Funktionsverlagerungen zwischen nahe stehenden Personen im Sinne des § 1 AStG: Theoretische Grundlagen und empirische Analyse [1 ed.] 9783428542819, 9783428142811

Infolge grenzüberschreitender Umstrukturierungsmaßnahmen können Gewinnverschiebungen in andere Staaten stattfinden und d

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Funktionsverlagerungen zwischen nahe stehenden Personen im Sinne des § 1 AStG: Theoretische Grundlagen und empirische Analyse [1 ed.]
 9783428542819, 9783428142811

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Schriften zum Steuerrecht Band 113

Funktionsverlagerungen zwischen nahe stehenden Personen im Sinne des § 1 AStG Theoretische Grundlagen und empirische Analyse

Von Stefan Greil

Duncker & Humblot · Berlin

STEFAN GREIL

Funktionsverlagerungen zwischen nahe stehenden Personen im Sinne des § 1 AStG

S c h r i f t e n z u m St e u e r r e c ht Band 113

Funktionsverlagerungen zwischen nahe stehenden Personen im Sinne des § 1 AStG Theoretische Grundlagen und empirische Analyse

Von Stefan Greil

Duncker & Humblot · Berlin

Die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Graduate School of Law, Economics and Society der Julius-Maximilians-Universität Würzburg hat diese Arbeit im Jahre 2012 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D 20 Alle Rechte vorbehalten

© 2014 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: TextFormA(r)t, Daniela Weiland, Göttingen Druck: Buch Bücher de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-0235 ISBN 978-3-428-14281-1 (Print) ISBN 978-3-428-54281-9 (E-Book) ISBN 978-3-428-84281-0 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

In Gedenken

„All our dreams can come true, if we have the courage to pursue them.“ Walt Disney

Vorwort Grenzüberschreitende Umstrukturierungen von Unternehmen bieten steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten: Zum einen kann der Steuerpflichtige in anderen Staaten steuerlich günstigere Bedingungen in Anspruch nehmen, zum anderen können infolge von Umstrukturierungsmaßnahmen Gewinnverschiebungen in andere Staaten stattfinden und die Steuereinnahmen des ursprünglichen Staates vermindern. Da solche Umstrukturierungsvorgänge vornehmlich konzernintern stattfinden, bedürfen diese Transaktionen aufgrund eines unterstellten mangelnden Interessengegensatzes zwischen den beteiligten Unternehmen aber einer besonderen steuerlichen Würdigung, um willkürliche Gewinnverschiebungen zu verhindern. Bedeutend ist insbesondere die steuerliche Erfassung von stillen Reserven, die den zu verlagernden Vermögenswerten und Vorteilen innewohnen. Deshalb versucht nicht nur die Bundesrepublik Deutschland Verlagerungsvorgänge und, damit einhergehend, den Übergang von Vermögenswerten und Vorteilen in steuerrechtlichen Normen zu erfassen. Dennoch soll dieser staatliche Eingriff nur einen geringen bzw. keinen Einfluss auf eine unternehmerische Entscheidung haben, da anderenfalls die Überlegungen von Geschäftsleitern verzerrt werden können. Eine dieser Normen, die im Fokus der Ausarbeitung steht, ist die Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen i. S. d. § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG, die mit dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008 normiert und durch die Funktionsverlagerungsverordnung sowie die Verwaltungsgrundsätze Funktionsverlagerung ergänzt wurde. Hierdurch werden die Übertragung und Verlagerung von unternehmerischen Funktionen auf ausländische nahe stehende Personen erfasst. Diese Regelung (Rechtsstand 2011) wird im theoretischen Teil der vorliegenden Arbeit eingehend betrachtet, um einen wissenschaftlichen Beitrag zur Interpretation der Regelung zu leisten. Auf diesen Ausführungen und den hieraus gewonnenen Erkenntnissen aufbauend wurde im Jahr 2011 eine umfassende empirische Untersuchung durchgeführt. Ziel dieser Untersuchung war es, neue wissenschaftliche Erkenntnisse über die praktischen Auswirkungen der Regelung zu erlangen. Die hier vorliegende Arbeit wurde an der Graduate School of Law, Economics and Society (GSLES) der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg als Dissertation angenommen. Würzburg, Dezember 2013

Stefan Greil

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 A. Einführung: Konzerninterne Verlagerung wirtschaftlicher Aktivitäten . . . . . . . 32 I.

Einkünfteabgrenzung zwischen nahe stehenden Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 2. Direkte Methode der Einkunftsabgrenzung – Verrechnungspreise . . . . . . . . 33 3. Berichtigung von Einkünften i. S. d. AStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 b) Tatbestandsmerkmale des § 1 AStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 aa) Nahe stehende Person i. S. d. § 1 Abs. 2 AStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 bb) Geschäftsbeziehung i. S. d. § 1 Abs. 5 AStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 cc) Minderung von Einkünften aufgrund eines Verstoßes gegen den Fremdvergleichsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 4. Berichtigung von Einkünften i. S. d. Art. 9 OECD-MA . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

II. Steuerlich relevante Aspekte einer grenzüberschreitenden Umstrukturierung . . 45 III. Steuerplanung bei einer grenzüberschreitenden Umstrukturierung . . . . . . . . . . 50 B. Die Funktionsverlagerung im Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 I.

Steuerliche Erfassung einer Funktionsverlagerung im Sinne des § 1 AStG . . . . 57 1. Sinn und Zweck der Etablierung des § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG . . . . . . . . . . . . 57 2. Die Funktion im deutschen Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 a) Tatbestandsmerkmale einer Funktion im Sinne des AStG . . . . . . . . . . . . 60 aa) Geschäftstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 bb) Zusammenfassung gleichartiger betrieblicher Aufgaben . . . . . . . . . . 60 cc) Organischer Teil des Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 b) Eine neue Definition der Funktion im deutschen Steuerrecht . . . . . . . . . 62 c) Abgrenzung gegenüber dem Teilbetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 aa) Der Teilbetrieb im deutschen Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 (1) Gewisse Selbstständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 (2) Betriebliche Lebensfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 (3) Organische Geschlossenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 bb) Zwischenfazit: Abgrenzung der Funktion gegenüber dem Teilbetrieb 68

10

Inhaltsverzeichnis d) Exkurs: Abgrenzung der Funktion gegenüber dem Tätigkeitszweig . . . . 69 e) Exkurs: Die Funktion im Sinne der OECD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 f) Zwischenfazit: Die Funktion im deutschen Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . 72 3. Die Funktionsverlagerung im deutschen Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 a) Mögliche Ausprägungen einer Funktionsverlagerung . . . . . . . . . . . . . . . 73 aa) Funktionsausgliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 bb) Funktionsabschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 cc) Funktionsabspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 dd) Funktionsausweitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 ee) Funktionsverdoppelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 ff) Zwischenfazit: Ausprägungen einer Funktionsverlagerung . . . . . . . . 76 b) Tatbestandsvoraussetzungen einer Funktionsverlagerung . . . . . . . . . . . . 77 aa) Bestandteile des Transferpakets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 (1) (Immaterielle) Wirtschaftsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 (2) Sonstige Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 (3) Chancen und Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 bb) Funktionseinschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 cc) Zeitweise Funktionsverlagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 c) Zwischenfazit: Die Funktionsverlagerung im deutschen Steuerrecht . . . . 85 4. Die Rechtsfolge einer Funktionsverlagerung im deutschen Steuerrecht . . . . 86 a) Die Ermittlung des Fremdvergleichspreises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 aa) Funktions- und Risikoanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 bb) Der hypothetische Fremdvergleich – Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . 90 (1) Simulation eines Preisbildungsprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 (2) Abstellen auf den Mittelwert des Einigungsbereiches . . . . . . . . 92 (3) Informationstransparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 (4) Erweiterung des Besteuerungsanspruchs auf Wertbestandteile im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 cc) Exkurs: Grundsatz des dealing at arm’s length gemäß Art. 9 OECDMA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 b) Der hypothetische Fremdvergleich für die Bewertung eines Transferpakets 100 aa) Indirekte oder direkte Bewertung des Transferpakets . . . . . . . . . . . . 101 (1) Indirekte Bewertung des Transferpakets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 (2) Direkte Bewertung des Transferpakets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 bb) Bewertungsmaßstab – Der Reingewinn nach Steuern (Barwert) . . . . 104 (1) Der Reingewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 (2) Berücksichtigung von Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 (a) Berücksichtigung von Steuern auf Unternehmensebene . . . 107 (b) Berücksichtigung von Steuern auf Anteilseignerebene . . . . 108

Inhaltsverzeichnis

11

(c) Erfassung der Besteuerung des Veräußerungsgewinns . . . . . 109 (d) Berücksichtigung einer steuermindernden Abschreibung . . . 110 (3) Der funktions- und risikoadäquate Zinssatz . . . . . . . . . . . . . . . . 112 (4) Prognosezeitraum und Bewertungszeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . 113 c) Zwischenfazit: Rechtsfolge einer Funktionsverlagerung im deutschen Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 5. Die Gesamtbewertung des Transferpakets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 a) Hintergrund und Rechtfertigung der Gesamtbewertung des Transferpakets 117 aa) Erfassung der Übertragung von immateriellen Vermögenswerten . . . 117 bb) Erfassung der Übertragung eines Geschäfts- und Firmenwerts . . . . . 121 (1) Der Geschäfts- und Firmenwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 (2) Übergang des Geschäfts- und Firmenwerts . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 cc) Erfassung der Übertragung von Geschäftschancen . . . . . . . . . . . . . . 126 dd) Gesamtbewertung erst bei Vorliegen eines Teilbetriebs? . . . . . . . . . . 129 ee) Übergang eines going concern? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 b) Ausnahmen von der Gesamtbewertung gemäß dem AStG und der FVerlV 133 aa) Ausnahmen von der Gesamtbewertung gemäß dem AStG a. F. und der FVerlV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 bb) Neufassung des § 1 Abs. 3 Sätze 9 und 10 AStG . . . . . . . . . . . . . . . . 135 cc) Zwischenfazit: Ausnahmen von der Gesamtbewertung gemäß dem AStG und der FVerlV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 c) Exkurs: Nutzungsüberlassung – Minderung steuerlicher Härten . . . . . . . 138 d) Zwischenfazit: Die Gesamtbewertung des Transferpakets . . . . . . . . . . . . 141 II. Die Funktionsverlagerung aus Sicht der OECD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 III. Präzisierung des Fremdvergleichsgrundsatzes – Etablierung von Rechtssicherheit 146 IV. Prüfung, Dokumentation und Steuerbefolgungskosten einer Funktionsverlagerung 151 1. Prüfung einer Funktionsverlagerung seitens der Finanzverwaltung . . . . . . . 151 2. Lösungsansätze für Verrechnungspreisdispute des Steuerpflichtigen mit der Finanzverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 3. Dokumentation einer Funktionsverlagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 4. Steuerbefolgungskosten einer Funktionsverlagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 V. Steuerplanung bei einer grenzüberschreitenden Umstrukturierung II . . . . . . . . . 164 C. Empirische Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 I.

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168

II. Forschungsdesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 1. Wahl der schriftlichen Befragung als Erhebungsinstrument . . . . . . . . . . . . . 171

12

Inhaltsverzeichnis 2. Der Fragebogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 a) Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 b) Die Entwicklung des Fragebogens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 c) Besonderheiten des Onlinefragebogens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 d) Das Anschreiben zum Fragebogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 III. Bestimmung von Grund- und Erhebungsgesamtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 2. Bestimmung von Grundgesamtheit und Stichprobe der empirischen Unter­ suchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 a) Beratungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 b) Unternehmen im Sinne des § 1 AStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 c) Betriebsprüfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 IV. Durchführung und Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 1. Versand der Einladungen zur Teilnahme an der Untersuchung . . . . . . . . . . . 190 2. Analyse und Bewertung des Rücklaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 a) Analyse und Bewertung des Rücklaufs – Beratungsunternehmen . . . . . . 191 b) Analyse und Bewertung des Rücklaufs – Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . 195 c) Zusammenfassung – Analyse und Bewertung des Rücklaufs . . . . . . . . . . 198 3. Deskription des Untersuchungsfeldes (nach Rücklauf) . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 a) Charakteristika der Beratungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 b) Charakteristika der Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 4. Ergebnisse der empirischen Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 a) Einfluss der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen auf das Entscheidungsverhalten von Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 b) Einfluss der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen auf die Komplexität des Steuerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 c) Einfluss der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen auf die Rechtssicherheit – Präzisierung des Fremdvergleichsgrundsatzes . . . 240 d) Den Verlagerungsvorgängen zugrundeliegende Funktionen . . . . . . . . . . . 261 e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263

Thesenförmige Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 Anhang I: Gesetzestext des § 1 AStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 Anhang II: Einladungsanschreiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 Anhang III: Fragebogen Beratungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 Anhang IV: Fragebogen Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282

Inhaltsverzeichnis

13

Anhang V: Teilnehmergruppenauswertung – Beratungsunternehmen/Unternehmen 288 Anhang VI: Teilnehmergruppenauswertung – Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 Anhang VII: Teilnehmergruppenauswertung – Beratungsunternehmen . . . . . . . . . 292 Anhang VIII: Übersicht Ergebnisse Binomialtest – Beratungsunternehmen . . . . . . 295 Anhang IX: Übersicht Ergebnisse Binomialtest – Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . 297 Anhang X: Übersicht Zusammenhänge – Beratungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . 299 Anhang XI: Übersicht Zusammenhänge – Unternehmen (Steuerabteilung) . . . . . . 301 Anhang XII: Übersicht Größenklasse Unternehmen und Größenordnung der verlagerten Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 I.

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304

II. Rechtsquellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 1. Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 2. Richtlinien und Verordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 3. Gesetzesmaterialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 4. Internationale Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 5. EG-Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 6. Doppelbesteuerungsabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 III. Rechtsprechungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 1. Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 2. Entscheidungen des Reichsfinanzhofs (RFH) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 3. Entscheidungen der Finanzgerichte (FG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 4. Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 5. Entscheidungen des Reichsgerichts (RG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 6. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) . . . . . . . . . . . . . . 346 7. Entscheidungen der Landgerichte (LG) und Oberlandesgerichte (OLG) . . . 346 8. Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) . . . . . . . . . . . . . . . 347 IV. Verzeichnis der Verwaltungsanweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349

Tabellenverzeichnis Tabelle 1:

Vier Formen der Aus- bzw. Verlagerung von wirtschaftlichen Aktivitäten 46

Tabelle 2:

Besteuerung der Gewinnausschüttung einer ausländischen Tochtergesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

Tabelle 3:

Aperiodische Steuereffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55

Tabelle 4:

Korrekturnormen bei der Nutzungsüberlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139

Tabelle 5:

Verwendete Intervallskalen im Fragebogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177

Tabelle 6:

Verwendete Ordinalskalen im Fragebogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178

Tabelle 7:

Zusammensetzung des Rücklaufs der Teilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . 192

Tabelle 8:

Zusammensetzung des Rücklaufs der Absagen und spezifische Rücklaufquoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192

Tabelle 9:

Übersicht über die Gründe einer Nichtteilnahme – Beratungsunter­ nehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193

Tabelle 10:

Zusammensetzung des gesamten Rücklaufs und Übersicht über die spezifischen Rücklaufquoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193

Tabelle 11:

Übersicht über die Gründe einer Nichtteilnahme – Unternehmen . . . . . 197

Tabelle 12:

Übersicht über den Rücklauf der Absagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197

Tabelle 13:

Übersicht Standardabsagen – Kontaktvariante . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199

Tabelle 14:

Position der Teilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200

Tabelle 15 :

Definition von Kleinstunternehmen sowie kleinen und mittleren Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204

Tabelle 16:

Auszug Einordnung in Größenklassen gem. § 3 BpO . . . . . . . . . . . . . . 205

Tabelle 17:

Test auf Binomialverteilung (I) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213

Tabelle 18:

Bedeutende Aspekte für den Standort Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . 214

Tabelle 19:

Test auf Binomialverteilung (II) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215

Tabelle 20:

Bedeutung der Dokumentation in Abhängigkeit zur Zugehörigkeitsdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221

Tabelle 21:

Inanspruchnahme Beratungs-Know-how – Budget – Beratungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225

Tabelle 22:

Inanspruchnahme Beratungs-Know-how – Budget – Unternehmen . . . 226

Tabellenverzeichnis

15

Tabelle 23:

Inanspruchnahme Beratungs-Know-how – Veränderung Anzahl Beratungsleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227

Tabelle 24:

Zusätzliches Personal eingestellt in Abhängigkeit zur Position . . . . . . . 228

Tabelle 25:

Spezialwissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229

Tabelle 26:

Gestaltungsalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230

Tabelle 27 :

Spezialwissen – Inanspruchnahme Beratungs-Know-how – Beratungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231

Tabelle 28:

Spezialwissen – Budget – Beratungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . 231

Tabelle 29 :

Spezialwissen – Inanspruchnahme Beratungs-Know-how – Unternehmen 232

Tabelle 30:

Spezialwissen – Budget – Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232

Tabelle 31:

Spezialwissen in Abhängigkeit zur Position . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233

Tabelle 32:

Gestaltungsalternativen – Budget – Beratungsunternehmen . . . . . . . . . 234

Tabelle 33:

Korrelation administrativer und monetärer Aufwand – Beratungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236

Tabelle 34 :

Korrelation administrativer und monetärer Aufwand – Unternehmen . . 236

Tabelle 35:

Gruppenstatistik (I) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238

Tabelle 36:

Administrativer Aufwand in Abhängigkeit zur Position . . . . . . . . . . . . 238

Tabelle 37:

Gruppenstatistik (II) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240

Tabelle 38:

Positionen/Akzeptanz von Verrechnungspreisen für Verlagerungsvorgänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241

Tabelle 39:

Akzeptanz von Verrechnungspreisen – Verlagerungsvorgänge unterlassen 242

Tabelle 40:

Zusammenfassende Übersicht – Konkrete Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . 243

Tabelle 41:

Zusammenfassende Übersicht – Praxisgeeignet . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245

Tabelle 42:

Zusammenfassende Übersicht – OECD entsprechender Ansatz . . . . . . 245

Tabelle 43:

Praxisgeeignet – Verlagerungsvorgänge unterlassen . . . . . . . . . . . . . . . 245

Tabelle 44:

OECD entsprechender Ansatz – Verlagerungsvorgänge unterlassen . . . 246

Tabelle 45:

OECD entsprechender Ansatz – Akzeptanz von Verrechnungspreisen – Beratungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247

Tabelle 46:

OECD entsprechender Ansatz – Akzeptanz von Verrechnungspreisen – Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247

Tabelle 47:

Position/Praxisgeeignet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248

Tabelle 48:

Position/OECD-Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249

Tabelle 49:

Korrelation Ergebnis der Betriebsprüfung Vergangenheit und Erwartung für die Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253

16

Tabellenverzeichnis

Tabelle 50:

Korrelation Ergebnis der Betriebsprüfung Vergangenheit und Erwartung für die Zukunft (II) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254

Tabelle 51:

Zu welchem Verfahren führte diese Prüfung überwiegend in Abhängigkeit des Ergebnisses der Betriebsprüfung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256

Tabelle 52:

Zu welchem Verfahren wird diese Prüfung überwiegend in Abhängigkeit des Ergebnisses der Betriebsprüfung führen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257

Tabelle 53:

Entwicklung Wertansätze für Verlagerungsvorgänge – Verlagerungsvorgänge unterlassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259

Tabelle 54:

Gruppenstatistik (III) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1:

Lieferungs- und Leistungsaustausch – Internationaler Konzern . . . . . . 36

Abbildung 2:

Gestaltungsmöglichkeiten der Verlagerung einer wirtschaftlichen Aktivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

Abbildung 3:

Barrieren bei einer Verlagerung (Auszug) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

Abbildung 4:

Mögliche Beteiligte bei einer Funktionsverlagerung im internationalen Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183

Abbildung 5:

Spezifische Rücklaufquoten – Beratungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . 192

Abbildung 6: Spezifische Rücklaufquoten – Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 Abbildung 7:

Position der Teilnehmer – Beratungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . 200

Abbildung 8:

Größenklasse (Umsatz in EUR pro Jahr) – Unternehmen . . . . . . . . . . . 205

Abbildung 9:

Wirtschaftszweig – Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206

Abbildung 10: Position der Teilnehmer – Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 Abbildung 11: Position der Teilnehmer – Unternehmen (II) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 Abbildung 12: Entwicklung Verlagerungsvorgänge seit dem Jahr 2008 . . . . . . . . . . . . 210 Abbildung 13: Verlagerungsvorgänge seit dem Jahr 2008 unterlassen bzw. reduziert . 210 Abbildung 14: Gründe für das Unterlassen bzw. Reduzieren von Funktionsverlagerungen 212 Abbildung 15: Bedeutende Aspekte für eine Reduzierung von Verlagerungsvorgängen (Sehr hoch und hoch) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 Abbildung 16: Politische Rahmenbedingungen – Vergleich Zugehörigkeitsdauer . . . . 216 Abbildung 17: Wirtschaftsethische Aspekte – Vergleich Zugehörigkeitsdauer . . . . . . . 217 Abbildung 18: Steuerliche Konsequenzen – Vergleich Zugehörigkeitsdauer . . . . . . . . 217 Abbildung 19: Einfluss auf die Dokumentation – Beratungsunternehmen . . . . . . . . . . 218 Abbildung 20: Einfluss auf die Dokumentation – Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Abbildung 21: Umfang der Dokumentation – Teilnehmergruppen . . . . . . . . . . . . . . . . 220 Abbildung 22: Einsatz von unternehmensexternen Beratern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Abbildung 23: Übersicht über die Gründe für eine Verrechnungspreisberatung . . . . . . 222 Abbildung 24: Inanspruchnahme von unternehmensexternem Beratungs-Know-how . 223 Abbildung 25: Budget für die steuerliche Verrechnungspreisberatung erhöht . . . . . . . . 224

18

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 26: Budget für die steuerliche Verrechnungspreisberatung erhöht (II) . . . . 225 Abbildung 27: Entwicklung Anzahl der Beratungsleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 Abbildung 28: Zusätzliches Personal eingestellt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 Abbildung 29: Spezialwissen/Gestaltungsalternativen – Beratungsunternehmen . . . . . 229 Abbildung 30: Spezialwissen/Gestaltungsalternativen – Unternehmen . . . . . . . . . . . . . 229 Abbildung 31: Administrativer Aufwand – Unternehmen/Beratungsunternehmen . . . . 237 Abbildung 32: Monetärer Aufwand – Unternehmen/Beratungsunternehmen . . . . . . . . 239 Abbildung 33: Monetärer Aufwand – Steuerabteilung/Beratungsunternehmen . . . . . . 240 Abbildung 34: Akzeptanz von Verrechnungspreisen für Verlagerungsvorgänge . . . . . . 241 Abbildung 35: Konkrete Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 Abbildung 36: Praxisgeeignet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 Abbildung 37: OECD-Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 Abbildung 38: Erfahrung mit der Betriebsprüfung vor 2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 Abbildung 39: Erfahrung mit der Betriebsprüfung seit 2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 Abbildung 40: Zukunftserwartung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 Abbildung 41: Ergebnis der Betriebsprüfung – Erhöhung der Bemessungsgrundlage – Beratungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 Abbildung 42: Ergebnis der Betriebsprüfung – Erhöhung der Bemessungsgrundlage – Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 Abbildung 43: Zu welchem Verfahren führte diese Prüfung überwiegend? – Beratungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 Abbildung 44: Zu welchem Verfahren wird diese Prüfung überwiegend führen? – Beratungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 Abbildung 45: Entwicklung Wertansätze für Verlagerungsvorgänge . . . . . . . . . . . . . . . 258 Abbildung 46: Rechtssicherheit – Unternehmen/Beratungsunternehmen – Fremdvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 Abbildung 47: Rechtssicherheit – Steuerabteilung/Beratungsunternehmen – Fremdvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 Abbildung 48: Größenordnung der verlagerten Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 Abbildung 49: Aktivitäten, die überwiegend ins Ausland verlagert wurden . . . . . . . . . 263

Abkürzungsverzeichnis a. A. anderer Ansicht/Auffassung Abl. Amtsblatt der Europäischen Union Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Abl. EG Abs.  Absatz Abschn. Abschnitt abzgl. abzüglich Anwendungserlass zur Abgabenordnung AEOA a. F. alte Fassung AfA Absetzung für Abnutzung AG Aktiengesellschaft/Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) AK Anschaffungskosten AktG Aktiengesetz Alt. Alternative Anm. Anmerkung AO Abgabenordnung Arbkr. Arbeitskreis Art. Artikel AStG Gesetz über die Besteuerung von Auslandsbeziehungen ATO Australian Taxation Office Aufl. Auflage Aktenzeichen Az. BB Betriebs-Berater (Zeitschrift) BC Bilanzbuchhalter und Controller (Zeitschrift) begründet begr. BFH Bundesfinanzhof BFHE Entscheidungen des Bundesfinanzhofs BFH/NV Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – nicht veröffentlicht (Zeitschrift) BFuP Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis (Zeitschrift) BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen BGHZ bgN betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer BilMoG Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz Bundesministerium der Finanzen BMF BR-Drs. Bundesrat-Drucksache bspw. beispielsweise BStatG Gesetz über die Statistik für Bundeszwecke BStBk Bundessteuerberaterkammer BStBl. Bundessteuerblatt

20

Abkürzungsverzeichnis

Bundestag-Drucksache BT-Drs. Buchst. Buchstabe BVerfG Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerfGE BWF Barwertfaktor BZ Börsen-Zeitung Bundeszentralamt für Steuern BZSt bzw. beziehungsweise CAPM Capital Asset Pricing Model Canada Revenue Agency CRA DB Der Betrieb (Zeitschrift) Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DoppelbesteueDBA rungsabkommen) Discounted Cashflow DCF ders. derselbe d. h. das heißt dies. dieselben/dieselbe diesbezüglich diesbzgl. DIHK Deutscher Industrie- und Handelskammertag Diss. Dissertation DIW Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung DNotZ Deutsche Notar-Zeitschrift Der Sachverständige (Zeitschrift) DS Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) DStR DStRE Deutsches Steuerrecht – Entscheidungsdienst (Zeitschrift) DStZ Deutsche Steuer-Zeitung (Zeitschrift) Earnings before interest and taxes EBIT Entscheidungen der Finanzgerichte (Zeitschrift) EFG Europäische Gemeinschaft EG Einl. Einleitung EK Eigenkapital Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz ErbStG ErbStRG Erbschaftsteuerreformgesetz Ergänzungslieferung Erg.-Lfg. Der Ertragsteuerberater (Zeitschrift) EStB EStG Einkommensteuergesetz EStH Einkommensteuer-Hinweise EStR Einkommensteuerrichtlinien et al. et alii EU Europäische Union EUR Euro Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EuZW evtl. eventuell Europäische Zentralbank EZB f. folgende F. Framework Finanz-Betrieb (Zeitschrift) FB ff. fortfolgende

Abkürzungsverzeichnis FG Finanzgericht Finanzrundschau (Zeitschrift) FR FS Festschrift FVerlV Funktionsverlagerungsverordnung GAufzV Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung Der Gesellschafter (Zeitschrift) GesRZ GewStG Gewerbesteuergesetz Gleicher Auffassung/Ansicht Gl. A. Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbHG Die GmbH-Rundschau (Zeitschrift) GmbHR GmbH-StB GmbH-Steuer-Berater (Zeitschrift) Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung GoB Großer Senat (des Bundesfinanzhofs) GrS Graduate School of Law, Economics and Society GSLES GuV Gewinn- und Verlustrechnung Hdb. Handbuch HGB Handelsgesetzbuch herausgegeben hrsg. Halbsatz Hs. i. d. F. in der Fassung i. d. R. in der Regel IDW Institut der Wirtschaftsprüfer IDW Fachnachrichten (Zeitschrift) IDW-FN im eigentlichen Sinn i. e. S.  IfM Institut für Mittelstandsforschung IFRS International Financial Reporting Standards i. H. v. in Höhe von insbesondere insb. Internal Revenue Service IRS Zeitschrift für Internationale Rechnungslegung IRZ im Sinne des/der i. S. d. ISI Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung Internationales Steuerrecht (Zeitschrift) IStR ITPJ International Transfer Pricing Journal (Zeitschrift) in Verbindung mit i. V. m. Institut der deutschen Wirtschaft Köln IW Internationale Wirtschaftsbriefe (Zeitschrift) IWB Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln iwd Jg. Jahrgang Kap. Kapitel Kleine und mittelständische Unternehmen KMU Kapitalmarktorientierte Rechnungslegung (Zeitschrift) KoR KPM Knowledge and Process Management (Zeitschrift) KStG Körperschaftsteuergesetz KStR Körperschaftsteuerrichtlinien LG Landgericht Millionen Mio. MNU multinationale Unternehmen/Unternehmung

21

22

Abkürzungsverzeichnis

Milliarde Mrd. m. w. N. mit weiteren Nachweisen/Nennungen n. F. neue Fassung Number No. Nr. Nummer Neue Wirtschafts-Briefe (Zeitschrift) NWB Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht (Zeitschrift) NZG OECD Organisation for Economic Co-operation and Development OECD-MA OECD-Musterabkommen OECD-RL OECD-Verrechnungspreisrichtlinien OLG Oberlandesgericht per anno p. a. Praxis der Internationalen Rechnungslegung (Zeitschrift) PiR Preußische Einkommensteuergesetz PrEStG PwC PricewaterhouseCoopers PWP Perspektiven der Wirtschaftspolitik (Zeitschrift) R Richtlinie Randnummer Rd. RdA Recht der Arbeit (Zeitschrift) RFH Reichsfinanzhof RG Reichsgericht RGZ Entscheidungssammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Recht der internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) RIW Rn. Randnummer Rspr. Rechtsprechung RStBl. Reichssteuerblatt Rz. Randziffer Seite S.  Sec. Section SER The Singapore Economic Review (Zeitschrift) Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der EuroSEStEG päischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften steuer-journal (Zeitschrift) sj Dänische Steuer- und Zollverwaltung SKAT Sammlung Slg. Sp. Spalte S:R Status:Recht (Zeitschrift) StB Der Steuerberater (Zeitschrift) Stbg Die Steuerberatung (Zeitschrift) StbJb Steuerberaterjahrbuch StBp Die steuerliche Betriebsprüfung (Zeitschrift) stR Stille Reserven Steuern und Bilanzen (Zeitschrift) StuB StuW Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) StVergAbG Steuervergünstigungsabbaugesetz Tax Management – Transfer Pricing Report (Zeitschrift) TMTP

Abkürzungsverzeichnis Textziffer Tz. Textziffern Tzn. unter anderem u. a. Die Unternehmensbesteuerung (Zeitschrift) Ubg UMAG Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts UmwG Umwandlungsgesetz UmwStG Umwandlungssteuergesetz Universität Univ. UntStRefG Unternehmensteuerreformgesetz US United States (of America) United States Generally Accepted Accounting Principles US-GAAP und so weiter usw. u. U. unter Umständen UW Unternehmenswert v. von/vom v. a. vor allem Verwaltungsgrundsätze Funktionsverlagerung VerwGr-FVerl verdeckte Gewinnausschüttung vGA vergleiche vgl. Vol. Volume Vorbem. Vorbemerkung Verwaltungsgrundsätze 1983 VWG 1983 WG Wirtschaftsgut WiB Wirtschaftsrechtliche Beratung (Zeitschrift) Wirtschaftswissenschaftliches Studium (Zeitschrift) WiSt Das Wirtschaftsstudium (Zeitschrift) WISU Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift) WPg Wettbewerb in Recht und Praxis (Zeitschrift) wrp zum Beispiel z. B. ZfB Zeitschrift für Betriebswirtschaft zfbf Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung Zeitschrift für Controlling & Management ZfCM ZfHF Zeitschrift für Handelswissenschaftliche Forschung Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht ZfWB Zahlungsmittelgenerierenden Einheit ZGE ZGR Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht ZHR Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht ZPO Zivilprozessordnung zugleich zugl. z. w. T. zu wenige Teilnehmer zuzüglich zzgl.

23

Symbolverzeichnis BW Buchwert (des Transferpakets) FP Fremdvergleichspreis (des Transferpakets) Gewinn des Konzerns GK Gewinn der Muttergesellschaft GMG Gewinn der Tochtergesellschaft GTG Grenzpreis bzw. Wert des Transferpakets des Verkäufers bzw. Käufers GPi Grenzpreis der Funktion des funktionsabgebenden Unternehmens GPFAbg Grenzpreis der Funktion des funktionsaufnehmenden Unternehmens GPFAufn i sicherer Zinssatz/Basiszinsfuß/risikofreier Zinssatz Zinssatz im Ausland iA iS Nettokalkulationszinssatz Zinssatz in Deutschland iD RG Reingewinn nach Steuern Reingewinn nach Steuern zum Zeitpunkt t RGt s Steuersatz Steuerbelastung im Auslandsfall bei 100 %iger Ausschüttung und sA 100 %iger Beteiligung der Mutterkapitalgesellschaft an der Tochterkapitalgesellschaft Steuersatz in der Bundesrepublik Deutschland sD sESt Einkommensteuersatz/Abgeltungsteuersatz sGewSt Gewerbesteuersatz sKSt Körperschaftsteuersatz Körperschaftsteuersatz im Ausland sKStA sQuellensteuer Quellensteuersatz sSolZ Solidaritätszuschlag Steuerbelastung des Veräußerungsgewinns SVG stille Reserven des Transferpakets stRTP t Zeitpunkt t T Dauer der Periode/Endzeitpunkt T Unternehmenswert nach der Verlagerung UWNV Unternehmenswert vor der Verlagerung UWVV Veräußerungspreis bzw. Verrechnungspreis des Transferpakets VPF

Einleitung Geschäftsleiter von Unternehmen haben die Unternehmensstrategie am Unternehmensinteresse und zum Wohl der Gesellschaft auszurichten, um eine langfristige Rentabilität des Unternehmens zu sichern. Um dieses Ziel zu erreichen, sind u. a. die Unternehmensstruktur sowie die Wertschöpfungskette effizient auszugestalten. Dabei stellt „eine einmal in organisatorischer und rechtlicher Hinsicht gewählte Struktur“ für ein Unternehmen „nichts Endgültiges“1 dar, sodass Geschäftsleiter Unternehmensumstrukturierungen vornehmen werden, um die Unternehmensstruktur an das sich wandelnde Umfeld anzupassen. Durch das Zusammenwachsen nationaler Volkswirtschaften in eine gemeinsame Weltwirtschaft mit umfassenden grenzüberschreitenden Austauschbeziehungen2 und der Möglichkeit der Erschließung neuer Märkte seitens der Unternehmen sowie der Mobilität und Flexibilität derselbigen, erfolgen solche Umstrukturierungen auch grenzüberschreitend. Diese länderübergreifenden Sachverhalte bieten steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten, wodurch die Bedeutung des internationalen Steuerrechts3 sowohl für die Unternehmen selbst als auch für die betroffenen Fisken zunimmt. Zum einen kann der Steuerpflichtige in anderen Staaten steuerlich günstigere Bedingungen in Anspruch nehmen,4 zum anderen können infolge von Umstrukturierungsmaßnahmen Gewinnverschiebungen in andere Staaten stattfinden und die Steuereinnahmen des ursprünglichen Staates vermindern. Da solche Umstrukturierungsvorgänge vornehmlich konzernintern stattfinden, bedürfen diese Transaktionen aufgrund eines unterstellten mangelnden Interessengegensatzes zwischen den beteiligten Unternehmen, einer besonderen steuerlichen Würdigung, um willkürliche Gewinnverschiebungen zu verhindern. In diesem Zusammenhang erfahren insbesondere Verlagerungsvorgänge von speziell auf mobilen Produktionsfaktoren beruhenden wirtschaftlichen Aktivitäten eines Unternehmens zentrale Bedeutung,5 die bspw. durch Produktion, Vertrieb, Forschung und Entwicklung, Beschaffung, Finanzierung, Investition, Leitung und Verwaltung repräsentiert werden.6 Dabei wird regelmäßig nicht nur die hier zugehörige Aktivitätsausübung selbst übertragen, sondern es erfolgt zudem ein Transfer von Vermögenswerten, die sich im Vermögen der übertragenden Gesellschaft 1

Herzig (1994), S. 1. Vgl. auch Burkert (2003b), S. 360. Der Globalisierungsprozess ist keine neue Erscheinung, da sich dieser bis in die Kolonial­ zeit zurückverfolgen lässt. Vgl. Macharzina/Fisch (2004), Sp. 359; Koch (2006), S. 5. 3 Vgl. hierzu Kluge (2000), Rn. A 3; Vogel (2008), Einl. Rz. 6. 4 Vgl. Schön (2003), S. 175. 5 Vgl. auch Kluge (2000), Rn. N 350; Schreiber (2008b), S. 469. 6 Vgl. Eisele (2003), S. 11. 2

26

Einleitung

befinden. Insbesondere immateriellen Werten kommt eine wesentliche Bedeutung zu.7 Im Folgenden werden die Verlagerungen von Funktionen und wirtschaftlichen Aktivitäten, die Teil eines Umstrukturierungsvorganges sein können, synonym verstanden, wobei sich der Ausdruck der Verlagerung einer Funktion speziell auf das AStG bezieht. Nicht nur der Verlust der künftigen Ertragskraft des inländischen Unternehmens ist von fiskalischem Interesse. Bedeutender ist die steuerliche Erfassung von stillen Reserven, die den zu verlagernden Vermögenswerten und Vorteilen innewohnen. Diese sind zu besteuern, wenn sie am Markt z. B. durch einen Verkauf des die stillen Reserven enthaltenden Wirtschaftsguts bestätigt werden, eine Änderung der persönlichen, sachlichen oder räumlichen Zurechnung erfolgt.8 Folgerichtig versucht nicht nur die Bundesrepublik Deutschland Verlagerungsvorgänge und, damit einhergehend, den Übergang von Vermögenswerten und Vorteilen in steuerrechtlichen Normen zu erfassen. Dennoch soll dieser staatliche Eingriff nur einen geringen bzw. keinen Einfluss auf eine unternehmerische Entscheidung haben, da anderenfalls die Überlegungen von Geschäftsleitern verzerrt werden können, was u. U. zu ökonomisch unvorteilhaften Entscheidungen führt.9 Eine dieser Normen ist die Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen i. S. d. § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG, die mit dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008 (UntStRefG)10 normiert und durch die Funktionsverlagerungsverordnung (FVerlV)11 sowie die Verwaltungsgrundsätze Funktionsverlagerung12 ergänzt wurde.13 Hierdurch werden die Übertragung und Verlagerung von unternehmerischen Funktionen auf ausländische nahe stehende Personen erfasst. Im Folgenden werden der Ausdruck nahe stehende Person im Sinne des AStG und der Ausdruck Konzern bzw. konzernintern synonym verwendet, obwohl der aktienrechtliche Konzernbegriff nicht deckungsgleich sein muss (siehe hierfür §§ 15–19 AktG).

7

Vgl. Finsterwalder (2006), S. 355; Engel (1986), S. 12 f. Stille Reserven stellen die Differenz zwischen dem tatsächlichen Wert eines Wirtschaftsguts und dessen steuerlichem Wert dar. Das Realisationsprinzip verbietet den steuerlichen Zugriff auf Wertsteigerungen vor deren Bestätigung durch einen Umsatzakt. Dabei ist zu unterscheiden, ob das betreffende Wirtschaftsgut dem Betriebs- oder dem Privatvermögen zuzuordnen ist, sowie zu differenzieren, ob bspw. eine Übertragung auf eine Kapitalgesellschaft oder eine Betriebsstätte vorgenommen wird. Vgl. Scheffler (2009), S. 441; Schreiber (2008b), S. 470. 9 Vgl. Schön (2003), S. 154 f. 10 UntStRefG v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, S. 1912. 11 Verordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes nach § 1 Abs. 1 des Außensteuergesetzes in Fällen grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen (Funktionsverlagerungsverordnung – FVerlV) v. 12.8.2008, BGBl. I 2008, S. 1680, BStBl. I 2009, S. 34. 12 Grundsätze für die Prüfung der Einkunftsabgrenzung zwischen nahe stehenden Personen in Fällen von grenzüberschreitenden Funktionsverlagerungen (Verwaltungsgrundsätze Funktionsverlagerung). Vgl. BMF v. 13.10.2010 IV B 5 – S 1341/08/10003, BStBl. I 2010, S. 774–810. 13 Sogenannte Trias-Lösung. 8

Einleitung

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§ 1 Abs. 3 Satz 9 AStG statuiert: „Wird eine Funktion einschließlich der dazugehörigen Chancen und Risiken und der mit übertragenen oder überlassenen Wirtschaftsgüter und sonstigen Vorteile verlagert (Funktionsverlagerung) und ist auf die verlagerte Funktion Satz 5 anzuwenden, weil für das Transferpaket als Ganzes keine zumindest eingeschränkt vergleichbaren Fremdvergleichswerte vorliegen, hat der Steuerpflichtige den Einigungsbereich auf der Grundlage des Transferpakets unter Berücksichtigung funktions- und risikoadäquater Kapitalisierungszinssätze zu bestimmen.“14 Ein Zweck dieser Regelung ist die Vermeidung von Gewinnverlagerungen ins Ausland, die auf unangemessenen Entgelten zwischen nahe stehenden Personen beruhen.15 Folgerichtig werden im vorgenannten Sinne verstandene Funktionsverlagerungen systematisch den Verrechnungspreisen zugeordnet16 und sind besonders im Hinblick der Angemessenheit von Verrechnungspreisen zu beurteilen.17 Die Rechtsfolge einer Funktionsverlagerung ist, dass regelmäßig eine Bewertung eines Transferpakets unter der Berücksichtigung von funktions- und risikoadäquaten Zinssätzen vorzunehmen ist, um die Bemessung des Entgelts für die Verlagerung einer Funktion als angemessen zu beurteilen. Diese ertragswertorientierte Gesamtbewertung18 ist an die Grundsätze der Unternehmensbewertung angelehnt und soll eine fremdvergleichskonforme Erfassung einer Funktionsverlagerung gewährleisten. Dieses Vorgehen, das kritisiert wird und sogar zur Forderung der Abschaffung der Regelung führte,19 kann einerseits als vorbildhaft, andererseits als unkoordiniertes Verhalten zu Ungunsten eines reibungslosen Welthandels angesehen werden, da kein anderer Staat neben der Bundesrepublik Deutschland bis zum damaligen Zeitpunkt solch eine explizite Regelung im nationalen Recht begründet hatte.20 Da es sich derzeit jedoch um eine der wichtigsten Diskussionen im internationalen Steuerrecht handelt,21 hat auch die OECD seit dem 22.7.2010 dem Bereich business restructurings ein Kapitel (Kapitel IX) in den OECD-Verrechnungspreisrichtlinien (OECD-RL) gewidmet.22 14

Wortlaut mit dem Art. 11 Gesetz zur Umsetzung steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften v. 8.4.2010 geändert. Vgl. BGBl. I 2010, S. 386. 15 Vgl. Scheffler (2009), S. 453. 16 Vgl. Jahndorf (2008), S. 101. 17 Vgl. Rödl (2007), Rn. 64. 18 Der Ertragswert stellt den wichtigsten Wert bei der Bewertung (von Anlagen) dar. Es ist die Frage zu stellen, welcher Gewinn in der Zukunft erzielt werden kann. Vgl. Schmalenbach (1918), S. 1. 19 Vgl. BT-Drs. 16/12525, S. 3, 7. 20 Vgl. Sieker (2009), Art. 9 Rn. 341. – Die Bundesrepublik Deutschland galt, neben den USA, Italien und Großbritannien, ebenfalls bei der Systematisierung von Gewinnabgrenzungsregelungen als Vorreiter. Vgl. Engel (1986), S. 25; Markham (2005), S. 15. 21 Vgl. Werra (2009), S. 81; Markham (2005), S. 1; Ledure/Chatar (2009), S. 279; Mehafdi (2000), S. 365. 22 Vgl. OECD (2010a), Chapter IX. Vgl. hierzu Baumhoff/Puls (2009), S. 73–81; Greil (2009a), S. 55–62; Freudenberg/Ludwig (2011), S. 215–220.

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Derzeit23 liegen sechs Arbeiten vor, die sich eingehend mit dem Thema der Besteuerung von Funktionsverlagerungen im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG befassen: Heining leitet auf investitionstheoretischer Basis Entscheidungsmodelle für Funktionsverlagerungen her, Zech untersucht die Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen aus rechtlicher Sicht, Kasten untersucht die Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen vor dem Hintergrund des Fremdvergleichsgrundsatzes und stellt wirtschaftlich vergleichbare Handlungsalternativen zu Funktionsverlagerungen im Sinne des AStG dar, Ruiner zeigt die Wirkungsweise der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen auf, Wortmann identifiziert Schwachstellen der Regelung, analysiert diese kritisch und entwickelt Gestaltungsmöglichkeiten für den Steuerpflichtigen, v. Bredow untersucht die steuerlichen Konsequenzen aus betriebswirtschaftlicher Sicht sowohl qualitativ als auch quantitativ.24 Die vorliegende Arbeit unterscheidet sich von den angeführten Arbeiten insbesondere dahingehend, dass erstmals versucht wird, die praktischen Auswirkungen auf die Unternehmen anhand einer umfassenden Fragebogenstudie zu ermitteln. Da auch die Bundesregierung spätestens fünf Jahre nach dem Inkrafttreten des UntStRefG dem Bundesrat über die Erfahrungen mit der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen und deren Auswirkung auf die Unternehmen berichten soll,25 kann die vorliegende Arbeit hierzu einen Beitrag leisten. Ein Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, zuerst die gesetzliche Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen darzulegen, um einen wissenschaftlichen Beitrag zur Interpretation der Regelung zu leisten. Im Besonderen gilt es, die Tatbestandsvoraussetzungen und die Rechtsfolgen darzustellen und zu analysieren, den grundsätzlichen Einfluss aufgrund der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen auf die unternehmerische Entscheidungswirkung zu beschreiben und aufzuzeigen, ob die Regelung mit internationalen Grundsätzen im Einklang steht. Im Anschluss daran sollen die praktischen Auswirkungen der Regelung dargestellt werden. Die Erkenntnisse hierzu wurden im Rahmen einer empirischen Untersuchung gewonnen. Dabei stand insbesondere nachstehend formulierter Fragenkomplex im Fokus der Betrachtung: –– Hat die Etablierung der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen einen Einfluss auf das Entscheidungsverhalten von Unternehmen? –– Hat die Etablierung der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen eine Auswirkung auf die Komplexität des Steuerrechts? Sehen sich die betrof-

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Zum Zeitpunkt der Einreichung der Dissertationsschrift. Siehe Heining (2009); Zech (2009); Kasten (2012); Ruiner (2011); Wortmann (2011); v. Bredow (2011). 25 Vgl. BR-Drs. 352/08 (Beschluss). 24

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fenen Unternehmen also einem steigenden administrativen und monetären Aufwand gegenüber? –– Erfolgt mit der Etablierung der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen eine Präzisierung des Fremdvergleichsgrundsatzes? Trägt die Regelung demnach unmittelbar zur Rechtssicherheit bei? Dem Versuch, Vorstehendes beantworten zu wollen, wurde folgende Vorgehensweise zugrunde gelegt: Die Ausführungen basieren auf dem § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG, in dem explizit die Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen aufgenommen worden ist, und konzentrieren sich, vor dem Hintergrund der Zielsetzung der Arbeit, auf einen internationalen Konzern, dessen Konzerngesellschaften als Kapitalgesellschaften ausgestaltet sind und dessen Mutterkapitalgesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland ansässig ist.26 Es wird von einer positiven Anerkennungsprüfung ausgegangen, sodass der ausländische Unternehmenstypus einer der in § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG aufgeführten Kapitalgesellschaften entspricht.27 Die steuerliche Abschirmwirkung, die als rechtliche Folge des zivilrechtlichen Trennungsprinzips angesehen werden kann,28 soll als gewährleistet gelten, sodass nicht die zwischenstaatliche Zuordnung des Besteuerungsrechts oder die Anerkennung der Abschirmwirkung zu diskutieren ist. Vielmehr geht es um die angemessene Einkunftsabgrenzung zwischen einer inländischen funktionsabgebenden Gesellschaft und einer im Ausland ansässigen und funktionsaufnehmenden Gesellschaft. Zuerst sind in Kapitel A. im gebotenen Umfang die Grundlagen der internationalen Einkunftsabgrenzung darzustellen, die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 AStG anzuführen, da § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG Bezug auf § 1 Abs. 3 Satz 5 AStG nimmt, der wiederum eine Rechtsfolgenanordnung des § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG ist,29 und es ist aufzuzeigen, welche Bedeutung die Verlagerung von wirtschaftlichen Aktivitäten ins Ausland besitzt, welche Gründe hierfür ausschlaggebend sind, welche grundlegenden (steuerlichen) Aspekte von Relevanz sind und was bei einer diesbezüglichen Steuerplanung grundsätzlich zu beachten ist. Daran anknüpfend erfordert die Problemstellung in Kapitel B. speziell eine Untersuchung der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen i. S. d. AStG, um die Tatbestandsmerkmale für das Vorliegen einer Funktion sowie einer Funktionsverlagerung darzulegen. Daneben sind weitere Überlegungen notwendig, um eine Definition der Funktion für das Steuerrecht geben zu können. Eine Definition ist not 26 Die Kapitalgesellschaft ist die am häufigsten gewählte Form einer Auslandsinvestition. Vgl. u. a. Jacobs (2011), S. 428; Engel (1986), S. 8. 27 Zur Qualifikationsproblematik bei Kapitalgesellschaften vgl. Jacobs (2011), S. 429–434. 28 Vgl. Kluge (2000), Rn. N 136; Hey (2010a), S. 423; dies. (2010c), S. 902. – Das Konzept der Besteuerung der Kapitalgesellschaften ist durch das Trennungsprinzip gekennzeichnet. Vgl. hierzu Scheffler (2009), S. 287, 418; Schreiber (2008b), S. 76; Tipke (1981a), S. 100; Brockhagen (2007), S. 23; Jacobs (2009), S. 92. 29 Vgl. auch Zech (2009), S. 178; Kaminski (2010), S. 36.

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wendig, um eine Abgrenzung von anderen steuerrechtlichen Begriffen vornehmen bzw. einen gebotenen Vergleich zum Teilbetrieb ziehen zu können und das Erfordernis der Etablierung des Funktionsbegriffes im Steuerrecht darzulegen. Daran anschließend sind die möglichen Ausprägungen einer Funktionsverlagerung darzustellen, um den Verlagerungsvorgang selbst zu charakterisieren und beurteilen zu können, wann solch ein Vorgang eine steuerrechtliche Relevanz im Sinne des AStG besitzt bzw. wann die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Funktionsverlagerung im Sinne des AStG vorliegen. Daneben gilt es zu eruieren, wann es fremdvergleichskonform erscheint, die Verlagerung einer Funktion als die Verlagerung einzelner Wirtschaftsgüter oder einer organisatorischen Einheit aufzufassen. Die Beantwortung dieser Frage wirkt auf die Bewertung der Funktionsverlagerung und infolgedessen auf die steuerliche Erfassung von stillen Reserven, die den mit der Funktion in Verbindung stehenden und zu übertragenden Wirtschaftsgütern zuzurechnen sind. Speziell ist die gesetzlich vorgesehene an Unternehmensbewertungsgrundsätzen ausgerichtete ertragswertorientierte Gesamtbewertung für die Bewertung einer Funktion zu untersuchen. Bisher war diese Sichtweise im Steuerrecht den Betrieben und Teilbetrieben vorbehalten, denn bislang galt der Grundsatz der Einzelbewertung, wenn nicht (Teil-)Betriebe verlagert worden sind. Demgegenüber sieht § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG grundsätzlich eine ertragswertorientierte Gesamtbewertung vor. Dementsprechend steht die Rechtsfolgenseite im Mittelpunkt der Betrachtung. Da durch § 1 AStG, der dem Art. 9 Abs. 1 OECD-MA, welcher in den Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (Doppelbesteuerungsabkommen – DBA) wiedergegeben ist, nachgebildet ist, der Fremdvergleichsgrundsatz kodifiziert wird, ist auch fraglich, ob der bisher einheitlich verstandene Fremdvergleichsgrundsatz im Hinblick auf Funktionsverlagerungen (weiterhin) einheitlich zu begreifen ist. Vor allem wird das Prinzip des dealing at arm’s length der OECD fortwährend in der Ausarbeitung vergleichend zu den Ausführungen des AStG herangezogen. Dennoch bleibt speziell zu prüfen, ob die Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen in Übereinstimmung mit der internationalen Auffassung bzgl. einer fremdvergleichskonformen konzerninternen Umstrukturierung zu sehen ist oder ob Art. 9 OECD-MA im DBA-Fall eine Schrankenwirkung entfalten wird. Da konzerninternen Transaktionen unübliche Vereinbarungen zugrunde liegen können, benötigen solche Transaktionen einer besonderen steuerlichen Würdigung. Für die steuerliche Gewinnermittlung werden Verrechnungspreise daher seitens der Finanzverwaltung auf ihre steuerliche Angemessenheit hin überprüft. Demnach kann auch eine Funktionsverlagerung zwischen nahe stehenden Personen ein Prüfungspunkt einer Außenprüfung sein. Für die Prüfung eines solchen Verlagerungsvorganges ist die Finanzverwaltung aber auf die Mitwirkung des Steuerpflichtigen angewiesen. Deswegen haben die Steuerpflichtigen besondere Mitwirkungs- und Dokumentationspflichten zu erfüllen, die bei den Steuerpflich-

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tigen Steuerbefolgungskosten verursachen. Demzufolge und insbesondere vor dem Hintergrund der empirischen Untersuchung gilt es, diese drei Themengebiete im entsprechenden Umfang anzuführen. Gegenstand der Untersuchung ist hingegen nicht die auch mit dem UntStRefG eingeführte Preisanpassungsklausel des § 1 Abs. 3 Sätze 11 und. 12 AStG, da diese nicht ein Spezifikum der hier zu untersuchenden Funktionsverlagerung im Sinne des AStG ist.30 Auf diesen Ausführungen und den hieraus gewonnenen Erkenntnissen aufbauend wurde eine empirische Untersuchung durchgeführt, die in Kapitel III dargelegt wird. Hierzu gehören sowohl der Aufbau, der Ablauf der empirischen Untersuchung sowie deren Ergebnisse als auch die theoretischen Grundlagen hinsichtlich der Durchführung einer Fragebogenstudie. Die vorliegende Arbeit wird mit einer thesenförmigen Zusammenfassung abgeschlossen.

30 Hinsichtlich der Preisanpassungsklausel, die als nicht fremdvergleichskonform aufgefasst werden kann, vgl. Scholz (2007), S. 521–526; Peter/Spohn/Hogg (2008), S. 864–869; Luckhaupt (2009), S. 2358–2362; Greil (2009b), S. 567–573; Schaumburg (2009), S. 877– 882; Greinert/Thiele (2011), S. 1201 f. In Bezug auf Preisanpassungsklauseln zwischen fremden Dritten bei immateriellen Vermögenswerten vgl. auch OECD-RL, Tzn. 6.28–6.35.

A. Einführung: Konzerninterne Verlagerung wirtschaftlicher Aktivitäten I. Einkünfteabgrenzung zwischen nahe stehenden Personen 1. Grundlagen Jedes Steuersubjekt unterliegt mit seinem Welteinkommen in seinem Sitzstaat der unbeschränkten Steuerpflicht (§ 1 Abs. 1 und 2 KStG sowie § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 i. V. m. §§ 1 Abs. 1 und 2 EStG). Dabei hat die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens subjektbezogen zu erfolgen, da Ertragsteuern subjektbezogen bei dem jeweiligen Steuerpflichtigen zu erheben sind, bei dem der konkrete Tatbestand der Einkunftserzielung erfüllt ist (§ 2 Abs. 1 EStG) und diese durch entsprechende Tätigkeiten erwirtschaftet wird.1 Da einem Konzern (steuerlich) keine eigene Rechtspersönlichkeit zuerkannt wird, sondern diese vielmehr einen wirtschaftlichen Verbund aus rechtlich selbstständigen Unternehmen repräsentiert – Grundlage ist die zivilrechtliche Selbstständigkeit von juristischen Personen –, werden konzernzugehörige Unternehmen so besteuert, als wären sie rechtlich und wirtschaftlich selbstständig. Die Konsequenz hieraus ist, dass jede Unternehmenseinheit eines internationalen Konzerns (im Folgenden auch multinationale Unternehmen – MNU) als eigenständiges Steuersubjekt der unbeschränkten Steuerpflicht in ihrem jeweiligen Ansässigkeitsstaat unterliegt.2 Jedes Konzernunternehmen hat daher die steuerliche Bemessungsgrundlage nach den Gewinnermittlungsvorschriften seines Ansässigkeitsstaates zu ermitteln. Dabei wird diese Bemessungsgrundlage auch durch die Abrechnung der zwischen den verbundenen Unternehmen ausgetauschten Lieferungen und Leistungen beeinflusst. Schuldrechtliche Vertragsbeziehungen zwischen den Konzerngesellschaften werden grundsätzlich zivil- und steuerrechtlich anerkannt,3 was dazu führt, dass konzerninterne Leistungsbeziehungen für steuerrechtliche Aspekte wie solche mit außenstehenden Dritten abzurechnen sind.4

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Vgl. Lang (2010), S. 241 f., 246. Vgl. Kiesewetter (2005), S. 1; Brockhagen (2007), S. 23. 3 Vgl. Thiel (1993), S. 1802; Kessler (2008), S. 2; Burger/Ulbrich (2005), S. 31; Engel (1986), S. 5; Baumhoff (2005), Rn. C 227. 4 Vgl. Scheffler (2009), S. 287 f., 423; Jacobs (2011), S. 558 f. 2

I. Einkünfteabgrenzung zwischen nahe stehenden Personen

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Die Bedeutung dieses konzerninternen Leistungsaustauschs basiert auf der fortdauernden Ausbreitung des Welthandels mit Gütern und Dienstleistungen.5 Ungefähr zwei Drittel des gesamten Welthandels werden von MNU abgewickelt und circa ein Drittel des grenzüberschreitenden Warenverkehrs basiert auf einem unternehmensinternen Handel.6 Jedoch können solchen konzerninternen Transaktionen unübliche Vereinbarungen zugrunde liegen, da diese grundsätzlich nicht wie zwischen voneinander unabhängigen Dritten am Markt ausgehandelt werden müssen. Vielmehr fehlt regelmäßig der am Markt übliche Interessengegensatz zwischen den verbundenen Unternehmen. Es ist daher festzustellen, welche Erträge und Aufwendungen bei den einzelnen Gesellschaften veranlasst und durch die Teilnahme am Marktgeschehen erwirtschaftet wurden und ob die Veranlassung nicht im Gesellschaftsverhältnis begründet ist, da die Unternehmen nach ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu besteuern sind.7 Das heißt, es ist eine internationale Einkünftezuordnung – auch Einkunftsabgrenzung – vorzunehmen, um eine verursachungsgerechte Aufteilung des Gesamterfolgs zu erzielen, sodass Unternehmensgewinne dort besteuert werden, wo sie wirtschaftlich entstehen.8 Hieraus ergeben sich Konsequenzen für die Frage, welcher Staat die Einkünfte im Rahmen einer unbeschränkten Besteuerung erfassen kann und infolgedessen für das in- sowie das ausländische Steueraufkommen.9 2. Direkte Methode der Einkunftsabgrenzung – Verrechnungspreise Bei der direkten Methode der Einkunftsabgrenzung wird die wirtschaftliche Einheit des Konzerns ignoriert: Die Unternehmen im Konzernverbund sind nur über einen wirtschaftlichen Leistungsaustausch miteinander verbunden.10 Es wird versucht, diese Einkunftsabgrenzung mit Hilfe von steuerlichen Verrechnungspreisen (Fremdvergleichspreisen) vorzunehmen.11 Verrechnungspreise im betriebswirtschaftlichen Sinne sind Preise, die nicht durch den Markt bestimmt, sondern intern im Konzern bzw. Unternehmen fest 5 Vgl. Koch (2006), S. 6–16. Die Akteure des internationalen Handels stellen Staaten, Staatenverbände, Organisationen, Individuen und Unternehmen dar. Hauptakteure sind jedoch MNU. Vgl. Koch (2006), S. 96 f. 6 Vgl. Koch (2006), S. 96 f.; Peracin (2008), S. 82; Ad Hoc Group of Experts on International Cooperation in Tax Matters (2001), S. 2; Macharzina/Fisch (2004), Sp. 361. 7 Vgl. Hey (2010a), S. 443. 8 Vgl. Eigelshoven (2008), Art. 9 Rz. 6. 9 Vgl. Schaumburg (1994), S. 2; Scheffler (2009), S. 75. 10 Vgl. Jacobs (2011), S. 554, 558. Im Rahmen der indirekten Methode wird der „Gewinn der wirtschaftlichen Einheit nach einem Schlüssel, der den Beitrag der Gliedunternehmen zum Konzernerfolg zum Ausdruck bringt, auf die Konzernglieder“ verteilt. Jacobs (2011), S. 558. 11 Vgl. Herzig (1998), S. 285.

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A. Einführung: Konzerninterne Verlagerung wirtschaftlicher Aktivitäten 

gelegt werden. Sie repräsentieren „Wertansätze für innerbetrieblich erstellte Leistungen […], die von anderen, rechnerisch abgegrenzten Unternehmensbereichen bezogen werden“12. Verrechnungspreise dienen somit in erster Linie der optimalen Ressourcenverteilung innerhalb der Unternehmensbereiche.13 Sie sollen zur unternehmens- und konzerninternen Koordinierung sowie Erfolgsermittlung von dezentralen Einheiten im Unternehmen beitragen und können ein konzernweites Leitsystem bilden. Sie sind notwendig, um zwischen den einzelnen Unternehmensbereichen gesonderte Bereichsgewinne trotz bestehender Interdependenzen auszuweisen.14 Daneben können Verrechnungspreise von MNU verwendet werden, um die (steuerliche) Gewinn- und Verlustsituation zwischen den beteiligten rechtlich selbstständigen Unternehmen zu beeinflussen und, damit einhergehend, um eine Auswirkung auf die steuerlichen Bemessungsgrundlagen der betreffenden Unternehmen herbeizuführen (Verlagerung von Buchgewinnen).15 Gerade diese Verrechnungspreisgestaltung als ein steuerplanerisches Instrument stellt eine bedeutende Steuerfrage internationaler Konzerne dar,16 da diese die steuerlichen Verrechnungspreise nutzen können, um die Konzernsteuerquote zu minimieren bzw. ihr erwartetes Welteinkommen zu maximieren.17 Ergebnisse empirischer Studien signalisieren, unabhängig von der dahinterstehenden Fragestellung und Testmethode, dass Unternehmen Gewinne mit Hilfe von Verrechnungspreisen verlagern bzw. Steuerplanung mittels konzerninternen Transaktionen durchführen.18 Vorzugsweise erfolgen Gewinnverlagerungen durch Transaktionen, an denen immaterielle Vermögenswerte beteiligt sind. Diese werden vorwiegend den Konzerngesellschaften in niedrig besteuernden Ländern zu 12

Ewert/Wagenhofer (2008), S. 573. Vgl. Schmalenbach (1947), S. 12, 14. 14 Vgl. Ewert/Wagenhofer (2008), S. 573, 632. 15 Vgl. Burger/Ulbrich (2005), S. 416–419; Ewert/Wagenhofer (2008), S. 575, 632; Pfaff/ Stefani (2006), S. 520 f. 16 Vgl. Ernst & Young (2009), S. 6–9; Scheffler (2008), S. 135; Baumhoff (2003b), S. 4 f.; Engel (1986), S. 31 f.; Overesch (2006); Huizinga/Laeven (2008), S. 1165; Heckemeyer/Spengel (2008), S. 37, 56; Schrade/Neumann (2008), S. 578–586. – Sind steuerliche Verrechnungspreise willentlich und wissentlich unangemessen, kommt auch der Tatbestand der Steuerhinterziehung in Betracht. Vgl. Niess (2010), S. 307. 17 Vgl. Swenson (2000), S. 3. – Hinsichtlich der (empirischen) Bedeutung von Verrechnungspreisen im Rahmen von strategischen Überlegungen und im Rahmen des weltweiten Handels vgl. Cravens (1997), S. 127. 18 Vgl. Heckemeyer/Spengel (2009), S. 133–135; dies. (2008), S. 37–61; DIW (2007), S.  63 f.; IW (2006), S. 2; Huizinga/Laeven (2008), S. 1164–1182; Weichenrieder (2009), S. 281–297; ders. (1996), S. 37–58; Overesch (2006); Grubert/Mutti (1991), S. 285–293; Hines/Rice (1994), S. 149–182; Clausing (2003), S. 2207–2223; Mintz/Smart (2004), S. 1149– 1168; Swenson (2000); Bartelsman/Beetsma (2003), S. 2225–2252; Dietrich/Kiesewetter/ Moosmann (2008), S. 72 f.; Sikka/Willmott (2010), S. 342–356. – Zur bestehenden Evidenz zur Steuerplanung mittels konzerninterner Transaktionen, vgl. ferner Overesch (2009), S. 89–91. 13

I. Einkünfteabgrenzung zwischen nahe stehenden Personen

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geordnet, deren Übergang jedoch steuerlich nicht adäquat erfasst.19 Es liegt der Schluss nahe, dass gerade die steuerlichen Kontrollen bei diesen speziellen Vermögenswerten unzulänglich sind, da deren Identifikation, Lokalisierung sowie Bewertung erhebliche praktische Probleme bereiten.20 Daher sind adäquate Regelungen und Kontrollen notwendig, um (nicht nur) grenzüberschreitende Transfers von immateriellen Vermögenswerten in MNU zu erfassen.21 Denn je mehr die Gestaltung steuerlicher Verrechnungspreise kontrolliert wird, desto weniger wird seitens der Unternehmen versucht, Gewinne grenzüberschreitend zu verlagern.22 Hieraus folgt, dass der von den Unternehmen für die betreffende Transaktion verwendete Verrechnungspreis nicht dem Fremdvergleichspreis, der der steuerlichen Gewinnermittlung zugrunde zu legen ist und dem eine Einkommensverteilungsfunktion zukommt,23 entsprechen muss. In diesem Zusammenhang wird seitens der Fisken eine steuerliche Verrechnungspreisgestaltung gefordert, die eine sachgerechte regionale Abgrenzung der Steuerbemessungsgrundlagen und zutreffende Gewinnermittlung garantieren.24 Für die steuerliche Gewinnermittlung werden Verrechnungspreise daher seitens der Finanzverwaltung (im Rahmen einer Außenprüfung) auf ihre steuerliche Angemessenheit hin überprüft. Dabei ist der konzerninterne Leistungsaustausch dahingehend zu untersuchen, wie ordentliche, voneinander unabhängige und gewissenhafte Dritte den Leistungsaustausch abgewickelt hätten (Fremdvergleich), was als angemessener Wertmaßstab einen Ausgleich der Interessen zwischen den Unternehmen und den nationalen Finanzverwaltungen herbeiführen kann.25 Als Konsequenz aus der Überprüfung der Angemessenheit der Verrechnungspreise können steuerliche Gewinnkorrekturen folgen,26 um willkürliche Gewinnverschiebungen zu unterbinden, eine gleichmäßige Besteuerung zu sichern und den Abgang von Steuersubstrat zu unterbinden.27 Für die Finanzverwaltung ist es jedoch schwierig, Abweichungen des Verrechnungspreises vom Fremdvergleichspreis aufzudecken; insbesondere vor dem Hintergrund, dass es den einen richtigen Fremdvergleichspreis bzw. das eine fremdvergleichskonforme Verrechnungspreissystem nicht gibt.28 Dementsprechend stellt „[d]ie angemessene Verrechnung von Leistungsbeziehungen in der multinationalen Unternehmung […] ein seit Jahren 19

Vgl. Dischinger/Riedel (2008), S. 13–21; Hejazi (2006), S. 399. Vgl. Schreiber (2008b), S. 829–832. 21 Vgl. Dischinger/Riedel (2008), S. 21. 22 Vgl. Bartelsman/Beetsma (2003), S. 2245. 23 Vgl. Scheffler (2009), S. 87. 24 Vgl. Baumhoff (2005), Rn. C 224. 25 Vgl. Jacobs (2011), S. 559; Engel (1986), S. 15. – Vgl. aber auch BFH v. 20.3.2002 I R 63/99, BStBl. II 2003, S. 50 (54); BFH v. 20.5.1997 VIII B 108/96, BFHE 183, S. 174 (184). 26 Vgl. Wassermeyer (2007), S. 535; Baumhoff (2005), Rn. C 228. 27 Vgl. Engel (1986), S. 17; Borstell (2000), S. 342; Scheffler (2009), S. 87; Wassermeyer (2007), S. 536; Wassermeyer/Baumhoff/Greinert (2009), § 1 Anm. V 17. 28 Vgl. Borstell (2000), S. 345; OECD-RL, Tzn. 1.45–1.48. 20

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A. Einführung: Konzerninterne Verlagerung wirtschaftlicher Aktivitäten 

viel diskutiertes Problem der Unternehmensbesteuerung“29 dar. Zugleich ist die (fremdvergleichskonforme) Gestaltung steuerlicher Verrechnungspreise eine der bedeutendsten steuerlichen Herausforderungen in einer MNU.30 Um aber Korrekturen durchführen zu können, ist die Finanzverwaltung auf die Mitwirkung der Steuerpflichtigen angewiesen: So haben Unternehmen (nicht nur) in Deutschland die Verrechnungspreisbildung für die konzerninternen Leistungsaustauschbeziehungen zu dokumentieren. Die Steuerpflichtigen unterliegen strengen Anforderungen bzgl. ihrer Mitwirkungspflicht gegenüber der Steuerverwaltung, um die Angemessenheit – die fremdvergleichskonforme Ausgestaltung – der Transaktion darzulegen.31 Das Bereithalten von Unterlagen über die verrechnungspreisbildenden Faktoren und Methoden wird erwartet.32

Abbildung 1: Lieferungs- und Leistungsaustausch – Internationaler Konzern

Um jedoch internationale Wettbewerbsneutralität und Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu gewährleisten, ist eine sachgerechte und einheitliche Gewinnabgrenzung notwendig. Unterschiedliche Gewinnabgrenzungen in den beteiligten Staaten können hingegen zu Doppel- oder Minderbesteuerungen des Steuerpflichtigen führen.33 Hierzu kommt es, wenn die beteiligten Finanzbehörden unterschiedliche bzw. einseitige Korrekturen der von den Unternehmen angesetzten Verrechnungspreise vornehmen.34 Daher sollte bei der Berichtigung der Einkünfte im Inland auch die Folgewirkung im Ausland beachtet werden. Eine Erweiterung des deutschen Steueranspruchs durch die Einkünftekorrektur sollte nicht dazu führen, dass die Einkünfte mehrfach besteuert werden.35 29

Kiesewetter (2005), S. 1. Vgl. hierzu E&Y (2010), S. 3, 7; European Communities (2004), S. 4. 31 Vgl. OECD-RL, Tzn. 5.16 f. Vgl. auch Gimmler/Greil (2009), S. 233–238; Kap. C. IV. 3. 32 Vgl. OECD-RL, Tz. 5.4. 33 Vgl. Kiesewetter (2005), S. 1. – Eine Doppelbesteuerung resultiert v. a. daraus, dass die Staaten grundsätzlich neben inländischen Wirtschaftsvorgängen auch ausländische besteuern. Dieses Welteinkommensprinzip zusammen mit dem Nichtverzicht auf die Besteuerung von Vorgängen, die Nichtansässige betreffen (Quellenprinzip), führt zur Doppelbesteuerung verschiedener Wirtschaftsvorgänge. Vgl. Vogel (2008), Einl. Rz. 2. 34 Vgl. auch Kiesewetter (2005), S. 1; COM (2001), S. 12. 35 Vgl. Ritter (1983), S. 1681. 30

I. Einkünfteabgrenzung zwischen nahe stehenden Personen

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In diesem Zusammenhang ist aber wiederum anzuführen, dass Verrechnungspreise auch aus Gründen der internen Steuerung in Unternehmen eingesetzt werden. Infolgedessen sollte diese Erfolgsallokation derjenigen nahe kommen, die sich bei unabhängigen Unternehmen ergeben hätte. Dabei gilt: „The more autonomy subsidiary managers have over intrafirm transactions, the more they will be held accountable for subsidiary profits; such autonomy generates the self-interest behavior identified by agency theory.“36 Daher sind im Rahmen einer Außenprüfung der Grad der Kontrolle und die Anreizsysteme der betreffenden Unternehmen zu beachten, um Rückschlüsse auf die gewählten Verrechnungspreise zu ziehen.37 Die Überprüfung der Angemessenheit getroffener Vereinbarungen bei grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen zwischen nahe stehenden Personen wird jedoch solange vonnöten sein, wie kein Konzept zur Besteuerung des Konzerns als wirtschaftliche Einheit auf internationaler und nationaler Ebene vorliegt.38 Die nationalen rechtlichen Grundlagen zur Korrektur des konzerninternen Leistungsaustauschs stellen die auf dem Fremdvergleich basierenden Vorschriften – wie die verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG, verdeckte Einlage gemäß § 8 Abs. 3 Satz 3 KStG sowie § 1 AStG – dar.39 Zudem tragen Zurechnungsregelungen dazu bei, Gewinnverlagerungen entgegenzuwirken. Zu diesen zählen die Bestimmungen über die Zurechnung von Wirtschaftsgütern und Einkünften sowie über die Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage (§§ 39, 41 Abs. 2 Satz 2 und 42 AO).40 Erfolgt eine grenzüberschreitende konzerninterne Transaktion zwischen Unternehmen, deren Ansässigkeitsstaaten untereinander ein DBA abgeschlossen haben, so ist der dem Art. 9 OECD-MA nachgebildete Artikel des jeweiligen DBA und dessen Schrankenwirkung zu beachten.41 Daneben konkretisiert die Finanz-

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Chan/Lo/Lai Lan Mo (2006), S. 2. Vgl. Chan/Lo/Lai Lan Mo (2006), S. 29 f. 38 Vgl. Schmidt/Sigloch/Henselmann (2005), S. 340. – Hinsichtlich eines Konzernsteuerrechts, wodurch beigetragen werden soll, Doppelbesteuerungen zu vermeiden, die sich aus der Einzelbesteuerung der verschiedenen Unternehmen im Konzernverbund ergeben können, vgl. Müller (1975), S. 3–18. – Im Rahmen der Weiterentwicklung des Binnenmarktes der EU stehen zwei Modelle zur Disposition. Zum einen das Modell der Home State Taxation. Hierbei sind für die Ermittlung des EU-weiten Gewinns die Regeln des Konzernsitzes maßgebend. Zum anderen die Common Consolidated Base Taxation, die einheitliche EU-Bemessungsregeln verwendet wissen möchte, um den Gewinn zu ermitteln. In beiden Modellen ist der Gewinn mittels geeigneter Schlüsselgrößen auf die Staaten aufzuteilen, sodass diese ihren eigenen Steuersatz hierauf anwenden. Vgl. COM (2001) 582; Dürrschmidt (2007), S. 152– 182. – Seitens der OECD werden die Bestrebungen zur Schaffung einer gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage abgelehnt. Vgl. Förster (2009), S. 721. 39 Vgl. hierzu auch Scheffler (2009), S. 83, 424; Kessler (2008), S. 3. 40 Vgl. Zech (2009), S. 37. 41 Vgl. Scheffler (2009), S. 424, 428, 441; Kluge (2000), Rn. S 125 f.; Baumhoff (2003a), S. 80; Haas (2008), S. 518; Ledure/Chatar (2009), S. 271. 37

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A. Einführung: Konzerninterne Verlagerung wirtschaftlicher Aktivitäten 

verwaltung durch die Verwaltungsgrundsätze 198342 den Fremdvergleichsgrundsatz und zeigt auf, wie in Anbetracht der zwischenstaatlichen Erfolgszuordnung vorzugehen ist. Ebenfalls sind das Verwaltungsgrundsätze-Verfahren 2005 als generelle Verfahrensregelung, die GAufzV43 sowie im DBA-Fall die OECD-Verrechnungspreisrichtlinien 1995 zu beachten.44 3. Berichtigung von Einkünften i. S. d. AStG a) Überblick Am 08.09.1972 wurde das AStG45 vom Bundestag mit der Zustimmung des Bundesrates beschlossen. Das AStG regelt grundlegend, aber nicht abschließend, die Besteuerung bei Auslandsbeziehungen und tritt ergänzend sowie erweiternd zu den Vorschriften der AO und der Einzelsteuergesetze hinzu, durch die die steuerrechtliche Behandlung von grenzüberschreitenden Sachverhalten geregelt wird.46 Es wird dabei im Rahmen des § 1 AStG, als einzige Vorschrift des deutschen Steuer­rechts, ausdrücklich auf das Verhalten voneinander unabhängiger Dritter abgestellt (Grundsatz des Fremdvergleichs),47 der als primäre Rechtsgrundlage zur Berichtigung von Einkünften bei grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen zwischen nahe stehenden Personen fungiert:48

42 Grundsätze für die Prüfung der Einkunftsabgrenzung bei international verbundenen Unternehmen (Verwaltungsgrundsätze – VWG 1983), BStBl. I 1983, S. 218. 43 Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung, BGBl. I 2003, S. 2296. 44 Vgl. auch Scheffler (2009), S. 428. 45 Gesetz zur Wahrung der steuerlichen Gleichmäßigkeit bei Auslandsbeziehungen und zur Verbesserung der steuerlichen Wettbewerbslage bei Auslandsinvestitionen. Vgl. BStBl. I 1972, S. 450. 46 Vgl. Baranowski (1996), Rn. 662–664. 47 Vgl. Lipps (1997), S. 69; Baranowski (1996), Rn. 675. 48 Vgl. Wöhrle/Schelle/Gross (2009), Vorbem. zu § 1 Rz. 3; Bernhardt/van der Ham/ Kluge (2008), S. 2; BR-Drs. 352/08, S. 9. – Jedoch lassen sich die Sachverhalte, die mit § 1 AStG erfasst werden sollen, prinzipiell auch unter andere Berichtigungsvorschriften des deutschen Steuerrechts subsumieren. § 1 AStG steht sowohl mit der verdeckten Gewinnausschüttung und der verdeckten Einlage in einem systematischen Zusammenhang, da es sich um Einkünftekorrekturnormen handelt, die einem fehlenden Interessengegensatz entgegenzutreten versuchen und gesellschaftlich veranlasste Aufwendungen aus der Gewinnermittlung entfernen. Darüber hinaus steht § 1 AStG als Abgrenzungsregelung mit der Einlage und der Entnahme in systematischer Beziehung. Jedoch unterscheiden sich die Anwendungsbereiche grundlegend, da offene Einlagen und Entnahmen außerhalb von Geschäftsbeziehungen erfolgen. Vgl. Weber-Grellet (1998b), S. 357; ders. (1998a), S. 1532–1538; Wöhrle/Schelle/ Gross (2009), Vorbem. zu § 1 AStG Rz. 25, 33. – Bei natürlichen Personen bzw. Personengesellschaften finden die Rechtsinstitute der Einlage sowie Entnahme Anwendung. Vgl. Haas (2008), S. 518. – § 1 AStG sollte dabei als lex specialis gelten. Vgl. Jacobs (2007), S. 688; Zech (2009), S. 108. – Da aber darauf abgestellt wird, dass § 1 AStG unbeschadet anderer Vorschriften anzuwenden ist, liegt eine Idealkonkurrenz vor. Vgl. Jacobs (2011), S. 752.

I. Einkünfteabgrenzung zwischen nahe stehenden Personen

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„Werden Einkünfte eines Steuerpflichtigen aus einer Geschäftsbeziehung zum Ausland mit einer ihm nahe stehenden Person dadurch gemindert, dass er seiner Einkünfteermittlung andere Bedingungen, insbesondere Preise (Verrechnungspreise), zugrunde legt, als sie voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder vergleichbaren Verhältnissen vereinbart hätten (Fremdvergleichsgrundsatz), sind seine Einkünfte unbeschadet anderer Vorschriften so anzusetzen, wie sie unter den zwischen voneinander unabhängigen Dritten vereinbarten Bedingungen angefallen wären.“

§ 1 AStG gilt für alle unbeschränkt sowie beschränkt Steuerpflichtigen und ist bei den Gewinneinkunftsarten sowie Einkünften aus Vermietung und Verpachtung einschlägig.49 Liegt also eine Minderung der Einkünfte des Steuerpflichtigen aus einer Geschäftsbeziehung gemäß § 1 Abs. 4 AStG zum Ausland mit einer nahe stehenden Person gemäß § 1 Abs. 2 AStG vor, bei der der Steuerpflichtige Bedingungen, insbesondere Verrechnungspreise vereinbart hat, die nicht einem Fremdvergleich standhalten, hat eine Erhöhung der geminderten Einkünfte nach dem Fremdvergleichsmaßstab zu erfolgen.50 b) Tatbestandsmerkmale des § 1 AStG aa) Nahe stehende Person i. S. d. § 1 Abs. 2 AStG Das Tatbestandsmerkmal nahe stehend wird hauptsächlich durch familiäre oder gesellschaftsrechtliche Beziehungen begründet, da angenommen wird, dass der am Markt gegebene übliche Interessengegensatz nicht vorhanden ist.51 Dieses Verhältnis kann durch natürliche oder juristische Personen begründet sein. In § 1 Abs. 2 AStG erfolgt eine abschließende Definition der nahe stehenden Person: Nahe stehend ist eine Person dann, wenn eine wesentliche Beteiligung, mittelbar oder unmittelbar, von mindestens 25 % gegeben ist oder mittelbar oder unmittelbar ein beherrschender Einfluss ausgeübt werden kann. Ebenfalls gilt eine Person als nahe stehend, wenn eine dritte Person sowohl an der Person als auch an dem Steuerpflichtigen wesentlich beteiligt ist oder auf beide mittelbar oder unmittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Ferner, wenn geschäftsfremde Einflussmöglichkeiten gegeben sind oder ein eigenes Interesse an der Einkunftserzielung besteht.52 Es genügt das Bestehen einer solchen Beziehung oder einer solchen Einflussmöglichkeit. Es ist unbeachtlich, ob die Beziehung oder die Einflussmöglichkeit für die Ausgestaltung der Geschäftsbeziehung ausschlaggebend war. Der beherr 49

Vgl. v. Bredow (2011), S. 17; Kraft (2009), § 1 Rn. 65. Vgl. auch Wulf (2007), S. 2280; Kraft (2009), § 1 Rn. 10. 51 Vgl. auch Kluge (2000), Rn. N 147. 52 Hinsichtlich der Beteiligungsquote größer 25 % in Deutschland im Vergleich zu höheren Beteiligungsquoten (größer 50 %) im Ausland vgl. Niess (2010), S. 312 f. Zugleich kritisch im Hinblick auf die in Deutschland vorherrschende Beteiligungsquote. 50

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A. Einführung: Konzerninterne Verlagerung wirtschaftlicher Aktivitäten 

schende Einfluss kann sowohl auf rechtlicher als auch auf tatsächlicher Grundlage beruhen. Ebenso reicht das bewusste und gewollte Zusammenwirken, sodass Schwestergesellschaften sowie wirtschaftliche Abhängigkeiten erfasst werden.53 Eine Interessenidentität wird dann angenommen, wenn die betreffende Person ein persönliches oder geschäftliches Interesse daran hat, dass überhöhte Einkünfte erzielt werden.54 bb) Geschäftsbeziehung i. S. d. § 1 Abs. 5 AStG § 1 AStG stellt sachlich auf das Vorliegen von Geschäftsbeziehungen, die zwischen dem Inland und dem Ausland zu einer nahe stehenden Person bestehen, ab. Hierunter sind alle Rechtsgeschäfte, Verfügungen oder Tathandlungen, die einer Einkunftsquelle i. S. d. § 2 Abs. 1 EStG zugrunde liegen, zu begreifen.55 Eine Geschäftsbeziehung gemäß § 1 Abs. 5 AStG ist jede den Einkünften zugrundeliegende schuldrechtliche Beziehung, die keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung ist und entweder bei dem Steuerpflichtigen selbst oder bei der nahe stehenden Person ein Teil einer Tätigkeit ist, auf die die §§ 13, 15, 18 oder 21 EStG anzuwenden sind oder auf eine ausländische nahe stehende Person anzuwenden wären.56 Die Rechtsstrukturen, die die beteiligten Unternehmen als eigenständige Rechtspersönlichkeiten begründen, und die in ihnen begründeten Rechtsbeziehungen gehören nicht zu diesen Geschäftsbeziehungen, sondern zu den Voraussetzungen des § 1 AStG. Es werden daher alle schuldrechtlichen Vereinbarungen ausgenommen, die ein gesellschaftsrechtliches Verhältnis begründen, dieses ändern oder sich un-

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Vgl. Lipps (1997), S. 80. Vgl. auch VWG 1983, Tz. 1.3.2.5. Vgl. VWG 1983, Tz. 1.3.2.7. – Hinsichtlich der Thematik, ob auch Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte zu erfassen sind, wobei überwiegend die Auffassung vertreten wird, dass diese Leistungsbeziehungen nicht mit § 1 AStG erfasst werden, vgl. u. a. Kahle (2009), S. 563; Schreiber (2009), Anm. 37; Kaminski (2008a), S. 131–133; Zech (2009), S. 299 f.; Schwenke (2008), S. 140; Baranowski (1996), Rn. 681; Kraft (2009), § 1 Rn. 67; Kroppen/Rasch (2009b), S. 840; Kaminski/Strunk (2008), S. 2501–2507. – In diesen Konstellationen kommen bei einer Funktionsverlagerung die allgemeinen Entstrickungsregelungen gemäß § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG zur Anwendung, die eine Aufdeckung der stillen Reserven der einzelnen Wirtschaftsgüter (abgesehen von der Gesamtbewertung von Betrieben und Teilbetrieben) bis hin zum gemeinen Wert vorsehen. Vgl. BTDrs. 16/8027, S. 3; BT-Drs. 16/2710, S. 28; Serg (2006), S. 131; Kaminski (2008b), S. 340; Förster (2007), S. 73; Benecke (2007), S. 3241; Körner (2009), S. 745 f.; Meyer-Scharenberg (2008), S. 226. – Derzeit ist eine Änderung des § 1 AStG dahingehend beabsichtigt, dass explizit Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte mit § 1 AStG erfasst werden sollen. Siehe hierzu Artikel 5 des Referentenentwurfes zum Jahressteuergesetz 2013. 55 Vgl. Pohl (2011), § 1 Rz. 44; Kraft (2009), § 1 Rn. 67. 56 Vgl. Pohl (2011), § 1 Rz. 185, 194 f. 54

I. Einkünfteabgrenzung zwischen nahe stehenden Personen

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mittelbar auf die Rechtsbeziehungen aus einem Gesellschaftsverhältnis beziehen. Daher fallen Beteiligungsverhältnisse an dem Steuerpflichtigen, die Ausstattung der Gesellschaft mit Eigenkapital sowie die Einlage nicht unter § 1 AStG.57 Auch die Überlassung von Eigenkapitalersatz sollte keinen Leistungsaustausch darstellen, sondern eine Maßnahme als Gesellschafter,58 da eine Geschäftsbeziehung nicht vorliegen sollte, wenn eine im Gesellschaftsverhältnis begründete Beziehung vorliegt.59 Über die Beteiligung hinaus müsse also ein selbstständiges Leistungsverhältnis bestehen.60 Als Reaktion auf diese Rechtsprechung wurde seitens des Gesetzgebers im Zuge des StVergAbG61 darauf abgestellt, dass nur gesellschaftsrechtliche Beziehungen nicht als eine Geschäftsbeziehung aufzufassen sind. Nicht relevant ist daher, ob eine schuldrechtliche Beziehung ihren Grund im Gesellschaftsverhältnis hat. Es werden folgerichtig die Rechtsakte erfasst, die außerhalb des Gesellschaftsvertrages stehen.62 Somit auch Leistungen mit eigenkapitalersetzendem Charakter.63 Insofern werden alle relevanten schuldrechtlichen Beziehungen erfasst, die auf einem Rechtsgeschäft, einer Tathandlung oder auferlegten Bindungen beruhen.64 Entscheidend ist der Umstand, dass es sich um eine auf schuldrechtlichen Vereinbarungen beruhende Beziehung handelt,65 unabhängig davon, ob eine betriebliche oder gesellschaftsrechtliche Veranlassung vorliegt.66 Eine so verstandene Ge-

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Vgl. BFH v. 30.5.1990 I R 97/88, BStBl. II 1990, S. 875 (876). Vgl. auch Günkel/Lieber (2004), S. 230; Baumhoff (2005), Rn. C 254; Bodenmüller (2004), S. 54. – Die Gewährung von Eigenkapital stellt keine Geschäftsbeziehung zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter dar. Vgl. FG Düsseldorf v. 19.2.2008 17 K 894/05 E, EFG 2008, S. 1006 (1007). Im Revisionsverfahren zustimmend: BFH v. 29.4.2009 I R 26/08. 58 Vgl. Günkel/Lieber (2004), S. 230; BFH v. 29.11.2000 I R 85/99, BStBl. II 2002, S. 720 (721). Daneben wird in dem angeführten BFH-Urteil darauf abgestellt, dass jedwede Maßnahme einer Muttergesellschaft, die ihre Tochtergesellschaft kreditwürdig macht und durch diese Maßnahme deren wirtschaftliche Betätigung ermöglicht, sich dem Fremdvergleich entziehe, da solche Maßnahmen nur aufgrund des besonderen Verhältnisses zwischen den Gesellschaften vorgenommen werden. Das BMF reagierte auf dieses Urteil des BFH mit einem Nichtanwendungserlass. Es komme nicht darauf an, ob die Geschäftsbeziehung betrieblich oder gesellschaftsrechtlich veranlasst sei. Vgl. BMF v. 17.10.2002 IV B 4 – S 1341 – 14/02. Dieses BMF Schreiben wurde mit dem BMF-Schreiben v. 12.1.2010 IV B 5 – S 1341/07/10009 aufgehoben. 59 Vgl. FG München v. 1.7.2008 10 K 1639/06, EFG 2009, S. 226 (Leitsatz). 60 Vgl. BFH v. 29.11.2000 I R 85/99, BStBl. II 2002, S. 720 (721). 61 Infolgedessen wurde der Begriff der Geschäftsbeziehung des ehemaligen § 1 Abs. 4 AStG a. F. verschärft. Siehe hierzu StVergAbG v. 16.5.03, BGBl. I 2003, S. 660. Vgl. auch Pohl (2011), § 1 Rz. 187–194. 62 Vgl. Borstell (2002), S. 222. 63 Vgl. Lüdicke (2003), S. 437. 64 Vgl. Wassermeyer (2009a), Art. 9 Rn. 62. 65 Vgl. BT-Drs. 15/119, S. 53. 66 Vgl. BMF v. 14.5.2004 IV B 4 – S 1340 – 11/04, BStBl. I 2004, Sonder-Nr. 1, Tz. 1.4.2; BT-Drs. 15/119, S. 53.

