Friedrich der Große in den Jahren 1760 und 1761. Ein historischer Versuch

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Friedrich der Große in den Jahren 1760 und 1761. Ein historischer Versuch

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Friedrich der Grosse in den Jahren 1760 und 1761. ...
„Ich habe dem nichts hinzuzufügen. Ihrer Neugierde will ...
,,strasse nach Görlitz; die Preussen blieben ihnen immer ...
― ...
,,aufblähen lasse; ich stelle Ihnen die Sachen genau ...
vorgedrungen, versuchte den 24. und 25. Oktober gegen die ...
,,Tausend Leben will ich Dir zum Opfer bringen! ...
schreibt er von daher, ,,dass ich kaum an ...
,,muss mich dieser Vereinigung entgegenstellen, weil ich nicht ...
,,die furchtbaren Zurüstungen der Feinde irgend ein merkwürdiges Ereigniss ...
einen Marsch nach Siegroth gemacht habe. Da indessen das ...
gelegenen Theiles von Schlesien, ihren Operationen gegen die übrigen ...
als einer der verzweifeltsten, die man fassen könne. ...
Schul-Nachrichten. ...
riat der Quinta zu übernehmen. Da aber auch der ...
61 ...
Deutsche Sprache 2 St. Correctur der alle 3 Wochen gelieferten ...
Ober-Tertia. ...
mation hemmend und welche fördernd eingewirkt? 4) (...
E. Verordnungen der vorgesetzten Behörden. ...
Ersch und Gruber's Encyclopädie, I. Band, 69, ...
Ordnung der Prüfung. ...

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Zur

Feier

des

Geburtsfestes

504

Sr. Majestät des

am

22.

Königs

März ,

so wie zur

öffentlichen

Prüfung

der

Schüler

des hiesigen

Gymnasiums

zu

St.

Maria

Magdalena ,

welche zum Beschluss des Schuljahres

am 20. und 21. März im grossen Hörsaale veranstaltet werden soll,

ladet ehrerbietigst ein

Dr. Carl Schönborn, Director, Rector und erster Professor, Ritter des rothen Adlerordens vierter Classe.

1) Friedrich der Grosse in den Jahren 1760 und 1761. Versuch von Simon. 2) Schul - Nachrichten, verfasst vom Director.

Ein historischer

Breslau, 1861 . Druck von Grass, Barth u. Comp. (W. Friedrich ).

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Friedrich der Grosse in den Jahren 1760 und 1761 . Ein historischer Versuch.

e mögen, mein lieber Marquis, meine Gefühle nennen, wie Ihnen beliebt. Si Die

Ich sehe,

,,dass wir uns in unseren Gedanken durchaus nicht begegnen, und dass wir von sehr ver,,schiedenen Grundsätzen ausgehen . Sie halten das Leben hoch als Epikuräer ; was mich Niemals werde ich den Augenblick ,,betrifft, ich betrachte den Tod als Stoiker. ,, erleben , der mich dahin bringt , einen nachtheiligen Frieden zu schlies,, sen; keine Ueberredung , keine Beredsamkeit wird mich veranlassen „ können ,

meine Schande zu unterzeichnen .

Entweder werde ich mich

„ unter den Trümmern meines Vaterlandes begraben lassen , oder , wenn ,, dieser Trost

dem

Geschick , welches mich verfolgt ,

noch allzu süss

,, erscheinen sollte , werde ich meinem Unglück , sobald es nicht mehr Ich habe „ möglich ist , dasselbe zu ertragen , ein Ende zu machen wissen . ,,gehandelt und fahre fort zu handeln nach jenem inneren Grunde und dem Ehrenpunkte, 99welche alle meine Schritte leiten ; mein Betragen wird zu jeder Zeit diesen Grundsätzen ,,gemäss sein.

Nachdem ich meine Jugend meinem Vater, sowie mein Mannesalter meinem

,,Vaterlande geopfert habe, glaube ich ein Recht erworben zu haben, über mein späteres ,,Alter zu verfügen . Ich habe Ihnen gesagt, und ich wiederhole es : niemals wird ,, meine Hand einen demüthigenden Frieden unterzeichnen. * ) Ich werde ,,ohne Zweifel diesen Feldzug zu Ende führen, entschlossen, alles zu wagen und die ver,,zweifeltsten Dinge zu versuchen, um einen glücklichen Ausgang oder ein ruhmvolles Ende ,,zu finden.

*) ,,Mendier la paix, fléchir devant des ennemis qui m'ont persécuté d'une manière cruelle et atroce, ,,Voilà ce que je ne ferai jamais," schrieb Friedrich schon am 9. December 1758 an Mylord Marischal, Gouverneur von Neuenburg. -- Oeuvres, t. XX, p. 275. 1 5 8 5 1

1

143701

6 3 .

5 8

2

,,Ich habe über die militärischen Talente Karl's XII . einige Betrachtungen ange,, stellt ; *) aber ich habe nicht geprüft, ob er sich tödten sollte oder nicht. Ich glaube, ,,dass er nach der Einnahme von Stralsund weise gehandelt hätte, sich schleunig in eine ,,andere Welt zu befördern ; aber was er auch gethan, oder was er unterlassen hat, sein ,,Beispiel ist keine Richtschnur für mich. Es giebt Menschen , welche dem Schicksal folg,, sam sind ; ich bin nicht derartig geboren, und wenn ich für andere gelebt habe , so will ,,ich für mich sterben, sehr gleichgültig über das, was man dazu sagen wird ; ich stehe ""‚Ihnen sogar dafür, dass ich es niemals erfahren werde . Heinrich IV. war ein Nach,,geborener aus einem guten Hause, welches sein Glück machte ; es war für ihn kein ,, Grund zum Hängen vorhanden .

Ludwig XIV. war ein grosser König und besass grosse „ Hülfsquellen ; er zog sich aus seiner schwierigen Lage. Ich, meinerseits, besitze nicht ,,die Mittel dieses Menschen ; aber die Ehre ist mir theurer als ihm, und, wie ich Ihnen ,,gesagt habe, ich richte mich nach Niemandem. Wir zählen, glaube ich, fünftausend „ Jahre seit Erschaffung der Welt ; ich glaube, diese Rechnung steht weit zurück hinter ,,dem Alter des Weltalls. Brandenburg hat diese ganze Zeit bestanden , bevor ich auf der Die Staaten erhalten sich ‫وو‬Welt war, und wird ebenso nach meinem Tode fortbestehen . ,,durch die Fortpflanzung der menschlichen Gattung, und , so lange man mit Vergnügen ,,daran arbeiten wird , die Wesen zu vermehren, wird die grosse Menge durch Minister oder ,,durch Fürsten regiert werden . Dies kommt fast auf Eins hinaus ; etwas mehr Thorheit, ,,etwas mehr Weisheit : diese Abstufungen sind so schwach, dass die Masse des Volkes es ,,kaum gewahr wird . Wiederholen Sie mir also, mein lieber Marquis, nicht immer und ,,immer wieder jene alten Aeusserungen von Hofleuten, und bilden Sie sich nicht ein , dass ,,die Vorurtheile der Eigenliebe und Eitelkeit mich zu hintergehen, oder im geringsten ,,meine Gesinnung zu ändern vermögen. Unglückliche Tage zu endigen , ist ,, durchaus nicht ein Akt der Schwäche ; sondern eine verständige Politik „ überzeugt uns , dass der glücklichste Zustand für uns derjenige ist , wo Wieviel Gründe hat "" Niemand uns schaden noch unsere Ruhe stören kann . „ man nicht, im Alter von fünfzig Jahren, das Leben zu verachten ! Der Hintergrund, ,,welcher mir bleibt, ist ein schwächliches und schmerzhaftes Alter ; Kummer, Leid, Schande ,,und Schimpf soll ich ertragen. In der That, wenn Sie sich genau in meine Lage ver,,setzen, dürfen Sie meine Entwürfe weniger verdammen, als Sie thun . Ich habe alle meine ,,Freunde, meine theuersten Verwandten verloren, **) ich bin unglücklich in jeder erdenk ,,lichen Weise, ich habe nichts zu hoffen, ich sehe, wie meine Feinde mich mit Hohn be„ handeln, und wie ihr Hochmuth sich anschickt, mich mit Füssen zu treten . Ach, Marquis, Ist alles, alles hin, bleibt keine Hoffnung mehr : Dann wird das Leben Schmach, der Tod erscheint als Pflicht.***)

*) Oeuvres de Fréd. le Gr., t . VII, p. 69—88 . Vergl. Avertissement p. XI - XIII. und Oeuvres de Fr. le Gr., t. XIX. p. 101-102, lettres 86 et 87. **) Darüber klagt der König bereits in einem Briefe an Mylord Marischal ( 11. Mai 1759), Oeuvres, t. XX, p. 280. ***) Aus Voltaire's Mérope .

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„ Ich habe dem nichts hinzuzufügen. Ihrer Neugierde will ich zu wissen thun, dass ,,wir vorgestern die Elbe überschritten, dass wir morgen auf Leipzig marschiren, wo ich ,,den 31. zu sein gedenke, wo ich hoffe, dass wir uns schlagen werden, und von wo Sie 66 „ Nachrichten über uns erhalten sollen, wie die Ereignisse sie hervorbringen . .....

So schreibt König Friedrich II . d'Argens ,*)

unter dem 28. Oktober 1760 an den Marquis

den geliebtesten und vertrautesten aus dem späteren Freundeskreise

von

Sans-souci. Vergebens hatte sich der besorgte Marquis bemüht, die trübe Stimmung seines königlichen Freundes und Gönners durch alle Mittel, die seinem Geiste zu Gebot standen, zu verscheuchen ; umsonst hatte er ihn zu trösten, zu erheitern gesucht ; umsonst ihn darauf hingewiesen, dass, so lange er, der König, nur wohlbehalten sei, ein glücklicher Ausgang aus diesem Labyrinth nicht ausbleiben könne. Verhallt waren alle diese Worte hingebender Freundschaft nnd Verehrung ; dem Könige erschien der Horizont düsterer als Und freilich wären die Unfälle , die je, kein Stern der Hoffnung schien ihm zu leuchten . Friedrich seit dem Ueberfall von Hochkirch erfahren, wohl im Stande gewesen, auch den männlichsten, standhaftesten Geist niederzubeugen , und an einem auch nur erträglichen Ende dieses furchtbaren Kampfes verzweifeln zu lassen .

Gefolgt war den Niederlagen

von Kay und Kunersdorf der Verlust von Dresden, so wie die Kapitulation der Finck'schen Heeresabtheilung bei Maxen.

Hatten schon die blutigen Tage von Prag und von Kolin

,,die Säulen der preussischen Infanterie “ **) fallen sehen, so waren seitdem durch so viele vernichtende Schläge die Reihen in einer Weise gelichtet, dass an einen vollständigen Ersatz aus den hart mitgenommenen Provinzen nimmermehr zu denken war. Und wie viele der tüchtigsten Generale und Offiziere waren entweder verwundet, gefallen oder schmachteten in Gefangenschaft ! Wo war jenes freudige, thatenlustige Selbstbewustsein , jenes unerschütterliche Vertrauen in die eigene Kriegsfertigkeit wie in das Genie der Führer, kurz, jener moralische Muth, die Weihe des echten Kriegers, von dem alle, auch der lezte in dieser beim Beginn des Krieges unvergleichlichen Armee erfüllt gewesen ? Friedrich zwar erwies sich inmitten aller Bedrängnisse, die ihn umlagert hielten, unerschöpflich an Auskunftsmitteln , sei es im Felde, sei es im Kabinet.

Unablässig war er bemüht, Bundes-

genossen zu gewinnen und die grosse Coalition, die auf sein und seines jungen, kühn emporstrebenden Staates Verderben gerichtet war, zu sprengen . Der im August des Jahres

1759 erfolgte Tod des Königs Ferdinand***) von

Spanien hätte, wie Friedrich meint, in Europa grosse Veränderungen hervorbringen müssen, brachte aber gar keine hervor. Von Rechtswegen fiel, da Ferdinand keine Leibes-

*) Oeuvres, t. XIX, p. 201-203 ; lettre 152. Mit Recht ist dieser Brief sehr oft eitirt worden. **) Oeuvres, t. IV, chap. VI, p . 119 (Histoire de la guerre de sept ans) . ***) Oeuvres, t. V, p. 36. In Wahrheit wurde dieser Todesfall, wie das ein Jahr später erfolgte Ableben des Königs von England, für Friedrich verhängnissvoll. Siehe auch den Brief Friedrich's an den Baron de la Motte-Fouqué vom 9. Januar 1759 ; Oeuvres, t . XX, p. 118. Man sehe auch die Briefe Friedrich's an Mylord Marischal, vom 2. und vom 18. Januar, sowie vom 11. Mai und vom 4. Juni 1759 ; Oeuvres, t. XX, p . 276 und 277 . 1*

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erben hinterliess, das Königreich Spanien an seinen Bruder, Don Karlos, König von Neapel ; dagegen hätte, den Bestimmungen des Aachener Friedens gemäss , jetzt der jüngste dieser Brüder, Don Philipp, Herzog von Parma und Piacenza, in Neapel succediren sollen . Don Karlos nahm jedoch auf den Aachener Vertrag , gegen welchen er förmlich und öffentlich seinen Widerspruch erklärt hatte, gar keine Rücksicht, sondern bestimmte, da sein ältester Sohn blödsinnlg geworden war, den zweiten zum Prinzen von Asturien , und den dritten zum Könige beider Sicilien. Somit ging Don Philipp in Bezug auf Neapel leer aus ; er blieb Herzog von Parma, Piacenza und Guastalla, indem diese Länder nicht an Oesterreich fielen, und auch der König von Sardinien seine Ansprüche auf Piacenza nicht zur Geltung bringen konnte. Auf diese Staatsveränderungen in Italien gründete Friedrich seinen Plan, eine Diversion in der Lombardei , sei es gegen den König von Frankreich, oder gegen die Königin von Ungarn zu bewirken . Sehr wohl sich erinnernd, wie begierig Karl Emanuel III. gewesen war, seinen kleinen Staat durch Annexionen abzurunden , schickte Friedrich seinen Adjutanten, Herrn von Cocceji, unter einem fremden Namen an den Turiner Hof, um die Gesinnungen des Königs zu erforschen und ihn aufzufordern, nicht bloss Piacenza , sondern auch Mailand in Besitz zu nehmen.

Desgleichen begab sich ein

anderer Agent Friedrich's an den Hof von Neapel, um den jungen König Ferdinand IV. , wie dessen Vater, jetzt Karl III. von Spanien , für die Absichten seines Herrn zu gewinnen . Als leichte Beute wurde diesen beiden Fürsten der Kirchenstaat und Toskana vorgezeigt, wogegen Friedrich sich anheischig machte, den Franzosen und Oesterreichern in Deutschland und Flandern genug zu thun zu geben, um ihre Intervention in Italien unfruchtbar zu machen. Doch blieben die Schritte Friedrich's in diesen italienischen Angelegenheiten erfolglos, zumeist in Folge der Gegenbemühungen Frankreichs und Oesterreichs, deren doppelten Angriffen Sardinien , im Fall es losschlug, preisgegeben war, wähUnd auch Karl Emanuel war rend die preussische Hülfe sich in weiter Ferne befand. nicht mehr derselbe thatkräftige Charakter, wie früher .

,, Dieser bejahrte Fürst war jetzt

„ in Aberglauben verfallen und hatte jenen kriegerischen Geist verloren , durch den er in ,,seiner Jugend geglänzt hatte. Er besass für sich selbst weder das Verlangen noch den ,,Willen, sich wieder in Thätigkeit zu zeigen ; indessen ward er noch mehr durch die Lage, ,,in der er sich befand, als durch Alter und Frömmelei abgehalten. " *)

Wenn so die

Bundesgenossenschaft Frankreichs und Oesterreichs sich in Bezug auf eine italienische Diversion zu Gunsten Friedrich's sehr störend erwies, so hinderte dies doch nicht, verschiedene andere Versuche anzustellen .

99 Denn von Tage zu Tage war der Krieg schwerer

,,auszuhalten, und die Gefahren wurden immer grösser.

Wie sehr auch das Glück den

"" Preussen geneigt sein mochte, so war es doch unmöglich, dass es ihnen nicht bisweilen ,,untreu werden sollte, da sie gezwungen waren, sich demselben so gar oft zu überlassen . ,,Von Seiten Italiens konnte man sich nichts versprechen. Die Ottomanische Pforte schien ,,bis jetzt nicht geneigt, mit dem Hause Oesterreich zu brechen . Also blieb nur die eine „ Zuflucht übrig, wenn man Mittel ausfindig machen könnte, die Mächte, welche den gros-

*) Worte Friedrich's ; Oeuvres, t. V, p . 37 .

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,,sen Bund bildeten, zu veruneinigen oder zu trennen .

Dies veranlasste die Unterhandlun-

,,gen, welche man sowohl in Frankreich als in Russland anspann, um zu versuchen , ,,welches von diesen beiden Reichen sich von dem Wiener Hofe würde abziehen lassen. "*) Aber alle diese Versuche, wie auch die Eröffnungen, die Dänemark machen liess, zerrannen in nichts ; ,, dieselben überzeugten den König immer mehr, dass er unter den ,,gegenwärtigen Umständen von Seiten der europäischen Höfe nichts erwarten dürfe . Die ,,Leidenschaften waren noch zu ungestüm ; die Bewegungen, welche sie in den Gemüthern ,,verursachten, waren noch zu heftig, als dass es möglich gewesen wäre, dieselben zu be,,ruhigen.

Dem Könige blieben daher nur zwei Bundesgenossen übrig, durch deren Bei-

,,stand er sich mit Ehre aus diesem traurigen Kriege ziehen konnte : die Tapferkeit ,,und die Beharrlichkeit. " **) Und setzen wir hinzu, dass Friedrich ausser diesen unschätzbaren inneren Bundesgenossen, die er in seinem Genie und in seiner Charakterfestigkeit fand, noch seinen Pitt besass , der ebenso kühn als kräftig das britische Staatsruder lenkte, der nicht nur den früheren Bund mit Preussen erneuerte (den 9. November 1759) und die bestimmten vier Millionen Thaler Subsidien zahlte, sondern auch dem Kriege im nordwestlichen Deutschland durch Geld und Truppen einen verstärkten Nachdruck gab. Mit einer Streitmacht von nur 90,000 Mann sah sich Friedrich beim Beginn des Feldzuges von 1760 genöthigt, den Kampf gegen ungefähr 280,000 Feinde aufzunehmen , während Prinz Ferdinand von Braunschweig mit etwas mehr als 70,000 Mann den 115,000 Mann starken Franzosen gegenüberstand . ,,Der verfallene Zustand, in dem sich die Truppen ,,befanden, nöthigte den König, sich ihrer mit vieler Vorsicht zu bedienen ; es war nicht ,,zeitgemäss, Detachementsweise etwas zu unternehmen ; und vor allen Dingen musste man ,,den Plan fassen, den Krieg mit allem Nachdruck zu führen. Die in dem Treffen bei ,,Maxen und in dem Gefecht des Herrn von Diericke ***) verloren gegangenen Regimenter ,,waren zwar während des Winters wieder ergänzt worden, allein nicht mit alten Solda,,ten, noch Truppen, die man im Felde gebrauchen konnte ; es waren nur Soldaten zur ,, Schau. Denn was ist mit einem Haufen Leute anzufangen, der halb aus sächsischen ,,Bauern, halb aus feindlichen Ueberläufern besteht, und von Offizieren angeführt wird, „ die man nur aus Noth und aus Mangel an besseren in Dienst genommen hat ?

Und dazu

,,fehlte es den Infanterieregimentern so sehr an solchen , dass sie statt zweiundfünfzig Of,,fiziere, welches die im Reglement vorgeschriebene Anzahl ist, kaum noch zwölf übrig ,,hatten. Diese drückende Last hinderte dennoch nicht, sich thätig zu zeigen ; denn das ,,erforderte nun einmal die Nothwendigkeit.

Statt sich über den schlechten Zustand der

,,Truppen zu beklagen, war man bloss mit den Mitteln beschäftigt, den Feinden mit grös,,serem Nachdruck als jemals zu widerstehen. " +) Diese aber machten die grössten Anstrengungen, Schlesien diesmal dem Könige zu entreissen. Während Daun mit 80,000 Mann

*) **) ***) †)

Worte Friedrich's ; Oeuvres, t. V, p. 37 et 38. Oeuvres, t. V, p. 42. Oeuvres, t. V, p. 31 et 32 . Oeuvres, t. V, p. 44 et 45 .

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Friedrich an der Spitze von nur 40,000 Mann in Sachsen beschäftigen sollte, hatte Laudon, 50,000 Mann stark, die Aufgabe erhalten, in Schlesien durch die Wegnahme einer Festung sicheren Fuss zu fassen und durch seine Unternehmungen die Bewegungen der Russen zu unterstützen , welche, zufolge der Verabredung zwischen den beiden KaiserinDer König, der insbesondere die Russen zu hinnen, gegen die Oder anrücken sollten. dern suchte, sich mit den Oesterreichern zu vereinigen , stellte deshalb den ersteren , welche in einer Stärke von 80,000 Mann sich in Bewegung gesetzt hatten, seinen Bruder, den Prinzen Heinrich, mit 35,000 Mann entgegen, während Fouqué mit 14,000 Mann die Beschützung der Pässe bei Landshut anvertraut wurde. nur 5000 Mann unter Stutterheim verwendet werden .

Gegen die Schweden konnten

"" Die grosse Menge der Feinde,

„ die den König auf allen Seiten drängten , ihr Vorhaben, in diesem Feldzuge ihre Macht ,,enger zusammenzuziehen und gleichsam in einen Brennpunkt zu vereinigen, die Schwäche ,,der Armee des Königs, nachdem sie vor kurzem mehr als einen Verlust erlitten : alles ,,dies liess besorgen, dass der bevorstehende Feldzug noch unglücklicher ausfallen würde , ,,als der vorige. Indess bemühte man sich , den Muth der Truppen zu beleben und ihnen ,,Vertrauen einzuflössen , indem man Diversionen ersann, von denen man bald Nachricht ,, erhalten würde, indem man im Publikum günstige Prophezeiungen ) herumgehen liess , ,,und indem man überhaupt zu allen erlaubten Arten, das Volk zu täuschen , seine Zuflucht ,,nahm . " **) Der erste Stoss der Feinde traf den General Fouqué am 23. Juni bei Landshut, zum Theil in Folge der sehr gemessenen Befehle des Königs vom 11. und vom 14. Juni, welche dahin lauteten : Fouqué solle um jeden Preis die Pässe von Landshut wieder besetzen, die er, um, seiner Aufgabe gemäss, hauptsächlich Breslau zu decken , durch LauNach einer heldenmüthidon's geschickte Operationen getäuscht, soeben verlassen hatte. gen Vertheidigung von acht Stunden erlag der preussische Bayard, in Kopf und Schulter verwundet, mit seiner tapferen Heeresabtheilung der Uebermacht Laudon's ; nur tausend Reiter hatten sich rühmlich durch die Feinde durchgeschlagen ; alles übrige war todt, ver,,Auf keine Weise kann dieser Unfall, " sagt Friedrich,,, dem fest gegründeten Ruhme dieses tapferen Offiziers zum Nachso und ,,seit so langer Zeit ,,theil gereichen ; im Gegentheil erhöht er vielmehr dessen Glanz und giebt ein einleuch,,tendes Beispiel von dem, was Tapferkeit und Entschlossenheit gegen einen noch so überDiese treffliche That kann nur mit der Unternehmung des ,,legenen Feind vermögen. wundet oder gefangen .

,,Leonidas und der Griechen verglichen werden, welche den Pass bei Thermopylä verthei„ digten und fast dasselbe Schicksal hatten. " ***) Die niedergedrückte Stimmung des Kö-

*) Man sehe darüber : Briefwechsel des Königs mit dem Marquis d'Argens : Oeuvres, t. XIX, lettres 95-107 . Der angebliche Berliner Prophet hiess Pfannenstiel und war seines Gewerbes ein Leinweber. **) Oeuvres, t. V, p. 45 . ***) Oeuvres, t. V, p. 47 et 48. Der freundschaftliche Briefwechsel Friedrich's mit Fouqué (Oeuvres, t. XX , p . 107—171 ) ist mit dem Briefwechsel zwischen Trajan und dem jüngeren Plinius verglichen worden.

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nigs, der in Schlesien nur Unglück vorhergesagt hatte, a giebt sich besonders kund in dem Briefe an den Marquis d'Argens vom 27. Juni 1760 , in welchem er diesen auffordert, einMöchte nur zugestehen, dass er nur allzuwahr in seinen Prophezeiungen gewesen sei .*) der Himmel geben, dass er es nicht bis an's Ende sei .

Und unmittelbar nachher spricht

der König seine Genugthuung aus, dass das kostbare Porzellanservice, welches er dem Marquis zum Geschenk gemacht, dessen Beifall gefunden habe . Aber augenblicklich kehrt er zu seinen ernsten Betrachtungen zurück, indem er sagt : ,,Ach, mein lieber Marquis, ,,ich bin ein schlechter Lehrer der Unsterblichkeit. Ich möchte bloss selbst am Ende der ,,Zeit sein, welche mir vorgeschrieben ist, in diesem Thal der Finsterniss und Trübsal zu ,,vegetiren. Das Ende meiner Laufbahn ist hart, traurig und unheilvoll. Ich liebe die ,,Philosophie, weil sie meine Leidenschaften mässigt nnd weil sie mir Gleichgültigkeit ver„ leiht gegen meine Auflösung wie gegen die Vernichtung meines Denkens ."

Nachdem er

sich sodann über ein zu Paris aufgeführtes Lustspiel, das sich die Verspottung der Philosophen zum Ziel gesetzt, ausgesprochen hat, fährt er fort : ,,Ach, wie macht die Schule ,,des Unglücks weise, mässig, geduldig und mild ! Das ist eine schreckliche Prüfung ; aber Gott befohlen, ,,wenn man sie überwunden hat, ist sie nützlich für das übrige Leben . ,,mein lieber Marquis ; haben Sie einige Nachsicht mit meinem Herzeleid , dasselbe ist ,,gerecht. Seit zwei Jahren leide ich ununterbrochen, und ich sehe nicht das Ziel meines ,,Kummers. Ich wünsche Ihnen besseres Glück, mehr Ruhe und weniger Verlegenheit . ,,Gott befohlen ! "" Der Schlag von Landshut aber führte noch andere im Gefolge mit sich.

Bereits

am 26. Juli ergab sich Glatz nach unrühmlicher Vertheidigung den Oesterreichern .

So

ging dieses wichtige Bollwerk und mit ihm die Grafschaft Glatz für Friedrich verloren ; ungehindert konnten sich die Oesterreicher von hier aus nach dem Herzen Schlesiens ergiessen, und sie haben diese feste Position , die eine stete Drohung für Schlesien enthält, bis zum Ausgang des Krieges zu behaupten gewusst . Indess, die Folgen der Fouqué'schen Niederlage reichten noch weiter, indem Laudon die Hauptstadt Schlesiens, an deren Erhaltung dem Könige unendlich viel gelegen sein musste, seit dem 1. August bombardirte, freilich ohne Erfolg ; denn der felsenfeste Tauentzien, ein Kassube von Geburt, vertheidigte trotz seiner geringen Hülfsmittel den ihm anvertrauten Posten mit Entschlossenheit und Einsicht, und als Retter nahte der Prinz Heinrich, so dass Laudon sowohl zur Aufhebung der Belagerung gezwungen wurde, als auch seine Vereinigung mit den Russen nicht bewerkstelligen konnte. Während dies in Schlesien geschah, suchte der König in Sachsen mit den Feinden ,,reinen Tisch zu machen“ , um sodann seinem Bruder, dem Prinzen Heinrich, beizustehen und Schlesien zu retten. Dresden hoffte er binnen wenigen Tagen gleichsam aus dem Stegreif wegzunehmen .

,,Dies war ein plötzlich entstandener Einfall ; denn da man diese

,,Unternehmung nicht einmal für möglich gehalten hatte, so waren gar keine Vorkehrun„ gen dazu getroffen. " **)

Gleichwohl war das am 19. Juli beginnende Bombardement

Oeuvres, t . XIX, p. 179, lettre 136. " Oeuvres, t. V, p. 53,

00 von der verheerendsten Wirkung. ,,Schon fingen die Kanonen an, eine Bresche zu ,,machen ; eine Bombe entzündete das Dach der Kreuzkirche, es stürzte ein und zer,,trümmerte das ganze Viertel ; eine andere Bombe setzte die Pirnaische Strasse in ,, Brand, welche fast ganz verzehrt wurde ; andere fielen in die Schlossstrasse und ,,verursachten daselbst keine geringere Verheerung. "*) Fünf Kirchen und vierhundertundsechszehn Häuser lagen in Asche. ,, Tausend Bomben und tausend Centner Pulver ,, mehr würden diese Belagerung ruhmvoll zu Ende geführt haben ; allein es war ,,unter den Offizieren ,

den Ingenieuren und Artilleristen gleichsam ein Wettstreit, wer

,,die meisten Fehler machen würde ; dazu war das Geschütz von Torgau spät, das ,,von Magdeburg aber gar nicht angekommen. So stand es wahrscheinlich im ,, Buche des Schicksals geschrieben , ,,sollten. " **)

dass die Preussen Dresden nicht wieder erobern

Das Dresden rettende Schicksal erschien in der Person Daun's, welcher, dem Könige anfänglich nach Schlesien vorausgeeilt, jetzt langsam zum Entsatze der sächsischen Durch den österreichischen General Nugent, der bei GelegenHauptstadt heranrückte. heit eines Ausfalls aus Dresden in preussische Kriegsgefangenschaft gerathen war, erfuhr der König ,,den schimpflichen und die preussischen Waffen entehrenden Vorfall " ***) von Glatz.

,,Dieser unglückliche Zwischenfall ereignete sich zu einer Zeit, wo die Umstände

,,bereits an sich verwickelt und widrig genug waren.

Die Annäherung des Feldmarschalls

,,Daun, seine Stellung nahe bei Neu-Dresden, der Mangel an Kriegsbedürfnissen zu einer ,, Belagerung, nöthigten den König , sein Vorhaben aufzugeben, sich dieser Stadt zu be,,mächtigen, und er traf ernstliche Maassregeln, sich in Eile nach Schlesien zu verfügen, „ um wo möglich zu hindern, dass sich in dieser Provinz nicht noch unangenehmere Kata,,strophen, als die bereits erzählten, ereigneten. " +) Der König, der ausserdem mit der Heerführung seines Bruders, des Prinzen Heinrich, in Schlesien unzufrieden war, und namentlich auch deshalb seine eigene Anwesenheit dort für unumgänglich nöthig hielt, brach, nach Zurücklassung einer Heeresabtheilung unter Hülsen, am 1. August auf, indem er unterhalb Meissens die Elbe überschritt, ††) und marschirte, von Daun und Lascy wie von seinen bösen Schatten zur Seite gefolgt, mit grosser Anstrengung nach Schlesien . „ Da ,,Feldmarschall Daun nach dem, was vorgefallen war, fürchtete, dass die Preussen Dres,,den auf's neue belagern möchten, wenn er dasselbe verliesse, so richtete er seine Märsche ,,und Bewegungen so geschickt nach den Schritten ein , welche der König machte, dass Die Oesterreicher nahmen die Haupt,,beide Heere fast immer zugleich marschirten .

*) Oeuvres, t. V, p. 53 et 54.

**) Oeuvres, t. V, p. 54. ***) Oeuvres, t. V, p . 55. D'0, Kommandant von Glatz, von Fouqué empfohlen und befördert. Glatz wurde erst am 26. Juli genommen, wurde später kriegsrechtlich zum Erschiessen verurtheilt. Nugent aber gerieth schon in der Nacht vom 21. zum 22. Juli in preussische Gefangenschaft. +) Oeuvres, t. V, p. 56. ††) Oeuvres, t . XIX, p. 187, lettre 142, du Ier aôut.

9

,,strasse nach Görlitz ; die Preussen blieben ihnen immer zur Seite.

Hätte ein Fremder

,,den Zug dieser Heere gesehen, so würde er sich haben täuschen können ; denn gewiss ,,hätte er geglaubt, dass sie alle einem Herrn gehörten . Die Armee des Feldmarschalls „ Daun musste ihm der Vortrab des Ganzen zu sein scheinen, die preussische Armee wie „ der mittlere Theil der Schlachtordnung vorkommen , und der Haufen des Herrn v. Lascy ,,wie der Nachtrab. " *) Auf diese Weise langte der König, nachdem er vom 3. August in fünf Tagen zwanzig Meilen bis Bunzlau zurückgelegt hatte, in der Nähe von Goldberg an ; Daun und Lascy aber vereinigten sich bei Jauer mit Laudon . So standen 30,000 Preussen 90,000 Oesterreichern gegenüber.

Und schon schickten sich

auch 20,000 Russen

unter Czernitschew an, bei Auras die Oder zu überschreiten, um den Prinzen Heinrich an einer Diversion gegen die Katzbach zu hindern.

Der König, um sich neue Lebensmittel

zu verschaffen, wollte deshalb Breslau oder Schweidnitz erreichen , wo sich die Hauptmagazine der Armee befanden ; denn nur noch auf zehn Tage reichte dasjenige hin, was er hatte mit sich nehmen können.

Feldmarschall Daun hatte dagegen die Absicht, eine Stel-

lung hinter der Katzbach zu nehmen, wodurch er den König zugleich von Breslau und Schweidnitz abschneiden könnte ; dies würde den König nöthigen, sich entweder gegen eine überlegene Macht in ein missliches Gefecht einzulassen , oder sich nach Glogau zurückzuziehen ; dann würde es den Oesterreichern und Russen leicht sein, die Armee des Prinzen Heinrich aufzureiben und Breslau so wie Schweidnitz einzunehmen . Wirklich gelang es den Oesterreichern, dem Könige den Uebergang über die Katzbach zu wehren . ,,In dieser schwierigen Lage wusste er kein besseres Mittel zu ersinnen , als das Verfahren ,,eines Parteigängers nachzuahmen, der seine Stellung alle Nächte ändert, um den Strei,,chen auszuweichen , welche ihm eine Armee würde versetzen können , wenn es ihm an ,,Wachsamkeit und Thätigkeit fehlte .

Diese Aufmerksamkeit war wichtig und nothwendig

,,wegen der Menge schwieriger Vorhaben , die man vereinigen musste, um den beabsichtig,,ten Endzweck zu erreichen ; man musste, der Sicherheit der Armee wegen , seinen Stand,,ort oft verändern ; man musste zugleich einen mehr als dreifach stärkeren Feind im Zaum ,,halten ; und man durfte sich nicht von ihm entfernen, damit er sich nicht etwa gegen den ,,Prinzen Heinrich wende, der ohnedies schon eine Armee von 80,000 Russen wider sich ,,hatte .

So vielen Forderungen nachzukommen , blieb also das einzige Mittel, die Stellung

,,oft zu verändern , ohne jedoch einen zu sehr von dem Feinde entfernten Standpunkt zu ,,nehmen.

Dies machte denselben verwirrt ; er kam und rekognoscirte das Lager, welches

,,man genommen hatte ; er traf seine Anordnungen mit Langsamkeit, und wenn er sie nun ,,ausführen wollte , so fand er Niemanden mehr vor sich und war demgemäss genöthigt, mit ,,allen diesen Förmlichkeiten wieder von vorn anzufangen . Kurz, man gewann hierdurch ,,doch Zeit ; und da die Heeresmacht nun einmal nicht zureichend war, so musste man ,,diesen Mangel durch Geschicklichkeit und Wachsamkeit ersetzen. " **) Aber wie geschickt

*) Oeuvres, t. V, p. 56. **) Oeuvres, t. V, p. 60. 2

10

der König auch manövrirte,

und wie unermüdlich thätig er sich auch zeigte,

so ver-

mochte er doch weder den rechten feindlichen Flügel unter Laudon, noch den linken unter Lascy zu umgehen, das heisst, er konnte sich weder nach Breslau noch nach Schweidnitz einen Weg bahnen.

