Leistungsbestimmungsrechte und Arbeitsentgelt: AGB-rechtliche Anforderungen an die Wirksamkeit und Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte im Entgeltbereich [1 ed.] 9783428580897, 9783428180899

Die wirksame Gestaltung arbeitsvertraglicher Flexibilisierungsklauseln ist durch die strikte Anwendung des AGB-Rechts au

144 108 3MB

German Pages 546 Year 2020

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Leistungsbestimmungsrechte und Arbeitsentgelt: AGB-rechtliche Anforderungen an die Wirksamkeit und Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte im Entgeltbereich [1 ed.]
 9783428580897, 9783428180899

Citation preview

Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 360

Leistungsbestimmungsrechte und Arbeitsentgelt AGB-rechtliche Anforderungen an die Wirksamkeit und Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte im Entgeltbereich

Von

Stefan Schmidt-Lauber

Duncker & Humblot · Berlin

STEFAN SCHMIDT-LAUBER

Leistungsbestimmungsrechte und Arbeitsentgelt

Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Matthias Jacobs, Hamburg Prof. Dr. Rüdiger Krause, Göttingen Prof. Dr. Sebastian Krebber, Freiburg Prof. Dr. Thomas Lobinger, Heidelberg Prof. Dr. Markus Stoffels, Heidelberg Prof. Dr. Raimund Waltermann, Bonn

Band 360

Leistungsbestimmungsrechte und Arbeitsentgelt AGB-rechtliche Anforderungen an die Wirksamkeit und Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte im Entgeltbereich

Von

Stefan Schmidt-Lauber

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg hat diese Arbeit im Jahre 2019 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2020 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: CPI buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-0227 ISBN 978-3-428-18089-9 (Print) ISBN 978-3-428-58089-7 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2019/2020 von der Juristischen und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg als Dissertation angenommen. Besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Daniel Ulber. Er hat mich bereits im Studium für das AGB-Recht begeistert und in mir frühzeitig den Wunsch geweckt, mich im Rahmen einer Dissertation wissenschaftlich mit diesem Themengebiet auseinanderzusetzen. Bedanken möchte ich mich auch für die großartige Betreuung meiner Arbeit und die zügige Anfertigung des Erstgutachtens. Herr Prof. Ulber stand mir stets mit Rat und Tat zur Seite, hatte immer ein offenes Ohr für meine Anliegen und gab mir unzählige wertvolle Ratschläge. Bedanken möchte ich mich auch bei Frau Prof. Dr. Katja Nebe für die äußerst zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Großer Dank gilt vor allem meinen Eltern, die mich stets bedingungslos unterstützt haben und mir auch bei diesem Projekt in jeder Hinsicht zur Seite standen. Ohne sie wäre diese Arbeit nie zustande gekommen. Herzlich bedanken möchte ich mich außerdem bei den zahlreichen Helfern, die mich in vielerlei Hinsicht bei dieser Arbeit unterstützt haben, insbesondere durch das Korrekturlesen und ihre stete Gesprächsbereitschaft. Zu nennen sind hier Malte Göbel, Jule Delfs, Sophie Kruppa und Nina Wortmann. Hamburg, im Juni 2020

Stefan Schmidt-Lauber

Inhaltsübersicht Kapitel 1 Einführung

27

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

B. Festlegung des Untersuchungsgegenstandes: Begriff und Inhalt arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte im Entgeltbereich sowie Eingrenzung des Prüfungsmaßstabs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

C. Problemübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

D. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

Kapitel 2 Problemanalyse: Die Sonderstellung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte in Rechtsprechung und Literatur

52

A. Übereinstimmender Ausgangspunkt in der BGH- und BAG-Rechtsprechung: Notwendigkeit der Konkretisierung von Leistungsbestimmungsrechten, soweit möglich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

B. Rechtsprechung des BAG zu arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten im Entgeltbereich: weitgehende Freiheit des Verwenders . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

C. Rechtsprechung des BGH: Erfordernis der Konkretisierung einseitiger Bestimmungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

D. Rechtsprechung des BAG zu Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalten: strenge Anforderungen in der AGB-Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 E. Schrifttum zur AGB-Kontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte . . . . 117 F. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 Kapitel 3 Vorfrage: Das Verhältnis von Angemessenheits- und Transparenzkontrolle 145 A. Zur Notwendigkeit der Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung bei Intransparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 B. Die Unterschiede zur Unangemessenheit nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB . . . . . . . . 154 C. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165

8

Inhaltsübersicht Kapitel 4 Die angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

167

A. Volle Kontrollfähigkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte . . . . . . . . . . . 167 B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte im Entgeltbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 Kapitel 5 Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

366

A. Anwendbarkeit und Inhalt der Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB 366 B. Die transparente Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte . . . . . . . 378 Kapitel 6 Rechtsfolgen unwirksamer Bestimmungsvorbehalte

466

A. Grundsatzfragen zum Umgang mit unwirksamen AGB-Klauseln: geltungserhaltende Reduktion, Teilunwirksamkeit und ergänzende Vertragsauslegung . . . . 467 B. Die Unwirksamkeit der gesamten Klausel und ihre Problematik bei arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 C. Zur Aufrechterhaltung von Bestimmungsvorbehalten durch geltungserhaltende Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476 D. Die Aufrechterhaltung des Leistungsversprechens bei unwirksamen Bestimmungsvorbehalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479 E. Füllung der übrigen Lücke durch dispositives Gesetzesrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 F. Ersetzung unwirksamer Bestimmungsvorbehalte durch ergänzende Vertragsauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 490 G. Zusammenfassung zu den Rechtsfolgen der Unwirksamkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500 Kapitel 7 Zusammenfassung und Ergebnisse

503

A. Gesamtfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503 B. Die Ergebnisse im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 506 C. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 529 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543

Inhaltsverzeichnis Kapitel 1 Einführung A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Festlegung des Untersuchungsgegenstandes: Begriff und Inhalt arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte im Entgeltbereich sowie Eingrenzung des Prüfungsmaßstabs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Wesen einseitiger Leistungsbestimmungsrechte im Allgemeinen . . . . II. Arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte im Entgeltbereich: Begriffsbestimmung und Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Abgrenzung zu Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalten . . . . . . . . . . . . . IV. Einordnung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte: Nähe zu Widerrufsvorbehalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die vorliegend anzulegenden Kontrollmaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27 27

29 29 30 32 34 36 37

C. Problemübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zur Relevanz des Verhältnisses von Angemessenheits- und Transparenzkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zur Angemessenheit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte . . . . . . . . 1. Die Anwendbarkeit der Angemessenheitskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die zu untersuchenden Auswirkungen der Angemessenheitskontrolle . . III. Zur transparenten Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte IV. Rechtsfolgen der Unangemessenheit und Intransparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

D. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

39 40 40 41 42 46

Kapitel 2 Problemanalyse: Die Sonderstellung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte in Rechtsprechung und Literatur A. Übereinstimmender Ausgangspunkt in der BGH- und BAG-Rechtsprechung: Notwendigkeit der Konkretisierung von Leistungsbestimmungsrechten, soweit möglich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

53

10

Inhaltsverzeichnis

B. Rechtsprechung des BAG zu arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten im Entgeltbereich: weitgehende Freiheit des Verwenders . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsprechung des BAG vor der Schuldrechtsreform: keine formellen Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsprechung des BAG nach der Schuldrechtsreform: keine Konkretisierungspflicht trotz Anwendbarkeit der AGB-Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . 1. BAG zu Versetzungsklauseln: keine Konkretisierung des Umfangs oder der Voraussetzungen; ausreichender Schutz durch § 315 BGB, § 106 GewO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. BAG zu einseitigen Leistungsbestimmungsrechten im Entgeltbereich: kein Konkretisierungserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Billiges Ermessen als ausreichende Konkretisierung . . . . . . . . . . . . . b) Kein zwingendes Konkretisierungserfordernis auch bei Leistungen aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gleichbleibendes Verständnis unabhängig vom Gegenleistungscharakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Konkretisierung jedenfalls nicht in der Klausel selbst notwendig . . e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Rechtsprechung des BGH: Erfordernis der Konkretisierung einseitiger Bestimmungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. BGH-Rechtsprechung zu Preisanpassungsklauseln: ausgeprägte Konkretisierungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Voraussetzung der Transparenz: Umfang der Preisanpassung aus der Klausel erkennbar und an ihr messbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Billiges Ermessen ist keine ausreichende Einschränkung . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. BGH-Rechtsprechung zu anderen einseitigen Leistungsbestimmungsrechten: strengerer Maßstab als das BAG bei Bestimmungsvorbehalten . . . . . . 1. Strenge Anforderungen des Transparenzgebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anforderungen im Rahmen der Angemessenheitskontrolle . . . . . . . . . . a) Rechtsprechung zum AGBG: billiges Ermessen nach § 315 BGB genügt nicht zur Konkretisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unveränderter Konkretisierungsmaßstab in der neueren Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Billiges Ermessen als ausreichende Konkretisierung des Entscheidungsmaßstabs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Im Einzelfall geringere Konkretisierung bei Bestimmungsrechten zur erstmaligen Festlegung einer Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Freie Gestaltung bei freiwilligen Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verstoß gegen § 308 Nr. 4 BGB bzw. § 10 Nr. 4 AGBG . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Intransparenz mangels Verweises auf § 315 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . .

55 56 57

58 59 59 62 64 68 70 71 72 72 75 77 78 79 81 82 82 84 84 86 87 88 90

Inhaltsverzeichnis IV.

11

Unangemessenheit von Leistungsbestimmungsrechten wegen Einräumung zusätzlicher Gewinnmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

1. Zusätzliche Gewinnmöglichkeit durch fehlende Konkretisierung . . . . .

91

2. Pflicht zur Weitergabe von Kostensenkungen ist Voraussetzung der Angemessenheit von Anpassungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

3. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

Zur Kompensation intransparenter oder unangemessener Klauseln . . . . . .

95

1. Keine Kompensation durch § 315 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

2. Kompensation durch Einräumung eines Kündigungsrechts . . . . . . . . . .

97

VI. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

V.

D. Rechtsprechung des BAG zu Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalten: strenge Anforderungen in der AGB-Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 I. Rechtsprechung zur AGB-Kontrolle von Freiwilligkeitsvorbehalten . . . . . . 101 1. Freiwilligkeitsvorbehalt und Begründung eines Anspruchs: Widersprüchlichkeit führt zur Intransparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 2. Unangemessenheit von Freiwilligkeitsvorbehalten nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 a) Unangemessenheit von Freiwilligkeitsvorbehalten bezüglich laufender Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 b) Unangemessenheit wegen Gegenleistungscharakters der betreffenden Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 c) Zur Harmonisierung der AGB-Kontrolle arbeitgeberseitiger Flexibilisierungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 3. Zur Unangemessenheit von Stichtagsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 II.

4. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 Rechtsprechung zur AGB-Kontrolle von Widerrufsvorbehalten . . . . . . . . . 108 1. Rechtsprechung vor der Schuldrechtsreform: keine formellen Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 2. Rechtsprechung nach der Schuldrechtsreform: Verschärfte Anforderungen durch AGB-Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 a) Unzumutbarkeit von Widerrufsvorbehalten bei Eingriff in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 b) Rechtfertigungsgrund als materielle Anforderung . . . . . . . . . . . . . . . 110 c) Konkretisierungspflicht als formelle Anforderung . . . . . . . . . . . . . . . 111 aa) Pflicht zur Angabe von Widerrufsgründen . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 bb) Einmalige abweichende Beurteilung eines Widerrufsvorbehalts: keine Konkretisierungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 d) Ausblick für die Bewertung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 3. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116

12

Inhaltsverzeichnis

E. Schrifttum zur AGB-Kontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte I. Abweichungen von der Rechtsprechung in der Literatur: Pflicht zur Konkretisierung der Entscheidungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Stoffels: Konkretisierungspflicht und Kritik an der Rechtsprechung des BAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stoffels: Relativierung der eigenen Meinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kritik an der Rechtsprechung bei Preis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Weitere Bestätigung einer Konkretisierungspflicht im Schrifttum . . . . . 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BAG im Schrifttum: keinerlei Konkretisierungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zur Differenzierung nach dem Charakter der betreffenden Leistung im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Trotz Unklarheiten in der Rechtsprechung: keine Konkretisierungspflicht auch bei synallagmatischen Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Anderer Ansatz: strengere Anforderungen im Gleichlauf mit Widerrufsvorbehalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Stimmen zur Anwendbarkeit des Kernbereichsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Abweichungen des BAG von der strengeren Rechtsprechung des BGH . . . II. Konflikte der BAG-Rechtsprechung mit der eigenen Behandlung von Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Möglicher Hintergrund und Bewertung der großzügigen BAG-Rechtsprechung: die vermeintliche Nähe arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte zu Freiwilligkeitsvorbehalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die kritische Diskussion in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Weitere Fragen aus der Rechtsprechung zu Bestimmungsvorbehalten . . . . . VI. Zusammenfassung der relevanten Untersuchungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . .

117 117 118 119 119 120 121 122 123 124 126 127 128 129 132 133 134

137 138 140 141

Kapitel 3 Vorfrage: Das Verhältnis von Angemessenheitsund Transparenzkontrolle A. Zur Notwendigkeit der Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung bei Intransparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Keine automatische Unwirksamkeit bei Intransparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Teilweise vertretene Ansicht: Unwirksamkeit ohne Feststellung einer Benachteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wortlaut und Gesetzesmaterialien: Notwendigkeit der Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

145 146 147 147 148 150

Inhaltsverzeichnis II.

13

Spezifische Benachteiligung durch Intransparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Benachteiligung bei Abschluss des Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Benachteiligung bei der Abwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

151 151 153 154

B. Die Unterschiede zur Unangemessenheit nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB . . . . . . I. Überschneidungen von Transparenz- und Angemessenheitskontrolle am Beispiel arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte im Entgeltbereich . . II. Divergierende Ziele der Transparenz- und Angemessenheitskontrolle . . . . 1. Anknüpfungspunkt der Transparenzkontrolle: Klarheit und Verständlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anknüpfungspunkt der Angemessenheitskontrolle: inhaltliche Unausgewogenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis: Kontrolle nach beiden Maßstäben in allen Fällen . . . . . . . . . III. Dogmatisches Interesse an der korrekten Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verkürzte Erkenntnis bei Vernachlässigung der Angemessenheitskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Schutzzweck des AGB-Rechts gebietet Nebeneinander von Angemessenheits- und Transparenzkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlage der AGB-Kontrolle: fehlendes Wettbewerbskorrektiv . . . . . 2. Folge: überindividueller Schutzzweck des AGB-Rechts . . . . . . . . . . . . . 3. Konsequenz für die Inhaltskontrolle: die inhaltliche Angemessenheit muss neben der Intransparenz geprüft werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Vorteile einer zusätzlichen Angemessenheitskontrolle für den Arbeitgeber

154 154 156 156 157 158 158 159 160 160 162 164 165

C. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 Kapitel 4 Die angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte A. Volle Kontrollfähigkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte . . . . . . . I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zum Regel-Ausnahme-Verhältnis von Kontrollfähigkeit und Kontrollfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Besondere Relevanz des Regel-Ausnahme-Verhältnisses bei Bestimmungsvorbehalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inhaltskontrolle als Regelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Dennoch materielle Begründungslast für die Kontrollfähigkeit . . . . . . . 4. Ergebnisse und Voraussetzungen für die Kontrollfähigkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zum deklaratorischen Charakter arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine Regelungsidentität mit § 315 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

167 167 167 169 170 172 173 174 174 175

14

Inhaltsverzeichnis 2. Kontrollfreiheit als normausfüllende Klausel? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 3. Kontrollfreiheit von Regelungen zum Ausübungsmaßstab . . . . . . . . . . . 178 4. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 IV.

V.

Bestimmungsvorbehalte legen keine Hauptleistungspflicht fest . . . . . . . . . . 180 1. Kriterien zur Abgrenzung des kontrollfreien Hauptleistungsbereichs . . 181 2. Entgeltrelevante Bestimmungsvorbehalte unterfallen nicht dem kontrollfreien Bereich der Hauptleistungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 a) Mangelnde Aufmerksamkeit und Vergleichsmöglichkeit des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 b) Marktschwäche mangels Ausweichmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 c) Parallele zu Widerrufsvorbehalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 d) Erfüllung aller Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 3. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 Abweichung oder Ergänzung von Rechtsvorschriften durch arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 1. Zur Abweichung von der Vertragsbindung im engeren Sinne . . . . . . . . . 188 2. Abweichung von wesentlichen Grundsätzen des BGB . . . . . . . . . . . . . . . 190 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193

4. Kontrollfähigkeit unabhängig vom Charakter der Leistung . . . . . . . . . . . 194 5. Ergebnisse zur Abweichung von Rechtsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . 195 VI. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte im Entgeltbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 I. Vorüberlegung: anwendbare Tatbestände des § 307 BGB . . . . . . . . . . . . . . . 200 II. Übersicht: Die Voraussetzungen der Angemessenheit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 1. Unangemessene Benachteiligung durch bloße Existenz eines Bestimmungsvorbehalts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 2. Der Schutz des Kernbereichs des Arbeitsverhältnisses bei arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 3. Mindestinhalt „billiges Ermessen“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 4. Konflikt mit dem vertraglichen Synallagma und Äquivalenzverhältnis 207 5. Zur Pflicht einer tatbestandlichen Konkretisierung von Entscheidungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 a) Interessenabwägung: Konkretisierung oder nicht? . . . . . . . . . . . . . . . 209 b) Kontrollüberlegung: Vergleich mit Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 c) Konkrete Ausgestaltungsanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 6. Kompensation unangemessener Benachteiligungen? . . . . . . . . . . . . . . . . 211 III. Zur Unwirksamkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte . . . . . . . . . 212

Inhaltsverzeichnis

IV.

1. Prüfungsgrundlage für die generelle Angemessenheit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Keine Aushöhlung wesentlicher Rechte und Pflichten durch die Verwendung von Bestimmungsvorbehalten (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB) b) Keine Prüfung anhand leitbildfähiger Regelungen (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) § 315 BGB ist nicht leitbildfähig für die Einräumung einseitiger Bestimmungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Leitbildfähigkeit allgemeiner Prinzipien: Vertragsbindung, Festlegung der Rechte und Pflichten und Vertragsprinzip . . . . . c) Ergebnis: Prüfung nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Prüfungsmaßstab nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zur Angemessenheit der Verwendung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Benachteiligung des Arbeitnehmers durch Implementierung eines Bestimmungsvorbehalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zwischenergebnis: Vorliegen einer rechtfertigungsbedürftigen Benachteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtfertigungsanforderung: berechtigtes Interesse des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Berechtigtes (Flexibilisierungs-)Interesse im Arbeitsverhältnis . . . . e) Vergleichbare Interessenlage bei befristeten Arbeitsverhältnissen . . f) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fazit: Keine generelle Unwirksamkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unangemessenheit bei Eingriff in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendbarkeit des Kernbereichsschutzes auf arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundgedanken des Kernbereichsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anwendbarkeit auf einseitige Bestimmungsvorbehalte . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Dogmatische Begründung des Kernbereichsschutzes und Prüfungsstandort im System der §§ 305 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätzlich vorrangige Prüfung nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB: Herleitung des Kernbereichsschutzes aus gesetzlichem Leitbild . . . aa) Zur Herleitung aus dem Kündigungsschutzrecht . . . . . . . . . . . . bb) Zur Herleitung aus § 611a Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zur Herleitung aus § 615 S. 1 BGB: keine Verlagerung des Wirtschaftsrisikos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zur Herleitung aus dem Äquivalenzprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Zwischenergebnis: keine eindeutige Herleitung aus einem gesetzlichen Leitbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

213 213 213 213 214 216 217 218 219 221 221 222 223 223 224 224 227 228 229 232 233 234 235 235 236 236 237

16

Inhaltsverzeichnis

3. 4. 5.

6.

7.

b) Begrenzte Relevanz der Herleitung: Kernbereichsschutz ergibt sich aus § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhaltliche Anforderungen nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB zum Schutz des Kernbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwischenergebnis: Anwendung des Kernbereichsschutzes bei arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten gem. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB Definition des Kernbereichs des Arbeitsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . a) Keine Festlegung im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Festlegung des Kernbereichs durch prozentuale Grenzen der Gesamtvergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Besonderheiten bei Sonderzahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Besonderheiten nach der Stellung des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . e) Verbot der Tariflohnunterschreitung ist kein Teil der AGB-Prüfung f) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur Feststellung des Gegenleistungscharakters entgeltrelevanter Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Orientierung an der Einordnung bei Mindestlöhnen: funktionale Äquivalenz als Abgrenzungskriterium? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Funktionaler Äquivalenzvergleich: Theorien zur Bestimmung der Mindestlohnwirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Keine Übertragbarkeit des Funktionsvergleichs auf die AGBKontrolle von Flexibilisierungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Funktionsbetrachtung als sinnvoller Anknüpfungspunkt in der AGB-Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zusammenfassung: Bestimmung nach dem Zweck der Leistung ohne Vergleichselement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Feststellung des Gegenleistungscharakters anhand der objektiven Funktion der Leistung im Rahmen der AGB-Kontrolle . . . . . . . . . . . aa) Ausgangspunkt: Funktion der Leistung unter verobjektivierter Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) (Geld-)Leistungen des Arbeitgebers sind regelmäßig Teil der Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Betriebstreueleistungen haben Gegenleistungscharakter . . . . . . dd) Keine Unterscheidung zwischen laufendem Entgelt und Sonderzahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Kein Gegenleistungscharakter von Zahlungen aus altruistischen Motiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Kein Gegenleistungscharakter bei reinem Aufwendungsersatz . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erforderliche Vertragsgestaltung zum Schutz des Kernbereichs bei Bestimmungsvorbehalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Besonderheiten bei Sonderzahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

237 237 238 240 240 241 242 243 244 244 244 245 246 246 248 249 250 251 251 252 253 254 255 256 256 257 258

Inhaltsverzeichnis b) Kein Kernbereichsschutz durch billiges Ermessen . . . . . . . . . . . . . . . c) Ausreichender Schutz bei Angabe von Richtwerten zur Leistungshöhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Kernbereichsschutz durch prozentuale Obergrenze der Leistungshöhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Umfassender Schutz bei rahmenmäßiger Festlegung des Leistungsumfangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Zusammenfassung der möglichen Vertragsgestaltungen zum Schutz des Kernbereichs bei Bestimmungsvorbehalten . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Billiges Ermessen als verbindlicher Mindestinhalt von Bestimmungsvorbehalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Billiges Ermessen als unabdingbares Leitbild aus § 315 BGB . . . . . . . 3. Keine verwenderfreundliche Auslegung nach § 315 BGB . . . . . . . . . . . 4. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Unzulässige Möglichkeit der einseitigen Änderung von Synallagma und Äquivalenzverhältnis bei Leistungen aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis? 1. Einseitige Relativierung des Synallagmas durch arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Synallagma ist Ausfluss der Privatautonomie . . . . . . . . . . . . . . . b) Verhältnis von Synallagma und AGB-Recht: keine Kontrolle privatautonomer Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis: das Synallagma unterliegt keiner Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Problematik des einseitigen Eingriffs in das Synallagma . . . . . e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Berührungspunkte einseitiger Bestimmungsvorbehalte mit dem vertraglichen Synallagma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Konsequenzen für die Angemessenheit einseitiger Bestimmungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verbot der Gewinnsteigerung bzw. Beachtung des Äquivalenzverhältnisses bei arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten . . . . . . . . . . . . . a) Die Problematik einseitiger Änderungen bzw. einseitiger Gestaltung des Äquivalenzverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einseitige Änderungsmöglichkeit des Äquivalenzverhältnisses durch Bestimmungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Unangemessene Benachteiligung bei fehlender Konkretisierung der Entscheidungskriterien in Bestimmungsvorbehalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17 258 260 261 262 262 263 265 266 268 270 273 273 275 275 278 281 281 283 284 285 287 288 289 291 292 294 295 297

18

Inhaltsverzeichnis 1. Die Benachteiligung des Arbeitnehmers durch Bestimmungsvorbehalte 2. Übersicht zur Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die gegenläufigen Interessen der Arbeitsvertragsparteien . . . . . . . . . b) Leistungsanreiz ohne entsprechende Bindung des Arbeitgebers bei nicht konkretisierten Bestimmungsvorbehalten? . . . . . . . . . . . . . . . . . c) AGB-spezifische Abwägungsgesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Einordnung des Ergebnisses: systematischer Vergleich mit der Behandlung von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalten . . . . . . . . . e) Inhaltliche Anforderungen an eine Konkretisierung von Bestimmungsvorbehalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die grundlegenden Interessen der Arbeitsvertragsparteien als arbeitsrechtliche Besonderheiten in der Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . a) Besondere Flexibilisierungsinteressen im Arbeitsverhältnis streiten für freie Bestimmungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Unvorhersehbare wirtschaftliche Entwicklung als Flexibilisierungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Motivationszweck flexibler Leistungsversprechen . . . . . . . . . . . b) Gegenläufiges Interesse des Arbeitnehmers: persönliche Abhängigkeit vom Arbeitsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Interesse des Arbeitnehmers an Vorhersehbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Leistungsanreiz ohne Bindung des Arbeitgebers bei nicht konkretisierten Bestimmungsvorbehalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. AGB-spezifische Abwägungsgesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beherrschbarkeit des mit Bestimmungsvorbehalten geregelten Risikos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einseitige Inanspruchnahme der Vertragsgestaltungsmacht und strukturelle Unterlegenheit des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zur Möglichkeit der alternativen Gestaltung durch Freiwilligkeitsvorbehalt als Rechtfertigungsargument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis: unangemessene Benachteiligung ohne Konkretisierung der Entscheidungskriterien wegen Verlagerung des Wirtschaftsrisikos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zur Üblichkeit von Flexibilisierungsklauseln als Angemessenheitskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Ausreichender Schutz durch Möglichkeit einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle bei Bestimmungsvorbehalten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Zwischenergebnis: Angemessenheit von Bestimmungsvorbehalten erfordert Konkretisierung der Entscheidungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . 9. Einordnung des gewonnenen Ergebnisses: systematischer Vergleich mit der AGB-Kontrolle von Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalten . . .

299 300 300 301 302 303 304 305 306 306 310 311 313 314 315 317 317 318 319 320

322 323 323 327 327 329

Inhaltsverzeichnis a) Übereinstimmung mit der Behandlung von Widerrufsvorbehalten . . b) Einordnung des Ergebnisses in das System der AGB-Kontrolle arbeitsrechtlicher Flexibilisierungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtfertigung der Gleichbehandlung mit Widerrufsvorbehalten . . d) Zur Harmonisierung der AGB-Kontrolle arbeitsrechtlicher Flexibilisierungsklauseln zum Entgelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Kontrollüberlegung: Ist das gewonnene Ergebnis plausibel? . . . . . . f) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Die inhaltliche Ausgestaltung der Entscheidungskriterien bei Bestimmungsvorbehalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Konkretisierungsanforderungen bei synallagmatischen Leistungen aa) Zwingende Bindung an die Flexibilisierungsgründe: wirtschaftliche Entwicklungen oder Leistung des Arbeitnehmers . . . . . . . (1) Konkretisierungsgrad der zwingenden Entscheidungskriterien: keine speziellen Kriterien erforderlich . . . . . . . . . . . . . (2) Notwendiger Ausschluss einer Gewinnsteigerung . . . . . . . . (3) Keine Beschränkung auf Ausnahmesituationen erforderlich bb) Zulässigkeit zusätzlicher Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Geringere Konkretisierungsanforderungen bei Sonderzahlungen ohne Gegenleistungscharakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Keine zwingende Bindung an die Flexibilisierungsinteressen . . bb) Dennoch Erfordernis der Konkretisierung von Entscheidungskriterien: Flexibilisierungsinteressen und/oder andere zweckdienliche Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Keine willkürlichen oder zweckfremden Kriterien . . . . . . . . . . . dd) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Notwendigkeit ausdrücklicher Festlegung der Kriterien . . . . . . . . . . . . . 12. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlegende Erkenntnisse der Interessenabwägung zur Konkretisierung von Bestimmungsvorbehalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Setzen eines Leistungsanreizes ohne entsprechende Bindung des Arbeitgebers führt zur Unangemessenheit des Bestimmungsvorbehalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) AGB-spezifische Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Unangemessenheit nicht konkretisierter Bestimmungsvorbehalte wegen gewichtiger Abweichung von der gesetzlichen Risikoverteilung: insbesondere Wirtschaftsrisiko . . . . . . . . . . . . bb) Alternative oder übliche Gestaltungsmöglichkeiten haben keine Bedeutung für die Angemessenheitsprüfung . . . . . . . . . . . cc) Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB hat keinen Einfluss auf die Angemessenheit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19 330 330 331 332 335 336 336 338 338 340 340 341 342 343 344 344

345 346 347 347 348 348

349 349

349 350

350

20

Inhaltsverzeichnis d) Verhältnis der Konkretisierungspflicht von Bestimmungsvorbehalten zur Behandlung anderer Flexibilisierungsklauseln . . . . . . . . . . . . aa) Übereinstimmung mit den AGB-rechtlichen Anforderungen an Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Teilweise Harmonisierung der Kontrollmaßstäbe . . . . . . . . . . . . e) Die inhaltliche Ausgestaltung der Konkretisierung . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bestimmungsvorbehalte über synallagmatische Leistungen: verpflichtende Bindung an die Flexibilisierungsgründe und Zulässigkeit weiterer Entscheidungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bestimmungsvorbehalte über Sonderzahlungen ohne Gegenleistungscharakter: nur willkürfreie Kriterien als Konkretisierungsanforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Zur Kompensation einer unangemessenen Benachteiligung bei Bestimmungsvorbehalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Möglichkeit der Kompensation im AGB-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Keine Kompensation durch § 315 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Keine Kompensation durch Kündigungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Ergebnisse zur Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zur Unwirksamkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte . . . . . . 2. Die Auswirkungen des Kernbereichsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Billiges Ermessen als grundlegende Wirksamkeitsvoraussetzung . . . . . 4. Unangemessenheit der Relativierung von Synallagma und Äquivalenzverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Pflicht zur Konkretisierung von Entscheidungskriterien . . . . . . . . . a) Zusammenfassung der Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zusammenfassung der konkreten Ausgestaltungsanforderungen . . . c) Ergebnisse des Vergleichs mit der Behandlung von Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zum Gegenleistungscharakter geldwerter Leistungen des Arbeitgebers

351 351 351 352

352

353 353 354 355 356 357 357 358 359 359 360 361 362 363 364

Kapitel 5 Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte A. Anwendbarkeit und Inhalt der Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Anwendbarkeit der Transparenzkontrolle neben Auslegung und Einbeziehungskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verhältnis zur Einbeziehungskontrolle: Transparenzkontrolle bleibt anwendbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Möglichkeit der Intransparenz trotz Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

366

366 366 367 368

Inhaltsverzeichnis

II.

a) Kein genereller Ausschluss der Transparenzkontrolle durch kundenfreundliche Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auslegung bei tatbestandlich nicht konkretisierten Bestimmungsvorbehalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Auslegung von Bestimmungsvorbehalten bei Beschränkung auf billiges Ermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhaltliche Anforderungen des Transparenzgebotes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Täuschungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Verständlichkeitsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Bestimmtheitsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

B. Die transparente Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte . . I. Einleitung: relevante Aspekte der Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Konkretisierung der Entscheidungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Konkretisierung des Leistungsumfangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zur Konkretisierung des Entscheidungsmaßstabs und zur Hinweispflicht auf § 315 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zur Intransparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte . . . . . . . . . . III. Intransparenz ohne Festlegung von Entscheidungskriterien . . . . . . . . . . . . . 1. Übersicht zur Prüfung der Intransparenz ohne Festlegung von Entscheidungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anknüpfungspunkte für eine Intransparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zumutbarkeit der Konkretisierung für den Arbeitgeber . . . . . . . . . . c) Weitere Abwägungsgesichtspunkte: Gegenleistungscharakter, gerichtliche Billigkeitskontrolle und alternative Gestaltungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Vorliegen einer unangemessenen Benachteiligung . . . . . . . . . . . . . . . e) Notwendiger Konkretisierungsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anknüpfungspunkte für eine Intransparenz: Unklarheiten beim Arbeitnehmer? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zur sprachlichen und systematischen Verständlichkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte ohne Konkretisierung . . . . . . . . . . b) Keine Möglichkeit zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Leistungsfestsetzung ohne Entscheidungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Unklarheiten bezüglich Inhalt und Umfang des Bestimmungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ungerechtfertigter Beurteilungs- bzw. Gestaltungsspielraum des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Keine ausreichende Konkretisierung durch Bindung an billiges Ermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

368 370 373 373 374 375 375 376 377 378 379 379 381 382 383 385 387 387 389

389 390 392 392 392 393 395 397 398

22

Inhaltsverzeichnis f) Zwischenergebnis: Erhebliche Unklarheiten ohne Konkretisierung von Entscheidungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abwägung: welcher Grad der Konkretisierung ist dem Arbeitgeber zumutbar? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Flexibilisierungsinteressen des Arbeitgebers gebieten möglichst offene Bestimmungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Keine Konkretisierungspflicht gemäß der gesetzlichen Konzeption des § 315 Abs. 1 BGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zumutbarkeit und Gebotenheit einer Konkretisierung der Entscheidungskriterien dem Grunde nach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis der grundlegenden Interessenabwägung: Pflicht zur Konkretisierung der Entscheidungskriterien in Bestimmungsvorbehalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Der Einfluss des Gegenleistungscharakters auf die Konkretisierungspflicht arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zur Unterscheidung zwischen synallagmatischen Leistungen und nicht synallagmatischen Sonderzahlungen in der Transparenzkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Differenzierte Betrachtung von Leistungen ohne Relevanz für die Vertragsabschlussentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fazit zum Einfluss des Gegenleistungscharakters . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zum Einfluss der gerichtlichen Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB auf die Transparenzkontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Keine Bedeutung alternativer Gestaltungsmöglichkeiten für die Transparenzanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Zwischenergebnis: Intransparenz von Bestimmungsvorbehalten bei fehlender Konkretisierung der Entscheidungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . 9. Unangemessene Benachteiligung bei fehlender Konkretisierung der Entscheidungskriterien? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorliegen einer Benachteiligung bei Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . aa) Schwierigkeiten bei der Vertragsabschlussentscheidung ohne Kenntnis der Entscheidungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Keine Benachteiligung bei Leistungen ohne Abschlussrelevanz b) Benachteiligung des Arbeitnehmers bei der Vertragsabwicklung . . . c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Notwendiger Konkretisierungsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erforderliche Festlegung der Entscheidungskriterien dem Grunde nach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gleichlauf mit den Transparenzanforderungen an Widerrufsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Keine rechnerische Nachvollziehbarkeit erforderlich . . . . . . . . . . . . . d) Beispielhafte Klauseln und Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

400 401 401 403 404

406 406

407 409 410

411 413 414 418 418 419 420 421 424 425 425 426 427 429

Inhaltsverzeichnis

IV.

V.

11. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur Konkretisierungspflicht des Leistungsumfangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unklarheiten arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte mit offenem Leistungsumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Geringe Unklarheiten bei der Vertragsdurchführung . . . . . . . . . . . . . b) Mangelnde Kenntnis über den Leistungsinhalt bei Vertragsschluss c) Unklarheiten über die Festlegung der Leistung auf null . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis: Unklarheiten über den Inhalt des Leistungsanspruchs bei Vertragsabschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gebotenheit und Zumutbarkeit einer Konkretisierung des Leistungsumfangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis: Erforderlichkeit der Konkretisierung des Leistungsumfangs in Bestimmungsvorbehalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Unangemessene Benachteiligung ohne Angaben zum Leistungsumfang: Vereitelung von Marktchancen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätzliche Benachteiligung bei Vertragsschluss ohne Konkretisierung des Leistungsumfangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Keine Benachteiligung bei Leistungen ohne Abschlussrelevanz . . . c) Fazit: regelmäßig unangemessene Benachteiligung ohne Konkretisierung des Leistungsumfangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zumutbarer Konkretisierungsgrad des Leistungsumfangs in Bestimmungsvorbehalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Keine Pflicht zur Festlegung eines starren Leistungsrahmens . . . . . b) Höhenangaben zur Orientierung sind notwendig und zumutbar . . . c) Die Möglichkeit einer Festlegung der Leistung auf null muss deutlich erkennbar sein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur transparenten Regelung des Entscheidungsmaßstabs und der Möglichkeit einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle in Bestimmungsvorbehalten . . 1. Die Intransparenz von Entscheidungsmaßstäben unterhalb des billigen Ermessens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unklarheiten über die Ausübung von Bestimmungsvorbehalten nach offenen Bestimmungsmaßstäben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unangemessene Benachteiligung durch offene Bestimmungsmaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vorliegen einer Benachteiligung bei der Vertragsabschlussentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Keine Benachteiligung des Arbeitnehmers bei der Vertragsdurchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis: Pflicht zur Konkretisierung des Entscheidungsmaßstabs nur bei Leistungen mit hypothetischer Abschlussrelevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23 431 433 434 434 435 437 438 438 441 442 442 442 443 443 444 445 446 447 448 449 450 450 452 453 453

455

24

Inhaltsverzeichnis c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Notwendiger Konkretisierungsgrad des Entscheidungsmaßstabs . . . . . . 3. Zur Hinweispflicht auf § 315 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Das Verhältnis der verschiedenen Konkretisierungsanforderungen zueinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Ergebnisse zur transparenten Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Pflicht zur Konkretisierung der Entscheidungskriterien . . . . . . . . . . 2. Die Konkretisierung des Leistungsumfangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Notwendige Festlegung des Entscheidungsmaßstabs . . . . . . . . . . . . . . . .

455 456 457 458 459 462 462 464 465

Kapitel 6 Rechtsfolgen unwirksamer Bestimmungsvorbehalte A. Grundsatzfragen zum Umgang mit unwirksamen AGB-Klauseln: geltungserhaltende Reduktion, Teilunwirksamkeit und ergänzende Vertragsauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Teilbarkeit zusammengefasster Klauseln („Blue-Pencil-Test“) . . . . . . . . . . . III. Die ergänzende Vertragsauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung und Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

466

467 468 469 470 472

B. Die Unwirksamkeit der gesamten Klausel und ihre Problematik bei arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 C. Zur Aufrechterhaltung von Bestimmungsvorbehalten durch geltungserhaltende Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476 D. Die Aufrechterhaltung des Leistungsversprechens bei unwirksamen Bestimmungsvorbehalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Schutzzweck des AGB-Rechts gebietet eine Aufrechterhaltung des Leistungsversprechens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aufrechterhaltung mittels „Blue-Pencil-Tests“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Andere Möglichkeiten zur Aufrechterhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

479 480 482 484

E. Füllung der übrigen Lücke durch dispositives Gesetzesrecht . . . . . . . . . . . . . . I. Mangelnde Eignung der §§ 315, 316 BGB zur Lückenfüllung . . . . . . . . . . . II. Lückenfüllung durch § 612 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

485 485 487 489

479

F. Ersetzung unwirksamer Bestimmungsvorbehalte durch ergänzende Vertragsauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 490 I. Anwendbarkeit der ergänzenden Vertragsauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 490

Inhaltsverzeichnis Die Ersetzung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte mittels ergänzender Vertragsauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zur Möglichkeit der Ersetzung durch ein festes Leistungsversprechen 2. Zur Konstruktion eines „neuen“ Bestimmungsvorbehalts . . . . . . . . . . . . 3. Ersetzung durch eine selbstständige dynamische Anpassungsklausel . . a) Interessenausgleich durch automatische, dynamische Anpassung der Leistungshöhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausgestaltungsmöglichkeiten selbstständiger Anpassungsklauseln . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

II.

493 493 494 496 496 497 499

G. Zusammenfassung zu den Rechtsfolgen der Unwirksamkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500

Kapitel 7 Zusammenfassung und Ergebnisse

503

A. Gesamtfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503 B. Die Ergebnisse im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeine Ergebnisse zur AGB-Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zum Verhältnis von Angemessenheits- und Transparenzkontrolle . . . . 2. Zur unangemessenen Benachteiligung bei Intransparenz . . . . . . . . . . . . 3. Zum Verhältnis von Kontrollfreiheit und Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . 4. Zu den Rechtsfolgen bei Unwirksamkeit von AGB-Klauseln . . . . . . . . 5. Sonstige Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Verhältnis von § 315 BGB zur AGB-Kontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zum Einfluss der Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB auf die AGB-Kontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte . . . . . . . . . 2. Die Auswirkungen des § 315 Abs. 1 BGB auf die AGB-Kontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnisse zur Bestimmung des Gegenleistungscharakters von Leistungen unter Bestimmungsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zur Auslegung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . V. Ergebnisse zur Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kontrollfähigkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte . . . . . . . 2. Zur Unwirksamkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte . . . . . 3. Unangemessenheit von Bestimmungsvorbehalten bei Eingriff in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnisse zur Angemessenheit des Ermessensmaßstabs . . . . . . . . . . . . 5. Relativierung von Synallagma und Äquivalenzverhältnis durch arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

506 506 506 506 507 507 507 508 508 509 509 510 510 511 511 512 514 514

26

Inhaltsverzeichnis 6. Ergebnisse zur Konkretisierung der Entscheidungskriterien . . . . . . . . . . a) Die grundlegende Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unangemessenheit nicht konkretisierter Bestimmungsvorbehalte wegen Leistungsanreizes ohne entsprechende Bindung des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Unangemessenheit nicht konkretisierter Bestimmungsvorbehalte wegen Verlagerung des Wirtschaftsrisikos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zum Einfluss der alternativen Gestaltungsmöglichkeit durch Freiwilligkeitsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Verhältnis der Konkretisierungspflicht arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte zur Behandlung anderer Flexibilisierungsklauseln f) Die inhaltliche Ausgestaltung der Konkretisierung von Entscheidungskriterien bei arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten . . . aa) Konkretisierung der Entscheidungskriterien bei Bestimmungsvorbehalten über synallagmatische Leistungen . . . . . . . . . . . . . . bb) Konkretisierung der Entscheidungskriterien bei Bestimmungsvorbehalten über Sonderzahlungen ohne Gegenleistungscharakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Ergebnisse zur Kompensation einer unangemessenen Benachteiligung bei Bestimmungsvorbehalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Ergebnisse zur transparenten Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die transparente Konkretisierung der Entscheidungskriterien . . . . . . . . 2. Zur transparenten Konkretisierung des Leistungsumfangs . . . . . . . . . . . 3. Die transparente Konkretisierung des Entscheidungsmaßstabs . . . . . . . . VIII. Ergebnisse zu den Rechtsfolgen der Unwirksamkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Zusammenfassung und Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

515 515

516 517 517 517 518 518

519 520 520 521 523 524 525 526

C. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 529 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543

Kapitel 1

Einführung A. Einleitung Die Flexibilisierung von Arbeitgeberleistungen ist seit jeher ein Dauerbrenner in der arbeitsrechtlichen Diskussion. Freiwilligkeitsvorbehalte, Widerrufsvorbehalte und noch viele weitere Flexibilisierungsklauseln finden sich in einem Großteil der Arbeitsverträge in Deutschland.1 Bei der Ausgestaltung derartiger Klauseln, die der Flexibilisierung von Geldleistungen dienen, sind erhebliche Anforderungen zu beachten2; Freiwilligkeitsvorbehalte könnten sogar nahezu unbrauchbar geworden sein und werden schon als „tot“3 bezeichnet. Deshalb erstaunt es nicht, dass nach Alternativen zu den bisher populären Klauseln Ausschau gehalten wird. Eine brauchbare Alternative scheint auch tatsächlich gefunden: Einseitige Leistungsbestimmungsrechte des Arbeitgebers4 zur erstmaligen Festlegung einer geldwerten Leistung – kurz: arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte im Entgeltbereich5 – werden in der Literatur, wenn sie Erwähnung finden, meist als Alternative für Freiwilligkeitsvorbehalte vorgeschlagen.6 Erstaunlich ist wiederum, dass diese Bestimmungsrechte in der juristischen Debatte bisher eher ein Schattendasein fristen. Denn sie kommen auf den ersten Blick als Allheilmittel bei der Flexibilisierung von arbeitgeberseitigen Zahlungen

1 Vgl. Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, S. 65 f.; ErfK/ Preis, § 310 BGB Rn. 51 m.w. N.; Hofmann, Entgeltflexibilisierung und AGB-Kontrolle, S. 23; Hromadka/Schmitt-Rolfes, NJW 2007, 1777; Schrader/Müller, RdA 2007, 145. 2 Dazu noch ausführlich unter Kapitel 2 D. 3 Preis, NZA 2009, 281, 289. 4 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in dieser Arbeit das generische Maskulinum verwendet. Weibliche und anderweitige Geschlechteridentitäten werden dabei ausdrücklich mit eingeschlossen. 5 Der im weiteren Verlauf für diese Klauseln verwendete Begriff der arbeitgeberseitigen „Bestimmungsvorbehalte“ im Entgeltbereich wird im nächsten Abschnitt entwickelt und die damit beschriebene Konstellation näher erläutert. S. dazu unter Kapitel 1 B. II. 6 S. Lakies, ArbRAktuell 2013, 251; Salamon, NZA 2014, 465; Reinfelder, NZABeilage 2014, 10; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400; Lunk/Leder, NJW 2015, 3766; Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65; Stoffels, RdA 2015, 276; Kössel, DB 2016, 2963; Salamon/Wessels, BB 2017, 885; BLDH/Lingemann, Arbeitsrecht, Kap. 2 Rn. 101.

28

Kap. 1: Einführung

daher.7 Sie vereinen all das, worauf es dem Arbeitgeber regelmäßig ankommen wird. Einerseits erhält dieser die Möglichkeit, eine Zahlung zu versprechen und dadurch Arbeitnehmer zu locken und zu motivieren; andererseits ist er nicht an eine bestimmte Leistungshöhe gebunden und kann sich unter Umständen sogar ganz von der Zahlungspflicht lösen. Was Bestimmungsvorbehalte darüber hinaus noch viel attraktiver macht, ist der Umstand, dass bei der arbeitsvertraglichen Regelung dieser Klauseln derzeit kaum Anforderungen eingehalten werden müssen. Die Voraussetzungen, die das BAG für ihre AGB-rechtliche Wirksamkeit aufstellt, sind gering.8 Dadurch bieten diese Klauseln eine größere Flexibilität und leichtere Handhabung als etwa Widerrufsvorbehalte. An dieser Stelle knüpft die vorliegende Arbeit an. Das großzügige Vorgehen des BAG9 bei Bestimmungsvorbehalten im Entgeltbereich scheint nicht so ganz in das allgemeine System der AGB-Kontrolle und das System der Behandlung anderer Leistungsbestimmungsrechte passen zu wollen. Sowohl im Arbeitsrecht als auch im übrigen Zivilrecht werden in der Regel nämlich beachtliche Anforderungen an die AGB-rechtliche Wirksamkeit von einseitigen Leistungsbestimmungsrechten und anderen Flexibilisierungsinstrumenten gestellt.10 Das wirft die Frage auf, ob die entgeltrelevanten Bestimmungsvorbehalte des Arbeitgebers eine 7 Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn. 364, 537 bezeichnet diese sogar als „Königsweg“ zur Gestaltung variabler Entgelte; s. dazu auch Boensch, Arbeitsvertragliche Entgeltflexibilisierung und aufsichtsrechtliche Institutsvorgaben, S. 163 ff. 8 Anschaulich bei BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013. Die Sichtweise des BAG wird ausführlich dargestellt unter Kapitel 2 B. II. 2. 9 S. BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148; BAG v. 26.09.2012 – 10 AZR 370/11, zitiert nach juris; BAG v. 17.10.2012 – 10 AZR 620/11, zitiert nach juris; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 97; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 636/11, AuA 2013, 711; BAG v. 15.05.2013 – 10 AZR 679/12, NJW-Spezial 2013, 563; BAG v. 03.08.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334. Ausführlich dazu unter Kapitel 2 B. II. 2. 10 Zu Widerrufsvorbehalten s. etwa: BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 07.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423; BAG v. 19.12.2006 – 9 AZR 294/06, DB 2007, 1253; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 194; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777; dazu ausführlich unter Kapitel 2 D. II. Zur Rechtsprechung des BGH s. beispielhaft BGH v. 11.06.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518; BGH v. 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, NJW 1984, 1182; BGH v. 26.11.1984 – VIII ZR 214/83, NJW 1985, 623; BGH v. 19.11.2002 – X ZR 243/01, NJW 2003, 507; BGH v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11; BGH v. 08.10.2013 – XI ZR 401/12, NJW 2013, 3716; BGH v. 18.01.2017 – VIII ZR 263/15, DB 2017, 655; ausführlich dazu unter Kapitel 2 C. Zu Freiwilligkeitsvorbehalten, bei denen eine vergleichbare Situation besteht, s. etwa BAG v. 25.04.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 85; BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, BAGE 124, 259; BAG v. 30.07.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173; BAG v. 10.12.2008 – 10 AZR 1/08, DB 2009, 684; BAG v. 07.06.2011 – 1 AZR 807/09, NZA 2011, 1234; BAG v. 14.09.2011 – 10 AZR 526/10, BAGE 139, 156; BAG v. 20.02.2013 – 10 AZR 177/12, NZA 2013, 1015; dazu ausführlich unter Kapitel 2 D. I.

B. Festlegung des Untersuchungsgegenstandes

29

Sonderstellung innerhalb der arbeitsrechtlichen Flexibilisierungsklauseln einnehmen oder ob auch an sie schärfere Ausgestaltungsanforderungen zu stellen sind, als es bisher vertreten wird.11

B. Festlegung des Untersuchungsgegenstandes: Begriff und Inhalt arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte im Entgeltbereich sowie Eingrenzung des Prüfungsmaßstabs An dieser Stelle soll der Gegenstand der nachfolgenden Untersuchung festgelegt werden. Zuerst wird dargestellt, was unter dem Begriff „arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte im Entgeltbereich“ zu verstehen ist. Dazu soll veranschaulicht werden, was einseitige Leistungsbestimmungsrechte im Allgemeinen ausmacht und welche Gestaltungsformen denkbar sind. Anschließend wird aufgezeigt, welche Besonderheiten die arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalte im Entgeltbereich kennzeichnen und wodurch sie sich von anderen Flexibilisierungsklauseln wie Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalten abgrenzen. Abschließend wird dargelegt, auf welcher rechtlichen Grundlage die Bestimmungsvorbehalte im weiteren Verlauf überprüft werden.

I. Das Wesen einseitiger Leistungsbestimmungsrechte im Allgemeinen Einseitige Leistungsbestimmungsrechte werden vom Gesetz in den §§ 315 ff. BGB als mögliche Gestaltungsform vorausgesetzt.12 Sie bieten den Parteien eines Vertrages die Möglichkeit, Leistung, Gegenleistung oder Leistungsmodalitäten unbestimmt zu lassen, ohne dass die Wirksamkeit des Vertrages berührt wird.13 Durch einseitige Leistungsbestimmungsrechte wird einer Vertragspartei das Recht übertragen, die betroffene Leistung einseitig und für beide Parteien bindend festzulegen. Dabei kann es sowohl um die Bestimmung der eigenen Leistung als auch der Leistung der anderen Vertragspartei gehen.14 Darüber hin-

11 Schärfere Anforderungen als das BAG stellen: Stoffels, RdA 2015, 276; Simon/ Hidalgo/Koschker, NZA 2012, 1071, 1072; Preis/Deutzmann, NZA-Beilage 2017, 101, 107; Preis/Preis, II S 40 Rn. 19d ff.; Boensch, Arbeitsvertragliche Entgeltflexibilisierung und aufsichtsrechtliche Institutsvorgaben, S. 170 ff.; zurückhaltender Pfrogner, BB 2018, 757, 759; dies wird ausführlich dargestellt unter Kapitel 2 E. I. 12 Vgl. BeckOGK/Netzer, § 315 BGB Rn. 1; NK-BGB/Wagner, § 315 BGB Rn. 1; Staudinger/Löwisch, § 315 BGB Rn. 1; Rieble, NZA-Beil. 2000, 34, 38. 13 Vgl. dazu BeckOGK/Netzer, § 315 BGB Rn. 12; NK-ArbR/Elz, § 315 BGB Rn. 7; HK-BGB/Schulze, § 315 BGB Rn. 1; MüKo-BGB/Würdinger, § 315 BGB Rn. 1a, 14; NK-BGB/Wagner, § 315 BGB Rn. 3; BeckOK-BGB/Gehrlein, § 315 Rn. 1. 14 HK-BGB/Schulze, § 315 BGB Rn. 4; Jauernig/Stadler, § 315 BGB Rn. 9; Staudinger/Löwisch, § 316 BGB Rn. 122.

30

Kap. 1: Einführung

aus bieten Bestimmungsrechte aber auch eine sinnvolle Gestaltungsmöglichkeit, um vertraglich festgelegte Leistungen im Nachhinein an geänderte Bedingungen anpassen zu können.15 Der wohl gängigste Fall ist die Vereinbarung von Preisanpassungsklauseln in Dauerlieferverträgen, die es dem zur Lieferung Verpflichteten ermöglichen, das von der anderen Vertragspartei zu zahlende Entgelt im Nachhinein zu ändern. Es überrascht nicht, dass sich auch in Arbeitsverträgen diverse Leistungsbestimmungsrechte finden.16 Schließlich ist das Arbeitsverhältnis auf Dauer angelegt und es können bei Vertragsschluss nicht alle Gegebenheiten vorhergesehen werden. Aus diesen Gründen sollen viele der gängigen Leistungsbestimmungsrechte in Arbeitsverträgen dem Arbeitgeber ermöglichen, flexibel auf die Änderungen der relevanten Einflussfaktoren reagieren zu können.17

II. Arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte im Entgeltbereich: Begriffsbestimmung und Inhalt Die vorliegende Arbeit soll nicht alle denkbaren Leistungsbestimmungsrechte des Arbeitgebers behandeln, die zum Teil schon erschöpfend erforscht wurden. Untersucht werden soll vielmehr eine besondere Form, und zwar die Leistungsbestimmungsrechte zur erstmaligen Festlegung einer entgeltrelevanten Leistung des Arbeitgebers. Bei diesen wird die Höhe einer dem Arbeitnehmer versprochenen (Geld-)Leistung in das Ermessen des Arbeitgebers gestellt.18 Diese Bestimmungsrechte sind von besonderem Interesse, weil sie dem Arbeitgeber unter Umständen eine sehr weitreichende Entscheidungsgewalt vermitteln und die Grenzen ihrer vertraglichen Vereinbarung bisher nicht abschließend herausgearbeitet worden sind. Zur Vereinfachung werden die arbeitsvertraglichen Klauseln, die ein solches Recht einräumen sollen, im weiteren Verlauf vorwiegend als arbeitgeberseitige (bzw. entgeltrelevante) Bestimmungsvorbehalte bezeichnet. Dieser bisher weder

15

MüKo-BGB/Würdinger, § 315 BGB Rn. 21; BeckOGK/Netzer, § 315 BGB Rn. 6. Vgl. Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, S. 65 f.; ErfK/ Preis, § 310 BGB Rn. 51 m.w. N., 55 ff.; NK-ArbR/Elz, § 315 BGB Rn. 17 ff.; Hofmann, Entgeltflexibilisierung und AGB-Kontrolle, S. 23; Hromadka/Schmitt-Rolfes, NJW 2007, 1777; Schrader/Müller, RdA 2007, 145. 17 Für Widerrufsvorbehalte so etwa Grobys/Panzer-Heemeier/Schönhöft, Widerrufsvorbehalt Rn. 1 f.; Jesgarzewski, Die Grenzen formularmäßiger Vereinbarung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte, S. 194. 18 S. etwa BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 13; BAG v. 23.08.2017 – 10 AZR 376/16, NZA 2017, 1595; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358, 2359 f.; Niklas, ArbRB 2018, 353; Stoffels, RdA 2015, 276, 277; Bauer/Heimann, NZA-Beilage 2014, 114, 117; Simon/Hidalgo/Koschker, NZA 2012, 1071, 1072; Küttner/Kania, Personalbuch 2018, Änderungsvorbehalte Rn. 13. 16

B. Festlegung des Untersuchungsgegenstandes

31

in der Rechtsprechung noch in der Literatur verwendete Begriff 19 wurde gewählt, weil er die Situation am treffendsten beschreibt. Denn anstatt die (Geld-)Leistung im Vertrag zu beziffern, behält der Arbeitgeber sich das Recht vor, die Höhe der Leistung im Nachhinein einseitig zu bestimmen. Der Anspruch auf Zahlung steht also der Höhe nach unter dem Vorbehalt der Bestimmung durch den Arbeitgeber. Gemeint sind Klauseln wie die Folgenden: Beispiel 1: „Der Arbeitgeber gewährt zusätzlich zur monatlichen Vergütung eine Weihnachtsgratifikation, deren Höhe jeweils pro Jahr vom Arbeitgeber festgelegt wird.“ 20 Beispiel 2: „Zusätzlich zum Grundgehalt wird als freiwillige Leistung [. . .] eine Weihnachtsgratifikation gezahlt, deren Höhe jeweils jährlich durch die Arbeitgeberin bekanntgegeben wird und deren Höhe derzeit ein volles Monatsgehalt nicht übersteigt.“ 21 Beispiel 3: Der Arbeitnehmer erhält einen jährlichen Bonus, dessen Höhe der Arbeitgeber nach billigem Ermessen festlegt. Beispiel 4: „Der Arbeitnehmer erhält einen jährlichen Bonus. Der Arbeitgeber bestimmt die Höhe des Bonus nach billigem Ermessen in Abhängigkeit von der Leistung des Arbeitnehmers und dem wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens.“ 22 Die gegenständlichen Bestimmungsvorbehalte kennzeichnen sich dadurch, dass dem Arbeitnehmer eine Leistung anspruchsbegründend versprochen wird, die Höhe hingegen offenbleibt und der Bestimmung durch den Arbeitgeber unterliegt.23 Es kann sich dabei um eine einmalige Leistung handeln, so dass auch nur eine Festlegung nötig wird. Häufiger dürfte allerdings der Fall sein, dass eine wiederkehrende Leistung (z. B. eine jährliche Weihnachtsgratifikation, ein jährlicher Leistungsbonus oder unter Umständen sogar eine monatliche Bonuszahlung) turnusmäßig festgelegt wird. Dann bestimmt der Arbeitgeber die Leistung für jedes Intervall von neuem. 19 Stattdessen wird teilweise von einem „Ermessensbonus“ oder einer „Ermessensgratifikation“ gesprochen. So etwa bei Pfrogner, BB 2018, 757; Simon/Hidalgo/Koschker, NZA 2012, 1071, 1072; Kössel, DB 2016, 2963; Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65. Diese Begriffe werden in dieser Arbeit nicht verwendet, weil es nicht um das Versprechen einer Ermessensleistung geht, sondern um den damit verbundenen Vorbehalt der einseitigen Leistungsbestimmung. 20 Vorschlag von Lakies, ArbRAktuell 2013, 251, 254. 21 Aus BAG v. 23.08.2017 – 10 AZR 97/17, zitiert nach juris. 22 Klauselvorschlag von Lunk/Leder, NJW 2015, 3766, 3767 und Kössel, DB 2016, 2963, 2964. 23 Anschaulich bei BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013; BAG v. 23.08.2017 – 10 AZR 376/16, NZA 2017, 1595; s. auch Wensing/Boensch, BB 2014, 2358, 2359 f.; Niklas, ArbRB 2018, 353; Stoffels, RdA 2015, 276, 277; Bauer/Heimann, NZA-Beilage 2014, 114, 117; Simon/Hidalgo/Koschker, NZA 2012, 1071, 1072; Küttner/Kania, Personalbuch 2018, Änderungsvorbehalte Rn. 13.

32

Kap. 1: Einführung

Zuletzt ist einzugrenzen, auf welche Leistungen sich die zu untersuchenden Bestimmungsvorbehalte beziehen. Betrachtet werden sollen nur Bestimmungsvorbehalte bezüglich entgeltrelevanter Leistungen bzw. Leistungen aus dem Entgeltbereich. Damit ist nicht nur der enge Entgeltbereich gemeint, der die Gegenleistung des Arbeitgebers für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers beschreibt, sondern in Ermangelung eines passenderen Begriffs jede geldwerte Leistung des Arbeitgebers. Hauptsächlich hat diese Arbeit Leistungspflichten im Blick, die auf Geldzahlung gerichtet sind, unabhängig davon, ob sie Teil des synallagmatischen Entgelts sind oder nicht. Nicht behandelt werden Direktionsrechtserweiterungen, also Leistungsbestimmungsrechte des Arbeitgebers über Pflichten des Arbeitnehmers. Die Ausgestaltung und Wirksamkeit dieser Rechte begegnen nicht denselben Schwierigkeiten wie Bestimmungsvorbehalte über Entgeltleistungen. Denn das Direktionsrecht hat in § 106 GewO, § 611a Abs. 1 BGB eine gesetzliche Regelung erfahren, die dem Arbeitgeber ohnehin ein relativ weitreichendes Leistungsbestimmungsrecht einräumt und darüber hinaus möglichen Regelungen im Arbeitsvertrag verhältnismäßig klare Grenzen setzt.24

III. Abgrenzung zu Freiwilligkeitsund Widerrufsvorbehalten Über die Beschreibung des Inhalts hinaus müssen die zu untersuchenden Bestimmungsvorbehalte noch von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalten abgegrenzt werden, da die Konstellationen sich in einigen Fällen sehr ähnlich sind. Die im Rahmen eines Bestimmungsvorbehalts mögliche Festlegung der jeweiligen Leistung auf null führt für den Turnus etwa zum selben Ergebnis wie der Widerruf einer Leistung.25 Freiwilligkeitsvorbehalte hingegen ermöglichen es dem Verwender unter Umständen genau wie Bestimmungsvorbehalte, die Höhe einer Leistung einseitig zu bestimmen.26 Widerrufsvorbehalt Beispiel 1: „Der Arbeitnehmer erhält zusätzlich zum Monatsgehalt ein Weihnachtsgeld in Höhe jeweils eines halben Monatsgehalts im Dezember eines jeden Jahres. Der Arbeitgeber behält sich vor, diese Leistung aus wirtschaftlichen Gründen zu widerrufen.“ 27 Widerrufsvorbehalt Beispiel 2: „Der Arbeitgeber behält sich vor, die Sonderzuwendung im Falle einer wirtschaftlichen Notlage [. . .] ganz oder teilweise zu widerrufen.“ 28 24

S. dazu etwa ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 55 f. Vgl. dazu Stoffels, RdA 2015, 276, 279; Simon/Hidalgo/Koschker, NZA 2012, 1071, 1074. 26 So etwa im untenstehenden Beispiel aus BAG v. 10.12.2008 – 10 AZR 15/08, NZA 2009, 322. 27 Vorschlag von Lakies, ArbRAktuell 2013, 251, 252. 28 Klauselvorschlag von Stoffels, NZA 2017, 1217, 1224. 25

B. Festlegung des Untersuchungsgegenstandes

33

Zwischen Bestimmungsvorbehalten und Widerrufsvorbehalten besteht der wesentliche Unterschied, dass ein Widerrufsvorbehalt es ermöglicht, einen in der Regel bezifferten Anspruch ganz oder teilweise dauerhaft zu Fall zu bringen.29 Ein Bestimmungsvorbehalt ermöglicht dies allenfalls mittelbar und nur für den jeweiligen Turnus, indem der Arbeitgeber die betreffende Leistung auf null festlegt. In diesem Fall ist der Anspruch für den Turnus wertlos, für alle weiteren Zeitabschnitte gilt dies nicht. Im Unterschied zum Widerrufsvorbehalt bleibt eine Leistung, die unter Bestimmungsvorbehalt versprochen wurde, zwingend unbeziffert und muss in jedem Turnus erneut festgelegt werden. Es gilt: Ermöglicht es eine Klausel, den Anspruch auf eine (in fester Höhe) versprochene Leistung durch Widerruf dauerhaft zu Fall zu bringen, liegt ein Widerrufsvorbehalt vor; ist eine Leistung der Höhe nach unbestimmt und regelt die zugehörige Klausel, dass der Arbeitgeber die Höhe einseitig festlegt, liegt ein Bestimmungsvorbehalt vor. Freiwilligkeitsvorbehalt Beispiel: „Als freiwillige Leistung – ohne jeden Rechtsanspruch – wird in Abhängigkeit von der Geschäftslage und der persönlichen Leistung im November festgelegt, ob und in welcher Höhe [. . .] ein Weihnachtsgeld gezahlt wird.“ 30 Die Frage, ob eine Leistung beziffert oder ob die Höhe von Anfang an dem Arbeitgeber überlassen ist, taugt nicht zur Abgrenzung gegenüber einem Freiwilligkeitsvorbehalt. Auch dieser kann, wie etwa im obigen Beispiel, eine der Höhe nach unbestimmte Leistung betreffen. Zwischen Bestimmungs- und Freiwilligkeitsvorbehalt besteht der entscheidende Unterschied darin, dass ein Freiwilligkeitsvorbehalt einen Leistungsanspruch ausschließen soll31, während ein Bestimmungsvorbehalt voraussetzt, dass grundsätzlich ein Leistungsanspruch eingeräumt wird32. Die Einräumung eines Anspruchs schließt nach der Rechtsprechung des BAG wegen Intransparenz einen wirksamen Freiwilligkeitsvorbehalt aus.33 Es gilt also: Wird ein Anspruch eingeräumt, dessen Höhe dem Arbeit29 Grobys/Panzer-Heemeier/Schönhöft, Widerrufsvorbehalt Rn. 2; MüKo-BGB/ Müller-Glöge, § 611 BGB Rn. 439; ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 57; HK-ArbR/ Boemke/Ulrici, § 308 BGB Rn. 58. 30 Aus BAG v. 10.12.2008 – 10 AZR 15/08, NZA 2009, 322. 31 Vgl. ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 68; MüKo-BGB/Müller-Glöge, § 611 BGB Rn. 447; NK-ArbR/Brors, § 611 BGB Rn. 680; Grobys/Panzer-Heemeier/Schönhöft, Freiwilligkeitsvorbehalt Rn. 2. 32 S. etwa BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 13; BAG v. 23.08.2017 – 10 AZR 376/16, NZA 2017, 1595; Küttner/Kania, Personalbuch 2018, Änderungsvorbehalte Rn. 13; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358, 2359 f.; Niklas, ArbRB 2018, 353; Stoffels, RdA 2015, 276, 277; Bauer/Heimann, NZA-Beilage 2014, 114, 117; Simon/Hidalgo/Koschker, NZA 2012, 1071, 1072. 33 BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, BAGE 124, 259; BAG v. 30.07.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173; BAG v. 10.12.2008 – 10 AZR 1/08, DB 2009, 684; BAG v. 07.06.2011 – 1 AZR 807/09, NZA 2011, 1234; BAG v. 14.09.2011 – 10 AZR 526/10, BAGE 139, 156; BAG v. 20.02.2013 – 10 AZR 177/12, NZA 2013, 1015; ebenso LAG Rheinland-Pfalz v. 15.12.2015 – 8 Sa 201/15, zitiert nach juris; LAG

34

Kap. 1: Einführung

geber überlassen wird, ist ein Bestimmungsvorbehalt vereinbart; bleibt die Höhe einer Leistung dem Arbeitgeber überlassen, wird aber kein Anspruch auf Zahlung eingeräumt, liegt ein Freiwilligkeitsvorbehalt vor.

IV. Einordnung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte: Nähe zu Widerrufsvorbehalten Für die weitere Prüfung und Argumentation im Rahmen dieser Arbeit ist außerdem von Interesse, ob Bestimmungsvorbehalte eine größere Nähe zu Widerrufsvorbehalten oder zu Freiwilligkeitsvorbehalten aufweisen.34 So ist in Erwägung zu ziehen, die an Widerrufsvorbehalte gestellten Anforderungen auf Bestimmungsvorbehalte zu übertragen und auch bei Bestimmungsvorbehalten eine tatbestandliche Konkretisierung zu fordern.35 Das BAG scheint Bestimmungsvorbehalte eher in der Nähe der Freiwilligkeitsvorbehalte anzuordnen. Es wendet die bei Widerrufsvorbehalten gestellten Anforderungen nicht auf Bestimmungsvorbehalte an36 und lehnt eine Übertragung der Rechtsprechung zu Preisanpassungsklauseln, die wie Widerrufsvorbehalte eine Änderung der betreffenden Leistung ermöglichen, sogar ausdrücklich ab.37 Stattdessen argumentiert das BAG damit, der Verwender eines Bestimmungsvorbehalts hätte ebenso einen Freiwilligkeitsvorbehalt wählen können.38 Daraus schließt das BAG, dass Bestimmungsvorbehalte wie auch Freiwilligkeitsvorbehalte keiner tatbestandlichen Konkretisierung bedürfen. Die Einordnung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte in unmittelbarer Nähe zu Freiwilligkeitsvorbehalten ist abzulehnen. Freiwilligkeitsvorbehalte können den Bestimmungsvorbehalten – wie etwa im obigen Beispiel – auf den ersten Blick zwar stark ähneln. Es bleibt jedoch der bereits erwähnte wesentliche Unterschied, dass Bestimmungsvorbehalte einen grundsätzlichen Leistungsanspruch voraussetzen39, während Freiwilligkeitsvorbehalte einen solchen gerade ausschließen sollen40. Auch das BAG erkennt diesen Unterschied, zieht daraus allerRheinland-Pfalz v. 18.07.2016 – 3 Sa 43/16, zitiert nach juris; vgl. auch ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 69; Grobys/Panzer-Heemeier/Schönhöft, Freiwilligkeitsvorbehalt Rn. 4. 34 S. etwa Kapitel 4 B. VII. 7. c), Kapitel 4 B. VII. 9. und Kapitel 5 B. III. 7. 35 S. dazu insbesondere Kapitel 4 B. VII. 9. 36 S. dazu etwa Kapitel 2 B. und D. II. 37 BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 21. 38 BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 21 ff. 39 S. etwa BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 13; BAG v. 23.08.2017 – 10 AZR 376/16, NZA 2017, 1595; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358, 2359 f.; Niklas, ArbRB 2018, 353; Stoffels, RdA 2015, 276, 277; Bauer/Heimann, NZA-Beilage 2014, 114, 117; Simon/Hidalgo/Koschker, NZA 2012, 1071, 1072; Küttner/Kania, Personalbuch 2018, Änderungsvorbehalte Rn. 13. 40 Vgl. ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 68; MüKo-BGB/Müller-Glöge, § 611 BGB Rn. 447; NK-ArbR/Brors, § 611 BGB Rn. 680; Grobys/Panzer-Heemeier/Schönhöft, Freiwilligkeitsvorbehalt Rn. 2.

B. Festlegung des Untersuchungsgegenstandes

35

dings nur den Schluss, Bestimmungsvorbehalte müssten erst recht nicht konkretisiert werden, da der Arbeitnehmer mit der Einräumung eines Anspruchs eine bessere Rechtsposition innehabe.41 Ansonsten hält es die beiden Klauseltypen allem Anschein nach für vergleichbar. Dem kann schon deshalb nicht zugestimmt werden, weil die Gewährung eines Anspruchs und der vollständige Ausschluss eines solchen grundlegend unterschiedliche Situationen darstellen. Darüber hinaus unterscheiden sich die beiden Klauseltypen aber auch in ihrer Wirkung. Dass Freiwilligkeitsvorbehalte unter Umständen wie Bestimmungsvorbehalte dem Arbeitgeber die Bestimmung einer Leistung überlassen, liegt in der Natur der Sache. Besteht kein Anspruch des Arbeitnehmers, bleibt es dem Arbeitgeber – wie auch ohne Freiwilligkeitsvorbehalt – unbenommen, freiwillig dennoch eine Leistung zu gewähren42, die dann naturgemäß vom Arbeitgeber festzulegen ist. Bezüglich des Rechts, eine (freiwillige) Leistung einseitig zu bestimmen, haben Freiwilligkeitsvorbehalte also allenfalls deskriptive Wirkung. Bestimmungsvorbehalte auf der anderen Seite haben konstitutive Wirkung bezüglich des enthaltenen Leistungsbestimmungsrechts. Sie betreffen die Konstellation, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Leistung verspricht – womöglich um ihn zu binden oder zu motivieren43 –, so dass dieser auch mit ihr rechnet. Lediglich die Höhe der Leistung möchte der Arbeitgeber im Vertrag noch nicht festlegen, sondern seiner nachträglichen Bestimmung überlassen.44 Es besteht also ein Anspruch, der ohne das durch den Vorbehalt eingeräumte Leistungsbestimmungsrecht nicht bezifferbar wäre. Im Gegensatz zu einer freiwilligen Zahlung ist ein Anspruch nur einseitig bestimmbar, wenn ein Leistungsbestimmungsrecht wirksam eingeräumt wurde.45 Diese Konstellation liegt näher an derjenigen bei Widerrufsvorbehalten. Auch bei Widerrufsvorbehalten verspricht der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer anspruchsbegründend eine Leistung46 – in diesem Fall allerdings regelmäßig der Höhe nach bestimmt –, mit der dieser rechnet. Der Arbeitgeber behält sich jedoch vor, die Leistung durch Teilwiderruf zu verringern oder den Anspruch durch einen vollständigen Widerruf sogar gänzlich zu Fall zu bringen.47 Die Leis41

BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 21 ff. Vgl. BAG v. 18.01.2012 – 10 AZR 612/10, BAGE 140, 231 Rn. 26. 43 S. dazu Kapitel 4 B. IV. 6. b), B. VII. 3. a) bb) und B. VII. 5. 44 Vgl. Voigt/Steeger, DB 2018, 646. 45 Vgl. dazu BeckOGK/Netzer, § 315 BGB Rn. 12; NK-ArbR/Elz, § 315 BGB Rn. 7; HK-BGB/Schulze, § 315 BGB Rn. 1; MüKo-BGB/Würdinger, § 315 BGB Rn. 1a, 14; NK-BGB/Wagner, § 315 BGB Rn. 3; BeckOK-BGB/Gehrlein, § 315 Rn. 1. 46 MüKo-BGB/Müller-Glöge, § 611 BGB Rn. 439. 47 Vgl. Stoffels, RdA 2015, 276, 279; s. dazu auch HK-ArbR/Boemke/Ulrici, § 308 BGB Rn. 58; Grobys/Panzer-Heemeier/Schönhöft, Widerrufsvorbehalt Rn. 2; MüKoBGB/Müller-Glöge, § 611 BGB Rn. 439; ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 57. 42

36

Kap. 1: Einführung

tungshöhe steht also ähnlich wie bei Bestimmungsvorbehalten zur Disposition des Arbeitgebers. Bezüglich dieser Dispositionsbefugnis wirkt auch der Widerrufsvorbehalt konstitutiv.48 Der Unterschied zum Bestimmungsvorbehalt ist, dass der Widerruf dauerhaft wirkt49, die Festlegung einer Leistung bei Bestimmungsvorbehalten hingegen nur für den jeweiligen Turnus.

V. Die vorliegend anzulegenden Kontrollmaßstäbe Ist nun festgelegt, welcher Gegenstand untersucht werden soll, bleibt noch darzustellen, auf welcher Grundlage dies geschieht. Arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte könnten anhand einer Reihe von verschiedenen Kontrollinstanzen überprüft werden. Denkbar wären etwa ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot gem. § 134 BGB, eine Sittenwidrigkeit bei zu niedriger Festvergütung i. S. d. § 138 BGB, die Unterschreitung des Mindestlohns nach dem MiLoG oder ein Verstoß gegen spezielle Tarifnormen. Diese Kontrollmaßstäbe enthalten jedoch keine spezifischen Regeln für arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte, sondern betreffen jegliche Vergütungsvereinbarungen. Sie sollen deshalb in dieser Arbeit nicht thematisiert werden. Auch die Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB soll hier nicht behandelt werden. Sie betrifft den Einzelfall und spielt keine Rolle für die Wirksamkeit und Ausgestaltung arbeitsvertraglicher Bestimmungsvorbehalte.50 Von Interesse ist vorliegend, welchen Einfluss die AGB-Kontrolle auf die Wirksamkeit und Ausgestaltung dieser Vorbehalte hat. Die AGB-Kontrolle stellt einen besonders bedeutsamen Bereich der Wirksamkeitskontrolle von arbeitsvertraglichen Klauseln dar, da sie dezidierte Anforderungen stellt und eine Vielzahl von inhaltlichen sowie formalen Aspekten betrifft. Es geht z. B. nicht wie bei einer Überprüfung nach dem MiLoG isoliert darum, ob ein bestimmtes Gesamtgehalt eingehalten wird. Ebenso wenig beschränkt sich die AGB-Kontrolle auf eine Prüfung, ob die äußerste Grenze der Sittenwidrigkeit unterschritten wird. Es ist vielmehr ein umfassendes System mit diversen Anforderungen zu beachten. Das AGB-Recht hat deshalb die weitreichendsten spezifischen Folgen für die Wirksamkeit und Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte im Entgeltbereich, wie sich noch zeigen wird. Die Regelungen des AGB-Rechts werden bei arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten regelmäßig anwendbar sein, da arbeitsvertragliche Klauseln erfahrungsgemäß vorformuliert sind51 und 48

MüKo-BGB/Müller-Glöge, § 611 BGB Rn. 439. Vgl. ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 57; Grobys/Panzer-Heemeier/Schönhöft, Widerrufsvorbehalt Rn. 2. 50 Zum Einfluss der Billigkeitskontrolle auf die AGB-Kontrolle s. Kapitel 4 B. VII. 7. f) und B. VIII. 2.; Kapitel 5 B. III. 6. 51 Vgl. BeckOK-ArbR/Jacobs, § 305 BGB Rn. 22; ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 22; NK-ArbR/Peterhänsel, § 305 BGB Rn. 11. 49

B. Festlegung des Untersuchungsgegenstandes

37

der Arbeitnehmer als Verbraucher i. S. d. § 310 Abs. 3 BGB zu klassifizieren ist52. Sollte die Anwendbarkeit im Einzelfall abzulehnen sein, gelten die hier gewonnenen Ergebnisse ausnahmsweise nicht. Innerhalb der AGB-Kontrolle stellt sich darüber hinaus die Frage, welche Normen heranzuziehen sind. Da abhängig von dem konkreten Untersuchungsaspekt verschiedene Kontrollmaßstäbe in Betracht kommen, soll die Frage an dieser Stelle nicht umfassend erörtert werden. Ein Teil der Normen des AGB-Rechts kann allerdings bereits jetzt von vornherein ausgeschlossen werden. Das betrifft die Klauselverbote aus §§ 308, 309 BGB. Insbesondere bezüglich § 308 Nr. 4 BGB besteht richtigerweise Einigkeit, dass die Norm sich nicht zur Kontrolle von Bestimmungsvorbehalten eignet.53 Denn § 308 Nr. 4 BGB betrifft nach seinem Wortlaut nur Vorbehalte, die die Änderung einer versprochenen Leistung oder die Abweichung von ihr ermöglichen.54 Typischer Anwendungsfall sind arbeitsvertragliche Widerrufsvorbehalte.55 Die gegenständlichen Bestimmungsvorbehalte ermächtigen den Verwender hingegen nicht, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen. Denn die Leistung ist nicht in einer bestimmten Höhe versprochen, so dass die Leistung durch Ausübung des Bestimmungsvorbehalts auch nicht geändert werden kann. § 308 Nr. 4 BGB betrifft die tatsächliche Änderung einer Leistung und nicht deren erstmalige Festlegung.56 Für Bestimmungsvorbehalte spielt die Norm somit keine Rolle.

VI. Zusammenfassung Gegenstand dieser Arbeit sind die Auswirkungen des AGB-Rechts auf die Wirksamkeit und Ausgestaltung von Leistungsbestimmungsrechten des Arbeitgebers gerichtet auf die erstmalige Festlegung einer entgeltrelevanten bzw. geldwerten Leistung. Diese Leistungsbestimmungsrechte kennzeichnen sich dadurch, dass dem Arbeitnehmer eine geldwerte Leistung anspruchsbegründend verspro52 BAG v. 25.05.2005 – 5 AZR 572/04, BAGE 115, 19; ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 23; NK-ArbR/Peterhänsel, § 310 BGB Rn. 6; HK-ArbR/Boemke/Ulrici, § 305 BGB Rn. 4 ff.; a. A. BeckOK-ArbR/Jacobs, § 310 BGB Rn. 10 ff. 53 S. dazu statt vieler: BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970; HK-ArbR/Boemke/Ulrici, § 308 BGB Rn. 26; BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 101; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, Anh. § 310 BGB Rn. L 213; Salamon EntgG-HdB/ Salamon, Kap. F Rn. 193; a. A. wohl Ulrici, jurisPR-ArbR 12/2011 Anm. 1. 54 Staudinger/Coester-Waltjen, § 308 Nr. 4 BGB Rn. 5; BeckOK-ArbR/Jacobs, § 308 BGB Rn. 9; MüKo-BGB/Wurmnest, § 308 Nr. 4 BGB Rn. 5 ff.; Palandt/Grüneberg, § 307 BGB Rn. 24. 55 S. etwa ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 58; BeckOK-ArbR/Jacobs, § 308 BGB Rn. 15; HK-ArbR/Boemke/Ulrici, § 308 BGB Rn. 58 ff. 56 Staudinger/Coester-Waltjen, § 308 Nr. 4 BGB Rn. 5; MüKo-BGB/Wurmnest, § 308 Nr. 4 BGB Rn. 7; Palandt/Grüneberg, § 308 BGB Rn. 24; s. auch BGH v. 17.02.2004 – XI ZR 140/03, NJW 2004, 1588.

38

Kap. 1: Einführung

chen wird, die Höhe hingegen offenbleibt und der Bestimmung durch den Arbeitgeber unterliegt.57 Sie werden deshalb vorliegend als arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte bezeichnet. Es hat sich gezeigt, dass diese Bestimmungsvorbehalte erhebliche Ähnlichkeiten zu Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalten aufweisen.58 Entscheidend für die Abgrenzung59 zu Widerrufsvorbehalten ist die Frage, ob die jeweilige Klausel es ermöglicht, den Anspruch auf eine (in fester Höhe) versprochene Leistung durch Widerruf dauerhaft zu Fall zu bringen. Dann liegt ein Widerrufsvorbehalt vor. Ist die Leistung der Höhe nach unbestimmt und regelt die zugehörige Klausel, dass der Arbeitgeber die Höhe einseitig festlegt, liegt ein Bestimmungsvorbehalt vor. Für die Abgrenzung zu Freiwilligkeitsvorbehalten kommt es darauf an, ob ein Anspruch auf die jeweilige Leistung eingeräumt wurde oder nicht. Besteht ein Anspruch, dessen Höhe dem Arbeitgeber überlassen wird, ist ein Bestimmungsvorbehalt vereinbart; bleibt die Höhe einer Leistung dem Arbeitgeber überlassen, wird aber kein Anspruch auf Zahlung eingeräumt, liegt ein Freiwilligkeitsvorbehalt vor. Zu beachten ist außerdem, dass Bestimmungsvorbehalte nicht, wie die Rechtsprechung des BAG60 nahelegt, in unmittelbarer Nähe zu den arbeitsvertraglichen Freiwilligkeitsvorbehalten anzuordnen sind.61 Vielmehr ähneln Bestimmungsvorbehalte stärker den arbeitsvertraglichen Widerrufsvorbehalten. Denn Widerrufsvorbehalte setzen wie Bestimmungsvorbehalte voraus, dass die betreffende Leistung anspruchsbegründend versprochen wurde62. Das ist gleichzeitig der wesentliche Unterschied zu Freiwilligkeitsvorbehalten, die einen Anspruch gerade ausschließen sollen63. Außerdem wirken Widerrufsvorbehalte wie auch Bestimmungsvorbehalte bezüglich der Dispositionsbefugnis über die betreffende Leistung konstitutiv, während Freiwilligkeitsvorbehalte bezüglich des Rechts, die betreffende Leistung einseitig zu bestimmen, allenfalls deskriptive Wirkung haben.64 Festzuhalten ist letztlich, dass vorliegend nur die Auswirkungen der AGBKontrolle auf arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte betrachtet werden sollen.65 Nicht thematisiert werden sollen etwa die Kontrolle der konkreten Aus57

Dazu unter Kapitel 1 B. II. S. dazu Kapitel 1 B. III. und B. IV. 59 S. zur Abgrenzung Kapitel 1 B. III. 60 Vgl. BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 21 ff. 61 Dies wird dargestellt unter Kapitel 1 B. IV. 62 MüKo-BGB/Müller-Glöge, § 611 BGB Rn. 439. 63 Vgl. ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 68; MüKo-BGB/Müller-Glöge, § 611 BGB Rn. 447; NK-ArbR/Brors, § 611 BGB Rn. 680; Grobys/Panzer-Heemeier/Schönhöft, Freiwilligkeitsvorbehalt Rn. 2. 64 S. zu alledem Kapitel 1 B. IV. 65 S. zum Kontrollmaßstab unter Kapitel 1 B. V. 58

C. Problemübersicht

39

übung eines Bestimmungsvorbehalts nach § 315 Abs. 3 BGB, mögliche Verstöße gegen das MiLoG sowie eine Unwirksamkeit nach § 138 BGB oder § 134 BGB. Im Rahmen der AGB-Kontrolle spielen die Klauselverbote nach §§ 308, 309 BGB keine Rolle. Insbesondere bezüglich § 308 Nr. 4 BGB besteht Einigkeit, dass die Norm sich nicht zur Kontrolle von Bestimmungsvorbehalten eignet.66 Denn § 308 Nr. 4 BGB betrifft nach seinem Wortlaut nur Vorbehalte, die die Änderung einer versprochenen Leistung oder die Abweichung von ihr ermöglichen.67

C. Problemübersicht „Arbeitsvertraglich verankerte, einseitige Leistungsbestimmungsrechte des Arbeitgebers – wo bleibt das Transparenzgebot?“ 68 Mit dieser passenden Überschrift trifft Stoffels den neuralgischen Punkt, der den Anstoß zu dieser Arbeit liefert. BAG und Literatur behandeln arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte in der Transparenzkontrolle großzügiger als Widerrufsvorbehalte und großzügiger als es das allgemeine Verständnis des AGB-Rechts nahelegen würde.69 Eine nähere Beschäftigung mit dem Thema offenbart sogar noch weitere Problemfelder. Nicht nur in der Transparenzkontrolle treten Ungereimtheiten auf. Auch die Angemessenheitskontrolle entfernt sich von dem, was bei Widerrufsvorbehalten und in der sonstigen AGB-rechtlichen Literatur regelmäßig vorausgesetzt wird. Thema dieser Arbeit sind deshalb die Auswirkungen der AGB-Kontrolle auf die Wirksamkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte im Entgeltbereich. Dazu gehören insbesondere die Ausgestaltungsanforderungen bei der vertraglichen Einräumung derartiger Leistungsbestimmungsrechte, namentlich die Frage nach einer Konkretisierung der Entscheidungskriterien, des Umfangs und des Maßstabs. Welche besonderen Probleme bei dieser Thematik auftreten und worauf der Blick vorrangig gerichtet wird, soll im Folgenden dargestellt werden. Eine eingehende Analyse des Meinungsstands und der daraus resultierenden Untersuchungsfragen folgt im nächsten Kapitel. 66 S. dazu statt vieler: HK-ArbR/Boemke/Ulrici, § 308 BGB Rn. 26; BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 101; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, Anh. § 310 BGB Rn. L 213; Salamon EntgG-HdB/Salamon, Kap. F Rn. 193; BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/ 12, NZA 2013, 970; a. A. wohl Ulrici, jurisPR-ArbR 12/2011 Anm. 1. 67 Staudinger/Coester-Waltjen, § 308 Nr. 4 BGB Rn. 5; BeckOK-ArbR/Jacobs, § 308 BGB Rn. 9; MüKo-BGB/Wurmnest, § 308 Nr. 4 BGB Rn. 5 ff.; Palandt/Grüneberg, § 307 BGB Rn. 24. 68 Stoffels, RdA 2015, 276. 69 Zum großzügigen Vorgehen des BAG s. insbesondere BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013. Die Handhabung in Rechtsprechung und Literatur sowie die Abweichungen zur übrigen Rechtsprechung werden ausführlich unter Kapitel 2 dargestellt.

40

Kap. 1: Einführung

I. Zur Relevanz des Verhältnisses von Angemessenheitsund Transparenzkontrolle Bevor näher auf die Angemessenheit oder die Intransparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte eingegangen wird, soll zunächst das Verhältnis der beiden zugrundeliegenden Kontrollinstrumente untersucht werden.70 Die Thematik taucht bei Bestimmungsvorbehalten unweigerlich auf, da ein unklar gestalteter Bestimmungsvorbehalt gleichzeitig ein besonders weitreichendes Bestimmungsrecht des Arbeitgebers enthält und nicht auf Anhieb klar ist, welchem Kontrollinstrument dieses Problem zuzuordnen ist. Wie relevant das Verhältnis von Angemessenheits- und Transparenzkontrolle im Ergebnis bei der Kontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte ist, kann an dieser Stelle nicht abschließend beurteilt werden. Bereits deshalb drängt sich eine Untersuchung des Themenkomplexes auf. Das Verhältnis der beiden Kontrollinstrumente kann darüber hinaus aber auch Erkenntnisse über den Inhalt von Angemessenheits- und Transparenzkontrolle liefern und so wichtige Grundlagen für die weiteren Erörterungen schaffen. In der Rechtsprechung besteht gelegentlich die Tendenz, verschiedene Klauseln nur einer Transparenzkontrolle und keiner weiteren Angemessenheitskontrolle zu unterziehen.71 Auch deshalb stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis Transparenz- und Angemessenheitskontrolle zueinander stehen. Entscheidend ist, ob im Rahmen der Transparenzkontrolle eine (gesonderte) Benachteiligung festgestellt werden muss72 und ob die in der Angemessenheitskontrolle zu prüfende unangemessene Benachteiligung in dieser aufgeht73. Wäre beides zu bejahen, würde die Feststellung der Intransparenz eine weitere Angemessenheitskontrolle entbehrlich machen.

II. Zur Angemessenheit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte Einer von zwei Kernpunkten dieser Arbeit ist die Angemessenheit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte. Diese hat bisher wenig Aufmerksamkeit gefunden, obwohl eine ganze Reihe von Gesichtspunkten zu beachten sind.74 Es geht nicht nur darum, ob Bestimmungsvorbehalte an sich angemessen sind, sondern auch darum, ob dem Arbeitgeber ein freies Bestimmungsrecht eingeräumt werden kann und welchen Umfang dieses Recht einnehmen darf. Die Aussagen in Schrifttum und Rechtsprechung zeichnen dazu kein klares Bild. Problematisch

70 71 72 73 74

S. dazu Kapitel 3. S. dazu Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 174; Preis, RdA 2012, 101, 105. S. dazu Kapitel 3 A. S. dazu Kapitel 3 B. Zur Angemessenheitskontrolle s. Kapitel 4.

C. Problemübersicht

41

ist unter anderem, dass oftmals nicht klar zwischen Angemessenheit und Transparenz unterschieden wird.75 1. Die Anwendbarkeit der Angemessenheitskontrolle Unklar ist bereits, ob arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte überhaupt der Angemessenheitskontrolle unterliegen.76 Die Frage wird in Rechtsprechung und Schrifttum nicht eindeutig beantwortet.77 Die bei Änderungsvorbehalten oftmals zur Begründung der Kontrollfähigkeit angeführte Abweichung vom Grundsatz „pacta sunt servanda“ 78 ist im Fall der Bestimmungsvorbehalte nicht ohne weiteres festzustellen, da keine feste Leistung versprochen wird, die geändert werden könnte. Denkbar wäre es stattdessen, eine Abweichung von dem Grundsatz anzunehmen, dass Leistung und Gegenleistung im Vertrag festgelegt werden.79 Aber auch die in jedem Fall nötige Feststellung, dass Bestimmungsvorbehalte weder deklaratorischer Natur sind noch eine Hauptleistung festlegen, lässt sich nicht problemlos treffen. Immerhin betreffen Bestimmungsvorbehalte regelmäßig ein kontrollfreies Leistungsversprechen und stehen in unverkennbarem Zusammenhang zu § 315 BGB, der eine gesetzliche Regelung zu einseitigen Leistungsbestimmungsrechten enthält.80

75

S. dazu Kapitel 2. S. dazu Kapitel 4 A. 77 Für die arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalte ohne Erläuterungen bejahend: Stoffels, RdA 2015, 276; Salamon/Wessels, BB 2017, 885; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358; bei arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten verneinen eine Abweichung vom Gesetz, führen aber dennoch eine Angemessenheitskontrolle durch: BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013; für einseitige Leistungsbestimmungsrechte zur Festlegung der Leistung im Allgemeinen Kontrollfähigkeit bejahend: Stoffels, AGB-Recht, Rn. 441, 445; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 300, 323, 341; Ulmer/Brandner/ Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 173 ff.; für einseitige Leistungsbestimmungsrechte zur Festlegung der Leistung im Allgemeinen Kontrollfähigkeit verneinend: Dylla-Krebs, Schranken der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen, S. 108, 199 ff.; vgl. dazu auch BGH v. 24.03.2010 – VIII ZR 178/08, BGHZ 185, 96 Rn. 21. 78 So z. B. BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 1943; Kluge, Widerrufsvorbehalte zur Absenkung des Arbeitsentgelts aus „wirtschaftlichen Gründen“ in vorformulierten Arbeitsverträgen, S. 87 ff.; vgl. auch BGH v. 16.01.1985 – VIII ZR 153/83, NJW 1985, 853; BGH v. 12.01.1994 – VIII ZR 165/92, NJW 1994, 1060; Schwab, AGB-Recht, Rn. 553 ff.; HWK/Roloff, Anh. §§ 305–310 BGB Rn. 27; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 324. 79 Vgl. dazu BGH v. 09.07.1981 – VII ZR 139/80, NJW 1981, 2351; BGH v. 17.02.2004 – XI ZR 140/03, NJW 2004, 1588 m.w. N.; BGH v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11; BGH v. 18.01.2017 – VIII ZR 263/15, DB 2017, 655; Wolf/ Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, Anh. § 310 BGB Rn. L 212; Schwab, AGB-Recht, Rn. 571; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 441. 80 S. zu alledem Kapitel 4 A. III.–V. 76

42

Kap. 1: Einführung

Aufgrund dieser Schwierigkeiten ist vorangestellt von Interesse, ob § 307 Abs. 3 S. 1 BGB die Inhaltskontrolle als Regel und die Kontrollfreiheit als Ausnahme festlegt oder umgekehrt.81 Ist die Inhaltskontrolle die Regel, könnte die Darlegung genügen, dass einseitige Leistungsbestimmungsrechte keine rein deklaratorischen Klauseln darstellen und mit ihnen keine Hauptleistungspflicht festgelegt wird. Sieht man die Inhaltskontrolle als Ausnahme von der Regel der Kontrollfreiheit, so bedarf es zur Begründung der Kontrollfähigkeit zusätzlich der Feststellung einer Abweichung von einer konkreten Rechtsvorschrift. 2. Die zu untersuchenden Auswirkungen der Angemessenheitskontrolle Inhaltlich drängt sich zuallererst die Frage auf, ob ein berechtigtes Interesse an der Einräumung eines arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalts vorliegen muss oder ob diese Klauseln sogar generell als unangemessen anzusehen sind.82 Anders als in der sonstigen Rechtsprechung zu Leistungsbestimmungsrechten83 findet das Vorliegen eines berechtigten Interesses des Verwenders an der flexiblen Vertragsgestaltung in den Entscheidungen des BAG84 zu arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten keine Erwähnung. Für die vertragliche Ausgestaltung von Bestimmungsvorbehalten könnte zunächst das Verbot eines Eingriffs in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses relevant werden.85 Das BAG erachtet Bestimmungsvorbehalte, die keinen ausdrücklichen Kernbereichsschutz enthalten, zwar regelmäßig für wirksam.86 An diesem Vorgehen entstehen bei einem Blick auf die Rechtsprechung zu Widerrufsvorbehalten aber Zweifel. Widerrufsvorbehalte gelten als unangemessen, wenn sie die Änderung wesentlicher Elemente des Arbeitsvertrages, konkret 25 bzw. 30 % oder mehr des Gesamtverdienstes, ermöglichen.87 81

S. dazu Kapitel 4 A. II. S. dazu Kapitel 4 B. III. 83 Vgl. insbesondere BGH v. 26.11.1984 – VIII ZR 214/83, NJW 1985, 623; BGH v. 12.01.1994 – VIII ZR 165/92, BGHZ 124, 351; BGH v. 06.10.1999 – VIII ZR 125/98, BGHZ 142, 358; BGH v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11 Rn. 39; vgl. zu Widerrufsvorbehalten BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 1943; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777. 84 S. etwa BAG v. 03.08.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334. 85 S. dazu Kapitel 4 B. IV. 86 BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148; BAG v. 26.09.2012 – 10 AZR 370/11, zitiert nach juris; BAG v. 17.10.2012 – 10 AZR 620/11, zitiert nach juris; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 636/11, zitiert nach juris. 87 BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 07.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777. 82

C. Problemübersicht

43

Dabei ist fraglich, ob der Kernbereichsschutz bei arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten überhaupt anwendbar ist, da eine Leistung nicht geändert, sondern festgelegt wird.88 Aufgrund des Bestimmungsvorbehalts wohnt der Leistung aber jedenfalls eine gewisse einseitige Änderbarkeit inne. Nicht eindeutig geklärt ist außerdem, woraus sich ergibt, dass ein bestimmter Kernbereich des Arbeitsverhältnisses zu schützen ist.89 Noch weitaus problematischer sind die Festlegung des Kernbereichs sowie die daraus folgenden Anforderungen an die Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte.90 Schließlich ist die Leistungspflicht bei diesen nicht beziffert. Wie kann also die Einhaltung bestimmter Werte sichergestellt und überprüft werden? Eine unumgängliche Thematik bei der Frage nach einem Eingriff in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses ist der Gegenleistungscharakter von geldwerten Arbeitgeberleistungen.91 Bei Widerrufsvorbehalten entscheidet dieser Charakter maßgeblich über die einzuhaltenden Grenzwerte.92 Bei der AGB-Kontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte wird er aber auch an anderen Stellen häufig angesprochen93 und ist unter Umständen geeignet, die Ausgestaltungsanforderungen zu beeinflussen. Es muss also festgestellt werden, was vom Gegenseitigkeitsverhältnis umfasst ist. Die Einschätzungen dazu fallen unterschiedlich aus, weshalb es einer Erörterung bedarf, welche Leistungen Gegenleistungscharakter haben und wie dieser zu bestimmen ist. Man könnte den Kreis eng ziehen und Leistungen wie etwa dem Weihnachtsgeld den Gegenleistungscharakter absprechen. Nicht ausgeschlossen wäre es aber auch, alle Leistungen in das Gegenseitigkeitsverhältnis einzubeziehen, die in irgendeinem Zusammenhang zur Arbeitsleistung stehen. Für die Angemessenheit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte spielt darüber hinaus der Entscheidungsmaßstab eine Rolle.94 In Literatur und Rechtsprechung besteht Einigkeit, dass Leistungsbestimmungsrechte grundsätzlich nach billigem Ermessen auszuüben sind.95 Nicht klar wird bisweilen jedoch, ob das 88

S. dazu Kapitel 4 B. IV. 1. S. dazu Kapitel 4 B. IV. 2. 90 S. dazu Kapitel 4 B. IV. 5. und B. IV. 7. 91 S. dazu Kapitel 4 B. IV. 6. 92 S. dazu BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 07.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777. 93 S. dazu Kapitel 2 E. III. 94 S. dazu Kapitel 4 B. V. 95 Vgl. BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150 Rn. 24; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970; BAG v. 03.08.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334; Lakies, ArbRAktuell 2013, 251; Salamon, NZA 2014, 465; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358; Lunk/Leder, NJW 2015, 3766; Linge89

44

Kap. 1: Einführung

ausdrücklich in der Klausel geregelt sein muss. Einige Entscheidungen des BAG und Beiträge in der Literatur legen zwar nahe, dass sich der Ausübungsmaßstab billigen Ermessens bei einseitigen Leistungsbestimmungsrechten regelmäßig aus einer Auslegung ergibt.96 Das könnte womöglich auf die Zweifelsregelung des § 315 Abs. 1 BGB gestützt werden. An einer Anwendbarkeit des § 315 BGB in der AGB-Kontrolle bestehen aber ernsthafte Bedenken.97 Die wohl weitreichendsten Konsequenzen für die Praxis hat die Frage, ob Bestimmungsvorbehalte die Kriterien regeln müssen, nach denen der Arbeitgeber die Leistung festzulegen hat.98 Die Rechtsprechung des BAG und große Teile der Literatur sind der Meinung, eine derartige Konkretisierung sei keine Voraussetzung für die Angemessenheit der Klausel.99 Diese Sichtweise steht allerdings in einem Gegensatz zur Behandlung anderer einseitiger Leistungsbestimmungsrechte. So fordert der BGH bei einseitigen Leistungsbestimmungsrechten regelmäßig eine Konkretisierung der Voraussetzungen.100 Ebenso wird bei Widerrufsvorbehalten eine Konkretisierung der Widerrufsgründe gefordert.101 Insbeson-

mann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65; Stoffels, RdA 2015, 276; Salamon/Wessels, BB 2017, 885; BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 101; HK-ArbR/Boemke/Ulrici, Anhang zu §§ 307–309 Rn. 3; HWK/Roloff, Anh. §§ 305–310 BGB Rn. 28; vgl. für einseitige Leistungsbestimmungsrechte im Allgemeinen: Erman/Roloff, 13. Aufl., § 307 BGB Rn. 142; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, Anh. § 310 BGB Rn. L 215; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 42. 96 S. BAG v. 07.10.1982 – 2 AZR 455/80, BAGE 40, 199; BAG v. 31.01.1985 – 2 AZR 393/83, EzBAT § 8 BAT Direktionsrecht Nr. 3; BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150 Rn. 24; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970; BAG v. 03.08.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400; Lunk/Leder, NJW 2015, 3766; Kössel, DB 2016, 2963; zu Widerrufsvorbehalten so statt vieler: BAG v. 07.01.1971 – 5 AZR 92/70, DB 1971, 392; BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/ 04, NZA 2005, 465; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, zitiert nach juris. 97 S. dazu Kapitel 4 B. V. 3. und A. I. 2. b); Kapitel 5 B. V. 2. 98 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 99 Vgl. BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970; so bspw. auch BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148 Rn. 42; BAG v. 26.09.2012 – 10 AZR 370/11, zitiert nach juris; BAG v. 17.10.2012 – 10 AZR 620/11, zitiert nach juris; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 29; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12 Rn. 31, NZA 2013, 970; Salamon, NZA 2014, 465, 466; Salamon/Wessels, BB 2017, 885, 886; Reinfelder, NZABeil. 2014, 10, 15. 100 Statt aller: BGH v. 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, NJW 1984, 1182; BGH v. 26.11.1984 – VIII ZR 214/83, NJW 1985, 623; BGH v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11; BGH v. 08.10.2013 – XI ZR 401/12, NJW 2013, 3716; BGH v. 18.01.2017 – VIII ZR 263/15, DB 2017, 655. 101 BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 46; BAG v. 19.12.2006 – 9 AZR 294/06, DB 2007, 1253; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 194; BAG v. 21.03.2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 616; s. dazu auch Graf v. Westphalen/Thüsing/Thüsing, Arbeitsverträge Rn. 276; Stoffels, NZA 2017, 1217, 1218 f.

C. Problemübersicht

45

dere letztere Abweichung verwundert, da sich Bestimmungsvorbehalte und Widerrufsvorbehalte in ihren Auswirkungen sehr ähnlich sind. Die Frage nach der Konkretisierung der Entscheidungskriterien bedarf neben einer grundsätzlichen Interessenabwägung der Beachtung einer Vielzahl von Aspekten. Zu bedenken ist etwa, ob nicht der Arbeitgeber mit einem zu weiten Bestimmungsvorbehalt dem Arbeitnehmer das Wirtschaftsrisiko auferlegen würde.102 Eine zentrale Rolle spielen außerdem das Äquivalenzverhältnis und das Synallagma.103 Denn der Arbeitgeber bestimmt die jeweilige Leistung, während die Leistungspflicht des Arbeitnehmers unverändert bleibt. Dadurch kann der Arbeitgeber unter Umständen das vereinbarte Äquivalenzverhältnis sowie das Synallagma einseitig verändern. Eine solche Möglichkeit erscheint problematisch, wenn der Arbeitgeber nicht an feste Kriterien gebunden ist, sondern diese so wählen kann, wie es für ihn am besten ist. Zu denken ist auch an ein Argument des BAG aus der Rechtsprechung zu Stichtagsklauseln104, das in den Entscheidungen zu Bestimmungsvorbehalten erstaunlicherweise ohne nähere Begründung als nicht einschlägig verworfen wird105: Die versprochene Zahlung könnte einen Leistungsanreiz für den Arbeitnehmer setzen, dem keine ausreichende Bindung des Arbeitgebers gegenübersteht.106 Das BAG führt zur Rechtfertigung der Wirksamkeit freier Bestimmungsvorbehalte hingegen an, ein Bestimmungsvorbehalt müsse erst recht wirksam sein, da der Arbeitgeber die Leistung auch unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt hätte stellen können.107 Weiter führt es aus, der Arbeitnehmer sei ausreichend durch die Möglichkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB geschützt.108 Hier stellt sich die Frage, ob die Erwägungen des BAG die Angemessenheit begründen können.109

102

S. dazu Kapitel 4 B. VII. 7. a). S. dazu Kapitel 4 B. VI. 104 BAG v. 18.01.2012 – 10 AZR 612/10, BAGE 140, 231 Rn. 26. 105 Vgl. BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 30. 106 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 5. 107 BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 21. 108 BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148 Rn. 42; BAG v. 26.09.2012 – 10 AZR 370/11, zitiert nach juris; BAG v. 17.10.2012 – 10 AZR 620/11, zitiert nach juris; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 29; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/ 12, NZA 2013, 970 Rn. 31; so auch Salamon, NZA 2014, 465, 466; Salamon/Wessels, BB 2017, 885, 886; Reinfelder, NZA-Beil. 2014, 10, 15. 109 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 7. c) und B. VII. 7. f). 103

46

Kap. 1: Einführung

Untrennbar mit der Pflicht zur Konkretisierung von Entscheidungskriterien verbunden ist die Frage nach ihrer Ausgestaltung.110 Ein Blick auf die an Widerrufsvorbehalte gestellten Ausgestaltungsanforderungen legt eine Bindung des Arbeitgebers an seine Flexibilisierungsinteressen nahe.111 Unklar ist jedoch, welcher Grad der Konkretisierung gegebenenfalls einzuhalten ist. Anders als bei Widerrufsvorbehalten geht es nicht um besondere Gründe, die den Entzug einer Leistung rechtfertigen, sondern um die Kriterien, nach denen die Höhe der Leistung überhaupt festzulegen ist. Von besonderem Interesse ist zuletzt, ob Leistungen, die nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis stehen, anders zu behandeln sind als synallagmatische Leistungen. Eine derartige Tendenz könnte der Rechtsprechung des BAG entnommen werden.112 Insgesamt fragt sich, ob nicht die Bewertung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte zu sehr vom Konzept der AGB-Kontrolle anderer Flexibilisierungsinstrumente abweicht und dementsprechend eine gewisse Harmonisierung der Kontrollmaßstäbe geboten ist.

III. Zur transparenten Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte Der zweite Kernpunkt dieser Arbeit ist die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte.113 Auch hier sind deutliche Diskrepanzen zwischen der Rechtsprechung zu Bestimmungsvorbehalten und dem Umgang mit anderen Leistungsbestimmungsrechten festzustellen.114 Fraglich ist vor allem, ob Bestimmungsvorbehalte transparent sind, auch wenn sie keine Regelungen zum Umfang des Bestimmungsrechts115 und zu den relevanten Entscheidungskriterien116 enthalten. Das BAG und Teile des Schrifttums bejahen diese Frage.117 Sie stehen damit aber in einem Spannungsverhältnis zur AGB-rechtlichen Bewertung von Widerrufsvorbehalten und anderen Leistungsbestimmungsrechten.118 110

S. dazu Kapitel 4 B. VII. 10. S. zum Verhältnis der Konkretisierungspflicht zur Behandlung von Widerrufsvorbehalten Kapitel 4 B. VII. 9. 112 S. dazu Kapitel 2 B. II. 2. 113 Dazu unter Kapitel 5. 114 S. dazu Kapitel 2. 115 S. dazu Kapitel 5 B. IV. 116 S. dazu Kapitel 5 B. III. 117 S. etwa BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013; BAG v. 23.08.2017 – 10 AZR 376/16, NZA 2017, 1595; vgl. dazu auch BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148; BAG v. 26.09.2012 – 10 AZR 370/11, zitiert nach juris; BAG v. 17.10.2012 – 10 AZR 620/11, zitiert nach juris; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970; Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65; Salamon, NZA 2014, 465, 466; Salamon/Wessels, BB 2017, 885, 886; Reinfelder, NZA-Beil. 2014, 10, 15. 118 Dies wird ausführlich dargestellt in Kapitel 2. 111

C. Problemübersicht

47

Das BAG lehnt eine Intransparenz nicht konkretisierter Bestimmungsvorbehalte regelmäßig mit den Ausführungen ab, es bestehe keine Gefahr, dass der Arbeitnehmer seine Rechte nicht geltend mache.119 Gemeint ist damit wohl, der Arbeitnehmer werde nicht unangemessen i. S. d. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB benachteiligt. Dabei vermag der durchschnittliche Arbeitnehmer aus einer Klausel, die lediglich bestimmt, dass der Arbeitgeber die Leistung festlegen kann, praktisch nichts zu entnehmen. Er kann weder erkennen, welchen Umfang die Leistung einnehmen könnte120, noch ist ersichtlich, welche Kriterien der Arbeitgeber in die Entscheidung einfließen lassen will bzw. muss121. Bezüglich des Leistungsumfangs ist vor allem prekär, dass nicht auf Anhieb erkennbar ist, ob die Leistung auch auf null festgelegt werden kann.122 Das BAG und ein Teil des Schrifttums halten eine Konkretisierung dennoch nicht für erforderlich und verweisen häufig auf die Bindung der Entscheidung an billiges Ermessen und die Möglichkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB.123 Diese Argumentation verwundert, da die Möglichkeit einer nachträglichen gerichtlichen Ausübungskontrolle sowie die Bindung an billiges Ermessen auch bei Widerrufsvorbehalten sowie allen anderen Leistungsbestimmungsrechten bestehen, die jedoch regelmäßig einer tatbestandlichen Konkretisierung bedürfen. Der BGH fordert sowohl bei Preisanpassungsklauseln124 als auch bei Leistungsbestimmungsrechten zur erstmaligen Festlegung125 einer Leistung, dass Voraussetzungen und Umfang des Bestimmungsrechts aus der Klausel erkennbar sein müssen.126 Genauso ist das BAG der Meinung, Voraussetzungen und Umfang von Widerrufsvorbehalten müssten möglichst konkreti119 BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 20; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970 Rn. 23; s. auch teilweise Parallelentscheidungen v. 20.03.2013 – 10 AZR 636/11, AuA 2013, 711; und v. 15.05.2013 – 10 AZR 679/12, NJW-Spezial 2013, 563; zu Freiwilligkeitsvorbehalten genauso BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, BAGE 124, 259; BAG v. 14.09.2011 – 10 AZR 526/10, BAGE 139, 156. 120 S. dazu insbesondere Kapitel 5 B. IV. 1. und B. IV. 4. 121 S. dazu insbesondere Kapitel 5 B. III. 2. und B. III. 9. 122 S. dazu Kapitel 5 B. IV. 1. c) und B. IV. 5. c). 123 So etwa BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970; Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65; Salamon, NZA 2014, 465, 466; Salamon/Wessels, BB 2017, 885, 886; Reinfelder, NZABeil. 2014, 10, 15; dazu unter Kapitel 5 B. III. 6. 124 BGH v. 11.06.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518; BGH v. 20.05.1985 – VII ZR 198/84, BGHZ 94, 335; BGH v. 26.05.1986 – VIII ZR 218/85, NJW 1986, 3134; BGH v. 12.01.1994 – VIII ZR 165/92, NJW 1994, 1060; BGH v. 19.11.2002 – X ZR 243/01, NJW 2003, 507 Rn. 25. 125 BGH v. 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, NJW 1984, 1182; BGH v. 26.11.1984 – VIII ZR 214/83, NJW 1985, 623; BGH v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11; BGH v. 18.01.2017 – VIII ZR 263/15, DB 2017, 655. 126 So auch Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, Anh. § 310 BGB Rn. L 213.

48

Kap. 1: Einführung

siert werden.127 Unabdingbare Voraussetzung für die Wirksamkeit von Widerrufsvorbehalten ist nach der Rechtsprechung, dass die Klausel die Gründe regelt, nach denen ein Widerruf möglich sein soll.128 Es stellt sich die Frage, wieso arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte in der Transparenzkontrolle anders zu behandeln sein sollten als Widerrufsvorbehalte und andere Leistungsbestimmungsrechte im Zivilrecht. Beachtung verdient auch der Einfluss des synallagmatischen Charakters der betreffenden Leistung auf die Transparenzanforderungen.129 Die Rechtsprechung des BAG lässt nämlich klar erkennen, dass Bestimmungsvorbehalte über nicht synallagmatische Sonderzahlungen keiner Konkretisierung bedürfen, während dieser Schluss für synallagmatische Leistungen nicht gleichermaßen deutlich wird.130 Zur Folgefrage nach dem Grad der möglicherweise notwendigen Konkretisierung existieren bisher nur einige wenige Vorschläge bezüglich der Entscheidungskriterien131, die sich für eine Orientierung an der Transparenz von Widerrufsvorbehalten und damit eine rahmenmäßige Konkretisierung aussprechen.132 In Bezug auf den Umfang fragt sich, wie dieser bei einem Bestimmungsvorbehalt konkretisiert werden kann, obwohl die Leistung unbestimmt versprochen werden soll.133 Schlussendlich lohnt die Frage, ob der Entscheidungsmaßstab einer besonderen Konkretisierung bedarf.134 In den Entscheidungen des BAG stellt sich dieses Problem nicht, da das BAG der Meinung ist, ein Bestimmungsvorbehalt sei unabhängig von der tatsächlichen Ausgestaltung nach billigem Ermessen auszuüben.135 Dieses Ergebnis ist jedoch wie bereits angesprochen nicht frei von Zweifeln.136 Es bleibt deshalb zu untersuchen, ob gar keine Regelung des Ent127

BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465. BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87; BAG v. 25.04.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 1943; BAG v. 20.04.2011 – 5 AZR 191/ 10, BAGE 137, 383; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777; LAG Rheinland-Pfalz v. 18.07.2016 – 3 Sa 43/16, zitiert nach juris. 129 S. dazu etwa Kapitel 5 B. III. 5., B. IV. 4. b) und B. V. 1. b). 130 S. dazu Kapitel 2 B. II. 2. und E. III. 131 S. dazu Kapitel 5 B. III. 10. 132 Simon/Hidalgo/Koschker, NZA 2012, 1071, 1072; Stoffels, RdA 2015, 276; Pfrogner, BB 2018, 757, 759; Boensch, Arbeitsvertragliche Entgeltflexibilisierung und aufsichtsrechtliche Institutsvorgaben, S. 177 f.; Preis/Preis, II S 40 Rn. 19e. 133 S. dazu Kapitel 5 B. IV. 5. 134 S. dazu Kapitel 5 B. V. 135 S. dazu Kapitel 2 B. II. 2. 136 Dazu soeben unter Kapitel 1 C. II. 2; weitergehend dazu Kapitel unter IV. B. V. 3. und A. I. 2. b); Kapitel 5 B. V. 2. 128

C. Problemübersicht

49

scheidungsmaßstabs oder ein zu weitreichender Maßstab, wie etwa das „freie Ermessen“, zur Intransparenz des jeweiligen Bestimmungsvorbehalts führen. Derartige Entscheidungsspielräume könnten dem Arbeitnehmer die Einschätzung der Leistungsfestlegung erschweren.

IV. Rechtsfolgen der Unangemessenheit und Intransparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte Werden die herauszuarbeitenden Wirksamkeitsanforderungen an arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte nicht eingehalten, ist die jeweilige Klausel unwirksam. Unklar bleibt allerdings, wie mit derartigen Klauseln weiter zu verfahren ist. Fällt die Klausel mitsamt dem Leistungsversprechen ersatzlos weg, ginge die Unwirksamkeit zu Lasten des Arbeitnehmers. Ein solches Ergebnis würde im Widerspruch zum Ziel des AGB-Rechts stehen, den Vertragspartner zu schützen. Bei der Untersuchung der möglichen Rechtsfolgen besteht die besondere Schwierigkeit, dass bisher keine Entscheidungen zu diesem Thema ergangen sind. Das BAG hat bis dato alle vorgelegten Klauseln für wirksam gehalten.137 Über die generellen Fragen zu den Rechtsfolgen unangemessener AGB138 hinaus treten bei Bestimmungsvorbehalten eine Reihe weiterer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten auf. Es drängt sich von Anfang an das (Teil-)Ergebnis auf, dass das Leistungsversprechen vor dem Verdikt der Unwirksamkeit bewahrt werden muss.139 Wie das erreicht werden kann, ist nicht gleichermaßen eindeutig. Es könnte an eine geltungserhaltende Reduktion gedacht werden.140 Daran bestehen allerdings methodische wie auch rechtliche Bedenken. Man könnte stattdessen entweder mittels des „Blue-Pencil-Tests“ Leistungsversprechen und Bestimmungsvorbehalt als zwei eigenständige materielle Regelungen ansehen, die unabhängig voneinander zu untersuchen sind, oder aber das Leistungsversprechen über die ergänzende Vertragsauslegung aufrechterhalten.141 Kann das Leistungsversprechen aufrechterhalten werden, bleibt ein Anspruch auf Zahlung ohne eine feststellbare Höhe. Diese Lücke muss geschlossen werden.142 Denkbar wäre es, nach § 315 BGB ein neues Leistungsbestimmungsrecht an die Stelle des unwirksamen Bestimmungsvorbehalts treten zu lassen. Ebenso könnte § 612 Abs. 2 BGB als dispositives Recht zur Anwendung kommen. Dann würde an die Stelle des Bestimmungsvorbehalts eine Bezifferung der Leistungshöhe auf das übliche Maß treten. Es bleibt außerdem die Möglichkeit einer er137 138 139 140 141 142

S. dazu Kapitel 2 B. II. 2. S. dazu Kapitel 6 A. S. dazu Kapitel 6 B. S. dazu Kapitel 6 C. S. dazu Kapitel 6 D. S. dazu Kapitel 6 E. und F.

50

Kap. 1: Einführung

gänzenden Vertragsauslegung. Im Rahmen dieser ist zu untersuchen, ob sich eine der diversen denkbaren Lösungsmöglichkeiten als unbedingt vorzugswürdig erweist.143 Da die ergänzende Vertragsauslegung bei unwirksamen AGB restriktiv gehandhabt wird144, stellt sich vorab allerdings die Frage, ob sie vorliegend überhaupt anwendbar ist.145

D. Gang der Untersuchung Die Untersuchung beginnt mit einer Darstellung und Analyse der Rechtsprechung und des Schrifttums zur AGB-rechtlichen Wirksamkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte.146 Dieser Teil soll aufzeigen, wo die derzeit vorherrschende Auffassung bezüglich Bestimmungsvorbehalten von der Einordnung anderer Flexibilisierungsklauseln abweicht. Das weist gleichzeitig den Weg zu den Gesichtspunkten, die sich für eine genauere Untersuchung im weiteren Verlauf anbieten. Anschließend wird die Vorfrage erörtert, in welchem Verhältnis Angemessenheits- und Transparenzkontrolle zueinander stehen.147 Das Verhältnis der beiden Kontrollinstrumente kann Aufschluss geben über den Inhalt und den Zweck der Angemessenheits- und Transparenzkontrolle sowie der AGB-Kontrolle im Allgemeinen und so wichtige Grundlagen für die weiteren Erörterungen schaffen. Sodann wird die Angemessenheit der arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalte in den Blick genommen.148 Zunächst wird überprüft, ob diese Klauseln überhaupt der Angemessenheitskontrolle unterfallen. Im Anschluss werden die Voraussetzungen herausgearbeitet, unter denen entgeltrelevante Bestimmungsvorbehalte als angemessen angesehen werden können. Dabei wird eine Reihe von Gesichtspunkten relevant: Unter anderem ist zu hinterfragen, ob Bestimmungsvorbehalte mit dem Verbot in Konflikt geraten können, dass nicht in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses eingegriffen werden darf, und wie dies auszuschließen ist. Darüber hinaus ist zu überprüfen, inwieweit Bestimmungsvorbehalte es dem Arbeitgeber ermöglichen, in das vereinbarte Synallagma und das Äquivalenzverhältnis einzugreifen. Besonderes Augenmerk verdient schließlich die Freiheit des Arbeitgebers bei der Leistungsfestlegung. Der darauffolgende Teil befasst sich mit der transparenten Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte.149 Vorab ist festzustellen, ob die 143 144 145 146 147 148 149

Dazu unter Kapitel 6 F. II. S. dazu auch unter Kapitel 6 A. III. Dazu unter Kapitel 6 F. I. S. Kapitel 2. S. Kapitel 3. S. Kapitel 4. S. Kapitel 5.

D. Gang der Untersuchung

51

Transparenzkontrolle anwendbar ist. Danach soll untersucht werden, wie Bestimmungsvorbehalte formuliert werden müssen, damit sie transparent i. S. d. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB sind. Zuerst wird die tatbestandliche Konkretisierung im Hinblick auf die bestimmenden Entscheidungskriterien behandelt. Es folgen Ausführungen zur transparenten Regelung des Leistungsumfangs. Zu untersuchen ist letztlich, ob aus Transparenzgründen ein bestimmter Entscheidungsmaßstab tatbestandlich geregelt werden muss. Zum Schluss sollen die Rechtsfolgen untersucht werden, die sich aus einem Verstoß gegen die herausgearbeiteten Anforderungen ergeben.150 Dafür werden zunächst die besonderen Probleme der Unwirksamkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalten dargestellt. Anschließend sollen die entsprechenden Lösungen gefunden werden. Zu thematisieren ist einmal, dass das Leistungsversprechen dem Unwirksamkeitsverdikt des AGB-Rechts unterfallen könnte. Darüber hinaus muss die Lücke geschlossen werden, die sich daraus ergibt, dass der Bestimmungsvorbehalt als unwirksam zu verwerfen und die Leistungshöhe deshalb nicht mehr bestimmbar ist.

150

S. Kapitel 6.

Kapitel 2

Problemanalyse: Die Sonderstellung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte in Rechtsprechung und Literatur Um den Gegenstand dieser Arbeit und seine Relevanz aufzuzeigen, sollen in diesem Abschnitt die Rechtsprechung des BAG zur AGB-Kontrolle von arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten im Entgeltbereich sowie von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalten, die Rechtsprechung des BGH zur AGB-Kontrolle einseitiger Bestimmungsrechte und das Schrifttum zur AGB-Kontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte dargestellt und analysiert werden. Die Handhabung der Bestimmungsvorbehalte durch den zehnten Senat des BAG weicht auf den ersten Blick von der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung zu den ähnlich gelagerten Fällen der Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalte ab. Außerdem ist die Linie des zehnten Senats des BAG nicht kongruent mit derjenigen des BGH bei der AGB-rechtlichen Beurteilung einseitiger Bestimmungsrechte. Letztlich herrscht in der Literatur Uneinigkeit über die Anforderungen, die an arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte im Entgeltbereich zu stellen sind. Diese Diskrepanzen beinhalten die wesentlichen Problemfelder, die es vorliegend zu untersuchen gilt. Die verschiedenen Vorgehensweisen und Ergebnisse in Rechtsprechung und Literatur lassen nicht nur erkennen, welche Aspekte in Bezug auf die Wirksamkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte generell einer Erörterung bedürfen, sondern auch, welche speziellen Fallkonstellationen zu berücksichtigen sind und welche Argumentationsstränge es zu überprüfen gilt. Deshalb sollen die verschiedenen Rechtsprechungslinien und das Vorgehen in der Literatur im folgenden Teil näher dargelegt werden. Es wird in den einzelnen Abschnitten jeweils darauf hingewiesen, welche Konsequenzen sich aus den gewonnenen Erkenntnissen für die spätere Prüfung der Wirksamkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte ergeben. Nachfolgend werden zunächst die Übereinstimmungen in der BAG- und BGHRechtsprechung über die grundsätzlichen Konkretisierungsanforderungen aufgeführt, die Leistungsbestimmungsrechte erfüllen müssen.1 Darauffolgend wird die großzügige Linie des zehnten Senats des BAG dargestellt.2 Um die jeweiligen 1 2

S. dazu Kapitel 2 A. Kapitel 2 B.

A. Übereinstimmender Ausgangspunkt in der BGH- und BAG-Rechtsprechung 53

Wertungsunterschiede deutlich zu machen, wird danach zuerst die Rechtsprechung des BGH zur Kontrolle einseitiger Bestimmungsrechte3 und anschließend die des BAG zur Kontrolle von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalten4 analysiert. Es folgt eine Darstellung des Schrifttums zur AGB-Kontrolle entgeltrelevanter Bestimmungsvorbehalte im Arbeitsrecht.5 Am Ende des Kapitels steht eine Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse und der aufgeworfenen, im Verlauf dieser Arbeit zu erörternden Fragen.6

A. Übereinstimmender Ausgangspunkt in der BGH- und BAG-Rechtsprechung: Notwendigkeit der Konkretisierung von Leistungsbestimmungsrechten, soweit möglich Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung einzelner Leistungsbestimmungsrechte sind sich BAG und BGH über den Ausgangspunkt der AGB-rechtlichen Prüfung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte einig. An einigen Stellen weicht der zehnte Senat des BAG in seiner Rechtsprechung zu Bestimmungsvorbehalten jedoch schon in den Grundsätzen von der übrigen Rechtsprechung ab. Einigkeit besteht vor allem darüber, dass den Verwender einer formularvertraglichen Klausel zur Einräumung eines Leistungsbestimmungsrechts die Pflicht trifft, die Voraussetzungen zur Ausübung und die Rechtsfolgen tatbestandlich möglichst konkret anzugeben.7 Die Formulierung dieser Voraussetzung variiert zwar in der Rechtsprechung von BAG und BGH, gemeint ist im Ergebnis aber immer dasselbe. So sind beide Gerichte der Meinung, eine Klausel müsse Anlass, Richtlinien und Grenzen des Bestimmungsrechts möglichst konkret angeben.8 Anders wird auch von beiden formuliert, die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen müssten so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen.9 In jedem Fall wird dieses Erfordernis dem Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 S. 2 BGB (bzw. abgeleitet aus § 9 AGBG) entnommen. 3

Kapitel 2 C. S. Kapitel 2 D. 5 S. Kapitel 2 E. 6 S. Kapitel 2 F. 7 Vgl. statt vieler: BGH v. 19.10.1999 – XI ZR 8/99, NJW 2000, 651; BGH v. 11.07.2012 – IV ZR 164/11, NJW 2012, 3647; BAG v. 11.04.2006 – 9 AZR 557/05, NZA 2006, 1149; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970. 8 BAG v. 11.04.2006 – 9 AZR 557/05, NZA 2006, 1149; BGH v. 19.10.1999 – XI ZR 8/99, NJW 2000, 651. 9 BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970 Rn. 23; BGH v. 03.03.2004 – VIII ZR 149/03, NJW 2004, 1738 Rn. 16. 4

54

Kap. 2: Problemanalyse

Übereinstimmend wird in der Rechtsprechung außerdem gefordert, dass ein Leistungsbestimmungsrecht jedenfalls so weit konkretisiert sein muss, dass der Vertragspartner durch die Unbestimmtheit der Klausel nicht davon abgehalten wird, seine Rechte wahrzunehmen.10 Der BGH ist darüber hinaus, genau wie das BAG in seiner Rechtsprechung zu Widerrufsvorbehalten11, der Meinung, Voraussetzung für die Transparenz einer Klausel sei, dass der Vertragspartner aus ihr erkennen kann, was auf ihn zukommt.12 Bereits an dieser Stelle nimmt die Rechtsprechung des zehnten Senats des BAG zu Bestimmungsvorbehalten eine Sonderstellung ein. Dort begnügt sich der zehnte Senat nämlich mit dem Hinweis darauf, ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liege nur vor, wenn die Gefahr bestehe, der Arbeitnehmer könne von der Wahrnehmung seiner Rechte abgehalten werden.13 Damit stimmt er zwar mit der erstgenannten Voraussetzung aus der übrigen Rechtsprechung überein, dass der Vertragspartner nicht von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten werden darf, scheint die Transparenzanforderungen aber auch darauf beschränken zu wollen. Die Voraussetzung, der Vertragspartner müsse erkennen können, was auf ihn zukommt, wird nicht erwähnt. So stellt sich die Frage, ob das Transparenzgebot tatsächlich keinen derartigen Inhalt hat14 oder ob dieser bei Bestimmungsvorbehalten ausnahmsweise keine Rolle spielt15. Ebenfalls unerwähnt bleibt vom zehnten Senat in der Rechtsprechung zu Bestimmungsvorbehalten eine weitere Anforderung, die von den übrigen Senaten und vom BGH einhellig postuliert wird: ein Leistungsbestimmungsrecht muss wegen der unsicheren Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig sein.16 Dass der zehnte Senat diese Voraussetzung in der Rechtsprechung zu Bestimmungsvorbehalten nicht anspricht, könnte darauf zurückzu-

10 S. z. B. BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 20; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970 Rn. 23; BGH v. 25.11.2015 – VIII ZR 360/14, NJW 2016, 936 Rn. 26. 11 Vgl. BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 1943. 12 Vgl. BGH v. 11.06.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518; BGH v. 20.05.1985 – VII ZR 198/84, BGHZ 94, 335; BGH v. 26.05.1986 – VIII ZR 218/85, NJW 1986, 3134; BGH v. 12.01.1994 – VIII ZR 165/92, NJW 1994, 1060; BGH v. 19.11.2002 – X ZR 243/01, NJW 2003, 507 Rn. 25. 13 Vgl. z. B. BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 20; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970 Rn. 23. 14 S. dazu Kapitel 5 A. II. 15 S. dazu etwa Kapitel 5 B. III. 2. c), B. III. 9. a), B. IV. 1. b) und B. IV. 4. 16 Statt vieler: BGH v. 19.10.1999 – XI ZR 8/99, NJW 2000, 651; BGH v. 11.07.2012 – IV ZR 164/11, NJW 2012, 3647; BAG v. 11.04.2006 – 9 AZR 557/05, NZA 2006, 1149; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 1943; BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931.

B. Rechtsprechung des BAG

55

führen sein, dass diese Vorbehalte nach Ansicht des BAG womöglich gar keine Instrumente der Anpassung darstellen. Denn bei Bestimmungsvorbehalten wird die Leistung nicht vertraglich festgelegt und soll im Nachhinein abänderbar sein, sondern sie soll von vornherein nur in der später vom Arbeitgeber festzulegenden Höhe gewährt werden. Dennoch stellt sich die Frage, ob nicht auch für die Wirksamkeit von Bestimmungsvorbehalten ein Anpassungsinteresse nötig ist. Darauf wird an anderer Stelle näher eingegangen.17 Letztlich sind wiederum alle Gerichte einstimmig der Meinung, ein Leistungsbestimmungsrecht zur erstmaligen Festlegung der Leistung berechtige nicht zur späteren Änderung einer Leistung (wie z. B. der Widerrufsvorbehalt) und falle nicht unter § 308 Nr. 4 BGB.18 Derartige Klauseln werden deshalb nur an der Generalklausel des § 307 BGB gemessen. Im Grundsatz sind sich die Gerichte und auch die einzelnen Senate also einig, dass eine tatbestandliche Konkretisierung formularvertraglicher Klauseln zur Einräumung eines einseitigen Bestimmungsrechtes zu fordern ist, die möglichst genau sein muss19. Welche konkreten Anforderungen sich daraus aber für die jeweiligen Klauseln ergeben, bewerten sowohl die Senate des BAG untereinander als auch der BGH unterschiedlich, was sich nachfolgend noch zeigen wird.

B. Rechtsprechung des BAG zu arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten im Entgeltbereich: weitgehende Freiheit des Verwenders Einen besonders weiten Spielraum bei der Ausgestaltung gewährt das BAG dem Verwender von Bestimmungsvorbehalten, die das Recht zur erstmaligen Festlegung einer entgeltrelevanten Leistung einräumen. Die vom BAG gestellten Anforderungen an die Konkretisierung solcher Klauseln sind verhältnismäßig niedrig und stellen damit eine nicht unerhebliche Abweichung von der Rechtsprechung des BGH zu einseitigen Bestimmungsrechten und der des BAG zu Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalten dar.20 Um diese Unterschiede aufzuzeigen, soll hier zuerst die Rechtsprechung des BAG zur AGB-Kontrolle entgeltrelevanter Bestimmungsvorbehalte näher behandelt werden. Aus Gründen der besseren Vergleichbarkeit und zum besseren Verständnis der aktuellen Rechtsprechung wird dafür zunächst kurz die Rechtsprechung des BAG 17

S. Kapitel 4 B. III. 3. Statt vieler: BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013; BGH v. 17.02.2004 – XI ZR 140/03, NJW 2004, 1588. 19 BGH v. 03.03.2004 – VIII ZR 149/03, NJW 2004, 1738; BGH v. 11.10.2007 – III ZR 63/07, BB 2007, 2644. 20 S. dazu auch bei Stoffels, RdA 2015, 276; Boensch, Arbeitsvertragliche Entgeltflexibilisierung und aufsichtsrechtliche Institutsvorgaben, S. 172 ff. 18

56

Kap. 2: Problemanalyse

vor Erstreckung der AGB-Kontrolle auf Arbeitsverträge durch die Schuldrechtsreform21 zusammengefasst. Im Anschluss wird die aktuelle Rechtsprechung des BAG zu Bestimmungsvorbehalten dargestellt.

I. Rechtsprechung des BAG vor der Schuldrechtsreform: keine formellen Anforderungen Während sich das BAG vor der Schuldrechtsreform häufig mit Widerrufsvorbehalten zu befassen hatte22, waren einseitige Leistungsbestimmungsrechte in Form von Bestimmungsrechten zur (erstmaligen) Festlegung einer Leistung selten Gegenstand seiner Rechtsprechung.23 Das BAG scheint die vertragliche Einräumung dieser Bestimmungsvorbehalte grundsätzlich als zulässig angesehen zu haben. So ist es in einigen Entscheidungen von der Wirksamkeit der jeweils vereinbarten Leistungsbestimmungsrechte ausgegangen, ohne dies zu thematisieren.24 Es war lediglich der Meinung, die Ausübung müsse billigem Ermessen i. S. d. § 315 BGB entsprechen. In zwei anderen Entscheidungen ist das BAG aber wohl davon ausgegangen, dass solche Rechte denselben Anforderungen unterliegen wie vertragliche Widerrufsvorbehalte.25 Das Gericht hat in beiden Fällen nicht abschließend entschieden, ob ein Widerrufsvorbehalt oder ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht vorlag, und geprüft, ob die Klausel wegen einer Umgehung des Kündigungsschutzes gem. § 134 BGB nichtig war. Es hat also an beide Flexibilisierungsinstrumente denselben Maßstab angelegt.26 Eine Umgehung des Kündigungsschutzes sah es dann als gegeben, wenn wesentliche Elemente des Arbeitsvertrages einer Änderung unterlagen, durch die das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung grundlegend gestört würde. In einem solchen Fall lag nach Ansicht des BAG ein Eingriff in den Kernbestand des Arbeitsverhältnisses vor.27

21

S. dazu etwa ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 1 f. Statt vieler: BAG v. 09.06.1967 – 3 AZR 352/66, DB 1967, 1549; BAG v. 13.05.1987 – 5 AZR 125/86, NZA 1988, 95; BAG v. 15.11.1995 – 2 AZR 521/95, NZA 1996, 603. 23 So aber z. B. bei BAG v. 23.11.1978 – 3 AZR 708/77, DB 1979, 364; BAG v. 07.09.1972 – 5 AZR 12/72, NJW 1973, 581; BAG v. 21.04.1993 – 7 AZR 297/92, NZA 1994, 476. 24 BAG v. 21.12.1970 – 3 AZR 510/69, DB 1971, 727; BAG v. 07.09.1972 – 5 AZR 12/72, NJW 1973, 581; BAG v. 23.11.1978 – 3 AZR 708/77, DB 1979, 364; BAG v. 21.04.1993 – 7 AZR 297/92, NZA 1994, 476; so auch OLG Celle v. 09.05.1975 – 8 U 154/74, VersR 1976, 673. 25 BAG v. 31.01.1985 – 2 AZR 393/83, EzBAT § 8 BAT Direktionsrecht Nr. 3; BAG v. 15.11.1995 – 2 AZR 521/95, NZA 1996, 603. 26 S. zur Prüfung von Widerrufsvorbehalten Kapitel 2 D. II. 27 Eingehend zum Verbot des Eingriffs in den Kernbereich unter Kapitel 4 B. IV. 22

B. Rechtsprechung des BAG

57

Ausdrücklich hat das BAG diesen Prüfungsmaßstab außerdem an Klauseln angelegt, die ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zum Umfang der Arbeitszeit enthielten.28 Es führt aus, ein Leistungsbestimmungsrecht bezüglich des Umfangs der Arbeitszeit bei arbeitszeitabhängiger Vergütung stelle eine objektive Umgehung zwingender Vorschriften des Kündigungs- und Kündigungsschutzsrechts dar und sei deshalb gem. § 134 BGB nichtig. Ein vergleichbarer Schutz sei auch nicht durch die Ausübung nach billigem Ermessen gewährt. Formale Anforderungen an die Ausgestaltung einer Klausel zur Einräumung eines Bestimmungsrechts stellt das BAG in seiner Rechtsprechung vor der Schuldrechtsreform nicht. Zusammenfassend ging das BAG also davon aus, ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht müsse nach billigem Ermessen ausgeübt werden, was aber nicht in der Klausel festgelegt sein musste, und dürfe nicht in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses eingreifen.

II. Rechtsprechung des BAG nach der Schuldrechtsreform: keine Konkretisierungspflicht trotz Anwendbarkeit der AGB-Kontrolle Auch im Rahmen der seit der Schuldrechtsreform durchzuführenden AGBKontrolle stellt das BAG nur geringe formelle Anforderungen an Bestimmungsvorbehalte zur Einräumung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte gerichtet auf die (erstmalige) Festlegung der Leistung und fordert praktisch keine Konkretisierung. Die formularvertragliche Vereinbarung solcher Bestimmungsrechte findet sich in den Entscheidungen des BAG vor allem in Form von Versetzungsklauseln29, die das Recht zur Versetzung aus § 106 GewO, § 611a Abs. 1 BGB deklaratorisch wiederholen oder dessen Reichweite verändern, oder im Entgeltbereich als Recht des Arbeitgebers, die Höhe einer Gratifikation30 oder einer anderen Leistung festzulegen. Nachfolgend soll zunächst kurz die Rechtsprechung zu Versetzungsklauseln erörtert werden, die sich insofern von den übrigen Leistungsbestimmungsrechten unterscheiden, als das Recht, den Arbeitsort zu bestimmen, bereits gesetzlich in § 106 GewO bzw. § 611a Abs. 1 BGB eingeräumt ist. Anschließend wird die relevante Rechtsprechung des BAG zur AGB-Kontrolle einseitiger Leistungsbestimmungsrechte im Entgeltbereich dargestellt.

28 BAG v. 12.12.1984 – 7 AZR 509/83, BAGE 47, 314; BAG v. 28.10.1987 – 5 AZR 390/86, zitiert nach juris. 29 S. z. B. BAG v. 15.11.1995 – 2 AZR 521/95, NZA 1996, 603; BAG v. 11.04.2006 – 9 AZR 557/05, NZA 2006, 1149; BAG v. 13.03.2007 – 9 AZR 433/06, AP Nr. 26 zu § 307 BGB; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 36/09, DB 2010, 2805. 30 S. z. B. BAG v. 30.07.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013.

58

Kap. 2: Problemanalyse

1. BAG zu Versetzungsklauseln: keine Konkretisierung des Umfangs oder der Voraussetzungen; ausreichender Schutz durch § 315 BGB, § 106 GewO Das BAG gewährt dem Verwender von Versetzungsklauseln weitgehende Freiheiten bei der Gestaltung und fordert in der Regel keine tatbestandliche Konkretisierung. Der wesentliche Gedanke dabei ist allerdings, dass § 106 GewO ohnehin schon von Gesetzes wegen ein weitgehendes nur auf die Einhaltung billigen Ermessens beschränktes Recht zur Bestimmung des Arbeitsortes einräumt. Enthält eine solche Klausel eine Formulierung, die erkennen lässt, dass der Verwender die Interessen des Arbeitnehmers angemessen zu berücksichtigen hat, ist sie nach Ansicht des BAG inhaltlich dem § 106 GewO nachgebildet und entspricht einem arbeitsrechtlichen Bedürfnis.31 Sie sei somit wirksam und transparent. Das BAG ist außerdem der Meinung, die Einflussfaktoren seien so zahlreich und unterlägen einem so häufigen Wandel, dass eine Konkretisierung entweder in Leerformeln enden müsste, die für den Arbeitnehmer keinen Gewinn brächten, oder in unübersichtlich langen Aufzählungen.32 Eine Konkretisierung würde dem Bedürfnis, auf unvorhersehbare Entwicklungen reagieren zu können, nicht gerecht. Im Rahmen der Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB argumentiert das BAG unter anderem, das Gesetz biete dem Arbeitnehmer mit § 315 BGB, § 106 GewO und den Mitbestimmungsrechten des Betriebsrates ausreichend Schutz.33 Insbesondere die Erwägungen zur Vielfältigkeit der Einflussfaktoren und den daraus resultierenden Schwierigkeiten bei der Konkretisierung könnten auf die Bewertung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte im Entgeltbereich übertragen werden. Die übrigen Überlegungen sind hingegen nur bedingt übertragbar. Denn entscheidend stellt das BAG in allen seinen Entscheidungen auf § 106 GewO ab, der für Versetzungsklauseln bereits eine Wertentscheidung treffe und dem Arbeitgeber auch ohne Versetzungsklausel ein weitgehendes Versetzungsrecht einräume. Aus diesen Gründen müsse eine vertragliche Versetzungsklausel keine weitere Konkretisierung enthalten als die gesetzliche Regelung. Für Leistungsbestimmungsrechte im Entgeltbereich trifft das Gesetz keine vergleichbare Wertentscheidung. § 106 GewO betrifft nicht den entgeltlichen Bereich. § 315 BGB betrifft zwar Leistungsbestimmungsrechte, regelt aber lediglich, dass bei Zwei-

31 Vgl. BAG v. 11.04.2006 – 9 AZR 557/05, NZA 2006, 1149 Rn. 42; BAG v. 13.03.2007 – 9 AZR 433/06, AP Nr. 26 zu § 307 BGB Rn. 41; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 36/09, DB 2010, 2805 Rn. 31. 32 S. z. B. BAG v. 11.04.2006 – 9 AZR 557/05, NZA 2006, 1149 Rn. 42; BAG v. 13.03.2007 – 9 AZR 433/06, AP Nr. 26 zu § 307 BGB Rn. 46; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 36/09, DB 2010, 2805 Rn. 31. 33 So BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 36/09, DB 2010, 2805 Rn. 32.

B. Rechtsprechung des BAG

59

feln die Bestimmung nach billigem Ermessen zu erfolgen hat. Anders als § 106 GewO räumt die Norm derartige Rechte nicht ein.34 2. BAG zu einseitigen Leistungsbestimmungsrechten im Entgeltbereich: kein Konkretisierungserfordernis Vor allem in der neueren Rechtsprechung des BAG ist vermehrt die AGBKontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte im Entgeltbereich – z. B. in Bezug auf Leistungs- und Weihnachtsgratifikationen – Gegenstand gewesen.35 Ihre Ausgestaltung ist selten einheitlich und räumt teilweise weitgehende, tatbestandlich praktisch nicht eingeschränkte Bestimmungsrechte ein. Dabei gewährt das BAG dem Verwender solcher Klauseln regelmäßig einen sehr weitgehenden Gestaltungsspielraum und hat bisher auch kaum eingeschränkte Klauseln für wirksam erachtet. a) Billiges Ermessen als ausreichende Konkretisierung Am weitesten geht das BAG in einer Entscheidung vom 16.01.201336, in der es die Einräumung eines Bestimmungsrechts des Arbeitgebers ohne tatbestandliche Konkretisierung für transparent und wirksam hält.37 Gegenstand dieser Entscheidung war die zusätzliche Zahlung einer „[. . .] Weihnachtsgratifikation [in Höhe von] 50 % bei einer Betriebszugehörigkeit von mind. 6 Monaten [. . .] von der vom Arbeitgeber jeweils pro Jahr festgelegten Höhe der Weihnachtsgratifikation.“ Das BAG war der Meinung, die Klausel verstoße weder gegen das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 S. 2 BGB noch gegen die Generalklausel des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB.38 Die Klausel selbst enthielt zwar keine Einschränkung der Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers, das BAG war aber der Meinung, der Arbeitgeber habe 34 Vgl. dazu Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn. 2, 239 ff. m.w. N.; Erman/Roloff, § 309 BGB Rn. 15; BeckOGK/Netzer, § 315 BGB Rn. 1; NK-ArbR/Elz, § 315 BGB Rn. 5; BeckOK-BGB/Gehrlein, § 315 Rn. 3. 35 BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148; BAG v. 26.09.2012 – 10 AZR 370/11, zitiert nach juris; BAG v. 17.10.2012 – 10 AZR 620/11, zitiert nach juris; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970; BAG v. 19.03.2014 – 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595; BAG v. 03.08.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334. 36 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013. 37 S. dazu auch LAG Rheinland-Pfalz v. 18.07.2016 – 3 Sa 43/16, zitiert nach juris. Das LAG ist der Meinung, einseitige Leistungsbestimmungsrechte zur Entscheidung über die Höhe einer jährlichen Leistung halten einer AGB-Kontrolle regelmäßig Stand. Das soll insbesondere gelten, wenn die Leistung nach dem Arbeitsvertrag keinen Entgeltcharakter hat. 38 So auch die Vorinstanz LAG Hamm v. 24.11.2011 – 8 Sa 1021/11, GWR 2012, 139.

60

Kap. 2: Problemanalyse

die Entscheidung nach billigem Ermessen zu treffen. Das schließt es aus der Zweifelsregelung des § 315 BGB, befasst sich allerdings nicht damit, ob überhaupt ein Zweifel besteht, der zur Anwendung des § 315 BGB führt. Die Einschränkung der Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers durch das Erfordernis der Entscheidung nach billigem Ermessen genügt nach Ansicht des BAG den Anforderungen des Transparenzgebotes. Dieses sei erst verletzt und führe zu einer unangemessenen Benachteiligung, wenn die Gefahr bestehe, dass „der Vertragspartner des Klauselverwenders wegen unklar abgefasster Allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt“ 39. Diese Gefahr sei nicht erkennbar, da für den Arbeitnehmer ersichtlich gewesen sei, dass der Arbeitgeber über die Höhe zu entscheiden und dabei eine Abwägung der Interessen beider Seiten stattzufinden hatte. Letztlich sei ohnehin ein vollständiger Ausschluss eines Rechtsanspruchs mittels eines vertraglichen Freiwilligkeitsvorbehalts möglich. Verglichen mit einer solchen Regelung sei ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht nicht zu beanstanden, da der Arbeitnehmer immerhin einen klagbaren Anspruch erhalte und er die Ausübung des Bestimmungsrechts gerichtlich überprüfen lassen könne.40 Außerdem betreffe die Gratifikation vorliegend nur eine Zusatzleistung, zu deren Gewährung der Arbeitgeber nicht verpflichtet sei und die nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis stehendes Arbeitsentgelt betreffe. Die mit dem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht verbundene Ungewissheit sei deshalb regelmäßig hinnehmbar, insbesondere, wenn die Sonderzahlung nicht von der Erbringung der Gegenleistung abhängig sei. Auch ein Verstoß gegen § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB liege nicht vor. Die Regelung weiche nicht vom Gesetz ab, das in § 315 BGB einseitige Leistungsbestimmungsrechte selbst vorsehe, und verstoße auch nicht gegen ungeschriebene Rechtsgrundsätze. Es bestehe insbesondere nicht die Gefahr, dass der Arbeitgeber die leistungssteuernde Wirkung eines vertraglichen Versprechens für die Zukunft in Anspruch nehme, andererseits die Entscheidung vom eigenen Willen abhängig mache, denn die Gratifikation setze keine spezifischen Leistungsanreize und ändere deshalb auch nicht das Äquivalenzverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung.41 Ein Verstoß gegen § 308 Nr. 4 BGB scheidet nach Meinung des BAG ebenso aus, da die erstmalige Festlegung der Leistung keinen Änderungsvorbehalt darstelle.42 Die Ausführungen lassen darauf schließen, dass das BAG der Meinung ist, ein entgeltrelevanter Bestimmungsvorbehalt müsse weder ausdrücklich billiges Er39 40 41 42

BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 20. BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 23. BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 30. BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 16 ff.

B. Rechtsprechung des BAG

61

messen als Entscheidungsmaßstab noch sonst irgendeine tatbestandliche Einschränkung bzw. Konkretisierung der Voraussetzungen, Richtlinien oder des Umfangs der Leistungsbestimmung enthalten. Diese Sichtweise wird durch zwei jüngere Urteile bestätigt, in denen das BAG die Wirksamkeit eines nicht konkretisierten Bestimmungsvorbehalts über eine Weihnachtsgratifikation anscheinend voraussetzt. Es führt nur aus, ein derartiges Leistungsbestimmungsrecht sei grundsätzlich zulässig und die Höhe und Art einer Leistung müssten nicht abschließend im Arbeitsvertrag festgelegt werden.43 Fraglich ist, ob diese großzügige Handhabung – insbesondere des Transparenzgebots – mit der Bewertung von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt durch das BAG selbst zu vereinbaren ist.44 Ebenso weicht das hier aufgezeigte Verständnis des BAG von der Linie des BGH zur AGB-Kontrolle einseitiger Bestimmungsvorbehalte ab, die später noch darzustellen sein wird.45 Die Abweichungen zu den vom BGH gestellten Transparenzanforderungen bei Preisanpassungsklauseln hält das BAG in der erstgenannten Entscheidung vom 16.01.2013 für gerechtfertigt, da die Klausel nicht die Möglichkeit biete, das Äquivalenzverhältnis der Hauptleistungspflichten einseitig zu ändern, wie es bei Preisanpassungsklauseln der Fall sei.46 Aus den Entscheidungen geht allerdings nicht zweifelsfrei hervor, ob das BAG der Meinung ist, eine Klausel ohne Konkretisierung sei nur wirksam, wenn es sich um eine Sonderzahlung handelt, die nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis steht, oder ob es dies auch für Leistungen mit Gegenseitigkeitscharakter annimmt. Gegenstand der Entscheidungen war schließlich jeweils eine Weihnachtsgratifikation, die nach der soeben dargestellten Meinung des BAG keine Gegenleistung für geleistete Arbeit des Arbeitnehmers darstellt. Auch stellt das BAG in der erstgenannten Entscheidung mehrmals darauf ab, dass es eben nur um eine Zusatzleistung gehe, die das Äquivalenzverhältnis nicht ändere. Andererseits argumentiert es, der Bestimmungsvorbehalt sei erst recht zulässig, da der Arbeitgeber stattdessen auch einen Freiwilligkeitsvorbehalt hätte wählen können. Das spricht insofern für eine Anwendbarkeit des Gesagten auf synallagmatische Leistungen, als Freiwilligkeitsvorbehalte auch die Gegenleistung erfassen können.47 Festzuhalten ist, dass das BAG bei Sonderzahlungen, die nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis stehen, keine Konkretisierung fordert. Ob diese Ansicht auf Leistungen zu übertragen ist, die im Gegenseitigkeitsverhältnis stehen, wird nicht abschließend klargestellt. 43 BAG v. 23.08.2017 – 10 AZR 376/16, NZA 2017, 1595 Rn. 20; BAG v. 23.08.2017 – 10 AZR 97/17, zitiert nach juris Rn. 23. 44 S. dazu Kapitel 2 D. 45 S. dazu Kapitel 2 C. 46 BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 21. 47 Salamon, NZA 2014, 465, 467.

62

Kap. 2: Problemanalyse

b) Kein zwingendes Konkretisierungserfordernis auch bei Leistungen aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis Für eine Übertragbarkeit dieser Ansicht auf Leistungen mit Gegenseitigkeitscharakter spricht, dass das BAG in einigen weiteren Entscheidungen48 zu arbeitsvertraglichen Bestimmungsvorbehalten ein ähnliches Verständnis zeigt, obwohl die betroffenen Leistungen Gegenseitigkeitscharakter hatten. Zwar war in keinem der zu entscheidenden Fälle die Klausel so weit gefasst wie im eben beschriebenen Fall, jedoch lässt das BAG allgemein gehaltene Kriterien zur Konkretisierung ausreichen und legt erneut nahe, auch Klauseln für wirksam zu erachten, die nur auf billiges Ermessen beschränkt bleiben. Eine dieser Entscheidungen49 betraf eine vom BAG nicht beanstandete Klausel, nach der der Mitarbeiter einen Leistungsbonus erhielt, dessen Höhe sich „nach der individuellen Zielerreichung, dem Teamverhalten sowie dem Erfolg der Bank“ richtete und der als solcher im Gegenseitigkeitsverhältnis stand50. Zusätzlich bestand eine Betriebsvereinbarung, die weitere Einflussfaktoren beschrieb. Der Bonus konnte nach der Klausel im Arbeitsvertrag 0–200 % eines flexiblen Basiswertes betragen. Auch in diesem Fall war das BAG der Meinung, die Bestimmung habe gem. § 315 BGB nach billigem Ermessen zu erfolgen, obwohl dies in der Klausel weder ausdrücklich noch mittelbar geregelt war. Das BAG sah in der Klausel keinen Verstoß gegen das Transparenzgebot. Es stellt zwar klar, das Transparenzgebot enthalte die Pflicht, die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau zu beschreiben, dass keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Ein Verstoß liege aber nicht bereits dann vor, wenn der Vertragspartner die Klausel nicht oder nur schwerlich verstehen könne, sondern erst, wenn die Gefahr begründet sei, dass er seine Rechte nicht wahrnehme.51 Diese Gefahr bestehe vorliegend aber nicht, da der Vertrag eindeutig bestimme, dass nach billigem Ermessen über den Bonus zu entscheiden sei und welche Faktoren in die Bemessung einfließen. § 308 Nr. 4 BGB hielt das BAG konsequent auch hier nicht für anwendbar, weil einseitige Leistungsbestimmungsrechte nach §§ 315 ff. BGB keinen Ände-

48 BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148; BAG v. 26.09.2012 – 10 AZR 370/11, zitiert nach juris; BAG v. 17.10.2012 – 10 AZR 620/11, zitiert nach juris; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 97; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 636/11, AuA 2013, 711; BAG v. 15.05.2013 – 10 AZR 679/12, NJW-Spezial 2013, 563; BAG v. 03.08.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334. 49 BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970. 50 Vgl. BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970 Rn. 31. 51 BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970 Rn. 23; s. auch teilweise Parallelentscheidungen v. 20.03.2013 – 10 AZR 636/11, AuA 2013, 711; und v. 15.05.2013 – 10 AZR 679/12, NJW-Spezial 2013, 563.

B. Rechtsprechung des BAG

63

rungsvorbehalt darstellten, wenn sie lediglich eine erstmalige Festlegung der Leistung ermöglichen. Nach Ansicht des BAG benachteiligt die Klausel den Arbeitnehmer auch nicht unangemessen, da durch das Erfordernis der Entscheidung nach billigem Ermessen und der Möglichkeit der gerichtlichen Kontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB durch das Gesetz ausreichend Vorkehrungen zum Schutz des Vertragspartners getroffen worden seien. Außerdem knüpft das BAG an seine Rechtsprechung vor der Schuldrechtsreform52 an und führt aus, der Bonus betreffe nur einen Teil der Gesamtvergütung, so dass der Kernbereich des Austauschverhältnisses nicht berührt sei.53 Es stellt zudem fest, die Einräumung des einseitigen Leistungsbestimmungsrechts weiche nicht gem. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB vom Gesetz ab, da dieses die vertragliche Einräumung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte in § 315 BGB gerade vorsehe. Es schließt daraus allerdings nicht, dass die Klausel der Inhaltskontrolle nicht unterliege, sondern lehnt eine unangemessene Benachteiligung als Ergebnis einer Prüfung nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB ab.54 Das BAG geht in seiner Entscheidung nicht darauf ein, ob die genannten Faktoren für den Arbeitnehmer nachprüfbar sind und tatsächlich eine weitergehende Konkretisierung und Transparenz bringen als das Erfordernis billigen Ermessens. Es thematisiert auch nicht, ob der Arbeitnehmer erkennen kann, „was auf ihn zukommt“ oder ob dies nötig ist, um seine Rechte sinnvoll durchsetzen zu können. Außerdem finden sich keine Anhaltspunkte, die den Schluss zulassen würden, das BAG habe seine Meinung geändert und wolle von der Bewertung aus der kurz vorher ergangenen Entscheidung vom 16.01.201355 abweichen bzw. einseitige Leistungsbestimmungsrechte abweichend bewerten, wenn die betreffende Leistung im Gegenseitigkeitsverhältnis stehe. Aus dieser Entscheidung vom 20.03.201356 ist also jedenfalls nicht zu schließen, dass Bestimmungsvorbehalte über synallagmatische Leistungen eine Konkretisierung enthalten müssen. Im Gegenteil legen die Ausführungen des BAG eher nahe, dass auch bei Bestimmungsvorbehalten, die eine Leistung aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis betreffen, keine Konkretisierung zu fordern ist. Die Aufnahme weiterer Faktoren, wie im vorliegenden Fall57 geschehen, scheint das BAG auch hier nämlich nicht als Voraussetzung zur Transparenz und Wirksamkeit einer solchen Klausel zu sehen.

52

S. dazu Kapitel 2 B. I. BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970 Rn. 30 f. 54 Anders Stoffels, RdA 2015, 276, der daraus schließt, das BAG entziehe die Klausel der Inhaltskontrolle. 55 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013. 56 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970. 57 BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970. 53

64

Kap. 2: Problemanalyse

c) Gleichbleibendes Verständnis unabhängig vom Gegenleistungscharakter Ein ähnlicher Fall lag einer Entscheidung des BAG vom 14.11.201258 zugrunde, wobei den dort getroffenen Ausführungen zur Transparenz abweichende Konkretisierungsanforderungen entnommen werden könnten. Grundlage war eine Klausel, nach der der Arbeitnehmer einen Teil seines Gehalts als variable Vergütung erhielt, deren Höhe vom Arbeitgeber unter Berücksichtigung der individuellen Leistung des Arbeitnehmers, des Unternehmenserfolgs und des Erfolgs der Unternehmenseinheit nach Abschluss einer Zielvereinbarung festzulegen war. Auch hier kam das BAG zu dem Ergebnis, die Festlegung habe „mangels abweichender Anhaltspunkte“ gem. § 315 BGB nach billigem Ermessen zu erfolgen.59 Als möglichen Unwirksamkeitsgrund lehnt das BAG zunächst einen unzulässigen Änderungsvorbehalt gem. § 308 Nr. 4 BGB in Einklang mit seiner ständigen Rechtsprechung ab.60 Das BAG stellt weiter fest, die Klausel verstoße nicht gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB, und knüpft dabei inhaltlich an seine frühere Rechtsprechung zum Eingriff in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses61 an. Der Arbeitgeber habe das wirtschaftliche Risiko nicht unzulässigerweise auf den Arbeitnehmer übertragen, was sich aus dem Verhältnis von Festgehalt (60 % der Gesamtbezüge bzw. des Zieleinkommens) und variabler Tantieme (40 %) ergebe. Außerdem bestehe keine Gefahr, dass der Arbeitgeber die verhaltenssteuernde Wirkung eines Leistungsversprechens in Anspruch nehme, andererseits die Entscheidung über den Eintritt der Bedingung aber vom eigenen Willen abhängig mache. Er sei an die Vorgaben der Klausel und die getroffene Zielvereinbarung gebunden. Auch in diesem Fall stellt das BAG fest, das Gesetz treffe mit dem Erfordernis des billigen Ermessens und der Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung nach § 315 Abs. 1, Abs. 3 BGB ausreichend Vorkehrungen zum Schutz des Vertragspartners.62 Einen Verstoß gegen das Transparenzgebot lehnte das BAG mit der Begründung ab, es bestehe keine Gefahr, dass der Arbeitnehmer seine Rechte nicht 58

10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150. BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150 Rn. 24. 60 BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150 Rn. 33 ff.; s. z. B. BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148; BAG v. 26.09.2012 – 10 AZR 370/11, zitiert nach juris; BAG v. 17.10.2012 – 10 AZR 620/11, zitiert nach juris; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970. 61 S. dazu Kapitel 2 B. I. und D. II. 1. 62 BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; so bspw. auch BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12 Rn. 31, NZA 2013, 970. BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/ 12, NZA 2013, 1013 Rn. 29; BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148 Rn. 42; BAG v. 26.09.2012 – 10 AZR 370/11, zitiert nach juris; BAG v. 17.10.2012 – 10 AZR 620/11, zitiert nach juris. 59

B. Rechtsprechung des BAG

65

wahrnehme. Es sei erkennbar gewesen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen durch den Arbeitgeber zu erfolgen hatte und an welche Faktoren dieser dabei gebunden war. Der bleibende Beurteilungsspielraum in Bezug auf das Verhältnis der Faktoren und die Beurteilung der Leistung des Arbeitnehmers sei mit Blick auf die auf Dauer angelegte Regelung und die sich stetig ändernden wirtschaftlichen Bedingungen nicht unangemessen weit. Diese Ausführungen lassen im Gegensatz zu den vorgenannten Entscheidungen auch den Schluss zu, das BAG fordere bei einigen Klauseln eine über das billige Ermessen hinausgehende Konkretisierung. Andernfalls wären die getroffenen Aussagen zur Bindung an weitere Faktoren und zum verbleibenden Beurteilungsspielraum entbehrlich gewesen. Allerdings stellt das BAG ausdrücklich lediglich fest, dass die Klausel im vorliegenden Fall mit ihrer weitergehenden Konkretisierung transparent ist, und nicht, dass sie es ohne Konkretisierung nicht wäre. Hinzu kommt, dass derselbe Senat in der oben dargestellten Entscheidung vom 16.01.201363, die diesem Urteil zeitlich nachfolgt, nicht darauf eingeht, wie die neuere Entscheidung im Verhältnis zu vorausgegangenen Entscheidungen steht. Der Senat sagt vor allem nicht, er ändere seine Rechtsprechung und wende nun eine großzügigere Betrachtung an als noch in früheren Entscheidungen. Ebenso wenig stellt er in der neueren Entscheidung vom 16.01.2013 fest, eine großzügigere Handhabung der Transparenz sei gerade deshalb geboten, weil die zu bestimmende Leistung nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis stehe. Dementsprechend geht er auch in der Entscheidung vom 14.11.201264 in der Transparenzprüfung nicht darauf ein, um welche Art von Leistung es sich handelte. Dieses Zusammenspiel legt nahe, dass der zehnte Senat bereits vor der Entscheidung vom 16.01.201365 – also auch in dieser Entscheidung vom 14.11. 201266 – davon ausgegangen ist, ein Bestimmungsvorbehalt sei ohne Konkretisierung transparent, und dass der Senat dabei auch keine Unterscheidung danach vornimmt, ob die Leistung im Gegenseitigkeitsverhältnis steht. Die großzügige Handhabung der Transparenzkontrolle war bis zur Entscheidung vom 16.01.2013 nur nicht ausdrücklich klarzustellen, weil die vorgelegten Klauseln bis dahin weitergehend konkretisiert waren. Im Einklang mit den bisher dargestellten Ausführungen steht ferner eine Entscheidung des BAG vom 29.08.201267. Auch in diesem Fall ging es um eine zusätzliche Vergütung, deren Höhe der Arbeitgeber nach Abschluss einer Zielvereinbarung unter Berücksichtigung von individuellen Leistungsgesichtspunkten 63

10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013. 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150. 65 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013. 66 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150. 67 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148; zustimmend auch LAG Baden-Württemberg v. 14.01.2013 – 1 Sa 27/12, NZA-RR 2013, 118. 64

66

Kap. 2: Problemanalyse

und der Ertragslage des Unternehmens jährlich neu festlegen sollte. Das BAG war erneut der Meinung, ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liege nicht vor, da die zu berücksichtigenden Faktoren durch die Zielvereinbarung weitgehend festgelegt waren und die Entscheidung erkennbar nach billigem Ermessen zu erfolgen hatte, was nicht ausdrücklich aus der Klausel, sondern als Ergebnis einer Auslegung ersichtlich war. Dadurch sei der Anspruch ausreichend beschrieben und es bestehe keine Gefahr, dass der Vertragspartner seine Rechte nicht wahrnehme. Wie im Urteil vom 16.01.201368 ist das BAG auch vorliegend der Meinung, die Klausel weiche nicht gem. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB vom Gesetz ab, das einseitige Leistungsbestimmungsrechte in § 315 BGB ausdrücklich vorsehe. Abermals schließt das BAG daraus jedoch nicht, dass die Klausel kontrollfrei sei, sondern dass keine unangemessene Benachteiligung gem. § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB vorliege. Es führt außerdem aus, der Arbeitgeber sei an die getroffene Zielvereinbarung gebunden und könne somit nicht die verhaltenssteuernde Wirkung eines vertraglichen Versprechens in Anspruch nehmen, sich andererseits aber die Entscheidung über den Eintritt der Bedingung vorbehalten. Wie die vorgenannten Urteile69 zeigt auch diese Entscheidung70: das BAG geht generell davon aus, dass bei Bestimmungsvorbehalten der Maßstab des billigen Ermessens anwendbar ist. Außerdem hält es Klauseln für transparent und angemessen, wenn Faktoren beschrieben sind, die ihrerseits der Beurteilung des Verwenders unterliegen. Das BAG erwähnt aber in keinem seiner Urteile, dass die Aufnahme von Entscheidungsfaktoren ausschlaggebend für die Wirksamkeit sei. Im Urteil vom 16.01.201371 bewertet es sogar eine Klausel ohne jegliche Konkretisierung als transparent und angemessen, ohne eine Abweichung von seiner vorherigen Rechtsprechung anzusprechen. Daraus lässt sich schließen, dass der zehnte Senat Bestimmungsvorbehalte ohne Konkretisierung generell für transparent und angemessen hält. Diesen Schluss unterstützt der zehnte Senat mit einer Entscheidung vom 03.08.201672. Dort stellt der Senat erneut klar, dass die vertragliche Einräumung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts grundsätzlich zulässig sei und weder die Höhe noch die Art der Leistung im Vertrag abschließend festgelegt werden müssten. Gegenstand war eine Klausel, die dem Arbeitnehmer die Teilnahme an dem jeweils gültigen Bonussystem bzw. „Deferral Plan“ der Gesellschaft zusagte, wobei die Gesellschaft sich das Recht vorbehielt, diesen Plan nach freiem und alleinigem Ermessen jederzeit zu ändern, ihn aufzuheben oder zu ersetzen. 68

10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013. BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970. 70 BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148. 71 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013. 72 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334. 69

B. Rechtsprechung des BAG

67

Weitere Einschränkungen des Ermessens darüber, ob und wie der Arbeitgeber das Bonussystem einzuführen oder auszugestalten hatte, waren im Arbeitsvertrag nicht enthalten. Bei dem zu zahlenden Bonus handelte es sich nach Ansicht des BAG eindeutig um eine Gegenleistung für erbrachte Arbeit.73 Das BAG sah trotz der Einräumung des Rechts „nach ihrem freien und alleinigen Ermessen jederzeit [. . .] die Regelungen des Deferral Plans zu ändern [. . .] oder zu ersetzen“ 74 keine Anhaltspunkte dafür, dass die Gesellschaft über die Bonusgewährung nach freiem Ermessen zu entscheiden hätte.75 Mangels abweichender Anhaltspunkte geht es wie sonst von der Entscheidung nach billigem Ermessen aus, zumal ein Recht zur Entscheidung nach freiem Ermessen wegen einer Abweichung vom gesetzlichen Leitbild des § 315 BGB unangemessen i. S. d. § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB sei.76 Es wird weder thematisiert, ob das Bonussystem bzw. der Deferral Plan irgendwie geartete Konkretisierungen enthielten, noch ob das Leistungsbestimmungsrecht dem Transparenzgebot genügte. Das BAG hält die Klausel im Ergebnis aber für wirksam, was die Bewertung als transparent voraussetzt. Dabei wurde dem Arbeitgeber das Recht eingeräumt, nach freiem – bzw. nach Auslegung des BAG billigem – Ermessen ein Bonussystem einzuführen oder zu ändern, das den Bonus nach frei wählbaren Kriterien festlegt. Danach hätte der Arbeitgeber sogar ein Bonussystem einführen können, das selbst nur auf Billigkeit abstellt und keine weiteren Kriterien enthält. In den Ausführungen zur Ausübung des billigen Ermessens stellt das BAG auch nicht auf Kriterien im Bonussystem bzw. Deferral Plan ab und zeigt damit, dass es diesen keinerlei Bedeutung zumisst oder dass gar keine weiteren Kriterien geregelt waren. Ansonsten wären Ausführungen dazu erforderlich gewesen, ob der Arbeitgeber sich bei der Ausübung an die Kriterien gehalten hat. Faktisch hatte der Arbeitgeber also die Möglichkeit, den Bonus nach freiem oder billigem Ermessen ohne Bindung an weitere Kriterien festzulegen. Demnach geht das BAG wohl auch in dieser Entscheidung davon aus, dass ein Bestimmungsvorbehalt selbst dann keiner Konkretisierung bedarf, wenn sich das Leistungsbestimmungsrecht auf eine Leistung aus dem Gegenseitigkeitsverhält73

BAG v. 03.08.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334 Rn. 20, 22. S. BAG v. 03.08.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334 Rn. 3. 75 Vgl. dazu auch LAG Baden-Württemberg v. 14.01.2013 – 1 Sa 27/12, NZA-RR 2013, 118: Das LAG hat in seiner Entscheidung eine Klausel zur Bestimmung einer variablen Vergütung nach „freiem Ermessen“ so ausgelegt, dass der Arbeitgeber an billiges Ermessen gebunden sei. Es war der Meinung, dass es fernliegend sei, einen Willen der Vertragsparteien anzunehmen, der auf eine Entscheidung nach freiem Ermessen gerichtet sei. Das folge daraus, dass in der Klausel weitere Kriterien vereinbart waren und dass die variable Vergütung 45 % der Gesamtvergütung ausmachte und so einen starken Anreiz für den Arbeitnehmer setzte. 76 BAG v. 03.08.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334 Rn. 21. 74

68

Kap. 2: Problemanalyse

nis bezieht. Andernfalls wären Ausführungen zur Wirksamkeit und gegebenenfalls zu einer weiteren Konkretisierung durch das Bonussystem zu erwarten gewesen. d) Konkretisierung jedenfalls nicht in der Klausel selbst notwendig Eine abweichende Beurteilung durch das BAG könnte sich zuletzt in einem Urteil vom 19.03.201477 zeigen. Der Entscheidung lag eine arbeitsvertragliche Klausel zugrunde, nach der der Arbeitnehmer einen Leistungsbonus78 erhalten konnte, der sich nach seinen Leistungen im jeweils vorangegangenen Geschäftsjahr bestimmte. In den Ausführungen zur AGB-Kontrolle heißt es, der Arbeitsvertrag lege nicht fest, in welcher Höhe und nach welchen Bedingungen ein Bonus gegebenenfalls gezahlt werde. Dies bedürfe vielmehr der Ausgestaltung.79 Ein Bedürfnis zur Ausgestaltung liege außerdem wegen des Leistungsbezugs des Bonus nahe, da die Beurteilung von Leistungen regelmäßig über Zielvereinbarungen und Beurteilungssysteme erfolge. Die Klausel enthielt aber eine dynamische Verweisung auf die bei dem Arbeitgeber bestehende Dienstvereinbarung, die die Bonusfestlegung nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung bestimmter Kriterien und die Berechnung der Höhe regelte. Im Ergebnis war ein möglicherweise bestehendes Bedürfnis der Ausgestaltung bzw. Konkretisierung durch die dynamische Bezugnahme also gewahrt. Das BAG äußert sich in diesem Urteil jedoch nicht dazu, ob eine Konkretisierung bzw. Ausgestaltung im Ergebnis wesentliche Voraussetzung für die Transparenz und Angemessenheit einer solchen Klausel sind. Angesprochen wird die Ausgestaltung nicht im Rahmen einer Transparenz- oder Angemessenheitsprüfung, sondern bei der Auslegung der Klausel nach § 305c Abs. 2 BGB. Dort widmet sich das BAG der Formulierung, der Mitarbeiter „kann“ einen Leistungsbonus erhalten, der sich nach seinen Leistungen im Geschäftsjahr bestimmt.80 Die Frage ist wohl, ob ein Anspruch auf eine der Höhe nach festzulegende Leistung besteht oder bereits das Bestehen eines Anspruchs dem Ermessen des Arbeitgebers unterliegt. Im Ergebnis hält das BAG die durch Bezugnahme auf eine Dienstvereinbarung konkretisierte Klausel für wirksam, ohne dies weiter zu thematisieren.81 Dem ist nicht zu entnehmen, dass es die Klausel ohne den Verweis als unwirksam erachtet hätte und demnach eine weitergehende Konkretisierung fordert als in den bisher dargestellten Urteilen. Es ist zwar denkbar, dass das BAG die Klausel im 77

10 AZR 622/13, NZA 2014, 595. Aus der Leistungsbezogenheit des Bonus dürfte zu schließen sein, dass es sich um eine Leistung aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis handelt. 79 BAG v. 19.03.2014 – 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595 Rn. 31. 80 So auch bei BAG v. 24.10.2018 – 10 AZR 285/16, NZA 2019, 387. 81 So auch BAG v. 24.10.2018 – 10 AZR 285/16, NZA 2019, 387. 78

B. Rechtsprechung des BAG

69

vorliegenden Fall ohne Verweis auf die Dienstvereinbarung für unklar i. S. d. § 305c Abs. 2 BGB gehalten hätte, wodurch diese zu Lasten des Verwenders hätte ausgelegt werden müssen. Eine Unklarheit nach § 305c Abs. 2 BGB führt aber nicht zwangsläufig zur Intransparenz nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB.82 Gegen ein solches Verständnis des BAG spricht wiederum, dass es ausdrücklich ausführt, im vorliegenden Fall seien Höhe und Bedingungen nicht geregelt und es bestehe ein Ausgestaltungsbedürfnis. Eine Klausel, die lediglich regelt, dass der Verwender den Bonus nach billigem Ermessen festlegen kann, enthält aber keine ausdrückliche Ausgestaltung der Höhe und der Bedingungen. Allerdings sagt das BAG auch, die Klausel bedürfe zwar einer Ausgestaltung, diese könne jedoch einen Spielraum belassen, der eine abschließende Leistungsbestimmung durch den Arbeitgeber erfordere. Dabei spezifiziert es nicht, wie weit dieser Spielraum sein kann. Im Ergebnis ist somit denkbar, dass das BAG eine Ausgestaltung der Klausel für wirksam erachtet hätte, die einen ausdrücklichen Anspruch einräumt, dessen Höhe vom Arbeitgeber festgelegt wird. In einem solchen Fall hätten sich auch die Erörterungen zur Formulierung „kann . . . einen Leistungsbonus erhalten“ erübrigt. Die Höhe und die Kriterien ihrer Bestimmung wären dann zwar nach wie vor nicht im Voraus geregelt, es wäre allerdings deutlich, unter welchen Bedingungen der Arbeitnehmer einen Bonus erhält, nämlich turnusmäßig als vertraglichen Anspruch. Ob dessen Höhe auf null festgesetzt werden könnte und seine Auszahlung damit faktisch entfallen würde, wäre dann eine Frage der Ermessensausübung. Die Bestimmung der Höhe müsste nach der üblichen Auslegung des BAG jedenfalls nach billigem Ermessen erfolgen.83 Damit könnte dem hier geforderten Ausgestaltungbedürfnis genügt werden. Das BAG setzt zudem auch diese Entscheidung nicht in Widerspruch zu seinem vorangegangenen Urteil vom 16.01.201384, in dem es eine Klausel zur Zahlung einer Weihnachtsgratifikation ohne jegliche Konkretisierung für wirksam erachtet hatte. Es stellt auch nicht fest, ein Leistungsbestimmungsrecht über eine im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Leistung wie die vorliegende Bonuszahlung bedürfe einer stärkeren Konkretisierung. Es zitiert die Entscheidung vom 16.01.201385 jedoch in anderem Zusammenhang, wodurch deutlich wird, dass es im Bewusstsein seiner vorangegangenen Beurteilung entschieden hat und von dieser nicht abweichen wollte. Ein Wille zur abweichenden Beurteilung des Konkretisierungsbedürfnisses bei Vorliegen einer Gegenleistung könnte zwar in der Aussage des BAG zu sehen 82

Dazu ausführlicher unter Kapitel 5 A. I. 2. Vgl. bspw. BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013; BAG v. 24.10.2018 – 10 AZR 285/16, NZA 2019, 387. 84 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013. 85 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013. 83

70

Kap. 2: Problemanalyse

sein, ein Bedürfnis zur Ausgestaltung liege wegen des Leistungsbezugs des Bonus nahe, da die Beurteilung von Leistungen regelmäßig über Zielvereinbarungen und Beurteilungssysteme erfolge.86 Das BAG trifft auch diese Aussage aber in der Auslegung nach § 305c Abs. 2 BGB und nicht im Rahmen einer Transparenz- oder Angemessenheitsprüfung. Es stellt außerdem lediglich darauf ab, wie die Bestimmung der Leistung in der Praxis regelmäßig durchgeführt wird, und nicht, inwieweit eine Konkretisierung für die Transparenz der Klausel ausschlaggebend sein soll. Entscheidend ist letztlich, dass das BAG nur anmerkt, der ausgewählte Bezugspunkt „Leistung des Arbeitnehmers“ lege ein Konkretisierungsbzw. Ausgestaltungsbedürfnis nahe. Dem kann die Aussage entnommen werden, dass der Verwender, wenn er sich entscheidet, Bezugspunkte zur Konkretisierung festzulegen, solche zu wählen hat, die für sich genommen bereits ausreichend konkretisiert sind. Eine Aussage mit dem Inhalt, arbeitsvertraglich eingeräumte Leistungsbestimmungsrechte bedürften regelmäßig der Konkretisierung, ist darin jedoch nicht enthalten. Es lässt sich folglich aus dieser Entscheidung weder eine Abkehr des BAG von seiner Meinung schließen, eine Konkretisierung sei bei Sonderzahlungen nicht notwendig, noch lässt die Entscheidung erkennen, dass das BAG Leistungsbestimmungsrechte über synallagmatische Leistungen anders behandeln will. Das BAG lässt zwar in Bezug auf die notwendige Konkretisierung eines Bestimmungsvorbehalts über einen Bonusanspruch ein gewisses Maß an Klarheit vermissen, stellt jedoch ausdrücklich fest, dass es zulässig ist, eine Konkretisierung durch eine dynamische Bezugnahme zu treffen. e) Zusammenfassung Zusammenfassend fordert das BAG bei der Ausgestaltung von arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten im Entgeltbereich jedenfalls dann nur die Bestimmung nach billigem Ermessen und keine Konkretisierung, wenn die zu bestimmende Leistung nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis steht.87 Wie oben dargestellt, ist der Rechtsprechung des BAG zu entnehmen, dass ein solches Verständnis auch bei Leistungsbestimmungsrechten gelten soll, die eine im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Leistung betreffen.88 Eindeutig hat das BAG diesen Schluss jedoch bisher nicht bestätigt. Im Verlauf dieser Arbeit wird zu thematisieren sein, ob eine Konkretisierung zu fordern ist und ob es dabei einen Unterschied macht, welchen Charakter die zu bestimmende Leistung hat. Dabei sind insbesondere die Hauptargumente des BAG gegen eine Konkretisierungspflicht näher zu betrachten. Das BAG lehnt eine solche Pflicht in erster Linie unter Verweis auf die 86 87 88

BAG v. 19.03.2014 – 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595 Rn. 31. BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013. S. dazu insbesondere Kapitel 2 B. II. 2. b) und c).

C. Rechtsprechung des BGH

71

alternative Gestaltungsmöglichkeit durch Freiwilligkeitsvorbehalte sowie den Schutz durch billiges Ermessen und durch die gerichtliche Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB ab. Deutlich zeigt sich, dass das BAG weder Angaben zum Leistungsumfang noch eine Regelung des Entscheidungsmaßstabs fordert. Für den Maßstab wendet es regelmäßig § 315 BGB an, wonach die Entscheidung nach billigem Ermessen zu erfolgen habe. Das soll sogar dann gelten, wenn die Klausel gar keine Angaben zum Entscheidungsmaßstab enthält oder eine Entscheidung nach freiem Ermessen vorschreibt.89 Auch der Schutz des Kernbereichs und ein möglicher Leistungsanreiz ohne entsprechende Bindung des Arbeitgebers spielen nach Ansicht des BAG keine Rolle bei der Ausgestaltung. Des Weiteren verneint das BAG eine Möglichkeit des Arbeitgebers, mittels eines Bestimmungsvorbehalts das Äquivalenzverhältnis einseitig zu verändern. Ebenso interessant ist, dass das BAG mehrfach ausführt, Bestimmungsvorbehalte enthielten keine Abweichung vom Gesetz, sie aber trotzdem einer Angemessenheitskontrolle unterzieht. Bezüglich des Maßstabs bei der Transparenzprüfung fällt auf, dass das BAG nur darauf abstellt, es dürfe nicht die Gefahr bestehen, der Vertragspartner könne von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten werden. Ob er darüber hinaus aus der Klausel erkennen kann, was auf ihn zukommt, prüft das BAG nicht.90

C. Rechtsprechung des BGH: Erfordernis der Konkretisierung einseitiger Bestimmungsrechte Der BGH gewährt dem Verwender allgemeiner Geschäftsbedingungen bei der Ausgestaltung von einseitigen Leistungsbestimmungsrechten einen wesentlich geringeren Spielraum als der zehnte Senat des BAG in seiner oben dargestellten Rechtsprechung.91 Er stellt strengere Anforderungen an die tatbestandliche Konkretisierung des Umfangs, der Voraussetzungen und der Richtlinien der Ermessensausübung im Rahmen des Transparenzgebots und der Angemessenheitskontrolle. Diese Diskrepanzen offenbaren eine Reihe von Aspekten, die in Bezug auf die Wirksamkeit und Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte der Erörterung bedürfen. Im Folgenden sollen deshalb die Rechtsprechung des BGH zur AGB-Kontrolle einseitiger Leistungsbestimmungsrechte dargestellt und die wesentlichen Unterschiede zur Rechtsprechung des BAG herausgearbeitet werden.

89

S. insbesondere unter Kapitel 2 B. II. 2. c). S. Kapitel 2 B. II. 2. b). 91 Dazu auch bei Boensch, Arbeitsvertragliche Entgeltflexibilisierung und aufsichtsrechtliche Institutsvorgaben, S. 172 ff. 90

72

Kap. 2: Problemanalyse

I. BGH-Rechtsprechung zu Preisanpassungsklauseln: ausgeprägte Konkretisierungspflicht Die Rechtsprechung des BGH zu Preis- und Zinsanpassungsklauseln unterlag in der letzten Zeit einer Entwicklung hin zu einer strengeren Handhabung des Transparenzgebots einhergehend mit der Forderung einer sehr weitgehenden tatbestandlichen Konkretisierung. Preisanpassungsklauseln unterscheiden sich von den hier zu thematisierenden Bestimmungsvorbehalten insofern, als sie einen vorher festgelegten Preis erfordern92, der im Nachhinein vom Verwender geändert werden kann oder der sich gegebenenfalls automatisch ändert. Demgegenüber werden entgeltrelevante Bestimmungsvorbehalte des Arbeitgebers so ausgestaltet, dass keine feste Leistungshöhe vereinbart wird, die nachträglich geändert werden könnte, sondern die Bestimmung der Höhe von vornherein dem Arbeitgeber überlassen wird.93 Dieser nicht unerhebliche Unterschied kann durchaus eine abweichende AGB-rechtliche Beurteilung rechtfertigen94, weshalb die Rechtsprechung zu Preisanpassungsklauseln hier nicht vollumfassend erörtert, sondern ihre Grundzüge und wesentlichen Argumentationsstrukturen dargelegt werden sollen, die im weiteren Verlauf fruchtbar gemacht werden können. Im Grundsatz ist der BGH genau wie das BAG der Meinung, einseitige Leistungsbestimmungsrechte müssten Anlass, Richtlinien und Grenzen der Ausübung möglichst konkret angeben.95 Welche Konkretisierungspflichten diese Voraussetzungen aber konkret nach sich ziehen, bewertet der BGH in seinen Entscheidungen zu Preisanpassungsklauseln anders als der zehnte Senat des BAG in seinen Urteilen zur AGB-Kontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte. 1. Voraussetzung der Transparenz: Umfang der Preisanpassung aus der Klausel erkennbar und an ihr messbar Der BGH ist der Meinung, eine Preiserhöhungs- bzw. Preisanpassungsklausel sei nur transparent und angemessen, wenn der Vertragspartner bei Vertragsschluss aus der Formulierung der Klausel erkennen könne, in welchem Umfang Erhöhungen auf ihn zukommen.96 Darüber hinaus müsse er aufgrund der Formu92 Vgl. dazu MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 BGB, Rn. 98 ff., § 309 Nr. 1 BGB Rn. 13; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 180 ff. m.w. N. 93 Vgl. z. B. BAG v. 23.11.1978 – 3 AZR 708/77, DB 1979, 364; BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970; LAG Hessen v. 14.08.2008 – 20 Sa 1172/07, zitiert nach juris; LAG Baden-Württemberg v. 14.01.2013 – 1 Sa 27/12, NZA-RR 2013, 118; differenzierend zu betrachten BAG v. 03.08.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334. 94 So ausdrücklich BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 21. 95 Statt vieler: BGH v. 19.10.1999 – XI ZR 8/99, NJW 2000, 651; BGH v. 11.07.2012 – IV ZR 164/11, NJW 2012, 3647. 96 S. etwa BGH v. 19.11.2002 – X ZR 243/01, NJW 2003, 507 Rn. 25.

C. Rechtsprechung des BGH

73

lierung in der Lage sein, die Berechtigung zu einer vorgenommenen Erhöhung an der Klausel selbst zu messen.97 Dieses Erfordernis geht sogar so weit, dass die erfolgte Erhöhung auch rechnerisch anhand der Klausel überprüfbar sein muss.98 Das Transparenzgebot soll nach Ansicht des BGH nämlich nicht nur davor schützen, dass der Vertragspartner von der Wahrnehmung seiner Rechte abgehalten wird. Es soll auch das bestehende Informationsgefälle ausgleichen.99 Der Vertragspartner müsse durch die Formulierung der Klausel in die Lage versetzt werden, die wirtschaftlichen Folgen, die sich für ihn aus der Klausel ergeben, aufgrund genauer und nachvollziehbarer Kriterien einschätzen und dadurch entscheiden zu können, ob er sich daran binden wolle. Bei Preisanpassungsklauseln sei deshalb bedeutsam, dass Voraussetzungen, Anlass und Modus der Änderung so transparent dargestellt werden, dass der Vertragspartner die Änderungen anhand klarer und verständlicher Kriterien vorhersehen könne.100 Das BAG argumentiert im Gegensatz dazu eher aus Sicht des Arbeitgebers, dem eine Konkretisierung nicht abzuverlangen sei, da ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht der Anpassung an nicht vorhersehbare Änderungen diene101 und der Arbeitnehmer ausreichend durch die Bindung an billiges Ermessen und die Möglichkeit der Überprüfung nach § 315 Abs. 3 BGB geschützt sei102. Ein Erfordernis, dass der Arbeitnehmer bei Vertragsschluss aus der Klausel erkennen können muss, was auf ihn zukommt, berücksichtigt das BAG in seiner oben dargestellten Rechtsprechung nicht.103 Allerdings ist auch der BGH der Meinung, dass weder alle Kostenpositionen noch der Verteilungsmaßstab zwangsläufig abschließend geregelt werden müssen.104 Das genaue Maß der Konkretisierung hänge von dem jeweiligen Regelungsgegenstand und der Komplexität des einzelnen Sachverhalts ab. Eine zu de97 BGH v. 11.06.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518; BGH v. 20.05.1985 – VII ZR 198/84, BGHZ 94, 335; BGH v. 26.05.1986 – VIII ZR 218/85, NJW 1986, 3134; BGH v. 12.01.1994 – VIII ZR 165/92, NJW 1994, 1060; BGH v. 19.11.2002 – X ZR 243/01, NJW 2003, 507 Rn. 25. 98 BGH v. 19.11.2002 – X ZR 243/01, NJW 2003, 507. 99 BGH v. 25.11.2015 – VIII ZR 360/14, NJW 2016, 936 Rn. 26. 100 So auch BGH v. 31.07.2013 – VIII ZR 162/09, NJW 2013, 3647. 101 So zur Wirksamkeit von Versetzungsklauseln BAG v. 11.04.2006 – 9 AZR 557/ 05, NZA 2006, 1149; BAG v. 13.03.2007 – 9 AZR 433/06, AP Nr. 26 zu § 307 BGB; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 36/09, DB 2010, 2805. 102 Vgl. BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 36/09, DB 2010, 2805; BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11 Rn. 42, NZA 2013, 148; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12 Rn. 29, NZA 2013, 1013; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12 Rn. 31, NZA 2013, 970. 103 BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970; anders zum Widerrufsvorbehalt BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 1943. 104 BGH v. 25.11.2015 – VIII ZR 360/14, NJW 2016, 936.

74

Kap. 2: Problemanalyse

taillierte Auflistung mache die Klausel zu unübersichtlich und berge die Gefahr der Unvollständigkeit. Einmalig hat auch der BGH einen weitgehenden Spielraum bei der Ausgestaltung einer Preisanpassungsklausel gewährt.105 In der Entscheidung erklärte er eine Klausel für wirksam, die keine Einschränkungen enthielt, insbesondere nicht die Faktoren konkretisierte. Dem vereinbarten Preis habe durch die Formulierung „Lieferungen . . . zu den Preisen der jeweils gültigen Liste“ bereits die Veränderlichkeit innegewohnt.106 Außerdem habe ein großes Interesse an der Anpassung bestanden, da es sich um ein Dauerschuldverhältnis handelte und der Preis des Endprodukts vom Rohstoffpreis abhängig war. Hinzu kam nach Meinung des BGH, dass große Schwierigkeiten bei der Konkretisierung bestanden hätten. In dieser Entscheidung betont der BGH, dass die Unwirksamkeit einer AGB-Klausel immer am konkreten Vertrag und Vertragstypus zu beurteilen sei. Es handelt sich dabei aber um eine Einzelfallentscheidung. Das Argument, dem Preis habe von Anfang an die Veränderlichkeit innegewohnt, lässt der BGH in einer späteren Entscheidung nicht mehr gelten, da die zur Veränderlichkeit führende Formulierung das Änderungsrecht gerade erst begründe.107 Ebenso wenig stellen in der sonstigen Rechtsprechung des BGH Schwierigkeiten bei der Konkretisierung eine Rechtfertigung für Klauseln dar, die keinerlei Konkretisierung enthalten. So führt der BGH in einer weiteren nachfolgenden Entscheidung aus, dass immer zumindest ein gewisses Maß an Kalkulierbarkeit nötig sei.108 Im zu entscheidenden Fall sei es zwar beinahe unmöglich gewesen, die richtige Bezugsgröße für die Preisänderung festzulegen, der Verwender hätte jedoch eine Bezugsgröße wählen und diese so konkretisieren müssen, dass Richtlinien, Grenzen und Voraussetzungen umschrieben sind. Dieses Erfordernis zieht der BGH aus § 308 Nr. 4 BGB, in dessen Rahmen auch das Transparenzgebot gilt109. Für unwirksam hält der BGH in der Regel jede Klausel, die es dem Vertragspartner nicht ermöglicht, die Preiserhöhung im Voraus auch nach ihrer möglichen Höhe erkennen zu können und die Erhöhung auch rechnerisch an ihr zu messen. Ist auch nur ein Faktor nicht näher erläutert, ist die Berechnungsweise für den Vertragspartner nicht erkennbar und die Klausel nach Ansicht des BGH intransparent.110 Die Klausel muss an näher umschriebene Kosten als Vorausset105

BGH v. 16.01.1985 – VIII ZR 153/83, NJW 1985, 853. Das Argument der innewohnenden Veränderlichkeit findet sich auch in BGH v. 06.03.1986 – III ZR 195/84, NJW 1986, 1803. 107 BGH v. 12.01.1994 – VIII ZR 165/92, NJW 1994, 1060. 108 BGH v. 17.02.2004 – XI ZR 140/03, NJW 2004, 1588. 109 S. HK-ArbR/Boemke/Ulrici, § 308 BGB Rn. 32 ff.; BeckOK-BGB/Becker, § 308 Nr. 4 Rn. 19 ff.; vgl. dazu auch BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 1943; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/ 14, NZA 2017, 931; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777. 110 Vgl. BGH v. 06.04.2011 – VIII ZR 66/09, BB 2011, 1421. 106

C. Rechtsprechung des BGH

75

zung der Änderung anknüpfen, die für den Kunden nachvollziehbar sein müssen, weshalb betriebsinterne Größen nicht in Frage kommen, und die Gewichtung der einzelnen Kostenelemente muss in der Klausel festgehalten sein.111 2. Billiges Ermessen ist keine ausreichende Einschränkung In einem früheren Urteil entschied der BGH zudem, eine Preisanpassungsklausel im Zeitschriftenabonnement, in der die Preiserhöhung an Angemessenheit und die Erhöhung des Einzelverkaufspreises der Zeitschrift gebunden war, sei intransparent, da der Umfang nicht ausreichend begrenzt werde.112 Für die Angemessenheit seien zu viele Parameter denkbar, die bei Vertragsschluss durch den Vertragspartner nicht zuverlässig beurteilt werden könnten. Durch die Formulierung werde nicht die Gefahr beseitigt, dass der Betroffene eine Erhöhung hinnehme, weil sich ihr zulässiges Ausmaß nicht überprüfen lässt. Zudem stellt der BGH klar, das Argument, der Gesetzgeber verwende ähnlich unbestimmte Rechtsbegriffe, rechtfertige keine fehlende Konkretisierung. Das Gesetz gebe dem Verkäufer nämlich kein Recht zur Erhöhung eines einmal vereinbarten Preises. Diese Befugnis nehme der Verwender einseitig durch seine allgemeinen Geschäftsbedingungen in Anspruch. Dann müsse er sich aber auch an die AGB-rechtlichen Erfordernisse der Klarheit, Durchschaubarkeit und Überprüfbarkeit der Klauseln halten.113 Aus diesen Ausführungen des BGH dürfte zu schließen sein, dass seiner Meinung nach aus der weiten Fassung des § 315 BGB, der nur die Geltung billigen Ermessens bei Leistungsbestimmungsrechten regelt, nicht geschlossen werden kann, ein formularvertragliches Bestimmungsrecht müsse lediglich auf billiges Ermessen begrenzt sein. Denn auch der § 315 BGB räumt kein Leistungsbestimmungsrecht ein, sondern regelt den Maßstab der Ausübung, wenn ein solches Recht wirksam vereinbart wurde.114 Die Formulierung des § 315 BGB ändert nach dieser Argumentation also nichts an den AGB-rechtlichen Anforderungen an die Einräumung von Leistungsbestimmungsrechten. Diese Ausführungen stehen in einem gewissen Widerspruch zur Meinung des BAG, das jedenfalls davon ausgeht, § 315 BGB biete genügend Schutz, so dass eine Konkretisierung entbehrlich sei.115 Darauf wird im Verlauf dieser Arbeit näher einzugehen sein.116 111 BGH v. 13.12.2006 – VIII ZR 25/06, NJW 2007, 1054; BGH v. 15.11.2007 – III ZR 247/06, NJW 2008, 360. 112 BGH v. 26.05.1986 – VIII ZR 218/85, NJW 1986, 3134. 113 BGH v. 26.05.1986 – VIII ZR 218/85, NJW 1986, 3134 Rn. 24. 114 Vgl. Erman/Roloff, § 309 BGB Rn. 15; Jesgarzewski, Die Grenzen formularmäßiger Vereinbarung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte, S. 27. 115 BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148 Rn. 42; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 29; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970 Rn. 31.

76

Kap. 2: Problemanalyse

Weiterhin ist davon auszugehen, dass das Erfordernis der Angemessenheit die Pflicht enthält, bei der Ausübung des Bestimmungsrechts die Interessen des Vertragspartners angemessen zu berücksichtigen. Damit kommt ihm in etwa derselbe Inhalt zu wie der Billigkeit.117 Da der BGH die Angemessenheit als Einschränkung nicht ausreichen lässt, kann wohl bereits aus dieser Entscheidung geschlossen werden, dass er auch das billige Ermessen nicht als ausreichende Konkretisierung sieht. So sagt es der BGH ausdrücklich bereits in einer Entscheidung aus dem Jahre 1987, die jedoch kein Preisanpassungsrecht, sondern ein Vertragsstrafenversprechen betraf.118 Er führt aus, das billige Ermessen reiche nicht aus, die Unangemessenheit eines ansonsten einschränkungslosen einseitigen Leistungsbestimmungsrechts zu beseitigen. Zwei Urteile aus dem Jahr 2012119 könnten jedoch dafür sprechen, dass der BGH mittlerweile wie das BAG eine Konkretisierung jedenfalls des Leistungsumfangs durch billiges Ermessen genügen lässt. In beiden Entscheidungen stellt der BGH fest, dass die Anwendbarkeit billigen Ermessens zur Konkretisierung des Umfangs ausreicht.120 Gegenstand beider Entscheidungen war eine Klausel, nach der der Vermieter ein Nutzungsentgelt alle drei Jahre daraufhin zu prüfen hatte, ob es noch angemessen und ortsüblich war. War dies nicht der Fall, durfte er den neuen Betrag nach billigem Ermessen gem. § 315 BGB festlegen. Der BGH war der Meinung, Anlass und Zeitpunkt der Änderung seien hinreichend deutlich erkennbar gewesen, Angemessenheit und Ortsüblichkeit der Miete seien für den Vertragspartner verständliche und nachprüfbare Voraussetzungen. Der Maßstab der Änderung werde durch die Bestimmung nach billigem Ermessen ausreichend festgelegt und der Umfang sei damit erkennbar. Zu beachten sei, dass nach der Rechtsprechung des BGH eine einseitige Preisbestimmung in der Regel dann der Billigkeit entspreche, wenn das Entgelt im Rahmen des Marktüblichen liege. Den beiden vorgenannten Entscheidungen ist also zu entnehmen, dass der BGH davon ausgeht, der Leistungsumfang sei durch die Bindung des Ermessens 116 S. dazu insbesondere unter Kapitel 4 B. IV. 7. b), B. VII. 7. f) und B. VIII. 2.; Kapitel 5 B. III. 2. e), B. III. 3. b) und B. III. 6. 117 S. zum Inhalt billigen Ermessens etwa BGH v. 11.06.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518; BGH v. 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, NJW 1984, 1182; BAG v. 24.10.2018 – 10 AZR 285/16, NZA 2019, 387 Rn. 50; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 175; Stoffels, NZA 2017, 1217, 1220; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358, 2361; Niklas, ArbRB 2018, 353, 354; vgl. auch ErfK/Preis, § 106 GewO Rn. 10 f.; Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn. 324 ff.; AR/Kolbe, § 106 GewO Rn. 54; Henssler, SAE 1988, 164; Graf v. Westphalen, NJW 1982, 2465. 118 BGH v. 26.03.1987 – VII ZR 70/86, BauR 1987, 324. 119 BGH v. 09.05.2012 – XII ZR 79/10, NJW 2012, 2187; BGH v. 27.06.2012 – XII ZR 93/10, MietPrax-AK § 307 BGB Nr. 5. 120 BGH v. 09.05.2012 – XII ZR 79/10, NJW 2012, 2187 Rn. 27; BGH v. 27.06.2012 – XII ZR 93/10, MietPrax-AK § 307 BGB Nr. 5 Rn. 22.

C. Rechtsprechung des BGH

77

an Billigkeit ausreichend konkretisiert. Die Billigkeit selbst war in den gegenständlichen Fällen seiner Meinung nach aber wiederum durch Marktüblichkeit konkretisiert. Ferner müssen Anlass, Zeitpunkt und Bezugsgrößen trotzdem anderweitig konkretisiert werden. Insofern stimmt der BGH auch in diesen Entscheidungen nicht mit der Meinung des BAG überein, dass ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht insgesamt nur durch billiges Ermessen konkretisiert sein muss. Insbesondere waren in den hier angesprochenen Fällen mit der Angemessenheit und Ortsüblichkeit Bezugsgrößen festgelegt, die am marktüblichen Mietzins gemessen werden müssen und darüber den Ermessensspielraum erheblich beschränken.121 Allein billiges Ermessen genügt dem BGH folglich auch in diesen Entscheidungen nicht zur Konkretisierung des Leistungsumfangs. Es gilt zu beachten, dass im Fall eines arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalts im Entgeltbereich keine vergleichbare Bindung an objektiv messbare Kriterien wie z. B. einen branchenüblichen Bonus besteht, weshalb die Argumentation des BGH aus diesen Fällen nicht ohne weiteres auf die Fallgestaltungen im Arbeitsrecht übertragbar ist. Der BGH unterstützt das hier gewonnene Ergebnis auch in anderem Zusammenhang und stellt ausdrücklich klar, dass Voraussetzungen und Umfang allein durch billiges Ermessen nicht ausreichend konkretisiert seien.122 3. Zusammenfassung Im Ergebnis ist festzuhalten, dass der BGH hohe Anforderungen an die Konkretisierung von Preisanpassungsklauseln stellt. Der Vertragspartner muss bei Vertragsschluss aus der Formulierung der Klausel erkennen können, in welchem Umfang Erhöhungen auf ihn zukommen, und durch die Formulierung in der Lage sein, die Berechtigung zu einer vorgenommenen Erhöhung an der Klausel selbst zu messen.123 Dafür sind Umfang, Voraussetzungen und Richtlinien der Ermessensausübung klar festzulegen. Die Klausel muss die maßgeblichen Faktoren eindeutig bestimmen, die einzelnen Elemente zur Berechnung des neuen Preises enthalten und auch ihre Gewichtung regeln, damit der Vertragspartner bei Vertragsschluss absehen kann, was auf ihn zukommt. Eine Bindung der Entscheidung an billiges Ermessen genügt nach Ansicht des BGH nicht.124 Unter Umständen kann dadurch zwar der Umfang der möglichen Erhöhung konkretisiert sein. Das kann aber nur der Fall sein, wenn das billige Ermessen selbst durch die Rechtsprechung oder in der Klausel konkretisiert ist und die Voraussetzungen für 121 Vgl. BGH v. 09.05.2012 – XII ZR 79/10, NJW 2012, 2187 Rn. 23; BGH v. 27.06.2012 – XII ZR 93/10, MietPrax-AK § 307 BGB Nr. 5 Rn. 18. 122 BGH v. 08.10.2013 – XI ZR 401/12, NJW 2013, 3716 Rn. 28. 123 Zu alledem unter Kapitel 2 C. I. 1. 124 Dazu unter Kapitel 2 C. I. 2.

