich an die M£EIQ und solchen, die sich an die V ä^itofiarcov ytevdog slvai) einem disjunktiven Schluß, dem vierten Anapodeiktos. 5—8. Galen sprach in unserem Kapitel bisher vorwiegend von Aussagenverknüpfungen und geht jetzt zu den Relationen von Sachverhalten über; wir versuchen zunächst, die seinen Sachverhaltsrelationen entsprechenden Wahrheitswertfunktionen zu erkennen. Dabei fällt uns eine wichtige Divergenz der Matrix für Implikation gegenüber der uns geläufigen auf:

Kommentar, XIV 5—8

44 V2

w F W F

w W F F

firjdinore dei avvvndgyov awvnö.Qxov

w F F W

F W W F

Die Matrix für äxoXov&ta bzw. Implikation gleicht hier dem, was wir heute Äquivalenz nennen, nicht der in der stoischen Logik vorwiegend verwendeten Philonischen Implikation, die unserer materialen Implikation entspricht. Daß dieser WFF JF-Funktor gemeint ist, sagt unser Text deutlich, und die andern Definitionen (III 1 und I I I 3) widersprechen dem nicht, ja wie Stakelum 47FF. glaubhaft macht, benutzte Galen sogar beide, die der Äquivalenz und die der materialen Implikation gleichende; erstere nannte er die xeXeia, letztere die etämrjg äxoXovftia, entspre der xeI. und skk. ¡iä%r\ (s. u. X I V 11—XV 1). Es ergibt sich unter der Annahme dieser Beziehung zwischen iiayr\ und axoXov&ia ein klares Bild, das einerseits dem modernen Aussagenkalkül standhält, andererseits verständlich macht, warum Galen die verschiedenen Arten von fiä%r\ ausführlich mehrmals (IV 1, V 1, X I V 5) genau definiert, die von äxokov&ia dagegen nicht oder doch nur unvollständig. In Matrizen dargestellt:

reXela iMxnrjQ¿UlTlfjC iiaxn axoXov&ia fidxv äxoXovdia Ipq Epq Dpq C pq F W F w W F W w F F W w F W w W

r«Aet'a

pq w w F W WF FF

Hier erscheint zwar die xeXeia axoXovMa als kontradiktorisches Gegenteil der xeXeia fidxrj, bei Galen aber ist dieses Gegenteil nicht durch Negierung des ganzen Ausdrucks zustande gekommen, sondern wie Galen oben ( I I I 1) zeigte, durch Negierung nur eines Gliedes.

TEÄeia fiaxf] entweder (aut) es ist Tag oder es ist Nacht rekeia axoXov&ia wenn Tag ist, dann und nur dann ist nicht Symbolisch:

Nacht

EJpqEpNq

Den analytischen Charakter dieser Formel erkennt man sofort, wenn man q durch Np substituiert. Daß nämlich p und p äquivalent sind, ist ebenso

Kommentar, X I V 5—8

45

wahr, wie daß p und Np kontravalent sind. Dies die einfache Verwandlung der releía [iá%r¡ in die releía áxolovdía durch bloße Verneinung des zweiten Gliedes der exklusiven Disjunktion, Der so gewonnene Funktor gleicht, wie gesagt, unserer Äquivalenz und wird auch heute von Logikern und Mathematikern gern mit dem Konditionalsatz „Wenn . . dann und nur d a n n . . . " umschrieben. Dieser Satz drückt genau den von Galen mit dem Worte áxolovdía (XIV 7) wiedergegebenen Sachverhalt aus. Wir nehmen zunächst an, daß Galen mit axolov&ía ávayxaía und mit áxolov&ía releía dasselbe meint. Wäre dies für ihn die einzige Form der konditionalen Verknüpfung, dann dürfte er nicht wie Chrysipp als zweite Prämisse bei Implikationsschlüssen nur die Bejahung des ersten Gliedes und Verneinung des zweiten zulassen, sondern müßte auch Bejahung des zweiten und Verneinung des ersten als ebenso schlüssig ansehen. Zusammen mit seiner ausdrücklichen Erwähnung einer releía und elhnrjg axolov&ia (XIV 11—XV 1) zwingt uns diese Überlegung zur Annahme einer zweiten Art konditionaler Verknüpfung, und zwar der, deren Matrix wir oben dargestellt haben. Auch hier läßt sich der eine Funktor aus dem andern durch Verneinung eines seiner Argumente herstellen: êllmrjç ¡iá%r¡

Dion ist in Athen oder (vel) Dion ist in Korinth

èllmrjç

Wenn Dion in Athen ist, ist er nicht in Korinth

áxolovdía

Symbolisch :

ED

pqCpNq

Ersetzt man hier p durch N p und q durch N q und wendet die Definition 8.2 (BOCHENSKI GL) an, dann erhält man das Gesetz der Implikation 5.311, was als logistischer Beweis hier genügen möge. Welche von beiden äxolov&iai Galen jeweils meint, können wir nur dem Sachverhalt des von ihm behandelten Beispiels entnehmen, da er keine Definition gibt und meistens den Zusatz releia bzw. elli7ir\c, fortläßt. Soweit können wir die in den Paragr. 5 und 6 behandelten Sachverhaltsrelationen als eindeutig durch die stoischen oder modernen Wahrheitswertfunktoren wiedergegeben ansehen. Auch bei den ersten beiden in § 7 behandelten Relationen ergibt sich noch kein Widerspruch. Interpretieren wir aber die Sachverhaltsrelation, die Galen Z. 33, 22 bis 34, 2 als ,,konjunktives Urteil bildend" bezeichnet, ergibt sich bei ausschließlicher Verwendung unserer bisher benutzten formal-logischen Mittel ein Widerspruch (vgl. o. zu IV 6). Der Satz: „Was weder in notwendiger Konsequenz noch in gegenseitigem Ausschließen zueinander steht" bedeutet nämlich nach unserer bisherigen Festlegung: „p und q sind nicht äquivalent und nicht-äquivalent", als Formel: K NE pqNJpq