Gerieth Friedrich, dessen Brotvorräthe immer mehr auf die Neige

gingen, so in die peinlichste Verlegenheit, so war dagegen Daun durch den russischen Oberbefehlshaber Soltikof, der seine Mitwirkung davon abhängig machte, gedrängt worden, von seinem Zaudersystem abzugehen und den Preussen eine Schlacht zu liefern . Der König, durch Kundschafter von dem Anrücken Czernitschew's benachrichtigt, und die Absichten Dauns aus dessen Bewegungen errathend, beschloss deshalb, zumal da er nur noch auf drei Tage Brot und Zwieback hatte, sein unsicheres Lager bei Liegnitz zu verlassen, alle entbehrlichen Wagen nach Glogau zu schicken , seinen Mundvorrath aus dieser Stadt zu ziehen und dann nach Parchwitz zu rücken , um diesseits oder jenseits der Oder vorzudringen und auf irgend eine Art die Armee des Prinzen Heinrich zu erreichen ; ,, denn ge,,trennt und einzeln waren diese beiden Corps zu schwach, sich den Russen und Oester„ reichern zu widersetzen, und man lief am Ende Gefahr, wenn sie lange so blieben, beide „ aufgerieben zu sehen ; alsdann aber war alles ohne Rettung verloren . “ *) So brach Friedrich am 14. August, als der Tag sich neigte, unter Beobachtung

der grössten Vorsichtsmaassregeln, von dem Feinde unbemerkt, von Liegnitz auf, um sich die Strasse nach Glogau, den einzigen Ausweg, der ihm noch blieb , offen zu halten , und um somit den Plan der Feinde, der auf des Königs ursprüngliche verwundbare Stellung bei Liegnitz berechnet war, zu nichte, oder, wie Friedrich selbst sagt,,,in den Sack der ,,Feinde ein Loch zu machen, welches sie Mühe haben würden, wieder zuzunähen". Denn ganz richtig muthmaasste der König auf den 15. August einen allgemeinen Angriff des Feindes, ein Umringen von allen Seiten , ein Erdrücken seines kleinen Heeres durch Daun, Lascy und Laudon. **)

Letzterem war der Auftrag zu Theil geworden, den Preussen den letzten Rettungsweg, die Strasse nach Glogau, zu verlegen, während, wie bemerkt, Friedrich sich denselben um jeden Preis zu sichern suchte, so dass wir beide Feldherren demselben Ziele zustreben sehen. Unmittelbar an diesem Zielpunkte, den Pfaffendorfer Höhen, nordöstlich von Liegnitz, erfolgte daher, als der Morgen graute, beiden Theilen gleich unerwartet, ein plötzlicher, ungemein heftiger Zusammenstoss , der, nach zweistündiger hartnäckiger Dauer, mit einer vollständigen Niederlage Laudon's endigte und den lange vermissten Sieg wieder zu Friedrich's Fahnen zurückführte. ***) Dies ist das Treffen bei Liegnitz, das den Oesterreichern 10,000 Mann, den Preussen hingegen nur 3500 Mann kostete . An demselben hatte nur der linke Flügel des Königs, in der Stärke von etwa 16,000 Mann, Theil genommen, Laudon aber hatte 31-32,000 Mann in's Feuer geführt. Der rechte Flügel der Preussen unter Ziethen vollzog seine Aufgabe, Daun im Schach zu halten, mit Geschicklichkeit, und Lascy vermochte nicht, das schwer zu passirende Schwarzwasser zu überschreiten, und so den Preussen in den Rücken zu fallen .

*) Oeuvres, t. V, p. 62. **) Oeuvres, t. V, p. 62 et 63. ***) Oeuvres, t. V. p. 64 et 65 .

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Dieselbe Umsicht und Geistesgegenwart, wie vor der Liegnitzer Action und inmitten derselben, bewies Friedrich bei Benutzung des Sieges. Dem Feinde durfte keine Besinnung gelassen, die Vereinigung mit dem Prinzen Heinrich sowie die Verbindung mit Breslau musste erreicht werden. Da erhielt der König, bei Parchwitz gelagert, die niederschlagende Nachricht, dass Czernitschew bei Lissa stehe.*)

Er nahm deshalb seine

Zuflucht zur List, indem er dem feindlichen Feldherrn eine wahre Nachricht über die Besiegung Laudon's und zugleich eine falsche über seine , in Zusammenwirkung mit dem Prinzen Heinrich angeblich gegen die Russen gerichteten Absichten zukommen liess ; **) vielleicht dass es ihm so gelang, sich diesen Feind vom Halse zu schaffen, ihn zum Rückzug über die Oder zu bewegen. Unbekümmert übrigens um den Erfolg dieser Kriegslist, ― denn es war kein Augenblick Zeit zu verlieren, hatte doch die Armee nur noch auf einen Tag Brot, brach der König am 16.'August gegen Neumarkt hin auf, um die Verpflegung seiner Armee aus den Breslauer Magazinen möglich zu machen. Mehr in der Ordnung einer Transportbedeckung - 1100 Verwundete mussten fortgeschafft und 6000 Gefangene bewacht werden als eines gewöhnlichen Marsches, zog die preussische Armee in drei Kolonnen fort, indem der König, bei der Kolonne zur Rechten, bemüht war, seine Bewegungen den Oesterreichern zu verdecken . Noch wusste man nichts von der russischen Heeresabtheilung, und schon waren die Preussen genöthigt worden, gegen einzelne österreichische Truppentheile Front zu machen und dieselben abzuwehren . Durch die dabei gemachten Gefangenen erfuhr man,,, dass zwei feindliche Corps in vollem An,,marsch nach Neumarkt begriffen wären, wo sie sich mit den Russen vereinigen sollten. ,,Ausserdem entdeckte man, ungefähr drei Viertelmeilen weit rechts von den Truppen des ,,Königs, die ganze Armee des Feldmarschalls Daun im Marsch, ohne unterscheiden zu ,,können, ob sie den Weg nach Neumarkt, nach Kanth oder nach Schweidnitz nähme. ,,Vielleicht war dies — fährt der König fort -

die misslichste und beunruhigendste Lage,

,,in welcher man sich seit dem ganzen Feldzuge befunden hatte .

Die Armee hatte nur

„ noch auf einen Tag Brot ; verhinderten die Russen das Heer, Brot aus Breslau, und der „ Feldmarschall Daun, es aus der Festung Schweidnitz zu beziehen , so war der eben er,,fochtene Sieg unnütz . Denn wie konnte man dem Feinde eine Schlacht liefern , da man ,,6000 Gefangene und 1100 Verwundete zu bewachen hatte ? Und wie schrecklich wäre ,,es gewesen, sich zum Rückzuge nach Glogau wieder entschliessen zu müssen ? ***) Wiederum sehen wir so beide Heere, der Oder nahe das preussische unter Friedrich, rechts davon das österreichische, diesmal unter Daun , in derselben Richtung, nach demselben Zielpunkte in diesem Falle Neumarkt - sehr nachdrücklich zueilen ; ersteres, um eine Vereinigung der Russen mit den Oesterreichern,

wenn irgend möglich, zu verhindern ,

*) In Wahrheit hatte der russische General bei Gross -Bresa in der Nähe von Neumarkt eine Stellung genommen . **) Der Text des Briefes bei P. F. Stuhr : Forschungen und Erläuterungen über Hauptpunkte der Man Geschichte des siebenjährigen Krieges. Nach archivalischen Quellen. Zweiter Theil, S. 334. sehe ferner : Oeuvres de Fr. le Gr., t. V, p. 67 et 68. ***) Oeuvres, t. V, p. 68 et 69. 2*

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letzteres , um eben diese lang ersehnte und vielfach vorbereitete Verbindung jetzt endlich durchzusetzen. Beide Theile indess sollten getäuscht werden, denn Czernitschew war bereits am 15. des Abends, sei es in Folge der ihm in die Hände gespielten Depesche des Königs, oder weil ihm durch einen Kosacken- Offizier eine sichere Meldung über das siegreiche Vorrücken des Königs nach Parchwitz zugekommen , über die Oder zurückgegangen.

Was Friedrich mit unsäglicher Anstrengung,

mit Aufbietung aller geistigen, wie

materiellen Hülfsmittel , die ihm zur Verfügung standen , erstrebt hatte, war somit erreicht : Breslau war wieder gewonnen, die Verbindung mit dem Prinzen Heinrich wieder hergestellt. Erscheint uns der König in dieser Zeit als Meister in der Kriegskunst, indem er unter den schwierigsten Umständen geniale Märsche macht, die Feinde über seine wahren Absichten irre führt, im Augenblick der Ueberraschung seine Feldherrngrösse entwickelt und sodann den glänzend gewonnenen Sieg ohne Zögern benutzt, um seinen Hauptzweck zu erreichen, so finden wir dagegen bei seinen Feinden Unentschlossenheit, Zaghaftigkeit, Vielköpfigkeit der Meinungen, ausserordentliche Furcht vor dem Könige, der alles in eigener Person ist, und weder auf einen Hofkriegsrath noch auf die Vorstellungen fremder Minister zu hören braucht.*) Und darin , dass er sich selbst sein Orakel war, blieb er, dessen geistige Spannkraft in der Stunde der Gefahr stets sich am grössten zeigte , der feindlichen, seine Existenz bedrohenden Coalition in Wahrheit unendlich überlegen . Aus den Reihen der Gegner wurde dies selbst anerkannt, wie, wenn der französische Bevollmächtigte im österreichischen Lager, Graf Montazet, in einem Briefe schreibt : „ Der Kö,,nig von Preussen hat noch einen Vortheil über uns , den man mit eigenen Augen sehen „ muss , um davon überzeugt zu sein , und der darin besteht , sich nur dann zu schlagen, „ wann er will , ausser wenn er, wie bei Hochkirch, überfallen wird . Nicht, dass er sich ,,von uns entfernt oder unangreifbare Stellungen wählt : im Gegentheil, er bewegt sich ,,überall hin, und wenn er nur einen Ausweg hat, wird er ihn sicher benutzen ; denn er ist Umsonst sagt ,,gewandt, schnell , entschlossen , und wir sind gerade das Gegentheil. ,,man , dass die Macht des Königs von Preussen grossentheils gebrochen , dass seine Trup,,pen nicht mehr dieselben, dass er ohne Generale sei : das alles mag wahr sein ; aber ,, seine Seele , welche alles belebt , ist immer noch dieselbe , und unglück„licher Weise behalten wir auch die unsrige. " **) Dass die Schlacht von Liegnitz, wie bedeutend auch als Waffenthat und in ihren nächsten Folgen, den Feldzug nicht entscheiden konnte, begriff Friedrich sehr wohl ; er betrachtete sie nur als eine Schramme, die er dem Feinde beigebracht habe ; für ihn bedürfe es eines Hauptschlages.*** )

Der Ernst seiner Stimmung verlässt ihn nicht ; nur die

*) Darüber besonders zu vergleichen : Stuhr, 2. Theil, S. 319-365 : Zur Geschichte des Feldzuges der Oesterreicher und der Russen in dem Jahre 1760. **) P. F. Stuhr, 2. Theil, S. 331. ***) Man sehe die beiden Briefe an den Marquis d'Argens vom 17. und vom 27. August 1760, von denen besonders der zweite oft angeführt worden ist. Oeuvres, t. XIX, S. 189, 191 et 192.

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Wissenschaften machen seinen Trost aus,,,wie den jenes beredten Consuls, des Vaters des Im Fall er diesen Krieg überlebt, ist er fest ent99 Vaterlandes und der Beredsamkeit" . schlossen, den Ueberrest seiner Tage in der Zurückgezogenheit, im Schoosse der Philosophie und der Freundschaft zuzubringen . Aus diesen Betrachtungen weckte ihn Daun, der Schweidnitz wegnehmen wollte, von Friedrich aber umgangen und nach den Bergen zurückgedrängt wurde. Hier indessen behauptete er sich trotz aller Manöver des Königs, ihn aus Schlesien zu vertreiben. War Daun's Streich auf Schweidnitz nicht gelungen , so lief um dieselbe Zeit ein anderes Bollwerk des Königs Gefahr, in die Hände der Feinde zu fallen .

Kolberg, von

einer sehr unzureichenden Besatzung vertheidigt, wurde zu Wasser wie zu Lande von einer weit überlegenen russischen Macht angegriffen und furchtbar bombardirt . Aber, wie in Breslau Tauentzien, so liess sich hier Oberst von der Heyde, von der Bürgerschaft unterstützt, nicht einschüchtern ,*) und endlich langte unter General Werner, der in dreizehn Tagen achtundvierzig Meilen zurücklegte, die ersehnte Hülfe an . „ Er kommt, über,,fällt den Feind bei Selnow, bemächtigt sich des wichtigen Passes bei dem Kautzenberg Noch in derselben Nacht hebt der Feind die Belagerung ,,und wirft sich in die Stadt. ,,auf, geht an Bord seiner Schiffe und lässt fünfzehn Kanonen, sieben Mörser und seine Werner macht sechshundert Gefangene ; am folgenden Tage zeigt ,,Munition im Stiche . ,,er sich am Ufer der Ostsee, und zufolge einer unglaublichen Wirkung des Schreckens ,,lichtet die Flotte die Anker, geht unter Segel und eilt auf die Höhe des Meeres .

Wahr-

„ lich, es war dem Herrn von Werner vorbehalten , mit einigen Schwadronen Husaren eine „ Flotte in die Flucht zu schlagen. " **) So Friedrich, welcher der tapferen Unternehmung seines berühmten Reiterführers besonders Erwähnung thut,,,um den tragischen Ernst die,,ser Geschichte ein wenig aufzuheitern" . Wirklich war Kolberg, wenn auch die russischschwedische Flotte ihr Feuer noch einige Tage fortsetzte, gerettet. Nicht so glücklich war kurze Zeit nachher — Anfang Oktober - Berlin, die unbefestigte Hauptstadt des Staates. Zwar wurde der Kommandant Rochow durch die Generale Seidlitz und Knobloch, so wie durch den alten Feldmarschall Lehwaldt bewogen, die Stadt gegen die unter Tottleben herangerückten Russen zu vertheidigen , zwar eilten der Prinz von Würtemberg und Werner aus Pommern, so wie Hülsen aus Sachsen zur Rettung herbei : gegen die feindliche Uebermacht von 42,000 Russen und Oesterreichern unter Tottleben , Czernitschew und Lascy war das offene Berlin durch 14,000 Preussen nicht zu halten . ,,Wären bloss die Russen zu vertreiben gewesen, so würde man mit ,,ihnen fertig geworden sein ; allein die Ankunft Lascy's zog den Verlust der Stadt nach ,,sich. Derselbe hatte bereits Potsdam und Charlottenburg besetzt, und näherte sich BerHätte man das ,,lin von der Südseite. Der Feind warf schon Bomben in die Stadt. ,,Aeusserste abgewartet, so liefen die Truppen Gefahr, gefangen genommen, und die ,,Hauptstadt, gänzlich zu Grunde gerichtet zu werden . Diese wesentlichen und gegrün-

*) Oeuvres, t. V, p. 79. **) Oeuvres, t. V, p. 79 et 80.

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"" deten Betrachtungen veranlassten die Generale zu dem Entschluss, sich zurückzuziehen , ,,wobei sie die Magistrate bedeuteten , Abgeordnete an die feindlichen Befehlshaber zu ,,schicken, um eine Art von Capitulation festzusetzen."*)

Die Stadt zahlte, um sich von

der Plünderung loszukaufen, eine Contribution von 1,500,000 Thalern und 200,000 Thaler als Geschenk an das Heer, welche Summen der in seinen Geldmitteln bedrängte König im folgenden Jahre den Bürgern ersetzte.

Die königlichen Kassen, die Magazine, das

Zeughaus, so wie andere öffentliche Gebäude wurden entweder geleert oder zerstört ; auch Potsdam, wo Lascy die Gewehrfabrik vernichtete, zahlte 70,000 Thaler Kriegssteuer.**) ,,Was wird unser lieber, guter König sagen ? " so riefen, wie der Marquis d'Argens versichert, die Bürger, das Volk, der Adel in Berlin.

92„ Die Zerrüttung der Angelegenheiten in Sachsen, wo das bis auf 40,000 Mann ,,verstärkte Reichsheer Torgau eingenommen hatte, und wo Wittenberg bald dasselbe ,,Schicksal erfahren sollte, so wie die Gefahren, welche der Mark und Berlin drohten, ,,waren hinlängliche Beweggründe, um Friedrich zu bestimmen, eiligst jenen Gegenden zu Man war schon im Monat Oktober, und es stand daher nicht zu ver99.Hülfe zu kommen . ,,muthen, dass der in seinen Dispositionen so langsame Feind in dieser späten Jahreszeit ,, eine Belagerung unternehmen würde , um so mehr, da in Schlesien alle seine Maassregeln Nach aller Wahrscheinlichkeit musste man glauben, der König könne ,,vereitelt waren . ,,Schlesien ohne Gefahr verlassen. " ***)

Von Bunzelwitz bei Schweidnitz rückte Friedrich

in Gewaltmärschen zum Entsatze Berlin's, um den Russen in den Rücken zu fallen und das Lascy'sche Corps abzuschneiden.

Da erhielt er, entschlossen ,, zu siegen oder zu ster-

ben", †) die Nachricht, dass die Feinde zwar Berlin eingenommen , aber auf die Kunde von seiner Annäherung auch schon wieder geräumt hätten , indem die Russen zurück über die Oder gegangen waren , und Lascy sich durch die Niederlausitz nach Torgau gewendet hatte. Friedrich, um die Russen unbekümmert, erreichte Lascy nicht mehr, war aber entschlossen, Sachsen, das sich gänzlich in den Händen der Feinde befand, wieder zu erobern. Indessen war Daun dem Könige nach der Lausitz gefolgt, während Laudon an der Spitze von 40,000 Mann in Oberschlesien zurückblieb. Gegen diesen schickte Friedrich den General Goltz mit 12,000 Mann, um sich nach seinen besten Kräften den Unternehmungen der Oesterreicher zu widersetzen . Die Armee des Königs kam den 22. OktoVon hier aus ber zu Jessen an, da wo sich die schwarze Elster mit der Elbe vereinigt. schrieb der König an den Marquis d'Argens : „ Das sind die Schläge, die ich seit dem ver,,gangenen Winter befürchtet hatte .

Dies , Marquis, gab mir jene Briefe ein, die ich Ihnen

') Oeuvres, t. V, p. 80. **) Man sehe über die Berliner Vorfälle den ausführlichen Brief des Marquis d'Argens an den König vom 19. Oktober 1760. Oeuvres, t. XIX, p. 195–199 . ***) Oeuvres, t. V, p. 78 . †) K. W. v. Schöning : Der siebenjährige Krieg. Unter Allerhöchster Königlicher Bewilligung nach der Original- Correspondenz Friedrich des Grossen mit dem Prinzen Heinrich und Seinen Generalen aus den Staats-Archiven bearbeitet etc. 3 Bände. Potsdam, 1851. 2. Band, S. 423 : Schreiben aus Bunzelwitz vom 7. Oktober 1760,

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„ über meine unglückliche Lage so oft geschrieben habe.

Nicht weniger als meine ganze

„ Philosophie ist nöthig gewesen, um die Unfälle, die Plackereien , die Beschimpfungen und ,,alle jene abscheulichen Dinge zu ertragen, die vorgefallen sind .

Ich bin in voller Unter-

,,nehmung, und ich will Ihnen ungefähr vorhersagen, was das Ende unseres Feldzuges sein ,,wird. Wir werden Leipzig , Wittenberg , Torgau , Meissen wieder neh,,men , aber der Feind wird in Sachsen Dresden , und in Schlesien die „ Berge behaupten , und diese Vortheile werden es ihm leicht machen , „ mir im kommenden Jahre den Gnadens toss zu geben. Ich sage Ihnen nicht, ,,was ich denke, noch womit ich umgehe, aber Sie stellen sich ohne Zweifel vor , was im ‫ وو‬Grunde meiner Seele vorgeht, wie mein Geist hin und her geworfen wird, und welches ,,meine Gedanken sind. - Ihr Brief *) hat mir Vergnügen gemacht, wenn man irgend ein ‫وو‬ ,,ähnliches Gefühl bei dem Sturmwind, in diesen Zeiten der Unruhe, des Umsturzes aller Ich ,,Dinge, inmitten der Verheerung, des Todes und der Zerstörung empfinden kann . ,,sehe, dass Sie mitten unter den Bärenmännern und Oesterreichern eine ruhige Seele be‫ وو‬wahrt haben, und dass Ihre Gesundheit dadurch nicht im mindesten gelitten hat. ,,So ist das Ende meiner Tage vergiftet ; so , lieber Marquis, spielt das Schicksal mit den ,, schwachen Sterblichen ;

aber,

müde

seiner

Gunstbezeugungen und seiner

„ Launen , denke ich mir eine Lage zu verschaffen , in welcher ich weder ,,von Menschen noch von Göttern etwas werde zu fürchten haben. ,,Leben Sie wohl , mein lieber Marquis ; beruhigen Sie sich, und lesen Sie wieder ,,den zweiten Gesang des Virgil, in welchem Sie das Bild von dem sehen werden, was ‚ungefähr mein Vaterland gelitten hat. Schreiben Sie mir, Sie haben Musse dazu, und

„ vergessen Sie mich nicht. “ **) Diese Worte schrieb Friedrich am 22. Oktober an seinen geliebten Freund, und noch düsterer finden wir die Stimmung seiner Seele in dem Briefe vom 28. Oktober, mit dem wir unsere Darstellung eingeleitet haben . Entschlossen, niemals um den Frieden zu betteln, nie sich vor seinen rachsüchtigen Feinden zu beugen, nie seine Schande zu unterschreiben, sondern lieber alles auf das Spiel zu setzen und die verzweifeltsten Dinge zu wagen, um zu siegen oder ruhmvoll zu sterben ; seines geplagten , einsamen Daseins überdrüssig, von der Zukunft nichts erwartend, mit solchen Gedanken ging er, nachdem Wittenberg und Leipzig wieder gewonnen, das Reichsheer aber nach dem Erzgebirge zurückgedrängt war, dem Feinde auf den Leib und schlug ihn nach mörderischem Kampfe am 3. November bei Torgau ***) , so dass sich erfüllte, was er seinem Freunde prophezeiht hatte : Dresden blieb, indem Daun nicht völlig aus Sachsen wich, sondern eine sehr feste Stellung an der Weistritz nahm, den Oesterreichern , dagegen schalteten die Preussen in dem übrigen Sachsen. Und wie urtheilte Friedrich selbst über seinen Sieg bei Torgau ?

*) **) ***) Oeuvres, t.

vom 19. Oktober. Oeuvres, t. XIX, p. 199. 200 . v. Schöning, II., die Briefe vom 4. , 6. , 12. und ganz besonders vom 15. November. V, p. 86-93 .

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Wir erfahren dies aus einem Briefe an den Marquis d'Argens vom 5. November aus Torgau : „ Ich erhalte heute, am 5. November, einen Brief, den Sie mir, mein lieber Marquis, ,,unter dem 25. September schreiben . Sie sehen also , dass unser Briefwechsel wohl in ,,Ordnung ist.

Gott, was für Ereignisse haben sich seitdem zugetragen !

,,wir die Oesterreicher geschlagen ;

Soeben haben

sie und wir haben entsetzlich viel Leute verloren .*)

,,Dieser Sieg wird uns vielleicht einige Ruhe den Winter hindurch ver,,schaffen , das ist alles . Im nächsten Jahr fangen wir wieder von

,,Vorn an .

Ich habe einen Schuss erhalten , welcher mir die obere Brust erschüttert hat ;

„ aber das ist nur eine Quetschung, ein wenig Schmerz ohne Gefahr, und soll mich nicht ,,im geringsten hindern, nach meiner gewohnten Weise zu handeln . Ich bin mit sehr viel ,,nothwendigen Anordnungen beschäftigt.

Kurz, ich werde diesen Feldzug so gut als

,,möglich endigen, und das ist alles , was man von mir verlangen kann . „ meine Art und Weise zu denken ganz ,,acht Tagen bezeichnete. )

ebenso ,

Uebrigens ist

wie ich sie Ihnen vor

In ähnlicher Weise äussert sich der König, indem er

von Meissen aus , fünf Tage nachher, an seinen Freund in Berlin schreibt : ,,Sie müssen ,,durch einen Brief, den ich Ihnen von Torgau geschrieben habe, über das, was mich be,,rührt, gegenwärtig unterrichtet sein . Aus demselben werden Sie ersehen haben , mein

1

,,lieber Marquis, dass meine Quetschung sich nicht als gefährlich erwiesen hat ; ***) die Ku,,gel hatte einen Theil ihrer Kraft verloren, indem sie durch einen dicken Pelz und ein ,,sammetnes Gewand, welches ich anhatte, drang, so dass das Brustbein im Stande gewe,,sen ist, ihrem Druck Widerstand zu leisten ;

doch darum, versichere ich Sie, habe ich

,,mich am wenigsten gekümmert, indem ich keinen anderen Gedanken hatte, als zu sie,,gen oder zu sterben .

Ich habe die Oesterreicher bis an die Thore von Dresden ge-

„ drängt ; sie nehmen daselbst ihr Lager vom letzten Jahre ein ; aber meine ganze Ge,,schicklichkeit ist unzureichend, sie von da zu vertreiben . Man behauptet, dass die Stadt ,,von Magazinen entblösst ist. Ist dies wahr, so wird möglicherweise der Hunger thun, ,,was das Schwert nicht bewirken könnte. Wenn indessen diese Leute hartnäckig darauf ,,beharren, in ihrer Stellung zu bleiben, so werde ich mich genöthigt sehen, diesen Winter, „ ganz wie den verflossenen , in entsetzlich engen Quartieren zuzubringen , und alle Trup,,pen werden dazu gebraucht werden, eine Sicherheitslinie zu bilden, damit wir uns in ,,Sachsen behaupten.

Das ist in Wirklichkeit eine traurige Aussicht und ein wenig loh-

„ nender Preis für die ungeheuren Strapazen und Arbeiten, welche dieser Feldzug gekostet ,,hat. Inmitten so vieler Widerwärtigkeiten habe ich keine Stütze , als ,,meine Philosophie ; sie ist der Stab , auf den ich mich stütze ; sie ist ,,mein einziger Trost in diesen Zeiten der Unruhe und des Umsturzes ,,aller Dinge.

Sie sehen, mein lieber Marquis, dass ich mich durch meine Erfolge nicht

*) Friedrich, 44,000 Mann stark, verlor 13-14,000 Mann, unter denen 3-4000 an Gefangenen ; Daun, 64,000 Mann stark, büsste 16,000 Mann ein, darunter 7-8000 Gefangene. **) Oeuvres, t. XIX, p. 203. 204. ***) Man vergl. v. Schöning, II , S. 431 .

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,,aufblähen lasse ; ich stelle Ihnen die Sachen genau dar, wie sie sind.

Vielleicht urtheilt

,,die Welt anders, geblendet durch den Glanz , den ein Sieg um sich verbreitet : Von fern trifft uns der Neid, zu Hause scufzen wir. *) ,,Das geschieht öfter, als man meint, rechnen Sie darauf ; um die Dinge richtig zu würdi,,gen, muss man sie aus der Nähe sehen. ** ) Wie ich es auch immer anfangen mag, die ,,Ueberzahl meiner Feinde erdrückt mich ; ***) darin besteht mein Missgeschick, und dies ,,ist die wirkliche Ursache so vieler Unfälle und Schläge, die ich nicht habe vermeiden ,,können. Diesen Winter glaube ich nicht Sie wiederzusehen, es müsste denn Europa ,,friedlichere Gesinnungen annehmen . Ich wünsche es, wage aber nicht mir damit zu ,,schmeicheln . Wir haben unsern Ruf durch die Schlacht vom 3. gerettet. Gleiwohl ,,glauben Sie nicht , dass unsere Feinde hinlänglich zu Boden geworfen ,,sind , um Frieden schliessen zu müssen. Die Angelegenheiten des Prinzen Fer,,dinand stehen schlecht ; ich fürchte, dass die Franzosen diesen Winter die Vortheile be,,haupten, welche sie in diesem Feldzuge über ihn gewonnen haben. Kurz, ich sehe schwarz , ,,als ob ich in der Tiefe eines Grabes wäre . Haben Sie einiges Mitleid mit der Lage, in der ich ,,mich befinde ; fassen Sie wohl, dass ich Ihnen nichts verhehle, und dass ich Ihnen gleichwohl ,,nicht alle meine Verlegenheiten, Befürchtungen und Leiden umständlich erzähle . Leben ,,Sie wohl, lieber Marquis ; schreiben Sie mir manchmal, und vergessen Sie nicht einen ,,armen Teufel, der zehnmal des Tages sein verhängnissvolles Dasein verwünscht, und der ,,schon an jenen Orten sein möchte , von denen Niemand zurückkehrt , um 66 ,,Nachricht darüber zu geben. " +) Denselben Geist athmen die bis Anfang Dezember desselben Jahres an den Marquis gerichteten Briefe. ++) Friedrich, dem bekanntlich eine geistvolle Unterhaltung über alles ging, klagt, dass er nicht die geringste Gesellschaft habe ; beraubt aller Personen, die er geliebt habe, sei er auf sich selbst angewiesen und bringe sein Leben damit zu , seine Augenblicke zwischen einer unfruchtbaren Arbeit und tausend Besorgnissen zu theilen. Die Aussicht, einige Wochen in Leipzig zuzubringen, macht ihm Hoffnung, seinen lieben Marquis bei sich zu sehen . Fast schüchtern fragt er deshalb bei ihm an ; er wolle nicht zu viel von ihm verlangen ; wenn jedoch die Reise, ohne der Gesundheit des Freundes zu schaden, gemacht werden könne, übernehme er es, die Anordnungen dafür zu treffen und für alle seine kleinen Bequemlichkeiten Sorge zu tragen. Aber als wenn ihm sein feindseliges Geschick auch diesen Trost nehmen könne,

*) Aus der Sémiramis (acte I , scène 1 ) von Voltaire, wo es heisst : Ailleurs on nous envie, ici nous gémissons . **) Denselben Gedanken führt der König in dem nächsten Briefe ( 16. November) weiter aus . ***) Derselbe Gedanke in dem Briefe vom 24. November. †) Oeuvres, t. XIX, p. 204. 205 . - In Bezug auf den Schluss zu vergleichen der Brief vom 22. November : „ Adicu , mou cher marquis, portez -vous bien, et faites des voeux pour un pauvre diable, „qui s'en ira voyager dans cette prairie plantée d'asphodèle , si la paix ne se fait pas." Oeuvres, t. XIX, p. 208. Man sehe Homer's Odyssee, Ges. XI, v . 539 und 573, so wie Ges. XXIV, v. 13. ††) Oeuvres, t. XIX. p . 206–212. 3

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bescheidet er sich im voraus, seinen Plan fehlschlagen zu sehen, wenn derselbe dem Marquis nicht behage.

Und als dieser mit Freuden zusagt, theilt er ihm mit, dass er ein an

seine eigene Wohnung stossendes Haus durchbrechen lasse, damit der Freund ohne die geringste Unbequemlichkeit zu ihm gelangen könne. Doch welche Einsicht dieser auch sonst besitze, so kenne er doch die Mühe, die es ihm mache, seine Reise selbst zu leiten. Um ihm die grossmüthige Anstrengung, die er zu seinen Gunsten machen wolle, zu erleichtern, werde er ihm einen Jäger als Führer schicken.

Die Marquise ) müsse auch von

der Reise sein.

Durchaus nicht wolle er in seinem Briefe alles erschöpfen, was er sich vornehme, ihm selbst zu sagen ; nicht wolle er die Blume des Vergnügens , das er Darum bewahre er alles, was von seiner Unterhaltung erwarte , welk machen . Der Jäger dieser Merkur werde dafür er auf dem Herzen habe, für Leipzig auf. sorgen, dass ihm kein Unfall zustosse, und er werde mit Horaz ausrufen : Theures Schiff, du trägst d'Argens nach den sächsischen Gestaden.**) Endlich benachrichtigt er ihn , von welchem Tage an er in Leipzig eintreffen könne ; der Ueberbringer des Briefes sei der Jäger, dem er den Freund anempfohlen habe , wie Crösus oder ein Generalpächter sein Geld zu empfehlen vermöge. Er könne ihm nicht verheimlichen , dass er sich ein sichtliches Vergnügen daraus mache, ihn wiederzusehen und ihn über unendlich viel Gegenstände zu unterhalten. Er werde wie ein Karthäuser sein, dem sein Oberer die Freiheit zu sprechen gewähre . Habe er doch im Stillschweigen und in der Zurückgezogenheit gelebt. So möge sich denn der Marquis auf eine Fluth von Geschwätz und auf alles das gefasst machen, was die Maasslosigkeit einer von dem Schmerz und der Stille der Einsamkeit lange Zeit angefesselten Zunge hervorbringen könne. Binnen acht Tagen hoffe er ihn von Angesicht zu Angesicht zu sehen, hoffe er seine beseligende Erscheinung zu geniessen und ihm seine Gefühle auszudrücken, die nichts als Achtung und Freundschaft für seine Person enthielten . Freuen wir uns der Freude des Königs, und gönnen wir ihm von Herzen diesen Trost, dessen er, der standhafte Dulder, umwogt von dem Brausen eines stürmischen Meeres, so sehr bedürftig war. Die ganze Liebenswürdigkeit Friedrich's tritt, wie sonst in seinem vertrauten Briefwechsel, so auch in diesen Ergüssen warmer, inniger Freundschaft mit ungeschminkter Wahrheit zu Tage ; für Freundschaft aber besass er ein Herz, wie selten Jemand. Er genoss seinen Marquis bis in den März des folgenden Jahres . Die Angelegenheiten in Schlesien, deren wir noch mit wenigen Worten zu gedenken haben, waren nach dem Abzuge des Königs ( Oktober ) nicht ungünstiger geworden , wiewohl Golz nur 11-12,000 Mann dem 40,000 Mann starken Laudon gegenüber zur Verfügung hatte. Darin zwar täuschte sich der König, dass der Feind in dieser späten Jahreszeit keine Belagerung unternehmen würde ; denn Laudon, nach Ober- Schlesien

*) Von Friedrich auch angeführt unter dem Namen : Babet. **) Carminum lib . I, od . 3. Ad navem, qua vehebatur Virgilius Athenas proficiscens. Diva potens Cypri" etc.

‫ وو‬Sic te

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vorgedrungen, versuchte den 24. und 25. Oktober gegen die Festung Kosel zwei Stürme hintereinander ; er ward jedoch beidemal durch die guten Anstalten des Kommandanten Lattorf zurückgeschlagen, und die Annäherung des Generals Golz nöthigte ihn, die Belagerung aufzuheben, so dass dieser Stützpunkt der Landesvertheidigung mit seinem Magazin nicht dasselbe Schicksal hatte, wie Glatz im Juli desselben Jahres. Laudon erreichte auch fernerhin nichts am Ende dieses Feldzuges ; die Winterquartiere bezog er in der Grafschaft Glatz, während die Armee des Königs sich von Frankenstein bis Hirschberg ausdehnte. Wir haben Friedrich über seine Lage und seine Unternehmungen selbst reden lassen, und wenn wir gesehen haben, dass seiner Anschauung kein Ende des verheerenden Kampfes in Aussicht steht, indem seine Feinde nicht niedergeschmettert, seine Länder dagegen zum grossen Theil verwüstet seien ; dass er sich zwar für den Winter einige Ruhe verspricht, dass er aber im nächsten Jahre wieder von vorn werde anfangen müssen : so finden wir, dass er nicht zu schwarz sicht, sondern dass seine Umstände allerdings verzweifelt genannt werden müssen .

Dazu kam, dass , wie das Jahr 1759 den schon längere Zeit

vorher angekündigten Todesfall eines europäischen Fürsten, des Königs Ferdinand VI. von Spanien, mit sich gebracht, nun Georg II. von England ( 25. Oktober 1760 ) plötzlich das Zeitliche gesegnet hatte, zwei Regierungsveränderungen , die, in einander wirkend, für Friedrich verhängnisvoll werden sollten , indem die eine die Zahl seiner Feinde vermehrte, die andere aber ihn seines einzigen Bundesgenossen von Bedeutung beraubte. Bekannt ist der durch Pitt, den aufrichtigen Bewunderer Friedrich's, am 4. April 1758 erfolgte Abschluss eines Freundschafts- und Subsidienvertrages zwischen Preussen und England, kraft dessen nur ein gemeinschaftlicher Friede den gemeinsamen Krieg endigen, Friedrich aber eine jährliche Subsidie von vier Millionen Thalern erhalten sollte. Ein anderer Vortheil des Vertrages lag für Friedrich darin, dass England nicht nur die sogenannte alliirte Armee allein zu bezahlen, sondern dieselbe auch bedeutend zu vermehren versprach.

Der Vertrag, von Pitt in Hinsicht auf seine amerikanischen und ostindischen

Pläne geschlossen, wurde in den folgenden Jahren erneuert, das letzte Mal den 12. Dezember 1760 , als Pitt, beim Tode Georg's II. auf dem Gipfel der Macht und der Volksgunst, bereits in seinen Plänen durch den neuen König Georg III. und dessen Kreaturen durchkreuzt wurde.

Dieser, der Sohn des Prinzen Friedrich von Wales und der Prin-

zessin Auguste von Sachsen- Gotha, bestieg in dem Alter von zweiundzwanzig Jahren als geborener Engländer den britischen Thron. Wenn ihm der letztere Umstand zur Versöhnung der feindlichen Parteien von Nutzen sein konnte, so war doch sein Charakter, als er die Regierung antrat, noch wenig entwickelt, und seine streng abgeschlossene Erziehung hatte nicht dazu beigetragen, seine ohnehin unbedeutenden Anlagen zu entwickeln . Nicht zu einem konstitutionellen König hatte man ihn heranzubilden gesucht, sondern man war bemüht gewesen, ihn mit absolut - monarchischen Vorstellungen zu erfüllen . Eine neue Theorie des Toryismus sollte durch ihn , an dessen Thronbesteigung die Tories maasslose Hoffnungen knüpften, in Praxis gesetzt, Parteiwesen und Bestechung für immer beseitigt werden .