78

Kap. 2: Problemanalyse

die Anpassung geregelt werden. Diese Sichtweise lässt sich zwei Einzelfall-Entscheidungen entnehmen und entspricht nicht ganz der übrigen Rechtsprechung des BGH. Es ist deshalb davon auszugehen, dass eine Konkretisierung des Umfangs durch billiges Ermessen auch nach Meinung des erkennenden Senats des BGH nur im Einzelfall ausreichend ist. Der BGH ist in seiner Rechtsprechung zu Preisanpassungsklauseln anders als der zehnte Senat des BAG der Meinung125, das Transparenzgebot schütze nicht nur vor der Gefahr, der Vertragspartner könnte davon abgehalten werden, seine Rechte geltend zu machen. Vielmehr solle das Transparenzgebot auch das Informationsgefälle ausgleichen. Der Vertragspartner müsse in die Lage versetzt werden, den Inhalt der Klauseln zu erkennen, um entscheiden zu können, ob er sich daran binden will. Für die Untersuchung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte stellt sich somit die Frage, ob nicht auch bei diesen Leistungsbestimmungsrechten eine Konkretisierung des Umfangs aus Transparenzgründen geboten ist.126 Dem vorangestellt ist zu erörtern, ob die Transparenz einer AGB-Klausel voraussetzt, dass der Vertragspartner erkennen kann, was auf ihn zukommt.127

II. BGH-Rechtsprechung zu anderen einseitigen Leistungsbestimmungsrechten: strengerer Maßstab als das BAG bei Bestimmungsvorbehalten Im Rahmen einer Vielzahl von Urteilen zur AGB-Kontrolle einseitiger Leistungsbestimmungsrechte hat der BGH klargestellt, dass er die Begrenzung der Ermessensausübung durch Billigkeit für die Konkretisierung formularvertraglicher Klauseln nicht ausreichen lässt.128 Damit steht er in deutlichem Widerspruch zu der oben dargestellten Rechtsprechung des BAG. Eindeutig ist diese Aussage des BGH mehreren Urteilen zu entnehmen.129 Nicht immer unterscheidet der BGH dabei jedoch klar, ob sich die Anforderungen aus dem Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB oder der Angemes125

S. dazu Kapitel 2 B. II. 2. S. dazu Kapitel 5 B. IV. 127 S. dazu Kapitel 5 A. II. 128 BGH v. 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, NJW 1984, 1182; BGH v. 26.11.1984 – VIII ZR 214/83, NJW 1985, 623; BGH v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11; BGH v. 18.01.2017 – VIII ZR 263/15, DB 2017, 655; zu schließen auch aus BGH v. 19.10.1999 – XI ZR 8/99, NJW 2000, 651; in anderem Zusammenhang genauso BGH v. 08.10.2013 – XI ZR 401/12, NJW 2013, 3716. 129 BGH v. 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, NJW 1984, 1182 Rn. 17; BGH v. 26.11.1984 – VIII ZR 214/83, NJW 1985, 623 Rn. 7; BGH v. 08.10.2013 – XI ZR 401/ 12, NJW 2013, 3716 Rn. 28; BGH v. 18.01.2017 – VIII ZR 263/15, DB 2017, 655 Rn. 32. 126

C. Rechtsprechung des BGH

79

senheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB ergeben. Diese Unterscheidung war vor allem in den vor der Schuldrechtsreform ergangenen Urteilen nicht unbedingt zu treffen, da das Transparenzgebot im vorher geltenden AGBG nicht ausdrücklich geregelt war. 1. Strenge Anforderungen des Transparenzgebots Im Rahmen der Transparenzkontrolle führt der BGH aus, das Transparenzgebot umfasse das Bestimmtheitsgebot und daraus folge, dass eine Klausel zur Einräumung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts die Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschreiben müsse, dass keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume für den Verwender entstehen.130 Dieses Erfordernis gelte jedoch nur im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren.131 Nach Meinung des BGH muss zur Wirksamkeit einseitiger Leistungsbestimmungs- und Änderungsrechte immer ein berechtigtes Interesse bestehen.132 Die Voraussetzungen und der Umfang müssen tatbestandlich hinreichend konkretisiert werden und die berechtigten Belange des Vertragspartners müssen ausreichend gewahrt sein.133 Der BGH stellt jedoch nicht klar, ob er dieses Erfordernis aus § 307 Abs. 1 S. 1 oder S. 2 BGB zieht. Eine Konkretisierung der Entscheidungsfaktoren lässt der BGH nur ausreichen, wenn die Faktoren objektiv bestimmbar sind und dem Vertragspartner des Verwenders somit im Voraus eine Möglichkeit geben, zu erkennen, was auf ihn zukommt. Nicht ausreichend sind Kriterien, die im Voraus nicht klar bestimmbar sind und der Beurteilung des Verwenders unterliegen. Das zeigen etwa die Beispiele der „betriebswirtschaftlichen Gegebenheiten“ und des „vergleichbaren Betriebes“, die der BGH beide für intransparent hielt.134 Allein die Aufnahme des billigen Ermessens und ein daraus folgendes Recht aus § 315 Abs. 3 BGB, die Ermessensausübung gerichtlich überprüfen zu lassen, genügen nach Ansicht des BGH ebenfalls nicht den Anforderungen an eine Konkretisierung im Rahmen des Transparenzgebots. An der Auffassung ändert auch eine Aussage des BGH nichts, das Transparenzgebot gebiete nicht, die bestehenden Rechte ausdrücklich und vollständig zu 130 BGH v. 03.03.2004 – VIII ZR 149/03, NJW 2004, 1738; BGH v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11 Rn. 9. 131 BGH v. 03.03.2004 – VIII ZR 149/03, NJW 2004, 1738; BGH v. 06.10.2004 – VIII ZR 215/03, NZM 2004, 903.; BGH v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11 Rn. 9; BGH v. 25.11.2015 – VIII ZR 360/14, NJW 2016, 936 Rn. 32. 132 Es wird auch von schwerwiegenden Gründen gesprochen. 133 BGH v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11 Rn. 39; im Rahmen von § 9 AGBG genauso BGH v. 19.10.1999 – XI ZR 8/99, NJW 2000, 651 Rn. 18; BGH v. 06.10.1999 – VIII ZR 125/98, BGHZ 142, 358; BGH v. 12.01.1994 – VIII ZR 165/92, BGHZ 124, 351. 134 BGH v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11 Rn. 45 ff.

80

Kap. 2: Problemanalyse

regeln oder darüber zu belehren.135 Der BGH führt weiter aus, Missverständnisse müsse der Verwender sich nur zurechnen lassen, wenn er die Gefahr dafür hervorgerufen oder verstärkt habe. Daraus ist nicht zu schließen, dass der BGH mittlerweile ein geringeres Maß an Konkretisierung fordert, denn die Aussagen beziehen sich auf bestehende Rechte und nicht auf solche, die in allgemeinen Geschäftsbedingungen erst eingeräumt werden sollen. Nur ohnehin bestehende Rechte des Vertragspartners muss der Verwender also nicht ausdrücklich regeln bzw. erwähnen. Er muss nach Ansicht des BGH deshalb nicht auf das Recht aus § 315 Abs. 3 BGB hinweisen, außer er hat die Gefahr für Missverständnisse über dieses Recht hervorgerufen bzw. verstärkt.136 Die hier gezogene Schlussfolgerung, dass nach Ansicht des BGH die Beschränkung auf billiges Ermessen nicht den Anforderungen des Transparenzgebots an die Konkretisierung genügt, wird durch eine weitere Entscheidung unterstützt.137 Dort bewertete der BGH eine Klausel als intransparent, die dem Verwender das Recht zur Änderung der allgemeinen Geschäftsbedingungen und weiterer Regelwerke einräumte, soweit dies für den Kunden zumutbar war. Das Erfordernis der Zumutbarkeit genüge nicht den Transparenzanforderungen. Der Vertragspartner müsse anhand der Klausel selbst vorhersehen können, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang er mit Änderungen zu rechnen habe. Dem Kriterium der Zumutbarkeit sei dies nicht zu entnehmen. Dasselbe dürfte für die Billigkeit gelten. Denn die Zumutbarkeit138 erfordert wie die Billigkeit139 eine Abwägung der Interessen des Vertragspartners. In der Billigkeit finden zwar die Interessen des Vertragspartners stärker Berücksichtigung, das ändert aber die Vorhersehbarkeit nicht signifikant und führt zu keiner erheblich weiter gehenden Konkretisierung. Der BGH führt im selben Urteil aus, Verbraucher setzten sich in der Regel nicht mit Vertragsänderungen auseinander, die so angestrebt werden, wie es in einer AGB-Klausel vorgesehen ist, sondern gingen schlicht davon aus, „das werde schon seine Ordnung haben“. Weitergedacht wäre anzunehmen, dass Verbraucher auch bei der Festlegung einer Leistung, wie sie in einem Bestimmungsvorbehalt vorgesehen ist, davon ausgehen, das werde schon seine Ordnung haben. Dann aber müssen Bestimmungsvorbehalte jeglicher Art so konkretisiert werden, dass der Verbraucher absehen kann, was auf ihn zukommt, und die Leistungsbestimmung an der Klausel selbst messen kann. Sonst wird er durch die Unklarheit 135

BGH v. 25.11.2015 – VIII ZR 360/14, NJW 2016, 936 Rn. 17. BGH v. 25.11.2015 – VIII ZR 360/14, NJW 2016, 936 Rn. 17. 137 BGH v. 11.10.2007 – III ZR 63/07, BB 2007, 2644. 138 Vgl. z. B. die Bedeutung der Zumutbarkeit im Rahmen des § 308 Nr. 4 BGB: NK-BGB/Kollmann, § 308 BGB, Rn. 109 f.; MüKo-BGB/Wurmnest, § 308 Nr. 4 BGB, Rn. 8 ff. 139 Vgl. MüKo-BGB/Würdinger, § 315 BGB, Rn. 31 m.w. N.; ErfK/Preis, § 611a BGB Rn. 384. 136

C. Rechtsprechung des BGH

81

der Klausel von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten. Er wird weder die Ermessensausübung nach § 315 Abs. 3 BGB gerichtlich überprüfen lassen noch die Klausel gerichtlich angreifen, auch wenn das Ermessen unbillig ausgeübt wurde. Schließlich geht er davon aus, das Vorgehen werde schon seine Ordnung haben. Es zeigt sich, dass der BGH auch insoweit von der Rechtsprechung des zehnten Senats des BAG140 abweicht. Das BAG sieht bei einem nur auf billiges Ermessen beschränkten Bestimmungsvorbehalt keinen Verstoß gegen das Transparenzgebot, der nach dem aufgeführten Gedankengang des BGH jedoch vorliegen müsste.141 Darüber hinaus thematisiert das BAG das Bestimmtheitsgebot im Gegensatz zum BGH kaum. Es stellt entscheidend darauf ab, ob der Vertragspartner von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird.142 Die Anforderungen des BGH an die Konkretisierung nach dem Transparenzgebot sind im Ergebnis beträchtlich und gehen weit über die Einschränkung durch billiges Ermessen hinaus. 2. Anforderungen im Rahmen der Angemessenheitskontrolle Sowohl in der neueren Rechtsprechung143 als auch in der Rechtsprechung zum AGBG144 hat der BGH mehrfach entschieden, die Einschränkung durch billiges Ermessen genüge nicht den Anforderungen an Eingrenzung und Konkretisierung, und dies im Rahmen der Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB bzw. § 9 AGBG geprüft. Für die Wirksamkeit formularvertraglicher einseitiger Leistungsbestimmungsrechte müssen schwerwiegende Änderungsgründe vorliegen und die Voraussetzungen und Folgen müssen erkennbar die Interessen der Gegenseite angemessen berücksichtigen.145 Diese Ausführungen des BGH bilden die Grundlage für die AGB-rechtliche Wirksamkeitsprüfung solcher Klauseln. Auch sie gelten jedoch nicht uneingeschränkt. 140

S. zu dieser Rechtsprechung Kapitel 2 B. II. 2. S. dazu Kapitel 5 B. III. 9. b). 142 S. z. B. BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 20; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970 Rn. 23. 143 Insbesondere BGH v. 08.10.2013 – XI ZR 401/12, NJW 2013, 3716; s. auch BGH v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11; BGH v. 18.01.2017 – VIII ZR 263/15, DB 2017, 655. 144 BGH v. 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, BGHZ 89, 206; BGH v. 26.11.1984 – VIII ZR 214/83, NJW 1985, 623; BGH v. 25.05.1988 – VIII ZR 360/86, NJW-RR 1988, 1077; BGH v. 12.01.1994 – VIII ZR 165/92, NJW 1994, 1060. 145 Für einseitige Leistungsbestimmungsrechte als Änderungsrechte: BGH v. 21.12. 1983 – VIII ZR 195/82, NJW 1984, 1182; Peugeot/Talbot-Vertrag NJW-RR 1988, 1077; BGH v. 12.01.1994 – VIII ZR 165/92, NJW 1994, 1060; BGH v. 23.06.2005 – VII ZR 200/04, NJW 2005, 3420; für einseitige Leistungsbestimmungsrechte zur erstmaligen Festlegung der Leistung: BGH v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11; BGH v. 18.01.2017 – VIII ZR 263/15, DB 2017, 655. 141

82

Kap. 2: Problemanalyse

a) Rechtsprechung zum AGBG: billiges Ermessen nach § 315 BGB genügt nicht zur Konkretisierung Bereits in einer Entscheidung vom 21.12.1983146 stellte der BGH ausdrücklich fest, die Beschränkung der Entscheidungsfreiheit auf billiges Ermessen gem. § 315 BGB genüge den Voraussetzungen der Eingrenzung und Konkretisierung nicht und vermöge die gegenständliche unangemessene Klausel nicht zu rechtfertigen.147 § 315 BGB setze nämlich die wirksame Vereinbarung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts voraus und diese richte sich allein nach den Angemessenheitsmaßstäben des AGB-Rechts. Auch inhaltlich genüge der weite Spielraum der Billigkeit nicht den an die Eingrenzung und Konkretisierung einer Formularbestimmung zu stellenden Anforderungen, da er im Zeitpunkt des Vertragsschlusses keine Beurteilung der möglichen Anwendungsfälle zulasse. Der BGH macht im Zuge dieser Ausführungen zudem durch Verweis auf sein Urteil vom 11.06.1980148, das eine Preisanpassungsklausel betraf, deutlich, an dieser Beurteilung festhalten zu wollen und andere Änderungsklauseln genau wie Preisanpassungsklauseln einzustufen.149 Der BGH bestätigt also den oben aus einem anderen Urteil150 gezogenen Schluss, die Existenz und Formulierung des § 315 BGB führten nicht dazu, dass billiges Ermessen als ausreichende Konkretisierung im Rahmen der AGB-Prüfung anzuerkennen sei.151 Das gilt sowohl für die Voraussetzungen als auch den Umfang des Bestimmungsrechts. Ausdrücklich sagt der BGH, billiges Ermessen ermögliche keine Beurteilung der Anwendungsfälle, weshalb es als Konkretisierung der Voraussetzungen des einseitigen Bestimmungsrechts nicht genügen soll. Weiter stellt er fest, „das Ausmaß [ist] in der Vertragsbestimmung nicht einmal begrenzt“ 152. b) Unveränderter Konkretisierungsmaßstab in der neueren Rechtsprechung Auch in der Rechtsprechung des BGH zur Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB findet sich der soeben dargestellte Maßstab zur Konkretisierung. Der BGH stellt auch hier fest, dass der Rechtsgedanke aus § 315 BGB nicht als inhaltliche Einschränkung des Anwendungsbereichs einer Klausel heranzuziehen sei und der weite Spielraum des billigen Ermessens nicht den Anforderungen an die Eingrenzung und Konkretisierung einer Formularbestimmung 146 147 148 149 150 151 152

VIII ZR 195/82, BGHZ 89, 206. BGH v. 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, BGHZ 89, 206 Rn. 17. VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518; s. dazu Kapitel 2 C. I. 1. BGH v. 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, BGHZ 89, 206 Rn. 17. BGH v. 26.05.1986 – VIII ZR 218/85, NJW 1986, 3134. S. unter Kapitel 2 C. I. 2. BGH v. 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, BGHZ 89, 206 Rn. 21.

C. Rechtsprechung des BGH

83

genüge.153 Insbesondere seien dadurch Voraussetzungen und Umfang nicht festgelegt. Die Bindung der Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts an billiges Ermessen sei jedoch unabdingbare Grundvoraussetzung für die Wirksamkeit der Klausel, so der BGH.154 Nicht ausreichend soll beispielsweise eine Begrenzung auf Geeignetheit sein, da Geeignetheit nicht wie Billigkeit die Interessenlage beider Vertragsparteien zwingend berücksichtigt.155 Ob die Klausel billiges Ermessen ausdrücklich nennen muss oder ob es ausreicht, dass dies nach Auslegung gilt, stellt der BGH nicht klar. Er geht im angesprochenen Urteil jedoch nicht, wie das BAG regelmäßig156, davon aus, dass billiges Ermessen bei einseitigen Leistungsbestimmungsrechten in der Regel gilt, ohne dass es geregelt wird.157 Seine Ausführungen zeigen eher, dass wohl konkrete Anhaltspunkte für die Anwendbarkeit billigen Ermessens vorliegen müssen. Andernfalls hätte es auch im zu entscheidenden Fall gelten müssen. Für unangemessen aufgrund fehlender Konkretisierung hielt der BGH außerdem eine Klausel zum Leistungsort für die Rückgabe eines Leasinggegenstandes.158 Die Klausel regelte, dass nach Beendigung des Vertrages der Leasingnehmer das Objekt auf eigene Kosten und Gefahr an eine vom Verwender zu bestimmende Anschrift, andernfalls an den Sitz des Verwenders zu liefern oder auf Weisung des Verwenders kostenpflichtig zu entsorgen hatte. Es fehlten bereits die zur Rechtfertigung des Leistungsbestimmungsrechts erforderlichen gewichtigen Gründe, so der BGH. Die Verwertung des Leasinggegenstandes gehöre zum Risiko des Leasinggebers, das er durch die Klausel ohne inhaltliche Begrenzung auf den Vertragspartner verlagern könne. Die Klausel genüge neben der fehlenden Begrenzung auf die Ausübung nach billigem Ermessen auch nicht den weiteren Konkretisierungsanforderungen. Sie enthalte keine Maßstäbe, die es dem Vertragspartner ermöglicht hätten, bei Vertragsschluss Umfang und Grenzen der auf ihn zukommenden Kosten und Risiken einigermaßen realistisch einschätzen und kalkulieren zu können.159 Zuletzt stellt der BGH klar, es stehe der Unangemessenheit nicht entgegen, dass solche Klauseln möglicherweise üblich seien. Die letztgenannte Entscheidung zeigt, dass der BGH auch bei einseitigen Leistungsbestimmungsrechten zur erstmaligen Festlegung einer Leistung davon ausgeht, dass der Vertragspartner aufgrund der Formulierung der Klausel in der 153

BGH v. 08.10.2013 – XI ZR 401/12, NJW 2013, 3716 Rn. 28. BGH v. 18.01.2017 – VIII ZR 263/15, DB 2017, 655. 155 BGH v. 20.01.1993 – VIII ZR 10/92, NJW 1993, 1061. 156 S. dazu unter Kapitel 2 B. II. 2. 157 Zu diesem Auslegungsergebnis im Einzelfall kommt aber BGH v. 19.06.1974 – VIII ZR 49/73, NJW 1974, 1464. 158 BGH v. 18.01.2017 – VIII ZR 263/15, DB 2017, 655. 159 BGH v. 18.01.2017 – VIII ZR 263/15, DB 2017, 655 Rn. 32. 154

84

Kap. 2: Problemanalyse

Lage sein muss, erkennen und kalkulieren zu können, was auf ihn zukommt. Dafür ist nach Ansicht des BGH eine Konkretisierung der Voraussetzungen und des Umfangs durch nachvollziehbare Kriterien nötig, die über das billige Ermessen hinausgehen. c) Billiges Ermessen als ausreichende Konkretisierung des Entscheidungsmaßstabs Auf den ersten Blick lässt ein Urteil aus dem Jahr 1984160 vermuten, der BGH lasse unter Umständen doch eine Konkretisierung auf billiges Ermessen genügen. Dort stellt der BGH zunächst im Rahmen der Angemessenheitsprüfung nach § 9 AGBG fest, dass eine Konkretisierung der Voraussetzungen und des Umfangs in einer Klausel zur Einräumung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts grundsätzlich nötig ist und die Bindung der Ausübung an billiges Ermessen eine sonst einschränkungslose Klausel nicht angemessen mache. Daraus folge jedoch nicht, dass eine Klausel als Maßstab für die Ermessensausübung nicht den Inhalt des § 315 Abs. 1 BGB wiederholen dürfe. Eine Klausel, die den § 315 BGB lediglich deklaratorisch wiederhole, unterliege gar nicht erst der Inhaltskontrolle. Es sei zu unterscheiden, ob die Klausel das Bestimmungsrecht einräume, dann sei eine Konkretisierung über das billige Ermessen hinaus zu fordern, oder ob sie lediglich den Maßstab für die Ausübung eines bereits eingeräumten Bestimmungsrechts enthalte. Dann sei eine bloße Beschränkung auf billiges Ermessen angemessen. Diese Ausführungen beziehen sich allerdings lediglich auf Regelungen des Ermessensmaßstabs, wenn das Bestimmungsrecht in einer anderen Klausel wirksam eingeräumt wurde. Nur in diesen Fällen genügt die bloße Bindung an billiges Ermessen. d) Im Einzelfall geringere Konkretisierung bei Bestimmungsrechten zur erstmaligen Festlegung einer Leistung An anderer Stelle im vorgenannten Urteil weicht der BGH jedoch aus Gründen des Einzelfalls von den bisher aufgezeigten Bewertungen der Konkretisierung ab.161 Gegenstand seiner Ausführungen war eine Klausel, die es dem Verwender erlaubte „nach eigenem unternehmerischen Ermessen über die Einsetzung weiterer [Vertragshändler]“ zu entscheiden, wobei dem Vertragspartner von vornherein kein Alleinvertriebsrecht eingeräumt worden war. Der BGH hielt die Klausel für angemessen. Da kein Alleinvertriebsrecht vereinbart oder festes Verkaufsgebiet garantiert war, gewähre die Klausel kein Änderungsrecht, so dass der Rechtsgrundsatz der Bindung beider Parteien an eine getroffene Vereinbarung keine Anwendung finde. Es fehle deshalb an der Abweichung von einem Rechtssatz mit hohem Gerechtigkeitsgehalt, wie es bei Änderungsklauseln der Fall sei. Des160 161

BGH v. 26.11.1984 – VIII ZR 214/83, NJW 1985, 623. BGH v. 26.11.1984 – VIII ZR 214/83, NJW 1985, 623 Rn. 54 ff.

C. Rechtsprechung des BGH

85

halb seien die Erwägungen aus dem oben dargestellten Urteil vom 21.12.1983162 nicht übertragbar. Im vorliegenden Fall verdienten die Interessen des Verwenders den Vorrang, da die Entscheidung, auch andere Vertragspartner einzusetzen, und die Beurteilung der relevanten Faktoren dem unternehmerischen Ermessen des Verwenders oblägen. Die möglichen Faktoren seien außerdem vielzählig und ihre Ermittlung und Erfassung schwierig. Die gewünschte Nachprüfbarkeit der Faktoren ließe sich deshalb nicht erreichen. Weiterhin sei an mehreren Stellen im Vertrag verdeutlicht worden, dass die Entscheidung über das Vertriebssystem dem Verwender zustehe, so dass der Vertragspartner dies von vornherein in seine Entscheidung einbeziehen konnte. Daraus lässt sich schließen, dass auch der BGH im Einzelfall eine offenere Ausgestaltung von Klauseln zulässt, wenn sie nicht die nachträgliche Änderung festgesetzter Leistungen ermöglichen, sondern deren erstmalige Festlegung. Es ist jedoch zu beachten, dass die Klauseln vorliegend einem Unternehmer gegenüber gestellt wurden, so dass gegebenenfalls ein weniger strenger Maßstab als bei Verbrauchern anzulegen ist.163 Zudem ist zu bedenken, dass der Vertragspartner hier durch die Festlegung nur mittelbar betroffen wird. Ihm stand kein Alleinvertriebsrecht zu, das ihm hätte entzogen werden können. Es bestand nur eine Gewinnchance, die möglicherweise durch einen weiteren Händler im selben Gebiet geschmälert werden konnte. Der tatsächliche Gewinn des Vertragspartners hing aber weiterhin allein von seiner Verkaufsleistung ab. Diese Ausführungen dürften wegen der Besonderheiten des Einzelfalls kaum auf andere Fälle übertragbar sein. Insbesondere sind die Gegebenheiten deutlich anders gelagert als etwa bei einem arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalt bezüglich einer Bonuszahlung. Zunächst ist der betroffene Arbeitnehmer schutzwürdiger als ein Unternehmer. Durch eine Festlegung der Bonuszahlung wird außerdem ein bestehender Anspruch der Höhe nach festgelegt, der den Arbeitnehmer direkt betrifft. Vorliegend wird nur eine Gewinnmöglichkeit mittelbar geschmälert durch eine unternehmerische Entscheidung des Verwenders über seine eigene Verkaufsstrategie. Die konkreten Auswirkungen der Entscheidung werden darüber hinaus von der eigenen Leistung des Vertragspartners, der Leistung des anderen Vertragshändlers und vielen weiteren Faktoren beeinflusst, die bei der Gewinnerzielung im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit ohnehin eine Rolle spielen. Der Vertragspartner kann nach wie vor im selben Gebiet zu denselben Konditionen tätig werden, bekommt nur weitere Konkurrenz. Die Entscheidung des Arbeitgebers über die Höhe des Bonus im Arbeitsverhältnis hingegen wirkt sich in dieser Höhe auch direkt als „Gewinn“ beim Arbeitnehmer aus, wo162

VIII ZR 195/82, BGHZ 89, 206. So z. B. BGH v. 27.09.1984 – X ZR 12/84, NJW 1985, 426; MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 64 m.w. N. 163

86

Kap. 2: Problemanalyse

bei ohne Konkretisierung nicht erkennbar ist, ob seine Leistung die Höhe beeinflusst und welche anderen Faktoren dies tun. Der Arbeitgeber hat ohne Konkretisierung also die alleinige Entscheidung über einen von keinen anderen Faktoren beeinflussten „Gewinn“ des Arbeitnehmers. Die vorliegende Bewertung des BGH ist folglich nicht auf die Angemessenheitskontrolle arbeitsvertraglich vereinbarter einseitiger Leistungsbestimmungsrechte im Entgeltbereich zu übertragen. Es bleibt jedoch festzuhalten, dass der BGH im Einzelfall von der oben dargestellten Linie abweicht und ein wesentlich geringeres Maß an Konkretisierung ausreichen lässt, wenn die Klausel kein Änderungsrecht enthält und die Konkretisierung auf erhebliche Schwierigkeiten stößt. e) Freie Gestaltung bei freiwilligen Leistungen Ebenso scheint der BGH in einem Urteil vom 12.01.1994164 von den bisher aufgezeigten Tendenzen abzuweichen. Räume der Verwender freiwillig durch Formularbestimmung einen Anspruch ein, müsse er diesen auch frei ausgestalten können, so der BGH.165 Daraus könnte zu folgern sein, dass bei Klauseln, die eine freiwillige Leistung betreffen, keinerlei Konkretisierung, nicht einmal durch Beschränkung auf billiges Ermessen nötig sein soll. Allerdings war der streitgegenständliche Anspruch auf Bonuszahlung des Vertragspartners, eines Vertragshändlers, weiter konkretisiert. Voraussetzung für die Gewährung war, dass bestimmte Vorführwagen vom Vertragspartner unterhalten werden. Der BGH argumentiert, der Verwender hätte das Versprechen der Leistung auch ganz unterlassen können und könne es deshalb auch nach Inhalt und Umfang von vornherein ausgestalten. Der BGH äußert sich weder dazu, dass die Leistungsfestlegung nicht an billiges Ermessen gebunden war, was er später als Grundvoraussetzung für die Wirksamkeit eines formularvertraglichen Leistungsbestimmungsrechts bezeichnet hat166, noch prüft er, ob im Rahmen des Transparenzgebots eine Konkretisierung erforderlich gewesen wäre. Er thematisiert auch nicht, dass es sich um ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht i. S. d. § 315 BGB handelt und welche Voraussetzungen bei solchen Klauseln an die Konkretisierung zu stellen sind. Beschäftigt hat er sich vorliegend nur mit der Frage, ob eine unangemessene Benachteiligung dadurch vorliegt, dass der Anspruch durch bestimmte Voraussetzungen eingeschränkt wurde, und nicht damit, ob eine Benachteiligung dadurch vorliegt, dass der Vertragspartner wegen Unbestimmtheit bei Vertragsschluss nicht erkennen konnte, was auf ihn zukommt. 164 165 166

2. b).

VIII ZR 165/92, BGHZ 124, 351. BGH v. 12.01.1994 – VIII ZR 165/92, NJW 1994, 1060 Rn. 68. BGH v. 18.01.2017 – VIII ZR 263/15, DB 2017, 655; s. dazu Kapitel 2 B. II.

C. Rechtsprechung des BGH

87

Es bleibt somit unklar, wie die hier getroffenen Aussagen des BGH im Verhältnis zu seiner übrigen Rechtsprechung stehen. Möglicherweise fordert der BGH bei freiwilligen Leistungen, die nicht die Hauptleistungspflicht betreffen, kein bestimmtes Maß an Konkretisierung. Das kann allerdings nicht auf die Anforderungen im Rahmen der Transparenz übertragen werden, da das Transparenzgebot erst nach dieser Entscheidung des BGH ausdrücklich im Gesetz aufgenommen wurde und der BGH die Transparenz auch gar nicht prüft. Aber auch im Rahmen der Angemessenheitskontrolle wäre der Schluss, eine Konkretisierung sei nicht zu fordern, nicht ohne Widerspruch. Insbesondere besteht der AGBrechtliche Schutz gerade nicht nur in Bezug auf die Hauptleistung und ist auch nicht auf Leistungen beschränkt, zu deren Gewährung eine Rechtspflicht besteht. Anzuerkennen ist, dass der Schutz vor Einschränkung einer Leistung, zu deren Gewährung eine Rechtspflicht besteht und die die Hauptleistungspflicht betrifft, stärker auszufallen hat. Doch auch bei freiwilligen Leistungen besteht ein anerkennenswertes Interesse des Vertragspartners an einer Konkretisierung. Es ist deshalb nicht davon auszugehen, dass der BGH sich in dieser Entscheidung gegen die vorherige Rechtsprechung stellen wollte und die aufgestellten Kriterien als nicht mehr anwendbar sieht. Er geht außerdem weder in einer der späteren Entscheidungen darauf ein, von dieser Entscheidung abweichen oder ihr zustimmen zu wollen, noch macht er in dieser Entscheidung eine Abweichung vom generellen Maßstab seiner Rechtsprechung deutlich. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, bei der es um die Einschränkung eines Anspruchs und nicht um die Wirksamkeit eines Leistungsbestimmungsrechts ging. Im Ergebnis kann folglich auch bei freiwilligen Leistungen allenfalls im Einzelfall in der Angemessenheitskontrolle eine geringere Konkretisierung zu fordern sein. Diese Bewertung zeigt aber, dass auch der BGH nicht in jedem Fall starr an seiner Rechtsprechung festhält und im Einzelfall eine abweichende Beurteilung denkbar wäre. Das wirft die Frage auf, ob arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte im Entgeltbereich einen solchen Einzelfall betreffen und nicht konkretisierungsbedürftig sind, ob dies nur bei freiwilligen zusätzlichen Leistungen der Fall sein sollte oder ob in jedem Fall eine Konkretisierung zu fordern ist.167 3. Verstoß gegen § 308 Nr. 4 BGB bzw. § 10 Nr. 4 AGBG Die Ausführungen zu § 308 Nr. 4 BGB bzw. § 10 Nr. 4 AGBG sollen hier nicht vertieft dargestellt werden, da sowohl BGH als auch BAG davon ausgehen, dass einseitige Leistungsbestimmungsrechte nicht unter diese Tatbestände fallen, sofern sie das Recht der erstmaligen Festlegung und nicht der nachträglichen Än-

167

Ausführlich in Kapitel 4 und Kapitel 5.

88

Kap. 2: Problemanalyse

derung einer Leistung einräumen.168 Allerdings ist der BGH der Meinung, einseitige Leistungsbestimmungsrechte und Änderungsrechte unterlägen denselben AGB-rechtlichen Maßstäben.169 Außerdem sei in dem Erfordernis der Zumutbarkeit nach § 308 Nr. 4 BGB und § 10 Nr. 4 AGBG das Transparenzgebot und auch das Verbot der unangemessenen Benachteiligung enthalten170, weshalb die Bewertung den oben dargestellten Ausführungen zu Transparenz- und Angemessenheitskontrolle entspricht. Es können also jedenfalls die relevanten Aussagen auch auf Klauseln wie arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte übertragen werden, die ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gerichtet auf die erstmalige Festlegung einer Leistung einräumen. Auch im Rahmen der Zumutbarkeit i. S. d. § 308 Nr. 4 BGB bzw. § 310 Nr. 4 AGBG ist der BGH – inhaltlich mit den Ausführungen zum Transparenzgebot und der Angemessenheitskontrolle übereinstimmend – der Meinung, es müsse ein triftiger Grund vorliegen, der aus der Klausel ersichtlich ist, und Voraussetzungen und Folgen müssten erkennbar die Interessen des Vertragspartners berücksichtigen.171 Für unzumutbar hat der BGH beispielsweise eine Klausel erklärt, die es dem Verwender ermöglichte, bei Pauschalreisen die Flugzeiten frei festzulegen. Der BGH war der Meinung, die Klausel hätte, um zumutbar zu sein, jedenfalls einen Zeitrahmen enthalten müssen, in dem die Flugzeiten liegen.172 Wie bei der Transparenzkontrolle173 hält der BGH auch bei der Prüfung der Zumutbarkeit i. S. d. § 308 Nr. 4 BGB eine Klausel für unzumutbar, die es dem Verwender erlaubt, seine Leistungen anzupassen, „soweit dies dem Kunden zumutbar ist“ 174. Der BGH und die übrige zivilgerichtliche Rechtsprechung wenden also in der Prüfung des § 308 Nr. 4 BGB dieselben Maßstäbe an wie in der Transparenzund der Angemessenheitskontrolle. 4. Zusammenfassung Der BGH fordert nicht nur bei Preisanpassungsklausen175, sondern auch bei Leistungsbestimmungsrechten zur erstmaligen Festlegung einer Leistung sowie 168 BGH v. 26.11.1984 – VIII ZR 214/83, NJW 1985, 623; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970. 169 BGH v. 18.01.2017 – VIII ZR 263/15, DB 2017, 655. 170 So z. B. BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87; vgl. auch BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 1943; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777. 171 BGH v. 23.06.2005 – VII ZR 200/04, NJW 2005, 3420; BGH v. 11.10.2007 – III ZR 63/07, BB 2007, 2644. 172 BGH v. 10.12.2013 – X ZR 24/13, NJW 2014, 1168. 173 S. unter Kapitel 2 C. II. 1. 174 BGH v. 11.10.2007 – III ZR 63/07, BB 2007, 2644. 175 S. dazu Kapitel 2 C. I.

C. Rechtsprechung des BGH

89

bei allen anderen Leistungsbestimmungsrechten eine weitergehende Konkretisierung als das BAG bei Bestimmungsvorbehalten176. Es lassen sich zwar vereinzelt Entscheidungen des BGH finden, in denen der BGH eine geringere Konkretisierung ausreichen lässt.177 Dabei handelt es sich aber um Einzelfallentscheidungen, deren Relevanz im vorliegenden Zusammenhang gering ist. In der Rechtsprechung wird nicht immer klar, ob die jeweiligen Anforderungen Ergebnis einer Transparenz- oder einer Angemessenheitskontrolle sind. Bereits deshalb soll in der späteren Untersuchung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte herausgearbeitet werden, welchen Inhalt die beiden Kontrollinstanzen haben, wie sie sich unterscheiden und welchem Instrument die jeweils aufgestellten Wirksamkeitsvoraussetzungen zuzuordnen sind.178 Sowohl in der Transparenzkontrolle als auch in der Angemessenheitskontrolle sieht der BGH das Vorliegen eines berechtigten Interesses bzw. schwerwiegender (Änderungs-)Gründe als Voraussetzung der Wirksamkeit. Beide Kontrollinstanzen gebieten nach Ansicht des BGH auch eine Konkretisierung des Bestimmungsrechts. Nach dem Transparenzgebot müssen die Voraussetzungen und Rechtsfolgen – im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren – konkretisiert werden.179 Angemessen soll ein Leistungsbestimmungsrecht nur sein, wenn die Voraussetzungen und Folgen der Klausel die Interessen der Gegenseitige erkennbar berücksichtigen. Weiter bestätigt der BGH die bei Preisanpassungsklauseln geäußerte Meinung, dass weder billiges Ermessen noch die gerichtliche Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB den Konkretisierungsanforderungen genügen.180 Denn inhaltlich sei darin ein zu weiter Spielraum enthalten. Systematisch setze § 315 BGB die wirksame Einräumung eines Leistungsbestimmungsrechts voraus, sodass die Norm die Angemessenheit nicht beeinflussen könne. Von diesem Vorgehen weicht die Rechtsprechung des BAG zu Bestimmungsvorbehalten deutlich ab. Es gilt deshalb zu überprüfen, ob Bestimmungsvorbehalte aus Gründen der Angemessenheit181 oder der Transparenz182 einer Konkretisierung bedürfen. Die unterschiedliche Einschätzung der beiden Gerichte bezüglich der Rolle von § 315 BGB in der AGB-Kontrolle einseitiger Leistungsbestimmungsrechte deutet darauf hin, dass ein besonderes Augenmerk auf den Einfluss dieser Norm gelegt werden muss.183

176

S. zur Rechtsprechung des BAG Kapitel 2 B. II. 2. S. dazu Kapitel 2 C. II. 2. d) und C. II. 2. e). 178 S. dazu vor allem Kapitel 3. 179 S. Kapitel 2 C. II. 1. 180 S. dazu Kapitel 2 C. II. 1. und C. II. 2. a). 181 Dazu ausführlich unter Kapitel 4. 182 Dazu ausführlich unter Kapitel 5. 183 S. dazu insbesondere unter Kapitel 4 B. IV. 7. b), B. VII. 7. f) und B. VIII. 2.; Kapitel 5 B. III. 2. e), B. III. 3. b) und B. III. 6. 177

90

Kap. 2: Problemanalyse

Im Rahmen der Transparenz stellt der BGH außerdem abermals darauf ab, der Vertragspartner müsse erkennen können, was auf ihn zukommt.184 So stellt sich immer deutlicher die Frage, weshalb dieser Maßstab nicht auch an arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte angelegt werden sollte.185 Darüber hinaus sieht der BGH die Anwendbarkeit billigen Ermessens als Grundvoraussetzung der Wirksamkeit eines Leistungsbestimmungsrechts, scheint die Geltung dieses Maßstabs anders als das BAG aber nicht ohne Anhaltspunkte anzunehmen. Dem folgend könnte womöglich auch bei Bestimmungsvorbehalten des Arbeitgebers entgegen der Meinung des BAG eine ausdrückliche Beschränkung auf billiges Ermessen erforderlich sein.186

III. Intransparenz mangels Verweises auf § 315 Abs. 3 BGB Der BGH ist neben den bereits dargestellten Anforderungen auch der Meinung, aus der Klausel müsse das Recht aus § 315 Abs. 3 BGB, die Ermessensausübung gerichtlich auf Billigkeit überprüfen zu lassen, ersichtlich werden.187 Das ist nach Ansicht des BGH jedenfalls nicht der Fall, wenn die Klausel keinen Ermessensspielraum einräumt – auch wenn sich dies nur als Ergebnis der kundenfeindlichsten Auslegung ergibt – und sie nicht auf § 315 BGB verweist.188 Ein ausdrücklicher Hinweis auf § 315 Abs. 3 BGB soll aber nicht erforderlich sein.189 Es sei ausreichend, dass das Recht erkennbar und nicht verschleiert sei. Diesen Anforderungen genügte eine Klausel, die billiges Ermessen als Entscheidungsmaßstab festlegte und einen Hinweis enthielt, § 315 BGB bleibe unberührt. Im Einklang damit hat das OLG Sachsen-Anhalt entschieden, ein gesonderter Hinweis auf § 315 Abs. 3 BGB sei nicht nötig, wenn bereits zur Festlegung des Ermessensspielraums Bezug auf § 315 BGB genommen wurde.190 Daraus ist im Ergebnis also zu schließen, dass der BGH und die übrige zivilgerichtliche Rechtsprechung davon ausgehen, ein ausdrücklicher Hinweis auf § 315 Abs. 3 BGB sei keine Voraussetzungen für die Transparenz der Klausel. Jedoch muss sich diese Möglichkeit der gerichtlichen Kontrolle hinreichend deutlich aus der Klausel schließen lassen, wofür zwingend notwendig ist, dass ein Ermessensspielraum eingeräumt wurde, der auf Billigkeit begrenzt ist. 184

S. Kapitel 2 C. II. 1. S. dazu Kapitel 5 A. II., B. III. 2. c), B. III. 9. a), B. IV. 1. b) und B. IV. 4. 186 S. dazu Kapitel 4 B. V.; Kapitel 5 A. I. 2. b) und B. V. 187 BGH v. 14.07.2010 – VIII ZR 246/08, BGHZ 186, 180. 188 BGH v. 14.07.2010 – VIII ZR 246/08, BGHZ 186, 180; BGH v. 31.07.2013 – VIII ZR 162/09, NJW 2013, 3647. 189 BGH v. 25.11.2015 – VIII ZR 360/14, NJW 2016, 936. 190 OLG Sachsen-Anhalt v. 30.04.2015 – 2 U 16/15 (Hs), RdE 2015, 321; so auch OLG Karlsruhe v. 11.04.2014 – 4 U 14/14, EnWZ 2014, 323. 185

C. Rechtsprechung des BGH

91

IV. Unangemessenheit von Leistungsbestimmungsrechten wegen Einräumung zusätzlicher Gewinnmöglichkeiten Im Rahmen der Angemessenheitsprüfung ist den Entscheidungen des BGH außerdem zu entnehmen, dass eine Klausel als unangemessen anzusehen ist, wenn sie dem Verwender die Möglichkeit bietet, zusätzliche Gewinne zu erzielen.191 Der BGH ist der Meinung, dass einseitige Leistungsbestimmungsrechte ein anerkanntes Instrument sind, um das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung zu bewahren und dem Verwender so seine Gewinnspanne zu sichern.192 Über dieses Ziel gehe eine Klausel jedoch hinaus, die dem Verwender die Möglichkeit gibt, seinen Gewinn zu steigern. 1. Zusätzliche Gewinnmöglichkeit durch fehlende Konkretisierung Eine solche Möglichkeit zur Gewinnsteigerung liegt nach Ansicht des BGH z. B. bei einer Preisanpassungsklausel vor, die auf betriebsinterne Berechnungsgrößen abstellt, welche der Verwender selbst beispielsweise durch Änderung von Löhnen usw. beeinflussen, der Vertragspartner aber nicht nachprüfen kann, und die keine Gewichtung der Faktoren enthält.193 Bei kundenfeindlichster Auslegung ermögliche eine solche Klausel dem Verwender, die Preise zu erhöhen, obwohl eine Erhöhung der Berechnungsgrößen durch eine Senkung anderer Kosten ausgeglichen worden sei. Es entstehe eine nicht überprüfbare Möglichkeit, durch die Preisanpassung weitere Gewinne zu erzielen. Eine Preisanpassungsklausel muss nach Meinung des BGH die Anpassungsbefugnis von Kostensteigerungen abhängig machen, die Kostenelemente offenlegen und ihre Gewichtung regeln.194 Außerdem müsse eine Preisanpassungsklausel, die auf Kostenerhöhungen als Grund der Änderungsbefugnis abstellt, im Umfang eindeutig an diese gebunden sein.195 Auch ein hochkomplexer Markt ändere nichts an dem Erfordernis der Konkretisierung, da der Verwender durch die Klausel eine ohne sie zur Preisänderung nötige Änderungskündigung vermeide und dadurch das in seine Sphäre fallende Risiko auf den Vertragspartner verlagere. 191 BGH v. 06.12.1984 – VII ZR 227/83, NJW 1985, 855; BGH v. 20.05.1985 – VII ZR 198/84, BGHZ 94, 335; BGH v. 06.03.1986 – III ZR 195/84, NJW 1986, 1803; BGH v. 13.12.2006 – VIII ZR 25/06, NJW 2007, 1054; BGH v. 21.04.2009 – XI ZR 55/08, zitiert nach juris; BGH v. 24.03.2010 – VIII ZR 178/08, BGHZ 185, 96; BGH v. 25.11.2015 – VIII ZR 360/14, NJW 2016, 936. 192 S. im Rahmen von Preisanpassungsklauseln bspw. BGH v. 21.09.2005 – VIII ZR 38/05, DB 2005, 281; BGH v. 25.11.2015 – VIII ZR 360/14, NJW 2016, 936. 193 BGH v. 21.09.2005 – VIII ZR 38/05, DB 2005, 281. 194 BGH v. 11.10.2007 – III ZR 63/07, BB 2007, 2644. 195 BGH v. 06.12.1984 – VII ZR 227/83, NJW 1985, 855; BGH v. 13.12.2006 – VIII ZR 25/06, NJW 2007, 1054; ähnlich BGH v. 21.04.2009 – XI ZR 55/08, zitiert nach juris.

92

Kap. 2: Problemanalyse

Es genügt dem BGH insoweit nicht, dass eine Preisanpassung eindeutig nur vorgenommen werden darf, wenn sich bestimmte Kosten erhöhen, solange irgendeine Möglichkeit der Erhöhung für den Fall verbleibt, dass die Kostensteigerungen den Verwender nicht treffen oder anderweitig ausgeglichen werden.196 Dadurch könne er im Ergebnis einen zusätzlichen Gewinn erzielen und das Äquivalenzverhältnis zu seinen Gunsten verschieben.197 Die Möglichkeit, einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen, besteht nach Ansicht des BGH folglich bei Preisanpassungsklauseln dann, wenn die Klausel nicht im Umfang eindeutig an bestimmte Kostensteigerungen gebunden ist, auch wenn diese als Grund der Befugnis angegeben werden.198 Genauso liegt es, wenn eine Gewichtung der Faktoren fehlt, auf betriebsinterne Berechnungsgrößen abgestellt wird oder der Vertragspartner aus anderem Grund die Erhöhung nicht nachprüfen kann. Konsequent liegt dann auch eine zusätzliche Gewinnmöglichkeit vor, wenn der Verwender die Preise frei bestimmen kann (z. B. „gültiger Listenpreis“). 2. Pflicht zur Weitergabe von Kostensenkungen ist Voraussetzung der Angemessenheit von Anpassungsklauseln Eine unangemessene Benachteiligung wegen der Möglichkeit, zusätzliche Gewinne zu erzielen, liegt nach dem BGH ferner dann vor, wenn die Klausel zur Weitergabe von Kostensteigerungen ermächtigt, im Gegenzug aber nicht zur Weitergabe von Kostensenkungen verpflichtet.199 Die Frage, wann eine solche Verpflichtung zur Weitergabe von Kostensenkungen vorliegt, wird in der Rechtsprechung des BGH nicht ganz einheitlich beantwortet. Fraglich ist, ob die Entscheidung nach billigem Ermessen diese Pflicht beinhaltet. Der BGH verneint dies in einer Entscheidung aus dem Jahr 2009 ausdrücklich und führt aus, eine Preisanpassungsklausel müsse deutlich auch als Pflicht zur Weitergabe von Kostenminderungen ausgestaltet sein.200 Der BGH ist sogar der Meinung, die Pflicht zur Anpassung bei Kostensenkungen sei gerade dadurch 196 Vgl. z. B. BGH v. 13.12.2006 – VIII ZR 25/06, NJW 2007, 1054; BGH v. 24.03.2010 – VIII ZR 178/08, BGHZ 185, 96. 197 BGH v. 06.12.1984 – VII ZR 227/83, NJW 1985, 855; BGH v. 13.12.2006 – VIII ZR 25/06, NJW 2007, 1054; ähnlich BGH v. 21.04.2009 – XI ZR 55/08, zitiert nach juris. 198 Nach BGH v. 11.10.2007 – III ZR 63/07, BB 2007, 2644 schließt auch die Beschränkung auf eine „zumutbare“ Anpassung die Möglichkeit zur Gewinnsteigerung nicht aus. 199 BGH v. 06.03.1986 – III ZR 195/84, NJW 1986, 1803; BGH v. 29.04.2008 – KZR 2/07, NJW 2008, 2172; BGH v. 21.04.2009 – XI ZR 55/08, zitiert nach juris; BGH v. 15.07.2009 – VIII ZR 56/08, BGHZ 182, 41; BGH v. 28.10.2009 – VIII ZR 320/07, NJW 2010, 993; BGH v. 09.05.2012 – XII ZR 79/10, NJW 2012, 2187; BGH v. 25.11.2015 – VIII ZR 360/14, NJW 2016, 936. 200 BGH v. 21.04.2009 – XI ZR 55/08 Rn. 28, zitiert nach juris.

C. Rechtsprechung des BGH

93

noch weniger aus der Klausel erkennbar, dass die Anpassung nach billigem Ermessen erfolgen solle. In einem anderen Urteil stellt er fest, dass insbesondere bei Preisanpassungsklauseln, die sich nach billigem Ermessen richten, von einer unangemessenen Benachteiligung auszugehen ist, wenn die Klausel zwar das Recht vorsieht, Bezugskostensteigerungen weiterzugeben, aber nicht die Verpflichtung, Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen.201 Außerdem hat der BGH in einem weiteren Fall eine Klausel für unwirksam erklärt, weil sie den Verwender nach kundenfeindlichster Auslegung zur Erhöhung ermächtigte, nicht aber zur Weitergabe von Kostensenkungen verpflichtete, obwohl für die Preisänderung der Maßstab des billigen Ermessens galt.202 Auch in diesen beiden Urteilen geht der BGH also davon aus, dass billiges Ermessen keine Pflicht zur Weitergabe von Kostensenkungen enthält. Eine andere Sichtweise könnten jedoch zwei weitere Urteilen zu Preisanpassungsklauseln enthalten.203 Aus den Ausführungen des BGH lässt sich schließen, das gesetzliche Preisänderungsrecht aus § 4 AVBGasV enthalte wegen der Bindung an billiges Ermessen eine Pflicht zur Weitergabe von Kostensenkungen.204 Dass auch im Rahmen einer AGB-Klausel aus der Anwendbarkeit billigen Ermessens eine solche Pflicht zu schließen sein soll, ist daraus aber nicht zu entnehmen. Denn der BGH verweist in diesem Zusammenhang selbst205 auf eines der oben zitierten Urteile206, in dem er einer Klausel, die eine Anpassung nach billigem Ermessen ermöglichte, diese Pflicht gerade nicht entnommen hat. Im Rahmen der Prüfung einer Mietanpassungsklausel führt der BGH jedoch ausdrücklich aus, ein Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 BGB verpflichte den Berechtigten auch dazu, die Anpassung vorzunehmen, wenn der Schuldner ein Interesse daran habe.207 In der zu prüfenden Klausel war allerdings ausdrücklich davon die Rede, der Verwender setze den zusätzlich oder weniger zu zahlenden Betrag nach billigem Ermessen fest. Auch eine für den Vertragspartner günstige Anpassung („weniger zu zahlenden Betrag“) war also nach dem Wortlaut vorgesehen. Außerdem war die Anpassung an die objektiv messbaren Kriterien der Angemessenheit und Ortsüblichkeit des Mietzinses geknüpft. Die Änderung dieser Faktoren musste der Verwender alle drei Jahre prüfen. Anschließend war er durch das Erfordernis der Entscheidung nach Billigkeit verpflichtet, auch bei für den Vertragspartner positiver Entwicklung den Mietzins anzupassen.

201

BGH v. 25.11.2015 – VIII ZR 360/14, NJW 2016, 936 Rn. 47. BGH v. 29.04.2008 – KZR 2/07, NJW 2008, 2172. 203 BGH v. 15.07.2009 – VIII ZR 225/07, BGHZ 182, 59; BGH v. 28.10.2009 – VIII ZR 320/07, NJW 2010, 993; BGH v. 09.05.2012 – XII ZR 79/10, NJW 2012, 2187. 204 BGH v. 28.10.2009 – VIII ZR 320/07, NJW 2010, 993 Rn. 29. 205 BGH v. 15.07.2009 – VIII ZR 225/07, BGHZ 182, 59 Rn. 29. 206 BGH v. 29.04.2008 – KZR 2/07, NJW 2008, 2172. 207 BGH v. 09.05.2012 – XII ZR 79/10, NJW 2012, 2187. 202

94

Kap. 2: Problemanalyse

Zwar könnte in der isolierten Aussage, ein Leistungsbestimmungsrecht nach billigem Ermessen verpflichte zur Anpassung, wenn der Vertragspartner ein Interesse an dieser habe, ein Widerspruch zur bisher aufgezeigten Meinung zu sehen sein. Der Unterschied zu den oben dargestellten Fällen ist allerdings einmal, dass der Verwender hier zu einem festen Zeitpunkt verpflichtet war, die Anpassung zu prüfen, während dem Verwender in den anderen Fällen keine solche Pflicht oblag, sondern er lediglich das Recht zur Prüfung einer Anpassung hatte. Außerdem war die Leistungsbestimmung untrennbar mit nachprüfbaren Kriterien (Angemessenheit und Ortsüblichkeit) verbunden und sah die Herabsetzung des Entgelts ausdrücklich vor. Die Anpassungspflicht zugunsten des Vertragspartners beruhte also nicht allein auf der Bindung an billiges Ermessen. Aus diesen Gründen liegt der Fall anders als in den übrigen besprochenen Entscheidungen zu Anpassungsklauseln und steht nicht im Widerspruch zu diesen. 3. Zusammenfassung und Ausblick Der BGH hält Preisanpassungsklauseln regelmäßig für unwirksam, wenn diese dem Verwender die Möglichkeit einräumen, seinen Gewinn zu steigern und dadurch das Äquivalenzverhältnis zu verschieben.208 Denn damit würde der Verwender das eigene Risiko auf den Vertragspartner verlagern. Nach Ansicht des BGH muss das Recht zur Preisanpassung deshalb von Kostensteigerungen abhängig gemacht werden und die Kostenelemente sowie deren Gewichtung müssen offengelegt werden. Darüber hinaus muss der Umfang der Preiserhöhung an die Veränderung der zugrundeliegenden Kosten gebunden sein. Dem Verwender darf es außerdem nicht möglich sein, Kostensteigerungen auf den Vertragspartner abzuwälzen, ohne dazu verpflichtet zu sein, auch Kostensenkungen weiterzugeben.209 Das soll nicht bereits durch die Bindung der Entscheidung an billiges Ermessen gewährleistet sein. Ein freies Bestimmungsrecht ist somit in jedem Fall unwirksam. Das BAG hält diese Rechtsprechung bei arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten zwar nicht für anwendbar.210 Es erscheint aber nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der Arbeitgeber mit einem Bestimmungsvorbehalt seine Risiken teilweise auf den Arbeitnehmer abwälzt und womöglich sogar das Äquivalenzverhältnis verändern kann. Deshalb soll an anderer Stelle näher untersucht werden, inwieweit durch arbeitsvertraglich eingeräumte Bestimmungsvorbehalte im Entgeltbereich eine zusätzliche Gewinnmöglichkeit begründet werden kann und ob diese zu einer unangemessenen Benachteiligung führt.211 Dort ist auch zu 208

S. Kapitel 2 C. IV. 1. S. dazu Kapitel 2 C. IV. 2. 210 BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 21. 211 S. Kapitel 4 B. VI. 2. S. zur Abwälzung eigener Risiken auch Kapitel 4 B. VII. 7. a). 209

C. Rechtsprechung des BGH

95

thematisieren, ob eine Bestimmung nach billigem Ermessen eine Pflicht enthält, die Leistung anzupassen oder festzulegen, wenn bzw. wie es für den Vertragspartner günstig ist.

V. Zur Kompensation intransparenter oder unangemessener Klauseln In den Entscheidungen des BGH zur AGB-Kontrolle formularvertraglich eingeräumter einseitiger Leistungsbestimmungsrechte werden insbesondere das Recht zur Billigkeitskontrolle aus § 315 Abs. 3 BGB und die Einräumung eines Lösungsrechts vom Vertrag als Kompensation ansonsten unwirksamer Klauseln thematisiert. Die Bewertung dieser Möglichkeiten durch den BGH soll im Folgenden kurz dargestellt werden. Ob eine solche Kompensation bei arbeitsvertraglich eingeräumten einseitigen Leistungsbestimmungsrechten im Entgeltbereich möglich ist und welche Voraussetzungen gegebenenfalls eingehalten werden müssen, wird an späterer Stelle zu diskutieren sein.212 1. Keine Kompensation durch § 315 Abs. 3 BGB Während das BAG bei Bestimmungsvorbehalten der Meinung ist, § 315 Abs. 3 BGB biete ausreichend Schutz für den Vertragspartner und deshalb sei keine weitere Konkretisierung nötig213, hat der BGH in mehreren Fällen entschieden, § 315 Abs. 3 BGB könne keine Rechtfertigung für zu weit gefasste Klauseln sein.214 Obwohl das BAG die Möglichkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle aus § 315 Abs. 3 BGB nicht als Kompensation oder Rechtfertigung bezeichnet, misst es ihr im Ergebnis eine vergleichbare Wirkung bei. Es fordert zwar generell ein geringeres Maß an Konkretisierung als der BGH bei Leistungsbestimmungsrechten, ist aber zusätzlich der Meinung, durch § 315 Abs. 3 BGB bestehe ausreichend Schutz des Vertragspartners. Unabhängig von der Bezeichnung als Rechtfertigung weichen die Meinungen von BAG und BGH also auch in diesem Punkt voneinander ab. Der BGH begründet seine Meinung vor allem mit drei Argumenten. Das erste Argument bezieht sich auf den Schutzzweck des AGB-Rechts und der gerichtlichen Kontrolle aus § 315 Abs. 3 BGB. Der BGH führt aus, das Recht zur ge-

212

S. Kapitel 4 B. VIII. S. etwa BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970 Rn. 31; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/ 12, NZA 2013, 1013 Rn. 29. 214 BGH v. 11.06.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518; BGH v. 07.10.1981 – VIII ZR 229/80, NJW 1982, 331; BGH v. 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, BGHZ 89, 206; BGH v. 21.04.2009 – XI ZR 55/08, zitiert nach juris. 213

96

Kap. 2: Problemanalyse

richtlichen Überprüfung aus § 315 Abs. 3 BGB schütze nicht vor einer unangemessenen Benachteiligung im Sinne des AGB-Rechts.215 Das AGB-Recht solle den Vertragspartner des Verwenders, der sich leicht von dem Verwender unter Hinweis auf eine unwirksame Klausel von der Durchsetzung seiner Rechte abhalten lasse und resigniere, im Vorfeld prozessualer Auseinandersetzungen schützen.216 Die Konkretisierung solle weiterhin verhindern, dass es zu gerichtlichen Auseinandersetzungen kommt oder der Betroffene die Festlegung (bzw. Erhöhung) deswegen hinnehme, weil sich das zulässige Maß nicht nach den allgemeinen Geschäftsbedingungen beurteilen lasse.217 Der BGH argumentiert außerdem damit, dass § 315 BGB eine wirksame Anwendungsvereinbarung voraussetze, deren Wirksamkeit sich aber nach dem AGB-Recht bestimme.218 Deshalb könne § 315 BGB an sich und auch § 315 Abs. 3 BGB keine Rechtfertigung für eine ansonsten unwirksame Klausel sein. Es würde nach dieser Argumentation also einen Zirkelschluss darstellen, § 315 Abs. 3 BGB als Rechtfertigung einer zu weit gefassten Klausel heranzuziehen. Sollen Leistungsbestimmungsrechte in AGB eingeräumt werden, müssen sie den Anforderungen des AGB-Rechts genügen. Sind sie danach als unwirksam anzusehen, kann eine gerichtliche Kontrolle, die nur bei einem wirksam eingeräumten Recht gilt, keine Rechtfertigung bieten. Die AGB-Kontrolle ist also eine der gerichtlichen Kontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB vorgelagerte, unabhängige Kontrolle. Als drittes Argument führt der BGH an, § 315 Abs. 3 BGB vermöge eine Klausel nicht zu rechtfertigen, die den Vertragspartner im Unklaren lasse, ob und in welchem Umfang der Verwender zur Preisanpassung berechtigt oder verpflichtet sei.219 In einem solchen Fall laufe die gerichtliche Kontrolle nämlich weitgehend leer. Komme es nicht zu einer Herabsetzung, versage die Billigkeitskontrolle für gewöhnlich, da der Kunde eine Anpassungsverpflichtung zu seinen Gunsten aus der Klausel nicht erkennen könne. Komme es zu einer Erhöhung, fehle es an einer Beurteilungsgrundlage, ob ein Verfahren nach § 315 Abs. 3 BGB erfolgversprechend sei. Eine zu weit gefasste Klausel kann nach Ansicht des BGH also nicht durch § 315 Abs. 3 BGB gerechtfertigt werden. Die Billigkeitskontrolle könne die AGB-rechtliche Wirksamkeit nicht beeinflussen. Eine gerichtliche Überprüfung

215 BGH v. 11.06.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518; BGH v. 07.10.1981 – VIII ZR 229/80, NJW 1982, 331. 216 BGH v. 07.10.1981 – VIII ZR 229/80, NJW 1982, 331. 217 BGH v. 11.06.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518. 218 BGH v. 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, BGHZ 89, 206; s. auch BGH v. 18.05.1983 – VIII ZR 20/82, NJW 1983, 1603; BGH v. 25.11.2015 – VIII ZR 360/14, NJW 2016, 936 Rn. 20 m.w. N.; BeckOK-BGB/Gehrlein, § 315 Rn. 17. 219 BGH v. 21.04.2009 – XI ZR 55/08, zitiert nach juris.

C. Rechtsprechung des BGH

97

stehe dem Schutzzweck des AGB-Rechts entgegen, gerichtliche Auseinandersetzungen zu verhindern. Außerdem liefe das Verfahren oftmals leer, weil es dem Vertragspartner nicht möglich sei, die Erfolgschancen anhand der Klausel zu beurteilen. Diese überzeugenden Argumente lassen Zweifel am Vorgehen des BAG aufkommen, das bei Bestimmungsvorbehalten der Meinung ist, diese bedürften keiner Konkretisierung, weil der Arbeitnehmer ausreichend durch die Möglichkeit einer Billigkeitskontrolle geschützt werde.220 Der Einfluss der gerichtlichen Billigkeitskontrolle auf die Angemessenheit und auf die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte wird noch zu thematisieren sein.221 2. Kompensation durch Einräumung eines Kündigungsrechts Überdies thematisiert die Rechtsprechung des BGH die Frage, ob die Intransparenz oder die Unangemessenheit eines zu weit gefassten Leistungsbestimmungsrechts dadurch kompensiert werden können, dass dem Vertragspartner eine Möglichkeit eingeräumt wird, sich vom Vertrag zu lösen. Die Antwort des BGH richtet sich nach den Gegebenheiten des Einzelfalls.222 Grundsätzlich soll eine solche Kompensation möglich sein, wenn die Konkretisierung der Voraussetzungen im Einzelfall auf unüberwindliche Schwierigkeiten stößt.223 Nicht ausreichend zur Kompensation ist ein Lösungsrecht allerdings dann, wenn keine Ausweichmöglichkeit des Vertragspartners auf andere Anbieter (im Fall: Gasversorgungsunternehmen) möglich ist.224 Ausscheiden soll eine Kompensation außerdem, wenn im Einzelfall erhebliche Nachteile durch eine Kündigung entstehen würden225.

220 S. etwa BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970 Rn. 31; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/ 12, NZA 2013, 1013 Rn. 29. 221 S. insbesondere Kapitel 4 B. VII. 7. f) und B. VIII. 2.; Kapitel 5 B. III. 6. 222 Das OLG München v. 10.04.2014 – 29 W 433/14, zitiert nach juris, stellt insofern fest, ein Kündigungsrecht könne eine Intransparenz nicht kompensieren, wenn diese daraus folge, dass die Möglichkeit der gerichtlichen Kontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB nicht zu erkennen war. Denn mit dem Kündigungsrecht werde dem Kundeninteresse an einer Vertragsbeendigung entsprochen, was dem Recht aus § 315 Abs. 3 BGB diametral entgegengesetzt sei. Die Billigkeitskontrolle ermögliche es dem Vertragspartner, die Ermessensausübung überprüfen und gegebenenfalls gerichtlich ändern zu lassen, während das Vertragsverhältnis aufrechterhalten wird. 223 BGH v. 26.05.1986 – VIII ZR 218/85, NJW 1986, 3134; BGH v. 15.11.2007 – III ZR 247/06, NJW 2008, 360. 224 BGH v. 31.07.2013 – VIII ZR 162/09, NJW 2013, 3647; vgl. auch BGH v. 09.02.2011 – VIII ZR 295/09, NJW 2011, 1342; BGH v. 21.09.2016 – VIII ZR 27/16, NJW 2017, 325, nach denen eine Kompensation bei Preisanpassungsklauseln in Energielieferungsverträgen in der Regel ausscheiden soll. 225 BGH v. 26.11.1984 – VIII ZR 214/83, NJW 1985, 623.

98

Kap. 2: Problemanalyse

VI. Zusammenfassung und Ausblick Der BGH stellt im Gegensatz zur Rechtsprechung des BAG bezüglich arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte226 erhebliche Anforderungen an die Wirksamkeit einseitiger Leistungsbestimmungsrechte. Sowohl Preisanpassungsklauseln227 als auch andere Änderungsrechte sowie Leistungsbestimmungsrechte gerichtet auf die erstmalige Festlegung einer Leistung228 bedürfen nach Ansicht des BGH der Konkretisierung. Dabei wird nicht immer klar, ob die jeweiligen Anforderungen Ergebnis einer Transparenz- oder einer Angemessenheitskontrolle sind. Auch deshalb soll in der späteren Untersuchung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte herausgearbeitet werden, welchen Inhalt die beiden Kontrollinstanzen haben, wie sie sich unterscheiden und welchem Instrument die jeweils aufgestellten Wirksamkeitsvoraussetzungen zuzuordnen sind.229 Nach Ansicht des BGH sind Leistungsbestimmungsrechte nur transparent, wenn der Umfang, die Voraussetzungen, die Richtlinien der Ermessensausübung und die Rechtsfolgen der Ausübung konkretisiert werden.230 Angemessen soll ein Leistungsbestimmungsrecht nur sein, wenn die Voraussetzungen und Folgen der Klausel die Interessen der Gegenseite erkennbar berücksichtigen.231 Zu Preisanpassungsklauseln formuliert der BGH, der Vertragspartner müsse bei Vertragsschluss aus der Formulierung der Klausel erkennen können, in welchem Umfang Erhöhungen auf ihn zukommen, und anhand der Formulierung in der Lage sein, die Berechtigung zu einer vorgenommenen Erhöhung an der Klausel selbst zu messen.232 Dafür sind erhebliche Konkretisierungen notwendig. Sowohl in der Transparenzkontrolle als auch in der Angemessenheitskontrolle sieht der BGH außerdem das Vorliegen eines berechtigten Interesses bzw. schwerwiegender (Änderungs-)Gründe als Voraussetzung der Wirksamkeit.233 Weder billiges Ermessen noch die gerichtliche Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB sollen den dargestellten Konkretisierungsanforderungen genügen.234 Denn inhaltlich sei im billigen Ermessen ein zu weiter Spielraum enthalten. Systematisch setze § 315 BGB die wirksame Einräumung eines Leistungsbestimmungsrechts voraus, so dass die Norm die AGB-Kontrolle nicht beeinflussen könne. Die Billigkeitskontrolle könne außerdem keine ausreichende Kompensation für eine unangemessene Benachteiligung darstellen, weil eine gerichtliche 226 227 228 229 230 231 232 233 234

S. Kapitel 2 B. II. 2. S. dazu Kapitel 2 C. I. S. dazu Kapitel 2 C. II. S. dazu vor allem Kapitel 3. S. Kapitel 2 C. I. 1. und C. II. 1. S. dazu Kapitel 2 C. II. 2. S. dazu Kapitel 2 C. I. S. Kapitel 2 C. II. 1. und C. II. 2. S. dazu Kapitel 2 C. I. 2., C. II. 1. und C. II. 2. a).

C. Rechtsprechung des BGH

99

Überprüfung dem Schutzzweck des AGB-Rechts entgegenstehe, gerichtliche Auseinandersetzungen zu verhindern.235 Außerdem liefe das Verfahren oftmals leer, weil es dem Vertragspartner nicht möglich sei, die Erfolgschancen anhand der Klausel zu beurteilen. Diese überzeugenden Argumente lassen Zweifel am Vorgehen des BAG aufkommen, das bei Bestimmungsvorbehalten der Meinung ist, diese bedürften keiner Konkretisierung, weil der Arbeitnehmer ausreichend durch die Möglichkeit einer Billigkeitskontrolle geschützt werde.236 Der Einfluss der gerichtlichen Billigkeitskontrolle auf die Angemessenheit und auf die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte wird noch zu thematisieren sein.237 Im Rahmen der Transparenz stellt der BGH zudem stets darauf ab, der Vertragspartner müsse erkennen können, was auf ihn zukommt.238 In seiner Rechtsprechung zu Preisanpassungsklauseln führt der BGH – im Gegensatz zum zehnten Senat des BAG239 – aus, das Transparenzgebot schütze nicht nur vor der Gefahr, der Vertragspartner könnte davon abgehalten werden, seine Rechte geltend zu machen.240 Vielmehr solle das Transparenzgebot auch das Informationsgefälle ausgleichen. Der Vertragspartner müsse in die Lage versetzt werden, den Inhalt der Klauseln zu erkennen, um entscheiden zu können, ob er sich daran binden wolle. Es stellt sich die Frage, weshalb diese Maßstäbe, anders als bisher vom BAG praktiziert241, nicht auch an arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte angelegt werden sollten.242 Darüber hinaus sieht der BGH die Anwendbarkeit billigen Ermessens als Grundvoraussetzung der Wirksamkeit eines Leistungsbestimmungsrechts, scheint die Geltung dieses Maßstabs anders als das BAG aber nicht ohne Anhaltspunkte anzunehmen.243 Dem folgend könnte womöglich auch bei Bestimmungsvorbehalten des Arbeitgebers entgegen der Meinung des BAG eine ausdrückliche Beschränkung auf billiges Ermessen erforderlich sein.244 Schließlich hält der BGH Preisanpassungsklauseln regelmäßig für unwirksam, wenn diese dem Verwender die Möglichkeit einräumen, seinen Gewinn zu stei235

S. Kapitel 2 C. V. 1. S. etwa BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970 Rn. 31; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 29. 237 S. insbesondere Kapitel 4 B. VII. 7. f) und B. VIII. 2.; Kapitel 5 B. III. 6. 238 S. Kapitel 2 C. I. und C. II. 1. 239 S. dazu Kapitel 2 B. II. 2. 240 S. dazu Kapitel 2 C. I. 1. 241 S. Kapitel 2 B. II. 2. 242 S. dazu Kapitel 3 A. II. 1.; Kapitel 5 A. II., B. III. 2. c), B. III. 9. a), B. IV. 1. b), B. IV. 4. a) und B. IV. 4. 243 S. Kapitel 2 B. II. 2. b). 244 S. dazu Kapitel 4 B. V.; Kapitel 5 A. I. 2. b) und B. V. 236

100

Kap. 2: Problemanalyse

gern und dadurch das Äquivalenzverhältnis zu verschieben.245 Dem Verwender darf es insbesondere nicht möglich sein, Kostensteigerungen auf den Vertragspartner abzuwälzen, ohne spiegelbildlich dazu verpflichtet zu sein, auch Kostensenkungen weiterzugeben.246 Das soll nicht bereits durch die Bindung der Entscheidung an billiges Ermessen gewährleistet sein. Ein freies Bestimmungsrecht ist somit in jedem Fall unwirksam. Obgleich das BAG die Anwendung dieser Rechtsprechung auf arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte ablehnt247, wäre es durchaus denkbar, dass der Arbeitgeber mit einem Bestimmungsvorbehalt seine Risiken teilweise auf den Arbeitnehmer abwälzt und womöglich sogar das Äquivalenzverhältnis verändern kann. Inwieweit arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte tatsächlich eine zusätzliche Gewinnmöglichkeit begründen können und ob dies zu einer unangemessenen Benachteiligung führt, gilt es noch zu überprüfen.248 Zusammenfassend stellt sich für die Untersuchung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte nun die Frage, ob auch bei diesen Leistungsbestimmungsrechten eine Konkretisierung ähnlich der vom BGH geforderten notwendig ist.249

D. Rechtsprechung des BAG zu Freiwilligkeitsund Widerrufsvorbehalten: strenge Anforderungen in der AGB-Kontrolle Nicht nur der BGH geht in der AGB-Kontrolle von Leistungsbestimmungsrechten restriktiver vor als der zehnte Senat des BAG bei Bestimmungsvorbehalten. Auch das BAG wendet bei der Kontrolle anderer arbeitsvertraglicher Flexibilisierungsinstrumente einen strengeren Maßstab an. Von Bedeutung sind in diesem Rahmen der Freiwilligkeits- und der Widerrufsvorbehalt. Mit beiden verfolgt der Arbeitgeber das Ziel, flexibel auf geänderte Gegebenheiten, insbesondere die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens, reagieren zu können. Die Unterschiede untereinander und zu entgeltrelevanten Bestimmungsvorbehalten des Arbeitgebers sind fließend.250 Deshalb ist fraglich, ob nicht die jeweiligen Ausführungen auf die Kontrolle von Bestimmungsvorbehalten übertragen werden können.

245

S. Kapitel 2 C. IV. 1. S. dazu Kapitel 2 C. IV. 2. 247 BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 21. 248 S. Kapitel 4 B. VI. 2. S. zur Abwälzung eigener Risiken auch Kapitel 4 B. VII. 7. a). 249 S. dazu Kapitel 4 und Kapitel 5. 250 So zum Unterschied zwischen Widerrufsvorbehalt und einseitigem Leistungsbestimmungsrecht Stoffels, RdA 2015, 276, 279; dazu ausführlicher unter Kapitel 1 B. III. und IV. 246

D. Rechtsprechung des BAG zu Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalten

101

Im Folgenden soll zunächst die Rechtsprechung des BAG zur AGB-Kontrolle von Freiwilligkeitsvorbehalten dargestellt werden. Anschließend wird die Rechtsprechung zu Widerrufsvorbehalten erörtert.

I. Rechtsprechung zur AGB-Kontrolle von Freiwilligkeitsvorbehalten Das BAG hat dem Verwender allgemeiner Geschäftsbedingungen im Laufe der Zeit immer weniger Spielraum bei der Gestaltung von Freiwilligkeitsvorbehalten gelassen und einen immer strengeren Maßstab in der AGB-Kontrolle angelegt. Die wesentlichen Inhalte dieser Rechtsprechung sollen nachfolgend veranschaulicht werden. Von Interesse ist in diesem Zusammenhang auch die Angemessenheitskontrolle von Stichtagsklauseln, die einen vergleichbaren Anknüpfungspunkt aufweist. 1. Freiwilligkeitsvorbehalt und Begründung eines Anspruchs: Widersprüchlichkeit führt zur Intransparenz Seit einiger Zeit ist das BAG der Meinung, dass Freiwilligkeitsvorbehalte intransparent sind, wenn sie eine Leistung betreffen, auf die in irgendeiner Form ein Anspruch eingeräumt wurde.251 Das BAG betont zwar auch im Rahmen der Kontrolle von Freiwilligkeitsvorbehalten, dass ein Verstoß gegen das Transparenzgebot nicht bereits dann vorliege, wenn der Vertragspartner keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit habe, die Regelung zu verstehen.252 Notwendig für einen Verstoß sei, dass die Klausel die Gefahr begründe, der Arbeitnehmer könne von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten werden. Ein solcher Verstoß liege in der genannten Fallkonstellation vor, da die Gefahr bestehe, dass der Arbeitnehmer denke, er habe keinen Anspruch, und diesen folglich auch nicht durchsetzen werde.253 In anderen Entscheidungen begnügt sich das BAG mit der Feststellung, ein Freiwilligkeitsvorbehalt stehe im Widerspruch zu einer Regelung, die einen Anspruch gewähre, und sei deshalb nicht klar und verständlich im Sinne des Transparenzgebotes.254 Ein begründeter Anspruch und 251 BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, BAGE 124, 259; BAG v. 30.07.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173; BAG v. 10.12.2008 – 10 AZR 1/08, DB 2009, 684; BAG v. 07.06.2011 – 1 AZR 807/09, NZA 2011, 1234; BAG v. 14.09.2011 – 10 AZR 526/10, BAGE 139, 156; BAG v. 20.02.2013 – 10 AZR 177/12, NZA 2013, 1015; ebenso LAG Rheinland-Pfalz v. 15.12.2015 – 8 Sa 201/15, zitiert nach juris; LAG Rheinland-Pfalz v. 18.07.2016 – 3 Sa 43/16, zitiert nach juris. 252 BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, BAGE 124, 259; BAG v. 14.09.2011 – 10 AZR 526/10, BAGE 139, 156. 253 So ausdrücklich BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, BAGE 124, 259; genauso LAG Rheinland-Pfalz v. 15.12.2015 – 8 Sa 201/15, zitiert nach juris. 254 BAG v. 30.07.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173 Rn. 39; BAG v. 07.06.2011 – 1 AZR 807/09, NZA 2011, 1234; BAG v. 14.09.2011 – 10 AZR 526/10, BAGE 139, 156; BAG v. 20.02.2013 – 10 AZR 177/12, NZA 2013, 1015.

102

Kap. 2: Problemanalyse

damit ein solch widersprüchlicher Freiwilligkeitsvorbehalt bestand nach Ansicht des BAG bei Formulierungen wie „der Arbeitnehmer erhält eine Leistung“ oder „der Arbeitgeber gewährt eine Leistung“.255 Das BAG fordert bei Freiwilligkeitsvorbehalten zwar eine eindeutige Formulierung des Anspruchsausschlusses, es ist aber auch der Meinung, der Freiwilligkeitsvorbehalt müsse keine Konkretisierung der Gründe, der Voraussetzungen oder des Umfangs seiner Ausübung enthalten, da anders als beim Widerrufsvorbehalt keine Leistung i. S. d. § 308 Nr. 4 BGB versprochen worden sei.256 Durch einen wirksamen Freiwilligkeitsvorbehalt sei gerade ein Anspruch auf die Leistung ausgeschlossen, so dass keine versprochene Leistung vorliege.257 Es ist fraglich, ob diese Transparenzanforderungen auch auf entgeltrelevante Bestimmungsvorbehalte angewendet werden sollten. Ist es dem Arbeitgeber verwehrt, irgendwie den Anschein eines Anspruchs zu erwecken, sich die tatsächliche Auszahlung aber durch einen Freiwilligkeitsvorbehalt vorzubehalten, müsste es ihm wohl auch verwehrt sein, einen Anspruch eindeutig zu gewähren, sich aber die Höhe der tatsächlichen Auszahlung vorzubehalten. Die Situation ist der bei Freiwilligkeitsvorbehalten durchaus ähnlich. Der Arbeitgeber kann bei einem Bestimmungsvorbehalt nachträglich entscheiden, ob die Höhe gegebenenfalls sogar null beträgt, und er im Endeffekt trotz Anspruchs gar keine Leistung auszahlt. Jedenfalls steht aber mit der Höhe ein erheblicher Teil des Anspruchs unter dem Vorbehalt seiner Entscheidung. Es könnte also zu fordern sein, dass der Arbeitgeber die bestimmenden Entscheidungskriterien und den Umfang der Leistung festlegen muss, damit für den Arbeitnehmer erkennbar ist, inwieweit er einen Anspruch hat, oder eben kein Anspruch besteht. Diese Frage wird im Verlauf näher zu erörtern sein.258 2. Unangemessenheit von Freiwilligkeitsvorbehalten nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB Auch im Rahmen der Angemessenheitsprüfung nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB schränkt das BAG den Anwendungsbereich von Freiwilligkeitsvorbehalten weiter ein.

255 Vgl. BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, BAGE 124, 259; BAG v. 30.07.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173; BAG v. 07.06.2011 – 1 AZR 807/09, NZA 2011, 1234; BAG v. 20.02.2013 – 10 AZR 177/12, NZA 2013, 1015; LAG Rheinland-Pfalz v. 15.12.2015 – 8 Sa 201/15, zitiert nach juris; LAG Rheinland-Pfalz v. 18.07.2016 – 3 Sa 43/16, zitiert nach juris. 256 BAG v. 10.12.2008 – 10 AZR 1/08, DB 2009, 684. 257 BAG v. 30.07.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173; BAG v. 21.01.2009 – 10 AZR 219/08, BAGE 129, 164. 258 S. dazu Kapitel 5 B. III. 9. b).

D. Rechtsprechung des BAG zu Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalten

103

a) Unangemessenheit von Freiwilligkeitsvorbehalten bezüglich laufender Vergütung Im Ausgangspunkt ist es zwar der Meinung, der Arbeitgeber könne sich wirksam die Entscheidung darüber vorbehalten, ob und unter welchen Voraussetzungen er eine Leistung gewährt.259 Dies gilt nach neuerer Ansicht des BAG allerdings nicht mehr, wenn die Leistung das laufende Entgelt betrifft.260 In diesem Fall sei der Arbeitnehmer gebunden, während der Arbeitgeber disponieren könne.261 Das laufende Entgelt sei Teil der Gegenleistung und damit des Synallagmas. Könne der Arbeitgeber frei über diese Leistung disponieren, verhindere das eine Vertragsbindung und löse die synallagmatische Bindung auf. Das beeinträchtige den Arbeitnehmer erheblich und zwar unabhängig davon, ob die Grundvergütung oder eine zusätzliche Leistung betroffen sei. Das BAG führt weiter aus, der Arbeitnehmer könne im Arbeitsverhältnis als Dauerschuldverhältnis auf die Beständigkeit der zugesagten monatlichen Vergütung vertrauen.262 Das gelte auch für eine zusätzliche regelmäßige Vergütung, da sie Teil der Gegenleistung sei und der Arbeitnehmer sein Leben auf den Erhalt dieser Vergütung einstelle. Eine Möglichkeit des Arbeitgebers, grundlos und ohne Erklärung über diese Vergütung disponieren zu können, während der Arbeitnehmer gebunden bleibt, widerspreche dem Zweck des Arbeitsverhältnisses und benachteilige den Arbeitnehmer unangemessen.263 Einseitige Bestimmungsrechte hinsichtlich des Entgelts nutzten die strukturelle Unterlegenheit des Arbeitnehmers aus, so das BAG.264 An der Unangemessenheit ändere es auch nichts, dass der Arbeitgeber die Leistung ohne den Vorbehalt möglicherweise gar nicht zugesagt hätte. Derartige Freiwilligkeitsvorbehalte seien außerdem nicht durch arbeitsrechtliche Besonderheiten gerechtfertigt. Das LAG Köln sieht die Unangemessenheit von Freiwilligkeitsvorbehalten bezüglich synallagmatischer Leistungen zudem darin, dass der Arbeitnehmer sich in einem Dilemma befinde.265 Er sei sich nicht sicher, ob er sich überobligatorisch anstrengen solle, um die Chance auf die Leistung zu wahren, oder ob er dies nicht tue, dann aber 259 BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, BAGE 124, 259; BAG v. 21.01.2009 – 10 AZR 219/08, BAGE 129, 164; BAG v. 18.03.2009 – 10 AZR 289/08, NZA 2009, 535 m.w. N. 260 BAG v. 25.04.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853; BAG v. 30.07.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173; BAG v. 21.01.2009 – 10 AZR 219/08, BAGE 129, 164; BAG v. 14.09.2011 – 10 AZR 526/10, BAGE 139, 156; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013; BAG v. 03.09.2014 – 5 AZR 1020/12, ZBVR online 2015, Nr. 6, 17; Landesarbeitsgericht Köln v. 17.09.2012 – 2 Sa 877/11, zitiert nach juris. 261 BAG v. 25.04.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853; BAG v. 14.09.2011 – 10 AZR 526/10, BAGE 139, 156. 262 BAG v. 25.04.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853. 263 BAG v. 25.04.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853. 264 BAG v. 25.04.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853. 265 Landesarbeitsgericht Köln v. 17.09.2012 – 2 Sa 877/11, zitiert nach juris.

104

Kap. 2: Problemanalyse

bei Zahlung der Leistung nicht berücksichtigt werde. Es sei unangemessen, die Motivationswirkung einer Prämie in Anspruch zu nehmen, ohne gleichzeitig die ausgelobte Zahlung erbringen zu wollen. b) Unangemessenheit wegen Gegenleistungscharakters der betreffenden Leistung Nach wie vor zulässig ist nach Ansicht des BAG aber wohl ein Freiwilligkeitsvorbehalt, der eindeutig formuliert ist und sich nur auf Sonderzahlungen bezieht. Es ist jedoch nicht klar, ob das BAG die Unterscheidung zwischen laufendem Entgelt und Sonderzahlungen aufrechterhalten will. Es erscheint insbesondere nicht konsequent, eine Zahlung, die Gegenleistung für geleistete Arbeit ist, unter Freiwilligkeitsvorbehalt stellen zu können, wenn sie jährlich gezahlt wird, nicht jedoch, wenn sie monatlich geleistet wird. Bei freiwilligen Sonderzahlungen begründet das BAG die Angemessenheit insbesondere damit, dass nicht von § 611 Abs. 1 BGB abgewichen werde, der keine Pflicht zur Sonderzahlung enthalte.266 Die Regelungen des EFZG zeigten außerdem, dass auch der Gesetzgeber Sonderzahlungen als weniger schutzwürdig ansehe. So sei nach § 4a EFZG bei Sonderzahlungen im Krankheitsfall eine Kürzung zulässig, während laufendes Entgelt nach § 12 EFZG nicht abbedungen werden könne. Dass es sich dennoch um eine Gegenleistung handeln könne, sei unerheblich. Es liege nämlich keine Abweichung vom Rechtsgrundsatz „pacta sunt servanda“ vor, da wegen des Anspruchssausschlusses nie ein „pactum“ bestanden habe. Insofern sei also der Zweck der Leistung nicht von Bedeutung. Auch die strukturelle Unterlegenheit des Arbeitnehmers und seine Abhängigkeit vom Gehalt ändern nach Ansicht des BAG nichts an dieser Beurteilung. Er sei von Sonderzahlungen eben nicht gleich abhängig wie von laufendem Entgelt, zumal Sonderzahlungen oft von weiteren Voraussetzungen abhängig gemacht würden.267 Auch die Höhe der Sonderzahlung sei unerheblich. Eine Unangemessenheit sei im Ergebnis nachteilig für den Arbeitnehmer, den sie eigentlich schützen solle. So würde der Arbeitgeber bei Unangemessenheit eines Freiwilligkeitsvorbehalts im Zweifel ganz von der Gewährung der Leistung absehen.268 In einer neueren Entscheidung geht das BAG allerdings jedenfalls bei einer Zielvereinbarung davon aus, der betreffende Freiwilligkeitsvorbehalt sei unangemessen, weil er dem Arbeitgeber die Möglichkeit eröffne, frei über die Zahlung der Vergütung zu entscheiden, die Teil der Gegenleistung gewesen sei.269 Der Ar266 BAG v. 30.07.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173; BAG v. 18.03.2009 – 10 AZR 289/08, NZA 2009, 535. 267 BAG v. 30.07.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173. 268 BAG v. 30.07.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173 Rn. 35 ff.; BAG v. 18.03.2009 – 10 AZR 289/08, NZA 2009, 535 Rn. 26. 269 BAG v. 19.03.2014 – 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595 Rn. 52.

D. Rechtsprechung des BAG zu Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalten

105

beitnehmer hätte die Leistung erbracht und es benachteilige ihn unangemessen, wenn der Arbeitgeber trotzdem in der Lage wäre, den Vergütungsanspruch entfallen zu lassen, ohne nach billigem Ermessen darüber entscheiden zu müssen. So sieht es das BAG auch bei der Prüfung eines nach billigem Ermessen festzulegenden jährlichen Bonus.270 Ein auf diese Leistung bezogener Freiwilligkeitsvorbehalt stelle eine unangemessene Benachteiligung dar, da der Arbeitgeber die Leistungsbestimmung unterlassen könne, obwohl der Arbeitnehmer die Leistung erbracht habe und der Bonus auch Teil der Gegenleistung war.271 Diese Ausführungen sprechen dafür, dass das BAG mittlerweile einen Freiwilligkeitsvorbehalt auch für unangemessen benachteiligend hält, wenn er sich auf eine die Gegenleistung betreffende Leistung bezieht, ohne dass das laufende Entgelt betroffen ist. Das hat das BAG bisher aber nicht allgemeingültig festgestellt. So wäre es denkbar, auch die Unangemessenheit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte anzunehmen, wenn sie eine Leistung betreffen, die Gegenleistung für die Arbeit des Arbeitnehmers ist. Ob die Beurteilung der Angemessenheit von Freiwilligkeitsvorbehalten auf die AGB-Kontrolle solcher Leistungsbestimmungsrechte zu übertragen ist und welche Konsequenz dies hat, wird später zu thematisieren sein.272 c) Zur Harmonisierung der AGB-Kontrolle arbeitgeberseitiger Flexibilisierungsklauseln Das BAG stellt in seiner Rechtsprechung außerdem klar, dass es eine Harmonisierung der Kontrollmaßstäbe bei Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalten nicht für nötig hält.273 Es führt aus, die beiden Instrumente seien nicht vergleichbar, da beim Widerrufsvorbehalt ein Anspruch vorliegen müsse, der beim Freiwilligkeitsvorbehalt gerade ausgeschlossen werden solle. Deshalb bestehe kein Bedürfnis der Harmonisierung, das die Durchführung einer Angemessenheitskontrolle bei Freiwilligkeitsvorbehalten in Bezug auf Sonderzahlungen oder die Anerkennung eines Widerrufsvorbehalts aufgrund freien Ermessens rechtfertige.274 3. Zur Unangemessenheit von Stichtagsklauseln Nach heutiger Ansicht des BAG sind auch Stichtagsklauseln, also Klauseln, die einen Anspruch vom (ungekündigten) Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Termin abhängig machen, wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam, wenn sie eine Leistung betreffen, die auch Gegenleistung für 270

BAG v. 03.08.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334. BAG v. 03.08.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334 Rn. 20. 272 S. dazu Kapitel 4 B. VI. 1. 273 Vgl. BAG v. 30.07.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173 Rn. 18 ff.; BAG v. 13.11.2013 – 10 AZR 848/12, BAGE 146, 284. 274 BAG v. 30.07.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173 Rn. 19. 271

106

Kap. 2: Problemanalyse

geleistete Arbeit des Arbeitnehmers ist, und der Stichtag außerhalb oder am letzten Tag des Bezugszeitraums liegt.275 An diesem Ergebnis ändert es nach der Rechtsprechung des BAG nichts, wenn die Leistung Mischcharakter hat, also sowohl die Leistung des Arbeitnehmers vergüten soll, als auch andere Zwecke verfolgt (z. B. Honorierung der Betriebstreue).276 Eine solche Stichtagsklausel stehe im Widerspruch zum Grundgedanken des § 611 Abs. 1 BGB, da sie dem Arbeitnehmer bereits erarbeiteten Lohn entziehe. Ein berechtigtes Interesse an einer solchen Vertragsgestaltung sei nicht ersichtlich. Der Arbeitgeber sei zwar frei in seiner Entscheidung, ob er eine freiwillige Leistung zahle oder nicht. Das rechtfertige es aber nicht, die verhaltenssteuernde Wirkung eines vertraglichen Versprechens in Anspruch zu nehmen, andererseits aber die Entscheidung über den Eintritt der Bedingung vom eigenen Willen abhängig zu machen und sich gewissermaßen bis zur letzten Stunde vorzubehalten.277 Dementsprechend ist fraglich, ob diese Konstellation auch bei Bestimmungsvorbehalten im Entgeltbereich vorliegt. Unter Umständen nimmt der Arbeitgeber die verhaltenssteuernde Wirkung des jeweiligen Leistungsversprechens in Anspruch, während die Höhe von seinem Willen abhängig ist. Das könnte unangemessen sein, wenn er dabei nicht an bestimmte Faktoren gebunden ist.278 4. Zusammenfassung und Ausblick Freiwilligkeitsvorbehalte sind nach der Rechtsprechung des BAG intransparent, wenn sie eine Leistung betreffen, auf deren Zahlung ein Anspruch eingeräumt wurde.279 Der Arbeitnehmer laufe in diesen Fällen nämlich Gefahr, seinen Anspruch nicht geltend zu machen, weil er davon ausgehe, ein solcher stehe ihm nicht zu. Das BAG fordert hingegen weder eine Konkretisierung der Voraussetzungen und der Gründe für die Ausübung eines Freiwilligkeitsvorbehalts noch eine Konkretisierung des Umfangs, da anders als bei Widerrufsvorbehalten keine Leistung versprochen worden sei. Diese Rechtsprechung wirft die Frage auf, ob womöglich auch ein nicht konkretisierter Bestimmungsvorbehalt die Gefahr hervorrufen kann, der Arbeitnehmer mache seinen Zahlungsanspruch nicht geltend, da er denkt, der Arbeitgeber könne die Leistung völlig frei festlegen.280 Unangemessen sollen Freiwilligkeitsvorbehalte sein, die die laufende Vergütung betreffen.281 Denn die freie Dispositionsmöglichkeit des Arbeitgebers ver275 BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, BAGE 124, 259; BAG v. 18.01.2012 – 10 AZR 612/10, BAGE 140, 231. 276 BAG v. 18.01.2012 – 10 AZR 612/10, BAGE 140, 231 Rn. 28. 277 BAG v. 18.01.2012 – 10 AZR 612/10, BAGE 140, 231 Rn. 26. 278 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 5. 279 S. dazu Kapitel 2 D. I. 1. 280 S. dazu Kapitel 5 B. III. 9. b). 281 S. Kapitel 2 D. I. 2. a).

D. Rechtsprechung des BAG zu Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalten

107

hindere eine Vertragsbindung und löse die synallagmatische Bindung, so das BAG. Durch die fehlende Bindung des Arbeitgebers werde der Arbeitnehmer außerdem deshalb unangemessen benachteiligt, weil er auf die laufende Vergütung vertraue und an seine Arbeitspflicht gebunden bleibe. Die neuere Rechtsprechung deutet darauf hin, dass das BAG diese Sichtweise auch auf Leistungen übertragen will, die Teil des Gegenseitigkeitsverhältnisses sind, jedoch nicht zur laufenden Vergütung gehören. Bisher hatte das BAG dies noch unter anderem mit der Begründung abgelehnt, es läge keine Abweichung vom Grundsatz „pacta sunt servanda“ vor und der Arbeitnehmer sei von Sonderzahlungen in geringerem Maße abhängig. Der Einfluss des Gegenleistungscharakters ist auch in der Rechtsprechung zu Bestimmungsvorbehalten bereits thematisiert worden.282 So gilt es im Verlauf dieser Arbeit zu ergründen, wie sich der Charakter der betreffenden Leistung auf die Wirksamkeitsvoraussetzungen auswirkt.283 Darüber hinaus ist das Verhältnis arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte zur synallagmatischen Bindung der Leistungsversprechen zu betrachten.284 Schließlich könnte eine freie Dispositionsmöglichkeit des Arbeitgebers über synallagmatische Leistungen, die das BAG bei Freiwilligkeitsvorbehalten für unangemessen hält, auch bei Bestimmungsvorbehalten gegeben sein. Das BAG hat in der Rechtsprechung zu Freiwilligkeitsvorbehalten außerdem klargestellt, dass es eine Harmonisierung der Kontrollmaßstäbe von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalten nicht für geboten hält, weil sich die beiden Klauseltypen dadurch unterscheiden, dass Widerrufsvorbehalte einen Anspruch voraussetzen, Freiwilligkeitsvorbehalte einen solchen hingegen ausschließen sollen.285 Darauf wird im Zuge der Untersuchung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte noch einzugehen sein.286 Letztlich ist vorliegend von Interesse, dass das BAG Stichtagsklauseln für unangemessen benachteiligend hält, die die Gegenleistung betreffen und deren Stichtag am Ende des Bezugszeitraums oder danach liegt.287 Dadurch nehme der Arbeitgeber die verhaltenssteuernde Wirkung eines Leistungsversprechens in Anspruch, mache die Entscheidung über die Auszahlung aber vom eigenen Willen abhängig, was das BAG für nicht gerechtfertigt hält. Auch bei Bestimmungsvorbehalten des Arbeitgebers könnte diese Konstellation eine Rolle spielen.288 Immerhin ist die Höhe der betreffenden Leistung vom Willen des Arbeitgebers abhängig. 282 283 284 285 286 287 288

S. dazu Kapitel 2 B. II. 2. S. dazu etwa Kapitel 4 B. IV. 6. und B. VII. 10; Kapitel 5 B. III. 5. S. dazu Kapitel 4 B. VI. 1. S. dazu Kapitel 2 D. I. 2. c). S. Kapitel 4 B. VII. 9. d); Kapitel 5 B. III. 10. b). S. dazu Kapitel 2 D. I. 3. S. dazu Kapitel 4 B. VII. 5.

108

Kap. 2: Problemanalyse

II. Rechtsprechung zur AGB-Kontrolle von Widerrufsvorbehalten Auch an Widerrufsvorbehalte stellt das BAG strengere Anforderungen als an arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte im Entgeltbereich. Zu dem bereits vor der Schuldrechtsreform geltenden Verbot des Eingriffs in den Kernbereich289 sind im Rahmen der AGB-Kontrolle zusätzliche formelle Anforderungen hinzugetreten. 1. Rechtsprechung vor der Schuldrechtsreform: keine formellen Anforderungen Aufgrund der im AGBG geltenden Bereichsausnahme für das Arbeitsrecht ist die vor der Schuldrechtsreform ergangene Rechtsprechung des BAG bei der AGB-Kontrolle von Widerrufsvorbehalten nicht heranzuziehen. Da jedoch der hinter dieser Rechtsprechung stehende wesentliche Gedanke in der Rechtsprechung zur Zumutbarkeit von Widerrufsvorbehalten nach § 308 Nr. 4 BGB aufgegangen ist, wird dieser zum besseren Verständnis hier kurz dargestellt. Schon vor der Anwendbarkeit des AGB-Rechts auf Arbeitsverträge war das BAG der Meinung, ein Widerruf müsse nach billigem Ermessen ausgeübt werden und hielt diesen Maßstab auch für anwendbar, wenn dafür keinerlei Anhaltspunkte in der vertraglichen Regelung ersichtlich waren.290 Nur wenn die Klausel ausdrücklich freies Ermessen als Entscheidungsmaßstab festlegte, war die Vereinbarung des Widerrufsvorbehalts unzulässig.291 Zur Begründung der Unzulässigkeit führte das BAG aus, der Arbeitnehmer könne nicht auf den Kündigungsschutz und zusätzlich auf die gerichtliche Kontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB verzichten. Auch ein Widerruf, über den nach billigem Ermessen zu entscheiden war, durfte aber nach Ansicht des BAG nicht die kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften umgehen.292 Eine solche Umgehung war der wesentliche Prüfungsgegenstand der BAG-Rechtsprechung vor der Schuldrechtsreform und diese führte regelmäßig zur Nichtigkeit gem. § 134 BGB.293 Das BAG war der Meinung, ein Widerrufsvorbehalt sei grundsätzlich zulässig, außer er umgehe den Kündigungsschutz. Das sei in der Regel der Fall, wenn wesentliche Elemente des Arbeitsver289

S. dazu auch Kapitel 2 B. I. BAG v. 07.10.1982 – 2 AZR 455/80, BAGE 40, 199; BAG v. 31.01.1985 – 2 AZR 393/83, EzBAT § 8 BAT Direktionsrecht Nr. 3; BAG v. 15.11.1995 – 2 AZR 521/ 95, NZA 1996, 603. 291 Vgl. BAG v. 13.05.1987 – 5 AZR 125/86, NZA 1988, 95. 292 So ausdrücklich BAG v. 13.05.1987 – 5 AZR 125/86, NZA 1988, 95. 293 Vgl. BAG v. 07.10.1982 – 2 AZR 455/80, BAGE 40, 199; BAG v. 31.01.1985 – 2 AZR 393/83, EzBAT § 8 BAT Direktionsrecht Nr. 3 m.w. N.; BAG v. 15.11.1995 – 2 AZR 521/95, NZA 1996, 603; BAG v. 15.08.2000 – 1 AZR 458/99, zitiert nach juris. 290

D. Rechtsprechung des BAG zu Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalten

109

trages einer einseitigen Änderung unterliegen sollen, durch die das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung grundlegend gestört werde. Entscheidend war bei der Widerruflichkeit von geldwerten Leistungen der Anteil der Leistung am Gesamteinkommen des Arbeitnehmers. Unzulässig sollten jedenfalls Widerrufsvorbehalte über zusätzliche Leistungen sein, wenn die widerrufliche Leistung über 30 % des Gesamteinkommens des Arbeitnehmers ausmachte.294 In einem solchen Fall könne der Arbeitgeber durch den Widerruf seine Vergütungspflicht verändern, ohne eine andernfalls nötige Änderungskündigung auszusprechen, und dadurch werde in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses eingegriffen. Einen Kernbereichseingriff sah das BAG auch in einem Widerrufsvorbehalt gerichtet auf die einseitige Herabsetzung der Arbeitszeit bei zeitabhängiger Vergütung.295 Der Arbeitgeber könne sich auch dadurch einseitig von seiner Vergütungspflicht befreien, ohne eine andernfalls nötige Änderungskündigung auszusprechen. 2. Rechtsprechung nach der Schuldrechtsreform: Verschärfte Anforderungen durch AGB-Kontrolle Durch die Erstreckung der AGB-Kontrolle auf Arbeitsverträge im Rahmen der Schuldrechtsreform hat sich der Prüfungsmaßstab geändert. Das BAG stellt nunmehr weitergehende formelle Anforderungen in Form einer tatbestandlichen Konkretisierung und nimmt eine über das Verbot des Eingriffs in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses hinausgehende materielle Zumutbarkeitsprüfung vor. a) Unzumutbarkeit von Widerrufsvorbehalten bei Eingriff in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses Die vor der Schuldrechtsreform ergangene Rechtsprechung zur Unwirksamkeit von Widerrufsvorbehalten ist in der Zumutbarkeitsprüfung gem. § 308 Nr. 4 BGB aufgegangen. Das BAG hält Widerrufsvorbehalte nach wie vor für unzulässig, wenn ein Eingriff in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses vorliegt.296 Um diesen Eingriff festzustellen, prüft das BAG weiterhin, ob durch den jeweiligen Widerruf das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung grundlegend berührt ist.297 Das sei bei einem Widerrufvorbehalt, der eine im Gegenseitigkeits294 BAG v. 07.10.1982 – 2 AZR 455/80, BAGE 40, 199; BAG v. 15.08.2000 – 1 AZR 458/99, zitiert nach juris. 295 BAG v. 31.01.1985 – 2 AZR 393/83, EzBAT § 8 BAT Direktionsrecht Nr. 3. 296 BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87 Rn. 21 f.; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777. 297 Vgl. BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777.

110

Kap. 2: Problemanalyse

verhältnis stehende Leistung betreffe, der Fall, wenn diese Leistung 25 % oder mehr des Gesamtverdienstes betrage.298 Betreffe der Widerrufsvorbehalt eine Leistung, die nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis stehe, müsse der widerrufliche Teil unter 30 % des Gesamtverdienstes betragen.299 Liegt der widerrufliche Teil der Gesamtvergütung über der jeweiligen Grenze, sei die Klausel unwirksam, da der Schutz der Änderungskündigung umgangen werde. Inhaltlich entspricht dies im Wesentlichen der Rechtsprechung vor der Schuldrechtsreform. Das BAG stellt für die Begründung des Kernbereichsschutzes nunmehr aber auch darauf ab, die flexible Gestaltung des Arbeitgebers dürfe das Wirtschaftsrisiko nicht auf den Arbeitnehmer verlagern.300 Von den einzuhaltenden Werten (unter 25 bzw. 30 % des Gesamtverdienstes) könnte eine Ausnahme für Spitzenverdiener gelten. Denn nach Ansicht des BAG sind der verbleibende Verdienst und die Stellung des Arbeitnehmers im Unternehmen bei der Zumutbarkeit zu berücksichtigen.301 Das BAG selbst hat eine solche Ausnahme bisher aber nicht angenommen. Die dargestellte Rechtsprechung wirft die Frage auf, ob auch bei Bestimmungsvorbehalten des Arbeitgebers im Entgeltbereich bestimmte Schwellenwerte zu beachten sind, damit kein Eingriff in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses möglich ist, oder ob ein solcher gar nicht in Frage kommt.302 Es könnte eventuell zu fordern sein, dass ein Bestimmungsvorbehalt einen Leistungsumfang enthält, damit eine Kontrolle auf Eingriffe in den Kernbereich überhaupt möglich ist. b) Rechtfertigungsgrund als materielle Anforderung Im Rahmen der Zumutbarkeit nach § 308 Nr. 4 BGB, in der die Wertungen des § 307 BGB heranzuziehen seien303, ist das BAG nicht mehr pauschal der Meinung, ein Widerrufsvorbehalt sei grundsätzlich zulässig. Vielmehr wird ge-

298 BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 07.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777. 299 BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87. 300 S. etwa BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777. 301 BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777; vgl. dazu Willemsen/Jansen, RdA 2010, 1, 3; eine Unterscheidung nach Arbeitnehmergruppen liegt nach Reinfelder, NZA-Beilage 2014, 10, 15 auch bei einseitigen Leistungsbestimmungsrechten zur erstmaligen Festlegung einer entgeltrelevanten Leistung nahe. 302 S. dazu Kapitel 4 B. IV. 303 Vgl. BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 1943; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777.

D. Rechtsprechung des BAG zu Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalten

111

fordert, der Widerruf müsse als Instrument der Anpassung wegen der unsicheren Entwicklung der Verhältnisse notwendig sein304, was insoweit der oben dargestellten Rechtsprechung des BGH305 entspricht. Das BAG fordert einen Grund, der den Widerruf typischerweise rechtfertigt. Als unwirksam erachtet hat es z. B. einen Vorbehalt, die Überlassung eines Dienstwagens – die es regelmäßig als Teil der Gegenleistung ansieht306 – aus „wirtschaftlichen Gründen“ zu widerrufen.307 Es führt aus, nicht jeder wirtschaftliche Grund sei für den Widerruf eines Dienstwagens ausreichend. Dementsprechend befand das BAG auch eine Klausel für unzumutbar, die einen Widerruf der Überlassung eines Dienstwagens ohne Beschränkung auf bestimmte Gründe regelte.308 Der Arbeitgeber hätte einen Sachgrund festlegen müssen, was ihm zumutbar gewesen wäre, so das BAG. Im Rahmen der materiellen Prüfung eines Widerrufsvorbehalts fordert das BAG das Vorliegen eines Sachgrundes, der den Widerruf regelmäßig rechtfertigt. Bei Bestimmungsvorbehalten geht das BAG auf eine solche Voraussetzung nicht ein. Es stellt sich also die Frage, ob auch für Bestimmungsvorbehalte ein Rechtfertigungsgrund nötig ist und welche Anforderungen an ihn zu stellen sind.309 c) Konkretisierungspflicht als formelle Anforderung Neben dieser materiellen Prüfung führt das BAG im Rahmen des § 308 Nr. 4 BGB auch eine formelle Prüfung durch, in der es die Maßstäbe des § 307 BGB heranzieht.310 § 308 Nr. 4 BGB sei die speziellere Norm, die § 307 BGB konkretisiere, weshalb dessen Wertungen heranzuziehen seien. Das BAG entnimmt die formellen Voraussetzungen hauptsächlich dem Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Angemessenheit nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB und die Zumutbarkeit aus § 308 Nr. 4 BGB seien aber nur gegeben, wenn sie aus der Klausel erkennbar werden.311 Auch aus ihnen können sich deshalb formelle Anforderungen ergeben. Das BAG prüft die formellen Voraussetzungen also nach 304 BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 1943; BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777. 305 S. dazu Kapitel 2 C. 306 Vgl. BAG v. 19.12.2006 – 9 AZR 294/06, DB 2007, 1253; BAG v. 21.03.2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 616. 307 BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 1943. 308 BAG v. 19.12.2006 – 9 AZR 294/06, DB 2007, 1253. 309 S. dazu insbesondere Kapitel 4 B. III. 3. und B. VII. 10. a) aa). 310 Vgl. BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 1943; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777. 311 BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465 Rn. 27; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 1943.

112

Kap. 2: Problemanalyse

einem Konglomerat aus §§ 308 Nr. 4, 307 BGB, schließt eine Unwirksamkeit in der Regel aber aus § 308 Nr. 4 BGB. aa) Pflicht zur Angabe von Widerrufsgründen Die wesentliche vom BAG aufgestellte Voraussetzung für die formelle Wirksamkeit eines Widerrufsvorbehaltes ist, dass die Klausel die Gründe angeben muss, nach denen der Verwender zum Widerruf berechtigt sein soll.312 Das BAG verlangt in diesem Zuge allerdings keine detaillierte Auflistung der im Einzelnen in Frage kommenden Widerrufsgründe. Der Arbeitgeber müsse aber zumindest die Richtung der möglichen Gründe angeben. Als Beispiele nennt es „wirtschaftliche Gründe, die Leistung oder das Verhalten des Arbeitnehmers“ 313. Diese Gründe seien keinesfalls selbstverständlich und für den Arbeitnehmer durchaus von Bedeutung. Die Voraussetzungen und der Umfang der vorbehaltenen Änderung müssten möglichst konkretisiert werden, so dass der Arbeitnehmer erkennen könne, was gegebenenfalls auf ihn zukommt.314 Dafür müsse auch die Leistung nach Art und Höhe eindeutig sein. Die Pflicht zur Konkretisierung besteht nach Ansicht des BAG unabhängig von der Höhe der widerrufbaren Leistung und dem Verhältnis zum Gesamtverdienst.315 Für den Fall, dass der Verwender den Widerruf nicht an die genannten allgemeineren Gründe binden, sondern auf eine bestimmte Störung abstellen will, wie z. B. eine wirtschaftliche Notlage des Unternehmens, ein negatives wirtschaftliches Ergebnis einer Abteilung, unterdurchschnittliche Leistung oder schwerwiegende Pflichtverletzung des Arbeitnehmers, müsse die Klausel auch den Grad der Störung konkretisieren, so das BAG.316 Dem entsprach nach Ansicht des BAG eine Klausel, die dem Arbeitgeber ein Widerrufsrecht bezüglich eines Weihnachtsgeldes im Falle einer „wirtschaftlichen Notlage“ einräumte.317 Der Widerrufsgrund und der Grad der Störung seien ausreichend konkretisiert. Wegen der Vielzahl der möglichen wirtschaftlichen Entwicklungen sei eine weitere Konkre-

312 BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87; BAG v. 25.04.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 1943; BAG v. 20.04.2011 – 5 AZR 191/ 10, BAGE 137, 383; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777; LAG Rheinland-Pfalz v. 18.07.2016 – 3 Sa 43/16, zitiert nach juris. 313 Bspw. BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465 Rn. 28; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87. 314 BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465. 315 Vgl. BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 1943. 316 BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465 Rn. 28. 317 BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777.

D. Rechtsprechung des BAG zu Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalten

113

tisierung nicht erforderlich. Der Grund zum Widerruf sei bereits auf eine Ausnahmesituation beschränkt und deshalb klar umrissen. Nicht transparent und damit unwirksam ist folglich nach Ansicht des BAG ein Widerrufsvorbehalt, der tatbestandlich nicht näher konkretisiert ist.318 Als unwirksam wegen Intransparenz erachtet das BAG Klauseln, die das Recht einräumen, „jederzeit unbeschränkt zu widerrufen“ 319, oder die Leistungen lediglich als „widerruflich“ bezeichnen320. Zu beachten sei aber, dass der Verwender selbst vorgebe, was ihn zum Widerruf berechtigen solle.321 Bezüglich des Entscheidungsmaßstabs verfährt das BAG wie bei Bestimmungsvorbehalten322. Es fordert auch bei Widerrufsvorbehalten keine ausdrückliche Beschränkung des Ermessens auf Billigkeit. Unabhängig von der konkreten Formulierung wendet es billiges Ermessen immer als Entscheidungsmaßstab an und führt dementsprechend auf einer zweiten Stufe nach der AGB-Kontrolle auch eine Ausübungskontrolle durch.323 Neben der Übereinstimmung im Ermessensmaßstab ist daraus aber auch ein Unterschied zur Rechtsprechung bezüglich Bestimmungsvorbehalten zu schließen: Die Geltung billigen Ermessens genügt nach der Auffassung des BAG – unabhängig davon, ob es ausdrücklich gilt oder nach Auslegung – nicht zur Konkretisierung von Widerrufsvorbehalten. Eine fehlende Konkretisierung sieht das BAG im Regelfall auch nicht durch Besonderheiten des Arbeitsrechts gerechtfertigt.324 Letztlich zeigt sich, dass die Möglichkeit, die Ausübung des Ermessens gerichtlich überprüfen zu lassen, in den Augen des BAG keinen Ausgleich für eine ungenügende Konkretisierung von Widerrufsvorbehalten bietet. Denn andernfalls müsste das BAG keine Konkretisierung fordern, da es die Ausübungskontrolle immer für anwendbar hält.325 Insgesamt weicht die Rechtsprechung des BAG zu Widerrufsvorbehalten in mehreren Punkten von der Bewertung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte ab: Widerrufsvorbehalte sollen im Gegensatz zu Bestimmungsvorbehalten den Konkretisierungsanforderungen des Transparenzgebotes nicht genügen, wenn 318

So ausdrücklich BAG v. 25.04.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853. BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465. 320 BAG v. 20.04.2011 – 5 AZR 191/10, BAGE 137, 383. 321 BAG v. 21.03.2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 616 Rn. 16. 322 S. dazu Kapitel 2 B. II. 2. 323 Statt vieler: BAG v. 07.01.1971 – 5 AZR 92/70, DB 1971, 392; BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931. 324 So ausdrücklich BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465 Rn. 28; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87 Rn. 28; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 1943 Rn. 29. 325 Statt vieler: BAG v. 07.01.1971 – 5 AZR 92/70, DB 1971, 392; BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931. 319

114

Kap. 2: Problemanalyse

sie tatbestandlich nicht konkretisiert sind. Das BAG fordert die Festlegung eines Widerrufsgrundes, die möglichst klare Begrenzung des Umfangs und die Bestimmtheit der Art und Höhe der widerruflichen Leistung.326 Das stützt es in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH 327 auf ein Verständnis des Transparenzgebotes, nach dem der Arbeitnehmer erkennen können muss, was auf ihn zukommt. In der Rechtsprechung zu Bestimmungsvorbehalten wird dieser Inhalt des Transparenzgebotes nicht erwähnt. Würde man diesen Maßstab auch bei Bestimmungsvorbehalten anwenden, könnte daraus – im Gleichlauf mit der Forderung der Konkretisierung der Widerrufsgründe bei Widerrufsvorbehalten – eine Pflicht folgen, in Bestimmungsvorbehalten die Entscheidungskriterien festzulegen.328 bb) Einmalige abweichende Beurteilung eines Widerrufsvorbehalts: keine Konkretisierungspflicht In einer Entscheidung ist der neunte Senat des BAG allerdings von der dargestellten Rechtsprechungslinie abgewichen. Dort hat der erkennende Senat einen Widerrufsvorbehalt für die Überlassung eines Dienstwagens für transparent erachtet, obwohl in der Klausel kein Widerrufsgrund angegeben war.329 Die Überlassung sollte „jederzeit widerrufbar“ sein. Das BAG führt aus, ein Widerrufsvorbehalt müsse zwar so gefasst sein, dass der Arbeitnehmer erkennen könne, in welchen Fällen er mit einem Widerruf zu rechnen habe, sich darauf einstellen könne und Gelegenheit habe, den Eintritt der Voraussetzungen zu verhindern. Diese Anforderungen seien aber gewahrt worden. Es sei ausdrücklich klargestellt worden, dass der Arbeitgeber die Überlassung immer und ohne Anlass widerrufen könne. Die Klausel sei jedoch aus materiellen Gründen unangemessen benachteiligend. Im Prüfungsmaßstab, dem Arbeitnehmer müsse erkennbar sein, was auf ihn zukommt, stimmt die Entscheidung mit der übrigen Rechtsprechung zur AGBKontrolle von Widerrufsvorbehalten überein. Der daraus gezogene Schluss steht allerdings im Widerspruch zu ihr. Der neunte Senat ist der Ansicht, eine Klausel, die nicht einmal die Richtung möglicher Widerrufsgründe angibt, genüge den formellen Anforderungen und sei transparent. In allen anderen Entscheidungen geht das BAG jedoch davon aus, die Klausel müsse tatbestandlich auf bestimmte Widerrufsgründe oder jedenfalls die Richtung solcher Gründe konkretisiert sein.

326 Vgl. BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 1943; so auch LAG Hamm v. 11.05.2004 – 19 Sa 2132/03, NZA-RR 2004, 515. 327 S. dazu Kapitel 2 C. I. 1. und C. II. 1. 328 S. dazu Kapitel 5 B. III. 329 BAG v. 19.12.2006 – 9 AZR 294/06, DB 2007, 1253.

D. Rechtsprechung des BAG zu Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalten

115

Eine Klausel zum Widerruf ohne Anlass kann zwar auch so verstanden werden, dass jeder denkbare Grund als ausreichender Widerrufsgrund festgelegt werden soll. Wäre damit aber der Pflicht zur tatbestandlichen Konkretisierung der Widerrufsgründe Genüge getan, würde sie jeglichen Inhalts beraubt. Es ergibt keinen Sinn, die Festlegung von Widerrufsgründen zu fordern, daraufhin aber eine Festlegung auf alle erdenklichen Gründe genügen zu lassen. Reicht jeder Grund zum Widerruf aus, sind eben keine Gründe konkretisiert. Die Entscheidung330 steht somit im direkten Widerspruch zur übrigen Rechtsprechung des BAG. Sowohl der neunte Senat selbst als auch die anderen Senate des BAG haben nachfolgend mehrfach entschieden, dass jedenfalls die Richtung der möglichen Widerrufsgründe anzugeben ist.331 Es ist also nicht davon auszugehen, dass der neunte Senat an den einmalig getroffenen formellen Bewertungen festhalten will. d) Ausblick für die Bewertung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte Das BAG hat in seiner Rechtsprechung vor der Schuldrechtsreform Widerrufsvorbehalte und einseitige Leistungsbestimmungsrechte zur erstmaligen Festlegung einer Leistung nach demselben Maßstab geprüft und sie im Ergebnis gleich behandelt. Es stellt sich daher die Frage, ob es gerechtfertigt ist, die beiden durchaus ähnlichen Flexibilisierungsinstrumente im Rahmen der AGB-Kontrolle unterschiedlich zu behandeln.332 Der Unterschied zwischen Bestimmungs- und Widerrufsvorbehalten ist gering und der Übergang fließend.333 Eine Festlegung der betreffenden Leistung auf null kommt einem Widerruf für den jeweiligen Zeitraum gleich; ein Teilwiderruf entspricht unter Umständen einer Festlegung in selbiger Höhe. Im Fall des Widerrufsvorbehalts müssen bei der vertraglichen Einräumung allerdings beträchtliche Anforderungen eingehalten werden, im Fall des Bestimmungsvorbehalts nicht. Es fragt sich, ob nicht bei derart ähnlichen Flexibilisierungsinstrumenten derselbe Maßstab anzulegen ist.334 Dann wären auch bei Bestimmungsvorbehalten eine tatbestandliche Konkretisierung sowie ein Rechtfertigungsgrund zu fordern335 und der Kernbereich vor einem Eingriff zu schützen336.

330

BAG v. 19.12.2006 – 9 AZR 294/06, DB 2007, 1253. BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 1943; BAG v. 20.04.2011 – 5 AZR 191/10, BAGE 137, 383; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777. 332 S. dazu insbesondere Kapitel 4 B. VII. 9. Kapitel 5 B. III. 10. b). 333 Ausführlich dazu unter Kapitel 1 B. III. und B. IV. 334 S. dazu auch Kapitel 4 B. VII. 9.; Kapitel 5 B. III. 10. b). 335 S. dazu Kapitel 4 B. VII.; Kapitel 5 B. III. und B. IV. 336 S. dazu Kapitel 4 B. IV. 331

116

Kap. 2: Problemanalyse

3. Zusammenfassung und Ausblick In der Rechtsprechung des BAG zu Widerrufsvorbehalten finden sich eine Reihe von Wirksamkeitsvoraussetzungen, deren Anwendbarkeit auf Bestimmungsvorbehalte im Verlauf dieser Arbeit zu untersuchen ist. Das BAG hält Widerrufsvorbehalte nur für transparent, wenn die Widerrufsgründe im Vorbehalt der Richtung nach angegeben sind, die Voraussetzungen und der Umfang geregelt sind sowie die Höhe der widerruflichen Leistung der Art und Richtung nach eindeutig ist.337 Sonst könne der Arbeitnehmer nicht erkennen, was auf ihn zukommt. Diese Erkenntnismöglichkeit hält das BAG – wie auch der BGH338 – in der Rechtsprechung zu Widerrufsvorbehalten aber für eine Voraussetzung der Transparenz. Die Rechtsprechung zu Bestimmungsvorbehalten339, in der das BAG auf diese Transparenzvoraussetzung nicht eingeht, steht insofern also auch im Widerspruch zur Rechtsprechung zu Widerrufsvorbehalten. Da die beiden Klauseltypen sich beträchtlich ähneln, erscheint es nicht abwegig, die Voraussetzung der Wirksamkeit von Widerrufsvorbehalten, dass die Widerrufsgründe in der Klausel geregelt werden, auf Bestimmungsvorbehalte zu übertragen, damit der Arbeitnehmer auch bei diesen erkennen kann, was auf ihn zukommt.340 Darüber hinaus hält das BAG Widerrufsvorbehalte – abermals in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH341 – nur für wirksam, wenn diese als Instrument der Anpassung notwendig sind. Daraus folgt, dass die in der Klausel zu regelnden Widerrufsgründe materiell geeignet sein müssen, einen Widerruf typischerweise zu rechtfertigen. Auch diese Gedanken könnten bei Bestimmungsvorbehalten fruchtbar gemacht werden. Jedenfalls erscheint es nicht konsequent, Bestimmungsvorbehalte für wirksam zu erachten, ohne dass ein berechtigtes Interesse an ihrer Verwendung besteht, Widerrufsvorbehalte hingegen nicht.342 Überdies könnte im Einklang mit der Behandlung von Widerrufsvorbehalten auch bei Bestimmungsvorbehalten zu fordern sein, dass ihre Ausübung an die Gründe zu binden ist, welche die Verwendung des Vorbehalts rechtfertigen.343 Materiell darf ein Widerrufsvorbehalt außerdem nur unter 25 % der Gesamtvergütung betreffen, wenn die widerrufliche Leistung Teil des Gegenseitigkeitsverhältnisses ist, bzw. unter 30 % bei anderen Leistungen.344 Andernfalls werde 337 338 339 340 341 342 343 344

S. dazu Kapitel 2 D. II. 2. c). S. dazu Kapitel 2 C. I. 1. und C. II. 1. S. dazu Kapitel 2 B. II. 2. S. dazu Kapitel 5 B. III. S. dazu Kapitel 2 C. S. dazu Kapitel 4 B. III. 3. S. dazu insbesondere Kapitel 4 B. VII. 10. a) aa). S. dazu Kapitel 2 D. II. 2. a) und D. II. 1.

E. Schrifttum zur AGB-Kontrolle

117

das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung grundlegend berührt. Das hält das BAG für unzulässig, da somit der Schutz der Änderungskündigung umgangen und das Wirtschaftsrisiko auf den Arbeitnehmer verlagert werde. Widerrufsvorbehalte, die diese Grenzen erreichen, ermöglichen dem Arbeitgeber einen Eingriff in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses, was stets zur Unwirksamkeit des Widerrufsvorbehalts führen soll. Es stellt sich die Frage, ob der Kernbereich des Arbeitsverhältnisses auch durch Bestimmungsvorbehalte berührt werden kann und welche Konsequenzen sich daraus für ihre Wirksamkeit ergeben.345 Schließlich stimmt das BAG in der Rechtsprechung bezüglich Widerrufsvorbehalten mit dem Vorgehen bei der AGB-Kontrolle von Bestimmungsvorbehalten überein, dass auch Widerrufsvorbehalte nach billigem Ermessen auszuüben sind und dies nicht ausdrücklich in der Klausel geregelt sein muss.346 Dieses Vorgehen soll an anderer Stelle näher betrachtet werden.347

E. Schrifttum zur AGB-Kontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte Die hier zu untersuchenden entgeltrelevanten Bestimmungsvorbehalte haben in der Literatur lange Zeit wenig Aufmerksamkeit gefunden. Im Gleichlauf mit der steigenden Zahl der Entscheidungen über derartige Klauseln tauchen sie jedoch auch in der Literatur häufiger auf und werden in der Regel als Alternative zu Freiwilligkeitsvorbehalten empfohlen.348 Die Bewertung der Transparenz und der Angemessenheit fällt dabei nicht einheitlich aus. Viele Stimmen schließen sich der AGB-rechtlichen Bewertung des BAG an und fordern keine Konkretisierung der Voraussetzungen oder des Ermessens. Vor allem im jüngeren Schrifttum finden sich aber auch vermehrt Beiträge, deren Autoren der Rechtsprechung des BAG nicht zustimmen.

I. Abweichungen von der Rechtsprechung in der Literatur: Pflicht zur Konkretisierung der Entscheidungskriterien Ein Teil der Literatur steht dem großzügigen Umgang mit arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten in der Rechtsprechung kritisch gegenüber und ist sich in folgender Grundannahme einig: die angesprochenen Leistungsbestimmungs345

S. dazu Kapitel 4 B. IV. S. dazu Kapitel 2 D. II. 1. und D. II. 2. c) aa). 347 S. Kapitel 4 B. V.; Kapitel 5 A. I. 2. b) und B. V. 348 S. etwa Lakies, ArbRAktuell 2013, 251; Salamon, NZA 2014, 465; Reinfelder, NZA-Beilage 2014, 10; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400; Lunk/Leder, NJW 2015, 3766; Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65; Stoffels, RdA 2015, 276; Kössel, DB 2016, 2963; Salamon/Wessels, BB 2017, 885; BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 101. 346

118

Kap. 2: Problemanalyse

rechte müssen jedenfalls rahmenmäßig umschriebene Entscheidungskriterien enthalten.349 Das wird übereinstimmend aus dem Transparenzgebot geschlossen. 1. Stoffels: Konkretisierungspflicht und Kritik an der Rechtsprechung des BAG Die erste deutliche Kritik an der Rechtsprechungslinie des BAG findet sich in einem Beitrag von Stoffels.350 Der Autor stellt darin die Frage, warum das BAG abweichend vom BGH und von der eigenen Bewertung bei Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalten so geringe Anforderungen an die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte stellt. Er kommt zu dem Ergebnis, dass richtigerweise eine rahmenmäßige Konkretisierung der Klausel zur Einräumung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts zu fordern sei. Stoffels führt aus, die Abweichung von der Linie des BGH könne zwar teilweise durch arbeitsrechtliche Besonderheiten gerechtfertigt werden.351 Das könne jedoch nicht zu einem Verzicht auf jegliche tatbestandliche Konkretisierung führen. Der Arbeitgeber habe ein berechtigtes Interesse an flexibler Vertragsgestaltung, weil gerade im Arbeitsverhältnis erhebliche, nicht absehbare Anpassungsnotwendigkeiten entstünden. Eine arbeitsrechtliche Besonderheit sei aber auch, dass der Arbeitnehmer nicht ohne weiteres mit einer Kündigung auf eine als unbillig empfundene Leistungsbestimmung reagieren könne. Er sei auf seinen Arbeitsplatz angewiesen, was ihn auch davon abhalten könne, die gerichtliche Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB in Anspruch zu nehmen. Des Weiteren vermöge der Zweck der zugesagten Leistung als Sonderzahlung die Beurteilung der Transparenz nicht zu beeinflussen, was das BAG allerdings als Argument anklingen lasse. Entscheidend sei, dass dem Arbeitnehmer ein Anspruch eingeräumt worden sei, ohne dass die maßgeblichen Kriterien für die Bestimmung der Höhe erkennbar seien. Bei Bonuszahlungen verfange der Gedanke des BAG ohnehin nicht mehr, da diese eindeutig Entgelt für erbrachte Arbeit seien. Letztlich steht Stoffels auch der Abweichung von der Bewertung arbeitsvertraglicher Widerrufsvorbehalte kritisch gegenüber.352 Zur Erinnerung: bei Widerrufsvorbehalten fordert das BAG eine Konkretisierung der Entscheidungsgründe, 349 S. Stoffels, RdA 2015, 276; Boensch, Arbeitsvertragliche Entgeltflexibilisierung und aufsichtsrechtliche Institutsvorgaben, S. 177 f.; Simon/Hidalgo/Koschker, NZA 2012, 1071, 1072; Preis/Preis, II S 40 Rn. 19e; zurückhaltender Pfrogner, BB 2018, 757, 759; eine Konkretisierung bei arbeitsleistungsbezogenen Leistungen fordern auch Preis/Deutzmann, NZA-Beilage 2017, 101, 107, wenn die Festlegung auf null möglich sein soll. 350 Stoffels, RdA 2015, 276. 351 Stoffels, RdA 2015, 276, 278. 352 Stoffels, RdA 2015, 276, 279.

E. Schrifttum zur AGB-Kontrolle

119

bei Bestimmungsvorbehalten gar keine Konkretisierung. Die Instrumente seien sich sehr nah. So berechtige der Widerrufsvorbehalt auch zu einem teilweisen Widerruf und ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht ermögliche die Festsetzung der Leistung auf null. Außerdem unterläge die Maßnahme des Arbeitgebers bei beiden Instrumenten der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB. Zudem mache es für die Transparenzanforderungen einer Klausel keinen Unterschied, ob ein Änderungs- oder ein Festsetzungsvorbehalt vereinbart worden sei. Der Arbeitnehmer müsse in beiden Fällen erkennen können, was gegebenenfalls auf ihn zukommt.353 Aus diesen Gründen will Stoffels die Überlegungen zur Transparenz von Widerrufsvorbehalten – bei denen die Widerrufsgründe der Richtung nach festgelegt werden müssen – auf die Bewertung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte übertragen. Bei Leistungsbestimmungsrechten seien also die relevanten Faktoren der Richtung nach festzulegen, wobei weder eine detaillierte Erklärung noch eine rechnerische Nachvollziehbarkeit zu fordern seien. Als Beispiele nennt er die Leistung des Arbeitnehmers, das Ergebnis des Unternehmens und das Ergebnis der Abteilung. 2. Stoffels: Relativierung der eigenen Meinung Ein späterer Beitrag von Stoffels relativiert das dargestellte Ergebnis allerdings wieder und wirft die Frage auf, ob der Autor daran festhalten will. Dort führt er in direktem Widerspruch zu seinem vorherigen Beitrag aus, eine Abweichung von den strengen Anforderungen bei Widerrufsvorbehalten sei gerechtfertigt, weil der Widerruf schwerwiegendere Folgen habe.354 Der Widerruf lasse die jeweilige Leistung endgültig entfallen, ein Bestimmungsvorbehalt nur für das jeweilige Jahr. Außerdem sei eine Festlegung auf null nur im Ausnahmefall zulässig und der Arbeitnehmer habe die Möglichkeit, eine Leistungsbestimmung gem. § 315 Abs. 3 BGB gerichtlich überprüfen zu lassen. Allerdings rät er auch an, im Interesse des Arbeitnehmers an einer transparenten Regelung durch die Konkretisierung von Entscheidungskriterien Klarheit zu schaffen. Ob in diesem Beitrag eine völlige Abkehr von der zuvor dargestellten Meinung zu sehen ist oder ob der Autor eine Konkretisierung nach wie vor für eine Wirksamkeitsvoraussetzung hält, kann nicht abschließend beurteilt werden. 3. Kritik an der Rechtsprechung bei Preis Erhebliche Kritik an der Rechtsprechung findet sich auch bei Preis.355 Er stellt zunächst fest, dass die Rechtsprechung so zu lesen sei, dass synallagmatische 353 354 355

Vgl. Stoffels, RdA 2015, 276, 279. Stoffels, NZA 2017, 1217, 1224. Preis/Preis, II S 40 Rn. 19d ff.

120

Kap. 2: Problemanalyse

Leistungen nicht unter Bestimmungsvorbehalt gestellt werden könnten. Weiter führt er aus, der großzügigen Handhabung des Transparenzgebots in der Rechtsprechung sei nicht beizupflichten. Ein Bestimmungsvorbehalt, der die bestimmenden Entscheidungsmaßstäbe nicht regelt, verstoße gegen das Bestimmtheitsgebot und sei intransparent.356 Die Klausel müsse die Angemessenheit und Zumutbarkeit erkennen lassen und die Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschreiben, dass für den Arbeitgeber keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Dem durchschnittlichen Arbeitnehmer sei ohne Konkretisierung allerdings nicht erkennbar, welche Maßstäbe entscheidend sein sollen. Er könne daher nicht feststellen, ob er eine Zahlung erhalten werde oder diese eventuell auf null festgesetzt werde. Gleichzeitig verstoße die gegenteilige Meinung des zehnten Senats des BAG gegen die Rechtsprechung des fünften Senats zu Widerrufsvorbehalten. Zuletzt stellt der Autor klar, von einer Konkretisierung sei auch nicht deshalb abzusehen, weil der Arbeitnehmer die Ausübung des Bestimmungsrechts gem. § 315 Abs. 3 BGB gerichtlich überprüfen lassen könne. Das BAG gehe mit der gegenteiligen Argumentation systemwidrig vor. Denn die Ausübung des Bestimmungsrechts sei der Angemessenheitskontrolle nachgelagert, welche eine typisierende und generalisierende Betrachtung erfordere. 4. Weitere Bestätigung einer Konkretisierungspflicht im Schrifttum Zustimmung erfährt die Forderung nach einer Konkretisierung der Entscheidungskriterien auch von anderen Autoren. Nach Ansicht von Simon/Hidalgo/ Koschker müssen die bestimmenden Kriterien aus Transparenzgründen schemenhaft umrissen werden (z. B. „Ertragslage“ oder „individuelle Leistung“).357 Etwas zurückhaltender äußert sich Pfrogner. Die Frage sei zwar nicht abschließend geklärt, das Transparenzgebot spreche aber dafür, dass Kriterien jedenfalls abstrakt (z. B. „Unternehmenserfolg“ oder „persönliche Leistung“) geregelt werden müssten.358 Eine Regelung des Leistungsumfangs hält sie jedoch ausdrücklich nicht für nötig.359 Der dargestellten Ansicht folgen letztlich auch Preis/Deutzmann in eingeschränkter Form. Sie halten eine Konkretisierung jedenfalls dann für nötig, wenn die betreffende Leistung Bezug zur Arbeitsleistung hat und eine ausnahmsweise Festlegung auf null möglich sein soll.360

356 357 358

Preis/Preis, II S 40 Rn. 19e. Simon/Hidalgo/Koschker, NZA 2012, 1071, 1072. Pfrogner, BB 2018, 757, 759; in diese Richtung auch Niklas, ArbRB 2018, 353,

354. 359 360

Pfrogner, BB 2018, 757, 758. Preis/Deutzmann, NZA-Beilage 2017, 101, 107.

E. Schrifttum zur AGB-Kontrolle

121

Eine ausführliche Begründung für das Vorliegen einer Konkretisierungspflicht findet sich bei Boensch.361 Aus den Diskrepanzen zur Rechtsprechung des BGH schließt er, dass der Meinung des zehnten Senats des BAG zu widersprechen und auch bei Bestimmungsvorbehalten eine Konkretisierung zu fordern ist. Er weist dabei vor allem darauf hin, dass der BGH – im Gegensatz zum zehnten Senat des BAG – in seiner Rechtsprechung das Bestimmtheitsgebot als Teil des Transparenzgebotes einschließt.362 Auch Boensch hält Bestimmungsvorbehalte für intransparent und unwirksam, wenn die Entscheidungskriterien nicht wenigstens rahmenmäßig konkretisiert sind (z. B. „individuelle Leistung“, „Geschäftsergebnis des Unternehmens“).363 Andernfalls sei für den Arbeitnehmer nicht erkennbar, unter welchen Voraussetzungen er eine Zahlung erwarten könne. Wie Stoffels364 ist er der Meinung, der Arbeitnehmer werde keine Billigkeitskontrolle anstreben, weil die Hürden im Arbeitsverhältnis zu hoch seien. Die Abweichung des BAG von der Bewertung der Widerrufsvorbehalte hält er nicht für gerechtfertigt. Bei beiden Gestaltungsvarianten könne der Arbeitgeber die Höhe der Leistung durch einseitige Erklärung gestalten. Anders als Stoffels365 hält Boensch sogar ein Leistungsbestimmungsrecht für einschneidender, weil eine Festlegung auf null möglich sei. 5. Zusammenfassung Die soeben dargestellten Beiträge aus dem Schrifttum stimmen darin überein, dass Bestimmungsvorbehalte nur transparent sind, wenn die relevanten Entscheidungskriterien der Richtung nach festgelegt sind. Diese Ansicht steht in direktem Widerspruch zur Rechtsprechung des BAG366. In diesem Zusammenhang wird teilweise auch die Diskrepanz der BAG-Rechtsprechung zur Behandlung von Widerrufsvorbehalten und zur Rechtsprechung des BGH angeführt. Darüber hinaus fällt auf, dass das BAG dem Transparenzgebot in der Prüfung der Bestimmungsvorbehalte anscheinend einen anderen Inhalt beimisst als die aufgeführten Stimmen aus der Literatur und der BGH 367. In der Literatur wird mehrfach ausgeführt, ein Bestimmungsvorbehalt, der die Entscheidungskriterien nicht regelt, verstoße gegen das Bestimmtheitsgebot und sei intransparent, weil der Arbeitnehmer nicht erkennen könne, was auf ihn zukommt. Abgelehnt wird letztlich auch 361 Boensch, Arbeitsvertragliche Entgeltflexibilisierung und aufsichtsrechtliche Institutsvorgaben, S. 170 ff. 362 Boensch, Arbeitsvertragliche Entgeltflexibilisierung und aufsichtsrechtliche Institutsvorgaben, S. 174. 363 Boensch, Arbeitsvertragliche Entgeltflexibilisierung und aufsichtsrechtliche Institutsvorgaben, S. 177 f. 364 Stoffels, RdA 2015, 276, 278. 365 Stoffels, NZA 2017, 1217, 1224. 366 S. zu dieser Rechtsprechung unter Kapitel 2 B. II. 2. 367 Dazu bereits unter Kapitel 2 C.

122

Kap. 2: Problemanalyse

die Argumentation des BAG, der Arbeitnehmer sei ausreichend durch die gerichtliche Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB geschützt.368 Erneut drängt sich also die Frage auf, ob Bestimmungsvorbehalte anders behandelt werden sollten als Widerrufsvorbehalte369 und ob nicht das Transparenzgebot auch bei Bestimmungsvorbehalten eine Konkretisierung der Entscheidungskriterien gebietet.370

II. Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BAG im Schrifttum: keinerlei Konkretisierungspflicht Im Schrifttum finden sich aber auch eine Reihe von Stimmen, die der oben dargestellten Rechtsprechung des BAG beipflichten und keine tatbestandliche Konkretisierung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte fordern.371 Wegen dieser geringen Anforderungen wird die Vereinbarung solcher Bestimmungsrechte als Alternative zum wenig praktikablen Freiwilligkeitsvorbehalt vorgeschlagen.372 Einigkeit besteht praktisch im gesamten Schrifttum und der Rechtsprechung darüber, dass arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte nicht dem § 308 Nr. 4 BGB unterfallen.373 Weiterhin werden sie auch regelmäßig als angemessen i. S. d. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB angesehen.374 Zur Begründung der generellen Angemessenheit wird mit Verweis auf das BAG von einigen Autoren insbesondere erläutert, dass einseitige Leistungsbestimmungsrechte einem Bedürfnis des Wirtschaftslebens entsprechen können375 und § 315 BGB sie gerade zulasse, so dass keine Abweichung vom gesetzlichen Leitbild vorliege376. Der Arbeitnehmer sei 368

Dazu später unter Kapitel 4 B. VII. 7. f) und B. VIII. 2.; Kapitel 5 B. III. 6. S. dazu Kapitel 4 B. VII. 9.; Kapitel 5 B. III. 10. b); s. auch Kapitel 1 B. IV. 370 S. dazu Kapitel 5 B. III. 371 Vgl. Wensing/Boensch, BB 2014, 2358; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400; Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65; Kössel, DB 2016, 2963; BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 101. 372 Lakies, ArbRAktuell 2013, 251; Salamon, NZA 2014, 465; Reinfelder, NZA-Beilage 2014, 10; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400; Lunk/Leder, NJW 2015, 3766; Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65; Kössel, DB 2016, 2963; Salamon/Wessels, BB 2017, 885; BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 101. 373 So ausdrücklich Reinfelder, NZA-Beilage 2014, 10; Salamon, NZA 2014, 465; Lunk/Leder, NJW 2015, 3766; HK-ArbR/Boemke/Ulrici, Anhang zu §§ 307–309 Rn. 3; Bauer/Heimann, NZA-Beilage 2014, 114, 118; BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 101; Boensch, Arbeitsvertragliche Entgeltflexibilisierung und aufsichtsrechtliche Institutsvorgaben, S. 171; Salamon EntgG-HdB/Salamon, Kap. F Rn. 193; a. A. Ulrici, jurisPRArbR 12/2011 Anm. 1. 374 HK-ArbR/Boemke/Ulrici, Anhang zu §§ 307–309 Rn. 3; BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 101; Salamon EntgG-HdB/Salamon, Kap. F Rn. 194. 375 HWK/Roloff, Anh. §§ 305–310 BGB Rn. 28. 376 Salamon, NZA 2014, 465, 466; Salamon/Wessels, BB 2017, 885, 886; Salamon EntgG-HdB/Salamon, Kap. F Rn. 194; BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 101; Boensch, 369

E. Schrifttum zur AGB-Kontrolle

123

zudem ausreichend durch die Entscheidung nach billigem Ermessen und die gerichtliche Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB geschützt.377 Außerdem ist unumstritten, dass die Entscheidung gem. § 315 BGB nach billigem Ermessen zu treffen ist.378 Folglich soll eine Vereinbarung der Entscheidung nach „freiem Ermessen“ unzulässig sein379, weil sie gegen das Leitbild des § 315 BGB verstoße und wegen des fehlenden Korrektivs der Billigkeitskontrolle aus § 315 Abs. 3 BGB den Arbeitnehmer unangemessen benachteilige.380 Ein großer Teil der Literatur sieht Bestimmungsvorbehalte im Entgeltbereich grundsätzlich als transparent an.381 Dafür soll es auch unerheblich sein, ob die Klausel tatbestandliche Konkretisierungen enthält. Teilweise wird allerdings mit Blick auf eine mögliche Ausübungskontrolle durch die Gerichte dazu geraten, dennoch die Richtlinien zur Entscheidung in der Klausel festzulegen und zur Klarheit explizit eine Entscheidung nach billigem Ermessen zu vereinbaren.382

III. Zur Differenzierung nach dem Charakter der betreffenden Leistung im Schrifttum Bezüglich der Transparenz wird überwiegend entweder gar keine Unterscheidung zwischen Sonderzahlungen und Leistungen aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis vorgenommen383 oder aber nur festgestellt, dass auch ein BestimmungsArbeitsvertragliche Entgeltflexibilisierung und aufsichtsrechtliche Institutsvorgaben, S. 178 f. 377 Salamon, NZA 2014, 465, 466; Salamon/Wessels, BB 2017, 885, 886; Bauer/ Heimann, NZA-Beilage 2014, 114, 118; Boensch, Arbeitsvertragliche Entgeltflexibilisierung und aufsichtsrechtliche Institutsvorgaben, S. 178 f.; Salamon EntgG-HdB/Salamon, Kap. F Rn. 194. 378 Vgl. Lakies, ArbRAktuell 2013, 251; Salamon, NZA 2014, 465; Reinfelder, NZABeilage 2014, 10; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400; Lunk/Leder, NJW 2015, 3766; Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65; Stoffels, RdA 2015, 276; Niklas, ArbRB 2018, 353, 354; Kössel, DB 2016, 2963; Salamon/Wessels, BB 2017, 885; BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 101; HK-ArbR/Boemke/Ulrici, Anhang zu §§ 307–309 Rn. 3; Salamon EntgG-HdB/Salamon, Kap. F Rn. 190; HWK/Roloff, Anh. §§ 305–310 BGB Rn. 28. 379 BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 101; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358, 2360; Boensch, Arbeitsvertragliche Entgeltflexibilisierung und aufsichtsrechtliche Institutsvorgaben, S. 179 f. 380 So Salamon, NZA 2014, 465; Kössel, DB 2016, 2963; Salamon/Wessels, BB 2017, 885; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358, 2360. 381 Wensing/Boensch, BB 2014, 2358; Lunk/Leder, NJW 2015, 3766; HK-ArbR/ Boemke/Ulrici, Anhang zu §§ 307–309 Rn. 3; BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 101; vgl. auch Lakies, ArbRAktuell 2013, 251; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400. 382 Ausdrücklich Kössel, DB 2016, 2963; vgl. auch Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358. 383 So Lakies, ArbRAktuell 2013, 251; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400; HK-ArbR/Boemke/Ulrici, Anhang zu §§ 307–309 Rn. 3; HWK/Roloff, Anh. §§ 305–310 BGB Rn. 28.

124

Kap. 2: Problemanalyse

recht über im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Leistungen ohne Konkretisierung transparent sei384. Einige Stimmen im Schrifttum weisen jedoch darauf hin, dass nicht abschließend geklärt ist, ob das BAG eine Klausel ohne Konkretisierung nur für transparent hält, wenn das Bestimmungsrecht eine nicht synallagmatische Sonderzahlung betrifft, oder ob dasselbe für Leistungen aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis gilt.385 Im Ergebnis kommen aber auch diese Autoren zu dem Schluss, dass die Vereinbarung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte ohne Konkretisierung transparent ist, auch wenn sie eine synallagmatische Leistung betreffen.386 Das wesentliche Argument dabei ist, dass der Arbeitnehmer ausreichend durch die Anwendbarkeit des § 315 BGB und die daraus folgende Möglichkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle geschützt sei. 1. Trotz Unklarheiten in der Rechtsprechung: keine Konkretisierungspflicht auch bei synallagmatischen Leistungen Salamon führt aus, aus der Entscheidung des BAG vom 16.01.2013387 ergebe sich, dass das BAG bei Sonderzahlungen keine tatbestandliche Konkretisierung der Klausel fordere.388 Nicht klar sei allerdings, ob dasselbe für Leistungen aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis gelten solle. Eine solche Unterscheidung sei aber bereits insofern problematisch, als das BAG in seiner Rechtsprechung zu Stichtagsklauseln die Reichweite der in das synallagmatische Austauschverhältnis fallenden Leistungen sehr weit fasse.389 Im Ergebnis sei eine Begrenzung auf nicht synallagmatische Leistungen bei der Einräumung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte jedoch nicht beabsichtigt. Das zeige einmal das Argument des BAG, ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht müsse erst recht zulässig sein, da der Arbeitgeber auch einen Freiwilligkeitsvorbehalt hätte vereinbaren können.390 Denn unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt könnten auch erfolgsbezogene Leistungen gestellt werden, die nach der Rechtsprechung zu Stichtagsklauseln in das Austauschverhältnis fielen. Außerdem habe das BAG in mehreren Entscheidungen auch ein Leistungsbestimmungsrecht bezüglich variabler Entgeltbestandteile zugelassen.391

384

Lunk/Leder, NJW 2015, 3766; Kössel, DB 2016, 2963. Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65; Salamon, NZA 2014, 465; Salamon/ Wessels, BB 2017, 885; Bauer/Heimann, NZA-Beilage 2014, 114, 118; Niklas, ArbRB 2018, 353. 386 Zweifel an diesem Ergebnis äußert Niklas, ArbRB 2018, 353. 387 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013. 388 Salamon, NZA 2014, 465, 466 f.; Salamon EntgG-HdB/Salamon, Kap. F Rn. 195; so auch Salamon/Wessels, BB 2017, 885, 886. 389 Genauso Salamon/Wessels, BB 2017, 885, 886. 390 Salamon, NZA 2014, 465, 467. 385

E. Schrifttum zur AGB-Kontrolle

125

Eine Konkretisierung ist nach Salamon auch bei Bestimmungsvorbehalten bezüglich einer synallagmatischen Leistung entbehrlich. Die Parallele zum Freiwilligkeitsvorbehalt lehnt der Autor als Argument für die Transparenz von Bestimmungsvorbehalten zwar ab, da dem Arbeitnehmer bei Letzteren ein Anspruch eingeräumt worden sei.392 Die hypothetische Möglichkeit, dies nicht zu tun, könne kaum maßgeblich für die Bestimmung dieses Anspruchs sein. Allein der Umstand, dass die Leistung in das Austauschverhältnis falle, könne aber keine Anforderungen an die Transparenz begründen. Es sei bereits zweifelhaft, ob variable Entgeltbestandteile in das Austauschverhältnis des § 611 BGB einzubeziehen seien, weil der Arbeitgeber wohl eher einen Motivationszweck verfolge.393 Entscheidend sei im Endeffekt, ob mit der Vereinbarung des Bestimmungsrechts ein ungerechtfertigter Wertungsspielraum eingeräumt sei, durch den der Arbeitgeber einseitig vom Leistungsversprechen abweichen könne. Eben daran fehle es aber wegen der Möglichkeit aus § 315 BGB, die Leistungsbestimmung gerichtlich überprüfen zu lassen. Salamon/Wessels sehen es aus diesem Grund als gerechtfertigt an, die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte anders zu bewerten als die Transparenz vertraglicher Widerrufsvorbehalte, obwohl auch bei diesen die gerichtliche Billigkeitskontrolle greife.394 Der Arbeitnehmer sei, anders als bei einem Widerrufsvorbehalt, bei dem nur die Entziehung einer Leistung im Streit stehe, ausreichend durch die Möglichkeit der gerichtlichen Leistungsbestimmung geschützt. Salamon führt abschließend aus, zielführend sei die Frage der Rechtsprechung, ob der Arbeitgeber Leistungsanreize setze, von denen er sich einseitig lossagen könne.395 Ein Leistungsanreiz liege bei einem nicht konkretisierten Leistungsbestimmungsrecht gerade nicht vor. Entstehe beim Arbeitnehmer dennoch der Eindruck, seine Leistung könne die Zahlung beeinflussen, sei dieser nicht schutzwürdig. Der Arbeitnehmer sei ausreichend durch § 315 Abs. 3 BGB geschützt.396 Eine Klausel, die weder billiges Ermessen als Entscheidungsmaßstab festsetzt397 noch sonst konkretisiert ist, halten Lingemann/Pfister/Otte ausdrücklich für transparent, selbst wenn die zu bestimmende Leistung im Gegenseitigkeits391 Salamon/Wessels, BB 2017, 885, 886 halten es deshalb für unwahrscheinlich, dass das BAG bei variablem Entgelt eine Konkretisierung fordert. 392 Salamon, NZA 2014, 465, 467; so auch Salamon/Wessels, BB 2017, 885, 886. 393 Salamon, NZA 2014, 465, 467. 394 Salamon/Wessels, BB 2017, 885, 887. 395 Salamon, NZA 2014, 465, 468; Salamon EntgG-HdB/Salamon, Kap. F Rn. 196. 396 Salamon, NZA 2014, 465, 468; Salamon EntgG-HdB/Salamon, Kap. F Rn. 197. 397 Auch ihrer Meinung nach kann die Vereinbarung „freien Ermessens“ im Einzelfall in billiges Ermessen umgedeutet werden. Das erfordere aber erheblichen Begründungsaufwand, weshalb sie raten, keine Konkretisierung zu treffen oder billiges Ermessen ausdrücklich zu vereinbaren.

126

Kap. 2: Problemanalyse

verhältnis steht. Die Begründung bietet abermals der Schutz der gerichtlichen Ausübungskontrolle.398 Die Autoren stellen in dem Zusammenhang ebenfalls fest, dass das BAG diese Meinung für Sonderzahlungen vertritt, jedoch nicht eindeutig klargestellt hat, ob dies auch in Bezug auf Leistungen aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis gelten solle. Auch Reinfelder stellt darauf ab, die gerichtliche Kontrolle der Ermessensausübung stelle den Ausgleich dafür dar, dass die Leistung nicht vorab festgelegt sei.399 Er erkennt die Transparenz einer Klausel ohne Konkretisierung für den Fall an, dass das Bestimmungsrecht eine Sonderzahlung betrifft.400 Neu ist seine Aussage, der Kern der Gegenleistung müsse für den Arbeitnehmer erkennbar bleiben. Sie spricht dafür, dass der Autor eine Unterscheidung zwischen engerer Gegenleistung und allen anderen Zahlungen trifft. Danach fordert er wohl auch keine Konkretisierung, wenn die Gegenleistung im weiteren Sinn betroffen ist. Eine variable Gestaltung des Kerns der Gegenleistung durch Einräumung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts scheint er unabhängig von der Konkretisierung gar nicht für zulässig zu halten. Ähnlich sieht es auch Preis – allerdings abweichend von seiner eigenen Meinung aus dem oben dargestellten Beitrag401. Der Autor stellt fest, dass die formularvertragliche Vereinbarung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts außerhalb der engeren Gegenleistung selbst dann zulässig sei, wenn das Leistungsbestimmungsrecht nicht konkretisiert wird.402 Das entspreche der gesetzlichen Konzeption des § 315 BGB und der Arbeitnehmer erhalte darüber hinaus einen klagbaren Anspruch. Außerdem unterliege die Leistungsbestimmung durch den Arbeitgeber der gerichtlichen Kontrolle. Preis fordert hier also keine Konkretisierung, solange nicht die engere Gegenleistung betroffen ist. Die engere Gegenleistung darf seiner Meinung nach wohl gar nicht unter Bestimmungsvorbehalt gestellt werden. 2. Zusammenfassung Im Ergebnis fordern die dargestellten Stimmen in der Literatur keine tatbestandliche Konkretisierung eines Bestimmungsvorbehalts, auch wenn die Gegenleistung (teilweise: die Gegenleistung im weiteren Sinne) betroffen ist. Als wesentliche Begründung wird angeführt, der Arbeitnehmer sei ausreichend durch die gerichtliche Ausübungskontrolle und die Möglichkeit der Vornahme der Leistungsbestimmung durch das Gericht geschützt. Dabei wird jedoch nicht deutlich, 398

Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65, 67. Reinfelder, NZA-Beil. 2014, 10, 15. 400 S. Darstellung der Entscheidung Rechtsprechung des BAG Reinfelder, NZABeil. 2014, 10, 14. 401 Preis/Preis, II S 40 Rn. 19e; s. dazu Kapitel 2 E. I. 3. 402 ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 53, 73a. 399

E. Schrifttum zur AGB-Kontrolle

127

wie in diesem Zusammenhang festzustellen sein soll, ob eine Leistung im Gegenseitigkeitsverhältnis steht. Es bleibt auch teilweise unklar403, ob bei den Anforderungen an die Konkretisierung zwischen Gegenleistung im engeren Sinn und Gegenleistung im weiteren Sinn unterschieden werden soll und wie eine solche Unterscheidung vorzunehmen wäre. Insofern wird insbesondere noch zu erörtern sein, ob und mit welchen Folgen der Charakter der betreffenden Leistung die Anforderungen an die Konkretisierung beeinflussen kann.404 Von besonderem Interesse ist auch die Vorüberlegung, welche Leistungen Teil des Gegenseitigkeitsverhältnisses sind und wie die Abgrenzung vorzunehmen ist.405 Den Ausführungen einiger Autoren könnte außerdem entnommen werden, dass sie es für unzulässig halten, die engere Gegenleistung unter Bestimmungsvorbehalt zu stellen. Dem ist an späterer Stelle nachzugehen.406 Im Übrigen wird die Argumentation des BAG abgelehnt, ein Bestimmungsvorbehalt ohne Konkretisierung sei wirksam, da der Arbeitgeber ebenso gut einen Freiwilligkeitsvorbehalt hätte wählen können.407 Diese Kritik gibt Anlass, die Argumentation des BAG auf ihre Stichhaltigkeit zu überprüfen.408 Zu beachten ist vorliegend letztlich die Aussage Salamons, der die Frage der Rechtsprechung für zielführend hält, ob der Arbeitgeber Leistungsanreize setze, von denen er sich einseitig lossagen könne.409 Salamon meint, ein Leistungsanreiz liege bei einem nicht konkretisierten Leistungsbestimmungsrecht gerade nicht vor. Entstehe beim Arbeitnehmer der Eindruck, seine Leistung könne die Zahlung beeinflussen, sei dieser nicht schutzwürdig. An dieser Argumentation bestehen allerdings Bedenken, die es noch darzulegen gilt.410

IV. Anderer Ansatz: strengere Anforderungen im Gleichlauf mit Widerrufsvorbehalten Ein anderer Ansatz zur AGB-Kontrolle entgeltrelevanter Bestimmungsvorbehalte findet sich bei Heiden.411 Dieser behandelt Bestimmungsvorbehalte im Ergebnis wie Widerrufsvorbehalte.412 Der Autor fordert bei arbeitsvertraglichen 403

Vgl. Salamon, NZA 2014, 465; Salamon/Wessels, BB 2017, 885. S. dazu etwa Kapitel 4 B. IV. 7., B. VI. und B. VII. 10.; Kapitel 5 B. III. 5. 405 S. dazu Kapitel 4 B. IV. 6. 406 S. Kapitel 4 B. IV. 407 Salamon, NZA 2014, 465, 467; Salamon/Wessels, BB 2017, 885, 886. 408 S. dazu unter Kapitel 2 F. III.; Kapitel 4 B. VII. 7. c); Kapitel 5 B. III. 7. 409 Salamon, NZA 2014, 465, 468; zur Rechtsprechung s. Kapitel 2 B. II. 2. 410 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 5. 411 Heiden, Entgeltrelevante Zielvereinbarungen aus arbeitsrechtlicher Sicht, S. 76 ff. 412 S. z. B. Heiden, Entgeltrelevante Zielvereinbarungen aus arbeitsrechtlicher Sicht, S. 85, 87, 89. 404

128

Kap. 2: Problemanalyse

Leistungsbestimmungsrechten, wie auch das BAG bei Widerrufsvorbehalten413, eine tatbestandliche Konkretisierung. Es müssten Entscheidungsgründe und der Umfang des Rechts geregelt werden.414 Heiden ist der Ansicht, eine Klausel zur Einräumung eines Leistungsbestimmungsrechts sei nur angemessen, wenn Sachgründe für die Einräumung vorliegen.415 Außerdem sieht er den Umfang des Bestimmungsrechts als ausschlaggebend für die Beurteilung der Angemessenheit. Das Bestimmungsrecht dürfe nicht dazu führen, dass der Arbeitnehmer ein sittenwidrig niedriges Entgelt erhalten könne. Aus diesem Grund fordert der Autor wohl auch, den Umfang der zu bestimmenden Leistung in der Klausel festzulegen.416 Voraussetzung der Transparenz ist seiner Meinung nach, dass die Gründe für die Änderung bzw. die Bestimmung der Leistung möglichst konkret in der Klausel geregelt werden.417 Dabei ist jedoch zu beachten, dass Heiden seine Aussagen zu einem Zeitpunkt getroffen hat, als die großzügige Bewertung von Bestimmungsvorbehalten durch das BAG noch nicht abzusehen war. Bis dahin wurden auch in der Rechtsprechung Widerrufsvorbehalte und Bestimmungsrechte zur erstmaligen Festlegung gleich behandelt.418 Ob Heiden in Kenntnis der neueren Rechtsprechung des BAG zu einer anderen Bewertung der einseitigen Leistungsbestimmungsrechte gekommen wäre, ist nicht feststellbar. Jedenfalls zeigt seine Ansicht erneut, dass es durchaus fraglich ist, ob eine unterschiedliche Behandlung von Widerrufs- und Bestimmungsvorbehalten tatsächlich gerechtfertigt ist.419

V. Stimmen zur Anwendbarkeit des Kernbereichsschutzes Zuletzt wird teilweise darauf hingewiesen, dass der Kernbereich des Arbeitsverhältnisses durch das Bestimmungsrecht nicht angetastet werden darf 420. So sieht es wohl auch Reinfelder, der ausführt, das Grundprinzip, wonach der Arbeitnehmer Anspruch auf ein bestimmtes laufendes Entgelt habe, müsse gewahrt bleiben.421 Es dürfe weder das Betriebs- und Wirtschaftsrisiko auf den Arbeitneh413

S. dazu Kapitel 2 D. II. Auch Heiden ist der Meinung, als Ermessensmaßstab müsse die Billigkeit gelten, fordert aber wohl keine ausdrückliche Festlegung in der Klausel. Eine Festlegung der Entscheidung nach freiem Ermessen soll jedoch nicht zulässig sein. S. Heiden, Entgeltrelevante Zielvereinbarungen aus arbeitsrechtlicher Sicht, S. 101 f. 415 Heiden, Entgeltrelevante Zielvereinbarungen aus arbeitsrechtlicher Sicht, S. 87 ff. 416 Heiden, Entgeltrelevante Zielvereinbarungen aus arbeitsrechtlicher Sicht, S. 86 f. 417 Heiden, Entgeltrelevante Zielvereinbarungen aus arbeitsrechtlicher Sicht, S. 103 ff. 418 S. dazu unter Kapitel 2 B. I. 419 S. dazu insbesondere Kapitel 4 B. VII. 9.; Kapitel 5 B. III. 10. b). 420 HWK/Roloff, Anh. §§ 305–310 BGB Rn. 28; Boensch, Arbeitsvertragliche Entgeltflexibilisierung und aufsichtsrechtliche Institutsvorgaben, S. 168 ff.; Niklas, ArbRB 2018, 353 f. 421 Reinfelder, NZA-Beil. 2014, 10, 15. 414

E. Schrifttum zur AGB-Kontrolle

129

mer verlagert noch der einseitig zu bestimmende Anteil an der Vergütung beliebig ausgedehnt werden. Die laufende Vergütung darf auch nach Boensch nicht betroffen sein, da ansonsten der Kernbereich angetastet werde.422 Ulrici möchte sogar die prozentualen Schwellenwerte aus der Rechtsprechung zu Widerrufsvorbehalten anwenden.423 Gegen eine Anwendbarkeit dieser Schwellenwerte spricht sich Pfrogner mit der Begründung aus, dem Arbeitnehmer werde „nichts weggenommen“.424 Ebenso meinen Simon/Hidalgo/Koschker, dass die Schwellenwerte nicht anzuwenden seien.425 Zwar bedeute eine Festlegung der Leistung auf null einen faktischen Widerruf, weshalb eine Übertragung naheliege. Die Grenzen passten auf Bestimmungsvorbehalte wegen der offenen Leistungshöhe aber nicht recht. Durch die fehlende Festlegung der Höhe habe der Arbeitnehmer außerdem nicht nur Nachteile, sondern z. B. bei guter Ertragslage auch Vorteile.426 Bei den Autoren, die den Schutz des Kernbereichs ansprechen, besteht im Ergebnis eine Tendenz, diesen auch bei Bestimmungsvorbehalten anzuwenden. Welche Konsequenzen sich daraus für die Wirksamkeit bzw. Ausgestaltung dieser Bestimmungsrechte ergeben sollen, wird nicht recht deutlich. Es zeigt sich jedoch, dass das Verbot, in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses einzugreifen, bei Bestimmungsvorbehalten nicht völlig außer Acht gelassen werden kann. So wird an anderer Stelle zu erörtern sein, wie sich das Verbot eines Eingriffs in den Kernbereich auf die Wirksamkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte auswirkt.427

VI. Fazit Im Schrifttum gehen die Meinungen darüber, welche Anforderungen an die Wirksamkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte im Entgeltbereich zu stellen sind, auseinander. Ein beträchtlicher Teil der Stimmen folgt der Rechtsprechung des BAG428 und hält Bestimmungsvorbehalte für wirksam, selbst wenn sie keinerlei Konkretisierung enthalten.429 Auf der anderen Seite ist aber auch ein nicht unerheblicher Teil des Schrifttums der Meinung, dass arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte nur wirksam sind, wenn sie die maßgeblichen 422 Boensch, Arbeitsvertragliche Entgeltflexibilisierung und aufsichtsrechtliche Institutsvorgaben, S. 168 ff. 423 Ulrici, jurisPR-ArbR 12/2011 Anm. 1; in diese Richtung auch Niklas, ArbRB 2018, 353 f. 424 Pfrogner, BB 2018, 757, 759. Zur Sicherheit soll ihrer Meinung nach allerdings darauf geachtet werden, dass mindestens zwei Drittel des marktüblichen Entgelts als Festvergütung gewährt werden. 425 Simon/Hidalgo/Koschker, NZA 2012, 1071, 1074. 426 Simon/Hidalgo/Koschker, NZA 2012, 1071, 1074. 427 S. Kapitel 4 B. IV. 428 S. zu dieser Rechtsprechung Kapitel 2 B. II. 2. 429 S. Kapitel 2 E. II. und E. III.

130

Kap. 2: Problemanalyse

Entscheidungskriterien enthalten.430 Diese Ansicht meint, die Kriterien müssten der Richtung nach konkretisiert werden. So zeigt sich erneut431, dass die Frage, ob Bestimmungsvorbehalte einer Konkretisierung der Entscheidungskriterien bedürfen, besonderer Beachtung bedarf.432 Die Analyse des Schrifttums zur AGB-Kontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte hat außerdem noch eine Reihe weiterer Aspekte offenbart, denen im Verlauf dieser Arbeit nachzugehen ist. Eine entscheidende Rolle spielt die Argumentation des BAG, eine Konkretisierung von Bestimmungsvorbehalten sei nicht vonnöten, weil der Arbeitnehmer ausreichend durch die Möglichkeit einer Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB geschützt sei.433 Ein Teil der Literatur verwendet dasselbe Argument zur Begründung der Wirksamkeit von Bestimmungsvorbehalten ohne Konkretisierung.434 Einige Vertreter der gegenteiligen Ansicht, nach der Bestimmungsvorbehalte einer Konkretisierung der Entscheidungskriterien bedürfen, lehnen diese Argumentation jedoch ab. Es wird darauf verwiesen, dass der Arbeitnehmer eine Billigkeitskontrolle scheue, da er auf sein Arbeitsverhältnis angewiesen sei435, und dass die Billigkeitskontrolle der AGBKontrolle nachgelagert sei436. Welchen Einfluss die Billigkeitskontrolle auf die Wirksamkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte hat, ist an späterer Stelle zu erörtern.437 Von Bedeutung ist weiterhin der Inhalt des Transparenzgebotes. Wie in der Rechtsprechung438 wird auch in der Literatur bei der Transparenzkontrolle nicht immer derselbe Maßstab angewendet. Zur Begründung einer Pflicht, die Entscheidungskriterien in Bestimmungsvorbehalten zu konkretisieren, wird darauf verwiesen, das Transparenzgebot umfasse das Bestimmtheitsgebot und erfordere somit, dass der Vertragspartner erkennen könne, was auf ihn zukommt.439 Die gegenteilige Meinung, nach der keine Konkretisierung nötig sein soll, geht auf dieses Erfordernis nicht ein.440 Es gilt also zu untersuchen, welchen Gehalt das Transparenzgebot hat und wie sich dieser auf die Wirksamkeit und Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte auswirkt.441 430

S. Kapitel 2 E. I. S. auch unter Kapitel 2 C. I. 3., C. II. 4. und D. II. 3. 432 S. dazu Kapitel 4 B. VII.; Kapitel 5 B. III. 433 S. dazu Kapitel 2 B. II. 2. 434 S. Kapitel 2 E. III. 435 S. dazu unter Kapitel 2 E. I. 1. und E. I. 4. 436 S. dazu Kapitel 2 E. I. 3. 437 S. unter Kapitel 4 B. VII. 7. f) und B. VIII. 2.; Kapitel 5 B. III. 6. 438 S. dazu unter Kapitel 2 C. VI. und D. II. 3. 439 S. dazu Kapitel 2 E. I. 1., E. I. 3. und E. I. 4. 440 S. zu dieser Meinung Kapitel 2 E. II. und E. III. 441 S. dazu Kapitel 3 A. II. 1.; Kapitel 5 A. II., B. III. 2. c), B. III. 9. a), B. IV. 1. b), B. IV. 4. a) und B. IV. 4. 431

E. Schrifttum zur AGB-Kontrolle

131

Im Übrigen wird die Argumentation des BAG abgelehnt, ein Bestimmungsvorbehalt ohne Konkretisierung sei wirksam, da der Arbeitgeber ebenso gut einen Freiwilligkeitsvorbehalt hätte wählen können.442 Diese Kritik gibt Anlass, die Argumentation des BAG auf ihre Stichhaltigkeit zu überprüfen.443 Die vom BAG abweichende Ansicht in der Literatur kommt letztlich auch zu dem hier erzielten Befund, dass das Vorgehen des BAG in einem gewissen Widerspruch zur eigenen Rechtsprechung bezüglich Widerrufsvorbehalten und zur Rechtsprechung des BGH bezüglich Leistungsbestimmungsrechten steht.444 Noch weiter geht sogar Heiden, der Bestimmungsvorbehalte gänzlich wie Widerrufsvorbehalte behandelt.445 Demgemäß fordert er neben der Konkretisierung der Entscheidungskriterien sogar eine Konkretisierung des möglichen Umfangs der festzulegenden Leistung. Allerdings lässt sich nicht feststellen, ob der Autor auch in Kenntnis der später zu Tage getretenen Rechtsprechungslinie des BAG zum selben Ergebnis gekommen wäre. Dennoch zeigt der Beitrag, dass es denkbar wäre, Bestimmungsvorbehalte wie Widerrufsvorbehalte zu behandeln.446 Womöglich lässt sich gar die Voraussetzung einer Konkretisierung des Umfangs der Leistungsfestlegung begründen.447 Zudem ist deutlich geworden, dass der Charakter der von einem Bestimmungsvorbehalt betroffenen Leistung bei der Frage nach dessen Wirksamkeit nicht außer Acht gelassen werden kann. Teilweise wird in der Literatur darauf hingewiesen, dass nicht mit letzter Sicherheit beantwortet werden kann, ob das BAG auch bei Bestimmungsvorbehalten über Leistungen aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis eine Konkretisierung für entbehrlich hält.448 Im Ergebnis befinden diese Autoren Bestimmungsvorbehalte ohne eine Konkretisierung unabhängig vom Charakter der betreffenden Leistung für wirksam. Unklar bleibt jedoch, wie der Gegenleistungscharakter einer Leistung festgestellt werden soll. Dies wird zu untersuchen sein.449 Denn der Gegenleistungscharakter spielt nicht nur für die Frage nach einer Konkretisierung der Entscheidungskriterien eine Rolle.450 Auch das Verbot eines Eingriffs in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses berücksichtigt den Charakter der betreffenden Leistung.451 In der Literatur be442

Salamon, NZA 2014, 465, 467; Salamon/Wessels, BB 2017, 885, 886. S. dazu unter Kapitel 2 F. III.; Kapitel 4 B. VII. 7. c); Kapitel 5 B. III. 7. 444 S. zu diesem Befund in der Literatur Kapitel 2 E. I. 1., E. I. 3. und E. I. 4.; zu dem hier erzielten Befund s. Kapitel 2 C. VI. und D. II. 3. 445 Heiden, Entgeltrelevante Zielvereinbarungen aus arbeitsrechtlicher Sicht, S. 76 ff.; s. dazu Kapitel 2 E. IV. 446 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 9.; Kapitel 5 B. III. 10. b). 447 S. dazu Kapitel 4 B. IV.; Kapitel 5 B. IV. 448 S. Kapitel 2 E. III. 449 S. Kapitel 4 B. IV. 6. 450 S. dazu etwa Kapitel 4 B. VI. und B. VII. 10.; Kapitel 5 B. III. 5. 451 Dazu ausführlich unter Kapitel 4 B. IV. 5. 443

132

Kap. 2: Problemanalyse

steht eine Tendenz, dieses Verbot auf Bestimmungsvorbehalte anzuwenden.452 Die Konsequenz für die Wirksamkeit dieser Vorbehalte wird jedoch nicht recht deutlich. Teilweise wird angeführt, die laufende Vergütung dürfe nicht betroffen sein, teilweise wird eine Anwendung der prozentualen Werte aus der Rechtsprechung zu Widerrufsvorbehalten453 bejaht. Einige wenige Autoren lehnen eine Anwendbarkeit des Kernbereichsschutzes gänzlich ab.454 Einzelnen Beiträgen lässt sich außerdem entnehmen, dass die Autoren es womöglich für gänzlich ausgeschlossen halten, Teile der engeren Gegenleistung unter Bestimmungsvorbehalt zu stellen, wobei dies nicht unter Verweis auf den Kernbereichsschutz geäußert wird.455 Ob und mit welcher Konsequenz der Kernbereichsschutz bei Bestimmungsvorbehalten anzuwenden ist, wird später im Rahmen der Angemessenheitskontrolle untersucht.456 Herauszustellen ist schließlich eine Aussage Salamons, der die Frage der Rechtsprechung für zielführend hält, ob der Arbeitgeber Leistungsanreize setze, von denen er sich einseitig lossagen könne.457 Salamon meint, ein Leistungsanreiz liege bei einem nicht konkretisierten Leistungsbestimmungsrecht gerade nicht vor. Gegen dieses Ergebnis bestehen Bedenken, die es noch darzulegen gilt.458 Letztendlich stimmen die Meinungen in der Literatur über einige Fragen bezüglich der AGB-Kontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte vollständig mit dem BAG überein.459 So wird etwa die Anwendbarkeit des § 308 Nr. 4 BGB auf Bestimmungsvorbehalte abgelehnt. Bestimmungsvorbehalte werden außerdem als angemessen i. S. d. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB angesehen.460 Einstimmig wird weiter festgestellt, dass Bestimmungsvorbehalte nach billigem Ermessen auszuüben seien und ein Bestimmungsvorbehalt nach freiem Ermessen unzulässig sei.461

F. Zusammenfassung und Ausblick Es hat sich gezeigt, dass der zehnte Senat des BAG einen deutlich großzügigeren Maßstab an die Wirksamkeit entgeltrelevanter Bestimmungsvorbehalte462 an452

Dazu unter Kapitel 2 E. V. Dazu unter Kapitel 2 D. II. 2. a). 454 S. unter Kapitel 2 E. V. 455 S. dazu unter Kapitel 2 E. III. 456 S. unter Kapitel 4 B. IV. 457 Salamon, NZA 2014, 465, 468; s. dazu Kapitel 2 E. III.; zur Rechtsprechung s. Kapitel 2 B. II. 2. 458 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 5. 459 Ausführlich dargestellt unter Kapitel 2 E. II. 460 Dies wird unter Kapitel 4 B. III. thematisiert. 461 S. zur angemessenen Regelung des Entscheidungsmaßstabs Kapitel 4 B. V.; zur transparenten Regelung des Entscheidungsmaßstabs s. Kapitel 5 B. V. 462 S. zu dieser Rechtsprechung unter Kapitel 2 B. II. 2. 453

F. Zusammenfassung und Ausblick

133

legt als der BGH bei der Prüfung einseitiger Bestimmungsrechte.463 Gleichzeitig weicht der Senat von der Rechtsprechung zu Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalten ab.464 Die Rechtsprechung zu Bestimmungsvorbehalten ist deshalb teilweise substantieller Kritik in der Literatur ausgesetzt.465 Ein nicht unerheblicher Teil des Schrifttums stimmt ihr aber auch zu.466 Die wesentlichen Unterschiede zwischen den Linien der Rechtsprechung und die Diskussion in der Literatur sollen hier noch einmal zusammengefasst werden, da sie den Weg für den weiteren Verlauf dieser Arbeit weisen. Außerdem soll das Vorgehen des BAG analysiert und bewertet werden.467

I. Abweichungen des BAG von der strengeren Rechtsprechung des BGH Das BAG fordert bei Bestimmungsvorbehalten keinerlei tatbestandliche Konkretisierung468, während der BGH bei Leistungsbestimmungsrechten die Konkretisierung der Voraussetzungen, des Maßstabs und des Umfangs fordert.469 Dabei erstaunt, dass das BAG nicht näher auf die Anforderungen des Bestimmtheitsgebots eingeht. Der BGH ist hingegen der Meinung, nach dem Bestimmtheitsgebot müsse der Vertragspartner bei Vertragsschluss aus der Formulierung der Klausel erkennen können, was auf ihn zukommt, und aufgrund der Formulierung in der Lage sein, die Berechtigung zu einer vorgenommenen Leistungsbestimmung bzw. -änderung an der Klausel selbst zu messen.470 Ein derartiges Verständnis könnte auch bei Bestimmungsvorbehalten eine Konkretisierung der Entscheidungskriterien, des Leistungsumfangs und des Entscheidungsmaßstabs nahelegen.471 Das BAG begründet seine großzügige Sichtweise oftmals mit einem Verweis darauf, dass der Arbeitgeber gem. § 315 BGB nach billigem Ermessen zu entscheiden habe und der Arbeitnehmer durch die Möglichkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB geschützt sei.472 Beide Argumente lässt der BGH nicht gelten.473 Er ist der Meinung, billiges Ermessen genüge den Voraussetzungen der Eingrenzung und Konkretisierung nicht, und hält § 315 BGB 463 464 465 466 467 468 469 470 471 472 473

Dazu ausführlich unter Kapitel 2 C. S. dazu Kapitel 2 D. S. dazu Kapitel 2 E. I. S. dazu Kapitel 2 E. II. und E. III. Dazu unter Kapitel 2 F. III. Dazu unter Kapitel 2 B. II. 2. All das wird ausführlich dargestellt unter Kapitel 2 C. S. insbesondere Kapitel 2 C. I. und C. II. 1. Dazu ausführlich unter Kapitel 5. So z. B. bei BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970 Rn. 30 f. S. dazu Kapitel 2 C. I. 2., C. II. 1. und C. II. 2. a).

134

Kap. 2: Problemanalyse

gar nicht für anwendbar. Auch der Schutz des Vertragspartners durch die Möglichkeit der Billigkeitskontrolle kann nach Ansicht des BGH eine zu weit gefasste Klausel nicht rechtfertigen.474 Darüber hinaus fragt sich, ob bei Bestimmungsvorbehalten wie in der Rechtsprechung des BGH475 näher auf das Vorliegen eines berechtigten Interesses einzugehen ist, welches die flexible Gestaltung rechtfertigt.476 Im Rahmen der Angemessenheitsprüfung ist den Entscheidungen des BGH außerdem zu entnehmen, dass eine Klausel als unangemessen anzusehen ist, wenn sie dem Verwender die Möglichkeit bietet, zusätzliche Gewinne zu erzielen.477 Eine solche Möglichkeit soll insbesondere vorliegen, wenn eine Klausel zur Weitergabe von Kostensteigerungen ermächtigt, im Gegenzug aber nicht zur Weitergabe von Kostensenkungen verpflichtet.478 Die Übertragung dieser Sichtweise auf arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte ist immerhin eine Überlegung wert.479 Denn bei der Festlegung der Leistung kann der Arbeitgeber Verluste berücksichtigen. Ob er Gewinne gleichermaßen berücksichtigen muss, ist nicht sicher.

II. Konflikte der BAG-Rechtsprechung mit der eigenen Behandlung von Widerrufsund Freiwilligkeitsvorbehalten Das großzügige Verständnis des zehnten Senats steht außerdem nicht im Einklang mit der Rechtsprechung zur AGB-Kontrolle von Freiwilligkeitsvorbehalten sowie von Widerrufsvorbehalten.480 Widerrufsvorbehalte hatte das BAG vor der Schuldrechtsreform noch genauso behandelt wie die Leistungsbestimmungsrechte zur erstmaligen Festlegung einer Leistung.481 474 BGH v. 11.06.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518; BGH v. 07.10.1981 – VIII ZR 229/80, NJW 1982, 331; BGH v. 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, BGHZ 89, 206; BGH v. 21.04.2009 – XI ZR 55/08, zitiert nach juris; s. zu dieser Frage insbesondere Kapitel 4 B. VII. 7. f) und B. VIII. 2.; Kapitel 5 B. III. 6. 475 S. Kapitel 2 C. II. 1. und C. II. 2. 476 Dazu unter Kapitel 4 B. III. 477 BGH v. 06.12.1984 – VII ZR 227/83, NJW 1985, 855; BGH v. 20.05.1985 – VII ZR 198/84, BGHZ 94, 335; BGH v. 06.03.1986 – III ZR 195/84, NJW 1986, 1803; BGH v. 13.12.2006 – VIII ZR 25/06, NJW 2007, 1054; BGH v. 21.04.2009 – XI ZR 55/08, zitiert nach juris; BGH v. 24.03.2010 – VIII ZR 178/08, BGHZ 185, 96; BGH v. 25.11.2015 – VIII ZR 360/14, NJW 2016, 936; s. dazu Kapitel 2 C. IV. 478 BGH v. 06.03.1986 – III ZR 195/84, NJW 1986, 1803; BGH v. 29.04.2008 – KZR 2/07, NJW 2008, 2172; BGH v. 21.04.2009 – XI ZR 55/08, zitiert nach juris; BGH v. 15.07.2009 – VIII ZR 56/08, BGHZ 182, 41; BGH v. 28.10.2009 – VIII ZR 320/07, NJW 2010, 993; BGH v. 09.05.2012 – XII ZR 79/10, NJW 2012, 2187; BGH v. 25.11.2015 – VIII ZR 360/14, NJW 2016, 936. 479 Dazu ausführlich unter Kapitel 4 B. VI. 2. 480 Das wird ausführlich dargestellt unter Kapitel 2 D. 481 S. Kapitel 2 B. I.

F. Zusammenfassung und Ausblick

135

Freiwilligkeitsvorbehalte sollen intransparent sein, wenn sie eine Leistung betreffen, auf die in irgendeiner Form ein Anspruch eingeräumt wurde.482 Dann bestehe die Gefahr, dass der Arbeitnehmer denke, er habe keinen Anspruch, und diesen folglich auch nicht durchsetze.483 Eine vergleichbare Gefahr könnte bei entgeltrelevanten Bestimmungsvorbehalten bestehen; sie wird vom BAG jedoch nicht erwähnt484. Ist es dem Arbeitgeber verwehrt, (scheinbar) einen Anspruch einzuräumen, sich die tatsächliche Auszahlung aber durch einen Freiwilligkeitsvorbehalt vorzubehalten, könnte es ihm auch verwehrt sein, einen Anspruch eindeutig zu gewähren, sich aber die Höhe der tatsächlichen Auszahlung vorzubehalten.485 Des Weiteren sind Freiwilligkeitsvorbehalte nach der Rechtsprechung unangemessen, wenn die Leistung das laufende Entgelt betrifft.486 Der Arbeitgeber könne frei über eine Leistung disponieren, die Teil des Synallagmas sei, während der Arbeitnehmer gebunden bleibe, so das BAG.487 Das verhindere eine Vertragsbindung und löse die synallagmatische Bindung auf. Eine ähnliche Argumentation findet sich in der Rechtsprechung zu Stichtagsklauseln.488 Dort heißt es, der Arbeitgeber könne nicht die verhaltenssteuernde Wirkung eines vertraglichen Versprechens in Anspruch nehmen, andererseits aber die Entscheidung über die Auszahlung vom eigenen Willen abhängig machen und sich gewissermaßen bis zur letzten Stunde vorbehalten.489 Die Auflösung des Synallagmas wird vom BAG bei Bestimmungsvorbehalten gar nicht angesprochen, die verhaltenssteuernde Wirkung im Einzelfall abgelehnt490. Dabei kann der Arbeitgeber 482 BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, BAGE 124, 259; BAG v. 30.07.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173; BAG v. 10.12.2008 – 10 AZR 1/08, DB 2009, 684; BAG v. 07.06.2011 – 1 AZR 807/09, NZA 2011, 1234; BAG v. 14.09.2011 – 10 AZR 526/10, BAGE 139, 156; BAG v. 20.02.2013 – 10 AZR 177/12, NZA 2013, 1015; ebenso LAG Rheinland-Pfalz v. 15.12.2015 – 8 Sa 201/15, zitiert nach juris; LAG Rheinland-Pfalz v. 18.07.2016 – 3 Sa 43/16, zitiert nach juris; dazu ausführlich unter Kapitel 2 D. I. 1. 483 So ausdrücklich BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, BAGE 124, 259; genauso LAG Rheinland-Pfalz v. 15.12.2015 – 8 Sa 201/15, zitiert nach juris. 484 S. zur Rechtsprechung unter Kapitel 2 B. II. 2. 485 S. dazu Kapitel 5 B. III. 9. b). 486 BAG v. 25.04.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853; BAG v. 30.07.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173; BAG v. 21.01.2009 – 10 AZR 219/08, BAGE 129, 164; BAG v. 14.09.2011 – 10 AZR 526/10, BAGE 139, 156; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013; BAG v. 03.09.2014 – 5 AZR 1020/12, ZBVR online 2015, Nr. 6, 17; Landesarbeitsgericht Köln v. 17.09.2012 – 2 Sa 877/11, zitiert nach juris; dazu unter Kapitel 2 D. I. 2. a). 487 BAG v. 25.04.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853; BAG v. 14.09.2011 – 10 AZR 526/10, BAGE 139, 156. 488 S. dazu Kapitel 2 D. I. 3. 489 BAG v. 18.01.2012 – 10 AZR 612/10, BAGE 140, 231 Rn. 26. 490 BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 30; s. dazu unter Kapitel 2 B. II. 2. a).

136

Kap. 2: Problemanalyse

auch bei Bestimmungsvorbehalten einseitig über die Zahlung einer Leistung disponieren. Immerhin ist die Höhe von seinem Willen abhängig. Es wird deshalb zu betrachten sein, inwieweit Bestimmungsvorbehalte eine Auflösung des Synallagmas491 ermöglichen und ob eine verhaltenssteuernde Wirkung ohne entsprechende Bindung des Arbeitgebers besteht492. In der Rechtsprechung zu Widerrufsvorbehalten sind im Wesentlichen zwei Aspekte zu beachten: die Voraussetzung der Regelung von Widerrufsgründen493 und der Schutz des Kernbereichs494. Wie der BGH fordert das BAG bei Widerrufsvorbehalten außerdem, der Widerruf müsse als Instrument der Anpassung wegen der unsicheren Entwicklung der Verhältnisse notwendig sein.495 Die entscheidende vom BAG aufgestellte Voraussetzung für die Transparenz eines Widerrufsvorbehalts ist, dass die Klausel die Gründe, nach denen der Verwender zum Widerruf berechtigt sein soll, der Richtung nach angeben muss.496 Darüber hinaus muss aber auch der Umfang der vorbehaltenen Änderung konkretisiert werden.497 Wie der BGH498 führt das BAG zur Begründung an, der Arbeitnehmer müsse erkennen können, was gegebenenfalls auf ihn zukommt.499 Die Geltung billigen Ermessens genügt nach der Auffassung des BAG nicht zur Konkretisierung von Widerrufsvorbehalten. Letztlich zeigt sich, dass die Möglichkeit, die Ausübung des Ermessens gerichtlich überprüfen zu lassen, in den Augen des BAG keinen Ausgleich für eine ungenügende Konkretisierung von Widerrufsvorbehalten bietet. Sowohl die Anforderungen an Widerrufsvorbehalte als auch das Vorgehen des BAG unterscheiden sich drastisch von der Rechtsprechung zu Bestimmungsvorbehalten.500 Bei diesen geht das BAG nicht darauf ein, ob der Arbeitnehmer erkennen kann, was auf ihn zukommt, und fordert weder eine Kon-

491

Zu dieser Problematik ausführlich unter Kapitel 4 B. VII. 5. S. dazu Kapitel 4 B. VII. 5. 493 S. dazu Kapitel 2 D. II. 2.c). 494 S. dazu Kapitel 2 D. II. 2. a). 495 BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 1943; BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777; s. dazu Kapitel 2 D. II. 2. b). 496 BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87; BAG v. 25.04.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 1943; BAG v. 20.04.2011 – 5 AZR 191/ 10, BAGE 137, 383; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777; LAG Rheinland-Pfalz v. 18.07.2016 – 3 Sa 43/16, zitiert nach juris. 497 All dies wird ausführlich dargestellt unter Kapitel 2 D. II. 2. c). 498 S. dazu insbesondere Kapitel 2 C. I. und C. II. 1. 499 BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465. 500 Zusammenfassend unter Kapitel 2 D. II. 3. 492

F. Zusammenfassung und Ausblick

137

kretisierung der Entscheidungskriterien noch des Umfangs.501 Wie diese Diskrepanzen aufzulösen sind, steht zu untersuchen.502 Eine Übereinstimmung zwischen der Behandlung von Bestimmungsvorbehalten und von Widerrufsvorbehalten besteht darin, dass der Kernbereich des Arbeitsverhältnisses nicht angetastet werden darf. Bei Widerrufvorbehalten wendet das BAG allerdings konkrete Schwellenwerte an, die nicht überschritten werden dürfen (unter 25 bzw. 30 % des Gesamtverdienstes).503 Auf Bestimmungsvorbehalte scheint das Gericht diese nicht anwenden zu wollen.504 Ob dem zuzustimmen ist, bedarf der Untersuchung.505

III. Möglicher Hintergrund und Bewertung der großzügigen BAG-Rechtsprechung: die vermeintliche Nähe arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte zu Freiwilligkeitsvorbehalten An dieser Stelle sollen die Hintergründe der großzügigen BAG-Rechtsprechung näher betrachtet werden. Es hat sich in der vorangegangenen Rechtsprechungsanalyse gezeigt, dass das BAG bei der Bewertung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte sowohl von der Rechtsprechung des BGH zu einseitigen Leistungsbestimmungsrechten als auch der eigenen Rechtsprechung zu Widerrufsvorbehalten abweicht. Das lässt sich womöglich damit erklären, dass das BAG Bestimmungsvorbehalte in unmittelbarer Nähe zu Freiwilligkeitsvorbehalten ansiedelt.506 Schließlich argumentiert das BAG zur Begründung der Wirksamkeit eines nicht konkretisierten Bestimmungsvorbehalts, der Arbeitgeber hätte stattdessen auch einen Freiwilligkeitsvorbehalt wählen können.507 Dieses Verständnis vorausgesetzt ist die großzügige Bewertung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte durchaus stringent. Denn bei Freiwilligkeitsvorbehalten wird vom BAG keinerlei tatbestandliche Konkretisierung gefordert.508 Ordnet man Bestimmungsvorbehalte im Bereich der Freiwilligkeitsvorbehalte an, ist es daher nur folgerichtig, auch bei Bestimmungsvorbehalten keine Konkretisierung zu fordern. Danach würde die Rechtsprechung zu Bestimmungsvorbehalten nicht mit 501

S. dazu Kapitel 2 B. II. 2. S. dazu insbesondere Kapitel 5 B. III. und B. IV. 503 BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 07.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777; s. dazu Kapitel 2 D. II. 2. a). 504 S. dazu Kapitel 2 B. II. 2. b) und B. II. 2. c). 505 S. dazu unter Kapitel 4 B. IV. 506 S. dazu bereits Kapitel 1 B. IV.; s. auch Kapitel 4 B. VII. 7. c) und Kapitel 5 B. III. 7. 507 BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 21 ff. 508 S. etwa BAG v. 10.12.2008 – 10 AZR 1/08, DB 2009, 684. 502

138

Kap. 2: Problemanalyse

der Rechtsprechung zu Widerrufs- oder Freiwilligkeitsvorbehalten kollidieren, sondern diese womöglich nur konsequent weiterführen. Diesem Verständnis kann richtigerweise nicht gefolgt werden. Wie an anderer Stelle bereits dargestellt wurde509, liegen Bestimmungsvorbehalte in ihrer Wirkung und Ausgestaltung wesentlich näher an Widerrufsvorbehalten als an Freiwilligkeitsvorbehalten. Zwischen Bestimmungs- und Freiwilligkeitsvorbehalten besteht der grundlegende Unterschied, dass Bestimmungsvorbehalte einen Leistungsanspruch voraussetzen, Freiwilligkeitsvorbehalte einen Anspruch aber gerade ausschließen sollen. Das BAG erkennt diesen Unterschied zwar, zieht daraus aber nur den Schluss, Bestimmungsvorbehalte müssten erst recht nicht konkretisiert werden, da der Arbeitnehmer mit der Einräumung eines Anspruchs eine bessere Rechtsposition innehabe.510 Ansonsten scheint es Bestimmungsvorbehalte dennoch in der Nähe der Freiwilligkeitsvorbehalte anzusiedeln. Diese Sichtweise ist abzulehnen, da das Vorliegen eines Anspruchs im direkten Gegensatz zum Ausschluss eines Anspruchs steht. Freiwilligkeitsvorbehalte und Bestimmungsvorbehalte sind deshalb bereits im Grundsatz verschieden. Darüber hinaus unterscheiden sich die beiden Klauseltypen auch in ihrer Wirkung. Bezüglich des Rechts, eine (freiwillige) Leistung einseitig zu bestimmen, haben Freiwilligkeitsvorbehalte allenfalls deskriptive Wirkung.511 Bestimmungsvorbehalte haben hingegen konstitutive Wirkung bezüglich des enthaltenen Leistungsbestimmungsrechts.512 Es bleibt festzuhalten: Die großzügige Rechtsprechung des BAG zu arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten ist zwar in sich stringent, soweit das BAG Bestimmungsvorbehalte auf eine Stufe mit Freiwilligkeitsvorbehalten stellt. Jedenfalls diese Annahme ist aber abzulehnen. Ob dem Ergebnis des BAG, dass Bestimmungsvorbehalte keiner Konkretisierung bedürfen, dennoch gefolgt werden kann, ist im weiteren Verlauf herauszuarbeiten.

IV. Die kritische Diskussion in der Literatur Teile der Literatur folgen der Linie des zehnten Senats des BAG und fordern bei Bestimmungsvorbehalten keinerlei tatbestandliche Konkretisierung.513 Die Rechtsprechung ist allerdings auch auf erheblichen Widerspruch gestoßen.514 Die kritischen Stimmen beschäftigen sich hauptsächlich mit dem Transparenzgebot. 509

S. Kapitel 1 B. IV. BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 21 ff. 511 S. dazu Kapitel 1 B. IV. 512 S. dazu auch Kapitel 4 A. III. 1.; so auch Stoffels, AGB-Recht, Rn. 441; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 301; BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 75; vgl. Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn. 1 f. 513 S. dazu Kapitel 2 E. II. und E. III. 514 S. dazu Kapitel 2 E. I. 510

F. Zusammenfassung und Ausblick

139

Dabei wird auch im Schrifttum deutlich, dass das BAG mit seiner Rechtsprechung zu Bestimmungsvorbehalten von der Linie der restlichen Rechtsprechung abweicht.515 Insbesondere der Abweichung von der Rechtsprechung zu Widerrufsvorbehalten wird von einigen Autoren widersprochen.516 Es wird außerdem darauf hingewiesen, dass der zehnte Senat des BAG anscheinend einen anderen Transparenzmaßstab anlegt als der Rest der Rechtsprechung. Die Stimmen, die eine Konkretisierung der Entscheidungskriterien fordern, stellen oftmals auf das Bestimmtheitsgebot ab.517 Danach müsse der Arbeitnehmer erkennen können, was auf ihn zukommt. Ohne eine Konkretisierung sei das nicht der Fall. Erneut zeigt sich, dass die großzügige Handhabung des Transparenzgebots durch das BAG beträchtlichen Zweifeln begegnet.518 Während ein Teil der Literatur dem Argument des BAG zustimmt519, der Arbeitnehmer sei ausreichend durch die Möglichkeit geschützt, die Leistungsfestlegung gerichtlich überprüfen zu lassen, stehen einige Stimmen dieser Argumentation kritisch gegenüber. Gegen dieses Argument wird angeführt, die Hürden einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle seien im Arbeitsverhältnis hoch.520 Außerdem sei die Billigkeitskontrolle der AGB-Kontrolle nachranging.521 Da daneben der BGH sowie das BAG in der Rechtsprechung zu Widerrufsvorbehalten § 315 Abs. 3 BGB keine Relevanz bei der Konkretisierung beimessen522, stellt sich die Frage, weshalb dies gerade bei Bestimmungsvorbehalten anders sein sollte.523 Im Übrigen wird die Argumentation des BAG abgelehnt, ein Bestimmungsvorbehalt ohne Konkretisierung sei wirksam, da der Arbeitgeber ebenso gut einen Freiwilligkeitsvorbehalt hätte wählen können.524 Diese Kritik gibt Anlass, die Argumentation des BAG auf ihre Stichhaltigkeit zu überprüfen.525 Interesse weckt darüber hinaus die Diskussion um die Anwendbarkeit des Kernbereichsschutzes.526 Auch wenn überwiegend Einigkeit besteht, dass dieser bei Bestimmungsvorbehalten anwendbar ist, wird nicht klar, welche Konsequenzen sich daraus ergeben sollen.527 515 S. zu diesem Befund in der Literatur Kapitel 2 E. I. 1., E. I. 3. und E. I. 4.; s. dazu auch Kapitel 2 C. VI. und D. II. 3. 516 S. dazu Kapitel 2 E. I. 1., E. I. 3., E. I. 4. und E. IV. 517 S. dazu Kapitel 2 E. I. 1., E. I. 3. und E. I. 4. 518 So auch schon unter Kapitel 2 F. I. und F. II. 519 S. Kapitel 2 E. III. 520 S. dazu unter Kapitel 2 E. I. 1. und E. I. 4. 521 S. dazu Kapitel 2 E. I. 3. 522 S. dazu Kapitel 2 C. VI. und D. II. 3. 523 S. dazu unter Kapitel 4 B. VII. 7. f) und B. VIII. 2.; Kapitel 5 B. III. 6. 524 Salamon, NZA 2014, 465, 467; Salamon/Wessels, BB 2017, 885, 886. 525 S. dazu unter Kapitel 2 F. III.; Kapitel 4 B. VII. 7. c); Kapitel 5 B. III. 7. 526 S. dazu Kapitel 2 E. V. 527 Diese Frage wird unter Kapitel 4 B. IV. erörtert.

140

Kap. 2: Problemanalyse

Letztlich zeigt die Diskussion in der Literatur528, dass der Einfluss des Gegenleistungscharakters auf die Konkretisierungsanforderungen einer Erörterung bedarf.529 Weder die Literatur noch die Rechtsprechung vermögen diesen abschließend herauszuarbeiten.530 Unklar bleibt darüber hinaus, wie der Gegenleistungscharakter im vorliegenden Zusammenhang festzustellen ist.531

V. Weitere Fragen aus der Rechtsprechung zu Bestimmungsvorbehalten Die isolierte Analyse der Rechtsprechung zu entgeltrelevanten Bestimmungsvorbehalten532 wirft noch einige weitere Fragen auf. Insbesondere ist zu untersuchen, ob diese Bestimmungsrechte der Angemessenheitskontrolle gem. §§ 307 ff. BGB unterliegen.533 Der Argumentation des BAG, diese Rechte wichen nicht vom Gesetz ab534, könnte entnommen werden, dass das nicht der Fall ist. Wäre die Angemessenheitskontrolle hingegen anzuwenden, könnten sich daraus Wirksamkeitsanforderungen ergeben, auf die das BAG bisher nicht eingegangen ist.535 Das BAG stellt außerdem klar, Bestimmungsvorbehalte seien nach billigem Ermessen auszuüben.536 Das soll wohl auch gelten, wenn in der Klausel kein Maßstab geregelt oder sogar ein abweichender Maßstab festgelegt wurde.537 Das Gericht ist aber auch der Meinung, dass ein Bestimmungsrecht nach freiem Ermessen unangemessen wäre.538 Es stellt sich folglich die Frage, ob einem Bestimmungsvorbehalt ohne Regelung des Entscheidungsmaßstabs tatsächlich eine Entscheidung nach billigem Ermessen zu entnehmen ist.539 Fraglich ist auch, ob dem BAG darin zu folgen ist, dass ein Bestimmungsvorbehalt angemessen ist, obwohl er auf eine Entscheidung nach freiem Ermessen verweist, wenn doch eine freie Entscheidungsmöglichkeit unangemessen sein soll.540

528

S. dazu Kapitel 2 E. III. S. dazu etwa Kapitel 4 B. IV. 5., B. VI. und B. VII. 10.; Kapitel 5 B. III. 5. 530 Zur Ansicht in der Rechtsprechung s. Kapitel 2 B. II. 2. 531 Das wird ausführlich unter Kapitel 4 B. IV. 6. thematisiert. 532 S. unter Kapitel 2 B. II. 2. 533 S. dazu Kapitel 4 A. 534 So z. B. bei BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013. Diese Rechtsprechungslinie wird dargestellt unter Kapitel 2 B. II. 2. 535 S. dazu unter Kapitel 4. 536 S. z. B. BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013. 537 All dies wird ausführlich dargestellt unter Kapitel 2 B. II. 2. 538 S. etwa BAG v. 03.08.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334 Rn. 21. 539 S. dazu Kapitel 4 B. V. 3.; Kapitel 5 A. I. 2. b) und B. V. 2. 540 S. dazu Kapitel 4 B. V. 529

F. Zusammenfassung und Ausblick

141

Unbehandelt bleibt von den Gerichten die Frage nach den Rechtsfolgen unwirksamer Bestimmungsvorbehalte, da sie die entscheidungserheblichen Klauseln durchweg als wirksam angesehen haben. Die Problematik klingt bei Stoffels an, der annimmt, das unter Vorbehalt stehende Leistungsversprechen sei aufrechtzuerhalten.541 Die Vertragslücke, die daraus entsteht, dass der Anspruch wegen Unwirksamkeit des Bestimmungsrechts nicht ohne weiteres bestimmbar ist, will er im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung schließen. Welche konkrete „Ersatzregelung“ an die Stelle des Bestimmungsvorbehalts treten soll, wird jedoch nicht klar. Im Zuge dieser Arbeit soll deshalb erstens untersucht werden, auf welchem Wege das Leistungsversprechen aufrechterhalten werden kann.542 Zweitens ist zu prüfen, wie die entstehende Vertragslücke geschlossen werden kann.543

VI. Zusammenfassung der relevanten Untersuchungsfragen Es stellt sich die grundlegende Frage, welchen Einfluss die AGB-Kontrolle auf die Gestaltung und Konkretisierung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte im Entgeltbereich hat. Dafür ist zunächst zu erörtern, ob diese Bestimmungsvorbehalte überhaupt einer Angemessenheitskontrolle nach §§ 307 ff. BGB unterliegen.544 Im Anschluss stellt sich die Frage, welche Anforderungen an die Ausgestaltung sich daraus ergeben.545 Unabhängig davon ist zu untersuchen, inwieweit es gerechtfertigt ist, bei solchen Leistungsbestimmungsrechten in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BAG ein großzügiges Verständnis des Transparenzgebots anzulegen.546 Nach diesem Verständnis wäre die tatbestandliche Konkretisierung keine Voraussetzung der Wirksamkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte. Andernfalls ist zu prüfen, welche Konkretisierungsanforderungen aus dem Transparenzgebot folgen.547 Als Grundlage für die Prüfung der Wirksamkeitsanforderungen an Bestimmungsvorbehalte soll vorangestellt die Frage behandelt werden, in welchem Verhältnis Angemessenheits- und Transparenzkontrolle zueinander stehen.548 Zuletzt ist zu thematisieren, welche Rechtsfolgen aus einem Verstoß gegen die herausgearbeiteten Wirksamkeitsanforderungen resultieren.549 Im Einzelnen ergeben sich insbesondere diese im weiteren Verlauf zu untersuchenden Fragen: 541 542 543 544 545 546 547 548 549

Stoffels, RdA 2015, 276, 280. So unter Kapitel 6 D. S. unter Kapitel 6 C., E. und F. S. dazu Kapitel 4 A. S. dazu Kapitel 4 B. S. dazu Kapitel 5 A., B. III. 2.–3., B. IV. 1.–2. und B. V. 1.–2. S. dazu Kapitel 5 B. S. dazu Kapitel 3. S. dazu Kapitel 6.

