Importsubstitution im weltmarktorientierten Entwicklungsland: Theoretische Analyse und empirische Befunde am Beispiel der Republik Korea [1 ed.] 9783428470136, 9783428070138

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Importsubstitution im weltmarktorientierten Entwicklungsland: Theoretische Analyse und empirische Befunde am Beispiel der Republik Korea [1 ed.]
 9783428470136, 9783428070138

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Schriften zu Regional- und Verkehrsproblemen in Industrie- und Entwicklungsländern

Band 53

Importsubstitution im weltmarktorientierten Entwicklungsland Theoretische Analyse und empirische Befunde am Beispiel der Republik Korea Von

Jin-Young Bae

Duncker & Humblot · Berlin

JIN YOUNG BAE

Importsubstitution im weltmarktorientierten Entwicklungsland

Schriften zu Regional- und Verkehrsproblemen in Industrie- und Entwicklungsländern Herausgegeben von J. Heinz Müller und Theodor Dams

Band 53

Importsubstitution im weltmarktorientierten Entwicklungsland Theoretische Analyse und empirische Befunde am Beispiel der Republik Korea

Von

Jin-Young Bae

Duncker & Humblot * Berlin

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Bae, Jin-Young: Importsubstitution im weltmarktorientierten Entwicklungsland: theoretische Analyse und empirische Befunde am Beispiel der Republik Korea / von Jin-Young Bae. - Berlin: Duncker und Humblot, 1990 (Schriften zu Regional- und Verkehrsproblemen in Industrie- und Entwicklungsländern; Bd. 53) Zugl.: Freiburg (Breisgau), Univ., Diss., 1989 ISBN 3-428-07013-5 NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1990 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin 65 Printed in Germany ISSN 0582-0170 ISBN 3-428-07013-5

Vorwort der Herausgeber

Die Rolle der Importsubstitutionspolitik für die wirtschaftliche Entwicklung ist in der entwicklungspolitischen Literatur seit langem umstritten. Der Fall der erfolgreichen Schwellenländer Ostasiens hat bisher nicht unbedingt zu einer Klärung beigetragen. Unbestritten ist, daß auch Länder wie Südkorea und Taiwan eine Politik der Importsubstitution betrieben haben - nicht nur in der sogenannten "einfachen" Phase der Importsubstitution, sondern auch in der "schwierigen" Phase, d. h. beim Aufbau von kapitalintensiver bzw. Schwerindustrie. Haben sich Erfolge nun aber wegen oder trotz des (zeitweisen) Einsatzes einer Importsubstitutionspolitik eingestellt? In der Literatur finden sich vor allem zwei Argumentationsmuster: In einem ersten Ansatz werden Importsubstitutionspolitik und Exportförderungs- bzw. Exportdiversifikationspolitik als alternative Strategien gesehen. In der Regel wird die Importsubstitutionspolitik dabei als Synonym einer Protektionspolitik interpretiert; die Exportförderungspolitik wird als überlegene Strategie gedeutet. In einem zweiten Ansatz werden Importsubstitutions- und Exportförderungspolitik dagegen als komplementär gesehen: Importsubstitutionspolitik umfaßt dabei mehr als Protektionspolitik. Eine Importsubstitutionspolitik erscheint als in der Regel notwendiges - wenn auch nicht hinreichendes - Mittel bei erfolgreicher nachholender Industrialisierung und Entwicklung. Die vorliegende Arbeit von J. Y. Bae versteht sich als Beitrag zu dem zweiten Ansatz. Sie wählt drei Zugänge zu dem zu untersuchenden Sachverhalt: (1)

In einem theoretischen Teil werden die in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur "zugunsten" der Importsubstitutionspolitik vorgebrachten Argumente ausgewertet. Ergebnis ist die Rekonstruktion eines "idealtypischen Industrialisierungsprozesses", in dem Importsubstitutions- und Exportförderungspolitik komplementär sind. Auf politisch-ökonomische bzw. institutionelle Fragen, die einen eigenen methodischen Zugang erfordern würden, wird dabei nicht eingegangen.

vi

Vorwort

(2)

Die in (1) hergeleiteten Argumente werden empirisch am Fall der Republik Korea (Südkorea) überprüft. Südkorea wurde als Beispiel eines erfolgreichen Schwellenlandes ausgewählt, in dem Importsubstitution eine große Rolle gespielt hat.

(3)

Auf mikroökonomischer Ebene wird die "Pohang Steel Company" als Beispiel einer großen Unternehmung der Schwerindustrie behandelt, die mittels staatlicher Unterstützung die Phase der Importsubstitution erfolgreich durchlaufen - und überwunden - hat.

Während viele Beiträge lediglich kursorisch auf die Komplementarität von Importsubstitutions- und Exportförderungspolitik hinweisen, wird dieser Zusammenhang in vorliegender Arbeit systematisch entwickelt und begründet. In den meisten Arbeiten wird zum "Komplementaritäts-Ansatz" eine verbale Argumentation verfolgt; Bae bedient sich auch der quantitativen Methodik. Dabei werden ζ. T. nur schwer zugängliche Daten zur koreanischen Volkswirtschaft und einzelnen Industriebranchen ausgewertet. Schließlich wird in der Fallstudie "Pohang" originär erhobenes Forschungsmaterial präsentiert und zu den theoretischen Erklärungszusammenhängen in Beziehung gesetzt. Im Auftrage des Verfassers soll allen Institutionen und Persönlichkeiten in Korea gedankt werden, die bei der Materialsammlung behilflich waren und für Informationsgespräche zur Verfügung standen. Dabei soll vor allem auf die große Bereitschaft der Pohang Steel Company zur Unterstützung dieser Untersuchung hingewiesen werden. Weiterhin wird Herrn Jong-Suk Park gedankt, der bei den Rechenarbeiten unterstützend mitgewirkt hat. Der mehrjährige Forschungsaufenthalt von Jin-Young Bae am Institut für Entwicklungspolitik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg wurde durch öffentliche Haushaltsmittel der Bundesregierung finanziert.

Freiburg i. Br., im April 1990

Theodor Dams

J. Heinz Müller

nsverzeichnis

Tabellenverzetchnis Abbildungsverzeichnis Tabellenverzeichnis im Anhang Abkürzungsverzeichnis

XI XIII XIV XV

Α. Einleitung

1

1. Problemstellung 2. Aufbau der Arbeit 2.1 Aufbau des theoretischen Teils 2.2 Aufbau des empirischen Teils

B. Theoretischer Teil 1. Historische Erfahrungen mit der Importsubstitutionspolitik 1.1 Zu den Begriffen der Importsubstitution und Importsubstitutionspolitik 1.2 Ursachen der Verwendung der Importsubstitutionspolitik als Instrument der Entwicklungspolitik seit 1930 1.3 Makroökonomische Erfahrungen mit der Importsubstitutionspolitik

2. Theoretischer Hintergrund der Importsubstitutionspolitik 2.1 Klassische Außenhandelstheorie 2.2 Strukturelle Ansätze 2.3 "terms of trade" Ansätze 2.4 Dynamische Ansätze: "infant industry-Argumentation 25 Nachfrageorientierte Ansätze in der Strategie des "balanced growth" und des "unbalanced growth" 2.6 Erwartete makroökonomische Auswirkungen 3. Zusammenhang zwischen Industrialisierung und Strategieanwendung 3.1 Importsubstitution in der Leichtindustrie 3.2 Exportdiversifizierung in der Leichtindustrie 3.3 Importsubstitution in der Schwerindustrie 3.4 Exportdiversifizierung in der Schwerindustrie 3.5 Zusammenfassende Würdigung: Die Strategieanwendung bei der Industrialisierung

1 6 6 8

12 12 12 14 15

20 21 24 27 33 42 50 54 56 61 62 68 69

viii

Inhaltsverzeichnis

4. Praktische Maßnahmen der Importsubstitutionspolitik 4.1 Einleitende Bemerkung 4.2 Indikative Maßnahmen 4.3 Politik der Investitionsanreize 4.4 Protektionspolitik 45 Wechselkurspolitik

73 73 75 75 76 77

5. Fazit: Schlußfolgerungen für die empirische Analyse

79

C. Empirischer Teil

81

1. Praktische Durchführung der Importsubstitutionspolitik 1.1 Nationaler Wirtschaftsplan 1.2 Maßnahmen zur Stimulierung von Investitionen 1.3 Protektionspolitik

81 81 82 84

2. Meßkonzepte und Ausmaß der Importsubstitution und der Exportdiversifizierung 2.1 Meßkonzepte der Importsubstitution und der Exportdiversifizierung 2.1.1 Meßkonzept von Chenery 2.1.2 Meßkonzept von Morley/Smith 2.1.3 Aggregationsproblem in den Meßkonzepten 2.1.4 Meßkonzept von Helmstädter 2.2 Ausmaß der Importsubstitution und der Exportdiversifizierung 2.2.1 Vorbemerkungen 2.2.2 Ergebnisse der Messung

88 89 89 91 92 94 97 97 98

3. Zusammenhang zwischen Industrialisierung und Strategieanwendung 3.1 Vorbemerkungen 3.2 Stadien der Industrialisierung 3.3 Bestimmungsgriinde für die Veränderung der Industriestruktur 3.3.1 Innere Faktoren 3.3.2 Äußere Faktoren 3.3.3 Zusammenfassende Beurteilung

132 132 133 137 138 141 144

4. Effekte der Importsubstitutionspolitik 4.1 Dynamische (im Sinne der Abnahme der Stückkosten) Effekte 4.2 Verkettungseffekte 4.3 Einfluß auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit

145 145 149 152

5. Makroökonomische Auswirkungen der Importsubstitutionspolitik 5.1 Wirtschaftswachstum 5.2 Handelsbilanz 5.3 Beschäftigung 5.4 Regionale Entwicklung

159 159 164 169 174

6. Mikroökonomische Auswirkungen der Importsubstitutionspolitik Beispiel "Pohang Steel Company" 6.1 Vorbemerkungen 6.2 Unterstützung der Regierung 6.3 Zusammenhang zwischen dem inländischen Stahlmarkt und der Entwicklung der "Pohang Steel Company" 6.4 Entwicklung des Exports

180 180 182 189 192

Inhaltsverzeichnis 6J Außenwirtschaftlicher Beitrag der "Pohang Steel Company" D. Zusammenfassung der empirischen Ergebnisse im Hinblick auf die theoretischen Überlegungen 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Praktische Durchführung der Importsubstitutionspolitik Zusammenhang zwischen Industrialisierung und Strategieanwendung Bestimmungsgründe der Veränderung der Industriestruktur Effekte der Importsubstitutionspolitik Makroökonomische Auswirkungen der Importsubstitutionspolitik Mikroökonomische Auswirkungen der Importsubstitutionspolitik

ÌX

201

206 206 208 211 213 213 215

E. Abschließende Bemerkung

217

Anhang

218

Literaturverzeichnis

239

blnverzeichnis

B2-1 B4-1 Cl-1 Cl-2 C2-1 C2-2 C2-3 C2-4 C2-5 C2-6 C2-7 C3-1 C3-2 C3-3 C3-4 C3-5 C3-6 C5-1 C5-2 C5-3 C5-4 C5-5 C5-6 C5-7 C5-8 C6-1 C6-2 C6-3 C6-4 C6-5 C6-6 C6-7

Anteile der Ländergruppen am Weltexport, 1970-1987 28 Maßnahmen der Industriepolitik 74 Maßnahmen der Investitionsanreize für die Förderung der wichtigen Industriebranchen 82 Offizieller (nomineller) und effektiver durchschnittlicher Zollsatz, 1963-1988 85 Zahl der Sektoren in den IOT verschiedener Jahre 98 Ausmaß der IMS in der verarbeitenden Industrie, 1963-1985 99 Ausmaß der IMS in der verarbeitenden Industrie nach der Stellung im Produktionsprozeß, 1963-1985 100 Ausmaß der EXD in der verarbeitenden Industrie, 1963-1985 102 Spezifikationen des VSL, 1963-1985 103 Typen der Strategieanwendung bei der Industrialisierung nach Branchen 130 Typen der IMS nach der Stellung im Produktionsprozeß und nach Branchen 131 Zuordnung der 33 Sektoren zu 3 bzw. 6 Sektoren 132 Industrielles Nachfragewachstum und industrieller Beitrag zum gesamten Nachfragewachstum, 1963-1985 138 Entwicklung der realen Bestandsgröße des fixen Sachanlagevermögens, 1972-1987 140 Außenhandel zwischen Korea und den USA, 1964-1987 141 Koreanische Handelsbilanz nach Waren gegenüber den USA, 1981-1986 142 Wichtigste Exportmärkte von China und Korea, 1979-1983 144 Sektorales Wachstum und sektoraler Beitrag zum Wachstum in der verarbeitenden Industrie, 1963-1985 160 IMS und Induszierung der Wertschöpfung der verarbeitenden Industrie, 1963-1985 164 IMS und Importinduzierung der verarbeitenden Industrie, 1963-1985 168 Anteile der Sektoren an der Beschäftigung, 1965-1985 169 Arbeitskoeffizient (pro Mill. Won der Produktion), 1970-1985 170 IMS und Arbeitskräftebedarf der verarbeitenden Industrie, 1963-1985 173 Regionales Ausmaß der IMS, 1963-1985 175 Indikatoren für die regionale Entwicklung, 1963-1985 177 Investitionen der Regierung für die Errichtung der Infrastruktur in Pohang, 1968-1979 185 Investitionen der Regierung in den 70er Jahren 186 Zinsunterschiede zwischen Krediten der Geschäftsbanken und NIF, 1974-1986 187 Investitionen der Regierung für die Errichtung der Infrastruktur in Pohang, 1980-1988 188 Herkunft der Investitionen von POSCO, 1970-1981 und Ende 1987 189 Entwicklung der Produktionskapazität der POSCO, 1970-1983 190 Produktion und Export des Rohstahls von POSCO und von Korea (gesamt),

xii

C6-8 C6-9 C6-10 C6-11 C6-12 C6-13 C6-14

Tabellenverzeichnis 1973-1988 Stückkosten der Produktion in den USA, Japan und bei POSCO, 1975 und 1987 Gesamtexport der POSCO im Zeitraum 1973-88 nach Ländern und Ländergruppen Preisvergleich ausgewählter Stahlprodukte von POSCO, den USA und Japan, 1988 Export von POSCO nach Ländern und Ländergruppen, 1972-1988 Beitrag der POSCO zur Zahlungsbilanz, 1970-1985 Ausgaben für Dienstleistungen von POSCO, 1973-1985 IMS-Effekte der POSCO, 1973-1985

193 194 196 198 199 202 203 204

Abbildungsverzeichnis AE-l B2-1 B2-2 B2-3 B2-4 B2-5 B2-6 B3-1 Cl-1 C3-1 C3-2 C3-3 C3-4 C4-la C4-lb C4-2 C4-3 C4-4 C5-1 C5-2 C5-3 C5-4 C5-5 C5-6 C5-7 C6-1

Schematischer Analyserahmen Wohlfahrtstheoretische Analyse des Außenhandels unter verschiedenen ökonomschen Bedingungen Entwicklung der "terms of trade (T)" nach Ländergruppen, 1966-1988 Veränderung der Rohstoffpreise und der Industrieproduktion Wohlfahrtstheoretische Analyse des Mill-Bastable Tests . Kemps Argumentation über die "infant industry" Negishis Argumentation über die "infant industry" Zusammenhang zwischen Industrialisierung und Strategieanwendung Rate der Importliberalisierung, 1967-1988 Zusammenhang zwischen Industrialisierung und Strategieanwendung in der verarbeitenden Industrie Zusammenhang zwischen Industrialisierung und Strategieanwendung in der Leicht- und Schwerindustrie Zusammenhang zwischen Industrialisierung und IMS-Anwendung in der verarbeitenden Industrie nach der Stellung im Produktionsprozeß Entwicklung des Humankapitals Dynamische Effekte (D) in dem Bereich des Bergbaus und der verarbeitenden Industrie Dynamische Effekte (D) nach dreistelligen Industriebranchen der KSICIndustrieklassifikation backward linkage (bl) und foreward linkage (fi) in der Leicht- und Schwerindustrie RCA in der verarbeitenden Industire Branchenmäßige Entwicklung von RCA Rangkorrelation zwischen IMS und Wachstum 1963-70, 1970-75, 1975-80 und 1980-85 Koeffizient der Induzierung der Wertschöpfung (W) in der Leicht- und Schwerindustrie Handelsbilanzverbesserung (H) in der verarbeitenden Industrie Rangkorrelation zwischen IMS und Handelsbilanzverbesserung 1963-70, 1970-75, 1975-80 und 1980-85 Koeffizient der Importinduzierung (I) in der Leicht- und Schwerindustrie ... Rangkorrelation zwischen IMS und Zunahme der Beschäftigung Gesamter Arbeitskräftebedarf (A) in der Leicht- und Schwerindustrie Nachfrage nach und Angebot an Rohstahlen, 1971-1988

10 22 30 32 37 39 41 70 86 134 135 136 139 147 148 151 154 156 161 163 165 166 167 171 172 191

Tabellenverzeichnis im Anhang

A-l A-2 A-3 A-4 A-5 A-6 A-7 A-8 A-9 A-10 A-ll A-12 A-13 A-14 A-15 A-16 A-17 A-18 A-19 A-20 A-21

Zuordnung von den ursprünglich zugrunde liegenden Sektoren jeder IOT in 33 Sektoren 218 Koeffizient der Induzierung der Wertschöpfung, 1963-1985 220 Koeffizient der "foreward linkage", 1963-1985 221 Koeffizient der "backward linkage", 1963-1985 222 Wachstum der Beschäftigung, 1970-1985 223 Arbeitskräftebedarf pro Million Won der Produktion in der verarbeitenden Industrie, 1970-1985 224 MS-Ausmaß, 1963-1985: berechnet nach dem Chenery-Meßkonzept 225 MS-Ausmaß, 1963-1985: berechnet nach dem Morley & SmithMeßkonzept 226 IMS-Ausmaß im Bereich der Zwischengüter, 1963-1985: berechnet nach dem Helmstädter-Meßkonzept 227 IMS-Ausmaß im Bereich der Endgüter, 1963-1985: berechnet nach dem Helmstädter-Meßkonzept 228 EXD-Ausmaß, 1963-1985: berechnet nach dem Chenery-Meßkonzept 229 EXD-Ausmaß, 1963-1985: berechnet nach dem Morley & Smith-Meßkonzept 230 Zuordnung der Sektoren für Schätzung der dynamischen Effekte 231 Koeffizient der dynamischen Effekte, 1972-1987 232 RCA-Ausmaß, 1963-1985 233 Psacharpoulos Index, 1960-1985 234 Öffentliche Ausgaben für Ausbildung pro Schüler oder Student, 1960-1985 235 Jahre für jede Ausbildung 235 Zahl der erwerbsfähigen (über 15 Jahre alt) Bevölkerung, 1960-1985 236 Index für die Verbesserung der Handelsbilanz, 1963-1985 237 Landkarte Koreas 238

Abungsverzeichnis

BOK DRC ECSC EG EPB EPR EXD GATT GSP IEDK IMS IOT KDI KEB KEDI KERC KIDI KI ET KILD KLDC KOTRA KSIC LTA MOF MOLA M/T MTI NIF POSCO RCA STA UNCTAD USA VSL WSD

Bank of Korea Domestic Resource Costs European Coal and Steel Community Europäische Gemeinschaften Economic Planning Board, Korea Effective Rate of Protection Exportdiversifizierung General Agreement on Trade and Tariffs Generalized System of Preference Institute of Economic Development, Koryeo University, Korea Importsubstitution Input-Output-Tabelle Korea Development Institute Korea Exchange Bank Korean Educational Development Institute Korea Economic Research Center Korea Industrial Development Institute Korea Institute of Economics and Technology Korea Institute of Land Deveopment Korea Land Development Corporation Korea Trade Promotion Corporation Korean Standard Industry Classification Longrun Textile Arrangement Ministry of Finance, Korea Ministerium of Labour Affairs, Korea Metric Ton Ministry of Trade and Industry Nationaler Investitionsfond Pohang Steel Company Revealed Comparative Advantage Shortrun Textile Arrangement United Nations Commission For Trade And Development United States of America Verhältnis von Schwer- zu Leichtindustrie World Steel Dynamics

Α. Einleitung

1. Problemstellung Das Kernproblem der Entwicklungspolitik besteht darin, eine Strategie zu finden, die eine angestrebte Entwicklung ermöglicht. 1 Es gibt eine ganze Reihe von Strategievorschlägen zur Einleitung eines sich selbst tragenden Wachstumsprozesses.2 Ihre Unterschiede resultieren aus dem Ansatz, mit dem der Entwicklungsprozeß betrachtet wird. Die Entwicklungsstrategien, die ihren zentralen Ansatzpunkt auf die zielgerichtete Beeinflussung des Außenhandels legen, sind die Strategien der Importsubstitution (im folgenden IMS-Strategie oder IMS-Politik) und der Exportdiversifizierung (im folgenden E X D Strategie oder EXD-Politik). 3 Beide Strategien lassen sich danach unterscheiden, ob die Entwicklung hauptsächlich vom Binnen- oder Außenmarkt getragen wird. 4 IMS und E X D werden oft als zwei extreme Richtungen, einer weltwirtschaf tlichen Desintegration oder weltwirtschaf tlichen Integration, interpretiert, so daß IMS und EXD als alternative ("entweder-oder") Konzepte angesehen werden. Aus diesem Blickwinkel wird die IMS von den Anhängern der E X D anhand von Effizienzansätzen, die auf der traditionellen Außenhandelstheorie

1)

Vgl. Adebahr/Maennig,

21

Vgl. Dams (I), S. 311f; Bender (I), S. 510f; Hemmer, S. 437f

3)

Vgi. Adebahr/Maennig,

4)

Vgl. Dams (I), S. 312

S. 251

S. 254

2

Α. Einleitung

basieren, kritisiert. 5 In der jüngeren Zeit wird das Argument zuungunsten der IMS auch anhand höherer Flexibilität des Exportangebotes bei E X D vorgebracht. 6 Dagegen wird die Notwendigkeit der IMS von ihren Anhängern, zu denen auch Politikwissenschaftler gehören, mit dem Vorliegen längerfristiger dynamischer und struktureller Auswirkungen begründet.7 In der Tat ist es reizvoll und notwendig, diese beiden Ansätze theoretisch getrennt zu untersuchen. Eine Politik, die allein auf einer Strategie fußt, erscheint jedoch nach Auffassung des Verfassers - nicht unproblematisch. Nach den Erfahrungen mit der IMS-Politik wird allgemein akzeptiert, daß eine zu starke Betonung der IMS zu einem Wachstumsrückgang, zu zunehmenden periodischen Defiziten der Zahlungsbilanz und zu größerer Arbeitslosigkeit führt. 8 Die Vertreter der EXD müssen sich jedoch den folgenden Fragen stellen: (1)Wie kann eine Entwicklungsstrategie, die nur auf der EXD basiert, die strukturellen Probleme - insbesondere zu viele Arbeitskräfte und unzulängliche Kapitalausstattung - überwinden, die für fast alle Entwicklungsländer kennzeichnend sind? (2) Anschließend an die Fragestellung (1): Kann eine E X D allein eine Industrialisierung ermöglichen, wenn Industrialisierung als Diversifizierung der Industriestruktur aufgefaßt wird? (3) Kann die volkswirtschaftliche Produktionskapazität allein durch E X D in wesentlichem Maße erhöht werden? (4) Ermöglicht eine Entwicklungsstrategie, die nur auf E X D basiert, ein anhaltendes WirtschaftsWachstum unter Berücksichtigung der Erkenntnisse, die sich aus der Theorie des ausgewogenen oder unausgewogenen Wachstums ergeben?

5)

Vgl. Ahmad (I), S. 7f Vgl. L. Hoffmann

(I), S. 53ff

71

Vgl. Frey, S. 7f

8)

Vgl. Dams (I), S. 312; Vyas

y

S. 25f: siehe dazu auch Kapital B-1.3

1. Problemstellung

3

Es sollte daher gefragt werden, ob die Lösung dieser Fragen nicht auch durch IMS - vielleicht besser als durch E X D - erreicht werden kann. In der wirtschaftspolitischen Praxis zeigt sich, daß es dieses "entweder-oder" der Strategien nicht gibt, vielmehr gibt es ein "sowohl-alsauch". 9 Es kommt somit darauf an, welche Reihenfolge der jeweils getrennt ausgewiesenen Strategien gewählt wird, wie sie komplementär verbunden werden und welche Handlungsentwürfe sich für die Forderung einzelner Industrien (z.B. Schwer- und Leichtindustrie) daraus ergeben. Diese Auffassung der Komplementarität der beiden Strategien wird bereits von vielen Wirtschaftswissenschaftlern 10 vertreten. D. Bender führt dazu aus: "Importsubstitution und Exportdiversifizierung dürfen nicht als stets konkurrierende Industrialisierungsstrategien angesehen werdenM. Priorität sollten die Sektoren haben, die "nach Abschluß der Importsubstitutionsphase Exportchancen besitzen".11 In jedem Falle sollte also eine zunehmende Intensität der Arbeitsteilung in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen angestrebt werden. Das führt sogar zu der Formulierung "EXD durch IMS". Damit wird neben der Komplementarität - die Frage des Strategieübergangs aufgeworfen. 12 Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen wird deutlich, daß bei der vorliegenden Untersuchung auf "vorgetane Arbeit" der Kombination der IMS- und EXD-Strategien zurückgegriffen werden kann. Dieser Sachverhalt führt insbesondere zu folgenden Schwerpunkten in der vorliegenden Untersuchung: (1) Auswertung der wissenschaftlichen Literatur über Aussagen zugunsten der IMS-Politik. (2) Darstellung der beiden Strategien, wobei die Analyse der Bedingungen erfolgreicher Anwendung im Vordergrund steht.

9)

Vgl. Canas, S. 36; MMer-Ohlsen u.a., S. 27

10)

Vgl. Stecher, S. 136f; Bender (I), S. 518f; Meier, S. 320f; Cartas, S. 36f; Hirsch (I), S. 112f; Hirschman (I), S. 124 11)

Vgl. Bender (I), S. 519f

12)

Vgl. L. Hoffmann

(I), S. 50

4

Α. Einleitung

(3) Empirische Untersuchungen auf makroökonomischer Ebene zur Überprüfung und Ergänzung der unter (1) und (2) ausgewiesenen Zusammenhänge. (4) Empirische Untersuchungen auf mikroökonomischer Ebene, in Verbindung mit (3). So gesehen verfolgt diese Untersuchung das Ziel, in der Literatur ausgewiesene Zusammenhänge (IMS und EXD) empirisch zu überprüfen und mit den daraus gewonnenen Ergebnissen die Tragfähigkeit des Theoriegebäudes zu verstärken bzw. den Erklärungsgehalt von Wirtschaftstheorien zu verbreiten. Zur empirischen Untersuchung wird die Republik Korea (im folgenden Korea) ausgewählt. Für die Wahl Koreas sind fünf Gründe maßgeblich: (1)In Korea kann auf Erfahrungen in den letzten drei Dekaden zurückgegriffen werden. In ökonomischer Hinsicht hatte Korea große Erfolge zu verzeichnen. In der Periode von 1965 bis 1985 z.B. stufte die Weltbank die jahresdurchschnittliche koreanische Wachstumsrate des realen BSP pro-Kopf von 6.7 % unter siebenundneunzig Entwicklungsländern an zweiter Stelle (Singapur an erster Stelle) ein. 13 (2) Korea hat seine Wirtschaftsentwicklung durch E X D vorangetrieben. Es wird jedoch auch argumentiert, daß Korea seit Mitte der 70er Jahre eine starke IMS betrieben habe.14 An der koreanischen Wirtschaftsentwicklung können daher die komplementären Beziehungen zwischen IMS und E X D empirisch überprüft werden. (3) Bei der Erklärung der koreanischen Wirtschaftsentwicklung wird hauptsächlich die wesentliche Rolle der E X D unterstrichen. 15 Da IMS und EXD in der koreanischen Wirtschaftspolitik vom Anfang bis heute simultan praktiziert werden, besteht ein For-

13)

Vgl. Wehbank, S. 260ff

14)

Vgl. Suh, S. 394f

15)

Vgl. Balassa (I) S. 75; W. H. Park, S. 2 und siehe die dort zitierte Literatur

1. Problemstellung

5

schungsbedarf 16, die Rolle der IMS für die Wirtschaftsentwicklung als Ergänzung zur E X D zu untersuchen. (4) Oft wird behauptet, daß einige der makroökonomischen Probleme in der koreanischen Wirtschaft Ende der 70er Jahre auf die starke IMS zurückzuführen wären. Besonders interessant ist dabei, daß die Probleme den Kritikpunkten ähnelten, die allgemein gegen die IMS - meistens aufgrund der Effizienzkriterien - angeführt wurden. 17 Diese Diskussion über die IMS war in Verbindung mit der Frage, wann der Import vollständig liberalisiert werden soll, der heftigste Streitpunkt der koreanischen Industriepolitik Ende des 70er Jahre. (5) Die Argumente gegen die IMS werfen die Frage auf, ob die industriellen Branchen, die sich seit den 70er Jahren durch die IMS entwickelt haben, negative Beiträge zu den makroökonomischen Variablen leisten, wenn die Auswirkungen der IMS auf längerere Sicht (z.B. seit Mitte der 80er Jahre) betrachtet werden. Korea hat die IMS in den 70er Jahren eingeführt. Deswegen ist es zum jetzigen Zeitpunkt legitim, die Auswirkungen der IMS abzuschätzen und daraus wirtschaftspolitische Konsequenzen abzuleiten. Die koreanische Industrialisierung hat mit dem Ende des Koreakrieges( 1950-1953) begonnen. Die Rolle der IMS müßte somit über den gesamten koreanischen Industrialisierungsprozeß hinweg (seit Anfang der 50er Jahre) untersucht werden. Es bestehen jedoch erhebliche Schwierigkeiten, Daten aus den 50er Jahren zu erheben. Der Analyse-Zeitraum in dieser Arbeit wird deshalb auf die Industrialisierung seit den 60er Jahren beschränkt, um die empirische Analyse einerseits zu begrenzen und andererseits deren Qualität zu erhöhen.

16) K. Ono und H. imaoka haben bereits eine empirische Untersuchung in dieser Richtung unternommen. Dabei wurde jedoch keine klare Definition der IMS und der EXD vorgenommen. Vgl. Ono/Imaoka (I), S. 17-20; Ono ! Imaoka (II), S. 11 ff 17)

EPB (Economic Planning Board, Korea), S. 199; Nam (II): KDI (Korea Development Institute), S. 34ff

6

Α. Einleitung

2. Aufbau der Arbeit Diese Arbeit verfolgt das Konzept, Theorie und Empirie miteinander zu verbinden. Der erste Teil wird der theoretischen Darstellung gewidmet, wobei die Notwendigkeit und die Erfolgsbedingungen sowie die Auswirkungen der IMS ausführlich diskutiert werden. Dazu wird vorhandene Literatur systematisch aufgearbeitet. Mit diesem theoretischen Bezugsrahmen wird im zweiten Teil anhand der koreanischen Wirtschaftsentwicklung die in der Praxis betriebene IMS beschrieben und analysiert. Diese Ergebnisse werden wieder zur Überprüfung verwendet, inwieweit die theoretischen Überlegungen und die empirischen Befunde übereinstimmen.

2.1. Aufbau des theoretischen Teils Im theoretischen Teil wird zunächst die IMS definiert. Daran schließen sich Ausführungen zu Erfahrungen an, die mit der IMSPolitik gemacht wurden. Auf theoretischer Basis wird begründet, daß für die Wirtschaftsentwicklung die EXD allein nicht ausreichend ist. Die Unzulänglichkeit der EXD muß noch durch eine andere Strategie - die IMS-Politik - ergänzt werden. Die weitere Betrachtung der Rolle der IMS soll aus den Antworten auf die nachfolgenden Fragestellungen aufgebaut werden: In welchen Fällen benötigt man die IMS im Prozeß der Wirtschaftsentwicklung? Welche Auswirkungen können von der IMS erwartet werden? Die "infant industry"-Argumentation und Strategie des "balanced growth" und des "unbalanced growth" werden als primäre theoretische Grundlage für die Beantwortung dieser Fragen dienen. Welche Ergebnisse rufen diese Auswirkungen der IMS auf der Makroebene - Allokation der Ressourcen, Wirtschaftswachstum, Beschäftigung, Zahlungsbilanz - hervor? Die Beantwortung dieser Frage ermöglicht unter Berücksichtigung der tatsächlichen Erfahrungen mit der IMS-Politik eine empirische Ziel-Mittel-Wirkungsanalyse. Wie soll die IMS mit der EXD bei der Industrialisierung abgestimmt werden, wenn die IMS zur Ergänzung der E X D erforderlich ist?

2. Aufbau der Arbeit

7

Diese Frage wird im Zusammenhang mit der Anwendung der Außenhandelsstrategie und der Diversifizierung industrieller Strukturen diskutiert. Die Antwort auf diese Frage bezieht sich daher auf die zeitlich und räumlich richtige Anwendung der IMS. Dabei wird auf die Betrachtung der gesamten Industrie verzichtet, die Analyse beschränkt sich auf die Untersuchung der verarbeitenden Industrie. Die Ergebnisse dieser Arbeit sind in erheblichem Maße abhängig von den Kriterien, die zur Klassifikation der Industriezweige innerhalb der verarbeitenden Industrie verwendet werden. 18 Für die Wahl von Klassifikationskriterien sind keine allgemein akzeptierten Maßstäbe verfügbar. 19 Diese Arbeit geht bei der Einteilung der verarbeitenden Industrie nicht von W. Hoffmanns Klassifikation Konsum- und Kapitalgüter - aus, sondern benutzt die Einteilung in Leicht- und Schwerindustrie. Dafür sind folgende vier Gründe maßgeblich20: Erstens können in W. Hoffmanns Klassifikation keine Zwischengüter21 berücksichtigt werden. Zweitens besteht die gesamte Endnachfrage nicht nur aus privaten Konsum- und Kapitalgütern, sondern auch aus öffentlichen Konsum- und Exportgütern. W. Hoffmann bezeichnet lediglich den Teil der Endnachfrage ohne die privaten Konsumgüter als Kapitalgüter. Drittens ist das Verhältnis der Nettoproduktionswerte von Konsum-und Kapitalgüterindustrie fast gleich dem Verhältnis der Nettoproduktionswerte von Leichtund Schwerindustrie. Viertens gehen die meisten heutigen empirischen Analysen wegen der obigen Gründe von der Klassifikation in Leicht- und Schwerindustrie aus. Welche Instrumente der IMS gibt es? Zur Beantwortung dieser Frage werden, neben Protektionsmaßnahmen, indikative Maßnahmen wie Nationalpläne und Maßnahmen der Investitionsanreize erörtert.