Ein kräftiger Gebrauch der Krongewalt durch einen patriotischen König werde

diesen von der vorgeblichen Nothwendigkeit befreien , Parlamentsglieder zu bestechen ; er, 3*

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der König, habe nur zu wollen, um sich von der Knechtschaft irgend welcher Menschen zu befreien, um ungehindert, ohne Unterschied der Partei, aus der Reihe der von ihm würdig Gefundenen seine Rathgeber zu wählen . Das Verdienst, den jungen, gänzlich unerfahrenen Fürsten mit solchen Ideen genährt zu haben, um aus ihm einen Salomo . von Whitehall zu machen, gebührt, ausser seiner ausländischen Mutter, seinem Garderobeaufseher, Mentor und Freund, dem Johann Stuart, Earl von Bute, der aus einem den alten schottischen Königen verwandten Geschlechte entsprossen war. Als Acteur auf einem Liebhabertheater, für welchen Zeitvertreib seine Hauptbefähigung in einem hübschen Beine lag, hatte er die Aufmerksamkeit des Prinzen von Wales auf sich gezogen und war ein Mitglied des Hofstaates desselben geworden .

Auf mannichfaltige Weise hatte er seine Musse zu beschäf-

tigen gewusst ; er erfand nette Anzüge zu Maskeraden, er gab sich mit Geometrie, Mechanik und Botanik ab, er widmete Alterthümern und Kunstwerken einige Aufmerksamkeit und galt in seinem eigenen Kreise für einen Richter über Malerei, Baukunst und Poesie. Als Privatmann von unbestrittener Ehrenhaftigkeit, besass er doch nicht im entferntesten die Fähigkeit, denn er war ohne jegliche Erfahrung in den Staatsgeschäften und besass nur die Anmassung dazu , die Schicksale einer grossen Nation unter ungewöhnlichen Verhältnissen zu leiten . Wie wenig Beruf er zu der so schwierigen Königskunst hatte, wird am besten durch ein Wort des Prinzen von Wales bezeichnet, indem dieser einst zu ihm sagte : ,,Bute, Sie sind der rechte Mann , Gesandter an irgend einem kleinen stolzen deutschen Hofe zu sein, wo es nichts zu thun giebt." Als Vertreter der Torypartei wollte Bute, der Günstling, der Schotte ohne Familienanhang, England von Bestechung und oligarchischen Kabalen befreien, es von den festländischen Verbindungen losmachen, den blutigen und kostspieligen Krieg mit Frankreich zu Ende bringen, den heldenmüthigen Bundesgenossen , den er und sein König hassten, auf die perfideste Weise zum Frieden zwingen und so dem Verderben preisgeben . *) Gleich die erste Rede, welche der junge, unselbständige König an seinen Geheimen Rath hielt, zeigte die wahren Absichten Bute's ; denn von diesem war sie entworfen worden, ohne dass man sie dem Kabinet vorgelegt hatte .

Dieselbe enthielt einige Aeusserungen, welche als

tadelnde Bemerkungen über die Führung der Angelegenheiten unter der vorigen Regierung ausgelegt werden konnten . Sie sprach von einem blutigen und kostspieligen Kriege und von der Erlangnng eines ehrenhaften und dauernden Friedens. Pitt machte Gegenvorstellungen und verlangte, dass dem Worte ,, kostspielig" hinzugefügt werde ,, aber gerecht und nothwendig", und dass nach dem Worte ,,Frieden " gesetzt würde ,,im Einverständnisse mit unsern Verbündeten ."

Aber erst nach mehrstündigem Wortwechsel gab

Bute nach, und selbst nachdem Bute nachgegeben hatte, beharrte der König bei seinem Widerstand bis zum folgenden Nachmittag.

An demselben Tage, an welchem dieser Streit

stattfand, wurde Bute nicht bloss in den Geheimen Rath geschworen, sondern auch in das

*) Friedrich nennt ihn deshalb einen Bösewicht, der weit eher gerädert zu werden verdiene, als Cartouche. (Cartouche, dieser berüchtigte Ganner und Spitzbub, war gerädert worden am 28. Nov. 1721.) Oeuvres, t. XIX, p. 372.

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Kabinet eingeführt ; bald darauf erhielt er, in Folge eines mit dem bisherigen Lord SiegelIn diesem Augenbewahrer verabredeten Planes, die Siegel und trat in das Parlament. blick jedoch wagte Georg III. noch nicht, die Whigminister seines Grossvaters zu entlassen ; denn auf das ruhmvollste war der Krieg bisher geführt worden, so dass die Friedenspartei, die auch im Kabinet ihre Vertreter hatte, und die vor der riesig anwachsenden Staatsschuld zurückschrak, vorläufig noch zum Schweigen verurtheilt war. Demgemäss wurde der frühere Subsidienvertrag mit Preussen unverändert, jedoch zum letzten Male, erneuert ( 12. Dezember 1760) , so wie auch für die alliirte Armee und die übrigen mit England verbündeten Fürsten die nöthigen Bewilligungen gewährt. *) Mit grosser Besorgniss blickte Friedrich auf diese Vorgänge in England , denn fast mit Gewissheit konnte er den Sturz seines unerschrockenen Freundes binnen kurzem voraussehen. So lange dieser jedoch die Seele des britischen Kabinets war, kam es zwischen England und Frankreich zu keinem zweiten Utrechter Frieden, wie sehr man es sich auch in Versailles hatte angelegen sein lassen , den König von Preussen mit England zu überwerfen . Man weiss, welche Rolle Voltaire, der seinen ,,Prinz- Philosophen, seinen grossen Fürsten, sein grosses Genie, seinen Alexander, seinen Sokrates, seinen Gott Friedrich, seinen gekrönten Apollo, seinen Friedrich den Grossen " schon seit dem Ende des Jahres 1757 mit dem Schmutznamen ,,Luc" bezeichnete, bei diesen Kabalen übernommen hatte, um sich dem Herzog von Choiseul, so wie der Frau von Pompadour, zu empfehlen und Sollte doch Friedrich veranlasst werden, die Engländer zu an ,,Luc" Rache zu nehmen. zwingen, gleichzeitig mit ihm Friede zu schliessen , indem er sie dahin bringe, die Herrschaft der Meere , der Kolonien und des Handels aufzugeben , wofür dann Frankreich ihm helfen werde, seine Eroberungen in Deutschland zu behalten . Aber Friedrich, der die Versuche des Herzogs von Choiseul, ihn von England zu trennen , auf das klarste durchschaute, schrieb deshalb an Voltaire : „ Alles , was ich Ihnen in Bezug auf den ,,Frieden sagen kann , ist, dass ich Ehre für Zehn habe, und dass, welches Unglück mich ,,auch treffen mag, ich mich unfähig fühle, etwas zu thun , was in irgendwelcher Weise den ,,Punkt verletzt, der einem tapferen Ritter über alles geht, und den die infamen Politiker, ,,die wie Schacherer denken , für nichts anschlagen . Um Frieden zu schliessen, bedarf es ,,zweier Bedingungen, von denen ich nie abgehen werde, und zwar erstens ihn gemein,,schaftlich mit meinen Verbündeten, und zweitens ihn ehrenhaft und ruhmvoll zu ,,schliessen ." **) In derselben ritterlichen Weise, wie Friedrich in Bezug auf den Frieden dachte , empfand und handelte auch Pitt, als die Franzosen, deren Geldmittel erschöpft waren, den schmachvoll geführten Krieg durch einen Separatfrieden mit England zu endigen wünsch-

*) Die Darstellung dieser englischen Verhältnisse hauptsächlich nach Macaulay's Wilhelm Pitt, Earl von Chatham, in dessen kleinen geschichtlichen und biographischen Schriften. Uebers . v. Fr. Bülau. 3. Rd . **) Lettres du roi de Prusse et de Mr. de Voltaire, t. II, p. 301. (Ausgabe der Oeuvres de Voltaire. Imprimerie de la société littéraire typographique 1785, t. 64 , 65 , 66.) Man vergl . J. Venedey : Friedrich d. Gr, und Voltaire, Leipzig, 1859.

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ten.

Die beiderseitigen Bundesgenossen sollten aufgegeben werden, Kanada wollte man den Engländern überlassen, dafür sollte Frankreich durch die Landgrafschaft Hessen-

Kassel und durch die Grafschaft Hanau entschädigt werden.

Mitten in Deutschland also

suchten die Franzosen festen Fuss zu fassen, während Pitt die Erklärung abgab, dass nur ein allgemeiner Friede dem Krieg ein Ende machen könne. Ebensowenig Erfolg hatten die Verhandlungen in Augsburg, wo ein Kongress aller kriegführenden Mächte den Frieden für Deutschland vermitteln sollte.*) Inmitten aller dieser aufrichtig oder hinterlistig gemeinten Friedensbemühungen wurden von beiden Seiten die Zurüstungen zu dem bevorstehenden Feldzug mit dem grössten Eifer beschleunigt. ,, Die Feinde Friedrich's nahmen sich vor, ihre äussersten ,,Kräfte anzuwenden und alles aufzubieten, um den König von Preussen an den Rand des ,,Abgrundes zu bringen . " **) Während die Franzosen, um durch die Eroberung deutscher Länder ein Aequivalent für ihre verloren gegangenen Kolonien zu erlangen, ihre Armee in Deutschland bis auf 150,000 Mann verstärkten , stellte Oesterreich 130,000 Mann, Russland 100,000, das Reich 16-18,000 ,

Schweden

12,000 Mann ins Feld .

,,Mit weniger eigenem Gegen

,,Volk und Bundesgenossen zertrümmerte Alexander den persischen Staat. " ***)

eine solche Uebermacht vermochte der König, der deshalb zu den härtesten Maassregeln

1

zu greifen genöthigt war, das Heer des Prinzen Ferdinand mit eingeschlossen , nur 160-170,000 Mann aufzubringen . Waren aber auch seine Truppen , wie er sich selbst eingesteht, †) schlechter, die der Feinde dagegen ungleich besser geworden, so belebte doch sein Geist seine bunt zusammengewürfelten Massen, und die Furcht der Feinde vor dem überlegenen , unermüdlichen , an Hülfsquellen stets unerschöpflichen Heerführer war noch nicht geringer geworden .

Auch war der König so glücklich , durch den russi-

schen General Tottleben den Feldzugsplan der Russen und Oesterreicher zu erlangen . ††) Die Eroberung Schlesiens stand auch diesmal obenan. Zu diesem Zweck wurde Laudon, bis auf 70,000 Mann verdenn mit Daun wollten die Russen nichts zu thun haben stärkt .

Ihm sollten die Russen, 60,000 Mann stark, unter Buturlin, wie dies schon in

dem Feldzuge von 1760 , Daun gegenüber, versucht worden war, die Hand reichen ; der Streich auf Kolberg aber sollte durch den zuletzt 40,000 Mann starken Romanzof, mit Hülfe einer russischen und schwedischen Flotte, jetzt wirklich ausgeführt werden .

Daun ,

60,000 Mann stark, im Mittelpunkte der feindlichen Stellung, erhielt die Aufgabe, einer-

*) Die Verhandlungen am Reichstage fanden erst im August 1761 statt. **) Oeuvres, t. V, p. 109 . ***) Oeuvres, t. V, p. 109. †) v. Schöning, III, S. 78 u . 79 ; 101. + ) Ueber die wirksame Bestechung Tottleben's zu vergl. Oeuvres, t. V, p. 108 ; ferner : v. Schöning, III, die Schreiben vom 6. u . 8. April, vom 13. Mai, vom 1., 4. , 8., 12. u. 15. Juni ; endlich : Stuhr, II, S. 394 u. 395, sowie S. 399 u. 400. - Tottleben wurde verhaftet und in Ketten gelegt ; dasselbe Schicksal theilte sein Sohn. Nach dem Tode der Kaiserin Elisabeth, unter Peter III., wurde der Vater kriegsrechtlich freigesprochen, und mit ihm zugleich sein Sohn aus der Haft entlassen.

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seits Dresden zu decken und andererseits, vermittelst der Reichstruppen, die Verbindung mit den Franzosen, wie durch Detachements nach der entgegengesetzten Seite hin den Zusammenhang mit Laudon zu unterhalten. Seine Armee war gleichsam die Vorraths,,kammer, aus welcher Verstärkungen nach allen Gegenden hin, die derselben benöthigt ,,sein würden, abgehen sollten ." 99 Von Seiten des Königs und seiner Bundesgenossen war es unmöglich, hinläng,,liche Maassregeln zu nehmen, um sich den Absichten und der Macht einer solchen Menge Im Allgemeinen ward man jedoch über ,,von Feinden mit Nachdruck zu widersetzen . Der König vertraute die Armee in Sachsen dem Prinzen ,,folgende Anordnungen einig. ,,(Heinrich) , seinem Bruder, und empfahl ihm, den Feldmarschall Daun zu beobachten, ,, und im Fall derselbe den Weg nach Schlesien nähme, ihm mit einem Theile seiner ,,Truppen zu folgen, den Herrn von Hülsen aber alsdann mit einem Detachement bei ,,Meissen zu lassen, um sich in Sachsen so lange zu behaupten , als es die Umstände geDie Vertheidigung Schlesiens behielt der König sich selbst vor ; den ,,statten würden . ,,Herrn von Golz wählte er, um Glogau mit einem Korps von 12,000 Mann zu decken. ,,Der Prinz von Würtemberg wurde bestimmt, Kolberg zu schützen , und man liess emsig ,,an dem verschanzten Lager arbeiten , welches er rund um diese Festung besetzen sollte. " *) Gegen Die Streitmacht des Königs war im ganzen dieselbe, wie im Jahre 1760. die Uebermacht des Feindes, der seinen Operationen immer mehr Zusammenhang gab, mussten 96,000 Mann so vertheilt werden, dass wir überall unzureichende Kräfte finden , Niemand klagte darüber mehr, als der Prinz um die Pläne des Gegners zu vereiteln. Heinrich, der sich in Folge der beredten Vorstellungen des Königs hatte bereit finden lassen, in diesem Feldzuge wieder ein Kommando zu übernehmen, und dessen Briefwechsel mit seinem Bruder und Kriegsherrn für die Besorgnisse, Hoffnungen , Pläne, Unternehmungen und Ereignisse des Jahres 1761 von ganz besonderem Interesse ist. Gewichen war die durch die Vorwürfe seines Bruders erzeugte Verstimmung des Prinzen vor der drohenden Lage, in welcher sich der Staat beim Beginn des neuen Feldzuges befand .

Friedrich freilich suchte ihm diese in dem günstigsten Lichte zu schildern :

die Franzosen würden noch vor Eröffnung des Feldzuges ihren Frieden schliessen ; von den Schweden könne nicht mehr die Rede sein ; die Russen würden für den kommenden Feldzug ihre Haut nicht mehr zu Markte tragen wollen ; so blieben nur noch die Oesterreicher übrig, die, wenn auch an Geld Mangel leidend , doch ihrer löblichen Gewohnheit gemäss sich zuletzt vertragen würden . ,,Wir müssen uns also ," fährt der König fort, „ vorbereiten , ihnen zu widerstehen ; und da wir bis zum gegenwärtigen Augenblick tapfer ,,ausgehalten haben, so müssen wir das Werk krönen und noch dieses Stück Feldzug den ,,fünf verflossenen hinzufügen . So hoffe ich denn, dass Du als guter Patriot Dein Mög,,lichstes thun wirst, um zu dem Abschluss des Friedens das Deinige beizutragen . Uebri,,gens bin ich überzeugt, dass die Waffenübung die beste Medizin ist, welche die Aerzte „ Dir vorschreiben können. “ **) Und der Prinz , wiewohl noch leidend , gab nach. Wie

*) Oeuvres, t. V, p. 110. **) v. Schöning, III, S. 22 u. 23 .

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bereits bemerkt, trug ihm der König auf, Sachsen mit 30,000 Mann gegen Daun, der anfänglich 70,000 Mann stark war, zu decken, wenn aber dieser nach Schlesien aufbräche, Hülsen mit einer Abtheilung zurückzulassen und sich mit dem Könige in Schlesien zu vereinigen. Zugleich sollte der Prinz auf das Reichsheer im Reussischen und im Voigtlande unter Serbelloni ein wachsames Auge haben, die Streifereien desselben, wie auch die der Franzosen, durch den Saalkreis und das Halberstädtische hindern , und endlich Berlin schützen, im Fall es von den Russen oder von den Oesterreichern bedroht würde. Bestimmte Verhaltungsmaassregeln über alle diese Punkte könne ihm der König nicht geben ; er rechne dabei auf den Geist und den gesunden Menschenverstand, den die Natur dem Prinzen verliehen habe, um selbständig seine Entschlüsse zu fassen, indem er zwischen den Mitteln wähle, deren Gebrauch ihm freistehe. * )

Der König rechnete nicht vergebens . In einer festen Stellung zwischen Elbe und Mulde, von Meissen bis Nossen - das Hauptlöste der Prinz seine Aufgabe Daun gegenüber, quartier war Schlettau bei Meissen der, durch Detachements bis auf 38,000 Mann geschwächt, sieben Monate hindurch in Unthätigkeit verharrte . Der König dankte bereits im Juli dem Prinzen für die Anstrengungen, die er mache, um die Entwürfe des Feindes in Sachsen zu vereiteln . ,,Das ist ,,sicher der grösste Dienst, den Du bei der gegenwärtigen Lage dem Staate leisten kannst, ,,und ich schmeichle mir noch immer, dass das Glück uns nicht gänzlich verlassen wird, „ nachdem es uns in fünf auf einander folgenden Feldzügen gut wie schlecht beigestanden ,,hat." **) Der König, der in Leipzig den Winter in der Gesellschaft seines Marquis zugebracht hatte, und dessen Gemüthsverfassung wir hinlänglich kennen gelernt haben, sah beim Beginn des sechsten Feldzuges die Zukunft nicht günstiger an als vorher . ,, Endlich ,,stehen wir," so schreibt er von Meissen aus an seinen Freund in Berlin ,,,bei der Eröff,,nung des Feldzuges, und wahrscheinlich wird derselbe mit den gleichen UnannehmlichIch gestehe Ihnen, dass „ keiten und Gefahren, wie der vorhergehende, geführt werden. Ich sage mir ,,mich dies, wenn ich daran denke, träumerisch und schwermüthig macht . Verhängniss jenem und fortreisst, uns welcher Ereignisse, der ,,oft, dass man dem Strom ,,nicht widerstehen kann, welches die Menschen treibt, so wie die Winde den Sand und die Dieser Trost ist nicht eben tröstlich ; aber alles ist damit gesagt . Ich ,,Fluten aufregen . Gott weiss, ob ,,danke Ihnen für die Beschreibung, die Sie mir von Sans- Souci machen . diesen Ort, wie die denke an Ich werde. setzen dahin ,,ich jemals wieder meinen Fuss ,,Juden an Jerusalem, oder wie Moses an das gelobte Land, wohin er das Volk Israel ,,führen wollte, und welches zu betreten ihm selbst versagt blieb . — — Unaufhörlich habe Ich besitze nur ,,ich die schwierige Aufgabe, die ich zu erfüllen habe, vor Augen. „ einen starken Vorrath an gutem Willen und eine unwandelbare Anhäng,,lichkeit an den Staat : das sind meine ganzen Waffen. Kurz , ich stürze mich ,,mit geschlossenen Augen in ein von verschiedenen Winden aufgewühltes Meer, und ohne zu wissen, wo ich landen werde .

*) v. Schöning, III, S. 34. **) v. Schöning, III, S. 136 ,

Das ist der wahre Grund von dem, was mich angeht,

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,,und was ich für die Zukunft muthmaasse.

Ich bemühe mich, Ruhe zu erkünsteln ; indess

,,urtheilen Sie selbst, ob die Philosophie einem mit lebhaften Leidenschaften geborenen ,,Menschen diese vollkommene Unempfindlichkeit zu geben vermag. "*) Seine Musse beschäftigte der König in gewohnter Weise mit Lectüre und literarischer Beschäftigung ; namentlich las er damals das grosse, sechszehn Bände enthaltende Geschichtswerk von Thou und zeigte sich davon sehr befriedigt. **) Er war jedoch nicht im Stande, damit die trüben Bilder zu verscheuchen , welche seiner Seele vorschwebten. 99,Trotz aller meiner Lectüre", schreibt er an den Marquis,,,kann ich die Unruhe meines ,,Geistes nicht stillen ; die Krisis, in der ich mich befinde, dauert allzu lange, und die Ge,,fahren und Bedrängnisse bleiben dieselben . Aber ich will Ihre Phantasie nicht durch ,,alle die schlimmen und unheilvollen Gedanken schwärzen , welche mir durch den Kopf ,,gehen. Ein Jeder muss sein Schicksal erfüllen und sich dem Verhängniss unterwerfen, ,,welches die Ereignisse verkettet und die Menschen zwingt , sie zu erdulden , ohne dass sie ,,dieselben vermeiden können . “ ***)

Diese Worte richtete der König bereits von Schlesien

aus an den Marquis, indem er am 3. Mai von Meissen aufgebrochen war, um sich mit dem durch Laudon gefährdeten Goltz zu vereinigen . †) Auf die Nachricht von der Annäherung des Königs zog sich Laudon eilig gegen

die Grafschaft Glatz hin zurück und verschanzte sich bei Braunau . Der König wählte dagegen seine Stellung bei Kunzendorf zwischen Schweidnitz und Freiburg, wo er anderthalb Monate, bis zum 7. Juli, blieb, um seine weiteren Operationen von den Bewegungen der Feinde abhängig zu machen . Seine Ankunft daselbst meldet er dem Marquis mit den Worten : ,,Da bin ich nun in Schlesien angelangt, ohne deshalb weiter vorwärts gekommen zu ,,sein. Die Bärenmänner bereiten sich zum Feldzuge vor, die Franzosen desgleichen , die ,,Oesterreicher stehen uns gegenüber. Sie sehen, dass unsere Lage im Ganzen und Gros,,sen dieselbe ist, wie im verflossenen Jahre, und dass dasjenige, was ich Ihnen in Leipzig ,,gesagt habe, nur allzu wahr ist . Diese Lage, welche den hellen Zwischenzeiten der ,,Aerzte gleicht, wird ungefähr bis in den Monat Juli anhalten . Aber alsdann wird in ,,diesen Gegenden ein schöner Hexentanz losgehen , und das Glück, das Verhängniss , der ,,Zufall oder alles, was Ihnen beliebt, werden die Entscheidung übernehmen . Ich lese Lu,,cian, von Zeit zu Zeit Racine, bisweilen Voltaire, um mich zu zerstreuen . Uebrigens ver,,bringe ich mein Leben fein allein mir selbst gegenüber, ohne anders an die Zukunft zu ,,denken , als unbedingt nothwendig ist, und ohne Dinge vorhersehen zu wollen , über welche ,,die Natur einen für unsere Augen undurchdringlichen Schleier geworfen hat. Wenn Sie Wenn Sie in Betreff ‫دو‬, wissen wollen , ob ich heiter bin, so sage ich Ihnen offen : Nein. ,,meiner Gesundheit neugierig sind , so vernehmen Sie, dass dieselbe, trotz einiger Gebre,,chen, erträglich genug ist, um mir Hoffnung zu geben , dass sie den Strapazen des Feld-

*) **) ***) †) gilt für die

Oeuvres, t. XIX, p. 216 et 217. Oeuvres, t. XIX , p. 218 et 226. Oeuvres, t. XIX, p. 226 et 227. Der Marsch, den Friedrich damals in 3 Colonnen über Görlitz nach Schweidnitz unternahm, schnellste Heeresbewegung im siebenjährigen Kriege.

* 26

,, zuges Widerstand leisten wird. " *) Aus Potsdam antwortet der Marquis dem Könige, dass er den Augenblick nicht fern glaube, wo er ihn in seinem Sans- Souci wiedersehen werde .

Sodann berührt er die Friedensunterhandlungen der Engländer und Franzosen,

sowie, dass alle Zeitungen von nichts als von dem Vertrage des Königs mit den Türken sprächen, ja dass nach ihnen Friedrich sogar einen Abgesandten der Ottomanischen Pforte in seinem Lager empfangen habe. Er zweifle jedoch an der Richtigkeit dieser Nachricht, weil ihm der König auch nicht ein Wort über diesen muselmännischen Botschafter gesagt habe, und doch sei er ein starker Anhänger des heiligen Muhamed, und habe er die sieben kaiserlichen Moscheen zu Konstantinopel mit musterhafter Andacht besucht. **) Auch wir sind neugierig, zu erfahren , wie es sich in Wahrheit mit dieser Angelegenheit verhielt, auf die der König in seiner Correspondenz mit dem Marquis d'Argens, wie auch mit seinem Bruder Heinrich und seinen Generalen so oft zurückkommt . Es haudelt sich dabei um nichts Geringeres, als um den Eintritt Preussens in die orientalische Politik Europa's und seinen, der neuen Machtstellung, die es bereits genommen, und die es weiter anstrebte, entsprechenden Einfluss in die Geschicke des damals schon ,,kranken Mannes". Der Verfall des türkischen Reiches im Laufe des achtzehnten Jahrhunderts war weder den Fremden noch den Einheimischen, die tiefer blickten als die grosse Masse, ein Geheimniss. Die fortdauernde Finanznoth, die Abnahme des kriegerischen Geistes der Nation, der Mangel einer festen inneren Verwaltung, wie er sich in dem ganzen Regierungssystem des Serai, in dem häufigen Wechsel der Grosswesire und in einer ununterbrochenen Gährung im Inneren des Reiches kundgab , bedingten auch die Thatlosigkeit der Pforte nach Aussen . Dass der Staat an unheilbaren Uebeln leide, fühlte Niemand tiefer als Sultan Mustapha III . ( 1757—1774 ) , mit dem wir es hier vorzugsweise zu thun haben, und dessen Charakter unser Interesse in erhöhtem Grade in Anspruch nimmt, als davon die Hoffnungen Friedrich's, durch die Türken eine mächtige Diversion zu seinen Gunsten zu bewirken, sehr wesentlich abhingen.

Sultan Mustapha III. hatte den Thron noch in der

vollen Kraft des Mannesalters bestiegen und war mit Eigenschaften des Geistes und Charakters ausgerüstet, die ihn wohl fähig machten, höhere Zwecke zu verfolgen .

Gerühmt

wurde die Lebendigkeit seines Geistes, seine Strenge der Sitten, sein reger Sinn für Ordnung und Gerechtigkeit, seine tiefere Einsicht in das, was dem Reiche noth that, und seine ungemeine Thätigkeit , die freilich manchmal in falsche Geschäftigkeit ausartete. Durch sein ganzes Wesen aber ging zugleich ein tiefer Zug von Schwermuth und Schwärmerei, ein Sinn falscher Demuth, der ihn an seiner eigenen Kraft verzweifeln liess . ,,Hülflos bin ich an Kraft und Vermögen : ,,0 Herr, fordre mich nicht zur Rechenschaft !" beginnt eines seiner Gedichte und schliesst : ,,Ich werfe mich vor Dir in den Staub, ,,Allen Deinen Geboten will ich gehorchen ,

*): Oeuvres, t. XIX , p. 229. **) Oeuvres, t. XIX , p . 232 .

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,,Tausend Leben will ich Dir zum Opfer bringen ! ,,Um des auferweckenden Gottes willen ,,Verleihe mir löbliche Eigenschaften ! “ Diese Denkweise führte ihn zu der trostlosen Ueberzeugung, dass die Zeit vorüber Wiesei, um das Reich dem unaufhaltsam fortschreitenden Verfalle jemals zu entreissen . sagt er: Gedichte seiner der in einem „Umgestürzt ist dies Reich ; denke nicht, dass es sich ,,Unter uns wieder aufrichten werde ! " Auch auf tüchtige Diener rechnet er nicht, denn ,,Jetzt sind die Staatsbeamten allzumal ,,Taugenichtse geworden." Und wenn er auch den Willen besass , seine Aufgabe zu erfüllen , so war doch seine Regierung keine glückliche, weder nach Innen , noch nach Aussen . Sein rastloses Streben nach Selbstthätigkeit führte ihn auf Abwege ; seine Finanzreformen schlugen fehl, und das Heer mit seiner ungenügenden Zusammensetzung und seinem mangelhaften Rekrutirungssystem wurde nicht umgestaltet ; zum letzten Male musste er den Truppen das Thronbesteigungsgeschenk bewilligen. Allmächtig war der Einfluss seines schlauen und verschlagenen Grosswesirs Rhagib Mohammed Pascha, dessen Tod im Jahre 1763 erfolgte. Aber auch Rhagib dachte hinsichtlich des Zustandes des Reiches wie sein Sultan ; auch er theilte dessen traurige Ueberzeugung , dass es für die Uebel , an denen der Staat leide, doch eigentlich kein wirksames Heilmittel mehr gebe ; nur unter der Gunst eines dauernden Friedens hielt er eine allmälige Linderung derselben noch für möglich.

So war seine Politik eine

durchaus friedliche, namentlich in Bezug auf das Verhältniss der Pforte zu den auswärtigen Mächten. Den grossen Ereignissen, welche sich nach dem Ableben des Kaisers Karl VI. in

„ Um die Europa vorbereiteten, hatte die Pforte ganz theilnahmlos gegenübergestanden . ,,Haltung der Pforte zu verstehen, " bemerkt der französische Gesandte Graf von Vergennes ,,, muss man bedenken , dass die politischen Combinationen der Türken von denen der ,,christlichen Mächte sehr weit entfernt sind. Das System des Gleichgewichts ist den TürAuf sich selbst und ihr ungeheures Reich concentrirt, glauben sie in

,,ken völlig fremd .

,,ihrer Macht hinlängliche Beweggründe zu finden, um gegen alles gleichgültig zu sein, Denn sie sind überzeugt, dass sie in ,,was wir als gegenseitige Interessen bezeichnen . ,,ihren eigenen inneren Hülfsquellen stets die nöthigen Mittel haben werden, die Pläne ,,derjenigen zu vereiteln , welche sie in ihren direkten Interessen anzugreifen versuchen Diese Sinnesweise ist durch ihr religiöses Gesetz geheiligt, welches ihnen eine ,,zu direkte Theilnahme an den Angelegenheiten der Christen untersagt und ihnen vor,,schreibt, mit keiner Macht, mit welcher sie im Frieden sind, Krieg anzufangen, sobald ,,dieselbe nicht direkt und formell die bestehenden Verträge verletzt. " Fassen wir das über diesen Gegenstand Gesagte zusammen, so ergiebt sich, welche Schwierigkeiten Fried,,sollten.

rich finden musste, um zu den ,, Beschnittenen" in ein fruchtbringendes Verhältniss zu treten, um sich des einst so gefürchteten Halbmondes als eines Hebels gegen das Haus Lothringen-Habsburg zu bedienen . Alles, was von Konstantinopel selbst ausgehen konnte, 4*

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stand ihm entgegen, und dazu kam die preussenfeindliche Einwirkung der österreichischen , französischen und russischen, ja , wie Friedrich behauptet, zeitweise auch der englischen Diplomaten. Aber Friedrich widmete diesen orientalischen Verhältnissen die gewohnte Energie seines Geistes, und verfolgte dieselben ununterbrochen mit scharfer Aufmerksamkeit ; er schlief über ihnen, wie der Löwe, mit halb geöffneten Augen, und verfuhr klug und vorsichtig bei seinen Unterhandlungen in Konstantinopel . Schon gegen das Ende der Regierung Friedrich Wilhelm's I. , als das Verhältniss

Preussens zu Oesterreich gänzlich erkaltet war , hatte eine Annäherung zur Pforte stattgefunden. Von den schlesischen Kriegen vollauf in AnDa bestieg Friedrich den Thron. spruch genommen und auch noch durch keine rachsüchtige Coalition bedroht, beschränkte er sich vorläufig auf ebenfalls nur mittelbare Wege, ein freundschaftliches Verhältniss zwischen Preussen und der Pforte herzustellen ; freilich umsonst. den ( 25. December 1745 ) ruhten diese Versuche.

Nach dem Dresdener Frie-

Der König machte sich, bei dem

durchaus friedlichen Charakter der auswärtigen Politik der Pforte nach dem Belgrader Frieden ( 1739 ) , eben keine Illusionen in Bezug auf ein Freundschaftsbündniss mit der ,,Eine Kriegserklärung der Türken , " schrieb Friedrich unter dem 22. NovemPforte. ber 1746 an seinen Minister Podewils ,,,könnte mir wohl nicht missfallen , aber ich bin ,,überzeugt, dass es damit nicht eher etwas werden wird, als bis der Waffenstillstand zwi,,schen den Türken und den Oesterreichern abgelaufen ist, was erst im Jahre 1748 der Bereits am 25. Mai 1747 wurde jedoch , in Folge der diplomatischen ,,Fall sein wird." Gewandtheit des kaiserlichen Internuntius und ausserordentlichen Gesandten ,

Freiherrn

von Penkler, trotz aller Gegenbemühungen Frankreichs, der nur auf bestimmte Zeit zwischen Oesterreich und der Pforte abgeschlossene Friede zu Belgrad in einen ,,fortdauernden und ewigen" verwandelt, und somit Friedrich's Hoffnungen, wenn er wirklich solche gehegt hatte, vereitelt. Mit Nachdruck griff Friedrich diese orientalischen Dinge erst an ,

als von allen

Seiten der politische Horizont sich gegen ihn verfinsterte .

Eine günstige Gelegenheit da-

zu bot sich in dem Regierungsantritt Sultan Osman's III .

In einem besonderen Schreiben

( 18. Januar 1755 ) wünschte der König dem Grosshern Glück zu seiner Thronbesteigung und gab zugleich zu erkennen , dass ihm die Erweiterung und Befestigung der bereits bestehenden Freundschaft mit der Hohen Pforte gar sehr am Herzen liege. Zu diesem Zwecke sei sein Bevollmächtigter, der Ueberbringer dieses Schreibens, sein Geheimer Er bitte, Commerzienrath Karl Adolf von Rexin, mit besonderen Instruktionen versehen. ihn mit Wohlwollen aufzunehmen , und allem, was er in des Königs Namen in Vorschlag bringen werde, ein geneigtes Ohr leihen zu wollen . * ) Obgleich nun Rexin die geeigneten Schritte that, um zu der gewünschten, durchaus nothwendigen Audienz beim Grossherrn

*) Rexin, Schlesier von Geburt, hatte früher unter dem Namen Hauden bei dem in Pera ansässigen Breslauer Handelshause Friedrich Hübsch konditionirt, und darauf in österreichischen Kriegsdiensten ge'standen. Wegen seiner Umsicht und Gewandtheit in dergleichen Geschäften war er dem Könige so empfohlen worden, dass derselbe kein Bedenken trug, ihm diese wichtige Mission anzuvertrauen.

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zu gelangen, so war doch, in Folge der österreichischen und französischen Gegenanstrengen, alles umsonst, selbst die ,,goldene Salbung" (the golden unction) , wie es der englische Gesandte Porter nennt, fruchtete nichts, indem die Feinde Preussens jedenfalls besser zu salben verstanden . Rexin wurde mit dem höflichen Bedeuten unverrichteter Sache entlassen,,, dass man zur Befestigung des guten Einvernehmens mit dem König von Preus,, sen, so Gott der Allmächtige wolle, ein anderes glückliches Jahr erwarten müsse. " Günstiger gestalteten sich die Verhältnisse in Konstantinopel, als auf den körperlich und geistig vérkümmerten Sultan Osman III. im Jahre 1757 Mustapha III . folgte , ,,welcher für einen Fürsten von kühnerem und unternehmenderem Geiste galt. Das Ge,,rücht von seinem Rufe erneuerte gleich bei seiner Thronbesteigung wieder die Betrieb,,samkeit des preussischen Ministers bei der Pforte . Die Hauptsache war, bei dem Gross,,herrn zur Audienz gelassen zu werden . Schon über ein Jahr lang suchte Herr von Rexin ,,um diese Gunst nach , die er erlangen musste, wenn er die ihm aufgetragenen Unterhand,,lungen mit dem Grosswesir und den ersten Kronbeamten eröffnen sollte .