142

Kap. 2: Problemanalyse

• In welchem Verhältnis stehen Angemessenheits- und Transparenzkontrolle zueinander? Macht die Unwirksamkeit wegen Intransparenz eine zusätzliche Angemessenheitskontrolle entbehrlich?550 • Unterliegen entgeltrelevante Bestimmungsvorbehalte der Angemessenheitskontrolle nach §§ 307 ff. BGB?551 • Welchen Einfluss hat die Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB auf die Wirksamkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte im Entgeltbereich?552 Dazu gehören unter anderem diese Fragen: – Muss ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an der flexiblen Gestaltung der Leistung durch einen Bestimmungsvorbehalt festgestellt werden?553 – Wird der Arbeitnehmer durch einen Bestimmungsvorbehalt unangemessen benachteiligt, wenn dieser keine Konkretisierung der Entscheidungskriterien554, des Maßstabs555 und/oder des Leistungsumfangs556 enthält? – Welchen Einfluss hat das Verbot eines Eingriffs in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses auf die Angemessenheit eines Bestimmungsvorbehalts?557 – Bestehen arbeitsrechtliche Besonderheiten, die geeignet sind, die Anforderungen an die tatbestandliche Konkretisierung zu senken?558 – Müssen Bestimmungsvorbehalte ausdrücklich eine Entscheidung nach billigem Ermessen regeln?559 – Sind Bestimmungsvorbehalte unangemessen, weil sie eine Möglichkeit des Arbeitgebers beinhalten, das Synallagma und das Äquivalenzverhältnis einseitig zu ändern?560 – Inwieweit muss die Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers durch die Bindung an bestimmte Kriterien eingeschränkt werden?561 – Welchen Einfluss hat die Möglichkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB auf die Angemessenheit entgeltrelevanter Bestimmungsvorbehalte?562 550 551 552 553 554 555 556 557 558 559 560 561 562

S. dazu Kapitel 3. S. dazu Kapitel 4 A. S. dazu Kapitel 4 B. S. dazu Kapitel 4 B. III. S. dazu Kapitel 4 B. VI. und B. VII. S. dazu Kapitel 4 B. V. S. dazu Kapitel 4 B. IV. S. dazu Kapitel 4 B. IV. S. dazu insbesondere Kapitel 4 B. VII. 3. S. dazu Kapitel 4 B. V. S. dazu Kapitel 4 B. VI. S. dazu Kapitel 4 B. VII. 10. S. dazu Kapitel 4 B. VII. 7. f) und B. VIII. 2.

F. Zusammenfassung und Ausblick

143

– Welchen Einfluss hat der Charakter der zu bestimmenden Leistung auf die Angemessenheit eines entgeltrelevanten Bestimmungsvorbehalts?563 – Ist eine Harmonisierung mit den Kontrollmaßstäben geboten, die bei Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalten angelegt werden?564 • Welche Leistungen des Arbeitgebers haben Gegenleistungscharakter und wie ist dieser zu bestimmen?565 • Welches Maß an Konkretisierung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte ist als Folge des Transparenzgebots zu fordern?566 Dazu gehören unter anderem diese Fragen: – Muss der Vertragspartner aus der Klausel erkennen können, was auf ihn zukommt, oder nur vor der Gefahr geschützt werden, dass er seine Rechte nicht durchsetzt?567 – Ist ein Bestimmungsvorbehalt intransparent, wenn die Entscheidungskriterien nicht konkretisiert sind?568 – Muss der mögliche Umfang der Leistung in der Klausel konkretisiert werden?569 – Muss der Maßstab billigen Ermessens ausdrücklich festgelegt sein oder ist dieser nach § 315 BGB im Rahmen der Transparenzkontrolle als anwendbar vorauszusetzen?570 – Ist ein Hinweis auf § 315 Abs. 3 BGB Voraussetzung für die Transparenz?571 – Welchen Einfluss hat der (Gegenleistungs-)Charakter der zu bestimmenden Leistung auf die Transparenzanforderungen?572 – Welchen Einfluss hat § 315 Abs. 3 BGB auf die Transparenzkontrolle? Bietet er einen ausreichenden Schutz mit der Folge, dass bei Bestimmungsvorbehalten eine tatbestandliche Konkretisierung entbehrlich ist?573 • Welche Rechtsfolgen ergeben sich bei Unwirksamkeit eines entgeltrelevanten Bestimmungsvorbehalts?574 Dazu gehören unter anderem diese Fragen: 563 564 565 566 567 568 569 570 571 572 573 574

S. dazu etwa Kapitel 4 B. IV. 5.–6., B. VI. und B. VII. 10. S. dazu Kapitel 4 B. VII. 9. d). S. dazu Kapitel 4 B. IV. 6. S. dazu unter Kapitel 5. S. dazu insbesondere Kapitel 5 A. II., B. III. 2. c), B. III. 2. d) und B. IV. 1. b). S. dazu Kapitel 5 B. III. S. dazu Kapitel 5 B. IV. S. dazu Kapitel 5 A. I. 2. b) und B. V. S. dazu Kapitel 5 B. V. 3. S. dazu etwa Kapitel 5 B. III. 5.; s. auch Kapitel 5 B. IV. 4. b) und B. V. 1. b). S. dazu Kapitel 5 B. III. 6. S. dazu Kapitel 6.

144

Kap. 2: Problemanalyse

– Kann das mit einem unwirksamen Bestimmungsvorbehalt verbundene Leistungsversprechen isoliert aufrechterhalten werden?575 – Wie ist die Vertragslücke zu schließen, die daraus entsteht, dass das Leistungsversprechen ohne das unwirksame Bestimmungsrecht nicht bestimmbar ist?576

575 576

S. dazu Kapitel 6 B.–D. S. dazu Kapitel 6 E. und F.

Kapitel 3

Vorfrage: Das Verhältnis von Angemessenheitsund Transparenzkontrolle Für die Untersuchung der Frage, welche Anforderungen das AGB-Recht an die Ausgestaltung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte des Arbeitgebers zur Bestimmung einer entgeltrelevanten Leistung stellt, soll zunächst erörtert werden, in welchem Verhältnis die Transparenz- und die Angemessenheitskontrolle zueinander stehen. Denn Erkenntnisse über das Verhältnis der beiden Kontrollinstrumente können Aufschluss über den Inhalt und den Zweck der Angemessenheits- und Transparenzkontrolle sowie der AGB-Kontrolle im Allgemeinen geben und so wichtige Grundlagen für die weiteren Erörterungen schaffen. Insbesondere ist von Bedeutung, ob im Rahmen der Transparenzkontrolle eine (gesonderte) Benachteiligung festgestellt werden muss und ob die in der Angemessenheitskontrolle zu prüfende unangemessene Benachteiligung in dieser aufgeht. Wäre beides zu bejahen, würde die Feststellung der Intransparenz eine weitere Angemessenheitskontrolle entbehrlich machen. Dabei ist auch zu untersuchen, ob einzelne Aspekte, die sowohl die Transparenz als auch die inhaltliche Angemessenheit beeinflussen, nach beiden Prüfungsmaßstäben – also faktisch doppelt – zu verwerten sind, oder ob in diesen Fällen eine Beschränkung auf die Transparenzkontrolle geboten ist. Die Fragestellung tritt im vorliegenden Zusammenhang etwa bei besonders offen gestalteten Bestimmungsvorbehalten zu Tage, da diese sowohl mögliche Unklarheiten als auch ein besonders weitreichendes Bestimmungsrecht des Arbeitgebers enthalten.1 Es ist nicht auf Anhieb klar, welchem Kontrollinstrument dieses Problem zuzuordnen ist. Derartige Bestimmungsvorbehalte könnten gegebenenfalls intransparent wie auch unangemessen sein. Darüber hinaus besteht in der Rechtsprechung gelegentlich die Tendenz, die Prüfung verschiedener Klauseln auf die Transparenzkontrolle zu beschränken und die Klauseln danach für unwirksam zu erklären.2 Dies liegt nahe, weil damit erstens die Abgrenzung des Regelungsgegenstandes zur Hauptleistungspflicht entbehrlich wird und zweitens andernfalls unter Umständen eine Regelung als 1 2

Dazu sogleich unter Kapitel 3 B. I. S. dazu Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 174.

146

Kap. 3: Das Verhältnis von Angemessenheits- und Transparenzkontrolle

materiell unwirksam erachtet werden müsste, die sich so auch in Tarifverträgen findet. Des Weiteren ist die Intransparenz in der Regel leichter zu begründen als eine materielle Unangemessenheit, die eine Prüfung sowohl von § 307 Abs. 1 S. 1 BGB als auch von Abs. 2 voraussetzt.3 Eine reine Transparenzkontrolle könnte allerdings zu kurz greifen und dazu führen, dass materielle Probleme ausgeklammert werden, die Relevanz für die Anforderungen an die Ausgestaltung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte haben. Der gelegentliche Verzicht auf eine Angemessenheitskontrolle in der Gerichtspraxis hat zwar aus wissenschaftlicher Sicht zunächst keine Konsequenzen für die Erörterung der Thematik. Möglicherweise ist dieses Vorgehen aber in einer Überschneidung von Transparenz- und Angemessenheitskontrolle auf systematischer Ebene oder in einer Vorrangstellung der Transparenzkontrolle begründet. Ist letzteres der Fall, wären womöglich einige Aspekte auch im Rahmen dieser Arbeit nur mit Blick auf die Transparenzkontrolle zu untersuchen. In jedem Fall besteht aber ein wissenschaftliches Bedürfnis an der richtigen Zuordnung der verschiedenen Prüfungsaspekte zur Transparenz- oder Angemessenheitskontrolle, die obendrein verschiedene Anwendungsvoraussetzungen haben4.

A. Zur Notwendigkeit der Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung bei Intransparenz Es ist zunächst der Problematik nachzugehen, ob eine Klausel allein aufgrund von Intransparenz unwirksam ist, oder ob eine weitergehende unangemessene Benachteiligung festgestellt werden muss, damit eine Klausel nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB als unwirksam erachtet werden kann. Muss eine solche Benachteiligung nicht festgestellt werden, kann die unangemessene Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB auch nicht in dieser aufgehen. Hält man ihre Feststellung jedoch für erforderlich, ist wiederum von Relevanz, welche Anforderungen an die unangemessene Benachteiligung im Rahmen der Transparenzkontrolle zu stellen sind. Beruht diese unangemessene Benachteiligung ausschließlich auf spezifischen Gründen der Intransparenz oder ergibt sie sich sogar automatisch aus dieser, spricht dies dafür, dass die Feststellung der unangemessenen Benachteiligung im Rahmen der Transparenzkontrolle einen anderen Inhalt hat als die im Rahmen der Angemessenheitskontrolle festzustellende Benachteiligung. Das würde für ein generelles Nebeneinander der beiden Kontrollinstrumente streiten.

3

Vgl. Armbrüster, DNotZ 2004, 437, 441. S. dazu etwa Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 237, 247, 278 ff.; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 38; BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 92; Clemenz/ Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 16. 4

A. Notwendigkeit der Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung

147

I. Keine automatische Unwirksamkeit bei Intransparenz Nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung auch daraus ergeben, dass eine Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Ob diese unangemessene Benachteiligung ausdrücklich festgestellt werden muss oder bereits die Feststellung einer Intransparenz zur Unwirksamkeit führt, wird unterschiedlich beurteilt. 1. Teilweise vertretene Ansicht: Unwirksamkeit ohne Feststellung einer Benachteiligung Teilweise wird vertreten, dass eine Regelung ohne weitere Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung unwirksam ist, wenn der Vertragspartner seine Rechte und Pflichten nicht klar erkennen kann.5 Zum selben Ergebnis kommt die Annahme, bereits diese Unklarheit führe unweigerlich zu einer unangemessenen Benachteiligung und somit zur Unwirksamkeit, wobei der Klauselinhalt keine Berücksichtigung finden soll.6 Auf dieser Linie liegt auch die Auffassung, eine unangemessene Benachteiligung müsse zwar vorliegen, die Intransparenz bringe jedoch eine unwiderlegliche Vermutung für das Vorliegen einer solchen mit sich, so dass eine gesonderte Feststellung der Benachteiligung entbehrlich sei.7 Für ein solches Verständnis spricht zwar das Ziel des Transparenzgebotes, dafür zu sorgen, dass der Vertragspartner den Inhalt der AGB ausreichend deutlich erkennen und so eine informierte Entscheidung darüber treffen kann, ob er den Vertrag in der gegebenen Form abschließen, Änderungsvorschläge unterbreiten oder möglicherweise einen anderen Anbieter wählen möchte.8 Eine unwiderlegliche Vermutung oder die Annahme einer unangemessenen Benachteiligung ohne weitergehende Begründung sind jedoch nicht die einzige Möglichkeit, um dieses Ziel zu wahren.9

5 Schwab, AGB-Recht, Rn. 655; so wohl auch Palandt/Grüneberg, § 307 BGB Rn. 24; Pilz, Missverständliche AGB, S. 206 ff.; vgl. auch BGH v. 19.10.1999 – XI ZR 8/99, NJW 2000, 651. 6 Armbrüster, DNotZ 2004, 437, 440; vgl. auch BGH v. 08.10.1997 – IV ZR 220/96, BGHZ 136, 394. 7 Stoffels, AGB-Recht, Rn. 564; im Fall der sog. Abschlusstransparenz so auch Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 332; s. dazu auch HWK/Roloff, § 307 BGB Rn. 12. 8 Vgl. Palandt/Grüneberg, § 307 BGB Rn. 24; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 564; Evermann, Die Anforderungen des Transparenzgebots an die Gestaltung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen, S. 49 ff. ist aus diesem Grund der Meinung, eine unangemessene Benachteiligung sei nicht notwendig. 9 Gegen eine unwiderlegliche Vermutung spricht sich auch BeckOGK/Eckelt, § 307 BGB Rn. 122.1 aus.

148

Kap. 3: Das Verhältnis von Angemessenheits- und Transparenzkontrolle

2. Wortlaut und Gesetzesmaterialien: Notwendigkeit der Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung Ein solches Verständnis steht Allem voran nicht in Einklang mit der Formulierung des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, der auf die in S. 1 angesprochene, zur Unwirksamkeit führende unangemessene Benachteiligung Bezug nimmt und festlegt, dass diese sich auch aus einer Intransparenz ergeben kann. Dieser Wortlaut spricht dafür, dass auch bei der Transparenzkontrolle eine unangemessene Benachteiligung vorliegen und positiv festgestellt werden muss, damit eine Klausel als unwirksam einzuordnen ist.10 Gegen eine aus der Intransparenz resultierende Vermutung der unangemessenen Benachteiligung sprechen außerdem die Gesetzgebungsmaterialien.11 Ursprünglich hieß es dort zwar noch, es bedürfe für die Unwirksamkeit wegen Intransparenz keiner gesonderten Feststellung der Unangemessenheit.12 Diese Begründung bezog sich aber auf den ersten Entwurf des § 307 BGB, in dem das Transparenzgebot noch als Zweifelsregelung in § 307 Abs. 2 Nr. 3 BGB verankert war. Aufgrund der folgenden Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses wurde das Transparenzgebot stattdessen in der heutigen Fassung in § 307 Abs. 1 S. 2 BGB geregelt. In der Begründung dazu heißt es, eine intransparente Klausel solle nicht im Zweifel unwirksam sein, sondern die Intransparenz einen möglichen Fall der unangemessenen Benachteiligung darstellen.13 Gegen das Erfordernis einer unangemessenen Benachteiligung wird allerdings angeführt, dass die Transparenzkontrolle auch für deklaratorische Klauseln gilt, bei denen nie eine inhaltliche Benachteiligung vorliegen könne.14 Das mag insofern zutreffen, als die geltende Rechtslage gar nicht zum Nachteil des Vertragspartners verändert wird. Das heißt jedoch nicht, dass der Vertragspartner nicht durch die Intransparenz benachteiligt werden könnte. Denn es geht nicht um dieselbe inhaltliche Benachteiligung wie bei § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB, sondern 10 Vgl. Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 330; BeckOK-BGB/ H. Schmidt, § 307 Rn. 42 ff.; BeckOGK/Eckelt, § 307 BGB Rn. 122; Däubler/Bonin/ Deinert/Bonin, § 307 BGB Rn. 152; Graf v. Westphalen, NJW 2002, 12, 17; MüKoBGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 58 und Henssler/Moll, AGB-Kontrolle vorformulierter Arbeitsbedingungen, S. 11 sind der Meinung, es genüge die Gefahr einer Benachteiligung durch die Intransparenz; so auch Heinrichs, in: FS Trinkner, S. 157, 162 zur Rechtslage nach dem AGBG; a. A. Pilz, Missverständliche AGB, S. 175, der der Meinung ist, der Wortlaut könne für beide Meinungen sprechen. 11 So auch BeckOGK/Eckelt, § 307 BGB Rn. 122; Pilz, Missverständliche AGB, S. 208 hält die Gesetzesbegründung dagegen für unergiebig. 12 BT-Drucks. 14/6040, S. 154. 13 BT-Drucks. 14/7052, S. 188. 14 Pilz, Missverständliche AGB, S. 210; zur Unmöglichkeit einer unangemessenen Benachteiligung bei deklaratorischen Klauseln genauso von Hoyningen-Huene, in: FS Trinkner, S. 179, 189 f., allerdings mit dem Ergebnis, dass eine Benachteiligung nötig sei, weil zu diesem Zeitpunkt deklaratorische Klauseln nicht der Transparenzkontrolle unterfielen.

A. Notwendigkeit der Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung

149

um eine spezifische Benachteiligung durch Intransparenz.15 Der Verwender muss ohnehin geltendes Recht nicht regeln.16 Tut er dies dennoch, muss seine Regelung transparent sein. Dazu gehört unter Umständen eine stärkere Konkretisierung als das Gesetz sie enthält.17 Ansonsten wäre die Erstreckung der Transparenzkontrolle auf deklaratorische Klauseln nahezu sinnlos. Letztlich kann eine intransparente Klauselgestaltung auch ohne Änderung der Rechtslage dazu führen, dass der Vertragspartner Inhalt und Umfang seiner vom Verwender geregelten Rechte und Pflichten nicht ausreichend erkennen kann. Dann kann er keine informierte Vertragsabschlussentscheidung treffen18 und läuft womöglich Gefahr, seine Rechte bei der Vertragsdurchführung nicht wahrzunehmen19. Diese spezifischen Benachteiligungen durch Intransparenz muss der Verwender verhindern, sobald er Regelungen zu einem Sachverhalt trifft. Das gilt auch für deklaratorische Klauseln.20 Sowohl der Regierungsentwurf als auch die Beschlussempfehlung sprechen außerdem davon, dass mit der Aufnahme in das BGB lediglich das von der Rechtsprechung ohnehin angewandte Transparenzgebot ausdrücklich angesprochen werden sollte.21 Es sollte keine inhaltliche Änderung erfahren.22 In der Rechtsprechung vor seiner Kodifizierung wurde das Transparenzgebot als ungeschriebener Bestandteil des Benachteiligungsverbots aus § 9 AGBG angesehen.23 15 Vgl. Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 79; BeckOGK/Eckelt, § 307 BGB Rn. 122.1; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 307 BGB Rn. 151 ff.; dazu sogleich mehr unter Kapitel 3 A. II. 16 BGH v. 14.05.1996 – XI ZR 257/94, BGHZ 133, 25; BGH v. 14.01.2014 – XI ZR 355/12; BGH v. 25.11.2015 – VIII ZR 360/14, NJW 2016, 936 Rn. 17; Palandt/Grüneberg, § 307 BGB Rn. 22; HK-ArbR/Boemke/Ulrici, § 307 BGB Rn. 23; NK-ArbR/ Peterhänsel, § 307 BGB Rn. 39 f.; BeckOK-ArbR/Jacobs, § 307 BGB Rn. 59; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 573. 17 Vgl. Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 198; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 246, 260; s. auch BGH v. 26.05.1986 – VIII ZR 218/85, NJW 1986, 3134; a. A. Koller, in: FS Steindorff, S. 667, 678, der meint, AGB müssten nicht das Informationsniveau des Gesetzes übersteigen. 18 Vgl. Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 250; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 175; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 79; für die essentialia negotii und andere wettbewerbsrelevante Umstände nimmt Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 332 unter dem Stichpunkt „Abschlusstransparenz“ eine unwiderlegliche Vermutung der unangemessenen Benachteiligung an; vgl. auch Stoffels, AGB-Recht, Rn. 564. 19 Vgl. Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 11; Clemenz/Kreft/Krause/ Klumpp, § 307 BGB Rn. 79; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 178; Stoffels, AGBRecht, Rn. 564; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 236. 20 Vgl. auch Armbrüster, DNotZ 2004, 437, 439 f., der feststellt, dass auch deklaratorische Klauseln wegen Intransparenz unwirksam sein können. 21 BT-Drucks. 14/6040, S. 153 f.; BT-Drucks 14/7052, S. 188. 22 S. auch Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 10 m.w. N. 23 S. BT-Drucks. 14/6040, S. 154; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 330 m.w. N.

150

Kap. 3: Das Verhältnis von Angemessenheits- und Transparenzkontrolle

Dabei wurde als Voraussetzung der Unwirksamkeit eine Komponente inhaltlicher Unangemessenheit gefordert.24 Diese Entstehungsgeschichte lässt darauf schließen, dass die Transparenzkontrolle kein eigenständiges Kontrollinstrument ist, sondern ein möglicher Fall der unangemessenen Benachteiligung.25 Unterstützt wird dieses Ergebnis durch die gewählte Stellung des Transparenzgebots im selben Absatz des § 307 BGB wie die Angemessenheitskontrolle und in Satz zwei als direkte Folge auf diese.26 Dafür spricht daneben die Formulierung, eine unangemessene Benachteiligung (wie sie in Satz eins geregelt wird) „kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist“. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB nimmt durch Stellung und Formulierung Bezug auf die unangemessene Benachteiligung aus § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Es muss also im Rahmen der Transparenzkontrolle eine solche unangemessene Benachteiligung festgestellt werden.27 Die eigenständige Regelung zeigt aber auch, dass der Transparenzkontrolle erhebliches Gewicht zukommt und sie sich von den anderen Gründen der Unangemessenheit unterscheidet.28 Deshalb erscheint eine separate Kontrolle der Transparenz gerechtfertigt, die eine Kontrolle der übrigen Unangemessenheit jedoch nicht entbehrlich macht. 3. Ergebnis Zur Feststellung der Unwirksamkeit einer Klausel wegen Intransparenz muss in jedem Fall eine unangemessene Benachteiligung festgestellt werden.29 24 So etwa BGH v. 24.11.1988 – III ZR 188/87, BGHZ 106, 42; BGH v. 05.11.1998 – III ZR 95/97, BGHZ 140, 25; Benedict, NJW 2000, 190 f.; s. dazu Ulmer/Brandner/ Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 330. 25 Vgl. BeckOGK/Eckelt, § 307 BGB Rn. 122 f.; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 79. 26 Pilz, Missverständliche AGB, S. 208 hingegen hält die systematische Auslegung für unergiebig. 27 So könnte auch das BAG in seiner Rechtsprechung zu den gegenständlichen Bestimmungsvorbehalten verstanden werden. Dort heißt es eine Intransparenz liege nur dann vor, wenn die Gefahr bestehe, dass der Arbeitnehmer seine Rechte nicht wahrnehme. Denn diese Gefahr bezeichnet eine Form der unangemessenen Benachteiligung wegen Intransparenz. S. BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 20; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970 Rn. 23; s. auch teilweise Parallelentscheidungen v. 20.03.2013 – 10 AZR 636/11, AuA 2013, 711; und v. 15.05.2013 – 10 AZR 679/12, NJW-Spezial 2013, 563; zu Freiwilligkeitsvorbehalten so BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, BAGE 124, 259; BAG v. 14.09.2011 – 10 AZR 526/10, BAGE 139, 156; so auch Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 307 BGB Rn. 149, 150. 28 S. dazu Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 10. 29 So im Grundsatz auch Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 174; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 330; BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 42 ff.; BeckOGK/Eckelt, § 307 BGB Rn. 122; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 307 BGB Rn. 151 ff.; Henssler/Moll, AGB-Kontrolle vorformulierter Arbeitsbedingungen, S. 11;

A. Notwendigkeit der Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung

151

II. Spezifische Benachteiligung durch Intransparenz Als mögliche Form einer unangemessenen Benachteiligung setzt ein Verstoß gegen das Transparenzgebot voraus, dass die Benachteiligung gerade spezifisch aus der Intransparenz resultiert.30 So bedeutet das Erfordernis der Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung nicht, dass den oben dargestellten31, zur Begründung einer unwiderleglichen Vermutung der Unwirksamkeit angeführten Schlussfolgerungen zu widersprechen wäre, dass eine Unangemessenheit aus der Gefährdung des Ziels, dem Vertragspartner eine informierte Entscheidung zu ermöglichen, oder aus der fehlenden Erkennbarkeit der Rechte und Pflichten resultiere. Im Gegenteil werden beide Gründe in der Regel zu einer unangemessenen Benachteiligung führen. Es kann nach dem oben Gesagten dabei jedoch nicht von einer unwiderleglichen Vermutung gesprochen bzw. dieses Ergebnis ohne weiteres angenommen werden. Sonst müssten streng genommen auch Klauseln als unangemessen benachteiligend betrachtet werden, die für den Vertragspartner trotz Intransparenz nur günstig sind.32 In diesen Fällen liegt aber gar keine unangemessene Benachteiligung vor.33 Bei Klauseln, die die Rechtslage des Vertragspartners trotz Intransparenz lediglich verbessern, würde sich die Feststellung der Unwirksamkeit schließlich negativ auswirken. 1. Benachteiligung bei Abschluss des Vertrages Regelmäßig zu einer unangemessenen Benachteiligung werden diejenigen Fälle der Intransparenz führen, in denen die Vergleichsmöglichkeiten mit anderen Anbietern (bzw. Arbeitgebern) geschmälert werden.34 Ist die Klausel unklar, Graf v. Westphalen, NJW 2002, 12, 17; s. auch Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 81; von Hoyningen-Huene, in: FS Trinkner, S. 179, 189 f. allerdings zur Rechtslage nach dem AGBG. 30 Vgl. BeckOGK/Eckelt, § 307 BGB Rn. 122 f.; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 79; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 307 BGB Rn. 151 ff. 31 S. Kapitel 3 A. I. 1. 32 Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 330; s. dazu auch Pilz, Missverständliche AGB, S. 211 ff., der den Verwender bei begünstigenden Klauseln im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung an den Inhalt der gewollten Regelung binden will. 33 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 250; Ulmer/Brandner/Hensen/ Fuchs, § 307 BGB Rn. 330; MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 58; Graf v. Westphalen, NJW 2002, 12, 17; vgl. dazu auch Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 174; BeckOGK/Eckelt, § 307 BGB Rn. 122; Armbrüster, DNotZ 2004, 437, 439 f. 34 Vgl. Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 250; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 175; BeckOGK/Eckelt, § 307 BGB Rn. 122.1; s. auch Köndgen, NJW 1989, 943, 949 f.; für die essentialia negotii und andere wettbewerbsrelevante Umstände nimmt Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 332 unter dem Stichpunkt „Abschlusstransparenz“ eine unwiderlegliche Vermutung der unangemessenen Benachteiligung an; a. A. Diehn, NZA 2004, 129, 134, der § 307 Abs. 1 S. 2 BGB kein Gebot der Abschlusstransparenz entnimmt; s. auch Koller, in: FS Steindorff, S. 667, 669 f., der

152

Kap. 3: Das Verhältnis von Angemessenheits- und Transparenzkontrolle

so dass der Vertragspartner den Inhalt nicht verlässlich erkennen kann, ist er nicht in der Lage, eine informierte Abschlussentscheidung zu treffen.35 Da er den (negativen) Gehalt der Klausel nicht wirksam einschätzen kann, bleibt es ihm verwehrt, Änderungsvorschläge einzubringen oder auf einen anderen Anbieter auszuweichen, der keine vergleichbaren Klauseln verwendet.36 Bereits darin liegt eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners.37 Diesem Schluss steht es nicht entgegen, dass AGB in der Realität oftmals gar keinem Wettbewerb unterliegen38. Denn dem Vertragspartner soll wenigstens die Chance erhalten bleiben, Verhandlungen anzustreben oder einen anderen Anbieter zu wählen.39 Der Klausel-Verwender nimmt durch die AGB einseitig die Vertragsgestaltungsmacht beider Parteien für sich in Anspruch.40 Formuliert er die Klauseln dabei so, dass der Vertragspartner seine übrig gebliebene, ohnehin schon geschmälerte Verhandlungs- bzw. Marktmacht nicht mehr wirksam ausüben kann, liegt darin eine unangemessene Benachteiligung schon bei Abschluss des Vertrages. Bereits das Ziel, dem Vertragspartner eine informierte Abschlussentscheidung zu ermöglichen, zeigt jedoch, dass eine unangemessene Benachteiligung bei Vertragsschluss nicht vorliegen kann, wenn der Inhalt der Klausel keinerlei Relevanz für die Vertragsabschlussentscheidung hat.41 Ansonsten wäre eine Benachteiligung bei Vertragsschluss praktisch immer problemlos zu begründen. Dann wäre es hinfällig, überhaupt zu verlangen, dass eine unangemessene Benachteiligung vorliegen muss.42 Auszuschließen ist eine solche Benachteiligung aber nur, wenn meint dem Vertragspartner müssten bei Vertragsschluss nicht alle Nachteile ohne weiteres ersichtlich sein. 35 Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 79. 36 Vgl. Stoffels, AGB-Recht, Rn. 564; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 250; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 175; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 332. 37 Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 175 f. 38 S. zum fehlenden Wettbewerb bei AGB eingehend unter Kapitel 3 B. V. 39 S. Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 176; vgl. auch Ulmer/Brandner/Hensen/ Fuchs, § 307 BGB Rn. 326; BeckOGK/Eckelt, § 307 BGB Rn. 125, die anführen, dass bereits die Möglichkeit der ausreichenden Information den Schutz des Vertragspartners erhöht. 40 S. dazu BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 1; s. auch NK-BGB/Kollmann, Vorbemerkungen zu §§ 305 ff. BGB Rn. 3 ff.; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 42; Kreienbaum, Transparenz und AGB-Gesetz, S. 214; MüKo-BGB/Basedow, Vorbemerkung §§ 305 ff. BGB, Rn. 4 ff., der den Schutzgrund der Inhaltskontrolle partielles Marktversagen nennt. 41 Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 365 fordert eine hypothetische Relevanz für die Produktwahl; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 176 führt aus, dass jedenfalls die fundamentalen Marktparameter transparent dargestellt werden müssen, damit keine Benachteiligung bei Vertragsschluss vorliegt; vgl. auch Wolf/Lindacher/ Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 250, der im Rahmen der Abschlusstransparenz von der Klarheit der Rechtslage und des Preis-Leistungs-Verhältnisses spricht. 42 Vgl. dazu auch Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 365.

A. Notwendigkeit der Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung

153

es völlig fernliegend ist, dass der Inhalt der jeweiligen Klausel die Abschlussentscheidung beeinflussen könnte. Umgekehrt formuliert: Voraussetzung der Benachteiligung bei Vertragsschluss ist, dass die Klausel irgendeine „hypothetische Relevanz“ 43 für die Vertragsabschlussentscheidung hat. 2. Benachteiligung bei der Abwicklung Eine unangemessene Benachteiligung wegen Intransparenz kann sich daneben vor allem daraus ergeben, dass der Vertragspartner während der Durchführung des Vertrages nicht erkennen kann, welche Rechte ihm zustehen und welche Pflichten den Verwender treffen.44 Davor ist der Vertragspartner dann zu schützen, wenn die Gefahr besteht, dass er seine eigenen Rechte nicht wahrnimmt oder vor Scheinrechten des Verwenders kapituliert.45 Der Verwender kann die ihm übertragene Vertragsgestaltungsmacht redlicherweise nicht dazu nutzen, dem Vertragspartner die Durchsetzung bestehender Rechte dadurch zu erschweren, dass dieser ihre Existenz oder den genauen Inhalt nicht erkennen kann. Dadurch wird der Vertragspartner inhaltlich unangemessen benachteiligt.46 Ob die Gefahr besteht, dass der Vertragspartner seine Rechte nicht wahrnimmt, ist im Einzelfall festzustellen. Diese Feststellung wird jedoch regelmäßig gelingen, wenn Intransparenz bezüglich bestehender Rechte oder Pflichten gegeben ist.47 Denn mit der Unklarheit über das Bestehen oder den Inhalt muss auch eine Unklarheit darüber entstehen, ob die Rechte wahrgenommen bzw. durchgesetzt werden können, die wiederum den durchschnittlichen48, nicht rechtskundigen Vertragspartner49 von ihrer Wahrnehmung abhalten wird.

43

Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 365. Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 79; so auch Koller, in: FS Steindorff, S. 667, 670, 678, der außerdem die Vermeidung von Prozessen anführt; unter dem Stichwort „Abwicklungstransparenz“: Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 334; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 176 ff. 45 Vgl. Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 11; Clemenz/Kreft/Krause/ Klumpp, § 307 BGB Rn. 79; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 178; Stoffels, AGBRecht, Rn. 564; BeckOGK/Eckelt, § 307 BGB Rn. 122.1; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/ Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 236. 46 Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 11, 323 ff.; Clemenz/Kreft/ Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 79; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 178; Wolf/ Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 250; Armbrüster, DNotZ 2004, 437, 440. 47 S. Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 178. 48 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 244; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 567; MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 64; Stoffels, ZfA 2009, 861, 879; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 11; Jauernig/Stadler, § 307 BGB Rn. 8; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 21; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 83; Heinrichs, in: FS Trinkner, S. 157, 165; zur Maßgeblichkeit der Erwartungen des durchschnittlichen Vertragspartners s. Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 307 BGB Rn. 158; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 184; HWK/Roloff, § 307 BGB Rn. 13; Kreienbaum, Transparenz und AGB-Gesetz, S. 271 ff.; Evermann, Die Anforderungen des 44

154

Kap. 3: Das Verhältnis von Angemessenheits- und Transparenzkontrolle

3. Ergebnis Die aus der Intransparenz resultierende unangemessene Benachteiligung wird sich in der Regel leicht begründen lassen. Ihr Vorliegen muss dennoch festgestellt werden. Die Benachteiligung kann entweder darin liegen, dass der Vertragspartner bei Vertragsschluss den Inhalt der Klausel nicht verlässlich erkennen kann und deshalb nicht in der Lage ist, eine informierte Vertragsabschlussentscheidung zu treffen. Der Vertragspartner kann aber auch dadurch benachteiligt werden, dass er aufgrund der Intransparenz einer Klausel Gefahr läuft, seine Rechte nicht wahrzunehmen. Dabei muss sich die unangemessene Benachteiligung, wie der Wortlaut des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB zeigt, gerade aus der Intransparenz ergeben.

B. Die Unterschiede zur Unangemessenheit nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB Trotz dieser spezifischen Verknüpfung zur Intransparenz enthält die Feststellung der Unwirksamkeit nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB auch eine Feststellung der unangemessenen Benachteiligung i. S. d. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB und so könnte man eine Angemessenheitskontrolle jedenfalls in den Fällen für überflüssig oder gar ausgeschlossen halten, in denen sich die Kontrollinstrumente überschneiden. Wenn derselbe Anknüpfungspunkt in einer Klausel sowohl zur Unwirksamkeit wegen Intransparenz als auch zur Unwirksamkeit wegen materieller Unangemessenheit führt, stellt sich die Frage, welchen Mehrwert es hätte und ob es methodisch überhaupt zulässig wäre, zusätzlich zur Feststellung der Unwirksamkeit wegen Intransparenz festzustellen, dass die Klausel aus demselben Grund auch nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam ist. Die Unzulässigkeit der jeweiligen Formulierung und die Unwirksamkeit der gesamten Klausel wären bereits im Rahmen der Transparenzkontrolle konstatiert.

I. Überschneidungen von Transparenz- und Angemessenheitskontrolle am Beispiel arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte im Entgeltbereich Solche Fälle, in denen sich die Anforderungen des Transparenzgebots und die der übrigen Angemessenheitskontrolle überschneiden, lassen sich auch bei den hier zu untersuchenden Bestimmungsvorbehalten finden. So liegt es insbesonTransparenzgebots an die Gestaltung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen, S. 121 ff. 49 Zum Empfängerhorizont als Auslegungsmaßstab s. bspw. Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 11 m.w. N.; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 244; Graf v. Westphalen, NJW 2002, 12, 16.

B. Die Unterschiede zur Unangemessenheit nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB

155

dere bei der Notwendigkeit der Angabe von Entscheidungskriterien zur Bestimmung der jeweiligen Leistung. Ohne die Angabe solcher Kriterien müsste eine Klausel als intransparent i. S. d. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB angesehen werden50, woraus auch eine unangemessene Benachteiligung resultieren würde, da weder bei Vertragsschluss die Pflichten des Arbeitgebers und die wirtschaftlichen Folgen klar erkennbar sind noch der Arbeitnehmer während der Durchführung des Vertrages seine Rechte und die Pflichten des Arbeitgebers klar erkennen und damit effektiv durchsetzen kann.51 Genauso müsste das Fehlen jeglicher Entscheidungskriterien zu einer unangemessenen Benachteiligung des Arbeitnehmers allein nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB führen, da dem Arbeitgeber eine zu weitreichende Entscheidungsfreiheit eingeräumt würde, die er zum Nachteil des Arbeitnehmers nutzen könnte.52 In diesem Punkt würden sich Transparenzkontrolle und allgemeine Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB überschneiden, so dass es praktisch keinen Unterschied machen würde, ob man die Unwirksamkeit als Folge einer Transparenzkontrolle oder einer Angemessenheitskontrolle annimmt. Man könnte sich in diesen Fällen also theoretisch auf eine Transparenzkontrolle beschränken. Dabei ist zu beachten, dass die beschriebene Überschneidung der beiden Kontrollinstrumente beim Fehlen von Entscheidungskriterien bereits dort enden muss, wo es um die konkreten Faktoren zur Bestimmung der Leistung geht. Ihre Angemessenheit hat nichts mit ihrer Transparenz zu tun. Solange der Arbeitnehmer erkennen kann, nach welchen Faktoren der Arbeitgeber zu entscheiden hat, und diese ausreichende inhaltliche Aussagekraft haben, ist von einer transparenten Regelung auszugehen.53 Sind diese klar erkennbaren Kriterien beispielsweise sachfremd oder willkürlich, muss die Klausel jedoch als inhaltlich unangemessen eingeordnet werden.54 Transparenz- und Angemessenheitskontrolle liegen zwar auch dabei nah beieinander. So bringt eine offene Formulierung der Entscheidungskriterien, z. B. durch inhaltsleere oder inhaltlich der freien Entscheidung des Arbeitgebers unterliegende Faktoren, neben der geringeren Erkennbarkeit der rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen automatisch auch ein (zu) weitgehendes 50 So i. E. auch Boensch, Arbeitsvertragliche Entgeltflexibilisierung und aufsichtsrechtliche Institutsvorgaben, S. 177 f.; Simon/Hidalgo/Koschker, NZA 2012, 1071, 1072; Stoffels, RdA 2015, 276; Pfrogner, BB 2018, 757, 759; Preis/Preis, II S 40 Rn. 19e; eine Konkretisierung bei arbeitsleistungsbezogenen Leistungen fordern auch Preis/Deutzmann, NZA-Beilage 2017, 101, 107, wenn die Festlegung auf null möglich sein soll; a. A. BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013; Wensing/ Boensch, BB 2014, 2358; Lunk/Leder, NJW 2015, 3766; HK-ArbR/Boemke/Ulrici, Anhang zu §§ 307–309 Rn. 3; BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 101; vgl. auch Lakies, ArbRAktuell 2013, 251; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400; Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65; Kössel, DB 2016, 2963. 51 Dazu ausführlich unter Kapitel 5 B. III. 52 Dazu ausführlich unter Kapitel 4 B. VI. und B. VII. 53 S. dazu unter Kapitel 4 B. VII. 54 S. dazu unter Kapitel 5 B. III.

156

Kap. 3: Das Verhältnis von Angemessenheits- und Transparenzkontrolle

Entscheidungsrecht mit sich. Die Unangemessenheit der Entscheidungskriterien führt andersherum aber nicht zur Intransparenz, solange die Kriterien einen die Voraussehbarkeit ausreichend steigernden inhaltlichen Gehalt haben. Es bleibt aber zu fragen, ob im anfangs beschriebenen Fall einer Überschneidung wegen einer gänzlich fehlenden Angabe von Entscheidungskriterien und in allen anderen Fällen, in denen bestimmte Konstellationen tatsächlich denselben Einfluss auf Transparenz und inhaltliche Angemessenheit haben, die jeweiligen Anknüpfungspunkte dennoch nach beiden Maßstäben – im Endeffekt also doppelt – zu verwerten sind. Dafür könnten sowohl die unterschiedlichen Anknüpfungspunkte der beiden Kontrollmaßstäbe als auch dogmatische Überlegungen und tatsächliche Gründe sprechen. Von Interesse sind darüber hinaus der Schutzzweck der AGB-Kontrolle und die Interessen des Verwenders.

II. Divergierende Ziele der Transparenz- und Angemessenheitskontrolle Richtigerweise ist die Transparenzkontrolle trotz möglicher Überschneidungen mit der Angemessenheitskontrolle, wie beispielsweise bei der eben genannten Unwirksamkeit der gegenständlichen Bestimmungsvorbehalte wegen fehlender Angaben zu den Entscheidungskriterien, und trotz der eingangs beschriebenen Nähe zur Angemessenheitskontrolle eigenständig durchzuführen55 und vermag eine weitere Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 Abs. 2 BGB nicht zu verdrängen. Generell kann dies bereits deshalb nicht der Fall sein, weil die Intransparenz ein möglicher Fall der Unangemessenheit ist56 und nicht stellvertretend für die gesamte Angemessenheitskontrolle steht. Aber auch im Fall von Überschneidungen der beiden Kontrollmaßstäbe ist eine weitere materielle Angemessenheitskontrolle nicht entbehrlich. Das zeigt sich vor allem, wenn man sich die unterschiedlichen Anknüpfungspunkte und Zielsetzungen der beiden Kontrollmaßstäbe vergegenwärtigt. 1. Anknüpfungspunkt der Transparenzkontrolle: Klarheit und Verständlichkeit Die Transparenzkontrolle sanktioniert Klauseln, die den Vertragspartner gerade wegen ihrer Unklarheit unangemessen benachteiligen. Den Anknüpfungspunkt bilden also spezifische Gründe, die aus der Intransparenz resultieren.57 Ziel des Transparenzgebotes ist es einmal, die Wahrnehmbarkeit, Durchschaubarkeit und 55 Vgl. BT-Drucks 14/6040, S. 153: „ganz eigenständige Prüfungskategorie“; Ulmer/ Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 10; NK-ArbR/Peterhänsel, § 307 BGB Rn. 36. 56 Vgl. BeckOGK/Eckelt, § 307 BGB Rn. 122 f.; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 79. 57 Vgl. Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 79.

B. Die Unterschiede zur Unangemessenheit nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB

157

Vergleichbarkeit von AGB-Klauseln zu verbessern, so dass der Vertragspartner vor bzw. bei Vertragsschluss die relevanten Informationen erlangen kann.58 Darüber sollen ihm ein Marktvergleich und eine rationale Abschlussentscheidung – gegebenenfalls nach weiteren Verhandlungen – ermöglicht werden.59 Er soll außerdem im Zuge der Abwicklung des Vertrages seine Rechte und Pflichten erkennen können, um diese wahrnehmen und durchsetzen zu können.60 Zusammengefasst soll der Vertragspartner vor unklaren Regelungen geschützt werden.61 2. Anknüpfungspunkt der Angemessenheitskontrolle: inhaltliche Unausgewogenheit Die Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 BGB verfolgt hingegen das Ziel, den Vertragspartner vor unangemessenen Benachteiligungen zu schützen, die sich aus der Abweichung vom geltenden Recht und einer inhaltlichen Unausgewogenheit ergeben.62 Es ist nach Abs. 2 insbesondere auf die Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung und die Einschränkung wesentlicher Rechte und Pflichten zu achten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben. Dabei kann zwar die Unklarheit als unterstützendes Argument für die Unangemessenheit einer materiell benachteiligenden Klausel herangezogen werden.63 Das ändert jedoch nichts daran, dass die Unklarheit schwerpunktmäßig der Transparenzkontrolle zuzuordnen ist. Anknüpfungspunkt der Angemessenheitskontrolle bleibt der materielle Inhalt der jeweiligen Klausel unter Beachtung des sonstigen Vertragsinhalts.64

58 Stoffels, AGB-Recht, Rn. 564; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 332; Armbrüster, DNotZ 2004, 437, 438; vgl. auch Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 236. 59 Stoffels, AGB-Recht, Rn. 564; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 332; Armbrüster, DNotZ 2004, 437, 438; vgl. auch Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 175; s. auch Heinrichs, in: FS Trinkner, S. 157, 163. 60 Stoffels, AGB-Recht, Rn. 564; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 236; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 334; ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 44; Armbrüster, DNotZ 2004, 437, 440; vgl. auch Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 178. 61 BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 44. 62 Stoffels, AGB-Recht, Rn. 461, 466 ff.; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 7 ff.; ErfK/ Preis, § 310 BGB Rn. 42, 45 ff.; vgl. auch BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 29 ff.; MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 33 ff.; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 75, 157 ff. 63 Vgl. Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 174. 64 Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 3; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 461, 485; ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 42, 47; BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 22 f.; MüKo-BGB/ Wurmnest, § 307 BGB Rn. 36; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 212; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 124; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 116.

158

Kap. 3: Das Verhältnis von Angemessenheits- und Transparenzkontrolle

3. Ergebnis: Kontrolle nach beiden Maßstäben in allen Fällen Kurz gesagt: In der Transparenzkontrolle ist die inhaltliche Klarheit und Verständlichkeit zu prüfen65, während in der Angemessenheitskontrolle die inhaltliche Ausgewogenheit zu untersuchen ist. Die Angemessenheitskontrolle knüpft also an den Inhalt der Klausel an, die Transparenzkontrolle an die Verständlichkeit dieses Inhalts. So kann eine an sich inhaltlich angemessene Klausel allein durch ihre Intransparenz unangemessen werden kann, z. B. wenn sie die Abweichung vom gesetzlichen Leitbild verschleiert.66 Eine transparente Klausel ist aber nicht automatisch auch angemessen.67 Diese unterschiedlichen Anknüpfungspunkte erfordern es, neben der Transparenzkontrolle auch eine Angemessenheitskontrolle durchzuführen, selbst wenn die beiden Kontrollmaßstäbe sich überschneiden. Denn die Feststellung, dass eine Klausel aufgrund einer bestimmten Konstellation intransparent und deshalb unangemessen benachteiligend ist, besitzt einen anderen Aussagegehalt als die Feststellung, dass diese Klausel den Vertragspartner durch dieselbe Konstellation materiell benachteiligt. So enthält beispielsweise die Feststellung der Unwirksamkeit wegen Intransparenz eines arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalts mangels Angabe von Kriterien die Aussage, dass der durchschnittliche Arbeitnehmer dadurch benachteiligt wird, dass er den Inhalt nicht erkennen und deswegen nicht auf einen anderen Arbeitgeber ausweichen bzw. über die Klausel verhandeln oder seine Rechte bei der Vertragsabwicklung nicht erkennen konnte. Die aus dem Fehlen der Kriterien resultierende unangemessene Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB hingegen enthält die Feststellung, dass dem Arbeitgeber dadurch ein zu weitreichendes Bestimmungsrecht eingeräumt wurde.

III. Dogmatisches Interesse an der korrekten Einordnung Neben den verschiedenen Anknüpfungspunkten und den daraus resultierenden unterschiedlichen Aussagegehalten der Feststellung einer Unwirksamkeit wegen Intransparenz oder wegen materieller Unangemessenheit besteht auch ein dogmatisches Interesse an der richtigen Zuordnung der jeweiligen Problemfelder. Denn wie sich oben bereits gezeigt hat, stellen sowohl Rechtsprechung als auch Literatur oftmals nicht eindeutig klar, woraus sich die je nach Klauselart zu stellenden Anforderungen ergeben.68 In der Praxis besteht daran auch nicht immer ein Interesse, da die Rechtsfolge sich nicht unterscheidet. Dogmatisch kann dieselbe Rechtsfolge jedoch kein Argument dafür sein, von einer abschließenden Zuordnung abzusehen. 65 66 67 68

Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 11. MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 58. Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 179. S. dazu Kapitel 3 am Anfang.

B. Die Unterschiede zur Unangemessenheit nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB

159

An der korrekten Einordnung besteht auch deshalb ein Interesse, weil die Angemessenheitskontrolle gem. § 307 Abs. 3 BGB einen engeren Anwendungsbereich hat als die Transparenzkontrolle. Regelt die jeweilige Klausel eine Hauptleistungspflicht oder ist sie rein deklaratorischer Natur, ist sie einer Transparenzkontrolle zu unterziehen, aber nicht nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB auf ihre materielle Angemessenheit zu überprüfen.69 Bliebe also vorliegend ungeklärt, ob eine bestimmte Anforderung aus dem Transparenzgebot oder dem Gebot der materiellen Angemessenheit resultiert, bliebe ebenfalls unklar, ob diese Anforderung auch in solchen Fällen einzuhalten wäre, in denen die Kontrollfähigkeit einmal zu verneinen ist.

IV. Verkürzte Erkenntnis bei Vernachlässigung der Angemessenheitskontrolle Im Übrigen besteht auch ein Bedürfnis nach einer zusätzlichen Angemessenheitskontrolle. Eine Beschränkung auf die Transparenzkontrolle würde im Falle der Intransparenz zwar zur Unwirksamkeit und damit praktisch zum selben Ergebnis führen wie eine Kontrolle nach beiden Maßstäben. Damit würde aber gleichzeitig eine verkürzte Erkenntnis einhergehen.70 Denn eine Konzentration nur auf die Klarheit einer Klausel birgt die Gefahr, die davon unabhängige inhaltliche Ausgewogenheit aus den Augen zu verlieren.71 Das würde dazu führen, dass teilweise relevante inhaltliche Probleme ausgeklammert werden. Weitergedacht wäre zu befürchten, dass jedenfalls bestimmte Klauseln, die typischerweise wegen Intransparenz ohne weitere Angemessenheitsprüfung für unwirksam erklärt werden, auch im Falle ihrer Verständlichkeit nicht mehr eingehend nach § 307 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 BGB geprüft würden. Dann bestünde ein erhebliches Risiko, dass materielle Benachteiligungen übersehen werden und eine unangemessene Klausel fälschlicherweise nicht für unwirksam erklärt würde. Auch bei Verwendern ist die Beschränkung auf eine Transparenzkontrolle geeignet, den Eindruck zu erwecken, die jeweilige Klausel sei unbedenklich, solange sie klar und verständlich formuliert wird.72 Im Fall der arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalte würde bei einer Beschränkung auf die Transparenzkontrolle beispielsweise nicht thematisiert, ob ein Eingriff in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses vorliegt oder die Entscheidungskriterien zweckfremd sind. Auch im Fall der zu offen formulierten oder gar 69

Dazu sogleich unter Kapitel 4 A. S. Preis, RdA 2012, 101, 105; vgl. auch Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 179; MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 58. 71 MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 58; s. dazu auch Preis, RdA 2012, 101, 105. 72 Vgl. MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 58. 70

160

Kap. 3: Das Verhältnis von Angemessenheits- und Transparenzkontrolle

nicht geregelten Entscheidungskriterien, in dem sowohl die Transparenz als auch die übrige Angemessenheit betroffen sind, wäre das Ergebnis zwar dasselbe. Der Verzicht auf eine weitere Angemessenheitskontrolle würde aber die Erkenntnis über Probleme der inhaltlichen Ausgewogenheit der Klausel verhindern. Neben den unterschiedlichen Anknüpfungspunkten der beiden Kontrollmaßstäbe spricht also auch ein tatsächlicher Erkenntnismehrwert dafür, eine Klausel in jedem Fall sowohl nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB auf ihre Transparenz als auch nach § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB auf ihre weitere Angemessenheit zu überprüfen.

V. Schutzzweck des AGB-Rechts gebietet Nebeneinander von Angemessenheits- und Transparenzkontrolle Für die Durchführung einer Angemessenheitskontrolle, auch wenn bereits die Unwirksamkeit wegen Intransparenz festgestellt wurde, spricht des Weiteren der Schutzzweck des AGB-Rechts. Der Schutz des Vertragspartners, dem das AGBRecht nach einhelliger Meinung dienen soll73, ist zwar bereits durch Feststellung der Unwirksamkeit wegen Intransparenz verwirklicht. Denn die Klausel fällt in diesem Fall insgesamt weg, so dass sich auch eine mögliche inhaltliche Unangemessenheit nicht verwirklicht. Nach zutreffender Ansicht erschöpft sich der Schutzzweck der AGB-Kontrolle aber nicht im individuellen Schutz des jeweiligen Vertragspartners. Zweck der AGB-Kontrolle ist auch ein überindividueller Schutz.74 Das basiert auf den folgenden Überlegungen.75 1. Grundlage der AGB-Kontrolle: fehlendes Wettbewerbskorrektiv Bei der Verwendung von AGB76 versagt regelmäßig die Richtigkeitsgewähr des geschlossenen Vertrages, die sich ansonsten aus der privatautonomen Ent73 Statt aller: Hellwege, Allgemeine Geschäftsbedingungen, einseitig gestellte Vertragsbedingungen und die allgemeine Rechtsgeschäftslehre, S. 563 ff., 590; BeckOKBGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 1; Leuschner, AcP 207 (2007), 491, 494; s. dazu auch NKBGB/Kollmann, Vorbemerkungen zu §§ 305 ff. BGB Rn. 3 ff.; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 42. 74 Stoffels, AGB-Recht, Rn. 86; Köndgen, NJW 1989, 943, 946; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 3 f.; Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 37 ff.; Hellwege, Allgemeine Geschäftsbedingungen, einseitig gestellte Vertragsbedingungen und die allgemeine Rechtsgeschäftslehre, S. 583, 585; Raiser, Das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen, S. 277 f.; vgl. auch Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 89 f. 75 Auch wenn gem. § 310 Abs. 4 S. 2 Hs. 1 BGB immer die arbeitsrechtlichen Besonderheiten zu beachten sind, muss das Gesagte dem Grunde nach auch im Arbeitsrecht gelten. S. dazu Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 26. 76 Bei Arbeitsverträgen versagt nach Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 185 ff. die Richtigkeitsgewähr ohnehin, da der Arbeitnehmer existentiell auf seinen Arbeitsplatz angewiesen ist, der Arbeitsmarkt unausgeglichen ist und der Arbeitnehmer die Auswirkungen der Klauseln schwer durchschauen kann.

B. Die Unterschiede zur Unangemessenheit nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB

161

scheidung der Vertragsparteien ergibt. Der Vertragspartner des Verwenders kann bzw. wird den Inhalt der AGB nicht beeinflussen. Er ist dem Verwender nämlich situativ unterlegen. Denn für ihn lohnt es in der Regel nicht, die AGB zu überprüfen, da die damit verbundenen Transaktionskosten in keinem Verhältnis zum Gewinn stehen, den eine Prüfung ergeben könnte.77 Für den Verwender hingegen stellt sich die Situation anders dar. Für ihn ist es durchaus sinnvoll, die AGB auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und so zu gestalten, dass er den größtmöglichen Vorteil daraus zieht.78 Da er die AGB in einer Vielzahl von Fällen verwenden kann, kann er von sog. Skalenvorteilen profitieren.79 Die Kosten der einmaligen Ausarbeitung und Überprüfung verteilen sich auf eine Vielzahl von Anwendungsfällen, in denen die geschickte Risikoverlagerung in den AGB Gewinne generieren kann.80 Der Verwender wird die AGB deshalb mit Bedacht gestalten und überprüfen, während der Vertragspartner sie wegen der bei einer Überprüfung entstehenden hohen Kosten unbesehen hinnehmen wird. Der Vertragspartner ist dem Verwender darüber hinaus erfahrungsgemäß auch intellektuell unterlegen81 und es besteht eine Informationsasymmetrie82, weil der Verwender die AGB ohne Zeitdruck formulieren kann, der Vertragspartner hingegen dem Druck einer konkreten Vertragsabschlusssituation ausgesetzt ist. Zu beobachten sind auch eine Ungewissheit und Gleichgültigkeit des (potentiellen) Vertragspartners gegenüber AGB.83 Aus diesen Gründen hat der Vertragspartner keinen Einfluss auf die Ausgestaltung der AGB. Es kommt also nicht zu einem gegenseitigen Aushandeln, was eine gewisse Richtigkeitsgewähr des Vertrages bewirkt hätte84.

77 Kötz, Vertragsrecht, Rn. 244; Kötz, Gutachten zum 50. DJT Band I, A 32 ff.; Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 33, 38 ff.; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 83 ff.; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 86; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 3; Kreienbaum, Transparenz und AGB-Gesetz, S. 212 ff.; vgl. auch Hellwege, Allgemeine Geschäftsbedingungen, einseitig gestellte Vertragsbedingungen und die allgemeine Rechtsgeschäftslehre, S. 558. 78 Vgl. dazu etwa Raiser, Das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen, S. 91 f. 79 Vgl. Adams, in: Ansprüche, Eigentums- und Verfügungsrechte, S. 674. 80 Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, S. 154 ff.; Kötz, Gutachten zum 50. DJT Band I, A 32; Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 33. 81 Vgl. Kötz, Gutachten zum 50. DJT Band I, A 33; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 83; Kreienbaum, Transparenz und AGB-Gesetz, S. 212 ff. 82 Vgl. Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 33; s. auch Koller, in: FS Steindorff, S. 667, 669 f. 83 Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 34. 84 Zur Richtigkeitsgewähr s. MüKo-BGB/Säcker, Einleitung Rn. 36 ff., 170; ErfK/ Schmidt, Art. 2 GG Rn. 24 ff.; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 Rn. 21; SchmidtRimpler, AcP 147 (1941), 130, 149 ff.; Schmidt-Rimpler, in: FS Raiser 1974, S. 4 ff.; Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, S. 39 ff.; krit. Raiser, in: Hundert Jahre deutsches Rechtsleben, FS zum hundertjährigen Bestehen des deutschen Juristentages, S. 117 ff.; Flume, in: Hundert Jahre deutsches Rechtsleben, FS zum hundertjährigen Bestehen des deutschen Juristentages, S. 142 f.

162

Kap. 3: Das Verhältnis von Angemessenheits- und Transparenzkontrolle

Die situative Unterlegenheit des Vertragspartners und seine Gleichgültigkeit führen außerdem dazu, dass die AGB auch die Abschlussentscheidung des Vertragspartners nicht in gleichem Maße beeinflussen wie etwa die Hauptleistungspflichten.85 Sie nehmen somit praktisch gar nicht am Wettbewerb teil. Ohne staatlichen Einfluss kann der Verwender die AGB deshalb zu seinem Vorteil gestalten und hat davon keine Nachteile zu erwarten. Es lohnt für ihn auch nicht, die AGB zum Vorteil des Vertragspartners zu gestalten, da dieser die AGB aus den genannten Gründen nicht zum Gegenstand seiner Vertragsentscheidung machen wird. Im Gegenteil lohnt es sogar mehr, die AGB zum Nachteil des Vertragspartners zu gestalten, weil dadurch gesparte Kosten bzw. Risiken zum Vorteil der Kunden im Preis bzw. beim Arbeitsverhältnis im Gehalt berücksichtigt werden können.86 Die Leistung des Verwenders kann also günstiger angeboten werden. Die Hauptleistungspflichten finden erfahrungsgemäß auch die Aufmerksamkeit der Kunden, so dass AGB, die den Vertragspartner belasten, für den Verwender eine positive Wirkung am Markt haben. Ohne staatlichen Eingriff entstünde ein „race to the bottom“.87 2. Folge: überindividueller Schutzzweck des AGB-Rechts Das AGB-Recht soll eine solche Abwärtsspirale der Ausgewogenheit von AGB verhindern und einen absoluten Mindeststandard schaffen.88 Das beschriebene Marktversagen soll kompensiert und der Markt geschützt werden.89 Auf diesem Wege sollen auch der Rechtsverkehr und die Integrität der Privatautonomie erhalten werden.90 Denn durch die vielzählige Verwendung der jeweiligen AGB und durch die weite Verbreitung von AGB an sich beeinflusst das beschriebene Versagen des Vertragsschlussmechanismus den gesamten Markt.91 Es soll neben dem – auch aus den genannten Gründen resultierenden – Bedürfnis des Indivi85 Vgl. Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 85; Clemenz/Kreft/ Krause/Krause, Einführung Rn. 35 f. 86 Vgl. Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, S. 161 ff.; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 86. 87 Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 39 f.; Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, S. 161 ff.; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 86. 88 Vgl. dazu Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, S. 180 f.; Hellwege, Allgemeine Geschäftsbedingungen, einseitig gestellte Vertragsbedingungen und die allgemeine Rechtsgeschäftslehre, S. 583, 585; Adams, in: Ansprüche, Eigentumsund Verfügungsrechte, S. 676. 89 Vgl. Köndgen, NJW 1989, 943, 946; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 86; Staudinger/ Coester, § 307 BGB Rn. 3; Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 40. 90 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 89 ff. Raiser, Das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen, S. 92 ff., 277 ff. sieht ein Bedürfnis nach staatlichem Einfluss auf AGB zum Schutz des öffentlichen Interesses, des Gemeinwohls und der Rechtseinheit. 91 Vgl. dazu Raiser, Das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen, S. 93, 285.

B. Die Unterschiede zur Unangemessenheit nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB

163

dualschutzes auch präventiv der Missbrauch privatautonomer Gestaltungsfreiheit verhindert werden.92 Der Gestaltungsfreiheit des Verwenders sollen Grenzen gesetzt93 und der Markt von unangemessen benachteiligenden AGB freigehalten werden94. So wird der Verwender durch die Anforderungen, die das AGB-Recht an die Wirksamkeit formularvertraglicher Klauseln stellt, im Voraus gezwungen, die Wirksamkeit seiner AGB zu überprüfen. Tut er dies nicht, droht die Gesamtnichtigkeit der einzelnen Klauseln.95 Mit der Gewährung eines Mindeststandards sorgt das AGB-Recht dafür, dass sich der Vertragspartner auf eine bestimmtes Niveau von AGB verlassen kann.96 Es wird gewährleistet, dass es für ihn unschädlich ist, die AGB nicht zu überprüfen. Das steigert die Akzeptanz gegenüber AGB und ihr durchaus positiver Rationalisierungseffekt bleibt erhalten.97 Der überindividuelle Schutzzweck des AGB-Rechts zeigt sich besonders stark in zwei Facetten der AGB-Kontrolle: dem Verbandsklageverfahren und dem Verbot der geltungserhaltenden Reduktion. Das Individualverfahren dient diesem Zweck zwar auch, da es Signalwirkung98 für andere Verfahren hat. Einen erweiterten präventiven Schutz bietet aber das Verbandsklageverfahren nach dem UKlaG, das bindende Wirkung für eine Vielzahl von Fällen hat, da dem Verwender der weitere Gebrauch der gegenständlichen Klauseln generell untersagt wird. Das Verbandsklageverfahren verstärkt damit die Breitenwirkung der Inhaltskontrolle.99 Die erweiterte Geltung der Gerichtsentscheidung im Verbandsklageverfahren und die drohenden Prozess- und Abmahnkosten wirken präventiv gegen die Verwendung unangemessener Klauseln.100 Das UKlaG verdeutlicht also, dass 92

Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 2. Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, S. 163; vgl. auch Raiser, Das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen, S. 98 f., 284. 94 Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 4; so mit Blick auf das Verbandsklageverfahren auch Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, S. 176, 184; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 1215. 95 Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, S. 182 ff. 96 Vgl. Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 40; Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, S. 172. 97 Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 40; Leuschner, AcP 207 (2007), 491, 503 ff.; vgl. dazu auch Adams, in: Ansprüche, Eigentums- und Verfügungsrechte, S. 676. 98 Hellwege, Allgemeine Geschäftsbedingungen, einseitig gestellte Vertragsbedingungen und die allgemeine Rechtsgeschäftslehre, S. 586; Kötz, Gutachten zum 50. DJT Band I, A 93. 99 Stoffels, AGB-Recht, Rn. 1215; vgl. zu diesem Gedanken auch Kötz, Gutachten zum 50. DJT Band I, A 83 f. 100 Vgl. BGH v. 23.03.1988 – VIII ZR 58/87, BGHZ 104, 82; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 1215; Staudinger/Coester, Einleitung zum UKlaG Rn. 2; s. zum (mittelbaren) Druck des Verbandsklageverfahrens, transparente Klauseln zu verwenden, Pilz, Missverständliche AGB, S. 212. 93

164

Kap. 3: Das Verhältnis von Angemessenheits- und Transparenzkontrolle

das AGB-Recht eine präventive Schutzkomponente hat und den Rechtsverkehr von unangemessenen Klauseln im Voraus freihalten soll.101 Dass das Verbandsklageverfahren im Arbeitsrecht gem. § 15 UKlaG ausgeschlossen ist, steht dem nicht entgegen. Denn der Ausschluss des Verbandsverfahrens beruht zum einen darauf, dass es den Zivilgerichten erspart bleiben soll, Arbeitsverträge zu überprüfen, und zum anderen, dass die kollektive Interessenwahrnehmung vor allem durch Gewerkschaften, Betriebsräte usw. gewährleistet wird.102 Das nimmt der AGB-Kontrolle weder generell noch im Arbeitsrecht den überindividuellen Schutzzweck. Auch im Arbeitsrecht soll der Rechtsverkehr von unangemessenen Klauseln freigehalten werden. So gilt im Arbeitsrecht wie in allen anderen Gebieten der AGB-Kontrolle richtigerweise das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion.103 Es ergänzt den Schutz des AGB-Rechts um einen weiteren präventiven Aspekt, indem es dem Verwender der AGB das Risiko der Unwirksamkeit auferlegt.104 Dadurch soll er dazu angehalten werden, von vornherein wirksame Klauseln zu verwenden. Ansonsten ist die gesamte Klausel unwirksam. Der beabsichtigte Vorteil entfällt und die Kosten der Ausarbeitung waren vergeblich. 3. Konsequenz für die Inhaltskontrolle: die inhaltliche Angemessenheit muss neben der Intransparenz geprüft werden Die dargestellte überindividuelle, präventive Schutzfunktion kann das AGBRecht nur erfüllen, wenn in jedem Fall neben der Prüfung der Transparenz auch die inhaltliche Angemessenheit überprüft wird. Nur dann wird festgestellt, welche inhaltlichen Konstellationen unangemessen und deshalb nicht zu dulden sind. Um solche Klauseln präventiv verhindern zu können, muss ihre Unangemessenheit zu jeder Gelegenheit dargelegt werden. Nur so kann größtmögliche Effizienz in der Kompensation des Marktversagens erreicht werden, weil die AGB-Verwender auch nur auf diese Weise Erkenntnisse über die Unangemessenheit bestimmter Konstellationen erlangen. Denn aus ökonomischen Gründen wird der Verwender eine Klausel, die für intransparent erklärt wurde, für die Zukunft nur insoweit ändern, dass sie transparent wird. Eine nicht indizierte Überprüfung der Angemessenheit würde Kosten verursachen, die aus der Sicht des Verwenders nicht nötig erscheinen dürften. Um den Markt möglichst effizient von unangemessen benachteiligenden Klauseln freizuhalten und einen wirksamen Mindeststandard von AGB zu schaffen, 101 102 103

Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 37. Stoffels, AGB-Recht, Rn. 1217. Das Verbot einer geltungserhaltenden Reduktion ist umstritten; s. dazu Kapitel 6

A. I. 104

S. dazu Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, S. 182 ff.

C. Ergebnisse

165

muss in jedem Fall neben der Prüfung der Transparenz auch die inhaltliche Angemessenheit überprüft werden. Nur dann kann die AGB-Kontrolle ihre Funktion erfüllen, das durch AGB entstehende Marktversagen zu kompensieren.

VI. Vorteile einer zusätzlichen Angemessenheitskontrolle für den Arbeitgeber Zuletzt sprechen auch die Interessen des Verwenders für eine zusätzliche Angemessenheitskontrolle. Denn er nutzt bei der Ausarbeitung und Verwendung von AGB Skalenvorteile, die auf der bestmöglichen Ausarbeitung und rechtlichen Wirksamkeit seiner AGB beruhen.105 Die Verwendung von AGB lohnt für ihn nur, wenn die Kosten, die durch das Entwerfen entstehen, durch Gewinne ausgeglichen werden können. Solche Gewinne können aber nur entstehen, wenn die AGB, die bestimmte Risiken zugunsten des Verwenders regeln, wirksam sind. Stellen sich die Klauseln als unwirksam heraus, waren die Kosten der Ausarbeitung weitgehend vergebens. Der Verwender von AGB hat deshalb ein Interesse daran, möglichst frühzeitig zu erfahren, welche seiner Klauseln womöglich unangemessen sind, damit er diese ändern kann. Das ist einerseits essentiell, um die Unwirksamkeit der AGB zu vermeiden und die Vorteile der Verwendung von AGB nutzen zu können. Andererseits kann er dann die vertraglichen Risiken besser kalkulieren und mögliche Prozesskosten vermeiden. Erkenntnisse über die inhaltliche Unangemessenheit von AGB-Klauseln ersparen dem Verwender faktisch auch insofern Kosten, als er diese selbst nicht mehr aufwendig auf ihre Wirksamkeit überprüfen muss.

C. Ergebnisse Angemessenheits- und Transparenzkontrolle stehen auf gleicher Stufe nebeneinander und sind beide stets – unabhängig vom Ergebnis der anderen Kontrollinstanz – durchzuführen. Die Intransparenz ist eine mögliche Form der unangemessenen Benachteiligung und vermag als solche nicht, eine weitere Angemessenheitskontrolle auszuschließen. Im Rahmen der Feststellung einer Unwirksamkeit wegen Intransparenz muss zusätzlich zur Unklarheit eine unangemessene Benachteiligung konstatiert werden, die sich gerade aus der Intransparenz ergibt.106 Eine Klausel ist wegen Intransparenz also nur dann unwirksam, wenn der Vertragspartner durch ihre Intransparenz auch unangemessen benachteiligt wird.107 Diese Benachteiligung kann entweder darin liegen, dass der Vertragspartner wegen der Unklarheit keine

105 106 107

Vgl. Adams, in: Ansprüche, Eigentums- und Verfügungsrechte, S. 674 ff. S. Kapitel 3 A. S. dazu Kapitel 3 A. I.

166

Kap. 3: Das Verhältnis von Angemessenheits- und Transparenzkontrolle

informierte Abschlussentscheidung treffen kann, oder aber in der Gefahr, dass der Vertragspartner seine eigenen Rechte nicht wahrnimmt oder vor Scheinrechten des Verwenders kapituliert.108 Die Feststellung einer solchen unangemessenen Benachteiligung wegen Intransparenz ersetzt aber eine Prüfung der materiellen Angemessenheit im Rahmen der Angemessenheitskontrolle nicht. Zielsetzung und Anknüpfungspunkt von Transparenz- und Angemessenheitskontrolle unterscheiden sich so sehr voneinander, dass erstens die Transparenzkontrolle separat durchzuführen ist und zweitens daneben immer auch eine Angemessenheitskontrolle geboten ist.109 Das gilt selbst dann, wenn die beiden Maßstäbe sich im gegebenen Fall überschneiden. Denn die Transparenzprüfung betrifft die Frage nach der inhaltlichen Klarheit und Verständlichkeit, während in der Angemessenheitskontrolle die inhaltliche Ausgewogenheit zu untersuchen ist. Die Angemessenheitskontrolle knüpft an den Inhalt der Klausel an, die Transparenzkontrolle an die Verständlichkeit dieses Inhalts. Durch eine Beschränkung auf die Transparenzkontrolle käme es außerdem zu verkürzter Erkenntnis.110 Ein solches Vorgehen würde schließlich auch dem überindividuellen, präventiven Schutzzweck der AGB-Kontrolle nicht gerecht werden. Das AGB-Recht soll das durch AGB entstehende Marktversagen kompensieren und einen absoluten Mindeststandard von AGB schaffen.111 Diese überindividuelle, präventive Schutzfunktion kann nur wirksam erfüllt werden, wenn in jedem Fall neben der Prüfung der Transparenz auch die inhaltliche Angemessenheit überprüft und dadurch festgestellt wird, welche inhaltlichen Konstellationen unangemessen und deshalb nicht zu dulden sind. Daran hat sogar der Verwender ein Interesse, um seine Klauseln möglichst effizient überprüfen zu können.112

108 109 110 111 112

S. dazu Kapitel 3 A. II. S. Kapitel 3 B. II. S. Kapitel 3 B. IV. S. dazu ausführlich Kapitel 3 B. V. S. Kapitel 3 B. VI.

Kapitel 4

Die angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte A. Volle Kontrollfähigkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte I. Einleitung Zur Beantwortung der übergeordneten Frage, wie entgeltrelevante Bestimmungsvorbehalte des Arbeitgebers vertraglich auszugestalten sind, damit sie den Vorgaben des AGB-Rechts nach §§ 305 ff. BGB entsprechen, muss zunächst geklärt werden, welcher Kontrollmaßstab an sie anzulegen ist. Dafür ist zu untersuchen, ob diese Leistungsbestimmungsrechte der Inhaltskontrolle nach § 307 ff. BGB unterliegen. Wäre dies der Fall, müsste eine Klausel zur Einräumung eines solchen Rechts inhaltlich angemessen i. S. d. Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB sein. Unterlägen formularvertragliche einseitige Leistungsbestimmungsrechte hingegen nicht der Angemessenheitskontrolle, hätte sich ihre Ausgestaltung allein nach dem Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 S. 2 BGB zu richten. Im Gegensatz zum Transparenzgebot, das nach § 307 Abs. 3 S. 2 BGB für alle formularvertraglichen Bestimmungen gilt, ist die Angemessenheitskontrolle gem. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB nur auf Bestimmungen anwendbar, die von Rechtsvorschriften abweichen oder durch die Rechtsvorschriften ergänzt werden. Ob einseitige Leistungsbestimmungsrechte, die wie die hier zu untersuchenden arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalte auf die erstmalige Festlegung einer Leistung gerichtet sind, diese Voraussetzung erfüllen, ist in Lehre und Rechtsprechung nicht eindeutig beantwortet.1 Denn einseitige Leistungsbestimmungsrechte genie1 Für die arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalte ohne Erläuterungen bejahend: Stoffels, RdA 2015, 276; Salamon/Wessels, BB 2017, 885; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358; bei arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten verneinen eine Abweichung vom Gesetz, führen aber dennoch eine Angemessenheitskontrolle durch: BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013; für einseitige Leistungsbestimmungsrechte zur Festlegung der Leistung im Allgemeinen Kontrollfähigkeit bejahend: Stoffels, AGB-Recht, Rn. 441, 445; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 300, 323, 341; Ulmer/Brandner/ Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 173 ff.; für einseitige Leistungsbestimmungsrechte zur Festlegung der Leistung im Allgemeinen Kontrollfähigkeit verneinend: Dylla-Krebs,

168 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

ßen hauptsächlich in Form von Änderungsvorbehalten, namentlich Preisanpassungsklauseln und Widerrufsvorbehalten, die Aufmerksamkeit von Schrifttum und Rechtsprechung.2 Es ist vor allem fraglich, ob die oftmals zur Begründung der Kontrollfähigkeit solcher Änderungsrechte angeführte Abweichung vom Grundsatz „pacta sunt servanda“ 3 auch im Fall der Leistungsbestimmungsrechte zur erstmaligen Festlegung einer Leistung herangezogen werden kann. Immerhin besteht zwischen Änderungsrechten und Bestimmungsvorbehalten der nicht von der Hand zu weisende Unterschied, dass im ersten Fall die Leistung konkret im Vertrag festgelegt ist und später geändert werden kann, während im zweiten Fall die Leistung gar nicht erst im Vertrag bestimmt ist. Die Änderung einer Leistung ermöglicht eine Abweichung vom Grundsatz der Bindung an den Vertrag und an die darin versprochenen Leistungen. Im Fall des Rechts zur erstmaligen Festlegung der Leistung ist diese vertraglich eben nur im festzulegenden Umfang versprochen, sodass sich die Abweichung vom Grundsatz „pacta sunt servanda“ nicht ganz so einfach feststellen lässt. Denkbar wäre es, eine Abweichung von dem aus § 311 BGB abgeleiteten Grundsatz anzunehmen, dass Leistung und Gegenleistung im Vertrag festgelegt werden.4 Dann stellt sich jedoch die weiterführende Frage, ob eine Abweichung nur vorliegt, wenn das Bestimmungsrecht eine Hauptleistung betrifft, oder ob es genügt, dass eine Nebenleistung bestimmt werden soll. Aufgrund dieser Schwierigkeiten bei der Feststellung, ob Bestimmungsvorbehalte von einer Rechtsvorschrift abweichen, ist vorangestellt von Interesse, ob § 307 Abs. 3 S. 1 BGB die Inhaltskontrolle als Regel und die Kontrollfreiheit als Ausnahme festlegt oder umgekehrt. Denn wäre die Inhaltskontrolle die Regel,

Schranken der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen, S. 108, 199 ff.; vgl. dazu auch BGH v. 24.03.2010 – VIII ZR 178/08, BGHZ 185, 96 Rn. 21; generell für einseitige Leistungsbestimmungsrechte Kontrollfähigkeit bejahend: Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 301; BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 75; ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 40; Erman/Roloff, 13. Aufl., § 307 BGB Rn. 140. 2 So z. B. Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 87, 176 ff. m.w. N.; Schwab, AGB-Recht, Rn. 553 ff.; ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 57 ff.; MüKo-BGB/ Wurmnest, § 307 BGB Rn. 98 ff.; HWK/Roloff, Anh. §§ 305–310 BGB Rn. 26 f.; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 307 BGB Rn. 164 ff.; zur Rechtsprechung s. Kapitel 2. 3 So z. B. BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 1943; Kluge, Widerrufsvorbehalte zur Absenkung des Arbeitsentgelts aus „wirtschaftlichen Gründen“ in vorformulierten Arbeitsverträgen, S. 87 ff.; vgl. auch BGH v. 16.01.1985 – VIII ZR 153/83, NJW 1985, 853; BGH v. 12.01.1994 – VIII ZR 165/92, NJW 1994, 1060; Schwab, AGB-Recht, Rn. 553 ff.; HWK/Roloff, Anh. §§ 305–310 BGB Rn. 27; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 324. 4 Vgl. dazu BGH v. 09.07.1981 – VII ZR 139/80, NJW 1981, 2351; BGH v. 17.02.2004 – XI ZR 140/03, NJW 2004, 1588 m.w. N.; BGH v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11; BGH v. 18.01.2017 – VIII ZR 263/15, DB 2017, 655; Wolf/ Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, Anh. § 310 BGB Rn. L 212; Schwab, AGB-Recht, Rn. 571; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 441.

A. Volle Kontrollfähigkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

169

könnte es für die Annahme der Kontrollfähigkeit ausreichend sein, darzulegen, dass einseitige Leistungsbestimmungsrechte keine mit den Rechtsvorschriften übereinstimmenden rein deklaratorischen Klauseln darstellen und mit ihnen außerdem keine Hauptleistungspflicht festgelegt wird, was einhellig als Voraussetzung der Kontrollfähigkeit angesehen wird5. Dann könnte die Frage danach, von welcher Rechtsvorschrift Bestimmungsvorbehalte abweichen, womöglich dahinstehen. Sieht man die Anwendbarkeit der Inhaltskontrolle hingegen als Ausnahme von der Regel der Kontrollfreiheit, ist es zur Begründung der Kontrollfähigkeit wohl unumgänglich, die Abweichung von einer konkreten Rechtsvorschrift festzustellen. Das Verhältnis von Kontrollfähigkeit und Kontrollfreiheit muss also untersucht werden, um herauszufinden, welche Relevanz den soeben dargestellten Unklarheiten bei der Feststellung einer Abweichung der gegenständlichen Bestimmungsvorbehalte von Rechtsvorschriften zukommt. Darüber hinaus gibt eine Untersuchung des Verhältnisses Aufschluss darüber, wie die Kontrollfähigkeit von AGB generell zu bestimmen ist und welche Voraussetzungen demnach im vorliegenden Zusammenhang zu untersuchen sind. Deshalb soll im Folgenden zunächst das Regel-Ausnahme-Verhältnis von Kontrollfähigkeit und Kontrollfreiheit untersucht werden.6 Anschließend wird aufgezeigt, warum es sich bei einseitigen Leistungsbestimmungsrechten weder um deklaratorische Klauseln handelt7, noch eine Hauptleistungspflicht festgelegt wird8. Sodann wird thematisiert, ob unabhängig von der Frage nach dem Charakter der Inhaltskontrolle als Regel oder als Ausnahme eine Abweichung von Rechtsvorschriften vorliegt und damit die Angemessenheitskontrolle in jedem Fall anwendbar ist.9 Insbesondere im Rahmen der Erörterung zur Kontrollfreiheit bei Festlegung einer Hauptleistungspflicht wird außerdem dargelegt, warum der Charakter der festzulegenden Leistung als Sonderzahlung oder Leistung aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis keinen Einfluss auf die Kontrollfähigkeit haben kann.

II. Zum Regel-Ausnahme-Verhältnis von Kontrollfähigkeit und Kontrollfreiheit Die Frage, ob § 307 Abs. 3 S. 1 BGB die Inhaltskontrolle als Regelfall und die Kontrollfreiheit als Ausnahme festlegt, ist zwar nach wie vor umstritten.10 Über5 Statt aller: Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 388 ff.; Stoffels, AGBRecht, Rn. 431 ff.; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 4 ff. m.w. N. 6 S. Kapitel 4 A. II. 7 S. Kapitel 4 A. III. 8 S. Kapitel 4 A. IV. 9 S. Kapitel 4 A. V. 10 Die Inhaltskontrolle als Regelfall sehen: BT-Drucks. 14/6040, S. 154; Ulmer/ Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 6; BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 71; Däubler/Bonin/Deinert/Däubler, § 307 BGB Rn. 246; wohl der gleichen Meinung sind:

170 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

einstimmung besteht aber darüber, dass die Inhaltskontrolle jedenfalls dann entfällt, wenn die jeweilige Klausel entweder deklaratorisch ist oder eine Hauptleistung regelt.11 In den meisten anderen Fällen wird sich eine Rechtsvorschrift finden lassen, von der die zu untersuchende Klausel abweicht bzw. die durch sie ergänzt wird, zumal zu den Rechtsvorschriften i. S. d. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB nicht nur materielle Gesetze gehören12, sondern auch ungeschriebene Rechtssätze und die Regeln des Richterrechts13.14 Wie bereits angerissen wurde, gestaltet sich die Feststellung einer Abweichung von Rechtsvorschriften bei arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten allerdings schwieriger.15 Deshalb soll an dieser Stelle das Regel-Ausnahme-Verhältnis von Kontrollfähigkeit und Kontrollfreiheit betrachtet werden. Zunächst wird näher dargestellt, weshalb dieses Verhältnis vorliegend eine besondere Relevanz hat. Danach wird untersucht, ob die Kontrollfähigkeit oder die Kontrollfreiheit die Regel bzw. die Ausnahme darstellen. Im Anschluss wird herausgearbeitet, welche Konsequenzen sich daraus für die Feststellung der Kontrollfähigkeit ergeben. 1. Besondere Relevanz des Regel-Ausnahme-Verhältnisses bei Bestimmungsvorbehalten Bei den hier relevanten arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten besteht die oben erwähnte Besonderheit, dass im Vertrag lediglich festgelegt ist, dass der Arbeitgeber die Höhe der Leistung nach billigem Ermessen bestimmt. Dadurch

Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 293; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 16 ff.; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 38 ff.; a. A.: Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 278 f.; Joost, ZIP 1996, 1685; nicht entschieden wird die Frage von Stoffels, AGB-Recht, Rn. 418 ff., der ihr nur akademisches Interesse beimisst. 11 Vgl. etwa BGH v. 13.01.2011 – III ZR 78/10, NJW 2011, 1726 Rn. 11 m.w. N.; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 431 ff.; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 17 ff.; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 276, 303, 331 ff.; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 38; ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 34 ff.; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 28. 12 Statt vieler: Stoffels, AGB-Recht, Rn. 433; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 18 ff.; BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 74. 13 Stoffels, AGB-Recht, Rn. 433 m.w. N.; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 19; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 294. 14 Überwiegend werden sogar die Ergebnisse der ergänzenden Vertragsauslegung nach §§ 157, 242 BGB und die aus der Natur des jeweiligen Schuldverhältnisses zu entnehmenden Rechte und Pflichten als Rechtsvorschriften angesehen: Wolf/Lindacher/ Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 282; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 20; Däubler/Bonin/Deinert/Däubler, § 307 BGB Rn. 254; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 39; a. A.: Stoffels, AGB-Recht, Rn. 434; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 20; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 295, die in den einschlägigen Fällen dennoch als Ergänzung der gesetzlichen Regelungen Kontrollfähigkeit annehmen. 15 S. soeben unter Kapitel 4 A. I.

A. Volle Kontrollfähigkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

171

weicht die Klausel möglicherweise nicht vom Grundsatz „pacta sunt servanda“ ab, da die vorzunehmende Leistungsbestimmung nicht eine Abweichung von einer vertraglich festgelegten Leistung ermöglicht, sondern sich eben im vertraglichen Rahmen bewegt.16 Die Leistung wird vertraglich nur in der später zu bestimmenden Höhe versprochen und es wäre denkbar, die Bestimmung als innerhalb der Vertragsbindung liegend anzusehen. Es lässt sich auch keine Rechtsnorm finden, die festschriebe, einseitige Leistungsbestimmungsrechte seien nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig oder entsprächen nicht dem vorgesehenen Normalfall. Ganz im Gegenteil ist mit § 315 BGB eine Norm vorhanden, die die Zulässigkeit einseitiger Leistungsbestimmungsrechte denknotwendig voraussetzt. Somit verbliebe als mögliche Rechtsnorm, von der arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte abweichen könnten, der aus § 311 BGB abgeleitete Grundsatz, dass Leistung und Gegenleistung im Vertrag festzulegen sind. Es ist aber fraglich, ob dieser auch zusätzliche Leistungen, wie z. B. Zahlungen anlässlich eines Geschäftsjubiläums, umfasst. Ebenso wäre denkbar, dass die variable Gestaltung leistungsbezogener Zahlungen jedenfalls dann nicht von diesem Grundsatz abweicht, wenn ein festes Grundgehalt nicht tangiert wird. Es zeigt sich, dass die Kontrollfähigkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte nicht problemlos begründet werden kann. Diese Schwierigkeiten könnten sich aber erübrigen, wenn man die Kontrollfähigkeit als gesetzliche Regel ansieht, von der in § 307 Abs. 3 S. 1 BGB Ausnahmen zugelassen werden.17 Dieses Verständnis vorausgesetzt könnte man sich auf den Standpunkt stellen, jede Klausel sei zunächst einmal kontrollfähig, außer es stellt sich heraus, dass eine Abweichung von Rechtsvorschriften nicht möglich ist. Ausscheiden muss eine Abweichung von Rechtsvorschriften bei deklaratorischen Klauseln, die mit der jeweiligen Rechtsvorschrift inhaltlich völlig übereinstimmen18, und bei der Festlegung der Hauptleistungspflichten, da diese der Vertragsfreiheit unterliegen, im Einzelfall von den Parteien bestimmt werden müssen und kein rechtlicher Kontrollmaßstab vorhanden ist.19 Jede andere Klausel wäre dann kontrollfähig.

16 Vgl. zu diesem Argument in Bezug auf Freiwilligkeitsvorbehalte auch Zöllner, ZfA 2010, 637, 645. 17 So ausdrücklich BT-Drucks. 14/6040, S. 154; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 6; BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 71; Däubler/Bonin/Deinert/ Däubler, § 307 BGB Rn. 246; wohl der gleichen Meinung sind: Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 293; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 16 ff.; Erman/ Roloff, § 307 BGB Rn. 38 ff.; a. A.: Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 278 f.; Joost, ZIP 1996, 1685; nicht entschieden wird die Frage von Stoffels, AGBRecht, Rn. 418 ff., der ihr nur akademisches Interesse beimisst. 18 S. dazu statt aller: Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 39 f.; Ulmer/Brandner/Hensen/ Fuchs, § 307 BGB Rn. 17; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 331 ff. 19 Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 18 ff.; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 284; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 28; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 38; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 276 m.w. N.

172 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

2. Inhaltskontrolle als Regelfall Der Wortlaut als gewichtiges Auslegungselement spricht dafür, die Kontrollfähigkeit nicht als Regel, sondern als Ausnahme zu sehen. Die Formulierung, dass die Inhaltskontrolle „nur“ unter den genannten Voraussetzungen gilt, legt ein enges Verständnis der Kontrollfähigkeit nahe.20 Diesen Schluss kann auch die Reihenfolge der Regelungen in der Richtlinie 93/13/EWG unterstützen, auf der der § 307 Abs. 3 S. 1 BGB basiert. Dort ist zuerst die Kontrollfreiheit deklaratorischer Klauseln in Art. 1 und anschließend die Inhaltskontrolle in Art. 3 geregelt. Da die Mitgliedsstaaten bei der Umsetzung der Richtlinie gem. Art. 8 RL/ 93/13/EWG jedoch ein Recht zu Verschärfung haben21, kann die Richtlinie kein Argument für die weite Auslegung der Kontrollfreiheit bzw. enge Auslegung der Kontrollfähigkeit darstellen. Außerdem nimmt Art. 1 RL/93/13/EWG nur mit Rechtsvorschriften übereinstimmende Klauseln von der Kontrolle aus. Die Norm regelt also nicht, welche Voraussetzungen vorliegen müssen, damit eine Klausel kontrollfähig ist, sondern nur, wann sie es nicht ist.22 Dem kann entnommen werden, dass die Kontrollfähigkeit als Regel vorausgesetzt wird.23 Für die Annahme der Kontrollfähigkeit als Regel spricht außerdem entscheidend die Stellung der Regelung zur Kontrollfreiheit in Abs. 3 des § 307 BGB, also nach der Inhaltskontrolle in Abs. 1. Diese Reihenfolge bringt den Willen des Gesetzgebers, die Kontrollfreiheit als Ausnahme zu regeln, den er in der Gesetzesbegründung auch deutlich äußert24, klar zum Ausdruck. Hinzu kommt, dass Zweck der Inhaltskontrolle ist, den Vertragspartner vor unangemessenen Ergebnissen der einseitigen Inanspruchnahme der Vertragsgestaltungsmacht durch den Verwender zu schützen.25 Der bezweckte Schutz des Vertragspartners26 gebietet es, den Kreis der kontrollfähigen Bestimmungen weit auszulegen. Im Ergebnis

20

So auch Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 278 f. EuGH v. 03.06.2010 – C-484/08, NJW 2010, 2265; vgl. MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 5. 22 Ebenso die Regelung in Art. 4 Abs. 2 RL/93/13/EWG, der festlegt, dass weder der Hauptgegenstand des Vertrages noch die Angemessenheit zwischen Preis und Leistung Gegenstand der Missbrauchskontrolle sind. 23 Vgl. dazu EuGH v. 30.04.2014 – C-26/13, NJW 2014, 2335 Rn. 42; EuGH v. 10.09.2014 – C-34/13, WM 2015, 324 Rn. 77. 24 S. BT-Drucks. 14/6040, S. 154. 25 BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 1; s. dazu auch NK-BGB/Kollmann, Vorbemerkungen zu §§ 305 ff. BGB Rn. 3 ff.; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 42; Kreienbaum, Transparenz und AGB-Gesetz, S. 214; MüKo-BGB/Basedow, Vorbemerkung §§ 305 ff. BGB, Rn. 4 ff., der den Schutzgrund der Inhaltskontrolle partielles Marktversagen nennt. 26 Die Richtlinie RL/93/13/EWG, die auf Art. 100a EG-Vertrag gestützt wurde, der wiederum von einem hohen Verbraucherschutzniveau ausgeht, unterstützt auch die Annahme eines Verbraucherschutzzwecks. S. dazu BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 88. 21

A. Volle Kontrollfähigkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

173

ist also davon auszugehen, dass die Inhaltskontrolle die Regel, die Kontrollfreiheit die Ausnahme darstellt. 3. Dennoch materielle Begründungslast für die Kontrollfähigkeit Allerdings kann diese Erkenntnis richtigerweise nicht bedeuten, dass stets von der Kontrollfähigkeit auszugehen ist, bis nicht das Vorliegen einer deklaratorischen oder die Hauptleistung regelnden Klausel festgestellt ist.27 Gegen ein solches Verständnis spricht – selbst bei Annahme der Inhaltskontrolle als Regelfall – die Formulierung des § 307 Abs. 3 S. 1 BGB. Dieser statuiert, dass die Inhaltskontrolle nur gilt, wenn eine Abweichung von oder Ergänzung einer Rechtsvorschrift vorliegt. Er regelt eben nicht, dass die Inhaltskontrolle nur entfällt, wenn eine völlige Übereinstimmung mit einer Rechtsvorschrift vorliegt oder der Gegentand gar nicht durch Rechtsvorschrift geregelt werden kann bzw. darf, also die Hauptleistungspflichten festgelegt werden. Wäre eine volle Kontrollfähigkeit außer bei diesen beiden Formen der Klauseln gewollt, hätte der Gesetzgeber den § 307 Abs. 3 S. 1 BGB wohl entsprechend formuliert. Die tatsächliche Formulierung lässt darauf schließen, dass der Regelfall der Kontrollfähigkeit nicht gilt, wenn keine Abweichung oder Ergänzung von Rechtsvorschriften feststellbar ist. Das bedeutet, dass trotz der Annahme der Kontrollfähigkeit als Regel dennoch eine materielle Begründungslast für das Vorliegen einer Abweichung oder Ergänzung von Rechtsvorschriften besteht.28 Denn liegt weder eine Ergänzung noch eine Abweichung vor, greift die Ausnahme in Form der Kontrollfreiheit und der Regelfall der Kontrollfähigkeit ist nicht anwendbar. Die Begründungslast stellt also eine Art Negativprüfung der Ausnahmen von der Kontrollfähigkeit dar. Die Kontrollfähigkeit bleibt die Regel, sie gilt aber ausnahmsweise nicht, wenn keine Abweichung von oder Ergänzung einer Rechtsvorschrift gegeben ist. Dieses Verständnis der Kontrollfähigkeit als Regel kann bei der Begründung der Anwendbarkeit der Angemessenheitskontrolle als Argument und als Auslegungshilfe dienen.29 So wird bei Klauseln, die eine Regelungsmaterie betreffen, zu der keine Rechtsvorschriften existieren, meist eine Rechtsergänzung im weiteren Sinne angenommen.30 Dies ist vor allem wegen des Zwecks der Inhaltskon27 So aber wohl Stoffels, AGB-Recht, Rn. 435; BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 71. 28 So auch Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 6. 29 Vgl. BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 71. 30 Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 293, 295, 306; Clemenz/Kreft/Krause/ Klumpp, § 307 BGB Rn. 27; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 432; so im Ergebnis wohl auch Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 20, 25 ff.; teilweise wird eine Ergänzung konkreter Rechtsvorschriften angenommen, die aus ergänzender Vertragsauslegung oder der Rechtsnatur des Schuldverhältnisses gewonnen werden: Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 39; a. A. wohl: Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 276, 288 ff., der AGB nur für kontrollfähig hält, soweit ihr Regelungsinhalt Gegenstand von Rechtsvorschriften ist. Dieses Kriterium sieht er aber wohl nur bei denjenigen Inhalten

174 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

trolle und des Ausnahmecharakters der Kontrollfreiheit auch regelmäßig geboten, muss aber dennoch im Einzelfall festgestellt werden. Ist auch eine Rechtsergänzung im weiteren Sinne nicht ersichtlich und soll das jeweilige Regelungsgebiet so der Vertragsfreiheit der Parteien unterliegen, dass die Angemessenheit der Regelung vom Markt gewährleistet wird31, muss die Inhaltskontrolle ausscheiden. 4. Ergebnisse und Voraussetzungen für die Kontrollfähigkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte Die Anwendbarkeit der Inhaltskontrolle stellt nach der gesetzlichen Konzeption und dem Willen des Gesetzgebers den Regelfall dar.32 Dieser Schluss wird durch den Zweck des AGB-Rechts unterstützt, einen möglichst lückenlosen Schutz des Vertragspartners zu gewährleisten. Trotz der Annahme der Kontrollfähigkeit als Regel besteht aber eine materielle Begründungslast für das Vorliegen einer Abweichung von Rechtsvorschriften oder jedenfalls einer Ergänzung dieser im weiteren Sinne.33 Denn § 307 Abs. 3 S. 1 BGB legt fest, dass der Regelfall der Kontrollfähigkeit nicht gilt, wenn keine Abweichung oder Ergänzung feststellbar ist. In diesen Fällen greift die Ausnahme in Form der Kontrollfreiheit. Die Begründungslast stellt also eine Art Negativprüfung der Ausnahmen von der Kontrollfähigkeit dar. Für die hier zu untersuchenden arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalte bedeutet dies, dass zunächst darzulegen ist, warum sie weder eine deklaratorische Klausel darstellen noch die Hauptleistung festlegen, da in diesen beiden Fällen eine Abweichung von Rechtsvorschriften ausgeschlossen ist und die Ausnahme der Kontrollfreiheit greift. Anschließend ist eine Abweichung oder Ergänzung konkreter Rechtsvorschriften festzustellen.

III. Zum deklaratorischen Charakter arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte Deklaratorische Klauseln stimmen (jedenfalls inhaltlich) mit bereits bestehenden Rechtsvorschriften überein. Sie stellen deshalb keine Abweichung oder Ergänzung i. S. d. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB dar und fallen in den kontrollfreien Beerfüllt, ohne die mangels Bestimmbarkeit der essentialia negotii kein wirksamer Vertrag besteht. Auch er erkennt aber die durch ergänzende Vertragsauslegung und aus der Natur des jeweiligen Schuldverhältnisses zu entnehmenden Rechte und Pflichten als Rechtsnormen an (Rn. 282). 31 Vgl. dazu Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 288; ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 36; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 28; Staudinger/ Coester, § 307 BGB Rn. 285; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 449 ff.; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 Rn. 14, 18. 32 S. Kapitel 4 A. II. 2. 33 S. Kapitel 4 A. II. 3.

A. Volle Kontrollfähigkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

175

reich.34 Dieses Ergebnis wird weiterhin unterstützt durch folgende Überlegungen: Fiele eine deklaratorische Klausel in den Bereich der Kontrollfähigkeit, würde das Gericht mittelbar das Gesetz überprüfen, an das es aber gem. Art. 20 Abs. 3 GG gebunden ist.35 Außerdem würde an die Stelle einer im Rahmen der Inhaltskontrolle als unangemessen befundenen Klausel das dispositive Gesetzesrecht und damit erneut die übernommene dispositive Regelung treten.36 Für die arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalte stellt sich die Frage, ob das einseitige Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers nicht mit der Regelung des § 315 BGB übereinstimmt bzw. nur der vorgegebene gesetzliche Rahmen genutzt wird.37 Ein solches Verständnis legt das BAG in mehreren Entscheidungen nahe, in denen es feststellt, die Einräumung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts weiche wegen des § 315 BGB nicht gem. § 307 Abs. 3 BGB vom Gesetz ab.38 1. Keine Regelungsidentität mit § 315 BGB Der Weg zur Feststellung einer inhaltlichen Übereinstimmung ist ein Rechtslagenvergleich.39 Es ist die Lage bei Bestehen der zu untersuchenden Klausel mit der Lage zu vergleichen, die ohne die Klausel vorliegen würde, sich also aus den geltenden Rechtsvorschriften ergibt. Stimmen die beiden Rechtslagen überein, liegt eine rein deklaratorische Klausel vor. Zu vergleichen ist also die Rechtslage bei Vorliegen eines arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalts mit der Lage ohne diese Klausel. Ist eine solche Klausel wirksam vereinbart, besteht ein Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers, ohne die Klausel besteht es nicht. 34 Vgl. Stoffels, AGB-Recht, Rn. 431 ff.; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 17 ff.; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 331 ff. 35 Stoffels, AGB-Recht, Rn. 424; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 17; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 290; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 38; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 Rn. 5, 14, 17. 36 ErfK/Preis, § 310 BGB, Rn. 35; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 424; Däubler/Bonin/ Deinert/Däubler, § 307 BGB Rn. 256; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 17; Palandt/Grüneberg, § 307 BGB Rn. 50; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 38; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 331; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 Rn. 17. 37 Der BGH geht davon aus, dass die §§ 315 ff. BGB einseitige Leistungsbestimmungsrechte nicht der Inhaltskontrolle entziehen: BGH v. 17.02.2004 – XI ZR 140/03, NJW 2004, 1588 Rn. 15 m.w. N. 38 BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 636/11, zitiert nach juris. Das BAG geht allerdings nicht so weit, die Klausel ausdrücklich für kontrollfrei zu erklären. Es stellt stattdessen fest, dass keine unangemessene Benachteiligung vorliege, ohne aber klarzustellen, ob es zu diesem Schluss als Ergebnis einer Angemessenheitsprüfung kommt oder wegen fehlender Kontrollfähigkeit. 39 Stoffels, AGB-Recht, Rn. 432; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 26 f.; BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 74; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 Rn. 25.

176 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

Denn auch § 315 BGB räumt ein solches nicht allein aus sich heraus ein, da die Vorschrift nicht einmal festlegt, für welchen Regelungsgegenstand in welchen Schuldverhältnissen es gelten sollte.40 Im Gegenteil setzt die Norm die wirksame Vereinbarung eines Leistungsbestimmungsrechts als Vorbedingung ihrer Anwendbarkeit voraus.41 Es besteht also keine Regelungsidentität, da die Rechtslagen mit und ohne die relevante Klausel nicht übereinstimmen. Ein entgeltrelevanter Bestimmungsvorbehalt wirkt konstitutiv und nicht deklaratorisch.42 2. Kontrollfreiheit als normausfüllende Klausel? Eine solche Klausel könnte dennoch als deklaratorisch angesehen werden, wenn das Bestimmungsrecht nach billigem Ermessen auszuüben ist und sich damit in einem von § 315 Abs. 1 BGB eröffneten Gestaltungsspielraum bewegt. Normausfüllende Klauseln, die einen vom Gesetz eingeräumten Spielraum nutzen, werden teilweise als deklaratorisch angesehen.43 Es besteht dann zwar keine volle Regelungsidentität, da eine konstitutive Klausel nötig ist, um den eingeräumten Gestaltungsspielraum auszufüllen. Wollte der Gesetzgeber eine bestimmte Regelung aber ausdrücklich zulassen, kann sie nicht im Rahmen der AGB-Kontrolle für unwirksam erklärt werden, da das Gericht dadurch das Gesetz überprüfen würde, an das es gem. Art. 20 Abs. 3 GG gebunden ist. Das kann jedoch nur gelten, wenn eindeutig erkennbar ist, dass der Gesetzgeber die Regelung auch im Sonderfall der Vereinbarung im Rahmen von AGB zulassen wollte, mithin eine sog. qualifizierte Erlaubnisnorm vorliegt.44 Es ist allerdings bereits fraglich, ob § 315 Abs. 1 BGB überhaupt einen Gestaltungsspielraum eröffnet, der durch die vertragliche Einräumung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts ausgefüllt würde. § 315 Abs. 1 BGB regelt, dass ein eingeräumtes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Zweifel nach billigem 40 Anders die Regelung des Weisungsrechts des Arbeitgebers in § 106 GewO, § 611a Abs. 1 BGB, die dem Arbeitgeber ein konkretes Recht zur Bestimmung von Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nach billigem Ermessen einräumt. 41 Vgl. Dylla-Krebs, Schranken der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen, S. 200; Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn. 1 f.; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 441; BeckOK-BGB/Gehrlein, § 315 Rn. 1, 3; NK-BGB/Wagner, § 315 BGB Rn. 1, 3. 42 So auch Stoffels, AGB-Recht, Rn. 441; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 301; vgl. Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn. 1 f. 43 So z. B. vom BAG bei der Nutzung des gesetzlichen Rahmens zur Regelung einer Probezeit: BAG v. 16.12.2004 – 6 AZR 127/04, NZA 2005, 578; BAG v. 24.01.2008 – 6 AZR 519/07, BAGE 125, 325; den deklaratorischen Charakter verneinen, sofern nicht eine qualifizierte Erlaubnisnorm vorliegt, die bewusst eine Abweichung durch AGB zulässt: Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 40; Däubler/Bonin/Deinert/Däubler, § 307 BGB Rn. 260; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 436. 44 S. zu qualifizierten Erlaubnisnormen Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 302 ff.; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 25; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 436; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 340; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 Rn. 33.

A. Volle Kontrollfähigkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

177

Ermessen auszuüben ist. Auch wenn aufgrund von § 315 Abs. 1 BGB der Maßstab des billigen Ermessens als relativ weitreichende Voraussetzung für die AGBrechtliche Wirksamkeit einseitiger Leistungsbestimmungsrechte gesehen wird und die Gerichte in der Regel davon ausgehen, dass ein vereinbartes Bestimmungsrecht nach billigem Ermessen auszuüben ist,45 räumt die Vorschrift keinen Gestaltungsspielraum für die Vereinbarung einseitiger Bestimmungsrechte ein. § 315 BGB setzt zwar denknotwendig voraus, dass einseitige Leistungsbestimmungsrechte wirksam eingeräumt werden können, er regelt aber nicht, dass und unter welchen Voraussetzungen dies generell zulässig sein soll.46 Man kann zwar in dem Maßstab des billigen Ermessens einen Spielraum sehen, den der Gesetzgeber als zulässige Gestaltungsmöglichkeit ansehen muss, da er ihn in § 315 BGB „vorschlägt“. Es handelt sich aber dennoch nur um eine Auslegungsregel47, die die wirksame Einräumung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts als Vorbedingung ihrer Anwendbarkeit voraussetzt. Die Wirksamkeit der Einräumung richtet sich nach den AGB-rechtlichen Regeln48, so dass § 315 BGB die Kontrollfähigkeit nicht ausschließen kann.49 Die Norm trifft keine Entscheidung darüber, wie einseitige Leistungsbestimmungsrechte ausgestaltet werden müssen und ob unter Umständen auch ein anderer Entscheidungsmaßstab als das billige Ermessen zulässig sein kann. Selbst wenn man davon ausgeht, dass § 315 BGB einen Spielraum eröffnet, den es vertraglich auszufüllen gilt, bzw. die Einräumung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte erlaubt, handelt es sich nicht um eine sog. qualifizierte Erlaubnisnorm.50 Da § 315 BGB aus der Zeit vor der Entstehung des AGB-Rechts stammt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber mit ihm 45

Dazu ausführlich unter Kapitel 2. Vgl. dazu Dylla-Krebs, Schranken der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen, S. 200; Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn. 1 f.; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 441; Staudinger/Krause, Anh. zu § 310 BGB Rn. 39 ff.; BeckOK-BGB/Gehrlein, § 315 Rn. 1, 3 ff.; NK-BGB/Wagner, § 315 BGB Rn. 1 ff.; s. auch BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 101, der wie das BAG der Meinung ist, § 315 BGB lasse einseitige Leistungsbestimmungsrechte gerade zu. 47 So auch Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, S. 200; Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn. 245; Erman/Hager, § 315 BGB Rn. 1; Henssler, SAE 1988, 164. 48 Vgl. BGH v. 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, BGHZ 89, 206. 49 Vgl. Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 41 f.; Ulmer/Brandner/ Hensen/Fuchs, § 307 Rn. 42; Staudinger/Krause, Anh. zu § 310 BGB Rn. 40; Wolf/ Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, Anh. § 310 BGB Rn. L 212; Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn. 254 ff., der feststellt, dass § 315 BGB keine Rolle für die Kontrolle der Einräumung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts spielt; BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 75. 50 S. zu qualifizierten Erlaubnisnormen Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 302 ff.; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 25; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 436; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 340; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 Rn. 33. 46

178 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

die Einräumung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte auch in AGB erlauben wollte.51 Es bleibt festzuhalten, dass Klauseln zur Einräumung eines arbeitgeberseitigen Leistungsbestimmungsrechts über die erstmalige Festlegung einer entgeltrelevanten Leistung in keinem Fall deklaratorischer Natur sind.52 3. Kontrollfreiheit von Regelungen zum Ausübungsmaßstab Da § 315 Abs. 1 BGB aber einen konkreten Maßstab für die Ausübung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte bereithält und diesen damit auch für zulässig erklärt, kann eine Klausel deklaratorisch sein, die die Ausübung eines Leistungsbestimmungsrechts mit § 315 BGB übereinstimmend so regelt, dass der Bestimmende nach billigem Ermessen zu entscheiden hat.53 Es muss sich dabei aber um eine selbstständige Klausel handeln, die zu anderweitig wirksam eingeräumten Leistungsbestimmungsrechten hinzutritt. Denn die AGB-rechtliche Überprüfung der Einräumung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts bedarf immer auch der Betrachtung der Regelung zum Ausübungsmaßstab. Eine Klausel zur Einräumung des Bestimmungsrechts kann nicht in einen deklaratorischen Teil, der den Ausübungsmaßstab regelt, und einen kontrollfähigen Rest aufgespalten werden. Kontrollfrei kann nur eine eigenständige Klausel sein, die lediglich billiges Ermessen als Entscheidungsmaßstab festlegt oder auf § 315 BGB verweist.54 Das Leistungsbestimmungsrecht, auf das sie sich bezieht, muss unabhängig von dieser Klausel bestehen.55 Eine solche Konstellation findet sich etwa in einer Entscheidung des BGH aus dem Jahre 1984.56 Die vom BGH als deklaratorisch eingestufte Klausel besagte, dass „soweit der Vertrag . . . ausdrücklich das Recht vorbehält, den Inhalt der . . . zu erbringenden Leistungen festzulegen oder zu än-

51 Zur Entstehung des § 315 BGB s. HKK/Hofer, § 315–319 BGB Rn. 1 ff.; generell für Normen, die vor 1977 erlassen wurden, so auch Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 302. 52 Im Ergebnis genauso Stoffels, RdA 2015, 276; Salamon/Wessels, BB 2017, 885, 886; Salamon, NZA 2014, 465, 466; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358, 2359 ff.; s. auch zu einseitigen Leistungsbestimmungsrechten generell Stoffels, AGB-Recht, Rn. 441; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, Anh. § 310 BGB Rn. L 211 f. 53 Dem steht nicht entgegen, dass § 315 BGB vor 1977 erlassen wurde, da es sich nicht um die Nutzung eines eingeräumten Gestaltungsspielraums handelt, sondern um die deklaratorische Verweisung auf einen ohnehin geltenden Maßstab. 54 Im Ergebnis genauso BGH v. 26.11.1984 – VIII ZR 214/83, NJW 1985, 623; vgl. auch Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, Anh. § 310 BGB Rn. L 215. 55 Die kontrollfreie Klausel, die den Ausübungsmaßstab regelt, kann sich natürlich auch auf mehrere Leistungsbestimmungsrechte beziehen. 56 BGH v. 26.11.1984 – VIII ZR 214/83, NJW 1985, 623; s. dazu bereits Kapitel 2 C. II. 2. c).

A. Volle Kontrollfähigkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

179

dern“, die Bestimmung nach billigem Ermessen durch den Verwender zu treffen war. Im Zusammenhang mit arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten könnte eine kontrollfreie Klausel zum Ausübungsmaßstab wie folgt aussehen. Beispiel 1: Soweit sich der Arbeitgeber die einseitige Festlegung der Höhe einer Leistung an den Arbeitnehmer vorbehalten hat, ist diese Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen. Beispiel 2: Die Festlegung des unter (Verweis auf die Klausel, die das Leistungsbestimmungsrecht wirksam einräumt) versprochenen Weihnachtsgeldes durch den Arbeitgeber hat nach billigem Ermessen zu erfolgen. In solchen Fällen besteht Regelungsidentität, sofern das Bestimmungsrecht ohnehin gem. § 315 BGB nach billigem Ermessen auszuüben wäre. Denn das Leistungsbestimmungsrecht besteht bei Existenz der Klausel zum Ausübungsmaßstab und auch ohne sie. Ebenso gilt der Maßstab des billigen Ermessens in beiden Fällen, im ersten aufgrund der Klausel und im zweiten als Ergebnis einer Auslegung nach § 315 Abs. 1 BGB. Die Kontrollfreiheit ist aber eng begrenzt auf diese Ausnahmefälle, in denen erstens ohne die Klausel zum Ausübungsmaßstab § 315 Abs. 1 BGB anwendbar wäre und so in beiden Fällen nach billigem Ermessen zu entscheiden wäre, und zweitens das Leistungsbestimmungsrecht unabhängig von dieser Klausel wirksam eingeräumt wurde. Dabei ist zu beachten, dass § 315 BGB für die Auslegung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte in AGB nicht anwendbar ist, wie sich später noch zeigen wird.57 4. Ergebnisse Arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte sind nicht als deklaratorische Klauseln kontrollfrei. Sie räumen dem Arbeitgeber konstitutiv ein Leistungsbestimmungsrecht ein und wiederholen damit nicht den Gehalt des § 315 BGB, der von sich aus keine Leistungsbestimmungsrechte einräumt.58 Ebenso wenig handelt es sich in Bezug auf § 315 Abs. 1 BGB um eine sog. normausfüllende Klausel, mit der der Verwender einen vom Gesetz eingeräumten Gestaltungsspielraum nutzt.59 Denn § 315 Abs. 1 BGB enthält nur eine Auslegungsregel und keinen Gestaltungsspielraum, der in AGB genutzt werden könnte. Etwas anderes gilt für Klauseln, die kein Leistungsbestimmungsrecht einräumen, sondern sich auf ein anderweitig wirksam eingeräumtes Bestimmungsrecht beziehen und ausschließlich klarstellen, dass nach billigem Ermessen zu entscheiden ist, wenn das nach § 315 Abs. 1 BGB ohnehin der Fall gewesen wäre.60 57 58 59 60

S. dazu Kapitel 4 B. V. 3.; Kapitel 5 A. I. 2. b) und B. V. 2. S. Kapitel 4 A. III. 1. S. Kapitel 4 A. III. 2. S. Kapitel 4 A. III. 3.

180 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

Derartige Klauseln wiederholen bloß den Inhalt des § 315 BGB und sind deshalb kontrollfrei.

IV. Bestimmungsvorbehalte legen keine Hauptleistungspflicht fest Voraussetzung für die Kontrollfähigkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte im Entgeltbereich ist außerdem, dass durch die Klausel nicht eine Hauptleistungspflicht festgelegt wird. Grund für die Kontrollfreiheit des Hauptleistungsbereichs ist, dass dieser der Vertragsfreiheit unterliegt, die Angemessenheit durch den Markt gewährleistet wird und das Gericht deshalb die Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung nicht beurteilen soll.61 Die Kontrollfähigkeit scheitert nach überwiegender Ansicht ferner daran, dass keine rechtlichen Kontrollmaßstäbe existieren.62 Zudem wird angeführt, dass der Vertragspartner auf dem Gebiet der Hauptleistungspflichten nicht schutzwürdig sei, da er diesen ausreichend Aufmerksamkeit schenke.63 Problematisch ist insofern, dass die hier zu untersuchenden entgeltrelevanten Leistungsbestimmungsrechte jedenfalls mittelbar das vom Arbeitgeber zu zahlende Entgelt betreffen. Die Unterscheidung zwischen jährlichen Sonderzahlungen und Bonuszahlungen als Gegenleistung für geleistete Arbeit kann an dieser Stelle außer Betracht bleiben.64 Stellen nämlich Bestimmungsvorbehalte bezüglich Leistungen aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis eine kontrollfähige Regelung dar, so muss dies erst recht bei Sonderzahlungen zu anderen Zwecken der Fall sein. Der Charakter der festzulegenden Leistung spielt des Weiteren deshalb 61 BGH v. 13.01.2011 – III ZR 78/10, NJW 2011, 1726 Rn. 11 m.w. N.; Ulmer/ Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 18; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 38; ErfK/ Preis, § 310 BGB Rn. 36; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 28; Wolf/ Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 276, 303; a. A. bezüglich des Funktionierens der Privatautonomie als Grund der Kontrollfreiheit: Däubler/Bonin/Deinert/Däubler, § 307 BGB Rn. 248a. 62 BGH v. 13.01.2011 – III ZR 78/10, NJW 2011, 1726 Rn. 11 m.w. N.; Ulmer/ Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 5, 18 f.; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 39; Däubler/Bonin/Deinert/Däubler, § 307 BGB Rn. 248; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 28; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 276, 303; Staudinger/Coester, § 307 Rn. 284; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 423, der darin allerdings nur eine Konsequenz der marktwirtschaftlichen Gestaltung der Privatrechtsordnung sieht; a. A.: Däubler/Bonin/Deinert/Däubler, § 307 BGB Rn. 248a, der der Meinung ist, Kontrollmaßstäbe ließen sich entwickeln. Er nennt das Leitbild des Arbeitsvertrages i. S. d. § 307 Abs. 2 BGB. 63 Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 Rn. 18, 21; Clemenz/Kreft/Krause/ Klumpp, § 307 BGB Rn. 28; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 303; MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 13; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 423 sieht diesen Aspekt als Teil Vertragsfreiheit; Staudinger/Coester, § 307 Rn. 285 verneint die Kontrollbedürftigkeit, wenn die Vertragsbedingung regelmäßig die Aufmerksamkeit des Vertragspartners findet. 64 Dazu näher unter Kapitel 4 B. IV. 6.

A. Volle Kontrollfähigkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

181

keine Rolle für die Kontrollfähigkeit, weil auch die Festlegung von Nebenleistungen dem kontrollfreien Leistungsbereich angehört.65 Entscheidend ist letztlich, dass die Vereinbarung der arbeitgeberseitigen Festlegung einer Leistung, unabhängig vom Charakter der zu bestimmenden Leistung, selbst keine unmittelbare Festlegung einer Hauptleistungspflicht darstellt, sondern eine Ausgestaltung der Festlegung bzw. eine Modifizierung des Leistungsversprechens.66 Dies soll im Anschluss an eine Darstellung der Kriterien, nach denen der kontrollfreie Hauptleistungsbereich abzugrenzen ist, näher dargelegt werden. 1. Kriterien zur Abgrenzung des kontrollfreien Hauptleistungsbereichs Der Kreis der Leistungsbeschreibungen wird in der Regel eng verstanden, weshalb nur solche Klauseln kontrollfrei sein sollen, die Art, Umfang und Güte der geschuldeten Leistung unmittelbar festlegen und ohne die mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts kein wirksamer Vertrag vorliegt.67 Das hat zur Folge, dass Klauseln, die das Hauptleistungsversprechen einschränken, verändern, ausgestalten oder modifizieren, der Inhaltskontrolle unterliegen.68 Der BGH formuliert auch: „Demgegenüber unterliegen gem. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB der Inhaltskontrolle nach §§ 307 bis 309 BGB solche (Preisneben-)Abreden, die sich zwar mittelbar auf Preis und Leistung auswirken, diese 65 BGH v. 13.01.2011 – III ZR 78/10, NJW 2011, 1726 m.w. N.; Stoffels, AGBRecht, Rn. 446; BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 89; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/ Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 310; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 79 ff.; Palandt/Grüneberg, § 307 BGB Rn. 48; so ausdrücklich für Zusatzleistungen des Arbeitgebers im Entgeltbereich: Staudinger/Krause, Anh. zu § 310 BGB Rn. 203. 66 Eine Kontrollfähigkeit wegen Abweichung von einer vertraglichen Zusage lehnt Joost, ZIP 1996, 1685, 1689 mit der Begründung ab, die AGB bildeten eine Einheit und die Modifikation sei von Anfang an Teil des vertraglich Zugesagten, so dass sie nicht von sich selbst abweichen könnten. 67 BGH v. 15.02.2006 – IV ZR 305/04, NJW-RR 2006, 895; BGH v. 22.11.2000 – IV ZR 235/99, NJW 2001, 1132 m.w. N.; BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 80 ff.; Graf v. Westphalen/Thüsing/Thüsing, Leistungsbeschreibungen Rn. 1; Wolf/Lindacher/ Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 292; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 37, 40; MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 13. 68 Std. Rspr. BGH v. 13.11.2012 – XI ZR 500/11, BGHZ 195, 298 Rn. 23; BGH v. 28.03.2001 – IV ZR 19/00, NJW 2001, 1934; BGH v. 30.06.1995 – V ZR 184/94, BGHZ 130, 150; s. auch BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 80; Graf v. Westphalen/ Thüsing/Thüsing, Leistungsbeschreibungen Rn. 1, 12; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 38; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 299; MüKoBGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 13; Däubler/Bonin/Deinert/Däubler, § 307 BGB Rn. 269; krit.: Stoffels, AGB-Recht, Rn. 448, der eine Orientierung an der Teilnahme an den Kontrollmechanismen von Markt und Wettbewerb und eine Beachtung der Rückschlüsse aus §§ 308, 309 BGB fordert; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 30 ff., der eine genauere Prüfung fordert, ob die Klausel selbst unmittelbar Regelung der Hauptleistung ist; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 322.

182 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

aber nicht ausschließlich festlegen, und bestehende Rechtsvorschriften, insbesondere Regelungen des dispositiven Gesetzesrechts, ergänzen oder von diesen abweichen.“ 69 Im Einzelfall sollte die Frage, ob eine kontrollfähige Ausgestaltung bzw. Modifizierung oder eine Festlegung einer Hauptleistungspflicht vorliegt, nach dem Zweck des § 307 Abs. 3 S. 1 BGB bestimmt werden.70 Der Ausschluss der Inhaltskontrolle im Bereich der Hauptleistungspflichten bzw. der Leistungsversprechen beruht auf dem Prinzip der Privatautonomie. Deshalb muss Voraussetzung für die Kontrollfreiheit sein, dass die jeweilige Regel so der Privatautonomie unterliegt, dass die Angemessenheit der Klausel vom Markt gewährleistet wird. Aufgrund des Regelcharakters der Inhaltskontrolle und ihres umfassenden Schutzzwecks muss in allen anderen Fällen Kontrollfähigkeit angenommen werden.71 So wird teilweise gefordert, den kontrollfreien Bereich danach zu bestimmen, ob die Klausel so dem Markt und Wettbewerb ausgesetzt ist, dass sie in der Regel genügend Aufmerksamkeit des Vertragspartners findet.72 Diese Voraussetzung sollte allerdings differenziert betrachtet werden. Grundsätzlich ist es richtig, den kontrollfreien Bereich danach zu bestimmen, ob die Klausel ausreichend dem Markt und dem Wettbewerb unterliegt, und dafür ist auch ein wichtiger Faktor, ob der Vertragspartner die Klausel hinreichend wahrnimmt und sie damit in seine Vertragsabschlussentscheidung einbeziehen kann. Finden eine Klausel oder ein Klauseltyp keine Beachtung des durchschnittlichen Vertragspartners, kann der Markt die Angemessenheit der Klausel nicht gewährleisten, da sie keinem voll funktionierenden Wettbewerb unterliegt. Hinzu kommt aber, dass auch Klauseln, die die nötige Beachtung finden, teilweise nicht ausreichend durch den Wettbewerb kontrolliert werden.73 So hat der Vertragspartner in einigen Fällen gar keine Möglichkeit, Marktmacht durch die Entscheidung auszuüben, einen anderen Vertragspartner zu wählen, da alle Anbieter dieselben oder vergleichbare Klauseln verwenden. Auch ein Aushandeln der Klausel wird ihm bei Massengeschäften in der Regel nicht möglich sein, so dass kaum Kontrolle der Klauseln von Seiten des Marktes stattfindet. Auch in diesen Fällen ist eine Inhaltskontrolle zum Schutz der Vertragspartner nötig.

69 BGH v. 13.01.2011 – III ZR 78/10, NJW 2011, 1726 Rn. 16 m.w. N.; vgl. dazu MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 17; Palandt/Grüneberg, § 307 BGB Rn. 47. 70 So auch Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 42; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 449; MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 13. 71 Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 42 möchte die Kontrollfreiheit ebenfalls nach dem Schutzzweck der Inhaltskontrolle bestimmen; so auch Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 319 ff. 72 Stoffels, AGB-Recht, Rn. 449; vgl. Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 46 ff., der dabei konkret auf jeden jeweiligen Regelungsgegenstand abstellen will; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 32. 73 Vgl. dazu BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 86.

A. Volle Kontrollfähigkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

183

Zu beachten ist wiederum auch der weitere Grund der Kontrollfreiheit, dass kein rechtlicher Kontrollmaßstab für die Klauseln auf dem Gebiet der Leistungsbeschreibung vorhanden ist. Lässt sich im Einzelfall tatsächlich kein Kontrollmaßstab finden, muss deshalb auch dann die Inhaltskontrolle entfallen. Dieser Fall dürfte aber selten eintreten, da durch § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB auch die wesentlichen Rechte und Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, zum Kontrollmaßstab gemacht werden.74 Im Ergebnis ist eine Klausel nur dann kontrollfrei, wenn der durchschnittliche75, verständige Vertragspartner sie in der Regel in seine Abschlussentscheidung einbezieht und der Markt ausreichend funktioniert.76 Hinweise auf die Kontrollfähigkeit geben auch die in den §§ 308, 309 BGB geregelten Klauseltypen.77 Der kontrollfreie Bereich, in dem der Wettbewerb die Angemessenheit gewährleistet, muss in Einklang mit der herrschenden Meinung in Schrifttum und Rechtsprechung aber eng ausgelegt werden.78 Die jeweilige Klausel muss die volle Aufmerksamkeit des durchschnittlichen Vertragspartners finden und der Markt darf nicht anderweitig funktionsgemindert sein. Das ist vorwiegend bei den Hauptleistungspflichten im engeren Bereich der Fall, ohne die kein wirksamer Vertrag angenommen werden kann. Nicht nur ein Marktversagen im engeren Sinne, sondern bereits „Marktschwächen“ von Erheblichkeit müssen die Kontrollfähigkeit begründen, um den Schutz des Vertragspartners ausreichend zu gewährleisten. Diese Voraussetzung wird in der Regel erfüllt sein, wenn eine Leistung eingeschränkt, verändert, ausgestaltet oder modifiziert wird, da solche Regelungen die Abschlussentscheidung weniger beeinflussen als die essentialia negotii und der Vertragspartner ihnen in der Regel weniger Aufmerksamkeit schenken wird. Unterbleiben muss eine Inhaltskontrolle jedoch in den Ausnahmefällen, in denen zwar eine Marktschwäche – etwa wegen Monopolstellung des

74 Vgl. Däubler/Bonin/Deinert/Däubler, § 307 BGB Rn. 248a; Wolf/Lindacher/ Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 298; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 41; vgl. Stoffels, AGB-Recht, Rn. 452. 75 S. dazu Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 244; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 567; Stoffels, ZfA 2009, 861, 879; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 11; Jauernig/Stadler, § 307 BGB Rn. 8; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 21; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 83; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 307 BGB Rn. 158; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 184; HWK/Roloff, § 307 BGB Rn. 13; Kreienbaum, Transparenz und AGB-Gesetz, S. 263 ff.; Heinrichs, in: FS Trinkner, S. 157, 165. 76 Ausführlich dazu und im Ergebnis genauso Staudinger/Coester, § 307 Rn. 320 ff. 77 So auch Stoffels, AGB-Recht, Rn. 448. 78 S. etwa BGH v. 15.02.2006 – IV ZR 305/04, NJW-RR 2006, 895; BGH v. 22.11.2000 – IV ZR 235/99, NJW 2001, 1132 m.w. N.; BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 80 ff.; Graf v. Westphalen/Thüsing/Thüsing, Leistungsbeschreibungen Rn. 1; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 292; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 37, 40.

184 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

Verwenders – besteht, die Hauptleistungspflichten aber unmittelbar festgelegt werden. Denn dann fehlt es an einem rechtlichen Kontrollmaßstab. 2. Entgeltrelevante Bestimmungsvorbehalte unterfallen nicht dem kontrollfreien Bereich der Hauptleistungspflichten In den damit abgesteckten kontrollfähigen Bereich fallen auch die arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalte im Entgeltbereich. Sie haben zwar Einfluss auf die jeweilige Leistung und sind auch mittelbar an deren Festlegung beteiligt, sie legen die Leistung aber gerade nicht unmittelbar fest. Stattdessen modifizieren bzw. gestalten sie das jeweilige Leistungsversprechen. In dieser Konstellation wird die Leistung im Vertrag ausdrücklich anspruchsbegründend versprochen, wobei das Versprechen inhaltlich durch Ausübung des Bestimmungsrechts auszufüllen ist. Man könnte deshalb die Annahme, es handele sich um eine Modifizierung der Leistung, mit dem Argument ablehnen, dass die Beschränkung auf die Bestimmung „nach billigem Ermessen“ der Leistung von Anfang an innewohnte. Ist doch die vertraglich vereinbarte – auch oft vom Arbeitgeber vorgegebene – Höhe der Leistung kontrollfrei, da das Leistungsversprechen damit unmittelbar festgelegt wird, könnte man auch die Regelung, dass die Höhe der nachträglichen Bestimmung durch den Arbeitgeber vorbehalten bleibt, für kontrollfrei halten. Der Unterschied zur im Nachhinein festzulegenden Leistung mag auf den ersten Blick gering erscheinen. Die folgenden Ausführungen zeigen aber, warum dennoch Kontrollfähigkeit anzunehmen ist. a) Mangelnde Aufmerksamkeit und Vergleichsmöglichkeit des Arbeitnehmers Arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte nehmen dem Arbeitnehmer eine Vergleichsmöglichkeit, über die der Markt Einfluss auf die vertragliche Ausgestaltung nehmen könnte. Anders als bei der vorherigen Festlegung der Leistung kann der Arbeitnehmer nicht sicher erkennen, in welcher Höhe die Leistung gewährt werden soll, und deshalb kann er keinen Vergleich mit anderen potentiellen Arbeitgebern anstellen. Der durchschnittliche Arbeitnehmer wird einer solchen Klausel auch weniger Aufmerksamkeit schenken als der konkreten Festlegung der Leistung. Die volle Aufmerksamkeit werden in der Regel die Punkte finden, die die Abschlussentscheidung wesentlich bestimmen.79 Im Arbeitsverhältnis sind das die Arbeitsleistung und das Entgelt.80 Beim Entgelt wird das regelmä79 Vgl. Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 285; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 28; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 449 ff.; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 Rn. 21. 80 Vgl. BAG v. 14.12.2010 – 3 AZR 898/08, NZA 2011, 576 Rn. 31; Staudinger/ Krause, Anh. zu § 310 BGB Rn. 183.

A. Volle Kontrollfähigkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

185

ßige Gehalt die entscheidende Rolle spielen. Wird ein Bonusanspruch oder ein Anspruch auf Weihnachtsgratifikation eingeräumt, mag auch das noch die Abschlussentscheidung wesentlich beeinflussen. Dem Fakt, dass die Leistung erst im Nachhinein durch den Arbeitgeber festgelegt wird, wird aber bereits ein geringeres Gewicht und deshalb auch weniger Aufmerksamkeit zukommen. Der Arbeitnehmer wird oft genug davon ausgehen, die Klausel werde schon ihre Richtigkeit haben, was bei der konkreten Festlegung von Entgelt oder Bonuszahlungen nicht im selben Maß der Fall sein wird.81 Der durchschnittliche, verständige Arbeitnehmer bezieht arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte über die Festlegung einer entgeltrelevanten Leistung demnach in der Regel nicht so in seine Abschlussentscheidung ein, dass von einer Kontrollfreiheit ausgegangen werden kann, und auch der Markt funktioniert dafür nicht ausreichend. b) Marktschwäche mangels Ausweichmöglichkeit Selbst wenn man jedoch davon ausgeht, dass der Arbeitnehmer das Bestimmungsrecht des Arbeitgebers für so wesentlich hält, dass er ihm die volle Aufmerksamkeit schenkt, wird dies regelmäßig nichts an seiner Entscheidung ändern. Eine Möglichkeit der individuellen Aushandlung, ob und wie die Klausel bestehen bleibt, muss im vorliegenden Kontext bereits wegen § 305 Abs. 1 S. 3 BGB unberücksichtigt bleiben, da die Klausel in diesem Fall gar keine AGB darstellt. Aber auch ein Ausweichen auf einen anderen Arbeitgeber ist dem durchschnittlichen Arbeitnehmer nicht ohne weiteres möglich, solange es sich nicht um einen stark umworbenen hochqualifizierten Arbeitnehmer handelt.82 In vielen Fällen wird es im Gegensatz zu anderen Vertragsarten, bei denen aus einer Vielzahl möglicher Anbieter ausgewählt werden kann, bereits an einer vergleichbaren Fülle von Angeboten anderer Arbeitgeber mangeln.83 Selbst wenn sich ein solches Angebot aber finden ließe, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass auch dieser Arbeitgeber seine (Zusatz-)Leistungen, sei es durch einen Bestimmungsvorbehalt, einen Freiwilligkeitsvorbehalt oder einen Widerrufsvorbehalt, flexibel gestaltet hat.84 81 Vgl. zu dem Argument, der Vertragspartner gehe von der Richtigkeit der AGB aus: BGH v. 11.10.2007 – III ZR 63/07, BB 2007, 2644. 82 Vgl. zum Argument der strukturellen Unterlegenheit des Arbeitnehmers BAG v. 24.11.1993 – 5 AZR 153/93, BAGE 75, 133; BAG v. 16.03.1994 – 5 AZR 339/92, BAGE 76, 155; Staudinger/Krause, Anh. zu § 310 BGB Rn. 12; Singer, RdA 2006, 362, 364. 83 Vgl. Stoffels, ZfA 2009, 861, 878; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs/Bieder, Anh. § 310 BGB AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht Rn. 46; Henssler, SAE 1988, 164, 165. 84 Vgl. ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 51 m.w. N.; Hromadka/Schmitt-Rolfes, NJW 2007, 1777; Schrader/Müller, RdA 2007, 145; Hofmann, Entgeltflexibilisierung und AGB-Kontrolle, S. 23; s. auch Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, S. 65 f.; zum Einfluss von Musterempfehlungen vgl. Preis/Preis, I B Rn. 34 ff.

186 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

Klauseln zur flexiblen Gestaltung arbeitgeberseitiger Leistungen unterliegen wegen der fehlenden Ausweichmöglichkeit des Arbeitnehmers nicht in gleichem Maße dem Wettbewerb wie das Arbeitsentgelt und die Höhe bestimmter zusätzlicher Leistungen.85 c) Parallele zu Widerrufsvorbehalten Die Existenz und die Kontrollfähigkeit von Widerrufsvorbehalten sind ein weiteres Argument für die Kontrollfähigkeit der Bestimmungsrechte zur Festlegung der Leistung. § 308 Nr. 4 BGB unterwirft Widerrufsvorbehalte eindeutig der Inhaltskontrolle.86 Die beiden Flexibilisierungsinstrumente sind sich sehr ähnlich87 und es macht für den Arbeitnehmer wenig Unterschied, auf welches der beiden der Arbeitgeber zur Flexibilisierung zurückgreift, zumal auch bei Bestimmungsvorbehalten die endgültige Leistung null betragen kann88. Durch beide Instrumente wird die versprochene Leistung vergleichbar flexibilisiert. Es kann für den Arbeitnehmerschutz keinen wesentlichen Unterschied machen, ob eine Leistung nach Billigkeit widerrufen und in anderer Höhe neu gewährt oder ob sie von Anfang an nach Billigkeit festgelegt werden kann. § 308 Nr. 4 BGB kann deshalb als Indiz gesehen werden, dass auch die hier relevanten Leistungsbestimmungsrechte der Inhaltskontrolle zu unterwerfen sind.89 Der Markt kann im zu untersuchenden Fall die Angemessenheit deshalb nicht voll gewährleisten. Entgeltrelevante Bestimmungsvorbehalte des Arbeitgebers sind aus diesem Grund nicht dem kontrollfreien Bereich der Leistungsbeschreibung zuzuordnen. d) Erfüllung aller Kriterien Auch nach den oben dargestellten starreren Vorgaben90, dass zur Annahme der Kontrollfreiheit eine Leistung unmittelbar festgelegt werden müsse und dass ohne die Klausel kein wirksamer Vertrag bestehen dürfe, handelt es sich nicht um eine kontrollfreie Leistungsbeschreibung. Denn auch ohne die Klausel zur Einräumung des Leistungsbestimmungsrechts würde ein wirksamer Vertrag be85 Bonuszahlungen werden beispielsweise stärker dem Wettbewerb unterliegen als Geschäftsjubiläumszahlungen. 86 S. dazu unter Kapitel 2 D. II. 87 Vgl. Stoffels, RdA 2015, 276, 279; Simon/Hidalgo/Koschker, NZA 2012, 1071, 1074; s. dazu unter Kapitel 1 B. III. und B. IV.; Kapitel 4 B. VII. 9. 88 Zur Möglichkeit der Festlegung auf null: BAG v. 19.03.2014 – 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595; Arnold, ArbRAktuell 2013, 180; Preis/Deutzmann, NZA-Beilage 2017, 101, 107; Stoffels, RdA 2015, 276, 278 f.; Stoffels, NZA 2017, 1217, 1224; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400, 2402; BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 101. 89 Diesen sieht auch Erman/Roloff, 13. Aufl., § 307 BGB Rn. 140 als Indiz für die Kontrollfähigkeit einseitiger Leistungsbestimmungsrechte im Allgemeinen; a. A. DyllaKrebs, Schranken der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen, S. 203 f. 90 S. unter Kapitel 4 A. IV. 1.

A. Volle Kontrollfähigkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

187

stehen. Die Leistungsbestimmungsrechte betreffen im Regelfall zusätzliche Leistungen, so dass die essentialia negotii mit der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers und der Entgeltzahlungspflicht des Arbeitgebers bestimmt sind.91 An die Stelle der jeweiligen Klausel kann außerdem ohnehin der Grundsatz aus § 311 BGB treten, dass die Leistungen im Vertrag festgelegt werden, in Kombination mit einer ergänzenden Vertragsauslegung nach §§ 157, 242 BGB zur Festlegung eines objektiven Maßstabs zur Bestimmung der Höhe.92 Die versprochene Leistung wird nicht unmittelbar festlegt93, sondern durch die Einschränkung der Bestimmung durch den Arbeitgeber umgehend wieder ausgehöhlt; es liegt also eine Ausgestaltung bzw. Modifikation vor. 3. Ergebnisse Arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte fallen nicht in den kontrollfreien Bereich der Hauptleistungspflichten. Denn Voraussetzung für die Kontrollfreiheit im Bereich der Hauptleistungspflichten ist, dass die Angemessenheit der Klausel vom Markt gewährleistet wird.94 Eine Klausel ist deshalb nur dann kontrollfrei, wenn sie die volle Aufmerksamkeit des durchschnittlichen Vertragspartners findet und der Markt nicht anderweitig funktionsgemindert ist. Das ist nicht der Fall, wenn eine Leistung eingeschränkt, verändert, ausgestaltet oder modifiziert wird, da solche Regelungen die Abschlussentscheidung weniger beeinflussen als die essentialia negotii und der Vertragspartner ihnen in der Regel weniger Aufmerksamkeit schenken wird. Unterbleiben muss eine Inhaltskontrolle jedoch in den Ausnahmefällen, in denen zwar eine Marktschwäche besteht, die Hauptleistungspflichten aber unmittelbar festgelegt werden. Denn dann fehlt es an einem rechtlichen Kontrollmaßstab. Im Fall arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte wird die versprochene Leistung nicht unmittelbar festlegt, sondern durch die Einschränkung in Form 91 Selbst wenn im Ausnahmefall das gesamte Arbeitsentgelt dem Leistungsbestimmungsrecht unterliegen sollte, wird die Leistung dadurch nur mittelbar festgelegt. Darin ist außerdem eine Abweichung vom Grundsatz aus § 311 BGB, dass Leistung und Gegenleistung im Vertrag festzulegen sind, zu sehen (dazu sogleich mehr unter Kapitel 4 A.V. 2.). Es ist anerkannt, dass selbst im Bereich der Hauptleistungen eine Kontrolle stattfindet, wenn von einer Rechtsvorschrift abgewichen wird. Statt aller: Stoffels, AGBRecht, Rn. 444; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 29; Däubler/Bonin/ Deinert/Däubler, § 307 BGB Rn. 265; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 46; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 303, 312 f. 92 S. zu diesem Verfahren Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 75 m.w. N.; ausführlich zur Rechtsfolge bei Unwirksamkeit eines Bestimmungsvorbehalts unter Kapitel 6 E. und F. 93 Vgl. auch Jesgarzewski, Die Grenzen formularmäßiger Vereinbarung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte, S. 37, 212 f. zu Leistungsbestimmungsrechten im Allgemeinen. 94 S. dazu und zu den folgenden generellen Aussagen bezüglich der Kontrollfreiheit im Bereich der Hauptleistungspflichten Kapitel 4 A. IV. 1.

188 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

der Leistungsbestimmung durch den Arbeitgeber ausgestaltet bzw. modifiziert.95 Arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte nehmen dem Arbeitnehmer außerdem eine Vergleichsmöglichkeit, über die der Markt Einfluss auf die vertragliche Ausgestaltung nehmen könnte.96 Anders als bei der vorherigen Festlegung einer Leistung kann der Arbeitnehmer nicht sicher erkennen, in welcher Höhe die Leistung gewährt werden soll, und deshalb keinen Vergleich mit anderen potentiellen Arbeitgebern anstellen. Der durchschnittliche Arbeitnehmer wird einem Bestimmungsvorbehalt auch weniger Aufmerksamkeit schenken als der konkreten Festlegung einer Leistung. Darüber hinaus kann er nicht ohne weiteres auf einen anderen Arbeitgeber ausweichen, wodurch der Einfluss des Marktes weiter funktionsgemindert ist.97 Die Angemessenheit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte wird folglich nicht vom Markt gewährleistet, so dass diese nicht wegen eines Bezugs zur Hauptleistungspflicht kontrollfrei sind.

V. Abweichung oder Ergänzung von Rechtsvorschriften durch arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte Zuletzt stellt sich die Frage, ob zusätzlich eine Abweichung von einer dispositiven Rechtsvorschrift oder eine Ergänzung einer solchen vorliegt. Wie oben dargestellt98 muss aufgrund des Wortlauts des § 307 Abs. 3 S. 1 BGB jedenfalls eine Ergänzung im weiteren Sinne festgestellt werden. Eingangs wird überprüft, ob eine Abweichung vom Grundsatz der Vertragsbindung festgestellt werden kann. Im Anschluss ist eine Abweichung von weiteren Grundsätzen des BGB, namentlich dem Vertragsprinzip und dem zugehörigen Grundsatz der vertraglichen Festlegung der Rechte und Pflichten, zu betrachten. Letztlich soll untersucht werden, ob der Charakter der betreffenden Leistung Einfluss auf die Feststellung einer Rechtsabweichung hat. 1. Zur Abweichung von der Vertragsbindung im engeren Sinne Die arbeitgeberseitigen Leistungsbestimmungsrechte zur erstmaligen Festlegung einer Leistung könnten vom Grundsatz der Vertragsbindung („pacta sunt servanda“) abweichen.99 Immerhin liegt ein unbedingtes Leistungsversprechen des Arbeitgebers vor, von dem er sich unter Umständen durch die Bestimmung der Höhe auf null faktisch sogar ganz lösen kann, das aber jedenfalls dadurch 95

S. Kapitel 4 A. IV. 2. d). S. Kapitel 4 A. IV. 2. a). 97 S. Kapitel 4 A. IV. 2. b). 98 S. Kapitel 4 A. II. 3. 99 S. zum Grundsatz der Vertragsbindung: Staudinger/Löwisch/Feldmann, § 311 BGB Rn. 5 m.w. N.; HKK/Thier, § 311 BGB Rn. 4; Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, S. 26 ff.; Bähr, Grundzüge des Bürgerlichen Rechts, S. 109 f. 96

A. Volle Kontrollfähigkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

189

relativiert wird, dass er die Höhe selbst festlegt. Gegen ein solches Verständnis spricht, dass der Arbeitgeber im Vertrag eben nur eine Leistung verspricht, die von vornherein unter der Bedingung der Bestimmung durch ihn steht. Vertraglich hat er sich also nur insoweit gebunden.100 Die Ausübung des Bestimmungsrechts bewegt sich im Rahmen dessen, was von Anfang an im Vertrag vereinbart wurde. Diese Sichtweise würde bei stringenter Anwendung allerdings bedeuten, dass auch Änderungsrechte wie z. B. Widerrufsvorbehalte nicht vom Grundsatz der Vertragsbindung abweichen würden.101 Sie sind ebenfalls vertraglich vereinbart und so würde auch bei ihnen die Leistung von Anfang an unter dem Vorbehalt der Widerruflichkeit stehen. Der wesentliche Unterschied ist, dass bei Widerrufsvorbehalten eine Leistung in konkreter Höhe vereinbart ist, die der Vertragspartner so lange erwarten kann, wie das Widerrufsrecht nicht ausgeübt wird, während der Arbeitnehmer bei Bestimmungsvorbehalten keine konkret bezifferte Leistung erwarten kann, bis diese tatsächlich bestimmt wird.102 Insofern ist bereits im vertraglichen Leistungsversprechen eine größere Unsicherheit bezüglich der Ausgestaltung des Anspruchs angelegt. Diese Unsicherheit geht hingegen nicht so weit wie bei Freiwilligkeitsvorbehalten, bei denen die Vertragsbindung von Anfang an gänzlich verhindert wird, weshalb die Abweichung von diesem Grundsatz bei diesen Vorbehalten teilweise abgelehnt wird.103 Im Vergleich zu vertraglichen Widerrufsvorbehalten, die regelmäßig als Abweichung vom Grundsatz „pacta sunt servanda“ gesehen werden104, ist die Flexibilität der Leistung bei Bestimmungsvorbehalten stärker im Vertrag verankert, die vertragliche Bindung also von Anfang an schwächer und die Abweichung vom Grundsatz der Vertragsbindung nicht so deutlich. Im Vergleich zu Freiwil100

S. dazu im Rahmen von Freiwilligkeitsvorbehalten auch Zöllner, ZfA 2010, 637,

645. 101 Diese sieht das BAG allerdings als Abweichung vom Grundsatz „pacta sunt servanda“. S. BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 1943; so auch Kluge, Widerrufsvorbehalte zur Absenkung des Arbeitsentgelts aus „wirtschaftlichen Gründen“ in vorformulierten Arbeitsverträgen, S. 87 ff. 102 Vgl. Dylla-Krebs, Schranken der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen, S. 204, die deshalb eine Kontrollfähigkeit von Leistungsänderungsrechten und eine Kontrollfreiheit von Leistungsbestimmungsrechten annimmt. 103 Vgl. Zöllner, ZfA 2010, 637, 645; BAG v. 30.07.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173; BAG v. 18.03.2009 – 10 AZR 289/08, NZA 2009, 535; bei laufender Vergütung spricht das BAG hingegen von einer Verhinderung der Vertragsbindung von Anfang an: BAG v. 25.04.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853; sind alle zukünftigen Leistungen erfasst, geht das BAG von einer Abweichung aus BAG v. 14.09.2011 – 10 AZR 526/10, BAGE 139, 156; BAG v. 13.11.2013 – 10 AZR 848/12, BAGE 146, 284. 104 S. BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 1943; MünchHdb ArbR/Krause, § 56 Rn. 15; NK-ArbR/Peterhänsel, § 307 BGB Rn. 15; MAH ArbR/Boewer, 46 Rn. 13 f.; DLW/Baeck/Winzer, Kapitel 2 Rn. 604; krit. Schimmelpfennig, NZA 2005, 603, 604; Zöllner, NZA 1997, 121, 123.

190 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

ligkeitsvorbehalten ist die vertragliche Bindung stärker, da der Arbeitgeber nicht völlig frei entscheiden kann, sondern dem Grunde nach dauerhaft an das Versprechen gebunden bleibt. Eine Abweichung vom Grundsatz der Vertragsbindung kann wegen dieser eingegangenen Bindung nicht von vornherein ausgeschlossen werden, aber auch nicht mit dem Argument begründet werden, die Vertragsbindung werde völlig ausgeschaltet. Da der Arbeitgeber das gegebene Versprechen durch Festlegung der Leistung auf null gänzlich umgehen kann oder durch niedrige Festlegung jedenfalls einschränken kann, ist von einer Relativierung der Vertragsbindung zu sprechen. Trotz dieser Relativierung liegen das Bestimmungsrecht des Arbeitgebers und dessen Ausübung doch im Rahmen der vertraglichen Vereinbarung.105 Der Arbeitgeber bleibt an sein Leistungsversprechen und an die Bestimmung der Leistung nach billigem Ermessen gebunden. Das gilt auch, wenn die Leistung im Einzelfall billigerweise auf null festgelegt wird, da das Leistungsversprechen dann von Anfang an darauf begrenzt war. Betrachtet man den Grundsatz der Vertragsbindung isoliert als reine Bindung an alle im Vertrag vereinbarten Regelungen, ist demnach keine Abweichung von ihm festzustellen.106 2. Abweichung von wesentlichen Grundsätzen des BGB Allerdings muss der Grundsatz der Vertragsbindung im Gefüge der übrigen Rechtsgrundsätze betrachtet werden, die das System der Schuldverhältnisse im BGB formen. Dazu gehört insbesondere das in § 311 BGB kodifizierte Vertragsprinzip.107 Dieses besagt, dass sowohl zur Begründung von Rechtsbeziehungen und zur Herstellung einer Rechtsbindung als auch zur Änderung oder Erweiterung von Schuldverhältnissen im Grundsatz ein Vertrag nötig ist. Ein Vertrag kommt, wenn nicht anders geregelt, mehrseitig zustande und unterliegt dem gemeinsamen Willen der Parteien.108 Deshalb entfalten im Grundsatz nur die105 Vgl. dazu Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, S. 31 f., der im Grundsatz „pacta sunt servanda“ kein Hindernis einer Flexibilisierung der Rechtsbeziehungen sieht, soweit dies vertraglich geschieht. Er weist jedoch darauf hin, dass in Formularverträgen eine differenzierte Betrachtung geboten ist, bezieht dies aber wohl auf Änderungsvorbehalte. 106 So sieht es im Ergebnis auch Dylla-Krebs, Schranken der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen, S. 203 f., die feststellt, bei Leistungsbestimmungen zur erstmaligen Festlegung der Leistung werde der Vertrag, anders als bei Änderungsrechten, erfüllt. 107 S. dazu MüKo-BGB/Emmerich, § 311 BGB Rn. 1 ff.; Soergel/Gröschler, § 311 BGB Rn. 1 ff.; Staudinger/Löwisch/Feldmann, § 311 BGB Rn. 1 ff.; HKK/Thier, § 311 BGB Rn. 1 ff.; Tonner/Willingmann/Tamm/Hirse, § 311 BGB Rn. 4. 108 Vgl. MüKo-BGB/Emmerich, § 311 BGB Rn. 1; Staudinger/Bork, Vorbem. zu §§ 145–156 BGB Rn. 2; Soergel/Gröschler, § 311 BGB Rn. 4 ff.; HKK/Thier, § 311 BGB Rn. 1.

A. Volle Kontrollfähigkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

191

jenigen Erklärungen Rechtswirkungen, denen der Vertragspartner zustimmt.109 In Einklang mit diesen Prinzipien beinhaltet § 311 BGB auch den häufig zur Begründung der Kontrollfähigkeit einseitiger Leistungsbestimmungsrechte herangezogenen Grundsatz, dass Leistung und Gegenleistung (zweiseitig) im Vertrag festgelegt werden.110 Diese Leitsätze sind gemeinsam mit dem Prinzip der Vertragsbindung in § 311 BGB geregelt111 und eng mit ihm verwoben, so dass letzteres in ihrem Lichte betrachtet werden muss. Aus diesem Grund kann die Vertragsbindung nicht wie oben beschrieben ausschließlich als Bindung an die vertraglichen Regelungen verstanden werden. Denn welchen Wert hätte der Grundsatz der Vertragsbindung, wenn im Extremfall nichts im Vertrag vereinbart wäre und die Bestimmung der Leistungen einer Vertragspartei überlassen wäre? Würde hingegen jedes der genannten Prinzipien stringent eingehalten, wären die Rechte und Pflichten beidseitig vertraglich vereinbart.112 An diese Rechtsbeziehungen wäre der Arbeitgeber gebunden, solange nicht beidseitig etwas anderes vereinbart wird. Im Fall der arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalte ist die jeweilige Leistung aber gerade nicht im Vertrag festgelegt, sondern vom Arbeitgeber zu bestimmen.113 Nach den Grundsätzen aus § 311 BGB müsste die Leistung im Vertrag konkret festgelegt werden oder aber, wenn sie erst im Nachhinein festgelegt werden soll, nachträglich von beiden Parteien übereinstimmend durch Vertrag bestimmt werden.114 109

BeckOK-BGB/Gehrlein, § 311 Rn. 2. So BGH v. 09.07.1981 – VII ZR 139/80, NJW 1981, 2351; BGH v. 17.02.2004 – XI ZR 140/03, NJW 2004, 1588 m.w. N.; BGH v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11; BGH v. 18.01.2017 – VIII ZR 263/15, DB 2017, 655; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, Anh. § 310 BGB Rn. L 212; Schwab, AGB-Recht, Rn. 571; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 Rn. 181; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 441; dieses Argument und die Kontrollfähigkeit einseitiger Leistungsbestimmungsrechte zur erstmaligen Festlegung einer Leistung lehnt ab Dylla-Krebs, Schranken der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen, S. 202; Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn. 6 f. nennt die Wirkung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte eine Lockerung des Bestimmtheitsgebots; s. auch Niebling, BB 1984, 1713, 1717, der den Grundsatz nicht aus § 311 BGB ableitet, sondern als vom BGB vorausgesetzt sieht. 111 Vgl. zum Grundsatz der Vertragsbindung: Staudinger/Löwisch/Feldmann, § 311 BGB Rn. 5 m.w. N.; HKK/Thier, § 311 BGB Rn. 4; so zur Vorgängerregelung in § 305 BGB a. F. Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, S. 26. 112 S. dazu Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, Anh. § 310 BGB Rn. L 212. 113 S. dazu bereits oben Kapitel 1 B. II. Die bei den einseitigen Leistungsbestimmungsrechten erfolgte Bestimmung der Leistung als „offen“ und die Regelung, wie sie endgültig festzusetzen ist, kann nicht als Festlegung der Leistung in diesem Sinne gesehen werden, da die Leistung gerade nicht im Vertrag, sondern im Nachhinein festgelegt wird. So aber wohl Dylla-Krebs, Schranken der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen, S. 200 ff., die damit auch eine kontrollfreie unmittelbare Festlegung der Hauptleistung annimmt. 114 Eine Änderung oder Erweiterung bedarf ebenfalls des Vertrages: MüKo-BGB/ Emmerich, § 311 BGB Rn. 1; Soergel/Gröschler, § 311 BGB Rn. 1, 39 ff.; HKK/Thier, § 311 BGB Rn. 1; Staudinger/Löwisch/Feldmann, § 311 BGB Rn. 60 ff.; Tonner/Willingmann/Tamm/Hirse, § 311 BGB Rn. 4; Bähr, Grundzüge des Bürgerlichen Rechts, 109. 110

192 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

Die einseitige Bestimmung einer Leistung durch den Arbeitgeber weicht vom Vertragsprinzip ab und nimmt dem Arbeitnehmer dadurch die Möglichkeit, über die Höhe zu verhandeln und Einfluss auf eine „gerechte“ Leistung zu nehmen.115 Hinzu kommt, dass auch die spätere Änderung oder die Erweiterung des Vertrages gem. § 311 BGB im Grundsatz eines Vertrages bedürfen.116 Auch wenn mit einer Änderung wohl eine rechtliche Änderung vorher festgelegter Rechte oder Pflichten gemeint ist117, wie es z. B. bei Ausübung eines Widerrufsrechts der Fall ist118, hat auch die nachträgliche Bestimmung der Leistung durch den Arbeitgeber in gewisser Weise Änderungscharakter. So besteht vor der Bestimmung ein vertraglicher Anspruch des Arbeitnehmers, der in der Höhe offen ist. Demgegenüber besteht nach der Bestimmung ein Anspruch, der auf die durch den Arbeitgeber bestimmte Höhe festgelegt ist.119 Insofern hat sich die Rechtslage für den Arbeitnehmer ohne seine Zustimmung erheblich verändert. Das Vertragsprinzip geht hingegen davon aus, dass die Leistung entweder im Vertrag geregelt ist oder aber durch Vertrag – und nicht einseitig – nachträglich hinzugefügt bzw. geändert wird. Es liegt also eine Abweichung von den Grundsätzen des BGB vor. Der Arbeitgeber löst sich mit dieser Klauselgestaltung vom Vertragsprinzip120 und dem dazugehörigen Grundsatz der (vorherigen) beidseitigen Festlegung der Leistung im Vertrag.121 Darüber wird auch die Vertragsbindung teilweise unterlaufen.122

115 So auch für einseitige Leistungsbestimmungsrechte generell Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn. 32 m.w. N.; s. auch Westermann, in: FS Steindorff, S. 817, 823. 116 MüKo-BGB/Emmerich, § 311 BGB Rn. 1; Soergel/Gröschler, § 311 BGB Rn. 1, 39 ff.; Staudinger/Löwisch/Feldmann, § 311 BGB Rn. 60 ff.; HKK/Thier, § 311 BGB Rn. 1; Tonner/Willingmann/Tamm/Hirse, § 311 BGB Rn. 4; Bähr, Grundzüge des Bürgerlichen Rechts, 109. 117 Vgl. Soergel/Gröschler, § 311 BGB Rn. 39 ff. 118 Mit Ausübung des Widerrufsrechts fällt ein vorher bestehender Anspruch des Arbeitnehmers weg. 119 Dieser auch in der Höhe festgelegte Anspruch besteht für den jeweiligen Zeitraum, für den die Leistung bestimmt wurde. Beim Weihnachtsgeld ist der Anspruch dann beispielsweise für das Jahr der Bestimmung festgelegt, für das nächste Jahr muss er erneut nach Billigkeit festgelegt werden. 120 Für Widerrufsvorbehalte genauso Kluge, Widerrufsvorbehalte zur Absenkung des Arbeitsentgelts aus „wirtschaftlichen Gründen“ in vorformulierten Arbeitsverträgen, S. 90 f.; vgl. bezüglich Leistungsbestimmungsrechten zur erstmaligen Festlegung einer Leistung auch Jesgarzewski, Die Grenzen formularmäßiger Vereinbarung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte, S. 211. 121 Im Allgemeinen nehmen eine Abweichung vom Grundsatz der Festlegung von Leistung und Gegenleistung im Vertrag für einseitige Bestimmungsrechte zur erstmaligen Festlegung einer Leistung an: Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 Rn. 181; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 441; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, Anh. § 310 BGB Rn. L 212; Schwab, AGB-Recht, Rn. 571; s. insbesondere auch BGH v. 17.02.2004 – XI ZR 140/03, NJW 2004, 1588 m.w. N.; BGH v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11; BGH v. 18.01.2017 – VIII ZR 263/15, DB 2017, 655 Rn. 26.

A. Volle Kontrollfähigkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

193

Der Umstand, dass § 315 BGB einseitige Bestimmungsrechte als mögliche Gestaltungsform ansieht, ändert nichts an dieser Bewertung. Denn darin liegt zwar eine gewisse Abweichung des Gesetzes selbst von seinem eigenen Grundsatz der Festlegung der Rechte und Pflichten im Vertrag.123 Das bedeutet aber keinesfalls, dass dieser Grundsatz außer Kraft gesetzt werden sollte oder eine Abweichung generell kontrollfrei zulässig wäre.124 Das Gesetz stellt mit dem § 315 BGB nur klar, dass einseitige Leistungsbestimmungsrechte und mit ihnen eine Abweichung vom Grundsatz der Festlegung von Leistung und Gegenleistung unter Umständen zulässig sein können.125 3. Zwischenergebnis Aus dem Gesagten ergibt sich, dass arbeitgeberseitige Leistungsbestimmungsrechte im Entgeltbereich der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB unterliegen. Denn sie weichen vom Vertragsprinzip und dem dazugehörigen Grundsatz der (vorherigen) beiderseitigen Festlegung der Leistung im Vertrag ab.126 Auch die Vertragsbindung wird teilweise unterlaufen.127 Neben der Kontrollfähigkeit dieser speziellen Leistungsbestimmungsrechte lässt sich daraus auch die grundsätzliche Kontrollfähigkeit einseitiger Leistungsbestimmungsrechte an sich ableiten. Unterstützt werden diese Ergebnisse nicht 122 So auch generell für einseitige Bestimmungsrechte zur erstmaligen Festlegung einer Leistung Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 Rn. 174; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 324; nach Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, S. 199 widerstreben einseitige Bestimmungsrechte im Bereich der Hauptpflichten dem Prinzip der Vertragstreue; a. A. wohl Hümmerich/Lücke/Mauer/Wisswede, § 1 Rn. 88. 123 Vgl. Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn. 4 ff., 28 ff.; Niebling, BB 1984, 1713, 1717. 124 Vgl. dazu Dylla-Krebs, Schranken der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen, S. 202. 125 Vgl. Dylla-Krebs, Schranken der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen, S. 200; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 173; Stoffels, AGBRecht, Rn. 441; Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn. 1. 126 S. dazu Kapitel 4 A. V. 2.; im Allgemeinen nehmen eine Abweichung vom Grundsatz der Festlegung von Leistung und Gegenleistung im Vertrag für einseitige Bestimmungsrechte zur erstmaligen Festlegung einer Leistung an: Ulmer/Brandner/Hensen/ Fuchs, § 307 Rn. 181; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 441; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, Anh. § 310 BGB Rn. L 212; Schwab, AGB-Recht, Rn. 571; s. insbesondere auch BGH v. 17.02.2004 – XI ZR 140/03, NJW 2004, 1588 m.w. N.; BGH v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11; BGH v. 18.01.2017 – VIII ZR 263/15, DB 2017, 655 Rn. 26. 127 So auch generell für einseitige Bestimmungsrechte zur erstmaligen Festlegung einer Leistung Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 Rn. 174; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 324; nach Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, S. 199 widerstreben einseitige Bestimmungsrechte im Bereich der Hauptpflichten dem Prinzip der Vertragstreue; a. A. wohl Hümmerich/Lücke/Mauer/Wisswede, § 1 Rn. 88.

194 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

zuletzt durch die Annahme, dass die Inhaltskontrolle den Regelfall darstellt und deshalb nur von einer Kontrollfreiheit ausgegangen werden kann, wenn der Ausnahmefall einer feststellbar fehlenden Abweichung bzw. Ergänzung von Rechtsvorschriften vorliegt.128 4. Kontrollfähigkeit unabhängig vom Charakter der Leistung Es stellt sich aber die Frage, ob bei den gegenständlichen Leistungsbestimmungsrechten eine abweichende Bewertung geboten ist, wenn das Bestimmungsrecht sich nicht auf eine im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Leistung (z. B. Leistungsbonus) bezieht, sondern auf eine Sonderzahlung (z. B. Hochzeitsgeld).129 Paraphrasiert wird der aus § 311 BGB gezogene Grundsatz nämlich meistens mit der Aussage, er gehe von einer Festlegung von Leistung und Gegenleistung aus.130 Sonderzahlungen könnten arbeitsrechtlich aber auch als nicht zur Gegenleistung gehörend angesehen werden.131 Jedoch ist der Grundsatz dahingehend zu verstehen, dass alle regelungsbedürftigen Dinge auch beiderseitig im Vertrag geregelt werden.132 Dazu gehört auch eine freiwillige Sonderzahlung, wenn der Arbeitgeber diese dem Arbeitnehmer versprechen will. Das Vertragsprinzip geht davon aus, dass Schuldverhältnisse zweiseitig durch Vertrag begründet und auch geändert werden und deshalb Bindungswirkung für beide Parteien haben. Sie unterliegen dem gemeinsamen Willen der Parteien, der den Rechtsgrund für das Schuldverhältnis darstellt.133 Damit eine Bindungswirkung entsteht, müssen Rechte oder Pflichten im Vertrag geregelt werden. Ansonsten gilt das dispositive Recht. Dieses räumt aber kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht ein und legt ebenso wenig Sonderzahlungen fest. Wollen die Parteien eine solche Pflicht regeln, geht das Vertragsprinzip davon aus, dass sie dies im Vertrag

128

S. dazu Kapitel 4 A. II. Zur Feststellung des Gegenleistungscharakter s. Kapitel 4 B. IV. 6. 130 BGH v. 09.07.1981 – VII ZR 139/80, NJW 1981, 2351; BGH v. 17.02.2004 – XI ZR 140/03, NJW 2004, 1588 m.w. N.; BGH v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11; BGH v. 18.01.2017 – VIII ZR 263/15, DB 2017, 655; Schwab, AGB-Recht, Rn. 571. 131 Vgl. zu dieser Problematik HK-ArbR/Boemke, § 611a BGB Rn. 323 ff.; Salamon/Wessels, BB 2017, 885, 886; Salamon, NZA 2014, 465, 467; Sonderzahlungen generell als Gegenleistung sehen: BeckOK-ArbR/Joussen, § 611a BGB Rn. 218 ff.; NKArbR/Brors, § 611 BGB Rn. 669 ff.; ErfK/Preis, § 611a BGB Rn. 527 ff.; Bayreuther, BB 2009, 102, 106. 132 Vgl. Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, Anh. § 310 BGB Rn. L 212; Staudinger/ Rieble, § 315 BGB Rn. 6 f., der bei einseitigen Leistungsbestimmungsrechten von einer Lockerung des Bestimmtheitsgebots ausgeht. 133 Vgl. Soergel/Gröschler, § 311 BGB Rn. 4, 9; Staudinger/Löwisch/Feldmann, § 311 BGB Rn. 5; HKK/Thier, § 311 BGB Rn. 1; Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, S. 26 ff. 129

A. Volle Kontrollfähigkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

195

tun. Zur Regelung einer solchen Pflicht gehört aber auch deren inhaltliche Ausgestaltung, die deshalb nach diesem Grundsatz im Vertrag zu geschehen hat. Somit weichen einseitige Leistungsbestimmungsrechte zur Festlegung der Höhe einer Sonderzahlung gleichermaßen von den oben genannten Grundsätzen aus § 311 BGB ab. Eine andere Bewertung ist im Rahmen der Kontrollfähigkeit nicht geboten. So spricht auch bei Sonderzahlungen der Charakter der Inhaltskontrolle als Regelfall und die damit einhergehende Meinung, dass hauptsächlich deklaratorische Klauseln und solche, die die Leistung festlegen, der Inhaltskontrolle entzogen sein sollen, dafür, bei der Bewertung der Klauseln als kontrollfähig zu bleiben.134 Der Charakter als Gegen- oder Sonderleistung, der ohnehin nicht immer problemlos festzustellen ist, kann dabei keinen Unterschied machen. Geht man im Rahmen der Frage, ob eine Hauptleistungspflicht unmittelbar festgelegt wird, davon aus, dass auch Sonderleistungen eine solche Pflicht darstellen135, kann hier keine andere Maßgabe gelten. 5. Ergebnisse zur Abweichung von Rechtsvorschriften Arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte weichen vom Vertragsprinzip und dem dazugehörigen Grundsatz der (vorherigen) beiderseitigen Festlegung der Leistung im Vertrag ab.136 Auch die Vertragsbindung wird teilweise unterlaufen.137 Eine Abweichung vom Grundsatz der Vertragsbindung im engeren Sinne ist zwar nicht festzustellen.138 Denn der Arbeitgeber bleibt an das Leistungsversprechen und an die Ausübung des Bestimmungsrechts im Rahmen der vertraglichen Regelung gebunden. Bestimmungsvorbehalte relativieren das Leistungsversprechen allerdings und ermöglichen es dem Arbeitgeber unter Umständen sogar, 134

S. dazu Kapitel 4 A. II. S. dazu Kapitel 4 A. IV. 136 S. dazu Kapitel 4 A.V. 2.; im Allgemeinen nehmen eine Abweichung vom Grundsatz der Festlegung von Leistung und Gegenleistung im Vertrag für einseitige Bestimmungsrechte zur erstmaligen Festlegung einer Leistung an: Ulmer/Brandner/Hensen/ Fuchs, § 307 Rn. 181; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 441; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, Anh. § 310 BGB Rn. L 212; Schwab, AGB-Recht, Rn. 571; s. insbesondere auch BGH v. 17.02.2004 – XI ZR 140/03, NJW 2004, 1588 m.w. N.; BGH v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11; BGH v. 18.01.2017 – VIII ZR 263/15, DB 2017, 655 Rn. 26. 137 So auch generell für einseitige Bestimmungsrechte zur erstmaligen Festlegung einer Leistung Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 Rn. 174; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 324; nach Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, S. 199 widerstreben einseitige Bestimmungsrechte im Bereich der Hauptpflichten dem Prinzip der Vertragstreue; a. A. wohl Hümmerich/Lücke/Mauer/Wisswede, § 1 Rn. 88. 138 S. Kapitel 4 A. V. 1. 135

196 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

sich durch die Festlegung der Leistung auf null ganz von seinem vertraglichen Versprechen zu lösen. Der Grundsatz der Vertragsbindung kann außerdem nicht ausschließlich als Bindung an vertragliche Regelungen verstanden werden.139 Zu betrachten sind auch die in § 311 BGB kodifizierten Prinzipien. Gemeint ist einmal das Vertragsprinzip140, welches besagt, dass sowohl zur Begründung von Rechtsbeziehungen und zur Herstellung einer Rechtsbindung als auch zur Änderung oder Erweiterung von Schuldverhältnissen im Grundsatz ein Vertrag nötig ist. Darüber hinaus beinhaltet § 311 BGB den Grundsatz, dass Leistung und Gegenleistung (zweiseitig) im Vertrag festgelegt werden.141 Nach diesen Grundsätzen müsste eine Leistung im Vertrag konkret festgelegt werden oder aber, wenn sie erst im Nachhinein festgelegt werden soll, nachträglich von beiden Parteien übereinstimmend durch Vertrag bestimmt werden.142 Davon weichen Bestimmungsvorbehalte ab, da bei ihnen die jeweilige Leistung gerade nicht im Vertrag festgelegt, sondern vom Arbeitgeber zu bestimmen ist.143 Das gilt im Übrigen auch für Bestimmungsvorbehalte über Sonderzahlungen, da die genannten Grundsätze so zu verstehen sind, dass alle regelungsbedürftigen Dinge beiderseitig im Vertrag zu regeln sind.144

139

S. dazu Kapitel 4 A.V. 2. S. dazu MüKo-BGB/Emmerich, § 311 BGB Rn. 1 ff.; Soergel/Gröschler, § 311 BGB Rn. 1 ff.; Staudinger/Löwisch/Feldmann, § 311 BGB Rn. 1 ff.; HKK/Thier, § 311 BGB Rn. 1 ff.; Tonner/Willingmann/Tamm/Hirse, § 311 BGB Rn. 4. 141 So BGH v. 09.07.1981 – VII ZR 139/80, NJW 1981, 2351; BGH v. 17.02.2004 – XI ZR 140/03, NJW 2004, 1588 m.w. N.; BGH v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11; BGH v. 18.01.2017 – VIII ZR 263/15, DB 2017, 655; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, Anh. § 310 BGB Rn. L 212; Schwab, AGB-Recht, Rn. 571; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 Rn. 181; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 441; dieses Argument und die Kontrollfähigkeit einseitiger Leistungsbestimmungsrechte zur erstmaligen Festlegung einer Leistung lehnt ab Dylla-Krebs, Schranken der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen, S. 202; Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn. 6 f. nennt die Wirkung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte eine Lockerung des Bestimmtheitsgebots; s. auch Niebling, BB 1984, 1713, 1717, der den Grundsatz nicht aus § 311 BGB ableitet, sondern als vom BGB vorausgesetzt sieht. 142 Eine Änderung oder Erweiterung bedarf ebenfalls des Vertrages: MüKo-BGB/ Emmerich, § 311 BGB Rn. 1; Soergel/Gröschler, § 311 BGB Rn. 1, 39 ff.; HKK/Thier, § 311 BGB Rn. 1; Staudinger/Löwisch/Feldmann, § 311 BGB Rn. 60 ff.; Tonner/Willingmann/Tamm/Hirse, § 311 BGB Rn. 4; Bähr, Grundzüge des Bürgerlichen Rechts, 109. 143 S. dazu bereits oben Kapitel 1 B. II. Die bei den einseitigen Leistungsbestimmungsrechten erfolgte Bestimmung der Leistung als „offen“ und die Regelung, wie sie endgültig festzusetzen ist, kann nicht als Festlegung der Leistung in diesem Sinne gesehen werden, da die Leistung gerade nicht im Vertrag, sondern im Nachhinein festgelegt wird. So aber wohl Dylla-Krebs, Schranken der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen, S. 200 ff., die damit auch eine kontrollfreie unmittelbare Festlegung der Hauptleistung annimmt. 144 S. Kapitel 4 A.V. 4. 140

A. Volle Kontrollfähigkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

197

VI. Ergebnisse Arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte unterliegen vollständig der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB. Die Kontrollfähigkeit von AGB stellt den Regelfall dar, die Kontrollfreiheit die Ausnahme.145 Das ergibt sich insbesondere aus der systematischen Stellung der gesetzlichen Regelung zur Kontrollfreiheit sowie aus dem Zweck des AGBRechts und entspricht dem Willen des Gesetzgebers. Gleichzeitig zeigt die Formulierung des § 307 Abs. 3 S. 1 BGB, dass dennoch eine Begründungslast für das Vorliegen der Kontrollfähigkeit besteht.146 Es muss eine Abweichung oder Ergänzung von Rechtsvorschriften festgestellt werden, da ansonsten die Ausnahme in Form der Kontrollfreiheit greift. Die Begründungslast stellt also eine Art Negativprüfung der Ausnahmen von der Kontrollfähigkeit dar. Arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte erfüllen diese Voraussetzungen und sind deshalb kontrollfähig nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB. Sie sind nicht als deklaratorische Klauseln kontrollfrei, da sie dem Arbeitgeber konstitutiv ein Leistungsbestimmungsrecht einräumen. Sie wiederholen damit nicht den Gehalt des § 315 BGB, der von sich aus keine Leistungsbestimmungsrechte begründet.147 Ebenso wenig nutzen sie einen gesetzlich eingeräumten Gestaltungsspielraum, da § 315 Abs. 1 BGB nur eine Auslegungsregel beinhaltet und keinen solchen Spielraum enthält.148 Etwas anderes gilt für Klauseln, die kein Leistungsbestimmungsrecht einräumen, sondern sich auf ein anderweitig wirksam eingeräumtes Bestimmungsrecht beziehen und ausschließlich klarstellen, dass nach billigem Ermessen zu entscheiden ist, wenn das nach § 315 Abs. 1 BGB ohnehin der Fall gewesen wäre.149 Derartige Klauseln wiederholen bloß den Inhalt des § 315 BGB und sind deshalb kontrollfrei. Die gegenständlichen arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalte sind außerdem nicht deshalb kontrollfrei, weil sie eine Hauptleistungspflicht unmittelbar festlegen. Sie stellen vielmehr eine Ausgestaltung bzw. Modifizierung einer Leistung dar.150 Der kontrollfreie Bereich der Hauptleistungspflichten ist eng zu ziehen und betrifft nur Klauseln, deren Angemessenheit vom Markt gewährleistet wird oder bei denen kein Kontrollmaßstab gefunden werden kann.151 Das ist nicht der Fall, wenn eine Leistung eingeschränkt, verändert, ausgestaltet oder

145

S. dazu Kapitel 4 A. II. 2. S. Kapitel 4 A. II. 3. 147 S. Kapitel 4 A. III. 1. 148 S. Kapitel 4 A. III. 2. 149 S. Kapitel 4 A. III. 3. 150 S. Kapitel 4 A. IV. 2. d). 151 S. dazu und zu den folgenden generellen Aussagen bezüglich der Kontrollfreiheit im Bereich der Hauptleistungspflichten Kapitel 4 A. IV. 1. 146

198 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

modifiziert wird, da solche Regelungen die Abschlussentscheidung weniger beeinflussen als die essentialia negotii. So liegt es aber bei arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten, denen der durchschnittliche Arbeitnehmer weniger Aufmerksamkeit schenken wird als der konkreten Festlegung einer Leistung.152 Derartige Bestimmungsvorbehalte nehmen dem Arbeitnehmer außerdem eine Vergleichsmöglichkeit, über die der Markt Einfluss auf die vertragliche Ausgestaltung nehmen könnte.153 Denn der Arbeitnehmer kann nicht sicher erkennen, in welcher Höhe die Leistung gewährt werden soll, und deshalb keinen Vergleich mit anderen potentiellen Arbeitgebern anstellen. Ferner kann ein Arbeitnehmer ohnehin nicht ohne weiteres auf einen anderen Arbeitgeber ausweichen, wodurch der Einfluss des Marktes weiter funktionsgemindert ist.154 Die Angemessenheit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte wird folglich nicht vom Markt gewährleistet, so dass diese nicht wegen eines Bezugs zur Hauptleistungspflicht kontrollfrei sind. Letztlich sind Bestimmungsvorbehalte kontrollfähig, weil sie von Rechtsvorschriften abweichen. Der Arbeitgeber löst sich mit der Verwendung entgeltrelevanter Bestimmungsvorbehalte vom Vertragsprinzip und dem dazugehörigen Grundsatz der (vorherigen) beiderseitigen Festlegung der Leistung im Vertrag.155 Auch die Vertragsbindung wird teilweise unterlaufen.156 Arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte weichen zwar nicht vom Grundsatz der Vertragsbindung im engeren Sinne ab.157 Denn der Arbeitgeber bleibt an das Leistungsversprechen und an die Ausübung des Bestimmungsrechts im Rahmen der vertraglichen Regelung gebunden. Die Übertragung des Bestimmungsrechts bezüglich der Leistungshöhe relativiert das Leistungsversprechen allerdings und ermöglicht es dem Arbeitgeber unter Umständen sogar, sich durch die Festlegung der Leistung auf null ganz von seinem vertraglichen Versprechen zu lösen. Diese

152

S. Kapitel 4 A. IV. 2. a). S. Kapitel 4 A. IV. 2. a). 154 S. Kapitel 4 A. IV. 2. b). 155 S. dazu Kapitel 4 A.V. 2.; im Allgemeinen nehmen eine Abweichung vom Grundsatz der Festlegung von Leistung und Gegenleistung im Vertrag für einseitige Bestimmungsrechte zur erstmaligen Festlegung einer Leistung an: Ulmer/Brandner/Hensen/ Fuchs, § 307 Rn. 181; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 441; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, Anh. § 310 BGB Rn. L 212; Schwab, AGB-Recht, Rn. 571; s. insbesondere auch BGH v. 17.02.2004 – XI ZR 140/03, NJW 2004, 1588 m.w. N.; BGH v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11; BGH v. 18.01.2017 – VIII ZR 263/15, DB 2017, 655 Rn. 26. 156 So auch generell für einseitige Bestimmungsrechte zur erstmaligen Festlegung einer Leistung Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 Rn. 174; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 324; nach Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, S. 199 widerstreben einseitige Bestimmungsrechte im Bereich der Hauptpflichten dem Prinzip der Vertragstreue; a. A. wohl Hümmerich/Lücke/Mauer/Wisswede, § 1 Rn. 88. 157 S. Kapitel 4 A.V. 1. 153

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 199

Relativierung wird verstärkt durch eine Abweichung vom Vertragsprinzip158 sowie von dem Grundsatz aus § 311 BGB, dass Leistung und Gegenleistung (zweiseitig) im Vertrag festgelegt werden.159 Nach diesen Grundsätzen müsste eine Leistung im Vertrag festgelegt oder nachträglich von beiden Parteien übereinstimmend bestimmt werden.160 Davon weichen Bestimmungsvorbehalte ab, da bei ihnen die jeweilige Leistung gerade nicht im Vertrag festgelegt, sondern vom Arbeitgeber zu bestimmen ist.161 Das gilt im Übrigen auch für Bestimmungsvorbehalte über Sonderzahlungen, da die genannten Grundsätze so zu verstehen sind, dass alle regelungsbedürftigen Dinge beiderseitig im Vertrag zu regeln sind.162

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte im Entgeltbereich Es stellt sich nun die Frage, welche Auswirkungen die Anwendbarkeit der Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB auf die Einräumung und Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte im Entgeltbereich hat. Zunächst könnten solche Rechte generell oder bei Fehlen eines berechtigten Interesses als unangemessen angesehen werden.163 Im Gleichlauf mit der Bewertung von Widerrufsvorbehalten könnte außerdem eine unangemessene Benachteiligung bei einem Eingriff in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses an158

S. dazu Kapitel 4 A.V. 2. So BGH v. 09.07.1981 – VII ZR 139/80, NJW 1981, 2351; BGH v. 17.02.2004 – XI ZR 140/03, NJW 2004, 1588 m.w. N.; BGH v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11; BGH v. 18.01.2017 – VIII ZR 263/15, DB 2017, 655; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, Anh. § 310 BGB Rn. L 212; Schwab, AGB-Recht, Rn. 571; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 Rn. 181; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 441; dieses Argument und die Kontrollfähigkeit einseitiger Leistungsbestimmungsrechte zur erstmaligen Festlegung einer Leistung lehnt ab Dylla-Krebs, Schranken der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen, S. 202; Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn. 6 f. nennt die Wirkung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte eine Lockerung des Bestimmtheitsgebots; s. auch Niebling, BB 1984, 1713, 1717, der den Grundsatz nicht aus § 311 BGB ableitet, sondern als vom BGB vorausgesetzt sieht. 160 Eine Änderung oder Erweiterung bedarf ebenfalls des Vertrages: MüKo-BGB/ Emmerich, § 311 BGB Rn. 1; Soergel/Gröschler, § 311 BGB Rn. 1, 39 ff.; HKK/Thier, § 311 BGB Rn. 1; Staudinger/Löwisch/Feldmann, § 311 BGB Rn. 60 ff.; Tonner/Willingmann/Tamm/Hirse, § 311 BGB Rn. 4; Bähr, Grundzüge des Bürgerlichen Rechts, 109. 161 S. dazu bereits oben Kapitel 1 B. II. Die bei den einseitigen Leistungsbestimmungsrechten erfolgte Bestimmung der Leistung als „offen“ und die Regelung, wie sie endgültig festzusetzen ist, kann nicht als Festlegung der Leistung in diesem Sinne gesehen werden, da die Leistung gerade nicht im Vertrag, sondern im Nachhinein festgelegt wird. So aber wohl Dylla-Krebs, Schranken der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen, S. 200 ff., die damit auch eine kontrollfreie unmittelbare Festlegung der Hauptleistung annimmt. 162 S. Kapitel 4 A.V. 4. 163 S. dazu Kapitel 4 B. III. 159

200 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

genommen werden.164 Relevant wird dabei vor allem, wie ein solcher Eingriff festgestellt werden kann, da die Leistung vor Ausübung des Bestimmungsrechts noch gar nicht beziffert ist. Im Anschluss an die Ausführungen zum Kernbereichseingriff wird herausgearbeitet, weshalb die gegenständlichen Bestimmungsvorbehalte auf billiges Ermessen zu beschränken165 und darüber hinaus noch weiter zu konkretisieren sind166. Dabei ist insbesondere auch ein Blick auf das Verhältnis eines einseitigen Bestimmungsrechts über eine gegenseitige Leistung zum vertraglichen Synallagma und Äquivalenzverhältnis zu werfen.167 Abschließend folgt eine kurze Darstellung der Kompensationsmöglichkeiten einer unangemessenen Benachteiligung.168 Diese in der Angemessenheitskontrolle zu prüfenden Aspekte, dabei auftretende Probleme und mögliche Auswirkungen auf die Wirksamkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte werden in einer vorangestellten Übersicht näher beschrieben.169 Davor werden die normativen Grundlagen der Angemessenheitskontrolle nach § 307 BGB skizziert, wobei darauf einzugehen ist, ob schon vorab festgelegt werden kann, nach welchem Tatbestand des § 307 BGB die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte durchzuführen ist.170

I. Vorüberlegung: anwendbare Tatbestände des § 307 BGB Bevor die einzelnen Anforderungen an die Ausgestaltung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte erörtert werden, sollen hier die normativen und inhaltlichen Grundlagen der Angemessenheitskontrolle nach § 307 BGB kurz dargestellt werden. Möglich ist eine Prüfung nach § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 oder Abs. 2 Nr. 2 BGB. In der Rechtsprechung wird oftmals nicht zwischen diesen Tatbeständen unterschieden und eine etwaige Unwirksamkeit oder Angemessenheit pauschal nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB festgestellt.171 Auch wenn dem zuzugeben ist, dass sich die Tatbestände in ihren Grundgedanken und im Ergebnis kaum oder sogar gar nicht unterscheiden, variiert doch die konkret anzuführende Begründung der Unwirksamkeit. Aus diesem Grund sowie aus dogmatischer 164

S. dazu Kapitel 4 B. IV. S. dazu Kapitel 4 B. V. 166 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 167 S. dazu Kapitel 4 B. VI. 168 S. Kapitel 4 B. VIII. 169 S. dazu Kapitel 4 B. II. 170 Nachfolgend unter Kapitel 4 B. I. 171 Vgl. dazu Kapitel 2; s. zur Rechtsprechungstendenz, nicht zwischen Abs. 1 und Abs. 2 zu unterscheiden, auch: Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 57; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 224, 227; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 97 m.w. N.; für die hier relevanten einseitigen Leistungsbestimmungsrechte: BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970 Rn. 28; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150 Rn. 36. 165

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 201

Sicht ist eine Unterscheidung nötig, nach welchem Tatbestand die Unangemessenheit im Rahmen dieser Arbeit geprüft werden soll. Die Tatbestände des § 307 Abs. 2 BGB172 werden allgemein als Konkretisierung des offeneren Tatbestands der unangemessenen Benachteiligung in Abs. 1 gesehen.173 Obwohl Uneinigkeit über das genaue Verhältnis und den Anwendungsbereich der Tatbestände des Abs. 2 untereinander und zu Abs. 1 besteht174, so ist doch richtigerweise weitgehend anerkannt, dass jedem dieser Tatbestände ein gewisser Anwendungsbereich zukommt. Abs. 2 Nr. 1 ist anwendbar, wenn eine leitbildfähige gesetzliche Regelung existiert, von der die zu untersuchende Klausel in einer Weise abweicht, die nicht mit dem Grundgedanken dieser Regelung zu vereinbaren ist.175 Abs. 2 Nr. 2 hat einen eigenen Anwendungsbereich für die Aushöhlung der Kardinalpflichten bzw. wesentlicher Rechte und Pflichten aus der Natur des Vertrages und ist darüber hinaus bei nicht geregelten Vertragstypen oder Regelungsgegenständen heranzuziehen.176 Abs. 1 S. 1 kommt ein 172 Es ist nicht abschließend geklärt, welchen Charakter die Unwirksamkeitsgründe aus Abs. 2 haben. Das soll hier nicht weiter vertieft werden, da der Frage im Rahmen dieser Arbeit keine Relevanz zukommt. Abs. 2 als widerlegliche Vermutung sieht: Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 74, 96, 100 ff.; als selbstständige Sondertatbestände: Stoffels, AGB-Recht, Rn. 497 ff.; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 222 ff.; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 57; als Regelbeispiele: Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 196; es wird auch von einer gewissen Umkehr der Darlegungslast gesprochen: MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 65; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 195. 173 Vgl. MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 23, 65; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 496; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 220. 174 Vgl. zum Verhältnis von Abs. 1 und Abs. 2: Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 227, der Abs. 2 für vorrangig hält; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 74, 98, der Abs. 1 neben Abs. 2 für anwendbar hält und eine gewisse Wechselwirkung der beiden Absätze feststellt; eine Anwendbarkeit des Abs. 1 bei einer nach Abs. 2 unbedenklichen Klausel für kaum vorstellbar halten: MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 25; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 9; vgl. zum Verhältnis von Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 die folgenden Autoren, die beide Absätze für nebeneinander anwendbar halten: Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 70, 97; MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 72: der Unterschied ist mit der Lupe zu suchen; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 58; es wird auch ausgeführt, dass sich beide Tatbestände (Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2) überlappen und ergänzen: Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 31; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 197; einen tendenziellen Anwendungsvorrang des Abs. 2 Nr. 1 bejahen: Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 197; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 501: grundsätzlich Vorrangstellung; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 264; als Auffangvorschrift bezeichnen Abs. 2 Nr. 2: Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 72; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 522. 175 Vgl. zum Grundgedanken des Abs. 2 Nr. 1: Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 229; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 59; s. auch Stoffels, AGBRecht, Rn. 502; MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 67 f.; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 193. 176 Vgl. Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 193, 197, 238; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 501; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 261, 264 f.; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 31; MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 72.

202 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

eigenständiger Anwendungsbereich für alle weiteren, nicht von Abs. 2 erfassten Gestaltungen zu.177 Welcher Tatbestand in der Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte anzuwenden ist, lässt sich an dieser Stelle allerdings nicht abstrakt festlegen. Denn die soeben dargestellte Abgrenzung der verschiedenen Tatbestände zeigt, dass die Anwendbarkeit sich nicht nur nach der Art der jeweiligen Klausel, sondern auch nach deren konkreter Ausgestaltung richtet. Verschiedene Aspekte einer Klausel können also nach verschiedenen Tatbeständen des § 307 BGB geprüft werden. Es wäre beispielsweise denkbar, dass ein Bestimmungsvorbehalt, der eine Leistungsbestimmung nach freiem Ermessen erlaubt, i. S. d. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB vom Leitbild des § 315 BGB abweicht, wonach ein Leistungsbestimmungsrecht nach billigem Ermessen auszuüben ist. Das bedeutet jedoch nicht, dass nicht zusätzlich überprüft werden kann, ob ein solcher Vorbehalt nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB aus anderen Gründen unangemessen benachteiligend ist. So spielt es hier auch keine Rolle, ob die Tatbestände des Abs. 2 für ihren Bereich abschließend sind, was teilweise vertreten wird.178 Denn selbst wenn ein Tatbestand als abschließend anzusehen ist, kann er diese Ausschlusswirkung nur für den konkret geprüften Aspekt entfalten. Aus diesen Gründen wird im Rahmen der Darstellung der einzelnen Ausgestaltungsanforderungen erörtert, aus welchem Tatbestand des § 307 BGB sich diese jeweils ergeben.

II. Übersicht: Die Voraussetzungen der Angemessenheit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte In den folgenden Abschnitten wird die Angemessenheit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte näher untersucht. Dabei muss einerseits darauf eingegangen werden, unter welchen materiellen Voraussetzungen die Einräumung derartiger Rechte angemessen ist. Andererseits ist zu erörtern, welche Anforderungen bei der Vertragsgestaltung einzuhalten sind, damit die Klausel den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligt. Da für die konkrete Überprüfung der Angemessenheit eine Fülle von Aspekten relevant werden kann, soll hier ein erster Überblick gegeben werden.

177 Vgl. zum eigenständigen Anwendungsbereich des Abs. 1: Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 94 f.; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 85 f., 227; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 550. 178 Vgl. Stoffels, AGB-Recht, Rn. 497 ff., 550 und Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 85 f., 222 ff., nach denen die Tatbestände aus Abs. 2 für ihren Bereich abschließend sind und Abs. 1 ein eigenständiger Anwendungsbereich zukommt.

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 203

1. Unangemessene Benachteiligung durch bloße Existenz eines Bestimmungsvorbehalts? Von prinzipieller Bedeutung für die Angemessenheitskontrolle ist, ob die bloße Existenz eines arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalts den Arbeitnehmer benachteiligt. Dann müsste für die Angemessenheit nämlich ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers vorliegen, das diese Benachteiligung rechtfertigt. Das bliebe zwar zunächst ohne Einfluss auf die vertragliche Ausgestaltung, stellt aber eine dieser vorgelagerte grundlegende Anforderung dar. Denn wenn eine derartige Rechtfertigung nötig ist, muss bereits jede Klausel unabhängig von ihrer konkreten Ausgestaltung als unangemessen verworfen werden, an der kein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers besteht. Dieser Aspekt gewinnt zusätzlich an Relevanz, weil eine Diskrepanz in der Rechtsprechung besteht. Der BGH fordert in seiner Rechtsprechung zu einseitigen Leistungsbestimmungsrechten wie auch das BAG bei der AGB-Kontrolle von Widerrufsvorbehalten regelmäßig das Vorliegen eines berechtigten Interesses des Verwenders an der flexiblen Vertragsgestaltung.179 In den Entscheidungen des BAG zu arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten findet dieses Kriterium hingegen keine Erwähnung.180 Nicht zuletzt würde eine in diesem Zusammenhang festzustellende Benachteiligung einen grundlegenden Ausgangspunkt für die weitere Kontrolle der Angemessenheit im Zusammenhang mit der vertraglichen Ausgestaltung bieten. Aus diesen Gründen ist in der Angemessenheitskontrolle zuerst von Interesse, ob die Einräumung eines arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalts an sich bereits der Rechtfertigung bedarf und wann ein dafür ausreichendes Interesse des Arbeitgebers vorliegt.181 2. Der Schutz des Kernbereichs des Arbeitsverhältnisses bei arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten Einen erheblichen Einfluss auf die vertragliche Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte hat die Problematik, ob und wie der Kernbereich des Arbeitsverhältnisses vor einem einseitigen Zugriff zu schützen ist. Dieser Punkt wirft eine Reihe ungeklärter Fragen auf. 179 S. dazu bereits Kapitel 2 C. und D. II. Vgl. zu einseitigen Leistungsbestimmungsrechten insbesondere BGH v. 26.11.1984 – VIII ZR 214/83, NJW 1985, 623; BGH v. 12.01.1994 – VIII ZR 165/92, BGHZ 124, 351; BGH v. 06.10.1999 – VIII ZR 125/98, BGHZ 142, 358; BGH v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11 Rn. 39; im Rahmen von § 9 AGBG genauso BGH v. 19.10.1999 – XI ZR 8/99, NJW 2000, 651 Rn. 18; vgl. zu Widerrufsvorbehalten BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 1943; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777. 180 S. etwa BAG v. 03.08.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334; s. zu dieser Rechtsprechung auch unter Kapitel 2 B. II. 2. 181 S. dazu Kapitel 4 B. III.

204 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

Das Verbot, in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses einzugreifen, ist in der Rechtsprechung des BAG seit langer Zeit fester Bestandteil der AGB-Kontrolle von Widerrufsvorbehalten.182 Danach sind Klauseln unwirksam, wenn wesentliche Elemente des Arbeitsvertrages einer einseitigen Änderung unterliegen sollen, durch die das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung grundlegend gestört wird.183 Zunächst drängt sich die Frage auf, ob der Kernbereichsschutz bei arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten überhaupt anwendbar ist, da gar keine Leistung geändert, sondern festgelegt wird.184 Trotzdem könnte diese Leistung Teil des Äquivalenzverhältnisses sein. Der Schutz des Kernbereichs könnte außerdem nicht als reines Verbot der Änderung des Äquivalenzverhältnisses, sondern als Verbot verstanden werden, einen Kernbereich zu gewährender Leistungen anzutasten.185 Nach wie vor ist außerdem nicht eindeutig geklärt, woraus sich ergeben soll, dass es einen absolut geschützten Kernbereich des Arbeitsverhältnisses gibt. Einerseits wird den Vorschriften des KSchG entnommen, dass sie einen Kernbereich des Arbeitsverhältnisses schützen, der einseitig nur unter den Voraussetzungen einer Änderungskündigung nach §§ 1, 2 KSchG angetastet werden dürfe.186 Andererseits wird darauf abgestellt, dass dem Arbeitnehmer nicht das Wirtschaftsrisiko – d.h. das Risiko, dass die Arbeitsleistung wegen schlechter wirtschaftlicher Lage für den Arbeitgeber nutzlos wird – übertragen werden dürfe.187

182 S. etwa BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87 Rn. 21 f.; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777; s. dazu Kapitel 2 D. II. 2. a). 183 Vgl. BAG v. 07.10.1982 – 2 AZR 455/80, BAGE 40, 199; BAG v. 31.01.1985 – 2 AZR 393/83, EzBAT § 8 BAT Direktionsrecht Nr. 3 m.w. N.; BAG v. 15.11.1995 – 2 AZR 521/95, NZA 1996, 603; BAG v. 15.08.2000 – 1 AZR 458/99, zitiert nach juris. 184 S. dazu Kapitel 4 B. IV. 1. 185 Vgl. dazu Däubler/Bonin/Deinert/Dorndorf/Bonin, § 308 Nr. 4 BGB Rn. 36. 186 Vgl. insbesondere BAG v. 07.10.1982 – 2 AZR 455/80, BAGE 40, 199; BAG v. 31.01.1985 – 2 AZR 393/83, EzBAT § 8 BAT Direktionsrecht Nr. 3 m.w. N.; BAG v. 13.05.1987 – 5 AZR 125/86, NZA 1988, 95; BAG v. 15.11.1995 – 2 AZR 521/95, NZA 1996, 603; BAG v. 15.08.2000 – 1 AZR 458/99, zitiert nach juris; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87 Rn. 21 f.; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 308 Nr. 4 BGB Rn. 35; s. dazu auch Singer, Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen, S. 15, der die Herleitung des Kernbereichsschutzes aus dem KSchG ablehnt. 187 Vgl. BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87; LAG Hessen v. 04.05.2009 – 7 Sa 1607/08, zitiert nach juris; Singer, RdA 2006, 362, 368; Stoffels, NZA 2017, 1217, 1219; Reinfelder, NZA-Beil. 2014, 10, 15; Clemenz/Kreft/Krause/ Krause, Einführung Rn. 72; zum Wirtschaftsrisiko s. ErfK/Preis, § 615 BGB Rn. 121; HK-ArbR/Boemke, § 615 BGB Rn. 33 m.w. N.; Hanau/Adomeit, Arbeitsrecht, Rn. 817; Lindemann, Flexible Gestaltung von Arbeitsbedingungen, S. 188 ff.; s. dazu auch BeckOK-ArbR/Joussen, § 615 BGB Rn. 89 ff.

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 205

Möglicherweise könnte sich das Verbot, den Kernbereich durch Regelungen in AGB anzutasten, aber auch direkt aus § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB ergeben.188 Eine wesentliche Problematik beinhalten darüber hinaus die abstrakte Definition bzw. Festlegung des Kernbereichs189 sowie die daraus folgenden Anforderungen an die Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte. Bei Widerrufsvorbehalten wird gefordert, dass die widerrufliche Leistung nicht 25 bzw. 30 % oder mehr des Gesamtverdienstes ausmachen darf.190 Diese Werte könnten auf arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte übertragen werden; denkbar wäre aber auch eine Festlegung des Kernbereichs im Einzelfall. Von Interesse ist in jedem Fall, welchen Einfluss der Entgeltcharakter der Leistung auf die Bestimmung des Kernbereichs hat.191 Daran schließt sich unmittelbar die Frage an, welche Leistungen Gegenleistungscharakter haben und wie dieser zu bestimmen ist.192 Die Einschätzungen dazu fallen unterschiedlich aus. Man könnte den Kreis eng ziehen und Leistungen wie etwa dem Weihnachtsgeld den Gegenleistungscharakter absprechen. Nicht ausgeschlossen wäre es aber auch, in das Gegenseitigkeitsverhältnis alle Leistungen einzubeziehen, die in irgendeinem Zusammenhang zur Arbeitsleistung stehen. Die Überprüfung, ob der abstrakt definierte Kernbereich im Einzelfall geschützt ist, stößt letztlich auf das Problem, dass die Leistung bei arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten nicht vertraglich festgelegt ist. Wie also soll etwa die Einhaltung prozentualer Werte festgestellt werden? Zur Beantwortung dieser Frage ist die konkrete Vertragsgestaltung zu betrachten.193 Das BAG erachtet Bestimmungsvorbehalte, die keinen ausdrücklichen Kernbereichsschutz enthalten, aber nach billigem Ermessen auszuüben sind, regelmäßig für wirksam.194 Dem könnte entnommen werden, dass bereits durch die Bindung an billiges Ermessen der Kernbereich ausreichend geschützt wird. Da die Leistung dennoch jegliche Höhe annehmen kann, erscheinen die Festlegung eines Leistungsrahmens oder einer prozentualen Obergrenze als geeigneter, den Kernbereichsschutz zu garantieren. 188

S. dazu Kapitel 4 B. IV. 2. S. dazu Kapitel 4 B. IV. 3. und B. IV. 5. 190 BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 07.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777. 191 S. dazu Kapitel 4 B. IV. 5. b) und B. IV. 5. c). 192 S. dazu Kapitel 4 B. IV. 6. 193 S. dazu Kapitel 4 B. IV. 7. 194 BAG v. 26.09.2012 – 10 AZR 370/11, zitiert nach juris; BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148; BAG v. 17.10.2012 – 10 AZR 620/11, zitiert nach juris; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 636/11, zitiert nach juris. 189

206 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

3. Mindestinhalt „billiges Ermessen“? Eine gewichtige Anforderung an die vertragliche Gestaltung könnte sich ferner aus der Bindung der Entscheidung an billiges Ermessen ergeben. In Literatur und Rechtsprechung besteht Einigkeit, dass Leistungsbestimmungsrechte grundsätzlich nach billigem Ermessen auszuüben sind.195 Diese Voraussetzung soll sich aus § 307 Abs. 2 Nr. 1 i.V. m. § 315 BGB ergeben. Eine Regelung, die vom Maßstab billigen Ermessens abweicht, verstößt nach dieser Ansicht gegen das Leitbild des § 315 BGB.196 Nicht klar wird bisweilen jedoch, ob das billige Ermessen ausdrücklich in der Klausel geregelt sein muss. So legen einige Entscheidungen des BAG und Beiträge in der Literatur zwar nahe, dass sich der Ausübungsmaßstab billigen Ermessens bei einseitigen Leistungsbestimmungsrechten regelmäßig aus einer Auslegung ergibt.197 Die Ausübung nach billigem Ermessen könnte sich bei fehlender oder gar anderweitiger Regelung aus § 315 BGB ergeben, wenn Zweifel über den Maßstab bestehen. Möglicherweise ist § 315 BGB aber gar nicht anwendbar, da dies voraussetzen würde, dass ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht überhaupt wirksam eingeräumt wurde, und da das AGB-Recht mit § 305c Abs. 2 BGB eine eigene Auslegungsregel enthält. 195 Vgl. BAG v. 07.10.1982 – 2 AZR 455/80, BAGE 40, 199; BAG v. 31.01.1985 – 2 AZR 393/83, EzBAT § 8 BAT Direktionsrecht Nr. 3; BAG v. 15.11.1995 – 2 AZR 521/ 95, NZA 1996, 603; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150 Rn. 24; BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970; BAG v. 03.08.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334; Lakies, ArbRAktuell 2013, 251; Salamon, NZA 2014, 465; Reinfelder, NZA-Beilage 2014, 10; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400; Lunk/Leder, NJW 2015, 3766; Lingemann/ Pfister/Otte, NZA 2015, 65; Stoffels, RdA 2015, 276; Kössel, DB 2016, 2963; Salamon/Wessels, BB 2017, 885; BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 101; HK-ArbR/Boemke/ Ulrici, Anhang zu §§ 307–309 Rn. 3; HWK/Roloff, Anh. §§ 305–310 BGB Rn. 28; vgl. für einseitige Leistungsbestimmungsrechte im Allgemeinen: Erman/Roloff, 13. Aufl., § 307 BGB Rn. 142; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, Anh. § 310 BGB Rn. L 215; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 42. 196 S. dazu Kapitel 4 B. V. 2. 197 S. BAG v. 07.10.1982 – 2 AZR 455/80, BAGE 40, 199; BAG v. 31.01.1985 – 2 AZR 393/83, EzBAT § 8 BAT Direktionsrecht Nr. 3; BAG v. 15.11.1995 – 2 AZR 521/ 95, NZA 1996, 603; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150 Rn. 24; BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970; BAG v. 03.08.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334; Lakies, ArbRAktuell 2013, 251; Salamon, NZA 2014, 465; Reinfelder, NZA-Beilage 2014, 10; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400; Lunk/Leder, NJW 2015, 3766; Lingemann/ Pfister/Otte, NZA 2015, 65; Stoffels, RdA 2015, 276; Kössel, DB 2016, 2963; Salamon/Wessels, BB 2017, 885; BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 101; HK-ArbR/Boemke/ Ulrici, Anhang zu §§ 307–309 Rn. 3; HWK/Roloff, Anh. §§ 305–310 BGB Rn. 28; zu Widerrufsvorbehalten so statt vieler: BAG v. 07.01.1971 – 5 AZR 92/70, DB 1971, 392; BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, zitiert nach juris.