46

Kommentar, X I V 5—8

Diese Aussageform ist nicht erfüllbar, d. h. es gibt kein Aussagenpaar, so daß es in obiger Aussageform für p und q substituiert diese zu einer wahren Aussage macht. Nun gibt aber Galen mit dem Beispiel „Dion spaziert, und Theon disputiert" eine Erfüllung der von ihm als „konjunktive Aussage" bezeichneten Aussageform. Also ist unsere Formel nicht die von Galen gemeinte Aussageform. Ferner: Die negativ konjunktive Aussage hätten wir nach obiger Überlegung mit N K N E pq N J pq wiederzugeben. Das aber ist äquivalent mit A E p qJ p q

oder

AEpqNEpq,

und man sieht leicht, daß jedes beliebige Aussagenpaar diese Aussageform erfüllt, sie ist also eine Tautologie und als solche als Prämisse unbrauchbar. Galen aber f ü h r t einen Schluß an, in dem eine Erfüllung unserer Aussageform als Prämisse auftritt. Also gibt diese Aussageform nicht das wieder, was Galen mit „negativ konjunktives Urteil" meint. Was meint nun also Galen wirklich ? Achten wir auf die Worte Z. 33, 9 ¡xi]•&' vnaQxeiv äfia fxrjx' ov% imäq^Eiv òvva/ueva, ferner Z. 33, 20ff. . . . xrjç xarà rrjv [iïi%r}v èm xmv (ir}òénoxe avvvjiao%óvxow . . . âxoXov&iav ênl xœv âei. . . (XOJV Ttoxè [lèv awvnaQxóvxwv, noxè ôè) / i f j . . ., wobei letzteres aus dem Zusammenhang sicher richtig ergänzt ist. Wir erinnern uns hier, daß nach MATES SL 45 die diodorische Implikation (SE M V I I I 115. P H I I 110) einer philonischen Implikation mit einer zusätzlichen quantifizierten Zeitvariablen entspricht. Da diese Zeitvariable nicht wie die Aussagenvariablen nur zwei, sondern unendlich viele Werte annehmen kann, haben wir keinen durch eine endliche Matrix darstellbaren Funktor vor uns. Die diodorische Implikation wäre in der von uns gewählten formalisierten Sprache so darzustellen: Philonische Implikation : G pq . Die Aussageform I l t f t bedeute: Zu jeder Zeit t ist es wahr, daß in t der Sachverhalt / vorliegt. Die diodorische Implikation lautet also, wenn C pq für / eingesetzt wird: ntCpqt Umgangssprachlich: Es ist immer wahr, daß wenn p, dann q. Dem Negat NntC

pqt

Et N C

pqt.

ist äquivalent Entsprechend wäre das firjôénoxe owvnaQ%ov unserer Stelle wiederzugeben mit IJtJ pqt

47

Kommentar, XIV 5—8

und das äst avvvnaQxov mit lit E pqt Beider Negate wären EtN

J pqt

bzw.

Et N E

pqt

Galen behauptet an unserer Stelle, daß das konjunktive Urteil das logische Produkt negierter fxâ%r\ und negierter axokovêla ist, setzt es also in der Form (1)

KEtNJpqtEtNEpqt

an. Bei Ersetzung von N J pq durch Epq und umgekehrt erhält man (2)

K Et E pqt Et J pqt .

Formel 1 läßt sich lesen mit Galens Worten Z. 33, 24 öaa fi^re trjv àxolov&iav . . ., Formel 2 mit den für ihn erschlossenen Worten Z. 33, 23 . . . TRJÇ TCÖV NOTÈ ¡xèv OVVVTZOQXÔVTCOV, noté ÔS ¡URJ. Damit wäre seine Definition für av(mkoKr\ einerseits an megarisch-stoischeTheorien angeschlossen, andererseits als formal-logisch korrekt erwiesen. Der Beispielssatz Galens Z. 34,2 ist eine korrekte Belegung dieser Aussageform, denn es lassen sich Zeiten und Situationen denken, in denen beides zugleich eintreten kann, nämlich daß Theon disputiert und Dion spaziert, und ebenso, daß es ausgeschlossen ist, daß beides eintritt. Der Sinn des Folgenden läßt sich wegen des verderbten Zustandes von § 8 nur durch logische Deduktion erschließen. Daß Galens konjunktive Aussage syllogistisch völlig unbrauchbar ist, sahen wir aus dem Vorigen. Er fährt fort: „Natürlich wird auch die Negation genau so sein", d. h. völlig unbrauchbar. Rechnen wir nach ! Das konjunktive Urteil hatte die Form K Zt N J pqt Et N E

pqt

das Negat: N IC Et N J pqt Et N E pqt . Nach dem dritten MoRGANschen Gesetz entspricht das A N Et N J pqt N Et N E

pqt

und nach der Regel von der Negierung quantifizierter Ausdrücke: ATltJ pqtllt E pqt .

48

Kommentar, X I V 9 - 1 1

Nach dem Verschiebungsgesetz f ü r Quantifikatoren: Ilt A J pq E pqt

.