Aber es wurde

,,ihm bei seiner Unterhandlung beständig durch den grossbritannischen Minister, Herrn ,,Porter, entgegengearbeitet. *) Ausserdem war der neue türkische Kaiser, den keine Er,,ziehung gebildet hatte, unwissend in den Staatsangelegenheiten und ganz ausserordent,,lich furchtsam , sowohl aus Angst, entthront zu werden , als auch aus Besorgniss vor einem „ unglücklichen Erfolge seiner Waffen, wenn er sich mit dem Hause Oesterreich in Krieg ,,einliesse .**)

Wie gross daher auch die Summen waren, welche dieser Hof erhielt, wie

,,viel Wege der Bestechung auch versucht wurden, so kam man doch mit den Geschäften „ um nichts weiter, aus dem Grunde, weil die Oesterreicher und die Franzosen mit glei,,cher Verschwendung Geldsummen hingaben und Geschenke machten , und weil die Tür,,ken viel besser ihre Rechnung dabei fanden , Belohnungen anzunehmen , um still zu sitzen , ,,als um handelnd aufzutreten. " ***) Aus der Audienz wurde also wieder nichts , obgleich der uns schon bekannte Grosswesir, Rhagib Mohammed Pascha , nicht unbedingt gegen das preussische Freundschaftsbündniss war. Darauf fussend, beschloss Friedrich, dessen Lage immer schwieriger wurde, und der seinen unversöhnlichen Feinden zuletzt gänzlich zu erliegen drohte, diese Angelegenheit, um nicht wieder von den Ränken der Diplomatie durchkreuzt zu werden, ganz geheim und mit der grössten Vorsicht betreiben zu lassen . Selbst gegen den Marquis d'Argens äussert er sich rücksichtlich dieser Sache zuerst nur andeutungsweise.

So schreibt er unter dem

1. Mai 1760

aus dem ,,Porzellanlager"

(Schlettau bei Meissen ) : ,, Es eröffnet sich mir jetzt ein anderer Ausweg der Rettung, von

*) Doch wohl aus Handelseifersucht. Man vergl. Oeuvres, t. IV, p . 227 et 228. **) Man vergleiche dagegen das dichterische Urtheil Friedrich's über diesen Fürsten in seiner ,,Epistel über die Bosheit der Menschen". Oeuvres, t. XII, p. 179. Daselbst heisst es : Le trône des sultans, aux ennemis terrible, A produit un héros, dont le coeur est sensible. Digne de ses aïeux et du sang ottoman, Je vois revivre en lui l'esprit de Soliman. ***) Oeuvres, t. IV, p. 183 et 228.

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,,dem Sie, wie ich hoffe, bald sprechen hören werden, und sicherlich scheint das Geschick ,,mein Verderben noch nicht beschlossen zu haben . Ich fasse wieder Muth und hoffe noch ,,aus diesem Labyrinth mich herauszufinden und an meinen Verfolgern Rache zu nehmen . ,,Denn im Grunde, das müssen Sie zugeben, bin ich ein gutes Geschöpf und verdiene die ,,Verfolgungen nicht, welche ich von diesen Räubern von Kaisern und Königen und von ,,diesen nichtswürdigen Kaiserinnen zu erdulden habe." Und am 7. Mai ebendaher : ,, Ich ,,habe Ihnen geschrieben , mein Lieber, dass es für uns noch einen Hoffnungsschimmer ,,gebe ; aber noch ist von da die Gewissheit weit entfernt, und diese Hoffnung nicht so ,,begründet, als ich es wünschte ". In dem Briefe vom 14. Mai erwähnt er, dass alle Friedenshoffnungen geschwunden seien , und dass die Feinde die grössten Vorbereitungen zum Kriege träfen. Binnen drei Wochen werde er zweimalhundertzwanzigtausend Mann auf dem Halse haben ; er selbst habe ungefähr nur halb so viel, so dass es leicht zu begreifen sei , dass er nothwendig auf der Seite zu Grunde gehen müsse, wo er am schwächsten sein werde, und wo er der Ueberzahl, die ihn erdrücke , nichts werde entgegenzusetzen haben . ,,Es bleibt mir also," fährt er fort,,,nur eine einzige Hülfsquelle, die nicht gewiss ist ; ,,wenn diese versiegen sollte, so muss ich gefasst sein auf das, was der endliche Ausgang ,,mir bringt, und was die gemeine Urtheilskraft mir darlegt. " ) Der Marquis errieth sehr wohl, was sein königlicher Freund mit diesen Anspielungen sagen wollte ; denn in seinem Briefe vom 18. Mai erwidert er : ,,Nachdem ich über das Ereigniss, von dem Sie mir in ,,Ihren Briefen sprechen , reiflich nachgedacht, habe ich gesehen, dass sich dies nicht auf ,,Italien beziehen konnte, und ich zweifle nicht, dass die Türken damit gemeint sind. Das ,,wäre vortrefflich, wenn sie sich erklären sollten ; aber das Verfahren, welches sie bis zum ,,gegenwärtigen Augenblicke eingehalten, die glücklichen Gelegenheiten, die sie verloren ,,haben, lassen mich fürchten, dass sie in gleicher Weise fortfahren werden , unvernünftig Gleichwohl kann eine unvermuthete Umwälzung plötzlich in einem Lande ,,zu handeln . deren so oft sich ereignen ; in diesem Fall begreife ich vollkommen , dass wo ,,stattfinden, Aber ich glaube nicht, ,,wir in der glücklichsten und glänzendsten Lage sein würden . ,,dass, wenn dieses Ereigniss nicht eintritt, wir in dem Fall sind, die Schicksalsschläge zu ,,erleiden, die Ew. Majestät mich sehen lässt . “ **) -- Die Unterhandlungen in KonstantiRexin , dem 80,000 Piaster zur Verfügung genopel führten diesmal wirklich zum Ziel. stellt worden waren, gewann ausser dem schon anfangs nicht ungünstig gesinnten Grosswesir noch einige andere Persönlichkeiten, die auf den Diwan von Einfluss waren, und so wurde am 22. März 1761 a. St. (2. April n . St. ) der erste Freundschafts- und HandelsDerselbe behandelte vertrag zwischen Preussen und der Pforte wirklich unterzeichnet . jedoch Preussen nicht günstiger, als wie die Mächte zweiten Ranges , denen die Pforte dieselben Vortheile zugestanden hatte. Sah sich aber auch Preussen demzufolge mit Neapel, Schweden und Dänemark auf gleiche Linie gestellt, so war doch in dem achten Artikel des Bündnisses eine eventuelle Erweiterung desselben vorgesehen worden . Darnach behielten

*) Oeuvres, t. XIX, p. 158, 164 et 165 . **) Oeuvres, t. XIX, p. 167 et 168 .

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sich beide Theile das wichtige Recht vor, wenn es ihnen nöthig erscheinen sollte,

als

Frucht der gegenwärtig geschlossenen Freundschaft diesem Vertrage noch weitere Bestimmungen hinzuzufügen . Die Vollziehung desselben, wofür eine viermonatliche Frist festgesetzt war, erfolgte von Seiten des Königs bereits am 1. Juni. *) Rexin, jetzt als erster bevollmächtigter Minister Preussens bei der Pforte offen und förmlich anerkannt, wurde als solcher am 27. Juli von dem Grosswesir in feierlicher Audienz empfangen und nahm den vollzogenen Vertrag aus dessen Händen entgegen. **) Der Sieg, den die preussische Politik in Konstantinopel davon getragen hatte, erregte die feindliche Diplomatie in ungewöhnlichem Grade. War nun aber auch die vollendete Thatsache nicht mehr rückgängig zu machen , so nahmen die Feinde Preussens jetzt um so mehr darauf Bedacht, das, worauf der König mit diesem Vertrage hinzielte, aus allen Kräften zu vereiteln . Denn nur als Einleitung zu einem förmlichen Schutz- und Trutzbündniss mit der Pforte sollte der geschlossene Freundschafts- und Handelsvertrag dem Könige dienen . Eine Diversion der ,,Leute, welche keine Hüte tragen", gegen die ,,Awaren" lag in dem Plane Friedrich's, um den sich das Netz seiner Verfolger immer enger zusammenzog.

Von der unmittelbaren Wirkung des ausgewechselten Bündnisses

versprach er sich zwar nicht viel ; aber doch benutzte er dasselbe, um sowohl die kriegerische Stimmung der Truppen wie der Generale zu beleben, als auch seine Feinde besorgt und in ihren Operationen vorsichtiger und furchtsamer zu machen. In diesem Sinne schrieb er an Goltz, der mit einer Diversion gegen die Russen beauftragt war: ,,Wegen Meiner Allianz mit den Türken : da könnet Ihr diese Zeitung in ,,ganz Polen und so weit hinein , als wie Ihr wollet, ausbreiten. Ohnerachtet Ich nicht ,,glaube : dass der Succurs von der Seite so geschwind, als Ihr es vermeinet, kommen ,,wird, so ist es doch immer gut, vielen Lärm davon zu machen, denn Ich versichert bin : ,,dass solches unsere Feinde in vielen Stücken intimidiren werde. “ ***) Dem Marquis d'Argens antwortete Friedrich unter dem 11. Juni aus dem Lager von Kunzendorf: ,,Sie wollen Nachricht haben von meinen Verbindungen mit jenem Volke ,,ohne Vorhaut, welches den Halbmond in seinem Wappen führt. So vernehmen Sie denn, „ dass es ganz wahr ist, dass wir einen Vertrag zusammen geschlossen haben. Ich bin ge,,nöthigt gewesen, meine Zuflucht zu Treue und Glauben und zu der Menschlichkeit der ,,Muselmänner zu nehmen, weil solche bei den Christen nicht mehr zu finden sind. Die ,,Zeitung hat in Betreff der Gesandtschaft gelogen ; denn bei den Türken ist es ganz und ,,gar nicht Brauch, um eines Vertrages willen Gesandte zu schicken, ausser es wäre ein ,,Friedensschluss . Welche Vortheile mir aber auch dieses Bündniss gewähren mag, so

*) Man vergleiche, was Friedrich der Grosse selbst über den Abschluss des Vertrages und die Besorgnisse äussert, die derselbe namentlich Oesterreich und Russland eingeflösst habe. Oeuvres, t. V, p. 107 et 108 . **) Die Darstellung dieser türkischen Angelegenheiten zum grössten Theil nach Joh . Wilh . Zinkeisen Geschichte des osman . Reiches in Europa . V. Th., S. 836–900 . ***) v. Schöning, III . , S. 60 .

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,,müssen Sie sich doch nicht mit der Hoffnung schmeicheln , dass es uns den Frieden brin,,gen werde .“ *) Auch der Marquis setzte seine Hoffnungen nur auf ein rasches, nachdrückliches Eingreifen von Seiten der Pforte. ,,Mit unaussprechlicher Freude, " schreibt er unter dem 20. Juni an den König,,,habe ich die Unterzeichnung und den Abschluss Ihres Ver,,trages mit den guten, braven Muselmännern vernommen ; wenn aber diese würdigen ,,Söhne des grossen Propheten ernstlich handeln wollen , so ist mir das Uebergewicht, das ,,Sie über Ihre Feinde haben werden, nicht mehr zweifelhaft, zumal wenn der Friede zwi,, schen den Franzosen und den Engländern zu Stande kommt. Augenscheinlich werden ,,diese letzteren zum erstenmale in ihrem Leben ihr Wort nicht zurückziehen und keinen ,,schmachvollen, sowie ihren Bundesgenossen nachtheiligen Frieden schliessen ; denn die „ Engländer der zwei letzten Kriege sind nicht diejenigen unter der Regierung der Kö,,nigin Anna, und sie haben , wie mir scheinen will, seit zwanzig Jahren ihre Ehre darein ,,gesetzt, den Vorwurf ihrer schleunigen Trennung vor dem Treffen von Denain wieder „ gut zu machen . ** ) Was die Türken betrifft, so muss ich Ew. Majestät bekennen , dass ,,ich dasjenige, was Sie mir über Ihren Vertrag und über die Fortsetzung des Krieges ,,sagen, nicht vereinbaren kann ; denn entweder werden sie handeln , oder sie werden nicht ,,handeln. Wenn sie handeln, welche Ueberlegenheit werden Sie nicht erlangen ! Wenn ,,sie dagegen nicht handeln , so sehe ich nicht die Vortheile Ihres Vertrages für die gegenwär,,tige Zeit, und das ist doch der grosse Punkt, diese gegenwärtige Zeit. "***) Und der König antwortet ihm darauf : ,,Sie urtheilen sehr gut über das Thema der Beschnittenen. ,,Ach, welch' hartes Herz haben die Menschen ! Man sagt : Du hast Freunde. Ja, ,,schöne Freunde, welche mit verschränkten Armen zu Dir sagen : In Wahrheit, ich wünsche „ Dir viel Glück . Aber ich ertrinke ; reichet mir doch ein Seil ! Nein, Du wirst ,,nicht ertrinken . — Ja doch, ich sinke im Augenblick unter. O, wir hoffen das Gegen,,theil ; wenn es jedoch geschehen sollte, so sei überzeugt, dass wir Dir eine schöne Grab,,schrift machen werden . - So , Marquis, ist die Welt, und so verhält es sich mit den ,,schönen Complimenten, mit denen man mich von allen Seiten bewillkommt. Der glück,,liche Schutzgeist unseres Reiches, und mehr als er das Schicksal müssen unsere Ver,,bündeten sein ; fügen Sie dazu unsere Arme, unsere Beine, die Wachsamkeit , die ,,Thätigkeit , die Tapferkeit und die Beharrlichkeit. Mit alle dem werden wir ,,noch ein Gleichgewicht herstellen können in dieser in Unordnung gebrachten Wage, zu ,,der Herr Pitt den Schwerpunkt nicht hat finden können . " +) So dachte Friedrich über die türkische Hülfe, während ihn in seiner abwartenden ,,Ich Stellung von Kunzendorf die Sehnsucht zu seinem Freunde in Sans- Souci hinzog. 99 beschäftigt, " Anordnungen so treffenden ,,bin mit der Gegenwart und hunderttausend zu

*) **) ***) †)

Oeuvres, t. Man sehe: Oeuvres, t . Oeuvres, t.

XIX, p. 234. Leopold Ranke, Französische Geschichte, IV., S. 283-285 . XIX, p. 236 . XIX, p. 237 et 238.

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schreibt er von daher, ,, dass ich kaum an Sans-Souci denke ; ich weiss nicht, ob ich es in ,,meinem Leben wiedersehen werde. Aber Sie, mein lieber Marquis , Sie, sage ich, und ,,die Philosophie,

Sie machen meinen Trost,

meine Zuflucht und meinen Ruhm aus . “

Besonders innig spricht sich sein Verlangen nach dem Freunde in dem Briefe vom 2. Juli aus : ,, Ich habe heut Melonen aus Sans-Souci erhalten , und ich habe, als ich sie sah, aus„ gerufen : „, „, 0, allzu glückliche Melonen ! Ihr habt den Anblick des Marquis, der mir ,,versagt ist, genossen . Wie trinkt er seinen Brunnen ? Bekommt ihm derselbe gut ? Ist ,, er heiter ? Geht er spazieren ? Macht er sich Leibesbewegung ? "" Darauf hat mir die ,,Melone auch nicht ein Wort geantwortet. Um sie für ihr Schweigen zu bestrafen , habe ,,ich sie auf Ihre Gesundheit verzehrt. Nach Verlauf von Juli, August, September und ,,Oktober hoffe ich Ihnen zu schreiben , nicht über das Thema der betrachtenden Philoso,,phie, sondern über die handelnde .

Leben Sie wohl, mein lieber Marquis.

Verstopfen

,,Sie Ihren Körper gut, damit er zu der Dauer der Atome des Gassendi* ) gelange, und „ damit er vor den Krankheiten, Hinfälligkeiten und Erschütterungen, welche unsere ge,,brechliche Maschine bedrohen, geschützt sei . Philosophiren Sie ruhig ; beweisen Sie ,,Babet oft, dass Ihre Manneskraft durchaus keine Leere in der Natur zulässt, und seien ,,Sie von meiner Freundschaft überzeugt. " **) Von Kunzendorf aus sind auch eine Anzahl Briefe an den Prinzen Heinrich gerichtet .

Der König verhehlt darin nicht das Schwierige seiner Lage, ermuntert aber

seinen Bruder stets zu muthigem Ausharren, macht ihm auch wohl Friedenshoffnungen,***) weist ihn auf die nahe türkische Hülfe hin und lässt es zugleich nicht an scherzhaften Bemerkungen über einzelne Persönlichkeiten fehlen, die, wie der spätere Ober- Stallmeister und Staatsminister Graf Schwerin und der Kommandant von Schweidnitz, Zastrow, sich der besonderen Gunst des Königs erfreuten . Vornehmlich zeigt sich der König besorgt vor einer Vereinigung der Russen mit den Oesterreichern.

,,Ich habe Dir gesagt, und ich wiederhole Dir noch immer, dass ,

,,wenn unsere Feinde gemeinsame Anstrengungen gegen uns machen, es uns fast unmög,,lich sein wird, dem zu widerstehen ; es fehlt uns gerade noch eine Armee, und diejenigen, ― Ich ge,,die wir haben, sind genöthigt, sich bald dahin , bald dorthin zu wenden. ,,stehe Dir, dass, von welcher Seite man auch meine Lage betrachten mag, dieselbe gleich ,,schwierig und misslich ist. " +) Wir folgen dem König auf das Gebiet der „,praktischen Philosophie, " wie er es in jenem Briefe an den Marquis nennt, nachdem er auch uns während seiner Wart auf den Unserer GeHöhen von Kunzendorf einen Moment betrachtender Musse gewährt hat. wohnheit gemäss lassen wir ihn wieder selbst reden ; denn er bleibt, wenn er auch nach

*) Petrus Gassendi ( 1592–1655) , ausgezeichneter französischer Physiker, Mathematiker und Philosoph. In letzterer Eigenschaft war er ein Anhänger des Epikur und stand im Gegensatze zu Cartesius. Molière war sein Schüler. Man sehe auch die Briefe Friedrich's an d'Argens vom 2. und vom 9. Juli. **) Oeuvres, t . XIX, p. 238 et 240 . ***) Man vergleiche den Brief vom 24 . Mai. †) v. Schöning, III, p. 89 et 90. - In ähnlicher Weise in dem Briefe vom 24. Mai . 5

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menschlicher Weise in seinen Annahmen und Voraussetzungen, in seinen Hoffnungen und Befürchtungen mitunter fehl geht, unser bester Führer ; er ist das Schiff, mit dem wir durch diesen Orkan steuern . ,,Die Stellung, welche der König in den schlesischen Gebirgen genommen hatte, ,,war sehr vom Zufall abhängig. Er deckte zwar das flache Land gegen die feindlichen ,,Einfälle so lange es die Umstände zuliessen ; seitdem aber Herr von Buturlin gegen Mi,,litsch vorrückte, gerieth er in Gefahr, bald eine beträchtliche Armee in den Rücken zu Er musste die Gebirge ,,bekommen, während er bereits die Oesterreicher vor sich hatte . ,,verlassen und sein Heer so aufstellen , dass es, ohne an eine bestimmte Vertheidigung ,,gebunden zu sein , sich schnell nach allen Seiten hinwenden konnte, um dem Feinde ,,zuvorzukommen .

Das Lager bei Pülzen*) war zu diesem Zweck am geeignetsten ; der

„ König liess die Armee dasselbe beziehen und nahm sich vor, so lange als möglich die ,,Mittellinie zwischen der österreichischen und russischen Armee zu behaupten, um sich ,,ihrer Vereinigung zu widersetzen . Auch fasste er den Entschluss, den Oesterreichern, ,,wenn sich eine günstige Gelegenheit dazu zeigen sollte, eine Schlacht zu liefern, übrigens „,aber sich gegen die Russen bloss streng vertheidigungsweise zu verhalten , weil , wenn er ,,einen Sieg über die Oesterreicher davontrüge , die Russen von selbst abziehen würden ; ,,weil aber, wenn er denselben Vortheil über die Russen erhielte, dies Herrn von Laudon Die Oester,,nicht abhalten dürfte , die Unternehmungen seines Feldzuges fortzusetzen . ,,reicher sind die natürlichen und unversönlichen Feinde der Preussen, statt dass nur be,,sondere Umstände die Russen dazu gemacht hatten, und also auch irgend eine Ver,,änderung oder Umwälzung sie wieder zu Freunden ,,machen konnte.

oder selbst zu Bundesgenossen

Und um ganz aufrichtig zu sein , so wollen wir zu diesen Betrachtungen

,,noch hinzufügen , dass die preussische Armee nicht in der Verfassung war, sich täglich ,,zu schlagen, und dass der König sich folglich genöthigt sah, die Kräfte seiner Truppen ,,für die wichtigsten und entscheidendsten Augenblicke aufzusparen . “ **) Auch in der Stellung von Pülzen wurde die Ruhe der Armee nicht gestört.***) Als jedoch Laudon, aus den Bergen vorrückend, den König von Neisse abschneiden und den langsam heranziehenden Russen in Oberschlesien die Hand reichen wollte, kam ihm der König zuvor und bezog in der Nähe von Ottmachau das Lager von Giessmannsdorf. Immer beschwerlicher wurde indess die Uebermacht der Gegner, die , wie gesagt, in Oberschlesien zu einander stossen wollten . Der König schreibt in Bezug auf beide Punkte an seinen Bruder noch von Giessmannsdorf aus : ,, Damit Du Dir eine richtige Vorstellung von meiner ,,Lage machst, so magst Du wissen , dass die Armee Laudon's 66,000 Mann stark ist, und ,,dass die russische 54,000 zählt ; dies macht zusammen 120,000 Mann . Meine Armee ,,und das Korps Zieten's betragen nur 59,000 Kombattanten . — Der Plan des Feindes ,,ist, sich in Oberschlesien zu vereinigen ; die Russen wollen bei Oppeln die Oder über,,schreiten, und Laudon will nach Neustadt marschiren, um zu ihnen zu stossen . Ich

*) Pülzen, eine halbe Meile südöstlich von Schweidnitz, auf der Strasse nach Reichenbach, **) Oeuvres, t. V, p. 112. ***) v. Schöning, III, S. 118 .

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,,muss mich dieser Vereinigung entgegenstellen , weil ich nicht stark genug bin, allen beiIch schicke mich also an, Laudon unterwegs mit meiner ganzen ,,den zu widerstehen. ,,Streitmacht zu bekämpfen ; wenn ich ihn schlage, werden die Russen abziehen, und ich ,,werde im Stande sein , die ganze Gestalt des Krieges zu verändern, und Dir folglich ,,schleunige und wirksame Unterstützung zu gewähren . “ *) Während der König die Absicht der Feinde in Oberschlesien durchkreuzte , lief Diesmal meinten die die Hauptstadt dieses Landes Gefahr, überrumpelt zu werden. Russen, den Streich, der Laudon im Jahre 1760 missglückt war, mit besserem Erfolg „ Aber Tauentzien schlug die unter Czernitschew in die Odervorstadt einauszuführen. ,,gedrungenen Russen zurück, und Herr von Knobloch eilte ihm zu Hülfe. Diese beiden ,,Generale machten jetzt einen nachdrücklichen Ausfall gegen den Feind und vertrieben ,,ihn vollends aus dem übrigen Theile der Vorstadt, den er noch besetzt hielt. " **) So war Breslau, für dessen Sicherheit der König durch Aufstellung eines besonderen Korps unter Platen auch weitere Sorge trug, gerettet.

Die Feinde jedoch, in Ober-

schlesien an ihrer Vereinigung durch Friedrich's Wachsamkeit gehindert, versuchten jetzt mit aller Anstrengung diesen Zweck in Niederschlesien zu erreichen . Es war ein Meisterstück des kühnen und listigen Laudon , dass er durch Zurücklassung des Generals Draskowitz in Oberschlesien den König über seinen eigentlichen Plan täuschte und durch einen geschickten Seitenmarsch über Frankenstein nach Jauer den nöthigen Vorsprung gewann , um sich den Russen, die bereits bei Leubus über die Oder gegangen waren, nicht bloss zu nähern, sondern auch jetzt gemeinschaftlich mit ihnen gegen den König anzurücken . Umsonst war Friedrich, als er von Laudon's Bewegung Kunde erhalten , rasch über Kanth gegen Liegnitz aufgebrochen, umsonst hatte er die Russen in ihrer vortheilhaften Stellung angreifen, umsonst noch im letzten Augenblick die, uns bekannten Höhen von Kunzendorf besetzen und dadurch die Oesterreicher von ihren Magazinen abschneiden wollen : die Vereinigung der Russen und der Oesterreicher konnte nicht mehr gehindert werden ; gegen 140,000 Feinde standen 55,000 Preussen gegenüber. Mit seiner geringen Macht nahm der König seine Stellung zwischeu Bunzelwitz und Striegau, indem er so zugleich für die Sicherheit von Schweidnitz sorgte. Auf die strengste Vertheidigung angewiesen , befestigte er sein Lager von Bunzelwitz nach allen Regeln der Kunst und blieb auch darin seinen Gegnern überlegen . Wie der österreichische Rittmeister von Cogniazo in seinen „ , Geständnissen“ ***) sagt, war dieses Lager ein Meisterwerk der Kunst, an welchem der Kenner die glückliche Verbindung der Grundsätze der Taktik mit jenen der Feldbefestigung vorzüglich bewundert ; und wie der König hervorhebt, bestand die grösste Stärke dieses Lagers darin, dass es den Feinden drei Waffen entzog, die es aber alle den Preussen erhielt, nämlich : die Kanonen, die Reiterei und das

*) v. Schöning, III, S. 135 und 136. Breslau war bei dieser Gelegenheit sechs Stunden lang **) Oeuvres, t. V, p. 115 et 116. bombardirt worden. ***) Das Verhältniss zwischen Oesterreich und Preussen in politisch-militärischer Hinsicht. Der Geständnisse eines österreichischen Veterans Vierter Theil, S. 79 f.

5*

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kleine Gewehr.

,,Man war also versichert, dass man sich in dieser Stellung allen den

,,Vortheil zu Nutze gemacht hatte, den die Natur des Bodens und die Kunst einem Kriegs,,heere über ein anderes verschaffen können. Nach diesen Anordnungen erwarteten die ,,Preussen ruhig die Unternehmungen ihrer Feinde. " *) Von den Russen und Oesterreichern eingeschlossen , war der König in seiner Correspondenz ausserordentlich beschränkt. Besonders spärlich sind aus diesem Zeitraum die Briefe an den Marquis d'Argens.

Bereits aus seinem Lager von Pülzen weist Friedrich

seinen Freund darauf hin, dass die Entscheidung nahe bevorstehe : bald müsse sich der Knoten des Stückes entwirren, bald alles handelnd auftreten. Der Marquis möge sich der Verse des Lukrez, dieses Dichter-Philosophen, erinnern : Glücklich, wer, einsam im Tempel des Weisen, Sturm und Unwetter ruhig zu seinen Füssen erblicke, etc .** ) Das Uebrige wisse er. Es handle sich um hundertundzehn Tage bis zum November ; diese müsse man mit Festigkeit und heroischem Gleichmuth hinbringen .

Er möge den Epiktet und die

,,Betrachtungen" des Markus Antoninus wiederlesen ; das seien Haupttöne für die erschlafften Fibern der Seele. Und er fährt weiter fort : ,, Ich habe hier alle geeigneten ,,Maassregeln getroffen, um mich gut zu vertheidigen . Herr Kaunitz schickt sich an, mit ,,verdoppelten Stürmen über mich herzufallen. Ohne Schrecken betrachte ich alles, was ,,sich vorbereitet, fest entschlossen, unterzugehen oder mein Vaterland zu retten . ,,Wenn wir nicht Herren der Ereignisse sind, so beherrschen wir wenigstens unsere Seele , ,,und entehren wir nicht die Würde unseres Geschlechtes durch feige Anhänglichkeit an ,,diese Welt, die wir doch eines Tages verlassen müssen . Sie sehen, Marquis, dass ich ,,ein wenig Stoiker bin ; aber man muss in seinem Zeughaus Waffen jeder Art haben, um ,,sich ihrer der Gelegenheit gemäss zu bedienen . Wäre ich bei Ihnen in Sans - Souci, so ,,würde ich mich dem Reiz Ihrer Unterhaltung überlassen ; meine Philosophie wäre dann ,,milder, und meine Betrachtungen würden weniger schwarz sein . Mitten im Sturm jedoch ,,muss Steuermann und Matrose arbeiten ; beide dürfen erst lachen und ausruhen , wenn sie ,,im Hafen sind . “ Sodann berührt er noch einmal den Epikuräer Gassendi und dessen Widerlegung des Cartesianischen Lehrgebäudes, indem er ausruft : ,,Möchten die Feld,,zugspläne meiner Feinde ebenso lächerlich sein als das System des Des Cartes !

Möchte

,,ich sie ebenso leicht mit schlagenden Beweisgründen widerlegen , nicht durch Worte, ,,sondern durch die That ! ***)

Immer wieder komme ich auf meinen alten Gegenstand

„ zurück, und ich gestehen Ihnen, dass , ungeachtet aller guten Gründe des Gassendi, die,,ser Laudon, dieser O'Donnell und diese Leute, welche mich verfolgen, mir oft Zer,,streuungen verursacht haben, deren ich nicht Meister gewesen bin. " +) An einen raschen Frieden, mit dem sich der Marquis schmeichelt, glaubt Friedrich nicht . Umsonst baue

*) Oeuvres, t. V, p. 124 . **) Man sehe auch Oeuvres, t. XIX, p. 190 , wo der König, nach der Liegnitzer Schlacht, dieselben Verse auf sich anwendet. ***) „ non in barbara, mais de facto !" (Barbara, celarent, Darii, ferio, baralipton, sind die Worte, deren man sich in der alten Logik bediente, um die verschiedenen Formen des Schlusses zu bezeichnen. ) • +) Oeuvres, t. XIX, p . 242-244 .

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sein Freund auf die zwischen den Franzosen und den Engländern eingeleiteten Unterhandlungen ; selbst ein Waffenstillstand werde nicht zu Stande kommen . Der Degen, und nicht die Feder , werde den allgemeinen Frieden herbeiführen . Die Gelderschöpfung werde bewirken, was die Vernunft und die Menschlichkeit hätten bewirken sollen ; der Kampf werde endigen aus Mangel an Kämpfern . Kurz, er glaube beinahe, dass man, ausser dem eben begonnen Feldzug, noch einen neuen werde anfangen müssen . Wieviel er aber auch leide, so werde doch nichts den Grund seiner Seele verändern ; er werde seinen geraden Weg gehen und nur das thun , was er für nützlich und ehrenvoll halte. Aber auch der Marquis müsse bei so bewandten Zeitläuften die unerschütterliche Stirn eines Philosophen und die Unempfindlichkeit der Stoiker zeigen. Die betrachtende Philosophie sei nur gut dazu, die menschliche Neugierde zu nähren ; einzig nützlich sei diejenige Philosophie, die sich der Praxis widme. Diese empfehle er ihm, bitte ihn jedoch zugleich, eine Missgeburt von militärischem Philosophen , der ihn sehr liebe, nicht zu vergessen. *) Ganz anders erscheint Friedrich seinem Bruder Heinrich gegenüber in dieser Zeit, als durch die Vereinigung der feindlichen Armeen der Sturz des Helden gewiss schien . Voll Zuversicht schreibt er diesem (Anfang August) über seine Aufgabe, die er freilich auf den ersten Anblick sich weit schwieriger vorgestellt habe, als er sie nachher gefunden ; Der aber jetzt könne er ruhig schlafen in Betreff alles dessen , was zu thun übrig bleibe. Prinz dürfe, wenn er sich auch gegenwärtig zwischen Laudon und den Russen befinde, um seinetwillen keine Befürchtungen hegen ; habe er doch gegen alle Ereignisse seine MaassDie Russen regeln getroffen und glaube er folglich nichts Grosses besorgen zu dürfen . hätten durchaus keine Lust, anzugreifen ; aber er glaube, dass Laudon sich dazu genöthigt Der Prinz könne darauf rechnen, dass Laudon dies theuer büssen werde ; sehen werde. In dieser Weise darüber hoffe ihm der König bald gute Nachrichten geben zu können . Aber auch dann, schrieb Friedrich, noch ehe er sein Lager bei Bunzelwitz genommen. als ihm Laudon doch einen Streich gespielt hatte, und er sich zu jener festen Stellung gezwungen sah, sank sein Muth nicht, sondern derselbe stieg höher und äusserte sich kühner als je zuvor.

Unter dem 23. August theilt er seinem Bruder aus Bunzelwitz mit, dass die

Russen und die Oesterreicher ihm gegenüber lagerten ; wenn sie ihn angreifen wollten, so hoffe er sie mit blutiger Nase abziehen zu lassen ; seinetwegen möge sich der Prinz keine Sorge machen ; er werde seine Angelegenheiten hier zu führen wissen . Vier Tage nachher, am 27. August, schreibt er aus dem Lager von Bunzelwitz selbst, dass die Feinde sich in der That vereinigt hätten, dass aber trotz dessen binnen kurzem eine Entscheidung erfolgen werde , die für ihn wie für den Prinzen nur sehr vortheilhaft sein könne . Sein Bruder möge keine Detachements gegen die Schweden entsenden ; dagegen sollten in Magdeburg ein Zwanzig vierundzwanzigpfündige Kanonen mit der nöthigen Munition , ausserdem Mörser und wenigstens zwei- bis dreitausend gefüllte Bomben in Bereitschaft gehalten werden,,, damit ich , " so lauten die merkwürdigen Worte des Königs,,,unter uns ,,gesagt, je nachdem die Umstände sich hier zu unsern Gunsten wenden, davon Gebrauch

*) Oeuvres, t. XIX, p. 248, 249.

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,,machen kann , und damit Du nachher im Stande seiest, zur Belagerung von Dres,,den zu schreiten . Laudon und die Russen müssen mich bis Ende dieses Monats an,,greifen .

Ohne mich in lange Erörterungen einzulassen, so ist es fast ebenso gewiss , als

,, ein in aller Form geführter geometrischer Beweis , dass ich Dir für die glücklichen ,,Folgen stehen kann, dergestalt, dass ich Dich von einem guten Theil der Daun'schen ,,Armee werde befreien und dadurch in den Stand setzen können , den Reichstruppen und ,,den wenigen in Sachsen zurückbleibenden Oesterreichern nachdrücklich zu Leibe zu ,,gehen .“ *) Der auf den 2. Sept. festgesetzte Angriff der Feinde geschah jedoch nicht, weil die Russen im letzten Augenblicke ihre Mitwirkung verweigerten, indem sie nur dann thätig eingreifen wollten, wenn Laudon durch den König von Preussen bedroht würde. Schon am 10. Sept. ward, unter dem Vorwande des Mangels an Lebensmitteln , der Rückzug der Russen mit dem Haupttheile der Armee bewerkstelligt .

Buturlin, mehr Minister als Ge-

neral, nahm dabei jedenfalls auf den leidenden Zustand seiner Kaiserin, wie auf die GeEr handelte damit ganz sinnung des Thronfolgers Rücksicht und marschirte nach Polen. zur Zufriedenheit seiner Gebieterin , welche überzeugt war, dass sich keine günstigen Gelegenheiten dargeboten hätten, mit der geringsten Hoffnung auf Erfolg etwas zu unternehmen ; zugleich ward er freundlich eingeladen, nach Petersburg zu kommen . ** ) Wie Buturlin, so zog sich nun auch Laudon zurück und nahm, Schweidnitz bedrohend , eine sehr feste Stellung auf den im Verlaufe dieses Krieges so oft besetzten Höhen von Kunzendorf. Bei ihm blieb ein Korps Russen unter Czernitschew, nicht auf Befehl der Kaiserin Elisabeth, sondern bloss vermöge eines Interimsvertrages des Feldmarschalls Buturlin, unter Bedingungen, die eine Mitwirkung desselben leicht gänzlich hätten vereiteln können . ***) ,,So endigte," wie der österreichische Veteran sagt,,, einer der wichtigsten Auf,,tritte dieses Krieges, von dem Niemand in der Welt glauben konnte oder wollte, dass er ,,auf solche Art endigen würde. Ebenso unbedeutend und fast lächerlich am Ende, als er ,,in seiner ersten Erscheinung fürchterlich war, brachte er keine andere Wirkung als täu,,schende Hoffnung auf der einen, und transitorisches Schrecken auf der andern Seite her,,vor. Man hatte sich goldene Berge von unserer Vereinigung versprochen ; aber im

‫ وو‬Grunde war es nichts weiter als der gebärende Berg in der Fabel . " +) Kaum hatten die Russen ihren Rückmarsch angetreten, so entsandte Friedrich den General Platen mit 10,000 Mann , um die grossen russischen Magazine in Kobylin und

*) Dieses Schreiben umfasste den Raum eines Oktavblattes und hatte in seiner Couvertirung den Umfang eines Quadratzolles ; es trug das Gepräge der geheimnissvollsten Expedition. v. Schöning, III, s . 151 . **) Stuhr, II, s . 396–402 . ***) Nur bis zu Ende des Feldzuges sollte diese Hülfsmacht bei Laudon verbleiben, niemals auch abgesondert noch zu getrennten Operationen gebraucht, und nur in Schlesien verwendet werden ; ziehe sich der König wieder nach Sachsen, und blieben keine kaiserlichen Völker in Schlesien zurück, so solle es dem russischen Korps freistehen, auch vor Ende des Feldzuges der grossen Armee zu folgen, und sollte es nicht verbunden sein , nach Sachsen zu marschiren . (Geständnisse eines österreich. Veterans, IV, S. 93–95 .) †) Geständnisse, IV, S. 71 u. 93. Man sehe auch Oeuvres, t. XII, p . 162–166 .