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 207

Ist die Ausübung nach billigem Ermessen also Voraussetzung der Wirksamkeit eines arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalts und muss dies ausdrücklich geregelt werden? Zur Beantwortung dieser Frage sind die Auslegung arbeitgeberseitiger Leistungsbestimmungsrechte sowie das Verhältnis des § 315 BGB zur Auslegung im Rahmen der AGB-Kontrolle näher zu betrachten.198 4. Konflikt mit dem vertraglichen Synallagma und Äquivalenzverhältnis Eine zentrale Rolle spielen außerdem das Äquivalenzverhältnis und das Synallagma. Denn Bestimmungsvorbehalte können dem Arbeitgeber die einseitige Entscheidung über eine Leistungspflicht aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis ermöglichen. Derartige Bestimmungsrechte könnten im Konflikt mit dem vertraglichen Synallagma und Äquivalenzverhältnis stehen, die im Grundsatz von beiden Vertragsparteien übereinstimmend festgelegt werden199. Je freier der Arbeitgeber in der Ausübung eines solchen Bestimmungsvorbehalts ist, desto einfacher kann er das eingeräumte Bestimmungsrecht zu seinem Vorteil nutzen, etwa indem er die entscheidungsrelevanten Kriterien so wählt, wie es für ihn am günstigsten ist. Dann besteht gegebenenfalls die Möglichkeit, die versprochene Leistung bei schlechter wirtschaftlicher Entwicklung auf null festzusetzen. Im Gegenzug bestünde aber trotz guter Leistungen des Arbeitnehmers, die zu einem höheren Gewinn des Arbeitgebers beigetragen haben, keine Verpflichtung, die Zahlung höher festzusetzen. Dadurch könnte womöglich das ursprünglich festgelegte Äquivalenzverhältnis tangiert werden.200 Damit einhergehend könnte eine Relativierung des Synallagmas angenommen werden.201 Der Arbeitnehmer bleibt nämlich vollständig an seine Leistungspflicht gebunden, während der Arbeitgeber an sein Zahlungsversprechen nur locker gebunden ist. Das steht im Konflikt zur ursprünglich vereinbarten synallagmatischen Abhängigkeit der gegenüberstehenden Leistungspflichten. Bei beiden Aspekten ist aber immer zu beachten, dass die jeweilige Leistung von Anfang an nicht vertraglich festgelegt, sondern unter dem Vorbehalt einer Bestimmung durch den Arbeitgeber versprochen wurde. Sie ist deshalb möglicherweise nie Teil des Synallagmas und des Äquivalenzverhältnisses geworden. 198

Dazu unter Kapitel 4 B. V. 3. Zum Synallagma s. etwa BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 320 Rn. 8; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 312 ff.; Staudinger/Löwisch, Vorbem. zu §§ 320–326 BGB Rn. 1, 24, 31; ausführlich dazu unter Kapitel 4 B. VI. 1. a); zum Äquivalenzverhältnis s. Hager, in: Zum Deutschen und Internationalen Schuldrecht, S. 27; Schapp, Grundfragen der Rechtsgeschäftslehre, S. 60, 97 f.; Klinke, Causa und genetisches Synallagma, S. 125; van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrages, S. 13 f.; ausführlich dazu unter Kapitel 4 B. VI. 2. a). 200 S. dazu Kapitel 4 B. VI. 2. 201 S. dazu Kapitel 4 B. VI. 1. 199

208 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

5. Zur Pflicht einer tatbestandlichen Konkretisierung von Entscheidungskriterien Die wohl weitreichendsten Konsequenzen für die Praxis hat die Frage, ob ein arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalt über die Bindung der Entscheidung an billiges Ermessen hinaus noch weiter konkretisiert werden muss.202 Denn die Rechtsprechung des BAG und die Beiträge in der Literatur vermitteln den Eindruck, eine derartige Konkretisierung sei keine Voraussetzung für die Angemessenheit der Klausel.203 Das BAG hielt beispielsweise eine Klausel für wirksam, durch die ein Weihnachtsgeld in „der vom Arbeitgeber jeweils pro Jahr festgelegten Höhe“ versprochen wurde.204 Auch an der Wirksamkeit einer Klausel, nach der „[. . .] eine Weihnachtsgratifikation gezahlt [wird], deren Höhe jeweils jährlich durch den Arbeitgeber bekanntgegeben wird [. . .]“, hatte das BAG keine Zweifel.205 Die Praxis konnte bisher also damit rechnen, dass derartige Klauseln wirksam sind. Besonders, da arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte in der Literatur wiederholt als Alternative zu Freiwilligkeitsvorbehalten angeraten wurden206, kann deshalb davon ausgegangen werden, dass sie in tatbestandlich nicht weiter konkretisierter Form vielfach Verwendung gefunden haben. All diese Klauseln müssten als unwirksam verworfen werden, wenn entgegen dem BAG eine Konkretisierung zu fordern ist. Eine solche Sichtweise liegt sogar nahe, da die Ansicht des BAG in einem gewissen Gegensatz zur Behandlung anderer einseitiger Leistungsbestimmungsrechte steht. So fordert der BGH bei einseitigen Leistungsbestimmungsrechten regelmäßig eine Konkretisierung der Voraussetzungen.207 Ebenso wird bei Widerrufsvorbehalten eine Konkretisierung der Widerrufsgründe gefordert.208 In 202

Dazu ausführlich Kapitel 4 B. VII. Vgl. BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; so bspw. auch BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12 Rn. 31, NZA 2013, 970; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 29; BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148 Rn. 42; BAG v. 26.09.2012 – 10 AZR 370/11, zitiert nach juris; BAG v. 17.10.2012 – 10 AZR 620/11, zitiert nach juris; Salamon, NZA 2014, 465, 466; Salamon/Wessels, BB 2017, 885, 886; Reinfelder, NZABeil. 2014, 10, 15; s. dazu ausführlich Kapitel 2 B. II. 2. und E. 204 BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013. 205 BAG v. 23.08.2017 – 10 AZR 97/17, zitiert nach juris. 206 Lakies, ArbRAktuell 2013, 251; Salamon, NZA 2014, 465; Reinfelder, NZA-Beilage 2014, 10; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400; Lunk/Leder, NJW 2015, 3766; Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65; Stoffels, RdA 2015, 276; Kössel, DB 2016, 2963; Salamon/Wessels, BB 2017, 885; BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 101. 207 Statt aller: BGH v. 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, NJW 1984, 1182; BGH v. 26.11.1984 – VIII ZR 214/83, NJW 1985, 623; BGH v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11; BGH v. 08.10.2013 – XI ZR 401/12, NJW 2013, 3716; BGH v. 18.01.2017 – VIII ZR 263/15, DB 2017, 655; s. dazu Kapitel 2 C. 208 BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 46; BAG v. 19.12.2006 – 9 AZR 294/06, DB 2007, 1253; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 194; BAG v. 203

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 209

Betracht kommt demnach, einen arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalt als unangemessen einzustufen, wenn die Kriterien, nach denen der Arbeitgeber die Bestimmung zu treffen hat, nicht geregelt sind. a) Interessenabwägung: Konkretisierung oder nicht? In der Abwägung dazu sind zunächst die spezifischen Interessen der Arbeitsvertragsparteien gegenüberzustellen.209 Der Arbeitgeber auf der einen Seite hat sowohl ein Interesse daran, seine Zahlungen flexibel zu gestalten, als auch daran, den Arbeitnehmer durch eine variable Zahlung zu motivieren. Der Arbeitnehmer auf der anderen Seite hat ein Interesse an stabiler Erwerbsaussicht und daran, dass der Arbeitgeber möglichst weitgehend an sein Versprechen gebunden bleibt. Problematisch könnte zunächst sein, dass die versprochene Leistung den Arbeitnehmer gegebenenfalls zur Leistung motiviert und diesem Zweck keine ausreichende Bindung des Arbeitgebers gegenübersteht.210 Eine solche Konstellation könnte unangemessen sein. Denn nach der Rechtsprechung des BAG zu Stichtagsklauseln ist es nicht gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber die verhaltenssteuernde Wirkung eines vertraglichen Versprechens in Anspruch nimmt, andererseits die Entscheidung über den Eintritt der Bedingung vom eigenen Willen abhängig macht und sich „gewissermaßen bis zur letzten Stunde“ vorbehält.211 Daneben sind auch einige AGB-spezifische Aspekte von Interesse. Zunächst lohnt ein Blick darauf, wen das mit der Klausel geregelte Risiko trifft und wer es besser beherrschen kann. Ein nicht konkretisierter Bestimmungsvorbehalt könnte es dem Arbeitgeber ermöglichen, das ihm zustehende Wirtschaftsrisiko zu Teilen auf den Arbeitnehmer zu verlagern.212 Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob die Üblichkeit von Flexibilisierungsklauseln in Arbeitsverträgen das Pendel der Abwägung zugunsten des Arbeitgebers ausschlagen lässt.213 Auch das BAG betrachtet die Möglichkeiten der anderweitigen formularvertraglichen Gestaltung. Es argumentiert, dass ein arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalt erst recht wirksam sein müsse, wenn der Arbeitgeber die Leistung auch unter Freiwilligkeitsvorbehalt hätte stellen können.214 Aber kann die Möglichkeit ei21.03.2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 616; s. dazu auch Stoffels, NZA 2017, 1217, 1218 f.; Graf v. Westphalen/Thüsing/Thüsing, Arbeitsverträge Rn. 276; s. dazu Kapitel 2 D. II. 209 S. Kapitel 4 B. VII. 3. 210 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 5. 211 BAG v. 18.01.2012 – 10 AZR 612/10, BAGE 140, 231 Rn. 26; s. dazu Kapitel 2 D. I. 3. 212 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 7. a). 213 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 7. e). 214 BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 21; s. dazu bereits Kapitel 2 B. II. 2.

210 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

ner anderweitigen Gestaltung die Wirksamkeit der gewählten Gestaltung beeinflussen?215 Außerdem wird zur Rechtfertigung nicht konkretisierter Bestimmungsvorbehalte angeführt, der Arbeitnehmer sei ausreichend durch die Möglichkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB geschützt.216 Hier stellt sich die Frage, ob die Möglichkeit einer nachträglichen gerichtlichen Kontrolle die Angemessenheit einer Klausel begründen kann.217 Zweifel daran sind bereits in der Analyse der Rechtsprechung und des Schrifttums zu Tage getreten.218 Denn ein solches Vorgehen könnte dem präventiven Zweck der AGB-Kontrolle widersprechen und möglicherweise das Verhältnis von § 315 BGB zu den §§ 305 ff. BGB missachten. Gegen einen ausreichenden Schutz durch die Billigkeitskontrolle könnte auch sprechen, dass Arbeitnehmer möglicherweise die gerichtliche Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber scheuen. b) Kontrollüberlegung: Vergleich mit Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalten An die Erörterung, ob eine Konkretisierung erforderlich ist, schließt sich aus mehreren Gründen ein Vergleich mit der Behandlung von Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalten an.219 Dieser dient einmal der Überprüfung des gewonnen Ergebnisses. Denn Widerrufsvorbehalte beruhen auf denselben Flexibilisierungsinteressen220 wie arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte und haben auch eine vergleichbare Wirkung für den Arbeitnehmer.221 Des Weiteren ermöglicht der Vergleich eine Einordnung des Ergebnisses in die Praxis der AGB-Kontrolle der übrigen Flexibilisierungsklauseln. Er zeigt, wo die Ergebnisse im Verhältnis zur Behandlung der wesensnahen Flexibilisierungsklauseln stehen und ob gegebenenfalls eine Harmonisierung der Kontrollmaßstäbe geboten ist. Letztlich kann ein Vergleich auch helfen, den richtigen Grad der Konkretisierung zu finden.

215

S. dazu Kapitel 4 B. VII. 7. c). BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148 Rn. 42; BAG v. 26.09.2012 – 10 AZR 370/11, zitiert nach juris; BAG v. 17.10.2012 – 10 AZR 620/11, zitiert nach juris; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 29; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/ 12 Rn. 31, NZA 2013, 970; Salamon, NZA 2014, 465, 466; Salamon/Wessels, BB 2017, 885, 886; Reinfelder, NZA-Beil. 2014, 10, 15. 217 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 7. f). 218 S. dazu etwa Kapitel 2 C., insbesondere C. V. 1.; Kapitel 2 E. I. 219 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 9. 220 S. dazu Kluge, Widerrufsvorbehalte zur Absenkung des Arbeitsentgelts aus „wirtschaftlichen Gründen“ in vorformulierten Arbeitsverträgen, S. 113 ff. 221 S. dazu auch Kapitel 1 B. IV. 216

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 211

c) Konkrete Ausgestaltungsanforderungen Unweigerlich folgt die Frage, wie die Entscheidungskriterien denn auszugestalten sind, deren Festlegung womöglich Voraussetzung der Angemessenheit ist.222 Es erscheint sinnvoll, die Kriterien auf die verfolgten Flexibilisierungsinteressen zu beschränken, die die Einräumung des Bestimmungsvorbehalts rechtfertigen. Andernfalls könnte eine Benachteiligung des Arbeitnehmers entstehen, die nicht gerechtfertigt ist. Aber wie konkret müssen die Kriterien sein? Reichen etwa „wirtschaftliche Entwicklungen“ oder müssen sogar konkrete Umsatzzahlen vereinbart werden? Darüber hinaus könnte erwogen werden, eine Beschränkung auf Ausnahmesituationen zu fordern, wie es teilweise bei Widerrufsvorbehalten nahegelegt wird.223 Es fragt sich zudem, ob neben zwingend erforderlichen Kriterien noch zusätzliche Kriterien vereinbart werden können.224 Dies müsste ausscheiden, wenn Bestimmungsvorbehalte genau wie Widerrufsvorbehalte zu behandeln wären. Dabei ist jedoch der Unterschied zu beachten, dass die unter Bestimmungsvorbehalt versprochene Leistung nicht vertraglich festgelegt ist. Die ursprünglich mit der Leistung verfolgten Zwecke könnten gar nicht mehr berücksichtigt werden, wenn ausschließlich bestimmte zwingende Kriterien gelten dürften. Abschließend muss untersucht werden, ob Bestimmungsvorbehalte über Leistungen, die nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis stehen, anders zu behandeln sind.225 Möglicherweise verdienen diese Leistungen einen geringeren Schutz, da der Arbeitnehmer auch in geringerem Maße von ihnen abhängig ist. Es fragt sich, ob der Arbeitgeber deshalb in der Wahl der tatbestandlich zu regelnden Kriterien völlig frei ist oder sogar ganz von einer Konkretisierung abgesehen werden kann. Dagegen könnte angeführt werden, dass die Benachteiligung durch Vereinbarung eines Bestimmungsvorbehalts auch bei Sonderzahlungen nicht entfällt. 6. Kompensation unangemessener Benachteiligungen? Am Ende der Ausführungen zur Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte wird ein Blick darauf geworfen, inwieweit die dargestellten unangemessenen Benachteiligungen kompensiert werden können. Eine Kompensation könnte bereits daran scheitern, dass sie aus AGB-spezifischen 222

S. dazu Kapitel 4 B. VII. 10. In diese Richtung Stoffels, NZA 2017, 1217, 1219; DLW/Baeck/Winzer, Kapitel 2 Rn. 605; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 308 Nr. 4 BGB Rn. 43 f.: „schwerwiegende Gründe“; vgl. dazu BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777; eine Beschränkung auf Ausnahmesituationen bei Widerrufsvorbehalten lehnt ab: Clemenz/Kreft/Krause/Roloff, § 308 BGB Rn. 88. 224 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 10. a) aa) (3). 225 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 10. b). 223

212 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

Gründen von vornherein nicht zulässig ist.226 Der BGH erkennt sie bei nicht ausreichend konkretisierten Preisanpassungsklauseln jedoch an. Danach soll die Einräumung eines Rechts, sich bei Preiserhöhungen vom Vertrag zu lösen, die Benachteiligung kompensieren können, wenn eine Konkretisierung auf unüberwindbare Schwierigkeiten stößt.227 An der Kompensation durch Einräumung einer Kündigungsmöglichkeit bestehen im Arbeitsverhältnis allerdings erhebliche Bedenken, zumal der Arbeitnehmer regelmäßig auf seinen Arbeitsplatz angewiesen ist228.229 In Frage kommt letztlich eine Kompensation durch die Möglichkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB, die in den Urteilen des BAG häufig anklingt230. Diese begegnet jedoch den oben bereits angesprochenen Schwierigkeiten, dass ein solches Vorgehen in Konflikt mit dem Charakter der AGB-Kontrolle gerät.231

III. Zur Unwirksamkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte Es wäre denkbar, arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte im Entgeltbereich generell, unabhängig von ihrer konkreten Ausgestaltung, als unangemessen benachteiligend anzusehen.232 Das hätte zur Folge, dass weitere Ausführungen zur Ausgestaltung im Rahmen der Angemessenheitskontrolle entbehrlich würden. Im Folgenden soll zunächst dargestellt werden, nach welchem Tatbestand des § 307 BGB dies zu überprüfen ist und welche Konsequenzen sich daraus ergeben. Anschließend wird dargelegt, warum Bestimmungsvorbehalte danach nicht als generell unangemessen zu bewerten sind.

226

S. dazu Kapitel 4 B. VIII. 1. BGH v. 26.05.1986 – VIII ZR 218/85, NJW 1986, 3134; BGH v. 15.11.2007 – III ZR 247/06, NJW 2008, 360. 228 Vgl. Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 187 m.w. N.; APS/ Preis, Grundlagen B. Rn. 3, 16 m.w. N.; APS/Künzl, § 2 KSchG Rn. 3; NK-ArbR/Greiner, § 1 KSchG Rn. 16 ff.; Schaub ArbR-HdB/Linck, § 1 Rn. 4; MünchHdb ArbR/Richardi, § 3 Rn. 34 f.; Stoffels, RdA 2015, 276, 278; Henssler, SAE 1988, 164, 165; zum Vertrauen auf die laufende Vergütung vgl. BAG v. 25.04.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853. 229 S. dazu Kapitel 4 B.VIII.2. 230 BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148 Rn. 42; BAG v. 26.09.2012 – 10 AZR 370/11, zitiert nach juris; BAG v. 17.10.2012 – 10 AZR 620/11, zitiert nach juris; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 29; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/ 12 Rn. 31, NZA 2013, 970. 231 S. dazu Kapitel 4 B. VIII. 3. 232 Das BAG hält sie hingegen für grundsätzlich zulässig: BAG v. 03.08.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334. 227

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 213

1. Prüfungsgrundlage für die generelle Angemessenheit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte Es stellt sich die Frage, ob die generelle Angemessenheit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte an einem Tatbestand des § 307 Abs. 2 BGB zu messen ist, der gegenüber Abs. 1 vorrangig sein könnte, oder ob letzterer zur Anwendung kommt. a) Keine Aushöhlung wesentlicher Rechte und Pflichten durch die Verwendung von Bestimmungsvorbehalten (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB) Eine Prüfung nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB entfällt, da nicht ersichtlich ist, warum die Einräumung eines einseitigen Bestimmungsrechts den Zweck des Arbeitsvertrages gefährden sollte. Eine solche Zweckgefährdung mag zwar vorliegen, wenn das gesamte Gehalt des Arbeitnehmers einem Bestimmungsrecht des Arbeitgebers unterliegt, das eventuell sogar eine Festlegung auf null ermöglicht. Allein durch die Einräumung eines Bestimmungsrechts, unabhängig von seiner Ausgestaltung, wird der Vertragszweck allerdings nicht gefährdet. Mögliche Ausgestaltungsformen, die zu einer Vertragszweckgefährdung führen könnten, werden später erörtert.233 b) Keine Prüfung anhand leitbildfähiger Regelungen (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) Denkbar wäre es hingegen, den Maßstab des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB anzulegen. Dafür müsste eine leitbildfähige Norm vorliegen, von der die Verwendung eines Bestimmungsvorbehalts abweicht. aa) § 315 BGB ist nicht leitbildfähig für die Einräumung einseitiger Bestimmungsrechte In Frage käme dafür zunächst § 315 BGB, der voraussetzt, dass einseitige Leistungsbestimmungsrechte vertraglich eingeräumt werden können, und der regelt, dass im Zweifel die Bestimmung nach billigem Ermessen zu erfolgen hat.234 Eine auf § 315 BGB basierende Kontrolle nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist nicht bereits mit der Argumentation abzulehnen, § 315 BGB erlaube gerade die Einräumung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte und deshalb liege keine 233

S. die Ausführungen zum Kernbereichsschutz unter Kapitel 4 B. IV. Vgl. dazu Dylla-Krebs, Schranken der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen, S. 200; Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn. 1 f.; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 441; Staudinger/Krause, Anh. zu § 310 BGB Rn. 39 ff.; BeckOK-BGB/Gehrlein, § 315 Rn. 1, 3 ff.; NK-BGB/Wagner, § 315 BGB Rn. 1 ff.; s. auch BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 101, der wie das BAG der Meinung ist, § 315 BGB lasse einseitige Leistungsbestimmungsrechte gerade zu. 234

214 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

Abweichung von dieser Norm vor. Genauso wenig ist mit dieser Argumentation aus der Existenz des § 315 BGB auf die Angemessenheit der gegenständlichen Leistungsbestimmungsrechte nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu schließen, wie es das BAG jedoch mehrmals tut.235 Denn § 315 BGB ist jedenfalls keine Aussage darüber zu entnehmen, ob die Einräumung einseitiger Bestimmungsrechte auch in AGB als grundsätzlich zulässig anzusehen ist.236 Bereits deshalb kann die Vorschrift die Angemessenheit nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht begründen. § 315 BGB taugt aber unabhängig davon ohnehin nicht als Leitbild zur Inhaltskontrolle der Einräumung einseitiger Bestimmungsrechte nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Denn die Einräumung an sich liegt nicht im Regelungsbereich des § 315 BGB. Die Norm regelt nicht, dass einseitige Leistungsbestimmungsrechte generell zulässig sind oder wie sie einzuräumen sind. Sie enthält also kein Leitbild zur Einräumung bzw. generellen Zulässigkeit, sondern lediglich eine Auslegungsregel dahingehend, dass die Entscheidung in Zweifelsfällen nach billigem Ermessen zu treffen ist.237 Nur insofern ist § 315 BGB leitbildfähig und kann als Kontrollmaßstab für die Ausgestaltung des Entscheidungsmaßstabs des Arbeitgebers dienen.238 Als Kontrollmaßstab für die ausgestaltungsunabhängige Einräumung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte taugt die Vorschrift hingegen nicht. bb) Leitbildfähigkeit allgemeiner Prinzipien: Vertragsbindung, Festlegung der Rechte und Pflichten und Vertragsprinzip Fraglich ist allerdings, ob die bereits in der Prüfung der Kontrollfähigkeit genannten Prinzipien der Vertragsbindung, der Festlegung der Rechte und Pflichten 235 BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148 Rn. 38 ff.; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 25 ff.; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970 Rn. 28 ff.; vgl. auch BAG v. 03.08.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334; so auch Salamon, NZA 2014, 465, 466; Salamon/Wessels, BB 2017, 885, 886; BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 101; s. dazu Kapitel 2 B. II. 2. 236 S. dazu bereits unter Kapitel 4 A. III.; generell für Normen, die vor 1977 erlassen wurden, so auch Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 302; zur Entstehung des § 315 BGB s. HKK/Hofer, § 315–319 BGB Rn. 1 ff. 237 So auch Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, S. 200; Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn. 245; Erman/Hager, § 315 BGB Rn. 1; Henssler, SAE 1988, 164. 238 Vgl. zur Kontrolle des Ausübungsmaßstabs anhand des Leitbilds aus § 315 BGB für die hier einschlägigen Leistungsbestimmungsrechte: BAG v. 03.08.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334 Rn. 21; BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 101; Ekkenga/Schirrmacher, BB 2017, 2549, 2551 f.; Salamon, NZA 2014, 465; Kössel, DB 2016, 2963; Salamon/Wessels, BB 2017, 885; Niklas, ArbRB 2018, 353, 354; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358, 2360: der Maßstab billigen Ermessens darf nicht abbedungen werden; Boensch, Arbeitsvertragliche Entgeltflexibilisierung und aufsichtsrechtliche Institutsvorgaben, S. 180; für einseitige Leistungsbestimmungsrechte im Allgemeinen: Erman/Roloff, 13. Aufl., § 307 BGB Rn. 142; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, Anh. § 310 BGB Rn. L 215; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 42; dazu noch ausführlich unter Kapitel 4 B. V.

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 215

im Vertrag oder das Vertragsprinzip leitbildfähige gesetzliche Regelungen sind. Dafür ist relevant, ob allgemeine Rechtsgrundsätze als leitbildfähige gesetzliche Regelungen anzuerkennen sind239, ob dafür eine bestimmte Konkretisierung wie z. B. die Subsumtionsfähigkeit240 zu fordern ist oder ob sie generell nicht als leitbildfähig anzusehen sind241. Die Antwort liefert ein Blick auf die Funktion des § 307 Abs. 2 BGB. Dieser dient der Konkretisierung des unbestimmten Abs. 1 und soll die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung erleichtern, indem die Argumentation auf Leitkriterien kanalisiert wird.242 Die Prüfung findet im Rahmen des Abs. 2 nicht so ergebnisoffen wie nach Abs. 1 statt, sondern orientiert sich am Maßstab eines objektiven Gerechtigkeitsmodells.243 Eine Erleichterung und Kanalisierung der Prüfung kann jedoch nicht eintreten, wenn die objektiven Gerechtigkeitsmodelle, anhand derer die Prüfung durchgeführt werden soll, zu unbestimmt sind. In solchen Fällen findet im Ergebnis doch wieder eine ergebnisoffene, allumfassende Interessenabwägung statt. Da aber die Abweichung von einer leitbildfähigen Norm die Interessenabwägung in Richtung der Unangemessenheit vorprägt244 bzw. eine gewisse Umkehrung der Darlegungs- oder Argumentationslast bewirkt245, ist nicht Abs. 2, sondern Abs. 1 der richtige Ansatzpunkt für die Prüfung bei einer Abweichung von unbestimmten Rechtsgrundsätzen246. Für eine Prüfung nach Abs. 2 Nr. 1 muss der Rechtsgrundsatz einen gewissen Konkretisierungsgrad aufweisen.247 Die Forderung nach einer Subsumtionsfähigkeit wird jedoch richtigerweise mit dem Argument abgelehnt, dass es im Endeffekt um eine Vereinbarkeit mit den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung

239 So Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 24; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 108, 112 f.; MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 70; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 231 ff. 240 So Stoffels, AGB-Recht, Rn. 511 f.; eine gewisse Konkretisierung, aber keine Subsumtionsfähigkeit fordern: Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 213; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 234 f. 241 Krit. bezüglich der Leitbildfähigkeit allgemeiner Rechtsgrundsätze: Clemenz/ Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 64. 242 Vgl. Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 193 ff.; MüKo-BGB/ Wurmnest, § 307 BGB Rn. 23, 65; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 496; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 220; Becker, Die Auslegung des § 9 Abs. 2 AGB-Gesetz, S. 24, 47 f.; Schlosser/Coester-Waltjen/Graba/Graba, § 9 Rn. 40, 42. 243 Vgl. Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 193, 230 ff.; Staudinger/ Coester, § 307 BGB Rn. 221, 253; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 71; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 518. 244 Vgl. Stoffels, AGB-Recht, Rn. 518. 245 Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 253; MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 65; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 195. 246 Vgl. Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 235. 247 So auch Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 213; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 234 f.

216 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

geht, die wegen ihrer Natur als Grundgedanken ohnehin nicht subsumtionsfähig sind.248 Die Leitbildfähigkeit des Grundsatzes der Vertragsbindung wird unterschiedlich beurteilt249, während der Vertragsgrundsatz und der Grundsatz der vertraglichen Festlegung der Rechte und Pflichten in der Regel keine Erwähnung im Zusammenhang mit § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB finden. Die letztgenannten Grundsätze eignen sich auch von vornherein nicht als Leitbild für eine Kontrolle nach Abs. 2 Nr. 1, da sie zu allgemein sind. Sie entfalten in jedem Vertragsverhältnis ihre Wirkung und es sind mannigfaltige Konstellationen denkbar, in denen diese Grundsätze Relevanz haben können. Aber auch eine Prüfung anhand des Grundsatzes der Vertragsbindung ist für die gegenständlichen Leistungsbestimmungsrechte nicht der richtige Weg. Die Vertragsbindung kann zwar dem Grunde nach als Leitbild einer Inhaltskontrolle dienen, sie weist allerdings keinen hohen Bestimmtheitsgrad auf. Vorliegend kommt hinzu, dass auch die Abweichung vom Grundsatz der Vertragsbindung nicht allzu deutlich ist, wie es z. B. bei Widerrufsvorbehalten der Fall ist, sondern eher eine Aufweichung vorliegt.250 Des Weiteren zeigt § 315 BGB, dass bereits das Gesetz selbst eine gewisse Aufweichung der vorgenannten Grundsätze in Form von einseitigen Leistungsbestimmungsrechten akzeptiert. Deshalb ist die vorgeprägte Prüfung nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht der richtige Ansatz. c) Ergebnis: Prüfung nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB Die Verwendung eines arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalts ist im Ergebnis an § 307 Abs. 1 S. 1 BGB zu messen.251 Allein die Existenz eines solchen Vorbehalts führt nicht zu einer Gefährdung des Vertragszwecks i. S. d. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB.252 Eine Prüfung der ausgestaltungsunabhängigen Verwendung derartiger Vorbehalte nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V. m. § 315 BGB scheidet aus.253 Denn § 315 BGB enthält kein Leitbild zur Einräumung einseitiger Bestimmungsrechte bzw. zur generellen Zulässigkeit, sondern lediglich eine Auslegungsregel zum Entscheidungsmaßstab. Des Weiteren ist der Grundsatz der Vertragsbindung zu allgemein und die Abweichung von ihm zu vage, um die Prüfung von vornherein durch eine Anwendung des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB in 248 Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 213; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 234 f. 249 Leitbildfähigkeit befürwortend: Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 28; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 214; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 235; ablehnend: Stoffels, AGB-Recht, Rn. 512; krit. auch Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 64. 250 S. dazu bereits Kapitel 4 A.V. 1. und A.V. 2. 251 So auch Salamon EntgG-HdB/Salamon, Kap. F Rn. 194. 252 S. dazu Kapitel 4 B. III. 1. a). 253 S. dazu Kapitel 4 B. III. 1. b) aa).

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 217

Richtung der Unangemessenheit zu lenken.254 Beide Tatbestände des § 307 Abs. 2 BGB sind folglich nicht für die Prüfung geeignet, ob die Verwendung eines arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalts angemessen ist. Deshalb muss die Prüfung ergebnisoffen anhand der Generalklausel nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB durchgeführt werden.255 2. Prüfungsmaßstab nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB Die Prüfung einer unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB hat zweistufig zu erfolgen.256 Zunächst ist eine Benachteiligung festzustellen. Diese liegt immer dann vor, wenn die Rechtslage mit der zu untersuchenden Klausel rechtlich nachteilig für den Vertragspartner im Vergleich zur Rechtslage ohne die Klausel ist.257 Anschließend ist diese Benachteiligung auf ihre Unangemessenheit zu überprüfen. Für die Definition der Unangemessenheit existieren verschiedene Vorschläge, die allerdings alle auf eine umfassende Interessenabwägung hinauslaufen.258 Die Rechtsprechung stellt regelmäßig fest, dass eine unangemessene Benachteiligung vorliege, wenn der Verwender missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versuche, ohne dessen Interessen ausreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen.259 Inhaltlich übereinstimmend wird auch formuliert, eine unangemessene Benachteiligung liege vor, wenn der Verwender eigene Interessen über Gebühr gegenüber den Interessen des Vertragspartners zur Geltung bringe, ohne dass dies durch berechtigte Interessen gerechtfertigt sei oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen werde.260 Im Ergebnis bedeuten die verschiedenen Formulierungen alle, dass die Interessen des Verwenders an der Aufrechterhaltung der Klausel den Interessen des Vertragspartners am Wegfall gegenüberzu-

254

S. dazu Kapitel 4 B. III. 1. b) bb). So auch Salamon/Wessels, BB 2017, 885, 886; für einseitige Leistungsbestimmungsrechte im Allgemeinen genauso: Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 252. 256 BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 29; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 98 f.; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 36; Stoffels, AGBRecht, Rn. 466. 257 BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 29; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 98, 100; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 37 ff.; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 467; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 90. 258 Vgl. dazu Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 93, 98 f.; vgl. auch Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 36; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 468 ff.; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 96, 107. 259 St. Rspr. BGH v. 05.06.1997 – VII ZR 324/95, BGHZ 136, 27; BGH v. 03.11.1999 – VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 104; BGH v. 23.06.2010 – VIII ZR 230/09, NJW 2010, 3431 Rn. 21 m.w. N.; vgl. Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 9; BeckOK-BGB/ H. Schmidt, § 307 Rn. 29; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 36; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 468. 260 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 158. 255

218 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

stellen und diese gegeneinander abzuwägen sind.261 Auch bei dieser Interessenabwägung hat ein zuvor festgestelltes normatives Leitbild Orientierungsfunktion262, prägt die Abwägung jedoch nicht wie bei Abs. 2 Nr. 1 in eine Richtung vor. Das Erfordernis für eine Unwirksamkeit nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB, dass die Klausel den Vertragspartner „entgegen den Geboten von Treu und Glauben“ benachteiligen muss, stellt nach richtiger Ansicht kein eigenständig zu prüfendes Tatbestandsmerkmal dar.263 Es bildet eine Bewertungseinheit mit dem Merkmal der Unangemessenheit und macht deutlich, dass die Benachteiligung von nicht unerheblichem Gewicht sein muss264 und den Verwender eine Art „treuhandähnliche Obliegenheit“ 265 trifft, die Interessen des Vertragspartners zu berücksichtigen. Auch eine geringfügige Benachteiligung kann aber zur Unangemessenheit führen, wenn kein berechtigtes Interesse des Verwenders an der Klauselgestaltung vorliegt.266 3. Zur Angemessenheit der Verwendung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte Richtigerweise ist im Rahmen der Prüfung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB ein berechtigtes Interesse an der Implementierung dieser flexiblen Gestaltung zu fordern, auch wenn die Rechtsprechung eine solche Anforderung nicht stellt oder jedenfalls nicht darauf eingeht.267 So handhaben es auch das BAG bei Widerrufsvorbehalten und der BGH bei einseitigen Leistungsbestimmungsrechten, wobei nicht immer klar wird, ob dies aus der materiellen Angemessenheitskontrolle oder aus dem Transparenzge261 Vgl. MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 35; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 93, 98 f.; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 36; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 468 ff.; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 96, 107. 262 Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 93, 98 f. 263 Gar keine eigenständige Funktion hat das Merkmal nach Clemenz/Kreft/Krause/ Klumpp, § 307 BGB Rn. 41. 264 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 177. 265 Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 97; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 97. 266 Vgl. Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 101; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 91. 267 Vgl. Stoffels, RdA 2015, 276, 277; so für einseitige Leistungsbestimmungsrechte im Allgemeinen: Erman/Roloff, 13. Aufl., § 307 BGB Rn. 141; für Leistungsbestimmungsrechte zur erstmaligen Festlegung einer Leistung genauso Jesgarzewski, Die Grenzen formularmäßiger Vereinbarung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte, S. 213 f.; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 174 f.; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, Anh. § 310 BGB Rn. L 214; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 42, der diese Anforderung aber als Teil des Transparenzgebots sieht; für einseitige Leistungsbestimmungsrechte zur Festlegung der Leistung im Arbeitsrecht so auch Däubler/Bonin/ Deinert/Däubler, § 307 BGB Rn. 171; Heiden, Entgeltrelevante Zielvereinbarungen aus arbeitsrechtlicher Sicht, S. 76 ff.; s. zur Rechtsprechung des BAG Kapitel 2 B. II. 2.

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 219

bot geschlossen wird.268 Im Rahmen der AGB-Kontrolle von Widerrufsvorbehalten fordert das BAG, dass der Vorbehalt wegen der unsicheren Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig sein muss. Dafür müsse ein Grund vorliegen, der den Widerruf typischerweise rechtfertige.269 Damit übereinstimmend fordert der BGH sowohl bei Preisanpassungsklauseln als auch bei Bestimmungsvorbehalten, dass ein Interesse an einer Anpassungsmöglichkeit bestehen müsse, welches die Klausel notwendig mache.270 Bei den hier zu untersuchenden Leistungsbestimmungsrechten fordert das BAG kein besonderes Interesse des Arbeitgebers an der Einräumung, sondern hält sie grundsätzlich für zulässig.271 Dem ist so pauschal nicht zuzustimmen. Richtigerweise ist ein berechtigtes Interesse bzw. eine Notwendigkeit für die Einräumung des Leistungsbestimmungsrechts für dessen Wirksamkeit bereits im Rahmen der materiellen Angemessenheitskontrolle zu fordern.272 Andernfalls kann ein ungerechtfertigter Beurteilungsspielraum entstehen.273 Diese Aspekte sollen im Folgenden erörtert werden. a) Benachteiligung des Arbeitnehmers durch Implementierung eines Bestimmungsvorbehalts Wie oben dargestellt liegt in der Implementierung eines arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalts eine Abweichung vom Vertragsprinzip, dem Grundsatz der Festlegung der Rechte und Pflichten im Vertrag und dem Grundsatz der Vertragsbindung.274 Durch diese Abweichung wird der Arbeitnehmer benachteiligt. Ohne die Abweichung von den genannten Grundsätzen hätte die Leistung im 268 S. dazu bereits Kapitel 2 C. und D. II.; vgl. zu einseitigen Leistungsbestimmungsrechten insbesondere BGH v. 26.11.1984 – VIII ZR 214/83, NJW 1985, 623; BGH v. 12.01.1994 – VIII ZR 165/92, BGHZ 124, 351; BGH v. 06.10.1999 – VIII ZR 125/98, BGHZ 142, 358; BGH v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11 Rn. 39; im Rahmen von § 9 AGBG genauso BGH v. 19.10.1999 – XI ZR 8/99, NJW 2000, 651 Rn. 18; vgl. zu Widerrufsvorbehalten BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 1943; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777. 269 BAG v. 19.12.2006 – 9 AZR 294/06, DB 2007, 1253; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 194; BAG v. 21.03.2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 616. 270 BGH v. 19.10.1999 – XI ZR 8/99, NJW 2000, 651; BGH v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11; BGH v. 11.07.2012 – IV ZR 164/11, NJW 2012, 3647. 271 BAG v. 03.08.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334. 272 Stoffels, RdA 2015, 276, 278; s. auch Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, Anh. § 310 BGB Rn. L 214: nach den dortigen Ausführungen sollen einseitige Leistungsbestimmungsrechte generell unangemessen sein, es sei denn, es besteht ein berechtigtes Interesse und weitere Voraussetzungen sind eingehalten. 273 Vgl. Stoffels, RdA 2015, 276, 277; s. zum ungerechtfertigten Wertungsspielraum auch Salamon, NZA 2014, 465, 466 f.; Salamon/Wessels, BB 2017, 885, 886, die diesen mit dem Argument ablehnen, dass der Arbeitnehmer ausreichend durch § 315 Abs. 3 BGB geschützt sei. 274 S. dazu Kapitel 4 A.V.

220 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

Vertrag festgelegt werden müssen, so dass der Arbeitnehmer die Höhe und die Voraussetzungen theoretisch durch Vertragsverhandlungen hätte beeinflussen oder den Vertragsschluss bei zu niedriger Leistung hätte unterlassen können. Die ohnehin durch Verwendung von AGB reduzierte Einflussmöglichkeit des Arbeitnehmers auf die vertragliche Verteilung der Rechte und Pflichten wird durch diese Vertragsgestaltung weiter gemindert. Denn der Arbeitnehmer kann nun auch die Höhe der Leistung nicht mehr beeinflussen, die als Festlegung einer Hauptleistungspflicht gem. § 307 Abs. 3 BGB gerade deshalb kontrollfrei gewesen wäre, weil davon auszugehen ist, dass der Vertragspartner bzw. der Wettbewerb bei den Hauptleistungspflichten einen ausreichenden Einfluss haben und darüber eine hinreichende Kontrolle gewährleisten.275 Aufgrund der Einräumung des Leistungsbestimmungsrechts entsteht kein – sonst nach dem Vertragsprinzip jedoch erforderliches – vom Arbeitnehmer konsentiertes und vertraglich der Höhe nach festgelegtes Versprechen. Außerdem werden das vertragliche Versprechen und die damit einhergehende Bindung des Arbeitgebers bereits durch das Leistungsbestimmungsrecht eingeschränkt, da der Arbeitgeber das Versprechen ohne weiteres teilweise relativieren (durch Festlegung einer niedrigen Zahlung) oder sich sogar ganz (bei Festlegung der Leistung auf null) davon lösen kann.276 Der Arbeitnehmer hingegen bleibt an den Vertrag und alle damit einhergehenden Pflichten gebunden. Bereits diese Benachteiligungen des Arbeitnehmers sind rechtfertigungsbedürftig. Andererseits könnte eingewendet werden, dass der Arbeitgeber ohne die flexible vertragliche Gestaltung möglicherweise gar keine Leistung versprochen hätte277 und das Leistungsbestimmungsrecht dem Arbeitnehmer auch zum Vorteil gereichen kann278, z. B. wenn der Arbeitgeber wegen günstiger wirtschaftlicher Entwicklung eine höhere Leistung bestimmt, als er es vertraglich im Voraus getan hätte. Die Entgegnung, der Arbeitgeber hätte die Leistung ohne Leistungsbestimmungsrecht gar nicht versprochen, läuft jedoch im Ergebnis auf die Aussage hinaus, dass der Arbeitnehmer insgesamt wirtschaftlich mit der Klausel bevorzugt werde.279 Dieses Argument könnte man als sog. Preisargument deuten, das 275

S. dazu unter Kapitel 4 A. IV. Wegen der Lockerung der Vertragsbindung fordert auch Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 174 f. für die Einräumung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte ein berechtigtes Interesse. 277 Vgl. Simon/Hidalgo/Koschker, NZA 2012, 1071, 1077; s. zu diesem Argument im Rahmen der Prüfung von Freiwilligkeitsvorbehalten BAG v. 30.07.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173 Rn. 28; BAG v. 18.03.2009 – 10 AZR 289/08, NZA 2009, 535 Rn. 26. 278 In diese Richtung auch Simon/Hidalgo/Koschker, NZA 2012, 1071, 1074. 279 Dieses Argument lehnt im Grundsatz ab: Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 84 ff. 276

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 221

generell als unzulässig erachtet wird.280 So ist diese Argumentation auch hier abzulehnen, da nicht überprüfbar ist, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Arbeitgeber die Leistung ohne Leistungsbestimmungsrecht gewährt hätte.281 Daneben kann die Möglichkeit einer anderweitigen Entscheidung des Arbeitgebers die AGB-rechtliche Bewertung ohnehin nicht wesentlich beeinflussen. Denn genauso könnte dann immer argumentiert werden, dass der Verwender einer für ihn günstigen Klausel in Zukunft eine dazu in Bezug stehende Leistung streichen oder den Gesamtpreis der Gegenleistung anheben bzw. die Vergütung von Arbeitnehmern senken werde, wenn die Klausel für unwirksam erklärt würde. Es müsste auch bei Widerrufsvorbehalten nach diesem Argument davon ausgegangen werden, dass ein Arbeitgeber die widerruflich gestaltete Leistung gar nicht gewähren würde, wenn er wüsste, dass der Widerrufsvorbehalt unwirksam ist. Außerdem ist der Prüfungsmaßstab in der AGB-Kontrolle ein abstraktgenereller, so dass Einzelfallüberlegungen auszuklammern sind.282 b) Zwischenergebnis: Vorliegen einer rechtfertigungsbedürftigen Benachteiligung Insgesamt stellt ein entgeltrelevanter Bestimmungsvorbehalt des Arbeitgebers eine Benachteiligung des Arbeitnehmers dar. Die Entscheidung über die Höhe einer Zahlung wird vollends dem Arbeitgeber übertragen, während der Arbeitnehmer ohne die Einräumung des Bestimmungsrechts jedenfalls durch seine Abschlussentscheidung über die Höhe mitbestimmen könnte. c) Rechtfertigungsanforderung: berechtigtes Interesse des Arbeitgebers Diese Benachteiligung durch Verwendung eines arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalts ist unangemessen und führt zur Unwirksamkeit der Klausel, wenn sie nicht gerechtfertigt ist. Deshalb muss ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an einer solchen Klauselgestaltung vorliegen, das auch geeignet ist, die Benachteiligung zu rechtfertigen.283 280 Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 17; BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 35; MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 45 f.; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 145; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 493; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 224 ff.; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 129. 281 Bei der Prüfung von Freiwilligkeitsvorbehalten lehnt dieses Argument auch ab BAG v. 25.04.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853 Rn. 22. 282 Vgl. zum abstrakt-generellen Kontrollmaßstab: Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 5; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 79; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs/ Bieder, Anh. § 310 BGB AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht Rn. 41; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 110; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 45; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 460; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 109 f. 283 Vgl. Stoffels, RdA 2015, 276, 277; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, Anh. § 310 BGB Rn. L 214; Heiden, Entgeltrelevante Zielvereinbarungen aus arbeitsrechtlicher

222 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

Es bestehen keine arbeitsrechtlichen Besonderheiten, die dieses Bedürfnis entgegen der zivilrechtlichen Behandlung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte gänzlich entfallen lassen würden. Das zeigt bereits die Übereinstimmung zwischen der Rechtsprechung des BGH und der des BAG zu Widerrufsvorbehalten darüber, ein berechtigtes Interesse vorauszusetzen.284 Genauso wenig besteht ein gewichtiger Unterschied zu Widerrufsvorbehalten, der es rechtfertigen würde, von der dort getroffenen Bewertung abzuweichen.285 Im Gegenteil unterstützt die einheitliche Bewertung verschiedener Formen einseitiger Leistungsbestimmungsrechte durch BAG und BGH den hier gezogenen Schluss, dass auch bei den gegenständlichen Bestimmungsvorbehalten ein berechtigtes Interesse an der Einräumung vorliegen muss. Die Anforderungen an dieses Interesse sind jedoch nicht zu hoch anzusetzen, da die Benachteiligung des Arbeitnehmers allein durch Einräumung eines Leistungsbestimmungsrechts über die Höhe einer geldwerten Leistung unabhängig von dessen Gestaltung nicht allzu schwer wiegt.286 d) Berechtigtes (Flexibilisierungs-)Interesse im Arbeitsverhältnis Ein berechtigtes Interesse wird im Arbeitsverhältnis regelmäßig vorliegen, da es sich um ein Dauerschuldverhältnis handelt, von dem der Arbeitgeber sich nur schwer lösen kann und das erheblichen wirtschaftlichen sowie rechtlichen Schwankungen unterliegt.287 So wird sich die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens bei Vertragsschluss nie sicher absehen lassen. Das daraus resultierende Interesse des Arbeitgebers, durch flexible Vertragsgestaltung auf diese Entwicklungen auch ohne Kündigung reagieren zu können, genügt als berechtigtes Interesse für die Implementierung eines entgeltrelevanten BestimmungsvorbeSicht, S. 76 ff.; generell zu einseitigen Leistungsbestimmungsrechten so Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 174 f. 284 S. dazu bereits Kapitel 2 C. und D. II. 285 S. zum Verhältnis der beiden Flexibilisierungsinstrumente bereits Kapitel 1 B. IV. 286 S. zur Unangemessenheit bei zu offener Gestaltung Kapitel 4 B. IV.–VII. 287 Vgl. Stoffels, RdA 2015, 276, 278; nach BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 636/11, zitiert nach juris Rn. 33, entsprechen die hier relevanten einseitigen Leistungsbestimmungsrechte einem Bedürfnis des Wirtschaftslebens; vgl. zum Flexibilisierungsinteresse des Arbeitgebers generell HWK/Roloff, Anh. §§ 305–310 BGB Rn. 28; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, ArbR Rn. 133; Stoffels, NZA 2017, 1217, 1219; MAH ArbR/ Hexel, § 25 Rn. 27; Hanau/Hromadka, NZA 2005, 73; Kluge, Widerrufsvorbehalte zur Absenkung des Arbeitsentgelts aus „wirtschaftlichen Gründen“ in vorformulierten Arbeitsverträgen, S. 113 ff.; Boensch, Arbeitsvertragliche Entgeltflexibilisierung und aufsichtsrechtliche Institutsvorgaben, S. 69; Richardt, Arbeitsvertragliche Flexibilisierung von Entgeltbedingungen, S. 1 ff.; BAG v. 11.04.2006 – 9 AZR 557/05, NZA 2006, 1149 Rn. 36; BAG v. 13.03.2007 – 9 AZR 433/06, AP Nr. 26 zu § 307 BGB Rn. 41; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 36/09, DB 2010, 2805 Rn. 31; vgl. zu diesem Interesse bei anderen Dauerschuldverhältnissen auch BGH v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11 Rn. 46.

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 223

halts.288 Dass im Arbeitsverhältnis solche Flexibilisierungsbedürfnisse bestehen, zeigt auch die Existenz verschiedener gesetzlicher Regelungen, wie beispielsweise der des Weisungsrechts in § 106 GewO, § 611a Abs. 1 S. 1, 2 BGB oder der Regelungen des TzBfG.289 Insofern liegen arbeitsrechtliche Besonderheiten i. S. d. § 310 Abs. 4 S. 2 BGB vor, die zwar das Bedürfnis eines berechtigten Interesses nicht entfallen lassen, dieses aber regelmäßig begründen.290 e) Vergleichbare Interessenlage bei befristeten Arbeitsverhältnissen Etwas Anderes kann gelten, wenn besondere Umstände vorliegen, die ein Flexibilisierungsbedürfnis gar nicht erst entstehen lassen. Das könnte bei auf eine kurze Zeit befristeten Arbeitsverhältnissen der Fall sein. In solchen Fällen bedarf es einer gesteigerten Rechtfertigung, da die wirtschaftliche und rechtliche Entwicklung auf kurze Zeit besser abzusehen ist und der Arbeitgeber nicht dauerhaft an das Arbeitsverhältnis gebunden bleibt. Auch in solchen Fällen besteht jedoch die Möglichkeit unvorhergesehener Ereignisse, wie z. B. Umsatzeinbrüchen oder plötzlicher Änderungen der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, so dass auch dort ein gewisses Flexibilisierungsinteresse anzuerkennen ist. Es ist folglich in der Regel, auch bei befristeten Arbeitsverhältnissen, von einem berechtigten Interesse des Arbeitgebers an der Flexibilisierung auszugehen, solange keine abweichende Interessenlage festgestellt ist.291 f) Ergebnis Die herausgearbeitete Benachteiligung des Arbeitnehmers, die durch die Verwendung eines entgeltrelevanten Bestimmungsvorbehalts entsteht292, ist regelmäßig durch ein berechtigtes Flexibilisierungsinteresse des Arbeitgebers gerechtfertigt293. Da das Arbeitsverhältnis auf Dauer angelegt ist und erheblichen wirtschaftlichen sowie rechtlichen Schwankungen unterliegt, ist ein Interesse des Arbeitgebers anzuerkennen, durch flexible Vertragsgestaltung auf diese Entwicklungen auch ohne Kündigung reagieren zu können. 288 S. zum Flexibilisierungsinteresse als berechtigtes Interesse des Arbeitgebers: ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 56; Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 70 ff.; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 51; Hofmann, Entgeltflexibilisierung und AGB-Kontrolle, S. 1 ff. S. auch Singer, Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen, S. 13 ff.; Voigt/Steeger, DB 2018, 646. 289 Vgl. zur Flexibilisierung durch das TzBfG Singer, RdA 2006, 362, 365; Clemenz/ Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 74. 290 Vgl. auch Stoffels, RdA 2015, 276 ff. 291 Anders könnte es in Ausnahmefällen liegen, wenn z. B. ein befristeter Vertrag für ein bestimmtes Projekt geschlossen wird, für das bereits bei Vertragsschluss eine vollständige zweckgebundene Finanzierung durch einen Dritten gesichert ist. In diesem Fall trägt nicht der Arbeitgeber das wirtschaftliche Risiko, sondern der Geldgeber. 292 S. dazu Kapitel 4 B. III. 3. a). 293 S. dazu Kapitel 4 B. III. 3. c), B. III. 3. d) und B. III. 3. e).

224 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

4. Fazit: Keine generelle Unwirksamkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte Es hat sich gezeigt, dass arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte nicht schon unabhängig von ihrer Ausgestaltung wegen einer unangemessenen Benachteiligung unwirksam sind.294 Voraussetzung der Angemessenheit ist das Vorliegen eines berechtigten Interesses des Arbeitgebers an dieser Klauselgestaltung, das geeignet ist, die bestehende Benachteiligung zu rechtfertigen.295 Die Benachteiligung des Arbeitnehmers durch einen Bestimmungsvorbehalt ergibt sich aus der Abweichung vom Vertragsprinzip, dem Grundsatz der Festlegung der Rechte und Pflichten im Vertrag und dem Grundsatz der Vertragsbindung.296 Denn aufgrund der Einräumung des Leistungsbestimmungsrechts entsteht kein – sonst nach dem Vertragsprinzip jedoch erforderliches – vom Arbeitnehmer konsentiertes und vertraglich der Höhe nach festgelegtes Versprechen. Dem Arbeitnehmer wird die Möglichkeit genommen, die Höhe der Leistung durch Vertragsverhandlungen zu beeinflussen. Darüber hinaus wird die Bindung des Arbeitgebers an sein Leistungsversprechen eingeschränkt, während der Arbeitnehmer an alle vertraglichen Pflichten gebunden bleibt. Diese Benachteiligung wird aber in der Regel durch ein berechtigtes (Flexibilisierungs-)Interesse des Arbeitgebers gerechtfertigt.297 Ein solches Flexibilisierungsinteresse liegt im Arbeitsverhältnis regelmäßig vor, da es sich um ein Dauerschuldverhältnis handelt, von dem der Arbeitgeber sich nur schwer lösen kann und das erheblichen wirtschaftlichen und rechtlichen Schwankungen unterliegt. Die obigen Ausführungen haben außerdem gezeigt, dass die Angemessenheit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB zu prüfen ist.298 Neben dem Vertragsgrundsatz und dem Grundsatz der vertraglichen Festlegung der Rechte und Pflichten eignet sich auch der Grundsatz der Vertragsbindung nicht als Leitbild für die Kontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.299

IV. Unangemessenheit bei Eingriff in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses Fraglich ist, ob ein Bestimmungsvorbehalt des Arbeitgebers einen Eingriff in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses darstellen kann, wann dies der Fall ist 294 295 296 297 298 299

S. insbesondere Kapitel 4 B. III. 3. d). S. Kapitel 4 B. III. 3. c). S. Kapitel 4 B. III. 3. a). S. dazu Kapitel 4 B. III. 3. d). S. Kapitel 4 B. III. 1. S. Kapitel 4 B. III. 1. b) bb).

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 225

und welche Konsequenzen für die Ausgestaltung sich daraus ergeben. Ist das Verbot eines Eingriffs in den Kernbereich zu beachten, könnte dies erhebliche Auswirkungen auf die Ausgestaltung der Klausel haben. So müsste die Festlegung der Leistung womöglich tatbestandlich der Höhe nach begrenzt werden. Zuerst muss erörtert werden, ob das Verbot, in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses einzugreifen, auf Bestimmungsvorbehalte anwendbar ist. Das BAG erwähnt es zwar und macht deutlich, dass der Kernbereichseingriff auch bei Bestimmungsvorbehalten unzulässig sein soll.300 Auch in der Literatur wird die Anwendbarkeit des Kernbereichsschutzes teilweise bejaht.301 Inhalt des Verbots eines Kernbereichseingriffs ist aber, dass es unzulässig ist, wesentliche Elemente des Arbeitsvertrages einer einseitigen Änderung zugänglich zu machen, durch die das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung grundlegend gestört wird.302 Außerdem dürfe der Arbeitgeber durch die jeweilige Klauselgestaltung das Wirtschaftsrisiko nicht auf den Arbeitnehmer verlagern.303 Vor allem die Formulierung der „einseitigen Änderung“ lässt Zweifel darüber aufkommen, ob das Verbot des Kernbereichseingriffs bei Bestimmungsvorbehalten angewendet werden kann. Denn diese erlauben keine Änderung, sondern die erstmalige Festlegung einer Leistung. Wirft man aber einen Blick auf die Wirkung von Bestimmungsvorbehalten, könnte doch von einer Änderung gesprochen werden, die lediglich auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorverlagert wurde. So entfällt die sonst vertraglich festzulegende Leistung zugunsten einer vom Arbeitgeber zu bestimmenden Leistung. Der Schutz des Kernbereichs könnte außerdem nicht als reines Verbot der Änderung des Äquivalenzverhältnisses, sondern als Verbot verstanden werden, einen Kernbereich zu gewährender Leistungen anzutasten. Deshalb soll im folgenden Abschnitt zunächst untersucht werden, welchen genauen Inhalt der Kernbereichsschutz hat und ob er auf Bestimmungsvorbehalte anwendbar ist.304 Darauffolgend wird untersucht, woraus zu schließen ist, dass es einen absolut geschützten Kernbereich des Arbeitsverhältnisses gibt.305 Einerseits wird den 300 Vgl. BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970 Rn. 30 f.; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 636/11, zitiert nach juris Rn. 33. 301 HWK/Roloff, Anh. §§ 305–310 BGB Rn. 28; Boensch, Arbeitsvertragliche Entgeltflexibilisierung und aufsichtsrechtliche Institutsvorgaben, S. 168 ff.; Niklas, ArbRB 2018, 353 f.; Ulrici, jurisPR-ArbR 12/2011 Anm. 1; Reinfelder, NZA-Beil. 2014, 10, 15. 302 Vgl. BAG v. 07.10.1982 – 2 AZR 455/80, BAGE 40, 199; BAG v. 31.01.1985 – 2 AZR 393/83, EzBAT § 8 BAT Direktionsrecht Nr. 3 m.w. N.; BAG v. 15.11.1995 – 2 AZR 521/95, NZA 1996, 603; BAG v. 15.08.2000 – 1 AZR 458/99, zitiert nach juris. 303 S. BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 07.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 77; LAG Hessen v. 04.05.2009 – 7 Sa 1607/08, zitiert nach juris. 304 S. Kapitel 4 B. IV. 1. 305 S. Kapitel 4 B. IV. 2.

226 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

Vorschriften des KSchG entnommen, dass diese einen Kernbereich des Arbeitsverhältnisses schützen, der einseitig nur unter den Voraussetzungen einer Änderungskündigung nach §§ 1, 2 KSchG angetastet werden dürfe.306 Andererseits wird darauf abgestellt, dem Arbeitnehmer dürfe nicht das Wirtschaftsrisiko – d.h. das Risiko, dass die Arbeitsleistung wegen schlechter wirtschaftlicher Lage für den Arbeitgeber nutzlos wird – übertragen werden.307 Möglicherweise könnte sich das Verbot, den Kernbereich durch Regelungen in AGB anzutasten, aber auch direkt aus § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB ergeben.308 Eine wesentliche Problematik beinhalten darüber hinaus die abstrakte Definition bzw. Festlegung des Kernbereichs309 sowie die daraus folgenden Anforderungen an die Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte310. Bei Widerrufsvorbehalten wird gefordert, dass der widerrufliche Teil einer geldwerten Leistung nicht 25 % (bei Leistungen aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis)311 bzw. 30 % (bei anderen Leistungen)312 oder mehr des Gesamtverdienstes betragen darf. Bei den hier einschlägigen Bestimmungsvorbehalten nennt das BAG keine konkreten Unwirksamkeitsschwellen. Abweichend von den bei Widerrufsvorbehalten angewendeten Grenzen hat das BAG ein Leistungsbestimmungsrecht zur erstmaligen Festlegung nicht für unwirksam erklärt, das 40 % der Gesamtvergütung bzw. der gesamten Zielvergütung betraf.313 Es bleibt unklar, ob die genannten Werte aus der Rechtsprechung zu Widerrufsvorbehalten auch auf Be-

306 Vgl. insbesondere BAG v. 07.10.1982 – 2 AZR 455/80, BAGE 40, 199; BAG v. 31.01.1985 – 2 AZR 393/83, EzBAT § 8 BAT Direktionsrecht Nr. 3 m.w. N.; BAG v. 13.05.1987 – 5 AZR 125/86, NZA 1988, 95; BAG v. 15.11.1995 – 2 AZR 521/95, NZA 1996, 603; BAG v. 15.08.2000 – 1 AZR 458/99, zitiert nach juris; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87 Rn. 21 f.; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 308 Nr. 4 BGB Rn. 35. 307 Vgl. BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87; LAG Hessen v. 04.05.2009 – 7 Sa 1607/08, zitiert nach juris; Singer, RdA 2006, 362, 368; Stoffels, NZA 2017, 1217, 1219; Reinfelder, NZA-Beil. 2014, 10, 15; Clemenz/Kreft/Krause/ Krause, Einführung Rn. 72; zum Wirtschaftsrisiko s. ErfK/Preis, § 615 BGB Rn. 121; HK-ArbR/Boemke, § 615 BGB Rn. 33 m.w. N.; Hanau/Adomeit, Arbeitsrecht, Rn. 817; Lindemann, Flexible Gestaltung von Arbeitsbedingungen, S. 188 ff.; s. dazu auch BeckOK-ArbR/Joussen, § 615 BGB Rn. 89 ff. 308 S. dazu Kapitel 4 B. IV. 2. a) und B. IV. 3. 309 S. dazu Kapitel 4 B. IV. 5. 310 S. dazu Kapitel 4 B. IV. 7. 311 BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 07.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777. 312 BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87. 313 BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; so auch LAG BadenWürttemberg v. 14.01.2013 – 1 Sa 27/12, NZA-RR 2013, 118 bei einer flexiblen Vergütung von 30–45 % des Gesamtverdienstes.

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 227

stimmungsvorbehalte anwendbar sein sollen oder wie der Eingriff festzustellen ist.314 Denkbar wäre, die Werte zu übertragen oder aber den Kernbereich im Einzelfall festzulegen. Von Interesse ist in jedem Fall, welchen Einfluss der Entgeltcharakter der Leistung auf die Bestimmung des Kernbereichs hat.315 Der Entgelt- oder Gegenleistungscharakter selbst bedarf ebenfalls der Untersuchung. Es stellt sich die Frage, welche Leistungen umfasst sind und wie dies zu bestimmen ist.316 Die Einschätzungen dazu fallen unterschiedlich aus. Man könnte den Kreis eng ziehen und Leistungen wie etwa dem Weihnachtsgeld den Gegenleistungscharakter absprechen. Nicht ausgeschlossen wäre es aber auch, in das Gegenseitigkeitsverhältnis alle Leistungen einzubeziehen, die in irgendeinem Zusammenhang zur Arbeitsleistung stehen. Für die Feststellung des Gegenleistungscharakters könnte womöglich auf die Vorgehensweise zur Anrechenbarkeit von Arbeitgeberleistungen auf den Mindestlohn nach dem MiLoG zurückgegriffen werden. Anschließend wird herausgearbeitet, wie der abstrakt definierte Kernbereich im Einzelfall zu schützen ist.317 Dies stößt unweigerlich auf das Problem, dass die Leistung bei arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten nicht vertraglich festgelegt ist. Wie soll etwa die Einhaltung prozentualer Werte festgestellt werden? Zur Beantwortung dieser Frage ist die konkrete Vertragsgestaltung zu betrachten. Das BAG erachtet Bestimmungsvorbehalte, die keinen ausdrücklichen Kernbereichsschutz enthalten, aber nach billigem Ermessen auszuüben sind, regelmäßig für wirksam.318 Dem könnte entnommen werden, dass der Kernbereich bereits durch die Bindung an billiges Ermessen ausreichend geschützt wird. Da die Leistung dennoch jegliche Höhe annehmen kann, könnte die Festlegung eines Leistungsrahmens oder einer prozentualen Obergrenze erforderlich sein, um den Kernbereichsschutz zu garantieren. 1. Anwendbarkeit des Kernbereichsschutzes auf arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte Auch wenn die vertragliche Ausgangssituation anders gelagert ist und die Voraussetzungen schwieriger festzustellen sind als bei Widerrufsvorbehalten, ist das Verbot des Kernbereichseingriffs auch bei den gegenständlichen Bestimmungsvorbehalten anzuwenden. Dies soll nachfolgend dargelegt werden. 314

S. dazu auch unter Kapitel 2 E. V. S. dazu Kapitel 4 B. IV. 5. c) und B. IV. 7. a). 316 S. dazu Kapitel 4 B. IV. 6. 317 S. dazu Kapitel 4 B. IV. 7. 318 BAG v. 26.09.2012 – 10 AZR 370/11, zitiert nach juris; BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148; BAG v. 17.10.2012 – 10 AZR 620/11, zitiert nach juris; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 636/11, zitiert nach juris. 315

228 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

a) Grundgedanken des Kernbereichsschutzes Die AGB-rechtliche Rechtsprechung zum Kernbereichseingriff ist aus der früheren Rechtsprechung zur Umgehung der Kündigungsschutzvorschriften hervorgegangen.319 Grundgedanke war, dass es dem Arbeitgeber verwehrt sein soll, sich durch eine vertragliche Gestaltung eine Änderungsmöglichkeit der Rechte und Pflichten einzuräumen, die durch die Kündigungsrechtsvorschriften geschützt werden sollen. Eine Unwirksamkeit war danach anzunehmen, wenn ohne die jeweilige Klausel eine Änderungskündigung nötig gewesen wäre, um die in Rede stehende Pflicht zu ändern. Entscheidend wurde darauf abgestellt, ob wesentliche Elemente des Arbeitsvertrages einer einseitigen Änderung unterliegen sollen, durch die das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung grundlegend gestört würde.320 Davon war beim Entgelt jedenfalls auszugehen, wenn der widerrufliche Teil mehr als 30 % des Gesamteinkommens ausmachte.321 Dieses Verständnis wird in der heutigen Rechtsprechung weitergeführt. Es wird außerdem darauf abgestellt, dass der Arbeitgeber das Wirtschaftsrisiko nicht auf den Arbeitnehmer verlagern darf.322 Das Ergebnis und der Grundgedanke dieser Rechtsprechung überzeugen vor allem mit Blick auf die Besonderheiten des Arbeitsrechts. Typischerweise ist der Arbeitnehmer auf seinen Arbeitsplatz angewiesen, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.323 Das Wirtschaftsrisiko, d.h. das Risiko, dass die Arbeitsleistung wegen schlechter wirtschaftlicher Lage für den Arbeitgeber nutzlos wird, kann und soll nicht der Arbeitnehmer, sondern der Arbeitgeber tragen.324 Diese Überlegungen finden im Kündigungsschutzrecht eine gewisse Absicherung, indem es dem Arbeitgeber nur unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt ist, sich gänzlich vom Arbeitsverhältnis oder durch Änderungskündigung von einzelnen versprochenen

319

S. dazu unter Kapitel 2 B. I. und D. II. 1. Vgl. BAG v. 07.10.1982 – 2 AZR 455/80, BAGE 40, 199; BAG v. 31.01.1985 – 2 AZR 393/83, EzBAT § 8 BAT Direktionsrecht Nr. 3 m.w. N.; BAG v. 15.11.1995 – 2 AZR 521/95, NZA 1996, 603; BAG v. 15.08.2000 – 1 AZR 458/99, zitiert nach juris. 321 BAG v. 07.10.1982 – 2 AZR 455/80, BAGE 40, 199; BAG v. 15.08.2000 – 1 AZR 458/99, zitiert nach juris. 322 S. BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 07.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 77; LAG Hessen v. 04.05.2009 – 7 Sa 1607/08, zitiert nach juris. 323 Vgl. APS/Preis, Grundlagen B. Rn. 3, 16 m.w. N.; APS/Künzl, § 2 KSchG Rn. 3; NK-ArbR/Greiner, § 1 KSchG Rn. 16 ff.; Schaub ArbR-HdB/Linck, § 1 Rn. 4; MünchHdb ArbR/Richardi, § 3 Rn. 34 f.; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 187; Stoffels, RdA 2015, 276, 278; Henssler, SAE 1988, 164, 165. 324 Vgl. ErfK/Preis, § 615 BGB Rn. 121; HK-ArbR/Boemke, § 615 BGB Rn. 33 m.w. N.; Hanau/Adomeit, Arbeitsrecht, Rn. 817; Lindemann, Flexible Gestaltung von Arbeitsbedingungen, S. 188 ff.; s. dazu auch BeckOK-ArbR/Joussen, § 615 BGB Rn. 89 ff. 320

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 229

Leistungen zu lösen.325 Das Kündigungsschutzrecht schützt also den Bestand des Arbeitsverhältnisses im Interesse des Arbeitnehmers. Dass aber nicht jeder kleinste Teil des Arbeitsverhältnisses starr unveränderbar bleiben soll, zeigen bereits die Existenz des allgemeinen Weisungsrechts des Arbeitgebers aus § 106 GewO, § 611a Abs. 1 S. 1, 2 BGB und die Regelungen des TzBfG.326 Dem Arbeitgeber muss eine gewisse Vertragsgestaltungsfreiheit verbleiben, um seinen Flexibilisierungsbedürfnissen Rechnung tragen zu können.327 Deshalb müssen Instrumente wie der Widerrufsvorbehalt grundsätzlich zulässig sein, solange der Kernbereich des Arbeitsverhältnisses nicht angetastet ist, auf den der Arbeitnehmer vertraut und auf den er in der Regel angewiesen ist, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. b) Anwendbarkeit auf einseitige Bestimmungsvorbehalte Problematisch ist, dass es bei den gegenständlichen Leistungsbestimmungsrechten streng genommen nicht um eine Änderung der betreffenden Leistung geht und das Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung diese Leistung von vornherein nicht in gleichem Maße umfasst, da sie eben nicht in bestimmter Höhe versprochen wurde. Auch eine Änderungskündigung wäre weder dazu erforderlich, die Zahlungspflicht ganz entfallen zu lassen, noch dazu, sie besonders niedrig zu halten. Denn es wurde nie eine konkrete Leistung versprochen, die dann geändert werden könnte. In dieser Weise darf die vorliegende Konstellation jedoch nicht betrachtet werden. Das Leistungsversprechen und die Flexibilisierung dieser Leistung durch Einräumung des Leistungsbestimmungsrechts sind voneinander zu trennen. Die Klausel muss mit einer hypothetischen Situation verglichen werden, in der nach den Regeln des Vertragsprinzips eine Leistung der Höhe nach vereinbart worden ist. Beim Widerrufsvorbehalt verspricht der Arbeitgeber eine Leistung konkret und behält sich vor, diese später ganz oder teilweise durch Widerruf entfallen zu lassen. Bei einem Bestimmungsvorbehalt löst der Arbeitgeber sich im Grunde von der gesetzlich vorgesehenen Gestaltung, eine Leistung konkret zu versprechen.328 Die Flexibilisierung wird dadurch nur weiter vorverlagert und verstärkt. Der Arbeitgeber muss nun nicht einmal mehr eine Leistung versprechen, von der er sich nur mit wirksamem Widerrufsvorbehalt oder einer Änderungskündigung

325 Vgl. APS/Preis, Grundlagen B. Rn. 3, 16 m.w. N.; APS/Künzl, § 2 KSchG Rn. 3; NK-ArbR/Greiner, § 1 KSchG Rn. 16 ff.; NK-ArbR/Nübold, § 2 KSchG Rn. 3; MüKoBGB/Hergenröder, § 2 KSchG Rn. 1; HaKo/Mayer, § 1 KSchG Rn. 3; HaKo/Pfeiffer, § 2 KSchG Rn. 1 ff.; BeckOK-ArbR/Rolfs, § 2 KSchG Rn. 1 f. 326 Vgl. Singer, RdA 2006, 362, 365; Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 74. 327 Vgl. Singer, RdA 2006, 362, 365. 328 S. dazu eingehend unter Kapitel 4 A.V. und B. III. 3. a).

230 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

lösen kann. Dieses Problem ist von Anfang an vertraglich umgangen worden. Auch das hypothetische Verhältnis von Leistung und Gegenleistung wird bereits durch die Klausel in gewissem Maße verändert. Als Beispiel soll ein Arbeitgeber dienen, der bei Vertragsschluss ein monatliches Bruttogehalt von 3.000 A für angemessen hält und dies auch zahlen will. Um während des Arbeitsverhältnisses auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren zu können, bietet er dem Arbeitnehmer ein Gehalt von 1.500 A brutto und verspricht vertraglich einen quartalsmäßigen Bonus, dessen Höhe er jeweils nach billigem Ermessen festsetzt. Hätte der Arbeitgeber das angemessene Gehalt versprochen und einen Widerrufsvorbehalt gewählt, wäre dieser wegen Eingriffs in den Kernbereich unwirksam gewesen und der Arbeitgeber hätte dauerhaft ein Gehalt von 3.000 A zahlen müssen. Durch das gewählte Leistungsbestimmungsrecht ist die Flexibilisierung vorverlagert und das Problem umgangen worden. Der Arbeitgeber muss nur 1.500 A monatlich zahlen und kann den Bonus sogar auf null festsetzen, soweit dies billigem Ermessen entspricht. Dazu bedarf es keiner Änderungskündigung, die in der hypothetischen Situation des „vollen“ Gehaltsversprechens nötig gewesen wäre, um die Vergütung zu reduzieren. Das Äquivalenzverhältnis wäre außerdem erheblich verändert. Der Arbeitnehmer würde unter Umständen nur die Hälfte der sonst vorgesehenen Vergütung für dieselbe Arbeit erhalten. Zuletzt wird auch das Wirtschaftsrisiko teilweise auf den Arbeitnehmer verlagert. Denn kommt es beispielsweise zu einem Auftragsrückgang, kann der Arbeitgeber das Gehalt entgegen dem berechtigten Vertrauen des Arbeitnehmers bis auf 1.500 A reduzieren, ohne eine sonst gegebenenfalls nötige betriebsbedingte Änderungskündigung aussprechen zu müssen. Man mag argumentieren, dass der Arbeitnehmer sich auf die niedrige Vergütung eingelassen hat und ihm bewusst gewesen sein musste, dass der Arbeitgeber nicht zur Zahlung eines bestimmten Bonus verpflichtet ist. Dem ist auch zuzugeben, dass der Arbeitnehmer den Vertrag nicht eingehen musste und das AGBRecht ihn nicht vor zu niedriger Vergütung schützen soll. Der Arbeitgeber schränkt hier jedoch ein vertraglich dem Grunde nach gegebenes Versprechen noch stärker ein als im Falle eines Widerrufsvorbehalts, da er nicht einmal mehr an eine bestimmte Höhe bis zur Ausübung des Widerrufsrechts gebunden ist.329 Des Weiteren müsste die angesprochene Argumentation ebenso bei Widerrufsvorbehalten gelten, mit der Konsequenz, dass der Kernbereichsschutz zu entfallen hätte.330 Dem Arbeitnehmer müsste auch bei Verwendung eines Widerrufsvorbehalts bewusst sein, dass das Gehalt i. H. v. 3.000 A nur versprochen ist, 329 In diese Richtung auch Boensch, Arbeitsvertragliche Entgeltflexibilisierung und aufsichtsrechtliche Institutsvorgaben, S. 177 f. 330 Diese Argumentation lehnt auch Kluge, Widerrufsvorbehalte zur Absenkung des Arbeitsentgelts aus „wirtschaftlichen Gründen“ in vorformulierten Arbeitsverträgen, S. 136 ff. bei Widerrufsvorbehalten generell ab.

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 231

solange der Arbeitgeber sein Widerrufsrecht nicht ausübt, worauf zu Recht nicht abgestellt wird. Darüber hinaus ist das Verbot des Kernbereichseingriffs nicht als Verbot einer Veränderung des Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung im engeren Sinne zu verstehen.331 Das zeigt sich in der Anwendung auf den Fall der Änderung der Arbeitszeit.332 Wird die Arbeitszeit geändert, ändert sich in gleicher Weise auch die Vergütung und das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung bleibt unverändert. Richtig ist deshalb die Umschreibung als Verbot einer grundlegenden Änderung im Bereich der wesentlichen Leistungspflichten.333 Wie diese Änderung eintritt, kann dabei nicht entscheidend sein.334 Gegen eine strikte Übertragung des im Rahmen der Prüfung von Widerrufsvorbehalten entwickelten Kernbereichsschutzes könnte zuletzt sprechen, dass im Gegensatz zu Widerrufsvorbehalten, bei denen die Leistung durch Ausübung des Widerrufsrechts dauerhaft entfällt, die Ausübung des Bestimmungsrechts im Fall der entgeltrelevanten Bestimmungsvorbehalte nur Auswirkungen für den jeweiligen Turnus hat und eine Festlegung auf null nur in Ausnahmefällen zulässig ist.335 Der Kernbereich würde also nicht zwangsläufig dauerhaft angetastet, sondern möglicherweise nur einmalig, z. B. bei starken wirtschaftlichen Einbußen, die auch eine betriebsbedingte Änderungskündigung rechtfertigen würden. Allerdings ist Ziel der Kernbereichsprüfung, den Kernbereich absolut vor vertraglicher Einschränkung bzw. Aushöhlung zu schützen. Ein Antasten des Kernbereichs soll nur durch Änderungskündigung unter den strengen Voraussetzungen der §§ 1, 2 KSchG möglich sein.336 Hinzu kommt, dass bei der AGB-rechtlichen Beurteilung alle nicht völlig abwegigen Anwendungsmöglichkeiten der Klausel zu berücksichtigen sind.337 Dazu gehört auch eine wiederholte niedrige Festsetzung, durch die der Kernbereich betroffen ist. Aber selbst vor einmaliger Einschränkung ist der Kernbereich zu schützen.

331 APS/Greiner, Einführung §§ 14–21 TzBfG Rn. 43; vgl. auch Däubler/Bonin/Deinert/Dorndorf/Bonin, § 308 Nr. 4 BGB Rn. 36. 332 So etwa bei BAG v. 12.12.1984 – 7 AZR 509/83, BAGE 47, 314; BAG v. 28.10.1987 – 5 AZR 390/86, zitiert nach juris. 333 Ähnlich APS/Greiner, Einführung §§ 14–21 TzBfG Rn. 43. 334 Dementsprechend hält das Hessische Landesarbeitsgericht v. 04.05.2009 – 7 Sa 1607/08, zitiert nach juris, den Kernbereichsschutz auch bei einem Freiwilligkeitsvorbehalt für anwendbar. 335 Vgl. Stoffels, NZA 2017, 1217, 1224; zur Festlegung auf null s. auch BAG v. 19.03.2014 – 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595. 336 Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 72. 337 Vgl. Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 5; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 79; s. dazu auch BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 24; MüKo-BGB/ Wurmnest, § 307 BGB Rn. 39; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 110.

232 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

All das zeigt, dass das Verbot des Kernbereichseingriffs auch bei den gegenständlichen Leistungsbestimmungsrechten relevant werden kann und deshalb Anwendung finden muss.338 Der Arbeitgeber darf redlicherweise die einseitige Inanspruchnahme der Vertragsgestaltungsmacht339 nicht dazu nutzen, zum Nachteil des Arbeitnehmers in diejenigen Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis einzugreifen, die dieses gerade ausmachen und auf deren Einhaltung der Arbeitnehmer mit Recht vertraut. Das muss unabhängig von der konkreten Form der Flexibilisierungsklausel gelten. Genauso, wie es dem Arbeitgeber verwehrt sein muss, den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses durch Widerrufsvorbehalte oder Leistungsbestimmungsrechte zur Arbeitszeit340 anzutasten, muss auch bei Bestimmungsrechten zur Festlegung einer entgeltrelevanten Leistung der Kernbereich geschützt bleiben. Alle diese Klauselgestaltungen entsprechen zwar einem Flexibilisierungsinteresse des Arbeitgebers; das vermag es jedoch nicht zu rechtfertigen, diesen Kern auszuhöhlen.341 c) Ergebnis Der Kernbereich des Arbeitsverhältnisses ist vor einer flexiblen Gestaltung zu schützen, die die Entscheidungsgewalt allein dem Arbeitgeber überträgt. Das ist nicht lediglich dann der Fall, wenn im Nachhinein durch eine Änderung einseitig in den Kernbereich eingegriffen werden kann. Inhalt des Kernbereichsschutzes ist vielmehr, dass ein Kernbereich vor jeglichem einseitigen Eingriff durch den Arbeitgeber zu schützen ist.342 Wie dieser Eingriff konkret aussieht, kann dabei keine Rolle spielen. Der Kernbereichsschutz muss also auch bei arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten gelten. Denn hier wird die Flexibilisierung noch weiter vorverlagert als bei Widerrufsvorbehalten und dadurch verstärkt.

338 Vgl. zu diesem Ergebnis: Ulrici, jurisPR-ArbR 12/2011 Anm. 1; HWK/Roloff, Anh. §§ 305–310 BGB Rn. 28; Reinfelder, NZA-Beil. 2014, 10, 15; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150 Rn. 24; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970 Rn. 30 f.; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 636/11, zitiert nach juris Rn. 33; allgemein zum Schutz des Kernbereichs vor Flexibilisierung: Graf v. Westphalen/Thüsing/Thüsing, Arbeitsverträge Rn. 260 ff.; BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 101. 339 S. dazu BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 1; s. dazu auch NK-BGB/Kollmann, Vorbemerkungen zu §§ 305 ff. BGB Rn. 3 ff.; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 42; Kreienbaum, Transparenz und AGB-Gesetz, S. 214; MüKo-BGB/Basedow, Vorbemerkung §§ 305 ff. BGB, Rn. 4 ff., der den Schutzgrund der Inhaltskontrolle partielles Marktversagen nennt. 340 S. dazu bspw. BAG v. 12.12.1984 – 7 AZR 509/83, BAGE 47, 314; BAG v. 28.10.1987 – 5 AZR 390/86, zitiert nach juris. 341 Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 72. 342 Ähnlich auch Däubler/Bonin/Deinert/Dorndorf/Bonin, § 308 Nr. 4 BGB Rn. 36 ff.; s. dazu auch unten Kapitel 4 B. IV. 3.

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 233

2. Dogmatische Begründung des Kernbereichsschutzes und Prüfungsstandort im System der §§ 305 ff. BGB Trotz der soeben gewonnenen Erkenntnis, dass der Kernbereichsschutz auch bei arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten gelten muss, bleiben bezüglich der Anwendbarkeit noch zwei offene Fragen: Erstens taucht die Frage nach der dogmatischen Begründung auf, d.h. danach, woraus geschlossen werden kann, dass es einen absolut zu schützenden Kernbereich des Arbeitsverhältnisses gibt. Denn in den meisten anderen Schuldverhältnissen wird sich ein vergleichbar starker Schutz eines Kernbereichs nicht finden lassen. Die Antwort darauf wird zu Teilen den Vorschriften des KSchG entnommen. Sie schützen nach dieser Ansicht einen Kernbereich des Arbeitsverhältnisses, der einseitig nur unter den Voraussetzungen einer Änderungskündigung nach §§ 1, 2 KSchG angetastet werden dürfe.343 Daneben wird auch darauf abgestellt, dass dem Arbeitnehmer das Wirtschaftsrisiko – d.h. das Risiko, dass die Arbeitsleistung wegen schlechter wirtschaftlicher Lage für den Arbeitgeber nutzlos wird – nicht übertragen werden dürfe.344 Als zweites stellt sich die Frage, wo die Prüfung AGB-rechtlich zu verorten ist. Denn in seiner Rechtsprechung zu Bestimmungsvorbehalten ordnet das BAG den Kernbereichsschutz nicht eindeutig einem Tatbestand der §§ 307 ff. BGB zu.345 Der in der Rechtsprechung zu Widerrufsvorbehalten herangezogene § 308 Nr. 4 BGB ist bei Bestimmungsvorbehalten nicht anwendbar.346 In Betracht kommen deshalb insbesondere die Tatbestände des § 307 Abs. 2 BGB. 343 Vgl. insbesondere BAG v. 07.10.1982 – 2 AZR 455/80, BAGE 40, 199; BAG v. 31.01.1985 – 2 AZR 393/83, EzBAT § 8 BAT Direktionsrecht Nr. 3 m.w. N.; BAG v. 13.05.1987 – 5 AZR 125/86, NZA 1988, 95; BAG v. 15.11.1995 – 2 AZR 521/95, NZA 1996, 603; BAG v. 15.08.2000 – 1 AZR 458/99, zitiert nach juris; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87 Rn. 21 f.; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 308 Nr. 4 BGB Rn. 35; s. dazu Singer, Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen, S. 15, der die Herleitung aus dem KSchG ablehnt. 344 Vgl. BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87; LAG Hessen v. 04.05.2009 – 7 Sa 1607/08, zitiert nach juris; Singer, RdA 2006, 362, 368; Stoffels, NZA 2017, 1217, 1219; Reinfelder, NZA-Beil. 2014, 10, 15; Clemenz/Kreft/Krause/ Krause, Einführung Rn. 72; Singer, Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen, S. 17 f.; zum Wirtschaftsrisiko s. ErfK/Preis, § 615 BGB Rn. 121; HK-ArbR/Boemke, § 615 BGB Rn. 33 m.w. N.; Hanau/Adomeit, Arbeitsrecht, Rn. 817; Lindemann, Flexible Gestaltung von Arbeitsbedingungen, S. 188 ff.; s. dazu auch BeckOK-ArbR/Joussen, § 615 BGB Rn. 89 ff. 345 Vgl. BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970 Rn. 30 f.; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 636/11, zitiert nach juris Rn. 33. 346 S. dazu statt vieler: HK-ArbR/Boemke/Ulrici, § 308 BGB Rn. 26; BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 101; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, Anh. § 310 BGB Rn. L 213; Salamon EntgG-HdB/Salamon, Kap. F Rn. 193; BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/

234 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass die beiden Fragen untrennbar miteinander verbunden sind. Im Grunde ist zu fragen, weshalb in der AGB-Kontrolle geprüft werden muss, ob in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses eingegriffen wurde. Ist der Kernbereichsschutz eindeutig den Vorschriften des KSchG zu entnehmen, wäre ein Eingriff gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, weil gegen das Leitbild der Regelungen des KSchG verstoßen wird. Die Unwirksamkeit ergäbe sich auch aus § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB, wenn die gesetzliche Zuordnung des Wirtschaftsrisikos zum Arbeitgeber gem. § 615 S. 1 BGB347 dem Eingriff in den Kernbereich entgegenstünde. Das Verbot, den Kernbereich durch Regelungen in AGB anzutasten, könnte sich aber auch direkt aus § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB ergeben. Denn der Gedanke des Verbots einer Aushöhlung der wesentlichen Rechte und Pflichten des jeweiligen Vertragsverhältnisses ist in § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB verankert, dem insofern ein eigener Anwendungsbereich zukommt.348 Wäre der Kernbereichsschutz dem § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB zu entnehmen, könnte die Entscheidung zwischen direkter Herleitung aus dem KSchG und aus § 615 BGB unbeachtlich sein. a) Grundsätzlich vorrangige Prüfung nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB: Herleitung des Kernbereichsschutzes aus gesetzlichem Leitbild Inhaltlich deckt sich das Aushöhlungsverbot des § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB zwar mit dem Postulat, ein Eingriff in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses sei unzulässig. Ließe sich aber ein gesetzliches Leitbild finden, wäre der § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB vorrangig, da die Prüfung sich dann an einer gesetzlich autorisierten Interessenbewertung orientieren könnte.349 Die Herleitung des Kernbereichsschutzes bei Widerrufsvorbehalten ist umstritten. Teilweise wird auf einen Schutz des Kernbereichs durch das Kündigungsrecht abgestellt, das umgangen würde, wenn dieser durch flexible arbeitsvertragliche Gestaltung angetastet würde.350 Dabei soll es richtigerweise nach heutiger 12, NZA 2013, 970; a. A. wohl Ulrici, jurisPR-ArbR 12/2011 Anm. 1; dazu auch unter Kapitel 1 B. V. 347 Vgl. dazu BAG v. 07.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423; ErfK/Preis, § 615 BGB Rn. 120 f.; HK-ArbR/Boemke, § 615 BGB Rn. 32 f. m.w. N.; MüKo-BGB/Henssler, § 615 BGB Rn. 89 ff.; Lindemann, Flexible Gestaltung von Arbeitsbedingungen, S. 188 ff.; Singer, Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen, S. 17; s. dazu auch BeckOKArbR/Joussen, § 615 BGB Rn. 89 ff.; NK-ArbR/Boemke, § 615 BGB Rn. 141 f.; s. auch Singer, RdA 2006, 362, 368; Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 72. 348 S. dazu Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 193, 197, 238; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 501; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 261, 264 f.; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 31; MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 72. 349 S. dazu Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 197; Stoffels, AGBRecht, Rn. 501; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 264. 350 Vgl. insbesondere BAG v. 07.10.1982 – 2 AZR 455/80, BAGE 40, 199; BAG v. 31.01.1985 – 2 AZR 393/83, EzBAT § 8 BAT Direktionsrecht Nr. 3 m.w. N.; BAG v.

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 235

Ansicht nicht auf eine Anwendbarkeit des Kündigungsschutzrechts ankommen oder gar auf eine tatsächliche Umgehung.351 Zum Teil wird auch darauf abgestellt, ob das Wirtschaftsrisiko auf den Arbeitnehmer verlagert wird, das gem. § 615 S. 1 BGB dem Arbeitgeber obliegt.352 Beide Argumentationen erscheinen sinnvoll, bergen aber auch Ungereimtheiten. So kommt bei den hier gegenständlichen Bestimmungsvorbehalten eine Herleitung in Form eines Leitbilds aus §§ 611a Abs. 2, 615 BGB, den Regelungen des Kündigungsschutzrechts, dem Äquivalenzprinzip oder einer Kombination dieser in Frage. Diese Leitbilder würden den Anknüpfungspunkt des Kernbereichsschutzes darstellen. Das zu prüfende Verbot eines Eingriffs ergäbe sich in Verbindung mit § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. aa) Zur Herleitung aus dem Kündigungsschutzrecht Problematisch an einer direkten Herleitung aus dem Kündigungsschutzrecht ist vor allem, dass eine Norm nur soweit Leitbildfunktion haben kann, wie sie anwendbar ist.353 Das KSchG ist gem. § 23 KSchG nicht für jedes Arbeitsverhältnis anwendbar, ein Bedürfnis am Schutz des Kernbereichs entfällt bei den nicht umfassten Arbeitsverhältnissen jedoch nicht. Auch die genannten Grenzen der Rechtsprechung354 lassen sich nicht ohne weiteres dem Kündigungsschutzrecht entnehmen. Das Kündigungsschutzrecht schützt den Bestand des Arbeitsverhältnisses und nicht einen bestimmten Inhalt.355 Vor allem erlaubt es keine Entgeltkürzungen, auch nicht bis zu einer Höhe von 25 % oder 30 %. bb) Zur Herleitung aus § 611a Abs. 2 BGB Gegen eine Leitbildfähigkeit des § 611a Abs. 2 BGB spricht, dass dieser keine Pflicht zur Regelung einer bestimmten Höhe der Vergütung enthält, sondern nur 13.05.1987 – 5 AZR 125/86, NZA 1988, 95; BAG v. 15.11.1995 – 2 AZR 521/95, NZA 1996, 603; BAG v. 15.08.2000 – 1 AZR 458/99, zitiert nach juris; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87 Rn. 21 f.; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 308 Nr. 4 BGB Rn. 35. 351 BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87 Rn. 22; Clemenz/Kreft/ Krause/Krause, Einführung Rn. 72; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 308 Nr. 4 BGB Rn. 35; Schrader/Müller, RdA 2007, 145, 150. 352 Vgl. BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87; LAG Hessen v. 04.05.2009 – 7 Sa 1607/08, zitiert nach juris; Singer, RdA 2006, 362, 368; Stoffels, NZA 2017, 1217, 1219; Reinfelder, NZA-Beil. 2014, 10, 15; Clemenz/Kreft/Krause/ Krause, Einführung Rn. 72. 353 MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 70; vgl. auch Wolf/Lindacher/Pfeiffer/ Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 105. 354 S. dazu auch Kapitel 2 D. II. 2. a). 355 Vgl. Singer, RdA 2006, 362, 364.

236 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

statuiert, dass generell eine Vergütung geschuldet ist und zwar die vereinbarte. Die vereinbarte Leistung bleibt bei arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten nach wie vor geschuldet. Lediglich ihre Höhe liegt von Anfang an im Ermessen des Arbeitgebers. cc) Zur Herleitung aus § 615 S. 1 BGB: keine Verlagerung des Wirtschaftsrisikos § 615 S. 1 BGB enthält den leitbildfähigen Grundgedanken, dass der Arbeitgeber das Wirtschaftsrisiko trägt.356 Dies ist jedoch nicht der alleinige Gedanke des Kernbereichsschutzes. Vielmehr soll ein bestimmter Bereich vor Aushöhlung geschützt werden, auf den der Arbeitnehmer berechtigterweise vertraut. Außerdem müsste jedenfalls nach dem Wortlaut des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB von der gesetzlichen Regelung abgewichen werden, die den Grundgedanken enthält.357 Vorliegend wird nicht von § 615 S. 1 BGB direkt abgewichen.358 Dennoch könnte § 615 S. 1 BGB als Leitbild für die Inhaltskontrolle herangezogen werden, wenn man keine Abweichung von der Norm an sich, sondern von ihren Grundgedanken fordert.359 dd) Zur Herleitung aus dem Äquivalenzprinzip Auch das Äquivalenzprinzip taugt womöglich als Leitbildnorm zur Prüfung eines Kernbereichseingriffs.360 Schließlich soll das Verbot des Eingriffs verhindern, dass der Arbeitgeber die Möglichkeit erhält, das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung grundlegend zu stören bzw. zu ändern.361 Gegen eine Herleitung aus dem Äquivalenzprinzip spricht aber, dass dieses zu allgemein sein könnte, um als Grundlage einer konkreten Prüfung zu dienen. Außerdem ist auch eine Störung des Äquivalenzverhältnisses nicht der alleinige Anknüpfungspunkt für einen Eingriff in den Kernbereich.362

356 So BAG v. 07.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423; s. auch Singer, RdA 2006, 362, 368; Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 72. 357 Vgl. zur Abweichung Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 243 ff.; Stoffels, AGBRecht, Rn. 515 ff.; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 26; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 70; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 227; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 125. 358 S. dazu auch Kapitel 4 B. VII. 7. a). 359 § 615 BGB als Leitbild für die Prüfung des Kernbereichsschutzes sieht Singer, RdA 2006, 362, 368. 360 So Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 72. 361 Vgl. BAG v. 07.10.1982 – 2 AZR 455/80, BAGE 40, 199; BAG v. 31.01.1985 – 2 AZR 393/83, EzBAT § 8 BAT Direktionsrecht Nr. 3 m.w. N.; BAG v. 15.11.1995 – 2 AZR 521/95, NZA 1996, 603; BAG v. 15.08.2000 – 1 AZR 458/99, zitiert nach juris. 362 Vgl. Däubler/Bonin/Deinert/Dorndorf/Bonin, § 308 Nr. 4 BGB Rn. 36.

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 237

ee) Zwischenergebnis: keine eindeutige Herleitung aus einem gesetzlichen Leitbild Es hat sich gezeigt, dass der Kernbereichsschutz nicht ohne Probleme aus den genannten Normen bzw. Rechtsprinzipien hergeleitet werden kann. Aus diesen Gründen ist ein Eingriff in den Kernbereich nicht gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB anhand eines gesetzlichen Leitbilds zu prüfen. b) Begrenzte Relevanz der Herleitung: Kernbereichsschutz ergibt sich aus § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB Besser passend ist die Prüfung nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB.363 Es geht vorwiegend um die Aushöhlung der vertragswesentlichen Pflichten des Arbeitgebers.364 Das vergleichsweise unkonkrete Äquivalenzprinzip spielt dabei notwendigerweise eine gewisse Rolle. Es trägt dazu bei, den geschützten Bereich eines Vertragsverhältnisses zu gewährleisten. Vorrangig für die Prüfung dieses Bereichs ist aber § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Allein auf das Äquivalenzprinzip als Kontrollmaßstab abzustellen, würde dem dargestellten facettenreichen Kernbereichsschutz und dem damit verbundenen Aushöhlungsgedanken nicht gerecht. Sowohl das Äquivalenzprinzip als auch der Gedanke aus § 615 S. 1 BGB sind in der Prüfung nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB heranzuziehen, da sie Relevanz für die Begründung einer berechtigten Erwartung des Arbeitnehmers haben. Auch ein Blick auf die zur Herleitung des Kernbereichsschutzes angeführten Regelungen des KSchG und des § 615 S. 1 BGB unterstützen das gewonnene Ergebnis. Diese Regelungen stehen in Wechselwirkung mit der Natur des Vertrages: Sie sind Ausfluss der Natur des Arbeitsvertrages und formen diese gleichzeitig. Dadurch unterstützen sie die Annahme, dass dem Arbeitnehmer nach der Natur des Arbeitsvertrages ein Kernbereich der Entgeltleistungen verbleiben muss, auf den er vertraut und auf den er in der Regel angewiesen ist, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Denn sie sichern außerhalb des AGB-Rechts den Bestand des Arbeitsverhältnisses bzw. der Entgeltzahlung zu Gunsten des Arbeitnehmers.365 c) Ergebnis Der Kernbereichsschutz ist nicht aus dem KSchG, aus § 615 S. 1 BGB oder dem Äquivalenzprinzip herzuleiten. Er ergibt sich aus der Natur des Vertrages, wobei sowohl das Kündigungsschutzrecht als auch der Gedanke aus § 615 S. 1 BGB, dass der Arbeitgeber das Wirtschaftsrisiko trägt, und das Äquivalenzprinzip die Überlegungen dazu maßgeblich beeinflussen. Die Prüfung eines Kernbe363 364 365

So im Ergebnis wohl auch Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 72. Vgl. auch Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, S. 420. S. dazu auch Kapitel 4 B. IV. 1. und B. VII. 7. a).

238 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

reichseingriffs ist bei den gegenständlichen Leistungsbestimmungsrechten deshalb in Anwendung des § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB vorzunehmen.366 3. Inhaltliche Anforderungen nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB zum Schutz des Kernbereichs Nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist eine Klausel als unangemessen benachteiligend anzusehen, wenn sie wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet wird. Dafür ist auf die vertragstypischen Gerechtigkeitserwartungen abzustellen, die nach einer generalisierenden und typisierenden Betrachtung zu ermitteln sind.367 Es geht um eine Abweichung von dem, was die Parteien mit dem Vertrag typischerweise erreichen wollen und was dem Vertrag seine Eigenart gibt.368 Von den Rechtspositionen, die nach dem Vertrag typischerweise zu gewähren sind und auf die der Vertragspartner berechtigterweise vertraut, darf der Verwender nicht abweichen.369 Für die Feststellung dieses Bereichs ist von der Individualabrede auszugehen, davon abstrahiert aber ein allgemeines Gerechtigkeitsmodell zu entwickeln, das dann als Kontrollmaßstab dient.370 Entscheidend ist der Erwartungshorizont des durchschnittlichen Vertragspartners.371 Die vertragswesentlichen Rechte und Pflichten sind diejenigen, die zur Erreichung des Vertragszwecks unentbehrlich sind.372 Das sind sowohl Hauptleistungs- als auch Nebenleistungspflichten, soweit sie von besonderer Bedeutung sind.373 Die Rechte oder Pflichten müssen erheblich eingeschränkt werden374, was im Rahmen eines Rechtslagenvergleichs zwischen der Situation, die bei Bestehen 366 Im Rahmen der Prüfung von Widerrufsvorbehalten stellt sich die Frage, welcher Tatbestand des § 307 BGB anwendbar ist, hingegen nicht gleichermaßen, da Widerrufsvorbehalte an § 308 Nr. 4 BGB zu messen sind. 367 Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 238 ff. 368 Vgl. BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 66; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 31 ff.; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 134. 369 BGH NJW-RR 1986, 271, 272 m.w. N.; vgl. Stoffels, AGB-Recht, Rn. 523 ff.; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 138; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 272. 370 Stoffels, AGB-Recht, Rn. 529; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 268. 371 Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 246; Clemenz/Kreft/Krause/ Klumpp, § 307 BGB Rn. 75. 372 Vgl. Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 31 ff.; MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 72 ff. 373 Vgl. Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 142 f.; BeckOK-BGB/ H. Schmidt, § 307 Rn. 67; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 248 f.; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 76; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 531; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 273. 374 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 145.

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 239

der jeweiligen Klausel vorliegt, und derjenigen, wie sie sich nach der Natur des Vertrages ergeben würde, festzustellen ist.375 Durch diese Einschränkung muss der Vertragszweck, also der rechtliche oder wirtschaftliche Erfolg, den der Vertragspartner anstrebt376, mehr als geringfügig gefährdet werden.377 Dafür ist eine umfassende Interessenabwägung durchzuführen.378 Übertragen auf das Arbeitsverhältnis bedeutet das, dass dem Arbeitnehmer ein fester Kern der Gegenleistung des Arbeitgebers verbleiben muss.379 Hauptzweck des Abschlusses eines Arbeitsvertrages ist für den Arbeitnehmer der Erhalt einer Vergütung, mit der er seinen Lebensunterhalt bestreiten kann.380 Darauf besteht auch ein berechtigtes Vertrauen, wie die Realität der Arbeitswelt und auch die Regelung in § 611 a Abs. 2 BGB zeigen. Das soll unabhängig davon gelten, wie die wirtschaftliche Situation des Arbeitgebers sich entwickelt, der dafür selbst verantwortlich ist und gem. § 615 S. 1 BGB das entsprechende Wirtschaftsrisiko trägt. Verbliebe dem Arbeitnehmer ein zu geringer Teil der Vergütung, wäre der verfolgte Zweck gefährdet. Man könnte nach den obigen Ausführungen381 und dem genannten Beispiel vermuten, dass jedes Leistungsbestimmungsrecht in den vom Kündigungsrecht als zu schützen eingestuften Bereich eingreift, weil ohne dieses Recht unabhängig von der Höhe der Leistung eine Kündigung zur Reduzierung nötig wäre. Bei der Feststellung der Vertragszweckgefährdung sind aber auf der Gegenseite die Interessen des Arbeitgebers zu beachten.382 Dieser hat ein Interesse, seinen Betrieb wirtschaftlich profitabel aufrechtzuerhalten383 und deshalb die generell gewährte Vertragsfreiheit für vertragliche Regelungen zu nutzen, die es ihm ermög375 Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 259; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 501; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 277. 376 Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 262; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 278. 377 Stoffels, AGB-Recht, Rn. 548; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 76; BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 69; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 14; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 262; Staudinger/ Coester, § 307 BGB Rn. 279. 378 Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 264; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 280. 379 Vgl. BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 10, nach dessen Meinung eine Festvergütung bestimmt und gesichert sein muss. 380 Vgl. APS/Preis, Grundlagen B. Rn. 3, 16 m.w. N.; APS/Künzl, § 2 KSchG Rn. 3; NK-ArbR/Greiner, § 1 KSchG Rn. 16 ff.; Schaub ArbR-HdB/Linck, § 1 Rn. 4; MünchHdb ArbR/Richardi, § 3 Rn. 34 f.; Stoffels, RdA 2015, 276, 278; Henssler, SAE 1988, 164, 165. 381 Kapitel 4 B. IV. 1. 382 Vgl. zur umfassenden Interessenabwägung: Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 264; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 280. 383 Vgl. auch Stoffels, NZA 2017, 1217, 1219; zum allgemeinen Interesse des Verwenders an der Aufrechterhaltung des Betriebs Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 16.

240 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

lichen, auf unvorhersehbare Entwicklungen zu reagieren.384 Aus diesem Grund muss nicht etwa die gesamte Vergütung unveränderbar gewährt werden, sondern nur der Teil, auf den der Arbeitnehmer berechtigterweise vertraut, weil dieser Teil zur Wahrung des Zwecks, den Lebensunterhalt zu sichern, Bestand haben muss.385 Es zeigt sich erneut, dass auf dem Gebiet des Kernbereichs nicht nur eine Änderung unzulässig ist, sondern jeder einseitige Eingriff. Denn aus der Natur des Arbeitsvertrages ergibt sich im Zusammenspiel mit § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB, dass dem Arbeitnehmer ein bestimmter Teil der Gesamtvergütung (der Kernbereich) fest und ohne einseitige Eingriffsmöglichkeit des Arbeitgebers zu gewähren ist. 4. Zwischenergebnis: Anwendung des Kernbereichsschutzes bei arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten gem. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB Das Verbot eines Eingriffs in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses ist auch bei arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten im Entgeltbereich anwendbar.386 Denn dieses Verbot beinhaltet nicht nur einen Schutz vor nachträglichen Änderungsmöglichkeiten, sondern vor jeglichem einseitigen Eingriff durch den Arbeitgeber. Es ergibt sich aus der Natur des Arbeitsvertrages, wobei sowohl das Kündigungsschutzrecht als auch der Gedanke aus § 615 S. 1 BGB, dass der Arbeitgeber das Wirtschaftsrisiko trägt, und das Äquivalenzprinzip die Überlegungen dazu maßgeblich beeinflussen.387 Die Prüfung eines Kernbereichseingriffs ist bei den gegenständlichen Leistungsbestimmungsrechten deshalb anhand von § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB durchzuführen. Inhaltlich ergibt sich aus der Natur des Arbeitsvertrages im Zusammenspiel mit § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB, dass dem Arbeitnehmer ein bestimmter Teil der Gesamtvergütung (der Kernbereich) fest und ohne einseitige Eingriffsmöglichkeit des Arbeitgebers zu gewähren ist.388 5. Definition des Kernbereichs des Arbeitsverhältnisses Fraglich bleibt aber, wie dieser unveränderbar zu gewährende Teil der Vergütung zu bestimmen ist. Eine abstrakte Definition ist Voraussetzung für die darauffolgende Prüfung, ob der Kernbereich ausreichend geschützt ist. Deshalb soll hier zunächst herausgearbeitet werden, wie der Kernbereich abstrakt zu bestim384 385 386 387 388

Vgl. dazu auch Singer, RdA 2006, 362, 365; Henssler, SAE 1988, 164 f. Vgl. zur Sicherung der Festvergütung BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 101. S. dazu Kapitel 4 B. IV. 1. S. dazu Kapitel 4 B. IV. 2. S. dazu Kapitel 4 B. IV. 3.

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 241

men ist. Darauf aufbauend können später die konkreten vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten untersucht werden. Welchen Umfang der Kernbereich in absoluten Zahlen hat, lässt sich nicht pauschal für alle Arbeitsverhältnisse im Voraus festlegen. Relevant werden insbesondere die Höhe der variablen Vergütung, der verbleibende (feste) Verdienst, die Art der Leistung und die Stellung des Arbeitnehmers im Unternehmen.389 Es wäre deshalb eine Möglichkeit, von einer abstrakten Definition abzusehen und den Kernbereich nach den Umständen des Einzelfalls zu bestimmen. Mehr Rechtssicherheit würde eine Orientierung an der Bestimmung des Kernbereichs durch die Rechtsprechung zu Widerrufsvorbehalten bringen, nach der bestimmte prozentuale Werte anzulegen sind.390 Es ist jedoch problematisch, dass die Leistung bei Bestimmungsvorbehalten vertraglich nicht festgelegt ist. Prozentuale Werte könnten ins Leere laufen. Darüber hinaus muss ein Blick darauf geworfen werden, ob Sonderzahlungen zum Kernbereich gehören und welchen Einfluss sie auf die Bestimmung dieses Bereichs haben. Teilweise wird außerdem vertreten, die Kernbereichsgrenze müsse bei höherem Gesamtverdienst auch höher ausfallen.391 Zuletzt stellt sich die Frage, ob eine Unterschreitung des Tariflohns ebenfalls Teil der Prüfung eines Kernbereichseingriffs ist. So sieht es nämlich das BAG bei Widerrufsvorbehalten.392 a) Keine Festlegung im Einzelfall Wie soeben beschrieben, haben eine Vielzahl von einzelfallbezogenen Faktoren Einfluss auf den Kernbereich. Deshalb könnte die Festlegung des Kernbereichs einer Einzelfallprüfung zu überlassen sein. Das hätte den Vorteil, dass die Vertragsfreiheit möglichst weitgehend gewahrt bliebe und es dem Verwender ermöglicht würde, die beste Lösung für den konkreten Fall zu finden. Die alleinige Feststellung der Unzulässigkeit des Kernbereichseingriffs, ohne nähere Kriterien, wann dies der Fall ist, ist jedoch aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit abzulehnen. Die Prüfung im Einzelfall bietet keine Kriterien, die eine rechtssichere Beurteilung der Angemessenheit ermöglichen. Das gilt sowohl für den Verwender als auch den Vertragspartner sowie den Rechtsanwender. Die 389 Vgl. BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777 Rn. 23; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931 Rn. 18; Stoffels, NZA 2017, 1217, 1219; Reinfelder, NZA-Beil. 2014, 10, 15; Graf v. Westphalen/Thüsing/Thüsing, Arbeitsverträge Rn. 263. 390 S. dazu Kapitel 2 D. II. 2. a). 391 Bei Spitzenverdienern wollen eine höhere prozentuale Grenze anlegen: Graf v. Westphalen/Thüsing/Thüsing, Arbeitsverträge Rn. 263; Reinecke, NZA 2005, 953, 958 f.; in diese Richtung bei Widerrufsvorbehalten auch BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; ablehnend Rieble, NZA-Beil. 2000, 34, 39. 392 S. etwa BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465 Rn. 26; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87 Rn. 23; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/ 14, NZA 2017, 931 Rn. 21.

242 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

Festlegung im Einzelfall ist für eine AGB-Prüfung auch regelmäßig ungeeignet, da diese abstrakt-generell durchzuführen ist393. b) Festlegung des Kernbereichs durch prozentuale Grenzen der Gesamtvergütung Einen sinnvollen Anknüpfungspunkt für die Festlegung des Kernbereichs bietet eine prozentuale Grenze bezogen auf die vertraglich vereinbarte Gesamtvergütung, bei der davon auszugehen ist, dass die Parteien die relevanten Interessen so berücksichtigt haben, wie sie es für richtig halten, und dessen Angemessenheit nicht zu überprüfen ist. Dieses Vorgehen ist geeignet, die Sicherung des Äquivalenzverhältnisses und damit des unabdingbaren Kerns der erwarteten arbeitgeberseitigen Leistung zu gewährleisten, und bietet eine rechtssichere Prüfungsgrundlage. Zur Bestimmung des nicht zum Kernbereich gehörenden Anteils der Vergütung bieten sich die von der Rechtsprechung bei Widerrufsvorbehalten postulierten Werte von unter 25 % (bei Leistungen aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis)394 bzw. 30 % (bei anderen Leistungen)395 der Gesamtvergütung an. Sie sind der Höhe nach angemessen396 und müssen deshalb dem Grunde nach auch bei den hier relevanten Leistungsbestimmungsrechten gelten.397 Bezugspunkt muss immer die Gesamtvergütung des Turnus sein, für den die unter Bestimmungsvorbehalt gestellte Leistung gezahlt wird. Nur so entsteht eine sinnvolle Relation zum Gesamtvertrag und der gesamten Vergütung, über die die berechtigte Erwartung des Arbeitnehmers festgestellt werden kann. Im Fall der gegenständlichen Bestimmungsvorbehalte begegnen prozentuale Werte zwar den Bedenken, sie könnten ins Leere laufen, da die Leistung vertraglich nicht festgelegt ist und die Einhaltung der Werte nicht ohne weiteres überprüft werden kann. Das ändert aber nichts daran, dass die Werte den Kernbereich abstrakt richtig umschreiben. Wie die Einhaltung konkret festzustellen ist, ist eine Frage der auf die Definition folgenden Prüfung.398 393 Zur abstrakt-generellen Prüfung Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 5; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 79; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs/Bieder, Anh. § 310 BGB AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht Rn. 41; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 110; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 45; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 460; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 109 f.; Henssler/Moll, AGBKontrolle vorformulierter Arbeitsbedingungen, S. 13. 394 BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 07.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777. 395 BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87. 396 So auch Bayreuther, ZiP 2007, 2009. 397 Ulrici, jurisPR-ArbR 12/2011 Anm. 1. 398 S. dazu Kapitel 4 B. IV. 7.

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 243

c) Besonderheiten bei Sonderzahlungen Es bleibt die Frage, ob Sonderzahlungen vom Kernbereich auszunehmen sind, da sie für das Arbeitsverhältnis nicht dieselbe Bedeutung haben wie synallagmatische Entgeltleistungen. Richtigerweise kann der Charakter einer Leistung als Sonderzahlung aber unabhängig davon, dass man einer Geldzahlung des Arbeitgebers in der Regel nicht den Gegenleistungscharakter absprechen kann399, den Kernbereichsschutz nicht ausschließen. Denn zu den wesentlichen Rechten und Pflichten nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB gehören auch Nebenpflichten, wenn sie für die Vertragsdurchführung von besonderer Bedeutung sind.400 Dementsprechend dürfen Geldleistungen unabhängig von ihrem Charakter nicht ausgehöhlt werden, wenn sie eine solche Bedeutung haben. Man muss bei Sonderzahlungen wie z. B. Geschäftsjubiläumsboni zwar davon ausgehen, dass sie nicht im selben Maße in die Entscheidung des Arbeitnehmers aufgenommen werden, dass ein weniger ausgeprägtes und schützenswertes Vertrauen besteht und dass der Arbeitgeber ein höheres Interesse an Flexibilisierung hat.401 Das lässt aber den Kernbereichsschutz nicht gänzlich entfallen, sondern rechtfertigt es, die Schwelle zum Kernbereichseingriff bei solchen Leistungen höher anzusetzen. Ab einem bestimmten Anteil der Leistung an der Gesamtvergütung ist nämlich davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer auf diese berechtigterweise vertraut und sie nutzt, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.402 Dann ist von einer besonderen Bedeutung der Leistung i. S. d. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB auszugehen. Zur Bestimmung dieses Bereichs bei Sonderzahlungen ist die 30 %-Grenze der Rechtsprechung anzuwenden.403 Diese Grenze wird nach der hier vertretenen Auffassung im Ergebnis allerdings selten anzuwenden sein, da die meisten Zahlungen als Teil der Gegenleistung anzusehen sind.404 399

Dazu sogleich unter Kapitel 4 B. IV. 6. BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 67; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 76; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 249; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 273. 401 Vgl. Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, S. 419 ff.; Lindemann, Flexible Gestaltung von Arbeitsbedingungen, S. 198 f., 206 f.; Henssler, SAE 1988, 164, 165; zur geringeren Abhängigkeit von Sonderzahlungen im Verhältnis zur laufenden Vergütung: BAG v. 30.07.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173; BAG v. 18.03.2009 – 10 AZR 289/08, NZA 2009, 535. 402 Vgl. dazu Moll, Die Änderung der Arbeitsbedingungen durch den Arbeitgeber, S. 162; dazu BAG v. 18.01.2012 – 10 AZR 667/10, BAGE 140, 239 Rn. 18; zur Problematik des Gegenleistungscharakters HK-ArbR/Boemke, § 611a BGB Rn. 323 ff.; Salamon/Wessels, BB 2017, 885, 886; Salamon, NZA 2014, 465, 467; Sonderzahlungen generell als Gegenleistung sehen: BeckOK-ArbR/Joussen, § 611a BGB Rn. 218 ff.; NK-ArbR/Brors, § 611 BGB Rn. 669 ff.; ErfK/Preis, § 611a BGB Rn. 527 ff. 403 A. A. bei Widerrufsvorbehalten Richardt, Arbeitsvertragliche Flexibilisierung von Entgeltbedingungen, S. 144; im „Randbereich“ Graf v. Westphalen/Thüsing/Thüsing, Arbeitsverträge Rn. 275: Eine Kernbereichsprüfung soll in diesem Randbereich nicht mehr durchzuführen sein. 404 Dazu sogleich unter Kapitel 4 B. IV. 6. 400

244 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

d) Besonderheiten nach der Stellung des Arbeitnehmers Ein hoher Verdienst des betroffenen Arbeitnehmers ändert an den genannten Grenzen nichts.405 Auch Arbeitnehmer mit hohem Verdienst erwarten berechtigterweise einen fest gewährten Kernbereich der Entgeltleistung und die Höhe des Verdienstes ist bereits durch den prozentualen Bezug zum Gesamtlohn berücksichtigt. Haben die jeweiligen Arbeitnehmer jedoch eine entscheidende Stellung im Unternehmen und damit erheblichen Einfluss auf die Erreichung der Voraussetzungen der Zahlung, kann die Grenze höher ausfallen, wenn diese Voraussetzungen tatsächlich entscheidend für die Zahlung sind.406 e) Verbot der Tariflohnunterschreitung ist kein Teil der AGB-Prüfung Der vom BAG in Entscheidungen zu Widerrufsvorbehalten mehrfach postulierte Unzulässigkeitsgrund der Unterschreitung des Tariflohns407 ist nicht Teil des Kernbereichsschutzes im Rahmen der AGB-Kontrolle und deshalb hier nicht von Relevanz. Denn die Bindung an den Tariflohn ergibt sich für tarifgebundene Arbeitgeber ohne Anwendung des AGB-Rechts bereits aus § 4 Abs. 2 TVG, der zwingend gilt.408 Auf nichttarifgebundene Arbeitgeber kann diese Bindung nicht durch das AGB-Recht erstreckt werden, da dies gegen Art. 9 Abs. 3 GG verstoßen würde.409 f) Ergebnis Die Definition des Kernbereichs kann aus Gründen der Rechtssicherheit nicht auf den Einzelfall verlagert werden.410 Stattdessen sind die prozentualen Werte des BAG anzuwenden, die das Gericht in der Rechtsprechung zu Widerrufsvor405 A. A. Graf v. Westphalen/Thüsing/Thüsing, Arbeitsverträge Rn. 263; Reinecke, NZA 2005, 953, 958 f., die bei Spitzenverdienern eine höhere prozentuale Grenze anlegen wollen; in diese Richtung bei Widerrufsvorbehalten auch BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465. 406 Vgl. zur Berücksichtigung der Stellung des Arbeitnehmers im Unternehmen BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777 Rn. 23; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931 Rn. 18; Stoffels, NZA 2017, 1217, 1219; Reinfelder, NZA-Beil. 2014, 10, 15; Graf v. Westphalen/Thüsing/Thüsing, Arbeitsverträge Rn. 263; zur Berücksichtigung der Einflussmöglichkeit bei den Anforderungen an Widerrufsgründe ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 54, 61; Lindemann, Flexible Gestaltung von Arbeitsbedingungen, S. 200 ff., 218. 407 S. etwa BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465 Rn. 26; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87 Rn. 23; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/ 14, NZA 2017, 931 Rn. 21. 408 Vgl. Stoffels, NZA 2017, 1217, 1220. 409 Stoffels, NZA 2017, 1217, 1220; Bayreuther, ZiP 2007, 2009, 2010; vgl. auch HWK/Hergenröder, Art. 9 GG Rn. 66 ff.; Günther, AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen, S. 175 ff. 410 S. dazu Kapitel 4 B. IV. 5. a).

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 245

behalten postuliert hat. Die unter Bestimmungsvorbehalt versprochene Leistung muss also unter 25 % (bei Leistungen aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis) bzw. 30 % (bei anderen Leistungen) der Gesamtvergütung liegen.411 Schwierigkeiten bei der Anwendung prozentualer Werte auf eine unbestimmte Leistung ändern nichts an der Richtigkeit dieser Werte, sondern sind Teil der Frage, wie ihre Einhaltung im Einzelfall zu überprüfen ist.412 Auch Sonderzahlungen haben ab einer bestimmten Höhe wesentliche Bedeutung für den Arbeitnehmer und sind deshalb Teil des Kernbereichs.413 Ihr Charakter rechtfertigt es aber, den zulässigen flexiblen Anteil an der Gesamtvergütung höher (also auf unter 30 %) zu bestimmen. Der Gesamtverdienst des Arbeitnehmers hingegen vermag an diesen Werten nichts zu ändern, da gleichwohl eine berechtigte Erwartung auf den Bestand des Kernbereichs besteht.414 Nur eine besondere Stellung im Unternehmen, mit der ein gesteigerter Einfluss auf die letztendliche Höhe der Zahlung einhergeht, kann dazu führen, dass im Einzelfall größere Teile der Vergütung flexibel gestaltet werden können. Keine Relevanz für die Prüfung eines Eingriffs in den Kernbereich hat im Rahmen der AGB-Kontrolle die Frage, ob der Tariflohn eingehalten wurde.415 Dieser gilt unabhängig von der Anwendbarkeit des AGB-Rechts und kann nicht auf Arbeitgeber erstreckt werden, die nicht tarifgebunden sind. 6. Zur Feststellung des Gegenleistungscharakters entgeltrelevanter Leistungen Es hat sich gezeigt, dass die Wirksamkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte im Entgeltbereich auch vom Gegenleistungscharakter der betreffenden Leistung abhängt. Denn die Anforderungen zum Schutz des Kernbereichs, der auch bei Bestimmungsvorbehalten zu beachten ist416, richten sich nach dem Charakter der Leistung, die vertraglich durch eine Flexibilisierungsklausel eingeschränkt wurde. Ist die flexible Leistung Teil der synallagmatischen Gegenleistung, muss sie zwingend unter 25 % der Gesamtvergütung betragen. Steht eine nicht synallagmatische Leistung unter Vorbehalt, darf sie die Grenze von 30 % der Gesamtvergütung nicht erreichen.417 Deshalb muss an dieser Stelle auf den synallagmatischen Charakter entgeltrelevanter Leistungen eingegangen werden. Dieser Charakter spielt auch in der

411 412 413 414 415 416 417

S. dazu Kapitel 4 B. IV. 5. b). Dazu sogleich unter Kapitel 4 B. IV. 7. S. dazu Kapitel 4 B. IV. 5. c). S. dazu Kapitel 4 B. IV. 5. d). S. dazu Kapitel 4 B. IV. 5. e). Dazu soeben unter Kapitel 4 B. IV. 1. Dazu soeben unter Kapitel 4 B. IV. 5.

246 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

weiteren Angemessenheitskontrolle sowie in der Transparenzkontrolle eine Rolle. Die an Bestimmungsvorbehalte zu stellenden Wirksamkeitsanforderungen können abhängig von der Einordnung als Teil der Gegenleistung oder als Sonderzahlung418 ohne Gegenleistungscharakter variieren. Die Einordnung kann neben der Festlegung des Kernbereichs des Arbeitsverhältnisses beispielsweise auch Einfluss auf die Qualität zu regelnder Ausübungskriterien haben.419 Im Folgenden soll herausgearbeitet werden, ob geldwerte Leistungen im vorliegenden Zusammenhang überhaupt als nicht zur Gegenleistung gehörig angesehen werden können und wie dies gegebenenfalls zu bestimmen ist. Zunächst wird der Frage nachgegangen, inwieweit die Vorgehensweise von Rechtsprechung und Literatur zur Frage der Anrechenbarkeit von Arbeitgeberleistungen auf den Mindestlohn nach dem MiLoG hier fruchtbar gemacht werden kann. Anschließend wird untersucht, wie der Gegenleistungsbereich bei der AGB-Kontrolle von arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten abzugrenzen ist und welche Leistungen darunterfallen. a) Orientierung an der Einordnung bei Mindestlöhnen: funktionale Äquivalenz als Abgrenzungskriterium? Für die Zuordnung einer Leistung zum Gegenseitigkeitsverhältnis könnte hier auf die Vorgehensweise von Rechtsprechung und Literatur zur Frage der Anrechenbarkeit von Arbeitgeberleistungen auf den Mindestlohn nach dem MiLoG zurückgegriffen werden. Denn die grundlegende Funktion der Zahlung des Mindestlohns ist die Gewährung einer Gegenleistung an den Arbeitnehmer.420 Das Vorgehen von Rechtsprechung und Literatur wird im Folgenden kurz dargestellt und dahingehend überprüft, ob es auf die vorliegende Konstellation übertragen werden kann. aa) Funktionaler Äquivalenzvergleich: Theorien zur Bestimmung der Mindestlohnwirksamkeit Zur Feststellung der Anrechenbarkeit bzw. Mindestlohnwirksamkeit einer Leistung wird ein Funktionsvergleich vorgenommen: Die Leistung soll auf den Mindestlohn anrechenbar sein, wenn sie diesem funktionell äquivalent ist.421 Das 418 Ausführlich zu diesem Begriff bei Boensch, Arbeitsvertragliche Entgeltflexibilisierung und aufsichtsrechtliche Institutsvorgaben, S. 9 ff. 419 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 10. a). 420 BAG v. 25.05.2016 – 5 AZR 135/16, BAGE 155, 202 Rn. 27; BAG v. 29.06.2016 – 5 AZR 716/15, BAGE 155, 318 Rn. 23; HK-ArbR/Däubler, § 1 MiLoG Rn. 15; Lakies, Mindestlohngesetz, § 1 Rn. 39. 421 Vgl. etwa Weigert, NZA 2017, 745, 746 ff.; HK-ArbR/Däubler, § 1 MiLoG Rn. 15; BeckOK-ArbR/Greiner, § 1 MiLoG Rn. 24.1; ErfK/Franzen, § 1 MiLoG Rn. 12; Lakies, Mindestlohngesetz, § 1 Rn. 40; Thüsing/Bayreuther, § 1 MiLoG, Rn. 98 ff.; s. zum Funktionsvergleich an sich auch Ulber, RdA 2014, 176.

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 247

bedeutet, dass sie in ihrer Funktion der Funktion des Mindestlohns (bzw. des Mindestentgelts) nach dem MiLoG gleichwertig sein muss. Die grundlegende Funktion der Zahlung des Mindestlohns ist die Gewährung einer Gegenleistung an den Arbeitnehmer.422 Zur Definition, wofür die Gegenleistung in Form des Mindestlohns gewährt wird und wann eine solche Gegenleistung im Einzelfall vorliegt, werden im Grunde zwei verschiedene Ansätze vertreten. Ein Ansatz stellt darauf ab, ob die vermeintliche Gegenleistung des Arbeitgebers die „Normalleistung“ des Arbeitnehmers vergüten soll.423 Danach soll jede Leistung des Arbeitgebers anrechenbar sein, die unmittelbares Entgelt für die geleistete Arbeit des Arbeitnehmers darstellt, zu der dieser im Normalfall424 verpflichtet ist. Nicht anrechenbar sind dann alle Leistungen, die andere Zwecke verfolgen als die Vergütung der normalen Arbeitsleistung (überobligatorische Leistungen oder Leistungen mit anderer Zweckbindung). Nach der zweiten Meinung425 sind nur solche Leistungen nicht funktionell äquivalent, die „ohne Rücksicht auf die tatsächliche Arbeitsleistung“ gezahlt werden oder die „auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung beruhen“ 426, weil das MiLoG den Zweck verfolge, zur Existenzsicherung des Arbeitnehmers beizutragen427. Funktionell äquivalent, also Gegenleistung i. S. d. MiLoG, sind danach alle synallagmatischen Geldleistungen des Arbeitgebers, die nicht auf gesetzlicher Zweckbestimmung beruhen.428

422 BAG v. 25.05.2016 – 5 AZR 135/16, BAGE 155, 202 Rn. 27; BAG v. 29.06.2016 – 5 AZR 716/15, BAGE 155, 318 Rn. 23; HK-ArbR/Däubler, § 1 MiLoG Rn. 15; Lakies, Mindestlohngesetz, § 1 Rn. 39. 423 HK-ArbR/Däubler, § 1 MiLoG Rn. 16 m.w. N.; Tschöpe/Grimm, Teil 6 E Rn. 90 ff.; ErfK/Franzen, § 1 MiLoG Rn. 12 ff. 424 Was genau dieser Normalfall bzw. die Normalleistung ist, scheint nicht abschließend geklärt. BeckOK-ArbR/Greiner, § 1 MiLoG Rn. 29 ist der Meinung, dass die Normalleistung durch die Arbeitsvertragsparteien festgelegt wird. Brors, NZA 2014, 938, 940 rechnet zur Normalleistung nur den Grundlohn pro Zeitstunde. S. dazu auch Ulber, RdA 2014, 176, 177. 425 BAG v. 25.05.2016 – 5 AZR 135/16, BAGE 155, 202 Rn. 32; BAG v. 06.12.2017 – 5 AZR 864/16, NZA 2018, 525 Rn. 26; Weigert, NZA 2017, 745; BeckOK-ArbR/ Greiner, § 1 MiLoG Rn. 32 ff.; MüKo-BGB/Müller-Glöge, § 1 MiLoG Rn. 23; HWK/ Sittard, § 1 MiLoG Rn. 15 ff.; Lakies, Mindestlohngesetz, § 1 Rn. 40 ff. 426 BAG v. 25.05.2016 – 5 AZR 135/16, BAGE 155, 202 Rn. 32; vgl. dazu auch HKMiLoG/Düwell, § 1 Rn. 77 ff., der diese Auslegung für nicht vertretbar hält. 427 Vgl. dazu Sagan, RdA 2018, 121, 122 m.w. N.; Thüsing/Bayreuther, § 1 MiLoG, Rn. 100 ff.; HWK/Sittard, § 1 MiLoG Rn. 15; zum Zweck der Existenzsicherung s. auch Preis/Ulber, Die Verfassungsmäßigkeit des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns, S. 34; krit. bezüglich dieses Zwecks Thüsing/Thüsing, Einleitung MiLoG, Rn. 2; vgl. zum Zweck des MiLoG auch Preis/Ulber, Ausschlussfristen und Mindestlohngesetz, S. 33 ff. 428 Lakies, Mindestlohngesetz, § 1 Rn. 40, 47; MüKo-BGB/Müller-Glöge, § 1 MiLoG Rn. 23.

248 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

bb) Keine Übertragbarkeit des Funktionsvergleichs auf die AGB-Kontrolle von Flexibilisierungsklauseln Der funktionelle Äquivalenzvergleich an sich ist auf die vorliegende Konstellation der AGB-Kontrolle von Flexibilisierungsklauseln nicht übertragbar. Denn es gibt im vorliegenden Zusammenhang keine Vergleichsgröße. Das AGB-Recht enthält keinen eigenen Entgelt- oder Gegenleistungsbegriff und legt keine Funktion bestimmter Zahlungen fest. Genauso wenig gibt es im Arbeitsrecht einen einheitlichen Entgeltbegriff. So wird teilweise zwischen Leistungen, die zum engeren Synallagma gehören, solchen, die Mischcharakter429 haben, und reinen Sonderzahlungen unterschieden, wobei die Leistungen mit Mischcharakter mittlerweile als Teil der Gegenleistung behandelt werden430.431 Den reinen Sonderzahlungen hingegen könnte der Gegenleistungscharakter gänzlich abgesprochen werden.432 Ein Konsens über die Bestimmung der Gegenleistung oder eine genaue Einordnung verschiedener Leistungen besteht dabei nicht. Die Mindestlohnwirksamkeit einer Leistung ist für die AGB-Kontrolle ebenfalls ohne Bedeutung, da die AGB-Kontrolle nicht dazu dient, den Mindestlohnanspruch besonders zu schützen.433 Der Mindestlohnanspruch ist im MiLoG zwingend ausgestaltet (§ 3 MiLoG) und eigenständig geschützt (§§ 13 ff. MiLoG). Es geht hier außerdem nicht nur um die Existenzsicherung, die einen Zweck des MiLoG darstellt434, oder etwa um die Frage, ob es sich um die Vergütung der 429 S. etwa BAG v. 25.04.1991 – 6 AZR 532/89, BAGE 68, 32 m.w. N.; BAG v. 13.11.2013 – 10 AZR 848/12, BAGE 146, 284. 430 S. dazu BAG v. 18.01.2012 – 10 AZR 612/10, BAGE 140, 231; ErfK/Preis, 18. Aufl., § 611a BGB Rn. 528. 431 Vgl. zur Problematik des Gegenleistungscharakters HK-ArbR/Boemke, § 611a BGB Rn. 323 ff.; Salamon/Wessels, BB 2017, 885, 886; Salamon, NZA 2014, 465, 467; Moll, Die Änderung der Arbeitsbedingungen durch den Arbeitgeber, S. 162 ff.; Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, S. 419 ff.; Preis/Preis, II S 40 Rn. 20 ff.; Lindemann, Flexible Gestaltung von Arbeitsbedingungen, S. 314 ff.; 336 ff. 432 Vgl. BAG v. 28.03.2007 – 10 AZR 261/06, NZA 2007, 687 Rn. 18; BAG v. 05.07.2011 – 1 AZR 94/10, zitiert nach juris Rn. 35; BAG v. 18.01.2012 – 10 AZR 667/10, BAGE 140, 239 Rn. 12 ff.; BAG v. 13.05.2015 – 10 AZR 266/14, NZA 2015, 992 Rn. 25; DLW/Baeck/Winzer, Kapitel 2 Rn. 596, 621; Lindemann, Flexible Gestaltung von Arbeitsbedingungen, S. 336 f.; Moll, Die Änderung der Arbeitsbedingungen durch den Arbeitgeber, S. 162 f.; Sonderzahlungen generell als Gegenleistung sehen aber: BeckOK-ArbR/Joussen, § 611a BGB Rn. 218 ff.; NK-ArbR/Brors, § 611 BGB Rn. 669 ff.; ErfK/Preis, § 611a BGB Rn. 527 ff.; Hümmerich/Reufels/Mengel, § 1 Rn. 3442; HWK/Thüsing, § 611a BGB Rn. 252; Singer, RdA 2006, 362, 366; Bayreuther, BB 2009, 102, 106. 433 Vgl. Stoffels, NZA 2017, 1217, 1219. 434 Vgl. Sagan, RdA 2018, 121, 122; Thüsing/Bayreuther, § 1 MiLoG, Rn. 100 ff.; HWK/Sittard, § 1 MiLoG Rn. 15; Preis/Ulber, Die Verfassungsmäßigkeit des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns, S. 34; krit. bezüglich dieses Zwecks Thüsing/Thüsing, Einleitung MiLoG, Rn. 2; vgl. zum Zweck des MiLoG auch Preis/Ulber, Ausschlussfristen und Mindestlohngesetz, S. 33 ff.

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 249

Normalleistung handelt. Es stellt sich vielmehr die Frage, welche Leistungen des Arbeitgebers im Rahmen der AGB-Kontrolle als Teil des Gegenseitigkeitsverhältnisses anzusehen sind. Die AGB-Kontrolle hat ihren Ausgangspunkt im jeweiligen Vertrag435 und soll den Vertragspartner und – insbesondere gem. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB – auch seine berechtigten Erwartungen436 schützen. Es geht verobjektiviert437 betrachtet darum, was die Parteien vereinbart haben, welche Schutzbedürfnisse des durchschnittlichen Vertragspartners bestehen und was er erwarten darf 438. Ein Vergleich von Funktionen scheidet hier also in Ermangelung eines Vergleichsobjekts aus. cc) Funktionsbetrachtung als sinnvoller Anknüpfungspunkt in der AGB-Kontrolle Dennoch kann die Diskussion zur Anrechenbarkeit von Arbeitgeberleistungen auf den Mindestlohn eine Orientierungshilfe bieten. Denn sie bietet Anknüpfungspunkte für eine Definition der arbeitgeberseitigen Gegenleistung. Um das Entgelt i. S. d. MiLoG zu bestimmen, wird die Funktion der jeweiligen Leistung des Arbeitgebers daraufhin betrachtet, ob sie der Vergütung von Arbeitsleistung oder einem anderen Zweck dient. Diese Frage bietet auch für die AGB-Kontrolle von Flexibilisierungsklauseln eine sinnvolle Abgrenzungsmöglichkeit. Keine sinnvolle Orientierungsmöglichkeit bietet dabei aber das Abstellen auf die Vergütung der Normalleistung. Das verdeutlicht etwa ein Blick auf Überstundenzuschläge. Leistet der Arbeitnehmer Überstunden, zu denen er vertraglich 435 Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 103, 246; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 485, 534; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 53; Wolf/Lindacher/ Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 212; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 124. 436 Zum Schutz des Vertragspartners s. Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 108; Hellwege, Allgemeine Geschäftsbedingungen, einseitig gestellte Vertragsbedingungen und die allgemeine Rechtsgeschäftslehre, S. 563 ff., 590; BeckOK-BGB/ H. Schmidt, § 307 Rn. 1; Leuschner, AcP 207 (2007), 491, 494; s. dazu auch NK-BGB/ Kollmann, Vorbemerkungen zu §§ 305 ff. BGB Rn. 3 ff.; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 42; zum Schutz seiner Erwartungen gem. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB s. Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 244; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 32 f.; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 268 ff.; MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 76; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 528. 437 Zur objektiven Auslegung s. Schwab, AGB-Recht, Rn. 378 ff.; Ulmer/Brandner/ Hensen/Ulmer/Schäfer, § 305c BGB Rn. 64, 73 ff.; BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 305c Rn. 46 ff.; MüKo-BGB/Basedow, § 305c BGB Rn. 33 ff.; vgl. zur typisierenden Betrachtung in der Angemessenheitskontrolle auch Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 5; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 79; BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 29; MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 40; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 45. 438 Zur Maßgeblichkeit der Erwartungen des durchschnittlichen Vertragspartners s. Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 307 BGB Rn. 158; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 184; HWK/Roloff, § 307 BGB Rn. 13; Kreienbaum, Transparenz und AGB-Gesetz, S. 271 ff.; Evermann, Die Anforderungen des Transparenzgebots an die Gestaltung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen, S. 121 ff.

250 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

nicht verpflichtet ist, und erhält er dafür einen Überstundenzuschlag, handelt es sich nicht um eine Vergütung der Normalleistung.439 Die Leistung wäre nach dieser Ansicht also funktional nicht mit dem Mindestlohn äquivalent und deshalb nicht anrechenbar. AGB-rechtlich kann eine solche Leistung aber nicht etwa als Sonderzahlung ohne Gegenleistungscharakter formularvertraglich problemlos eingeschränkt werden, sondern verdient denselben Schutz wie die Grundvergütung. Denn der Arbeitnehmer hegt die berechtigte Erwartung, diese Zahlung zu erhalten, und wird seine Lebensführung auch entsprechend darauf einstellen. Der zweite Ansatz, der darauf abstellt, ob eine Leistung Teil des Synallagmas ist, trifft zwar den auch im AGB-Recht entscheidenden Punkt. Der Erkenntnisgewinn ist aber gering, denn dieser Ansatz beschreibt nur den Ausgangspunkt der hier zu untersuchenden Frage: Wann ist eine Leistung Teil des Synallagmas? Eine Antwort liefert er nicht. Verwertbar ist hier im Ergebnis also nur der logische Gedanke, den Charakter einer Leistung nach ihrer Funktion bzw. ihrem Zweck zu bestimmen. Das ist auch in der AGB-Kontrolle der richtige Anknüpfungspunkt. Schließlich wird die Gegenseitigkeit einer Leistung von den Parteien festgelegt440 und bedeutet inhaltlich, dass die Leistung ihrem Zweck nach von einer (Gegen-)Leistung des Vertragspartners abhängig sein soll441. dd) Zusammenfassung: Bestimmung nach dem Zweck der Leistung ohne Vergleichselement Ein funktionaler Äquivalenzvergleich, wie er bei der Frage nach einer Anrechenbarkeit von Leistungen auf den Mindestlohn vorgenommen wird, scheidet zur Bestimmung des Gegenleistungscharakters im vorliegenden Zusammenhang mangels Vergleichsgröße aus. Weder im AGB-Recht noch im Arbeitsrecht besteht ein einheitlicher Entgelt- bzw. Gegenleistungsbegriff, mit dem die jeweils zu überprüfende Leistung verglichen werden könnte. Die Vorgehensweise zur Bestimmung der Gegenleistung im Rahmen der Mindestlohnwirksamkeit ist aber dahingehend zu übertragen, dass die Funktion bzw. der Zweck der jeweiligen Leistungen über ihren Gegenleistungscharakter entscheiden. 439

S. dazu Ulber, RdA 2014, 176, 181; HK-ArbR/Däubler, § 1 MiLoG Rn. 17. BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 320 Rn. 8; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 312 ff.; Staudinger/Löwisch, Vorbem. zu §§ 320–326 BGB Rn. 1, 24, 31; Klinke, Causa und genetisches Synallagma, S. 95 ist der Meinung, die synallagmatische Verknüpfung entstehe nur mittelbar durch Parteivereinbarung und ansonsten durch gesetzliche Bestimmung; s. dazu noch ausführlich unter Kapitel 4 B. VI. 1. a). 441 Ausführlich dazu Klinke, Causa und genetisches Synallagma, S. 15, 18, 94 ff. m.w. N.; s. auch van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrages, S. 15; Larenz, Schuldrecht Allgemeiner Teil, § 15 I., S. 202 ff.; BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 320 Rn. 8; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 315 ff. 440

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 251

b) Feststellung des Gegenleistungscharakters anhand der objektiven Funktion der Leistung im Rahmen der AGB-Kontrolle Die Frage nach dem Gegenleistungscharakter einer geldwerten Leistung ist hier also nach der Funktion der Leistung zu bestimmen. Im Folgenden soll dargestellt werden, nach welchem Maßstab die Funktion der Leistung im AGB-Recht zu bestimmen ist und welche Konsequenzen sich daraus für bestimmte Leistungen, insbesondere Betriebstreueleistungen, ergeben. Es ist auch darauf einzugehen, inwiefern es einen Unterschied macht, ob eine Leistung laufend oder nur unregelmäßig bzw. in großen Zeitabständen gewährt wird, wie es das BAG bei Freiwilligkeitsvorbehalten vertritt442. aa) Ausgangspunkt: Funktion der Leistung unter verobjektivierter Betrachtung Die Funktion der Leistung muss auf Grundlage der Parteivereinbarung festgestellt werden, da die Parteien ihren Zweck bestimmen. Dabei muss im Rahmen der AGB-Kontrolle aber ein auf das Objektive abstellender Blickwinkel gewahrt werden. Denn die Auslegung von AGB erfolgt objektiv443 und die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung abstrakt-generell444. Die AGB-Kontrolle hat ihren Ausgangspunkt im jeweiligen Vertrag und soll den Vertragspartner und seine berechtigten Erwartungen schützen.445 Es geht verobjektiviert446 betrachtet darum, was die Parteien vereinbart haben, welche Schutzbedürfnisse des durchschnittlichen Vertragspartners bestehen und was er 442 Vgl. etwa BAG v. 25.04.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013; BAG v. 03.09.2014 – 5 AZR 1020/12, ZBVR online 2015, Nr. 6, 17. 443 Schwab, AGB-Recht, Rn. 378 ff.; Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Schäfer, § 305c BGB Rn. 64, 73 ff.; BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 305c Rn. 46 ff.; MüKo-BGB/Basedow, § 305c BGB Rn. 33 ff.; Kreienbaum, Transparenz und AGB-Gesetz, S. 51 ff. 444 Vgl. zum abstrakt-generellen Kontrollmaßstab: Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 5; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 79; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs/ Bieder, Anh. § 310 BGB AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht Rn. 41; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 110; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 45; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 460; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 109 f. 445 Zum Schutz des Vertragspartners s. Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 108; Hellwege, Allgemeine Geschäftsbedingungen, einseitig gestellte Vertragsbedingungen und die allgemeine Rechtsgeschäftslehre, S. 563 ff., 590; BeckOK-BGB/ H. Schmidt, § 307 Rn. 1; Leuschner, AcP 207 (2007), 491, 494; s. dazu auch NK-BGB/ Kollmann, Vorbemerkungen zu §§ 305 ff. BGB Rn. 3 ff.; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 42; zum Schutz seiner Erwartungen gem. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB s. Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 244; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 32 f.; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 268 ff.; MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 76; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 528. 446 Vgl. zur typisierenden Betrachtung in der Angemessenheitskontrolle auch BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 29; MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 40.

252 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

erwarten darf 447. Die Funktion der Leistung muss somit nach der Parteivereinbarung, also dem Inhalt der jeweiligen Zusage448, unter objektivierter Betrachtung bestimmt werden. Maßgeblich kann nicht allein die Bezeichnung der Leistung sein. Vielmehr bestimmt die tatsächliche Funktion ihren Charakter und die Erwartungen des Vertragspartners. Der Vertrag muss verobjektiviert betrachtet dahingehend ausgelegt werden, ob die jeweilige Leistung tatsächlich eine Gegenleistungsfunktion erfüllen soll, ob also eine Zweckbindung an eine Leistung des Arbeitnehmers besteht. bb) (Geld-)Leistungen des Arbeitgebers sind regelmäßig Teil der Gegenleistung Auf den ersten Blick würde es naheliegen, eine Vielzahl von Leistungen wie z. B. Weihnachtsgeld, Hochzeitsgeld, Geschäftsjubiläumszahlungen usw.449 zu den nicht synallagmatischen Sonderzahlungen zu zählen. Entscheidend wird dieses Thema aber durch die folgenden Gedanken beeinflusst: Der Arbeitgeber hat ein Interesse daran, dass der Arbeitnehmer für ihn arbeitet und seine Arbeit zufriedenstellend erledigt. Ansonsten wird ihm daran gelegen sein, seinen Betrieb möglichst profitabel zu betreiben. Der Arbeitgeber verschenkt nichts.450 Es ist deshalb fernliegend, dass er eine Sonderzahlung leistet, nur um der Zahlung willen.451 In der Regel wird er den weiteren Zweck verfolgen, den Arbeitnehmer an seinen Betrieb zu binden und „bei Laune zu halten“, damit dieser möglichst gern und deshalb gut für ihn arbeitet. Er zahlt also, weil der Arbeitnehmer seine Arbeit getan hat und damit er dies auch in Zukunft bestmöglich tut.452 Hinzu kommt, dass die Leistung in der hier relevanten Konstellation im Vertrag anspruchsbegründend versprochen wird. Eine Leistung zu versprechen, ist nur sinn-

447 Zur Maßgeblichkeit der Erwartungen des durchschnittlichen Vertragspartners s. Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 307 BGB Rn. 158; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 184; HWK/Roloff, § 307 BGB Rn. 13; Kreienbaum, Transparenz und AGB-Gesetz, S. 271 ff.; Evermann, Die Anforderungen des Transparenzgebots an die Gestaltung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen, S. 121 ff. 448 Vgl. dazu Preis/Preis, II S 40 Rn. 31. 449 S. zu den verschiedenen gängigen Leistungen des Arbeitgebers Boensch, Arbeitsvertragliche Entgeltflexibilisierung und aufsichtsrechtliche Institutsvorgaben, S. 52 ff. 450 Wensing/Boensch, BB 2014, 2358, 2359; Preis, NZA 2009, 281, 282; vgl. auch Singer, RdA 2006, 362, 366; Hanau/Hromadka, NZA 2005, 73, 77; Bayreuther, ZiP 2007, 2009, 2012. 451 In diese Richtung auch Wiedemann, RdA 2009, 186, 188; s. auch Singer, Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen, S. 17. 452 Vgl. Wensing/Boensch, BB 2014, 2358, 2359, nach denen eine Sonderzahlung regelmäßig auch Entgeltcharakter hat, da sie zumindest auch eine Belohnung für geleistete Arbeit ist; vgl. zum Einsatz als Anreiz für gute Leistungen und dem damit einhergehenden Gegenleistungscharakter Stoffels, NZA 2017, 1217, 1224; s. auch BAG v. 01.04.2009 – 10 AZR 393/08, ZTR 2009, 485 Rn. 19.

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 253

voll, wenn dadurch Arbeitnehmer zum Vertragsschluss bewegt und für die Arbeit motiviert werden sollen.453 So stellt sich die Situation auch aus Sicht des durchschnittlichen Arbeitnehmers dar. Er wird deshalb in der Regel davon ausgehen, dass ihm eine (Geld-) Leistung des Arbeitgebers gewährt wird, weil er seine Arbeitsverpflichtung erfüllt hat. Es macht für ihn auch keinen Unterschied, ob der Arbeitgeber gegebenenfalls noch weitere Zwecke verfolgt. Solange nicht klar ersichtlich ist, dass er die Leistung nur aus anderen Gründen erhalten soll, wird der Arbeitnehmer sie als Vergütung seiner Arbeitsleistung ansehen und in seine Lebensführung einplanen. Dementsprechend steht fast jede Geldleistung in einem gewissen Zusammenhang mit der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers, also im Gegenseitigkeitsverhältnis. cc) Betriebstreueleistungen haben Gegenleistungscharakter Das sieht das BAG vor allem bei Betriebstreueleistungen des Arbeitgebers anders, die es als Sonderzahlungen ohne Gegenleistungscharakter behandelt, weil ausschließlich die Betriebstreue honoriert werden solle.454 Dieser Sichtweise ist entgegenzutreten. Denn die Gegenseitigkeit des Arbeitsverhältnisses erschöpft sich nicht in der konkret verrichteten Arbeit des Arbeitnehmers gegen Zahlung des laufenden Entgelts.455 Zur Gegenleistung des Arbeitnehmers gehört genauso, dass er seine Arbeitskraft im Rahmen des Möglichen gerade diesem Arbeitgeber zur Verfügung stellt. Eine Betriebstreueleistung honoriert eben dies für den vergangenen Zeitraum. Außerdem wird ein Anreiz gegeben, die Leistung auch im darauffolgenden Zeitraum für den Arbeitgeber zu erbringen. Dem steht es nicht entgegen, dass eine Betriebstreueleistung auch zu zahlen ist, wenn der Arbeitnehmer im jeweiligen Zeitraum, z. B. wegen dauerhafter Krankheit, gar nicht gearbeitet hat. Es ist fernliegend, dass ein Arbeitgeber lediglich belohnen will, dass der Arbeitnehmer sein Kündigungsrecht nicht ausgeübt hat, auch wenn dieser gar nicht gearbeitet hat. Näher liegt es, dass der Arbeitgeber das gesamte bisherige Zurverfügungstellen der Arbeitskraft an ihn, was dem Grunde nach auch bei dauerhafter Krankheit im Rahmen des Möglichen geschehen ist, honorieren und den jeweiligen Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis halten will, damit dieser wei453

Vgl. auch Singer, RdA 2006, 362, 366; Voigt/Steeger, DB 2018, 646. Statt vieler: BAG v. 28.03.2007 – 10 AZR 261/06, NZA 2007, 687 Rn. 18; BAG v. 18.01.2012 – 10 AZR 667/10, BAGE 140, 239 Rn. 12 ff.; wie das BAG auch Lembke, NJW 2010, 257, 259; BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 100 ff.; Moll, Die Änderung der Arbeitsbedingungen durch den Arbeitgeber, S. 162 ff.; Pelzer, Arbeitsrechtliche Zielvereinbarungen, S. 108; vgl. auch Hümmerich/Reufels/Mengel, § 1 Rn. 1865 ff.; Preis/ Preis, II S 40 Rn. 29 f. 455 Vgl. Singer, RdA 2006, 362, 366; Singer, Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen, S. 17, der die Betriebstreue als Teil der Gegenleistung des Arbeitnehmers sieht; so auch Quink, Inhaltskontrolle von Freiwilligkeitsvorbehalten in Arbeitsverträgen, S. 68. 454

254 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

terhin seine Arbeitskraft für ihn einsetzt.456 Denn Arbeitnehmer, die länger im Betrieb arbeiten, sind erfahrungsgemäß besser in den Betriebsablauf eingearbeitet, fühlen sich dem Arbeitgeber zumeist in höherem Maße verpflichtet und tragen somit in der Regel auch mehr zum Erfolg des Unternehmens bei.457 Für den Gegenleistungscharakter spricht auch die Sicht des durchschnittlichen Arbeitnehmers. Regelmäßige Betriebstreueleistungen wird der Arbeitnehmer genauso wie beispielsweise Leistungsboni in die Planung der Lebensführung einbeziehen.458 Aus Sicht des Arbeitnehmers erhält dieser die Leistung, weil er seine Arbeitskraft für den Arbeitgeber einsetzt. Betriebstreueleistungen haben also einen direkten Bezug zur Arbeitsleistung. Selbst eine Leistung des Arbeitgebers, die lediglich die Betriebstreue honorieren soll, ist im vorliegenden Zusammenhang als Teil der Gegenleistung zu bewerten.459 dd) Keine Unterscheidung zwischen laufendem Entgelt und Sonderzahlungen Auch eine Unterscheidung zwischen laufendem Entgelt und Sonderzahlungen, wie sie das BAG bei Freiwilligkeitsvorbehalten vornimmt, ist nicht sinnvoll.460 Es macht für den Arbeitnehmer keinen Unterschied, ob er eine Leistung monatlich oder beispielsweise jährlich erhält. Ein längerer Turnus ändert nichts an der Verknüpfung der Leistung zur geleisteten Arbeit. Ebenso wenig vermögen ein längerer Zeitraum oder auch die lediglich einmalige Zahlung das Vertrauen des Arbeitnehmers auf den Erhalt dieser Leistung erheblich zu vermindern.461 Der Arbeitnehmer wird auch solche Leistungen in die Bestreitung seines Lebensunterhalts einbeziehen.462 456 Ähnlich zu einer Jubiläumsgratifikation BAG v. 23.10.2002 – 10 AZR 48/02, BAGE 103, 151 Rn. 42. 457 Vgl. Singer, RdA 2006, 362, 366; Singer, Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen, S. 17. 458 Vgl. Bayreuther, BB 2009, 102, 106; ähnlich auch BAG v. 25.04.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853 Rn. 17 zu regelmäßigen Sonderzahlungen, die es als Teil der Gegenleistung sieht. 459 Für Freiwilligkeitsvorbehalte genauso Quink, Inhaltskontrolle von Freiwilligkeitsvorbehalten in Arbeitsverträgen, S. 68. 460 Vgl. zu dieser Unterscheidung BAG v. 25.04.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853; BAG v. 30.07.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173; BAG v. 21.01.2009 – 10 AZR 219/08, BAGE 129, 164; BAG v. 14.09.2011 – 10 AZR 526/10, BAGE 139, 156; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013; BAG v. 03.09.2014 – 5 AZR 1020/12, ZBVR online 2015, Nr. 6, 17; LAG Köln v. 17.09.2012 – 2 Sa 877/11, zitiert nach juris; diese Rechtsprechung wurde bereits unter Kapitel 2 D. I. 2. a) dargestellt; ablehnend dazu auch ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 68. 461 S. zum Vertrauen auf Sonderzahlungen auch Wiedemann, RdA 2009, 186, 188. 462 Vgl. dazu Moll, Die Änderung der Arbeitsbedingungen durch den Arbeitgeber, S. 162; s. aber BAG v. 30.07.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173; BAG v. 18.03.

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 255

ee) Kein Gegenleistungscharakter von Zahlungen aus altruistischen Motiven Es ergibt sich aus dem Gesagten, dass jede Leistung, bei der nichts anderes geregelt ist, im Zweifel Gegenleistung für geleistete oder zukünftige Arbeit ist.463 Das bedeutet jedoch nicht, dass keine Unterscheidung zwischen Sonderzahlungen ohne Entgeltcharakter einerseits und Leistungen aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis andererseits möglich wäre.464 Denn bei bestimmten Leistungen wie etwa einem Hochzeitsgeld muss es dem Arbeitgeber möglich sein, diese aus anderen Motiven, die im weiteren Sinne dem altruistischen Bereich zugeordnet werden können (z. B. Großzügigkeit oder Dankbarkeit), ohne synallagmatische Verknüpfung zu gewähren. Es ist dabei auch die Sicht des Arbeitnehmers zu bedenken. Dieser wird insbesondere bei einmaligen Leistungen wie z. B. Hochzeitsgeld oder Geschäftsjubiläumszahlungen ein weniger schutzwürdiges Vertrauen entwickeln.465 Solche Zahlungen werden in geringerem Maße in die Planung der Lebensführung einbezogen und eher als eine Art „Geschenk“ angesehen, das nicht zum Synallagma gehört.466 Die Anforderungen sind aber hoch anzusetzen. Zweifel gehen gem. § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders, sprechen also für das Vorliegen einer Gegenleistung467, da der Schutz des Arbeitnehmers durch die nach dem AGB-Recht zu stellenden Anforderungen bei Leistungen aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis höher ist468. Im Ergebnis muss eindeutig sein, dass die Leistung nur eine Sonderzahlung aus altruistischen Motiven darstellt, die nichts mit der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers zu tun hat, sondern nur aus Anlass des Arbeitsverhältnisses gewährt wird. Ansonsten ist immer von einer Gegenleistung auszugehen. Anknüpfungspunkt für die Unterscheidung ist der Inhalt der jeweiligen Zusage469 und ihre daraus folgende Funktion.

2009 – 10 AZR 289/08, NZA 2009, 535, das der Meinung ist, der Arbeitnehmer sei von Sonderzahlungen nicht in gleichem Maße abhängig wie vom laufenden Entgelt. 463 Vgl. auch Moll, Die Änderung der Arbeitsbedingungen durch den Arbeitgeber, S. 163. 464 So aber Singer, RdA 2006, 362, 366; Bayreuther, BB 2009, 102, 106; Sonderzahlungen generell als Teil der Gegenleistung sehen: BeckOK-ArbR/Joussen, § 611a BGB Rn. 218 ff.; NK-ArbR/Brors, § 611 BGB Rn. 669 ff.; ErfK/Preis, § 611a BGB Rn. 527 ff.; Hümmerich/Reufels/Mengel, § 1 Rn. 3442; HWK/Thüsing, § 611a BGB Rn. 252. 465 Vgl. Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, S. 421; so auch BAG v. 30.07.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173; BAG v. 18.03.2009 – 10 AZR 289/08, NZA 2009, 535 zu Leistungen, die nicht zum laufenden Entgelt gehören. 466 S. zur geringeren Abhängigkeit von Sonderzahlungen im Vergleich zu laufendem Entgelt BAG v. 30.07.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173; BAG v. 18.03.2009 – 10 AZR 289/08, NZA 2009, 535. 467 Vgl. Preis/Preis, II S 40 Rn. 33. 468 S. dazu etwa Kapitel 4 B. IV. 7. a) und B. VII. 10. a). 469 Preis/Preis, II S 40 Rn. 31.

256 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

ff) Kein Gegenleistungscharakter bei reinem Aufwendungsersatz Ebenfalls keinen Gegenleistungscharakter haben Zahlungen des Arbeitgebers, die ausschließlich dem Ersatz von Aufwendungen des Arbeitnehmers dienen.470 Bei diesen wird – auch aus Sicht des durchschnittlichen Arbeitnehmers – nicht die Arbeitsleistung vergütet. Das Arbeitsverhältnis ist lediglich Anlass dieser Leistungen. Sie stehen und fallen nicht mit der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers, sondern hängen davon ab, dass der Arbeitnehmer bestimmte Aufwendungen tätigen muss (z. B. Fahrtkosten).471 Der Gegenleistungscharakter entfällt allerdings auch nur in eben diesem Fall. Hängt die Zahlung des Arbeitgebers nicht eindeutig und ausschließlich von solchen Aufwendungen ab, ist die Leistung Teil des Gegenseitigkeitsverhältnisses. Aus den oben genannten Gründen ist bei Geldleistungen des Arbeitgebers nämlich regelmäßig vom Gegenleistungscharakter auszugehen. Ein pauschaler Ersatz typischer Aufwendungen spricht etwa bereits dafür, dass (auch) die Arbeitsleistung abgegolten werden soll, die diese Aufwendungen entstehen lässt. Anknüpfungspunkt ist auch hier die Funktion der jeweiligen Leistung. c) Ergebnis Anknüpfungspunkt für die Unterscheidung zwischen Leistungen aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis und Sonderzahlungen ohne Gegenleistungscharakter ist die Funktion der Leistung, die sich nach objektiver Auslegung aus dem Inhalt der jeweiligen Zusage ergibt.472 Ein funktionaler Äquivalenzvergleich, wie er bei der Frage nach einer Anrechenbarkeit von Leistungen auf den Mindestlohn vorgenommen wird, scheidet zur Bestimmung des Gegenleistungscharakters im vorliegenden Zusammenhang mangels Vergleichsgröße aus.473 Im Zweifel ist jede Leistung, bei der nichts anderes geregelt ist, Gegenleistung für geleistete oder zukünftige Arbeit des Arbeitnehmers.474 Denn in der Regel leistet der Arbeitgeber eine Geldzahlung nicht um der Zahlung willen, sondern weil der Arbeitnehmer seine Arbeit getan hat und damit er dies auch in Zukunft bestmöglich tut. Betriebstreueleistungen haben ebenfalls einen direkten Bezug zur Arbeitsleistung und sind im vorliegenden Zusammenhang als Teil der Gegenleistung zu bewerten.475 Eine Unterscheidung zwischen laufendem Entgelt und Sonderzahlungen ist nicht vorzunehmen.476 470 Vgl. Thüsing/Bayreuther, § 1 MiLoG, Rn. 103, 121; MüKo-BGB/Müller-Glöge, § 1 MiLoG Rn. 26; ErfK/Franzen, § 1 MiLoG Rn. 17; HWK/Thüsing, § 611a BGB Rn. 427; HK-ArbR/Ring/Boemke, § 611a BGB Rn. 273; NK-ArbR/Brors, § 611 BGB Rn. 755 ff. 471 Vgl. dazu etwa BT-Drucks. 18/2010, S. 15; Weigert, NZA 2017, 745, 749. 472 S. dazu Kapitel 4 B. IV. 6. a) cc) und B. IV. 6. b) aa). 473 S. dazu Kapitel 4 B. IV. 6. a). 474 Vgl. Moll, Die Änderung der Arbeitsbedingungen durch den Arbeitgeber, S. 163; s. dazu Kapitel 4 B. IV. 6. b) bb). 475 S. Kapitel 4 B. IV. 6. b) cc).

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 257

Für die gegenständlichen Bestimmungsvorbehalte bedeutet das, dass fast alle der in Frage kommenden Leistungen als Gegenleistungen zu bewerten sind.477 Zahlungen wie Weihnachtsgeld werden nahezu immer Gegenleistungscharakter haben, für Leistungsboni zeigt dies bereits der Bezug zur Arbeitsleistung des Arbeitnehmers.478 Nur wenige Leistungen gehören nicht zum engen Austauschverhältnis. Das sind Leistungen wie etwa Geschäftsjubiläumszahlungen oder ein Hochzeitsgeld, die als „geschenkte“ 479 Sonderzahlungen zu behandeln sind480, und solche Leistungen, die eindeutig nur dem Aufwendungsersatz dienen. 7. Erforderliche Vertragsgestaltung zum Schutz des Kernbereichs bei Bestimmungsvorbehalten Schlussendlich ist noch nicht geklärt, welche konkreten Ausgestaltungsanforderungen sich aus dem Verbot des Kernbereichseingriffs gem. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB vorliegend ergeben. Der dargestellte notwendige Vergleich mit einer hypothetischen Situation des vollen vertraglichen Zahlungsversprechens zeigt, dass die Feststellung der Einhaltung bestimmter Grenzwerte problematisch ist.481 Denn die Leistung ist gerade nicht im Vertrag festgelegt und die hypothetisch vereinbarte volle Vergütung wird im Einzelfall sehr schwer festzustellen sein. Wie also soll die Einhaltung der genannten Grenzen überprüft werden? Zur Beantwortung dieser Frage sollen im Folgenden Ausgestaltungsmöglichkeiten gefunden werden, die einen Kernbereichseingriff rechtssicher verhindern. Diese bilden allerdings nicht zwangsläufig die einzigen denkbaren Lösungsvorschläge, so dass jede Regelung als wirksam anzusehen ist, die die aufgestellten inhaltlichen Anforderungen auf andere Weise wirksam umsetzt. Um den Schutz des Kernbereichs zu garantieren, könnte etwa gefordert werden, dass die Klausel den möglichen Umfang der Leistungsbestimmung regelt, so dass rechtssicher festgestellt werden kann, ob der Kernbereich gewahrt bleibt.482 Denkbar wäre auch, nicht die genaue Festlegung des Umfangs zu for476

S. Kapitel 4 B. IV. 6. b) dd). Vgl. Stoffels, NZA 2017, 1217, 1224, der die Leistung bei den gegenständlichen Leistungsbestimmungsrechten wohl immer als Teil der Gegenleistung ansieht. Auch freiwillige Leistungen werden regelmäßig als Teil des Entgelts gesehen. Vgl. Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 190 m.w. N. 478 Vgl. Moll, Die Änderung der Arbeitsbedingungen durch den Arbeitgeber, S. 163; Preis/Preis, II S 40 Rn. 32. 479 Dabei handelt es sich i. d. R. nicht um eine Schenkung i. S. d. §§ 516 ff. BGB. Vgl. ErfK/Preis, § 611a BGB Rn. 527; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 190. 480 Vgl. Lindemann, Flexible Gestaltung von Arbeitsbedingungen, S. 336 ff. 481 S. dazu Kapitel 4 B. IV. 1. b). 482 So auch Ulrici, jurisPR-ArbR 12/2011 Anm. 1; Heiden, Entgeltrelevante Zielvereinbarungen aus arbeitsrechtlicher Sicht, S. 76 ff., 103 ff.; a. A. Simon/Hidalgo/Koschker, NZA 2012, 1071, 1074; dieses Erfordernis lehnen wohl auch ab: Wensing/Boensch, 477

258 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

dern, sondern jede Ausgestaltung genügen zu lassen, die sicherstellt, dass die vom BAG entwickelten Grenzen eingehalten werden. Das könnte z. B. durch eine Formulierung geschehen, nach der der Arbeitgeber die Höhe nach billigem Ermessen festlegt, der variable Vergütungsanteil aber nie 25 % oder mehr des Gesamtverdienstes ausmachen kann. a) Besonderheiten bei Sonderzahlungen Trotz der Ablehnung einer reinen Einzelfallprüfung dürfen der Einzelfall bzw. die konkrete Klausel bei den genannten starren Werten nicht gänzlich aus den Augen verloren werden. In bestimmten Fällen, wie z. B. der Zahlung eines einmaligen Hochzeitsgeldes, wird von vornherein ausgeschlossen sein, dass die jeweilige Zahlung einen Anteil von 30 % des Gesamtverdienstes ausmacht. Dann ist es nicht sinnvoll, aus Gründen des Kernbereichsschutzes auf einer bestimmten Gestaltung der Klausel zu beharren.483 Die Anforderungen für einen Verzicht auf eine Gestaltung, die den Kernbereich rechtssicher schützt, sind jedoch hoch anzusetzen. Es muss völlig fernliegend sein, dass der Arbeitgeber durch die Bestimmung der jeweiligen Zahlung in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses eingreifen kann. So dürfte es hauptsächlich bei einmaligen Leistungen liegen, die als Sonderzahlungen zu einem bestimmten Ereignis vom Arbeitgeber versprochen werden. b) Kein Kernbereichsschutz durch billiges Ermessen Allein eine Ausübung des Bestimmungsrechts nach billigem Ermessen schützt den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses nicht ausreichend. Eine solche Sichtweise könnte aber der Rechtsprechung des BAG entnommen werden, die arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte regelmäßig mit der Begründung für angemessen hält, die Ausübung nach billigem Ermessen und die daraus folgende Möglichkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle schützen den Arbeitnehmer ausreichend.484 Einen Verstoß gegen das Verbot, in den Kernbereich einzugreiBB 2014, 2358; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400; Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65; Kössel, DB 2016, 2963; Stoffels, NZA 2017, 1217; Stoffels, RdA 2015, 276; BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 101; ablehnend wohl auch Pfrogner, BB 2018, 757, 758 f., die dennoch rät, dass die Festvergütung 2/3 des marktüblichen Entgelts betragen sollte, damit das Betriebs- und Wirtschaftsrisiko nicht unzulässig auf den Arbeitnehmer verlagert wird. 483 Vgl. zu Widerrufsvorbehalten im „Randbereich“ Graf v. Westphalen/Thüsing/ Thüsing, Arbeitsverträge Rn. 275: Eine Kernbereichsprüfung soll in diesem Randbereich nicht mehr durchzuführen sein. 484 BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; so bspw. auch BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12 Rn. 31, NZA 2013, 970; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 29; BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148 Rn. 42; BAG v. 26.09.2012 – 10 AZR 370/11, zitiert nach juris; BAG v. 17.10.2012 – 10 AZR 620/11, zitiert nach juris.

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 259

fen, hat das BAG darüber hinaus auch in einem Fall nicht angenommen, in dem die unter Bestimmungsvorbehalt gestellte Leistung 40 % der Gesamtvergütung ausmachen sollte.485 Dem ist zuzugeben, dass das billige Ermessen eine gewisse Einschränkung dahingehend bietet, dass der Arbeitgeber daran gebunden ist, die Interessen des Arbeitnehmers angemessen zu berücksichtigen und objektiv abzuwägen.486 Allerdings bleibt ein erheblicher Entscheidungsspielraum, den der Arbeitgeber in seinem Interesse nutzen kann.487 Damit wird der Kernbereich nicht unantastbar geschützt. Es wäre jedenfalls möglich, im Einzelfall eine Festsetzung als billig anzusehen, die so niedrig ist, dass der Kernbereich nicht mehr gewahrt bleibt, wenn die Interessen des Arbeitgebers überwiegen. Ist der Eingriff in den Kernbereich im Einzelfall gerechtfertigt, muss dies durch eine Änderungskündigung unter Einhaltung der weiteren Voraussetzungen geschehen. Eine solche Möglichkeit darf nicht von vornherein im Vertrag eingeräumt werden. Man könnte zwar argumentieren, dass ein Kernbereichseingriff nie billigem Ermessen entspricht. Dann müsste jedoch auch bei Widerrufsvorbehalten das Erfordernis der Einhaltung konkreter Schwellenwerte entfallen, was richtigerweise nicht angenommen wird. Ferner ist dem entgegenzuhalten, dass die wirtschaftliche Notlage eines Unternehmens es im Rahmen des billigen Ermessens in Ausnahmefällen rechtfertigen kann, die Leistung auf null festzusetzen.488 Darüber könnte der Kernbereich angetastet werden, wenn die variable Leistung 25 % oder mehr der Gesamtvergütung ausmacht.489 Diese Ausnahmefälle sind bei der AGB-

485

BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150. Vgl. Stoffels, NZA 2017, 1217, 1220; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358, 2361; Niklas, ArbRB 2018, 353, 354; s. auch Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn. 324 ff.; ErfK/Preis, § 106 GewO Rn. 10 f.; AR/Kolbe, § 106 GewO Rn. 54; Henssler, SAE 1988, 164. 487 Vgl. BGH v. 11.06.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518; BGH v. 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, NJW 1984, 1182; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970 Rn. 33; BAG v. 15.05.2013 – 10 AZR 679/12, zitiert nach juris Rn. 34; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 175; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358, 2360; Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn. 325 f., 329; vgl. auch Graf v. Westphalen, NJW 1982, 2465; Palandt/Grüneberg, § 315 BGB Rn. 10; MüKo-BGB/Würdinger, § 315 BGB Rn. 29 f.; a. A. wohl von Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, S. 41 ff.; s. aber auch BGH v. 25.05.1988 – VIII ZR 360/86, NJW-RR 1988, 1077, wonach das Erfordernis der angemessenen Berücksichtigung der Interessen des Vertragspartners nichts über die Maßstäbe der Ausübung aussagt. 488 S. zur Festlegung auf null im Ausnahmefall BAG v. 19.03.2014 – 10 AZR 622/ 13, NZA 2014, 595; Stoffels, NZA 2017, 1217, 1224; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400, 2402; BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 101; Arnold, ArbRAktuell 2013, 180; Stoffels, RdA 2015, 276, 278 f.; Niklas, ArbRB 2018, 353, 354. 489 So sieht das BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150 ein Leistungsbestimmungsrecht über eine Leistung, die 40 % des Zieleinkommens ausmachte, nicht als Eingriff in den Kernbereich. 486

260 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

Kontrolle zu berücksichtigen, da die Klausel abstrakt mit all ihren nicht gänzlich fernliegenden Anwendungsmöglichkeiten zu untersuchen ist.490 Würde man eine Entscheidung nach billigem Ermessen für den Schutz des Kernbereichs genügen lassen, müsste der Arbeitnehmer einen Eingriff im Rahmen einer Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB geltend machen und der Schutz würde zu sehr auf die Ebene der Billigkeitskontrolle verlagert, obwohl die AGB-Kontrolle gegenüber dieser vorrangig ist.491 Die AGB-Kontrolle soll den Vertragspartner im Vorfeld gerichtlicher Auseinandersetzungen schützen.492 Darüber hinaus setzt die Anwendbarkeit des § 315 Abs. 3 BGB eine wirksame Einräumung eines Leistungsbestimmungsrechts voraus, die sich hingegen nach dem AGB-Recht bestimmt.493 Ferner könnte der Arbeitnehmer der Klausel bei alleiniger Beschränkung auf Billigkeit nicht sicher entnehmen, dass ihm ein bestimmter Kernbereich unantastbar versprochen wird, und es bestünde die Gefahr, dass er eine Festlegung der Leistung trotz Eingriffs in den Kernbereich mit Hinweis auf die Klausel hinnimmt, da er die Rechtmäßigkeit nicht an der Klausel selbst überprüfen kann.494 Aus diesen Gründen können weder die Billigkeit als Tatbestandsmerkmal noch die Möglichkeit der Billigkeitskontrolle aus § 315 Abs. 3 BGB den Kernbereichsschutz gewährleisten. c) Ausreichender Schutz bei Angabe von Richtwerten zur Leistungshöhe Ausreichend zum Schutz des Kernbereichs sind – ähnlich wie bei Sonderzahlungen, deren Natur einen Kernbereichseingriff bereits von vornherein ausschließt – Klauselgestaltungen, die Richtwerte für die Leistungsbemessung angeben, welche so niedrig sind, dass ein Kernbereichseingriff abwegig wäre.495 Gibt der Arbeitgeber in der Klausel etwa einen Orientierungswert an, den die Leistung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses einnimmt, oder einen Wert bzw. Rahmen, 490 Vgl. Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 5; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 79; s. dazu auch BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 24; MüKo-BGB/ Wurmnest, § 307 BGB Rn. 39; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 110. 491 Dazu ausführlicher Kapitel 4 B. VII. 7. f) und B. VIII. 2.; Kapitel 5 B. III. 6. 492 Vgl. BGH v. 11.06.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518; BGH v. 07.10.1981 – VIII ZR 229/80, NJW 1982, 331. 493 Vgl. BGH v. 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, BGHZ 89, 206; s. auch BGH v. 18.05.1983 – VIII ZR 20/82, NJW 1983, 1603; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 41 f.; Däubler/Bonin/Deinert/Deinert, § 307 BGB Rn. 44; Clemenz/Kreft/ Krause/Krause, vor § 307 BGB Rn. 20; vgl. auch Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn. 254 ff., der feststellt, dass § 315 BGB keine Rolle für die Kontrolle der Einräumung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts spielt. 494 Vgl. zu diesem Argument BGH v. 11.06.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518; BGH v. 07.10.1981 – VIII ZR 229/80, NJW 1982, 331; s. zu dieser Problematik im Hinblick auf die Transparenz Kapitel 5 B. III. 2. b). 495 S. zu derartigen Ausgestaltungsmöglichkeiten des Leistungsumfangs eingehend Kapitel 5 B. IV. 5.

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 261

den die Leistung voraussichtlich einnehmen wird, wird sein Ermessen in der Regel dadurch vorgeprägt sein. Liegt der Richtwert weit unter den angegebenen Grenzen zum Kernbereichseingriff, ist nicht anzunehmen, dass der Kernbereich angetastet werden kann. Zwar ist es nicht undenkbar, dass sich die flexible Leistung bei stetiger positiver Entwicklung der relevanten Faktoren immer weiter erhöht. Ein Eingriff in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses bleibt aber fernliegend. Denn auch bei positiver Entwicklung wird sich die Leistung auf absehbare Zeit in der Größenordnung des Richtwertes bewegen, zumal das Ermessen in diese Richtung konkretisiert wurde. Es müsste wohl eine sehr langfristige positive Entwicklung vorliegen, damit dieser Bereich verlassen und die Grenze des Kernbereichs erreicht würde. Dann wäre aber damit zu rechnen, dass sich in der Zwischenzeit auch das Festgehalt erhöht hat. Beispiel 1: „Zusätzlich zum Grundgehalt wird [. . .] eine Weihnachtsgratifikation gezahlt, [. . .] deren Höhe derzeit ein volles Monatsgehalt nicht übersteigt.“ 496 Beispiel 2: „Ihr Leistungsbonus kann zwischen 0–200 % Ihres Basiswertes betragen, der zur Zeit bei EUR [. . .] brutto liegt.“ 497 d) Kernbereichsschutz durch prozentuale Obergrenze der Leistungshöhe Problematisch an der eingangs erwähnten Formulierung zur Festlegung einer Obergrenze, z. B. in Höhe von unter 25 % der Gesamtvergütung, ist, dass sie die Leistungsbestimmung zum Nachteil des Arbeitnehmers auf ein Maximum beschränkt. Dabei ist jedoch zu beachten, dass eine Formulierung ohne eine solche Grenze dem Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnet, ein geringes Festgehalt vertraglich zu versprechen und dies mit der Aussicht auf hohe Bonuszahlungen „auszugleichen“, die vertraglich hingegen nur in Form eines weitgehend unbestimmten Leistungsbestimmungsrechts verankert sind. In einem solchen Fall wäre ein berechtigtes Vertrauen des Arbeitnehmers auf eine das Festgehalt erheblich übersteigende Vergütung begründet, das der Arbeitgeber jederzeit durch niedrige Festlegung des Bonus zunichtemachen könnte. Geschützt wird durch eine Obergrenze vor allem ein angemessenes Verhältnis von flexibel gezahltem Gehalt und Fixgehalt. Ob eine solche Klausel im Vergleich zu einem nur auf billiges Ermessen beschränkten Leistungsbestimmungsrecht ausnahmsweise nach496 Aus BAG v. 23.08.2017 – 10 AZR 376/16, NZA 2017, 1595. Bei einem anvisierten Wert von nicht einmal 1/12 der Gesamtvergütung liegt ein Kernbereichseingriff fern. 497 Nach BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 636/11, AuA 2013, 711; BAG v. 15.05.2013 – 10 AZR 679/12, NJW-Spezial 2013, 563. In diesem Beispiel muss der aktuelle Basiswert in der Klausel mit weit unter 25 % der Gesamtvergütung beziffert werden, damit ein Kernbereichseingriff ausgeschlossen ist.

262 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

teilig für den Arbeitnehmer ist, kann nicht sicher beurteilt werden. Eine solche Argumentation muss aber genauso abgelehnt werden wie das Preisargument und der oben dargestellte Gedanke, dass der Arbeitgeber eine Leistung möglicherweise gar nicht versprechen würde, wenn er sie nicht so frei wie gewollt flexibilisieren könnte.498 Wenn der Arbeitgeber eine höhere Vergütung für angemessen hält, muss er diese redlicherweise so ausgestalten, dass der Kernbereich fest versprochen ist und weniger als 25 % bzw. 30 % des Gesamtgehalts flexibel ausgestaltet sind. Um dieses Ziel durchzusetzen, eignet sich die Festlegung einer Obergrenze. Beispiel: Der Arbeitnehmer erhält einen jährlichen Leistungsbonus, dessen Höhe der Arbeitgeber nach billigem Ermessen festlegt. Dieser Bonus muss stets unter 25 % des jährlichen Gesamtverdienstes (inklusive dieser Bonuszahlung) betragen. e) Umfassender Schutz bei rahmenmäßiger Festlegung des Leistungsumfangs Ebenso eignet sich die Festlegung eines Umfangs der Leistung durch konkrete – absolute oder relative – Rahmenwerte, die weniger als 25 % bzw. 30 % des Gesamtverdienstes499 ausmachen. Dies schränkt die Ausgestaltungsmöglichkeiten des Arbeitgebers zwar am stärksten ein, bietet jedoch am meisten Rechtssicherheit, da erstens der Kernbereich erkennbar geschützt bleibt und zweitens sogar das Minimum der Leistungshöhe geregelt ist. Der Arbeitnehmer kann dadurch bereits bei Vertragsschluss erkennen, ob die Leistung auch auf null festgelegt werden kann und welche Größenordnung ihn etwa erwartet.500 Beispiel: Der Arbeitnehmer erhält einen jährlichen Leistungsbonus, dessen Höhe im Bereich von 0 bis 10.000 A vom Arbeitgeber nach billigem Ermessen festlegt wird.501 f) Zusammenfassung der möglichen Vertragsgestaltungen zum Schutz des Kernbereichs bei Bestimmungsvorbehalten Bezüglich der Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte ergibt sich aus dem Verbot eines Eingriffs in den Kernbereich Folgendes: Das Verbot des Kernbereichseingriffs gebietet in der Regel, dass entweder eine prozentuale 498

S. dazu Kapitel 4 B. III. 3. a). In Relation zur Festvergütung entsprechen 25 % des Gesamtverdienstes einem Wert von 1/3 der Festvergütung und 30 % des Gesamtverdienstes entsprechen 3/7 der Festvergütung. 500 Dazu ausführlich unter Kapitel 5 B. IV. 501 Der fiktive Arbeitnehmer in diesem Beispiel erhält 40.000 A jährliche Festvergütung. Selbst bei Zahlung des Höchstsatzes von 10.000 A beträgt die Gesamtvergütung 50.000 A und die Bonuszahlung nur 20 % des Gesamtverdienstes. Ein Kernbereichseingriff ist also in jedem Fall ausgeschlossen. 499

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 263

Obergrenze von unter 25 bzw. 30 % der Gesamtvergütung in die Klausel aufgenommen502 oder der mögliche Umfang der Leistung rahmenmäßig in dieser Höhe festgelegt wird503. Ausreichend zum Schutz des Kernbereichs sind außerdem Klauselgestaltungen, die Richtwerte für die Leistungsbemessung angeben, welche so niedrig sind, dass ein Kernbereichseingriff abwegig wäre.504 Die Beschränkung auf eine Entscheidung nach billigem Ermessen genügt nicht, um den Kernbereich ausreichend zu schützen.505 Denn der verbleibende Entscheidungsspielraum würde unter Umständen auch einen Kernbereichseingriff ermöglichen. Dies mit der Möglichkeit einer Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB zu rechtfertigen, widerspräche dem Vorrang der AGB-Kontrolle und ihrem Ziel, den Arbeitnehmer im Vorfeld gerichtlicher Auseinandersetzungen zu schützen. Keine Konsequenzen für die vertragliche Gestaltung ergeben sich hingegen im Ausnahmefall des Bestimmungsvorbehalts über eine Sonderzahlung, bei der es völlig fernliegend ist, dass der Arbeitgeber durch Ausübung des Bestimmungsrechts in den Kernbereich eingreifen kann.506 8. Ergebnis Der Kernbereich des Arbeitsverhältnisses kann durch entgeltrelevante Bestimmungsvorbehalte des Arbeitgebers berührt werden und muss deshalb auch bei diesen geschützt werden.507 Denn das Verbot des Eingriffs in den Kernbereich erfasst nicht nur nachträgliche Änderungen einer Leistung, sondern jegliche einseitige Eingriffsmöglichkeit in den Kernbereich aufgrund einer AGB-Regelung. Bei einseitigen Bestimmungsvorbehalten wird die Flexibilisierung noch umfangreicher auf den Vertragsschluss vorverlagert als bei Rechten zur nachträglichen Änderung und dadurch verstärkt.508 Ein Vergleich mit der hypothetischen Situation eines unbedingten vertraglichen Versprechens, das ohne den Vorbehalt nötig gewesen wäre, zeigt, dass das Äquivalenzverhältnis bereits durch die vertragliche Regelung geändert wird und der Arbeitgeber über einen Teil davon einseitig verfügen kann. Dass ein solcher Kernbereich existiert, den es zu schützen gilt, ergibt sich nicht direkt aus den Regelungen des KSchG, aus § 615 S. 1 BGB oder aus dem Äquivalenzprinzip.509 Vielmehr ergibt sich der Kernbereichsschutz aus der Natur 502 503 504 505 506 507 508 509

S. Kapitel 4 B. IV. 7. d). S. Kapitel 4 B. IV. 7. e). S. dazu Kapitel 4 B. IV. 7. c). S. dazu Kapitel 4 B. IV. 7. b). S. Kapitel 4 B. IV. 7. a). S. dazu Kapitel 4 B. IV. 1. und B. IV. 3. S. dazu Kapitel 4 B. IV. 1. b). S. Kapitel 4 B. IV. 2. a).

264 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

des Arbeitsvertrages in Verbindung mit § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB.510 Die Natur des Arbeitsvertrages wird sowohl durch das Kündigungsschutzrecht als auch den Gedanken aus § 615 S. 1 BGB, dass der Arbeitgeber das Wirtschaftsrisiko trägt, und das Äquivalenzprinzip maßgeblich beeinflusst. Inhaltlich bedeutet der Kernbereichsschutz gem. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB, dass dem Arbeitnehmer ein bestimmter Teil der Gesamtvergütung fest und ohne Eingriffsmöglichkeit des Arbeitgebers gewährt werden muss.511 Dementsprechend darf durch AGB-Klauseln wie Widerrufsvorbehalte oder arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte nur ein Teil der Vergütung flexibel gestaltet werden. Dieser Teil beträgt unter 25 % der Gesamtvergütung, wenn die flexible Leistung Teil des Gegenseitigkeitsverhältnisses ist, und unter 30 %, wenn es sich um eine Leistung außerhalb des Gegenseitigkeitsverhältnisses handelt.512 Weder der Charakter der flexiblen Leistung als Sonderzahlung noch ein besonders hoher Gesamtverdienst des Arbeitnehmers rechtfertigen eine Abweichung von diesen Werten.513 Ein größerer Teil des Gesamtverdienstes kann allerdings flexibel gestaltet werden, wenn der betroffene Arbeitnehmer eine entscheidende Stellung im Unternehmen hat, die ihm einen erheblichen Einfluss auf die Erreichung der Voraussetzungen einer hohen Zahlung gewährt.514 Nicht zum Kernbereichsschutz im Rahmen des AGBRechts gehört die bei Widerrufsvorbehalten vom BAG postulierte515 Voraussetzung, dass der Tariflohn nicht unterschritten werden dürfe.516 Für die vertragliche Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte ergeben sich klare Vorgaben. Um den Schutz des Kernbereichs sicherzustellen, muss in der Regel entweder eine auf die Gesamtvergütung bezogene relative Obergrenze in der genannten Höhe in die Klausel aufgenommen oder der Umfang der versprochenen Leistung jedenfalls rahmenmäßig so festgelegt werden, dass die Grenzwerte eingehalten werden.517 Ausreichend sind auch Klauselgestaltungen, die Richtwerte für die Leistungsbemessung angeben, die so niedrig sind, dass ein Kernbereichseingriff abwegig wäre.518 Ausnahmsweise müssen die genannten Vorgaben nicht eingehalten werden, wenn der Bestimmungsvorbehalt eine Sonderzahlung betrifft, bei der es gänzlich fernliegend ist, dass der Arbeit510

S. Kapitel 4 B. IV. 2. b). S. dazu Kapitel 4 B. IV. 3. 512 S. dazu Kapitel 4 B. IV. 5. b). 513 S. dazu Kapitel 4 B. IV. 5. c) und B. IV. 5. d). 514 S. dazu Kapitel 4 B. IV. 5. d). 515 S. etwa BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465 Rn. 26; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87 Rn. 23; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/ 14, NZA 2017, 931 Rn. 21. 516 S. dazu Kapitel 4 B. IV. 5. e). 517 S. dazu Kapitel 4 B. IV. 7. d) und B. IV. 7. e). 518 S. dazu Kapitel 4 B. IV. 7. c); zu derartigen Ausgestaltungsmöglichkeiten des Leistungsumfangs s. auch Kapitel 5 B. IV. 5. b). 511

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 265

geber in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses eingreifen kann.519 Andere Ausgestaltungen, die den Kernbereich effektiv schützen, sind schwer vorstellbar, aber nicht gänzlich auszuschließen. Nicht ausreichend ist für den Kernbereichsschutz in jedem Fall die Bindung der Entscheidung an billiges Ermessen.520 Ebenso wenig vermag die Möglichkeit, gem. § 315 Abs. 3 BGB die Entscheidung des Arbeitgebers gerichtlich auf ihre Billigkeit überprüfen zu lassen, den Schutz des Kernbereichs zu gewährleisten oder einen Eingriff zu rechtfertigen. Bezüglich des Charakters von Arbeitgeberleistungen lässt sich festhalten, dass die Unterscheidung zwischen Leistungen aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis und Sonderzahlungen ohne Gegenleistungscharakter anhand der Funktion der Leistung zu treffen ist, die sich nach objektiver Auslegung aus dem Inhalt der jeweiligen Zusage ergibt.521 Im Zweifel ist jede Geldleistung, bei der nichts anderes geregelt ist, Gegenleistung für geleistete oder zukünftige Arbeit des Arbeitnehmers.522 Denn in der Regel leistet der Arbeitgeber eine Geldzahlung nicht um der Zahlung willen, sondern, weil der Arbeitnehmer seine Arbeit getan hat, und damit er dies auch in Zukunft bestmöglich tut. Betriebstreueleistungen haben ebenfalls einen direkten Bezug zur Arbeitsleistung und sind im vorliegenden Zusammenhang als Teil der Gegenleistung zu bewerten.523 Eine Unterscheidung zwischen laufendem Entgelt und Sonderzahlungen ist nicht vorzunehmen.524 Für die gegenständlichen Leistungsbestimmungsrechte bedeutet das, dass fast alle der in Frage kommenden Leistungen als Gegenleistung zu bewerten sind.525 Nur wenige Leistungen gehören nicht zum Austauschverhältnis. Das sind Leistungen wie etwa Geschäftsjubiläumszahlungen oder ein Hochzeitsgeld, die als „geschenkte“ Sonderzahlungen zu behandeln sind526, und solche Leistungen, die eindeutig nur dem Aufwendungsersatz dienen.527

V. Billiges Ermessen als verbindlicher Mindestinhalt von Bestimmungsvorbehalten Neben den Anforderungen zum Schutz des Kernbereichs stellt sich die Frage, ob der Entscheidungsmaßstab in der Klausel auf billiges Ermessen festgelegt werden muss, damit der Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligt wird. 519 520 521 522 523 524 525 526 527

S. dazu Kapitel 4 B. IV. 7. a). S. dazu Kapitel 4 B. IV. 7. b). S. Kapitel 4 B. IV. 6. S. Kapitel 4 B. IV. 6. b) bb). S. Kapitel 4 B. IV. 6. b) cc). S. Kapitel 4 B. IV. 6. b) dd). S. Kapitel 4 B. IV. 6. c). S. dazu Kapitel 4 B. IV. 6. b) ee). S. dazu Kapitel 4 B. IV. 6. b) ff).

266 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

Das hat für die vertragliche Ausgestaltung besondere Bedeutung, da jede Klausel als unangemessen verworfen werden müsste, die diesen Maßstab nicht enthält. 1. Einleitung In Rechtsprechung und Literatur besteht Einigkeit, dass Bestimmungsvorbehalte des Arbeitgebers nach billigem Ermessen auszuüben sind.528 Insofern verwundert zunächst, dass Bestimmungsvorbehalte, in denen kein Maßstab oder ein von billigem Ermessen abweichender Maßstab geregelt ist, in der Praxis keine Seltenheit darstellen.529 Das BAG begegnet dieser Diskrepanz mit der Anwendung des § 315 BGB.530 Es geht bei Bestimmungsvorbehalten, wie auch bei Widerrufsvorbehalten, davon aus, dass diese nach billigem Ermessen auszuüben sind, auch wenn das nicht in der Klausel steht.531 Insofern scheint sich eine Erörterung der Frage, ob billiges Ermessen ausdrücklich in einem Bestimmungsvorbehalt geregelt werden muss, bereits erübrigt zu haben. Bei genauerer Be-

528 Vgl. BAG v. 07.10.1982 – 2 AZR 455/80, BAGE 40, 199; BAG v. 31.01.1985 – 2 AZR 393/83, EzBAT § 8 BAT Direktionsrecht Nr. 3; BAG v. 15.11.1995 – 2 AZR 521/ 95, NZA 1996, 603; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150 Rn. 24; BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970; BAG v. 03.08.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334; Lakies, ArbRAktuell 2013, 251; Salamon, NZA 2014, 465; Reinfelder, NZA-Beilage 2014, 10; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400; Lunk/Leder, NJW 2015, 3766; Lingemann/ Pfister/Otte, NZA 2015, 65; Stoffels, RdA 2015, 276; Kössel, DB 2016, 2963; Salamon/Wessels, BB 2017, 885; Salamon EntgG-HdB/Salamon, Kap. F Rn. 190; BLDH/ Lingemann, Kap. 2 Rn. 101; HK-ArbR/Boemke/Ulrici, Anhang zu §§ 307–309 Rn. 3; HWK/Roloff, Anh. §§ 305–310 BGB Rn. 28; vgl. für einseitige Leistungsbestimmungsrechte im Allgemeinen: Erman/Roloff, 13. Aufl., § 307 BGB Rn. 142; Wolf/Lindacher/ Pfeiffer/Stoffels, Anh. § 310 BGB Rn. L 215; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 42. 529 So etwa bei BAG v. 07.10.1982 – 2 AZR 455/80, BAGE 40, 199; BAG v. 31.01.1985 – 2 AZR 393/83, EzBAT § 8 BAT Direktionsrecht Nr. 3; BAG v. 15.11.1995 – 2 AZR 521/95, NZA 1996, 603; BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970; LAG Rheinland-Pfalz v. 18.07.2016 – 3 Sa 43/16, zitiert nach juris. 530 Statt vieler: BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 14; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150 Rn. 24. 531 Zu Bestimmungsvorbehalten s. BAG v. 07.10.1982 – 2 AZR 455/80, BAGE 40, 199; BAG v. 31.01.1985 – 2 AZR 393/83, EzBAT § 8 BAT Direktionsrecht Nr. 3; BAG v. 15.11.1995 – 2 AZR 521/95, NZA 1996, 603; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150 Rn. 24; BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148; BAG v. 03.08.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334; zu Widerrufsvorbehalten s. etwa BAG v. 07.01.1971 – 5 AZR 92/70, DB 1971, 392; BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931; s. dazu auch Kapitel 2 B. II. 2.

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 267

trachtung zeigt sich jedoch, dass das Gegenteil der Fall ist. Denn am Ergebnis und am Vorgehen des BAG bestehen Bedenken.532 Das verdeutlicht etwa eine Entscheidung des BGH zu einem Vorbehalt der Bestimmung über den Rückgabeort eines Leasingobjekts, in dem kein Entscheidungsmaßstab geregelt war. Der BGH weicht dort vom Vorgehen des BAG ab und nimmt nicht an, das Bestimmungsrecht solle nach billigem Ermessen auszuüben sein, sondern äußert Zweifel daran.533 Zu Recht erwähnt der BGH dabei die Auslegungsregel des § 305c Abs. 2 BGB, nach der Zweifel bei der Auslegung zu Lasten des Verwenders gehen.534 Diese könnte einer Anwendbarkeit von § 315 BGB entgegenstehen. Denn beide Normen setzen Zweifel bei der Auslegung voraus535; § 305c Abs. 2 BGB könnte aber als spezielle Auslegungsnorm des AGB-Rechts vorrangig sein. Des Weiteren könnte auch das Verhältnis des § 315 BGB zur AGB-Kontrolle gegen seine Anwendung sprechen.536 Bevor der Auslegung nachgegangen werden kann, ist aber festzustellen, ob die Bindung der Entscheidung an billiges Ermessen Voraussetzung der Wirksamkeit eines Bestimmungsvorbehalts ist und woraus sich dies ergibt. Das Ergebnis kann nämlich die Auslegung entscheidend beeinflussen. So argumentiert das BAG etwa in einem Urteil, eine Bestimmung der Leistung nach freiem Ermessen verstoße gegen das Leitbild des § 315 BGB, so dass von den Parteien eine Entscheidung nach billigem Ermessen gewollt gewesen sein musste.537 Ebenso denkbar wäre aber, dass die Anwendung des § 305c Abs. 2 BGB zur Geltung freien Ermessens führt. Denn eine Bestimmung nach freiem Ermessen könnte gegen das Leitbild des § 315 BGB verstoßen und gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam sein. Dann könnte die gem. § 305c Abs. 2 BGB gebotene kundenfreundlichste Auslegung dazu führen, dass freies Ermessen gilt und die benachteiligende Klausel zur Einräumung des Bestimmungsvorbehalts wegfällt. Nachfolgend soll zunächst dargestellt werden, weshalb die Entscheidung in jedem Fall nach billigem Ermessen zu treffen ist und woraus sich das ergibt. Anschließend wird die Frage erörtert, ob die Bindung an billiges Ermessen eindeutig aus der Klausel erkennbar sein muss oder womöglich die Anwendung des § 315 BGB ohnehin zu einer Geltung des Maßstabs billigen Ermessens führt.

532

S. dazu Kapitel 4 B. V. 3. BGH v. 18.01.2017 – VIII ZR 263/15, DB 2017, 655 Rn. 26, 32; s. dazu auch Kapitel 2 C. II. 2. b). 534 BGH v. 18.01.2017 – VIII ZR 263/15, DB 2017, 655 Rn. 32. 535 Bezüglich § 315 BGB so Jesgarzewski, Die Grenzen formularmäßiger Vereinbarung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte, S. 24. 536 S. dazu Kapitel 4 B. V. 3. 537 BAG v. 03.08.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334 Rn. 21. 533

268 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

2. Billiges Ermessen als unabdingbares Leitbild aus § 315 BGB Gem. § 315 Abs. 1 BGB ist ein Leistungsbestimmungsrecht im Zweifel nach billigem Ermessen auszuüben. Darin ist ein gesetzliches Leitbild i. S. d. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB enthalten, das die Kontrolle einseitiger Leistungsbestimmungsrechte in Bezug auf den Ausübungsmaßstab vorprägt. Der Gesetzgeber hat für den Fall, dass nicht eindeutig erkennbar ist, nach welchem Maßstab der Ausübende zu entscheiden hat, mit § 315 Abs. 1 BGB eine Regelung getroffen, die er für angemessen hält. Die Entscheidung nach billigem Ermessen bringt demnach in den Augen des Gesetzgebers die Interessen der Beteiligten angemessen in Einklang. Insofern hat § 315 Abs. 1 BGB Leitbildfunktion für die Vereinbarung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte.538 Dem steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber bei der Kodifizierung des § 315 BGB keine Entscheidung über die Angemessenheit von Leistungsbestimmungsrechten in AGB treffen wollte, was daraus zu schließen ist, dass das AGB-Recht zu diesem Zeitpunkt noch nicht existierte.539 Ebenso wenig widerspricht es der Leitbildfunktion, wenn man § 305c Abs. 2 BGB als vorrangig gegenüber § 315 BGB ansieht, so dass § 315 BGB für die Auslegung von AGB unanwendbar wäre, was es sogleich zu untersuchen gilt540. Denn es geht an dieser Stelle nur darum, welcher Entscheidungsmaßstab für Leistungsbestimmungsrechte generell als angemessen erachtet wird. Wird ein Maßstab in Individualvereinbarungen als angemessen angesehen, kann der Verwender in AGB erst recht nicht zu Lasten des Vertragspartners davon abweichen. Die Ausübung trifft den Vertragspartner gleichermaßen, ob das Bestimmungsrecht nun in AGB oder individualvertraglich eingeräumt wurde. Dafür spielt es auch keine Rolle, ob die Auslegungsregel des § 315 BGB in concreto anzuwenden ist oder nicht. Es ist also davon auszugehen, dass der Maßstab billigen Ermessens in beiden Fällen vom Gesetzgeber als angemessener Interessenausgleich bewertet wird und § 315 Abs. 1 BGB Leitbildfunktion für die Inhaltskontrolle einseitiger Leistungsbestimmungsrechte hat. Die Angemessenheitskontrolle ist durch dieses Leitbild in Richtung der Unangemessenheit vorgeprägt, wenn von ihm abgewichen wird.541 Eine Abweichung

538 Vgl. BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 101; Salamon, NZA 2014, 465; Kössel, DB 2016, 2963; Salamon/Wessels, BB 2017, 885; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358, 2360; Ekkenga/Schirrmacher, BB 2017, 2549, 2551 f.; Niklas, ArbRB 2018, 353, 354; Salamon EntgG-HdB/Salamon, Kap. F Rn. 194; Erman/Roloff, 13. Aufl., § 307 BGB Rn. 142. 539 Zur Entstehung des § 315 BGB s. HKK/Hofer, § 315–319 BGB Rn. 1 ff.; generell für Normen, die vor 1977 erlassen wurden, so auch Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 302. 540 S. dazu Kapitel 4 B. V. 3. 541 Vgl. Stoffels, AGB-Recht, Rn. 518; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 230 f.; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 26; Staudinger/Coester, § 307 BGB

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 269

zugunsten des Vertragspartners kann nicht zur Unwirksamkeit führen. Eine Abweichung zu Lasten des Vertragspartners hingegen z. B. durch Vereinbarung einer Entscheidung nach freiem Ermessen wird regelmäßig zur Unangemessenheit der Klausel führen.542 Zwar kann auch eine Abweichung von einem gesetzlichen Leitbild angemessen sein; dann müssten aber gewichtige Interessen des Verwenders an dieser Abweichung bestehen.543 Solche Interessen liegen nicht vor. Billiges Ermessen enthält die Pflicht, die Interessen beider Seiten angemessen zu berücksichtigen und gewährt dem Vertragspartner einen gewissen Schutz.544 Der Arbeitgeber kann zwar wirtschaftlichen Schwankungen besser begegnen, wenn er die Interessen des Arbeitnehmers nicht zu berücksichtigen hat. Das rechtfertigt es aber keinesfalls, dem Arbeitnehmer den Schutz gänzlich zu entziehen und dem Arbeitgeber ein völlig freies Entscheidungsrecht zuzugestehen. Zu bedenken ist dabei auch, dass dem Arbeitnehmer die gesetzlich eingeräumte Möglichkeit genommen würde, die Entscheidung auf ihre Billigkeit gerichtlich überprüfen zu lassen, wodurch ihm ein weiterer Schutz versagt würde.545 Die Benachteiligung des Arbeitnehmers durch eine Entscheidung nach freiem Ermessen oder einem sonstigen hinter dem Schutz des billigen Ermessens zurückbleibenden Maßstab ist auch nicht unerheblich, da in diesen Fällen ein gewichtiger Schutz seiner Interessen wegfällt. Eine solche Klausel ist unangemessen benachteiligend nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.546

Rn. 253 f.; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 59; MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 67 f. 542 In der Rechtsprechung wird teilweise aber auch eine Regelung der Entscheidung nach freiem Ermessen als Vereinbarung billigen Ermessens ausgelegt: BAG v. 03.08.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334; LAG Baden-Württemberg v. 14.01.2013 – 1 Sa 27/12, NZA-RR 2013, 118; diese Möglichkeit der Auslegung erkennen auch Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65 an; zur Unangemessenheit einer Entscheidung nach freiem Ermessen bei Widerrufsvorbehalten BAG v. 13.05.1987 – 5 AZR 125/86, NZA 1988, 95; BAG v. 15.08.2000 – 1 AZR 458/99, zitiert nach juris. 543 Vgl. dazu Stoffels, AGB-Recht, Rn. 518; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 230 f.; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 26; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 253 f.; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 71; MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 67 f. 544 Vgl. Stoffels, NZA 2017, 1217, 1220; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358, 2361. 545 Vgl. BAG v. 13.05.1987 – 5 AZR 125/86, NZA 1988, 95; BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 101; so Salamon, NZA 2014, 465; Kössel, DB 2016, 2963; Salamon/Wessels, BB 2017, 885; Erman/Roloff, 13. Aufl., § 307 BGB Rn. 142; Wolf/Lindacher/ Pfeiffer/Stoffels, Anh. § 310 BGB Rn. L 215; jurisPK-BGB/Völzmann-Stickelbrock, § 315 BGB Rn. 28; s. aber MüKo-BGB/Würdinger, § 315 BGB Rn. 32 und Palandt/ Grüneberg, § 315 BGB Rn. 15, die die gerichtliche Kontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB auch bei Leistungsbestimmungsrechten nach freiem Ermessen für anwendbar halten. 546 So auch BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 101; Ekkenga/Schirrmacher, BB 2017, 2549, 2551 f.; Salamon, NZA 2014, 465; Kössel, DB 2016, 2963; Salamon/Wessels, BB 2017, 885.