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schäftsbeziehung muss zum Ausland bestehen, um Gewinnverlagerungen vom Inland ins Ausland zu erfassen, da diese Gewinne dann nicht mehr dem deutschen Besteuerungszugriff unterliegen.67 cc) Minderung von Einkünften aufgrund eines Verstoßes gegen den Fremdvergleichsgrundsatz Eine Einkünftekorrektur hat aber nur zu erfolgen, wenn die der deutschen Besteuerung unterliegenden Einkünfte des Steuerpflichtigen gemindert worden sind und ein Verstoß gegen den Fremdvergleichsgrundsatz gegeben ist bzw. diese Minderung aufgrund eines nicht fremdvergleichskonformen Verhaltens entstanden ist.68 Es gilt daher seitens der Finanzverwaltung zu prüfen, ob die vereinbarten Bedingungen, die der Geschäftsbeziehung zugrunde liegen, bzw. insbesondere die vereinbarten „Verrechnungspreise dem entsprechen, was voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder vergleichbaren Verhältnissen [am Markt] vereinbart haben bzw. hätten.“69 Demgemäß wird ein Soll-Ist-Vergleich vorgenommen, wodurch eine möglichst korrekte Einkunftsabgrenzung vorgenommen werden soll, die auf dem Veranlassungsprinzip basiert.70 Zur Ermittlung und Überprüfung der fremdvergleichskonformen Preise werden verschiedene Methoden verwendet. Diese basieren primär auf Marktdaten (tatsächlicher Fremdvergleich) und sekundär auf hypothetischen Überlegungen (hypothetischer Fremdvergleich). Maßstab des Fremdvergleichs ist dabei das Verhalten eines doppelt ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters.71 In Deutschland vollzieht sich die steuerliche Einkünfteermittlung, entsprechend dem Vorstehenden, in zwei Stufen: Auf der ersten Stufe, der Ermittlung des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG, sind die vereinbarten Preise (Verrechnungspreise) heranzuziehen. Erst auf der zweiten Stufe erfolgt eine Korrektur des Unterschiedsbetrages, bei der ein eventuell abweichender Fremdvergleichspreis maßgeblich ist.72 Die Korrekturen der zweiten Stufe betreffen nur solche Beträge, die den Unterschiedsbetrag erhöht bzw. vermindert haben, wobei verhinderte Vermögensmehrungen mit einer Minderung gleichzusetzen sind.73

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Vgl. Pohl (2011), § 1 Rz. 35, 44; Kraft (2009), § 1 Rn. 72. Vgl. Pohl (2011), § 1 Rz. 37, 42; Kraft (2009), § 1 Rn. 83. 69 Pohl (2011), § 1 Rz. 35. 70 Vgl. Kraft (2009), § 1 Rn. 89. 71 Vgl. Pohl (2011), § 1 Rz. 37, 42. 72 Vgl. Wassermeyer (2007), S. 535; Petri (2006), S. 117. 73 Vgl. Bodenmüller (2004), S. 5; Wassermeyer (2001), S. 634. 68

I. Einkünfteabgrenzung zwischen nahe stehenden Personen

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4. Berichtigung von Einkünften i. S. d. Art. 9 OECD-MA Die OECD-Mitglieder sind einhellig der Auffassung, dass für steuerliche Angelegenheiten die Gewinne von verbundenen Unternehmen, wenn nötig, anzupassen sind, um willkürliche Gewinnverschiebungen zu verhindern. Die vorzunehmenden Anpassungen sollen Bedingungen reflektieren, die zwischen unabhängigen Dritten in vergleichbaren Transaktionen sowie unter vergleichbaren Umständen vereinbart worden wären.74 Insbesondere nimmt Art. 9 OECD-MA75 im DBAFall76 eine bedeutende Stellung ein, denn speziell Art. 9 OECD-MA befasst sich mit der Gewinnberichtigung von verbundenen Unternehmen für steuerliche Zwecke unter Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes als zugrundeliegenden Maßstab – dealing at arm’s length-Prinzip.77 Die Voraussetzungen für eine solche Gewinnberichtigung gemäß Art. 9 OECDMA sind das Vorliegen von verbundenen Unternehmen in den Vertragsstaaten, die in ihren kaufmännischen oder finanziellen Beziehungen an vereinbarte oder auferlegte Bedingungen gebunden sind, welche von denen abweichen, die unabhängige Unternehmen untereinander vereinbaren würden, wobei eines der beiden Unternehmen ohne diese Vereinbarungen höhere Gewinne hätte erzielen können. Gemäß Art. 9 Abs. 1 OECD-MA liegt ein verbundenes Unternehmen vor, wenn a) ein Unternehmen eines Vertragsstaats unmittelbar oder mittelbar an der Geschäftsleitung, der Kontrolle oder dem Kapital eines Unternehmens des anderen Vertragsstaats beteiligt ist, oder b) dieselben Personen unmittelbar oder mittelbar an der Geschäftsleitung, der Kontrolle oder dem Kapital eines Unternehmens eines Vertragsstaats und eines Unternehmens des anderen Vertragsstaats beteiligt sind. Da jede Beteiligung an der Geschäftsleitung, an der Kontrolle und/oder am Kapital ausreichend ist, geht Art. 9 OECD-MA über § 1 AStG hinaus. Unter kaufmännischen und finanziellen Beziehungen sind grundsätzlich alle Lieferungs- und Leistungsbeziehungen zwischen den verbundenen Unternehmen zu zählen. Durch

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Vgl. OECD-RL, Tz. 1.3. OECD-Musterabkommen 2008 zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen (OECD-MA 2008). 76 Vgl. für Ausführungen zu den DBA u. a. Schmidt/Sigloch/Henselmann (2005), S. 263; Schaumburg (1998), Rn. 16.33, 16.36, 16.53; Rödl (2007), Rn. 2; Vogel (2008), Einl. Rz. 43, 70; Kaminski (2008b), S. 340; ders. (2008a), S. 138. 77 Vgl. OECD-RL, Tz. 1.6; Wassermeyer (2009a), Art. 9 Rn. 102; Brügger/Brülisauer (2005), S. 308. „ In sum, OECD Member countries continue to support strongly the arm’s length principle. In fact, no legitimate or realistic alternative to the arm’s length principle has emerged.“ OECDRL, Tz. 1.14. Vgl. auch COM (2001), S. 285. 75

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das Abstellen auf vereinbarte und auferlegte Bedingungen ist Art. 9 OECD-MA geringfügig weiter als § 1 AStG.78 Durch diesen Art. 9 OECD-MA, an dem sich die von der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenen DBA prinzipiell orientieren,79 besteht daher neben den nationalen Regelungen eine bilaterale Gewinnberichtigungsregelung,80 bei der das auch im deutschen Ertragsteuerrecht vorherrschende Veranlassungsprinzip gilt, das die Gewinnentstehung von der Gewinnverwendung trennt.81 Die Gewinnkorrekturvorschrift des Art. 9 OECD-MA setzt aber innerstaatliche Korrekturnormen voraus,82 da sie keine selbstständige Rechtsgrundlage für die Erhöhung von Einkünften darstellt83 und demnach über keine self-excuting-Wirkung verfügt.84 Es wird nur das Recht zur Korrektur eingeräumt (Erlaubniswirkung),85 sodass die Gewinnberichtigung aus dem innerstaatlichen Recht des berechtigten Wohnsitzstaates erfolgen kann. Vom Standpunkt des deutschen innerstaatlichen Steuerrechts bedeutet dies, dass durch Art. 9 Abs. 1 OECD-MA eine Anwendung des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG, des § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG (Entnahme) und des § 1 AStG in den Grenzen des dealing at arm’s length-Prinzips erlaubt werden. Im Rahmen einer korrespondierenden Gegenberichtigung gemäß Art. 9 Abs. 2 OECD-MA ist eine Gewinnkorrektur unter dem Gesichtspunkt der verdeckten Einlage vorzunehmen.86 Dennoch schränken abkommensrechtliche Vorschriften die Reichweite der Einkünftekorrektur durch die Anerkennung des Fremdvergleichs ein (Schrankenwirkung). Das dealing at arm’s length-Prinzip kann daher nicht Gegenstand von gesetzgeberischem Ermessen sein: Es werden nationale Gewinnkorrekturen ausgeschlossen, die im internationalen Kontext über den durch Art. 9 OECD-MA festgelegten Befugnisrahmen hinausgehen.87 78

Vgl. Eigelshoven (2008), Art. 9 Rz. 31; Wassermeyer (2009a), Art. 9 Rn. 41a, 46. Aufgrund von Bestrebungen den Aufbau und Inhalt von DBA zu vereinheitlichen, orientieren sich die DBA an bestimmten Musterabkommen wie dem OECD-MA. Vgl. Schmidt/ Sigloch/Henselmann (2005), S. 267. 80 Vgl. Schmidt/Sigloch/Henselmann (2005), S. 373. 81 Vgl. Kluge (2000), Rn. S 120, 122. 82 Vgl. Kleineidam (2001), S. 727. – Zwar ist ein grenzüberschreitender Sachverhalt vorerst gemäß den nationalen Regelungen zu würdigen, besteht jedoch ein Besteuerungsanspruch nach dem nationalen Steuerrecht eines oder mehrerer Staaten zwischen denen ein DBA abgeschlossen ist, kommen die entsprechenden Regelungen zum Tragen. Unter die abkommensberechtigten Personen i. S. d. Art. 1 OECD-MA sind u. a. Gesellschaften zu subsumieren, die in einem Vertragsstaat oder in beiden ansässig sind (Art. 3 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA). 83 Vgl. Scheffler (2008), S. 137; Eigelshoven (2008), Art. 9 Rz. 18. 84 Vgl. Schaumburg (1998), Rn. 16.36; Kluge (2000), Rn. S 121. 85 Vgl. BFH v. 12.3.1980 I R 186/76, BStBl. II 1980, S. 531 (Leitsatz). – Vgl. auch Mank/ Nientimp (2007), S. 2164; Wassermeyer (2009a), Art. 9 Rn. 2 f.; ders. (1998), S. 157; Looks/ Steinert/Müller (2009), S. 2349. 86 Vgl. Wassermeyer (2009a), Art. 9 Rn. 80; Looks/Steinert/Müller (2009), S. 2349; Scheffler (2008), S. 137; Naumann et al. (2009), S. 666; Vogel (1972), S. 1402. 87 Vgl. Mank/Nientimp (2007), S. 2164; Wassermeyer (2009a), Art. 9 Rn. 76; Eigelshoven/ Nientimp (2003), S. 2309; Pöllath/Rädler (1982), S. 561; Chebounov (2002), S. 587; Jacobs (2011), S. 755; Kaminski (2008b), S. 343; FG Köln v. 22.8.2007 13 K 647/03, DStRE 2008, 79

II. Steuerlich relevante Aspekte einer grenzüberschreitenden Umstrukturierung

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Zugleich ist aber auf die Möglichkeit eines sog. treaty override hinzuweisen. Hierunter ist zu verstehen, dass der Gesetzgeber nationale Normen erlässt, die im Widerspruch zu bestimmten Regelungen in bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen stehen und damit zum Ausdruck bringt, dass diese seitens eines Vertragspartners zumindest partiell nicht beachtet werden.88 Somit könnten nationale Gewinnkorrekturen über den durch Art. 9 OECD-MA festgelegten Befugnisrahmen hinausgehen. Die rechtlichen Konsequenzen des einseitigen Überschreibens von Doppelbesteuerungsabkommen sind aber umstritten89 und werden hier vor dem Hintergrund der Zielsetzung der Arbeit nicht weiter diskutiert. In den OECD-Verrechnungspreisrichtlinien Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterprises and Tax Administrations sind die Bedingungen für die Anwendung des Artikels, seine Folgen und die verschiedenen Methoden enthalten, die angewendet werden dürfen, um die Gewinne zu berichtigen. Insbesondere in Kapitel I der OECD-Richtlinien wird das dealing at arm’s length-Prinzip als grundlegender Maßstab der Verrechnungspreisermittlung erörtert, was den internationalen Transferpreisstandard der OECD-Mitgliedsstaaten darstellt.90

II. Steuerlich relevante Aspekte einer grenzüberschreitenden Umstrukturierung Geschäftsleiter von Unternehmen können im Rahmen der ihnen gewährten Dispositionsfreiheit und innerhalb der gegebenen gesetzlichen Bestimmungen frei agieren, um das Unternehmen dem Unternehmensziel dienlich auszurichten.91 InS. 696 (Leitsatz). – Die betroffenen abkommensberechtigten Steuerpflichtigen können Schutz beanspruchen, falls der Wohnsitzstaat Gewinnerhöhungen vornimmt, die über den Maßstab hinausgehen. Vgl. Schaumburg (1998), Rn. 16.290. – Dennoch kommt „außerhalb des Anwendungsbereiches des Art. 9 [OECD-MA] unabhängiges innerstaatliches Recht zur Geltung“. Kluge (2000), Rn. S 121. Ein treaty override des § 1 AStG ist nicht in Betracht zu ziehen. Vgl. Kaminski (2008b), S. 343. 88 Vgl. u. a. Homburg (2010), S. 278. 89 Der Bundesfinanzhof hat dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob der Gesetzgeber durch ein solches treaty override gegen Verfassungsrecht verstößt. Konkreter Hintergrund dieses Vorlagebeschlusses ist die Regelung des § 50d Abs. 8 EStG. Vgl. BFH v. 10.1.2012 I R 66/09, DB 2012, S. 1078 f. 90 Vgl. OECD-RL, Tz. 1.1. – Die OECD-RL umfassen die Methodik der Verrechnungspreisermittlung sowie die Dokumentations- als auch die Nachweispflichten im Rahmen der Verrechnungspreisermittlung. Diese Richtlinien haben für die Auslegung des OECD-MA dasselbe Gewicht wie der MA-Kommentar. Sie sind eine Interpretation bzw. ein Kommentar in Bezug auf Artikel 9 OECD-MA. Ihnen kommt kein normativer Gehalt zu, sondern sie sind als unverbindliche Empfehlung aufzufassen. „Eine rechtliche Bindung für das nationale Recht ergibt sich aber dann, soweit der Art. 9 OECD-Musterabkommen in die Abkommen aufgenommen worden ist.“ Rasch (2001), S. 199 f. Vgl. auch Schaumburg (1998), Rn. 16.78. 91 Vgl. Blumers (2007), S. 1758; Baumhoff (2003a), S. 77. Vgl. auch BFH v. 18.12.1996 I R 26/95, BFHE 182, S. 190 (194).

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A. Einführung: Konzerninterne Verlagerung wirtschaftlicher Aktivitäten 

nerhalb eines Konzerns bestehen zahlreiche Möglichkeiten der Aufgabenteilung und -wahrnehmung, da „Arbeitsteilung und Spezialisierung […] geradezu konstitutive Merkmale moderner Gesellschaftsformen“92 sind. Dabei werden die Möglichkeiten der räumlichen und auch der grenzüberschreitenden Arbeitsteilung u. a. durch die immer leistungsfähigere Technologie erweitert.93 Für Unternehmen stellen sich u. a. die Fragen, welchen Teil der Wertschöpfungskette sie selbst erfüllen und wie sie ihre Tätigkeiten räumlich organisieren. Dies führt dazu, dass Unternehmen ihre Wertschöpfungsprozesse in einzelne wirtschaftliche Aktivitäten, wie bspw. Forschung und Entwicklung, Produktion, Marketing sowie Vertrieb, zerlegen und sich den Standort für die betreffenden Aktivitäten aussuchen, der für sie am Vorteilhaftesten ist.94 Infolge einer Verlagerung solcher Unternehmensteilbereiche wird eine betriebliche Aktivität künftig von einer anderen (Konzern-)Gesellschaft an einem anderen Standort ausgeübt. In diesem Zusammenhang ist zu differenzieren, ob diese Verlagerung ins Ausland oder innerhalb des Inlandes erfolgt. Des Weiteren ist eine Unterscheidung nach den Eigentumsverhältnissen vorzunehmen: So kann die Verlagerung an ein bestehendes oder ein neu zu gründendes Unternehmen im Verbund oder an einen externen Lieferanten oder Dienstleister erfolgen.95 Das (Offshore) Outsourcing sowie das Insourcing erfüllen dabei nicht die beschriebenen Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 AStG, sodass diese nicht als Funktionsverlagerung i. S. d. AStG aufzufassen96 und auch nicht vor dem Hintergrund § 1 AStG zu würdigen sind. Tabelle 1 Vier Formen der Aus- bzw. Verlagerung von wirtschaftlichen Aktivitäten Eigentumsverhältnisse Intern

Extern

Räumliche

National

Insourcing

Outsourcing

Dimension

International

Offshore Insourcing

Offshore Outsourcing

Quelle: In Anlehnung an Kinkel/Maloca/Jäger (2009), S. 2.

92

Picot/Dietl/Franck (2008), S. 2. Siehe hierzu auch Zwania (2008), S. 478. 94 Vgl. Frotscher (2007), S. 184; Rödl (2007), Rn. 61; Heckemeyer/Spengel (2008), S. 37; Endres (2003), S. 731; Hoenig/Stingl (2007), S. 23; OECD-RL, Tz. 1.21. 95 Vgl. Kinkel/Maloca/Jäger (2009), S. 1 f.; Olsen (2006), S. 6 f. 96 Vgl. auch Eisele (2003), S. 28. 93

II. Steuerlich relevante Aspekte einer grenzüberschreitenden Umstrukturierung

47

Gemäß der Piloterhebung Verlagerung wirtschaftlicher Aktivitäten97 aus dem Jahr 2008 des Statistischen Bundesamtes erfolgten u. a. 59,3 % der Verlagerungsvorgänge in die zum damaligen Zeitpunkt zwölf neuen EU-Mitgliedsstaaten,98 33,7 % in die Volksrepublik China, 16,4 % nach Indien sowie 14,9 % nach Nordamerika, hingegen waren auch 38,6 % als innerdeutsche Verlagerungen ausgestaltet.99 Dies bedeutet, dass zwar Offshore-Verlagerungen von praktischer Bedeutung sind, jedoch auch die Bundesrepublik Deutschland als Investitionsstandort interessant ist.100 Daneben ist festzustellen, dass 84,3 % der Unternehmen ihre Tätigkeiten auf verbundene Unternehmen verlagert haben bzw. dies planen (Insourcing). In 50,6 % dieser Fälle wurde hierfür ein Unternehmen im Verbund gegründet. In 38 % dieser Fälle übernimmt ein bereits im Verbund bestehendes Unternehmen die verlagerte Tätigkeit. Verlagerungen zu einem nicht verbundenen Partner – Outsourcing – im Ausland sind hingegen von untergeordneter Bedeutung. In Anbetracht dessen, dass das Insourcing die Vorteile bietet, dass die neue Unternehmenseinheit relativ einfach in das Unternehmensnetzwerk zu integrieren ist und das Risiko des Verlustes an Know-how an Dritte gesenkt wird, erscheint diese Variante dem Outsourcing überlegen.101 Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass die Verlagerung von wirtschaftlichen Aktivitäten im (internationalen) Konzern – speziell das Offshore Insourcing – praktische Bedeutung besitzt. Hieraus folgt aber auch, dass kein externer Markt für Transaktionen von wirtschaftlichen Aktivitäten existiert. Im Folgenden sind in Anbetracht der Zielsetzung der Arbeit nur grenzüberschreitende Umstrukturierungen zwischen nahe stehenden Personen, wodurch 97 Zu den Einzelheiten der Erhebung und der Ergebnisse vgl. Statistisches Bundesamt (2008). – Diese wurde mit gewerblichen Unternehmen im nichtfinanziellen Wirtschafts­ bereich durchgeführt: 20.000 Unternehmen des Produzierenden Gewerbes und des Dienstleistungssektors mit 100 und mehr Beschäftigten – mit Ausnahme des Kredit- und Versicherungsgewerbes – wurden auf Grundlage des § 7 Abs. 2 BStatG befragt. 98 Korrespondierend zu einer Studie des ISI. Vgl. Kinkel/Maloca/Jäger (2000), S. 18 f. 99 Die Summe ist größer als 100 %, da ca. 38 % der Unternehmen in mehrere Zielstaaten verlagerten. Vgl. Statistisches Bundesamt (2008), S. 15–17. 100 So äußern sich bspw. die größten Familienunternehmen durchweg positiv zum Wirtschaftsstandort Deutschland. Lediglich 5,6 % der Unternehmen geben einer Studie des BDI zufolge eine negative Bewertung zu diesem Standort ab. Demgegenüber stehen 84,2 % der Befragten, welche dem Standort Deutschland ein positives Zeugnis ausstellen. Fast jeder vierte Unternehmer (23,4 %) beurteilt den Unternehmensstandort Deutschland sogar als deutlich besser im Vergleich zum Ausland. Vgl. BDI (2011), S. 6. 101 Vgl. Fleisch/Geginat/Loeser (2004), S. 26. Die Daten korrespondieren zudem mit einer Studie zu Verlagerungsaktivitäten von Unternehmen in der Schweiz. Vgl. Fleisch/Geginat/ Loeser (2004), S. 27. – Diese Ergebnisse korrespondieren auch mit einer Unternehmensumfrage der IHK: 30 % der Unternehmen besitzen der Umfrage zufolge Tochterunternehmen bzw. Niederlassungen im Ausland und 33 % unterhalten eigene Repräsentanzen und Vertriebsbüros. Vgl. DIHK (2010), S. 8.

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A. Einführung: Konzerninterne Verlagerung wirtschaftlicher Aktivitäten 

sich Möglichkeiten bieten, Unterschiede in der Steuerbelastung einzelner Länder zu nutzen (Investitionsverlagerung), von Interesse. Demzufolge ist nur das Offshore Insourcing für die Ausarbeitung von Bedeutung, welches prinzipiell über drei steuerlich relevante Aspekte verfügt: (1) Aufgrund einer unternehmerischen Umstrukturierung kann sich der ursprüngliche Ansässigkeitsstaat einer Gewinnverlagerung gegenübersehen, die dessen Steuereinnahmen mindert, da der Staat das Besteuerungsrecht für die aus der Funktionsausübung resultierenden Erfolgsbeiträge verliert.102 Der Vorgang kann daher eine Konsequenz auf das Steueraufkommen haben, jedoch ist dieser Aspekt steuerrechtlich unbeachtlich, da die Änderung der Zuständigkeit für die betrieblichen Aufgaben steuerrechtlich folgenlos bleibt.103 (2) Im Anschluss an die Umstrukturierung können sich sowohl der konzerninterne – funktionsbedingte – Liefer- und Leistungsverkehr als auch die Chancen- und Risikoprofile der beteiligten Unternehmen ändern, wodurch sich Veränderungen in der Funktions- und Risikostruktur – der Unternehmensstruktur – der betroffenen Unternehmen ergeben.104 Infolgedessen hat seitens der Unternehmen eine Überprüfung des zuvor bestehenden Verrechnungspreissystems zu erfolgen, um dieses gegebenenfalls an die neuen Gegebenheiten, dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechend, anzupassen. Das heißt, dass sich die von den jeweiligen Gesellschaften zu übernehmenden wirtschaftlichen Aktivitäten und die damit verbundenen Chancen und Risiken auf die Bestimmung der Verrechnungspreise des Leistungsaustausches zwischen diesen Gesellschaften nach der Umstrukturierung auswirken. Somit determinieren diese Verrechnungspreise den Umfang der Gewinne, die die jeweiligen Konzernunternehmen in ihrem jeweiligen Sitzstaat realisieren, was Auswirkungen auf das jeweilige Steueraufkommen der beteiligten Staaten hat.105 (3) Die Umstrukturierung selbst erfährt eine steuerliche Relevanz, wenn zwischen den an der Transaktion beteiligten Gesellschaften materielle und immaterielle Wirtschaftsgüter sowie sonstige Vorteile übertragen werden.106 Die Anknüpfungspunkte der inländischen Besteuerung einer Verlagerung von wirtschaftlichen Aktivitäten sind insbesondere die Übertragung von Wirtschaftsgütern oder sonstigen Vorteilen auf gesellschaftsrechtlicher oder schuldrechtlicher Basis, die Nutzungsüberlassung derselben gegen ein Entgelt sowie das Entstehen von zivilrechtlichen Ansprüchen.107 102

Vgl. Kuckhoff/Schreiber (1999), S. 322; Kahle (2007), S. 647; Rödl (2007), Rn. 66; Baumhoff/Bodenmüller (2000), S. 365; ATO (2007), Tz. 6.  103 Vgl. Kuckhoff/Schreiber (1999), S. 324; Schreiber (2008a), S. 434; Baumhoff/Bodenmüller (2000), S. 365; Heckemeyer/Spengel (2008), S. 42; Frotscher (2008), S. 51. 104 Vgl. Ihli (2008), S. 348. 105 Siehe hierzu OECD (2010a), Chapter IX, Part III. 106 Somit wird eine Organisationseinheit verlagert, die mit der Veräußerung einer Unternehmenseinheit vergleichbar ist. Vgl. Haas (2008), S. 519. 107 Vgl. auch Brockhagen (2007), S. 35; Zech (2009), S. 173; Bodenmüller (2004), S. 139 f.

II. Steuerlich relevante Aspekte einer grenzüberschreitenden Umstrukturierung

49

Abbildung 2: Gestaltungsmöglichkeiten der Verlagerung einer wirtschaftlichen Aktivität

Die Überführung eines Wirtschaftsguts oder anderer Vermögenswerte von einem Unternehmen aus dem Steuerhoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland zu einem in einem anderen Staat belegenen Unternehmen (Rechtsträgerwechsel) ist als Gewinnrealisationstatbestand anzusehen und zum Zeitpunkt der Überführung sind die in den zu überführenden Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven – in Höhe der Differenz zwischen dem Fremdvergleichspreis und dem Buchwert des betreffenden Wirtschaftsguts aufzulösen – aufzulösen (Steuer­ entstrickung).108 Vermieden werden kann die Aufdeckung der stillen Reserven nur, wenn Betriebe oder Teilbetriebe einer deutschen Kapitalgesellschaft in eine in der EU ansässige Tochtergesellschaft gegen die Gewährung von Gesellschaftsrechten eingebracht werden. Soll die Übertragung hingegen in ein Nicht-EU-Land erfolgen, ist eine Aufdeckung der stillen Reserven unumgänglich.109

108 Vgl. Borstell/Jamin (2008), S. 773 f.; OECD (2008), Issue Note 2, Issue Note 3; Scheffler (2009), S. 418; Knobbe-Keuk (1993), S. 271; Baranowski (1996), Rn. 296; Benecke (2007), S. 3238; Baumhoff (2003a), S. 76; Baumhoff/Bodenmüller (2000), S. 365. – Mit den Entstrickungsregelungen wird die „Besteuerung der stillen Reserven derjenigen Wirtschaftsgüter sichergestellt, an denen das deutsche Besteuerungsrecht beschränkt wird.“ BT-Drs. 16/2710, S. 26. Vgl. auch Förster (2007), S. 72. – Die Annahme der Gewinnrealisierung durchbricht das Prinzip, dass nur realisierte Wertsteigerungen zu besteuern sind. Bzgl. dieses Realisationsprinzips vgl. Vogel (1974), S. 197–200; BFH v. 29.10.1981 IV R 138/78, BStBl. II 1982, S. 381 (384). 109 Vgl. Deumeland/Schoss (2000), S. 53; Bodenmüller (2004), S. 158–160; Weier (2008), S.  1005 f.; Rödder (2008), S. 832–836.

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A. Einführung: Konzerninterne Verlagerung wirtschaftlicher Aktivitäten 

III. Steuerplanung bei einer grenzüberschreitenden Umstrukturierung Die Verlagerung von wirtschaftlichen Aktivitäten auf Konzerngesellschaften im Ausland kann dazu beitragen, die Gesamtsteuerlast des Konzerns zu senken, speziell wenn die Verlagerung in ein niedriger besteuerndes Ausland vorgenommen wird.110 Die Verlagerung selbst löst aber, wie zuvor angeführt, grundsätzlich Steuerzahlungen auf die Hebung von stillen Reserven im betroffenen Vermögen aus. Somit ist eine Verlagerung aus steuerlicher Sicht erst dann vorteilhaft, wenn die durch die Steuerentstrickung ausgelöste Steuerbelastung geringer ist als die Steuerentlastung durch eine niedrigere Besteuerung der zukünftigen Gewinne.111 Allerdings stellen steuerliche Faktoren prinzipiell nicht den auslösenden Moment dar, um eine Verlagerung von wirtschaftlichen Aktivitäten vorzunehmen. Gemäß der zuvor erwähnten Piloterhebung Verlagerung wirtschaftlicher Aktivitäten sind die bedeutendsten Motive für die Verlagerung von wirtschaftlichen Aktivitäten der Zugang zu neuen Märkten und die Lohnkosten.112 45,3 % (36,5 %) der Unternehmen gaben an, dass der Zugang zu neuen Absatzmärkten eine sehr wichtige (wichtige) Bedeutung besitzt. Die Lohnkosten folgen an zweiter Stelle. 39,7 % (42,2 %) empfinden diesen Gesichtspunkt als sehr wichtig (wichtig). Steueranreize werden hingegen nur von 17 % (42 %) als sehr wichtig (wichtig) erachtet. Gar 7,3 % geben an, dass steuerliche Anreize nicht wichtig sind.113 Diese Ergebnisse sind vergleichbar mit anderen Studien: Für grenzüberschreitende Umstrukturierungsmaßnahmen stellen Steuer- und Abgabenlasten zwar ein Motiv dar; sie sind jedoch nicht ausschließlich relevant.114 Steuerliche Gesichtspunkte gelten als ein eher kurzfristiger Standortfaktor.115 Stattdessen sind Rahmenbedingungen wie die politische und wirtschaftliche Stabilität, die Infrastruktur, Arbeitskräftepotenzial, Arbeits-, Sozial- und Bürokratiekosten, Nähe zum Absatzmarkt sowie sonstige Standort- und Kostenvorteile entscheiden für die Attraktivität eines Staates.116 110

Vgl. u. a. Kiesewetter/Mugler (2007), S. 503–518, v. Bredow (2011), S. 9. Vgl. auch v. Bredow (2011), S. 1. 112 Diese Angaben entsprechen auch einer in der Schweiz durchgeführten Studie. Ebenfalls steht der erweiterte Marktzugang im Vordergrund. Vgl. Fleisch/Geginat/Loeser (2004), S. 15 f. 113 Vgl. auch Kinkel/Maloca/Jäger (2009), S. 21–23. 114 Vgl. DIHK (2010), S. 21–25; Ditz (2006b), S. 1625; Rolf (2009), S. 154; Schwenke (1998), S. 2605; Bakker/Cottani (2008), S. 282; Koch (2006), S. 97; Dietrich/Kiesewetter/ Moosmann (2008), S. 67. 115 Vgl. Niess (2010), S. 304. 116 Vgl. auch Frotscher (2007), S. 183. Siehe hinsichtlich Gründe für Umstrukturierungen ferner E&Y (2010), S. 15 f. – So gelten auch als Erfolgsfaktoren für das Auslandsgeschäft u. a. stabile politische Verhältnisse, Wechselkursstabilität und Rechtssicherheit im Ausland. Vgl. DIHK (2010), S. 21–25. – Dabei werde Deutschland in Bezug auf die Standortfaktoren sozialer Frieden, Rechtssicherheit, Verfügbarkeit von Zuliefer- und Dienstleistungsunternehmen vor Ort, Qualität von Hochschulen, Forschung und Entwicklung und den hohen Ausbildungsstand der Beschäftigten als gut eingeschätzt. Vgl. BDI (2011), S. 7. 111

III. Steuerplanung bei einer grenzüberschreitenden Umstrukturierung

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Quelle: In Anlehnung an Statistisches Bundesamt (2008), S. 10.

Abbildung 3: Barrieren bei einer Verlagerung (Auszug)

Neben den Motiven, wirtschaftliche Aktivitäten eines Unternehmens ins Ausland zu verlagern, bestehen Barrieren, die dazu führen können, dass eine Verlagerung nicht vorgenommen wird oder nicht erfolgreich durchgeführt werden kann. Sprachliche und kulturelle Barrieren sind von besonderer Bedeutung, aber auch steuerliche Probleme werden von 11,7 % (41,5 %) als sehr relevant (relevant) erachtet. Werden zusätzlich die Zölle in die Betrachtung einbezogen, wird offenbar, dass Zölle und Steuern zusammen die größten Hindernisse darstellen.117 Demnach sollten ordentliche Geschäftsleiter die aus einer (konzerninternen) Umstrukturierung resultierenden steuerlichen Konsequenzen in ihrem Entscheidungskalkül einbeziehen, denn „[s]teuerrechtliche Normen können Liquiditätsund Renditewirkungen entfalten und hierdurch sowohl die relative als auch die absolute Vorteilhaftigkeit von realistisch bestehenden Handlungsmöglichkeiten beeinflussen.“118 Eine (internationale) Unternehmensplanung sollte daher immer mit einer Steuerplanung einhergehen, um eine fundierte Erfassung der Auswirkungen von Steuern auf unternehmerische Entscheidungen zu gewährleisten. Ein Ziel der Steuerplanung ist die Minimierung der Steuerlast, um den Zahlungsüberschuss nach Steuern zu maximieren, denn die Steuerbelastung kann als ein „negativer Zielbeitrag bei der Entfaltung ökonomischer Aktivitäten angesehen wer 117 Einer Umfrage des BDI zufolge stellen die Haupthemmnisse nicht auf ausländischen Märkten tätig zu werden, rechtliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen in den entsprechenden Ländern, gefolgt von Handelsbeschränkungen bzw. Zöllen dar. Vgl. BDI (2011), S. 17. 118 v. Bredow (2011), S. 1. Vgl. auch Schneider (2002), S. 20.

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A. Einführung: Konzerninterne Verlagerung wirtschaftlicher Aktivitäten 

den“119. Dabei sind v. a. auch Aspekte der Doppelbesteuerung zu beachten, die dem Bestreben der Minimierung der Steuerlast entgegenstehen.120 Eine solche (freiwillige) Steuerplanung ist aber nicht kostenlos.121 Diese (Steuer-)Planungskosten122 umfassen dabei u. a. Kosten der Informationsgewinnung, um sich mit den steuerrechtlichen Vorschriften vertraut zu machen, und im Besonderen die Kosten der Inanspruchnahme von externen Beratungsdienstleistungen. Indes bestehen über den Umfang von steuerlichen Planungsvorteilen keine eindeutigen Erkenntnisse. Dessen ungeachtet scheint sich eine Steuerplanung vor allem bei großen Volumen als effektiv zu erweisen. Demnach ist es auch einsichtig, dass der Anteil solcher Planungskosten an den gesamten steuerlichen Folgekosten mit der Unternehmensgröße zunimmt.123 Nachstehendes Beispiel soll zeigen, welche Überlegungen grundsätzlich in eine Steuerplanung bei der Verlagerung einer wirtschaftlichen Aktivität – bei Vorliegen eines internationalen Konzerns mit einer Muttergesellschaft in Deutschland und einer ausländischen Tochtergesellschaft – aus Konzernsicht einzubeziehen sind: Ist davon auszugehen, dass ein Konzern seine Steuerlast zu minimieren bzw. den Gewinn nach Steuern zu maximieren versucht, dann wird der Konzern die Gewinne nach Steuern aller Konzernunternehmen versuchen zu maximieren.124 (1a)

Max. G MG · (1 – sD)

(1b)

Max. G TG · (1 – sKStA)

(1c)

Max. GK = G MG · (1 – sD) + G TG · (1 – sKStA)

Die laufende deutsche Steuerbelastung (sD) bei Kapitalgesellschaften ergibt sich aus der GewSt (sGewSt)125, der KSt (sKSt) und dem Solidaritätszuschlag (sSolZ):126 (2) sD = sGewSt + sKSt + sKSt · sSolZ

= 14 % + 15 % + 15 % · 5,5 % = 29,825 %

119 Grotherr (2000), S. 5. Steuerplanung meint „den vorausschauenden Umgang mit vorgegebenen steuerlichen Normen“ Kälin/Strohe (2011), S. 103. Von Bedeutung bei der Steuerplanung ist v. a., ob die Rangfolge von Handlungsalternativen verändert wird. Vgl. Mellwig (2002), Sp. 1834. „Steuerplanung resultiert in Sachverhaltsgestaltung.“ Hey (2002), S. 9 f. Die ökonomische Abgrenzung der Steuerplanung von der Steuerhinterziehung liegt darin, dass Erstere nicht mit einer Strafzahlung verbunden ist. Vgl. Eichfelder (2010b), S. 11. 120 Vgl. Kußmaul (2008), S. 661; Vogel (2008), Einl. Rz. 4; Kirchhof (1999), § 88 Rn. 137. 121 Vgl. Eichfelder (2010b), S. 11, 23 f. 122 Diese Planungskosten sind ein Teil der Steuerbefolgungskosten. Diese können unterteilt werden in Planungskosten und Vollzugskosten. Letztere stellen (verpflichtende) Steuerdeklarationskosten dar und entstehen erst nach Realisierung des steuerlichen Tatbestandes. Vgl. Wagner (2005), S. 94–96; ders. (2006), S. 20. 123 Vgl. Eichfelder (2010b), S. 11, 62 f., 79 m. w. N. 124 Vgl. hierzu auch Kiesewetter (2005), S. 6–8. 125 Es wird ein Hebesatz der Gemeinde von 400 % unterstellt. Die Steuermesszahl beträgt gemäß § 11 Abs. 2 GewStG 3,5. sGewSt = m ∙ h = 3,5 ∙ 400 % = 14 %. 126 Das Beispiel ist angelehnt an Scheffler/Eickhorst (2004), S. 818–823.

III. Steuerplanung bei einer grenzüberschreitenden Umstrukturierung

53

Die ausländische Tochterkapitalgesellschaft unterliegt mit ihren Gewinnen in dem betreffenden Land der Steuerpflicht (sKStA) und schirmt sowohl Gewinne als auch Verluste vor dem Einkommen der inländischen Muttergesellschaft ab. Werden die Gewinne der Tochtergesellschaft an ihre in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Mutterkapitalgesellschaft ausgeschüttet, erhöhen diese das Welteinkommen der Muttergesellschaft und unterliegen der Besteuerung im Staat der Muttergesellschaft. Jedoch greift die Dividendenfreistellung gemäß § 8b Abs. 1 KStG. Eine Anrechnung oder der Abzug der ausländischen Quellensteuer scheidet daher aus (Freistellungsmethode).127 Hingegen gelten gemäß § 8b Abs. 5 KStG 5 % als nicht abziehbare Betriebsausgaben und unterliegen der Besteuerung, sodass faktisch 95 % der Schachteldividenden von der Steuer befreit sind. Für die GewSt sind die Hinzurechnungsvorschriften des § 8 Nr. 5 sowie § 9 Nr. 2a, Nr. 7 GewStG zu beachten. Ferner unterliegen die ausgeschütteten Gewinne regelmäßig der ausländischen Quellenbesteuerung, da die Muttergesellschaft mit den an sie ausgeschütteten Dividenden als beschränkt steuerpflichtig im Sitzstaat der Tochtergesellschaft gilt. Das Recht des Quellenstaates die Ausschüttung zu besteuern, kann im Fall, dass ein DBA zwischen der Bundesrepublik Deutschland mit dem betreffenden Staat besteht, begrenzt sein. Wenn die DBA dem OECD-Musterabkommen (OECDMA) folgen, wird regelmäßig eine Begrenzung auf 15 % bzw. 5 % für Schachteldividenden vorgenommen.128 Gemäß Art. 10 Abs. 2 a OECD-MA wird die Höhe der zulässigen Steuer beschränkt, wenn der Empfänger der Ausschüttung eine Kapitalgesellschaft ist. Diese muss aber über mindestens ein Viertel des Kapitals der Ausschüttungen leistenden Gesellschaft verfügen. In allen anderen Fällen darf der Steuersatz 15 % nicht übersteigen. Bei einer unterstellten Körperschaftsteuer im Ausland (sKStA) von 15 % ergibt sich folgende Belastung (sA), wenn der Gewinn an die Muttergesellschaft ausgeschüttet wird: (3) sA = sKStA + (1 – sKStA) · sQuellensteuer + (1 – sKStA) · 5 % · sD

127

= 0,15 + (1 – 0,15) · 0,05 + (1 – 0,15) · 0,05 · 0,29825 = 20,52 %

Vgl. Jacobs (2011), S. 463 f. Vgl. Deumeland/Schoss (2000), S. 63; Jacobs (2011), S. 455–463. – Liegt eine Schachtelbeteiligung vor, ist dieser Gewinntransfer grundsätzlich privilegiert. Die DBA gewähren für Schachtelbeteiligungserträge ein internationales Schachtelprivileg. Aufgrund des § 8b Abs. 1 KStG resultieren keine grundlegenden Unterschiede zum nationalen Recht. Die erhobene Quellensteuer braucht nicht aufgrund eines DBA begrenzt zu sein. Innerhalb der EU ist die Mutter/Tochter-Richtlinie maßgeblich. Vgl. Schwenke (1998), S. 2612; Richtlinie 90/435/EWG v. 23.7.1990, ABl. EG v. 20.8.1990 Nr. L 225, geändert durch Änderungsrichtlinie 2003/123/EG v. 22.12.2003, ABl. EG v. 13.1.2004 Nr. L 7/41. Zuletzt geändert durch Art. 9 Abs. 1 ÄndRL 2011/96/EU vom 30.11.2011, ABl. Nr. L 345 S. 8. Voraussetzung für die Quellensteuerermäßigung ist, dass der abkommensrechtliche Dividendenbegriff erfüllt ist (§ 10 Abs. 3 OECD-MA). 128

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A. Einführung: Konzerninterne Verlagerung wirtschaftlicher Aktivitäten  Tabelle 2 Besteuerung der Gewinnausschüttung einer ausländischen Tochtergesellschaft Kapitalgesellschaft als Muttergesellschaft

Gewinnentstehung im Ausland

Ertragbesteuerung im Ausland – sKStA

Dividendenausschüttung im Ausland

Quellensteuer im Ausland – Bei Existenz eines DBA regelmäßig reduziert – sQuellensteuer

Dividendenempfang im Inland

§§ 8b Abs. 1, 8b Abs. 5 KStG – 5 % als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben; § 8 Nr. 5 GewStG bei Beteiligungen unter 15 % und passiven Beteiligungen; bei einer mindestens 15 %igen aktiven Beteiligung folgt eine generelle Dividendenfreistellung und wirkt sich über § 7 GewStG auf die GewSt aus; im EU-Fall greift das Schachtelprivileg ab 10 %.

Quelle: In Anlehnung an Kußmaul (2008), S. 716.

Aus rein steuerlichen Aspekten wird der Konzern bestrebt sein, die Verrechnungspreise für einen konzerninternen Leistungsaustausch so zu wählen, dass der „Gewinnausweis so weit wie möglich in das Land mit dem niedrigeren Steuersatz verlagert“129 und anschließend wieder an die Muttergesellschaft ausgeschüttet wird. Infolgedessen steigt der Gewinn nach Steuern des Konzerns. Im Zuge der Verlagerung einer wirtschaftlichen Aktivität erfolgt regelmäßig die Übertragung von materiellen und immateriellen Werten. Aufgrund des Entzugs des Besteuerungssubstrates sind zum Zeitpunkt der Verlagerung die in den zu verlagernden Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven (stR) aufzudecken und zu besteuern, sodass nicht nur die künftige laufende Ertragsteuerbelastung für Vorteilhaftigkeitsüberlegungen von Interesse ist.130 Zum Zeitpunkt der Umstrukturierung ergibt sich eine inländische Steuerbelastung (Primäreffekt), bei der sich die stillen Reserven aus der Differenz zwischen dem Verkehrswert bzw. Fremdvergleichspreis (FP) und dem Buchwert (BW) ergeben: (4)

(FP – BW) · sD = stR · sD = Steuerbelastung durch Umstrukturierung

In den Folgejahren wird das aufnehmende Unternehmen die Anschaffungskosten (AK) ausgehend vom Verkehrswert der übertragenen Wirtschaftsgüter prinzipiell steuerlich abschreiben können, sodass daraus eine Minderung der laufenden

129

Kiesewetter (2005), S. 7 f. Vgl. Kaminski/Strunk (2002), S. 789; Rödl (2007), Rn. 68; Frotscher (2007), S. 183; Scheffler/Eickhorst (2004), S. 818; Serg (2005), S. 1916. 130

III. Steuerplanung bei einer grenzüberschreitenden Umstrukturierung

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Steuerlast des ausländischen Unternehmens folgt. Die Absetzung für Abnutzung (AfA)131 soll linear über die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer (bgN) erfolgen: (5)

AfA p. a. =

Die laufende Steuerbelastung im Ausland wird daher um den Faktor (AK/bgN · sKStA) gemindert. Wenn unterstellt wird, dass der gesamte Gewinn ausgeschüttet wird, berechnet sich die Ertragsteuerminderung aus dem Faktor (AK/bgN · sA), und da die Wiederanlage annahmegemäß in der Bundesrepublik Deutschland erfolgen soll, wird folgender Nettokalkulationszinssatz verwendet: iS = i · (1 – sD). Hieraus ergibt sich der Barwert durch die AfA mögliche Steuerentlastung (Sekundäreffekt): (6a) ( (6b) (

· sA) · · sA) · BWF

Werden diese aperiodischen Steuereffekte zusammen betrachtet, folgt nachstehender Barwert der aperiodischen Steuerbelastung: Tabelle 3 Aperiodische Steuereffekte Steuerbelastung durch Umstrukturierung

stR · sD

./.

Barwert der Steuerentlastung

(

=

Barwert der aperiodischen Steuerbelastung

stR · (sD · )· BWF, wenn stR = AK

· sA) · BWF

Es lässt sich konstatieren, dass sich eine steuerlich motivierte Verlagerung umso mehr lohnt, je größer das Steuersatzgefälle, je geringer der Umfang der aufzulösenden stillen Reserven und der Kalkulationszinssatz sind und je schneller die Wirtschaftsgüter vom aufnehmenden Unternehmen abgeschrieben werden können. Dabei wird die aperiodische Steuerbelastung umso höher ausfallen, desto mehr stille Reserven übertragen werden.132 Daher ist es für eine (Konzern-)Gesellschaft steuerlich lohnend, wenn sie den steuerlichen Verrechnungspreis für den Verlagerungsvorgang dergestalt festsetzt, dass der Umfang der aufzulösenden stillen Reserven minimiert wird. Desgleichen sind im Besonderen Umstrukturierungsvorgänge zwischen Konzerngesellschaften geeignet, eine Aufdeckung von stillen Reserven zu vermeiden: Durch die geeignete Wahl des Verrechnungspreises für die betreffende Transaktion können stille Reserven ohne eine angemessene Erfassung in ein anderes Land transferiert werden. Die Dispositionsfreiheit der Unternehmen endet jedoch steuerlich an 131

Siehe hierzu auch § 7 Abs. 1 Satz 1–2 EStG. Vgl. auch Serg (2006), S. 131.

132

56

A. Einführung: Konzerninterne Verlagerung wirtschaftlicher Aktivitäten 

dem Punkt, an dem „ein organisationsrechtlicher Akt dazu verwendet wird, eine konkrete Gewinnverlagerung zu verdecken. Dies ist z. B. der Fall, wenn anlässlich einer [Umstrukturierung] werthaltige Wirtschaftsgüter oder Vermögensvorteile unentgeltlich bzw. ohne angemessenes Entgelt übertragen/überlassen werden.“133 Um solch gezielte Manipulationen zu verhindern, kann eine solche Umstrukturierung zwischen Konzerngesellschaften v. a. dann eine steuerliche Einkünftekorrektur auslösen, wenn ein fremder Dritter ein Entgelt für die wirtschaftliche Aktivität entrichtet hätte und tatsächlich kein oder ein zu geringes Entgelt entrichtet worden ist.134 Seitens der betroffenen Staaten wird daher versucht, steuerliche Regelungen zu etablieren, um solche Transaktionen steuerlich erfassen zu können und um den steuerlich relevanten Verrechnungspreis des Verlagerungsvorgangs einer Angemessenheitsprüfung zu unterziehen.135 Umstrukturierungen von Unternehmen, speziell das Offshore Insourcing, sind daher im steuerlichen Kontext nicht zu vernachlässigen. Schließlich erscheint es schlüssig, einen Tatbestand in das Steuerrecht aufzunehmen, der sich der konzerninternen Verlagerung von wirtschaftlichen Aktivitäten widmet, wenn neben der Änderung der Zuständigkeit für die betrieblichen Aufgaben auch Wirtschaftsgüter und Vorteile transferiert werden, um diese steuerlich sachgerecht zu erfassen. Jedoch sollte dieser Tatbestand nicht dazu beitragen, dass – insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass Steuern und Zölle die meistgenannte Barriere einer Verlagerung darstellen – betriebswirtschaftlich sinnvolle Verlagerungsvorgänge nicht durchgeführt werden.136

133

Schreiber (2009), Anm. 55. Vgl. Sieker (2009), Art. 9 Rn. 341; Kuckhoff/Schreiber (1999), S. 324. 135 Vgl. hierzu auch BT-Drs. 16/4841, S. 1, 30. 136 Vgl. auch Naumann (2007b), S. 203; Schreiber (2009), Anm. 6. 134

B. Die Funktionsverlagerung im Steuerrecht I. Steuerliche Erfassung einer Funktionsverlagerung im Sinne des § 1 AStG 1. Sinn und Zweck der Etablierung des § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG In Kapitel I wurde zum einen dargelegt, dass Konzerne im Rahmen einer gewinnmaximierenden Strategie theoretisch einen Anreiz haben, konzerninterne Leistungsbeziehungen nicht wie unter fremden Dritten abzubilden, um die Konzernsteuerlast zu minimieren. Daher besitzen konzerninterne Verlagerungsvorgänge bzw. konzerninterne Umstrukturierungen theoretisch ein steuergefährdendes Potenzial, da im Inland gebildete stille Reserven ohne deren steuerlich adäquate Erfassung ins Ausland übertragen werden können. Zum anderen wurde gezeigt, dass grenzüberschreitende, konzerninterne Umstrukturierungsvorgänge von praktischer Bedeutung sind, da Umstrukturierungsvorgänge vornehmlich grenzüberschreitend und konzernintern (Offshore Insourcing) ausgestaltet ­werden. Zudem sehen sich Außenprüfer bei konzerninternen Verlagerungen wirtschaftlicher Aktivitäten Beurteilungsschwierigkeiten gegenüber:1 Was genau wird verlagert – Wirtschaftsgüter, Teilbetriebe, Funktionen – und wie ist eine (dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechende) Bewertung – Einzel- oder Gesamtbewertung – vorzunehmen? Es steht die entscheidende Frage im Vordergrund, „ob ein in Geld bewertbarer Vorteil über die Grenzen transferiert wird und somit ein marktkonformer Verrechnungspreis anzusetzen ist“, denn „[w]as am Markt unter einander fremden Dritten […] nicht in Geld abgegolten wird, ist auch nach dem [Fremdvergleichsgrundsatz] nicht zu entgelten.“2 Der Übergang einer wirtschaftlichen Aktivität bzw. Funktion von einem Rechtsträger auf einen anderen Rechtsträger wird grundsätzlich nicht unentgeltlich erfolgen können, da mit einer solchen Wirtschaftsgüter und sonstige Vorteile sowie Leistungen verbunden sind, die die Funktionsausführung bei dem aufnehmenden Unternehmen ermöglichen.3 Vor allem stellt sich diese Frage im Zusammenhang mit dem Übergang immaterieller Vermögenswerte.4 Diese Werte, welche steuermindernde Betriebsausgaben durch deren Entwicklung haben verursachen und die Grundlagen für die zukünftigen Gewinne darstellen können, werden z. T. im Rahmen von konzernin 1

Vgl. auch Endres (2003), S. 732 f.; Schnorberger (2011), S. 356. Zitate nach Beiser (2008), S. 29. 3 A. A. Meyer-Scharenberg (2008), S. 226. 4 Vgl. auch Dischinger/Riedel (2008), S. 28. 2

58

B. Die Funktionsverlagerung im Steuerrecht

ternen Umstrukturierungen grenzüberschreitend übertragen. Es besteht die Vermutung, dass speziell diese immateriellen Vermögenswerte ohne fremdvergleichskonforme Vergütung bzw. ohne eine angemessene Besteuerung des inländischen Wertschöpfungsbeitrags übertragen werden,5 da ein Teil der konzerninternen Austauschbeziehungen, wie bspw. intellektuelle Leistungen, nicht beobachtet werden kann.6 Begünstigt wird diese steuerliche Nichterfassung u. a. dadurch, dass aussagekräftige Daten, bspw. zum intellektuellen Unternehmenskapital, in keiner Bilanz erfasst und bewertet werden.7 Es ist evident, dass der Gesetzgeber versucht, dem Vorstehenden entgegenzuwirken.8 Zwar war schon vor Einführung des § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG im Rahmen einer Verlagerung von wirtschaftlichen Aktivitäten der Übergang von materiellen sowie immateriellen Wirtschaftsgütern, Geschäftschancen und eines etwaigen Geschäftswerts zu prüfen, wobei eine Bewertung solch einer Verlagerung grundsätzlich wirtschaftsgutbezogen zu erfolgen hatte.9 Jedoch soll mit der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen i. S. d. § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG „der international anerkannte Fremdvergleichsgrundsatz gesetzlich präzisiert werden. Speziell für die […] nicht klar genug normierten ‚Funktionsverlagerungen‘ werden hinreichend konkrete Bestimmungen geschaffen, die eine sachgerechte Besteuerung von Wertetransfers ins Ausland sicherstellen.“10 Hiermit soll erreicht werden, dass (deutsches steuerverstricktes) Steuersubstrat beim grenzüberschreitenden Leistungsaustausch sachgerecht erfasst wird,11 wobei dieser Wertetransfer in einem in 5

Vgl. Baumhoff/Bodenmüller (2000), S. 382; Brockhagen (2007), S. 35; Kaminski/Strunk (2009), S. 712; Ditz (2006b), S. 1625; Dischinger/Riedel (2008), S. 1; Zwania (2008), S. 479. 6 Vgl. Bodenmüller (2004), S. 84; Herzig (1998), S. 285; Brockhagen (2007), S. 35. 7 „Nur vier Prozent haben bereits ihr immaterielles Betriebsvermögen […] überhaupt erfasst, lediglich jeder Zwanzigste plant mittelfristig eine solche Dokumentation.“ Innovations-Report (2008). Auch, und nicht nur, in den USA wird diese Auffassung geteilt. Vgl. Joint Committee on Taxation (2009), S. 26; Hejazi (2006), S. 399. 8 Vgl. Borstell/Schäperclaus (2008), S. 275. 9 Vgl. Baumhoff/Bodenmüller (2000), S. 381; Menninger/Wellens (2012), S. 10; Greinert/Thiele (2011), S. 1199. Daneben ist auch zu prüfen, ob durch den Verlagerungsvorgang zivilrechtliche Entschädigungsansprüche entstanden sind. Hierunter zählen v. a. Ausgleichsansprüche gemäß § 89b HGB sowie Schadensersatzansprüche aufgrund vorzeitiger Vertragsbeendigung. Hierauf wird in Anbetracht der Zielsetzung nicht gesondert eingegangen. Siehe hierfür § 8 FVerlV. Vgl. Puls (2010), S. 89–95. 10 BT-Drs. 16/4841, S. 34 f. 11 Die explizite Aufnahme der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen sei v. a. im Vollzugsdefizit bei der Besteuerung der Verlagerungen von immateriellen Vermögenswerten als in einem neuen Besteuerungstatbestand zu sehen. Vgl. Schreiber (2009), Anm. 1; Dischinger/Riedel (2008), S. 28. – Hiermit soll erreicht werden, dass der geschätzten Minderung des Steuersubstrates i. H. v. 100 Mrd. EUR entgegengewirkt wird. Die Daten basieren auf einer Studie des DIW für das Jahr 2001 aus dem Jahr 2007. Jedoch reichen die Spannweiten der Schätzungen innerhalb multinationaler Unternehmen von 2.104 Mio. US-$ bis 100 Mrd. EUR. Vgl. Heckemeyer/Spengel (2009), S. 133–135; dies. (2008), S. 37–61; DIW (2007), S. 63 f.; IW (2006), S. 2; Huizinga/Laeven (2008), S. 1164–1182. – Vgl. auch Frotscher (2008), S. 49; Cauwenbergh/Lucas (2008), S. 518; Kroppen/Rasch/Eigelshoven (2007), S. 329; BT-Drs. 16/8027, S. 1.

I. Steuerliche Erfassung einer Funktionsverlagerung im Sinne des § 1 AStG 

59

ternational üblichen Maße besteuert werden soll, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen zu gewährleisten.12 Daher erfolge für die Bemessung und Prüfung eines angemessenen Entgeltes einer Funktionsverlagerung grundsätzlich eine Orientierung an Unternehmensbewertungsgrundsätzen. Daneben werden seitens der Bundesregierung Mehreinnahmen i. H. v. 1,77 Mrd. EUR erwartet.13 2. Die Funktion im deutschen Steuerrecht In der Gesetzesbegründung wird eine Funktion als organischer Teil eines Unternehmens angeführt.14 Eine Definition i. S. d. § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG erfolgt in § 1 Abs. 1 FVerlV: „Eine Funktion ist eine Geschäftstätigkeit, die aus einer Zusammenfassung gleichartiger betrieblicher Aufgaben besteht, die von bestimmten Stellen oder Abteilungen eines Unternehmens erledigt werden. Sie ist ein organischer Teil eines Unternehmens, ohne dass ein Teilbetrieb im steuerlichen Sinn vorliegen muss.“ Mit einer Funktion werden daher „Art und Umfang einer zu vollbringenden Leistung“15 beschrieben, welche von einem funktional zusammenhängenden Unternehmensteil ausgeübt wird.16 Jedoch ergeben sich steuerliche Risiken u. a. dadurch, dass der Begriff der Funktion neu im Steuerrecht etabliert wurde und dessen Abgrenzung zu steuerrechtlich relevanten Begriffen bisher nicht gegeben ist.17 Außerdem wirkt die Ausgestaltung des Funktionsbegriffes auf die Würdigung, ob die Tatbestandsvoraussetzungen einer Funktionsverlagerung vorliegen und ist bei einer objektivierten und intersubjektiv vergleichbaren Ermittlung der Bemessungsgrundlage von Bedeutung:18 Denn am Anfang einer jeden Bewertung gilt es zu klären, was zu bewerten ist. Folglich müssen der Gegenstand der Wertermittlung und dessen Umfang abgegrenzt werden.19 Daher gilt es, die Tatbestandsmerkmale der Funktion, die in der FVerlV angeführt sind, näher zu betrachten:20 –– Geschäftstätigkeit, –– Zusammenfassung gleichartiger betrieblicher Aufgaben, die von bestimmten Stellen oder Abteilungen eines Unternehmens erledigt werden, und –– organischer Teil des Unternehmens. 12 Vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 2. Siehe auch BFH v. 18.12.1996 I R 26/95, BFHE 182, S. 190 (194). 13 Siehe hierzu u. a. BR-Drs. 220/07, S. 67. 14 Vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 86. 15 Schramm (1935), S. 3. 16 Vgl. Schwenke (2008), S. 138. 17 Vgl. auch Kaminski/Strunk (2002), S. 797. 18 Vgl. Borstell/Schäperclaus (2008), S. 276. 19 Vgl. RFH v. 18.12.1935 III A 319/35, RStBl. 1936, S. 311 (311). 20 Vgl. ausführlich hierzu Greil (2011a), S. 209–217.

60

B. Die Funktionsverlagerung im Steuerrecht

a) Tatbestandsmerkmale einer Funktion im Sinne des AStG aa) Geschäftstätigkeit Die Funktion stellt eine Geschäftstätigkeit dar, die eine Verrichtungsaufgabe zum Gegenstand hat.21 Eine Funktion übernimmt und erfüllt eine bestimmte Aufgabe im Rahmen des unternehmerischen Wertschöpfungsprozesses. Dabei ist es unbeachtlich, ob diese Tätigkeit auf einen externen Markt gerichtet ist oder interne Leistungen erbringt. Daher können auch Verrichtungsaufgaben von nur innerbetrieblichen Organisationseinheiten als eine Geschäftstätigkeit qualifiziert werden. Beispielsweise kann ein Kfz-Hersteller seine eigenen Reifen produzieren und diese nur für den internen Gebrauch herstellen oder zusätzlich auf dem externen Markt anbieten. In beiden Fällen liegt eine Geschäftstätigkeit vor: Die Produktion von Reifen.22 Damit wird eine Aufgabe im Rahmen des Wertschöpfungsprozesses – der Herstellung des Kfz – übernommen und erfüllt. Hingegen wird die Ansicht vertreten, dass ein erwerbsmäßiges Tätigwerden auf einem externen Markt vorzuliegen habe, um den Begriff der Geschäftstätigkeit zu erfüllen, da die Erzielung von Einnahmen ein Tatbestandsmerkmal sei und deswegen nur Funktionen wie Vertrieb oder Produktion zu erfassen seien.23 Wäre auf die Erzielung von Einnahmen als Tatbestandsmerkmal abzustellen, würden Hilfsfunktionen, wie z. B. die Buchhaltung, keine Funktionen darstellen, obgleich sie abgrenzbare Hilfstätigkeiten im Unternehmen repräsentieren, aber keine Einnahmen zurechenbar sind, es sei denn, dass sie als Profit Center ausgestaltet wären.24 Im strengen Sinne könnten auch der Produktion keine isolierten Einnahmen zugeordnet werden, da dies nur im Absatzbereich möglich ist. So war angedacht, die Funktion auch über das Tatbestandsmerkmal Bewertbarkeit zu definieren. Zutreffend ist hiervon abgesehen worden, da die Definition der Funktion von der Bewertung derselbigen zu trennen ist.25 bb) Zusammenfassung gleichartiger betrieblicher Aufgaben Eine Funktion repräsentiert eine bestimmte betriebliche Aufgabe oder ein Tätigwerden im Rahmen eines tatsächlichen Ganzen. Das heißt, es wird mit diesem Tatbestandsmerkmal jede Aufgabe erfasst, die in einem Unternehmen zu erledigen ist, um das Unternehmensziel zu erfüllen. Hierzu zählen auch Verwaltungsaufgaben. Als Hilfsaufgaben tragen Verwaltungsaufgaben dazu bei, Tätigkeiten im

21

Vgl. Kroppen/Rasch (2009a), S. 796. Vgl. auch VerwGr-FVerl, Tz. 2.1.1.1. 23 Vgl. Frischmuth (2008), S. 865. 24 Vgl. Haas (2008), S. 520. 25 Vgl. Zech (2009), S. 185. 22

I. Steuerliche Erfassung einer Funktionsverlagerung im Sinne des § 1 AStG 

61

Rahmen der Wertschöpfungskette auszuüben.26 Durch das Abstellen auf betriebliche Aufgaben wird dies hervorgehoben. Es sind solche Aufgaben zu erfassen, die im Rahmen des Betriebes, zur Erfüllung seines Zwecks im Rahmen der Organisation, notwendig sind. Es erfolgt damit eine Orientierung an der tatsächlichen Unternehmensorganisation. Jedoch kann die Funktion nur ein Teil der Gesamtaufgabe der Unternehmung sein, da einzelne Funktionen das Ergebnis der Arbeitsteilung innerhalb des Unternehmens sind und sich entsprechend ergänzen.27 Das Abstellen auf eine Zusammenfassung gleichartiger betrieblicher Aufgaben drückt präzisierend den hohen Grad an Homogenität der zu erledigenden Aufgaben aus, die im Rahmen der Funktion erfüllt werden. Diese Aufgaben sind von bestimmten Stellen oder Abteilungen eines Unternehmens auszuführen.28 Hierin zeigt sich auch, dass mehr als eine Stelle notwendig ist, um eine Funktion darzustellen, und dass Bezug auf die Organisationstheorie genommen wird.29 cc) Organischer Teil des Unternehmens Daneben stellt die Funktion einen organischen Teil eines Unternehmens dar, ohne dass ein Teilbetrieb im steuerlichen Sinn vorliegen muss. Wird organisch verstanden als organisatorisch, so ist organisch als die Eingliederung von Arbeitsleistungen in einen gesamten Arbeitsablauf „im Sinne der wiederholten Erfüllung einer […] Daueraufgabe“30 aufzufassen. Dies impliziert, dass sich die Funktion als eine Teileinheit in den Arbeitsablauf des gesamten Unternehmens einfügt und eine bestimmte Aufgabe auf Dauer erfüllt. Sie zeigt sich mithin als „eine zusammengesetzte in sich geschlossene Mannigfaltigkeit, die als ein gegliedertes Ganzes erlebt wird“31. Die einzelne Funktion muss daher nicht alleine am Markt lebensfähig sein: Sie ist abhängig von den restlichen Funktionen, die im Unternehmen ausgeübt werden, da keine der Aufgaben gelöst werden kann, ohne nicht auch die anderen Aufgaben zu erfüllen.32 Dennoch hat die Funktion „trotz ihrer gegenseitigen Abhängigkeit einen gewissen selbständigen Charakter“. Die gewisse Selbstständigkeit ergibt sich daraus, dass „ein bestimmter Effekt im Hinblick auf das Ganze erzielt werden soll, weil er für das Leben des Ganzen wichtig ist, aber doch auf eigene Weise zu-

26

Vgl. Zech (2009), S. 183 f. Vgl. Eisele (2003), S. 23 f. – „Die infolge der Aufbauorganisation bestehenden Funktionen bilden die Grundgesamtheit der Funktionen einer Unternehmung.“ v. Bredow (2011), S. 59. 28 Vgl. Zech (2009), S. 184 f. 29 Vgl. hierzu ausführlich Greil (2011a), S. 209–217. 30 Nordsieck (1955), S. 23. 31 Hoffmeister (1955), „Einheit“. 32 Vgl. Schramm (1935), S. 4. 27

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B. Die Funktionsverlagerung im Steuerrecht

stande kommt.“33 Das heißt, es ist von der Funktion ein arbeitstechnischer Zweck vollständig zu erfüllen,34 der einen Effekt im Ganzen entfaltet. Dieser Gliedcharakter der Funktion zeigt zum einen die Abhängigkeit der Funktion vom Gesamten, zum anderen die Abhängigkeit des Gesamten von der Funktion, da sie als organischer Teil für das gesamte Unternehmen von Bedeutung ist. Dies impliziert zugleich, dass aufgrund der gewissen Selbstständigkeit der Funktion dieser bestimmte Aufwendungen und Erträge sachgerecht zugeordnet werden können. Diese Zuordnung ist dann möglich, wenn die Leistungen der Funktion unternehmensintern getauscht bzw. von anderen organisatorischen Bereichen des Unternehmens bezogen werden können und hierfür ein Ansatz von Verrechnungspreisen erfolgt bzw. erfolgen kann;35 dies ist aber nicht mit dem Tatbestandsmerkmal der Bewertbarkeit gleichzusetzen. Zudem kennzeichnet eine wirtschaftliche Zusammengehörigkeit die Funktion, sodass neben den gleichartigen betrieblichen Aufgaben die die Funktion ausmachenden Vermögenswerte in einem einheitlichen (organisatorischen) Funktionszusammenhang stehen. Insofern ist jene abgrenzbar.36 b) Eine neue Definition der Funktion im deutschen Steuerrecht Es lässt sich eine neue Definition der Funktion vornehmen, um u. a. der Kritik, dass „die Definition der Funktion so unpräzise und umfassend“ sei, dass „sich alles, was über die Verlagerung eines Wirtschaftsguts hinausgeht, unter den Begriff der Funktion subsumieren“37 lasse, entgegenzuwirken:38 Die Funktion repräsentiert eine organisatorisch geschlossene und mit einer gewissen Selbstständigkeit ausgestattete wirtschaftliche Einheit, die als Gesamtheit von Personen und sachlichen Hilfsmitteln, die einer Stelle oder Abteilung zugeordnet sind, zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit eine bestimmte Aufgabe im Rahmen des Wertschöpfungsprozesses, also eine zweckgerichtete, abgrenzbare Tätigkeit, welche einen Teilbereich der unternehmerischen Gesamt-

33

Böhrs (1974), S. 15 f. Vgl. Steffan (2007), § 613a Rn. 20. 35 Siehe auch v. Bredow (2011), S. 61 f. 36 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert (2008), S. 1946. 37 Kahle (2009), S. 559 m. V. a. Borstell/Schäperclaus (2008), S. 276. Vgl. auch Hervè/ Köhler (2009), S. 575; Kaminski (2007), S. 599. 38 Hierzu ausführlich Greil (2011a), S. 209–217. – v. Bredow beschreibt eine Funktion wie folgt: „Als Ergebnis kann festgehalten werden, dass Funktionen – als Ergebnis der Aufgabensynthese in einem Unternehmen – nach bestimmten Kriterien gebildete Aufgabenbündel sind, die auf Grund ihres wirtschaftlichen Zusammenhangs organisatorischen Einheiten zugeordnet sind und in ihrer Gesamtheit die Aufbauorganisation einer Unternehmung widerspiegeln.“ v. Bredow (2011), S. 59. 34

I. Steuerliche Erfassung einer Funktionsverlagerung im Sinne des § 1 AStG 

63

aufgabe erfasst, abschließend wahrnimmt, die für das gesamte Unternehmen von Bedeutung ist. Die in dieser wirtschaftlichen Einheit zu erledigenden betrieblichen Aufgaben werden von bestimmten Stellen oder Abteilungen als funktional zusammenhängender Unternehmensteil eines Unternehmens ausgeführt und wiederholen sich im selben wirtschaftlichen Kontext, sodass ein innerer wirtschaftlicher Zusammenhang für einen Dritten erkennbar ist und sich von anderen Unternehmensbereichen abgrenzen lässt. Da einzelne Funktionen das Ergebnis der Arbeitsteilung innerhalb des Unternehmens sind und sich entsprechend ergänzen, stellen sie nur einen abgrenzbaren Teil der Gesamtaufgabe der Unternehmung dar. Infolgedessen ist die Funktion ein Ergebnis der Aufgabenteilung des jeweiligen Unternehmens. Das heißt auch, dass von der Funktion ein arbeitstechnischer Zweck vollständig zu erfüllen ist, der einen Effekt im Ganzen entfaltet und daher der Wertschöpfung des Unternehmens dient und es erlaubt, eine potenzielle marktgängige Leistung zu erstellen. Auch kann der Funktion kein Aufgabenfeld entzogen werden, ohne dass eine Änderung des Wertschöpfungspotenzials hervortritt. Mithin werden alle Mittel, die zu dieser bestimmten Aufgabenerfüllung notwendig sind, räumlich und organisatorisch zusammengefasst. Die Funktion benötigt folglich Input-Faktoren und Prozesse, in denen die Input-Faktoren eingesetzt werden, um eine Leistung zu produzieren. Somit ist eine Funktion u. a. auch abgrenzbar von einzelnen Wirtschaftsgütern. c) Abgrenzung gegenüber dem Teilbetrieb Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 FVerlV muss eine Funktion kein Teilbetrieb sein. Eine Funktion könne daher nur vorliegen, wenn noch kein Teilbetrieb gegeben ist, sodass dieser die Obergrenze der Funktion markiere. Daneben könne eine Funktion sowohl unterhalb der Teilbetriebsebene gegeben sein als auch den Teilbetrieb umfassen.39 Hingegen wird auch angenommen, dass eine Funktion erst vorliege, wenn ein Teilbetrieb gegeben ist.40 Nicht nur aufgrund der fehlenden Abgrenzung der Funktion gegenüber einem Teilbetrieb, sondern auch im Hinblick auf die in der Literatur geführte Diskussion41 und die Rechtsfolgen einer Funktionsverlagerung ist eine Unterscheidung der beiden Begrifflichkeiten vorzunehmen.42

39

Vgl. auch Zech (2009), S. 193 f. Vgl. Borstell/Schäperclaus (2008), S. 283. 41 Vgl. u. a. Lenz/Rautenstrauch (2010), S. 696–699; Greil (2010), S. 479–482. 42 Vgl. hierzu auch Kahle (2009), S. 557. 40

64

B. Die Funktionsverlagerung im Steuerrecht

aa) Der Teilbetrieb im deutschen Steuerrecht Der Teilbetrieb, als ein steuerrechtlicher Begriff, ist im Zusammenhang mit der Errichtung, der Umgestaltung sowie der Beendigung einer unternehmerischen Tätigkeit von Bedeutung, da sich an diesen steuerliche Vergünstigungen knüpfen.43 Jedoch fehlt es an einer Legaldefinition. Der Begriff des Teilbetriebs stellt einen Typusbegriff dar, der von der Rechtsprechung entwickelt worden ist,44 der eine (fast uneingeschränkte) Verwendung für alle Teilbetriebsregelungen im deutschen Steuerrecht finden kann.45 Er erfährt im Einkommensteuerrecht bei der Veräußerung und der Realteilung eine Bedeutung (§§ 16, 34 EStG). Mehr noch im Bereich des UmwStG im Rahmen einer Aufspaltung, Abspaltung oder der Teilübertragung von Teilbetrieben auf andere Körperschaften sowie bei der Einbringung von Teilbetrieben (§§ 15, 20, 24 UmwStG i. d. F. vom 7.12.2006),46 welche in der Praxis das einzig verbliebene Instrument einer steuerneutralen Übertragung von Wirtschaftsgütern darstellt.47 Der Teilbetrieb ist daher als kleinste begünstigt zu übertragende Einheit zu verstehen.48 Ein Teilbetrieb ist abzugrenzen von unselbstständigen Betriebsteilen, einzelnen Wirtschaftsgütern und ganzen Gewerbebetrieben.49 Der Rechtsprechung des BFH folgend ist ein Teilbetrieb „ein organisch geschlossener, mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteter Teil eines Gesamtbetriebes, der – für sich betrachtet – alle Merkmale eines Betriebs im Sinne des EStG aufweist und als solcher lebensfähig ist“50. Er ist als Unterbegriff zum Gewerbebetrieb anzusehen, der eine mit Gewinnaussicht unternommene, selbstständige und nachhaltige Tätigkeit darstellt, die sich in der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr äußert.51 Für die Voraussetzungen der Lebensfähigkeit und Selbstständigkeit ist auf den Zeitpunkt der Veräußerung bzw. der Aufgabe abzustellen.52

43 Vgl. Herzig (1994), S. 1. Siehe u. a. §§ 6 Abs. 3, 14a, 16 Abs. 4, 34 EStG. – Diese Ausführungen zum Teilbetriebsbegriff umfassender in Greil (2011b), S. 84–91, mit freundlicher Genehmigung des Verlags Dr. Otto Schmidt. 44 Vgl. Pfaar/Schimmele (2008), S. 388. Siehe aber auch § 16 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG. 45 Vgl. Blumers (2001), S. 722; Wacker (2009), § 16 Rn. 141. 46 Vgl. Weier (2008), S. 1002 f. Siehe aber auch § 7 GewStG und §§ 13a, 13b ErbStG. 47 Vgl. Thömmes (2000), S. 584; Strobl-Haarmann (2000), S. 553; Wälzholz (1999), S. 30; BT-Drs. 12/6699, S. 71; BT-Drs. 12/6885, S. 14. 48 Vgl. Rödder/Beckmann (1999), S. 752. 49 Vgl. Wacker (2009), § 16 Rn. 140. 50 BFH v. 13.2.1996 VIII R 39/92, BStBl. II 1996, S. 409 (410). Vgl. auch BFH v. 26.4.1979 IV R 119/76, BStBl. II 1979, S. 557 (557); BFH v. 27.10.1994 I R 107/93, BStBl. II 1995, S. 403 (405). Siehe auch R 16 (3) EStR 2008. 51 Vgl. BFH v. 3.10.1984 I R 119/81, BStBl. II 1985, S. 245 (246). – Es muss sich um eine Untereinheit des Gesamtbetriebs, mithin um einen Zweigbetrieb im Rahmen des gesamten Unternehmens handeln. Vgl. BFH v. 13.2.1980 I R 14/77, BStBl. II 1980, S. 498 (499). Vgl. auch BFH v. 24.4.1969 IV R 202/68, BStBl. II 1969, S. 397 (398). 52 Vgl. BFH v. 13.2.1996 VIII R 39/92, BStBl. II 1996, S. 409 (411).

I. Steuerliche Erfassung einer Funktionsverlagerung im Sinne des § 1 AStG 

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Es ist bei der Beurteilung, ob ein Teilbetrieb vorliegt, zu beachten, dass die §§ 16, 34 EStG eine Tarifbegünstigung darstellen. Es soll „eine ‚zusammengeballte‘ Realisierung der über die Zeit entstandenen, gesammelten stillen Reserven“ vermieden und diese „nicht dem progressiven Einkommensteuertarif“53 unterworfen werden. Das UmwStG stellt hingegen darauf ab, dass ein übertragenes Vermögen weiterhin betrieblich genutzt wird.54 Ohne auf die spezifischen Unterschiede eingehen zu wollen, werden im Nachfolgenden die notwendigen Merkmale eines Teilbetriebs erläutert, um die Funktion gegenüber dem Teilbetrieb abgrenzen zu können: –– Gewisse Selbstständigkeit, –– betriebliche Lebensfähigkeit und –– organische Geschlossenheit. (1) Gewisse Selbstständigkeit Unter dem Merkmal der gewissen Selbständigkeit ist zu verstehen, dass die dem Teilbetrieb gewidmeten aktiven und passiven Wirtschaftsgüter einer Betätigung dienen, die sich im Rahmen des Gesamtunternehmens von der übrigen gewerblichen Tätigkeit deutlich abhebt und folglich eine Untereinheit des Gesamtbetriebs sowie eine aus eigenen Mitteln funktionsfähige Einheit darstellt.55 Demzufolge kann der Teilbetrieb nicht aus einem Teil eines sonst gleichgerichteten Gesamtbetriebs bestehen.56 Eine Beurteilung kann anhand räumlicher Trennung, unterschiedlicher Produktpalette, eigener Werbung, der Existenz eines personellen Eigenlebens, einer eigenen Buchführung sowie des Vorhandenseins von Anlagevermögen bzw. Betriebsmitteln, welche nicht auch von anderen Unternehmens­ teilen genutzt werden, erfolgen.57 Letztlich erfüllt ein abgegrenzter Tätigkeitsbereich, der innerhalb des Gesamtbetriebs lediglich dienende Funktionen ausübt, nicht das Merkmal der gewissen Selbstständigkeit (bspw. Buchhaltung, Vertrieb, EDV, Transport, Logistik), da

53 BFH v. 2.10.1997 IV R 84/96, BStBl. II 1998, S. 104 (105). Es wird ein Härteausgleich für die punktuelle Besteuerung der über einen gewissen Zeitraum angesammelten stillen Reserven geschaffen. Vgl. BFH v. 19.7.1993 GrS 2/92, BStBl. II 1993, S. 897 (902). 54 Vgl. Sächsisches Finanzgericht v. 9.9.2008 3 K 1996/06, EFG 2009, S. 65 (67). 55 Vgl. Herzig (1993), S. 359 f. 56 Vgl. BFH v. 26.4.1979 IV R 119/76, BStBl. II 1979, S. 557 (558); BFH v. 23.11.1988 X R 1/86, BStBl. II 1989, S. 376 (378); BFH v. 13.2.1996 VIII R 39/92, BStBl. II 1996, S. 409 (410); BFH v. 23.11.1967 IV 83/63, BStBl. II 1968, S. 123 (123). 57 Vgl. BFH v. 4.7.1973 I R 154/71, BStBl. II 1973, S. 838 (839); BFH v. 26.4.1979 IV R 119/76, BStBl. II 1979, S. 557 (558); BFH v. 23.11.1988 X R 1/86, BStBl. II 1989, S. 376 (378).

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B. Die Funktionsverlagerung im Steuerrecht

diese nicht durch eine organisatorische Verselbstständigung und durch einen gesonderten Vermögens- und Ergebnisausweis zu einem Teilbetrieb gemacht werden können.58 Daher sind Teilbetriebe von innerbetrieblichen Organisationseinheiten bzw. unselbstständigen Betriebsteilen abzugrenzen.59 Die Selbstständigkeit ist aus der Sicht des Veräußerers zu beurteilen.60 (2) Betriebliche Lebensfähigkeit Die betriebliche Lebensfähigkeit ist erfüllt, wenn der betreffende Unternehmensteil seiner Struktur nach eine eigenständige und betriebliche Tätigkeit ausüben kann61 und infolgedessen die Verfügungsgewalt über die für diese Tätigkeit notwendigen Betriebsmittel hat.62 Daher kann der Teilbetrieb alle relevanten betrieblichen Funktionen selbst ausüben. Der Teilbetrieb darf demgemäß auch nicht so „untrennbar mit dem Rest des Betriebes verbunden“ sein, dass in der Folge „ein Herauslösen aus dem Gesamtbetrieb die Funktionsfähigkeit des Teilbetriebes beseitigt.“63 Dabei ist auf die Verhältnisse des Veräußerers abzustellen.64 Es ist demzufolge nicht ausreichend, dass die Wirtschaftsgüter bei dem Er­ werber eine ausreichende Grundlage für den Betrieb eines anderen Unternehmens sein können.65 Es hat eine Betätigung zu erfolgen, die sich von der üblichen gewerblichen Tätigkeit des Unternehmens abhebt, sich auch qualitativ unter­ scheidet66 und sie muss „eine originär gewerbliche oder land- und forstwirtschaftliche Tätigkeit darstellen. Eine Vermögensverwaltung […] begründet keinen Teilbetrieb.“67

58 Vgl. BFH v. 5.4.1968 IV R 75/67, BStBl. II 1968, S. 523 (523); Haarmann (2000), S. 379. 59 Vgl. BFH v. 26.6.1975 VIII R 39/74, BStBl. II 1975, S. 832 (833). Innerbetriebliche Organisationseinheiten werden nicht selbst am Markt durch Leistungsangebote tätig. Vgl. BFH v. 22.12.1993 I R 62/93, BStBl. II 1994, S. 352 (353). 60 Vgl. BFH v. 4.7.2007 X R 44/03, BFH/NV 2007, S. 2093 (2094); BFH v. 24.4.1969 IV R 202/68, BStBl. II 1969, S. 397 (398); BFH v. 15.3.1984 IV R 189/81, BStBl. II 1984, S. 486 (486). 61 Vgl. BFH v. 4.7.1973 I R 154/71, BStBl. II 1973, S. 838 (839). Ein Steuerpflichtiger, der ein Hotel betreibt und zusätzlich in einem Apartmenthaus Ferienwohnungen vermietet, kann mit dieser Vermietung die Voraussetzungen des Teilbetriebs erfüllen, vgl. BFH v. 23.11.1988 X R 1/86, BStBl. II 1989, S. 376 (Leitsatz). 62 Vgl. Frotscher (2009), § 15 Rz. 57. 63 Wälzholz (1999), S. 65. 64 Vgl. BFH v. 13.2.1996 VIII R 39/92, BStBl. II 1996, S. 409 (411); BFH v. 19.2.1976 IV R 179/72, BStBl. II 1976, S. 415 (416). 65 Vgl. BFH v. 20.2.1974 I R 127/71, BStBl. II 1974, S. 357 (358). 66 Vgl. BFH v. 13.2.1996 VIII R 39/92, BStBl. II 1996, S. 409 (410); BFH v. 20.2.1974 I R 127/71, BStBl. II 1974, S. 357 (358). 67 Frotscher (2009), § 15 Rz. 57.

I. Steuerliche Erfassung einer Funktionsverlagerung im Sinne des § 1 AStG 

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Notwendig ist es nicht, dass eine Gewinnerzielung vorliegt, allerdings sind Umsätze mit außenstehenden Dritten für die Anerkennung als Teilbetrieb essenziell.68 Es bedarf regelmäßig eines Kunden- oder Lieferantenstammes.69 Problematisch ist die Abgrenzung zu einer internen Betriebsabteilung, die verselbstständigt werden soll. Diese mag bisher interne Abnehmer aufweisen, hingegen keine Abnehmer an einem externen Markt. Insbesondere wenn die Leistungen selbst nicht an einem Markt angeboten werden, wird es abgelehnt, von einem Teilbetrieb im steuerlichen Sinne zu sprechen.70 Dessen ungeachtet wird die Anerkennung als Teilbetrieb nicht versagt, wenn die interne Betriebsabteilung künftig über einen eigenen Kundenkreis verfügen wird, da ein Teilbetrieb im Aufbau ausreichend ist, um einen Teilbetrieb anzunehmen,71 was das Merkmal der betrieblichen Lebensfähigkeit zum Veräußerungs- bzw. Übertragungszeitpunkt entkräftet. Es ist vielmehr darauf abzustellen, dass „bei zielgerichteter Weiter­verfolgung des Aufbauplanes ein selbständig lebensfähiger Organismus zu erwarten ist.“72 (3) Organische Geschlossenheit Dem Kriterium der organischen bzw. organisatorischen Geschlossenheit73 kommt hingegen eine geringere Bedeutung zu. Sind die Tatbestandsmerkmale gewisse Selbstständigkeit sowie Lebensfähigkeit gegeben, kann von einer organischen Geschlossenheit ausgegangen werden.74 Ein Teilbetrieb soll sich aus mehreren Wirtschaftsgütern zusammensetzen, die in einem funktionalen Zusammenhang stehen, aufgrund dessen eine Abgrenzung des Teilbetriebs von der Veräußerung einzelner Wirtschaftsgüter und Betriebsteilen vorgenommen wird.75 Jedoch sollten sachliche oder wirtschaftliche Beziehungen zum Gesamtbetrieb geführt werden, denn anderenfalls liegt ein ganzer Betrieb vor.76 Diese restriktive Interpretation des Teilbetriebsbegriffes führt dazu, dass nur in Einzelfällen eindeutig das Vorliegen eines Teilbetriebs zu bejahen ist, da die von der Rechtsprechung geforderten Merkmale kaum zur Gänze erfüllt sein sollten.77 68

Vgl. BFH v. 22.12.1993 I R 62/93, BStBl. II 1994, S. 352 (353). Vgl. BFH v. 15.3.1984 IV R 189/81, BStBl. II 1984, S. 486 (486); BFH v. 24.8.1989 IV R 120/88, BStBl. II 1990, S. 55 (56). 70 Vgl. BFH v. 22.12.1993 I R 62/93, BStBl. II 1994, S. 352 (353). 71 Vgl. Blumers (2001), S. 723; BFH v. 12.9.1979 I R 146/76, BStBl. II 1980, S. 51 (53); BFH v. 1.2.1989 VIII R 33/85, BStBl. II 1989, S. 458 (Leitsatz). 72 BFH v. 1.2.1989 VIII R 33/85, BStBl. II 1989, S. 458 (Leitsatz). 73 Vgl. BFH v. 4.7.2007 X R 44/03, BFH/NV 2007, S. 2093 (2094); RFH v. 27.7.1938 VI 70/38, RStBl. 1938, S. 887 (888); BFH v. 13.2.1996 VIII R 39/92, BStBl. II 1996, S. 409 (410); BFH v. 10.10.2001 XI R 35/00, DStRE 2002, S. 423 (423). 74 Vgl. Haarmann (2000), S. 377; Neumann (2002), S. 438; Wälzholz (1999), S. 139. 75 Vgl. Blumers (2001), S. 722 f.; Haarmann (2000), S. 376; Herzig (1993), S. 359. 76 Vgl. Neumann(2002), S. 438; Reiß (2008), § 16 Rn. 61. 77 Vgl. Haarmann (2000), S. 388; Rödder/Beckmann (1999), S. 752. 69

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B. Die Funktionsverlagerung im Steuerrecht

Darüber hinaus liegt „gedanklich eine starre Geschäftsbereichs- bzw. Spartenorganisation zu Grunde, bei der die Sparten bzw. Geschäftsbereiche weitgehend unabhängig voneinander agieren“78. bb) Zwischenfazit: Abgrenzung der Funktion gegenüber dem Teilbetrieb Wird der Teilbetriebsbegriff dem Funktionsbegriff gegenübergestellt, lassen sich sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede erkennen. Es lässt sich aber nicht die Behauptung aufstellen, dass „der konkrete Unterschied zwischen den beiden steuerlichen Begriffen Funktion und Teilbetrieb“79 offen bleibt, da beide einen Betriebsteil darstellen, sowie die Abgrenzung der Funktion vom steuerlichen Teilbetrieb nicht ohne praktische und konzeptionelle Relevanz ist.80 Denn gerade durch die Einführung des § 1 Abs. 3 Satz 10 Hs. 2 AStG kann das Vorliegen eines Teilbetriebs Bedeutung für die Rechtsfolgen einer Funktionsverlagerung erlangen.81 Werden die Tatbestandsvoraussetzungen des Teilbetriebs mit den Ausführungen zur Funktion verglichen, ist festzustellen, dass die Funktion nicht das Merkmal der gewissen Selbstständigkeit im Sinne eines Teilbetriebs erfüllen muss: Ein abgegrenzter Tätigkeitsbereich, der innerhalb des Gesamtbetriebs lediglich dienende Funktionen ausübt, erfüllt nicht das Merkmal der gewissen Selbstständigkeit im Sinne der Teilbetriebsvoraussetzung. Mithin ist die Eigenständigkeit des Teilbetriebs ein zentrales Kriterium für dessen Existenz (R 16 (3) Satz 4 EStR 2008). Im Gegensatz hierzu ist die Funktion zu sehen. Bei ihr ist auf eine organisatorische Selbstständigkeit abzustellen, wenngleich keine Abgrenzung von den übrigen Aktivitäten des Gesamtbetriebes vorliegen muss. Vielmehr wird ein Teilbereich der unternehmerischen Gesamtaufgabe erfasst, der ebenfalls auf die Ausführung von internen Hilfstätigkeiten ausgerichtet sein kann. Dagegen ist es für das Vorliegen einer Funktion unerheblich, ob eine betriebliche Lebensfähigkeit gegeben ist. Zwar stellt die Funktion eine Geschäftstätigkeit dar, jedoch ist die Funktion mit dem Rest des Betriebes verbunden, da sie in den Wertschöpfungsprozess eingebunden ist. Darüber hinaus ist es unerheblich, ob eine originär gewerbliche Tätigkeit oder eine reine Vermögensverwaltung ausgeübt wird. Mit einer Funktion wird jedwede Tätigkeit erfasst, die in einem Unternehmen notwendig ist, um das Unternehmensziel zu erreichen. In diesem Kontext ist der wohl entscheidende Aspekt, dass eine Funktion im Gegensatz zum Teilbetrieb keine Verbindung zu einem externen Markt – also Außenumsätze – aufwei 78

Haarmann (2000), S. 379. Kahle (2009), S. 558. Vgl. auch ders. (2007), S. 648; Frischmuth (2007a), S. 387. 80 A. A. Brüninghaus/Bodenmüller (2009), S. 1290. 81 Vgl. Lenz/Rautenstrauch (2010), S. 699; Greil (2010), S. 479–482. 79

I. Steuerliche Erfassung einer Funktionsverlagerung im Sinne des § 1 AStG 

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sen muss, sodass innerbetriebliche Organisationseinheiten Funktionen verkörpern, aber keine Teilbetriebe. Dem Merkmal der organisatorischen Geschlossenheit kommt bei der Beurteilung, ob ein Teilbetrieb vorliegt, eine geringe Bedeutung zu. Im Gegensatz dazu ist das Merkmal organischer Teil des Unternehmens ein grundlegendes Kriterium der Funktion. Beide Merkmale dienen zwar der Abgrenzung von einzelnen Wirtschaftsgütern gegenüber einer organisatorischen Einheit, jedoch unterscheiden sie sich in dieser Abgrenzung grundlegend. Die Funktion hat sich als eine Teileinheit in den Arbeitsablauf des gesamten Unternehmens einzufügen und eine bestimmte Aufgabe auf Dauer zu erfüllen. Dabei kennzeichnet eine wirtschaftliche Zusammengehörigkeit die Funktion, sodass neben den gleichartigen betrieblichen Aufgaben die die Funktion ausmachenden Vermögenswerte in einem einheitlichen (organisatorischen) Funktionszusammenhang stehen, die der Wertschöpfung des Unternehmens dienen. Sie ist offen in das Unternehmen integriert und trägt zu Erzielung eines Gesamtergebnisses bei. Daher kann eine Abgrenzung der Funktion von der Veräußerung einzelner Wirtschaftsgüter erfolgen. Im Gegensatz dazu ist eine organisatorische Geschlossenheit bei der Qualifikation eines Teilbetriebs nicht anzunehmen, wenn „die gesamte Unternehmensorganisation auf ein in gegenseitiger Unterstützung zu erzielendes Gesamtergebnis ausgerichtet“82 ist. Der Vergleich zeigt, dass die Funktion und der Teilbetrieb zu unterscheiden sind, jedoch auch dasselbe darstellen können. Die Funktion ist dennoch umfassender: Sie weist eine geringere Untergrenze auf und infolgedessen kann eine Funktion gegeben sein, ohne Teilbetrieb sein zu müssen. § 1 Abs. 1 Satz 2 FVerlV hat daher nur eine klarstellende Bedeutung und ist nicht als ein Tatbestandsmerkmal der Funktion aufzufassen. Bei einer Funktionsverlagerung ist dennoch darauf zu achten – insbesondere wenn die Funktion an einem externen Markt tätig ist –, ob diese den (europäischen) Teilbetriebsbegriff erfüllt, da an Letzteren steuerliche Privilegien, wie die Möglichkeit einer steuerneutralen Umstrukturierung, gebunden sind, die für eine Funktion nicht gegeben sind.83 d) Exkurs: Abgrenzung der Funktion gegenüber dem Tätigkeitszweig Eine weitgehende Übereinstimmung der Funktion liegt aber mit dem Tätigkeitszweig i. S. d. EU-Kapitalverkehrssteuerrichtlinie84 (Art. 7 Abs. 1 lit. b) vor. In dieser wurde der Begriff parts of business – Teil des Geschäfts- bzw. Tätigkeitszweigs – eingeführt. Eine Definition erfolgte durch den EuGH:85 Der Tätigkeits 82

BFH v. 14.3.1989 I R 75/85, BFH/NV 1991, S. 291 (292). Vgl. auch Weier (2008), S. 1006. 84 Vgl. Richtlinie 69/335/EWG des Rates v. 17.7.1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital, Abl. EG Nr. L 249 v. 3.10.1969, S. 25. 85 EuGH v. 13.10.1992 C-50/91, Commerz-Credit-Bank AG – Europartner/Finanzamt Saarbrücken, Slg. 1992, S. I-05225 (Tz. 12). 83

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B. Die Funktionsverlagerung im Steuerrecht

zweig ist „eine organisierte Gesamtheit von Vermögensgegenständen und Personen […], die zur Durchführung einer bestimmten Tätigkeit beitragen können.“ Es wird auf die Fähigkeit des übertragenen Teils, durch den Einsatz seiner Tätigkeit zur Entwicklung des aufnehmenden Unternehmens beizutragen, abgestellt. Demzufolge ist eine organisch geschlossene Gesamtheit der Wirtschaftsgüter maßgeblich sowie eine Funktionsfähigkeit zur Durchführung von bestimmten Tätigkeiten. Es ist nicht nötig, dass sich der ausgeübte Tätigkeitszweig von dem des Unternehmens zwingend zu unterscheiden hat, da dieser zur Entwicklung des aufnehmenden Unternehmens beizutragen hat86 sowie die übertragenen Vermögensgegenstände für sich allein noch keinen selbstständigen Teilbetrieb darstellen müssen.87 Ebenso verhindert der Mangel der Rechtspersönlichkeit einer Unternehmenseinheit nicht die Annahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit und damit eines Tätigkeitszweigs. Sowohl der Tätigkeitszweig als auch die Funktion stellen eine organisierte Gesamtheit von Vermögensgegenständen und Personen, die zur Durchführung einer bestimmten Tätigkeit beitragen können, dar. Es wird auf die Fähigkeit des übertragenen Teils, durch den Einsatz seiner Tätigkeit zur Entwicklung des (auf­ nehmenden) Unternehmens beizutragen, abgestellt. Demzufolge ist eine organisch geschlossene Gesamtheit der Wirtschaftsgüter maßgeblich sowie eine Funktionsfähigkeit zur Durchführung von bestimmten Tätigkeiten. Zudem ist es nicht nötig, dass sich der ausgeübte Tätigkeitszweig von dem des Unternehmens zwingend zu unterscheiden hat. Darüber hinaus kommt es auf die Ausübung der bestimmten Tätigkeit an, auch wenn diese mit von der Zentrale bereitgestellten Mitteln finanziert wird. e) Exkurs: Die Funktion im Sinne der OECD Die OECD hatte sich in den Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterprises and Tax Administration von 1995 nicht speziell mit dem Themengebiet der grenzüberschreitenden Umstrukturierung im multinationalen Konzern auseinandergesetzt.88 Jedoch war die OECD der Auffassung, dass die bis dahin gültigen Richtlinien nicht ausreichten, um betriebliche Umstrukturierungen adäquat abzubilden. Daher wurde im Jahr 2008 ein Diskussionspapier zu Transferpreisaspekten von betrieblichen Umstrukturierungen – als Ergebnis einer seit 2005 begonnenen Diskussion zu diesem Thema – herausgebracht (Transfer Pricing Aspects of Business Restructurings: Draft for Public Comment, 19 September 2008 to 19 February 2009), um ein einheitliches Verständnis und einen internationalen Konsens über die Behandlung von Umstrukturierungen für DBA und Verrechnungs 86

Vgl. Herzig (1994), S. 3 m. V. a. das Urteil des EuGH v. 13.10.1992 C-50/91, Slg. 1992, S. I-05225 (Tzn. 11–14). 87 Vgl. hierzu auch FG Köln v. 10.11.1993 11 K 4907/90, EFG 1994, S. 672. 88 Siehe hierzu umfassend Greil (2009a), S. 55–62; ders. (2011a), S. 209–217.

I. Steuerliche Erfassung einer Funktionsverlagerung im Sinne des § 1 AStG 

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preisangelegenheiten zu schaffen.89 Seit dem 22.7.2010 sind die Transfer Pricing Aspects of Business Restructurings im Kapitel IX der OECD-RL integriert, die grundsätzlich weltweit direkt angewendet oder in nationale Regelungen übernommen werden.90 Die Betrachtung von betrieblichen Umstrukturierungen erfolgt – korrespondierend zum deutschen Steuerrecht – aus dem Blickwinkel der Verrechnungspreise, da Restrukturierungen von unternehmerischen Aktivitäten bei verbundenen Unternehmen Veränderungen im Funktions- und Risikoprofil hervorrufen, die schließlich Auswirkungen auf die Verrechnungspreisbildung haben.91 Nach Ansicht der OECD beinhalten Umstrukturierungen den Transfer von Funktionen, Vermögenswerten und/oder Risiken mit einem assoziierten Gewinn-/ Verlustpotenzial zwischen verbundenen Unternehmen.92 Die OECD geht jedoch nicht speziell auf Funktionen ein, sondern rückt Umstrukturierungen, bei denen die Verlagerung einer Funktion ein Bestandteil sein kann, in den Fokus und geht damit über den deutschen Ansatz hinaus. In diesem Zusammenhang wird auch darauf eingegangen, dass Aktivitäten – transfer of an ongoing concern – über­ tragen werden können:93 „The transfer of an ongoing concern in this context means the transfer of assets, bundled with the ability to perform certain functions and bear certain risks. Such functions, assets and risks may include, among other things: tangible and intangible property; liabilities associated with holding certain assets and performing certain functions, such as R&D and manufacturing; the capacity to carry on the activities that the transferor carried on before the transfer; and any resource, capabilities, and rights.“

Dabei wird dieser ongoing concern einer functioning economically integrated business unit gleichgesetzt.94 Diese Definition des ongoing concern bzw. der business unit95 zeigt, dass diese als eine organisatorische Einheit verstanden werden kann, die zur Ausübung einer 89 Vgl. OECD (2008); Zech (2009), S. 65 f.; Baumhoff/Puls (2009), S. 73–81; Greil (2009a), S. 55–62. 90 Vgl. OECD (2010a), Kapitel IX; Kroppen/Nientimp (2011), S. 650. 91 Vgl. Baumhoff/Puls (2009), S. 74. 92 Vgl. OECD (2010a), Tz. 9.1. 93 OECD (2010a), Tz. 9.93. Im Diskussionspapier lautete die Definition noch: „The transfer of an activity in this context means the transfer of the total bundle of assets (possibly including contractual rights, workforce in place, goodwill, etc.) and liabilities associated with performing particular functions, including the inherent risks.“ OECD (2008), Tz. 93. 94 Vgl. OECD (2010a), Tz. 9.93. 95 Es gibt unterschiedliche Definitionen einer business unit. Prinzipiell wird dann auch auf die strategic business unit abgestellt. Nachfolgende Definition einer business unit sollte aber in diesem Kontext passend sein, da die OECD bewusst nicht auf die strategic business unit abgestellt hat: „A logical element or segment of a company (such as accounting, production, marketing) representing a specific business function, and a definite place on the organizational chart, under the domain of a manager.“ http://www.businessdictionary.com/definition/ business-unit.html#ixzz1lndjAgDD.