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Gostyn zu zerstören und so den Rückzug Buturlin's zu beschleunigen . Nach Vollziehung seiner Aufgabe sollte Platen zu dem Prinzen von Würtemberg vor Kolberg stossen, und hierauf, nach geendigtem Feldzuge in Pommern , sich mit dem Prinzen Heinrich in Sachsen vereinigen.

Platen's Unternehmung glückte vollständig, ) Berlin war nun nicht mehr be-

droht, sondern Buturlin wich immer weiter nach Polen zurück , nachdem er jedoch noch vorher den General Romanzof vor Kolberg bis auf 20,000 Mann verstärkt hatte ; denn dieses Bollwerk, das eigentliche Angriffsobjekt der Russen in dem Feldzuge von 1761 , sollte mit Anstrengung aller Kräfte genommen werden . Der König hielt den Feldzug dieses Jahres im Wesentlichen für beendigt.

Von

Bunzelwitz aus schickte er an den Marquis d'Argens einen Bericht in Versen über einen Theil dieses Feldzuges und eine poetische Zeitung ; ** ) denn nach einem sechswöchentlichen Schweigen wäre ein Brief in Prosa zu wenig gewesen . Nach Ablauf eines Monates werde seine Aufgabe für dieses Jahr zu Ende sein .

Während des Winters schmeichle er sich mit

der Hoffnung, den Freund wiederzusehen , und auf diesen Zeitpunkt verschiebe er alles, was er ihm an Anekdoten und denkwürdigen Thatsachen mittheilen könne. Bis dahin könne der Marquis vollkommen ruhig sein. Nichts stehe zu befürchten, und der Feldzug, leer an grossen Thaten, aber auch frei von grossen Schicksalsschlägen, werde ruhig und friedlich verlaufen . Auch der folgende Brief spricht diese Hoffnung aus. Friedrich vergisst darin nicht, einer Ode zu erwähnen , die er während dieser jüngsten Zeit in seinen unbeschäftigten Augenblicken auf den Tod seines Neffen verfasst habe. ***) Und den Brief schliessend, sagt er : „ Ich glaube Sie gegenwärtig mit Plutarch beschäftigt, wie ich es mit ,,Laudon bin. Sie arbeiten über einem Philosophen , und ich über einem verwünschten ,,Menschen, der von Ehrgeiz und von einer entsetzlichen Unruhe verzehrt wird .

Es wird

,,Ihnen , Marquis , mit Ihrer Uebersetzung gelingen, und ich hoffe ebenso meinen Feldzug ,,glücklich seinem Ende zuzuführen . Leben Sie wohl ! Geben Sie uns noch einen vollen ,,Monat und unsere kriegerischen Unternehmungen sind beendigt. " +) Wenn der König seinen Freund während des nächsten Winters wiederzusehen hoffte, so meinte er damit unzweifelhaft, dass dies abermals in Sachsen geschehen werde ; denn dahin wollte er, wie wir aus seiner Correspondenz mit dem Prinzen Heinrich ersehen, seine Truppen in die Winterquartiere führen .

Schlesien erschien ihm allzu sehr erschöpft,

um die Armee während des Winters wie auch während des künftigen Feldzuges zu ernähren. Nur Laudon, den Friedrich veranlassen wollte, seine Schweidnitz gefährdende Stellung bei Kunzendorf aufzugeben, stand der Richtung auf Sachsen noch im Wege. ++ ) Am ausführlichsten in Bezug auf diese Punkte finden wir den König in seinem Briefe vom

*) Briefe vom **) Oeuvres, t . ***) †) ++)

Oeuvres, t. XIX, p . 252 , 253 ; t . V, p . 126 ; t . XII, p. 166 , 167. v. Schöning, III, die 11. , 15. , 18. , 24. n . 25. Sept. ,,Épître au marquis d'Argens, comme les Russes et Autrichiens bloquaient le camp du Roi,“ XII, p. 162 etc. ,,Gazette militaire.“ Oeuvres, t. XII, p. 166, 167 . „ Ode à ma soeur de Brunswic sur la mort d'un fils tué en 1761." Oeuvres, t. XII, p. 30-35 . Oeuvres, t. XIX, p. 252 et 254. v. Schöning, III, die Briefe vom 5. , 18. u . 24. Sept.

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25. September, dem letzten, den er von Bunzelwitz an seinen Bruder richtete .

Die Be-

sorgniss wegen Kolberg tritt in demselben bereits in den Vordergrund ; denn schon war eine russische und schwedische Flotte vor der Festung erschienen, und das preussische Lager vom Meere wie vom Lande aus bombardirt worden ; schon befand sich der kühne Husarenführer Werner, der Kolberg im Jahre 1760 durch seine unvergleichliche Schnelligkeit und durch seinen Löwenmuth gerettet hatte, in russischer Gefangenschaft.

Bei der

gegenwärtigen Gefahr rechnet der König auf Platen, dem er aufgetragen habe, Romanzof zum Abzuge aus Pommern zu nöthigen. Sodann von sich selbst redend, äussert er : ,,Was ,,mich betrifft, so bewegen mich Gründe, die ich Dir eines Tages auseinandersetzen werde, ,,nach Neisse zu marschiren ; von da werde ich, nach beendigtem Feldzuge, wieder hier ,,durchkommen, um geraden Weges nach Sachsen zu gehen . Es ist unmöglich, in diesem ,,Lande hier die Kavallerie zu ernähren und Magazine für den nächsten Sommer zu errich,,ten ; ich muss in Sachsen Geld, Rekruten und Magazine suchen . Dies alles würde ich ,,nicht erlangen, wenn ich nicht selbst dort bin.

Hinsichtlich meines Marsches und des

,,Weges, den ich nehmen werde, behalte ich mir vor, Dir ausführlicher zu schreiben, so,,bald wir unsern Feldzug beendigt haben .

Ich werde mich zu Dir nach Meissen begeben,

,,wo Du mich in einer halben Stunde besser verstehen wirst, als ich mich in zwanzig Brie,,fen erklären könnte. Für dieses Jahr wird von keiner Belagerung die Rede sein ; ,,aber es ist nöthig, alles für das künftige Jahr vorzubereiten . Du kannst also jetzt wegen ,,eines Einbruches von Seiten der Russen ausser Besorgniss sein ; ebenso hoffe ich, dass ,,die pommerischen Angelegenheiten eine glücklichere Wendung nehmen werden ; und was ,,mich betrifft, so werde ich so wohl auf meiner Hut sein, dass ich mir schmeichle, den ,,Feldzug glücklich zu endigen, und dass wir uns beim Herannahen des Novembers wieder ,,in derselben Lage befinden werden, in der wir im verflossenen Jahre gewesen sind ; ,,dies ist alles, was man nach dem Zustande der Dinge Bestes wünschen kann . "*) Der nächste Brief, aus Pülzen vom 27. September, spricht dieselben Hoffnungen aus . Eigenhändig setzt der König hinzu : ,, Ich hoffe, mein lieber Bruder, dass unsere Unruhe für ,,dieses Jahr sich ihrem Ende zuneigt. Nichts Neues geht hier vor, ausser dass Laudon ,,sich viel Mühe giebt, fünfhundert Kosaken , die bei ihm sind, in guten Sitten zu erziehen, ,,womit er jedoch sehr schlechten Erfolg hat. " **) Es sollte ganz anders kommen, als der König hoffte und vermuthete . Trauriger und verzweifelter als je, gänzlich trostlos und hoffnungslos sollte seine Lage in den letzten drei Monaten des Jahres 1761 werden ; Schlag auf Schlag sollte ihn treffen, und nirgends mehr sollte sich ihm ein Ausweg aus diesem Labyrinth darbieten. Doch wir kehren zu ihm zurück, den wir nach seiner Befreiung aus einer äussert Sehen wir, wie er nach dringenden Gefahr in hoffnungsvoller Stimmung verlassen haben. der Bunzelwitzer Gefahr handelte, und hören wir ihm wieder selbst zu .

,,Hätten es die Lebensmittel der königlichen Armee gestattet, sich in dem Lager ,,bei Bunzelwitz zu behaupten, so wäre der Feldzug in Schlesien hingegangen, ohne dass *) v. Schöning, III, S. 167 u. 168 . 3 " ) v. Schöning, III, S. 168.

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,,die furchtbaren Zurüstungen der Feinde irgend ein merkwürdiges Ereigniss hervorge,,bracht hätten. Allein das Magazin in Schweidnitz ging auf die Neige. Die dortigen ,,Vorräthe konnten nur noch für einen Monat hinreichen.

Seit dem Abmarsch der Herrn

,,von Platen durfte der König die Armee nicht durch neue Detachirungen schwächen . Die „ Hauptvorräthe befanden sich in Breslau , und man brauchte nicht weniger als 10000 Mann „ zur Bedeckung , um von da Zufuhren sicher in das Lager zu bringen . *) Diese reiflich ,,geprüften Gründe veranlassten den Entschluss, sich mit der Armee Neisse zu nähern, wo ,, man Lebensmittel und Futter in Ueberfluss antreffen würde, und dem Feinde sowohl ,,wegen der Grafschaft Glatz als wegen Mährens hinlängliche Besorgnisse erwecken konnte, „um Herrn von Laudon nach dieser Seite zu ziehen , und dadurch die Russen und Oester,,reicher von Schweidnitz zu entfernen. In Folge dessen bezog die Armee anfänglich das ,,Lager bei Pülzen, wo sie einige Tage blieb.

Der König liess in Schweidnitz fünf voll,,zählige Bataillone , die Genesenden von der Armee und hundert Dragoner. Er prägte „ dem Herrn von Zastrow, der in der Festung befehligte, ein, vorsichtig und wachsam zu ,,verfahren, um allen Unternehmungen vorzubeugen, welche der Feind während der Ab,,wesenheit der preussischen Armee machen könnte. Der König bezog den 28. das Lager ,,bei Siegroth, und den 29. das Lager bei Nossen, nahe bei Münsterberg, wo er stehen „ blieb, um aus den Bewegungen der Feinde zu urtheilen, welchen Entschluss sie ergreifen ,,würden. " **) Aber Laudon rührte sich nicht in seiner Stellung bei Kunzendorf. In der österreichischen Armee hatte man fast allgemein befürchtet, der König werde schon damals mit dem grössten Theile seines Heeres nach Sachsen aufbrechen , um dadurch den Feind wenigstens zum Theil aus dem Gebirge herauszumanövriren . Laudon wäre dann, wie der österreichische Veteran meint,***) genöthigt gewesen , den grössten Theil seiner Armee ebenfalls zur Unterstützung des Feldmarschalls Daun abgehen zu lassen , und der mit den Russen abgeschlossene Interimsvertrag hätte in diesem Falle vielleicht sogar den Abzug des Czernitschew'schen Korps zur Folge gehabt. Der ganze Feldzug wäre dann ohne Resultat verlaufen. Dagegen wurden die Oesterreicher durch Friedrich's Marsch auf Gross- Nossen ganz und gar nicht beunruhigt ; die Gefahr wegen Oberschlesiens und Mährens, oder auch selbst wegen der Grafschaft Glatz erschien nicht drängend ; nur Streifzüge, nicht aber Operationen von Wichtigkeit glaubte man auf dieser Seite besorgen zu dürfen . So begnügte sich Laudon damit , das Detachement des Grafen von Bethlem in Oberschlesien zu verstärken , so wie die Pässe von Wartha und Silberberg hinlänglich zu besetzen . Im Uebrigen liess er alle Bewegungen des Königs durch eine Abtheilung leichter Reiter sorgfältig belauern. Aber er blieb dabei nicht stehen. Noch als der König im Lager von Bunzelwitz stand, hatte man im österreichischen Heere von der Möglichkeit eines Ueberfalls der Festung Schweidnitz gesprochen.

Schon damals hatte man bemerkt, dass die

preussischen Kavalleriepatrouillen nicht immer das Terrain bis auf eine gehörige Entfernung

*) Man vergl. v. Schöning, III , S. 177 . **) Oeuvres, t. V, p. 126 et 127 . ***) Geständnisse, IV, S. 95 u . 96 ; 118-120 . 6

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von der Festung untersuchten, und dass die Infanteriepatrouillen auf dem Glacis nur sparsam, und manche Nacht gar nicht verrichtet wurden, wie denn die von unserm Gewährsmann, dem österreichischen Rittmeister von Cogniazo, zu verschiedenen Malen des Nachts abgeschickten Patrouillen unbemerkt bis vor den bedeckten Weg gelangen konnten . Die Beschaffenheit der Festung mit ihren nicht unbedeutenden inneren Mängeln war den Oesterreichern von früher her, wie auch durch Ueberläufer, auf das genaueste bekannt ; dazu kam die viel zu geringe Garnison, die Abwesenheit Friedrich's und die Nachlässigkeit des jung vermählten Kommandanten von Zastrow. ) Kurz, alle Umstände waren so günstig, dass sich der Gedanke einer Leiterersteigung selbst einem weniger unternehmenden General, als Laudon war, aufdringen musste.

Demgemäss wurde schon am 30. September Vor-

mittags die Festung in einer gewissen Entfernung von allen Seiten durch Kroaten, Kosaken und Husaren eingeschlossen, und am 1. Okt. früh gegen drei Uhr erfolgte durch ungefähr 20,000 Mann ein allgemeiner Sturm gegen die Hauptwerke des Platzes . Trotz tapferer Gegenwehr waren binnen drei Stunden alle Forts erstiegen, und die Stadt selbst erobert. Eine mehrstündige Plünderung, wider das ausdrückliche Verbot Laudon's, machte den Beschluss ; nur die Russen wurden von ihren Führern im Zaum gehalten.

Der Verlust der

Oesterreicher belief sich auf 1,500 Mann ; **) aber sie sahen sich jetzt im Besitz eines der wichtigsten Punkte Schlesiens, konnten hier ihre Winterquartiere aufschlagen und im nächsten Feldzuge daran denken, dem König noch mehr Terrain abzugewinnen . Hatte dieser im Jahre 1760 die Grafschaft Glatz verloren, so sah er nun nicht bloss das ganze schlesische Gebirge mit seinen wichtigen Pässen, sondern auch die besten Theile der Fürstenthümer Liegnitz, Jauer, Schweidnitz und Münsterberg in den Händen des Feindes .

Wenn

man ausserdem bedenkt, wie alle weiteren Anstrengungen Friedrich's darauf gerichtet waren, sich des verloren gegangenen Bollwerks wieder zu bemächtigen, wie der Feldzug des nächsten Jahres eigentlich keine andere Devise als ,,Schweidnitz " hatte, und wie dadurch alle anderen Diversionen,

die den König wahrscheinlich nach Mähren und Böhmen geführt

hätten, zu nichte gemacht wurden, so wird man die Grösse und Furchtbarkeit des ganz unerwarteten Schlages, der eine verlorene Feldschlacht weit überwog , vollkommen begreifen. Am 1. Oktober erfuhr der König in Nossen das Unglück von Schweidnitz . Unglaublich zuerst, und sodann unbegreiflich erschien ihm dieser Schlag.***) Seine Bestürzung lesen wir in den Schreiben, die er damals an seinen Bruder Heinrich und an den General Platen erliess .

Er könne nicht zaudern, schreibt er unter dem 3. Oktober aus

Gross-Nossen an den ersteren, ihm von dem Unfall Nachricht zu geben, der ihn so eben getroffen habe.

Der Prinz werde selbst sich die Bestürzung denken , in welcher er

sich befinden müsse, und dass ein so ausserordentliches und fast unglaubliches Ereigniss ihm habe zustossen müssen, während er kaum sein Lager bei Pülzen verlassen und nur

*) Oeuvres, t. V, p. 128. - Man sehe auch : v. Schöning, III, die Briefe vom 13., 17. und 24. Mai, wo der König darüber scherzt, dass Zastrow verliebt sei, um die Fersen zu verlieren. **) Man sehe dagegen den Irrthum Friedrich's : Oeuvres, t. V. , p. 128. - Ueber die Schweidnitzer Affaire besonders zu vergl.: Geständnisse etc., IV. , S. 96-112. ***) Man sehe den eigenhändigen Brief Friedrich's an Zastrow bei : v. Schöning, III, s. 176.

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einen Marsch nach Siegroth gemacht habe.

Da indessen das Unglück geschehen sei und

ihm für den Augenblick nichts übrig bleibe, als an die Mittel zu denken, wie er es wieder gut machen könne, so erwarte er nur die Rückkehr des General Platen, um hier alles wieder in Ordnung zu bringen. Wie der Prinz sich selbst sagen könne, werde er in Folge dieser unerwarteten Verhinderung nicht so bald in Sachsen sein können, als er zuerst beabsichtigt und ihm angegeben habe. Auch in dem Briefe vom 5. Okt. kann sich Friedrich von der Schweidnitzer Hiobspost noch nicht erholen : dieser Schlag sei sehr hart ; die schlimmen Folgen des selben möglichst abzuwehren, erscheine ihm eine sehr schwierige Arbeit ; aber das sei sein Schicksal in diesem Kriege, die grössten Schwierigkeiten besiegen zu müssen. — In dem nächsten Schreiben ( Strehlen, den 8. Okt.) erwähnt Friedrich, gleichsam um sich selbst zu rechtfertigen, die uns bekannten Gründe seines Abzuges aus der unmittelbaren Nähe von Schweidnitz.

In weniger als zwei Stunden sei die Stadt mit Sturm genommen worden, und

er selbst nur einen Marsch entfernt gewesen ; nach diesem Streiche werde für jede Festung eine Armee nöthig sein ; ohne Platen's Hülfe könne er den Stand der Dinge in dieser Provinz nicht wieder herstellen ; nur wenn alles in Pommern gut gehe , sei dazu vielleicht noch ein Mittel vorhanden . - An Platen selbst aber schrieb der König aus Gross - Nossen unter dem 3. Okt.: „ Ich kann Euch das hier arrivirte Unglück nicht verschweigen.

Ihr werdet

,,erachten, dass dies alles Meine sonst genommenen Mesures hier ändert, und dass dieser ,,so unerwartete und unglückliche Vorfall Mich obligiret,

Meine Arrangements so zu

,,machen, dass Ich solchen Ort noch in diesem Herbste, coûte qui coûte, wieder nehme. ,,Ich hoffe, dass Ihr eilen werdet, um bald zu Mir zurückzukommen, damit wir alsdann den ,,Feind aus den Gebirgen delogiren können, um Schweidnitz wieder zu emportiren etc. ,,Ich hoffe, alsdann mit Gottes Hülfe nach Eurer Ankunft hier alles wieder in die rechten ,,Wege zu bringen . " *) Erwies sich der erste Oktober für die Angelegenheiten des Königs als ganz besonders verhängnissvoll , wurden durch dieses unvermuthete Unglück alle seine Entwürfe zerrüttet, musste er seine Pläne aufgeben, andere Maassregeln treffen, und für den übrigen Feldzug nur daran denken , so viele Festungen und so viel Land als irgend möglich gegen die grosse Uebermacht der Feinde zu behaupten,**) so brachte ihm der fünfte Oktober einen neuen unersetzlichen Verlust . Wilhelm Pitt, der Bewunderer Friedrich's, das Haupt der populären Partei, welche den Kriegsvortheil so weit als möglich zu treiben wünschte, trat vom Amte zurück . Wir haben gesehen, wie König Georg III. und sein Günstling Bute in beschränkter und treuloser Weise den Frieden um jeden Preis wollten , und wie durch den Eintritt des neuen ,, Cartouche" in das Whig-Ministerium Georg's II. ein tiefer Riss gemacht ward. Ohnehin waren diese Minister nicht fest geeinigt, weshalb es Bute ohne grosse Mühe gelang, zuerst den Kanzler der Schatzkammer zu stürzen und dann dem Premier-Minister dasselbe Schicksal zu bereiten . Die Veranlassung dazu gab der zwischen Ludwig XV. und seinem Vetter Don Karlos von Spanien abgeschlossene geheime Bund,

*) v. Schöning, III, S. 174. **) Oeuvres, t. V, p. 129 . 6*

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bekannt unter dem Namen des bourbonischen Familientraktates ( 15. August 1761 ) , ein Werk der diplomatischen Kunst des französischen Ministers Choiseul, der durch die Bundesgenossenschaft Spaniens nur ein neues Moment für die damals gepflogenen Friedensunterhandlungen zu gewinnen suchte. Dass durch diese, den Vorschlägen Frankreichs zufolge, Geldern und Wesel dem Könige von Preussen entrissen werden sollten , hatte Pitt mit Entrüstung zurückgewiesen , und nicht weniger bestimmt hatte er eine Einmischung der besonderen Streitpunkte Spaniens und Englands in das allgemeine Friedenswerk verweigert . In Folge dieser Weigerung Pitt's erreichte Choiseul den anderthalb Jahre lang betriebenen Abschluss des bourbonischen Familienbündnisses, durch welches die verschiedenen Linien des Hauses Bourbon einander ihre Besitzungen verbürgten und sich in allen Kriegen zu gegenseitiger Bundesgenossenschaft verbindlich machten . An demselben Tage, an welchem dieser Pakt geschlossen worden, verpflichtete sich Karl III . , der von den Engländern in einer früheren Epoche empfindlich beleidigt" ) und deshalb von unversöhnlichem Hasse gegen die Besitzer Gibraltar's und Minorca's erfüllt war, am 1. Mai 1762 den Krieg an England zu erklären . Man wollte damit so lange warten , bis die mit den Schätzen Amerika's beladene Flotte angekommen sein würde.

Als jedoch Pitt von dem Abschlusse

des Bündnisses zuverlässig unterrichtet war, begriff er sofort die Nothwendigkeit, auf der Stelle gegen Spanien, das nur Zeit gewinnen wollte, loszuschlagen ,

die amerikanische

Flotte aufzufangen und sowohl die Havannah, als auch die Philippinen wegzunehmen. Allein er drang mit seinem entschlossenen Rath nicht durch, Bute, diesmal fast von dem ganzen Cabinet unterstützt, behauptete, es werde vortheilhafter sein , in Madrid zu unterhandeln, als in London neue Beiträge zu bewilligen . So legte Pitt seine Stelle nieder (5. Okt. 1761 ) ; dagegen sah sich Bute genöthigt, am 4. Januar 1762 , freilich nachdem die amerikanische Silberflotte im Hafen von Cadix geborgen war , dennoch an Spanien den Krieg zu erklären . **) Der bourbonische Familienvertrag vermehrte die Feinde Friedrich's,

wenn auch

nur indirekt ; ein mittelbarer Verlust für den König wurde aber auch durch die Kriegserklärung Spaniens gegen das mit England verbündete Portugal herbeigeführt, indem Bute den bei der alliirten Armee beschäftigten, sehr tüchtigen Grafen Wilhelm von der LippeSchaumburg veranlasste, das Oberkommando der portugiesischen Armee zu übernehmen .***) Derselbe Vertrag führte den Rücktritt Pitt's, des thätigsten Bundesgenossen Friedrich's mit sich ; † ) Bute ,,,dessen Grundsatz war, dass bei jedem Staatsmann das Kleid der Ehre ,,nur von grobem Gespinnst sein müsse , " ++ ) erneuerte den Subsidienvertrag mit Preussen

*) Macaulay : Wilhelm Pitt. Deutsche Uebers . von Bülau, III , S. 92 u. 93 . Man sehe auch : Oeuvres, t . V, p. 151–154. **) Macaulay : Wilhelm Pitt, III, S. 88-94 . ***) Ueber ihn sehe man : F. C. Schlosser, Weltgeschichte für das deutsche Volk, Band XVI, S. 374 und 375 . +) Friedrich sagt über ihn : „,une àme élevée, un esprit capable de grands projets, de la fermeté „ dans l'exécution, un attachement inflexible à ses opinions, parce qu'il les croyait avantageuses à sa patrie, ,,qu'il aimait, faisaient son caractère". Oeuvres, t . V, p. 153 . +) Oeuvres, t . V, p. 153 .

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nicht, und suchte ohne Rücksicht auf die mit Friedrich geschlossenen Verträge einen einseitigen, verrätherischen Frieden zu schliessen. ,,Dieser Engländer wähnte, Geld vermöge ,,alles, und Geld sei nirgends als in England anzutreffen . Er glaubte, der Abgott seiner Allein er „ Nation zu werden, wenn er ihr den Frieden, auf jede Bedingung, verschaffe . ,,irrte sich ; das Volk verabscheute ihn . " *) Und wie stand es denn mit den Türken ? Konnte der König nicht wenigstens vom Halbmond Unterstützung erwarten ? Seit dem Abschluss des Handels- und Freundschaftsvertrages liess Friedrich durch seinen bevollmächtigten Minister Rexin mit dem grössten Nachdruck an einem Schutz- und Trutzbündniss mit den Muselmännern arbeiten. Und wohl empfing er von dorther schöne Versprechungen, die er, als die Dinge in Pommern sich immer mehr verschlimmerten , dazu benutzte, das Vertrauen des Prinzen Heinrich wieder zu beleben. Er verhehlt diesem nicht seine Besorgniss wegen Kolberg. ,, 1 . Nov. ) ,

,, Indessen habe ich den Trost (Schreiben vom

durch meine Briefe unterrichtet zu werden,

dass die Pforte mir soeben die

,,stärksten Zusicherungen gegeben hat, zu meinen Gunsten nächstes Frühjahr mit unsern „ Feinden brechen zu wollen ; dass sie sich nicht auf diese Zusicherungen beschränkt, son,,dern wirklich ihre Truppen in Bewegung setzen lässt, um dieselben zeitig versammeln zu ,,können, und dass sie für Kriegsgeräth und andere Dinge die nöthigen Anordnungen trifft, ,,alles dies sind starke Anzeichen in Betreff eines fest gefassten Entschlusses zu einer ernst,,lichen Schilderhebung .

Ich beschwöre Dich , vorläufig ein gewissenhaftes Stillschweigen

,,darüber zu bewahren, ganz wie ich es Jedermann gegenüber, Dich ausgenommen , thue. „ Denn wenn auch unsere Feinde anfangen , deshalb gewisse Vermuthungen zu hegen , so ,,fehlt doch noch sehr viel, dass sie von den Absichten der Pforte genau unterrichtet sind, Ich wünschte sogar, ,,indem diese alles dies bis jetzt sehr geheimnissvoll behandelt hat. ,, dass unsere Feinde erst so spät als möglich davon unterrichtet würden .

Ausserdem liegt

,, ein Grund, warum ich gern möchte , dass die Sache noch nicht an den Tag käme , darin, „ dass bei einem Hofe, wie die Pforte ist, mitunter plötzliche und unerwartete Veränderun,,gen eintreten, welche mit einem Schlage die am besten gefassten Entschlüsse aus dem Gleise ,,bringen." Das Schreiben vom folgenden Tage berührt dieselben Punkte, spricht sich aber wegen der Kolberger Gefahr weit stärker , und wegen der türkischen Hülfe weit zuversichtlicher aus : ,,Die Nachrichten aus Pommern setzen mir das Messer an die Kehle. ,, — Wenn die Berichte genau melden, so sind in diesem Augenblicke 25,000 Janitscha,,ren in Marsch gegen Adrianopel, wohin sich der Sultan selbst mit Beginn des Frühlings ,,begeben wird, um die Armee daselbst zu versammeln . Man hat alle Paschas der Armee ,,nach Konstantinopel berufen, um ihnen geheime Instruktionen zu geben ; auch die übrigen ,,Vorbereitungen für einen Feldzug nehmen unter verschiedenen Vorwänden sehr stark ,,ihren Fortgang . Ich beschwöre Dich, über alles dies das undurchdringlichste Stillschwei,,gen zu beobachten, und Deine Maassregeln so zu nehmen, dass in keiner Weise davon ,,etwas ruchtbar werde." Auch die Briefe vom 5. und 6. Nov. lauten nicht tröstlich in

*) Oeuvres, t. V. p. 153 et 154 .

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Betreff der Ostseefestung :

Die Dinge in Pommern stehen schlimmer, als Du glaubst .

,,Es ist mir unmöglich, Dich zu unterstützen. ,, hängt alles ab.

Von dem Erfolg der Dinge in Pommern

Sollten dieselben jedoch unglücklicherweise eine schlechte Wendung

,,nehmen, dann gestehe ich, dass ich keine Hülfe mehr sehe, weder für Dich noch für mich . ,,- Die grosse Bewegung, welche unsere Feinde von allen Seiten jetzt in einer so vorge,,rückten Jahreszeit machen, flösst mir den Verdacht ein, dass sie etwas von der uns gün,,stigen Absicht der Pforte,

sich im kommenden Frühjahr erklären zu wollen,

erfahren

,, haben müssen, und dass sie deshalb jetzt ihre äussersten Anstrengungen machen wollen, ,, um uns, wenn irgend möglich, noch in diesem Jahre zu überwältigen. " *) Der Prinz erwies sich jedoch sehr ungläubig hinsichtlich eines Vorgehens von Seiten der Bekenner des Islam. Aus Barnitz in Sachsen antwortet er dem König : ,, Ich ,,wünsche Dir allen möglichen Trost bei dem gegenwärtigen traurigen Zustande der Dinge ; gleichwohl muss ich Dir freimüthig bekennen, dass, was mich betrifft, die Aussicht auf ,,das Erscheinen der Türken in Ungarn mir gar keinen Trost bietet.

Das ist eine Na-

,,tion, die man erst wirklich in den Kampf verwickelt sehen muss ; und übrigens ist noch ,, ein sehr weiter Zeitraum bis zum Juni. "**) zu zerstreuen.

Der König suchte diese Zweifel des Prinzen

,,Ich begreife vollkommen, " erwiedert er unter dem 11. Nov . ,,,die ver-

,,drüssliche Lage, in der ich mich befinde ;

indessen darfst Du die Versprechungen der

,Türken nicht für so ganz windig halten ; diesmal ist etwas Wahres daran ; sie werden ,,ihren Beistand nicht bis in den Juli verschieben, sondern wir werden denselben schon im ,,nächsten Frühjahr erhalten . " ***) Während der König diese Correspondenz mit seinem Bruder führte, waren alle seine Anstrengungen auf die Rettung Kolberg's gerichtet. Noch schien es ihm möglich, die Russen zum Abzug zu bewegen. Diese aber vermehrten ihre Streitkräfte und waren entschlossen, Kolberg unter allen Umständen noch vor Beziehung der Winterquartiere zu nehmen. Selbst Platen, der gefeierte Singer von Gostyn, war nicht im Stande, den dortigen Angelegenheiten eine bessere Wendung zu geben .

Das Schicksal Werner's theilten

Courbière, Podscharly und Knobloch. † ) Nach diesen Schlägen gelang es zwar noch dem Prinzen von Würtemberg, sich aus seinem verschanzten Lager vor Kolberg zu retten , aber weder er, noch Platen und Schenckendorf, den der König zur Unterstützung seiner Truppen in Pommern abgeschickt hatte, vermochten die an Zahl weit überlegenen Russen zurückzudrängen und die Festung mit Lebensmitteln zu versehen, indem der Feind die Zufuhren von Stettin her unmöglich machte. Auch Platen hielt Kolberg für verloren und meldete dies seinem Könige ganz unumwunden in einem Schreiben vom 18. Nov.:,,Der ,,Herzog von Würtemberg ist zwar mit seinem Corps gerettet : ich muss aber leider ge,,stehen, dass ich nicht einsehe, wie Kolberg sauvirt werden kann ; denn obgleich der Her-

*) **) ***) †)

v. Schöning, III, v. Schöning, III, v. Schöning, III, Ueber Knobloch's

s. 208 u . 209, 210, 213 . S. 215 . S. 217. ,,tapfere und standhafte Gegenwehr zu sehen : v. Schöning, III, s . 196-198.

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,,zog noch mit zwei Märschen bis Belgard vorrücken will, so müssen wir doch den dritten ,,Tag wegen Mangel des Brotes schon wieder zurück, und dass der Feind davonlaufen ,,sollte, ist um so weniger zu präsumiren , da das Berg'sche Corps seit gestern hier (bei ‫دوو‬Plathe) vor mir steht und mit seinen Haubitzen meinen tête de pont beschiesst. " *) Der König aber, dem über die traurige Lage Kolberg's nur dürftige Nachrichten zugingen, und der noch immer den Abzug der Russen für wahrscheinlich hielt, glaubte dem Prinzen Heinrich unter dem 16. Nov. mittheilen zu können , dass nach dem Abzug Buturlin's und Fermor's Kolberg für dieses Jahr gerettet sei, indem Berg und Romanzow wahrscheinlich auch bald zurückgehen würden.

Noch stärker spricht sich diese Zuversicht in dem Briefe

vom 19. Nov. aus, nach welchem die Russen sämmtlich davongingen .

Zugleich verkün-

digte dieses Schreiben eine neue Hoffnung mit den trostreichen Worten : ,,Es ist hier ein , Geheimbote mit Briefen von dem Khan der Tataren angekommen . Alles, was ich von ,,dorther vernehme,

vermehrt meine Hoffnungen und lässt mich muthmaassen,

dass wir

,,nächstes Jahr in Wirklichkeit Hülfstruppen erhalten, die uns von einem guten Theil unse,,rer Feinde befreien werden . " **) ,,Der Nachfolger des Mithridates" also , der Beherrscher der

alten Feinde des

Pompejus" hatte den König beschickt ! Bekannt ist, das Boskamp , der preussische Agent in der Krim, den Tatarenkhan Kerim Geraij mit einer halben Million Piaster für Friedrich erkauft hatte.

So erschien jetzt (Mitte Nov. ) ,,,gerade in dem misslichsten Zeitpunkt, als

,,das Glück der Waffen dem preussischen Staate am meisten zuwider schien “, in dem Hauptquartier des Königs zu Strehlen der Barbier und Vertraute dieses orientalischen Fürsten, Mustapha Aga , um Friedrich ein Bündniss mit dem Khan anzutragen, und ihm gegen Subsidiengelder , über die man sich vergleichen würde , 16,000 Mann Hülfstruppen anzubieten. Der König, in der bedrängtesten Lage von der Welt, ging sofort darauf ein , überhäufte den Bartputzer für sich und für seinen Herrn mit Geschenken und liess ihn bei seiner Abreise durch seinen Flügeladjutanten , den Lieutenant von Goltz, begleiten , um die Vollziehung der getroffenen Verabredungen zu beschleunigen und das versprochene Hülfscorps nach Ungarn zu führen , wo man sich desselben zu einer Diversion gegen die Oesterreicher bedienen wollte . Zu gleicher Zeit erhielt Boskamp den Auftrag, den Khan , da die russischen Streitkräfte abwesend seien, mit allen Mitteln zu einem Einfalle in Russland zu bewegen. Schlug der Lehnsfürst der Pforte wirklich los, so hoffte Friedrich die einem solchen Unternehmen noch immer sehr abgeneigten Türken endlich in den Krieg hineinzuziehen ; dann wäre Pommern von den Russen befreit, sowie die Kurmark vor den ihr drohenden Gefahren geschützt gewesen . Aber auch in Konstantinopel liess der König , der in Europa auf keine andere Macht rechnen konnte, mit dem grössten Nachdruck an einem Schutz- und Trutzbündniss arbeiten ; denn wenn jemals, so hatte er jetzt thätigen Beistand unbedingt nöthig . Was konnte ihm an einem Cordon liegen , den die ,, Leute vom Bosporus“ längs der österreichischen Grenze zu ziehen für gut fanden ! Gegen Ende des Jahres

*) v. Schöning, HI, S. 224. **) v. Schöning, III, S. 224.

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überschickte daher Friedrich dem Sultan eine Auswahl kostbarer Geschenke, deren Werth auf 20,000 Piaster geschätzt wurde ; *) doch konnten dieselben, die auch der Marquis d'Argens bewunderte,**) erst am 9. März 1762 dem Grossherrn durch Rexin in feierlicher Während des Winters kam ein neuer Abgeordneter vom Audienz überreicht werden. Er bestätigte Khan in Breslau an. Diesmal war es kein Barbier, sondern ein Pascha. alle Versprechungen , welche der Bartputzer im Namen seines Herrn dem Könige gemacht hatte ; er versicherte, dass der Khan im Frühjahr ein Corps von 40,000 Mann zusammenziehen, und dass er alsdann den Wünschen des Königs gemäss seine Unternehmungen einrichten würde. Auch dieser Abgeordnete ward mit Geschenken, sowohl für sich als für seinen Herrn, wieder zurückgeschickt ; ,, denn bei diesen Völkern, " sagt Friedrich ,,,geht ,,alles durch Kauf.