Das heißt: Das negierte konjunktive Urteil bedeutet, daß jederzeit die beiden Sachverhalte äquivalent oder kontravalent sind. Da dies von jedem beliebigen Aussagenpaar gilt, ist die negierte Konjunktion syllogistisch ebenso wertlos wie die positive. Aber: F ü r jedes Aussagenpaar, dessen Verknüpfung als Prämisse f ü r einen hypothetischen Schluß in Frage kommt, ist es bereits entschieden, ob die Aussage bzw. der Sachverhalt sich ausschließen oder bedingen, dadurch fällt jeder hypothetische Schluß unter den ersten, zweiten, vierten oder f ü n f t e n Anapodeiktos, u n d einen dritten gibt es nicht. Ausdrücklich ausgesprochen wurde dieser Widerstreit zwischen dem Inhalt u n d der Form einer Aussage m. W . zuerst von Boethius z. B. De syll. hypoth. P L 64, 846 B. Dort heißt es, aus den Implikationen (]) Cpq (2) C p N q (3) (4)

C

CNpq NpNq

lassen sich zunächst durch Assumption des ersten bzw. des negierten zweiten Gliedes acht Schlüsse bilden, darüber hinaus aber könne bei (3) auch das zweite sowie das negierte erste Glied assumiert werden: q u a n t u m ad complexionem propositionum pertinet, nullum efficit syllogismum, q u a n t u m vero ad rerum n a t u r a m , videtur esse necessaria consequentia. Die von Galen hier angeführten Schlüsse z. B. sind nach dem vierten u n d f ü n f t e n Anapodeiktos gezogen u n d nicht nach dem dritten, quod erat demonstrandum. Vgl. oben zu I V 1 u n d V 1. 9. K f ' s Tiaoacpüeyfxdxojv s t a t t des Z. 10 überlieferten naQaÖEiyfidxmv macht den Text nicht sinnvoller. Ich verstehe das Überlieferte so: I m folgenden wird das System so zusammengefaßt, als ob die einzelnen P u n k t e (jiaoaöeiy¡Mira) gar nicht ausgeführt wären, d. h. die Zusammenfassung ist an sich u n d ohne Rückbeziehung auf die vorhergehende Darlegung klar. Siehe auch ORTH. 10. Über die vollständige u n d unvollständige Konsequenz s. o. zu X I V 5—8. Übersetzung dieser Stelle auch bei BOCHENSKI F L 1 3 9 . 11. Die Ergänzungen K f ' s a m Schluß sind unumgänglich. Gedankengang ab Z. 24: Galen läßt Schlüsse zu, die äußerlich dem dritten Anapodeiktos des Chrysipp gleichen, betont aber, daß nicht die bloße F o r m „nicht sowohl . . . als auch . . . " der ersten Prämisse dazu berechtigt, da ja f ü r ihn hinter dieser sprachlichen Form syllogistisch ganz unbrauchbare Satzverknüpfungen auftreten (s. o. zu X I V 5—8). F ü r ihn gilt nur der I n h a l t der in dieser F o r m wiedergegebenen Aussage, u n d das ist vorwiegend der des unvollständigen Einander-Ausschließens. Wenn hier

Kommentar, X V 1—11

49

G a l e n bei d e r rekeln äxolov&La u n d d e r reXeia ¡läyri n u r j e zwei A s s u m p -

tionen zuläßt, während es doch nach unserer Rechnung vier sein müßten, dann hat das, wie STAKELUM 72ff. richtig sagt, folgenden Grund: Der sprachlichen Form einer konditionalen oder disjunktiven Verknüpfung ist nicht anzusehen, ob es sich um eine vollständige oder unvollständige handelt. Es bewahrt daher vor Trugschlüssen, wenn grundsätzlich nur die beiden Schlüsse aus der unvollständigen Implikation bzw. Disjunktion zugelassen werden. Die gleiche Begründung hat Boethius In top. Cic. P L 64, 1133 BC.

XV 1—11. Textkritik: Textzustand und Inhalt machen es notwendig, das ganze Kapitel en bloc zu interpretieren. Z. 5 erweist sich das mg edeigauev des Korrektors der Pariser Handschrift als sinnlos. Worauf soll sich edei£a/xev beziehen % eöei^a/xsv ev roig xaXovfievoig . . .: Dann gäbe es ein Werk, das er 'IJaQadie^evyfteva nennt. Davon ist sonst nichts bekannt, zudem wäre die Wortstellung unmöglich. Der Sinn des ganzen Passus ist, von sehr exakten Einzelheiten abgesehen, infolge solcher Korruptelen zunächst ganz undurchsichtig. Beginnen wir also mit der glücklicherweise gut erhaltenen Zusammenfassung am Ende, dort heißt es: Schlüsse der geschilderten Form kommen praktisch vor, einmal so: „Wenn Alcibiades um das Gerechte weiß, hat er es entweder von jemand anderm gelernt, oder er hat es selbst herausgefunden. Nun hat er es aber weder von jemand anderm gelernt noch selbst herausgefunden, also weiß er nicht um das Gerechte". Zweitens so: „Alcibiades kennt das Gerechte entweder vom Hören oder vom Selbst-Finden. Er kennt es aber nicht vom Hören, also kennt er es vom Selbst-Finden". Wenn sich Kf veranlaßt sah, Z. 35, 8 anstatt elc ävadooiv zu lesen r) avadoaig, dann verstieß er damit gegen die in der Zusammenfassung gegebene Reihenfolge. Dadurch wird aber auch die Bemerkung Z. 36, 18 sinnlos, die besagt, daß beide Syllogismen (eigentlich: hypothetische Prämissen) scheinbar die gleichen logischen Eigenschaften haben. (vTio/ueveiv = „logische Operationen gestatten" sonst m.W. nicht belegt aber zwanglos verständlich.) Beide Satzverknüpfungen Z. 35, 8—11 und 36, 19—23 müssen also annähernd gleich gelautet haben. Wir lesen deshalb textgetreuer als Kf Z. 35, 8ff. et rj (statt eig) avadoaig (statt -v) . . . To a&fia ahelxai (orthographische Variante f ü r überliefertes eri re) . . . neixnofievwv (mit M Y N A S wegen der notwendigen P a r a l l e l e n Z. 36, 1 rfjg xodiag