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B. Die Funktionsverlagerung im Steuerrecht

wirtschaftlichen Tätigkeit eine bestimmte Aufgabe im Rahmen des Wertschöpfungsprozesses abschließend wahrnimmt. Mithin korrespondiert diese Definition zur zuvor angeführten Definition einer Funktion im Sinne des AStG. Allerdings wird in der Literatur auch angeführt, dass eine Funktion im Sinne des AStG nicht als business unit im Sinne der OECD zu qualifizieren sei, da eine Funktion eine Untereinheit einer business unit darstellen kann, wodurch (aufgrund der unterschiedlichen Auffassungen) das Risiko einer Doppelbesteuerung steige.96 Jedoch werden zudem in den OECD-RL97 vor dem Hintergrund einer vorzunehmenden Funktionsanalyse98 Funktionen als organisatorische Einheiten eines Unternehmens beispielhaft angeführt.99 Die exemplarische Aufzählung der verschiedenen Funktionen lässt den Schluss zu, wie die OECD eine Funktion und somit auch ein transfer of an ongoing concern interpretieren könnte. Daher sollte eine Funktion im Sinne des AStG international nicht unbekannt sein und nicht als international unüblich gelten, wenn die Funktion im Sinne des AStG, wie zuvor ausgeführt, als eine betrieblich organisatorische Einheit verstanden wird.100 f) Zwischenfazit: Die Funktion im deutschen Steuerrecht Der Gesetzgeber hat mit der Einführung der Funktion einen neuen steuerrechtlichen Begriff im AStG eingeführt. Mit diesem Schritt wurde dazu beigetragen, eine Änderung der traditionellen Anknüpfungspunkte der steuerlichen Gewinnermittlung vorzunehmen: Die Funktion ist klar vom Teilbetrieb abzugrenzen, dennoch ist es möglich, dass sich Teilbetrieb und Funktion inhaltlich überschneiden.101 Die restriktive Interpretation des Teilbetriebsbegriffs führt dazu, dass nur in Einzelfällen eindeutig das Vorliegen eines Teilbetriebs zu bejahen ist. Daher sollten auch vor dem Hintergrund der in der Unternehmenspraxis anzutreffenden Organisationsstrukturen bei der Definition des Teilbetriebs vermehrt betriebswirtschaftliche Kriterien herangezogen werden. Folgerichtig wäre vordergründig auf das Merkmal der organischen Geschlossenheit abzustellen und es hätte eine engere Auslegung der gewissen Selbstständigkeit sowie Lebensfähigkeit zu erfolgen, sodass funktionale Organisationseinheiten, wie der Einkauf, der Ver-

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Vgl. v. Bredow (2011), S. 100. Vgl. OECD-RL, Tz. 1.21. 98 Vgl. hierfür OECD-RL, G-5. 99 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert (2008), S. 1946; Hoenig/Stingl (2007), S. 23; OECD-RL, Tz. 1.21. 100 In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, dass eine ähnliche Darlegung in der Council Resolution on coordinating exit taxation des Council of the European Union vom 2.12.2008 erfolgt. In der Beschlussfassung wird angeführt, dass unter einem „transfer of economic activities any operation“ gemeint ist, die eine Verlagerung von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten beinhaltet. Vgl. Council of the European Union (2008). 101 Vgl. auch Wolter/Pitzal (2008), S. 796. 97

I. Steuerliche Erfassung einer Funktionsverlagerung im Sinne des § 1 AStG 

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trieb oder die Forschung und Entwicklung, grundsätzlich als Teilbetriebe anzu­ sehen wären.102 Diese vorgeschlagene enge Neudefinition des Teilbetriebs mit Blick auf steuerliche Begünstigungen sah der Gesetzgeber jedoch nicht vor und führte stattdessen den Begriff der Funktion neben dem Teilbetrieb ein, die in ihrer Definition der gestellten Forderung entspricht. Dabei steht allerdings nicht eine steuerneutrale bzw. steuerbegünstigte Zielsetzung im Vordergrund, sondern die Erfassung von Vermögenswerten sowie Geschäftschancen, die ins Ausland überführt werden sollen. Trotz unterschiedlicher steuerlicher Zielsetzungen ist stets zu prüfen, ob bei einer Umstrukturierung bzw. Verlagerung von wirtschaftlichen Einheiten nicht die Tatbestandsvoraussetzungen eines Teilbetriebs erfüllt sind und eine steuerneutrale Umstrukturierung unter gewissen weiteren Voraussetzungen erfolgen kann. 3. Die Funktionsverlagerung im deutschen Steuerrecht a) Mögliche Ausprägungen einer Funktionsverlagerung In der Besteuerungspraxis werden nachstehende Fallgruppen von Verlagerungen wirtschaftlicher Aktivitäten unterschieden:103 –– Funktionsausgliederung; –– Funktionsabschmelzung; –– Funktionsabspaltung; –– Funktionsausweitung; –– Funktionsverdoppelung. Im Folgenden ist auf die verschiedenen Ausprägungen einzugehen und es sind die Tatbestandsmerkmale der Funktionsverlagerung i. S. d. AStG darzulegen, um beurteilen zu können, welche der aufgeführten Fallgruppen steuerliche Konsequenzen entfalten können und als eine Funktionsverlagerung i. S. d. AStG aufzufassen sind. aa) Funktionsausgliederung Bei einer Funktionsausgliederung wird eine organisatorische Einheit vollständig auf ein anderes Unternehmen übertragen, sodass beim abgebenden Unterneh 102

Vgl. Haarmann (2000), S. 390; Hermstädt (1979), S. 99 f. Vgl. Frischmuth (2007a), S. 387; Crüger/Wintzer (2008), S. 307; Jahndorf (2008), S. 101 f.; Klapdor (2008), S. 88 f.; Günter (2007), S. 1083; Kahle (2009), S. 561 f.; Brinkmann (2008), § 4 Rn. 261–264; Jenzen (2007), S. 3121. 103

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B. Die Funktionsverlagerung im Steuerrecht

men dieser Teil des Unternehmens stillgelegt wird und es diesem nicht mehr möglich ist, die Funktion auszuüben. Zusammen mit der Funktionsausübungsbefugnis gehen die Entscheidungskompetenzen sowie alle mit der Funktion einhergehenden Ertragschancen und -risiken über. Obendrein wird das funktionsausübende Unternehmen über die zur Durchführung wesentlichen materiellen und immateriellen Vermögenswerte verfügen. Diese können ebenfalls vom funktionsabgebenden Unternehmen übertragen werden, sodass das Eigentum an den zur Funktionsausübung notwendigen Vermögenswerten auch übergeht. Das ist jedoch nicht zwingend, da sich diese schon im Vermögen des funktionsaufnehmenden Unternehmens befinden, von diesem selbst hergestellt oder von einem anderen Unternehmen am Markt bezogen werden können. Das funktionsaufnehmende Unternehmen ist durch die Übernahme der Disposi­ tionsbefugnis über die betreffende Funktion sowie die Wahrnehmung von Chancen und Risiken als Entrepreneur im Hinblick auf diese Funktion zu qualifizieren.104 bb) Funktionsabschmelzung Im Rahmen einer Restrukturierung der Unternehmensstruktur kann eine Veränderung des Funktions- und Risikoprofils einer Gesellschaft durch das Abschmelzen von Funktionen und Risiken erfolgen. Im Gegensatz zur Funktionsausgliederung wird nur ein Teil einer Funktion samt der Chancen und Risiken sowie der Dispositionsbefugnis über den betreffenden Funktionsteil übertragen. Voraussetzung ist, dass die betreffende Funktion von der abgebenden Gesellschaft wahrgenommen wurde und im Anschluss an die Transaktion in einem verminderten Umfang weiter ausgeführt wird. Einhergehend mit der organisatorischen Zuordnung können die dafür benötigten Vermögenswerte übertragen oder überlassen werden. Eine Funktionsabschmelzung liegt bspw. vor, wenn der inländische Eigenproduzent zu einem Lohnfertiger abgeschmolzen und die Marktverant­ wortung durch diesen Vorgang übertragen wird.105 104 Vgl. auch Verwaltungsgrundsätze-Verfahren, Tz. 3.4.10.2 b); Ditz (2011), S. 127. – Ein Entrepreneur verfügt über die wesentlichen Wirtschaftsgüter, übt die für den Unternehmenserfolg entscheidenden Funktionen aus und trägt die wesentlichen Risiken. Im Gegensatz hierzu steht das Routineunternehmen, welches nur Routinefunktionen ausübt, geringe Risiken trägt und in einem nur geringen Umfang Wirtschaftsgüter einsetzt. Dieses Unternehmen erzielt grundsätzlich relativ stabile und dem Kapitaleinsatz adäquate Gewinne. Daneben gibt es Unternehmen, die sich nicht eindeutig einer der beiden Gruppen zuordnen lassen, da diese Routinefunktionen ausüben, dennoch eigene Risiken tragen. Vgl. hierzu Verwaltungsgrundsätze-Verfahren, Tz. 3.4.10.2; Ditz (2011), S. 126. Diese Abgrenzung des Entrepreneur gegenüber einem Routineunternehmen anhand des Verwaltungsgrundsätze-Verfahren 2005 erscheint sachgerecht und entspricht auch der Auffassung der OECD. Vgl. OECD-RL, Tzn. 1.23–1.27. 105 Vgl. Kahle (2009), S. 561 f.; Frischmuth (2007a), S. 387; Borstell/Jamin (2008), S. 791; Faix/Wangler(2001), S. 65. Vgl. für die Errichtung von Prinzipalstrukturen als Sonderfall Zech (2009), S. 248–250.

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cc) Funktionsabspaltung Bei einer Übertragung einer (Teil-)Funktion der Wertschöpfungskette unter Beibehaltung der wesentlichen Ertragschancen und -risiken, liegt eine Funktionsabspaltung vor. So kann für die Auslagerung rein operativer Tätigkeiten i. R. d. Produktion die Lohn- und Auftragsfertigung sowie die Lizenzfertigung in Betracht zu ziehen sein. Ein Lohnfertiger ist mit Routinefunktionen im Produktionsbereich ausgestattet und erbringt eine reine Werkleistung. Der Auftraggeber verfügt über die marktwirksamen Funktionen (Entrepreneur), sodass dieser die Produktion – die Fertigprodukte – auch selbst vermarktet. Daher nimmt dieser die Produktion ab, behält die Dispositionsbefugnis über das Produkt, das Fertigungsverfahren sowie das Eigentum an den (immateriellen) Vermögenswerten.106 Im Umkehrschluss trägt der Lohn- und Auftragsfertiger kein Absatz-, Volumenund Preisverfallrisiko und verfügt auch über keine bzw. nur über eine geringe unternehmerische Dispositionsfreiheit.107 Bei der Lizenzfertigung hingegen wird der ausländischen Gesellschaft das Recht eingeräumt, die Erzeugnisse zu produzieren und auf einem zuvor festgelegten Absatzmarkt zu vermarkten.108 Charakteristisch ist, dass der Lizenzhersteller das Vermarktungsrisiko trägt. Verlagerungsvorgänge auf einen Lohn- sowie Auftragsfertiger sind als eine Funktionsabspaltung zu qualifizieren, da die Produktionstätigkeit ganz oder teilweise auf ein anderes Unternehmen übertragen wird, die betreffenden Vermögenswerte vom funktionsabgebenden Unternehmen dem funktionsaufnehmenden Unternehmen entweder zur Nutzung überlassen oder bereitgestellt werden und die Produktion aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung vom die Funktion verlagernden Unternehmen abgenommen wird. Im Gegenzug erhält der Lohnbzw. Auftragsfertiger für seine Tätigkeit eine tätigkeitsbezogene Vergütung. Eine Orientierung erfolgt am Marktpreis für diese Leistung.109 Das ausländische Unternehmen als reine Produktionsgesellschaft wird daher mit der spezifischen Produktion auch nur gegenüber dem funktionsabgebenden Unternehmen tätig. Folgerichtig geht kein Gewinn-/Ertragspotenzial über, da es vom inländischen Unternehmen weiterhin vereinnahmt wird.110 Daher beschränkt sich die steuerliche Relevanz auf die in den an das funktionsaufnehmende Unternehmen zu überführenden Vermögenswerten enthaltenen stillen Reserven.111

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Vgl. Jacobs (2011), S. 1089–1091. Bzgl. der Lohn- und Auftragsfertigung vgl. Kahle (2009), S. 561; Burkert (2003b), S. 356. 108 Vgl. Burkert (2003b), S. 357 f. 109 Vgl. Borstell/Jamin (2008), S. 791; Jacobs (2007), S. 1146 f. 110 Vgl. Zech (2009), S. 269–271. 111 Vgl. Burkert (2003b), S. 356. 107

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dd) Funktionsausweitung Bei der Funktionsausweitung erfolgt eine Ausweitung einer Funktion im Ausland. Im Inland findet keine Veränderung statt, was demnach im Inland steuerlich unbeachtlich ist. Beispielsweise kann der im Ausland tätige Lohnfertiger zum Eigenproduzenten ausgeweitet werden. ee) Funktionsverdoppelung Bei einer Funktionsverdoppelung erfolgt ein Aufbau einer Funktion im Ausland, die einer im Inland ausgeführten Funktion entspricht, ohne dass die inländische Funktion eingeschränkt wird.112 Allerdings ist eine Abgrenzung, ob es sich um den Aufbau einer zusätzlichen Funktion oder um eine Verlagerung einer bestehenden Funktion handelt, nicht immer offenkundig.113 ff) Zwischenfazit: Ausprägungen einer Funktionsverlagerung Demzufolge liegt nur in den Fällen der Funktionsausgliederung, der Funktionsabschmelzung und der Funktionsabspaltung ein Übergang von Funktionsbestandteilen vor. Während im Falle der Funktionsabspaltung zumindest noch eine Teilfunktion übergeht, bleibt die inländische Funktion sowohl bei der Funktionsverdoppelung als auch bei der Funktionsausweitung unberührt. Daher können nur die ersten drei Varianten eine steuerliche Relevanz besitzen. Die ersten beiden Ausprägungen betreffen zudem Verlagerungsvorgänge, bei denen ein Gewinnpotenzial, also eine Chance zur Gewinnerzielung, verlagert wird. Hingegen verbleibt dieses bei der Funktionsabspaltung beim abgebenden Unternehmen, da sowohl die Chancen als auch die Risiken bei diesem verbleiben, sodass nur die Funktionsausübung verlagert wird – die Dispositionsgewalt des aufnehmenden Unternehmens über die Funktion ist eingeschränkt.114 Durch den Verlagerungsvorgang wird zudem die Funktionsausübung des abgebenden Unternehmens eingeschränkt oder eingestellt. Dies bedeutet, dass etwas abgegeben wird, was im verlagernden Unternehmen nicht mehr, nicht mehr im gleichen Ausmaß oder in der gleichen Art vorhanden ist bzw. ausgeübt wird.115 Die funktionsaufnehmende Unternehmung kann nach dem Verlagerungsvorgang die Funktion ausüben, die bis dahin von dem abgebenden Unternehmen ausgeübt worden ist. Demzufolge ändert sich die rechtliche und wirtschaftliche Struktur 112

Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert (2007), S. 1650; Borstell (2009), S. 330; Kahle (2009), S.  562 f. 113 Vgl. Burkert (2003b), S. 356. 114 Vgl. Brockhagen (2007), S. 46. 115 Vgl. Frotscher (2008), S. 50.

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des funktionsaufnehmenden Unternehmens derart, dass dieses tatsächlich in der Lage ist, das mit der Funktion entstehende Einkommen zu erzielen.116 Demgemäß ist es regelmäßig erforderlich, dass dem aufnehmenden Unternehmen vom verlagernden Unternehmen die Grundlagen zur Funktionsausübung, die vor der Verlagerung rechtlich oder wirtschaftlich dem funktionsabgebenden Unternehmen zuzuordnen gewesen sind,117 zur Verfügung gestellt werden. b) Tatbestandsvoraussetzungen einer Funktionsverlagerung Eine Funktionsverlagerung liegt gemäß § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG dann vor, wenn „eine Funktion einschließlich der dazugehörigen Chancen und Risiken und der mit übertragenen oder überlassenen Wirtschaftsgütern und sonstigen Vorteile verlagert“ wird. Für die Funktionsverlagerung und die damit verbundenen Wirtschaftsgüter, sonstigen Vorteile sowie Chancen und Risiken führt der Gesetzgeber den Begriff des Transferpakets als Ganzes an. Ebenjenes setzt sich stets individuell zusammen,118 steht für die Gesamtbewertung der Funktionsverlagerung, stellt eine Bewertungseinheit dar und kann als Bewertungshilfe verstanden werden.119 Das Transferpaket fügt sich in die Systematik der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen ein, repräsentiert ein Mehr als nur die reine Funktion und stellt v. a. auf die übergehenden Chancen und Risiken ab,120 wobei aber die Funktion ein wesentlicher Bestandteil des Transferpakets ist.121 Voraussetzungen für eine Funktionsverlagerung sind demzufolge, dass dem aufnehmenden Unternehmen die Grundlagen, also die Wirtschaftsgüter sowie die sonstigen Vorteile wie auch Chancen und Risiken, die dem abgebenden Unternehmen rechtlich oder wirtschaftlich zuzurechnen sind, zur Ausführung der Funktion zur Verfügung gestellt werden (Überführung eines Transferpakets), um das aufnehmende Unternehmen in die Lage zu versetzen, die Funktion ausführen zu können,122 die bisher vom abgebenden Unternehmen ausgeführt worden ist und durch den Vorgang beim abgebenden eingeschränkt wird.123 Es sind gerade die dazugehörigen Wirtschaftsgüter notwendig für das Erfüllen der Tatbestandsvoraussetzungen der Funktionsverlagerung i. S. d. § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG,124 es sei denn, zur 116

Vgl. Rödl (2007), Rn. 67; Kuckhoff/Schreiber (1999), S. 323. Vgl. VerwGr-FVerl, Tz. 2.3.1. 118 Insbesondere enthalte es immaterielle Vermögenswerte und sonstige Vorteile und biete durch die individuelle Zusammensetzung Synergiepotenzial. Vgl. VerwGr-FVerl, Tz. 2.2.1.2. 119 Vgl. hierzu auch Menninger/Wellens (2012), S. 11. – Bzgl. des Transferpakets, welches nicht als Kreation des Gesetzgebers anzusehen ist, vgl. Bodenmüller (2004), S. 208. 120 Vgl. auch Kahle (2009), S. 559. 121 Vgl. v. Bredow (2011), S. 110. 122 Vgl. Brockhagen (2007), S. 34; BR-Drs 107/10, S. 4 (Art. 9a). Eine Funktion ohne ein Anlagevermögen ist nicht denkbar. Vgl. Borstell/Schäperclaus (2008), S. 282. 123 Vgl. Schwenke (2008), S. 139; Ditz (2009), S. 424. Siehe insbesondere § 1 Abs. 2 Satz 1 FVerlV. 124 Gl. A. Blumers (2010), S. 19; Brüninghaus/Bodenmüller (2009), S. 1288. 117

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Funktionsausübung wären keine solchen erforderlich und sonstige Vorteile sowie Chancen und Risiken wären als ausreichend zu erachten.125 Im Rahmen einer Funktionsanalyse ist dementsprechend aufzuzeigen, dass es dem aufnehmenden Unternehmen möglich ist, die Funktion auszuführen bzw. fortzuführen. Daher erfolgt in diesem Fall die Betrachtung auf der Ebene einer funktionalen Sichtweise: Von Bedeutung ist, ob ein zu einem gewissen Grad organisatorisch selbstständiger Teil einer Gesellschaft in der Person einer anderen Gesellschaft fortgeführt werden kann, um die sich daraus ergebenden ökonomischen Vorteile zu erwirtschaften. Es können daher weiterhin isoliert Wirtschaftsgüter, Chancen und Risiken sowie sonstige Vorteile übergehen, ohne dass eine Funktion verlagert wird.126 Dies impliziert, dass mit dem Verlagerungsvorgang auch die betriebliche Aufgabe bzw. die auszuübende Funktion überzugehen hat,127 was dazu führt, dass eine Funktionsverdoppelung keine Funktionsverlagerung i. S. d. AStG darstellen kann.128 Da sich Verlagerungsvorgänge in der Praxis über einen längeren Zeitraum erstrecken können, wird durch § 1 Abs. 2 Satz 3 FVerlV eine veranlagungszeitraumübergreifende Betrachtung angeordnet. Es gilt, dass „Geschäftsvorfälle, die innerhalb von fünf Wirtschaftsjahren verwirklicht werden […] als einheitliche Funktionsverlagerung zusammenzufassen“ sind, wenn die Geschäftsvorfälle durch ihre gemeinsame Verwirklichung die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Satz 1 FVerlV wirtschaftlich erfüllen.129 aa) Bestandteile des Transferpakets (1) (Immaterielle) Wirtschaftsgüter Der Begriff Wirtschaftsgut ist eine Zweckschöpfung des Steuerrechts, welcher inhaltlich mit dem handelsrechtlichen Begriff des Vermögensgegenstandes übereinstimmt.130 Ein Wirtschaftsgut umfasst nicht nur Sachen und Rechte i. S. d. BGB, sondern auch tatsächliche Zustände sowie konkrete Möglichkeiten und Vorteile, 125 Vgl. Brüninghaus/Bodenmüller (2009), S. 1288; Brinkmann (2008), § 4 Rn. 260; Jenzen (2007), S. 3122; Endres/Oestreicher (2009), S. 3. 126 Vgl. Wolter/Pitzal (2008), S. 795 f. Wohl a. A. Schreiber (2009), Anm. 48; Wassermeyer/Baumhoff/Greinert (2009), § 1 Anm. V 71; Baumhoff/Puls (2009), S. 80. 127 Vgl. Jenzen (2007), S. 3122. – Es ist ein kumulativer Übergang notwendig. Vgl. v. Bredow (2011), S. 112. 128 Vgl. Zech (2009), S. 200; v. Bredow (2011), S. 122. 129 Vgl. BR-Drs. 352/08, S. 11. 130 Vgl. RFH v. 27.3.1928 I A 470/27, RStBl. 1928, S. 260 (261); BFH v. 26.2.1975 I R 72/73, BStBl. II 1976, S. 13 (14); BFH v. 26.10.1987 GrS 2/86, BStBl. II 1988, S. 348 (352). BFH v. 7.8.2000 GrS 2/99, BStBl. II 2000, S. 632 (635); Mellwig/Weinstock (1996), S. 2345; Moxter (2007), S. 7; Hey (2010b), S. 768.

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„deren Erlangung sich der Kaufmann etwas kosten lässt“131. Aus diesem Verständnis des Wirtschaftsguts heraus ist es ausgeschlossen, dass u. a. Chancen und Risiken, nicht konkretisierte Möglichkeiten, bloße Nutzungsvorteile, die Qualität des Managements sowie die Möglichkeit einer Gewinnerzielung steuerlich als Wirtschaftsgut zu qualifizieren sind.132 Als materielle Wirtschaftsgüter kommen hingegen bspw. in Betracht: Maschinen, Rohstoffe, Waren, Betriebsvorrichtungen. Speziell immaterielle Wirtschaftsgüter nehmen im Kontext der Funktions­ verlagerung eine besondere Stellung ein,133 was die gewählten Formulierungen und Ausnahmetatbestände im Gesetz und der FVerlV verdeutlichen (§ 1 Abs. 3 Satz 10 Hs. 1 Alt. 1 AStG, § 1 Abs. 3 Satz 10 Hs. 2 AStG, § 2 Abs. 2 Satz 1 FVerlV, § 1 Abs. 5 FVerlV). In Ermangelung einer Definition werden immaterielle Werte als nicht phy­sische Vermögenswerte – wirtschaftliche Vorteile –, die sich durch ihre nicht vorhandene Körperlichkeit hervorheben,134 eines Unternehmens bezeichnet, die ein künftiges Erfolgspotenzial für das Unternehmen aufweisen.135 Eine besondere Eigenschaft ist die „zeitgleiche Nutzung durch unterschiedliche Personen an verschiedenen Orten zur selben Zeit“136. Jedoch wird das immaterielle Vermögen, welches regelmäßig über Gewinnpotenzial verfügt, in dem Land angesiedelt, welches am Vorteilhaftesten für das Unternehmen ist.137 Beispielsweise sind Kundenbeziehungen, Prozessabläufe, Netzwerke oder die Unternehmenskultur als immaterielle Werte zu qualifizieren.138 Sie werden regelmäßig in die Kategorien Rechte (bspw. Verträge), (Kunden-)Beziehungen, unbestimmte immaterielle Werte (wie der going concern-Wert oder Geschäftswert) und geistiges Eigentum (intellectual property) unterteilt.139 Ein immaterielles Wirtschaftsgut hat alle Voraussetzungen eines Wirtschaftsguts zu erfüllen und stellt mithin einen wirtschaftlichen Wert dar, der abgrenz-

131 BFH v. 7.8.2000 GrS 2/99, BStBl. II 2000, S. 632 (635). Vgl. auch BFH v. 3.2.1969 GrS 2/68, BStBl. II 1969, S. 291 (292). Es sind eindeutige und klar abgrenzbare Aufwendungen dafür zu tätigen. Vgl. BFH v. 24.3.1976 I R 139/73, BStBl. II 1976, S. 450 (451). 132 Vgl. BFH v. 26.10.1987 GrS 2/86, BStBl. II 1988, S. 348 (352); Moxter (2007), S. 10 f.; Haider/Engel (1941), S. 16. 133 Vgl. Ingram/Jenkins (2009), S. 58; Scheffler (2008), S. 135; Schreiber (2008a), S. 434. 134 Vgl. Knobbe-Keuk (1993), S. 91; BFH v. 23.11.1988 II R 209/82, BStBl. II 1989, S. 82 (83); BFH v. 30.10.2008 III R 82/06, BStBl. II 2009, S. 421 (423). 135 Vgl. Haller/Dietrich (2001), S. 1045; Boos (2003), S. 16. Auch in den VWG 1983 bleibt der Begriff des immateriellen Vermögenswertes undefiniert. In Tz. 5.1.1 wird nur auf die Tz. 3.1.2.3 verwiesen, in der allerdings keine Definition vorzufinden ist, sondern eine beispielhafte Aufzählung. 136 Kaminski/Strunk (2002), S. 790. 137 Vgl. Ingram/Jenkins (2009), S. 59 f.; Hejazi (2006), S. 399–401. 138 Vgl. Haller/Dietrich (2001), S. 1046. 139 Vgl. Boos (2003), S. 16 f. Eine exemplarische Aufzählung ist auch in den OECD-Verrechnungspreisrichtlinien enthalten, vgl. OECD-RL, Tz. 6.2.

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B. Die Funktionsverlagerung im Steuerrecht

bar und selbstständig bewertbar ist.140 Mit diesen Wirtschaftsgütern geht jedoch eine diffizile Einschätzung ihres Wertes einher. Daher ist der Begriff des materiellen Wirtschaftsguts weit und der des immateriellen Wirtschaftsguts eng gefasst. So ist für immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens ein Aktivposten in der Steuerbilanz nur anzusetzen, wenn sie entgeltlich erworben wurden (§ 5 Abs. 2 EStG). Sie sind demzufolge erst dann als bilanzfähige Wirtschaftsgüter zu bezeichnen, wenn sie durch ein Rechtsgeschäft von mindestens zwei Partnern tatsächlich im Wirtschaftsleben am Markt bestätigt werden,141 denn die „greifbare Werthaltigkeit“ dieser Werte unterliegt „einem besonders weiten subjektiven Beurteilungsspielraum.“142 Unter anderem sind Marken-, Urheber, Nutzungs-, Verlagsrechte, Software, Patente, der Geschäftswert143 oder ein bestimmtes Know-how144 als immaterielles Wirtschafsgut zu qualifizieren.145 Zugleich werden immaterielle Vermögenswerte jedoch außer im Rahmen von Unternehmenskäufen oder Käufen von Unternehmensteilen selten gehandelt, sondern regelmäßig selbst erstellt.146

140 Vgl. bzgl. des Wirtschaftsgutsbegriffs RFH v. 27.3.1928 I A 470/27, RStBl. 1928, S. 260 (261); RFH v. 21.10.1931 VI A 2002/29, RStBl. 1932, S. 305 (307); BFH v. 2.3.1970 GrS 1/69, BStBl. II 1970, S. 382 (383); BFH v. 26.2.1975 I R 32/73, BStBl. II 1975, S. 443 (445); BFH v. 9.2.1978 IV R 201/74, BStBl. II 1978, S. 370 (371); BFH v. 9.7.1986 I R 218/82, BStBl. II 1987, S. 14 (14); BFH v. 16.2.1990 III B 90/88, BStBl. II 1990, S. 794 (Leitsatz); BFH v. 8.4.1992 XI R 34/88, BStBl. II 1992, S. 893 (894 f.); BFH v. 17.2.1998 VIII R 28/95, BStBl. II 1998, S. 505 (507); BFH v. 20.3.2003 IV R 27/01, BStBl. II 2003, S. 878 (879); BFH v. 5.6.2008 IV R 50/07, BStBl. II 2008, S. 968 (970). Vgl. ferner Moxter (1987), S. 1848; ders. (2003a), S. 81; BFH v. 26.2.1975 I R 72/73, BStBl. II 1976; S. 13 (14); BFH v. 17.2.1998 VIII R 28/95, BStBl. II 1998, S. 505 (507). 141 Vgl. BFH v. 25.11.1976 IV R 90/72, BStBl. II 1977, S. 467 (472). Vgl. auch Moxter (2003a), S. 74; Haider/Engel (1941), S. 16. 142 Moxter (2003a), S. 74. Vgl. auch BFH v. 11.11.1983 III R 25/77, BStBl. II 1984, S. 187 (188 f.); BFH v. 28.10.1987 II R 224/82, BStBl. II 1988, S. 50 (51); BFH v. 23.11.1988 II R 209/82, BStBl. II 1989, S. 82 (83). 143 Vgl. hierzu BFH v. 23.11.1988 II R 209/82, BStBl. II 1989, S. 82 (83). 144 Know-how ist „nicht geschütztes Spezialwissen über technische Erfahrungen, die im Allgemeinen im Wege praktischer Erprobung gewonnen werden und durch praktische Beratung zur Verfügung gestellt werden können.“ Knoppe (1964), S. 20. Neben dem technischen sind auch kaufmännische und betriebswirtschaftliche Erfahrungen und Kenntnisse als Know-how anzusehen. Vgl. BFH v. 16.12.1970 I R 44/67, BStBl. II 1971, S. 235 (236); BFH v. 23.11.1988 II R 209/82, BStBl. II 1989, S. 82 (83). „[K]nowledge is an asset that is different from traditional hard or tangible assets.“ Inkpen (2008), S. 78. 145 Vgl. Hoffmann (2006), S. 130; Moxter (1987), S. 1848; Buciek (2011), § 5 EStG Rz. 533 m. w. N.; BFH v. 26.8.1992 I R 24/91, BStBl. II 1992, S. 977 (Leitsatz); BFH v. 30.10.2008 III R 82/06, BStBl. II 2009, S. 421 (423). Siehe auch § 266 Abs. 2 A. I. HGB. – Den EStR folgend kommen als immaterielle Wirtschaftsgüter Rechte, rechtsähnliche Werte und sonstige Vorteile in Betracht (R 5.5 Abs. 1 Satz 1 EStR 2008). Patente, Gebrauchsmuster, Lizenzen, Urheber- und Verlagsrechte sowie Warenzeichenrechte sind als Rechte aufzufassen. Rechts­ ähnliche Werte sind z. B. Konzessionen sowie Nutzungsberechtigungen und sonstige Vorteile sind bspw. Know-how, ungeschützte Erfindungen oder Rezepte. 146 Vgl. Menninger/Kunowski (2003), S. 1181; Cravens (1997), S. 137.

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Im Gegensatz zum Geschäftswert sind die immateriellen Einzelwirtschaftsgüter – unabhängig vom Unternehmen – selbstständig verkehrs- und bewertungsfähig. Das heißt, dass das entsprechende immaterielle Wirtschaftsgut gegenüber dem Geschäftswert als „werthaltige greifbare Einzelheit“147 in Erscheinung tritt und folgerichtig vom Geschäftswert abgrenzbar ist. Indessen erscheint eine Anerkennung als immaterielles Wirtschaftsgut bei Positionen und Beziehungen sowie schlichten betrieblichen Vorteilen fraglich zu sein,148 insbesondere nicht rechtlich abgesicherten Nutzungsvorteilen bleibt eine Anerkennung als immaterielles Wirtschaftsgut versagt.149 Auch wird die selbstständige Bewertbarkeit für den Ruf, die Organisation, den Standort oder ein eingespieltes Team abgelehnt.150 Diese sogenannten geschäftswertbildenden Faktoren, die nicht selbstständig bewertet werden können, gehen im Geschäftswert auf. Die Abgrenzung kann sich im Einzelfall schwierig gestalten, denn bspw. kann ein Kundenstamm sowohl als Teil des Geschäftswerts als auch als immaterielles Einzelwirtschaftsgut zu behandeln sein.151 Unabhängig von der Qualifikation als Wirtschaftsgut sind immaterielle Vermögenswerte grundsätzlich in Wertschöpfungsprozessen unabdingbar und stellen die Grundlage für das später am Markt angebotene Produkt dar.152 Somit sind sie zunehmend von Bedeutung für den betrieblichen Ablauf.153 Speziell im Zu­ sammenhang mit Vertriebs- und Produktionsverlagerungen werden regelmäßig Know-how, (nicht) patentiertes technisches Wissen, Markenrechte sowie der Kundenstamm übertragen oder überlassen.154 Dennoch ist es bei der Beurteilung einer Funktionsverlagerung grundsätzlich schwierig festzustellen, wem die mit der Verlagerung der Funktion einhergehenden Wirtschaftsgüter vor der Verlagerung zuzuordnen waren, obwohl im Rahmen einer Funktions- und Risikoanalyse aufgezeigt werden kann, welches Unternehmen welche Wirtschaftsgüter im Wertschöpfungsprozess einsetzt. Damit 147 BFH v. 13.9.1989 II R 1/87, BStBl. II 1990, S. 47 (48). Vgl. auch BFH v. 23.11.1988 II R 209/82, BStBl. II 1989, S. 82 (83). 148 So qualifizierte der BFH einen Abfindungsanspruch als betrieblichen Vorteil, der als abnutzbares Wirtschaftsgut zu interpretieren ist. Vgl. BFH v. 10.8.1978 IV R 54/74, BStBl. II 1979, S. 74 (76 f.). 149 Die Nutzungseignung bildet eher eine Eigenschaft von Wirtschaftsgütern. Nutzungsrechte hingegen sind als immaterielle Wirtschaftsgüter anzusehen. Vgl. BFH v. 26.10.1987 GrS 2/86, BStBl. II 1988, S. 348 (352). 150 Vgl. BFH v. 7.11.1985 IV R 7/83, BStBl. II 1986, S. 176 (178); Eisele (2003), S. 214. 151 Vgl. hierfür zuletzt BFH v. 20.11.2009 III R 40/07, DStR 2010, S. 371 (373). 152 Vgl. Dischinger/Riedel (2008), S. 5; Boos (2003), S. 9, 33. 153 Vgl. Dunning (2000), S. 8; Wyatt (2002), S. 83 f.; Lev (2001), S. 9; Contractor (2000), S. 242; Küting/Ulrich (2001a), S. 953 m. w. N.; Beyer/Mackenstedt (2008), S. 338. 154 Vgl. BR-Drs. 220/07, S. 142. Immaterielle Vermögenswerte gehen regelmäßig mit Funktionen, abgesehen von Hilfsfunktionen, über und agieren als Grundlage für die zukünftigen Gewinne im Ausland. Vgl. Graf (2008), S. 99; Naumann (2007a), S. 167 f., 170 f.; ders. (2007b), S. 203; Roser (2008), S. 35; Schreiber (2009), Anm. 1.

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einhergehend wird die Verlagerung von immateriellen Vermögenswerten selbst kaum fassbar sein, da sie nicht durch eine körperliche Zugehörigkeit einer Unternehmenseinheit zugeordnet werden können.155 Desgleichen werden immaterielle Vermögenswerte in den deutschen Verrechnungspreisvorschriften nicht detailliert erfasst.156 Dem soll durch die Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen entgegengewirkt werden. (2) Sonstige Vorteile Im Rahmen des Wirtschaftsgutbegriffes werden sonstige Vorteile aufgeführt, welche generell zum Wirtschaftsgutbegriff beitragen. Ebenfalls werden sie in R 5.5 Abs. 1 Satz 1 EStR 2008 angeführt und kommen grundsätzlich als immaterielles Wirtschaftsgut in Betracht.157 Da die sonstigen Vorteile aber separat aufgezählt, jedoch nicht definiert werden, kann es sich um Bestandteile des Geschäftswerts handeln.158 Andererseits könnten unter den sonstigen Vorteilen Geschäftschancen subsumiert werden, die dahingehend zu verstehen sind, dass ein weitgehend konkretisierter Gewinn erzielt werden kann.159 Da die konkrete Geschäftschance als immaterielles Wirtschaftsgut anzusehen ist,160 bleibt als sonstiger Vorteil kein Raum. Vielmehr sind unter den sonstigen Vorteilen die unternehmerischen Geschäftschancen zu verstehen und daher als Bestandteile des Geschäftswerts bzw. als geschäftswertbildende Faktoren zu qualifizieren.161 Es sind die wirtschaftlichen Vorteile, die nicht zu einem Wirtschaftsgut erstarkt sind,162 aber ökonomische, grob quantifizierbare

155

Vgl. Eisele (2003), S. 208; Boos (2003), S. 7 Vgl. auch Wehnert (2007), S. 558. Die Vorschriften basieren aber auf derselben Grundidee wie die OECD-Verrechnungspreisrichtlinien Vgl. Boos (2003), S. 133. – Immaterielle Wirtschaftsgüter werden v. a. in Kapitel 5 „Nutzungsüberlassung von Patenten, Know-how oder anderen immateriellen Wirtschaftsgütern; Auftragsforschung“ der VWG 1983 angeführt. Darüber hinaus wird in § 4 Nr. 2b) GAufzV Bezug auf immaterielle Vermögenswerte im Rahmen der Dokumentation genommen. Sowie die Tz. 3.4.8.2 Verwaltungsgrundsätze-Verfahren 2005 auf die zeitnahe Aufzeichnung von außergewöhnlichen Geschäftsvorfällen abstellt. Hierunter ist auch die Übertragung wesentlicher immaterieller Wirtschaftsgüter anzusehen. 157 Im Rahmen eines Gesetzesentwurfs (§ 244 Abs. 2 Satz 2 HGB-E) wurden unter immateriellen Wirtschaftsgütern auch sonstige Vorteile in Betracht gezogen. Vgl. Knobbe-Keuk (1993), S. 92 Anm. 151. 158 Vgl. Oestreicher (2009), S. 83. 159 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert (2008), S. 1946. 160 Vgl. Kap. B. I. 5. a) cc). 161 Gl. A. Brüninghaus/Bodenmüller (2009), S. 1288; v. Bredow (2011), S. 112. Das BMF subsumiert unter die Vorteile bspw. Kenntnisse des Produkt- oder Prozess-Know-how, Kenntnisse über Forschungsprojekte, über die Betriebsorganisation, Markt- oder Branchenkenntnisse sowie persönliche Netzwerkbeziehungen zu anderen Konzernunternehmen. Vgl. VerwGr-FVerl, Tz. 2.1.7.1. 162 Gl. A. Schreiber (2009), Anm. 50 f. 156

I. Steuerliche Erfassung einer Funktionsverlagerung im Sinne des § 1 AStG 

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Werte darstellen und mit der Funktion in einem inhärenten Zusammenhang stehen.163 Darüber hinaus wird beim Abstellen auf sonstige Vorteile die Systematik der Korrekturvorschriften im Steuerrecht beibehalten. Sowohl die vGA als auch § 1 AStG setzen den Transfer eines Wirtschaftsguts nicht notwendigerweise voraus, sondern erfassen Vermögensvorteile jeder Art,164 denn nicht nur Wirtschaftsgüter, auch Vorteile sind fremdüblich zu erfassen.165 (3) Chancen und Risiken Mit der Funktion sollen Chancen und Risiken166 übergehen. Da die Funktion als Bündel von betrieblichen Aufgaben zu verstehen ist und Tätigwerden und Verantworten stets mit Chancen und Risiken verbunden ist,167 wird durch die explizite Nennung der Chancen und Risiken deutlich, dass auch der Verantwortungsbereich und, damit einhergehend, unternehmerische Chancen und Risiken überzugehen haben.168 Das aufnehmende Unternehmen hat die Funktion in Eigenregie zu übernehmen und die hieraus resultierenden Risiken zu tragen. Solche Chancen und Risiken – als „das entscheidende Abgrenzungskriterium für das Vorliegen einer Funktionsverlagerung“169 – ergeben sich aus dem gesamten Wertschöpfungsprozess und beeinflussen den Erfolg des Unternehmens.170 163

Bestandteile eines Geschäftswerts. Vgl. Busse von Colbe (2008), § 309 Rn. 5. Vgl. hierzu auch BFH v. 20.8.1986 I R 41/82, BStBl. II 1987, S. 65 (69, 72 f.). – Als Beispiel lassen sich die Aufwendungen für einen Werbefeldzug nennen, um ein neues Produkt am Markt zu platzieren. Der erhoffte künftige finanzielle Nutzen aus dem Werbefeldzug führt zwar nicht dazu, dass ein Wirtschaftsgut vorliegt, dennoch könnte dieser Werbefeldzug im Rahmen einer Kaufpreisbemessung für ein Unternehmen (eine Funktion) berücksichtigt werden. Ebenfalls kann unter einem sonstigen Vorteil ein zinslos gewährtes Darlehen zu verstehen sein, denn der Erwerber wird die Zinslosigkeit des Darlehens in der Quantifizierung des Kaufpreises für ein Unternehmen bzw. eine Funktion berücksichtigen. Vgl. BFH v. 20.8.1986 I R 41/82, BStBl. II 1987, S. 65 (69). 164 Vgl. Borstell (2002), S. 208; Thiel (1993), S. 1803. Wassermeyer (1987), S. 1118–1120; Bodenmüller (2004), S. 307. 165 Vgl. Schreiber (2009), Anm. 67. 166 Werden das Risiko und die Chancen durch einen Vergleich der Nettoeinzahlungen mit dem Kapitaleinsatz definiert, folgt daraus, dass ein Risiko eine Verlustgefahr symbolisiert. Der Verlust äußert sich in einem negativen Betrag (Nettoeinzahlungen − Kapitaleinsatz). Regelmäßig erfolgt keine Abgrenzung zwischen der Chance und dem Risiko. Vielmehr repräsentiert das Risiko die mögliche Streuung der finanziellen Ergebnisse. Demzufolge werden Streuungsmaße wie die Varianz und die Standardabweichung oder relative Streuungsmaße wie der Variationskoeffizient zur Kennzeichnung des Risikos herangezogen. Vgl. Drukarczyk (1985), S. 99. 167 Vgl. Borstell (2004), Kapitel N, Rn. 105. 168 Vgl. Brüninghaus/Bodenmüller (2009), S. 1287. 169 Zech (2009), S. 308. 170 Vgl. Brüninghaus/Bodenmüller (2009), S. 1287. Bspw. Entwicklungs-, Absatz-, Finanzierungs-, Transportrisiken. Vgl. Verwaltungsgrundsätze-Verfahren 2005, Tz. 3.4.11.4; Serg (2006), S. 134.

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Hiermit verbunden ist die Erzielung bzw. die Verlagerung eines Gewinnpotenzials. Dies wird darüber hinaus in der Begründung zur FVerlV deutlich, denn „[w]esentliche Elemente der Wertbestimmung für das Transferpaket […] sind vor allem die übergehenden Chancen und Risiken“171, die mit dem Gewinnpotenzial gleichgesetzt werden. Folgerichtig kann ein fremder Dritter für diese Chancen und Risiken bereit sein, ein Entgelt zu entrichten. Hingegen nicht für funktionale Chancen und Risiken, da sich kein Gewinnpotenzial realisieren lässt.172 Zudem ist anzunehmen, dass mit einem steigenden Umfang der zu verlagernden Funktion die mit zur Ausübung der Funktion verbundenen Risiken zunehmen.173 Wenn nicht wesentliche Funktionen und, damit einhergehend, nicht wesentliche Risiken übertragen werden, werden die Auswirkungen auf ein aus der Funktion resultierendes Gewinnpotenzial verhältnismäßig gering sein.174 Die zugrundeliegende Annahme ist, dass das für die an der Transaktion beteiligten Parteien zugestandene Gewinnpotenzial in dem Umfang und dem wirtschaftlichen Gehalt der übernommenen Funktionen und Risiken steigt175 und sich dementsprechend auf den Fremdvergleichspreis auswirkt. Durch das explizite Abstellen auf Chancen und Risiken wird offenbart, dass unter § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG nur die Funktionsausgliederung sowie -abschmelzung zu subsumieren sein können.176 bb) Funktionseinschränkung Das Merkmal der Funktionseinschränkung gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 FVerlV findet sich weder im Gesetz noch in der Gesetzesbegründung.177 Eine Funktionseinschränkung liegt vor, wenn der Funktion Aufgaben entzogen werden. Dies ist z. B. gegeben, wenn die Vertriebsabteilung eine Einschränkung auf bestimmte Länder oder Kunden erfährt.178 Durch das Merkmal der Funktionseinschränkung werden daher auch Teilfunktionsverlagerungen erfasst.179 Das Merkmal der Funktions 171

BR-Drs. 352/08, S. 12. Gl. A. Brüninghaus/Bodenmüller (2009), S. 1287. 173 Vgl. Serg (2006), S. 131. 174 Vgl. Rödl (2007), Rn. 92; Serg (2006), S. 137. 175 Vgl. Rödl (2007), Rn. 91; Serg (2006), S. 131, 136; Brockhagen (2007), S. 45; OECDRL, Tz. 1.20. 176 Siehe auch v. Bredow (2011), S. 122. 177 Vgl. hierzu kritisch Haas (2008), S. 520; Schreiber (2009), Anm. 12. Ursprünglich sollten auch Fälle der Funktionsverdoppelung erfasst werden. Vgl. Zech (2009), S. 209. 178 Vgl. Oestreicher (2009), S. 83. 179 Vgl. Haas (2008), S. 520; a. A. Wolter/Pitzal (2008), S. 798. Als Funktionen können demgemäß bestimmte Geschäftstätigkeiten, z. B. die Produktion eines bestimmten Produkts oder einer bestimmten Produktgruppe, der Vertrieb eines bestimmten Produkts, einer bestimmten Produktgruppe oder für eine bestimmte Region, anzusehen sein. Vgl. VerwGrFVerl, Tz. 2.1.1. 172

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einschränkung ist anhand einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu beurteilen.180 Vor dem Hintergrund der makroökonomischen Entwicklung können bspw. die Umsatzentwicklung, die Entwicklung des Personaleinsatzes sowie die Veränderungen der Gesamtaktivitäten des Unternehmens gewürdigt werden. Das heißt, dass nur Maßnahmen zu einer Einschränkung führen, die nicht auf externen wirtschaftlichen Faktoren, sondern auf aktiven Eingriffen seitens des Unternehmens beruhen, die die Funktionsausübung in ihrem Umfang, Ausmaß sowie verwendeten Ressourcen reduzieren.181 cc) Zeitweise Funktionsverlagerung Ein weiteres im Gesetz ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ist, dass eine Funktionsverlagerung auch dann vorliegen kann, wenn sie nur zeitweise erfolgt (§ 1 Abs. 2 Satz 2 FVerlV). Diesem Merkmal kommt der Begründung zur FVerlV folgend nur eine klarstellende Bedeutung zu.182 Da Verlagerungsvorgänge in der Praxis keinen irreversiblen Prozess darstellen,183 werden mit der zeitweisen Verlagerung auch solche Vorgänge erfasst, bei denen eine Funktion ins Ausland übertragen und, unabhängig von den Gründen, zukünftig zurückverlagert wird. Es würde anderweitig ein Gestaltungsspielraum für den Steuerpflichtigen geschaffen werden, die Regelung zu umgehen: Zwischen den beteiligten Unternehmen könnte ein zivilrechtlicher Vertrag geschlossen werden, der die Verlagerung bzw. die Ausübung der Funktion nur auf einen bestimmten Zeitraum befristet. Wenn die Funktion im Anschluss daran jedoch im Unternehmensprozess nicht mehr benötigt wird, liegt letztendlich eine definitive Funktionsverlagerung vor.184 c) Zwischenfazit: Die Funktionsverlagerung im deutschen Steuerrecht Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG sind erfüllt, wenn eine Funktion samt den dazugehörigen Chancen und Risiken und den mit der Funktion in Verbindung stehenden Wirtschaftsgütern und sonstigen Vorteilen übertragen oder überlassen werden, sodass die Funktion im Inland eingeschränkt und dem aufnehmenden Unternehmen im entsprechenden Maße zur Verfügung gestellt wird. Durch das nachdrückliche Abstellen auf den Übergang der funktionszugehörigen Wirtschaftsgüter wird deutlich, dass eine Funktionsverlagerung nicht gegeben ist, wenn nur die Funktionsausübung übergeht. Die Funktion muss daher beim aufnehmenden Unternehmen insoweit funktionsfähig sein, sodass 180

Vgl. Frischmuth (2008), S. 869. Hingegen scheint das BMF auf den Umsatz als Maßstab abzustellen. Vgl. VerwGr-FVerl, Tzn. 2.1.6.2.3, 2.1.6.2.4. 182 Vgl. BR-Drs. 352/08, S. 11. 183 Vgl. Kinkel/Maloca/Jäger (2000), S. 13–15. 184 Vgl. Zech (2009), S. 201 f. 181

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B. Die Funktionsverlagerung im Steuerrecht

keine zusätzlichen Investitionen oder Einbringungen notwendig sind und kann demgemäß vom funktionsaufnehmenden Unternehmen in dessen Betriebsablauf integriert werden. Dementsprechend erscheint das Abstellen auf ein Transfer­ paket, als Bewertungseinheit, fremdvergleichskonform.185 Der Gesetzgeber hat mit der Einführung des Begriffes der Funktionsverlagerung und mit dem Begriff des Transferpakets neue steuerrechtliche Termini im AStG eingeführt. Hierdurch normierte der Gesetzgeber die zuvor im Gesetz nicht ausdrücklich angeführten grenzüberschreitenden Verlagerungsvorgänge wirtschaftlicher Aktivitäten zwischen nahe stehenden Personen und führte mit dem Transferpaket eine neue Bewertungseinheit im Steuerrecht ein, die als eine Bewertungshilfe verstanden werden kann. 4. Die Rechtsfolge einer Funktionsverlagerung im deutschen Steuerrecht Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG „hat der Steuerpflichtige den Einigungsbereich auf der Grundlage des Transferpakets unter Berücksichtigung funktions- und risikoadäquater Kapitalisierungszinssätze zu bestimmen“, wenn „auf die verlagerte Funktion Satz 5 anzuwenden [ist], weil für das Transferpaket als Ganzes keine zumindest eingeschränkt vergleichbare Fremdvergleichswerte vorliegen“. § 1 Abs. 3 Satz 5 AStG folgend „hat der Steuerpflichtige für seine Einkünfteermittlung einen hypothetischen Fremdvergleich […] durchzuführen.“ Hierfür hat der Steuerpflichtige gemäß § 1 Abs. 3 Satz 6 AStG aufgrund einer Funktionsanalyse und innerbetrieblicher Planrechnungen den Mindestpreis des Leistenden und den Höchstpreis des Leistungsempfängers für das Transferpaket zu ermitteln (Einigungsbereich). Dieser Einigungsbereich wird von den jeweiligen Gewinnerwartungen (Gewinnpotenzialen) bestimmt (§ 1 Abs. 3 Satz 6 Hs. 2 AStG).186 Grundlage der Verrechnungspreisermittlung bei einer Funktionsverlagerung ist demnach grundsätzlich das Transferpaket. Somit die mit einer Funktionsverlagerung verbundenen Wirtschaftsgüter, sonstigen Vorteile sowie Chancen und Risiken als eine Bewertungseinheit und nicht mehr auf Basis einer Einzelbetrachtung der übergehenden Wirtschaftsgüter (wirtschaftsgutbezogene Sichtweise). Hierdurch erfolgt eine Abkehr vom Grundsatz der Einzelbewertung der übergehenden einzelnen Wirtschaftsgüter (§ 6 Abs. 1 Satz 1 EStG), denn grundsätzlich soll eine Funktion im Gesamten als organisatorische Einheit – im Sinne einer partiellen Unternehmensbewertung – zu bewerten sein, was vor Etablierung des § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG erst bei Vorliegen eines ertragsteuerlichen Teilbetriebs vonnöten war.

185 186

Vgl. v. Bredow (2011), S. 51. Vgl. hierzu auch Naumann (2007a), S. 174.

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Ziel ist es, einen Gewinn als steuerliche Bemessungsgrundlage heranzuziehen, der bei einer gedanklichen Veräußerung einer Funktion an einen Dritten entstehen würde (Fremdvergleichsgrundsatz). Dabei sei die Bewertung der Funktion als Ganzes aus betriebswirtschaftlichen Gründen geboten, weil der Preis der einzelnen übertragenen Wirtschaftsgüter den Wert der Funktion regelmäßig nicht adäquat widerspiegele.187 Bei dieser Vorgehensweise wird ein in Zukunft entstehender Gewinn aus der zu verlagernden Funktion der heutigen Besteuerung zugrunde gelegt, was mit Unsicherheit auf Grund der hierfür anzustellenden Prognosen einhergeht.188 Dieser hypothetische Fremdvergleich soll gemäß § 1 Abs. 3 Satz 5 AStG nur nachrangig zur Anwendung kommen,189 wenn keine uneingeschränkt oder eingeschränkt vergleichbaren Werte (Marktpreise) vorliegen. Existieren also für das Transferpaket (un-)eingeschränkt vergleichbare Werte, ist ein tatsächlicher Fremdvergleich gemäß § 1 Abs. 3 Sätze 1 bis 4 AStG vorrangig anzuwenden. Aus § 2 Abs. 1 Satz 1 FVerlV folgt aber, dass die Transferpaketbetrachtung für alle Formen des Fremdvergleichs gelten soll, was auch sachgerecht erscheint, da vom Gesetzgeber auf den Übergang der Funktion als Ganzes abgestellt wird.190 Demnach ist die Funktion immer als Gesamtes zu betrachten und zu vergleichen, da eine Funktionsverlagerung als ein einheitlicher Vorgang zu begreifen ist, bei dem eine Funktion im Ganzen veräußert wird und es angemessen ist, diese Veräußerung als einheitliches Rechtsgeschäft anzusehen und entsprechend zu behandeln (Übergang eines Transferpakets). Im Besonderen ist ein einheitlicher Kaufpreis zu vereinbaren.191 Dies bedeutet zugleich, dass im Rahmen des tatsächlichen Fremdvergleichs nicht auf die einzelnen Wirtschaftsgüter des Transferpakets abzustellen ist. Zwar könnten die einzelnen im Transferpaket enthaltenen Wirtschaftsgüter einzeln bewertet werden, aber in ihrer Summe haben sie dem Wert des Transfer­ pakets zu entsprechen.192 Da aber kein Markt für Funktionen und mithin kein geeigneter Vergleichswert gegeben sein dürfte193 sowie es keine vergleichbaren oder eingeschränkt vergleichbaren Daten für die im Transferpaket enthaltenen immateriellen Vermögenswerte

187

Vgl. BR-Drs. 352/08, S. 17. Jedoch ist hierzu anzumerken, dass „[d]ie ‚Objektivierbarkeit‘ des Unternehmenswerts durch den Substanzwert […] ganz stark überschätzt [wurde]. Die Ermittlung der ‚Wiederbeschaffungswerte‘ von (gebrauchten) Anlagen muß man in sehr vielen Fällen schlechthin unseriös nennen, und selbst bei unfertigen und fertigen Erzeugnissen lassen sich die Wiederbeschaffungskosten nur mit einem sehr breiten Ermessensspielraum bestimmen […]. Der Substanzwert ist in einem geradezu erschreckenden Maße manipulierbar.“ Moxter (1979), S. 742. 189 Vgl. BR-Drs. 352/08, S. 15. 190 Vgl. hierzu auch BT-Drs. 17/939, S. 8. 191 Bezüglich eines Unternehmensverkaufs vgl. Leissle (1953), Sp. 644. 192 Vgl. BR-Drs. 352/08, S. 11 f. 193 Vgl. Kap. A. III. 188

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geben sollte,194 wird die Bewertung des Transferpakets gemäß § 1 Abs. 3 Satz 9 i. V. m. § 1 Abs. 3 Satz 5 AStG den Normalfall darstellen,195 wenn nicht ein Ausnahmetatbestand gegeben ist und hiervon abgesehen werden kann.196 Dessen ungeachtet wird es Fälle von Funktionsverlagerungen geben, bspw. die Verlagerung von Hilfsfunktionen, bei denen sich gewisse vergleichbare Marktpreisbandbreiten feststellen lassen werden, sodass die vorrangigen Methoden anzuwenden sind.197 Im Folgenden wird in Anbetracht des Vorstehenden auf den hypothetischen Fremdvergleich und die damit verbundene Bewertung einer Funktionsverlagerung eingegangen. a) Die Ermittlung des Fremdvergleichspreises aa) Funktions- und Risikoanalyse Bei der Einkunftsabgrenzung und der Anwendung des Fremdvergleichs hat eine Betrachtung der Funktionen und der übernommenen Risiken der an der Transaktion beteiligten Unternehmen zu erfolgen. Insbesondere sind die Struktur, Organisation, Aufgabenteilung – Darstellung der Wertschöpfungskette – und Risikoverteilung sowie die Zurechnung der Wirtschaftsgüter von Bedeutung.198 Es wird in einer nachvollziehbaren Art und Weise analysiert, welche Funktionen von den betrachteten Unternehmen wahrgenommen, in welcher Eigenschaft die Funktionen erfüllt, welche Risiken übernommen und welche Mittel verwendet werden, um das Unternehmen zu charakterisieren.199 Das heißt, dass die jeweiligen Unternehmen bspw. als Entrepreneur oder als Routineunternehmen qualifiziert werden können.200 Demzufolge werden mit einer Funktions- und Risikoanalyse „Daten über die Funktions-, Risiko- und Wirtschaftgüterverteilung ermittelt, um eine fremdvergleichskonforme Verrechnungspreismethode zu wählen und einen angemessenen Verrechnungspreis bilden zu können.“201 Sie dient als ein „Instrument zur systematischen und vollständigen Sachverhaltsaufklärung“202. 194

Vgl. Wassermeyer (2008), S. 67. Vgl. BR-Drs. 352/08, S. 15; Kaminski/Strunk (2009), S. 712; Schreiber (2008b), S. 804; VerwGrFVerl, Tz. 2.2.1.2 m. V. a. die Definition des aktiven Marktes und IDW S 5, Tz. 19. 196 Vgl. Greil (2010), S. 479–482. 197 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert (2008), S. 1948. 198 Vgl. VWG 1983, Tz. 2.1.3. Siehe auch § 4 Nr. 3a) GAufzV. 199 Vgl. Brockhagen (2007), S. 35, 45; Sieker (2009), Art. 9 Rn. 195; Schmidt/Sigloch/Henselmann (2005), S. 347; Borstell (2000), S. 353. So wird eruiert, welcher Wertschöpfungsbeitrag geleistet wird und welche Mittel eingesetzt werden. Vgl. Baumhoff (2009), § 1 Anm. 313– 315. 200 Vgl. Verwaltungsgrundsätze-Verfahren 2005, Tz. 3.4.10.2. 201 Fischer/Looks/im Schlaa (2010), S. 159. Vgl. auch Schmidt/Sigloch/Henselmann (2005), S. 347; Förster (2009), S. 721. 202 Sieker (2009), Art. 9 Rn. 193 mit dem Hinweis auf § 1.482–1 (d)(3)(i) US-Regulations. 195

I. Steuerliche Erfassung einer Funktionsverlagerung im Sinne des § 1 AStG 

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Somit geht der Ermittlung des Fremdvergleichspreises eine Funktions- und Risikoanalyse203 voraus, die den Ausgangspunkt der Angemessenheitsprüfung von steuerlichen Verrechnungspreisen darstellt,204 da die in den Fremdvergleich einzubeziehenden Unternehmen nicht nur vergleichbare wirtschaftliche Funktionen auszuüben sowie Risiken zu tragen haben, sondern auch hinsichtlich der eingesetzten Mittel vergleichbar sein müssen, um den benötigten Vergleich anstellen zu können (Vergleichbarkeit der Verhältnisse).205 Der Gesetzgeber nimmt durch § 1 Abs. 3 Satz 1 und Satz 6 AStG ergänzend und klarstellend Bezug auf die Funktions- und Risikoanalyse, welche auch in den OECD-RL angeführt wird.206 Zwar wird die Funktions- und Risikoanalyse für die Festlegung der Bedingungen des laufenden Liefer- und Leistungsverkehrs vorgenommen, dennoch kann sie Aufschluss über den Verlagerungsvorgang selbst geben,207 da bei einer umfassenden Analyse auch Wertschöpfungsbeiträge ermittelt werden können.208 Insbesondere lässt sich durch die Ermittlung der Funktions- und Risikoprofile der beteiligten Unternehmen vor und nach dem Verlagerungsvorgang eine Veränderung derselben feststellen, sodass auf den Umfang der verlagerten Funktion selbst geschlossen werden kann (Differenzbetrachtung)209 und darauf, welchen Einfluss die veränderten Unternehmensstrukturen auf die künftigen Ergebnisse haben werden. Auch kann sich die Analyse auf die betreffende Funktion oder die von der Verlagerung betroffenen Wertschöpfungskette beziehen.210 Es wird zudem eruiert werden können, welche Vermögenswerte zur betreffenden Funktionsausübung benötigt werden, welche Chancen und Risiken mit dieser Funktion im Zusammenhang stehen und übergegangen sind, um die übertragene Funktion zu charakterisieren und die Art der Verlagerung zu bestimmen. Daneben wirkt sie unterstützend bei der Suche nach für den Verlagerungsvorgang vergleichbaren Transaktionen.211

203

Vgl. auch OECD-RL, Tzn. 1.20–1.24; VWG 1983, Tzn. 2.2.3, 2.2.4. Vgl. Brockhagen(2007), S. 45; Serg (2006), S. 136, OECD-RL, Tz. 1.20. 205 Vgl. Sieker (2009), Art. 9 Rn. 195. Vgl. auch Wöhrle/Schelle/Gross (2009), § 1 Rz. 73; BFH v. 6.4.2005 I R 22/04, BStBl. II 2007, S. 658 (661). 206 Vgl. OECD-RL, Tzn. 1.20–1.27. 207 Vgl. Baumhoff (2003a), S. 77; ders. (2009), § 1 Anm. 591. 208 Vgl. Fischer/Looks/im Schlaa (2010), S. 159. 209 Vgl. Baumhoff (2003a), S. 77 f.; Schreiber (2009), Anm. 72. 210 Vgl. Bodenmüller (2004), S. 99. 211 Vgl. Brockhagen (2007), S. 46; Baumhoff/Bodenmüller (2000), S. 370. 204

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bb) Der hypothetische Fremdvergleich – Allgemein (1) Simulation eines Preisbildungsprozesses Beim Fehlen von empirisch nachvollziehbaren Drittdaten kann kein tatsächlicher Fremdvergleich durchgeführt werden, und daher scheiden die konventionellen Verrechnungspreismethoden aus. Mithin kommt ein hypothetischer Fremdvergleich (§ 1 Abs. 3 Satz 5 AStG) als letztmögliche Methode zur Ermittlung eines fremdüblichen Verhaltens zur Anwendung.212 Es ist auf das Agieren eines doppelt ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG abzustellen,213 denn die Anwendung des Fremdvergleichs erfordert eine Einbeziehung des Vertragspartners,214 was mithin dazu führt, dass kein objektiver Wert maßgeblich ist.215 Diese doppelte Sichtweise wird darüber hinaus dadurch bekräftigt, dass auf Basis einer Funktionsanalyse und von innerbetrieblichen Planrechnungen eine Bandbreite von Preisen, die markiert wird durch den Mindestpreis des Leistenden und den Maximalpreis des Leistungsempfängers, zu bestimmen ist (§ 1 Abs. 3 Satz 6 AStG). Durch die Verdoppelung wird das Angemessenheitskriterium auf der Angebots- und auf der Nachfrageseite berücksichtigt, sodass der am Markt gegebene Preisbildungsprozess nachvollzogen werden soll. Die Folge ist die Ableitung von marktkonformen Preisen, und dass dem Grundsatz der inter­ nationalen Rücksichtnahme entsprochen wird sowie eine Übereinstimmung mit internationalen Grundsätzen gegeben ist.216 Um eine sachgerechte Einkünfteabgrenzung vornehmen zu können, wird daher ein Preisbildungsprozess auf der Grundlage des tatsächlich verwirklichten Sachver-

212

Vgl. auch Roeder (2008), S. 203; Cauwenbergh/Lucas (2008), S. 516. Schon vor der Etablierung als gesetzliche Norm war anerkannt, dass eine hypothetische Ermittlung des Fremdvergleichspreises zu erfolgen hat, falls kein tatsächlicher Fremdvergleichspreis ermittelbar sein sollte. Vgl. BFH v. 15.9.2004 I R 7/02, BStBl. II 2005, S. 867 (871). – Das Ermittlungsschema des Fremdvergleichspreises lässt eine Ähnlichkeit zur Bewertungshierarchie der fair value-Ermittlung im Rahmen der IAS/IFRS-Bilanzierung erkennen. So sind auch auf der dritten Stufe anerkannte Bewertungsverfahren maßgeblich. Vgl. Baetge (2009), S. 16 f. 213 Vgl. hierzu umfassend Greil/Colussi (2011), S. 40–45. – Die doppelte Betrachtungsweise ergibt sich aus dem Plural und der Simulation des Preisbildungsprozesses des § 1 Abs. 3 Satz 6 AStG. Vgl. auch Scheffler (2009), S. 462. Durch das Abstellen auf den doppelt ordentlichen Geschäftsleiter ist die Kritik aus der Literatur aufgenommen worden. Zuvor wurde kritisiert, dass eine rein betriebsinterne Betrachtungsweise, also das Abstellen auf den (singulären) Geschäftsleiter der vertretenen Gesellschaft, dem dealing at arm’s length-Prinzip zuwiderläuft, da auf unabhängige Dritte abzustellen ist und daher auf beide Vertragsparteien. Die Theorie des doppelt ordentlichen Geschäftsleiters stellt die Basis für die Grundbedingung eines Preisbildungsprozesses dar. Vgl. Baumhoff (2005), Rn. C 308; Wassermeyer (1994), S. 1108 f.; Schnorberger (2011), S. 357. 214 Vgl. BFH v. 6.12.1995 I R 88/94, BStBl. II 1996, S. 383 (384). 215 Vgl. Kußmaul et al. (2008), S. 477. 216 Vgl. Seibold (2002), S. 170; Frotscher/Oestreicher (2009), S. 376; OECD (2008), Tzn. 66, 83; OECD-RL, Tz. 7.29. Wohl a. A. Wellens (2010), S. 156.

I. Steuerliche Erfassung einer Funktionsverlagerung im Sinne des § 1 AStG 

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haltes unter der Fiktion der Unabhängigkeit der Vertragspartner simuliert.217 Durch die Fiktion der Unabhängigkeit sind alle relevanten Einflüsse der Abhängigkeit auf die Preissimulation zu eliminieren. Konkrete Marktverhältnisse und Marktgepflogenheiten wie auch die Unternehmensstrukturen sind Determinanten dieses auf einer Simulation basierenden Preises,218 der aus einem Prozess des Nachdenkens resultiert.219 Es ist die Frage zu stellen, wie der zugrundeliegende Geschäftsvorfall tatsächlich unter betriebswirtschaftlichen Grundsätzen abgewickelt worden wäre; welches Entgelt ein Geschäftsleiter gezahlt bzw. gefordert hätte.220 Der Maßstab für die Wertbestimmung sollte dabei grundsätzlich der Barwert der Ertragsüberschüsse aus der Nutzung des der Transaktion zugrundeliegenden Wertes sein.221 Bei der Verlagerung einer Funktion ist gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 FVerlV die Wertbestimmung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und tatsächlich bestehender Handlungsmöglichkeiten222 auf der Grundlage einer Funktionsanalyse vor und nach der Funktionsverlagerung zu ermitteln, was jedoch generell für den hypothetischen Fremdvergleich gelten sollte. Mithin sind Grenzpreise, also Entscheidungswerte,223 maßgebend, die die Verhandlungsgrenzen aufzeigen, denn „jede Investitionsentscheidung [ist] eine ‚Grenzentscheidung‘ in dem Sinne, als es um die Frage geht, ob ein bestimmtes Projekt zusätzlich realisiert werden soll“224. Sie ergeben sich aus den subjektiven Verhältnissen und Beziehungen der Teilnehmer. Alle tatsächlich vorhandenen Handlungsmöglichkeiten des Entscheiders sind zu berücksichtigen, und zwar unabhängig von ihrer Konkre­tisierung.225 Es gilt das Subjektivitätsprinzip der Entscheidungswertermittlung.226 217

Vgl. Baumhoff (2005), Rn. C 296 f. Vgl. VWG 1983, Tz. 1.1.4. 219 Vgl. Scheffler (2008), S. 138; Schönherr/Lemaitre (2007), S. 27. 220 Vgl. Naumann (2007a), S. 175; Crüger/Wintzer (2008), S. 307; Boos (2003), S. 3. 221 Vgl. Schmidt/Sigloch/Henselmann (2005), S. 334; Frisch (1989), S. 266 f. 222 Hinsichtlich Handlungsalternativen bei der Verlagerung einer gewinnbringenden sowie verlustbringenden Funktion vgl. v. Bredow (2011), S. 151–161. 223 In Bezug auf die Bewertung von immateriellen Wirtschaftsgütern vgl. Bodenmüller (2004), S. 197–201. Vgl. auch Busse von Colbe (1994), S. 598. 224 Mellwig (1980), S. 22. – Bei jedem Kauf/Verkauf entwickeln Käufer/Verkäufer im- oder explizit Grenzpreisvorstellungen, die in Anbetracht der Bewertung von Unternehmen(steil­ bereichen) von subjektiv erwarteten Erträgen sowie Risikonutzenfunktionen beeinflusst werden. Vgl. Moxter (1983), S. 9; Hommel/Dehmel (2009), S. 40; Peemöller (2005), S. 5. 225 Der Entscheidungswert ist sowohl vom Zielsystem als auch vom Entscheidungsfeld – aller real zur Verfügung stehenden Handlungsmöglichkeiten – abhängig. Vgl. Henselmann (2006), S. 144. Bei einer Entscheidung unter Unsicherheit ist zu beachten, dass sich im Zeitpunkt der Entscheidung das Ergebnis einer Handlungsalternative nicht mit Sicherheit vorhersagen lässt, da das tatsächliche Ergebnis von einem noch unbekannten Umweltzustand abhängig ist. Bei realen Entscheidungssituationen ist grundsätzlich eine Risikosituation vorherrschend. Der Entscheider verfügt über ein Wahrscheinlichkeitsurteil bzgl. der denkbaren Umweltzustände. Vgl. Laux (1991), S. 115, 131. Vgl. auch IDW S 5, Tz. 15. Ein Wert kann nur in Abhängigkeit von den Plänen und den Alternativen des Bewertenden ermittelt werden. Vgl. Busse von Colbe (1992a), S. 175. 226 Vgl. hierzu Mandl/Rabel (1997), S. 72 f. 218

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Diese Grenzpreise stellen die kritischen Werte dar, die vom Käufer/Verkäufer nicht über-/unterschritten werden dürfen, ohne dass sich der Käufer/Verkäufer durch die Transaktion ökonomisch schlechter stellt als zuvor.227 Bewertungsmaßstab ist die „beste verdrängte Handlungsalternative des Bewerters“228. Der Verkäufer wird mindestens so viel verlangen, dass er sich bei der Wiederanlage seines Erlöses nicht schlechter stellen würde als bei der Fortführung der Funktion. Diese Preisuntergrenze stellt eine Ausgleichsforderung für das wegfallende Gewinnpotenzial zzgl. etwaiger Schließungs-, Transaktions- und Verlagerungskosten des abgebenden Unternehmens dar, denn nur wenn der Nettoverkaufserlös dem Ertragswert der Funktion entspricht, ist der Verkäufer der Funktion indifferent zwischen Verkauf und Weiterführung der Funktion. Wird durch die Verlagerung der Funktion ein höherer als der bisher erzielte Gewinn erwartet, wird ein Geschäftsleiter solch eine Transaktion vornehmen. Darüber hinaus wird ein Verkäufer nicht bereit sein, weniger als den Liquidationserlös zu verlangen, sodass dieser die Preisuntergrenze repräsentiert.229 Beim Käufer stellt sich die Frage, was er erwerben würde und welchen Mindestbetrag er bräuchte, um das Gewinnpotenzial anderweitig zu realisieren. Er wird nicht bereit sein, mehr zu bezahlen als für eine Alternativanlage mit denselben Ertragsaussichten. Die absolute Preisobergrenze wird hingegen durch die Kosten der Neuerrichtung einer vollständig identischen Funktion markiert.230 (2) Abstellen auf den Mittelwert des Einigungsbereiches Im Anschluss an die Ermittlung der subjektiven Grenzpreise ergibt sich regelmäßig ein Einigungsbereich, der vom Verkäufer- und Käufergrenzpreis markiert wird. In diesem liegt ein Einigungspreis, der potenzielle Marktwert,231 der aus einem Kompromiss resultiert, wobei jede Partei versucht, die für sich günstigsten Bedingungen zu erzielen.232 Dieser Einigungspreis, das ist dem Wesen des Kompromisses immanent, kann nicht mathematisch nachgewiesen oder berechnet werden.233 Jeder Preis innerhalb dieses Einigungsbereiches verbessert die ökonomische Situation von beiden Parteien.234 Der aus den Verhandlungen resultierende

227

Vgl. Piltz (1994), S. 9, 11; Ballwieser (2005), S. 365. Ballwieser (1990), S. 5. 229 Vgl. Piltz (1994), S. 8; Wöhrle/Schelle/Gross (2009), § 1 Rz. 244. 230 In Bezug auf Unternehmen vgl. Käfer (1946), S. 77. In diese Überlegungen sind auch immaterielle Werte einzubeziehen, die bisher vom abgebenden Unternehmen nicht bilanziert worden sind. Vgl. Serg (2005), S. 1916; ders. (2006), S. 203. – Auch der Käufer wird etwaige Transaktions- und Verlagerungskosten berücksichtigen. 231 Vgl. Ballwieser (2005), S. 365. 232 Vgl. Reilly/Schweihs (1998), S. 451. 233 Vgl. Helbling (1998), S. 53. 234 Vgl. hierzu Ewert/Wagenhofer (2008), S. 616. 228

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Preis ist dann ein Ausdruck der subjektiven Wertvorstellungen unter Einfluss von Marktmacht und Verhandlungsgeschick.235 Aus dem resultierenden Einigungsbereich ist aber derjenige Preis zu wählen, der mit höchster Wahrscheinlichkeit den Fremdvergleichsgrundsätzen entspricht (§ 1 Abs. 3 Satz 7 Hs. 1 AStG). Kann kein Wert glaubhaft dargelegt werden, ist auf den Mittelwert abzustellen (§ 1 Abs. 3 Satz 7 Hs. 2 AStG). Es soll ein fairer Ausgleich zwischen den beiden Parteien herbeigeführt werden. Da der Mittelwert sowohl von der Obergrenze als auch von der Untergrenze um den gleichen Betrag abweicht, teilen sich die beiden Parteien den aus dem Geschäft resultierenden Gewinn gleichmäßig. Dennoch sei diese Verfahrensweise international unüblich und entspräche nicht dem Art. 9 OECD-MA sowie dem Fremdvergleichsgrundsatz.236 Dennoch stellt diese Vorgehensweise eine am Markt übliche Verhaltensweise dar, um einen der Höhe nach unsicheren Wert zu bestimmen.237 Bei diesem fairen Einigungswert wird von einer gleichen Verhandlungsstärke und einer symmetrischen Verhandlungsposition ausgegangen. Diese Ansicht kommt der Forderung einer schlüssigen Schiedslösung nach und entspricht gerade deswegen dem Fremdvergleichsgrundsatz.238 Das Abstellen auf den Mittelwert ist widerlegbar, wenn die höchste Wahrscheinlichkeit für einen anderen Wert dargelegt wird. Der Begriff der Wahrscheinlichkeit ist empirisch orientiert und bezieht sich auf die beobachtbare Häufigkeit einer Ausprägung bzw. eines Ereignisses, welches bei beliebig oft wiederholbaren Vorgängen zutage tritt.239 Im Rahmen des hypothetischen Fremdvergleichs ist dies nicht möglich, da es keine beobachtbaren, sondern nur gedachte Ausprägungen gibt. Wenn glaubhaft machen entsprechend dem zivilrechtlichen Verständnis (§ 294 ZPO) auszulegen ist, ist ein geringerer Grad an Beweisführung notwendig,240 und es ist auf subjektive Wahrscheinlichkeiten abzustellen, die vernünftige Glaubensaussagen repräsentieren.241 Glaubwürdigkeitsaussagen beruhen auf persönlicher Erfahrung, Intuition sowie Informationen und sind nicht intersub 235 Vgl. Kleineidam (1994), S. 105 f.; Borstell (2002), S. 118. – Falls keine Einigung zustande kommt, ist ein Fremdvergleich weder in tatsächlicher noch in hypothetischer Form möglich. Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert (2007), S. 1464. 236 Vgl. Günter (2007), S. 1085; Kroppen (2009), Anm. 111; Greinert/Thiele (2011), S. 1200. 237 Vgl. Frotscher (2008), S. 55. 238 Darüber hinaus ändert sich bei im Ausland korrespondierender Behandlung der Funktionsverlagerung eine Vorteilhaftigkeit der Funktionsverlagerung nicht. Die Wahl eines bestimmten Wertes innerhalb des Einigungsbereiches hat nur Auswirkungen auf das Steueraufkommen zwischen den beteiligten Staaten. Vgl. Schreiber (2008b), S. 807. – Vgl. aber IDW (2007a), S. 206; Wulf (2007), S. 2282. 239 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert (2008), S. 1951; Oestreicher(2009), S. 90; Laux (1991), S. 134. 240 Vgl. Baumbach et al. (2010), § 294 Rz. 1. 241 Vgl. auch Oestreicher (2009), S. 90; Kaminski/Strunk (2009), S. 711.

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B. Die Funktionsverlagerung im Steuerrecht

jektiv nachprüfbar.242 Sie können weder richtig noch falsch sein, vielmehr plausibel oder nicht plausibel. Kann nicht dargelegt werden, dass objektive Faktoren sowie subjektiv und/oder situative Elemente, wie die Marktmacht, Wettbewerbsstellung der beiden Parteien sowie Verhandlungsgeschick, -macht und Eilbedürftigkeit,243 die es zu berücksichtigen gilt,244 dazu führen, dass ein anderer Preis maßgeblich sein soll, ist die Vorgehensweise dem Fremdvergleich konform.245 (3) Informationstransparenz Weiterhin wird in der Literatur246 kritisch angeführt, dass in § 1 Abs. 1 Satz 2 darauf abgestellt wird, dass die voneinander unabhängigen Dritten in Kenntnis aller wesentlichen Umstände sind. Diese Voraussetzung würde die grundsätzliche Kaufpreisfindung am Markt negieren.247 Zwei unabhängige fremde Dritte verfügen prinzipiell nicht über eine vollständige Informationstransparenz.248 Vollständige Informationen lassen keinen Einigungsbereich entstehen, sondern die Präferenzen und Vorstellungen der Marktteilnehmer.249 Im Wirtschaftsgeschehen werden stets asymmetrische Informationen vorherrschen, die nicht zu be­seitigen sind,250 es sei denn, dass es leicht ist, die benötigten Informationen in Erfahrung zu bringen.251 Die Kenntnis aller wesentlichen Umstände kann jedoch nur bedeuten, dass die jeweiligen Parteien sämtliche ihnen verfügbare Informationen nutzen sowie plausible Überlegungen anstellen, was die preisbestimmenden Faktoren der jeweiligen Gegenpartei anbelangt, ohne diese Faktoren zu kennen. Ein Kaufinteressent würde seine Sorgfaltspflichten verletzen, wenn er eine Unternehmensbeteiligung erwerben würde, ohne sich im Vorhinein ein eigenes Bild über die zu erwartende 242

Vgl. Laux (1991), S. 135; Mellwig (1972), S. 32 f.; Perridon/Steiner/Rathgeber (2009), S. 104. 243 Das BMF führt noch weitere Faktoren an: betriebliches Eigeninteresse, Kapitalaus­ stattung und Ertragslage der beteiligten Unternehmen, die Entstehung von Synergieeffekten sowie die Standortvorteile. Vgl. VerwGr-FVerl, Tz. 2.7.6. Vgl. auch ATO (2010), Tz. 97. 244 Vgl. Frischmuth (2007a), S. 389; Schilling (2011), S. 1537; Ewert/Wagenhofer (2008), S. 617; Busse von Colbe (1994), S. 598. Eine Verhandlungslösung sei bei Verrechnungspreisen zwischen nahestehenden Unternehmen nicht möglich. Vgl. Baumhoff/Greinert (2006), S. 792. 245 A. A. Kroppen (2009), Anm. 111. – Um das potenzielle Aufgriffrisiko seitens der Betriebsprüfung zu mindern, sollten die Bandbreiten nicht ausgenutzt werden. Eher sollte eine Orientierung am Mittelwert erfolgen. Vgl. Niess (2010), S. 322. 246 Vgl. Kroppen/Rasch/Eigelshoven (2007), S. 327; Kroppen/Nientimp (2008), S. 849; Kußmaul (2008), S. 684; Graf (2008), S. 141; Wassermeyer (2007), S. 536; Lenz/Rautenstrauch (2010), S. 696. 247 Vgl. Klapdor (2008), S. 84. 248 Vgl. IDW (2007a), S. 206. 249 Vgl. Wassermeyer/Baumhoff/Greinert (2009), § 1 Anm. V 8. 250 Vgl. Crüger/Wintzer (2008), S. 310; Kaminski (2007), S. 595. 251 Vgl. Varian (2001), S. 628.

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Ertragslage sowie die finanziellen, steuerlichen und rechtlichen Risiken zu machen. Zur Verringerung von Informationsdefiziten bei Unternehmens(beteiligungs)käufen eignen sich daher als Instrument due diligence252 Prüfungen. Der Verkäufer hat die Pflicht alle notwendigen Informationen zur Verfügung zu stellen und der Käufer muss sich alle üblichen Informationen beschaffen, da Letzterer zu prüfen hat, was er kauft.253 Insbesondere firmeninterne Unterlagen sind maßgeblich.254 Bei einer entsprechenden Verkaufsabsicht ist die Durchführung einer due diligence auch im Interesse der Gesellschaft. Dennoch wird es nicht möglich sein, vollständige Kenntnis über alle Gegebenheiten zu erlangen. Offenlegungsverbote sind zu beachten,255 die eine vollständige Beseitigung der Informationsasymmetrie verhindert. Stattdessen ist darauf abzustellen, dass ein Geschäftsleiter alle Anstrengungen unternehmen wird, um zum Wohle der Gesellschaft kein unangemessenes sowie unverhältnismäßiges Risiko einzugehen. Folgerichtig wird er alle wesentlichen, aber eben nicht alle Umstände kennen, die der Geschäftsbeziehung zu Grunde liegen. Für die Annahme, dass die unabhängigen Dritten über eine vollständige Kenntnis verfügen, hätte eine Formulierung ohne den Zusatz wesentlich gewählt werden müssen. Dann erst wäre eine vollständige Transparenz gegeben und die gesetzliche Regelung mit dem Fremdvergleich unvereinbar.256 Dennoch wäre es angebracht, um Auslegungsdifferenzen zu vermeiden, auf alle wesentlichen und verfügbaren Umstände der Geschäftsbeziehung abzustellen. (4) Erweiterung des Besteuerungsanspruchs auf Wertbestandteile im Ausland Darüber hinaus führe die doppelte ertragswertorientierte Betrachtungsweise beim hypothetischen Fremdvergleich zu einem Besteuerungsanspruch auf Wertbestandteile, die im Ausland erst noch geschaffen werden müssen und nicht vom funktionsabgebenden Unternehmen übertragen werden können, sodass hierfür 252 Der Begriff due diligence entstammt dem US-amerikanischen Recht. Es wird hierunter ein allgemeines privat- oder wirtschaftsrechtliches Konzept verstanden. Im deutschen Recht kann es mit der „gebührenden oder im Verkehr erforderlichen Sorgfalt“ umschrieben werden. Dieses Konzept gilt als ein allgemeiner Verhaltensmaßstab im Recht der Haftung aus Fahrlässigkeit und stammt aus dem anglo-amerikanischen caveat emptor Prinzip. Umfasst werden bei einer due diligence Prüfung grundsätzlich die rechtlichen, organisatorischen, finanziellen sowie sonstigen erheblichen Grundlagen. Vgl. Merkt (1996), S. 145–147; Drygalski (2008), Rn. 1. Die due diligence ist die systematische und detaillierte Erhebung, Prüfung und Analyse von Daten der Zielgesellschaft. Sie erfolgt regelmäßig im Auftrag des Käufers, da dieser sich Gewissheit über die Zielgesellschaft verschafft. Vgl. Achleitner (2002), Kap. 3.1.3.1. 253 Vgl. Reiche (2000), S. 2056 f. 254 Vgl. Merkt (1996), S. 148. 255 Vgl. Merkt (1996), S. 150. 256 Gl. A. wohl auch Joint Committee on Taxation (2009), S. 43. Vgl. auch OECD (2008), Tz. 53; Ledure/Chatar (2009), S. 270. A. A. Borstell/Jamin (2008), S. 787.

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kein Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland bestehe.257 Diese Vorgehensweise würde zwingend zu Doppelbesteuerungen führen, da der Sitzstaat die künftigen Erträge, die schon zur Bewertung des Transferpakets zugrunde gelegt werden, bei deren Anfall besteuern wird.258 Mit Hilfe der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen könnten also aufgrund der doppelten ertragswertorientierten Betrachtungsweise ausländische Standort- und Größenvorteile sowie Synergieeffekte steuerlich realisiert werden.259 Im Rahmen einer objektivierten Bewertung sind aber nur unechte Synergieeffekte, die sich auch ohne entsprechende Maßnahme der zugrundeliegenden Bewertung realisieren lassen, zu erfassen.260 Bei der Ermittlung von subjektiven Entscheidungswerten sind demgegenüber echte Synergieeffekte einzubeziehen.261 Nur der objektive Funktionswert, basierend auf der am Stichtag vorhandenen Ertragskraft und auf den zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Erfolgsfaktoren würde jedoch einer Bewertung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit entsprechen.262 Im Speziellen gehe es um einen angemessenen Ausgleich für den Verlust von Rechten eines Anteilseigners. In diesem Zusammenhang erfolge eine Orientierung an dem Grenzpreis des Abfindungsberechtigten. Ein Vergleich mit dem Gesellschaftsrecht zeige den Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip durch die Einbeziehung des Grenzpreises des funktionsaufnehmenden Unternehmens.263 Infolgedessen wäre es angebracht, 257

Vgl. Hey (2007), S. 1308; Frotscher (2008), S. 53 f.; Welling/Tiemann (2008), S. 68; Lange/Rohler (2007), S. 344; Scheffler (2008), S. 138 f.; Schönherr/Lemaitre (2007), S. ­25–30; Oestreicher/Hundeshagen (2008a), S. 1637; Kroppen/Rasch (2008), S. 557; Blumers (2007), S. 1761; Lenz/Rautenstrauch (2010), S. 697. 258 Vgl. Kroppen/Rasch (2008), S. 557; Kroppen (2009), Anm. 141; Blumers (2007), S. 1760; Jacob (2008), S. 2; IDW (2007b), S. 2. 259 Vgl. Jahndorf (2008), S. 107. – Synergieeffekte werden verstanden als Veränderung der finanziellen Überschüsse, die durch den wirtschaftlichen Verbund von zwei oder mehreren Unternehmen entstehen und von der Summe der isoliert entstehenden Überschüsse abweichen. Sie können u. a. im Absatz-, Produktions- sowie im Forschungs- und Entwicklungsbereich entstehen. Sie ergeben sich aus der Ausschöpfung von Potenzialen seitens des Käufers, die sich jedoch auch negativ auswirken können. Vgl. Busse von Colbe (1994), S. 602 f. – Echte Synergieeffekte „lassen sich ausschließlich durch die Verbindung zwischen bestimmten Unternehmen aufgrund spezifischer Eigenschaften und Gegebenheiten realisieren.“ Hachmeister/Ruthardt/Gebhardt (2011), S. 601. Vgl. auch Großfeld/Stöver/Tönnes (2006), S. 522. – So bspw. etwaige Kosteneinsparungen oder Effizienzsteigerungen aufgrund von Economies of Scale bzw. Economies of Scope. Vgl. Hachmeister/Ruthardt/Gebhardt (2011), S. 601. – Unechte Synergieeffekte sind hingegen dadurch gekennzeichnet, dass sie sich ohne Berücksichtigung der Auswirkungen aus dem Bewertungsanlass realisieren lassen oder mit einer nahezu beliebigen Vielzahl von Partnern erzielbar sind. Vgl. IDW S 1, Tz. 34; Hachmeister/Ruthardt/ Gebhardt (2011), S. 601. 260 Vgl. Großfeld/Stöver/Tönnes (2006), S. 522. 261 Vgl. IDW HFA 2/1983 Tz. B.4.b; IDW S 1, Tzn. 50 f. Vgl. auch Hommel/Braun/Pauly (2001), S. 344 m. w. N.; Hachmeister/Ruthardt/Gebhardt (2011), S. 602 f. 262 Vgl. Kroppen (2009), Anm. 132. 263 Vgl. Kroppen (2009), Anm. 132; Kroppen/Rasch (2009a), S. 804. – Zuletzt umfassend unter Auswertung der Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Synergieeffekten bei der Unternehmensbewertung Hachmeister/Ruthardt/Gebhardt (2011), S. 600–613.

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einen Wertansatz zuzulassen, der den Wert nur aus Sicht des Verkäufers bestimmt;264 also einen Entschädigungspreis.265 Durch das Abstellen auf die Grundsätze des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters i. S. d. § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG wird nachdrücklich deutlich, dass ein Marktpreis und kein Entschädigungspreis zu suchen ist, der für einen konzerninternen Leistungsaustausch maßgeblich ist. Es findet keine Enteignung statt, sondern ein im Wirtschaftsgeschehen freiwilliger Akt. Es sind daher subjektive Grenzpreise (Entscheidungswerte) zu ermitteln. Die mit einem Bewertungsobjekt erzielbaren Ergebnisse sind u. a. abhängig vom Standort, von der Marktstruktur, von bestehenden Verträgen und von Know-how. Darüber hinaus wirken auch die Gestaltungsmöglichkeiten der Funktion durch das aufnehmende Unternehmen auf die Ergebnisse ein.266 Gerade Synergieeffekte spielen eine erhebliche Rolle bei Investitionsentscheidungen. Der Verkäufer wird zugleich mögliche Einbußen einkalkulieren, sodass solche Effekte in den Wertgrenzen des Käufers sowie Verkäufers zu berücksichtigen sind.267 Es ist daher irrelevant, ob ein etwaiges Gewinnpotenzial in der Bundesrepublik Deutschland jemals hätte entstehen können. Diese Sichtweise ist dem Fremdvergleichsgrundsatz inhärent.268 Wer nur auf die Verkäufersicht abstellt, muss sich in logischer Folge gegen den Fremdvergleichsgrundsatz als zugrundeliegenden Gewinnaufteilungsmaßstab richten, da mit diesem Marktpreise, die das Resultat von Preisvereinbarungsprozessen basierend auf subjektiven Entscheidungswerten sind, der Einkünfteabgrenzung zugrunde gelegt werden sollen. Es würde zudem vernachlässigt, dass es dem Verkäufer bei einem freien Preisbildungsprozess regelmäßig gelingt, einen Teil der Vorteile des Käufers im Verkaufspreis kompensiert zu bekommen269 sowie die Vernachlässigung von subjektiven Bestandteilen prinzipiell den Käufer begünstigt.270 Wenn der Fremdvergleichsgrundsatz als internationaler Konsens erachtet wird, so muss es das Ziel sein, Marktwerte zu ermitteln. Dies bedeutet aber zu-

264 Vgl. Kroppen/Rasch (2008), S. 557. Hingegen: „The minimum arm’s length price for the transfer of the business is […] the optimal value of the continued operations.“ Frotscher/­ Oestreicher (2009), S. 380. Sie sind der Auffassung, dass es fremdüblich sei, economies of integration zu berücksichtigen, jedoch nicht Standortvorteile. 265 Der Entschädigungspreis stellt den Grenzpreis des Schadensersatzberechtigten dar. Die Schadensersatzleistung des Käufers soll der Geldbetrag sein, der den geschädigten Verkäufer, den Ersatzberechtigten, ökonomisch in den früheren Stand zurückversetzt und damit einen Schadensausgleich bewirkt. Vgl. Moxter (1976), S. 33, 37 f. 266 Vgl. Coenenberg/Sieben (1976), Sp. 4066. 267 Vgl. Busse von Colbe (1992a), S. 175; ders. (1994), S. 603; Lutz (1981), S. 153. Siehe auch OECD-RL, Tzn. 6.14 f. – Zudem wird ein ordentlicher und gewissenhafter Verkäufer versuchen sich einen Teil dieser Synergiepotenziale entgelten zu lassen, da die Gewinnmaximierung seiner eigenen Gesellschaft im Vordergrund steht. Vgl. Busse von Colbe (1994), S.  603 f. 268 Vgl. hierzu auch Zech (2009), S. 349. 269 Vgl. Busse von Colbe (1994), S. 608; a. A. wohl Lenz/Rautenstrauch (2010), S. 696. 270 Vgl. Günther (1997), S. 75.

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gleich, dass Synergieeffekte und Standortvorteile in Preisberechnungen zu berücksichtigen sind.271 cc) Exkurs: Grundsatz des dealing at arm’s length gemäß Art. 9 OECD-MA Der Fremdvergleichspreis ist ebenfalls aus empirisch nachvollziehbaren Preisen oder Margen zu ermitteln, die unverbundene Unternehmen miteinander vereinbart haben.272 Um dem Marktwert möglichst nahe zu kommen, sollte das dealing at arm’s length-Prinzip auf Einzeltransaktionsbasis angewendet werden. Nur wenn die einzelnen Transaktionen so sehr miteinander verbunden sind, dass eine Einzelbewertung nicht gerechtfertigt erscheint oder zu keinem adäquaten Ergebnis führt, ist eine Gesamtbewertung vorzunehmen.273 Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn die Transaktionen in einem engen wirtschaftlichen und zeitlichen Zusammenhang erfolgen oder fremde Dritte eine zusammenfassende Bewertung vornehmen würden.274 Als ein Beispiel sind Nutzungsrechte von immateriellen Vermögenswerten aufgeführt.275 Darüber hinaus dürfte dies bei einer Funktionsverlagerung als ein einheitlicher Vorgang anzunehmen sein,276 obwohl diese Sichtweise nicht uneingeschränkt geteilt wird.277 Eine Differenzierung des dealing at arm’s length-Prinzips vom Fremd­ vergleichsgrundsatz des AStG könnte im Maßstab des doppelt ordentlichen Geschäftsleiters gesehen werden. Dieser wird in den OECD-Richtlinien nicht angeführt, aber im Rahmen der Dokumentationspflichten wird auf prudent business principles abgestellt, die nicht nur für die Dokumentationspflichten gelten können, sondern auch für die Verrechnungspreisfestsetzung selbst.278 Auch der BFH

271 Vgl. auch Serg (2006), S. 221; Zech (2009), S. 349; Schnorberger (2011), S. 356–358. – In Bezug auf die Bewertung eines Betriebs/Teilbetriebs im Rahmen einer vGA sei das Einbeziehen eines entgangenen Gewinns systemgerecht, da anderweitig die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Kapitalgesellschaft unterschätzt würde. Vgl. Frotscher (2004), S. 189, Fn. 116. 272 Vgl. OECD-RL, Tz. 1.15. Vgl. auch Schaumburg (1998), Rn. 16.299. 273 Beim sog. package deal im Rahmen der OECD-Richtlinien ist es angebrachter, eine Gesamt- als eine Einzelbewertung vorzunehmen Vgl. OECD-RL, Tzn. 1.42–1.44; VWG 1983, Tzn. 2.1.2, 2.1.4. 274 Vgl. Eigelshoven (2008), Art. 9 Rz. 108; OECD-RL, Tz. 1.44. – Darüber hinaus werden einheitliche Verrechnungspreise für komplexe Lieferungs- und Leistungsbeziehungen vereinbart. Primäre Anwendung erfolgt bei Übertragung sowie Überlassung von immateriellen Vermögenswerten, bei denen zusätzlich Dienstleistungen erbracht werden, oder auch bei der Überlassung von gesamten Produktionsanlagen. Vgl. Jacobs (2007), S. 711. 275 Vgl. OECD-RL, Tz. 1.42. 276 Gl. A. VerwGr-FVerl, Tz. 1.2.3. 277 Vgl. Welling/Tiemann (2008), S. 69. 278 Vgl. Schreiber (2008a), S. 438.

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sieht in dem Geschäftsleiter einen Unterfall des Fremdvergleichs,279 zugleich ist durch die Annahme der doppelten Sichtweise eine Deckungsgleichheit anzunehmen.280 Daneben hat sich auch der Geschäftsleiter dem Veranlassungsprinzip unterzuordnen, das dem dealing at arm’s length-Prinzip zugrunde liegt.281 Wenn sich zudem bewusst gemacht wird, dass sich die Grundsätze des Geschäftsleiters z. T. aus der business judgement rule ergeben,282 in anderen Rechtskreisen vergleichbare Maßstäbe gegeben sind,283 das dealing at arm’s length-Prinzip auf eine Marktbetrachtung abstellt und dem Geschäftsleiter betriebswirtschaftlich rationales Handeln zu unterstellen ist, ist ein Gleichlauf der Maßstäbe anzunehmen.284 Die Grundsätze des Geschäftsleiters bieten vielmehr eine inhaltliche Präzisierung des dealing arm’s length-Prinzips. Unterschiede können sich aber durch die jeweiligen kulturellen und rechtlichen Bedingungen ergeben, die einen Geschäftsleiter prägen. Es kann den vorstehenden Ausführungen entsprechend festgehalten werden, dass der Fremdvergleichsgrundsatz i. S. d. § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG im Einklang mit dem des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA steht und in der generellen Vorgehensweise kein Unterschied zum AStG resultiert.285 Unterschiede im Rahmen der gesetzlichen Vorgehensweise bei der Ermittlung des Fremdvergleichspreises im Rahmen des § 1 Abs. 3 AStG relativieren sich größtenteils bei näherer Betrachtung und stimmen in ihrem Korrekturmaßstab überein.286 Eine einheitliche Auffassung 279

Vgl. BFH v. 17.5.1995 I R 147/93, BStBl. II 1996, S. 204 (205); BFH v. 3.11.1998 I B 6/98, BFH/NV 1999, S. 672 (Leitsatz);Wassermeyer (1996), S. 481; Klapdor (2008), S. 85. 280 Vgl. Klapdor (2008), S. 85; Wassermeyer (2003), S. 14; OECD-RL, Tz. 6.14. 281 Vgl. Kluge (2000), Rn. S 122. 282 Vgl. hierzu Langenbucher (2005), S. 2083; Spindler (2008), § 93 Rn. 36 m. w. N.; BTDrs. 15/5092, S. 11. 283 Der Geschäftsleiter ist nicht nur in Deutschland als Denkfigur des Angemessenheits­ kriteriums bekannt und anerkannt. So gibt es bspw. in den USA den person of reasonable commercial standards, in Frankreich den bonpére de la famille sowie in den Niederlanden die goed koopmans gebruik. Vgl. Seibold (2002), S. 170; Becker (1988), S. 17–24. Darüber hinaus ist die reasonable business person auch bei der Canada Revenue Agency in Zusammenhang mit Verrechnungspreisaspekten bekannt. Vgl. CRA TPM-09. A. A. Kroppen (2009), Anm. 106; Wilmanns (2007), S. 201. 284 Vgl. auch Bodenmüller (2004), S. 62. 285 Vgl. Rasch (2001), S. 164; Hruschka (2010), S. 13. 286 Vgl. Wassermeyer (2009b), § 1 Anm. 82; ders. (2009a), Art. 9 Rn. 110; Eigelshoven (2003), Art. 9 Rz. 21; Baumhoff (2005), Rn. C 309. – Ausgenommen hiervon ist die Preisanpassungsklausel gemäß § 1 Abs. 3 Satz 11 und 12 AStG. Siehe hierzu Greil (2009b), S. 567– 573; Ebering (2011), S. 418–422. – Im Zuge der Änderungen sei dies allgemein nicht mehr gegeben. Vgl. Eigelshoven (2008), Art. 9 Rz. 21; Wichmann (1997), S. 66; Kaminski (2008b), S. 34. – Rein formale Kriterien spielen beim Fremdvergleichspreis aber keine Rolle. Vgl. Eigels­hoven/Nientimp (2003), S. 2308; Ritter (1983), S. 1683. Bzgl. des formellen Fremdvergleichs vgl. BFH v. 21.7.1982 I R 56/78, BStBl. II 1982, S. 761 (Leitsatz); BFH v. 2.3.1988 I R 63/82, BStBl. II 1988, S. 590 (591). In diesem Falle kommt die Schrankenwirkung des Art. 9 OECD-MA zum Tragen, sodass der rein formelle Fremdvergleich im internationalen Kontext nicht anwendbar ist. Vgl. Serg (2006), S. 60; Eisele (2003), S. 263 f.