Der tatarische Fürst hatte für das , was er that, und für seine Dienste

,,ganz bestimmte Preise angegeben : so viel musste man ihm für eine günstige Antwort ,,Zahlen, so viel für das Zusammenziehen seiner Truppen , so viel für die Aeusserung eini,,ger feindlichen Absichten, so viel für einen Brief, den man ihn an den Grossherrn zu ,,schreiben veranlasst hatte. " ***) Während der König seinen Bruder durch so unsichere Aussichten auch noch ferner zu ermuthigen suchte, † ) ging Kolberg seinem Schicksal unaufhaltsam entgegen. Unter dem 1. December schrieb Platen an den Geheimen Kabinetsrath Eichel : „ Der König ver,,liert Kolberg, die übrige Provinz wird durch Fuhrwerk ruinirt, und die Truppen ausser ,,Stand gesetzt, wieder gebraucht zu werden . Hungersnoth regiert im Lande, den SoldaAm 16. Decbr. erlag ,,ten fehlt es an allem , sie gehen grossentheils ohne Schuhe. " ++) Kolberg, durch Mangel an Lebensmitteln und Schiessbedarf gezwungen, den Russen. Von der 3000 Mann starken Besatzung waren noch 1800 dienstfähig.†††) Nachdem Wesel, Dresden, Glatz und Schweidnitz verloren gegangen, war auch Nicht bloss besass Friedrich durch die bei den das fünfte Bollwerk des Königs gefallen . Entsatzversuchen gemachten Verluste eine Armee weniger ---- nur noch zwei blieben ihm , sondern die Russen, denen schon längst Preussen gehörte , schalteten nun auch übrig in ganz Hinterpommern sowie in der Neumark, so dass Berlin fortwährend bedroht war . Was konnte sie endlich hindern, beim Beginn des nächsten Feldzuges Stettin und Küstrin zu belagern, und so Schritt vor Schritt den König immer mehr einzuengen, während die Oesterreicher, im Besitze der Grafschaft Glatz und durch Schweidnitz eines für sie wohl-

*) Ein genaues Verzeichniss dieser Geschenke bei : v. Hammer, Geschichte des osman. Reiches, Bd. VII, S. 272 und 526 . **) Oeuvres, t. XIX , p. 267 et 268 . ***) Oeuvres, t. V, p. 149-151 . †) Man sehe die Briefe vom 9. , 19. und 23. Dec. 1761 , sowie besonders vom 14. Jan. 1762 bei v. Schöning. tt) v. Schöning, III, S. 232. ttt) Ueber die bei den Entsatzversuchen begangenen Fehler sehe man auch den Brief des Marquis d'Argens au den König vom 30. Dec. 1761 , sowie die Antwort Friedrich's vom 5. Jan. 1762. Oeuvres, t. XIX, p . 275 et 277 .

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gelegenen Theiles von Schlesien, ihren Operationen gegen die übrigen schlesischen Festungen einen immer stärkeren Nachdruck zu geben vermochten ? *) Unheilvoller als irgend eine frühere Epoche dieses wechselvollen Krieges verlief das an grossen Kriegsbegebenheiten leere Jahr 1761. Der König, ohne Bundesgenossen, ohne Geldunterstützung, seiner besten Truppen und Generale, sowie eines Theiles seiner Festungen und damit bedeutender Landstriche, ja ganzer Provinzen beraubt, schien nach menschlichem Ermessen einem gewissen baldigen Untergange preisgegeben. Nicht im entferntesten konnte er auf einen ehrenvollen Frieden rechnen , denn seine Feinde waren Weiber, in den höchsten Stellungen des Lebens , zu glühender Rachsucht entflammt. Und welche Streitkräfte konnte er ihnen beim Beginn des nächsten Feldzuges, der entscheidend werden musste, entgegenstellen ? Bis auf 60,000 Mann war die gesammte Streitmacht zusammengeschmolzen, die Truppen, die in Pommern gefochten, waren so heruntergebracht, dass kaum noch die Cadres derselben bestanden ; die Armee des Prinzen Heinrich, der alle sächsischen Gebirge am Ende des Feldzuges verloren hatte und sich auf das linke Elbufer von Meissen bis Döbeln und Leipzig beschränkt sah, war ähnlich geschwächt ; kaum konnte der Prinz aus der Gegend, die ihm geblieben war, den täglichen Lebensbedarf für seine Truppen gewinnen. **) Der leichten Cavallerie fehlte eine grosse Menge Pferde ; die Artillerie und das Proviantfuhrwesen befanden sich im allertraurigsten Zustande, ohne Knechte, ohne Pferde ; die Magazine waren nur noch auf drei Monate gefüllt.

Der Kö-

,,nig war zwar noch im Besitz des Oderstroms und der Fürstenthümer auf dem rechten ,,Ufer des Flusses, aber die Russen hatten diese im Anfange des Feldzuges verheert, so ,,dass aus ihnen keine Lebensmittel zu ziehen waren. Aus Polen konnte er keine Bedürf,,nisse kommen lassen , weil 15,000 Russen, die längs der Grenze einen Cordon gezogen ,,hatten, das Durchbringen derselben verhinderten .

Die Armee war genöthigt, ihre Front

,,gegen die Oesterreicher und ihren Rücken gegen die Russen zu vertheidigen. Da der ,,grösste Theil der Provinzen erobert oder verheert war , so war nicht mehr abzusehen, wo ,,man Rekruten hernehmen, wo man Pferde und Geschirre bekommen, wo man Lebens,,mittel finden sollte, noch wie man mit Sicherheit die Kriegsbedürfnisse zur Armee schaf,,fen könnte. " ***) Die Erschöpfung des Königs erschien namentlich den Oesterreichern so gross, dass das Wiener Kabinet, aus Geldverlegenheit und weil das Czernitschew'sche Corps bezahlt werden musste, beim Herannahen der endlichen Entscheidung, wo alle Kräfte anzustrengen waren, sich sogar zu einer Verminderung seines Heerbestandes um 500 gediente Offiziere und 20,000 Mann alter Soldaten entschloss, †) freilich wider die entschiedene An-

*) Wir erinnern an das, was Friedrich, nach der Erwerbung Schlesiens durch den Breslauer Frieden, sagte: ,,Was die eigentliche Sicherheit dieser Besitzungen anbelangt, so werde ich sie gründen auf „ eine zahlreiche Armee, einen guten Schatz und haltbare Festungen." **) Oeuvres, t. V, p. 147 . ***) Oeuvres, t. V, p. 147. †) Dieselben traten meist in spanische Dienste und gingen so den Oesterreichern gänzlich verloren. 7

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sicht aller Einsichtsvollen ; aber man hielt den König von Preussen bereits für verloren : der nächste Feldzug musste ihm den Gnadenstoss geben . *) Ganz anders handelte Friedrich, der unabänderlich entschlossen war, in titanischem Ringen mit Ansetzung der letzten Kräfte in Ehren unterzugehen, wenn das Schicksal sein Verderben beschlossen haben sollte.

Trotz aller Schwierigkeiten wurde das Heer ergänzt.

Die feindlich behandelten Länder Mecklenburg- Schwerin, Sachsen und die Anhaltischen Besitzungen mussten Rekruten, Pferde, Geld und Magazinvorräthe liefern . Fügte man sich nicht in Güte, so wurde zur äussersten Gewalt geschritten. Auf die Beschwerden des Prinzen Heinrich, dass die Einwohner in Sachsen durch so harte Maassregeln gezwungen würden, ihre Heimath zu verlassen, ja dass bereits ganze Ortschaften leer stünden , antwortete der König : ,,Wir müssen Geld haben ! Die Franzosen haben nicht besser in Hes,,sen und in meinen Provinzen gewirthschaftet, die Russen haben diesen noch übler mitge,, spielt. Das sind Leiden, die der Krieg mit sich bringt, und die Ich jetzt weniger noch ,,als sonst in Betracht der dringenden Bedürfnisse vermeiden kann. “ **) Der Energie des Königs gelang es daher nicht bloss, allmälig die Truppentheile so ziemlich vollzählig zu machen, sondern es wurden sogar einige Freibataillone , zehn Eskadrons Bosniaken und Friedrich verfügte somit, als der neue sechszehn Kompagnien Artillerie neu errichtet . Feldzug beginnen sollte, über eine mobile Streitmacht von 117,000 Mann . Der dem Prinzen Heinrich vorgelegte Feldzugsplan des Königs gründete sich sehr wesentlich auf eine Unterstützung von Seiten der Türken und Tataren : ***) Der Krieg sollte nach Mähren und Böhmen verlegt , Schweidnitz und Dresden wieder genommen , sodann aber Olmütz oder Brünn , sowie Prag belagert werden. ) Wie aber, wenn die orientalische Hülfe gänzlich ausblieb ? Darüber verlangte der Prinz unter dem 5. Jan. eine bündige Auskunft von seinem Bruder. Die Antwort des Königs vom 9. Jan. lautete dahin , dass dann nichts seinen Untergang aufschieben oder bannen könne . Da indessen der Prinz zu wissen verlange, auf welches Auskunftsmittel er in einem so entsetzlichen Falle denke, so sei seine Absicht, alsdann alle seine Streitkräfte in eine einzige Masse zu vereinigen , mit dieser der einen oder der andern der drei feindlichen Armeen auf den Leib zu gehen und sie zu überwältigen , und nachher dasselbe Spiel gegen die andern beiden Armeen zu erneuern. Zwar höre er schon alle die Einwürfe, die ihm der Prinz gegen einen solchen Plan machen könne, aber sei es nicht ganz dasselbe, einzeln oder in Masse unterzugehen ? Er sehe keinen andern Ausweg und vertraue sich darüber ganz allein dem Prinzen an . Diesem erschien der Entschluss seines Bruders

Darüber auch zu vergl. der Brief Voltaire's vom *) Geständnisse etc., IV, S. 142–145 . 13. Juli 1761 an den Herzog von Choiseul : Lettres de Mr. de Volt. VI, 171 . **) v. Schöning, III, S. 291 . ***) v. Schöning, III, S. 263 a. 264. +) Geschichte des siebenjähr. Krieges etc. von den Offizieren des grossen Generalstabs . Bd . VI, 1. Abtb., S. 18-22 .

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als einer der verzweifeltsten, die man fassen könne .

Da es sich doch nur um den früheren

oder späteren Untergang des Staates handle, so scheine ihm ein langsames Absterben vorzuziehen ; leicht könnten unvorhergesehene günstige Ereignisse eintreten ; müsse man Zeit zu gewinnen suchen .

deshalb aber

Ein geschickter Arzt suche seinen Kranken hinzu-

ziehen, wenn er ihn nicht heilen könne , damit, wenn derselbe sterbe, er wenigstens den Trost habe, dass dies nach der Regel des Gallien und nach den Vorschriften des Hippokrates geschehe. Setze man also dem Feinde überall einige Kräfte entgegen, so könne dieser wenigstens in seinem Vorschreiten aufgehalten werden, und das sei alles, was man In seiner Antwort vom unter den gegenwärtigen Umständen thun und hoffen könne. 20. Jan. hielt jedoch der König seine Ansicht fest ; noch aber sei man nicht in jenem äussersten Falle. ) Kam es gleichwohl dazu,,, va banque " zu spielen, so konnte ihn entweder ein glücklicher Schlag, ein zweiter Tag von Leuthen, retten, oder aber er fand einen ehrenvollen Untergang und brauchte nicht an langsamem Feuer gebraten zu werden. In dieser Weise war Friedrich thätig, als es sich um Sein oder Nichtsein handelte : ,,entschlossen , alles zu wagen und die verzweifeltsten Dinge zu versu,,chen ,

um

,,finden. "**)

einen glücklichen Ausgang oder ein

ruhmvolles Ende zu

Wir würden aber ungerecht gegen ihn sein, wenn wir nicht noch der Stim-

mung seiner Seele lauschen wollten, wie sich dieselbe in seinen Briefen an den Marquis d'Argens und in seinen Poesien aus jener verhängnissvollen Zeit bis Mitte Januar 1762 kundgiebt. Nach dem Verluste von Schweidnitz war der König mit seiner Armee nach StrehHier finden wir len gerückt, um sowohl Neisse, als auch Brieg und Breslau zu decken . ihn während der Monate Oktober und November, sodann aber,

als die rauhe Jahreszeit

zum Beziehen der Winterquartiere nöthigte, in Breslau bis zum Beginn des nächsten Feldzugs.

Den erschütterndsten Eindruck hatte die Ueberrumpelung der schlesischen Feste

auf das Gemüth des Königs gemacht. Wenn die Befreiung aus der Bunzelwitzer Bedrängniss seine poetische Ader zu einigen heiteren Ergüssen geweckt hatte, so gesteht er jetzt dem Freunde, dass der Stil des Jeremias für ihn am geeignetsten sei ; wenn dieser noch Er selbst beschäftige sich lebte, würde er in dem Lager des Königs der Modepoet sein . mit Lektüre , er lebe als militärischer Karthäuser und schreibe manchmal , mehr um sich zu zerstreuen, als um andere zu unterrichten oder zu vergnügen . ***) Mehr als je sei er Stoiker ; Mark Aurel bilde seine Gesellschaft, während er nicht die Genugthuung haben werde, den Marquis in diesem Winter wiederzusehen . Er habe eine Epistel verfasst über die Bosheit der Menschen, +) sowie eine andere über einen Gegenstand, der sich mehr auf

v. Schöning, III, *) Schon wusste Friedrich den Tod der Kaiserin Elisabeth von Russland. S. 261 , 262 ; 264-266 . **) Man sehe die erste Seite unserer Abhandlung. ***) Oeuvres, t. XIX, p. 255. - Dieser Brief trägt die falsche Monatsbezeichnung : Strehlen, 27. septembre 1761 ; denn an diesem Tage befand sich der König in Pülzen bei Schweidnitz. †) Oeuvres, t. XII, p. 173–180. 7*

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!

seine Lage beziehe. *) Ihr Epikur, " fährt der König fort,,,ist heiterer als mein Zeno ; ,,aber wenn man böse Beine hat, so nimmt man den ersten Stab, den man findet, um sich ,,zu stützen. Mark Aurel ist mein Stab, ich bediene mich seiner ; und wenn er mir auch ,,nicht gute Beine wiedergiebt, so hilft er mir doch, mich hinzuschleppen , und das reicht ,,hin . Leben Sie wohl, mein lieber Marquis ; ich will Ihnen ganz und gar nicht meine ,,Schwermuth mittheilen, die leicht ansteckend wird. " **) Indem Friedrich sodann in dem Briefe vom 16. Nov. seinen ,, Stoiker" dem Marquis übersendet, vergleicht er sich mit einem Schwane, der im Augenblick seines Scheidens noch seinen Gesang ertönen lasse. ***) Aus Strehlen stammt auch die ,,Rede des Kaisers Otho an seine Freunde nach der Schlacht von Bedriacum ; " +) ausserdem hatte der Könige vieles andere dort entworfen und vorbereitet oder wirklich ausgeführt ; ++) er glaubt, dass sein Freund damit zufrieden sein werde . +++) Ebenso wenig, wie in seiner Geschichte des siebenjährigen Krieges, erwähnt Friedrich in seinem letzten von Strehlen aus an den Marquis gerichteten Briefe +* ) des schwarzen Verrathes, der ihm durch den Freiherrn von Warkotsch gedroht hatte .

Erst als der Mar-

quis am Schluss des Jahres dieses Aufhebungsversuches gedenkt, bestätigt ihm der König in drei Zeilen die Wahrheit des ,,Entwurfes jener Elenden , die durch die Dummheit des mit ihrer Verhaftung beauftragten Offiziers entkommen seien. "+**) Und dem Prinzen Heinrich, der ihm zu seiner Rettung aus dieser Gefahr Glück gewünscht hat, antwortet er eigenhändig in einer offenen Nachschrift : „ Ich danke Dir für den Antheil, den Du an dem Die Gefahr war ,,abenteuerlichen Plane nimmst, welchen der Feind vorbereitet hatte. ,,nicht so dringend, als es von fern scheint.

Der Entwurf, welchen der Feind gebildet

,,hatte, bezeigte mehr den Willen zu schaden, als die militärische Einsicht des Verräthers, Derselbe ist entkommen : das ist der Aus‫ وو‬welcher ihnen diesen Plan eingegeben hatte. ,,gang, den das Abenteuer gehabt hat.

Ich hoffe Dir in einigen Tagen anziehen-

,,dere Nachrichten zu geben. "+***) Aus der eigenhändigen Instruktion des Königs für den Staats- und Kabinets -Minister Grafen Finck von Finckenstein vom 10. Jan. 1757 kennen wir seine Befehle für den Fall, dass er lebend in Feindesgewalt gerathen sollte. Es heisst daselbst am Ende folgendermaassen : ,,Wenn mich das verhängnissvolle Geschick

*) Unter dem Titel : Le ,, Stoïcien," ou „ réflexions de l'empereur Marc-Aurèle, mises en vers ." --Oeuvres, t. XII, p. 181-189 . **) Oeuvres, t. XIX, p . 262 et 263. ,,Si ma mourante voix anime encor ma lyre, ***) C'est un cygne qui chante au moment qu'il expire." Oeuvres, t. XIX, p. 266. †) Oeuvres, t. XII, p. 207-210. + ) So auch „ Le Conte du Violon." - Oeuvres, t . XII, p. 203 et 204. ttt) Oeuvres, t. XIX, p . 269. + ) vom 2. Dezember. +**) Man sebe auch : Geständnisse etc. IV, S. 121–131 . +***) v. Schöning, III, S. 241 u . 242.

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,,treffen sollte, von dem Feinde gefangen genommen zu werden, so verbiete ich , dass ,,man irgend welche Rücksicht auf meine Person nehme , so wie dass man „ irgend auf das Werth lege , was ich aus Meiner Gefangenschaft schreiben ,,könnte. Wenn mir ein solches Unglück begegnen sollte, so will ich mich für den ,,Staat opfern , und man soll meinem Bruder gehorchen, welcher ebenso wie alle meine ,,Minister und Generale mir mit ihrem Kopfe dafür bürgen werden, dass man weder eine ,,Provinz noch ein Lösegeld für mich anbieten , sondern den Krieg fortsetzen wird, indem ,,man seine Vortheile weiter treibt, gerade so als ob ich niemals auf der Welt ,,existirt hätte. "*) Wir folgen dem Könige nach Breslau, wo er mitten unter Schutt und Trümmern in seinem Hause Wohnung nahm, und wo die Bücher, die er aus Berlin erhalten hatte, seinen Trost und seine Zerstreuung bildeten ; mit ihnen lebte er , auf sie beschränkte er seine Gesellschaft und seinen Zeitvertreib ; **) er sprach wenig, speiste allein und erschien selten auf der Parade ; den ganzen Winter blieb seine Flöte unberührt. Dabei ruhte seine Feder nicht. Von Breslau aus schickte er an den Marquis seine ,, Rede des Cato von Utica, ❝***) so wie die ,,Epistel an Mitchell über den Ursprung des Uebels . " +) — In allen diesen aus der düstersten Seelenstimmung hervorgegangenen, in Strehlen und Breslau verfassten Poesien spiegeln sich jene Gedanken wieder, welche Friedrich in dem Briefe vom 28. Okt. 1760 an den Marquis d'Argens ausgesprochen hatte. Der König, als Vertreter einer neu geschaffenen Staatsmacht, ist sich treu geblieben . Mehr als je lebt in ihm , jetzt wo die Sonne Preussens sich ihrem Untergange zuzuneigen scheint, der feste Entschluss , seine Schande nicht zu unterzeichnen, sondern sich entweder unter den Trümmern seines Vaterlandes zu begraben, oder, wenn selbst dieser Trost dem ihn verfolgenden Geschick noch allzu süss erscheint, seinem Unglück , sobald es nicht mehr zu ertragen ist, aus freiem Entschluss ein Ende zu machen. Mit Mark Aurel , der sich im glänzendsten Glück wie unter den grössten Widerwärtigkeiten des Schicksals mit stoischer Ruhe treu geblieben , flieht er aus einem Dasein, das ihm keine wahrhafte Befriedigung mehr geben kann , in sich selbst zurück in das Schattenreich des Gedankens, und wirft sich, voll süsser Hoffnung, in die Arme der Gottheit. ++) An Cato von Utica, der frei wegging, als die Republik todt war, findet er ein erhebendes Muster, so zu sterben, wie er gelebt hat. Wie dieser Wächter des Berges, auf dessen Höhen das irdische Paradies ist, sieht er den Tod ohne Furcht ; auch ihn,,, den Tiefgesunkenen, soll, wie der Dichter sagt, das letzte Schicksal adeln. " Er denkt ganz , wie jene grossen Männer des Alterthums und spendet ihrer Art und Weise zu verfahren, seinen vollen Beifall. Kein Schulpedant soll ihm die schönsten Handlungen und die Seelengrösse der Alten brandmarken . †††) Nur ein Feigling ver-

*) **) ***) †) † ) +

Auf Allerhöchsten Befehl veröffentlicht am 24. Jan. 1854. Oeuvres, t. XIX, p. 272 . Oeuvres, t. XII, p. 211–213 . Oeuvres, t. XII , p. 195–202 . Man sehe den Schluss des „ Stoikers." Oeuvres, t. XIX, p. 278.

A

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möge den Untergang des Vaterlandes und seiner Freunde zu überleben, ein Held müsse sterben. ) Einzig und allein hält ihn noch sein strenges Pflichtgefühl und seine unwandelbare Anhänglichkeit an den Staat aufrecht ; weil das Schicksal ihn auf diese Stelle gesetzt hat, will er dem Glücke Trotz bieten , und weder als Tyrann herrschen, noch als Sklave sterben. **) Halfen dem Könige diese dichterischen Erzeugnisse sein herbes Geschick ertragen , so war es ihm nicht weniger Bedürfniss, bei so verzweifelten Umständen der Freundschaft, ,,dieser Gabe des Himmels, diesem einzigen und höchsten Gute,“ ***) sein ganzes Herz zu öffnen. Dem Marquis schreibt er, dass er auf alles gefasst sei ; in dieser verwünschten Zeit überrasche ihn nichts mehr, nichts setze ihn in Erstaunen, und er würde den Himmel einstürzen sehen, ohne vielleicht darauf zu achten.

Nur noch einen Schritt habe er zu

thun, und er wäre würdig, in den Trappistenorden zu treten. Ganz unmöglich sei es ihm, dem Freunde von hier heitere, lachenerregende Sachen zu schreiben. Da Wermuthsaft nothwendig bitter sei, so müssten bei solcher Lage der Dinge auch seine Briefe traurig sein . Der Marquis errathe sehr richtig die Hoffnung, die ihm noch bleibe. ††) Aber erst im Februar werde er mit Gewissheit davon sprechen können ; das sei der Zeitpunkt, den er sich gesetzt habe, um zu entscheiden, ob er sich an Cato's Rath halten, oder ob er den Commentaren Cäsar's folgen solle . Er gehe durch eine harte, lange, grausame, ja Wenn das Glück fortfahre, ihn so unbarmherzig zu verbarbarische Schule der Geduld. folgen, so werde er ohne Zweifel erliegen ; es allein könne ihn aus seiner gegenwärtigen Lage befreien. Er rette sich daraus, indem er das Weltall im Grossen betrachte, wie der Beschauer eines fernen Planeten ; dann erscheinen ihm alle Gegenstände unendlich klein , und er bemitleide seine Feinde, dass sie um eine so geringe Sache sich so viel Mühe gäben . 99,Was sollte aus uns ruft er aus - ohne Philosophie werden, ohne Nachdenken, ohne „ Losreissung von der Welt, und ohne jene vernünftige Verachtung, welche uns die Kenntniss ,,der nichtigen, vorübergehenden und flüchtigen Dinge einflösst, von denen die Geizigen ,,und Ehrsüchtigen allzuviel Aufhebens machen, weil sie dieselben für feste und dauerhafte ,,Güter halten ! Das sind die Früchte, die man aus der Schule der Widerwärtigkeit davon,,trägt. Das heisst vernünftig werden durch Stockschläge, werden Sie sagen ; aber wenn ,,man nur weise wird, was liegt daran, wie ? — Ich lese viel ; ich verschlinge meine Bücher, ,,und das verschafft mir nützliche Zerstreuung. Hätte ich diese nicht, so glaube ich, dass die ,,Hypochondrie mich in's Tollhaus gebracht hätte. Ich habe alle Eigenschaften zu einem

• ,,Helden im Trauerspiel, immer in Gefahr, immer zum Tode bereit.

Man muss hoffen,

,,dass die Entwickelung kommen werde, und wofern nur das Ende des Stückes glücklich

*) **) ***) Bosheit der †) tt)

Schluss des Cato von Utica. Vorletzter Passus der Epistel über die Bosheit der Menschen. Man sehe des Königs schönen Erguss über die Freundschaft am Schluss der Epistel über die Menschen. Oeuvres, t. XIX, p. 279 et 280. Der zwischen den Engländern und Spaniern ausgebrochene Krieg.

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,,ist, wird man das Frühere gern vergessen .

Geduld also, mein Lieber, bis zum 20. Fe-

,,bruar ; vielleicht kann ich Sie dann trösten, Sie wiederherstellen , Sie stärken , Sie wieder,,beleben und Ihnen die Hoffnung wiedergeben . " *) Am 18. Januar, dem Krönungstage des ersten Königs von Preussen , schrieb Friedrich diesen Brief. Scheint es da nicht wirklich, als werde der Enkel Friedrich's I. ,,den Bau nicht vollenden, dessen Grundstein dieser gelegt hat? "**) Scheinen nicht seine Feinde nahe daran, mit ihren Massen das bis dahin unerschöpfliche Genie zu erdrücken ?

Wird

nicht die Katastrophe, die er so lange hingezogen, endlich über ihn hereinbrechen ?

Wird

er, der einzige Hort aller freien Seelen in dem alten Europa, der Philosoph auf dem Throne, der Repräsentant der neuen, tiefgedachten und lebendig erfassten Staatsidee, wird er nicht seinen rachsüchtig grollenden Feinden, den Vertretern der alten Missbräuche und des alten Schlendrians, erliegen ? Er soll also nicht die Selbständigkeit seiner Macht vor ganz Europa erweisen ? Er, der im Bewusstsein von der Allgemeinheit des Geistes das Prinzip des Protestantismus nicht als dogmenbildender Theologe , sondern als unabhängiger Denker, als Staatsmann erfasst hat, er soll Preussen nicht als protestantische Macht auf dem Festlande in das Konzert der europäischen Grossstaaten einführen , und so dem westphälischen Frieden nach dieser Seite hin seinen wahren Abschluss geben? Nur das Glück allein , wie er selbst sagt, vermag , seiner felsenfesten Ausdauer, seiner Charaktergrösse zu Hülfe kommend , ihn vom Abgrunde zu retten . Und das Ereigniss, an dessen Eintritt der Freund in Berlin mit unerschütterlicher Ueberzeugung festgehalten,***) erfolgte jetzt im entscheidenden Augenblicke wirklich, nachdem es schon lange vorhergesagt worden war : am 19. Jan. erhielt der König die Nachricht, dass die ,, Messalina des Nordens " in Pluto's Reich hinabgestiegen sei , † ) und dass sein Freund und enthusiastischer Bewunderer , Peterr III . , den russischen Thron bestiegen habe .

Bis hierher haben wir dem Könige folgen wollen. Es sind hundert Jahre, dass dieses Stück Weltgeschichte gespielt hat, und der Staat Friedrich's des Grossen ,

die Schöpfung

*) Oeuvres, t. XIX, p. 282 et 283 . **) Mémoires de Brandebourg, p. 178 . ***) Oeuvres, t. XIX, p. 281 . Oeuvres, t. XIX, p. 293 ; 284.

des Genies,

besteht in jugendlicher

Elisabeth starb bekanntlich am 5. Jan.

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- der Ueberzeugung Frische, das Gesicht der aufgehenden Sonne zugekehrt ; ihm gehört s. die Zukunft Deutschland leben wir Unter wie gewaltigem Ringen aber dieses Gebilde gezeitigt worden ist, daran in der gegenwärtigen inhaltsvollen Zeit des mit beschleunigten Schritten vorwärts drängenden Geschichtsgeistes zu erinnern, hat uns nicht ganz unangemessen scheinen wollen .

Schul - Nachrichten.

A.

Chronik des Gymnasiums.

Am 19. April nahmen die Lehrer und die evangelischen Schüler in der MagdalenenKirche an der Feier zum Andenken an den am 19. April 1560 erfolgten Tod Melanchthon's Theil, nachdem ich am vorhergehenden Tage zu dem Cötus über die Bedeutung des grossen Reformators für die Gymnasien gesprochen hatte. Zu der Feier des 15. Octobers versammelten sich Vormittags um 9 Uhr in dem grossen Sale des Gymnasiums das Lehrer- Collegium, die Schüler der oberen und mittleren Classen und aus den unteren Classen die von den Lehrern dazu ausgewählten, da der Raum die Theilnahme aller nicht zuliess . Wir hatten uns der Gegenwart des Wirklichen Geheimen Raths und Oberpräsidenten von Schlesien Herrn Freiherrn von Schleinitz Excellenz , mehrerer Mitglieder der königlichen Regierung und anderer Behörden, der Deputationen des Magistrats und der Stadtverordneten und anderer Gönner der Anstalt zu erfreuen . Die von mir gehaltene Festrede schloss sich an Goethe's Worte : Der Mensch ist nicht geboren, frei zu sein , Und für den Edlen ist kein schöner Glück, Als einem Fürsten, den er ehrt, zu dienen an, und suchte zu zeigen, wie richtig sie unser Verhältniss zu unserem Fürstenhause und namentlich zu Sr. Majestät dem Könige bezeichnen . Vierstimmige Gesänge des Chors begannen und schlossen die Feierlichkeit . Als wir den 4. Januar 1861 als ersten Schultag des Jahres in gewohnter Weise mit einer gemeinsamen Andacht begannen, wies ich die Schüler auf die tiefe und gerechte Trauer hin, welche in Folge des Ablebens Sr. Majestät des Königs Aller Herzen erfüllte . Der Magistrat genehmigte, dass am Ende der Landestrauer am 16. Februar eine GeEs verdächtnissfeier in den städtischen höheren Unterrichtsanstalten veranstaltet wurde . sammelten sich zu diesem Zwecke die Herren Curatoren, eine Deputation der Stadtverordneten-Versammlung, das Lehrer- Collegium und sämmtliche Schüler Vormittags um 9 Uhr in dem grossen Saale.

Nach einem Trauergesange des Chores versuchte ich, in kurzem

Ueberblicke die reichen Segnungen zu schildern, welche wir dankbar auf Seine Majestät

8

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den Hochseligen König zurückzuführen haben . schloss die ernste Feier.

Ein vierstimmiger Gesang des Chores be-

Am 6. März leisteten die Lehrer des Magdalenen- Gymnasiums des jetzt regierenden Königs Majestät den Eid der Treue in die Hand des Königlichen Regierungs- Vicepräsidenten Herrn v. Prittwitz, welcher zu diesem Zwecke die Lehrer aller städtischen höheren Unterrichtsanstalten und des Friedrichs -Gymnasiums in dem grossen Saale des Magdalenen-Gymnasiums versammelt hatte. Der Schulamtscandidat Herr Dr. Laubert fand zu Ostern 1860 eine Anstellung an der hiesigen Realschule am Zwinger . Zu derselben Zeit wurde die seit dem Abgange des Herrn Dr. Klemens zu Ostern 1859 erledigte zweite Collaboratur dem bisherigen dritten Collaborator Herrn Dr. Proll übertragen, die von dem dritten Collaborator zu ertheilenden Stunden aber wurden mit Erlaubniss der vorgesetzten Behörden an das schon am Gymnasium beschäftigte Mitglied des Königlichen pädagogischen Seminars , den Schulamtscandidaten Herrn Gleditsch und an den Schulamtscandidaten Herrn Suckow, um sein Probejahr zu bestehen, vertheilt .

Unter dem 7. Juli wurde die Vocation des Collaborator

Herrn Dr. Proll bestätigt, unter dem 10. erging der Auftrag, denselben zu vereiden und in sein Amt einzuführen .

Da die Sommerferien schon am 13. Juli Nachmittags begannen ,

so konnte diesem Auftrage vorher nicht mehr genügt werden.

Herr Dr. Proll brachte die

Sommerferien scheinbar wohl zu , und benutzte sie zu kleinen Ausflügen . aber erkrankte er und zwar bald in Besorgniss erregender Weise.

Am letzten Tage

Vergebens war die

Kunst der Aerzte und die treueste Pflege seiner Mutter, die seit ihrer Wittwenschaft nur Er er-

für ihn, das einzige ihr gebliebene Kind, lebte ; und er war ein sehr guter Sohn. lag dem Lungentyphus am 12. September.

Seinem Sarge folgten am 15. Sept. die Her-

ren Curatoren der Anstalt, seine Amtsgenossen und seine Schüler unter grosser Betrübniss. Die Morgenandacht der neuen Woche am 17. September wurde seinem Andenken geweiht. Er war, wie in den Schulnachrichten des vorjährigen Programms mitgetheilt worden ist, ein Zögling des Magdalenen- Gymnasiums, und der Ernst seines Strebens und die Lehrbefähigung, welche er seit seiner Anstellung als Collaborator zu Ostern 1859 bewiesen hatte, berechtigten zu der zuversichtlichen

Hoffnung, er werde dem Gymnasium durch red-

liche Dienste an ihm selbst das, was es für ihn gethan , reichlich vergelten . Wie treu er es mit seinen Schülern meinte, erkannten die allermeisten sehr bald ; sie waren ihm daher, obgleich er nur seit so kurzer Zeit dem Lehrercollegium angehörte, von Herzen ergeben. Ohne äussere Anregung veranstalteten die Mitglieder der Unter- Tertia und der Quinta , in welchen Classen er besonders Unterricht ertheilt hatte, unter sich eine Sammlung und händigten mir deren reichen Ertrag von 33 Thlr . 5 Sgr. 6 Pf. ein, um dafür auf dem Grabe Ein Gönner des Gymnasiums , der des geliebten Lehrers einen Denkstein zu errichten . Herr Freiherr v. Rothkirch, fügte in treuem Andenken an den Verstorbenen noch 5 Thlr. Der Denkstein wird in wenigen Wochen gesetzt werden . hinzu. Die Lebensverhältnisse des Herrn Dr. Proll sind im vorjährigen Progamm mitgetheilt worden ; er hat nur ein Seine Mutter ist ihm im Laufe des Winters nachgefolgt. Alter von 27 Jahren erreicht. Herr Schulamtscandidat Suckow liess sich bald nach dem Beginn der Krankheit freundlich bereit finden, die volle Stundenzahl der zweiten Collaboratur und das Ordina-

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riat der Quinta zu übernehmen.

Da aber auch der Schulamtscandidat Herr Gleditsch zu

Michaelis 1860 das Gymnasium verliess, um an die hiesige Realschule zum heiligen Geiste überzugehen, so musste für die Vertretung der dritten Collaboratur gesorgt werden . Diese übernahm seit dem 5. November der Schulamtscandidat Herr Dr. Dzialas . Das königliche Provinzial - Schulcollegium eröffnete unter dem 12. September, dass der Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten , Herr von Bethmann-Hollweg Excellenz befohlen habe, zur Beseitigung der überfüllten Classen des Magdalenen- Gymnasiums noch bis zum Beginn des Wintersemesters Parallel- Cötus für Sexta, Quinta, Quarta und Unter-Tertia einzurichten, oder die Aufnahme neuer Schüler in Die Kürze der Zeit erlaubte die Einrichdiese Classen einstweilen ganz einzustellen . tung der Parallelclassen zwar nicht sogleich , aber der Magistrat und die Stadtverordneten beschlossen in wohlwollender Fürsorge für den Unterricht der Jugend, nicht nur die genannten Classen , sondern auch Ober-Tertia und die drei Elementarclassen nach und nach zu verdoppeln, und bewilligten in liberaler Weise die dazu nöthigen bedeutenden Mittel . Es wurden die erforderlichen Räume in einem auf der Altbüsser- Strasse nahe gelegenen Hause gemiethet, bis durch einen Umbau des Gymnasiums , der hoffentlich bald erfolgen Schon im Anfang d. wird, die Classen für immer in demselben beschafft werden können . J. liess sich eine neue dritte Elementarclasse begründen, zu der seit Jahren ein besonderer Als Lehrer wurde Herr Gotthard Joachim, seit mehreren Andrang sich gezeigt hatte. Die ErJahren an der städtischen Elementarschule No. VII angestellt, berufen . öffnung der neuen Classe fand am 10. Januar 1861 trotz der heftigen Kälte mit 22 Schülern Statt, diese Zahl hat sich seitdem noch um einige vermehrt, Herr Joachim aber wurde Zu Ostern d. J. werden wahrscheinlich am 14. Januar von mir in sein Amt eingeführt. drei neue Gymnasialclassen eröffnet werden. Auch der Turnunterricht hat in dem verflossenen Schuljahre eine sehr erwünschte Erweiterung erfahren , an die sich die Hoffnung fernerer erfreulicher Entwickelung knüpft. Die Betheiligung der Schüler an dem Sommerturnen war die bisherige geblieben.