ex&hßovarjg,

Z . 36, 22 u n d Z. 37, 17). H i e r -

von ausgehend lesen wir Z. 35, 5 die bereits angefochtenen Worte so wie sie der Parisinus vor der Korrektur hatte: ovarjg de xai äxoXovdiag reXelag

Kommentar, X V 1—11

49

G a l e n bei d e r rekeln äxolov&La u n d d e r reXeia ¡läyri n u r j e zwei A s s u m p -

tionen zuläßt, während es doch nach unserer Rechnung vier sein müßten, dann hat das, wie STAKELUM 72ff. richtig sagt, folgenden Grund: Der sprachlichen Form einer konditionalen oder disjunktiven Verknüpfung ist nicht anzusehen, ob es sich um eine vollständige oder unvollständige handelt. Es bewahrt daher vor Trugschlüssen, wenn grundsätzlich nur die beiden Schlüsse aus der unvollständigen Implikation bzw. Disjunktion zugelassen werden. Die gleiche Begründung hat Boethius In top. Cic. P L 64, 1133 BC.

XV 1—11. Textkritik: Textzustand und Inhalt machen es notwendig, das ganze Kapitel en bloc zu interpretieren. Z. 5 erweist sich das mg edeigauev des Korrektors der Pariser Handschrift als sinnlos. Worauf soll sich edei£a/xev beziehen % eöei^a/xsv ev roig xaXovfievoig . . .: Dann gäbe es ein Werk, das er 'IJaQadie^evyfteva nennt. Davon ist sonst nichts bekannt, zudem wäre die Wortstellung unmöglich. Der Sinn des ganzen Passus ist, von sehr exakten Einzelheiten abgesehen, infolge solcher Korruptelen zunächst ganz undurchsichtig. Beginnen wir also mit der glücklicherweise gut erhaltenen Zusammenfassung am Ende, dort heißt es: Schlüsse der geschilderten Form kommen praktisch vor, einmal so: „Wenn Alcibiades um das Gerechte weiß, hat er es entweder von jemand anderm gelernt, oder er hat es selbst herausgefunden. Nun hat er es aber weder von jemand anderm gelernt noch selbst herausgefunden, also weiß er nicht um das Gerechte". Zweitens so: „Alcibiades kennt das Gerechte entweder vom Hören oder vom Selbst-Finden. Er kennt es aber nicht vom Hören, also kennt er es vom Selbst-Finden". Wenn sich Kf veranlaßt sah, Z. 35, 8 anstatt elc ävadooiv zu lesen r) avadoaig, dann verstieß er damit gegen die in der Zusammenfassung gegebene Reihenfolge. Dadurch wird aber auch die Bemerkung Z. 36, 18 sinnlos, die besagt, daß beide Syllogismen (eigentlich: hypothetische Prämissen) scheinbar die gleichen logischen Eigenschaften haben. (vTio/ueveiv = „logische Operationen gestatten" sonst m.W. nicht belegt aber zwanglos verständlich.) Beide Satzverknüpfungen Z. 35, 8—11 und 36, 19—23 müssen also annähernd gleich gelautet haben. Wir lesen deshalb textgetreuer als Kf Z. 35, 8ff. et rj (statt eig) avadoaig (statt -v) . . . To a&fia ahelxai (orthographische Variante f ü r überliefertes eri re) . . . neixnofievwv (mit M Y N A S wegen der notwendigen P a r a l l e l e n Z. 36, 1 rfjg xodiag

ex&hßovarjg,

Z . 36, 22 u n d Z. 37, 17). H i e r -

von ausgehend lesen wir Z. 35, 5 die bereits angefochtenen Worte so wie sie der Parisinus vor der Korrektur hatte: ovarjg de xai äxoXovdiag reXelag