18)

Vgl. Görgens, S. 648

19)

Vgl. Ebenda, S. 648

^ Vgl. Lago, S. 41ff; Görgens, S. 648ff; Helmstädter,

S. 142f

21 * Zwischengüter werden die Güter genannt, die in der eigenen Unternehmung als Produktionsfaktoren verwendet werden. Vgl. dazu Wittmann, S. 589

8

Α. Einleitung

2.2. Aufbau des empirischen Teils Kernstück der empirischen Untersuchung bildet die Analyse, (1)wie die IMS im Industrialisierungsprozeß angewendet wurde (Mittelanalyse), (2) wie sich die Industrialisierung im Zusammenhang mit der Außenhandelspolitik - IMS und E X D - entwickelt hat (Beschreibung), (3) inwieweit die IMS dynamische Effekte und Verkettungseffekte verwirklicht und die internationale Wettbewerbsfähigkeit gefördert hat (Wirkungsanalyse), (4) welchen Einfluß die IMS auf die Makroebene -Allokation der Ressourcen, Wirtschaftswachstum, Beschäftigung, Zahlungsbilanz, -ausgeübt hat (Zielanalyse auf der Makroebene), (5) welchen Einfluß die IMS auf die Mikroebene ausgeübt hat (Zielanalyse auf der Mikroebene); dazu wird die Fallstudie der "Pohang Steel Company" (im folgenden POSCO) vorgelegt. Bei der Mittelanalyse werden folgende Fragen untersucht: (1) Welche IMS-Maßnahmen wurden bei der Industrialisierung angewendet? (2) Welche Industrien wurden durch die IMS geschützt und gefördert? Bei der Beschreibung wird versucht, den Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Industriestruktur und der Strategieanwendung herauszufinden. Dieser Zusammenhang wird zunächst in kleineren Industriebranchen und dann für die verarbeitende Industrie insgesamt untersucht. Bei der Betrachtung der verarbeitenden Industrie insgesamt werden auch die Bestimmungsgründe für die Veränderung der Industriestruktur untersucht. Dafür sollen die Entwicklung der Industriestruktur und die Außenhandelsstrategie definiert und gemessen werden. Bei der Wirkungsanalyse handelt es sich um einen sektoralen Vergleich zwischen IMS-Ausmaß und geschätzten IMS-Wirkungen. Dadurch soll geprüft werden, wie eng der Zusammenhang der IMS mit ihren Wirkungen ist. Bei der Zielanalyse wird auf Makroebene untersucht, inwiefern die IMS negative oder positive Ergebnisse auf der Makroebene auf weist.

2. Aufbau der Arbeit

9

Folgende Einzelfragen werden getrennt analysiert22: (1) sektoraler Zusammenhang zwischen - I M S und Wachstum - IMS und Verbesserung der Handelsbilanz - I M S und Beschäftigungseffekte (2) gesamtwirtschaftlicher Beitrag - IMS und Wachstum - IMS und Verbesserung der Handelsbilanz - I M S und Beschäftigungseffekte Bei der Zielanalyse wird die regionale Entwicklung berücksichtigt, denn die durch die IMS bewirkte Industrialisierung hat erhebliche regionale Auswirkungen. Es ist von Interesse zu beobachten, welche Konsequenzen - Beschäftigungseffekte, Einkommenssteigerung, Bevölkerungszunahme und Erhöhung der Produktionskapazität - sich aus der betriebenen IMS-Politik für die einzelnen Regionen ergeben haben. Ferner wird dabei untersucht, ob dies zur ausgewogenen Entwicklung zwischen den Regionen beigetragen hat. Mit folgender Begründung wird eine Zielanalyse auf Mikroebene durchgeführt: (1) Die gesamtwirtschaftlichen Ergebnisse der IMS-Politik sind die Aggregation mikroökonomischer Auswirkungen. (2) Die auf der Firmenebene angestellte Untersuchung erweitert die Beurteilungsgrundlage für die IMS-bezogenen Aspekte Dabei werden folgende Fragen anhand einer Unternehmensstudie über POSCO 23 untersucht:

^ Bei einer Untersuchung der Wirtschaftsentwicklung ist im Prinzip auch die Veränderung der Einkommensverteilung einzubeziehen. In dieser Arbeit wird darauf aus folgendem Grund verzichtet: Makroökonomische Auswirkungen der IMS werden in der vorliegenden Arbeit hauptsächlich mit Hilfe der Input-Output-Technik analysiert. Die Input-Output-Technik ermöglicht lediglich die Analyse der Beziehungen zwischen den Branchen. Dadurch können aber keine sinnvollen Ergebnisse für die Beurteilung der IMS-Auswirkungen auf die Einkommensverteilung abgeleitet werden. Zur Beurteilung der Wirkungen auf die Einkommensverteilung sind andere methodische Ansätze notwendig. Insbesondere sind funktionelle und personelle Einkommensverteilung zu untersuchen. Dies ist ausgesprochen schwierig und erfordert eine eigene Arbeit. Vgl. dazu; Siebke, S. 372ff

^ POSCO ist die größte Stahlfirma in Korea. Ende 1987 betrug ihre Produktionskapazität 11,8 Millionen Tonnen Rohstahl. Ihre Umsatzstrategie ist sehr stark auf den inländischen Absatzmarkt ausgerichtet. Nähere Angaben siehe Kapitel C-6

10

Α. Einleitung

ΑΕ-1: Schematischer Analyserahmen

Bestimmungsgründe - innere Faktoren - äußere Faktoren

Bestimmungsgründe - innere Faktoren - äußere Faktoren

Zusammenhang zwischen Industrialisierung und Strategieanwendung

Zusammenhang zwischen Industrialisierung und Strategieanwendung

Mittelanalyse

Mittelanalyse

Ansätze - strukturell - terms of trade - dynamisch - nachfrageorientiert

Wirkungsanalyse - Dynamische Effekte - Verkettungseffekte - Einfluß auf die internationaie Wettbewerbsfähigkeit

Auswirkungen - makroökonomisch - mikroökonomisch

Zielanalyse - makroökonomisch - mikroökonomisch

\

/

Theoretische! Analyse

I

\

I Empirische!

|

[

Analyse I

/

Wirtschaf tspolitischel Konsequenzen I

2. Aufbau der Arbeit

11

(1)Wie lange hat die Regierung die Unternehmung gefördert? (2) Wie hat sich die Unterstützung der Regierung auf die Exportbemühungen ausgewirkt? (3) Welche Bedeutung hatte das allgemeine Zollpräferenzabkommen in diesem Zusammenhang? (4) Welche Beiträge hat die IMS-Strategie auf Firmenebene zur Zahlungsbilanz geleistet? (5) War der inländische Markt für das Angebot der von der IMSStegie begünstigten Firmen - insbesondere POSCO - groß genug? In der Abbildung AE-1 wurden die zu untersuchenden Felder schematisch zusammengefaßt. Hinsichtlich des methodischen Vorgehens werden die verfügbaren Daten zur Überprüfung der Hypothesen verwendet. Die Daten werden aus drei Bereichen gewonnen: (1) Statistiken staatlicher Stellen und verschiedener Institutionen (insbesondere werden dabei die Hauptdaten aus den n Input-Out put-Tabellen" y die die koreanische Zentralbank (Bank of Korea) herausgibt, verwendet), (2) anderweitig vorliegende empirische Arbeiten und (3) Primärerhebung bei der Analyse der mikroökonomischen Auswirkungen. Zur Auswertung der Datenquellen werden meist statistisch-arithmetische Verfahren und In put-Out put-Techniken verwendet. Erläuterungen zu den einzelnen grundlegenden Methoden und zu den methodischen Grenzen der empirischen Untersuchung werden den entsprechenden Abschnitten vorangestellt.

Β. Theoretischer Teil

1. Historische Erfahrungen mit der Importsubstitutionspolitik

1.1 Zu den Begriffen der Importsubstitution und Importsubstitutionspolitik

Die IMS wird als wissenschaftlich operationaler Terminus, insbesondere hinsichtlich der erzielten empirischen Meßergebnisse, sehr kontrovers definiert. Ohne hier auf alle voneinander abweichenden Auffassungen eingehen zu können, sollen im folgenden nur allgemein gebrauchte Definitionen erörtert werden. Mit IMS wird ein Prozeß bezeichnet, in dem die bisher importierten Güter durch die inländische Produktion ersetzt werden. Dadurch wird die inländische Produktion diversifiziert und die Spezialisierung auf wenige Güter aufgegeben. 1 Im engeren Sinne findet IMS statt, wenn die inländische Produktion Importe in der Weise ersetzt, daß das Importvolumen absolut zurückgeht. Dieser Fall wird "absolute" IMS genannt. Beim erweiterten Begriff der IMS steigt das Importvolumen, jedoch mit einer niedrigeren Rate als die inländische Produktion, d.h. der Importanteil am inländischen Angebot fällt. In diesem Fall wird von Mrelativer" IMS gesprochen.2

1)

Vgl. L. Hoffmann

21

Vgl. CuJcor, S. 203f

(II), S. 37

1. Historische Erfahrungen mit der Importsubstitutionspolitik

13

Dieses relative IMS-Konzept, das vor allem durch die Arbeiten von H. B. Chenery heute allgemein anerkannt ist, hat eine wachsende Wirtschaft als Referenzsystem. Ein proportionales Wachstum aller Sektoren wird als "normale Entwicklung" angesehen, ein überproportionales Wachstum eines mit Importen konkurrierenden Sektors als IMS. 3 IMS beschränkt sich grundsätzlich nicht auf industrielle Produkte, sie schließt vielmehr auch den primären und den tertiären Sektor ein. Da die Importe der Entwicklungsländer jedoch in der Regel ganz überwiegend aus Industriegütern bestehen, hat die IMS in diesem Bereich die größte Bedeutung.4 Je nach sektoraler Ausrichtung des IMS-Prozesses in der industriellen Produktion können Konsumgüter-, Zwischengüter-, und Kapitalgüter-IMS unterschieden werden. Die vorliegende Untersuchung beschäftigt sich ausschließlich mit der IMS industrieller Produktion. IMS kann als Ergebnis zweier Komponenten betrachtet werden: (1) eine nicht durch staatliche Anreize, sondern durch den Markt, d.h. in der Folge des entwicklungsbedingten Strukturwandels hervorgerufene natürliche IMS; (2) eine durch wirtschaftspolitische Maßnahmen induzierte IMS. 5 Daher müssen die IMS und die IMS-Politik unterschieden werden. Von der IMS-Politik wird dann gesprochen, wenn entwicklungspolitische Instrumente auf eine Ersetzung von Importen durch Inlandserzeugung gerichtet sind.6 Unter diesen entwicklungspolitischen Instrumenten sind verschiedene Regierungsaktivitäten zu verstehen, die nicht nur Importe verbieten oder beschränken, sondern auch die inländische Produktion für die IMS fördern. 7 Die IMS-Politik ist also eine viel umfassendere Strategie als eine Protektionspolitik. Sie umfaßt neben der Protektionspolitik verschiedene Förderungspolitiken.8

3)

Vgl. Chenery (I), S. 624f

4)

Vgl. Vogelsang, S. 29

5)

Vgl. Stecher, S. 7f; Winston, S. 107ff; Hesse, S. 641

β)

Vgl. Bender (I), S. 517

η

Vgl. Robock, S. 352

Β. Theoretischer Teil

14

Bei der Anwendung der IMS-Politik sollte die Gefahr nicht übersehen werden, daß die IMS exzessiv betrieben wird. Dies führt zu einer Verschwendung von Produktionsfaktoren. Es kommt zu wirtschaftlichen und sozialen Fehlentwicklungen, die sich später nur mit hohen sozialen Kosten korrigieren lassen.

1.2 Ursachen der Verwendung der Importsubstitutionspolitik als Instrument der Entwicklungspolitik seit 1930

Eine IMS war bereits im Laufe des neunzehnten und des frühen zwanzigsten Jahrhunderts vor allem in lateinamerikanischen Entwicklungsländern zu beobachten, jedoch hatte sie damals mehr den Charakter eines natürlichen Vorgangs.9 Mit der Weltwirtschaftskrise begann eine Phase, in der sich die Weltexportstruktur mehr und mehr zum Nachteil der Entwicklungsländer wandelte. Nicht nur das mengenmäßige Exportwachstum der Primärgüter blieb deutlich hinter dem der Industriewaren zurück, sondern auch die "commodity terms of trade" verschlechterten sich trendmäßig zum Nachteil der Entwicklungsländer.10 Infolgedessen hat die Wirtschaftskrise bei den Entwicklungsländern Wachstums-, Beschäftigungs- und Zahlungsbilanzprobleme hervorgerufen. Einige Entwicklungsländer versuchten, die für sie ungünstig gewordene Spezialisierung auf Primärgüter dadurch aufzugeben, daß sie den Weg der Industrialisierung vorrangig mit Hilfe der IMSPolitik einschlugen.11 Der Industrialisierungsprozeß wurde seit 1930 mit den verschiedenen Formen der IMS-Politik, besonders deutlich in Lateinamerika,

8)

Vgl. Ahmad (I), S. 41f Vgl. Stecher, S. 2

10)

Vgl. Ebenda S. 1

11)

Vgl. Ahmad (I), S. 21

1. Historische Erfahrungen mit der Importsubstitutionspolitik

15

vorangetrieben. Viele lateinamerikanische Entwicklungsländer erzielten damals Devisenerlöse durch ein hohes Exportwachstum bei Primärgütern. Dadurch waren sie imstande, eine akzentuierte IMSPolitik durchzuführen. 12 Der IL Weltkrieg bewirkte eine verschärfte Knappheit bei verarbeiteten Gütern und einen Zusammenbruch der Exportmärkte für Rohstoffe. Dies hatte zur Folge, daß die betroffenen Länder ihre IMS-Politik verstärkten. 13 Neben diesen ökonomischen Gründen wirkten nicht-ökonomische {politische) Kräfte auf die IMS-Politik. 14 Die IMS-Politik wurde als wichtigstes Instrument für die Erreichung der "Selbstversorgung" und der "wirtschaftlichen Unabhängigkeit" angesehen.15

1.3 Makroökonomische Erfahrungen mit der Importsubstitutionspolitik Von der IMS wurde - zu Beginn ihrer Anwendung - ein schnelleres Wirtschaftswachstum bei steigender Beschäftigung sowie die Überwindung strukturell bedingter Zahlungsbilanzschwierigkeiten erwartet. Aber diese Erwartungen haben sich nicht oder nur teilweise erfüllt. 16 Die zu starke Betonung der IMS hat zu einer Fehlallokation der Ressourcen, zu einem Rückgang der Produktion, zu zunehmenden Defiziten in der Leistungsbilanz und zu größerer Arbeitslosigkeit geführt. 17 Infolgedessen wird die IMS-Politik kritisch reflektiert. Die kritischen Einwände gehen meistens von der (neo)klassischen Außen-

12)

Vgl. Hirschman (II), S. 3f

13)

Vgl. Ahmad (I), S. 21

14)

Vgl. Ebenda S. 6

15)

Diese Beispiele werden in den Planungen für die Wirtschaftsentwicklung in Lateinamerika, Indien usw. sichtbar. Vgl. dazu Felix, S. 57; Diaz-Alejandro, S. 125 16)

Vgl. Stecher, S. 2

17)

Vgl. Dams (I), S. 312

16

Β. Theoretischer Teil

handelstheorie - den statischen Effizienzansätzen

- aus.1*

1.3.1 Allokation der Ressourcen Die IMS-Politik räumte den Unternehmern Zollprivilegien beim Import von Maschinen und sonstigen Ausrüstungen sowie Preisvorteile bei überbewerteter Währung ein. Beim Kauf von Investitionsgütern erhielten sie außerdem Kredite zu Vorzugsbedingungen. Außerdem konnten sie großzügig bemessene Abschreibungserleichterungen und Steuerermäßigungen in Anspruch nehmen. Dadurch wurde das Kapital, obwohl nur knapp vorhanden, künstlich verbilligt. Gleichzeitig wurde dagegen die Arbeitskraft, obwohl überaus reichlich vorhanden, durch Mindestlöhne, Sozialversicherung und Kündigungsschutz künstlich verteuert. 19 Als Folge dieser Verzerrung der Faktorpreise wurde eine Fehlallokation der Ressourcen und somit ihre Verschwendung hervorgerufen. Diese Fehlallokation der Ressourcen verschärfte sich vor allem wegen übermäßiger Prestigebedürfnisse; die verantwortlichen Instanzen verlangten, alle Importe im Inland herzustellen. Dabei haben sie sich keineswegs eine klare Vorstellung über die künftige Produktionsstruktur gemacht, die auf mittlere oder längere Sicht eine gesamtwirtschaftlich effiziente Spezialisierung hätte sichern können.20

1.3.2 Wirtschaftswachstum Der Wachstumsschub, der durch die IMS in bestimmten Bereichen hervorgerufen wird, hält nur so lange an, wie der Binnenmarkt eine weithin unbefriedigte Nachfrage nach den Produkten dieser Bereiche auf weist. Ist die importsubstitutierende Inlandsproduktion auf gebaut, dann wird das Wachstumstempo dieser Branchen nur noch durch die Expansion der gesamten inländischen Nachfrage getragen, die wiederum vom Tempo des Bevölkerungswachstums und des durch-

18)

Vgl. Ahmad (I), S. 5

19)

Vgl. Stecher, S. 25

201

Vgl. Ahmad ( I ), S. 6; Stecher, S. 9

1. Historische Erfahrungen mit der Importsubstitutionspolitik

17

schnittlichen Einkommensanstiegs abhängt.21 Je kleiner der Binnenmarkt ist, desto schneller wird sich die industrielle Entwicklung jenem Punkt nähern, bei dem sich ein zusätzliches Wachstum nur dann einstellt, wenn eine Verlagerung von IMS auf EXD stattfindet oder wenn sich die IMS auf andere Industrien verlagert. 22 Ohne eine solche Verlagerung hemmt die weitere Durchführung der IMS schließlich ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum. Abgesehen von diesen Nachfrageaspekten begrenzt die Größe des Binnenmarktes auch die Erreichung jener Betriebsgrößen, bei denen H economies of scale " verwirklicht werden: Je kleiner der Binnenmarkt ist, desto schneller werden die Grenzen für eine ökonomische Effizienz der IMS sichtbar. 0 In kleinen Entwicklungsländern kann daher die IMS die Investitionsbemühungen der Pionierunternehmungen einengen. Insbesondere hatte die durch IMS forcierte Industrialisierung negative Auswirkungen auf den Export und die Produktion der traditionellen Sektoren.24 Überdies haben die Errichtung hoher Zollmauern und eine restriktive Lizenzierung von Importen bis hin zum Einfuhrverbot den Wettbewerb des Weltmarktes ausgeschaltet. Infolgedessen sind im Inland Voraussetzungen entstanden, die schlechtes Management und unzureichende Produktqualität sowie Kosten- und Preiserhöhungen begünstigt haben. Dies hat das Wirtschaftswachstum begrenzt.25

1.3.3 Beschäftigung Die IMS-Politik hat eine Verbilligung des Kapitals und eine Verteuerung der Arbeitskraft bewirkt, was Überkapitalisierung und Unterbeschäftigung zur Folge hatte.26

21)

Vgl. Müller-Ohlsen

221

Vgl. Stecher, S. 23

u.a., S. 27; Stecher, S. 15

^ Vgl. Ebenda, S. 23 24)

Vgl. Schmitz, S. 2f

251

Vgl. MüUer-Ohlsen u.a., S. 28 Vgl. Schmitz, S. 3

18

Β. Theoretischer Teil

Die Situation der Unterbeschäftigung wurde durch zwei Gründe weiter verschlechtert: (1) Viele große Unternehmen in den Entwicklungsländern haben es vorgezogen, eine möglichst moderne Technologie zu importieren, um mit anderen großen Unternehmen auf den inländischen Absatzmärkten konkurrieren zu können.27 (2) Da ausländische Investoren wenig Veranlassung hatten, eigens für Entwicklungsländer geschaffene Technologien zu entwickeln,28 und es ihnen mehr darum ging, sich trotz Zollmauern einen Anteil am inländischen Markt zu sichern, wurde die Tendenz zu einem kapitalintensiven (statt kapitalsparenden) Industriewachstum noch verstärkt. 29

1.3.4 Zahlungsbilanz Viele Entwicklungsländer haben vor allem deshalb eine IMS-Politik verfolgt, um ihre Zahlungsbilanzprobleme zu lösen. Aber die IMSPolitik hat das Gegenteil bewirkt. Sie hat eine starke Zunahme des Imports von Kapital- und Zwischengütern, eine Einfuhrabnahme des ausländischen Kapitals und eine schwache Zunahme oder Stagnation des Exports hervorgerufen. Die IMS hat zu einer Situation geführt, in der das Wachstum des Sozialproduktes vom Import viel abhängiger war als früher. 30 Als Ursachen für diese Abhängigkeit sind vor allem anzuführen: ( 1 ) Die Industrialisierung brachte eine Zunahme der interindustriellen Verflechtung und dadurch bedingt verstärkte Investitionsgüterimporte vor- und nachgelagerter Industrien, deren Güter im Inland nicht oder noch nicht hergestellt wurden und deren Preise in der Regel sehr hoch waren. 31 (2) Die Einkommenssteigerung und die ungleiche Einkommensver-

27)

Vgl. Stecher, S. 26

281

Vgl. Dams (II), S. 309f

29)

Vgl. Müller-Ohlsen

301

Vgl. Datas-Panero, S. 39

31)

Vgl. Hirschman (II), S. 6; Stecher, S. 17

u.a., S. 29

1. Historische Erfahrungen mit der Importsubstitutionspolitik

19

teilung, welche die durch die IMS realisierte Industrialisierung hervorrief, bewirkten einen überproportionalen Import von Luxusgütern. 32 (3) Die IMS-Politik förderte die Inlandsproduktion von Fertigprodukten sowie die Einfuhr von Rohstoffen und Halbfertigwaren. Dadurch hat der Import dieser Güter rasch zugenommen.33 Der mit dem Ablauf der IMS ständig gestiegene Devisenbedarf hätte nicht notwendigerweise zu einer Ausweitung der Devisenlücke zu führen brauchen, wenn es diesen Ländern gelungen wäre, stärker zu exportieren oder mehr Auslandskapital anzuziehen. Was die ausländischen Kapitaleinfuhren anbelangt, so haben sie zwar kurzfristig zum Zahlungsbilanzausgleich beigetragen, nicht aber die mit dem weiteren Verlauf der IMS aufgetretene Verschärfung der Zahlungsbilanzprobleme wesentlich mildern können.34 Die IMS führte auch zu einer Stagnation der Exporte. Das protektionistische System, verbunden mit vergleichweise geringen Exportsubventionen, brachte beim Absatz im Inland höhere Gewinne als im Ausland. Es kam hinzu, daß der Importprotektionismus die heimische Währung erheblich überbewertete. Somit verringerten sich fühlbar die Chancen junger Industrien, mit neuen Produkten Marktanteile im Ausland zu erobern. Angesichts der fehlenden Wettbewerbsfähigkeit im Ausland redeten sich viele Unternehmer ein, daß sie notgedrungen auf den Binnenmarkt angewiesen seien.35 Vor allem vernachlässigte die IMS-Politik die traditionellen Bereiche (z.B. im primären Sektor), die vorher Außenbeiträge erwirtschaftet hatten. Dies bewirkte nicht nur eine nachlassende Nachfrage nach primären Gütern, sondern auch eine schwächere Investitionstätigkeit in diesen Bereichen.36

321

Vgl. Datas-Panero, S. 39; Ahmad (I), S. 79 Vgl. Datas-Panero, S. 39 Vgl. Stecher, S. 19

35)

Vgl. Müller-Ohlsen Vgl. Stecher, S. 18

u.a., S. 29

2. Theoretischer Hintergrund der Importsubstitutionspolitik

Die negativen lateinamerikanischen Erfahrungen mit der seit den 30er Jahren durchgeführten IMS-Politik haben viele Entwicklungsländer veranlaßt, ihre Wachstumsstrategie von einer IMS-Politik auf eine exportorientierte Politik umzulenken. In der Tat haben einige Entwicklungsländer (z.B. Korea, Taiwan) auch ein sehr hohes Wirtschaftswachstum durch ihre exportorientierte Politik erreicht. Es ist jedoch sehr fragwürdig, ob sich ohne IMS-Politik, also ausschließlich mit einer exportorientierten Politik, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum oder eine ununterbrochene Industrialisierung eingestellt hätte. Folgende Überlegungen führen zu diesem Zweifel: (1) Jede Theorie erklärt nur einen Teil der Wirklichkeit. Es gibt keine Universalstrategie, die alle wirtschaftspolitischen Probleme löst. Deshalb ist zu vermuten, daß eine ausschließlich auf EXD oder IMS basierende Politik nicht optimal ist.1 (2) Fast alle Industrie- und Entwicklungsländer haben ihre Industrialisierung unter Zollschutz durchgeführt. 2 (3) Viele Längs- und Querschnittanalysen deuten darauf hin, daß beim Aufbau einer exportorientierten verarbeitenden Industrie die IMS-Politik eine entscheidende Bedeutung hat.3 In diesem Kapitel werden verschiedene theoretische Ansätze zu der Frage diskutiert, weshalb am Anfang der Industrialisierung eine IMSPolitik steht. Der Versuch, eine IMS-Politik zu begründen, geht zunächst davon aus, die Bedingungen zu spezifizieren, unter denen Freihandel zu Beginn der Wirtschaftsentwicklung für ein Land nicht optimal ist. 1)

Vgl. Lewis, S. Iff

V Vgl. Cartas, S. 36; MüUer-Otüsen u.a., S. 27; Dönges (I), S. 340 3)

Vgl. Maizels (I), S. 8f

2. Theoretischer Hintergrund der Importsubstitutionspolitik

21

2.1 Klassische Außenhandelstheorie

Die klassische Außenhandelstheorie, die die internationale Wirtschaftsbeziehungen und die Struktur des Welthandels erklärt, beginnt mit A. Smiths "absoluten Kostenunterschieden". Die Theorie der "komparativen Kostenunterschiede" von D. Ricardo erweitert diese Frage-stellung. Das Modell von D. Ricardo wurde zum "modernen" Faktor-Proportionen-Modell durch Arbeiten von E. Heckscher (1919), B. Ohlin (1933) und P. Samuelson (1948) weiterentwickelt. Die zentralen Aussagen des F aktor-Proportionen-Theorems bestehen darin, daß - unter strengen Annahmen - der freie Außenhandel die effiziente Allokation der Ressourcen eines Landes und die höchstmögliche Wohlfahrt sichert. Diese Vorteile freien Außenhandels werden in Schaubild B2-1 erklärt. Bevor der Außenhandel entstand, mußte die Volkswirtschaft des Landes im Gleichgewicht E alle ihre Güter selbst produzieren und selbst konsumieren. Der Außenhandel ermöglicht es ihr, die Gleichgewichtspunkte der Produktion (im Punkt F) und des Konsums (im Punkt G) zu trennen. Dies führt zur Steigerung ihres Wohlfahrtsniveaus von UO nach U l . Dabei wird angenommen, daß die betrachtete Volkswirtschaft auf der Transformationskurve effizient operiert, bevor sie in den Außenhandel eintritt. Die Funktion des Außenhandels liegt darin, die gegebenen Ressourcen zwischen der Produktion für inländische Nachfrage und für den Export effizient umzuverteilen. In der entwicklungspolitischen Diskussion sind Einwände gegen diese theoretische Fundierung und dadurch auch Argumente zugunsten der IMS-Politik vorgebracht worden. Sie gehen meistens von den Erfahrungen der Entwicklungsländer und ihren ökonomischen Rahmenbedingungen aus. Dabei spielen vier Argumente eine besondere Rolle: (1) Strukturelle Ansätze: Die Realität der Entwicklungsländer - die Existenz unvollkommener Märkte und die Ungleichgewichte beim Einsatz von Produktionsfaktoren - macht es unmöglich, auf der Transforma-

22

Β. Theoretischer Teil

Abb. B2-1: Wohlfahrtstheoretische Analyse des Außenhandels unter verschiedenen ökonomischen Bedingungen

Y Industriegüter AFB (steigende Opportunitätskosten widerspiegelnde) Effizienztransformationskurve AIC Rechtsverschiebung der Kurve AFB, die die vom Außenhandel realisierte Zunahme der Faktorausstattung hervorruft DB Obenverschiebung der Kurve AFB, die unter der gleichbleibenden Faktorausstattung die dynamischen Effekte im Sektor der Industriegüter verursacht ALB Transformationskurve, die wegen der Verzerrung auf dem Faktormarkt innerhalb der Kurve AFB liegt U Soziale Indifferenzkurve η internationales Preisverhältnis 1 verändertes internationales Preisverhältnis, das die Verschlechterung der "terms of trade" kennzeichnet (vgl. dazu a:b a:c) m,p inländisches Preisverhältnis, bevor der Außenhandel entsteht Quelle: Eigener Entwurf in teilweiser Anlehnung an Abbildungen von Johnson und Hagen: Vgl. Johnson, S.13ff; Hagen, S.508f

2. Theoretischer Hintergrund der Importsubstitutionspolitik

23

tionskurve zu produzieren. Deswegen müssen zuerst diese strukturellen Probleme beseitigt werden, um ein Optimum zu erreichen (die Fälle des Produktionsgleichgewichts N,L und J in Abb. B2-1). (2) "terms of trade" Ansätze: Die Entwicklung der "terms of trade" hat sich zum Nachteil des Wirtschaftswachstums von Ländern der Dritten Welt ausgewirkt (die Veränderung der Preis Verhältnisse auf den Weltmärkten nl nach 1 in Abb. B2-1). Dazu gehören: Die Indizes der "terms of trade", die sich langfristig für Industriestaaten verbessert und für Entwicklungsländer verschlechtert haben. Die Schwankungen der "terms of trade "-Indizes, die bei den Rohstoffen zumeist größer ausfallen als bei Industrieprodukten. (3) Dynamische Ansätze: Die traditionelle Außenhandelstheorie basiert auf einer statischen Analyse. Darin werden Veränderungen in der Zeit, z.B. zunehmende Skalenerträge, nicht berücksichtigt, die die Transformationskurve nach oben verschieben können. Die "infant industry"Argumentation berücksichtigt diese dynamischen Effekte (die Verschiebung der Transformationskurve AFB nach DB in Abb. B2-1).

(4) Nachfrageorientierte Ansätze: Diese Ansätze beruhen auf der Erkenntnis, daß die verschiedenen Investitionen und die wirtschaftlichen Aktivitäten voneinander abhängen, die in armen Ländern schwach entwickelten Märkte ein Haupthindernis für den effizienten Einsatz der Produktionsfaktoren darstellen. Somit muß die Wirtschaftspolitik so angelegt werden, daß auf dem Binnenmarkt die Nachfrage zunimmt. Diese marktorientierten Ansätze lassen sich mit Hilfe der Strategie des "balanced growth" und des "unbalanced growth" erklären (der Fall der Kaufkraftgerade k in Abb. B2-1).

24

Β. Theoretischer Teil

2.2 Strukturelle Ansätze

Das Faktor-Proportionen-Theorem beruht auf einigen expliziten und impliziten Voraussetzungen, unter denen Freihandel die erwähnten Wohlfahrtsgewinne bewirkt. Die zentrale Annahme besteht in einer vollkommenen Konkurrenz sowohl auf dem Faktormarkt als auch auf dem Gütermarkt. Diese Bedingung ist in der Realität - besonders eines zu Beginn der Entwicklung stehenden Landes - nicht erfüllt. 4 Dieses Problem kann im Zwei-Güter-Modell gut veranschaulicht werden (Abb. B2-1). Bei Autarkie ist das Produktions- und Nachfragegleichgewicht im Punkt E unter denjenigen Annahmen erreicht, die im Faktor-Proportionen-Theorem vorausgesetzt werden. Im Entwicklungsland, das die Annahme der vollkommenen Konkurrenz nicht erfüllt, kann die Produktion im Punkt L wegen einer Verzerrung auf dem Faktormarkt (z.B. der Unterbeschäftigung des Faktors Arbeit) oder Ν wegen einer Verzerrung auf dem Gütermarkt (z.B. dem Vorliegen eines Monopols oder Oligopois) liegen. Wegen der Immobilität der Faktoren und der Starrheit der Faktorpreise kann die Produktion beim Außenhandel nicht im Punkt F, sondern nur im Punkt J realisiert werden, obgleich dieses Land vor Aufnahme des Außenhandels ein Pareto-Optimum erreicht hatte. In diesem Fall könnte die IMS, bei der sich ein Land nicht voll in die internationale Arbeitsteilung eingliedert, ein sinnvoller Weg sein.Im folgenden werden diese Punkte im Hinblick auf wohlfahrtstheoretische Aspekte (auch anhand der Abb. B2-1) untersucht.

2.2.1 Strukturelle Verzerrung auf dem Faktormarkt Im Faktor-Proportionen-Theorem wird unterstellt, daß für ein Produkt nicht benötigte Produktionsfaktoren unmittelbar für die Produktion anderer Produkte eingesetzt werden. 5 Dieser ModellÜberlegung werden zwei Einwände entgegengesetzt.

4)

Vgl. Dams (III), S. 196

5)

Vgl. Johnson, S. 12; Ahmad (I), S. 66f; Todaro, S. 348f

2. Theoretischer Hintergrund der Importsubstitutionspolitik

25

Zum einen wird behauptet, daß diese Annahme insbesondere in Entwicklungsländern unrealistisch ist. In Entwicklungsländern ist ein strukturelles Ungleichgewicht der Faktorausstattung - zu viele Arbeitskräfte, unzulängliche Kapitalausstattung - vorhanden. Die ungleichgewichtige Faktorausstattung behindert den reibungslosen und ununterbrochenen Einsatz der reichlich vorhandenen primären Ressourcen und des Arbeitskräftepotentials. 6 Daher ist eine Wirtschaftspolitik notwendig, die sich zunächst um die Beseitigung des oben beschriebenen strukturellen Engpasses bemüht. Zum anderen wird argumentiert, daß sich ein Land sofort an veränderte Preisrelationen im Außenhandel anpassen muß, um das Freihandelsoptimum zu erreichen. Dazu ist eine sofortige Reallokation der Ressourcen erforderlich. Die isolierten Subsysteme des traditionellen Subsistenzsektors und des modernen Industriesektors beschränken die Mobilität der Produktionsfaktoren ein. Ferner verhindert diese Immobilität den intersektoralen Ausgleich der Faktorpreise und ruft somit eine Rigidität der Faktorpreise hervor. 7 H. G. Johnson erklärt, daß unter allen Kombinationen von Faktorimmobilität und Rigidität der Faktorpreise der Außenhandel immer zu einem Punkt unterhalb der Transformationskurve führt und daß Protektionspolitik ein höheres Wohlfahrtsniveau als Freihandel erreichen kann.8 Johnson ist dabei von der Annahme ausgegangen, daß vor dem Außenhandel ein vollkommener Faktormarkt besteht und eine Produktion auf der effizienten Transformationskurve sichergestellt ist. In der ökonomischen Realität der Entwicklungsländer ist jedoch die Vollkommenheit der Faktormärkte bei Autarkie unrealistisch. Es läßt sich zunächst zeigen, daß die Immobilität der Arbeit Effizienzverluste zur Folge hat. Sie führt zu unterschiedlichen Entlohnungsformen im primären und industriellen Bereich, die eine Divergenz der sektorspezifischen Grenzproduktivität der Arbeit bewirken : Das Grenzwertprodukt der Arbeit ist im primären Bereich niedriger als im industriellen Bereich. Die Bedingung der optimalen Produktionsstruktur ist mithin verletzt; folglich wird nicht auf,

* Vgl. Nurkse, S. 48f; Hemmer, S. 121ff 71

Vgl. Myrdal,

8)

Vgl. Johnson, S. 16

S. 284-289; Todaro, S. 353

26

Β. Theoretischer Teil

sondern innerhalb der maximal erreichbaren Transformationskurve produziert (vgl. die Kurve AFB und ALB in Abb. B2-1). Lediglich bei ausschließlicher Produktion im primären oder im industriellen Bereich liegen die effizienten Produktionspunkte auf der Kurve AFB. 9 Weiterhin bewirken die Differenzen der Grenz Produktivität beiden Sektoren ein Abweichen des privaten Güterpreisverhältnisses vom sozialen Grenzkostenverhältnis. Folglich schneidet die Preisgerade (m in Abb. B2-1) die Transformationskurve ALB im jeweiligen Produktionspunkt statt sie zu tangieren, d.h. die Transformationskurve ALB wird von der gesellschaftlichen Indifferenzkurve (U3) nicht tangiert, sondern geschnitten.10

in

Bei diesen Effizienzverlusten führt Ε. E. Hagen wohlfahrtstheoretische Argumente zugunsten einer IMS-Politik ins Feld. 11 2.2.2 Strukturelle Verzerrung auf dem Gütermarkt Protektionsmaßnahmen können auch bei vollkommenem Faktormarkt im Falle einer Unvollkommenheit auf dem Gütermarkt 12 die Wohlfahrt einer Volkswirtschaft erhöhen.13 Eine mögliche Unvollkommenheit dieser Art ergibt sich, wenn die Güter, bei denen ein Land einen komparativen Vorteil hat, auf mono politi sehen oder oligopolitischen Märkten hergestellt werden. Dieser Zustand kann dazu führen, daß das Verhältnis zwischen privaten und sozialen Grenzkosten nicht mehr übereinstimmt, d.h. der Monopolzustand führt dazu, daß der Marktpreis über den privaten Grenzkosten liegt: Das Preisverhältnis Px/Py (P in Abb. B2-1) ist in jedem Punkt auf der Kurve höher als die entsprechende Grenzrate der Transformationskurve. Folglich schneidet die Preisgerade Ρ die effiziente Transformationskurve AFB im jeweiligen Produktionspunkt.