Mit

gebührendem Danke ist zu erwähnen, dass der Magistrat die Abhaltung eines Turnfestes Dasselbe fand am am 18. Juni genehmigte und die dazu nöthigen Geldmittel bewilligte. Nachmittage von drei Uhr an unter wohlwollender Theilnahme vieler Mitglieder königlicher und städtischer Behörden und der Eltern unserer Schüler Statt. Nachdem die Turner gemeinsam von dem Wäldchen nach dem schönen Turnplatze gezogen waren und ihre Aufstellung auf demselben genommen hatten , hielt der Director des Elisabet - Gymnasiums Herr Dr. Fickert eine Ansprache an die Turner, welche vor und nach derselben ein geeignetes Turnlied sangen. Darauf wechselten von halb fünf Uhr an Freiübungen , Geräthturnen und Stabübungen bis um halb acht mit einander ab ; ein gemeinsamer Gesang beschloss das anregende Fest. Von Michaelis an musste der Turnunterricht zunächst wieder, wie in früheren Jahren, auf die Ausbildung von Vorturnern und Anmännern beschränkt werden, da der Kallenbach'sche Saal nur dazu den nöthigen Raum gewährte.

Indessen

veranlassten die Verfügungen des königlichen Ministeriums der geistlichen, Unterrichtsund Medicinal-Angelegenheiten und des königlichen Provinzial - Schulcollegiums vom 10 . und 17. September, durch welche den Lehrer- Collegien die Erweiterung und angemesse8*

60

nere Einrichtung des Turn-Unterrichts dringend an's Herz gelegt wurde, Herrn Director Fickert zu einem Vorschlage und Antrage an den Magistrat und an den Turnrath, wie alle Schüler während des Winters zu den sogenannten Frei- und Ordnungs - Uebungen angeleitet werden könnten .

Es gelang, innerhalb der Stadt ein zu solchen Uebungen geeignetes Local ausfindig zu machen . Der Magistrat und die Stadtverordneten bewilligten die Miethskosten für dasselbe und gewährten das Honorar, um an jeder der höheren Unterrichtsanstalten der Stadt einen Hilfsturnlehrer mit der Verpflichtung anzustellen, sowohl während der Wintermonate als während des Sommers überhaupt in der städtischen Turnanstalt Lehrhilfe zu leisten sowohl beim Turnen am Geräth als beim Freiturnen . Für das Magdalenen-Gymnasium wurde dieser Unterricht Herrn Collegen Dr. Lindner, der ihn schon früher am Pädagogium in Züllichau geleitet hatte, provisorisch vom 1. Februar an übertragen . Seitdem finden diese Freiübungen für alle Schüler, welche nicht an dem Geräthturnen Theil nehmen oder sonst geordneten Turnunterricht empfangen, in der dazu für die Nachmittagsstunden gemietheten Getreidemarkthalle in der Nähe des Neumarkts Statt.

Der Versuch, an je zwei Nachmittagen wöchentlich die Schüler beider städtischen

Gymnasien gemeinsam zu üben , hat wegen der grossen Menge vorläufig wieder aufgegeben werden müssen . Es turnen daher die Schüler des Magdalenen- Gymnasiums zur Zeit Auch bei diesem Unterrichte müssen Erfahrungen gesamnur Donnerstags von 4-7. melt werden ; aber die neue Einrichtung ist als ein viel versprechender Anfang mit Freuden und mit aufrichtigem Dank zu begrüssen . Der Unterricht im Polnischen ist wie bisher von dem Professor am Elisabet- Gymnasium Herrn Dr. Kampmann den Schülern der oberen und mittleren Classen gegeben worden, welche an dem Unterrichte Theil nehmen wollten. Die Zahl der grösstentheils aus früheren Jahrhunderten herrührenden frommen Stiftungen ist in dem verflossenen Jahre um eine vermehrt worden. Der am 8. December 1859 verstorbene Rentier Herr Markus Beer Friedenthal hat dem Gymnasium letztwillig einhundert Thaler zugewendet, welche von den Erben am 6. Januar 1860 der Casse zugestellt worden sind. Der Magistrat hat in Uebereinstimmung mit der StadtverordnetenVersammlung beschlossen, das Legat zu capitalisiren und die Jahreszinsen zu Bücher- Prämien zu verwenden, welche nach dem Vorschlage des Curatoriums und des Directors der Anstalt am Todestage des Legatars an die fleissigsten und bedürftigsten Primaner und Secundaner verliehen werden sollen . In dankbarster Anerkennung dieser schönen Stiftung hat die erste Verleihung im December 1860 Statt gefunden. Mit dem herzlichsten Danke ist auch zu erwähnen , dass der verehrliche TheaterPacht-Verein hierselbst die Güte hatte, 7 Billets für die Lehrer und 40 Billets für die Schüler zu der Aufführung von Goethe's Egmont an dem Geburtstage des Dichters zu übersenden, dass das hochgeehrte Comité des hiesigen Schillervereins einem von den Lehrern dazu ausgewählten Primaner Schiller's Werke in einer schönen Gesammtausgabe am 10. November verlieh, und dass die verwittwete Frau Escadrons -Arzt Proll aus dem Nachlass ihres Sohnes 17 Schulbücher und 3 Atlanten zur Vertheilung an arme Schüler schenkte.

61

B.

Vertheilung der Stunden unter die Lehrer im Winterhalbjahr 186% -

I. a.

Lehrer.

1. Dr. Schönborn, Director, Ordinarius von I. a. 2.

Dr. Lilie, Prorector und Professor, Ordinarius von I. b.

3.

Dr. Sadebeck, Professor.

2 3 4 2

I. b.

II. b.

III. a.

III. b.

IV.

V.

VI.

Sa.

Relig. Deutsch 2 Latein Latein Griech.

13

6 Latein 2 Griech.

16

4 Latein 4 Griech.

2 Physik 4 Mathem. 4 Mathem. 4 Mathem. 4 Mathem.

4. Dr. Beinert, 1ster College u. Oberlehrer, Ordinarius von II. a. 5. Palm, 2ter College und Oberlehrer, Ordinarius von III. b.

II . a.

18

10 Latein 2 Griech. 6 Griech.

2 Hebräisch

Dr. Schück, 6. 3ter College and Oberlehrer, Ordinarius von II. b.

2 Hebr.

18

2 Relig. 10 Latein

2 Relig. 2 Hebr.

20

10 Latein 4 Griech.

18

2 Deutsch 2 Deutsch 3 Latein 3 Gesch. 3 Gesch.

19

4 Griech.

3 Deutsch

Dr. Cauer, 7. 4ter College und Oberlehrer.

3 Geschichte

Dr. Beinling, fünfter College.

8.

1 Physik

Friede, sechster College ,

2 Relig.

Ordinarius von III . a. 10.

Simon, siebenter College,

2 Franz.

2 Franz.

2 Franz.

3 Mathem. 13 Mathem . 2 Natur- 2 Natur- 4 Mathem. 2 Naturbeschr. beschr. beschr. 2 Religion 3 Deutsch davon 1 Parallelst. 7 Latein 6 Griech. 12 Franz. 12 Franz. 2 Franz. 4 Gesch. 3 Gesch. u. Geogr. u. Geogr.

1 Physik

John, erster Collaborator, Ordinarius von VI.

14.

6 Griech. 2 Deutsch, 1 Deutsch. 3 Gesch. Parallelst.

Dr. Dzialas, Schulamtscandidat.

Eitner, 16. Maler und Zeichenlehrer. 17. Wätzoldt, Schreiblehrer.

Turnst.

19

21

12 Deutsch 2 Deutsch 2 Franz. 10 Latein 1 Latein 3 Franz. Parallelst.

Suckow, Schulamtscandidat, Ordinarius von V.

15. Kahl, Cantor und Gesanglehrer.

20

3 Relig. 3 Rechnen 10 Latein 4 Rechnen

12.

20

20

Geogr. 33 Deutsch

20

2 Singen 12 Singen

7

2 Zeichn. 1 Zeichn. 2 Zeichn. 2 Zeichn. 2 Zeichn.

11

13 Schön- 13 Schönschreiben schreiben

6

| 1 Singen 1 Singen 1 Singen für die geübtesten Schüler aller Classen. 2 Zeichnen

2 Geogr.

20

dazu 4

10 Latein 6 Griech. 3 Religion 2 Religion

Dr. Lindner, achter College, Ordinarius von IV.

11.

13.

2 Naturbeschr.

290

62

C.

Uebersicht

Lehrplanes

des

während des verflossenen Schuljahres .

Classen und wöchentliche Stunden.

3

-

6

33

23

87 42

3

17 -

18



33



-

2

2



2

2

4

3

3

2

3

24

33

386

23

1

48

3

2

34

11

| 61 24

1

23

11. Singen .

2

Sa.

3 10

3 1

33

— 2

VI. Parallelst.

10

4

2 -

10. Geschichte u . Geographie

10

V.

2211

2 2

206

206

4

2 10



24

9. Naturgeschichte

10

6 22

2

22

2

24

S. Physik .

2

2 10 6

242

6. Religionslehre . 7. Mathematik und Rechnen

10 22

.

3 S 22

4. Hebräische Sprache . 5. Französische Sprache



986

· 1. Deutsche Sprache 2. Lateinische Sprache . 3. Griechische Sprache

206

I. a. I. b. II. a. II. b. IIIa. lib. IV.

30

Lehrgegenstände.

-

1

-

1

7

13. Schönschreiben 14. Turnen .

23

G

12. Zeichnen

2

2

2 23

1

— 4

11 6

4

4

4

4

4

4

4

4 290

D.

Zusammenstellung der während des Schuljahres beendeten Pensen.

(S. bedeutet das Sommerhalbjahr, W. das Winterhalbjahr. ) Ober-Prima. Ordinarius : Director Dr. Schönborn. Religion 2 St. Erklärung des Evangeliums Johannis aus dem Grundtext, dann christliche Glaubenslehre im Anschluss an Luther's Katechismus und die Augsburgische Confession. Director Schönborn.

63

Deutsche Sprache 3 St.

Correctur der freien, nach selbstgefundenen Dispositio-

nen gemachten Aufsätze und der metrischen Versuche, die Elemente der Psychologie und Director Logik, Geschichte der Nationallitteratur von Opitz bis zur Gegenwart. Schönborn.

sätze.

Lateinische Sprache 8 St. Correctur der alle 5 Wochen zu liefernden freien AufLeitung der Privatlecture ; es wurden Ciceron. libri de officiis gelesen . 2 St.

Horatii satir. lib. 1. sat. 6, 7 , 9 , 10. lib. II. sat. 1—6 , 8. Odar. lib. III. 1—4. 2 St. Director Schönborn. Stylübungen : alle 14 Tage ein Exercitium, Uebersetzen aus Seyffert's Uebungsbuch für Secunda, Extemporalien , Uebung im Versificiren 1 St. S. TaProrector citi Annales I, 60 - II, 57 , W. Ciceron, de divinatione II, 7-72. 3 St. Dr. Lilie. Syntax nach Krüger's Schulgrammatik § 41-68, eingeGriechische Sprache. Pluübt durch alle 14 Tage zu machende Exercitien und durch Extemporalien 1 St. tarchi Alcibiades . Demosthenis orationes contra Philippum I. II, Homeri Iliad. rhaps. Sophoclis Ajax und Oedipus Coloneus 2 St. DiProrector Dr. Lilie. 17-20. 3 St. rector Schönborn. Französische Sprache 2 St. Wiederholung aller Theile der Grammatik nach Aufsätze von SchriftstelPlötz Cursus II, alle 14 Tage ein Exercitium, Extemporalien.

lern der neueren Zeit in Ideler und Nolte's Handbuch, Th. III , Auflage 5 , S. 1-75 . College Simon. Hebräische Sprache 2 St. Wiederholung der Formenlehre und die Hauptregeln der Syntax nach Gesenius, schriftliche Analysen von Psalmen , Uebungen im Uebersetzen Oberlehin's Hebräische. S. Judicum 1-13 incl. W. Psalm . 51-74 ausser 68. rer Palm. Geschichte 3 St.

Neuere Geschichte von 1500 bis zur Gegenwart.

Repetition

der griechischen Geschichte nach Dietsch's Lehrbuch und Cauer's Geschichtstabellen . Oberlehrer Dr. Cauer. Mathematik 4 St. S. Die zusammengesetzte Zinsrechnung, die arithmetischen

Reihen höherer Ordnung, die Kettenbrüche , die diophantischen Gleichungen, die Combinationslehre und der binomische Lehrsatz nach dem eigenen Lehrbuch von § 301 bis zu Ende . W. Aus der Trigonometrie die Entwickelung der analytischen Formeln und Anwendung derselben nach dem eigenen Lehrbuch von § 51 bis zu Ende ; darauf die Stereometrie nach Köcher's Lehrbuch. Wöchentlich Correctur einer schriftlichen Arbeit. Professor Dr. Sadebeck.

faden.

Licht, Wärme, Magnetismus und Electricität nach Brettner's LeitPhysik 2 St. Professor Dr. Sadebeck .

Singen 1 St. ler aus allen Classen.

Uebungen im vierstimmigen Chorgesang für die geübtesten SchüGeübt wurden 5 Choräle, die Chöre der Symphonie - Cantate von

Mendelssohn, Salvum fac regem von Schulz, 3 Motetten von Rolle, Motette von HauptCantor Kabl . mann, die Chöre des ersten Theils der Schöpfung von Haydn .

64

Unter-Prima. Ordinarius : Prorector Dr. Lilie.

Religion 2 St.

Combinirt mit Ober-Prima 2 St.

Director Schönborn .

Deutsche Sprache 3 St. Correctur der freien alle 5 Wochen nach selbst gefundener Disposition gemachten Aufsätze und der metrischen Versuche ; Analyse und Besprechung einzelner Aufsätze aus Hiecke's Lesebuch für obere Classen . Erörterung der Hauptthatsachen aus der Geschichte der deutschen Sprache nach Vilmar's Grammatik, und Uebersicht über die Geschichte der Nationallitteratur von Anfang bis Opitz, mit Beziehung auf die Proben in Pütz's Lesebuche. Oberlehrer Dr. Cauer. Lateinische Sprache 8 St. Stilübungen , Extemporalien, alle 8 Tage ein Exercitium, Uebung im Uebersetzen aus M. Seyffert's Uebungsbuch für Secunda ; alle 5 Wochen ein freier Aufsatz, Uebung im Versificiren . 3 St. S. Tacit. Annal. XIV. XV, 1—12. W. Ciceron. de natura deorum II, 16 - III incl. Als Privatlectüre Livii histor. lib. VIII. 3 St. Prorector Dr. Lilie. Horat. Od. I, 5-38. II. 2 St. Director Schönborn . Griechische Sprache 6 St. Syntax nach Krüger's Schulgrammatik § 41-68 , eingeübt durch alle 14 Tage zu machende Exercitien und durch Extemporalien.

1 St.

Plutarchi T. Quinctius Flamininus. W. Herodoti hist. lib. VII, 138-239 . 3 St. lehrer Dr. Schück. Homeri Iliad. rhaps. I- XII. 2 St. Prorector Dr. Lilie.

Französische Sprache 2 St.

S.

Ober-

Halbjährlich Plötz Cursus II , Abschn . 9 : Régime

Alle der Verben, Infinitiv und Conjunctionen , und Wiederholung früherer Abschnitte. 14 Tage Correctur eines Exercitiums, Extemporalien . Ideler und Nolte Theil III, Auflage 5 , S. 376-438 . College Simon. Hebräische Sprache 2 St. Mit Ober-Prima vereinigt. 2 St. Oberlehrer Palm . Oberlehrer Dr. Cauer. Mit Ober-Prima vereinigt. 3 St. Geschichte. S. Die zusammengesetzte Zinsrechnung , die arithmetischen Mathematik 4 St. Reihen höherer Ordnung, die Kettenbrüche , diophantische Gleichungen, die Combinationslehre und der binomische Lehrsatz nach dem eigenen Lehrbuche von § 301 bis zu Ende . W. Aus der Trigonometrie die Entwickelung der analytischen Formeln und ihre Anwendung nach dem eigenen Lehrbuche von § 51 bis zu Ende ; darauf die Stereometrie Professor Wöchentlich Correctur einer schriftlichen Arbeit. nach Köcher's Lehrbuch. Dr. Sadebeck.

Physik 2 St. Mit Ober-Prima vereinigt . Professor Dr. Sadebeck . 1 St. Cantor Kahl. Singen . ( Siehe Ober-Prima . )

Ober-Secunda. Ordinarius : Oberlehrer Dr. Beinert. Religion 2 St. Einleitung in das neue Testament. Erklärung der beiden Briefe an die Thessalonicher und des Briefes an Philemon, dann des Evangeliums Lucae aus dem

Grundtext.

Repetition von Kirchenliedern.

College Friede.

65

Deutsche Sprache 2 St.

Correctur der alle 3 Wochen gelieferten Aufsätze nach

mit den Schülern festgestellten Dispositionen und der metrischen Uebungen .

Lectüre der

mittelhochdeutschen Sprachproben aus Gudrun und der höfischen Epik in Pütz Lesebuch mit grammatischen Erläuterungen nach Vilmar und Memoriren einzelner Stücke . Oberlehrer Dr. Cauer. Lateinische Sprache 10 St.

In jährigem Cursus fortgesetzte Einübung der Syn-

tax nach Zumpt einschliesslich des Wichtigsten aus Cap . 84 durch wöchentliche Exercitien und mündliches Uebersetzen aus August's Anleitung , Correctur von 4 freien Aufsätzen und der alle 14 Tage gemachten Distichen . 4 St. Livii liber XXVII, dann Ciceron. oratio pro Milone, memorirt wurden 6 Capitel. 4 St. Virgil. Aeneid. lib. 1 , 561 -— lib. II, 587. 2 St. Oberlehrer Dr. Beinert. Griechische Sprache 6 St. der Lehre von der Wortbildung .

Halbjährlich Wiederholung der Formenlehre nebst Aus der Syntax das Hauptsächlichste über die Prono-

mina, das Verbum, die Negationen , die Conjunctionen nach Krüger § 51–56 , § 67 und 69. Wöchentlich Correctur eines Exercitiums . 1 St. Homeri Odysseae rhaps. XII— XXIV. Memorirt wurden in beiden Semestern zusammen gegen 300 Verse . 3 St. Den Arrhian erArrhian, anab. lib. II. 16 --—– III, 15. 2 St. Oberlehrer Dr. Beinert. klärte von Ostern bis Ende August Schulamtscandidat Gleditsch. Französische Sprache 2 St. Halbjährlich Plötz Cursus II, Abschn. 7 und 8 : Syntax des Artikels, Nomens, Adverbs, Fürworts. Wiederholung von Abschnitt 5 und 6 . Beauvais études historiques Alle 14 Tage Correctur eines Exercitiums ; Extemporalien. tome III, Aufl . 2, S. 636–697 . Hebräische Sprache 2 St.

College Simon . Die ganze Formenlehre und die einfachsten syntakti-

schen Regeln nach Gesenius, Vokabellernen nach Stier's hebräischem Vocabularium ; Aus Gesenius Lesebuch pag. 28 wöchentlich Uebungen im Uebersetzen in's Hebräische. -50. Oberlehrer Palm. Römische Geschichte nach Dietsch Lehrbuch. Historische und Geschichte 3 St. Obergeographische Repetitionen nach Cauer's Tabellen und nach Daniel's Lehrbuch . lehrer Dr. Cauer. Mathematik 4 St.

Halbjährlich : ebene Trigonometrie nach dem eigenen Lehr-

buche § 1-51 , die quadratischen Gleichungen und die Progressionen nach dem eigenen Professor Lehrbuche § 282-301 . Wöchentlich Correctur einer schriftlichen Arbeit. Dr. Sadebeck.

Physik 1 St.

Das Hauptsächlichste aus der Lehre vom Lichte, vom Magnetis-

College mus, von der Electricität nach Brettner's Leitfaden, Abschnitt 7 , 9 , 10, 11. Dr. Beinling . Singen 1 St. Uebung im vierstimmigen Gesange (siehe Ober-Prima) . Cantor Kahl. Zeichnen 2 St.

Für die Schüler, welche Theil nehmen wollten .

Maler Eitner.

9

Zeichenlehrer

66

Unter-Secunda. Ordinarius : Oberlehrer Dr. Schück .

Religion 2 St. S. Einleitung in die Bücher des alten Testaments im Anschluss an Kurz heilige Geschichte . W. Uebersicht der Geschichte der christlichen Kirche bis zum Augsburger Religionsfrieden . Oberlehrer Palm . Deutsche Sprache 2 St.

Correctur der alle 3 Wochen nach gegebener Disposi-

tion zu machenden Aufsätze und der metrischen Versuche ; Lectüre der Abschnitte aus dem Nibelungenliede in Pütz Lesebuch mit grammatischen Erläuterungen nach Vilmar . Oberlehrer Dr. Cauer. Lateinische Sprache 10 St.

Die Syntax der Casus und des Verbums nach Zumpt

in jährigem Cursus eingeübt durch wöchentliche Exercitien und durch mündliches Uebersetzen aus August. 3 St.

Livii histor. lib. XXI, 1—55 ,

Roscio Amerino mit Memorirübungen. 4 St. sificiren 1 St. Oberlehrer Dr. Schück .

dann Ciceron. oratio pro Sext.

Virgil. Aeneid. lib . VII. VIII. 2 St.

Ver-

Griechische Sprache 6 St. Halbjährlich Wiederholung und weitere Einübung der Formenlehre. Aus der Syntax von Krüger das Hauptsächlichste über die Casus , den Artikel, die Präpositionen § 46-50 .

Wöchentlich Correctur eines Exercitiums oder eines

Extemporale 1 St. Homeri Odysseae rhaps. IX, 200. Memorirt wurden in jedem Halbjahre gegen 100 Verse. 3 St. Oberlehrer Dr. Schück. ― Arrhian anab. lib. VII, 6 bis zu Ende. 2 St. Oberlehrer Dr. Beinert. Französische Sprache 2 St. Halbjährlich Plötz Curs . II , Abschn . 5 und 6 : Wortstellung, Gebrauch der Zeiten und Modi, Wiederholung von Abschnitt 3 und 4. Alle 14 Tage Correctur eines Exercitiums. 307 .

Beauvais études historiques tome III. S. 248-

College Simon . Hebräische Sprache 2 St.

Halbjährlich die Elemente der Formenlehre nach Ge-

senius, Vocabellernen, wöchentlich schriftliche Uebungen . sis I, 1-18. Oberlehrer Palm.

Geschichte und Geographie 3 St.

Aus Gesenius Lesebuch Gene-

Uebersicht der Geographie der alten Welt.

Geschichte der orientalischen Völker und der Griechen nach Dietsch Lehrbuch . RepetiWiederholung des geogration der deutschen Geschichte nach Cauer's Tabellen . 2 St. Oberlehrer Dr. Cauer. phischen Cursus der Ober- Tertia nach Daniel's Lehrbuch 1 St. Mathematik 4 St.

Halbjährlich : die Kreislehre nach dem eigenen Lehrbuch, die

Potenzen, Wurzeln und Logarithmen nach dem eigenen Lehrbuch § 228-282 . Wöchentlich Correctur einer schriftlichen Arbeit. Professor Dr. Sadebeck. Physik 1 St. Das Hauptsächlichste aus der Statik und Mechanik der flüssigen Nach Brettund der luftförmigen Körper , aus den Lehren vom Schall und der Wärme . ner's Leitfaden , Abschn . 4 , 5 , 6 , 8. College Dr. Beinling . CanSingen 1 St. Uebung im vierstimmigen Chorgesang (siehe Ober-Prima) . tor Kahl . Zeichnen 2 St. Für die, welche Theil nehmen wollten, mit Ober- Secunda verZeichenlehrer Maler Eitner . einigt . 2 St.

67

Ober-Tertia.

Ordinarius : College Friede .

Religion 2 St. S. Erweckliche Erklärung des Matthäus -Evangeliums . W. Erg klärun von Luther's Katechismus . Es wurden zu den früher gelernten Sprüchen andere und zu den in Quarta gelernten 9 Liedern 5 gelernt . College Friede. Deutsche Sprache 2 St. Alle 14 Tage Correctur eines erzählenden, beschreibenHalbjahrden oder erläuternden Aufsatzes nach gegebener Disposition oder einer Chrie . lich die deutsche Conjugation , die Verhältnisse des zusammengesetzten Satzes . Erklärung College Friede. und Memoriren einzelner Gedichte aus Echtermeyer's Auswahl . Lateinische Sprache 10 St. Fortgesetzte erweiterte Einübung der Syntax nach Putsche durch wöchentliche Exercitien und durch mündliches Uebersetzen aus August's Anleitung 3 St. S. Sallust. coniur. Catilin. W. Ciceronis de amicitia liber, 4 St. ProsoOvid. Metamorphos. lib. XII und XIII mit Auswahl 2 St. beiden letzten GegenDie dik und Uebungen im Versbau 1 St. Oberlehrer Dr. Cauer.

College Friede.

stände hat bis Ende August der Schulamtscandidat Gleditsch gelehrt. Griechische Sprache 6 St. Halbjährlich Wiederholung und Vervollständigung der Formenlehre durch die unregelmässigen Verba und die epischen Formen nach Krüger. Wöchentlich Correctur eines Exercitiums 2 St. Xenophont. Anab. IV, 5 — V , 4. 2 St. Homeri Odyss. rhaps. XII und I. 2 St. College Friede . Französische Sprache 2 Lect. 24-38 .

St.

Halbjährlich Plötz Cursus II, Abschn . 3 und 4 ,

Gebrauch der Hülfszeitwörter, reflexive und unpersönliche Verben, No-

men, Adjectiv, Adverb , Zahlwort, Präposition . Wiederholung von Abschnitt 1 und 2 . Wöchentlich Correctur eines Exercitiums . Beauvais études historiques tome III, S. 5398.

College Simon . Geschichte 3 St.

preussische Geschichte. Tabellen .

S. Geschichte Deutschlands bis 1648.

W.

Brandenburgisch-

Wiederholung der früher gelernten Jahreszahlen nach Cauer's

College Simon .

Geographie 1 St. Erörterung der geographischen Grundbegriffe, dann kurze vergleichende Geographie in topographischer, physikalischer und statistischer Hinsicht. S. Australien, Amerika , Afrika, Asien . W. Europa , insbesondere Deutschland und Preussen, nach Daniel's Leitfaden. Zeichnen von Deutschland in eine Netzkarte . College Simon. Mathematik 3 St.

Halbjährlich die einfachen Gleichungen , die Ausziehung der

Quadrat- und Kubik-Wurzel, die Proportionalität gerader Linien, die Aehnlichkeit und der Flächenraum gradliniger Figuren . Nach Sadebeck's Lehrbüchern . College Dr. Beinling. rectur einer schriftlichen Arbeit. Naturgeschichte 2 St.

Wöchentlich Cor-

Wiederholung des Cursus der Unter-Tertia (3 Monate) ,

systematische Uebersicht des Thierreichs nach Schilling ( 9 Monate ) . College Dr. Beinling. Singen 1 St. Vierstimmiger Männergesang. Geübt wurden 22 Choräle, Lieder und Motetten aus der Sammlung von Erk, 2 religiöse Gesänge von E. Richter , 6 Motetten von B. Klein . Cantor Kahl. Zeichnen 2 St. Für die, welche Theil nehmen wollten . Zeichenlehrer Maler Eitner. 9*

68

Unter-Tertia . Ordinarius : Oberlehrer Palm .

Religion 2 St.

Erklärung von Luther's Katechismus.

Es wurden zu den früher

gelernten Beweisstellen andere und zu 10 in Quinta gelernten Kirchenliedern 5 neue geOberlehrer Palm. lernt. Deutsche Sprache 2 St.

Alle 14 Tage Correctur eines kleinen erzählenden , be-

schreibenden oder erörternden Aufsatzes gegebenen Inhalts . Halbjährlich die deutsche Declination und die Verhältnisse des einfachen Satzes. Erklärung und Memoriren einzelner Gedichte aus Echtermeyer's Auswahl. Collaborator Dr. Proll, seit dem November Schulamtscandidat Dr. Dzialas. Lateinische Sprache 10 St.

Halbjährlich Wiederholung der Formenlehre und die

Wortbildung. 1 St. Einübung der Syntax der Casus und des Verbums nach Putsche Caesar. durch wöchentliche Exercitien und mündliches Uebersetzen aus August. 3 St. de bello gallico lib. V. 24 bis lib. VII incl.

6 St.

Oberlehrer Palm .

Griechische Sprache 6 St. Halbjährlich Wiederholung und Vervollständigung der Formenlehre durch die Verba i , µ, v, o̟ und µ und die gewöhnlichsten unregelmässigen Verben nach Krüger . Wöchentlich Correctur einer schriftlichen Uebung . Gottschick's Lesebuch S. 98-177 mit Auswahl .

Halbjährlich 50 Verse aus der Odyssee.

Vokabel-

lernen nach Ditfurt. Collaborator Dr. Proll, im August Schulamtscandidat Gleditsch, seit dem November Schulamtscandidat Dr. Dzialas . Französische Sprache 2 St. Halbjährlich Plötz Cursus II, Abschnitt I und II , Lect. 1-23. Die regelmässigen und die unregelmässigen Verben . Wiederholung des Gelesen wurden die zuCursus der Quarta. Wöchentlich Correctur eines Exercitiums . sammenhängenden Stücke in Plötz Curs. I , Abschn . 6.

Geschichte und Geographie 3 St.

College Simon.

Alte Geschichte bis 476 n. Chr.; Wiederho-

Repetition der lung der früher gelernten Zahlen nach Cauer's Tabellen ( 9 Monate). Geographie besonders in topographischer Hinsicht nach Daniel's Leitfaden ; Zeichnen von Europa in eine Netzkarte ( 3 Monate) . Mathematik 3 St.

College Simon .

Halbjährlich die entgegengesetzten und die allgemeinen Grös-

sen, die ebenen Figuren , die Congruenz der Dreiecke, die Polygone und Parallelogramme ColWöchentlich Correctur einer schriftlichen Arbeit. nach Sadebeck's Lehrbüchern . lege Dr. Beinling.

Naturgeschichte 2 St. Schilling.

Botanik ( 9 Monate) , das Mineralreich (3 Monate ) nach

College Dr. Beinling.

Zeichnen 1 St.

Singen 1 St. tor Kahl.

Zeichenlehrer Maler Eitner. Vierstimmiger Männergesang mit Ober - Tertia vereinigt.

Can-

69

Quarta. Ordinarius : College Dr. Lindner.

Religion 2 St. Bibelkunde , im Sommer das alte, im Winter das neue Testament . Es wurden 9 Kirchenlieder gelernt und 10 in Sexta gelernte wiederholt . College Dr. Lindner . Deutsche Sprache 2 St. Alle 8-14 Tage Correctur einer längeren Nacherzählung, eines Briefes, einer leichten Beschreibung . Lesen in Masius' Lesebuch. DeclamirUebungen . Halbjährlich die Hauptsätze aus der Lehre von der Wortbildung. amtscandidat Suckow. Lateinische Sprache 10 St.

Wiederholung der Formenlehre 1 St.

Schul-

Wiederho-

lung des syntaktischen Cursus der Quinta, der Gebrauch von quin, quo , quominus, quod, Wöchentlich Correctur der Participien, des Gerundiums und Supinums nach Putsche. eines Exercitiums . 3 St.

S. Jacobs Lesebuch Th. II, p . 31—57 .

nes, Phocion, Timoleon, de regibus, Hamilcar, Hannibal. 6 St.

W.

Cornelii Eume-

Vocabellernen nach Döderlein.

College Dr. Lindner.

Griechische Sprache 6 St. Halbjährlich Formenlehre einschliesslich der zusammengezogenen Verben nach Krüger. Gottschick's Lesebuch pag . 3-70 mit Auswahl. Vocabellernen nach Ditfurt. Wöchentlich Correctur einer schriftlichen Arbeit. College Dr. Lindner. Französische Sprache 2 St.

Halbjährlich aus Plötz Curs. I , Lect. 60-91 : das

regelmässige Verbum, die persönlichen Fürwörter, verbe réflechi, participe passé, die geWöchentwöhnlichsten unregelmässigen Verben . Wiederholung des Cursus der Quinta. lich Correctur eines Exercitiums .

Gelesen wurden einzelne Stücke aus Abschnitt 6.

S.

Schulamtscandidat Gleditsch, W. Schulamtscandidat Suckow.

Geographie und Geschichte 2 St.

Die wichtigsten Begebenheiten aus der allge-

meinen Geschichte bis 1815 , angeknüpft an die Schilderung hervorragender Persönlichkeiten, und Wiederholung der Hauptdata der preussischen Geschichte nach Cauer's Tabellen ( 9 Monate) , dann Wiederholung des geographischen Cursus der Quinta und Versuch, die Umrisse Asiens in eine Netzkarte einzutragen nach Daniel's Leitfaden (3 Mon.) . S. Schulamtscandidat Suckow, seit dem November Schulamtscandidat Dr. Dzialas . Halbjährlich Begründung der 4 Hauptrechnungsarten mit ganzen und mit gebrochenen Zahlen , die Decimalbrüche, die Proportionsrechnungen , AnWöchentlich Correctur einer fangsgründe der Planimetrie nach Sadebeck's Lehrbüchern . Mathematik 4 St.

schriftlichen Arbeit .

College Dr. Beinling.

Zeichnen 2 St.

Zeichenlehrer Maler Eitner.

Singen 1 St. Uebung im dreistimmigen Singen. Geübt wurden : 30 Choräle, 12 Lieder aus der Sammlung von Gollmick Heft 2 , 18 Lieder von Abt. Cantor Kahl.

70

Quinta. Ordinarius : Collaborator Dr. Proll, dann Schulamtscandidat Suckow. Religion 2 St.

Biblische Geschichte des neuen Bundes nach Preuss , damit wurde

die Wiederholung des ersten und dritten Hauptstückes und die Erklärung des zweiten und vierten verbunden ; zu den in Sexta gelernten Beweisstellen kamen andere, zu den gelern" ten 10 Liedern 10 neue . 3 St. College Dr. Lindner. WöchentOrthographie- und Interpunctionsübungen . Deutsche Sprache 2 St. lich Correctur einer kleinen Nacherzählung, der Nachbildung eines kleinen Briefes oder einer leichten Beschreibung. Halbjährlich fortgesetzte Betrachtung der einfachsten Satzverhältnisse an Lesestücken aus Masius ' Lesebuch. Deklamirübungen . Schulamtscandidat Suckow. Lateinische Sprache 10 St. der Formenlehre nach Putsche 2 St.

Halbjährlich Wiederholung und Vervollständigung Die Hauptregeln über den Gebrauch der Casus,

des Accusativ mit dem Infinitiv , des Conjunctiv nach ut und ne und der absoluten Ablative. Wöchentlich Correctur eines Exercitiums 3 St. Uebersetzen aus dem Latein und in dasselbe nach A. Schönborn's Lesebuch Curs . II , pag. 1-50 mit Auswahl und pag. 81-88 . Collaborator Dr. Proll , dann Schulamtscandidat Vocabellernen nach Döderlein . 5 St. Suckow. Französische Sprache 3 St.

Halbjährlich Plötz Curs . I, Lect. 1-59, die Aus-

sprache, die Hülfszeitwörter, die Form der Frage und der Verneinung, Fürwörter, Steigerung und Pluralbildung, Zahlen, Theilungsartikel. Wöchentlich Correctur eines Exercitiums. S. Schulamtscandidat Gleditsch, W. Schulamtscandidat Suckow.

Geographie und Geschichte 2 St.

Zu Anfang jedes Halbjahrs Wiederholung der

in Sexta gegebenen Uebersicht über die Erdoberfläche, dann S. Europa ausser Deutschland, Einprägung der Hauptdata der W. Deutschland und Preussen nach Daniel's Leitfaden . preussischen Geschichte nach Cauer's Tabellen . S. Schulamtscandidat Suckow , W. Schulamtscandidat Dr. Dzialas. Halbjährlich Wiederholung der Bruchrechnung, einfache und zuRechnen 3 St. sammengesetzte Regeldetri und darauf beruhende Rechnungen, verbunden mit Uebungen Collaborator John . im Kopfrechnen . Naturgeschichte 2 St.

Betrachtung einzelner Pflanzen und Anleitung sie zu be-

schreiben ( 9 Monate), Betrachtung und Beschreibung einzelner Mineralien (3 Monate) . College Dr. Beinling. 2 St. Zeichnen 2 St. Zeichenlehrer Maler Eitner. Schönschreiben 3 St.

Schreiblehrer Wätzoldt.

Singen 2 St. Uebung im zweistimmigen Singen . In jedem Halbjahr nach Hahn's Handbuch § 15-30 und Wiss's Notentafeln. Geübt wurden 40 einstimmige Choräle aus der auf Veranlassung der Breslauer Schulen - Deputation herausgegebenen Sammlung, 32 zweistimmige Lieder aus Richter's Liederheften Heft 3. Cantor Kahl .

71

Sexta . Ordinarius :

Collaborator John.

Religion 3 St. Biblische Geschichte des alten Bundes nach Preuss ; damit wurde die Erklärung des ersten und dritten Hauptstückes des Katechismus, die Erlernung von Collaborator John. Beweisstellen und von 10 Kirchenliedern verbunden.