270 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

3. Keine verwenderfreundliche Auslegung nach § 315 BGB Entscheidend für die wirksame Ausgestaltung des Entscheidungsmaßstabs in arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten ist letztlich die Frage, ob in der Regel angenommen werden kann, dass eine Entscheidung nach billigem Ermessen vereinbart werden sollte, auch wenn dies nicht in der jeweiligen Klausel geregelt ist.547 So sehen es das BAG und viele Stimmen in der Literatur548; die Rechtsprechung des BGH zu einseitigen Leistungsbestimmungsrechten deutet in eine andere Richtung549. Für die Annahme einer generellen Geltung billigen Ermessens könnte die Auslegungsregel des § 315 Abs. 1 BGB sprechen. Die Anwendung des § 315 BGB setzt jedoch eine wirksame Vereinbarung des Bestimmungsrechts voraus.550 Das wiederum setzt die Bindung der Entscheidung an den Maßstab billigen Ermessens voraus, so dass das Recht ohne eine solche Bindung gar nicht wirksam eingeräumt würde. Die Anwendung des § 315 BGB bei der AGB-Kontrolle würde deshalb einen unzulässigen Zirkelschluss darstellen. Das AGB-Recht enthält mit § 305c Abs. 2 BGB zudem eine eigene Auslegungsregel, die zu einem anderen Ergebnis führt als die Anwendung des § 315 BGB. Bestehen Zweifel bei der Auslegung, ist die Klausel nach § 305c Abs. 2 BGB nämlich zu Lasten des Verwenders auszulegen. Ist kein Maßstab geregelt, ergibt sich danach keine Beschränkung auf billiges Ermessen, sondern eine Entscheidung nach freiem Ermessen. Denn mit diesem Inhalt ist die Klausel unwirksam 547 So BAG v. 07.10.1982 – 2 AZR 455/80, BAGE 40, 199; BAG v. 31.01.1985 – 2 AZR 393/83, EzBAT § 8 BAT Direktionsrecht Nr. 3; BAG v. 15.11.1995 – 2 AZR 521/ 95, NZA 1996, 603; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150 Rn. 24; BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970; BAG v. 03.08.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334; Lakies, ArbRAktuell 2013, 251; Salamon, NZA 2014, 465; Reinfelder, NZA-Beilage 2014, 10; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400; Lunk/Leder, NJW 2015, 3766; Lingemann/ Pfister/Otte, NZA 2015, 65; Stoffels, RdA 2015, 276; Kössel, DB 2016, 2963; Salamon/Wessels, BB 2017, 885; BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 101; HK-ArbR/Boemke/ Ulrici, Anhang zu §§ 307–309 Rn. 3; HWK/Roloff, Anh. §§ 305–310 BGB Rn. 28; zu Widerrufsvorbehalten statt vieler: BAG v. 07.01.1971 – 5 AZR 92/70, DB 1971, 392; BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, zitiert nach juris. 548 S. dazu Kapitel 2 B. II. 2. und E. I.–III. 549 S. BGH v. 14.07.2010 – VIII ZR 246/08, BGHZ 186, 180. Erhebliche Zweifel äußert der BGH an der Geltung billigen Ermessens ohne entsprechende Anhaltspunkte in der Klausel etwa in der Entscheidung BGH v. 18.01.2017 – VIII ZR 263/15, DB 2017, 655 Rn. 26, 32. Selbst bei ausdrücklicher Beschränkung der Entscheidung auf billiges Ermessen nimmt BGH v. 25.11.2015 – VIII ZR 360/14, NJW 2016, 936 noch eine Auslegung vor. S. dazu auch Kapitel 2 C. II. 2. b). 550 Vgl. Dylla-Krebs, Schranken der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen, S. 200; Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn. 1 f.; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 441; BeckOK-BGB/Gehrlein, § 315 Rn. 1, 3; NK-BGB/Wagner, § 315 BGB Rn. 1, 3; Erman/Hager, § 315 BGB Rn. 7 ff.; Jesgarzewski, Die Grenzen formularmäßiger Vereinbarung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte, S. 27.

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 271

und fällt weg, so dass das Bestimmungsrecht zu Lasten des Verwenders nicht besteht. Das wirkt sich auch nicht zu Lasten des Vertragspartners aus, da das Versprechen der Zahlung als solches nicht berührt wird551. Somit ist entgegen der Meinung des BAG und der Literatur nicht davon auszugehen, dass das Bestimmungsrecht regelmäßig nach billigem Ermessen auszuüben ist. Unterstützt wird dieses Ergebnis von der Rechtsprechung des BGH zu einseitigen Leistungsbestimmungsrechten. Dort wird in einigen Entscheidungen deutlich, dass billiges Ermessen nach Ansicht des BGH nicht ohne weiteres bei jedem Leistungsbestimmungsrecht gilt.552 Denn in diesen Entscheidungen nimmt der BGH anders als das BAG gerade nicht an, dass die jeweiligen Bestimmungsrechte nach billigem Ermessen auszuüben seien.553 Vielmehr äußert der BGH Zweifel an einem solchen Vorgehen und weist dabei auf die Auslegungsregel des § 305c Abs. 2 BGB hin.554 Billiges Ermessen scheint auch nach der Meinung des BGH nur zu gelten, wenn eine Auslegung dies eindeutig ergibt. Richtigerweise muss sich die Bindung der Ausübung eines Bestimmungsvorbehalts an billiges Ermessen, die Grundvoraussetzung für die Wirksamkeit ist, also zweifelsfrei aus der Auslegung des jeweiligen Vorbehalts ergeben. Andernfalls ist von einer Entscheidung nach freiem Ermessen auszugehen.555 Diese Auslegungsregel gilt freilich nur bei Zweifeln. Lässt sich im Wege der Auslegung ein eindeutiges Ergebnis erzielen, findet sie keine Anwendung. Dem551

S. dazu Kapitel 6 B.–D. S. BGH v. 14.07.2010 – VIII ZR 246/08, BGHZ 186, 180. Erhebliche Zweifel äußert der BGH an der Geltung billigen Ermessens ohne entsprechende Anhaltspunkte in der Klausel etwa in der Entscheidung BGH v. 18.01.2017 – VIII ZR 263/15, DB 2017, 655 Rn. 26, 32. Selbst bei ausdrücklicher Beschränkung der Entscheidung auf billiges Ermessen nimmt BGH v. 25.11.2015 – VIII ZR 360/14, NJW 2016, 936 noch eine Auslegung vor. S. dazu auch Kapitel 2 C. II. 2. b). 553 Ausdrücklich abgelehnt bei BGH v. 14.07.2010 – VIII ZR 246/08, BGHZ 186, 180; BGH v. 31.07.2013 – VIII ZR 162/09, NJW 2013, 3647. 554 BGH v. 18.01.2017 – VIII ZR 263/15, DB 2017, 655 Rn. 26, 32. 555 Zur gegenteiligen Meinung der Rechtsprechung und Literatur s. BAG v. 07.10.1982 – 2 AZR 455/80, BAGE 40, 199; BAG v. 31.01.1985 – 2 AZR 393/83, EzBAT § 8 BAT Direktionsrecht Nr. 3; BAG v. 15.11.1995 – 2 AZR 521/95, NZA 1996, 603; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150 Rn. 24; BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970; BAG v. 03.08.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334; Lakies, ArbRAktuell 2013, 251; Salamon, NZA 2014, 465; Reinfelder, NZA-Beilage 2014, 10; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400; Lunk/Leder, NJW 2015, 3766; Lingemann/ Pfister/Otte, NZA 2015, 65; Stoffels, RdA 2015, 276; Kössel, DB 2016, 2963; Salamon/Wessels, BB 2017, 885; BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 101; HK-ArbR/Boemke/ Ulrici, Anhang zu §§ 307–309 Rn. 3; HWK/Roloff, Anh. §§ 305–310 BGB Rn. 28; zu Widerrufsvorbehalten statt vieler: BAG v. 07.01.1971 – 5 AZR 92/70, DB 1971, 392; BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, zitiert nach juris. 552

272 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

gemäß kann eine Klausel durchaus wirksam sein, wenn das billige Ermessen nicht ausdrücklich erwähnt wird. Es muss sich dafür jedoch aus der Regelung in Verbindung mit dem gesamten Vertrag unzweideutig ergeben, dass eine Entscheidung nach billigem Ermessen oder einem strengeren, für den Arbeitnehmer günstigeren Maßstab gewollt ist. Eine Entscheidung nach billigem Ermessen könnte beispielsweise anzunehmen sein, wenn anderenorts auf das Recht der Überprüfung nach § 315 Abs. 3 BGB verwiesen wird oder sonst auf die Billigkeit der Entscheidung. Andersherum ergeben sich auch keine Zweifel, wenn die Klausel ausdrücklich regelt, dass die Entscheidung nach freiem Ermessen des Arbeitgebers zu treffen ist.556 Das BAG hat zwar auch in solchen Fällen angenommen, es sei eine Entscheidung nach billigem Ermessen gewollt.557 Dafür bestehen jedoch schlicht keine Anhaltspunkte und der Wortlaut solcher Klauseln ist eindeutig. An diesem Ergebnis ändert insbesondere der Verweis darauf nichts, der Arbeitgeber wolle keine unwirksame Klausel verwenden und ihm sei deshalb der Wille einer Entscheidung nach billigem Ermessen zu unterstellen.558 Eine solche Argumentation kommt einer geltungserhaltenden Reduktion gleich, die im AGB-Recht nicht zulässig ist559. Denn so argumentiert, könnte der Verwender einer unwirksamen Klausel sich immer auf den Standpunkt stellen, er habe keine unwirksame Klau-

556 So generell für Leistungsbestimmungsrechte auch Jesgarzewski, Die Grenzen formularmäßiger Vereinbarung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte, S. 24. 557 BAG v. 03.08.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334; LAG Baden-Württemberg v. 14.01.2013 – 1 Sa 27/12, NZA-RR 2013, 118; wohl anders bezüglich eines Widerrufsvorbehalts nach freiem Ermessen BAG v. 13.05.1987 – 5 AZR 125/86, NZA 1988, 95. 558 In diese Richtung könnte man aber BAG v. 03.08.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334 Rn. 21 verstehen. Eine ähnliche Argumentation findet sich auch in der Rechtsprechung zu arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen: BAG v. 25.05.2005 – 5 AZR 572/04, BAGE 115, 19 Rn. 22 f. 559 So auch BGH v. 17.05.1982 – VII ZR 316/81, BGHZ 84, 109; BGH v. 25.06.2003 – VIII ZR 344/02, NJW 2003, 2899; BGH v. 06.04.2005 – VIII ZR 27/04, NJW 2005, 1574; BAG v. 04.03.2004 – 8 AZR 196/03, BAGE 110, 8 Rn. 65; BAG v. 2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 727; BAG v. 25.05.2005 – 5 AZR 572/04, BAGE 115, 19 Rn. 34; Stoffels, ZfA 2009, 861, 890; Preis/Roloff, ZfA 2007, 43, 78; Wolf/ Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 344; Erman/Roloff, § 306 BGB Rn. 8; Henssler/Moll, AGB-Kontrolle vorformulierter Arbeitsbedingungen, S. 13; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 593; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 306 BGB Rn. 14a; s. dazu auch Schlewing, RdA 2011, 92; Clemenz/Kreft/Krause/Schlewing, § 306 BGB Rn. 70 ff.; Linck, in: FS Bauer, S. 645, 655; a. A. MüKo-BGB/Basedow, § 306 BGB Rn. 16 ff.; Boemke-Albrecht, Rechtsfolgen unangemessener Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, S. 28 ff., 162 ff.; so für das Arbeitsrecht wohl auch Hromadka, NJW 2002, 2523, 2529 f.; in diese Richtung auch Thüsing, NZA 2002, 591, 594; s. auch die Kritik am Verbot der geltungserhaltenden Reduktion bei Clemenz/Kreft/Krause/ Schlewing, § 306 BGB Rn. 70 ff.; Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, S. 286 ff. und passim hält das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion für einen „Mythos“.

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 273

sel gewollt und deshalb sei davon auszugehen, dass die jeweils zulässige Formulierung gemeint gewesen sei. 4. Ergebnisse § 315 BGB enthält das Leitbild, dass einseitige Leistungsbestimmungsrechte nach billigem Ermessen auszuüben sind.560 Der Gesetzgeber hat mit der Regelung des § 315 Abs. 1 BGB zum Ausdruck gebracht, dass die Entscheidung nach billigem Ermessen die Interessen der Beteiligten angemessen in Einklang bringt. Beinhalten Bestimmungsrechte nicht mindestens diesen Maßstab, sind sie mit dem wesentlichen Grundgedanken des § 315 Abs. 1 BGB nicht vereinbar. Arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte sind dementsprechend gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, wenn sie nicht nach billigem Ermessen oder einem strengeren Maßstab auszuüben sind. Für die Prüfung dieser Voraussetzung ist von besonderer Bedeutung, dass entgegen der Meinung des BAG und der vorherrschenden Auffassung im Schrifttum bei Zweifeln über die Auslegung nicht § 315 Abs. 1 BGB Anwendung findet, sondern die verwenderfeindliche Auslegung nach § 305c Abs. 2 BGB.561 So legt es auch die Rechtsprechung des BGH nahe.562 § 305c Abs. 2 BGB ist als spezielle Auslegungsregel des AGB-Rechts vorrangig und die Anwendung des § 315 BGB in der AGB-Kontrolle würde einen unzulässigen Zirkelschluss darstellen. Denn § 315 BGB setzt die wirksame Einräumung eines Leistungsbestimmungsrechts voraus, wofür wiederum die Bindung der Entscheidung an den Maßstab billigen Ermessens erforderlich ist. Bestehen Zweifel über die Auslegung, ergibt sich aus § 305c Abs. 2 BGB, dass das Bestimmungsrecht nach freiem Ermessen auszuüben ist, weil es mit diesem Inhalt unwirksam ist.563 Arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte müssen deshalb ausdrücklich oder jedenfalls eindeutig im Wege der Auslegung auf eine Ausübung nach billigem Ermessen oder nach einem strengeren, den Arbeitnehmer weitergehend schützenden Maßstab beschränkt sein.

VI. Unzulässige Möglichkeit der einseitigen Änderung von Synallagma und Äquivalenzverhältnis bei Leistungen aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis? Eine entscheidende Rolle für die Angemessenheit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte spielt, dass der Arbeitgeber durch sie einseitig in ein beidseitig vereinbartes Verhältnis eingreifen kann und nur eingeschränkt an sein Leistungs560 561 562 563

S. dazu Kapitel 4 B. V. 2. S. zu alledem Kapitel 4 B. V. 3. S. dazu auch Kapitel 5 A. I. 2. b). S. Kapitel 4 B. V. 3.

274 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

versprechen gebunden ist. Steht eine Leistung, die Teil des Gegenseitigkeitsverhältnisses ist, unter einem Bestimmungsvorbehalt, kann der Arbeitgeber unter Umständen erstens einseitig eine Neubewertung über die synallagmatische Verknüpfung der auszutauschenden Leistungen und zweitens bezüglich deren Äquivalenzverhältnis vornehmen. Eine solche Möglichkeit ist bedenklich, da sowohl die synallagmatische Verknüpfung als auch das Verhältnis der auszutauschenden Leistungen zweiseitig festgelegt wurden. Der Arbeitgeber könnte womöglich einseitig das übereinstimmend festgelegte Verhältnis der Leistungen verschieben. Der BGH weist in seiner Rechtsprechung zu Preisanpassungsklauseln regelmäßig darauf hin, dass das Äquivalenzverhältnis zu beachten ist und keine Möglichkeit einer Gewinnsteigerung bestehen darf.564 Ob und wie das Äquivalenzverhältnis bei arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten betroffen ist, bedarf der Untersuchung.565 Denn möglicherweise könnte der Arbeitgeber, wenn die entscheidungsrelevanten Kriterien nicht im Voraus festgelegt sind, diese zu seinem Vorteil wählen und das vertragliche Äquivalenzverhältnis verschieben. Er könnte negative Entwicklungen berücksichtigen, wäre aber nicht verpflichtet, dies auch bei positiven zu tun. Kurz gefragt: Muss bereits im Bestimmungsvorbehalt ausgeschlossen werden, dass der Arbeitgeber die Entscheidungskriterien ausschließlich zu seinem Vorteil wählt? Darüber hinaus ist die synallagmatische Verknüpfung der Leistungspflichten zu beachten. Freiwilligkeitsvorbehalte hält das BAG für unangemessen benachteiligend, wenn sie die laufende Vergütung betreffen, da der Vorbehalt in solchen Fällen das Synallagma auflöse.566 Eine vergleichbare Konstellation könnte unter Umständen auch bei Bestimmungsvorbehalten vorliegen, die eine Leistung aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis betreffen.567 Denn ist der Arbeitgeber frei in der Wahl der Entscheidungskriterien, könnte er diese in den meisten Fällen so wählen, dass die Leistung auf null festgelegt werden kann. Dann bliebe der Arbeitnehmer vollständig an seine Arbeitspflicht gebunden, während der Arbeitgeber eine damit synallagmatisch verknüpfte Leistung nach seinem Belieben entfallen lassen könnte. Dieser Sichtweise könnte jedoch entgegenstehen, dass die Leistung von vornherein nicht bestimmt war und möglicherweise erst mit der Ausübung des Bestimmungsrechts in der jeweiligen Höhe Teil des Synallagmas geworden ist. 564 Vgl. BGH v. 06.12.1984 – VII ZR 227/83, NJW 1985, 855; BGH v. 20.05.1985 – VII ZR 198/84, BGHZ 94, 335; BGH v. 06.03.1986 – III ZR 195/84, NJW 1986, 1803; BGH v. 13.12.2006 – VIII ZR 25/06, NJW 2007, 1054; BGH v. 21.04.2009 – XI ZR 55/08, zitiert nach juris; BGH v. 24.03.2010 – VIII ZR 178/08, BGHZ 185, 96; BGH v. 25.11.2015 – VIII ZR 360/14, NJW 2016, 936; s. dazu Kapitel 2 C. IV. 565 S. dazu Kapitel 4 B. VI. 2. 566 S. BAG v. 25.04.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853; BAG v. 14.09.2011 – 10 AZR 526/10, BAGE 139, 156. 567 S. dazu Kapitel 4 B. VI. 1.

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 275

1. Einseitige Relativierung des Synallagmas durch arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte In diesem Abschnitt soll untersucht werden, ob arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte über Leistungen aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis in Konflikt zur synallagmatischen Verknüpfung der Leistungspflichten geraten. Näher zu betrachten ist insbesondere ein Gedanke aus der Rechtsprechung zu Freiwilligkeitsvorbehalten. Diese hält das BAG für unangemessen benachteiligend, wenn die laufende Vergütung betroffen ist, da dann das Synallagma aufgelöst werde.568 Das BAG argumentiert, der Arbeitnehmer sei an seine Leistungspflicht gebunden, während der Arbeitgeber frei disponieren könne, wodurch der Zweck des Arbeitsverhältnisses gefährdet sei. Zur Untersuchung dieses Gedankens muss zunächst ein Blick auf die Figur des Synallagmas und sein Verhältnis zum AGB-Recht geworfen werden. Denn das Synallagma ist eine auf Privatautonomie basierende Rechtsfigur569, die im Grundsatz kontrollfrei ist570. Dennoch könnten einseitige Eingriffe in die synallagmatische Verknüpfung der Leistungspflichten kontrollfähig und unangemessen sein.571 Soweit das der Fall ist, steht zu untersuchen, ob Bestimmungsvorbehalte einen solchen einseitigen Eingriff in das Synallagma ermöglichen bzw. welche Berührungspunkte mit der Figur des Synallagmas bestehen.572 Schlussendlich stellt sich die Frage, welche Konsequenzen sich aus dem Gesagten für die Wirksamkeit und die Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte ergeben.573 a) Das Synallagma ist Ausfluss der Privatautonomie Das Synallagma, meist aufgeteilt in genetisches574, funktionelles und konditionelles Synallagma, beschreibt die grundsätzliche Zweckbeziehung im gegenseitigen Vertrag.575 Die gegenseitig versprochenen Leistungen haben ihren Zweck in 568 S. BAG v. 25.04.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853; BAG v. 14.09.2011 – 10 AZR 526/10, BAGE 139, 156. 569 Dazu unter Kapitel 4 B. VI. 1. a). 570 Dazu unter Kapitel 4 B. VI. 1. b). 571 Dazu unter Kapitel 4 B. VI. 1. d). 572 Dazu unter Kapitel 4 B. VI. 1. d), B. VI. 1. f). 573 Dazu unter Kapitel 4 B. VI. 1. g). 574 Das genetische Synallagma als überflüssig lehnen ab: Rittner, in: FS Lange 1970, S. 213 ff.; Hager, in: Zum Deutschen und Internationalen Schuldrecht, S. 27; krit. auch Soergel/Gsell, vor § 320 BGB Rn. 14; a. A. Klinke, Causa und genetisches Synallagma, passim; van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrages, S. 23 ff.; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 315 f. 575 Vgl. dazu und zur Entwicklung des Synallagmas Ernst, Die Einrede des nichterfüllten Vertrages, S. 15 ff.; Hager, in: Zum Deutschen und Internationalen Schuldrecht, S. 27 ff.; Klinke, Causa und genetisches Synallagma, S. 100 ff.; Cordes/Nehlsen-von Stryk, Deutsche Rechtsgeschichte Band 2: 1250–1650, S. 101 ff.; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 312 ff.; s. auch Zoller, Vorleistungspflicht und AGB-Gesetz, S. 19 f., 115 f.

276 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

der jeweils anderen Leistung.576 Sie sind voneinander abhängig. Jede Leistungspflicht soll nur entstehen, wenn auch die andere Leistungspflicht entsteht (genetisches Synallagma).577 Ebenso soll jede Leistungspflicht nur bestehen bleiben, wenn auch die andere bestehen bleibt (konditionelles Synallagma).578 Das konditionelle Synallagma findet gesetzlichen Ausdruck in § 326 BGB, wonach grundsätzlich eine gegenseitige Leistungspflicht entfällt, wenn die andere Leistung unmöglich ist. Das funktionelle Synallagma betrifft die Durchsetzbarkeit der gegenseitigen Ansprüche.579 Die Leistungen werden gem. §§ 320, 322 BGB nur Zug um Zug geschuldet. Leistet die eine Seite nicht, muss auch die andere Seite nicht leisten. Diese Zweckbeziehung findet zwar teilweise, in Form des funktionellen und konditionellen Synallagmas, ihren Ausdruck in den Regelungen der §§ 320 ff. BGB. Sie entsteht aber nicht von Gesetzes wegen, sondern beruht auf dem Parteiwillen bzw. der Parteivereinbarung.580 Die Parteien legen den Leistungsaustausch, also Gegenseitigkeit, als Geschäftszweck fest.581 Dabei handelt es sich nicht zwangsläufig um den tatsächlich verfolgten Zweck, aber um den typischen Zweck gegenseitiger Verträge.582 Die Leistungsversprechen sind als gegenseitige, voneinander abhängige Pflichten gewollt, so dass prinzipiell nur entweder beide oder keine der Pflichten entstehen, durchgesetzt werden und bestehen bleiben können.583

576 Ausführlich dazu Klinke, Causa und genetisches Synallagma, S. 15, 18, 94 ff. m.w. N.; s. auch van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrages, S. 15; Larenz, Schuldrecht Allgemeiner Teil, § 15 I., S. 202 ff.; Zoller, Vorleistungspflicht und AGBGesetz, S. 115 f. 577 S. dazu BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 320 Rn. 8; Klinke, Causa und genetisches Synallagma, S. 15 ff., 94 ff.; van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrages, S. 23 ff.; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 315 ff. 578 S. dazu BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 320 Rn. 8; Soergel/Gsell, vor § 320 BGB Rn. 15; Klinke, Causa und genetisches Synallagma, S. 96 f.; van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrages, S. 26; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 317 f. 579 S. dazu BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 320 Rn. 8; Soergel/Gsell, vor § 320 BGB Rn. 16; Klinke, Causa und genetisches Synallagma, S. 96 f.; van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrages, S. 26 ff.; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 318 f. 580 BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 320 Rn. 8; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 312 ff.; Staudinger/Löwisch, Vorbem. zu §§ 320–326 BGB Rn. 1, 24, 31; Klinke, Causa und genetisches Synallagma, S. 95 ist der Meinung, die synallagmatische Verknüpfung entstehe nur mittelbar durch Parteivereinbarung und ansonsten durch gesetzliche Bestimmung. 581 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 315. 582 Van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrages, S. 15 m.w. N.; vgl. auch Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 309. 583 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 315; vgl. auch Larenz, Schuldrecht Allgemeiner Teil, § 15 I., S. 202 ff.

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 277

Das Synallagma ist damit Ausfluss der verfassungsrechtlich in Art. 2 GG verbürgten Privatautonomie584. Im Grundsatz ist davon auszugehen, dass mit der gegenseitigen Verpflichtung ein gerechter Ausgleich im Rahmen der Privatautonomie gefunden wurde. Schließlich resultiert die Entscheidung zum Vertragsschluss in der gewählten Form aus der Selbstbestimmung der Parteien auf dem freien Markt. Es gibt also eine gewisse Richtigkeitsgewähr des Synallagmas.585 Auch wenn man der Ausübung der Vertragsfreiheit keine objektive Richtigkeitsgewähr zuschreiben will,586 so liegt darin doch mindestens eine vertragliche Selbstbestimmung der Parteien,587 die Gesetzgeber und Rechtsanwender zu respektieren haben. Denn die Findung des (subjektiv) richtigen Interessenausgleichs obliegt in unserer auf Privatautonomie basierenden Rechtsordnung den einzelnen Rechtssubjekten.588 Dem Grunde nach muss das Synallagma deshalb von Eingriffen durch Gesetzgeber und Rechtsanwender freigehalten werden. Isoliert betrachtet ist die Richtigkeitsgewähr des Synallagmas aber begrenzt. Das Synallagma beschreibt nämlich nur die Zweckverknüpfung der Leistungen und nicht das Wertverhältnis. Es kann deshalb nur Ausdruck einer Richtigkeitsgewähr in Bezug auf die gegenseitige Abhängigkeit der vereinbarten Leistungen sein und nicht in Bezug auf ihr Wertverhältnis. Das Äquivalenzverhältnis, das die Gleichwertigkeit der Leistungen betrifft, ist nicht Teil der Figur des Synallagmas.589 584 Zur verfassungsrechtlichen Verbürgung der Privatautonomie s. MüKo-BGB/Busche, Vor § 145 BGB Rn. 3 m.w. N.; MüKo-BGB/Säcker, Einleitung Rn. 166 ff.; ErfK/ Schmidt, Art. 2 GG Rn. 2; Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 25. 585 Vgl. etwa Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 316; van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrages, S. 30 ff. 586 So aber Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 149 ff.; Schmidt-Rimpler, in: FS Raiser 1974, S. 4 ff.; Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, S. 39 ff.; a. A. Raiser, in: Hundert Jahre deutsches Rechtsleben, FS zum hundertjährigen Bestehen des deutschen Juristentages, S. 117 ff.; Flume, in: Hundert Jahre deutsches Rechtsleben, FS zum hundertjährigen Bestehen des deutschen Juristentages, S. 142 f.; s. auch Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 181 ff., der beim Arbeitsvertrag generell ein Funktionsdefizit der Richtigkeitsgewähr erkennt (m.w. N.). 587 Vgl. MüKo-BGB/Busche, Vor § 145 BGB Rn. 6 m.w. N.; Flume, in: Hundert Jahre deutsches Rechtsleben, FS zum hundertjährigen Bestehen des deutschen Juristentages, S. 143. 588 MüKo-BGB/Säcker, Einleitung Rn. 36 ff. m.w. N., 170; MüKo-BGB/Busche, Vor § 145 BGB Rn. 6; ErfK/Schmidt, Art. 2 GG Rn. 24 ff.; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 2 ff.; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 Rn. 21; vgl. auch Raiser, Das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen, S. 289. 589 Van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrages, S. 29 ff.; Staudinger/Löwisch, Vorbem. zu §§ 320–326 BGB Rn. 6; Klinke, Causa und genetisches Synallagma, S. 128; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 319 ff.; anders wohl Larenz, Schuldrecht Allgemeiner Teil, § 15 I., S. 202 f.; zum Äquivalenzverhältnis s. aber sogleich unter Kapitel 4 B. VI. 2. Eine Äquivalenz ist dem Synallagma aber insofern immanent, als damit die Gleichheit der Leistungspflichten in Bezug auf ihre Gegenseitigkeit gemeint ist. Beide Leis-

278 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

b) Verhältnis von Synallagma und AGB-Recht: keine Kontrolle privatautonomer Entscheidungen Da nun festgestellt ist, dass das Synallagma auf privatautonomer Entscheidung beruht, stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis Privatautonomie und AGBKontrolle stehen. Unterliegt eine privatautonome Entscheidung wie die synallagmatische Verknüpfung der Leistungspflichten überhaupt der AGB-Kontrolle? Zur Beantwortung dieser Frage müssen ein Blick auf die Vertragsfreiheit als grundlegendes privatrechtliches Konzept geworfen und die Entstehung und der Zweck des AGB-Rechts untersucht werden. Nach dem früheren liberalen Verständnis der Vertragsfreiheit mussten Parteivereinbarungen als Ausfluss der Privatautonomie gänzlich frei von staatlicher Einflussnahme bleiben.590 Nach diesem Verständnis hätten weder der Gesetzgeber noch die Gerichte das Synallagma kontrollieren oder verändern dürfen. Es hat sich aber gezeigt, dass die Vertragsfreiheit nicht fehlerfrei ist und das selbstbestimmte Handeln der Einzelnen im Rahmen des freien Wettbewerbs nicht immer gerechte bzw. die bestmöglichen Ergebnisse erzielt.591 Ein Ungleichgewicht und daraus resultierende Missstände sind insbesondere im Fall der Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen aufgetreten.592 Aufgrund derartiger Entwicklungen ist nach heute vorherrschender Meinung jedenfalls dort, wo der Wettbewerb gestört und kein völlig selbstbestimmtes Handeln möglich ist, eine Intervention des Gesetzgebers geboten.593 Dazu trifft ihn sogar eine Pflicht: Gem. Art. 2 GG muss der Gesetzgeber die nötigen Rahmenbedingungen dafür herstellen, dass ein selbstbestimmtes vertragliches Handeln möglich bleibt.594

tungen hängen gleich voneinander ab. Das ist jedoch unabhängig von ihrem Wert. Vgl. dazu van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrages, S. 29 f. 590 Vgl. zum früheren liberalen Verständnis Hager, in: Zum Deutschen und Internationalen Schuldrecht, S. 37 f.; MüKo-BGB/Säcker, Einleitung Rn. 33 ff., 63, 168 ff.; MüKo-BGB/Busche, Vor § 145 BGB Rn. 5; Raiser, Das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen, S. 278 ff.; s. dazu auch Kreienbaum, Transparenz und AGBGesetz, S. 204 ff.; zur Entwicklung der Vertragsfreiheit s. Weber, Rechtssoziologie, S. 129 ff. 591 S. Hager, in: Zum Deutschen und Internationalen Schuldrecht, S. 37 f.; vgl. auch MüKo-BGB/Busche, Vor § 145 BGB Rn. 5. 592 Stoffels, AGB-Recht, Rn. 82 ff.; Raiser, Das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen., S. 277 ff.; vgl. auch Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 3, 283; Clemenz/ Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 30 ff.; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 79 ff.; Kreienbaum, Transparenz und AGB-Gesetz, S. 209 ff. 593 Vgl. MüKo-BGB/Säcker, Einleitung Rn. 36 ff., 63 ff.; Hager, in: Zum Deutschen und Internationalen Schuldrecht, S. 37 f. 594 MüKo-BGB/Busche, Vor § 145 BGB Rn. 3, 6 m.w. N.; s. auch Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, S. 57 ff.

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 279

Solche Rahmenbedingungen zur Sicherung der Privatautonomie stellt das AGB-Recht dar.595 Es soll dem partiellen Marktversagen596 und dem Versagen der Richtigkeitsgewähr597, die sich aus der Vertragsfreiheit unter optimalen Bedingungen ergeben hätte, entgegentreten.598 Dazu schützt das AGB-Recht den Vertragspartner vor unangemessener Benachteiligung. Denn der Vertragspartner kann bei Verwendung von AGB seine vertragliche Selbstbestimmung nicht vollständig ausüben.599 Das wurde zum Teil mit einer strukturellen Unterlegenheit des Vertragspartners wegen eines wirtschaftlichen Ungleichgewichts begründet.600 Treffender ist die Annahme eines Konglomerats von Gründen, die unter dem Begriff der situativen Unterlegenheit zusammengefasst werden können.601 Es besteht ein Informationsdefizit beim Vertragspartner, für den es im Gegensatz zum Verwender regelmäßig kaum möglich (Stichwort: „intellektuelle Unterlegenheit“ und zeitlicher Aufwand) und nicht lohnenswert (Stichwort: „Transaktions-

595 Hager, in: Zum Deutschen und Internationalen Schuldrecht, S. 38; MüKo-BGB/ Säcker, Einleitung Rn. 36 f.; MüKo-BGB/Busche, Vor § 145 BGB Rn. 6 f.; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 80, 84; ErfK/Schmidt, Art. 2 GG Rn. 24 ff.; BeckOK-BGB/ H. Schmidt, § 307 Rn. 71; Leuschner, AcP 207 (2007), 491, 511 ff.; Bieder, NZA 2007, 1135, 1138; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 2 ff.; vgl. auch Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 276; so vor Kodifizierung des AGB-Rechts auch Raiser, Das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen, S. 285. 596 Vgl. BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 86; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 Rn. 18, 21, 46; Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 40; s. dazu auch bereits Kapitel 3 B. V. 1.; Kapitel 4 A. IV. 1. und A. IV. 2. a). 597 Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 5 m.w. N.; MüKo-BGB/Busche, Vor § 145 BGB Rn. 6; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 82; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 79 ff., 263; zur Richtigkeitsgewähr s. etwa MüKo-BGB/Säcker, Einleitung Rn. 36 ff., 170; ErfK/Schmidt, Art. 2 GG Rn. 24 ff.; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 Rn. 21; Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 149 ff.; Schmidt-Rimpler, in: FS Raiser 1974, S. 4 ff.; Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, S. 39 ff.; krit. Raiser, in: Hundert Jahre deutsches Rechtsleben, FS zum hundertjährigen Bestehen des deutschen Juristentages, S. 117 ff.; Flume, in: Hundert Jahre deutsches Rechtsleben, FS zum hundertjährigen Bestehen des deutschen Juristentages, S. 142 f.; s. auch Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 181 ff., der beim Arbeitsvertrag generell ein Funktionsdefizit der Richtigkeitsgewähr erkennt (m.w. N.). 598 Die Rechtfertigung der AGB-Kontrolle durch ein Verständnis von AGB als privatrechtlich gesetzte Normen ist abzulehnen. Sie verträgt sich weder mit dem Wortlaut von § 305 Abs. 1 S. 1 BGB, in dem AGB als Vertragsbedingungen bezeichnet werden, noch haben die Privatrechtssubjekte eine Normsetzungskompetenz. So Clemenz/Kreft/ Krause/Krause, Einführung Rn. 28 f. mit Nachweisen zur „Normentheorie“. 599 S. zur sog. situativen Unterlegenheit des Vertragspartners anschaulich Clemenz/ Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 30 ff. m.w. N. 600 Vgl. BGH v. 28.02.1973 – IV ZR 34/71, BGHZ 60, 243; in diese Richtung neben anderen Gründen auch Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Einleitung Rn. 3 f.; ablehnend Kreienbaum, Transparenz und AGB-Gesetz, S. 211. 601 Vgl. zur situativen Unterlegenheit insbesondere Lieb, AcP 178 (1978), 196, 201 ff.; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 81 ff., 91; krit. Hellwege, Allgemeine Geschäftsbedingungen, einseitig gestellte Vertragsbedingungen und die allgemeine Rechtsgeschäftslehre, S. 553 ff.

280 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

kosten“) ist, die AGB im Einzelnen zu überprüfen.602 Daneben wird er die AGB erfahrungsgemäß auch deswegen nicht überprüfen, weil er sich davon keinen Erfolg verspricht oder sie ihm schlichtweg gleichgültig sind.603 Der Vertragspartner wird den AGB in der Regel keine oder nur eine geringe Aufmerksamkeit schenken, weshalb diese nicht dem nötigen Wettbewerb unterliegen.604 Der Verwender kann somit ungehindert die Vertragsfreiheit einseitig in Anspruch nehmen. Es gilt deshalb, den Vertragspartner vor einer Fremdbestimmung zu schützen.605 Die Ausübung der Vertragsfreiheit und damit auch das Synallagma müssen aber im Prinzip, auch das gebietet der Schutz der Vertragsfreiheit aus Art. 2 GG606, frei von staatlicher Kontrolle bleiben, da sie auf selbstbestimmter Vertragsentscheidung beruhen607 und insofern eine Richtigkeitsgewähr oder jedenfalls die erhöhte Chance der Richtigkeit enthalten. Dementsprechend unterliegen diejenigen Regelungen nicht der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB, die in selbstbestimmter Ausübung der Vertragsfreiheit getroffen werden.608 So sind die Hauptleistungspflichten609 und der Vertragszweck610 nicht kontrollfähig. Bei die-

602 Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 33 m.w. N.; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 83 ff.; Kötz, Vertragsrecht, Rn. 244 f.; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 3; Leuschner, AcP 207 (2007), 491, 494 ff.; Kreienbaum, Transparenz und AGB-Gesetz, S. 209 ff.; Kötz, Gutachten zum 50. DJT Band I, A 30 ff., der den Fokus auf die zu hohen Kosten der Überprüfung der AGB und der möglichen Umgestaltung des Vertrages legt. 603 Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 34; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 85 f. 604 S. dazu auch bereits Kapitel 4 A. IV. 1. und A. IV. 2. a). 605 ErfK/Schmidt, Art. 2 GG Rn. 30; vgl. auch Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 31; Leuschner, AcP 207 (2007), 491, 497 ff.; krit. Hellwege, Allgemeine Geschäftsbedingungen, einseitig gestellte Vertragsbedingungen und die allgemeine Rechtsgeschäftslehre, S. 546 f., der den Schutz vor Fremdbestimmung nicht als konkreten Schutzgrund der Inhaltskontrolle sieht. 606 Zum Schutz der Selbstbestimmung durch Art. 2 GG s. ErfK/Schmidt, Art. 2 GG Rn. 2, 24. 607 ErfK/Schmidt, Art. 2 GG Rn. 24 fordert „weitgehende Zurückhaltung“ des Gesetzgebers in Bezug auf die vertragliche Selbstbestimmung; vgl. auch Stoffels, AGBRecht, Rn. 423, 449; Raiser, Das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen, S. 283, 285. 608 Vgl. Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 283 f.; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 423; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 288; ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 36 f.; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 38; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 Rn. 21; Palandt/Grüneberg, § 307 BGB Rn. 41; BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 80 ff.; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 28; a. A. Däubler/Bonin/ Deinert/Däubler, § 307 BGB Rn. 248a, der es ablehnt, zur Begründung der Kontrollfreiheit auf das Funktionieren der Privatautonomie abzustellen. Er möchte ausschließlich darauf abstellen, dass rechtliche Maßstäbe zur Kontrolle fehlen. 609 Statt aller: Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 18 ff., 37 ff., 71 ff.; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 292 ff.; ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 36; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 38, 42 ff.

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 281

sen Regelungsgegenständen ist davon auszugehen, dass die Parteien ihnen ausreichend Aufmerksamkeit schenken und eine selbstbestimmte freie Entscheidung treffen.611 Nach diesen Grundsätzen muss das Synallagma genau wie das Äquivalenzverhältnis612 von der AGB-Kontrolle freigehalten werden.613 Denn das Synallagma, also die Gegenseitigkeit der vereinbarten Leistungspflichten, ist (typischer) Vertragszweck und Teil der Regelung der Hauptleistungspflichten. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die synallagmatische Verknüpfung die nötige Aufmerksamkeit des Vertragspartners findet. c) Zwischenergebnis: das Synallagma unterliegt keiner Inhaltskontrolle Das Synallagma ist Ausfluss privatautonomer Entscheidungen der Vertragsparteien. Eine derartige Ausübung der Vertragsfreiheit muss im Prinzip frei von staatlicher Kontrolle bleiben, da sie auf selbstbestimmten Vertragsentscheidungen beruht und insofern eine Richtigkeitsgewähr enthält. Dementsprechend unterliegt das Synallagma auch keiner AGB-Kontrolle. d) Die Problematik des einseitigen Eingriffs in das Synallagma Die Erkenntnis, dass das Synallagma nicht nach §§ 307 ff. BGB kontrolliert werden darf, beinhaltet noch keine Aussage darüber, wie weitreichend diese Kontrollfreiheit ist und ob danach auch Eingriffsmöglichkeiten in das Synallagma kontrollfrei bleiben müssen. Es liegt zwar der Schluss nahe, dass jede Regelung, die in irgendeiner Weise das Synallagma betrifft, aus der Inhaltskontrolle auszuklammern ist. Nicht der Inhaltskontrolle unterlägen danach die Festlegung, dass eine Leistung Teil des Synallagmas ist und welche Leistungen synallagmatisch verknüpft sind, aber auch die Relativierung oder Einschränkung synallagmatischer Verknüpfungen. Doch die Einräumung einer Möglichkeit zum Eingriff in das Synallagma stellt gerade keine Festlegung des Synallagmas dar, sondern eine 610 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 290; Ulmer/Brandner/Hensen/ Fuchs, § 307 Rn. 41. 611 S. dazu insbesondere Stoffels, AGB-Recht, Rn. 448 ff.; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 285; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 28; Ulmer/Brandner/ Hensen/Fuchs, § 307 Rn. 21, 46 ff., 85 ff.; s. dazu auch bereits Kapitel 4 A. IV. 1 und A. IV. 2. a). 612 Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 284 m.w. N.; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 423, 450; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 303, 308; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 38; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 28; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 258 ff. 613 Vgl. Bieder, NZA 2007, 1135, 1137; nach Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 41 und Stoffels, AGB-Recht, Rn. 450 muss der „Kern der Leistungszusage“ kontrollfrei sein. Dazu muss richtigerweise auch die synallagmatische Verknüpfung der Leistungsverpflichtungen gehören.

282 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

einseitige Änderungsmöglichkeit. Die Einräumung eines Anspruchs und die damit verbundene Festlegung, dass die versprochene Leistung Teil des Gegenseitigkeitsverhältnisses sein soll, erfolgt rechtlich unabhängig von der darüber hinausgehenden Möglichkeit, den Anspruch der Höhe nach festzulegen, zu ändern oder sogar entfallen zu lassen. Eine Klausel, die einen einseitigen Eingriff in das beidseitig festgelegte Synallagma ermöglicht, ist deshalb nicht nur kontrollfähig, sondern auch materiell bedenklich. Im Fall von Klauseln, die eine einseitige Änderung des Synallagmas ermöglichen, nutzt der Verwender der AGB die ihm übertragene Vertragsfreiheit nämlich einseitig, um sich die Möglichkeit einer Neubewertung der Gegenseitigkeit einzuräumen. Faktisch obliegt dann ihm allein die Bestimmung, dass die betroffenen Leistungen nicht mehr im Gegenseitigkeitsverhältnis stehen sollen, obwohl sie nach dem beiderseitigen Parteiwillen Teil des Synallagmas sein sollten. Das Synallagma als Ausprägung der Privatautonomie und der damit einhergehenden Selbstbestimmung setzt aber gerade beiderseitige Zustimmung voraus. Es entsteht nicht, weil eine Partei die Leistungen in Abhängigkeit verknüpfen will, sondern weil beide Parteien dies gemeinsam entscheiden.614 Zum Synallagma gehört schließlich auch das Vertragsprinzip.615 Denn das Synallagma basiert auf der Vertragsfreiheit, der das Vertragsprinzip immanent ist. Die Vertragsfreiheit steht dafür, dass jedermann selbstbestimmt Verträge schließen und sich binden, aber nicht durch andere gebunden werden kann.616 Ohne das Prinzip des gegenseitigen Vertragsschlusses, durch den die Rechte und Pflichten geregelt werden, könnte der Einzelne ohne eigenes Zutun durch einen anderen gebunden werden. Bedenkt man nun, dass zur Vertragsfreiheit das Vertragsprinzip gehört und nur selbstbestimmte privatautonome Entscheidungen kontrollfrei sein sollen617, wird klar, dass Klauseln, die einseitige Eingriffe in das Synallagma ermöglichen, erstens kontrollfähig sein müssen und zweitens bedenklich sind. So ist auch weithin anerkannt, dass die Einschränkung oder Modifikation von Hauptleistungspflichten kontrollfähig sein618 und der Vertragspartner vor unangemessener Verkürzung619 der Leistungen, die er nach Gegenstand und Zweck des Vertrags gem. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB erwarten darf, geschützt werden soll620. Wird, insbesondere durch einseitige Leistungsbestimmungsrechte, so in das Synallagma einge614 Vgl. BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 320 Rn. 8; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 312 ff.; Staudinger/Löwisch, Vorbem. zu §§ 320–326 BGB Rn. 1, 24, 31. 615 Klinke, Causa und genetisches Synallagma, S. 16. 616 Zur verfassungsrechtlich verbürgten Privatautonomie s. MüKo-BGB/Busche, Vor § 145 BGB Rn. 3 m.w. N.; MüKo-BGB/Säcker, Einleitung Rn. 166 ff.; ErfK/Schmidt, Art. 2 GG Rn. 2; Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 25. 617 S. dazu Kapitel 4 B. VI. 1. b). 618 S. dazu bereits Kapitel 4 A. IV. 1. 619 ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 40. 620 S. dazu ausführlich unter Kapitel 4 B. IV. 3.

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 283

griffen, dass nicht mehr paritätisch oder jedenfalls durch Verhandlungen eine „gerechte“ Lösung gesucht und bestenfalls auch gefunden wird, muss die AGBKontrolle eingreifen. Sie muss den Vertragspartner davor schützen, dass der Verwender einseitig in das Synallagma eingreift, die Richtigkeitsgewähr ausschaltet und den Vertragspartner unangemessen benachteiligt. Es darf deshalb nicht ohne weiteres einseitig in das Synallagma eingegriffen werden. Der Verwender von AGB-Klauseln, die eine solche Möglichkeit eröffnen, muss vertraglich zumindest irgendwie geartet – etwa durch bestimmte Entscheidungskriterien im Fall von Bestimmungsvorbehalten – an sein Leistungsversprechen gebunden werden, damit die Gegenseitigkeit der Leistungen nicht völlig aufgehoben wird. Dass sich insbesondere der Arbeitgeber unter bestimmten Umständen von einer Leistung lösen können muss, die Teil des Synallagmas ist, ist anzuerkennen.621 Ein freies Recht dazu ginge jedoch zu weit. Das würde den Vertragspartner jedenfalls dann unangemessen benachteiligen, wenn er selbst an seine Leistungspflicht gebunden bleibt. Dann würde das Synallagma durch einseitigen Akt nur in eine Richtung aufgehoben. Das würde das Prinzip der Gegenseitigkeit auf den Kopf stellen. Aus beiderseitiger Abhängigkeit der Leistungen würde einseitige Abhängigkeit einer Leistung. Der Zweck „do ut des“ 622 wäre für die auszutauschenden Leistungen aufgehoben. e) Zwischenergebnis Klauseln, die einen einseitigen Eingriff in das Synallagma ermöglichen, unterliegen der AGB-Kontrolle, da die Einräumung einer Eingriffsmöglichkeit gerade keine privatautonome Festlegung des Synallagmas darstellt, sondern eine einseitige Änderungsmöglichkeit. Derartige Klauseln sind materiell bedenklich.623 Denn der Verwender nutzt die ihm übertragene Vertragsgestaltungsfreiheit einseitig, um sich die Möglichkeit einer Neubewertung der Gegenseitigkeit einzuräumen. Faktisch obliegt dann ihm allein die Bestimmung, dass die betroffenen Leistungen nicht mehr im Gegenseitigkeitsverhältnis stehen sollen, obwohl sie nach dem beiderseitigen Parteiwillen ursprünglich Teil des Synallagmas sein sollten. Das Synallagma als Ausprägung der Privatautonomie und der damit einhergehenden Selbstbestimmung setzt aber gerade die beiderseitige Zustimmung voraus. Eine gewisse Möglichkeit zur einseitigen Änderung des Synallagmas ist zwar unter Umständen anzuerkennen. Ein freies Recht dazu ginge jedoch zu weit. Das 621

S. dazu Kapitel 4 B. III. 3. und B. VII. 3. a). „Do ut des“ (übersetzt: „ich gebe, damit du gibst“) beschreibt die gegenseitige Abhängigkeit der Leistungen. Vgl. Staudinger/Löwisch, Vorbem. zu §§ 320–326 BGB Rn. 5; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 312 ff. 623 Zu alledem soeben unter Kapitel 4 B. VI. 1. d). 622

284 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

würde den Vertragspartner unangemessen benachteiligen, wenn er selbst an seine Leistungspflicht gebunden bleibt. Dann würde das Synallagma durch einseitigen Akt nur in eine Richtung aufgehoben. f) Berührungspunkte einseitiger Bestimmungsvorbehalte mit dem vertraglichen Synallagma Mit Abschluss des Arbeitsvertrages legen die Parteien den gegenseitigen Leistungsaustausch als Geschäftszweck fest.624 Das Versprechen der Arbeitskraft und das der Entgeltzahlung sind aufeinander bezogen und sollen so voneinander abhängig sein, dass nur beide oder keine der Pflichten entstehen können. Auch wenn das nicht explizit geregelt wird, ergibt es sich aus den vereinbarten Pflichten und daraus, dass ein Arbeitsvertrag abgeschlossen wurde, der von Natur aus synallagmatisch ist. Das zeigt sich auch an § 611a Abs. 2 BGB, der den Arbeitgeber zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet, während der Arbeitnehmer nach § 611a Abs. 1 BGB zur Arbeitsleistung verpflichtet ist. Von dieser Gegenseitigkeit gehen die Natur des Arbeitsvertrages und mit § 611a BGB auch das Gesetz aus. Sie kann also nicht ohne weiteres in AGB abbedungen werden. Es bleibt natürlich möglich, nicht synallagmatische Hauptleistungspflichten zu vereinbaren, da diese Vereinbarung als Teil der Festlegung einer Hauptleistungspflicht gar nicht kontrollfähig ist. Das ist bei arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten aber nicht der Fall.625 Die Leistung wird nämlich – vorausgesetzt, es handelt sich um eine synallagmatische Leistung626 – als Teil des Synallagmas dem Grunde nach versprochen. Sie wird durch den Bestimmungsvorbehalt nur umgehend wieder eingeschränkt. Eine synallagmatische Leistung gehört dem Grunde nach also auch dann zum Synallagma, wenn sie unter einen Bestimmungsvorbehalt gestellt wird. Auch wenn die Anwendung der §§ 320 ff. BGB gegebenenfalls entsprechend abzuändern ist, sind bedingte Pflichten Teil des Synallagmas.627 Das haben die Parteien übereinstimmend festgelegt. Damit ist die jeweilige Leistung in ihrem Bestand und ihrer Durchsetzung abhängig von der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers und umgekehrt. Kann der Arbeitgeber nun frei über den Anspruch des Arbeitnehmers entscheiden, steht ihm die Befugnis zu, das Synallagma in Bezug auf die Leistung, die unter einem Bestimmungsvorbehalt steht, einseitig aufzulösen, indem er sie auf 624 So zum Synallagma an sich Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 315; zum synallagmatischen Charakter des Arbeitsvertrages s. Soergel/Gsell, vor § 320 BGB Rn. 19 m.w. N.; Wiedemann, Das Arbeitsverhältnis als Austausch- und Gemeinschaftsverhältnis, S. 9 ff.; Staudinger/Löwisch, Vorbem. zu §§ 320–326 BGB Rn. 33; BeckOK-BGB/ H. Schmidt, § 320 Rn. 9; Gast, Die Schlechtleistung des Arbeitnehmers im Synallagma des Arbeitsvertrags, S. 36 f. 625 S. zur Kontrollfähigkeit Kapitel 4 A. IV. 626 S. dazu Kapitel 4 B. IV. 6. 627 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 324.

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 285

null festsetzt. Denn faktisch entsteht seine Zahlungspflicht dann nicht bzw. sie entfällt. Die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers bleibt hingegen in vollem Umfang bestehen. Nach dem Prinzip des Synallagmas, das beide Parteien als Zweck vereinbart haben, ist die Arbeitspflicht aber an die Zahlungspflicht des Arbeitgebers gebunden. Der Teil der Arbeitspflicht, der der jeweiligen Zahlungspflicht des Arbeitgebers synallagmatisch gegenübersteht, müsste entfallen bzw. dürfte nie entstehen, wenn die Pflicht des Arbeitgebers entfällt bzw. nicht entsteht. Diese Gedanken spiegeln sich in §§ 320 ff. BGB wider. Die Einrede des § 320 BGB steht dem Arbeitnehmer zwar für den jeweiligen Vergütungsabschnitt nicht zu, weil er gem. § 614 BGB vorleistungspflichtig ist.628 Das ändert jedoch nichts daran, dass seine Leistungspflicht synallagmatisch an die Pflicht des Arbeitgebers zur Entgeltzahlung gebunden ist.629 Die Vorleistungspflicht lässt das funktionelle Synallagma nicht entfallen, sie lockert die Verknüpfung nur. Wer vorleistet, übernimmt typischerweise nicht das volle Risiko einer Wertminderung oder des Wegfalls der Leistungsfähigkeit des Vertragspartners.630 Außerdem steht dem Arbeitnehmer für die dem jeweiligen Vergütungszeitraum nachfolgende Arbeitspflicht das Zurückbehaltungsrecht des § 273 BGB631 bzw. nach teilweise vertretener Ansicht sogar die Einrede des § 320 BGB632 zur Verfügung, um die Abhängigkeit seiner Arbeitsleistung von der Entgeltzahlungspflicht des Arbeitgebers durchzusetzen. Diese Einreden kann er jedoch nicht geltend machen, wenn der Arbeitgeber sich auf einen nicht konkretisierten Bestimmungsvorbehalt berufen und die Leistung danach auf null festlegen kann. Denn dann entfällt der Leistungsanspruch des Arbeitnehmers. g) Konsequenzen für die Angemessenheit einseitiger Bestimmungsvorbehalte Nun darf es nicht völlig ausgeschlossen werden, durch vertragliche Gestaltung das Recht einzuräumen, sich von Leistungspflichten aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis einseitig zu lösen. Das zeigt bereits die Wirksamkeit von Widerrufsvorbehalten bei synallagmatischen Leistungen. Denn trotz ursprünglicher Festlegung der Gegenseitigkeit als Leistungszweck müssen dem Arbeitgeber im auf Dauer angelegten Arbeitsverhältnis, von dem er sich nur schwer lösen kann, An628 ErfK/Preis, § 614 BGB Rn. 17; HWK/Krause, § 614 BGB Rn. 13; MüKo-BGB/ Müller-Glöge, § 614 BGB Rn. 12. 629 MünchHdb ArbR/Reichold, § 37 Rn. 13. 630 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 354. 631 BAG v. 20.12.1963 – 1 AZR 428/62, BAGE 15, 174; BAG v. 25.10.1984 – 2 AZR 417/83, NZA 1985, 355; ErfK/Preis, § 614 BGB Rn. 17; AR/Löwisch, §§ 273, 274 BGB Rn. 1; Kittner/Zwanziger/Deinert/Heuschmid/Lakies, § 59 Rn. 21 ff.; MüKoBGB/Müller-Glöge, § 614 BGB Rn. 12. 632 So HWK/Krause, § 614 BGB Rn. 14; MünchHdb ArbR/Reichold, § 37 Rn. 13 m.w. N.

286 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

passungsmöglichkeiten verbleiben.633 Dabei kann es allerdings nicht zulässig sein, wenn der Arbeitgeber völlig frei in seiner Entscheidung ist, einseitig von einem gemeinsam festgelegten Zweck des Leistungsaustausches in Teilen abzuweichen. Eine nahezu freie Entscheidung über die Aufrechterhaltung der synallagmatischen Verknüpfung liegt im hier zu untersuchenden Fall der einseitigen Bestimmungsvorbehalte aber vor, wenn der Arbeitgeber nicht an bestimmte Entscheidungskriterien gebunden wird. Ist er nur an billiges Ermessen gebunden, so ist die Situation mit derjenigen bei Freiwilligkeitsvorbehalten vergleichbar. Die Freiheit des Arbeitgebers ist zwar nicht ganz so weitreichend, da er dem Grunde nach an sein Leistungsversprechen und in der Ausübung an eine objektive Abwägung der Interessen nach billigem Ermessen gebunden ist.634 Er hat aber einen erheblichen Entscheidungsspielraum, den er nach seinen Interessen ausfüllen kann.635 So ist es ihm möglich, die Leistung besonders niedrig oder in Ausnahmefällen sogar auf null festzulegen, indem er die richtigen Kriterien wählt. Der Arbeitnehmer bleibt in jedem Fall an seine Leistungspflicht gebunden. Neben der dem Grunde nach bestehenden Vertragsbindung an das Leistungsversprechen und der Bindung der Entscheidung an billiges Ermessen bleibt aber auch zu beachten, dass die Leistung in ihrer Höhe nicht bestimmt ist. Sie wird also nicht in einer festgelegten Höhe Teil des Synallagmas. Aus diesen Gründen wird das Synallagma durch Bestimmungsvorbehalte nicht vollständig aufgelöst. Dieses Argument, die Leistung sei nie in bestimmter Höhe Teil des Synallagmas geworden, ist aber mit Vorsicht zu betrachten. Es stellt in gewisser Weise einen Zirkelschluss dar. Denn der Bestimmungsvorbehalt selbst, der ja gerade dazu führt, dass die Leistung nicht in festgelegter Höhe Teil des Synallagmas wird, soll auf seine Angemessenheit überprüft werden. Notwendig ist also ein Ver-

633

S. dazu noch ausführlicher unter Kapitel 4 B. VII. 3. a). S. zum Inhalt billigen Ermessens etwa BGH v. 11.06.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518; BGH v. 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, NJW 1984, 1182; BAG v. 24.10.2018 – 10 AZR 285/16, NZA 2019, 387 Rn. 50; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 175; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358, 2361; vgl. auch ErfK/Preis, § 106 GewO Rn. 10 f.; Graf v. Westphalen, NJW 1982, 2465. 635 Vgl. zum Spielraum billigen Ermessens BGH v. 11.06.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518; BGH v. 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, NJW 1984, 1182; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970 Rn. 33; BAG v. 15.05.2013 – 10 AZR 679/ 12, zitiert nach juris Rn. 34; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 175; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358, 2360; Niklas, ArbRB 2018, 353, 354; Pfrogner, BB 2018, 757, 760; Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn. 325 f., 329; vgl. auch Graf v. Westphalen, NJW 1982, 2465; MüKo-BGB/Würdinger, § 315 BGB Rn. 29 f.; a. A. wohl von Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, S. 41 ff.; s. aber auch BGH v. 25.05.1988 – VIII ZR 360/86, NJW-RR 1988, 1077, nach dem das Erfordernis der angemessenen Berücksichtigung der Interessen des Vertragspartners nichts über die Maßstäbe der Ausübung sagt. 634

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 287

gleich mit der Situation ohne Bestimmungsvorbehalt. Ansonsten könnte dieser sich selbst rechtfertigen. Ohne die Einräumung des Leistungsbestimmungsrechts hätte die Leistung vollumfänglich Teil des Synallagmas werden müssen. Die Bindung des Arbeitgebers wird somit durch die vertragliche Gestaltung schon im Voraus gemindert, während der Arbeitnehmer vollständig gebunden bleibt. Zusätzlich kann der Arbeitgeber unter Umständen sogar die dem Grunde nach bestehende synallagmatische Verknüpfung der betroffenen Leistungspflicht mit der Arbeitspflicht des Arbeitnehmers auflösen, indem er die Leistung auf null festlegt. Insofern wird das Synallagma durch das Leistungsbestimmungsrecht gefährdet bzw. teilweise gestört. h) Ergebnis Entgeltrelevante Bestimmungsvorbehalte, die eine synallagmatische Leistung betreffen, relativieren das Synallagma und ermöglichen unter Umständen sogar eine einseitige Auflösung der synallagmatischen Leistungsverknüpfung. Dadurch wird der Arbeitnehmer gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unangemessen benachteiligt, wenn der Arbeitgeber nicht an bestimmte Entscheidungskriterien gebunden ist. Trotz der Verbindung einer synallagmatischen Leistung mit einem Bestimmungsvorbehalt haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer übereinstimmend festgelegt, dass diese Leistung in ihrem Bestand und ihrer Durchsetzung abhängig von der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers ist und umgekehrt636. Diese Entscheidung ist Ausfluss der verfassungsrechtlich garantierten Privatautonomie und unterliegt keiner AGB-Kontrolle.637 Klauseln, die einen einseitigen Eingriff in das Synallagma ermöglichen, unterliegen hingegen der AGB-Kontrolle, da die Einräumung einer Eingriffsmöglichkeit gerade keine privatautonome Festlegung des Synallagmas darstellt, sondern eine einseitige Änderungsmöglichkeit.638 Das gilt auch für arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte. Diese relativieren die Vereinbarung der synallagmatischen Verknüpfung und ermöglichen im Einzelfall sogar eine einseitige Auflösung.639 Die jeweilige Leistung wird zwar nicht in einer festgelegten Höhe Teil des Synallagmas; ohne Bestimmungsvorbehalt hätte sie aber vollumfänglich Teil des Synallagmas werden müssen. Die Bindung des Arbeitgebers wird somit durch die vertragliche Gestaltung schon im Voraus gemindert, während der Arbeitnehmer vollständig gebunden bleibt. Durch eine Festlegung auf null kann sich der Arbeitgeber sogar vollständig von seiner Leistungspflicht lösen.

636 637 638 639

Zum Inhalt des Synallagmas s. Kapitel 4 B. VI. 1. a). S. dazu Kapitel 4 B. VI. 1. b). S. dazu unter Kapitel 4 B. VI. 1. d). S. dazu Kapitel 4 B. VI. 1. f).

288 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

Diese Konstellation macht Bestimmungsvorbehalte zwar nicht von vornherein unangemessen.640 Denn dem Arbeitgeber müssen im auf Dauer angelegten Arbeitsverhältnis Anpassungsmöglichkeiten verbleiben. Es kann aber nicht zulässig sein, wenn der Arbeitgeber völlig frei in seiner Entscheidung ist, einseitig von einem gemeinsam festgelegten Zweck des Leistungsaustausches in Teilen abzuweichen.641 Eine nahezu freie Entscheidung über die Aufrechterhaltung der synallagmatischen Verknüpfung liegt bei Bestimmungsvorbehalten vor, wenn der Arbeitgeber nicht an bestimmte Entscheidungskriterien gebunden wird. So ist es ihm möglich, die Leistung besonders niedrig oder in Ausnahmefällen sogar auf null festzulegen, indem er die richtigen Kriterien wählt. Der Arbeitgeber wäre zu frei in seiner Entscheidung über die eigene Leistungspflicht, während der Arbeitnehmer vollständig an seine Arbeitspflicht gebunden bliebe. Durch die Festlegung von Entscheidungskriterien würde die Störung gering gehalten und das Synallagma ausreichend geschützt.642 Denn der Arbeitgeber wäre stärker an sein Leistungsversprechen gebunden. Die unangemessene Benachteiligung wegen eines Eingriffs in das Synallagma entfiele.643 Zu beachten ist die gesamte Argumentation freilich nur bei synallagmatischen Leistungen, wobei keine Beschränkung auf die laufende Vergütung vorzunehmen ist.644 2. Verbot der Gewinnsteigerung bzw. Beachtung des Äquivalenzverhältnisses bei arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten Die vorstehende Argumentation zum einseitigen Eingriff in das Synallagma überschneidet sich teilweise mit dem Erfordernis der Beachtung des Äquivalenzverhältnisses. Der Gedanke dazu findet sich in der Rechtsprechung des BGH zu Preisanpassungsklauseln, bei denen der BGH die Beachtung des Äquivalenzverhältnisses fordert und deswegen Klauseln für unwirksam hält, die dem Verwender die Möglichkeit geben, seinen Gewinn zu steigern.645 Zu den gegenständlichen Bestimmungsvorbehalten geht das BAG darauf nur in einer Entscheidung im Rahmen der Transparenzkontrolle ein.646 Es ist dort der Meinung, eine geringere 640

S. zu alledem Kapitel 4 B. VI. 1. g). S. dazu auch Kapitel 4 B. VI. 1. d). 642 Vgl. Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400, 2402 und BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 101, nach denen die Leistung des Arbeitnehmers bereits dann regelmäßig einen Anspruch begründet, wenn sie als eins von mehreren Kriterien vereinbart ist. 643 Zur konkreten Ausgestaltung der Entscheidungskriterien s. Kapitel 4 B. VII. 10. 644 S. zum Gegenleistungscharakter bereits unter Kapitel 4 B. IV. 6. 645 Vgl. BGH v. 06.12.1984 – VII ZR 227/83, NJW 1985, 855; BGH v. 20.05.1985 – VII ZR 198/84, BGHZ 94, 335; BGH v. 06.03.1986 – III ZR 195/84, NJW 1986, 1803; BGH v. 13.12.2006 – VIII ZR 25/06, NJW 2007, 1054; BGH v. 21.04.2009 – XI ZR 55/08, zitiert nach juris; BGH v. 24.03.2010 – VIII ZR 178/08, BGHZ 185, 96; BGH v. 25.11.2015 – VIII ZR 360/14, NJW 2016, 936; s. dazu Kapitel 2 C. IV. 646 BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 21. 641

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 289

Konkretisierung in Abweichung von der Rechtsprechung des BGH zu Preisanpassungsklauseln sei gerechtfertigt, da der Arbeitgeber nicht die Möglichkeit habe, das Äquivalenzverhältnis einseitig zu ändern.647 Diesen Schluss stützt es auf den fehlenden Gegenleistungscharakter der in Rede stehenden Leistung. Dem ist für Sonderzahlungen ohne Gegenleistungscharakter zuzustimmen, so dass das Verbot einer Gewinnsteigerung bzw. die Beachtung des Äquivalenzverhältnisses bei diesen keine Rolle spielen kann. Nach der hier vertretenen Meinung sind jedoch die meisten geldwerten Leistungen des Arbeitgebers Teil des Synallagmas. Bei diesen kann das Argument des BAG nicht gelten, da sie das Äquivalenzverhältnis betreffen. Nachfolgend soll zunächst dargestellt werden, weshalb eine Möglichkeit zur einseitigen Änderung des Äquivalenzverhältnisses in AGB kritisch zu betrachten ist. Anschließend wird untersucht, ob eine solche Möglichkeit bei arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten vorliegt und welche Konsequenzen dies für ihre Wirksamkeit hat. a) Die Problematik einseitiger Änderungen bzw. einseitiger Gestaltung des Äquivalenzverhältnisses Die Problematik, dass der Arbeitgeber das Äquivalenzverhältnis unter Umständen einseitig ändern bzw. gestalten kann, überschneidet sich weitgehend mit dem soeben erörterten Aspekt des Eingriffs in das Synallagma. Das Äquivalenzverhältnis ist eng mit dem Synallagma verbunden.648 Denn gleichzeitig mit der Vereinbarung der Gegenseitigkeit als Leistungszweck legen die Parteien die Leistungen auch als äquivalent fest. Das Äquivalenzverhältnis beruht also wie das Synallagma auf dem Parteiwillen.649 Inhaltlich bedeutet die Vereinbarung des Äquivalenzverhältnisses zwar nicht, dass die Leistungen objektiv gleichwertig sind oder auch nur subjektiv gleichwertig sein müssen.650 Sie werden durch den Vertragsschluss aber als gleichwertig gesetzt.651 Insoweit bietet das vereinbarte Äquivalenzverhältnis eine Richtigkeitsgewähr bezüglich des Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung.652 Die Einigung auf ein bestimmtes Äquivalenzverhältnis ist genau wie die Festlegung der synallagmatischen Verknüpfung Ausfluss 647

Dazu auch Kapitel 2 B. II. 2. a). Klinke, Causa und genetisches Synallagma, S. 120. 649 Hager, in: Zum Deutschen und Internationalen Schuldrecht, S. 27; Schapp, Grundfragen der Rechtsgeschäftslehre, S. 60, 97 f.; Klinke, Causa und genetisches Synallagma, S. 125; van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrages, S. 13 f.; vgl. auch Larenz, Schuldrecht Allgemeiner Teil, § 15 I., S. 203. 650 Van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrages, S. 3 ff.; vgl. auch Klinke, Causa und genetisches Synallagma, S. 121 ff.; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 319 ff. 651 Van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrages, S. 3 ff.; Klinke, Causa und genetisches Synallagma, S. 125; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 321. 652 Vgl. Larenz, Schuldrecht Allgemeiner Teil, § 15 I., S. 203 m.w. N. 648

290 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

der verfassungsrechtlich in Art. 2 GG verbürgten Privatautonomie653. Es besteht folglich derselbe Grundkonflikt wie bei der Kontrolle des einseitigen Eingriffs in das Synallagma: Das Äquivalenzverhältnis darf nicht nach §§ 307 ff. BGB kontrolliert werden654, ein einseitiger Eingriff hingegen ist materiell bedenklich655. Es gilt das zum Eingriff in das Synallagma Gesagte.656 Die Einräumung einer Möglichkeit zum Eingriff in das Äquivalenzverhältnis stellt, genau wie die Möglichkeit zum Eingriff in das Synallagma, gerade keine kontrollfreie Festlegung der Hauptleistungspflichten und ihres Verhältnisses dar, sondern eine einseitige Änderungsmöglichkeit. Der Verwender nutzt die Vertragsgestaltungsfreiheit einseitig, um sich die Möglichkeit einzuräumen, dieses Verhältnis neu zu bewerten. Er allein kann das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung verändern, das ursprünglich von beiden Parteien übereinstimmend festgelegt wurde, und sich dadurch unter Umständen einen höheren Gewinn verschaffen, als es nach dem ursprünglich vereinbarten Verhältnis möglich gewesen wäre. Da das Äquivalenzverhältnis auf Übereinstimmung der Parteien basiert, kann eine einseitige Änderungsmöglichkeit nicht ohne weiteres zulässig sein. Denn die Vermutung, dass das vereinbarte Verhältnis „richtig“ ist657, und die daraus resultierende Kontrollfreiheit basieren gerade auf dem privatautonomen beiderseitigen Konsens. Dieser bleibt bei einer einseitigen Änderung aus, so dass eine selbstständige Interessenwahrnehmung durch privatautonome Entscheidung fehlt und die Richtigkeitsgewähr wegfällt. Der Vertragspartner muss deshalb im Wege der AGB-Kontrolle davor geschützt werden, dass er durch einseitige Änderung des vereinbarten Verhältnisses unangemessen benachteiligt wird. Dem Verwender muss zwar in bestimmten Konstellationen – so etwa im Arbeitsverhältnis658 oder bei den anerkannten Anwendungsfällen von Preisanpassungsklauseln – die Möglichkeit verbleiben, auf unvorhergesehene Entwicklungen reagieren zu können659. Dafür kann es auch angemessen sein, ihm eine 653 Zur verfassungsrechtlichen Verbürgung der Privatautonomie s. MüKo-BGB/Busche, Vor § 145 BGB Rn. 3 m.w. N.; MüKo-BGB/Säcker, Einleitung Rn. 166 ff.; ErfK/ Schmidt, Art. 2 GG Rn. 2; Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 25. 654 Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 284 m.w. N.; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 423, 450; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 303, 308; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 38; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 28; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 258 ff. 655 Zu Leistungsbestimmungsrechten zur erstmaligen Festlegung einer Leistung genauso Jesgarzewski, Die Grenzen formularmäßiger Vereinbarung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte, S. 213. 656 S. Kapitel 4 B. VI. 1. 657 Vgl. dazu etwa Larenz, Schuldrecht Allgemeiner Teil, § 15 I., S. 203 m.w. N. 658 Dazu noch ausführlich unter Kapitel 4 B. VII. 3. a). 659 Vgl. zu diesem Zweck von Bestimmungsvorbehalten Stoffels, RdA 2015, 276, 278; Voigt/Steeger, DB 2018, 646; nach BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 636/11, zitiert nach juris Rn. 33 entsprechen sie einem Bedürfnis des Wirtschaftslebens; vgl. zum Flexibilisierungsinteresse des Arbeitgebers generell HWK/Roloff, Anh. §§ 305–310 BGB

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 291

gewisse Möglichkeit zur Änderung des Äquivalenzverhältnisses einzuräumen. Eine freie Änderungsmöglichkeit, durch die der Arbeitgeber sich einen zusätzlichen Gewinn aus dem Vertragsverhältnis verschaffen kann, ist aber nicht zulässig, wie auch die angeführte Rechtsprechung des BGH zu Preisanpassungsklauseln zeigt660. Das würde den Vertragspartner jedenfalls dann unangemessen benachteiligen, wenn der Verwender nicht verpflichtet ist, auch für den Vertragspartner positive Änderungen vorzunehmen. Der Verwender muss also so an das ursprünglich vereinbarte Äquivalenzverhältnis gebunden werden, dass er sich keinen zusätzlichen Gewinn verschaffen kann. Es darf ihm nicht möglich sein, negative Anpassungen vorzunehmen, ohne auch positive vornehmen zu müssen. b) Zwischenergebnis Auch das Äquivalenzverhältnis ist Ausfluss der Privatautonomie und unterliegt deshalb keiner AGB-Kontrolle. Die Einräumung einer einseitigen Eingriffsmöglichkeit in das Äquivalenzverhältnis stellt hingegen, genau wie die Möglichkeit zum Eingriff in das Synallagma661, keine kontrollfreie Festlegung der Hauptleistungspflichten und ihres Verhältnisses dar, sondern eine einseitige Änderungsmöglichkeit. Eine solche unterliegt nicht nur der AGB-Kontrolle, sondern ist darüber hinaus besonders bedenklich, weil die Richtigkeitsgewähr ausgeschaltet wird, die die beiderseitige Festlegung des Äquivalenzverhältnisses sonst bietet. Unzulässig muss deshalb jedenfalls eine freie Änderungsmöglichkeit sein, die es dem Verwender ermöglicht, negative Anpassungen der betreffenden Leistung bzw. des Äquivalenzverhältnisses vorzunehmen, ihn im Gegenzug aber nicht dazu verpflichtet, auch positive Anpassungen vorzunehmen662. Rn. 28; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, ArbR Rn. 133; Stoffels, NZA 2017, 1217, 1219; Hanau/Hromadka, NZA 2005, 73; MAH ArbR/Hexel, § 25 Rn. 27; ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 56; Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 70 ff.; Clemenz/ Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 51; Kluge, Widerrufsvorbehalte zur Absenkung des Arbeitsentgelts aus „wirtschaftlichen Gründen“ in vorformulierten Arbeitsverträgen, S. 113 ff.; Richardt, Arbeitsvertragliche Flexibilisierung von Entgeltbedingungen, S. 1 ff.; Hofmann, Entgeltflexibilisierung und AGB-Kontrolle, S. 1 ff.; BAG v. 11.04.2006 – 9 AZR 557/05, NZA 2006, 1149 Rn. 36; BAG v. 13.03.2007 – 9 AZR 433/06, AP Nr. 26 zu § 307 BGB Rn. 41; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 36/09, DB 2010, 2805 Rn. 31. 660 Vgl. BGH v. 06.12.1984 – VII ZR 227/83, NJW 1985, 855; BGH v. 20.05.1985 – VII ZR 198/84, BGHZ 94, 335; BGH v. 06.03.1986 – III ZR 195/84, NJW 1986, 1803; BGH v. 13.12.2006 – VIII ZR 25/06, NJW 2007, 1054; BGH v. 21.04.2009 – XI ZR 55/08, zitiert nach juris; BGH v. 24.03.2010 – VIII ZR 178/08, BGHZ 185, 96; BGH v. 25.11.2015 – VIII ZR 360/14, NJW 2016, 936; s. dazu Kapitel 2 C. IV. 661 S. dazu Kapitel 4 B. VI. 1. d). 662 So auch die Rechtsprechung des BGH: BGH v. 06.12.1984 – VII ZR 227/83, NJW 1985, 855; BGH v. 20.05.1985 – VII ZR 198/84, BGHZ 94, 335; BGH v. 06.03.1986 – III ZR 195/84, NJW 1986, 1803; BGH v. 13.12.2006 – VIII ZR 25/06, NJW 2007, 1054; BGH v. 21.04.2009 – XI ZR 55/08, zitiert nach juris; BGH v.

292 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

c) Einseitige Änderungsmöglichkeit des Äquivalenzverhältnisses durch Bestimmungsvorbehalte Problematisch ist in der vorliegend zu untersuchenden Konstellation aber, dass sich ein tatsächlicher zusätzlicher Gewinn nicht ohne weiteres feststellen lässt. Wie sollte man den Gewinn des Arbeitgebers durch die Leistung eines Arbeitnehmers konkret messen? Der Grundgedanke der BGH-Rechtsprechung muss trotz dessen auch hier gelten, da der Arbeitgeber sich bei einem kriterienlosen Leistungsbestimmungsrecht die Möglichkeit verschaffen würde, die versprochene Leistung – im Rahmen der Billigkeit, die zwar eine objektive Abwägung der Interessen erfordert663, aber einen erheblichen Spielraum belässt664 – nach seinem Belieben zu gestalten. Ist er nicht an Kriterien wie „wirtschaftliche Entwicklung“ oder „Leistung des Arbeitnehmers“ gebunden, kann er die im jeweiligen Turnus relevanten Kriterien so wählen, dass er das bestmögliche Ergebnis erzielt. Er könnte das Äquivalenzverhältnis zu seinem Vorteil gestalten. Auch trotz erheblicher Gewinne und guter Leistungen des Arbeitnehmers, die zum Unternehmenserfolg beitragen, wäre es ihm möglich, die Zahlung besonders niedrig festzulegen, solange er spitzfindig genug ist und Gründe anführen kann, die im Rahmen der Billigkeit Bestand haben. Dafür könnten unter Umständen beispielsweise eine neue Unternehmensstrategie oder die Bildung notwendiger Rücklagen angeführt werden, ohne dass dies ausreichend nachprüfbar wäre. Aber selbst, wenn die angeführten Kriterien des Arbeitgebers bei einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle keinen Bestand hätten, bestünde eine nicht unerhebliche Gefahr, dass der Arbeitnehmer die Festlegung akzeptiert, da er eine gerichtliche Auseinandersetzung scheut oder schlicht davon ausgeht, die Bestimmung halte sich im Rahmen des Bestimmungsrechts aus der vereinbarten Klausel.665 Die negativen Entwicklungen könnten zum Nachteil des Arbeitnehmers berücksichtigt werden, ohne dass die positiven Entwicklungen als Ausgleich zu sei24.03.2010 – VIII ZR 178/08, BGHZ 185, 96; BGH v. 25.11.2015 – VIII ZR 360/14, NJW 2016, 936; s. dazu Kapitel 2 C. IV. 663 Vgl. Stoffels, NZA 2017, 1217, 1220; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358, 2361; vgl. auch ErfK/Preis, § 106 GewO Rn. 10 f.; AR/Kolbe, § 106 GewO Rn. 54. 664 Vgl. BGH v. 11.06.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518; BGH v. 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, NJW 1984, 1182; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970 Rn. 33; BAG v. 15.05.2013 – 10 AZR 679/12, zitiert nach juris Rn. 34; Ulmer/ Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 175; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358, 2360; Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn. 325 f., 329; vgl. auch Graf v. Westphalen, NJW 1982, 2465; MüKo-BGB/Würdinger, § 315 BGB Rn. 29 f.; a. A. wohl von HoyningenHuene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, S. 41 ff.; s. aber auch BGH v. 25.05.1988 – VIII ZR 360/86, NJW-RR 1988, 1077, wonach das Erfordernis der angemessenen Berücksichtigung der Interessen des Vertragspartners nichts über die Maßstäbe der Ausübung aussagt. 665 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 7. f) und B. VIII. 2.; Kapitel 5 B. III. 6. und B. III. 9. b).

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 293

nem Vorteil gereichen würden, auch wenn er durch gute Leistungen zu diesem Erfolg beigetragen hat.666 In solchen Fällen kann der Arbeitgeber das Bestimmungsrecht zwar zum Vorteil des Arbeitnehmers nutzen, er muss es aber nicht. Eine entsprechende Pflicht, positive Entwicklungen zu berücksichtigen, ergibt sich nicht aus der Pflicht, nach billigem Ermessen zu entscheiden.667 Der Arbeitgeber hätte ein sehr weitreichendes Bestimmungsrecht, das er dazu nutzen könnte, seinen Gewinn zu maximieren, und nicht nur dafür, auf unvorhersehbare Entwicklungen zu reagieren. Das Äquivalenzverhältnis könnte unangemessen zum Nachteil des Arbeitnehmers verschoben bzw. verändert werden. Die unter einen Bestimmungsvorbehalt gestellte Leistung ist zwar bei Vertragsschluss nicht in konkreter Höhe Teil des Äquivalenzverhältnisses geworden, dem Grunde nach aber schon. Der Bestimmungsvorbehalt verschiebt den Anteil dieser Leistung am Äquivalenzverhältnis von der beiderseitigen Festlegung hin zur einseitigen Bestimmung. Der Arbeitgeber hat diesen Teil allein in der Hand. Er kann die Höhe seiner Leistung und damit auch den Wert der Arbeitsleistung und das Verhältnis beider Leistungspflichten zueinander festlegen. Damit kann er das Äquivalenzverhältnis also teilweise ändern. Das kann nur zulässig sein, wenn er in seiner Entscheidung in irgendeiner Weise an ein beiderseits vereinbartes Verhältnis gebunden bleibt. Denn die Leistung wurde unbestimmt als Teil des Äquivalenzverhältnisses vereinbart, damit der Arbeitgeber auf unvorhersehbare Entwicklungen reagieren kann und/oder der Arbeitnehmer besonders motiviert wird.668 Ohne den Bestimmungsvorbehalt hätte die Leistung in ihrer hypothetischen Höhe vollständig Teil des Äquivalenzverhältnisses werden müssen. Der Arbeitgeber muss zwar nicht an das ohne Bestimmungsvorbehalt hypothetisch vereinbarte Verhältnis gebunden werden, das ohnehin kaum feststellbar wäre. Es darf ihm aber auch nicht möglich sein, sich davon so weit zu entfernen, dass er einseitig seinen Gewinn maximieren könnte. Die Flexibilisierungsgründe rechtfertigen keinen Bestimmungsvorbehalt, der eine für den Arbeitnehmer ausschließlich negative Verwendung umfasst, die ihn derart weitgehend benachteiligt. Ist es dem Arbeitgeber erlaubt, negative Entwicklungen zu berücksichtigen, 666 Vgl. den entsprechenden Gedanken in der Rechtsprechung des BGH zu Preisanpassungsklauseln: BGH v. 06.03.1986 – III ZR 195/84, NJW 1986, 1803; BGH v. 29.04.2008 – KZR 2/07, NJW 2008, 2172; BGH v. 21.04.2009 – XI ZR 55/08, zitiert nach juris; BGH v. 15.07.2009 – VIII ZR 56/08, BGHZ 182, 41; BGH v. 28.10.2009 – VIII ZR 320/07, NJW 2010, 993; BGH v. 09.05.2012 – XII ZR 79/10, NJW 2012, 2187; BGH v. 25.11.2015 – VIII ZR 360/14, NJW 2016, 936. Danach ist eine Klausel unwirksam, die das Recht einräumt, Kostensteigerungen weiterzugeben, aber keine Pflicht begründet, auch Kostensenkungen weiterzugeben. S. dazu ausführlich unter Kapitel 2 C. IV. 667 Vgl. BGH v. 29.04.2008 – KZR 2/07, NJW 2008, 2172; BGH v. 21.04.2009 – XI ZR 55/08 Rn. 28, zitiert nach juris; BGH v. 25.11.2015 – VIII ZR 360/14, NJW 2016, 936 Rn. 47; s. aber auch BGH v. 09.05.2012 – XII ZR 79/10, NJW 2012, 2187; vgl. dazu Kapitel 2 C. IV. 668 Dazu ausführlicher unter Kapitel 4 B. VII. 3. a).

294 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

muss er als Ausgleich auch verpflichtet sein, positive Entwicklungen zu berücksichtigen. Sonst ginge die variable Gestaltung der Leistung unangemessen stark zu Lasten des Arbeitnehmers. d) Ergebnis Arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte, die eine synallagmatische Leistung betreffen, beinhalten eine zu freie einseitige Eingriffsmöglichkeit in das beidseitig festgelegte Äquivalenzverhältnis, wenn die Ausübung des Vorbehalts nicht an bestimmte Entscheidungskriterien gebunden ist. Dadurch wird der Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt. Die Einräumung einer Möglichkeit zum Eingriff in das Äquivalenzverhältnis stellt, genau wie die Möglichkeit zum Eingriff in das Synallagma669, keine kontrollfreie Festlegung der Hauptleistungspflichten und ihres Verhältnisses dar, sondern eine einseitige Änderungsmöglichkeit. Eine solche Möglichkeit ist bedenklich, weil die Richtigkeitsgewähr entfällt, die sich sonst aus der beidseitigen Festlegung des Äquivalenzverhältnisses ergeben hätte.670 Da das Äquivalenzverhältnis auf Übereinstimmung der Parteien basiert, kann eine einseitige Änderungsmöglichkeit nicht ohne weiteres zulässig sein. Vor allem im Arbeitsverhältnis muss dem Verwender allerdings die Möglichkeit verbleiben, mithilfe von Flexibilisierungsklauseln auf unvorhergesehene Entwicklungen reagieren zu können671, auch wenn dadurch womöglich das Äquivalenzverhältnis berührt wird. Eine freie Änderungsmöglichkeit des Äquivalenzverhältnisses, durch die der Arbeitgeber sich einen zusätzlichen Gewinn aus dem Vertragsverhältnis verschaffen kann, ist hingegen nicht zulässig, wie auch die angeführte Rechtsprechung des BGH zu Preisanpassungsklauseln zeigt672. Wenn es dem Arbeitgeber erlaubt ist, negative Entwicklungen bei der Leistungsänderung bzw. -festlegung zu berücksichtigen, muss er als Ausgleich auch verpflichtet sein, positive Entwicklungen zu berücksichtigen. Sonst ginge die variable Gestaltung der Leistung unangemessen stark zu Lasten des Arbeitnehmers.673 Eine solche zu weitgehende Eingriffsmöglichkeit liegt bei arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten vor, wenn der Arbeitgeber in der Ausübung nicht an bestimmte Kriterien gebunden ist.674 Denn dann kann der Arbeitgeber die Krite669

S. dazu Kapitel 4 B. VI. 1. b). S. zu alledem Kapitel 4 B. VI. 2. a). 671 Dazu noch ausführlich unter Kapitel 4 B. VII. 3. a). 672 Vgl. BGH v. 06.12.1984 – VII ZR 227/83, NJW 1985, 855; BGH v. 20.05.1985 – VII ZR 198/84, BGHZ 94, 335; BGH v. 06.03.1986 – III ZR 195/84, NJW 1986, 1803; BGH v. 13.12.2006 – VIII ZR 25/06, NJW 2007, 1054; BGH v. 21.04.2009 – XI ZR 55/08, zitiert nach juris; BGH v. 24.03.2010 – VIII ZR 178/08, BGHZ 185, 96; BGH v. 25.11.2015 – VIII ZR 360/14, NJW 2016, 936; s. dazu Kapitel 2 C. IV. 673 S. zu alledem Kapitel 4 B. VI. 2. a). 674 S. dazu Kapitel 4 B. VI. 2. c). 670

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 295

rien so wählen, dass er das bestmögliche Ergebnis erzielt, und das Äquivalenzverhältnis zu seinem Vorteil gestalten. Auch trotz erheblicher Gewinne und guter Leistungen des Arbeitnehmers, die zum Unternehmenserfolg beitragen, wäre es ihm möglich, die Zahlung besonders niedrig festzulegen. Eine Pflicht, derartige positive Entwicklungen zu berücksichtigen, besteht selbst dann nicht, wenn der Arbeitgeber nach billigem Ermessen zu entscheiden hat.675 Ein Eingriff in das Äquivalenzverhältnis ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die unter Bestimmungsvorbehalt gestellte Leistung bei Vertragsschluss nicht in konkreter Höhe Teil des Äquivalenzverhältnisses geworden ist.676 Denn dem Grunde nach bleibt die Leistung Teil des Äquivalenzverhältnisses. Der Bestimmungsvorbehalt verschiebt ihren Anteil am Äquivalenzverhältnis von der beiderseitigen Festlegung hin zur einseitigen Bestimmung. Ohne den Bestimmungsvorbehalt hätte sie in ihrer hypothetischen Höhe vollständig Teil des Äquivalenzverhältnisses werden müssen. Um eine zu weitgehende Eingriffsmöglichkeit in das Äquivalenzverhältnis zu verhindern, müssen Bestimmungsvorbehalte die relevanten Entscheidungskriterien enthalten.677 Diese Konkretisierung stellt sicher, dass der Arbeitgeber die Kriterien nicht frei zu seinem Vorteil wählen kann. Er müsste innerhalb der geltenden Kriterien nach billigem Ermessen sowohl positive als auch negative Entwicklungen berücksichtigen. Wären beispielsweise die Leistung des Arbeitnehmers und der Unternehmenserfolg als Kriterien genannt, müsste in der Regel bereits die Arbeitsleistung ausreichen, um einen Zahlungsanspruch im jeweiligen Turnus zu begründen.678 Eine Konkretisierung der Kriterien auf ausschließlich negative Entwicklungen lässt die unangemessene Benachteiligung allerdings nicht entfallen, da der Arbeitgeber auch in diesem Fall positive Entwicklungen nicht berücksichtigen müsste. 3. Fazit Ohne Konkretisierung von Entscheidungskriterien wird dem Arbeitgeber durch Bestimmungsvorbehalte bezüglich synallagmatischer Leistungen eine Möglichkeit eingeräumt, das Synallagma zu relativieren, die den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt.679 Der Arbeitgeber kann durch die Wahl der richtigen Kriterien die versprochene Leistung niedrig oder auf null festlegen, während der Arbeitnehmer nach wie vor vollständig an seine synallagmatische Leistungs675 Vgl. BGH v. 29.04.2008 – KZR 2/07, NJW 2008, 2172; BGH v. 21.04.2009 – XI ZR 55/08 Rn. 28, zitiert nach juris; BGH v. 25.11.2015 – VIII ZR 360/14, NJW 2016, 936 Rn. 47; s. aber auch BGH v. 09.05.2012 – XII ZR 79/10, NJW 2012, 2187; vgl. dazu Kapitel 2 C. IV. 676 S. dazu Kapitel 4 B. VI. 2. c). 677 Zur konkreten Ausgestaltung dieser Konkretisierung s. B. VII. 10. a) aa) (2). 678 Vgl. Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400, 2402; BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 101. 679 S. dazu Kapitel 4 B. VI. 1.

296 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

pflicht gebunden bleibt.680 Die jeweilige Leistung wird zwar von vornherein nicht in einer festgelegten Höhe Teil des Synallagmas, weshalb nicht von einer vollständigen Auflösung des Synallagmas durch einen Bestimmungsvorbehalt gesprochen werden kann. Es liegt aber eine Relativierung bzw. Störung des Synallagmas vor. Ohne Bestimmungsvorbehalt hätte die Leistung vollumfänglich Teil des Synallagmas werden müssen. Die Bindung des Arbeitgebers wird somit durch die vertragliche Gestaltung schon im Voraus gemindert, während der Arbeitnehmer vollständig gebunden bleibt. Der Arbeitgeber hat es außerdem in der Hand, das Synallagma der jeweiligen Leistung durch Festlegung auf null ganz aufzulösen. Ist der Arbeitgeber in seiner Entscheidung nicht einmal an bestimmte Kriterien gebunden, geht diese einseitige Relativierung zu weit und widerspricht dem Charakter des Synallagmas, das durch Einigung beider Vertragsparteien entsteht.681 Die Störung des Synallagmas durch einen Bestimmungsvorbehalt wird durch die Bindung des Arbeitgebers an bestimmte Kriterien aber in gebotener Weise begrenzt, so dass die unangemessene Benachteiligung entfällt.682 Nicht weiter konkretisierte Bestimmungsvorbehalte räumen dem Arbeitgeber außerdem eine den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligende Möglichkeit zur einseitigen Änderung des Äquivalenzverhältnisses ein, wenn sie sich auf synallagmatische Leistungen beziehen.683 Ein Eingriff in das Äquivalenzverhältnis ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil die unter einen Bestimmungsvorbehalt gestellte Leistung bei Vertragsschluss nicht in konkreter Höhe Teil des Äquivalenzverhältnisses geworden ist.684 Dem Grunde nach bleibt die Leistung Teil des Äquivalenzverhältnisses. Der Bestimmungsvorbehalt verschiebt ihren Anteil am Äquivalenzverhältnis von der beiderseitigen Festlegung hin zur einseitigen Bestimmung. Ohne den Vorbehalt hätte die Leistung in ihrer hypothetischen Höhe vollständig Teil des Äquivalenzverhältnisses werden müssen. Wird die Entscheidung des Arbeitgebers über die Leistungshöhe nicht an bestimmte Kriterien gebunden, besteht eine zu weitgehende Eingriffsmöglichkeit in das Äquivalenzverhältnis.685 Denn der Arbeitgeber kann die relevanten Kriterien dann einseitig so wählen, dass er das bestmögliche Ergebnis erzielt. Er kann negative Entwicklungen zum Nachteil des Arbeitnehmers berücksichtigen, ist im Gegenzug aber nicht verpflichtet, positive Entwicklungen ebenso in die Entscheidung einfließen zu lassen, auch wenn die Leistung des Arbeitnehmers maßgeb-

680 681 682 683 684 685

S. dazu Kapitel 4 B. VI. 1. f). Zum Inhalt des Synallagmas s. Kapitel 4 B. VI. 1. a). S. zu alledem Kapitel 4 B. VI. 1. g). S. dazu Kapitel 4 B. VI. 2. S. dazu Kapitel 4 B. VI. 2. c). S. zu alledem Kapitel 4 B. VI. 2. c).

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 297

lich dazu beigetragen hat. Eine so freie Änderungsmöglichkeit des Äquivalenzverhältnisses, durch die der Arbeitgeber sich einen zusätzlichen Gewinn aus dem Vertragsverhältnis verschaffen kann, kann nicht zulässig sein, wie auch die Rechtsprechung des BGH zu Preisanpassungsklauseln zeigt686. Um das zu verhindern, müssen bei Bestimmungsvorbehalten, die sich auf synallagmatische Leistungen beziehen, die Entscheidungskriterien zwingend festgelegt werden. Eine Festlegung der Entscheidungskriterien auf ausschließlich negative Entwicklungen genügt dafür nicht, da der Arbeitgeber auch in diesem Fall positive Entwicklungen nicht berücksichtigen müsste. Für Sonderzahlungen ohne Gegenleistungscharakter gilt das Gesagte freilich nicht, da sie weder Teil des Äquivalenzverhältnisses noch des Synallagmas sind.687 Voraussetzung der Angemessenheit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte, die sich auf synallagmatische Leistungen beziehen, ist also, dass der Arbeitgeber in seiner Entscheidung an bestimmte Kriterien gebunden wird. Da sich dieses Ergebnis mit dem Ergebnis der nachfolgenden Überlegungen überschneidet, sind sowohl die konkreten Anforderungen und möglichen Klauselgestaltungen als auch die Einordnung der Ergebnisse zur besseren Übersichtlichkeit insgesamt am Ende des nachfolgenden Abschnitts dargestellt. An dieser Stelle ist auf die dortigen Ausführungen zu verweisen.688

VII. Unangemessene Benachteiligung bei fehlender Konkretisierung der Entscheidungskriterien in Bestimmungsvorbehalten Es wurde bereits herausgearbeitet, dass arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte nur angemessen sind, wenn ein berechtigtes Interesse an ihrer Verwendung besteht689, der Kernbereich des Arbeitsverhältnisses unberührt bleibt690 und die Entscheidung nach billigem Ermessen zu treffen ist691. Daneben bleibt zu fragen, ob das billige Ermessen allein das Bestimmungsrecht des Arbeitgebers ausreichend einschränkt oder ob eine darüberhinausgehende Beschränkung bzw. Konkretisierung vorliegen muss. In Betracht kommt, in Übereinstimmung mit der 686 Vgl. BGH v. 06.12.1984 – VII ZR 227/83, NJW 1985, 855; BGH v. 20.05.1985 – VII ZR 198/84, BGHZ 94, 335; BGH v. 06.03.1986 – III ZR 195/84, NJW 1986, 1803; BGH v. 13.12.2006 – VIII ZR 25/06, NJW 2007, 1054; BGH v. 21.04.2009 – XI ZR 55/08, zitiert nach juris; BGH v. 24.03.2010 – VIII ZR 178/08, BGHZ 185, 96; BGH v. 25.11.2015 – VIII ZR 360/14, NJW 2016, 936; s. dazu Kapitel 2 C. IV. 687 Zum Gegenleistungscharakter s. unter Kapitel 4 B. IV. 6. 688 S. Kapitel 4 B. VII. 8. ff. 689 S. dazu Kapitel 4 B. III. 690 S. dazu Kapitel 4 B. IV. 691 S. dazu Kapitel 4 B. V.

298 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

Rechtsprechung des BAG zu den ähnlich wirkenden Widerrufsvorbehalten692 eine Festlegung der relevanten Entscheidungsgründe bzw. -kriterien zu fordern. Bei den zu untersuchenden Bestimmungsvorbehalten stellen das BAG und ein Großteil der Literatur eine solche Anforderung nicht, sondern gehen davon aus, dass ein lediglich auf Billigkeit beschränktes Bestimmungsrecht angemessen ist, da der Arbeitnehmer ausreichend durch diese Bindung und die Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung nach § 315 Abs. 3 BGB geschützt sei.693 Dagegen bestehen jedoch erhebliche Bedenken, da die Billigkeit einen beachtlichen Spielraum694 zur Ausfüllung durch den Arbeitgeber lässt und eine Rechtfertigung durch die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung in einem Spannungsverhältnis zum Prüfungscharakter und Ziel des AGB-Rechts steht.695 So fordert auch der BGH bei einseitigen Leistungsbestimmungsrechten regelmäßig eine weitergehende Konkretisierung.696 Die zentrale Frage für die weiteren Ausgestaltungsanforderungen ist, wann die Grenze zur unangemessenen Benachteiligung des Arbeitnehmers durch ein (zu weitreichendes) Bestimmungsrecht bzw. einen ungerechtfertigt weiten Beurteilungsspielraum des Arbeitgebers überschritten ist. Der richtige Prüfungsmaßstab ist hier § 307 Abs. 1 S. 1 BGB, wie auch bei der Prüfung einer unangemessenen Benachteiligung allein durch die Einräumung des Bestimmungsrechts.697 Nach 692

S. dazu Kapitel 2 D. II. 2. BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970; so bspw. auch BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148 Rn. 42; BAG v. 26.09.2012 – 10 AZR 370/11, zitiert nach juris; BAG v. 17.10.2012 – 10 AZR 620/11, zitiert nach juris; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 29; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12 Rn. 31, NZA 2013, 970; Salamon, NZA 2014, 465, 466; Salamon/Wessels, BB 2017, 885, 886; Reinfelder, NZABeil. 2014, 10, 15; vgl. auch Wensing/Boensch, BB 2014, 2358; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400; Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65; Kössel, DB 2016, 2963; BLDH/ Lingemann, Kap. 2 Rn. 101; anders Stoffels, RdA 2015, 276; zurückhaltender Stoffels, NZA 2017, 1217, 1224; s. dazu bereits Kapitel 2 B. II. 2. und E. 694 Vgl. zum Spielraum billigen Ermessens BGH v. 11.06.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518; BGH v. 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, NJW 1984, 1182; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970 Rn. 33; BAG v. 15.05.2013 – 10 AZR 679/ 12, zitiert nach juris Rn. 34; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 175; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358, 2360; Pfrogner, BB 2018, 757, 760; Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn. 325 f., 329; vgl. auch Graf v. Westphalen, NJW 1982, 2465; MüKoBGB/Würdinger, § 315 BGB Rn. 29 f.; a. A. wohl von Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, S. 41 ff.; s. aber auch BGH v. 25.05.1988 – VIII ZR 360/86, NJW-RR 1988, 1077, wonach das Erfordernis der angemessenen Berücksichtigung der Interessen des Vertragspartners nichts über die Maßstäbe der Ausübung aussagt. 695 Näher dazu unter Kapitel 4 B. VII. 7. f). 696 Statt aller: BGH v. 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, NJW 1984, 1182; BGH v. 26.11.1984 – VIII ZR 214/83, NJW 1985, 623; BGH v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11; BGH v. 08.10.2013 – XI ZR 401/12, NJW 2013, 3716; BGH v. 18.01.2017 – VIII ZR 263/15, DB 2017, 655. 697 S. dazu Kapitel 4 B. III. 1. und B. III. 2. 693

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 299

§ 307 Abs. 1 S. 1 BGB ist eine Abwägung der beiderseitigen Interessen durchzuführen unter Berücksichtigung der gesetzlichen Regelungen, von denen durch die Vertragsgestaltung abgewichen wird.698 Der Arbeitgeber weicht durch die hier relevante vertragliche Gestaltung zwar vom Vertragsprinzip, dem Grundsatz der Festlegung der Rechte und Pflichten im Vertrag und dem Grundsatz der Vertragsbindung ab und nimmt dem Arbeitnehmer dadurch jegliche Möglichkeit der Mitbestimmung über die geldwerte Leistung.699 Für eine möglichst offene Gestaltung streitet aber ein generelles Flexibilisierungsinteresse, da der Arbeitgeber sich nur schwer vom auf Dauer angelegten Arbeitsverhältnis lösen kann, auf das eine Vielzahl von Faktoren Einfluss haben, die starken Schwankungen unterliegen können.700 Nachfolgend soll zunächst kurz wiederholt werden, inwiefern Bestimmungsvorbehalte den Arbeitnehmer benachteiligen.701 Es folgt eine Übersicht über die im Verlauf des vorliegenden Abschnitts zu erörternden Aspekte.702 Anschließend wird eingehend untersucht, ob arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte einer Konkretisierung der Entscheidungskriterien bedürfen und wie dies gegebenenfalls auszusehen hat.703 1. Die Benachteiligung des Arbeitnehmers durch Bestimmungsvorbehalte Wie bereits festgestellt, wird der Arbeitnehmer durch die Existenz eines arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalts im Entgeltbereich benachteiligt, weil kein von ihm konsentiertes, der Höhe nach festgelegtes Versprechen entsteht und die Bindung des Arbeitgebers eingeschränkt wird, während der Arbeitnehmer vollständig gebunden bleibt.704 Dass diese Benachteiligung nicht per se unangemessen ist, sondern die Einräumung eines solchen Rechts in der Regel durch ein Flexibilisierungsinteresse des Arbeitgebers gerechtfertigt ist, wurde schon herausgearbeitet.705 Dieses Interesse vermag jedoch nicht jede noch so offene Ausgestaltung zu rechtfertigen, wie auch die Ausführungen zum Kernbereichsschutz und zum Maßstab billigen Ermessens zeigen.706 698 Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 93, 98 f.; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 36, 42; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 468 ff.; vgl. auch Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 96, 107; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 9; Wolf/Lindacher/ Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 174; MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 35. 699 S. dazu schon unter Kapitel 4 A.V. 2. und B. III. 3. a). 700 Dazu ausführlich unter Kapitel 4 B. VII. 3. a). 701 Sogleich unter Kapitel 4 B. VII. 1. 702 S. Kapitel 4 B. VII. 2. 703 Dazu ausführlich unter Kapitel 4 B. VII. 3. ff. 704 S. dazu unter Kapitel 4 B. III. 3. a). 705 S. Kapitel 4 B. III. 3. 706 Vgl. Kapitel 4 B. IV. und B. V.

300 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

Es ist also zu fragen, ob die Interessen des Arbeitnehmers an einer über die Billigkeit hinausgehenden Beschränkung der Entscheidungsfreiheit die Interessen des Arbeitgebers an einer möglichst freien Entscheidung überwiegen. Die Beantwortung dieser Frage setzt eine umfassende Feststellung und Abwägung der gegenseitigen Interessen, allgemeiner Wertungsgesichtspunkte und der möglichen rechtfertigenden Argumente voraus. 2. Übersicht zur Interessenabwägung Prinzipiell wäre es denkbar, den Interessen des Arbeitgebers Vorrang zu gewähren und in Einklang mit der Rechtsprechung des BAG707 einen Bestimmungsvorbehalt als angemessen zu erachten, auch wenn keine Entscheidungskriterien geregelt sind. Ebenso plausibel erscheint es aber, den Interessen des Arbeitnehmers größeres Gewicht zuzusprechen und eine Konkretisierung zu fordern, was der Rechtsprechung des BGH zu einseitigen Leistungsbestimmungsrechten708 und der des BAG zu Widerrufsvorbehalten709 entsprechen würde. Da sich kein Ergebnis zwingend aufdrängt, ist eine Abwägung der widerstreitenden Interessen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers durchzuführen. Dabei spielen eine Vielzahl verschiedener Interessen und Wertungen eine Rolle, weshalb hier zunächst ein Überblick über diese gegeben werden soll. Nach Beantwortung der Frage, ob an sich eine Konkretisierung nötig ist, muss untersucht werden, wie diese gegebenenfalls auszusehen hat. a) Die gegenläufigen Interessen der Arbeitsvertragsparteien Den Ausgangspunkt bilden die gegenläufigen Interessen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers, die als arbeitsrechtliche Besonderheiten i. S. d. § 310 Abs. 4 S. 2 Hs. 1 BGB qualifiziert werden können710. Der Arbeitgeber sieht sich mit der Situation konfrontiert, dass er insbesondere aufgrund der Regelungen des KSchG dauerhaft an das Arbeitsverhältnis gebunden ist und bei Abschluss des Arbeitsvertrages nicht alle relevanten Entwicklungen vorhersehen kann. Er hat deshalb ein Interesse an einer Flexibilisierung der Arbeitsbedingungen durch Bestimmungsvorbehalte.711 Daneben kann der Arbeit707

S. dazu unter Kapitel 2 B. II. 2. Dazu unter Kapitel 4 C. I. und C. II. 709 Dazu unter Kapitel 4 D. II. 2. 710 Zu den Flexibilisierungsbedürfnissen als arbeitsrechtliche Besonderheiten s. Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 308 Nr. 4 BGB Rn. 12 ff.; Kluge, Widerrufsvorbehalte zur Absenkung des Arbeitsentgelts aus „wirtschaftlichen Gründen“ in vorformulierten Arbeitsverträgen, S. 185 f.; Stoffels, NZA 2017, 1217, 1219; s. zur Berücksichtigung tatsächlicher Besonderheiten Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 64 ff. m.w. N. 711 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 3. a) aa). 708

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 301

geber mit Bestimmungsvorbehalten auch den Zweck verfolgen, den Arbeitnehmer zu besonderen Anstrengungen zu motivieren.712 Es tauchen jedoch zwei Fragen auf: Ist es gerechtfertigt, dass der Arbeitgeber die Leistung anspruchsbegründend versprochen hat und sich bei freier Entscheidung problemlos davon lösen kann? Und müsste die Ausübung des Vorbehalts nicht an die ihn rechtfertigenden Flexibilisierungsgründe gebunden werden?713 Der Arbeitnehmer hingegen hat ein Interesse an stabilen Erwerbsaussichten, da er in der Regel wesentlich von den Zahlungen des Arbeitgebers abhängig ist, um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren.714 Für ihn ist es vorteilhaft, wenn der Arbeitgeber durch die Bindung an bestimmte Kriterien so weit wie möglich an sein Zahlungsversprechen gebunden wird. Andererseits könnte eine freie Entscheidungsmöglichkeit des Arbeitgebers möglicherweise auch Vorteile für den Arbeitnehmer haben. Positive Entwicklungen könnten andernfalls unter Umständen nicht berücksichtigt werden. Die Abhängigkeit des Arbeitnehmers steigert auch sein Interesse an einer Vorhersehbarkeit der Leistungsbestimmung.715 Besonders wichtig ist für ihn, ob seine Arbeitsleistung Einfluss auf die Zahlungshöhe hat, da er seine Arbeit gegebenenfalls darauf einstellen kann. b) Leistungsanreiz ohne entsprechende Bindung des Arbeitgebers bei nicht konkretisierten Bestimmungsvorbehalten? Im Anschluss stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber mit dem Versprechen der Leistung einen Leistungsanreiz für den Arbeitnehmer setzt, dem keine gleichwertige Bindung an dieses Versprechen gegenübersteht.716 Das hält das BAG in der Rechtsprechung zu Stichtagsklauseln für unzulässig.717 In einigen Entscheidungen zu Bestimmungsvorbehalten ist das BAG aber der Meinung, ein Leistungsanreiz ohne entsprechende Bindung liege nicht vor718. Die dort teilweise angeführte Begründung, es handele sich um eine Sonderzahlung, ist nicht frei von Zweifeln. So ist es nicht völlig undenkbar, dass auch das Versprechen einer Sonderzahlung den Arbeitnehmer zu besonderer Leistung motivieren kann. Darüber hinaus ist die Bindung des Arbeitgebers verhältnismäßig gering, wenn er die Kriterien der Leistungsbestimmung frei wählen kann. 712

S. dazu Kapitel 4 B. VII. 3. a) bb). S. dazu Kapitel 4 B. VII. 3. a) aa) und B. VII. 10. a) aa). 714 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 3. b). 715 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 4. 716 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 5. 717 BAG v. 18.01.2012 – 10 AZR 612/10, BAGE 140, 231 Rn. 26. 718 Vgl. BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 30. 713

302 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

c) AGB-spezifische Abwägungsgesichtspunkte Bei der Abwägung sind auch einige Aspekte zu beachten, die typische Abwägungskriterien der AGB-Kontrolle darstellen bzw. einen spezifischen Bezug zum AGB-Recht aufweisen.719 Dazu gehört zunächst das aus der AGB-Kontrolle von Freizeichnungsklauseln bekannte Kriterium der Risikoverteilung720. Die Angemessenheitskontrolle wird darüber hinaus beeinflusst durch die einseitige Inanspruchnahme der Vertragsgestaltungsfreiheit721, die Möglichkeit einer anderweitigen Klauselgestaltung und die Üblichkeit bestimmter AGB-Klauseln. Besonders interessant ist außerdem, welche Bedeutung die Billigkeitskontrolle für die AGBPrüfung hat und in welchem Verhältnis die beiden Kontrollinstrumente zueinander stehen. Lohnenswert erscheint vor allem ein Blick darauf, wem das in einem Bestimmungsvorbehalt geregelte Risiko obliegt und wer es besser beherrschen kann.722 Es ist nicht ausgeschlossen, dass durch einen Bestimmungsvorbehalt sowohl das Wirtschafts- als auch das Betriebsrisiko auf den Arbeitnehmer verlagert werden könnte, die beide gem. § 615 BGB dem Arbeitgeber zugewiesen sind. Denn ein Bestimmungsvorbehalt trägt dazu bei, dass sowohl negative wirtschaftliche Entwicklungen als auch Betriebsausfälle besser vom Arbeitgeber aufgefangen werden können. Außerdem erscheint es bei Bestimmungsvorbehalten wie bei allen AGB bedenklich, wenn der Verwender sich zu weitreichende Rechte einräumt. Denn er stellt die AGB einseitig und nimmt die Vertragsgestaltungsmacht beider Parteien allein in Anspruch.723 Zur Rechtfertigung nicht weiter konkretisierter Bestimmungsvorbehalte führt das BAG jedoch an, der Arbeitgeber hätte stattdessen ebenso einen Freiwilligkeitsvorbehalt wählen können, wodurch ein Anspruch gänzlich ausgeschlossen würde.724 Ferner könnte zur Rechtfertigung darauf verwiesen werden, die Verwendung offener Flexibilisierungsklauseln sei im Arbeitsrecht üblich. Kann also die Möglichkeit einer anderweitigen vertraglichen Gestal-

719

S. unter Kapitel 4 B. VII. 7. Vgl. dazu Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 13; BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 38; MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 35, 50; Ulmer/Brandner/Hensen/ Fuchs/Bieder, Anh. § 310 BGB AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht Rn. 41; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 156 ff.; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 490. 721 Zur einseitigen Inanspruchnahme der Vertragsgestaltungsmacht s. BeckOK-BGB/ H. Schmidt, § 307 Rn. 1; s. auch NK-BGB/Kollmann, Vorbemerkungen zu §§ 305 ff. BGB Rn. 3 ff.; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 42; Kreienbaum, Transparenz und AGBGesetz, S. 214; MüKo-BGB/Basedow, Vorbemerkung §§ 305 ff. BGB Rn. 4 ff., der den Schutzgrund der Inhaltskontrolle partielles Marktversagen nennt. 722 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 7. a). 723 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 7. b). 724 BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 21. 720

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 303

tung die Angemessenheit der gewählten beeinflussen?725 Und welchen Einfluss hat die Üblichkeit vergleichbarer Klauseln?726 Zuletzt muss auf das in Rechtsprechung und Literatur vielfach herangezogene Argument eingegangen werden, der Arbeitnehmer werde dadurch ausreichend geschützt, dass er die Bestimmung des Arbeitgebers gerichtlich auf ihre Billigkeit überprüfen lassen könne727. Wäre diesem Argument zuzustimmen, könnte eine Konkretisierungspflicht gänzlich entfallen. Hier taucht die Frage auf, ob die Möglichkeit einer Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB die AGB-Kontrolle überhaupt beeinflussen kann.728 Es ist zu hinterfragen, ob sie ausreichend Schutz bietet und ob ein Abstellen auf § 315 Abs. 3 BGB mit Charakter und Ziel der AGB-Kontrolle vereinbar ist. Von Interesse ist dabei auch das (Vorrang-) Verhältnis der beiden Kontrollinstrumente zueinander. d) Einordnung des Ergebnisses: systematischer Vergleich mit der Behandlung von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalten An die Interessenabwägung schließt sich ein Vergleich des gewonnenen Ergebnisses mit der Behandlung von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalten an. Damit soll zunächst die Frage beantwortet werden, ob Bestimmungsvorbehalte bezüglich ihrer Konkretisierung genauso zu behandeln sind wie Widerrufsvorbehalte und ob somit von der Meinung des BAG abzuweichen ist.729 Darüber hinaus wird das gewonnene Ergebnis in das System der Inhaltskontrolle arbeitsrechtlicher Flexibilisierungsvorbehalte eingeordnet.730 Es wird überprüft, in welchem Verhältnis die herausgearbeiteten Anforderungen an Bestimmungsvorbehalte zur Behandlung von Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalten stehen und ob dies mit der tatsächlichen Wirkung der verschiedenen Klauselarten übereinstimmt. Daran schließt sich die Frage an, ob sich dieses Verhältnis mit den Besonderheiten der jeweiligen Klauseltypen verträgt und ob die Abweichungen und Übereinstimmungen gerechtfertigt sind.731 725

S. dazu Kapitel 4 B. VII. 7. c). S. dazu Kapitel 4 B. VII. 7. e). 727 S. BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970; so bspw. auch BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148 Rn. 42; BAG v. 26.09.2012 – 10 AZR 370/11, zitiert nach juris; BAG v. 17.10.2012 – 10 AZR 620/11, zitiert nach juris; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 29; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12 Rn. 31, NZA 2013, 970; Salamon, NZA 2014, 465, 466; Salamon/Wessels, BB 2017, 885, 886; Reinfelder, NZABeil. 2014, 10, 15; vgl. auch Wensing/Boensch, BB 2014, 2358; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400; Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65; Kössel, DB 2016, 2963; BLDH/ Lingemann, Kap. 2 Rn. 101; a. A. Stoffels, RdA 2015, 276; zurückhaltender Stoffels, NZA 2017, 1217, 1224; s. dazu bereits Kapitel 2 B. II. 2. und E. 728 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 7. f). 729 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 9. a). 730 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 9. b). 731 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 9. c). 726

304 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

Eine Gleichbehandlung mit Widerrufsvorbehalten würde des Weiteren die Frage aufwerfen, ob die Kontrollmaßstäbe für Freiwilligkeits-, Widerrufs- und Bestimmungsvorbehalte zu harmonisieren sind.732 Aufgrund der vergleichbaren Wirkungen und Ziele dieser Klauseln kommt eine vollständige Harmonisierung der zu stellenden Anforderungen oder jedenfalls eine Harmonisierung des zugrundeliegenden Maßstabs in den Sinn. Ist nicht in der AGB-Kontrolle dieser Klauseln ein einheitliches Grundkonzept zu verfolgen? Immerhin liegen ihnen dieselben Interessen der Beteiligten zugrunde. Es ist deshalb zu untersuchen, ob diesen Interessen bei Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalten in Rechtsprechung und Literatur womöglich bereits in gleicher Weise zur Geltung verholfen wird. Zuletzt dient ein Vergleich mit der AGB-Kontrolle von Widerrufsvorbehalten auch dazu, das Ergebnis auf seine Plausibilität zu überprüfen.733 Eine Übereinstimmung in der Behandlung der beiden Instrumente würde das gewonnene Ergebnis bestätigen, da Widerrufsvorbehalte den Bestimmungsvorbehalten sehr ähnlich sind.734 e) Inhaltliche Anforderungen an eine Konkretisierung von Bestimmungsvorbehalten Sind die dargestellten Interessen und Wertungen gegeneinander abgewogen und wird eine Konkretisierungspflicht bejaht, bleibt die Frage, wie diese Konkretisierung auszusehen hat.735 Es wäre denkbar, ähnlich wie bei Widerrufsvorbehalten eine Bindung an die Kriterien zu fordern, die die Flexibilisierung einer Leistung durch einen Bestimmungsvorbehalt rechtfertigen.736 Darüber hinaus müsste untersucht werden, bis zu welchem Grad diese zu konkretisieren sind. Müssen etwa konkrete Umsatzzahlen, genaue wirtschaftliche Entwicklungen etc. festgelegt werden oder genügt die Richtung der Kriterien?737 Die Pflicht, das Äquivalenzverhältnis zu beachten, verbietet allerdings solche Ausgestaltungen, die eine Gewinnsteigerung ermöglichen.738 Außerdem könnte eine Bindung an Ausnahmesituationen gefordert werden, wie es teilweise bei Widerrufsvorbehalten739 angedacht wird.740 732

S. dazu Kapitel 4 B. VII. 9. d). S. dazu Kapitel 4 B. VII. 9. e). 734 Dazu bereits unter Kapitel 1 B. IV. 735 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 10. 736 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 10. a) aa). 737 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 10. a) aa) (1). 738 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 10. a) aa) (2). 739 In diese Richtung Stoffels, NZA 2017, 1217, 1219; DLW/Baeck/Winzer, Kapitel 2 Rn. 605; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 308 Nr. 4 BGB Rn. 43 f.: „schwerwiegende Gründe“; vgl. dazu BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777; eine Beschränkung auf Ausnahmesitua733

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 305

Daran schließt sich folgende Überlegung an: Wenn bestimmte Kriterien zwingend gelten müssen, dürfen dann auch nur diese und keine zusätzlichen Kriterien gelten? So wäre es bei Widerrufsvorbehalten. Bei Bestimmungsvorbehalten könnte die Antwort anders ausfallen, zumal die Leistung vertraglich noch nicht festgelegt ist.741 Zuletzt muss überprüft werden, ob Bestimmungsvorbehalte genauso zu behandeln sind, wenn sie sich auf eine Leistung beziehen, die nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis steht. Denn der gesetzte Leistungsanreiz und das Interesse des Arbeitnehmers an der Leistung sind nicht so gewichtig wie bei Leistungen aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis.742 Außerdem kann der Arbeitgeber weder das Äquivalenzverhältnis einseitig ändern noch das Synallagma relativieren. Entfällt bei Sonderzahlungen also jegliche Pflicht, Entscheidungskriterien festzulegen?743 3. Die grundlegenden Interessen der Arbeitsvertragsparteien als arbeitsrechtliche Besonderheiten in der Interessenabwägung Den Ausgangspunkt für die hier durchzuführende Interessenabwägung bilden die grundlegenden Interessen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Für beide Seiten streiten Argumente, die auf der besonderen Konstellation des Arbeitsverhältnisses und der zugehörigen Interessenverteilung beruhen. Diese können als arbeitsrechtliche Besonderheiten i. S. d. § 310 Abs. 4 S. 2 Hs. 1 BGB eingestuft werden744 und könnten eine Abweichung von der Rechtsprechung des BGH745 rechtfertigen, der bei einseitigen Leistungsbestimmungsrechten regelmäßig eine weitergehende Konkretisierung fordert.746 Die widerstreitenden Interessen der Arbeitsvertragsparteien sollen nachfolgend näher beleuchtet werden.

tionen bei Widerrufsvorbehalten lehnt ab: Clemenz/Kreft/Krause/Roloff, § 308 BGB Rn. 88. 740 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 10. a) aa) (3). 741 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 10. a) bb). 742 Zur geringeren Abhängigkeit von Sonderzahlungen im Verhältnis zur laufenden Vergütung s. BAG v. 30.07.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173; BAG v. 18.03.2009 – 10 AZR 289/08, NZA 2009, 535; Richardt, Arbeitsvertragliche Flexibilisierung von Entgeltbedingungen, S. 143 ff. 743 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 10. b). 744 So auch Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 308 Nr. 4 BGB Rn. 12 ff.; s. zur Berücksichtigung tatsächlicher Besonderheiten Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 64 ff. m.w. N. 745 Zur Rechtsprechung des BGH s. Kapitel 2 C. 746 Im Rahmen der Transparenzkontrolle von Widerrufsvorbehalten ist das BAG aber der Meinung, dass keine arbeitsrechtlichen Besonderheiten vorliegen, die eine Abweichung rechtfertigen könnten: BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465 Rn. 28; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87 Rn. 28; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 1943 Rn. 29.

306 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

a) Besondere Flexibilisierungsinteressen im Arbeitsverhältnis streiten für freie Bestimmungsvorbehalte Für einen möglichst freien Bestimmungsvorbehalt spricht vor allem das Flexibilisierungsinteresse des Arbeitgebers. Dieses lässt sich in zwei Bereiche teilen. Einerseits besteht ein Interesse des Arbeitgebers daran, das Arbeitsverhältnis an unvorhersehbare Entwicklungen mit wirtschaftlichen Folgen anzupassen. Andererseits ist es legitim, den Arbeitnehmer durch Inaussichtstellen einer Zahlung zu motivieren, deren Höhe nach seiner Arbeitsleistung bemessen wird. aa) Unvorhersehbare wirtschaftliche Entwicklung als Flexibilisierungsgrund Der Arbeitgeber hat generell ein Interesse daran, sich eine möglichst weitgehende Handlungsfreiheit in Bezug auf seine Unternehmensführung zu erhalten.747 Ihm stehen die Vorteile aus der unternehmerischen Tätigkeit zu, er hat aber auch die Nachteile zu tragen.748 Da das Unternehmen ungewissen wirtschaftlichen wie auch rechtlichen Entwicklungen unterliegt, die der Arbeitgeber bei Vertragsschluss nicht vorhersehen kann und auf die er nicht immer Einfluss hat, muss ihm die Möglichkeit gegeben werden, diesen im laufenden Arbeitsverhältnis angemessen zu begegnen.749 Aus diesem Grund steht ihm das Direktionsrecht aus § 106 GewO, § 611a Abs. 1 S. 1, 2 BGB zu.750 Damit ist dem Arbeitgeber ein Leistungsbestimmungsrecht bezogen auf die Tätigkeit des Arbeitnehmers an die Hand gegeben, das er dazu nutzen kann, das Arbeitsverhältnis und darüber das Unternehmen an geän747 Vgl. Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 16: Interesse an der Aufrechterhaltung des Betriebs. 748 Vgl. ErfK/Preis, § 611a BGB Rn. 54; Kittner/Zwanziger/Deinert/Heuschmid/ Deinert, § 3 Rn. 57; HK-ArbR/Boemke, § 611, 611a BGB Rn. 81; s. zu den wirtschaftlichen Betriebs- und Unternehmensrisiken auch Forker, in: FS Rieger, S. 237 ff. 749 Vgl. zu diesem Zweck von Bestimmungsvorbehalten Stoffels, RdA 2015, 276, 278; Voigt/Steeger, DB 2018, 646; nach BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 636/11, zitiert nach juris Rn. 33 entsprechen sie einem Bedürfnis des Wirtschaftslebens; vgl. zum Flexibilisierungsinteresse des Arbeitgebers generell HWK/Roloff, Anh. §§ 305–310 BGB Rn. 28; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, ArbR Rn. 133; Stoffels, NZA 2017, 1217, 1219; Hanau/Hromadka, NZA 2005, 73; MAH ArbR/Hexel, § 25 Rn. 27; ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 56; Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 70 ff.; Clemenz/ Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 51; Kluge, Widerrufsvorbehalte zur Absenkung des Arbeitsentgelts aus „wirtschaftlichen Gründen“ in vorformulierten Arbeitsverträgen, S. 113 ff.; Richardt, Arbeitsvertragliche Flexibilisierung von Entgeltbedingungen, S. 1 ff.; Hofmann, Entgeltflexibilisierung und AGB-Kontrolle, S. 1 ff.; BAG v. 11.04.2006 – 9 AZR 557/05, NZA 2006, 1149 Rn. 36; BAG v. 13.03.2007 – 9 AZR 433/06, AP Nr. 26 zu § 307 BGB Rn. 41; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 36/09, DB 2010, 2805 Rn. 31. 750 Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 308 Nr. 4 BGB Rn. 16; Clemenz/Kreft/Krause/ Krause, Einführung Rn. 76; Schaub ArbR-HdB/Linck, § 45 Rn. 13; vgl. auch Pelzer, Arbeitsrechtliche Zielvereinbarungen, S. 39 f.

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 307

derte Rahmenbedingungen, wie z. B. Auftragsspitzen, aber auch wirtschaftliche Engpässe, anzupassen. Das Direktionsrecht erlaubt es ihm jedoch nicht, die zu zahlende Vergütung zu ändern751, was insbesondere bei eintretenden Verlusten z. B. als Folge von Auftragsrückgängen notwendig werden kann. Dem Arbeitgeber muss eine Möglichkeit verbleiben, diese ausgleichen und das Unternehmen handlungsfähig und profitabel weiterführen zu können.752 Aber auch außerhalb gravierender Verluste muss es dem Arbeitgeber möglich bleiben, sein Unternehmen so auszurichten, wie er es für sinnvoll hält.753 Dazu gehört es prinzipiell auch, seine Ausgaben in Form von Lohn und Sonderzahlungen möglichst gering zu halten, beispielsweise, um in andere Bereiche zu investieren, oder auch nur, um den Gewinn zu maximieren. Um das zu erreichen, kann er sich bei Vertragsschluss entscheiden, eine bestimmte Vergütung bzw. zusätzliche Leistung nicht zu gewähren. Im Nachhinein ist eine solche Entscheidung bei versprochenen Leistungen nicht ohne Flexibilisierungsinstrumente möglich. Von besonderer Bedeutung ist, dass das Arbeitsverhältnis auf Dauer angelegt ist und der Arbeitgeber deshalb nicht ohne weiteres für bestehende Arbeitsverhältnisse neue Arbeitsverträge verwenden kann, die den geänderten Gegebenheiten angepasst sind. Der Arbeitgeber kann sich zwar mit einer (betriebsbedingten) Kündigung754 von Arbeitsverhältnissen lösen, an denen kein Interesse mehr besteht. Problembehaftet sind aber vor allem die Fälle, in denen der Arbeitgeber weiterhin ein Interesse an der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers hat, die Zahlung aller Leistungen in vollem Umfang für ihn jedoch wirtschaftlich nicht sinnvoll oder sogar gar nicht möglich ist. In diesen Fällen passt das Mittel der Beendigungskündigung von vornherein nicht. Weder dem Arbeitgeber noch dem Arbeitnehmer ist an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses gelegen. Eine Änderungskündigung könnte die gewünschte Änderung der Vertragsbedingungen im Grunde bewirken.755 Auch die Änderungskündigung ist allerdings an die strengen Voraussetzungen des KSchG gebunden, weshalb sie nur in Ausnahmefällen eine Option zur Reaktion auf unvorhergesehene Entwicklungen darstellt.756 Au-

751 Statt aller: BAG v. 23.06.2009 – 2 AZR 606/08, NZA 2009, 1011 Rn. 17; ErfK/ Preis, § 106 GewO Rn. 3; MAH ArbR/Gragert, § 12 Rn. 22; Jesgarzewski, Die Grenzen formularmäßiger Vereinbarung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte, S. 191. 752 Vgl. zum wirtschaftlichen Interesse in der Angemessenheitsprüfung: Ulmer/ Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 125; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 158; s. auch Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 16: Interesse an der Aufrechterhaltung des Betriebs. 753 S. zum Interesse des Verwenders, den Vertragstyp auf die eigenen Interessen zuzuschneiden: Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 124. 754 S. zur betriebsbedingten Kündigung etwa ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 211 ff.; HaKo/Zimmermann, § 1 KSchG Rn. 659 ff. 755 S. zur Änderungskündigung etwa ErfK/Oetker, § 2 KSchG Rn. 1 ff.; APS/Künzl, § 2 KSchG Rn. 1 ff.; NK-ArbR/Nübold, § 2 KSchG Rn. 1 ff. 756 Vgl. Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 70.

308 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

ßerhalb dieses eng umrissenen Anwendungsbereichs der Änderungskündigung hat der Arbeitgeber gar keine Möglichkeit, auf unvorhergesehene Entwicklungen zu reagieren. Aus diesen Gründen besteht auf beiden Seiten ein Interesse an individualvertraglichen – oder kollektivrechtlichen – Flexibilisierungsinstrumenten, um dieser misslichen Lage vorzubeugen. Das ist für den Arbeitnehmer auch insofern vorteilhaft, als dieser somit keine (Änderungs-)Kündigung befürchten muss, die hätte vermieden werden können.757 Da der Arbeitgeber bei Vertragsschluss die langfristige Entwicklung nicht absehen kann, müssen ihm neben dem ultima-ratio-Mittel der (Änderungs-)Kündigung andere Mittel zur Anpassung an die Hand gegeben werden.758 Die Beendigungskündigung bietet zwar ein sinnvolles Mittel, wenn kein Interesse mehr an der Arbeitsleistung besteht. Für den Fall, dass ein solches Interesse weiterhin besteht, die Arbeitsleistung für den Arbeitgeber aber nur zu geringeren Kosten wirtschaftlich sinnvoll ist, existiert ohne besondere Vereinbarung jedoch keine ausreichende Reaktionsmöglichkeit. Dadurch ist die (unternehmerische) Entscheidungsfreiheit stark eingeschränkt. Diese sollte dem Arbeitgeber auch im Laufe des Arbeitsverhältnisses erhalten bleiben, so dass ein Interesse an einer möglichst weitgehenden Flexibilisierung anzuerkennen ist. Das BAG ist dementsprechend der Meinung, der Arbeitgeber könne sich durch Freiwilligkeitsvorbehalte wirksam die Entscheidung darüber vorbehalten, ob und unter welchen Voraussetzungen er eine Leistung gewährt, solange nicht das laufende Entgelt betroffen ist.759 Es ist jedoch zu beachten, dass der Arbeitgeber sich bei den hier relevanten Bestimmungsvorbehalten entschieden hat, die Leistung jedenfalls dem Grunde nach im Vertrag zu versprechen. Er kann deshalb nicht mehr völlig frei in seiner unternehmerischen Entscheidung bleiben, sondern muss die Belange des Vertragspartners und das vertraglich vereinbarte Äquivalenzverhältnis berücksichtigen. Er ist an sein vertragliches Versprechen gebunden. Wegen der nicht vorhersehbaren vielschichtigen Einflussfaktoren ist es jedoch gerechtfertigt, dem Arbeitgeber die Möglichkeit zuzugestehen, durch ein Leistungsbestimmungsrecht die vertragliche Bindung und das Vertragsprinzip zu lockern, um die Entschei757 Vgl. Lindemann, Flexible Gestaltung von Arbeitsbedingungen, S. 199; dieses Argument lehnt Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 84 von Anfang an ab; s. zu diesem Argument auch Hofmann, Entgeltflexibilisierung und AGB-Kontrolle, S. 3. 758 So auch Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 71; Lindemann, Flexible Gestaltung von Arbeitsbedingungen, S. 201; Singer, Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen, S. 13 ff.; zum ultima-ratio-Prinzip der Kündigung s. etwa KR/Griebling/Rachor, § 1 KSchG Rn. 222 ff.; APS/Vossen, § 1 KSchG Rn. 65 f.; vHH/L/Krause, § 1 KSchG Rn. 201 ff. 759 BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, BAGE 124, 259; BAG v. 21.01.2009 – 10 AZR 219/08, BAGE 129, 164; BAG v. 18.03.2009 – 10 AZR 289/08, NZA 2009, 535 m.w. N.

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 309

dungsfreiheit so weit wie möglich zu erhalten.760 Mit diesem Bestimmungsrecht kann er die Höhe der versprochenen Leistung einer negativen Entwicklung der Einflussfaktoren sogar bis auf null anpassen. Allerdings ist nicht einzusehen, warum er das Recht haben sollte, auch bei günstiger oder „gleichbleibender“ Entwicklung eine Zahlung vorzuenthalten.761 Gibt es im jeweiligen Turnus keine negativen unvorhergesehenen Entwicklungen, sondern sind die Verhältnisse gleichgeblieben oder haben sich verbessert, hat sich der Flexibilisierungsgrund, der die Abweichung vom Vertragsprinzip und der Vertragsbindung rechtfertigt, nicht verwirklicht.762 Dann müssen diese Rechtsgrundsätze wiederaufleben, indem der Arbeitgeber daran gebunden wird, die gleichbleibenden Verhältnisse oder positiven Entwicklungen so zu berücksichtigen, wie er es ohne Bestimmungsvorbehalt im Vertrag getan hätte, wenn er sie hätte vorhersehen können. Ansonsten würde die Klausel ihm ein Recht zur Flexibilisierung auch ohne rechtfertigenden Grund einräumen.763 Eine derartige Verpflichtung, positive oder gleichbleibende Entwicklungen in gleichem Maße wie negative Entwicklungen zu berücksichtigen, enthält der Entscheidungsmaßstab billigen Ermessens nicht.764 Dementsprechend wäre eine gewisse Entscheidungsbeschränkung auf die tatsächlichen Entwicklungen zu fordern.765 Entgegenzuhalten ist, dass die unternehmerische Freiheit dem Arbeitgeber so weitgehend wie möglich erhalten bleiben soll und in seine Entscheidungen vielschichtige Gründe einfließen. Auch bei positiver Entwicklung im Turnus kann es sinnvoll sein, die Ausgaben in Form von Geldzahlungen an die Arbeitnehmer gering zu halten. 760

Vgl. dazu auch bereits Kapitel 4 B. III. 3. Vgl. dazu die Rechtsprechung des BGH zu Preisanpassungsklauseln: BGH v. 06.03.1986 – III ZR 195/84, NJW 1986, 1803; BGH v. 29.04.2008 – KZR 2/07, NJW 2008, 2172; BGH v. 21.04.2009 – XI ZR 55/08, zitiert nach juris; BGH v. 15.07.2009 – VIII ZR 56/08, BGHZ 182, 41; BGH v. 28.10.2009 – VIII ZR 320/07, NJW 2010, 993; BGH v. 09.05.2012 – XII ZR 79/10, NJW 2012, 2187; BGH v. 25.11.2015 – VIII ZR 360/14, NJW 2016, 936. Danach ist eine Klausel unwirksam, die das Recht einräumt, Kostensteigerungen weiterzugeben, aber keine Pflicht, auch Kostensenkungen weiterzugeben. S. dazu ausführlich unter Kapitel 2 C. IV. 762 Nach Westermann, in: FS Steindorff, S. 817, 823 könnte man bei einseitigen Leistungsbestimmungsrechten sagen, dass sie zu weit vom vorgesehenen gesetzlichen Mechanismus der vertraglichen Einigung abweichen, wenn keine eindeutigen Voraussetzungen geregelt sind. 763 Vgl. dazu auch Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 73. 764 So für positive Entwicklungen im Rahmen der Überprüfung von Preisanpassungsklauseln auch BGH v. 29.04.2008 – KZR 2/07, NJW 2008, 2172; BGH v. 21.04.2009 – XI ZR 55/08 Rn. 28, zitiert nach juris; BGH v. 25.11.2015 – VIII ZR 360/14, NJW 2016, 936 Rn. 47; s. aber auch BGH v. 09.05.2012 – XII ZR 79/10, NJW 2012, 2187; vgl. Kapitel 4 B. VI. 2. c). 765 Vgl. den entsprechenden Gedanken bei BGH v. 06.12.1984 – VII ZR 227/83, NJW 1985, 855; BGH v. 13.12.2006 – VIII ZR 25/06, NJW 2007, 1054; ähnlich BGH v. 21.04.2009 – XI ZR 55/08, zitiert nach juris. Das BAG ist bei Preisanpassungsklauseln der Meinung, der Verwender müsse auch im Umfang an den Grund der Einräumung gebunden sein. 761

310 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

bb) Motivationszweck flexibler Leistungsversprechen Das Interesse des Arbeitgebers an einer flexiblen Gestaltung geldwerter Leistungen ist aber nicht auf wirtschaftliche Entwicklungen beschränkt. Er hat auch ein berechtigtes Interesse daran, den Arbeitnehmer durch eine variable Zahlung besonders zu motivieren.766 Denn die Vor- und Nachteile der unternehmerischen Tätigkeit treffen den Arbeitgeber767 und der Arbeitnehmer wird bei ausschließlicher Zahlung eines Festgehalts weder direkt noch mittelbar an ihnen beteiligt, so dass bei ihm keine vergleichbare Motivation entsteht, den Unternehmenszweck voranzutreiben. Da der Arbeitnehmer anstelle des Arbeitgebers für diesen tätig ist768 und so in gewissem Maße direkten Einfluss auf die Rentabilität hat, ist es ein probates Mittel, eine Zahlung zu versprechen, die sich nach der Leistung des Arbeitnehmers richtet, um diesen zusätzlich zu motivieren und ein möglichst profitables Ergebnis zu erzielen.769 Eine Leistung, deren Höhe vom Arbeitgeber festgelegt wird, ist besonders geeignet, den Arbeitnehmer zu motivieren und darüber zu einem positiven Unternehmensergebnis beizutragen. Liegt die Höhe im Ermessen des Arbeitgebers, wird der Arbeitnehmer sich in der Regel anstrengen, um die Entscheidung des Arbeitgebers zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Im Vordergrund steht auch beim Motivationszweck jedoch, dass der Arbeitgeber die Zahlung durch das Bestimmungsrecht besser den bei Abschluss des Vertrages nicht vorhersehbaren Entwicklungen in der Leistung des Arbeitnehmers, der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens und den übrigen Einflussfaktoren anpassen kann. Selbst wenn Hauptzweck die Motivierung des Arbeitnehmers ist und die Entscheidung an dieses Kriterium gebunden wird, kann der Arbeitgeber trotzdem im Rahmen der Billigkeit seine anderweitigen Interessen in gewissem Maße berücksichtigen. Das Leistungsbestimmungsrecht entspricht also einem Motivationsinteresse und einem damit zusammenhängenden Flexibilisierungsbedürfnis. Für den Ar766 Stoffels, NZA 2017, 1217, 1224; vgl. auch Schaub ArbR-HdB/Vogelsang, § 63 Rn. 9. 767 Vgl. zu diesem Aspekt ErfK/Preis, § 611a BGB Rn. 54; Kittner/Zwanziger/Deinert/Heuschmid/Deinert, § 3 Rn. 57; HK-ArbR/Boemke, § 611, 611a BGB Rn. 81; s. zu den wirtschaftlichen Betriebs- und Unternehmensrisiken auch Forker, in: FS Rieger, S. 237 ff. 768 Vgl. zur Fremdnützigkeit der Arbeitsleistung DLW/Dörner, Kapitel 1 Rn. 48; Kittner/Zwanziger/Deinert/Heuschmid/Deinert, § 3 Rn. 57; HK-ArbR/Boemke, § 611, 611a BGB Rn. 81. 769 Vgl. dazu etwa Schaub ArbR-HdB/Vogelsang, § 63 Rn. 8 f., § 76 Rn. 1; Schaub ArbR-HdB/Linck, § 77 Rn. 1; ErfK/Preis, § 611a BGB Rn. 395; MAH ArbR/Hexel, § 20 Rn. 30 ff., 45; Pelzer, Arbeitsrechtliche Zielvereinbarungen, S. 4 ff.; Heiden, Entgeltrelevante Zielvereinbarungen aus arbeitsrechtlicher Sicht, S. 20 ff.; Lindemann, Flexible Gestaltung von Arbeitsbedingungen, S. 226 ff.

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 311

beitgeber ist es dabei umso vorteilhafter, je weiter sein Bestimmungsrecht ist, da der Arbeitnehmer motiviert wird, er aber seine unternehmerische Entscheidungsfreiheit soweit wie möglich behält. Er kann dann wirtschaftliche Entwicklungen, die Leistung des Arbeitnehmers und alle anderen in Frage kommenden unvorhersehbaren Entwicklungen nach eigener Gewichtung beachten. Sogar eine Festlegung auf null wäre trotz guter Leistung des Arbeitnehmers unter Umständen möglich.770 b) Gegenläufiges Interesse des Arbeitnehmers: persönliche Abhängigkeit vom Arbeitsverhältnis Der Arbeitnehmer hingegen hat ein gegenläufiges Interesse daran, dass das Leistungsbestimmungsrecht möglichst weitgehend konkretisiert wird. Durch die Einräumung des Bestimmungsrechts wird bereits die Entscheidungsmacht über die Höhe einer geldwerten Leistung dem Arbeitgeber übertragen, die andernfalls nach dem Vertragsprinzip von beiden Parteien einverständlich im Vertrag geregelt werden müsste.771 Dann erscheint es aus Sicht des Arbeitnehmers gerechtfertigt, die Entscheidung des Arbeitgebers an Kriterien zu binden, die der Arbeitnehmer durch Verhandlungen und seine Abschlussentscheidung theoretisch beeinflussen konnte, die er durch den Vertragsschluss aber jedenfalls in seinen Willen aufnimmt und gutheißt. Des Weiteren kann er sein Verhalten besser auf die Entscheidung des Arbeitgebers einstellen, wenn die Kriterien im Voraus festgelegt sind.772 Die Höhe der Leistung spielt für den Arbeitnehmer auch eine entscheidende Rolle, da er mit den Zahlungen des Arbeitgebers seinen Lebensunterhalt bestreitet.773 Er hat ein Interesse an einer stabilen Erwerbsaussicht und einer angemessenen finanziellen Belastung.774 Das gilt für Leistungen aus dem Gegenseitig770 S. zur Festlegung auf null im Ausnahmefall BAG v. 19.03.2014 – 10 AZR 622/ 13, NZA 2014, 595; Stoffels, NZA 2017, 1217, 1224; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400, 2402; BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 101; Arnold, ArbRAktuell 2013, 180; Stoffels, RdA 2015, 276, 278 f.; Niklas, ArbRB 2018, 353, 354. 771 S. dazu bereits unter Kapitel 4 A.V. 2. und B. III. 3. a). 772 Dieses Argument ist jedoch vorwiegend der Transparenz zuzuordnen. 773 Vgl. zum Vertrauen auf laufende Vergütung: BAG v. 25.04.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853; BAG v. 30.07.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173; BAG v. 21.01.2009 – 10 AZR 219/08, BAGE 129, 164; BAG v. 14.09.2011 – 10 AZR 526/10, BAGE 139, 156; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013; BAG v. 03.09.2014 – 5 AZR 1020/12, ZBVR online 2015, Nr. 6, 17; Landesarbeitsgericht Köln v. 17.09.2012 – 2 Sa 877/11, zitiert nach juris; zur wirtschaftlichen Abhängigkeit: Schaub ArbR-HdB/Linck, § 1 Rn. 4; vgl. zum Argument des Erhalts der wirtschaftlichen Entscheidungsfreiheit: Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 16; BeckOK-BGB/ H. Schmidt, § 307 Rn. 40; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 127; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 159. 774 Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 51; Kluge, Widerrufsvorbehalte zur Absenkung des Arbeitsentgelts aus „wirtschaftlichen Gründen“ in vorformulierten Arbeitsverträgen, S. 118; s. auch Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 71.

312 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

keitsverhältnis mehr als für Sonderzahlungen. Auch auf den Erhalt Letzterer stellt der Arbeitnehmer sich jedoch ein und wird sie für seine Lebensführung einplanen. Deshalb ist ein gesteigertes Interesse des Arbeitnehmers an einer Einflussmöglichkeit auf die Höhe der Leistung anzuerkennen. Ein direkter Einfluss im Sinne einer Mitbestimmung scheidet bei einem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht bereits nach dessen Natur aus. Ein gewisser Einfluss entsteht aber über die Vertragsabschlussentscheidung des Arbeitnehmers, der umso größer ist, je konkreter der Arbeitgeber in seiner Entscheidung gebunden wird. Vor allem aber hat der Arbeitnehmer ein Interesse daran, dass das Prinzip der Vertragsbindung gewahrt bleibt. Wenn der Arbeitgeber schon einseitig über die Höhe der Leistung entscheiden kann, sollte er wenigstens an bestimmte Kriterien gebunden sein. Je weiter die Entscheidungsfreiheit eingeschränkt wird, umso mehr ist der Arbeitgeber an sein dem Grunde nach gegebenes vertragliches Leistungsversprechen gebunden. Es wäre dem Arbeitnehmer nicht zuzumuten, wenn der Arbeitgeber so stark vom Vertragsprinzip und dem Grundsatz der Vertragsbindung abweichen könnte, dass ein Recht zu einer verhältnismäßig freien Entscheidung verbliebe, die auf ausschließlich einseitig nachträglich festgelegte Kriterien gestützt werden könnte.775 Der Arbeitgeber wäre dann nahezu so frei wie bei Freiwilligkeitsvorbehalten, die nach richtiger Ansicht des BAG unangemessen sind, wenn sie die laufende Vergütung betreffen, weil das Synallagma aufgelöst wird.776 Einen gewissen Vorteil könnte ein freies Bestimmungsrecht andererseits aber doch für den Arbeitnehmer haben. Denn der Arbeitgeber wäre an vereinbarte Kriterien auch dann gebunden, wenn sich dies nachteilig für den Arbeitnehmer auswirkt. Es bliebe dem Arbeitgeber verwehrt, positive Entwicklungen zu berücksichtigen, wenn sie nicht unter die vereinbarten Kriterien fallen. Bei einem freien Bestimmungsrecht bestünde in diesem Fall immerhin die Möglichkeit, dass der Arbeitgeber sie auch zum Vorteil des Arbeitnehmers berücksichtigt. Der Arbeitnehmer erhält schließlich die Chance auf eine höhere Vergütung aufgrund guter eigener Leistung oder in Form einer Beteiligung am Gewinn des Arbeitgebers. Allerdings kann diese Möglichkeit eine unangemessene Benachteiligung wegen eines zu weitreichenden Entscheidungsrechts des Arbeitgebers nicht ausschließen, da die Klausel mit all ihren nicht gänzlich fernliegenden Anwendungs775 Nach Westermann, in: FS Steindorff, S. 817, 823 könnte man bei einseitigen Leistungsbestimmungsrechten sagen, dass sie zu weit vom vorgesehenen gesetzlichen Mechanismus der vertraglichen Einigung abweichen, wenn keine eindeutigen Voraussetzungen geregelt sind. 776 Vgl. BAG v. 25.04.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853; BAG v. 30.07.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173; BAG v. 21.01.2009 – 10 AZR 219/08, BAGE 129, 164; BAG v. 14.09.2011 – 10 AZR 526/10, BAGE 139, 156; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013; BAG v. 03.09.2014 – 5 AZR 1020/12, ZBVR online 2015, Nr. 6, 17; Landesarbeitsgericht Köln v. 17.09.2012 – 2 Sa 877/11, zitiert nach juris.

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 313

möglichkeiten zu untersuchen ist.777 Dazu gehört auch die ohnehin näherliegende Verwendungsmöglichkeit des freien Bestimmungsrechts zum Nachteil des Arbeitnehmers, indem der Arbeitgeber die Kriterien im Rahmen der Billigkeit zu seinen Gunsten wählt. Allein die Möglichkeit, dass die Klausel auch zum Vorteil des Vertragspartners verwendet werden kann, begründet nicht ihre Angemessenheit, solange eine nicht fernliegende Möglichkeit der Verwendung zu dessen Nachteil besteht.778 c) Zwischenergebnis Auf Seiten des Arbeitgebers bestehen Flexibilisierungsbedürfnisse, die für die Wirksamkeit eines möglichst freien Bestimmungsvorbehalts streiten. Der Arbeitgeber hat ein berechtigtes Interesse daran, die Leistung flexibel zu gestalten, um auf unvorhergesehene wirtschaftliche Entwicklungen reagieren zu können.779 Denn ohne vertragliche Flexibilisierungsinstrumente bleibt dem Arbeitgeber zur Senkung versprochener Leistungen nur die Möglichkeit einer (Änderungs-)Kündigung. Da das Arbeitsverhältnis auf Dauer angelegt ist und der Arbeitgeber bei Vertragsschluss die langfristige Entwicklung nicht absehen kann, müssen ihm neben dem ultima-ratio-Mittel der Kündigung andere Mittel zur Anpassung an die Hand gegeben werden. Nicht gerechtfertigt ist es allerdings, dem Arbeitgeber durch einen freien Bestimmungsvorbehalt die Möglichkeit einzuräumen, die versprochene Leistung vorzuenthalten oder niedrig festzusetzen, wenn keine unvorhergesehenen negativen oder sogar nur positive Entwicklungen eintreten.780 In diesen Fällen haben sich die Flexibilisierungsgründe nicht verwirklicht. Darüber hinaus hat der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran, den Arbeitnehmer durch ein flexibles Leistungsversprechen zu besonderer Arbeitsleistung zu motivieren.781 Liegt die Höhe einer Leistung im Ermessen des Arbeitgebers, wird der Arbeitnehmer sich in der Regel anstrengen, um die Entscheidung des Arbeitgebers zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Die Interessen des Arbeitnehmers auf der anderen Seite sprechen dafür, die Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers vertraglich dadurch einzuschränken, dass Entscheidungskriterien in der Klausel angegeben werden, die der Arbeitnehmer durch den Vertragsschluss in seinen Willen aufnimmt und durch die der Arbeit-

777 Vgl. Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 5; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 79; s. dazu auch BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 24; MüKo-BGB/ Wurmnest, § 307 BGB Rn. 39; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 110. 778 Vgl. Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 174 f., nach dem die Ausgestaltung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte die Benachteiligung möglichst gering halten muss. 779 S. zu alledem Kapitel 4 B. VII. 3. a) aa). 780 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 3. a) aa). 781 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 3. a) bb).

314 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

geber inhaltlich gebunden wird.782 Denn der Arbeitnehmer ist von den Zahlungen des Arbeitgebers abhängig. Er hat ein Interesse an einer stabilen Erwerbsaussicht und deshalb auch daran, dass das Prinzip der Vertragsbindung möglichst weitgehend eingehalten bleibt. Dem Arbeitnehmer wird durch einen Bestimmungsvorbehalt außerdem gänzlich die Möglichkeit genommen, durch Vertragsverhandlungen und seine Vertragsabschlussentscheidung auf die Höhe der Leistung Einfluss zu nehmen.783 Eine nicht konkretisierte Klausel wird schließlich nicht dadurch gerechtfertigt, dass sie auch zum Vorteil des Arbeitnehmers gereichen kann, indem die Berücksichtigung positiver Kriterien nicht durch die Konkretisierung der Klausel ausgeschlossen wird. Denn das ändert nichts an der möglichen Verwendung der Klausel zum Nachteil des Arbeitnehmers. Die Gegenüberstellung der widerstreitenden Interessen lässt nicht abschließend erkennen, welcher Position der Vorzug zu gewähren ist. Insofern bedarf es einer weiteren Untersuchung der relevanten rechtlichen Prinzipien und Argumentationen. Gezeigt hat sich hier allerdings bereits, dass es nicht gerechtfertigt sein kann, dem Arbeitgeber die Möglichkeit einer einseitigen Leistungsbestimmung auch für die Fälle einzuräumen, in denen seine Flexibilisierungsinteressen keine Rolle spielen bzw. sie sich nicht verwirklichen.784 In solchen Fällen ist die Benachteiligung des Arbeitnehmers nicht durch berechtigte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt.785 4. Interesse des Arbeitnehmers an Vorhersehbarkeit Als weiteres Argument kann das Interesse des Arbeitnehmers an der Vorhersehbarkeit der Leistungsbestimmung dienen. Es ist für die Lebensplanung des Arbeitnehmers von Bedeutung, einschätzen zu können, in welcher Größenordnung er eine Leistung erwarten kann. Sollen beispielsweise seine Leistung oder sein Verhalten für die Leistungsbestimmung maßgeblich sein, muss er dies auch erkennen können, damit er seine Arbeit bzw. sein Verhalten gegebenenfalls darauf einstellen kann. Das spricht für ein Erfordernis, die Entscheidungskriterien zu konkretisieren. Das Interesse an einer möglichst klaren Regelung zur Steigerung der Vorhersehbarkeit kann in der materiellen Angemessenheitskontrolle aber nur eine ergänzende Rolle spielen.786 Es kann nicht für sich allein die materielle Unangemessenheit begründen. Denn die Frage nach der Klarheit einer Regelung und einer daraus resultierenden spezifischen Benachteiligung ist Gegen-

782

S. zu alledem Kapitel 4 B. VII. 3. b). Dazu auch schon unter Kapitel 4 B. III. 3. a). 784 S. dazu insbesondere unter Kapitel 4 B. VII. 3. a) aa). 785 S. zu diesem Erfordernis auch schon unter Kapitel 4 B. III. 3. 786 Zur ergänzenden Heranziehung der Unklarheit in der materiellen Angemessenheitskontrolle: Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 174. 783

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 315

stand der Transparenzkontrolle.787 Da die Transparenzkontrolle gesondert durchzuführen ist, muss die Klarheit einer Regelung auch gesondert in dieser überprüft werden und kann nicht zusätzlich als ausschlaggebendes Kriterium für die Prüfung der materiellen Angemessenheit herangezogen werden. Dafür spricht auch, dass das Ergebnis der Transparenzkontrolle den eigenständigen Aussagegehalt besitzt, dass die Klausel dem Vertragspartner Marktchancen nimmt oder die Durchsetzung der Rechte wegen Unklarheit erschwert.788 Dieses Ergebnis unterscheidet sich von der Feststellung der inhaltlichen Unangemessenheit. Ergibt sich die inhaltliche Unangemessenheit allerdings aus einem Konglomerat mehrerer Aspekte und spielt die Unklarheit dabei eine Rolle, kann sie ergänzend zur Begründung der inhaltlichen Unangemessenheit herangezogen werden. So liegt es hier, da nicht die Unklarheit allein die inhaltliche Unangemessenheit begründen soll, sondern sie zu einer anderweitig zu begründenden Benachteiligung beiträgt. 5. Leistungsanreiz ohne Bindung des Arbeitgebers bei nicht konkretisierten Bestimmungsvorbehalten Darüber hinaus ist zu beachten, ob der Arbeitgeber mit der unter Vorbehalt des Bestimmungsrechts versprochenen Leistung einen Leistungsanreiz für den Arbeitnehmer setzt bzw. die verhaltenssteuernde Wirkung eines vertraglichen Versprechens in Anspruch nimmt, ohne entsprechend daran gebunden zu sein. Nach der Rechtsprechung des BAG zu Stichtagsklauseln ist es nicht gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber die verhaltenssteuernde Wirkung eines vertraglichen Versprechens in Anspruch nimmt, andererseits die Entscheidung über den Eintritt der Bedingung vom eigenen Willen abhängig macht und sich „gewissermaßen bis zur letzten Stunde“ vorbehält.789 Auch in einigen Entscheidungen zu den hier zu untersuchenden Bestimmungsvorbehalten spricht das BAG diese Konstellation an, lehnt ihr Vorliegen jedoch ab und hält die jeweiligen Klauseln für angemessen.790 Dieses Ergebnis stützt es in einer Entscheidung auf den fehlenden Gegenleistungscharakter der zu bestimmenden Leistung791, in den anderen Entscheidungen darauf, dass der Arbeitgeber bei der Ausübung an Vorgaben gebunden war. Nach der hier vertretenen Ansicht haben zwar ohnehin fast alle Geldleistungen des Arbeitgebers Gegenleistungscharakter. Aber selbst Sonderzahlungen 787

S. dazu Kapitel 3 A. II.; Kapitel 5 A. II. S. dazu auch Kapitel 3 B. II. 789 BAG v. 18.01.2012 – 10 AZR 612/10, BAGE 140, 231 Rn. 26; s. dazu Kapitel 2 D. I. 3. 790 Vgl. BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 30; so auch Salamon, NZA 2014, 465, 468; auch Boensch, Arbeitsvertragliche Entgeltflexibilisierung und aufsichtsrechtliche Institutsvorgaben, S. 169 hält die Rechtsprechung zu Stichtagsklauseln nicht für übertragbar. 791 BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 30. 788

316 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

dürften regelmäßig dazu geeignet sein, den Arbeitnehmer zu besonderer Leistung zu motivieren. Andernfalls stellt sich die Frage, wieso sie überhaupt vertraglich versprochen werden sollten. Der Leistungsanreiz wird bei ihnen allerdings oftmals weniger gewichtig sein als bei Leistungen aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis, da der Arbeitnehmer von nicht synallagmatischen Sonderzahlungen nicht gleichermaßen abhängig ist. Stellt der Arbeitgeber eine Leistung unter den Vorbehalt der späteren Bestimmung ihrer Höhe, wird der Arbeitnehmer sich Gedanken darüber machen, wonach der Arbeitgeber diese bestimmen wird. Sind die Kriterien nicht in der Klausel bestimmt, kann der Arbeitgeber sie im Rahmen der Billigkeit frei wählen. Der Arbeitnehmer muss dann annehmen, dass auch seine Leistung eine Rolle spielt, und wird sich in der Regel besonders anstrengen, um auf der sicheren Seite zu sein und sich die Chance auf die Zahlung der Leistung in möglichst hohem Umfang zu erhalten.792 Er steht nämlich vor einer schwierigen Wahl.793 Strengt er sich nicht besonders an, hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, im Nachhinein die Leistung des Arbeitnehmers zu berücksichtigen und die Zahlung trotz möglicherweise guter wirtschaftlicher Entwicklung niedrig festzusetzen. Strengt er sich hingegen in besonderem Maße an, kann der Arbeitgeber dennoch die Leistung nach anderen Kriterien, wie der wirtschaftlichen Lage oder einer strategischen Neuausrichtung des Unternehmens, niedrig festsetzen. Der Arbeitnehmer muss deshalb davon ausgehen, dass seine Leistung zählt, um sich jedenfalls die Chance auf eine hohe Zahlung zu erhalten, während der Arbeitgeber an sein Versprechen der Zahlung nur lose gebunden ist. Die Zahlung des Arbeitgebers hat also – bei nicht synallagmatischen Sonderzahlungen meist in abgeschwächter Form – verhaltenssteuernde Wirkung in Form eines Leistungsanreizes. Die tatsächliche Auszahlung hängt hingegen maßgeblich vom Willen des Arbeitgebers ab, der bis zum Ende des Turnus frei ist, die Kriterien festzulegen, und sich damit die Entscheidung vorbehält, ob er überhaupt leistet oder wie hoch die Leistung ausfällt. Sind jedoch Kriterien im Voraus vereinbart, erhöht sich die Bindung des Arbeitgebers an sein Versprechen und die Entscheidung hängt nicht mehr so stark von seinem Willen ab.794 Außerdem fällt der den Arbeitnehmer motivierende primäre Leistungsanreiz, eine höhere Zahlung erreichen zu können, gegebenenfalls weg, wenn die Leistung des Arbeitnehmers kein Kriterium darstellt. Dann besteht die Problematik des Leistungsanreizes ohne entsprechende Bindung des Arbeit792 Salamon, NZA 2014, 465, 468 hält dagegen das Vertrauen nicht für schutzwürdig, welches aus Spekulationen über die Kriterien entstanden ist. 793 Vgl. LAG Köln v. 17.09.2012 – 2 Sa 877/11, zitiert nach juris. 794 Vgl. Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400, 2402; BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 101, nach denen die Leistung des Arbeitnehmers bereits dann regelmäßig einen Anspruch begründet, wenn sie als eins von mehreren Kriterien vereinbart ist.

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 317

gebers nicht in gleichem Maße wie bei Bestimmungsvorbehalten ohne Konkretisierung. 6. Zwischenergebnis Deutlich für ein Erfordernis, die Ausübung eines Bestimmungsvorbehalts im Voraus an bestimmte Kriterien zu binden, spricht der dargelegte Gedanke aus der Rechtsprechung des BAG zu Stichtagsklauseln, dass es unzulässig ist, wenn der Arbeitgeber die verhaltenssteuernde Wirkung eines vertraglichen Versprechens in Anspruch nimmt, andererseits die Entscheidung über ihre Auszahlung vom eigenen Willen abhängig macht.795 Denn der Arbeitgeber nimmt auch bei Verwendung eines Bestimmungsvorbehalts den Leistungsanreiz des Zahlungsversprechens in Anspruch, ist ohne Konkretisierung der Entscheidungskriterien jedoch nicht ausreichend daran gebunden.796 Ohne eine Konkretisierung hängt die tatsächliche Auszahlung nämlich maßgeblich von seinem Willen ab, da er bis zum Ende des Turnus frei ist, die Kriterien nach seinen Vorstellungen festzulegen. So behält er sich die Entscheidung vor, ob er überhaupt leistet oder wie hoch die Leistung ausfällt. Der Arbeitnehmer hingegen wird sich besonders anstrengen, um jedenfalls die Chance auf eine hohe Zahlung aufrechtzuerhalten. Eine solche Konstellation begegnet durchgreifenden Bedenken. Neben dem bereits dargestellten generellen Interesse des Arbeitnehmers797 daran, dass der Arbeitgeber ausreichend an sein vertragliches Versprechen gebunden wird, und dem Interesse an einer stabilen Erwerbsaussicht streitet also auch das Vorliegen eines Leistungsanreizes ohne entsprechende Bindung des Arbeitgebers erheblich für eine Pflicht der Konkretisierung von Entscheidungskriterien in Bestimmungsvorbehalten. Nachfolgend ist zu überprüfen, ob andere Gesichtspunkte an dieser Annahme etwas zu ändern vermögen oder sie gar weiter untermauern. 7. AGB-spezifische Abwägungsgesichtspunkte In der Interessenabwägung ist auf einige Argumente bzw. Wertungen einzugehen, die einen spezifischen Bezug zum AGB-Recht haben. Es handelt sich dabei um Argumente, die typischerweise in der AGB-Kontrolle herangezogen werden, und um Wertungen, die einen besonderen Bezug zu den Regelungen des AGBRechts haben. Namentlich sind dies: das Kriterium der Risikoverteilung, das regelmäßig bei der AGB-Kontrolle von Freizeichnungsklauseln, aber auch von anderen Klauseln herangezogen wird798; die für AGB kennzeichnende Situa795

S. zu dieser Rechtsprechung unter Kapitel 2 D. I. 3. Dazu soeben unter Kapitel 4 B. VII. 5. 797 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 3. b). 798 Vgl. dazu Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 13; BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 38; MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 35, 50 Ulmer/Brandner/Hensen/ Fuchs/Bieder, Anh. § 310 BGB AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht Rn. 41; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 156 ff.; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 490. 796

318 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

tion, dass der Verwender die Vertragsgestaltungsfreiheit einseitig in Anspruch nimmt799; die Möglichkeit einer anderweitigen Klauselgestaltung in AGB; die Üblichkeit bestimmter AGB-Klauseln und zuletzt die Bedeutung der Billigkeitskontrolle für die AGB-Prüfung und das Verhältnis der beiden Kontrollinstrumente zueinander. a) Beherrschbarkeit des mit Bestimmungsvorbehalten geregelten Risikos Eine tragende Rolle für die materielle Angemessenheit spielt die Frage, wer das mit der Klausel geregelte Risiko besser beherrschen kann und wem es obliegt.800 Der Arbeitnehmer hat keinen nennenswerten Einfluss auf die Ausrichtung des Betriebs, in dem er beschäftigt ist, oder auf die inhaltliche Gestaltung des Arbeitsverhältnisses während seiner Laufzeit.801 Das Risiko unvorhersehbarer Entwicklungen in Form des Betriebs- und des Wirtschaftsrisikos ist deshalb gem. § 615 S. 1, 3 BGB von vornherein dem Arbeitgeber zugewiesen.802 Mit einem entgeltrelevanten Bestimmungsvorbehalt wird insbesondere das Wirtschaftsrisiko teilweise dem Arbeitnehmer auferlegt.803 Denn durch das Bestimmungsrecht kann der Arbeitgeber die Folgen negativer Entwicklungen vor allem wirtschaftlicher Art zu Teilen auf den Arbeitnehmer abwälzen. Gibt es beispielsweise Umsatzeinbußen, kann der Arbeitgeber die versprochene Leistung besonders niedrig oder sogar auf null festsetzen. Ohne Leistungsbestimmungsrecht müsste die jeweilige Leistung vollständig gezahlt werden, die wirtschaftlichen Folgen müsste 799 Zur einseitigen Inanspruchnahme der Vertragsgestaltungsmacht s. BeckOK-BGB/ H. Schmidt, § 307 Rn. 1; s. auch NK-BGB/Kollmann, Vorbemerkungen zu §§ 305 ff. BGB Rn. 3 ff.; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 42; Kreienbaum, Transparenz und AGBGesetz, S. 214; MüKo-BGB/Basedow, Vorbemerkung §§ 305 ff. BGB, Rn. 4 ff., der den Schutzgrund der Inhaltskontrolle partielles Marktversagen nennt. 800 S. zum Argument der Risikobeherrschung, das vor allem bei Freizeichnungsklauseln herangezogen wird: Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 13; BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 38; MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 35, 50; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs/Bieder, Anh. § 310 BGB AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht Rn. 41; Ulmer/ Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 156 ff.; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 490; vgl. auch die Anwendung des Sphärengedankens außerhalb von Freizeichnungsklauseln: BAG v. 12.12.2013 – 8 AZR 829/12, NZA 2014, 905; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 160 a; Kluge, Widerrufsvorbehalte zur Absenkung des Arbeitsentgelts aus „wirtschaftlichen Gründen“ in vorformulierten Arbeitsverträgen, S. 144 ff. 801 Vgl. Kluge, Widerrufsvorbehalte zur Absenkung des Arbeitsentgelts aus „wirtschaftlichen Gründen“ in vorformulierten Arbeitsverträgen, S. 146 f. 802 Vgl. ErfK/Preis, § 615 BGB Rn. 120 f.; HK-ArbR/Boemke, § 615 BGB Rn. 32 f. m.w. N.; MüKo-BGB/Henssler, § 615 BGB Rn. 89 ff.; Lindemann, Flexible Gestaltung von Arbeitsbedingungen, S. 188 ff.; s. dazu auch BeckOK-ArbR/Joussen, § 615 BGB Rn. 89 ff.; NK-ArbR/Boemke, § 615 BGB Rn. 141 f. 803 Für Widerrufsvorbehalte a. A.: Kluge, Widerrufsvorbehalte zur Absenkung des Arbeitsentgelts aus „wirtschaftlichen Gründen“ in vorformulierten Arbeitsverträgen, S. 144 ff., der im dortigen Zusammenhang von einer Verlagerung des „allgemeinen Vermögensrisikos“ spricht.

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 319

also gemäß der in § 615 S. 1 BGB angelegten Risikoverteilung allein der Arbeitgeber tragen. Der Arbeitgeber kann dieses Risiko auch besser beherrschen.804 Er hat den alleinigen Einfluss darauf, wie das Unternehmen ausgerichtet wird, ob ausreichend Rücklagen für wirtschaftliche Engpässe gebildet werden usw. Daneben kann auch nur er das jeweilige Arbeitsverhältnis durch Ausübung seines Direktionsrechts und ihm wirksam eingeräumter Flexibilisierungsinstrumente auf solche Entwicklungen ausrichten. Die Verlagerung des Wirtschaftsrisikos auf den Arbeitnehmer ist für diesen auch erheblich, da er darüber indirekt an den Verlusten des Unternehmens beteiligt wird. Bei der Beurteilung einer solchen Risikoverlagerung müssen die Interessen des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigt werden. Wird der Arbeitnehmer mittelbar an Verlusten beteiligt, auch wenn er seiner Arbeitspflicht nachkommt, muss er ebenso an den Gewinnen beteiligt werden. Das spricht dafür, dass die Entscheidungskriterien in der Klausel im Voraus festgelegt sein müssen. Andernfalls kann der Arbeitgeber sich entscheiden, in schlechten Geschäftsjahren aus wirtschaftlichen Gründen die Leistung besonders niedrig festzulegen, in guten Geschäftsjahren aber an andere Faktoren anzuknüpfen und auch danach die Leistung niedrig festzulegen. Das würde den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen, da ihm das Wirtschaftsrisiko teilweise auferlegt würde, obwohl es vom Arbeitgeber zu tragen und besser zu beherrschen ist, ohne dass der Arbeitnehmer einen Ausgleich erhielte. Die hier relevanten Leistungsbestimmungsrechte räumen dem Arbeitgeber auch eine Möglichkeit ein, das Betriebsrisiko teilweise dem Arbeitnehmer aufzuerlegen, das gem. § 615 S. 3 BGB dem Arbeitgeber obliegen soll. Die regelmäßige Vergütung muss zwar weiterhin gezahlt werden. Die unter Vorbehalt der Bestimmung versprochene Leistung kann aber auch bei Verwirklichung des Betriebsrisikos durch beiderseits unverschuldeten Arbeitsausfall bis auf null festgelegt werden. Eine solche niedrige Festsetzung würde jedoch nur dann billigem Ermessen entsprechen, wenn die Störung für den gesamten Zahlungsturnus erheblich war, was eher selten vorkommen dürfte. Die Verlagerung des Betriebsrisikos ist deshalb nicht allzu gewichtig. b) Einseitige Inanspruchnahme der Vertragsgestaltungsmacht und strukturelle Unterlegenheit des Arbeitnehmers In der Abwägung ist auch der Grund der AGB-Prüfung zu bedenken, dass nämlich der Verwender die Vertragsgestaltungsmacht einseitig in Anspruch nimmt 804 So auch Kluge, Widerrufsvorbehalte zur Absenkung des Arbeitsentgelts aus „wirtschaftlichen Gründen“ in vorformulierten Arbeitsverträgen, S. 146; s. zum Argument besserer Versicherbarkeit und Beherrschbarkeit eines Risikos: MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 35, 47; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 156; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 491, 542; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 167.

320 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

und der Vertragspartner deshalb vor unangemessener Benachteiligung zu schützen ist.805 Der Arbeitnehmer hat aufgrund seiner strukturell bedingten Unterlegenheit kaum eine andere Wahl, als dieser Übertragung der Vertragsgestaltungsmacht zuzustimmen. Das BAG ist im Rahmen der Prüfung eines Freiwilligkeitsvorbehalts folgerichtig der Meinung, der Arbeitgeber nutze mit der Einräumung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts über das Entgelt diese Unterlegenheit des Arbeitnehmers aus.806 Ein nicht weiter konkretisierter Bestimmungsvorbehalt kommt einem Freiwilligkeitsvorbehalt inhaltlich recht nahe. Auch in diesem Fall wäre es unbillig, wenn der Arbeitgeber die einseitige Vertragsgestaltungsmacht dazu nutzen würde, sich ein weitreichendes Recht einzuräumen, das er nach seinem Belieben ausüben kann. Ein freies Bestimmungsrecht ist insofern bedenklich. c) Zur Möglichkeit der alternativen Gestaltung durch Freiwilligkeitsvorbehalt als Rechtfertigungsargument Zur Rechtfertigung solcher nicht konkretisierter Bestimmungsvorbehalte führt das BAG – allerdings im Rahmen der Transparenzkontrolle807 – unter anderem an, dass der Arbeitgeber den Anspruch durch einen Freiwilligkeitsvorbehalt auch gänzlich hätte ausschließen können.808 Dieses Argument kann konsequenterweise ohnehin nur bei Leistungen außerhalb des laufenden Entgelts gelten, da Freiwilligkeitsvorbehalte bei diesen nach Meinung des BAG nicht zulässig sein sollen.809 Aber auch bei Leistungen außerhalb der laufenden Vergütung kann damit die Angemessenheit eines nahezu freien Bestimmungsrechts nicht begründet werden. Denn die Angemessenheit kann sich kaum nach der hypothetischen Möglichkeit richten, wie der Arbeitgeber die Zahlung anders hätte gestalten können.810 Bei den gegenständlichen Bestimmungsvorbehalten entscheidet der Arbeitgeber sich gerade, anders als bei Freiwilligkeitsvorbehalten einen Anspruch dem Grunde nach einzuräumen.811 Mit diesem Zahlungsversprechen setzt er einen 805 Zur einseitigen Inanspruchnahme der Vertragsgestaltungsmacht s. BeckOK-BGB/ H. Schmidt, § 307 Rn. 1; s. auch NK-BGB/Kollmann, Vorbemerkungen zu §§ 305 ff. BGB Rn. 3 ff.; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 42; Kreienbaum, Transparenz und AGBGesetz, S. 214; MüKo-BGB/Basedow, Vorbemerkung §§ 305 ff. BGB, Rn. 4 ff., der den Schutzgrund der Inhaltskontrolle partielles Marktversagen nennt. 806 BAG v. 25.04.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853. 807 Zur Relevanz dieses Arguments in der Transparenzkontrolle s. Kapitel 5 B. III. 7. 808 BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 21 ff. 809 S. etwa BAG v. 25.04.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853; BAG v. 21.01.2009 – 10 AZR 219/08, BAGE 129, 164; BAG v. 14.09.2011 – 10 AZR 526/10, BAGE 139, 156; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013; BAG v. 03.09.2014 – 5 AZR 1020/12, ZBVR online 2015, Nr. 6, 17. 810 So im Rahmen der Transparenz Salamon/Wessels, BB 2017, 885, 886; Salamon, NZA 2014, 465, 467. 811 Aus diesem Grund lehnen Salamon/Wessels, BB 2017, 885, 886 und Salamon, NZA 2014, 465, 467 die Parallele zum Freiwilligkeitsvorbehalt ab.

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 321

größeren Anreiz für den Arbeitnehmer, den Vertrag überhaupt abzuschließen und sich während der Laufzeit besonders anzustrengen.812 Daher kann die Ausgestaltung des Anspruchs nicht davon abhängen, dass die Möglichkeit bestanden hätte, diesen gar nicht einzuräumen, da dann von Anfang an eine ganz andere Situation vorgelegen hätte. Außerdem ist es dem Arbeitgeber genau genommen bei jeder Zahlung, zu der er nicht bereits durch Gesetz oder Tarifvertrag verpflichtet ist, möglich, den Anspruch nicht einzuräumen. Auch eine Leistung unter Widerrufsvorbehalt, die nicht zum laufenden Entgelt gehört, hätte der Arbeitgeber stattdessen unter Freiwilligkeitsvorbehalt stellen können.813 Daraus schließt das BAG jedoch nicht, dass bei Widerrufsvorbehalten in Bezug auf solche Leistungen keine Konkretisierung nötig wäre.814 Aus diesen Gründen hat die Möglichkeit, eine Leistung unter Freiwilligkeitsvorbehalt zu stellen, keinen Einfluss auf die Angemessenheit eines arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalts. Der gegenteiligen Auffassung des BAG ist zu widersprechen. Das Ergebnis des BAG, nicht konkretisierte Bestimmungsvorbehalte für wirksam zu erachten, ist zwar stringent. Denn das BAG geht davon aus, der Arbeitgeber hätte genauso gut einen Freiwilligkeitsvorbehalt verwenden können815, bei dem das Gericht eine Konkretisierung nicht für nötig hält816. Die Argumentation ist aber abzulehnen. Da diese Argumentation einen Eckpfeiler der BAG-Rechtsprechung darstellt, wird dem Ergebnis des BAG somit eine gewichtige Grundlage entzogen. So verhärten sich die Zweifel, ob der Meinung des BAG gefolgt werden kann. Näher liegt es, abweichend vom BAG bei Bestimmungsvorbehalten eine tatbestandliche Konkretisierung insbesondere der Entscheidungskriterien zu fordern. Gleichzeitig zeigt sich, dass Bestimmungsvorbehalte nicht genauso zu behandeln sind wie Freiwilligkeitsvorbehalte817, was das BAG mit seiner Argumentation jedoch andeutet. Aus dem Umstand, dass Freiwilligkeitsvorbehalte keiner

812 S. dazu Singer, RdA 2006, 362, 366; zum Leistungsanreiz vgl. auch Stoffels, NZA 2017, 1217, 1224; LAG Köln v. 17.09.2012 – 2 Sa 877/11, zitiert nach juris; den Leistungsanreiz bei Sonderzahlungen lehnt ab BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 30; zum Anreiz der versprochenen Leistung ausführlicher unter Kapitel 4 B. IV. 6. b) bb) und B. VII. 5. 813 S. zur Wirksamkeit von Freiwilligkeitsvorbehalten BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, BAGE 124, 259; BAG v. 21.01.2009 – 10 AZR 219/08, BAGE 129, 164; BAG v. 18.03.2009 – 10 AZR 289/08, NZA 2009, 535 m.w. N.; dazu auch Kapitel 2 D. I. 814 Zum Erfordernis der Konkretisierung in Form von Widerrufsgründen s. etwa BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 46; BAG v. 19.12.2006 – 9 AZR 294/ 06, DB 2007, 1253; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 194, BAG v. 21.03.2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 616; s. dazu auch Stoffels, NZA 2017, 1217, 1218 f.; Graf v. Westphalen/Thüsing/Thüsing, Arbeitsverträge Rn. 276. 815 BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 21 ff. 816 S. etwa BAG v. 10.12.2008 – 10 AZR 1/08, DB 2009, 684. 817 Dazu auch sogleich unter Kapitel 4 B. VII. 9. d) und unter Kapitel 1 B. III.

322 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

Konkretisierung bedürfen, lässt sich also nicht schließen, dass auch Bestimmungsvorbehalte nicht konkretisiert werden müssen. Denn zwischen den beiden Klauseltypen besteht der bedeutsame Unterschied, dass bei Bestimmungsvorbehalten ein Anspruch eingeräumt wurde, während Freiwilligkeitsvorbehalte einen Anspruch ausschließen sollen. d) Zwischenergebnis: unangemessene Benachteiligung ohne Konkretisierung der Entscheidungskriterien wegen Verlagerung des Wirtschaftsrisikos Für eine Pflicht zur Konkretisierung der bestimmenden Entscheidungskriterien spricht ausdrücklich, dass Bestimmungsvorbehalte das Wirtschaftsrisiko des Arbeitgebers betreffen und dieses teilweise dem Arbeitnehmer auferlegen.818 Durch die Möglichkeit der einseitigen Leistungsfestlegung kann der Arbeitnehmer mittelbar an Verlusten des Arbeitgebers beteiligt werden. Das kann nur zulässig sein, wenn er ebenso an den Gewinnen beteiligt werden muss. Ohne Bindung der Entscheidung an bestimmte Kriterien ist dies nicht der Fall. Der Arbeitgeber kann die Leistung bei schlechten wirtschaftlichen Entwicklungen besonders niedrig festlegen, in guten Geschäftsjahren hingegen an andere Faktoren anknüpfen und auch danach die Leistung niedrig festlegen. Dadurch wird der Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt. Das Argument des BAG819, der Arbeitgeber hätte ebenso einen Freiwilligkeitsvorbehalt wählen können, bei dem keinerlei Konkretisierung nötig gewesen wäre und der den Zahlungsanspruch des Arbeitnehmers sogar gänzlich ausgeschlossen hätte, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern.820 Denn bei Verwendung eines Freiwilligkeitsvorbehalts liegt gerade kein Leistungsanspruch vor. Diese Situation unterscheidet sich erheblich von der hier relevanten Konstellation eines Bestimmungsvorbehalts, bei dem ein Anspruch eingeräumt wird.821 Somit ist einem tragenden Argument des BAG zu widersprechen, mit dem es die Wirksamkeit eines nicht konkretisierten Bestimmungsvorbehalts unter anderem begründet. Aus dem Gesagten ergibt sich – insbesondere in der Zusammenschau mit der vorangegangenen Untersuchung822 –, dass Bestimmungsvorbehalte unangemessen benachteiligend i. S. d. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB sind, wenn ihre Ausübung nicht an bestimmte Entscheidungskriterien gebunden ist. Nachfolgend bleibt zu erörtern, ob die Üblichkeit offener Flexibilisierungsklauseln oder die Möglich818

S. dazu unter Kapitel 4 B. VII. 7. a). BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 21 ff.; s. dazu auch unter Kapitel 2 B. II. 2. a). 820 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 7. c). 821 S. dazu auch schon unter Kapitel 1 B. IV. 822 Zu den weiteren Argumenten und Gründen für eine unangemessene Benachteiligung s. insbesondere Kapitel 4 B. VII. 3. b) und B. VII. 5. 819

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 323

keit einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle, die das BAG und Teile der Literatur als Rechtfertigung für nicht konkretisierte Bestimmungsvorbehalte anführen823, diese Unangemessenheit ausschließen können. e) Zur Üblichkeit von Flexibilisierungsklauseln als Angemessenheitskriterium Denkbar wäre es, die Angemessenheit eines inhaltlich nicht konkretisierten Bestimmungsvorbehalts aus der Üblichkeit von recht offenen Flexibilisierungsklauseln – wie etwa Widerrufsvorbehalten, Leistungsbestimmungsrechten bezogen auf die Arbeitszeit oder auch Freiwilligkeitsvorbehalten – zu schließen. Richtigerweise kann die Üblichkeit einer Klauselart oder -ausgestaltung jedoch keinen Einfluss auf die Angemessenheit haben.824 Die Angemessenheit ist im Rahmen einer Interessenabwägung zu treffen und nicht mit Blick auf die Gestaltungspraxis. Diese kann zwar Ausdruck dafür sein, wie die Interessen gelagert sind. Könnte die Üblichkeit aber zur Begründung der Angemessenheit herangezogen werden, so würde es den Verwendern ermöglicht, den Angemessenheitsmaßstab durch konsequente Verwendung von für den Vertragspartner ungünstigen Klauseln zu ihren Gunsten zu verschieben.825 Sowohl die Üblichkeit der beispielhaft genannten Flexibilisierungsklauseln als auch deren teilweise geringe tatbestandliche Begrenzung vermögen allenfalls, das Flexibilisierungsinteresse des Arbeitgebers aufzuzeigen. Rechtfertigen können sie einen nicht konkretisierten Bestimmungsvorbehalt aber nicht. f) Ausreichender Schutz durch Möglichkeit einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle bei Bestimmungsvorbehalten? In der Literatur und der Rechtsprechung wird zur Rechtfertigung weit gefasster Bestimmungsvorbehalte häufig auf die Möglichkeit des Arbeitnehmers ver823 BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970; so bspw. auch BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148 Rn. 42; BAG v. 26.09.2012 – 10 AZR 370/11, zitiert nach juris; BAG v. 17.10.2012 – 10 AZR 620/11, zitiert nach juris; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 29; Salamon, NZA 2014, 465, 466; Salamon/Wessels, BB 2017, 885, 886; Reinfelder, NZA-Beil. 2014, 10, 15; vgl. auch Wensing/Boensch, BB 2014, 2358; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400; Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65; Kössel, DB 2016, 2963; BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 101; a. A. Stoffels, RdA 2015, 276; zurückhaltender Stoffels, NZA 2017, 1217, 1224; s. dazu bereits Kapitel 2 B. II. 2. und E. 824 Vgl. BGH v. 18.01.2017 – VIII ZR 263/15, DB 2017, 655 Rn. 32; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 14; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 141; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 210; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 153; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 75. 825 BGH v. 18.01.2017 – VIII ZR 263/15, DB 2017, 655 Rn. 32; Stoffels, AGBRecht, Rn. 541.

324 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

wiesen, gem. § 315 Abs. 3 BGB die Entscheidung des Arbeitgebers auf ihre Billigkeit überprüfen zu lassen.826 Das könnte man als Kompensation einer unangemessenen Benachteiligung sehen oder schlicht als Teil der Angemessenheitsprüfung.827 Unabhängig von dieser Frage sind dem jedoch folgende Überlegungen entgegenzuhalten: Bereits faktisch bietet die Möglichkeit, eine Entscheidung des Arbeitgebers gerichtlich auf ihre Billigkeit überprüfen zu lassen, keinen ausreichenden Schutz des Arbeitnehmers vor einer unangemessenen Benachteiligung. Denn die Klage eines Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber im laufenden Arbeitsverhältnis stellt erfahrungsgemäß eine Seltenheit dar, zumal der Arbeitnehmer sich in der schwächeren Position befindet.828 Der Arbeitgeber ist in der Regel nicht auf die Arbeit eines bestimmten Arbeitnehmers angewiesen, auch wenn ihm am Arbeitsverhältnis gelegen sein mag. Im Normalfall wird er zeitnah einen adäquaten Ersatz für Arbeitnehmer finden, deren Arbeitsverhältnis beendet wird. Der Arbeitnehmer hingegen bestreitet mit dem Lohn aus dem Arbeitsverhältnis seinen Lebensunterhalt und ist von seinem Arbeitsplatz abhängig.829 Deshalb wird er eine gerichtliche Auseinandersetzung scheuen, um das Verhältnis zum Arbeitgeber, auf dessen Wohlwollen er auch bei der Leistungsbestimmung angewiesen ist, nicht zu belasten.830 Selbst wenn er der Meinung ist, eine Leistungsfestlegung des Arbeitgebers sei unbillig, wird er dagegen in der Regel nicht gerichtlich vorgehen. Fer-

826 BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970; so bspw. auch BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148 Rn. 42; BAG v. 26.09.2012 – 10 AZR 370/11, zitiert nach juris; BAG v. 17.10.2012 – 10 AZR 620/11, zitiert nach juris; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 29; Salamon, NZA 2014, 465, 466; Salamon/Wessels, BB 2017, 885, 886; Reinfelder, NZA-Beil. 2014, 10, 15; vgl. auch Wensing/Boensch, BB 2014, 2358; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400; Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65; Kössel, DB 2016, 2963; BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 101; a. A. Stoffels, RdA 2015, 276; zurückhaltender Stoffels, NZA 2017, 1217, 1224; s. dazu bereits Kapitel 2 B. II. 2. und E. 827 S. zur Kompensation im Übrigen Kapitel 4 B. VIII. 828 Vgl. dazu Boensch, Arbeitsvertragliche Entgeltflexibilisierung und aufsichtsrechtliche Institutsvorgaben, S. 177. 829 Vgl. APS/Preis, Grundlagen B. Rn. 3, 16 m.w. N.; APS/Künzl, § 2 KSchG Rn. 3; NK-ArbR/Greiner, § 1 KSchG Rn. 16 ff.; Schaub ArbR-HdB/Linck, § 1 Rn. 4; MünchHdb ArbR/Richardi, § 3 Rn. 34 f.; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 187; Stoffels, RdA 2015, 276, 278; Henssler, SAE 1988, 164, 165; zum Vertrauen auf die laufende Vergütung: BAG v. 25.04.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853; BAG v. 30.07.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173; BAG v. 21.01.2009 – 10 AZR 219/08, BAGE 129, 164; BAG v. 14.09.2011 – 10 AZR 526/10, BAGE 139, 156; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013; BAG v. 03.09.2014 – 5 AZR 1020/12, ZBVR online 2015, Nr. 6, 17; Landesarbeitsgericht Köln v. 17.09.2012 – 2 Sa 877/11, zitiert nach juris; zur wirtschaftlichen Abhängigkeit: Schaub ArbR-HdB/Linck, § 1 Rn. 4. 830 Vgl. Stoffels, RdA 2015, 276, 278; Boensch, Arbeitsvertragliche Entgeltflexibilisierung und aufsichtsrechtliche Institutsvorgaben, S. 177.

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 325

ner besteht eine nicht unerhebliche Gefahr, dass der Arbeitnehmer eine Leistungsbestimmung akzeptiert, da er davon ausgeht, die Bestimmung halte sich im Rahmen des Bestimmungsrechts nach der nicht weiter konkretisierten Klausel.831 Überdies kann das Recht zur gerichtlichen Überprüfung aus systematischen Gründen nicht vor einer unangemessenen Benachteiligung im Sinne des AGBRechts schützen, wie auch der BGH in seiner Rechtsprechung zu Leistungsbestimmungsrechten klarstellt832. Ansonsten würde nämlich der Schutz des Vertragspartners zu sehr auf die Ebene der Billigkeitskontrolle verlagert, die an die individuellen Verhältnisse anknüpft, was dem abstrakt-generellen Prüfungscharakter der AGB-Kontrolle widerspräche.833 Ohnehin ist die AGB-Kontrolle der Billigkeitskontrolle vorrangig.834 Denn die Anwendbarkeit des § 315 Abs. 3 BGB setzt die wirksame Einräumung eines Leistungsbestimmungsrechts voraus835, die in der Angemessenheitskontrolle aber gerade überprüft wird.836 Des Weiteren verweist der BGH zu Recht darauf, dass die AGB-Kontrolle den Vertragspartner vor unangemessen benachteiligender Vertragsgestaltung schützen soll und zwar im Vorfeld gerichtlicher Auseinandersetzungen, da der Vertragspartner sich leicht durch den Hinweis auf eine eigentlich unwirksame Klausel von der Durchsetzung seiner Rechte abhalten lässt.837 Eine nachträgliche Billigkeitskontrolle kann den Schutz des AGB-Rechts vor unangemessener Benachteiligung also nicht ersetzen. Bei zu geringer Konkretisierung besteht darüber hinaus die Gefahr, dass das Recht zur gerichtlichen Überprüfung ins Leere läuft. Denn dem Arbeitnehmer ist es dann nicht möglich, seine Erfolgschancen einzu-

831

Vgl. BGH v. 11.06.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518. BGH v. 11.06.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518; BGH v. 07.10.1981 – VIII ZR 229/80, NJW 1982, 331. 833 Vgl. Preis/Preis, II S 40 Rn. 19e; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 41 f.; zum abstrakt-generellen Charakter Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 5; Wolf/ Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 79; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs/Bieder, Anh. § 310 BGB AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht Rn. 41; Ulmer/Brandner/Hensen/ Fuchs, § 307 BGB Rn. 110; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 45; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 460; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 109 f.; Henssler/Moll, AGB-Kontrolle vorformulierter Arbeitsbedingungen, S. 13. 834 S. auch Heinrichs, in: FS Trinkner, S. 157, 163, der feststellt, dass die AGB-Kontrolle der Billigkeitskontrolle vorgelagert ist. 835 S. dazu auch Preis/Roloff, ZfA 2007, 43, 85. 836 Vgl. BGH v. 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, BGHZ 89, 206; s. auch BGH v. 18.05.1983 – VIII ZR 20/82, NJW 1983, 1603; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 41 f.; Däubler/Bonin/Deinert/Deinert, § 307 BGB Rn. 44; Clemenz/Kreft/ Krause/Krause, vor § 307 BGB Rn. 20; Jesgarzewski, Die Grenzen formularmäßiger Vereinbarung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte, S. 27, 35; vgl. auch Staudinger/ Rieble, § 315 BGB Rn. 254 ff., der feststellt, dass § 315 BGB keine Rolle für die Kontrolle der Einräumung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts spielt. 837 So BGH v. 11.06.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518; BGH v. 07.10.1981 – VIII ZR 229/80, NJW 1982, 331. 832

326 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

schätzen, weil er nicht erkennen kann, in welchem Umfang der Arbeitgeber zur Festlegung berechtigt war.838 Aus diesen Gründen ist in Übereinstimmung mit dem BGH839 zu konstatieren, dass das Recht einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB nicht vor einer unangemessenen Benachteiligung i. S. d. § 307 ff. BGB schützen kann. Die Billigkeitskontrolle hat keinen Einfluss auf die Angemessenheit der Einräumung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte. Das gilt im Arbeitsverhältnis umso mehr, als der Arbeitnehmer die gerichtliche Kontrollmöglichkeit regelmäßig nicht in Anspruch nehmen wird. Deshalb – sowie aus den eben erörterten systematischen Gründen – stellt die Billigkeitskontrolle keinen adäquaten Ersatz für eine tatbestandliche Beschränkung arbeitgeberseitiger Bestimmungsrechte dar. Die gegenteilige Annahme des BAG aus der Rechtsprechung zu Bestimmungsvorbehalten840 steht im Widerspruch zur Rechtsprechung des BGH und ist abzulehnen. Dieses Ergebnis bedeutet schlussendlich, dass dem entscheidenden Argument des BAG zu widersprechen ist, mit dem es die Wirksamkeit nicht konkretisierter Bestimmungsvorbehalte begründet.841 Neben dem Hinweis darauf, der Arbeitgeber hätte ebenso gut einen Freiwilligkeitsvorbehalt wählen können, dessen Relevanz bereits abgelehnt wurde842, stützt das BAG seine großzügige Beurteilung der Wirksamkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte immer wieder auf den Schutz durch die Kontrollmöglichkeit nach § 315 Abs. 3 BGB843. Mit der Ablehnung auch dieser Begründung ist der Argumentation des BAG nun eine derart gewichtige Grundlage entzogen, dass die großzügige Beurteilung der Wirksamkeit von Bestimmungsvorbehalten ohne Konkretisierung so nicht fortgeführt werden sollte.

838 Vgl. zu diesem Argument, das jedoch vorwiegend der Transparenz zuzuordnen ist: BGH v. 21.04.2009 – XI ZR 55/08, zitiert nach juris. 839 S. BGH v. 11.06.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518; BGH v. 07.10.1981 – VIII ZR 229/80, NJW 1982, 331; BGH v. 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, BGHZ 89, 206; BGH v. 21.04.2009 – XI ZR 55/08, zitiert nach juris; s. dazu Kapitel 2 C., insbesondere C. V. 1. 840 So etwa BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148 Rn. 42; BAG v. 26.09.2012 – 10 AZR 370/11, zitiert nach juris; BAG v. 17.10.2012 – 10 AZR 620/11, zitiert nach juris; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 29; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/ 12, NZA 2013, 970. 841 S. zu dieser Rechtsprechung unter Kapitel 2 B. II. 2. 842 S. Kapitel 4 B. VII. 7. c). 843 BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970; so bspw. auch BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148 Rn. 42; BAG v. 26.09.2012 – 10 AZR 370/11, zitiert nach juris; BAG v. 17.10.2012 – 10 AZR 620/11, zitiert nach juris; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 29.

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 327

g) Fazit Es hat sich gezeigt, dass ein Bestimmungsvorbehalt, dessen Ausübung nicht an bestimmte Entscheidungskriterien gebunden ist, den Arbeitnehmer unter anderem844 deshalb unangemessen benachteiligt, weil das Wirtschaftsrisiko in zu weitgehendem Maße auf den Arbeitnehmer verlagert wird.845 Das Argument des BAG, der Arbeitgeber hätte statt eines Bestimmungsvorbehalts einen Freiwilligkeitsvorbehalt wählen können, bei dem der Arbeitnehmer geringer geschützt sei, vermag daran nichts zu ändern.846 Ebenso wenig Einfluss auf die Beurteilung der Angemessenheit von Bestimmungsvorbehalten hat die Üblichkeit von offenen Flexibilisierungsklauseln in der arbeitsvertraglichen Praxis.847 Letztlich kann auch die Möglichkeit des Arbeitnehmers, die Leistungsbestimmung des Arbeitgebers gerichtlich auf ihre Billigkeit überprüfen zu lassen, eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers durch einen offenen Bestimmungsvorbehalt nicht ausschließen.848 Die gerichtliche Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB bietet faktisch keinen ausreichenden Schutz, weil der Arbeitnehmer im laufenden Arbeitsverhältnis nur äußerst selten ein gerichtliches Verfahren gegen den Arbeitgeber anstreben wird. Darüber hinaus kann die Billigkeitskontrolle die AGB-Kontrolle nicht beeinflussen, weil sie ihr systematisch nachrangig ist. Somit ist einem weiteren, und gleichzeitig dem letzten, tragenden Argument der BAG-Rechtsprechung849, mit dem es die Wirksamkeit eines nicht konkretisierten Bestimmungsvorbehalts rechtfertigt, zu widersprechen. 8. Zwischenergebnis: Angemessenheit von Bestimmungsvorbehalten erfordert Konkretisierung der Entscheidungskriterien Im Ergebnis überwiegen die Interessen des Arbeitnehmers an einer inhaltlichen Beschränkung des Bestimmungsrechts. Der Arbeitnehmer ist in besonderem Maße von den Zahlungen des Arbeitgebers abhängig.850 Deshalb ist es ihm nicht zumutbar, dem Arbeitgeber ein nahezu uneingeschränktes Recht zur Bestimmung geldwerter Leistungen zuzugestehen, zumal dieser daran nur insofern ein Interesse hat, als der Arbeitnehmer motiviert werden oder eine Möglichkeit geschaffen werden soll, auf unvorhergesehene Entwicklungen zu reagieren851. 844 Zu den weiteren Argumenten und Gründen für eine unangemessene Benachteiligung s. insbesondere Kapitel 4 B. VII. 3. b) und B. VII. 5. 845 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 7. a). 846 Dazu unter Kapitel 4 B. VII. 7. c). 847 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 7. e). 848 Dazu soeben unter Kapitel 4 B. VII. 7. f). 849 Zur Rechtsprechung ausführlich unter Kapitel 2 B. II. 2. 850 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 3. b). 851 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 3. a); vgl. zum Zweck von Bestimmungsvorbehalten auch Stoffels, RdA 2015, 276, 278; Voigt/Steeger, DB 2018, 646; nach BAG v.

328 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

Der Arbeitgeber darf nicht die einseitige Inanspruchnahme der Vertragsgestaltungsfreiheit dazu nutzen, sich ein Entscheidungsrecht über eine für den Arbeitnehmer bedeutsame Leistung einzuräumen, das vom Vertragsprinzip, dem Grundsatz der Festlegung der Rechte und Pflichten im Vertrag und der Vertragsbindung abweicht852, ohne dass dieses Recht auf seine berechtigten Interessen beschränkt ist. Ein Leistungsbestimmungsrecht, das auch für Fälle besteht, in denen kein berechtigtes Interesse vorliegt, ist unangemessen benachteiligend.853 Ein Bestimmungsvorbehalt, dessen Ausübung nicht an bestimmte Kriterien gebunden ist, benachteiligt den Arbeitnehmer außerdem deshalb unangemessen, weil das Wirtschaftsrisiko in zu weitgehendem Maße auf den Arbeitnehmer verlagert wird854 und weil der Arbeitgeber mit dem Zahlungsversprechen einen Leistungsanreiz setzt, ohne selbst ausreichend an sein Versprechen gebunden zu sein855. Eine unangemessene Benachteiligung wird entgegen der Meinung des BAG nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Arbeitnehmer durch die Möglichkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle ausreichend geschützt sei.856 Auch die hypothetische Möglichkeit, statt eines Bestimmungsvorbehalts einen Freiwilligkeitsvorbehalt zu wählen, die das BAG zur Rechtfertigung eines nicht konkretisierten Bestimmungsvorbehalts anführt, hat keinen Einfluss auf die Bewertung der Angemessenheit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte.857 Allein die Beschränkung der Entscheidung auf billiges Ermessen genügt nicht zum Schutz der Interessen des Arbeitnehmers. Billiges Ermessen verpflichtet den 20.03.2013 – 10 AZR 636/11, zitiert nach juris Rn. 33 entsprechen sie einem Bedürfnis des Wirtschaftslebens; vgl. zum Flexibilisierungsinteresse des Arbeitgebers generell HWK/Roloff, Anh. §§ 305–310 BGB Rn. 28; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, ArbR Rn. 133; Stoffels, NZA 2017, 1217, 1219; Hanau/Hromadka, NZA 2005, 73; MAH ArbR/Hexel, § 25 Rn. 27; ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 56; Clemenz/Kreft/Krause/ Krause, Einführung Rn. 70 ff.; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 51; Kluge, Widerrufsvorbehalte zur Absenkung des Arbeitsentgelts aus „wirtschaftlichen Gründen“ in vorformulierten Arbeitsverträgen, S. 113 ff.; Boensch, Arbeitsvertragliche Entgeltflexibilisierung und aufsichtsrechtliche Institutsvorgaben, S. 69; Richardt, Arbeitsvertragliche Flexibilisierung von Entgeltbedingungen, S. 1 ff.; Hofmann, Entgeltflexibilisierung und AGB-Kontrolle, S. 1 ff.; BAG v. 11.04.2006 – 9 AZR 557/05, NZA 2006, 1149 Rn. 36; BAG v. 13.03.2007 – 9 AZR 433/06, AP Nr. 26 zu § 307 BGB Rn. 41; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 36/09, DB 2010, 2805 Rn. 31. 852 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 1. 853 Zu Änderungsrechten genauso Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 73; vgl. auch BGH v. 06.12.1984 – VII ZR 227/83, NJW 1985, 855; BGH v. 13.12.2006 – VIII ZR 25/06, NJW 2007, 1054; ähnlich BGH v. 21.04.2009 – XI ZR 55/08, zitiert nach juris, der bei Preisanpassungsklauseln der Meinung ist, diese seien unangemessen benachteiligend, wenn sie nicht auch im Umfang an den Grund der Einräumung gebunden seien. 854 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 7. a). 855 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 5. 856 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 7. f). 857 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 7. c).