50

Kommentar, XV 1—11

xal elXmovq (statt -ovarjg, als Minuskelkorruptel leicht verständlich). I m folgenden hält sich die Übersetzung im wesentlichen an K f ' s Text. Z. 35, 19 m u ß sich unter den von Kf getilgten Worten etwas wie xal ¡ila ¡lèv od. dgl. verbergen, was Z. 36, 10 mit érsga óè noóaXrjfir wieder aufgenommen wird. Z. 36,15 ¡xäXXav ä/xeivov ist natürlich unsinnig. Der Sinn erfordert etwa aveiQOV/iévcov òfjkov . . . Z. 36, 24 ist nowxqj aus noò richtig ergänzt. Wenn m a n hier auch xal òevzéga) erwarten möchte, d a n n m u ß m a n doch bedenken, d a ß Galen hier in nicht ganz korrekter Weise die Implikation als Schluß bezeichnet. Da er die hypothetischen Schlüsse in zwei Gruppen einteilt, die aus Implikationen u n d die aus Disjunktionen, lassen sich unter TIQCÖTOS avcmóòeixtog die beiden Chrysippischen Anapodeiktoi 1 u n d 2 verstehen. Eine ähnliche Einteilung der hypothetischen Schlüsse in implikative u n d disjunktive findet sich auchMarcianus Capella 205, lOff. D I C K , WO die von Galen ganz verworfenen Schlüsse aus negativen Konjunktionen je nach der durch die Konjunktion wiedergegebenen Sachverhaltsrelation den implikativen bzw. disjunktiven Schlüssen zugeteilt werden. Galen spricht Z. 37, 5 geradezu von zwei XQÓTCOI der òvva/iig d e s ersten Anapodeiktos. Erklärung: Unser Kapitel f ü h r t im Grunde nichts Neues ein, sondern untersucht eine praktisch oft gebrauchte Argumentierungsform auf ihren logischen Gehalt. Sie ist in der T a t eines der am häufigsten praktisch angestellten Kalküle. Erstes Beispiel: Wenn ich meine Brille zu Hause verlegt habe, dann liegt sie jetzt entweder auf dem Schreibtisch oder auf der Kommode oder in der K ü c h e oder auf dem Nachttisch (die Möglichkeiten seien damit erschöpfend erfaßt). Zweites Beispiel : Wenn der Motor stehen bleibt, liegt es entweder an der Benzinzufuhr oder an der Zündung oder am Vergaser oder a m Motor selbst. Unser erstes Beispiel entspricht dem dieCevy/iévov des Galen (Z. 35, 14), das zweite Beispiel dem naoadieCsvy/xsvov. Vorausgesetzt nämlich, daß ich die Brille wirklich zu Hause verlegt habe (et . . . alrelrai nach unserer Lesung) u n d daß, was Galen zu erwähnen versäumt, es aus sachlichen Gründen keine weitere Möglichkeit gibt, m u ß eine u n d nur eine der Mutmaßungen zutreffen, denn die Brille kann nicht an mehreren Orten sein. I n unserem zweiten Beispiel fordert der Sachverhalt, daß nämlich der Motor stehen bleibt, lediglich, daß mindestens eine der Mutmaßungen zutrifft, es können aber auch mehrere, ja auch alle zugleich zutreffen. Bezeichnenderweise wählt Galen ein medizinisches Beispiel, bei dem mindestens der Laie, wohl aber auch der Arzt nicht entscheiden kann, ob es ein dieCsvyfievov oder ein naQaòie^Evyfiévov ist, und Galen behandelt es deshalb als vorsichtiger Logiker als naoaÒieCevy/uévov, weil dies weniger Schlüsse zuläßt u n d somit die Möglichkeit falscher Schlüsse ausschließt. Darüber vgl. oben zu X I V 11. — Der Sinn der ganzen Untersuchung unseres Kapitels ist n u n dieser : Wenn die erste Prämisse eines hypothetischen Schlusses die komplexe F o r m C p A A A qr st

Kommentar, XV I—11

51

hat, (in Worten: wenn p, dann entweder q oder r oder s oder i), dann kann die zweite Prämisse, die Assumption, lauten:

Nq Nr

w

V

Ns Nt

(In Worten: nicht q bzw. nicht r usw.)

(2)

KKNrNsNt KKNqNsNt K K N q N r Nt KKNqNrNs

(In Worten: Drei beliebige Dissjunktionsglieder werden verneint also weder r noch s noch t usw.)

(3)

KNqNr KNqNs K NqNt K Nr Ns KNrNt KNsNt

(In Worten: Zwei beliebige Disjunktionsglieder werden verneint, d. h. weder q noch r usw.) (4)

p

(In Worten: Nun ist aber p der Fall)

(5)

KKKNqNrNsNt

(In Worten: Alle vier Disjunktionsglieder werden verneint, d. h. weder q noch r noch s noch t). Es bedarf keiner Erwähnung, daß die Anzahl (vier) der Disjunktionsglieder nur ein Beispiel ist und daß dasselbe sich für n Glieder zeigen ließe. Das geht schon aus Galens verallgemeinernder Formulierung Z. 37, 20 bis 38, 1 hervor. Er unterscheidet nun grundsätzlich die Assumptionen (1) bis (3) einerseits und (4) und (5) andererseits. Bei ersteren handele es sich um Schlüsse aus dem naQadieCevy/ievov, während es sich bei letzteren um Implikationsschlüsse handele, obwohl es, wie er Z. 36, 18 bemerkt, auf Grund der sprachlichen Form der jeweils ersten Prämisse den Anschein habe, daß die Z. 35, 8—11 und die Z. 36, 19—23 formulierten Implikationen dieselben Schlüsse zuließen. Nun sind nach meiner Textfassung