1 St.

Deutsche Sprache 3 St. Uebungen in der Orthographie und der Interpunction . Wöchentlich Correctur einer kleinen Nacherzählung . Lesen aus Masius ' Lese-

buch.

Deklamirübungen . Halbjährlich Unterscheidung der Wortarten, des einfachen und des zusammengesetzten Satzes und ihrer Theile, nachgewiesen an Lesestücken . 2 St. S. Schulamtscandidat Suckow, seit dem November Schulamtscandidat Dr. Dzialas . Lateinische Sprache 10 St.

Halbjährlich Formenlehre einschliesslich der gewöhn-

lichsten unregelmässigen Verben nach Putsche's Grammatik , Uebung im Uebersetzen aus dem Latein und in dasselbe nach A. Schönborn's Lesebuch für die Vorbereitungs - Classe, Wöchentlich Correctur eines Exercitiums und eines Specimens . Vocabellernen Curs. I. nach Döderlein. Collaborator John .

Geographie und Geschichte 3 St.

In jedem Halbjahr : Uebersicht der Erdober-

fläche, dann die vier aussereuropäischen Erdtheile nach Daniel's Leitfaden . Erzählungen S. aus der vaterländischen Geschichte, sich anschliessend an erwähnte Oertlichkeiten . Schulamtscandidat Suckow, seit dem November Schulamtscandidat Dr. Dzialas . Rechnen 4 St. Halbjährlich die Brüche und die einfache Regeldetri . rator John . Naturgeschichte 2 St.

Collabo-

Betrachtung einzelner Thiere und Anleitung, sie nach na-

türlichen Exemplaren zu beschreiben . College Dr. Beinling. Zeichnen 2 St. Zeichenlehrer Maler Eitner. Schreiblehrer Wätzoldt. Schönschreiben 3 St. Singen 2 St. Uebung im einstimmigen Singen . In jedem Halbjahre nach Hahn's Geübt wurden 36 Choräle aus der auf VerHandbuch § 1-14 und Wiss's Notentafeln . anlassung der Breslauer Schulendeputation herausgegebenen Sammlung, 33 Sätze und Lieder aus Richter's Liederheften , Heft 2. Cantor Kahl .

Besonderer Unterricht für die Schüler, welche wegen Wechsels an den Singstunden nicht Theil nahmen.

der Stimme

a) Für die Ober- Tertianer.

Es wurde Schiller's Geschichte des dreissigjährigen Krieges Theil 1 St.

1

gelesen .

College Friede. b) Für die Unter-Tertianer. Erklärung deutscher Gedichte aus Echtermeyers Sammlung 1 St.

Dr. Proll, seit dem November Schulamtscandidat Dr. Dzialas. c) Für die Quartaner. Lateinische Extemporalien 1 St. Schulamtscandidat Suckow .

Collaborator

72

Die Themata für die lateinischen Aufsätze waren : 1 ) Quomodo factum sit quaeritur, ut Cn. Pompejus Magnus a C. 2) Thrasybulus Athenarum liberator cum Pelopida Thebarum Julio Caesare vinceretur. 3 ) Quo consilio Horatius satiram primam libri secundi videatur liberatore comparatur. 5 ) Utrum Octavia4) Laudes sancti Bonifacii (Clausur-Arbeit) . scripsisse, quaeritur . In Ober-Prima :

nus Augustus magis laudandus sit an vituperandus, quaeritur . 6 ) Quae et quanta Alexan7) Quomodo factum est, ut Romani dri magni expeditio in Asiam effecerit, exponatur. 8) Examinetur, quod Ci) (Clausur-Arbeit. obtinerent? diu terras exteras expugnatas portu Athein Syracusanorum cero in Verrinarum orationum libri V capite XXXVII dixit, niensium nobilitatis, imperii, gloriae naufragium esse factum. videtur esse probanda , Romanorum an Carthaginiensium?

9 ) Utra causa tibi magis

In Unter-Prima : 1 ) Rerum Atheniensium status qualis Croesi aetate fuerit, Herodoto auctore exponatur.

2)

De causis et initiis belli Punici secundi.

banorum res publica aucta et fracta sit ?

3) Quomodo The-

4 ) Quo jure Graecorum principes habentur Athe-

nienses? (Clausur- Aufsatz . ) 5 ) Quo animo cives ingratae patriae injurias ferre deceat, exemplis demonstretur. 6) Quibus de causis M. Junius captivos dixerit redimendos esse, T. Manlius Torquatus negaverit (Liv. XXII. 59. 60) .

7 ) Nihil esse perniciosius civita-

tibus quam discordiam civilem, Graecorum et Romanorum rebus gestis illustretur. 8 ) Quaenam bella plurimum contulerunt ad potentiam Romanorum ita augendam, ut imperium orbis terrarum consequerentur ?

9 ) Quando quibusque rebus Atheniensium respublica maxime

floruit? (Clausur-Aufsatz . ) In Ober- Secunda : 1 ) Quibus rebus C. Jul. Caesar et de populo Romano et de universo genere humano bene meritus sit. 2) Causae explanentur, cur Athenienses majore laude dignos habeamus, quam Spartanos.

3)

Quae causae sint, quaeritur, cur Alexan-

dri Magni historia magis teneamur , quam Philippi, patris ejus. argumentationis, qua Cicero usus est in oratione Miloniana.

4 ) Adumbretur summa

Die Themata zu den deutschen Aufsätzen waren : In Ober-Prima : 1 ) Warum ist die Ehrfurcht vor dem Alter für jedes nicht rohe Gemüth ein so natürliches Gefühl ? 2 ) Wodurch hat der grosse Churfürst den Grund zur Grösse Preussens gelegt ?

3 ) Halte das Bild der Würdigen fest ! wie leuchtende Sterne

streute sie aus die Natur durch den unendlichen Raum (Clausur -Arbeit ) . 4 ) Willst du, dass wir dich hinein in das Haus mit bauen, lass es dir gefallen , Stein, dass wir dich behauen. 5 ) Wodurch wurde besonders die geistige Entwickelung der meisten griechischen Stämme befördert? 6 ) Weshalb können wir nichts so sehr unser eigen nennen , als die Kräftigkeit des Wollens, und was folgt daraus ? 7) Was ist von dem Ausspruch zu halten : Nulla salus bello ? (Clausur -Arbeit . ) 8 ) Versuch den Charakter des Tellheim zu entwickeln in Lessing's Minna von Barnhelm . In der Unter-Prima : bess'rer Hort.

( Goethe) .

1 ) Entzwei und gebiete : tüchtig Wort ;

Verein' und leite :

2 ) a. Götz von Berlichingen als historisches Gemälde . b . Cha-

rakter Götzens von Berlichingen . c. Aus welchen Quellen fliesst die tragische Rührung im Götz von Berlichingen ? 3) Welche Umstände haben auf den Gang der deutschen Refor-

73

mation hemmend und welche fördernd eingewirkt ?

4) (Clausur -Arbeit . ) Lob der deut-

schen Sprache. 5 ) Poetischer Versuch : a. Hector und Andromache nach Homer. b. Diomedes und Glaukos nach Homer. c. Das Hildebrandslied , nach dem Altdeutschen umgearbeitet und ergänzt. 6) Spricht mich das Wesen des griechischen oder das des römischen Volkes mehr an, und aus welchen Gründen ? 7) Der wahre Bettler ist doch einzig und allein der wahre König (Lessing : Nathan) .

8) Verschiedene je nach der Privatlectüre

der Einzelnen ausgewählte Aufgaben über Lessing's Laocoon, ästhetische und historische Aufsätze von Schiller, A. W. Schlegel, Wieland u . s . w. sowie aus dem Gebiete der Kunstund Literaturgeschichte . 9 ) Welchen Zeitabschnitt der Vergangenheit möchtest du am liebsten mit erlebt haben ? 10) (Clausur-Arbeit. ) So bindet der Magnet durch seine Kraft das Eisen mit dem Eisen fest zusammen, wie gleiches Streben Held und Dichter bindet (Goethe) . 1 ) Grundgedanke und Ideengang von Klopstock's Wingolf. In Ober-Secunda : 2) In welche verschiedenen Beziehungen hat sich der Mensch im Verlauf der Geschichte 3) Euch, ihr Götter, gehört der Kaufmann ; Güter zu suchen geht zur Natur gesetzt ? 4) Metrischer Versuch : a . er, doch an sein Schiff knüpfet das Gute sich an ( Schiller) . 5) Veji's Untergang. b. Horant's Gesang und Werbung, nach der Gudrun in Trochäen . 6 ) Wie Welche Tugenden hat Schiller in seinen erzählenden Gedichten verherrlicht ? 7) Zu welchen Gedanken geben die Ruinen von 9) Wel8) Schuld und Schicksal in Schiller's Braut von Messina . und Carthager, und Römer der Kämpfen in den Sympathie chem Volke schenke ich meine 10) Metrischer Versuch : a. Die Schlacht bei Aquae Sextiae. aus welchen Gründen?

unterscheiden sich Fabel und Parabel ? Ritterburgen Stoff?

b. Der Tod des Priamus nach Virg. Aen. II , 506–558 .

11) Wie lässt sich Hölderlin's

Schicksal aus seinen Gedichten erklären ? • 12 ) Welche Art des Ruhmes stellst du am 13) Cato und Cäsar in ihrem Gegensatze. höchsten ? Od. In Unter-Secunda : 1 ) Πλαγκιοσύνης δ᾽ οὐκ ἔστι κακώτερον ἄλλο βροτοῖσιν . 15 , 343 (Chrie) .

2 ) Arézov zai anizov. 3) Vergleich der beiden Gedichte : Der reichste

Fürst und : Graf Eberhard. 4 ) Meer und Wüste . 5 ) Metrischer Versuch : Die Einleitung des Nibelungenliedes in trochäischen Strophen. 6) Schiller's Balladen die Kraniche des Ibycus, und der Gang nach dem Eisenhammer, verglichen in der Uebereinstimmung ihres Grundgedankens und in der entgegengesetzten Ausführung desselben . 7) Das Schiff und die Schifffahrt bei Homer . 8 ) Was gefährdet die Tugend mehr, Reichthum oder Armuth ? 9 ) Erklärung von Hölderlin's Wanderer. 10 ) Was haben die Griechen durch die olympischen Spiele gewonnen ? 11 ) Metrischer Versuch in der Nibelungenstrophe: der Palast des Alkinoos. Od . VII, 84-132 . 12) Durch welche Gründe suchte Themistocles die Griechen zum Bleiben bei Salamis zu bewegen ?

13 ) Welche Eigen-

schaften befähigen den Menschen vor allen anderen Geschöpfen in den verschiedensten Zonen zu leben ? 14 ) Den Weisen kannst du an der Wahl der Zweck' entdecken , den Klugen an der Wahl der Mittel zu den Zwecken.

10

74

Verzeichniss der Lehrbücher, welche beim Unterricht zum Grunde liegen und in den Händen der Schüler sein müssen :

Religionsunterricht.

Ausser der Bibel und dem Breslauer Gesangbuch in Prima

Kirchenbuch für evangelische Christen , Berlin 1854 bei Decker, in den übrigen Classen Luther's kleiner Katechismus, in Quarta, Quinta und Sexta Preuss' biblische Geschichte. Deutsche Sprache. In beiden Prima Pischon's Leitfaden zur Geschichte der deutschen Literatur und Hiecke's deutsches Lesebuch für obere Gymnasial- Classen , in UnterPrima und beiden Secunda Villmar's Anfangsgründe der deutschen Grammatik und Pütz' altdeutsches Lesebuch, in beiden Abtheilungen von Secunda und Tertia Echtermeyer's Auswahl deutscher Gedichte, in den drei unteren Classen Masius' Lesebuch erster Theil . Lateinische Sprache. In Prima und Secunda Zumpt's grosse lateinische Grammatik , in den übrigen Classen Putsche's lateinische Grammatik für untere und mittlere Gymnasialclassen .

Ausserdem in Unter-Prima Seyffert's Uebungsbuch zum Uebersetzen

aus dem Deutschen in's Latein für Secunda, in Secunda und Tertia August's Anleitung zum Uebersetzen aus dem Deutschen ins Lateinische, in den drei untersten Classen Döderlein's Vocabularium und in Quarta Jacobs ' lateinisches Lesebuch Thl . II , in Quinta A. Schönborn's Lesebuch für die Quinta des Friedrich-Wilhelms- Gymnasiums in Posen, in Sexta A. Schönborn's Lesebuch für die Vorbereitungs - Classen des eben genannten Gymnasiums . Griechische Sprache . In allen Classen Krüger's griechische Sprachlehre für Anfänger, von Unter-Tertia aufwärts einschliesslich der homerischen Formenlehre, in beiden Tertia und in Quarta Ditfurt's griechisches Vocabularium, in Unter- Tertia und in Quarta Gottschick's griechisches Lesebuch. Französische Sprache. Von Prima bis Unter-Tertia Plötz' Schulgrammatik , in

Quarta und Quinta Plötz' Elementarbuch der französischen Sprache. Ausserdem in beiden Abtheilungen der Prima Ideler und Nolte's Handbuch Thl . III., in beiden Abtheilungen der Secunda und in Ober-Tertia Beaurais études historiques tome III. Hebräische Sprache . Gesenius' hebräische Grammatik ; dessen Lesebuch wird in Ober- und Unter- Secunda benutzt, während die Schüler in Prima das ganze alte Testament in den Händen haben . Geschichte und Geographie . In allen Classen Cauer's Geschichts - Tabellen zum

Gebrauch auf Gymnasien und Realschulen ; ausserdem in Secunda Dietsch's Lehrbuch der Geschichte Theil I, in Prima desselben Werkes Thl . II und III . Für die Geographie wird in den 4 unteren Classen Daniel's Leitfaden , in Ober- Tertia desselben Verfassers Lehrbuch, ausserdem in Ober-Tertia, Unter- Secunda und Quarta je eine Netzkarte von Vogel benutzt . Mathematik und Rechnen. Von Prima bis Quarta Arithmetik und Elemente der Geometrie von Sadebeck ; ausserdem in beiden Prima und beiden Secunda Vega's Logarithmen, in beiden Prima und Ober- Secunda Sadebeck's Leitfaden der ebenen Trigonometrie , in Prima Köcher's Leitfaden der Stereometrie, in Quarta und Quinta Blümel's Aufgaben zum Zifferrechnen.

75

Physik. In Prima und Secunda Brettner's Leitfaden . Naturbeschreibung. In beiden Tertia, Quinta und Sexta Schilling's der Naturgeschichte .

Grundriss

Singen . 78 Choralmelodien für die evangelischen Schulen Breslau's und Richter's Sammlung von Liedern und Chorälen Heft 2 und 3 .

E.

1)

Verordnungen der vorgesetzten Behörden.

Das Königliche Provinzial- Schulcollegium genehmigt den

16. April 1860.

eingereichten Lehrplan. 2)

25. April.

Der Magistrat gewährt den ordentlichen Lehrern der Realschule

am Zwinger die Immunität ihrer Söhne auch in den Elementarclassen der beiden städtischen Gymnasien und der Realschule zum heiligen Geiste.

3)

14. Juli .

Der Minister der geistlichen , Unterrichts- und Medicinal -Angele-

genheiten Herr v. Bethmann -Hollweg Excellenz hat bestimmt , dass in Zukunft die Beamten seines Ressorts sich als Mitglieder der Verwaltungs -Vorstände , Verwaltungsräthe , Ausschüsse an industriellen Actien- oder ähnlichen Gesellschaften nur mit ministerieller Genehmigung betheiligen dürfen . 4) 7. August. Der Magistrat verordnet, in Zukunft stets den Tag, für welchen die Abmeldung eines Schülers erfolgt, als Tag seines Abgangs in den Schulgeldlisten zu notiren. 5) 6. September. Der Magistrat genehmigt, nahmsweise am 29. September beginnen zu lassen .

die Michaelisferien diesmal aus-

6) 17. September. Das Provinzial- Schulcollegium theilt den Erlass des vorgeordneten Königlichen Ministeriums über eine angemessenere Einrichtung des Turnunterrichts mit, und begleitet ihn mit weiteren Rathschlägen und Erläuterungen. 7) 19. September. Es wird das erläuternde Regulativ für die Organisation des Königlichen Gewerbe- Instituts mitgetheilt. 8) 26. September. Der Magistrat ertheilt den Auftrag, bei der Ueberfüllung einzelner Classen die einheimischen Schüler bei der Aufnahme zuerst zu berücksichtigen, und auswärtige so lange zurückzuweisen, als noch einheimische zur Aufnahme gemeldet sind. 9)

26. September.

Das Turnen findet während des nächsten Winters für die

Schüler des Magdalenen- Gymnasiums Montags und Donnerstags Statt.

10)

22. October.

Nach

einem Erlass

des

vorgeordneten Ministeriums

vom

16. October wird im Einvernehmen mit dem evangelischen Ober- Kirchenrathe festgesetzt : 10*

76

Der Religionsunterricht der Schule und der kirchliche Katechumenen- und ConfirmandenUnterricht bilden jeder für sich ein selbstständiges Ganze . Die Religionsstunden dürfen daher auf den Anstalten nicht so gelegt werden , dass die Katechumenen verhindert sind, daran Theil zu nehmen. Die beiden Stunden, in welchen in der Regel an zwei Tagen von 11-12 der Katechumenen- und Confirmanden -Unterricht ertheilt wird, sind in den mittleren Classen entweder frei zu halten, oder solchen Lehrgegenständen zu überweisen , von denen eine Dispensation für die Zeit dieses Unterrichts zulässig erscheint. Abweichungen von der in dieser Hinsicht bisher ohne Unzuträglichkeiten getroffenen Einrichtung können nur unter Zustimmung der beiderseitigen Provinzial - Aufsichtsbehörden eingeführt werden. Wenn die Geistlichen vor der Einsegnung den Fleiss ihrer Confirmanden mehr als vorher in Anspruch nehmen , sind nöthigenfalls in den letzten vier Wochen die Anforderungen der Schule an den häuslichen Fleiss der betreffenden Schüler in angemessener Weise zu ermässigen. Diesen Bestimmungen entspricht die bisherige Anordnung auf dem MagdalenenGymnasium schon seit langer Zeit.

11 )

8. November.

Im Auftrage Sr. Excellenz des Herrn Ministers für Handel,

Gewerbe und öffentliche Arbeiten übersendet der Königliche Ober-Postdirector hierselbst die neuen Reglements über die Annahme und Beförderung der Post- Eleven , Post- Expedienten und Post-Expeditions - Gehilfen . 12) 7. Januar 1861. Der Magistrat trifft Bestimmung über die Theilnahme der Lehrer an der allgemeinen Landestrauer um das Ableben Sr. Majestät des hochseligen Königs . 13 )

20. Januar.

Das Königliche Provinzial - Schulcollegium theilt die amtliche

Nachricht über das von dem Professor Dr. Herrig in Berlin geleitete Institut zur Ausbildung von Lehrern für die neueren Sprachen mit . 14)

13. Februar.

Der Magistrat setzt im Einvernehmen mit der Stadtverord-

neten-Versammlung von Ostern 1861 ab das zur Vermehrung der Gymnasial- Bibliothek bestimmte Inscriptionsgeld durch alle Classen für einheimische Schüler auf einen Thaler, für auswärtige auf zwei Thaler fest .

15) 20. Februar. In Folge eines Erlasses des Königlichen Cultus-Ministeriums wird verordnet, dass das Geburtsfest des jetzt regierenden Königs Wilhelm Majestät von dem Gymnasium in derselben Weise, wie bisher der 15. October, gefeiert werde. 16 )

28. Februar.

Es sind in Zukunft 237 Exemplare der an der Anstalt er-

scheinenden Programme an das Königliche Provinzial- Schulcollegium einzusenden .

77

F. a.

Statistische Verhältnisse.

Anzahl der Schüler und Verzeichniss der Abiturienten.

Im Sommerhalbjahr sind in den Gymnasial-Classen 544 und in den ElementarClassen 185 Schüler , zusammen 729 unterrichtet worden, nämlich :

2

60 71

99

93

3 1

81

2

5 9

82 185

70 69

5

151

11

8 23

729

630

28

71

3

6 14

7

13

4

28

6

27

4

26

5

13 18 3 156

-46

4234444

1

80

5

Immunes .

5

00:04



38

1

o8

- Quinta . • - Sexta - den Elementarclassen

45 68

2

2-

25 39

- Ober- Secunda - Unter- Secunda • • -· Ober-Tertia • . • Unter-Tertia . · - Quarta . • ·

23 22 33

215 176

25

In Ober-Prima • · Unter-Prima . •

3343

zahl.

232

Ganz oder zum Theil Jüdischer AusBekennt- Bekennt- Religion . wärtige . vom Schulnisses. nisses. gelde frei.

Evang.od . Katholischen Gesammt- altluther.

31

Während des Winterhalbjahres haben die Gymnasial - Classen 528 , die ElementarClassen 211 Schüler, zusammen 739 besucht, nämlich :

37 59

52

70 81

• .

- Quinta Sexta - den Elementarclassen

23

20 31

81

• ·

Ganz oder zum Theil vom Schulgelde frei.

1

10

7 14

3

16

6

3

58

2

10

75 70

2

4

23 29

1

10

71

4 2

3 5

81 72 211

65 169

10

6 5 32

741

634

28

79

4

7

Immunes. 227

- Ober- Tertia - Unter -Tertia - Quarta

24 25

232

In Ober-Prima • - Unter-Prima -- Ober- Secunda · - Unter-Secunda

Auswärtige.

43

Evang. od . Kathol . Jüdischer Gesammt- altluther. Bekennt- Religion . Bekenntzahl. nisses. nisses.

1

6

6 4

17

6 4

11 12

6 2

142

3

3 5 3 8

44

34

78

Am 15. März d. J. betrug die Zahl der Schüler in I. a . 24 , in I. b . 23 , in II . a . 35 , in II . b . 56 , in III . a . 69 , in III . b . 80, in IV. 80 , in V. 80 , in VI. 71 , in den Elementarclassen 208 , zusammen 726 . Seit Ostern sind 101 Schüler in das Gymnasium und 94 in die Elementarclassen aufgenommen worden , zusammen 195. Abgegangen sind seit dem März 1860 bis jetzt aus dem Gymnasium 92 und aus den Elementarclassen 68 , von denen 49 in das Gymnasium aufgenommen wurden und 4 mit der Reife für Sexta in andere Anstalten übergingen. Durch den Tod haben wir seit Ostern v. J. zwei schmerzliche Verluste erlitten. Es starb nämlich am 21. Juli in Folge eines organischen Herzleidens Emil Hartmann aus Brieg, 15

Jahr alt, ein sehr guter, vielversprechender Schüler ; und am 24. Februar

1861 der Sextaner Waldemar von Schutter aus Dambritsch bei Neumarkt, 12

Jahr alt,

am Typhus. Unter dem Vorsitz des Königlichen Regierungs- und Provinzial - Schulrathes Herrn Dr. Scheibert erhielten zu Michaelis 1860 folgende Primaner nach bestandener Prüfung das Zeugniss der Reife : Aufenthalt

Namen

Geburtsort

Stand des

Alter

in der Schule

in Prima

Jahre

Jahre

Jahre

Vaters

Was und wo er studirt

21%

8

2

Plilologie in Breslau.

Richard Otto

Bromberg Assessor +212

8

2%

Naturwissenschaften in Breslau .

Arnold Lissa

Breslau

Kaufmann

17 %

9

2%

Medicin in Breslau und Berlin.

Moritz Fliegel

Breslau

Kaufm . +

19

9

Emil Sperlich

Breslau

Brauerei-

17/2

8/2

2½ Jura und Cameralia in Breslau und Berlin . 2 Jura und Cameralia in

Berthold Kresse

besitzer + MühlenbeOcklitz, Kr.Neumarkt sitzer

18/2

6%

2

Julius Kirschner

Freiburg

Arzt

21



2

Otto Müller

i. Schl. Breslau

Signator

19 %

Hugo Schildbach

Breslau

Stellmachermstr. +

Julius Schneider Bernhard v. Prittwitz u. Gaffron

Moritz Blasche

Theologie und Philologie in Breslau und Berlin. Jura und Cameralia in

Breslau.

Perschütz, SuperintenKr. Trebnitz dent Münster Regier.Vice - Prä-

Peucke, Kr. Oels

Breslau und Halle .

sident Lehrer +

10

2

Jura und Cameralia in Breslau und Berlin.

202 %



2

Ingenieur.

19

4

2

Jura und Cameralia in

Breslau, Berlin. 21 %

7%

2

Bonn und

Theologie in Breslau.

79

Unter demselben Vorsitz erhielten am 4. März 1861 folgende Abiturienten nach bestandener Prüfung das Zeugniss der Reife :

Aufenthalt

Geburts-

Namen ort

Stand des Vaters

Alter

Jahre

in in der Was und wo er studirt Schule Prima Jahre Jahre

Heinrich v. Seidlitz

Nimkau, kön. OberKr.Neumarkt förster +

18/2

72 7½

22

Xaver Kern

Leisersdorf, Gutsbesitzer Kr. Goldberg

19/4

7

2

Jura und Cameralia in Breslau, Heidelberg und Berlin. Jura und Cameralia in

Reinhold Köhler

Altwasser, BergbeamKr. Walden- ter burg

20 %

7

2

Bergfach .

Bolko Graf Hochberg

Fürstenstein, Fürst von Kr. Walden- Pless + burg Schneide- Ob . - Postmühl Secretär

18

20

2

Jura und Cameralia in

18

7

2

Philologie in Breslau.

Carl Bock

Breslau

Kaufmann

19

82

2

Medicin in Breslau und

Theodor Eichborn

Breslau

Kaufmann

194

8

2

Jura und Cameralia in Heidelberg , und Berlin. Postfach .

Julius Klewe

Breslau und Berlin .

Bonn und Berlin.

Berlin.

Hermann Ostmann

Hermann Zuckertort

Jacobswalde, Kr. Kosel Lublin

b.

Kassen-

21/2

7

2

182

52

2

Bonn

Rendant Missionar

Medicin in Breslau und Berlin.

Vermehrung des Lehr-Apparates.

Das Königliche Ministerium der geistlichen , Unterrichts- und Medicinal- Angelegenheiten hat die Güte gehabt, direct oder durch Vermittelung des hiesigen Königlichen Provinzial-Schulcollegiums der Gymnasial-Bibliothek folgende Geschenke zukommen zu lassen : Geschichte des Gymnasiums zu Stralsund von Dr. Zober, Beitrag V und VI ; Alterthümer und Kunstdenkmale des Erlauchten Hauses Hohenzollern, herausgegeben von dem Freiherrn von Stillfried, Band II. Heft 1 ; Kupferstich von Eichens nach dem Gemälde von Pordenone : Christus und die Ehebrecherin ; die von Andreas Müller herausge-

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gebene Schrift : ein Kupferstich von Raphael ; Zeitschrift für deutsches Alterthum von Haupt, Band XII , Heft 1 und 2 ; Gerhard's archäologische Zeitung, Jahrgang 1860 ; Ausserdem verdankt die 136 Stück Programme von auswärtigen Unterrichtsanstalten . Bibliothek dem Königlichen Provinzial- Schulcollegium die Programme der Preussischen Universitäten und der Preussischen höheren Unterrichtsanstalten. von Ferner gingen folgende Geschenke für die Bibliothek dem Gymnasium zu : dem Präsidium der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur der Jahresbericht für 1859 ; von dem Magistrat in Ohlau das Programm der dortigen höheren Bürgerschule für 1860 ; von Herrn General von Firks die illustrirte Zeitung, Jahrgang 1859 ; von Herrn Oberlehrer Reiche aus der Bibliothek seines Vaters , des Herrn Rector Reiche : Historia jubilaeorum scholasticorum in Gymnasio Wratislaviensi Elisabetano celebratorum, ed. Stieff, Sammlung der Jubelschriften bei der Feier des zweihundertjährigen Andenkens der Stiftung und Einweihung des Elisabetanischen Gymnasii ; von Herrn Professor Dr. Kahlert eine handschriftliche Sammlung der besten poetischen und prosaischen Aufsätze von einigen Primanern des Breslauischen Real- Gymnasiums in den Jahren 1776 und 1777 ; von dem Landesältesten Herrn von Thielau auf Lampersdorf Clemens' Handbuch der alten Geschichte ; von Herrn Buchhändler Schneider in Berlin Taciti Germania ed. Kritz ; Herr Buchhändler Rimpler in Hannover schenkte folgende Bücher seines Verlages :

der Decla-

mator von Th. Colshorn , Märchen und Sagen von C. und Th. Colshorn, des deutschen Knaben Wunderhorn von Th. Colshorn , deutsches Lesebuch von Th. Colshorn und C. Gödeke, Th . 1 , Liet von Nabert,

Anleitung zur deutschen Rechtschreibung ,

2. Auflage ,

der Nibelunge

Lehrbuch der englischen Sprache für Realschulen von Winkelmann ,

Th. 1 , Elisabeth par Madame Cottin, Anthologie griechischer Lyriker von Stoll , Abth . 1 und 2 , zweite Auflage ; Herr Sust hierselbst schenkte das von ihm herausgegebene Adressund Geschäfts- Handbuch der Haupt- und Residenz - Stadt Breslau für 1860-1861 auf Schreibpapier. Für die Classenbibliothek der Prima schenkte Herr Dr. Passow, practischer Arzt in Alt-Reetz im Oderbruch : Dr. Beitzke's Geschichte der deutschen Freiheitskriege in den Jahren 1813 und 1814, 2. Auflage, Band 2 und 3 ; ferner schenkten der Abiturient Zuckertort: Goethe's Benvenuto Cellini , 2 Bände ; der Ober-Primaner Kallenbach : Wieland's Oberon . Für die Classen - Bibliotheken schenkte der Quartaner Silberstein : vier Wochen Ferien von Th. v. Gumpert ; der Quartaner Schwarz I : der Strandfischer von Fr. Hoffmann ; der Quartaner Stetter : Europäische Bilder und Skizzen von Jul . Hoffmann ; der Quintaner Selbstherr : neue Wanderungen durch die Thierwelt von Reichenbach ; der Quintaner Hilfert : der neue Robinson von Schubert ; der Quintaner Tülff: der Negerknabe Luff; der Sextaner Kuchenbecker : Weichselmährchen von Minarski ; der Sextaner Selbstherr : die Einsiedler auf Spitzbergen von Wilmsen ; der Sextaner Salice : Reineke der Fuchs ; der Sextaner v. Hartmann : der alte Vincke von v. Horn , der kleine Auswanderer von Ludwig, 150 moralische Erzählungen von Franz Hoffmann . Gekauft wurden im letzten Jahre für die Gymnasialbibliothek : Die Fortsetzungen von Jahn's Jahrbüchern, Mützell's Zeitschrift für das Gymnasialwesen , Centralblatt für die Unterrichts -Verwaltung in Preussen , Petermann's geographischen Mittheilungen ; ferner

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Ersch und Gruber's Encyclopädie, I. Band, 69 , 70 , 71 , Grimm's deutsches Wörterbuch, Band II, Lief. 7 , Band III , Lief. 4 , J. Müller's Lehrbuch der Physik und Meteorologie, 5. Aufl . , Navier's Lehrbuch der Differential- und Integral-Rechnung und Lehrbuch der höheren Mechanik, Daniel's Handbuch der Geographie, Grässe's Lehrbuch einer allgemeinen Literaturgeschichte, Band 3 und 4 in 5 Abtheilungen, Gillet's Crato von KrafftVormbaum die evangelischen Schulordnungen des heim und seine Freunde, 2 Bände, sechszehnten Jahrhunderts , Schäfer's Geschichte von Spanien, Band 3 , Herrmann's Geschichte des russischen Staates , Band 6 , Dietsch' Lehrbuch der Geschichte für die oberen Classen, 2. Auflage, Band 1 , Abth . 1 , v. Rönne das Unterrichtswesen des preussischen Staates , Band 1 und 2 , Schnaase's Geschichte der bildenden Künste, Band 6 , Stephani thesaurus Vol. VIII . Fascic. 7 und Vol. 1 , Fascic. 9,

Hesychii lexicon ed . M.

Schmidt, Vol. III, Fascic. 1—4, die deutsche Sprache von Schleicher . Für die Classen-Bibliotheken wurden aus den freiwilligen Beiträgen der Schüler gekauft in Prima : Gallerie vaterländischer Helden von Jeleni , Mommsen's römische Geschichte, Band 1 und 2 ; in Ober- Secunda : Preussen's Helden von Fr. Förster bis Lieferung 160 , Kutzen's der Tag von Liegnitz , Archenholz Geschichte des siebenjährigen Krieges ; in Ober-Tertia : Fabricius ' deutsche Jugendzeitung, Jahrgang 8 , Kollin , Leuthen und Liegnitz von Kutzen , Archenholz' siebenjähriger Krieg ; in Unter-Tertia : Palmblätter von Ebener, Märchen von Colshorn , das Buch berühmter Kinder von Otto , der rothe Seeräuber, Erzählungen von O. v. Horn ; in Quarta : das treue Blut, jenseits des Meeres, man muss sich durchschlagen, keine Rückkehr , Recht muss Recht bleiben , ehre Vater und Mutter, kleine Ursachen, Geschwisterliebe von F. Hoffmann, das Pathengeschenk von Horn, die Niponfahrer von Steger, der Missionär von Körner, Lebensbilder und Völkergemälde von Dielitz , Spiegelbilder aus der Geschichte des deutschen VaterlanChlodwig, der Burggraf von Nürnberg, Leuthen von Kühn ; in Quinta : deutsche Jugendzeitung von Fabricius , Jahrgang 8 , Erzählungen aus dem Thierleben von Brendel, Reise um die Welt von Tröbst ; in Sexta : deutsche Jugendzeitung von Fabricius, Jahrgang 8, Melanchthon -Büchlein von Wohlfarth, hundert Erzählungen aus der Kirchen- und Reformations - Geschichte von Jäkel, der Tag von Liegnitz von Kutzen. des , 3 Bände ,

Für die naturwissenschaftlichen Sammlungen wurden gekauft : Ein Blasetisch mit Orgelpfeifen, eine Dampfmaschine . Für die vielen und reichen oben erwähnten Geschenke spreche ich den herzlichsten Dank im Namen des Gymnasiums aus .

11

82

Ordnung

der

Prüfung.

Mittwoch, den 20. März, Vormittags von 9-12 Uhr. Gesang der ersten Singclasse. Ober- und Unter - Prima :

Christliche Glaubenslehre, Director Schönborn. Mathematik, Professor Dr. Sadebeck . Horatius, Director Schönborn.

Ober- Prima :

Demosthenes, Prorector Dr. Lilie. Cicero , Prorector Dr. Lilie.

Unter - Prima :

Französisch, College Simon.

Nachmittags von 2-5 Ober- Secunda :

Cicero, Arrhian,

Uhr.

Oberlehrer Dr. Beinert.

Mathematik , Professor Dr. Sadebeck . Unter -Secunda :

Virgil, Homer,

Oberlehrer Dr. Schück.

Geschichte, Oberlehrer Dr. Cauer. Donnerstag, den 21. März, Vormittags von 9-12 Ober-Tertia :

Uhr.

Cicero ,

College Friede . Homer, Unter -Tertia :

Naturgeschichte, College Dr. Beinling. Cäsar, Oberlehrer Palm. Griechisch, Schulamtscandidat Dr. Dzialas. Geschichte und Geographie, College Simon.

Nachmittags von 2-5 Quarta :

Quinta : Sexta :

Uhr .

Cornelius Nepos, College Dr. Lindner. Mathematik, College Dr. Beinling. Latein , Schulamtscandidat Suckow. Französisch , } Latein, Collaborator John. Rechnen , }

Die Zeichnungen der Schüler wird der Zeichenlehrer Maler Eitner während der Prüfung in der dem Prüfungssaale gegenüber liegenden Classe ausstellen.

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Freitag, den 22. März, Vormittags

10 Urh :

Redeact zur Feier des Geburtsfestes Sr. Majestät des Königs. Chor von J. Haydn, gesungen von der ersten Singclasse.

Xaver Kern:

Quam ingenue apteque L. Annaeus Florus dixerit, populum Romanum infantis, adolescentis, senis aetatem egisse .

Bolko Graf Hochberg :

Die Macht des Wortes, ein Versuch in deutschen Versen.

Chor von J. Haydn . Reinhold Köhler :

Nil sine magno vita labore dedit mortalibus, ein Versuch in lateinischen Distichen .

Carl Bock :

Inwiefern sind unsere Könige unsere besten Vorbilder in der Liebe zum Vaterlande ?

Festrede. Entlassung der Abiturienten . Salvum fac regem ! von Rungenhagen.

Nachmittags um 2 Uhr werden in allen Classen die Censuren ausgetheilt, um 3 Uhr ist die Versetzung. Sonnabend den 23. März ist die öffentliche Prüfung der Elementarclassen. Neue Schüler werden in die Elementarclassen aufgenommen werden am 5. April Vormittags, in die Gymnasialclassen am 6. und 8. April Vormittags. beginnt am 9. April früh um 7 Uhr.

Das neue Schuljahr

Director Dr. Schönborn.