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 329

Arbeitgeber zwar zur objektiven Abwägung der Interessen.858 Das beschränkt die Entscheidung aber nicht ausreichend, sondern bietet einen weitreichenden Spielraum, durch den die Maßstäbe der Ausübung nicht festgelegt sind.859 Stattdessen bleibt dem Arbeitgeber die Möglichkeit, die Maßstäbe bzw. Faktoren weitgehend nach seinen Interessen zu wählen. Das Bestimmungsrecht des Arbeitgebers muss daher inhaltlich auf die Ausübung nach bestimmten Kriterien beschränkt werden. Ein solches Erfordernis scheitert auch nicht daran, dass es dem Arbeitgeber nicht möglich wäre, im Voraus Kriterien festzulegen.860 Er kann zwar nicht alle möglichen Entwicklungen und Einflussfaktoren voraussehen; das bedeutet aber nicht, dass er gar nicht an Kriterien gebunden werden muss, sondern beeinflusst den Grad ihrer Konkretisierung. Das gewonnene Ergebnis bedeutet letztlich auch, dass keine arbeitsrechtlichen Besonderheiten vorliegen, die eine Abweichung von der Behandlung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte im übrigen Zivilrecht rechtfertigen.861 Es bestehen zwar Besonderheiten, die in der Abwägung zu berücksichtigen sind und die ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an der Einräumung begründen.862 Sie bewirken im Ergebnis aber keinen Verzicht auf eine Konkretisierung in Abweichung von der Rechtsprechung des BGH.863 9. Einordnung des gewonnenen Ergebnisses: systematischer Vergleich mit der AGB-Kontrolle von Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalten Die Relevanz des soeben gewonnenen Ergebnisses wird durch einen Blick auf die AGB-Kontrolle von Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalten verdeutlicht. Dabei wird klar, dass das BAG in seiner Rechtsprechung zu Bestimmungsvorbehalten von den Grundlagen abweicht, die es bei Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalten anwendet. Zunächst einmal soll nachfolgend durch einen Vergleich des hier gewonnenen Ergebnisses mit der Behandlung von Widerrufsvorbehalten die anfangs aufgeworfene Frage864 beantwortet werden, ob arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte bezüglich ihrer tatbestandlichen Konkretisierung genauso zu behandeln 858

Vgl. Wensing/Boensch, BB 2014, 2358, 2361. Vgl. BGH v. 25.05.1988 – VIII ZR 360/86, NJW-RR 1988, 1077, nach dem das Erfordernis der angemessenen Berücksichtigung der Interessen des Vertragspartners nichts über die Maßstäbe der Ausübung sagt. 860 Bei Widerrufsvorbehalten genauso BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465 Rn. 28; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87 Rn. 28. 861 So zu Widerrufsvorbehalten auch BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465 Rn. 28; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87 Rn. 28; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 1943 Rn. 29. 862 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 3. a). 863 Zur Rechtsprechung des BGH ausführlich unter Kapitel 2 C. 864 So etwa zu Beginn dieses Abschnitts unter Kapitel 4 B. VII. 859

330 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

sind wie Widerrufsvorbehalte und insofern dem BAG zu widersprechen ist. Daran schließt sich die Frage an, ob die AGB-Kontrolle von Widerrufsvorbehalten, Bestimmungsvorbehalten und anderen arbeitsrechtlichen Flexibilisierungsklauseln, die ähnliche Wirkungen haben, zu harmonisieren ist. Das wird in Teilen für Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalte diskutiert.865 Jedenfalls lässt sich das Ergebnis durch einen Vergleich in das System der AGB-Kontrolle von arbeitsrechtlichen Flexibilisierungsklauseln einordnen. Zuletzt kann mit einem Vergleich überprüft werden, ob das hier gewonnene Ergebnis plausibel ist. Soweit das Ergebnis mit der Behandlung vergleichbarer Flexibilisierungsklauseln übereinstimmt, spricht vieles dafür. a) Übereinstimmung mit der Behandlung von Widerrufsvorbehalten Aus der obigen Prüfung ergibt sich, dass bei den hier zu untersuchenden Bestimmungsvorbehalten die Entscheidungskriterien der Leistungsbestimmung zu regeln sind.866 Das entspricht dem Erfordernis der Festlegung von Widerrufsgründen.867 So lässt sich als Antwort auf die anfangs aufgeworfene Frage868 konstatieren, dass arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte bezüglich der Konkretisierung – unter Berücksichtigung ihrer Besonderheiten – faktisch genauso behandelt werden müssen wie Widerrufsvorbehalte.869 Insofern ist dem BAG zu widersprechen, das bei Bestimmungsvorbehalten keine Konkretisierung fordert.870 Damit ist jedoch noch nichts dazu gesagt, inwieweit eine Gleichbehandlung gerechtfertigt ist und ob die Kontrollmaßstäbe der Flexibilisierungsklauseln im Entgeltbereich harmonisiert werden müssen. b) Einordnung des Ergebnisses in das System der AGB-Kontrolle arbeitsrechtlicher Flexibilisierungsklauseln Bei Freiwilligkeitsvorbehalten wird regelmäßig keinerlei Konkretisierung der Voraussetzungen oder Entscheidungskriterien gefordert, während bei Widerrufsvorbehalten die Gründe konkretisiert werden müssen.871 865 Vgl. dazu BAG v. 30.07.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173 Rn. 18 ff.; BAG v. 13.11.2013 – 10 AZR 848/12, BAGE 146, 284; für den Kernbereichsschutz ablehnend Simon/Hidalgo/Koschker, NZA 2012, 1071, 1073. 866 Zusammenfassend unter Kapitel 4 B. VII. 8. 867 S. zu diesem Erfordernis unter Kapitel 2 D. II. 2. b) und D. II. 2. c). 868 So etwa unter Kapitel 2 F. II. 869 So auch Heiden, Entgeltrelevante Zielvereinbarungen aus arbeitsrechtlicher Sicht, S. 76 ff.; Stoffels, RdA 2015, 276; vgl. auch die Gleichbehandlung in der früheren Rechtsprechung: BAG v. 31.01.1985 – 2 AZR 393/83, EzBAT § 8 BAT Direktionsrecht Nr. 3; BAG v. 15.11.1995 – 2 AZR 521/95, NZA 1996, 603; zurückhaltender Stoffels, NZA 2017, 1217, 1224; a. A. Salamon/Wessels, BB 2017, 885, 887, die eine Gleichbehandlung ablehnen, weil bei Bestimmungsvorbehalten nicht einseitig vom Leistungsversprechen abgewichen werde. 870 S. zu dieser Rechtsprechung Kapitel 2 B. II. 2. 871 S. dazu bereits Kapitel 2 D.

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 331

Seiner Wirkung nach liegt ein Bestimmungsvorbehalt zwischen Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt. Bereits diesen beiden Instrumenten wird nur ein „hauchdünner rechtskonstruktiver Unterschied“ zugeschrieben.872 Der Bestimmungsvorbehalt ist dem Widerrufsvorbehalt in seiner Wirkung und Ausgestaltung sogar noch näher als der Freiwilligkeitsvorbehalt.873 So wird in beiden Fällen ein Anspruch eingeräumt und der Bestimmungsvorbehalt ermöglicht jedenfalls in Ausnahmefällen eine Festlegung auf null, die faktisch einem Widerruf für den jeweiligen Turnus gleichkommt874. Dementsprechend ermöglicht auch der Widerrufsvorbehalt einen Teilwiderruf, der einer niedrigen Festlegung der Leistungshöhe nach einem Bestimmungsvorbehalt gleichkommt. Für den Arbeitnehmer macht es im Ergebnis keinen Unterschied, ob die Leistung widerrufen oder auf null festgelegt bzw. teilwiderrufen oder niedrig festgelegt wird. Der herausgearbeitete Befund, dass die Entscheidungskriterien konkretisiert werden müssen, weicht von den Anforderungen an Freiwilligkeitsvorbehalte ab und liegt stattdessen weitgehend auf der Linie der Behandlung von Widerrufsvorbehalten. Das ist mit der Wirkung von Bestimmungsvorbehalten kongruent, die derer von Widerrufsvorbehalten sehr nahe ist.875 c) Rechtfertigung der Gleichbehandlung mit Widerrufsvorbehalten Die Abweichung des hier gewonnenen Ergebnisses von den Anforderungen, die im Rahmen der AGB-Kontrolle an Freiwilligkeitsvorbehalte gestellt werden, ist gerechtfertigt. Denn der Freiwilligkeitsvorbehalt hat eine andere Wirkung als ein Bestimmungsvorbehalt. Weil bei Freiwilligkeitsvorbehalten anders als bei Bestimmungsvorbehalten nie ein Anspruch entsteht, dürfen unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt auch nur Leistungen gestellt werden, die nicht zur laufenden Vergütung gehören876. Dem Inhalt nach würde es keinen Sinn ergeben, bei Freiwilligkeitsvorbehalten eine Konkretisierung der Entscheidungskriterien zu fordern. Sie sollen, anders als Bestimmungsvorbehalte, gerade einen Anspruch ausschließen, damit der Arbeitgeber sich freiwillig entscheiden kann, eine Zahlung zu leisten. Ebenso ist die Gleichbehandlung von Bestimmungs- und Widerrufsvorbehalten gerechtfertigt, da zwischen den beiden Instrumenten erhebliche Ähnlichkeiten bestehen. Für die Gleichbehandlung spricht neben der soeben dargestellten

872 Strick, NZA 2005, 723, 725; s. auch Preis/Lindemann, NZA 2006, 632, 636; Bayreuther, BB 2009, 102, 106. 873 Dazu ausführlich unter Kapitel 1 B. III. 874 Vgl. Simon/Hidalgo/Koschker, NZA 2012, 1071, 1074. 875 Dazu ausführlich unter Kapitel 1 B. IV. 876 S. BAG v. 25.04.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853; BAG v. 30.07.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173; BAG v. 14.09.2011 – 10 AZR 526/10, BAGE 139, 156.

332 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

vergleichbaren Wirkung, dass beide Flexibilisierungsinstrumente denselben Arbeitgeberinteressen entspringen.877 Wesentliche Unterschiede des Bestimmungsvorbehalts zum Widerrufsvorbehalt sind allerdings, dass der Widerruf dauerhaft wirkt, während die Festlegung im Rahmen eines Bestimmungsvorbehalts nur für den jeweiligen Turnus Wirkung entfaltet, und dass die Leistung bei Bestimmungsvorbehalten anders als bei Widerrufsvorbehalten von Anfang an nur unbestimmt versprochen ist.878 Die obigen Ausführungen und insbesondere die vergleichbare Wirkung beider Instrumente zeigen aber, dass eine Gleichbehandlung insofern gerechtfertigt ist, als entsprechend den Widerrufsgründen bei den Bestimmungsvorbehalten die Entscheidungskriterien geregelt werden müssen. Die Besonderheiten der Bestimmungsvorbehalte sind in der Ausgestaltung der Konkretisierung zu berücksichtigen. d) Zur Harmonisierung der AGB-Kontrolle arbeitsrechtlicher Flexibilisierungsklauseln zum Entgelt Das BAG und ein Großteil des Schrifttums fordern bei Bestimmungsvorbehalten keine Konkretisierung und behandeln diese insoweit anders als Widerrufsvorbehalte.879 Die hier geforderte faktische Gleichbehandlung von Widerrufs- und Bestimmungsvorbehalten weicht von dieser Meinung ab und wirft die Frage auf, ob die AGB-Kontrolle der beiden Instrumente oder sogar die Kontrolle aller vergleichbaren Flexibilisierungsklauseln grundlegend harmonisiert werden sollte. Die Antwort darauf ist weder ein eindeutiges Ja noch ein eindeutiges Nein. Keinesfalls sollten Widerrufs-, Freiwilligkeits- und Bestimmungsvorbehalte in der AGB-Kontrolle kategorisch gleichbehandelt werden. Alle diese Vorbehalte haben ein eigenständiges Ziel und ihre Wirkung ist nicht identisch. So lehnt auch das BAG eine direkte Übertragung der Anforderungen von Freiwilligkeitsvorbehalten auf Widerrufsvorbehalte und umgekehrt ab.880 Widerrufs- und Bestimmungsvorbehalte sind sich in der Wirkung zwar sehr nah. Es bleiben aber die Besonderheiten der Bestimmungsvorbehalte, dass sie nur für den jeweiligen Turnus Wirkung entfalten und die Leistung nicht im Voraus festgelegt ist. Deshalb müssen die konkreten Ausgestaltungsanforderungen an Bestimmungsvorbehalte auch anders 877 Vgl. zum Flexibilisierungsinteresse bei Widerrufsvorbehalten Däubler/Bonin/ Deinert/Bonin, § 308 Nr. 4 BGB Rn. 14; Kluge, Widerrufsvorbehalte zur Absenkung des Arbeitsentgelts aus „wirtschaftlichen Gründen“ in vorformulierten Arbeitsverträgen, S. 113 ff.; Hofmann, Entgeltflexibilisierung und AGB-Kontrolle, S. 11; Richardt, Arbeitsvertragliche Flexibilisierung von Entgeltbedingungen, S. 1 ff.; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 1146; Lindemann, Flexible Gestaltung von Arbeitsbedingungen, S. 183, 187; Singer, Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen, S. 15, 18 f.; Hanau/Hromadka, NZA 2005, 73. 878 Vgl. Stoffels, NZA 2017, 1217, 1224. 879 Zum Vorgehen in Rechtsprechung und Literatur ausführlich unter Kapitel 2 B. II. 2. und E. 880 Vgl. BAG v. 30.07.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173 Rn. 18 ff.; BAG v. 13.11.2013 – 10 AZR 848/12, BAGE 146, 284.

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 333

ausfallen als bei Widerrufsvorbehalten, was im nachfolgenden Abschnitt erörtert wird.881 Im Prinzip sind Widerrufs- und Bestimmungsvorbehalte aber insofern gleich zu behandeln, als die Kriterien bzw. Gründe der Entscheidung geregelt werden müssen. Bereits dieser Befund zeigt, dass eine gewisse Harmonisierung geboten ist. Darüber hinaus ist den drei Flexibilisierungsklauseln Freiwilligkeits-, Widerrufsund Bestimmungsvorbehalt gemein, dass sie eine Leistung des Arbeitgebers unter den Vorbehalt seiner Entscheidung stellen, damit er besser auf unvorhergesehene Entwicklungen reagieren kann882. Dem Grunde nach müssen sie deshalb in der AGB-Kontrolle nach einem einheitlichen Konzept behandelt werden: Die Prüfung ist am zugrundeliegenden Flexibilisierungsinteresse des Arbeitgebers und dem Interesse des Arbeitnehmers an einer stabilen Erwerbsaussicht zu orientieren.883 Dabei dürfen die Besonderheiten der einzelnen Instrumente nicht aus den Augen verloren werden. Nach diesem einheitlichen Konzept verfährt das BAG auch in der Rechtsprechung zu Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalten884, auch wenn es kein Bedürfnis an einer Harmonisierung ihrer Kontrollmaßstäbe sieht885. Dem Verfahren des BAG ist zuzustimmen: Freiwilligkeitsvorbehalte müssen nicht konkretisiert werden; beziehen sie sich aber auf die laufende Vergütung (bzw. Leistungen aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis886), sind sie unwirksam.887 881

S. dazu Kapitel 4 B. VII. 10. Vgl. zum Zweck von Bestimmungsvorbehalten Stoffels, RdA 2015, 276, 278; Voigt/Steeger, DB 2018, 646; nach BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 636/11, zitiert nach juris Rn. 33 entsprechen sie einem Bedürfnis des Wirtschaftslebens; zum Flexibilisierungsinteresse bei Widerrufsvorbehalten s. etwa Kluge, Widerrufsvorbehalte zur Absenkung des Arbeitsentgelts aus „wirtschaftlichen Gründen“ in vorformulierten Arbeitsverträgen, S. 113 ff.; vgl. zum Flexibilisierungsinteresse des Arbeitgebers generell HWK/ Roloff, Anh. §§ 305–310 BGB Rn. 28; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, ArbR Rn. 133; Stoffels, NZA 2017, 1217, 1219; Hanau/Hromadka, NZA 2005, 73; MAH ArbR/Hexel, § 25 Rn. 27; ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 56; Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 70 ff.; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 51; Richardt, Arbeitsvertragliche Flexibilisierung von Entgeltbedingungen, S. 1 ff.; Boensch, Arbeitsvertragliche Entgeltflexibilisierung und aufsichtsrechtliche Institutsvorgaben, S. 69; Hofmann, Entgeltflexibilisierung und AGB-Kontrolle, S. 1 ff.; BAG v. 11.04.2006 – 9 AZR 557/ 05, NZA 2006, 1149 Rn. 36; BAG v. 13.03.2007 – 9 AZR 433/06, AP Nr. 26 zu § 307 BGB Rn. 41; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 36/09, DB 2010, 2805 Rn. 31. 883 Ähnlich geht Kluge, Widerrufsvorbehalte zur Absenkung des Arbeitsentgelts aus „wirtschaftlichen Gründen“ in vorformulierten Arbeitsverträgen, S. 113 ff. bei Widerrufsvorbehalten vor; s. zu dieser Abwägung oben unter Kapitel 4 B. VII. 3. und B. VII. 8. 884 Vgl. auch ErfK/Preis, § 310 BGB, 18. Aufl., Rn. 69. 885 Vgl. BAG v. 30.07.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173 Rn. 18 ff.; BAG v. 13.11.2013 – 10 AZR 848/12, BAGE 146, 284; für den Kernbereichsschutz genauso Simon/Hidalgo/Koschker, NZA 2012, 1071, 1073; a. A. bezüglich des Kernbereichsschutzes Bieder, NZA 2007, 1135, 1139. 886 Nach der hier vertretenen Ansicht, ist im vorliegenden Zusammenhang keine Unterscheidung zwischen der laufenden Vergütung und anderen Leistungen aus dem Ge882

334 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

Denn ihr Sinn ist es, dem Arbeitgeber die volle Flexibilität bei der Zahlung zu ermöglichen, damit er jederzeit auf alle unvorhergesehenen Entwicklungen reagieren kann. Aus diesem Grund wird von vornherein kein Anspruch eingeräumt, der besondere Anreizwirkung für den Arbeitnehmer hätte. Den Interessen des Arbeitnehmers an stabiler Erwerbsaussicht888 wird entsprochen, indem ein Großteil der Arbeitgeberleistungen nicht unter Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt werden kann. Bei Widerrufsvorbehalten fällt die Abwägung dem Grunde nach ähnlich aus. Es wird anders als bei Freiwilligkeitsvorbehalten ein Anspruch eingeräumt, der einen Leistungsanreiz setzt, die Bindung an diesen aber umgehend eingeschränkt. Widerrufsvorbehalte dürfen sich zwar auf alle Vergütungsbestandteile beziehen, dafür muss die Entscheidung des Arbeitgebers aber durch festgelegte Widerrufsgründe an seine Flexibilisierungsinteressen gebunden werden.889 Das entspricht ihrer Wirkung, die anders als die Wirkung von Freiwilligkeitsvorbehalten einmalig und hauptsächlich bei schwerwiegenderen Änderungen eintritt.890 Indem das BAG nun bei Bestimmungsvorbehalten keine Konkretisierung der Entscheidungskriterien fordert, weicht es von diesem Grundkonzept bzw. der

genseitigkeitsverhältnis vorzunehmen (s. dazu Kapitel 4 B. IV. 6. b) dd)). Deshalb sind alle Leistungen, die im Gegenseitigkeitsverhältnis stehen, wie die laufende Vergütung zu behandeln. In konsequenter Anwendung der Rechtsprechung des BAG müssen nach der hier vertretenen Meinung folglich alle Freiwilligkeitsvorbehalte als unwirksam behandelt werden, die Leistungen aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis betreffen. 887 Vgl. BAG v. 25.04.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853; BAG v. 30.07.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173; BAG v. 21.01.2009 – 10 AZR 219/08, BAGE 129, 164; BAG v. 14.09.2011 – 10 AZR 526/10, BAGE 139, 156; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013; BAG v. 03.09.2014 – 5 AZR 1020/12, ZBVR online 2015, Nr. 6, 17; Landesarbeitsgericht Köln v. 17.09.2012 – 2 Sa 877/11, zitiert nach juris. 888 Vgl. Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 51; Kluge, Widerrufsvorbehalte zur Absenkung des Arbeitsentgelts aus „wirtschaftlichen Gründen“ in vorformulierten Arbeitsverträgen, S. 118; s. auch Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 71. 889 Vgl. die Rechtsprechung des BAG, nach der die Konkretisierungsanforderungen unabhängig vom (Gegenleistungs-)Charakter und von der Höhe der betroffenen Leistung gelten: BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87; BAG v. 25.04.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 1943; BAG v. 20.04.2011 – 5 AZR 191/ 10, BAGE 137, 383; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777; LAG Rheinland-Pfalz v. 18.07.2016 – 3 Sa 43/16, zitiert nach juris; zum Verbot des Eingriffs in den Kernbereich s. etwa BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87 Rn. 21 f.; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777. 890 Zur Intensität der für einen Widerruf erforderlichen Änderungen vgl. BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777; Stoffels, NZA 2017, 1217, 1219; DLW/Baeck/Winzer, Kapitel 2 Rn. 605; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 308 Nr. 4 BGB Rn. 43 f.: „schwerwiegende Gründe“; eine Beschränkung auf Ausnahmesituationen bei Widerrufsvorbehalten lehnt ab: Clemenz/Kreft/Krause/Roloff, § 308 BGB Rn. 88.

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 335

grundlegenden Gewichtung der widerstreitenden Interessen ab, die es bei Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalten anwendet.891 Das ist zwar insoweit stringent, als das BAG Bestimmungsvorbehalte wohl den Freiwilligkeitsvorbehalten gleichstellt.892 Bereits dieser Grundannahme ist aber nicht zu folgen, wie schon dargestellt wurde.893 Darüber hinaus hat sich hier und in der obigen Interessenabwägung gezeigt, dass bei Bestimmungsvorbehalten anders als bei Freiwilligkeitsvorbehalten eine Konkretisierung geboten ist. Bei Bestimmungsvorbehalten wird nämlich wie bei Widerrufsvorbehalten ein Anspruch eingeräumt, an den der Arbeitgeber nicht vollständig gebunden ist. Außerdem können bei beiden Instrumenten alle Teile der Vergütung betroffen sein. Aus diesen Gründen muss die Entscheidung an bestimmte Kriterien gebunden werden, damit die Interessen des Arbeitnehmers ausreichend geschützt werden. Dass Bestimmungsvorbehalte nicht denselben Ausnahmecharakter haben wie Widerrufsvorbehalte, ist in der Ausgestaltung der Entscheidungskriterien zu beachten. Das einheitliche Konzept der Inhaltskontrolle von Flexibilisierungsklauseln erfordert dem Grunde nach eine Bindung an Entscheidungskriterien. Vorbehalte, die der Flexibilisierung von Zahlungen des Arbeitgebers dienen, können also nicht völlig unterschiedlich behandelt werden. Bei der AGB-Kontrolle solcher Klauseln muss stets überprüft werden, ob die angelegten Maßstäbe und die gewonnenen Ergebnisse im Grundsatz mit der Behandlung der übrigen Flexibilisierungsklauseln übereinstimmen. Das gilt für Bestimmungsvorbehalte aber auch für alle anderen Flexibilisierungsklauseln, die Zahlungen unter einen Vorbehalt des Arbeitgebers stellen. Eine völlige Harmonisierung der konkreten Anforderungen ist hingegen nicht geboten. Das würde den unterschiedlichen konkreten Zielen und Wirkungen der einzelnen Flexibilisierungsmöglichkeiten nicht gerecht. Kurz gesagt: Eine völlige Harmonisierung ist nicht geboten, eine Abweichung von der grundsätzlichen Interessenbewertung aber auch nicht zulässig. Die grundlegende Interessengewichtung muss beachtet und auf die Besonderheiten der jeweiligen Klauselart übertragen werden. Der Arbeitgeber darf über die Zahlung einer Geldleistung jedenfalls keine freie Entscheidungsgewalt erhalten, wenn er einen Anspruch einräumt oder sich der Vorbehalt auf eine Leistung aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis bezieht. e) Kontrollüberlegung: Ist das gewonnene Ergebnis plausibel? Das hier gewonnene Ergebnis stimmt dem Grunde nach mit der Behandlung von Widerrufsvorbehalten überein. Da beide Vorbehalte sich sehr ähnlich sind 891 892 893

S. zur Rechtsprechung ausführlich unter Kapitel 2 B. II. und D. S. dazu BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 21 ff. S. Kapitel 1 B. III., Kapitel 4 B. VII. 7. c) und Kapitel 5 B. III. 7

336 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

und eine vergleichbare Wirkung haben, bestätigt diese Kontrollüberlegung das Ergebnis, bei Bestimmungsvorbehalten eine Konkretisierung der Entscheidungskriterien zu fordern. f) Ergebnis Entgeltrelevante Bestimmungsvorbehalte bedürfen einer Konkretisierung der Entscheidungskriterien und sind insofern genauso zu behandeln wie Widerrufsvorbehalte, bei denen eine Konkretisierung der Widerrufsgründe gefordert wird.894 Darin liegt gleichzeitig eine Abweichung von den an Freiwilligkeitsvorbehalte gestellten Anforderungen.895 Dieses Ergebnis passt in das bei Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalten allgemein angewandte System der Inhaltskontrolle.896 Denn bei Verwendung von Bestimmungsvorbehalten wird wie bei Widerrufsvorbehalten ein Anspruch eingeräumt, an den der Arbeitgeber nicht vollständig gebunden ist. Außerdem können beide Instrumente, anders als Freiwilligkeitsvorbehalte, alle Teile der Vergütung betreffen. Obendrein sind sich Widerrufs- und Bestimmungsvorbehalte in ihrer Wirkung näher als Freiwilligkeitsund Bestimmungsvorbehalte.897 Diese Erkenntnisse bestätigen die hier aufgestellte Anforderung einer Konkretisierung der Entscheidungskriterien bei Bestimmungsvorbehalten. Darüber hinaus hat der Blick auf das bei Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalten angewandte System der Inhaltskontrolle gezeigt, dass Flexibilisierungsklauseln, die eine Zahlung des Arbeitgebers unter den Vorbehalt seiner Entscheidung stellen, in der AGB-Kontrolle nach einem einheitlichen Konzept zu behandeln sind: Die zugrundeliegenden Interessen des Arbeitgebers an Flexibilisierung und des Arbeitnehmers an einer stabilen Erwerbsaussicht müssen die Abwägung leiten und einheitlich gewichtet werden. Der Arbeitgeber darf keine freie Entscheidungsgewalt über die Zahlung einer Geldleistung erhalten, wenn er einen Anspruch einräumt oder wenn Leistungen aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis betroffen sind.898 10. Die inhaltliche Ausgestaltung der Entscheidungskriterien bei Bestimmungsvorbehalten Entscheidende Bedeutung für die vertragliche Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte hat schlussendlich, wie die zu regelnden Entscheidungskriterien konkret auszusehen haben. Denn die Wirksamkeit eines Bestimmungs-

894 895 896 897 898

S. dazu Kapitel 4 B. VII. 9. a). S. dazu insbesondere Kapitel 4 B. VII. 9. b). S. dazu Kapitel 4 B. VII. 9. c) und B. VII. 9. d). Dazu auch schon unter Kapitel 1 B. IV. S. zu alledem Kapitel 4 B. VII. 9. d).

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 337

vorbehalts setzt zwingend voraus, dass diese Ausgestaltungsanforderungen eingehalten werden. Deshalb wird im Folgenden dargestellt, welche konkreten Anforderungen bei der Konkretisierung der Entscheidungskriterien einzuhalten sind und wie Bestimmungsvorbehalte beispielhaft aussehen könnten, die diesen Voraussetzungen entsprechen. Aufgrund der dargestellten Parallelen zum Widerrufsvorbehalt899 erscheint auch in Bezug auf die Ausgestaltung der Kriterien eine Orientierung an den bei Widerrufsvorbehalten geforderten Gründen sinnvoll.900 Hinsichtlich der Qualität der Kriterien ist eine Abstufung zwischen Leistungen aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis und Sonderzahlungen vorzunehmen.901 Zunächst ist zu erörtern, welche Kriterien bei Bestimmungsvorbehalten gelten müssen, die synallagmatische Leistungen betreffen. Dabei ist von Interesse, welchen Grad der Konkretisierung diese Kriterien erfüllen müssen. Relevant wird darüber hinaus, inwiefern die Möglichkeit einer Gewinnsteigerung tatbestandlich auszuschließen ist und ob unter Umständen sogar eine Beschränkung auf Ausnahmesituationen zu fordern ist, wie es teilweise für Widerrufsvorbehalte nahegelegt wird902. Im Anschluss an die Untersuchung der zwingenden Kriterien stellt sich die Frage, ob diese als einzige Kriterien gelten müssen oder daneben weitere zusätzliche Kriterien geregelt werden dürfen. Zuletzt drängt sich die Frage auf, ob bei den weniger schutzwürdigen Sonderzahlungen ohne Gegenleistungscharakter dieselben strengen Regeln gelten müssen. Denkbar wäre, statt der bei synallagmatischen Leistungen zwingenden Kriterien lediglich willkürfreie Kriterien zu fordern. Dem Vorgehen des BAG, ganz auf ein Erfordernis der Konkretisierung von Entscheidungskriterien zu verzichten,903 kann jedoch nicht gefolgt werden.

899

S. dazu Kapitel 4 B. VII. 9.; Kapitel 1 B. IV. Im Rahmen der Transparenz so auch Stoffels, RdA 2015, 276, 279; zu den Widerrufsgründen vgl. nur DLW/Baeck/Winzer, Kapitel 2 Rn. 605; Grobys/Panzer-Heemeier/ Schönhöft, Widerrufsvorbehalt Rn. 6 f.; Hofmann, Entgeltflexibilisierung und AGBKontrolle, S. 55 ff.; Bayreuther, ZiP 2007, 2009, 2010 f.; Stoffels, NZA 2017, 1217, 1219. 901 So zu Widerrufsvorbehalten Reichold, RdA 2002, 321, 331; Graf v. Westphalen/ Thüsing/Thüsing, Arbeitsverträge Rn. 275; Lindemann, Flexible Gestaltung von Arbeitsbedingungen, S. 198 ff., 326 f., 339; ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 54, 61; Däubler/ Bonin/Deinert/Bonin, § 308 Nr. 4 BGB Rn. 35 ff. 902 In diese Richtung Stoffels, NZA 2017, 1217, 1219; DLW/Baeck/Winzer, Kapitel 2 Rn. 605; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 308 Nr. 4 BGB Rn. 43 f.: „schwerwiegende Gründe“; vgl. dazu BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777; eine Beschränkung auf Ausnahmesituationen bei Widerrufsvorbehalten lehnt ab: Clemenz/Kreft/Krause/Roloff, § 308 BGB Rn. 88. 903 BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013; BAG v. 23.08.2017 – 10 AZR 376/16, NZA 2017, 1595. 900

338 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

a) Konkretisierungsanforderungen bei synallagmatischen Leistungen Betrifft ein Bestimmungsvorbehalt eine synallagmatische Leistung, müssen aus den obenstehenden Gründen904 zwingend Kriterien gelten, die in Zusammenhang mit den genannten Interessen des Arbeitgebers stehen. Das stimmt mit der Behandlung von Widerrufsvorbehalten durch das BAG überein, bei denen Gründe gefordert werden, die den Widerruf typischerweise rechtfertigen.905 Dadurch wird auch bei Widerrufsvorbehalten an diejenigen berechtigten Interessen des Arbeitgebers angeknüpft, die bei abstrakter Betrachtung die Einräumung des Widerrufsrechts rechtfertigen. aa) Zwingende Bindung an die Flexibilisierungsgründe: wirtschaftliche Entwicklungen oder Leistung des Arbeitnehmers Unabdingbare Voraussetzung für die Angemessenheit von Bestimmungsvorbehalten, die synallagmatische Leistungen betreffen, ist, dass Kriterien gelten, die die Entscheidung des Arbeitgebers an die genannten Flexibilisierungszwecke binden – d.h. den Motivationszweck oder die Möglichkeit, auf unvorhersehbare Entwicklungen reagieren zu können906. Würden nur Kriterien gelten, die nicht im Zusammenhang mit den berechtigten Interessen des Arbeitgebers stehen, wäre ihm ein Recht zur Bestimmung eingeräumt, das den Arbeitnehmer benachteiligt, ohne dass ein berechtigtes Interesse daran besteht. Das bedeutet konkret, dass Kriterien wie beispielsweise „wirtschaftliche Entwicklung“ 907, „Leistung des Arbeitnehmers“ 908 oder die Kombination der beiden für die Angemessenheit der Klausel nötig sind.909 Wird der Arbeitgeber bei seiner Entscheidung nicht an derartige Kriterien gebunden, ist der Bestimmungsvorbehalt unwirksam. Beispiel 1: „Der Arbeitnehmer erhält einen jährlichen Bonus. Der Arbeitgeber bestimmt die Höhe des Bonus nach billigem Ermessen in Abhängigkeit von 904

Zusammenfassend unter Kapitel 4 B. VII. 8. BAG v. 19.12.2006 – 9 AZR 294/06, DB 2007, 1253; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 194, BAG v. 21.03.2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 616; zur Gebotenheit dieser Gleichbehandlung s. Kapitel 4 B. VII. 9.; s. dazu auch Kapitel 1 B. IV. 906 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 3. a). 907 In der Literatur werden ähnliche Kriterien vorgeschlagen: Kössel, DB 2016, 2963, 2964 („Ertragslage des Unternehmens“); Lunk/Leder, NJW 2015, 3766, 3767 („wirtschaftliche[r] Erfolg des Unternehmens“); Pfrogner, BB 2018, 757, 761 („Erfolg des Unternehmens“); Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400, 2402 („Unternehmenserfolg“); Simon/Hidalgo/Koschker, NZA 2012, 1071, 1072 („Ertragslage“). 908 S. auch die Vorschläge bei Pfrogner, BB 2018, 757, 761 („individuelle persönliche Leistung“); Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400, 2402 („persönliche Leistung des Arbeitnehmers“); Simon/Hidalgo/Koschker, NZA 2012, 1071, 1072 („individuelle Leistung“). 909 S. zu diesen Kriterien auch BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150 Rn. 24; Stoffels, RdA 2015, 276. 905

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 339

der Leistung des Arbeitnehmers und dem wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens.“ 910 Beispiel 2: „1. Der Arbeitgeber gewährt dem Arbeitnehmer jährlich eine Sonderzuwendung. [. . .] 2. Die Höhe der Sonderzuwendung wird vom Arbeitgeber spätestens einen Monat vor dem Auszahlungstermin nach billigem Ermessen festgesetzt. Die Bemessung der Höhe orientiert sich sowohl an der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens (ggf. des Betriebs oder der Betriebsabteilung [. . .]) als auch an der persönlichen Leistung des Arbeitnehmers. [. . .]“ 911 Beispiel 3: Der Arbeitnehmer erhält einen jährlichen Bonus, dessen Höhe der Arbeitgeber nach billigem Ermessen in Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens festlegt. Ebenso zulässig und ausreichend sind alle Kriterien, die inhaltlich in dieselbe Richtung gehen. Dazu gehören unter anderem der Unternehmens-, Betriebs- oder Abteilungserfolg912, konkrete wirtschaftliche Ziele bzw. Entwicklungen und konkrete Leistungsziele für den Arbeitnehmer.913 Beispiel 4 (Kombination verschiedener Kriterien): „Die Gesamtbezüge [. . .] [des Arbeitnehmers] bestehen aus den Festbezügen (Gehalt) und den variablen Bezügen (Tantieme). [. . .] Die Bemessung der variablen Bezüge berücksichtigt die individuellen Leistungen des [. . .] [Arbeitnehmers] im abgelaufenen Geschäftsjahr. Außerdem ist die Höhe der variablen Bezüge von dem Erfolg des Unternehmens [. . .] in der abgelaufenen Periode sowie dem Erfolg der Unternehmenseinheit, zu der der [. . .] [Arbeitnehmer] gehört, abhängig.“ 914 Beispiel 5 (Kombination verschiedener Kriterien): „Darüber hinaus erhält der Mitarbeiter einen Leistungsbonus. Dieser richtet sich nach der individuellen Zielerreichung, dem Teamverhalten sowie dem Erfolg der Bank. Er wird jedes Jahr für das abgelaufene Jahr festgesetzt.“ 915 Beispiel 6 (Abteilungserfolg): Der Arbeitnehmer erhält einen jährlichen Bonus, dessen Höhe der Arbeitgeber nach billigem Ermessen in Abhängigkeit vom wirtschaftlichen Erfolg der Abteilung des Arbeitnehmers im Auszahlungsjahr festlegt. 910 Klauselvorschlag von Lunk/Leder, NJW 2015, 3766, 3767 und Kössel, DB 2016, 2963, 2964. 911 Vorschlag von Stoffels, NZA 2017, 1217, 1224. Die Kriterien sind im Klauselvorschlag als mögliche Einfügungen vorgesehen. 912 Vorgeschlagen bei Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400, 2402. 913 Vgl. BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150 Rn. 24. 914 Nach BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150. 915 Nach BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970. Die Ziele sind gesondert, etwa in einer Zielvereinbarung, festzulegen.

340 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

Beispiel 7 (Leistungsziele): Der Arbeitnehmer erhält einen jährlichen Bonus, dessen Höhe der Arbeitgeber nach billigem Ermessen festlegt. Die Festlegung der Höhe ist abhängig davon, wie viele Neukunden der Arbeitnehmer im betreffenden Jahr gewinnen konnte. Beispiel 8 (konkrete Erfolgszahlen): Der Arbeitnehmer erhält einen jährlichen Bonus, dessen Höhe der Arbeitgeber nach billigem Ermessen festlegt. Die Festlegung der Höhe ist abhängig vom Gewinn der Abteilung, in der der Arbeitnehmer tätig ist. Der Bonus wird ausgezahlt ab einem Gewinn von 10.000 A und steigt jeweils, wenn 25.000 A, 50.000 A oder 75.000 A Gewinn erzielt werden. Die Kriterien müssen also – wie die Gründe bei Widerrufsvorbehalten916 – der Richtung nach festgelegt sein917 und inhaltlich die Einräumungsinteressen des Arbeitgebers betreffen.918 Eine solche eher vage Konkretisierung ist dem Arbeitgeber in jedem Fall möglich. (1) Konkretisierungsgrad der zwingenden Entscheidungskriterien: keine speziellen Kriterien erforderlich Eine darüberhinausgehende Konkretisierung durch speziellere Kriterien wie z. B. konkrete Umsatzzahlen, bestimmte wirtschaftliche Entwicklungen einzelner Branchenteile, die Entwicklung der Materialkosten oder Einkaufspreise usw. ist nicht zu fordern.919 Die Faktoren sind mannigfaltig und für den Arbeitgeber bei Vertragsschluss nicht vorherzusehen und abschließend zu beurteilen, so dass eine Konkretisierung bei Vertragsschluss kaum möglich wäre. Durch solch konkrete Anforderungen würde außerdem die unternehmerische Entscheidungsfreiheit zu stark eingeschränkt und es würde den angeführten Flexibilisierungsinteressen nicht angemessen entsprochen. (2) Notwendiger Ausschluss einer Gewinnsteigerung Nicht zulässig wäre es, nur negative wirtschaftliche Entwicklungen zu berücksichtigen, da der Arbeitgeber dann insofern das Äquivalenzverhältnis missachten könnte920, als er bei schlechter Entwicklung trotz guter Leistungen des Arbeitnehmers die Zahlung bis auf null festsetzen könnte, bei positiver Entwicklung aber nicht gleichermaßen gebunden wäre, diese zugunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Außerdem würde ein Leistungsanreiz für den Arbeitnehmer ge916 917 918 919 920

S. dazu Kapitel 2 D. II. 2. b) und D. II. 2. c). So auch Stoffels, RdA 2015, 276, 279. Vgl. dazu auch Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 73. Im Rahmen der Transparenz genauso Stoffels, RdA 2015, 276, 279. S. dazu Kapitel 4 B. VI. 2.

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 341

setzt, der Arbeitgeber aber nicht ausreichend an sein Versprechen gebunden,921 und das Wirtschaftsrisiko zu stark dem Arbeitnehmer auferlegt922. Der Arbeitnehmer würde am Risiko beteiligt, bekäme aber keinen Ausgleich durch Beteiligung am Erfolg. Eine solche unwirksame Klausel könnte etwa wie folgt aussehen. Beispiel (unwirksame Klausel wegen unangemessener Beteiligung am Wirtschaftsrisiko): Der Arbeitnehmer erhält einen jährlichen Bonus, dessen Höhe der Arbeitgeber nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung negativer wirtschaftlicher Entwicklungen festlegt. (3) Keine Beschränkung auf Ausnahmesituationen erforderlich Es ist jedoch keine Beschränkung auf Ausnahmesituationen nötig, wie es bei Widerrufsvorbehalten teilweise nahegelegt wird923. Es genügen die genannten eher vagen Kriterien wie „wirtschaftliche Entwicklung“. Denn anders als bei Widerrufsvorbehalten steht bei den Bestimmungsvorbehalten keine konkret versprochene Leistung in Rede, die wie bei Ausübung des Widerrufsrechts dauerhaft entfiele. Stattdessen wirkt die Ausübung des Bestimmungsvorbehalts nur für den jeweiligen Turnus.924 Wegen der fehlenden Festlegung der Leistung im Vertrag wird sie nicht im selben Maße vom Äquivalenzverhältnis umfasst925 und der Arbeitgeber bindet sich auch von vornherein nicht genauso umfangreich926. Weder das Äquivalenzverhältnis noch der Grundsatz der Vertragsbindung machen also eine Beschränkung auf Ausnahmesituationen erforderlich. Darüber hinaus wäre eine solche Beschränkung auch widersinnig, da die Leistung in der vorliegenden Konstellation noch festgelegt werden muss. Woran sollte sich sonst die Festlegung orientieren, wenn keine Ausnahmesituation vorliegt? Es ist lediglich sicherzustellen, dass das Bestimmungsrecht nur zur Verwirklichung der berechtigten Interessen des Arbeitgebers ausgeübt wird. Dafür müssen tatsächliche Entwicklungen, die wirtschaftliche Auswirkungen auf das Unternehmen oder das Arbeitsverhältnis haben, und bzw. oder die Leistung des Arbeitnehmers die Entscheidung leiten.927 Die Geltung dieser Kriterien be921

S. dazu Kapitel 4 B. VII. 5. S. dazu Kapitel 4 B. VII. 7. a). 923 In diese Richtung Stoffels, NZA 2017, 1217, 1219; DLW/Baeck/Winzer, Kapitel 2 Rn. 605; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 308 Nr. 4 BGB Rn. 43 f.: „schwerwiegende Gründe“; vgl. dazu BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777; eine Beschränkung auf Ausnahmesituationen bei Widerrufsvorbehalten lehnt ab: Clemenz/Kreft/Krause/Roloff, § 308 BGB Rn. 88. 924 S. zur Definition und Wirkung von Bestimmungsvorbehalten unter Kapitel 1 B. 925 S. dazu Kapitel 4 B. VI. 2. c). 926 S. dazu Kapitel 4 A.V. 1., A.V. 2. und B. III. 3. a). 927 Für Änderungsvorbehalte bezüglich der wirtschaftlichen Auswirkungen ähnlich: Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 73. 922

342 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

schränkt das Bestimmungsrecht ausreichend auf die Flexibilisierungsinteressen des Arbeitgebers und verhindert, dass dieser im Rahmen billigen Ermessens die Festlegung der Leistung zu seinen Gunsten maßgeblich oder ausschließlich auf andere Kriterien stützt. bb) Zulässigkeit zusätzlicher Kriterien Die gegenüber Widerrufsvorbehalten bei Bestimmungsvorbehalten bestehende Besonderheit der vertraglich in der Höhe unbestimmten Leistung führt daneben noch zu einer weiteren Abweichung in den Konkretisierungsanforderungen. Während bei Widerrufsvorbehalten ausschließlich Gründe gelten dürfen, die den Widerruf typischerweise rechtfertigen und die damit auf den Flexibilisierungsgrund beschränkt sind928, müssen bei Bestimmungsvorbehalten neben den genannten zwingenden auch andere Kriterien gelten können. Denn die zwingenden Kriterien dienen dazu, die Einräumung des Bestimmungsvorbehalts als Flexibilisierungsinstrument zu rechtfertigen.929 Durch sie soll dem Flexibilisierungsinteresse des Arbeitgebers Rechnung getragen und eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers verhindert werden. Dafür müssen sie aber nicht ausschließlich gelten. Im Gegenteil müssen, weil die Leistung noch vom Arbeitgeber festzulegen ist, auch die Kriterien Anwendung finden können, die die Höhe der Leistung dem Grunde nach bestimmen sollen und die bei Vertragsschluss die Festlegung der Höhe geleitet hätten. Insofern unterscheidet sich die Situation von der bei Widerrufsvorbehalten, bei denen diese Umstände, die für die Höhe der Leistung an sich – ohne Betrachtung möglicher unvorhersehbarer Entwicklungen – relevant sein sollen, bei der vertraglichen Festlegung bereits berücksichtigt sind. Bei Bestimmungsvorbehalten ist dies naturgemäß nicht der Fall. Zur Verdeutlichung soll das Beispiel einer Zahlung dienen, die der Arbeitgeber verspricht, um die langfristige Betriebstreue des Arbeitnehmers zu belohnen, und für deren Höhe die Länge dieser Treue maßgeblich sein soll. Würde der Arbeitgeber die Leistung ohne Bestimmungsvorbehalt versprechen, hätte die Länge der Betriebszugehörigkeit wohl maßgeblichen Einfluss auf die vertraglich festgelegte Höhe der Leistung. So könnte sie z. B. davon abhängig gestaffelt werden. Will der Arbeitgeber diese Leistung nun durch einen Bestimmungsvorbehalt flexibilisieren, um auf unvorhergesehene Entwicklungen reagieren zu können, kann ihm nicht verwehrt werden, die Länge der Betriebszugehörigkeit bei der Bestimmung zu berücksichtigen. Denn ein Bestimmungsvorbehalt wird nicht eingeräumt, um eine Leistung ausschließlich nach unvorhersehbaren Entwicklungen zu bestimmen, sondern um angemessen auf diese reagieren zu können. Grundlage der 928 929

S. dazu Kapitel 2 D. II. 2. b) und D. II. 2. c). Dazu soeben unter Kapitel 4 B. VII. 10. a) aa).

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 343

Höhe einer Leistung müssen auch in diesem Fall diejenigen Umstände sein können, die die Höhe bei vertraglicher Festlegung bestimmt hätten. Beispiel: Der Arbeitnehmer erhält einen jährlichen Bonus, dessen Höhe der Arbeitgeber nach billigem Ermessen in Abhängigkeit von der Länge der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers und in Abhängigkeit von den wirtschaftlichen Entwicklungen des Unternehmens festlegt. Entscheidend für die Angemessenheit bleibt aber, dass die genannten zwingenden Kriterien gelten und eine wesentliche Rolle bei der Entscheidung spielen, damit der Arbeitgeber an den Flexibilisierungsgrund gebunden wird, der die Einräumung des Bestimmungsvorbehalts ursprünglich gerechtfertigt hat930. Sie müssen dafür nicht notwendig die einzigen Kriterien sein, können es aber. Zusätzliche Kriterien können allerdings nur dann zulässig sein, wenn sie in Bezug zur Leistung und zum Grund ihrer Gewährung stehen. Ansonsten wird der Arbeitnehmer aus den oben genannten Gründen931, die auch zum zwingenden Erfordernis der Angabe von Entscheidungskriterien führen, unangemessen benachteiligt, da der Arbeitgeber die Leistung durch die Berücksichtigung von Umständen, die keinen Zusammenhang zu der spezifischen Leistung haben, niedrig oder sogar auf null festlegen könnte, obwohl dies weder von der Zielsetzung oder dem Grund der Leistung noch vom Zweck des Bestimmungsvorbehalts gedeckt wäre. An der Berücksichtigung solcher Umstände besteht kein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers. Ermöglicht werden soll die Berücksichtigung derjenigen Faktoren, die bei der hypothetischen vertraglichen Festlegung relevant gewesen wären, und nicht davon unabhängiger Faktoren. Keinesfalls angemessen ist die Angabe von zweckfremden oder willkürlichen Kriterien.932 cc) Zusammenfassung Bei der vertraglichen Ausgestaltung von arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten über synallagmatische Leistungen ist Folgendes zu beachten: das Bestimmungsrecht des Arbeitgebers muss zwingend an Kriterien gebunden sein, die die Flexibilisierungsinteressen des Arbeitgebers betreffen.933 Wirtschaftliche Entwicklungen und/oder die Leistung des Arbeitnehmers müssen die Entscheidung leiten. Diese Kriterien müssen jedoch nicht weiter konkretisiert werden, etwa im Hinblick auf bestimmte Umsatzzahlen. Ebenso wenig muss die Entscheidung auf Ausnahmesituationen beschränkt sein. Nicht zulässig ist es hingegen, wenn lediglich auf negative wirtschaftliche Entwicklungen abgestellt wird, da der 930

S. dazu Kapitel 4 B. III. 3. d) und B. VII. 3. a). Zusammenfassend unter Kapitel 4 B. VII. 8.; s. auch Kapitel 4 B. III. 3. a). 932 So zu Widerrufsvorbehalten bei nicht synallagmatischen Leistungen Reichold, RdA 2002, 321, 331; Graf v. Westphalen/Thüsing/Thüsing, Arbeitsverträge Rn. 275. 933 S. zu alledem Kapitel 4 B. VII. 10. a) aa). 931

344 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

Arbeitgeber ansonsten das Äquivalenzverhältnis missachten und das Wirtschaftsrisiko zu stark dem Arbeitnehmer auferlegen könnte.934 Neben diesen zwingenden Voraussetzungen können auch zusätzliche Entscheidungskriterien festgelegt werden, sofern diese im Zusammenhang zur Leistung und dem Grund ihrer Gewährung stehen.935 Dadurch wird es dem Arbeitgeber ermöglicht, auch diejenigen Kriterien zu beachten, die bei vertraglicher Festlegung der Leistung die Entscheidung geleitet hätten. b) Geringere Konkretisierungsanforderungen bei Sonderzahlungen ohne Gegenleistungscharakter Bestimmungsvorbehalte, die sich lediglich auf Sonderzahlungen ohne Gegenleistungscharakter beziehen, bedürfen keiner vergleichbar starken Konkretisierung. aa) Keine zwingende Bindung an die Flexibilisierungsinteressen Die bei synallagmatischen Leistungen aufgestellten zwingenden Konkretisierungsanforderungen sind im Fall von Sonderzahlungen ohne Gegenleistungscharakter von vornherein nicht anwendbar. Denn der gesetzte Leistungsanreiz936 und das Interesse des Arbeitnehmers an der Leistung sind nicht so gewichtig wie bei Leistungen aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis.937 Sonderzahlungen werden vom Arbeitnehmer nicht im selben Maße in die Lebensplanung einbezogen und verdienen nicht denselben ausgeprägten Schutz.938 Zudem sind Sonderzahlungen ohne Gegenleistungscharakter gerade nicht Teil des Synallagmas und des Äquivalenzverhältnisses. Dem Arbeitgeber wird durch Bestimmungsvorbehalte über diese Leistungen also weder die Möglichkeit eingeräumt, das Äquivalenzverhältnis einseitig zu verändern, noch wird das Synallagma relativiert.939 Insofern sind Bestimmungsvorbehalte, die nicht synallagmatische Leistungen betreffen, anders zu behandeln als Bestimmungsvorbehalte über synallagmatische Leistungen. Letztere sind unangemessen, wenn die Entscheidung nicht an

934

Dazu auch schon unter Kapitel 4 B. VI. 2. und B. VII. 7. a). S. dazu soeben unter Kapitel 4 B. VII. 10. a) bb). 936 S. dazu unter Kapitel 4 B. VII. 5. 937 Zur geringeren Abhängigkeit von Sonderzahlungen im Verhältnis zur laufenden Vergütung s. BAG v. 30.07.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173; BAG v. 18.03.2009 – 10 AZR 289/08, NZA 2009, 535; Richardt, Arbeitsvertragliche Flexibilisierung von Entgeltbedingungen, S. 143 ff. 938 Vgl. Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, S. 421; Lindemann, Flexible Gestaltung von Arbeitsbedingungen, S. 198 ff., 326 f., 339; ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 54, 61; Graf v. Westphalen/Thüsing/Thüsing, Arbeitsverträge Rn. 275; Henssler, SAE 1988, 164, 165; Reichold, RdA 2002, 321, 331. 939 S. dazu Kapitel 4 B. VI. 935

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 345

die herausgearbeiteten Flexibilisierungsgründe gebunden ist.940 Das ist bei nicht synallagmatischen Leistungen nicht der Fall. Wenn der Bestimmungsvorbehalt nur Leistungen ohne Gegenleistungscharakter betrifft, sind aus den eben genannten Gründen weniger gewichtige Interessen des Arbeitgebers zur Rechtfertigung vonnöten. Die Benachteiligung des Arbeitnehmers ist bereits durch das praktische Interesse des Arbeitgebers gerechtfertigt, freiwillige Sonderzahlungen flexibel zu gestalten, so dass er nicht im Voraus „ins Blaue hinein“ eine bestimmte Höhe versprechen oder sich an bestimmte Kriterien binden muss. Bei einer freiwilligen Zahlung aus altruistischen Motiven941, die nicht Teil des Gegenseitigkeitsverhältnisses ist, muss der Arbeitgeber flexibler entscheiden können, welche Kriterien er für relevant hält. Deshalb müssen die Kriterien, die bei synallagmatischen Leistungen erforderlich sind, bei Sonderzahlungen nicht zwingend gelten. Sie sind natürlich ebenso zulässig, stattdessen können aber auch von ihnen unabhängige Kriterien vereinbart werden. bb) Dennoch Erfordernis der Konkretisierung von Entscheidungskriterien: Flexibilisierungsinteressen und/oder andere zweckdienliche Kriterien Nicht gerechtfertigt wäre es hingegen, wie das BAG942 gänzlich vom Erfordernis der Bindung an Kriterien abzusehen.943 Denn trotz des fehlenden Gegenleistungscharakters setzt der Arbeitgeber mit dem Zahlungsversprechen einen gewissen Leistungsanreiz und muss deshalb auch angemessen an sein Versprechen gebunden sein. Das gilt vor allem, wenn keine Kriterien geregelt sind, da der Arbeitnehmer dann davon ausgehen muss, dass seine Arbeitsleistung zählt. Aber selbst wenn andere Kriterien angegeben sind, soll die in Aussicht gestellte Leistung den Arbeitnehmer motivieren.944 Außerdem weicht die Klausel bei Sonderzahlungen genauso vom Vertragsprinzip und der Vertragsbindung ab wie bei synallagmatischen Leistungen und benachteiligt den Arbeitnehmer dadurch.945 Der Arbeitnehmer wird schlussendlich auch Sonderzahlungen zum Bestreiten des Lebensunterhalts nutzen, wenn auch in geringerem Maße. Eine Festlegung der relevanten Entscheidungskriterien ist also auch bei nicht synallagmatischen Leistungen erforderlich. Wirksame Klauseln könnten etwa wie folgt aussehen.

940

S. dazu Kapitel 4 B. VII. 10. a) aa). S. zu derartigen Zahlungen unter Kapitel 4 B. IV. 6. b) ee). 942 BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013; BAG v. 23.08.2017 – 10 AZR 376/16, NZA 2017, 1595; dazu ausführlich unter Kapitel 2 B. II. 2. 943 S. dazu bereits die gesamte vorstehende Interessenabwägung unter Kapitel 4 B. VII. 3.–10. 944 S. dazu Kapitel 4 B. IV. 6. und B. VII. 5. 945 S. dazu Kapitel 4 A.V. 2., B. III. 3. a) und B. VII. 3. b). 941

346 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

Beispiel 1 (Jubiläumszahlung mit Geltung der bei synallagmatischen Leistungen zwingenden Kriterien): Der Arbeitnehmer erhält jeweils zum 5., 10., 15. usw. Geschäftsjubiläum eine Bonuszahlung, deren Höhe der Arbeitgeber nach billigem Ermessen in Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens festlegt. Beispiel 2 (Jubiläumszahlung nach anderen Kriterien): Der Arbeitnehmer erhält jeweils zum 5., 10., 15. usw. Geschäftsjubiläum eine Bonuszahlung, deren Höhe der Arbeitgeber nach billigem Ermessen in Abhängigkeit von der Marktmacht des Unternehmens und der Betriebsgröße (Anzahl der Arbeitnehmer) im Auszahlungsjahr festlegt. Beispiel 3 (Hochzeitsgeld nach anderen Kriterien): Der Arbeitnehmer erhält im Hochzeitsfall eine Bonuszahlung, deren Höhe der Arbeitgeber nach billigem Ermessen in Abhängigkeit von den durchschnittlichen Kosten einer standesamtlichen Hochzeit am Betriebsstandort im Auszahlungsjahr festlegt. Beispiel 4 (Jubiläumszahlung mit Kombination der Kriterien): Der Arbeitnehmer erhält jeweils zum 5., 10., 15. usw. Geschäftsjubiläum eine Bonuszahlung, deren Höhe der Arbeitgeber nach billigem Ermessen in Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens und der Betriebsgröße (Anzahl der Arbeitnehmer) im Auszahlungsjahr festlegt. cc) Keine willkürlichen oder zweckfremden Kriterien Bei Bestimmungsvorbehalten über Sonderzahlungen ohne Gegenleistungscharakter gilt genau wie bei synallagmatischen Leistungen, dass willkürliche, zweckfremde Kriterien nicht berücksichtigt werden dürfen.946 Da Bestimmungsvorbehalte auch bei Sonderzahlungen von den genannten Rechtsgrundsätzen abweichen und der Arbeitnehmer auch mit diesen Zahlungen seinen Lebensunterhalt bestreitet, müssen zweckdienliche, willkürfreie Kriterien gelten. Es darf beispielsweise nicht möglich sein, eine solche Leistung auf null festzusetzen, weil der Arbeitnehmer krankheitsbedingte Fehlzeiten vorzuweisen hat, die Elternzeit in Anspruch genommen hat oder einfach deshalb, weil der Arbeitgeber das Verhältnis zum Arbeitnehmer nicht (mehr) als positiv ansieht. Eine unwirksame Klausel könnte also wie folgt aussehen. Beispiel (unwirksamer Bestimmungsvorbehalt über Jubiläumszahlung nach willkürlichen Kriterien): Der Arbeitnehmer erhält jeweils zum 5., 10., 15. usw. Geschäftsjubiläum eine Bonuszahlung, deren Höhe der Arbeitgeber nach billigem Ermessen in Abhängigkeit von den krankheitsbedingten Fehlzeiten des Arbeitnehmers im Auszahlungsjahr festlegt. 946 Vgl. zu Widerrufsvorbehalten ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 54, 61; Graf v. Westphalen/Thüsing/Thüsing, Arbeitsverträge Rn. 275; Reichold, RdA 2002, 321, 331, die alle lediglich sachliche, willkürfreie Gründe fordern, wenn der Vorbehalt sich auf eine nicht synallagmatische Leistung bezieht.

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 347

dd) Zusammenfassung Bei Bestimmungsvorbehalten des Arbeitgebers über Sonderzahlungen ohne Gegenleistungscharakter müssen die bei synallagmatischen Leistungen zwingenden Kriterien nicht gelten. Denn der gesetzte Leistungsanreiz947 und das Interesse des Arbeitnehmers an der Leistung sind nicht so gewichtig wie bei Leistungen aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis. Ferner wird dem Arbeitgeber durch Bestimmungsvorbehalte über diese Leistungen weder die Möglichkeit eingeräumt, das Äquivalenzverhältnis einseitig zu verändern, noch wird das Synallagma relativiert.948 Dennoch muss die Entscheidung des Arbeitgebers auf bestimmte Kriterien beschränkt werden. Trotz des fehlenden Gegenleistungscharakters setzt der Arbeitgeber mit dem Zahlungsversprechen einen gewissen Leistungsanreiz und muss deshalb auch angemessen an sein Versprechen gebunden sein.949 Außerdem weicht die Klausel bei Sonderzahlungen genauso vom Vertragsprinzip und der Vertragsbindung ab wie bei synallagmatischen Leistungen und benachteiligt den Arbeitnehmer dadurch.950 Die zu regelnden Kriterien dürfen nicht willkürlich oder zweckfremd sein, können ansonsten aber frei gewählt werden. 11. Notwendigkeit ausdrücklicher Festlegung der Kriterien Zu beachten bleibt, dass die Beschränkung durch Entscheidungskriterien allein aus Gründen der inhaltlichen Angemessenheit nicht zwangsläufig in der Klausel selbst geregelt sein muss. Für die inhaltliche Angemessenheit ist es ausreichend, dass sie sich eindeutig als Ergebnis einer Auslegung der Klausel ergibt. Hier greifen allerdings die inhaltliche Angemessenheitskontrolle und das Transparenzgebot ineinander. Aus der inhaltlichen Angemessenheitskontrolle ergibt sich, dass die Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers durch Kriterien zu beschränken ist und welche inhaltlichen Anforderungen an diese zu stellen sind. Das Transparenzgebot erfordert daneben, dass bereits in der Klausel Kriterien geregelt sind, damit der Arbeitnehmer erkennen kann, was auf ihn zukommt.951 Die Klausel muss nach dem Transparenzgebot außerdem die Angemessenheit erkennen lassen.952 Die Kombination der beiden Prüfungsmaßstäbe ergibt daher, dass die hier genannten Kriterien in der Klausel ausdrücklich enthalten sein müssen. 947

S. dazu unter Kapitel 4 B. VII. 5. S. dazu Kapitel 4 B. VI. 949 S. dazu Kapitel 4 B. IV. 6. und B. VII. 5. 950 S. dazu Kapitel 4 A.V. 2., B. III. 3. a) und B. VII. 3. b). 951 Vgl. Kapitel 5 B. III. 952 Vgl. Preis/Roloff, ZfA 2007, 43, 74; BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 46, nach dem die Klausel bei Widerrufsvorbehalten Angemessenheit und Zumutbarkeit erkennen lassen muss; s. dazu Graf v. Westphalen/Thüsing/Thüsing, Arbeitsverträge Rn. 276. 948

348 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

12. Ergebnisse Bestimmungsvorbehalte über arbeitgeberseitige Geldzahlungen müssen entgegen der Meinung des BAG953 und eines Teils der Literatur954 in jedem Fall an bestimmte Kriterien gebunden werden, nach denen der Arbeitgeber die Entscheidung zu treffen hat. Andernfalls benachteiligt ein solcher Bestimmungsvorbehalt den Arbeitnehmer unangemessen nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. a) Grundlegende Erkenntnisse der Interessenabwägung zur Konkretisierung von Bestimmungsvorbehalten Der Arbeitnehmer wird durch die Einräumung eines Bestimmungsvorbehalts benachteiligt, weil kein von ihm konsentiertes vertragliches Versprechen entsteht und die Bindung des Arbeitgebers eingeschränkt wird.955 Aufseiten des Arbeitgebers besteht insbesondere ein Interesse daran, durch einen möglichst freien Bestimmungsvorbehalt auf unvorhersehbare Entwicklungen reagieren zu können956 und den Arbeitnehmer zu besonderer Leistung zu motivieren957. Deshalb ist es gerechtfertigt, durch einen Bestimmungsvorbehalt die Vertragsbindung zu lockern. Nicht gerechtfertigt ist es hingegen, dem Arbeitgeber durch ein freies Bestimmungsrecht die Möglichkeit einzuräumen, die versprochene Leistung vorzuenthalten oder niedrig festzusetzen, wenn keine unvorhergesehenen oder sogar nur positive Entwicklungen eintreten.958 In diesen Fällen haben sich die Flexibilisierungsgründe nicht verwirklicht. Der Arbeitnehmer auf der anderen Seite ist von den Zahlungen des Arbeitgebers abhängig.959 Er hat ein Interesse an einer stabilen Erwerbsaussicht und deshalb auch daran, dass das Prinzip der Vertragsbindung möglichst weitgehend eingehalten bleibt. Dem Arbeitnehmer wird durch einen Bestimmungsvorbehalt außerdem gänzlich die Möglichkeit genommen, durch Vertragsverhandlungen und seine Vertragsabschlussentscheidung auf die Höhe der Leistung Einfluss zu nehmen. All das streitet für eine Konkretisierung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte. Eine nicht konkretisierte Klausel wird nicht dadurch gerechtfertigt, dass sie auch zum Vorteil des Arbeitnehmers gereichen kann, indem die Berücksichtigung positiver Kriterien nicht durch Konkretisierung ausgeschlossen wird. Denn

953 954 955 956 957 958 959

S. dazu Kapitel 2 B. II. 2. S. dazu Kapitel 2 E. S. dazu Kapitel 4 B. VII. 1. und B. III. 3. a). S. dazu Kapitel 4 B. VII. 3. a) aa). S. dazu Kapitel 4 B. VII. 3. a) bb). S. dazu Kapitel 4 B. VII. 3. a) aa). S. zu alledem Kapitel 4 B. VII. 3. b).

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 349

das ändert nichts an der möglichen Verwendung der Klausel zum Nachteil des Arbeitnehmers.960 Darüber hinaus mindern nicht konkretisierte Bestimmungsvorbehalte beim Arbeitnehmer die Vorhersehbarkeit der Leistungshöhe und des Einflusses seiner eigenen Leistung darauf. Da dieses Argument schwerpunktmäßig der selbstständig durchzuführenden Transparenzkontrolle zuzuordnen ist, kann es in der Angemessenheitskontrolle nur unterstützend herangezogen werden.961 b) Setzen eines Leistungsanreizes ohne entsprechende Bindung des Arbeitgebers führt zur Unangemessenheit des Bestimmungsvorbehalts Zu einer unangemessenen Benachteiligung führt, dass der Arbeitgeber durch einen nicht konkretisierten Bestimmungsvorbehalt den Leistungsanreiz eines vertraglichen Versprechens in Anspruch nimmt, selbst aber nicht hinreichend daran gebunden ist, was das BAG bei Stichtagsklauseln für unzulässig hält.962 Ohne festgelegte Entscheidungskriterien muss der Arbeitnehmer davon ausgehen, dass seine Leistung die Bestimmung beeinflussen kann, und wird sich besonders anstrengen. Der Arbeitgeber auf der anderen Seite ist nicht ausreichend an sein Versprechen gebunden, wenn er die relevanten Kriterien selbst wählen und darüber die Leistung niedrig festsetzen oder sogar ganz entfallen lassen kann. Diese Problematik gilt in abgeschwächter Form auch für Sonderzahlungen ohne Gegenleistungscharakter, da auch diese regelmäßig dazu geeignet sind, den Arbeitnehmer zu motivieren.963 c) AGB-spezifische Erkenntnisse aa) Unangemessenheit nicht konkretisierter Bestimmungsvorbehalte wegen gewichtiger Abweichung von der gesetzlichen Risikoverteilung: insbesondere Wirtschaftsrisiko Durch arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte werden dem Arbeitnehmer teilweise das Wirtschafts- und das Betriebsrisiko auferlegt, die gem. § 615 S. 1, 3 BGB dem Arbeitgeber zugewiesen sind.964 Denn der Arbeitgeber kann die unter Bestimmungsvorbehalt gestellte Leistung aufgrund von Betriebsausfällen oder wirtschaftlichen Engpässen niedriger oder auf null festlegen und die Folgen dadurch teilweise auf den Arbeitnehmer abwälzen. Vor allem das Wirtschaftsrisiko kann der Arbeitgeber besser beherrschen und versichern. Die Beteiligung an den Verlusten des Arbeitgebers ist deshalb nur gerechtfertigt, wenn dem Arbeitneh960 961 962 963 964

S. dazu Kapitel 4 B. VII. 3. b). S. dazu Kapitel 4 B. VII. 4. S. dazu Kapitel 4 B. VII. 5. S. dazu Kapitel 4 B. VII. 5. und B. IV. 6. S. dazu Kapitel 4 B. VII. 7. a).

350 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

mer auch Gewinne zugutekommen müssen. Der Arbeitgeber muss aus diesem Grund in seiner Entscheidung an bestimmte Kriterien gebunden sein, damit er nicht in jedem Turnus erneut einseitig entscheiden kann, negative wirtschaftliche Entwicklungen zu berücksichtigen, positive hingegen nicht. Das Betriebsrisiko ist im Ergebnis zu vernachlässigen, da eine ausschlaggebende Betriebsstörung den Ausnahmefall darstellen dürfte. bb) Alternative oder übliche Gestaltungsmöglichkeiten haben keine Bedeutung für die Angemessenheitsprüfung Die alternative Möglichkeit, statt eines Bestimmungsvorbehalts einen Anspruch auf die Leistung durch Freiwilligkeitsvorbehalt gänzlich auszuschließen, hat keinen Einfluss auf die Angemessenheit der Ausgestaltung von Bestimmungsvorbehalten, was die Rechtsprechung des BAG jedoch nahelegt.965 Der Arbeitgeber entscheidet sich gerade nicht für einen Freiwilligkeitsvorbehalt, sondern dafür, einen Anspruch einzuräumen und damit einen größeren Leistungsanreiz zu setzen. Auch die Üblichkeit offener Flexibilisierungsklauseln spielt in der Angemessenheitskontrolle keine Rolle.966 Andernfalls wäre es den Verwendern überlassen, den Angemessenheitsmaßstab festzulegen. cc) Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB hat keinen Einfluss auf die Angemessenheit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte Ebenso wenig lässt die Möglichkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB, die das BAG jedoch als wesentliches Argument dafür anführt, dass offene Bestimmungsvorbehalte den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligen967, die Pflicht zur Konkretisierung der Entscheidungskriterien entfallen. Die Möglichkeit einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle kann die AGBKontrolle von vornherein nicht beeinflussen.968 Denn die AGB-Kontrolle ist der Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB grundsätzlich vorrangig. § 315 Abs. 3 BGB setzt ein wirksam eingeräumtes Leistungsbestimmungsrecht voraus, welches aber in der AGB-Kontrolle überprüft wird. Außerdem sollen die §§ 305 ff. BGB gerade im Vorfeld gerichtlicher Auseinandersetzungen schützen. Deshalb lehnt auch der BGH eine Rechtfertigung nicht konkretisierter Leistungsbestimmungsrechte durch § 315 Abs. 3 BGB ab.969 Die Billigkeitskontrolle bietet darüber hinaus auch keinen ausreichenden Schutz, weil davon auszugehen ist, dass der Arbeitnehmer eine gerichtliche Aus965 966 967 968 969

S. dazu Kapitel 4 B. VII. 7. c). S. dazu Kapitel 4 B. VII. 7. e). S. dazu Kapitel 2 B. II. 2. S. dazu Kapitel 4 B. VII. 7. f). S. dazu insbesondere Kapitel 2 C. V. 1.

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 351

einandersetzung in der Regel scheuen wird oder er eine Ausübung des Bestimmungsrechts mit Blick auf die unbestimmte Klausel schlichtweg für wirksam hält. Mit dem abstrakt-generellen Charakter der AGB-Kontrolle wäre es zudem nicht vereinbar, den Schutz des Vertragspartners auf eine Einzelfallkontrolle zu verlagern. d) Verhältnis der Konkretisierungspflicht von Bestimmungsvorbehalten zur Behandlung anderer Flexibilisierungsklauseln Bestimmungsvorbehalte sind bezüglich ihrer Konkretisierung dem Grunde nach genauso zu behandeln wie Widerrufsvorbehalte.970 Insofern ist der Rechtsprechung des BAG zu widersprechen.971 aa) Übereinstimmung mit den AGB-rechtlichen Anforderungen an Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalte Das hier gewonnene Ergebnis, bei Bestimmungsvorbehalten eine Konkretisierung der Entscheidungskriterien zu fordern, stimmt mit der Behandlung von Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalten in Rechtsprechung und Literatur überein.972 Denn Bestimmungsvorbehalte liegen ihrer Wirkung nach zwischen diesen beiden Flexibilisierungsklauseln und ähneln noch stärker den Widerrufsvorbehalten.973 Ferner wird bei Verwendung von Bestimmungsvorbehalten wie bei Widerrufsvorbehalten ein Anspruch eingeräumt, an den der Arbeitgeber nicht vollständig gebunden ist. Beide Instrumente können außerdem, anders als Freiwilligkeitsvorbehalte, alle Teile der Vergütung betreffen. Insofern ist es geboten, Bestimmungsvorbehalte anders als Freiwilligkeitsvorbehalte zu behandeln, bei denen keine tatbestandliche Konkretisierung gefordert wird. Das Ergebnis der Gleichbehandlung mit Widerrufsvorbehalten wird über die vergleichbare Wirkung hinaus auch dadurch unterstützt, dass beide Instrumente denselben Flexibilisierungsinteressen entspringen. Die Gleichbehandlung bedeutet aber nur, dass in Anlehnung an die regelmäßig geforderten Widerrufsgründe bei Bestimmungsvorbehalten ähnliche Entscheidungskriterien geregelt werden müssen. Anders als bei Widerrufsvorbehalten bleibt es hingegen möglich, zusätzliche Kriterien zu regeln. bb) Teilweise Harmonisierung der Kontrollmaßstäbe Bei der AGB-Kontrolle von Vorbehalten, die der Flexibilisierung arbeitgeberseitiger Zahlungen dienen, ist eine gewisse Harmonisierung der Kontrollmaß970 971 972 973

S. dazu Kapitel 4 B. VII. 9. a). Dazu zusammenfassend Kapitel 2 F. II. S. dazu Kapitel 4 B. VII. 9. b) und B. VII. 9. d). S. dazu auch Kapitel 1 B. IV.

352 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

stäbe geboten.974 Es muss ein einheitliches Grundprinzip beachtet werden: die Prüfung ist am zugrundeliegenden Flexibilisierungsinteresse des Arbeitgebers und dem Interesse des Arbeitnehmers an stabilen Erwerbsaussichten zu orientieren und diese Interessen müssen im Grundsatz bei allen Flexibilisierungsklauseln gleich gewichtet werden. Nicht geboten ist hingegen eine vollständige Harmonisierung der konkreten Anforderungen an solche Vorbehalte. Dem stehen die unterschiedlichen Zielsetzungen und Wirkungen der einzelnen Klauseln entgegen. e) Die inhaltliche Ausgestaltung der Konkretisierung aa) Bestimmungsvorbehalte über synallagmatische Leistungen: verpflichtende Bindung an die Flexibilisierungsgründe und Zulässigkeit weiterer Entscheidungskriterien Betreffen Bestimmungsvorbehalte eine Leistung, die Teil des Synallagmas ist, müssen zwingend Entscheidungskriterien gelten, die sich nach den Interessen des Arbeitgebers an der Einräumung richten.975 Ansonsten ist der Bestimmungsvorbehalt unangemessen, weil er auch für Fälle gilt, in denen keine berechtigten Interessen des Arbeitgebers vorliegen, die die Benachteiligung des Arbeitnehmers rechtfertigen könnten. Es müssen also Kriterien gelten, die inhaltlich den Motivationszweck oder/und die Anpassung des Arbeitsverhältnisses an unvorhergesehene Entwicklungen betreffen. Dafür genügen, in Anlehnung an die Behandlung von Widerrufsvorbehalten, allgemeine Kriterien wie „wirtschaftliche Entwicklung“ oder „Leistung des Arbeitnehmers.“ Voraussetzung der Angemessenheit sind weder die weitere Konkretisierung dieser Kriterien976 noch eine Beschränkung der Entscheidung auf Ausnahmesituationen977. Zwingend ausgeschlossen werden muss aber eine Konstellation, in der der Arbeitgeber negative Entwicklungen berücksichtigen könnte, im Gegenzug aber nicht verpflichtet wäre, positive Entwicklungen zu berücksichtigen, da der Arbeitgeber ansonsten das Äquivalenzverhältnis missachten und das Wirtschaftsrisiko zu stark dem Arbeitnehmer auferlegen könnte.978 Deshalb ist ein Bestimmungsvorbehalt unwirksam, der die Entscheidung ausschließlich an negative Entwicklungen bindet. Neben den zwingenden Kriterien bleibt es möglich, weitere Kriterien zu regeln, solange diese in Bezug zur Leistung und dem Grund ihrer Einräumung stehen.979 Denn dem Arbeitgeber muss es möglich sein, diejenigen Kriterien in die Entscheidung einfließen zu lassen, die bei Festlegung der Leistung im Vertrag die 974

S. dazu Kapitel 4 B. VII. 9. d). S. dazu Kapitel 4 B. VII. 10. a) aa). 976 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 10. a) aa) (1). 977 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 10. a) aa) (3). 978 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 10. a) aa) (2); s. dazu auch schon Kapitel 4 B. VI. 2. und B. VII. 7. a). 979 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 10. a) bb). 975

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 353

Höhe bestimmt hätten, wie etwa die Länge der Betriebszugehörigkeit bei Betriebstreueleistungen. Insofern sind Bestimmungsvorbehalte anders zu behandeln als Widerrufsvorbehalte. Bei Bestimmungsvorbehalten hat es schließlich anders als bei Widerrufsvorbehalten nie eine vertragliche Festlegung gegeben. bb) Bestimmungsvorbehalte über Sonderzahlungen ohne Gegenleistungscharakter: nur willkürfreie Kriterien als Konkretisierungsanforderung Betrifft das Bestimmungsrecht eine Sonderzahlung ohne Gegenleistungscharakter, gelten geringere Konkretisierungsanforderungen. Der Bestimmungsvorbehalt muss nicht zwingend an die Flexibilisierungsgründe des Arbeitgebers gebunden sein.980 Es entfällt der Vorwurf, das Synallagma könnte relativiert und das Äquivalenzverhältnis verschoben werden. Daneben ist der Arbeitnehmer weniger von Sonderzahlungen abhängig und diese üben einen geringeren Leistungsanreiz aus. Die Pflicht zur Konkretisierung der Entscheidungskriterien entfällt aber nicht gänzlich.981 Schließlich setzen auch Sonderzahlungen einen gewissen Leistungsanreiz und Bestimmungsvorbehalte weichen auch bei diesen von gewichtigen Rechtsgrundsätzen ab. Es genügen aber willkürfreie, zweckdienliche Kriterien.982 Zweckfremde oder willkürliche Gründe führen hingegen zur Unangemessenheit des Bestimmungsvorbehalts.

VIII. Zur Kompensation einer unangemessenen Benachteiligung bei Bestimmungsvorbehalten Abschließend stellt sich die Frage, ob eine festzustellende unangemessene Benachteiligung aus einem der oben genannten Gründe möglicherweise kompensiert werden kann. In der Rechtsprechung des BGH wird eine Kompensation für möglich gehalten.983 So soll bei Preisanpassungsklauseln eine Unangemessenheit wegen fehlender Konkretisierung durch Einräumung eines Sonderkündigungsrechts kompensiert werden können, wenn eine Konkretisierung der Klausel unmöglich ist.984 Bei arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten deutet die Rechtsprechung des BAG auf eine Möglichkeit der Kompensation durch die Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB.985 980

S. dazu Kapitel 4 B. VII. 10. b) aa). S. dazu Kapitel 4 B. VII. 10. b) bb). 982 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 10. b) cc). 983 S. dazu Kapitel 2 C. V. 984 BGH v. 26.05.1986 – VIII ZR 218/85, NJW 1986, 3134; BGH v. 15.11.2007 – III ZR 247/06, NJW 2008, 360. 985 S. dazu Kapitel 2 B. II. 2. 981

354 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

Nachfolgend soll untersucht werden, ob eine Kompensation im AGB-Recht überhaupt möglich ist. Anschließend wird erörtert, ob die Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB oder die Einräumung einer zusätzlichen Kündigungsmöglichkeit eine bestehende unangemessene Benachteiligung kompensieren können. 1. Möglichkeit der Kompensation im AGB-Recht Zunächst ist relevant, ob die unangemessene Benachteiligung einer AGBKlausel überhaupt kompensiert werden kann. In Rechtsprechung und Literatur ist weitgehend anerkannt, dass die Unangemessenheit einer Klausel durch eine andere Klausel desselben AGB-Werkes kompensiert werden kann.986 Daran könnten aus zweierlei Gründen Bedenken bestehen. Problematisch ist zunächst, dass Gegenstand der AGB-Kontrolle gerade nicht der gesamte Vertrag als Einheit ist, sondern die einzelnen Klauseln.987 Wäre der gesamte Vertrag zu beachten, würde die Äquivalenz überprüft, die von der Inhaltskontrolle ausgenommen ist988. Diesem Problem wird von den meisten Stimmen in Literatur und Rechtsprechung aber richtigerweise damit begegnet, dass eine Kompensation nur durch konnexe Klauseln möglich sein soll, die in einem sachlichen Regelungszusammenhang mit der benachteiligenden Klausel stehen und mit ihr einen einheitlichen Regelungskomplex bilden.989 Bedenken könnten zweitens auch bezüglich der Transparenz bestehen. Denn dem Vertragspartner ist womöglich nicht ersichtlich, ob die jeweilige Klausel nun wirksam ist oder nicht, da sie isoliert betrachtet doch unangemessen benach986 Vgl. zur Kompensation durch eine konnexe Klausel etwa BGH v. 01.12.1981 – KZR 37/80, BGHZ 82, 238; BGH v. 23.04.1991 – XI ZR 128/90, BGHZ 114, 238; BGH v. 17.12.1998 – VII ZR 243/97, BGHZ 140, 241; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 11; BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 23; MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 38; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs/Bieder, Anh. § 310 BGB AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht Rn. 41; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 151 ff.; Clemenz/ Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 54; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 487; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 215; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 125. 987 Vgl. Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 103; Clemenz/Kreft/ Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 53; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 485; Wolf/Lindacher/ Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 212; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 124. 988 Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 284 m.w. N.; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 423, 450; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 303, 308; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 38; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 28; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 258 ff. 989 Vgl. etwa BGH v. 29.11.2002 – V ZR 105/02, BGHZ 153, 93; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 11; BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 23; MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 38; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs/Bieder, Anh. § 310 BGB AGBKontrolle im Arbeitsrecht Rn. 41; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 151 ff.; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 54; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 487; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 215; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 125.

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 355

teiligend wäre. Dem könnte entgegnet werden, dass es dem Vertragspartner zuzumuten ist, alle Klauseln zu betrachten, die zu einem einheitlichen Regelungskomplex gehören. Kompensierende Klauseln müssten danach in einem sachlichen Zusammenhang zu der ansonsten unangemessenen Klausel stehen, der in transparenter Weise erkennbar ist. Dann wäre die Angemessenheit auch jener Klausel, die isoliert betrachtet unwirksam wäre, für den Vertragspartner transparent erkennbar. Ob damit alle Bedenken gegenüber einer Kompensation ausgeräumt sind, bedarf hier keiner vertieften Untersuchung, da kaum Klauseln vorstellbar sind, die die angeführten möglichen Benachteiligungen angemessen kompensieren können und die in der Praxis sinnvoll erscheinen. Voraussetzung wäre, dass den oben genannten Gedanken, die die Grundlage für die herausgearbeiteten Anforderungen bilden, entsprechend Rechnung getragen wird und eine kompensierende Klausel mit der benachteiligenden Klausel einen einheitlichen Regelungskomplex bildet. Durch die Kompensation müsste ein Zustand hergestellt werden, der dem mit angemessener Ausgestaltung des Bestimmungsrechts derart gleichkommt, dass der Arbeitnehmer im Ergebnis ausreichend geschützt ist. In Frage kämen dafür lediglich die Einräumung eines Kündigungsrechts und die Möglichkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB. Auf deren Eignung zur Kompensation wird im Folgenden eingegangen. 2. Keine Kompensation durch § 315 Abs. 3 BGB Bezüglich entgeltrelevanter Bestimmungsvorbehalte des Arbeitgebers sind BAG und große Teile der Literatur der Meinung, eine fehlende Konkretisierung sei gerechtfertigt, weil der Arbeitnehmer ausreichend durch § 315 Abs. 3 BGB geschützt werde.990 Das wird nicht ausdrücklich als Kompensation bezeichnet, ein solches Verständnis liegt jedoch nahe.991 Unabhängig davon scheidet eine Kompensation durch das Recht zur gerichtlichen Überprüfung der arbeitgeberseitigen Entscheidung gem. § 315 Abs. 3 BGB aber aus, da eine Verlagerung der Prüfung auf die Ausübungskontrolle dem Charakter der AGB-Kontrolle zuwider-

990 BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970; so bspw. auch BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148 Rn. 42; BAG v. 26.09.2012 – 10 AZR 370/11, zitiert nach juris; BAG v. 17.10.2012 – 10 AZR 620/11, zitiert nach juris; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 29; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12 Rn. 31, NZA 2013, 970; Salamon, NZA 2014, 465, 466; Salamon/Wessels, BB 2017, 885, 886; Reinfelder, NZABeil. 2014, 10, 15; vgl. auch Wensing/Boensch, BB 2014, 2358; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400; Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65; Kössel, DB 2016, 2963; BLDH/ Lingemann, Kap. 2 Rn. 101; a. A. Stoffels, RdA 2015, 276; zurückhaltender Stoffels, NZA 2017, 1217, 1224. 991 S. dazu bereits Kapitel 4 B. VII. 7. f); s. auch nachfolgend unter Kapitel 5 B. III. 6.

356 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

laufen würde992, das AGB-Recht dem § 315 BGB vorgeht und die Möglichkeit einer gerichtlichen Kontrolle den Arbeitnehmer nicht ausreichend schützt.993 Dementsprechend lehnt auch der BGH die Rechtfertigung unangemessen benachteiligender Leistungsbestimmungsrechte durch die Billigkeitskontrolle ab.994 3. Keine Kompensation durch Kündigungsrecht Genauso wenig genügt vorliegend die Einräumung eines Kündigungsrechts zur Kompensation einer unangemessenen Benachteiligung. Der BGH lässt eine solche Kompensation bei nicht ausreichend konkretisierten Preisanpassungsklauseln zu, jedoch nur, wenn eine Konkretisierung auf unüberwindbare Schwierigkeiten stößt.995 Abgesehen davon, dass die hier geforderte Konkretisierung nicht auf unüberwindbare Schwierigkeiten stößt, muss im Arbeitsrecht eine Kompensation durch Einräumung eines Sonderkündigungsrechts oder eines anderen Rechts zur Lösung vom Vertrag von vornherein ausscheiden. Der Arbeitnehmer ist in der Regel auf das Bestehen seines Arbeitsverhältnisses angewiesen, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.996 Allein deshalb ist dem Arbeitnehmer eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Kompensation einer unangemessenen Benachteiligung nicht zuzumuten. Er hat ein großes Interesse daran, im Arbeitsverhältnis zu verbleiben, da es ihm regelmäßig auch nicht ohne weiteres möglich sein wird, zeitnah ein neues Arbeitsverhältnis zu vergleichbaren Konditionen einzugehen.997 Insofern unterscheidet sich das Arbeitsverhältnis von anderen (Dauer-) Schuldverhältnissen, bei denen der Vertragspartner erfahrungsgemäß problemlos zu einem anderen Anbieter am Markt wechseln kann und nicht gleichermaßen auf das Schuldverhältnis angewiesen ist. Auch bei diesen soll nach der Rechtsprechung des BGH aber eine Kompensation entfallen, wenn das Kündigungsrecht wegen einer Monopolstellung des Verwenders dem Vertragspartner keinen 992

Vgl. Preis/Preis, II S 40 Rn. 19e. Vgl. nur BGH v. 11.06.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518; BGH v. 07.10.1981 – VIII ZR 229/80, NJW 1982, 331; BGH v. 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, BGHZ 89, 206; BGH v. 21.04.2009 – XI ZR 55/08, zitiert nach juris; all dies wurde bereits ausführlich dargestellt unter Kapitel 4 B. VII. 7. f). 994 BGH v. 11.06.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518; BGH v. 07.10.1981 – VIII ZR 229/80, NJW 1982, 331; BGH v. 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, BGHZ 89, 206; BGH v. 21.04.2009 – XI ZR 55/08, zitiert nach juris. 995 BGH v. 26.05.1986 – VIII ZR 218/85, NJW 1986, 3134; BGH v. 15.11.2007 – III ZR 247/06, NJW 2008, 360. 996 Vgl. APS/Preis, Grundlagen B. Rn. 3, 16 m.w. N.; APS/Künzl, § 2 KSchG Rn. 3; NK-ArbR/Greiner, § 1 KSchG Rn. 16 ff.; Schaub ArbR-HdB/Linck, § 1 Rn. 4; MünchHdb ArbR/Richardi, § 3 Rn. 34 f.; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 187; Stoffels, RdA 2015, 276, 278; Henssler, SAE 1988, 164, 165; zum Vertrauen auf die laufende Vergütung vgl. BAG v. 25.04.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853. 997 Vgl. Stoffels, ZfA 2009, 861, 878; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs/Bieder, Anh. § 310 BGB AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht Rn. 46; Henssler, SAE 1988, 164, 165. 993

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 357

nennenswerten Vorteil oder aus anderen Gründen erhebliche Nachteile bringt.998 Das besondere Interesse des Arbeitnehmers am Erhalt des Arbeitsverhältnisses zeigt sich nicht zuletzt im Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses zu seinen Gunsten durch das KSchG.999 Die Einräumung eines Kündigungsrechts kann wegen der Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitsverhältnis eine unangemessene Benachteiligung folglich nicht kompensieren.

IX. Ergebnisse zur Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte Es ist festzuhalten, dass umfangreiche Anforderungen bei der Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte im Entgeltbereich zu beachten sind. Zusammengefasst sind arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte nur angemessen, wenn ein berechtigtes Interesse an ihrer Einräumung besteht, sie an bestimmte Entscheidungskriterien gebunden sowie nach billigem Ermessen oder einem strengeren Maßstab auszuüben sind und ihr Umfang so konkretisiert wird, dass ein Eingriff in den Kernbereich ausgeschlossen ist. 1. Zur Unwirksamkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte Zunächst hat sich gezeigt, dass arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB nicht schon unabhängig von ihrer Ausgestaltung unwirksam sind.1000 Voraussetzung der Angemessenheit ist zwar das Bestehen eines berechtigten Interesses des Arbeitgebers an dieser Klauselgestaltung, das geeignet ist, die bestehende Benachteiligung zu rechtfertigen, die sich daraus ergibt, dass durch den Bestimmungsvorbehalt kein vom Arbeitnehmer konsentiertes vertragliches Versprechen entsteht und die Bindung des Arbeitgebers eingeschränkt wird.1001 Ein solches Interesse liegt im Arbeitsverhältnis aber regelmäßig vor.1002 Der Arbeitgeber hat in der Regel ein berechtigtes (Flexibilisierungs-) Interesse, da das Arbeitsverhältnis erheblichen wirtschaftlichen und rechtlichen Schwankungen unterliegt. 998 BGH v. 26.11.1984 – VIII ZR 214/83, NJW 1985, 62; BGH v. 31.07.2013 – VIII ZR 162/09, NJW 2013, 3647; vgl. auch BGH v. 09.02.2011 – VIII ZR 295/09, NJW 2011, 1342; BGH v. 21.09.2016 – VIII ZR 27/16, NJW 2017, 325. 999 Vgl. zum Schutz durch das KSchG APS/Preis, Grundlagen B. Rn. 3, 16 m.w. N.; APS/Künzl, § 2 KSchG Rn. 3; NK-ArbR/Greiner, § 1 KSchG Rn. 16 ff.; NK-ArbR/ Nübold, § 2 KSchG Rn. 3; MüKo-BGB/Hergenröder, § 2 KSchG Rn. 1; HaKo/Mayer, § 1 KSchG Rn. 3; HaKo/Pfeiffer, § 2 KSchG Rn. 1 ff.; BeckOK-ArbR/Rolfs, § 2 KSchG Rn. 1 f. 1000 S. dazu Kapitel 4 B. III. 3. d). 1001 S. Kapitel 4 B. III. 3. c). 1002 S. dazu Kapitel 4 B. III. 3. d).

358 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

2. Die Auswirkungen des Kernbereichsschutzes Bei Bestimmungsvorbehalten muss allerdings sichergestellt sein, dass der Kernbereich des Arbeitsverhältnisses ausreichend geschützt ist.1003 Das insbesondere aus der Rechtsprechung zu Widerrufsvorbehalten bekannte1004 Verbot des Eingriffs in den Kernbereich erfasst nicht nur nachträgliche Änderungen einer Leistung, sondern jegliche einseitige Eingriffsmöglichkeit aufgrund einer AGBRegelung.1005 Eine solche Eingriffsmöglichkeit ist bei Bestimmungsvorbehalten gegeben, da ein Teil der Vergütung vollständig der Entscheidung des Arbeitgebers überlassen ist. Dass ein Verbot des Eingriffs in den Kernbereich existiert, ergibt sich aus der Natur des Vertrages und findet seine Grundlage in § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB.1006 Es ist nicht aus dem KSchG, aus § 615 S. 1 BGB oder dem Äquivalenzprinzip herzuleiten.1007 Zur Festlegung des Kernbereichs sind auch bei Bestimmungsvorbehalten die prozentualen Werte des BAG anzuwenden, die es in der Rechtsprechung zu Widerrufsvorbehalten postuliert hat.1008 Die unter Bestimmungsvorbehalt versprochene Leistung muss demnach unter 25 % (bei Leistungen aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis) bzw. 30 % (bei anderen Leistungen) der Gesamtvergütung liegen. Ansonsten liegt ein unzulässiger Eingriff in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses vor. Nicht zum Kernbereichsschutz im Rahmen des AGB-Rechts gehört die bei Widerrufsvorbehalten vom BAG aufgestellte Voraussetzung, dass der Tariflohn nicht unterschritten werden darf.1009 Bezüglich der Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte ergibt sich folgendes1010: Das Verbot, in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses einzugreifen, gebietet in der Regel, dass entweder eine prozentuale Obergrenze von unter 25 bzw. 30 % der Gesamtvergütung in die Klausel aufgenommen1011 oder der mögliche Umfang der Leistung rahmenmäßig in einer Höhe festgelegt wird1012, die diese Grenzen einhält. Ausreichend sind auch Klauselgestaltungen, die Richtwerte für die Leistungsbemessung angeben, die so niedrig sind, dass ein Kernbereichseingriff abwegig wäre.1013 Die Beschränkung der Entscheidung auf billiges Ermessen und die daraus resultierende Möglichkeit einer Billigkeitskon1003 1004 1005 1006 1007 1008 1009 1010 1011 1012 1013

S. dazu Kapitel 4 B. IV. S. dazu Kapitel 4 B. IV. 1. a); Kapitel 2 D. II. 2. a). S. dazu Kapitel 4 B. IV. 1. und B. IV. 3. S. Kapitel 4 B. IV. 2. b). S. Kapitel 4 B. IV. 2. a). S. dazu Kapitel 4 B. IV. 5., insbesondere B. IV. 5. b). S. dazu Kapitel 4 B. IV. 5. e). S. dazu Kapitel 4 B. IV. 7. S. dazu Kapitel 4 B. IV. 7. d). S. dazu Kapitel 4 B. IV. 7. e). S. dazu Kapitel 4 B. IV. 7. c).

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 359

trolle nach § 315 Abs. 3 BGB vermögen den Schutz des Kernbereichs hingegen nicht zu gewährleisten.1014 Keine Konsequenzen für die vertragliche Gestaltung ergeben sich im Ausnahmefall des Bestimmungsvorbehalts bezüglich einer Sonderzahlung, bei der es völlig fernliegend ist, dass der Arbeitgeber durch Ausübung des Bestimmungsrechts in den Kernbereich eingreifen kann.1015 3. Billiges Ermessen als grundlegende Wirksamkeitsvoraussetzung Virulent wird außerdem die Regelung des § 315 Abs. 1 BGB. Dieser hat für die Vereinbarung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte eine Leitbildfunktion.1016 Arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte sind dementsprechend gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V. m. dem Leitbild des § 315 Abs. 1 BGB unwirksam, wenn sie nicht nach billigem Ermessen oder einem strengeren Maßstab auszuüben sind.1017 In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass bei Zweifeln über die Auslegung im Hinblick auf den Entscheidungsmaßstab entgegen der Meinung des BAG und der vorherrschenden Auffassung im Schrifttum nicht § 315 Abs. 1 BGB, sondern die verwenderfeindliche Auslegung nach § 305c Abs. 2 BGB Anwendung findet.1018 So legt es auch die Rechtsprechung des BGH nahe.1019 § 305c Abs. 2 BGB ist als spezielle Auslegungsregel des AGB-Rechts vorrangig und die Anwendung des § 315 BGB in der AGB-Kontrolle würde einen unzulässigen Zirkelschluss darstellen, da § 315 BGB die wirksame Einräumung eines Leistungsbestimmungsrechts voraussetzt, wofür wiederum die Bindung der Entscheidung an den Maßstab billigen Ermessens erforderlich ist. Die Auslegung nach § 305c Abs. 2 BGB ergibt, dass das jeweilige Bestimmungsrecht im Zweifel nach freiem Ermessen auszuüben ist, weil es mit diesem Inhalt unwirksam ist.1020 Arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte müssen deshalb ausdrücklich oder jedenfalls eindeutig im Wege der Auslegung auf eine Ausübung nach billigem Ermessen oder nach einem strengeren Maßstab beschränkt sein. 4. Unangemessenheit der Relativierung von Synallagma und Äquivalenzverhältnis Bestimmungsvorbehalte über synallagmatische Leistungen räumen dem Arbeitgeber die Möglichkeit ein, das Synallagma zu relativieren und das Äquiva1014 1015 1016 1017 1018 1019 1020

S. dazu Kapitel 4 B. IV. 7. b). S. dazu Kapitel 4 B. IV. 7. a). S. dazu Kapitel 4 B. V. 2. S. dazu Kapitel 4 B. V. 4. S. dazu Kapitel 4 B. V. 3. und Kapitel 5 A. I. 2. b). S. dazu auch Kapitel 5 A. I. 2. b). S. Kapitel 4 B. V. 3.

360 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

lenzverhältnis einseitig zu ändern.1021 Dadurch wird die Richtigkeitsgewähr tangiert, die das Synallagma und das Äquivalenzverhältnis ansonsten aufgrund ihrer zweiseitigen Festlegungen innehaben.1022 Ohne konkretisierte Entscheidungskriterien sind diese einseitigen Eingriffsmöglichkeiten zu weitreichend und der Arbeitnehmer wird unangemessen benachteiligt.1023 Denn aufgrund eines Vorbehalts, dessen Ausübung nicht an bestimmte Kriterien gebunden ist, kann der Arbeitgeber das Synallagma unter Umständen sogar teilweise auflösen, indem er die richtigen Kriterien wählt und die versprochene Leistung niedrig oder auf null festlegt, während der Arbeitnehmer nach wie vor vollständig an seine synallagmatische Leistungspflicht gebunden bleibt.1024 Der Arbeitgeber kann außerdem negative Entwicklungen zum Nachteil des Arbeitnehmers berücksichtigen, ist im Gegenzug aber nicht verpflichtet, positive Entwicklungen in die Entscheidung einfließen zu lassen. So kann er das Äquivalenzverhältnis nach seinem Belieben verändern.1025 Um derart weitreichende Eingriffsmöglichkeiten und die daraus resultierende Unangemessenheit zu verhindern, müssen bei Bestimmungsvorbehalten über synallagmatische Leistungen die Entscheidungskriterien zwingend festgelegt werden.1026 Zum Schutz des Äquivalenzverhältnisses müssen diese Kriterien zusätzlich sicherstellen, dass positive Entwicklungen im selben Maße zu berücksichtigen sind wie negative.1027 Das Gesagte gilt nicht für Bestimmungsvorbehalte bezüglich Sonderzahlungen ohne Gegenleistungscharakter, weil diese Leistungen nicht Teil des Äquivalenzverhältnisses bzw. des Synallagmas sind.1028 5. Die Pflicht zur Konkretisierung von Entscheidungskriterien Schlussendlich müssen Bestimmungsvorbehalte entgegen der Meinung des BAG1029 und eines Teils der Literatur1030 in jedem Fall an Kriterien gebunden werden, nach denen der Arbeitgeber die Entscheidung zu treffen hat.1031 Andernfalls benachteiligt eine solche Klausel den Arbeitnehmer unangemessen gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. 1021

S. Kapitel 4 B. VI. 1. f) und B. VI. 2. c). S. dazu Kapitel 4 B. VI. 1. a)–d) und B. VI. 2. a). 1023 S. Kapitel 4 B. VI. 1. g) und B. VI. 2. c). 1024 S. Kapitel 4 B. VI. 1. f) und e). 1025 S. dazu Kapitel 4 B. VI. 2. c). 1026 S. Kapitel 4 B. VI. 1. h). 1027 S. Kapitel 4 B. VI. 2. d). 1028 S. dazu etwa Kapitel 4 B. VI. 1. h) und B. VI. 2. Zum Gegenleistungscharakter s. insbesondere Kapitel 4 B. IV. 6. 1029 Dazu ausführlich unter Kapitel 2 B. 1030 Dazu ausführlich unter Kapitel 2 E. 1031 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 1022

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 361

a) Zusammenfassung der Interessenabwägung Der Arbeitnehmer wird durch die Einräumung eines Bestimmungsvorbehalts benachteiligt, weil kein von ihm konsentiertes vertragliches Versprechen entsteht und die Bindung des Arbeitgebers eingeschränkt wird.1032 Außerdem wird der Arbeitnehmer gänzlich der Möglichkeit beraubt, über Vertragsverhandlungen und seine Vertragsabschlussentscheidung Einfluss auf die Höhe der Leistung zu nehmen. Aufseiten des Arbeitgebers besteht zwar ein berechtigtes Interesse daran, durch einen (möglichst freien) Bestimmungsvorbehalt auf unvorhersehbare Entwicklungen reagieren zu können1033 und den Arbeitnehmer zu besonderer Leistung zu motivieren1034. Ein völlig freies Bestimmungsrecht lässt sich damit aber nicht rechtfertigen.1035 Ein Bestimmungsvorbehalt, der keine Entscheidungskriterien enthält, benachteiligt den Arbeitnehmer außerdem deshalb unangemessen, weil der Arbeitgeber den Leistungsanreiz eines vertraglichen Versprechens in Anspruch nimmt, selbst aber nicht hinreichend daran gebunden ist, was das BAG bei Stichtagsklauseln für unzulässig hält.1036 Der Arbeitnehmer wird sich besonders anstrengen, um jedenfalls die Chance auf eine hohe Zahlung aufrechtzuerhalten. Der Arbeitgeber hingegen kann ohne Konkretisierung die relevanten Kriterien selbst wählen und darüber die Leistung niedrig festsetzen oder sogar ganz entfallen lassen. Gleichzeitig werden dem Arbeitnehmer dadurch teilweise das Wirtschafts- und das Betriebsrisiko auferlegt, die gem. § 615 S. 1, 3 BGB dem Arbeitgeber zugewiesen sind.1037 So kann der Arbeitgeber die unter Bestimmungsvorbehalt gestellte Leistung etwa aufgrund von Betriebsausfällen oder wirtschaftlichen Engpässen niedriger oder auf null festlegen und die Folgen dadurch teilweise auf den Arbeitnehmer abwälzen. Eine solche Beteiligung an den Verlusten des Arbeitgebers ist nur gerechtfertigt, wenn dem Arbeitnehmer auch Gewinne zugutekommen müssen. Der Arbeitgeber muss deshalb in seiner Entscheidung an festgelegte Kriterien gebunden sein, damit er nicht in jedem Turnus erneut einseitig (zu seinen Gunsten) entscheiden kann, negative Entwicklungen zu berücksichtigen, positive hingegen nicht. Keinen Einfluss auf die Angemessenheit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte hat entgegen der Meinung des BAG die theoretische Möglichkeit, statt eines Bestimmungsvorbehalts einen Anspruch auf die Leistung durch Freiwilligkeitsvorbehalt gänzlich auszuschließen.1038 Schließlich entscheidet sich der Ar1032 1033 1034 1035 1036 1037 1038

S. dazu Kapitel 4 B. VII. 1. und B. III. 3. a). S. dazu Kapitel 4 B. VII. 3. a) aa). S. dazu Kapitel 4 B. VII. 3. a) bb). Zur Konkretisierungspflicht bei Sonderzahlungen s. Kapitel 4 B. VII. 10. b). S. dazu Kapitel 4 B. VII. 5. S. dazu Kapitel 4 B. VII. 7. a). S. dazu Kapitel 4 B. VII. 7. c).

362 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

beitgeber mit einem Bestimmungsvorbehalt gerade dafür, einen Anspruch einzuräumen und damit einen größeren Leistungsanreiz zu setzen. Letztlich kann auch die Möglichkeit des Arbeitnehmers, die Leistungsbestimmung des Arbeitgebers gerichtlich auf ihre Billigkeit überprüfen zu lassen, eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers durch einen offenen Bestimmungsvorbehalt nicht ausschließen.1039 Die gerichtliche Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB bietet faktisch keinen ausreichenden Schutz, weil der Arbeitnehmer im laufenden Arbeitsverhältnis nur äußerst selten ein gerichtliches Verfahren gegen den Arbeitgeber anstreben wird. Darüber hinaus kann die Billigkeitskontrolle die AGB-Kontrolle nicht beeinflussen, weil sie ihr systematisch nachrangig ist. Somit ist einem tragenden Argument der BAG-Rechtsprechung1040, mit dem es die Wirksamkeit eines nicht konkretisierten Bestimmungsvorbehalts rechtfertigt, zu widersprechen. b) Zusammenfassung der konkreten Ausgestaltungsanforderungen Konkret ergibt sich aus dem Vorgesagten für die Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte folgendes: Bestimmungsvorbehalte über synallagmatische Leistungen sind nur angemessen, wenn die Ausübung an Kriterien gebunden ist, die sich nach den Interessen des Arbeitgebers an der Einräumung (Motivationszweck oder/und die Anpassung des Arbeitsverhältnisses an unvorhergesehene Entwicklungen) richten.1041 Andernfalls ist der Bestimmungsvorbehalt unangemessen, weil er auch für Fälle gilt, in denen keine berechtigten Interessen des Arbeitgebers vorliegen, die die Benachteiligung des Arbeitnehmers rechtfertigen könnten. Zur Konkretisierung genügen allgemeine Kriterien wie „wirtschaftliche Entwicklung“ oder „Leistung des Arbeitnehmers“.1042 Zwingend ausgeschlossen werden muss eine Konstellation, in der der Arbeitgeber negative Entwicklungen berücksichtigen könnte, im Gegenzug aber nicht verpflichtet wäre, positive Entwicklungen zu berücksichtigen.1043 Mit einem solchen Vorbehalt könnte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das Wirtschaftsrisiko zu weitgehend auferlegen1044 und zu frei in das Äquivalenzverhältnis eingreifen1045. Trotz der zwingenden Bindung der Entscheidung an die genannten Kriterien bleibt es möglich, zusätzlich weitere Kriterien zu regeln, solange diese in Bezug zur Leistung und dem 1039 1040 1041 1042 1043 1044 1045

Dazu soeben unter Kapitel 4 B. VII. 7. f). Zur Rechtsprechung ausführlich unter Kapitel 2 B. II. 2. S. dazu Kapitel 4 B. VII. 10. a) aa). S. dazu Kapitel 4 B. VII. 10. a) aa). S. dazu Kapitel 4 B. VII. 10. a) aa) (2). S. dazu Kapitel 4 B. VII. 7. a). S. dazu Kapitel 4 B. VI. 2.

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 363

Grund ihrer Einräumung stehen.1046 Denn dem Arbeitgeber muss es möglich sein, diejenigen Kriterien in die Entscheidung einfließen zu lassen, die bei Festlegung der Leistung im Vertrag die Höhe bestimmt hätten. Betrifft das Bestimmungsrecht eine Sonderzahlung ohne Gegenleistungscharakter, gelten geringere Konkretisierungsanforderungen.1047 Der Bestimmungsvorbehalt muss nicht zwingend an die Flexibilisierungsgründe des Arbeitgebers gebunden sein.1048 Mangels Zugehörigkeit der Leistung zum Synallagma und Äquivalenzverhältnis entfällt der Vorwurf, das Synallagma könnte relativiert und das Äquivalenzverhältnis verschoben werden.1049 Des Weiteren ist der Arbeitnehmer von Sonderzahlungen in geringerem Maße abhängig und diese üben einen geringeren Leistungsanreiz aus. Die Pflicht zur Konkretisierung der Entscheidungskriterien entfällt aber nicht gänzlich.1050 Schließlich setzen auch Sonderzahlungen einen gewissen Leistungsanreiz und Bestimmungsvorbehalte weichen auch bei diesen von gewichtigen Rechtsgrundsätzen ab. Es genügt die Konkretisierung der Entscheidungskriterien auf willkürfreie, zweckdienliche Kriterien.1051 c) Ergebnisse des Vergleichs mit der Behandlung von Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalten Das gewonnene Ergebnis ist außerdem einem Vergleich mit den regelmäßig an Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalte gestellten Anforderungen unterzogen worden. Dabei hat sich gezeigt, dass Bestimmungsvorbehalte bezüglich ihrer Konkretisierung dem Grunde nach genauso zu behandeln sind wie Widerrufsvorbehalte.1052 Der gegenteiligen Rechtsprechung des BAG zu Bestimmungsvorbehalten ist insofern zu widersprechen.1053 Gleichbehandlung bedeutet, dass in Anlehnung an die regelmäßig geforderten Widerrufsgründe bei Bestimmungsvorbehalten ähnliche Entscheidungskriterien geregelt werden müssen. Das ist geboten, da Bestimmungsvorbehalte den Widerrufsvorbehalten erheblich ähneln und beide Klauselarten denselben Flexibilisierungsinteressen entspringen.1054 Darüber hinaus hat sich herausgestellt, dass bei der AGB-Kontrolle von Klauseln, die der Flexibilisierung arbeitgeberseitiger Zahlungen dienen, eine gewisse

1046

S. dazu Kapitel 4 B. VII. 10. a) bb). S. dazu Kapitel 4 B. VII. 10. b). 1048 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 10. b) aa). 1049 S. dazu Kapitel 4 B. VI. 1050 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 10. b) bb). 1051 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 10. b) cc). 1052 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 9. a)–c). 1053 S. dazu insbesondere Kapitel 1 B. III. und 4.; Kapitel 2 B. II. 2. und F. III.; Kapitel 4 B. VII. 9. 1054 S. dazu auch Kapitel 4 B. VII. 9. d). 1047

364 Kap. 4: Angemessene Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

Harmonisierung der Kontrollmaßstäbe geboten ist.1055 Es muss ein einheitliches Grundprinzip beachtet werden: die Prüfung ist am zugrundeliegenden Flexibilisierungsinteresse des Arbeitgebers und dem Interesse des Arbeitnehmers an stabilen Erwerbsaussichten zu orientieren und diese Interessen müssen im Grundsatz bei allen Flexibilisierungsklauseln gleich gewichtet werden.1056 Daraus ergibt sich unter anderem, dass der Arbeitgeber keine freie Entscheidungsgewalt über die Zahlung einer Geldleistung erhalten darf, wenn er einen Anspruch einräumt oder wenn Leistungen aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis betroffen sind. Diesem Grundprinzip folgend stimmt das hier gewonnene Ergebnis, bei Bestimmungsvorbehalten eine Konkretisierung der Entscheidungskriterien zu fordern, mit der Behandlung von Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalten in Rechtsprechung und Literatur überein.1057 6. Zum Gegenleistungscharakter geldwerter Leistungen des Arbeitgebers In der vorangegangenen Untersuchung ist außerdem der Gegenleistungscharakter geldwerter Leistungen des Arbeitgebers betrachtet worden. Dabei hat sich gezeigt, dass nahezu alle geldwerten Leistungen als Teil des Gegenseitigkeitsverhältnisses anzusehen sind.1058 Anknüpfungspunkt für die Unterscheidung zwischen Leistungen aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis und Sonderzahlungen ohne Gegenleistungscharakter ist die Funktion der Leistung, die sich nach objektiver Auslegung aus dem Inhalt der jeweiligen Zusage ergibt.1059 Im Zweifel ist jede Geldleistung, bei der nichts anderes geregelt ist, Gegenleistung für geleistete oder zukünftige Arbeit des Arbeitnehmers.1060 Denn in der Regel leistet der Arbeitgeber eine Geldzahlung nicht um der Zahlung willen, sondern weil der Arbeitnehmer seine Arbeit getan hat und damit er dies auch in Zukunft bestmöglich tut. Betriebstreueleistungen haben ebenfalls einen direkten Bezug zur Arbeitsleistung und sind im vorliegenden Zusammenhang als Teil der Gegenleistung zu bewerten.1061 Eine Unterscheidung zwischen laufendem Entgelt und Sonderzahlungen ist nicht vorzunehmen.1062

1055 1056 1057 1058 1059 1060 1061 1062

S. dazu Kapitel 4 B. VII. 9. d). S. Kapitel 4 B. VII. 9. d); s. zu dieser Abwägung auch Kapitel 4 B. VII. 3. S. dazu Kapitel 4 B. VII. 9. b) und B. VII. 9. d). S. dazu Kapitel 4 B. IV. 6. S. Kapitel 4 B. IV. 6. S. Kapitel 4 B. IV. 6. b) bb). S. Kapitel 4 B. IV. 6. b) cc). S. Kapitel 4 B. IV. 6. b) dd).

B. Die Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte 365

Für die gegenständlichen Leistungsbestimmungsrechte bedeutet das, dass fast alle der in Frage kommenden Leistungen als Gegenleistung zu bewerten sind.1063 Nur wenige Leistungen gehören nicht zum Austauschverhältnis. Das sind Leistungen wie etwa Geschäftsjubiläumszahlungen oder ein Hochzeitsgeld, die als „geschenkte“ Sonderzahlungen zu behandeln sind1064, und solche Leistungen, die eindeutig nur dem Aufwendungsersatz dienen.1065

1063 1064 1065

S. Kapitel 4 B. IV. 6. c). S. dazu Kapitel 4 B. IV. 6. b) ee). S. dazu Kapitel 4 B. IV. 6. b) ff).

Kapitel 5

Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte A. Anwendbarkeit und Inhalt der Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB Die Darstellung der Anforderungen an die Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte, die sich aus dem Transparenzgebot ergeben, setzt voraus, dass dieses überhaupt zur Anwendung kommt. Das wäre nicht der Fall, wenn Bestimmungsvorbehalte bereits an der Einbeziehungskontrolle scheitern oder aber mögliche Unklarheiten durch Auslegung ausgeräumt werden könnten. Zunächst sind deshalb das Verhältnis der Transparenzkontrolle zur Einbeziehungskontrolle und zur Auslegung zu betrachten sowie die Auslegung selbst durchzuführen. Im Anschluss sollen kurz die inhaltlichen Anforderungen des Transparenzgebots nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB dargestellt werden, um die Grundlage für die darauffolgenden Ausführungen zur transparenten Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte zu schaffen.

I. Anwendbarkeit der Transparenzkontrolle neben Auslegung und Einbeziehungskontrolle Bevor im Einzelnen auf die Ausgestaltungsanforderungen im Rahmen der Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB eingegangen werden kann, muss ein Blick auf das Verhältnis der Transparenzkontrolle zur Einbeziehungskontrolle und zur Auslegung geworfen werden. Liegt bei Intransparenz eines Bestimmungsvorbehalts wegen fehlender Konkretisierung der Entscheidungskriterien oder des Umfangs nämlich eine überraschende Klausel gem. § 305c Abs. 1 BGB vor, wird die Regelung zur Einräumung des Bestimmungsrechts gar nicht erst Vertragsbestandteil und unterliegt nicht der Transparenzkontrolle. Bestehen Unklarheiten bei der Auslegung der Klausel, ist diese gem. § 305c Abs. 2 BGB verwenderfeindlich bzw. kundenfreundlich zu lesen. Lassen sich die Unklarheiten dadurch ausräumen, so dass der Inhalt der Klausel entweder nach der Auslegung transparent und angemessen oder aber materiell unangemessen ist, bestehen Bedenken gegen die erneute Verwendung dieser Unklarheiten im Rahmen der Transparenzkontrolle.1 1

Vgl. dazu Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 172.

A. Anwendbarkeit und Inhalt der Transparenzkontrolle

367

Deshalb soll im Folgenden das Verhältnis der Transparenzkontrolle zur Einbeziehungskontrolle und zur Auslegung im gegebenen Kontext untersucht werden. Da die Auslegung der Transparenzkontrolle vorgelagert ist, wird hier auch die Auslegung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte dargestellt. Denn das Ergebnis der Auslegung ist die Grundlage für die Transparenzkontrolle. 1. Verhältnis zur Einbeziehungskontrolle: Transparenzkontrolle bleibt anwendbar Da § 305 Abs. 2 BGB gem. § 310 Abs. 4 S. 2 BGB bei Arbeitsverträgen nicht anwendbar ist, spielt im Zusammenhang dieser Untersuchung bei der Prüfung der Einbeziehung in den Vertrag nur das Verbot überraschender Klauseln eine Rolle. Es wäre zwar denkbar, einen Bestimmungsvorbehalt des Arbeitgebers unter Umständen als überraschend i. S. d. § 305c Abs. 1 BGB anzusehen, was zur Folge hätte, dass die Klausel nicht Teil des Vertrags werden würde. Keinesfalls überraschend ist aber die Aufnahme arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte in den Arbeitsvertrag an sich. Im Gegenteil muss der Arbeitnehmer regelmäßig damit rechnen, dass der Arbeitgeber sich eine Möglichkeit zur Reaktion auf geänderte Rahmenbedingungen in Form von Flexibilisierungsvorbehalten offenhält.2 Das zeigt bereits die Häufigkeit von Flexibilisierungsklauseln in Arbeitsverträgen.3 Überraschend kann ein arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalt allenfalls sein, wenn er so gestaltet ist, dass der Arbeitnehmer nicht mit ihm rechnen muss. Das kann z. B. der Fall sein, wenn sich die Klausel an einer Stelle im Vertrag befindet, an der inhaltlich völlig unabhängige Regelungen verankert sind.4 Steht ein Bestimmungsvorbehalt bezüglich eines jährlichen Bonus, der dem Grunde nach an anderer Stelle geregelt ist, etwa unter der Überschrift „Schriftformklausel“, muss der Arbeitnehmer nicht mit ihm rechnen. In einem solchen Fall wird das Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers nicht Vertragsbestandteil. Dabei handelt es sich jedoch um eine für jegliche AGB-Klauseln gültige Anforderung, die im Einzelfall zu überprüfen ist und auf die vorliegend deshalb nicht vertieft eingegangen werden soll. 2 Die Erwartungen des Vertragspartners an einen Vertrag des jeweiligen Typus sieht auch Kreienbaum, Transparenz und AGB-Gesetz, S. 91 ff. als entscheidend für ungewöhnliche Klauseln. 3 Zur Häufigkeit von Flexibilisierungsklauseln s. ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 51 m.w. N.; Hromadka/Schmitt-Rolfes, NJW 2007, 1777; Schrader/Müller, RdA 2007, 145; Hofmann, Entgeltflexibilisierung und AGB-Kontrolle, S. 23; s. auch Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, S. 65 f.; zum Einfluss von Musterempfehlungen vgl. Preis/Preis, I B Rn. 34 ff. 4 S. dazu etwa Kreienbaum, Transparenz und AGB-Gesetz, S. 92 ff.; Clemenz/Kreft/ Krause/Hoefs, § 305c BGB Rn. 9, 13; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Lindacher/Hau, § 305c BGB Rn. 21.

368

Kap. 5: Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

In der Regel handelt es sich bei den gegenständlichen arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten nicht um überraschende Klauseln, so dass die Transparenzkontrolle generell anwendbar ist. 2. Möglichkeit der Intransparenz trotz Auslegung Fraglich ist aber, ob gegebenenfalls bestehende Unklarheiten wegen fehlender Konkretisierung im Wege der Auslegung beseitigt werden können. Lässt sich die Klausel so auslegen, dass ihr Inhalt klar und verständlich ist, bleibt kein Raum für eine weitere Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Auslegung ist insofern vorrangig.5 a) Kein genereller Ausschluss der Transparenzkontrolle durch kundenfreundliche Auslegung § 305c Abs. 2 BGB regelt, dass Zweifel bei der Auslegung von AGB zu Lasten des Verwenders gehen. Daraus wird das Gebot der kundenfreundlichen bzw. verwenderfeindlichen Auslegung geschlossen.6 Beinhaltet eine Klausel Unklarheiten, stellt sich deshalb die Frage, ob die Transparenzkontrolle überhaupt Anwendung finden kann.7 Denn gem. § 305c Abs. 2 BGB muss bei Unklarheiten vorrangig diejenige Auslegung gewählt werden, die für den Vertragspartner am nachteiligsten ist, wenn die Klausel dadurch unangemessen benachteiligend ist und wegfällt. Ist die Klausel in der für den Vertragspartner ungünstigsten Auslegungsvariante nicht unwirksam, muss die für ihn günstigste Auslegung gewählt werden. In jedem Fall steht am Ende des Auslegungsprozesses ein Inhalt der Klausel, der ohne Zweifel maßgebend ist.8 Die Unklarheiten bei der Auslegung sind damit ausgeräumt. Daraus könnte geschlossen werden, dass auch die Unklarheiten, die zur Intransparenz führen könnten, ausgeräumt wären.9 Doch welchen Anwendungsbereich sollte die Transparenzkontrolle bei einem solchen Verständnis noch haben?

5 Stoffels, AGB-Recht, Rn. 562; MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 57; Erman/ Roloff, Vorbemerkung vor § 307 Rn. 9; Lange, ZGS 2004, 208, 208 f.; ausführlich zum Verhältnis von Auslegung und Transparenzkontrolle Pilz, Missverständliche AGB, S. 175 ff. 6 Vgl. zum Vorgehen bei der kundenfreundlichsten Auslegung Palandt/Grüneberg, § 305c BGB Rn. 18; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 172 7 S. zum Verhältnis von Intransparenz und mehrdeutigen Klauseln auch Westermann, in: FS Steindorff, S. 817, 820. 8 S. etwa BeckOGK/Eckelt, § 307 BGB Rn. 117; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 172; Lange, ZGS 2004, 208, 208 f.; s. auch Evermann, Die Anforderungen des Transparenzgebots an die Gestaltung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen, S. 187 ff.; von Hoyningen-Huene, in: FS Trinkner, S. 179, 181. 9 In diese Richtung Lange, ZGS 2004, 208, 209 ff.

A. Anwendbarkeit und Inhalt der Transparenzkontrolle

369

Richtigerweise kann die Auslegung nicht jedwede Intransparenz beseitigen.10 Denn auch das Ergebnis der Auslegung kann materiell intransparent sein. So muss, auch wenn das Ergebnis der Auslegung eine unangemessene Benachteiligung ergibt, neben der materiellen Angemessenheit dennoch die Transparenz geprüft werden, wie bereits dargestellt wurde.11 Aber auch das Ergebnis der kundenfreundlichen Klausel, die inhaltlich angemessen ist, muss nicht zu einer transparenten Klausel führen.12 Die Unklarheiten darüber, wie die Klausel zu verstehen ist, werden zwar beseitigt. Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass dem Vertragspartner der Inhalt seiner Rechte und Pflichten in einer dem Transparenzgebot genügenden Weise klar und verständlich erkennbar wird. Zu beachten ist auch, dass Maßstab für die Transparenz einer Klausel der durchschnittliche Vertragspartner ist.13 Kann dieser den nach Auslegung zwar zweifelsfreien Inhalt nicht ohne juristischen Rat verstehen14, muss die Klausel als intransparent betrachtet werden.15 Nicht zulässig wäre es jedoch, diejenigen Unklarheiten zur Begründung der Intransparenz heranzuziehen, die zur Anwendung des § 305c Abs. 2 BGB geführt haben und die durch die kundenfreundliche Auslegung ausgeräumt wurden, da derselbe Umstand sonst „doppelt“ zu Lasten des Verwenders ginge und eine Auslegung ihren Sinn verlöre, wenn das gewonnene Ergebnis auf diesem Wege wieder infrage gestellt würde.16 Nur eine nach der Auslegung (weiterhin) bestehende Unklarheit kann zur Intransparenz der Klausel führen. Wäre also bei der Vereinbarung eines Leistungsbestimmungsrechts unklar, ob bei der Ausübung die Interessen des Vertragspartners zu berücksichtigen sind, müsste diese Unklarheit zur Anwendung des § 305c Abs. 2 BGB und damit zur kundenfreund10 Vgl. etwa Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 307 BGB Rn. 157; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 172; s. auch Stoffels, AGB-Recht, Rn. 562; von Hoyningen-Huene, in: FS Trinkner, S. 179, 181; Lange, ZGS 2004, 208, 208 f. möchte § 307 Abs. 1 S. 2 BGB nur anwenden, wenn weder durch Auslegung noch durch Anwendung des § 305c Abs. 2 BGB ein Ergebnis erzielt werden konnte. 11 S. dazu Kapitel 3 B.; anders wohl Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 172. 12 A. A. wohl BeckOGK/Eckelt, § 307 BGB Rn. 120. 13 Statt aller: Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 244; Däubler/Bonin/ Deinert/Bonin, § 307 BGB Rn. 158; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 183; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 567; MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 64; Jauernig/Stadler, § 307 BGB Rn. 8; BeckOGK/Eckelt, § 307 BGB Rn. 127; NK-ArbR/Peterhänsel, § 307 BGB Rn. 37; BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 49; Kreienbaum, Transparenz und AGB-Gesetz, S. 263 ff.; Evermann, Die Anforderungen des Transparenzgebots an die Gestaltung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen, S. 107 ff.; Heinrichs, in: FS Trinkner, S. 157, 165. 14 S. dazu auch BeckOK-ArbR/Jacobs, § 307 BGB Rn. 59. 15 Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 307 BGB Rn. 157; s. auch Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 253; Evermann, Die Anforderungen des Transparenzgebots an die Gestaltung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen, S. 187; a. A. Lange, ZGS 2004, 208, 210 ff. 16 So auch Lange, ZGS 2004, 208, 209 ff.

370

Kap. 5: Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

lichsten Auslegung führen. Dieses Argument kann dann nicht mehr zur Begründung der Intransparenz herangezogen werden. Dennoch kann die jeweilige Klausel auch nach der Auslegung intransparent sein, wenn der Vertragspartner seine Rechte und Pflichten nicht klar erkennen kann und dadurch an einem sachgerechten Marktvergleich17 gehindert oder von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten werden könnte18. b) Auslegung bei tatbestandlich nicht konkretisierten Bestimmungsvorbehalten Für die arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalte bedeutet das Gesagte Folgendes: Ist das Bestimmungsrecht des Arbeitgebers tatbestandlich überhaupt nicht konkretisiert, stellt sich vornehmlich die Frage, woran der Arbeitgeber seine Entscheidung auszurichten hat und welchen Umfang die Leistung annehmen kann. Eine solche Klausel könnte etwa wie folgt aussehen: „Der Arbeitgeber gewährt zusätzlich zur monatlichen Vergütung eine Weihnachtsgratifikation, deren Höhe jeweils pro Jahr vom Arbeitgeber festgelegt wird.“ 19 Aus einer derartigen Formulierung lässt sich nicht sicher entnehmen, ob der Arbeitgeber an billiges Ermessen oder bestimmte Kriterien gebunden ist oder ob er nach freiem Ermessen entscheiden kann. Fraglich ist auch, ob die Leistung null betragen kann oder ob die Einräumung eines Anspruchs diese Rechtsfolge ausschließt. Bezüglich des Umfangs der Leistung muss davon ausgegangen werden, dass die Leistung auch auf null festgelegt werden kann. Ist die Höhe nicht einmal im Umfang umschrieben, bringt das deutlich zum Ausdruck, dass sie nicht beschränkt sein soll. Das entspricht in der Regel auch dem Zweck des Leistungsbestimmungsrechts, auf Schwankungen angemessen reagieren zu können.20 Aus der Einräumung eines Anspruchs auf eine Mindesthöhe zu schließen, würde außerdem bereits auf die tatsächliche Schwierigkeit treffen, wie diese zu bestimmen sein sollte. Das kann nicht gewollt sein.

17 S. dazu BGH v. 12.10.2005 – IV ZR 162/03, BGHZ 164, 297; Ulmer/Brandner/ Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 365; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 250; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 564; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 307 BGB Rn. 147; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 175; s. auch Henssler/Moll, AGB-Kontrolle vorformulierter Arbeitsbedingungen, S. 11. 18 S. dazu nur Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 307 BGB Rn. 148 ff.; Clemenz/ Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 81; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 178; NK-ArbR/Peterhänsel, § 307 BGB Rn. 40; Henssler/Moll, AGB-Kontrolle vorformulierter Arbeitsbedingungen, S. 11. 19 Vorschlag von Lakies, ArbRAktuell 2013, 251, 254 für eine wirksame Klausel. 20 Vgl. Stoffels, RdA 2015, 276, 278; nach BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 636/11, zitiert nach juris Rn. 33 entsprechen die hier relevanten einseitigen Leistungsbestimmungsrechte einem Bedürfnis des Wirtschaftslebens.

A. Anwendbarkeit und Inhalt der Transparenzkontrolle

371

Bezüglich des Ausübungsmaßstabs und der Kriterien könnte die Regelung des § 305c Abs. 2 BGB greifen. Dem Arbeitgeber könnte der Wille unterstellt werden, ein möglichst freies Bestimmungsrecht zu vereinbaren. Genauso wäre jedoch denkbar, dass eine Entscheidung nach billigem Ermessen gewollt ist, zumal dies nach einhelliger Meinung Voraussetzung der Wirksamkeit ist21. Das BAG und ein Großteil der Literatur nehmen unabhängig von der Ausgestaltung an, dass ein Leistungsbestimmungsrecht nach billigem Ermessen eingeräumt wurde22, der BGH hält hingegen eine Auslegung für nötig23. Der offene Wortlaut eines Bestimmungsvorbehalts ohne Regelung zum Entscheidungsmaßstab gibt keinen Aufschluss über die gewollte Bindung. Er spricht zwar eher für die Festlegung einer freien Entscheidung, kann aber auch Ausdruck dessen sein, dass die Parteien eine Entscheidung nach billigem Ermessen als selbstverständlich voraussetzen. Vom Zweck eines Leistungsbestimmungsrechts umfasst sind beide Verständnismöglichkeiten. Insofern bestehen Zweifel, die zur Anwendung des § 305c Abs. 2 BGB führen. Nicht zur Anwendung kommen kann die Zweifelsregelung des § 315 Abs. 1 BGB, nach der billiges Ermessen als Entscheidungsmaßstab gilt. Die Norm setzt die wirksame Einräumung eines Leistungsbestimmungsrechts voraus24, was im Rahmen der AGB-Kontrolle erst überprüft wird. Sie tritt hinter der speziellen Auslegungsregel des AGB-Rechts aus § 305c Abs. 2 BGB

21 Vgl. dazu etwa BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 101; Salamon, NZA 2014, 465; Kössel, DB 2016, 2963; Salamon/Wessels, BB 2017, 885; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358, 2360; für einseitige Leistungsbestimmungsrechte im Allgemeinen vgl. Erman/Roloff, 13. Aufl., § 307 BGB Rn. 142; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, Anh. § 310 BGB Rn. L 215; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 42. 22 BAG v. 07.10.1982 – 2 AZR 455/80, BAGE 40, 199; BAG v. 31.01.1985 – 2 AZR 393/83, EzBAT § 8 BAT Direktionsrecht Nr. 3; BAG v. 15.11.1995 – 2 AZR 521/95, NZA 1996, 603; BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150 Rn. 24; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970; BAG v. 03.08.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334; Lakies, ArbRAktuell 2013, 251; Salamon, NZA 2014, 465; Reinfelder, NZA-Beilage 2014, 10; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400; Lunk/Leder, NJW 2015, 3766; Lingemann/ Pfister/Otte, NZA 2015, 65; Stoffels, RdA 2015, 276; Kössel, DB 2016, 2963; Salamon/Wessels, BB 2017, 885; BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 101; HK-ArbR/Boemke/ Ulrici, Anhang zu §§ 307–309 Rn. 3; HWK/Roloff, Anh. §§ 305–310 BGB Rn. 28; zu Widerrufsvorbehalten statt vieler: BAG v. 07.01.1971 – 5 AZR 92/70, DB 1971, 392; BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, zitiert nach juris. 23 S. BGH v. 14.07.2010 – VIII ZR 246/08, BGHZ 186, 180. Erhebliche Zweifel äußert der BGH an der Geltung billigen Ermessens ohne entsprechende Anhaltspunkte in der Klausel etwa in der Entscheidung BGH v. 18.01.2017 – VIII ZR 263/15, DB 2017, 655 Rn. 26, 32. Selbst bei ausdrücklicher Beschränkung der Entscheidung auf billiges Ermessen nimmt BGH v. 25.11.2015 – VIII ZR 360/14, NJW 2016, 936 noch eine Auslegung vor. 24 Erman/Roloff, § 309 BGB Rn. 15; Jesgarzewski, Die Grenzen formularmäßiger Vereinbarung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte, S. 27.

372

Kap. 5: Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

zurück.25 So sieht es wohl auch der BGH in seiner Rechtsprechung zu einseitigen Leistungsbestimmungsrechten. Der BGH nimmt anders als das BAG26 nicht pauschal an, dass das jeweils gegenständliche Bestimmungsrecht unabhängig von seiner Ausgestaltung nach billigem Ermessen auszuüben sei.27 Vielmehr äußert der BGH Zweifel an einer solchen Auslegung und weist auf die Auslegungsregel des § 305c Abs. 2 BGB hin.28 Billiges Ermessen scheint auch nach Meinung des BGH nur zu gelten, wenn eine Auslegung dies eindeutig ergibt. Entgegen der Meinung des BAG und der Literatur ist also nicht davon auszugehen, dass ein Bestimmungsvorbehalt regelmäßig nach billigem Ermessen auszuüben ist.29 Stattdessen ist im Rahmen der kundenfreundlichsten Auslegung nach § 305c Abs. 2 BGB das Verständnis eines Entscheidungsrechts nach freiem Ermessen30 maßgeblich, da die Klausel danach unangemessen benachteiligend i. S. d. § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB und deshalb unwirksam ist.31 Damit ist also durch Auslegung der Entscheidungsmaßstab auf freies Ermessen festgelegt, was jedoch nicht bedeutet, dass die Transparenzkontrolle keine Anwendung mehr findet. Denn dieses Ergebnis bringt für den Arbeitnehmer keinerlei Mehrwehrt bezüglich der Klarheit seiner Rechte und Pflichten.32 Er kann bei Vertragsschluss nicht absehen, ob er jemals eine Leistung erhält und in welcher Größenordnung sich diese bewegen könnte. Auch im Rahmen der Vertragsabwicklung enthält die Klausel für ihn keine Hilfestellung bei der Bewertung der

25

Dazu auch unter Kapitel 4 B. V. 3. S. etwa BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150 Rn. 24; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970; BAG v. 03.08.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334. 27 Ausdrücklich abgelehnt bei BGH v. 14.07.2010 – VIII ZR 246/08, BGHZ 186, 180; BGH v. 31.07.2013 – VIII ZR 162/09, NJW 2013, 3647. 28 BGH v. 18.01.2017 – VIII ZR 263/15, DB 2017, 655 Rn. 26, 32. 29 So aber BAG v. 07.10.1982 – 2 AZR 455/80, BAGE 40, 199; BAG v. 31.01.1985 – 2 AZR 393/83, EzBAT § 8 BAT Direktionsrecht Nr. 3; BAG v. 15.11.1995 – 2 AZR 521/95, NZA 1996, 603; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150 Rn. 24; BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970; BAG v. 03.08.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334; Lakies, ArbRAktuell 2013, 251; Salamon, NZA 2014, 465; Reinfelder, NZA-Beilage 2014, 10; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400; Lunk/Leder, NJW 2015, 3766; Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65; Stoffels, RdA 2015, 276; Kössel, DB 2016, 2963; Salamon/Wessels, BB 2017, 885; BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 101; HK-ArbR/ Boemke/Ulrici, Anhang zu §§ 307–309 Rn. 3; HWK/Roloff, Anh. §§ 305–310 BGB Rn. 28. 30 S. zum Inhalt freien Ermessens etwa Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn. 340; JurisPK-BGB/Völzmann-Stickelbrock, § 315 BGB Rn. 25 ff.; MüKo-BGB/Würdinger, § 315 BGB Rn. 32 f. 31 S. dazu Kapitel 4 B. V. 32 Dazu noch ausführlich unter Kapitel 5 B. V. 26

A. Anwendbarkeit und Inhalt der Transparenzkontrolle

373

Rechtmäßigkeit der Ausübung des Bestimmungsrechts durch den Arbeitgeber. Diese Unsicherheiten lassen sich auch nicht durch eine weitere Auslegung beseitigen, denn es gibt weder Anhaltspunkte für zusätzliche Kriterien oder den Umfang noch Zweifel daran, wie die Klausel zu verstehen ist. c) Auslegung von Bestimmungsvorbehalten bei Beschränkung auf billiges Ermessen Ist der Bestimmungsvorbehalt tatbestandlich hingegen auf eine Entscheidung nach billigem Ermessen konkretisiert, können von vornherein keine Zweifel über den Ausübungsmaßstab bestehen. Sind keine Entscheidungskriterien festgelegt, ergibt sich aus dem Wortlaut außerdem zweifelsfrei, dass der Arbeitgeber bei seiner Entscheidung nicht an bestimmte Kriterien gebunden ist. Auch aus dem Zweck der Bestimmungsvorbehalte, auf unvorhersehbare Entwicklungen reagieren zu können, folgt ohne Anhaltspunkte in der Klausel nicht die Beschränkung auf bestimmte Entwicklungsfaktoren. Es bleibt zwar insbesondere für den Arbeitnehmer unklar, welche Faktoren in die Entscheidung einfließen sollen. Diese Unklarheiten können aber nicht durch die Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB beseitigt werden, da keine verschiedenen Auslegungsmöglichkeiten bestehen. Im Gegenteil ergibt die Auslegung eindeutig, dass der Arbeitgeber im Rahmen des billigen Ermessens frei entscheiden kann. Demnach ist § 305c Abs. 2 BGB mangels Zweifeln bei der Auslegung nicht anwendbar. Stattdessen stellt sich die Frage, ob die trotz Auslegung bestehenden Unklarheiten über die Entscheidungsfaktoren zu einer Intransparenz i. S. d. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB führen.33 3. Ergebnisse Bei arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten im Entgeltbereich handelt es sich grundsätzlich nicht um überraschende Klauseln i. S. d. § 305c Abs. 1 BGB.34 Mit derartigen Flexibilisierungsklauseln müssen Arbeitnehmer regelmäßig rechnen. Sie werden folglich Vertragsbestandteil und die Transparenzkontrolle ist anwendbar. Auch eine Auslegung vermag die Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB nicht zu verdrängen. Weder die Auslegung an sich noch die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB können generell eine Intransparenz nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB ausschließen.35 Bei Bestimmungsvorbehalten, die nur auf die Entscheidung nach billigem Ermessen beschränkt sind, kommt § 305c Abs. 2 BGB ohnehin nicht zur Anwendung. Denn die Auslegung ergibt eindeutig, dass

33 34 35

Dazu ausführlich unter Kapitel 5 B. III. S. Kapitel 5 A. I. 1. S. dazu Kapitel 5 A. I. 2. a).

374

Kap. 5: Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

der Arbeitgeber im Rahmen der Billigkeit frei entscheiden und die Leistung sogar auf null festlegen kann.36 Ist ein Bestimmungsvorbehalt gar nicht konkretisiert, kommt die kundenfeindlichste Auslegung nach § 305c Abs. 2 BGB mit dem Ergebnis zur Anwendung, dass dem Arbeitgeber ein Bestimmungsrecht nach freiem Ermessen eingeräumt wurde37, da es in dieser Form nach § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist38. Entgegen der Meinung des BAG39 und eines Großteils der Literatur40 kommt die Zweifelsregelung des § 315 Abs. 1 BGB, nach der billiges Ermessen als Entscheidungsmaßstab gilt, nicht zur Anwendung. Die Norm setzt die wirksame Einräumung eines Leistungsbestimmungsrechts voraus41, was im Rahmen der AGB-Kontrolle erst überprüft wird. Sie tritt hinter der speziellen Auslegungsregel des AGB-Rechts aus § 305c Abs. 2 BGB zurück.42 So sieht es wohl auch der BGH in seiner Rechtsprechung zu einseitigen Leistungsbestimmungsrechten.43 Dieses Ergebnis macht eine zusätzliche Transparenzkontrolle aber nicht entbehrlich. Ein derartiger Bestimmungsvorbehalt kann auch nach der Auslegung noch materiell intransparent sein.

II. Inhaltliche Anforderungen des Transparenzgebotes An dieser Stelle ist kurz darauf einzugehen, welche Voraussetzungen das Transparenzgebot für die Klarheit und Verständlichkeit von AGB-Klauseln konstituiert und inwieweit diese hier anwendbar sind. Denn diese Voraussetzungen bilden die Grundlage für die im nächsten Abschnitt folgende Untersuchung der transparenten Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte. Das Transparenzgebot gebietet, dass AGB-Klauseln klar und verständlich formuliert werden. Daraus werden verschiedene inhaltliche Gebote abgeleitet, die in ihrem Anwendungsbereich nicht abschließend sind und sich vielfach überschneiden.44 Es handelt sich um das Verständlichkeitsgebot, das Bestimmtheitsgebot und das Täuschungsverbot, wobei im vorliegenden Zusammenhang hauptsächlich das Verständlichkeits- und das Bestimmtheitsgebot von Interesse sind. 36

S. dazu Kapitel 5 A. I. 2. c). S. dazu Kapitel 4 B. V. 38 S. dazu Kapitel 5 A. I. 2. b). 39 S. dazu Kapitel 2 B. II. 2. 40 S. dazu Kapitel 2 E. 41 Erman/Roloff, § 309 BGB Rn. 15; Jesgarzewski, Die Grenzen formularmäßiger Vereinbarung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte, S. 27. 42 Dazu auch unter Kapitel 4 B. V. 3. 43 Ausdrücklich abgelehnt bei BGH v. 14.07.2010 – VIII ZR 246/08, BGHZ 186, 180; BGH v. 31.07.2013 – VIII ZR 162/09, NJW 2013, 3647. 44 MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 59; krit. bezüglich dieser Fallgruppen Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 186. 37

A. Anwendbarkeit und Inhalt der Transparenzkontrolle

375

1. Das Täuschungsverbot Das Täuschungsverbot spielt hier nur eine untergeordnete Rolle, denn es betrifft Fälle, in denen die zu untersuchende Regelung geeignet ist, den Vertragspartner über die tatsächliche Rechtslage zu täuschen45. Ein Bestimmungsvorbehalt ist dazu in der Regel jedoch nicht geeignet, da keine Rechte verschleiert oder unrichtig dargestellt werden. Anknüpfungspunkt für eine Transparenzkontrolle bei arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten ist die Unklarheit über Maßstab und Umfang der Ausübung und nicht die Verschleierung der Rechtslage. Denkbar wäre allenfalls, eine Täuschung über die Möglichkeit einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle anzunehmen, wenn die Klausel nicht auf billiges Ermessen verweist. Den Verwender trifft aber keine Pflicht zur umfassenden Aufklärung, insbesondere nicht über Rechte, die von Gesetzes wegen bestehen, weshalb kein Hinweis auf § 315 Abs. 3 BGB nötig ist.46 Eine Täuschung könnte deshalb nur angenommen werden, wenn ausdrücklich oder nach (kundenfreundlichster) Auslegung freies Ermessen gilt.47 In diesem Fall ist die Billigkeitskontrolle aber mangels Bindung des Ermessens an Billigkeit gar nicht anwendbar und die Klausel nach § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.48 Die Möglichkeit einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle wird also nicht verschleiert, sondern sie besteht gar nicht, woraus sich die materielle Unangemessenheit der Klausel ergibt.49 2. Das Verständlichkeitsgebot Das Gebot der Klarheit und Verständlichkeit oder auch Verständlichkeitsgebot verpflichtet den Verwender von AGB, die Rechte und Pflichten des Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen.50 Mit dieser Aussage ist 45

Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 267; Ulmer/Brandner/Hensen/ Fuchs, § 307 BGB Rn. 342; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 572; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 20. 46 BGH v. 25.11.2015 – VIII ZR 360/14, NJW 2016, 936; OLG Karlsruhe v. 11.04.2014 – 4 U 14/14, EnWZ 2014, 323; OLG Sachsen-Anhalt v. 30.04.2015 – 2 U 16/15 (Hs), RdE 2015, 321. 47 S. dazu Kapitel 5 B. V. 3. 48 Vgl. BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 101; Salamon, NZA 2014, 465; Kössel, DB 2016, 2963; Salamon/Wessels, BB 2017, 885. 49 Vergleichbar ist die eher fernliegende Konstellation einer Klausel, die so formuliert ist, dass sie den Eindruck erweckt, die Leistungshöhe läge nicht im Ermessen des Arbeitgebers, sondern bestimme sich objektiv nach vorgegebenen Kriterien. In diesem Fall müsste eine Auslegung ergeben, dass die Höhe tatsächlich objektiv zu bestimmen ist und kein Leistungsbestimmungsrecht vorliegt, so dass die Billigkeitskontrolle ebenfalls nicht anwendbar wäre. Anders sieht es der BGH in einer Entscheidung v. 14.07.2010 – VIII ZR 246/08, BGHZ 186, 180 Rn. 41 ff. bezüglich eines Preisänderungsrechts. Er nimmt dort ein einseitiges Änderungsrecht an und hält die Klausel für intransparent, weil sie die Möglichkeit einer Billigkeitskontrolle verschleiere. 50 Stoffels, AGB-Recht, Rn. 569; BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 45; HKArbR/Boemke/Ulrici, § 307 BGB Rn. 17; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB

376

Kap. 5: Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

allerdings noch nicht viel gewonnen. Weiter wird formuliert, die AGB müssten die wirtschaftlichen Nachteile so weit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann, wobei teilweise nicht erkennbar ist, ob diese Aussage zum Bestimmtheitsgebot oder zum Verständlichkeitsgebot gehören soll.51 Ein ähnliches Ziel hat die Forderung, dem Vertragspartner müsse es möglich sein, Sinn, Tragweite und Folgen der Regelung durchschauen zu können, und er dürfe nicht von der Geltendmachung und Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten werden.52 3. Das Bestimmtheitsgebot Kaum ein Unterschied bezüglich der Zielsetzung besteht insofern zum Bestimmtheitsgebot53, auch „inhaltliches Konkretisierungs- und Bestimmtheitsgebot“ 54 genannt, das es dem Vertragspartner ermöglichen soll, Gewissheit über Inhalt und Umfang seiner Rechte und Pflichten zu erhalten.55 Er muss möglichst konkret wissen, welche Rechtsfolgen unter welchen Umständen eintreten, um diese entsprechend geltend machen bzw. erfüllen zu können.56 Deshalb müssen die Rechte und Pflichten so klar und präzise wie möglich angegeben werden.57 Eine Kernaussage des Bestimmtheitsgebots ist, dass die Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden müssen, dass keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen.58 Der Verwender darf sich keine Rn. 325, 335; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 19; NK-ArbR/Peterhänsel, § 307 BGB Rn. 38; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 307 BGB Rn. 154; Palandt/Grüneberg, § 307 BGB Rn. 25; Henssler/Moll, AGB-Kontrolle vorformulierter Arbeitsbedingungen, S. 11; von Hoyningen-Huene, in: FS Trinkner, S. 179, 180. 51 Dem Verständlichkeitsgebot zuordnend: BeckOGK/Eckelt, § 307 BGB Rn. 132; dem Bestimmtheitsgebot zuordnend: NK-ArbR/Peterhänsel, § 307 BGB Rn. 38; HWK/ Roloff, § 307 BGB Rn. 13; Henssler/Moll, AGB-Kontrolle vorformulierter Arbeitsbedingungen, S. 11. 52 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 253; BeckOGK/Eckelt, § 307 BGB Rn. 132. 53 Ein eigenständiges Bestimmtheitsgebot im Rahmen der Transparenz wird abgelehnt von Kreienbaum, Transparenz und AGB-Gesetz, S. 143 ff. 54 Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 181. 55 Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 338. 56 Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 85; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 307 BGB Rn. 156a. 57 Statt vieler: BAG v. 21.08.2012 – 3 AZR 698/10, BAGE 143, 30 Rn. 18; Wolf/ Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 258; HK-ArbR/Boemke/Ulrici, § 307 BGB Rn. 21; Jauernig/Stadler, § 307 BGB Rn. 6; NK-ArbR/Peterhänsel, § 307 BGB Rn. 38; BeckOK-ArbR/Jacobs, § 307 BGB Rn. 59; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 307 BGB Rn. 156a; HWK/Roloff, § 307 BGB Rn. 13. 58 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 258; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 571; MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 61; HK-ArbR/Boemke/Ulrici, § 307 BGB Rn. 21; Jauernig/Stadler, § 307 BGB Rn. 6; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 88; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 338; Palandt/Grüneberg, § 307 BGB Rn. 26; HWK/Roloff, § 307 BGB Rn. 13; Henssler/Moll, AGB-

A. Anwendbarkeit und Inhalt der Transparenzkontrolle

377

Gestaltungsspielräume einräumen, mit denen er auf die konkrete Ausgestaltung der Rechte und Pflichten einwirken und insbesondere das Äquivalenzverhältnis verändern kann.59 Gerade hinsichtlich einseitiger Leistungsbestimmungsrechte wird unter Bezugnahme auf das Bestimmtheitsgebot häufig postuliert, die Voraussetzungen und der Umfang dieser Rechte müssen tatbestandlich möglichst genau und transparent konkretisiert werden.60 Kurz gesagt: der durchschnittliche Vertragspartner muss seine Rechte und Pflichten möglichst klar in Umfang und Voraussetzungen erkennen können. Man könnte wie große Teile der Rechtsprechung auch formulieren: „Der Vertragspartner muss erkennen können, was auf ihn zukommt“ 61. 4. Fazit Im Ergebnis zeigen die Ausführungen, dass eine klare Differenzierung zwischen Verständlichkeits- und Bestimmtheitsgebot nicht immer möglich ist.62 Richtigerweise betrifft das Verständlichkeitsgebot aber eher die sprachliche und systematische Verständlichkeit63, während das Bestimmtheitsgebot die inhaltliche Klarheit betrifft64. Angesichts der eher schwammigen Voraussetzungen wird außerdem klar, dass ein Verstoß gegen eines der genannten Gebote kaum abstrakt

Kontrolle vorformulierter Arbeitsbedingungen, S. 11; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 307 BGB Rn. 156a, 165; BeckOK-ArbR/Jacobs, § 307 BGB Rn. 59; Evermann, Die Anforderungen des Transparenzgebots an die Gestaltung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen, S. 245; Preis/Roloff, ZfA 2007, 43, 74. 59 BeckOGK/Eckelt, § 307 BGB Rn. 133; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 340. 60 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 258; Ulmer/Brandner/Hensen/ Fuchs, § 307 BGB Rn. 340; vgl. auch Günther, AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen, S. 187; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 571; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 307 BGB Rn. 167; HK-ArbR/Boemke/Ulrici, § 307 BGB Rn. 21; Heinrichs, in: FS Trinkner, S. 157, 167 f. 61 BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 01.09.2010 – 5 AZR 517/09, BAGE 135, 250 Rn. 15; BAG v. 16.05.2012 – 5 AZR 331/11, BAGE 141, 324 Rn. 21; BAG v. 21.08.2012 – 3 AZR 698/10, BAGE 143, 30; BGH v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11; BGH v. 18.01.2017 – VIII ZR 263/15, DB 2017, 655 Rn. 32; zust. Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 194; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 79; Stoffels, RdA 2015, 276, 279. 62 So auch Pilz, Missverständliche AGB, S. 172 f. 63 Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 181; Armbrüster, DNotZ 2004, 437, 438; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 307 BGB Rn. 155; vgl. auch Wolf/Lindacher/Pfeiffer/ Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 253; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 569. 64 S. zum Bestimmtheitsgebot Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 258; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 571; MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 61; HK-ArbR/ Boemke/Ulrici, § 307 BGB Rn. 21; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 88; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 338; HWK/Roloff, § 307 BGB Rn. 13 NK-ArbR/Peterhänsel, § 307 BGB Rn. 38; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 307 BGB Rn. 156a, 165; BeckOK-ArbR/Jacobs, § 307 BGB Rn. 59.

378

Kap. 5: Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

bestimmt werden kann, sondern nach einer umfassenden Abwägung in Bezug auf die konkrete Klausel festgestellt werden muss. Maßstab sind dabei immer die Verständnismöglichkeiten und die Erwartungen des durchschnittlichen Vertragspartners65, wobei zu beachten ist, dass ihm die Erlangung der nötigen Informationen ohne die Einholung von Rechtsrat möglich sein muss66.

B. Die transparente Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte In diesem Abschnitt soll dargestellt werden, welche Anforderungen sich für die Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte aus dem soeben umrissenen Maßstab der Transparenzkontrolle ergeben. Relevant werden insbesondere drei Gesichtspunkte: die Entscheidungskriterien, der Umfang der versprochenen Leistung und der Entscheidungsmaßstab. Es stellt sich jeweils die Frage, ob diese nicht einer besonderen Konkretisierung bedürfen. Man könnte arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte, wie das BAG67, aber auch für transparent halten, wenn sie tatbestandlich praktisch gar nicht konkretisiert sind. Wie an anderer Stelle bereits angesprochen68, treten in der Prüfung der Transparenz einige thematische Überschneidungen mit den Ausführungen zur Angemessenheit auf. So ist in diesem Abschnitt etwa zu untersuchen, ob Bestimmungsvorbehalte die relevanten Entscheidungskriterien enthalten müssen und ob der Entscheidungsmaßstab besonders geregelt werden muss. Beide Aspekte sind auch schon in der Angemessenheitskontrolle überprüft worden69, womöglich gar mit vergleichbaren Ergebnissen. Trotz der Überschneidungen müssen diese Gesichtspunkte hier aber erneut im Hinblick auf die Transparenz untersucht wer65 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 244; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 567; MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 64; Stoffels, ZfA 2009, 861, 879; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 11; Jauernig/Stadler, § 307 BGB Rn. 8; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 21; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 83; Heinrichs, in: FS Trinkner, S. 157, 165; zur Maßgeblichkeit der Erwartungen des durchschnittlichen Vertragspartners s. Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 307 BGB Rn. 158; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 184; HWK/Roloff, § 307 BGB Rn. 13; Kreienbaum, Transparenz und AGB-Gesetz, S. 271 ff.; Evermann, Die Anforderungen des Transparenzgebots an die Gestaltung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen, S. 121 ff. 66 BeckOK-ArbR/Jacobs, § 307 BGB Rn. 59; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 258 f.; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 338. 67 BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013; BAG v. 23.08.2017 – 10 AZR 376/16, NZA 2017, 1595; vgl. dazu auch BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148; BAG v. 26.09.2012 – 10 AZR 370/11, zitiert nach juris; BAG v. 17.10.2012 – 10 AZR 620/11, zitiert nach juris; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970. 68 S. dazu Kapitel 3 B. I. 69 Zum Entscheidungsmaßstab s. unter Kapitel 4 B. V.; zu den Entscheidungskriterien s. Kapitel 4 B. VI. und B. VII.

B. Die transparente Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

379

den.70 Denn die Feststellung der Intransparenz beinhaltet eine andere Aussage als die Feststellung der Unangemessenheit, selbst wenn das Ergebnis und die praktischen Folgen im Einzelfall übereinstimmen.71 Dasselbe gilt für einige bereits thematisierte Argumentationen, rechtliche Wertungen und Abwägungen, die in der Transparenzkontrolle abermals relevant werden.72 An den entsprechenden Stellen kann auf die Ausführungen aus der Angemessenheitskontrolle zurückgegriffen werden. Die jeweiligen Themenkomplexe werden hier dennoch zumindest in kurzer Form behandelt. Denn die Transparenzprüfung unterscheidet sich im Ausganspunkt sowie in der durchzuführenden Abwägung und in der Zielsetzung von der Angemessenheitskontrolle.73 Deshalb kann es in Bezug auf dieselben Aspekte zu divergierenden Begründungen oder gar anderen Ergebnissen kommen. Jedenfalls kann aufgrund der strukturellen Unterschiede nicht davon ausgegangen werden, dass jeder bereits in der Angemessenheitskontrolle untersuchte Aspekt in der Transparenz identisch zu behandeln ist.

I. Einleitung: relevante Aspekte der Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte Da im Folgenden eine Vielzahl von Problemfeldern zu untersuchen sind, soll an dieser Stelle ein Überblick über die maßgeblichen Themenkomplexe für die transparente Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte gegeben werden. Bevor anschließend näher auf die Konkretisierungsanforderungen eingegangen werden kann, muss thematisiert werden, warum arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte nicht per se intransparent sind.74 Schließlich beinhalten sie für den Arbeitnehmer immer eine gewisse Unsicherheit über den Inhalt der versprochenen Leistung, auch wenn sie noch so weitgehend konkretisiert sind. 1. Die Konkretisierung der Entscheidungskriterien Bezüglich der transparenten Ausgestaltung ist zunächst zu untersuchen, ob Bestimmungsvorbehalte die Kriterien nennen müssen, nach denen der Arbeitgeber seine Entscheidung trifft.75 Aus einer Klausel, die lediglich festlegt, dass der Ar70

S. dazu ausführlich unter Kapitel 3 B. S. dazu ausführlich unter Kapitel 3 B. II und C. 72 S. etwa die Abwägung unter Kapitel 5 B. III. 3., die Ausführungen zu § 315 Abs. 3 BGB unter Kapitel 5 B. III. 6., zur Argumentation mit der Parallele zu Freiwilligkeitsvorbehalten unter Kapitel 5 B. III. 7. und zum Einfluss des Gegenleistungscharakters unter Kapitel 5 B. III. 5. 73 S. dazu ausführlich unter Kapitel 3 B. II und A. II. 74 S. dazu Kapitel 5 B. II. 75 S. dazu Kapitel 5 B. III. 71

380

Kap. 5: Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

beitgeber die Leistung (nach billigem Ermessen) festlegen kann, vermag der durchschnittliche Arbeitnehmer76 praktisch nichts zu entnehmen. Er kann weder erkennen, welchen Umfang die Leistung einnehmen könnte, noch ist ersichtlich, welche Kriterien der Arbeitgeber in die Entscheidung einfließen lassen will bzw. muss.77 Das erschwert sowohl die Einschätzung des Vertragsinhalts im Voraus als auch die Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer erfolgten Leistungsbestimmung. Das BAG und ein Teil des Schrifttums halten eine Konkretisierung dennoch nicht für erforderlich und verweisen häufig auf die Möglichkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB.78 Diese Sichtweise steht in einem gewissen Widerspruch zur Rechtsprechung des BAG bezüglich Widerrufsvorbehalten79 sowie zu der Rechtsprechung des BGH zu zivilrechtlichen Leistungsbestimmungsrechten. Der BGH fordert sowohl bei Preisanpassungsklauseln80 als auch bei Leistungsbestimmungsrechten zur erstmaligen Festlegung81 einer Leistung, dass Voraussetzungen und Umfang des Bestimmungsrechts aus der Klausel erkennbar sein müssen.82 Genauso ist das BAG der Meinung, Voraussetzungen und Umfang von Widerrufsvorbehalten müssten möglichst konkretisiert werden, so dass der Arbeitnehmer erkennen könne, was auf ihn zukommt.83 Unabdingbare Voraussetzung für die Wirksamkeit von Widerrufsvorbehalten ist nach der Rechtsprechung, dass die Klausel die Gründe regelt, nach denen ein Widerruf möglich sein soll.84 Es stellt sich die Frage, wieso arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbe-

76 Reinfelder, NZA-Beil. 2014, 10, 15 möchte zwischen verschiedenen Arbeitnehmergruppen (Führungskräfte, normale Arbeitnehmer usw.) unterscheiden. Es ist jedoch nicht ersichtlich, wieso bestimmten Gruppen der Inhalt eines Bestimmungsvorbehalts eher erkenntlich sein sollte als anderen. Deshalb wird im Folgenden nicht zwischen Arbeitnehmergruppen unterschieden. 77 S. dazu Kapitel 5 B. III. 2. 78 So etwa BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970; Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65; Salamon, NZA 2014, 465, 466; Salamon/Wessels, BB 2017, 885, 886; Reinfelder, NZABeil. 2014, 10, 15; s. dazu Kapitel 2 B. II. 2. und E. 79 S. etwa BAG v. 19.12.2006 – 9 AZR 294/06, DB 2007, 1253; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 194, BAG v. 21.03.2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 616. 80 BGH v. 11.06.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518; BGH v. 20.05.1985 – VII ZR 198/84, BGHZ 94, 335; BGH v. 26.05.1986 – VIII ZR 218/85, NJW 1986, 3134; BGH v. 12.01.1994 – VIII ZR 165/92, NJW 1994, 1060; BGH v. 19.11.2002 – X ZR 243/01, NJW 2003, 507 Rn. 25. 81 BGH v. 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, NJW 1984, 1182; BGH v. 26.11.1984 – VIII ZR 214/83, NJW 1985, 623; BGH v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11; BGH v. 18.01.2017 – VIII ZR 263/15, DB 2017, 655. 82 So auch Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, Anh. § 310 BGB Rn. L 213. 83 BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465. 84 BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87; BAG v. 25.04.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 1943; BAG v. 20.04.2011 – 5 AZR 191/ 10, BAGE 137, 383; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931; BAG v.

B. Die transparente Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

381

halte in der Transparenzkontrolle anders zu behandeln sein sollten als Widerrufsvorbehalte und Leistungsbestimmungsrechte im Zivilrecht. Die Antwort darauf bedarf einer Abwägung der widerstreitenden Interessen des Arbeitgebers an möglichst flexibler Vertragsgestaltung und des Arbeitnehmers an Transparenz.85 Dabei ist auch darauf einzugehen, ob die Möglichkeit, die Leistungsfestlegung gem. § 315 Abs. 3 BGB gerichtlich überprüfen zu lassen, den Arbeitnehmer bereits ausreichend schützt.86 Beachtung verdient daneben der Einfluss des synallagmatischen Charakters der betreffenden Leistung auf die Transparenzanforderungen.87 Nach der hier vertretenen Meinung ist eine Klausel nur wegen Intransparenz unwirksam, wenn eine daraus folgende unangemessene Benachteiligung festgestellt werden kann. Deshalb wird im Anschluss an die Ausführungen zur Intransparenz untersucht, ob der Arbeitnehmer ohne Kenntnis von den bestimmenden Entscheidungskriterien Gefahr läuft, seine Rechte nicht durchzusetzen, oder er bei Vertragsschluss unangemessen benachteiligt wird.88 Der Abschnitt schließt mit einer Darstellung des notwendigen Konkretisierungsgrades und denkbarer Ausgestaltungsmöglichkeiten.89 2. Die Konkretisierung des Leistungsumfangs Darüber hinaus ist zu prüfen, ob der Umfang der versprochenen Leistung bzw. des Bestimmungsvorbehalts in der Klausel zu konkretisieren ist.90 Schließlich kann der Arbeitnehmer ohne Angaben dazu gar nicht einschätzen, welche Größenordnung die jeweilige Leistung einnehmen kann. Das BAG hält eine Konkretisierung zum Leistungsumfang nicht für notwendig, steht damit jedoch abermals im Konflikt mit der eigenen Rechtsprechung zu Widerrufsvorbehalten91 und mit der Rechtsprechung des BGH zu Preisanpassungsklauseln92. In beiden Fällen 24.01.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777; LAG Rheinland-Pfalz v. 18.07.2016 – 3 Sa 43/16, zitiert nach juris. 85 S. dazu Kapitel 5 B. III. 3. 86 S. dazu Kapitel 5 B. III. 6. 87 S. dazu Kapitel 5 B. III. 5. 88 S. dazu Kapitel 5 B. III. 9. 89 S. Kapitel 5 B. III. 10. 90 S. dazu Kapitel 5 B. IV. 91 S. etwa BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87 Rn. 28; vgl. dazu ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 60; HKArbR/Boemke/Ulrici, § 308 BGB Rn. 61. 92 BGH v. 11.06.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518; BGH v. 20.05.1985 – VII ZR 198/84, BGHZ 94, 335; BGH v. 26.05.1986 – VIII ZR 218/85, NJW 1986, 3134; BGH v. 12.01.1994 – VIII ZR 165/92, NJW 1994, 1060; BGH v. 19.11.2002 – X ZR 243/01, NJW 2003, 507 Rn. 25; BGH v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11 Rn. 39.

382

Kap. 5: Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

sind die Gerichte der Meinung, der Umfang der vorbehaltenen Änderung müsse für den Vertragspartner erkennbar sein. Auch bezüglich der Transparenz des Leistungsumfangs bedarf es einer Abwägung der widerstreitenden Interessen. Die Unklarheiten während der Vertragsdurchführung sind zwar vergleichsweise gering93, im Vorfeld sind sie dafür umso größer. Bei Vertragsschluss bleibt dem Arbeitnehmer der Inhalt des Leistungsversprechens weitgehend verborgen, was einen Vergleich mit anderen Arbeitgebern erschweren könnte.94 Prekär ist vor allem, dass nicht auf Anhieb erkennbar ist, ob die Leistung auch auf null festgelegt werden kann.95 Auf der anderen Seite muss dem Arbeitnehmer die Unbestimmtheit des Leistungsversprechens in der gegebenen Konstellation nahezu ins Auge springen. Gegen eine Konkretisierungspflicht spricht außerdem, dass die Leistung flexibel versprochen werden sollte, damit der Arbeitgeber angemessen auf unvorhergesehene Entwicklungen reagieren kann.96 Ein weiteres Mal ist zu untersuchen, ob der Arbeitnehmer durch die vorliegenden Unklarheiten unangemessen benachteiligt wird.97 Ihm könnte der Vergleich mit anderen potentiellen Arbeitgebern erschwert werden. An dieser Stelle wird erneut der synallagmatische Charakter der betreffenden Leistungen relevant. Es muss erörtert werden, ob eine Benachteiligung überhaupt vorliegen kann, wenn eine Leistung für die Vertragsabschlussentscheidung nahezu bedeutungslos ist.98 Letztlich bleibt zu thematisieren, wie der Umfang eines Bestimmungsvorbehalts zu konkretisieren ist, obwohl die Leistung unbestimmt versprochen werden soll.99 Denkbar wäre die Angabe eines starren Rahmens, was jedoch die Flexibilität des Arbeitgebers enorm einschränken würde. Deshalb könnten auch anderweitige Angaben zum Leistungsumfang die Transparenzanforderungen erfüllen. Es bleibt zu bedenken, dass die Möglichkeit, die Leistung auf null festzulegen, dem Arbeitnehmer nicht ohne weiteres erkennbar ist.100 3. Zur Konkretisierung des Entscheidungsmaßstabs und zur Hinweispflicht auf § 315 Abs. 3 BGB Zuletzt stellt sich die Frage, ob der Entscheidungsmaßstab einer besonderen Konkretisierung bedarf. In den Entscheidungen des BAG stellt sich dieses Problem nicht, da das BAG der Meinung ist, ein Bestimmungsvorbehalt sei unabhän93

S. dazu Kapitel 5 B. IV. 1. a). S. dazu Kapitel 5 B. IV. 1. b). 95 S. dazu Kapitel 5 B. IV. 1. c). 96 S. dazu Kapitel 5 B. IV. 2. 97 S. Kapitel 5 B. IV. 4. 98 S. dazu Kapitel 5 B. IV. 4. b). 99 S. dazu Kapitel 5 B. IV. 5. mit Formulierungsbeispielen. 100 S. dazu Kapitel 5 B. IV. 5. c). 94

B. Die transparente Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

383

gig von der tatsächlichen Ausgestaltung nach billigem Ermessen auszuüben.101 An diesem Vorgehen bestehen jedoch erhebliche Zweifel, die an anderem Ort bereits dargestellt wurden.102 Es bleibt deshalb zu untersuchen, ob ein zu weitreichender Maßstab, wie etwa das „freie Ermessen“, zur Intransparenz des jeweiligen Bestimmungsvorbehalts führt.103 An sich enthalten derartige Maßstäbe keine Unklarheiten, sondern lassen deutlich erkennen, dass der Arbeitgeber frei entscheiden kann. Dieser erhält jedoch einen Entscheidungsspielraum, der weit über den Spielraum des billigen Ermessens hinausgeht. Das könnte dem Arbeitnehmer die Einschätzung der Leistungsfestlegung erheblich erschweren. Auch an dieser Stelle muss eine unangemessene Benachteiligung geprüft werden, für die abermals die Abschlussrelevanz der betroffenen Leistung eine Rolle spielt.104 An die Frage, wie der Entscheidungsmaßstab zu konkretisieren ist, schließt sich ein Folgeproblem an: dem Arbeitnehmer wird womöglich nicht deutlich, dass er die Leistungsfestlegung gem. § 315 Abs. 3 BGB gerichtlich überprüfen lassen kann. Ob daraus eine Hinweispflicht des Arbeitgebers resultiert, darf jedoch bezweifelt werden.105

II. Zur Intransparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte Arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte bringen wie alle anderen einseitigen Leistungsbestimmungsrechte von Natur aus ein gewisses Maß an Unklarheit mit sich. Denn die jeweilige Leistung unterliegt einer Entscheidung des Arbeitgebers, die angesichts des in jedem Fall bestehenden Entscheidungsspielraums nicht einmal bei noch so genauer und klarer Formulierung der Klausel vollständig vorherzusehen ist. Bestünde kein Entscheidungsspielraum, wäre die Leistung faktisch bereits im Vertrag festgelegt und es würde sich der Wirkung nach nicht um ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht handeln. Die bei Bestimmungsvorbehalten bestehende Unklarheit könnte bereits per se eine Intransparenz begründen, da dem Arbeitnehmer weder bei Vertragsschluss seine Rechte, im gegenständlichen Fall die Höhe des Anspruchs, im Detail erkennbar sind, noch bei Vertragsabwicklung mit endgültiger Sicherheit erkennbar wäre, ob der Arbeitgeber die Leistung im Rahmen des nach der Klausel Zulässigen festgesetzt hat.106 101

S. dazu Kapitel 2 B. II. 2. S. dazu Kapitel 4 B. V. 3.; Kapitel 5 A. I. 2. b). 103 S. dazu Kapitel 5 B. V. 1. 104 S. dazu Kapitel 5 B. V. 1. b). 105 S. dazu Kapitel 5 B. V. 3. 106 Vgl. zu den verschiedenen Aspekten der Transparenz bei Vertragsabschluss und bei Vertragsabwicklung etwa Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 234, 236; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 307 BGB Rn. 147; BeckOGK/Eckelt, § 307 BGB Rn. 122; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 79; Ulmer/Brandner/Hensen/ Fuchs, § 307 BGB Rn. 326; Stoffels, ZfA 2009, 861, 879. 102

384

Kap. 5: Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

Allerdings bestehen die aus dem Transparenzgebot resultierenden Pflichten nur im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren.107 Es wäre weder für den Arbeitgeber zumutbar, generell auf einseitige Leistungsbestimmungsrechte als Instrument der Flexibilisierung verzichten zu müssen, noch entspräche dies dem Sinn der AGB-Kontrolle. Diese soll den Vertragspartner vor unangemessenen Benachteiligungen schützen, die daraus resultieren, dass der Verwender die Vertragsgestaltungsfreiheit beider Parteien für sich in Anspruch nimmt.108 Ziel der AGB-Kontrolle ist es hingegen nicht, den Vertragspartner zu bevorzugen.109 Deshalb kann nicht jede noch so geringe Unklarheit zur Unwirksamkeit der Klausel führen und daher sind auch die berechtigten Interessen des Verwenders angemessen zu berücksichtigen. Ist die Klausel hinreichend konkretisiert, entstehen nur geringe Unsicherheiten bzw. Unklarheiten für den Arbeitnehmer. Diese sind insbesondere im Arbeitsverhältnis als auf Dauer angelegtem Schuldverhältnis hinzunehmen, das diversen nicht im Voraus abzusehenden Entwicklungen unterliegt.110 Insofern besteht ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers, das diese geringen Unklarheiten rechtfertigt.111 Arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte sind folglich nicht per se intransparent. 107 BGH v. 03.03.2004 – VIII ZR 149/03, NJW 2004, 1738; BGH v. 06.10.2004 – VIII ZR 215/03, NZM 2004, 903; BGH v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11 Rn. 9; BGH v. 25.11.2015 – VIII ZR 360/14, NJW 2016, 936 Rn. 32; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 236, 247; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 573; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 194; BeckOGK/Eckelt, § 307 BGB Rn. 129.1; NK-ArbR/ Peterhänsel, § 307 BGB Rn. 38; BeckOK-ArbR/Jacobs, § 307 BGB Rn. 59; Clemenz/ Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 87 ff.; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 348; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 307 BGB Rn. 154; Heinrichs, in: FS Trinkner, S. 157, 165; Preis/Roloff, ZfA 2007, 43, 74. 108 Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 1, 42; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 97; BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 1; s. auch NK-BGB/Kollmann, Vorbemerkungen zu §§ 305 ff. BGB Rn. 3 ff.; MüKo-BGB/Basedow, Vorbemerkung §§ 305 ff. BGB Rn. 4 ff. 109 Vgl. dazu etwa Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs/Bieder, Anh. § 310 BGB AGBKontrolle im Arbeitsrecht Rn. 41; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 107; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 468. 110 S. zum Flexibilisierungsinteresse des Arbeitgebers ausführlich unter Kapitel 4 B. VII. 3. a); vgl. dazu generell HWK/Roloff, Anh. §§ 305–310 BGB Rn. 28; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, ArbR Rn. 133; Stoffels, NZA 2017, 1217, 1219; Stoffels, RdA 2015, 276, 278; Hanau/Hromadka, NZA 2005, 73; MAH ArbR/Hexel, § 25 Rn. 27; ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 56; Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 70 ff.; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 51; Boensch, Arbeitsvertragliche Entgeltflexibilisierung und aufsichtsrechtliche Institutsvorgaben, S. 69; Kluge, Widerrufsvorbehalte zur Absenkung des Arbeitsentgelts aus „wirtschaftlichen Gründen“ in vorformulierten Arbeitsverträgen, S. 113 ff.; Richardt, Arbeitsvertragliche Flexibilisierung von Entgeltbedingungen, S. 1 ff.; Hofmann, Entgeltflexibilisierung und AGB-Kontrolle, S. 1 ff.; BAG v. 11.04.2006 – 9 AZR 557/05, NZA 2006, 1149 Rn. 36; BAG v. 13.03.2007 – 9 AZR 433/06, AP Nr. 26 zu § 307 BGB Rn. 41; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 36/09, DB 2010, 2805 Rn. 31. 111 Ein berechtigtes Interesse an der Einräumung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts wird regelmäßig gefordert. S. etwa BGH v. 19.10.1999 – XI ZR 8/99,

B. Die transparente Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

385

Eine Intransparenz, die zur Unwirksamkeit des jeweiligen Bestimmungsvorbehalts führt, kann jedoch vorliegen, wenn das Bestimmungsrecht nicht hinreichend konkretisiert ist.112 Sind weder die Reichweite noch die Richtlinien der Ausübung festgelegt, können nicht unerhebliche Unklarheiten beim Arbeitnehmer darüber entstehen, unter welchen Voraussetzungen er mit welcher Höhe der Leistung rechnen kann und ob bei Vertragsabwicklung die konkrete Ausübung des Bestimmungsrechts durch den Arbeitgeber dem eingeräumten Recht entspricht.

III. Intransparenz ohne Festlegung von Entscheidungskriterien Es stellt sich zunächst die Frage, ob arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte intransparent sind, wenn sie nicht die Kriterien enthalten, an denen der Arbeitgeber seine Entscheidung auszurichten hat. Das BAG und ein Teil der Literatur fordern eine derartige Festlegung nicht, sondern halten arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte ohne jegliche Konkretisierung für transparent.113 Sie verweisen dabei vor allem darauf, dass die Entscheidung nach billigem Ermessen zu treffen sei und der Arbeitnehmer ausreichend durch diese Bindung und die Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung nach § 315 Abs. 3 BGB geschützt sei. Die Rechtsprechung des BAG zu Widerrufsvorbehalten114 sowie die Rechtsprechung des BGH zu Preisanpassungsklauseln115 hingegen legen ein solches

NJW 2000, 651; BGH v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11 Rn. 39; BGH v. 11.07.2012 – IV ZR 164/11, NJW 2012, 3647; BAG v. 11.04.2006 – 9 AZR 557/05, NZA 2006, 1149; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 1943; BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931; Erman/Roloff, 13. Aufl., § 307 BGB Rn. 141; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, Anh. § 310 BGB Rn. L 214; Stoffels, RdA 2015, 276, 278. 112 Dazu sogleich unter Kapitel 5 B. III., B. IV. und B. V. 113 BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970; so bspw. auch BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148 Rn. 42; BAG v. 26.09.2012 – 10 AZR 370/11, zitiert nach juris; BAG v. 17.10.2012 – 10 AZR 620/11, zitiert nach juris; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 29; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12 Rn. 31, NZA 2013, 970; Salamon, NZA 2014, 465, 466; Salamon/Wessels, BB 2017, 885, 886; Reinfelder, NZABeil. 2014, 10, 15; vgl. auch Wensing/Boensch, BB 2014, 2358; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400; Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65; Kössel, DB 2016, 2963; BLDH/ Lingemann, Kap. 2 Rn. 101; a. A. Stoffels, RdA 2015, 276 ff.; Simon/Hidalgo/Koschker, NZA 2012, 1071, 1072; Pfrogner, BB 2018, 757, 759; zurückhaltender Stoffels, NZA 2017, 1217, 1224; s. dazu bereits Kapitel 2 B. II. 2., E. II. und E. III. 114 S. etwa BAG v. 19.12.2006 – 9 AZR 294/06, DB 2007, 1253; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 194; BAG v. 21.03.2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 616. 115 Statt aller: BGH v. 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, NJW 1984, 1182; BGH v. 26.11.1984 – VIII ZR 214/83, NJW 1985, 623; BGH v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11; BGH v. 08.10.2013 – XI ZR 401/12, NJW 2013, 3716; BGH v. 18.01.2017 – VIII ZR 263/15, DB 2017, 655.

386

Kap. 5: Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

Erfordernis nahe. Der BGH fordert bei einseitigen Leistungsbestimmungsrechten regelmäßig eine Konkretisierung über die Entscheidung nach billigem Ermessen hinaus. Sowohl bei Preisanpassungsklauseln116 als auch Leistungsbestimmungsrechten zur erstmaligen Festlegung117 einer Leistung müssen nach Meinung des BGH Voraussetzungen und Umfang des Bestimmungsrechts aus der Klausel erkennbar sein. Der Vertragspartner muss erkennen können, was auf ihn zukommt.118 Ein ähnliches Verständnis zeigt das BAG bei der Transparenzkontrolle von Widerrufsvorbehalten. Auch das BAG ist dort der Meinung, Voraussetzungen und Umfang des Widerrufsvorbehalts müssten möglichst konkretisiert werden, so dass der Arbeitnehmer erkennen kann, was auf ihn zukommt.119 Unabdingbare Voraussetzung für die Wirksamkeit von Widerrufsvorbehalten ist nach der Rechtsprechung, dass die Klausel die Gründe regelt, nach denen ein Widerruf möglich sein soll.120 Da Widerrufsvorbehalte den Bestimmungsvorbehalten in ihrer Wirkung sehr nahe sind121 und auch die Leistungsbestimmungsrechte aus der zivilgerichtlichen Rechtsprechung Parallelen zu den gegenständlichen Bestimmungsvorbehalten aufweisen, stellt sich die Frage, wieso arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte in der Transparenzkontrolle anders zu behandeln sein sollten. Man könnte bei Bestimmungsvorbehalten entgegen der Meinung des BAG, aber in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung zu den ähnlich wirkenden Widerrufsvorbehalten122, eine Festlegung der relevanten Entscheidungskriterien fordern. Im Folgenden ist zu untersuchen, ob auch Bestimmungsvorbehalte ohne Konkretisierung der Voraussetzungen bzw. der Entscheidungskriterien intransparent sind oder ob sie tatsächlich anders zu behandeln sind als andere Leistungsbestimmungsrechte.

116 BGH v. 11.06.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518; BGH v. 20.05.1985 – VII ZR 198/84, BGHZ 94, 335; BGH v. 26.05.1986 – VIII ZR 218/85, NJW 1986, 3134; BGH v. 12.01.1994 – VIII ZR 165/92, NJW 1994, 1060; BGH v. 19.11.2002 – X ZR 243/01, NJW 2003, 507 Rn. 25. 117 BGH v. 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, NJW 1984, 1182; BGH v. 26.11.1984 – VIII ZR 214/83, NJW 1985, 623; BGH v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11; BGH v. 18.01.2017 – VIII ZR 263/15, DB 2017, 655. 118 BGH v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11; BGH v. 18.01.2017 – VIII ZR 263/15, DB 2017, 655 Rn. 32; für Widerrufsvorbehalte genauso BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465. 119 BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465. 120 BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87; BAG v. 25.04.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 1943; BAG v. 20.04.2011 – 5 AZR 191/ 10, BAGE 137, 383; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777; LAG Rheinland-Pfalz v. 18.07.2016 – 3 Sa 43/16, zitiert nach juris. 121 S. dazu auch Kapitel 1 B. IV. 122 S. dazu Kapitel 5 B. III. 10. b).

B. Die transparente Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

387

1. Übersicht zur Prüfung der Intransparenz ohne Festlegung von Entscheidungskriterien Für die Frage, ob die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte voraussetzt, dass in der Klausel Entscheidungskriterien konkretisiert werden, werden eine Reihe von tatsächlichen Umständen und rechtlichen Wertungen relevant. Deshalb soll nachfolgend ein Überblick über das weitere Vorgehen und die zu untersuchenden Aspekte gegeben werden. Sind bei Bestimmungsvorbehalten keine Entscheidungskriterien geregelt, entstehen für den Arbeitnehmer gewisse Unklarheiten über den Inhalt und den Umfang des ihm zustehenden Anspruchs. Es ist für ihn nicht erkennbar, wodurch die Höhe der Leistung beeinflusst wird und ob seine eigene Leistung eine Rolle spielt. Da in der Untersuchung der Intransparenz auch die Interessen des Arbeitgebers angemessen zu berücksichtigen sind, ist im Rahmen einer Abwägung festzustellen, ob diese Unklarheiten zu einer Intransparenz i. S. d. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB führen123. Vorliegend besteht ein Spannungsverhältnis zwischen dem Interesse des Arbeitnehmers, möglichst genau zu wissen, wonach sich die Höhe der Leistung richtet, und dem Interesse des Arbeitgebers, ein möglichst freies Bestimmungsrecht zu haben, damit er bestmöglich auf die tatsächlichen Gegebenheiten bzw. Änderungen reagieren kann. Es bleibt zu bedenken, dass der Grundgehalt der Regelung, nämlich die Einräumung eines flexiblen Anspruchs, dem Arbeitnehmer problemlos erkennbar ist. Deshalb ist fraglich, bis zu welchem Grad der Inhalt darüber hinausgehend erkennbar sein muss. a) Anknüpfungspunkte für eine Intransparenz Zu Beginn der Untersuchung werden die Anknüpfungspunkte aufgezeigt, die eine Intransparenz begründen könnten.124 Dabei ist zunächst darauf einzugehen, ob ein arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalt, in dem keine Entscheidungskriterien festgelegt sind, dem Verständlichkeitsgebot genügt, also für den Arbeitnehmer sprachlich und systematisch zu verstehen ist.125 Naheliegender ist eine Verletzung des Bestimmtheitsgebots, wenn es dem Arbeitnehmer nicht möglich ist, ausreichend Gewissheit über Inhalt und Umfang seiner Rechte und Pflichten zu erlangen126. Dem Arbeitnehmer könnte es ohne 123 Vgl. Stoffels, AGB-Recht, Rn. 573; Stoffels, ZfA 2009, 861, 881; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 350. 124 S. dazu Kapitel 5 B. III. 2. 125 S. dazu Kapitel 5 B. III. 2. a). 126 Vgl. dazu BGH v. 18.01.2017 – VIII ZR 263/15, DB 2017, 655 Rn. 32; Wolf/ Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, Anh. § 310 BGB Rn. L 213; Ulmer/Brandner/Hensen/ Fuchs, § 307 BGB Rn. 338; s. zum Widerrufsvorbehalt BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465.

388

Kap. 5: Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

Kenntnis über die Entscheidungskriterien verwehrt sein, die Rechtmäßigkeit einer erfolgten Bestimmung anhand der Klausel zu überprüfen.127 Dies ist nach der Rechtsprechung des BGH zu Preisanpassungsklauseln allerdings Voraussetzung der Transparenz.128 Nach der Meinung des BAG ist es hingegen sogar unschädlich, wenn der Arbeitnehmer die Klausel gar nicht verstehen kann.129 Erst die Gefahr, dass er deshalb seine Rechte nicht wahrnehme, begründe die Intransparenz. Man könnte jedoch annehmen, dass der Arbeitnehmer automatisch Gefahr läuft, seinen Zahlungsanspruch nicht geltend zu machen, wenn er die Leistungsbestimmung nicht auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen kann. Darüber hinaus könnte es für den Arbeitnehmer ohne Kenntnis der relevanten Faktoren schwierig sein, den Inhalt und den Umfang seines Anspruchs auf Zahlung im Voraus einzuschätzen.130 Die Einschätzung der Chance auf eine Auszahlung und der voraussichtlichen Größenordnung der Leistung könnten sowohl bei Vertragsschluss als auch während der Durchführung erschwert sein. Schließlich kann der Arbeitgeber die Kriterien selbst festlegen. Das führt zum dritten problematischen Punkt: der Arbeitgeber hat dadurch einen weitergehenden Gestaltungsspielraum als er es durch einen Bestimmungsvorbehalt naturgemäß schon hat.131 Neben der Leistungshöhe kann er auch die Bemessungsfaktoren bestimmen. In Literatur und Rechtsprechung wird hingegen oft darauf verwiesen, dass arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte nach billigem Ermessen auszuüben und deshalb transparent seien.132 Ob daraus ein wesentlicher Erkenntnisgewinn des Arbeitnehmers resultiert, scheint jedoch zweifelhaft.133 127

S. Kapitel 5 B. III. 2. b). BGH v. 11.06.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518; BGH v. 20.05.1985 – VII ZR 198/84, BGHZ 94, 335; BGH v. 26.05.1986 – VIII ZR 218/85, NJW 1986, 3134; BGH v. 12.01.1994 – VIII ZR 165/92, NJW 1994, 1060; BGH v. 19.11.2002 – X ZR 243/01, NJW 2003, 507 Rn. 25. 129 Zu arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 20; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970 Rn. 23; s. auch teilweise Parallelentscheidungen v. 20.03.2013 – 10 AZR 636/11, AuA 2013, 711 und v. 15.05.2013 – 10 AZR 679/12, NJW-Spezial 2013, 563; zu Freiwilligkeitsvorbehalten so BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, BAGE 124, 259; BAG v. 14.09.2011 – 10 AZR 526/10, BAGE 139, 156; so auch Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 307 BGB Rn. 149, 150. 130 S. dazu Kapitel 5 B. III. 2. c). 131 S. dazu Kapitel 5 B. III. 2. d). 132 BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148; BAG v. 26.09.2012 – 10 AZR 370/11, zitiert nach juris; BAG v. 17.10.2012 – 10 AZR 620/11, zitiert nach juris; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 97; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 636/11, AuA 2013, 711; BAG v. 15.05.2013 – 10 AZR 679/12, NJW-Spezial 2013, 563; BAG v. 03.08.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358; Lunk/Leder, NJW 2015, 3766; HK-ArbR/Boemke/Ulrici, Anhang zu §§ 307–309 Rn. 3; BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 101; vgl. auch Lakies, 128

B. Die transparente Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

389

b) Zumutbarkeit der Konkretisierung für den Arbeitgeber Auf die Darstellung der Anknüpfungspunkte für eine Intransparenz folgt die Untersuchung der Frage, ob und wieweit dem Arbeitgeber eine Konkretisierung möglich und zumutbar ist.134 Gegen eine Konkretisierung sprechen die Flexibilisierungsinteressen des Arbeitgebers, auf unvorhergesehene Entwicklungen angemessen reagieren zu können.135 Das ist ihm umso besser möglich, je weiter ein Bestimmungsvorbehalt ist. Daneben wäre es denkbar, aus der weit formulierten Konzeption des § 315 BGB zu schließen, dass ohnehin keine Konkretisierung nötig ist. Fraglich ist jedoch, ob § 315 BGB überhaupt Einfluss auf die Transparenz nach dem AGB-Recht haben kann.136 Für die Zumutbarkeit einer vorherigen Festlegung von Entscheidungskriterien spricht, dass der Zweck, flexibel auf unvorhergesehene Entwicklungen reagieren zu können, durch eine Konkretisierung nicht gefährdet werden muss.137 Unter Umständen kann der Arbeitgeber seine Flexibilisierungsinteressen ausreichend verwirklichen, obwohl er die Entscheidungskriterien anzugeben hat, und gleichzeitig die Unklarheiten beim Arbeitnehmer verringern. Denkbar wäre etwa eine Konkretisierung der Faktoren dem Grunde nach. c) Weitere Abwägungsgesichtspunkte: Gegenleistungscharakter, gerichtliche Billigkeitskontrolle und alternative Gestaltungsmöglichkeiten Nach der Abwägung der widerstreitenden Interessen ist auf einige weitere Abwägungsaspekte einzugehen, die von Literatur und Rechtsprechung zur Rechtfertigung offen formulierter Bestimmungsvorbehalte angeführt werden. ArbRAktuell 2013, 251; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400; wohl auch Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65; Kössel, DB 2016, 2963; s. auch Ulmer/Brandner/Hensen/ Fuchs, § 307 BGB Rn. 359. 133 S. dazu Kapitel 5 B. III. 2. e). 134 S. dazu Kapitel 5 B. III. 3. 135 Vgl. zum Flexibilisierungsinteresse des Arbeitgebers generell HWK/Roloff, Anh. §§ 305–310 BGB Rn. 28; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, ArbR Rn. 133; Stoffels, NZA 2017, 1217, 1219; Stoffels, RdA 2015, 276, 278; Hanau/Hromadka, NZA 2005, 73; MAH ArbR/Hexel, § 25 Rn. 27; ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 56; Clemenz/Kreft/ Krause/Krause, Einführung Rn. 70 ff.; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 51; Kluge, Widerrufsvorbehalte zur Absenkung des Arbeitsentgelts aus „wirtschaftlichen Gründen“ in vorformulierten Arbeitsverträgen, S. 113 ff.; Boensch, Arbeitsvertragliche Entgeltflexibilisierung und aufsichtsrechtliche Institutsvorgaben, S. 69; Richardt, Arbeitsvertragliche Flexibilisierung von Entgeltbedingungen, S. 1 ff.; Hofmann, Entgeltflexibilisierung und AGB-Kontrolle, S. 1 ff.; BAG v. 11.04.2006 – 9 AZR 557/ 05, NZA 2006, 1149 Rn. 36; BAG v. 13.03.2007 – 9 AZR 433/06, AP Nr. 26 zu § 307 BGB Rn. 41; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 36/09, DB 2010, 2805 Rn. 31. 136 S. dazu Kapitel 5 B. III. 3. b). 137 S. dazu Kapitel 5 B. III. 3. c).

390

Kap. 5: Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

Das BAG meint in einer Entscheidung zu einem nicht konkretisierten Bestimmungsvorbehalt, eine Konkretisierung sei unter anderem deshalb nicht nötig gewesen, weil es sich nur um eine Sonderzahlung gehandelt habe, die nicht Teil des Gegenseitigkeitsverhältnisses gewesen sei.138 So legt auch ein Teil der Literatur nahe, in der Transparenzkontrolle zwischen Sonderzahlungen und Leistungen aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis zu unterscheiden.139 Da Sonderzahlungen einen weniger ausgeprägten Schutz verdienen, könnte eine Konkretisierung bei ihnen entbehrlich sein.140 Auf der anderen Seite fragt sich, welchen Einfluss der Charakter einer Leistung auf die Verständlichkeit der Klausel haben soll. In der Literatur wird außerdem das aus der Rechtsprechung des BAG141 bekannte Argument angeführt, der Arbeitnehmer werde ausreichend durch die Möglichkeit geschützt, die Leistungsbestimmung gem. § 315 Abs. 3 BGB gerichtlich überprüfen zu lassen.142 Es muss deshalb erörtert werden, ob die Möglichkeit einer Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB die Transparenzkontrolle überhaupt beeinflussen kann.143 Zu beachten ist dabei vor allem das Verhältnis der beiden Kontrollinstrumente zueinander. Zuletzt ist auf das vom BAG144 angeführte Argument einzugehen, der Arbeitgeber hätte auch einen Freiwilligkeitsvorbehalt wählen können, bei dem keine Konkretisierung nötig gewesen wäre.145 d) Vorliegen einer unangemessenen Benachteiligung Im Anschluss an die Erörterung der Intransparenz ist festzustellen, ob diese auch eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers nach sich zieht.146

138

BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013. Reinfelder, NZA-Beil. 2014, 10, 15 verneint eine Konkretisierungspflicht, wenn nicht die engere Gegenleistung betroffen ist; so auch ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 73a; letztlich ohne Änderung im Ergebnis wird die Unterscheidung auch vorgenommen von: Lunk/Leder, NJW 2015, 3766; Kössel, DB 2016, 2963; im Ergebnis genauso Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65; Salamon, NZA 2014, 465, 466 f.; Salamon/Wessels, BB 2017, 885, 886; keine Unterscheidung nehmen vor: Lakies, ArbRAktuell 2013, 251; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400; HK-ArbR/ Boemke/Ulrici, Anhang zu §§ 307–309 Rn. 3; HWK/Roloff, Anh. §§ 305–310 BGB Rn. 28; ausführlich zu Rechtsprechung und Literatur s. Kapitel 2 B. II. 2. und E. III. 140 S. dazu Kapitel 5 B. III. 5. 141 S. dazu unter Kapitel 2 B. II. 2.; Kapitel 4 B. VII. 7. f) und B. VIII. 2. 142 Salamon, NZA 2014, 465, 468; Salamon/Wessels, BB 2017, 885, 887; Reinfelder, NZA-Beil. 2014, 10, 15. 143 S. dazu Kapitel 5 B. III. 6. 144 BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 21 ff. 145 S. dazu Kapitel 5 B. III. 7. 146 S. dazu Kapitel 5 B. III. 9. 139

B. Die transparente Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

391

Denn nur dann wäre ein Bestimmungsvorbehalt ohne Konkretisierung auch unwirksam.147 In Frage kommen eine Benachteiligung bei Vertragsschluss, weil die Unklarheiten eine informierte Vertragsabschlussentscheidung des Arbeitnehmers erschweren, und bei der Vertragsabwicklung, weil sie die Gefahr begründen, der Arbeitnehmer könnte von der Wahrnehmung bestehender Rechte abgehalten werden. Kann der Vertragspartner den Inhalt einer intransparenten Klausel bei Vertragsschluss nicht verlässlich erkennen, kann er keine informierte Vertragsabschlussentscheidung treffen und wird dadurch unangemessen benachteiligt. 148 Eine solche Benachteiligung könnte bei Bestimmungsvorbehalten ohne Konkretisierung vorliegen, wenn der Arbeitnehmer nicht sicher einschätzen kann, welche Chance auf eine Auszahlung besteht und welche Höhe diese einnehmen könnte.149 Dann bestünden Unklarheiten, die für die Entscheidung des Arbeitnehmers, ob er sich an die Klausel binden oder Änderungsvorschläge einbringen möchte, von Bedeutung sind. Aber auch bei der Vertragsabwicklung könnte eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers entstehen.150 Eine solche Benachteiligung ist anzunehmen, wenn der Vertragspartner aufgrund der Intransparenz Gefahr läuft, seine Rechte nicht wahrzunehmen.151 Das BAG bejaht sie etwa bei Freiwilligkeitsvorbehalten, die mit einem ausdrücklichen Anspruch auf die Leistung verbunden werden.152 Bei Bestimmungsvorbehalten verneint das BAG diese Gefahr durchweg und verweist auf die Entscheidung nach billigem Ermessen.153 Dabei er147 S. zur Notwendigkeit der Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung bereits Kapitel 3 A. 148 Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 79; vgl. auch Wolf/Lindacher/ Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 250; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 175; für die essentialia negotii und andere wettbewerbsrelevante Umstände nimmt Ulmer/Brandner/ Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 332 unter dem Stichpunkt „Abschlusstransparenz“ eine unwiderlegliche Vermutung der unangemessenen Benachteiligung an. 149 S. dazu Kapitel 5 B. III. 9. a). 150 S. dazu Kapitel 5 B. III. 9. b). 151 Vgl. Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 11; Clemenz/Kreft/Krause/ Klumpp, § 307 BGB Rn. 79; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 178; Stoffels, AGBRecht, Rn. 564; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 236; HK-ArbR/ Boemke/Ulrici, § 307 BGB Rn. 21; BeckOK-ArbR/Jacobs, § 307 BGB Rn. 57; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 20; Henssler/Moll, AGB-Kontrolle vorformulierter Arbeitsbedingungen, S. 11; NK-ArbR/Peterhänsel, § 307 BGB Rn. 40. 152 BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, BAGE 124, 259; BAG v. 30.07.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173; BAG v. 10.12.2008 – 10 AZR 1/08, DB 2009, 684; BAG v. 07.06.2011 – 1 AZR 807/09, NZA 2011, 1234; BAG v. 14.09.2011 – 10 AZR 526/10, BAGE 139, 156; BAG v. 20.02.2013 – 10 AZR 177/12, NZA 2013, 1015; ebenso LAG Rheinland-Pfalz v. 15.12.2015 – 8 Sa 201/15, zitiert nach juris; LAG Rheinland-Pfalz v. 18.07.2016 – 3 Sa 43/16, zitiert nach juris. 153 BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013

392

Kap. 5: Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

scheint die Situation derjenigen bei Freiwilligkeitsvorbehalten unter Umständen nicht unähnlich. Wäre zu konstatieren, dass der Arbeitnehmer die Rechtmäßigkeit einer erfolgten Leistungsbestimmung nicht anhand der Klausel überprüfen kann, läge jedenfalls nahe, dass er eine rechtswidrige niedrige Festlegung akzeptieren würde. e) Notwendiger Konkretisierungsgrad Die Erörterungen zur Konkretisierung von Entscheidungskriterien schließen mit der Darstellung des Konkretisierungsgrades, der sich aus dem Vorgesagten als Voraussetzung der Transparenz ergibt.154 Es stellt sich die Frage, ob eine Konkretisierung der bestimmenden Faktoren dem Grunde nach (z. B. „wirtschaftliche Entwicklung“) zu fordern ist oder womöglich sogar eine Konkretisierung im Detail. Dabei ist auch darauf einzugehen, inwieweit sich Kriterien zur Konkretisierung eignen, die selbst einen gewissen Spielraum enthalten und für den Arbeitnehmer nicht vollständig nachprüfbar sind.155 Des Weiteren bietet sich ein Vergleich mit den Anforderungen an, die die Rechtsprechung an die Ausgestaltung von Widerrufsvorbehalten stellt.156 Zum Schluss werden mögliche transparente Gestaltungsbeispiele aufgezeigt.157 2. Anknüpfungspunkte für eine Intransparenz: Unklarheiten beim Arbeitnehmer? An dieser Stelle sollen zunächst die Anknüpfungspunkte aufgezeigt werden, die eine Intransparenz begründen könnten. Ob diese schlussendlich zu einer Unwirksamkeit wegen Intransparenz führen, bedarf im Anschluss einer Abwägung und der Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung. a) Zur sprachlichen und systematischen Verständlichkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte ohne Konkretisierung Es ist zunächst festzuhalten, dass es dem Arbeitnehmer dem Grunde nach möglich ist, den Gehalt eines arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalts zu verstehen, in dem keine Entscheidungskriterien festgelegt sind. Es bestehen keine Zweifel daran, dass dem durchschnittlichen Arbeitnehmer klar ist, dass dem Arbeitgeber das Recht eingeräumt wird, die jeweilige Leistung einseitig festzulegen Rn. 20; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970 Rn. 23; s. auch teilweise Parallelentscheidungen v. 20.03.2013 – 10 AZR 636/11, AuA 2013, 711 und v. 15.05.2013 – 10 AZR 679/12, NJW-Spezial 2013, 563; zu Freiwilligkeitsvorbehalten genauso BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, BAGE 124, 259; BAG v. 14.09.2011 – 10 AZR 526/10, BAGE 139, 156. 154 S. dazu Kapitel 5 B. III. 10. 155 S. dazu Kapitel 5 B. III. 10. c). 156 S. Kapitel 5 B. III. 10. b). 157 S. dazu Kapitel 5 B. III. 10. d).

B. Die transparente Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

393

und dieser dabei dem Wortlaut nach nicht an bestimmte Kriterien gebunden ist. Sprachlich und systematisch ist eine solche Klausel insofern problemlos verständlich. Ein Verstoß gegen das Verständlichkeitsgebot liegt nicht vor. b) Keine Möglichkeit zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Leistungsfestsetzung ohne Entscheidungskriterien Eine völlig offene Formulierung von Bestimmungsvorbehalten würde dem Vertragspartner aber die Einschätzung der Rechtmäßigkeit einer erfolgten Leistungsbestimmung praktisch unmöglich machen, da er aus der Klausel dazu nichts ersehen kann. Die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit der Ausübung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts an der Klausel selbst messen zu können, ist nach der Rechtsprechung des BGH zu Preisanpassungsklauseln aber gerade Voraussetzung ihrer Transparenz.158 Diese Anforderung stellt der BGH auch völlig zu Recht. Denn Sinn des Transparenzgebotes ist es, das bestehende Informationsgefälle zwischen Verwender und Vertragspartner auszugleichen.159 Das ist nur möglich, wenn die AGB-Klauseln so formuliert werden, dass der Vertragspartner Inhalt und Umfang bestehender Rechte und Pflichten erkennen kann und die Rechtmäßigkeit der Ausübung von Rechten durch den Verwender für ihn überprüfbar ist. Denn nur dann sind dem Vertragspartner die Mittel an die Hand gegeben, die Rechtslage ausreichend einschätzen zu können, wodurch das Informationsniveau des Vertragspartners an das des Verwenders angenähert wird. Andererseits ist das BAG in seiner Rechtsprechung zu arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten und zu Freiwilligkeitsvorbehalten der Meinung, es sei unschädlich, wenn der Arbeitnehmer eine Klausel nicht verstehen könne.160 Erst 158 BGH v. 11.06.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518; BGH v. 20.05.1985 – VII ZR 198/84, BGHZ 94, 335; BGH v. 26.05.1986 – VIII ZR 218/85, NJW 1986, 3134; BGH v. 12.01.1994 – VIII ZR 165/92, NJW 1994, 1060; BGH v. 19.11.2002 – X ZR 243/01, NJW 2003, 507 Rn. 25; vgl. auch Evermann, Die Anforderungen des Transparenzgebots an die Gestaltung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen, S. 138 ff. für Allgemeine Versicherungsbedingungen. 159 BGH v. 25.11.2015 – VIII ZR 360/14, NJW 2016, 936 Rn. 26; vgl. auch BeckOGK/Eckelt, § 307 BGB Rn. 125; Kreienbaum, Transparenz und AGB-Gesetz, S. 216 ff.; Köndgen, NJW 1989, 943, 946 f.; Stoffels, ZfA 2009, 861, 878; Ulmer/ Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 326; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 307 BGB Rn. 149, 150; BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 43 nennt den Zweck des Transparenzgebots die Sicherung der Klarheit und Verständlichkeit von AGB; das Informationsmodell lehnt Koller, in: FS Steindorff, S. 667, 674 ff. für die Transparenzkontrolle ab. 160 Zu arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 20; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970 Rn. 23; s. auch teilweise Parallelentscheidungen v. 20.03.2013 – 10 AZR 636/11, AuA 2013, 711 und v. 15.05.2013 – 10 AZR 679/12, NJW-Spezial

394

Kap. 5: Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

die Gefahr, dass er deshalb seine Rechte nicht wahrnehme, begründe die Intransparenz. Dieser Aussage mag abstrakt gesehen zuzustimmen sein. Denn die Intransparenz führt nur zur Unwirksamkeit, wenn eine unangemessene Benachteiligung hinzutritt.161 Diese Benachteiligung kann in der Gefahr liegen, der Vertragspartner könne von der Geltendmachung bestehender Rechte abgehalten werden. Eine solche Gefahr muss nicht zwingend vorliegen, wenn der Vertragspartner die Klausel nicht verstehen kann. Muss es demnach nicht einmal möglich sein, die Klausel zu verstehen, könnte man argumentieren, dass auch die Ausübung des jeweiligen Rechts nicht an der Klausel selbst überprüfbar sein muss. Für Bestimmungsvorbehalte läge der Schluss nahe, eine Konkretisierung von Entscheidungskriterien sei erst recht nicht nötig. An dieser Stelle geht der Einwand aber aus zwei Gründen fehl. Erstens ist hier nur zu untersuchen, ob Bestimmungsvorbehalte ohne Konkretisierung der Entscheidungskriterien intransparent sind.162 Eine Untersuchung der daraus folgenden unangemessenen Benachteiligung folgt an späterer Stelle. Bei einer Klausel, die der Vertragspartner gar nicht verstehen kann, erscheint es bereits wegen des Wortlauts des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB („Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.“) schwer vertretbar, die Intransparenz unabhängig von einer unangemessenen Benachteiligung abzulehnen.163 Zweitens begründet eine Klausel, die das Recht zur Leistungsbestimmung einräumt, regelmäßig die Gefahr, dass der Vertragspartner Rechte nicht wahrnimmt, wenn die Klausel gar nicht verständlich ist. Kann etwa der Arbeitnehmer einen Bestimmungsvorbehalt nicht (ausreichend) verstehen, kann er auch die Ausübung nicht anhand der Klausel überprüfen und wird leicht davon abgehalten, seine Rechte wahrzunehmen.164 Er wird eine Festlegung auf null oder eine niedrige Festlegung nicht beanstanden, da er nicht feststellen kann, ob sie rechtmäßig war. Einen klärenden Gerichtsprozess wird der Arbeitnehmer im Zweifel meiden, da er seine Erfolgschancen nicht einschätzen kann.165 Vor der gerichtlichen Auseinandersetzung wird er auch zurückschre2013, 563; zu Freiwilligkeitsvorbehalten BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, BAGE 124, 259; BAG v. 14.09.2011 – 10 AZR 526/10, BAGE 139, 156; so auch Däubler/ Bonin/Deinert/Bonin, § 307 BGB Rn. 149, 150. 161 S. dazu bereits Kapitel 3 A. 162 Das Erfordernis der Gefahr, dass der Vertragspartner seine Rechte nicht geltend macht, wird teilweise aber als Teil der Intransparenz gesehen: Clemenz/Kreft/Krause/ Klumpp, § 307 BGB Rn. 81. So könnte auch die Rechtsprechung des BAG verstanden werden. Ausdrücklich anders mit Bezug auf die Rechtsprechung aber Däubler/Bonin/ Deinert/Bonin, § 307 BGB Rn. 153. 163 Allerdings ist wohl davon auszugehen, dass auch das BAG nicht so verfahren würde, sondern die Unwirksamkeit durch Intransparenz ablehnen würde, weil keine unangemessen benachteiligende Intransparenz vorliegt. 164 Dazu eingehend unter Kapitel 5 B. III. 9. b). 165 Vgl. zu diesem Argument BGH v. 21.04.2009 – XI ZR 55/08, zitiert nach juris.