* Vgl. Myint, S. 151f; Johnson, S. 23; Hagen, S. 497; Grubel (I), S. 326 u. S. 335 10)

Vgl. Hemmer, S. 215f

11)

Vgl. Hagen, S. 509; Stecher, S. 33

Diese Annahme impliziert, daß die Produktion auf der Transformationskurve AFB in Abb. B2-1 realisiert werden kann. 13)

Vgl. Johnson, S. 19

2. Theoretischer Hintergrund der Importsubstitutionspolitik

27

Es kommt hinzu, daß die Erzeugung eines Gutes im Monopol gewöhnlich eine geringere Produktion hervorbringt als im Zustand des Pareto-Optimums. Dieser entspricht dem Punkt Ν in Abb. B21. Dabei zeigt Johnson, daß der Außenhandel zu einer höheren oder niedrigeren Wohlfahrt als die Autarkie führen kann. Das Ergebnis ist vom Verhältnis zwischen den Preisrelationen bei Autarkie (P) und bei Außenhandel (n) abhängig. Wenn die Relation der Weltmarktpreise sich etwa derart gestaltet, daß ein Land sich auf die Erzeugung der Güter spezialisiert, bei denen es einen komparativen Nachteil besitzt, kann die Protektion zu einer höheren Wohlfahrt führen. 14

2.3 "terms of trade" Ansätze

Nach dem "Faktor-Proportionen-Theorem" sollten sich die Entwicklungsländer auf die Produktion von Primärgütern spezialisieren. Dagegen wird eingewendet, daß sich diese Spezialisierung durch die Verschlechterung der "terms of trade" oder durch deren große Schwankung zum Nachteil des Wirtschaftswachstums ausgewirkt hat. Dieser Zusammenhang wird im folgenden näher untersucht.

2.3.1 Verschlechterung der "terms of trade" für Entwicklungsländer Aus den Einkommensstatistiken ist zu erkennen, daß der auf der neoklassischen Theorie beruhende Freihandel die Einkommens- und Wohlstandsniveaus international nicht angleicht. Der Außenhandel bleibt für die Entwicklungsländer zwar absolut vorteilhaft, aber den vergleichsweise größeren Vorteil aus der internationalen Arbeitsteilung ziehen die Industrieländer. 15 In den von Industrieländern gehandelten Exportsortimenten dominieren die Produkte, deren Einkommenselastizität größer als eins ist (z.B. Investitionsgüter, dauerhafte Konsumgüter, usw.). Dagegen umfaßt das von Entwicklungsländern gelieferte Exportsortiment einen großen Anteil von Produkten mit relativ einkommensunela-

14)

Vgl. Johnson, S. 19

15)

Vgl. Timmermann, S. 161

28

Β. Theoretischer Teil

Tab. B2-1: Anteile der Ländergruppen am Weltexport (vH), 19701987

Industrieländer

Entwickl.länder

Sozialistische Länder

70 75 87

70 75 87

70 75 87

70 75

Primärgüter 34 32 19 Sekundärgüter 66 66 81 1,6 1,6 Sonstige1

84 85 50 16 14 50 0,2 0,4 -

40 43 36 51 50 64 8,4 6,4 -

43 46 27 55 52 73 2,0 1,7 -

Gesamt

100 100 100

100 100 100

100 100 100

100 100 100

Welt

87

1) Der Anteil der Gruppe der sonstigen Güter von 1987 wurde den Sekundärgütern zugerechnet. Quelle: UNCTAD (II), 1987; UNCTAD (III)

stischer Nachfrage (z.B. Nahrungs- und Genußmittel, zahlreiche Rohstoffe). 16 Diese Tatsache belegt Tabelle B2-1. In der gesamten Beobachtungsperiode beträgt der Anteil der Primärgüter am Export bei den Industrieländern ca. 30%, bei den Entwicklungsländern ca. 70%. Im Zuge des technischen Fortschritts sind Verfahren zur Wiederaufbereitung bereits genutzter Rohstoffe entwickelt worden 17, und synthetische Produkte (z.B. synthetisches Gummi, Nylon, chemische Kristalle usw.) sind an die Stelle von natürlichen Rohstoffen getreten. 18 Infolgedessen hat die Nachfrage nach den Primärgütern relativ langsam zugenommen. Somit sind die Preise der typischen Exportprodukte von Entwicklungsländern langfristig nicht so stark gestiegen wie die der Exportprodukte der Industrieländer, so daß sich das

16)

Vgl. Bender (II), S. 403; Hesse, S. 651ff

17)

Vgl. Timmermann, S. 161

1β)

Vgl. Kindleberger/Lindert,

S. 75; Hufbauer, S. 13ff; Hirsch (I), S. 86ff

2. Theoretischer Hintergrund der Importsubstitutionspolitik

29

Verhältnis der Preise der (exportierten) Primärgüter zu den Preisen der (importierten) Industriegüter, "terms of trade" l9, für Industriestaaten verbessert und für Entwicklungsländer verschlechtert hat.20 Dieses Phänomen wurde schon sehr früh von H. Singer und R. Pre bisch diskutiert. Seitdem wird dieses Phänomen in der Literatur als die "Prebisch-Singer-These" bezeichnet.21 Die Abbildung B2-2 zeigt, daß zwischen 1981 und 1987 die "terms of trade" der Dritten Welt (Entwicklungsländer außer den ölexporteuren) um 8%-Punkte (von 95% auf 87%) gesunken sind. In dieser Periode ist die "terms of trade" bei den Industrieländern hingegen um 13%-Punkte (von 98% auf 111%) gestiegen. Insbesondere fielen die Preise für Rohstoffe gegen Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre zum Teil sehr rapide. Von 1974 bis 1986 sind die Preise um ca. 80 % gefallen. 22 Deshalb mußten die Entwicklungsländer eine größere Menge Primärgüter als früher verkaufen, um eine gegebene Menge von verarbeiteten Gütern einkaufen zu können. J. N. Bhagwati weist darauf hin, daß unter folgenden Bedingungen ein auf dem Export von Primärgütern basierendes Wirtschaftswachstum das Wohlfahrtsniveau nicht erhöht, sondern eher vermindert 23^ (1) Der Exportsektor hat für das Wirtschaftswachstum die führende Rolle. (2) Die ausländische Nachfrage nach den Exportwaren ist preisunelastisch, so daß nur bei starkem Preisrückgang der Export auszudehnen ist. (3) Die Außenhandelsgewinne bei Primärgütern werden durch die Verschlechterung ihrer "terms of trade" aufgezehrt.

Die "terms of trade" lassen sich als Quotient aus Preisindex der Exporte und den Preisindizes der Importe berechnen, so daß sie das relative Preisniveau der Exporte eines Landes erfassen ("terms of trade " auf Güterbasis, "commodity terms of trade"). Daher kann man sagen, eine Zunahme der "commodity terms of trade" bedeutet, daß dadurch je Einheit des exportierten Gutes eine größere Menge des importierten Gutes getauscht werden kann. : Siehe dazu; Bender (II), S. 439; Timmermann, S. 161 ^ Vgl. Dams (I), S. 306; Bender (II), S. 404; ÜNCTAD (I), S. IV - VII 21)

Vgl. Timmermann, S. 162 Vgl. Weltbank (I), 1989, S. 13f

^ Vgl. Bhagwaü (I), S. 16f

30

Β. Theoretischer Teil

Dieses "immiserizing"-Wachstum ist ebenfalls in Schaubild B2-1 dargestellt.24 Die Verschlechterung derHterms of trade H (nl 1) führt zu einem niedrigeren Wohlfahrtsniveau (U1 U2), obwohl das Exportwachstum die Produktionsfähigkeit des Landes erhöht hat (AFB - AIC).

Abb. B2-2: Entwicklung der "Terms of Trade (T)" nach Ländergruppen, 1965-1988

1) Siehe dazu gehörende Länder UNCTAD (II), 1989, S.V Quelle: UNCTAD (II)

24)

Vgl. Kindleberger/Lindert,

S. 69

2. Theoretischer Hintergrund der Importsubstitutionspolitik

31

2.3.2 Schwankungen der "terms of trade" bei den Primärprodukten Die Behauptung einer langfristigen Verschlechterung der Hterms of trade" der Entwicklungsländer wird nicht unwidersprochen hingenommen. Werden die"terms of trade" der Entwicklungsländer in der gesamten Beobachtungsperiode herangezogen, so zeigt sich lediglich eine leichte Verschlechterung; zwischen 1966 und 1968 und zwischen 1968 und 1975 sogar eine Verbesserung (vgl. Abb. B2-2). 25 Die "terms of trade" können also nicht die einzige Ursache dafür sein, daß der Außenhandel zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern nicht zu einer Angleichung des Einkommens und der Güterversorgung führt. Als Ursachen dieser nur geringen Verschlechterung (evtl. auch einer leichten Verbesserung) der"terms of trade" sind anzusehen26: (a) Das natürliche Vorhandensein (oder die Verfügbarkeit) der Primärgüter ist beschränkt, (b) Die Produktion von Primärgütern unterliegt in besonders starker Weise dem Gesetz abnehmender Ertragszuwächse. Hinzu kommt, daß dem technischen Fortschritt im primären Sektor viel engere Grenzen gesetzt sind als in der gewerblichen Industrie, (c) Wegen dieser zwei Produktionsbeschränkungen kommt es zu einer nur geringen Angebotszunahme der Primärgüter. Diese zögernde Angebotszunahme bewirkt - trotz der Einkommensunelastizität eine Erhöhung der Preise. Somit kann erwartet werden, daß sich die H terms of trade" der Entwicklungsländer langfristig verbessern. Trotz dieser berechtigten Einwände gegen die zentrale Annahme einer Verschlechterung der "terms of trade" ist die folgende Aussage von Bedeutung:27 Wenn die Einkommens- und Preiselastizitäten der Nachfrage nach Rohstoffen kleiner als eins sind, ist es für Entwicklungsländer nicht sinnvoll, weitere Produktionsf aktoren im Rohstoff bereich zu belassen. Eine Spezialisierung auf Primärgüter führt zur Instabilität der Exporterlöse und zu einer relativ langsamen Produktivitätszunahme.

Vgl. Ebenda, S. 72ff ^ Vgl. Kindleberger/Lindert, 27)

Vgl. Timmermann, S. 166

S. 75

32

Β. Theoretischer Teil

Abb. B2-3: Veränderung der Rohstoff preise1 und der Industrieproduktion

Quelle: Hoffineyer/Schräder,

S.158

Die Schwankungen der Weltmarktpreise für Rohstoffe sind sehr groß. Es läßt sich ein Zusammenhang zwischen dem Grad der Konzentration der Exporte auf wenige Produkte und der Instabilität der Exporterlöse nachweisen.28 Die Abbildung B2-3 stellt die Veränderung der Rohstoff preise und der Industrieproduktion dar. Die Amplitude der Preisausschläge bei Rohstoffen (60% -20%) ist zumeist größer als bei Industrieprodukten (10% - -10%). Ein höherer Grad an Instabilität der Exporterlöse und eine geringe Produktivitätszunahmebeeinflussendas Wirtschaftswachstumnegativ. Aus den vorangegangenen Darlegungen ist deutlich geworden, wie problematisch es für die Entwicklungsländer wäre, sich noch länger

28)

Vgl. Ebenda, S. 167; Lancierie, S. 135ff

2. Theoretischer Hintergrund der Importsubstitutionspolitik

33

an einem Spezialisierungsmuster zu orientieren, das ihnen auch in Zukunft die Rolle der Rohstoff Produzenten zuweisen und damit die notwendige Diversifizierung ihres Exportgüterangebots weiter hinausschieben würde. 29

2.4 Dynamische Ansätze : Hinfant industry" -Argumentation

Die Protektionisten behaupten, daß es keine Garantie dafür gibt, daß der freie Außenhandel für die Entwicklungsländer die beste Strategie ist. Es gibt ökonomische Gründe dafür, warum die Protektionspolitik sich oft als bessere Strategie erweist. Sogar die Wirtschaftswissenschaftler, die den freien Außenhandel befürworten, wenden sich nicht prinzipiell gegen die "infant industry"- Argumentation.30 Das "infant industry "- Argument läßt sich nicht nur für Entwicklungsländer, sondern auch für eine neu entstehende oder für eine technisch hochentwickelte Industrie in Industrieländern (z.B. Flugzeug-, Elektro-, Biotechnikindustrie) anführen. 31 Die IMS-Politik zielt auf die Erhöhung der Produktionskapazität durch industrielle Diversifizierung. Der Erziehungszoll soll die Entstehung neuer Industriezweige ermöglichen. In diesem Sinne kann das "infant industry"- Argument als theoretische Grundlage der IMSPolitik dienen.

2.4.1 Erziehungszollgedanke von F.List Die älteste dokumentierte Argumentation über den Erziehungszoll geht auf das Ende des achtzehnten Jahrhunderts zurück. A. Hamilton behauptete in einem Bericht 32, daß für die Entwicklung der amerika-

291

Vgl. Timmermann, S. 168

301

Vgl. Samuelson, S. 429; Grübet, S. 22

31)

Vgl. DixU/Kyle,

325

Vgl. Cooke, S. XXff u. Kapitel IV

S. 139

34

Β. Theoretischer Teil

nischen verarbeitenden Industrie Protektionsmaßnahmen erforderlich seien. F. List hat die Notwendigkeit einer Protektion für die "infant industry " als erster systematisch begründet. Er ließ den Erziehungszoll als einzige wesentliche Ausnahme des Freihandelssystems zu. Vor dem Hintergrund des wirtschaftlichen Entwicklungsstadiums unterstrich List die Notwendigkeit des Schutzzolls für die Entwicklung der "infant industry 9. Dabei betonte er die Wichtigkeit der Produktionskapazität eines Landes. Hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung nimmt er folgende Entwicklungsstadien an: "wilder Zustand, Hirtenstand, Agrikulturstand,Agrikultur-Manufakturstand, Agrikultur-Manufaktur-Handelstand". 33 Für List war ein freier Außenhandel für zwei Länder nur dann von Vorteil, wenn sie auf etwa gleicher Entwicklungsstufe stehen. Eine wirtschaftlich weit zurückgebliebene Nation, die die erforderlichen geistigen und materiellen Grundlagen besitzt, muß sich daher zuallererst dazu befähigen, sich im internationalen Wettbewerb behaupten zu können.34 Nach seiner Auffassung hatte Deutschland solche Hilfsmittel35 und konnte somit seine damalige Außenhandelsstruktur (Export der Agrarprodukte und Import der Manufaktur waren) verändern. 36 List erläuterte induktiv 37 , daß die Theorie der internationalen Tauschwerte nicht in allen Fällen für die Erklärung der wirtschaftlichen Entwicklung angeführt werden kann.38 Er formulierte eine Theorie der produktiven Kräfte und unterschied sie von der Theorie der Tauschwerteje niedriger das Entwicklungsstadium ist, desto wichtiger sei der Rückgriff auf diese Theorie der produktiven Kräfte. 40

Vgl. List, S. 39 und S. 41 Ebenda, S. 2 ^ Vgl. Ebenda, S. 355 Vgl. Ebenda, S. 328 37)

Vgl. Ebenda, S. 37

M )

Vgl. Ebenda, S. 30

381

Vgl. Ebenda, S. 41

2. Theoretischer Hintergrund der Importsubstitutionspolitik

35

Allzu hohe Einfuhrzölle, die die auswärtige Konkurrenz gänzlich ausschließen, seien der Nation schädlich, weil dadurch der "Wetteifer der Manufakturisten" mit dem Ausland ausgeschlossen und "Indolenz genährt" werde. 41 Deswegen solle der Erziehungszoll in dem Maße schrittweise herabgesetzt und schließlich abgeschafft werden, wie ein Land seine Produktionskapazität durch den Erziehungszoll erhöhe und dadurch international wettbewerbsfähig werde. 42 Wichtig ist dabei die richtige Auswahl der zu fördernden Industrien. Zu Beginn der Industrialisierung soll insbesondere die Konsumgüterindustrie durch Zölle geschützt werden. List begründet dies damit, daß "der Totalbetrag des Wertes solcher Gewerbsprodukte ohne alle Vergleichung bedeutender ist als der Totalbetrag der viel teureren Luxusfabrikate. Diese Fabrikation bringt daher große Massen von natürlichen, geistigen und persönlichen Produktivkräften in Bewegung und gibt - indem sie große Kapitale erfordert - Anlaß zu bedeutender Kapitalersparnis und zu Herbeileitung fremder Kapitale und Kräfte aller Art. Dadurch wirkt das Emporkommen dieser Fabrikzweige stark auf die Vermehrung der Bevölkerung und ganz besonders auf die Vermehrung des auswärtigen Handels."43 Die Erfahrungen in Deutschland waren Beweis für seine Überlegung: "In allen Zweigen der Industrie, insoweit sie beschützt worden, habe Deutschland unermeßliche Fortschritte gemacht, besonders in den Wollen- und Baumwollenwaren des gemeinen Verbrauchs, deren Zufuhr aus England gänzlich aufgehört habe".44 Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die durch die Protektionsmaßnahmen für die Entwicklung der "infant industry " hervorgerufenen Sozialkosten in der Folgezeit durch die Erhöhung der Produktionsfähigkeit überkompensiert werden können.

^ Vgl. Ebenda, S. 41 u. S. 46 41)

Vgl. Ebenda, S. 45 u. 273f

421

Vgl. Ebenda, S. 45f u. 273f

431

Ebenda, S. 275

^ Ebenda, S. 333

36

Β. Theoretischer Teil

2.4.2 Auswahlkriterien für die "infant industry " Seit List wird die Frage diskutiert, welche Eigenschaften eine Industrie auf weisen muß, um als "infant industry " unterstützt zu werden. Zur Beantwortung dieser Frage kann auf die Mill-BastableKemp-Tests über die "infant industry" zurückgegriffen werden. Nach J. S. Mills "Principles of Political Economy " ist ein zeitweiliger Schutzoll in einem sich entwickelnden Land in denjenigen Fällen gerechtfertigt 45, in denen sich die Produktionsfähigkeit der durch den Schutzoll geförderten Industrie nach einiger Zeit erhöht. 46 Die heimi-schen Produzenten sollten jedoch wissen, daß der Schutzzoll nur bis zur Erhöhung der Produktionskapazität gewährt wird. 47 Mill unterscheidet zwei Möglichkeiten, ein höheres Wohlfahrtsniveau zu erzielen: durch Außenhandel oder durch eine Erhöhung der Produktionskapazität ein höheres Wohlfahrtsniveau zu erzielen. Die erste Wohlfahrtssteigerung wird als "direkter Gewinn" und die zweite als "indirekter Gewinn" bezeichnet. Er hält den indirekten Gewinn für wichtiger als den direkten Gewinn, zumindest zu Beginn der Entwicklung eines Landes.48 Zusammenfassend ist festzustellen, daß Mills Kriterien zur Auswahl dei "infant industry " darauf basieren, ob in absehbarer Zeit die Produktionskapazität erhöht werden kann. Nach C. F. Bastable reichen die Kriterien von Mill nicht aus. Ein weiteres Kriterium sei erforderlich: Die in Zukunft zu erwirtschaftenden Gewinne müssen hinlänglich groß sein, um die während der "geschützten Lernzeit" entstandenen sozialen Verluste abzugleichen. 49

Vgl. Mill, S. 651 * * Vgl. Ebenda, S. 649 47)

Vgl. Ebenda, S. 650

^ Vgl. Ebenda, S. 581 u. S. 649 491

Vgl. Bastable (I), S. 140; Bastable (II), S. 140f

2. Theoretischer Hintergrund der Importsubstitutionspolitik

37

Abb. B2-4: Wohlfahrtstheoretische Analyse des Mill-Bastable Tests

Diese Mill-Bastable Tests lassen sich in einem Modell für ZweiGüter und Zwei-Perioden darstellen (Abb. B2-4). 50 Zur Vereinfachung nehmen wir an, daß das internationale Preisverhältnis gleich dem inländischen ist und daß bei Freihandel die "infant industry " (YIndustrie) nicht produziert. Wir nehmen weiter an, daß die zunehmenden Skalenerträge in der "infant industry " nur von der Menge ihrer Produktion abhängen. Somit verschiebt sich die Transformationskurve mit der Zunahme der Produktionsmenge in der "infant industry" nach oben (CRE DQE). Bei diesen Annahmen liegt bei den Punkten R, E und Q das Produktionsgleichgewicht vor, wobei die Punkte R und Q den Zustand bei Protektion der "infant industry" in der ersten Periode bzw. in der

^ Vgl. Yabushita, S. 327

Β. Theoretischer Teil

38

zweiten Periode kennzeichnen, während bei Freihandel das Produktionsgleichgewicht im Punkt E liegt. Die Strecken OA, OE und OB geben den in X-Gütern gemessenen jeweiligen Wert der gesamten (X und Y) Produktion an. Auf der Grundlage des Tests von Mill ist eine Industrie als Minfant industry " durch den Schutzzoll nur dann zu unterstützen, wenn sie die Eigenschaft zunehmender Skalenerträge besitzt, d.h. die Transformationskurve nach oben verschoben wird. Nach dem BastableTest muß noch eine zusätzliche Bedingung erfüllt werden. 51 Bei Einführung eines Zolls muß die Summe des gesamten Produktionswertes in beiden Perioden, OA + (OB/(l+r)}, größer sein als bei Außenhandel, OE + (OE/(l+r)}, wobei r den Zinssatz bezeichnet.52 Nach M. C. Kemp gibt es einen Fall, bei dem der Erziehungszoll nicht erforderlich ist, wenngleich die Auswahlbedingungen von Mill und Bastable erfüllt sind. Eine Unternehmung sollte nicht geschützt werden, wenn die akkumulierten Produktionsgewinne oder Kenntnisse, die durch den Zollschutz und die damit verbundenen Lernprozesse verwirklicht werden, ausschließlich dieser Unternehmung zukommen (d.h. keine "external benefits " für andere entstehen).53 Anhand der Abbildung B2-5 kritisiert Kemp die Mill-BastableKriterien. 54 Es sei WW* das gegebene internationale Preisverhältnis und DD* der Zeitpfad eines inländischen Unternehmens, der die durchschnittlichen Minimumkosten (d.h. die Zeitrate des Lernens) darstellt. Der Zoll entspricht zu Beginn dem Wertzoll DW und nimmt allmählich bis zum Zeitpunkt t x ab. Wenn die anderen Unternehmen die Erfahrungen des Pionierunternehmens kostenfrei übernehmen können, kann der inländische Preis weiterhin dem Zeitpfad DD* folgen. Dabei kommen alle Kostenersparnisse den inländischen Konsumenten zugute. In diesem Fall ist der Schutz der "infant firm" gerechtfertigt, falls die Mill-Bastable-Bedingungen erfüllt sind.

51)

Vgl. Kemp , S. 65

* * Vgl. Grübet (I), S. 332 M )

Vgl. Negishi, S. 57 Vgl. Kemp, S. 66f

2. Theoretischer Hintergrund der Importsubstitutionspolitik

39

Abb. B2-5: Kemps Argumentation über die "infant industry "

Quelle: Kemp , S.66

Die neuen Unternehmen werden jedoch mit höheren Kosten produzieren, wenn sie die Erfahrungen des Pionierunternehmens nicht kostenfrei übernehmen können. Infolgedessen wird der inländische Preis nach dem Zeitpunkt t x einem Zeitpfad QD" zwischen QD* und QW* folgen; die Pionierunternehmung wird die Gewinne d erwirtschaften. Diese Gewinne können attraktiv genug sein, um den zu Beginn der Produktionsaufnahme eintretenden Verlust in Kauf zu nehmen. In diesem Fall ist der Erziehungszoll für die Entwicklung der "infant firm" nicht erforderlich. Neben den Mill-BastableAuswahlkriterien muß daher noch die Kemp-Bedingung - die Existenz dynamischer externer Effekte - erfüllt sein, um eine "infant firm M abzugrenzen. Mill und Bastable diskutieren dynamische Effekte auf der Industrieebene, d.h. ein dynamische Effekt ist dann extern, wenn andere Industrien davon profitieren, ohne daß dies über Märkte abgegolten wird. Der Kemp- Test basiert nicht auf der Industrie-, sondern auf der Firmenebene. Bei dem Kemp-Ttsi tritt deswegen folgende Frage

Β. Theoretischer Teil

40

auf: Müssen die dynamischen Effekte einer "infant firm", um eine Unterstützung der "infant firm" zu rechtfertigen, auch für die betreffende Industrie extern sein, oder genügt es, wenn diese Effekte zwar für die Firma extern, für die betreffende Industrie aber intern sind? Auf diese Frage antworten H. Myint 55 und P. R. Krugman 56 damit, daß eine Unternehmung als "infant firm" unterstützt werden soll, wenn externe dynamische Effekte vorliegen, auch wenn sie für die betreffende Industrie intern sind. Wenn sie auf Firmenebene intern sind, wird diese Firma ohne Regierungsunterstützung - nur in Erwartung der langfristigen Gewinne - die Produktion aufnehmen. In diesem Fall ist der Erziehungszoll nicht erforderlich. Auch wenn die dynamischen Effekte einer Unternehmung exklusiv zukommen, gibt es einen Fall, bei dem die "infant industry" mit einem Erziehungszoll zu unterstützen ist.57 Diese Argumentation wurde von T. Negishi unter Verwendung des Konzeptes der "Konsumenten- und Produzentenrente" 5* dargelegt.59 In der Abbildung B2-6 sind in der Gegenwart (in der "ersten Periode") die inländische Angebots- (SJ, Nachfrage- (D) und Exportfunktionen der Ausländer (E) angegeben. Wenn die betreffende inländische Industrie ("infant industry") nicht existiert, wird die Menge db (=ed) beim Preis Od importiert. Nachdem die "infant industry" die Produktion aufnimmt, sinkt der Preis auf Oh, und die Nachfrage ist hf, wovon hg von der "infant industry " und gf (=ih) vom Ausland geliefert werden. In der ersten Periode ist der Verlust der "infant industry" sagh. Die Zunahme der Konsmentenrente ist bdhf und damit größer als die Abnahme der Konsmentenrente (im folgenden ausländische Rente) deih, die vom Import realisiert wird. Der gesamtwirtschaftliche Verlust ist also kleiner als sagh.

Vgl. Myint, S. 149 * * Vgl. Stegemann, S. 12f 57)

Vgl. Negishi, S. 57

Eine Konsumentenrente tritt auf, wenn der Nachfrager einen geringeren Preis zahlen muß, als er zu zahlen bereit ist. Eine Produzentenrente entsteht, wenn der Lieferant zu einem höheren Preis liefern muß, als der, zu dem er zur Lieferung bereit ist. Vgl. Siebke, S. 77ff Vgl. Negishi, S. 66f

2. Theoretischer Hintergrund der Importsubstitutionspolitik

41

Abb. B2-6: Negishis Argumentation über die "infant industry "

Dynamische Effekte und die damit verbundene Abnahme der Stückkosten verschieben in der Zukunft (in der "zweiten Periode M) die inländische Angebotskurve nach unten (Sj). In der "zweiten Periode" wird die Menge kn beim Preis Ok nachgefragt, wovon kq vom Inland und qn (=rk) vom Ausland geliefert wird. Die Zunahme der Konsumentenrente ist dbnk und die Abnahme der ausländischen Rente ist edkr. Die Produzentenrente ist pkq minus sagh. Wenn dbnk minus edkr größer als pkq minus sagh ist, lohnt sich eine Entwicklung der "infant industry " für das Inland auch ohne staatliche Förderung. Wenn pkq jedoch kleiner als sagh ist, würde diese Industrie im Inland nicht produzieren. In diesem Fall sollte die Regierung diese Industrie als "infant industry " unterstützen, weil die volkswirtschaftlichen Nettowohlfahrtseffekte immer noch positiv sind. Bisher wurde generell von Hexternen Effekten H gesprochen. In der wohlfahrtstheoretischen Literatur werden jedoch technologische und

42

Β Theoretischer Teil

pekuniäre externe Effekte unterschieden. Technologische externe Effekte treten auf, wenn direkte (nicht durch den Marktmechanismus erfaßte) Zusammenhänge zwischen den Produktionsbedingungen der Unternehmen bestehen. Pekuniäre externe Effekte entstehen, wenn Zusammenhänge zwischen Unternehmen über den Marktmechanismus bestehen. T. Scitovsky bezieht die externen Effekte, die zwischen Unternehmen und Konsumenten durch Marktmechanismen entstehen, in die pekuniären externen Effekte ein. 00 Vor diesem Hintergrund wird bei der von Kemp definierten "infam industry " danach gefragt, ob eine Unternehmung technologische externe Effekte erzeugt. Im Unterschied dazu hat nach Negishi die "infant industry " pekuniäre externe Effekte zwischen Unternehmen und Konsumenten auf zuweisen.61 Diesbezüglich stellen G. H aber 1er und H. G. Johnson fest, daß die "infant industry " Argumentation nicht über die pekuniären, sondern über die technologischen externen Effekte laufen sollte.62

2.5

Nachfrageorientierte Ansätze in der Strategie des "balanced growth " und des "unbalanced growth

Die Überlegungen des vorangegangenen Abschnitts haben zu dem Ergebnis geführt, daß bei der Existenz technologischer externer Effekte die IMS-Politik ein i.d.R. vernünftiger Weg ist, eine Erhöhung der Produktionsfähigkeit und damit ein höheres Wohlfahrtsniveau zu erreichen. Es bleibt nun noch eine Frage: Kann sich in jeder Volkswirtschaft ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum einstellen, wenn die gesamtwirtschaftlich effektive Nachfrage zu gering ist, um Vollbeschäftigung zu gewährleisten? Sowohl die Vertreter der Mbalanced

* * Vgl. Scitovsky, β1)

S. 144ff

Vgl. Yabushita, S. 332 Vgl. Haberler, S. 238; Johnson, S. 19 Dieser Denkansatz geht auf H. Myint zurück, vgl. dazu Myint, S. 156ff

Theoretischer Hintergrund der Importsubstitutionspolitik

43

growth als auch der Hunbalanced growth" -Strategie gehen davon aus, daß die kaufkräftige Gesamtnachfrage in Verbindung mit der gege-benen Faktorausstattung das Niveau des Wirtschaftswachstums deter-miniert. Schwach entwickelte Absatzmärkte sind in armen Ländern ein Haupthindernis der Industrialisierung. Die Strategie des "balanced growth " kann ebenso wie diejenige des unbalanced growth n aus folgenden Gründen als theoretischer Hintergrund der IMS-Politik dienen: M

(1)Ihre Vertreter erkennen die Wichtigkeit der Industrialisierung im Sinne der Diversifizierung der Industriestruktur, um ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum zu gewährleisten. (2) Sie glauben, daß zu Beginn der Industrialisierung Importbeschränkungen - wenngleich dies in der Strategie des Mbalanced growth " nicht so eindeutig zum Ausdruck gebracht wird - den Binnenmarkt vergrößern.