52

Kommentar, XVI 1—13

beide Formulierungen tatsächlich ähnlich, erstere lautet aber übersetzt: „Wenn p postuliert wird, d a n n q oder r usw.", die zweite einfach: „Wenn p, dann q oder r usw." I m ersten Falle ist also p als Postulat ausdrücklich aus der Zahl der variablen Aussagen ausgenommen, während es im letzteren Falle eine Variable ist, die gesetzt werden kann. Wenn ich auch weit davon entfernt bin zu behaupten, daß Galen einen Kalkül aufgestellt habe, so halte ich es doch f ü r notwendig, durch nachträgliche Aufstellung eines solchen die E x a k t h e i t seiner logischen Beobachtungen zu überprüfen. Operieren wir der Einfachheit halber nur mit drei Variablen, wählen wir aus den Assumptionen (1) bis (3) als Beispiel die Assumption (1) aus, d a n n können wir eine Implikation aufstellen, die einem Schluß mit der Assumption (1) analog ist. Sie lautet: ,,Wenn, wenn p, dann q oder r, u n d nicht q, dann r " . Symbolisch: C KC pAqrN

qr

Durch formallogische Wahrheitswertentwicklung stellen wir fest, daß die Implikation in allen Fällen, in denen p wahr ist, den Wert „ w a h r " annimmt, nicht aber in allen Fällen, in denen p nicht wahr ist. Sie ist genau d a n n falsch, wenn alle drei Variablen den Wert „falsch" annehmen. Die Implikation C KC pAqr Nqr ist also kein logisches Gesetz. Stellen wir aber mit den Assumptionen (4) und (5) entsprechende Implikationen auf, gewinnen wir bei beiden tautologische Ausdrücke, d. h. logische Gesetze. Die pedantische Breite, mit der Galen diese alltägliche Argumentierungsweise behandelt, (painstaking precision nach STAKELUM) erweist sich somit als eine sorgfältige u n d richtige logische Analyse eines dialektisch-logischen Topos. Das a m Schluß angeführte Beispiel steht Plato Alcibiades I 106 Dff.

XVI 1 — 1 3 . Wie P R A N T L 6 0 6 richtig bemerkt, wurden Schlüsse in der Kategorie der Relation schon unter den kategorischen Schlüssen mit aufgeführt, jedenfalls geht aus X I I 1 hervor, daß in der Behauptung, alles außer der bloßen Existenz sei durch kategorische Schlüsse zu beweisen, auch Relationsurteile nicht ausgenommen sind (vgl. oben zu X I I 2 u n d R o s s zu Anal. pr. I 35—36). Wir haben aber streng zu unterscheiden, wie Relationsurteile jeweils behandelt werden. Beispiel:

a ist größer als b

52

Kommentar, XVI 1—13

beide Formulierungen tatsächlich ähnlich, erstere lautet aber übersetzt: „Wenn p postuliert wird, d a n n q oder r usw.", die zweite einfach: „Wenn p, dann q oder r usw." I m ersten Falle ist also p als Postulat ausdrücklich aus der Zahl der variablen Aussagen ausgenommen, während es im letzteren Falle eine Variable ist, die gesetzt werden kann. Wenn ich auch weit davon entfernt bin zu behaupten, daß Galen einen Kalkül aufgestellt habe, so halte ich es doch f ü r notwendig, durch nachträgliche Aufstellung eines solchen die E x a k t h e i t seiner logischen Beobachtungen zu überprüfen. Operieren wir der Einfachheit halber nur mit drei Variablen, wählen wir aus den Assumptionen (1) bis (3) als Beispiel die Assumption (1) aus, d a n n können wir eine Implikation aufstellen, die einem Schluß mit der Assumption (1) analog ist. Sie lautet: ,,Wenn, wenn p, dann q oder r, u n d nicht q, dann r " . Symbolisch: C KC pAqrN

qr

Durch formallogische Wahrheitswertentwicklung stellen wir fest, daß die Implikation in allen Fällen, in denen p wahr ist, den Wert „ w a h r " annimmt, nicht aber in allen Fällen, in denen p nicht wahr ist. Sie ist genau d a n n falsch, wenn alle drei Variablen den Wert „falsch" annehmen. Die Implikation C KC pAqr Nqr ist also kein logisches Gesetz. Stellen wir aber mit den Assumptionen (4) und (5) entsprechende Implikationen auf, gewinnen wir bei beiden tautologische Ausdrücke, d. h. logische Gesetze. Die pedantische Breite, mit der Galen diese alltägliche Argumentierungsweise behandelt, (painstaking precision nach STAKELUM) erweist sich somit als eine sorgfältige u n d richtige logische Analyse eines dialektisch-logischen Topos. Das a m Schluß angeführte Beispiel steht Plato Alcibiades I 106 Dff.

XVI 1 — 1 3 . Wie P R A N T L 6 0 6 richtig bemerkt, wurden Schlüsse in der Kategorie der Relation schon unter den kategorischen Schlüssen mit aufgeführt, jedenfalls geht aus X I I 1 hervor, daß in der Behauptung, alles außer der bloßen Existenz sei durch kategorische Schlüsse zu beweisen, auch Relationsurteile nicht ausgenommen sind (vgl. oben zu X I I 2 u n d R o s s zu Anal. pr. I 35—36). Wir haben aber streng zu unterscheiden, wie Relationsurteile jeweils behandelt werden. Beispiel:

a ist größer als b

53

Kommentar, X V I 1 - 1 3

In der kategorischen Beweistheorie würde dieses Urteil z.B.

lauten:

Alle a sind größer als b und seine Umkehrung: Einiges, was größer als b ist, ist a. In der Relationstheorie dagegen: a ist größer als b und seine Umkehrung: b ist kleiner als a. Ein Schluß wie etwa an unserer Stelle ,,Theon besitzt doppelt soviel wie Dion Philon besitzt doppelt soviel wie Theon ergo: Philon besitzt viermal soviel wie Dion" wäre sinngemäß nach Aristoteles Anal. pr. 136 umzuwandeln in die Form „Theon ist ein das Doppelte von Dion Besitzender Philon ist ein das Doppelte von Theon Besitzender". Hieraus folgt syllogistisch gar nichts, weil eine quaternio terminorum vorliegt. Es wäre eine petitio principii, die ternio durch Multiplikation der ersten Prämisse herstellen zu wollen, also: „Ein das Doppelte von Theon Besitzender ist ein das Vierfache von Dion Besitzender Philon ist ein das Doppelte von Theon Besitzender ergo: Philon ist ein das Vierfache von Dion Besitzender". Dies würde nämlich ebenfalls das Axiom „Gleiches mit Gleichem multipliziert gibt Gleiches" voraussetzen, ein mathematisches Axiom, das nicht unter denen der Syllogistik enthalten ist. Galen führt hier also wirklich etwas Neues ein, und BOCHENSKI (AFL 1 0 5 ) bezeichnet mit Recht seine Einteilung aller Schlüsse in hypothetische, kategorische und Relationsschlüsse als seine most original theory; freilich, und das ist wohl die bedeutendste wenn auch nicht unbedingt neue logische Erkenntnis Galens: Auch Relationsschlüsse lassen sich als kategorische (s. u. XVI 11) wie hypothetische Schlüsse verstehen. So führt er den 5

H a u : Galen, Einführung in die Logik

64

Kommentar, XVI 1 - 1 3

Beweis Beweis Ar Br

Euklids zu El. I prop. 1 auf den Modus Barbara zurück. Euklids lautet: = AB (als Radien desselben Kreises) = AB (als Radien desselben Kreises)

r o de rä> avrä) laa xal äXXrjXoiq eaxlv iaa (Axiom 1),

Diesem Beweis gibt er die Form (Z. 39,22ff.): „Da demselben Gleiches auch einander gleich ist, aber bewiesen wurde, daß beide, das Erste und Zweite, demselben gleich sind, dürfte dem Zweiten das Erste gleich sein". Ich lese: . . . öeöeixrai (de.) ro JIQ&tov re xai ro öevregov exdreqov ravxcö laov (toj DEVTEQÜ) laov> äv elr] ovrco ro TZQMXOV. Das ist ein klassischer Syllogismus nach dem Modus Barbara:

„Alles demselben Gleiche ist einander gleich. Das Erste und Zweite sind demselben gleich,

ergo: das Erste und Zweite sind einander gleich". Danach fallen also Relationsschlüsse auch unter die kategorischen Syllogismen, aber nicht wie oben bei dem Beispiel von Philons, Dions und Theons Besitz. Dort handelt es sich modern gesagt um zwei Ausdrücke, die aus dem gleichen zweistelligen Relator und je zwei Termen bestehen, von denen einer beiden Relationen gemeinsam ist. Daraus läßt sich freilich nach den Gesetzen der kategorischen Syllogistik kein Schluß bilden, wohl aber, wenn wir jenes Beispiel nach dem Muster des Euklidbeweises bilden unter Voranstellung eines allgemein zugestandenen Axioms, etwa: 'Alle Größen, die das Zweifache einer andern betragen, welche ihrerseits das Zweifache einer Dritten beträgt, sind viermal so groß wie die Dritte. Philons Besitz beträgt das Zweifache von Theons Besitz, welcher seinerseits das Zweifache von Dions Besitz beträgt. Ergo: Philons Besitz ist viermal so groß wie Dions Besitz'. So ist aus zwei Relationsurteilen gewaltsam ein kategorisches Urteil, bestehend aus einem komplexen Subjekt und einem komplexen Prädikat geworden (s. Z. 38, 14), aus dem sich zusammen mit einem Axiom ein kategorischer Schluß bilden läßt, und

55

Kommentar, X V I 1-13

nur so ist die aristotelische, auch von Galen vorgebrachte Behauptung zu verstehen, alles lasse sich durch kategorische Syllogismen beweisen. Praktisch aber tut das niemand, vielmehr bildet man aus zwei Relationsurteilen unter Zuhilfenahme eines allgemein zugestandenen Axioms einen Schluß. Das ist der Brauch bei Skeptikern (möglicherweise sind mit axemixoi alle gemeint, die irgendwelche wissenschaftlichen Untersuchungen anstellen) und Mathematikern (Z. 38, 16). Als Beispiele für solche Axiome führt Galen im folgenden die Hauptaxiome für die vier Grundrechenarten an. Es folgt als Beispiel für einen solchen, aber in kategorischer Form ausgesprochenen Schluß unser Beweis aus Euklid. Darauf (§ 7) der Beweis für die Gleichheit zweier Summen, wie er in der Praxis in enthymenatischer Form unter Weglassung des selbstverständlichen Axioms geführt wird. Entsprechendes für Differenzen in § 8 und für Produkte in § 9. Nachdem wir gesehen haben, daß sich diese Beweise, wenn auch etwas gezwungen, als kategorische Beweise verstehen lassen, folgt nun (§ 10) unvermittelt die richtige Behauptung, daß alle diese mathematischen, aber auch alle anderen Beweise für Relationen, ihre Beweiskraft aus a£ia>fiaxa avvrj/i/iiva beziehen, also aus Axiomen, die aus zwei durch den Implikator verknüpften Aussagen bestehen. In der Tat führt er folgende implikative Axiome an (symbolisch behandle ich die Relationen als Aussagen und stelle sie in der Symbolik von LUKASIEWICZ dar, also für die Aussagen variable ,p' von LUKASIEWICZ Z . B . eine algebraische Gleichung in Klammern): Seite Zeile



Axiome in Form von Implikationen

Bemerkungen

= 3 y ) (y = 3z) ( x = 9zj

(1)

39,2

CK(x

(2)

39,5

« ( . - t j l y .