B. Die transparente Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

395

cken, weil er auf seinen Arbeitsplatz angewiesen ist und die Kosten scheut.166 Daraus folgt, dass eine Bestimmungsvorbehalt nicht transparent sein kann, wenn der Arbeitnehmer ihn nicht verstehen kann. Im Ergebnis muss der Arbeitnehmer also die Rechtmäßigkeit der Leistungsfestlegung anhand der Klausel selbst überprüfen können, um seine Rechte wirksam wahrnehmen zu können. Das ist ihm jedoch nicht möglich, wenn die relevanten Entscheidungsfaktoren in der Klausel nicht geregelt werden. Legt beispielsweise ein Arbeitgeber die jeweilige Zahlung trotz herausragender Leistungen des Arbeitnehmers auf null fest, weil das gesamte Unternehmen ein schlechtes wirtschaftliches Ergebnis erzielt hat, ist für den Arbeitnehmer nicht erkennbar, ob sich das im Rahmen des eingeräumten Leistungsbestimmungsrechts hält. Denn er weiß nicht, ob seine erbrachte Arbeitsleistung bei der Festsetzung zu beachten ist und welche anderen Faktoren möglicherweise zu beachten waren. Der Klausel ist nicht zu entnehmen, woran der Arbeitgeber sich zu orientieren hat. Der Arbeitnehmer kann über die relevanten Kriterien nur spekulieren. Das gilt auch bei Bindung der Entscheidung an billiges Ermessen, da dieses dem Arbeitgeber einen erheblichen Entscheidungsspielraum belässt.167 So kann er die versprochene Leistung – im Rahmen der Billigkeit – nach Kriterien bestimmen, die für ihn günstig sind. Dabei muss er keinen Widerspruch des Arbeitnehmers befürchten, da dieser die (Un-)Rechtmäßigkeit ohne gerichtliches Verfahren kaum überprüfen kann. c) Unklarheiten bezüglich Inhalt und Umfang des Bestimmungsrechts Das Letztgenannte führt uns zum zweiten problematischen Punkt: ohne vorherige Festlegung der Kriterien kann der Arbeitnehmer bis zur Ausübung des Bestimmungsrechts nicht erkennen, welche Faktoren die Leistungsbestimmung beeinflussen. Die Situation ist durchaus vergleichbar mit derjenigen bei nicht konkretisierten Widerrufsvorbehalten oder anderen einseitigen Leistungsbestimmungsrechten, die das BAG und der BGH deshalb für intransparent halten168. 166

Dazu ausführlicher unter Kapitel 4 B. VII. 7. f). Vgl. BGH v. 11.06.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518; BGH v. 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, NJW 1984, 1182; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970 Rn. 33; BAG v. 15.05.2013 – 10 AZR 679/12, zitiert nach juris Rn. 34; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 175; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358, 2360; Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn. 325 f., 329; vgl. auch Graf v. Westphalen, NJW 1982, 2465; Palandt/Grüneberg, § 315 BGB Rn. 10; MüKo-BGB/Würdinger, § 315 BGB Rn. 29 f.; a. A. wohl von Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, S. 41 ff.; s. aber auch BGH v. 25.05.1988 – VIII ZR 360/86, NJW-RR 1988, 1077, nach dem das Erfordernis der angemessenen Berücksichtigung der Interessen des Vertragspartners nichts über die Maßstäbe der Ausübung sagt. 168 Bezüglich Leistungsbestimmungsrechten zur erstmaligen Festlegung s. BGH v. 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, NJW 1984, 1182; BGH v. 26.11.1984 – VIII ZR 214/83, NJW 1985, 623; BGH v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11; BGH v. 18.01.2017 – VIII ZR 263/15, DB 2017, 655; bezüglich Preisanpassungsklauseln s. 167

396

Kap. 5: Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

Insbesondere bei nicht konkretisierten Preisanpassungsklauseln und Widerrufsvorbehalten kann der Vertragspartner nicht ersehen, wann es zu einer Anpassung bzw. einem Widerruf kommt und wie hoch bei Preisanpassungsklauseln der neue Preis sein könnte. Auch bei den gegenständlichen Bestimmungsvorbehalten kann der Arbeitnehmer ohne Kenntnis der relevanten Faktoren nicht einschätzen, ob es voraussichtlich überhaupt zu einer Auszahlung kommen wird und welche Höhe diese in etwa einnehmen könnte.169 Das gilt sowohl für die Zeit der Vertragsdurchführung als auch den Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Ohne Kenntnis über die entscheidenden Kriterien kann der Arbeitnehmer nicht erkennen, was auf ihn zukommt.170 Er kann die versprochene Leistung deshalb nicht sinnvoll in seine Vertragsabschlussentscheidung einbeziehen. Das widerspricht dem Ziel des Transparenzgebotes, das Informationsgefälle auszugleichen. Denn der Vertragspartner soll in die Lage versetzen werden, die wirtschaftlichen Folgen der Klausel absehen und anhand dessen entscheiden zu können, ob er sich daran binden will.171 Aber auch im Laufe der Vertragsdurchführung steht der Arbeitnehmer in jedem Turnus erneut vor denselben Schwierigkeiten. Da er nicht weiß, worauf es bei der Leistungsbemessung ankommt, ist es ihm kaum möglich, die Chancen einer Zahlung zu beurteilen oder auch nur annähernd zu erahnen, welche Größenordnung die Leistung einnehmen könnte. Es kommt erschwerend hinzu, dass der Arbeitnehmer sein Verhalten auch nicht auf die geltenden Kriterien einstellen kann. Im Fall eines Bestimmungsvorbehalts, der mit Blick auf die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers ausgeübt werden soll, dies aber nicht regelt, weiß der ArbeitBGH v. 11.06.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518; BGH v. 20.05.1985 – VII ZR 198/84, BGHZ 94, 335; BGH v. 26.05.1986 – VIII ZR 218/85, NJW 1986, 3134; BGH v. 12.01.1994 – VIII ZR 165/92, NJW 1994, 1060; BGH v. 19.11.2002 – X ZR 243/01, NJW 2003, 507; bezüglich Widerrufsvorbehalten s. BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/ 04, NZA 2005, 465; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87; BAG v. 25.04.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 1943; BAG v. 20.04.2011 – 5 AZR 191/10, BAGE 137, 383; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777; LAG Rheinland-Pfalz v. 18.07.2016 – 3 Sa 43/16, zitiert nach juris; in diese Richtung auch Preis/Preis, II S 40 Rn. 19e; für Leistungsbestimmungsrechte zur erstmaligen Festlegung einer Leistung genauso Jesgarzewski, Die Grenzen formularmäßiger Vereinbarung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte, S. 217. 169 Vgl. Preis/Preis, II S 40 Rn. 19e. 170 Zu diesem Erfordernis: für Widerrufsvorbehalte s. BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 01.09.2010 – 5 AZR 517/09, BAGE 135, 250 Rn. 15; BAG v. 16.05.2012 – 5 AZR 331/11, BAGE 141, 324 Rn. 21; BAG v. 21.08.2012 – 3 AZR 698/10, BAGE 143, 30; für einseitige Leistungsbestimmungsrechte zur erstmaligen Festlegung s. BGH v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11; BGH v. 18.01.2017 – VIII ZR 263/15, DB 2017, 655 Rn. 32; zust. Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 194; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 79; Stoffels, RdA 2015, 276, 279. 171 BGH v. 25.11.2015 – VIII ZR 360/14, NJW 2016, 936 Rn. 26; s. auch BGH v. 31.07.2013 – VIII ZR 162/09, NJW 2013, 3647.

B. Die transparente Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

397

nehmer nicht, dass er sich besonders anstrengen muss, um eine möglichst hohe Zahlung herbeizuführen. Anders wäre es bei Festlegung von Entscheidungskriterien. Wäre beispielsweise bei einem Jahresbonus der Unternehmenserfolg als einziges Kriterium angegeben, fiele die Beurteilung erheblich leichter. Bei der Vertragsdurchführung könnte der Arbeitnehmer anhand der Entwicklung der vergangenen Jahre und im relevanten Turnus in etwa erkennen, ob und in welcher Größenordnung eine Zahlung zu erwarten ist. Auch bei Vertragsschluss könnte der potentielle Arbeitnehmer sich ein besseres Bild von der zu erwartenden Leistung machen. Ist der zukünftige Arbeitgeber etwa ein wirtschaftsstarkes Unternehmen, das sich im Aufschwung befindet, ist bereits bei Vertragsschluss ersichtlich, dass zunächst substantielle Zahlungen erwartet werden können. Ohne die tatbestandliche Regelung von Entscheidungskriterien kann der Arbeitnehmer also den Umfang und den Inhalt seines Anspruchs bis zur tatsächlichen Festlegung der Leistung nicht ausreichend ersehen.172 Der Arbeitgeber hat dann das Recht des Arbeitnehmers, die jeweilige Zahlung zu fordern, nicht so präzise wie möglich angegeben.173 Dabei ist es in der Regel durchaus möglich, Entscheidungskriterien im Voraus festzulegen.174 d) Ungerechtfertigter Beurteilungs- bzw. Gestaltungsspielraum des Arbeitgebers Bedenklich ist schlussendlich auch, dass die beschriebenen Unklarheiten dem Arbeitgeber einen nicht unerheblichen Beurteilungs- bzw. Gestaltungsspielraum einräumen.175 Derartige Spielräume sind nach allgemeiner Auffassung im Rahmen der Transparenz kritisch zu betrachten.176 Die Problematik eines zu weitge172

So auch Preis/Preis, II S 40 Rn. 19e. Zu dieser Voraussetzung des Transparenzgebotes statt vieler: BAG v. 21.08.2012 – 3 AZR 698/10, BAGE 143, 30 Rn. 18; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 258; HK-ArbR/Boemke/Ulrici, § 307 BGB Rn. 21; Jauernig/Stadler, § 307 BGB Rn. 6; NK-ArbR/Peterhänsel, § 307 BGB Rn. 38; BeckOK-ArbR/Jacobs, § 307 BGB Rn. 59; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 307 BGB Rn. 156a; HWK/Roloff, § 307 BGB Rn. 13. 174 So etwa geschehen bei BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970. 175 So auch Preis/Preis, II S 40 Rn. 19e. 176 Vgl. zum ungerechtfertigten Beurteilungsspielraum Wolf/Lindacher/Pfeiffer/ Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 258; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 571; MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 61; HK-ArbR/Boemke/Ulrici, § 307 BGB Rn. 21; Jauernig/Stadler, § 307 BGB Rn. 6; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 88; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 338; HWK/Roloff, § 307 BGB Rn. 13; Palandt/ Grüneberg, § 307 BGB Rn. 26; Henssler/Moll, AGB-Kontrolle vorformulierter Arbeitsbedingungen, S. 11; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 307 BGB Rn. 156a, 165; BeckOK-ArbR/Jacobs, § 307 BGB Rn. 59; Evermann, Die Anforderungen des Transparenz173

398

Kap. 5: Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

henden Entscheidungsspielraums bei nicht konkretisierten Bestimmungsvorbehalten wurde vorliegend auch schon in der Angemessenheitskontrolle mit dem Ergebnis thematisiert, dass der Arbeitgeber in seiner Entscheidung an bestimmte Kriterien gebunden werden muss.177 Sie soll an dieser Stelle erneut, diesmal aber im Hinblick auf die Transparenz untersucht werden. Denn die Prüfung der Angemessenheit betraf die Frage, ob der Arbeitnehmer durch ein besonders weitreichendes Bestimmungsrecht des Arbeitgebers inhaltlich unangemessen benachteiligt wird. Anknüpfungspunkt dieser Transparenzprüfung ist hingegen, ob durch den weiten Entscheidungsspielraum Unklarheiten beim Arbeitnehmer entstehen, die zur Intransparenz derartiger Bestimmungsvorbehalte führen.178 Zu beachten ist dabei zunächst, dass bei einseitigen Leistungsbestimmungsrechten letztlich immer ein Beurteilungs- oder Gestaltungsspielraum vorliegt. Da Leistungsbestimmungsrechte in AGB an sich zulässig sind179, kann nicht jeglicher Beurteilungsspielraum zur Intransparenz führen. Problematisch ist die Unklarheit einer solchen Klausel erst dann, wenn sie aufgrund der weiten Formulierung über den notwendigen Entscheidungsspielraum eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts hinausgeht. So liegt es bei arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten ohne vorherige Festlegung von Entscheidungskriterien. Denn der Arbeitgeber erhält einen Beurteilungsspielraum, der über das für einen Bestimmungsvorbehalt nötige Maß hinausgeht. Ihm obliegt neben der konkreten Beurteilung der Leistungshöhe auch die vorgelagerte Beurteilung, welche Kriterien maßgeblich sein sollen. Dadurch kann er noch stärker auf das Recht des Arbeitnehmers, die Leistung zu fordern, einwirken. Denn er kann den Spielraum so nutzen, wie es ihm beliebt, und durch die Wahl der Kriterien die Höhe der Leistung – unter Umständen sogar bis zu einer Festlegung auf null – beeinflussen. Der Arbeitgeber kann also nicht nur die Höhe der Leistung bestimmen, was einem Bestimmungsvorbehalt ohnehin immanent ist, sondern ist aufgrund der Unbestimmtheit der Klausel darin noch freier. e) Keine ausreichende Konkretisierung durch Bindung an billiges Ermessen In Literatur und Rechtsprechung wird oft darauf verwiesen, dass arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte nach billigem Ermessen auszuüben sind.180 Das gebots an die Gestaltung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen, S. 245; s. zum Gestaltungsspielraum BeckOGK/Eckelt, § 307 BGB Rn. 133; Ulmer/Brandner/Hensen/ Fuchs, § 307 BGB Rn. 340. 177 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 178 Zum Unterschied zwischen Angemessenheits- und Transparenzkontrolle s. insbesondere Kapitel 3 B. II. 179 S. dazu auch Kapitel 4 B. III. 3.; Kapitel 5 B. II. 180 BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148; BAG v. 26.09.2012 – 10 AZR 370/11, zitiert nach juris; BAG v. 17.10.2012 – 10 AZR 620/11, zitiert nach juris; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR

B. Die transparente Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

399

ändert jedoch nichts an den beschriebenen Unklarheiten.181 Denn dem Arbeitnehmer ist aus der Bindung an billiges Ermessen nur ersichtlich, dass auch seine Belange berücksichtigt werden müssen. Nach wie vor nicht ersehen kann er hingegen, welche Kriterien gelten sollen. Die Entscheidung nach billigem Ermessen steigert für ihn weder signifikant die Möglichkeit, die Chance auf eine Auszahlung und die Größenordnung abzuschätzen, noch ermöglicht sie ihm ausreichend, die Ausübung des Bestimmungsrechts anhand der Klausel auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen.182 Billiges Ermessen enthält nämlich einen erheblichen Entscheidungsspielraum183, innerhalb dessen der Arbeitgeber sowohl die Kriterien als auch die Höhe der Leistung festlegen kann.184 So halten im Gegensatz zur Rechtsprechung des BAG zu Bestimmungsvorbehalten185 weder der BGH bei Leistungsbestimmungsrechten186 noch das BAG bei Widerrufsvorbehalten187 die Bindung der Entscheidung an billiges Ermessen für eine ausreichende Konkretisierung. 26/12, NZA 2013, 1013; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 97; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 636/11, AuA 2013, 711; BAG v. 15.05.2013 – 10 AZR 679/12, NJW-Spezial 2013, 563; BAG v. 03.08.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358; Lunk/Leder, NJW 2015, 3766; HK-ArbR/Boemke/Ulrici, Anhang zu §§ 307–309 Rn. 3; BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 101; vgl. auch Lakies, ArbRAktuell 2013, 251; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400; wohl auch Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65; Kössel, DB 2016, 2963; s. auch Ulmer/Brandner/Hensen/ Fuchs, § 307 BGB Rn. 359. 181 So fordert auch der BGH bei einseitigen Leistungsbestimmungsrechten eine Konkretisierung, für die die Bindung an billiges Ermessen nicht ausreicht: BGH v. 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, NJW 1984, 1182; BGH v. 26.11.1984 – VIII ZR 214/83, NJW 1985, 623; BGH v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11; BGH v. 18.01.2017 – VIII ZR 263/15, DB 2017, 655. 182 S. auch Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 187, der billiges Ermessen nicht als ausreichend zur Konkretisierung der Ausübung eines Leistungsbestimmungsrechts ansieht. 183 S. zum Spielraum billigen Ermessens BGH v. 11.06.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518; BGH v. 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, NJW 1984, 1182; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970 Rn. 33; BAG v. 15.05.2013 – 10 AZR 679/ 12, zitiert nach juris Rn. 34; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 175; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358, 2360; Niklas, ArbRB 2018, 353, 354; Pfrogner, BB 2018, 757, 760; Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn. 325 f., 329; vgl. auch Graf v. Westphalen, NJW 1982, 2465; MüKo-BGB/Würdinger, § 315 BGB Rn. 29 f.; a. A. wohl von Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, S. 41 ff.; s. aber auch BGH v. 25.05.1988 – VIII ZR 360/86, NJW-RR 1988, 1077, nach dem das Erfordernis der angemessenen Berücksichtigung der Interessen des Vertragspartners nichts über die Maßstäbe der Ausübung sagt. 184 Vgl. dazu auch Salamon, NZA 2014, 465, 468, 470. 185 S. dazu Kapitel 2 B. II. 2. 186 BGH v. 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, NJW 1984, 1182; BGH v. 26.11.1984 – VIII ZR 214/83, NJW 1985, 623; BGH v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11; BGH v. 18.01.2017 – VIII ZR 263/15, DB 2017, 655. 187 Vgl. BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87; BAG v. 25.04.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853;

400

Kap. 5: Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

Ob die Bindung an billiges Ermessen gegebenenfalls eine unangemessene Benachteiligung entfallen lässt, ist an späterer Stelle zu erörtern.188 f) Zwischenergebnis: Erhebliche Unklarheiten ohne Konkretisierung von Entscheidungskriterien Die offene Formulierung von arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten ohne Regelung von Entscheidungskriterien begründet Unklarheiten, die geeignet sind, eine Intransparenz zu begründen. Sind die relevanten Entscheidungsfaktoren in der Klausel nicht geregelt, kann der Arbeitnehmer ihr nicht entnehmen, woran der Arbeitgeber seine Entscheidung zu orientieren hat. Dem Arbeitnehmer ist es deshalb nicht möglich, eine erfolgte Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts anhand der Klausel selbst zu überprüfen.189 Das müsste aus Transparenzgesichtspunkten aber regelmäßig möglich sein, damit er seine Rechte wirksam wahrnehmen kann. Außerdem kann der Arbeitnehmer bei Vertragsschluss sowie bei der Vertragsdurchführung nicht erkennen, was auf ihn zukommt. Weder kann er sich ein Bild darüber machen, welche Größenordnung die Leistung einnehmen könnte und wie wahrscheinlich sie ist, noch kann er die geltenden Kriterien erkennen, sie in seine Vertragsabschlussentscheidung einbeziehen und sich auf sie einstellen.190 Die Unbestimmtheit der Klausel räumt dem Arbeitgeber außerdem einen Beurteilungsspielraum ein, der über das Maß hinausgeht, welches für Bestimmungsvorbehalte zwingend notwendig ist.191 Indem er die Kriterien selbst wählen kann, hat er eine noch stärkere Einwirkungsmöglichkeit darauf, wie der Anspruch des Arbeitnehmers ausgestaltet wird. Diese Unklarheiten werden auch durch eine Bindung der Entscheidung an billiges Ermessen nicht beseitigt.192 Denn auch im Rahmen billigen Ermessens verbleibt dem Arbeitgeber ein erheblicher Entscheidungsspielraum. Ob diese Unklarheiten tatsächlich zu einer Intransparenz i. S. d. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB führen, ist im Folgenden anhand einer Abwägung mit den Möglichkeiten und Interessen des Arbeitgebers und anderer Einflussfaktoren festzustellen.

BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 1943; BAG v. 20.04.2011 – 5 AZR 191/ 10, BAGE 137, 383; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777; LAG Rheinland-Pfalz v. 18.07.2016 – 3 Sa 43/16, zitiert nach juris. 188 S. zur unangemessenen Benachteiligung wegen Intransparenz unter Kapitel 5 B. III. 9. 189 S. dazu Kapitel 5 B. III. 2. b). 190 S. dazu Kapitel 5 B. III. 2. c). 191 S. dazu Kapitel 5 B. III. 2. d). 192 S. dazu Kapitel 5 B. III. 2. e).

B. Die transparente Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

401

3. Abwägung: welcher Grad der Konkretisierung ist dem Arbeitgeber zumutbar? Es ist nun fraglich, ob die dargestellten Unklarheiten auch zu einer Intransparenz i. S. d. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB führen. Das wäre nicht der Fall, wenn sie durch Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt bzw. bedingt sind193, denn die Transparenzanforderungen bestehen nur im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren194. Sie dürfen nicht überspannt werden.195 Dass es dem Arbeitgeber prinzipiell möglich ist, Entscheidungskriterien festzulegen, zeigt bereits die Praxis.196 Es müsste aber auch geboten und zumutbar sein. Vorangestellt sei darauf hingewiesen, dass die Interessenabwägung in der Transparenzprüfung teilweise parallel zur Abwägung im Rahmen der Angemessenheitskontrolle verläuft. Insofern kann bezüglich der grundsätzlichen Interessenlage auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden.197 Insbesondere aufseiten des Arbeitnehmers spielen in der Transparenzkontrolle aber auch andere Aspekte eine Rolle. So geht es hier um das Interesse an Verständlichkeit und Klarheit und nicht um eine inhaltliche Benachteiligung. a) Flexibilisierungsinteressen des Arbeitgebers gebieten möglichst offene Bestimmungsvorbehalte Dafür, die dargestellten Unklarheiten zu akzeptieren, und gegen das Erfordernis einer Konkretisierung sprechen die Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses i. S. d. § 310 Abs. 4 S. 2 Hs. 1 BGB198. Gemeint sind die Flexibilisierungsinte193 Zur Beachtung der berechtigten Interessen des Verwenders s. auch Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 350; Stoffels, ZfA 2009, 861, 881. 194 BGH v. 03.03.2004 – VIII ZR 149/03, NJW 2004, 1738; BGH v. 06.10.2004 – VIII ZR 215/03, NZM 2004, 903; BGH v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11 Rn. 9; BGH v. 25.11.2015 – VIII ZR 360/14, NJW 2016, 936 Rn. 32; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 236, 247; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 573; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 194; BeckOGK/Eckelt, § 307 BGB Rn. 129.1; BeckOK-ArbR/Jacobs, § 307 BGB Rn. 59; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 87 ff.; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 348; Däubler/Bonin/ Deinert/Bonin, § 307 BGB Rn. 154. 195 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 253; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 573; BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 48; HK-ArbR/Boemke/Ulrici, § 307 BGB Rn. 21, 23; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 195; NK-ArbR/Peterhänsel, § 307 BGB Rn. 39; BeckOGK/Eckelt, § 307 BGB Rn. 129; Ulmer/Brandner/Hensen/ Fuchs, § 307 BGB Rn. 341, 349; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 307 BGB Rn. 154; HWK/Roloff, § 307 BGB Rn. 13. 196 Entscheidungskriterien wurden etwa festgelegt bei BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970. 197 S. Kapitel 4 B. VII. 3. a). 198 Zu den Flexibilisierungsbedürfnissen als arbeitsrechtliche Besonderheiten s. Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 308 Nr. 4 BGB Rn. 12 ff.; Kluge, Widerrufsvorbehalte

402

Kap. 5: Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

ressen des Arbeitgebers, die auch die Einräumung des Bestimmungsvorbehalts an sich rechtfertigen.199 Diese Interessen wurden im Rahmen der Angemessenheitsprüfung bereits ausführlich dargestellt.200 Sie haben aber auch einen besonderen Einfluss auf die Abwägung im Rahmen der Transparenz und sollen hier deshalb noch einmal veranschaulicht werden. Da das Arbeitsverhältnis auf Dauer angelegt ist, der Arbeitgeber sich nur schwer von ihm lösen kann und die Vertragsbedingungen ohne entsprechende Regelung nicht abänderbar sind, besteht das legitime Interesse, die Arbeitsbedingungen möglichst flexibel zu gestalten.201 Eine solche Flexibilisierung, etwa durch Freiwilligkeits-, Widerrufs- oder Bestimmungsvorbehalte, ermöglicht es dem Arbeitgeber, auf unvorhergesehene Entwicklungen zu reagieren. Er kann im Fall wirtschaftlicher Einbußen die flexibel gestalteten Leistungen entfallen lassen. Die Möglichkeit zur Flexibilisierung muss dem Arbeitgeber zugestanden werden, da er ansonsten an alle Regelungen des Arbeitsverhältnisses gebunden bliebe, bis die strengen Voraussetzungen einer Kündigung vorliegen. So lange müsste er alle versprochenen Zahlungen an den Arbeitnehmer leisten, auch wenn dies einem profitablen Betrieb seines Unternehmens entgegensteht. Diese Flexibilisierungsinteressen rechtfertigen die Einräumung eines Bestimmungsvorbehalts202 und sprechen für eine möglichst offene Formulierung. Denn je weiter der Vorbehalt ist, desto besser kann der Arbeitgeber auf umso mehr mögliche Veränderungen reagieren. Schließlich sind auch diverse Einflussfaktoren denkbar, die bei Vertragsschluss nicht vorhersehbar sind. Kann der Arbeitgezur Absenkung des Arbeitsentgelts aus „wirtschaftlichen Gründen“ in vorformulierten Arbeitsverträgen, S. 185 f.; Stoffels, NZA 2017, 1217, 1219; s. zur Berücksichtigung tatsächlicher Besonderheiten Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 64 ff. m.w. N. 199 S. dazu Kapitel 4 B. III. 3. 200 S. Kapitel 4 B. VII. 3. a). 201 Vgl. zum Flexibilisierungsinteresse des Arbeitgebers generell HWK/Roloff, Anh. §§ 305–310 BGB Rn. 28; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, ArbR Rn. 133; Stoffels, NZA 2017, 1217, 1219; Stoffels, RdA 2015, 276, 278; Hanau/Hromadka, NZA 2005, 73; MAH ArbR/Hexel, § 25 Rn. 27; ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 56; Clemenz/Kreft/ Krause/Krause, Einführung Rn. 70 ff.; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 51; Kluge, Widerrufsvorbehalte zur Absenkung des Arbeitsentgelts aus „wirtschaftlichen Gründen“ in vorformulierten Arbeitsverträgen, S. 113 ff.; Boensch, Arbeitsvertragliche Entgeltflexibilisierung und aufsichtsrechtliche Institutsvorgaben, S. 69; Richardt, Arbeitsvertragliche Flexibilisierung von Entgeltbedingungen, S. 1 ff.; Hofmann, Entgeltflexibilisierung und AGB-Kontrolle, S. 1 ff.; BAG v. 11.04.2006 – 9 AZR 557/ 05, NZA 2006, 1149 Rn. 36; BAG v. 13.03.2007 – 9 AZR 433/06, AP Nr. 26 zu § 307 BGB Rn. 41; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 36/09, DB 2010, 2805 Rn. 31. 202 Stoffels, RdA 2015, 276, 278; zu Widerrufsvorbehalten so auch Stoffels, NZA 2017, 1217, 1219; Günther, AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen, S. 188. Die Flexibilisierungsinteressen begründen die sachliche Notwendigkeit der Einräumung bzw. das berechtigte Bedürfnis, die als Voraussetzung der Transparenz gesehen werden. S. dazu Däubler/Bonin/Deinert/Däubler, § 307 BGB Rn. 171; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 42; Erman/Roloff, 13. Aufl., § 307 BGB Rn. 141.

B. Die transparente Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

403

ber die Kriterien für die Ausübung des Bestimmungsvorbehalts im Nachhinein wählen, bleibt es ihm möglich, auf all diese Faktoren zu reagieren. Wäre hingegen etwa die Leistung des Arbeitnehmers als einziges Kriterium geregelt, könnte der Arbeitgeber die Zahlung aus wirtschaftlichen Gründen wohl nicht auf null festlegen. b) Keine Konkretisierungspflicht gemäß der gesetzlichen Konzeption des § 315 Abs. 1 BGB? Gegen eine Konkretisierungspflicht könnte man außerdem anführen, dass die gesetzliche Konzeption einseitiger Leistungsbestimmungsrechte in § 315 Abs. 1 BGB auch keine Konkretisierung voraussetzt.203 Dagegen lassen sich aber mehrere Einwände vorbringen, die auch schon in anderem Zusammenhang aufgekommen sind204: § 315 Abs. 1 BGB räumt kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht ein, sondern setzt dessen wirksame Vereinbarung voraus. Ebenso wenig regelt § 315 BGB, wie einseitige Leistungsbestimmungsrechte eingeräumt werden können.205 Die Norm stellt nur die Vermutung auf, dass ein bestehendes Leistungsbestimmungsrecht nach billigem Ermessen auszuüben ist.206 Darin liegt jedenfalls für AGB auch kein Indiz, ein Bestimmungsrecht, das an billiges Ermessen gebunden ist, sei ohne weitere Voraussetzungen in der Regel wirksam.207 Denn der Gesetzgeber konnte bei der Konzeption des § 315 BGB nicht die wirksame Einräumung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte in AGB vor Augen haben, da das AGB-Recht zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht existierte.208 Die Einräumung richtet sich vielmehr nach dem AGB-Recht.209 Will ein Arbeitgeber einen Bestimmungsvorbehalt in AGB einräumen, muss er sich an die Anforderungen des AGB-Rechts halten. So sieht es auch der BGH in Bezug auf Preisanpassungsklauseln.210 Die Konzeption des § 315 Abs. 1 BGB macht eine Konkretisierung folglich nicht entbehrlich. 203

So wohl ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 73a. S. etwa unter Kapitel 4 A. III. 1. und 2., B. III. 1. b), B. IV. 7. b) und B. V. 2. 205 Vgl. dazu Dylla-Krebs, Schranken der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen, S. 200; Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn. 1 f.; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 441; Staudinger/Krause, Anh. zu § 310 BGB Rn. 39 ff.; BeckOK-BGB/Gehrlein, § 315 Rn. 1, 3 ff.; NK-BGB/Wagner, § 315 BGB Rn. 1 ff.; s. auch BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 101, der wie das BAG der Meinung ist, § 315 BGB lasse einseitige Leistungsbestimmungsrechte gerade zu. 206 § 315 Abs. 1 BGB als Auslegungsregel sehen auch Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, S. 200; Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn. 245; Henssler, SAE 1988, 164. 207 Vgl. dazu bereits Kapitel 4 A. III. 208 Zur Entstehung des § 315 BGB s. HKK/Hofer, § 315–319 BGB Rn. 1 ff.; generell für Normen, die vor 1977 erlassen wurden, so auch Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 302. 209 Vgl. BGH v. 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, BGHZ 89, 206. 210 BGH v. 26.05.1986 – VIII ZR 218/85, NJW 1986, 3134. 204

404

Kap. 5: Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

c) Zumutbarkeit und Gebotenheit einer Konkretisierung der Entscheidungskriterien dem Grunde nach Allerdings ist eine gewisse Konkretisierung dem Arbeitgeber dennoch möglich und zumutbar. Eine Pflicht, die Kriterien bis ins Kleinste vorher zu regeln, wäre mit dem Flexibilisierungsinteresse zwar nicht vereinbar.211 Sie würde dem Sinn eines Bestimmungsvorbehalts widersprechen, der gerade die Reaktion auf unvorhersehbare Entwicklungen ermöglichen soll. Zu strenge Anforderungen an die Konkretisierung würden außerdem unübersichtliche Regelungen nach sich ziehen, die Unklarheiten hervorrufen würden und selbst wiederum zur Intransparenz führen könnten.212 Eine Regelung von Kriterien dem Grunde nach aber würde den Zweck nicht gefährden, flexibel auf unvorhergesehene Entwicklungen reagieren zu können. Insoweit rechtfertigen die besonderen Flexibilisierungsinteressen des Arbeitgebers also keine Abweichung von der Rechtsprechung des BGH213, der bei Leistungsbestimmungsrechten eine Konkretisierung der Bemessungsfaktoren verlangt, und erst recht nicht von der des BAG zu Widerrufsvorbehalten, nach der die Richtung der möglichen Widerrufsgründe anzugeben ist.214 Schließlich besteht, wie bereits in der Angemessenheitskontrolle herausgearbeitet wurde215, ein berechtigtes Interesse an der flexiblen Gestaltung einer geldwerten Leistung nur dann, wenn diese Entwicklungen sich wirtschaftlich auf das Unternehmen auswirken oder wenn der Arbeitnehmer durch die flexible Zusage

211 Ähnlich Stoffels, RdA 2015, 276, 279; s. auch Simon/Hidalgo/Koschker, NZA 2012, 1071, 1072; s. im Allgemeinen zu diesem Argument auch Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 197. 212 Vgl. zu diesem Argument BGH v. 25.11.2015 – VIII ZR 360/14, NJW 2016, 936; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, ArbR Rn. 137; so für Versetzungsklauseln auch BAG v. 11.04.2006 – 9 AZR 557/05, NZA 2006, 1149 Rn. 42; BAG v. 13.03.2007 – 9 AZR 433/06, AP Nr. 26 zu § 307 BGB Rn. 46; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 36/09, DB 2010, 2805 Rn. 31. 213 Bezüglich Leistungsbestimmungsrechten zur erstmaligen Festlegung s. BGH v. 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, NJW 1984, 1182; BGH v. 26.11.1984 – VIII ZR 214/83, NJW 1985, 623; BGH v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11; BGH v. 18.01.2017 – VIII ZR 263/15, DB 2017, 655; bezüglich Preisanpassungsklauseln s. BGH v. 11.06.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518; BGH v. 20.05.1985 – VII ZR 198/84, BGHZ 94, 335; BGH v. 26.05.1986 – VIII ZR 218/85, NJW 1986, 3134; BGH v. 12.01.1994 – VIII ZR 165/92, NJW 1994, 1060; BGH v. 19.11.2002 – X ZR 243/01, NJW 2003, 507. 214 S. BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87; BAG v. 25.04.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 1943; BAG v. 20.04.2011 – 5 AZR 191/ 10, BAGE 137, 383; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777; LAG Rheinland-Pfalz v. 18.07.2016 – 3 Sa 43/16, zitiert nach juris. 215 S. dazu ausführlicher unter Kapitel 4 B. VII. 3. a).

B. Die transparente Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

405

besonders motiviert werden soll. Ein Erfordernis der Konkretisierung von Entscheidungskriterien dem Grunde nach überfordert den Arbeitgeber somit nicht. Die Festlegung „wirtschaftlicher Entwicklungen“ als Entscheidungskriterium etwa umfasst alle relevanten Faktoren (tatsächlicher, rechtlicher, technischer Art etc.), die Einfluss auf die Rentabilität des Betriebs oder Unternehmens des Arbeitgebers haben. Damit wäre den Flexibilisierungsinteressen des Arbeitgebers Rechnung getragen, auf unvorhergesehene wirtschaftliche Entwicklungen reagieren zu können. Dem Interesse, den Arbeitnehmer zu motivieren, könnte problemlos entsprochen werden, indem die „Leistung des Arbeitnehmers“ als Kriterium aufgenommen wird. Der Arbeitgeber kann natürlich auch eine Leistung versprechen, die sich nach anderen Kriterien bemisst. Es ist aber nicht ersichtlich, warum es ihm nicht zumutbar sein sollte, diese Kriterien dem Grunde nach vorher festzulegen. Eine offene Formulierung rechtfertigt sich in diesen Fällen nicht durch das Ziel, zusätzlich auf unvorhergesehene wirtschaftliche Entwicklungen reagieren zu können.216 Denn auch das wäre problemlos in der Klausel zu regeln. Dem Arbeitgeber ist es also zumutbar, Entscheidungskriterien im Bestimmungsvorbehalt dem Grunde nach zu regeln.217 Bereits eine solche Konkretisierung würde auch für den Arbeitnehmer die Unklarheiten entscheidend reduzieren.218 Ihm ist in diesem Fall zumindest erkennbar, in welche Richtung die Leistungsbestimmung geht bzw. gehen kann. Er kann sowohl bei Vertragsschluss und bei der Vertragsdurchführung besser absehen, was auf ihn zukommt, als auch eine Leistungsbestimmung anhand der Klausel besser auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen. Der Beurteilungsspielraum des Arbeitgebers wird durch eine solche Konkretisierung erheblich verringert. 216 Vgl. zum Zweck von Bestimmungsvorbehalten Stoffels, RdA 2015, 276, 278; Voigt/Steeger, DB 2018, 646; nach BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 636/11, zitiert nach juris Rn. 33 entsprechen sie einem Bedürfnis des Wirtschaftslebens; vgl. zum Flexibilisierungsinteresse des Arbeitgebers generell HWK/Roloff, Anh. §§ 305–310 BGB Rn. 28; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, ArbR Rn. 133; Stoffels, NZA 2017, 1217, 1219; Hanau/Hromadka, NZA 2005, 73; MAH ArbR/Hexel, § 25 Rn. 27; ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 56; Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 70 ff.; Clemenz/ Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 51; Kluge, Widerrufsvorbehalte zur Absenkung des Arbeitsentgelts aus „wirtschaftlichen Gründen“ in vorformulierten Arbeitsverträgen, S. 113 ff.; Richardt, Arbeitsvertragliche Flexibilisierung von Entgeltbedingungen, S. 1 ff.; Hofmann, Entgeltflexibilisierung und AGB-Kontrolle, S. 1 ff.; BAG v. 11.04.2006 – 9 AZR 557/05, NZA 2006, 1149 Rn. 36; BAG v. 13.03.2007 – 9 AZR 433/06, AP Nr. 26 zu § 307 BGB Rn. 41; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 36/09, DB 2010, 2805 Rn. 31. 217 I. E. wohl genauso Simon/Hidalgo/Koschker, NZA 2012, 1071, 1072; Stoffels, RdA 2015, 276, 279; Pfrogner, BB 2018, 757, 759; Preis/Deutzmann, NZA-Beilage 2017, 101, 107; Preis/Preis, II S 40 Rn. 19e; Boensch, Arbeitsvertragliche Entgeltflexibilisierung und aufsichtsrechtliche Institutsvorgaben, S. 177 f. 218 Vgl. Stoffels, RdA 2015, 276, 279; so zu Widerrufsvorbehalten auch Stoffels, ZfA 2009, 861, 880.

406

Kap. 5: Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

Eine darüber hinausgehende Konkretisierung der Entscheidungskriterien kann vom Arbeitgeber hingegen nicht verlangt werden, weil die in Frage kommenden Faktoren zu vielzählig und bei Vertragsschluss nicht abschließend vorauszusehen sind.219 Der Sinn eines Bestimmungsvorbehalts, flexibel auf unvorhergesehene Entwicklungen reagieren zu können, würde durch eine solche Pflicht nahezu aufgehoben. Sie wäre obendrein aber auch nicht nötig.220 Weder die Vorhersehbarkeit der Leistungsbestimmung noch die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit ihrer Ausübung an der Klausel selbst zu messen, würden dadurch so entscheidend verbessert, dass die aus ihr resultierenden Nachteile dem Arbeitgeber zuzumuten wären. 4. Zwischenergebnis der grundlegenden Interessenabwägung: Pflicht zur Konkretisierung der Entscheidungskriterien in Bestimmungsvorbehalten Die Abwägung ergibt, dass ein arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalt für seine Transparenz Entscheidungskriterien enthalten muss, die dem Grunde nach konkretisiert sind. Andernfalls verstößt die Klausel gegen das Bestimmtheitsgebot.221 Es bestehen zwar legitime Flexibilisierungsinteressen des Arbeitgebers, die für einen möglichst weitreichenden Bestimmungsvorbehalt sprechen. Sie gebieten aber keine völlige Freiheit des Arbeitgebers in der nachträglichen Wahl der relevanten Kriterien. Ihm ist es vielmehr zumutbar, die Kriterien dem Grunde nach zu regeln, ohne dass der Flexibilisierungszweck gefährdet würde. Durch eine derartige Konkretisierung wird auch den Interessen des Arbeitnehmers ausreichend entsprochen. Die Unklarheiten werden verringert und die Voraussehbarkeit erheblich gesteigert. Nach den tatsächlichen Gegebenheiten und den Interessen der Parteien ist ein Bestimmungsvorbehalt also intransparent, wenn nicht die Kriterien dem Grunde nach geregelt werden. In den folgenden Abschnitten ist zu untersuchen, ob einzelne Aspekte, die in Literatur und Rechtsprechung angeführt werden, an dieser Bewertung etwas ändern können. 5. Der Einfluss des Gegenleistungscharakters auf die Konkretisierungspflicht arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte An dieser Stelle soll nun untersucht werden, ob der Charakter der von einem Bestimmungsvorbehalt erfassten Leistung Einfluss auf das gewonnene Ergebnis der Konkretisierungspflicht hat. 219 Im Einzelfall lässt auch der BGH eine Konkretisierungspflicht entfallen, wenn die Konkretisierung dem Verwender nicht möglich ist. S. BGH v. 16.01.1985 – VIII ZR 153/83, NJW 1985, 853. 220 So auch Pfrogner, BB 2018, 757, 759. 221 S. auch Heinrichs, in: FS Trinkner, S. 157, 167 f., der das Bestimmtheitsgebot vor allem bei Gestaltungsrechten ohne Voraussetzungen als verletzt sieht.

B. Die transparente Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

407

a) Zur Unterscheidung zwischen synallagmatischen Leistungen und nicht synallagmatischen Sonderzahlungen in der Transparenzkontrolle Es wäre denkbar, wie in Teilen der Angemessenheitskontrolle222, auch bei den Transparenzanforderungen zwischen Sonderzahlungen ohne Gegenleistungscharakter und Leistungen aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis zu unterscheiden. So legt es ein Teil der Literatur und womöglich auch die Rechtsprechung des BAG nahe.223 Der Gedanke einer solchen Unterscheidung basiert letztlich auf einer Entscheidung des BAG bezüglich einer Weihnachtsgratifikation, die unter einen nicht konkretisierten Bestimmungsvorbehalt gestellt war.224 Das BAG war der Meinung, die Klausel sei unter anderem deshalb nicht intransparent, weil es sich um eine Zusatzleistung handele, zu deren Gewährung der Arbeitgeber nicht verpflichtet sei und die nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis stehendes Arbeitsentgelt betreffe.225 Hinzu kommt, dass das BAG die geringen Transparenzanforderungen bisher nicht ausdrücklich auf Bestimmungsvorbehalte angewendet hat, die Leistungen aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis betreffen.226 Daraus könnte man schließen, dass insbesondere bei Sonderzahlungen keine Konkretisierung nötig sein soll und diese nach Meinung des BAG womöglich anders zu behandeln sind als synallagmatische Leistungen. Tatsächlich ist eher davon auszugehen, dass das BAG weder bei Sonderzahlungen noch bei Leistungen aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis eine Konkretisierung fordert und damit im Endeffekt gar nicht zwischen den beiden unterscheidet227. So handhabt es auch ein Großteil der Literatur.228 Der Gegenleistungs222

S. Kapitel 4 B. IV. 5. c), B. IV. 7. a) und B. VII. 10. b). Reinfelder, NZA-Beil. 2014, 10, 15 verneint eine Konkretisierungspflicht, wenn nicht die engere Gegenleistung betroffen ist; so auch ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 73a; letztlich ohne Änderung im Ergebnis wird die Unterscheidung auch vorgenommen von: Lunk/Leder, NJW 2015, 3766; Kössel, DB 2016, 2963; im Ergebnis auch Lingemann/ Pfister/Otte, NZA 2015, 65; Salamon, NZA 2014, 465, 466 f.; Salamon/Wessels, BB 2017, 885, 886; keine Unterscheidung nehmen vor: Lakies, ArbRAktuell 2013, 251; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400; HK-ArbR/ Boemke/Ulrici, Anhang zu §§ 307–309 Rn. 3; HWK/Roloff, Anh. §§ 305–310 BGB Rn. 28; ausführlich zu Rechtsprechung und Literatur s. Kapitel 2 B. II. 2. und E. III. 224 BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013. 225 BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 21 ff. 226 Vgl. etwa BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148; BAG v. 26.09.2012 – 10 AZR 370/11, zitiert nach juris; BAG v. 17.10.2012 – 10 AZR 620/11, zitiert nach juris; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 97; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 636/11, AuA 2013, 711; BAG v. 15.05.2013 – 10 AZR 679/12, NJW-Spezial 2013, 563; BAG v. 03.08.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334. 227 S. dazu Kapitel 2 B. II. 2. 228 Ausdrücklich für eine Entbehrlichkeit der Konkretisierung auch bei Gegenleistungen: Lunk/Leder, NJW 2015, 3766; Kössel, DB 2016, 2963; im Ergebnis auch Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65; Salamon, NZA 2014, 465, 466 f.; Salamon/Wessels, BB 2017, 885, 886; für eine Entbehrlichkeit ohne ausdrückliche Unterscheidung: La223

408

Kap. 5: Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

charakter könnte vorliegend aber trotzdem eine Rolle spielen. Denn hier wurde soeben das gegenteilige Ergebnis gewonnen, dass die Entscheidungskriterien geregelt werden müssen.229 Da die überwiegende Meinung nicht einmal bei synallagmatischen Leistungen eine Konkretisierung für nötig hält230, muss in Erwägung gezogen werden, dies jedenfalls für die weniger schutzwürdigen Sonderzahlungen ohne Gegenleistungscharakter zu übertragen. Für diese hat das BAG auch ausdrücklich klargestellt, dass keine Konkretisierung nötig sei.231 Der Charakter einer Leistung als nicht synallagmatische Sonderzahlung könnte es also gebieten, abweichend vom soeben dargestellten Ergebnis einen Bestimmungsvorbehalt als ausreichend transparent einzuordnen, in dem keine Entscheidungskriterien geregelt sind. Dafür spräche, dass Sonderzahlungen einen geringeren Schutz verdienen, weil der Arbeitnehmer weniger stark auf sie vertraut und weniger von ihnen abhängig ist.232 So könnte das Interesse an Voraussehbarkeit bei diesen Leistungen geringer sein als bei synallagmatischen Gegenleistungen. Ob es tatsächlich wesentlich geringer ist, erscheint jedoch fraglich. Dem Arbeitnehmer dürfte es nämlich regelmäßig gleichgültig sein, ob eine Leistung Sonderzahlung oder Gegenleistung ist, solange ihm ein Anspruch auf Zahlung zusteht. Entscheidend gegen einen Einfluss des Leistungscharakters spricht, dass das Transparenzgebot keine Unterscheidung zwischen wertvollen und weniger wertvollen Leistungen beinhaltet, sondern gem. § 307 Abs. 3 S. 2 BGB unterschiedslos für jegliche Regelung in AGB gilt233. Das Transparenzgebot soll das Informationsgefälle ausgleichen234 und dafür sorgen, dass der Vertragspartner Gewissheit kies, ArbRAktuell 2013, 251; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400; HK-ArbR/Boemke/Ulrici, Anhang zu §§ 307–309 Rn. 3; HWK/Roloff, Anh. §§ 305–310 BGB Rn. 28; a. A. Stoffels, RdA 2015, 276 ff., der eine Konkretisierung bei allen Leistungen für nötig hält; so wohl auch Simon/Hidalgo/Koschker, NZA 2012, 1071, 1072; Pfrogner, BB 2018, 757, 759; Boensch, Arbeitsvertragliche Entgeltflexibilisierung und aufsichtsrechtliche Institutsvorgaben, S. 177 f.; Preis/Preis, II S 40 Rn. 19e; eine Konkretisierung bei arbeitsleistungsbezogenen Leistungen fordern auch Preis/Deutzmann, NZA-Beilage 2017, 101, 107, wenn die Festlegung auf null möglich sein soll. 229 Zusammenfassend unter Kapitel 5 B. III. 4. 230 Ausführlich dazu unter Kapitel 2 B. II. 2. und E. 231 BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013. 232 Vgl. dazu Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, S. 419 ff.; Lindemann, Flexible Gestaltung von Arbeitsbedingungen, S. 198 f., 206 f.; Henssler, SAE 1988, 164, 165; ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 54, 61; Graf v. Westphalen/Thüsing/ Thüsing, Arbeitsverträge Rn. 275; Reichold, RdA 2002, 321, 331; zur geringeren Abhängigkeit von Sonderzahlungen im Verhältnis zur laufenden Vergütung: BAG v. 30.07.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173; BAG v. 18.03.2009 – 10 AZR 289/08, NZA 2009, 535; Richardt, Arbeitsvertragliche Flexibilisierung von Entgeltbedingungen, S. 143 ff. 233 Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 77. 234 BGH v. 25.11.2015 – VIII ZR 360/14, NJW 2016, 936 Rn. 26; vgl. auch BeckOGK/Eckelt, § 307 BGB Rn. 125; Kreienbaum, Transparenz und AGB-Gesetz, S. 216 ff.;

B. Die transparente Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

409

über Inhalt und Umfang seiner Rechte und Pflichten erlangen kann235. Räumt der Arbeitgeber nun – wenn auch der Höhe nach unbestimmt – im Rahmen eines Bestimmungsvorbehalts einen Anspruch auf die Leistung ein, dann muss er diesen auch soweit konkretisieren, wie es ihm zumutbar ist.236 Unabhängig von der Art der Leistung muss der Arbeitnehmer Inhalt und Umfang seines Anspruchs ausreichend erkennen können. Ausschlaggebend ist, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch erhält. Mögen Sonderzahlungen materiell auch weniger schutzwürdig sein, so muss dieser Anspruch dennoch klar und verständlich sein237. b) Differenzierte Betrachtung von Leistungen ohne Relevanz für die Vertragsabschlussentscheidung Ein Unterschied ergibt sich nur bei Leistungen, die für die Vertragsabschlussentscheidung des Arbeitnehmers keine (hypothetische) Relevanz haben werden. Auch bei solchen Leistungen besteht zwar die festgestellte Intransparenz. Differenziert zu betrachten ist aber das Vorliegen einer unangemessenen Benachteiligung. Während die Relevanz einer Leistung an der Gefahr nichts ändert, der Arbeitnehmer könnte bestehende Rechte nicht wahrnehmen, hat sie hingegen Einfluss auf die unangemessene Benachteiligung bei Vertragsschluss.238 Letztere soll schließlich dadurch begründet werden, dass der Arbeitnehmer den Inhalt bei Vertragsschluss nicht ausreichend erkennen und deshalb seine Verhandlungsoder Marktchancen nicht wahrnehmen kann.239 Hat eine Leistung aber ohnehin keinerlei Einfluss auf die Vertragsabschlussentscheidung des durchschnittlichen

Köndgen, NJW 1989, 943, 946 f.; Stoffels, ZfA 2009, 861, 878; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 326; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 307 BGB Rn. 149, 150; BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 43 nennt den Zweck des Transparenzgebots die Sicherung der Klarheit und Verständlichkeit von AGB; das Informationsmodell lehnt Koller, in: FS Steindorff, S. 667, 674 ff. für die Transparenzkontrolle ab. 235 Vgl. Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 338; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 85; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 307 BGB Rn. 156a; BeckOGK/Eckelt, § 307 BGB Rn. 133. 236 Genauso Stoffels, RdA 2015, 276, 278. 237 S. dazu Stoffels, AGB-Recht, Rn. 569; BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 43, 45; HK-ArbR/Boemke/Ulrici, § 307 BGB Rn. 17; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 325, 335; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 19; NK-ArbR/Peterhänsel, § 307 BGB Rn. 38; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 307 BGB Rn. 154; Henssler/Moll, AGB-Kontrolle vorformulierter Arbeitsbedingungen, S. 11. 238 Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 365 fordert eine hypothetische Relevanz für die Produktwahl; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 176 führt aus, dass jedenfalls die fundamentalen Marktparameter transparent dargestellt werden müssen, damit keine Benachteiligung bei Vertragsschluss vorliegt. 239 Nach Stoffels, ZfA 2009, 861, 878 f. tritt die Abschlusstransparenz im Arbeitsrecht ohnehin in den Hintergrund, da eine vergleichende Abschlussentscheidung oft nicht möglich ist.

410

Kap. 5: Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

Arbeitnehmers, ist auch ihre Transparenz nicht entscheidend.240 Misst der Arbeitnehmer einer Leistung keine Bedeutung zu, macht es keinen Unterschied, ob die Einschränkung der Leistung durch einen Bestimmungsvorbehalt transparent ist oder nicht.241 Der Arbeitnehmer wird dann nicht dadurch benachteiligt, dass er keine informierte Vertragsabschlussentscheidung treffen kann.242 Eine mögliche Benachteiligung bei der Vertragsdurchführung bleibt davon jedoch unbeeinflusst. Fehlende Abschlussrelevanz kann nur für Leistungen angenommen werden, bei denen es völlig fernliegend ist, dass sie die Entscheidung des Arbeitnehmers beeinflussen. Bei Geldleistungen des Arbeitgebers bzw. Klauseln, die diese einschränken, ist das nur im Ausnahmefall denkbar. Erfahrungsgemäß sind gerade Geldzahlungen ausschlaggebend für die Entscheidung zum Vertragsschluss. Eine fehlende hypothetische Relevanz kommt von vornherein nur bei Sonderzahlungen in Frage und ist lediglich bei solchen Leistungen anzunehmen, die in der Regel nicht ins Gewicht fallen, weil ihre Auszahlung unregelmäßig oder in großen Abständen erfolgt und sie einen geringen Umfang einnehmen (z. B. Zahlungen zum Geschäftsjubiläum oder ein Hochzeitsgeld). c) Fazit zum Einfluss des Gegenleistungscharakters Der Charakter der betreffenden Leistung als Sonderzahlung vermag am gewonnenen Ergebnis der Konkretisierungspflicht nichts zu ändern. Das Transparenzgebot enthält keine Unterscheidung nach der Art einer Leistung, sondern gilt unterschiedslos für jegliche Regelung in AGB. Räumt der Arbeitgeber im Rahmen eines Bestimmungsvorbehalts einen Anspruch auf die Leistung ein, muss dieser klar und verständlich ausgestaltet werden.243 Ein Unterschied ergibt sich im Ausnahmefall von Leistungen, die für die Vertragsabschlussentscheidung des Arbeitnehmers keine hypothetische Relevanz haben, jedoch nur in Bezug auf die noch festzustellende unangemessene Benachteiligung bei Vertragsschluss.244 Hat eine Leistung ohnehin keinerlei Einfluss auf die Vertragsabschlussentscheidung des durchschnittlichen Arbeitnehmers, ist auch ihre Transparenz für die Abschlussentscheidung nicht von Bedeutung. Die hypothetische Abschlussrelevanz spielt hingegen keine Rolle für eine mögliche 240 Auch Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 194 meint, die Abschlussrelevanz spiele eine Rolle für die Transparenzanforderungen. Vgl. auch Wolf/Lindacher/Pfeiffer/ Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 250, der im Rahmen der Abschlusstransparenz von der Klarheit der Rechtslage und des Preis-Leistungs-Verhältnisses spricht. 241 Nach HK-ArbR/Boemke/Ulrici, § 307 BGB Rn. 17 müssen Klauseln umso deutlicher sein, je gewichtiger die Rechtsfolgen sind. 242 Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 365 fordert eine hypothetische Relevanz für die Produktwahl. 243 S. zu alledem Kapitel 5 B. III. 5. a). 244 S. zu alledem Kapitel 5 B. III. 5. b).

B. Die transparente Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

411

Benachteiligung bei der Vertragsdurchführung. Denn sie ändert nichts an der Gefahr, der Arbeitnehmer könnte bestehende Rechte nicht wahrnehmen. 6. Zum Einfluss der gerichtlichen Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB auf die Transparenzkontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte Es stellt sich außerdem die Frage, ob die Möglichkeit des Arbeitnehmers, eine erfolgte Leistungsbestimmung gem. § 315 Abs. 3 BGB gerichtlich auf ihre Billigkeit überprüfen zu lassen, einen Einfluss auf die Transparenzanforderungen hat. In der Angemessenheitskontrolle wurde schon herausgearbeitet, dass § 315 Abs. 3 BGB dort entgegen der Meinung des BAG245 keine Rolle spielt.246 Gleichermaßen von Interesse ist aber das Verhältnis zur Transparenzkontrolle. Schließlich führen Teile der Literatur zu arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten – wie das BAG in der Angemessenheitskontrolle247 – ebenso in der Transparenzkontrolle an, der Arbeitnehmer sei ausreichend durch die Möglichkeit einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle geschützt.248 Deshalb soll an dieser Stelle dargelegt werden, warum § 315 Abs. 3 BGB auch auf die Transparenzkontrolle keine Auswirkungen hat. Im Rahmen der Transparenzkontrolle drängt sich dieser Befund sogar noch stärker auf als in der Prüfung der Angemessenheit. Denn es stellt sich bereits die Frage, welchen Einfluss eine spätere gerichtliche Ausübungskontrolle auf die Klarheit und Verständlichkeit einer Klausel haben sollte. Wie in den Ausführungen zur Angemessenheit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte erläutert wurde249, kann § 315 Abs. 3 BGB auf die AGB-Kontrolle, und damit auch auf die Transparenzkontrolle, schon deshalb keinen entscheidenden Einfluss haben, weil seine Anwendbarkeit ein wirksam eingeräumtes Leistungsbestimmungsrecht voraussetzt250, das in der AGB-Kontrolle erst überprüft wird.251 Die AGB-Kontrolle soll den Vertragspartner außerdem im Vorfeld einer 245 S. BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148 Rn. 42; BAG v. 26.09.2012 – 10 AZR 370/11, zitiert nach juris; BAG v. 17.10.2012 – 10 AZR 620/11, zitiert nach juris; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 29; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/ 12 Rn. 31, NZA 2013, 970. 246 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 7. f) und B. VIII. 2. 247 S. dazu eingehend unter Kapitel 2 B. II. 2. 248 Salamon, NZA 2014, 465, 468; Salamon/Wessels, BB 2017, 885, 887; Reinfelder, NZA-Beil. 2014, 10, 15. 249 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 7. f) und B. VIII. 2. 250 S. dazu auch Preis/Roloff, ZfA 2007, 43, 85. 251 Vgl. BGH v. 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, BGHZ 89, 206; s. auch BGH v. 18.05.1983 – VIII ZR 20/82, NJW 1983, 1603; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 41 f.; Däubler/Bonin/Deinert/Deinert, § 307 BGB Rn. 44; Clemenz/Kreft/

412

Kap. 5: Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

gerichtlichen Auseinandersetzung schützen.252 Das muss vor allem für die Transparenzkontrolle gelten, die das Informationsgefälle ausgleichen253 und dafür sorgen soll, dass der Vertragspartner vor Vertragsschluss wie auch bei der Durchführung Gewissheit über Inhalt und Umfang seiner Rechte und Pflichten erlangen kann254. Dass die Möglichkeit, eine ausgeübte Leistungsbestimmung auf ihre Billigkeit überprüfen zu lassen oder eine unterbliebene Bestimmung gerichtlich vornehmen zu lassen255, die Vorhersehbarkeit bei Vertragsschluss und -durchführung nicht steigert, liegt auf der Hand.256 Durch sie wird es für den Arbeitnehmer nicht eher ersichtlich, ob er überhaupt eine Zahlung erwarten kann und welche Größenordnung diese einnehmen könnte. Er kann sich nur gegen eine unbillige oder unterbliebene Ausübung wehren. Dem Arbeitnehmer wird zwar ein Mittel zur Verfügung gestellt, die Leistungsbestimmung von dritter Seite überprüfen zu lassen. Das macht es aber nicht entbehrlich, die Rechtmäßigkeit auch ohne gerichtliches Verfahren anhand der Klausel überprüfen zu können. Das gilt einmal, weil das AGB-Recht das Versagen des Vertragsschlussmechanismus ausgleichen257 und den Vertragspartner im Vorfeld einer gerichtlichen Auseinandersetzung schützen soll, aber vor allem auch, weil der Arbeitnehmer eine gerichtliche Auseinandersetzung regelmäßig scheuen

Krause/Krause, vor § 307 BGB Rn. 20; vgl. auch Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn. 254 ff., der feststellt, dass § 315 BGB keine Rolle für die Kontrolle der Einräumung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts spielt. 252 So BGH v. 11.06.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518; BGH v. 07.10.1981 – VIII ZR 229/80, NJW 1982, 331; s. auch Heinrichs, in: FS Trinkner, S. 157, 163, der feststellt, dass die AGB-Kontrolle der Billigkeitskontrolle vorgelagert ist. 253 BGH v. 25.11.2015 – VIII ZR 360/14, NJW 2016, 936 Rn. 26; vgl. auch BeckOGK/Eckelt, § 307 BGB Rn. 125; Kreienbaum, Transparenz und AGB-Gesetz, S. 216 ff.; Köndgen, NJW 1989, 943, 946 f.; Stoffels, ZfA 2009, 861, 878; Ulmer/ Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 326; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 307 BGB Rn. 149, 150; BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 43 nennt den Zweck des Transparenzgebots die Sicherung der Klarheit und Verständlichkeit von AGB; das Informationsmodell lehnt Koller, in: FS Steindorff, S. 667, 674 ff. für die Transparenzkontrolle ab. 254 Vgl. Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 338; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 85; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 307 BGB Rn. 156a; BeckOGK/Eckelt, § 307 BGB Rn. 133. 255 Diese Möglichkeit rechtfertigt es nach Salamon, NZA 2014, 465, 466 f. und Salamon/Wessels, BB 2017, 885, 886 aber, von der Behandlung der Widerrufsvorbehalte abzuweichen und bei Bestimmungsvorbehalten keine Konkretisierung zu fordern. 256 Vgl. auch BGH v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11 Rn. 45, der § 315 Abs. 3 BGB jedenfalls nicht zur Konkretisierung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts genügen lässt. 257 Vgl. dazu Raiser, Das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen, S. 93, 285; s. auch Köndgen, NJW 1989, 943, 946; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 86; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 3; Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 40; dazu ausführlich unter Kapitel 3 B. V.

B. Die transparente Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

413

wird258. Darüber hinaus könnte das Recht zur gerichtlichen Überprüfung ins Leere laufen. Denn dem Arbeitnehmer ist es ohne Konkretisierung der Kriterien nicht möglich, seine Erfolgschancen einzuschätzen, weil er nicht erkennen kann, in welchem Umfang der Arbeitgeber zur Festlegung berechtigt war.259 Die Möglichkeit einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB hat also keinen Einfluss auf die Transparenzkontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte gem. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Transparenzkontrolle ist der Kontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB vorrangig. Die gerichtliche Billigkeitskontrolle bringt außerdem keinerlei Steigerung der Klarheit und Verständlichkeit. Insofern ist der Ansicht in der Literatur zu widersprechen, die einen Verstoß nicht konkretisierter Bestimmungsvorbehalte gegen das Transparenzgebot vor allem deshalb ablehnt, weil der Arbeitnehmer ausreichend durch die Möglichkeit einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle geschützt sei.260 7. Keine Bedeutung alternativer Gestaltungsmöglichkeiten für die Transparenzanforderungen Zuletzt begründet das BAG die Transparenz in der bereits angesprochenen Entscheidung zu einem nicht konkretisierten Bestimmungsvorbehalt unter anderem damit, der Arbeitgeber hätte die Leistung genauso durch einen Freiwilligkeitsvorbehalt ausschließen können, bei dem keinerlei Konkretisierung nötig wäre und der noch mehr Unsicherheiten mit sich bringt.261 Dieses Argument kann, wie bereits in der Angemessenheitskontrolle beschrieben262, auch in der Transparenzkontrolle keine Rolle spielen.263 Die Begründung für diesen Befund differiert in Bezug auf die Transparenzprüfung jedoch geringfügig, weshalb die Thematik hier erneut aufgegriffen wird. Die Möglichkeit, einen Sachverhalt anders zu regeln, beeinflusst nicht die Anforderungen an Klarheit und Verständlichkeit für die gewählte Regelung. Freiwilligkeits- und Bestimmungsvorbehalte sind darüber hinaus auch in der Transparenzprüfung nicht identisch zu behandeln.264 Zwischen der Situation bei Verwendung eines Freiwilligkeitsvorbehalts und bei Verwendung eines Bestimmungsvorbehalts besteht der entscheidende Unterschied, dass der Arbeitgeber 258 Vgl. Stoffels, RdA 2015, 276, 278; Boensch, Arbeitsvertragliche Entgeltflexibilisierung und aufsichtsrechtliche Institutsvorgaben, S. 177; dazu auch ausführlich unter Kapitel 4 B. VII. 7. f). 259 Vgl. zu diesem Argument BGH v. 21.04.2009 – XI ZR 55/08, zitiert nach juris. 260 So argumentieren aber Salamon, NZA 2014, 465, 468; Salamon/Wessels, BB 2017, 885, 887; Reinfelder, NZA-Beil. 2014, 10, 15. 261 BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 21 ff. 262 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 7. c). 263 So auch Salamon, NZA 2014, 465, 467; Salamon/Wessels, BB 2017, 885, 886. 264 S. zur Gleichbehandlung und Harmonisierung auch Kapitel 1 B. IV.; Kapitel 4 B. VII. 7. c) und B. VII. 9. d).

414

Kap. 5: Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

dem Arbeitnehmer bei Letzteren einen Anspruch einräumt, was bei Freiwilligkeitsvorbehalten gerade nicht der Fall ist. Eben die Einräumung eines Anspruchs ist in der Transparenzprüfung der bestimmende Faktor für die Forderung, die Entscheidungskriterien zu konkretisieren.265 Es ist für die Transparenz deshalb irrelevant, dass der Arbeitgeber bei bestimmten Leistungen266 auch einen Freiwilligkeitsvorbehalt hätte wählen können. Damit ist einem entscheidenden Argument des BAG zu widersprechen, mit dem es die Wirksamkeit eines nicht konkretisierten Bestimmungsvorbehalts begründet267. Das Ergebnis des BAG, bei Bestimmungsvorbehalten keine Konkretisierung zu fordern, ist nach dieser Begründung zwar stringent, wie schon in der Angemessenheitskontrolle dargestellt wurde268. Die Argumentation, der Arbeitgeber hätte statt eines Bestimmungsvorbehalts ebenso gut einen Freiwilligkeitsvorbehalt wählen können, ist aber auch in der Transparenzkontrolle abzulehnen. So zeigt sich abermals, dass das großzügige Vorgehen des BAG bei der Bewertung von Bestimmungsvorbehalten abzulehnen ist.269 Entscheidet der Arbeitgeber sich für einen Bestimmungsvorbehalt, muss er diesen so klar und verständlich wie möglich formulieren und die bestehenden Besonderheiten beachten. Für die Transparenz spielt es keine Rolle, dass er stattdessen auch einen Freiwilligkeitsvorbehalt hätte wählen können, aufgrund dessen – anders als bei Vorliegen eines Bestimmungsvorbehalts – ein Leistungsanspruch ausgeschlossen gewesen wäre. 8. Zwischenergebnis: Intransparenz von Bestimmungsvorbehalten bei fehlender Konkretisierung der Entscheidungskriterien Enthält ein Bestimmungsvorbehalt nicht die Kriterien, nach denen der Arbeitgeber seine Entscheidung zu richten hat, entstehen erhebliche Unklarheiten für den Arbeitnehmer, die zur Intransparenz der Klausel gem. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB führen.270 265

S. dazu etwa Kapitel 5 B. III. 5. a). Ein Freiwilligkeitsvorbehalt ist nach Meinung des BAG nur bei Leistungen zulässig, die nicht zur laufenden Vergütung gehören. S. etwa BAG v. 25.04.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853; BAG v. 21.01.2009 – 10 AZR 219/08, BAGE 129, 164; BAG v. 14.09.2011 – 10 AZR 526/10, BAGE 139, 156; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013; BAG v. 03.09.2014 – 5 AZR 1020/12, ZBVR online 2015, Nr. 6, 17. 267 BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 21 ff. 268 S. Kapitel 4 B. VII. 7. c). 269 S. dazu insbesondere Kapitel 4 B. V.–IX. und Kapitel 5 B. III.–VI. 270 So i. E. auch Boensch, Arbeitsvertragliche Entgeltflexibilisierung und aufsichtsrechtliche Institutsvorgaben, S. 177 f.; Simon/Hidalgo/Koschker, NZA 2012, 1071, 1072; Stoffels, RdA 2015, 276; Pfrogner, BB 2018, 757, 759; Preis/Preis, II S 40 Rn. 19e; eine Konkretisierung bei arbeitsleistungsbezogenen Leistungen fordern auch Preis/Deutzmann, NZA-Beilage 2017, 101, 107, wenn die Festlegung auf null möglich sein soll. 266

B. Die transparente Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

415

Dem Arbeitnehmer ist es ohne Kenntnis über die relevanten Kriterien nicht möglich, die Rechtmäßigkeit einer erfolgten Bestimmung anhand der Klausel zu überprüfen, was nach richtiger Ansicht271 aber Voraussetzung der Transparenz eines Leistungsbestimmungsrechts ist.272 Denn er kann nicht erkennen, welche Faktoren der Arbeitgeber zu beachten hatte und ob er sich im Rahmen des eingeräumten Bestimmungsrechts gehalten hat. Darüber hinaus kann der Arbeitnehmer nicht im Voraus erkennen, was auf ihn zukommt. Da er nicht weiß, welche Faktoren die Leistungsbestimmung beeinflussen werden, kann er weder bei Vertragsschluss noch während der Vertragsdurchführung absehen, welche Chance auf eine Zahlung besteht und welche Größenordnung die Zahlung einnehmen könnte.273 So entsteht aus den Unklarheiten auch ein Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum des Arbeitgebers, der über das hinausgeht, was für einen Bestimmungsvorbehalt zwingend notwendig ist: Der Arbeitgeber kann neben der Festlegung der Leistungshöhe auch die Kriterien nach seinen Vorstellung festlegen, was wiederum Auswirkungen auf die Leistungshöhe hat.274 Er ist also aufgrund der bestehenden Unklarheiten in der Beurteilung der Höhe noch freier als er es durch einen Bestimmungsvorbehalt ohnehin schon ist.275 Diese Unklarheiten werden auch nicht durch eine Bindung der Entscheidung an billiges Ermessen beseitigt, da billiges Ermessen einen erheblichen Entscheidungsspielraum enthält.276 Um diese Unklarheiten angemessen zu verringern, ist es nötig und dem Arbeitgeber auch zumutbar, die Entscheidungskriterien dem Grunde nach im Bestimmungsvorbehalt zu regeln. Zwar sprechen die Flexibilisierungsinteressen

271 So zu Preisanpassungsklauseln BGH v. 11.06.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518; BGH v. 20.05.1985 – VII ZR 198/84, BGHZ 94, 335; BGH v. 26.05.1986 – VIII ZR 218/85, NJW 1986, 3134; BGH v. 12.01.1994 – VIII ZR 165/92, NJW 1994, 1060; BGH v. 19.11.2002 – X ZR 243/01, NJW 2003, 507 Rn. 25; vgl. auch Evermann, Die Anforderungen des Transparenzgebots an die Gestaltung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen, S. 138 ff. für Bedingungsanpassungsklauseln in Allgemeinen Versicherungsbedingungen. 272 S. dazu Kapitel 5 B. III. 2. b). 273 S. dazu Kapitel 5 B. III. 2. c). 274 S. dazu Kapitel 5 B. III. 2. d). 275 S. dazu Kapitel 5 B. III. 2. d). 276 S. dazu Kapitel 5 B. III. 2. e); in der Angemessenheit genauso unter Kapitel 4 B. IV. 7. b) und B. VI. 1. g); s. zum Spielraum billigen Ermessens auch BGH v. 11.06.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518; BGH v. 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, NJW 1984, 1182; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970 Rn. 33; BAG v. 15.05.2013 – 10 AZR 679/12, zitiert nach juris Rn. 34; Ulmer/Brandner/Hensen/ Fuchs, § 307 BGB Rn. 175; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358, 2360; Niklas, ArbRB 2018, 353, 354; Pfrogner, BB 2018, 757, 760; Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn. 325 f., 329; vgl. auch Graf v. Westphalen, NJW 1982, 2465; MüKo-BGB/Würdinger, § 315 BGB Rn. 29 f.; a. A. wohl von Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, S. 41 ff.; s. aber auch BGH v. 25.05.1988 – VIII ZR 360/86, NJW-RR 1988, 1077, nach dem das Erfordernis der angemessenen Berücksichtigung der Interessen des Vertragspartners nichts über die Maßstäbe der Ausübung sagt.

416

Kap. 5: Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

des Arbeitgebers für einen möglichst offenen Bestimmungsvorbehalt, da er umso besser auf unvorhergesehene Entwicklungen reagieren kann, je weiter der Vorbehalt ist.277 Dieser Zweck bleibt aber auch bei einer Konkretisierung gewahrt, solange die Kriterien nur dem Grunde nach festgelegt werden müssen.278 Schließlich besteht ein Interesse an flexibler Gestaltung von Geldleistungen nur, wenn die unvorhergesehenen Entwicklungen wirtschaftliche Auswirkungen für den Arbeitgeber haben oder wenn der Arbeitnehmer durch die flexible Zusage besonders motiviert werden soll.279 Das ist durch die Festlegung „wirtschaftlicher Entwicklungen“ und/oder „Leistung des Arbeitnehmers“ als Faktoren für die Leistungsbemessung problemlos zu regeln. Sollen andere Kriterien gelten, ist es dem Arbeitgeber ohne weiteres möglich, auch diese dem Grunde nach festzulegen. Eine weitergehende Konkretisierungspflicht hingegen würde dem Sinn eines Bestimmungsvorbehalts widersprechen. Keinen Einfluss auf die Transparenzanforderungen an arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte hat, anders als es ein Teil der Literatur nahelegt280, der (fehlende) Gegenleistungscharakter der betroffenen Leistung.281 Bei Bestimmungsvorbehalten räumt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nämlich einen Anspruch ein. Dieser muss unabhängig von der Art der Leistung klar und verständlich ausgestaltet sein. Dazu gehört auch, dass der Arbeitnehmer Inhalt und Umfang erkennen kann.282 Zu unterscheiden ist allerdings zwischen Leistungen mit hypothetischer Relevanz für die Vertragsabschlussentscheidung und solchen ohne derartige Relevanz.283 Diese Unterscheidung spielt (nur) eine Rolle bei der Frage nach einer unangemessenen Benachteiligung durch Intransparenz bei der Vertragsabschlussentscheidung. Hat eine Leistung ohnehin keinen Einfluss auf die Abschlussentscheidung – was bei Geldleistungen des Arbeitgebers jedoch

277 S. dazu Kapitel 5 B. III. 3. a); s. dazu auch in der Angemessenheitskontrolle unter Kapitel 4 B. III. 3 und B. VII. 3. a). 278 S. dazu Kapitel 5 B. III. 3. c). 279 S. Kapitel 5 B. III. 3. c); dazu auch schon unter Kapitel 4 B. VII. 3. a). 280 Vgl. Reinfelder, NZA-Beil. 2014, 10, 15, der eine Konkretisierungspflicht verneint, wenn nicht die engere Gegenleistung betroffen ist; so auch ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 73a; letztlich ohne Änderung im Ergebnis wird die Unterscheidung auch vorgenommen von: Lunk/Leder, NJW 2015, 3766; Kössel, DB 2016, 2963; im Ergebnis auch Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65; Salamon, NZA 2014, 465, 466 f.; Salamon/Wessels, BB 2017, 885, 886; keine Unterscheidung nehmen vor: Lakies, ArbRAktuell 2013, 251; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400; HK-ArbR/Boemke/Ulrici, Anhang zu §§ 307–309 Rn. 3; HWK/Roloff, Anh. §§ 305– 310 BGB Rn. 28; ausführlich zu Rechtsprechung und Literatur s. Kapitel 2 B. II. 2. und E. 281 S. dazu Kapitel 5 B. III. 5. 282 Vgl. Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 338; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 85; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 307 BGB Rn. 156a; BeckOGK/Eckelt, § 307 BGB Rn. 133. 283 S. Kapitel 5 B. III. 5. b).

B. Die transparente Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

417

nur im Ausnahmefall denkbar ist –, kann die Intransparenz des zugehörigen Bestimmungsvorbehalts den Arbeitnehmer nicht dadurch benachteiligen, dass er keine informierte Vertragsabschlussentscheidung treffen konnte.284 Bei der Untersuchung einer Intransparenz sowie bei der Frage nach einer daraus resultierenden Benachteiligung während der Vertragsdurchführung spielt die Abschlussrelevanz hingegen keine Rolle. Die Möglichkeit, die Leistungsbestimmung gem. § 315 Abs. 3 BGB gerichtlich überprüfen zu lassen, welche in der Literatur teilweise als Argument für die Transparenz nicht konkretisierter Bestimmungsvorbehalte angeführt wird, kann richtigerweise – wie in der Angemessenheitskontrolle285 – auch in der Transparenzkontrolle keine Rolle spielen.286 Denn die Anwendbarkeit des § 315 Abs. 3 BGB setzt die wirksame Einräumung eines Leistungsbestimmungsrechts voraus, was in der AGB-Kontrolle erst überprüft wird, und die AGB-Kontrolle soll den Vertragspartner gerade im Vorfeld gerichtlicher Auseinandersetzungen schützen. Darüber hinaus hat die gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit keinerlei Einfluss auf die Klarheit und Verständlichkeit der Regelung. Ohne Bedeutung ist zuletzt der ebenfalls aus der Angemessenheitskontrolle bekannte287 Einwand des BAG, der Arbeitgeber hätte genauso einen Freiwilligkeitsvorbehalt wählen können, bei dem keinerlei Konkretisierung nötig gewesen wäre.288 Eine alternative Gestaltungsmöglichkeit ändert nichts daran, dass den Anforderungen an die gewählte Gestaltung entsprochen und bestehenden Unklarheiten angemessen begegnet werden muss. Bestimmungsvorbehalte kennzeichnet gegenüber Freiwilligkeitsvorbehalten außerdem der entscheidende Unterschied, dass ein Anspruch eingeräumt wird. Eben daraus resultiert in der Transparenzkontrolle die Notwendigkeit, die Entscheidungskriterien zu regeln. Konkrete Anforderungen, die bei der Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte eingehalten werden müssen, ergeben sich aus den dargestellten Unklarheiten jedoch nur dann, wenn die Intransparenz eine unangemessene Benachteiligung nach sich zieht. Denn Voraussetzung der Unwirksamkeit nach § 307 Abs. 1 S. 1, 2 BGB ist, dass aus der Intransparenz eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners resultiert.289 Im folgenden Abschnitt ist deshalb festzustellen, ob die ohne Konkretisierung von Entscheidungskriterien entstehenden Unklarheiten den Arbeitnehmer auch unangemessen benachteiligen. 284 S. dazu auch Kapitel 3 A. II. 1; s. zu dieser Voraussetzung Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 365. 285 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 7. f). 286 S. dazu Kapitel 5 B. III. 6. 287 Auch in der Angemessenheitskontrolle wurde dieser Einwand abgelehnt; s. dazu Kapitel 4 B. VII. 7. c). 288 S. dazu Kapitel 5 B. III. 7. 289 S. Kapitel 3 A.

418

Kap. 5: Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

9. Unangemessene Benachteiligung bei fehlender Konkretisierung der Entscheidungskriterien? Die Unwirksamkeit einer Klausel wegen Intransparenz setzt – wie bereits dargestellt290 – voraus, dass der Vertragspartner durch die festgestellte Intransparenz unangemessen benachteiligt wird.291 Diese Benachteiligung kann einmal darin liegen, dass der Vertragspartner bei Abschluss des Vertrages den Inhalt der Klausel nicht verlässlich ersehen und deshalb keine informierte Vertragsabschlussentscheidung treffen kann.292 Eine unangemessene Benachteiligung wegen Intransparenz kann sich daneben vor allem aus der Gefahr ergeben, dass der Vertragspartner wegen der bestehenden Unklarheiten seine eigenen Rechte nicht wahrnimmt oder vor Scheinrechten des Verwenders kapituliert.293 Es stellt sich also die Frage, ob der Arbeitnehmer durch einen Bestimmungsvorbehalt, in dem keine Entscheidungskriterien geregelt sind, Gefahr läuft, seine Rechte nicht wahrzunehmen, oder ihm eine informierte Vertragsabschlussentscheidung verwehrt wird. a) Vorliegen einer Benachteiligung bei Vertragsschluss Kann der Vertragspartner den Inhalt einer intransparenten Klausel bei Vertragsschluss nicht verlässlich erkennen, kann er keine informierte Vertragsabschlussentscheidung treffen und wird dadurch unangemessen benachteiligt. 294 Das Transparenzgebot soll den Vertragspartner in die Lage versetzen, die wirtschaftlichen Folgen der Klausel absehen und anhand dessen entscheiden zu kön290

S. Kapitel 3 A. So im Grundsatz auch Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 174; Ulmer/Brandner/ Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 330; BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 42 ff.; Graf v. Westphalen, NJW 2002, 12, 17; keine gesonderte Feststellung der unangemessenen Benachteiligung fordern: Schwab, AGB-Recht, Rn. 655; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 564; Armbrüster, DNotZ 2004, 437, 440; vgl. auch BGH v. 08.10.1997 – IV ZR 220/96, BGHZ 136, 394; BGH v. 19.10.1999 – XI ZR 8/99, NJW 2000, 651; im Fall der sog. Abschlusstransparenz so auch Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 332; s. dazu auch HWK/Roloff, § 307 BGB Rn. 12. 292 Vgl. Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 250; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 175; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 79; für die essentialia negotii und andere wettbewerbsrelevante Umstände nimmt Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 332 unter dem Stichpunkt „Abschlusstransparenz“ eine unwiderlegliche Vermutung der unangemessenen Benachteiligung an; vgl. auch Stoffels, AGB-Recht, Rn. 564. 293 Vgl. Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 11; Clemenz/Kreft/Krause/ Klumpp, § 307 BGB Rn. 79; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 178; Stoffels, AGBRecht, Rn. 564; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 236. 294 Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 79; vgl. auch Wolf/Lindacher/ Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 250; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 175; für die essentialia negotii und andere wettbewerbsrelevante Umstände nimmt Ulmer/Brandner/ Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 332 unter dem Stichpunkt „Abschlusstransparenz“ eine unwiderlegliche Vermutung der unangemessenen Benachteiligung an. 291

B. Die transparente Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

419

nen, ob er sich daran binden will.295 Denn ohne ausreichende Kenntnis über den Inhalt ist es ihm nicht möglich, Änderungsvorschläge einzubringen oder auf einen anderen Anbieter auszuweichen.296 Schließlich weiß er erstens gar nicht, was genau geändert werden müsste, und kann zweitens nicht ersehen, ob die Klausel für ihn günstiger oder ungünstiger ist als die Klauseln anderer Anbieter. Nach diesen Grundsätzen hält etwa der BGH Preisanpassungsklauseln aus Transparenzgründen für unwirksam, in denen die Bemessungsfaktoren nicht festgelegt sind.297 Denn der Vertragspartner könne die auf ihn zukommenden Preisänderungen nicht ausreichend vorhersehen und deshalb keine informierte Vertragsabschlussentscheidung treffen.298 aa) Schwierigkeiten bei der Vertragsabschlussentscheidung ohne Kenntnis der Entscheidungskriterien So liegt es auch bei einem Bestimmungsvorbehalt, der keine Entscheidungskriterien enthält. Der Arbeitnehmer kann über die bestimmenden Faktoren nur mutmaßen und sie nicht verlässlich aus der Klausel erkennen. Sie sind für den Inhalt der Klausel aber von entscheidender Bedeutung, denn sie beeinflussen im Ergebnis maßgeblich, welche Höhe die Leistung einnimmt. Bei Vertragsschluss ist somit nicht ersichtlich, welche Chance auf eine Zahlung besteht, und erst recht nicht, welche Größenordnung diese einnehmen könnte und wodurch die Höhe beeinflusst wird. Wären hingegen Entscheidungskriterien geregelt, könnte der Arbeitnehmer sich jedenfalls ein ungefähres Bild von Wahrscheinlichkeit und Bemessung der Zahlung machen. Ist etwa seine Arbeitsleistung das einzig geltende Kriterium, weiß der Arbeitnehmer, dass er eine Zahlung erhalten müsste, solange er sich besonders anstrengt. Ebenso wird deutlich, dass die Zahlung umso höher ausfallen muss, je besser die Leistung des Arbeitnehmers im jeweiligen Turnus ist. Sind keine Kriterien festgelegt, kann dem Wortlaut nach – im Rahmen der Billigkeit – jeder noch so abwegige Faktor herangezogen werden. Diese Unklarheiten versperren den Weg zu einer informierten Abschlussentscheidung. Der Arbeitnehmer kann nicht sicher ermitteln, ob andere Arbeitgeber ihm womöglich bessere Konditionen bieten. Hat er etwa ein Angebot von einem 295 BGH v. 25.11.2015 – VIII ZR 360/14, NJW 2016, 936 Rn. 26; s. auch BGH v. 31.07.2013 – VIII ZR 162/09, NJW 2013, 3647. 296 Vgl. Stoffels, AGB-Recht, Rn. 564; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 250; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 175; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 332. 297 Vgl. BGH v. 11.06.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518; BGH v. 20.05.1985 – VII ZR 198/84, BGHZ 94, 335; BGH v. 26.05.1986 – VIII ZR 218/85, NJW 1986, 3134; BGH v. 12.01.1994 – VIII ZR 165/92, NJW 1994, 1060; BGH v. 19.11.2002 – X ZR 243/01, NJW 2003, 507 Rn. 25; für eine ausführlichere Darstellung der Rechtsprechung des BGH s. Kapitel 2 C. I. 298 Vgl. etwa BGH v. 31.07.2013 – VIII ZR 162/09, NJW 2013, 3647.

420

Kap. 5: Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

Arbeitgeber, der ein höheres Festgehalt bietet, ist nicht verlässlich herauszufinden, ob dieses Angebot im Ergebnis vorteilhafter ist. Denn der Arbeitnehmer weiß ja nicht, welche Chance er auf die variable Vergütung voraussichtlich hat und wie die Höhe konkret beeinflusst wird. Er muss seine Vertragsentscheidung also ohne ausreichenden Überblick über den Inhalt des angebotenen Vertrages treffen. Dabei sind Geldleistungen des Arbeitgebers unabhängig von ihrem Charakter erfahrungsgemäß relevant für die Abschlussentscheidung des Arbeitnehmers. Aber auch das Einbringen von Änderungsvorschlägen bleibt ihm verwehrt. Da er keine verlässliche Kenntnis über die Zahlung erlangen kann, fehlt ihm die Grundlage für Vertragsverhandlungen. Kennt der Arbeitnehmer die Kriterien nicht, weiß er auch nicht, was es an der Klausel zu ändern gäbe, um eine höhere Chance auf die Zahlung zu erlangen, oder ob er über andere Vertragsbestandteile verhandeln sollte, um seine Gesamtsituation ausreichend zu verbessern. Wären hingegen Kriterien geregelt, könnte der Arbeitnehmer die Geltung anderer (zusätzlicher) Kriterien vorschlagen oder ein höheres Festgehalt anstreben, wenn er die Chance auf eine Auszahlung der variablen Vergütung gering einschätzt. Soll beispielsweise bei einem schwächelnden Unternehmen die wirtschaftliche Entwicklung maßgeblich sein, könnte der Arbeitnehmer jedenfalls versuchen, die Arbeitsleistung als zusätzliches Kriterium aufnehmen zu lassen. Die dargestellten Schwierigkeiten bei Vertragsschluss benachteiligen den Arbeitnehmer unangemessen. Denn es wird ihm verwehrt, seine übrig gebliebene, bei Verwendung von AGB ohnehin schon geschmälerte Verhandlungsmacht wirksam auszuüben. Dieses Ergebnis steht in Einklang mit den Wertungen des BGH bei Preisanpassungsklauseln.299 Schließlich sind die Konstellationen sich sehr ähnlich: Vorliegend ist dem Arbeitnehmer nicht ersichtlich, wonach die Zahlung erstmalig festgelegt werden soll. Bei Preisanpassungsklauseln ohne Bemessungsfaktoren ist dem Vertragspartner nicht ersichtlich, wonach der neue Preis berechnet werden soll. bb) Keine Benachteiligung bei Leistungen ohne Abschlussrelevanz Die dargestellte Situation führt allerdings nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung, wenn der Bestimmungsvorbehalt eine Leistung betrifft, die für die Vertragsabschlussentscheidung des Arbeitnehmers keine hypothetische Relevanz aufweist.300 Beachtet der Arbeitnehmer eine Leistung bei seiner Entscheidung 299 Vgl. BGH v. 11.06.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518; BGH v. 20.05.1985 – VII ZR 198/84, BGHZ 94, 335; BGH v. 26.05.1986 – VIII ZR 218/85, NJW 1986, 3134; BGH v. 12.01.1994 – VIII ZR 165/92, NJW 1994, 1060; BGH v. 19.11.2002 – X ZR 243/01, NJW 2003, 507 Rn. 25; für eine ausführlichere Darstellung der Rechtsprechung des BGH s. Kapitel 2 C. I. 300 S. dazu bereits Kapitel 3 A. II. 1. und Kapitel 5 B. III. 5. b); s. zu dieser Voraussetzung auch Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 365.

B. Die transparente Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

421

ohnehin nicht, kann es ihn auch nicht benachteiligen, dass er den Inhalt des mit ihr verbundenen Bestimmungsvorbehalts nicht erkennen kann. Derartige Leistungen, wie etwa ein Hochzeitsgeld, stellen aber den Ausnahmefall dar. b) Benachteiligung des Arbeitnehmers bei der Vertragsabwicklung Darüber hinaus wird der Arbeitnehmer durch die Unklarheiten auch bei der Vertragsabwicklung benachteiligt. Eine solche unangemessene Benachteiligung liegt vor, wenn der Vertragspartner aufgrund der Intransparenz Gefahr läuft, seine Rechte nicht wahrzunehmen oder vor Scheinrechten des Verwenders zu kapitulieren.301 Der Verwender darf die ihm übertragene Vertragsgestaltungsmacht redlicherweise nicht dazu nutzen, dem Vertragspartner die Durchsetzung bestehender Rechte dadurch zu erschweren, dass dieser ihre Existenz oder den genauen Inhalt nicht erkennen kann.302 Eine derartige unangemessene Benachteiligung nimmt das BAG etwa bei Freiwilligkeitsvorbehalten an, die mit einem ausdrücklichen Anspruch auf die Leistung verbunden werden.303 Solche Freiwilligkeitsvorbehalte hält es zu Recht für intransparent, weil die Gefahr besteht, dass der Arbeitnehmer meint, er habe keinen Anspruch, und diesen folglich nicht geltend macht. Auch in seiner Rechtsprechung zu Bestimmungsvorbehalten befasst sich das BAG mit dieser Problematik, verneint aber unabhängig von der Ausgestaltung der Vorbehalte durchweg die Gefahr, der Arbeitnehmer könnte davon abgehalten werden, seine Rechte wahrzunehmen.304 Dem ist für Bestimmungsvorbehalte, die 301 Vgl. Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 11; Clemenz/Kreft/Krause/ Klumpp, § 307 BGB Rn. 79; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 178; Stoffels, AGBRecht, Rn. 564; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 236; HK-ArbR/ Boemke/Ulrici, § 307 BGB Rn. 21; BeckOK-ArbR/Jacobs, § 307 BGB Rn. 57; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 20; Henssler/Moll, AGB-Kontrolle vorformulierter Arbeitsbedingungen, S. 11; NK-ArbR/Peterhänsel, § 307 BGB Rn. 40. 302 Vgl. Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 11, 323 ff.; Clemenz/Kreft/ Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 79; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 178; Wolf/ Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 250; Armbrüster, DNotZ 2004, 437, 440; Palandt/Grüneberg, § 307 BGB Rn. 24 sieht in der Verletzung des Bestimmtheitsgebots die Gefahr, dass der Verwender seine Gestaltungsmöglichkeiten unangemessen einsetzt; für Bestimmungsrechte genauso Heinrichs, in: FS Trinkner, S. 157, 163. 303 BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, BAGE 124, 259; BAG v. 30.07.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173; BAG v. 10.12.2008 – 10 AZR 1/08, DB 2009, 684; BAG v. 07.06.2011 – 1 AZR 807/09, NZA 2011, 1234; BAG v. 14.09.2011 – 10 AZR 526/10, BAGE 139, 156; BAG v. 20.02.2013 – 10 AZR 177/12, NZA 2013, 1015; ebenso LAG Rheinland-Pfalz v. 15.12.2015 – 8 Sa 201/15, zitiert nach juris; LAG Rheinland-Pfalz v. 18.07.2016 – 3 Sa 43/16, zitiert nach juris. 304 BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 20; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970 Rn. 23; s. auch teilweise Parallelentscheidungen v. 20.03.2013 – 10 AZR 636/11, AuA 2013, 711 und v. 15.05.2013 – 10 AZR 679/12, NJW-Spezial 2013, 563; zu Freiwilligkeitsvorbehalten

422

Kap. 5: Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

keine Entscheidungskriterien enthalten, nicht zu folgen. Zu einem derartigen Vorbehalt führt das BAG aus, die angesprochene Gefahr sei im gegenständlichen Fall nicht erkennbar, da für den Arbeitnehmer ersichtlich gewesen sei, dass der Arbeitgeber über die Höhe zu entscheiden und dabei eine Abwägung der Interessen beider Seiten stattzufinden hatte.305 Die Geltung billigen Ermessens, das die Abwägung der beiderseitigen Interessen voraussetzt306, sieht auch ein Großteil der Literatur als ausreichende Konkretisierung an.307 Tatsächlich begründet ein arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalt, der keine Entscheidungskriterien enthält, aber regelmäßig die Gefahr, dass der Arbeitnehmer sein Recht nicht wahrnimmt, die Leistung (in rechtmäßiger Höhe) zu fordern. Da der Arbeitnehmer die Rechtmäßigkeit einer ausgeübten Leistungsbestimmung nicht ausreichend anhand der Klausel überprüfen kann308, ist regelmäßig davon auszugehen, dass er sie akzeptieren wird. Einer zu niedrigen Festlegung der Leistung oder gar einer Festlegung auf null, mit der der Arbeitgeber sein Leistungsbestimmungsrecht überschreitet, wird der Arbeitnehmer nicht entgegentreten. Beachtet der Arbeitgeber bei einer leistungsbezogenen Vergütung etwa außerordentliche Arbeitsleistungen des Arbeitnehmers nicht und legt die Leistung aufgrund moderater wirtschaftlicher Schwierigkeiten auf null fest, ist das in der Regel unbillig.309 Die Unbilligkeit ist für den Arbeitnehmer aber nicht ersichtlich, da er nicht weiß, welche Kriterien der Arbeitgeber heranzuziehen hat.310 Der Arbeitnehmer hätte zwar tatsächlich das Recht, eine (höhere) Zahlung zu fordern. Das wird er aber im Zweifel nicht geltend machen, weil es ihm nicht erkennbar ist. genauso BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, BAGE 124, 259; BAG v. 14.09.2011 – 10 AZR 526/10, BAGE 139, 156. 305 BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 21. 306 Stoffels, NZA 2017, 1217, 1220; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358, 2361; Niklas, ArbRB 2018, 353, 354. 307 Wensing/Boensch, BB 2014, 2358; Lunk/Leder, NJW 2015, 3766; Kössel, DB 2016, 2963; HK-ArbR/Boemke/Ulrici, Anhang zu §§ 307–309 Rn. 3; BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 101; vgl. auch Lakies, ArbRAktuell 2013, 251; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400; wohl auch Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65; Kössel, DB 2016, 2963; zu Leistungsbestimmungsrechten generell so auch Ulmer/Brandner/Hensen/ Fuchs, § 307 BGB Rn. 359. 308 S. dazu Kapitel 5 B. III. 2. b). 309 Eine Festlegung auf null ist bei einer solchen Leistung nach allgemeiner Auffassung nur in Ausnahmesituationen zulässig. S. BAG v. 19.03.2014 – 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595; Stoffels, NZA 2017, 1217, 1224; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400, 2402; BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 101. 310 Dasselbe gilt bei der Überschreitung eines Bestimmungsvorbehalts, der nicht an billiges Ermessen gebunden ist. Auch bei Geltung eines weiten Entscheidungsmaßstabs, wie etwa dem freien Ermessen, kann der Arbeitnehmer ohne Kenntnisse über die Kriterien nicht ersehen, ob eine erfolgte Leistungsbestimmung rechtmäßig war, und läuft deshalb Gefahr, eine Überschreitung des eingeräumten Bestimmungsrechts nicht geltend zu machen. S. dazu auch unter Kapitel 5 B. V. 1. b) bb).

B. Die transparente Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

423

Insofern ähnelt die Situation stark derjenigen bei Freiwilligkeitsvorbehalten, die mit einem ausdrücklichen Anspruch des Arbeitnehmers verbunden werden.311 In beiden Fällen läuft der Arbeitnehmer Gefahr, seinen Anspruch nicht durchzusetzen, weil er dessen Bestehen nicht sicher ermitteln kann. Bei den angesprochenen Freiwilligkeitsvorbehalten kann der Arbeitnehmer nicht erkennen, ob er überhaupt einen Anspruch hat. Bei Bestimmungsvorbehalten ohne Kriterien kann der Arbeitnehmer nicht erkennen, ob er einen Anspruch hat, der höher ist als die vom Arbeitgeber festgelegte Leistung. Wird die Leistung sogar auf null festgelegt, ist die Situation nahezu identisch. Der Arbeitnehmer erhält wie bei einem ausgeübten Freiwilligkeitsvorbehalt gar keine Leistung, weiß aber nicht, ob er unter Umständen doch einen Anspruch hat. Schließlich wird die Zahlung im Prinzip anspruchsbegründend versprochen. So fordern bei Bestimmungsvorbehalten auch Preis/Deutzmann dann die Festlegung von Entscheidungskriterien, wenn es möglich sein soll, die Leistung auf null festzulegen.312 An der beschriebenen Problematik ändert die Bindung der Entscheidung an billiges Ermessen nichts. Schließlich enthält billiges Ermessen einen erheblichen Entscheidungsspielraum313, innerhalb dessen der Arbeitgeber sowohl die Kriterien als auch die Höhe der Leistung festlegen kann.314 Der Arbeitnehmer kann auch in diesem Fall die Rechtmäßigkeit einer erfolgten Leistungsbestimmung nicht anhand der Klausel überprüfen.315 Denn ihm ist aus der Bindung an billiges Ermessen nur ersichtlich, dass seine Belange berücksichtigt werden müssen, und nicht, welche Kriterien gelten sollen. Einen klärenden Gerichtsprozess wird der Arbeitnehmer voraussichtlich meiden, da er seine Erfolgschancen nicht einschätzen kann.316 Vor der gerichtlichen Auseinandersetzung wird er außerdem 311 S. zu dieser Problematik BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, BAGE 124, 259; BAG v. 30.07.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173; BAG v. 10.12.2008 – 10 AZR 1/08, DB 2009, 684; BAG v. 07.06.2011 – 1 AZR 807/09, NZA 2011, 1234; BAG v. 14.09.2011 – 10 AZR 526/10, BAGE 139, 156; BAG v. 20.02.2013 – 10 AZR 177/12, NZA 2013, 1015; ebenso LAG Rheinland-Pfalz v. 15.12.2015 – 8 Sa 201/15, zitiert nach juris; LAG Rheinland-Pfalz v. 18.07.2016 – 3 Sa 43/16, zitiert nach juris. 312 Preis/Deutzmann, NZA-Beilage 2017, 101, 107. 313 S. zum Spielraum billigen Ermessens BGH v. 11.06.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518; BGH v. 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, NJW 1984, 1182; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970 Rn. 33; BAG v. 15.05.2013 – 10 AZR 679/ 12, zitiert nach juris Rn. 34; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 175; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358, 2360; Niklas, ArbRB 2018, 353, 354; Pfrogner, BB 2018, 757, 760; Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn. 325 f., 329; vgl. auch Graf v. Westphalen, NJW 1982, 2465; MüKo-BGB/Würdinger, § 315 BGB Rn. 29 f.; a. A. wohl von Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, S. 41 ff.; s. aber auch BGH v. 25.05.1988 – VIII ZR 360/86, NJW-RR 1988, 1077, nach dem das Erfordernis der angemessenen Berücksichtigung der Interessen des Vertragspartners nichts über die Maßstäbe der Ausübung sagt. 314 Vgl. dazu auch Salamon, NZA 2014, 465, 468, 470. 315 S. dazu Kapitel 5 B. III. 2. b) und B. III. 2. e). 316 Vgl. zu diesem Argument BGH v. 21.04.2009 – XI ZR 55/08, zitiert nach juris.

424

Kap. 5: Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

zurückschrecken, weil er auf seinen Arbeitsplatz angewiesen ist und die Kosten scheut.317 Ein Bestimmungsvorbehalt ohne Entscheidungskriterien stellt somit auch bei Geltung billigen Ermessens ein zu unbestimmtes Leistungsbestimmungsrecht dar, das dem Arbeitnehmer den eingeräumten Anspruch faktisch teilweise wieder nimmt, indem er ihn nicht wirksam durchsetzen kann.318 Gerade dem soll das Transparenzgebot aber vorbeugen.319 Das gilt unabhängig vom Charakter der Leistung.320 c) Zusammenfassung Arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte benachteiligen den Arbeitnehmer unangemessen und sind somit wegen Intransparenz unwirksam, wenn sie keine Entscheidungskriterien enthalten.321 Der Arbeitnehmer kann bei derartigen Vorbehalten regelmäßig keine informierte Vertragsabschlussentscheidung treffen, da er den Inhalt der Leistungszusage und des Bestimmungsvorbehalts mangels Kenntnis über die relevanten Kriterien nicht ausreichend erkennen kann.322 Ihm ist nicht ersichtlich, welche Chance auf eine Zahlung besteht, und erst recht nicht, welche Größenordnung diese einnehmen könnte und wodurch die Höhe beeinflusst wird. So kann er weder entscheiden, ob er sich an den Arbeitgeber und die gestellte Klausel binden will, noch sinnvoll Änderungsvorschläge einbringen. Eine solche Benachteiligung bei Vertragsschluss liegt zwar nicht vor, wenn der Bestimmungsvorbehalt Leistungen betrifft, die keine hypothetische Relevanz für die Abschlussentscheidung aufweisen.323 Das ändert aber nichts am Erfordernis der Konkretisierung. 317 Dazu ausführlich unter Kapitel 4 B. VII. 7. f); Kapitel 5 B. III. 6.; vgl. auch Stoffels, RdA 2015, 276, 278; Boensch, Arbeitsvertragliche Entgeltflexibilisierung und aufsichtsrechtliche Institutsvorgaben, S. 177. 318 Dieses Ergebnis muss erst recht gelten, wenn ein Entscheidungsmaßstab vereinbart wurde, der den Maßstab des billigen Ermessens unterschreitet. S. dazu auch unter Kapitel 5 B. V. 1. b) bb). 319 Vgl. Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 328; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 307 BGB Rn. 148. 320 S. dazu Kapitel 5 B. III. 5. 321 So i. E. auch Boensch, Arbeitsvertragliche Entgeltflexibilisierung und aufsichtsrechtliche Institutsvorgaben, S. 177 f.; Simon/Hidalgo/Koschker, NZA 2012, 1071, 1072; Stoffels, RdA 2015, 276; Pfrogner, BB 2018, 757, 759; Preis/Preis, II S 40 Rn. 19e; eine Konkretisierung bei arbeitsleistungsbezogenen Leistungen fordern auch Preis/Deutzmann, NZA-Beilage 2017, 101, 107, wenn die Festlegung auf null möglich sein soll; a. A. BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013; Wensing/ Boensch, BB 2014, 2358; Lunk/Leder, NJW 2015, 3766; HK-ArbR/Boemke/Ulrici, Anhang zu §§ 307–309 Rn. 3; BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 101; vgl. auch Lakies, ArbRAktuell 2013, 251; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400; Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65; Kössel, DB 2016, 2963. 322 S. Kapitel 5 B. III. 9. a). 323 S. Kapitel 5 B. III. 9. a) bb).

B. Die transparente Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

425

Denn entgegen der Meinung des BAG324, das eine Benachteiligung bei der Vertragsdurchführung trotz fehlender Konkretisierung ablehnt, wird der Arbeitnehmer außerdem durch die Gefahr unangemessen benachteiligt, er könnte von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten werden.325 Es besteht die Gefahr, dass er sein Recht, die Leistung in billiger Höhe zu fordern, nicht wahrnimmt, weil er nicht erkennen kann, ob ein Anspruch bestand bzw. ob die ausgezahlte Höhe angemessen hoch war. Schließlich kann er die erfolgte Leistungsbestimmung nicht anhand der Klausel auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen326 und deshalb nicht erkennen, in welcher Höhe ein Anspruch auf Zahlung bestand. Das gilt auch bei einer Bindung der Entscheidung an billiges Ermessen. 10. Notwendiger Konkretisierungsgrad An dieser Stelle soll dargestellt werden, welchen Grad der Konkretisierung die Entscheidungskriterien erfüllen müssen, damit die Klausel transparent i. S. d. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB ist. Das ist zum Teil schon bei der Frage der Zumutbarkeit einer Konkretisierungspflicht erörtert worden, soll hier aber noch einmal umfassend abgebildet werden. a) Erforderliche Festlegung der Entscheidungskriterien dem Grunde nach Dem Arbeitgeber ist es zumutbar, die Entscheidungskriterien dem Grunde nach festzulegen.327 Da er nur die Richtung der geltenden Faktoren im Voraus bestimmen muss, bleibt es ihm möglich, angemessen auf unvorhersehbare Entwicklungen zu reagieren. Denn eine derartige Festlegung umfasst eine Vielzahl von konkreten Auswirkungen auf dem gewählten Gebiet. Legt der Arbeitgeber etwa die Entscheidung nach den wirtschaftlichen Entwicklungen des Unternehmens fest, sind davon alle Faktoren erfasst, die wirtschaftlichen Einfluss auf das Unternehmen haben. Eine weitergehende Konkretisierung ist ihm hingegen nicht zumutbar und widerspräche dem Sinn von Bestimmungsvorbehalten, angemessen auf unvorhergesehene Entwicklungen reagieren zu können.328 324 BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rn. 20; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970 Rn. 23; s. auch teilweise Parallelentscheidungen v. 20.03.2013 – 10 AZR 636/11, AuA 2013, 711 und v. 15.05.2013 – 10 AZR 679/12, NJW-Spezial 2013, 563; zu Freiwilligkeitsvorbehalten genauso BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, BAGE 124, 259; BAG v. 14.09.2011 – 10 AZR 526/10, BAGE 139, 156. 325 S. Kapitel 5 B. III. 9. b). 326 S. dazu auch Kapitel 5 B. III. 2. b). 327 S. zu alledem bereits soeben unter Kapitel 5 B. III. 3. c). 328 Vgl. BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; s. dazu auch Kapitel 5 B. III. 3. c).

426

Kap. 5: Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

Eine Konkretisierung dem Grunde nach genügt auch zur Beseitigung der dargestellten Unwirksamkeit.329 Sie reduziert die Unklarheiten für den Arbeitnehmer entscheidend.330 Ihm ist in diesem Fall zumindest erkennbar, in welche Richtung die Leistungsbestimmung geht bzw. gehen kann. Der Beurteilungsspielraum des Arbeitgebers wird verringert und die Vorhersehbarkeit merklich gesteigert.331 Der Arbeitnehmer weiß bei Vertragsschluss in etwa, woran er sich inhaltlich bindet.332 Aber auch die eigenständige Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer erfolgten Leistungsbestimmung anhand der Klausel wird erleichtert.333 Dadurch ist dem Arbeitnehmer während der Vertragsdurchführung eher ersichtlich, ob er einen Anspruch auf (höhere) Zahlung hat. Das verringert die Gefahr, er könnte davon abgehalten werden, einen solchen geltend zu machen.334 b) Gleichlauf mit den Transparenzanforderungen an Widerrufsvorbehalte Wie schon in der Angemessenheitskontrolle335 hat sich auch in der Transparenzkontrolle gezeigt, dass die besonderen Flexibilisierungsinteressen des Arbeitgebers336 keine Abweichung von der Rechtsprechung des BGH337 und erst recht nicht von der des BAG zu Widerrufsvorbehalten rechtfertigen, die eine Konkretisierung der Bemessungsfaktoren bzw. Widerrufsgründe fordern.338 Im Gegenteil stimmt das Ergebnis der Transparenzprüfung ebenfalls mit der Behandlung von

329

S. dazu bereits Kapitel 5 B. III. 3. c). Vgl. Stoffels, RdA 2015, 276, 279; so zu Widerrufsvorbehalten auch Stoffels, ZfA 2009, 861, 880. 331 S. zu den ansonsten bestehenden Unklarheiten Kapitel 5 B. III. 2. d). 332 S. dazu auch Kapitel 5 B. III. 2. c). 333 S. dazu auch Kapitel 5 B. III. 2. b). 334 Zu dieser Gefahr soeben unter Kapitel 5 B. III. 9. b). 335 S. Kapitel 4 B. VII. 9. 336 S. dazu Kapitel 5 B. III. 3. a) und B. III. 3. c). 337 S. dazu auch Boensch, Arbeitsvertragliche Entgeltflexibilisierung und aufsichtsrechtliche Institutsvorgaben, S. 172 ff. 338 Bezüglich Leistungsbestimmungsrechten zur erstmaligen Festlegung s. BGH v. 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, NJW 1984, 1182; BGH v. 26.11.1984 – VIII ZR 214/83, NJW 1985, 623; BGH v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11; BGH v. 18.01.2017 – VIII ZR 263/15, DB 2017, 655; bezüglich Preisanpassungsklauseln s. BGH v. 11.06.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518; BGH v. 20.05.1985 – VII ZR 198/84, BGHZ 94, 335; BGH v. 26.05.1986 – VIII ZR 218/85, NJW 1986, 3134; BGH v. 12.01.1994 – VIII ZR 165/92, NJW 1994, 1060; BGH v. 19.11.2002 – X ZR 243/01, NJW 2003, 507; bezüglich Widerrufsvorbehalten s. BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/ 04, NZA 2005, 465; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87; BAG v. 25.04.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 1943; BAG v. 20.04.2011 – 5 AZR 191/10, BAGE 137, 383; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777; LAG Rheinland-Pfalz v. 18.07.2016 – 3 Sa 43/16, zitiert nach juris. 330

B. Die transparente Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

427

Widerrufsvorbehalten durch das BAG überein. Das BAG fordert dort die Festlegung von Widerrufsgründen der Richtung nach, was der Festlegung von Kriterien bei Bestimmungsvorbehalten entspricht339. Das ist, wie bereits in der Angemessenheitsprüfung dargestellt340, geboten, da Widerrufs- und Bestimmungsvorbehalte denselben Flexibilisierungsinteressen entspringen341 und sich in ihrer Wirkung sehr ähnlich sind.342 So wirkt etwa die Festlegung auf null bei Bestimmungsvorbehalten für den jeweiligen Turnus wie ein vollständiger Widerruf. Der Widerrufsvorbehalt ermöglicht einen teilweisen Widerruf, der wiederum einer Festlegung der Leistung in dieser Höhe entspräche. c) Keine rechnerische Nachvollziehbarkeit erforderlich Nicht nötig für die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte ist, dass die Festlegung der Zahlung im Detail oder gar rechnerisch anhand der Klausel nachvollziehbar ist.343 Das fordert der BGH zwar in seiner Rechtsprechung zu Preisanpassungsklauseln.344 Eine Pflicht, die Leistungsbestimmung im Voraus zu detailliert zu regeln, würde aber dem Zweck von Bestimmungsvorbehalten widersprechen, wie bereits dargestellt wurde.345 Dem Arbeitgeber ist es erstens gar nicht möglich, alle Entwicklungen im Voraus abzusehen. Zweitens muss ihm aber auch ein gewisser Entscheidungsspielraum verbleiben, damit der Bestim-

339 Zu diesem Ergebnis zusammenfassend unter Kapitel 5 B. III. 4., B. III. 8. und B. III. 9. c). 340 S. Kapitel 4 B. VII. 9. 341 Vgl. zum Flexibilisierungsinteresse bei Widerrufsvorbehalten Däubler/Bonin/ Deinert/Bonin, § 308 Nr. 4 BGB Rn. 14; Kluge, Widerrufsvorbehalte zur Absenkung des Arbeitsentgelts aus „wirtschaftlichen Gründen“ in vorformulierten Arbeitsverträgen, S. 113 ff.; Hofmann, Entgeltflexibilisierung und AGB-Kontrolle, S. 11; Richardt, Arbeitsvertragliche Flexibilisierung von Entgeltbedingungen, S. 1 ff.; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 1146; Lindemann, Flexible Gestaltung von Arbeitsbedingungen, S. 183, 187; Singer, Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen, S. 15, 18 f.; Hanau/Hromadka, NZA 2005, 73. 342 So auch Heiden, Entgeltrelevante Zielvereinbarungen aus arbeitsrechtlicher Sicht, S. 76 ff.; Stoffels, RdA 2015, 276; diese Gleichbehandlung fordern auch: Preis/Preis, II S 40 Rn. 19e; Boensch, Arbeitsvertragliche Entgeltflexibilisierung und aufsichtsrechtliche Institutsvorgaben, S. 172 ff.; vgl. auch die Gleichbehandlung in der früheren Rechtsprechung: BAG v. 31.01.1985 – 2 AZR 393/83, EzBAT § 8 BAT Direktionsrecht Nr. 3; BAG v. 15.11.1995 – 2 AZR 521/95, NZA 1996, 603; zurückhaltender Stoffels, NZA 2017, 1217, 1224; a. A. Salamon/Wessels, BB 2017, 885, 887, die eine Gleichbehandlung ablehnen, weil bei Bestimmungsvorbehalten nicht einseitig vom Leistungsversprechen abgewichen werde. S. dazu ausführlich unter Kapitel 1 B. III. und B. IV. sowie Kapitel 4 B. VII. 9. 343 Genauso Stoffels, RdA 2015, 276, 279; vgl. auch Pfrogner, BB 2018, 757, 759. 344 Vgl. BGH v. 11.06.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518; BGH v. 20.05.1985 – VII ZR 198/84, BGHZ 94, 335; BGH v. 26.05.1986 – VIII ZR 218/85, NJW 1986, 3134; BGH v. 12.01.1994 – VIII ZR 165/92, NJW 1994, 1060; BGH v. 19.11.2002 – X ZR 243/01, NJW 2003, 507 Rn. 25. 345 So auch Stoffels, RdA 2015, 276, 279.

428

Kap. 5: Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

mungsvorbehalt seinen Zweck sinnvoll erfüllen kann, die Reaktion auf unvorhergesehene, sich stetig ändernde (wirtschaftliche) Bedingungen zu ermöglichen346. So ist auch das Verhältnis mehrerer Kriterien zueinander nicht in der Klausel festzulegen.347 Unschädlich ist es darüber hinaus, wenn der Arbeitgeber betriebsinterne Kriterien verwendet, obwohl deren Vorliegen oder Entwicklung nicht immer vollständig nachprüfbar sind, solange sie dem Arbeitnehmer einen ausreichenden Erkenntnismehrwert bringen.348 Schließlich ist der Arbeitnehmer selbst Teil des Betriebes und die Zahlungen an ihn untrennbar mit betriebsinternen Abläufen und Finanzen verknüpft. So wird auch die wirtschaftliche Entwicklung des Betriebs oder Unternehmens, die den Hauptanknüpfungspunkt für die Vereinbarung eines Bestimmungsvorbehalts bildet, häufig nur betriebsintern vollständig nachvollziehbar sein. Nicht ausreichend sind hingegen Kriterien, die ausschließlich für den Arbeitgeber nachvollziehbar sind und keinerlei Erkenntnismehrwert für den Arbeitnehmer bringen. Das könnten beispielsweise das „Verhalten des Arbeitnehmers“, der „Zustand des Arbeitsverhältnisses“ oder die „Geschäftsbeziehungen des Arbeitgebers“ sein, gleichwohl ihre Verwendung eher abwegig erscheint. Derartige Kriterien sind so unbestimmt, dass sie die Vorhersehbarkeit gegenüber einer gänzlich fehlenden Konkretisierung praktisch gar nicht steigern. Auch die Rechtmäßigkeit der Leistungsbestimmung wäre für den Arbeitnehmer im Nachhinein nicht nachprüfbar349, da der Inhalt der Kriterien nicht deutlich wird, sondern vom Arbeitgeber nach seinen Vorstellungen ausgefüllt werden kann.

346 Vgl. zum Zweck von Bestimmungsvorbehalten Stoffels, RdA 2015, 276, 278; Voigt/Steeger, DB 2018, 646; nach BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 636/11, zitiert nach juris Rn. 33 entsprechen sie einem Bedürfnis des Wirtschaftslebens; vgl. zum Flexibilisierungsinteresse des Arbeitgebers generell HWK/Roloff, Anh. §§ 305–310 BGB Rn. 28; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, ArbR Rn. 133; Stoffels, NZA 2017, 1217, 1219; Hanau/Hromadka, NZA 2005, 73; MAH ArbR/Hexel, § 25 Rn. 27; ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 56; Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 70 ff.; Clemenz/ Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 51; Kluge, Widerrufsvorbehalte zur Absenkung des Arbeitsentgelts aus „wirtschaftlichen Gründen“ in vorformulierten Arbeitsverträgen, S. 113 ff.; Richardt, Arbeitsvertragliche Flexibilisierung von Entgeltbedingungen, S. 1 ff.; Hofmann, Entgeltflexibilisierung und AGB-Kontrolle, S. 1 ff.; BAG v. 11.04.2006 – 9 AZR 557/05, NZA 2006, 1149 Rn. 36; BAG v. 13.03.2007 – 9 AZR 433/06, AP Nr. 26 zu § 307 BGB Rn. 41; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 36/09, DB 2010, 2805 Rn. 31. 347 So auch BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150 Rn. 24; BLDH/ Lingemann, Kap. 2 Rn. 101; Pfrogner, BB 2018, 757, 758 f. 348 Derartige Kriterien sind nach Meinung des BGH bei Preisanpassungsklauseln hingegen intransparent. S. BGH v. 13.12.2006 – VIII ZR 25/06, NJW 2007, 1054; BGH v. 15.11.2007 – III ZR 247/06, NJW 2008, 360; s. auch OLG Düsseldorf v. 02.05.2013 – I-6 U 123/12, 6 U 123/12, NJW-RR 2013, 1391 zur Festlegung von Flugzeiten. 349 S. zu diesem Erfordernis Kapitel 5 B. III. 2. b) und B. III. 9. b).

B. Die transparente Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

429

d) Beispielhafte Klauseln und Kriterien In Frage kommen als Entscheidungskriterien vorwiegend solche aus dem Feld der wirtschaftlichen Entwicklungen oder der Leistung des Arbeitnehmers. Dabei sind eine Vielzahl von Kriterien denkbar, die den Anforderungen des Transparenzgebotes ausreichend Rechnung tragen. Für den Arbeitgeber am günstigsten dürfte es regelmäßig sein, die Entscheidung an die „wirtschaftlichen Entwicklungen“ 350, die „Leistung des Arbeitnehmers“ 351 oder eine Kombination beider zu binden. Da Bestimmungsvorbehalte auch aus Gründen der materiellen Angemessenheit an bestimmte Entscheidungskriterien gebunden werden müssen, sind bereits in den Ausführungen zur Angemessenheit Klauselbeispiele dargestellt worden.352 Diese genügen auch den hier herausgearbeiteten Voraussetzungen der Transparenz. Zur Übersichtlichkeit sollen sie an dieser Stelle nochmals aufgeführt werden: Beispiel 1: „Der Arbeitnehmer erhält einen jährlichen Bonus. Der Arbeitgeber bestimmt die Höhe des Bonus nach billigem Ermessen in Abhängigkeit von der Leistung des Arbeitnehmers und dem wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens.“ 353 Beispiel 2: „1. Der Arbeitgeber gewährt dem Arbeitnehmer jährlich eine Sonderzuwendung. [. . .] 2. Die Höhe der Sonderzuwendung wird vom Arbeitgeber spätestens einen Monat vor dem Auszahlungstermin nach billigem Ermessen festgesetzt. Die Bemessung der Höhe orientiert sich sowohl an der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens (ggf. des Betriebs oder der Betriebsabteilung [. . .]) als auch an der persönlichen Leistung des Arbeitnehmers. [. . .]“ 354 Beispiel 3: Der Arbeitnehmer erhält einen jährlichen Bonus, dessen Höhe der Arbeitgeber nach billigem Ermessen in Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens festlegt.

350 In der Literatur werden ähnliche Kriterien vorgeschlagen: Kössel, DB 2016, 2963, 2964 („Ertragslage des Unternehmens“); Lunk/Leder, NJW 2015, 3766, 3767 („wirtschaftliche[r] Erfolg des Unternehmens“); Pfrogner, BB 2018, 757, 761 („Erfolg des Unternehmens“); Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400, 2402 („Unternehmenserfolg“); Simon/Hidalgo/Koschker, NZA 2012, 1071, 1072 („Ertragslage“). 351 S. auch die Vorschläge bei Pfrogner, BB 2018, 757, 761 („individuelle persönliche Leistung“) und Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400, 2402 („persönliche Leistung des Arbeitnehmers“); Simon/Hidalgo/Koschker, NZA 2012, 1071, 1072 („individuelle Leistung“). 352 S. Kapitel 4 B. VII. 10. 353 Klauselvorschlag von Lunk/Leder, NJW 2015, 3766, 3767 und Kössel, DB 2016, 2963, 2964. 354 Vorschlag von Stoffels, NZA 2017, 1217, 1224. Die Kriterien sind im Klauselvorschlag als mögliche Einfügungen vorgesehen.

430

Kap. 5: Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

Ebenso denkbar und transparent sind weiter konkretisierte Kriterien wie z. B. individuelle Leistungsziele, der Erfolg des Unternehmens oder der Abteilungserfolg.355 Derartige Klauseln könnten transparent wie folgt ausgestaltet werden: Beispiel 4 (Kombination verschiedener Kriterien): „Die Gesamtbezüge [. . .] [des Arbeitnehmers] bestehen aus den Festbezügen (Gehalt) und den variablen Bezügen (Tantieme). [. . .] Die Bemessung der variablen Bezüge berücksichtigt die individuellen Leistungen des [. . .] [Arbeitnehmers] im abgelaufenen Geschäftsjahr. Außerdem ist die Höhe der variablen Bezüge von dem Erfolg des Unternehmens [. . .] in der abgelaufenen Periode sowie dem Erfolg der Unternehmenseinheit, zu der der [. . .] [Arbeitnehmer] gehört, abhängig.“ 356 Beispiel 5 (Kombination verschiedener Kriterien): „Darüber hinaus erhält der Mitarbeiter einen Leistungsbonus. Dieser richtet sich nach der individuellen Zielerreichung, dem Teamverhalten sowie dem Erfolg der Bank. Er wird jedes Jahr für das abgelaufene Jahr festgesetzt.“ 357 Beispiel 6 (Abteilungserfolg): Der Arbeitnehmer erhält einen jährlichen Bonus, dessen Höhe der Arbeitgeber nach billigem Ermessen in Abhängigkeit vom wirtschaftlichen Erfolg der Abteilung des Arbeitnehmers im Auszahlungsjahr festlegt. Beispiel 7 (Leistungsziele): Der Arbeitnehmer erhält einen jährlichen Bonus, dessen Höhe der Arbeitgeber nach billigem Ermessen festlegt. Die Festlegung der Höhe ist abhängig davon, wie viele Neukunden der Arbeitnehmer im betreffenden Jahr gewinnen konnte. Beispiel 8 (konkrete Erfolgszahlen): Der Arbeitnehmer erhält einen jährlichen Bonus, dessen Höhe der Arbeitgeber nach billigem Ermessen festlegt. Die Festlegung der Höhe ist abhängig vom Gewinn der Abteilung, in der der Arbeitnehmer tätig ist. Der Bonus wird ausgezahlt ab einem Gewinn von 10.000 A und steigt jeweils, wenn 25.000 A, 50.000 A oder 75.000 A Gewinn erzielt werden. Intransparent ist nach der hier vertretenen Meinung hingegen jede Klausel, die keine Entscheidungskriterien enthält. Unwirksam sind – entgegen der dort jeweils vertretenen Meinung – etwa die folgenden Klauseln aus Rechtsprechung und Literatur:358 Beispiel 1 (unwirksam): „. . . + Weihnachtsgratifikation 50 % bei einer Betriebszugehörigkeit von mind. 6 Monaten; 100 % bei einer Betriebszugehörig355 S. etwa BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970. 356 Nach BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150. 357 Nach BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970. Die Ziele sind gesondert, etwa in einer Zielvereinbarung, festzulegen. 358 So auch Stoffels, RdA 2015, 276.

B. Die transparente Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

431

keit von 12 Monaten von der vom Arbeitgeber jeweils pro Jahr festgelegten Höhe der Weihnachtsgratifikation.“ 359 Beispiel 2 (unwirksam): „Der Arbeitgeber gewährt zusätzlich zur monatlichen Vergütung eine Weihnachtsgratifikation, deren Höhe jeweils pro Jahr vom Arbeitgeber festgelegt wird.“ 360 11. Ergebnisse Arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte, in denen die maßgeblichen Entscheidungskriterien nicht geregelt sind, sind entgegen der Meinung des BAG361 intransparent und unwirksam gem. § 307 Abs. 1 S. 1, 2 BGB. Sie verstoßen gegen das Bestimmtheitsgebot: Weiß der Arbeitnehmer nicht, an welchen Kriterien der Arbeitgeber seine Entscheidung zu orientieren hat, ist es ihm nicht möglich, die erfolgte Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts anhand der Klausel selbst zu überprüfen.362 Ebenso wenig kann er erkennen, was auf ihn zukommt.363 Ohne Kenntnisse über die maßgeblichen Faktoren der Leistungsbestimmung, kann er nicht einschätzen, ob es voraussichtlich zu einer Auszahlung kommen wird und welche Höhe diese einnehmen könnte. Außerdem wird dem Arbeitgeber ein Beurteilungsspielraum eingeräumt, der über das Maß hinausgeht, welches für Bestimmungsvorbehalte zwingend notwendig ist364. Denn neben der konkreten Beurteilung der Leistungshöhe obliegt dem Arbeitgeber auch die vorgelagerte Beurteilung, welche Kriterien maßgeblich sein sollen, wenn diese nicht im Voraus festgelegt sind. Diese Unklarheiten werden nicht durch eine Bindung der Entscheidung an billiges Ermessen beseitigt, da die Billigkeit dem Arbeitgeber einen erheblichen Entscheidungsspielraum belässt.365 Die Unklarheiten benachteiligen den Arbeitnehmer sowohl bei der Vertragsabschlussentscheidung als auch bei der Vertragsdurchführung unangemessen und führen zur Unwirksamkeit des Bestimmungsvorbehalts wegen Intransparenz.366 Der Arbeitnehmer wird zum einen dadurch unangemessen benachteiligt, dass er keine informierte Vertragsabschlussentscheidung treffen kann.367 Da ihm der Inhalt der Leistungszusage und des Bestimmungsvorbehalts nicht ausreichend erkennbar ist, kann er weder entscheiden, ob er sich an den Arbeitgeber und die gestellte Klausel binden will, noch sinnvoll Änderungsvorschläge einbringen. 359 360 361 362 363 364 365 366 367

Aus BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013. Vorschlag von Lakies, ArbRAktuell 2013, 251, 254. S. dazu Kapitel 2 B. II. 2. S. Kapitel 5 B. III. 2. b). S. Kapitel 5 B. III. 2. c). S. Kapitel 5 B. III. 2. d). S. Kapitel 5 B. III. 2. e). S. Kapitel 5 B. III. 9. S. Kapitel 5 B. III. 9. a) aa).

432

Kap. 5: Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

Diese Benachteiligung entfällt ausnahmsweise, wenn die betreffende Leistung keine (hypothetische) Relevanz für die Abschlussentscheidung hat.368 Beachtet der Arbeitnehmer eine Leistung ohnehin nicht, kann ihn auch eine Intransparenz des zugehörigen Bestimmungsvorbehalts nicht benachteiligen. Auch bei derartigen Leistungen entfällt die Konkretisierungspflicht jedoch nicht. Denn entgegen der Meinung des BAG wird der Arbeitnehmer zum anderen durch die Gefahr unangemessen benachteiligt, er könnte von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten werden.369 Es besteht die Gefahr, dass er sein Recht, die Leistung in billiger Höhe zu fordern, nicht wahrnimmt, weil er nicht erkennen kann, ob ein Anspruch besteht bzw. ob die ausgezahlte Summe angemessen hoch ist. Zur Konkretisierung genügt jedoch eine Regelung der Kriterien dem Grunde nach.370 Das ist dem Arbeitgeber zumutbar und beseitigt die ansonsten bestehende Intransparenz.371 Die verbleibenden Unklarheiten sind hinnehmbar, da der Bestimmungsvorbehalt dem Arbeitgeber die Reaktion auf unvorhergesehene, sich stetig ändernde (wirtschaftliche) Bedingungen ermöglichen soll.372 Insbesondere eine Konkretisierung im Detail oder sogar eine rechnerische Nachvollziehbarkeit sind nicht erforderlich.373 Ungenügend zur Konkretisierung sind hingegen Kriterien, die ausschließlich für den Arbeitgeber nachvollziehbar sind und keinerlei Erkenntnismehrwert für den Arbeitnehmer bringen. Dieses Ergebnis bedeutet abermals einen Gleichlauf mit der Behandlung von Widerrufsvorbehalten, der geboten ist, da Widerrufs- und Bestimmungsvorbehalte denselben Flexibilisierungsinteressen entspringen und sich in ihrer Wirkung sehr ähnlich sind.374 An der Intransparenz und Unwirksamkeit von Bestimmungsvorbehalten ohne Konkretisierung der Entscheidungskriterien ändern weder der Charakter der Leistung375, die Möglichkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle noch die alternative Gestaltungsmöglichkeit durch Freiwilligkeitsvorbehalte etwas. Entscheidend ist, dass der Arbeitgeber bei Bestimmungsvorbehalten dem Arbeitnehmer einen Anspruch einräumt. Dieser muss unabhängig von seinem Charakter den Anforderungen des Transparenzgebotes genügen.376 Zwar entfällt eine Benachteili-

368

S. Kapitel 5 B. III. 9. a) bb). S. Kapitel 5 B. III. 9. b). 370 Zum notwendigen Konkretisierungsgrad s. unter Kapitel 5 B. III. 3. 371 S. Kapitel 5 B. III. 3. c). 372 S. dazu Kapitel 5 B. III. 3. a) sowie Kapitel 4 B. III. 3. d) und B. VII. 3. a). 373 S. Kapitel 5 B. III. 10. c). 374 S. Kapitel 5 B. III. 10. b); ausführlich dazu auch unter Kapitel 1 B. III., 4. und Kapitel 4 B. VII. 9. 375 S. dazu Kapitel 5 B. III. 5. a). 376 S. dazu Kapitel 5 B. III. 5. a). 369

B. Die transparente Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

433

gung bei Vertragsschluss, wenn der Bestimmungsvorbehalt Leistungen betrifft, die keine hypothetische Relevanz für die Abschlussentscheidung aufweisen.377 Das ändert aber nichts an der Benachteiligung bei der Vertragsdurchführung. Das Bestehen eines Anspruchs ist auch der wesentliche Unterschied zur Situation bei Freiwilligkeitsvorbehalten.378 Aus diesem Grund hat die hypothetische Möglichkeit, statt eines Bestimmungsvorbehalts einen Freiwilligkeitsvorbehalt zu wählen, keinen Einfluss auf die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte. Sie vermag eine fehlende Konkretisierung nicht zu rechtfertigen, wie das BAG jedoch argumentiert.379 Entgegen einiger Stimmen in der Literatur hat letztlich auch die gerichtliche Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB keine Bedeutung für die Transparenzanforderungen, weil sie der Transparenzkontrolle nachrangig ist und nichts an der Vorhersehbarkeit der Leistungsbestimmung ändert.380 Arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte müssen also zwingend die Kriterien ihrer Ausübung regeln. Andernfalls verstoßen sie gegen das Transparenzgebot und sind unwirksam.

IV. Zur Konkretisierungspflicht des Leistungsumfangs Problematisch erscheint im Hinblick auf die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte außerdem, dass der Umfang der versprochenen Leistung für den Arbeitnehmer nicht einmal im Ansatz erkennbar ist, bis der Arbeitgeber sein Bestimmungsrecht tatsächlich ausübt. Weder bei Vertragsschluss noch während der Durchführung weiß der Arbeitnehmer, in welcher Größenordnung eine Zahlung auf ihn zukommt. Es fragt sich jedoch, ob dies für die Transparenz notwendig wäre. Schließlich ist es Bestimmungsvorbehalten immanent, dass die Leistung nicht im Voraus festgeschrieben ist.381 Das BAG jedenfalls fordert keinerlei Festlegung des Umfangs in Bestimmungsvorbehalten.382 Dagegen ist jedoch einzuwenden, dass der Vertragspartner seine Verhandlungs- oder Marktmacht nicht wirksam ausüben kann, wenn er den Umfang einer Leistung nicht kennt.383 So spricht für eine Intransparenz von Bestimmungsvorbehalten ohne Angaben zum Umfang, dass es dem durchschnittlichen Arbeitnehmer aufgrund der Formulierung der Klausel schwer fallen wird, die Tragweite der Regelung zu erfassen. Dementsprechend fordert der BGH 377 378 379 380 381

S. dazu Kapitel 5 B. III. 5. b). S. dazu Kapitel 5 B. III. 7. Zur Rechtsprechung des BAG s. Kapitel 2 B. II. 2. S. dazu Kapitel 5 B. III. 6. S. zu Inhalt und Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte Kapitel 1

B. II. 382 383

Zu dieser Rechtsprechung unter Kapitel 2 B. II. 2. So allgemein auch Heinrichs, in: FS Trinkner, S. 157, 163.

434

Kap. 5: Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

bei Preisanpassungsklauseln384, dass dem Vertragspartner der Umfang der Preisanpassung erkennbar ist, und das BAG bei Widerrufsvorbehalten385, dass der Umfang der vorbehaltenen Änderung möglichst konkretisiert wird. Es stellt sich also die Frage, ob arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte den Umfang der Leistung regeln müssen und wie genau dies zu geschehen hat. Unsinnig wäre es, die konkrete Festlegung der Leistungshöhe zu fordern. Dann läge gar kein Bestimmungsvorbehalt mehr vor. Es wäre hingegen denkbar, die Regelung eines Rahmens der Leistungshöhe für die Transparenz vorauszusetzen. Bedenklich erscheint aber vor allem eines: Da ein Anspruch eingeräumt wird, könnte dem Arbeitnehmer zunächst verborgen bleiben, dass die Höhe auch null betragen kann, er möglicherweise also gar keine Zahlung erhält. Im Folgenden werden zunächst die Unklarheiten dargestellt und bewertet, die für den Arbeitnehmer entstehen, wenn die Höhe der Leistung in einem Bestimmungsvorbehalt nicht konkretisiert wird. Anschließend wird erörtert, ob überhaupt eine Konkretisierung geboten und dem Arbeitgeber zumutbar ist. Es folgen Ausführungen zur unangemessenen Benachteiligung. Zum Schluss wird untersucht, welcher Grad der Konkretisierung nötig und zumutbar ist. Dabei werden auch einige Formulierungsbeispiele aufgezeigt, die sich zur transparenten Konkretisierung des Leistungsumfangs eignen. 1. Unklarheiten arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte mit offenem Leistungsumfang Enthalten Bestimmungsvorbehalte keinerlei Angaben dazu, in welcher Größenordnung sich die versprochene Zahlung bewegen kann, hat der Arbeitnehmer keine Möglichkeit, ihre Höhe im Voraus einzuschätzen. Das birgt Unklarheiten sowohl bei Vertragsschluss als auch bei der Vertragsdurchführung. a) Geringe Unklarheiten bei der Vertragsdurchführung Wäre die Höhe der Leistung jedenfalls rahmenmäßig festgelegt, fiele es dem Arbeitnehmer deutlich leichter, eine erfolgte Leistungsbestimmung auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen.386 Es wäre ohne weiteres ersichtlich, ob der Arbeitgeber die Höhe unterschritten hat, die er billigerweise mindestens hätte ge384 BGH v. 11.06.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518; BGH v. 20.05.1985 – VII ZR 198/84, BGHZ 94, 335; BGH v. 26.05.1986 – VIII ZR 218/85, NJW 1986, 3134; BGH v. 12.01.1994 – VIII ZR 165/92, NJW 1994, 1060; BGH v. 19.11.2002 – X ZR 243/01, NJW 2003, 507 Rn. 25; BGH v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11 Rn. 39. 385 S. etwa BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87 Rn. 28; vgl. dazu ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 60; HKArbR/Boemke/Ulrici, § 308 BGB Rn. 61. 386 S. zu diesem Erfordernis unter Kapitel 5 B. III. 2. b).

B. Die transparente Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

435

währen müssen, und wie die Leistung im Verhältnis zur Minimal- und Maximalhöhe steht. Allerdings wurde schon festgestellt, dass die Festlegung nicht im Detail oder gar rechnerisch nachprüfbar sein muss.387 Auch ohne Angaben über die mögliche Höhe der Leistung ist es dem Arbeitnehmer im Nachhinein möglich, eine erfolgte Leistungsbestimmung anhand der Klausel auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Ist etwa die Festlegung der Leistung niedrig im Verhältnis zur Entwicklung der relevanten Faktoren388, dürfte diese Erkenntnis ausreichen, damit der Arbeitnehmer eine Diskrepanz erkennt und dies geltend machen kann. b) Mangelnde Kenntnis über den Leistungsinhalt bei Vertragsschluss Bedenklicher sind fehlende Angaben zum Leistungsumfang jedoch für die Situation bei Vertragsschluss. Denn der Arbeitnehmer kann den Inhalt des Zahlungsversprechens nicht vollumfänglich erkennen. Er weiß deshalb nicht genau, woran er sich bindet. Es bleibt zu bedenken, dass der Arbeitnehmer sich aufgrund der Pflicht des Arbeitgebers, die relevanten Bestimmungskriterien festzulegen, ein Bild davon machen kann, in welche Richtung sich die Zahlung bewegen wird.389 Dadurch sind zwar die konkrete Höhe und die Größenordnung nicht ersichtlich, der Arbeitnehmer steht aber auch nicht völlig orientierungslos da. Mit den gegebenen Informationen kann er sich durchaus bewusst darauf einlassen, eine der Höhe nach unbestimmte Leistung zugesagt zu bekommen, die sich nach Kriterien richtet, welche er im Voraus erkennen und einschätzen kann. Darin liegt ein Unterschied zur Situation bei Preisanpassungsklauseln und Widerrufsvorbehalten, bei denen BGH und BAG die Festlegung des Umfangs verlangen390. Im Gegensatz zu Bestimmungsvorbehalten betreffen diese Klauseln konkret versprochene Leistungen, auf die sich der Vertragspartner bereits bei Vertragsschluss eingestellt hat und die im Nachhinein verändert werden sollen. Widerrufsvorbehalte und Preisanpassungsklauseln werden außerdem nicht dieselbe Aufmerksamkeit finden wie der Preis bzw. die Arbeitgeberleistung selbst. Auch ein Bestimmungsvorbehalt wird zwar nicht die volle Aufmerksamkeit finden. Dem Zahlungsversprechen an sich wird der Arbeitnehmer aber ausreichend 387

S. Kapitel 5 B. III. 10. c). Zur Pflicht, die relevanten Entscheidungskriterien zu regeln, s. Kapitel 5 B. III. 389 S. dazu Kapitel 5 B. III. 390 BGH v. 11.06.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518; BGH v. 20.05.1985 – VII ZR 198/84, BGHZ 94, 335; BGH v. 26.05.1986 – VIII ZR 218/85, NJW 1986, 3134; BGH v. 12.01.1994 – VIII ZR 165/92, NJW 1994, 1060; BGH v. 19.11.2002 – X ZR 243/01, NJW 2003, 507 Rn. 25; BGH v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11 Rn. 39; BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87 Rn. 28; vgl. dazu ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 60; HKArbR/Boemke/Ulrici, § 308 BGB Rn. 61. 388

436

Kap. 5: Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

Aufmerksamkeit schenken. Dabei kommt er, anders als bei Widerrufsvorbehalten und Preisanpassungsklausen, gar nicht umhin, die Unbestimmtheit wahrzunehmen und in seine Abschlussentscheidung einzubeziehen. Allerdings wäre es falsch, daraus zu schließen, Bestimmungsvorbehalte bedürften nicht der Konkretisierung. Mit dem Argument, der Vertragspartner lasse sich bewusst auf eine unbestimmte Klausel oder ein unbestimmtes Leistungsversprechen ein, könnte schließlich jede AGB-Klausel gerechtfertigt werden.391 Zwar fällt die Unbestimmtheit des Leistungsversprechens bei Bestimmungsvorbehalten deutlicher ins Auge und ist enger mit der Anspruchsbegründung verbunden. Das ändert aber nichts an der situativen Unterlegenheit des Vertragspartners392 und am Schutzzweck der Transparenzkontrolle sowie des gesamten AGB-Rechts. Der Schutz des AGB-Rechts besteht gerade deshalb, weil der Vertragspartner die AGB regelmäßig nicht eingehend untersucht und diese nur eingeschränkt dem Konditionenwettbewerb unterliegen.393 Sie werden vom Vertragspartner für gewöhnlich als vorgegeben hingenommen. Deswegen soll die Transparenzkontrolle eine ausreichende Informationsmöglichkeit über den Inhalt der AGB gewährleisten394 und darüber wenigstens die Chance des Vertragspartners aufrechterhalten, die eigene Marktmacht auszuüben395. Dabei gilt die Transparenzkontrolle sogar für die Festlegung von Hauptleistungspflichten. Eine fehlende Konkretisierung kann daher vorliegend nicht dadurch gerechtfertigt werden, 391 So auch Kluge, Widerrufsvorbehalte zur Absenkung des Arbeitsentgelts aus „wirtschaftlichen Gründen“ in vorformulierten Arbeitsverträgen, S. 139. 392 Vgl. zur situativen Unterlegenheit insbesondere Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 30 ff. m.w. N.; Lieb, AcP 178 (1978), 196, 201 ff.; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 81 ff., 91; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 83 ff.; Kötz, Vertragsrecht, Rn. 244 f.; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 3; Leuschner, AcP 207 (2007), 491, 494 ff.; Kreienbaum, Transparenz und AGB-Gesetz, S. 209 ff.; Kötz, Gutachten zum 50. DJT Band I, A 30 ff., der den Fokus auf die zu hohen Kosten der Überprüfung der AGB und der möglichen Umgestaltung des Vertrages legt; krit. Hellwege, Allgemeine Geschäftsbedingungen, einseitig gestellte Vertragsbedingungen und die allgemeine Rechtsgeschäftslehre, S. 553 ff. 393 Vgl. etwa Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 85; Clemenz/ Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 35 f.; eingehend dazu unter Kapitel 3 B. V. und Kapitel 4 B. VI. 1. b). 394 BGH v. 25.11.2015 – VIII ZR 360/14, NJW 2016, 936 Rn. 26; vgl. auch BeckOGK/Eckelt, § 307 BGB Rn. 125; Kreienbaum, Transparenz und AGB-Gesetz, S. 216 ff.; Köndgen, NJW 1989, 943, 946 f.; Stoffels, ZfA 2009, 861, 878; Ulmer/ Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 326; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 307 BGB Rn. 149, 150; BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 43 nennt den Zweck des Transparenzgebots die Sicherung der Klarheit und Verständlichkeit von AGB; das Informationsmodell lehnt Koller, in: FS Steindorff, S. 667, 674 ff. für die Transparenzkontrolle ab. 395 S. Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 176; vgl. auch Ulmer/Brandner/Hensen/ Fuchs, § 307 BGB Rn. 326; BeckOGK/Eckelt, § 307 BGB Rn. 125, die anführen, dass bereits die Möglichkeit der ausreichenden Information den Schutz des Vertragspartners erhöht.

B. Die transparente Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

437

dass der Arbeitnehmer sich bewusst auf das unbestimmte Leistungsversprechen eingelassen hat.396 Es bleibt dabei: Ohne ausdrückliche Angaben ist über die Leistungshöhe im Voraus nichts herauszufinden. Im Gegenteil könnte die Zahlung jede beliebige Höhe annehmen. Das erschwert es dem Arbeitnehmer erheblich, den Inhalt des Vertrags zu bewerten und mit anderen Arbeitgebern zu vergleichen. Er kann über die Höhe der versprochenen Leistung nur spekulieren. Bei einem anderen Arbeitgeber, der statt eines Bestimmungsvorbehalts einen Widerrufsvorbehalt verwendet, wüsste der Arbeitnehmer jedenfalls, welche Höhe die Leistung hat, solange der Widerruf nicht ausgeübt wird. Da er auch die Gründe kennt, die den Widerruf rechtfertigen können, hat er relativ sichere Kenntnis über Höhe und Wahrscheinlichkeit der Auszahlung. Mit einem derartigen Vertrag etwa kann der Arbeitnehmer einen Vertrag, der eine entsprechende Zahlung unter einen Bestimmungsvorbehalt stellt, nicht angemessen vergleichen. Denn er kann deren Höhe gar nicht einschätzen. Dabei ist es unerheblich, dass Arbeitnehmer einen solchen Vergleich oftmals gar nicht anstellen oder mangels anderer Angebote anstellen können. Bereits die bessere Informationsmöglichkeit erhöht den Schutz des Arbeitnehmers.397 So wird ihm wenigstens die (theoretische) Möglichkeit erhalten, Vertragsverhandlungen zu führen oder den Vertrag nicht abzuschließen. c) Unklarheiten über die Festlegung der Leistung auf null Die größten Unklarheiten werden aber bezüglich der Festlegung der Zahlung auf null bestehen. Aus arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten ohne Angaben zur Leistungshöhe geht nicht eindeutig hervor, dass die Leistung auch auf null festgelegt werden kann. Im Gegenteil legen derartige Vorbehalte nahe, dass es immer zu einer Auszahlung kommen muss. Denn die Leistung wird anspruchsbegründend versprochen. Arbeitnehmer werden erfahrungsgemäß nicht damit rechnen, dass die Leistung auch auf null festgelegt werden und dadurch für den jeweiligen Turnus ganz entfallen kann. Diese Möglichkeit erscheint eher wie eine Spitzfindigkeit des Klauselerstellers. So ist es doch nicht ohne Widerspruch, eine Leistung zu versprechen, dieses Versprechen aber durch die Festlegung auf null wieder zurückzunehmen. Für den Arbeitnehmer wird es eine der wichtigsten Informationen sein, in welcher Höhe er sicher mit einer Zahlung rechnen kann. Weiß er, wieviel er mindestens erhalten muss, kann er den Vertrag besser bewerten. Ihm ist bewusst, dass er

396 Für Widerrufsvorbehalte genauso Kluge, Widerrufsvorbehalte zur Absenkung des Arbeitsentgelts aus „wirtschaftlichen Gründen“ in vorformulierten Arbeitsverträgen, S. 136 ff. 397 Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 326; BeckOGK/Eckelt, § 307 BGB Rn. 125; s. auch Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 176.

438

Kap. 5: Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

unter Umständen gar keine Leistung oder einen vereinbarten „Sockel“ erhält, aber jederzeit die Möglichkeit besteht, eine höhere Zahlung zu erhalten. Dadurch kann er den Vertrag auch mit den Konditionen möglicher anderer Arbeitgeber besser vergleichen. Er lässt sich auf einen Vertrag ein, der ihm eine Leistung verspricht und zusätzlich die Chance zugesteht, eine höhere Leistung zu erhalten. Soll die Leistung auch auf null festgelegt werden können, ist ein Hinweis darauf unentbehrlich. d) Zwischenergebnis: Unklarheiten über den Inhalt des Leistungsanspruchs bei Vertragsabschluss Enthält ein Bestimmungsvorbehalt keinerlei Angaben zur möglichen Höhe der versprochenen Leistung, bestehen erhebliche Unklarheiten über den Inhalt des eingeräumten Zahlungsanspruchs. Die Unklarheiten während der Vertragsdurchführung sind zwar gering, da der Arbeitnehmer eine erfolgte Leistungsbestimmung bereits anhand der zu regelnden Entscheidungskriterien auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen kann.398 Dementsprechend scheidet eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers wegen fehlender Angaben über den Leistungsumfang bei der Vertragsdurchführung aus.399 Bei Vertragsabschluss hat der Arbeitnehmer aber keine Möglichkeit, den Inhalt des Bestimmungsrechts und des ihm eingeräumten Anspruchs zu erkennen.400 Die Zahlung könnte aus Sicht des Arbeitnehmers jede erdenkliche Höhe annehmen, wenn sich dazu in der Klausel keine Regelungen finden. Da die Leistung anspruchsbegründend versprochen ist, wird dem Arbeitnehmer dabei vor allem auch nicht deutlich, dass die Leistung unter Umständen durch Festlegung auf null gänzlich entfallen kann.401 2. Gebotenheit und Zumutbarkeit einer Konkretisierung des Leistungsumfangs Gerade hinsichtlich einseitiger Leistungsbestimmungsrechte wird unter Bezugnahme auf das Bestimmtheitsgebot häufig postuliert, der Umfang müsse tatbestandlich möglichst genau und transparent konkretisiert werden.402 So fordern 398

S. dazu Kapitel 5 B. III. 2. b) und B. III. 10. S. Kapitel 5 B. IV. 1. a). 400 S. Kapitel 5 B. IV. 1. b). 401 S. Kapitel 5 B. IV. 1. c). 402 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 258; Ulmer/Brandner/Hensen/ Fuchs, § 307 BGB Rn. 340; vgl. auch Günther, AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen, S. 187; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 571; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 307 BGB Rn. 167; HK-ArbR/Boemke/Ulrici, § 307 BGB Rn. 21; Heinrichs, in: FS Trinkner, S. 157, 167 f. 399

B. Die transparente Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

439

auch der BGH bei Preisanpassungsklauseln403 und das BAG bei Widerrufsvorbehalten404, dass der Umfang der jeweils vorbehaltenen Änderung so weit wie möglich konkretisiert wird. Muss der Leistungsumfang also auch bei arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten konkretisiert werden? Gegen eine Pflicht, die Leistungshöhe konkretisieren zu müssen, spricht der bereits mehrfach thematisierte405 Sinn eines Bestimmungsvorbehalts, dem Arbeitgeber Flexibilität bei der Leistungsgewährung einzuräumen, damit er angemessen auf unvorhergesehene Entwicklungen reagieren kann406. Die denkbaren Entwicklungen sind vielzählig und der Arbeitgeber kann umso besser auf sie reagieren, je weiter sein Bestimmungsvorbehalt ist.407 Die Transparenzanforderungen dürfen deshalb nicht überspannt werden.408 So ist es dem Arbeitgeber nicht zumutbar, die Höhe der Leistung im Voraus allzu konkret festzulegen. Zunächst ist festzustellen, dass aus Gründen des Kernbereichsschutzes ohnehin nur ein Teil der Gesamtvergütung variabel versprochen werden kann.409 Ist die Höhe der jeweiligen Leistung dem Arbeitnehmer nicht ersichtlich, ist also keineswegs der gesamte wesentliche Inhalt des Vertrags nicht mehr erkennbar. Der Großteil der arbeitgeberseitigen Leistungen ist dem Arbeitnehmer in jedem Fall 403 BGH v. 11.06.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518; BGH v. 20.05.1985 – VII ZR 198/84, BGHZ 94, 335; BGH v. 26.05.1986 – VIII ZR 218/85, NJW 1986, 3134; BGH v. 12.01.1994 – VIII ZR 165/92, NJW 1994, 1060; BGH v. 19.11.2002 – X ZR 243/01, NJW 2003, 507 Rn. 25; BGH v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11 Rn. 39. 404 S. etwa BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87 Rn. 28; vgl. dazu ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 60; HKArbR/Boemke/Ulrici, § 308 BGB Rn. 61. 405 S. etwa unter Kapitel 4 B. III. 3. d) und B. VII. 3. a). 406 Vgl. zum Zweck von Bestimmungsvorbehalten Stoffels, RdA 2015, 276, 278; Voigt/Steeger, DB 2018, 646; nach BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 636/11, zitiert nach juris Rn. 33 entsprechen sie einem Bedürfnis des Wirtschaftslebens; vgl. zum Flexibilisierungsinteresse des Arbeitgebers generell HWK/Roloff, Anh. §§ 305–310 BGB Rn. 28; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, ArbR Rn. 133; Stoffels, NZA 2017, 1217, 1219; Hanau/Hromadka, NZA 2005, 73; MAH ArbR/Hexel, § 25 Rn. 27; ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 56; Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 70 ff.; Clemenz/ Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 51; Kluge, Widerrufsvorbehalte zur Absenkung des Arbeitsentgelts aus „wirtschaftlichen Gründen“ in vorformulierten Arbeitsverträgen, S. 113 ff.; Richardt, Arbeitsvertragliche Flexibilisierung von Entgeltbedingungen, S. 1 ff.; Hofmann, Entgeltflexibilisierung und AGB-Kontrolle, S. 1 ff.; BAG v. 11.04. 2006 – 9 AZR 557/05, NZA 2006, 1149 Rn. 36; BAG v. 13.03.2007 – 9 AZR 433/06, AP Nr. 26 zu § 307 BGB Rn. 41; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 36/09, DB 2010, 2805 Rn. 31. 407 S. dazu auch unter Kapitel 5 B. III. 3. a). 408 Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 89; HK-ArbR/Boemke/Ulrici, § 307 BGB Rn. 23; NK-ArbR/Peterhänsel, § 307 BGB Rn. 39; s. auch Stoffels, ZfA 2009, 861, 878 f., der meint im Arbeitsrecht trete die Abschlusstransparenz in den Hintergrund und deshalb dürfe das Transparenzgebot nicht zu streng angewendet werden. 409 Dazu eingehend unter Kapitel 4 B. IV.

440

Kap. 5: Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

konkret bekannt. Insofern ist das Interesse an genauer Kenntnis über die Zahlungshöhe geringer, weil nicht das gesamte Gehalt unter einen Bestimmungsvorbehalt gestellt werden kann. Das bedeutet jedoch nicht, dass gar kein Interesse des Arbeitnehmers daran besteht, die Höhe von Zahlungen einschätzen zu können, die unter einen Bestimmungsvorbehalt gestellt sind. Auch diese Leistungen werden erfahrungsgemäß von erheblicher Bedeutung für den Vertragsschluss sein und die Abschlussentscheidung des Arbeitnehmers wesentlich beeinflussen.410 Entscheidend ist, dass der Arbeitnehmer ohne Angaben über die Höhe der Leistung bei Vertragsschluss kaum etwas über den Inhalt seines Zahlungsanspruchs weiß. Die Höhe wird bei einem Anspruch auf Zahlung jedoch die mit Abstand wichtigste Information sein. Nicht umsonst wird bei Preisanpassungsklauseln411 und Widerrufsvorbehalten412 als Voraussetzung der Transparenz regelmäßig gefordert, dass der Umfang aus der Klausel erkennbar sein muss. Zwar wäre eine Konkretisierung bei Bestimmungsvorbehalten für den Arbeitnehmer unter Umständen auch negativ. Denn die vorherige Umschreibung der Höhe könnte den Auszahlungsanspruch gegebenenfalls „deckeln“. Für Arbeitgeber läge es auch näher, die obere Grenze der Leistung nicht allzu hoch festzulegen, da sonst womöglich Unzufriedenheit und höhere Zahlungsforderungen zu befürchten wären, wenn die Maximalhöhe zu weit unterschritten wird. Das ist aber nicht zwingend. Es sind auch Ausgestaltungen denkbar, die die Höhe konkretisieren, ohne den Anspruch nach oben zu begrenzen.413 Die Konkretisierung der Höhe würde außerdem die Transparenz der Klausel signifikant erhöhen und dem Arbeitnehmer dadurch zum Vorteil gereichen. Denn ihm würde eine informierte Abschlussentscheidung ermöglicht, indem er den Inhalt des Anspruchs erheblich besser erkennen und einen angemessenen Vergleich mit anderen Arbeitgebern anstellen könnte. Das Argument, eine Konkretisierungspflicht könnte auch zum Nachteil des Arbeitnehmers gereichen, kommt außerdem dem nicht zulässigen Preisargument nahe und vermag aus ähnlichen Gründen wie jenes414 nicht zu überzeugen: Ob der Arbeitgeber aufgrund einer

410

S. dazu auch Kapitel 5 B. IV. 1. b), B. III. 2. c) und B. III. 5. b). BGH v. 11.06.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518; BGH v. 20.05.1985 – VII ZR 198/84, BGHZ 94, 335; BGH v. 26.05.1986 – VIII ZR 218/85, NJW 1986, 3134; BGH v. 12.01.1994 – VIII ZR 165/92, NJW 1994, 1060; BGH v. 19.11.2002 – X ZR 243/01, NJW 2003, 507 Rn. 25; BGH v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11 Rn. 39. 412 S. etwa BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87 Rn. 28; vgl. dazu ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 60; HKArbR/Boemke/Ulrici, § 308 BGB Rn. 61. 413 S. dazu unter Kapitel 5 B. IV. 5. 414 Zum Preisargument s. etwa Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 17; BeckOK-BGB/ H. Schmidt, § 307 Rn. 35; MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 45 f.; Ulmer/Brand411

B. Die transparente Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

441

vorherigen Konkretisierung von einer höheren Zahlung absehen oder gar von Anfang an eine niedrigere Obergrenze wählen würde, ist nicht mit Sicherheit festzustellen.415 Darüber hinaus ist die Höhe des Zahlungsversprechens nicht Gegenstand der Prüfung, sondern dessen Einschränkung durch einen Bestimmungsvorbehalt.416 Die Interessen des Arbeitnehmers gebieten folglich eine Konkretisierung des Leistungsumfangs, da andernfalls der Inhalt des Zahlungsversprechens bei Vertragsschluss für den Arbeitnehmer nicht einzuschätzen ist. Eine solche Konkretisierung ist dem Arbeitgeber zumutbar. Denn ein Bestimmungsvorbehalt erfüllt auch bei Konkretisierung des Leistungsumfangs seinen Zweck und ermöglicht die angemessene Reaktion auf unvorhergesehene Entwicklungen, solange keine zu weitgehende Konkretisierung gefordert wird. 3. Zwischenergebnis: Erforderlichkeit der Konkretisierung des Leistungsumfangs in Bestimmungsvorbehalten Es hat sich gezeigt, dass der Arbeitgeber die Höhe der Leistung bereits im Bestimmungsvorbehalt grundsätzlich konkretisieren muss.417 Andernfalls kann der Arbeitnehmer den Inhalt des Bestimmungsrechts und des ihm eingeräumten Anspruchs nicht ausreichend erkennen.418 Die Zahlungshöhe, die den wichtigsten Parameter für die Einschätzung des Anspruchs darstellt, bliebe vollkommen unklar. Dem Arbeitgeber ist es auf der anderen Seite zumutbar, die Höhe zu konkretisieren, solange keine zu ausufernde Konkretisierung verlangt wird. Er kann trotz Konkretisierung der Leistungshöhe angemessen auf unvorhergesehene Entwicklungen reagieren419, wenn in der Höhe ein ausreichender Spielraum verbleibt. Das Gesagte führt im Ergebnis jedoch nur zu einer Konkretisierungspflicht, wenn der Arbeitnehmer andernfalls durch die dargestellte Intransparenz unangemessen benachteiligt wird. Dies soll nachfolgend erörtert werden.

ner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 145; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 493; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 224 ff.; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 129. 415 Zum Preisargument so etwa Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 130. 416 Vgl. dazu in anderem Zusammenhang Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 131. 417 A. A. BAG v. 03.08.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334 Rn. 21; Pfrogner, BB 2018, 757, 758; im Ergebnis wohl wie das BAG: Wensing/Boensch, BB 2014, 2358; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400; Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65; Kössel, DB 2016, 2963; Lunk/Leder, NJW 2015, 3766; Kössel, DB 2016, 2963; BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 101. 418 S. dazu insbesondere Kapitel 5 B. IV. 1. b) und B. IV. 1. c). 419 S. zu diesem Zweck etwa unter Kapitel 4 B. III. 3. d) und B. VII. 3. a) aa).

442

Kap. 5: Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

4. Unangemessene Benachteiligung ohne Angaben zum Leistungsumfang: Vereitelung von Marktchancen Aus dem Vorgesagten ergibt sich, dass bei Bestimmungsvorbehalten, die keine Regelung zum Umfang der Leistung enthalten, eine unangemessene Benachteiligung durch Intransparenz vorliegt.420 a) Grundsätzliche Benachteiligung bei Vertragsschluss ohne Konkretisierung des Leistungsumfangs Es wurde bereits dargestellt, dass der Arbeitnehmer keine informierte Vertragsabschlussentscheidung treffen kann, wenn er zum Umfang des Bestimmungsvorbehalts und der versprochenen Leistung nichts erkennen kann.421 Ein Bestimmungsvorbehalt ohne Konkretisierung seines Umfangs ist intransparent und verhindert, dass der Arbeitnehmer sich ausreichend über den Inhalt des Bestimmungsrechts und des ihm eingeräumten Anspruchs informieren kann. Dadurch wird er sowohl daran gehindert, Vertragsverhandlungen über eine höhere Leistung anzustreben als auch den Vertrag ausreichend mit möglichen anderen Angeboten zu vergleichen. Da eine Geldleistung regelmäßig erhebliche Bedeutung für die Vertragsabschlussentscheidung eines Arbeitnehmers haben wird422, wird er dadurch unangemessen benachteiligt. Das Transparenzgebot soll den Vertragspartner schließlich in die Lage versetzen, die wirtschaftlichen Folgen der Klausel absehen und anhand dessen entscheiden zu können, ob er sich daran binden will.423 An dieser Entscheidung und an der Wahrnehmung der möglichen Alternativen ist der Vertragspartner gehindert, wenn der Umfang einer Leistungspflicht unklar bleibt.424 b) Keine Benachteiligung bei Leistungen ohne Abschlussrelevanz Betrifft ein Bestimmungsvorbehalt hingegen eine Leistung, bei der es völlig fernliegend ist, dass sie die Vertragsabschlussentscheidung des Arbeitnehmers beeinflussen kann, wird der Arbeitnehmer durch die Intransparenz nicht unange420 Zum Erfordernis einer Benachteiligung im Rahmen der Transparenzprüfung s. Kapitel 3 A. 421 S. unter Kapitel 5 B. IV. 1. b); s. zur spezifischen Benachteiligung durch Intransparenz bei Vertragsschluss Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 79; vgl. auch Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 250; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 175; für die essentialia negotii und andere wettbewerbsrelevante Umstände nimmt Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 332 unter dem Stichpunkt „Abschlusstransparenz“ eine unwiderlegliche Vermutung der unangemessenen Benachteiligung an. 422 S. dazu auch Kapitel 5 B. III. 5. b). 423 BGH v. 25.11.2015 – VIII ZR 360/14, NJW 2016, 936 Rn. 26; s. auch BGH v. 31.07.2013 – VIII ZR 162/09, NJW 2013, 3647. 424 Heinrichs, in: FS Trinkner, S. 157, 163.

B. Die transparente Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

443

messen benachteiligt. Ist der Inhalt eines Leistungsversprechens für die Entscheidung bedeutungslos, gilt das auch für den Inhalt des mit ihm verbundenen Bestimmungsvorbehalts.425 Dass die Einschränkung eines Leistungsversprechens keine Abschlussrelevanz hat, stellt bei Geldleistungen erfahrungsgemäß allerdings den Ausnahmefall dar.426 Vorstellbar ist eine solche Konstellation nur bei bestimmten Sonderzahlungen, die in der Regel nicht ins Gewicht fallen, weil ihre Auszahlung unregelmäßig oder in großen Abständen erfolgt und sie einen geringen Umfang einnehmen (z. B. Zahlungen zum Geschäftsjubiläum oder ein Hochzeitsgeld). Bestimmungsvorbehalte über derartige Leistungen sind folglich nicht aus dem Grund unwirksam gem. § 307 Abs. 1 S. 1, 2 BGB, dass sie keine Regelung zum Leistungsumfang enthalten. Die Konkretisierungspflicht des Arbeitgebers entfällt. c) Fazit: regelmäßig unangemessene Benachteiligung ohne Konkretisierung des Leistungsumfangs Enthält ein Bestimmungsvorbehalt keine Konkretisierung der möglichen Leistungshöhe, entstehen Unklarheiten über den Inhalt des Leistungsversprechens und des Bestimmungsvorbehalts427, die dem Arbeitnehmer eine informierte Vertragsabschlussentscheidung verwehren und ihn dadurch unangemessen benachteiligen. Bestimmungsvorbehalte sind also grundsätzlich nur wirksam, wenn die Leistungshöhe konkretisiert wird. Diese Benachteiligung bei Vertragsschluss besteht ausnahmsweise nicht, wenn ein Bestimmungsvorbehalt eine Leistung betrifft, die keinerlei hypothetische Relevanz für die Vertragsabschlussentscheidung des Arbeitnehmers hat. Bestimmungsvorbehalte über solche Leistungen bedürfen keiner Konkretisierung der Leistungshöhe. 5. Zumutbarer Konkretisierungsgrad des Leistungsumfangs in Bestimmungsvorbehalten In diesem Abschnitt soll dargestellt werden, welcher Grad der Konkretisierung aus Transparenzgründen geboten und dem Arbeitgeber zumutbar ist.428 Es bleibt 425

S. dazu bereits Kapitel 5 B. III. 5. b), B. III. 8: und B. III. 9. a) bb). S. auch Kapitel 5 B. III. 5. b). 427 Dazu auch schon unter Kapitel 5 B. IV. 1. b). 428 Zum Erfordernis der Zumutbarkeit und zur Beachtung der berechtigten Interessen des Verwenders s. statt aller: BGH v. 03.03.2004 – VIII ZR 149/03, NJW 2004, 1738; BGH v. 06.10.2004 – VIII ZR 215/03, NZM 2004, 903; BGH v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11 Rn. 9; BGH v. 25.11.2015 – VIII ZR 360/14, NJW 2016, 936 Rn. 32; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 236, 247; Stoffels, AGBRecht, Rn. 573; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 194; BeckOGK/Eckelt, § 307 BGB Rn. 129.1; BeckOK-ArbR/Jacobs, § 307 BGB Rn. 59; Clemenz/Kreft/Krause/ 426

444

Kap. 5: Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

zu beachten, dass mangels unangemessener Benachteiligung keine Konkretisierung nötig ist, wenn der Bestimmungsvorbehalt eine Leistung betrifft, die keinerlei hypothetische Relevanz für den Vertragsabschluss hat.429 a) Keine Pflicht zur Festlegung eines starren Leistungsrahmens Nicht zumutbar wäre es, aus Transparenzgründen430 eine starre Festlegung der Höhe etwa durch Regelung eines Rahmens zu fordern, in dem sich die Leistungsbestimmung zwingend bewegen muss.431 Sinn eines Bestimmungsvorbehalts ist es schließlich, dem Arbeitgeber die flexible Reaktion auf unvorhersehbare Entwicklungen zu ermöglichen.432 Da das Arbeitsverhältnis auf Dauer angelegt ist und einer Vielzahl möglicher Einflussfaktoren unterliegt, ist es dem Arbeitgeber nicht zumutbar, die Leistung bei Vertragsschluss abschließend einzugrenzen. Der Arbeitgeber könnte den Rahmen zwar so weit fassen, wie er es für nötig hält; es treten aber dennoch Probleme bei der Festlegung dieses Rahmens auf. So weiß der Arbeitgeber bei Vertragsschluss in der Regel nicht, welche Höhe die Leistung in der Zukunft einmal einnehmen soll. Er müsste entweder einen besonders weiten Rahmen wählen, um möglichst flexibel zu bleiben. Ein solcher könnte ihn aber zu höheren Auszahlungen zwingen als beabsichtigt, da die Ausübung nach billigem Ermessen ihn bei guter Entwicklung der Entscheidungsfaktoren zu einer vollen Ausschöpfung des Rahmens verpflichten könnte. Alternativ könnte er nur einen Rahmen wählen, der bei Vertragsschluss angemessen erscheint. Möchte er im Verlauf des Arbeitsverhältnisses dann doch eine höhere Zahlung leisten, müsste er entweder im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer durch Vertragsänderung den Rahmen erhöhen oder eine zusätzliche freiwillige Leistung auszahlen, die allerdings durch betriebliche Übung zu einem Anspruch erwachsen könnte.433 Diese Konstellationen soll ein Bestimmungsvorbehalt aber vermeiden. Da die langfristige Kalkulation im Arbeitsverhältnis besonderen Schwierigkeiten begegnet434, soll der Arbeitgeber die Leistung nach den tatsächlichen Entwicklungen festlegen können. Eine rahmenmäßige Konkretisierung wäre auch nicht zwingend notwendig, um dem Arbeitnehmer die Einschätzung des Inhalts zu ermöglichen. Der ArbeitnehKlumpp, § 307 BGB Rn. 87 ff.; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 348; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 307 BGB Rn. 154. 429 Dazu soeben unter Kapitel 5 B. IV. 4. b). 430 Das kann unter Umständen aber zum Schutz des Kernbereichs nötig sein. S. zu den daraus resultierenden Anforderungen an die Regelung des Leistungsumfangs ausführlich unter Kapitel 4 B. IV. 7. 431 Vgl. auch Pfrogner, BB 2018, 757, 758. 432 S. etwa unter Kapitel 4 B. III. 3. d) und B. VII. 3. a) aa). 433 S. zum Institut der betrieblichen Übung statt vieler: ErfK/Preis, § 611a BGB Rn. 220 ff.; MüKo-BGB/Müller-Glöge, § 611 BGB Rn. 411 ff. 434 S. dazu insbesondere Kapitel 4 B. VII. 3. a) aa).

B. Die transparente Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

445

mer muss nicht im Voraus abschließend erkennen können, welche Höhe die Leistung einnehmen wird. Auch ihm wird klar sein, dass die Leistung aufgrund der Dauerhaftigkeit des Arbeitsverhältnisses und der Vielzahl möglicher Einflussfaktoren nicht starr bleiben kann, sondern sich mit der Zeit in Abhängigkeit von den relevanten Faktoren verändern wird. Es genügt, dass er eine Vorstellung davon hat, in welcher Größenordnung sich die Leistung voraussichtlich bewegen wird und welche Faktoren dafür maßgeblich sind. Transparenz bedeutet schließlich die Fokussierung der Information auf die wesentlichen Punkte und keine umfassende Informationspflicht.435 Darüber hinaus wäre es für ihn von Vorteil, wenn sein Anspruch nicht schon vertraglich auf eine Maximalhöhe begrenzt würde. b) Höhenangaben zur Orientierung sind notwendig und zumutbar Hat der Arbeitnehmer hingegen gar keine Anhaltspunkte über die mögliche Größenordnung der Leistung, entstehen zu große Unklarheiten über den Inhalt des Bestimmungsrechts und des Umfangs der Leistung.436 Um diese zu vermeiden, genügt jedoch irgendeine Regelung zur Leistungshöhe, die dem Arbeitnehmer eine realistische Einschätzung der voraussichtlichen Größenordnung der Zahlung ermöglicht. Das könnte beispielsweise die Angabe einer angestrebten oder erwarteten „Zielhöhe“ 437, eines voraussichtlichen Rahmens oder eines (aktuellen) Orientierungswertes sein. Ebenso denkbar wäre ein Verweis auf eine Zielvereinbarung, weil der Arbeitnehmer dabei selbst die Möglichkeit hat, die Höhe zu beeinflussen. Der Arbeitgeber kann sich natürlich ebenso für die Festlegung eines Rahmens entscheiden, in dem sich die Leistung bewegen muss. Das böte die größte Sicherheit für den Arbeitnehmer. Dass derartige Konkretisierungen dem Arbeitgeber möglich sind, zeigt auch die Praxis der Klauselgestaltung. So wird bei Widerrufsvorbehalten oftmals eine konkrete Leistung versprochen.438 Aber auch bei Bestimmungsvorbehalten werden in der Praxis teilweise Angaben zur Höhe gemacht.439 Transparente Ausgestaltungen zum Leistungsumfang bei Bestimmungsvorbehalten könnten etwa wie folgt aussehen:

435 Vgl. dazu Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 349; Stoffels, AGBRecht, Rn. 573; Stoffels, ZfA 2009, 861, 878 ff.; Stoffels, RdA 2015, 276, 279. 436 Zur Regelung der Höhe rät auch Salamon, NZA 2014, 465, 471, um Unwägbarkeiten bei einer gerichtlichen Entscheidung zu vermeiden. 437 Die Regelung einer „Zielleistung“ rät auch Salamon, NZA 2014, 465, 471. 438 S. etwa BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87; BAG v. 25.04.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 85; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777. 439 So etwa bei BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 636/11, AuA 2013, 711; BAG v. 15.05.2013 – 10 AZR 679/12, NJW-Spezial 2013, 563; BAG v. 23.08.2017 – 10 AZR 376/16, NZA 2017, 1595; s. dazu auch Wensing/Boensch, BB 2014, 2358, 2360.

446

Kap. 5: Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

Beispiel 1 (aktueller Orientierungswert): „Ihr Leistungsbonus kann zwischen 0–200 % Ihres Basiswertes betragen, der zur Zeit bei EUR [. . .] brutto liegt.“ 440 Beispiel 2 (aktueller Orientierungswert): „[. . .] deren Höhe derzeit ein volles Monatsgehalt nicht übersteigt.“ 441 Beispiel 3 (voraussichtlicher „Ziel-Rahmen“): Die Höhe des Leistungsbonus wird nach dem Stand bei Vertragsschluss voraussichtlich zwischen . . . A und . . . A liegen. Beispiel 4 (angestrebte „Zielhöhe“): Nach dem Stand bei Vertragsschluss wird eine voraussichtliche Höhe von etwa . . . A angestrebt/erwartet. Beispiel 5 (Festlegung eines Rahmens): Die Höhe des Leistungsbonus wird zwischen . . . A und . . . A betragen. c) Die Möglichkeit einer Festlegung der Leistung auf null muss deutlich erkennbar sein Unentbehrlich ist in jedem Fall aber ein Hinweis darauf, welchen Wert die Leistung mindestens einnehmen wird bzw. dass sie auch auf null festgelegt werden kann.442 Das kann sich aus der Regelung zur Höhe direkt ergeben, wie etwa bei der Festlegung eines zwingend einzuhaltenden Rahmens. Ansonsten ist ein ausdrücklicher Hinweis nötig. Die Regelung einer Mindesthöhe erscheint auf den ersten Blick zwar problematisch. Da diese aber auch null betragen kann, ist es dem Arbeitgeber ohne weiteres möglich, sie im Voraus festzulegen. Die Möglichkeit, auf unvorhergesehene Entwicklungen zu reagieren443, wird dadurch ebenso wenig eingeschränkt. 440 Nach BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 636/11, AuA 2013, 711; BAG v. 15.05.2013 – 10 AZR 679/12, NJW-Spezial 2013, 563. 441 Aus BAG v. 23.08.2017 – 10 AZR 376/16, NZA 2017, 1595. 442 S. dazu unter Kapitel 5 B. IV. 1. c). 443 Vgl. zum Zweck von Bestimmungsvorbehalten Stoffels, RdA 2015, 276, 278; Voigt/Steeger, DB 2018, 646; nach BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 636/11, zitiert nach juris Rn. 33 entsprechen sie einem Bedürfnis des Wirtschaftslebens; vgl. zum Flexibilisierungsinteresse des Arbeitgebers generell HWK/Roloff, Anh. §§ 305–310 BGB Rn. 28; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Stoffels, ArbR Rn. 133; Stoffels, NZA 2017, 1217, 1219; Hanau/Hromadka, NZA 2005, 73; MAH ArbR/Hexel, § 25 Rn. 27; ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 56; Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 70 ff.; Clemenz/ Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 51; Kluge, Widerrufsvorbehalte zur Absenkung des Arbeitsentgelts aus „wirtschaftlichen Gründen“ in vorformulierten Arbeitsverträgen, S. 113 ff.; Richardt, Arbeitsvertragliche Flexibilisierung von Entgeltbedingungen, S. 1 ff.; Hofmann, Entgeltflexibilisierung und AGB-Kontrolle, S. 1 ff.; BAG v. 11.04.2006 – 9 AZR 557/05, NZA 2006, 1149 Rn. 36; BAG v. 13.03.2007 – 9 AZR 433/06, AP Nr. 26 zu § 307 BGB Rn. 41; BAG v. 13.04.2010 – 9 AZR 36/09, DB 2010, 2805 Rn. 31.

B. Die transparente Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

447

Für den Arbeitnehmer hingegen ist die Erkenntnis unentbehrlich, dass die Leistung auch null betragen und eine Auszahlung somit entfallen kann oder welche Höhe sie mindestens einnehmen wird. Denn die Möglichkeit einer Festlegung der Leistung auf null wird für ihn nicht ohne weiteres erkennbar sein, da vertraglich ein Anspruch gewährt wird.444 Die Beispiele 2–4 bedürfen also des zusätzlichen Hinweises, dass die Leistung unter Umständen auch null betragen kann.445 Die Konkretisierung der Höhe könnte dann wie folgt aussehen: Beispiel 2a (aktueller Orientierungswert – vollständig): „[. . .] deren Höhe derzeit ein volles Monatsgehalt nicht übersteigt. [In Ausnahmefällen kann die Leistung in Abhängigkeit vom wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens auf null festgelegt werden.]“ 446 Beispiel 3a (voraussichtlicher „Ziel-Rahmen“ – vollständig): Die Höhe des Leistungsbonus wird nach dem Stand bei Vertragsschluss voraussichtlich zwischen . . . A und . . . A liegen. In Ausnahmefällen kann die Leistung in Abhängigkeit vom wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens und der Leistung des Arbeitnehmers auf null festgelegt werden. Beispiel 4a (angestrebte „Zielhöhe“ – vollständig): Nach dem Stand bei Vertragsschluss wird eine voraussichtliche Höhe von etwa . . . A angestrebt/erwartet. In Ausnahmefällen kann die Leistung in Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens auch auf null festgelegt werden. d) Zusammenfassung Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte setzt keine Regelung eines starren Rahmens für den Leistungsumfang voraus.447 Notwendig ist jedoch irgendeine Regelung zur Leistungshöhe, die dem Arbeitnehmer eine realistische Einschätzung der voraussichtlichen Größenordnung der Zahlung ermöglicht. Es muss außerdem deutlich werden, dass die Leistung auf null festgelegt werden kann oder welche Höhe sie mindestens einnehmen wird. Durch diese Anforderungen werden die Interessen der beiden Vertragsparteien sinnvoll in Ein444

Ausführlich dazu unter Kapitel 5 B. IV. 1. c). In welchen Fällen eine Festlegung auf null zulässig ist, ist eine Frage der Ausübung und soll hier nicht vertieft diskutiert werden. Die folgenden Formulierungen richten sich nach der allgemeinen Auffassung, dass eine Festlegung auf null nur im Ausnahmefall möglich ist. S. dazu BAG v. 19.03.2014 – 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595; Stoffels, NZA 2017, 1217, 1224; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400, 2402; BLDH/ Lingemann, Kap. 2 Rn. 101; Arnold, ArbRAktuell 2013, 180; Stoffels, RdA 2015, 276, 278 f.; Niklas, ArbRB 2018, 353, 354. 446 Nach BAG v. 23.08.2017 – 10 AZR 376/16, NZA 2017, 1595. 447 Das kann unter Umständen aber zum Schutz des Kernbereichs nötig sein. S. dazu ausführlich unter Kapitel 4 B. IV. 445

448

Kap. 5: Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

klang gebracht und eine unangemessene Benachteiligung wegen Intransparenz vermieden. 6. Ergebnis Arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte über Geldleistungen sind entgegen überwiegender Ansicht448 regelmäßig intransparent und unwirksam gem. § 307 Abs. 1 S. 1, 2 BGB, wenn sie keine Angaben über den Leistungsumfang enthalten. Es entsteht zwar keine Intransparenz bei der Vertragsabwicklung, die den Arbeitnehmer davon abhalten könnte, seine Rechte geltend zu machen.449 Bei Vertragsabschluss hat der Arbeitnehmer aber keine Möglichkeit, den Inhalt des Bestimmungsrechts und des ihm eingeräumten Anspruchs zu erkennen.450 Die Zahlung könnte aus Sicht des Arbeitnehmers jede erdenkliche Höhe annehmen, wenn sich dazu in der Klausel keine Regelungen finden. Da die Leistung anspruchsbegründend versprochen ist, wird dem Arbeitnehmer dabei auch nicht deutlich, dass die Leistung durch Festlegung auf null gänzlich entfallen kann.451 Diese fehlenden Kenntnisse über die mögliche Größenordnung der Leistung führen zur Intransparenz der Klausel und verwehren es dem Arbeitnehmer, eine informierte Vertragsabschlussentscheidung zu treffen. Dadurch wird er unangemessen benachteiligt.452 Das gilt jedoch nicht für Bestimmungsvorbehalte über Leistungen, die keine hypothetische Relevanz für die Vertragsabschlussentscheidung des Arbeitnehmers haben.453 Bei diesen muss der Umfang nicht konkretisiert werden. Bei allen anderen Leistungen ist eine Konkretisierung des Umfangs geboten und dem Arbeitgeber zumutbar.454 Sie könnte für den Arbeitnehmer unter Umständen zwar auch Nachteile haben. Das ist aber nicht sicher festzustellen und bei der hier geforderten Konkretisierung ohnehin nicht der Fall. Schließlich ist insbesondere wegen des Zwecks von Bestimmungsvorbehalten, dem Arbeitgeber eine angemessene Reaktion auf unvorhergesehene Entwicklungen zu ermöglichen, keine Festlegung eines starren Rahmens nötig.455 Geboten sind hingegen Regelungen zur voraussichtlichen oder angestrebten Höhe, wie z. B. die Angabe eines Orientierungswertes oder des intendierten Zahlungsrahmens, die dem Ar448 Vgl. Pfrogner, BB 2018, 757, 758; BAG v. 03.08.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334 Rn. 21; im Ergebnis wohl wie das BAG: Wensing/Boensch, BB 2014, 2358; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400; Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65; Kössel, DB 2016, 2963; Lunk/Leder, NJW 2015, 3766; BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 101. 449 S. Kapitel 5 B. IV. 1. a). 450 S. Kapitel 5 B. IV. 1. b). 451 S. Kapitel 5 B. IV. 1. c). 452 S. Kapitel 5 B. IV. 4. a). 453 S. dazu Kapitel 5 B. IV. 4. b). 454 S. Kapitel 5 B. IV. 2. 455 S. Kapitel 5 B. IV. 5. a).

B. Die transparente Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

449

beitnehmer eine realistische Einschätzung der voraussichtlichen Größenordnung der Zahlung ermöglichen. Derartige Regelungen sind ohne weiteres möglich und zumutbar.456 Unentbehrlich für den Arbeitnehmer ist dabei die Erkenntnis, dass die Leistung auch auf null festgelegt werden kann oder welche Höhe sie mindestens einnimmt.457 Das muss entweder eindeutig aus der Regelung zur Höhe folgen, wie etwa bei der Angabe eines Rahmens, oder bedarf eines ausdrücklichen Hinweises.458

V. Zur transparenten Regelung des Entscheidungsmaßstabs und der Möglichkeit einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle in Bestimmungsvorbehalten An dieser Stelle soll ein Blick auf die transparente Regelung des Entscheidungsmaßstabs in arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten geworfen werden. In der Angemessenheitskontrolle wurde bereits herausgearbeitet, dass Bestimmungsvorbehalte nur angemessen sind, wenn ihre Ausübung an billiges Ermessen gebunden wird.459 Hier soll nun untersucht werden, welche Auswirkungen das Transparenzgebot auf die Regelung des Entscheidungsmaßstabs hat. Dafür kann nicht ohne weiteres auf die Ausführungen zur Angemessenheit verwiesen werden, da die Feststellung der Intransparenz einer abweichenden Begründung bedarf und das Ergebnis einen anderen Aussagegehalt hat460. Anknüpfungspunkt ist hier die (inhaltliche) Verständlichkeit der Klausel461, während die Angemessenheitskontrolle die materielle Ausgewogenheit betrifft462. Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass die bloße Bindung der Entscheidung an billiges Ermessen für die Transparenz eines Bestimmungsvorbehalts nicht ausreichend ist.463 Es stellt sich vorliegend jedoch die Frage, ob die Unterschreitung des Maßstabs billigen Ermessens – trotz der Einhaltung der übrigen Konkretisierungsanforderungen464 bezüglich der Entscheidungskri-

456

S. Kapitel 5 B. IV. 5. b). S. Kapitel 5 B. IV. 5. c) und B. IV. 1. c). 458 S. Kapitel 5 B. IV. 5. c). 459 S. Kapitel 4 B. V. 460 S. dazu Kapitel 3 A. II. und B. II. 461 Vgl. dazu etwa Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 11. 462 Stoffels, AGB-Recht, Rn. 461, 466 ff.; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 7 ff.; ErfK/ Preis, § 310 BGB Rn. 42, 45 ff.; vgl. auch BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 29 ff.; MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 33 ff.; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 75, 157 ff. 463 S. etwa Kapitel 5 B. III., insbesondere B. III. 2. e), zusammenfassend unter B. III. 11.; Kapitel 5 B. IV., insbesondere B. IV. 1. b) und B. IV. 2. 464 Zum Verhältnis der verschiedenen Konkretisierungsanforderungen s. unter Kapitel 5 B. VI. 457

450

Kap. 5: Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

terien465 und des Entscheidungsmaßstabs466 – zur Unwirksamkeit des Bestimmungsvorbehalts wegen Intransparenz führt. Es wäre denkbar, Bestimmungsvorbehalte für intransparent zu halten, wenn der Maßstab nicht ausreichend konkretisiert ist. Ist etwa kein Maßstab geregelt oder ein zu weitreichender, könnten für den Arbeitnehmer sowohl bei Vertragsschluss als auch während der Durchführung Unklarheiten entstehen. Ist ein besonders weiter Maßstab wie das „freie Ermessen“ geregelt, ist zwar der Maßstab erkennbar. Dieser ist jedoch so weit, dass er dem Arbeitnehmer kaum einen Erkenntnisgewinn bringt. Denn der Arbeitnehmer kann nicht voraussehen, wie der Arbeitgeber sein Ermessen ausüben wird. Darüber hinaus wird angeführt, die Regelung einer Entscheidung nach freiem Ermessen könnte intransparent sein, weil der Arbeitnehmer dazu verleitet werden könnte, die Entscheidung nicht gerichtlich überprüfen zu lassen.467 Das wirft die Frage auf, ob ausdrücklich billiges Ermessen als Entscheidungsmaßstab festgelegt werden muss, damit die Möglichkeit der Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB deutlich wird, oder eventuell sogar explizit auf § 315 Abs. 3 BGB hingewiesen werden muss. 1. Die Intransparenz von Entscheidungsmaßstäben unterhalb des billigen Ermessens Es ist zunächst zu untersuchen, ob eine Unterschreitung des Entscheidungsmaßstabs billigen Ermessens zur Unwirksamkeit des Bestimmungsvorbehalts wegen Intransparenz führt. a) Unklarheiten über die Ausübung von Bestimmungsvorbehalten nach offenen Bestimmungsmaßstäben Billiges Ermessen selbst enthält bereits einen nicht unerheblichen Spielraum, den der Arbeitgeber nach seinen Interessen ausfüllen kann.468 Er bleibt aber immerhin daran gebunden, die Interessen des Arbeitnehmers angemessen zu be-

465

S. dazu Kapitel 5 B.I II. S. dazu Kapitel 5 B. IV. 467 Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65, 67. 468 Vgl. zum Spielraum billigen Ermessens BGH v. 11.06.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518; BGH v. 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, NJW 1984, 1182; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970 Rn. 33; BAG v. 15.05.2013 – 10 AZR 679/ 12, zitiert nach juris Rn. 34; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 175; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358, 2360; Niklas, ArbRB 2018, 353, 354; Pfrogner, BB 2018, 757, 760; Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn. 325 f., 329; vgl. auch Graf v. Westphalen, NJW 1982, 2465; MüKo-BGB/Würdinger, § 315 BGB Rn. 29 f.; a. A. wohl von Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, S. 41 ff.; s. aber auch BGH v. 25.05.1988 – VIII ZR 360/86, NJW-RR 1988, 1077, nach dem das Erfordernis der angemessenen Berücksichtigung der Interessen des Vertragspartners nichts über die Maßstäbe der Ausübung sagt. 466

B. Die transparente Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

451

rücksichtigen.469 Das ermöglicht es dem Arbeitnehmer in Kombination mit der Kenntnis über die relevanten Entscheidungsfaktoren470, die Leistungsbestimmung im Voraus in ihren Grundzügen einschätzen zu können.471 Entwickeln sich die relevanten Faktoren etwa positiv, kann der Arbeitnehmer davon ausgehen, eine (verhältnismäßig hohe) Zahlung zu erhalten, da sein Interesse an der Auszahlung vom Arbeitgeber zu berücksichtigen ist. Diese Möglichkeit entfällt, wenn der Arbeitgeber in seiner Entscheidung nicht vergleichbar gebunden ist (z. B. bei einer Entscheidung nach „freiem Ermessen“ oder „freiem Belieben“). Das gilt für Maßstäbe, nach denen der Arbeitgeber die Gewichtung der Kriterien festlegen und entscheiden kann, wie die tatsächlichen Entwicklungen zu bewerten sind, ohne dabei die Interessen des Arbeitnehmers berücksichtigen zu müssen, was hingegen Voraussetzung der Billigkeit wäre472. Trotz der Bindung der Entscheidung an tatbestandlich geregelte Kriterien wäre es für den Arbeitgeber dann wesentlich leichter, die Leistung niedrig oder sogar auf null festzulegen. Ist die Höhe etwa in Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Entwicklung zu bestimmen, könnte der Arbeitgeber theoretisch selbst bei positiver Entwicklung entscheiden, dass eine niedrige Festlegung der Leistung am wirtschaftlichsten ist. Das wäre bei einer Entscheidung nach billigem Ermessen in der Regel nicht möglich, da der Arbeitgeber die Interessen des Arbeitnehmers an der Zahlung zu berücksichtigen hätte. So ist auch eine Festlegung auf null im Rahmen billigen Ermessens nur im Ausnahmefall möglich.473 Die oben aufgestellte Transparenzanforderung, dass die Leistungsbestimmung in der Klausel an Kriterien zu binden ist474, wird erheblich entwertet, wenn der Arbeitgeber nicht an billiges Ermessen oder einen vergleichbaren Maßstab gebunden wird. Die 469 S. zum Inhalt billigen Ermessens etwa BGH v. 11.06.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518; BGH v. 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, NJW 1984, 1182; BAG v. 24.10.2018 – 10 AZR 285/16, NZA 2019, 387 Rn. 50; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 175; Stoffels, NZA 2017, 1217, 1220; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358, 2361; Niklas, ArbRB 2018, 353, 354; vgl. auch ErfK/Preis, § 106 GewO Rn. 10 f.; Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn. 324 ff.; AR/Kolbe, § 106 GewO Rn. 54; Henssler, SAE 1988, 164; Graf v. Westphalen, NJW 1982, 2465. 470 Zur Pflicht der Festlegung von Entscheidungskriterien s. Kapitel 5 B. III. 471 S. dazu auch Kapitel 5 B. III. 3. c) und B. III. 10. 472 S. zum Inhalt billigen Ermessens etwa BGH v. 11.06.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518; BGH v. 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, NJW 1984, 1182; BAG v. 24.10.2018 – 10 AZR 285/16, NZA 2019, 387 Rn. 50; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 175; Stoffels, NZA 2017, 1217, 1220; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358, 2361; Niklas, ArbRB 2018, 353, 354; vgl. auch ErfK/Preis, § 106 GewO Rn. 10 f.; Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn. 324 ff.; AR/Kolbe, § 106 GewO Rn. 54; Henssler, SAE 1988, 164; Graf v. Westphalen, NJW 1982, 2465. 473 BAG v. 19.03.2014 – 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595; Stoffels, NZA 2017, 1217, 1224; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400, 2402; BLDH/Lingemann, Kap. 2 Rn. 101; Arnold, ArbRAktuell 2013, 180; Stoffels, RdA 2015, 276, 278 f.; Niklas, ArbRB 2018, 353, 354. 474 S. dazu Kapitel 5 B. III.

452

Kap. 5: Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

Kenntnis über die bestimmenden Entscheidungskriterien erleichtert es dem Arbeitnehmer dann praktisch gar nicht, die Leistungsbestimmung im Voraus einzuschätzen. Der Arbeitgeber hat in diesen Fällen einen beträchtlichen Entscheidungsspielraum, aufgrund dessen der Arbeitnehmer bei Vertragsschluss nicht erkennen kann, welche Chance auf eine Auszahlung besteht und welche Größenordnung diese Zahlung einnehmen könnte. Andererseits weiß der Arbeitnehmer in der Regel, welche Kriterien gelten und dass der Arbeitgeber innerhalb dieser Kriterien frei ist, die Leistung festzulegen. Es bestehen keine Unklarheiten darüber, dass der Arbeitgeber die Interessen des Arbeitnehmers nicht berücksichtigen muss, da ein entsprechender Maßstab (z. B. „freies Ermessen“) entweder ausdrücklich geregelt ist oder sich aus einer Auslegung nach § 305c Abs. 2 BGB ergibt475. Das Transparenzgebot gebietet allerdings nicht nur, dass die Regelung an sich verständlich ist.476 Zur Transparenz gehört auch das Bestimmtheitsgebot, welches den Verwender verpflichtet, seine AGB so zu gestalten, dass der Vertragspartner den Inhalt und Umfang seiner Rechte und Pflichten erkennen kann.477 Letztendlich verhält es sich bei Bestimmungsvorbehalten, die nach einem freieren Maßstab als dem billigen Ermessen auszuüben sind, wie bei Bestimmungsvorbehalten, die keine Entscheidungskriterien enthalten.478 Der Arbeitnehmer kann nicht voraussehen, wie der Arbeitgeber das Bestimmungsrecht ausüben wird. Er weiß nicht, ob seine Interessen berücksichtigt werden und wie der Arbeitgeber bestimmte Entwicklungen bewerten wird. Dadurch kann er weder die Chance auf eine Auszahlung noch deren Größenordnung im Voraus einschätzen. b) Unangemessene Benachteiligung durch offene Bestimmungsmaßstäbe Auch die dargestellten Unklarheiten, die sich aus einer Unterschreitung des Entscheidungsmaßstabs billigen Ermessens ergeben, führen jedoch nur zur Un475

S. zur Auslegung Kapitel 4 B. V. 3. und Kapitel 5 A. I. 2. b). S. zum sog. Verständlichkeitsgebot etwa Stoffels, AGB-Recht, Rn. 569; BeckOKBGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 45; HK-ArbR/Boemke/Ulrici, § 307 BGB Rn. 17; Ulmer/ Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 325, 335; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 19; NK-ArbR/Peterhänsel, § 307 BGB Rn. 38; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 307 BGB Rn. 154; Palandt/Grüneberg, § 307 BGB Rn. 25; Henssler/Moll, AGB-Kontrolle vorformulierter Arbeitsbedingungen, S. 11; von Hoyningen-Huene, in: FS Trinkner, S. 179, 180. 477 Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 338; s. auch Clemenz/Kreft/ Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 85; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 258; HK-ArbR/Boemke/Ulrici, § 307 BGB Rn. 21; Jauernig/Stadler, § 307 BGB Rn. 6; NK-ArbR/Peterhänsel, § 307 BGB Rn. 38; BeckOK-ArbR/Jacobs, § 307 BGB Rn. 59; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 307 BGB Rn. 156a; HWK/Roloff, § 307 BGB Rn. 13. 478 S. dazu Kapitel 5 B. III. 476

B. Die transparente Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

453

wirksamkeit des Bestimmungsvorbehalts, wenn der Arbeitnehmer durch die Intransparenz unangemessen benachteiligt wird.479 aa) Vorliegen einer Benachteiligung bei der Vertragsabschlussentscheidung Hier liegt die Situation genau wie bei einem Bestimmungsvorbehalt, der keine Entscheidungskriterien enthält480: ohne die Bindung der Entscheidung an billiges Ermessen sind der Inhalt und der Umfang des Bestimmungsrechts und des Leistungsversprechens nicht ersichtlich. Da der Arbeitnehmer weder die Chance auf eine Auszahlung noch deren Größenordnung im Voraus einschätzen kann, wird ihm eine informierte Vertragsabschlussentscheidung verwehrt. Dadurch wird er bei Vertragsschluss unangemessen benachteiligt. Das gilt allerdings nur für Bestimmungsvorbehalte über Leistungen, die hypothetische Abschlussrelevanz haben.481 Denn ist es ohnehin von vornherein ausgeschlossen, dass der Arbeitnehmer eine Leistung des Arbeitgebers in seine Abschlussentscheidung einbezieht, kann er auch nicht dadurch benachteiligt werden, dass die Intransparenz eines diese Leistung betreffenden Bestimmungsvorbehalts ihm eine informierte Abschlussentscheidung verwehrt. Schließlich können die Unklarheiten des Bestimmungsvorbehalts dann keinerlei Einfluss auf die Vertragsabschlussentscheidung haben. Die unangemessene Benachteiligung bei Vertragsschluss entfällt. bb) Keine Benachteiligung des Arbeitnehmers bei der Vertragsdurchführung Bezüglich solcher Bestimmungsvorbehalte, die eine Leistung ohne hypothetische Abschlussrelevanz betreffen, kommt es also entscheidend darauf an, ob die Intransparenz wegen Unterschreitung des Maßstabs billigen Ermessens zu einer Benachteiligung bei der Vertragsabwicklung führt.482 Denn nur dann wären diese Vorbehalte wegen des zu weiten Entscheidungsmaßstabs als unwirksam anzusehen. An dieser Stelle liegt die Situation anders als bei Bestimmungsvorbehalten ohne Entscheidungskriterien. Dort wurde eine Benachteiligung bei der Vertragsabwicklung angenommen, weil der Arbeitnehmer eine Leistungsfestlegung ohne Kenntnisse über die relevanten Kriterien nicht auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen und so unter Umständen einen Anspruch auf höhere Zahlung nicht geltend machen kann.483 Eine solche Benachteiligung allein wegen eines besonders wei479

S. zu dieser Voraussetzung Kapitel 3 A. Dazu soeben unter Kapitel 5 B. III. 2. und B. III. 9. 481 S. zu dieser Voraussetzung Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 365; s. dazu auch Kapitel 3 A. II. 1. 482 S. dazu Kapitel 3 A. II. 2. 483 Dazu soeben unter Kapitel 5 B. III. 2. und B. III. 9. 480

454

Kap. 5: Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

ten Entscheidungsmaßstabs ist hingegen abzulehnen, da der Arbeitnehmer nicht wegen des weiten Entscheidungsmaßstabs Gefahr läuft, ein tatsächlich bestehendes Recht nicht geltend zu machen484. Diese Gefahr entsteht erst bei fehlender Konkretisierung der Entscheidungskriterien.485 Die Festlegung von Entscheidungskriterien ist ausreichend dafür, dass der Arbeitnehmer die Rechtmäßigkeit einer erfolgten Leistungsbestimmung anhand der Klausel überprüfen kann. Auch wenn etwa freies Ermessen als Entscheidungsmaßstab vereinbart ist, kann der Arbeitnehmer erkennen, ob der Arbeitgeber sich bei der Leistungsbestimmung an den vereinbarten Kriterien orientiert hat und eine rechtswidrige Leistungsfestlegung, die z. B. unter Heranziehung willkürlicher, sachfremder Kriterien entstanden ist, geltend machen. Das gilt allerdings nur, solange Entscheidungskriterien geregelt sind. Sind zusätzlich zur Geltung eines freien Entscheidungsmaßstabs keine Entscheidungskriterien geregelt, kann der Arbeitnehmer die Rechtmäßigkeit einer erfolgten Leistungsbestimmung gar nicht mehr anhand der Klausel überprüfen und läuft deshalb Gefahr, seinen Zahlungsanspruch (in rechtmäßiger Höhe) nicht geltend zu machen. Diese Gefahr resultiert allerdings aus der fehlenden Konkretisierung der Entscheidungskriterien, nicht aus der Geltung eines freien Entscheidungsmaßstabs.486 Eine unangemessene Benachteiligung wegen Unterschreitung des Maßstabs billigen Ermessens entsteht auch nicht dadurch, dass der Arbeitnehmer womöglich die Unbilligkeit einer erfolgten Leistungsbestimmung nicht geltend macht, weil er die Bindung der Entscheidung an billiges Ermessen nicht erkennen kann. Denn in der Transparenzkontrolle des Entscheidungsmaßstabs muss die tatsächliche Gestaltung dieses Maßstabs, also beispielsweise eine Entscheidung nach freiem Ermessen und nicht nach billigem Ermessen, zugrundegelegt werden – die inhaltliche Unangemessenheit eines solch weiten Entscheidungsmaßstabs hat an dieser Stelle außen vor zu bleiben, da sie gesondert in der Angemessenheitskontrolle zu prüfen ist487. Die Angemessenheit des jeweils gewählten weiten Entscheidungsmaßstabs zum Zwecke der Transparenzkontrolle vorausgesetzt488 be484 Zur Benachteiligung bei der Vertragsdurchführung wegen der Gefahr, dass der Vertragspartner von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten werden könnte, s. Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 11, 323 ff.; Clemenz/Kreft/Krause/ Klumpp, § 307 BGB Rn. 79; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 178; Wolf/Lindacher/ Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 250; Armbrüster, DNotZ 2004, 437, 440. 485 S. dazu Kapitel 5 B. III. 9. b). 486 Zur unangemessenen Benachteiligung bei der Vertragsabwicklung wegen fehlender Konkretisierung der Entscheidungskriterien s. Kapitel 5 B. III. 9. b). 487 Zum Verhältnis von Transparenz- und Angemessenheitskontrolle s. Kapitel 3 B. 488 Dass ein solches Bestimmungsrecht der Angemessenheitskontrolle nicht standhielte, muss in der Transparenzkontrolle außenvorbleiben. Ansonsten wäre bei jeder unangemessenen Klausel gleichzeitig Intransparenz anzunehmen, da die Klausel den Anschein erweckt, ihr Inhalt sei angemessen. Nähme man vorliegend Intransparenz an, weil die Klausel ein zu weites Bestimmungsrecht einräumt, aufgrund dessen der Arbeit-

B. Die transparente Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

455

steht kein Anspruch auf eine billige Leistungsbestimmung, von dessen Geltendmachung der Arbeitnehmer abgehalten werden könnte. Allein durch die Geltung eines freien Entscheidungsmaßstabs entsteht folglich nicht die Gefahr, der Arbeitnehmer könnte von der Geltendmachung bestehender Rechte abgehalten werden. Isoliert betrachtet liegt also keine Benachteiligung bei der Vertragsabwicklung vor, wenn der Maßstab billigen Ermessens unterschritten wird. cc) Zwischenergebnis: Pflicht zur Konkretisierung des Entscheidungsmaßstabs nur bei Leistungen mit hypothetischer Abschlussrelevanz Das Fehlen einer Benachteiligung bei der Vertragsabwicklung bedeutet schlussendlich, dass bei Bestimmungsvorbehalten über Leistungen, die keine hypothetische Abschlussrelevanz haben, der Entscheidungsmaßstab nicht aus Transparenzgründen konkretisiert werden muss, weil es bei diesen Vorbehalten auch an einer Benachteiligung bei Vertragsabschluss fehlt. Bestimmungsvorbehalte über Leistungen mit hypothetischer Abschlussrelevanz bedürfen hingegen der Konkretisierung des Entscheidungsmaßstabs, weil sie den Arbeitnehmer ansonsten aufgrund ihrer Intransparenz bei Vertragsschluss unangemessen benachteiligen. c) Zusammenfassung Arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte dürfen den Maßstab billigen Ermessens aus Transparenzgründen nicht unterschreiten, wenn sie eine Leistung mit hypothetischer Abschlussrelevanz betreffen. Ist ein Bestimmungsvorbehalt nach einem freieren Maßstab als dem billigen Ermessens auszuüben, entstehen erhebliche Unklarheiten über den Inhalt des Leistungsversprechens.489 Der Arbeitnehmer kann nicht voraussehen, wie der Arbeitgeber das Bestimmungsrecht ausüben wird. Er weiß nicht, ob seine Interessen berücksichtigt werden und wie der Arbeitgeber bestimmte Entwicklungen bewerten wird. So kann er weder die Chance auf eine Auszahlung noch deren Größenordnung im Voraus einschätzen. Diese Unklarheiten benachteiligen den Arbeitnehmer dadurch unangemessen, dass er keine informierte Vertragsabschlussentscheidung treffen kann.490 Die Benehmer nicht erkennen kann, dass bestimmte Leistungsfestlegungen unbillig sind, verschöbe man die materielle Unangemessenheit in die Transparenzkontrolle. Nach dem vereinbarten Bestimmungsrecht wären unbillige Festlegungen nämlich prinzipiell möglich. Dass eine so weitgehende Entscheidungsfreiheit nicht zulässig sein kann, ist eine Frage der materiellen Unangemessenheit und nicht der Intransparenz. 489 S. dazu Kapitel 5 B. V. 1. a). 490 S. zu alledem Kapitel 5 B. V. 1. b).