2.5.1 Nachfrageorientierte Ansätze in der Strategie des "balanced growth " "Balanced growth " bedeutet eine aus strategischen Gründen herbeigeführte Ausgewogenheit zwischen dem Angebot und der Nachfrage im Konsumgüterbereich im Sinne von P. N. Rosenstein-Rodan und R. Nurkse; für die Gesamtwirtschaft ist dieser Zusammenhang von A. Lewis, N. Kaldor, A. A. Young , T. Scitovsky und M. Flemming bearbeitet worden.64 Die Vertreter der "balanced £/w/A"-Strategie sind überzeugt, daß in den Entwicklungsländern der Export der primären Güter für ein nachhaltiges Wachstum nicht ausreicht, sondern daß dafür eine gleichgewichtige Erweiterung der Produktion erforderlich ist. Nach G. Myrdal 65 und Nurkse 66 bildet sich auf kleinen inländischen Absatzmärkten ein Gleichgewicht auf niedrigem Produktionsniveau heraus. Dies bewirkt einen Teufelskreis der Armut. Um sich diesem Teufelskreis zu entziehen, sind Mindestbemühungen unerläßlich, die

841

Vgl. Timmermann, S. 172; Hemmer, S. 265; Myint, S. 161

Vgl. Myrdal, S. 348f m

Vgl. Nurkse, S. 5f

44

Β. Theoretischer Teil

mit dem Begriff "critical minimum effort " von Η. Leibenstein 67 bezeichnet und in der "big- push theory " von Rosenstein-Rodan* dargelegt werden. 2.S.1.1 Richtung der neuen Investitionen Die Errichtung einzelner Betriebe ist in einem Land nicht sinnvoll, solange die kaufkräftige Nachfrage zu gering ist. Eine koordinierte Errichtung einer Reihe von Betrieben kann, durch die mit der Produktion entstehenden Einkommen, die zu ihrer Existenz notwendige Nachfrage schaffen. 69 Eine Produktionsausweitung auf breiter Front erfordert entsprechende Investitionen. Nach Nurkse sollten sich diese koordinierten Investitionen zunächst auf die Konsumgüter richten 70, weil die Unternehmen nur in diesem Fall damit rechnen können, daß die von ihnen erzeugten Produkte mittels der bei der Produktion entstehenden Einkommen gekauft werden. Außerdem sind technischeinfache Konsumgüter auch von Entwicklungsländern herstellbar; sie können diese exportieren, um die für die weitere Industrialisierung erforderlichen Kapitalgüter zu importieren. 71 Dagegen empfehlen Kaldor, Youngs Scitovsky und F lemming alle Sektoren der Volkswirtschaft gleichzeitig und ausgewogen zu entwickeln. Sie weisen darauf hin, daß der für ein "balanced growth" erforderliche Entwicklungsanstoß zwar in der Konsumgüterindustrie erfolgen kann. Von dort müsse er aber auf die Industrien der Investitionsgüter sowie der Vorprodukte für die Konsumgüterindustrie übertragen werden. Ein koordiniertes Vorgehen auf allen Stufen erhöht den Investitionsanreiz, weil nun positive externe Effekte, die sich aus dem Zusammenwirken aller Industrien ergeben, internalisiert werden. 72

e7)

Vgl. Leibenstein (I), S. 187f

M )

Vgl. Hemmer, S. 454ff; Rosenstein-Rodan (I), S. 57-73; Rosenstein-Rodan (II), S. 204ff

m

Vgl. Timmermann, S. 174

70)

Vgl. Ebenda, S. 174 u. S. 177

71)

Vgl. Myint, S. 163

72)

Vgl. Hemmer, S. 265

2. Theoretischer Hintergrund der Importsubstitutionspolitik

45

2.5.1.2 Einschränkung der Importe Die Einschränkung der Importe kann durch zwei nachfrageschaffende Effekte - direkte und indirekte - den inländischen Absatzmarkt vergrößern 73: (1)Sie kann die Nachfrage nach Importgütern auf dieselbe im Inland hergestellte Güter umlenken {direkte Nachfrageschaffung). (2) Sie kann das Einkommen der Haushalte, das sich bisher auf den Kauf von Importgütern richtete, auf den Konsum von anderen Inlandsprodukten lenken (indirekte Nachfrageschaffung). Damit kann ein großer Investitionsanreiz für die heimischen Unternehmer entstehen. In diesem Zusammenhang ergibt sich die fol-gende entwicklungspolitische Konsequenz: Bei Investitionsprojekten ist die Verdrängung bisher importierter Güter durch die inländische Produktion anzustreben.74 Mit welcher Industrie soll nun die Industrialisierung im IMS-Prozeß beginnen ? Diese Frage beantwortet Nurkse dahingehend, daß in erster Linie schon ausgereifte Konsumgüter importsubstituiert werden sollten.75 Er befürchtet jedoch, daß eine Importbeschränkung von Gütern des Luxuskonsums zur Produktion dieser "unnötigen" Güter führen kann, wozu knappes Kapital eingesetzt würde. Bei einer starken inländischen Nachfrage nach Luxusgütern sind daher Regierungsmaßnahmen erforderlich, die den Konsum von Luxusgütern einengen und dadurch die Kapitalakkumulation fördern. 76

73)

Vgl. Sheahan, S. 183f; Streeten, S. 176f

74)

Vgl. Myrdal, S. 348f; Nurkse, S. 116

75)

Vgl. Myint, S. 161

7β)

Vgl. Nurkse, S. 109f

46

Β. Theoretischer Teil

2.5.2 Nachfrageorientierte Ansätze in der Strategie des "unbalanced growth " Die Strategie des "balanced growth " besagt, daß eine ausgewogene Entwicklung von Angebot und effektiver Nachfrage den Teufelskreis der Armut durchbrechen kann. Die Vertreter der "unbalanced growth" -Strategie bezweifeln, ob bei dem unelastischen Angebot eines bestimmten Produktionsfaktors - wie es in den Entwicklungsländern oft der Fall ist - eine gleichzeitige Entwicklung aller Branchen möglich ist. Die wirtschaftliche Entwicklung ist keine einmalige Verschiebung von einem Gleichgewicht auf niedrigem Produktionsniveau zu einer gleichgewichtigen höheren Ebene77. Die wirtschaftliche Entwicklung besteht vielmehr aus einer Kette von Störungen und Ungleichgewichten, die durch Knappheiten, Engpässe und Kapazitätsüberschüsse charakterisiert sind. Im Laufe der Industrialisierung kann jede Investition Nutzen aus vorausgegangenen ziehen und zugleich wieder Vorteile für nachfolgende Investitionen schaffen. 78 Die wirtschaftliche Entwicklung soll daher in der Weise gefördert werden, daß im Bereich einzelner Produktionsstufen und zwischen verschiedenen Sektoren Engpässe und Überschußkapazitäten bewußt und gezielt geschaffen werden, weil nur so der Entwicklungsprozeß in Bewegung gehalten wird. 79 2.5.2.1 Richtung der neuen Investitionen In der Theorie des "unbalanced growth" werden die vertikalen Komplementärbeziehungen zwischen den Güterproduktionen hervorgehoben.80 Daher ist die Auswahl und zeitliche Aufeinanderfolge der zu tätigenden Investitionen sehr wichtig.81 Die Auswahl der Projekte soll nach der Stärke der "Anstoß-Effekte" erfolgen, die von

^ Vgl. Hirschman (I), S. 66f 78)

Vgl. Timmermann, S. 182f

^ Vgl. Timmermann, S. 188 * * Vgl. Hirschman (I), S. 67f; Streeten, S. 172f β1)

Vgl. Timmermann, S. 184

2. Theoretischer Hintergrund der Importsubstitutionspolitik

47

der Ausweitung der Produktion ausgehen. Dabei wird zwischen H backward linkage "- und "forward linkage*- Effekten unterschieden. Eine autonome Investition in einer bestimmten Industrie kann weitere Investitionen dadurch stimulieren, daß die Nachfrage nach den Produkten der Lieferanten steigt ("backward linkage"- Effekte) oder daß sich das Angebot für die Abnehmer erhöht ("forward linkage"- Effekte). 82 Je größer die Summe beider Effekte ist, desto eher kann das Projekt ein anhaltendes Wachstum fördern. "Backward linkage"- Effekte sind unmittelbar von den Investitionen zu erwarten, während "forward linkage" -Effekte vom Verhalten der Abnehmer abhängen.83 Bei der Investitionsentscheidung ist daher der Schwerpunkt in erster Linie auf die "backward linkage"- Effekte und erst in zweiter Linie dann auf die "forward linkage" -Effekte zu legen.84 Hirschman unterscheidet Sozialkapital (SOC = social overhead capital) und Produktivkapital (DPA = directly productive actives). Da die gesamten Anstoßeffekte bei Investitionen in SOC größer sind als bei Investitionen in DPA, sollte zuerst im Bereich SOC begonnen werden. Innerhalb des Bereichs DPA sind größere Anstoßeffekte in der verarbeitenden Industrie als in der primären Industrie zu erwarten. 85 Ebenso wichtig sind die Entscheidungen über die zeitliche Aufeinanderfolge der Projekte. 86 Darüber hinaus weist Hirschman darauf hin, daß es eine optimale (ungleichgewichtige) Abfolge der verschiedenen Investitionen gibt, die den Einsatz der begrenzten Ressourcen optimiert. 87

* * Vgl. Hirschman (I), S. 98f ^ Vgl. Ebenda, S. 116f ^ Vgl. Myint, S. 165 * * Vgl. Hirschman (I), S. 84 u. S. 109 Vgl. Timmermann, S. 184; Hirschman (I), S. 76f 87)

Vgl. Hirschman (I), S. 80

48

Β. Theoretischer Teil

Die industrielle Produktion läßt sich gedanklich in verschiedene Stufen einteilen. Die Produkte mancher Unternehmen sind Vorprodukte für andere Unternehmen. Deren Produkte sind z.T. wieder Vorprodukte für weitere Unternehmen usw., bis zu den Unternehmen, die Produkte für den Endverbrauch (Konsum) herstellen. Nach Hirschman sollte die Industrialisierung mit der "letzten" Stufe der verarbeitenden Branche beginnen, die für den Endverbrauch produziert und deren Zulieferprodukte von möglichst vielen Unternehmen stammen. Angenommen, der Markt für die Zwischengüter existiert zu Beginn der Industrialisierung nicht, dann ermöglichen die Anstoßeffekte dieser "letzten n Branche, die "vorletzte" Branche zu errichten. Solche Verkettungsprozesse werden sich bis zu der "ersten" Branche zurückverlagern, deren Ausbringungsmenge ausschließlich dem intermediären Verbrauch dient.88 2.5.2.2 Einschränkung der Importe In der Strategie des "unbalanced growth " wird die Bedeutung der Importbeschränkung für die Vergrößerung des Binnenmarktes deutlicher hervorgehoben als in derjenigen des "balanced growth ", 89 Bei der Strategie des "unbalanced growth H wird unterstellt, daß unbeschäftigte Ressourcen von Arbeitskraft und Kapital reichlich vorhanden sind. Wenn die Importe eines Gutes die "minimale ökonomische Mengebei der sich die Produktion lohnt, überschreiten, können inländische Unternehmen die Produktion aufnehmen. Die entstehenden "backward linkage" -Effekte können zusätzliche Nettoinvestitionen bewirken. Damit begründet Hirschman den von der IMS ausgehenden Industrialisierungsprozeß. 90 Hieraus wird klar, daß am Anfang der Industrialisierung die IMS-Politik ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum unterstützt.

2.5.3 Vergleich beider Strategien Die Theorie des "balanced growth " ebenso wie diejenige des "unbalanced growth " erkennen die Wichtigkeit der Binnenmärkte für ein

881

m

Vgl. Ebenda, llOf; Hirschman (II), S. 6 Vgl. Hirschman (I), S. 121

Vgl. Ebenda, S. 113f; Hirschman (II), S. 13f; Myint, S. 157f

2. Theoretischer Hintegrund der Importsubstitutionspolitik

49

anhaltendes Wirtschaftswachstum an. Beide Strategien interpretieren jedoch die sektorale Nachfrage - und die damit verbundene Produktionsstruktur - anders.91 In den Entwicklungsländern sind die Produktionsfaktoren nicht in hinreichender Menge vorhanden; das gilt vor allem für Kapitalgüter. 92 Daher sind gleichzeitige Investitionen in allen Industrien unmöglich, obwohl dies nach dem "balanced growth" -Ansatz wünschenswert wäre. In den Entwicklungsländern zwingt Kapitalknappheit zu der Strategie des "unbalanced growth Die Strategie des "unbalanced growth " leistet mehr zur theoretischen Fundierung der IMS als die Strategie des "balanced growth "; die Vertreter der "unbalanced growth" -Strategie sehen nämlich die Importbeschränkung als Voraussetzung der Industrialisierung an. Als Problem ist jedoch zu sehen, daß Knappheiten monopolartige Marktstellungen hervorrufen können. Ferner können Überkapazitäten, die sich als Fehlinvestitionen erweisen, den Optimismus der Unternehmer dämpfen. 93 Knappheiten oder Überschußkapazitäten können eine Verschwendung der Ressourcen verursachen, solange die aus Knappheiten und Überschüssen resultierenden Ungleichgewichte nicht sofort beseitigt werden. Bei der Anwendung der "unbalanced growth" -Strategie sind diese Verluste zu berücksichtigen, die bis zur Ausnutzung der Anstoßeffekte bestehen. Nach den bisherigen Erfahrungen hat das ungleichgewichtige Vorgehen auch in wirtschaftsschwachen Ländern die Inflation gefördert, weil die Beschäftigungswirkungen zu höherem Einkommen führten, ohne daß das Güterangebot entsprechend ausgedehnt wurde. 94

91 ) Man kann die Terminologie "horizontaT und \ertikaT S. 249; Hemmer, S. 265ff

* * Vgl. Timmermann, S. 181 M )

Vgl. Ebenda, S. 188 Vgl. Ebenda, S. 188

finden in: Myint, S. 158; Fleming,

50

Β. Theoretischer Teil

2.6 Erwartete makroökonomische Auswirkungen

Bisher wurden die theoretischen Grundlagen einer auf IMS ausgerichteten Industrialisierung diskutiert. Diese werfen eine Reihe von Fragen hinsichtlich der makroökonomischen Auswirkungen der IMSPolitik auf: Allokation der Ressourcen, Wirtschaftswachstum, Beschäftigung und Zahlungsbilanz.

2.6.1 Allokation der Ressourcen Die Effizienz der Ressoucenallokation wird im allgemeinen mit der EPR (< effective rate of protection) oder den DRC {Domestic Resource Costs) geschätzt. Die meisten empirischen Ergebnisse95 zeigen, daß die Allokation der Ressourcen bei der Anwendung der IMS-Politik weniger effizient ist als bei der Durchführung der EXD-Politik. Wenn die Voraussetzungen der Schätzung von EPR und DRC überprüft werden, kommt man zu dem Schluß, daß die Ergebnisse nicht uneingeschränkt aussagekräftig sind.96 Denn die zeitlichen Veränderungen (z.B. "terms of trade"-, dynamische-, strukturelle-, nachfrageorientierte Ansätze, die in den vorigen Abschnitten zugunsten der IMS-Politik vorgebracht worden sind) werden in die EPR- oder Z)/?C-Schätzungen nicht einbezogen.97 In den vorangegangenen Abschnitten wurde nachgewiesen, daß unter Berücksichtigung dieser zeitlichen Veränderungen die IMS-Politik zu einer ökonomisch besseren Allokation der Ressourcen führen kann als die EXD-Politik.

2.6.2 Wirtschaftswachstum Die in den vorigen Abschnitten angestellten theoretischen Überlegungen sprechen dafür, daß die IMS einem Land, das am Anfang

Vgl. Riedel, S. 154f; Kim/Hong, S. 51f; KDI, S. 187ff; KOTRA (Korea Trade Promotion Corporation) (IV), S. 178ff Vgl. Bhagwaä/Krueger, S. 419f; Bhagwad (II), S. 2f; King, S. HOf; Chenery, (II), S. 505; Little/Scitovski/Scott, S. 169f 97)

Vgl. Griffen/Enos,

S. 152

2. Theoretischer Hintergrund der Importsubstitutionspolitik

51

der Industrialisierung steht, ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum ermöglicht. Aus empirischen Untersuchungen können folgende Ergebnisse abgeleitet werden: (1) die IMS in der verarbeitenden Industrie kann zu einem raschen Wirtschaftswachstum beitragen 98, (2) unter Berücksichtigung des durch die IMS hervorgerufenen Wirtschaftswachstums wird der Binnenmarkt der Entwicklungsländer ausgeweitet, so daß in fast allen Branchen mit einer technologisch effizienten Betriebsgröße produziert wird. 99

2.6.3 Beschäftigung Kurzfristig gesehen kann die Wirtschaftspolitik, arbeitsintensive Branchen zu schützen, eine geeignete Strategie zur Erreichung der Vollbeschäftigung sein. Langfristig gesehen ist diese Beschäftigungsstrategie jedoch zu modifizieren. Eher können Maßnahmen für die Förderung des Kapitaleinsatzes die Produktivität erhöhen. Dies kann zu einem stärkeren Wirtschaftswachstum beitragen, wodurch mehr Arbeitplätze entstehen. Daher sollte in einem Entwicklungsland das Kapital nicht als Substitutiv zur Arbeitskraft, sondern als allgemein wirkender Produktionsfaktor angesehen werden, durch den die Produktivität je Arbeitskraft erhöht wird. 100 Die durch die IMS verursachte Industrialisierung ist mit einer kontinuierlich steigenden Nachfrage nach fachlich ausgebildeten Arbeitskräften verbunden. Dadurch wird ein Mechanismus der Arbeitsplatzschaffung ausgelöst (Erhöhung der Produktivität durch fachlich ausgebildete Arbeitskräfte höheres Wirtschaftswachstum mehr Erwerbsmöglichkeiten). 101

Μ )

Vgl. Chenery (I), S. 641ff; Chenery/Shishido/Watanabe,

981

Vgl. Ahmad (I), S. 34f

m

101)

Vgl. Kelly u.a., S. 288f Vgl. Kenen, S. 440-442 u. S. 445ff

S. lllff; Ahmad (II), S. 363

Β. Theoretischer Teil

52

2.6.4 Zahlungsbilanz Ein Kritikpunkt an der IMS-Politik besteht darin, daß die von ihr induzierte Industrialisierung zu einem aberproportional steigenden Bedarf an noch nicht im Inland hergestellten Erzeugnissen führt. Diese negative Einschätzung kann durch die Arbeiten von R. Nurkse und G. Harberler als widerlegt angesehen werden: Die Ursache dieser negativen Wirkung ist nicht die IMS-Politik, sondern die strukturellen Ungleichgewichte oder Engpässe der Faktorausstattung, die in Entwicklungsländern generell vorhanden sind.102 Es läßt sich nachweisen, daß die durch IMS bewirkte Einkommenssteigerung und ungleiche Einkommensverteilung nicht nur zur Verminderung der Importe führen, 103 sondern auch weitere IMS anregen können.104 Die empirischen Untersuchungsergebnisse stützen nicht immer die Aussage, daß die IMS-Politik die Exportbemühungen bei Primärgütern fühlbar dämpft. 105 Selbst dann ist mit IMS eine erfolgreiche Industrialisierung möglich. Dies bestätigt die Auffassung, daß ein vom Primärgüterexport abhängiges Wirtschaftswachstum abgelöst werden kann. 106 ökonometrischen Untersuchungsergebnissen zufolge besteht ein enger Zusammenhang zwischen dem durch IMS und dem durch EXD realisierten Wachstum: Ein Sektor, bei dem die IMS am Anfang stark zum Wachstum beitrug, erreicht im allgemeinen dadurch ein höheres Exportwachstum. 107 Die Diversifizierung der Produktion (z.B. durch die Entwicklung der Schwerindustrie) kann die Leistungsbilanz verbessern, weil die Importe der Industrien, die schwerindustrielle Güter als Zwischen-

102)

Vgl. Nurkse, S. lf; Haberler, S. 223-240

103)

Vgl. Magee, S. 187f; Ikema, S. 66f

104)

Vgl. Ahmad (I), S. 72f

105)

Vgl. Krueger, S. 71

10e)

Vgl. Seers, S. 70ff

107)

Vgl. Tyler,

S. 5ff; Chenery (II), S. 505f

2. Theoretischer Hintergrund der Importsubstitutionspolitik

53

oder Kapitalgüter benötigen, abnehmen. Die Leistungsbilanz wird weiter verbessert, wenn diese schwerindustriellen Erzeugnisse erfolgreich exportiert werden.

3. Zusammenhang zwischen Industrialisierung und Strategieanwendung Im letzten Kapitel haben wir einige theoretische Hintergründe erörtert, weshalb am Anfang der Industrialisierung die IMS-Politik eine größere Bedeutung haben muß. Es stellt sich nun die Frage, wie IMS und E X D bei der Industrialisierung aufeinander abzustimmen sind, wenn die IMS als Ergänzung der EXD angesehen wird. Vorab ist der Begriff "Industrialisierung" zu definieren. Es liegen verschiedenartige Inhaltsbestimmungen vor.1 Ohne auf alle Auffassungen einzugehen, wollen wir mit einer allgemeinen Definition beginnen2: Die Industrialisierung ist ein Prozeß, die Produktionskapazität eines Landes durch industrielle Diversifizierung zu erhöhen. Der Industrialisierungsprozeß läßt sich in Phasen einteilen. Hier besteht ein Zusammenhang mit den Stufentheorien. In der wirtschaftspolitischen Literatur werden die Stufentheorien unter zwei Aspekten behandelt. Erstens wird der historische Prozeß der industriellen Diversifizierung beschrieben. Dabei wird eine bestimmte Industrie in mehrere untergeordnete Zweige aufgegliedert. Es wird erklärt, wie sich die Struktur der Industrie im Zuge des Wirtschaftswachstums verändert hat. Diese Stufentheorien sind unterschiedlich differenziert, je nachdem, ob der Untersuchungsgegenstand alle Industriezweige einer Volkswirtschaft 3 oder nur die verarbeitende Industrie 4 umfaßt.

1)

Vgl. W. G. Hoffmann

(IV), S. 224

* Vgl. Todaro, S. 534 * Vgl. Kuznets (I) u. (II); Chenery/Taylor,

Hagen/Hawrytyshyn\

4) Vgl. W. G. Hoffmann (I), (II) u. (ΠΙ); Lago; Helmstädter, Shinoya, Kapitel 3; Kuznets (III), S. 141f; Hoselitt

Chenery (I); Clark

Görgens; Maizels (II), S. 49f;

3. Zusammenhang zwischen Industrialisierung und Strategieanwendung

55

Der andere Aspekt ergibt sich aus der Erklärung und Lösung des Leontief-Paradoxons. Nach dem Ergebnis des Leontief-Tests stand die Außenhandelsstruktur der USA in Widerspruch zum FaktorProportionen-Theorem. Durch dieses Paradoxon wurde die Konstruktion der "Technologielücken-Theorie des Außenhandels" 5 und der "Produktlebens-Zyklus-Theorie"* angeregt. Die beiden Theorien sind nicht als gegensätzlich anzusehen; sie entsprechen einander. 7 Ihr wichtigster Beitrag ist darin zu sehen, daß die Produktions- und Absatzbedingungen als in der Zeit veränderbar angesehen werden. Der Außenhandel eines Gutes ist abhängig von seinen im zeitlichen Ablauf unterschiedlichen Produkt- und Marktmerkmalen im Exportund Importland. 8 Das Modell von K. Kojima 9 und K. Akamatsu 10, die "catching-up product cycle theory ", versucht, die Entwicklung der Außenhandelsstruktur eines sich industrialisierenden Landes zu erklären. Die Verfasser untersuchen dies anhand der Begriffe "Homogenität" und "Heterogenitäi" zwischen Ländern. 11 Im Kojima-Akamatsu-Modell wird deutlich herausgestellt, daß der wechselnde Grad der komparativen Vorteile den Entwicklungsländern eine dynamische Teilnahme am Außenhandel erlaubt. Dieses Modell reicht jedoch nicht aus, um die Bestimmungsgründe der Diversifizierung der Außenhandelsstruktur darzustellen. Die Autoren haben als Ausgangspunkt lediglich angenommen, daß "Homogenität" und "HeterogenitäC zwischen Ländern durch eine unterschiedliche Produktions- oder Präferenzstruktur entstehen. Es wurde nicht näher untersucht, welche ökonomischen Faktoren die industrielle Diversifizierung (oder im weltmarktorientierten Land die Diversifizierung der Außenhandelsstruktur) bewirken. 5)

Vgl. Posner, Hufbauer, Kapitel 1; Keesing; Gruber/Metha/Vernon

* Vgl. Vernon; Hirsch (I) u. (Π); Louis T. WeUs (I) u. (II) 75

Vgl. Louis T. WeUs (I), S. 25

β)

Vgl. Maier, S. 25

* Vgl. Kojima, S. 120-155 10)

Vgl. Akamatsu, S. 5-25

11)

Vgl. Ebenda, S. 5f

Β. Theoretischer Teil

56

In der vorliegenden Arbeit werden diese Bestimmungsgründe mit der Darlegung der inneren und äußeren ökonomischen Determinanten intensiver diskutiert. Im folgenden versuchen wir - anhand der im vorigen Kapitel angestellten theoretischen Überlegungen und der Bestimmungsgründe der industriellen Diversifizierung - bestimmte Regelmäßigkeiten im Sinne der Stufentheorien zu entdecken. Dabei wird auf die Betrachtung der Gesamtwirtschaft verzichtet. Die Analyse beschränkt sich auf die Untersuchung der Diversifizierung der Industriestruktur innerhalb der verarbeitenden Industrie.

3.1 Importsubstitution in der Leichtindustrie

Wir gehen davon aus, daß ein Land mit seiner Industrialisierung beginnt und nach einer entsprechenden Strategie sucht. Die Gesamtwirtschaft wird nach der Klassifikation 12 in drei Bereiche (primärer, sekundärer und tertiärer Sektor) unterteilt. Es wird unterstellt, daß der primäre Sektor zu Beginn die führende Rolle in einer Wirtschaft einnimmt. Typische Merkmale in diesem Zustand sind niedriges Technologieniveau und geringe Kapitalakkumulation sowie eine große versteckte Arbeitslosigkeit.13 Angenommen, die Wirtschaftsentwicklung erhöht das Einkommen, dann vollzieht sich eine Veränderung der Nachfragestruktur nach dem Engeischen Gesetz wie folgt: Der Unterschied in der Einkommenselastizität der Nachfrage zwischen primären und sekundären Gütern führt zur relativen Abnahme der Nachfrage nach den primären Gütern, wenn das Einkommen pro Kopf zunimmt. Der steigende Bedarf an verarbeiteten Gütern veranlaßt die Unternehmer, die Produktion in der verarbeitenden Industrie aufzunehmen.

12) Die Drei-Sektorklassifikation summt von C. Clark und S. Kuznets. Vgl. Clark; Kuznets (I) u. (II). Zur hier verwendeten Einteilung der Sektoren siehe Tab. C3-1. In dieser Arbeit gehört lediglich die verarbeitende Industrie zum sekundären Sektor. 13)

Vgl. Bender (I), S. 497f

3. Zusammenhang zwischen Industrialisierung und Strategieanwendung

57

Folglich nimmt der Anteil des primären Sektors an der gesamten Bruttoproduktion ab. Diese Veränderung der Produktionsstruktur ist auch auf den sektoralen Unterschied der verwendeten Technologie zurückzuführen. Im allgemeinen sind die Arbeitsproduktivität und der Grenzbeitrag der Investition zum Wachstum im sekundären Sektor höher als im primären Sektor. 14 Solche strukturellen Veränderungen wurden bereits im Jahre 1691 in den Schriften von W. Petty dargelegt.15 Die vorliegende Arbeit geht daher begründet von der Annahme aus, daß im Laufe der Wirtschaftsentwicklung der sekundäre Sektor den primären Sektor anteilig in der inländischen Bruttoproduktion überholt. Weiter ist zu überlegen, mit welchen Industriezweigen innerhalb des sekundären Sektors die Industrialisierung beginnen soll, um möglichst effiziente Entwicklungssequenzen zu erreichen. Wenn Wirtschaftswissenschaftler über diese Frage diskutieren, werden zwei verschiedene Auffassungen vertreten: (1) Die Industrialisierung soll mit der Schwerindustrie beginnen. (2) Die Leichtindustrie soll zuerst entwickelt werden. Der erste Ansatz wird in dreifacher Hinsicht untermauert: G. A. Feldman und P. C. Mahalanobis 16 liefern den theoretischen Hintergrund, von A. Gerschenkron 17 kommen entsprechende empirische Belege, und M. Teubel 18 präsentiert die Erfolgsbedingungen. Als theoretischer Hintergrund wird auch J. v. Neumanns TurnpikeTheorem 19 verwendet, wenngleich nicht gesagt werden kann, daß von Neumann selbst die Auffassung (1) vertritt.

14)

Vgl. C. S. Choe, S. 62f

15)

Vgl. Clark, S. 492

1β)

Vgl. Bhalla, S. 9-24

17)

Vgl. Gerschenkron „

1β)

Vgl. Teubel

19)

Vgl. Gabisch, S. 359ff

58

Β. Theoretischer Teil

Die Position zugunsten der Entwicklung der Schwerindustrie ist unterschiedlich kritisch gewürdigt worden. Die Einwendungen beziehen sich auf die ökonomischen Anfangsbedingungen der Entwicklungsländer und sie werden empirisch belegt. Das Modell von Feldman/ Mahalanobis war theoretische Grundlage für die Industrialisierung der Ostblockländer sowie nach Meinung einiger Autoren für die Industrialisierung Japans.20 Was Japan betrifft, hat Japan jedoch die Entwicklungsphase der Konsumgüterindustrie bereits vor dem Aufbau der Kapialgüterindustrie durchlaufen. 21 Es ist überhaupt zu fragen, ob dieses Modell auf die marktorientierten Volkswirtschaften übertragen werden kann;es bezieht sich auf eine Industrialisierung in der Planwirtschaft. Es ist auch zu bezweifeln, ob gemäß Neumanns Strategie die Entwicklungsländer im Hinblick auf ihre ökonomischen Bedingungen im Stande sind, in der Anfangsphase die Schwerindustrie aufzubauen. Insbesondere behindert sie ihr Mangel an (grundlegender) BasisTechnologie, mit der Entwicklung der Schwerindustrie zu beginnen.22 Die These von Feldman/ M ahalanobis konnte in empirischen Studien von A.Gerschenkron belegt werden. Gerschenkron wollte seine Untersuchungsergebnisse jedoch nicht zur Fundierung einer entsprechenden entwicklungspolitischen Strategie verwendet wissen. Die ökonomischen Rahmenbedingungen der heutigen Entwicklungsländer sind nämlich ganz andere als die der Ostblockländer zu Beginn ihrer Wirtschaftsentwicklung. Es ist auch nicht zu erwarten, daß die von Teubel formulierten Erfolgsbedingungen 23 für den Aufbau der Schwerindustrie zu Beginn der Industrialisierung von den Entwicklungsländern erfüllt werden können.34

^ Vgl. Mellor , S. 71f; Dong-yang-Kyông-je-Shin-bo , S. 175 21)

Vgl. Akamatsu f S. 19ff; Kojima, S. 120ff; Chenery/Shishido/Watanabe,

221

V&. Ahmad (I), S. 28

S. lOlff

Die Möglichkeit, ein optimales Wirtschaftswachstum im Entwicklungsland zu erzielen, ist um so größer, (a) je größer die Rate der Kapitalakkumulation im Vergleich zum Wachstum der Bevölkerung ist, (b) je größer der am Anfang vorhandene Kapitalbestand ist, (c) je kleiner der anfängliche Bestand an Arbeitskraft ist und (d) je größer die Skalenerträge des Agrarsektors sind. Vgl. dazu: Teubel S. 594

3. Zusammenhang zwischen Industrialisierung und Strategieanwendung

59

Für die zweite Auffassung, zuerst eine Entwicklung der Leichtindustrie im Angriff zu nehmen, sprechen neben diesen Einwendungen viele empirische Studien. Die bekannteste Untersuchung ist die Arbeit von W. G. Hoff mann. Als Ausgangspunkt der empirischen Untersuchung unterteilt er die Sekundärindustrie in Kapitalgüterund Konsumgüterindustrie. 25 Anhand dieser Industrieklassifikation läßt sich empirisch nachweisen, daß die Industrialisierung mit der Entwicklung der Konsumgüterindustrie beginnen sollte. Dazu werden folgende Argumente vorgetragen 26; (1) In der Anfangsphase der Industrialisierung besteht eine starke Nachf rage nach Konsumgütern (Nahrungsmittel und Kleidung). (2) Die Ausweitung der Kapitalgüterindustrie erfordert viel Kapital, zahlreiche fortgeschrittene Technologien und viele ausgebildete Arbeitskräfte. Dagegen kann die Konsumgüterindustrie die technischen Kenntnisse des schon vorhandenen Handwerks nutzen; das ist bei der Kapitalgüterindustrie nicht der Fall. Die Konsumgüterindustrie braucht auf dieser Stufe weniger Kapital als die Kapitalgüterindustrie. (3) In der gesamten Kapitalgüterindustrie bestehen besonders große Unsicherheiten, weil nicht nur große Anlagen, sondern auch eine langfristige Festlegung des Kapitals notwendig sind. Daher wird zu Beginn der Industrialisierung das knapp vorhandene Kapital vorzugweise in der Konsumgüterproduktion eingesetzt. Außer diesen Argumenten können weitere Gründe vorgetragen werden, weshalb am Anfang der Industrialisierung die Entwicklung der Leichtindustrie stehen sollte: (1) Die in der Anfangsphase vorhandene große versteckte Arbeitslosigkeit kann eher durch die Entwicklung der Leichtindustrie vermindert werden, weil im Vergleich zur Schwerindustrie der Produktionsprozeß der Leichtindustrie technisch einfach und arbeitsintensiv abläuft.

24)

Vgl. Leibenstein (II), S. 38f; Bender (I), S. 497ff

^ Vgl. W. G. Hoffmann 261

Vgl. W. G. Hoffmann

(II), S. 321 (I), S. 20f

Β. Theoretischer Teil

60

(2) Die internationale Wettbewerbsfähigkeit wird durch Produktpreis und -qualität bestimmt. Nach dtx"Produktlebens-Zyklus-Theorie" ist bei den technisch einfachen Konsumgütern der Preis wichtiger als die Qualität. Dagegen ist beim Wettbewerb der schwerindustriellen - eine hoch entwickelte Technologie erfordenden - Güter und der anspruchsvolleren Konsumgüter die Qualität genauso wichtig wie der Preis. 27 Angesichts der in den meisten Entwicklungsländern vorherrschenden Faktorausstattung können jene Industrien international preislich wettbewerbsfähig sein, deren Produktionsprozesse technisch einfach, aber relativ arbeitsintensiv sind. Diese Industrien gehören in der Regel zur Leichtindustrie; sie muß daher in erster Linie entwickelt werden, um nachher die durch den Export zu verwirklichenden Entwicklungschancen zu nutzen. Bei der Entwicklung der Leichtindustrie sprechen die im vorigen Kapitel angestellten theoretischen Überlegungen dafür, daß die IMS der EXD vorangehen wird. Im Hinblick auf die in dieser Phase stehenden Länder gibt es noch ein weiteres Argument zugunsten der IMS-Politik: Gerade in der frühen Industrialisierungsphase ist der Mangel an dynamischen Unternehmern außerordentlich groß. Es ist deshalb vorteilhaft, wenn das vorhandene Unternehmerwissen genutzt wird. Dies gelingt am ehesten bei IMS, da wegen der meist fehlenden internationalen Marktübersicht das Exportgeschäft im allgemeinen als besonders risikoreich angesehen wird. Hat das Land erst einmal eine Phase der importsubstituierenden Industrialisierung durchlaufen, so ist es vermutlich besser mit wagemutigen Unternehmern, disziplinierten und trainierten Arbeitskräften und infrastrukturellen Einrichtungen ausgestattet. Dadurch ist es eher in der Lage, industrielle Erzeugnisse auf den Auslandsmärkten abzusetzen.28

271

Vgl. WiUms, S. 377f; Hirsch (II), S. 16ff u. S. 49

^ Vgl. Müller-Ohlsen

u.a., S. 26

3. Zusammenhang zwischen Industrialisierung und S t r a t e g i e a n w e n d u n g 6 1

3.2 Exportdiversifizierung in der Leichtindustrie

Im betrachteten Land tritt der erste Engpaß beim Wirtschaftswachstum dann auf, wenn die Nachfrage des Binnenmarktes nach Erzeugnissen der Leichtindustrie vollständig von der inländischen Produktion befriedigt wird. Um diesen Engpaß zu überwinden, gibt es zwei Wege. Einer besteht in der raschen Diversifizierung der Industriestruktur. Das Land geht von der IMS der Leichtindustrie zur IMS in einem anderen Bereich wie z.B. der Schwerindustrie über. Der andere liegt in der Änderung der Strategie von der IMS zur E X D in der gleichen Industrie. Welcher Weg ist aussichtsreicher für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum ? Die folgenden Aussagen kommen zu einem positiven Urteil über die Strategieumlenkung von der IMS zur EXD: Die IMSPolitik sollte nur in der Anfangsphase verfolgt werden und, nach der Realisierung zunehmender Skalenerträge oder der Beseitigung der strukturellen Probleme, durch den freien Außenhandel ersetzt werden. Sowohl das Faktor-Proportionen-Theorem als auch die Produktzyklus-Theorie zeigen, daß die technisch meist einfachen leichtindustriellen Güter im Hinblick auf die Faktorausstattung des betrachteten Landes und auf die Position im Lebenszyklus dieser Güter bereits frühzeitig internationale Wettbewerbsfähigkeit besitzen. Durch E X D kann sich daher das Land große Entwicklungschancen eröffnen. Eine weitere wichtige Aussage betrifft die kontinuierliche Diversifizierung der Industrie, d.h. die erfolgreiche Entwicklung der Schwerindustrie. Wenn die Nachfrage des Binnenmarktes bei leichtindustriellen Gütern befriedigt ist, bleibt unklar, ob die Nachfrage nach Investitionsgütern groß genug ist, um inländische Unternehmer zu veranlassen, die Produktion in der Schwerindustrie aufzunehmen. Die Zunahme der Produktion in der Leichtindustrie, welche die E X D bewirkt, kann eine starke Nachfrage nach schwerindustriellen Gütern (Zwischen- und Kapitalgütern) induzieren. Daher kann die E X D der leichtindustriellen Güter die Nachfrage schaffen, die zur Entwicklung der Schwerindustrie notwendig ist. Auf dem Weltmarkt für schwerindustrielle Produkte wird die Wettbewerbsfähigkeit weitgehend durch die Qualität bestimmt. Daher sind anfängliche "trial-and-error"-Prozesse auf dem Binnenmarkt zu durchlaufen, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit hinsieht-

62

Β. Theoretischer Teil

lieh der Qualitität zu erwerben. Deshalb kann die E X D der leichtindustriellen Güter eine günstige Gelegenheit bieten, die Entwicklung der Schwerindustrie erfolgreich zu wagen, indem sie einen aufnahmefähigen Binnenmarkt schafft, den die "trial-and-error"- Prozesse erfordern. Eine dritte Aussage betrifft die Devisenlücke. Für die Entwicklung der Schwerindustrie müssen in größerem Umfang Zwischen- und Kapitalgüter sowie Rohmaterialien importiert werden, wofür Devisen erforderlich sind. Daher führt der mit dem Ablauf der industriellen Diversifizierung allmählich steigende Devisenbedarf zur Ausweitung der Devisenlücke, wenn es nicht gelingt, stärker zu exportieren oder mehr Auslandskapital anzuziehen. Wie die Devisenlücke-Theorie zeigt, erzeugt der Mangel an Devisen dauerhafte Wachstumsbeschränkungen. Aus diesem Grund sollte das betrachtete Land versuchen, leichtindustrielle Güter zu exportieren und dadurch Devisen zu erwerben.