100

B. Die Funktionsverlagerung im Steuerrecht

bzgl. des Fremdvergleichsgrundsatzes ist auch erstrebenswert, da unterschiedliche Maßstäbe nicht zielführend sein können.287 b) Der hypothetische Fremdvergleich für die Bewertung eines Transferpakets Die Verlagerung einer Funktion wird somit generell als ein „zukunftsgerichtetes Investitionskalkül“288 verstanden, wobei prinzipiell Ertragswert- und DCF-Verfahren in Betracht kommen,289 sodass bei der Bestimmung des Wertes auf den betriebswirtschaftlich begründeten Gesamtwert abzustellen ist.290 Mithin erfolgt die Simulation des Verkaufs einer Unternehmenseinheit.291 Da die steuerliche Bemessungsgrundlage von der Wertermittlung abhängig ist, muss eine nachvollziehbare, argumentativ belegbare sowie plausible Ermittlung gegeben sein. Die Ermittlung subjektiver Grenzpreise sowie des Einigungspreises sind auf Basis von Methoden vorzunehmen, die Geschäftsleiter ebenfalls in einem marktwirtschaftlichen Umfeld anwenden würden. Für die Bewertung einer Funktion gibt es dessen ungeachtet noch „kein einheitlich anerkanntes Verfahren oder gar einen international anerkannten Standard.“292 Dennoch lässt sich das für eine bestimmte Aggregationsstufe geeignete Bewertungskalkül auf eine kleinere oder größere Bewertungseinheit übertragen:293 Funktionen als organisatorische Einheiten sind daher ebenfalls wie Unternehmen zu bewerten, was dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen sollte.294 Somit sind Ertragswert- bzw. Discounted 287 Daneben ist in grenzüberschreitenden Steuerfällen „für Steuergerechtigkeit gegenüber dem einzelnen Steuerpflichtigen und für die gerechte Zuordnung des Steuerguts zu einem Staat […] zu sorgen, und zwar […] im Wege der Zuordnung oder Verteilung des Steuerguts nach sachgerechten, konsequent durchgeführten Regeln.“ Tipke (1981a), S. 120. 288 In Bezug auf die Unternehmensbewertung Busse von Colbe (1994), S. 599. Vgl. auch BRDrs. 220/07, S. 145. 289 Vgl. Wöhrle/Schelle/Gross (2009), § 1 Rz. 235. – Siehe auch zur Beurteilung der fi­ nanziellen Angemessenheit von Transaktionspreisen unternehmerischer Aktivitäten IDW S 8, Tz. 1, 26. 290 Das BMF vergleicht diese Vorgehensweise mit dem Commensurate with Income Standard des § 1.482–4(a) der US-Regulations. Vgl. BR-Drs. 352/08, S. 17. Dieser Ansatz behandelt immaterielle Wirtschaftsgüter und die Bewertung des in diesem Wirtschaftsgut steckenden Ertragspotenzials sowie seine Aufteilung zwischen den beteiligten Staaten. Allerdings kennen die US-Regulations selbst keine Besteuerung eines Transferpakets. Vgl. Jacob (2008), S. 2. Jedoch will der Gesetzgeber mit der gesetzlichen Regelung zur Funktions­verlagerung vornehmlich immaterielle Vermögenswerte erfassen. Ist zur Wertbestimmung eines immateriellen Vermögenswertes kein aktiver Markt vorhanden, sind kapitalwertorientierte Verfahren zur Wertbestimmung heranzuziehen. Vgl. Bartels/Jonas (2006), § 27 Rn. 32. – Siehe hinsichtlich der Bewertung des Transferpaketes Greil (2011d), 159–166; ders. (2011e), S. 156–162. 291 Vgl. Zech (2011), S. 131. 292 Brinkmann (2008), § 4 Rn. 271. 293 Vgl. Alvarez (2004), S. 209–216; Kind (2000), S. 200. 294 Vgl. auch v. Bredow (2011), S. 130 f.

I. Steuerliche Erfassung einer Funktionsverlagerung im Sinne des § 1 AStG 

101

Cashflow-Verfahren maßgeblich.295 Nach bisheriger BFH-Rechtsprechung können solche Bewertungen nur dann beanstandet werden, wenn gegen allgemeine Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen wird.296 aa) Indirekte oder direkte Bewertung des Transferpakets (1) Indirekte Bewertung des Transferpakets Die Bewertung des Transferpakets erfordert eine funktionsbezogene Bestimmung der Erfolgsgrößen und der Kapitalisierungszinssätze. Die Erfolgsgrößen können indirekt aus der Differenz, die sich jeweils für das aufnehmende als auch das abgebende Unternehmen vor und nach der Funktionsverlagerung ergeben, ermittelt werden, aber auch eine direkte Ableitung der Erfolgsgrößen aus der Funktion kann erfolgen. In der Bewertungspraxis besitzen vor allem die IDW Standards IDW S 1 und IDW S 5 Bedeutung.297 Im Rahmen der indirekten Bewertung bietet sich der IDW S 1 als Richtlinie für die Bewertung an, um Entscheidungswerte unter der Berücksichtigung von individuellen Umständen abzuleiten.298 Eine indirekte Bewertung ist mit vier Unternehmensbewertungen verbunden: Sowohl vom funktionsauf­ nehmenden als auch funktionsabgebenden Unternehmen sind jeweils der Unternehmenswert vor als auch nach dem Verlagerungsvorgang zu ermitteln. Die sich hieraus ergebende Differenz der Unternehmenswerte ergibt den Funktionswert: (7) UWVV =

(

(8) ./. UWNV =



(

 ) + ( 

 )  )

= Wert der Funktion (abgebendes Unternehmen)

(9) UWNV = (10)

 ) + ( 

./. UWVV =

(

 ) + (  (

 ) + ( 

 )  )

= Wert der Funktion (aufnehmendes Unternehmen)

Die indirekte Bewertung kann allerdings nur exakt erfolgen, wenn die Gültigkeit des Wertadditivitätstheorems unterstellt wird, wovon bei Unternehmens 295 Das BMF ist der Ansicht, dass ein Bewertungsverfahren, welches dem IDW S 1 i. d. F. 2008 oder dem IDW S 5 oder einem anderen betriebswirtschaftlich anzuerkennenden Ver­ fahren entspricht, anzuwenden ist. Dabei ist IDW S 1 vorrangig anzuwenden, wenn die Funktionsverlagerung einem lebensfähigen Betriebsteil oder einem Unternehmen gleicht. Vgl. VerwGr-FVerl, Tz. 2.3.2.1. – Siehe zur Thematik auch Crüger/Riedl (2011), S. 203–205. 296 Vgl. BFH v. 27.3.1996 I R 60/95, BStBl. II 1996, S. 576 (577); BFH v. 6.4.2005 I R 22/04, BStBl. II 2007, S. 658 (Leitsatz). 297 Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen (IDW S 1) und Grundsätze zur Bewertung immaterieller Werte (IDW S 5). 298 Vgl. auch Vögele (2010), S. 421.

102

B. Die Funktionsverlagerung im Steuerrecht

bewertungen regelmäßig ausgegangen wird,299 sodass sich der Unternehmenswert aus der Summe der einzelnen Funktionswerte ergibt.300 Die Wertadditivität i. e. S. kann aber nur gegeben sein, wenn zwischen den einzelnen Teileinheiten keine Risiko-, Erfolgs- oder Restriktionsverbundeffekte bestehen,301 wenn also die einzelnen Teileinheiten völlig autonom agieren.302 Da eine Funktion bedingt als autonome Teileinheit agiert, ist dieser Aspekt als Einschränkung zu beachten bzw. ist die indirekte Bewertung kaum aussagekräftig.303 Ferner ist zu berücksichtigen, dass sich durch die Verlagerung der Funktion die Funktions- und Risikoprofile der Unternehmen ändern. Infolgedessen sind für die betreffenden Unternehmen sowohl vor der Funktionsverlagerung als auch nach dieser Funktions- und Risikoanalysen vorzunehmen, um adäquate Funktions- und Risikoprofile zu erstellen. Nur dann kann eine plausible Bewertung erfolgen, da das Funktions- und Risikoprofil u. a. den unternehmensspezifischen Zinssatz beeinflusst. Allerdings kann auf eventuell vorhandene Unternehmensbewertungen bzw. Daten des Unternehmens zurückgegriffen werden. Die indirekte Methode ist zudem primär nur bei der Verlagerung von selbstständig lebensfähigen (autonomen) Betriebsteilen in Betracht zu ziehen, da in diesem Fall eine unbegrenzte Nutzungsdauer unterstellt werden kann, die im Rahmen von Unternehmensbewertungen angenommen wird.304

299 Vgl. Kind (2000), S. 197; Alvarez (2004), S. 208 f. Der Wert zweier unsicherer Zahlungsströme ist unabhängig davon, ob die Bewertung isoliert oder gemeinsam erfolgt. Ebenso kann der unsichere Zahlungsstrom aufgeteilt werden, ohne die Summe der Werte zu verändern. Vgl. Perridon/Steiner/Rathgeber (2009), S. 519; Reichling/Spengler/Vogt (2006), S. 762. 300 In Bezug auf Segmente vgl. Dinstuhl (2003), S. 153. Vgl. auch Ballwieser (2004), S. 13. 301 Risikoverbundeffekte bezeichnen die Möglichkeit eines risikoausgleichenden Effekts zwischen den einzelnen Einheiten, sodass eine Einzelbetrachtung der jeweiligen Einheit nur dann zulässig wäre, wenn keine Korrelation zwischen den einzelnen Einheiten vorliegt. Ein Risikoverbund ist also dann gegeben, wenn die Erfolge der verschiedenen Bereiche voneinander stochastisch abhängig sind. Erfolgsverbundeffekte beschreiben hingegen Synergien zwischen den einzelnen Einheiten. Inwiefern der Gesamterfolg des Unternehmens beeinflusst wird, ist abhängig davon, welche Maßnahme in einem anderen Bereich getätigt worden ist. Der Gesamterfolg ergibt sich daher nicht additiv aus den einzelnen Maßnahmen. Der Restriktionsverbundeffekt führt dazu, dass die Aktionsmöglichkeiten von mindestens einem Bereich von den in einem anderen Bereich durchgeführten Aktionen abhängig sind. So können knappe finanzielle Ressourcen dazu führen, dass nicht sämtliche Einheiten zu einem bestimmten Zeitpunkt optimal und bedarfsgerecht mit Kapital ausgestattet werden. Vgl. Kind (2000), S. 199; Laux (1995), S. 148 f. 302 Vgl. Dinstuhl (2003), S. 155. 303 Vgl. hierzu auch v. Bredow (2011), S. 137 f.; Oestreicher/Hundeshagen (2009), S. 148 f.; Ebeling (2007), S. 37; Schumann (2008), S. 24 f. 304 Vgl. Oestreicher/Hundeshagen (2008b), S. 1695 f.

I. Steuerliche Erfassung einer Funktionsverlagerung im Sinne des § 1 AStG 

103

(2) Direkte Bewertung des Transferpakets Für eine direkte Bewertung kann auf IDW S 5 zurückgegriffen werden,305 obwohl eine Orientierung auch am IDW S 1 möglich sein kann, wenn das Transferpaket ein nach wirtschaftlichen Kriterien definiertes Bewertungsobjekt darstellt, welches als Grundlage für die Ergebnisgenerierung angesehen werden kann.306 Diese Voraussetzung sollte nicht nur gegeben sein, wenn die ertragsteuerlichen (Teil-)Betriebskriterien erfüllt werden,307 da eine Funktion aufgrund der vorgenommen Definition auch ein solches Bewertungsobjekt darstellt. Wird der Wert der Funktion auf direktem Wege ermittelt, ist auf die aus der Funktion resultierenden Erfolgsgrößen abzustellen. Bei der Ermittlung der funktionsspezifischen Kapitalkosten sowie weiterer Parameter ist analog zur Unternehmensbewertung vorzugehen.308 (11) GPFAufn =

(

 ) + ( 

 )

(12) GPFAbg =

(

 ) + ( 

 )

Die Schwierigkeit besteht aber in der Isolierung des Teilergebnisses für die zu bewertende Funktion, denn die zu verlagernde Funktion wird regelmäßig nicht isoliert ausgeübt, sondern gliedert sich in den Unternehmensablauf ein. Eine Problematik ergibt sich in der Prognose der künftigen Entwicklung der betreffenden Funktion, der Abgrenzung der genutzten Vermögenswerte, Aufwendungen, Erträge und Zahlungsströme.309 Ein vergleichbares Problem besteht bei der Bewertung von immateriellen Vermögenswerten. Eine theoretisch einwandfreie Methode für die Isolierung gibt es nicht.310 Es muss dennoch versucht werden eine Näherungslösung zu ermitteln, die als hinreichend angesehen werden kann,311 da es möglich sein muss, der Funktion, sei es bei der direkten oder indirekten Be 305 Vgl. auch Vögele (2010), S. 421. – IDW S 5 zeigt Bewertungsverfahren und -methoden für immaterielle Vermögenswerte auf, die auch für Bewertungsanlässe außerhalb der IFRSRechnungslegung gelten. Vgl. Hommel/Buhleier/Pauly (2007), S. 371; Beyer/Mackenstedt (2008), S. 339. 306 In Bezug auf eine wirtschaftliche Einheit vgl. IDW S 1, Tz. 19; Haaker (2005), S. 45. 307 Vgl. Vögele (2010), S. 421; VerwGr-FVerl, Tz. 2.3.2.1. 308 Vgl. Oestreicher/Hundeshagen (2008a), S. 1640. 309 Bzgl. der Segmentbewertung vgl. Kind (2000), S. 200. 310 IDW S 5 zeigt vier Methoden auf, die sich in Bezug auf die Isolierung des vermögenswertspezifischen Cashflows unterscheiden: Methode der unmittelbaren Cashflow-Prognose, Methode der Lizenzpreisanalogie, Mehrgewinn- und Residualwertmethode. Vgl. Mackenstedt/Fladung/Himmel (2006), S. 1040; Menninger/Nägele (2008), S. 912–919; Bartels/Jonas (2006), § 27 Rn. 32–36; Arbkr. „Immaterielle Werte“ (2009), S. 35–37; Flögel/Maul/ Schlünder (2004), S. 279–287. – Bei der direkten Bewertung der Funktion kommen die Methode der unmittelbaren Cashflow-(Erfolgsgrößen-)Prognose und die Mehrgewinnmethode, die der indirekten Bewertung der Funktion in Grundzügen ähnelt, in Betracht. 311 Vgl. hierzu auch Bodenmüller (2004), S. 202–204. Siehe hinsichtlich der Schwierigkeiten bei der Zuordnung des Wertschöpfungspotenzials, das mit der Funktionsausübung verbunden ist, Schilling (2011), S. 1536.

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B. Die Funktionsverlagerung im Steuerrecht

wertung, Ergebnisbeiträge zuordnen zu können.312 Ohne eine solche Zuordnung besitzt die Funktion einen Wert von null.313 Demzufolge muss die Funktion über eine gewisse wirtschaftliche Eigenständigkeit verfügen,314 die es erlaubt, Ergebnisbeiträge sachgerecht in einer Art funktionsspezifischer Gewinn- und Verlustrechnung darzustellen.315 Wie bei der Definition einer Funktion angeführt, geht eine gewisse Selbstständigkeit der Funktion damit einher, dass dieser bestimmte Aufwendungen und Erträge sachgerecht zugeordnet werden können. Diese Zuordnung ist dann möglich, wenn die Leistungen der Funktion unternehmensintern getauscht bzw. von anderen organisatorischen Bereichen des Unternehmens bezogen werden können und hierfür ein Ansatz von Verrechnungspreisen erfolgt bzw. erfolgen kann. Der Vorteil der direkten gegenüber der indirekten Bewertung liegt dabei im geringeren Umfang der Bewertungsarbeit. Die direkte Bewertung eröffnet aber Gestaltungsspielräume bei der Bestimmung von funktionsspezifischen Ergebnisbeiträgen sowie es prinzipiell nicht möglich ist, funktions- und risiko­adäquate Kapitalisierungszinssätze aus Marktdaten abzuleiten. Diese Werte sind ebenso wie funktionsbezogene Transaktionsdaten am Markt nicht beobachtbar.316 Darüber hinaus ist die direkte Bewertung eher anwendbar für gut separierbare Funktionen.317 Diese Ausführungen verdeutlichen zugleich, dass für die Praxis Anwendungsprobleme resultieren können, wenn eine Funktion nicht eindeutig trennbar und bewertbar ist. Daneben können diese Gesichtspunkte Aspekte in Außenprüfungen sein, die bei divergierenden Ansichten zwischen dem Steuerpflichtigen und der Finanzverwaltung zu Korrekturen des Wertansatzes des betreffenden Verlagerungsvorganges führen können. bb) Bewertungsmaßstab – Der Reingewinn nach Steuern (Barwert) (1) Der Reingewinn Der Gesetzgeber hat mit § 1 Abs. 3 Satz 6 Hs. 2 AStG auf Gewinnerwartungen (Gewinnpotenziale) abgestellt. Gewinnpotenziale sind gemäß § 1 Abs. 4 FVerlV „die aus der verlagerten Funktion jeweils zu erwartenden Reingewinne nach­ Steuern (Barwert), auf die ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter im 312

Vgl. Schreiber (2009), Anm. 43. In Bezug auf eine wirtschaftliche Einheit vgl. auch Jacob (1961), S. 54. Vgl. auch Brüninghaus/Bodenmüller (2009), S. 1286. 314 Vgl. Borstell/Schäperclaus (2008), S. 278, 280 f.; BR-Drs. 352/08, S. 10; Baumhoff/ Ditz/Greinert (2008), S. 1946; Oestreicher/Hundeshagen (2009), S. 150. 315 Vgl. BR-Drs. 352/08, S. 10. Hier kann auch eine Kostenrechnung Aufschluss geben. Vgl. Schilling (2011), S. 1536. 316 Vgl. Oestreicher (2009), S. 90; Günter (2007), S. 1087; Greil (2011d), S. 159–166. 317 Vgl. Vögele (2010), S. 421. 313

I. Steuerliche Erfassung einer Funktionsverlagerung im Sinne des § 1 AStG 

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Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 des Außensteuergesetzes aus der Sicht des verlagernden Unternehmens nicht unentgeltlich verzichten würde und für die ein solcher Geschäftsleiter aus der Sicht des übernehmenden Unternehmens bereit wäre, ein Entgelt zu zahlen.“318 Bewertungsmaßstab ist also der Reingewinn nach Steuern.319 Jedoch werden weder durch das Gesetz noch durch die FVerlV präzisiert, was unter dem Reingewinn zu verstehen ist und welche Steuern zu berücksichtigen sind. Es ist nicht ersichtlich, ob der Reingewinn aus dem handelsrechtlichen oder dem steuerrechtlichen Abschluss herzuleiten ist oder ob Zahlungsströme ent­scheidend sind.320 Ungeachtet dessen ist für die eine Bewertung immer eine zweck­mäßige Erfolgsdefinition zwingend. Als Erstes ist festzuhalten, dass der Blickwinkel der Bewertung nicht vom Investor, sondern nur vom Unternehmen ausgehen kann: Entscheidend ist die Beziehung zwischen dem Bewertungsobjekt und dessen Umwelt.321 Sowohl der Gesetzeswortlaut als auch die FVerlV stellen eindeutig auf Gewinnerwartungen, die aus der Funktion resultieren, ab (§§ 1 Abs. 3 Satz 6 AStG, 1 Abs. 4 FVerlV, § 3 Abs. 1 FVerlV). Ebenfalls wird ausdrücklich in der Begründung zur FVerlV die Sichtweise der Geschäftsleiter der betreffenden Unternehmen und, damit einhergehend, die der Transaktion zugrundeliegenden Funktion hervorgehoben.322 Die Bewertung der Funktion wird mithin als Partialkalkül betrachtet.323 Ausgangspunkt der Bewertung sind die Unterlagen der beteiligten Unternehmen, aus denen sich die betriebswirtschaftlichen Gründe für die Verlagerung der Funktion ergeben (§ 3 Abs. 2 Satz 2 FVerlV). Zudem sind „[d]ie internen betriebswirtschaftlichen Bewertungsgrundsätze und -methoden […] anzuerkennen, wenn sie einheitlich auf die beteiligten Unternehmen angewandt werden und dies nicht zu erkennbar dem Fremdvergleichsgrundsatz widersprechenden Ergebnissen führt.“324 Diese Ausführungen lassen vermuten, dass der Steuerpflichtige nicht an eine bestimmte Größe gebunden ist, sondern eine unternehmensspezifische Größe als Grundlage verwenden kann, die für die Berechnung bzw. (Investitions-)Entscheidung genutzt wurde.325 318 Vgl. hierzu auch Naumann (2007a), S. 175; Crüger/Wintzer (2008), S. 307; BR-Drs. 352/08, S. 12. 319 Ausführlich zur Problematik der Einbeziehung von Steuern bei der Bewertung des Transferpaketes Greil (2011e), S. 156–162; ders. (2011d), S. 159–166. 320 Vgl. Oestreicher/Hundeshagen (2008a), S. 1638; Greinert (2009), S. 755; Kroppen/ Rasch (2008), S. 550. 321 Vgl. auch Wöhrle/Schelle/Gross (2009), § 1 Rz. 236. In Bezug auf das Einbeziehen von persönlichen Steuern vgl. Kroppen (2009), Anm. 155; Schreiber (2008b), S. 805. 322 Vgl. BR-Drs. 352/08, S. 12. 323 Vgl. BR-Drs. 352/08, S. 12. 324 BR-Drs 352/08, S. 12. 325 So wird bspw. in der Praxis derzeit überwiegend ein (modifizierter) Jahresüberschuss bei einer Unternehmensbewertung zugrunde gelegt, was es rechtfertigen lassen kann im Rahmen des Fremdvergleichs auf den Jahresüberschuss abzustellen. Vgl. Fischer-Winkelmann/Busch (2009), S. 648.

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B. Die Funktionsverlagerung im Steuerrecht

Die Verwaltungsgrundsätze Funktionsverlagerung stellen hingegen eindeutig auf die finanziellen Überschüsse nach Fremdkapitalkosten und Steuern ab, „die als Nettoeinnahmen […] in den Verfügungsbereich des jeweiligen ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters gelangen“326. Die finanziellen Überschüsse – bewertungsrelevante Zahlungsströme – können aus den zugrundeliegenden Planungsrechnungen, welche nach handelsrechtlichen, steuerrechtlichen oder nach anderen Vorschriften aufgestellt sein können, abgeleitet werden. Eine gesellschaftsrechtliche Ausschüttungsfähigkeit der Überschüsse ist dabei ohne Bedeutung.327 Diese Auffassung ist grundsätzlich zu teilen: Die Orientierung an künftigen Zahlungsströmen bei der Bewertung von Unternehmen(steilbereichen) im Rahmen von Investitionsentscheidungen folgt zum einen den Erkenntnissen der Investitionstheorie, zum anderen wird diese Vorgehensweise als theoretisch zutreffend erachtet.328 Würde diese Tatsache missachtet, wäre ein Verstoß gegen Unternehmensbewertungsgrundsätze gegeben,329 was auch Eingang in die Rechtsprechung gefunden hat.330 Indessen steht diese Ansicht nicht mit dem Wortlaut des Gesetzes und der FVerlV im Einklang.331 Da Fremdvergleichspreise auf eine „maximale Annäherung an die tatsächlichen Marktverhältnisse“ zielen und das „freie Spiel von Angebot und Nachfrage“332 auf die Ertragsteuerbemessungsgrundlagen wirken soll sowie sich das Steuersystem sowohl an Gerechtigkeits- als auch an Leistungsgesichtspunkten orientieren und daneben Marktprozesse so wenig wie möglich verzerren sollte,333 ist das Abstellen auf Zahlungsströme als begründet anzusehen, da durch § 1 AStG nur ein vom Fremdverhalten abweichendes Ergebnis zu korrigieren ist.334

326

VerwGr-FVerl, Tz. 2.1.4.1. Vgl. VerwGr-FVerl, Tz. 2.1.4.1. 328 Vgl. Mandl/Rabel (1997), S. 33. – Wird auf den Wert eines Unternehmens(teilbereiches) aus Anteilseignersicht abgestellt, gilt unzweifelhaft der Nettozahlungsstrom (NettoCashflow) beim Anteilseigner als der theoretisch richtige Erfolgsbegriff, da Zahlungen an die Eigen­tümer den Nutzen derselben repräsentieren (einzahlungsorientierte Sichtweise der Eigen­tümer). Dementsprechend ist als Wert der gesamten Unternehmung der Zukunftserfolgswert anzusehen, der sich aus der Diskontierung der zwischen dem Unternehmen und den Eigentümern fließenden Zahlungsströme ergibt. Vgl. Mandl/Rabel (1997), S. 33; Wagner/Nonnenmacher (1981), S. 675, 677; Dirrigl (2009), S. B23; Wangler (2005), S. 246; Moxter (1983), S. 9, 75, 79, 81 f.; ders. (1992), S. 51; Behringer (2004), S. 87 f.; Busse von Colbe (1992b), S. 58; Schmalenbach (1918), S. 9. 329 Vgl. Creutzmann (2008), S. 2786–2788. 330 Vgl. FG Nürnberg v. 24.10.1975 III 150/72, EFG 1976, S. 65 (65 f.). 331 Vgl. auch Endres/Oestreicher (2009), S. 13; Oestreicher (2009), S. 93; Baumhoff/Ditz/ Greinert (2008), S. 1949; Zech (2009), S. 337. – „[D]urch Verwaltungsvorschriften darf das Gesetz nur konkretisiert, nicht aber korrigiert oder modifiziert werden.“ Tipke (1981b), S. 199. 332 Beiser (2008), S. 12. 333 Vgl. Koch (2006), S. 249. 334 Vgl. auch v. Bredow (2011), S. 170. – Crüger/Riedl erachten das EBIT als angemessene Bewertungsgrundlage, vgl. Crüger/Riedl (2011), S. 204 f. 327

I. Steuerliche Erfassung einer Funktionsverlagerung im Sinne des § 1 AStG 

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(2) Berücksichtigung von Steuern (a) Berücksichtigung von Steuern auf Unternehmensebene Prinzipiell sind Steuerwirkungen im Bewertungskalkül zu berücksichtigen,335 da die Berücksichtigung von Unternehmensteuern als fremdvergleichskonform zu erachten ist, denn es gilt „als gesichertes Wissen, daß die Berücksichtigung von Erfolgsteuern in der Investitionsplanung zu besseren Entscheidungen führt.“336 Folglich wird ein Geschäftsleiter diese in seinem Entscheidungskalkül nicht außer Acht lassen, was auch in der Begründung zur FVerlV zum Ausdruck gelangt: „[V]oneinander unabhängige Dritte würden ihre Zahlungsbereitschaft für das Transferpaket von dem zu erwartenden Nettoergebnis aus der Übernahme der Funktion abhängig machen.“337 Dabei sind alle Steuern, die dem Bewertungsobjekt zuzurechnen sind, einzubeziehen.338 Regelmäßig werden die dem Bewertungsobjekt zuordenbaren und von Gestaltungsmaßnahmen unabhängigen Steuern, wie bspw. Verbrauchsteuern, implizit im Zahlungsstrom erfasst. Hingegen werden die Ertrag- und Substanzsteuern explizit ausgewiesen.339 Zwar sind Ertragsteuern vom Zahlungsstrom abhängig, jedoch ist deren Bemessungsgrundlage nicht mit diesem Zahlungsstrom identisch. Ansatzpunkt der Besteuerung bildet der steuerliche Unternehmenserfolg, welcher nach den Grundsätzen und Normen für die steuerrechtliche Gewinnermittlung festgestellt wird. Um eine zutreffende Ertragsbesteuerung auch im Zahlungsstrom zu erfassen, ist eine Ermittlung der zu erwartenden steuerlichen Bemessungsgrundlagen in Nebenrechnungen vonnöten.340 Hierin sind auch etwaige Verlustvorträge sowie Abschreibungspotenziale zu beachten, da diese die künftige steuerliche Belastung mindern und den Zahlungsstrom erhöhen.341 Sollen zudem die Unterschiede der Bemessungsgrundlage zwischen der Körperschaft-

335 Ausführlich zur Problematik der Einbeziehung von Steuern bei der Bewertung des Transferpaketes Greil (2011e), S. 156–162; ders. (2011d), S. 159–166. 336 Mellwig (1980), S. 16. Vgl. auch Berger/Knoll (2009), S. 6; Schreiber (2008b), S. 471; Perridon/Steiner/Rathgeber (2009), S. 78; Munkert (2005), S. 50; Mellwig (1985), S. 75; Hundsdoerfer/Sichtmann (2007), S. 606. 337 BR-Drs. 352/08, S. 12. Siehe zur Berücksichtigung von Steuern bei der Transferpaket­ bewertung zuletzt Fischer/Freudenberg (2012), S. 168–173. – Zur empirischen Evidenz des Einflusses von Steuern auf Unternehmenskäufe vgl. Schreiber/Ruf (2010), S. 439–441 m. w. N. – Hinsichtlich einer Befragung zur Messung von Steuerwirkungen auf Investitionsentscheidungen vgl. Hundsdoerfer/Sichtmann (2007). 338 Vgl. König/Zeidler (1996), S. 1098. 339 Vgl. Mellwig (1985), S. 1. 340 Vgl. Mandl/Rabel (1997), S. 176. 341 Vgl. OLG München v. 17.7.2007 31 Wx 060/06, AG 2008, S. 28 (Leitsatz). Werden die Ertragsteuerzahlungen auf der Basis von Zahlungsströmen ermittelt, sind diese um den Vorteil aus den Abschreibungen zu erhöhen. Eine pauschale Erfassung ist jedoch nicht unproblematisch. Vgl. Oestreicher/Hundeshagen (2008b), S. 1696.

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B. Die Funktionsverlagerung im Steuerrecht

steuer und der Gewerbesteuer erfasst werden, sind Informationen zur Finanzierung notwendig342 sowie die Hinzurechnungen und Kürzungen der §§ 8, 9 GewStG zu berücksichtigen. Dennoch ist insbesondere die Zurechnung von Ertragsteuern auf die einzelne Funktion problematisch, dessen ungeachtet nötig, wenn diese einen Einfluss auf den Erfolgsstrom haben und den Entscheidungswert des Bewertenden beeinflussen. Darüber hinaus stellt der Erfolg der einzelnen Funktion einen Teil der wirtschaftlichen Grundlage für die auf Unternehmensebene zu ermittelnde steuerliche Bemessungsgrundlage dar.343 Für die Ermittlung der funktionsspezifischen Steuerlast müssten neben dem Erfolgsstrom die Periodenergebnisse für das gesamte Unternehmen ohne die Funktion bekannt sein.344 Jedoch zeichnet sich gerade eine Funktion durch das Zusammenspiel mit anderen Unternehmensteilbereichen aus. Daher kann eine exakte Ermittlung nicht erfolgen und die Berücksichtigung ist unter der Anwendung vereinfachender Annahmen durchzuführen. Da die Bewertung sowohl aus Sicht des abgebenden als auch aufnehmenden Unternehmens zu erfolgen hat, sind ebenfalls die im Ausland anfallenden Steuern bei der Wertermittlung zu berücksichtigen. Hierbei ist das Steuersystem des betreffenden Landes, in dem die Gewinne zu versteuern sind, maßgeblich.345 (b) Berücksichtigung von Steuern auf Anteilseignerebene Es ist nicht zu leugnen, dass der Wert eines Unternehmens von dem Wert abhängig ist, der den Eignern zufließt, denn „[g]edankliche Basis ist heute der Zahlungsstrom, den der Unternehmenseigner (Anteilseigner) aufgrund seines Engagements zu erwarten hat“346. Daher sind „die künftigen Zahlungen zwischen Investor und Investitionsobjekt […] als relevant anzusehen.“347 Diese werden durch Steuer­ zahlungen beim Eigner gemindert, und folglich mindert sich dessen Entscheidungswert. Somit gibt es keine sachlichen Gründe, die Auswirkungen von persönlichen Steuern bei der Entscheidungswertermittlung außer Acht zu lassen.348 Da aber nicht Partikularinteressen, sondern das gesamte Unternehmensinteresse zu beachten und im Rahmen des Fremdvergleichs von der Gesellschafter­ beziehung abzusehen ist, sind Steuern auf persönlicher Ebene nicht einzu­ 342

Vgl. Blohm/Lüder/Schaefer (2006), S. 107; Bieg/Kußmaul (2009), S. 153. Vgl. Dinstuhl (2003), S. 261. 344 In Bezug auf einzelne Projekte vgl. Blohm/Lüder/Schaefer (2006), S. 105. Vgl. auch Perridon/Steiner/Rathgeber (2009), S. 78 f. 345 Vgl. IDW S 5, Tz. 45; Piltz (1994), S. 24; Lobe (2001), S. 645; Engels (1962), S. 126. 346 Moxter (1992), S. 51. 347 Busse von Colbe (1992b), S. 58 m. V. a. Käfer (1946) und Münstermann (1970). Vgl. auch Schildbach (1993), S. 28; Wangler (2005), S. 246. 348 Vgl. Mandl/Rabel (1997), S. 173. 343

I. Steuerliche Erfassung einer Funktionsverlagerung im Sinne des § 1 AStG 

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beziehen.349 Würden die persönlichen Ertragsteuern einbezogen, wäre auf die Anteilseignerstruktur zu achten, da die tatsächliche Steuerbelastung derselben herangezogen und der Wert der Funktion individuell berechnet werden müsste. Dies wiederum würde eine Objektivierung erfordern,350 denn die Anteilseigner stellen keine homogene Personengruppe dar, sondern sind durch ihre Umfeldbedingungen gekennzeichnet. Die Annahme, dass die Anteilseigner am Sitz der beteiligten Unternehmen unbeschränkt steuerpflichtig sind, kann in einer globalisierten Finanzwelt als nicht fremdvergleichskonform erachtet werden.351 Zudem ist es international unüblich, persönliche Steuern zu berücksichtigen sowie die Unternehmensführung eine Steuerplanung auf Anteilseignerebene regelmäßig vernachlässigt, sodass Konfliktpotenzial bei der Diskussion über einen fremd­ vergleichskonformen Preis gegeben wäre.352 (c) Erfassung der Besteuerung des Veräußerungsgewinns Es stellt sich die Frage, bei welchem Unternehmen die Steuern, die aus der Funktionsverlagerung selbst resultieren, einzurechnen sind, da auch diese den Grenzpreis des Bewertungssubjekts beeinflussen.353 Folgende Konstellationen sind möglich, wobei die erste Variante prinzipiell als übliche Vorgehensweise zu qualifizieren ist:

349

Gl. A. Greinert/Reichl (2011), S. 1183; Kroppen (2009), Anm. 155; Schreiber (2008b), S. 805. Zudem müsste die Ausschüttungspolitik des Unternehmens berücksichtigt werden. In Bezug auf Segmente, obwohl im Endeffekt die Einbeziehung der persönlichen Steuern als richtig erachtet wird, vgl. Dinstuhl (2003), S. 157. – Für eine Ablehnung der Einbeziehung von persönlichen Steuern spricht zudem die Steuerschuldnerschaft, da nicht das Unternehmen Steuerschuldner der persönlichen Einkommensteuer ist, wenn aus Sicht des Unternehmens zu bewerten ist. – Verlagert eine Personengesellschaft eine Funktion, ist die Ertragsteuerbelastung der Anteilseigner unstrittig einzubeziehen. Vgl. Luckhaupt (2009), S. 2359. Das BMF hingegen stellt es dem Steuerpflichtigen anheim, die persönlichen Ertragsteuern der Anteilseigner zu berücksichtigen. Erfolgt eine Berücksichtigung, sind sie im Zinssatz ebenfalls zu erfassen. Vgl. VerwGr-FVerl, Tz. 2.1.4.2. 350 Vgl. IDW S 1, Tz. 58. 351 A. A. Oestreicher/Hundeshagen (2008b), S. 1695. Der Anteil ausländischer Investoren an deutschen Aktiengesellschaften betrug 47 % nach einer Schätzung der Hessischen Landesbank, aufbauend auf Daten des Deutschen Aktieninstituts im Jahr 2006. Es zeichnet sich zudem im Zeitablauf eine Tendenz dahingehend ab, dass der inländische Aktionär von der Regel zur Ausnahme wird. Vgl. Jonas (2008), S. 829 m. w. N. „Internationale Verflechtungen gehören zu einer globalisierten Wirtschaft.“ Bollmann (2009), S. 28. Stellvertretend bzgl. des home bias vgl. Sercu/Vanpee (2007). Vgl. ferner Großfeld (2002b), S. 357 f. 352 Vgl. Looks/Scholz (2007), S. 2545; Berger/Knoll (2009), S. 9. So ist bspw. die Berücksichtigung der Einkommensteuer in der Schweiz unüblich. Vgl. Bernasconi/Fässler (2003), S. 623. Bezüglich der Steuerplanung bei schwedischen Direktinvestitionen in Deutschland und Österreich, vgl. Dietrich/Kiesewetter/Moosmann (2008), S. 65 f. 353 A. A. Greinert/Reichl (2011), S. 1184 f. – Vgl. zur Veräußerungsgewinnbesteuerung auch Schreiber/Ruf (2010), S. 437.

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B. Die Funktionsverlagerung im Steuerrecht

–– Die Steuerlast wird vom abgebenden Unternehmen getragen. –– Die Steuerlast wird vom aufnehmenden Unternehmen getragen. –– Die Steuerlast wird von beiden Unternehmen quotal übernommen. Nur wenn der Nettoverkaufserlös gerade dem Ertragswert der Funktion entspricht, ist der Verkäufer indifferent gegenüber der Weiterführung der Funktion. Dies bedeutet, dass neben den Veräußerungskosten, wie bspw. Stilllegungs- oder Verlagerungskosten, auch die durch den Verkauf entstehende Steuerbelastung zu beachten ist.354 Der Verkäufer wird seinen Mindestpreis um die durch den Veräußerungsgewinn entstehende Steuerbelastung erhöhen. Diese ist allerdings abhängig vom Veräußerungsgewinn und der wiederum vom vereinbarten Kaufpreis. Die Steuerbelastung auf den Veräußerungsgewinn (Primäreffekt) beträgt: (13) SVG = (VPF – BWF) · sD = stR · sD

Die bei der Veräußerung anfallende steuerliche Belastung ist in den Grenzpreis des Verkäufers einzurechnen und erhöht folglich den Mindestpreis, da sich der Grenzpreis nach „dem Nutzen, der aus dem zu bewertenden Unternehmen [Transferpaket] fließt, und dem Preis, der anzulegen wäre, um einen entsprechenden Nutzen alternativ zu beschaffen“355, berechnet. (14) Mindestpreis356 =

Unter Berücksichtigung dieser Tatsache und unter Beachtung der tatsächlich vorhandenen Handlungsmöglichkeiten erhöht sich der Grenzpreis des Verkäufers, da die Steuerzahlung die wieder anlegbaren Mittel in Höhe der Steuerzahlung mindert. Nur wenn ein Verkauf nie erfolgen würde, wäre eine Vermeidung der steuerlichen Belastung aus der Veräußerung denkbar.357 (d) Berücksichtigung einer steuermindernden Abschreibung Für den Käufer kann sich die Möglichkeit ergeben, den Kaufpreis steuermindernd abzuschreiben, was als wertsteigernder Faktor des Bewertungsobjektes angesehen werden kann. Dieser tax amortisation benefit358 ergibt sich durch die Ver-

354

Bezüglich der Berücksichtigung von Steuern vgl. u. a. Mandl/Rabel (1997), S. 179 f.; OLG Frankfurt a. M. v. 21.3.2006 3–5 O 153/04, AG 2007, S. 42 (43, 47). 355 Moxter (1983), S. 10. 356 Vgl. Hommel/Dehmel (2009), S. 186 f. Im einfachen Rentenmodell. 357 Vgl. Moxter (1983), S. 180. 358 Vgl. Kasperzak/Witte (2009), S. 1553 f.; Arbkr. „Immaterielle Werte“ (2009), S. 44 f.; Mandl/Rabel (1997), S. 181 f.; Schilling (2011), S. 1539. – Vgl. hinsichtlich Steuerersparnisse durch Abschreibung des Kaufpreises und möglicher Finanzierungskosten des Kaufgegenstandes auch Schreiber/Ruf (2010), S. 437.

I. Steuerliche Erfassung einer Funktionsverlagerung im Sinne des § 1 AStG 

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minderung der steuerlichen Bemessungsgrundlage, was wiederum einen höheren Zahlungsstrom im Unternehmen bedingt. Das heißt, dass der Fiskus dem Käufer durch eine steuerrechtliche Abschreibungsfähigkeit (eines Teils) des Kaufpreises die Anschaffungskosten partiell zurückgewährt. Mithin wird sich bei sonst identischen Erwartungen des Käufers und Verkäufers bzgl. des einer Abschreibung zugänglichen Bewertungsobjekts der Käufer- vom Verkäufergrenzpreis unterscheiden, da ein Käufer diesen Steuervorteil kaufpreiserhöhend berücksichtigen wird, ohne irrational handeln zu wollen.359 Jedoch muss die Akzeptanz der steuerlichen Berücksichtigung des Ansatzes der Wirtschaftsgüter bzw. des Transferpakets sowie die Erwirtschaftung eines steuerlichen Gewinns oder die Möglichkeit des Verlustvortrags gegeben sein.360 Darüber hinaus erfahren in der Praxis Steuerzahlungen in der Bewertung zwar eine Bedeutung, werden hingegen nicht in voller Höhe vergütet. Es ist u. a. die zugrundeliegende Marktsituation entscheidend: Steuerwirkungen schlagen sich eher im Kaufpreis nieder, je mehr es sich um einen nahezu perfekten Markt handelt. Je ineffizienter ein Markt wird, desto weniger werden Steuerwirkungen berücksichtigt.361 Ferner ist auch die Verhandlungsmacht der an der Transaktion beteiligten Parteien ausschlaggebend, inwieweit ein abschreibungsbedingter Steuervorteil berücksichtigt wird. Ein rational handelnder Verkäufer wird den beim Käufer entstehenden Vorteil in den Preisverhandlungen berücksichtigen, sodass dieser Vorteil nicht alleinig beim Käufer verbleiben wird.362 Es ist zu analysieren, inwieweit ein steuerlich bedingter Abschreibungsvorteil zu berücksichtigen und welche steuerliche Abschreibungsdauer von Relevanz ist, denn der abschreibungsbedingte Steuervorteil ist äquivalent hierzu zu berechnen. Die Festlegung der Abschreibungsdauer ist im Einklang mit den nationalen Steuergesetzen vorzunehmen, aus deren Sicht die Bewertung erfolgt.363 Wird der steuerbedingte Vorteil berücksichtigt, kann der Käufergrenzpreis wie folgt ermittelt werden: (15) GPFAufn = (

(

 ) + ( 

 ) ∙ Step-up Faktor

359 Vgl. auch Flögel/Maul/Schlünder (2004), S. 276; Breidenbach (1987), S. 2163; Titman/ Martin (2007), S. 32–34. 360 Vgl. Groh/Henseleit (2006), S. 9; Perridon/Steiner/Rathgeber (2009), S. 79. 361 Vgl. Holzapfel/Pöllath (2003), S. 116. 362 Vgl. Ballwieser (2006), S. 280. Siehe auch Kasperzak/Nestler (2007), S. 473–478; Kasperzak/Witte (2009), S. 1554; Castedello/Klingbeil/Schröder (2006), S. 1032. 363 Vgl. Beyer/Mackenstedt (2008), S. 347; Arbkr. „Immaterielle Werte“ (2009), S. 44. – Hinsichtlich der Bewertung einer Funktionsverlagerung sei weder sowohl die Berücksichtigung einer exit tax noch eines tax amortisation benefit fremdüblich und durch das Gesetz vorgesehen. Vgl. hierzu Greinert/Reichl (2011), S. 1182–1187.

112

B. Die Funktionsverlagerung im Steuerrecht

Das heißt, dass der Grenzpreis des Käufers ohne den steuerbedingten Vorteil mit einem Step-up Faktor multipliziert wird, um den abschreibungsbedingten Vorteil in die Grenzpreisbetrachtung einzubeziehen:364 (16) Step-up Faktor = 1 / [1 - · ( 

 )]

(3) Der funktions- und risikoadäquate Zinssatz Im Rahmen der Bewertung eines Transferpakets ist ein funktions- und risikoadäquater Zinssatz zu verwenden.365 Mit dieser Formulierung wird zum Ausdruck gebracht, dass der Risikozuschlagsmethode gegenüber der Sicherheitsäquivalenzmethode den Vorzug eingeräumt wird. Dies geht mit dem Fremdvergleichsgrundsatz einher, da in der Praxis regelmäßig die Risikozuschlagsmethode zur Anwendung kommt, weil sie über den Vorteil verfügt, sich auf empirisch beobachtbares Verhalten stützen zu können und folglich eine marktorientierte Vorgehensweise bei der Bemessung des Risikos erlaubt.366 Bei der Festlegung eines risikoadäquaten Zinssatzes ist zwischen einer subjektiven und einer kapitalmarktobjektivierten Herangehensweise zu differenzieren. Sind Grenzpreise zu bestimmen, ist eine individuelle Wahl des risikoadäquaten Zinssatzes angebracht, da sich dieser nach den Verhältnissen der jeweiligen involvierten Partei richtet.367 Daher soll die Möglichkeit bestehen, dass der Zuschlag aus unternehmensinternen betriebswirtschaftlich begründeten Renditeüberlegungen abgeleitet wird.368 Bei der Bestimmung von Marktpreisen hingegen ist eine objektivierte Bestimmung zu befürworten.369 Werden die Reingewinne subjektspezifisch ermittelt und erfolgt dann die Diskontierung mit einem marktorientierten Zinssatz, kann von einem markttypisierten subjektiven Erfolgswert gesprochen werden.370 Durch eine Orientierung an Kapitalmarktdaten könnte sich bei der Ermittlung des adäquaten Diskontierungssatzes auf empirisch beobachtbares Verhalten, wie bspw. beim CAPM, gestützt werden.371 Allerdings reduziert z. B. die Ermittlung des Beta-Faktors im Rahmen des CAPM durch die vorzunehmende Regressionsanalyse und 364

Vgl. Mard et al. (2002), S. 54. Vgl. hierzu insbesondere Greil (2011d), S. 159–166. 366 Vgl. IDW S 1, Tz. 90; Baetge (2009), S. 18. 367 Vgl. auch IDW S 1, Tz. 123. 368 Vgl. Naumann (2007b), S. 204. 369 Vgl. Dirrigl (2003), S. 150. Im eigentlichen Sinne kann eine Unterscheidung in eine individuelle und eine marktmäßig objektivierte Bestimmung nicht vorgenommen werden, da „bei beiden Bestimmungsarten Subjektivismen eine Rolle spielen.“ Ballwieser/Coenenberg/ Schultze (2002), Sp. 2419. 370 Vgl. Haaker (2006), S. 692; Burger/Ulbrich (2005), S. 528. 371 Vgl. Mandl/Rabel (1997), S. 234 f.; Schultze (2003), S. 355; Crüger/Riedl (2011), S. 206– 209; Schilling (2011), S. 1538; IDW S 1, Tzn. 90, 92. 365

I. Steuerliche Erfassung einer Funktionsverlagerung im Sinne des § 1 AStG 

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die Orientierung an Kapitalmarktdaten die Anwendung des CAPM grundsätzlich auf kapitalmarktorientierte Gesellschaften. Sind nicht börsennotierte Gesellschaften bzw. ein Transferpaket zu bewerten, könnten Analogie-, Analyseansätze und pragmatische Ansätze Verwendung finden, um Beta-Faktoren zu ermitteln bzw. den Kapitalkostensatz des Unternehmens zu adjustieren. Jedoch existieren keine wirklich vergleichbaren Unternehmen – und erst recht nicht des zu bewertenden Transferpakets vergleichbare Unternehmen – oder börsennotierte Transferpakete.372 Es fehlt der für das CAPM notwendige Marktbezug, um vergleichbare Risikostrukturen zu ermitteln.373 Die Beta-Faktoren würden, wenn überhaupt, zufällig das tatsächliche Risikomaß des zu bewertenden Transferpakets widerspiegeln.374 Demnach wird das CAPM zumindest für die direkte Wertermittlung des Transferpakets regelmäßig ausscheiden.375 Da das Verhalten eines Geschäftsleiters als Maßstab unterstellt wird, ist davon auszugehen, dass die Ermittlung eines funktions- und risikospezifischen Zinssatzes aus den Umständen des Einzelfalls abzuleiten ist. Insofern sind den unternehmensintern verwendeten Daten der Vorzug einzuräumen,376 die es im Rahmen der Angemessenheitsprüfung zu würdigen gilt. Eine Beanstandung kann nur erfolgen, wenn der Diskontierungszinssatz willkürlich gewählt scheint377 oder die Ermittlung gegen Denkgesetze und anerkannte Methoden verstößt. (4) Prognosezeitraum und Bewertungszeitpunkt Der zugrunde zu legende Kapitalisierungszeitraum, der für beide Unternehmen äquivalent anzuwenden ist – es sei denn, dass das abgebende Unternehmen weder rechtlich noch wirtschaftlich in der Lage ist, die Funktion weiter auszuführen –, ist in Abhängigkeit von den konkreten Umständen festzulegen.378 Wenn nichts Gegenteiliges glaubhaft gemacht werden kann, ist von einem unendlichen 372

Vgl. Oestreicher/Hundeshagen (2008b), S. 1693. In Bezug auf die fair value-Ermittlung von Vermögenswerten vgl. Baetge (2009), S. 21. 374 In Bezug auf nicht börsennotierte Gesellschaften vgl. Böcking/Nowak (1998), S. 689. 375 Vgl. Günter (2007), S. 1088. In Bezug auf kleine und mittlere Unternehmen vgl. Behringer (2004), S. 108. – Zudem ist zu bedenken, dass sich die Zinssätze vor und nach dem Verlagerungsvorgang unterscheiden. Auch ist die Kapitalstruktur des Unternehmens bzw. des Transferpaketes zu berücksichtigen. Siehe auch Schilling (2011), S. 1538. – Ausführlich hinsichtlich der Bewertung einer Funktionsverlagerung vgl. u. a. Greil (2011d), S. 159–166; Crüger/Riedl (2011), S. 202–209; Greinert (2009), S. 755–758; Menninger/Wellens (2012), S. 10–15; Oestreicher/Hundeshagen (2008a), S. 1637–1642; dies. (2008b), S. 1693–1700; Schilling (2011), S. 1533–1539. 376 In Bezug auf Bereiche als Teileinheiten eines Unternehmens vgl. Schumann (2008), S. 37 m. w. N. In Bezug auf kleine nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen vgl. Behringer (2001), S. 719. Insbesondere der interne Zinsfuß kann zu verwenden sein. Vgl. Piltz (1994), S. 28. 377 Vgl. BFH v. 13.4.1983 I R 63/79, BStBl. II 1983, S. 667 (668). 378 Er bildet, dem BMF folgend, den Prüfungsschwerpunkt. Vgl. VerwGr-FVerl, Tz. 2.6. 373

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B. Die Funktionsverlagerung im Steuerrecht

Zeit­horizont auszugehen (§ 6 FVerlV). Die Unterstellung eines unbegrenzten Zeit­ raumes sei nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen berechtigt, da bei Teilbetriebsveräußerungen, die der Funktionsverlagerung ähnlich sind, ein unbegrenzter Zeitraum angewandt werde.379 Jedoch kann dies nur unterstellt werden, wenn eine Funktion übertragen wird, die einen Betrieb bzw. Betriebsteil darstellt, der selbstständig lebensfähig ist.380 Zudem wird für das aufnehmende Unternehmen ein begrenzter Abschreibungszeitraum des Transferpakets bzw. der einzelnen Wirtschaftsgüter gegeben sein. Dieser Zeitraum sollte einer wirtschaftlichen Nutzungsdauer entsprechen und demnach glaubhaft darzustellen sein.381 Darüber hinaus ist eine unbegrenzte Nutzungsdauer mit dem Ziel, immaterielle Vermögenswerte zu erfassen, nicht vereinbar, da deren wirtschaftliche Nutzungsdauer regelmäßig begrenzt ist.382 Auch sinkt die Aussagekraft von Prognosen je länger der zu betrachtende Zeitraum ist.383 Je nach Funktion liegt daher ein planerisch sinnvoll erfassbarer Bereich bei drei bis fünf Jahren. Hierdurch können zudem Bewertungsschwierigkeiten sowie -unsicherheiten vermieden werden, die mit einer Prognose eines Fortführungszeitraums einhergehen.384 Daher wird ein Geschäftsleiter die Funktion im Rahmen einer vorsichtigen und kaufmännischen Prognose innerhalb eines überschaubaren Kalkulationszeitraumes und unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Marktentwicklung bewerten, um einen angemessenen Gesamtgewinn erzielen zu können. Daneben ist der Bewertungszeitpunkt entscheidend für den Wert eines Transferpakets. Da sich eine Funktionsverlagerung grundsätzlich über einen längeren Zeitraum erstreckt, könnten je nach maßgeblichem Bewertungszeitpunkt unter-

379

Vgl. BR-Drs. 352/08, S. 21. Vgl. Oestreicher/Hundeshagen (2008b), S. 1693. 381 Vgl. auch Jäger/Himmel (2003), S. 430 f.; Castedello/Klingbeil/Schröder (2006), S. 1032; Looks/Scholz (2007), S. 2545; BStBk (2007), S. 5; IDW (2007b), S. 6. „Die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer entspricht der voraussichtlichen Nutzungsdauer und umfasst den Zeitraum, in dem das Wirtschaftsgut unter Berücksichtigung der Verhältnisse seines konkreten Einsatzes seiner Zweckbestimmung entsprechend genutzt werden kann.“ BFH v. 8.4.2008 VIII R 64/06, BFH/NV 2008, S. 1660 (1661). – Vgl. auch Baumhoff/Ditz/Greinert (2008), S. 1951; Günter (2007), S. 1087. Prognosezeiträume von 3 bis 5 Jahren erscheinen eher fremdvergleichskonform. Gemäß einer durchgeführten Studie zum goodwill impairment test erstellen IFRS-Unternehmen eine detaillierte Planung der Cashflows entweder für 3 Jahre (40 %) oder für 5 Jahre (51 %). 7 % wagen sich an einen detaillierten Prognosezeitraum von 10 Jahren. Auch wird aufgezeigt, dass 49 % der Unternehmen ohne Wachstumserwartung im continuing value arbeiten. Vgl. Pellens et al. (2005), S. 16. 382 Vgl. Menninger/Kunowski (2003), S. 1183. Vgl. auch BFH v. 13.2.1970 III R 43/68, BStBl. II 1970, S. 373 (375). 383 Vgl. Helbling (1998), S. 81. 384 Vgl. auch Peemöller (2006), Abschn. 8 Rn. 86. Dem Fortführungswert kommt ein erheblicher Einfluss auf den Gesamtwert des betreffenden Vermögenswertes zu. Vgl. IDW S 1, Tz. 79. 380

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schiedliche Zinssätze für die Bewertung relevant sein.385 In Anbetracht von Sinn und Zweck der Regelung sollte der Zeitpunkt der Einschränkung der Funktion im Inland und somit der Verlust des Gewinnpotenzials entscheidend sein (wirtschaftliche Betrachtungsweise). Eine rechtliche Betrachtungsweise, der Zeitpunkt des Vertragsschlusses, hingegen nicht, obgleich dies dem Fremdvergleichsgrundsatz zuwiderlaufen würde. Geschäftsleiter haben die von ihnen zu treffenden Investitionsentscheidungen sorgfältig zu analysieren und eine eingehende Risikoabwägung vorzunehmen. Daher werden sie ihre maßgeblichen Wertvorstellungen vor dem Zeitpunkt der Funktionsverlagerung festlegen. Da interne Planrechnungen für die Angemessenheitsprüfung zugrunde gelegt werden können, sollte der Vereinbarungszeitpunkt der Transaktion den maßgeblichen Bewertungszeitpunkt darstellen und als fremdvergleichskonform anzusehen sein.386 Die Prognose der künftigen Erfolge hat stichtagsbezogen zu erfolgen. Spätere Entwicklungen, deren Wurzeln in der Zeit nach dem Bewertungsstichtag liegen, sind seitens der Finanzverwaltung bei einer späteren Überprüfung der Angemessenheit der Transaktion außer Acht zu lassen,387 sodass nur wertaufhellende, aber nicht wertbeeinflussende Tatsachen zu berücksichtigen sind.388 Mithin soll keine ex post Beurteilung einer ex ante Entscheidung vorgenommen werden, sondern nur geprüft werden, ob ex ante alle zur Verfügung stehenden Informationen angemessen genutzt worden sind. c) Zwischenfazit: Rechtsfolge einer Funktionsverlagerung im deutschen Steuerrecht Die Bewertung einer Funktionsverlagerung zwischen nahe stehenden Personen erfordert eine fremdvergleichskonforme Ausgestaltung mit dem Ziel, eine maßgebliche Steuerbemessungsgrundlage für die Einkunftsabgrenzung bzw. Einkünftekorrektur vor dem Hintergrund des § 1 AStG zu ermitteln. Der Gesetzgeber hat hierfür einen Bewertungsrahmen vorgegeben. Jedoch besteht zwischen fremden Dritten keine rechtliche Bindung an eine bestimmte Bewertungsmethode. Demnach wird durch die Vorgabe des Bewertungsrahmens das Ermessen des Steuerpflichtigen in einem gewissen Maße reduziert, was in der Konsequenz den Fremdvergleichsgrundsatz einschränkt, aber bei analoger Anwendung im Ausland zu einer einheitlich konkretisierten Gewinnabgrenzung im internationalen Kontext führen kann. 385

Vgl. auch Kaminski/Strunk (2009), S. 710, 712 f. Vgl. VWG 1983, Tz. 3.1.2.1. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der gesellschaftsrechtlichen Veranlassung ist der Abschluss der Vereinbarung. Vgl. Hey (2010a), S. 456. 387 Vgl. BGH v. 28.4.1977 II ZR 208/75, BB 1977, S. 1168 (1168). 388 Vgl. Winkeljohann/Geißler (2006), § 252 Rn. 35–38; Behringer (2001), S. 722. Vgl. auch Moxter (2003b), S. 2559–2563; Piltz (1994), S. 114–119. Vgl. auch OLG München v. 17.7.2007 31 Wx 060/06, AG 2008, S. 28 (Leitsatz). 386

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Darüber hinaus ist anzuerkennen, dass „[d]as Treffen von Investitionsentscheidungen anhand des Kapitalwertkriteriums […] Allgemeingut des Betriebswirts [ist]“389 und mithin der gesetzlich vorgegebene Bewertungsrahmen diesem Aspekt gerecht wird. Zudem ist die Ertragswertmethode sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur anerkannt,390 sodass es als sachgerecht anzusehen ist, diese Methode(n) als gesetzliches Bewertungsverfahren zur Angemessenheitsprüfung zu nutzen.391 Den mathematisch exakten oder wahren Wert kann es dessen ungeachtet nicht geben. Daher sind die vorgenannten Bewertungen „nur daraufhin zu überprüfen, ob die Ertragswertmethode korrekt angewendet, insb. der rechtliche Rahmen eingehalten wurde und die jeweiligen Prognosen plausibel und nachvollziehbar dargestellt wurden“392. Dabei darf nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen werden und es dürfen widersprechende Überlegungen nicht in die Bewertung eingehen.393 Die zugrundeliegenden Annahmen müssen realistisch sein, im Einklang mit der Lage des Unternehmens sowie des wirtschaftlichen Umfelds stehen.394 Die vorzunehmende Bewertung ist seitens des Steuerpflichtigen überprüfungsfest, sei es in Anbetracht einer Außenprüfung oder im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens, durchzuführen, wobei das eigene Ermessen zurückzustellen sein kann.395 Dies bedeutet auch, dass der Steuerpflichtige darauf zu achten hat, dass die Bestimmung des Reingewinns nach Steuern und des Zinssatzes intersubjektiv nachprüfbar, begründbar, plausibel, widerspruchsfrei und nicht willkürlich gegriffen erscheinen. Zu diesem Zweck hat er alle ihm zur Verfügung stehenden Informationen zu nutzen und darzulegen sowie betriebswirtschaftliche Kenntnisse anzuwenden. Daher kommt der Dokumentation sowie den für die Funktionsverlagerung zugrundeliegenden Planungsrechnungen des Unternehmens eine erhebliche Bedeutung zu.396 Dennoch sind Unsicherheiten bei der Bewertung einer Funktionsverlagerung vorhanden, die die Risiken einer möglichen Korrektur des für einen Verlagerungsvorgang angesetzten Verrechnungspreises seitens der Finanzverwaltung (sowohl im Inland als auch im Ausland) und der eventuell hieraus resultierenden Doppelbesteuerung für die Unternehmen steigern können: Zum einen sind die Ergebnisbeiträge der Funktion zu isolieren, zum anderen sind die künftigen Gewinnpotenziale sowie Kapitalisierungszinssätze zu schätzen, was beides mit Unsicherheit 389

Coenenberg/Schultze (2002), S. 600. Vgl. OLG Karlsruhe v. 16.7.2008 12 W 16/02, AG 2009, S. 47 (49) m. w. N.; OLG München v. 17.7.2007 31 Wx 060/06, AG 2008, S. 28 (29). 391 Vgl. hierzu auch OECD-RL, Tz. 3.22. 392 OLG Frankfurt a. M. v. 21.3.2006 3–5 O 153/04, AG 2007, S. 42 (43). 393 Vgl. Niedersächsisches FG v. 11.4.2000 6 K 611/93, DStRE 2001, S. 24 (25); BFH v. 27.3.1996 I R 60/95, BStBl. II 1996, S. 576 (577). 394 Vgl. IDW PS 314 n. F., Tzn. 29, 40, 46. 395 Vgl. Wüstemann (2007), S. 2223; Oestreicher/Hundeshagen (2008a), S. 1641. 396 Siehe hierzu auch Schilling (2011), S. 1535 f.; Kap. B. IV. 3. 390

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verbunden ist. Hinzu kommen Informationsasymmetrien zwischen dem Steuerpflichtigem und der Finanzverwaltung, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Finanzverwaltung Verlagerungsvorgänge ex post prüft.397 Zwar darf die Finanzverwaltung bei Ihrer Würdigung des Sachverhaltes nur Tatsachen berücksichtigen, die zum Zeitpunkt der Verwirklichung des Sachverhaltes (Bewertungszeitpunkt) vorgelegen haben. Jedoch ist für die Finanzverwaltung ebendiese Einschätzung, was dem Steuerpflichtigen zu diesem Zeitpunkt bekannt gewesen ist, nicht einfach zu beurteilen. Hierbei kann dem Steuerpflichtigen wiederum eine ordnungsgemäße Dokumentation hilfreich sein. 5. Die Gesamtbewertung des Transferpakets a) Hintergrund und Rechtfertigung der Gesamtbewertung des Transferpakets aa) Erfassung der Übertragung von immateriellen Vermögenswerten Vor allem sollen mit der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen immaterielle Vermögenswerte erfasst werden, da der Übergang materieller Werte im Gegensatz relativ problemlos und mit den normalen Verrechnungspreismethoden erfasst werden kann.398 Immaterielle Werte stellen häufig einen monopolistischen Wettbewerbsvorteil und eine Quelle ökonomischer Renten dar399 und bilden die Grundlage für den Unternehmenswert.400 Deren Übergang bzw. der Übergang der mit den immateriellen Vermögenswerten verbundenen stillen Reserven ins Ausland kann, nicht nur im Rahmen einer Funktionsverlagerung, steuerlich nicht ohne Konsequenzen bleiben. Jedoch bereiten gerade diese Werte neben den Qualifikationsproblemen aufgrund ihrer speziellen Eigenschaften Schwierigkeiten bei der Bewertung.401 In IDW S 5 werden drei Methoden zur Bewertung von immateriellen Vermögenswerten angeführt: marktpreisorientierte, kapitalwertorientierte und kostenorien-

397

Vgl. auch v. Bredow (2011), S. 142. Daher erfolgt auch keine spezielle Ausführung hierzu. Vgl. auch Endres (2003), S. 733. – Zum Hintergrund und Rechtfertigung der Gesamtbewertung des Transferpakets [Kap. B. I. 5. a)] insbesondere und ausführlich Greil (2011c), S. 285–296. 399 Vgl. Marti/Ledergerber (2005), S. 187; Dunning (2000), S. 100 f.; Baumhoff/Bodenmüller (2000), S. 382; Küting/Ulrich (2001a), S. 953 m. w. N.; Siegrist/Stucker (2007), S. 243; Velte (2008b), S. 369. 400 Vgl. Dischinger/Riedel (2008), S. 2. Seit den 80er Jahren hat sich der Wertanteil von immateriellen Vermögenswerten am Gesamtmarktwert von Unternehmen von 40 % auf 85 % erhöht. Vgl. hierzu Siegrist/Stucker (2007), S. 243 f. – Siehe hinsichtlich immaterieller Vermögenswerte vor dem Hintergrund von Verrechnungspreisaspekten umfassend Markham (2005). 401 Vgl. auch Siegrist/Stucker (2007), S. 243. 398

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tierte Bewertung. Diese Unterscheidung basiert auf den Erkenntnissen der Unternehmensbewertung und der internationalen Praxis.402 Im Rahmen der Angemessenheitsprüfung der Übertragung und Überlassung von immateriellen Werten zwischen nahe stehenden Personen ist dem AStG zu entnehmen, dass hierfür vorrangig ein tatsächlicher Fremdvergleich durchzuführen ist. Hierunter zählen die Preisvergleichsmethode, die dem BFH403 folgend zuerst anzuwenden ist, als auch die Kostenaufschlagsmethode.404 Diese beiden Methoden dürften der marktpreisorientierten und der kostenorientierten Methode entsprechen bzw. inhaltlich sehr nahe stehen. Die kapitalwertorientierte Methode stellt hingegen eine Ausprägung des hypothetischen Fremdvergleichs dar, sodass diese nachrangig anzuwenden ist. Beim marktpreisorientierten Ansatz wird der Preis für den immateriellen Vermögenswert aus dem Markt abgeleitet. Hierfür werden Preise herangezogen, die für denselben oder einen ähnlichen Wert in einer vergleichbaren Transaktion entrichtet worden sind.405 Da immaterielle Vermögenswerte nur in seltenen Fällen auf externen Märkten gehandelt werden und daher Marktpreise kaum verfügbar sind, erweist sich die Bestimmung eines Marktpreises für die Übertragung von immateriellen Vermögenswerten als problembehaftet.406 Zudem sollte eine Vergleichbarkeit der immateriellen Werte sowie der zugrundeliegenden Geschäftsbeziehung in nur wenigen Fällen gegeben sein, da sich immaterielle Werte regelmäßig durch ihre Individualität auszeichnen und die für den Vergleich notwendigen einzelnen Gegebenheiten der Geschäftsbeziehung schwer nachvollzogen werden können.407 Obendrein werden immaterielle Vermögenswerte i. d. R. in Bündeln mit anderen Vermögenswerten übertragen, da sie prinzipiell ihre Wirkung in einem Verbund entfalten und eine Isolation der Werte kaum möglich ist.408 Daher werden „Kaufverträge nicht über einzelne immaterielle Wirtschaftsgüter abgeschlossen“409, sodass marktpreisorientierte Verfahren grundsätzlich nicht zur Anwendung kommen. Mithin liegt kein aktiver Markt vor.410

402

Vgl. Reilly/Schweihs (1998), S. 95–117; Boos (2003), S. 10, 75–88. Vgl. BFH v. 6.4.2005 I R 22/04, BStBl. II 2007, S. 658 (660). 404 Die Wiederverkaufspreismethode spielt hingegen in der Praxis keine Rolle. Vgl. auch Wehnert (2007), S. 560. 405 Vgl. Boos (2003), S. 78 f. 406 Vgl. Boos (2003), S. 7, 12; Marti/Ledergerber (2005), S. 190; Wehnert (2007), S. 559; Sieker (2009), Art. 9 Rn. 309. In Bezug auf die Ermittlung der Höhe einer vGA vgl. BFH v. 20.8.1986 I R 151/82, BFH/NV 1987, S. 468 (469). Insbesondere besteht diese Schwierigkeit in der Überlassung von Know-how, da weder der Umfang noch der Wert fassbar sind. Vgl. Portner (1994), S. 93. 407 Siehe hierzu auch Reilly/Schweihs (1998), S. 461. 408 Vgl. Boos (2003), S. 7; Arbkr. „Immaterielle Werte“ (2009), S. 121 f.; Castedello/Klingbeil/Schröder (2006), S. 1034. 409 Jacobs (2007), S. 1090. 410 Vgl. hierzu IDW S 5, Tzn. 19 f. 403

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Indessen wird bei der kostenorientierten Methode versucht zu ermitteln, welche Kosten entstehen würden, um den immateriellen Vermögenswert identisch oder nutzenäquivalent zu reproduzieren.411 Dies impliziert, dass es möglich sein muss, den Entstehungsprozess des immateriellen Vermögenswertes nachzuvollziehen und die betreffenden Kosten zu schätzen. Die Kosten eines immateriellen Wertes stehen aber nicht im Bezug zu seinem Nutzen, wodurch dieser vollständig außer Acht gelassen wird. Ferner würde dieser Ansatz beinhalten, dass je höher die Kosten für den immateriellen Wert gewesen sind, desto wertvoller dieser sein müsse.412 Demnach ist der kostenorientierte Ansatz nicht geeignet, um den Wert eines immateriellen Vermögenswertes adäquat wiederzugeben.413 Dem Angeführten folgend werden für die Bewertung von immateriellen Werten im Zuge der Übertragung vor dem Hintergrund der Ermittlung eines angemessenen steuerlichen Fremdvergleichspreises die Standardmethoden der Verrechnungspreisbestimmung grundsätzlich nicht anwendbar sein.414 Daher werden i. d. R. kapitalwertorientierte Methoden verwendet, die in Entscheidungsbildungsprozessen der Marktteilnehmer in Bezug auf immaterielle Vermögenswerte verwendet werden.415 Bei dieser Methode bestimmt sich der Wert aus dem Barwert der künftig erzielbaren Ergebnisse, sodass eine Orientierung am künftigen finanziellen Nutzen bei der Bewertung erfolgt.416 Diese Vorgehensweise ist ökonomisch sachgerecht, da sich der Wert des immateriellen Vermögenswertes durch die Erwartung des Investors bestimmt, in Zukunft durch diesen Wert höhere Einkünfte zu generieren als ohne diesen Vermögenswert. Zum einen kann der immaterielle Vermögenswert dazu beitragen, ein höheres Einkommen zu erzielen oder die Kosten zu senken, zum anderen kann er in Kombination mit anderen Vermögenswerten einen höheren Wertbeitrag im Unternehmen leisten.417 Weist der zu bewertende immaterielle Wert hingegen keinen künftigen Nutzen auf, ist er i. e. S. als wertlos einzustufen.418 411

Vgl. Boos (2003), S. 75; IDW S 5, Tzn. 48 f. Vgl. Boos (2003), S. 75. 413 Vgl. Wehnert (2007), S. 560; Senger/Brune/Elprana (2009), § 34 Rn. 116. 414 Vgl. Choudhury/Mishra (2007), S. 13–17; Bauer (2000), S. 216; Reilly/Schweihs (1998), S. 173; Scheffler (2009), S. 508; Menninger/Kunowski (2003), S. 1183; Sieker (2009), Art. 9 Rn. 303; Castedello/Beyer (2009), S. 155; Contractor (2000), S. 247. – Auch in den USA rücken derzeit in Anbetracht von Verrechnungspreisaspekten immaterielle Vermögenswerte in den Vordergrund. Vgl. Joint Committee on Taxation (2009), S. 28. „Controversy often arises concerning the value of intangible property transferred between related persons.“ Department of Treasury (2009), S. 32. 415 Vgl. auch Reilly/Schweihs (1998), S. 173. Auch der BFH hält die Ertragswertmethode für die Bewertung von immateriellen Vermögenswerten für sachgerecht. Vgl. BFH v 20.3.1970 III R 61/68, BStBl. II 1970, S. 636 (636); BFH v. 20.2.1970 III R 75/66, BStBl. II 1970, S. 484 (Leitsatz); BFH v. 29.4.1987, X R 2/80, BStBl. II 1987, S. 769 (771). 416 Vgl. Scheffler (2009), S. 508; Menninger/Kunowski (2003), S. 1183; Sieker (2009), Art. 9 Rn. 303; Castedello/Beyer (2009), S. 155; Bauer (2000), S. 220; Contractor (2000), S. 247. 417 Vgl. Boos (2003), S. 31. 418 Vgl. auch Siegrist/Stucker (2007), S. 244. 412

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Hierfür ist es notwendig, die künftigen auf die immateriellen Vermögenswerte entfallenden Ergebnisse zu prognostizieren und zu isolieren, deren Nutzungsdauer zu ermitteln und einen vermögenswertspezifischen Kapitalisierungszinssatz abzuleiten. Für die Bewertung von immateriellen Vermögenswerten gelten daher im Grundsatz dieselben Überlegungen wie bei einer Unternehmensbewertung.419 Demgemäß tragen Ertragswert- bzw. DCF-Methoden prinzipiell zu einer geeigneten Wertbeimessung bei.420 Unterschiede ergeben sich jedoch in der Nutzungsdauer, da bei immateriellen Vermögenswerten nicht zu unterstellen ist, dass sie eine unbegrenzte Nutzungsdauer haben. Zudem werden mit immateriellen Vermögenswerten im Vergleich zu einem Unternehmen grundsätzlich höhere Risiken einhergehen und die Prognose sowie Isolation der Zahlungsströme haben vermögenswertspezifisch zu erfolgen.421 Ist allerdings eine ertragswertorientierte Bewertung aufgrund einer unzureichenden Zuordnung der Erträge zum immateriellen Vermögenswert nicht möglich, können wiederum kostenbasierte Methoden zur Anwendung gelangen.422 Da immaterielle Vermögenswerte jedoch regelmäßig Erträge nur mit anderen Vermögenswerten generieren bzw. ihre Wirkung in einem Verbund entfalten und eine Isolation der Werte kaum möglich ist – bspw. Patent und Maschine – werden sie z. B. für Zwecke der internationalen Rechnungslegung grundsätzlich einer ZGE zugeordnet,423 was dazu führt, dass Bewertungseinheiten gebildet werden. Vor dem Hintergrund der Erfassung und Bewertung von immateriellen Vermögenswerten ist die Transferpaketbewertung zu sehen: Mit einer Funktion können regelmäßig mehrere immaterielle Vermögenswerte übergehen, deren Identifizierung problematisch sowie deren Bewertung generell ertragswertorientiert vorzunehmen ist. Diese Bewertungen sind mit Unsicherheit behaftet und aufgrund der der Ergebnisisolierung innewohnenden Ungenauigkeiten können sich diese Probleme kumulieren und infolgedessen zu einer Mehrfachbesteuerung der Ertragspotenziale führen. Durch die vorzunehmende Gesamtbewertung des Transferpakets soll eine sachgerechte Erfassung vorgenommen werden,424 um zum einen eine 419

Vgl. auch Greinert (2010), S. 104. Vgl. Serg (2006), S. 179; Bodenmüller (2004), S. 287 f.; Eisele (2003), S. 218; Wehnert (2007), S. 560; Beyer/Mackenstedt (2008), S. 342; Hejazi (2006), S. 399–401. Siehe auch IAS 38.41. – Dieselbe Problematik stellt sich bei der Bewertung von Spezialmaschinen. Es fehlt an einem objektivierten Wertansatz, sodass ertragswertorientierte Verfahren verwendet werden sollten. Gl. A. Serg (2006), S. 167. 421 Vgl. Reilly/Schweihs (1998), S. 190 f. 422 Vgl. auch Senger/Brune/Elprana (2009), § 34 Rn. 116. 423 Vgl. Schruff/Haaker (2009), Abschn. 9 Rz. 113; Boos (2003), S. 7; Arbkr. „Immaterielle Werte“ (2009), S. 121 f.; Castedello/Klingbeil/Schröder (2006), S. 1034; Castedello/Beyer (2009), S. 154 f., 162. Siehe auch IAS 38.36. 424 Vgl. auch Haas (2008), S. 518; Naumann (2007a), S. 174. So kommt auch der „Identi­ fizierung und Bewertung von übertragenen immateriellen Wirtschaftsgütern eine geringere Bedeutung zu, wenn ein Teilbetrieb übertragen wird“. Baumhoff/Bodenmüller (2000), S. 385. 420

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Bewertungsvereinfachung herbeizuführen – Bewertung einer Bewertungs­einheit anstatt vieler einzelner und verschiedener Wirtschaftsgüter –, zum anderen eine Minderung der Unsicherheiten und Ungenauigkeiten vorzunehmen.425 bb) Erfassung der Übertragung eines Geschäfts- und Firmenwerts (1) Der Geschäfts- und Firmenwert Neben der Erfassung von einzelnen immateriellen Vermögenswerten soll mit der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen dazu beigetragen werden, den Übergang eines etwaigen Geschäfts- und Firmenwertes steuerlich auch unterhalb der steuerlichen Teilbetriebsebene zu erfassen. Der Geschäfts- und Firmenwert ist nicht einheitlich definiert.426 Einerseits repräsentiert der Geschäftswert den Mehrwert für nicht identifizierbare geschäftswertbildende Faktoren,427 andererseits ist er „nichts anderes als eine Gesamtbewertungs-Einzelbewertungs-Differenz“428. Denn regelmäßig liegt „der Wert des lebendigen Unternehmens“429 über dem Zeitwert des bilanzierten Vermögens, da der Wert eines Unternehmens von den künftigen Erträgen abhängig ist.430 Die Höhe des Geschäftswerts ergibt sich aus dem „Mehrwert, der einem gewerblichen Unternehmen über den Wert der einzelnen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens hinaus innewohnt“431. Er umfasst 425 Vgl. Schreiber (2008a), S. 434. In Bezug auf Transferpakete (nicht i. S. d. AStG), die eine Zusammenfassung von immateriellen Wirtschaftsgütern repräsentieren vgl. Boden­müller (2004), S. 208–212. In Bezug auf den Übergang eines Teilbetriebs vgl. Baumhoff/Bodenmüller (2000), S. 385. Auch die transaktionsorientierte Sichtweise der Verrechnungspreisbestimmung kollidiert nicht mit der Gesamtbewertung, wenn die Funktionsverlagerung als eine Transaktion aufgefasst wird. In Bezug auf die transaktionsorientierte Sichtweise vgl. VWG 1983, Tz. 2.1.1. Zudem ist es fraglich, ob aufgrund der wachsenden Entmaterialisierung eine transaktionskostenorientierte Betrachtungsweise noch zweckadäquat ist. Vgl. Herzig (1998), S. 285. 426 Vgl. Velte (2008a), S. 191. Einen Unterschied zwischen den Begriffen Geschäfts- oder Firmenwert gibt es nicht. Ein Synonym hierfür ist auch der Goodwill. Vgl. Söffing (1988), S. 593. 427 Vgl. Kosiol (1944), S. 79: „Der immaterielle Geschäftswert ist eine zusammenfassende Sammelbezeichnung für die sog. komplementären Wirtschaftsgüter […], die nur in Ver­ bindung mit der Unternehmung als Wirtschaftseinheit und in Beziehung zu ihr als Werte auftreten, unabhängig von der Unternehmung kein selbständiges Dasein führen.“ 428 Moxter (1979), S. 746. 429 RG v. 11.9.1941 II 76/41, RGZ 167, S. 260 (263). 430 Vgl. Knobbe-Keuk (1993), S. 95. 431 BFH v. 26.6.2007 IV R 71/04, BFH/NV 2008, S. 347 (348). Vgl. auch BFH v. 27.3.2001 I R 42/00, BStBl. II 2001, S. 771 (772); BFH v. 27.3.1996 I R 60/95, BStBl. II 1996, S. 576 (577); BFH v. 19.2.1981 IV R 41/78, BStBl. II 1981, S. 730 (731); Buciek (2011), § 5 EStG Rz. 613.

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somit „die Gewinnchancen eines Unternehmens, soweit sie nicht in den einzelnen Wirtschaftsgütern verkörpert sind“432. Mithin gibt er die Summe von nicht einzeln bewertbaren bzw. messbaren Vorteilen wieder,433 die im Substanzwert unberücksichtigt bleiben.434 Zwar ist es möglich, dass im Rahmen der Bemessung des Entgelts tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse besonders gewürdigt werden, dass diese aber vor dem Hintergrund der allgemeinen „Verkehrsanschauung und der besonderen Umstände des Einzelfalles nicht als immaterielle Einzelwirtschaftsgüter“ anzusehen, „sondern lediglich als unselbständige geschäftswertbildende Faktoren zu beurteilen sind.“435 Als solche geschäftswertbildenden Faktoren sind u. a. Wettbewerbs- und Standortbedingungen, Arbeitsverträge, ein eingespieltes Team von Fachleuten, Qualität und Befähigung der Mitarbeiter, Verhältnis der Arbeitnehmerschaft zum Betrieb, der Ruf sowie die Betriebs- und Verkaufsorganisation eines Unternehmens, Kunden- und Lieferantenbeziehungen oder die Innovationskraft anzu­ sehen.436 Der Geschäftswert gilt daher als „Inbegriff von solchen Gütern, die nicht [als] ‚einzelansatzfähig‘ gelten“437. Er umfasst die Vermögenswerte, „für die sich aus dem Kaufpreis für das ganze Unternehmen kein greifbarer Einzelwert ermitteln lässt; erst aus der Kombination im derivativen Geschäfts- oder Firmenwert erwächst diesen verschiedenen Vermögenswerten die Eigenschaft, Bestandteil eines Vermögensgegenstandes zu sein.“438 Sie erlangen „Greifbar 432

BFH v. 28.3.1966 VI 320/64, BStBl. III 1966, S. 456 (457). Vgl. auch BFH v. 1.4.1982 IV R 2–3/79, BStBl. II 1982, S. 620 (621); BFH v. 26.11.2009 III R 40/07, DStR 2010, S. 371 (Leitsatz). 433 Vgl. Söffing (1988), S. 598 f.; BFH v. 28.10.1976 IV R 76/72, BStBl. II 1977, S. 73 (74). Moxter (1978), S. 824. 434 Vgl. Moxter (1995), S. 379. 435 BFH v. 7.11.1985 IV R 7/83, BStBl. II 1986, S. 176 (177 f.). 436 Vgl. Leissle (1953), Sp. 642; BFH v. 27.3.2001 I R 42/00, BStBl. II 2001, S. 771 (772); BFH v. 7.11.1985 IV R 7/83, BStBl. II 1986, S. 176 (177 f.). – Weiterhin sind bspw. Werbungskraft, Kreditwürdigkeit, Fertigungsverfahren sowie -geheimnisse, besondere Fabrikationsverfahren als nicht einzeln messbare Faktoren zu nennen. Vgl. Heinlein (1983), S. 109. – Geschäftswertbildende Faktoren sind nicht als immaterielle Wirtschaftsgüter aufzufassen. Siehe R 5.5 Abs. 1 Satz 4 EStR 2008. So stellt auch eine noch nicht konkretisierte Geschäftsidee kein selbstständiges, überlassungsfähiges immaterielles Wirtschaftsgut dar. Sie ist vielmehr die Grundlage eines jeden Unternehmens und beinhaltet kein Spezialwissen, was als Knowhow verwertbar und bewertbar wäre. Die Weiterentwicklung der Geschäftsidee erhöht den Geschäftswert der Unternehmung. Vgl. FG Saarland v. 26.6.2008 1 K 1208/03, EFG 2008, S. 1742 (1744 f.). Ebenfalls eine bloße Gewinnchance aus der Nutzung vorhandener Lieferund Geschäftsbeziehungen, also die Möglichkeit des Abschlusses konkreter Verträge. Vgl. BFH v. 7.11.1985 IV R 7/83, BStBl. II 1986, S. 176 (177 f.). – Geschäftswertbildende Faktoren stellen somit wirtschaftliche Werte dar, für die eine selbstständige Bewertung nicht möglich ist und die in ihrer Eigenart dem Geschäftswert ähnlich sind. Vgl. Kozikowski/Huber (2010), § 247 Rn. 411; BFH v. 7.11.1985 IV R 7/83, BStBl. II 1986, S. 176 (177); BFH v. 20.3.2003 IV R 27/01, BStBl. II 2003, S. 878 (879). 437 Moxter (1978), S. 824. 438 Moxter (1987), S. 1848.

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keit und damit Wirtschaftsguteigenschaft“439 in dem einheitlichen Wirtschaftsgut Geschäftswert.440 Für die Bewertung des Geschäftswerts ist eine Unternehmensbewertung anzustellen, um den Ertragswert des Unternehmens zu bestimmen.441 Deswegen kann die betragsmäßige Höhe eines Geschäftswerts nur im Rahmen von Methoden der Gesamtbewertung bzw. betriebswirtschaftlich anzuwendenden Bewertungsverfahren ermittelt werden, bei denen auf Gewinnerwartungen abzustellen ist.442 Der Ertragswert als Ausgangspunkt für die Ermittlung des Geschäftswerts ist auch in der Rechtsprechung anerkannt.443 (2) Übergang des Geschäfts- und Firmenwerts Der Übergang eines Geschäftswerts war nur anzunehmen, wenn ein „lebendes Unternehmen im ganzen erworben wird und fortgeführt werden soll“444. Als lebendiges Wesen ist die Gesamtheit von Wirtschaftsgütern und Rechtsbeziehungen zu verstehen, die auch nach dem Unternehmenswechsel mit einem im Wesentlichen gleichen Bestand weitergeführt werden können.445 Das heißt auch, dass „der Erwerber das Unternehmen ohne nennenswerte finanzielle Aufwendungen fortführen oder, sofern der Betrieb des Unternehmens vor dem Erwerb bereits eingestellt war, ohne großen Aufwand wieder in Gang setzen“446 kann. Auch kann ein lebendes Unternehmen durch einen Teilbetrieb im steuerlichen Sinne repräsentiert werden.447 Daher können unstreitig Betriebe sowie Teilbetriebe einen Geschäftswert haben.448 Ferner kann eine Gesamtheit von Wirtschaftsgütern über einen Geschäftswert verfügen, wenn eine geschlossene organisatorische Einheit gegeben ist, die einen über den Substanzwert der Wirtschaftsgüter hinausgehenden Wert innehat.449 Ein 439

Moxter (1995), S. 380. Vgl. BFH v. 28.10.1976 IV R 76/72, BStBl. II 1977, S. 73 (74); BFH v. 27.3.1996 I R 60/95, BStBl. II 1996, S. 576 (577); Buciek (2011), § 5 EStG Rz. 616. 441 Vgl. Fasselt/Brinkmann (2009), B 211 a, Rz. 4. 442 Vgl. Moxter (1978), S. 823; ders. (1979), S. 741, 743; Leissle (1953), Sp. 648. 443 Vgl. BFH v. 11.10.1960 I 229/59 U, BStBl. III 1960, S. 509 (510); BFH v. 8.12.1976 I R 215/73, BStBl. II 1977, S. 409 (Leitsatz); BFH v. 28.10.1976 IV R 76/72, BStBl. II 1977, S. 73 (Leitsatz). Vgl. insbesondere Leissle (1953), Sp. 641–652. 444 BFH v. 28.3.1966 VI 320/64, BStBl. III 1966, S. 456 (457). Vgl. auch BFH v. 17.3.1977 IV R 218/72, BStBl. II 1977, S. 595 (596). 445 Vgl. Kozikowski/Huber (2010), § 247 Rn. 421. 446 BFH v. 23.10.1985 VII R 142/81, BFH/NV 1986, S. 381 (382). Vgl. auch BFH v. 4.2.1974 IV R 172/70, BStBl. II 1974, S. 434 (435). 447 Vgl. Söffing (1988), S. 603; BFH v. 7.10.1970 I R 1/68, BStBl. II 1971, S. 69 (71). 448 Vgl. BFH v. 20.8.1986 I R 150/82, BStBl. II 1987, S. 455 (457); BFH v. 24.4.1980 IV R 61/77, BStBl. II 1980, S. 690 (691); BFH v. 24.11.1982 I R 123/78, BStBl. II 1983, S. 113 (114). 449 Vgl. Baumhoff/Bodenmüller (2000), S. 384. 440

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Geschäftswert kann demgemäß in Fällen übergehen, sofern geschäftswertbildende Faktoren auf einen lebensfähigen Betriebsteil übertragen werden,450 selbst wenn nicht alle wesentlichen Betriebsgrundlagen – und damit kein Teilbetrieb – transferiert werden.451 Also kann er aufgespalten und anteilig ohne einen Teilbetrieb übertragen werden.452 Hieraus folgt auch, dass es nicht auszuschließen ist, dass die Summe der Geschäftswerte nicht mehr der Höhe des ursprünglichen Geschäftswerts entspricht.453 Jedoch ist es unmöglich, den Geschäftswert selbstständig zu veräußern,454 da er an einen fortbestehenden Betrieb, mit dem er eine organisatorische Einheit bildet, gebunden ist.455 Übernimmt also ein Unternehmen den Betrieb eines anderen ganz oder teilweise und gehen in diesem Zusammenhang geschäftswertbildende Faktoren von dem übertragenden auf das übernehmende Unternehmen über und sind von diesem nutzbar, kann auch der Geschäftswert folgen.456 Das maßgebende Kriterium für den Übergang des Geschäftswerts ist, dass dem nutzenden Unternehmen sowohl die materiellen als auch die immateriellen Wirtschaftsgüter und die geschäftswertbildenden Faktoren überlassen werden, diese Nutzung auf Dauer angelegt ist und kein Rechtsanspruch auf Rückgabe dieser Vermögenswerte besteht.457 Weiterhin kann der Übergang des Geschäftswerts nur angenommen werden, wenn das aufnehmende Unternehmen seiner „Organisation und Struktur nach eigenständig am Wirtschaftsleben teilnehmen kann“458. Ein Übergang ist hingegen ausgeschlossen, wenn der Geschäftswert allein auf den Eigenschaften der zurückbehaltenen Wirtschaftsgüter beruht.459

450 Vgl. BFH v. 27.3.2001 I R 42/00, BStBl. II 2001, S. 771 (772); BFH v. 27.3.1996 I R 60/95, BStBl. II 1996, S. 576 (577); BFH v. 26.11.2009 III R 40/07, DStR 2010, S. 371 (372). Die Zuordnung der geschäftswertbildenden Faktoren ist maßgeblich von den Umständen des Einzelfalles abhängig. Es ist festzustellen, inwiefern die Gewinnaussichten des bestehenden Unternehmens auf ein anderes übergegangen sind. Vgl. BFH v. 16.6.2004 X R 34/03, BStBl. II 2005, S. 378 (382). 451 In diesem Falle war das gesamte Unternehmen übertragen worden, nur die Betriebsgrundstücke sind zurückbehalten worden. Vgl. BFH v. 15.9.2004 I R 7/02, BStBl. II 2005, S. 867 (871). Vgl. auch BFH v. 5.6.2008 IV R 79/05, BStBl. II 2009, S. 15 (19). – In einem Urteil des FG Düsseldorf wird zudem explizit anerkannt, dass eine organisatorische Einheit über einen eigenen „Kundenkreis“ und auch einen „goodwill in erheblicher Höhe“ verfügen kann, ohne dass die Teilbetriebseigenschaften erfüllt werden. FG Düsseldorf v. 8.12.2006 18 K 1071/03 G, EFG 2007, S. 868 (869). 452 Vgl. auch Serg (2006), S. 206; Moxter (1995), S. 379; BFH v. 25.11.1976 IV R 90/72, BStBl. II 1977, S. 467 (472). 453 Vgl. BFH v. 27.3.1996 I R 60/95, BStBl. II 1996, S. 576 (577). 454 Vgl. Mellerowicz (1952), S. 112; BFH v. 27.3.2001 I R 42/00, BStBl. II 2001, S. 771 (772). 455 Vgl. Buciek (2011), § 5 EStG Rz. 620. 456 Vgl. BFH v. 27.3.2001 I R 42/00, BStBl. II 2001, S. 771 (772). 457 Vgl. BFH v. 2.9.2008 X R 32/05, BStBl. II 2009, S. 634 (639); BFH v. 16.6.2004 X R 34/03, BStBl. II 2005, S. 378 (382). 458 BFH v. 2.9.2008 X R 32/05, BStBl. II 2009, S. 634 (638). 459 Vgl. BFH v. 27.3.2001 I R 42/00, BStBl. II 2001, S. 771 (773).

I. Steuerliche Erfassung einer Funktionsverlagerung im Sinne des § 1 AStG 

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Den Ausführungen ist zu entnehmen, dass zusammen mit einer Funktion geschäftswertbildende Faktoren übertragen werden können,460 denn mit einer Funktion können auch Arbeitsverträge, ein eingespieltes Team von Fachleuten, der Ruf sowie die Organisation der Funktion, Kundenbeziehungen, Befähigung der Mitarbeiter oder Innovationskraft verbunden sein. Zudem muss der Geschäftswert bei Aufteilung eines Unternehmens nicht notwendigerweise untergehen, wenn das diese Faktoren aufnehmende Unternehmen seiner Organisation und Struktur nach eigenständig am Wirtschaftsleben teilnehmen kann.461 Das aufnehmende Unternehmen integriert die Funktion in den Betriebsablauf, sodass die Geschäftstätigkeit der Funktion weitergeführt werden kann und zur Wertschöpfung des aufnehmenden Unternehmens beiträgt:462 Es erfolgt eine Teilhabe am Wirtschaftsleben.463 Die Funktion leistet als zweckgerichtete Kombination von materiellen wie auch immateriellen Werten und deren Zusammenwirken einen Beitrag zu den finanziellen Überschüssen des gesamten Unternehmens. Es äußert sich darin der Verbundenheitswert der Funktion. Die Zuordnung eines (anteiligen) Geschäftswerts zu einer Funktion ist einzelfallabhängig, da entscheidend ist, ob und inwieweit ein fremder Dritter ein Entgelt für einen Funktionswert entrichten würde,464 ob ein Übergang von geschäftswertbildenden Faktoren bzw. unternehmerischen Geschäftschancen erfolgt und ob es sinnvoll möglich ist, eine Zuordnung zur Funktion vorzunehmen.465 Durch die vorzunehmende Gesamtbewertung des Transferpakets – sowohl seitens des Käufers als auch des Verkäufers – wird im Gegensatz zu einer Einzelbewertung der zu übertragenden Wirtschaftsgüter gewährleistet, dass auch ein etwaiger der Funk-

460

Vgl. auch Wöhrle/Schelle/Gross (2009), § 1 Rz. 227; Eisele (2003), S. 212; a. A. Bodenmüller (2004), S. 244 f. 461 Vgl. auch BFH v. 24.4.1980 IV R 61/77, BStBl. II 1980, S. 690 (691); BFH v. 27.3.1996 I R 60/95, BStBl. II 1996, S. 576 (577); BFH v. 27.3.2001 I R 42/00, BStBl. II 2001, S. 771 (772); BFH v. 16.6.2004 X R 34/03, BStBl. II 2005, S. 378 (382); BFH v. 15.9.2004 I R 7/02, BStBl. II 2005, S. 867 (871). 462 So ist bspw. der Marktwert einer übertragenen Eigenproduktion als Ganzes unter dem Gesichtspunkt des going concern zu erfassen. Daher basiert die Preisfindung auf dem zukünftig erwarteten Ertragswert der Produktion. Vgl. Kuckhoff/Schreiber (1999), S. 326; Rödder (1998), S. 124; Borstell (2002), S. 232. Hingegen wurde seitens des BFH zuvor die Auffassung vertreten, dass mit der Verlegung einer Tätigkeit, bspw. einer Verlagstätigkeit, weder eine Aufgabe des gesamten Betriebs noch eines Teilbetriebs zu sehen ist, sodass sich eine Entscheidung der Rechtsfrage erübrigt, ob in der Verlagerung ein Geschäftswert realisiert wird, da der Geschäftswert an den Teilbetrieb gebunden ist. Vgl. BFH v. 24.11.1982 I R 123/78, BStBl. II 1983, S. 113 (114). 463 Gl. A. Kahle (2007), S. 651 464 Vgl. BFH v. 27.3.2001 I R 42/00, BStBl. II 2001, S. 771 (772 f.); BFH v. 15.9.2004 I R 7/02, BStBl. II 2005, S. 867 (871). 465 Bzgl. des going concern-Prinzips vgl. Piehler/Schulte (2004), § 75 Rn. 26. Gl. A. Serg (2006), S. 204. Das BMF scheint der gl. A. zu sein, da angeführt wird, dass beim quantitativen Maßstab zur Beurteilung, ob wesentliche immaterielle Vermögenswerte vorliegen, auch ein selbst geschaffener Geschäftswert zu berücksichtigen ist. Vgl. VerwGr-FVerl, Tz. 2.1.5.1.