(3)

39,7

CKK{x

= y) ( x + c =

w)

(4)

39,10

CKK(x

= y) ( x — c =

w)

(5)

40,5

s. o. (3)

(6)

40,11

s. o. (4)

(y + c = z) (w = z) (y — o = z) (w = z)

Im Text stark gekürzt

(3) nur Beisp. für ein Axiom, hier dagegen im Zusammenhang mit einem Beweis gebracht dasselbe Verhältnis wie zwischen (3) und (5)

Kommentar, X V I 1 - 1 3

56

Einige weitere Axiome werden in der Form von kategorischen Allaussagen eingeführt, wobei der bestimmte Artikel an die Stelle der Quantitätsbezeichnung tritt. Formelmäßig stelle ich auch sie der Einfachheit halber als Implikationen von Aussagen dar: Seite

Axiome in Form von der kateg.

Zeile

Allaussage

(?)

39,19

CK(x = o) (y = c) (x = y)

(8)

40,15

CK(x = 2y) (y = 2z) (x = 4z)

(9)

41,11

C(x Vater y) (y Sohn x)

Bemerkungen

Eucl. El. I prop. 1

Bei den Stoikern heißen diese Schlüsse nach Alexander In anal. pr. I 1 2 4 b 1 8 ( 2 1 , 3 0 WALLIES) ,,unmethodisch" und sind nach peripathetischer Lehre zwar zwingend, nicht aber syllogistisch, es sei denn, daß ein allgemein gültiger Satz hinzugezogen wird (nQoohri ovxi ( s t a t t olov) äqa eaxtv rj/xeoa. Z u U n r e c h t TOIOVTOI,

nimmt K f Z. 4 eine Lücke an, denn im folgenden wird ja ausgeführt (ydgl), daß einfaches eaxi dasselbe bedeutet wie wenn ein besonderer

58

Kommentar, XVII 4 - 6

bejahender Zusatz gemacht wird. Vgl. zu I I 1. Moderne Parallele z. B . : BOCHENSKI G L 21 unten. — Der hier untersuchte Schluß des vorigen Paragr. (Du sagst, es sei Tag, du sagst aber die Wahrheit, also ist Tag läßt sich, wie Galen richtig sagt, nicht unmittelbar auf Grund eines Gesetzes der Logik ziehen, sondern bedarf wie alle sogenannten Relationsschlüsse unseres Autors, eines allgemeinen Axioms, um auf Grund eines Gesetzes der Logik gezogen werden zu können. Dieses Axiom ist hier der Grundsatz der Semantik, den Aristoteles so formuliert und veranschaulicht: „Wenn es wahr ist zu sagen, daß etwas weiß bzw. nicht weiß ist, dann ist es notwendigerweise weiß bzw. nicht weiß" (De interpr. 9 18 b 1). Hier sehen wir besonders deutlich, wie klar Galen meistens scheidet zwischen der Sphäre des Realen, dem vnáQyeiv, und der der Urteile und Aussagen, denen äArj&evsiv bzw. yevdead-ai zukommt (vgl. Aristot. Metaph. E 4 bes. 1027 b 25). 4. Z. 8ff. ergänze ich: xai ¡xévxoi xai S Xéywv (rjfiégav elvai xavxó q>r¡ai xä> Xéyovxi) álrj'&ég sari ró 'fj/iéga éoxív'. Eine alte Auseinandersetzung über Bedeutung und Gebrauch von éoxív: Aristot. Phys. 185 b 27. Auch für 'Plat Soph. 240 b bis 241 a hat slvai diese Doppelbedeutung: 'existieren' und 'wahr sein'. 5. Der Text ist so schwer verderbt, daß das Beispiel Z. 14—15 überhaupt nicht rekonstruierbar ist. K f vermutet zu Recht, daß Z. 15 leinst, dé Sde aus einer kritischen Glosse stammt und auf eine Lücke hinweist. Z. 11 oxe ovv löelv eaxi ist zu lesen svioxe ovv löelv eaxi und Z. 12 mit K f xakoi. Aus Z. 16 xoiovxoiq lóyoig entnehmen wir, daß in unserem Paragr. nicht von sprechenden Personen, sondern von Sätzen die Rede ist, die etwas 'sagen' (anders ORTH) . Zum Inhalt s. o. zu I I I 5. 6. Zu dem Schlußbeispiel § 2 war durch Definition von ákr¡&eveiv ein allgemeines Axiom gefunden worden, das den Schluß erst bündig macht. Die §§ 4 und 5 hatten die Schwierigkeiten gezeigt, die sich der eindeutigen Formulierung eines solchen Axioms entgegenstellen. Hier heißt es nun: „Manche mühen sich, aus einem Ausdruck mehrere Bedeutungen herauszulesen, manche finden überhaupt die Bedeutung nicht, und dabei ist sie doch vielfach auf Grund des allgemeinen Sprachgebrauchs völlig klar und eindeutig". Die Nutzanwendung bringt § 7. Die verschiedenen Bedeutungen, die dem Begriff 'Wahrheit' beigelegt wurden, lesen wir SE M X V I I I 2ff., diejenigen, die die Bedeutung von 'Wahrheit' ganz verfehlen und folglich ihre Existenz leugnen, sind die pyrrhonischen Skeptiker (SE M X V I I I 17). Galen selbst folgt der Definition des Aristoteles (s. o. zu X V I I 3). Ich lese gegen K f Z. 17 ¿vícuv fiev WQ (für eig) nkeíw ar¡¡xaivójxtva xf¡v xmv Idíwv óeo/xévrjv