29

Im großen Unterschied zu der Entwicklung der Leichtindustrie (eine "leicht" zu bewältigende IMS-Phase) benötigt die Produktion in der Schwerindustrie qualifizierte Arbeitskräfte, hoch entwickelte Technologie, große Kapitalanlagen und wagemutige Unternehmer. Es ist zu bezweifeln, daß diese Startbedingungen für eine erfolgversprechende Entwicklung der Schwerindustrie in dieser Phase hinreichend erfüllt sind. Daraus resultiert eine weitere Aussage: Durch Einführung einer EXD-Phase in der Leichtindustrie werden diese Startbedingungen durch hiermit verbundene Lernprozesse und durch die Akkumulation des Kapitals und der Technologie in viel stärkerem Maße erfüllt werden können als ohne eine sich an die IMSPhase direkt anschließende EXD-Phase.

3.3 Importsubstitution in der Schwerindustrie

Nach der IMS- und der EXD-Phase in der Leichtindustrie wird ein neuer Engpaß beim Wirtschaftswachstum sichtbar. Dieser Engpaß ist auf einen Wandel in der Struktur der Nachfrage und der Faktorausstattung zurückzuführen. Um diesen Engpaß zu überwinden, ist

^ Vgl. Chenery/Strour,

Linder; Massel/Pecurson/Fitch;

McKinnon; Vanek; Villanueva

3. Zusammenhang zwischen Industrialisierung und Strategieanwendung

63

eine Diversifizierung der Produktion - die Entwicklung der Schwerindustrie oder/und der Leichtindustrie mit anspruchsvolleren Gütern - erforderlich. Im folgenden werden die Ursachen für einen Wandel in der Struktur der Nachfrage und der Faktorausstattung ermittelt. Veränderungen

in der Nachfragestruktur

sind das Ergebnis:

- der Änderung des Verbraucherverhaltens durch steigende Einkommen, - des zunehmenden Einsatzes von Kapital- und Zwischengütern, der mit der höheren Konsumgüterproduktion verbunden ist, - von Schwierigkeiten beim Exportwachstum durch Importbeschränkungen der "fore-comer" 30 und Exportkonkurrenz der "late-late-comer" Das Engeische Gesetz gilt wie beim Vergleich der Primärgüter mit den Sekundärgütern. Es besagt, daß mit steigendem Einkommen die Ausgaben zur Deckung des Grundbedarfs (Nahrungsmittel, Kleidung) absolut zwar zunehmen, ihr Anteil an den Gesamtausgaben eines Haushaltes aber zurückgeht.31 Mit steigendem Pro-KopfEinkommen wächst die Nachfrage nach diesen Gütern unterproportional. Die Nachfrage nach Gütern des gehobenen Bedarfs (wie anspruchsvolleren Nahrungsmitteln und Kleidung, dauerhaf ten Hausgeräten und Kraftfahrzeugen) wächst dagegen überproportional. 32 Diese Veränderung in der Nachfragestruktur wirkt ihrerseits auf die Entwicklung der Kapital- und Zwischengüterindustrie zurück. Sie bestimmt die Branchenstruktur der Kapital- und Zwischengüterindustrie. Z.B. werden von der Konsumgüterindustrie maschinelle Anlagen und intermediäre Güter wie Eisen und Stahl, chemische Erzeugnisse und Erdölprodukte nachgefragt. 33 Ebenso steigt in dieser Phase der Bedarf sowohl an Verkehrsmitteln zur Senkung der Transportkosten als auch an Elektromaschinen und Kommunikationsein-

^ Diese Terminologie kann man in Hirschmans Beitrag finden. Vgl. dazu: Hirschman (II), S. 8f; Hier wird das betrachtete Land als "late-comer" im Vergleich zu den "fore-comer" angesehen. Die "late-late-comer" bezeichnen die im Vergleich zu den "late-comer" sich später entwickelnden Länder. 31)

Vgl. Gabisch (II), S. 19

^ Vgl. WiUms, S. 377 Vgl. W. G. Hoffmann

(I), S. 22f

64

Β. Theoretischer Teil

richtungen zur Verbesserung der administrativen und organisatorischen Fähigkeiten. Darüber hinaus führt der sektorspezifische und länderdiskriminierende Handels Protektionismus der "fore-comer" und die Exportkonkurrenz der "late-late-comer* zu weiteren Veränderungen der Nachf ragestruktur. Die protektionistischen Tendenzen der Industriestaaten34 verhindern teilweise den Zugang von Produkten der Leichtindustrie. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Sie reichen35 - von dem Ziel, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, bis zu der Absicht, das wirtschaftliche Wachstum zu beschleunigen; - von der Herausforderung, internationale Wettbewerbsverzerrungen auszugleichen, bis zu der Überzeugung, jedweden "Freihandels-Imperialismus" abwehren zu müssen; - von dem Glauben, die Handelsbilanz des Landes müsse aktiv sein, bis zu dem Hang, innovative Zukunftsindustrien fördern zu wollen. In einer empirischen Untersuchung über die amerikanischen Protektionsformen wird nachgewiesen, daß die USA eine differenzierende Handelspolitik zwischen Gütern mit stagnierender oder zunehmender Nachfrage betrieben haben. 1954-58 haben die USA starke Protektionsmaßnahmen bei Gütern mit schrumpfender Nachfrage (wie Baumwolltextilien und leichtindustriellen Waren aus China) angewendet. Demgegenüber haben die USA Gütern mit wachsender Nachfrage, für die eine höhere Einkommenselastizität vorlag, einen niedrigen Zollsatz und geringere Importbeschränkungen auferlegt. 36 Ein aktuelles Beispiel bildet der Handelsprotektionismus im Textilbereich. Das schnell expandierende Angebot an Textilen und Bekleidungswaren aus den Entwicklungsländern führte zu Reaktionen der Industrieländer. Je erfolgreicher die Entwicklungsländer bei ihrer

341

Vgl. Dönges (II), S. 56-68; Dittmar, S. 18-25

Vgl. Dönges (II), S. 60 * * Vgl. Y. S. Kim, S. 73

3. Zusammenhang zwischen Industrialisierung und Strategieanwendung

65

Produktion waren, desto häufiger haben sich die Industrieländer durch Handelshemmnisse geschützt.37 Es kommt hinzu, daß das Erscheinen der "late-late-comer" auf den ausländischen Märkten zu einem harten Konkurrenzkampf führt. Hinsichtlich der Preis-Wettbewerbsfähigkeit besitzen die "late-latecomer" bei niedrigeren Lohnkosten inzwischen komparative Vorteile im Vergleich zum "late-comer" > wie der "late-comer" sie am Anfang seiner E X D besaß. Um diese schwierige Lage zu überwinden, versucht der "late-comer" (1) die Qualität der bisher exportierten Waren zu verbessern und somit durch den Wettbewerb der Qualität komparative Vorteile zu erwerben, (2) daran anschließend die Produkte zu differenzieren, (3) neue Produkte (z.B. durch die Entwicklung der Schwerindustrie) zu erzeugen und später zu exportieren. Dieser äußere Druck, zusammen mit der oben beschriebenen Veränderung in der inländischen Nachfragestruktur, veranlaßt die wirtschaftspolitischen Entscheidungsträger ebenso wie die heimischen Unternehmer, Schwerindustrien und/oder Leichtindustrien mit anspruchsvolleren Gütern aufzubauen. Verstärkt werden Anreize in diese Richtung durch die Veränderung in der Struktur der Faktorausstattung, die aus der inzwischen betriebenen Industrialisierung resultiert. Obwohl sich die Industrialisierungspolitik von Land zu Land unterscheidet, gibt es gemeinsame Merkmale. Überbewertete Währungen, Zollprivilegien, verbunden mit einem weitgefächerten Bündel von Investitionsanreizen, stellen eine Subvention von (relativ knappem) Sachkapital dar. 38 Dies bewirkt eine künstliche Verbilligung des Sachkapitals. Diese Verbilligung führt tendenziell zum Aufbau einer heimischen Industrie, in der relativ kapitalintensiv produzierende Branchen besonders stark vertreten sind. Dies hat folglich die Zunahme des Sachkapitalbestandes zur Folge.

37) Vgl. Spinanger, S. 133ff; Dönges (II), S. 60f; KIET (Korea Institute of Economics and Technology) (III), S. 179f

Vgl. Stecher, S. 25

66

Β. Theoretischer Teil

Mit der i.d.R. zu erwartenden Zunahme des Sachkapitalbestandes führen auch die großen Unterschiede der Lohnkosten sowohl zwischen den Industriezweigen als auch zwischen den Bildungsabschlüssen zu einer Erhöhung des Humankapitals. Unterstellt man, daß die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften ständig größer ist als das Angebot (eine zentrale Eigenschaft der im Sinne der raschen Diversifizierung der Produktionsstruktur dynamischen Gesellschaft), so hat dies entsprechende Lohnerhöhungen zur Folge. Dadurch vergrößert sich der Lohnunterschied zwischen den Branchen. Dieser große Lohnunterschied stellt einen Anreiz für die Arbeitskräfte dar, höhere Bildungsabschlüsse zu erwerben, wodurch die Qualifikation zunimmt. Diese Motivation der Arbeitskräfte wird noch dadurch verstärkt, daß zu Beginn oder im Laufe der Industrialisierung der Lohnunterschied lediglich aufgrund eines unterschiedlichen Bildungsabschlusses gewöhnlich größer ist als der tatsächliche Fähigkeitsunterschied. Die Zunahme sowohl des Sach- als auch des Humankapitals motiviert die verantwortlichen Instanzen ebenso wie die heimischen Unternehmer, Schwerindustrie oder anspruchsvollere Konsumgüter herstellende Leichtindustrie zu entwickeln. Insbesondere führt die Zunahme des Kapitalbestandes zu einer Strukturveränderung der gesamten Faktorausstattung, wodurch der Unterschied zwischen dem betrachteten Entwicklungsland und den Industrieländern allmählich kleiner wird. Es ist denkbar, wenn auch keineswegs sicher, daß nach dem Faktor-Proportionen-Theorem diese Strukturveränderung es dem Land ermöglicht, komparative Vorteile bei kapitalintensiven Gütern zu erwerben. In dieser Phase sprechen gute Gründe, außer den im Kapitel B-2 erörterten, dafür, zunächst die IMS-Politik anzuwenden. Diese Gründe führen zu der Frage, ob hinsichtlich der Preise die Güter der Schwerindustrie international wettbewerbsfähig sind. Die Stückkostenrechnung unterscheidet drei Hauptkostengruppen: Arbeits-, Material- und Kapitalkosten. Für einen Ländervergleich der Preis-Wettbewerbsfähigkeit sind die Arbeits- und Kapitalkosten von großer Bedeutung. Der Arbeitslohn ist in dem Entwicklungsland nach wie vor niedriger als in den Industrieländern.

3. Zusammenhang zwischen Industrialisierung und Strategieanwendung

67

Ob das Land hinsichtlich der Kapitalkosten komparative Vorteile hat, ist zweifelhaft. Es ist zu vermuten, daß die Industrieländer im Bereich der Schwerindustrie durch das akkumulierte Kapital und durch Erfahrungen eine höhere Produktivität realisieren als ein Land, das gerade die Schwerindustrie zu entwickeln beginnt. Daher erscheint die Einstellung derer plausibel, die meinen, daß das Land hinsichtlich der Kapitalkosten komparative Nachteile bei den schwerindustriellen Gütern hat. Die Kapitalkosten sind in der Schwerindustrie ohnehin wichtiger für die Preis-Wettbewerbsfähigkeit als in der Leichtindustrie; die Schwerindustrie ist nämlich kapitalintensiv. Wegen dieser zwei entgegengesetzten Kostenkomponenten - komparative Vorteile beim Arbeitslohn und komparative Nachteile bei den Kapitalkosten - kann nicht erwartet werden, daß das Land in relativ kurzer Zeit bei der Schwerindustrie die Preis-Wettbewerbsfähigkeit erlangt, wie dies bei der Leichtindustrie der Fall war. Die bisher vorgetragenen Überlegungen zeigen die wünschenswerte Richtung der Industrialisierung auf; die Schwerindustrie durchläuft die IMS-Phase vor der EXD-Phase. Die damit verbundenen Lernprozesse und die Kapitalakkumulation reduzieren die Kapitalkosten und verbessern die Qualität. Welches ist nun die wichtigste Bedingung dafür, daß die IMS der Schwerindustrie erfolgreich verläuft? Wesentlich ist die richtige Auswahl der zu fördernden Branchen. Die im Land herrschenden ökonomischen Bedingungen informieren nicht genügend darüber, ob trotz der bisherigen Industrialisierung Kapital und qualifizierte Arbeitskräfte in ausreichendem Maße vorhanden sind. Wegen des hohen Kapitaleinsatzes bei der Entwicklung der Schwerindustrie sollte - soweit möglich - eine effiziente Spezialisierung sichergestellt werden, um knappe Ressourcen nicht unwirtschaftlich einzusetzen. Die Auswahlkriterien der zu fördernden Branche ergeben sich aus der Größe des Binnenmarktes, der internationalen Wettbewerbsfähigkeit, dem Ausmaß des erwarteten Technologietransfers, den Effekten zunehmender Skalenerträge und den Verkettungseffekten. Wenn das Land sich mit schwerindustriellen Produkten verstärkt in die internationale Arbeitsteilung einschalten will, muß vorrangig darauf geachtet werden, daß die zu unterstützenden Branchen kurz- oder

68

Β. Theoretischer Teil

mittelfristig wettbewerbsfähig werden. Diesbezüglich bietet Η. T. Oshima einen wichtigen Ansatzpunkt für die Auswahl der zu unterstützenden Branchen innerhalb der Schwerindustrie.39 Er untergliedert die Schwerindustrie hinsichtlich der Technologie in die "ProzeJT- und die "assemWy'-Schwerindustrie. Die "/Voze/T-Schwerindustrie verarbeitet Materialien (z.B. Chemie-, Eisen & Stahl-, primäre Eisen- & Stahlprodukteindustrie). Ihre Hauptfunktion ist darin zu sehen, Form und Gestalt von Materialien zu verändern. Deswegen ist anzunehmen, daß diese Industrie material- und kapitalintensiv ist. Es sind "downstream" -, "middlestream"und "upstream"- Branche zu unterscheiden. Die "upstream"- Branche ist diejenige, die Rohmaterialien verarbeitet und komplizierte Technologie erfordert. Dagegen liegt die "downstream"- Branche näher bei den Konsumenten, und ihre Produktionstechnologie ist relativ einfach. In der "ùijemò/y'-Schwerindustrie werden Ersatzteile, Zubehör und Komponenten bearbeitet, durch deren Zusammenfügen ein Produkt hergestellt wird (z.B. Fahrzeug-, Maschinenindustrie). Im Vergleich zur kapitalintensiven "ProzeßT-Schwerindustrie ist die Produktion der "as5emW/,-Schwerindustrie arbeitsintensiv. Oshimas Vorstellungen über die Auswahl der zu fördernden Branche lassen sich wie folgt zusammenfassen: Das Land sollte in der "/Voze/T-Schwerindustrie mit den einfachen "downstream"- Branchen beginnen, dann zu den "middlestream"und schließlich zu den "upstream"- Branchen fortschreiten. In der "ûssemô/y-Schwerindustrie sollte das Land am Anfang die einfachen und arbeitsintensiven Ersatz- und Zubehörteile herstellen, dann die "sub-assembly" Branchen und schließlich die "main-assembly"- Branchen einbauen.

3.4 Exportdiversifizierung in der Schwerindustrie

Zur Erklärung, weshalb bei der Entwicklung der Schwerindustrie die IMS als Vorphase der E X D wichtig ist, wurden zwei Produktions-

Vgl. Oshima, S. 3ff

3. Zusammenhang zwischen Industrialisierung und S t r a t e g i e a n w e n d u n g 6 9

eigenschaften der Schwerindustrie ins Feld geführt: (1) der zu Beginn der Entwicklung erforderliche enorme Kapitaleinsatz, (2) die dadurch zu erwartenden zunehmenden Skalenerträge. Diese Produktionseigenschaften erklären auch, warum ein Land, dessen Schwerindustrie bereits die IMS-Phase durchlaufen hat, sich so schnell wie möglich der Exportproduktion in dieser Branche zuwenden sollte. Die E X D bewirkt nicht nur Spezialisierungsvorteile, sondern erlaubt durch die Ausweitung der Märkte auch die Ausschöpfung von Vorteilen der Großserie (zunehmende Skalenerträge). Da die Schwerindustrie kapitalintensiver als die Leichtindustrie ist, können bei der Schwerindustrie in stärkerem Maße zunehmende Skalenerträge erwartet werden.

3.5 Zusammenfassende Würdigung: Die Strategieanwendung bei der Industrialisierung

Zusammenfassend ist zu der hier vorgestellten Strategieanwendung bei der Industrialisierung zu sagen: Das Konzept "EXD durch IMS" tritt als bessere Industrialisierungsstrategie an die Stelle der Alternative "IMS versus EXD". Dieses Konzept kann nicht nur bei der Entwicklung der Sekundärindustrie insgesamt, sondern auch bei der Entwicklung ihrer einzelnen Industriezweige (z.B. Leicht- und Schwerindustrie) angewandt werden. Außerdem haben wir festgestellt, daß die Diversifizierung der Industrie, die von einer niedrigeren Produktionsstufe (z.B. der Herstellung der leichtindustriellen Güter) zu einer höheren Produktionsstufe (z.B. der Produktion schwerindustrieller Güter) fortschreitet, eine wichtige Möglichkeit ist, die bei der Industrialisierung entstehende Reibung zu minimieren. Zur grafischen Darstellung des Zusammenhangs zwischen Industrialisierung und Strategieanwendung wird in Abb. B3-1 auf der vertikalen Achse das Konzept "EXD durch IMS" und auf der horizontalen Achse das Konzept "Industrialisierung von der Leicht- zur Schwerindustrie" dargestellt. Empirische Untersuchungsergebnisse sprechen dafür, daß bei der Entwicklung der Leichtindustrie die IMS-Phase kurz ist und daß bei

70

Abb. B3-1:

Β. Theoretischer Teil

Zusammenhang zwischen Industrialisierung und Strategieanwendung

Quelle: Eigener Entwurf

der Strategieumlenkung von der IMS zur E X D keine großen Reibungen auftreten. 40 Dies ist darauf zurückzuführen, daß das Land aufgrund des Lohnkostenvorteils bereits von Anfang an bei den leichtindustriellen Gütern international wettbewerbsfähig ist.

^ Ahmad (I), S. 25f u. S. 56; Ahmad (II), S. 352f; Chenery/Shishido/Watanabe Felix, S. 55ff

S. 98ff;

Nach L. Hoffmann wird diese Strategieumlenkung erleichtert, wenn der Inlandsmarkt verhältnismäßig klein ist wie in Hong Kong, Singapur und Taiwan, und infolgedessen Unternehmungsgewinne auch bei starker Protektion der inländischen Produktion auf dem Binnenmarkt rasch an Grenzen stoßen. Erschwerend wirken neben einem großen Binnenmarkt umfangreiche Rohstoffvorkommen, welche die Entstehung von Gruppen fördern, in deren Interesse eine Produktion auch der Rohstoffverarbeitung liegt. Vgl. L. Hoffmann (I), S. 53

3. Zusammenhang zwischen Industrialisierung und Strategieanwendung

71

Diesen empirischen Studien ist zu entnehmen, daß bei der Entwicklung der Schwerindustrie fast alle Entwicklungsländer auf große Schwierigkeiten stoßen. Folglich mißlingt oft die weitere Industrialisierung. Dies liegt an verschiedenen - ökonomischen und/oder nicht-ökonomischen - Gründen. Bezüglich der ökonomischen Gründe besteht D. Felix 9 Argument 41 zu Recht Wenn sich die Produktion der Kapital- und Zwischengüter schnell ausdehnt, vergrößern sich die folgenden Hemmnisse und erzeugen Wachstumsbeschränkungen: (1) Die Kapitalintensität wird erhöht und verursacht einen höheren Importanteil bei Investitionen. Somit wird das Investitionsniveau durch die Importkapazität begrenzt. (2) Die Produktionsausdehnung dieser Güter erfordert einen großen Absatzmarkt. Der heimische Absatzmarkt ist dazu nicht groß genug. Felix begründet die Notwendigkeit der Strategieumlenkung von der IMS zur EXD. Die E X D ermöglicht die Überwindung dieser Engpässe durch den Devisenerwerb und durch die Erschließung der ausländischen Absatzmärkte. Im Unterschied zur E X D der Leichtindustrie scheitert oft ein Übergang in die E X D der Schwerindustrie nicht nur wegen der hohen Produktionskosten sondern auch wegen der nicht wettbewerbsfähigen Produktqualität. 42 Für die nicht-ökonomischen Gründe läßt sich der Autarkiegrundsatz vorbringen. Anstatt die IMS auf die Produktionskapazitäten zu konzentrieren, bei denen Standortvorteile vorliegen, Skalenerträge erzielt und Verknüpfungseffekte erzeugt werden, bestimmt der Autarkiegrundsatz die Wirtschaftspolitik. Alle schwerindustriellen Güter, welche im Inland technisch produzierbar sind, werden tatsächlich im Inland hergestellt. So entstehen im Inland geradezu "ideale" Voraussetzungen dafür, daß die IMS insgesamt über das gesamtwirtschaftlich vertretbare Maß hinausgeht. Orientiert ein Entwicklungsland seine IMS-Politik nicht an den rationalen Kriterien, die oben skizziert wurden, so kann sich das Land nicht wieder

41)

Vgl. Felix, S. 60

^ Vgl. L. Hoffmann

(I), S. 48

72

Β. Theoretischer Teil

in die internationale Arbeitsteilung einschalten.43 Wir haben in diesem Kapitel versucht, einen idealtypischen Industrialisierungsprozeß abzuleiten. Dabei muß vor einer unkritischen Anwendung generalisierender Betrachtungsweisen gewarnt werden, da diese den spezifischen Eigenarten eines Entwicklungslandes immer nur partiell gerecht werden. Das Entwicklungsland braucht dem hier hergeleiteten Industrialisierungsprozeß nicht unbedingt zu folgen. Jedes Land kann von diesem Industrialisierungsprozeß nach seinen gegebenen oder sich im Zeitablauf verändernden ökonomischen Rahmenbedingungen abweichen. Z.B. kann die E X D vor der Bedarfsdeckung des Inlands, d.h. ohne die IMS-Phase vollständig zu durchlaufen, ausgeführt werden, wenn das Land schon die internationale Wettbewerbsfähigkeit bei den entsprechenden Gütern besitzt, oder die E X D kann zugleich mit der IMS durchgeführt werden. Wir haben den sekundären Sektor in die Leicht- und die Schwerindustrie untergliedert. Diese Untergliederung kann zu einfach sein, um eine allgemeingültige Regel abzuleiten. Die Industriebranchen können nach verschiedenen Kriterien klassifiziert werden; nach dem Verbrauchszweck der Güter (Konsum-, Zwischen- und Kapitalgüter), nach der Technologie ("Prozeß"- und "assembly"-Industrie ; "low technology"- und "high technology"-Industrie), nach dem Lebenszyklus der Güter (Innovations-, Ausreifungs- und Standardisierungsphase), nach der Faktorintensität (kapitalintensive und arbeitsintensive Industrie) usw. Nach dem jeweiligen Kriterium kann von der in diesem Kapitel dargestellten Strategieempfehlung abgewichen werden. Um derartige Modifikationen möglichst zu vermeiden, sind wir in dieser Arbeit von den folgenden Annahmen ausgegangen: Die Leichtindustrie ist ein Synonym für die Konsumgüterindustrie. Sie erfordert eine einfache Technologie, produziert standardisierte Güter und ist arbeitsintensiv. Dagegen wird die Schwerindustrie durch Charakteristika der Zwischen- und Kapitalgüterindustrie bestimmt. Sie benötigt eine hochentwickelte Technologie, stellt ausgereifte Güter her und ist kapitalintensiv.

^ Vgl. Müller-Ohlsen

u.a., S. 28

4. Praktische Maßnahmen der Importsubstitutionspolitik

4.1 Einleitende Bemerkung

Die IMS-Politik ist trotz ihrer scheinbaren Verwandtschaft viel umfassender als die Protektionspolitik.1 In der Tabelle B4 - 1 2 werden die zur IMS-Politik gehörenden industriepolitischen Maßnahmen zusammengefaßt. Die Tabelle B4-1 weist die verschiedenen industriepolitischen Ziele aus. Sie vermittelt auch Informationen in bezug auf Selektivität und Eigenschaft der Regierungsinterventionen. Die traditionelle Protektionspolitik orientiert sich an der Importbeschränkung; die IMSPolitik zielt auf die strukturelle Anpassung in einem breiteren Sinne, einschließlich der Innovation. Um Funktion und Anwendung jedes Instrumentes zu beschreiben, wäre es theoretisch zweckmäßig, seine Aufgabe für das jeweilige Ziel genau zu analysieren. Dies ist im Rahmen dieser Arbeit nicht zu leisten, weil: (a) die spezifischen Instrumente der IMS-Politik sich stark nach Ländern und zeitlichen Abläufen unterscheiden, (b) die Aufgabe der wirtschaftspolitischen Träger nicht immer eindeutig angegeben wird, (c) es eine Vielzahl von Zielen für ein Instrument oder umgekehrt geben kann, obgleich die Aufgabe eindeutig angegeben wird, (d) die meisten Instrumente mit der Zeit sowohl in Bezug auf die Anwendungsmethode als auch auf das Ziel modifiziert werden. 3

1)

Vgl. Ahmad (I), S. 41 Vgl. Adams/Klein,

3)

Vgl. Ebenda, S. 54

S. 3-86

Β. Theoretischer Teil

74

Tab. B4-1: Maßnahmen der Industriepolitik

Nationalpline

Marktcharakter Konkurrenz Antimonopol Konzentration Innovation Forschung und Entwicklung Neue technische Prozesse Neue Produkte Strukturanpassung Output Arbeit Kapital Internationale Beziehungen Exportförderung Importbeschränkung Terms of Trade

Selektivität

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S.3 - 86

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Eigenschaft der Regierungsintervention

Quelle: Adams/Klein,

#



nicht selektiv branchenspezifisch firmenspezifisch

aktiv passiv



#

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t

Indikathrc Instrumente

Investitionsanreizpolitik

Steuer oder Subvention Allgemeine Steuerst rukiur Steuervergünstigung Beschleunigte Abschreibung Steuerabzug für AncchafUngricocten Kapitalreceive Subvcm lon/Zuschüsse Direkte Invert it ion und Finanzen Kredite: Kommerzieller Zinnatz Kredite: Spezieller Zinmtz Garantierte Kredite Kapitalbeteiligung

Pmotektionspolitik

ZoU Kbntifent Nicht-tarilire Handetehemmnive Exportfinanzierung Eipoftwenicherung

Spezifische Instrumente

Prenkontrolle Wecbaelkunkonttolle

Ziele

.

akische

n e n

der Importsubstitutionspolitik

75

Im folgenden können die Maßnahmen nur andeutungsweise erörtert werden. Dabei werden die Maßnahmen in der Tabelle B4-1 in indikative Maßnahmen, Investitionsanreize-, Protektions- und Wechselkurspolitik unterteilt.

4.2 Indikative Maßnahmen

Die Nationalpläne gehören zur Kategorie der indikativen Maßnahmen. Darin werden die wirtschaftspolitischen Ziele der Regierung und die entsprechenden Investitionspläne veröffentlicht. Diese Pläne haben die Aufgabe, die Industriebranchen, welche die Regierung entwickeln will, auszuweisen. Diese Veröffentlichungen können die Investitionsentscheidungen der Privatwirtschaft beeinflussen. Mit Hilfe dieser Pläne ist es bis zu einem gewissen Grade möglich, den Aufbau gesamtwirtschaftlich unerwünschter Industrien zu begrenzen. Dagegen ist es nicht möglich, Investitionen in die gewünschten Produktionszweige zu lenken. Dies kann nur dadurch geschehen, daß finanzielle Anreize Investitionen hervorrufen. 4

4.3 Polititk der Investitionsanreize

Die Investitionsanreize erfolgen in Form von Investitionsbegünstigungen. Die Politik der Investitionsbegünstigungen zielt im allgemeinen darauf ab, die Kapitalrentabilität zu steigern. Die differenzierte Besteuerung der Unternehmungseinkommen oder der -gewinne ist ein solcher Ansatz. Das zu versteuernde Einkommen wird im allgemeinen wie folgt definiert: Bruttoeinnahmen minus (Kosten + Investitionsprämien + Zinssubvention). Die Investitionsprämien erleichtern die Kapitalabschreibung. Daher kann das Gleichgewicht zwischen dem Preis der Kapitalgüter und dem Gegenwartswert der Nettorentabilität wie folgt dargestellt

4)

Vgl. Vogelsang, S. 76f

76

Β. Theoretischer Teil

werden5: Σ,( 1 +r)*c( 1 - uX 1 +ky + quz + quy (c(l+u)/(r+k)) + quz + quy (r+kXl-uz-uy) daher,

c = q·

1-u

... (1),

wobei q: der Preis der Kapitalgüter c: die Opportunitätskosten des Kapitalbesitzes k: der Kapitalabschreibungssatz u: der Steuersatz auf Unternehmungseinkommen r: der Zinssatz ζ (bzw. y): der abdiskontierte Wert des zukünftigen Abzugs von den Abschreibungen (bzw. Zinsen), der durch eine Geldeinheit des Kapitals erzeugt wird Aus der Gleichung (1) können wir ersehen, daß die Opportunitätskosten des Kapitalbesitzes von q, k, u, r, ζ und y abhängen. Daher muß die Politik der Investitionsanreize diese Variablen beeinflussen. Die Steuervergünstigung, die beschleunigte Abschreibung und der Steuerabzug für Anschaffungskosten sind die Instrumente, die ζ verändern können.

4.4 Protektionspolitik6

Die Protektionspolitik im Rahmen der IMS-Politik wird als handelspolitisches Instrument auf der Einfuhrseite bezeichnet. Dieses handelspolitische Instrument wird unterteilt in Zölle und nichttarifäre Handelshemmnisse.

5)

Vgl. Boadway, S. 265-276

6 ) Dieser Abschnitt stellt überwiegend eine Zusammenfassung von "Außenhandel und Außenwirtschaft" von H. Adebahr u.a. dar. Vgl. dazu: Adebahr/Maennig, S. 136-157

.

akische

n e n

der Importsubstitutionspolitik

77

Die Einfuhrzölle sind Abgaben auf importierte Waren und Dienstleistungen. Nicht-tarifäre Handelshemmnisse sind staatliche Maßnahmen außer den Zöllen, die Einfluß auf den Handel in Volumen und Güterzusammensetzung ausüben. Während die Art der Anwendung von Zöllen international sehr ähnlich ist, existieren bei den nicht-tarifären Handelshemmnissen sehr viele verschiedene Instrumente. Zur Abschätzung der gesamtwirtschaftlichen Kosten der Protektion gibt es zwei Konzepte - EPR (Effective Rate of Protection) und DRC (Domestic Resource Costs). Die EPR ist durch den Prozentsatz bestimmt, um den die inländische Wertschöpfung die internationale Wertschöpfung übersteigt.7 Das DRC-Konzept stellt die realen Kosten der Verwendung inländischer Ressourcen, die notwendig sind, eine Gütereinheit im Inland zu produzieren, der durch diese Produktion bewirkten Devisenersparnis (oder dem Devisenerlös) gegenüber.8

4.5 Wechselkurspolitik Unter einem einheitlichen Wechselkurssystem kann eine Abwertung der inländischen Währung durch die Verteuerung des Importgüterpreises zu einer Abnahme der gesamten Einfuhr führen. Sie hat eine Schutzwirkung für alle Importgüter. Ebenso wie es bei Unterbewertung für heimische Produzenten lohnender geworden ist, Importe zu substituieren und vermehrt zu exportieren, gewinnt das Land auch für ausländische Investoren an Attraktivität. 9 Die Unterbewertung einer Währung hemmt ebenfalls den Import von Kapitalgütern. Dies führt zu einem Konflikt mit der Politik der Investitionsanreize. Deswegen führt die Regierung für den Import bestimmter Güter (meist Kapitalgüter und Rohmaterialien) verschie-

η

Vgl. Balassa (II), S. 4ff; Siehe zur algebraischen Ableitung der EPR: Wegner, S. 73f; Balassa (II), S. 316f; Corden (I), S. 222; Grubel (II), S. 3. Siehe über Probleme der EPRSchätzung: Balassa (II); Grubel/Johnson; Corden (I); Hiemenz u.a.; Balassa (III); Corden (II) 8)

Vgl. Ahmad (I), S. 44. Siehe zur algebraischen Ableitung der DRC: Stecher, S. 108

91

Vgl. Stecher, S. 147

78

Β. Theoretischer Teil

dene finanzielle Anreize ein. 10 Dabei ist der effektive Wechselkurs für den Import wichtig.11 Die Konzeption des effektiven Wechselkurses für den Import kann wie folgt definiert werden12: Rm

·

N(1+TJ, wobei wir bezeichnen

R m : effektiver Wechselkurs für Importe N: offizieller (nomineller) Wechselkurs T m : verschiedene finanzielle Anreize für Importe Statt des einheitlichen Wechselkurses kann die Regierung ein System von gespaltenen Wechselkursen einführen. Im allgemeinen wird der Import von Luxusgütern mit einem relativ hohen Wechselkurs belegt, während für den Import notwendiger Güter ein niedrigerer Kurs gilt.13 Das gespaltene Wechselkurssystem übt im Endeffekt ähnliche Wirkungen auf die Importgüter aus wie ein einheitliches Wechselkurssystem, bei dem der Wechselkurs durch unterschiedliche finanzielle Anreize effektiv verändert wird. 14

10)

Vgl. Little /Scitovski/Scott,

11)

Vgl. Stecher, S. 103f; JCoo t S. 449f

12)

Vgl. Koo, S. 45lf

13)

Vgl. Stern, S. 284

14)

Vgl. Koo, S. 449 u. S. 460

S. 171

5. Fazit: Schlußfolgerungen für die empirische Analyse

Bevor nun die empirische Analyse der IMS in Korea unternommen wird, ist es zweckmäßig» die wichtigsten theoretischen Aussagen zusammenzufassen. Diese Aussagen dienen als Arbeitshypothesen, die im empirischen Teil zu überprüfen sind. (1) Die wichtigste Erfolgsbedingung der IMS-Politik besteht in der richtigen Auswahl der zu fördernden Branchen. Dabei muß beachtet werden, daß die IMS-Politik insgesamt nicht über das gesamtwirtschaftlich vertretbare Maß hinausgeht und nur befristet durchgeführt wird. (2) Ein M/^û//yp/5c/ier MIndustrialisierungsproze Bist gekennzeichnet durch: erstes Stadium: zweites Stadium: drittes Stadium: viertes Stadium:

IMS in der Leichtindustrie EXD in der Leichtindustrie IMS in der Schwerindustrie EXD in der Schwerindustrie

(3) Die industriestrukturelle Diversifizierung wird von inneren (Veränderungen in Nachfrage und Faktorausstattung) und äußeren (Importbeschränkungen der "fore-comer" und Exportkonkurrenz der "late-late-comer") Faktoren beeinflußt. (4) Von der IMS-Politik sind zunehmende Skalenerträge und Verkettungseffekte zu erwarten. Damit kann die internationale Wettbewerbsfähigkeit verbessert werden. (5) Unter den Argumenten, die in der Diskussion über die makround mikroökonomischen Auswirkungen der IMS-Politik vorgebracht werden, sind die folgenden anschließend zu untersuchen:

80

Β. Theoretischer Teil

(a) Argumente zuungunsten der IMS-Politik - Die IMS-Politik hemmt ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum durch einen begrenzten Binnenmarkt. - Sie ruft eine starke Zunahme des Imports von Kapital und ZwischengOtern hervor. - Sie dämpft die Exportbemühungen der Unternehmen. - Sie verschärft die Beschäftigungsprobleme durch Einführung von kapitalintensiven Produktionsprozessen. (b) Argumente zugunsten der IMS-Politik - Die IMS-Politik kann durch zunehmende Skalenerträge und Verkettungseffekte zu einem raschen Wirtschaftswachstum führen. - Der Binnenmarkt kann durch IMS-Politik vergrößert werden, wodurch technisch effiziente Betriebsgrößen realisierbar werden. - Sie kann durch rapides Wirtschaftswachstum zur Schaffung von Arbeitsplätzen beitragen. - Sie kann durch die Diversifizierung der Produktion die Leistungsbilanz verbessern.