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B. Die Funktionsverlagerung im Steuerrecht

tion zugehöriger Geschäftswert erfasst werden kann, wodurch die Verrechnungspreise für Funktionsverlagerungen steigen können. cc) Erfassung der Übertragung von Geschäftschancen Im Rahmen einer Funktionsverlagerung wurde vor Inkrafttreten des § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG die Verlagerung von Geschäftschancen und deren Entgeltpflicht diskutiert (Geschäftschancenlehre).466 Dabei kommt die Verlagerung einer Geschäftschance insbesondere in Betracht, wenn eine bislang von einem Unternehmen ausgeübte Funktion, mit der im Inland Gewinne erzielt worden sind, ins Ausland verlagert wird. Sie wird allgemein als Chance verstanden, aus einem zukünftigen Geschäft einen Gewinn bzw. Vermögensvorteil zu erzielen, der keiner konkreten Bewertung zugänglich ist und deshalb noch nicht zu einem Wirtschaftsgut erstarkt ist.467 Indessen ist gerade die Bewertbarkeit ein unverzichtbares Kriterium. Kein rational handelnder Akteur würde eine bestimmte Geschäftschance vergüten, wenn er diese nicht bewerten kann.468 Das heißt, dass eine Geschäftschance „eine bewertbare, rechtliche oder tatsächliche Möglichkeit [ist], aus einem Geschäft einen Gewinn bzw. Vorteil zu erzielen, der nicht bereits in anderen Wirtschaftsgütern […] verkörpert ist.“469 Es mangelt jedoch an einer allgemein gültigen Definition.470 Der BFH hat das Vorliegen einer Geschäftschance bejaht, wenn diese durch Vertragsverhandlungen bzw. Vertragsangebote und durch Kosten konkretisiert ist.471 Ein Ausgleichsanspruch oder eine Gewinnkorrektur kann aber nur ausgelöst werden, wenn die Geschäftschance der übertragenden Gesellschaft zuzurechnen ist. Dabei ist das wirtschaftliche Eigentum maßgebend: Die abgebende Gesellschaft muss die Dispositionsbefugnis über die Geschäftschance innehaben.472 Sie ist zudem nur übertragbar, wenn der Übertragende sie hätte selbst wahrnehmen können.473 Ausschlaggebend ist, dass das abgebende Unternehmen bereits entsprechende Aktivitäten unternommen und Kosten getragen hat, um die Geschäftschance auch unter Einschaltung Dritter realisieren zu können.474 Folgerichtig bil 466

Stellvertretend Serg (2005), S. 1916; Bodenmüller (2004), S. 289–323; Schnorberger (2011), S. 356. 467 Vgl. Bernhardt/van der Ham/Kluge (2008), S. 4; Borstell (2002), S. 206 m. V. a. eine Definition nach Rödder (1998), S. 124, und Wassermeyer (1993), S. 332. 468 Vgl. Borstell (2002), S. 207; Zech (2009), S. 313. 469 Schreiber (2009), Anm. 76. 470 Vgl. Serg (2005), S. 1916; Baumhoff (2003a), S. 85. 471 Vgl. BFH v. 13.11.1996 I R 149/94, BFHE 181, S. 494 (Leitsatz); Zech (2009), S. 313. 472 Vgl. Borstell/Jamin (2008), S. 780. 473 Vgl. Rödder (1998), S. 128. 474 Vgl. Jacobs (2011), S. 1097. Beispielsweise kann die Gesellschaft konkrete Maßnahmen zur Durchführung eines etwaigen Geschäfts eingeleitet haben oder hat besondere Aufwendungen getätigt. Darüber hinaus kann hierunter die Inanspruchnahme der aufnehmenden

I. Steuerliche Erfassung einer Funktionsverlagerung im Sinne des § 1 AStG 

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den die zuvor getätigten Anstrengungen das Fundament für die Geschäftschance, z. B. Forschungsergebnisse oder ein Kundenstamm.475 Allerdings kann keine Geschäftschance übergehen, wenn das aufnehmende Unternehmen nicht am Markt tätig wird,476 da sie sich dann nicht realisieren lässt. Die Geschäftschance erfährt eine Unterteilung in singuläre sowie unternehmerische Geschäftschancen:477 In Abgrenzung zu einer unternehmerischen Geschäftschance ist eine singuläre Geschäftschance gegeben, wenn eine insoweit konkretisierte, identifizierbare, werthaltige und einzeln greifbare Chance gegeben ist.478 Unter konkret ist weder die vage Chance an einem Markt zu verstehen noch muss es sich um eine rechtlich abgesicherte Rechtsposition handeln. Es wird eine konkrete Möglichkeit in der Zukunft einen vermögenswerten Vorteil zu erlangen benötigt, der zum Bewertungszeitpunkt bewertbar ist.479 Es ist darauf abzustellen, dass sie einen eigenen wirtschaftlichen Wert verkörpert, einen greifbaren längerfristigen Nutzen darstellt und selbstständig bewertbar ist.480 Aufgrund dessen ist eine singuläre Geschäftschance als immaterielles Wirtschaftsgut zu qualifizieren,481 was speziell bei deren Übergang eine (steuerliche) Entgeltpflicht begründet.482 Anderweitig wird eine (unternehmerische) Geschäftschance im Geschäftswert aufgehen und in Verbindung mit diesem eine Entgeltpflicht begründen, da noch keine konkrete vermögenswerte Position gegeben ist.483 Die Möglichkeit, aus der Ausübung einer betrieblichen Funktion dauerhaft Gewinne zu erzielen, bspw. bei der Verlagerung einer Produktionsfunktion vom Inland ins Ausland,484 kann daGesellschaft von Personal, Geschäftsausstattung oder speziellem Know-how der abgebenden Gesellschaft zu verstehen sein. Vgl. Thiel (1993), S. 1804. 475 Der BFH hat in der Übertragung eines Exportmarktes im Konzern schon eine hinreichende Konkretisierung angenommen und den Kundenstamm als Vorliegen eines geschäftswertähnlichen immateriellen Wirtschaftsguts festgestellt. Vgl. BFH v. 20.8.1986 I R 151/82, BFH/NV 1987, S. 468 (469); BFH v. 20.8.1986 I R 152/82, BFH/NV 1987, S. 471 (Leitsatz). Vgl. ferner Hoenig/Stingl (2007), S. 23, 27 f.; Fleischer (2007), S. 914; Bernhardt/van der Ham/Kluge (2008), S. 5. 476 Vgl. Ditz (2006a), Tz. 4.56. 477 Vgl. Baumhoff/Bodenmüller (2000), S. 392 f.; Bodenmüller (2004), S. 292. 478 Vgl. auch Ditz (2006b), S. 1626; BFH v. 26.10.2004 IX R 53/02, BStBl. II 2005, S. 167 (168). 479 Vgl. Bakker/Cottani (2008), S. 278; BFH v. 12.6.1997 I R 14/96, BFHE 183, S. 459. 480 Vgl. Serg (2006), S. 197; ders. (2005), S. 1916 f.; Ditz (2006a), Tz. 4.55. 481 Vgl. Wassermeyer (1993), S. 332; Borstell (2002), S. 208; Serg (2005), S. 1916 f.; Wehnert (2007), S. 559; Borstell/Jamin (2008), S. 779; Lange/Rohler (2007), S. 342; v. Bredow (2011), S. 40; BFH v. 14.10.1992 I R 69/88, BFH/NV, S. 269 (271). A. A. Eisele (2003), S. 224. – Der BFH hat die Entscheidung offen gelassen, was darauf hindeuten kann, dass Geschäftschancen sowohl immaterielle Wirtschaftsgüter darstellen als auch Teil des Geschäftswerts sein können. BFH v. 7.11.1985 IV R 7/83, BStBl II 1986, S. 176 (177). 482 Vgl. Borstell (2002), S. 208; Brügger/Brülisauer (2005), S. 310; Greinert/Thiele (2011), S. 1198. 483 Vgl. Weber-Grellet (1998b), S. 365; v. Bredow (2011), S. 40 f. 484 Jede Funktion eines Unternehmens kann mit einer Geschäftschance verbunden sein. Vgl. Jacobs (2011), S. 1095.

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her eine unternehmerische Geschäftschance begründen; ebenfalls die Übertragung eines Absatzmarktes.485 Diese beziehen sich nicht auf die Übertragung eines lukrativen (Einzel-)Geschäfts, sondern auf einen Vermögensvorteil und nicht unmittelbar auf ein immaterielles Wirtschaftsgut.486 Ist die Geschäftschance daher werthaltig, greifbar und selbstständig bewertbar, erfüllt sie die Voraussetzungen, als Wirtschaftsgut qualifiziert zu werden. Erfüllt sie die Voraussetzungen nicht, wird sie als unternehmerische Geschäftschance im Geschäftswert aufgehen.487 Demnach kann eine Geschäftschance definiert werden als „das Ergebnis jeder externen oder internen Tätigkeit des Unternehmens, das der Markt als Wert ansieht und für das er daher bereit ist, etwas zu bezahlen, unabhängig davon, ob ein bilanzfähiges Wirtschaftsgut vorliegt, […] und ob die Geschäftschance einzeln veräußert werden kann oder nicht.“ Alleine eine Marktbetrachtung ist entscheidend: Die Frage ist, ob ein Marktteilnehmer bereit ist, „entweder im Rahmen des Erwerbs des ganzen Unternehmens, eines Teiles davon oder bloß der Geschäftschance einen geldwerten Vorteil zu leisten.“488 Da die Bewertung von Wirtschaftsgütern auf dem Grundsatz der Einzelbewertung beruht (§ 252 Abs. 1 Nummer 3 HGB und § 6 Abs. 1 Satz 1 EStG) und ist die Verlagerung einer Funktion als Verlagerung von einzelnen Wirtschaftsgütern anzusehen, werden unternehmerische Geschäftschancen nicht erfasst, obwohl diese zweifelsfrei auch mit einer Funktion im Zusammenhang stehen können. Auch das Abstellen auf sonstige Vorteile vermag dieses Problem nicht lösen, da unternehmerische Geschäftschancen nicht einzeln bewertbar sind. Sie verflüchtigen sich so ins Allgemeine, dass sie im Geschäftswert aufgehen und diesen erhöhen. Erst wenn die Funktion als (Teil-)Betrieb zu qualifizieren ist, ist die steuerliche Behandlung der Übertragung von unternehmerischen Geschäftschancen und eines etwaigen Geschäftswerts unstrittig.489 Festzuhalten ist, dass sowohl singuläre als auch unternehmerische Geschäftschancen infolge einer ertragswertorientierten Gesamtbewertung der Funktion erfasst werden können. Auf diese Weise würde sich die Geschäftschancenlehre im Bereich der Verrechnungspreise erübrigen,490 was durch die Etablierung des § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG erfolgt ist.491

485

Vgl. Bernhardt/van der Ham/Kluge (2008), S. 5. Vgl. Ditz (2006a), Tz. 4.54; Borstell (2002), S. 208; Baumhoff (2003a), S. 84. 487 Vgl. Baumhoff/Bodenmüller (2000), S. 384 f. 488 Hoenig/Stingl (2007), S. 27. 489 Vgl. Serg (2005), S. 1918; Bodenmüller (2004), S. 246. 490 Vgl. Jahndorf (2008), S. 104; Baumhoff/Bodenmüller (2000), S. 393. 491 Vgl. Zech (2009), S. 315; v. Bredow (2011), S. 47.

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dd) Gesamtbewertung erst bei Vorliegen eines Teilbetriebs? Wird ein (Teil-)Betrieb übertragen, dann ist diese Transaktion zum Fremdvergleichspreis zu vergüten. Unstreitig hat hierbei die Bewertung des (Teil-)Betriebs als Ganzes auf der Grundlage eines going concern zu erfolgen.492 Sowohl der gemeine Wert als auch der Teilwert der einzelnen Wirtschaftsgüter, die den (Teil-) Betrieb ausmachen, können nicht zur Bestimmung einer angemessenen Vergütung verwendet werden, da ein etwaiger dem (Teil-)Betrieb zugehöriger Geschäftswert, der sich aus dem Ertragspotenzial des Teilbetriebs ergeben kann, nicht berücksichtigt werden würde.493 Dementsprechend erfolgt eine Ausnahme vom Grundsatz der Einzelbewertung, wodurch den Teilbetriebskriterien eine sehr hohe Bedeutung zukommt.494 Mit der gesetzlich vorgegebenen Orientierung an Unternehmensbewertungsgrundsätzen bei der Bewertung des Transferpakets erfolgt eine Anknüpfung an die Bewertung von (Teil-)Betrieben.495 Würde eine ertragswertorientierte Bewertung der Funktion kategorisch ausgeschlossen, wäre eine Funktion als organisatorische Einheit nicht mehr als die Summe der einzelnen Wirtschaftsgüter, die sie re­präsentieren.496 Daher wäre die Funktionsverlagerung nicht mehr und nicht weniger als die Verlagerung von einzelnen Wirtschaftsgütern, obwohl sich durch das Zusammenwirken der Funktionsbestandteile wertsteigernde Effekte für das Ganze ergeben können.497 Die Gesamtbewertung einer Funktion ist jedoch nicht als fremdüblich erachtet worden und wird als Abkehr vom Einzelbewertungsgrundsatz beurteilt:498 So ist der Literatur zu entnehmen, dass die Verlagerung einer Funktion nicht „auch zur Realisierung eines Firmenwertes zwingt“, „sofern nicht die Summe der übertragenen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter als Teilbetrieb qualifiziert“499 werde. Bislang wurde, auch in Fällen der Übertragung von Sachgesamtheiten, der angemessene Fremdvergleichspreis als Summe der Preise für jedes einzeln be 492

Vgl. Borstell/Jamin (2008), § 8 Rn. 419; Serg (2006), S. 159; Bodenmüller (2004), S. 247; Peter et al. (2011), S. 183; Ditz (2011), S. 130. 493 Vgl. Kuckhoff/Schreiber (1999), S. 321; Serg (2006), S. 159; Bodenmüller (2004), S. 249–251; Baumhoff/Bodenmüller (2000), S. 383. 494 Vgl. Bodenmüller (2004), S. 246; Greinert/Thiele (2011), S. 1197. 495 Vgl. Kroppen/Rasch (2008), S. 550; Welling/Tiemann (2008), S. 68. 496 Es ist nicht die Menge der „vereinigten Einzelwerte“, die den Gesamtwert bestimmen, „sondern daß im Gesamtwert besondere Wirkungen sich geltend machen.“ „Der Fehler [bei der bloßen Zusammenrechnung von Einzelwerten] kann zahlenmäßig ungemein sein.“­ Schmalenbach (1918), S. 6 f. 497 Vgl. auch Matschke/Brösel (2007), S. 4. 498 Vgl. Meyer-Scharenberg (2008), S. 237; Graf (2008), S. 97. 499 Sieker (2009), Art. 9 Rn. 342 u. a. mit Hinweis auf Rödder (1998), S. 124. Siehe hierzu auch Peter et al. (2011), S. 183; Ditz (2011), S. 130. Es könnten nur einzelne Wertfaktoren, die den Geschäftswert ausmachen, überführt werden. Vgl. Eisele (2003), S. 213; Jenzen (2007), S. 3119; Greinert/Thiele (2011), S. 1197–1202.

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wertbare Wirtschaftsgut bestimmt.500 Die Vermeidung der Erfüllung der Teilbetriebskriterien sollte das steuerplanerische Ziel sein, um eine Realisation des Geschäftswerts zu vermeiden,501 denn dieser ist erst aufzudecken, wenn ein (Teil-) Betrieb überführt wird und sich die Bewertung explizit nach Unternehmensbewertungsgrundsätzen richtet.502 Daher hatte die Bewertung einer Funktionsverlagerung vor dem Jahr 2008 prinzipiell wirtschaftsgutbezogen zu erfolgen, weshalb grundsätzlich ein etwaig übergehender Geschäfts- und Firmenwert nicht Gegenstand der Besteuerung war.503 Die Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen führt daher im Gegensatz zur Rechtslage vor dem Jahr 2008 zu einer Ausweitung der Besteuerung: Es wird steuerlich mehr (funktionsanteiliger Geschäftswert) erfasst als der Übergang von einzelnen Wirtschaftsgütern.504 Der Fremdvergleichsgrundsatz verlangt aber nicht grundsätzlich eine Einzelbewertung.505 Es wird nicht versucht, den Bewertenden vor einer Überbewertung zu schützen, stattdessen ist die ökonomische Realität zwischen verbundenen Individuen/Unternehmen darzulegen. Bei der Bewertung des Transferpakets steht die Wahrung zweiseitiger Interessen im Vordergrund. Der Grundsatz der Vorsicht wirkt sich hingegen auf eine der beteiligten Parteien aus.506 Es liegt kein sachlicher Grund vor, warum ein Geschäftswert allein mit Betrieben bzw. Teilbetrieben und nicht mit einer Funktion übergehen können sollte,507 da der Geschäftswert den Bereichen zuzurechnen ist, denen er wirtschaftlich zuzuordnen ist und zugutekommt.508 Solch eine Zuordnung ist u. a. für das Konzerncontrolling, die Segmentberichterstattung und die periodische Überprüfung der Werthaltigkeit des Geschäftswerts erforderlich und insofern fremdüblich.509 Darüber hinaus werden am Markt für unselbstständige Betriebsteile, die die Kriterien des Teilbetriebs nicht erfüllen, Kaufpreise bezahlt, die über den Wert der

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Vgl. Meyer-Scharenberg (2008), S. 236. So sollte mindestens die wesentliche Betriebsgrundlage zurückbehalten werden. Vgl. Bodenmüller (2004), S. 246. 502 Vgl. Jenzen (2007), S. 3119; Kroppen/Rasch/Eigelshoven (2007), S. 311; Eisele (2003), S. 265. 503 Vgl. Greinert/Thiele (2011), S. 1199; v. Bredow (2011), S. 41. 504 Vgl. v. Bredow (2011), S. 46 f. 505 Vgl. OECD-RL, Tz. 1.43. Darüber hinaus stellt die OECD in Kapitel IX der OECDRL u. a. auf einen transfer of an ongoing concern ab und in diesem Zusammenhang auch auf ein profit potential. Dies zeigt, dass der Einzelbewertungsgrundsatz bei bestimmten Trans­ aktionen nicht angebracht erscheint, da fremde Dritte einen Geschäftswert bzw. ein Gewinnpotenzial beachten und entsprechend im Rahmen einer Gesamtbewertung vergüten würden. Vgl. Greil (2009a), S. 58 f.; OECD (2010a), Tzn. 9.93 f. Die Gesamtbewertung verstoße „für sich alleine“ nicht gegen OECD-Grundsätze. Vgl. Kroppen (2009), Anm. 103. 506 In Bezug auf die Unternehmensbewertung vgl. IDW HFA 2/1983 Tz. C.1.n. 507 Vgl. Schwenke (2008), S. 147. 508 Vgl. Busse von Colbe (2008), § 309 Rn. 7. 509 Vgl. Busse von Colbe et al. (2006), S. 237. 501

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einzelnen Wirtschaftsgüter hinausgehen.510 Die Negierung des tatsächlichen Verhaltens würde einen logischen Widerspruch zum Fremdvergleichsgrundsatz darstellen. Wenn zudem die Funktion als ein Unternehmensteil zum Geschäftswert beiträgt, dann ist ihr ein anteiliger Geschäftswert zuzurechnen.511 Jedoch solle beim verlagernden Unternehmen eine Teilwertabschreibung auf den zurückbehaltenen anteiligen Geschäftswert erfolgen. Der anteilige Geschäftswert sei, insbesondere durch die Änderung der Gewinnaufteilung im Konzern, beim funktionsabgebenden Unternehmen untergegangen und könne nicht an das funktionsübernehmende Unternehmen übertragen worden sein, sodass eine steuerliche Erfassung ungerechtfertigt wäre.512 Indes muss weder der Geschäftswert als Ausdruck von Gewinnchancen beim übertragenden Unternehmen verbleiben, noch hat er unterzugehen, da er den geschäftswertbildenden Faktoren sowie den Chancen folgt, die ihn verkörpern.513 Jedoch ist es möglich, dass die Summe der Geschäftswerte nicht mehr der Höhe des ursprünglichen Geschäftswerts entspricht,514 sodass deshalb eine Teilwertabschreibung in entsprechender Höhe vorzunehmen sein kann. Demnach gilt: „Ob und gegebenenfalls in welcher Höhe ein Unternehmen [bzw. eine Funktion] einen [anteiligen] Geschäftswert hat, ist letztlich nach kaufmännischen, nicht nach rechtlichen Grundsätzen zu ermitteln“515; das alleinige Abstellen auf die Teilbetriebskriterien, um eine Gesamtbewertung auszulösen, ist haltlos.516 Stellt die organisatorische Einheit das eigentliche Investitionsvorhaben dar, dann ist ein Mehr an Investitionen notwendig als diejenigen in die betreffenden einzelnen Wirtschaftsgüter, um die Einheit herzustellen. Zudem muss der Geschäftswert bei Aufteilung eines Unternehmens nicht notwendigerweise untergehen, wenn das diese Faktoren aufnehmende Unternehmen seiner Organisation und Struktur nach eigenständig am Wirtschaftsleben teilnehmen kann.517 Dieser anteilig auf

510

Vgl. Schreiber (2009), Anm. 3. Vgl. auch Moxter (1995), S. 379 f.; Borstell/Jamin (2008), S. 805. 511 Vgl. auch Serg (2005), S. 1918. 512 Vgl. hierzu Schreiber (2009), Anm. 66. Der Autor ist aber nicht dieser Auffassung. Vgl. auch Schreiber (2008b), S. 470. 513 Vgl. Schreiber (2008a), S. 437; Wendt (2009), S. 958. 514 Vgl. BFH v. 27.3.1996 I R 60/95, BStBl. II 1996, S. 576 (577). 515 BFH v. 8.12.1976 I R 215/73, BStBl. II 1977, S. 409 (412). 516 Vgl. Schreiber (2008b), S. 470; a. A. Baumhoff (2003a), S. 89 f.; Wehnert/Sano (2010), S. 57. Vgl. auch BFH v. 16.6.2004 X R 34/03, BStBl. II 2005, S. 378 (382); BFH v. 15.9.2004 I R 7/02, BStBl. II 2005, S. 867 (871); BFH v. 5.6.2008 IV R 79/05, BStBl. II 2009, S. 15 (19); BFH v. 2.9.2008 X R 32/05, BStBl. II 2009, S. 634 (638 f.); BFH v. 16.6.2004 X R 34/03, BStBl. II 2005, S. 378 (382); BFH v. 27.3.2001 I R 42/00, BStBl. II 2001, S. 771 (773); FG Düsseldorf v. 8.12.2006 18 K 1071/03 G, EFG 2007, S. 868 (869). 517 Vgl. auch BFH v. 24.4.1980 IV R 61/77, BStBl. II 1980, S. 690 (691); BFH v. 27.3.1996 I R 60/95, BStBl. II 1996, S. 576 (577); BFH v. 27.3.2001 I R 42/00, BStBl. II 2001, S. 771 (772); BFH v. 16.6.2004 X R 34/03, BStBl. II 2005, S. 378 (382); BFH v. 15.9.2004 I R 7/02, BStBl. II 2005, S. 867 (871).

132

B. Die Funktionsverlagerung im Steuerrecht

die Funktion entfallende Geschäftswert verkörpert die tatsächlichen Verhältnisse, die sich bei einer Verlagerung unmittelbar zugunsten des Aufnehmenden auswirken.518 Daneben ist anzuführen, dass der Teilbetrieb im steuerrechtlichen Sinn international unbekannt ist. Vielmehr wird auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise abgestellt. ee) Übergang eines going concern? Wird der übertragene Betriebsteil im Ganzen auf Basis eines going concern ermittelt, ist eine ertragswertorientierte Gesamtbewertung geeignet, um einen angemessenen Wert zu ermitteln.519 Jedoch sei bei Funktionsverlagerungen nicht vom Grundsatz der Unternehmensfortführung auszugehen und daher die Erfassung eines Geschäftswerts ökonomisch nicht gerechtfertigt. Hintergrund sei, dass die Funktion im Ausland erst aufgebaut werden müsse: Neuerrichtung der Produktionsanlage, Anbindung an die Infrastruktur sowie die Einholung von entsprechenden Genehmigungen. Ein fremder Dritter würde einen Geschäftswert bei Untergang der organisatorischen Einheit und dem Neuaufbau einer anderen Organisationseinheit nicht vergüten.520 Die Funktion wird vom funktionsaufnehmenden Unternehmen in dessen Betriebsablauf integriert und neben der reinen Funktionsausübung werden regelmäßig die Gesamtheit von Wirtschaftsgütern, Rechtsbeziehungen und Aufgabenbündeln übertragen, um die Funktion mit einem im Wesentlichen gleichen Bestand weiterführen zu können. Es werden somit alle Mittel, die zur Aufgabenerfüllung notwendig sind, übertragen; ansonsten liegt keine Funktionsverlagerung im Sinne des AStG vor. Die Tatsache, dass alle zur Funktionsausübung notwendigen Elemente funktional in einer organisatorischen Einheit zusammengefasst sind, trägt zu einem going concern-Wert bei.521

518

Vgl. auch Wöhrle/Schelle/Gross (2009), § 1 Rz. 227; Eisele (2003), S. 212; a. A. Bodenmüller (2004), S. 244 f. 519 Vgl. auch Zech (2009), S. 324. 520 Vgl. Haas (2008), S. 519; Kroppen/Rasch (2009a), S. 803; Peter et al. (2011), S. 183; Ditz (2011), S. 130. In Anbetracht dieser Argumentation sollten Funktionen wie bspw. das Finanzmanagement oder Marketing nicht unterschlagen werden, da diese grundsätzlich problemlos und mit geringen Kosten verlagert werden können. Von den Transaktionskosten des jeweiligen Verlagerungsvorganges wird zudem abgesehen. Diese sind im Alternativenkalkül in die Berechnung einzubeziehen. Zudem können speziell immaterielle Vermögenswerte ohne Transaktionskosten verlagert werden. Vgl. auch Dischinger/Riedel (2008), S. 5. 521 „[G]oing-concern value element of goodwill.“ Reilly/Schweihs (1998), S. 381.

I. Steuerliche Erfassung einer Funktionsverlagerung im Sinne des § 1 AStG 

133

b) Ausnahmen von der Gesamtbewertung gemäß dem AStG und der FVerlV aa) Ausnahmen von der Gesamtbewertung gemäß dem AStG a. F. und der FVerlV Eine Vergütung hat aber nicht nur deshalb zu erfolgen, weil eine Funktions­ verlagerung stattfindet.522 Speziell hat kein Ausgleich stattzufinden, wenn und weil eine Gewinnpotenzialmöglichkeit abgegeben wird. Diese Möglichkeit verkörpert kein Eigentumsrecht an sich. Eine Kompensation erfolgt regelmäßig für den Transfer von materiellen sowie immateriellen Vermögenswerten und Vorteilen. Ein rational agierender Geschäftsleiter wird nicht auf dieses Entgelt verzichten. Andernfalls würde er dem Unternehmensinteresse zuwider handeln.523 Wenn das funktionsaufnehmende Unternehmen eine organisatorische Einheit erwirbt, aber mit dieser ausschließlich Leistungen gegenüber dem verlagernden Unternehmen erbringt, wird nicht davon auszugehen sein, dass ein etwaiger Funktionswert zu vergüten ist. Durch die ausschließliche Leistungserbringung gegenüber der abgebenden Gesellschaft wird eine Nutzung des Funktionswerts grundsätzlich nicht möglich sein. In dieser Konstellation wird die funktionsabgebende Gesellschaft regelmäßig weiterhin die Dispositionsbefugnis über die Funktion und folgerichtig über die mit der Funktion verbundenen Chancen und Risiken innehaben, sodass das funktionsaufnehmende Unternehmen eine Vergütung erhalten wird, die dessen Kapitalkosten deckt. Erst wenn das funktionsaufnehmende Unternehmen mit der Funktion im Außenverhältnis tätig wird sowie die Chancen und Risiken aus der Funktionsausübung wahrnehmen kann, vermag es Marktpreise realisieren. Demzufolge wird eine zusätzliche Gewinnchance eingeräumt, die seitens eines unabhängigen und fremden Dritten vergütet würde.524 Dies wird auch seitens der Legislative anerkannt (§ 2 Abs. 2 Satz 1 FVerlV i. V. m. § 1 Abs. 3 Satz 10 Hs. 1 Alt. 1 AStG). Erst zum Zeitpunkt, wenn die „erbrachten Leistungen eigenständig, ganz oder teilweise, gegenüber anderen Unternehmen“ (§ 2 Abs. 2 Satz 2 FVerlV) erfolgen und ein Marktbezug gegeben ist, ist eine ertragswertorientierte Gesamtbewertung des Transferpakets vorzunehmen. Es wird angenommen, dass keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter oder Vorteile übergehen oder überlassen werden.525

522

Siehe zu den Ausnahmen von der Gesamtbewertung insbesondere Greil (2010), S. ­479–482. In Bezug auf die Abfindung eines ausscheidenden Gesellschafters vgl. RG v. 22.12.1922 II 621/22, RGZ 106, S. 128 (132). Vgl. auch ATO (2007), Tzn. 43–50; BFH v. 24.3.1987 I R 202/83, BStBl. I 1987, S. 705 (707). 524 Vgl. Naumann (2007a), S. 178. 525 In diese quantitative Beurteilung sind auch nicht bilanzierte immaterielle Vermögenswerte sowie ein selbst geschaffener Geschäfts- und Firmenwert einzubeziehen. Vgl. V ­ erwGrFVerl, Tz. 2.1.5.1. 523

134

B. Die Funktionsverlagerung im Steuerrecht

Jedoch wird gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 FVerlV für die Bestimmung der Verrechnungspreise für die Leistungserbringung zwischen den nahe stehenden Unternehmen auf die Anwendung der Kostenaufschlagsmethode abgestellt, wie sie regelmäßig beim Lohnfertiger sowie Auftragsfertiger zur Anwendung kommt.526 Der Übergang von wesentlichen immateriellen Werten oder von Gewinnchancen wird aber nicht an die Kostenaufschlagsmethode gebunden sein. Das funktionsausführende Unternehmen wird eine Vergütung erhalten, die seine Kapitalkosten deckt bzw. sich an der Kapitalmarktrendite orientiert;527 die Vergütung ist marktkonform auszugestalten. Dann ist es gleich, ob die Kostenaufschlagsmethode oder eine andere zweckmäßige Verrechnungspreismethode angewendet wird.528 Diese Sichtweise stimmt mit der Auffassung über das Vorhandensein und der Vergütung eines Geschäftswerts überein.529 Wenn mit diesem Unternehmensteilbereich Erträge erzielt werden können, die über die Normalverzinsung hinausgehen, und stellt dieser Teilbereich für das aufnehmende Unternehmen einen nutzbringenden Vermögensvorteil dar, würden Geschäftsleiter einen (anteiligen) Geschäftswert berücksichtigen. Wird davon ausgegangen, dass mit der Funktion kein Geschäftswert übergeht, ist dieser mit dem Wert null anzusetzen. Deshalb dürfte sich das Ergebnis die Einzelbewertung von der Gesamtbewertung nicht unterscheiden. Dies wird zudem in § 1 Abs. 3 Satz 10 Hs. 1 Alt. 2 AStG deutlich: Wenn die „Summe der angesetzten Einzelverrechnungspreise, gemessen an der Bewertung des Transferpakets als Ganzes, dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht“ ist von einer ertragswertorientierten Gesamtbewertung des Transfer­ pakets abzusehen. Für den Steuerpflichtigen bedeutet diese Variante allerdings keine Verfahrenserleichterung. Es hat sowohl eine Einzelpreisbestimmung als auch eine Gesamtbewertung zu erfolgen.530 Daneben greift der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs. 3 Satz 10 Hs. 1 Alt. 1 AStG selbstständig ohne mit § 2 Abs. 2 Satz 1 FVerlV in Verbindung zu stehen, wenn die Leistung am Markt erbracht wird, aber „keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile Gegenstand der Funktionsverlagerung waren“ und der Steuerpflichtige dies glaubhaft darstellt. Gemäß § 1 Abs. 5 FVerlV gelten immaterielle Vermögenswerte als wesentlich, wenn diese „erforderlich sind und ihr Fremdvergleichspreis insgesamt mehr als 25 Prozent der Summe der Einzelpreise aller Wirtschaftsgüter und Vorteile des Transferpakets beträgt“. Dies sollte vornehmlich bei Hilfsfunktionen, wie bspw. bei der Buchhaltung, gegeben sein, 526

Vgl. Burkert (2003b), S. 357. Vgl. auch Baumhoff (2009), § 1 Anm. 528. 528 Vgl. Oestreicher (2009), S. 84; Wöhrle/Schelle/Gross (2009), § 1 Rz. 176 f.; VerwGrFVerl, Tz. 2.2.2.1. 529 Vgl. BFH v. 24.3.1987 I R 202/83, BStBl. II 1987, S. 705 (707). Vgl. auch BFH v. 24.4.1980 IV R 61/77, BStBl. II 1980, S. 690 (691); BFH v. 27.3.1996 I R 60/95, BStBl. II 1996, S. 576 (577); BFH v. 27.3.2001 I R 42/00, BStBl. II 2001, S. 771 (772); BFH v. 16.6.2004 X R 34/03, BStBl. II 2005, S. 378 (382); BFH v. 15.9.2004 I R 7/02, BStBl. II 2005, S. 867 (871). 530 Siehe auch § 2 Abs. 3 Satz 1 FVerlV. 527

I. Steuerliche Erfassung einer Funktionsverlagerung im Sinne des § 1 AStG 

135

da diese selten mit immateriellen Vermögenswerten noch mit Geschäftschancen übergehen.531 Dieser Ausnahmetatbestand entspricht dem Zweck der Regelung. Dennoch ist die Vorgehensweise ökonomisch betrachtet fragwürdig. Die Gesamtbewertung einer organisatorischen Einheit ist nicht davon abhängig, ob ihr wesentliche immaterielle Vermögenswerte innewohnen. Eine Entgeltpflicht besteht auch dann, wenn das verlagernde Unternehmen sowohl tatsächlich als auch wirtschaftlich nicht in der Lage ist, die Funktion mit eigenen Mitteln selbst auszuüben. Gemäß § 7 Abs. 2 FVerlV ist dann der Liquidationswert als Mindestpreis anzusetzen, bei dem auch Schließungs-, Trans­ aktions- und Verlagerungskosten zu beachten sind, sodass der Liquidationswert ein negatives Vorzeichen annehmen kann.532 So ist es möglich, dass das funktionsausführende Unternehmen die Funktion in der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr ausführen oder eine notwendige Erweiterungsinvestition nicht durchführen darf. Ebenfalls kann eine Umstrukturierung vorgenommen werden, um eine Insolvenz des funktionsabgebenden Unternehmens abzuwenden, was aufgrund der Möglichkeit der Fortführung des Unternehmens im Anschluss an den Verlagerungsvorgang einen Nutzen für alle Stakeholder stiften würde.533 In den genannten Konstellationen ist von der Gesamtbewertung Abstand zu nehmen. bb) Neufassung des § 1 Abs. 3 Sätze 9 und 10 AStG Am 26.3.2010 hat der Bundesrat das Gesetz zur Umsetzung steuerlicher EUVorgaben sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften verabschiedet.534 Damit einhergehend wurden u. a. § 1 Abs. 3 Sätze 9 und 10 AStG geändert, da die Anwendung der Regelungen zur Funktionsverlagerung zu Widerstand geführt habe.535 Die Änderung des Satzes 9 betrifft lediglich die Formulierung, jedoch nicht den Inhalt. Gleiches gilt für § 1 Abs. 3 Satz 10 Hs. 1 AStG.536 Die wesentliche Neuerung erfolgt durch den neu eingefügten § 1 Abs. 3 Satz 10 Hs. 2 AStG:537 „[M]acht der Steuerpflichtige glaubhaft, dass zumindest ein wesentliches immaterielles Wirtschaftsgut Gegenstand der Funktionsverlagerung ist, und bezeichnet er es genau, sind Einzelverrechnungspreise für die Bestandteile des Transferpakets anzuerkennen.“

Hierdurch wird eine weitere Ausnahme von der grundsätzlich vorzunehmenden Gesamtbewertung aufgenommen. Der Steuerpflichtige muss hierfür zumin 531

Vgl. auch Burkert (2003a), S. 324. Vgl. Oestreicher (2009), S. 86. 533 Vgl. ATO (2007), Tz. 5.8. 534 Vgl. BR-Drs. 107/10; BR-Drs. 107/10 (B); BR-Drs. 107/4/10. 535 Vgl. BT-Drs. 17/939, S. 8. Siehe hierzu insbesondere Greil (2010), S. 479–482. 536 Vgl. auch BT-Drs. 17/939, S. 16. 537 BR-Drs. 107/10, S. 4, Art 9a. 532

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B. Die Funktionsverlagerung im Steuerrecht

dest ein im Transferpaket enthaltenes wesentliches immaterielles Wirtschaftsgut – auch wenn dieses noch nicht bilanziert worden ist – genau bezeichnen.538 Begründet wird dieses Vorgehen damit, dass die Bewertung des Transferpakets mit administrativem Aufwand und Unsicherheit verbunden wäre. Zudem hätten aufgrund der Etablierung der Funktionsverlagerung die Unternehmen Forschungsund Entwicklungstätigkeiten ins Ausland verlagert, um die negativen Folgen aus einer späteren Verlagerung von aus der Tätigkeit entstehenden immateriellen Wirtschaftsgütern abzuwenden, was dem Standort Deutschland geschadet habe.539 Durch das explizite Abstellen auf nur ein wesentliches immaterielles Wirtschaftsgut, können weiterhin immaterielle Wirtschaftsgüter übertragen werden, ohne dass eine steuerlich adäquate Erfassung erfolgt. Vielmehr müsste der Steuerpflichtige alle im Transferpaket enthaltenen (immateriellen) Wirtschaftsgüter und Vorteile genau darstellen,540 sodass die Finanzverwaltung nachvollziehen kann, was verlagert wird. Demnach steht diese Gesetzesänderung dem (ursprünglich) verfolgten Ziel des Gesetzgebers entgegen.541 Ob der Geschäftswert als ein (wesentliches) immaterielles Wirtschaftsgut im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 10 Hs. 2 AStG anzusehen ist, sei zu verneinen, da der Geschäftswert eine Residualgröße darstellt und sich auf Basis der Einzelbewertung nicht ermitteln lässt.542 Jedoch gilt der Geschäftswert als „Inbegriff von solchen Gütern, die nicht [als] ‚einzelansatzfähig‘ gelten“543 und umfasst die Vermögenswerte, „für die sich aus dem Kaufpreis für das ganze Unternehmen kein greifbarer Einzelwert ermitteln lässt; erst aus der Kombination im derivativen Geschäfts- oder Firmenwert erwächst diesen verschiedenen Vermögenswerten die Eigenschaft, Bestandteil eines Vermögensgegenstandes zu sein.“544 Infolgedessen stellt er ein einheitliches Wirtschaftsgut dar.545 Dieser (anteilige) Geschäftswert kann für die Funktion erforderlich sein, wenn die mit der Funktion in Verbindung stehenden nicht einzeln bewertbaren Vorteile dazu beitragen, die aus der Funktion resultierenden Ergebnisbeiträge zu erwirtschaften. Um jedoch die Höhe des Geschäftswerts zu bestimmen, müsste eine Gesamtbewertung des Transferpakets vorgenommen werden, um eruieren zu können, ob der Fremdvergleichspreis für den (anteiligen auf die Funktion entfallenden) 538

Vgl. BT-Drs. 17/939, S. 8 f. Vgl. BT-Drs. 17/939, S. 8; Lenz/Rautenstrauch (2010), S. 696; Peter et al. (2011), S. 184. 540 Vgl. hierzu insbesondere BR-Drs. 107/4/10, S. 2. 541 Siehe aber auch BT-Drs. 17/939, S. 16: „Voraussetzung ist, dass der Steuerpflichtige die von der Funktionsverlagerung betroffenen, wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter – auch soweit sie noch nicht bilanziert worden sind – genau bezeichnet.“ Mithin wird nicht nur auf ein Wirtschaftsgut abgestellt. 542 Vgl. Lenz/Rautenstrauch (2010), S. 698. 543 Moxter (1978), S. 824. 544 Moxter (1987), S. 1848. 545 Vgl. BFH v. 28.10.1976 IV R 76/72, BStBl. II 1977, S. 73 (74); Moxter (1995), S. 380; Buciek (2011), § 5 EStG Rz. 616. 539

I. Steuerliche Erfassung einer Funktionsverlagerung im Sinne des § 1 AStG 

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Geschäftswert mehr als 25 % der Summe der Einzelpreise aller Wirtschaftsgüter und Vorteile des Transferpakets beträgt. Das heißt, dass eine Gesamtbewertung vorzunehmen wäre, um daran anschließend den Gesamtpreis auf die einzelnen zu übertragenden Wirtschaftsgüter zu verteilen. Es wäre daher eine Art Kaufpreisallokation vorzunehmen, in der auch ein (derivativer) Geschäftswert aus­zuweisen ist.546 Dies bedeutet zugleich, dass ein wesentliches immaterielles Wirtschaftsgut in Gestalt des Geschäftswerts vorliegen kann. Infolgedessen kann der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs. 3 Satz 10 Hs. 2 AStG ins Leere laufen. Wenn anerkannt wird, dass der Geschäftswert ein Wirtschaftsgut ist, dann wäre es konsequent und fremdvergleichskonform, diesen bei etwaigem Vorhandensein selbst bei einer Einzelbewertung zu vergüten.547 Daneben werden die Ziele, den administrativen Aufwand bei einer Funktionsverlagerung zu senken und die aus der Bewertung des Transferpakets resultierende Bewertungsunsicherheit zu mindern, regelmäßig nicht erreicht werden können. Stattdessen haben in der Anzahl der übertragenen Wirtschaftsgüter Bewertungen zu erfolgen, die zu dokumentieren sind und sich in ihren Bewertungsunsicherheiten kumulieren können. Daneben ist insbesondere zu beachten, dass prinzipiell bei allen im Transferpaket enthaltenen – z. T. schwer identifizierbaren – immateriellen Vermögenswerten der hypothetische Fremdvergleich anzuwenden wäre.548 Demzufolge sind die einzelnen Bewertungen mit Unsicherheit behaftet. Daneben können sich aufgrund der der Ergebnisisolierung549 innewohnenden Ungenauigkeiten die Bewertungsprobleme verstärken und infolgedessen können eine doppelte Erfassung der Ertragspotenziale und eine indirekte Erfassung des Geschäftswerts erfolgen.550 Desgleichen lässt sich § 1 Abs. 3 Satz 10 Hs. 2 AStG ökonomisch nicht recht­ fertigen. Eine Gesamtbewertung eines Unternehmensteilbereichs ist nicht davon abhängig, ob ein wesentliches immaterielles Wirtschaftsgut genau bezeichnet wird. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter wird deshalb seinen Preisbildungsprozess nicht verändern.

546

Siehe hierzu auch IFRS 3; v. Bredow (2011), S. 201 f., 204 f. Vgl. v. Bredow (2011), S. 172–177. 548 Siehe auch Freudenberg/Ludwig (2010), S. 1270; v. Bredow (2011), S. 175. 549 Vgl. Reilly/Schweihs (1998), S. 95–117, 190 f.; Boos (2003), S. 10, 75–88. 550 Vgl. Peter et al. (2011), S. 183; Haas (2008), S. 518; Naumann (2007a), S. 174; Schreiber (2008a), S. 434. 547

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B. Die Funktionsverlagerung im Steuerrecht

cc) Zwischenfazit: Ausnahmen von der Gesamtbewertung gemäß dem AStG und der FVerlV Werden die Ausnahmetatbestände zusammen betrachtet, könnte angenommen werden, dass für die Gesamtbewertung des Transferpakets kein Raum mehr bleibt. Solange die Funktion nicht die Teilbetriebskriterien im steuerrechtlichen Sinn erfüllt, hat eine Einzelbewertung der im Transferpaket enthaltenen Wirtschaftsgüter und Vorteile zu erfolgen. Gehen gemäß § 1 Abs. 3 Satz 10 Hs. 1 Alt. 1 AStG keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile mit der Funktionsverlagerung einher, ist die Bestimmung von Einzelverrechnungspreisen für alle betroffenen Wirtschaftsgüter und Dienstleistungen anzuerkennen. Macht der Steuerpflichtige hingegen gemäß § 1 Abs. 3 Satz 10 Hs. 2 AStG glaubhaft, dass zumindest ein wesentliches immaterielles Wirtschaftsgut Gegenstand der Funktionsverlagerung ist, sind wiederum Einzelverrechnungspreise für die Bestandteile des Transferpakets anzuerkennen. Für die ertragswertorientierte Gesamtbewertung des Transferpakets bleibt kein Raum, wenn nicht anerkannt wird, dass auch der Geschäftswert als (wesentliches) immaterielles Wirtschaftsgut gelten kann. Der Grundsatz der Gesamtbewertung des Transferpakets gilt dann weiter, was von der Finanzverwaltung ebenfalls befürwortet wird:551 Geht also ein Geschäftswert über, sind die Öffnungsklauseln nicht anwendbar;552 anderweitig werden die Öffnungsklauseln nur in wenigen Fällen geeignet sein.553 c) Exkurs: Nutzungsüberlassung – Minderung steuerlicher Härten „Die Steuerpflicht soll grundsätzlich nur dann eingreifen, wenn der Steuerpflichtige über liquide Mittel zur Steuerzahlung verfügt“554. Daher ist im Zweifel und auf Antrag des Steuerpflichtigen gemäß § 4 Abs. 2 FVerlV auf eine Nutzungsüberlassung des Transferpakets abzustellen. Im Rahmen einer Nutzungsüberlassung kann die Besteuerung der stillen Reserven über die Laufzeit der Nutzungsüberlassung verteilt werden.555 Infolgedessen können die aus der Gesamtbewertung des Transferpakets möglicherweise resultierenden steuerlichen Härten durch die sofortige Versteuerung der stillen Reserven verhindert werden und zu Liquiditätsvorteilen führen. Die Nutzungsüberlassung ist dabei dem Verlagerungsvorgang gleichgestellt, denn auch die Nutzungsüberlassung unterliegt dem 551

Vgl. Hey (2010d), S. 5. Vgl. PwC (2011), S. 55. 553 Vgl. Crüger/Riedl (2011), S. 202; v. Bredow (2011), S. 176 f. Hinsichtlich der Öffnungsklauseln auch Schilling (2011), S. 1533. 554 Hey (2010d), S. 5. 555 Siehe hierzu auch Peter et al. (2011), S. 180, 182, 184. 552

I. Steuerliche Erfassung einer Funktionsverlagerung im Sinne des § 1 AStG 

139

Fremdvergleichsgrundsatz. Gegenstand einer solche Überlassung können sowohl Wirtschaftsgüter als auch Teilbetriebe (R 16 (5) Satz 4 EStR 2008) und nunmehr auch Funktionen sein. Erfolgt die Nutzungsüberlassung von einer inländischen Gesellschaft auf eine ausländische Gesellschaft, steht dem Ansässigkeitsstaat des Lizenzgebers gemäß Art. 12 Abs. 1 OECD-MA das Besteuerungsrecht zu. Daher sind die Lizenzerträge beim Lizenzgeber zu versteuern. Tabelle 4 Korrekturnormen bei der Nutzungsüberlassung Nutzungsüberlassung an eine …

ausländische Tochtergesellschaft

ausländische Muttergesellschaft

Unangemessen niedriges Entgelt

Korrektur gemäß § 1 AStG

vGA

Unangemessen hohes Entgelt

vGA des Tochterunternehmens an die inländische Muttergesellschaft



Quelle: In Anlehnung an Serg (2006), S. 150.

Bei einer Nutzungsüberlassung verbleibt das wirtschaftliche Eigentum beim funktionsabgebenden Unternehmen. Das funktionsaufnehmende Unternehmen darf die überlassenen Wirtschaftsgüter sowie sonstigen Vorteile nur für einen begrenzten Zeitraum im Wege einer Verpachtung oder Lizenzierung nutzen. Demzufolge unterscheiden sich die Überlassung und die Übertragung rechtlich sowie wirtschaftlich.556 Für die steuerrechtliche Qualifikation als Nutzungsüberlassung ist die wirtschaftliche Sichtweise entscheidend. Von einer Lizenzierung ist gemäß § 39 AO nur auszugehen, wenn das wirtschaftliche Eigentum nicht auf den Lizenznehmer übergeht und nur eine zeitlich begrenzte Rechtsposition eingeräumt wird.557 Der Lizenzgeber bleibt daher rechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer des zu überlassenden Vermögenswertes, sodass nur die Lizenzerträge zu versteuern und keine stillen Reserven aufzudecken sind, da es in diesem Fall nicht zu einem Abgang von Wirtschaftsgütern und sonstigen Vorteilen kommt. Das wirtschaftliche Eigentum wird anhand des Gesamtbildes der Umstände beurteilt.558 556

Vgl. auch Baumhoff/Greinert (2009), S. 544; Wehnert (2007), S. 559. Vgl. BFH v. 7.12.1977 I R 54/75, BStBl. II 1978, S. 355 (356). In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob das zivilrechtliche Eigentum übergegangen ist. In einem zweiten Schritt ist zu fragen, wem das wirtschaftliche Eigentum zuzuordnen ist (§ 39 AO). 558 Vgl. Wassermeyer/Baumhoff/Greinert (2009), § 1 Anm. V 91. – Das wirtschaftliche Eigentum i. S. d. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO knüpft an die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut an. Demgemäß kann ein anderer als der zivilrechtlich Berechtigte den in dem Wirtschaftsgut verkörperten wirtschaftlichen Wert vollständig oder nahezu vollständig unter dem Ausschluss des Eigentümers aufzehren. Das Gesamtbild der Verhältnisse ist entscheidend, das heißt, ob ein anderer solch eine Position innehat, die ihm die Möglichkeit 557

140

B. Die Funktionsverlagerung im Steuerrecht

Erfolgt eine Funktionsverlagerung im Wege der Nutzungsüberlassung sind fremdvergleichskonforme Überlassungsentgelte (Lizenzsätze) zu ermitteln. Der Bewertung von Lizenzgebühren sind ertragswertorientierte Komponenten immanent.559 Daher werden grundsätzlich gewinnorientierte Verrechnungspreismethoden herangezogen, die auf den aus der betreffenden Funktion resultierenden Gewinn abstellen. Regelmäßig werden dem Lizenzgeber 20 bis 25 % des Gewinns zugesprochen.560 Die Finanzverwaltung verwendet für die Prüfung der Angemessenheit der Lizenzvereinbarung die Knoppe-Formel561. Zugleich werden mit dem zu entrichtenden Lizenzentgelt Synergieeffekte und Standortvorteile dem Lizenzgeber zugerechnet; insbesondere bei einer gewinnabhängigen Lizenz. Somit wird auch die Nutzung der geschäftswertbildenden Faktoren indirekt vergütet. Allerdings wird auch angeführt, dass im Rahmen der Nutzungsüberlassung – im Einklang mit der BFH-Rechtsprechung – keine geschäftswertbildenden Faktoren übergehen können, sodass es nicht gerechtfertigt sei, eine Lizenzierung der Funktion als Ganzes vorzunehmen.562 Diese Auffassung steht jedoch dem Zweck der Regelung konträr gegenüber. Es liegt in der unternehmerischen Dispositionsfreiheit des Geschäftsleiters, wie dieser eine Funktionsverlagerung rechtlich strukturiert. Dabei soll dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eröffnet werden, die Sofortversteuerung der stillen Reserven zu vermeiden, die mit Liquiditätsnachteilen einhergehen und auch zu Liquiditätsproblemen führen kann.563 Es soll dem Steuerpflichtigen jedoch nicht die Wahlmöglichkeit eröffnet werden, ob eine Bewertung des Transferpakets als Ganzes vorgenommen wird oder der einzelnen überlassenen Wirtschaftsgüter. Darüber hinaus erfolgt regelmäßig eine indirekte Vergütung der geschäftswertbildenden Faktoren für den Zeitraum der Nutzung

eröffnet, den zivilrechtlichen Eigentümer dauerhaft auszuschließen, sodass dem Herausgabeanspruch des zivilrechtlichen Eigentümers tatsächlich keine nennenswerte Bedeutung zukommt. Dauer­haft bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der Eigentümer für die gesamte gewöhnliche Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts von der Einwirkung ausgeschlossen ist. Vgl. BFH v. 27.2.1991 XI R 14/87, BStBl. II 1991, S. 628 (630); BFH v. 12.9.1991 III R 233/90, BStBl. II 1992, S. 182 (183 f.); BFH v. 28.7.1993 I R 88/92, BStBl. II 1994, S. 164 (166). – Hingegen erfolgt bei einem Verkauf als einmaligen Akt „eine endgültige Entledigung der Rechtsposition als Eigentümer seitens des Verkäufers“ Zech (2009), S. 207. 559 Vgl. Portner (1994), S. 96 f. 560 Vgl. Baumhoff/Greinert (2009), S. 547 m. w. N. 561 Gesamtlizenzgebühr in % = (Kalkulierter Gewinn des Vertragsproduktes · 100) − (Umsatz des Vertragsproduktes · 3). Bei der Beurteilung der Angemessenheit ist davon auszugehen, „daß eine Lizenzgebühr von dem ordentlichen Geschäftsleiter eines Lizenznehmers regelmäßig nur bis zu der Höhe gezahlt wird, bei der für ihn ein angemessener Betriebsgewinn aus dem lizenzierten Produkt verbleibt.“ VWG 1983, Tz. 5.2.3. Als angemessen gilt ein Anteil der Lizenzgebühr i. H. v. höchstens 25 bis 33 1/3 % des kalkulierten Gewinns vor Steuern. Vgl. Marti/Ledergerber (2005), S. 190. 562 Vgl. Greinert (2010), S. 110. Ein Nutzungsüberlassungsvertrag würde, soweit er sich auf einen Geschäftswert bezieht, steuerlich nicht anerkannt werden. Vgl. BFH v. 26.11.2009 III R 40/07, DStR 2010, S. 371 (373). 563 Vgl. BR-Drs. 352/08, S. 20.

I. Steuerliche Erfassung einer Funktionsverlagerung im Sinne des § 1 AStG 

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derselbigen, wenn der Lizenznehmer diese in seinem Wertschöpfungsprozess einsetzen kann; jedoch wird kein endgültiger Übergang auf den Lizenznehmer erfolgen. d) Zwischenfazit: Die Gesamtbewertung des Transferpakets „Nach dem Prinzip der Gesamtbewertung ist nicht die Summe der Einzelwerte der Vermögensteile […] bewertungsrelevant; vielmehr ist“ die „wirtschaftliche Einheit zu betrachten. Im Falle einer isolierten Bewertung der betrieblichen Einzelwerte besteht die Gefahr der Vernachlässigung positiver, aber auch negativer Kombinationseffekte […], weil die Summe der Einzelwerte nicht mit dem Gesamtwert des Bewertungsobjekts identisch sein muß.“564 Jedoch kann die Funktion als organisatorische Einheit wertvoller sein als die Summe der Einzelwerte, wenn der sinnvolle Zusammenschluss von Betriebsbestandteilen und ihrer arbeitstechnischen Zwecke zur Ganzheit der Funktion gegeben ist, da betriebswirtschaftlich-organisatorische Kriterien ausreichen, um eine Bewertungseinheit anzunehmen.565 Zu Recht wird daher bei der Bemessung des fremdüblichen Entgelts seitens des Gesetzgebers grundsätzlich auf eine ertragswertorientierte Gesamtbewertung abgestellt,566 die dabei eine Bewertungsvereinfachung darstellen kann. Zum einen wird durch die Bildung von möglichst großen Gruppen von Vermögenswerten erreicht, dass eine bessere Abschätzung der künftig zu erwartenden Ergebnis­ beiträge erfolgen kann. Es entfallen die vorgelagerte Frage der Identifizierung von Wirtschaftsgütern und die Frage der Abgrenzung der Werte voneinander, die sich in ihrer Ertragswirkung ergänzen können.567 Zum anderen wird der Bewertungsaufwand – eine Bewertung, anstatt mehrerer – und darüber hinaus das Risiko der Fehleinschätzung des Wertes für das Transferpaket reduziert – die Kumulation der

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Matschke/Brösel (2007), S. 20. Nur der Ertrag kann Ausgangspunkt der Gesamtbewertung einer wirtschaftlichen Einheit sein. Vgl. Jacob (1961), S. 47; Bernasconi/Fässler (2003), S. 619. In Bezug auf Investi­ tionsprojekte vgl. Haaker (2005), S. 45. 566 Vgl. hierzu Schreiber (2009), Anm. 62; ders. (2008a), S. 435; Kuckhoff/Schreiber (1999), S. 325; Serg (2005), S. 1918; ders. (2006), S. 193 f.; Greil (2011c), S. 285–296. Bezugnehmend auf die Vergütung von Geschäftschancen vgl. BFH v. 14.10.1992 I R 69/88, BFH/ NV 1993, S. 269 (271). – A. A. Wassermeyer (2007), S. 538; Wilmanns (2007), S. 201; Günter (2007), S. 1085. Der Einzelbewertungsgrundsatz diene als Schutz vor einer Überbewertung. Durch das BilMoG erfährt dieser dem Handelsrecht immanente Grundsatz auch eine Einschränkung. So können gemäß § 254 HGB Bewertungseinheiten gebildet werden sowie die Bildung eines Sammelpostens gemäß § 6 Abs. 2a EStG aufgrund des Wesentlichkeits- und Wirtschaftlichkeitsprinzips erlaubt ist. Vgl. Kirsch (2008), S. 457. 567 Gl. A. Serg (2006), S. 203: „[I]m Zuge der steuerlichen Entstrickung [ist] von einer Atomi­sierung in sämtliche übertragenen Wirtschaftsgüter abzusehen, da hierdurch mehr Bewertungsprobleme geschaffen als gelöst werden.“ 565

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B. Die Funktionsverlagerung im Steuerrecht

Bewertungsunsicherheiten der einzelnen Vermögenswerte wird vermieden, was auch dazu führen kann, die Gefahr der Doppelrechnung von Erfolgspotenzialen zu mindern.568 Folglich können der Bewertungsaufwand sowie die -unsicherheit reduziert und Doppelbesteuerungen durch die mehrmalige Erfassung von Gewinnpotenzialen der einzelnen Vermögenswerte vermieden werden.569 Andererseits wird impliziert, dass der Geschäftswert teilbar ist und auf eine Funktion entfallen kann,570 was aber international bspw. im Rahmen der IFRS (cash generating unit) oder der US-GAAP (reporting unit) üblich ist.571 Dieser Funktionswert, als eine Gesamtbewertungs-Einzelbewertungs-Differenz für die sich aus dem Kaufpreis für die ganze Funktion kein greifbarer Einzelwert ermitteln lässt, verkörpert die Aussichten auf Gewinnchancen der Funktion, die ihre Begründung in den besonderen Vorteilen finden, die die Funktion losgelöst von der Person des Unternehmers genießt. Auch stimmt die gesetzliche Vorgehensweise mit dem Gesetzeszweck überein, da nur im Rahmen einer Gesamtbewertung ein etwaiger Geschäftswert, (selbst erstellte) immaterielle sowie materielle Vermögenswerte, sonstige Vorteile und sowohl konkrete als auch unternehmerische Geschäftschancen erfasst werden können.572 Hierdurch erfolgt eine angemessene Bewertung und steuerliche Erfassung einer Funktionsverlagerung. Ein Transferpaket ist aber nur einer Bewertung zugänglich, wenn es selbstständig bewertbar ist, wovon auszugehen ist, wenn es nach der allgemeinen Verkehrsanschauung einer besonderen Bewertung zugänglich ist. Da regelmäßig keine Börsen- oder Marktpreise für die Schätzung herangezogen werden können, sind Bewertungsmodelle wie Ertragswert- oder DCF-Verfahren anzuwenden.573 Der Ertragswert eines Transferpakets repräsentiert dann einen geschätzten Wert.574 Da Schätzungen immer Ermessensentscheidungen beinhalten und Unsicherheiten mit einer Bewertung einhergehen, ist eine exakte Ermittlung nicht möglich, und subjektive Bewertungselemente bei der Bewertung sind praktisch unausweichlich,575 was zu divergierenden Ansichten zwischen dem Steuerpflichtigen und der Finanzverwaltung führen kann. „Allerdings gibt die Ertragswertmethode einen geordne-

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Vgl. Serg (2005), S. 1918; Bodenmüller (2004), S. 209. Zur praktischen Problematik der Einzelbewertung siehe auch Peter et al. (2011), S. 182. 570 Vgl. Looks/Scholz (2007), S. 2541; Oestreicher/Hundeshagen (2009), S. 145. 571 Vgl. auch v. Bredow (2011), S. 69 f. 572 Vgl. auch Crüger/Wintzer (2008), S. 311. 573 Vgl. IDW PS 314 n. F., Tz. 18. Jedoch ist „[d]er Hang […] von Kaufpreisen auszugehen, die für andere, ähnliche Unternehmungen des gleichen Wirtschaftszweigs gezahlt wurden […] grundsätzlich falsch, denn […] dieser Ausgangspunkt [ist] keineswegs ‚sicherer‘ als der individuell ermittelte Ertragswert, zum anderen können derartige Vergleichspreise im besten Falle nur Anhaltspunkte für die Wertermittlung ergeben“. Jonas (1954), S. 18. 574 Als geschätzte Werte sind regelmäßig Zeitwerte, wie der fair value nach IFRS oder der beizulegende Wert nach HGB, aufzufassen. Vgl. IDW PS 314 n. F., Tzn. 1 f., 15.  575 Vgl. IDW PS 314 n. F., Tz. 10; Aschfalk-Evertz (2009), S. 502. Vor allem in Bezug auf den zukünftigen Zahlungsstrom. Vgl. Ordelheide (1991), S. 520. 569

II. Die Funktionsverlagerung aus Sicht der OECD

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ten Rahmen, innerhalb dessen die Schätzung des Unternehmenswertes [Wertes des Transferpakets] stattfinden kann.“576 Aufgrund der Zusammenfassung der zu übertragenden Wirtschaftsgüter, sonstigen Vorteile, Chancen und Risiken zu einem Transferpaket und der grundsätzlich vorzunehmenden Gesamtbewertung desselbigen, können im Gegensatz zur Rechtslage vor dem Jahr 2008 prinzipiell höhere Wertansätze für Funktionsverlagerungen resultieren. Höhere Wertansätze können dann dazu beitragen, dass Unternehmen Verlagerungsvorgänge unterlassen, Umstrukturierungsvorgänge für steuerliche Zwecke optimieren oder Gestaltungsalternativen suchen, um die Verwirklichung des Tatbestandes, an den das Gesetz die Steuer knüpft, zu vermeiden. Die Suche nach Gestaltungsalternativen und die steuerliche Gestaltung der Umstrukturierung können zu steigenden, aber vermeidbaren, Steuerplanungskosten führen.577 Ebenfalls können höhere Wertansätze dazu beitragen, dass Unternehmen aus strategischen Überlegungen heraus Investitionen von Anfang an im Ausland durchführen. In der Änderung von Verhaltensweisen der von der Regelung betroffenen Unternehmen würde sich zudem der über die bloß präzisierende Wirkung hinausgehende Charakter der Regelung widerspiegeln.

II. Die Funktionsverlagerung aus Sicht der OECD Die OECD definiert business restructurings als grenzüberschreitende Umgruppierungen bzw. Transfers von Vermögenswerten, Funktionen und Risiken eines multinationalen Konzerns mit Auswirkungen auf den Gewinn/Verlust in den betreffenden Ländern. Damit sind nicht rechtliche Umstrukturierungen wie Fusionen und Unternehmenskäufe gemeint, wenn nach der Umstrukturierung kein Übergang von Funktionen, Risiken und wesentlichen immateriellen Vermögenswerten innerhalb des Konzerns stattfindet.578 Im Fokus des Kapitels IX der OECD-RL stehen zum einen der Übergang und die Bewertung von immateriellen Vermögenswerten. Insbesondere ist für die Ermittlung des Fremdvergleichspreises von immateriellen Werten die Perspektive von beiden Unternehmen, sowohl dem abgebenden als auch dem aufnehmenden Unternehmen, entscheidend.579 Der sich ergebende Wert wird durch den Zeitraum und das Risikomaß der erwarteten Erträge aus der Nutzung, der Natur und den Einschränkungen des immateriellen Vermögenswertes bestimmt. Für eine generelle Anleitung zur Bewertung sind die OECD-RL, insbesondere Kapitel VI, 576 OLG Frankfurt a. M. v. 21.3.2006 3–5 O 153/04, AG 2007, S. 42 (43) m. V. a. Großfeld (2002a), S. 152 ff. 577 Vgl zu Planungskosten Wagner (2005), S. 94 f. 578 Vgl. Cauwenbergh/Lucas (2008), S. 515. 579 Vgl. OECD (2010a), Tzn. 9.85; 9.93 f.; OECD-RL, Tz. 6.14. Ebenso für die Analyse der Synergieeffekte sowie der Änderung von Verträgen. Siehe auch Freudenberg/Ludwig (2011), S. 218.

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B. Die Funktionsverlagerung im Steuerrecht

heranzuziehen. Mit den expliziten Ausführungen zu immateriellen Vermögenswerten erkennt die OECD die Brisanz der Verlagerung dieser Werte an und zeigt auf, dass sie im Zentrum von Umstrukturierungen stehen und bei der Bewertung erhebliche Unsicherheiten hervorrufen.580 Die OECD widmet sich zum anderen auch der Anwendung des dealing at arm’s length-Prinzip auf die Umstrukturierung selbst. Erfolgt solch eine Restrukturierung von betrieblichen Aktivitäten, kann das übertragende vom übernehmenden Unternehmen eine Ausgleichszahlung verlangen. Um schlussfolgern zu können, dass eine Kompensation für die Umstrukturierung an sich zu erfolgen hat, ist ein bestimmtes Verständnis der Umstrukturierung erforderlich. Es ist zu hinterfragen, welche wirtschaftlichen Gründe hierfür gegeben sind, welche Veränderungen stattfinden und wie diese die Funktionen der beteiligten Parteien verändern. Die zentrale Frage lautet, ob der Transfer eines Gewinn-/Verlustpotenzials (profit potential) zu einer Kompensation zwischen fremden Dritten führen würde. Ein Gewinn- oder Verlustpotenzial ist kein Vermögenswert, aber es stellt eine Möglichkeit dar, die mit Vermögenswerten und Rechten verbunden sein kann. Unter Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes erfolgt daher per se keine Vergütung. Vielmehr ist danach zu fragen, ob den betreffenden Vermögenswerten und Rechten solch ein Gewinnpotenzial anhaftet und infolgedessen zu vergüten ist.581 Eine Ausgleichszahlung hat sich an den vom Unternehmen aufgegebenen Gewinnmöglichkeiten zu orientieren, die konkret aus der Übertragung der Rechte und Wirtschaftsgüter folgen. Alle möglichen und realistischen Optionen sind in Betracht zu ziehen, und die erwarteten künftigen Gewinne bzw. Verluste sind in Relation zum übernommenen Risiko zu setzen. Dabei sind die Konsequenzen aus der Übertragung in Bezug auf die neuen Risikoprofile der betroffenen Unternehmen einzubeziehen.582 Die OECD geht darüber hinaus speziell auf die Verlagerung von unternehmerischen Aktivitäten (transfer of an ongoing concern) ein.583 Unter diesem Punkt wird der Übergang eines Bündels von Vermögenswerten, Verbindlichkeiten, die in Beziehung zu einer bestimmten Funktion stehen, inklusive der inhärenten Risiken verstanden. Der Fremdvergleichspreis stellt bei solch einem Vorgang bedingt die Summe der einzelnen Vermögenswerte dar. Unabhängige Parteien würden in solchen Fällen prinzipiell einen Geschäftswert der Aktivität vergüten. Bewertungsmethoden, die bei Unternehmenskäufen angewendet werden, sollten sich als geeignet erweisen, den Wert solch einer Aktivität zu erfassen, das der deut-

580 Vgl. OECD-RL, Kapitel VI: Special Considerations for Intangible Property. Zudem wird sich in der OECD vermehrt dem Thema der immateriellen Vermögenswerte gewidmet; bspw. im Rahmen der Konferenz über Transfer Pricing and Treaties in a Changing World im September 2009. 581 Vgl. OECD (2010a), Tzn. 9.41, 9.61, Part C. 582 Vgl. OECD (2010a), Tz. 9.69. 583 Vgl. OECD (2010a), Tzn. 9.93 f.; Frotscher/Oestreicher (2009), S. 376; Kap. B. I. 2. e).

II. Die Funktionsverlagerung aus Sicht der OECD

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schen Intention bei der Bewertung des Transferpakets entspricht.584 Somit zeigt dieser Abschnitt eine mit dem deutschen Gesetzgeber vergleichbare Vorgehensweise auf.585 Daraus folgt, dass „[d]em oftmals erhobenen Vorwurf, dass die […] Regelungen zur Funktionsverlagerungsbesteuerung einen nationalen Alleingang darstellen und gegen internationales Recht verstoßen – was insbesondere für die Einbeziehung von Standortvorteilen, Synergieeffekten und Goodwill in die Bewertung des verlagerten Transferpakets gelte – […] durch die aktuellen Entwicklungen allerdings zu einem großen Teil der Boden entzogen worden“586 ist. Ferner sind auf internationaler Ebene derzeit Bestrebungen einzelner Nationen vorhanden, Funktionen bzw. Geschäftsbereiche sowie immaterielle Vermögenswerte fremdvergleichskonform zu erfassen.587 Zugleich besteht aber zwischen den verschiedenen Ländern „eine extrem große Bandbreite von Regelungen und Sichtweisen“588 zu diesem Themengebiet. Werden also Wirtschaftsgüter und Vorteile im internationalen Konzern übertragen, führt der Vorgang zur Auflösung und Besteuerung von stillen Reserven, was dem Steuersubjektprinzip entspricht.589 Dabei ist der international anerkannte Fremdvergleichsgrundsatz zu beachten, dementsprechend sind Marktwerte zu ermitteln: Sei es durch Ableitung derselben aus dem Markt oder durch approximative theoretische Verfahren, wie Ertragswertverfahren. Indes ist die Diskussion über eine fremdvergleichskonforme Behandlung von Funktionsverlagerungen in 584

Vgl. hierzu auch v. Bredow (2011), S. 51. Vgl. auch Werra (2009), S. 85; Freudenberg/Ludwig (2011), S. 218. Zwar stellt die OECD weiterhin auf Einzelbewertung ab, aber es wird erkannt, dass bei dem Übergang eines ongoing concern eine zukunftsgerichtete Gesamtbewertung einen höheren Aussagegehalt aufweist. In Bezug auf ongoing operations und der Bewertung auf Basis von Barwerten vgl. schon Frisch (1989), S. 266 f. – Ebenfalls sind nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls lokale, aber nicht globale Synergieeffekte und Standortvorteile in die Bewertung einzubeziehen. Vgl. OECD (2010a), Tzn. 9.148–9.153; Freudenberg/Ludwig (2011), S. 218. 586 Schreiber (2009), Anm. 31. Vgl. auch Werra (2009), S. 85; BT-Drs. 16/8027, S. 4 f. A. A. Baumhoff/Puls (2009), S. 80. 587 Siehe bspw. für Australien ATO (2011). So hatte das Australian Tax Office schon am 2.6.2010 den ersten Entwurf eines Taxation Ruling zur Umsetzung des Fremdvergleichsgrundsatzes bei Umstrukturierungsvorgängen multinationaler Unternehmen veröffentlicht. Vgl. hierzu Rasch/Schmidtke (2010), S. 720–726. – In Dänemark wurden von dem SKAT „Transfer Pricing; kontrollere de transaktioner; værdiansættelse“ (Grundsätze zur Bewertung von immateriellen Vermögenswerten) veröffentlicht. Es ist nun regelmäßig für immaterielle Vermögenswerte oder das gesamte Geschäft eine ertragswertorientierte Bewertung für Verrechnungspreiszwecke vorzunehmen. Im Zentrum der Betrachtung stehen v. a. Umstrukturierungen. Vgl. Kelstrup/Toftemark/von Haffner (2009), S. 48–50. Auch in den USA sind Bestrebungen vorhanden, immaterielle Vermögenswerte marktgerecht zu erfassen. Vgl. Joint Committee on Taxation (2009), S. 42. Department of Treasury (2009), S. 32. Für Österreich bspw. öBMF (2010). Im Hinblick auf die Übernahme der OECD-Regelungen zu business restructurings in Kanada vgl. Steeves (2011), S. 151–166. 588 Kroppen/Nientimp (2011), S. 653. 589 In Bezug auf Veräußerungs- und Aufgabegewinne vgl. Reiß (2008), § 16 Rn. 6 f. 585

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B. Die Funktionsverlagerung im Steuerrecht

ternational in einem Anfangsstadium. Die Ausführungen zeigen aber, dass der Aspekt der Funktionsverlagerung bzw. die Verlagerung von betrieblichen Aktivitäten und, damit einhergehend, das Problem der Verlagerung von immateriellen Vermögenswerten international bekannt sind. Dabei ist eine Tendenz in Richtung der deutschen Interpretation des Fremdvergleichsgrundsatzes für die Ermittlung von Marktwerten einer Funktion als organisatorische Einheit und nicht als bloße Summe der einzelnen übertragenen Wirtschaftsgüter und Vorteile vorherrschend.590 Jedoch „werden teilweise gegenläufige Ansichten oder doch sehr unterschiedliche Ausgestaltungen“ u. a. aufgrund von kulturellen Gegebenheiten „über die Operationalisierung des Fremdvergleichsgrundsatzes vertreten“591, was das Risiko einer Doppelbesteuerung von Geschäftsvorfällen multinationaler Unternehmen erhöht.

III. Präzisierung des Fremdvergleichsgrundsatzes – Etablierung von Rechtssicherheit „Als staatliches Eingriffsrecht untersteht das Steuerrecht dem strengen Gesetzesvorbehalt der Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 GG.“592 Der Steuerpflichtige kann daher nur durch ein Gesetz zur Steuer herangezogen werden. Sowohl die Eingriffsvoraussetzungen als auch die Rechtsfolgen müssen durch das Gesetz verbindlich angeordnet werden.593 Demzufolge ist auch die Verwaltung an die Gesetze gebunden und freie, nicht an einem Gesetz orientierte Ermessensentscheidungen sind untersagt.594 In Anbetracht der vorherigen Ausführungen scheint, obwohl die Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen präzisierender Natur sein soll,595 die Aufnahme dieser Regelung daher als gesetzlicher Tatbestand zwingend.596 Die Funktion und, damit einhergehend, sowohl die Funktionsverlagerung als auch das Transferpaket als steuerrechtlich normierte Begriffe existierten nicht. Darüber hinaus haben keine einheitlichen bzw. einheitlich verstandenen Bewertungs 590 Vgl. auch Schreiber (2008b), S. 471. – Siehe hinsichtlich der grundsätzlichen Übereinstimmung der Regelung zur Funktionsverlagerung mit dem Fremdvergleichsgrundsatz Greil (2011c), S. 285–296. 591 Kroppen/Nientimp (2011), S. 653. Vgl. auch Burger/Ulbrich (2005), S. 669; Piltz (1994), S.  53 f. 592 Hey (2002), S. 18. Zusätzlich wird die Gesetz- und Tatbestandsmäßigkeit des Steuerrechts in § 3 Abs. 1 S. 1 1. Halbsatz AO und § 38 AO hervorgehoben. Vgl. Hey (2002), S. 18. 593 Vgl. Hey (2002), S. 185. 594 Vgl. Keerl (2008), S. 166 f. 595 Vgl. VerwGr-FVerl, Tz. 3.10; BT-Drs. 16/4841, S. 84. Gesetzgeber und Bundesfinanz­ ministerium sind der Überzeugung, dass die Regelung rein deklaratorischen Charakter besitzt. – A. A. u. a. Greinert/Thiele (2011), S. 1197–1202. 596 Vgl. auch Jarass/Obermair (2006), S. 124.

III. Präzisierung des Fremdvergleichsgrundsatzes

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grundsätze für die Bewertung von Funktionsverlagerungen vorgelegen. Der Finanzverwaltung fehlte zudem im Rahmen von Außenprüfungen eine gesetzliche Handhabe, auf der sie ihre Argumentation hinsichtlich einer fremdvergleichskonformen Erfassung (in dem zuvor angeführten Sinne) von Funktionsverlagerungen (nicht nur unterhalb der steuerrechtlichen Teilbetriebsebene) rechtlich zweifelsfrei hätte stützen können. Vielmehr wurden Funktionsverlagerungen prinzipiell unter Rückgriff auf die dargestellte Geschäftschancenlehre gewürdigt. Desgleichen bestanden steuerliche Risiken bzw. Planungsunsicherheiten für den Steuerpflichtigen im Zeitpunkt der Sachverhaltsverwirklichung: Würde die Finanzverwaltung einen einmal durchgeführten Verlagerungsvorgang im Nachhinein als fremdvergleichskonform beurteilen? Allerdings wird aus dem Rechtsstaatprinzip in Art. 20 Abs. 3 GG der Grundsatz der Rechtssicherheit abgeleitet,597 der als eine Grundfunktion des Rechts gilt und dem Verfassungsrang zuerkannt wird.598 Inhaltlich verlangt Rechtssicherheit die „Abwesenheit von Willkür“ und „Regellosigkeit ist […] Willkür“599. Recht hat verlässlich, berechenbar und stabil zu sein.600 Daher erfordert Rechtssicherheit „Rechtsbestimmtheit, Transparenz, Kalkulierbarkeit, Voraussehbarkeit und Vertrauensschutz.“601 Der Gesetzgeber hat demnach „das Gerippe des Steuertatbestandes“602 zu bestimmen, wozu neben dem Tatbestand auch die Rechtsfolge zählt.603 Der Steuerpflichtige hat ein berechtigtes Interesse, „die Höhe der Belastung im Augenblick der Sachverhaltsverwirklichung zu kennen; dies deshalb weil auch die durch die Finanzzwecknormen ausgelösten Steuerbelastungen ein wirtschaftlicher Faktor sind“604 und durch den Steuerzugriff die ökonomische Handlungsfreiheit des Steuerpflichtigen eingeschränkt wird, weshalb mit der Steuerbelastung planungssicher vom Steuerpflichtigen kalkuliert werden muss,605 um auf dieser Grundlage entscheiden zu können, ob er eine beabsichtigte Aktion durchführt oder nicht. Mithin muss die Steuerzahllast im gewissen Umfang berechenbar sein. Der Steuerpflichtige muss also die Rechtslage erkennen und sein Verhalten

597

Vgl. BVerfG v. 24.07.1957 1 BvL 23/52, BVerfGE 7, 89 (92); BVerfG v. 12.12.1957 1 BvR 678/57, BVerfGE 7, 194 (196). 598 Vgl. Schenke (2007), S. 88 m. w. N. 599 Tipke (1981a), S. 57, 122. Vgl. auch Burchardi (1981), S. 317. 600 Vgl. Schenke (2007), S. 88. 601 Tipke (1981a), S. 122. – Herzog nennt Häufigkeit und Umwälzgeschwindigkeit der Rechtsänderungen, die Masse an steuerrechtlichen Bestimmungen sowie die Begriffswelt und Methodologie als Gründe für Rechtsunsicherheit. Vgl. Herzog (1989), S. 3–7. 602 Tipke (1981b), S. 194. Das Gerippe stellen Steuerobjekt, Steuersubjekt, Steuerbemessungsgrundlage und Steuertarif dar. – Vgl. auch BVerfGE v. 10.10.1961 2 BvL 1/59, BVerfGE 13, 153. 603 Vgl. Tipke (1981a), S. 123. 604 Tipke (1981b), S. 193. 605 Vgl. Hey (2002), S. 1; Tipke (1981b), S. 193.

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B. Die Funktionsverlagerung im Steuerrecht

danach ausrichten können.606 Ebenfalls muss ebenjener auf die Rechtslage vertrauen dürfen, die im Zeitpunkt der Verwirklichung des Sachverhaltes besteht.607 Daher ist Rechtssicherheit als Regelsicherheit608 auch bei der Rechtsanwendung angebunden, was dazu führt, dass impraktikables Recht, als Resultat einer anwendungsunsicheren Normgestaltung,609 nicht gleichmäßig angewendet werden kann und zu Rechtsunsicherheit führt,610 was die wirtschaftliche Betätigung hemmen kann.611 Des Weiteren verfehlt eine Rechtsnorm ihren Zweck, wenn diese von den Adressaten nicht verstanden wird; 612 ein gleichmäßiger Gesetzesvollzug kann dann nicht erfolgen, „weil die Gesetzesadressaten über Inhalt und Reichweite des Gesetzesbefehls keine Klarheit zu gewinnen vermögen.“613 Das heißt, dass Rechtsunsicherheit aus den Schwierigkeiten den Normtext zu erfassen, resultieren kann.614 Faktoren der Unsicherheit sind u. a. Komplexität, Kompliziertheit sowie fehlende Rechtsklarheit.615 Die Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen ist zwar im Hinblick auf ihren Umfang erheblich, aber es bestehen Angaben bzw. Darstellungen, die bestimmt genug sind, sodass sich der Steuerpflichtige daran orientieren und sein Handeln dementsprechend ausrichten kann; 616 insbesondere tragen hierzu 606 Vgl. hierzu u. a. BVerfG v. 19.12.1961 2 BvL 6/59, BVerfGE 13, 261; BVerfGE v. 10.10.1961 2 BvL 1/59, BVerfGE 13, 153 (160); Pezzer (2007), S. 103; Schenke (2007), S. 106; Rose (1985), S. 336 f. 607 Vgl. Tipke (1981b), S. 195. – Da der § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG mit dem UntStRefG 2008 vom 14.8.2007 eingeführt worden ist und die Regelung erstmalig ab dem Veranlagungszeitraum 2008 anzuwenden ist (§ 21 Abs. 16 AStG) scheidet eine echte Rückwirkung aus. Gleiches gilt für die FVerlV vom 12.08.2008, die zwar rückwirkend zum 1.1.2008 gilt, jedoch als unechte Rückwirkung aufzufassen ist. Vgl. u. a. Micker (2010), S. 831. „Die Vorschriften zur Funktionsverlagerung in § 1 Abs. 3 AStG sind auf Geschäftsvorfälle anzuwenden, die im oder nach dem Veranlagungszeitraum 2008 verwirklicht worden sind.“ Andresen/Schoppe (2009), S. 602. 608 Vgl. Tipke (1981b), S. 194. 609 Vgl. Hey (2002), S. 549. 610 Vgl. Tipke (1981a), S. 61. 611 Vgl. Hey (2002), S. 99, 185. 612 Vgl. Burchardi (1981), S. 304. Rechtssicherheit wird gewährleistet durch „Normen, die in sich schlüssig, verständig, einsichtig und auch exakt formuliert sind“, da diese „ausreichend berechenbar und beständig“ sind. Felix (1989), S. 197. 613 Pezzer (2007), S. 103. – Ebenso kann ein Gesetz nichtig sein, wenn dieses nicht seinen wirklichen Gehalt zum Ausdruck bringt, missverständlich oder irreführend ist. Vgl. BVerfG v. 23.10.1951 2 BvG 1/51, BVerfGE 1, 14. 614 Vgl. Hey (2002), S. 554. 615 Vgl. Hey (2002), S. 63; 547–549. – Belastungsfaktoren stellen insbesondere die Anzahl der Gesetze, Verordnungen und Richtlinien, die Häufigkeit von Gesetzesänderungen, Detailierungsgrad der Regelungen und Verständlichkeit der Gesetzessprache dar. Vgl. Clemens/ Kokalj (1995), S. 32 f.; Eichfelder (2010b), S. 15; Streitferdt/Becker (2008), S. 165 f. mit Verweis auf IfM (2004). 616 Vgl. u. a. Crüger/Riedl (2011), S. 203. – Siehe hinsichtlich der ausreichenden Bestimmtheit der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen Micker (2010), S. 829–831.

III. Präzisierung des Fremdvergleichsgrundsatzes

149

die untergesetzlichen Konkretisierungen, wie die FVerlV sowie die Verwaltungsgrundsätze Funktionsverlagerung, bei. Der Gesetzgeber hat demnach das Gerippe des Steuertatbestandes bestimmt, jedoch trägt die Extensität der Regelung nicht dazu bei, dass sich einem die Regelung umgehend erschließt. Für den Steuerpflichtigen verbleiben aber (vorerst), wie zuvor dargestellt, aufgrund neuer, unbestimmter Rechtsbegriffe – wie der Funktion, der Funktions­ verlagerung, dem Transferpaket, dem Reingewinn nach Steuern – und der eventuell hieraus resultierenden divergierenden Ansichten zwischen dem Steuerpflichtigem bzw. dessen steuerlichen Berater und Finanzverwaltung sowie Finanzgerichtsbarkeit Unsicherheiten hinsichtlich der steuerlichen Planbarkeit (Auswirkungen) bei konzerninternen, grenzüberschreitenden Umstrukturierungsvorgängen. Ferner tragen hierzu die mit der Anwendung der Regelung verbundenen praktischen Probleme sowie die Komplexität der Regelung bei.617 Es ist aber in diesem Kontext anzuführen, dass „[d]ie Anwendung und das rechtsfortbildende Zuendedenken von sinnkonzipierenden Regeln […] durch Behörden und Gerichte […] die Rechtssicherheit“618 nicht verletzt. Alle (steuerlichen) Normen sind auslegungsbedürftig und der rechtsfortbildenden Auslegung zugänglich, da sie „generell-abstrakt“619 gefasst sind.620 Sobald jedoch ein Gesetz ausgelegt wird, werden sich Interpretationsmöglichkeiten und somit Alternativen in der Deutung ergeben. Gesetze können deshalb nicht aufgrund der Möglichkeit divergierender Deutungen dahingehend interpretiert werden, dass sie zur Rechtsunsicherheit beitragen. Planungsunsicherheiten, die aus der Auslegung unbestimmter Tatbestandsmerkmale resultieren, sind unvermeidbar. Daher ist eine Auslegungsbedürftigkeit kein Aspekt von Rechtssicherheit.621 Das heißt auch, dass eine Auslegungsbedürftigkeit „noch nicht die rechtsstaatlich gebotene Bestimmtheit“622 nimmt. Dem Erfordernis der Bestimmtheit wird auch entsprochen, wenn die wesentlichen Bestimmungen mit hinreichender Genauigkeit getroffen werden. Es ist nicht jede einzelne Frage zu entscheiden.623 Im besonderen Maße hat der Gesetzgeber durch die FVerlV und die Verwaltungsgrundsätze Funktionsverlagerung als untergesetzliche Konkretisierungen dazu beigetragen, dem Erfordernis der Bestimmtheit Rechnung zu tragen.624 Behörden 617 Es bestehe hinsichtlich der Funktionsverlagerung keine erhebliche Rechtsunsicherheit. Vgl. BT-Drs. 16/8027, S. 2. – Vgl. hinsichtlich Unsicherheit Rose (1985), S. 337; Breithecker (2002), S. 327; Hey (2002), S. 63. 618 Tipke (1981a), S. 142. 619 Pezzer (2007), S. 103. – „[I]m Interesse einer gleichmäßigen Besteuerung wirtschaftlich vergleichbarer Sachverhalte“ müssen Steuertatbestände „möglichst abstrakt formuliert sein.“ Hey (2002), S. 550. 620 Vgl. Hey (2002), S. 577. 621 Vgl. Hey (2002), S. 69, 579. 622 BVerfG v. 14.03.1967 1 BvR 334/61, BVerfGE 21, 209. Vgl. auch Pezzer (2007), S. 103. 623 Vgl. BVerfG v. 18.12.1953 1 BvL 106/53, BVerfGE 3, 225 (243). 624 Vgl. hierzu umfassend Micker (2010), S. 829–834.

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B. Die Funktionsverlagerung im Steuerrecht

und Gerichte werden zudem im Laufe der Zeit durch Auslegung und Wertausfüllung die Gesetze konkretisieren,625 wodurch Akzeptanz des Gesetzes geschaffen werden kann und zugleich das Maß an Rechtssicherheit erhöht wird. Ferner sollte der Berechnungsweg für die Wertermittlung einer steuerlichen Bemessungsgrundlage gegenüber Manipulationen nicht anfällig sein.626 Zwar bietet die Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen einen geordneten Rahmen für die Bewertung einer Funktionsverlagerung, jedoch ist eine solche Bewertung u. a. aufgrund des Fehlens von Marktpreisen, der Zukunftsorientierung der Bewertung sowie der praktischen Schwierigkeiten bei der Bewertung gegenüber Manipulationen anfällig. Aber aufgrund der Etablierung der Regelung wird zumindest der geordnete Rahmen der Bewertung eingeführt, der vorher nicht bestanden hat. Die gesetzliche Etablierung der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen ist deshalb trotz aller Kritik als ein Weg in Richtung Rechtssicherheit zu verstehen,627 wenn Rechtssicherheit vornehmlich als Regelsicherheit aufgefasst wird.628 Aufgrund des zuvor Ausgeführten zeigt sich aber, dass der Fremdvergleichsgrundsatz theoretisch nicht nur präzisiert wurde, sondern eine neue, umfassende Besteuerungsgrundlage mit unbestimmten Rechtsbegriffen im AStG etabliert worden ist, die in der Praxis auch zu Anwendungsproblemen führen kann. Dies kann daher – zumindest zu Beginn – im Gegensatz zu einer bloßen Präzisierung, trotz Konkretisierung durch die FVerlV und die Verwaltungsgrundsätze Funktionsverlagerung, vermehrt zu Disputen zwischen den Unternehmen und der Finanzverwaltung führen, wodurch die Planungssicherheit als Aspekt der Rechtssicherheit vermindert werden kann. Im Laufe der Zeit werden diese Dispute aber verringert, die Planungssicherheit für die Unternehmen erhöht und demnach die Rechtssicherheit in Bezug auf die Rechtsanwendung gesteigert werden können. Da die Regelung auf internationale Sachverhalte gerichtet ist, ist auch die Wirkung der Regelung im Ausland zu betrachten. Würde die Regelung internationalen Grundsätzen zuwider laufen, würde sie für den Steuerpflichtigen keine Rechtssicherheit etablieren können. Der Steuerpflichtige könnte die im Ausland resultierenden steuerlichen Folgen nicht im Voraus einschätzen. Wird davon ausgegangen, dass die Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen grundsätzlich dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht, konkretisiert die deutsche Regelung neben dem Kapitel IX der OECD-RL das dealing at arm’s length-Prinzip im Be 625

Vgl. Tipke (1981b), S. 193; BVerfG v. 17.05.1960 2 BvL 11/59, 2 BvL 11/60, BVerfGE 11, 126 (130). „Steuergerechtigkeit kann eher verwirklicht werden, wenn Steuerverwaltung und Finanzgerichte den Besonderheiten des Einzelfalles durch Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs gerecht werden können, als wenn sie gezwungen werden, jeden Fall in eine starre, enumerativ kasuistisch gestaltete Norm zu pressen.“ BVerfG v. 10.10.1961 2 BvL 1/59, BVerfGE 13, 153. 626 Vgl. Keerl (2008), S. 167. 627 Vgl. hierzu auch Micker (2010), S. 829–831. 628 Vgl. Tipke (1981b), S. 194.

IV. Prüfung, Dokumentation und Steuerbefolgungskosten

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reich von konzerninternen Umstrukturierungen und sollte auch zu einer grenzüberschreitenden Planungssicherheit beitragen.

IV. Prüfung, Dokumentation und Steuerbefolgungskosten einer Funktionsverlagerung 1. Prüfung einer Funktionsverlagerung seitens der Finanzverwaltung Die den konzerninternen Geschäftsbeziehungen zugrundeliegenden Verrechnungspreise unterliegen der Überprüfung durch die Finanzverwaltung. Mittels einer Außenprüfung sollen die tatsächlichen sowie rechtlichen Verhältnisse, die für die Steuerpflicht und Bemessung der Steuer erheblich sind, geprüft werden (§ 194 Abs. 1 AO), um die Festsetzung der Steuerlast des Steuerpflichtigen so zu gewährleisten, wie es der Gesetzgeber vorgesehen hat. Das heißt, durch die Außenprüfung sollen die steuerlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen ermittelt (§ 194 Abs. 1 AO) und die Gleichmäßigkeit der Besteuerung sichergestellt werden.629 Speziell im internationalen Kontext sollen willkürliche Gewinnverschiebungen unterbunden, eine gleichmäßige Besteuerung gesichert und der Abgang von Steuer­ substrat verhindert werden.630 Die Außenprüfung gilt dabei als Oberbegriff für alle Arten einer Prüfung beim Steuerpflichtigen.631 Ein Unterfall der Außenprüfung ist die Betriebsprüfung, die sich nur auf betriebliche Einkünfte erstreckt. Daher werden im Folgenden im Zusammenhang mit der Prüfung von Funktionsverlagerungen die Begriffe Betriebsprüfung und Betriebsprüfer verwendet. Gemäß § 201 Abs. 1 Satz 1 AO ist über das Ergebnis der Außenprüfung eine Schlussbesprechung abzuhalten. Diese stellt regelmäßig den Abschluss der Außenprüfung dar. Gemäß § 201 Abs. 1 Satz 2 AO sind in der Schlussbesprechung insbesondere die strittigen Sachverhalte sowie die rechtliche Beurteilung der Prüfungsfeststellungen und ihre steuerlichen Auswirkungen zu erörtern.632 Da konzerninterne Lieferungs- und Leistungsbeziehungen mit ihren ökono­ mischen und steuerrechtlichen Aspekten strittige Sachverhalte darstellen können, werden diese des Öfteren in Schlussbesprechungen erörtert. Die damit einhergehenden Verrechnungspreisaspekte führen mitunter zu langwierigen Auseinandersetzungen zwischen dem Steuerpflichtigen und der Finanzverwaltung.633 Gemäß 629

Vgl. Täuber (1984), S. 107. Vgl. Engel (1986), S. 17; Borstell (2000), S. 342; Scheffler (2009), S. 87; Wassermeyer (2007), S. 536; Wassermeyer/Baumhoff/Greinert (2009), § 1 Anm. V 17. 631 Vgl. bzgl. Außenprüfung Erhard/Wenzig (1995), S. 19. 632 Vgl. hierzu auch Mösbauer (2005), S. 242–244. 633 Vgl. Niess (2010), S. 301. Streitigkeiten über die festzusetzende Höhe von Verrechnungspreisen seien die Regel und Doppelbesteuerungen die Folge. Vgl. Peters/Haverkamp (2011), S. 1303. 630

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B. Die Funktionsverlagerung im Steuerrecht

einer von Deloitte durchgeführten Studie zu Betriebsprüfungserfahrungen multinationaler Unternehmen in Deutschland wurden v. a. nachstehende Aspekte als wichtig und für steuerliche Korrekturen als anfällig eingeschätzt: 634 –– steuerliche Gestaltung von Verrechnungspreisen, –– die Dokumentation von Verrechnungspreisen und –– sowohl die Bewertung als auch die Verlagerung von Produktions- und Vertriebsfunktionen ins Ausland in zukünftigen Betriebsprüfungen. Zudem offenbart die Studie von Deloitte, dass Betriebsprüfungen mit einer erheblichen Planungsunsicherheit für die Unternehmen behaftet sind. Im Durchschnitt führte die letzte abgeschlossene Betriebsprüfung zu einer zusätzlichen Abschlusszahlung von 49 % des durchschnittlichen, jährlichen Ertragsteueraufwandes.635 Sind Steuerwirkungen jedoch nicht planbar, so ist die Steuerbelastung ungerecht, „weil der Steuerpflichtige sich auf sie bei seiner Gestaltungsplanung nicht einstellen […] kann.“636 Auch die EU äußert sich entsprechend zu diesem Themengebiet: „Transfer pricing requirements are a major difficulty in the company tax area.“637 „Whereas 81.9 % of large companies which had their cross-border transfer pricing examined in the past five years have difficulties dealing with documentation requirements linked to transfer pricing, almost the same percentage of companies, 79.9 %, have difficulties dealing with the risk of double taxation.“638

Würde durch die Etablierung der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen der Fremdvergleichsgrundsatz präzisiert werden,639 könnte die Regelung dazu beitragen, Planungssicherheit zu erzeugen, da mit dieser Regelung nun präzise Vorgaben bestehen sollten, wie eine Funktionsverlagerung zwischen nahe stehenden Personen steuerrechtlich zu würdigen ist. Im Vergleich zum Zeitpunkt vor der Einführung sollten dann weniger Verrechnungspreisfälle, insbesondere hinsichtlich Funktionsverlagerungen, im Rahmen einer Betriebsprüfung aufgegriffen werden und somit Gegenstand eventuell langwieriger Auseinandersetzungen sein und zu etwaigen zusätzlichen Abschlusszahlungen führen. Dies wiederum könnte das Risiko einer etwaigen Doppelbesteuerung senken und darüber hinaus die Dauer einer Betriebsprüfung mindern. Da dem Steuerpflichtigen zudem durch 634

Vgl. Eismayr/Schnell (2010), S. 909, 911. Die webbasierte Befragung wurde unter Inbound-Investoren durchgeführt. Siehe hierzu Deloitte (2010), S. 9. Siehe auch Niess (2010), S. 302. 635 Vgl. Eismayr/Schnell (2010), S. 909. – Dieser Steuermehrbetrag ist darüber hinaus zu verzinsen, aber nicht als Betriebsausgabe abziehbar. Vgl. Niess (2010), S. 306. 636 Rose (1985), S. 336 f. 637 European Communities (2004), S. 4. 638 European Communities (2004), S. 65. 639 Vgl. Greinert/Thiele (2011), S. 1197, 1202.