C. Empirischer Teil

1. Praktische Durchführung der Importsubstitutionspolitik 1.1 Nationaler Wirtschaftsplan

In Korea markierte das Jahr 1962 mit dem ersten Fünf-Jahres-Plan (1962-66) den Beginn einer breiter angelegten Wirtschaftsplanung. Das Kernziel vom ersten bis zum heutigen (sechsten: 1987-1991) Wirtschaftsplan besteht darin, eine sich selbst tragende Industrialisierung zu ermöglichen. Vom ersten bis zum zweiten Wirtschaftsplan verfolgte die Regierung wegen der Enge des heimischen Marktes und des Mangels an Rohmaterialien die EXD der Leichtindustrie.1 Diese exportorientierte Politik führte indes zur Beschleunigung des Kapitalgüter- und Rohstoffimportes. Um sich einer zu starken Importabhängigkeit zu entziehen, sollte im dritten Wirtschaftsplan die IMS der Schwerindustrie vorangetrieben werden.2 Die Forcierung der IMS-Politik, zusammen mit der Verteuerung des Rohöls, führte zu niedriger Auslastung in der Schwerindustrie und zu einer Verschlechterung der Zahlungsbilanz. Der vierte, fünfte und sechste Wirtschaftsplan wurden hauptsächlich zur Überwindung dieser ökonomischen Probleme entwickelt. Dabei wurde nur die Industrie entwickelt, die international wettbewerbsfähig war oder in absehbarer Zeit sein würde. 3 1)

Vgl. EPB (Economic Planning Board) (I), S. 31-52

* Vgl. Ebenda, S. 71-80 u. S. 115-119 3)

Vgl. Ebenda, S. 161-170 u. S. 219-247; Baey S. 28-39

82

.

ischer Teil

1.2 Maßnahmen zur Stimulierung von Investitionen

1.2.1 Besteuerungssystem der Aktiengesellschaften Die Politik der Investitionsanreize bestand hauptsächlich in dem Besteuerungssystem für Aktiengesellschaften. Ihr Hauptzweck war die Beschleunigung des Exports und die Förderung der strategisch wichtigen Industrien (Chemie- und Schwerindustrie). Das erste Besteuerungssystem wurde im Jahre 1949 eingeführt. Bis Anfang der 70er Jahre gewährte die Regierung im Bereich der Exportindustrie (hauptsächlich Leichtindustrie) eine stärkere Steuerermäßigung als bei der Schwerindustrie. 4 In den 70er Jahren

Tab. Cl-1: Maßnahmen der Investitionsanreize für die Förderung der wichtigen Industriebranchen betreffende Industriebranche

AnwcndurçpJahr

vollstänige Ermäßigung während 5 J. (Jahre)

Petroleum-Raffinerie, Schiffbau, Schmelzen von Eisen, Stahl u. Kupfer, Herstellung von Zement u. chemischen Düngemitteln

1949-54

vollständige Ermäßigung während 3 J.

größte Teile des Bergbaus, Herstellung von Gläsern

1949-54

vollständige Ermäßigung während 3 J., 2/3 Ermäßigung im vierten J., 1/3 Ermäßigung im fünften

PetroIeum-RafTinerie, Schiffsbau, Schmelzen von Eisen, Stahl u. Kupfer, Herstellung von Zement u. chemische Düngemitteln, Herstellung von Motoren, Stromerzeugung, Goldbergbau

1954 - 62

vollständige Ermäßigung im ersten J., 2/3 Ermäßigung

größte Teile des Bergbaus, Herstellung von 1954-67 Gläsern, daneben seit 1962; Chemieindustrie, Erzeugung von synthetischen Stoffen, Auto-

Anreizmaßnahmen

Steuerermäßigung während ein bestimmten Zeitraums (A)

M Ο

^ Vgl. Kwak, S. 22-25

.

akische

u r u n g der Importsubstitutionspolitik

83

im zweiten J., 1/3 Ermäßigung im dritten J.

industrie, Herstellung von einigen Maschinen, Molkereiprodukten, Konservieren u. Verarbeiten von Fischen u. ähnlichen Nahrungsmitteln

vollständige Ermäßigung während 5 J.

Abscheiden von Naphta, einige Fabriken im öl- und Chemiekomplex

vollständige Ermäßigung ohne bestimmten Zeitraum

zwischen 1970 und 1974: "Pohang Steel Co.* 1970--81 u. alle Stahlfirmen, die bestimmte Bedingungen hinsichtlich Art u. Umfang der maschinellen Anlagen erfüllen; seit 1974: nur "Pohang Steel Co."

vollständige Ermäßigung während 3 J., 1/2 Ermäßigung während der nächsten 2 J.

Firmen der Öl/Chemieindu., des Schiffbaus, 1974--81 der Maschinen/Elektro- u. Eisen/Stahlindu., des Bergbaus sowie der Stromerzeugung, die bestimmte Bedingungen hinsichtlich Art u. Umfang der maschinellen Anlagen erfüllen

vollständige Ermäßigung während 4 J.

neben den obigen Industrien: Kohlebergbau

Ermäßigung der Investitionssteur um 6% im Fall der Investitionen in die maschinellen Anlagen

1967--74 Die Branchen Schiffe, Eisen/Stahl, chemische Düngemittel, Auto, Maschinen, Öl/ chemische Produkte, Elektrische/Elektromaschinen u. Konservieren von Nahrungsmitteln sowie einige Bergbaubetriebe (Steuerermäßigung um 10%, wenn seit 1970 inländische Anlage im Bereich der Eisen/Stahlind. benutzt werden)

»g

(1)

fast alle Branchen

S ft :co S

(2)

1974--81 Firmen der Branchen öl/chemische Produkte, allgemeine Maschinen, Elektromaschinen, Eisen/Stahl, chemische Düngemittel, des Berg- u. Schiffbaus sowie der Stromerzeugung, die bestimmte Bedingungen hinsichtlich Art u. Umfang der maschinellen Anlagen erfüllen

besondere Abschreibungsrate 100%

ausgeschlossen aus den unter B(2) genannten 1974 — Branchen seit 1981: eineige Öl/chemische Fabriken, Schmelzen von nicht-metallischen Mineralien

1

ι

ig ÌÙB

s-s «s I

s Is £ Ï» "S à0 besondere Ab^ e schreibungsrate I « 60% i I

1970--74

1962--67

1972--74

1974- 81 Branchen wie Düngemittel u. Stromerzeugung, die unter B(2) bestimmte Bedingungen hinsichtlich Art u. Umfang der maschinellen Anlagen nicht erfüllen

1) Ermäßigung der Investitionssteuer um 10% im Fall der Investition in iniindische maschinelle Anlagen 2) Ermäßigung der Investitionssteuer um 8% im Fall der Investition in maschinelle Anlagen ( um 6% seit 1981. um 3°k· seit 1982); Ermäßigung der Investitionssteuer um 10% im Fall der Investition in die heimischen maschinellen Anlagen (um 5% seit 1982); Seit 1981 gelten diese Ermäßigung nur für Bereiche wie industrielle Maschinen und Elekiro maschinen Quelle: Eigener Entwurf nach K. S.65-80; S.14-29

Choe,

Kwak,

84

ischer Teil

wurde dann die Schwerindustrie verstärkt gefördert. Mit der Steueränderung 1981 wurden diese Instrumente der Investitionsanreize weitgehend abgeschafft. 5 Tabelle C l - 1 faßt die Maßnahmen der Investitionsanreize zur Förderung der wichtigen Industrien zusammen.

1.2.2 Staatliche Industriefinanzierung Die staatliche Industriefinanzierung änderte sich im Zuge der erfolgreichen Wirtschaftsentwicklung. Gefördert wurden: in den 50er Jahren hauptsächlich die IMS-Industrien, in den 60er Jahren die Exportindustrien und in den 70er Jahren sowohl die IMS- als auch die Exportindustrien. Seit den 80er Jahren hat sie keine Bedeutung für die industrielle Entwicklung.6

1.3 Protektionspolitik 1.3.1 Zollpolitik Im Jahre 1949 wurde ein neues Zollsystem eingeführt, das mehr ein Instrument der Finanzpolitik als der Protektionspolitik war. Seit den 60er Jahren wurden dann im Zollsystem stärker die Aspekte der Industrieförderung betont. Bei der Änderung des Zollsystemes 1961 wurde nämlich der Schwerpunkt auf die Protektionspolitik gelegt.7 Bei der Revision 1967 wurden Bemühungen um eine Politik der Importliberalisierung deutlich, da nicht-tarif äre Handelshemmnisse beachtlich gemildert wurden. Der tarifäre Zollschutz wurde jedoch verstärkt. 8 1976 wurde wieder um eine stärkere Protektionspolitik eingeschlagen, um die Schwerindustrie zu fördern. So erhöhte sich der effektive durchschnittliche Zollsatz 1978 auf 16.5% ( Vgl. Tab.

5)

Vgl. K. Choe y S. 71f; Kwak, S. 25-28

* Vgl. Jung, S. 179fT 75

8)

Vgl. KERC (Korea Economic Research Center), S. 9-34

Vgl. KIET (Korea Institute of Economics and Technology) /KOTRA Promotion Corporation), S. 14; KEB (Korea Exchange Bank), S. lOf

(Korea Trade

.

akische

u r u n g der Importsubstitutionspolitik

85

Tab. Cl-2: Offizieller (nomineller) und effektiver 1 durchschnittlicher Zollsatz, 1963-1988 (vH) 1963

1967

1974

1978

1980

1982 1983

_

_

15,4

16,5

11,3

11,7

13,7

-

-

4,6

8,9

5,6

5,8

17,0

26,0

effektiver durchschnittlicher Zollsatz2 modifizierter eff. dur. Zollsatz3 offizieller dur. Zollsatz

-

-

-

-

1984

1988

_

_

7,4

-

-

23,7

21,9

18,1

1) Zollsatz bei Einbeziehung verschiedener Förderungsmaßnahmen für Importe 2) Quotient aus Zollaufkommen und gesamten Importen, wobei die Rückzahlung nicht einbezogen wird 3) Quotient aus Zollaufkommen und gesamten Importen, wobei die Rückzahlung einbezogen wird nicht verfügbar Quelle: World Bank (II), S.68; MOF, S.8

Cl-2). 1983 wurde das "System der Vor-Bekanntmachung von der Änderung des Zollsatzes" eingeführt. 13 Dadurch wurde der offizielle durchschnittliche Zollsatz seit 1983 allmählich reduziert. 14

1.3.2 Quantitative Importbeschränkungen Am Anfang des ersten Fünf-Jahres-Planes schränkte die Regierung den Import stark ein, um die "infant industry " zu schützen und Devisen zu sparen. Seit 1964 begann allmählich eine Importliberalisierung} 5 Somit konnte Korea im Jahre 1967 dem G A T T beitre-

13)

Vgl. KEB, s. 10

14)

Vgl. Tab. Cl-2; KEB S. lOf

15) Das MTI (Ministry of Trade and Industry, Korea) unterscheidet: • Produkte, die ohne staatliche Genehmigung und ohne quantitative Mengenbeschränkungen importiert werden können (genehmigungsfreien Produkte) und • Produkte, die nur mit staatlicher Genehmigung importiert werden können (importbeschränkte Produkte).

86

ischer Teil

Abb. Cl-1: Rate der Importliberalisierung 1, 1967-1988

1) Berechnungsweise: Anzahl der importliberalisierten Produktarten Anzahl der gesamten Produktarten Quelle: KIET (I), S.8

ten. Seit Ende 1967 praktizierte die Regierung wieder verstärkt eine Politik der Importbeschränkung, weil seit 1967 der Import schnell zunahm und die Regierung seit Anfang der 70er Jahre die IMSPolitik forcierte. Das rapide Exportwachstum veranlaßte die Regierung, allmählich eine Politik der Importliberalisierung zu betreiben. Als Folge davon erhöhte sich die Rate der Importliberalisierung im Januar 1979 auf 68.6%.12 Seit Anfang der 80er Jahre

Das Μ Ή veröffentlicht jedes Jahr die genehmigungsfreien und importbeschränkten Produkte, die nach achtstelligen Industriebranchen der CCCN (Customs Cooperation Council Nomenclature)-Industrieklassifikation aufgegliedert werden. Hier bedeutet Importliberalisierung eine Zunahme der Anzahl der genehmigungsfreien Produktarten oder ihres Importwertes. Damit kann die Rate der Importliberalisierung auf folgende zwei Weisen berechnet werden: Importwert der importliberalisierten Produkte Wert des Gesamtimportes oder Anzahl der importliberalisierten Produktarten Anzahl aller Produktarten Hier wird die letztere verwendet. Vgl. KIET/KOTRA, S. 40f; KDI, S. 76

12)

Vgl. KEB, S. 7f

. akische

u r u n g der Importsubstitutionspolitik

87

bemühte sich die Regierung verstärkt um eine Importliberalisierung, um sich den internationalen Handelsverhältnissen anzupassen. Infolgedessen erhöhte sich die Rate 1988 auf 95.4% (vgl. Abb. Cl-1). 1 3 Die vom KDI (Korea Development Institute)14 und Kim/Hong 15 geschätzten EPA-Ergebnisse zeigen, daß in den 70er Jahren die Schwerindustrie einen hohen Außenschutz hatte. Dies führte zu einer hohen Protektionsrate der verarbeitenden Industrie.

13)

Vgl. KIET/KOTRA,

14)

Vgl. KDI,

15)

Vgl. Kim/Hong,

s.

S. 8

71ff S. 48ff

2. Meßkonzepte und Ausmaß der Importsubstitution und der Exportdiversifizierung

Im vorigen Kapitel wurde betrachtet, welche IMS-Maßnahmen in der Praxis angewendet wurden. Hier wird der Einsatz dieser Maßnahmen quantifiziert. Dabei wird auch das Ausmaß der E X D Politik quantifiziert. Anhand der Ergebnisse wird untersucht, wie die IMS- mit der EXD-Politik bei der Industrialisierung abgestimmt wurde. Um das Ausmaß der IMS-Politik genau zu schätzen, müssen neben der Protektionspolitik die verschiedenen Investitionsanreize quantifiziert werden. Das Ausmaß der Protektion wird anhand der EPR gemessen. B. W. Wilkinson bietet einen Ansatz für die Einführung der verschiedenen Investitionsanreize in die EPR-Schätzung.1 Das von Wilkinson entwickelte EPR-Meßkonzept ist konzeptionell das zweckmäßigste für die Schätzung des Ausmaßes der IMS-Politik. Aber es ist in der Praxis kaum möglich, die EPR mit diesem Meßkonzept zu schätzen.2 Für die Schätzung des Ausmaßes der IMS-Politik werden deshalb als zweitbeste die im folgenden vorgestellten Meßkonzepte der IMS verwendet. Diese Meßkonzepte der IMS werden anhand des Referenzsystems von H. B. Chenery - eine wachsende Wirtschaft entwickelt. In diesem Referenzsystem bezeichnet das IMS-Ausmaß ein überproportionales Wachstum der inländischen Produktion, das durch die IMS verursacht wird. In dieser Arbeit wird angenommen, daß die IMS, die ein "proportionales" Wachstum (normale Entwicklung) hervorruft, der natürlichen IMS, während ein von der IMS verursachtes über proportionales Wachstum das Ergebnis der von der Politik induzierten IMS 1)

Vgl. Wilkinson , S. 171ff

* Vgl. Baldwin, S. 155

2. Meßkonzepte und Ausmaß

89

ist.3 Für das Ausmaß der E X D gilt das analog.

2.1

Meßkonzepte der Importsubstitution und der Exportdiversifizierung

Die Meßkonzepte der IMS und der EXD wurden im Rahmen der Diskussion über die Ursachen des sektoralen Wirtschaftswachstums entwickelt. Im folgenden werden einige Meßkonzepte vorgestellt, die allgemein in empirischen Arbeiten verwendet werden.

2.1.1 Meßkonzept von Chenery

4

Das Meßkonzept von Chenery geht von der Annahme aus, daß in jedem Sektor das Gesamtangebot und die Gesamtnachfrage übereinstimmen: X i 0 = Di 0 + Wi0 + Ei 0 - Mi 0 , wobei X: die inländische Bruttoproduktion D: die inländische Endnachfrage W: die für andere Produkte verwendeten Zwischengüter E: den Export M: den Import des Sektors i im Zeitpunkt 0 darstellen. Wenn U den Anteil des Imports am Gesamtangebot (Ζ = M + X ) bezeichnet, ergibt sich:

3) Unter dieser Annahme kann das Anwendungsausmaß der IMS-Politik über- oder unterschätzt werden, weil IMS in Erscheinung treten kann, obgleich keine IMS-Politik zur Anwendung kommt. In diesem Fall entspricht ein von der IMS verursachtes übeiproportionales Wachstum der natürlichen IMS entsprechen. Das gleiche Anwendungsausmaß der IMSPolitik kann auch zu einem unterschiedlichen Ausmaß der IMS führen, je nach der jeweiligen Wirtschatsituation, der Anwendungspraxis der IMS-Politik und dem Anwendungsausmaß anderer mit der IMS-Politik gleichzeitig eingeführten Industriepolitik usw. Für das Ausmaß der EXD gelten diese Einwände analog. 4)

Vgl. Chenery (I), S. 640f

90

ischer Teil

[1-1] X i 0 » (1 - UioMDio + Wi 0 + Ei 0 ) Chenery verwendet bei der Bestimmung der Ursachen des sektoralen Wachstums als Referenzsystem ein proportionales Wachstum aller Industriesektoren und rechnet das überproportionale Wachstum eines Sektors diesen Ursachen zu. Für dieses Referenzsystem erhält man aus Gleichung (2-1): Xip - k X i 0 - k ( l - UioMDio + Wi 0 + Ei 0 ), wobei ρ für das proportionale Wachstum steht und k die Rate der Einkommenssteigerung bezeichnet. Aus dieser Definition wird die Abweichung (dXi) des tatsächlichen vom angenommenen proportionalen Wachstum ermittelt: [1-2] dXi = Xij - Xip = (1 - U i ^ D i ^ W i 1 + Eij) - k-(l - UioMDio + Wi 0 + Ei 0 ) = {(1 - U i 0 ) D i l - k-(l - U i 0 ) D i 0 } + « l - U i ^ W i , - k(l-Ui 0 ).Wi 0 ) + {(1 - U ^ - E i , - k-(l - Ui 0 >Ei 0 } • (Uio-U^MDi!* W i ^ E i J = (1 - UioMdWi + dDi + dEi) + (Ui 0 - UiJ-Zi^ wobei d die Abweichung vom proportionalen Wachstum darstellt und 1 den Zeitpunkt 1 bedeutet. Aufgrund dieser Gleichung können vier Ursachen des über proportionalen Wachstums in der Gleichung (2) unterschieden werden: (1) die IMS: ( U i 0 - U i J Z i j (2) die überproportionale inländische Endnachfragesteigerung: (1 - Ui 0 ) dDi (3) die überproportionale Exportexpansion: (1 - Ui 0 )dEi (4) die überproportionale Zunahme der Zwischengüter: (1 - Uio)dWi

2. Meßkonzepte und Ausmaß

2.1.2 Meßkonzept von Morley/Smith

91

5

Bei Chenery wird der Einsatz der Zwischengüter für die Produktion einer Industrie als eine Quelle des Wachstums der Bruttoproduktion dieser Industrie angesehen. Wenn nämlich ein Importgut durch inländische Produktion ersetzt werden soll, muß ceteris paribus nicht nur die Produktion des IMS-Sektors steigen, sondern auch die der Zulieferbetriebe, die Produktion von deren Zuliefern etc. Die benötigten intermediären Inputs sind in einem importierten Fertigprodukt enthalten und müssen deshalb bei einem Vergleich von inländischen Angeboten und Importen einbezogen werden.6 Diese Überlegungen sind in ein von Morley und Smith gemeinsam entwickeltes Meßkonzept eingegangen. Mit Hilfe einer Input-Out put-T abelle lassen sich diese sogenannten "indirekten Importe" bei der Ermittlung der IMS berücksichtigen. Bezeichnet man A als Matrix der technischen Koeffizienten Aij einer Input-Output-Tabelle, erhält man aus der Gleichung (I - A) X + M = D + E für X: X = (I - A) ' D + (I - A ^ E - (I - Α)' ι-Μ Wenn diese Gleichung für eine Industrie i im Zeitpunkt ο aufgelöst wird, ergibt sich [2-1] Xio = EjRij-Djo + EjRij-Ejo - EjRij-Mjo, wobei Rij das ijte Element der "Leontief Inversen" Matrix (I-A)" 1 ist. Unter dem gleichen Referenzsystem wie bei Chenery erhält man aus Gleichung (2) ein proportionales Wachstum aller Industriesektoren, Xip=kXio: Xip = k-Xio = k-EjRij-Djo + k-EjRij-Ejo - kEjRijMjo, wobei angenommen wird, daß Rij während des entsprechenden Zeitraums konstant bleibt. Damit wird die Abweichung des tatsächlichen vom proportionalen Wachstum (dXi) ermittelt:

* Vgl. Morley/Smith,

S. 728-735

* Vgl. Ebenda, S. 729; Stecher, S. 41

92

ischer Teil

dXi - Xi x - k X i 0 - EjRiKDjt - k D j 0 ) • E j Rij (Ej 1 - k Ej 0 ) - E j R i H M ^ - K Mjo) - {(EjRij'Djj - k*EjRij*Dj 0 ) + (E j Rij.Ej l - k ^ R i j - E j o M l {EjRij-Mjo/iEjRij'Djo • EjRij-Ejo)}] • (EjRij-Djj + E j Rij-Ej 1 H{E J Rij.Mj 0 /(E j Rij.Dj 0 + ^RijEjo)} - (E J Rij.Mj 0 /(E J Rij.Dj 1 • EjRij.Ej^}] Für jede Industrie i gilt EjRij-Dj + EjRij-Ej = Zi. Daher resultiert aus dieser Gleichung: dXi = X i j - k X i 0 = (dD'i + dE'i).{l - ( M V Z ' i o ) } + Z\{(M^Z\) (MV^)}, wobei die Buchstaben (: D \ E \ M \ V ) die in Matrix-Form dargestellten Variablen D, Ε , M und Ζ bezeichnen. Aufgrund dieser Gleichung können drei Ursachen des über proportionalen Wachstums unterschieden werden: (1) (2)

die IMS: Z V K M V Z ' i J (M\/Z\)) die überproportionale inländische Endnachfragesteigerung: dD'i {l - ( M V Z ' i o ) ) die überproportionale Exportexpansion: dE'i{l - (M'Ìq/Z'Ìo)}

(3)

Das Morley/Smith-MuR besitzt gegenüber dem Meßkonzept von Chenery den Vorteil, daß sich damit intersektorale Verflechtungen bei der Ermittlung von IMS-Auswirkungen mit erfassen lassen.7 Die Vernachlässigung der linkage-Wirkungen führt in den meisten Fällen zu einer Unterschätzung der IMS: das Ausmaß dieses "bias" hängt dabei wesentlich vom Stadium des Substitutionsprozesses ab, denn mit dem Fortgang der Industrialisierung nimmt der Grad der intersektoralen Verflechtung zu und damit auch die Zahl der im Inland produzierten intermediären Produkte.8

2.1.3 Aggregationsproblem in den Meßkonzepten Alle bisherigen Meßkonzepte können zu grober Inkonsistenz führen, wenn sie in einem Fall verwendet werden, in dem das IMS- bzw.

η

Vgl. Stecher, S. 43

8)

Vgl. Morley/Smith,

S. 731

2. Meßkonzepte und Ausmaß

93

EXD-Ausmaß der einzelnen Industriezweige summiert wird. 9 Betrachten wir als Beispiel diese Inkonsistenz im Meßkonzept von Chenery. Das Ausmaß der IMS für eine Gruppe von Industriezweigen kann auf zwei Wegen berechnet werden. 10 Einer besteht in der Summierung der IMS jeder Industrie innerhalb der Gruppe: E.Zij l f wobei i und j eine Industrie i in einer Gruppe j bezeichnen. Die andere Alternative geht zuerst von der Aggregation der Importe und der inländischen Produktion jeder Industrie in der Gruppe j aus. Dann wird Chenerys Meßkonzept angewandt: ( U j 0 - UjJ-Zj^ wobei Z j = E|Zij, X j = E^Cij, U j = X j / Z j darstellen. Das erste Meßkonzept basiert auf nicht-aggregierten Daten, während bei dem zweiten aggregierte Daten benutzt werden. Die Ergebnisse beider Meßkonzeptionen sind unterschiedlich.11 Um ein mit dem globalen Meßkonzept konsistente sektorale Maßkonzept zu entwickeln, hat G. Fane den Begriff durchschnittlicher Inputkoeffizienten eingeführt. 12 Dabei unterscheidet er für jede Industrie i zwei Komponenten der IMS: (a) eine IMS innerhalb einer Industrie i und (b) ein zusätzlicher Beitrag einer Industrie i zu der IMS der gesamten Industrie. Bei der Schätzung der zweiten IMS-Komponente wird die Abweichung vom durchschnittlichen Importkoeffizienten als Kriterium für eine IMS verwendet. Diese Schätzung ist jedoch fragwürdig, weil die Abweichung vom durchschnittlichen Importkoeffizienten nicht nur auf die IMS der anderen Güter, sondern auch auf die strukturelle

* Vgl. Fane (I) S. 250; Fane (II), S. 1-17 10)

Vgl. Dcsai, S. 320f

11)

Vgl. Desai, S. 322f

12)

Vgl. Fane (I), S. 255f

94

ischer Teil

Nachfrage Verlagerung zurückzuführen ist.13 Bei der Ermittlung der IMS ist es also wichtig, Verschiebungen zwischen Nachfragefeldern mit unterschiedlichen Importanteilen von Änderungen der Importanteile im einzelnen Nachfragefeld zu unterscheiden.14 Allerdings scheitert diese Differenzierung oft an der Tatsache, daß die dafür benötigten detaillierten Informationen (Importmatrix) nicht vorliegen. 13 Diese Überlegungen sind in die von P. Guilloumont 16, R. W. Bacon17, J. Skolka u u.a. entwickelten Ansätze eingegangen. Hier wird die Meßkonzeption von Helmstädter vorgestellt, die mit Hilfe des Ansatzes von Skolka entwickelt wurde. 19

2.1.4 Meßkonzept von Helmstädter

20

Wir bezeichnen: X: y: Y: A: Ad: Am: A': B:

Vektor der inländischen Bruttoproduktionswerte Vektor der Endnachfrage Skalar mit dem Wert der gesamten Endnachfrage Matrix der Inputkoeffizienten, A i j T (: A * Ad + Am) Matrix der inländischen Inputkoeffizienten, Aij° Matrix der importierten Inputkoeffizienten, A i j M Matrix der Inputkoeffizienten mit geänderten Importanteilen, A'ij - ( A i j ^ / A i j ^ A i j ™ Matrix, die die Spaltenstruktur der verschiedenen

13)

Vgl. Guülaumont, S. 234f

14)

Vgl. Ebenda, S. 325

15)

Vgl. Helm&ädter u.a., S. 90

1β)

Vgl. Guilloumont, S. 324-329

17)

Vgl. Bacon, S. 330-333

1β)

Vgl. Helmstädter

19)

Vgl. Ebenda, S. 90-95

201

Vgl. Ebenda, S. 90-95

hj., S. 90

2. Meßkonzepte und Ausmaß

95

Endnachfragekomponenten,Bik T,ermittelt ( ; B « B d + Bm) Bd: Matrix der inländischen Endnachfragekoeffizienten, Bik D Bm: Matrix der importierten Endnachfragekoeffizienten, Bik M B': Endnachfragekoeffizienten mit geänderten Importanteilen, B'ik » ( B i k ^ / B i k ^ Bik 71 C: Vektor, der die Anteile der einzelnen Endnachfragekomponenten an der gesamten Endnachfrage enthält Aus der Standardgleichung der Input-Output-Matrix folgt im Zeitpunk 0: X 0 « (I - Ad 0 ) l.BdO C 0 .Y 0 Anhand dieser Gleichung können die Ursachen des sektoralen Wachstums durch die Änderungen von Α, Β und C erfaßt werden. Diese Ursachen werden unter dem gleichen Referenzsystem wie bei Chenery analysiert: dX = X j - k-X 0 Wir bezeichnen jedoch hier mit k nicht die Einkommenssteigerungsrate wie bei Chenery und Morley/Smith, sondern die Rate der gesamten Endnachfragesteigerung Y^Yo Durch die Änderung der einzelnen Koeffizientenmatrix (A, B, C) können wir die folgenden 5 Differenzen bilden, die einen schrittweisen Übergang von den Werten der inländischen Bruttoproduktion des Jahres 1 auf die Werte der inländischen Bruttoproduktion des Jahres 0 (multipliziert mit der Wachstumsrate der gesamten Endnachfrage k) ermöglichen. Der Einfluß der IMS im intermediären Bereich auf die sektorale inländische Bruttoproduktionsstruktur ergibt sich durch: [4-1]

{(I - Ad,) 1 - (I - AVJ-BdrQ-Y,

Den Einfluß der Inputkoeffizientenänderung, die auf die geänderten totalen Koeffizienten bei Konstanz der Importanteile zurückzuführen ist, erhalten wir folgendermaßen: [4-2]

{(I - A ' ) 1 - (I - AdoV^'BdfCfYi

96

ischer Teil

Dieser Einfluß erfaßt gerade jenes Wachstum der inländischen Bruttoproduktionswerte, das durch Änderungen in der Technologie hervorgèrufen wird. Die beiden ersten Ausdrücke ergeben zusammen den Effekt der geänderten (inländischen) Inputkoeffizienten: {(I - Ad x y l - (I - AdoJ'^-BdfCfYj Die Summe der folgenden beiden Vektoren ergibt den Einfluß der geänderten Koeffizienten der (inländischen) Endnachfrage auf die Wachstumsraten der sektoralen inländischen Bruttoproduktion: (I-

Ado)1^-BdoJC^

Die IMS in der Endnachfrage zeigt: [4-3]

(I - Ad 0 ) 1 .(Bd 1 - B'XVY,

Die Änderung innerhalb der Endnachfragekomponenten, die auf der Änderung der Koeffizienten für die gesamten Lieferungen bei Konstanz der Importanteile beruht, wird wie folgt gemessen: [4-4]

(I - A d o W - BdoKVYi

Die unterschiedliche Aufteilung auf die einzelnen Komponenten der Endnachfrage läßt sich über die Differenz der beiden Vektoren C l und C 0 ermitteln. Der Effekt dieser Änderung wird ermittelt durch: [4-5]

(I - Ad 0 ) 1 .Bd 0 .(C 1 - C 0 >Y 1

In der Summe ergeben diese 5 Gleichungen wieder unsere Ausgangswerte: (I - A d 1 ) 1 B d 1 . C f Y 1 - (I - Adoi^Bdo-Co Y, = (I - Ad^-BdfCfYi - (Y^YoMI - Ado^Bdo-QYo = X j • k-X 0

2. Meßkonzepte und Ausmaß

97

2.2 Ausmaß der Importsubstitution und der Exportdiversifizierung

2.2.1 Vorbemerkungen Mit diesem Rüstzeug können wir nunmehr das Ausmaß der IMS und der E X D in Südkorea messen. Dazu wurde die IOT (InputOutput-Tabelle) von 1963 bis 1985 benutzt, welche von der koreanischen Zentralbank ("Bank of Korea") herausgegeben wird. Die Sektorklassifikation der IOT ist für verschiedene Jahrgänge unterschiedlich. Das Rechenverfahren der IOT in den 60er Jahren unterscheidet sich in den folgenden zwei Punkten von dem der 70und 80er Jahre: (1) Im Unterschied zu den IOT der 70er- und 80er Jahre wird der Import in Konkurrenz- 21 und Nicht-Konkurrenzimport untergliedert. Der Nicht-Konkurrenzimport wird als exogene Variable auf der Input-Seite behandelt. (2) Der "Rest" wird in den 60er Jahren als endogene Variable behandelt. Alle IOT müssen somit sowohl in bezug auf die Sektorklassifikation als auch auf das Rechen verfahren vereinheitlicht werden. Die Tabelle C2-1 zeigt die Zahl der in den IOT verschiedener Jahre unterschiedenen Sektoren. In dieser Arbeit soll eine ii-Sektor en-IOT als Grundlage dienen. Die Sektoreinteilungen der vorhandenen IOT werden in 33 Sektoren transformiert, wie aus Tabelle A - l im Anhang ersichtlich ist. Die Sektoren von 3 bis 29 entsprechen der verarbeitenden Industrie. Um alle IOT hinsichtlich des Rechen Verfahrens einheitlich zu behandeln, wurden folgende Modifikationen in der Aufstellung für die 60er Jahre gemacht: (1) Der Nicht-Konkurrenzimport wurde in den Konkurrenzimport einbezogen. (2) Der Rest wurde derart exogenisiert, daß die gesamte Wertschöpfung und die inländische Bruttoproduktion gleich sind und daß der Bruttoproduktionswert des Sektors in der modifizierten IOT von dem Wert in der ursprünglichen IOT nicht zu sehr abweicht.

Zum Konkurrenzimport gehört der Import der Güter, deren Wert mehr als 20% am gesamten Angebot dieser Güter im Inland beträgt, während die anderen Importgüter NichtKonkurrenzimport genannt werden.

98

ischer Teil

Tab. C2-1: Zahl der Sektoren in den IOT verschiedener Jahre

1963

1966 (73)

1970 (78)

1975 (83)

1980

1985

299

340

392

396

402

I

Os oo

IOT

Zahl der Sektoren 270

1) Die IOT der Jahre in Klammern wurden anhand der Sektorklassifikation der IOT des vorigen Jahres erstellt. Deswegen ist die Zahl der Sektoren in beiden IOT gleich. Quelle: BOK (I)

2.2.2 Ergebnisse der Messung 2.2.2.1 Das Ausmaß von IMS und E X D Die Tabellen C2-2 und C2-3 geben einen Überblick über das Ausmaß der IMS im Bereich der verarbeitenden Industrie. Wie zu erwarten, weist die Messung nach Morley/Smith fast nahmslos und diejenige nach Helmstädter zumeist höhere Beiträge oder stärkere Importabhängigkeit auf als bei Chenery. ist auf die Berücksichtigung der intermediären Inputs bei Berechnung zurückzuführen. 22

ausIMSDies der

Für die Zeit von 1963 bis 1970 ergeben sowohl die Messung nach Chenery als auch diejenige nach Morley/Smith eine starke IMS bei Holzprodukten/Möbeln, chemischen Düngemitteln & Chemieerzeugnissen für die Landwirtschaft und Erdölprodukten. Dagegen waren die Branchen Chemiefasern, sonstige Chemieerzeugnisse, Metallwaren, industrielle Maschinen und feinmechanische Apparate vom Import abhängiger. Nach dem Helmstädter-Meßkonzept bestand eine starke IMS im Bereich der Endnachfrage. Während des Zeitraums 1970-75 zeigt sich bei jeder der drei Berechnungen eine starke IMS in den Branchen chemische Grunderzeugnisse, Chemiefasern, Eisen/Stahl und Metallwaren. Eine höhere

^ Bei der IMS-Messung nach den Meßkonzepten von Morley/Smith und Helmstädter lassen sich intersektorale Verflechtungen mit erfassen. Dagegen sind sie bei dem CheneryMeßkonzept in die IMS nicht einbezogen. Siehe dazu S. 122 und S. 124

2. Meßkonzepte und Ausmaß

99

Tab. C2-2: Ausmaß der IMS in der verarbeitenden Industrie, 1963-1985 Negativ

Positiv >40*

19631970

19701975

19751980

0-10

0—10

-10—25

•25--40

40

25-40 1

12, 18 26

10-25 19, 21 16, 17 28

E

I

10, 11

4, 11, 13 13,22

28

14, 15 20, 21 26, 28

3, 5, 6 7, 14 29

4, 5, 8 9, 12 15, 17 18, 19 21, 25 26, 27

3, 8, 9 10, 12 16, 17 19, 20 21, 22 23, 25 26, 29

3, 5,6 0—10 7,9 17, 18 22, 25

3, 6 16, 24 28, 29

-10-25

12, 20 24, 26

-25-40

27

40

Positiv

1975-1980

1970-1975

0-10

29

2

3, 5, 7 9, 10 11, 12 13, 14 16, 19 20,22 25, 27

15, 17 0—10 21,24

26

Negativ -10-25

Zur Begründung: A. M. Lago hat an W. G. Hoffmanns "Stadien und Typen der Industrialisierung" kritisiert, daß die Zwischengüter nicht berücksichtigt würden. In seinem Antwortpapier auf diese Kritik erwidert Hoffmann: "Würde man also in der Gesamtperiode auch für das neunzehnte Jahrhundert über entsprechende Statistiken verfügen, so müßten sie selbstverständlich berücksichtigt werden". In unserer Arbeit wird aus demselben Grund die Bruttoproduktion statt der Wertschöpfung zur Schätzung des VSLs verwendet. Vgl. dazu: W. G. Hoffmann (III), S. 128ff; Lago, S. 42f

104

ischer Teil

(a) Typisierung nach dem CAe/iery-Meßkonzept Zunächst betrachten wir die Abbildungen, die anhand der Berechnungen nach dem Chenery-Meßkonzept entworfen wurden. Dabei lassen sich folgende Typen unterscheiden.

Typ A: Überwiegend IMS In der gesamten Beobachtungsperiode (1963-1985) wurde überwiegend die IMS-Politik eingesetzt. Dazu gehören die Branchen chemische Grunderzeugnisse, chemische Düngemittel & Chemieerzeugnisse für die Landwirtschaft, Arzneimittel/Kosmetika, Chemiefasern, Eisen/Stahl und industrielle Maschinen.

Grunderzeugnisse

Chemieerzeugnisse für die Landwirtschaft

2. Meßkonzepte und Ausmaß

* : IMS

...

40

:EX0

20

fS. 0. Λ Τ 0.8 -20

1.2

f

-40

Arzneimittel/Kosmetika

X : IHS :£X0

... 40

20

0.4

-20

/V Ι °·β

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-40

Eisen/Stahl (nicht elektrisch)

105

106

ischer Teil

Typ Β: IMS

EXD

IMS ( - • bedeutet zeitliche Reihenfolge)

Zuerst wurde eine IMS-Strategie eingeführt. Danach kam eine EXD-Strategie zur Anwendung. Anschließend wurde wieder eine IMS-Strategie angewendet. Die Branchen Stoffe und primäre Eisen/Stahlprodukte charakterisieren diesen Typ. 25 X

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:IHS :£X0

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Primäre Eisen-/Stahlprodukte

Stoffe

Typ C: IMS -

EXD

Zuerst wurde eine IMS-Politik angewendet. Danach kam eine EXDStrategie zur Anwendung. Hierzu gehören die Branchen Erdöl-, Gummiprodukte, Erzeugnisse aus nicht-metallischen Mineralien, Metallwaren und elektrische Maschinen.

In diesen Branchen läßt sich folgendes erkennen: In den 60er Jahren (VSL: 0,40-0.57) wurde eine IMS-Strategie stärker angewendet als eine EXD-Politik, obgleich von 1963 bis 1966 eine EXD-Strategie bei Stoffen dominierte. Am Anfang der 70er Jahre (VSL: 0,57-0,65) wurde jedoch eine EXD-Strategie in viel stärkerem Maße durchgeführt als eine IMS-Strategie. Seit Mitte der 70er Jahre (VSL: 0,65 ~) dominierte wieder eine IMS-Strategie.

2. Meßkonzepte und Ausmaß

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: IMS ;£X0

Erdölprodukte

Kohleprodukte

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-40

Erzeugnisse aus nichtmetallischen Mineralien

107

.

108

ischer Teil

Typ D: Gleichzeitige Anwendung von IMS und E X D In der gesamten Beobachtungsperiode wurden gleichzeitig eine IMS- und eine EXD-Strategie angewendet. Dazu gehört die Branche synthetische Harze/Gummis.

Synthetische Gummis

2. Meßkonzepte und Ausmaß

Typ E: E X D -

109

IMS

Eine EXD-Strategie kam zuerst zur Anwendung. Danach wurde eine IMS-Strategie ausgeführt. Dazu gehören die Branchen Nahrungsmittel, Garne, Papier/Papierwaren, sonstige Chemieerzeugnisse und Fahrzeuge. % ...

: IMS :£X0



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20

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-40

Nahningsmittel/Getränke/Tabakwaren

...

: INS :EX0

40

20



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-20

-40

Papier/Papierwaren, Dnick-/Verlagserzeugnisse

Sonstige Chemieerzeugnisse

110

ischer Teil

Fahrzeuge

Typ F: E X D

IMS -

EXD

Zuerst wurde eine EXD-Strategie eingeführt. Danach kam eine IMS-Strategie zur Anwendung. Anschließend folgte wieder eine EXD-Strategie. Die Branchen Holzprodukte/Möbel und Elektromaschinen/Kommunikationseinrichtungen charakterisieren diesen Typ.

111

2. Meßkonzepte und Ausmaß

Typ G: Überwiegend E X D In der gesamten Beobachtungsperiode wurde überwiegend eine EXD-Strategie angewendet. Hierzu gehören die Branchen Textilwaren, Leder/Lederwaren, Gummiprodukte, feinmechanische Apparate und sonstige verarbeitete Produkte. %

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-40 : IMS .

Textilwaren

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: IMS :EXD

Leder/Lederwaren

...

: IMS :EX0

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ι

\ ;\ : Ì \ j Vit

-20

-40

Gummiprodukte

Feinmechanische Apparate

112

ischer Teil

Χ

: IHS :EXO

j

40

20

20

-40

Sonstige verarbeitete Produkte

Typ H: nicht zuzuordnen Die Branche primäre Nichteisenmetalle läßt sich keinem der anderen Typen zuordnen. Ein spezifisches Muster ist aus der Abbildung nicht erkennbar.

: IMS : £X0 40

20

0.4

20

40

I I Primäre Nichteisenmetalle

2. Meßkonzepte und Ausmaß

113

(b) Typisierung nach dem Morley/5m/7A-Meßkonzept Anhand der grafischen Abbildungen, die mit Hilfe der Berechnungen nach dem Morley/Smith-Meßkonzept entworfen wurden, lassen sich folgende Typen unterscheiden.

Typ A: Überwiegend IMS In der gesamten Beobachtungsperiode wurde überwiegend eine IMS-Strategie angewendet. Dazu gehören die Branchen chemische Grunderzeugnisse, Eisen/Stahl und industrielle Maschinen.

(nicht elektrisch)

ischer Teil

114

Chemische Grunderzeugnisse

Typ B: IMS -

EXD — IMS

Eine IMS-Strategie wurde zuerst eingeführt. Danach kam eine EXD-Strategie zur Anwendung. Anschließend wurde wieder eine IMS-Strategie angewendet. Zu diesem Typ gehört die Branche chemische Düngemittel & Chemieerzeugnisse für die Landwirtschaft.

Chemische Düngemittel/ Chemieerzeugnisse für die Landwirtschaft

115

2. Meßkonzepte und Ausmaß

Typ C: IMS -

EXD

Zuerst wurde eine IMS-Strategie angewendet. Danach kam eine EXD-Strategie zur Ausführung. Hierzu gehören die Branchen Erdölprodukte und elektrische Maschinen. % 40

10

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ν \

\

V

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0.8

0.4

1.2

-20

-40



Erdölprodukte

...

: IHS :EXD

Elektrische Maschinen

Typ D: Gleichzeitige Anwendung von IMS und E X D In der gesamten beobachteten Periode wurden gleichzeitig eine IMS- und eine EXD-Strategie angewendet. Dazu gehören die Branchen synthetische Harze/Gummis, Erzeugnisse aus nichtmetallischen Mineralien, primäre Eisen-/Stahlprodukte und Metallwaren.

116

ischer Teil

% : IMS



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40 IU 1 V\

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-40

Synthetische Gummis

Erzeugnisse aus nichtmetallischen Mineralien

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40

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V 1.2

-20

-40

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Produkte

Typ E: EXD -

IMS

Eine EXD-Strategie kam zuerst zur Anwendung. Danach wurde eine EXD-Strategie durchgeführt. Dazu gehören die Branchen Nahrungsmittel, Stoffe, Papier/Papierwaren, Arzneimittel/Kosmetika, sonstige Chemieerzeugnisse, Kohleprodukte, primäre Nichteisenmetalle und Fahrzeuge.

2. Meßkonzepte und Ausmaß

117

-20

-40

Nahrungsmittel/Getränke/Tabakwaren

Drack-/Verlagserzeugnisse

Stoffe

Aizneimittel/Kosmetika

118

ischer Teil

Primäre Nichteisenmetalle

Typ F: E X D

Fahrzeuge

IMS — E X D

Eine EXD-Strategie wurde zuerst eingeführt. Danach kam eine IMS-Strategie zur Anwendung. Anschließend kam wieder eine E X D Strategie zum Zuge. Zu diesem Typ gehören die Branchen Garne, Holzprodukte/Möbel, Chemiefasern und Elektromaschinen/Kommunikationseinrichtungen.

2. Meßkonzepte und Ausmaß

119

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: IMS :EXD

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Holzprodukte/Möbel

5 : IMS :CXD

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-20

-40

Chemiefasern

Elektromaschinen/Kommunikationseinrichtungen

Typ G: Überwiegend EXD In der gesamten Beobachtungsperiode wurde überwiegend eine EXD-Strategie angewendet. Dazu gehören die Branchen Textilwaren, Leder/Lederwaren, Gummiprodukte, feinmechanische Apparate und sonstige verarbeitete Produkte.

120

ischer Teil

40

20

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40 ...

Textilwaren

: IMS :£X0

...

Leder/Lederwaren

— ...

Gummiprodukte

: IMS : £X0

: IMS : £X0

Feinmechanische Apparate

2. Meßkonzepte und Ausmaß

%

121

:IMS ;CX0

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Garne

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20

0.4

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J \ VSL 1.2

-20

-40

Elektrische Maschinen

Leder/Lederwaren

123

2. Meßkonzepte und Ausmaß

Industrielle Maschinen (nicht elektrisch)

Typ B: IMS für Endgüter güter

sowohl für End- als auch für Zwischen-

Eine IMS-Politik wurde zuerst für die Produktion der Endgüter eingeführt. Danach kam sie sowohl für die Produktion der Endgüter als auch für die der Zwischengüter zur Anwendung. Die Branchen Nahrungsmittel und Metallwaren gehören zu diesem Typ.

... :IMS fir Endglwr — JMS flr Zwi jftur

40

40

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20

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-20

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Nahmngsmittel/Getränke/Tabakwaren

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0.8

A.t

.

124

Typ C: IMS für Endgüter

ischer Teil

für Zwischengüter -> für Endgüter

Zuerst wurde eine IMS-Strategie für die Produktion der Endgüter eingeführt. Danach kam sie für die der Zwischengüter zur Anwendung. Anschließend wurde sie wieder für die Produktion der Endgüter angewendet. Dieser Typ umfaßt die Branchen Holzprodukte/Möbel, synthetische Harze/Gummis, Fahrzeuge und feinmechanische Apparate.

Synthetische Haize/ Synthetische Gummis

Holzprodukte/Möbel

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-40

Fahrzeuge

Feinmechanische Apparate

2. Meßkonzepte und Ausmaß

125

Typ D: IMS für Endgüter -» für Zwischengüter Eine IMS-Strategie kam zuerst für die Produktion der Endgüter zur Ausführung. Danach wurde sie für die der Zwischengüter angewendet. Dazu gehören die Branchen Papier/Papierwaren, Arzneimittel/ Kosmetika, primäre Eisen-/Stahlprodukte und primäre Nichteisenmetalle.

. IMS fir Endeowr . IMS fir Zwi t t e r

* 40

40

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... JMS fOr End|«Mr — JMS flr Zwi.|ttltr

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Papier/Papierwaren, Dmck-/Verlagserzeugnisse

Primäre Nichteisenmetalle

... JMS für End|0ter - JMS fAr Zwi.gOwr

Arzneimittel/Kosmetika

Primäre Eisen-/Stahlprodukte

126

ischer Teil

Typ E: IMS sowohl für End- als auch für Zwischengüter In der gesamten Beobachtungsperiode wurde eine IMS-Strategie gleichzeitig für die Produktion der End- und Zwischengüter durchgeführt. Dazu gehören die Branchen Chemiefasern und Elektromaschinen/Kommunikationseinrichtungen.

40

40

20

20

0.4

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Chemiefasern

Typ F: IMS für Zwischengüter

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1.2:

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-40

Elekt romaschinen/Kommunikationseinrichtungen

für Endgüter -> für Zwischengüter

Eine IMS-Strategie wurde zuerst für die Produktion der Zwischengüter eingeführt. Danach kam sie für die der Endgüter zur Anwendung. Anschließend wurde sie wieder für die Produktion der Zwischengüter angewendet. Dazu gehören die Branchen Erdölprodukte und sonstige verarbeitete Produkte.

127

2. Meßkonzepte und Ausmaß

... JMS fir CadtSMf - J M S fir Zwigewr

... IMS fir C»d«iwr - IMS fir Zwi.|t«r

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Erdölprodukte

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Sonstige verarbeitete Produkte

Typ G: IMS überwiegend für Zwischengüter In der gesamten betrachteten Periode wurde eine IMS-Strategie für die Produktion der Zwischengüter durchgeführt. Dazu gehören die Branchen chemische Grunderzeugnisse, sonstige Chemieerzeugnisse, Kohleprodukte, Erzeugnisse aus nichtmetallischen Mineralien und Eisen/Stahl.

Grunderzeugnisse

erzeugnisse

128

ischer Teil

Kohleprodukte

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-20

Erzeugnisse aus nichtmetallischen Mineralien

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... JMS für EndgOitr - IMS fftr Zwi gOtar

Eisen/Stahl

Typ H: Durchführung der IMS abwechselnd für Zwischen- und Endgüter Eine IMS-Politik wurde abwechselnd für die Produktion der Zwischen- oder der Endgüter eingeführt. Hierzu gehört die Branche chemische Düngemittel & Chemieerzeugnisse für die Landwirtschaft.

2. Meßkonzepte und Ausmaß

129

χ 40

20

0.4

v

20

40

Chemische Düngemittel/ Chemieerzeugnisse für die Landwirtschaft

2.2.2.3 Zusammenfassung der Typisierung der Industriebranchen Die Tabelle C2-6 weist die Zuordnungen der Branchen zu den verschiedenen Typen der Strategieanwendung bei der Industrialisierung aus. Dabei ergeben sich folgende Ergebnisse: -

Bei Zwischengütern (wie chemische Grunderzeugnisse, chemische Düngemittel & Chemieerzeugnisse für die Landwirtschaft, Eisen/ Stahl und industrielle Maschinen) überwiegt die IMS. Die E X D dominiert hingegen in Branchen der Konsumgüterproduktion (wie Textilwaren, Leder/Lederwaren, Gummiprodukte, feinmechanische Apparate und sonstige verarbeitete Produkte). In Branchen der Schwerindustrie (wie Erdölprodukte, Erzeugnisse aus nichtmetallischen Mineralien, primäre Eisen-/Stahlprodukte, Metallwaren und elektrische Maschinen) kam zuerst die IMS zur Anwendung. Danach wurde die EXD-Strategie in diesen Branchen angewendet. Bei primären Eisen-/Stahlprodukten wurde anschließend wieder eine IMS-Politik angewendet.

-

In den Konsumgüterbranchen der Leicht- (Nahrungsmittel/ Getränke/Tabakwaren, Garne, Holzprodukte/Möbel, Papier/Pa-

130

ischer Teil

Tab. C2-6: Typen der Strategieanwendung bei der Industrialisierung nach Branchen

Typ

dazu gehörende Branchen Chenery-Meßkonzept

Morley/SmithMeßkonzept

A: überwiegend IMS B: IMS - EXD - IMS C: IMS - EXD D: gleichzeitige Anwendung von IMS und EXD E: EXD - IMS

10, 11, 12, 14, 20, 241 5, 21 16, 17, 19, 23, 25

10, 20, 24 11 16, 25

13 3, 4, 9, 15, 27

F: EXD - IMS - EXD G: Überwiegende EXD H: nicht zuzuordnen

8,26 6, 7, 18, 28, 29 22

13, 19, 21, 23 3, 5, 9, 12, 15, 17, 22, 27 4, 8, 14, 26 6, 7, 18, 28, 29

1) Nummer der einzelnen Branche (Siehe Tabelle A-l im Anhang) Quelle: Eigener Entwurf auf der Grundlage der Abbildungen im vorigen Abschnitt C2.2.2.2

pierwaren) und der Schwerindustrie (Elektromaschinen/Kommunikationseinrichtungen, Fahrzeuge, sonstige Chemieerzeugnisse) kam zuerst eine EXD- und danach eine IMS-Strategie zur Anwendung. In Branchen wie Holzprodukte/Möbel und Elektromaschinen/Kommunikationseinrichtungen wurde danach die EXD-Strategie wieder angewendet. In Tabelle C2-7 sind die Typen der IMS nach der Stellung im Produktionsprozeß zusammenfassend aufgeführt. Als wichtige Ergebnisse sind festzuhalten: -

Bei Gütern, die zumeist für den Konsum produziert werden, (wie Nahrungsmittel/Getränke/Tabakwaren, Garne, Stoffe, Leder/ Lederwaren, Holzprodukte/Möbel, Metallwaren, industrielle Maschinen, elektrische Maschinen, Fahrzeuge und feinmechanische Apparate) wurde die IMS überwiegend für die Produktion der Endgüter realisiert. In Branchen der Schwerindustrie (wie chemische Grunderzeugnisse, sonstige Chemieerzeugnisse, Kohleprodukte, Erzeugnisse aus nichtmetallischen Mineralien, Erdölprodukte, Eisen/ Stahl) wurde eine IMS-Politik dagegen überwiegend für die Produktion der Zwischengüter angewendet.

131

2. Meßkonzepte und Ausmaß

Tab. C2-7: Typen der IMS nach der Stellung im Produktionsprozeß und nach Branchen

Typ

A: Überwiegend für Endgüter B: Für End—• sowohl für End- als auch für Zwischengüter C:Für End—• für Zwischen—• für Endgüter D:Für End—• für Zwischengüter E: Sowohl für End- als auch für Zwischengüter F: Für Zwischen—• für End—• für Zwischengüter G:Überwiegend für Zwischengüter H: Abwechselnde Durchführung der IMS

dazu gehörende Branchen 4, 5, 7, 24, 25 l 3, 23 8, 13, 27, 28 9, 12, 21, 22 14, 26 16, 29 10, 15, 17, 19,20 11

1) Nummer der einzelnen Industriebranche (Siehe Tabelle A-l im Anhang) Quelle: Eigener Entwurf nach den Abbildungen im vorigen Abschnitt C2.2.2.2

- In den anderen - außer den oben genannten - Branchen wurde eine IMS-Politik meistens zuerst für die Produktion der End- und dann für diejenige der Zwischengüter ausgeführt. In Branchen wie Holzprodukte/Möbel, synthetische Harze/Gummis, Fahrzeuge und feinmechanische Apparate wurde eine IMS-Politik anschließend wieder für die Produktion der Endgüter angewendet.

3. Zusammenhang zwischen Industrialisierung und Strategieanwendung

3.1 Vorbemerkungen

Im vorigen Kapitel wurde die Anwendung der Außenhandelsstrategie auf die einzelnen Branchen innerhalb der verarbeitenden Industrie analysiert. In diesem Kapitel wird die Strategieanwendung in der verarbeitenden Industrie insgesamt betrachtet. Dadurch kann überprüft werden, ob ein im theoretischen Teil - Kapitel B3 - vorgestellter "idealtypischer" Industrialisierungsprozeß empirisch belegt werden kann. Dabei werden auch die Bestimmungsgründe für die Veränderung der Industriestruktur untersucht. Diese Arbeit geht von einer Einteilung in Leicht- und Schwerindustrie aus. Die Schwerindustrie besteht aus Branchen wie Chemieerzeugnisse, Erdöl-, Kohle- und Gummiprodukte, Eisen-und

Tab. C3-1: Zuordnung von 33 Sektoren zu 3 bzw. 6 Sektoren 3-SektorenEintcilung1

6-Sektoren-Einteilung

Nummer der Branche in der 33-Sektoren Einteilung

Primärer Sektor

Land- und Forstwirtschaft, Fischerei Bergbau

1 2

Sekundärer Sektor

Leichtindustrie Schwerindustrie

3-9, 19, 29 10-18, 20-28

Tertiärer Sektor

Tertiärer Sektor außer Dienstleistung Dienstleistung

30-32 33

1) Zur Drei-Sektorklassifikation siehe S. 56

3. Zusammenhang zwischen Industrialisierung und Strategieanwendung

133

Stahlprodukte, NE-Metallen, Metallwaren und Maschinen.1 Leichtund Schwerindustrie zusammen bilden den sekundären Sektor. Dieser ist vom primären und tertiären Sektor zu unterscheiden. Die 33 Sektoren der im vorigen Kapitel verwendeten Sektoreneinteilung der Volkswirtschaft werden diesen Sektoren entsprechend Tabelle C3-1 zugeordnet. Um das Ausmaß der IMS und der E X D in der verarbeitenden Industrie2 bzw. in der Leicht- und der Schwerindustrie zu messen, wurde die 33-Sektoren-IOT in eine 3- oder 6-Sektoren-IOT transformiert.

3.2 Stadien der Industrialisierung

In den Abbildungen C3-1 sind die Ergebnisse der Berechnungen aufgeführt. Dabei verdienen die folgenden Aspekte besondere Beachtung: Die Grafiken zeigen den Zusammnenhang von Industrialisierung und Strategieanwendung. Beide Muster sind sehr ähnlich. Somit ist festzustellen, daß beide (Chenery- und Morley/Smith-) Meßkonzepte keinen großen Einfluß auf die Trend Verläufe 3 des Ausmaßes der Strategieanwendung ausüben. Unterschiedlich ist unter Berücksichtigung der Zwischengüter lediglich das Ausmaß von IMS und EXD. Die Ergebnisse der Berechnungen nach dem Morley/Smith-Meßkonzept erweisen sich als größer als die des Chenery-Meßkonzeptes. Ein Zusammenhang zwischen Industrialisierung und Strategieanwendung kann wie folgt abgeleitet werden. Bei einem VSL zwischen 0,4 und 0,8 ist die EXD wichtiger als die IMS, während es

1)

Diese Untergliederung der Schwerindustrie folgt der Sektorenzuordnung, die die BOK in ihrer Input-Output-Tabelle verwendet. 2) In dieser Arbeit gehört lediglich die verarbeitende Industrie zum sekundären Sektor. Daher werden verarbeitende Industrie und Sekundärer Sektor synonym verwendet.

Da das VSL im Zeitablauf monoton ansteigt, ist die Terminologie Trendverläufe" zulässig. Siehe dazu S. 103

134

ischer Teil

Abb. C3-1:

Zusammenhang zwischen Industrialisierung und Strate gieanwendung in der verarbeitenden Industrie

(a) berechnet nach dem Chenery-Meßkonzept

(b) berechnet nach dem Morley/Smith-Meßkonzept

Quelle: Eigener Entwurf nach den Tabellen A-7, A-8, A - l l und A-12

3. Zusammenhang zwischen Industrialisierung und Strategieanwendung135

bei einer Rate von über 0,8 umgekehrt ist. Dieser Zusammenhang kann mittels einer Differenzierung von Leicht- und Schwerindustrie noch genauer untersucht werden (vgl. Abb. C3-2). Bei der Leichtindustrie übertrifft die E X D die IMS bis zu einem VSL von 0,8. Danach beginnt die Leichtindustrie - vermutlich die anspruchsvollere Waren produzierende Leichtindustrie - wieder mit der IMS, während die EXD in dieser Phase keinen Beitrag zum Wachstum der Leichtindustrie leistet.

Abb. C3-2: Zusammenhang zwischen Industrialisierung und Strategieanwendung in der Leicht- und Schwerindustrie

136

ischer Teil

Bis zu einem VSL von 0,8 werden die vermutlich technisch einfachen schwerindustriellen Waren bereits exportiert. Bei einem VSL von über 0,8 dominiert die IMS in der Schwerindustrie. Anders als bei der Leichtindustrie trägt in dieser Periode die EXD zum Wachstum der Schwerindustrie bei. Aus der Sicht der Stellung im Produktionsprozeß wird eine IMSStrategie unterhalb einem VSL von 0,5 überwiegend zur Produktion der Endgüter durchgeführt. Dagegen wird bei einem VSL zwischen 0,5 und 1,0 eine IMS-Strategie vor allem für die Produktion der intermediären Güter angewendet. Bei einem VSL über 1,0 kommt die IMS-Strategie sowohl für die Produktion der intermediären Güter als auch für die der Endgüter zur Anwendung (Abb. C3-3). Da die IMS und die EXD anhand der IOT von 1963 bis 1985 berechnet wurden, kann keine Erklärung der Strategieanwendung für den Zeitraum der 50er Jahre (d.h. bei einem VSL unter 0,4) ge-

Abb. C3-3: Zusammenhang zwischen Industrialisierung und 1MSAnwendung nach der Stellung im Produktionsprozeß in der verarbeitenden Industrie %

30 IMS für Endgüter IMS für Zwischengüter

10

0,4 -5 Quelle: Eigener Entwurf nach den Tabellen A-9 und A-10

VSL

3. Zusammenhang zwischen Industrialisierung und Strategieanwendung

137

geben werden. Zahlreiche Arbeiten 4 von anderer Seite können jedoch zur Beurteilung herangezogen werden. Nach Suh gilt beispielweise: "The post-war (1950-53) korean reconstruction period was characterised ... The period also saw the gradual recovery of light manufacturing sectors, producing consumer goods which were previously imported ... Therefore, the period of the 1950's is regarded as a period of import substitution in light manufacturing sectors"5 Somit ist zu vermuten, daß bei einem VSL unter 0,4 die IMS gegenüber der EXD dominiert. Resümieren wir den Zusammenhang zwischen Industrialisierung und Strategieanwendung und heben wir dabei auf den zeitlichen Verlauf ab. Die Industrialisierung begann mit der IMS der Leichtindustrie. Danach beschleunigte die EXD der Leichtindustrie die Industialisierung. In dem Maße, in dem der Anteil der Schwerindustrie an der verarbeitenden Industrie zunahm (ab einem VSL von knapp 1,0), trat die IMS sowohl in der Schwerindustrie als auch in der Leichtindustrie, in der anspruchsvollere Waren hergestellt werden, erneut stark in Erscheinung.

3.3 Bestimmungsgründe für die Veränderung der Industriestruktur Im folgenden wollen wir uns nun der Frage zuwenden, was die Veränderung der Industriestruktur - tendenzielle Steigerung des VSLs - herbeigeführt hat. Dafür sollen die im theoretischen Teil besprochenen Faktoren - innere (Veränderungen in der Struktur der Nachfrage und der Faktorausstattung) und äußere Faktoren (Veränderungen der Außenhandelspolitik, anderer Staaten von "fore comern'' wie den USA und Mlate-late-comern" wie der Volksrepublik China - analysiert werden.

4) Vgl. Balassa (IV), S. S7ff; Fei/Ranis, S. 51ff; Ptop/w// Rhee/Pursell, 355ff; Suh, S. 394; Westphalj K. S. Kim, S. 223f; L. Hojpnann (I), S. 51f 5)

Vgl. Suh, S. 394

S. 361f; Hong , S.

138

ischer Teil

3.3.1 Innere Faktoren 3.3.1.1 Veränderungen in der Nachfragestruktur In der Tabelle C3-2 wird die Veränderung der Nachfragestruktur ausgewiesen. Die Nachfrage der gesamten Industrie hat mit einer Rate von jährlich knapp 30% zugenommen. Die Nachfrage nach den Waren des sekundären und tertiären Sektors wuchs überdurchschnittlich stark. Eine besondere Dynamik entfaltete dabei die Schwerindustrie. Der industrielle Beitrag zum Wachstum der gesamten Nachfrage zeigt den Prozeß der Verlagerung der Nachfrage sehr gut. Im Zeitraum 1963-70 trug die Leichtindustrie stärker zum gesamten Nachfrage Wachstum bei als die Schwerindustrie. Im Zuge der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung übernahm dann die Schwerindustrie die führende Rolle im Wachstum der gesamten Nachfrage.

Tab. C3-2:

Industrielles Nachfrage Wachstum und industrieller Beitrag zum gesamten Nachfrage Wachstum, 1963-1985 (vH)

Sektor

durchschnittliche jähliche Veränderungsrate

Beitrag der Industrien zum gesamten Nachfragewachstum

1963-70 1970-75 1975-80 1980-85 1963-70 1970-75 1975-80 1980-85 Gesamt Primärer Sektor Sekundärer Sektor Leichtindustrie Schwerindustrie Tertiärer Sektor

31,6 23,8 33,3 30,6 37,1 36,0

34,2 30,8 40,6 35,9 45,5 28,5

34,5 25,8 35,7 34,3 36,8 37,1

14,9 12,0 14,6 12,2 16,3 16,3

100,0 19,0 40,1 21,3 18,9 40,8

100,0 17,6 53,2 23,3 29,8 29,2

100,0 11,6 52,7 22,6 30,1 35,7

100,0 9,9 50,9 17,7 33,2 39,2

Quelle: Eigene Berechnung nach BOK (I)

3.3.1.2 Veränderungen in der Struktur der Faktorausstattung In der vorliegenden Arbeit werden zwei Produktionsfaktoren, nämlich Ausbildungskapital (Humankapital) und Sachkapital, unterschieden. Bestandsgröße des Sachkapitals ist das Anlagekapital der Bestand einer Volkswirtschaft an Maschinen, Gebäuden und sonstigen Vermögenswerten.

3. Zusammenhang zwischen Industrialisierung und Strategieanwendung139

Abb. C3-4: Entwicklung des Humankapitals

1) Zur Untergliederung der verschiedenen Ausbildungsarten siehe Tabelle A-16 im Anhang. Quelle: Eigener Entwurf nach den Tabellen A-16

Zur Messung der Bestandsgröße des Humankapitals sind in der Literatur einige Meßkonzeptionen6 vorgetragen worden. In dieser Arbeit wird aus Gründen der Datenverfügbarkeit die Bestandsgröße des Humankapitals pro Kopf nach G. Ρsacharopoulos berechnet. Der Psacharopoulos-lndex für die Bestandsgröße des Humankapitals pro Kopf (Ka) wird als durchschnittlich pro-Kopf aufgewendete Ausgaben für Ausbildung definiert 7: Ka = (Yl-Al-Cl) + (Y2-A2-C2) + (Y3-A3-C3), wobei Y l , Y2, Y3: Zahl der Jahre, die in primärer(l), sekundärer^) und post-sekundärer(3) Ausbildung verbracht werden

6)

Vgl. Harbison/Myers;

Balassa (V); Psacharopoulos

** Vgl. Psacharopoulos, S. 97ff

ischer Teil

140

A l , A2, A3: Prozentsatz der Arbeitskräfte, die eine primäre, sekundäre bzw. post-sekundäre Ausbildung als höchste Ausbildung erreicht haben C l , C2, C3: Anteil der jahresdurchschnittlichen Ausgaben für jede Ausbildung an denjenigen für gesamte Ausbildung Die für die Schätzung notwendigen Daten können dem "Population and Housing Census of Korea"* und den "Educational Indicators Korea" 9 entnommen werden. Die Ergebnisse der Berechnungen finden sich in Abbildung C3-5. Aus der Abbildung ist zu erkennen, daß der Anteil der erwerbsfähigen Bevölkerung mit primärer Ausbildung schnell abnahm, während der Anteil der vergleichsweise hoch qualifizierten - zumindest sekundäre Ausbildung - rapide stieg. Die Tabelle C3-3 enthält die Berechnungen der Bestandsgröße des direkt in der Produktion verwendeten fixen Sachanlagevermögens. Die Bestandsgröße in der verarbeitenden Industrie stieg jährlich um 13,2%, so daß sie Ende 1987 das 6,4fache von 1972 erreichte. Insbesondere hat die reale Bestandsgröße in der Schwerindustrie jährlich um 17,5% stark zugenommen, während sie in der Leichtindustrie nur um 8,2% stieg. Tab. C3-3: Entwicklung der Bestandsgröße des fixen Sachanlagevermögens, 1972-1987 (Milliarden Won zu Preisen von 1981) Sektor Verarbeitende Industrie Leichtindustrie Schwerindustrie

1972

1975

1978

1981

3179,4 2390,7 1526,7

5198,4 2808,0 2390,4

8143,9 3148,3 4995,6

16608,8 18199,9 24993,5 13,2 6168,7 6641,9 7791,6 8,2 10440,1 11558,0 17201,9 17,5

A: jahresdurchschnittliche Veränderungsrate (vH) Quelle: Eigene Berechnung nach BOK (III)

e)

EPB (II) KEDI (Korean Educational Development Institute)

1984

1987

A

in

141

3. Zusammenhang zwischen Industrialisierung und Strategieanwendung

3.3.2 Äußere Faktoren 3.3.2.1 Importbeschränkungen der "fore-comer" am Beispiel der USA Im folgenden werden die Importbeschränkungen der "fore - comer " am Beispiel der USA untersucht. Der Handel zwischen Korea und den USA wuchs jahresdurchschnittlich um 23% (Tab. C3-4). 1987 betrug der Anteil der USA am koreanischen Gesamtexport 38,7%. Die USA haben Importbeschränkungen wegen ihrer Handelsbilanzprobleme eingeführt. 10 Schon seit Mitte der 60er Jahre wurde der bis dahin bestehende Überschuß der amerikanischen Handelsbilanz kleiner. Seit Anfang der 70er Jahre trat ein rapide wachsende Defizit auf. 11 In den 80er Jahren erreichte der Anteil Japans und der asiatischen NICs am Defizit die Höhe von knapp 60%.12 Deshalb haben die Handelsfriktionen mit diesen Ländern schnell zugenommen.