IV. Prüfung, Dokumentation und Steuerbefolgungskosten

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eine Betriebsprüfung grundsätzlich in Form von Steuerberatungshonoraren640 und Prüfungskosten641 erhöhte Auszahlungen entstehen, könnte eine Minderung der Dauer einer Betriebsprüfung dazu beitragen, diese Kosten zu senken. Allerdings wurde in den Abschnitten zuvor gezeigt, dass unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten hinsichtlich der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen bestehen, die dazu führen können, dass die Steuerbelastung nicht planbar ist und die Unternehmen demzufolge zusätzliche Abschlusszahlungen zu leisten haben.642 Des Weiteren können Interpretationsspielräume vom Steuerpflichtigen genutzt werden, um sowohl den Sachverhalt (Steuergestaltungsplanung) als auch den Wert eines Verlagerungsvorganges zu beeinflussen. Für eine Betriebsprüfung entsteht aber hierdurch Konfliktpotenzial. Dieses wird durch Interpretationsmöglichkeiten seitens der Betriebsprüfer noch gesteigert, wodurch sich die steuerlichen Risiken für die Unternehmen aufgrund unterschiedlicher Beurteilung von Sachverhalten erhöhen, was dazu führen würde, dass die Etablierung der Regelung nicht unmittelbar zur beabsichtigten Planungssicherheit seitens des Steuerpflichtigen beiträgt.643 2. Lösungsansätze für Verrechnungspreisdispute des Steuerpflichtigen mit der Finanzverwaltung Auseinandersetzungen mit der Betriebsprüfung – bspw. Dispute mit der inländischen oder ausländischen Finanzverwaltung hinsichtlich des vom Unternehmen angesetzten Verrechnungspreises einer Funktionsverlagerung oder gar der Nichtanerkennung der Transferpaketbewertung seitens der ausländischen Finanzverwaltung – und einer daraus folgenden etwaigen steuerlichen Korrektur eines vom Unternehmen angesetzten Verrechnungspreises können schließlich Doppelbesteuerungen hervorrufen, wobei es grundsätzlich drei Mechanismen gibt, um diese zu vermeiden: 644 –– Rechtsstreit vor einzelstaatlichen Gerichten, wobei diesem ein Rechtsbehelfsverfahren vorausgeht, –– die in den bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen angeführten Verständigungsverfahren und –– das EU-Schiedsübereinkommen. 640

Vgl. Breithecker (2002), S. 330 f. Vgl. Kap. B. IV. 4. 642 Vgl. Rose (1985), S. 337; Breithecker (2002), S. 327. 643 Vgl. Ditz (2011), S. 128. Vgl. aber auch BT-Drs. 16/8027, S. 2. 644 Ähnlich COM (2001), S. 304–312; BT-Drs. 16/8027, S. 6. – Die Kosten, die „aus Meinungsverschiedenheiten mit den Finanzbehörden resultieren“ gelten dabei „[a]ls eine be­ sondere Gattung der Planungskosten“ und können „als ein Teilbereich der Steuerplanung im engeren Sinne interpretiert werden.“ Eichfelder (2010b), S. 12. 641

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B. Die Funktionsverlagerung im Steuerrecht

Jedoch wird diese Problematik regelmäßig ins Verständigungsverfahren verlagert: 645 So enthält Art. 25 OECD-MA Verfahrensvorschriften zur Vermeidung bzw. Beseitigung der Doppelbesteuerung.646 Dabei sind drei Verfahrensarten vorgesehen, die unabhängig voneinander ausgeführt werden können: –– Verständigungsverfahren gemäß Art. 25 Abs. 1 und 2 OECD-MA, wobei Advance Pricing Agreements ein Unterfall hiervon sind; –– Konsultationsverfahren gemäß Art. 25 Abs. 3 Satz 1 OECD-MA; –– Konsultationsverfahren gemäß Art. 25 Abs. 3 Satz 2 OECD-MA. Erstgenanntes Verfahren „dient der Vermeidung einer den Abkommen nicht entsprechenden Besteuerung durch Maßnahmen eines oder beider Vertragsstaaten in Einzelfällen.“ Ein Verständigungsverfahren wird auf Antrag des Steuerpflichtigen eingeleitet und betrifft jeweils einen Einzelfall. Voraussetzung ist, dass der Steuerpflichtige davon überzeugt ist, dass er den Abkommen entgegen besteuert worden ist. Das Konsultationsverfahren gemäß Abs. 3 Satz 1 OCED-MA „dient der Beseitigung von Schwierigkeiten oder Zweifeln, die bei der Auslegung oder Anwendung der Abkommen entstehen können.“ Letztgenanntes Verfahren gemäß Art. 25 Abs. 3 Satz 2 OECD-MA „dient der gemeinsamen Beratung beider Finanzverwaltungen über die Vermeidung einer Doppelbesteuerung in Fällen, die in den Abkommen nicht genannt sind.“647 Gleichwohl beanspruchen Verständigungsverfahren sehr lange Verfahrensdauern: Zwischen einer Betriebsprüfung und dem Abschluss eines Verständigungsverfahrens können mehrere Jahre vergehen.648 Daher und aufgrund von Ungewissheit sowie sonstiger steuerlicher Risiken verzichten Unternehmen darauf, Verständigungsverfahren zu beantragen.649 Durch ein Advance Pricing Agreement (APA), als Unterfall der Verständigungsverfahren, sollen im Gegensatz zu den angeführten Verfahren zukunftsbezogene Sachverhalte geklärt werden.650 Ein solches Verfahren wird, wie auch ein

645

Hinsichtlich Verrechnungspreisaspekten vgl. auch Moebus (2003), S. 1413. Hinsichtlich der Bedeutung solcher Verständigungsverfahren siehe OECD (2010b). – Des Weiteren gibt es die Möglichkeit, dass „der Ansässigkeitsstaat der beteiligten Konzernobergesellschaft die Doppelbesteuerung durch einseitige Billigkeitsmaßnahmen mildern“ kann. BT-Drs. 16/8027, S. 6. 646 Vgl. Lehner (2008), Art. 25 Rn. 2. 647 Zitate Lehner (2008), Art. 25 Rn. 3; Rn. 22 f. 648 Vgl. Keerl (2008), S. 242. Umfassend zum zeitlichen Aspekt von Verständigungsverfahren und Vorschläge zur Beschleunigung vgl. Keerl (2008), S. 241–254; Seibold (2002), S. 249; JTPF (2005), S. 2; Niess (2010), S. 309. 649 Vgl. Seibold (2002), S. 249. 650 Vgl. Niess (2010), S. 310. APA sind aufgrund ihrer Rechtsgrundlage in den DBA von anderen verbindlichen Zusagen und von verbindlichen Auskünften zu unterscheiden. Vgl. BMF v. 5.10.2006 IV B 4-S 1341–38/06, Tz. 1.2. – Ein APA-Antrag kann nur dann erfolgen, wenn

IV. Prüfung, Dokumentation und Steuerbefolgungskosten

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Verständigungsverfahren im eigentlichen Sinne, durchgeführt, um Meinungsverschiedenheiten zwischen den Steuerverwaltungen verschiedener Staaten und den Unternehmen zu klären. Ziel ist es aber, eine aus den Meinungsverschiedenheiten zukünftig resultierende Doppelbesteuerung zu vermeiden.651 So können durch bilaterale APA noch nicht realisierte Verrechnungspreissachverhalte im Voraus verbindlich geregelt werden.652 Sie bieten dem Steuerpflichtigen hierdurch Planungssicherheit, Vermeidung einer Doppelbesteuerung und Einbindung des Steuerpflichtigen in das Verfahren. Dessen ungeachtet ist das Verfahren sehr komplex, zeit- und kostenintensiv.653 Daneben muss der Steuerpflichtige vorbehaltlos offen gegenüber der Finanzverwaltung sein, wodurch eine vollumfängliche Transparenz geschaffen wird und steuerrelevante Sachverhalte aufzudecken sind. Scheitert aber das APA, besteht kein Verwertungsverbot im Rahmen einer Betriebsprüfung. Die Finanzverwaltung kann bekannt gewordene Daten sowohl zu Gunsten als auch zu Ungunsten des Steuerpflichtigen verwenden. Des Weiteren muss der Steuerpflichtige den Sachverhalt so verwirklichen, wie er vereinbart worden ist. Hierzu sind Nachweise zu erbringen, um darzulegen, dass die Gültigkeitsbedingungen Bestand haben.654 Da der Antragsteller den APA-Antrag auch auf bestimmte, genau bezeichnete Arten von Geschäftsvorfällen beschränken kann,655 eignet sich dieses Verfahren theoretisch auch für den Bereich der Funktionsverlagerung.656 Praktisch jedoch wird dies aufgrund der hierdurch entstehenden Kosten und insbesondere der Verfahrensdauern nicht erfolgen.657 Daneben bestehen noch das Schiedsverfahren gemäß Art. 25 Abs. 5 OECDMA und die EU-Schiedskonvention zur Beseitigung von Doppelbesteuerungen, wobei beide Verfahren weitgehend deckungsgleich sind.658 Dem Schiedsverfahren mit dem betreffenden Staat ein DBA besteht, welches eine Klausel über das Verständigungsund Konsultationsverfahren gemäß Art. 25 Abs. 1 und 3 OECD-MA enthält. Solch ein APAVerfahren ist mit Gebühren gemäß § 178a AO verbunden. 651 Vgl. BMF v. 5.10.2006 IV B 4-S 1341–38/06, Tz. 1.1. 652 „Je nach Anzahl der beteiligten Mitgliedstaaten kann eine solche Vereinbarung unilateral, bilateral oder multilateral sein.“ COM (2001), S. 384. 653 Siehe hierzu auch COM (2001), S. 15, 384. 654 Vgl. Niess (2010), S. 310 f.; BMF v. 5.10.2006 IV B 4-S 1341–38/06, Tz. 1.3; COM (2001), S. 384. Beteiligte des Verfahrens sind dabei der Steuerpflichtige als Antragsteller und das BZSt. Vgl. BMF v. 5.10.2006 IV B 4-S 1341–38/06, Tz. 1.2. 655 Vgl. BMF v. 5.10.2006 IV B 4-S 1341–38/06, Tz. 3.2. 656 Vgl. BT-Drs. 16/8027, S. 2. 657 Der Abschluss eines APA scheint wahrscheinlicher, wenn der Betrag, der einer potenziellen Doppelbesteuerung zugrunde liegen kann, gering ist und die Differenz zwischen den länderspezifischen Steuersätzen hoch ist. Daneben ist die Erwartung der Steuerpflichtigen, dass deren Steuerbefolgungskosten sinken eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung, Vgl. de Waegenaere/Sansing/Wielhouwer (2007), S. 173–191. 658 Vgl. Peters/Haverkamp (2011), S. 1303 f. Für eine detaillierte Übersicht siehe insbesondere Seite 1311. Hinsichtlich der anfallenden Kosten der beiden Verfahrensmöglichkeiten siehe auch Seite 1311.

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B. Die Funktionsverlagerung im Steuerrecht

gemäß Art. 25 Abs. 5 OECD-MA muss aber ein Verständigungsverfahren vorausgegangen sein. Der Vorteil beider Schiedsverfahren ist, dass eine Lösung des Problems garantiert wird.659 3. Dokumentation einer Funktionsverlagerung Die für eine Prüfung notwendige Sachverhaltsaufklärung kann nur mit Hilfe der Verfahrensbeteiligten stattfinden. Daher werden durch § 90 AO allgemeine Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen zur Sachverhaltsaufklärung im Besteuerungsverfahren festgelegt.660 Parallel dazu regelt § 88 AO die Amtsermittlungspflicht der Finanzbehörde. Mittels dieser Vorschriften soll die Ermittlung des tatsächlichen Sachverhalts sichergestellt werden. § 90 Abs. 3 AO regelt dabei speziell die Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflicht bei grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen von nahe stehenden Personen i. S. d. § 1 Abs. 2 AStG, welche speziell mit dem Steuervergünstigungsabbaugesetz 2003 begründet wurden.661 Näheres zum Umfang sowie Inhalt dieser Aufzeichnungen ist in der GAufzV geregelt sowie seitens des Steuerpflichtigen das BMF-Schreiben vom 12.4.2005662 berücksichtigt werden sollte.663 Den Beteiligten werden erhöhte Mitwirkungspflichten auferlegt, da die Finanzbehörde grundsätzlich keine hoheitlichen Befugnisse über die Staatsgrenzen hinweg ausüben darf. Der Steuerpflichtige hat folglich an der Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken: So hat er zu Beweiszwecken die Geschäftsbeziehungen einschließlich der Entscheidung über die Festsetzung von Verrechnungspreisen und sonstiger Geschäftsbedingungen zu dokumentieren; vor allem sind die wirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen der Preisberechnung sowie dahinter stehende Motive für die betreffenden Vorgänge darzulegen.664 Die betreffenden Unternehmen haben daher die steuerliche Angemessenheit der den Geschäftsbeziehungen zugrundeliegenden Verrechnungspreise dem Grunde und der Höhe nach

659

Vgl. Lehner (2008), Art. 25 Rn. 212; Niess (2010), S. 308. Vgl. Braun/Hof (2005), S. 69–72; Gimmler/Greil (2009), S. 233–238. – Siehe hinsichtlich der steuerlichen Mitwirkungspflichten des Außensteuergesetzes Müller (2011), S. ­2743–2746. 661 Vgl. StVergAbG, BGBl. I 2003, S. 660; Fischer/Looks/im Schlaa (2010), S. 157. – Die Einführung von Aufzeichnungs- und Vorlagepflichten grenzüberschreitender Sachverhalte ist historisch gesehen auf das Urteil des BFH vom 17.10.2001 zurückzuführen. Vgl. hierzu BFH v. 17.10.2001, I R 103/00, BStBl. II 2004, S. 171. 662 „Grundsätze für die Prüfung der Einkunftsabgrenzung zwischen nahestehenden Personen mit grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen in Bezug auf Ermittlungs- und Mit­ wirkungspflichten, Berichtigungen sowie auf Verständigungs- und EU-Schiedsverfahren.“ BMF-Schreiben v. 12.4.2005 IV B 4 – S 1341 – 1/05, BStBl. I 2005, S. 570. 663 Vgl. Braun/Hof (2005), S. 69. 664 Vgl. auch Baum (2003), S. 1581; Vögele/Brem (2004), S. 48 f. 660

IV. Prüfung, Dokumentation und Steuerbefolgungskosten

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darzu­legen.665 Die Dokumentation gliedert sich demzufolge in eine Sachverhalts(§ 1 Abs. 2 GAufzV) und in eine Angemessenheitsdokumentation (§ 90 Abs. 3 Satz 2 AO; § 1 Abs. 3 GAufzV). Speziell im Rahmen der Angemessenheitsdokumentation ist seitens des Steuerpflichtigen nachzuweisen, dass dieser sich ernsthaft bemüht hat, den Verrechnungspreis fremdüblich festzulegen und somit den Fremdvergleichsgrundsatz beachtet hat.666 Im Besonderen umfasst die Dokumentation einer Funktionsverlagerung Aufzeichnungen über den verwirklichten Sachverhalt, die Veränderungen über die Konzernstruktur sowie die Personalstruktur und die Verträge, die der entsprechenden Geschäftsbeziehung zugrunde gelegen haben (§ 4 Nummer 1 Buchst. c und Nummer 2 GAufzV). Darüber hinaus eine Angabe der Änderung von Geschäftsstrategien (§ 5 Satz 2 Nummer 1 GAufzV) sowie eine Verrechnungspreisanalyse (§ 4 Nummer 4 GAufzV), in der die Angemessenheit des angesetzten Verrechnungspreises dargelegt wird, speziell durch Darstellung der (wirtschaftlichen) Positionen der Vertragspartner sowie der betriebswirtschaftlichen Bewertungsgrundlagen bzw. betriebswirtschaftlichen Analysen des Verlagerungsvorganges sowohl seitens des abgebenden als auch aufnehmenden Unternehmens. Eine Funktionsverlagerung kann daher durch (Reporting-)Dokumente belegt werden, die der unternehmerischen Entscheidung zur Verlagerung der Funktion zugrunde lagen.667 Ferner sollten Aufzeichnungen über die angewandten Verrechnungspreismethoden für den Lieferungs- und Leistungsverkehr sowohl vor als auch nach dem Verlagerungsvorgang und Aufzeichnungen über Forschungs­ vorhaben sowie -tätigkeiten (§ 5 Satz 2 Nummer 6 GAufzV), die Hinweise darauf geben können, ob immaterielle Vermögenswerte Gegenstand der Verlagerung gewesen sind, eingereicht werden. Bei außergewöhnlichen Geschäftsvorfällen, wie einer Funktionsverlagerung,668 ist eine zeitnahe Dokumentation gemäß § 90 Abs. 3 Satz 3 AO vorzunehmen, aus der auch die Gründe für die Funktionsverlagerung hervorzugehen haben.669 Zeitnah bedeutet, dass innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Wirtschafts­ jahres, in dem sich der Geschäftsvorfall auf der Grundlage schuldrechtlicher Vereinbarungen ereignet, Aufzeichnung zu erfolgen haben (§ 3 Abs. 1 GAufzV). 665 Vgl. Fischer/Looks/im Schlaa (2010), S. 158. Siehe hierzu kritisch auch Moebus (2003), S. 1413. 666 Vgl. Fischer/Looks/im Schlaa (2010), S. 159; Niess (2010), S. 305. 667 Vgl. auch Schilling (2011), S. 1535. – Siehe hinsichtlich der Aufzeichnungspflicht einer Funktionsverlagerung VerwGr-FVerl, Tz. 3.3. – „Zu den notwendigen Aufzeichnungen gehören insbesondere auch alle eine Funktionsverlagerung betreffenden (schriftlichen) Verträge (Rn. 97), weil sie von erheblicher Bedeutung für die Bestimmung von Verrechnungspreisen sind (Tz. 9.57, 9.164 OECD Leitlinien).“ VerwGr-FVerl, Tz. 3.3. – Zu den notwendigen Unterlagen und Aufzeichnungen, die im Rahmen der Dokumentation einer Funktionsverlagerung vorzulegen sind, vgl. VerwGr-FVerl, Tz. 3.3.2. 668 Vgl. auch VerwGr-FVerl, Tz. 3.3.1. 669 Vgl. Peter et al. (2011), S. 182; Zech (2011), S. 132; VerwGr-FVerl, Tz. 3.3.1.

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B. Die Funktionsverlagerung im Steuerrecht

Daneben sind diese Aufzeichnungen der Finanzverwaltung im Rahmen der Betriebsprüfung innerhalb von 30 Tagen vorzulegen (§ 90 Abs. 3 Satz 9 AO).670 Da der Steuerpflichtige verpflichtet ist der Finanzbehörde auf Verlangen alle relevanten Aufzeichnungen als Dokumentation vorzulegen (§ 2 Abs. 6 GAufzV, § 90 Abs. 3 Satz 6 AO), drohen dem Steuerpflichtigen Sanktionen, falls dieser der Aufforderung nicht nachkommt. § 162 Abs. 3 AO stellt die widerlegbare Vermutung auf, dass inländische Einkünfte bei Verletzung der Aufzeichnungs- und Vorlagepflicht höher als erklärt sind.671 Hierunter sind sowohl die Nichtaufzeichnung als auch die Nichtvorlage, aber auch die Nichtverwertbarkeit der Dokumentation sowie die nicht fristgerechte Erstellung zu zählen.672 Widerlegt der Steuerpflichtige die Vermutung nicht, erfolgt eine Schätzung (des Fremdvergleichspreises) gemäß § 162 Abs. 1 Satz 1 AO, wobei die Schätzungsbandbreite zu Lasten des Steuerpflichtigen durch Unsicherheitszuschläge ausgenutzt werden kann; 673 dennoch hat die Schätzung unter Zugrundelegung des Fremdvergleichsgrundsatzes zu erfolgen.674 Daneben wird durch § 162 Abs. 4 AO geregelt, dass eine Verletzung der Mitwirkungspflichten gemäß § 90 Abs. 3 AO zu Zuschlägen zur Steuer führt. Ein solcher Zuschlag wird von der Finanzverwaltung nach pflichtgemäßem Ermessen innerhalb der Grenzen von § 162 Abs. 4 Satz 2–6 AO festgesetzt. Ein Mindestzuschlag i. H. v. EUR 5.000 ist gemäß § 162 Abs. 4 Satz 1 AO festzusetzen, wenn vom Steuer­pflichtigen keine Aufzeichnungen vorgelegt werden oder die Aufzeichnungen nicht verwertbar sind; 675 Aussagen über die Verrechnungspreisgestaltung können dann nicht getroffen werden.676 Dieser Zuschlag beträgt aber mindestens 5 % und höchstens 10 % des Mehrbetrags der Einkünfte, der sich nach der Berichtigung aufgrund der Anwendung des § 162 Abs. 3 AO ergibt, wenn der Zuschlag danach mehr als EUR 5.000 beträgt. Ein Zuschlag i. H. v. EUR 100 wird für jeden vollen Tag der Fristüberschrei 670

Vgl. hierzu Gimmler/Greil (2009), S. 233–238; Fischer/Looks/im Schlaa (2010), S. 158. Vgl. BT-Drs. 15/119, S. 52. – „§ 162 Absatz 3 Satz 3 AO ermöglicht der Finanzbehörde in diesen Fällen eine Schätzung auf den für den Steuerpflichtigen ungünstigsten Punkt eines sich ergebenden Schätzungsrahmens, wenn der Sachverhalt wegen Verletzung der Mitwirkungspflichten nach § 90 Absatz 2 AO oder der Auskunftspflichten nach § 93 Absatz 1 AO durch eine ausländische nahe stehende Person nicht ausreichend aufgeklärt werden kann.“ VerwGrFVerl, Tz. 3.10.5. 672 Vgl. Baum (2003), S. 1582. 673 In den meisten Staaten sind Bußgelder oder eine Erweiterung der Schätzungsbefugnisse seitens der Finanzverwaltung vorgesehen. Vgl. Eigelshoven (2008), Art. 9 Rz. 132a. – Verstöße gegen Verrechnungspreisvorschriften werden in einigen Ländern mit Strafzuschlägen bis zu 200 % geahndet. Die Bemessungsgrundlage ist dabei der Korrekturbetrag der Einkünfte, der sich nach der Gewinnschätzung seitens der Finanzverwaltung ergeben hat. Vgl. Niess (2010), S. 301, 306. 674 Vgl. Eigelshoven (2008), Art. 9 Rz. 134. 675 Vgl. BT-Drs. 15/119, S. 18. 676 Vgl. Fischer/Looks/im Schlaa (2010), S. 158. 671

IV. Prüfung, Dokumentation und Steuerbefolgungskosten

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tung (maximal bis EUR 1 Mio.) bei der verspäteten Vorlage verwertbarer Dokumentation erhoben. Der Zuschlag ist gemäß § 162 Abs. 4 Satz 7 AO mit Abschluss der Außenprüfung festzusetzen. Die Finanzverwaltung kann von Sanktionsmaßnahmen absehen, wenn die Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen entschuldbar ist oder das Verschulden seitens des Steuerpflichtigen nur geringfügig erscheint.677 Die Regelung des § 90 Abs. 3 AO eröffnet daher der Finanzverwaltung die Möglichkeit, die Einkünfteabgrenzung zwischen verbundenen Unternehmen zu prüfen.678 Deutschland entspricht mit diesem Vorgehen internationaler Praxis.679 Daher empfiehlt es sich, dass die betroffenen Unternehmen ihre konzerninternen Leistungsaustauschbeziehungen und insbesondere auch Funktionsverlagerungen zeitnah, vollumfänglich und nachvollziehbar dokumentieren,680 um die fremdvergleichskonforme Durchführung der Funktionsverlagerung sowie die fremdübliche Festsetzung des Verrechnungspreises aufzuzeigen, was zugleich einen sachverständigen Dritten befähigt, innerhalb einer angemessenen Zeit die Feststellung und Prüfung zu ermöglichen. Dies ferner vor dem Hintergrund, dass Verrechnungspreisdokumentationen prinzipiell bei jeder Betriebsprüfung angefordert werden (können).681 Die Bedeutung einer solchen Verrechnungspreisdokumentation wird auch in empirischen Untersuchungen von Ernst & Young dargelegt.682 Jedoch führt dies dazu, dass die steuerpflichtigen Unternehmen steigende Deklarationskosten beklagen.683 Daneben kann ein weitergehendes, freiwilliges Mitwirken in Form eines TaxReportings dazu beitragen, der Finanzverwaltung zusätzliche Informationen zu geben, um zum einen eine schnellere Würdigung der Sachverhalte zu erlauben, 677

Vgl. Baum (2003), S. 1583. Vgl. BT-Drucks. 15/119, S. 52. 679 Vgl. Baum (2003), S. 1581. 680 Vgl. Hruschka (2010), S. 11. 681 Vgl. Fischer/Looks/im Schlaa (2010), S. 162. 682 Vgl. E&Y (2010), S. 3, 9 f. „Since 1995, Ernst & Young has surveyed multinational enter­prises (MNEs) on international tax matters with special emphasis on what continues to be a leading international tax issue – transfer pricing. For this survey, we commissioned Consensus Research International to conduct a series of independent interviews of 877 MNEs across 25 countries.“ 683 Vgl. Kiesewetter (2005), S. 1. – Um diese Kosten zu senken, bietet es sich für die Unternehmen an, eine Mischung aus zentraler und dezentraler Dokumentation anzufertigen: Schon im Jahr 2006 hat die EU einen Verhaltenskodex veröffentlicht, der es den Unternehmen ermöglichen soll, einen solchen standardisierten Ansatz zu nutzen. Die Dokumentation soll demnach zwei Teile enthalten: Einen Masterfile, der einheitliche und standardisierte Informationen enthält, der für alle in der EU ansässigen Kapitalgesellschaften relevant ist. Da­ neben soll ein zweiter Teil landesspezifische Informationen umfassen. Ferner kann eine transaktionsbezogene Dokumentation dezentral und die strategiebezogene Dokumentation zentral bei der Muttergesellschaft erfolgen. Vgl. Eigelshoven (2008), Art. 9 Rz. 132; Niess (2010), S. 317. 678

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B. Die Funktionsverlagerung im Steuerrecht

zum anderen die eigene Reputation zu erhöhen,684 was schließlich dazu führen kann, die aus einer Betriebsprüfung resultierenden steuerlichen Risiken zu senken, denn insbesondere Dokumentationsfragen können zu einer Mehrbelastung in Betriebsprüfungen führen.685 Dessen ungeachtet können (zusätzliche) Pflichten des Besteuerungsverfahrens sich dahingehend auswirken, dass „ein Steuerpflichtiger ein bestimmtes unter­ nehmerisches Engagement unterlässt.“686 Zugleich tendieren Staaten dazu, „den Unternehmen aus Angst vor Manipulationen mit den Verrechnungspreisen immer aufwendigere Dokumentationspflichten aufzuerlegen.“687 4. Steuerbefolgungskosten einer Funktionsverlagerung Den Steuerpflichtigen entstehen aber aufgrund dieser Mitwirkungs-, Informations-, Dokumentations-, Erklärungs- und Beweissicherungspflichten monetäre und nicht-monetäre Steuerverwaltungskosten (Steuerbefolgungskosten).688 Hier 684 Siehe hierzu Kälin/Strohe (2011), S. 102. – Hinsichtlich Tax Compliance als normenkonformes Verhalten im Steuerrecht vgl. u. a. Kälin/Strohe (2011), S. 102–105. – Auch die OECD empfiehlt in ihren Leitsätzen für multinationale Unternehmen, „die Zusammenarbeit mit den Steuerbehörden sowie die Bereitstellung von Informationen, die diese benötigen, um eine effektive und gerechte Anwendung der Steuergesetze sicherzustellen.“ OECD (2011b), Rn. 101. 685 Vgl. Deloitte (2011), S. 20. 686 Breithecker (2002), S. 331 f. 687 COM (2001), S. 12. Vgl. auch OECD (2011a), S. 5. 688 Vgl. Breithecker/Garden/Thönnes (2007), S. 361; Eichfelder (2010b), S. 8, 23. – „Monetäre Kosten, z. B. Ausgaben für die Inanspruchnahme von Steuerberatungsleistungen (Steuer­ deklaration sowie Steuerplanung), Ausgaben für Steuerfachliteratur und Steuersoftware, Ausgaben für die etwaige Unterhaltung einer eigenen Steuerabteilung im Unternehmen; – nicht-monetäre Kosten, z. B. Zeitkosten für das Sammeln von Belegen, das Anfertigen von Steuererklärungen, wenn Letzteres nicht an Steuerberater delegiert, sondern selbst erledigt wird, Suche nach Steuerplanungs- und Steuergestaltungsmöglichkeiten.“ Rose et al. (2007), S. 6 f. – Hinsichtlich der Höhe von steuerlichen Befolgungskosten vgl. Täuber (1984), insb. S. 117–146. – Dabei werden die Kosten, die der Finanzverwaltung infolge der Durchführung des Besteuerungsverfahrens entstehen, als Vollzugskosten (administrative costs), die Kosten bei den Steuerpflichtigen als Steuerbefolgungskosten (tax compliance costs) bezeichnet. Vgl. Slemrod/Sorum (1984), S. 461. – „Die Kosten der Finanzverwaltung, die Vollzugskosten, ergeben sich aus der Steuererhebung, wobei z. B. die Kosten der Steuerveranlagung, Kosten der Finanzgerichte und Kosten von Betriebsprüfungen enthalten sind.“ Rose et al. (2007), S. 7. Vgl. auch Eichfelder (2010b), S. 10 m. w. N. – Dementsprechend „bedeutet Steuervereinfachung […] die Reduzierung von Kosten, die der Finanzverwaltung einerseits und den Steuerpflichtigen andererseits durch die Steuerhebung entstehen.“ Rose et al. (2007), S. 5. – Hinsichtlich eines Überblicks über Studien bzgl. Steuerverwaltungskosten vgl. Evans (2003), S. 64–92. Ein Großteil von Studien zur Messung solcher Kosten basiert auf quantitativen Erhebungen mit Hilfe von Fragebögen. Vgl. auch Eichfelder (2011), S. 39. – Bei Studien hinsichtlich der Messung von steuerlichen Bürokratiekosten erfolgt aber prinzipiell keine objektive Messung von Bürokratiekosten, sondern es werden lediglich subjektive Einschätzungen der Teilnehmer wiedergegeben. Vgl. Streitferdt/Becker (2008), S. 166.

IV. Prüfung, Dokumentation und Steuerbefolgungskosten

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bei sind alle Leistungen zu erfassen, „die das Unternehmen im Zusammenhang mit der Ermittlung und Abführung von Steuern und Abgaben, die aus der Existenz des Unternehmens und seiner wirtschaftlichen Tätigkeit resultieren, zu erbringen hat.“689 Diese Befolgungskosten, vor allem durch eine vorzunehmende Dokumentation, sind bedeutsamer als Planungskosten690 und werden im Rechnungswesen der Unternehmen nicht wie Steuerzahlungen erfasst, belasten die Unternehmen jedoch, ohne dass sie eine Zahlung an den Fiskus entrichten.691 Diese Steuerbefolgungskosten lassen sich u. a. unterteilen in: 692 –– Informationskosten; –– Beratungskosten; –– EDV-Kosten693; –– Bearbeitungskosten; –– Prüfungskosten und –– Gemeinkosten694. Diese Kosten lassen sich weiterhin differenzieren nach betriebsexternen und -internen Kosten. Erstere stellen u. a. Steuerberatungs-, Rechtsberatungskosten dar. Letztere sind insbesondere Personalkosten und Kosten für Sachmittel.695 Vor allem Personalkosten, betriebsexterne Kosten und Kosten für Sachmittel sind ein wesentlicher Bestandteil steuerlicher Befolgungskosten.696 Wenn sich der Steuerpflichtige bemüht, seiner gesetzlichen (steuerlichen) Pflicht nachzukommen und sich demzufolge steuerrechtssachkundig macht, entstehen dem Unternehmen Informationskosten. Dabei kann der Steuerpflichtige sich ohne fremde Hilfe sachkundig machen, wodurch eigenes Personal eingesetzt werden muss, oder kann externe (Steuer-)Berater hinzuziehen.697 689

Clemens/Kokalj (1995), S. 7. Vgl. Eichfelder (2011), S. 46. 691 Vgl. Täuber (1984), S. 5; Breithecker/Garden/Thönnes (2007), S. 363. – Folgekosten werden dabei weiterhin unterteilt in direkte, indirekte und psychische Folgekosten. Siehe hierzu ebenfalls Täuber (1984), S. 5. Es sind aber auch andere Unterteilungen zu finden: „Tax compliance costs include three major components, namely monetary costs, time costs and psychological costs to the taxpayers.“ Pope/Abdul-Jabbar (2008), S. 5. 692 Siehe hierzu Täuber (1984), S. 101. Hinsichtlich Befolgungskosten der Besteuerung vgl. u. a. Alexander/Bell/Knowles (2005); Pope/Abdul-Jabbar (2008); Rose et al. (2007). – Eichfelder unterscheidet folgende Kostenarten: Personalkosten, Sachkosten, externe Kosten, Kapitalkosten. Vgl. Eichfelder (2010b), S. 20–22. 693 Vgl. Breithecker/Garden/Thönnes (2007), S. 364 f. 694 Gemeinkosten sind das „Auffangbecken für jene steuerlichen Folgekosten, die sich nicht zuteilen lassen oder deren Zurechnung nach kaufmännischen Kriterien ohne Sinn oder Nettovorteil sind.“ Täuber (1984), S. 110. 695 Vgl. Täuber (1984), S. 102. 696 Vgl. Eichfelder (2010b), S. 70. 697 Vgl. Täuber (1984), S. 102 f. 690

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B. Die Funktionsverlagerung im Steuerrecht

(Steuer-)Beratungskosten können dauernd oder fallweise anfallen. Letztere sind vornehmlich Kosten für die Unterstützung im Rahmen einer Außenprüfung, Vertretung im Rechtsbehelfs- sowie Finanzgerichtsverfahren, Kosten für die Mitwirkung an Advance Pricing Agreements, Verständigungsverfahren bzw. EU-Schiedsverfahren sowie Kosten für die Erstellung von Verrechnungspreissystemen und deren Dokumentation,698 wobei die Erstellung von Verrechnungspreissystemen und die Dokumentation auch als dauerhafte Aufgabe ausgestaltet sein kann. Inwieweit aber solche Kosten anfallen, ist davon abhängig, wie viele der gesetzlichen Pflichten vom Steuerpflichtigen selbst übernommen werden. Darüber hinaus entstehen den Unternehmen Bearbeitungskosten aufgrund von Anzeige- (§§ 134–139 AO), Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten (§§ 140 ff. AO), Dokumentationspflichten (§ 90 AO) sowie speziellen Mitwirkungspflichten gemäß § 200 AO. Diese Kosten entstehen hauptsächlich durch den Einsatz von eigenem Personal (Arbeitsbelastung), Sachmitteln sowie EDV.699 Dabei zeigen Studien, dass eben u. a. der Dokumentationsaufwand einen wichtigen Zeitfaktor im Unternehmen darstellt und diese entsprechend stark belastet.700 Zudem entstehen Prüfungskosten im Rahmen einer Betriebsprüfung: So hat der Steuerpflichtige oder ein sachkundiger Dritter den Betriebsprüfer im Rahmen der sog. aktiven Mitwirkung an der Betriebsprüfung zu unterstützen, indem u. a. Informationen und Material bereitgestellt werden. Ferner kann der Betriebsablauf aufgrund einer Betriebsprüfung gestört werden, wodurch weitere Kosten ent­ stehen können.701 Diese zusätzlichen Belastungen aufgrund steuerbürokratischer Verwaltungstä­ tigkeiten mindern das Einkommen des Steuerpflichtigen, entfalten somit dieselbe Wirkung wie die eigentliche Steuerzahlung und sind daher nicht entscheidungsneutral.702 Diese formelle Steuerbelastung703 ist bzw. diese (administrationsbedingten) Bürokratiekosten704 sind daher im Entscheidungsprozess nicht zu ver-

698

Vgl. Täuber (1984), S. 103 f.; Breithecker/Garden/Thönnes (2007), S. 361, 365; Eichfelder (2010b), S. 11, 83. 699 Vgl. Täuber (1984), S. 101, 105 f.; Eichfelder (2010b), S. 11. 700 Vgl. Eichfelder (2009), S. 23 mit vielen weiteren Nachweisen; ders. (2010b), S. 77 m. w. N. – Einer Studie des IfM zufolge ist das „Ermitteln und Abführen von Steuern“ der Bereich, der zur Zunahme der (administrativbedingten) Belastung von Unternehmen beiträgt. Vgl. hierzu IfM (2004). 701 Vgl. Täuber (1984), S. 107–109. 702 Vgl. Breithecker (2002), S. 326; Breithecker/Garden/Thönnes (2007), S. 361; Eichfelder (2010b), S. 3. 703 Vgl. hierzu Breithecker/Garden/Thönnes (2007), S. 361. 704 Unter Bürokratie sollen im Folgenden die „Leistungen, die vom Staat der Gesellschaft und der Wirtschaft per Recht bzw. Gesetz auferlegt“ werden, verstanden werden. Clemens/ Kokalj (1995), S. 1.

IV. Prüfung, Dokumentation und Steuerbefolgungskosten

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nachlässigen.705 Sie entstehen aber nur insoweit steuerliche Pflichten zusätzlich zu erfüllen sind.706 Einflussfaktoren auf die Steuerbefolgungskosten stellen die Unternehmensgröße, der Umfang der relevanten Steuerarten, die Branche sowie die Rechtsform des Unternehmens dar. Darüber hinaus auch der Umstand, ob sich das Unternehmen im Ausland engagiert;707 insbesondere führen Verrechnungspreisaspekte und deren Dokumentation zu steigenden Befolgungskosten:708 „[C]ompanies that have been subject to a transfer-pricing investigation have higher compliance costs compared to companies that were not subject to such an investigation.“709 „Je nach Schätzergebnis steigt die Kostenbelastung eines Unternehmens um 135 % bis 178 % an, wenn Verrechnungspreise zu dokumentieren sind.“710

Dabei betonen die Steuerpflichtigen selbst auch, dass das Thema immer bedeutender wird und steuerliche Probleme der grenzüberschreitenden Tätigkeit zugenommen haben.711 Den Unternehmen können demnach aufgrund der Etablierung der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen u. a. zusätzliche Informations­kosten, um sich steuerrechtskundig zu machen, Bearbeitungskosten aufgrund der Dokumentationspflichten einer Funktionsverlagerung sowie (Steuer-)Beratungs­ kosten – nicht nur – für die Erstellung der Verrechnungspreisdokumentation 705

Vgl. Breithecker/Garden/Thönnes (2007), S. 366. – Hinsichtlich der Entscheidungswirkung steuerlicher Bürokratiekosten auf unternehmerische Entscheidungen vgl. u. a. Eichfelder (2010b), S. 153–155, 159–162, 218–220. 706 Vgl. Breithecker/Garden/Thönnes (2007), S. 366. – Sind Unternehmen bspw. gemäß § 140 AO buchführungspflichtig, ergibt sich die originäre Buchführungspflicht aus § 238 HGB, sodass die Steuerverwaltungskosten in diesem Falle geringer sind als ohne die originäre Buchführungspflicht. 707 Vgl. Breithecker/Garden/Thönnes (2007), S. 365; Slemrod/Venkatesh (2002), S. 29; Blumenthal/Slemrod (1995); Eichfelder (2010b), S. 89. 708 Vgl. Slemrod/Venkatesh (2002), S. 54; Mehafdi (2000), S. 376. 709 European Communities (2004), S. 43. „Cross-border activity leads to higher ­compliance costs for companies. The evidence obtained from the responses provided by the 700 com­ panies involved in the European Tax Survey strongly indicates that compliance costs of EU companies increase when they undertake cross-border activities in the EU.“ European Communities (2004), S. 4, 7, 37 f. 710 Eichfelder et al. (2010), S. 116. – Hinsichtlich geschätzter Kosten für Verrechnungspreis­ aspekte vgl. COM (2001), S. 296. – „Auch den Steuerverwaltungen entstehen hohe Kosten. Die Prüfung von Verrechnungspreisen ist komplizierter und kostenaufwendiger als eine normale Prüfung und erfordert hoch qualifizierte Steuerprüfer. Sie bindet beträchtliche Mittel, die oft von anderen Prüfbereichen abgezogen werden müssen. Natürlich kann ein Mitgliedstaat diesen ‚Schwierigkeiten‘ abhelfen – und viele haben dies getan –, indem er ‚rigide‘ Verrechnungspreisvorschriften erlässt, vor allem strenge Dokumentationsvorschriften (Vorab­ dokumentation) kombiniert mit Bußen bei Verstößen, und so die Last auf die Unternehmen und andere Steuerverwaltungen abwälzt.“ COM (2001), S. 291. 711 Vor allem wird neben den hohen Befolgungskosten die potenzielle Doppelbesteuerung von konzerninternen Geschäftsbeziehungen angeführt. Vgl. COM (2001), S. 11, 284.

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B. Die Funktionsverlagerung im Steuerrecht

entstehen. Demzufolge kann die Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen v. a. mit steigenden (unvermeidbaren) Kosten des Steuervollzugs seitens der Unternehmen einhergehen.712 Daher und im Hinblick darauf, dass gerade Verrechnungspreisaspekte und deren Dokumentation zu steigenden Befolgungskosten führen, ist es für die Unternehmen empfehlenswert, Absprachen mit der Finanzverwaltung über den Dokumentationsinhalt zu treffen, um den Aufwand für die Dokumentation zu mindern.713 Zudem sollte seitens der Finanzverwaltung zumindest darauf geachtet werden, dass sie bei der Anforderung hinsichtlich der Art und der Menge der Unterlagen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt.714

V. Steuerplanung bei einer grenzüberschreitenden Umstrukturierung II Wie zuvor angeführt bedingt eine (konzerninterne) Funktionsverlagerung prinzipiell eine Steuerzahlung, wenn das zu übertragende Transferpaket, welches sich grundsätzlich aus materiellen und immateriellen Wirtschaftsgütern, sonstigen Vorteilen sowie Chancen und Risiken zusammensetzt, übertragen wird. Es erfolgt eine Besteuerung der stillen Reserven, jedoch besteht in diesem Punkt kein Unterschied zur Übertragung von einzelnen Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens ins Ausland. Die steuerrechtliche Besonderheit besteht darin, dass mit der Neufassung des § 1 AStG ausdrücklich das Ertragswertverfahren in das Gesetz auf Ebene einer Funktion und somit unterhalb eines Teilbetriebs als Bewertungseinheit integriert worden ist und eine Zusammenfassung von Einzelwerten zu einem Transferpaket erfolgt,715 um den Fremdvergleichspreis festzulegen. Hierfür hat sowohl das funktionsabgebende als auch -aufnehmende Unternehmen einen Grenzpreis zu ermitteln, um anschließend einen Verrechnungspreis innerhalb des zuvor ermittelten Einigungsbereichs festzulegen. Übersteigt dann der Wert des Transferpakets den Wert der einzelnen zu übertragenen Einzelwerte, erhöht sich der Umfang der aufzulösenden stillen Reserven (stRTP  - stR), was sich steuerlich negativ auf den Umstrukturierungsvorgang auswirken kann, da sich grundsätzlich ein steuerlich motivierter Verlagerungsvorgang umso mehr lohnt, je geringer der Umfang der aufzulösenden stillen Reserven ist. Die hieraus resultierende zusätzliche Steuerbelastung ((stRTP – stR) · sD) kann bewirken, dass der Grenzpreis des abgebenden Unternehmens (auch über den des funktionsaufnehmenden Unternehmens hinaus) steigt. Eine Transaktion ist für einen Konzern aber nur wirtschaftlich sinnvoll und wird zudem von einem abgebenden Unternehmen nur durchgeführt werden, wenn ein Einigungsbereich entsteht, bei dem gilt:716 GPFAufn ≥ GPFAbg 712

Siehe bzgl. Kosten des Steuervollzugs Eichfelder (2009), S. 22. Vgl. auch Fischer/Looks/im Schlaa (2010), S. 157. 714 Vgl. COM (2001), S. 288. 715 Vgl. hierzu auch Hruschka (2010), S. 6, 13. 716 Siehe hierzu auch Schreiber (2008b), S. 807; Menninger/Wellens (2012), S. 15. 713

V. Steuerplanung bei einer grenzüberschreitenden Umstrukturierung II 

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Mit anderen Worten bedeutet dies, dass prinzipiell eine rein steuerliche Vorteilhaftigkeit aus der Summe des Barwertes der Steuerbelastung aus der Funktionsausübung im Ausland und des Barwertes der Steuerbelastung aufgrund der Verlagerung der betreffenden Funktion abzüglich des Barwertes der Steuerbelastung aus der Funktionsausübung im Inland folgt. Demzufolge ist eine Funktionsverlagerung aus steuerlichen Aspekten nur dann lohnend, wenn ein positiver Steuersatzeffekt durch die Funktionsausübung im Ausland gegeben ist.717 Überkompensiert der steuererhöhende Effekt durch die Auflösung zusätzlicher stiller Reserven die steuermindernde Wirkung aus der Funktionsausübung im Ausland, wird eine Funktionsverlagerung aus steuerlichen Gesichtspunkten nicht mehr durchgeführt werden. Allerdings kann aufgrund zahlreicher Parameter, „die die steuerliche Vorteilhaftigkeit einer Funktionsverlagerung beeinflussen und deren interdependenter Wirkung […] eine exakte Beurteilung der Vorteilhaftigkeit nur einzelfallbezogen im Rahmen einer kasuistischen Veranlagungssimulation erfolgen.“718 v. Bredow führt diesbezüglich eine Steuerbarwertanalyse durch, die die Steuerwirkung einer ­ rgebnissen:719 Funktionsverlagerung untersucht. Dabei gelangt er u. a. zu folgenden E Falls der in Deutschland der Besteuerung zugrundeliegende Fremdvergleichspreis für das Transferpaket im Ausland nicht in voller Höhe akzeptiert wird und demnach nicht einer steuermindernden Abschreibung zugänglich ist, resultiert daraus eine Doppelbesteuerung (Bemessungsgrundlageneffekt). Der Steuervorteil aus einer Funktionsverlagerung sinkt demnach in der Höhe des fehlenden Vorteils einer steuermindernden Abschreibung. Hieraus folgt auch, dass der steuerliche Vorteil einer Funktionsverlagerung umso geringer ist, desto höher der Anteil des Transferpakets ist, der im Ausland nicht einer steuerlichen Abschreibung zugänglich ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nicht ein Wirtschaftsgut Transferpaket angesetzt werden können sollte, da es aufgrund der Definition kein Wirtschaftsgut repräsentiert. Dies führt dazu, „dass der Teil des Transferpakets, der nicht den einzelnen Wirtschaftsgütern zugeordnet werden kann, als Geschäftswert zu aktivieren und abzuschreiben ist“720 – mithin ein anteiliger auf die Funktion entfallender derivativer Geschäftswert. Jedoch wird regelmäßig dieser derivative Geschäftswert nur außerplanmäßig abgeschrieben werden können.721 Es beeinflussen daher – wie zuvor angeführt – der Buchwert des Transfer­ pakets, die Höhe der stillen Reserven und die Abschreibungsdauer der einzelnen Bestandteile des Transferpakets sowie darüber hinaus der Zinssatz und der Steuer­satz den Steuervorteil, der aus einer Funktionsverlagerung resultieren kann. Der Buchwert entfaltet dabei zwar einen hohen Wirkungsgrad auf die Vorteilhaf 717

Vgl. v. Bredow (2011), S. 193. v. Bredow (2011), S. 190. 719 Vgl. v. Bredow (2011), S. 189–238. 720 Schreiber (2009), Anm. 35. Vgl. auch Kaminski/Strunk (2008), S. 2504 f. 721 Vgl. Wöhrle/Schelle/Gross (2009), § 1 Rz. 267. 718

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B. Die Funktionsverlagerung im Steuerrecht

tigkeit, sodass einer steuerneutralen Funktionsverlagerung entgegenstehen kann, wenn das Transferpaket einen hohen Anteil selbst erstellter immaterieller Vermögenswerte umfasst. Jedoch hat die Veränderung des Zinssatzes den größten Einfluss auf die Vorteilhaftigkeit. Steuerlich vorteilhafte Funktionsverlagerungen seien aufgrund der Etablierung der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen nur noch selten möglich. In solchen Fällen sei ohne Berücksichtigung von Steuern die Handlungs­ alternative Funktionsverlagerung vorzuziehen und unter Berücksichtigung von Steuern hingegen die Funktionsfortführung im Inland die adäquate Handlungs­ alternative. Somit kann ein Lock-in-Effekt entstehen.722 Das Entscheidungsverhalten der Unternehmen kann daher beeinflusst werden, sodass eine ursprünglich geplante Funktionsverlagerung unterlassen oder eine Gestaltungsalternative gesucht wird, um die aus der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen resultierenden steuerlichen Folgen zu mindern. Das Unterlassen von Verlagerungsvorgängen kann jedoch dazu führen, dass u. a. wirtschaftlich sinnvolle Maßnahmen unterlassen werden und infolgedessen auch die unternehmerische Freiheit in einem bestimmten Maße vom Steuerrecht eingeschränkt wird. Daher gilt es, im Einzelfall die steuerliche Vorteilhaftigkeit einer Funktionsverlagerung vor der Realisierung des steuerlichen Tatbestandes zu prüfen, was aber zu (steigenden) Beratungskosten bzw. (steigenden) Personalkosten führen würde. Somit kann theoretisch die aus der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen hervorgehende Steuerlast eine Steuerwirkung entfalten. Steuer­ wirkungen umfassen Handlungen, „die wegen der Besteuerung so und nicht anders erfolgen, und dadurch bewirkte Ergebnisse.“723 Sie stellen also die Änderung einer Entscheidung oder des Verhaltens als Folge der Besteuerung dar.724 Es wird zwar grundsätzlich diskutiert, ob Unternehmen im Rahmen von komplexen Entscheidungsprozessen die Besteuerung tatsächlich und in welchem Ausmaß berücksichtigen.725 Die Wirkung von Steuern bzw. der Änderung von Steuergesetzen auf das Entscheidungsverhalten von Unternehmen wird aber in verschiedenen Studien nachgewiesen.726 Ebenfalls zeigen Untersuchungen, dass grenzüberschreitend 722

Siehe bzgl. des Lock-in-Effekts Schreiber (2008b), S. 809; Schreiber/Ruf (2010), S. 438. – In diesem Kontext wird Lock-in-Effekt dergestalt verstanden, dass eine Investition aus rein steuerlichen Gesichtspunkten unterlassen wird. 723 Schneider (2002), S. 19. Vgl auch Wagner (2005), S. 96. 724 Vgl. Wagner (2005), S. 96; Overesch (2009), S. 15. 725 Vgl. für eine Literaturübersicht m. w. N. Hundsdoerfer/Kiesewetter/Sureth (2008), S. 64 f., 80. 726 Siehe hierfür u. a. Altshuler/Hubbard (2002), S. 109–127; Mintz/Smart (2004), S. 1149– 1168; Devereux/Griffith (1998), S. 335–367; Swenson (2000); Bartelsman/Beetsma (2003), S. 2225–2252; Voget (2010); European Communities (2004), S. 6; Grubert/Mutti (1991), S. 285–293. – Exemplarisch für eine Befragung hinsichtlich des Einflusses der Besteuerung auf die Rechtsformwahl siehe Sell/Lopatta/Hundsdoerfer (2010). – Hinsichtlich Aus­ wirkungen der Unternehmensteuerreform auf das Entscheidungsverhalten von Unternehmen siehe auch PwC/HDE (2008), S. 11.

V. Steuerplanung bei einer grenzüberschreitenden Umstrukturierung II 

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tätige Unternehmen „sowohl mit Gewinnverlagerungsaktivitäten als auch mit realwirtschaftlichen Entscheidungen auf die Unternehmensbesteuerung reagieren.“727 Das heißt, dass Steuersysteme grundsätzlich nicht entscheidungsneutral sind, obwohl nur ein entscheidungsneutrales Steuersystem eine effiziente Unternehmensbesteuerung gewährleistet.728 Wenn aber ein Steuersystem nicht entscheidungsneutral ist, werden wirtschaftliche Entscheidungen u. a. von Steuern bestimmt,729 wodurch „Zusatzlasten (‚excess burden‘, ‚deadweight loss‘) als Wohlfahrtsverluste der Besteuerung resultieren“730 können. Haben Steuern also einen Einfluss auf das Entscheidungsverhalten, kann dies auch dazu führen, dass Unternehmen Steuervermeidungsstrategien anwenden, was in eine Zunahme des Bedarfs an Regeln zur Begrenzung solcher Strategien mündet. Infolgedessen steigt die Komplexität des Steuerrechts, die u. a. damit einhergeht, dass die Kosten der Steuerplanung, der Steuerdeklaration sowie der Steuerhebung steigen.731 Daher ist die Kenntnis von Steuerwirkungen auf Entscheidungen von Unternehmen sowohl für die Beurteilung des unternehmerischen Entscheidungsprozesses als auch für die Bewertung steuerpolitischer Maßnahmen von Interesse.

727 Overesch (2009), S 3. Zu bestehenden empirischen Untersuchungen zum Einfluss der Unternehmensbesteuerung auf Gewinnverlagerungen internationaler Unternehmen, vgl. Over­esch (2009), S. 84 f. 728 Siehe hierzu bspw. auch BT-Drs. 16/10985, S. 229; Hundsdoerfer/Sichtmann (2007), S. 607. – „Mit dem Ziel der Entscheidungsneutralität eng verbunden ist die Forderung nach einem einfachen und praktikablen Steuerrecht. Die EU-Kommission hat mehrfach betont, dass die Reduktion steuerlicher Befolgungskosten (Compliance Costs) ein wichtiges Ziel bei der Einführung einer GKKB ist. Steuerliche Befolgungskosten belaufen sich Schätzungen zufolge derzeit auf 1,9 Prozent bei multinationalen Unternehmen und 30,9 Prozent bei mittelständischen Unternehmen und wurden von der Kommission als wichtiges Hindernis bei grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeiten ausgemacht. Je geringer der Einfluss von Steuern auf ökonomische Entscheidungen ist, desto geringer ist der Anreiz für Unternehmen Steuer­ planungen zu betreiben. Gleichzeitig ermöglicht es dem Fiskus, auf komplexe Regelungen zur Vermeidung unerwünschter Steuerumgehungen zu verzichten. Dies senkt die Steuerplanungsund Steuervollzugskosten.“ Spengel/Wendt (2007), S. 5. 729 Vgl. auch Wagner (2005), S. 97. 730 Rose et al. (2007), S. 5. Siehe zur Entscheidungsneutralität auch Rose (1985), S. 339. 731 Siehe hierzu bspw. auch BT-Drs. 16/10985, S. 229 f.; Hey (2002), S. 13.

C. Empirische Untersuchung I. Einleitung Im Mittelpunkt dieses Kapitels steht die für die vorliegende Arbeit durchgeführte empirische Untersuchung. Das Steuerrecht unterliegt, wie zuvor anhand der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen dargestellt, einem ständigen Wandel, was es dem Steuerpflichtigen erschwert, sich mit der Besteuerung auseinanderzusetzen. Von Interesse ist insbesondere, ob diese Änderungen u. a. Wirkungen auf das Entscheidungsverhalten von Steuersubjekten entfalten.1 In der vorliegenden Arbeit sollte daher u. a. die Wirkung der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen auf das Entscheidungsverhalten der Steuersubjekte empirisch mittels einer umfassenden Befragung untersucht werden, da speziell hierzu keine empirischen Erkenntnisse vorgelegen haben.2 Diese Fragestellung geht einher mit der Frage, ob die Regelung den Fremdvergleichsgrundsatz, wie vom Gesetzgeber beabsichtigt,3 präzisiert und dementsprechend unmittelbar zur Rechtssicherheit beiträgt. Ebenfalls war es von Interesse, empirisch zu überprüfen, ob das Steuerrecht aufgrund der Regelung komplexer wird. Dabei können insbesondere die Kosten, „die aus den steuerlich bedingten Tätigkeiten des Steuerpflichtigen […] resultieren“, eine „Größe zur Bestimmung der Komplexität eines Steuersystems“4 darstellen.5 Die Bundesregierung ist in diesem Zusammenhang im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens von einer Mehrbelastung für die betroffenen Unternehmen i. H. v. 0 EUR ausgegangen.6 Erst im Zuge der Etablierung der Funktionsverlagerungsverordnung wurden die Bürokratiekosten für die Unternehmen mit 1.311.851 EUR beziffert.7 Da auch die Bundesregierung spätestens fünf Jahre nach dem Inkrafttreten des UntStRefG dem Bundesrat über die Erfahrungen mit der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen und deren Auswirkung auf die Unternehmen berichten soll,8 kann die Arbeit hierzu einen Beitrag leisten. 1

Vgl. hierzu auch Maiterth (2006), S. 1. Es handelt sich demnach um eine primärstatistische Erhebung, da Daten für den bestimmten Untersuchungsgegenstand erstmalig erhoben werden. Vgl. Assenmacher (1998), S. 25. 3 Siehe hierzu u. a. BR-Drs. 220/07, S. 61, 141; BT-Drs. 16/4841, S. 34, 84. 4 Eichfelder (2009), S. 2. Vgl. auch Eichfelder (2010a), S. 1. 5 Vgl. Wagner (2005), S. 3; ders. (2005), S. 94; ders. (2006), S. 19; Eichfelder (2010b), S. 2, 14 f. 6 Siehe hierzu BR-Drs. 220/07, S. 64; BT-Drs. 16/4841, S. 38. 7 Vgl. BR-Drs. 352/08, S. 2. – Hinsichtlich der Abschätzung der Bürokratiekosten von Gesetzen in Deutschland vgl. Streitferdt/Becker (2008), insb. S. 159–165. 8 Vgl. BR-Drs. 352/08 (Beschluss). 2

I. Einleitung

169

Hintergrund des Interesses der Beantwortung der angeführten Fragen ist, neben den theoretischen Ausführungen und den hieraus gewonnen Erkenntnissen der Kapitel zuvor, insbesondere die in der Literatur vertretene Meinung, dass die Einführung der Regelung zur Besteuerung von grenzüberschreitenden Funktionsverlagerungen eine investitionshemmende Änderung der steuerlichen Rahmen­ bedingungen bewirke. „Deren Bestimmungen konterkarieren die Bemühungen um einen auch steuerlich attraktiven Forschungs- und Entwicklungsstandort Deutschland.“9 So führe die Regelung zu „Besteuerungsfolgen, die weit über das hinausgehen, was international üblich ist. Zusätzlich werden den Unternehmen neue Befolgungskosten aufgebürdet, wobei die Erfordernisse für die zu erstellenden Unterlagen in der Praxis oft kaum handhabbar sind. Im Ergebnis werden Anreize gesetzt, Forschung und Entwicklung erst gar nicht in Deutschland durchzuführen, da eine denkbare spätere Restrukturierung ‚Fluchtsteuern‘ heraufbeschwört. Viele Unternehmen werden deshalb ihre Investitionsentscheidungen von Anfang an zugunsten ausländischer FuE-Standorte treffen, um der Gefahr von späteren Funktionsverlagerungen zu entgehen.“10 Die Regelung gehe daher auch über das bisherige Verständnis des Fremdvergleichsgrundsatzes hinaus;11 es sei vielmehr „eine zweite Form des Fremdvergleichspreises geschaffen worden, der spezifisch für § 1 AStG in den Fällen der Funktionsverlagerung ist.“12 Zudem soll u. a. die Regelung zu einem „der größten Komplexitätsschübe in der jüngeren deutschen Steuergeschichte“13 beigetragen haben sowie unklar und widersprüchlich sein.14 Die angeführten Zitate behaupten, dass die Etablierung der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen eine Entscheidungswirkung dahingehend entfaltet, dass Unternehmen sich gegen den Standort Deutschland entscheiden, obwohl die Regelung, dem Gesetzgeber folgend, nur bestehendes Recht konkre­ tisieren sollte. Desgleichen wird implizit ausgedrückt, dass Exit-Steuern15 die Entscheidung der Unternehmen beeinflussen, wie und ob eine Funktion von Deutschland heraus ins Ausland auf ein nahe stehendes Unternehmen verlagert wird. Des Weiteren stehe die Regelung nicht mit internationalen Grundsätzen im Einklang 9

Spengel (2009), S. 56. Vgl. auch BT-Drs. 16/10985, S. 252. Spengel (2009), S. 58. Vgl. u. a. IDW (2007a), S. 206; Wöhrle/Schelle/Gross (2009), § 1 Rz. 313. – Zur Entwicklung der Forschungs- und Entwicklungsausgaben sowie der Direktinvestitionen in Deutschland, die das Angeführte nicht bestätigen, vgl. BMBF (2010), S. 19 f., 41, 70, 425–430; Deutsche Bundesbank (2010), S. 12, 48. 11 Vgl. Kaminski (2010), S. 63. 12 Kaminski (2010), S. 63. 13 Vgl. BT-Drs. 16/10985, S. 230 f. 14 Vgl. Freudenberg/Ludwig (2010), S. 1271. 15 Fluchtsteuer ist historisch bedingt negativ vorbelastet und sollte vermieden werden: „Unter der nationalsozialistischen Regierung belastete die Reichsfluchtsteuer alle Emigranten. Aus dieser Zeit haftet ihr der bedrückende und auch diskriminierende Charakter an.“ Mußgnug (1993), S. 11. Ausführliche Darstellung zur Reichsfluchtsteuer findet sich in­ Mußgnug (1993). Bzgl. des Gesetzes gegen die Steuerflucht siehe Gesetz gegen die Steuerflucht v. 26.7.1918, RGBl. 1918, S. 953. 10

170

C. Empirische Untersuchung

und entspreche damit nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz, was zudem dazu führe, dass die Regelung nicht, wie vom Gesetzgeber beabsichtigt, unmittelbar zur Rechtssicherheit beitrage. Daneben wird die Steigerung der Komplexität des Steuerrechts hervorgehoben, die zu einem Anstieg der steuerlichen Bürokratiekosten führe. Zusammenfassend sollte daher nachstehend formulierter Fragenkomplex empirisch untersucht werden: –– Hat die Etablierung der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen einen Einfluss auf das Entscheidungsverhalten von Unternehmen? –– Hat die Etablierung der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen eine Auswirkung auf die Komplexität des Steuerrechts? Sehen sich die betroffenen Unternehmen also einem steigenden administrativen und monetären Aufwand gegenüber? –– Erfolgt mit der Etablierung der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen eine Präzisierung des Fremdvergleichsgrundsatzes? Trägt die Regelung demnach unmittelbar zur Rechtssicherheit bei? Die Antworten auf diese Fragen lassen sich prinzipiell mit einem zielgerichteten, systematisch standardisierten Fragebogen ermitteln, da anderweitige Erhebungsformen grundsätzlich nicht in Betracht kommen: Weder sind die erforderlichen Informationen in amtlichen Statistiken noch in der publizierten Buchführung der Unternehmen enthalten. Dabei ist bekannt, dass die Glaubwürdigkeit der Teilnehmer bzw. die Verlässlichkeit der Antworten ein generelles Problem solcher Umfragen darstellt.16 Zudem bestehen im steuerlichen Bereich besondere Schwierigkeiten bei dieser Form der Datenerhebung, wie beispielsweise bzgl. des Steuergeheimnisses und der Vertraulichkeit der Daten. Nicht nur in Anbetracht dieser Umstände ist eine empirische Überprüfung solcher Fragestellungen in der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre (noch) kaum verbreitet.17 Aber „erst die Kenntnis darüber, wie Individuen, Organisationen und Märkte auf Steueränderungen reagieren, erlaubt abzuschätzen, welche ökonomischen Folgen Steuerrechtsänderungen voraussichtlich entfalten werden. Auf dieser Grundlage und unter Berücksichtigung der erwarteten Folgen für die persönliche Steuerlastverteilung können dem Gesetzgeber Empfehlungen für die Ausgestaltung des Steuerrechts gegeben werden.“18 16 Vgl. Eichfelder (2011), S. 39; ders. (2010b), S. 42. – Hinsichtlich einer mittels Fragebogen durchgeführten Studie zu den Auswirkungen der Unternehmensteuerreform 2008 siehe PwC/HDE (2008). Hinsichtlich einer empirischen Studie zu Bürokratiekosten mittels eines standardisierten Fragebogens vgl. Clemens/Kokalj (1995); Blumenthal/Slemrod (1995), S. 37–53. Hinsichtlich der Messung von steuerlichen Befolgungskosten mit einem standardisierten Fragebogen vgl. Täuber (1984), S. 113–139. Hinsichtlich einer Befragung zur Bedeutung von Verrechnungspreisstrategien in multinationalen Unternehmen vgl. Cravens (1997), S. 127–145. 17 Siehe hierzu Hundsdoerfer/Kiesewetter/Sureth (2008), S. 64. 18 Hundsdoerfer/Kiesewetter/Sureth (2008), S. 65.

II. Forschungsdesign

171

II. Forschungsdesign19 1. Wahl der schriftlichen Befragung als Erhebungsinstrument Für die empirische Untersuchung wurde die Befragung als Erhebungsinstrument gewählt, da die Befragung zur Ermittlung von Fakten und Bewertungen das Standardinstrument der empirischen Sozialforschung darstellt.20 Befragungen lassen sich nach der Kommunikationsart unterscheiden: Mündliche und schriftliche Befragungen. Daneben ist eine Differenzierung nach der Kommunikationsform, wie die wenig strukturierte, teilstrukturierte und stark strukturierte Befragung, möglich.21 Durchgeführt wurde eine stark strukturierte, schriftliche Befragung in Form eines Fragebogens. Stark strukturiert bezeichnet die Tatsache, dass durch den Fragebogen der Inhalt, die Anzahl und die Reihenfolge der Fragen festgelegt werden. Hierdurch wird der Freiheitsspielraum des Befragten einschränkt.22 Mit Hilfe des Fragebogens sollten dann „über eine sachlich, örtlich und zeitlich gleichartig abgegrenzte statistische Grundgesamtheit bzw. über eine Teilgesamtheit (Stichprobe) von Merkmalsträgern interessierende Eigenschaften […] erhoben und statistisch ausgewertet“23 werden. Der im Rahmen dieser Untersuchung verwendete Fragebogen24 wurde als Onlinefragebogen über den Anbieter Unipark, die Online Befragungssoftware für Studenten und Hochschulen anbieten,25 konzipiert und den Teilnehmern auf einer Webseite zur Verfügung gestellt; sog. Internetbefragung.26 Zwar werden unter schriftlichen Befragungen prinzipiell der postalische Versand und der Rücklauf des Fragebogens verstanden,27 da auch das Vorliegen von Fragen in schriftlicher Form, die von den Teilnehmern selbstständig beantwortet werden müssen, als schriftliche Befragungen gelten,28 stellen elektronisch versendete Fragebögen 19 Als Forschungsdesign wird der Vorgang empirischer Überprüfung theoretischer Hypothesen bezeichnet. Vgl. Atteslander (2010), S. 49. 20 Vgl. Kromrey (2009), S. 336. 21 Vgl. Kromrey (2009), S. 363–365; Atteslander (2010), S. 132–136. 22 Bei mündlichen Befragungen auch des Interviewers. Vgl. Atteslander (2010), S. 134 f.; Raab-Steiner/Benesch (2008), S. 44; Berekoven/Eckert/Ellenrieder (2009), S. 93. 23 Eckstein (2010), S. 37. 24 Siehe Anhang. 25 Unipark gehört zur Globalpark AG, dem führenden Anbieter von Online-Feedback-Software. Siehe hierzu http://www.unipark.de und http://www.globalpark.de. 26 Vgl. Wolff (2008), S. 220. – Unter Internetbefragungen sind sowohl E-Mail-Befragungen als auch webbasierte Befragungen zu verstehen. Vgl. Fuchs (2003), S. 19. Hinsichtlich einer Übersicht über internetbasierte Datenerhebungsverfahren vgl. u. a. Batinic (2001), S. 7–9. Hinsichtlich der Vorteile von internetbasierten Befragungsverfahren vgl. Batinic (2001), S. 12–14; ders. (2003); Fuchs (2003), S. 19; Wolff (2008), S. 221 m. w. N. 27 Vgl. Atteslander (2010), S. 157. 28 Vgl. Raab-Steiner/Benesch (2008), S. 44.

172

C. Empirische Untersuchung

eine schriftliche Befragung dar. Lediglich der Kommunikationsweg unterscheidet sich vom postalischen Versand.29 Auch das Bereitstellen eines Fragebogens auf einer Webseite soll hier unter dem Oberbegriff der schriftlichen Befragung gefasst werden. Diesen Onlinefragebogen konnten die Teilnehmer während der Feldphase der Untersuchung zu jeder Zeit aufrufen und ausfüllen. Um Doppelteilnahmen zu verhindern, wurde die Untersuchung als personalisierte Umfrage durchgeführt. Jeder Teilnehmer hat infolgedessen einen personalisierten Zugang mit der Einladung zur Teilnahme am Projekt erhalten. Diese Einladung wurde elektronisch an die Teilnehmer gesendet. Das Verfahren der schriftlichen Befragung wurde zum einen aus ökonomischen Gründen gewählt, da sich schriftliche Befragungen bei einer größeren Anzahl von Befragten kostengünstiger und schneller durchführen lassen als eine persönliche Befragung,30 zum anderen aus methodischen Gründen, da diese Kommunikationsart dem Befragten eine höhere zeitliche Flexibilität bei der Beantwortung einräumt, was zu ausführlicheren und überlegteren Antworten führen kann (Selbstbestimmtheit der Teilnehmer).31 Die damit einhergehenden Nachteile liegen in den begrenzten Möglichkeiten der Informationsgewinnung und einer eventuell geringeren Rücklaufquote.32 Um aber die Rücklaufquote zu erhöhen, wurden verschiedene Maßnahmen getroffen:33 –– Personalisierung des Anschreibens, –– Darstellung des Untersuchungszwecks, –– Angabe der verantwortlichen Person der Studie, –– Dauer der Befragung, –– Zusicherung von Anonymität, –– Durchführung von zwei Erinnerungsläufen (Reminder), –– Angabe eines Teilnahmeschlusses und –– Zusicherung einer Gegenleistung in Form der Zusendung der Ergebnisse der Studie. 29 Die Form der schriftlichen Befragung, die auf elektronischem Wege versendet wird, wird auch als eine Form der internetgestützten Befragung erfasst. Vgl. Schnell/Hill/Esser (2008), S. 377, 381. 30 So werden Stichproben mit mehr als 200 Befragten angegeben, bei denen es ökonomisch sinnvoll ist, schriftliche Befragungen durchzuführen. Vgl. Schnell/Hill/Esser (2008), S. 358. 31 Vgl. auch Porst (1998), S. 15; Batinic (2001), S. 12–14. 32 Vgl. Schnell/Hill/Esser (2008), S. 358 f.; Atteslander (2010), S. 157. – Auch ist bei Befragungen im Internet mit geringeren Rücklaufquoten zu rechnen als bei traditionellen Verfahren. Vgl. Batinic (2003), S. 10; Fuchs (2003), S. 27. 33 Vgl. auch Wolff (2008), S. 221; Batinic (2001), S. 80 f. m. w. N.

II. Forschungsdesign

173

Die besondere Kommunikationsart in Gestalt des Onlinefragebogens wurde gewählt, da sich die Teilnahme über das Medium Internet flexibel gestalten lässt. Zum einen können die Teilnehmer mit ihrem persönlichen Zugang von jedem internetfähigen Gerät aus an der Umfrage teilnehmen (bspw. PC, Laptop, Smartphone), zum anderen ermöglicht diese Vorgehensweise eine Unterbrechung der Umfrage und eine spätere Wiederaufnahme an der entsprechenden Stelle. Daneben vermindert sich der Aufwand für die Teilnehmer, da sie den Fragebogen lediglich ausfüllen und keine weiteren Schritte, wie bspw. ausdrucken und zurücksenden, veranlassen müssen, da die Antworten automatisch gespeichert werden. Für die Teilnehmer ist diese Variante zudem sehr intuitiv zu handhaben. Ein weiterer bedeutender Vorteil besteht hinsichtlich des Datenschutzes: Es ist für den Auswertenden nicht erkennbar, wer welche Antworten gegeben hat, sodass sich die Antworten nicht mit den Teilnehmern in Verbindung bringen lassen. Mithin ermöglicht diese Erhebungsmethode Anonymität der Teilnehmer.34 Darüber hinaus wird die Auswertung erleichtert: Jederzeit kann kontrolliert werden, wer an der Studie teilgenommen hat, was u. a. die Ansprache für einen Reminder erheblich vereinfacht. Weiterhin werden die von den Teilnehmern gegebenen Antworten umgehend gespeichert und sind am Ende in eine Excel- oder SPSSDatei zu exportieren, sodass sich die Fehlerquote bei der Übertragung der Daten gegenüber schriftlichen Fragebogenversionen vermindert. Des Weiteren sollte es prinzipiell zwischen einer solchen Internetbefragung und einer Papier­befragung keine Unterschiede im Antwortverhalten der Teilnehmer geben und ebenfalls wird „in Bezug auf Validitäts- und Reliabilitätsmaße der Daten […] eine mindestens ebenso gute Qualität gewährleistet“35 wie bei postalischen Verfahren.36 Jedoch birgt diese Variante auch Nachteile: Seitens der eingeladenen Personen können Sicherheitsbedenken bestehen, einen Hyperlink in einer E-Mail von einer unbekannten Person bzw. Institution anzuklicken. Demnach sollten die Einladungsmails vertrauenswürdig gestaltet sein, indem so viele Informationen zur Untersuchung wie notwendig und Kontaktinformationen zum Organisator – als Ansprechpartner – der Untersuchung offenbart werden. Außerdem ist es möglich, dass aufgrund unterschiedlicher Bildschirmauflösungen oder E-Mail-Programme der personalisierte Hyperlink zum Fragebogen beim Empfänger nicht korrekt angezeigt wird und infolgedessen der Fragebogen nicht aufgerufen werden kann. Hierfür bietet sich ein Hinweis an, dass der Hyperlink entweder vollständig in die Adresszeile des Webbrowser einzufügen ist oder der personalisierte Hyperlink wird mit einem Hinweis dazu zwischen zwei Klammern gesetzt, um deutlich Anfang und Ende des Hyperlinks zum Ausdruck zu bringen. Ferner können beim Ausfüllen technische Probleme auftreten, die eine Teilnahme verhindern können.

34

Vgl. Porst (1998), S. 15; Batinic (2001), S. 12–14. Wolff (2008), S. 221. 36 Vgl. Fuchs (2003), S. 40; Batinic (2001), S. 53–71. 35

174

C. Empirische Untersuchung

Den potenziellen Teilnehmern wurde dann die Möglichkeit eröffnet, den Frage­ bogen als ausfüllbares WORD-Dokument zu erhalten. Der ausgefüllte Fragebogen konnte per E-Mail (sog. E-Mail-Survey) oder ausgedruckt als Brief oder als Fax zurückgesendet werden (Mixed-Mode-Survey).37 Ferner birgt der Versand der Einladungen und Erinnerungen über den Anbieter selbst den Nachteil, dass manche Sicherheitssysteme die versendeten E-Mails als Spam einstufen und somit eine Zustellung nicht erfolgt. Demzufolge sind, bei einem etwaigen Vorhandensein einer entsprechenden Nachricht hierzu, die potenziellen Teilnehmer eigenhändig erneut zu kontaktieren. Um diesem vorzubeugen, bietet sich ein in Eigenregie durchgeführter Versand über den für die Studie zu verwendenden E-Mail-Account. 2. Der Fragebogen a) Einführung „Ein Fragebogen ist eine mehr oder weniger standardisierte Zusammenstellung von Fragen, die Personen zur Beantwortung vorgelegt werden mit dem Ziel, deren Antworten zur Überprüfung der den Fragen zugrundeliegenden theoretischen Konzepte und Zusammenhänge zu verwenden. Somit stellt ein Fragebogen das zentrale Verbindungsstück zwischen Theorie und Analyse dar.“38 Insofern wurde speziell der Fragebogen, als standardisiertes Instrument der Befragung, als geeignetes Instrument angesehen, um die eingangs gestellten Fragen zu beantworten.39 Dabei wird Objektivität, Verlässlichkeit (Reliabilität) und Validität angestrebt. Das Erfassen der Daten hat intersubjektiv nachprüfbar zu sein.40 Objektiv ist der Messvorgang, wenn die Messergebnisse unabhängig von der Person, die die Untersuchung durchführt, sind.41 Verlässlich ist ein Befragungsinstrument dann, wenn es exakt misst, „dass bei Wiederholungen unter gleichen Bedingungen identische Ergebnisse erzielt werden.“42 Hierzu trägt ein Frage­

37

Vgl. Schnell/Hill/Esser (2008), S. 381. Porst (1996), S. 738. Vgl auch Kromrey (2009), S. 237. 39 Bei einem Fragebogen bestehen die Testinhalte aus den Aussagen in den einzelnen Items und den dafür vorgesehenen Antwortmöglichkeiten. Siehe hierzu Hartig/Frey/Jude (2007), S. 140. – Der „Fragebogen [stellt in der empirischen Forschung] eine wichtige Methode quantitativer Forschung dar.“ Reinders (2011), S. 53. 40 Vgl. Atteslander (2010), S. 6; Berekoven/Eckert/Ellenrieder (2009), S. 75–83. 41 Es wird dabei unterschieden zwischen Durchführungs-, Auswertungs- und Interpre­ tationsobjektivität. Siehe hierzu Berekoven/Eckert/Ellenrieder (2009), S. 80; Mayer (2009), S. 89. 42 Atteslander (2010), S. 6. Vgl. auch Atteslander (2010), S. 229; Schnell/Hill/Esser (2008), S. 151; Rammstedt (2004), S. 5; Berekoven/Eckert/Ellenrieder (2009), S. 81; Mayer (2009), S. 89; Moosbrugger (2007), S. 105 f. 38

II. Forschungsdesign

175

bogen bei, je standardisierter und je klarer die Fragen formuliert sind.43 Va­lidität „betrifft die Frage, ob ein Messinstrument auch das misst, was es messen soll.“44 Da in der vorliegenden Untersuchung Meinungen und praktische Handlungen der Teilnehmer zu einem bestimmten Zeitpunkt analysiert werden, kann eine Wiederholung dieser Studie unter gleichen Bedingungen an denselben Befragten abweichende Ergebnisse liefern. Dies ist u. a. bedingt durch Lerneffekte und neue Erkenntnisse, die das Antwortverhalten der Teilnehmer beeinflussen. Darüber hinaus dadurch, dass die Teilnehmer eventuell ihren Arbeitsplatz oder gar das Unternehmen wechseln und demzufolge unter anderen Bedingungen ihre Antworten geben. Daher tragen konstante Untersuchungsbedingungen, und ein präzises Messinstrument, wie der verwendete standardisierte Fragebogen, nicht unbedingt dazu bei, abweichendes Antwortverhalten zu verhindern. b) Die Entwicklung des Fragebogens Der Fragebogen wurde im Zeitraum November 2010 bis Juli 2011 entwickelt.45 Ziel war es, inhaltliche Relevanz, Konsistenz und Verständlichkeit der Formulierungen zu erreichen, da bei der Fragebogenkonstruktion zu beachten ist, „dass die potenziellen Teilnehmer die gestellten Fragen verstehen, relevante Informationen aus dem Gedächtnis abrufen, sich auf dieser Basis ein Urteil bilden und dieses in das Antwortformat einpassen“46, weshalb die Entwicklung in mehreren Phasen erfolgte. Auf einer Startseite wurden der Titel der Befragung und der Ansprechpartner der Untersuchung genannt sowie die Einhaltung des Datenschutzes zugesichert.47 Um sicherzustellen, dass alle Befragten die Fragen und die Antwortmöglich­keiten gleich verstehen, wurden elementare Begriffe vorab auf einer Einleitungsseite durch eine Beschreibung definiert.48 Die letzte Seite hingegen diente der Dank­ sagung an die Teilnehmer und stellte den Abschluss der Befragung dar. 43

Vgl. Mayer (2009), S. 89. Atteslander (2010), S. 6. Vgl. auch Schnell/Hill/Esser (2008), S. 154; Rammstedt (2004), S. 16; Berekoven/Eckert/Ellenrieder (2009), S. 82 f.; Mayer (2009), S. 89. – Hinsichtlich Inhalts- und Konstruktvalidität siehe Hartig/Frey/Jude (2007), S. 140–150. 45 Es wurden zwei Fragebogenversionen erstellt: Eine für Konzerne und eine für Beratungsunternehmen. Beide Versionen decken sich größtenteils, unterscheiden sich lediglich in den Eingangsfragen, der Ansprache und den Fragen nach der Betriebsprüfung. Infolgedessen enthält der Fragebogen für die Beratungsunternehmen mehr Fragen. 46 Porst (1998), S. 22 m. w. N. 47 Siehe in Bezug auf die Steigerung der Rücklaufquote Wolff (2008), S. 222. – Die Start­ seiten wurden aber für die Beratungsunternehmen und die Konzerne/Unternehmen unterschiedlich gestaltet. So wurde für die Unternehmen das Anschreiben auf der Startseite integriert, da das Anschreiben an die potenziellen Teilnehmer über Xing gekürzt werden musste. 48 Hinsichtlich dieser Erläuterungen vgl. Anhang. Siehe auch Berekoven/Eckert/Ellenrieder (2009), S. 97. 44

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C. Empirische Untersuchung

Der Fragebogen selbst muss sowohl hinsichtlich der Fragen als auch der Fragenabfolge allgemeinverständlich sein. Somit mussten die Fragen in eine sinnvolle, strukturierte Reihenfolge gebracht werden sowie die Fragen so einfach wie möglich zu formulieren sind.49 Die Fragen sollten demnach:50 –– einfache Wörter enthalten; –– kurz formuliert werden; –– konkret sein; –– keine bestimmte Beantwortung provozieren; –– neutral formuliert sein; –– nicht hypothetisch formuliert sein; –– sich nur auf einen Sachverhalt beziehen; –– keine doppelte Negation enthalten; –– den Befragten nicht überfordern; –– so konzipiert werden, dass Hintergrundinformationen eingeholt werden können, ohne den Befragten direkt nach Begründungen zu fragen; –– keine Worte wie alle, immer und niemals enthalten; –– Worte wie nur, gerade und kaum nur in Ausnahmefällen enthalten. Ferner sollten auch Statements vermieden, denen alle oder keine Befragten zustimmen, unklare Begriffe definiert und suggestive Fragen vermieden werden. Bei der Fragebogenkonstruktion wurde zudem beachtet, dass zu einem Themen­bereich immer mehrere Fragen gestellt werden und Fragen, die denselben Aspekt des Themas behandeln, nacheinander abgefragt werden.51 Demnach umfasste der Fragebogen neben der Einleitung und dem abschließenden statistischen Teil zwei Abschnitte, wobei jedoch eine eindeutige Abgrenzung kaum möglich ist, da Fragen eines Bereiches auch den anderen Bereich betreffen können: –– Einfluss der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen auf das Entscheidungsverhalten von Unternehmen; –– Einfluss der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen auf die Komplexität des Steuerrechts und auf den Fremdvergleichsgrundsatz.

49

Siehe hierzu Berekoven/Eckert/Ellenrieder (2009), S. 95. Vgl. zu den Regeln der Fragenformulierung Atteslander (2010), S. 156 f.; Schnell/Hill/ Esser (2008), S. 334; Borg/Staufenbiel (2007), S. 16 f.; Porst (2009), S. 95 f. 51 Vgl. Schnell/Hill/Esser (2008), S. 344. 50

177

II. Forschungsdesign

Fragen lassen sich im Allgemeinen nach ihrem Inhalt und nach ihrer Form unterscheiden.52 Ihrer Strukturiertheit nach ist zu differenzieren zwischen offenen, halboffenen und geschlossenen Fragen, die im vorliegenden Fragebogen verwendet wurden. Geschlossene Fragen, die alle relevanten Antworten enthalten,53 lassen sich unterteilen in Fragen, bei denen nur eine Antwort (Einfachnennung) bzw. mehr als eine Antwort (Mehrfachnennung) zulässig ist.54 Die Vorteile dieser Fragenform sind u. a. Vergleichbarkeit der Antworten, Durchführungs- und Auswertungsobjektivität, geringerer Aufwand bei Auswertung und geringerer Zeitaufwand für den Teilnehmer. In dem für die Untersuchung verwendeten Fragebogen wurden u. a. neben den Antwortkategorien Ja/Nein/Keine Einschätzung zur Messung von Einstellungen eine Itemform55 eingesetzt, bei der die befragte Person, die Intensität ihrer Zustimmung oder Ablehnung zu einer Aussage auf einer mehrfach gestuften Antwortskala einschätzen sollte. Dabei wurde auf eine positive Itemformulierung geachtet, da eine negative Formulierung eher einen Einfluss auf das Antwortverhalten der Teilnehmer ausübt. Im vorliegenden Fragebogen wurden die in Tabelle 5 angeführten verbalisierten Skalen eingesetzt.56 Tabelle 5 Verwendete Intervallskalen im Fragebogen Stimme voll zu

Stimme zu

Weder noch

Stimme nicht zu

Stimme überhaupt nicht zu

Keine Einschätzung

Sehr hoch

Hoch

Weder noch

Gering

Sehr gering

Keine Einschätzung

Eine Abstufung der Antwortkategorien erfolgte in gleichen Abständen, wobei die Teilnehmer nicht zur Abgabe einer eindeutigen Aussage gezwungen wurden, denn diesen wurde die Möglichkeit zur Wahl einer Zwischenkategorie weder noch gegeben. Um aber zu vermeiden, dass diese Mittelkategorie als Ausweichkategorie57 verwendet wird, wurde den Teilnehmern die Möglichkeit zur Wahl der Antwort keine Einschätzung gegeben, da davon ausgegangen werden kann, dass einige Teilnehmer keine ausgeprägte Meinung zu den Fragestellungen haben.

52

Vgl. Porst (1998), S. 23. Vgl. Atteslander (2010), S. 146; Porst (2009), S. 63 f. 54 Vgl. Porst (1998), S. 23–25; Reinders (2011), S. 58–61. 55 „Jede Frage […] oder jeder Stimulus in Aussageform […] stellen in Fragebögen ein Item dar. Diese Items dienen dazu, bei Befragten eine Antwort zu erzeugen.“ Reinders (2011), S. 54. 56 Als Skala wird das dem Messvorgang zugrundegelegte Bezugssystem bezeichnet. Vgl. Porst (1998), S. 28 f. 57 Vgl. Mayer (2009), S. 83 f. 53

178

C. Empirische Untersuchung

Im ausgearbeiteten Fragebogen wurden nie mehr als fünf Abstufungen verwendet, weil mit jeweils zwei Abstufungen bzgl. der Ablehnung/Zustimmung und einer neutralen Mitte ein breites Spektrum von Antwortmöglichkeiten gegeben wurde (Ratingskala).58 Im vorliegenden Falle könnte es sich um eine Ordinalskala handeln, da die Abstände zwischen den einzelnen Bewertungsschritten nicht als exakt gleichgroß erachtet werden könnten.59 Es wird aber ein gleichgroßer Abstand unterstellt (Intervallskala).60 Darüber hinaus wurden zur Einschätzung von Veränderungen folgende Ordinalskalen verwendet, die sich auf eine einfache Abstufung mit einer Mittelkategorie beschränkten: Tabelle 6 Verwendete Ordinalskalen im Fragebogen Gestiegen

Konstant/ Unverändert

Gesunken

Keine Einschätzung

Zugenommen

Keine Veränderung erfahren

Abgenommen

Keine Einschätzung

Erhöhung der Bemessungsgrundlage

Keine Veränderung der Bemessungsgrundlage

Verringerung der Bemessungsgrundlage

Keine Einschätzung

Ferner wurden halboffene Fragen eingesetzt. Diese enthalten zwar Antwortkategorien, aber zusätzlich noch eine offene Kategorie, um den Befragten die Möglichkeit zu geben, andere als die vorgegebenen Antworten bzw. Gründe zu nennen. Diese Art von Frage bietet sich vor allem an, wenn die Antworten in ihrer Ganzheit nicht bekannt sind oder nicht vollständig angeführt werden können.61 Offene Fragen hingegen verfügen über keine feste Antwortkategorie. Der Befragte kann seine Antwort selbstständig formulieren. Als vorteilhaft erweist sich, dass der Befragte „innerhalb seines eigenen Referenzsystems antworten kann, ohne […] in eine bestimmte […] Richtung gelenkt zu werden.“62 Hierfür wurde die letzte Frage gewählt, um den Teilnehmern die Möglichkeit zu geben, sich frei zum Themengebiet zu äußern.

58

Vgl. Kirchhoff et al. (2010), S. 22; Raab-Steiner/Benesch (2008), S. 54. „Das Wesen der ordinalskalierter Daten liegt darin, dass sie vergleichende Aussagen über größer/kleiner oder besser/schlechter und gleich/ungleich zulassen.“ Raab-Steiner/Benesch (2008), S. 26. 60 Vgl. Mayer (2009), S. 71, 83 f.; Assenmacher (1998), S. 19; Reinders/Gniewosz (2011), S. 122. 61 Vgl. Porst (1998), S. 25. 62 Schnell/Hill/Esser (2008), S. 332. 59

II. Forschungsdesign

179

Dagegen muss die erste Frage eng mit dem Thema der Gesamtuntersuchung in Verbindung stehen, eine einsehbare Relevanz haben und für jeden Befragten interessant sein. Daneben sollte diese Frage neutral und einfach formuliert sein, keine Zustimmung oder Ablehnung eines Sachverhaltes erfordern. Also eignen sich weder offene noch zu lang formulierte geschlossene Fragen.63 Demzufolge wurde eine geschlossene, verständliche Frage als sog. Eisbrecherfrage gewählt, die zugleich als Filterfrage64 dienen sollte. Falls der Ansprechpartner nicht von der Thematik betroffen sein sollte, sollte dieser umgehend zum statistischen Teil des Fragebogens geleitet werden, um sicherzustellen, dass nur Teilnehmer an der Untersuchung teilnehmen, die auch von der Regelung betroffen sind. Bei diesem speziellen Themenbereich des Steuerrechts ist es aber eine Herausforderung, alle Regeln der Fragenformulierung in Einklang zu bringen und einen allgemeinverständlichen sowie aussagekräftigen Fragebogen zu entwickeln, weshalb der Fragebogen während der Konstruktionsphase mehreren fachfremden Experten, die mit der Gestaltung und der Formulierung von Fragebögen vertraut sind, und fachlichen Experten zur Begutachtung vorgelegt worden ist. Deren wertvolle Anmerkungen wurden entsprechend eingearbeitet, um die Qualität des Fragebogens zu erhöhen: Nicht eindeutige, missverständliche Wörter wurden durch alternative, nicht suggestive Formulierungen ersetzt, Fragen wurden neu formuliert oder auch verworfen, die Reihenfolge der Fragen wurde überarbeitet sowie der Fragebogen hinsichtlich seines Umfanges auf ein Mindestmaß gekürzt wurde. Insbesondere der letzte Aspekt ist von Bedeutung. Beim angesprochenen Personenkreis ist die Ressource Zeit sehr begrenzt für eine Teilnahme an einer Untersuchung. Daher musste der Fragebogen zwar so viele Fragen wie nötig beinhalten, um ein valides Ergebnis zu erhalten, aber zugleich war darauf zu achten, dass der Fragebogen so kurz wie möglich konstruiert wird, um die Abbruchquote so gering wie möglich zu halten bzw. die potenziellen Teilnehmer nicht von Beginn an von der Teilnahme abzuhalten. Dementsprechend wurde versucht, eine Bearbeitungsdauer des Fragebogens von circa 10 Minuten nicht zu überschreiten. Mithin ist es gelungen, einen Trade-Off zwischen einem geringen Zeitaufwand für die Bearbeitung und der Genauigkeit der Datenabfrage zu finden. Des Weiteren wurde der Fragebogen nach der vorläufigen Entwicklung einem Pretest unterzogen, um erste Erfahrungen zur Bewertung des Fragebogens zu gewinnen. Dabei wurden zwei primäre Zielsetzungen verfolgt: Erstens sollen die Befragten durch verständliche und einfach auszufüllende Fragebögen ent­lastet werden und zweitens soll die Datenqualität erhöht werden, indem eine höhere Validität und Reliabilität erreicht wird.65 Anhand der hieraus resultierenden Erkenntnisse wurde der Fragebogen weiter überarbeitet. Abschließend fertig gestellt wurde dieser im Juli 2011. 63

Vgl. Schnell/Hill/Esser (2008), S. 361. Hinsichtlich Filter- und Gabelungsfragen siehe Reinders (2011), S. 61. 65 Vgl. Blanke/Gauckler/Sattelberger (2008), S. 641; Mayer (2009), S. 59. 64

180

C. Empirische Untersuchung

c) Besonderheiten des Onlinefragebogens Die Programmierung des Onlinefragebogens erfolgte im Anschluss an die Fertigstellung des Fragebogens in Papierform mit der Onlinebefragungssoftware Unipark. Der Aufbau des Fragebogens und die Fragen wurden dabei nicht verändert. Lediglich die optische Erscheinung wurde entsprechend angepasst: Zum Beispiel wurden die Logos der Universität Würzburg und der GSLES in die Kopfzeile integriert, um bei den Teilnehmern Vertrauen hervorzurufen. Daneben wurden inhaltlich zusammengehörige Fragen auf einer Fragebogenseite platziert, aber zugleich darauf geachtet, dass sich die Teilnehmer die Fragen umgehend auf dem Bildschirm erschließen können, ohne dass sie den Text scrollen müssen. Zudem wurde ein Weiter-Button integriert, bei dessen anklicken die gegebenen Antworten korrigierbar gespeichert wurden. Um die Fehlerrate zu reduzieren, wurden Plausibilitäts- und Fehlerprüfungen integriert, die dem Teilnehmer im entsprechenden Fall eine Fehlermeldung mit Korrekturhinweis anzeigen sollten. Lediglich bei den halboffenen Fragen wurde für den offenen Teil der Frage keine Fehlerprüfung eingefügt, um die Teilnehmer nicht überzustrapazieren und mit etwaigen Fehlermeldungen abzuschrecken. Zudem wurden Filterfragen eingebaut, die den Teilnehmer direkt zur nächsten für diesen Teilnehmer zutreffenden Frage leiten, wodurch sichergestellt wird, dass Teilnehmer nur die für sie bestimmten Fragen beantworten. Um die Abbruchquote zu verringern, sollten die Teilnehmer jederzeit den Stand ihrer Bearbeitung erfahren können; daher wurde eine Fortschrittsanzeige eingefügt. Da es beabsichtigt gewesen ist, dass die Teilnehmer nur online an der Befragung teilnehmen, wurde die Verwendung der rechten Maustaste unterbunden, wodurch die Umfrage nicht kopierbar ist, sowie der Fragebogen nicht ausgedruckt werden konnte. Zudem wurde sowohl das Mehrfachabsolvieren des Fragebogens als auch die Teilnahme von unerwünschten Personen verhindert, indem jedem Teilnehmer ein persönlicher Hyperlink zum Fragebogen gesendet wurde. Somit war die Umfrage nicht öffentlich und nach Absolvierung der Befragung konnte der Frage­ bogen nicht erneut aufgerufen werden. d) Das Anschreiben zum Fragebogen Neben dem Hyperlink zum Fragebogen wurde ein so kurz wie möglich gehaltenes, personalisiertes Anschreiben versendet, in welchem Titel, Zweck, Ziel­ setzung, Rücksendetermin und Dauer der Umfrage dargelegt wurden. Da bei den potenziellen Teilnehmern ein gewisses Vertrauen hervorgerufen werden muss, insbesondere in Anbetracht dessen, dass eine Teilnahme online erfolgen sollte und sonach aufgrund der Gefahr von Trojanern oder Computerviren potenziell abschreckend wirken kann, wurde im Anschreiben explizit die GSLES als wissenschaftliche Institution und ein Ansprechpartner für Rückfragen ge-

III. Bestimmung von Grund- und Erhebungsgesamtheit

181

nannt.66 Des Weiteren wurde insbesondere an das Bewusstsein der potenziellen Teilnehmer appelliert, da jeder Teilnehmer durch das Ausfüllen des Fragebogens einen wesentlichen Beitrag dazu hätte leisten können, dass ein wissenschaftliches Projekt erfolgreich vollzogen wird und durch dieses neue Erkenntnisse gewonnen werden können, die bislang in dieser Form nicht vorgelegen haben. Als Anreiz für die Teilnahme wurde den Teilnehmern zugesichert, Ihnen die Ergebnisse der Studie zuzusenden. Jedoch wurde es im Anschreiben unterlassen, den potenziellen Teilnehmern die genauen Auswahlerfordernisse – warum ausgerechnet sie an der Befragung teilnehmen sollen – darzulegen, da diese dem überwiegenden Teil der Ansprechpartner in der Kürze kaum erklärbar sind.67 Allerdings wurde jedem auf Anfrage hin das genaue Auswahlprozedere mitgeteilt. Das Anschreiben wurde für die zwei durchgeführten Reminder verändert, um die Nichtteilnehmer doch noch für die Teilnahme zu motivieren. Im ersten Reminder wurde zusätzlich an die Erfahrung der Ansprechpartner und deren berufliche Position in ihrer Gesellschaft appelliert, um das Fachwissen der zu Befragenden empor zu heben.68 Ferner wurde aufgrund der Erfahrungswerte aus dem ersten Rücklauf die Angabe zur Dauer der Befragung verkürzt. Im dritten Reminder wurden die potenziellen Teilnehmer auf ein etwaiges Scheitern des Projektes hingewiesen, falls eine Teilnahme nicht erfolgen sollte.

III. Bestimmung von Grund- und Erhebungsgesamtheit 1. Grundlagen Die Festlegung des Objektbereichs erfolgt zumeist mit der Festlegung der statistischen Grundgesamtheit bzw. Population. Diese ist die „Menge aller potenziellen Untersuchungseinheiten, für die Aussagen getroffen werden sollen“69. Jedoch sind Vollerhebungen, bei der die Daten aller Elemente der Grundgesamtheit erhoben werden, nicht üblich. Daher werden im Rahmen einer Teilerhebung die Daten aus einem Teil der Grundgesamtheit erhoben.70 Diese Stichprobe,71 die eine „Auswahl von Untersuchungseinheiten aus einer Population“ darstellt, muss für 66

Siehe hierzu auch m. w. N. Wolff (2008), S. 222. Siehe auch Berekoven/Eckert/Ellenrieder (2009), S. 95. 68 „Egoistic appeal“. Wolff (2008), S. 222. 69 Reinders/Gniewosz (2011), S. 124. 70 Vgl. Atteslander (2010), S. 273; Raab-Steiner/Benesch (2008), S. 16; Schnell/Hill/ Esser (2008), S. 267; Häder (2000), S. 4; Reinders/Gniewosz (2011), S. 124. Es wird zwischen Voll- bzw. Totalerhebungen und Teil- bzw. Stichprobenerhebung unterschieden. Vgl. Eckstein (2010), S. 32. 71 Stichproben, die nicht auf einem Zufallsprozess basieren, werden als willkürliche Auswahlen bzw. bewusste Auswahlen bezeichnet. Vgl. Schnell/Hill/Esser (2008), S. 267. 67

182

C. Empirische Untersuchung

die Grundgesamtheit möglichst repräsentativ sein. Repräsentativ ist diese dann, „wenn sie hinsichtlich vorab festgelegter Merkmale in der Zusammensetzung der Population entspricht.“72 Zunächst ist aber die Grundgesamtheit zu bestimmen. Die Grundgesamtheit repräsentiert alle potenziell untersuchbaren Einheiten (wie bspw. Individuen), die ein gemeinsames Merkmal bzw. eine gemeinsame Merkmalskombination aufweisen. Auf diese Grundgesamtheit sollen sich die Aussagen der Untersuchung beziehen. Demnach ist die Grundgesamtheit im Hinblick auf die zu untersuchende Fragestellung eindeutig abzugrenzen.73 Diese angestrebte Grundgesamtheit ist jedoch für die Erhebung prinzipiell weder vollständig noch korrekt erfassbar.74 Daher ist von dieser angestrebten Grundgesamtheit die Erhebungsgrundgesamtheit, welche die Gesamtheit von Fällen darstellt, aus der die Stichprobe tatsächlich gezogen wird, zu unterscheiden.75 Eine Stichprobe stellt eine Teilmenge der Grundgesamtheit dar. Um die Grundgesamtheit repräsentieren zu können, muss die Stichprobe nach bestimmten Vorschriften gezogen werden. Es ist üblich, die sog. Stichprobenverfahren einerseits in Wahrscheinlichkeitsauswahlen (Zufallsauswahlen), andererseits in bewusste Auswahlen zu unterteilen. Bewusste Auswahlen werden „planvoll, aufgrund vorheriger Überlegungen gezielt vorgenommen.“76 Das heißt, ob ein Element aus der Grundgesamtheit ausgewählt wird, hängt vom Zutreffen vorher festgelegter Kriterien ab.77 Allerdings sind inferenzstatistische Schlüsse von der Stichprobe auf die Gesamtheit nur bei Zufallsauswahlen gerechtfertigt.78 Bei solch einer Zufallsstichprobe „hat jede Untersuchungseinheit die gleiche Chance, in die Stichprobe gezogen zu werden.“79 72

Zitate Reinders/Gniewosz (2011), S. 124. Vgl. Kromrey (2009), S. 255; Häder (2000), S. 4; Assenmacher (1998), S. 16 f. Theoretisch ist es möglich, dass Grundgesamtheiten einen unbegrenzten Umfang einnehmen können. Vgl. Häder (2000), S. 4. 74 Im besten Fall sind die Elemente der Grundgesamtheit vollständig physisch anwesend. Somit könnte eine Totalerhebung kontrolliert werden. Allerdings ist solch eine vollzählige physische Anwesenheit regelmäßig nicht realisierbar, sodass auf eine symbolische Repräsentation, z. B. in Form von Listen oder Karteien, zurückgegriffen wird. Falls aber solche Listen vorliegen, sind diese grundsätzlich nicht vollständig oder fehlerfrei. Die Folge hieraus ist, dass eine Über- oder Untererfassung der angestrebten Grundgesamtheit erfolgen kann. Vgl. Kromrey (2009), S. 256. 75 Vgl. Kromrey (2009), S. 257; Schnell/Hill/Esser (2008), S.271; Raab-Steiner/Benesch (2008), S. 16. 76 Kromrey (2009), S. 265. Vgl. auch Mayer (2009), S. 61. 77 Vgl. Kromrey (2009), S. 266. 78 Vgl. Häder (2000), S. 4. 79 Atteslander (2010), S. 274. Vgl. auch Schnell/Hill/Esser (2008), S. 274. – Daneben sind vier Voraussetzungen zu erfüllen, damit eine Stichprobe bzw. Teilerhebung auf die Grundgesamtheit verallgemeinert werden darf: (1) Die Stichprobe hat ein verkleinertes Abbild der Grundgesamtheit hinsichtlich der Heterogenität der Elemente und hinsichtlich der Repräsentativität der für die Hypothesenprüfung relevanten Variablen darzustellen. (2) Die Einheiten 73

III. Bestimmung von Grund- und Erhebungsgesamtheit

183

2. Bestimmung von Grundgesamtheit und Stichprobe der empirischen Untersuchung In die Untersuchung sollten Beratungsunternehmen, Unternehmen, die die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 AStG erfüllen, sowie Betriebsprüfer, insbesondere Auslandsfachprüfer, einbezogen werden.80 Hintergrund ist, dass ebendiese prinzipiell mit dem Aspekt der Besteuerung von Funktionsverlagerungen vertraut und von der Regelung betroffen sind bzw. sein können:81 –– Beratungsunternehmen, die Unternehmen bei der steuerlichen Gestaltung von Verrechnungspreisen, insbesondere Funktionsverlagerungen, beraten; –– Unternehmen, die grenzüberschreitende, konzerninterne Umstrukturierungsvorgänge durchführen; –– Betriebsprüfer, die im Rahmen einer Betriebsprüfung speziell grenzüberschreitende, konzerninterne Sachverhalte prüfen.

Abbildung 4: Mögliche Beteiligte bei einer Funktionsverlagerung im internationalen Konzern

a) Beratungsunternehmen Die Grundgesamtheit im Bereich Beratungsunternehmen bilden grundsätzlich gemäß §§ 2, 3 StBerG alle, die zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuer­ sachen im Sinne des § 33 StBerG befugt und zugleich im Bereich der steuerlichen Gestaltung von Verrechnungspreisen, insbesondere zu grenzüberschreitenden, konzerninternen Funktionsverlagerungen, beratend tätig sind: –– Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, bzw. Elemente der Stichprobe müssen definiert sein. (3) Die Grundgesamtheit sollte angebbar und empirisch definierbar sein. (4) Das Auswahlverfahren muss angebbar sein und Forderung (1) erfüllen. Siehe hierzu Kromrey (2009), S. 261. 80 Maßgeblicher Zeitpunkt war der 1.1.2011. 81 Die Untersuchung wurde auf das Inland beschränkt. Daher wurden Teilnehmer aus dem Ausland nicht in die Untersuchung einbezogen.

184

C. Empirische Untersuchung

–– Partnerschaftsgesellschaften, deren Partner ausschließlich die in Nummer 1 und 4 genannten Personen sind, –– Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungs­ gesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften. Weder sind die Elemente dieser Grundgesamtheit vollständig physisch anwesend noch existieren hierfür Listen, sodass eine eigene Liste erstellt werden musste. Mithin ist der Idealfall für die Stichprobenziehung82 nicht gegeben. Da das Themengebiet steuerliche Verrechnungspreisberatung ein sehr Spe­ zielles ist, ist nicht davon auszugehen, dass alle potenziell in Betracht kommenden Beratungsunternehmen83 in diesem Themenbereich beratend tätig sind. Daher wurden in einem ersten Schritt die BStBk, die BRAK und die WPK angeschrieben, um Informationen darüber zu erhalten, welche Mitglieder im Bereich der steuerlichen Gestaltung von Verrechnungspreisen tätig sind. Jedoch liegen hierzu seitens der Kammern keine detaillierten Daten vor bzw. es erfolgte ein Verweis auf im Internet zur Verfügung stehende Datenbanken. In einem zweiten Schritt wurde die Datenbank der BStBk verwendet, um nach den entsprechenden Beratungsunternehmen zu suchen: Die Suchfunktion der Datenbank der BStBk ermöglicht eine gezielte Suche. Mittels der Suchfunktion wurde das Arbeitsgebiet auf Verrechnungspreise begrenzt, was zu einer Trefferanzahl von 521 führte. Die Ergebnisliste wurde gesichtet und trotz der Angabe des speziellen Arbeitsgebietes wurden die jeweiligen Internetseiten der entsprechenden Beratungsunternehmen aufgesucht84 und deren Leistungsangebot begutachtet, um nur die Beratungsunternehmen in die Liste aufzunehmen, die sich tatsächlich mit der steuerlichen Verrechnungspreisberatung, insbesondere dem Teilbereich der Funktionsverlagerung, beschäftigen. Das Leistungsangebot musste dabei speziell Beratung im internationalen Steuerrecht für Unternehmen, Steuerberatung für Unternehmen in grenzüberschreitenden Fällen und/oder steuerliche Verrechnungspreisberatung umfassen. Waren die Angaben unklar, wurde bei den Beratern nachgefragt, ob eine Beratung in dem Bereich vorgenommen wird. Des Weiteren liegt es nahe, dass Fachberater für Internationales Steuerrecht im Bereich der steuerlichen Verrechnungspreisberatung tätig sind. Folglich wurden mittels der Suchfunktion der Datenbank der BStBk speziell Fachberater für Internationales Steuerrecht ermittelt. Ebenfalls wurde die Ergebnisliste gesichtet und 82

Vgl. Schnell/Hill/Esser (2008), S. 271. So ist grundsätzlich festzustellen, dass die BStBk in der Berufsstatistik für das Jahr 2009 86.279 Mitglieder zum 1.1.2010 verzeichnet hat, von denen 433 die Zusatzqualifikation Fachberater für Internationales Steuerrecht besitzen. Siehe hierzu BStBk (2011). – Daneben weist die BRAK zum 1.1.2011 155.679 Rechtsanwälte aus, wovon 4.615 sich als Fachanwalt für Steuerrecht qualifiziert haben. Vgl. hierzu BRAK (2011). Des Weiteren weist die WPK 21.048 Mitglieder zum 1.1.2011 aus. Vgl. WPK (2011). 84 In den Fällen, in den kein Internetangebot vorhanden gewesen ist, wurden die Berater/ Gesellschaften angeschrieben. 83

III. Bestimmung von Grund- und Erhebungsgesamtheit

185

das vorgenannte Vorgehen wiederholt. Zugleich ist festzuhalten, dass sich vor allem wohl größere Beratungsunternehmen diesem speziellen Themengebiet widmen, da die überwiegenden Anfragen mit einem Verweis auf die Big Four beantwortet wurden. Darüber hinaus erfolgte eine weitere Suche mit entsprechendem Vorgehen auf den Internetseiten des Deutschen Steuerberaterverbandes. Hier gab es jedoch lediglich die Möglichkeit Fachberater für Internationales Steuerrecht zu suchen.85 Zudem wurde die Datenbank Fachanwälte für Steuerrecht86 für die Recherche genutzt; insbesondere die Tätigkeitsschwerpunkte Internationales Steuerrecht, Außensteuerrecht sowie Konzernsteuerrecht waren dabei von Interesse. Ebenfalls wurden zur weiteren Suche die Datenbank der Zeitschrift JUVE87 sowie das Berufsregister der WPK88, begrenzt auf das Fachgebiet Steuerrecht, verwendet.89 Abschließend erfolgte eine weitere Recherche über die HOPPENSTEDT-Daten­ bank90 mit folgenden Sucheinstellungen: –– Beschäftigte ab 1; –– Branchencode WZ (2008): 692 Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung – Buchführung; 691 Rechtsberatung, insbesondere 69201 (Praxen von Wirtschafts­ prüferinnen und -prüfern, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften) sowie 69203 (Praxen von Steuerbevollmächtigten, Steuerberaterinnen und -beratern, Steuerberatungsgesellschaften). Schließlich wurden 406 Beratungsunternehmen91 eruiert, die sich anscheinend mit dem gesuchten Themenbereich auseinandersetzen, wobei 24 eine Teilnahme im Vorhinein ausschlossen,92 sodass letztendlich 382 potenzielle Beratungsunternehmen für die Befragung verblieben. Als Ansprechpartner der Befragung kamen Personen in Führungspositionen, wie bspw. Partner oder Geschäftsführer93, vereinzelt aber auch spezialisierte Mit-

85

Siehe hierzu http://www.dstv.de. Siehe http://www. Fachanwalt-fuer-steuerrecht.de. 87 Siehe http://www.juve.de. 88 Siehe http://www.wpk.de/berufsregister/allgemeines.asp. 89 Eine weitere Recherche mittels einer Datenbank der Internetseite http://www.itrworldtax.com der Zeitschrift International Tax Review führte zu keinen weiteren Ergebnissen. 90 Die bedeutendsten Unternehmen aus Industrie, Handel und Dienstleistungen ab 1 Mio. Euro Jahres-Umsatz oder 20 Beschäftigten. http://www.hoppenstedt.de. 91 Eigentlich 407 verschiedene Unternehmen, jedoch stellte sich heraus, dass zwei Unternehmen von ein und derselben Person geführt werden. 92 Im Rahmen einer ersten Anfrage, wenn nicht eindeutig ersichtlich gewesen ist, ob zu diesem Themenbereich beraten wird. 93 Da die Terminologie in den verschiedenen Unternehmen hinsichtlich der Führungspositionen differiert, wird im Folgenden der Ausdruck Partner stellvertretend für Führungsposi­ tionen in den jeweiligen Unternehmen verwendet. 86

186

C. Empirische Untersuchung

arbeiter in Führungspositionen, die nicht als Partner einzustufen sind,94 in Betracht, da davon auszugehen ist, dass dieser Personenkreis über die speziellen Projekte in der Gesellschaft informiert ist. Für die ausfindig gemachten 382 Beratungsunternehmen sind 847 Partner95 ermittelt worden. Um ein möglichst umfassendes Ergebnis zu erhalten, sind im Rahmen der Untersuchung alle Partner persönlich angeschrieben worden: Vier Personen (0,47 %) wurden über das soziale Netzwerk XING96, 678 Personen (80,43 %) mittels einer persönlichen E-MailAdresse97, 161 Personen (19,10 %) mittels einer allgemeinen E-Mail-Adresse98 und vier Personen (0,47 %) über das Kontaktformular der entsprechenden Internetseite angeschrieben. b) Unternehmen im Sinne des § 1 AStG Die Unternehmen, die für die Untersuchung in Betracht zu ziehen sind, haben die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 AStG zu erfüllen. Das heißt, es müssen Geschäftsbeziehungen zu nahe stehenden Personen im Ausland vorliegen. Anderweitig kommt die Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen nicht zur Anwendung. Zwar stellt § 1 AStG auf eine Beteiligung von mindestens einem Viertel ab, geht aber mit § 1 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 AStG darüber hinaus: Nicht die gesellschaftsrechtliche Verflechtungen ist entscheidend, sondern die Möglichkeit, einen beherrschenden Einfluss auszuüben, oder eigene Interessen an der Einkünfteerzielung eines anderen sind gegeben.99 Weder sind die Elemente dieser Grundgesamtheit vollständig physisch anwesend noch existieren hierfür Listen, sodass der Umfang der Grundgesamtheit nicht eindeutig angegeben werden kann, obwohl theoretisch eine eindeutige Abgrenzung erfolgen kann. Die Bundesregierung ging aber in ihrem Gesetzesentwurf zur Änderung des § 1 AStG davon aus, dass ca. 40.000 Unternehmen betroffen sein werden.100 Hingegen wurde im Rahmen der Etablierung der Funktionsverlagerungsverordnung die Anzahl der von dieser speziellen Regelung betroffenen Unternehmen auf 150–600 reduziert.101 94

Vorerst werden aber alle potenzielle Teilnehmer als Partner bezeichnet. Eigentlich wurden 850 Partner ermittelt. Drei jedoch sind bei verschiedenen Gesellschaften aufgeführt gewesen, wurden aber nur einmal berücksichtigt. 96 XING ist eine webbasierte Plattform vornehmlich für geschäftliche Kontakte. Am Ende des ersten Quartals 2011 waren 4,69 Millionen Mitglieder aus Deutschland, Österreich und der Schweiz (DACH) registriert. Daneben gibt es noch weitere vergleichbare webbasierte Plattformen wie bspw. Linkedin. Da diese Plattform jedoch über weniger Mitglieder in der Region DACH verfügt (2 Mio. Mitglieder), wurde XING als primäres Kontaktmedium gewählt. Siehe hierzu http://www.xing.de und http://www.linkedin.com. 97 Beispielsweise [email protected]. 98 Beispielsweise [email protected]. 99 Vgl. Wassermeyer (2003), S. 12 f.; ders. (2009b), § 1 Anm. 82; Baumhoff (2005), Rn. C 257. 100 Vgl. BR-Drs. 220/07, S. 64. 101 Vgl. BR-Drs. 352/08, S. 2. 95

III. Bestimmung von Grund- und Erhebungsgesamtheit

187

Diese Daten können nur einen Anhaltspunkt für den Umfang der Grundgesamtheit darstellen, tragen aber nicht dazu bei, die Grundgesamtheit in einer Liste zu erfassen. Letzteres könnte mit Hilfe einer bundesweiten Betriebsprüfungs- bzw. Konzernprüfungsliste, in der alle Betriebe einer Größenklasse samt Unternehmensverflechtungen verzeichnet sind, bewältigt werden. Gemäß § 33 BpO hat jede zuständige Finanzbehörde ein Verzeichnis der Konzerne i. S. d. §§ 13, 18 und 19 BpO zu führen und der zuständigen vorgesetzten Finanzbehörde zur Weiterleitung an das Bundeszentralamt für Steuern zur Aufnahme in eine zentrale Datenbank zu übermitteln.102 Dieses Konzernverzeichnis enthält die einzelnen Konzernübersichten. Das BZSt ist zudem in grenzüberschreitenden Fällen für die Durchführung der Amtshilfe zuständig und sammelt Unterlagen über Auslandsbeziehungen, da dem BZSt Kontrollmaterial über Auslandsbeziehungen zur Auswertung zu übersenden sind (§ 9 Satz 2 BpO).103 In diesem Zusammenhang sammelt das BZSt Informationen über:104 –– Beziehungen vom Inland ansässigen Personen zum Ausland; –– Beziehungen von im Ausland ansässigen Personen zum Inland; –– Sachverhalte, Erfahrungen und Vergleichswerte, die für die Beurteilung der vorgenannten Beziehungen von Bedeutung sein können; –– Domizilgesellschaften. Allerdings ist eine Weitergabe der Unternehmensangaben und der daraus resultierenden Möglichkeit, Rückschlüsse auf Gewinn- oder Umsatzgrößen zu ziehen, aufgrund § 30 AO (Steuergeheimnis) nicht möglich. Um eine Stichprobe aus der definierten und abgegrenzten, aber unbekannten Grundgesamtheit ziehen zu können, wurde die AMADEUS-Datenbank verwendet.105 Diese Datenbank enthält Informationen u. a. zu 1.297.261 Unternehmen in Deutschland.106 Um Unternehmen ausfindig zu machen, die grundsätzlich die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 AStG erfüllen könnten, wurde nach in Deutschland ansässigen Unternehmen gesucht, die über foreign subsidiaries mit einem Anteil von mindestens 25 % an dem jeweiligen Unternehmen verfügen. In einem weiteren Schritt wurde nach in Deutschland ansässigen Unternehmen mit dem 102

Siehe zu den Meldepflichten der Steuerpflichten § 138 Abs. 2 AO. Vgl. Erhard/Wenzig (1995), S. 42 f. 104 Vgl. Erhard/Wenzig (1995), S. 43. 105 Die AMADEUS-Datenbank wird ebenfalls in weiteren wissenschaftlichen Studien verwendet, siehe hierzu bspw. Dischinger/Riedel (2008). AMADEUS ist eine umfassende, europäische Unternehmensdatenbank, die Finanzinformationen zu über 13 Millionen Unternehmen aus 42 Ländern Europas beinhaltet. Sie kombiniert Daten von mehr als 35 Informationsanbietern. Die AMADEUS-Datenbank ist ein Exklusivprodukt von BvD und den beteiligten Informationslieferanten. AMADEUS-Datenbank, Bureau van Dijk Electronic Publishing. 106 Insgesamt enthält die Datenbank zu 16.509.246 Unternehmen weltweit Informationen. 103

188

C. Empirische Untersuchung

Merkmal owned by a foreign shareholder mit einem jeweiligen Anteil von mindestens 25 % gesucht. Insgesamt wurden 79.212 Unternehmen herausgefiltert. Von diesen wurden dann 2.000 Unternehmen per Zufallsstichprobe gezogen. Bei einer erwarteten Rücklaufquote von 20 %107 würden 400 Unternehmen antworten, was dazu führen würde, dass der Umfang der Zufallsstichprobe ausreichend wäre, um Populationen beliebiger Größe abzubilden.108 Bei der Befragung der Unternehmen gilt es besonders zu beachten, dass Unternehmen hinsichtlich ihrer Größe und Struktur heterogene Gebilde sind, was eine flexible Kontaktstrategie erfordert. Eine direkte Kontaktaufnahme mit den Ansprechpartnern ist grundsätzlich nicht möglich, da persönliche E-Mail-Adressen oder Telefonnummern nicht verfügbar sind.109 Daneben ist es für das spezielle Themengebiet grundsätzlich nicht möglich, den einen geeigneten Ansprechpartner zu eruieren: Den Geschäftsbereich Funktionsverlagerung gibt es nicht in den Unternehmen. Im Rahmen eines solches strategischen Prozesses bzw. an solch einer strategischen Entscheidung sind i. d. R. mehrere Entscheidungsträger des Unternehmens beteiligt, die verschiedenen Abteilungen des Unternehmens zugehörig sein können. Zudem ist es möglich, dass die Verlagerung einer Funktion einen rein tatsächlichen Vorgang darstellt, ohne dass eine bewusste Entscheidung im Unternehmen hierüber getroffen worden ist. Daher gibt es nicht den einen spezifischen für Funktionsverlagerungen zuständigen Ansprechpartner im Unternehmen. Demzufolge wurde vornehmlich versucht Personen in Steuerabteilungen der betreffenden Unternehmen ausfindig zu machen, da diesem Personenkreis zumindest die Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen bekannt sein sollte. Aber auch in diesem Falle ist es nicht gesichert, den richtigen Ansprechpartner zu finden. So können bspw. der Leiter der Abteilung Group Tax, der Leiter Steuern/Konzernsteuern oder auch ein Steuerreferent als geeignete Ansprechpartner angesehen werden, jedoch muss damit nicht zwangsläufig einhergehen, dass diese sich im Bereich der Verrechnungspreise, insbesondere Funktionsverlagerungen, auskennen bzw. für diesen besonderen Bereich zuständig sind. Darüber hinaus wurde diese Suche dadurch erschwert, dass kleine und mittelständische Unternehmen grundsätzlich nicht über eigene Steuerabteilungen verfügen und darüber hinaus ist es prinzipiell nicht möglich für jedes Unternehmen den geeigneten Ansprechpartner in deren Steuerabteilung zu eruieren. Daher wurden ferner vor allem Geschäftsführer, speziell CEO und CFO, sowie leitende Angestellte, insbesondere im Controlling, Rechnungswesen oder des Business Developements, gesucht, da davon auszugehen ist, dass dieser spezielle Personenkreis

107

Siehe hierzu Arpagaus/Höglinger/Abraham (2009), S. 65; Cravens (1997), S. 135. Vgl. Neugebauer (2003), S. 14; Mayer (2009), S. 66 f. – „Je größer man die Stichprobe wählt, desto stärker nähern sich ihre Werte der Grundgesamtheit an.“ Mayer (2009), S. 65–67. 109 Vgl. Arpagaus/Höglinger/Abraham (2009), S. 65. 108

III. Bestimmung von Grund- und Erhebungsgesamtheit

189

eher mit der spezifischen Thematik vertraut sein oder zumindest aufgrund ihrer Stellung im Unternehmen die Anfrage an den geeigneten Ansprechpartner weiterleiten können sollte.110 Da die Ansprechpartner direkt kontaktiert werden sollten, um die Rücklaufquote zu erhöhen, wurden die Internetseiten der in der Stichprobe befindlichen 2.000 Unternehmen gesichtet, um Kontaktdaten und Ansprechpartner herauszufinden. Jedoch lassen sich grundsätzlich dem Impressum lediglich Informationen zur Geschäftsführung entnehmen. Daneben enthält selbiges überwiegend eine allgemeine E-Mail-Kontaktadresse. Deshalb wurde zusätzlich im Rahmen einer intensiven Internetrecherche versucht u. a. über Finanz- und Steuerausschüsse der IHK sowie Einladungen für Konferenzen oder Seminare Ansprechpartner herauszufinden, um eine gezielte Ansprache durchführen zu können. Hierfür wurde daneben im Besonderen das soziale Netzwerk XING für die Suche geeigneter Ansprechpartner genutzt. In einem weiteren Schritt wurde versucht, von den ermittelten Ansprechpartnern die persönlichen Unternehmens-E-Mail-Adressen zu eruieren. Hierzu wurden wiederum die Internetseiten der Unternehmen und Internet-Suchmaschinen verwendet. Von den 2.000 in der Zufallsstichprobe befindlichen Unternehmen wurden 1.970 potenzielle Ansprechpartner wie folgt angeschrieben: –– 815 (40,75 %) mittels einer allgemeinen E-Mail-Adresse; –– 551 (27,55 %) mittels einer persönlichen E-Mail-Adresse; –– 459 (22,95 %) über das soziale Internetnetzwerk XING und –– 145 (7,25 %) über ein Kontaktformular auf der Homepage des betreffenden Unternehmens. Für 17 Unternehmen konnten keine Kontaktdaten ermittelt werden. 13 Unternehmen wurden nicht angeschrieben, da im Schwester-, Tochter- oder Mutterunternehmen dieselbe Person der Ansprechpartner gewesen ist. c) Betriebsprüfer Prinzipiell liegt die örtliche Zuständigkeit für die Durchführung einer Betriebsprüfung bei den Landesfinanzbehörden. Bei der Prüfung von grenzüberschreitenden Sachverhalten von nahe stehenden Personen werden z. T. hierauf spezialisierte 110 Hinsichtlich geeigneter Ansprechpartner – Controller, Vice President of Finance, CFO – im Rahmen einer Befragung zu Verrechnungspreisstrategien in multinationalen Unternehmen vgl. Cravens (1997), S. 135.

190

C. Empirische Untersuchung

Auslandsfachprüfer, die den obersten Landesfinanzbehörden zugeordnet sind, hinzugezogen. Dementsprechend lässt sich die Grundgesamtheit auf diese speziell ausgebildeten Betriebsprüfer begrenzen, da ebendieser Personenkreis Funktionsverlagerungen zwischen nahe stehenden Personen auf ihre Angemessenheit hin prüft und für die Untersuchung als relevanter Ansprechpartner in Betracht kommt. Allerdings ist gemäß Art. 108 Abs. 4 GG ein Zusammenwirken der Bundesund Landesfinanzbehörden vorgesehen, wenn der Vollzug von Steuergesetzen erheblich verbessert und erleichtert wird.111 Daneben hat gemäß § 19 FVG das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) ein Mitwirkungsrecht an Außenprüfungen, die durch Landesfinanzbehörden durchgeführt werden. Diese Mitwirkung ist in den §§ 20–24 BpO näher geregelt. Zudem kann das BZSt im Auftrag der zuständigen Landesfinanzbehörde Außenprüfungen auch eigenständig durchführen. Das gilt gemäß § 19 Abs. 3 FVG insbesondere bei Prüfungen von Auslandsbeziehungen und bei Prüfungen, die sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstrecken.112 Daher kommen neben den Auslandsfachprüfern der jeweiligen Bundesländer auch die Betriebsprüfer des BZSt als Ansprechpartner für die Studie in Betracht. Mithin wurden die zuständigen Referatsleiter aller 16 Landesfinanzministerien sowie das BZSt kontaktiert, um die Bereitschaft zur Unterstützung bei der Mitwirkung der Untersuchung zu erkunden und um zu eruieren, ob und wie viele Auslandsfachprüfer im jeweiligen Bundesland bzw. beim BZSt vorhanden sind. Jedoch wurde einvernehmlich die Mitwirkung aufgrund von Bedenken wegen der Verletzung des Steuergeheimnisses versagt.

IV. Durchführung und Ergebnisse der Untersuchung 1. Versand der Einladungen zur Teilnahme an der Untersuchung Der Versand der Einladungen zur Teilnahme an der Untersuchung erfolgte Anfang August 2011. Den Teilnehmern wurde bis zum 31. August 2011 Zeit gegeben, an der Studie teilzunehmen. Um die Rücklaufquote zu steigern, wurden zwei Reminder versendet. Diese haben zum einen eine Erinnerungsfunktion, zum anderen sollen sie eine erneute Ansprache in den Fällen ermöglichen, in denen das erste Anschreiben die Teilnehmer nicht erreicht hat.113 Anfang September erfolgte der Versand des ersten Reminders

111

Vgl. Mösbauer (2005), S. 80. Vgl. bzgl. Zuständigkeiten Erhard/Wenzig (1995), S. 22–25. 113 Vgl. Wolff (2008), S. 223. 112

IV. Durchführung und Ergebnisse der Untersuchung

191

an potenzielle Teilnehmer, die bis zum 31. August nicht geantwortet hatten. Den Teilnehmern wurde der Fragebogen erneut bis zum 16. September freigeschaltet. Ein zweiter Reminder wurde ab dem 16. September versandt. In diesem wurden die potenziellen Teilnehmer gebeten, bis zum 26. September doch noch an der Studie teilzunehmen. Insgesamt war die Untersuchung somit mehr als sieben Wochen im Feld. Hierdurch wurde sichergestellt, dass prinzipiell jeder Ansprechpartner an der Studie hätte teilnehmen können. 2. Analyse und Bewertung des Rücklaufs a) Analyse und Bewertung des Rücklaufs – Beratungsunternehmen Von den 847 versendeten Fragebögen an die Partner der Beratungsunternehmen hatten nach dem ersten Rücklauf 118 Ansprechpartner teilgenommen. Daneben hatten 19 Ansprechpartner bekundet, dass sie nicht teilnehmen werden. Die Gründe hierzu sind vielfältig. So wurde bspw. angegeben, dass Praxiserfahrungen zu diesem speziellen Themengebiet nicht vorliegen, oder hierzu nicht beraten wird. Daneben wollten Gesellschaften, bei denen mehrere Partner angeschrieben wurden, auch nur mit einer Stimme antworten. Aufgrund des ersten Reminders konnte die Rücklaufquote um 76,27 % gesteigert werden. Mithin haben weitere 90 Ansprechpartner teilgenommen, sodass insgesamt 208 Ansprechpartner an der Fragebogenstudie zu diesem Zeitpunkt teilgenommen hatten. Dabei stieg am ersten Tag nach dem Versand des ersten Reminders die Teilnehmeranzahl von 118 auf 168, was einer Steigerung der Rücklaufquote i. H. v. 42,37 % entspricht und somit 55,56 % des gesamten zweiten Rücklaufs. Daneben hatten 47 Ansprechpartner bekundet, dass sie nicht teilnehmen werden, was einer Steigerung gegenüber dem ersten Rücklauf i. H. v. 147,37 % entspricht. Nach dem dritten Rücklauf und somit nach dem Versand des zweiten Reminders haben insgesamt 266 Ansprechpartner an der Studie teilgenommen, was einer Rücklaufquote i. H. v. 31,40 % entspricht.114 Aufgrund des zweiten Reminders konnte die Rücklaufquote gegenüber den ersten beiden Ansprachen noch einmal um 27,88 % gesteigert werden.

114 Enthalten sind hierin auch drei in Papierform ausgefüllte Fragebögen, da drei Ansprechpartnern aufgrund technischer Probleme der Fragebogen in Papierform per E-Mail zugesendet wurde.

192

C. Empirische Untersuchung Tabelle 7 Zusammensetzung des Rücklaufs der Teilnehmer

Insgesamt

Persönliche E-Mail-Adresse

Allgemeine E-Mail-Adresse

Kontaktformular

XING

266

232

32

1

1

87,22 %

12,03 %

0,38 %

0,38 %

Aufschlussreich sind die spezifischen Rücklaufquoten der verschiedenen Kontaktalternativen:

Abbildung 5: Spezifische Rücklaufquoten – Beratungsunternehmen

Daneben haben insgesamt 86 Ansprechpartner bekundet, dass sie nicht teilnehmen werden, was einer Steigerung gegenüber den ersten beiden Rücklaufen i. H. v. 82,98 % entspricht. Tabelle 8 Zusammensetzung des Rücklaufs der Absagen und spezifische Rücklaufquoten Gesamt

Persönliche E-Mail-Adresse

Allgemeine E-Mail-Adresse

Kontaktformular

XING

847

678

161

4

4

86

76

10

0

0

10,15 %

11,21 %

6,21 %

0 %

0 %

Die Gründe für eine Nichtteilnahme sind verschiedener Natur. Angeführt wurde, dass vor allem kleine und mittelständische Unternehmen beraten werden,

193

IV. Durchführung und Ergebnisse der Untersuchung

bei denen Funktionsverlagerungen nicht relevant seien und somit keine praktischen Erfahrungen zu diesem Themengebiet vorliegen. Allerdings würden kleine und mittelständische Unternehmen auch erst reagieren, wenn die Betriebsprüfung solche Fälle aufgreift, sodass Nachzahlungen in Kauf genommen werden, anstatt im Vorhinein Beratungskosten. Zudem wurden Anfragen oftmals mit einem Verweis auf die Big Four beantwortet, da diesen Gesellschaften die Beratung hierzu überlassen werde. Die Gründe einer Absage wurden in folgende Kategorien zusammengefasst: –– Keine praktische Erfahrung, weil bspw. die Mandanten hierzu fehlen oder Funktionsverlagerungen in der Beratungspraxis nicht von Relevanz sind. –– Es erfolgt keine Beratung in diesem Themenbereich, weder in der Verrechnungspreisberatung noch hinsichtlich Funktionsverlagerungen. –– Einmalteilnahme, da das Unternehmen nur mit einer Stimme antworten möchte. –– Standardabsage; hierunter wurden u. a. Antworten erfasst, die als Grund für eine Nichtteilnahme die Argumente kein Interesse, keine Zeit (aufgrund mangelnder Ressourcen), zu viele Anfragen von Studenten/Doktoranden, die nicht mehr zu bewerkstelligen sind oder prinzipiell wird an nicht gesetzlichen Um­ fragen nicht teilgenommen angeführt haben. Tabelle 9 Übersicht über die Gründe einer Nichtteilnahme – Beratungsunternehmen Grund

Anzahl

Prozentual

Keine praktische Erfahrung

36

41,86 %

Beraten diesen Themenbereich nicht

28

32,56 %

Einmalteilnahme

11

12,79 %

Standardabsage

11

12,79 %

Insgesamt ergibt sich folgender gesamter Rücklauf, inklusive Absagen, der Tabelle 10 entnommen werden kann. Tabelle 10 Zusammensetzung des gesamten Rücklaufs und Übersicht über die spezifischen Rücklaufquoten Insgesamt

Persönliche E-Mail-Adresse

Allgemeine E-Mail-Adresse

Kontaktformular

XING

352

308

42

1

1

41,56 %

45,43 %

26,09 %

25 %

25 %

194

C. Empirische Untersuchung

Zudem konnten vier Anfragen nach mehrmaligen Versuchen nicht zugestellt werden. Der Rücklauf der 266 Fragebögen stammt von 188 Gesellschaften (49,21 % aller angeschriebenen Gesellschaften) bzw. der 352 insgesamt gegebenen Antworten stammt von 223 Gesellschaften (58,38 % aller angeschriebenen Gesellschaften). Dementsprechend sind nicht nur wenige partnerstarke Gesellschaften in der Untersuchung vertreten. Bei der Analyse der 266 ausgefüllten Fragebögen sind aber in einem ersten Schritt diejenigen Teilnahmen auszusondern, bei denen die Antwort auf die erste (Filter-)Frage lautet: Eine Beratung von Unternehmen in diesem Bereich erfolgt nicht. Infolgedessen wurden 30 Fragebögen (11,28 %) bei der weiteren Auswertung nicht einbezogen, sodass 236 Fragebögen zur weiteren Analyse verblieben.115 Da die Gewissenhaftigkeit mit der die Teilnehmer an der Onlinefragebogenstudie teilnehmen die Qualität der Ergebnisse beeinflusst, wurden in einem weiteren Schritt die Ergebnisse der Befragungsteilnehmer eliminiert, die sich nur sehr schnell durch den Fragebogen geklickt haben. Die individuelle Bearbeitungsdauer wird mit der durchschnittlichen Bearbeitungsdauer der gesamten Stichprobe in Beziehung gesetzt, wobei aber die Gesamtzeit für die Beantwortung des Fragebogens nicht in die Berechnung einbezogen wird. Es wurden die Ergebnisse der Teilnehmer eliminiert, deren Bearbeitungsdauer weniger als 1/3 der durchschnittlichen Bearbeitungsdauer betragen hat; mithin 13 Datensätze, sodass 223 ausgefüllte Fragebögen nach der Qualitätskorrektur verblieben. Ferner wurden die Datensätze auf Missing Values untersucht, da eine zu große Anzahl an fehlenden Datensätzen die Validität beeinflusst, aber aufgrund der Wahl der Befragung als Internetbefragung und den bei der Befragung verwendeten Plausibilitätschecks musste nur vereinzelt eine Bereinigung erfolgen.116 Insgesamt waren 222 Fragebögen verwertbar,117 was zu einer bereinigten Rücklaufquote118 i. H. v. 26,21 % führt und somit die angestrebte Rücklaufquote übertrifft.

115 Da eine eigene Liste erstellt wurde, ist diese um diejenigen Ansprechpartner zu bereinigen, die angegeben haben nicht mit dem Themengebiet vertraut zu sein und dieses auch nicht beraten. Darüber hinaus ist die Liste der Ansprechpartner zu reduzieren, wenn die Gesellschaft nur mit einer Stimme antworten wollte. Daraus folgt eine Verringerung der Ansprechpartner auf 767 Partner, was aber für die Auswertung der Studie, außer einem leichten Anstieg einer bereinigten Rücklaufquote, keinen Einfluss hat. 116 Siehe hierzu auch Wolff (2008), S. 228. 117 Lediglich ein in Papierform ausgefüllter Fragebogen wurde als nicht verwertbar erachtet. 118 Bezogen auf 847 Partner. 28,94 % bezogen auf 767 Partner. Werden noch die vier unzustellbaren Anschreiben einbezogen, beträgt der bereinigte Rücklauf 29,09 % bezogen auf 763 Partner.

IV. Durchführung und Ergebnisse der Untersuchung

195

b) Analyse und Bewertung des Rücklaufs – Unternehmen Von den 1.970 an die Unternehmen versendeten Fragebögen hatten nach dem ersten Rücklauf 78 Ansprechpartner teilgenommen. Daneben hatten 69 Ansprechpartner bekundet, dass sie an der Untersuchung aus verschiedenen Gründen nicht teilnehmen werden. Nach dem zweiten Rücklauf hatten insgesamt 190 Ansprechpartner teilgenommen, was einer Steigerung i. H. v. 143,59 % entspricht. Dabei stieg am ersten Tag nach dem Versand des ersten Reminders die Teilnehmeranzahl von 78 auf 137, was einer Steigerung der Rücklaufquote i. H. v. 75,64 % entspricht und somit 52,68 % des gesamten zweiten Rücklaufs. Dieses Ergebnis ist vergleichbar zu dem der Entwicklung des Rücklaufs bei den Beratungsunternehmen. Diese hohe Teilnahmequote direkt nach dem Versand des ersten Reminders kann eventuell darauf zurückzuführen sein, dass Teilnehmer, die beim ersten Anschreiben beabsichtigten teilzunehmen, dies jedoch vergessen haben und durch den Reminder erinnert werden, was sie zu einer umgehenden Teilnahme veranlasst. Daneben haben 140 Ansprechpartner bekundet, dass sie an der Untersuchung aus verschiedenen Gründen nicht teilnehmen werden, was einer Steigerung der Antwortquote i. H. v. 102,9 % entspricht. Der Versand des zweiten Reminders hat dazu beitragen können, die Rücklaufquote nochmals um 47,37 % auf 14,21 %119 (280 Teilnehmer) zu steigern. Des Weiteren haben 202 Ansprechpartner bekundet, dass sie an der Untersuchung aus verschiedenen Gründen nicht teilnehmen werden. Auch in diesem Fall konnte der zweite Reminder zur Steigerung der Anzahl der Antworten beitragen; Erhöhung um 44,29 %. Die Gründe für eine Nichtteilnahme sind vielfältig: So ist das Thema für verschiedene Unternehmen nicht von praktischer Relevanz oder das angeschriebene Unternehmen kann solche Fragestellungen nicht beantworten, da es als Tochtergesellschaft keine Einflussnahme auf die Entscheidungen der Muttergesellschaft ausüben kann. Überdies wurden Anfragen mit der Aussage beantwortet, dass eine Informationspreisgabe über die öffentlich zugänglichen Informationen hinaus an 119 Diese ist zwar geringer als die angestrebten 20 %, jedoch vergleichbar zu anderen Studien hinsichtlich der Messung von Bürokratiekosten. Siehe bspw. mit einer Rücklaufquote i. H.  v. 8,4 % Clemens/Kokalj (1995), S. 24, Rücklaufquote i. H. v. 3,7 % vgl. Täuber (1984), S. 113, Rücklaufquote i. H. v. 7,2 % IfM (2004). Hinsichtlich Rücklaufquoten zu Studien zur internationalen Standortwahl, die von 11 % bis 47 % reichen vgl. Dietrich/Kiesewetter/Moosmann (2008), S. 64 m. w. N. Rücklaufquote i. H. v. 32,7 % im Rahmen des European Tax Survey der EU-Kommission vgl. European Communities (2004), S. 4. – Im Rahmen einer von Deloitte durchgeführten Studie hinsichtlich Betriebsprüfungserfahrungen von multinationalen Unternehmen in Deutschland haben 234 Unternehmen teilgenommen. Da eine webbasierte Umfrage durchgeführt wurde, kann keine Rücklaufquote angegeben werden. Vgl. Eismayr/Schnell (2010), S. 908.

196

C. Empirische Untersuchung

Abbildung 6: Spezifische Rücklaufquoten – Unternehmen

Dritte nicht erfolgt, z. B.: „Leider treffen wesentliche Fragen Ihrer Untersuchung ‚vertraulich‘ bzw. ‚streng vertraulich‘ Dokumente und Informationen. Die Verrechnungspreise und deren steuerliche Relevanz sind konzernintern ein sensibles Thema zumal […] über Niederlassungen in zahlreichen Ländern verfügt.“ Die Gründe für eine Absage wurden in folgende Kategorien zusammengefasst: –– Standardabsage; hierunter wurden u. a. Antworten erfasst, die als Grund für eine Nichtteilnahme die Argumente kein Interesse, keine Zeit (aufgrund mangelnder Ressourcen), zu viele Anfragen von Studenten/Doktoranden, die nicht mehr zu bewerkstelligen sind oder prinzipiell wird an nicht gesetzlichen Umfragen nicht teilgenommen angeführt haben. –– Thema nicht einschlägig; hierunter wurden u. a. diejenigen Absagen erfasst, die zum Inhalt hatten, dass das Unternehmen keine Erfahrung mit solchen Vorgängen hat, solche Vorgänge noch nicht durchgeführt wurden oder dieses Thema nicht von praktischer Relevanz ist. –– Das Mutterunternehmen bestimmt die strategische Ausrichtung, dementsprechend hat das Tochterunternehmen keinen Einfluss hierauf. –– Keine Informationspreisgabe; hierunter wurden u. a. Antworten erfasst, aus denen hervorging, dass der Ansprechpartner aufgrund des Steuergeheimnisses keine Daten preisgibt oder er einer Non-Disclosure-Vereinbarung unterliegt, und dass das Unternehmen nicht mehr Informationen zur Verfügung stellt als auf der Internetseite ersichtlich ist. –– Insiderwissen liegt nicht vor; das heißt, dass der Ansprechpartner sich zur Thematik nicht äußern kann, da dieser nicht über die notwendigen Informationen verfügt. –– Bei der Antwortkategorie Divers wurden Antworten zusammengefasst, bei denen der Ansprechpartner u. a. nicht mehr im Unternehmen beschäftigt ist.

197

IV. Durchführung und Ergebnisse der Untersuchung Tabelle 11 Übersicht über die Gründe einer Nichtteilnahme – Unternehmen Grund

Anzahl

Prozentual

106

52,48 %

52

25,74 %

Muttergesellschaft bestimmt strategische Geschäftspolitik

7

3,47 %

Keine Informationspreisgabe

14

6,93 %

Insiderwissen liegt nicht vor

7

3,47 %

Divers

16

7,92 %

Gesamt

202

Standardabsage Thema nicht einschlägig

Der Rücklauf der Absagen, der in der relativen Höhe dem der Beratungsunternehmen vergleichbar ist, setzt sich wie folgt zusammen: Tabelle 12 Übersicht über den Rücklauf der Absagen

Ansprechpartner Absage Prozentual

Gesamt

Persönliche E-Mail-Adresse

Allg. E-Mail-Adresse

Kontaktformular

XING

1.970

551

815

145

459

202

71

73

15

43

10,25 %

12,89 %

8,96 %

10,34 %

9,37 %

Als unzustellbar stellten sich zudem 26 Anschreiben heraus. Bei der Analyse der 280 ausgefüllten Fragebögen sind aber in einem ersten Schritt diejenigen Teilnahmen auszusondern, bei denen die Antwort auf die erste (Filter-)Frage lautet: Mit Fragen grenzüberschreitender, konzerninterner Verlagerungsvorgänge hat sich unser Unternehmen bisher nicht auseinandergesetzt. Infolgedessen wurden 49 Fragebögen (17,5 %) bei der weiteren Auswertung nicht einbezogen, sodass 231 Fragebögen zur weiteren Analyse verblieben. Weiter wurden 20 Fragebögen ausgesondert, bei denen in Frage 13, die als Kontrollfrage diente, angegeben wurde, dass ihr Unternehmen nicht Teil einer internationalen Unternehmensgruppe ist. Dementsprechend kann die Regelung zur Be-

198

C. Empirische Untersuchung

steuerung von Funktionsverlagerungen für diese Gruppe aufgrund des Fehlens der Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 AStG nicht zur Anwendung gelangen. Damit alle Teilnehmer diese Frage auch einheitlich verstehen konnten, wurde vorab eine Internationale Unternehmensgruppe definiert. Infolgedessen verblieben 211 Fragebögen für die weitere Analyse. Es wurde ebenfalls eine Qualitätskorrektur durchgeführt. Weitere 5 Datensätze wurden ausgesondert, sodass 206 Fragebögen zur endgültigen Analyse verblieben; die be­ reinigte Rücklaufquote120 beträgt somit 10,46 % und liegt daher unterhalb der angestrebten Rücklaufquote. c) Zusammenfassung – Analyse und Bewertung des Rücklaufs Der Entwicklung des Rücklaufs sowohl bei den Unternehmen als auch bei den Beratungsgesellschaften ist zu entnehmen, dass es für eine Fragebogenstudie unabdingbar ist, Erinnerungsläufe durchzuführen, um die Rücklaufquote zu steigern. Vor allem hat für die hier durchgeführte Studie der erste Reminder erheblich dazu beitragen können, die Rücklaufquoten zu erhöhen (76,27 % und 143,59 %). Auffallend ist das Ergebnis der Steigerung des Rücklaufes bei den Unternehmen, was sich aber zum einen mit der Sommerzeit und der damit einhergehenden Urlaubszeit begründen lassen kann, zum anderen könnten die Teilnehmer der Unternehmen die erste Anfrage auch eher als die Beratungsunternehmen als unbeachtlich verworfen haben. Diese Einstellung kann damit einhergehen, dass es, wie zuvor angeführt, prinzipiell nicht den einen spezifischen Ansprechpartner für Funktionsverlagerungen in einem Unternehmen gibt, woraus resultieren kann, dass sich die angesprochene Person nicht als zuständig empfunden hat. Zudem kann die Weiterleitung der Anfrage u. a. aufgrund von Urlaubszeiten oder Unwissen darüber, wer der richtige Ansprechpartner ist, unterblieben bzw. verzögert worden sein. Zudem ist es möglich, dass Unternehmen sich mit dem steuerlichen Thema nicht aktiv auseinandersetzen und daher vorerst die Anfrage verworfen wurde. Die Steigerung des Rücklaufs um 27,88 % und 47,37 % aufgrund des zweiten Re­ minders fällt hingegen moderat aus. Des Weiteren ist den Rücklaufquoten zu entnehmen, dass es für Fragebogen­ studien sehr wichtig ist, die Ansprechpartner persönlich zu kontaktieren. So konnte bei den Beratungsunternehmen eine spezifische Rücklaufquote von 34,22 % aufgrund der persönlichen Ansprache mittels einer persönlichen E-MailAdresse erzielt werden, die über der gesamten Rücklaufquote von 31,4 % und deut-

120 Bezogen auf 1970 angeschriebene Unternehmen. Bezogen auf Unternehmen 1944 (26 Anschreiben konnten nicht zugestellt werden) beträgt eine solche bereinigte Rücklaufquote 10,85 %.

IV. Durchführung und Ergebnisse der Untersuchung

199

lich über der Rücklaufquote der Ansprache mittels einer allgemeinen E-MailAdresse liegt.121 Bei der Analyse des Rücklaufes bei den Unternehmen ergibt sich ein ähnliches Bild. Zwar konnte nur eine Rücklaufquote von 14,21 % erzielt werden, aber auch hier ist die Kontaktaufnahme mittels einer persönlichen E-Mail-Adresse von herausragender Bedeutung (26,68 %). Ebenfalls führte die Ansprache über die webbasierte Plattform XING zu einem für diese Studie überdurchschnittlichen Rücklauf (15,90 %). Die Ansprache mittels einer allgemeinen E-Mail-Adresse (6,5 %) und über ein Internetkontaktformular (4,83 %) erweisen sich hingegen als wenig zielführend. Im Hinblick auf die Antwortquote bei den Absagen unterscheiden sich die diversen Kontaktstrategien kaum. Jedoch stellen sich die Antworten auf die persönliche E-Mail-Ansprache als qualitativ besser im Vergleich zu Antworten auf eine allgemeine E-Mail-Ansprache und mittels des Kontaktformulars der entsprechenden Internetseite dar, da die Standardabsagen überwiegend auf diese beiden Kontaktvarianten gegeben wurden. Tabelle 13 Übersicht Standardabsagen – Kontaktvariante Gesamt

Persönliche E-Mail-Adresse

Allg. E-Mail-Adresse

Kontaktformular

XING

Absagen gesamt

202 (100,0 %)

71 (35,47 %)

73 (36,14 %)

15 (7,43 %)

43 (21,29 %)

Standard­ absage

106 (100,0 %)

34 (32,08 %)

47 (44,34 %)

14 (13,21 %)

11 (10,38 %)

Prozentual

52,48 %

47,89 %

64,38 %

93,33 %

25,58 %

Demnach sollten für Fragebogenstudien die Ansprechpartner primär direkt mittels einer persönlichen E-Mail-Adresse und sekundär über soziale Internetplattformen kontaktiert werden. Nur wenn eine solche Ansprache nicht möglich ist, sollten die Ansprechpartner mittels einer allgemeinen E-Mail-Adresse oder einem Internetkontaktformular angesprochen werden.

121 Mit nur jeweils vier Ansprechpartnern via Xing und Internetkontaktformularen können hierzu keine Aussagen getroffen werden.

200

C. Empirische Untersuchung

3. Deskription des Untersuchungsfeldes (nach Rücklauf) a) Charakteristika der Beratungsunternehmen Die Teilnehmer der Beratungsunternehmen wurden nach ihrer Position in der Gesellschaft gefragt und seit wann sie diese Position einnehmen. Tabelle 14 Position der Teilnehmer Position

Häufigkeit (%)

Partner

183 (82,43 %)

Manager

16 (7,21 %)

Sonstige

23 (10,36 %)

Die Analyse der Sonstigen zeigt kein eindeutiges Ergebnis: Als Positionen in der Gesellschaft wurden Vorstand, Executive Director, Steuerberater oder auch Mitarbeiter im Internationalen Steuerrecht angegeben. Sieben Teilnehmer wurden diesen Angaben folgend als Partner qualifiziert, sodass 190 Teilnehmer (85,6 %) als Partner und 32 Teilnehmer (14,4 %) als Nicht-Partner einzustufen sind.

Abbildung 7: Position der Teilnehmer – Beratungsunternehmen

Bei der Angabe seit wann in dieser Position für die Gesellschaft gearbeitet wird, wird deutlich, dass der überwiegende Teil – 158 Personen (71,17 %) – schon vor dem Jahr 2008 die betreffende Position innehatte (Teilnehmer vor 2008). Im Hinblick auf die Fragestellungen ist dies als vorteilhaft anzusehen, da davon ausgegangen werden kann, dass dieser Personenkreis aufgrund der Möglichkeit einer zeitraumübergreifenden Betrachtung die Einführung der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen besser beurteilen kann. Anhand dieser Angaben – Position sowie Zugehörigkeitsdauer – wurde eine Auswertung des Fragebogens auch für die verschiedenen Teilnehmergruppen der

IV. Durchführung und Ergebnisse der Untersuchung

201

Beratungsunternehmen vorgenommen, die im Folgenden angeführt wird, wenn für die Untersuchung weiterführende Erkenntnisse resultieren sollten. Außerdem wurde bei den verschiedenen Fragen getestet, ob zwischen den verschiedenen Teilnehmern (hinsichtlich Position und Zugehörigkeitsdauer) ein abweichendes Antwortverhalten besteht bzw. ob die Position oder die Zugehörigkeitsdauer im Zusammenhang mit dem Antwortverhalten steht. Hierfür wurde je nach Frage bzw. Art der Variablen ein Chi²-Unabhängigkeitstest, der Exakte Test nach Fisher, ein T-Test bei unabhängigen Stichproben oder eine Varianzanalyse durchgeführt.122 Ein Chi²-Unabhängigkeitstest als nicht parametrischer Test wird zur Überprüfung von Hypothesen über die gemeinsame Verteilung zweier Merkmale verwendet, insbesondere erfolgt die Überprüfung auf Unabhängigkeit von Merkmalen. Es wird die empirisch beobachtete Verteilung mit der erwarteten Verteilung verglichen. Letztere ist diejenige Verteilung, die resultieren sollte, wenn zwischen den beiden Variablen kein Zusammenhang besteht. Dabei wird mit der Nullhypothese die Unabhängigkeit der Merkmale formuliert. Vorausgesetzt werden lediglich nominalskalierte Daten; eine Voraussetzung hinsichtlich der Verteilung besteht nicht. Der Exakte Test nach Fisher entspricht dem Chi²-Test und stellt ein Signifikanztest auf Unabhängigkeit dar, der bei einer geringen Anzahl von Beobachtungen angewendet werden kann. Zudem wird er insbesondere verwendet, wenn beide Variablen (die Gruppierungsvariable und die, deren Häufigkeiten untersucht werden soll) dichotom sind. Der Chi²-Test wird angewendet, wenn mindestens eine der beiden Variablen mehrere Kategorien hat.123 Die mit dem Chi²-Unabhängigkeitstest bzw. dem Exakten Test nach Fisher zu überprüfenden Hypothesen lauten allgemein:124

122

Siehe hierzu u. a. Mayer (2009), S. 123 f. Vgl. Schwarze (2009b), S. 201 f.; Behnke/Baur/Behnke (2010), S. 431 f.; Janssen/Laatz (2007), S. 262 f., 266, 494, 799 f.; Senger (2008), S. 316–324; Mayer (2009), S. 132–135. – Beim Chi²-Test existieren zwei in der Fragestellung unterschiedliche Varianten, die sich mathematisch in der Berechnung nicht unterscheiden: Der Chi²-Unabhängigkeitstest und der Chi²-Homogenitätstest. – Signifikanztests geben an, ob ein beobachteter Zusammenhang zwischen zwei Variablen statistisch abgesichert ist. Er gibt aber keine direkte Information darüber, wie stark der Zusammenhang ist. Vgl. Janssen/Laatz (2007), S. 268. – Der Stich­ probenumfang bei einem Chi²-Test sollte 60 betragen. Vgl. Mayer (2009), S.135 m. w. N. 124 In diesem Zusammenhang kann auch daran gedacht werden, den Mann-Whitney-Test anzuwenden. Der Mann-Whitney-Test (bzw. U-Test) prüft ähnlich wie der T-Test für unabhängige Stichproben, ob Unterschiede zwischen zwei Gruppen zufälligen oder systema­ tischen Einflüssen unterliegen. Er stellt primär ein Instrument für ordinalskalierte Daten dar. Der Chi²-Test hingegen prüft auf Unabhängigkeit. Wenn beide Merkmale nominal sind, ist der Chi²-Test zu verwenden, da dann die Kodierungen der Kategorien bedeutungslos sind und ein Mann-Whitney-Test nicht sinnvoll erscheint. Bei ordinalen Merkmalen hingegen hätte ein Mann-Whitney-Test durchgeführt werden können. Bei so wenigen Ausprägungen aber wird der Chi²-Test empfohlen, da der Mann-Whitney-Test eigentlich ein Test für stetig verteilte Daten ist. Dass heißt, er hat die Annahme, dass keine sog. Rangbindungen vorkommen (bedeutet, dass mehrere Leute die gleiche Antwort geben). Aber bei nur drei Kategorien ist das unmöglich. Vgl. u. a. Behnke/Baur/Behnke (2010), S. 441 f. 123

202

C. Empirische Untersuchung

a) H0: Das Antwortverhalten ist unabhängig von der Position der Teilnehmer. H1: Das Antwortverhalten ist nicht unabhängig von der Position der Teilnehmer. b) H0: Das Antwortverhalten ist unabhängig von der Zugehörigkeitsdauer der Teilnehmer. H1: Das Antwortverhalten ist nicht unabhängig von der Zugehörigkeitsdauer der Teilnehmer. Ein T-Test – als parametrisches Verfahren – wird verwendet, wenn für zwei Stichproben (z. B. Partner und Nicht-Partner) die Werte einer metrischen Variablen verglichen werden sollen (Mittelwertvergleich). Er dient als Entscheidungshilfe, ob ein Mittelwertunterschied zufällig entstanden ist, oder ob es wirklich einen Unterschied zwischen zwei zu untersuchenden Gruppen gibt. Echte metrische Variablen gibt es in dem verwendeten Fragebogen nicht, da alle Antworten kategorial formuliert sind. Bei sogenannten Likert-Skalen (bspw. stimme überhaupt nicht zu – stimme voll zu) mit mindestens fünf Stufen ist es üblich, die Antworten durchzunummerieren und dann diese Werte wie eine metrische Variable zu behandeln. Eine Voraussetzung für die Anwendung ist, dass die Daten normalverteilt sind, was bei großen Stichproben nicht mehr zwingend ist.125 In der vorliegenden Untersuchung wurde ein T-Test für unabhängige Stichproben durchgeführt. Eine unabhängige Stichprobe ist gegeben, „wenn jede Stichprobe genauso gut für sich alleine aus der entsprechenden Subpopulation gezogen werden könnte“126. Sollen aber mehr als zwei Gruppen auf Mittelwertunterschiede untersucht werden, ist die einfaktorielle Varianzanalyse zu verwenden.127 Die mit einem T-Test bzw. einer Varianzanalyse zu überprüfenden nicht gerichteten Hypothesen lauten allgemein:

125 Als groß gelten Stichprobenumfänge n > 30. Die Stichproben der beiden zu vergleichenden Gruppen sollten auch annähernd gleich groß sein. Vgl. Mayer (2009), S. 143. – Bei der hier vorliegenden Fallzahl kann bei den entsprechenden Fragen daher der parametrische TTest verwendet werden, auch wenn die Daten nicht normalverteilt sind. Aber genauso gut hätte der Mann-Whitney-Test angewendet werden können. Zur Absicherung wurde bei stark unterschiedlichen Fallzahlen zusätzlich der Mann-Whitney-Test verwendet. Vgl. Behnke/ Baur/Behnke (2010), S. 441. Jedoch ergeben sich keinerlei Unterschiede hinsichtlich der Ablehnung der Nullhypothesen. 126 Behnke/Baur/Behnke (2010), S. 432. Siehe hinsichtlich der Ausführungen zum T-Test Behnke/Baur/Behnke (2010), S. 432–437, 439–441; Janssen/Laatz (2007), S. 347, 494, 799 f.; Senger (2008), S. 284–293. 127 Vgl. Behnke/Baur/Behnke (2010), S. 437; Janssen/Laatz (2007), S. 357; Senger (2008), S. 324–336; Mayer (2009), S. 149–152. – Wie auch beim T-Test hätte als eine Alternative zur einfaktoriellen Varianzanalyse der Kruskall-Wallis Test (bzw. H-Test) verwendet werden können. Der Kruskall-Wallis Test ist ebenfalls ein Verfahren für die statistische Auswertung von ordinalskalierten Daten, jedoch bei Vorliegen von mehr als zwei Gruppen. Zur Absicherung wurde bei stark unterschiedlichen Fallzahlen zusätzlich dieser Test verwendet. Vgl. Behnke/ Baur/Behnke (2010), S. 442 f. Jedoch ergeben sich keinerlei Unterschiede hinsichtlich der Ablehnung der Nullhypothesen.

IV. Durchführung und Ergebnisse der Untersuchung

203

a) H0: Das Antwortverhalten der Teilnehmer unterscheidet sich nicht zwischen den Teilnehmern verschiedener Positionen. H1: Das Antwortverhalten der Teilnehmer unterscheidet sich zwischen den Teilnehmern verschiedener Positionen. b) H0: Das Antwortverhalten der Teilnehmer unterscheidet sich nicht zwischen den Teilnehmern verschiedener Zugehörigkeitsdauer. H1: Das Antwortverhalten der Teilnehmer unterscheidet sich zwischen den Teilnehmern verschiedener Zugehörigkeitsdauer. Folgt aus der statistischen Überprüfung, dass die Nullhypothese abzulehnen ist, wird von einem signifikanten Unterschied bzw. Zusammenhang zwischen den untersuchten Variablen gesprochen. Für die Prüfung der Hypothesen wurde eine Irrtumswahrscheinlichkeit von α = 0,05 verwendet. Jedoch bedeutet dies nicht, dass der signifikante Effekt tatsächlich existiert.128 Die allgemein aufgestellten Hypothesen sind für den jeweiligen Test fragenspezifisch formulieren. Hierauf wird aus Gründen der Übersichtlichkeit verzichtet. Die Ergebnisse sind im Anhang dargestellt. b) Charakteristika der Unternehmen Werden die Antworten auf die Frage nach der Größenklasse betrachtet, ist offensichtlich, dass die teilnehmenden Unternehmen dieser Studie vor allem in die Größenklasse ≥ 50 Mio. EUR Umsatz pro Jahr einzuordnen sind.129 Die Bestimmung der Größenklassen der Unternehmen ist angelegt an die finanziellen Schwellenwerte, insbesondere des Jahresumsatzes, die von der EU Kommission als Empfehlung für die Definition von Kleinstunternehmen sowie kleinen und mittleren Unternehmen gegeben wird.130 128

Die Nullhypothese wird dann abgelehnt, wenn der jeweilige Wert einen kritischen Wert überschreitet. Siehe hierzu u. a. Mayer (2009), S. 124 f., 134; Schnell/Hill/Esser (2008), S. 452. 129 Aufgrund der überwiegenden Verteilung zugunsten großer Unternehmen ist eine Auswertung der Fragen des Fragebogens nach Größenklassen nicht zielführend. 130 Vgl. EU (2003), L 124/39. – Das Institut für Mittelstandsforschung Bonn (IfM) definiert unabhängige Unternehmen mit bis zu neun Beschäftigten und weniger als 1 Million € Jahresumsatz als kleine Unternehmen und solche mit bis 499 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von bis unter 50 Millionen €, die keine kleinen Unternehmen sind, als mittlere Unternehmen. Vgl. hierzu IfM (2011). – Eine tiefer gehende Unterteilung hinsichtlich des Umsatzes wurde bewusst vermieden, um zum einen die Teilnehmer nicht überzustrapazieren, zum anderen ist eine weitere Unterteilung hinsichtlich des Umsatz > 50 Mio. EUR nicht zielführend, da es unerheblich ist, ob ein als groß zu qualifizierendes Unternehmen einen Umsatz von > 50 Mio. EUR Umsatz oder bspw. > 100 Mio. EUR Umsatz erzielt. Zudem hätte eine weitergehende Unterteilung keinen weiteren Informationsgewinn für etwaige Aspekte der Betriebsprüfung. – Weitere statistische Abfragen, wie bspw. die Anzahl der Arbeitnehmer oder die

204

C. Empirische Untersuchung Tabelle 15 Definition von Kleinstunternehmen sowie kleinen und mittleren Unternehmen Arbeitnehmer

Jahresumsatz

Jahresbilanzsumme

Kleinstunternehmen

< 10

< 2 Mio. EUR

< 2 Mio. EUR

Kleines Unternehmen

< 50

< 10 Mio. EUR

< 10 Mio. EUR

Mittleres Unternehmen

< 250

< 50 Mio. EUR

< 43 Mio. EUR

Da zudem die Teilnehmer der Beratungsunternehmen131 gefragt worden sind, welche Unternehmen überwiegend von der Regelung betroffen sind, wird deutlich, dass seitens der Teilnehmer der Beratungsunternehmen gegenüber den Teilnehmern der Unternehmen in relativ höherer Anzahl mittlere Unternehmen angeführt werden.132 In Anbetracht der Tatsache, dass manche Beratungsunternehmen sich auf die Beratung von mittelständischen Unternehmen spezialisiert haben, wird deutlich, dass nicht nur große Unternehmen von der Regelung betroffen sind.133 Alle Unternehmen mit einem Umsatz ≥ 50 Mio. gelten vorliegend als große Unternehmen, bei denen davon auszugehen sein kann, dass sie eher von der Regelung betroffen sein werden. Jedoch ist diese Aussage dahingehend einzuschränken, dass sich scheinbar speziell größere Unternehmen mit dieser Thematik aktiv auseinandersetzen oder ein Interesse an der Teilnahme an der Untersuchung haben. Daher ist das hier vorliegende Ergebnis nicht zu verallgemeinern. Aber auch im Rahmen einer von Deloitte durchgeführten Studie hinsichtlich Betriebsprüfungserfahrungen multinationaler Unternehmen in Deutschland haben überwie-

Jahresbilanzsumme, wurden vermieden, um die Teilnehmer der Untersuchung nicht zu überfordern bzw. von der Teilnahme abzuschrecken. 131 Zur besseren Übersicht werden die verschiedenen Teilnehmergruppen der Befragung nun kursiv dargestellt. 132 Jedoch besteht bei den Teilnehmern der Beratungsunternehmen ein hoch signifikanter Zusammenhang zwischen der Position und der Antwort (der p-Wert beträgt p = 0,003): –– Partner: 5,26 % 2 – < 10 Mio.; 23,16 % 10 – < 50 Mio.; 71,58 % ≥ 50 Mio. –– Nicht-Partner: 3,12 % < 2 Mio.; 9,38 % 2 – < 10 Mio.; 43,75 % 10 – < 50 Mio.; 43,75 % ≥ 50 Mio. Es ist offensichtlich, dass die Partner die Unternehmen insbesondere in die Kategorie ≥ 50 Mio. einstufen. Hintergrund kann sein, dass Partner vor allem größere Fälle betreuen und kleinere Fälle an das untergeordnete Management abgeben. 133 Es besteht ein höchst signifikanter Zusammenhang zwischen der Teilnehmergruppe (Unternehmen und Beratungsunternehmen) und der Antwort (p-Wert beträgt p = 0,000). Die H0, dass kein Zusammenhang besteht, ist daher abzulehnen. – Daneben hat die Größe des Unternehmens, ausgedrückt in der Beschäftigtenzahl, einen Einfluss auf die Anzahl der Verlagerungsvorgänge: Je größer das Unternehmen ist, desto häufiger erfolgten bzw. erfolgen Verlagerungsvorgänge. Im Besonderen bei Produktionsverlagerungen zeigt die Differenzierung nach der Betriebsgröße signifikante Unterschiede. Vgl. hierfür Kinkel/Maloca/Jäger (2009), S. 27.

IV. Durchführung und Ergebnisse der Untersuchung

205

Abbildung 8: Größenklasse (Umsatz in EUR pro Jahr) – Unternehmen

gend Unternehmen teilgenommen, die einen Umsatz in Höhe von 50 Mio. EUR bis 500 Mio. EUR erzielen.134 Die angeführte Definition ist aber von der Einordnung in Größenklassen für die Betriebsprüfung135 zu unterscheiden. Diese Einordnung hat u. a. einen Einfluss darauf wie wahrscheinlich es ist, dass ein Betrieb von der Finanzverwaltung geprüft wird. Dabei werden Unternehmen, die einem Konzernverbund angehören, unabhängig von der Größenordnung prinzipiell zusammen mit dem Konzern geprüft: Gemäß § 13 Abs. 1 BpO sind Unternehmen, die zu einem Konzern im Sinne des § 18 AktG gehören, im Zusammenhang, unter einheitlicher Leitung und nach einheitlichen Gesichtspunkten zu prüfen, wenn die Außenumsätze der Konzernunternehmen insgesamt mindestens 25 Millionen Euro im Jahr betragen. Vorliegend kann aufgrund der Angaben der Teilnehmer der Studie davon ausgegangen werden, dass vorwiegend Großbetriebe von der Regelung betroffen sind, die im Mittelpunkt von Betriebsprüfungen stehen. Tabelle 16 Auszug Einordnung in Größenklassen gem. § 3 BpO

Handelsbetriebe

Betriebsmerkmal in EUR

Groß­ betriebe

Mittel­ betriebe

Klein­ betriebe

Umsatz

6.900.000

840.000

160.000

265.000

53.000

34.000

4.000.000

480.000

160.000

235.000

53.000

34.000

Steuerlicher Gewinn > Fertigungsbetriebe

Umsatz Steuerlicher Gewinn >

134

Siehe hierzu Eismayr/Schnell (2010), S. 908 f. Siehe hierzu BMF v. 20.08.2009 IV A 4-S 1450/08/10001.

135

206

C. Empirische Untersuchung

Daneben ist festzustellen, dass die Unternehmen überwiegend dem Verarbeitenden Gewerbe zuzurechnen sind, aber eine Aussage hinsichtlich eines spezifischen Wirtschaftzweigs nicht getroffen werden kann, wobei die Klassifikation der Wirtschaftszweige angelehnt ist an der Klassifikation der Wirtschaftszweige 2008 (WZ 2008) des Statistischen Bundesamtes.136

Abbildung 9: Wirtschaftszweig – Unternehmen

Eine Analyse des sonstigen Wirtschaftszweiges bei der Angabe der Teilnehmer der Unternehmen zeigt, dass Handel mit 14 Nennungen (6,8 %), Maschinenbau mit 5 Nennungen (2,4 %) und Pharma mit 4 Nennungen (1,94 %) noch relativ häufig angeführt werden. Ansonsten ergibt sich kein einheitliches Bild, stattdessen sind verschiedene Angaben wie bspw. Aerospace, Automobilindustrie, Bergbau, Chemie, Nuklear-Chemie, Feinchemikalien, Dienstleistung, Elektronik, Energie­ versorgung und Lebensmittelindustrie enthalten. 136

„Wirtschaftszweigklassifikationen dienen der Einordnung von Daten, die sich auf statistische Einheiten beziehen, das heißt z. B. auf einen einzelnen Betrieb oder eine Gruppe von Betrieben, die eine wirtschaftliche Gesamtheit, z. B. ein Unternehmen, bilden oder auf deren Teile (fachliche Betriebs- oder Unternehmensteile). Sie sind die Grundlage für die Erstellung von Statistiken über Produktionswerte, in den Produktionsprozess eingeflossene Produktionsfaktoren (Arbeit, Betriebsmittel und Werkstoffe, Energie usw.), Kapitalbindung und Finanztransaktionen dieser Einheiten.“ DESTATIS (2008), S. 7. – Folgende Gruppen von Wirtschaftszweigen existieren: Land- und Forstwirtschaft, Fischerei, Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden, Verarbeitendes Gewerbe, Energieversorgung, Wasserversorgung, Baugewerbe, Handel; Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen, Verkehr und Lagerei, Gastgewerbe, Information und Kommunikation, Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen, Grundstücks- und Wohnungswesen, Erbringung von freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen, Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen. – Aufgrund der überwiegenden Verteilung zugunsten Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes ist eine Auswertung der Fragen des Fragebogens nach Wirtschaftszweigen nicht zielführend.

IV. Durchführung und Ergebnisse der Untersuchung

207

Festzuhalten ist, dass im Rahmen der vorliegenden Untersuchung überwiegend angegeben worden ist, dass Unternehmen von der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen erfasst werden, die als Großbetriebe einzustufen und dem Wirtschaftszweig Verarbeitendes Gewerbe zuzuordnen sind. Es ist aber auch umgehend einsichtig, dass hinsichtlich der Größe der Unternehmen ganz unterschiedliche Unternehmen aus allen Branchen betroffen sein können, soweit sie die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 AStG erfüllen. Hingegen werden Unternehmen mit ausschließlich inländischen Aktivitäten und v. a. Unternehmen aus dem Bereich Land- und Forstwirtschaft von der Regelung nicht betroffen sein. Geantwortet haben vor allem Mitglieder der Geschäftsführung und (leitende) Angestellte aus dem steuerlichen Bereich:

Abbildung 10: Position der Teilnehmer – Unternehmen

Eine Untersuchung der Sonstigen zeigt, dass 17 Teilnehmer dem steuerlichen Bereich zuzuordnen sind: Leiter Steuern und Bilanzen/Rechnungswesen, Leiter Verrechnungspreise und Steuerreferenten. Somit haben insgesamt 77 Personen (37,38 %) aus dem steuerlichen Bereich teilgenommen, die zumindest mit der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen vertraut sein sollten. Ferner gaben 12 Teilnehmer an, in leitenden Positionen (im nicht steuerlichen Bereich), wie bspw. Leiter Rechnungswesen und Leiter Finanzen, tätig zu sein. Weiterhin haben u. a. teilgenommen: Assistenten der Geschäftsführung, Referenten im Konzernrechnungswesen und Mitarbeiter im Controlling. Es ist daher festzuhalten, dass die für die Studie beabsichtigten Ansprechpartner erreicht wurden und infolgedessen davon auszugehen sein sollte, dass die für das jeweilige Unternehmen geeigneten Ansprechpartner an der Studie teilgenommen haben. Für die Auswertung wurden folgende Teilnehmergruppen gebildet: –– Geschäftsführer, –– Leiter Rechnungswesen/Accounting/Controlling,

208

C. Empirische Untersuchung

–– Personen aus der Steuerabteilung und –– Personen aus anderen Abteilungen.

Abbildung 11: Position der Teilnehmer – Unternehmen (II)

Bei der Angabe seit wann in dieser Position für das Unternehmen gearbeitet wird, wird deutlich, dass der überwiegende Teil – 111 Personen (53,88 %) – erst seit dem Jahr 2008 die betreffende Position innehat (Teilnehmer seit 2008). Für die Auswertung anhand dieser Angaben – Position und Zugehörigkeitsdauer – gilt zu den Beratungsunternehmen Geschriebenes entsprechend. Des Weiteren wurden die Angaben der Teilnehmer daraufhin überprüft, ob es einen Zusammenhang zwischen den Teilnehmergruppen – Unternehmen und Beratungsunternehmen bzw. Steuerabteilung und Beratungsunternehmen – und dem Antwortverhalten gibt bzw. ein abweichendes Antwortverhalten zwischen den verschiedenen Teilnehmergruppen besteht. Die mit dem Chi²-Unabhängigkeitstest bzw. dem Exakten Test nach Fisher zu überprüfende Hypothese lautet allgemein:137 H0: Das Antwortverhalten ist unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer Teilnehmergruppe. H1: Das Antwortverhalten ist nicht unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer Teilnehmergruppe.

137

Ergebnisse siehe Anhang.

IV. Durchführung und Ergebnisse der Untersuchung

209

Die mit einem T-Test bzw. einer Varianzanalyse zu überprüfende Hypothese lautet allgemein:138 H0: Das Antwortverhalten der Teilnehmer unterscheidet sich nicht zwischen den Teilnehmergruppen. H1: Das Antwortverhalten der Teilnehmer unterscheidet sich zwischen den Teilnehmergruppen. 4. Ergebnisse der empirischen Untersuchung a) Einfluss der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen auf das Entscheidungsverhalten von Unternehmen Im Rahmen des ersten Teils des Fragebogens sollte eruiert werden, ob die Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen einen Einfluss auf das Entscheidungsverhalten dergestalt entfaltet, dass Unternehmen von der Verlagerung von Funktionen absehen bzw. diese reduzieren. Von den Teilnehmern sollte eingeschätzt werden, wie sich allgemein die Anzahl grenzüberschreitender, konzerninterner Verlagerungsvorgänge wirtschaftlicher Aktivitäten aus Deutschland heraus seit dem Jahr 2008 entwickelt hat. Dabei wurde der Begriff „wirtschaftliche Aktivität“ bewusst für die Tätigkeiten eines Unternehmens gewählt – wobei es unerheblich ist, dass die aus der Tätigkeit resultierenden Leistungen intern im Unternehmen oder extern abgesetzt werden –139 um den steuerrechtlichen Begriff der Funktion zu vermeiden, da bei diesem Auslegungsdifferenzen bestehen können und dieser eventuell nicht einheitlich verstanden wird. Zum Beispiel zeigt eine Untersuchung des BDI, dass in den nächsten Jahren Familienunternehmen vorhaben, ihr Netz an Vertriebs- und Servicestätten auszubauen: 56,2 % der auslandsaktiven Familienunternehmen planen mindestens eine weitere Vertriebs- und Servicestätte außerhalb Deutschlands zu errichten. Zudem plant fast jedes dritte der im Ausland aktiven Familienunternehmen zukünftig den Aufbau einer bzw. weiterer Produktionsstätten außerhalb Deutschlands.140 Demnach kann in diesem Zusammenhang keine abnehmende Entwicklung von Verlagerungsvorgängen erwartet werden. Eine solche wird auch von den Teilnehmern überwiegend nicht gesehen. Die Angaben der Teilnehmer der Unternehmen unterscheiden sich jedoch von den Angaben der Teilnehmer der Beratungsunterneh 138

Ergebnisse siehe Anhang. Siehe hierzu auch Zwania (2008), S. 480. Eine Erläuterung des Begriffes für die Teilnehmer erfolgte vorab. 140 Vgl. BDI (2011), S. 20. Einige Familienunternehmen werden erstmals im Rahmen ihrer Internationalisierungsstrategie Vertriebs- und Servicestätten im Ausland errichten. 139

210

C. Empirische Untersuchung

men: Letztere sehen insbesondere einen Anstieg von Verlagerungsvorgängen, hingegen sind die Teilnehmer der Unternehmen relativ mehr der Auffassung, dass die Entwicklung konstant geblieben ist. Auch ein Chi²-Test zeigt einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Teilnehmergruppe und dem Antwortverhalten (pWert beträgt p = 0,027).141 Daher ist die H0, dass kein Zusammenhang zwischen der Teilnehmergruppe und dem Antwortverhalten hinsichtlich der Entwicklung von Verlagerungsvorgängen besteht, zum Signifikanzniveau α = 0,05 abzulehnen.

Abbildung 12: Entwicklung Verlagerungsvorgänge seit dem Jahr 2008

Ferner sollten die Teilnehmer angeben, ob Unternehmen bzw. ihr Unternehmen grenzüberschreitende, konzerninterne Verlagerungsvorgänge aufgrund der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen unterlassen bzw. reduziert haben/hat.

Abbildung 13: Verlagerungsvorgänge seit dem Jahr 2008 unterlassen bzw. reduziert

Anhand dieser Angaben wird deutlich, dass die Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen der Einschätzung der Teilnehmer zufolge einen Einfluss auf die Entscheidung der Unternehmen dahingehend entfaltet, dass Unternehmen von einer grenzüberschreitenden, konzerninternen Verlagerung wirtschaftlicher Aktivitäten absehen bzw. diese reduzieren. Zwar sind lediglich 21,89 % (4,60 %) der Teilnehmer der Beratungsunternehmen (Unternehmen) dieser Auffassung, jedoch ist ein Einfluss auf das Entscheidungsverhalten gegeben, was darauf hindeu 141 Werden lediglich die Antworten der Personen aus der Steuerabteilung herangezogen, folgt kein signifikanter Zusammenhang bei der Frage hinsichtlich der Entwicklung von Verlagerungsvorgängen.

IV. Durchführung und Ergebnisse der Untersuchung

211

tet, dass die Regelung nicht nur den Fremdvergleichsgrundsatz präzisiert, sondern eine neue Besteuerungsgrundlage schafft. Dessen ungeachtet kann vor dem Hintergrund der Häufigkeitsverteilung zur vorhergehenden Frage nicht die Vermutung aufgestellt werden, dass Verlagerungsvorgänge aufgrund der Regelung rückläufig sind.142 Es ist aber fraglich, ob sich die Häufigkeit der Antwort Ja rein zufällig von der Antwort Nein unterscheidet. Um diese Frage zu beantworten wurde ein Binomial­ test durchgeführt, da mit solch einem Test untersucht werden kann, ob sich die Abweichungen der beobachteten von den zu erwartenden Häufigkeiten plausibel durch Zufallseinflüsse erklären lassen und demnach mit der Hypothese, in der Grundgesamtheit seien beide Gruppen zu gleichen Anteilen vertreten, vereinbar sind.143 Die Hypothese, die vorliegend untersucht wird, lautet:144 H0: Die Wahrscheinlichkeit p für die Angabe der Antwort Ja ist gleich der Wahrscheinlichkeit der Angabe der Antwort Nein. H0: p = 50 % H1: Die Wahrscheinlichkeiten sind unterschiedlich. H1: p ≠ 50 % Die Häufigkeit der Antworten Ja und Nein unterscheiden sich signifikant vom Wert 0,5, der resultieren würde, wenn die Auswahl der Antworten rein zufällig erfolgt wäre. Die H0 ist in diesem Falle abzulehnen. Für die Befragten ist die Rege 142

Zwischen den beiden Fragen besteht bei den Teilnehmern der Beratungsunternehmen ein schwacher, positiver Zusammenhang. Kendall-Tau-b beträgt + 0,189, wobei die Zusammenhangsstärke signifikant ist. Der p-Wert beträgt p = 0,025. – Kendall-Tau-b (Kendall τb) stellt ein symmetrisches Zusammenhangsmaß für ordinalskalierte Variablen dar. Ein Zusammenhangsmaß bestimmt Stärke (und Richtung) des Zusammenhangs zwischen zwei Variablen. Bei einem symmetrischen Zusammenhangsmaß zeichnet sich keine der beiden zugrunde liegenden Variablen als abhängige Variable aus. Kendall-Tau nutzt dabei den Unterschied in den Rängen. Vgl. Behnke/Baur/Behnke (2010), S. 395–397; Janssen/Laatz (2007), S. 277 f.; Benninghaus (2005), S. 248–250; Mayer (2009), S. 120 f.; kritisch Schulze (1978), S. 267–272. – Würden rein nominalskalierte Daten vorliegen, sollte Cramérs V verwendet werden. Cramérs V ist eine vom Stichprobenumfang unabhängige χ2-basierte Maßzahl für die Stärke des Zusammenhangs zwischen zwei nominalskalierten Variablen, wenn mindestens eine der beiden Variablen mehr als zwei Ausprägungen hat. Bei > 0,1 gibt es einen substantiellen Zusammenhang. Vgl. hierzu Behnke/Baur/Behnke (2010), S. 391 f.; Janssen/Laatz (2007), S. 270. – Bei nominalen Variablen haben die Zahlen unterscheidende Funktionen. Bei ordinalen Variablen sollen die Zahlen die Rangordnung der Untersuchungseinheiten bezüglich der gemessenen Eigenschaft abbilden. Bei intervallskalierten Variablen sollen die Zahlen auch die Größenunterschiede der Ausprägungen der gemessenen Eigenschaft zeigen. Vgl. Schwarze (2009a), S. 28–30. 143 Siehe hinsichtlich des Binomialtests u. a. Toutenburg/Heumann (2008), S. 149–152;­ Steland (2010), S. 173–175. 144 Im weiteren Verlauf dieser Ausarbeitung werden alle Fragen mit einem Binomialtest untersucht, jedoch wird aus Gründen der Übersichtlichkeit darauf verzichtet, bei jedem Binomialtest explizit eine eigene Hypothese aufzustellen und bei jeder Frage den durchgeführten Binomialtest anzuführen. Eine Übersicht der Ergebnisse hierzu befindet sich im Anhang.

212

C. Empirische Untersuchung

lung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen also überwiegend nicht ausschlaggebend für das Unterlassen oder Reduzieren von Funktionsverlagerungen. Dennoch kann die Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen das Entscheidungsverhalten von Unternehmen beeinflussen. Diejenigen, die bei dieser Filterfrage angegeben haben, dass Funktionsverlagerungen unterlassen bzw. reduziert worden sind, wurden zu weiteren Fragen geleitet. Da dies bei den Unternehmen zu wenige Teilnehmer angegeben haben, ist bei diesen eine weitergehende Auswertung nicht zielführend. Die Teilnehmer der Beratungsunternehmen sollten angeben, welche zwei Gründe für diese Entscheidung(en) bedeutend gewesen sind: Sowohl der Einfluss der Regelung auf die Steuerlast des Umstrukturierungsvorganges als auch der Einfluss auf die Rechtssicherheit hinsichtlich des Umstrukturierungsvorganges wurden als überwiegend bedeutende Gründe für das Unterlassen bzw. Reduzieren von Verlagerungsvorgängen angegeben. Hingegen sind der Einfluss auf die steuerlichen Bürokratiekosten, auf die steuerlichen Dokumentationspflichten und auf den steuerlichen Wertansatz des Umstrukturierungsvorganges relativ geringer entscheidungserheblich.

Abbildung 14: Gründe für das Unterlassen bzw. Reduzieren von Funktionsverlagerungen

Daneben haben drei Teilnehmer die Antwort anderer Grund angegeben und folgende Gründe dazu ausgeführt:

213

IV. Durchführung und Ergebnisse der Untersuchung

–– Rechtsunsicherheit bzgl. der Akzeptanz der Preisgrenzen, –– hohe Unsicherheit in Auslegungsfragen und –– Beurteilung des Vorgangs im anderen Land nicht immer identisch, die sich auch unter dem Grund der Rechtsunsicherheit subsumieren lassen können. Um sich gegen rein zufälliges Ankreuzen der Antworten abzusichern, wurde wiederum ein Binomialtest durchgeführt. Da jeder Teilnehmer nur zwei aus fünf Antworten wählen durfte, würde zufälliges Ankreuzen bedeuten, dass jede der fünf Antworten eine Wahrscheinlichkeit von 40 % hat, gewählt zu werden:145 Tabelle 17 Test auf Binomialverteilung (I)146 Kategorie Steuerlicher Wertansatz

Steuerlast

Rechtssicherheit

Steuerliche Bürokratiekosten

Steuerliche Dokumentationspflichten

N

Beobachteter Anteil

Nicht angegeben

26

0,7

Angegeben

11

0,3

Gesamt

37

1,0

Nicht angegeben

15

0,4

Angegeben

22

0,6

Gesamt

37

1,0

Nicht angegeben

17

0,5

Angegeben

20

0,5

Gesamt

37

1,0

Nicht angegeben

31

0,8

Angegeben

6

0,2

Gesamt

37

1,0

Nicht angegeben

31

0,8

Angegeben

6

0,2

Gesamt

37

1,0

Testanteil

Exakte Signifikanz

0,4

0,133

0,4

0,013

0,4

0,059

0,4

0,002

0,4

0,002

Demnach entfalten die steuerlichen Bürokratiekosten sowie die steuerlichen Dokumentationspflichten im Vergleich zu den anderen genannten Gründen über 145

Zwar wurde auch den Teilnehmern eröffnet die Antwort anderer Grund anzugeben, jedoch war diese Angabe nicht zwingend und sollte nur erfolgen, wenn keine der anderen Antwortmöglichkeiten als passend erachtet werden sollte. 146 Signifikante Ergebnisse sind gekennzeichnet.

214

C. Empirische Untersuchung

wiegend nur einen geringen Einfluss auf die Entscheidung, ob eine Funktionsverlagerung unterlassen wird. Hingegen ist der Einfluss der Regelung auf die Steuerlast des Umstrukturierungsvorganges als überwiegender Grund anzusehen. Darüber hinaus wurden die Teilnehmer der Beratungsunternehmen gefragt, welche Bedeutung den folgenden Aspekten für eine Reduzierung grenzüberschreitender Verlagerungsvorgänge wirtschaftlicher Aktivitäten aus Deutschland heraus beigemessen wird:

Abbildung 15: Bedeutende Aspekte für eine Reduzierung von Verlagerungsvorgängen (sehr hoch und hoch) Tabelle 18 Bedeutende Aspekte für den Standort Deutschland147 N

Minimum

Maximum

Mittelwert

Standard­ abweichung

Politische Rahmenbedingungen

35

1,00

5,00

2,8286

1,12422

Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

36

1,00

4,00

2,3611

,93052

Arbeitnehmerqualifikation

36

1,00

5,00

2,5556

1,18187

Wirtschaftsethische Aspekte

34

2,00

5,00

3,5588

,89413

Steuerliche Konsequenzen

35

1,00

4,00

1,8857

,67612

147

Sehr hoch = 1, Hoch = 2, Weder noch = 3, Gering = 4, Sehr gering = 5.

IV. Durchführung und Ergebnisse der Untersuchung

215

Ebenfalls wurde ein Binomialtest durchgeführt, um zu eruieren, ob bei den angeführten Aspekten die Einschätzung (sehr) hohe oder (sehr) geringe Bedeutung gleich häufig vorkommt, oder ob eine signifikant häufiger gewählt worden ist. Hierfür wurden die Antwortkategorien dichotomisiert in 0 (gering) und 1 (hoch), wobei die Antwortkategorie weder noch entfernt wurde. Tabelle 19 Test auf Binomialverteilung (II)

Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

Wirtschaftsethische Aspekte

Steuerliche Konsequenzen

Politische Rahmenbedingungen

Arbeitnehmerqualifikation

Kategorie

N

Beobachteter Anteil

Test­ anteil

Exakte Signifikanz

Hoch

24

0,80

0,50

0,001

Gering

6

0,20

Gesamt

30

1,00

Hoch

5

0,20

0,50

0,004

Gering

20

0,80

Gesamt

25

1,00

Hoch

31

0,97

0,50

0,000

Gering

1

0,03

Gesamt

32

1,00

Hoch

15

0,58

0,50

0,557

Gering

11

0,42

Gesamt

26

1,00

Hoch

21

0,66

0,50

0,110

Gering

11

0,34

Gesamt

32

1,00

Demnach besitzen v. a. die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland und speziell die aus einem Verlagerungsvorgang resultierenden steuerlichen Konsequenzen Bedeutung für eine Reduzierung von grenzüberschreitenden, konzerninternen Verlagerungsvorgängen für die Teilnehmer, wenn eben solche unterlassen bzw. reduziert wurden. Hingegen sind wirtschaftsethische Aspekte überwiegend unbedeutend. Zwar zeigen Studien,148 dass v. a. andere Aspekte bei 148

Vgl. Kap. A. III.

216

C. Empirische Untersuchung

Standortentscheidungen wichtig sind, jedoch erscheinen die Angaben plausibel, da die speziellen Teilnehmer angegeben haben, dass eine steuerliche Regelung dazu beigetragen hat, einen Verlagerungsvorgang zu unterlassen bzw. die Vorgänge in ihrer Anzahl zu reduzieren. Demzufolge sollten die Teilnehmer sowohl den Einfluss auf die Steuerlast als Grund als auch die steuerlichen Konsequenzen als bedeutend erachten. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass sich das Antwortverhalten bei den Teilnehmern vor dem Jahr 2008 und den Teilnehmern seit 2008 (der Beratungsunternehmen) in folgenden Fällen unterscheidet: Teilnehmer vor 2008 erachten den Einfluss auf die Steuerlast des Umstrukturierungsvorganges nicht als überwiegenden Grund für das Unterlassen oder Reduzieren von Funktionsverlagerungen (47,8 %). Hingegen befinden die Teilnehmer seit 2008 dies als überwiegenden Grund (78,6 %). Auch schätzt der Teilnehmerkreis seit 2008 die steuerlichen Dokumentationspflichten als Grund für das Unterlassen oder Reduzieren geringer ein (7,1 % zu 21,7 % bei den Teilnehmern vor 2008).149 Zudem beurteilen die Teilnehmer vor 2008 die politischen Rahmenbedingungen bedeutender (54,5 % schätzen diese als sehr hoch und hoch ein) als Teilnehmer seit 2008 (lediglich 23,1 % schätzen die Bedeutung von politischen Rahmenbedingungen als hoch ein).150

Abbildung 16: Politische Rahmenbedingungen – Vergleich Zugehörigkeitsdauer

Ebenfalls werden von den Teilnehmern vor 2008 die Arbeitnehmerqualifikation in Deutschland sowie wirtschaftsethische Aspekte relevanter eingeschätzt als von den Teilnehmern seit 2008.151 Dagegen bewerten die Teilnehmer seit 2008 die 149 Dabei besteht aber kein Zusammenhang zwischen der Zugehörigkeitsdauer und dem Antwortverhalten. Hierfür wurde der Exakte Test nach Fisher durchgeführt. Die H 0 werden in diesen Fällen beibehalten. 150 Hierbei besteht auch ein hoch signifikanter Unterschied zwischen der Zugehörigkeitsdauer und der Antwort. Der p-Wert beträgt p = 0,018. H0 wird zum Signifikanzniveau α = 0,05 abgelehnt. 151 Auch in Bezug auf die Bedeutung von wirtschaftsethischen Aspekten ist die H0 zum Signifikanzniveau α = 0,05 abzulehnen Es besteht ein hoch signifikanter Unterschied im Antwortverhalten zwischen Teilnehmern vor 2008 und Teilnehmern seit 2008. Der p-Wert beträgt p = 0,007.

IV. Durchführung und Ergebnisse der Untersuchung

217

steuerlichen Konsequenzen als überaus bedeutend (100 % sehr hoch und hoch; lediglich 81,8 % der Teilnehmer vor 2008). Infolgedessen zeigt sich, dass die Teilnehmer seit 2008 den steuerlichen Konsequenzen sowohl eine höhere Bedeutung gegenüber den Teilnehmern vor 2008 beimessen als auch die Steuerlast als überwiegenden Grund für das Unterlassen bzw. Reduzieren von Funktionsverlagerungen ansehen. Demgegenüber erkennen die Teilnehmer vor 2008 auch anderen Faktoren eine höhere Bedeutung zu. Diese unterschiedlichen Ansichten können in der praktischen Erfahrung der Teilnehmer begründet sein.

Abbildung 17: Wirtschaftsethische Aspekte – Vergleich Zugehörigkeitsdauer

Abbildung 18: Steuerliche Konsequenzen – Vergleich Zugehörigkeitsdauer

Abschließend ist zu konstatieren, dass 21,89 % (4,6 %) der Teilnehmer der Beratungsunternehmen (Unternehmen) dieser Untersuchung angegeben haben, dass Verlagerungsvorgänge aufgrund der Regelung unterlassen bzw. reduziert wurden, und 5,70 % (4,1 %) der Teilnehmer der Auffassung sind, dass Verlagerungsvorgänge seit dem Jahr 2008 abgenommen haben. Somit zeigt sich, dass die Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen eine Entscheidungswirkung dahingehend entfaltet, dass Unternehmen von solchen Verlagerungsvorgängen absehen, wenn auch nur in einem geringen Umfang. Diesen Ergebnissen entsprechend wurde im Rahmen der abschließenden offenen Frage u. a. angeführt, dass Funktionsverlagerungen aufgrund der Regelung nicht seltener vorkommen werden, aber alternative Strukturen gewählt werden oder versucht wird, die Escape-Klauseln in Anspruch zu nehmen. Auch hierdurch entfaltet die Regelung einen Einfluss auf das Entscheidungsverhalten der

218

C. Empirische Untersuchung

Unternehmen in Form der Gestaltung von Verlagerungsvorgängen. Darüber hinaus wird aber auch angegeben, dass die Unternehmen den internationalen Verflechtungen und den damit zusammenhängenden (steuerlichen) Vorgängen kaum bzw. keine Beachtung widmen. Diese Thematik sei viel zu theoretisch und die betreffenden Geschäftsvorfälle bräuchten erst in einer etwaigen Betriebsprüfung geklärt werden. Zu diesem Verhalten würde seitens der Finanzverwaltung beigetragen werden, da nicht ausreichend (geschulte) Betriebsprüfer vorhanden seien. Ferner wurde angeführt, dass vermehrt Funktionen wieder nach Deutschland verlagert werden und dabei die Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen keinen entscheidungserheblichen Aspekt darstellt. Vielmehr sind andere Faktoren, wie bspw. die Arbeitnehmerfreizügigkeit entscheidungserheblich, was auch den Ergebnissen anderer Studien entspricht.152 b) Einfluss der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen auf die Komplexität des Steuerrechts Fraglich ist, ob die Etablierung der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen eine Auswirkung auf die Komplexität des Steuerrechts hat. Sehen sich die betroffenen Unternehmen also einem steigenden administrativen und monetären Aufwand gegenüber? Die Teilnehmer sollten Ihre Einschätzung u. a. zu folgenden Aussagen angeben: Aufgrund der Einführung der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen ist der Einfluss auf die Bedeutung bzw. den Umfang der Dokumentation gestiegen/konstant geblieben/gesunken.

Abbildung 19: Einfluss auf die Dokumentation – Beratungsunternehmen

152

Vgl. Kap. A. III.