Tab. C3-4: Außenhandel zwischen Korea und den USA, 1964-1987 (Millionen US $ zu Marktpreisen, vH) Export

Import

Handelsbilanz

Jahr A 1964 1968 1971 1974 1978 1982 1985 1987

119 455 1068 4460 12711 21616 30270 47281

Β 37 237 532 1492 4058 6119 10737 18311

Β/Α 30,7 52,0 49,8 33,5 31,9 28,3 35,5 38,7

C 404 1463 2394 6852 14972 24251 31036 41020

D

D/C

E

F

F/E

202 449 678 1701 3043 5956 6543 8758

50,0 30,7 28,3 24,8 20,3 24,6 21,1 21,4

-285 -1008 -1327 -2391 -2261 -2635 -766 6261

-166 -212 -147 -209 1015 163 4194 9553

58.0 21,0 11,0 8,7

A, C, und E: Gesamtwerte; B: davon in die USA; D: davon aus den USA; F: zwischen Korea und den USA Quelle: EPB (II)

10)

Vgl. KOTRA (I), S. 9

11)

Vgl. KIET (I), S. 12

12)

Vgl. Ebenda, S. 13

-

142

.

ischer Teil

Das Defizit gegenüber Korea ist seit 1983 schnell gestiegen. Die Tabelle C3-5 zeigt die koreanische Handelsbilanz gegenüber den USA. Die Waren, die einen positiven Beitrag zur Handelsbilanz Koreas lieferten, waren Erzeugnisse der Leichtindustrie sowie Eisen und Metallwaren innerhalb der Schwerindustrie. Seit 1985 nimmt der Export von elektrischen- und Elektromaschinen und in neuerer Zeit der Export von Autos stark zu13. Als Folge der Ausdehnung des Defizites wurden in der Mitte der 80er Jahre insbesondere auch aus dem amerikanische Parlament Forderungen nach Importbeschränkungen gegenüber koreanischen Waren laut.14 Die USA belegten diejenigen Waren mit Importbesch-

Tab. C3-5: Koreanische Handelsbilanz nach Waren gegenüber den USA, 1981 - 1986 (Millionen US $ zu Marktpreisen) Waren Alle Waren Nahrungsmittel Roh- und Brennmaterialien Waren der Leichtindstrie Textilwaren Bekleidung Reifen und Schläuche Schuhe Sonstige Waren der Schwerindustrie Chemieerzeugnisse Stahl, Eisen und Metallwaren Allgemeine Maschinen Elektrische-^ Elektromaschinen Schiffe Sonstige Fahrzeuge Feinmechanische Apparate

1981

1983

1985

1986

-488,8 -1345,5 -1877,7 2687,8 95,2 1399,4 123,8 557,2 346,1 46,1 -447,4 730,1 -473,3 347,5 4,5 -115,0 36,4

1845,5 -922,4 -1763,8 3613,0 174,5 1820,5 163,6 864,7 497,2 927,6 -566,2 890,1 -544,2 670,7 516,6 -14,1 -0,1

4265,01 -526,4 -1951,6 4981.6 230,3 2388,1 193.2 1137.5 959,9 1648,7 -627,4 1055,3 -260,3 1094,6 401,1 -108,4 14.5

7335,3 -261.2 -2032,3 6054.5 385,9 2569,6 177.8 1482,0 1350,7 3574,2 -692,0 999,4 87,5 864,3 172,2 1029,0 -28,9

1) Der Grund, warum die Angaben von denen in Tabelle C3-4 abweichen, liegt in der unterschiedlichen Abgrenzung der Produktkategorien. Quelle: KIET (II), S.40

13)

Vgl. Ebenda, S. 39

14)

Vgl. KOTRA (I), S. 8

3. Zusammenhang zwischen Industrialisierung und Strategieanwendung143

ränkungen, bei denen im Handel mit Korea Defizite bestai meist Waren der Leichtindustrie wie Textilwaren, Bekleidui Schuhe. Anfang der 80er Jahre hat die USA die Importbeschränkungen auf die Güter der Schwerindustrie (Zubehörteile der Werkzeugmaschinen, elektrische- und Elektromaschinen) ausgedehnt.15

3.3.2.2 Veränderung der Industriestruktur und der Außenhandelspolitik der "late-late-comer" am Beispiel der Volksrepublik China Bis Mitte der 70er Jahre hielt die Volksrepublik China (im folgenden China) in der Wirtschaftsentwicklung Politik und Ideologie für wichtiger als wirtschaftliche Mechanismen. Der Tod von Parteichef Mao 1976 markierte einen Wendepunkt in der Wirtschaftspolitik. Bedeutsam ist die Reform des Wirtschaftssystems und der Abbau zentralverwaltungswirtschaftlicher Mechanismen.16 Aus der Tabelle C3-6 ist ersichtlich, daß Hongkongs Japan und die USA die wichtigsten Exportländer von China und von Korea sind. Deshalb stehen vermutlich Korea und China in diesen Ländern in starkem Wettbewerb. Ende 70er und Anfang 80er Jahre exportierte Korea hauptsächlich Textilwaren, Bekleidung, Maschinen und Fahrzeuge, während China vorrangig Landwirtschafts-, Fischerei-, Textilwaren, Bekleidung, Roherze und Metalle exportierte. Daher waren Textilwaren und Bekleidung die wichtigsten Güter, die sowohl Korea als auch China in diese Länder exportierten. 17 Die Untersuchungen18 des KI ET stützen die Vermutung, daß bei diesen Waren die Konkurrenz zwischen Korea und China besonders stark war.

15)

Vgl. KOTRA (I), S. 15ff; KOTRA (II), S. 6ff

1β)

Vgl. Noh/Baek, S. 15-28

17)

Vgl. Oh/Shin, S. 14f; P. H. Choe, S. 2-7

18)

Vgl. Noh/Baek, S. 49ff; U. S. Park, S. 103ff

144

ischer Teil

Tab. C3-6: Wichtigste Exportmärkte von China und Korea, 197919831 (Milliarden US $ zu Marktpreisen, vH) 1980

1979 A

B

C

A

B

C

1981 A

B

C

1983 A

B

C

Gesamt China Hongkong Japan USA

13,7 100,0 3,0 22,0 1 2,8 20,3 2 0,6 4,3 3

19,3 100,0 4,4 32,0 1 4,1 30,1 2 14 7,7 3

22,4 100,0 5,3 38,4 1 5,0 36,6 2 1,9 13,6 3

22,2 100,0 1 4,5 20,1 2 1,7 7,7 3

Gesamt Korea Hongkong Japan USA

15,1 100,0 0,5 3,5 5 3,4 22,2 2 4,4 29,0 1

17,5 100,0 0,8 4,7 4 3,0 17,4 2 4,6 26,3 1

21,3 100,0 1,2 5,4 3 3,5 16,5 2 5,7 26,6 1

24,5 100,0 0,8 3,4 4 3,4 13,9 2 8,3 33,7 1

A: Be tra g BrAnteil (vH) C:Rang 1) Die Daten für 1982 können der unteren Quelle nicht entnommen werden. Quelle: Oh/Shin, S.14f; P. H. Choe, S.2-7

3.3.3 Zusammenfassende Beurteilung Nach der Entwicklung der einfache Güter herstellenden Leichtindustrie ergab sich die Entwicklung der Schwerindustrie und der anspruchsvollere Waren herstellenden Leichtindustrie. Die folgenden Faktoren motivierten vermutlich die verantwortlichen Instanzen ebenso wie die heimischen Unternehmer, in dieser obigen Richtung die Industrie zu entwickeln: (1) Die Nachfrage nach den Gütern der Schwerindustrie hat anteilsmäßig zugenommen, während sie bei der Leichtindustrie abgenommen hat. (2) Der Human- und Sachkapitalbestand stieg sehr schnell, während der Anteil der Arbeitskräfte, die nur eine primäre Ausbildungabsolviert haben, sehr schnell abgenommen hat. (3) Die USA haben vielfältige Maßnahmen zur Beschränkung der Importe von koreanischen Waren der Leichtindustrie angewendet. (4) Bei diesen Waren war auch die Konkurrenz zwischen Korea und China besonders stark.

4. Effekte der Importsubstitutionspolitik

4.1 Dynamische (im Sinne der Abnahme der Stückkosten) Effekte

Die im theoretischen Teil angestellten Überlegungen sprechen dafür, daß von der IMS-Politik dynamische Effekte zu erwarten sind. Dabei wurden diese Überlegungen auf dem Hintergrund des "infant industry" -Gedankens diskutiert. Hier wird untersucht, ob diese Überlegungen empirisch belegt werden können. 4.1.1 Methodische Grundlage zur Messung der dynamischen Effekte 1 Um die mit dem "infant-industry"-Ged2inken begründete Förderung einer Industrie i zu rechtfertigen, müssen zumindest2 die Stückkosten mit der Zeit stärker sinken als in einer anderen Industrie k. Die Abnahme dieser Stückkosten ist auf die Senkung der Inputpreise und die dynamischen Effekte - technologischer Fortschritt, Verwirklichung zunehmender Skalenerträge - zurückzuführen. In dieser Arbeit quantifizieren wir die dynamischen Effekte mit der durch sie hervorgerufenen Abnahme der Stückkosten.

1) Dies basiert auf dem Krueger/Tuncer-Meßkonzcpt, das für die empirische Untersuchung der "Infant Industry* entwickelt wurde: Vgl. Kreuger/Tuncer, S. 1142-1152

^ Das Sinken der Stückkosten allein ist keine ausreichende Bedingung für die Protektion der "infant industry* , weil (1) diese Industrie sich sowieso entwickeln könnte, (2) das Sinken der Stückkosten auf andere Ursachen außer den dynamischen Effekten zurückzuführen sein kann, (3) die entsprechende Protektion nicht optimal sein kann, weil das Sinken der Stückkosten durch eine andere Intervention oder ein niedrigeres Niveau von Protektion realisiert werden kann, (4) im Vergleich mit ausländischen Industrien diese Industrie trotz sinkender Stückkosten einen Kostennachteil haben kann. Wenn die Kosten der Industrie i im Veigleich zur Industrie k aber nicht sinken, darf sie - in dem Sinne derMill-Bastable-Kemp-Kntcùcn über die "infant industry" - nicht geschützt werden. Vgl. Krueger/Tuncer, S. 1145

146

.

ischer Teil

Mit Hilfe der folgenden Gleichung kann die Abnahme der Stückkosten geschätzt werden:

wobei

Ci: Xi: Wj: Vji:

Ci

EjWj.Vji

Xi

Xi,

Gesamtkosten der Industrie i Output der Industrie i Preis des Faktors j für die Produktion Menge des Faktors j, die in der Industrie i eingesetzt wird

bezeichnen. In dieser Gleichung ist unterstellt, daß die Weltmraktpreise gegeben sind. Mit dieser Gleichung ergibt sich die Kostenänderung pro Out-putEinheit als: Ci d - = Xi

EJ

dWj

Wj-Vji Ci

Wj

Ci

Xi

+

dVji EJ Vji

Wj V j i Ci Ci

Xi

dXi Ci Xi

Xi

Wenn man Wj-Vji/Ci als Rij bezeichnet, kann die obige Gleichung umgeschrieben werden: d(Ci/Xi) Ci/Xi

=

EjRij

dWj Wj

+ E.Rij

dVji

dXi

Vji

Xi

Der erste Term EjRij-(dWj/Wj) entspricht der Abnahme der Stückkosten, die von einem Sinken der relativen Inputpreise hervorgerufen wird. Die Abnahme der Stückkosten, die von den dynamischen Effekten verursacht wird, spiegelt sich in den Termen E:Rij(dVji/Vji) - (dXi/Xi) wider. Die meisten detaillierten Daten für die Schätzung der dynamischen Effekte können der "Financial Statements Analysis" * die die "Bank of Korea" jedes Jahr herausgibt, entnommen werden.3 Die Analyse beschränkt sich aus folgenden Gründen auf den Zeitraum von 1973

3) Daneben wurden verwendet: "Price Statistics Summary", "Land Statistics Handbook", die 1987 von der BOK und àttKLDC (Korea Land Development Corporation) herausgegeben wurden, sowie "Report on Monthly Labour Survey - Labour Turnover", die das MOLA (Ministry of Labour Affairs) jährlich herausgegeben hat.

.

eke der Importsubstitutionspolitik

147

bis 1988: (1) Die Verfahren zur Erstellung der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung in derMFinancial Statements Analysis" der 60er Jahre unterscheiden sich sehr von denen der 70er und 80er Jahre. Es war unmöglich, alle Daten der 60-, 70- und 80er Jahre konsistent zu machen. (2) Die "Financial Statements Analysis M 1972 war nicht verfügbar, auch nicht von der "Bank of Korea". 4.1.2 Ergebnisse der Messung Die Ergebnisse der Berechnungen werden in den Abbildungen C4la - b grafisch dargestellt. Diese Abbildungen zeigen folgende Besonderheiten: - Die Abbildung C4-la zeigt, daß die verarbeitende Industrie fast jedes Jahr einen positiven dynamischen Effekt ausweist, während sich beim Bergbau eher ein negativer dynamischer Effekt zeigt. - Aus den Abbildungen C4-1 b ist ersichtlich, daß folgende Branchen vergleichsweise starke dynamische Effekte zeigen: Branchen der Leichtindustrie wie Nahrungsmittel/Getränke, Textilwaren, Leder/ Lederwaren, Papier/Papierwaren und Branchen der Schwerindustrie wie chemische Grunderzeugnisse, Primäre Metalle, Metallwaren, Maschinen, Fahrzeuge. Abb. C4-la: Dynamische Effekte (D) im Bereich des Bergbaus und der verarbeitenden Industrie

D 0,2 Bergbau 0,1 •

/\

V-1

Verarbeitende Industrie

74 \ ... 82·'

78

-0,1

*

Ì

;

/

\

/

· V

-0,2

*

W'

Quelle: Eigener Entwurf nach Tabelle A-14

86

Jahr

148

.

ischer Teil

Abb. C4-lb: Dynamische Effekte (D) nach dreistelligen Industriebranchen der KSIC-Industrieklassifikation

Quelle: Eigener Entwurf nach Tabelle A-14

.

eke der Importsubstitutionspolitik

149

- Aus der Abbildung C4-lb sind keine Besonderheiten abzulesen, nach denen sich die Leicht- und die Schwerindustrie bezüglich der dynamischen Effekte unterscheiden. Dies widerspricht der Erwartung, daß die dynamischen Effekte bei der Schwerindustrie größer sind als bei der Leichtindustrie. - Bei der Messung wurde die Änderung der für die Zunahme um eineOutputeinheiterforderlichenInputmenge(dVji/Vji)geschätzt. Um das Ergebnis dieser Schätzung zu rechtfertigen, muß vorausgesetzt werden, daß alle Industrien immer voll ausgelastet sind. Wenn eine Industrie nicht ausgelastet ist, kann diese Industrie ohne zusätzliche Investition ihre Produktion erhöhen. Eine solche Zunahme der Produktion ist daher nicht auf dynamische Effekte, sondern auf konjunkturelle Einflüsse zurückzuführen. Das Ergebnis der Schätzung steht somit in diesem Fall in einem starken Zusammenhang mit dem Konjunktur verlauf. - In der Beobachtungsperiode waren alle Branchen der verarbeitenden Industrie fast nie voll ausgelastet4. Daher ist zu vermuten, daß diese Tatsache die Schätzungsergebnisse stark beeinflußt. Um diesen Einfluß zu eliminieren, müßten daher die von der Konjunktur hervorgerufene Änderung der Stückkosten ausgegrenzt werden.

4.2 Verkettungseffekte

Im vorangegangenen Abschnitt wurde die Abnahme der Stückkosten berechnet, die durch dynamische Effekte hervorgerufen wird. Hier wird untersucht, wie stark die Produktion einer IMS-Industrie eine Produktionssteigerung der vor- und nachgelagerten Branchen induziert.

* Vgl. World Bank (II), S. 178

150

.

ischer Teil

4.2.1 Methodische Grundlage zur Messung der Verkettungseffekte Zur Ermittlung der Verkettungseffekte hat sich eine von P. N. Rasmussen entwickelte Methode durchgesetzt5. Dabei wird zwischen backward und forward linkages6 unterschieden, die sich wie folgt berechnen: EiRij U.j = (l/nJE-EjRij

... (backward linkages) (i,j = 1 , 2 , 3 n)

EjRij Ui. =

... (forward linkages) (l/n^Rij

Die Spaltensumme der invertierten Leontief-Matrix E,Rij (= Σ,(Ι A)"!ij) gibt die Produktionssteigerung aller Industrien an, die notwendig ist, damit die Produktion des Sektors j um eine Einheit zunehmen kann. Dagegen bezeichnet die Zeilensumme E,Rij die Produktionssteigerung des Sektors i, die für eine Produktionssteigerung jedes Sektors um eine Einheit erforderlich ist. Durch Normierung beider Größen mit dem Mittelwert der Spalten- bzw. Zeilensumme ergeben sich die miteinander vergleichbaren Quotienten U.j und Ui. als Indizes für backward und forward linkages; η gibt die Anzahl der Sektoren der Volkswirtschaft in der IOT an. Aus den schon aggregierten 33- und 6-Sektoren-IOT können die detaillierten Daten für die Schätzung der Verkettungseffekte entnommen werden.

4.2.2 Ergebnisse der Messung Die Abbildung C4-2 weist die Ergebnisse der Berechnungen der backward und der forward linkage-Effekte auf. - In der gesamten Beobachtungsperiode (1963-1985) zeigen sich höhere linkages bei der Schwer- als bei der Leichtindustrie. Bei

5)

Vgl. Stecher, S. 78f

6)

Zur Definition der backward und forward linkages siehe S. 46f

.

eke der Importsubstitutionspolitik

151

Abb. C4-2: backward linkage (bl) und forward linkage (fi) in der Leicht- und Schwerindustrie linkages

0

0,4

0,8

1,2

VSL

Quelle: Eigener Entwurf nach Tabellen A-3 und A-4

der Schwerindustrie übertreffen die forward linkages die backwardlinkages, während bei der Leichtindustrie die backward linkages die forward linkages übersteigen. Durch backward linkages kann die Produktion einer Industrie die Nachfrage nach den Produkten der Lieferanten steigern. Durch forward linkages kann sie das Angebot für die Abnehmer erhöhen. Die Leichtindustrie ruft eine stärkere Produktionssteigerung bei ihren Lieferanten hervor als bei ihren Abnehmern. Bei der Schwerindustrie ist dies umgekehrt. - Die forward linkages stiegen bei der Schwerindustrie schnell, während sie bei der Leichtindustrie kontinuierlich abnahmen. Die Schwerindustrie nutzte daher die intersektoralen Verkettungseffekte in starkem Maße für ihr beschleunigtes Wachstum. - Bei den backward linkages zeigen sich keine großen Unterschiede zwischen beiden Industrien, wenngleich die backward linkages der Schwerindustrie immer etwas größer waren als die der Leichtindustrie. Diese Tatsache entspricht nicht der Erwartung, daß die

152

ischer Teil

Schwerindustrie starke backward linkages hervorbringen kann. - Betrachtet man die einzelnen Branchen (vgl. Tab. A-5 und A-6 im Anhang), so kann man erkennen, daß sich die starken linkageEffekte in den Branchen ergaben, deren Güter hauptsächlich für den intermediären Verbrauch hergestellt werden, wie Eisen/Stahl, Primäre Eisen-/Stahlprodukte, Primäre Nichteisenmetalle, Erdölprodukte, chemische Grunderzeugnisse und Papier/Papierwaren. Resümieren wir kurz die Ergebnisse: Höhere linkage-Effekte bei der durch eine IMS-Politik stark geförderten Schwerindustrie als bei der Leichtindustrie bestätigen die These, daß die IMS-Politik große linkage-Effekte schaffen kann.

4.3 Einfluß auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit Im theoretischen Teil ergab sich, daß eine IMS-Politik die internationale Wettbewerbsfähigkeit verbessern kann. Hier wird versucht zu überprüfen, ob diese Schlußfolgerung empirisch belegt werden kann. 4.3.1 Zur Messung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit 7 Die internationale Wettbewerbsfähigkeit wird nach unterschiedlichen Kriterien gemessen, je nachdem, welcher theoretische Ansatz zugrundeliegt.8 Grundsätzlich bieten sich drei Ansätze für eine Schätzung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit an: - das Ergebnis der wirtschaftlichen Aktivitäten - die Angebotsbedingungen (Kostenstruktur) oder - die Nachfragebedingungen

^ Dieser Abschnitt bezieht sich insbesondere auf den Beitrag "Die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft" von Glismann/Horn: Vgl. Glismann/Horn, S. 13-20 8)

Vgl. Berger, S. 14

.

eke der Importsubstitutionspolitik

153

Die Angebots- und Nachfragebedingungen wurden bereits in Kapitel C-3 untersucht. Ohne darauf 9 noch einmal einzugehen, wird hier nur das Meßkonzept auf der Basis der Ergebnisse der wirtschaftlichen Aktivitäten vorgestellt. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit einer Branche läßt sich an ihrer komparativen Wettbewerbsposition im Vergleich zur Gesamtindustrie erkennen. Mit dem RCA (Revealed Comparative Advantage)-Maß10 wird dies formal dargestellt: Xi - Mi

Ei(Xi - Mi)

Xi + Mi

Ei(Xi + Mi),

RCAi

wobei

RCAi: Xi: Mi:

χ 100

Kennziffer der Wettbewerbsfähigkeit im Außenhandel der Branche i Exporte der Branche i Importe der Branche i

Wenn eine Branche im Vergleich zu anderen Branchen hohe Nettoexporte (Xi-Mi) hat, dann sagt man, diese Branche habe einen komparativen Vorteil in diesem Land.11 Aber Handelsschranken unterschiedlicher Höhe und Art in den einzelnen Ländern können die Handelsströme erheblich verzerren und die Aussagekraft des RCA-Konzeptes stark beeinträchtigen. Deshalb bildet eine Ergänzung zum RCA-Konzept die Protektionsstruktur. Die Protektionsstruktur ist jedoch mehr als eine bloße Ergänzung des ÄC4-Konzeptes. Es ist zu vermuten, daß das Niveau der Schutzmaßnahmen gegen Einfuhren in jenen Branchen besonders hoch ist, in denen auch der größte Bedarf an Protektion besteht: je geringer die internationale Wettbewerbsfähigkeit einer Branche ist, desto

91

10)

Siehe dazu: Glismann/Horn,

S. 21-31

Das RCA-Meßkonzept stammt von B. Balassa. vgl. Balassa (VI), S. 99-123

11 ) Um die internationale Wettbewerbsfähigkeit einer Branche genauer zu untersuchen, sollten Produktpreise und -qualität dieser Branche zwischen den Ländern verglichen werden. Mit dem RCA-Konzept ist jedoch dieser Ländervergleich nicht durchzuführen. Dieser ist ausgesprochen schwierig und erfordert eine eigene Arbeit.

154

ischer Teil

größer ist der Bedarf an Protektion. Die Struktur der Protektion einzelner Branchen dürfte insoweit auch ein Indikator der Struktur der internationalen Wettbewerbsfähigkeit sein. Die Protektionsstruktur einer Wirtschaft kann nach dem Konzept der EPR gemessen werden. Die EPR wurde schon im Kapitel C-1 erwähnt. Dabei wurde gesagt, daß in den 70er Jahren eine starke Protektionspolitik im Bereich der Schwerindustrie durchgeführt wurde. Daher ist zu vermuten, daß mindestens in dieser Periode die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Schwerindustrie sehr gering war.

4.3.2 Ergebnisse der Messung In der Abbildung C4-3 sind die Ergebnisse dieser Berechnungen für den Bereich der verarbeitenden Industrie aufgeführt. Im gesam-

Abb. C4-3: RCA in der verarbeitenden Industrie

.

eke der Importsubstitutionspolitik

155

ten betrachteten Zeitraum (1963-1985) war die Leichtindustrie international sehr wettbewerbsfähig, während dies auf die Schwerindustrie nicht zutraf. Die Wettbewerbsfähigkeit der Schwerindustrie erhöhte sich ab einem VSL von über 0,5 (seit Ende der 70er Jahre) allerdings sehr schnell, während diejenige der Leichtindustrie einen allmählichen Rückgang verzeichnete. Aufgrund der rapiden Erhöhung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit bei der Schwerindustrie wurde die gesamte verarbeitende Industrie bei einem VSL von über 0,6 international wettbewerbsfähig. Aus der Abbildung C4-4 läßt sich die strukturelle Entwicklung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit bei den einzelnen Industriebranchen ablesen. Beschränkt man sich auf die Leichtindustrie, so fällt auf, daß von Anfang an die Branche Textilwaren an der Spitze lag, während bei Branchen wie Nahrungsmittel/Getränke/ Tabakwaren und Papier/Papierwaren die Wettbewerbsfähigkeit sehr gering war. Der Prozeß der strukturellen Verlagerung läßt sich sehr gut aufzeigen bei Branchen wie Garne, Stoffe, Leder/Leder waren, Holzprodukte, Erzeugnisse aus nichtmetallischen Mineralien und sonstige verarbeitete Produkte. Von Beginn der Industrialisierung an hat sich die internationale Wettbewerbsfähigkeit dieser Branchen ganz erheblich verbessert. Jedoch begannen Branchen wie Garne, Leder/Lederwaren, Holzprodukte/Möbel, und Erzeugnisse aus nichtmetallischen Mineralien bei einem VSL von über 1,0 (seit 1980) ihre Wettbewerbsfähigkeit rapide zu verlieren. Ein ganz anderes Bild ergibt sich bei den Branchen der Schwerindustrie. Seit Anfang der Industrialisierung waren die meisten Industriezweige der Schwerindustrie international nicht wettbewerbsfähig, mit Ausnahme von Gummiprodukten, die besonders wettbewerbsfähig waren. Aber Branchen wie Metallwaren, Elektromaschinen/Kommunikationseinrichtungen erreichten schon in einem Frühstadium die Wettbewerbsfähigkeit und Branchen wie chemische Düngemittel & Chemieerzeugnisse für die Landwirtschaft und Primäre Eisen-/Stahlprodukte seit Anfang der 80er Jahre (bei einem VSL von über 1,2). Insbesondere zeigt die Branche Fahrzeuge eine rapide Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Betrachtet man die strukturelle Veränderung - Wachstum oder Schrumpfung - lediglich nach dem RCA-Kriterium, so führt dies zum Schluß, daß meistens Branchen der Leichtindustrie (wie Garne,

156

ischer Teil

Abb. C4-4: Branchenmäßige Entwicklung des RCA

.

eke der Importsubstitutionspolitik

157

RCA

1,2

Gummiprodukte

I

0,8

/ 0,4

Primäre Eisen-/ I Stahlprodukte I

0,4

N

>. A

! \

1,2

\

1

VSL

f Feinmechanische . Apparate j

··Λ \..

I ι -0,4

!

·

-0,8

Eisen/Stahl

^ Kohleprodukte V ^ - · - · " " *

RCA

1,2

1,2

0,8

0,8 Metallwaren /

Elektromaschinen / Kommunikationseinrichtungen

/

0,4

0,4

/

(

0,4

_L / I /

-0,4

Λ.

.Vtv

/

/ M

/ι 0,8

1,2

I

VSL

Elektrische Maschinen

• Fahrzeuge

Industrielle Maschinen

^

Quelle: Eigener Entwurf nach Tabelle A-15

-0,8

V

/

V

/ '

/

/*.· / 1,2V

0,8

/r

ί \ Κ

-0,8

I.

/

VSL

158

ischer Teil

Holzprodukte/Möbel, Leder/Lederwaren, Erzeugnisse aus nichtmetallischen Mineralien) als schrumpfend anzusehen sind. Dagegen gehören zu den wachsenden Industriezweigen viele Branchen der Schwerindustrie (wie Metallwaren, Elektromaschinen/Kommunikationseinrichtungen, Fahrzeuge, Synthetische Harze/Gummis, elektrische Maschinen und Chemiefasern), wenngleich sich bei den letzten beiden Branchen noch keine Wettbewerbsfähigkeit ergab. Resümieren wir kurz die Ergebnisse: Die internationale Wettbewerbsfähigkeit der durch eine IMS-Politik unterstützte Schwerindustrie verbesserte sich sehr schnell. Dies entspricht der These, daß die IMS-Politik die internationale Wettbewerbsfähigkeit verbessern kann, auch wenn die Schwerindustrie in der gesamten Beobachtungsperiode (1963-1985) noch nicht international wettbewerbsfähig war.

5. Makroökonomische Auswirkungen der Importsubstitutionspolitik

Im folgenden wollen wir uns nun der Frage nach den Auswirkungen der betriebenen IMS-Politik auf die Realisierung Wachstums-, handelsbilanz-, beschäftigungs- und regionalpolitischer Ziele zuwenden.

5.1 Wirtschaftswachstum

5.1.1 Strukturmerkmale Tabelle C5-1 zeigt eine rasche Diversifizierung der Industrie. Bis in die 70er Jahren hatte die Leichtindustrie die führende Rolle. So betrug 1963-70 ihr Beitrag zum Wachstum der gesamten verarbeitenden Industrie etwa 63%. Branchen wie Stoffe und Textilwaren spielten dabei eine besonders wichtige Rolle. Sie leisteten auch in den 70er Jahren einen großen Beitrag zum Wachstum. Mit dem schnellen Wachstum der Schwerindustrie stieg allerdings auch deren Wachstumsbeitrag, so daß er seit Anfang der 70er Jahre den der Leichtindustrie überholte. Eine besondere Dynamik entfalteten dabei die Branchen Metallwaren, Maschinen und Fahrzeuge. Diese Branchen trugen in den 60er Jahren nur 11% zum Wachstum der verarbeitenden Industrie bei, erreichten seit Anfang der 80er Jahre jedoch einen Wachstumsbeitrag von über 40%.

160

ischer Teil

Tab. C5-1:

Sektorales Wachstum und sektoraler Beitrag zum Wachstum in der verarbeitenden Industrie, 1963-1989

1963- 70

31 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 L S V

1980 - 85

1975 - 80

1970- 75

A

Β

A

Β

A

Β

A

Β

16,9 9,6 17,6 22,5 9,2 14,4 12,0 48,7 29,9 10,2 23,6

27,5 2,6 3,9 10,2 0,5 2,8 3,4 1,1 3,0 1,8 1,8 2,4 1,4 9,1 0,5 0,7 5,6 0,3 2,2 0,2 1,0 0,5 2,1 2,5 5,9 0,4 6,6 63,1 36,9 100

8,7 15,8 16,3 14,4 37,5 3,4 10,1 40,1 I 12,6 26,8 19,0 17,8 20,9 4,5 20,9 11,2 27,1 12,0 22,8 18,5 25,7 22,5 39,3 13,3 21,0 5,4 11,0 19,1 14,0

16,3 4,5 5,0 9,9 3,2 0,6 2,9 3,8 -2,9 2,3 4,1 2,6 V 10,9 0,3 2,0 4,0 1,4 1,9 1,1 2,0 3,3 3,4 8,9 4,7 0,7 U 48,1 51,9 100

10,7 4,2 8,9 10,1 8,0 5,1 12,8 14,1 I 18,0 10,6 10,6 12,5 6,6 26,1 24,2 13,8 32,1 21,2 13,3 24,3 25,5 17,3 14,7 9,8 30,8 9,1 10,1 16,2 12,9

18,4 1,1 2,9 7,2 1,1 0,7 3,7 2,6 3,4 3.8 2,2 1,7 1,3 3,9 1,7 3,6 5,1 3,5 4,0 0,8 4,0 5,9 3,8 6,2 3,5 1,8 2,1 42,4 57,6 100

7,3 7,1 11,7 2,5 3,2 8,1 14,0 6,4 1,3 14,7 14,9 2,9 13,3 6,4 -1,3 14,8 10,4 5,2 18,0 16,3 20,6 19,8 15,3 13,1 25,1 9,2 11,0 7,9 14,6 11,0

12,8 1,7 4,1 1,7 0,4 1,0 5,0 1,3 0,2 4,4 3,7 0,4 1,6 3,4

-

34,8 I 6,7 8,5 21,4 7,2 19,0 5,4 10,5 3,9 30,4 42,7 29,1 19,3 79,1 17,9 22,8 19,4

-0,1 3,6

4,6 0,9 5,6 1,3 6,1 8,4 4,7 7,1 12,7 0,9 2,7 33,8 66,2 100

A: jahresdurchschnittliche Wachstumsrate (vH): Berechnungsweise: {(Weitschöpfung (zu Preisen von 1985) des letzten Jahres der betrachteten Periode) _ τ (Wertschöpfung (zu Preisen von 1985) des ersten Jahres der betrachteten Periode)} - 1. wobei t den Zeitraum zwischen erstem und letztem Jahr bezeichnet

B: Beitrag zum Wachstum (vH): Berechnungsweise: {(Wachstum der einzelnen Branche) τ (Wachstum der gesamten verarbeitenden Industrie)} χ 100

L: Leichtindustrie 1) I

S: Schwerindustrie

V: Verarbeitende Industrie

Nummer der einzelnen Industriebranche (siehe Tabelle A-l im Anhang) nicht verfügbar Der Quotient aus der Wertschöpfung des letzten und des ersten Jahres ist eine negative Zahl. Deswegen kann die Wachstumsrate (A) nicht berechnet werden.

Quelle: Eigene Berechnung nach BOK (I)

5. Makroökonomische Auswirkungen der Importsubstitutionspolitik

161

5.1.2 Zusammenhang zwischen IMS und Wirtschaftswachstum nach Branchen In Abbildung C5-1 ist die Rangkorrelation zwischen IMS und Wirtschaftswachstum in den Zeiträumen 1963-70, 1970-75, 197580, und 1980-85 aufgeführt. Zur Vereinfachung wurden die Branchen mit der ihnen zugehörigen Klassifizierung bezeichnet: Die von einem Kreis umschlossenen Branchen bezeichnen solche, bei denen sich keine positive IMS ergeben hat. Sofern es bei einer Branche einen engen positiven Zusammenhang zwischen IMS und Wirtschaftswachstum gibt, müssen die den Branchen entsprechenden Punkte relativ nahe der 45 Grad-Linie liegen.1 Die Abbildung zeigt, daß der betrachtete Zusammenhang seit den 70er Jahren (besonders in der Periode 1970-75) eng ist. Somit sind Branchen mit starker IMS schneller gewachsen.

Abb. C5-1: Rangkorrelation zwischen IMS und Wachstum 1963-70, 1970-75, 1975-80 und 1980-85

Dieses Verfahren stammt von der Arbeit von L. Hoffmann und T. N. Tan. Vgl. Stecher S. 83; Siehe die dort zitierte Literatur L. Hoffmann und T. N. Tan , "Pattern of Growth and Structural Change in West Malaysia's Manufacturing Industry 1959-1968" in: Kajian Ekonomi Malaysia, Vol. 8, 1971, No. 2

162

.

ischer Teil

1) Nummer der einzelnen Industriebranche (siehe Tabelle A-l) Quelle: Eigener Entwurf nach den Tabellen C5-1 und A-8

5.1.3 Beitrag der IMS zum Wachstum Inwieweit hat die IMS zum gesamtwirtschaftlichen Wachstum beigetragen? Zur Beantwortung dieser Frage beginnen wir mit dem Koeffizienten der Induzierung von Wertschöpfung. Er kann ermittelt werden aus der Spaltensumme der inländischen Verkettungskoeffizienten-Matrix (Σ 4 (Ι - Ad) _1 ij), die mit der Diagonalmatrix der Wertschöpfung (Aw) multipliziert wird - d.h. E^Aw^I - Ad)" 1 }^. 2 Sie gibt die Zunahme der Wertschöpfung aller Industrien an, die die Zunahme der Endnachfrage nach dem im Inland hergestellten Gut j um eine Einheit bewirkt. Die Abbildung C5-2 weist die Ergebnisse der Berechnungen für den Bereich der Leicht- und Schwerindustrie aus. Aus dieser Abbildung läßt sich erkennen, daß in der gesamten Beobachtungsperiode (19631985) die Schwerindustrie einen geringeren Beitrag zum gesamtwirtschaftlichen Wachstum leistete als die Leichtindustrie. Dies deutet darauf hin, daß die IMS einen negativen Beitrag zum gesamtwirtschaftlichen Wachstum leistete.

2)

Vgl. BOK (II), S. 23

5. Makroökonomische Auswirkungen der Importsubstitutionspolitik

163

Abb. C5-2: Koeffizient der Induzierung der Wertschöpfung (W) in der Leicht- und Schwerindustrie w

0,4

0 Quelle: Eigener Entwurf nach den Tabellen A-2

0,8

1.2

VSL

Um diese Vermutung zu überprüfen, werden IMS und Koeffizient der Induzierung der Wertschöpfung dadurch einander zugeordnet, daß die Sektoren nach ihrer Induzierung der Wertschöpfung nach Gruppen (