IV. Durchführung und Ergebnisse der Untersuchung

219

Abbildung 20: Einfluss auf die Dokumentation – Unternehmen

Die Teilnehmer der Studie messen der Dokumentation des Umstrukturierungsvorganges überwiegend eine gestiegene Bedeutung bei und sehen zugleich zumeist einen Anstieg des Umfanges der Dokumentation (administrativer Aufwand). Eine gestiegene Bedeutung kann darauf hindeuten, dass die Teilnehmer der Auffassung sind, dass zum einen die Dokumentation von Funktionsverlagerungen im Rahmen von Betriebsprüfungen einen höheren Stellenwert einnimmt bzw. einnehmen wird, zum anderen eine qualitativ hochwertige Dokumentation vonnöten ist. Die Dokumentation solcher Vorgänge kann einerseits von den Betriebsprüfern im Rahmen einer Betriebsprüfung aufgrund der Aktualität der Thematik verstärkt nachgefragt werden, andererseits kann eine ordentliche Dokumentation die Basis dafür bilden, Beanstandungen seitens der Finanzverwaltung zu minimieren. Insbesondere der letzte Punkt ist von Bedeutung: Mittels einer ordnungsgemäßen Dokumentation erfüllt der Steuerpflichtige seine steuerliche Pflicht und trägt dazu bei, dass die Beweislast für die Feststellung eines Abweichens vom Fremdvergleichspreis für eine Funktion auf die Finanzverwaltung übergeht. Ein Anstieg des Umfanges kann darauf hindeuten, dass nun qualitativ genauer und quantitativ mehr zu dokumentieren ist, um für eine etwaige Prüfung eines solchen Vorganges, eine umfassende, nachvollziehbare Dokumentation bereit zu halten, die dazu beitragen kann, ein gewisses Maß an Rechtssicherheit für das Unternehmen hinsichtlich des Verlagerungsvorganges zu schaffen und weniger angreifbar für Beanstandungen seitens der Betriebsprüfung zu sein. Demnach sollte davon auszugehen sein, dass die Teilnehmer mehr Wert auf die Dokumentation von Umstrukturierungsvorgängen legen, was zugleich zu einem steigenden administrativen Aufwand bei den Unternehmen führen kann.153

153 Exemplarisch für die Belastung der Unternehmen mit administrationsbedingten Leistungen vgl. Clemens/Kokalj (1995), S. 30–34.

220

C. Empirische Untersuchung

Dessen ungeachtet besteht zwischen den Teilnehmergruppen (Unternehmen und Beratungsunternehmen) und der Einschätzung hinsichtlich des Umfanges der Verrechnungspreisdokumentation ein signifikanter Zusammenhang (Chi²Test: p-Wert beträgt p = 0,019): Speziell die Teilnehmer der Beratungsunternehmen beurteilen den Umfang der Dokumentation relativ stärker als gestiegen. Werden aber nur die Antworten der Teilnehmer der Steuerabteilung betrachtet, wird deutlich, dass die Antworten zu den Beratungsunternehmen vergleichbar sind.

Abbildung 21: Umfang der Dokumentation – Teilnehmergruppen

Darüber hinaus besteht zwischen der Teilnehmergruppe (Unternehmen und Beratungsunternehmen) und der Einschätzung hinsichtlich der Bedeutung der Verrechnungspreisdokumentation ein signifikanter Zusammenhang (Chi²-Test: p-Wert beträgt p = 0,047): Vorzugsweise erachten die Teilnehmer der Beratungsunternehmen die Bedeutung der Dokumentation relativ stärker als gestiegen (91,4 % gegenüber 85,5 %). Werden hingegen nur die Antworten der Teilnehmer aus der Steuerabteilung betrachtet (89,6 % sehen eine gestiegene Bedeutung), wird deutlich, dass die Antworten wiederum zu den Beratungsunternehmen vergleichbar sind. Dieses unterschiedliche Antwortverhalten innerhalb der Teilnehmer der Unternehmen sowie zwischen den Beratungsunternehmen und den Unternehmen kann auf die fachliche Nähe zurückzuführen sein, was es den Teilnehmern der Beratungsunternehmen und der Steuerabteilung erlaubt, unterschiedliche Sichtweisen bezüglich des Themas zu vertreten. Im Rahmen eines durchgeführten Chi²-Tests wird darüber hinaus deutlich, dass zwischen der Zugehörigkeitsdauer der Teilnehmer der Unternehmen und zur Antwort hinsichtlich der Bedeutung der Dokumentation ein signifikanter Zusammenhang besteht (p-Wert = 0,021). Die Teilnehmer vor 2008 schätzen gegenüber den Teilnehmern seit 2008 die Bedeutung der Dokumentation relativ höher als gestiegen und insbesondere relativ geringer als konstant ein. Ein Grund hierfür könnte die längere praktische Erfahrung der Teilnehmer vor 2008 mit der Betriebsprüfung sein.

221

IV. Durchführung und Ergebnisse der Untersuchung Tabelle 20 Bedeutung der Dokumentation in Abhängigkeit zur Zugehörigkeitsdauer Bedeutung der Verrechnungspreisdokumentation

Teilnehmergruppe

Gesamt

Vor 2008

Seit 2008

Gestiegen

70 (88,6 %)

89 (83,2 %)

159 (85,5 %)

Konstant

6 (7,6 %)

18 (16,8 %)

24 (12,9 %)

Gesunken

3 (3,8 %)

0 (0 %)

3 (1,6 %)

79 (100,0 %)

107 (100,0 %)

186 (100,0 %)

Gesamt

Steuerwirkungen veranlassen Steuerzahler zu prüfen, inwieweit sie ihnen drohende Steuerbelastungen ausweichen können.154 Eine Möglichkeit bietet hierbei die Steuervermeidung: Der Steuerpflichtige versucht die steuerauslösenden Tatbestände nicht zu verwirklichen. Hierzu ist es notwendig, dass sich der Steuerpflichtige steuerrechtskundig macht oder diese steuerbedingte Arbeitsbelastung an externe (Beratungs-)Unternehmen abgibt.155 Daher wurden die Teilnehmer der Unternehmen gefragt, ob sie sich bei der steuerlichen Gestaltung von Verrechnungspreisen, insbesondere zu Umstrukturierungsvorgängen, unternehmens­ extern beraten lassen. Das Ergebnis ist der nachstehenden Abbildung zu entnehmen:

Abbildung 22: Einsatz von unternehmensexternen Beratern

In diesem Zusammenhang wurde explizit nach dem Grund für die Beratung oder Nichtberatung gefragt.156 Für die Antworten mit Ja wurden anhand der von den Teilnehmern angeführten Gründe nachstehende Kategorien gebildet: –– Komplexität; hierunter wurden die Antworten erfasst, aus denen hervorgeht, dass das Unternehmen zum einen nicht das notwendige Know-how in Form einer Steuerabteilung oder auf Verrechnungspreise spezialisierte Mitarbeiter 154

Vgl. Schneider (2002), S. 19. Vgl. Schneider (2002), S. 78. 156 Siehe zur Inanspruchnahme von externen Beratungsleistungen auch Eichfelder (2010b), S. 101. 155

222

C. Empirische Untersuchung

vorhalten kann, zum anderen Antworten aus denen hervorgeht, dass das Themengebiet zu komplex ist, um es innerbetrieblich beherrschen zu können. –– Rechtssicherheit; hierunter wurden Antworten erfasst, aus denen hervorgeht, dass das Unternehmen externe Beratung hinzuzieht, um Geschäftsvorfälle rechtssicher abzubilden, um Risiken zu vermeiden bzw. auf den Berater zu übertragen und um die eigene Position in Betriebsprüfungen besser durchsetzen zu können. –– Divers; hierunter werden Antworten erfasst, die den ersten beiden Kategorien nicht zuzuordnen sind.

Abbildung 23: Übersicht über die Gründe für eine Verrechnungspreisberatung

Es ist offensichtlich, dass sich die Unternehmen hauptsächlich aufgrund der Komplexität des Themas hierzu unternehmensextern beraten lassen, da es für die Unternehmen z. T. nicht möglich ist, das notwendige Spezialwissen vorzuhalten, wodurch Befolgungskosten in Form von Beratungskosten entstehen. Zudem stellt die Rechtssicherheit für die Unternehmen einen Grund der externen steuerlichen Beratung dar. Da Steuerberater gehalten sind, sich fortwährend über die Entwicklungen des Steuerrechts zu informieren, kann die Qualität der Steuerbefolgung erhöht werden und somit das Risiko von etwaigen Beanstandungen seitens der Finanzverwaltung mindern. Zudem wird die Haftung auf den Steuerberater übertragen. Die Unternehmen, die sich nicht unternehmensextern beraten lassen, verfügen jedoch überwiegend über eigene Experten (59,32 %) im Unternehmen, was ebenfalls Befolgungskosten in Form von Personalkosten verursacht. Daneben wurde auch angegeben, dass die Muttergesellschaft steuerliche Themen bearbeitet (3,39 %).157 Diese Leistung sollte aber von den Tochterunternehmen als interne Leistung der Muttergesellschaft an diese vergütet werden, was zugleich einen weiteren Aspekt steuerlicher Verrechnungspreisgestaltung darstellt.

157 Antworten, die sich nicht eindeutig zu den beiden Antwortkategorien zuordnen lassen: 8,47 %. Keine Angabe: 28,81 %.

IV. Durchführung und Ergebnisse der Untersuchung

223

Ferner sollte von allen Teilnehmern eingeschätzt werden, wie sich die Inanspruchnahme von unternehmensexternem Beratungs-Know-how für die steuerliche Gestaltung von Verrechnungspreisen für grenzüberschreitende Umstrukturierungsvorgänge seit der Etablierung der Regelung entwickelt hat. Ein Anstieg kann dem Vorstehenden folgend u. a. darauf hindeuten, dass die Unternehmen eine Beratung benötigen, um die Transaktionen steuerrechtlich zu gestalten und/oder abzubilden, und die Komplexität des Steuerrechts in diesem speziellen Bereich aufgrund der Regelung zugenommen hat. Demgegenüber tragen Steuervereinfachungen dazu bei, dass die Nachfrage nach Steuerberatungsleistungen sinkt.158 Da eine solche Beratung nicht kostenlos erfolgt, sollte ein Anstieg der Inanspruchnahme von unternehmensexternem Beratungs-Know-how einhergehen mit steigenden Beratungskosten für die Unternehmen.

Abbildung 24: Inanspruchnahme von unternehmensexternem Beratungs-Know-how

Den Angaben der Teilnehmer kann entnommen werden, dass die Inanspruchnahme von unternehmensexternem Beratungs-Know-how seit der Etablierung der Regelung gestiegen ist. Jedoch geben die Teilnehmer der Unternehmen gegenüber den Teilnehmern der Beratungsunternehmen relativ geringer an, dass die Inanspruchnahme gestiegen (57,1 %), und relativ mehr, dass die Inanspruchnahme konstant geblieben ist (40,7 %).159 Werden die Antworten der Personen aus der Steuerabteilung betrachtet, zeigt sich, dass eine relativ höhere Anzahl die Antwort gestiegen (64,25 %) gewählt hat (gegenüber den anderen Teilnehmergruppen der Unternehmen). Es besteht dennoch zwischen den Teilnehmergruppen (Steuerabteilung und Beratungsunternehmen) und dem Antwortverhalten zur Einschätzung der Inanspruchnahme von unternehmensexternem Beratungs-Know-how ein hoch signifikanter Zusammenhang (Chi²-Test: p-Wert beträgt p = 0,007), sodass auch in 158

Vgl. Blaufus/Hundsdoerfer/Ortlieb (2009). Es besteht zwischen den Teilnehmergruppen (Unternehmen und Beratungsunternehmen) und dem Antwortverhalten zur Einschätzung der Inanspruchnahme von unternehmensexternem Beratungs-Know-how ein höchst signifikanter Zusammenhang (Chi²-Test: p-Wert beträgt p = 0,000).

159

224

C. Empirische Untersuchung

diesem Fall die H0, dass kein Zusammenhang besteht, zum Signifikanzniveau α = 0,05 abzulehnen ist. Hintergrund des unterschiedlichen Antwortverhaltens kann sein, dass die Teilnehmer der Beratungsunternehmen eine Mehrzahl von Unternehmen betreuen und im Gegensatz dazu die Unternehmen aus ihrer Einzelperspektive antworten, was zu divergierenden Ansichten führen kann. Den angeführten Ergebnissen entsprechend ist ebenfalls, aber in geringerem Maße, festzustellen, dass die Teilnehmer der Beratungsunternehmen überwiegend der Auffassung sind, dass die Unternehmen das Budget für die steuerliche Verrechnungspreisberatung, inklusive Dokumentationsleistungen, erhöht haben. Dies kann zugleich darauf hindeuten, dass die Regelung zur Komplexität des Steuerrechts beiträgt: Experimente zeigen, dass eine Steuervereinfachung, die modelliert wird als Erhöhung der Verständlichkeit des Steuerrechts, die Zahlungsbereitschaft für eine Steuerberatung senkt.160 Wenn hingegen das Budget erhöht wird, sollte keine Steuervereinfachung oder Beibehaltung des Niveaus gegeben sein. Die Teilnehmer der Unternehmen haben indes überwiegend angegeben, dass das Budget nicht erhöht worden ist.161 Werden allerdings nur die Antworten der Teilnehmer aus der Steuerabteilung analysiert, geben 57,1 % dieser Teilnehmer an, dass das Budget erhöht worden ist.162 Es erfolgt eine Annäherung an die Einschätzung der Beratungsunternehmen. Eine Ursache könnte sein, dass die Teilnehmer der Steuerabteilung mit den spezifischen Abteilungsgegebenheiten vertraut und hinsichtlich des Budgets der Abteilung besser informiert sind.

Abbildung 25: Budget für die steuerliche Verrechnungspreisberatung erhöht

160

Vgl. Blaufus/Hundsdoerfer/Ortlieb (2009), A1–A20. Auch besteht zwischen den Teilnehmergruppen (Unternehmen und Beratungsunternehmen) ein hoch signifikanter Zusammenhang im Antwortverhalten (Exakter Test nach Fisher: p-Wert = 0,004). 162 Ein signifikanter Zusammenhang im Antwortverhalten ist dann auch nicht mehr ge­ geben (siehe hingegen Fußnote zuvor). – Das Antwortverhalten steht im signifikanten Zusammenhang mit der Position im Unternehmen (Chi²-Test: p-Wert beträgt p = 0,048). 161

225

IV. Durchführung und Ergebnisse der Untersuchung

Abbildung 26: Budget für die steuerliche Verrechnungspreisberatung erhöht (II)

Es ist anzunehmen, dass diejenigen, die angegeben haben, dass die Inanspruchnahme von Beratungs-Know-how gestiegen ist, auch angegeben haben, dass das Budget für die steuerliche Verrechnungspreisberatung erhöht wurde. Diese Annahme wird z. T. bestätigt: Der nachstehenden Tabelle 21 ist zu entnehmen, dass die Teilnehmer der Beratungsunternehmen, die angegeben haben, dass die Inanspruchnahme von unternehmensexternem Beratungs-Know-how gestiegen ist, auch überwiegend angegeben haben, dass das Budget erhöht worden ist (66,23 %). Hingegen haben diejenigen, die die Inanspruchnahme als konstant erachten, überwiegend angegeben, dass das Budget nicht erhöht worden ist (70,37 %).163 Tabelle 21 Inanspruchnahme Beratungs-Know-how – Budget – Beratungsunternehmen164 Budget für die steuerliche Verrechnungspreisberatung erhöht

Inanspruchnahme von unternehmensexternem Beratungs-Know-how

Gesamt

Gestiegen

Konstant/ unverändert

Gesunken

Ja

98 (66,23 %)

8 (29,63 %)

1 (50,00 %)

107 (60,45 %)

Nein

50 (33,78 %)

19 (70,37 %)

1 (50,00 %)

70 (39,55 %)

Gesamt

148 (100,0 %)

27 (100,0 %)

2 (100,0 %)

177 (100,0 %)

163 Zwischen den beiden Fragen besteht ein schwacher positiver Zusammenhang: KendallTau-b beträgt + 0,263. Die Zusammenhangsstärke ist hoch signifikant. Der p-Wert beträgt p = 0,001. 164 Bei einer Kreuz- bzw. Kontingenztabelle ist es üblich, die Spalten mit der unabhängigen und die Zeilen mit der abhängigen Variable zu besetzen. Vgl. hierzu Mayer (2009), S. 118.

226

C. Empirische Untersuchung

Diese Angaben sind mit den Angaben der Unternehmen vergleichbar, wobei bei den Unternehmen ein stärkerer Zusammenhang vorliegt.165 64,60 % der Teilnehmer, die der Auffassung sind, dass die Inanspruchnahme gestiegen ist, geben auch an, dass das Budget erhöht worden ist. Hingegen geben 77,90 % der Teilnehmer, die der Auffassung sind, dass die Inanspruchnahme von Beratungs-Know-how unverändert ist, an, dass eine Erhöhung des Budgets nicht erfolgte. Tabelle 22 Inanspruchnahme Beratungs-Know-how – Budget – Unternehmen Budget für die steuerliche Verrechnungspreisberatung erhöht

Inanspruchnahme von unternehmensexternem Beratungs-Know-how

Gesamt

Gestiegen

Konstant/ unverändert

Gesunken

Ja

62 (64,60 %)

15 (22,10 %)

1 (25,00 %)

78 (46,4 %)

Nein

34 (35,40 %)

53 (77,90 %)

3 (75,00 %)

90 (53,6 %)

Gesamt

96 (100,0 %)

68 (100,0 %)

4 (100,0 %)

168 (100,0 %)

In diesem Zusammenhang ist auch die Filterfrage (1) der Beratungsunternehmen von Interesse: Wie hat sich die Anzahl der Beratungsleistungen Ihrer Gesellschaft/Sozietät hinsichtlich der Gestaltung von Verrechnungspreisen für grenzüberschreitende Verlagerungen wirtschaftlicher Aktivitäten seit Anfang des Jahres 2008 entwickelt? Die Teilnehmer der Beratungsunternehmen sind vorwiegend der Auffassung, dass diese Beratungsleistungen zugenommen haben:

Abbildung 27: Entwicklung Anzahl der Beratungsleistungen

165

Zwischen den beiden Fragen besteht ein mittlerer, höchst signifikanter Zusammenhang. Kendall-Tau-b: + 0,411; p-Wert beträgt p = 0,000. Werden lediglich die Antworten der Steuer­ abteilung betrachtet, ergibt sich ein schwächerer Zusammenhang (Kendall-Tau-b: + 0,269; p-Wert beträgt p = 0,021).

227

IV. Durchführung und Ergebnisse der Untersuchung

Die Entwicklung der Beratungsleistungen sollte zur Einschätzung der Inanspruchnahme von Beratungs-Know-how korrespondieren. Nachstehender Tabelle ist zu entnehmen, dass diejenigen, die der Auffassung sind, dass die Inanspruchnahme von Beratungs-Know-how gestiegen ist, auch die Entwicklung der Anzahl von Beratungsleistungen überwiegend als gestiegen einschätzen (89,77 %).166 Tabelle 23 Inanspruchnahme Beratungs-Know-how – Veränderung Anzahl Beratungsleistungen Veränderung Anzahl Beratungsleistungen

Inanspruchnahme von unternehmensexternem Beratungs-Know-how Gestiegen

Konstant /  unverändert

Gesunken

Zugenommen

158 (89,77 %)

18 (50,0 %)

1 (50,0 %)

177 (82,71 %)

Keine Veränderung erfahren

18 (10,23 %)

18 (50,00 %)

0 (0 %)

36 (16,82 %)

0 ( 0 %)

0 (0 %)

1 (50,0 %)

1 (0,47 %)

176 (100,0 %)

36 (100,0 %)

2 (100,0 %)

214 (100 %)

Abgenommen Gesamt

Gesamt

Des Weiteren wurde v. a. angegeben, dass Unternehmen seit Einführung der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen kein zusätzlich eigenes Personal für die steuerliche Gestaltung von Verrechnungspreisen eingestellt haben; insbesondere aber sind die Teilnehmer der Beratungsunternehmen auf einem niedrigen Niveau relativ häufiger der Auffassung, dass zusätzliches Personal eingestellt worden ist.167 Würden Unternehmen zusätzliches Personal einstellen, könnte dies darauf hindeuten, dass Unternehmen auf die Regelung unternehmensintern reagieren und sich nicht bloß auf die Inanspruchnahme von externem Beratungs-Know-how beschränken. Hieraus würde folgen, dass diese Unternehmen höhere Personalkosten zu entrichten hätten.

166

Es besteht ein mittlerer positiver Zusammenhang: Kendall-Tau-b: + 0,404. Die Zusammenhangsstärke ist höchst signifikant. Der p-Wert beträgt p = 0,000. 167 Zwischen den Teilnehmergruppen (Unternehmen und Beratungsunternehmen) besteht zudem ein höchst signifikanter Zusammenhang im Antwortverhalten (Exakte Test nach Fisher: Der p-Wert beträgt p = 0,000).

228

C. Empirische Untersuchung

Abbildung 28: Zusätzliches Personal eingestellt

Daneben gibt es einen hoch signifikanten Zusammenhang zwischen der Position der Teilnehmer im Unternehmen und der Antwort (Chi²-Test: Der p-Wert beträgt p = 0,011). Personen aus der Steuerabteilung geben gegenüber den anderen Gruppen relativ stärker, aber dennoch in geringem Maße, an, dass Personal eingestellt worden ist, was ebenfalls (siehe Budget) mit der (fachlichen) Nähe zur Abteilung im Zusammenhang stehen kann bzw. vornehmlich Unternehmen mit einer bereits vorhandenen Steuerabteilungen neues Personal einstellen. Auch bei dieser Frage erfolgt somit eine Annäherung an die Auffassung der Teilnehmer der Beratungsunternehmen.168 Tabelle 24 Zusätzliches Personal eingestellt in Abhängigkeit zur Position Zusätzliches Personal eingestellt

Ja Nein Gesamt

Position

Gesamt

Geschäftsführer

Leiter Rewe/ Controlling/ Accounting

Steuer­ abteilung

Andere Abteilungen

4 (4,9 %)

1 (3,7 %)

14 (18,7 %)

3 (25,0 %)

22 (11,28 %)

77 (95,1 %)

26 (96,3 %)

61 (81,3 %)

9 (75,0 %)

173 (88,72 %)

81 (100,0 %)

27 (100,0 %)

75 (100,0 %)

12 (100,0 %)

195 (100,0 %)

Ferner sollten die Teilnehmer ihre Zustimmung bzw. Ablehnung zu nachfolgen­ den Aussagen ausdrücken: Inwieweit stimmen Sie nachstehenden Aussagen zu bzw. nicht zu? Aufgrund der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen … 168 Ein signifikanter Zusammenhang zwischen diesen beiden Teilnehmergruppen (Berater und Steuerabteilung) zum Antwortverhalten besteht nicht (Exakter Test nach Fisher: Der p-Wert beträgt p = 0,150).

229

IV. Durchführung und Ergebnisse der Untersuchung

–– benötigen Unternehmen zunehmend Spezialwissen für die steuerliche Gestaltung von Umstrukturierungsvorgängen; –– stehen Gestaltungsalternativen vermehrt im Fokus steuerlicher Beratung.

Abbildung 29: Spezialwissen/Gestaltungsalternativen – Beratungsunternehmen

Abbildung 30: Spezialwissen/Gestaltungsalternativen – Unternehmen Tabelle 25 Spezialwissen169 Spezialwissen Beratungsunternehmen Steuerabteilung Unternehmen 169

N

Minimum

Maximum

Mittelwert

Standard­ abweichung

218

1,00

3,00

1,3991

,50927

75

1,00

4,00

1,4800

,60090

189

1,00

4,00

1,6190

,62981

Stimme voll zu = 1, Stimme zu = 2, Weder noch = 3, Stimme nicht zu = 4, Stimme überhaupt nicht zu = 5. – Der Mittelwert bei den Teilnehmern der Beratungsunternehmen beträgt 1,3991, wodurch zum Ausdruck gelangt, dass diese im Durchschnitt eher voll zustimmen als die Teilnehmer der Steuerabteilung und der Unternehmen.

230

C. Empirische Untersuchung Tabelle 26 Gestaltungsalternativen170

Gestaltungsalternativen

N

Minimum

Maximum

Mittelwert

Standard­ abweichung

Beratungsunternehmen

216

1,00

5,00

1,9352

,78085

73

1,00

5,00

1,9863

,90513

166

1,00

5,00

2,0723

,84255

Steuerabteilung Unternehmen

Dass die Unternehmen vermehrt Spezialwissen für die steuerliche Gestaltung von Umstrukturierungsvorgängen benötigen und auch nutzen, zeigt,171 dass zum einen das Steuerrecht in diesem spezifischen Anwendungsbereich komplexer geworden ist, zum anderen die Kosten für die Unternehmen steigen, um sich das Spezialwissen entweder unternehmensintern anzueignen oder -extern einzukaufen. Jedoch verdeutlichen die Ausführungen zuvor, dass nicht überwiegend zusätzliches Personal eingestellt, sondern vornehmlich das Budget für die Verrechnungspreisberatung, inklusive Dokumentationsleistungen, erhöht worden ist sowie korrespondierend hierzu die Inanspruchnahme von Beratungs-Know-how und die Entwicklung von Beratungsleistungen gestiegen sind. Dementsprechend geben die Teilnehmer der Beratungsunternehmen, die der Zunahme von Spezialwissen voll zustimmen, an, dass die Inanspruchnahme von unternehmensexternem Beratungs-Know-how überwiegend gestiegen (88,0 %) und das Budget für die Verrechnungspreisberatung erhöht worden ist (68,7 %):172

170

Stimme voll zu = 1, Stimme zu = 2, Weder noch = 3, Stimme nicht zu = 4, Stimme überhaupt nicht zu = 5. 171 Es besteht ein signifikanter Unterschied zwischen der Zugehörigkeitsdauer der Teilnehmer der Beratungsunternehmen und der Antwort. Der p-Wert beträgt p = 0,017. H0 wird abgelehnt. So stimmen die Teilnehmer seit 2008 eher voll zu. – Teilnehmer vor 2008: 58,55 % stimmen voll zu, 41,45 % stimmen zu und 1,3 % stimmen weder zu, noch nicht zu. Teilnehmer seit 2008: 68,75 % stimmen voll zu und 31,25 % stimmen zu. – Zwischen den Teilnehmergruppen (Unternehmen und Beratungsunternehmen) besteht ein höchst signifikantes unterschiedliches Antwortverhalten (T-Test: p-Wert beträgt p = 0,000). Ein solches liegt nicht vor, wenn nur die Antworten der Teilnehmer aus der Steuerabteilung herangezogen werden. 172 Dabei besteht zwischen dem Antwortverhalten hinsichtlich der Einschätzung zum Spezialwissen und der Inanspruchnahme von unternehmensexternem Beratungs-Know-how sowie der Entwicklung des Budgets für die Verrechnungspreisberatung jeweils ein schwacher Zusammenhang (Kendall-Tau-b: + 0,171 und + 0,219). Die Zusammenhangsstärke ist jeweils (hoch) signifikant. Die p-Werte betragen p = 0,019 und p = 0,003.

IV. Durchführung und Ergebnisse der Untersuchung

231

Tabelle 27 Spezialwissen – Inanspruchnahme Beratungs-Know-how – Beratungsunternehmen Inanspruchnahme von unternehmensexternem BeratungsKnow-how

Spezialwissen für die Gestaltung von Umstrukturierungsvorgängen

Gesamt

Stimme voll zu

Stimme zu

Weder noch

Gestiegen

88,0 %

75,9 %

50,0 %

83,2 %

Konstant

12,0 %

21,5 %

50,0 %

15,9 %

Gesunken

0,0 %

2,5 %

0,0 %

0,9 %

100,0 %

100,0 %

100,0 %

100,0 %

Gesamt

Tabelle 28 Spezialwissen – Budget – Beratungsunternehmen Budget für die steuerliche Verrechnungspreisberatung erhöht

Spezialwissen für die Gestaltung von Umstrukturierungsvorgängen

Gesamt

Stimme voll zu

Stimme zu

Weder noch

Ja

68,7 %

46,0 %

50,0 %

60,6 %

Nein

31,3 %

54,0 %

50,0 %

39,4 %

100,0 %

100,0 %

100,0 %

100,0 %

Gesamt

Bei den Unternehmen ist Entsprechendes zu beobachten. Der nachstehenden Tabelle ist dies zu entnehmen: 74,7 % der Teilnehmer, die der Zunahme von Spezialwissen voll zustimmen, sind der Auffassung, dass die Inanspruchnahme von unternehmensexternem Beratungs-Know-how gestiegen ist:173

173

Zwischen den beiden Fragen besteht ein mittlerer positiver, höchst signifikanter Zusammenhang (Kendall-Tau-b + 0,315, p-Wert beträgt p = 0,000), was diese Vermutung bestätigt. Werden hingegen nur die Antworten der Steuerabteilung betrachtet, ist ein noch stärkerer Zusammenhang festzu-stellen: Kendall-Tau-b + 0,335 (p-Wert beträgt p = 0,002).

232

C. Empirische Untersuchung Tabelle 29 Spezialwissen – Inanspruchnahme Beratungs-Know-how – Unternehmen

Inanspruchnahme von unternehmensexternem BeratungsKnow-how

Spezialwissen für die Gestaltung von Umstrukturierungsvorgängen

Gesamt

Stimme voll zu

Stimme zu

Weder noch

Stimme nicht zu

Gestiegen

74,7 %

47,9 %

0 %

0 %

58,5 %

Konstant

24,1 %

48,9 %

100,0 %

100,0 %

39,3 %

Gesunken

1,2 %

3,2 %

0 %

0 %

2,2 %

100,0 %

100,0 %

100,0 %

100,0 %

Gesamt

100,0 %

Daneben sind 62,3 % der Teilnehmer, die der Zunahme von Spezialwissen voll zustimmen, der Auffassung, dass Unternehmen das Verrechnungspreisbudget erhöht haben.174 Tabelle 30 Spezialwissen – Budget – Unternehmen Budget für die steuerliche Verrechnungspreisberatung erhöht

Spezialwissen für die Gestaltung von Umstrukturierungsvorgängen Stimme voll zu

Stimme zu

Ja

62,3 %

31,8 %

66,67 %

0 %

45,8 %

Nein

37,7 %

68,2 %

33,33 %

100,0 %

54,2 %

100,0 %

100,0 %

100,0 %

100,0 %

Gesamt

Weder noch

Gesamt

100,0 %

Stimme nicht zu

Aber auch bei dieser Frage gibt es einen signifikanten Unterschied im Antwortverhalten je nach Position des Teilnehmers im Unternehmen (Varianzanalyse, p-Wert beträgt p = 0,047). Vor allem stimmen die Personen der Steuerabteilung der Aussage voll zu.

174

Zwischen den beiden Fragen besteht ein mittlerer positiver, höchst signifikanter Zusammenhang (Kendall-Tau-b + 0,294, p-Wert beträgt p = 0,000). Werden hingegen nur die Antworten der Steuerabteilung betrachtet, ist ein schwächerer Zusammenhang festzustellen: Kendall-Tau-b + 0,260 (p-Wert beträgt p = 0,027).

IV. Durchführung und Ergebnisse der Untersuchung

233

Tabelle 31 Spezialwissen in Abhängigkeit zur Position Spezialwissen

Position

Gesamt

Geschäftsführer

Leiter Rewe/ Controlling/ Accounting

Steuer­ abteilung

Andere Abteilung

Stimme voll zu

27 (34,6 %)

11 (44,0 %)

42 (56,0 %)

3 (27,3 %)

83 (43,9 %)

Stimme zu

46 (59,0 %)

14 (56,0 %)

31 (41,3 %)

8 (72,7 %)

99 (52,4 %)

Weder noch

2 (2,6 %)

0 (0 %)

1 (1,3 %)

0 (0 %)

3 (1,6 %)

Stimme nicht zu

3 (3,8 %)

0 (0 %)

1 (1,3 %)

0 (0 %)

4 (2,1 %)

Gesamt

78 (100,0 %)

25 (100,0 %)

75 (100,0 %)

11 (100,0 %)

189 (100,0 %)

Die Angabe, dass vornehmlich Gestaltungsalternativen vermehrt im Fokus der Beratung stehen, kann darauf hindeuten, dass Unternehmen aktiv auf die Regelung reagieren und versuchen, ihre Handlungen steuerlich zu optimieren, was zugleich zu einem Anstieg der (Steuerplanungs-)Kosten führen kann. Desgleichen wird deutlich, dass die Regelung dahingehend eine Entscheidungswirkung entfaltet, dass Unternehmen Verlagerungsvorgänge versuchen steuerlich zu gestalten.175 Im Rahmen der offenen Frage wurde ebenfalls angegeben, dass die Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen im Besonderen die Gestaltung der Verlagerung beeinflusst, allerdings nicht die Verlagerung selbst. Hingegen sei es ebenfalls wahrscheinlich, dass Funktionsverlagerungen als solche gar nicht von der Unternehmensleitung erkannt werden und somit keine Maßnahmen eingeleitet werden können. Bei den Beratungsunternehmen ist zugleich festzustellen, dass diejenigen, die der Aussage, dass Gestaltungsalternativen vermehrt im Fokus steuerlicher Beratung stehen, (voll) zustimmen, der Auffassung sind, dass Unternehmen das Budget für die steuerliche Verrechnungspreisberatung erhöht haben (80,8 % und 54,3 %).

175

Ein T-Test offenbart kein signifikantes Ergebnis. Jedoch beträgt der Mittelwert bei den Teilnehmern der Beratungsunternehmen 1,9352, wodurch zum Ausdruck gelangt, dass diese im Durchschnitt eher voll zustimmen als die Teilnehmer der Steuerabteilung und der Unternehmen.

234

C. Empirische Untersuchung

Hintergrund könnte sein, dass eine ansteigende Gestaltungsberatung zu höheren Kosten für die Unternehmen führt.176 Tabelle 32 Gestaltungsalternativen – Budget – Beratungsunternehmen Budget für die steuerliche Verrechnungspreisberatung erhöht

stehen Gestaltungsalternativen vermehrt im Fokus steuerlicher Beratung

Gesamt

Stimme voll zu

Stimme zu

Weder noch

Stimme nicht zu

Stimme überhaupt nicht zu

Ja

80,8 %

54,3 %

47,8 %

57,1 %

0 %

60,8 %

Nein

19,2 %

45,7 %

52,2 %

42,9 %

100,0 %

39,2 %

100,0 %

100,0 %

100,0 %

100,0 %

100,0 %

100,0 %

Gesamt

Daneben wurde eruiert, ob zwischen dem Antwortverhalten bzgl. des administrativen und des monetären Aufwands ein Zusammenhang besteht: Erwarten die Personen, die einen Anstieg der Bedeutung und des Umfanges der Dokumentation von Umstrukturierungsvorgängen sehen auch einen Anstieg des monetären Aufwands? Es ist zu vermuten, dass jeweils ein Zusammenhang zwischen der Bedeutung und dem Umfang der Dokumentation zur Einstellung von Personal für die steuerliche Gestaltung von Verrechnungspreisen, der Inanspruchnahme von Beratungs-Know-how, der Entwicklung der Beratungsleistungen und insbesondere dem Budget für die steuerliche Verrechnungspreisberatung besteht, um der gestiegenen Bedeutung der Dokumentation und der gestiegenen Arbeitsbelastung aufgrund des gestiegenen Umfanges der Dokumentation zu entsprechen. Jedoch ist als Einschränkung zu beachten, dass bei den Fragen zum monetären Aufwand – außer bei der Frage bzgl. der Erhöhung des Budgets – nach der Gestaltung und nicht der Dokumentation von Verrechnungspreisen für Verlagerungsvorgänge gefragt worden ist. Dennoch erscheint es berechtigt, einen Zusammenhang zu vermuten, da die Dokumentation prinzipiell mit einer Beratung und somit einer Gestaltung einhergehen kann. a) H0: Es besteht keine Korrelation zwischen der Auffassung zur Bedeutung (zum Umfang) der Dokumentation und zur Einstellung von Personal für die steuer­ liche Gestaltung von Verrechnungspreisen. H1: Es besteht eine Korrelation zwischen der Auffassung zur Bedeutung (zum Umfang) der Dokumentation und zur Einstellung von Personal für die steuer­ liche Gestaltung von Verrechnungspreisen. 176 Zwischen den beiden Fragen lässt sich auch ein schwacher positiver (Kendall-Tau-b: + 0,245) Zusammenhang feststellen. Die Zusammenhangsstärke ist höchst signifikant. Der p-Wert beträgt p = 0,000.

IV. Durchführung und Ergebnisse der Untersuchung

235

b) H0: Es besteht keine Korrelation zwischen der Auffassung zur Bedeutung (zum Umfang) der Dokumentation und dem Budget für die steuerliche Verrechnungspreisberatung. H1: Es besteht eine Korrelation zwischen der Auffassung zur Bedeutung (zum Umfang) der Dokumentation und dem Budget für die steuerliche Verrechnungspreisberatung. c) H0: Es besteht keine Korrelation zwischen der Auffassung zur Bedeutung (zum Umfang) der Dokumentation und der Inanspruchnahme von Beratungs-Knowhow. H1: Es besteht eine Korrelation zwischen der Auffassung zur Bedeutung (zum Umfang) der Dokumentation und der Inanspruchnahme von Beratungs-Knowhow. d) H0: Es besteht keine Korrelation zwischen der Auffassung zur Bedeutung (zum Umfang) der Dokumentation und der Entwicklung der Beratungsleistungen. H1: Es besteht eine Korrelation zwischen der Auffassung zur Bedeutung (zum Umfang) der Dokumentation und der Entwicklung der Beratungsleistungen. Nachstehender Tabelle 33 ist für die Beratungsunternehmen zu entnehmen, dass lediglich zur Inanspruchnahme von Beratungs-Know-how eine schwache, aber signifikante Korrelation besteht, sodass nur die H0 (c) abzulehnen ist. Je mehr also der administrative Aufwand (in Form der Bedeutung und des Umfanges der Dokumentation) für die Unternehmen steigt, desto mehr wird externes Beratungs-Know-how in Anspruch genommen. Da lediglich ein sehr schwacher Zusammenhang gegeben ist, ist eine Erhöhung der Inanspruchnahme nur in einem sehr geringen Umfang auf einen gestiegenen administrativen Aufwand zurückzuführen. Bei den Unternehmen indessen besteht zwischen der Bedeutung der Dokumentation und sowohl der Inanspruchnahme als auch dem Budget für die steuerliche Verrechnungspreisberatung jeweils ein schwacher, aber signifikanter Zusammenhang. Gleiches gilt für den Umfang der Dokumentation, jedoch sind die Zusammenhänge stärker. Im Gegensatz zu den Angaben der Teilnehmer der Beratungsunternehmen besteht daher ein Zusammenhang zwischen der administrativen Belastung und der Entwicklung des Budgets: Je mehr der administrative Aufwand für die Unternehmen steigt, desto mehr wird das Budget für die steuerliche Verrechnungspreisberatung, inklusive Dokumentationsleistungen, erhöht. Da lediglich ein schwacher Zusammenhang gegeben ist, ist eine Budgeterhöhung nur in einem geringen Umfang auf einen gestiegenen administrativen Aufwand zurückzuführen.

236

C. Empirische Untersuchung Tabelle 33 Korrelation administrativer und monetärer Aufwand – Beratungsunternehmen Inanspruchnahme Beratungs-Know-how Bedeutung Dokumentation

Korrelationskoeffizient Kendall-Tau-b

,154*

Sig. (2-seitig)

,023

N Umfang Dokumentation

217

Korrelationskoeffizient Kendall-Tau-b

,220**

Sig. (2-seitig)

,001

N

218

*  Die Korrelation ist auf dem 0,05 Niveau signifikant (zweiseitig). **  Die Korrelation ist auf dem 0,01 Niveau signifikant (zweiseitig).

Tabelle 34 Korrelation administrativer und monetärer Aufwand – Unternehmen Inanspruchnahme Beratungs-Know-how Bedeutung Dokumentation

Korrelationskoeffizient Kendall-Tau-b

,362**

,232**

Sig. (2-seitig)

,000

,003

N Umfang Dokumentation

Budget für steuer­ liche Verrechnungspreisberatung erhöht

183

165

Korrelationskoeffizient Kendall-Tau-b

,403**

,245**

Sig. (2-seitig)

,000

,002

N

185

169

**  Die Korrelation ist auf dem 0,01 Niveau signifikant (zweiseitig).

Abschließend ist festzuhalten, dass die Teilnehmer der durchgeführten Fragebogenstudie überwiegend der Auffassung sind, dass der administrative Aufwand aufgrund der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen gestiegen ist. Bei der Beurteilung des monetären Aufwands sind die Teilnehmer zumeist der An-

IV. Durchführung und Ergebnisse der Untersuchung

237

sicht, dass die Inanspruchnahme von unternehmensexternem Beratungs-Knowhow seit der Etablierung der Regelung gestiegen ist, sich Unternehmen bei der steuerlichen Gestaltung von Verrechnungspreisen, insbesondere zu Umstrukturierungsvorgängen, unternehmensextern beraten lassen, Unternehmen vermehrt Spezialwissen für die steuerliche Gestaltung von Umstrukturierungsvorgängen benötigen und Gestaltungsalternativen vermehrt im Fokus der Beratung stehen. Jedoch ist bei der Interpretation der Ergebnisse zu beachten, dass diese nicht nur auf die deutsche Entwicklung zurückzuführen sein dürften, da auch international die Anforderungen zu diesem Themenbereich steigen. Um die Ergebnisse abschließend komprimiert zu verdeutlichen, wird das Antwortverhalten der jeweiligen Teilnehmer als Muster betrachtet. Hierdurch wird ersichtlich, dass 83,78 % (68,93 %) der Teilnehmer der Beratungsunternehmen (Unternehmen) einen gestiegenen administrativen Aufwand und 78,30 % (54,37 %) überwiegend einen gestiegenen monetären Aufwand aufgrund der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen sehen. Hierfür wurde das Antwortverhalten der Teilnehmer einzeln ausgewertet, um dieses zu kategorisieren. Die Einstellung der Teilnehmer hinsichtlich des administrativen Aufwands wird anhand folgender Fragen beurteilt: –– Bedeutung der Dokumentation grenzüberschreitender, konzerninterner Umstrukturierungsvorgänge und –– Umfang der Verrechnungspreisdokumentation. Wenn ein Teilnehmer beide Fragen mit gestiegen beantwortet hat, erhielt dieser den Wert 2 und erachtet den administrativbedingten Aufwand als gestiegen. Wer eine Frage mit gestiegen beantwortet hat, erhielt den Wert 1 und wer keine mit gestiegen beantwortet hat, erhielt den Wert 0. Diese Teilnehmer sind nicht der Auffassung, dass der administrativbedingte Aufwand (in dem hier verstandenen Sinne) überwiegend gestiegen ist.

Abbildung 31: Administrativer Aufwand – Unternehmen/Beratungsunternehmen

Allerdings wird deutlich, dass sich das Antwortverhalten der Teilnehmer der Beratungsunternehmen von dem der Unternehmen unterscheidet. Erstere erachten

238

C. Empirische Untersuchung

relativ stärker einen gestiegenen administrativen Aufwand. Dabei zeigt auch ein T-Test ein höchst signifikantes Ergebnis (der p-Wert beträgt p = 0,000). Bei einer Gruppenanalyse der Unternehmen wird zudem (wie bei der Analyse der Einzelfragen) ein verschiedenes Antwortverhalten der einzelnen Gruppen (nach Position) offensichtlich. So tendieren Personen aus der Steuerabteilung relativ vermehrt dazu beide Fragen mit gestiegen zu beantworten: Einen Anstieg des administrativen Aufwands sehen 81,8 % der Teilnehmer der Steuerabteilung. Werden die Antworten der Steuerabteilung mit den Antworten der Beratungsunternehmen verglichen, zeigt sich kein signifikanter Unterschied. Tabelle 35 Gruppenstatistik (I) Administrativer Aufwand

N

Mittelwert

Standardabweichung

Unternehmen

206

1,5049

,78862

Beratungsunternehmen

222

1,7883

,51691

77

1,7403

,59389

Steuerabteilung

Tabelle 36 Administrativer Aufwand in Abhängigkeit zur Position Wert

Position

Gesamt

Geschäftsführer

Leiter Rewe/ Controlling/ Accounting

Steuer­ abteilung

Andere Abteilungen

Wert 0

20,5 %

24,1 %

7,8 %

47,1 %

18,4 %

Wert 1

15,7 %

6,9 %

10,4 %

17,6 %

12,6 %

Wert 2

63,9 %

69,0 %

81,8 %

35,3 %

68,9 %

Gesamt

100,0 %

100,0 %

100,0 %

100,0 %

100,0 %

Die Einstellung der Teilnehmer bzgl. des monetären Aufwands wird mit folgenden Fragen beurteilt: –– Inanspruchnahme von unternehmensexternem Beratungs-Know-how für die steuerliche Gestaltung von Verrechnungspreisen für grenzüberschreitende Umstrukturierungsvorgänge; –– zusätzlich eigenes Personal für die steuerliche Gestaltung von Verrechnungspreisen eingestellt;

IV. Durchführung und Ergebnisse der Untersuchung

239

–– Budget für die steuerliche Verrechnungspreisberatung, inklusive Dokumenta­ tionsleistungen, seit dem Jahr 2008 erhöht; –– benötigen Unternehmen zunehmend Spezialwissen für die steuerliche Gestaltung von Umstrukturierungsvorgängen und –– stehen Gestaltungsalternativen vermehrt im Fokus steuerlicher Beratung. Wenn ein Teilnehmer mindestens 3 der 5 Fragen im entsprechenden Sinne beantwortet hat,177 erhielt dieser den Wert 3 und wurde der Gruppe der Teilnehmer zugeordnet, die überwiegend einen gestiegenen monetären Aufwand aufgrund der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen sieht.178 54,37 % der Teilnehmer der Unternehmen sehen demzufolge überwiegend einen gestiegenen monetären Aufwand, was sich deutlich von den Angaben der Teilnehmer der Beratungsunternehmen unterscheidet (78,30 %).179

Abbildung 32: Monetärer Aufwand – Unternehmen/Beratungsunternehmen

Wiederum zeigt sich bei einer Gruppenanalyse der Unternehmen ein über die Teilnehmergruppen (nach Position) hinweg verschiedenes Antwortverhalten. Anhand einer Varianzanalyse lässt sich aufzeigen, dass das Antwortmuster im Zusammenhang mit der Position der Teilnehmer steht. Teilnehmer der Steuerabteilung tendieren relativ vermehrt dazu, die Fragen hinsichtlich des monetären Aufwands im entsprechenden Antwortmuster zu beantworten (68,9 %), was zu den Ergebnissen der Teilnehmer der Beratungsunternehmen vergleichbar ist.180 177

Anstieg der Inanspruchnahme von Beratungs-Know-how, Zustimmung hinsichtlich der Einstellung von Personal, Erhöhung des Budgets für die steuerliche Verrechnungspreisberatung, Notwendigkeit von Spezialwissen und Gestaltungsalternativen im Fokus der Beratung. 178 Wer weniger als 3 der 5 Fragen im entsprechenden Sinn beantwortet hat, wurde der Gruppe zugeordnet, die überwiegend nicht der Auffassung sind, dass sich Unternehmen einem gestiegenen monetären Aufwand aufgrund der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen gegenüber sehen. 179 Ein T-Test zeigt ein höchst signifikantes Ergebnis (der p-Wert beträgt p = 0,000). 180 Ein T-Test offenbart keine signifikanten Unterschiede im Antwortverhalten.

240

C. Empirische Untersuchung Tabelle 37 Gruppenstatistik (II)

Monetärer Aufwand

N

Mittelwert

Standardabweichung

Unternehmen

206

2,5340

1,34212

Beratungsunternehmen

222

3,3018

1,08628

77

3,0519

1,22363

Steuerabteilung

Abbildung 33: Monetärer Aufwand – Steuerabteilung/Beratungsunternehmen

c) Einfluss der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen auf die Rechtssicherheit – Präzisierung des Fremdvergleichsgrundsatzes Im Rahmen dieses Abschnitts soll der Frage nachgegangen werden, ob mit der Etablierung der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen eine Präzisierung des Fremdvergleichsgrundsatzes erfolgt und die Regelung demnach auch unmittelbar zur Rechtssicherheit beiträgt. Die Teilnehmer sollten einschätzen, wie sich die Akzeptanz von Verrechnungspreisen für Verlagerungsvorgänge wirtschaftlicher Aktivitäten im Ausland seit Einführung der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen entwickelt hat. Würde die Akzeptanz gestiegen sein, könnte die Regelung dazu beitragen, dass weniger Verrechnungspreiskorrekturen im Rahmen von Betriebsprüfungen im Ausland erfolgen, wodurch diesbezüglich die Planungssicherheit für die Unternehmen gesteigert werden könnte. Wie der Abbildung 34 zu entnehmen ist, erachten die Teilnehmer die Akzeptanz von Verrechnungspreisen für Verlagerungsvorgänge jedoch überwiegend als unverändert. Hintergrund könnte sein, dass unabhängig von einer etwaigen Regelung Verrechnungspreisangelegenheiten nicht eindeutig lösbar sind, da es den einen richtigen Verrechnungspreis nicht gibt.

241

IV. Durchführung und Ergebnisse der Untersuchung

Abbildung 34: Akzeptanz von Verrechnungspreisen für Verlagerungsvorgänge

Bei dieser Frage ist ebenfalls festzustellen, dass es einen hoch signifikanten Zusammenhang zwischen der Position im Unternehmen und der Antwort gibt (Chi²Test: p-Wert beträgt p = 0,004). Speziell wird deutlich, dass die Teilnehmer der Steuerabteilung diese Frage vermehrt mit gesunken (20,9 %) und weniger mit gestiegen (13,4 %) beantworten als die anderen Gruppen.181 Es wird offensichtlich, dass die Teilnehmer, die dem Themengebiet fachlich nahe stehen, die Regelung skeptischer betrachten als andere Teilnehmer. Tabelle 38 Positionen/Akzeptanz von Verrechnungspreisen für Verlagerungsvorgänge Akzeptanz von Verrechnungspreisen für Verlagerungsvorgänge

Geschäftsführer

Leiter Rewe/ Controlling/ Accounting

Steuer­ abteilung

Andere Abteilung

Gestiegen

15 (20,8 %)

4 (19,0 %)

9 (13,4 %)

7 (63,6 %)

35 (20,5 %)

Konstant

49 (68,1 %)

16 (76,2 %)

44 (65,7 %)

4 (36,4 %)

113 (66,1 %)

Gesunken

8 (11,1 %)

1 (4,8 %)

14 (20,9 %)

0 (0 %)

23 (13,5 %)

Gesamt

Position

Gesamt

72 (100,0 %) 21 (100,0 %) 67 (100,0 %) 11 (100,0 %) 171 (100,0 %)

Es ist zu vermuten, dass diejenigen, die die Akzeptanz von Verrechnungs­ preisen als gesunken erachten, angegeben haben, dass Funktionsverlagerungen 181

Es besteht ein hoch signifikanter Zusammenhang zwischen der Teilnehmergruppe (Unter­nehmen und Beratungsunternehmen) und dem Antwortverhalten (Chi²-Test: p-Wert beträgt p = 0,008). Hingegen nicht bei der Betrachtung Steuerabteilung und Beratungsunternehmen (Chi²-Test, der p-Wert beträgt p = 0,111).

242

C. Empirische Untersuchung

unterlassen bzw. reduziert worden sind:182 Die Einschätzung hinsichtlich der Akzeptanz könnte auf die Entscheidung über einen Verlagerungsvorgang Einfluss haben. So sind 30,56 % der Teilnehmer, die angegeben haben, dass Verlagerungsvorgänge unterlassen worden sind, der Auffassung, dass die Akzeptanz von Verrechnungspreisen gesunken ist. Bei denjenigen hingegen, die angegeben haben, dass Verlagerungsvorgänge nicht unterlassen worden sind, sind es 23,48 %. Ebenfalls ist diese Gruppe relativ vermehrt der Ansicht, dass die Akzeptanz von Verrechnungspreisen gestiegen ist (25,22 % gegenüber 16,67 %). Jedoch besteht zwischen den beiden Fragen kein Zusammenhang. Tabelle 39 Akzeptanz von Verrechnungspreisen – Verlagerungsvorgänge unterlassen Verlagerungsvorgänge unterlassen bzw. reduziert

Akzeptanz von Verrechnungspreisen

Gesamt

Gestiegen

Konstant

Gesunken

Ja

6 (16,67 %)

19 (52,78 %)

11 (30,56 %)

36 (100,0 %)

Nein

29 (25,22 %)

59 (51,30 %)

27 (23,48 %)

115 (100,0 %)

Gesamt

35 (23,18 %)

78 (51,66 %)

38 (25,17 %)

151 (100,0 %)

Des Weiteren sollten die Teilnehmer ihre Zustimmung zu verschiedenen Aussagen ausdrücken: Inwieweit stimmen Sie nachstehenden Aussagen zu bzw. nicht zu? Aufgrund der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen … –– existieren konkrete steuerrechtliche Vorgaben hinsichtlich der Durchführung von Funktionsverlagerungen; –– existieren für die Praxis geeignete steuerrechtliche Vorgaben hinsichtlich der Durchführung von Funktionsverlagerungen; –– verfolgt Deutschland einen der OECD entsprechenden Ansatz. Konkrete steuerrechtliche Vorgaben hinsichtlich der Durchführung von Funktionsverlagerungen könnten dazu beitragen, Rechtssicherheit für die Unternehmen zu schaffen, da dann sowohl die Unternehmen als auch die Finanzverwaltung eine eindeutige rechtliche Handlungsbasis zur Beurteilung solcher Vorgänge zur Verfügung hätten.183 Den Antworten ist zu entnehmen, dass die Teilnehmer der Aus 182 Dieser Frage wurde nur für die Beratungsunternehmen nachgegangen, da bei den Unternehmen zu wenige Teilnehmer angegeben haben, dass Verlagerungsvorgänge unterlassen worden sind. 183 Werden die Antworten hinsichtlich der Beurteilung, ob konkrete Vorgaben gegeben sind, der Steuerabteilung, der Beratungsunternehmen sowie der Unternehmen gegenübergestellt, ist festzustellen, dass die Antworten eine gleiche Tendenz aufweisen. Ein T-Test zur Frage Konkrete Vorgaben offenbart daher auch kein signifikantes Ergebnis.

IV. Durchführung und Ergebnisse der Untersuchung

243

Abbildung 35: Konkrete Vorgaben

sage, dass nun konkrete steuerrechtliche Vorgaben hinsichtlich der Durchführung von Funktionsverlagerungen existieren, sowohl zustimmen als auch ablehnen, obwohl in der Literatur z. T. davon ausgegangen wird, dass aufgrund der Verwaltungsgrundsätze Funktionsverlagerung genaue Angaben existieren, an die sich die Steuerpflichtigen halten sollten.184 Dabei zeigt aber ein Binomialtest mit einem Testanteil von 0,5 sowohl bei den Unternehmen als auch bei den Beratungsunternehmen ein nicht signifikantes Ergebnis. Tabelle 40 Zusammenfassende Übersicht – Konkrete Vorgaben185 Konkrete Vorgaben Beratungsunternehmen Steuerabteilung Unternehmen

N

Minimum

Maximum

Mittelwert

Standard­ abweichung

216

1,00

5,00

3,0787

1,17268

73

1,00

5,00

3,0822

1,11497

170

1,00

5,00

2,9941

1,04058

Eindeutig hingegen ist die überwiegende Ablehnung zur Aussage, dass für die Praxis geeignete steuerrechtliche Vorgaben bzgl. der Durchführung von Funktionsverlagerungen existieren.186 Auch vor allem ablehnend wird die Aussage beurteilt, dass Deutschland einen der OECD entsprechenden Ansatz verfolgt. So 184

Vgl. u. a. Crüger/Riedl (2011), S. 203. Stimme voll zu = 1, Stimme zu = 2, Weder noch = 3, Stimme nicht zu = 4, Stimme überhaupt nicht zu = 5. 186 Werden die Antworten hinsichtlich der Beurteilung, ob die Regelung praxisgeeignet ist, der Steuerabteilung, der Beratungsunternehmen sowie der Unternehmen gegenübergestellt, ist festzustellen, dass die Antworten eine gleiche Tendenz aufweisen. Ein T-Test zur Frage praxisgeeignet offenbart daher auch kein signifikantes Ergebnis. 185

244

C. Empirische Untersuchung

mit wird die Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen vornehmlich als praxisfremd und von den Teilnehmern der Beratungsunternehmen187 divergierend zum OECD-Ansatz gesehen, was darauf hindeutet, dass diesbzgl. die beabsichtigte Etablierung von Rechtssicherheit nicht erfolgt ist. Ist die Regelung in der Praxis nicht umsetzbar, kann dies zu Auseinandersetzungen in der Betriebsprüfung führen, da die Betriebsprüfer an die (theoretischen) Vorgaben der Finanzverwaltung gebunden sind. Impraktikables Recht kann zudem nicht gleichmäßig angewendet werden und führt deshalb zu Rechtsunsicherheit. Verfolgt Deutschland ferner keinen der OECD entsprechenden Ansatz, kann der Steuerpflichtige seine Steuerzahllast nicht hinreichend im Vorhinein berechnen, da im Rahmen von Betriebsprüfungen im Ausland nicht vorhersehbare Korrekturen erfolgen können.

Abbildung 36: Praxisgeeignet

Abbildung 37: OECD-Ansatz 187 Das Ergebnis der Teilnehmer der Unternehmen hinsichtlich der Einschätzung zum OECDAnsatz ist im Rahmen eines Binomialtests mit einem Testanteil von 0,5 nicht signifikant.

245

IV. Durchführung und Ergebnisse der Untersuchung Tabelle 41 Zusammenfassende Übersicht – Praxisgeeignet188 Praxisgeeignet Beratungsunternehmen Steuerabteilung Unternehmen

N

Minimum

Maximum

Mittelwert

Standard­ abweichung

217

1,00

5,00

3,5760

1,07797

72

1,00

5,00

3,6667

1,02091

169

1,00

5,00

3,4556

1,06881

Tabelle 42 Zusammenfassende Übersicht – OECD entsprechender Ansatz189 OECD entsprechender Ansatz

N

Minimum

Maximum

Mittelwert

Standard­ abweichung

Beratungsunternehmen

182

1,00

5,00

3,3846

1,09008

Steuerabteilung

64

2,00

5,00

3,4688

,95898

Unternehmen

108

2,00

5,00

3,1204

1,00203

Relativ mehr Teilnehmer der Beratungsunternehmen erachten die Regelung als nicht praxisgeeignet, die angegeben haben, dass Verlagerungsvorgänge aufgrund der Regelung unterlassen bzw. reduziert worden sind (78,30 % gegenüber 58,0 %). Dabei hat die Einstellung hinsichtlich der Beurteilung, ob die Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen in der Praxis geeignet ist, einen nur sehr geringen Einfluss darauf, dass Verlagerungsvorgänge unterlassen werden.190 Tabelle 43 Praxisgeeignet – Verlagerungsvorgänge unterlassen Verlagerungsvorgänge unterlassen bzw. reduziert

Praxisgeeignet

Gesamt

Stimme voll zu

Stimme zu

Weder noch

Stimme nicht zu

Stimme überhaupt nicht zu

Ja

5,4 %

13,5 %

2,7 %

48,6 %

29,7 %

100,0 %

Nein

3,8 %

18,3 %

19,8 %

42,0 %

16,0 %

100,0 %

Gesamt

4,2 %

17,3 %

16,1 %

43,5 %

19,0 %

100,0 %

188 Stimme voll zu = 1, Stimme zu = 2, Weder noch = 3, Stimme nicht zu = 4, Stimme überhaupt nicht zu = 5. 189 Stimme voll zu = 1, Stimme zu = 2, Weder noch = 3, Stimme nicht zu = 4, Stimme überhaupt nicht zu = 5. 190 Der Zusammenhang ist sehr schwach: Kendall-Tau-b beträgt + 0,148. Dafür ist die Stärke des Zusammenhangs signifikant. Der p-Wert beträgt p = 0,042.

246

C. Empirische Untersuchung

Wenn sich zudem der deutsche Ansatz vom OECD-Ansatz unterscheidet, wird eine international einheitliche Behandlung solcher Transaktionen möglicherweise unterbleiben, was für die Unternehmen bedeutet, dass etwaige hieraus resultierende Doppelbesteuerungen im Wege von Verständigungs- oder Schiedsverfahren zu lösen sind.191 Jedoch beklagen Unternehmen die zunehmende Doppelbesteuerung derselben Gewinne, „da eine Verständigung der beteiligten nationalen Fisci auf dieselben Verrechnungspreise nicht immer gelinge.“192 Der Aussage bzgl. der Einschätzung der Übereinstimmung des deutschen Ansatzes mit dem Ansatz der OECD stimmen relativ mehr Teilnehmer zu, die nicht angegeben haben, dass Verlagerungsvorgänge unterlassen bzw. reduziert worden sind. Dabei hat die Einstellung hinsichtlich der Beurteilung, ob Deutschland einen der OECD entsprechenden Ansatz verfolgt, keinen Einfluss darauf, dass Verlagerungsvorgänge unterlassen werden.193 Tabelle 44 OECD entsprechender Ansatz – Verlagerungsvorgänge unterlassen Verlagerungsvorgänge unterlassen bzw. reduziert

OECD entsprechender Ansatz

Gesamt

Stimme voll zu

Stimme zu

Weder noch

Stimme nicht zu

Stimme überhaupt nicht zu

Ja

2,9 %

11,4 %

25,7 %

45,7 %

14,3 %

100,0 %

Nein

5,6 %

24,3 %

15,0 %

41,1 %

14,0 %

100,0 %

Gesamt

4,9 %

21,1 %

17,6 %

42,3 %

14,1 %

100,0 %

Es ist zu vermuten, dass diejenigen, die angegeben haben, dass mit der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen ein der OECD entsprechender Ansatz verfolgt wird, auch angegeben haben, dass die Akzeptanz von Verrechnungspreisen für Verlagerungsvorgänge gestiegen ist. Zwar ist der nachstehenden Tabelle zu entnehmen, dass v. a. Teilnehmer der Beratungsunternehmen, die der Aussage zum OECD-Ansatz voll zustimmen (weder noch zustimmen), die Akzeptanz von Verrechnungspreisen überwiegend als gestiegen (konstant) ansehen; dennoch ist kein Zusammenhang gegeben.194 Die Akzeptanz von Verrechnungspreisen für Verlagerungsvorgänge und die Übereinstimmung mit dem OECD-Ansatz werden unabhängig voneinander beurteilt.

191 Es werden Doppelbesteuerungen und damit verbunden ein Anstieg von Verständigungsverfahren erwartet. Vgl. hierzu u. a. PwC (2011), S. 48. 192 Kiesewetter (2005), S. 1. 193 Kendall-Tau-b beträgt + 0,070. Dabei ist diese geringe Zusammenhangsstärke auch nicht signifikant. Der p-Wert beträgt p = 0,328. 194 Kendall-Tau-b beträgt + 0,098. Dabei ist diese geringe Zusammenhangsstärke auch nicht signifikant. Der p-Wert beträgt p = 0,187.

IV. Durchführung und Ergebnisse der Untersuchung

247

Tabelle 45 OECD entsprechender Ansatz – Akzeptanz von Verrechnungspreisen – Beratungsunternehmen Akzeptanz von Verrechnungspreisen

OECD entsprechender Ansatz

Gesamt

Stimme voll zu

Stimme zu

Weder noch

Stimme nicht zu

Stimme überhaupt nicht zu

Gestiegen

4 (57,1 %)

8 (20,5 %)

5 (16,7 %)

15 (23,4 %)

7 (31,8 %)

39 (24,1 %)

Konstant

2 (28,6 %)

24 (61,5 %)

21 (70,0 %)

30 (46,9 %)

6 (27,3 %)

83 (51,2 %)

Gesunken

1 (14,3 %)

7 (17,9 %)

4 (13,3 %)

19 (29,7 %)

9 (40,9 %)

40 (24,7 %)

Gesamt

7 (100,0 %)

39 (100,0 %)

30 (100,0 %)

64 (100,0 %)

22 (100,0 %)

162 (100,0 %)

Tabelle 46 OECD entsprechender Ansatz – Akzeptanz von Verrechnungspreisen – Unternehmen Akzeptanz von Verrechnungspreisen

OECD entsprechender Ansatz

Gesamt

Stimme zu

Weder noch

Stimme nicht zu

Stimme überhaupt nicht zu

Gestiegen

10 (27,0 %)

3 (16,7 %)

4 (11,8 %)

0 (0,0 %)

17 (17,7 %)

Konstant

23 (62,2 %)

14 (77,8 %)

24 (70,6 %)

2 (28,6 %)

63 (65,6 %)

Gesunken

4 (10,8 %)

1 (5,6 %)

6 (17,6 %)

5 (71,4 %)

16 (16,67 %)

Gesamt

37 (100,0 %)

18 (100,0 %)

34 (100,0 %)

7 (100,0 %)

96 (100,0 %)

Werden die Angaben der Teilnehmer der Unternehmen betrachtet, ist festzustellen, dass Teilnehmer, die der Aussage zum OECD-Ansatz überhaupt nicht zustimmen (weder noch zustimmen) die Akzeptanz von Verrechnungspreisen überwiegend als gesunken (konstant) ansehen, wobei – im Gegensatz zu den Beratungsunternehmen – ein Zusammenhang gegeben ist.195 Die Übereinstimmung 195

Kendall-Tau-b beträgt + 0,280. Dabei ist diese Zusammenhangsstärke signifikant. Der p-Wert beträgt p = 0,004. Bei der Steuerabteilung liegt zwar auch noch ein schwacher, positiver Zusammenhang vor. Jedoch ist dessen Stärke nicht signifikant (Kendall-Tau-b beträgt + 0,246; p = 0,081).

248

C. Empirische Untersuchung

mit dem OECD-Ansatz und die Akzeptanz von Verrechnungspreisen für Verlagerungsvorgänge werden nicht unabhängig voneinander beurteilt; zumindest geht eine Ablehnung bzgl. des OECD-Ansatzes mit einer gesunkenen Akzeptanz einher. Bei den Fragen hinsichtlich der Beurteilung, ob die Regelung zur Besteuerung praxisgeeignet ist und Deutschland einen der OECD entsprechenden Ansatz verfolgt, ist abermals festzustellen, dass es einen (höchst) signifikanten Zusammenhang zwischen der Position im Unternehmen und der Antwort gibt (p-Werte im Rahmen einer Varianzanalyse betragen p = 0,017 sowie p = 0,000). Vor allem wird deutlich, dass die Personen aus der Steuerabteilung – im Gegensatz zu den anderen Gruppen – beiden Fragen überwiegend (überhaupt) nicht zustimmen, wohingegen die Geschäftsführer der Aussage bzgl. der OECD überwiegend zustimmen. Erneut schätzen die Teilnehmer, die fachlich dem Thema nahe bzw. näher stehen sollten, die Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen kritischer ein als andere Teilnehmer. Hintergrund könnte sein, dass sich die spezielle Teilnehmergruppe vermehrt und intensiver mit dem speziellen Themenbereich sowohl praktisch als auch theoretisch beschäftigt, was eine divergierende Schlussfolgerung erlaubt. Erneut antworten die Teilnehmer der Steuerabteilung vergleichbar zu den Teilnehmern der Beratungsunternehmen, wobei mehr Personen aus der Steuerabteilung die Aussage zum OECD-Ansatz ablehnen.196 Tabelle 47 Position/Praxisgeeignet Praxisgeeignet

Position

Gesamt

Geschäftsführer

Leiter Rewe/ Controlling/ Accounting

Steuer­ abteilung

Andere Abteilung

Stimme voll zu

1 (1,5 %)

0 (0 %)

1 (1,4 %)

1 (12,5 %)

3 (1,8 %)

Stimme zu

17 (26,2 %)

5 (20,8 %)

12 (16,7 %)

5 (62,5 %)

39 (23,1 %)

Weder noch

15 (23,1 %)

6 (25,0 %)

11 (15,3 %)

0 (0 %)

32 (18,9 %)

Stimme nicht zu

23 (35,4 %)

10 (41,7 %)

34 (47,2 %)

1 (12,5 %)

68 (40,2 %)

Stimme überhaupt nicht zu

9 (13,8 %)

3 (12,5 %)

14 (19,4 %)

1 (12,5 %)

27 (16,0 %)

Gesamt

65 (100,0 %)

24 (100,0 %)

72 (100,0 %)

8 (100,0 %)

169 (100,0 %)

196 Dabei liefert ein T-Test ein signifikantes Ergebnis (p-Wert = 0,041) beim Vergleich der Antworten der Unternehmen und der Beratungsunternehmen. Werden die Antworten der Steuerabteilung und der Beratungsunternehmen verglichen, dann gilt dies nicht mehr.

IV. Durchführung und Ergebnisse der Untersuchung

249

Tabelle 48 Position/OECD-Ansatz OECD-Ansatz

Position

Gesamt

Geschäftsführer

Leiter Rewe/ Controlling/ Accounting

Steuer­ abteilung

Andere Abteilung

Stimme zu

18 (60,0 %)

6 (50,0 %)

15 (23,4 %)

2 (100,0 %)

41 (38,0 %)

Weder noch

5 (16,7 %)

5 (41,7 %)

10 (15,6 %)

0 (0 %)

20 (18,5 %)

Stimme nicht zu

6 (20,0 %)

1 (8,3 %)

33 (51,6 %)

0 (0 %)

40 (37,0 %)

Stimme überhaupt nicht zu

1 (3,3 %)

0 (0 %)

6 (9,4 %)

0 (0 %)

7 (6,5 %)

30 (100,0 %)

12 (100,0 %)

64 (100,0 %)

2 (100,0 %)

108 (100,0 %)

Gesamt

Darüber hinaus sollte angeben werden, welche Erfahrungen mit der Betriebsprüfung hinsichtlich der Prüfung von Verlagerungsvorgängen gemacht worden sind und für die Zukunft erwartet werden. Werden Verlagerungsvorgänge von Betriebsprüfern im Rahmen einer Betriebsprüfung geprüft, kann dies dazu führen, dass die vom Steuerpflichtigen erklärten Sachverhalte abweichend beurteilt werden und infolgedessen die steuerliche Bemessungsgrundlage korrigiert wird: So kann der steuerliche Verrechnungspreis für einen Verlagerungsvorgang nach oben (Erhöhung der steuerlichen Bemessungsgrundlage), nach unten (Verminderung der steuerlichen Bemessungsgrundlage) korrigiert oder nicht beanstandet werden (steuerliche Bemessungsgrundlage bleibt konstant). Erfolgt eine Korrektur des Verrechnungspreises nach oben, kann dies zu einer Doppelbesteuerung führen, wenn die ausländische Finanzbehörde keine Gegenkorrektur vornimmt. Diese Doppelbesteuerungen können dann mittels der zuvor angeführten Verfahren verhindert werden, was wiederum zeit- und kostenintensiv sein kann und manche Unternehmen veranlassen kann, die aus einer Korrektur resultierende Doppelbesteuerung billigend in Kauf zu nehmen. Neben den daraus resultierenden Kostenfaktoren (höhere Steuerzahllast und/ oder Verfahrenskosten sowie Personal- und Beratungskosten) ist eine (erwartete) Veränderung der steuerlichen Bemessungsgrundlage mit einer Rechtsunsicherheit für die Unternehmen verbunden. Diese können im Zeitpunkt der Verwirklichung des Sachverhaltes nicht davon ausgehen, dass der einer Transaktion zugrundeliegende Verrechnungspreis von der Finanzverwaltung anerkannt wird. Es fehlt den Unternehmen an Planungssicherheit. Würde die Regelung dazu beitragen, dass der Fremdvergleichsgrundsatz präzisiert wird und sich daher unmittelbar positiv auf die Rechtssicherheit auswirkt, müssten die Teilnehmer für die

250

C. Empirische Untersuchung

Jahre seit 2008 vermehrt angeben, dass keine Veränderung des angesetzten Verrechnungspreises erfolgt und demnach die steuerliche Bemessungsgrundlage konstant geblieben ist. Gleiches gilt für die Zukunftserwartungen. Daher sollten die Teilnehmer einschätzen, zu welchem Ergebnis die im Rahmen einer Betriebsprüfung durchgeführte Prüfung der Verrechnungspreise von Verlagerungen wirtschaftlicher Aktivitäten überwiegend führte und ab dem Prüfungsjahr 2008 überwiegend führen wird:

Abbildung 38: Erfahrung mit der Betriebsprüfung vor 2008

Abbildung 39: Erfahrung mit der Betriebsprüfung seit 2008

Abbildung 40: Zukunftserwartung

IV. Durchführung und Ergebnisse der Untersuchung

251

Aus den Antworten der Teilnehmer geht hervor, dass vermehrt eine Erhöhung der Bemessungsgrundlage seit dem Jahr 2008 erfolgte und die Teilnehmer dies auch vermehrt für die Zukunft erwarten.197

Abbildung 41: Ergebnis der Betriebsprüfung – Erhöhung der Bemessungsgrundlage – Beratungsunternehmen

Abbildung 42: Ergebnis der Betriebsprüfung – Erhöhung der Bemessungsgrundlage – Unternehmen

197 Die Teilnehmer seit 2008 der Beratungsunternehmen geben im Zusammenhang mit dem Ergebnis seit dem Jahr 2008 an, dass entweder die Bemessungsgrundlage erhöht worden ist oder können dies nicht einschätzen. Zudem schätzt diese Teilnehmergruppe die Erhöhung der Bemessungsgrundlage vor dem Jahr 2008 höher ein (68,9 %). Die Teilnehmer vor dem Jahr 2008 hingegen geringer (51,9 %). Ein Chi²-Test offenbart auch einen (hoch) signifikanten Zusammenhang zwischen der Zugehörigkeitsdauer und der Antwort sowohl hinsichtlich der Einschätzung vor dem Jahr 2008 und seit dem Jahr 2008 (der p-Wert beträgt vor dem Jahr 2008 p = 0,046; seit dem Jahr 2008 p = 0,005). Die H0, dass das Antwortverhalten unabhängig von den Teilnehmergruppen (Zugehörigkeitsdauer) ist, ist daher abzulehnen. Es zeigt sich, dass diese beiden verschiedenen Teilnehmergruppen die Vergangenheit diesbzgl. unterschiedlich einschätzen. Hingegen nicht die Zukunftserwartungen. Ursache kann die praktische Erfahrung diesbzgl. der Teilnehmer sein.

252

C. Empirische Untersuchung

Zugleich ist festzuhalten, dass die Teilnehmer der Unternehmen im Vergleich zu den Teilnehmern der Beratungsunternehmen in geringerem Maße eine Erhöhung und in stärkerem Maße keine Veränderung der Bemessungsgrundlage erwarten.198 Indes ist erneut auffällig, dass sich die Teilnehmer der Steuer­abteilung mit ihrer Einschätzung dem Antwortverhalten der Teilnehmer der Beratungsunternehmen annähern: Eine Erhöhung der Bemessungsgrundlage erwarten 65,0 %, was aber immer noch deutlich geringer ist als bei den Beratungsunternehmen. Nicht nur die Zukunftserwartung wird verschieden beurteilt, sondern auch die Vergangenheit.199 Hauptsächlich geben die Teilnehmer der Beratungsunternehmen an, dass eine Erhöhung der Bemessungsgrundlage vor und seit dem Jahr 2008 erfolgte. Diese – zu den Unternehmen stark differierende – Auffassung kann darin begründet sein, dass die Teilnehmer der Beratungsunternehmen an mehreren Betriebsprüfungen von verschiedenen Unternehmen aktiv teilnehmen und infolgedessen eine andere Beurteilungsbasis zur Verfügung steht.200 Hinsichtlich der Einschätzung der Ergebnisse aus der Vergangenheit (vor dem Jahr 2008 und seit dem Jahr 2008) und der Erwartung für die Zukunft ist davon auszugehen, dass ein Zusammenhang besteht. Hintergrund ist, dass die Erfahrungen aus der Vergangenheit einen Einfluss auf die Erwartung in der Zukunft haben können. Nachfolgende Hypothesen sollen demnach getestet werden: a) H0: Es besteht keine Korrelation zwischen der Angabe zur Erfahrung mit der Betriebsprüfung aus der Vergangenheit (vor 2008) und der Angabe für die Zukunft hinsichtlich der Einschätzung der Auswirkung der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen auf die Bemessungsgrundlage. H1: Es besteht eine Korrelation zwischen der Angabe zur Erfahrung mit der Betriebsprüfung aus der Vergangenheit (vor 2008) und der Angabe für die Zukunft hinsichtlich der Einschätzung der Auswirkung der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen auf die Bemessungsgrundlage. b) H0: Es besteht keine Korrelation zwischen der Angabe zur Erfahrung mit der Betriebsprüfung aus der Vergangenheit (seit 2008) und der Angabe für die Zukunft hinsichtlich der Einschätzung der Auswirkung der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen auf die Bemessungsgrundlage. H1: Es besteht eine Korrelation zwischen der Angabe zur Erfahrung mit der Betriebsprüfung aus der Vergangenheit (seit 2008) und der Angabe für die Zukunft 198 Ein Chi²-Test zeigt einen höchst signifikanten Zusammenhang zwischen der Teilnehmergruppe und der Antwort. Der p-Wert beträgt p = 0,000. 199 Ein Chi²-Test zeigt einen höchst signifikanten Zusammenhang zwischen der Teilnehmergruppe und der Antwort. Der p-Wert beträgt p = 0,000. 200 Im Rahmen einer von Deloitte durchgeführten Studie hinsichtlich Betriebsprüfungserfahrungen von multinationalen Unternehmen in Deutschland haben lediglich 5 % der Teilnehmer Funktionsverlagerungen im Zusammenhang mit Anpassungen in laufenden Betriebsprüfungen angegeben. Vgl. Eismayr/Schnell (2010), S. 911.

253

IV. Durchführung und Ergebnisse der Untersuchung

hinsichtlich der Einschätzung der Auswirkung der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen auf die Bemessungsgrundlage. c) H0: Es besteht keine Korrelation zwischen der Angabe zur Erfahrung mit der Betriebsprüfung aus der Vergangenheit vor 2008 und seit 2008 hinsichtlich der Einschätzung der Auswirkung der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen auf die Bemessungsgrundlage. H1: Es besteht eine Korrelation zwischen der Angabe zur Erfahrung mit der Betriebsprüfung aus der Vergangenheit vor 2008 und seit 2008 hinsichtlich der Einschätzung der Auswirkung der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen auf die Bemessungsgrundlage. Für die Beratungsunternehmen sind alle angeführten H0 abzulehnen. Tabelle 49 Korrelation Ergebnis der Betriebsprüfung Vergangenheit und Erwartung für die Zukunft Vor dem Jahr 2008 Zukunftserwartung

Korrelationskoeffizient Kendall-Tau-b

,174*

Sig. (2-seitig)

,021

N Seit dem Jahr 2008

Zukunftserwartung

177

Korrelationskoeffizient Kendall-Tau-b

,364**

,541**

Sig. (2-seitig)

,000

,000

N

159

164

*  Die Korrelation ist auf dem 0,05 Niveau signifikant (zweiseitig). **  Die Korrelation ist auf dem 0,01 Niveau signifikant (zweiseitig).

Vergleichbar zu den Ergebnissen der Beratungsunternehmen besteht bei den Unternehmen zwischen der Einschätzung zu den Ergebnissen aus der Vergangenheit (vor dem Jahr 2008) und der Einschätzung zu den Ergebnissen aus der Vergangenheit seit dem Jahr 2008 ein mittlerer, signifikanter Zusammenhang. Ein starker und ebenfalls signifikanter Zusammenhang besteht hinsichtlich der Einschätzung der Ergebnisse der Betriebsprüfung seit dem Jahr 2008 und der Erwartung für die Zukunft. Wie auch bei den Beratungsunternehmen scheinen die Erfahrungen aus der Vergangenheit einen Einfluss auf die Erwartung in der Zukunft zu haben.

254

C. Empirische Untersuchung Tabelle 50 Korrelation Ergebnis der Betriebsprüfung Vergangenheit und Erwartung für die Zukunft (II) Vor dem Jahr 2008

Vor dem Jahr 2008

,357**

,110

Signifikanz (2-seitig)

,001

,221

90

123

Korrelationskoeffizient Kendall-Tau-b

,357**

,675**

Signifikanz (2-seitig)

,001

,000

N Zukunftserwartung

Zukunftserwartung

Korrelationskoeffizient Kendall-Tau-b

N Seit dem Jahr 2008

Seit dem Jahr 2008

90

87

Korrelationskoeffizient Kendall-Tau-b

,110

,675**

Signifikanz (2-seitig)

,221

,000

N

123

87

*  Die Korrelation ist auf dem 0,05 Niveau signifikant (zweiseitig). **  Die Korrelation ist auf dem 0,01 Niveau signifikant (zweiseitig).

Im Rahmen der Analyse der offenen Frage wurde darüber hinaus angegeben, dass Verrechnungspreise von mittelständischen Unternehmen bisher in sehr geringem Maße – Funktionsverlagerungen überhaupt nicht – von der Finanzverwaltung im Rahmen einer Betriebsprüfung geprüft worden seien, da eine zu geringe Anzahl von Betriebsprüfern eine im Verhältnis dazu zu große Anzahl von Unternehmen zu prüfen habe.201 Um u. a. etwaige Doppelbesteuerungen zu vermeiden, die aus einer Korrektur der steuerlichen Bemessungsgrundlage resultieren können, stehen dem Steuerpflichtigen verschiedene Verfahren zur Verfügung. Rechtliche Verfahren werden aber „zu einem wesentlichen Teil auf externe Berater ausgelagert“202, was bei den Unternehmen zu Beratungskosten führt. Die Teilnehmer der Beratungsunternehmen wurden daher gefragt, zu welchem Verfahren diese Prüfung überwiegend führte. Der nachstehenden Abbildung ist zu entnehmen, dass überwiegend 201

Dieser Umstand kann dazu beigetragen haben, dass zu den Erfahrungen aus der Vergangenheit gegenüber den Zukunftserwartungen vermehrt die Antwort Keine Einschätzung gegeben worden ist. 202 Eichfelder (2010b), S. 83.

IV. Durchführung und Ergebnisse der Untersuchung

255

keine der genannten Verfahren angestrebt worden sind. Aus der darauf folgenden Tabelle ist aber zu ersehen, dass v. a. Teilnehmer, die angegeben haben, dass eine Veränderung der Bemessungsgrundlage nicht erfolgte, angeführt haben, dass keine Verfahren eingeleitet worden sind (87,50 %).203 Hingegen wurde von den Teilnehmern, die angegeben haben, dass die Bemessungsgrundlage erhöht worden ist, in geringerem Maße angeführt, dass keines der genannten Verfahren eröffnet worden ist (47,64 %). Zugleich führten jeweils 24,42 % dieser Teilnehmer an, dass ein Schieds- bzw. Verständigungsverfahren oder ein Rechtsbehelfsverfahren eingeleitet worden ist. Hintergrund – im Falle der Erhöhung der Bemessungsgrundlage – kein Verfahren einzuleiten, könnte sein, dass die Verfahren sowohl zeit- als auch kostenintensiv sind, eventuell keine Aussicht auf Erfolg bieten, die vorgenommene Korrektur sachgerecht, in der Abschlussbesprechung der Betriebsprüfung eine einvernehmliche Gesamtlösung für alle Sachverhalte – die im Rahmen der Betriebsprüfung geprüft worden sind – gefunden worden oder die Eröffnung eines Verfahrens nicht notwendig gewesen ist.

Abbildung 43: Zu welchem Verfahren führte diese Prüfung überwiegend? – Beratungsunternehmen

Für die Zukunft wird erwartet, dass vor allem Rechtsbehelfsverfahren sowie Schieds- oder Verständigungsverfahren eingeleitet werden, um eine Erhöhung der Bemessungsgrundlage zu vermeiden, was dazu führen würde, dass Unternehmen in diesem Zusammenhang mit einem erhöhten Zeitaufwand und erhöhten Kosten belastet würden.204 Ursache dieser geänderten Einstellung gegenüber der Vergangenheit könnte sein, dass aufgrund der neuen Regelung Unsicherheiten, unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten und divergierende Ansichten zwischen Finanzverwaltung, Wirtschaft und/oder Beratungsgesellschaften hinsichtlich der Regelung bestehen und somit erwartet wird, dass die hieraus resultierenden Divergenzen nicht einvernehmlich gelöst werden können. 203 Die Tabelle wurde auf die Teilnehmer beschränkt, die für beide Zeitpunkte (vor und seit 2008) dieselbe Antwort hinsichtlich der Veränderung der Bemessungsgrundlage gegeben haben. Anderweitig ist eine sinnvolle Interpretation nicht möglich. Daher sind auch unterschiedliche Prozentwerte in der Abbildung 43 und Tabelle 51 enthalten. 204 Hinsichtlich Steuerverwaltungskosten im Rechtsbehelfsverfahren vgl. Breithecker/Garden/Thönnes (2007), S. 364.

256

C. Empirische Untersuchung Tabelle 51 Zu welchem Verfahren führte diese Prüfung überwiegend in Abhängigkeit des Ergebnisses der Betriebsprüfung?

Zu welchem Verfahren führte diese Prüfung überwiegend?

Ergebnis vor und seit 2008

Gesamt

Erhöhung der Bemessungsgrundlage

Keine Veränderung der Bemessungsgrundlage

Schieds- oder Verständigungsverfahren

21 (24,42 %)

1 (6,25 %)

22 (21,57 %)

Rechtsbehelfsverfahren

21 (24,42 %)

1 (6,25 %)

22 (21,57 %)

APA-Verfahren

3 (3,49 % )

0 (0 %)

3 (2.94 %)

Keines der genannten Verfahren

41 (47,64 %)

14 (87,50 %)

55 (53,92 %)

Gesamt

86 (100,0 %)

16 (100,0 %)

102 (100,0 %)

Abbildung 44: Zu welchem Verfahren wird diese Prüfung überwiegend führen? – Beratungsunternehmen

Es wird zudem ersichtlich, dass APA-Verfahren für Funktionsverlagerungen eine untergeordnete Rolle eingenommen haben und in Zukunft einnehmen werden, obwohl sich APA-Verfahren als ein geeignetes Instrument erweisen können, Verrechnungspreisangelegenheiten im Vorhinein zu klären.205 Jedoch scheinen APA-Verfahren für Funktionsverlagerungen nicht zielführend, da diese prinzipiell einen einmaligen Vorgang darstellen.

205

Siehe hierzu u. a. E&Y (2010), S. 3: „23 % of parent respondents use advance pricing agreements (APAs) as a controversy management tool.“

IV. Durchführung und Ergebnisse der Untersuchung

257

Tabelle 52 Zu welchem Verfahren wird diese Prüfung überwiegend in Abhängigkeit des Ergebnisses der Betriebsprüfung führen? Zu welchem Verfahren wird diese Prüfung über­ wiegend führen?

Zukunftserwartung

Gesamt

Erhöhung der Bemessungsgrundlage

Keine Veränderung der Bemessungsgrundlage

Schieds- oder Verständigungsverfahren

64 (35,36 %)

5 (31,25 %)

69 (35,03 %)

Rechtsbehelfsverfahren

73 (40,33 %)

3 (18,75 %)

76 (38,58 %)

APA-Verfahren

11 (6,07 %)

2 (12,5 %)

13 (6,6 %)

Keines der genannten Verfahren

33 (18,23 %)

6 (37,5 %)

39 (19,8 %)

Gesamt

181 (100,0 %)

16 (100,0 %)

197 (100,0 %)

Einen weiteren Hinweis darauf, dass der Fremdvergleichsgrundsatz nicht wie beabsichtigt präzisiert worden ist, kann die Einschätzung über den steuerlichen Wertansatz der zu verlagernden wirtschaftlichen Aktivität geben: Würde der Fremdvergleichsgrundsatz präzisiert werden, sollte davon auszugehen sein, dass die Regelung keinen Einfluss auf den steuerlichen Wertansatz der zu verlagernden wirtschaftlichen Aktivität hat. Steigen jedoch die steuerlichen Wertansätze kann angenommen werden, dass mit der Regelung eine neue bzw. erweiterte Besteuerungsgrundlage etabliert worden ist. Die Teilnehmer der Fragebogenstudie sollten daher folgende Aussage einschätzen: Aufgrund der Einführung der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen sind die steuerlichen Wertansätze für Verlagerungsvorgänge wirtschaftlicher Aktivitäten, die die ertragsteuerlichen Teilbetriebskriterien nicht erfüllen, gestiegen/konstant geblieben/gesunken. Bewusst wurde auf den ertragsteuerlichen Teilbetrieb abgestellt, da mit der Verlagerung eines solchen prinzipiell eine ertragswertorientierte Bewertung einherging und einhergeht sowie sich in diesen Konstellationen keine Veränderungen ergeben sollten; lediglich bei wirtschaftlichen Aktivitäten unterhalb des ertragsteuerlichen Teilbetriebs. Die überwiegende Anzahl der Teilnehmer der Beratungsunternehmen ist der Auffassung, dass die Wertansätze gestiegen sind, was auf eine neue bzw. erweiterte Besteuerungsgrundlage hin-

258

C. Empirische Untersuchung

deutet.206 Dabei besteht gegenüber den Teilnehmern der Unternehmen ein unterschiedliches Antwortverhalten,207 da diese gegenüber den Teilnehmern der Beratungsunternehmen v. a. der Auffassung sind, dass die Wertansätze für Verlagerungsvorgänge konstant geblieben sind. In diesem Zusammenhang ist zu vermuten, dass diejenigen, die die Wertansätze für Verlagerungsvorgänge als gestiegen erachten, angegeben haben, dass Funktionsverlagerungen unterlassen bzw. reduziert worden sind, da der steuerliche Wertansatz für einen Verlagerungsvorgang auf die Entscheidung diesen durchzuführen Einfluss haben kann. Dieser Vermutung entsprechend haben relativ mehr Teilnehmer, die der Auffassung sind, dass Verlagerungsvorgänge unterlassen bzw. reduziert worden sind, angeführt, dass Wertansätze für Verlagerungsvorgänge gestiegen sind.208

Abbildung 45: Entwicklung Wertansätze für Verlagerungsvorgänge

Es ist festzustellen, dass die Teilnehmer der Untersuchung vorwiegend der Auffassung sind, dass aufgrund der Regelung für die Praxis geeignete steuerrechtliche Vorgaben hinsichtlich der Durchführung von Funktionsverlagerungen nicht eingeführt worden sind, die Akzeptanz von Verrechnungspreisen für Umstrukturierungsvorgänge unverändert geblieben ist und die Teilnehmer der Beratungsunternehmen vorwiegend der Auffassung sind, dass Deutschland einen von der OECD abweichenden Ansatz verfolgt. Demgemäß erwarten die Teilnehmer für die Zukunft, dass Korrekturen des angesetzten steuerlichen Verrechnungspreises der 206 Allerdings geben 56,1 % der Teilnehmer vor 2008 an, dass die Wertansätze gestiegen seien. Bei den Teilnehmern seit dem Jahr 2008 sind es hingegen nur 40,5 %. 207 Sowohl im Hinblick auf einen Vergleich zwischen Unternehmen und Beratungsunternehmen als auch zwischen Steuerabteilung und Beratungsunternehmen. Chi²-Tests: p-Werte betragen p = 0,000 und p = 0,030. 208 Es besteht aber lediglich ein schwacher positiver Zusammenhang: Kendall-Tau-b + 0,184. Dabei ist die Stärke des Zusammenhangs signifikant: p-Wert = 0,034. – Entsprechend zu den Beratungsunternehmen könnte bei den Unternehmen ein Zusammenhang gegeben sein. Da zu wenige Teilnehmer angegeben haben, dass Funktionsverlagerungen unterlassen bzw. reduziert worden sind, kann eine sinnvolle Analyse nicht durchgeführt werden.

259

IV. Durchführung und Ergebnisse der Untersuchung Tabelle 53 Entwicklung Wertansätze für Verlagerungsvorgänge – Verlagerungsvorgänge unterlassen Verlagerungsvorgänge unterlassen bzw. reduziert

Wertansätze für Verlagerungsvorgänge

Gesamt

Gestiegen

Konstant

Gesunken

Ja

20 (71,4 %)

7 (25,0 %)

1 (3,6 %)

28 (100,0 %)

Nein

46 (47,9 %)

47 (49,0 %)

3 (3,1 %)

96 (100,0 %)

Gesamt

66 (53,2 %)

54 (43,5 %)

4 (3,2 %)

124 (100,0 %)

gestalt vorgenommen werden, dass eine Erhöhung der steuerlichen Bemessungsgrundlage in Betriebsprüfungen erfolgen wird209 (bzw. schon eine Erhöhung der steuerlichen Bemessungsgrundlage seit dem Jahr 2008 erfolgte), was wiederum zu zeit- und kostenintensiven Rechtsbehelfs-, Schieds- oder Verständigungsverfahren führen kann. Wird das Antwortverhalten der jeweiligen Teilnehmer wiederum abschließend als Muster betrachtet, wird deutlich, dass 53,15 % (18,93 %) der Teilnehmer der Beratungsunternehmen (Unternehmen) überwiegend nicht eine Präzisierung des Fremdvergleichsgrundsatzes und somit nicht unmittelbar die Etablierung von Rechtssicherheit aufgrund der Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen sehen. Die Einstellung der Teilnehmer hinsichtlich der Präzisierung des Fremdvergleichs wird mit folgenden Fragen beurteilt: –– Akzeptanz von Verrechnungspreisen für Verlagerungsvorgänge wirtschaftlicher Aktivitäten im Ausland; –– steuerliche Wertansätze für Verlagerungsvorgänge wirtschaftlicher Aktivitäten, die die ertragsteuerlichen Teilbetriebskriterien nicht erfüllen; –– existieren konkrete steuerrechtliche Vorgaben hinsichtlich der Durchführung von Funktionsverlagerungen; –– existieren für die Praxis geeignete steuerrechtliche Vorgaben hinsichtlich der Durchführung von Funktionsverlagerungen; –– verfolgt Deutschland einen der OECD entsprechenden Ansatz; –– Ergebnis von Betriebsprüfungen seit dem Jahr 2008 und –– Ergebnis von Betriebsprüfungen für die Zukunft.

209 Allerdings besteht zwischen den Fragen hinsichtlich der Praxisgeeignetheit sowie hinsichtlich des OECD-Ansatzes zur Zukunftserwartung (Betriebsprüfung) jeweils kein Zusammenhang.

260

C. Empirische Untersuchung

Wer mindestens 4 der 7 Fragen im entsprechenden Sinn beantwortet hat,210 erhielt den Wert 4 und wurde der Gruppe zugeordnet, die überwiegend der Auf­ fassung ist, dass keine Präzisierung des Fremdvergleichsgrundsatzes erfolgte.211 Wie schon bei der Auswertung des administrativen und des monetären Aufwands zeigt eine Gruppenanalyse der Unternehmen (nach Position) ein gruppenübergreifend verschiedenes Antwortverhalten. Personen der Steuerabteilung tendieren relativ vermehrt dazu, die Fragen im entsprechenden Antwortmuster zu beantworten: 32,5 % der Mitarbeiter in der Steuerabteilung sind der Ansicht, dass keine Präzisierung des Fremdvergleichsgrundsatzes erfolgte. Zwar nähern sich erneut die Ergebnisse der Teilnehmer der Steuerabteilung an die der Teilnehmer der Beratungsunternehmen an, dennoch sind überwiegend Teilnehmer von Beratungsunternehmen den Wertgruppen 5 bis 7 zuzuordnen. Noch offensichtlicher wird das divergierende Antwortverhalten, wenn die Antworten der Beratungsunternehmen den Antworten der Unternehmen gegenübergestellt werden.212

Abbildung 46: Rechtssicherheit – Unternehmen/Beratungsunternehmen – Fremdvergleich 210 Abnahme der Akzeptanz von Verrechnungspreisen, Anstieg der steuerlichen Wertansätze, Ablehnung hinsichtlich konkreter steuerrechtlicher Vorgaben, praxisgeeigneter steuerrechtlicher Vorgaben und Verfolgung des OECD-Ansatzes sowie Erhöhung der Bemessungsgrundlage seit 2008 und selbige Erwartung für die Zukunft. 211 Wer weniger als 4 der 7 Fragen im entsprechenden Sinn beantwortet hat, wurde der Gruppe zugeordnet, die überwiegend der Auffassung ist, dass eine Präzisierung des Fremdvergleichsgrundsatzes erfolgte. 212 Der Mittelwertvergleich zeigt eindeutig, dass die Teilnehmer der Beratungsunternehmen gegenüber den Teilnehmern der Steuerabteilung aber auch gegenüber den Teilnehmern der Unternehmen relativ häufiger nicht der Ansicht sind, dass eine Präzisierung des Fremdvergleichsgrundsatzes erfolgte. Zudem zeigen zwei T-Tests, dass zwischen den jeweiligen Gruppen und dem Antwortverhalten Unterschiede bestehen (die p-Werte betragen jeweils p = 0,000).

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IV. Durchführung und Ergebnisse der Untersuchung

Abbildung 47: Rechtssicherheit – Steuerabteilung/Beratungsunternehmen – Fremdvergleich Tabelle 54 Gruppenstatistik (III) Rechtssicherheit

N

Mittelwert

Standardabweichung

Steuerabteilung

77

2,6623

1,78893

Beratungsunternehmen

222

3,6081

1,57599

Unternehmen

206

1,8204

1,73677

Zu konstatieren ist daher, dass steuerliche Verrechnungspreise, und in diesem Zusammenhang auch Funktionsverlagerungen, zwar u. a. dafür eingesetzt werden können, Gewinnverlagerungen vorzunehmen, jedoch dazu beitragen können, das steuerliche Risiko zu erhöhen: Gerade bei multinationalen Unternehmen gilt diese Unsicherheit als ein generelles Problem.213 d) Den Verlagerungsvorgängen zugrundeliegende Funktionen Daneben wurden die Teilnehmer gefragt, in welche Größenordnung (Wert der verlagerten wirtschaftlichen Aktivität in EUR) die von Ihnen durchgeführten Funktionsverlagerungen überwiegend einzuordnen sind? Mit dieser Frage 213

Vgl. COM (2001), S. 289.

262

C. Empirische Untersuchung

soll eruiert werden, ob vor allem größere oder kleinere Funktionen, gemessen am Wert der Funktion, verlagert wurden. Wie aus der nachstehenden Tabelle ersichtlich wird, wurden vornehmlich keine Funktionen verlagert (28,15 %). Erst an zweiter Stelle folgen Verlagerungsvorgänge in einer Größenordnung zwischen 1 – < 10 Mio. EUR. Die Angaben lassen insgesamt darauf hindeuten, dass, wenn eine Verlagerung stattfindet, vornehmlich (in 43,68 % der genannten Fälle) kleinere Funktionen gemessen an ihrem Wert in EUR verlagert wurden (