456

Kap. 5: Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

nachteiligung entfällt jedoch, wenn die betreffende Leistung keine hypothetische Abschlussrelevanz hat. Damit entfällt auch die Pflicht zur Konkretisierung des Entscheidungsmaßstabs. Denn es liegt keine Benachteiligung bei der Vertragsabwicklung vor. Allein die Geltung eines freien Entscheidungsmaßstabs führt nicht zu einer Gefahr, der Arbeitnehmer könnte von der Geltendmachung bestehender Rechte abgehalten werden. Zu einer solchen Benachteiligung führt vielmehr erst die fehlende Konkretisierung von Entscheidungskriterien.491 Arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte bedürfen also einer Konkretisierung des Entscheidungsmaßstabs, wenn sie eine Leistung mit hypothetischer Abschlussrelevanz betreffen. Wie diese Konkretisierung im Ergebnis auszusehen hat, ist nachfolgend zu erörtern. 2. Notwendiger Konkretisierungsgrad des Entscheidungsmaßstabs Es stellt sich nun die Frage, wie der Entscheidungsmaßstab konkretisiert werden muss, um die Unwirksamkeit wegen Intransparenz zu vermeiden. Dafür muss sich erneut die Auslegung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte ins Gedächtnis gerufen werden.492 Anders als vom BAG und von vielen Stimmen in der Literatur vertreten kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass Bestimmungsvorbehalte unabhängig von der Regelung des Ausübungsmaßstabs immer nach billigem Ermessen auszuüben sind.493 Im Gegenteil gilt das billige Ermessen nur, wenn es auch ausdrücklich vereinbart ist. Ist ein anderer Maßstab wie etwa das „freie Ermessen“ geregelt, gilt dieser Maßstab bereits eindeutig nach dem Wortlaut der Klausel. Enthält ein Bestimmungsvorbehalt gar keine Regelung zum Maßstab, ergibt eine Auslegung nach § 305c Abs. 2 BGB, dass die Entscheidung nach freiem Ermessen zu treffen ist. § 315 Abs. 1 BGB ist dabei nicht anwendbar.

491

S. dazu Kapitel 5 B. III. 9. b). S. dazu Kapitel 5 A. I. 2. b) und Kapitel 4 B. V. 3. 493 So aber BAG v. 07.10.1982 – 2 AZR 455/80, BAGE 40, 199; BAG v. 31.01.1985 – 2 AZR 393/83, EzBAT § 8 BAT Direktionsrecht Nr. 3; BAG v. 15.11.1995 – 2 AZR 521/95, NZA 1996, 603; BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150 Rn. 24; BAG v. 29.08.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148; BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970; BAG v. 03.08.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334; Lakies, ArbRAktuell 2013, 251; Salamon, NZA 2014, 465; Reinfelder, NZA-Beilage 2014, 10; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400; Lunk/Leder, NJW 2015, 3766; Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65; Stoffels, RdA 2015, 276; Kössel, DB 2016, 2963; Salamon/Wessels, BB 2017, 885; BLDH/Lingemann, Arbeitsrecht, Kap. 2 Rn. 101; HKArbR/Boemke/Ulrici, Anhang zu §§ 307–309 Rn. 3; HWK/Roloff, Anh. §§ 305–310 BGB Rn. 28; zu Widerrufsvorbehalten so statt vieler: BAG v. 07.01.1971 – 5 AZR 92/ 70, DB 1971, 392; BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 24.01.2017 – 1 AZR 772/14, zitiert nach juris. 492

B. Die transparente Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

457

Ob „freies Ermessen“ nun bedeutet, dass die Entscheidung nicht offenbar unbillig494 sein darf oder dass der Arbeitgeber seine Entscheidung im Sinne eines „freien Beliebens“ 495 fast bis zur Grenze der Willkür treffen darf, kann dahinstehen.496 Weder das eine noch das andere Verständnis genügen nach dem oben Gesagten zur Konkretisierung. Eine Entscheidung nach freiem Ermessen ermöglicht es dem Arbeitgeber in jedem Fall, innerhalb der geregelten Kriterien freier zu entscheiden als bei einer Entscheidung nach billigem Ermessen. Er legt die Gewichtung der Kriterien fest und entscheidet, wie die tatsächlichen Entwicklungen zu bewerten sind. Dabei ist der Arbeitgeber nicht gezwungen, die Interessen des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, was hingegen Voraussetzung der Billigkeit wäre497. Arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte müssen also billiges Ermessen oder einen vergleichbaren Entscheidungsmaßstab enthalten, damit sie transparent i. S. d. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB sind. Eine Bindung an „freies Ermessen“ genügt nicht. Auch Klauseln, die keinen Maßstab regeln, sind intransparent. Denn bei diesen führt die Anwendung des § 305c Abs. 2 BGB zu einer Bindung der Entscheidung an freies Ermessen.498 3. Zur Hinweispflicht auf § 315 Abs. 3 BGB Der Arbeitgeber muss daneben nicht ausdrücklich auf § 315 Abs. 3 BGB hinweisen.499 Schließlich muss der Verwender von AGB den Vertragspartner nicht über die gesamte Rechtslage belehren.500 Ein Transparenzverstoß läge deshalb 494 So BAG v. 16.03.1982 – 3 AZR 1124/79, DB 1982, 1939; MüKo-BGB/Würdinger, § 315 BGB Rn. 32; ablehnend Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn. 340. 495 S. dazu Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn. 340; jurisPK-BGB/Völzmann-Stickelbrock, § 315 BGB Rn. 25 ff.; MüKo-BGB/Würdinger, § 315 BGB Rn. 33. 496 Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn. 340 setzt „freies Ermessen“ und „freies Belieben“ gleich. 497 S. zum Inhalt billigen Ermessens etwa BGH v. 11.06.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518; BGH v. 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, NJW 1984, 1182; BAG v. 24.10.2018 – 10 AZR 285/16, NZA 2019, 387 Rn. 50; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 175; Stoffels, NZA 2017, 1217, 1220; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358, 2361; Niklas, ArbRB 2018, 353, 354; vgl. auch ErfK/Preis, § 106 GewO Rn. 10 f.; Graf v. Westphalen, NJW 1982, 2465. 498 S. Kapitel 4 B. V. 3 und Kapitel 5 A. I. 2. b). 499 Genauso für andere Leistungsbestimmungsrechte im Zivilrecht: BGH v. 25.11. 2015 – VIII ZR 360/14, NJW 2016, 936; OLG Karlsruhe v. 11.04.2014 – 4 U 14/14, EnWZ 2014, 323; OLG Sachsen-Anhalt v. 30.04.2015 – 2 U 16/15 (Hs), RdE 2015, 321; s. auch BGH v. 14.07.2010 – VIII ZR 246/08, BGHZ 186, 180; BGH v. 31.07.2013 – VIII ZR 162/09, NJW 2013, 3647; s. aber auch LG München v. 10.04.2014 – 29 W 433/14, zitiert nach juris, das im Einzelfall einen ausdrücklichen Hinweis fordert. 500 Vgl. BGH v. 14.05.1996 – XI ZR 257/94, BGHZ 133, 25; BGH v. 14.01.2014 – XI ZR 355/12; BGH v. 25.11.2015 – VIII ZR 360/14, NJW 2016, 936 Rn. 17; Palandt/ Grüneberg, § 307 BGB Rn. 22; HK-ArbR/Boemke/Ulrici, § 307 BGB Rn. 23; NK-

458

Kap. 5: Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

nur vor, wenn die Möglichkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle verschleiert würde oder die Klausel Unklarheiten darüber erzeugen würde.501 Das ist auch dann nicht der Fall, wenn sich aus der Klausel ergibt, dass der Arbeitgeber nach freiem Ermessen zu entscheiden hat. Dann erweckt die Klausel beim Arbeitnehmer zwar womöglich den Eindruck, er könne die Entscheidung gar nicht nach § 315 Abs. 3 BGB gerichtlich überprüfen lassen.502 Darin liegt aber keine Verschleierung der Rechtslage, denn der Eindruck stimmt mit dieser überein. Die Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB ist nicht anwendbar, wenn das Recht eingeräumt wird, eine Leistung nach freiem Ermessen zu bestimmen.503 So liegt es, wenn ein Bestimmungsvorbehalt ausdrücklich freies Ermessen vorschreibt oder wenn gar kein Maßstab geregelt ist.504 Die Möglichkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle wird also unabhängig von der Regelung zum Entscheidungsmaßstab nicht verschleiert. Dass der Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt wird, wenn die Möglichkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB fehlt, ist eine Frage der materiellen Angemessenheit.505 Intransparent wird die Klausel dadurch nicht. 4. Ergebnisse Bestimmungsvorbehalte, die keinen Entscheidungsmaßstab oder einen solchen regeln, der hinter dem billigen Ermessens zurückbleibt, sind intransparent und unwirksam gem. § 307 Abs. 1 S. 1, 2 BGB, sofern sie sich auf eine Leistung beziehen, die hypothetische Abschlussrelevanz hat. Solche Bestimmungsvorbehalte benachteiligen den Arbeitnehmer bei Vertragsschluss unangemessen.506 Ihm bleibt eine informierte Abschlussentscheidung verwehrt, da er nicht erkennen kann, ob seine Interessen berücksichtigt werden und wie der Arbeitgeber bestimmte Entwicklungen bewerten wird. Dadurch kann er weder die Chance auf

ArbR/Peterhänsel, § 307 BGB Rn. 39 f.; BeckOK-ArbR/Jacobs, § 307 BGB Rn. 59; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 573. 501 S. dazu BGH v. 14.07.2010 – VIII ZR 246/08, BGHZ 186, 180; BGH v. 31.07.2013 – VIII ZR 162/09, NJW 2013, 3647. 502 Für Klauseln, die freies Ermessen als Maßstab regeln, nehmen Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65, 67 deshalb Intransparenz an. 503 BAG v. 13.05.1987 – 5 AZR 125/86, NZA 1988, 95; BLDH/Lingemann, Arbeitsrecht, Kap. 2 Rn. 101; Salamon, NZA 2014, 465; Kössel, DB 2016, 2963; Salamon/ Wessels, BB 2017, 885; Erman/Roloff, 13. Aufl., § 307 BGB Rn. 142; Wolf/Lindacher/ Pfeiffer/Stoffels, Anh. § 310 BGB Rn. L 215; a. A. aber MüKo-BGB/Würdinger, § 315 BGB Rn. 32 und Palandt/Grüneberg, § 315 BGB Rn. 15, die die gerichtliche Kontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB auch bei Leistungsbestimmungsrechten nach freiem Ermessen für anwendbar halten. 504 S. zur Auslegung Kapitel 4 B. V. 3. und Kapitel 5 A. I. 2. b). 505 S. dazu Kapitel 4 B. V. 2. 506 S. dazu Kapitel 5 B. V. 1. b) aa).

B. Die transparente Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

459

eine Auszahlung noch deren Größenordnung im Voraus einschätzen. Eine Benachteiligung bei der Vertragsabwicklung durch die Gefahr, der Arbeitnehmer könnte aufgrund eines zu freien Entscheidungsmaßstabs von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten werden, besteht jedoch nicht.507 Deshalb müssen (nur) Bestimmungsvorbehalte, die eine hypothetisch abschlussrelevante Leistung betreffen, aus Transparenzgründen auf eine Ausübung nach billigem Ermessen oder einem vergleichbaren Maßstab konkretisiert werden.508 Ein Hinweis auf § 315 Abs. 3 BGB ist in keinem Fall nötig.509 Hat der Arbeitgeber nicht nach billigem Ermessen zu entscheiden, ist die Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB gar nicht anwendbar.510 Im Fall der Entscheidung nach billigem Ermessen besteht keine Pflicht zur Rechtsbelehrung.

VI. Das Verhältnis der verschiedenen Konkretisierungsanforderungen zueinander Letztlich stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis die herausgearbeiteten Konkretisierungsanforderungen zueinander stehen. Bisher sind nur die einzelnen Anknüpfungspunkte für eine Intransparenz und die daraus folgenden Wirksamkeitsvoraussetzungen isoliert betrachtet worden. Von Bedeutung ist aber auch, wie sich die Einhaltung der jeweiligen Konkretisierungsanforderungen auf die restlichen Anforderungen auswirkt und ob sie kumulativ einzuhalten sind. Es könnte etwa angenommen werden, dass die Festlegung des Entscheidungsmaßstabs auf billiges Ermessen die Pflicht zur Konkretisierung der Entscheidungskriterien entfallen lässt und umgekehrt.511 Auch im Hinblick auf die Pflicht zur Konkretisierung des Leistungsumfangs fragt sich, ob eine Bindung der Entscheidung an billiges Ermessen eine weitere Konkretisierung entbehrlich macht. Festzuhalten ist zunächst, dass zwischen den einzelnen Konkretisierungsanforderungen Wechselwirkungen bestehen. So erhöht die Einhaltung jeder dieser Anforderungen die Transparenz der gesamten Klausel. Wird etwa eine geringe Spanne für den Umfang der jeweiligen Leistung in einen Bestimmungsvorbehalt aufgenommen, kann der Arbeitnehmer sich ein relativ genaues Bild von der Höhe der Leistung machen.512 Welche Kriterien der Arbeitgeber bei der Festlegung zu beachten hat, spielt dann eine weniger gewichtige Rolle für den Arbeit507

Dazu ausführlich unter Kapitel 5 B. V. 1. b) bb). S. zum Konkretisierungsgrad unter Kapitel 5 B. V. 2.; zur Konkretisierungspflicht als Voraussetzung der inhaltlichen Angemessenheit s. Kapitel 4 B. V. 509 S. dazu Kapitel 5 B. V. 3. 510 S. dazu Jesgarzewski, Die Grenzen formularmäßiger Vereinbarung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte, S. 24. 511 Dazu auch schon unter Kapitel 5 B. III. 2. e). 512 S. dazu auch Kapitel 5 B. IV. 5. 508

460

Kap. 5: Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

nehmer, weil die Leistungshöhe ohnehin nur geringfügig variieren kann. Andersherum ermöglicht eine genaue Festlegung der Entscheidungskriterien es dem Arbeitnehmer, die Wahrscheinlichkeit einer Auszahlung im Voraus vergleichsweise präzise einzuschätzen, sich ein vages Bild vom möglichen Leistungsumfang zu machen und eine erfolgte Leistungsfestlegung auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen.513 Die Festlegung des Entscheidungsmaßstabs auf billiges Ermessen wiederum erhöht die Transparenz sowohl im Hinblick auf den Leistungsumfang als auch auf den Modus der Leistungsfestlegung. Denn durch diese Konkretisierung wird deutlich, dass der Arbeitgeber die Interessen des Arbeitnehmers angemessen zu berücksichtigen hat, er nur nach billigen Kriterien entscheiden darf und auch der Umfang das Maß der Billigkeit einhalten muss.514 Da also jede der geforderten Konkretisierungen – insbesondere die Bindung an billiges Ermessen – auf die anderen Anknüpfungspunkte für eine Intransparenz ausstrahlt und für sich genommen die Transparenz der gesamten Klausel erhöht, könnte angenommen werden, dass die Einhaltung einer dieser Anforderungen bereits für die Transparenz eines Bestimmungsvorbehalts genügt. Richtigerweise müssen die herausgearbeiteten Konkretisierungsanforderungen trotz dieser Wechselwirkungen aber kumulativ vorliegen. Die Festlegung des voraussichtlichen oder rahmenmäßigen Umfangs einer Leistung unter Bestimmungsvorbehalt macht eine Konkretisierung der Entscheidungskriterien nicht entbehrlich, da die mit der Veränderlichkeit der Leistung einhergehenden Unklarheiten damit nicht ausgeräumt sind. Der Arbeitnehmer kennt zwar den Rahmen der Leistungshöhe. Innerhalb dieses Rahmens kann er ohne Kenntnis über die relevanten Kriterien aber weder vorhersehen, welche Größenordnung die Leistung einnehmen wird, noch im Nachhinein anhand der Klausel überprüfen, ob eine Leistungsfestlegung rechtmäßig war.515 Der mögliche Rahmen der Leistungshöhe wird zwar unter Umständen geringer, die übrigen Unklarheiten bleiben jedoch. Umgekehrt gestaltet sich die Situation genauso. Sind die Entscheidungskriterien festgelegt, kann der Arbeitnehmer zwar die Tendenz einer zukünftigen Leistungsfestlegung anhand der Entwicklung dieser Kriterien voraussehen und eine erfolgte Leistungsfestlegung auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen.516 Ohne Angaben zum Leistungsumfang hat er aber keine konkreten Anhaltspunkte über

513

S. dazu auch Kapitel 5 B. III. 3.–10. S. zum Inhalt billigen Ermessens etwa BGH v. 11.06.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518; BGH v. 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, NJW 1984, 1182; BAG v. 24.10.2018 – 10 AZR 285/16, NZA 2019, 387 Rn. 50; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 175; Stoffels, NZA 2017, 1217, 1220; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358, 2361; Niklas, ArbRB 2018, 353, 354; vgl. auch ErfK/Preis, § 106 GewO Rn. 10 f.; Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn. 324 ff.; AR/Kolbe, § 106 GewO Rn. 54; Henssler, SAE 1988, 164; Graf v. Westphalen, NJW 1982, 2465. 515 S. zu diesen Unklarheiten ausführlich unter Kapitel 5 B. III. 2. 516 S. dazu Kapitel 5 B. III. 3. und 9. 514

B. Die transparente Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

461

die Leistungshöhe.517 Er kann nur einschätzen, ob die Leistung beispielsweise „hoch“ oder „niedrig“ festzulegen ist. Welche Zahlenwerte damit verbunden sind, ist für den Arbeitnehmer nicht feststellbar. Schließlich führt auch eine Festlegung des Entscheidungsmaßstabs auf billiges Ermessen nicht dazu, dass die übrigen Konkretisierungsanforderungen entbehrlich würden. Denn billiges Ermessen belässt dem Arbeitgeber einen erheblichen Entscheidungsspielraum.518 Wie der Arbeitgeber diesen Spielraum ausfüllen wird, ist für den Arbeitnehmer im Voraus nicht abzuschätzen. Die Erkenntnis, dass der Arbeitgeber die beiderseitigen Interessen angemessen zu berücksichtigen hat, bringt dem Arbeitnehmer weder ausreichenden Aufschluss über die Kriterien519, an denen der Arbeitgeber die Entscheidung orientiert, noch über die (voraussichtliche) Zahlungshöhe. Die Bindung der Entscheidung an billiges Ermessen hat zwar zur Folge, dass ein Gericht die Leistungsfestlegung im Nachhinein nach § 315 Abs. 3 BGB überprüfen kann.520 Für den Arbeitnehmer, dessen Schutz das Transparenzgebot dienen soll, bleiben aber erhebliche Unklarheiten. Ihm wird beispielsweise nicht ersichtlich, ob seine Arbeitsleistung Einfluss auf die Zahlungshöhe hat. Erst recht lässt sich anhand des weiten Begriffs der Billigkeit nicht erkennen, welche Höhe die jeweilige Leistung einnehmen kann. Voraussetzung für die Transparenz eines arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalts ist folglich, dass die herausgearbeiteten Konkretisierungsanforderungen kumulativ eingehalten werden. Die bloße Einhaltung einzelner dieser Anforderungen erhöht zwar die Transparenz der gesamten Klausel. Keine der genannten Konkretisierungen vermag aber einen Verzicht auf die übrigen Anforderungen zu rechtfertigen. Das gilt auch für die Bindung der Entscheidung an billiges Ermessen, da die Billigkeit dem Arbeitgeber einen so erheblichen Entscheidungsspielraum belässt, dass die nötige Klarheit und Vorhersehbarkeit der Klausel nicht gewährleistet werden521.

517

S. dazu auch Kapitel 5 B. IV. 1. Vgl. BGH v. 11.06.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518; BGH v. 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, NJW 1984, 1182; BAG v. 20.03.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970 Rn. 33; BAG v. 15.05.2013 – 10 AZR 679/12, zitiert nach juris Rn. 34; Ulmer/ Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 175; Wensing/Boensch, BB 2014, 2358, 2360; Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn. 325 f., 329; vgl. auch Graf v. Westphalen, NJW 1982, 2465; Palandt/Grüneberg, § 315 BGB Rn. 10; MüKo-BGB/Würdinger, § 315 BGB Rn. 29 f.; a. A. wohl von Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, S. 41 ff.; s. aber auch BGH v. 25.05.1988 – VIII ZR 360/86, NJW-RR 1988, 1077, wonach das Erfordernis der angemessenen Berücksichtigung der Interessen des Vertragspartners nichts über die Maßstäbe der Ausübung aussagt. 519 S. dazu auch Kapitel 5 B. III. 2. e). 520 Zum Einfluss der Billigkeitskontrolle auf die Transparenz s. Kapitel 5 B. III. 6. 521 S. dazu auch Kapitel 5 B. III. 2. e). 518

462

Kap. 5: Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

VII. Ergebnisse zur transparenten Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte Arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte müssen aus Transparenzgründen stärker konkretisiert werden, als es bisher von der Rechtsprechung vertreten wird. Das BAG und ein Großteil der Literatur fordern keinerlei tatbestandliche Konkretisierung und stehen damit im Widerspruch zur allgemeinen Behandlung sonstiger Leistungsbestimmungsrechte.522 Sowohl bei Widerrufsvorbehalten als auch bei zivilrechtlichen Leistungsbestimmungsrechten werden regelmäßig einschneidende Transparenzanforderungen gestellt.523 Eine transparente Regelung muss danach die Voraussetzungen bzw. Entscheidungsgründe und den Umfang enthalten. Eine davon abweichende Behandlung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte ist nicht gerechtfertigt.524 Voraussetzung für die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte ist, dass die Entscheidungskriterien dem Grunde nach konkretisiert werden, der Umfang jedenfalls grob beschrieben wird und der Entscheidungsmaßstab auf billiges Ermessen oder einen vergleichbaren Maßstab festgeschrieben wird.525 Diese Anforderungen sind kumulativ einzuhalten.526 1. Die Pflicht zur Konkretisierung der Entscheidungskriterien Die Entscheidungskriterien müssen dem Grunde nach geregelt werden527, da der Arbeitnehmer ohne Kenntnisse über die maßgeblichen Faktoren weder bei Vertragsschluss erkennen kann, was auf ihn zukommt528, noch bei der Vertragsdurchführung die Rechtmäßigkeit einer erfolgten Leistungsbestimmung anhand der Klausel überprüfen kann529. Ohne Konkretisierung der Entscheidungskriterien wird dem Arbeitgeber außerdem ein Beurteilungsspielraum eingeräumt, der über das Maß hinausgeht, welches für Bestimmungsvorbehalte zwingend nötig ist530. Denn neben der konkreten Beurteilung der Leistungshöhe obliegt dem Arbeitgeber auch die vorgelagerte Beurteilung, welche Kriterien maßgeblich sein sollen, wenn diese nicht im Voraus festgelegt sind. Aus diesen Gründen verstößt ein Bestimmungsvorbehalt, der keine Entscheidungskriterien enthält, gegen das Bestimmtheitsgebot. Die Unklarheiten werden nicht durch eine Bindung der Ent522 523 524 525 526 527 528 529 530

S. zur Meinung in Rechtsprechung und Literatur Kapitel 2 B. II. 2. und E. S. dazu insbesondere Kapitel 2 C. und D. II. S. dazu beispielhaft Kapitel 5 B. III. 10. b). S. dazu Kapitel 5 B. III., B. IV. und B. V. S. dazu Kapitel 5 B. VI. S. dazu Kapitel 5 B. III. S. Kapitel 5 B. III. 2. c). S. Kapitel 5 B. III. 2. b). S. Kapitel 5 B. III. 2. d).

B. Die transparente Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

463

scheidung an billiges Ermessen beseitigt, da die Billigkeit dem Arbeitgeber einen erheblichen Entscheidungsspielraum belässt.531 Diese Intransparenz benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen und führt zur Unwirksamkeit des Bestimmungsvorbehalts.532 Zum einen wird dem Arbeitnehmer verwehrt, eine informierte Vertragsabschlussentscheidung zu treffen, da ihm der Inhalt der Leistungszusage und des Bestimmungsvorbehalts nicht ausreichend erkennbar sind.533 Zum anderen wird der Arbeitnehmer entgegen der Meinung des BAG durch die Gefahr unangemessen benachteiligt, er könnte von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten werden.534 Es besteht die Gefahr, dass er sein Recht, die Leistung in billiger Höhe zu fordern, nicht wahrnimmt, weil er nicht erkennen kann, ob ein Anspruch besteht bzw. ob die ausgezahlte Summe angemessen hoch ist. An der Pflicht, die Entscheidungsfaktoren zu konkretisieren, vermögen weder die Möglichkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle noch die gesetzliche Konzeption einseitiger Leistungsbestimmungsrechte in § 315 Abs. 1 BGB oder die alternative Gestaltungsmöglichkeit durch einen Freiwilligkeitsvorbehalt etwas zu ändern. Die gerichtliche Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB hat entgegen einiger Stimmen in der Literatur keinen Einfluss auf die Transparenzanforderungen, weil sie der Transparenzkontrolle nachrangig ist und nichts an der Vorhersehbarkeit der Leistungsbestimmung ändert.535 § 315 Abs. 1 BGB enthält keine Regelung zur Wirksamkeit von Leistungsbestimmungsrechten in AGB.536 Die alternative Gestaltungsmöglichkeit durch einen Freiwilligkeitsvorbehalt spielt keine Rolle, da bei Ausschluss eines Anspruchs durch Freiwilligkeitsvorbehalt eine völlig andere Situation vorgelegen hätte.537 Sie vermag eine fehlende Konkretisierung nicht zu rechtfertigen, wie das BAG jedoch argumentiert.538 Letztlich hat auch der (fehlende) Gegenleistungscharakter der jeweiligen Leistung keinen Einfluss auf die Konkretisierungspflicht der Entscheidungskriterien.539 Hat die betroffene Leistung keine hypothetische Abschlussrelevanz, entfällt zwar die Benachteiligung bei Vertragsschluss, die Benachteiligung bei der Vertragsdurchführung bleibt aber bestehen.540 Entscheidend ist, dass der Arbeitgeber bei Bestimmungsvorbehalten einen Anspruch einräumt. Dieser muss unabhängig von seinem Charakter den Anforderungen des Transparenzgebotes genügen. 531 532 533 534 535 536 537 538 539 540

S. Kapitel 5 B. III. 2. e). S. Kapitel 5 B. III. 9. S. Kapitel 5 B. III. 9. a) aa). S. Kapitel 5 B. III. 9. b). S. dazu Kapitel 5 B. III. 6. S. dazu Kapitel 5 B. III. 3. b). S. dazu Kapitel 5 B. III. 7. Zur Rechtsprechung des BAG s. Kapitel 2 B. II. 2. S. dazu Kapitel 5 B. III. 5. a). S. Kapitel 5 B. III. 9. a) bb).

464

Kap. 5: Die Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

Um die dargestellte Intransparenz zu beseitigen, genügt eine Konkretisierung der Kriterien dem Grunde nach.541 Das verringert die Unklarheiten ausreichend542 und ist dem Arbeitgeber zumutbar, ohne dass der mit einem Bestimmungsvorbehalt verfolgte Flexibilisierungszweck gefährdet würde543. Dieses Ergebnis stimmt abermals mit der Behandlung von Widerrufsvorbehalten in Rechtsprechung und Literatur überein.544 Der Gleichlauf ist geboten, da Widerrufs- und Bestimmungsvorbehalte denselben Flexibilisierungsinteressen entspringen und sich in ihrer Wirkung sehr ähnlich sind.545 2. Die Konkretisierung des Leistungsumfangs Darüber hinaus müssen Bestimmungsvorbehalte des Arbeitgebers Angaben über den Leistungsumfang enthalten, wenn die betreffende Leistung hypothetische Relevanz für die Vertragsabschlussentscheidung des Arbeitnehmers hat.546 Ohne Angaben zum Leistungsumfang hat der Arbeitnehmer keine Möglichkeit, den Inhalt des Bestimmungsrechts und des ihm eingeräumten Anspruchs zu erkennen.547 Die Zahlung könnte aus seiner Sicht jede erdenkliche Höhe annehmen.548 Da die Leistung anspruchsbegründend versprochen ist, wird dem Arbeitnehmer insbesondere auch nicht ersichtlich, dass die Zahlung durch Festlegung auf null gänzlich entfallen kann, was für ihn jedoch eine wesentliche Erkenntnis darstellt.549 Ein Bestimmungsvorbehalt ohne Konkretisierung des Leistungsumfangs ist aus diesen Gründen intransparent und benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen, weil er ohne Kenntnisse über den Umfang keine informierte Vertragsabschlussentscheidung treffen kann.550 Die Benachteiligung entfällt allerdings ausnahmsweise, wenn die betreffende Leistung keine (hypothetische) Relevanz für die Vertragsabschlussentscheidung hat.551 Eine fehlende Abschlussrelevanz kommt von vornherein nur bei Sonderzahlungen in Frage und ist lediglich bei solchen Leistungen anzunehmen, die in der Regel nicht ins Gewicht fallen, weil ihre Auszahlung unregelmäßig oder in großen Abständen erfolgt und sie einen geringen Umfang einnehmen (z. B. Zahlungen zum Geschäftsjubiläum oder 541

S. Kapitel 5 B. III. 3. und B. III. 10. a). S. Kapitel 5 B. III. 10. a). 543 S. Kapitel 5 B. III. 3. 544 So auch schon in der Angemessenheitskontrolle unter Kapitel 4 B. VII. 9. 545 S. Kapitel 5 B. III. 10. b); ausführlich dazu auch unter Kapitel 1 B. III., B. IV. und Kapitel 4 B. VII. 9. 546 S. dazu Kapitel 5 B. IV. 547 S. Kapitel 5 B. IV. 1. b). 548 S. Kapitel 5 B. IV. 1. b). 549 S. Kapitel 5 B. IV. 1. c). 550 S. Kapitel 5 B. IV. 4. a). 551 S. dazu Kapitel 5 B. IV. 4. b). 542

B. Die transparente Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte

465

ein Hochzeitsgeld). Bestimmungsvorbehalte über solche Leistungen müssen keine Angaben zum Leistungsumfang enthalten. Bei allen anderen Leistungen ist eine Konkretisierung des Umfangs geboten und dem Arbeitgeber zumutbar.552 Notwendig, aber auch ausreichend, ist eine Regelung zur voraussichtlichen oder angestrebten Höhe, wie z. B. die Angabe eines Orientierungswertes oder des intendierten Zahlungsrahmens, die dem Arbeitnehmer eine realistische Einschätzung der voraussichtlichen Größenordnung der Zahlung ermöglicht.553 Unentbehrlich für den Arbeitnehmer ist die Erkenntnis, dass die Leistung auf null festgelegt werden kann oder welche Höhe sie mindestens einnimmt.554 Das muss entweder eindeutig aus der Regelung zur Höhe folgen oder bedarf eines ausdrücklichen Hinweises.555 3. Notwendige Festlegung des Entscheidungsmaßstabs Schlussendlich muss auch der Entscheidungsmaßstab aus Transparenzgründen festgelegt werden, sofern die betreffende Leistung hypothetische Abschlussrelevanz hat.556 Notwendig ist die Bindung an billiges Ermessen oder an einen vergleichbaren Maßstab.557 Andernfalls besteht ein zu weiter Entscheidungsspielraum bei der Ausübung des Bestimmungsrechts, aufgrund dessen der Arbeitnehmer nicht erkennen kann, ob seine Interessen berücksichtigt werden und wie der Arbeitgeber die Entwicklung der maßgeblichen Entscheidungsfaktoren bewerten wird.558 Dem Arbeitnehmer ist es bei einem weiten Entscheidungsmaßstab, wie z. B. dem freien Ermessen, praktisch unmöglich, die Chance auf eine Auszahlung der betreffenden Leistung sowie die mögliche Größenordnung einzuschätzen. Diese Unklarheiten verwehren dem Arbeitnehmer eine informierte Vertragsabschlussentscheidung und benachteiligen ihn deshalb unangemessen, sofern nicht ausnahmsweise die betreffende Leistung ohnehin keine (hypothetische) Relevanz für die Abschlussentscheidung hat.559 Eine Benachteiligung bei der Vertragsabwicklung durch die Gefahr, der Arbeitnehmer könnte aufgrund eines zu freien Entscheidungsmaßstabs von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten werden, besteht jedoch nicht.560 Ein Hinweis auf § 315 Abs. 3 BGB ist in keinem Fall erforderlich.561 552 553 554 555 556 557 558 559 560 561

S. Kapitel 5 B. IV. 2. S. Kapitel 5 B. IV. 5. b). S. Kapitel 5 B. IV. 5. c) und B. IV. 1. c). S. Kapitel 5 B .IV. 5. c). S. Kapitel 5 B. V. S. Kapitel 5 B. V. 2. S. dazu Kapitel 5 B. V. 1. a). S. dazu Kapitel 5 B. V. 1. b). Dazu ausführlich unter Kapitel 5 B. V. 1. b) bb). S. Kapitel 5 B. V. 3.

Kapitel 6

Rechtsfolgen unwirksamer Bestimmungsvorbehalte Zuletzt stellt sich die Frage, wie mit Klauseln umzugehen ist, die den dargestellten Anforderungen nicht genügen und deshalb nach der hier vertretenen Auffassung dem Unwirksamkeitsverdikt unterfallen. Neben den generellen, nicht unumstrittenen Fragen zu den Rechtsfolgen unangemessener AGB1 treten bei Bestimmungsvorbehalten eine Reihe weiterer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten auf. Zur Vorgehensweise im Umgang mit unwirksamen AGB-Klauseln im Allgemeinen existieren eine Reihe von Vorschlägen, die sich teilweise nur geringfügig voneinander unterscheiden und sich nicht immer klar abgrenzen lassen.2 Ihre Grundzüge sollen in einem ersten Abschnitt aufgezeigt werden.3 Denn die darzustellenden Instrumente bilden die Grundlage für die späteren Erörterungen zur Rechtsfolge der Unwirksamkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte. Anschließend sollen die bei der Frage nach den Rechtsfolgen der Unwirksamkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte auftretenden Probleme zunächst skizziert werden.4 Danach werden die Rechtsfolgen unwirksamer Bestimmungsvorbehalte näher beleuchtet. Es drängt sich von Anfang an das (Teil-)Ergebnis auf, das Leistungsversprechen an sich vor dem Verdikt der Unwirksamkeit zu bewahren. Deshalb könnte ein unwirksamer Bestimmungsvorbehalt im Wege der geltungserhaltenden Reduktion auf ein angemessenes Maß zurückgeführt werden.5 Daran bestehen allerdings erhebliche methodische wie auch rechtliche Bedenken. Es bedarf danach der Untersuchung, ob eine isolierte Aufrechterhaltung des Leistungsversprechens der Rechtslage entspricht und wie sie zu erreichen ist.6 Man könnte entweder mittels des „Blue-Pencil-Tests“ das Leistungsversprechen und den Bestimmungsvorbehalt als zwei eigenständige materielle Regelungen ansehen, die unabhängig voneinander zu untersuchen sind.7 Denkbar wäre es auch, das Leistungsversprechen im Wege einer Ausnahme von der geltungserhal1 2 3 4 5 6 7

S. dazu Kapitel 6 A. Anschaulich bei Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Lindacher/Hau, § 306 BGB Rn. 27 f. S. unter Kapitel 6 A. S. Kapitel 6 B. S. dazu Kapitel 6 C. S. dazu Kapitel 6 D. S. dazu Kapitel 6 D. II.

A. Grundsatzfragen zum Umgang mit unwirksamen AGB-Klauseln

467

tenden Reduktion oder über die ergänzende Vertragsauslegung aufrechtzuerhalten.8 Darüber hinaus käme in Frage, das gewünschte Ergebnis mit einem Verweis auf den Schutzzweck der AGB-Kontrolle als teleologische Überlegung zu erreichen.9 Sodann muss der Rechtsfolge nachgegangen werden, die sich aus der (isolierten) Unwirksamkeit des Bestimmungsvorbehalts ergibt. Fällt dieser weg, wird aber das Leistungsversprechen aufrechterhalten, bleibt ein Anspruch auf Zahlung ohne eine feststellbare Höhe. Es fragt sich zunächst, ob § 315 BGB an die Stelle des unwirksamen Leistungsbestimmungsrechts treten kann.10 Daneben könnte § 612 Abs. 2 BGB als dispositives Recht zur Anwendung kommen.11 Dann würde an die Stelle des Bestimmungsvorbehalts eine Bezifferung der Leistungshöhe auf das übliche Maß treten. Es bleibt außerdem die Möglichkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung.12 Im Rahmen dieser ist zu untersuchen, ob sich eine der diversen denkbaren Lösungsmöglichkeiten als unbedingt vorzugswürdig erweist.

A. Grundsatzfragen zum Umgang mit unwirksamen AGB-Klauseln: geltungserhaltende Reduktion, Teilunwirksamkeit und ergänzende Vertragsauslegung In der nach wie vor lebhaften Diskussion über den Umgang mit unwirksamen AGB-Klauseln werden – neben den unbestrittenen Möglichkeiten der „Ersetzung“ durch dispositives Recht oder des ersatzlosen Wegfalls der Klausel – eine Reihe verschiedener Vorgehensweisen vorgeschlagen.13 Die Situation ist unübersichtlich und soll hier nur soweit nötig in ihren Grundzügen dargestellt werden. Werden weitere Abgrenzungen erforderlich, erfolgen sie an gegebener Stelle. Alle darzustellenden Lösungen haben einen gemeinsamen Ausgangspunkt: der Vertrag soll möglichst (mit einem angemessenen Inhalt) aufrechterhalten werden; dem Verwender soll das Risiko der Unangemessenheit auferlegt werden14; das 8

S. dazu Kapitel 6 D. III. S. dazu Kapitel 6 D. I. 10 S. Kapitel 6 E. I. 11 S. Kapitel 6 E. II. 12 S. dazu Kapitel 6 F. 13 Vgl. die Darstellung bei Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Lindacher/Hau, § 306 BGB Rn. 27 f. 14 Boemke-Albrecht, Rechtsfolgen unangemessener Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, S. 21 ff., 50, 75 f., 78; zur geltungserhaltenden Reduktion so: BAG v. 04.03.2004 – 8 AZR 196/03, BAGE 110, 8 Rn. 65; BAG v. 25.05.2005 – 5 AZR 572/04, BAGE 115, 19 Rn. 34; Preis/Roloff, ZfA 2007, 43, 78; Erman/Roloff, § 306 BGB Rn. 8. 9

468

Kap. 6: Rechtsfolgen unwirksamer Bestimmungsvorbehalte

Gericht soll keine Vertragshilfe leisten und der Vertragspartner soll angemessen geschützt werden.15 Wie diese Ziele zu erreichen sind, wird nicht einheitlich beantwortet.

I. Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion Die Rechtsprechung und ein großer Teil der Literatur vertreten ein striktes Verbot der geltungserhaltenden Reduktion16, während diese in der Literatur teilweise aber auch als zulässig angesehen wird17. Zu beachten ist dabei, dass der Begriff der geltungserhaltenden Reduktion nicht einheitlich verstanden wird.18 Die geltungserhaltende Reduktion kann als Rückführung der unwirksamen Klausel auf das angemessene Maß verstanden werden.19 Vorwiegend wird mit der geltungserhaltenden Reduktion hingegen die Rückführung auf das gerade noch zulässige Maß bezeichnet.20 Letzteres wird von der herrschenden Meinung als unzulässig angesehen, weil das Gericht keine einseitige Vertragshilfe leisten soll21

15 S. zu diesen Aspekten etwa Stoffels, AGB-Recht, Rn. 596; Däubler/Bonin/ Deinert/Bonin, § 306 BGB Rn. 23; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 368 f.; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Lindacher/Hau, § 306 BGB Rn. 15; Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt, § 306 BGB Rn. 34a; Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, S. 178 f.; Clemenz/Kreft/Krause/Schlewing, § 306 BGB Rn. 3; Schlewing, RdA 2011, 92; Uffmann, RdA 2011, 154, 160; zum Ziel des angemessenen Interessenausgleichs aller Ansichten s. Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Lindacher/Hau, § 306 BGB Rn. 29. 16 BGH v. 17.05.1982 – VII ZR 316/81, BGHZ 84, 109; BGH v. 25.06.2003 – VIII ZR 344/02, NJW 2003, 2899; BGH v. 06.04.2005 – VIII ZR 27/04, NJW 2005, 1574; BAG v. 04.03.2004 – 8 AZR 196/03, BAGE 110, 8 Rn. 65; BAG v. 25.05.2005 – 5 AZR 572/04, BAGE 115, 19 Rn. 34; Stoffels, ZfA 2009, 861, 890; Preis/Roloff, ZfA 2007, 43, 78; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 344; Erman/Roloff, § 306 BGB Rn. 8; Henssler/Moll, AGB-Kontrolle vorformulierter Arbeitsbedingungen, S. 13; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 593; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 306 BGB Rn. 14a; s. dazu auch Schlewing, RdA 2011, 92; Clemenz/Kreft/Krause/Schlewing, § 306 BGB Rn. 70 ff.; Linck, in: FS Bauer, S. 645, 655. 17 MüKo-BGB/Basedow, § 306 BGB Rn. 16 ff.; Boemke-Albrecht, Rechtsfolgen unangemessener Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, S. 28 ff., 162 ff.; so für das Arbeitsrecht wohl auch Hromadka, NJW 2002, 2523, 2529 f.; in diese Richtung auch Thüsing, NZA 2002, 591, 594; s. auch die Kritik am Verbot der geltungserhaltenden Reduktion bei Clemenz/Kreft/Krause/Schlewing, § 306 BGB Rn. 70 ff.; Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, S. 286 ff. und passim hält das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion für einen „Mythos“. 18 Die Diskussion wird für überflüssig und der Rechtsfindung nicht dienlich bezeichnet von: Schlewing, RdA 2011, 92, 99; Clemenz/Kreft/Krause/Schlewing, § 306 BGB Rn. 73 ff. S. dort auch für eine umfassende Darstellung der verschiedenen Verständnismöglichkeiten. 19 So MüKo-BGB/Basedow, § 306 BGB Rn. 16 ff. 20 S. nur BGH v. 17.05.1982 – VII ZR 316/81, BGHZ 84, 109; BGH v. 01.02.1984 – VIII ZR 54/83, NJW 1984, 1177; BAG v. 11.04.2006 – 9 AZR 610/05, BAGE 118, 36 Rn. 36; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 594. 21 Schlewing, RdA 2011, 92; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 596.

A. Grundsatzfragen zum Umgang mit unwirksamen AGB-Klauseln

469

und der Präventions- und Transparenzzweck der AGB-Kontrolle ansonsten missachtet würden22.

II. Teilbarkeit zusammengefasster Klauseln („Blue-Pencil-Test“) Ein weiterer Weg zum Umgang mit unwirksamen AGB-Klauseln ist die Teilung der zu untersuchenden Klausel in einen angemessenen und einen unangemessenen Teil. Von Rechtsprechung und Literatur wird dies häufig über das Instrument des „Blue-Pencil-Tests“ 23 erreicht, wobei leichte Unterschiede in der Feststellung der Teilbarkeit von Klauseln bestehen. Die Rechtsprechung legt den Fokus tendenziell eher auf die sprachliche Trennbarkeit.24 In der Literatur wird teilweise dafür plädiert, stärker auf die inhaltliche Teilbarkeit abzustellen.25 Grundsätzlich ist bei der Durchführung des „Blue-Pencil-Tests“ zu fragen, ob eine Klausel sich inhaltlich und sprachlich in mehrere Teile trennen lässt, die aus sich heraus verständlich und sinnvoll sind.26 Entscheidend ist, dass mehrere 22 BAG v. 04.03.2004 – 8 AZR 196/03, BAGE 110, 8 Rn. 65; BAG v. 25.05.2005 – 5 AZR 572/04, BAGE 115, 19 Rn. 34; Stoffels, ZfA 2009, 861, 890; Preis/Roloff, ZfA 2007, 43, 78; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 344; Erman/Roloff, § 306 BGB Rn. 8; Henssler/Moll, AGB-Kontrolle vorformulierter Arbeitsbedingungen, S. 13; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 593; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 306 BGB Rn. 14a; s. dazu auch Schlewing, RdA 2011, 92; Clemenz/Kreft/Krause/Schlewing, § 306 BGB Rn. 70 ff.; s. zum Verhältnis von geltungserhaltender Reduktion und Transparenz Kreienbaum, Transparenz und AGB-Gesetz, S. 172 ff.; Linck, in: FS Bauer, S. 645, 655; a. A. Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, S. 286 ff. 23 BGH v. 07.10.1981 – VIII ZR 214/80, NJW 1982, 178; BGH v. 28.05.1984 – III ZR 63/83, NJW 1984, 2816; BAG v. 21.04.2005 – 8 AZR 425/04, NZA 2005, 1053; BAG v. 11.04.2006 – 9 AZR 610/05, BAGE 118, 36; BAG v. 12.03.2008 – 10 AZR 152/07, NZA 2008, 699; BAG v. 25.08.2010 – 10 AZR 275/09, BAGE 135, 239; BAG v. 24.02.2011 – 6 AZR 634/09, ZMV 2011, 225; Schlewing, RdA 2011, 92, 93; Linck, in: FS Bauer, S. 645, 650; s. dazu auch Clemenz/Kreft/Krause/Schlewing, § 306 BGB Rn. 21 ff.; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 306 BGB Rn. 12a; Staudinger/Schlosser, § 306 BGB Rn. 17; krit. Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, S. 161 ff.; ablehnend Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt, § 306 BGB Rn. 13. 24 S. etwa BAG v. 21.04.2005 – 8 AZR 425/04, NZA 2005, 1053; BAG v. 11.04.2006 – 9 AZR 610/05, BAGE 118, 36; BAG v. 12.03.2008 – 10 AZR 152/07, NZA 2008, 699; BAG v. 25.08.2010 – 10 AZR 275/09, BAGE 135, 239; BAG v. 24.02.2011 – 6 AZR 634/09, ZMV 2011, 225; BGH v. 07.10.1981 – VIII ZR 214/80, NJW 1982, 178; BGH v. 28.05.1984 – III ZR 63/83, NJW 1984, 2816; krit. zu diesem Vorgehen Preis, RdA 2012, 101, 106. 25 Preis, RdA 2012, 101, 106; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, Vorbemerkungen zur Inhaltskontrolle Rn. 98; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 600; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 306 BGB Rn. 12 f.; s. auch Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt, § 306 BGB Rn. 13, der den „Blue-Pencil-Test“ insgesamt ablehnt und stattdessen danach abgrenzt, ob inhaltlich eigenständige Regelungen vorliegen. 26 S. BGH v. 07.10.1981 – VIII ZR 214/80, NJW 1982, 178; BGH v. 28.05.1984 – III ZR 63/83, NJW 1984, 2816; BAG v. 21.04.2005 – 8 AZR 425/04, NZA 2005, 1053; BAG v. 11.04.2006 – 9 AZR 610/05, BAGE 118, 36; BAG v. 25.08.2010 – 10 AZR 275/09, BAGE 135, 239; BAG v. 24.02.2011 – 6 AZR 634/09, ZMV 2011, 225; Er-

470

Kap. 6: Rechtsfolgen unwirksamer Bestimmungsvorbehalte

materielle Regelungen vorliegen, die eigenständig zu kontrollieren sind. Eine sprachliche Umformulierung zur Herstellung der Trennbarkeit ist dabei allerdings problembehaftet, da sie schnell in eine geltungserhaltende Reduktion umschlagen kann.27 Es kann durchaus bezweifelt werden, ob das mit dem „Blue-Pencil-Test“ gemeinte Vorgehen tatsächlich ein eigenes Instrument zur Rechtsfolgenlösung ist, welches einer eigenständigen Bezeichnung bedarf. Dem Weg ist unabhängig von der Bezeichnung aber zuzustimmen. Im Grunde ist nämlich das gemeint, was das Gesetz ohnehin regelt. Gem. § 306 BGB sind nur die gegen das AGB-Recht verstoßenden Klauseln unwirksam, alle anderen Klauseln bleiben wirksam.28 Der „Blue-Pencil-Test“ umschreibt lediglich das Vorgehen zur Feststellung, welche Klauseln eigenständig und deshalb separat zu prüfen sind. Diese werden von der Unwirksamkeit anderer mit ihnen äußerlich verbundener Klauseln nicht erfasst. Insofern ist der „Blue-Pencil-Test“ keine Ausnahme vom Verbot der geltungserhaltenden Reduktion.29

III. Die ergänzende Vertragsauslegung Das dritte Instrument zur Lückenschließung ist die ergänzende Vertragsauslegung. Ihre Anwendbarkeit ist mit Ausnahme weniger Stimmen allgemein anerkannt.30 Nicht abschließend geklärt ist hingegen, unter welchen Voraussetzungen man/Roloff, § 306 BGB Rn. 11; Günther, AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen, S. 238; Schlewing, RdA 2011, 92, 93; Linck, in: FS Bauer, S. 645, 650 s. dazu auch Clemenz/ Kreft/Krause/Schlewing, § 306 BGB Rn. 21 ff.; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 306 BGB Rn. 12a; Staudinger/Schlosser, § 306 BGB Rn. 17; a. A. Ulmer/Brandner/Hensen/ Schmidt, § 306 BGB Rn. 12a. 27 BAG v. 15.03.2005 – 9 AZR 502/03, BAGE 114, 97; Clemenz/Kreft/Krause/ Schlewing, § 306 BGB Rn. 24. 28 So wird auch vertreten, der „Blue-Pencil-Test“ ergebe sich aus § 306 Abs. 1 BGB bzw. dem darin enthaltenen Rechtsgedanken: Schlewing, RdA 2011, 92, 95; Clemenz/ Kreft/Krause/Schlewing, § 306 BGB Rn. 3, 20 ff.; s. dazu auch Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, S. 161 f. 29 Günther, AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen, S. 237; Däubler/Bonin/Deinert/ Bonin, § 306 BGB Rn. 12a. 30 Preis, RdA 2012, 101, 107; s. etwa BGH v. 01.02.1984 – VIII ZR 54/83, NJW 1984, 1177; BGH v. 14.07.2010 – VIII ZR 246/08, BGHZ 186, 180; BGH v. 03.12.2014 – VIII ZR 370/13, NJW 2015, 1167; BGH v. 26.03.2015 – VII ZR 92/14, BGHZ 204, 346; Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt, § 306 BGB Rn. 31 ff. m.w. N.; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 612 ff.; Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, S. 178; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 306 BGB Rn. 22; Clemenz/Kreft/Krause/ Schlewing, § 306 BGB Rn. 53; BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 306 Rn. 15; Erman/Roloff, § 306 BGB Rn. 13; Bunte, NJW 1984, 1145 ff.; Ulmer, NJW 1981, 2025, 2030 f.; Schlewig, RdA 2011, 92, 93; Uffmann, RdA 2011, 154, 156; a. A. E. Schmidt, ZIP 1987, 1505, 1508 f.; Götz, NJW 1978, 2223, 2224; a. A. für die Lückenschließung bei unwirksamen Klauseln wohl auch Boemke-Albrecht, Rechtsfolgen unangemessener Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, S. 73 ff., der die ergänzende Vertragsauslegung im Ergebnis aber auf AGB anwenden will.

A. Grundsatzfragen zum Umgang mit unwirksamen AGB-Klauseln

471

sie anwendbar ist. Einigkeit besteht insoweit, dass die ergänzende Vertragsauslegung nur zum Zuge kommen kann, wenn weder das dispositive Recht noch ein ersatzloser Wegfall der Klausel eine angemessene, den typischen Interessen der Vertragsparteien entsprechende Lösung bieten.31 Das gilt unabhängig davon, ob die ergänzende Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB selbst als dispositives Recht i. S. d. § 306 Abs. 2 BGB anzusehen ist oder nicht.32 Das BAG und ein Teil der Literatur fordern für die Anwendbarkeit der ergänzenden Vertragsauslegung darüber hinaus, dass eine Streichung der betreffenden Klausel eine unzumutbare Härte für den Verwender darstellt.33 Ähnlich wird vom BGH formuliert, dass die ergänzende Vertragsauslegung (nur) anwendbar sei, wenn sich das Vertragsgefüge durch den Wegfall der Klausel völlig einseitig zugunsten des Vertragspartners verschiebe.34 Diese strengen Voraussetzungen für die Anwendbarkeit werden in der Literatur zu Recht kritisch betrachtet.35 Ausreichen soll nach

31 BGH v. 01.02.1984 – VIII ZR 54/83, NJW 1984, 1177; BGH v. 24.09.1985 – VI ZR 4/84, BGHZ 96, 18; BGH v. 03.11.1999 – VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 104; BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 25.05.2005 – 5 AZR 572/04, BAGE 115, 19; BAG v. 28.09.2005 – 5 AZR 52/05, BAGE 116, 66; BAG v. 01.03.2006 – 5 AZR 511/05, BAGE 117, 165; Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, S. 181; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 306 BGB Rn. 23 f.; MüKo-BGB/Basedow, § 306 BGB Rn. 32; Clemenz/Kreft/Krause/Schlewing, § 306 BGB Rn. 51, 55, 63; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 612 f.; Preis/Roloff, ZfA 2007, 43, 78; Schlewing, RdA 2011, 92, 94, 97; Uffmann, RdA 2011, 154, 157; Linck, in: FS Bauer, S. 645, 656; s. auch Günther, AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen, S. 239. 32 So auch Schlewing, RdA 2011, 92, 97; Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, S. 178; Clemenz/Kreft/Krause/Schlewing, § 306 BGB Rn. 50; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 613; Linck, in: FS Bauer, S. 645, 656; die ergänzende Vertragsauslegung gem. §§ 133, 157 BGB als dispositives Recht i. S. d. § 306 Abs. 2 BGB sehen: BGH v. 01.02.1984 – VIII ZR 54/83, NJW 1984, 1177; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 306 BGB Rn. 21; Graf v. Westphalen/Thüsing/Graf v. Westphalen, Preisanpassungsklauseln Rn. 64; Boemke-Albrecht, Rechtsfolgen unangemessener Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, S. 72 f. zur Vorgängerregelung des § 6 Abs. 2 AGBG; Jesgarzewski, Die Grenzen formularmäßiger Vereinbarung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte, S. 208, 220; a. A.: Preis, RdA 2012, 101, 107; Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt, § 306 BGB Rn. 34; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 613; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Lindacher/Hau, § 306 BGB Rn. 15; so wohl auch Preis/Roloff, ZfA 2007, 43, 78. 33 BAG v. 11.04.2006 – 9 AZR 610/05, BAGE 118, 36; BAG v. 25.09.2008 – 8 AZR 717/07, DB 2009, 569; BAG v. 14.01.2009 – 3 AZR 900/07, BAGE 129, 121 Rn. 27; BAG v. 11.02.2009 – 10 AZR 222/08, NZA 2009, 428 Rn. 35; BAG v. 15.09.2009 – 3 AZR 173/08, NJW 2010, 550 Rn. 49; BAG v. 21.06.2011 – 9 AZR 236/10, BAGE 138, 148 Rn. 50; zust. Stoffels, AGB-Recht, Rn. 615; so wohl auch Wolf/Lindacher/Pfeiffer/ Lindacher/Hau, § 306 BGB Rn. 17. 34 BGH v. 13.11.1997 – IX ZR 289/96, BGHZ 137, 153; BGH v. 29.04.2008 – KZR 2/07, NJW 2008, 2172; BGH v. 14.07.2010 – VIII ZR 246/08, BGHZ 186, 180 Rn. 50; BGH v. 01.10.2014 – VII ZR 344/13, BGHZ 202, 309; so auch Erman/Roloff, § 306 BGB Rn. 13. 35 Krit. Preis, RdA 2012, 101, 107; Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion. S. 185 f.; Schlewing, RdA 2011, 92, 97 f.; Clemenz/Kreft/Krause/Schle-

472

Kap. 6: Rechtsfolgen unwirksamer Bestimmungsvorbehalte

dieser Meinung in der Literatur, dass ohne ergänzende Vertragsauslegung keine angemessene, den typischen Interessen der Vertragsparteien Rechnung tragende Lösung vorliegt.36 Tatsächlich leuchtet nicht recht ein, warum eine ergänzende Vertragsauslegung nur bei unzumutbarer Härte für den Verwender möglich sein soll. Besonders relevant ist im vorliegenden Zusammenhang der Einwand, dass sich die Bindung an eine Unzumutbarkeit auch für den Vertragspartner negativ auswirken kann.37 Liegen die Voraussetzungen für eine ergänzende Vertragsauslegung zur Lückenfüllung vor, ist eine angemessene Lösung zu suchen. Diese bestimmt sich danach, was redliche Vertragsparteien bei angemessener Abwägung der Interessen nach Treu und Glauben vereinbart hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der tatsächlich gewählten Klausel bewusst gewesen wäre.38 Es ist ein objektiv-generalisierender Maßstab anzulegen, der sich nach dem Willen und den Interessen der typischen Vertragsparteien des jeweiligen Verkehrskreises richtet.39 Ergebnis der ergänzenden Vertragsauslegung ist eine allgemeine Lösung eines stets wiederkehrenden Interessenkonflikts.40

IV. Zusammenfassung und Einordnung Im Grundsatz bestehen neben der Geltung dispositiven Rechts gem. § 306 Abs. 2 BGB oder dem ersatzlosen Wegfall der unwirksamen Klausel41 drei mögwing, § 306 BGB Rn. 60; ablehnend Uffmann, RdA 2011, 154, 157 ff.; Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt, § 306 BGB Rn. 37a; Linck, in: FS Bauer, S. 645, 655 ff. 36 Preis, RdA 2012, 101, 107; Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt, § 306 BGB Rn. 37a; Linck, in: FS Bauer, S. 645, 656 f. 37 Preis, RdA 2012, 101, 108; s. auch Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt, § 306 BGB Rn. 36; in diese Richtung auch Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Lindacher/Hau, § 306 BGB Rn. 20; s. dazu Kapitel 6 F. I. 38 BAG v. 07.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423; Preis, RdA 2012, 101, 107; Preis/Roloff, ZfA 2007, 43, 78; Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt, § 306 BGB Rn. 31, 37a; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 306 BGB Rn. 22, 25; s. auch BGH v. 07.03.1989 – KZR 15/87, BGHZ 107, 273; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 361; Erman/Roloff, § 306 BGB Rn. 13; Linck, in: FS Bauer, S. 645, 658; Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, S. 191 f.; Stoffels, AGB-Recht Rn. 616. 39 S. etwa Clemenz/Kreft/Krause/Schlewing, § 306 BGB Rn. 64. 40 Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 361; Ulmer/Brandner/Hensen/ Schmidt, § 306 BGB Rn. 32; Schlewing, RdA 2011, 92, 94; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 617; Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, S. 192; Clemenz/ Kreft/Krause/Schlewing, § 306 BGB Rn. 64. 41 S. zu diesen Möglichkeiten etwa BGH v. 01.02.1984 – VIII ZR 54/83, NJW 1984, 1177; BGH v. 24.09.1985 – VI ZR 4/84, BGHZ 96, 18; BGH v. 03.11.1999 – VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 104; BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 25.05.2005 – 5 AZR 572/04, BAGE 115, 19; BAG v. 28.09.2005 – 5 AZR 52/05, BAGE 116, 66; BAG v. 01.03.2006 – 5 AZR 511/05, BAGE 117, 165; Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, S. 181; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 306 BGB Rn. 23 f.; MüKo-BGB/Basedow, § 306 BGB Rn. 15, 28 ff.; Clemenz/Kreft/

B. Die Unwirksamkeit der gesamten Klausel

473

liche Instrumente zum Umgang mit unwirksamen AGB-Klauseln: die geltungserhaltende Reduktion auf ein angemessenes Maß, die Teilung zusammengefasster Klauseln und die ergänzende Vertragsauslegung. Sie überschneiden sich teilweise42 – je nach Verständnis der Voraussetzungen und Vorgehensweisen –, sind unter Umständen auch nebeneinander anwendbar und werden oft zu vergleichbaren Ergebnissen führen.43 So kann in einigen Fällen dasselbe angemessene Ergebnis über eine geltungserhaltende Reduktion oder auch eine ergänzende Vertragsauslegung erreicht werden.44 Durch die Teilbarkeit von AGB-Klauseln und einige Ausnahmen45 vom Verbot der geltungserhaltenden Reduktion nähern sich die Meinungen noch weiter an. Trotz der Gemeinsamkeiten und der teils schwierigen Abgrenzung kann es nicht genügen, eine angemessene Rechtsfolge festzustellen, ohne sie auf § 306 BGB oder eines der aufgezeigten Instrumente zu stützen. Im weiteren Verlauf muss also untersucht werden, ob eines dieser Instrumente auf unwirksame arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte anzuwenden ist und welche Rechtsfolgen sich daraus ergeben.

B. Die Unwirksamkeit der gesamten Klausel und ihre Problematik bei arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten Bei der Feststellung, welche Rechtsfolge sich aus der Unwirksamkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte ergibt, bestehen im Wesentlichen zwei Probleme. Krause/Schlewing, § 306 BGB Rn. 51, 55, 63; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 612 f.; Preis/ Roloff, ZfA 2007, 43, 78; Schlewing, RdA 2011, 92, 94, 97; Uffmann, RdA 2011, 154, 157; Linck, in: FS Bauer, S. 645, 656; s. auch Günther, AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen, S. 239. 42 Vgl. Staudinger/Schlosser, § 306 BGB Rn. 23, der meint, geltungserhaltende Reduktion und ergänzende Vertragsauslegung seien nicht trennscharf abgrenzbar; s. auch Preis, RdA 2012, 101, 108. 43 S. dazu etwa Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, S. 286 ff.; Clemenz/Kreft/Krause/Schlewing, § 306 BGB Rn. 73 ff.; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Lindacher/Hau, § 306 BGB Rn. 27 f. 44 Günther, AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen, S. 242 f.; Däubler/Bonin/Deinert/ Bonin, § 306 BGB Rn. 15; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Lindacher/Hau, § 306 BGB Rn. 18; Schlewing, RdA 2011, 92, 98. 45 S. etwa Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Lindacher/Hau, § 306 BGB Rn. 36 ff. (Ausnahme, wenn die reduzierte Klausel vom Willen des Vertragspartners umfasst und dem Verwender kein Vorwurf zu machen ist); Erman/Roloff, § 306 BGB Rn. 9 (Ausnahme bei nicht vorherzusehender Rechtsprechungsänderung); Günther, AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen, S. 236 (Ausnahme bei Rechtsprechungsänderung); Staudinger/Schlosser, § 306 BGB Rn. 16 (Ausnahme zugunsten des Vertragspartners); eine Darstellung verschiedener Ausnahmen findet sich bei Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, S. 286 ff.

474

Kap. 6: Rechtsfolgen unwirksamer Bestimmungsvorbehalte

Zunächst stellt sich die Frage, ob das Leistungsversprechen an sich aufrechterhalten werden kann, obwohl der zugehörige Bestimmungsvorbehalt unwirksam ist. Wäre das nicht der Fall, würde sich die Unwirksamkeit des Bestimmungsvorbehalts entgegen dem Schutzzweck des AGB-Rechts zu Lasten des Arbeitnehmers auswirken.46 Da eine unangemessen benachteiligende oder intransparente Klausel grundsätzlich insgesamt unwirksam ist47, wäre eine solche Folge bei strikter Anwendung des § 306 BGB tatsächlich denkbar, wenn Leistungsversprechen und Bestimmungsvorbehalt als eine Klausel anzusehen sind.48 Dass diese Rechtsfolge nicht im Sinne des AGB-Rechts ist, das den Vertragspartner vor unangemessener Benachteiligung schützen soll49, drängt sich auf. Wie das Leistungsversprechen aufrechterhalten werden kann, wird hingegen nicht gleichermaßen deutlich. In Frage käme eine Zurückführung der Klausel auf ein Leistungsversprechen mit angemessenem Bestimmungsvorbehalt.50 Problematisch ist dabei jedoch, dass eine solche geltungserhaltende Reduktion bei AGB unzulässig sein könnte. Alternativ wäre zu prüfen, ob Leistungsversprechen und Bestimmungsvorbehalt im Wege des „Blue-Pencil-Tests“ in zwei selbstständige Klauseln geteilt werden können, für die unabhängige Rechtsfolgen gelten.51 Denkbar wäre auch die Aufrechterhaltung nach dem Schutzzweck des AGB-Rechts52 oder eine „Wiederherstellung“ im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung53. Lässt sich das Leistungsversprechen auf einem dieser Wege aufrechterhalten, entsteht jedoch ein Folgeproblem. Da der Bestimmungsvorbehalt unwirksam ist, lässt sich die Höhe der Leistung nicht mehr ohne weiteres feststellen. Die dadurch entstehende Lücke muss geschlossen werden, damit das Leistungsverspre-

46 S. zum Schutzzweck des AGB-Rechts Hellwege, Allgemeine Geschäftsbedingungen, einseitig gestellte Vertragsbedingungen und die allgemeine Rechtsgeschäftslehre, S. 563 ff., 590; BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 1; Leuschner, AcP 207 (2007), 491, 494; NK-BGB/Kollmann, Vorbemerkungen zu §§ 305 ff. BGB Rn. 3 ff.; Erman/ Roloff, § 307 BGB Rn. 42; Clemenz/Kreft/Krause/Schlewing, § 306 BGB Rn. 3; Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt, § 306 BGB Rn. 34a; Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, S. 178 f. 47 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 344; Ulmer/Brandner/Hensen/ Fuchs, Vorbemerkungen zur Inhaltskontrolle Rn. 98; Erman/Roloff, Vorbemerkung vor § 307 Rn. 16. 48 So meint Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn. 364, der Bestimmungsvorbehalt könne nicht unwirksam sein, da dann auch das Leistungsversprechen wegfalle. 49 Statt aller: Hellwege, Allgemeine Geschäftsbedingungen, einseitig gestellte Vertragsbedingungen und die allgemeine Rechtsgeschäftslehre, S. 563 ff., 590; BeckOKBGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 1; Leuschner, AcP 207 (2007), 491, 494; s. dazu auch NKBGB/Kollmann, Vorbemerkungen zu §§ 305 ff. BGB Rn. 3 ff.; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 42. 50 S. dazu Kapitel 6 C. 51 S. dazu Kapitel 6 D. II. 52 S. dazu Kapitel 6 D. I. 53 S. dazu Kapitel 6 D. III.

B. Die Unwirksamkeit der gesamten Klausel

475

chen sinnvoll weiterbestehen kann. Auch diesem Problem könnte mit einer geltungserhaltenden Reduktion begegnet werden. Die Leistung könnte dann im Rahmen eines angemessenen Bestimmungsvorbehalts weiterhin vom Arbeitgeber festgelegt werden. Die anderen denkbaren Wege zur Lückenfüllung sind eine ergänzende Vertragsauslegung oder die Anwendung des dispositiven Rechts.54 Da eine ergänzende Vertragsauslegung nur durchgeführt werden kann, wenn das dispositive Recht keinen angemessenen Interessenausgleich bietet, ist letzteres vorrangig zu prüfen.55 Als anwendbares dispositives Recht kommen § 315 BGB und § 612 Abs. 2 BGB in Betracht. Über die Anwendung des § 315 BGB könnte ein angemessener Bestimmungsvorbehalt des Arbeitgebers an die Stelle des unwirksamen Vorbehalts treten.56 Ob § 315 BGB einen derartigen Regelungsgehalt hat, erscheint fraglich. Das unbestimmte Leistungsversprechen könnte jedoch nach § 612 Abs. 2 BGB auf die übliche Höhe beziffert werden.57 An die Stelle der flexiblen Leistung würde eine starre Zahlungsverpflichtung des Arbeitgebers treten. Doch bietet diese Lösung einen angemessenen Interessenausgleich im ständigen Veränderungen unterliegenden Arbeitsverhältnis? Sinnvoller wäre womöglich eine Lückenschließung im Wege der subsidiär anwendbaren ergänzenden Vertragsauslegung.58 Sie hat den Vorteil, dass flexibler eine angemessene Lösung gefunden werden kann. Allerdings beinhaltet sie auch große Unsicherheiten. So wird nicht auf Anhieb deutlich, welche Regelung an die Stelle des Bestimmungsvorbehalts treten soll. Es wäre denkbar, den Vorbehalt durch ein anderes Leistungsbestimmungsrecht zur Festlegung der Höhe oder durch eine feste Leistungshöhe zu ersetzen. Ebenso käme eine Regelung in Frage, nach der die Höhe der Leistung flexibel ist, sich aber anstelle der arbeitgeberseitigen Festlegung, die der unwirksame Bestimmungsvorbehalt vorsah, objektiv ändert. Problematisch ist bereits die Vorfrage, woran der Rechtsanwender diese Entscheidung auszurichten hat. Möglicherweise kann die bisherige Ausübung des Bestimmungsvorbehalts Anhaltspunkte für die jeweilige Ausgestaltung geben. Dabei ist jedoch zu beachten, dass eine ergänzende Vertragsauslegung objektiv-generalisierend und nicht orientiert am konkreten Parteiwillen stattzufinden hat.59

54

S. dazu Kapitel 6 E. und F. S. dazu Kapitel 6 A. III. 56 Dazu ausführlich unter Kapitel 6 E. I. 57 S. dazu unter Kapitel 6 E. II. 58 Dazu ausführlich unter Kapitel 6 F. 59 Statt vieler: Günther, AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen, S. 241; Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, S. 189; Linck, in: FS Bauer, S. 645, 659; Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt, § 306 BGB Rn. 37b; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 617; Uffmann, RdA 2011, 154, 161; Schlewing, RdA 2011, 92, 94. 55

476

Kap. 6: Rechtsfolgen unwirksamer Bestimmungsvorbehalte

C. Zur Aufrechterhaltung von Bestimmungsvorbehalten durch geltungserhaltende Reduktion Die soeben aufgezeigten Probleme könnten gelöst werden, indem der Bestimmungsvorbehalt auf ein angemessenes Maß reduziert wird. Das Leistungsversprechen bliebe erhalten und auch die Höhe der Leistung ließe sich nach wie vor bestimmen. Es handelt sich dabei allerdings um eine geltungserhaltende Reduktion, die nach der herrschenden Meinung nicht zulässig ist60. Gegen eine geltungserhaltende Reduktion bestehen erhebliche Bedenken, weil sie den Verwender von AGB ermuntern könnte, unwirksame Klauseln zu vereinbaren. Würden diese ohnehin so reduziert, dass sie wirksam blieben, hätte der Verwender das Risiko unangemessener Klauseln nicht zu tragen.61 Ihre Verwendung hätte lediglich Vorteile und keinerlei Nachteile. Der Verwender könnte dem Vertragspartner bedenkenlos die unwirksame Klausel entgegenhalten.62 Macht der Vertragspartner die Unwirksamkeit geltend, wird die gewollte Klausel auf ein Maß reduziert, das der Verwender ohnehin hätte einhalten müssen. Das widerspräche dem Präventionsziel des AGB-Rechts, der Verwendung unangemessener Klauseln entgegenzuwirken.63 Diesen Bedenken ließe sich entgegenhalten, dass die Klausel nicht auf das gerade noch zulässige Maß zu reduzieren ist, sondern auf ein angemessenes Maß.64 Dann hätte der Verwender einen gewissen Nachteil 60 BGH v. 17.05.1982 – VII ZR 316/81, BGHZ 84, 109; BGH v. 25.06.2003 – VIII ZR 344/02, NJW 2003, 2899; BGH v. 06.04.2005 – VIII ZR 27/04, NJW 2005, 1574; Stoffels, ZfA 2009, 861, 890; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 344; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Lindacher/Hau, § 306 BGB Rn. 26 ff.; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, Vorbemerkungen zur Inhaltskontrolle Rn. 99; Erman/Roloff, § 306 BGB Rn. 6, 8; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 593; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 306 BGB Rn. 14 ff.; BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 306 Rn. 17; Linck, in: FS Bauer, S. 645, 655; a. A. Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, S. 286 ff. und passim; MüKo-BGB/Basedow, § 306 BGB Rn. 15 ff.; Boemke-Albrecht, Rechtsfolgen unangemessener Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, S. 28 ff., 162 ff.; Clemenz/Kreft/Krause/Schlewing, § 306 BGB Rn. 70 ff. 61 Günther, AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen, S. 234; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/ Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 344; Erman/Roloff, § 306 BGB Rn. 8; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 593. 62 Erman/Roloff, § 306 BGB Rn. 8. 63 Vgl. BAG v. 04.03.2004 – 8 AZR 196/03, BAGE 110, 8 Rn. 65; BAG v. 25.05.2005 – 5 AZR 572/04, BAGE 115, 19 Rn. 34; Stoffels, ZfA 2009, 861, 890; Preis/Roloff, ZfA 2007, 43, 78; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 344; Erman/Roloff, § 306 BGB Rn. 8; Henssler/Moll, AGB-Kontrolle vorformulierter Arbeitsbedingungen, S. 13; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 593; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 306 BGB Rn. 14a; s. dazu auch Schlewing, RdA 2011, 92; Clemenz/Kreft/Krause/ Schlewing, § 306 BGB Rn. 70 ff.; Linck, in: FS Bauer, S. 645, 655; a. A. Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, S. 286 ff.; dazu auch schon unter Kapitel 3 B. V. 2. 64 S. MüKo-BGB/Basedow, § 306 BGB Rn. 16 ff.; Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, S. 226, 286 ff.; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 306 BGB Rn. 17; vgl. dazu auch die Darstellungen bei Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Lindacher/Hau,

C. Zur Aufrechterhaltung von Bestimmungsvorbehalten

477

durch die Verwendung einer unwirksamen Klausel. Im vorliegenden Zusammenhang könnte etwa ein Bestimmungsvorbehalt angenommen werden, der an bestimmte Kriterien und eine Mindesthöhe gebunden ist. Eine geltungserhaltende Reduktion nach dem wohl vorherrschenden Verständnis läge nicht vor, da nicht eine gerade noch zulässige Gestaltung gewählt würde. Es mutet jedoch befremdlich an, eine Klausel auf ein zulässiges und angemessenes Maß zu reduzieren, aber eine bestimmte Ausgestaltungsvariante als ausgeschlossen anzusehen, weil dann eine nicht zulässige geltungserhaltende Reduktion vorläge. Die Abgrenzung, wann das gerade noch zulässige Maß vorliegt und wann ein angemessenes Maß erreicht ist, würde erhebliche Probleme aufwerfen. Entscheidend gegen die Anwendung einer geltungserhaltenden Reduktion spricht aber, dass sie den in § 306 Abs. 2 BGB verankerten Vorrang der Lückenfüllung durch dispositives Gesetzesrecht nicht beachtet.65 Eine geltungserhaltende Reduktion vermeidet eine Vertragslücke von vornherein, so dass § 306 Abs. 2 BGB gar nicht zur Anwendung kommt.66 Der Gesetzgeber hat aber gerade die Geltung dispositiven Rechts, das Ausdruck eines angemessenen Interessenausgleichs ist67, als vorrangige Ersatzordnung festgelegt. Leben die Normen des dispositiven Rechts wieder auf, wird auch vermieden, dass das Gericht eigenständig Vertragsinhalte – in Form einer Ersatzregelung bzw. angemessenen Reduzierung – schaffen muss, was grundsätzlich der Privatautonomie überlassen ist.68 Außerdem trägt der Verwender ohne eine geltungserhaltende Reduktion das Risiko der Unangemessenheit seiner Klauseln. Diese Risikoverteilung ist angebracht69, da der Verwender sich entscheidet, vom dispositiven Recht abzuweichen, das regelmäßig einen angemessenen Interessenausgleich bietet.70 Verwender von AGB müssen präventiv dazu angehalten werden, angemessene Klauseln § 306 BGB Rn. 29; Clemenz/Kreft/Krause/Schlewing, § 306 BGB Rn. 70 ff.; Schlewing, RdA 2011, 92, 94. 65 So auch Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Lindacher/Hau, § 306 BGB Rn. 29 ff.; s. auch Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 306 BGB Rn. 17; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 596. 66 Vgl. Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt, § 306 BGB Rn. 36; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 596; Schlewing, RdA 2011, 92, 94. 67 Schlewing, RdA 2011, 92, 95 f.; Uffmann, RdA 2011, 154, 156; Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, S. 177; Clemenz/Kreft/Krause/Schlewing, § 306 BGB Rn. 4. 68 Stoffels, AGB-Recht, Rn. 596; Stoffels, ZfA 2009, 861, 891; zum Argument, das Gericht müsse einseitige Vertragshilfe zugunsten des Verwenders leisten, was dem Schutzzweck des AGB-Rechts widerspreche, s. etwa Schlewing, RdA 2011, 92; Uffmann, RdA 2011, 154, 160; Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, S. 185 f. 69 So auch BAG v. 04.03.2004 – 8 AZR 196/03, BAGE 110, 8 Rn. 65; BAG v. 25.05.2005 – 5 AZR 572/04, BAGE 115, 19 Rn. 34; Preis/Roloff, ZfA 2007, 43, 78; Erman/Roloff, § 306 BGB Rn. 8; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 306 BGB Rn. 17; a. A. Schlewing, RdA 2011, 92, 93 m.w. N.; Uffmann, RdA 2011, 154, 161; MüKoBGB/Basedow, § 306 BGB Rn. 16 ff. 70 Vgl. Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 306 BGB Rn. 17.

478

Kap. 6: Rechtsfolgen unwirksamer Bestimmungsvorbehalte

zu verwenden.71 Ist eine Klausel unwirksam, muss aus diesen Gründen das dispositive Recht vollständig zur Geltung kommen und nicht nur in einem eingeschränkten Maß. Weitergedacht würde die Zulassung einer geltungserhaltenden Reduktion bedeuten, dass dem § 306 Abs. 2 BGB kaum noch ein Anwendungsbereich verbliebe. Darin liegt ein wesentlicher Unterschied zur ergänzenden Vertragsauslegung, bei der zunächst zu prüfen ist, ob das dispositive Recht oder der ersatzlose Wegfall der Klausel eine angemessene Lösung bieten.72 Darüber hinaus bestehen im Hinblick auf die geltungserhaltende Reduktion arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte praktische Probleme bei der Rückführung auf ein angemessenes Maß. Ein Bestimmungsvorbehalt etwa, der nur regelt, dass die Höhe der Leistung vom Arbeitgeber festgelegt wird, bedürfte erheblicher Ergänzungen, um den Anforderungen des § 307 BGB standzuhalten.73 Dabei kann kaum noch von einer Zurückführung der Klausel im eigentlichen Wortsinn gesprochen werden. Da im Ergebnis nur noch die Grundidee eines Bestimmungsvorbehalts übrigbliebe, handelt es sich eher um eine Ersetzung durch eine neue Klausel. Es ist außerdem nicht immer klar, welches Maß angemessen ist. Dafür müsste z. B. festgestellt werden, welche Entscheidungskriterien und welche Konkretisierung der Leistungshöhe zu wählen wären. Diese Fragen lassen sich kaum beantworten, ohne einen Blick darauf zu werfen, welche Regelung redliche Vertragsparteien basierend auf dem konkreten Vertrag gewählt hätten. Für derartige Feststellungen eignet sich eine ergänzende Vertragsauslegung deutlich besser. Aus diesen Gründen kann ein unwirksamer Bestimmungsvorbehalt nicht im Wege der geltungserhaltenden Reduktion auf ein angemessenes Maß reduziert werden.

71 Vgl. BAG v. 04.03.2004 – 8 AZR 196/03, BAGE 110, 8 Rn. 65; BAG v. 25.05.2005 – 5 AZR 572/04, BAGE 115, 19 Rn. 34; Stoffels, ZfA 2009, 861, 890; Preis/Roloff, ZfA 2007, 43, 78; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 344; Erman/Roloff, § 306 BGB Rn. 8; Henssler/Moll, AGB-Kontrolle vorformulierter Arbeitsbedingungen, S. 13; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 593; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 306 BGB Rn. 14a; Linck, in: FS Bauer, S. 645, 655; s. aber auch Uffmann, RdA 2011, 154, 160 f.; Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, S. 186; Clemenz/ Kreft/Krause/Schlewing, § 306 BGB Rn. 60, 70 ff. 72 S. zum Unterschied zwischen geltungserhaltender Reduktion und ergänzender Vertragsauslegung insbesondere Günther, AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen, S. 243; Henssler/Moll, AGB-Kontrolle vorformulierter Arbeitsbedingungen, S. 16; Ulmer/ Brandner/Hensen/Schmidt, § 306 BGB Rn. 36; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 596; Schlewing, RdA 2011, 92, 94. 73 S. zu den Wirksamkeitsvoraussetzungen zusammenfassend unter Kapitel 4 B. IX.; Kapitel 5 B. VII.

D. Die Aufrechterhaltung des Leistungsversprechens

479

D. Die Aufrechterhaltung des Leistungsversprechens bei unwirksamen Bestimmungsvorbehalten Es ist nun also zu untersuchen, ob das mit einem unwirksamen Bestimmungsvorbehalt verbundene Leistungsversprechen auf anderem Wege aufrechterhalten werden kann.

I. Der Schutzzweck des AGB-Rechts gebietet eine Aufrechterhaltung des Leistungsversprechens Dass das Leistungsversprechen nicht dem Unwirksamkeitsverdikt unterfallen darf, zeigt ein Blick auf den Schutzzweck des AGB-Rechts.74 Wesentliches Ziel des AGB-Rechts ist es, den Vertragspartner vor unangemessener Benachteiligung zu schützen.75 Wäre es im vorliegenden Zusammenhang nicht möglich, das Leistungsversprechen aufrechtzuerhalten, würde dieser Schutzzweck ins Gegenteil verkehrt. Die Unwirksamkeit des Bestimmungsvorbehalts würde den Verlust eines Anspruchs bedeuten, wodurch der Arbeitnehmer nicht geschützt, sondern benachteiligt würde. Er wäre gezwungen, den unangemessen benachteiligenden Bestimmungsvorbehalt nicht anzugreifen, weil dies für ihn ausschließlich nachteilig wäre. Dann wäre auch der Präventionszweck der Inhaltskontrolle76 gefährdet, denn der Verwender hätte keinerlei Nachteile von der Verwendung solcher Klauseln zu befürchten. Das hätte im Grunde eine noch einschneidendere Wirkung als die Zulassung einer geltungserhaltenden Reduktion auf das gerade noch zulässige

74 Ähnlich argumentiert auch Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt, § 306 BGB Rn. 13b zur Aufrechterhaltung einer Hauptleistungspflicht, die mit einer Nebenabrede verbunden wurde. S. zum Schutzzweck des AGB-Rechts Hellwege, Allgemeine Geschäftsbedingungen, einseitig gestellte Vertragsbedingungen und die allgemeine Rechtsgeschäftslehre, S. 563 ff., 590; BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 1; Leuschner, AcP 207 (2007), 491, 494; NK-BGB/Kollmann, Vorbemerkungen zu §§ 305 ff. BGB Rn. 3 ff.; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 42; Clemenz/Kreft/Krause/Schlewing, § 306 BGB Rn. 3; Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt, § 306 BGB Rn. 34a; Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, S. 178 f. 75 Statt aller: Hellwege, Allgemeine Geschäftsbedingungen, einseitig gestellte Vertragsbedingungen und die allgemeine Rechtsgeschäftslehre, S. 563 ff., 590; BeckOKBGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 1; Leuschner, AcP 207 (2007), 491, 494; s. dazu auch NKBGB/Kollmann, Vorbemerkungen zu §§ 305 ff. BGB Rn. 3 ff.; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 42. 76 Vgl. zum Präventionszweck BAG v. 04.03.2004 – 8 AZR 196/03, BAGE 110, 8 Rn. 65; BAG v. 25.05.2005 – 5 AZR 572/04, BAGE 115, 19 Rn. 34; Stoffels, ZfA 2009, 861, 890; Preis/Roloff, ZfA 2007, 43, 78; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 344; Erman/Roloff, § 306 BGB Rn. 8; Henssler/Moll, AGB-Kontrolle vorformulierter Arbeitsbedingungen, S. 13; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 593; Däubler/Bonin/ Deinert/Bonin, § 306 BGB Rn. 14a; s. dazu auch Schlewing, RdA 2011, 92; Clemenz/ Kreft/Krause/Schlewing, § 306 BGB Rn. 70 ff.; Linck, in: FS Bauer, S. 645, 655; a. A. Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, S. 286 ff.; dazu auch schon unter Kapitel 3 B. V. 2.

480

Kap. 6: Rechtsfolgen unwirksamer Bestimmungsvorbehalte

Maß.77 Bei einer solchen geltungserhaltenden Reduktion träte wenigstens eine gerade noch angemessene Klausel an die Stelle der unwirksamen Klausel. Lässt man im vorliegenden Fall das Leistungsversprechen mit „untergehen“, kann der Arbeitnehmer wählen zwischen der Situation eines Anspruchs, der unangemessen eingeschränkt wird, oder dem vollständigen Wegfall des Anspruchs. Das kann nicht gewollt sein. So wird deutlich, dass das Leistungsversprechen nicht dem Unwirksamkeitsverdikt unterfallen kann.

II. Aufrechterhaltung mittels „Blue-Pencil-Tests“ Fraglich ist, auf welchem Wege das Ziel der Aufrechterhaltung des mit einem Bestimmungsvorbehalt verbundenen Leistungsversprechens erreicht werden kann. Es wäre möglich, den Bestimmungsvorbehalt von vornherein isoliert zu kontrollieren.78 Dies setzt voraus, dass Bestimmungsvorbehalt und Leistungsversprechen zwei voneinander trennbare Regelungen enthalten, die eigenständig überprüft werden können. Dann bliebe das Leistungsversprechen gem. § 306 Abs. 1 BGB als Teil des Vertrages „im Übrigen“ wirksam. Ob tatsächlich zwei materielle Regelungen vorliegen, könnte mittels des „Blue-Pencil-Tests“ festgestellt werden. Zu fragen ist, ob Bestimmungsvorbehalt und Leistungsversprechen sich inhaltlich und sprachlich so trennen lassen, dass das Leistungsversprechen aus sich heraus verständlich und sinnvoll bleibt.79 Sprachlich gesehen lassen sich die beiden Teile trennen, ohne dass der eigentliche Wortsinn darunter leidet. Streicht man den Bestimmungsvorbehalt, bleibt eine Klausel, die festlegt, dass der Arbeitnehmer eine Leistung erhält. Das ist sprachlich ohne weiteres verständlich. Die Feststellung der Trennbarkeit darf aber nicht rein sprachlich erfolgen, sondern bedarf vor allem einer inhaltlichen Untersuchung.80 Die sprachliche Trennbarkeit ist ein Indiz dafür, dass die Regelungen auch inhaltlich getrennt werden können.81 77

Zum Verbot der geltungserhaltenden Reduktion s. Kapitel 6 A. I. So generell für Hauptleistungspflichten, die mit einer Nebenabrede verbunden wurden: Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt, § 306 BGB Rn. 13 ff. 79 Vgl. zum Vorgehen BGH v. 07.10.1981 – VIII ZR 214/80, NJW 1982, 178; BGH v. 28.05.1984 – III ZR 63/83, NJW 1984, 2816; BAG v. 21.04.2005 – 8 AZR 425/04, NZA 2005, 1053; BAG v. 11.04.2006 – 9 AZR 610/05, BAGE 118, 36; BAG v. 25.08.2010 – 10 AZR 275/09, BAGE 135, 239; BAG v. 24.02.2011 – 6 AZR 634/09, ZMV 2011, 225; Erman/Roloff, § 306 BGB Rn. 11; Günther, AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen, S. 238; Schlewing, RdA 2011, 92, 93; Linck, in: FS Bauer, S. 645, 650 s. dazu auch Clemenz/Kreft/Krause/Schlewing, § 306 BGB Rn. 20 ff.; Däubler/Bonin/ Deinert/Bonin, § 306 BGB Rn. 12a; Staudinger/Schlosser, § 306 BGB Rn. 17A; a. A. Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt, § 306 BGB Rn. 12a. 80 Preis, RdA 2012, 101, 106; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, Vorbemerkungen zur Inhaltskontrolle Rn. 98; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 600; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 306 BGB Rn. 12 f.; dazu auch schon unter Kapitel 6 A. II. 81 Preis, RdA 2012, 101, 106; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 306 BGB Rn. 12a; Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt, § 306 BGB Rn. 13. 78

D. Die Aufrechterhaltung des Leistungsversprechens

481

Für eine inhaltliche Trennbarkeit spricht, dass das Leistungsversprechen an sich nach anderen Maßstäben zu kontrollieren ist als der Bestimmungsvorbehalt.82 Die Einräumung eines Leistungsanspruchs unterliegt als Festlegung einer Hauptleistungspflicht gem. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB nicht der Angemessenheitskontrolle, während der Bestimmungsvorbehalt vollständig kontrollfähig ist.83 Die Einräumung eines Anspruchs auf Zahlung einer Geldleistung ist für sich genommen auch eine materielle Regelung, die im Vertragsgefüge im Prinzip sinnvoll bleibt.84 Sie ist verständlich und enthält die eigenständige Regelung, dass dem Arbeitnehmer ein Zahlungsanspruch zusteht. Gleichwohl bleibt dieses Versprechen aber unvollständig ohne Regelung der Leistungshöhe oder des Vorgangs, wie diese zu bestimmen ist. So lässt sich gegen eine Trennbarkeit anführen, dass das Leistungsversprechen ohne den Vorbehalt nicht bestimmt und praktisch inhaltslos wäre. Man könnte annehmen, dass der Bestimmungsvorbehalt für das Leistungsversprechen „von so einschneidender Bedeutung“ ist, dass ohne ihn von einer neuen Vertragsgestaltung gesprochen werden muss85. Hängen zwei Regelungen derart eng zusammen, können sie nach allgemeiner Ansicht nicht separat kontrolliert werden.86 Eine Teilbarkeit soll ausscheiden, wenn dadurch der Regelungsgehalt im Übrigen tangiert wird.87 Allerdings soll es der Aufrechterhaltung eines Klauselteils nicht ent-

82 Aus diesem Grund lässt auch der BGH v. 13.04.2010 – XI ZR 197/09, BGHZ 185, 166 die Vereinbarung eines variablen Zinses von der Unwirksamkeit der damit verbundenen Zinsanpassungsklausel unberührt. Auch Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt, § 306 BGB Rn. 13 ff. nimmt deshalb für Hauptleistungspflichten, die mit einer Nebenabrede verbunden wurden, eine gesonderte Rechtsfolge an. Zur Relevanz dieses Kriteriums s. auch Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 306 BGB Rn. 12a. Eine inhaltliche Zerlegung soll sogar mit grammatikalischer Umformulierung möglich sein, wenn eine Hauptleistungspflicht sprachlich untrennbar mit einer Nebenbestimmung verbunden ist: BGH v. 18.05.1995 – IX ZR 108/94, BGHZ 130, 19; Staudinger/Schlosser, § 306 BGB Rn. 21; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 306 BGB Rn. 12. 83 S. dazu bereits Kapitel 4 A. IV. und A.V. 84 Zu dieser Voraussetzung für eine Teilbarkeit s. BGH v. 28.05.1984 – III ZR 63/83, NJW 1984, 2816; BGH v. 18.04.1989 – X ZR 31/88, BGHZ 107, 185; Günther, AGBKontrolle von Arbeitsverträgen, S. 238; Staudinger/Schlosser, § 306 BGB Rn. 20; Erman/Roloff, § 306 BGB Rn. 11; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 600; Linck, in: FS Bauer, S. 645, 650; Schlewing, RdA 2011, 92, 93; krit. Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, S. 161 f. 85 Vgl. zu diesem Kriterium BGH v. 28.05.1984 – III ZR 63/83, NJW 1984, 2816; BGH v. 18.04.1989 – X ZR 31/88, BGHZ 107, 185; Günther, AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen, S. 238; Staudinger/Schlosser, § 306 BGB Rn. 20; Erman/Roloff, § 306 BGB Rn. 11; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 600; Linck, in: FS Bauer, S. 645, 650; Schlewing, RdA 2011, 92, 93; ablehnend Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt, § 306 BGB Rn. 12a. 86 Vgl. BGH v. 16.06.2009 – XI ZR 145/08, BGHZ 181, 278 Rn. 34; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 347. 87 Günther, AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen, S. 238; Henssler/Moll, AGB-Kontrolle vorformulierter Arbeitsbedingungen, S. 18; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 600.

482

Kap. 6: Rechtsfolgen unwirksamer Bestimmungsvorbehalte

gegenstehen, dass lediglich eine Rechtsfolge ohne tatbestandliche Voraussetzungen bestehen bleibt, soweit jene anderweitig feststellbar sind.88 Ob ein Bestimmungsvorbehalt für das zugehörige Leistungsversprechen unentbehrlich ist, entscheidet sich richtigerweise danach, wie er zu ersetzen ist.89 Das Leistungsversprechen an sich wird durch die Unwirksamkeit des Bestimmungsvorbehalts schließlich nicht verändert. Die entstehende Lücke könnte durch dispositives Recht oder eine ergänzende Vertragsauslegung geschlossen werden.90 Dann wäre der Inhalt des Leistungsversprechens bestimmt, obwohl der Bestimmungsvorbehalt weggefallen ist. Die fehlende Bestimmbarkeit der Leistungshöhe schließt eine Trennung von Leistungsversprechen und Bestimmungsvorbehalt folglich nicht aus, sondern begründet die Notwendigkeit zur Lückenschließung nach § 306 Abs. 2 BGB. Letztlich ginge es auch zu Lasten des Arbeitnehmers, die Teilbarkeit abzulehnen. Eine solche Rechtsfolge wäre nicht vom Ziel des AGB-Rechts gedeckt, den Vertragspartner zu schützen91. Es ergibt sich also mittels einer Anwendung des „Blue-Pencil-Tests“, dass das mit einem unwirksamen Bestimmungsvorbehalt verbundene Leistungsversprechen eigenständig bestehen bleibt. Das Vorgehen muss zwar nicht zwingend als „Blue-Pencil-Test“ bezeichnet werden92; am Ergebnis ändert die Bezeichnung jedoch nichts. Denn es hat sich gezeigt, dass das Leistungsversprechen und der Bestimmungsvorbehalt zwei separate Regelungen darstellen, die unabhängig zu kontrollieren sind und damit als verschiedene Vertragsbestandteile gem. § 306 Abs. 1 BGB auch eigenständigen Rechtsfolgen unterliegen.

III. Andere Möglichkeiten zur Aufrechterhaltung Lehnt man die Trennbarkeit der beiden Regelungen ab, weil Bestimmungsvorbehalt und Leistungsversprechen eine untrennbare Einheit bilden, muss das Leistungsversprechen dennoch aufrechterhalten werden. Das könnte alternativ mit einem Verweis auf den Schutzzweck des AGB-Rechts93, im Wege einer ergän88 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 348; s. auch Ulmer/Brandner/ Hensen/Schmidt, § 306 BGB Rn. 12a. 89 Vgl. dazu auch Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt, § 306 BGB Rn. 12a. 90 Dazu sogleich unter Kapitel 6 E. und F. 91 S. zu diesem Ziel statt aller: Hellwege, Allgemeine Geschäftsbedingungen, einseitig gestellte Vertragsbedingungen und die allgemeine Rechtsgeschäftslehre, S. 563 ff., 590; BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 307 Rn. 1; Leuschner, AcP 207 (2007), 491, 494; s. dazu auch NK-BGB/Kollmann, Vorbemerkungen zu §§ 305 ff. BGB Rn. 3 ff.; Erman/ Roloff, § 307 BGB Rn. 42. 92 Gegen eine Bezeichnung als „Blue-Pencil-Test“ für den allgemeinen Fall eines Hauptleistungsversprechens, das mit einer Nebenabrede verbunden wurde, im Ergebnis aber genauso: Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt, § 306 BGB Rn. 13 ff., der von zwei materiell selbstständigen Regelungen ausgeht. 93 In diese Richtung Stoffels, RdA 2015, 276, 280.

D. Die Aufrechterhaltung des Leistungsversprechens

483

zenden Vertragsauslegung oder mittels geltungserhaltender Reduktion erreicht werden. Vorrangig gegenüber einem reinen Verweis auf den Schutzzweck des AGBRechts sind die übrigen Instrumente zur Aufrechterhaltung zu verwenden. Die Herbeiführung der gewünschten Rechtsfolge sollte sich nicht in ihrer Rechtfertigung erschöpfen. Eine Ausnahme vom Verbot der geltungserhaltenden Reduktion könnte bejaht werden, da die damit zu erreichende Rechtsfolge augenscheinlich im Interesse des Arbeitnehmers und von seinem Willen gedeckt ist.94 Die Klausel könnte aber auch umfassend für unwirksam erklärt und das Leistungsversprechen im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung „wiederhergestellt“ werden. Am Ergebnis bestehen in jedem Fall keine Bedenken. Denn sowohl das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion als auch die Einschränkung oder sogar Ablehnung95 der ergänzenden Vertragsauslegung sind genau wie die Eingrenzung der Anwendung des „Blue-Pencil-Tests“ 96 regelmäßig getragen von Überlegungen zum Schutz des Vertragspartners, dem Präventions- und Transparenzziel der AGB-Kontrolle sowie von der Problematik, dass es nicht zu einer freien richterlichen Rechtsschöpfung kommen darf.97 All diesen Überlegungen wird mit dem erzielten Ergebnis Rechnung getragen: Das Gericht schafft kein neues, nicht von den Vertragsparteien gewolltes Recht. Das Leistungsversprechen war von Anfang an als Vertragsbestandteil gewollt und der Vertrag muss im Zweifel nicht einmal umformuliert werden. Dass sich der Inhalt des Versprechens womöglich ändert, ist ein Aspekt der Frage, wie der unwirksame Bestimmungsvorbehalt zu ersetzen ist.98 Darüber hinaus wirkt sich die

94 S. zu einer solchen Ausnahme, allerdings mit der zusätzlichen Voraussetzung, dass dem Verwender kein Vorwurf bei der Klauselgestaltung gemacht werden kann, Wolf/ Lindacher/Pfeiffer/Lindacher/Hau, § 306 BGB Rn. 36. 95 So E. Schmidt, ZIP 1987, 1505, 1508 f.; Götz, NJW 1978, 2223, 2224. 96 So soll etwa eine Umformulierung nicht zulässig sein: BAG v. 15.03.2005 – 9 AZR 502/03, BAGE 114, 97; Clemenz/Kreft/Krause/Schlewing, § 306 BGB Rn. 21; s. aber auch BGH v. 18.05.1995 – IX ZR 108/94, BGHZ 130, 19; Staudinger/Schlosser, § 306 BGB Rn. 21; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 306 BGB Rn. 1. Eine Trennung soll auch ausscheiden, wenn die übrig bleibende Regelung im Vertragsgefüge nicht mehr sinnvoll ist und von einer neuen Vertragsgestaltung gesprochen werden muss: BGH v. 28.05.1984 – III ZR 63/83, NJW 1984, 2816; BGH v. 18.04.1989 – X ZR 31/ 88, BGHZ 107, 185; Günther, AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen, S. 238; Staudinger/Schlosser, § 306 BGB Rn. 20; Erman/Roloff, § 306 BGB Rn. 11; Stoffels, AGBRecht, Rn. 600; Linck, in: FS Bauer, S. 645, 650; Schlewing, RdA 2011, 92, 93. Krit. zum „Blue-Pencil-Test“: Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, S. 161 ff. 97 Eingehend dazu Boemke-Albrecht, Rechtsfolgen unangemessener Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, etwa S. 28 ff., 55; s. dazu ausführlicher oben unter Kapitel 6 A. 98 Vgl. dazu auch Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt, § 306 BGB Rn. 12a.

484

Kap. 6: Rechtsfolgen unwirksamer Bestimmungsvorbehalte

Aufrechterhaltung des Leistungsversprechens für den Arbeitnehmer nur positiv aus und trägt zu seinem Schutz bei. Dabei wird auch die Transparenz des Leistungsversprechens an sich nicht verringert. Schließlich kann das Präventionsziel des AGB-Rechts nur mit Aufrechterhaltung des Leistungsversprechens wirksam verfolgt werden. Der ersatzlose Wegfall des Anspruchs würde es dem Arbeitgeber ermöglichen, Arbeitnehmer mit einem Leistungsversprechen zu „locken“, das er entweder mit Verweis auf den Bestimmungsvorbehalt unangemessen einschränken kann oder das bei Geltendmachung der Benachteiligung entfällt. Der Arbeitgeber wird durch Aufrechterhaltung des Leistungsversprechens auch nicht unzumutbar benachteiligt, da er das Versprechen willentlich abgegeben hat und das Risiko der Unwirksamkeit zugehöriger Klauseln zu tragen hat.99

IV. Ergebnis Das mit einem unwirksamen Bestimmungsvorbehalt verbundene Leistungsversprechen muss aufrechterhalten werden.100 Für die Praxis macht es keinen Unterschied, auf welchem Weg man dieses Ergebnis erzielt.101 Das Leistungsversprechen bleibt dem Grunde nach erhalten, der Bestimmungsvorbehalt hingegen ist unwirksam und muss ersetzt werden. Vorzugswürdig ist allerdings der Weg des „Blue-Pencil-Tests“.102 Dieser offenbart, dass das Leistungsversprechen und der Bestimmungsvorbehalt eigenständig zu prüfende Regelungen sind, die separaten Rechtsfolgen unterliegen. Schließlich sind die Einräumung des Leistungsanspruchs und der Bestimmungsvorbehalt nach unterschiedlichen Kontrollmaßstäben zu prüfen.103 Gegen eine Trennbarkeit kann auch nicht angeführt werden, dass das Leistungsversprechen ohne den Vorbehalt nicht bestimmt und praktisch inhaltslos wäre. Denn die entstehende Lücke könnte durch dispositives Recht oder eine ergänzende Vertragsauslegung geschlossen werden.104 Um das Leistungsversprechen aufrechtzuerhalten, sind also weder eine Ausnahme vom Verbot der geltungserhaltenden Reduktion noch der Umweg über eine ergänzende Vertragsauslegung oder den Schutzzweck des AGB-Rechts notwendig. Das Leistungsversprechen gehört zum Vertrag „im Übrigen“ und bleibt deshalb nach § 306 Abs. 1 BGB wirksam.

99 S. zur Risikoverteilung bei AGB etwa BAG v. 04.03.2004 – 8 AZR 196/03, BAGE 110, 8 Rn. 65; BAG v. 25.05.2005 – 5 AZR 572/04, BAGE 115, 19 Rn. 34; Preis/Roloff, ZfA 2007, 43, 78; Erman/Roloff, § 306 BGB Rn. 8; Günther, AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen, S. 234; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 344; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 593. 100 S. dazu schon unter Kapitel 6 B. und D. I. 101 S. dazu unter Kapitel 6 D. III. 102 Dazu ausführlich unter Kapitel 6 D. II. 103 S. dazu bereits Kapitel 4 A. IV. und A.V. 104 Dazu sogleich unter Kapitel 6 E. und F.

E. Füllung der übrigen Lücke durch dispositives Gesetzesrecht

485

E. Füllung der übrigen Lücke durch dispositives Gesetzesrecht Mit der Unwirksamkeit eines Bestimmungsvorbehalts fällt die Regelung zur Bestimmung des zugehörigen Leistungsversprechens weg. Die so entstehende Lücke im Vertragsgefüge muss anderweitig geschlossen werden. Da § 306 Abs. 2 BGB vorschreibt, dass an die Stelle unwirksamer Klauseln das dispositive Recht tritt, ist hier zunächst zu prüfen, ob gesetzliche Regelungen vorhanden sind, die diese Lücke angemessen füllen können. Das dispositive Recht ist insofern einer ergänzenden Vertragsauslegung vorrangig.105 In Betracht kommen die Regelungen der §§ 315, 316 BGB oder des § 612 Abs. 2 BGB. Bei den §§ 315, 316 BGB stellt sich die Frage, ob sie überhaupt geeignet sind, an die Stelle eines unwirksamen Leistungsbestimmungsrechts zu treten.106 § 612 Abs. 2 BGB würde zur Geltung einer festen Leistungshöhe führen. Fraglich ist allerdings, ob das einen angemessenen Interessenausgleich für flexibel versprochene Arbeitgeberleistungen darstellt.107

I. Mangelnde Eignung der §§ 315, 316 BGB zur Lückenfüllung Da die §§ 315 ff. BGB Regelungen über einseitige Leistungsbestimmungsrechte enthalten, liegt es nahe, sie zur Lückenfüllung heranzuziehen, wenn die Vereinbarung eines Leistungsbestimmungsrechts unwirksam ist. Man könnte annehmen, dass gem. § 315 Abs. 1 BGB im Zweifel ein Bestimmungsrecht nach billigem Ermessen an die Stelle eines unwirksamen Bestimmungsvorbehalts tritt. Doch § 315 Abs. 1 BGB regelt nur, dass ein wirksam eingeräumtes Leistungsbestimmungsrecht im Zweifel nach billigem Ermessen auszuüben ist. Es handelt sich um eine Auslegungsregel108, deren Anwendung voraussetzt, dass bereits ein

105 Vgl. BGH v. 01.02.1984 – VIII ZR 54/83, NJW 1984, 1177; BGH v. 24.09.1985 – VI ZR 4/84, BGHZ 96, 18; BGH v. 03.11.1999 – VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 104; BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 25.05.2005 – 5 AZR 572/04, BAGE 115, 19; BAG v. 28.09.2005 – 5 AZR 52/05, BAGE 116, 66; BAG v. 01.03.2006 – 5 AZR 511/05, BAGE 117, 165; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 360; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 346; Erman/Roloff, § 306 BGB Rn. 6 f.; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 608 ff.; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Lindacher/Hau, § 306 BGB Rn. 14; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 306 BGB Rn. 19 ff.; MüKo-BGB/Basedow, § 306 BGB Rn. 36; Clemenz/Kreft/Krause/Schlewing, § 306 BGB Rn. 49 ff.; Linck, in: FS Bauer, S. 645, 654; Schlewing, RdA 2011, 92, 94. 106 Dazu sogleich unter Kapitel 6 E.I. 107 S. dazu unter Kapitel 6 E. II. 108 So auch Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, S. 200; Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn. 245; NK-ArbR/Elz, § 315 BGB Rn. 6; Erman/Hager, § 315 BGB Rn. 1; BeckOGK/Netzer, § 315 BGB Rn. 4; Henssler, SAE 1988, 164.

486

Kap. 6: Rechtsfolgen unwirksamer Bestimmungsvorbehalte

Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt wurde109. § 315 Abs. 1 BGB ist nicht dazu geeignet, ein solches zu begründen.110 Schließlich enthält die Norm, abgesehen von der Geltung billigen Ermessens, auch keine Regelungen dazu, wie ein Leistungsbestimmungsrecht auszugestalten wäre.111 Es wäre nicht einmal klar, wem das Bestimmungsrecht zustehen soll. Selbst wenn mit § 315 BGB ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht nach billigem Ermessen als Ersatz für einen unwirksamen Bestimmungsvorbehalt begründet werden könnte, würde dieses den dargestellten Anforderungen – wie z. B. der Bindung der Entscheidung an bestimmte Kriterien112 – nicht genügen. § 315 Abs. 1 BGB ist somit nicht geeignet, die durch einen unwirksamen Bestimmungsvorbehalt des Arbeitgebers entstandene Lücke zu schließen.113 Genauso verhält es sich mit § 316 BGB, wonach der Umfang einer unbestimmten Gegenleistung im Zweifel von demjenigen zu bestimmen ist, der die Gegenleistung zu fordern hat.114 Dieser könnte zwar klarstellen, dass an die Stelle eines unwirksamen Bestimmungsvorbehalts über eine synallagmatische Leistung115 ein Bestimmungsrecht des Arbeitnehmers tritt. Auch diese Vorschrift enthält jedoch keine Regelung dazu, wie dieses auszusehen hätte.116 Darüber hinaus wäre ein Bestimmungsrecht des Arbeitnehmers kaum interessengerecht. Denn dieser hat regelmäßig keine genaueren Kenntnisse von betriebsinternen Vorgängen und der wirtschaftlichen Entwicklung beim Arbeitgeber und müsste

109 Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn. 2, 239 ff. m.w. N.; Erman/Roloff, § 309 BGB Rn. 15; BeckOGK/Netzer, § 315 BGB Rn. 1; NK-ArbR/Elz, § 315 BGB Rn. 5; BeckOK-BGB/Gehrlein, § 315 Rn. 3. 110 S. auch Graf v. Westphalen/Thüsing/Graf v. Westphalen, Preisanpassungsklauseln Rn. 68, der – wohl aber in Bezug auf eine ergänzende Vertragsauslegung – meint, unwirksame Preisvorbehaltsklauseln könnten regelmäßig nicht durch ein Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 BGB ersetzt werden, da im Zweifel eine wirksame Vereinbarung fehle, auf die nach § 306 Abs. 2 BGB zurückgegriffen werden könnte. 111 Vgl. dazu Dylla-Krebs, Schranken der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen, S. 200; Staudinger/Rieble, § 315 BGB Rn. 1 f.; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 441; Staudinger/Krause, Anh. zu § 310 BGB Rn. 39 ff.; BeckOK-BGB/Gehrlein, § 315 Rn. 1, 3 ff.; NK-BGB/Wagner, § 315 BGB Rn. 1 ff. 112 S. dazu Kapitel 4 B. VII.; Kapitel 5 B. III. 113 Auch Jesgarzewski, Die Grenzen formularmäßiger Vereinbarung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte, S. 219 hält die §§ 315 ff. BGB nicht für geeignet, die durch Unwirksamkeit eines Leistungsbestimmungsrechts entstandene Lücke zu schließen. 114 Zum Charakter des § 316 BGB als Auslegungsregel s. etwa Staudinger/Löwisch, § 316 BGB Rn. 1; MüKo-BGB/Würdinger, § 316 BGB Rn. 1; BeckOGK/Netzer, § 315 BGB Rn. 4; NK-BGB/Wagner, § 316 BGB Rn. 1. 115 Zur Voraussetzung des synallagmatischen Charakters bei der Anwendung des § 316 BGB s. Staudinger/Löwisch, § 316 BGB Rn. 16; BeckOGK/Netzer, § 315 BGB Rn. 4. 116 § 316 BGB ist nur eine Kompetenznorm. Der Inhalt des Bestimmungsrechts soll sich nach § 315 BGB richten. S. BeckOK-BGB/Gehrlein, § 316 Rn. 1; MüKo-BGB/ Würdinger, § 316 BGB Rn. 9; Staudinger/Löwisch, § 316 BGB Rn. 15.

E. Füllung der übrigen Lücke durch dispositives Gesetzesrecht

487

bei leistungsabhängigen Zahlungen womöglich sogar seine eigene Leistung bewerten. Mit dem Gesagten übereinstimmend hat es der BGH in einem vergleichbaren Fall einer Zinsanpassungsklausel abgelehnt, die entstandene Lücke nach §§ 315, 316 BGB zu schließen.117 Auch der BGH meint, §§ 315, 316 BGB seien nur Auslegungsregeln, die nur im Zweifel gelten. Möglicherweise schließt er eine Lückenfüllung durch sie aber dennoch nicht kategorisch aus.118 So heißt es in der Entscheidung, die §§ 315, 316 BGB seien nicht geeignet, ein Leistungsbestimmungsrecht zu ersetzen, wenn und weil das den Interessen der Parteien und ihrer Willensrichtung typischerweise nicht entspreche. Vorrangig sei eine ergänzende Vertragsauslegung durchzuführen.

II. Lückenfüllung durch § 612 Abs. 2 BGB Eine praktikable Lösung zur Bestimmung des Leistungsversprechens könnte § 612 Abs. 2 BGB enthalten. Dieser regelt für alle Dienstverhältnisse119, dass die taxmäßige oder die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen ist, wenn die Höhe der Vergütung nicht bestimmt ist. Unter die Vergütung nach § 612 Abs. 2 BGB fallen auch Sonderleistungen, Gratifikationen usw.120 Da im Fall der zu untersuchenden Bestimmungsvorbehalte eine solche Vergütung vereinbart ist, deren Höhe wegen der Unwirksamkeit des Bestimmungsvorbehalts nicht bestimmt ist, liegen die Voraussetzungen des § 612 Abs. 2 BGB vor. Die Höhe der versprochenen Leistung beliefe sich danach also starr auf die übliche Höhe. Die Normen des dispositiven Rechts kommen allerdings nur zur Anwendung, wenn sie eine angemessene, den typischen Interessen der Parteien entsprechende Lösung bieten.121 Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass eine gesetzliche Re117

BGH v. 13.04.2010 – XI ZR 197/09, BGHZ 185, 166. BGH v. 13.04.2010 – XI ZR 197/09, BGHZ 185, 166 Rn. 18. 119 Zur Anwendbarkeit im Arbeitsverhältnis statt vieler: MüKo-BGB/Müller-Glöge, § 612 BGB Rn. 5; Staudinger/Rieble, § 612 BGB Rn. 41; NK-ArbR/Brors, § 612 BGB Rn. 6. 120 ErfK/Preis, § 612 BGB Rn. 35; HWK/Thüsing, § 612 BGB Rn. 33; MüKoBGB/Müller-Glöge, § 612 BGB Rn. 26; BeckOK-ArbR/Joussen, § 612 BGB Rn. 31; Staudinger/Rieble, § 612 BGB Rn. 45. 121 Andernfalls kann die ergänzende Vertragsauslegung zur Anwendung kommen. S. BGH v. 01.02.1984 – VIII ZR 54/83, NJW 1984, 1177; BGH v. 24.09.1985 – VI ZR 4/84, BGHZ 96, 18; BGH v. 03.11.1999 – VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 104; BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 25.05.2005 – 5 AZR 572/04, BAGE 115, 19; BAG v. 28.09.2005 – 5 AZR 52/05, BAGE 116, 66; BAG v. 01.03.2006 – 5 AZR 511/05, BAGE 117, 165; Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, S. 181; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 306 BGB Rn. 23; MüKo-BGB/Basedow, § 306 BGB Rn. 37; Clemenz/Kreft/Krause/Schlewing, § 306 BGB Rn. 51, 55; Preis/Roloff, ZfA 2007, 43, 78; Schlewing, RdA 2011, 92, 94; Uffmann, RdA 2011, 154, 157; Linck, in: FS Bauer, S. 645, 656. 118

488

Kap. 6: Rechtsfolgen unwirksamer Bestimmungsvorbehalte

gelung nach der Wertung des Gesetzgebers die typischen Interessen angemessen in Ausgleich bringt.122 Das muss jedoch nicht immer zutreffen.123 Im Fall der Unwirksamkeit eines Bestimmungsvorbehalts über eine Geldleistung des Arbeitgebers bestehen erhebliche Bedenken daran, dass eine starre Leistungshöhe den typischen Interessen der Arbeitsvertragsparteien entspricht. Das zeigt ein Blick auf den Zweck dieser Leistungsbestimmungsrechte. Da das Arbeitsverhältnis einer Vielzahl von Einflussfaktoren unterliegt, die bei Vertragsschluss nicht endgültig beurteilt werden können, und da der Arbeitgeber sich in der Regel nur schwer vom Arbeitsverhältnis lösen kann, soll es ihm ermöglicht werden, flexibel auf unvorhergesehene Entwicklungen zu reagieren. Aus diesen Gründen verspricht der Arbeitgeber die Leistung im Vertrag nicht bestimmt, sondern nur flexibel.124 Diese Interessen sind legitim und dürfen bei der Lückenfüllung nicht unbeachtet bleiben. Der Arbeitnehmer hat auf der anderen Seite zwar ein berechtigtes Interesse an einer festen Vergütung.125 Dieses vermag das Flexibilisierungsinteresse des Arbeitgebers aber nicht völlig zu verdrängen. Hinzu kommt, dass eine feste Vergütung den Arbeitnehmer unter Umständen gegenüber einer flexiblen Leistung auch benachteiligen kann. Das wäre etwa der Fall, wenn die gewollte Leistung, die oftmals durch die bisherigen Auszahlungen jedenfalls näherungsweise bestimmt werden kann, über der üblichen Vergütung liegt. Gleichwohl ist bei einer solchen Argumentation, die auf die Interessen des Arbeitgebers abstellt, Vorsicht geboten.126 Denn die Schließung einer Vertragslücke, die auf der Unwirksamkeit von AGB-Klauseln beruht, darf nicht in eine einseitige Vertragshilfe zugunsten des Verwenders umschlagen.127 Das bedeutet jedoch nicht, dass seine Interessen völlig außer Acht zu lassen wären.128 Vor

122 Schlewing, RdA 2011, 92, 95 f.; Uffmann, RdA 2011, 154, 156; Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, S. 177; Clemenz/Kreft/Krause/Schlewing, § 306 BGB Rn. 4. 123 Deshalb ist im Einzelfall zu überprüfen, ob die Lösung den Interessen beider Vertragsparteien Rechnung trägt. S. auch Schlewing, RdA 2011, 92, 96. 124 S. dazu ausführlich unter Kapitel 4 B. III. 3. d) und B. VII. 3. a). 125 Vgl. Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 51; Kluge, Widerrufsvorbehalte zur Absenkung des Arbeitsentgelts aus „wirtschaftlichen Gründen“ in vorformulierten Arbeitsverträgen, S. 118; s. auch Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn. 71; s. dazu auch Kapitel 4 B. VII. 3. b). 126 So soll dem in der unwirksamen Klausel zum Ausdruck gekommenen Willen jedenfalls in der ergänzenden Vertragsauslegung keine Bedeutung mehr zukommen: Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt, § 306 BGB Rn. 37b; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 613; s. auch BAG v. 19.12.2006 – 9 AZR 294/06, DB 2007, 1253 Rn. 35; Schlewing, RdA 2011, 92, 96. 127 Vgl. Schlewing, RdA 2011, 92; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 596. 128 Schließlich ist zu untersuchen, ob das dispositive Recht eine angemessene, den typischen Interessen der Parteien entsprechende Lösung bietet. S. BGH v. 01.02.1984 – VIII ZR 54/83, NJW 1984, 1177; BGH v. 24.09.1985 – VI ZR 4/84, BGHZ 96, 18; BGH v. 03.11.1999 – VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 104; BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR

E. Füllung der übrigen Lücke durch dispositives Gesetzesrecht

489

allem darf der Verwender nicht unangemessen benachteiligt werden.129 Würde im vorliegenden Zusammenhang die der Höhe nach flexibel versprochene Leistung durch eine unabänderbare Zahlungsverpflichtung ersetzt, blieben die Flexibilisierungsinteressen völlig außer Acht und der Arbeitgeber würde über Gebühr benachteiligt. § 612 Abs. 2 BGB eignet sich also nicht zur Ersetzung eines unwirksamen arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalts, da er die Interessen beider Arbeitsvertragsparteien nicht angemessen in Einklang bringt.

III. Fazit Das dispositive Recht enthält keine Regelungen, die für die Füllung der durch einen unwirksamen Bestimmungsvorbehalt entstandenen Vertragslücke einen angemessenen Interessenausgleich bieten. Die §§ 315, 316 BGB sind nicht geeignet, ein Leistungsbestimmungsrecht zu begründen, das an die Stelle eines unwirksamen Bestimmungsvorbehalts treten könnte. Denn beide Normen stellen lediglich Auslegungsregeln dar und enthalten keine Bestimmungen dazu, wie ein solches Leistungsbestimmungsrecht auszugestalten wäre.130 Nach § 612 Abs. 2 BGB könnte zwar die übliche Vergütung an die Stelle eines unwirksamen Bestimmungsvorbehalts treten. Diese Rechtsfolge entspricht aber nicht den Interessen der Vertragsparteien und bietet somit keinen angemessenen Interessenausgleich.131 Würde die flexibel versprochene Leistung durch eine unabänderbare Zahlungsverpflichtung ersetzt, blieben die Flexibilisierungsinteressen des Arbeitgebers gänzlich unbeachtet und dieser würde unangemessen benachteiligt. Da die Anwendung des dispositiven Rechts keine interessengerechte Lösung bereithält, ist nachfolgend zu untersuchen, ob ein unwirksamer Bestimmungsvorbehalt mittels ergänzender Vertragsauslegung ersetzt werden kann.

364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 25.05.2005 – 5 AZR 572/04, BAGE 115, 19; BAG v. 28.09.2005 – 5 AZR 52/05, BAGE 116, 66; BAG v. 01.03.2006 – 5 AZR 511/05, BAGE 117, 165; Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, S. 181; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 306 BGB Rn. 23; MüKo-BGB/Basedow, § 306 BGB Rn. 37; Clemenz/Kreft/Krause/Schlewing, § 306 BGB Rn. 51, 55; Preis/Roloff, ZfA 2007, 43, 78; Schlewing, RdA 2011, 92, 94; Uffmann, RdA 2011, 154, 157; Linck, in: FS Bauer, S. 645, 656. 129 So wird etwa zur ergänzenden Vertragsauslegung darauf hingewiesen, dass keine der Parteien zu bevorzugen, sondern ein beiderseitiger Ausgleich zu finden ist: Ulmer/ Brandner/Hensen/Schmidt, § 306 BGB Rn. 32; Erman/Roloff, § 306 BGB Rn. 13; Schlewing, RdA 2011, 92, 96; s. aber auch Preis/Roloff, ZfA 2007, 43, 78 f., die meinen, bei mehreren Auslegungsmöglichkeiten sei die für den Verwender ungünstigere zu wählen. 130 Dazu sogleich unter Kapitel 6 E. I. 131 S. dazu unter Kapitel 6 E. II.

490

Kap. 6: Rechtsfolgen unwirksamer Bestimmungsvorbehalte

F. Ersetzung unwirksamer Bestimmungsvorbehalte durch ergänzende Vertragsauslegung Die durch unwirksame Bestimmungsvorbehalte entstehende Vertragslücke könnte im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung geschlossen werden. Das erscheint interessengerecht, da die ergänzende Vertragsauslegung eine flexible Lösung ermöglicht, die an den typischen Interessen der Parteien orientiert ist.132 Grundsätzlich kann die ergänzende Vertragsauslegung bei unwirksamen Bestimmungsvorbehalten zur Anwendung kommen, weil das dispositive Recht keine angemessene Lösung bereithält. Allerdings wird darüber hinaus oftmals gefordert, dass die Situation ohne ergänzende Vertragsauslegung eine unzumutbare Härte für den Verwender darstellt.133 Es ist deshalb zunächst zu prüfen, ob diese Voraussetzung vorliegt oder eine Ausnahme von ihr gemacht werden kann.134 Anschließend ist zu untersuchen, ob sich im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung eine Regelung finden lässt, die den Bestimmungsvorbehalt ersetzen und die typischen Interessen der Vertragsparteien angemessen in Einklang bringen kann.135 Dafür muss insbesondere die typische Interessenlage im Arbeitsverhältnis näher betrachtet werden. Als Ersatzregelung in Frage kommen ein angemessener Bestimmungsvorbehalt, eine feste Leistungshöhe oder eine dynamische Leistungshöhe, die sich abhängig von den relevanten Einflussfaktoren ändert.

I. Anwendbarkeit der ergänzenden Vertragsauslegung Die Grundvoraussetzungen für eine ergänzende Vertragsauslegung liegen vor. Weder die Anwendung des dispositiven Rechts136 noch der ersatzlose Wegfall137 132 Auch Stoffels, RdA 2015, 276, 280 hält die ergänzende Vertragsauslegung für den richtigen Lösungsweg; s. auch Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 369, der die ergänzende Vertragsauslegung bei intransparenten Preis- oder Leistungsbestimmungsklauseln regelmäßig für anwendbar hält. 133 S. dazu Kapitel 6 A. III. 134 S. dazu Kapitel 6 F. I. 135 S. dazu Kapitel 6 F. II. 136 S. dazu Kapitel 6 E.; s. zum Vorrang des dispositiven Rechts vor einer ergänzenden Vertragsauslegung BGH v. 01.02.1984 – VIII ZR 54/83, NJW 1984, 1177; BGH v. 24.09.1985 – VI ZR 4/84, BGHZ 96, 18; BGH v. 03.11.1999 – VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 104; BAG v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 25.05.2005 – 5 AZR 572/04, BAGE 115, 19; BAG v. 28.09.2005 – 5 AZR 52/05, BAGE 116, 66; BAG v. 01.03.2006 – 5 AZR 511/05, BAGE 117, 165; Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, S. 181; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 306 BGB Rn. 23; MüKo-BGB/Basedow, § 306 BGB Rn. 37; Clemenz/Kreft/Krause/Schlewing, § 306 BGB Rn. 51, 55; Preis/Roloff, ZfA 2007, 43, 78; Schlewing, RdA 2011, 92, 94; Uffmann, RdA 2011, 154, 157; Linck, in: FS Bauer, S. 645, 656. 137 S. dazu Kapitel 6 B.; s. zum Vorrang des ersatzlosen Wegfalls Uffmann, RdA 2011, 154, 157; Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, S. 181; Cle-

F. Ersetzung unwirksamer Bestimmungsvorbehalte

491

des Bestimmungsvorbehalts bringen die Interessen angemessen in Ausgleich. In Rechtsprechung und Literatur werden jedoch weitere Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der ergänzenden Vertragsauslegung aufgestellt. Das BAG fordert, dass die Streichung der jeweiligen Klausel für den Verwender eine unzumutbare Härte darstellen müsse.138 Der BGH geht teilweise ähnlich restriktiv vor und verlangt, dass sich das Vertragsgefüge ohne Lückenfüllung mittels ergänzender Vertragsauslegung völlig einseitig zugunsten des Vertragspartners verschieben würde.139 Der leitende Gedanke, die Anwendbarkeit der ergänzenden Vertragsauslegung derart stark einzuschränken, liegt im Präventionszweck des AGBRechts.140 Dem Verwender soll nicht durch eine Lückenfüllung zu seinen Gunsten das Risiko der Unwirksamkeit seiner Klauseln genommen werden.141 Gegen diese starke Restriktion der ergänzenden Vertragsauslegung werden diverse Bedenken geltend gemacht.142 Im Zentrum der Kritik steht der Einwand, die Einschränkung benachteilige den AGB-Verwender zu stark und bevorzuge den Vertragspartner.143 Ob die Unzumutbarkeit als Voraussetzung der ergänzenden Vertragsauslegung grundsätzlich abzulehnen ist, soll hier nicht näher erörtert werden. Denn gegen eine derartige Einschränkung der ergänzenden Auslegung mit dem Ziel, den präventiven Schutzzweck des AGB-Rechts zu verwirklichen, besteht im Kontext der Kontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte ein entscheidender Einwand: Die Zulässigkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung muss sich nicht immer zugunsten des Verwenders auswirken, sondern kann auch zum Schutz des

menz/Kreft/Krause/Schlewing, § 306 BGB Rn. 63; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 306 BGB Rn. 24. 138 BAG v. 11.04.2006 – 9 AZR 610/05, BAGE 118, 36; BAG v. 25.09.2008 – 8 AZR 717/07, DB 2009, 569; BAG v. 14.01.2009 – 3 AZR 900/07, BAGE 129, 121 Rn. 27; BAG v. 11.02.2009 – 10 AZR 222/08, NZA 2009, 428 Rn. 35; BAG v. 15.09.2009 – 3 AZR 173/08, NJW 2010, 550 Rn. 49; BAG v. 21.06.2011 – 9 AZR 236/ 10, BAGE 138, 148 Rn. 50; zust. Stoffels, AGB-Recht, Rn. 615; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Lindacher/Hau, § 306 BGB Rn. 17; ablehnend Linck, in: FS Bauer, S. 645, 657. 139 BGH v. 13.11.1997 – IX ZR 289/96, BGHZ 137, 153; BGH v. 29.04.2008 – KZR 2/07, NJW 2008, 2172; BGH v. 14.07.2010 – VIII ZR 246/08, BGHZ 186, 180 Rn. 50; BGH v. 01.10.2014 – VII ZR 344/13, BGHZ 202, 309; Erman/Roloff, § 306 BGB Rn. 13. 140 S. dazu die Darstellungen bei Uffmann, RdA 2011, 154, 160; Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, S. 185 f.; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 306 BGB Rn. 23. 141 Vgl. Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 306 BGB Rn. 23. 142 Eingehend bei Schlewing, RdA 2011, 92, 97 f.; Clemenz/Kreft/Krause/Schlewing, § 306 BGB Rn. 60; Linck, in: FS Bauer, S. 645, 657; Uffmann, RdA 2011, 154, 159 ff.; Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, S. 186. 143 S. dazu Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion. S. 185 f.; Schlewing, RdA 2011, 92, 97 f.; Clemenz/Kreft/Krause/Schlewing, § 306 BGB Rn. 60; Linck, in: FS Bauer, S. 645, 657.

492

Kap. 6: Rechtsfolgen unwirksamer Bestimmungsvorbehalte

Vertragspartners geboten sein.144 In solchen Fällen würde eine Einschränkung der ergänzenden Vertragsauslegung zulasten des Vertragspartners gehen. Genau so liegt es bei unwirksamen arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten. Ohne ergänzende Vertragsauslegung bestünde keine unzumutbare Härte für den Arbeitgeber, da er kaum ein Interesse an der Bestimmbarkeit seiner Zahlungspflicht haben wird. Für den Arbeitnehmer hingegen wäre es nachteilig, eine ergänzende Vertragsauslegung auszuschließen. Denn dann bestünde keine Möglichkeit, den Umfang des Zahlungsanspruchs zu bestimmen, so dass dieser im Zweifel nicht geltend gemacht werden könnte oder sogar wegfallen müsste. Generell lässt sich gegen eine Bindung der ergänzenden Vertragsauslegung an die Unzumutbarkeit außerdem anführen, dass das AGB-Recht nicht den Verwender benachteiligen, sondern einen angemessenen Interessenausgleich herstellen soll.145 Die Gesamtunwirksamkeit des Vertrages soll, auch zugunsten des Vertragspartners, möglichst vermieden werden, wie die Regelung des § 306 Abs. 3 BGB zeigt, nach dem die Gesamtunwirksamkeit nur eintritt, wenn das Festhalten am Vertrag für eine Partei eine unzumutbare Härte darstellen würde.146 Um dies zu erreichen, muss die ergänzende Vertragsauslegung in einigen Fällen anwendbar sein, obwohl andernfalls keine Unzumutbarkeit für den Verwender festzustellen ist. Aus reinen Billigkeitserwägungen darf sie hingegen nicht angewendet werden.147 Im vorliegenden Zusammenhang genügt es aus den genannten Gründen für die Anwendbarkeit der ergänzenden Vertragsauslegung, dass ohne die Auslegung keine angemessene, den typischen Interessen der Vertragsparteien Rechnung tragende Lösung vorliegt.148 Das ist bei unwirksamen Bestimmungsvorbehalten der Fall, da ohne die ergänzende Auslegung ein Zahlungsversprechen besteht, das nicht bestimmt werden kann.149 Dieses Ergebnis entspricht nicht den typischen 144 Preis, RdA 2012, 101, 108; Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt, § 306 BGB Rn. 36; in diese Richtung auch Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Lindacher/Hau, § 306 BGB Rn. 20. 145 Uffmann, RdA 2011, 154, 161; Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, S. 186; Clemenz/Kreft/Krause/Schlewing, § 306 BGB Rn. 60. 146 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Lindacher/Hau, § 306 BGB Rn. 15; Ulmer/Brandner/ Hensen/Schmidt, § 306 BGB Rn. 34a; Schlewing, RdA 2011, 92, 95 f.; Clemenz/Kreft/ Krause/Schlewing, § 306 BGB Rn. 5, 53; Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, S. 178 f.; so zur ergänzenden Vertragsauslegung bei intransparenten Regelungen zur Hauptleistungspflicht auch Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 368 f.; krit. dazu Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 318. 147 Preis, RdA 2012, 101, 108; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 615; Stoffels, ZfA 2009, 861, 891; Uffmann, RdA 2011, 154, 156. 148 So generell auch BGH v. 01.02.1984 – VIII ZR 54/83, NJW 1984, 1177; Preis, RdA 2012, 101, 107; Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt, § 306 BGB Rn. 37a; Linck, in: FS Bauer, S. 645, 656 f.; in diese Richtung auch Schlewing, RdA 2011, 92, 97; Clemenz/Kreft/Krause/Schlewing, § 306 BGB Rn. 57 ff. 149 S. dazu auch schon Kapitel 6 B.

F. Ersetzung unwirksamer Bestimmungsvorbehalte

493

Interessen von Arbeitsvertragsparteien, die eine lediglich der Höhe nach flexible Zahlung vereinbart haben. Folglich ist die ergänzende Vertragsauslegung zur Ersetzung eines unwirksamen Bestimmungsvorbehalts anwendbar, auch wenn andernfalls keine Unzumutbarkeit für den Arbeitgeber vorliegt. Ob dies eine Ausnahme von den eingangs dargestellten einschränkenden Voraussetzungen der Rechtsprechung150 darstellt oder diese insgesamt abzulehnen sind, kann dahinstehen.

II. Die Ersetzung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte mittels ergänzender Vertragsauslegung Fraglich ist, welche Regelung nach ergänzender Vertragsauslegung an die Stelle eines arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalts treten muss. Hier kann nicht für jeden Fall pauschal dargestellt werden, welche Regelung den jeweils unwirksamen Bestimmungsvorbehalt ersetzt. Zwar muss die ergänzende Vertragsauslegung objektiv-generalisierend nach den typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise erfolgen.151 Es kommt deshalb nicht darauf an, wie der Verwender die Klausel gestaltet hätte, wenn er die Unwirksamkeit bei Vertragsschluss gekannt hätte, sondern welche Regelung redliche Vertragspartner unter angemessener Berücksichtigung der typischen Interessen getroffen hätten. Ausgangspunkt ist und bleibt dabei aber der konkrete Vertrag.152 Deshalb kann das Ergebnis nicht für jeden Vertrag identisch sein. Es kann jedoch eine Art von Klausel gefunden werden, die den typischen Interessen der Arbeitsvertragsparteien entspricht. Eine solche soll nachfolgend herausgearbeitet werden. 1. Zur Möglichkeit der Ersetzung durch ein festes Leistungsversprechen Denkbar wäre es, anstelle eines Bestimmungsvorbehalts ein festes Leistungsversprechen als gewollt anzunehmen. Problematisch ist dabei, dass das entschei150 S. etwa BAG v. 11.04.2006 – 9 AZR 610/05, BAGE 118, 36; BAG v. 14.01.2009 – 3 AZR 900/07, BAGE 129, 121 Rn. 27; BGH v. 13.11.1997 – IX ZR 289/96, BGHZ 137, 153; BGH v. 14.07.2010 – VIII ZR 246/08, BGHZ 186, 180 Rn. 50. 151 BAG v. 07.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423; Clemenz/Kreft/Krause/ Schlewing, § 306 BGB Rn. 64; Preis, RdA 2012, 101, 107; Preis/Roloff, ZfA 2007, 43, 78; Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt, § 306 BGB Rn. 31, 37a; Däubler/Bonin/Deinert/ Bonin, § 306 BGB Rn. 22, 25; s. auch BGH v. 07.03.1989 – KZR 15/87, BGHZ 107, 273; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 361; Erman/Roloff, § 306 BGB Rn. 13; Linck, in: FS Bauer, S. 645, 658; Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, S. 191 f.; Stoffels, AGB-Recht Rn. 616. 152 Vgl. BAG v. 07.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423 Rn. 51; BAG v. 06.07.2011 – 4 AZR 706/09, BAGE 138, 269; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 306 BGB Rn. 25; Schlewing, RdA 2011, 92, 98; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 618; zust. Preis, RdA 2012, 101, 108; s. auch Linck, in: FS Bauer, S. 645, 659; Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt, § 306 BGB Rn. 37b; krit. Uffmann, RdA 2011, 154, 161.

494

Kap. 6: Rechtsfolgen unwirksamer Bestimmungsvorbehalte

dende Gericht im Streitfall eine Hauptleistung bzw. kontrollfreie Nebenleistung selbst bestimmen müsste. Das Gericht ist generell nicht dazu berufen, einen gerechten „Preis“ zu finden.153 Allerdings könnte es die bis zum Entscheidungszeitpunkt erfolgten Bestimmungen zugrunde legen und daraus einen gewollten Festpreis bestimmen.154 So kann aber nur vorgegangen werden, wenn redliche Vertragspartner unter angemessener Berücksichtigung der typischen Interessen eine solche Regelung getroffen hätten. Das ist aufgrund der Flexibilisierungsinteressen des typischen Arbeitgebers nicht der Fall.155 Die Festlegung einer konkreten Höhe widerspräche dem Zweck des Bestimmungsvorbehalts und würde dem Arbeitnehmer unter Umständen auch die Chance auf eine höhere Zahlung im Einzelfall nehmen, wie schon in den Ausführungen zur Lückenfüllung durch § 612 Abs. 2 BGB dargestellt wurde.156 Eine ergänzende Vertragsauslegung kann deshalb nicht dazu führen, dass die Leistung auf eine bestimmte Höhe festgelegt ist. 2. Zur Konstruktion eines „neuen“ Bestimmungsvorbehalts In Betracht kommt alternativ die Ersetzung des unwirksamen Bestimmungsvorbehalts mit einem wirksamen, angemessenen Bestimmungsrecht des Arbeitgebers. Bedenklich an dieser Lösung ist allerdings, dass sie einer geltungserhaltenden Reduktion nahekommt, die richtigerweise vielfach als unzulässig angesehen wird.157 Würde man einen unwirksamen Bestimmungsvorbehalt mit einem wirksamen ersetzen, läge in der Regel dasselbe Ergebnis vor wie bei einer geltungserhaltenden Reduktion des vereinbarten Vorbehalts auf ein angemessenes oder zulässiges Maß. Dieses Ergebnis ist insofern fragwürdig, als der Arbeitgeber ohne größeres Risiko unangemessene oder intransparente Bestimmungsvorbehalte verwenden könnte. Auch bei Geltendmachung der Unwirksamkeit könnte er die Leistung im Rahmen des „neuen“ Bestimmungsvorbehalts einseitig festlegen. Er wäre darin zwar nicht mehr genauso frei, könnte den Vorbehalt allerdings nach wie vor dazu nutzen, zu seinem Vorteil auf unvorhergesehene Entwicklungen zu reagieren. 153 Vgl. dazu etwa die Begründung der Kontrollfreiheit von Hauptleistungspflichten: BGH v. 13.01.2011 – III ZR 78/10, NJW 2011, 1726 Rn. 11 m.w. N.; Ulmer/Brandner/ Hensen/Fuchs, § 307 Rn. 5, 18 f.; Erman/Roloff, § 307 BGB Rn. 39; Däubler/Bonin/ Deinert/Däubler, § 307 BGB Rn. 248; Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn. 28; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 276, 303; Staudinger/Coester, § 307 Rn. 284; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 423. 154 Zur Beachtung der tatsächlichen Vertragsdurchführung s. BAG v. 07.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423 Rn. 51; Stoffels, RdA 2015, 276, 280; Däubler/Bonin/ Deinert/Bonin, § 306 BGB Rn. 25; zust. Preis, RdA 2012, 101, 107. 155 So für Widerrufsvorbehalte auch Jesgarzewski, Die Grenzen formularmäßiger Vereinbarung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte, S. 208 ff. 156 S. dazu bereits Kapitel 6 E. II. 157 S. zum Verbot der geltungserhaltenden Reduktion unter Kapitel 6 A. I.

F. Ersetzung unwirksamer Bestimmungsvorbehalte

495

Es ist zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, dass durch die ergänzende Vertragsauslegung im Einzelfall dasselbe Ergebnis erzielt wird wie durch eine geltungserhaltende Reduktion.158 In der Regel darf dies aus den genannten Gründen aber nicht der Fall sein.159 Eine Klausel kann mittels ergänzender Vertragsauslegung ohnehin nur durch eine Regelung ersetzt werden, die die redlichen Vertragsparteien bei angemessener Abwägung der Interessen nach Treu und Glauben zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses160 getroffen hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der zu ersetzenden Regelung bekannt gewesen wäre.161 Redliche Arbeitsvertragsparteien hätten statt eines arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalts eine andere Regelung getroffen. Der unwirksame Bestimmungsvorbehalt fällt zunächst ersatzlos weg162 und der in ihm zum Ausdruck gekommene Wille darf wegen der vorliegenden Benachteiligung in der Auslegung keine Bedeutung erlangen163. Es spielt also keine Rolle, dass der Arbeitgeber die Leistung selbst bestimmen wollte. In der hypothetischen Situation zweier gleich starker redlicher Verhandlungspartner hätten diese wohl kein einseitiges Bestimmungsrecht des Arbeitgebers gewählt, sondern eine Regelung, die den Flexibilisierungsinteressen des Arbeitgebers Rechnung trägt, ohne die Leistung von seiner Entscheidung abhängig zu machen. Es ist nicht ersichtlich, wieso die vom Arbeitgeber gewollte Flexibilisierung nur zu erreichen sein sollte, wenn dieser selbst die Leistung festlegt.164 Dem Arbeitnehmer wird außerdem daran gelegen

158 Günther, AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen, S. 242 f.; Däubler/Bonin/Deinert/ Bonin, § 306 BGB Rn. 15; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Lindacher/Hau, § 306 BGB Rn. 18; Schlewing, RdA 2011, 92, 98. 159 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Lindacher/Hau, § 306 BGB Rn. 33. 160 BAG v. 19.05.2010 – 4 AZR 796/08, BAGE 134, 283 Rn. 23; BGH v. 12.10.2005 – IV ZR 162/03, BGHZ 164, 297 Rn. 48; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 362. 161 BAG v. 07.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423; Preis, RdA 2012, 101, 107; Preis/Roloff, ZfA 2007, 43, 78; Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt, § 306 BGB Rn. 31, 37a; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 306 BGB Rn. 22, 25; s. auch BGH v. 07.03.1989 – KZR 15/87, BGHZ 107, 273; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 361; Erman/Roloff, § 306 BGB Rn. 13; Linck, in: FS Bauer, S. 645, 658 f.; Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, S. 191 f.; Schlewing, RdA 2011, 92, 94; Clemenz/Kreft/Krause/Schlewing, § 306 BGB Rn. 64; Stoffels, AGBRecht Rn. 616. 162 So auch BGH v. 13.04.2010 – XI ZR 197/09, BGHZ 185, 166 zu einer Zinsanpassungsklausel. 163 Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt, § 306 BGB Rn. 37b; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 613; s. auch BAG v. 19.12.2006 – 9 AZR 294/06, DB 2007, 1253 Rn. 35; Schlewing, RdA 2011, 92, 96. 164 Ein vergleichbares Interesse an „effektiver und rationeller Durchführung der Vertragsänderung“ bei Widerrufsvorbehalten erkennt aber Kluge, Widerrufsvorbehalte zur Absenkung des Arbeitsentgelts aus „wirtschaftlichen Gründen“ in vorformulierten Arbeitsverträgen, S. 116 f. an. Auch er hält dieses Interesse jedoch für nicht besonders gewichtig (S. 128 f.).

496

Kap. 6: Rechtsfolgen unwirksamer Bestimmungsvorbehalte

sein, ein möglichst festes, bestimmbares Leistungsversprechen zu erhalten, auf das er seine Lebensführung einstellen kann.165 Ein unwirksamer Bestimmungsvorbehalt kann deshalb nicht durch ein neues Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers ersetzt werden.166 Das würde den typischen Parteiinteressen bei redlicher Betrachtung nicht entsprechen. 3. Ersetzung durch eine selbstständige dynamische Anpassungsklausel Einen angemessenen Interessenausgleich bietet hingegen die Ersetzung durch eine dynamische Anpassungsklausel, nach der sich die Leistung in jedem Turnus eigenständig anhand fester Kriterien bestimmt.167 a) Interessenausgleich durch automatische, dynamische Anpassung der Leistungshöhe Redlicherweise hätten die typischen Arbeitsvertragsparteien eine solche dynamische Anpassungsklausel gewählt, nach der sich die Leistung in jedem Turnus eigenständig anhand fester Kriterien bestimmt. Sie bietet eine allgemeine Lösung des stets wiederkehrenden Interessenkonflikts bei unwirksamen Bestimmungsvorbehalten.168 Denn es besteht kein anerkennenswertes Interesse des Arbeitgebers, die Leistung jedes Jahr selbst festlegen zu können, sondern nur ein Interesse daran, dass die Leistung an unvorhersehbare Entwicklungen angepasst werden kann.169 Das ist bei einer automatischen, dynamischen Anpassung gewährleistet, solange die Klausel die Höhe der Leistung an die relevanten Faktoren bindet. Das Interesse des Arbeitnehmers an einem (möglichst hohen) festen Leistungsversprechen wird gleichwertig berücksichtigt, da diejenige Zahlung zu leisten ist, die vertraglich im jeweiligen Turnus redlicherweise festgelegt worden wäre.170 Der Arbeitnehmer ist dabei keinem unvorhersehbaren Ermessen ausgesetzt, sondern kann die Festlegung der Leistung selbst berechnen bzw. anhand der Klausel eigenständig nachvollziehen.171 Dass die Leistung flexibel bleibt, ist 165

S. dazu bereits unter Kapitel 4 B. VII. 3. b). So sieht es auch der BGH v. 13.04.2010 – XI ZR 197/09, BGHZ 185, 166 zu einer vergleichbaren Zinsanpassungsklausel. 167 So auch bei BGH v. 13.04.2010 – XI ZR 197/09, BGHZ 185, 166. 168 Die ergänzende Vertragsauslegung muss einen derartigen Interessenausgleich herbeiführen: Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 361; Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt, § 306 BGB Rn. 32; Schlewing, RdA 2011, 92, 94; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 617; Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, S. 192; Clemenz/ Kreft/Krause/Schlewing, § 306 BGB Rn. 64. 169 S. zu diesem Interesse insbesondere unter Kapitel 4 B. VII. 3. a) aa). 170 S. zu diesem Interesse des Arbeitnehmers insbesondere unter Kapitel 4 B. VII. 3. b). 171 S. zu den bei arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten bestehenden Unklarheiten insbesondere Kapitel 5 B. III. 2., B. IV. 1. und B. V. 1. 166

F. Ersetzung unwirksamer Bestimmungsvorbehalte

497

wegen des Charakters des Arbeitsverhältnisses als Dauerschuldverhältnis und der sich ständig ändernden Gegebenheiten angemessen. Die Flexibilität kann sich für den Arbeitnehmer außerdem sogar positiv auswirken, weil die Zahlung bei guter wirtschaftlicher Entwicklung höher ausfallen kann, als es bei einer abschließenden Festlegung der Leistung im Vertrag der Fall gewesen wäre. Das hier erzielte Ergebnis wird zudem durch eine Entscheidung des BGH172 bezüglich einer für unwirksam befundenen Zinsanpassungsklausel bestätigt. Der BGH führt dort im Rahmen einer ergänzenden Vertragsauslegung aus, dass das vereinbarte Leistungsbestimmungsrecht des Verwenders nicht durch ein erneutes Bestimmungsrecht ersetzt werden könne. Stattdessen müsse sich der Zins – ähnlich der hier vorgeschlagenen Ersatzregelung – bei Erreichen einer bestimmten Schwelle automatisch, abhängig von einem Referenzzins ändern, wobei für die Relation der Änderung das Äquivalenzverhältnis zu beachten war.173 b) Ausgestaltungsmöglichkeiten selbstständiger Anpassungsklauseln Die Ausgestaltung einer solchen dynamischen Anpassungsklausel, wie sie soeben als Ergebnis der ergänzenden Vertragsauslegung bei unwirksamen Bestimmungsvorbehalten herausgearbeitet wurde, bereitet praktisch gewisse Schwierigkeiten, die jedoch nicht unüberwindbar sind. So könnte die Leistungshöhe etwa auf einen prozentualen Wert in Abhängigkeit vom Umsatz oder Gewinn des Unternehmens konkretisiert werden. Denkbar wäre es auch, bestimmte Stufen oder Ziele der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers festzulegen und diese an bestimmte Auszahlungswerte zu knüpfen. Wie die Anpassungsklausel konkret auszusehen hat, kann hier nicht für jeden denkbaren Fall dargestellt werden. Eine entscheidende Rolle werden die bisherigen Auszahlungen und die dabei berücksichtigten Kriterien spielen.174 Daran anknüpfend muss eine Relation der Leistungshöhe zu den bestimmenden Entwicklungen bzw. Faktoren gefunden werden. Es wäre z. B. möglich, einen Richtwert festzulegen und zu regeln, wie sich dieser nach der Veränderung der wirtschaftlichen Lage oder der Leistung des Arbeitnehmers verändert. Sind keine bisherigen Zahlungen als Richtwerte vorhanden, kann unter Umständen auf das Vorgehen bei vergleichbaren Arbeitnehmern desselben Betriebs, deren Arbeitsverträge ähnliche Leistungen unter Bestimmungsvorbehalt versprechen, abgestellt werden. Sind auch solche Arbeitnehmer nicht vorhanden, könnte im Ausnahmefall ein Vergleich mit Arbeitnehmern anderer Arbeitgeber in Frage kommen. In der 172

BGH v. 13.04.2010 – XI ZR 197/09, BGHZ 185, 166. Vgl. BGH v. 13.04.2010 – XI ZR 197/09, BGHZ 185, 166 Rn. 20 ff. 174 Genauso Stoffels, RdA 2015, 276, 280; zur Bedeutung der tatsächlichen Vertragsdurchführung s. auch BAG v. 07.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423 Rn. 51; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 306 BGB Rn. 25; Preis, RdA 2012, 101, 107. 173

498

Kap. 6: Rechtsfolgen unwirksamer Bestimmungsvorbehalte

Praxis sollte sich immer ein Anhaltspunkt für die tatsächlich gewollte Regelung finden lassen.175 Aber selbst, wenn mehrere Lösungsmöglichkeiten in Frage kommen, wird es in der Regel möglich sein, im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung eine angemessene Ersatzregelung zu finden.176 Es erscheint dabei unter Umständen angemessen, die Beurteilung, wie sich die relevanten Faktoren entwickelt haben, in bestimmten Grenzen dem Arbeitgeber zu überlassen.177 Schließlich wird es ihm am besten möglich sein, Faktoren wie die wirtschaftliche Lage des eigenen Unternehmens oder die Leistung des Arbeitnehmers einzuschätzen. Die Klausel könnte z. B. festlegen, dass der Arbeitgeber im Rahmen der Billigkeit die Entwicklungen nach festen Maßstäben oder anhand einer Skala bewertet. Die Klausel muss aber in jedem Fall regeln, in welchem Maß sich danach die Höhe der Zahlung ändert. Um zu verdeutlichen, welche Art von Anpassungsklausel hier gemeint ist, folgen einige fiktive, beispielhafte Formulierungen, wie sie sich aus einer ergänzenden Vertragsauslegung ergeben könnten: Beispiel 1 (Leistungshöhe in Abhängigkeit vom wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens): Der Arbeitnehmer erhält eine jährliche Bonuszahlung, deren Höhe . . . % des Unternehmensgewinnes im betreffenden Jahr beträgt. Beispiel 2 (Leistungshöhe in Abhängigkeit von der persönlichen Leistung des Arbeitnehmers): Der Arbeitnehmer erhält eine jährliche Bonuszahlung, deren Höhe sich nach seiner Arbeitsleistung im betreffenden Jahr bestimmt. Der Grundwert beträgt . . . A/beträgt ein Monatsgehalt/beträgt . . . % des durchschnittlichen betrieblichen Jahresgehalts, kann abhängig von der Leistung des

175

Andernfalls müsste eine ergänzende Vertragsauslegung nach der herrschenden Meinung ausscheiden. S. BGH v. 17.05.1982 – VII ZR 316/81, BGHZ 84, 109; BGH v. 06.02.1985 – VIII ZR 61/84, BGHZ 93, 358; BGH v. 12.07.1989 – VIII ZR 297/88, NJW 1990, 115; BGH v. 01.10.2014 – VII ZR 344/13, BGHZ 202, 30 Rn. 24; BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, BAGE 124, 259 Rn. 35; Preis/Roloff, ZfA 2007, 43, 78 f.; Erman/Roloff, § 306 BGB Rn. 13; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 620; Clemenz/Kreft/ Krause/Schlewing, § 306 BGB Rn. 65; MüKo-BGB/Basedow, § 306 BGB Rn. 39 f.; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 306 BGB Rn. 25a, der das Problem für kaum praxisrelevant hält; Schlewing, RdA 2011, 92, 98; s. dazu auch Ulmer/Brandner/Hensen/ Schmidt, § 306 BGB Rn. 33; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Lindacher/Hau, § 306 BGB Rn. 21; a. A. wohl BGH v. 12.10.2005 – IV ZR 162/03, BGHZ 164, 297 Rn. 47; BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 306 Rn. 18; in diese Richtung auch Staudinger/Schlosser, § 306 BGB Rn. 15a. 176 So grundsätzlich BGH v. 12.10.2005 – IV ZR 162/03, BGHZ 164, 297 Rn. 47; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, § 307 BGB Rn. 361; Ulmer/Brandner/Hensen/ Schmidt, § 306 BGB Rn. 38; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 306 BGB Rn. 25a; Staudinger/Schlosser, § 306 BGB Rn. 15a; Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, S. 205 ff.; BeckOK-BGB/H. Schmidt, § 306 Rn. 18; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Lindacher/Hau, § 306 BGB Rn. 21; wohl a. A. Günther, AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen, S. 241; diff. Stoffels, AGB-Recht, Rn. 620. 177 Vgl. dazu auch BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150 Rn. 32.

F. Ersetzung unwirksamer Bestimmungsvorbehalte

499

Arbeitnehmers aber über- oder unterschritten werden. Die Leistung des Arbeitnehmers ist vom Arbeitgeber jährlich nach billigem Ermessen zu bewerten. Die Höhe des Leistungsanspruchs beträgt je nach Bewertung der Leistung: 200 % (bei Bewertung „sehr gut“), 150 % („gut“), 100 % („überdurchschnittlich“), 50 % („unterdurchschnittlich“), 0 % („mangelhaft“) des Grundwertes. Beispiel 3 (Leistungshöhe in Abhängigkeit vom Umsatz der Abteilung und der Leistung des Arbeitnehmers): Der Arbeitnehmer erhält eine jährliche Bonuszahlung, deren Höhe sich nach dem Umsatz der Abteilung, in der der Arbeitnehmer tätig ist, und der Leistung des Arbeitnehmers richtet. Die Bonuszahlung beträgt im Ausgangswert . . . % des Umsatzes der Abteilung. Die Höhe ändert sich je nach Beurteilung der Leistung des Arbeitnehmers. Sie beträgt: 200 % (bei Bewertung der Leistung als „sehr gut“), 150 % („gut“), 100 % („überdurchschnittlich“), 50 % („unterdurchschnittlich“), 0 % („mangelhaft“) des Grundwertes. Die Beurteilung der Leistung erfolgt durch den Arbeitgeber nach billigem Ermessen in den vorgenannten Stufen („sehr gut“, „gut“, „überdurchschnittlich“, „unterdurchschnittlich“ oder „mangelhaft“). Beispiel 4 (Leistungshöhe in Abhängigkeit vom wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens und der Leistung des Arbeitnehmers): Der Arbeitnehmer erhält eine jährliche Bonuszahlung, deren Höhe sich zu gleichen Teilen nach dem wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens und der Leistung des Arbeitnehmers richtet. Der Arbeitgeber bewertet den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens sowie die Leistung des Arbeitnehmers nach billigem Ermessen jeweils als „sehr gut“, „gut“, „überdurchschnittlich“, „unterdurchschnittlich“ oder „mangelhaft“. Die Bonuszahlung beträgt als Grundwert 10 % des Bruttojahresgehalts des Arbeitnehmers. Diese Höhe wird erreicht bei Bewertung beider Faktoren als „überdurchschnittlich“. Wird ein Faktor oder werden beide Faktoren besser bewertet, erhöht sich die Zahlung pro Stufe eines jeden Faktors jeweils um 25 % des Grundwertes. Werden die Faktoren schlechter bewertet, verringert sich die Zahlung pro Stufe eines jeden Faktors jeweils um 25 % des Grundwertes.

III. Ergebnis Die durch einen unwirksamen Bestimmungsvorbehalt entstandene Lücke ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen. Die ergänzende Vertragsauslegung ist anwendbar, da weder die Anwendung des dispositiven Rechts noch der ersatzlose Wegfall des Bestimmungsvorbehalts die Interessen angemessen in Einklang bringen178. Für die Anwendbarkeit ist es vorliegend außerdem unerheblich, ob die teilweise geforderten restriktiven Voraussetzungen für die Durchführung der ergänzenden Vertragsauslegung – etwa eine andernfalls be178

S. dazu auch schon unter Kapitel 6 B. und E.

500

Kap. 6: Rechtsfolgen unwirksamer Bestimmungsvorbehalte

stehende Unzumutbarkeit für den Arbeitgeber – vorliegen.179 Denn die Ablehnung einer ergänzenden Vertragsauslegung bei unwirksamen Bestimmungsvorbehalten würde sich zu Lasten des Arbeitnehmers auswirken. Die ergänzende Vertragsauslegung ergibt, dass ein unwirksamer Bestimmungsvorbehalt mit einer dynamischen Anpassungsklausel zu ersetzen ist, nach der sich die Leistung in jedem Turnus eigenständig anhand fester Kriterien bestimmt (z. B. Festlegung der Leistungshöhe auf einen prozentualen Wert in Abhängigkeit vom Umsatz oder Gewinn des Unternehmens; Festlegung bestimmter Stufen oder Ziele der Arbeitsleistung, die an bestimmte Auszahlungswerte geknüpft werden).180 Diese Lösung wird sowohl den Interessen des Arbeitgebers an flexibler Gestaltung als auch den Interessen des Arbeitnehmers an einem festen Leistungsversprechen gerecht. Im Gegensatz dazu bieten weder die Ersetzung mit einem wirksamen Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers noch mit einer festen Leistungshöhe einen angemessenen Interessenausgleich. Eine feste Leistungshöhe widerspräche den Flexibilisierungsinteressen des Arbeitgebers.181 Ein Bestimmungsrecht des Arbeitgebers ist zur Verwirklichung seiner Interessen hingegen nicht zwingend notwendig und deshalb nicht geboten.182

G. Zusammenfassung zu den Rechtsfolgen der Unwirksamkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte Rechtsfolgen der Unangemessenheit bzw. Intransparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte sind die Aufrechterhaltung des Leistungsversprechens und Ersetzung des Vorbehalts durch eine Klausel, nach der sich die Leistung eigenständig und dynamisch anpasst. Unangemessene oder intransparente Bestimmungsvorbehalte können nicht im Wege der geltungserhaltenden Reduktion vor der Unwirksamkeit bewahrt werden.183 Denn eine geltungserhaltende Reduktion steht im Spannungsverhältnis zum Präventionszweck der AGB-Kontrolle und missachtet die Rechtsfolgenanordnung des § 306 Abs. 2 BGB, dass anstelle unwirksamer AGB-Klauseln das dispositive Recht gilt.184 Sie stößt bei arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten außerdem auf praktische Probleme.185 Dass das mit einem unwirksamen Be179

S. dazu und zur Anwendbarkeit der ergänzenden Vertragsauslegung unter Kapitel 6

F. I. 180 181 182 183 184 185

S. dazu Kapitel 6 F. II. 3. S. dazu Kapitel 6 F. II. 1. S. dazu Kapitel 6 F. II. 2. S. dazu Kapitel 6 C. S. dazu auch Kapitel 6 A. I. Dazu eingehend unter Kapitel 6 C.

G. Zusammenfassung zu den Rechtsfolgen

501

stimmungsvorbehalt verbundene Leistungsversprechen nicht der Unwirksamkeitsfolge unterliegt, ergibt sich stattdessen aus einer Anwendung des „Blue-Pencil-Tests“.186 Das Leistungsversprechen ist im Gegensatz zum Bestimmungsvorbehalt als Festlegung einer Hauptleistungspflicht nicht kontrollfähig und stellt eine eigenständige Klausel dar, an deren Wirksamkeit keine Bedenken bestehen.187 Folge des isolierten Wegfalls des Bestimmungsvorbehalts ist die Unbestimmtheit des aufrechterhaltenen Leistungsversprechens.188 Diese Vertragslücke kann nicht durch die §§ 315, 316 BGB gefüllt werden.189 Beide Normen stellen nur Auslegungsregeln dar, die kein (ausreichendes) Leistungsbestimmungsrecht begründen können. Sie enthalten, abgesehen von der Bindung der Entscheidung an billiges Ermessen, keinerlei inhaltliche Regelungen dazu, wie ein solches Bestimmungsrecht auszusehen hätte. Auch § 612 Abs. 2 BGB ist im Ergebnis nicht geeignet, die entstandene Lücke zu füllen.190 Die Norm hat zwar einen ausreichenden Regelungsgehalt, nach dem die unbestimmte Leistung auf die taxmäßige oder die übliche Vergütung zu beziffern ist. Das stellt jedoch keine Lösung dar, die den typischen Interessen der Parteien angemessen Rechnung trägt. Das Flexibilisierungsinteresse des Arbeitgebers191 bliebe völlig unbeachtet. Die Lücke muss im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung geschlossen werden.192 Für die Anwendbarkeit der ergänzenden Vertragsauslegung ist es vorliegend unerheblich, ob die teilweise geforderten restriktiven Voraussetzungen – etwa eine andernfalls bestehende Unzumutbarkeit für den Arbeitgeber – vorliegen.193 Denn der Ausschluss der ergänzenden Vertragsauslegung würde sich ausnahmsweise nicht zum Nachteil des Verwenders, sondern zum Nachteil des Vertragspartners auswirken. Die ergänzende Vertragsauslegung ist somit anwendbar, da der ohne sie bestehende Zustand eines unbestimmten Zahlungsversprechens keine angemessene, den typischen Interessen der Vertragsparteien Rechnung tragende Lösung darstellt.194 Die Auslegung ergibt, dass an die Stelle des unwirksamen Bestimmungsvorbehalts eine Anpassungsklausel tritt, nach der sich die Leistungshöhe in jedem Turnus eigenständig anhand festgelegter Kriterien bestimmt 186

S. dazu Kapitel 6 D. S. Kapitel 6 D. II. 188 S. dazu Kapitel 6 E. und F. 189 S. dazu Kapitel 6 E. I. 190 S. dazu Kapitel 6 E. II. 191 Zum Flexibilisierungsinteresse des Arbeitgebers ausführlich auch unter Kapitel 4 B. VII. 3. a). 192 S. dazu Kapitel 6 F. 193 S. Kapitel 6 F. I. 194 S. dazu Kapitel 6 F. I. 187

502

Kap. 6: Rechtsfolgen unwirksamer Bestimmungsvorbehalte

(z. B. Festlegung der Leistungshöhe auf einen prozentualen Wert in Abhängigkeit vom Umsatz oder Gewinn des Unternehmens; Festlegung bestimmter Stufen oder Ziele der Arbeitsleistung, die an bestimmte Auszahlungswerte geknüpft werden).195 Dadurch wird sowohl dem Interesse des Arbeitgebers an flexibler Gestaltung der Arbeitsvertragsbedingungen entsprochen als auch dem Interesse des Arbeitnehmers an einem möglichst festen, vorhersehbaren Leistungsversprechen. Die alternativen Möglichkeiten zur Lückenfüllung, den unwirksamen Bestimmungsvorbehalt mit einem wirksamen Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers oder mit einer festen Leistungshöhe zu ersetzen, bieten keinen angemessenen Interessenausgleich. Eine feste Leistungshöhe widerspräche den Flexibilisierungsinteressen des Arbeitgebers.196 Ein Bestimmungsrecht des Arbeitgebers ist wiederum zur Verwirklichung seiner Interessen nicht zwingend notwendig und deshalb auch nicht geboten.197

195 196 197

S. dazu Kapitel 6 F. II. 3. S. dazu Kapitel 6 F. II. 1. S. dazu Kapitel 6 F. II. 2.

Kapitel 7

Zusammenfassung und Ergebnisse A. Gesamtfazit Es hat sich gezeigt, dass für formularvertragliche Bestimmungsvorbehalte des Arbeitgebers bezüglich entgeltrelevanter Leistungen wesentlich umfangreichere Wirksamkeitsvoraussetzungen bestehen, als es bisher von Rechtsprechung und Literatur vertreten wird.1 Derartige Vorbehalte sind in AGB zwar weder per se unangemessen benachteiligend2 noch von vornherein intransparent3. Sie unterliegen jedoch der Inhaltskontrolle4 und sind sowohl unangemessen i. S. d. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB5 als auch intransparent gem. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB6, wenn sie tatbestandlich nicht konkretisiert sind. Bestimmungsvorbehalte, die lediglich regeln, dass der Arbeitgeber die betreffende Leistung einseitig festlegt, sind demnach unwirksam. Der gegenteiligen Rechtsprechung des BAG7, das der Meinung ist, Bestimmungsvorbehalte seien nicht zu konkretisieren, sowie den entsprechenden Stimmen in der Literatur ist zu widersprechen.8 Stattdessen sind Bestimmungsvorbehalte bezüglich ihrer Konkretisierung dem Grunde nach zu behandeln wie Widerrufsvorbehalte.9 Die Untersuchung des Verhältnisses von Angemessenheits- und Transparenzkontrolle hat ergeben, dass eine AGB-Klausel nur wegen Intransparenz unwirksam ist, wenn aus der Intransparenz eine unangemessene Benachteiligung resultiert.10 Diese spezifische Benachteiligung besitzt einen anderen Gehalt als die materielle Benachteiligung, die im Rahmen der Angemessenheitskontrolle überprüft wird.11 Die beiden Kontrollinstrumente sind deshalb stets nebeneinander 1

Zum Stand in Rechtsprechung und Literatur ausführlich in Kapitel 2. S. dazu Kapitel 4 B. III. 3 S. dazu Kapitel 5 B. II. 4 S. dazu Kapitel 4 A. 5 S. dazu Kapitel 4. 6 S. dazu Kapitel 5. 7 S. insbesondere BAG v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013. 8 Zum Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur ausführlich unter Kapitel 2 B. und E. 9 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 9. 10 S. Kapitel 3 A. 11 S. Kapitel 3 B. II. 2

504

Kap. 7: Zusammenfassung und Ergebnisse

anzuwenden.12 Für arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte ergeben sich daraus eine Reihe von Wirksamkeitsvoraussetzungen. Grundvoraussetzung der Wirksamkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte ist die Bindung der Entscheidung an billiges Ermessen oder einen strengeren Maßstab. Ist das nicht der Fall, verstößt der Vorbehalt gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V. m. § 315 Abs. 1 BGB.13 Darüber hinaus ist ein solcher Vorbehalt intransparent und auch deshalb in der Regel unwirksam.14 Eine entsprechende Bindung an billiges Ermessen ergibt sich nicht aus § 315 Abs. 1 BGB, wie Rechtsprechung und Literatur nahelegen, sondern muss in der Klausel selbst geregelt sein.15 Konkretisiert werden müssen darüber hinaus die Kriterien, nach denen der Arbeitgeber die Höhe der betreffenden Leistung festzulegen hat. Aus der Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB ergibt sich, dass die relevanten Entscheidungskriterien dem Grunde nach in der Klausel festzulegen sind.16 Die Angemessenheitskontrolle ergibt, dass die Entscheidung des Arbeitgebers bei Bestimmungsvorbehalten über synallagmatische Leistungen an die Flexibilisierungsinteressen zu binden ist, die die Einräumung an sich rechtfertigen.17 Es müssen also Kriterien gelten, die inhaltlich den Motivationszweck oder/und die Anpassung des Arbeitsverhältnisses an unvorhergesehene Entwicklungen betreffen. Dabei ist zu beachten, dass nahezu alle geldwerten Leistungen des Arbeitgebers Gegenleistungscharakter haben.18 Bestimmungsvorbehalte, die diese Anforderung nicht erfüllen, enthalten unter anderem eine zu weitreichende Möglichkeit des Arbeitgebers, das vertragliche Synallagma zu relativieren und in das Äquivalenzverhältnis einzugreifen.19 Sie verlagern überdies das Wirtschafts- und Betriebsrisiko teilweise auf den Arbeitnehmer20 und setzen einen Leistungsanreiz, dem keine ausreichende Bindung des Arbeitgebers an sein Leistungsversprechen gegenübersteht21. Die Möglichkeit der nachträglichen Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB vermag die bestehende unangemessene Benachteiligung nicht zu beseitigen.22 Für Bestimmungsvorbehalte bezüglich Leistungen, die (ausnahmsweise) nicht das Gegenseitigkeitsverhältnis betreffen, gelten weniger stren12

S. Kapitel 3 B. und C. S. Kapitel 4 B. V. 14 S. Kapitel 5 B. V. 15 S. dazu Kapitel 5 A. I. 2. b), B. V. 2. und Kapitel 4 B. V. 3. 16 S. Kapitel 5 B. III. 17 S. Kapitel 4 B. VI., B. VII. und insbesondere B. VII. 10. a). 18 S. dazu Kapitel 4 B. IV. 6. 19 S. Kapitel 4 B. VI. 20 S. Kapitel 4 B. VII. 7. a). 21 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 5. 22 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 7. f). Dasselbe gilt für die Transparenzkontrolle, s. dazu Kapitel 5 B. III. 6. 13

A. Gesamtfazit

505

ge Anforderungen.23 Bei diesen muss die Entscheidung lediglich an zweckdienliche Kriterien gebunden werden. Letztlich muss auch der mögliche Umfang der versprochenen Leistung näher konkretisiert werden. Das Transparenzgebot gebietet, dass Bestimmungsvorbehalte bezüglich Leistungen, die hypothetische Relevanz für die Vertragsabschlussentscheidung haben, eine irgendwie geartete Regelung zur voraussichtlichen oder angestrebten Höhe der Leistung enthalten (z. B. die Angabe eines Orientierungswertes oder des intendierten Zahlungsrahmens), die dem Arbeitnehmer eine realistische Einschätzung der voraussichtlichen Größenordnung der Zahlung ermöglicht.24 Außerdem muss erkennbar sein, dass die Leistung auf null festgelegt werden kann, oder andernfalls, welche Höhe sie mindestens einnimmt.25 Das muss entweder eindeutig aus der Regelung zur Höhe folgen oder bedarf eines ausdrücklichen Hinweises. Inhaltlich gilt gem. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB auch bei Bestimmungsvorbehalten ferner das Verbot, in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses einzugreifen.26 Deshalb muss die mit einem Bestimmungsvorbehalt verbundene Leistung unter 25 % (bei Leistungen aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis) bzw. 30 % (bei anderen Leistungen) der Gesamtvergütung liegen.27 Um das sicherzustellen, müssen Bestimmungsvorbehalte in der Regel entweder eine prozentuale Obergrenze von unter 25 bzw. 30 % der Gesamtvergütung enthalten oder den möglichen Umfang der Leistung rahmenmäßig innerhalb dieser Grenzen festlegen.28 Der Kernbereich ist daneben auch dann ausreichend geschützt, wenn Richtwerte für die Leistungsbemessung angegeben werden, die so niedrig sind, dass ein Kernbereichseingriff abwegig wäre, oder wenn ohnehin nur eine solche Sonderzahlung betroffen ist, bei der aufgrund ihrer Art ein Kernbereichseingriff völlig fernliegt. Genügt ein Bestimmungsvorbehalt den dargestellten Anforderungen nicht, ist er gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam.29 An seine Stelle tritt im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung eine Klausel, nach der sich die Höhe der Leistung eigenständig und dynamisch in Abhängigkeit von bestimmten Kriterien in jedem Turnus neu anpasst (z. B. Festlegung der Leistungshöhe auf einen prozentualen Wert in Abhängigkeit vom Umsatz oder Gewinn des Unternehmens).30 23

S. dazu insbesondere Kapitel 4 B. VII. 10. b). S. dazu Kapitel 5 B. IV., insbesondere B. IV. 5. 25 S. dazu Kapitel 5 B. IV. 1. c) und B. IV. 5. c). 26 S. Kapitel 4 B. IV. 1. und 2. 27 S. Kapitel 4 B. IV. 5. 28 Zu den konkreten Anforderungen nach dem Verbot des Eingriffs in den Kernbereich s. Kapitel 4 B. IV. 7. 29 Zu den Rechtsfolgen s. Kapitel 6. 30 S. Kapitel 6 F. 24

506

Kap. 7: Zusammenfassung und Ergebnisse

Das mit dem Bestimmungsvorbehalt verbundene grundsätzliche Leistungsversprechen bleibt bestehen, wie eine Anwendung des „Blue-Pencil-Tests“ zeigt.31

B. Die Ergebnisse im Einzelnen Im Folgenden sollen noch einmal alle wesentlichen Erkenntnisse dieser Arbeit zusammengefasst werden.

I. Allgemeine Ergebnisse zur AGB-Kontrolle An dieser Stelle werden zunächst die Erkenntnisse bezüglich der AGB-Kontrolle im Allgemeinen dargestellt. 1. Zum Verhältnis von Angemessenheits- und Transparenzkontrolle Die Intransparenz ist eine spezielle Form der unangemessenen Benachteiligung und vermag als solche nicht, eine weitere Angemessenheitskontrolle auszuschließen.32 Denn die im Rahmen der Transparenzprüfung festzustellende Benachteiligung33 betrifft die Frage nach der inhaltlichen Klarheit und Verständlichkeit, während in der Angemessenheitskontrolle die inhaltliche Ausgewogenheit untersucht wird.34 Die Angemessenheitskontrolle knüpft an den Inhalt der Klausel an, die Transparenzkontrolle an die Verständlichkeit dieses Inhalts. Zielsetzung und Anknüpfungspunkt von Transparenz- und Angemessenheitskontrolle unterscheiden sich damit so sehr voneinander, dass erstens die Transparenzkontrolle separat durchzuführen ist und zweitens daneben immer auch eine Angemessenheitskontrolle geboten ist, selbst wenn die beiden Maßstäbe sich im Einzelfall überschneiden.35 Darüber hinaus hat das AGB-Recht (auch) eine überindividuelle, präventive Schutzfunktion, die es nur erfüllen kann, wenn in jedem Fall neben der Prüfung der Transparenz auch die inhaltliche Angemessenheit überprüft wird.36 2. Zur unangemessenen Benachteiligung bei Intransparenz Eine AGB-Klausel ist nicht allein deshalb unwirksam, weil sie intransparent ist. Die Unwirksamkeit wegen Intransparenz tritt nur ein, wenn aus der Intransparenz zusätzlich eine unangemessene Benachteiligung resultiert.37 Das folgt aus 31 32 33 34 35 36 37

S. Kapitel 6 D. Dazu ausführlich in Kapitel 3. S. dazu Kapitel 3 A. I. S. dazu Kapitel 3 B. II. S, dazu Kapitel 3 B. I. und B. II. S. dazu Kapitel 3 B. V. S. dazu Kapitel 3 A. I.

B. Die Ergebnisse im Einzelnen

507

den Gesetzesmaterialien und aus dem Wortlaut des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB („Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.“).38 Eine solche unangemessene Benachteiligung kann entweder in der Gefahr liegen, dass der Vertragspartner aufgrund der Intransparenz während der Vertragsdurchführung von der Wahrnehmung seiner Rechte abgehalten wird, oder darin, dass er wegen der Intransparenz nicht in der Lage ist, eine informierte Vertragsabschlussentscheidung zu treffen.39 3. Zum Verhältnis von Kontrollfreiheit und Inhaltskontrolle Die Anwendbarkeit der Inhaltskontrolle stellt nach der gesetzlichen Konzeption und dem Willen des Gesetzgebers den Regelfall dar, die Kontrollfreiheit die Ausnahme.40 Dennoch besteht für das Vorliegen der Kontrollfähigkeit eine materielle Begründungslast dahingehend, dass eine Abweichung oder Ergänzung von Rechtsvorschriften vorliegt.41 Denn § 307 Abs. 3 S. 1 BGB legt fest, dass der Regelfall der Kontrollfähigkeit nicht gilt, wenn keine Abweichung oder Ergänzung feststellbar ist. In diesen Fällen greift die Ausnahme in Form der Kontrollfreiheit. Die Begründungslast stellt also eine Art Negativprüfung der Ausnahmen von der Kontrollfähigkeit dar. 4. Zu den Rechtsfolgen bei Unwirksamkeit von AGB-Klauseln Die geltungserhaltende Reduktion unwirksamer AGB ist unzulässig.42 Sie steht im Spannungsverhältnis zum Präventionszweck der AGB-Kontrolle und missachtet die Rechtsfolgenanordnung des § 306 Abs. 2 BGB, wonach anstelle unwirksamer AGB-Klauseln das dispositive Recht zu gelten hat. Es hat sich außerdem gezeigt, dass die §§ 315, 316 BGB nicht dazu geeignet sind, ein unwirksames Leistungsbestimmungsrecht nach § 306 Abs. 2 BGB zu ersetzen.43 Schließlich enthalten beide Normen lediglich eine Auslegungsregel. 5. Sonstige Erkenntnisse Der Vertragsgrundsatz und der Grundsatz der vertraglichen Festlegung der Rechte und Pflichten eignen sich nicht als Leitbild nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.44 Diese Grundsätze sind zu unbestimmt, um die Inhaltskontrolle im Rahmen des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu lenken. 38 39 40 41 42 43 44

S. Kapitel 3 A. I. 2. S. dazu Kapitel 3 A. II. S. Kapitel 4 A. II. 2. S. dazu Kapitel 4 A. II. 3. S. Kapitel 6 C. S. Kapitel 6 E. I. S. dazu Kapitel 4 B. III. 1. b) bb).

508

Kap. 7: Zusammenfassung und Ergebnisse

II. Das Verhältnis von § 315 BGB zur AGB-Kontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte Weder die Auslegungsregel des § 315 Abs. 1 BGB noch die Möglichkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB haben Auswirkungen auf die AGB-Kontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte. 1. Zum Einfluss der Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB auf die AGB-Kontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte Die Möglichkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB hat keinen Einfluss auf die Angemessenheitskontrolle oder die Transparenzkontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte.45 Sie bietet faktisch keinen ausreichenden Schutz vor einer unangemessenen Benachteiligung.46 Denn der Arbeitnehmer wird eine Klage gegen den Arbeitgeber im laufenden Arbeitsverhältnis regelmäßig scheuen, da er sich in der schwächeren Position befindet. Ebenso wenig steigert die Möglichkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle die Klarheit und Verständlichkeit.47 Darüber hinaus ist die AGB-Kontrolle der Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB systematisch grundsätzlich vorrangig.48 Die Anwendbarkeit des § 315 Abs. 3 BGB setzt die wirksame Einräumung eines Leistungsbestimmungsrechts voraus, die in der Angemessenheitskontrolle aber erst überprüft wird. Ferner soll die AGB-Kontrolle den Vertragspartner gerade im Vorfeld gerichtlicher Auseinandersetzungen schützen. Bestätigt wird diese Ansicht von der Rechtsprechung des BGH.49 Dieses Ergebnis bedeutet, dass einem entscheidenden Argument des BAG zu widersprechen ist, mit dem es die Wirksamkeit nicht konkretisierter Bestimmungsvorbehalte begründet.50 Das BAG stützt seine großzügige Beurteilung der Wirksamkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte immer wieder auf den Schutz durch die Kontrollmöglichkeit nach § 315 Abs. 3 BGB.51

45 S. zur Angemessenheitskontrolle Kapitel 4 B. VII. 7. f) und zur Transparenzkontrolle Kapitel 5 B. III. 6. 46 S. dazu insbesondere Kapitel 4 B. VII. 7. f). 47 S. dazu Kapitel 5 B. III. 6. 48 S. dazu und zu den folgenden Aussagen Kapitel 4 B. VII. 7. f) und B. VIII. 2. sowie Kapitel 5 B. III. 6. 49 S. dazu insbesondere Kapitel 2 C. V. 1., aber auch Kapitel 4 B. VII. 7. f) und B. VIII. 2. sowie Kapitel 5 B. III. 6. 50 S. Kapitel 4 B. VII. 7. f) und Kapitel 5 B. III. 6. 51 S. dazu ausführlich unter Kapitel 2 B. II. 2.

B. Die Ergebnisse im Einzelnen

509

2. Die Auswirkungen des § 315 Abs. 1 BGB auf die AGB-Kontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte Bei Zweifeln über die Auslegung von Leistungsbestimmungsrechten in AGB findet nicht § 315 Abs. 1 BGB, sondern § 305c Abs. 2 BGB als spezielle Auslegungsregel des AGB-Rechts Anwendung.52 Danach sind arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte – anders als es das BAG und große Teile der Literatur nahelegen53 – nicht etwa automatisch dahingehend auszulegen, dass sie nach billigem Ermessen auszuüben sind.54 Im Gegenteil hat die verwenderfeindliche Auslegung nach § 305c Abs. 2 BGB zur Folge, dass eine Entscheidung nach freiem Ermessen als vereinbart gilt, wenn ein Bestimmungsvorbehalt keine Regelung zum Entscheidungsmaßstab enthält. Mit diesem Inhalt ist ein Bestimmungsvorbehalt nämlich unwirksam.55 Denn § 315 Abs. 1 BGB enthält das Leitbild, dass einseitige Leistungsbestimmungsrechte nach billigem Ermessen auszuüben sind, und hat insofern Auswirkungen auf die AGB-Kontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte.56 Bestimmungsvorbehalte sind nach diesem Leitbild gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, wenn sie nicht nach billigem Ermessen oder einem für den Arbeitgeber strengeren Maßstab auszuüben sind.57 § 315 Abs. 1 BGB taugt hingegen nicht als Leitbild zur Inhaltskontrolle der ausgestaltungsunabhängigen Einräumung einseitiger Bestimmungsrechte nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.58

III. Ergebnisse zur Bestimmung des Gegenleistungscharakters von Leistungen unter Bestimmungsvorbehalt Anknüpfungspunkt für die Unterscheidung zwischen Leistungen aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis und Sonderzahlungen ohne Gegenleistungscharakter ist die Funktion der Leistung, die sich nach objektiver Auslegung aus dem Inhalt der jeweiligen Zusage ergibt.59 Im Zweifel ist jede Geldleistung, bei der nichts anderes geregelt ist, Gegenleistung für geleistete oder zukünftige Arbeit des Arbeitnehmers.60 Denn in der Regel leistet der Arbeitgeber eine Geldzahlung nicht um der Zahlung willen, sondern weil der Arbeitnehmer seine Arbeit getan hat und damit er dies auch in Zukunft bestmöglich tut. Betriebstreueleistungen haben ebenfalls einen direkten Bezug zur Arbeitsleistung und sind im vorliegenden Zu52 53 54 55 56 57 58 59 60

S. dazu Kapitel 4 B. V. 3. und Kapitel 5 A. I. 2. b). S. dazu vor allem Kapitel 2 B. und E. S. dazu Kapitel 4 B. V. 3. und Kapitel 5 A. I. 2. b). S. dazu Kapitel 4 B. V. und Kapitel 5 B. V. S. Kapitel 4 B. V. 2. S. Kapitel 4 B. V. S. Kapitel 4 B. III. 1. b) aa). S. Kapitel 4 B. IV. 6. S. Kapitel 4 B. IV. 6. b) bb).

510

Kap. 7: Zusammenfassung und Ergebnisse

sammenhang als Teil der Gegenleistung zu bewerten.61 Eine Unterscheidung zwischen laufendem Entgelt und Sonderzahlungen ist nicht vorzunehmen.62 Für die gegenständlichen Bestimmungsvorbehalte bedeutet dies, dass fast alle der in Frage kommenden Leistungen als Gegenleistung zu bewerten sind.63 Nur wenige Leistungen gehören nicht zum Austauschverhältnis. Das sind Leistungen wie etwa Geschäftsjubiläumszahlungen oder ein Hochzeitsgeld, die als „geschenkte“ Sonderzahlungen zu behandeln sind64, und solche Leistungen, die eindeutig nur dem Aufwendungsersatz dienen.65

IV. Zur Auslegung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte Ist ein Bestimmungsvorbehalt lediglich auf die Entscheidung nach billigem Ermessen beschränkt, ergibt die Auslegung eindeutig, dass der Arbeitgeber im Rahmen der Billigkeit frei entscheiden und die Leistung sogar auf null festlegen kann. § 305c Abs. 2 BGB kommt nicht zur Anwendung.66 Enthält ein Bestimmungsvorbehalt allerdings keine Angaben zum Entscheidungsmaßstab, kommt die arbeitnehmerfeindlichste Auslegung nach § 305c Abs. 2 BGB mit dem Ergebnis zur Anwendung, dass dem Arbeitgeber ein Bestimmungsrecht nach freiem Ermessen eingeräumt wurde.67 Denn mit diesem Inhalt ist der Bestimmungsvorbehalt unwirksam.68 Für die Anwendung des § 315 Abs. 1 BGB bleibt kein Raum.69

V. Ergebnisse zur Angemessenheitskontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte Die Untersuchung der Angemessenheit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte hat ergeben, dass bei der Verwendung derartiger Klauseln eine Reihe von Voraussetzungen zu beachten sind. Zusammengefasst sind arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte nur angemessen, wenn ein berechtigtes Interesse an ihrer Einräumung besteht, sie an bestimmte Entscheidungskriterien gebunden sowie nach billigem Ermessen oder einem strengeren Maßstab auszuüben sind und ihr Umfang so konkretisiert wird, dass ein Eingriff in den Kernbereich ausgeschlossen ist. 61 62 63 64 65 66 67 68 69

S. Kapitel 4 B. IV. 6. b) cc). S. Kapitel 4 B. IV. 6. b) dd). S. Kapitel 4 B. IV. 6. c). S. dazu Kapitel 4 B. IV. 6. b) ee). S. dazu Kapitel 4 B. IV. 6. b) ff). S. Kapitel 5 A. I. 2. c). S. dazu Kapitel 4 B. V. 3. und Kapitel 5 A. I. 2. b). S. dazu Kapitel 4 B. V. und Kapitel 5 B. V. S. Kapitel 4 B. V. 3. und Kapitel 5 A. I. 2. b).

B. Die Ergebnisse im Einzelnen

511

Nachfolgend sollen die relevanten Erkenntnisse aus der Angemessenheitskontrolle im Einzelnen dargestellt werden. 1. Kontrollfähigkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte Arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte im Entgeltbereich unterliegen der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB.70 Sie geben nicht deklaratorisch den § 315 Abs. 1 BGB wieder, da sie konstitutiv ein Leistungsbestimmungsrecht einräumen, während § 315 BGB nur eine Auslegungsregel zu Leistungsbestimmungsrechten enthält.71 Bestimmungsvorbehalte sind auch nicht deshalb kontrollfrei, weil sie den eng zu ziehenden Bereich72 der kontrollfreien Hauptleistungspflichten betreffen.73 Denn sie legen nicht eine Hauptleistungspflicht unmittelbar fest, sondern stellen vielmehr eine kontrollfähige Ausgestaltung bzw. Modifizierung einer Leistung dar.74 Letztlich sind Bestimmungsvorbehalte kontrollfähig, weil sie von Rechtsvorschriften abweichen.75 Sie weichen zwar nicht vom Grundsatz der Vertragsbindung im engeren Sinne ab, weil der Arbeitgeber an das Leistungsversprechen und an die Ausübung des Bestimmungsrechts im Rahmen der vertraglichen Regelung gebunden bleibt.76 Mit der Vereinbarung der einseitigen Leistungsfestlegung im Rahmen eines Bestimmungsvorbehalts löst sich der Arbeitgeber aber vom Vertragsprinzip und dem dazugehörigen Grundsatz der (vorherigen) beiderseitigen Festlegung der Leistung im Vertrag.77 Auch die Vertragsbindung wird teilweise dadurch unterlaufen, dass der Arbeitgeber die Höhe seiner Leistungspflicht selbst bestimmt. 2. Zur Unwirksamkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte Die Angemessenheit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte ist nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB zu prüfen.78 Neben dem Vertragsgrundsatz und dem Grundsatz der vertraglichen Festlegung der Rechte und Pflichten eignet sich auch der Grundsatz der Vertragsbindung nicht als Leitbild für die Kontrolle arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.79 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79

S. Kapitel 4 A. S. Kapitel 4 A. III. 1. und 2. S. dazu Kapitel 4 A. IV. 1. S. Kapitel 4 A. IV. 2. S. Kapitel 4 A. IV. 2. d). S. dazu Kapitel 4 A.V. S. Kapitel 4 A.V. 1. S. dazu Kapitel 4 A.V. 2. S. Kapitel 4 B. III. 1. S. Kapitel 4 B. III. 1. b) bb).

512

Kap. 7: Zusammenfassung und Ergebnisse

Gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB sind arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte nicht schon unabhängig von ihrer Ausgestaltung unwirksam.80 Voraussetzung der Angemessenheit ist das Vorliegen eines berechtigten Interesses des Arbeitgebers an dieser Klauselgestaltung, das geeignet ist, die bestehende Benachteiligung zu rechtfertigen.81 Die Benachteiligung ergibt sich aus der Abweichung vom Vertragsprinzip, dem Grundsatz der Festlegung der Rechte und Pflichten im Vertrag und dem Grundsatz der Vertragsbindung.82 Denn aufgrund des Bestimmungsvorbehalts entsteht kein – sonst nach dem Vertragsprinzip erforderliches – vom Arbeitnehmer konsentiertes und der Höhe nach festgelegtes Leistungsversprechen. Dem Arbeitnehmer wird jegliche Möglichkeit genommen, die Höhe der Leistung zu beeinflussen. Darüber hinaus wird die Bindung des Arbeitgebers an sein Leistungsversprechen eingeschränkt, während der Arbeitnehmer an alle vertraglichen Pflichten gebunden bleibt. Diese Benachteiligung wird aber durch ein berechtigtes (Flexibilisierungs-)Interesse des Arbeitgebers gerechtfertigt.83 Ein solches liegt im Arbeitsverhältnis regelmäßig vor, da es sich um ein Dauerschuldverhältnis handelt, von dem der Arbeitgeber sich meist nicht ohne weiteres lösen kann und das erheblichen wirtschaftlichen und rechtlichen Schwankungen unterliegt.84 3. Unangemessenheit von Bestimmungsvorbehalten bei Eingriff in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses Der Kernbereich des Arbeitsverhältnisses ist auch vor einem Eingriff durch arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte zu schützen.85 Denn das Verbot des Eingriffs in den Kernbereich erfasst nicht nur nachträgliche Änderungen einer Leistung, sondern jegliche einseitige Eingriffsmöglichkeit in den Kernbereich aufgrund einer AGB-Regelung.86 Inhaltlich bedeutet der Kernbereichsschutz, dass dem Arbeitnehmer ein bestimmter Teil der Gesamtvergütung (der Kernbereich) fest und ohne einseitige Eingriffsmöglichkeit des Arbeitgebers zu gewähren ist.87 Eine solche Eingriffsmöglichkeit ist bei Bestimmungsvorbehalten gegeben, da ein Teil der Vergütung vollständig der Entscheidung des Arbeitgebers überlassen ist.88 80 81 82 83 84 85 86 87 88

S. dazu Kapitel 4 B. III. 3. d). S. Kapitel 4 B. III. 3. c). S. Kapitel 4 B. III. 3. a). S. dazu Kapitel 4 B. III. 3. d). S. dazu auch Kapitel 4 B. VII. 3. a) aa). S. dazu Kapitel 4 B. IV. S. dazu Kapitel 4 B. IV. 1. und B. IV. 3. S. dazu Kapitel 4 B. IV. 3. S. dazu Kapitel 4 B. IV. 1. b).

B. Die Ergebnisse im Einzelnen

513

Das Verbot des Eingriffs in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses ergibt sich aus der Natur des Vertrages und findet seine Grundlage in § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB.89 Es ist nicht aus dem KSchG, aus § 615 S. 1 BGB oder dem Äquivalenzprinzip herzuleiten.90 Die Natur des Arbeitsvertrages wird aber durch diese Vorschriften bzw. Prinzipien maßgeblich beeinflusst.91 Zur Festlegung des Kernbereichs sind auch bei Bestimmungsvorbehalten die prozentualen Werte des BAG anzuwenden, die es in der Rechtsprechung zu Widerrufsvorbehalten postuliert hat.92 Die unter Bestimmungsvorbehalt versprochene Leistung muss demnach unter 25 % (bei Leistungen aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis) bzw. 30 % (bei anderen Leistungen) der Gesamtvergütung liegen. Ansonsten liegt ein unzulässiger Eingriff in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses vor. Nicht zum Kernbereichsschutz im Rahmen des AGB-Rechts gehört die bei Widerrufsvorbehalten vom BAG postulierte Voraussetzung, dass der Tariflohn nicht unterschritten werden dürfe.93 Bezüglich der Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte ergibt sich folgendes94: Das Verbot, in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses einzugreifen, gebietet in der Regel, dass entweder eine prozentuale Obergrenze von unter 25 bzw. 30 % der Gesamtvergütung in die Klausel aufgenommen95 oder der mögliche Umfang der Leistung rahmenmäßig innerhalb dieser Grenzen festgelegt wird96. Ausreichend sind auch Klauselgestaltungen, die Richtwerte für die Leistungsbemessung angeben, die so niedrig sind, dass ein Kernbereichseingriff abwegig wäre.97 Die Beschränkung der Entscheidung auf billiges Ermessen und die daraus resultierende Möglichkeit einer Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB vermögen den Schutz des Kernbereichs hingegen nicht zu gewährleisten.98 Keine Konsequenzen für die vertragliche Gestaltung ergeben sich im Ausnahmefall des Bestimmungsvorbehalts bezüglich einer Sonderzahlung, bei der es völlig fernliegend ist, dass der Arbeitgeber durch Ausübung des Bestimmungsrechts in den Kernbereich eingreifen kann.99

89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99

S. Kapitel 4 B. IV. 2. b). S. Kapitel 4 B. IV. 2. a). S. Kapitel 4 B. IV. 2. b). S. dazu Kapitel 4 B. IV. 5., insbesondere B. IV. 5. b). S. dazu Kapitel 4 B. IV. 5. e). S. dazu Kapitel 4 B. IV. 7. S. dazu Kapitel 4 B. IV. 7. d). S. dazu Kapitel 4 B. IV. 7. e). S. dazu Kapitel 4 B. IV. 7. c). S. dazu Kapitel 4 B. IV. 7. b). S. dazu Kapitel 4 B. IV. 7. a).

514

Kap. 7: Zusammenfassung und Ergebnisse

4. Ergebnisse zur Angemessenheit des Ermessensmaßstabs Arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte sind außerdem gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V. m. dem Leitbild des § 315 BGB unwirksam, wenn sie nicht nach billigem Ermessen oder einem strengeren Maßstab auszuüben sind.100 Der Gesetzgeber hat mit der Regelung des § 315 Abs. 1 BGB zum Ausdruck gebracht, dass die Entscheidung nach billigem Ermessen die Interessen der Beteiligten angemessen in Einklang bringt. Insofern hat § 315 Abs. 1 BGB Leitbildfunktion für die Vereinbarung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte.101 Beinhalten Bestimmungsrechte nicht mindestens diesen Maßstab, sind sie mit dem wesentlichen Grundgedanken des § 315 Abs. 1 BGB nicht vereinbar. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass bei Zweifeln über die Auslegung nicht § 315 Abs. 1 BGB, sondern die verwenderfeindliche Auslegung nach § 305c Abs. 2 BGB Anwendung findet.102 Diese Auslegung ergibt, dass das Bestimmungsrecht nach freiem Ermessen auszuüben ist, weil es mit diesem Inhalt unwirksam ist.103 Arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte müssen deshalb ausdrücklich oder jedenfalls eindeutig im Wege der Auslegung auf eine Ausübung nach billigem Ermessen oder nach einem strengeren Maßstab beschränkt sein. 5. Relativierung von Synallagma und Äquivalenzverhältnis durch arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte Arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte über synallagmatische Leistungen räumen dem Arbeitgeber die Möglichkeit ein, das Synallagma zu relativieren und das Äquivalenzverhältnis einseitig zu ändern.104 Ohne konkretisierte Entscheidungskriterien sind diese Eingriffsmöglichkeiten zu weitreichend und der Arbeitnehmer wird unangemessen benachteiligt.105 Die Festlegung des Synallagmas und des Äquivalenzverhältnisses sind Ausfluss der verfassungsrechtlich in Art. 2 GG verbürgten Privatautonomie und beinhalten eine gewisse Richtigkeitsgewähr.106 Das AGB-Recht soll davor schützen, dass durch eine zu freie einseitige Eingriffsmöglichkeit des AGB-Verwenders diese Richtigkeitsgewähr ausgeschaltet und der Vertragspartner unangemessen benachteiligt wird.107

100 101 102 103 104 105 106 107

S. dazu Kapitel 4 B. V. S. dazu Kapitel 4 B. V. 2. S. dazu Kapitel 4 B. V. 3. und Kapitel 5 A. I. 2. b). S. Kapitel 4 B. V. 3. S. Kapitel 4 B. VI. 1. f) und B. VI. 2. c). S. Kapitel 4 B. VI. 1. g) und B. VI. 2. c). S. Kapitel 4 B. VI. 1. a) und B. VI. 2. a). S. dazu Kapitel 4 B. VI. 1. b), B. VI. 1. d) und B. VI. 2. a).

B. Die Ergebnisse im Einzelnen

515

Bei Bestimmungsvorbehalten über synallagmatische Leistungen sind sowohl die Relativierung des Synallagmas als auch die Möglichkeit zur Änderung des Äquivalenzverhältnisses zu weitreichend, wenn die bei der Leistungsbestimmung relevanten Kriterien nicht konkretisiert sind.108 Denn aufgrund eines solchen Vorbehalts kann der Arbeitgeber das Synallagma unter Umständen sogar teilweise auflösen, indem er die richtigen Kriterien wählt und die versprochene Leistung niedrig oder auf null festlegt, während der Arbeitnehmer nach wie vor vollständig an seine synallagmatische Leistungspflicht gebunden bleibt.109 Der Arbeitgeber kann außerdem negative Entwicklungen zum Nachteil des Arbeitnehmers berücksichtigen, ist im Gegenzug aber nicht verpflichtet, positive Entwicklungen in die Entscheidung einfließen zu lassen. So kann er das Äquivalenzverhältnis nach seinem Belieben verändern.110 Um derart weitreichende Eingriffsmöglichkeiten und die daraus resultierende Unangemessenheit zu verhindern, müssen bei Bestimmungsvorbehalten über synallagmatische Leistungen die Entscheidungskriterien zwingend festgelegt werden.111 Zum Schutz des Äquivalenzverhältnisses müssen diese Kriterien zusätzlich sicherstellen, dass positive Entwicklungen im selben Maße zu berücksichtigen sind wie negative.112 Das Gesagte gilt nicht für Bestimmungsvorbehalte bezüglich Sonderzahlungen ohne Gegenleistungscharakter, weil diese Leistungen nicht Teil des Äquivalenzverhältnisses bzw. des Synallagmas sind.113 6. Ergebnisse zur Konkretisierung der Entscheidungskriterien Bestimmungsvorbehalte über arbeitgeberseitige Geldleistungen müssen entgegen der Meinung des BAG114 und eines Teils der Literatur115 in jedem Fall an Kriterien gebunden werden, nach denen der Arbeitgeber die Entscheidung zu treffen hat.116 Andernfalls benachteiligt eine solche Klausel den Arbeitnehmer unangemessen nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. a) Die grundlegende Interessenabwägung Der Arbeitnehmer wird durch die Einräumung eines Bestimmungsvorbehalts benachteiligt, weil kein von ihm konsentiertes vertragliches Versprechen entsteht 108

S. Kapitel 4 B. VI. 1. g) und B. VI. 2. c). S. Kapitel 4 B. VI. 1. f) und e). 110 S. dazu Kapitel 4 B. VI. 2. c). 111 S. Kapitel 4 B. VI. 1. h). 112 S. Kapitel 4 B. VI. 2. d). 113 S. dazu etwa Kapitel 4 B. VI. 1. h) und B. VI. 2. Zum Gegenleistungscharakter s. insbesondere Kapitel 4 B. IV. 6. 114 Dazu ausführlich unter Kapitel 2 B. II. 2. 115 Dazu ausführlich unter Kapitel 2 E. 116 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 109

516

Kap. 7: Zusammenfassung und Ergebnisse

und die Bindung des Arbeitgebers eingeschränkt wird.117 Das ist besonders problematisch, weil der Arbeitnehmer von den Zahlungen des Arbeitgebers abhängig ist.118 Er hat ein Interesse an einer stabilen Erwerbsaussicht und deshalb auch daran, dass das Prinzip der Vertragsbindung möglichst weitgehend eingehalten bleibt. Der Arbeitnehmer wird durch einen Bestimmungsvorbehalt außerdem gänzlich der Möglichkeit beraubt, über Vertragsverhandlungen und seine Vertragsabschlussentscheidung Einfluss auf die Höhe der betreffenden Leistung zu nehmen. Diese Benachteiligung ist unangemessen, wenn nicht wenigstens die Entscheidung des Arbeitgebers an bestimmte Kriterien gebunden wird. Aufseiten des Arbeitgebers besteht zwar ein berechtigtes Interesse daran, durch einen (möglichst freien) Bestimmungsvorbehalt auf unvorhersehbare Entwicklungen reagieren zu können119 und den Arbeitnehmer zu besonderer Leistung zu motivieren120. Ein völlig freies Bestimmungsrecht lässt sich damit aber nicht rechtfertigen.121 Insbesondere darf dem Arbeitgeber nicht die Möglichkeit eingeräumt werden, die versprochene Leistung vorzuenthalten oder niedrig festzusetzen, wenn keine unvorhergesehenen oder sogar nur positive Entwicklungen eintreten.122 In diesen Fällen haben sich die Flexibilisierungsgründe nicht verwirklicht. b) Unangemessenheit nicht konkretisierter Bestimmungsvorbehalte wegen Leistungsanreizes ohne entsprechende Bindung des Arbeitgebers Darüber hinaus benachteiligt ein Bestimmungsvorbehalt, der keine Entscheidungskriterien enthält, den Arbeitnehmer dadurch unangemessen, dass der Arbeitgeber den Leistungsanreiz eines vertraglichen Versprechens in Anspruch nimmt, selbst aber nicht hinreichend daran gebunden ist, was das BAG bei Stichtagsklauseln für unzulässig hält.123 Denn ohne festgelegte Entscheidungskriterien muss der Arbeitnehmer davon ausgehen, dass seine Arbeitsleistung die Bestimmung der Leistungshöhe durch den Arbeitgeber beeinflussen kann, und wird sich besonders anstrengen. Der Arbeitgeber auf der anderen Seite ist nicht ausreichend an sein Leistungsversprechen gebunden, wenn er die relevanten Kriterien selbst wählen und darüber die Leistung niedrig festsetzen oder sogar ganz entfallen lassen kann.

117 118 119 120 121 122 123

S. dazu Kapitel 4 B. VII. 1. und B. III. 3. a). S. dazu Kapitel 4 B. VII. 3. b). S. dazu Kapitel 4 B. VII. 3. a) aa). S. dazu Kapitel 4 B. VII. 3. a) bb). Zur Konkretisierungspflicht bei Sonderzahlungen s. Kapitel 4 B. VII. 10. b). S. dazu Kapitel 4 B. VII. 3. a) aa). S. dazu Kapitel 4 B. VII. 5.

B. Die Ergebnisse im Einzelnen

517

c) Unangemessenheit nicht konkretisierter Bestimmungsvorbehalte wegen Verlagerung des Wirtschaftsrisikos Durch arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte werden dem Arbeitnehmer außerdem teilweise das Wirtschafts- und das Betriebsrisiko auferlegt, die gem. § 615 S. 1, 3 BGB dem Arbeitgeber zugewiesen sind.124 So kann der Arbeitgeber die unter Bestimmungsvorbehalt gestellte Leistung etwa aufgrund von Betriebsausfällen oder wirtschaftlichen Engpässen niedriger oder auf null festlegen und die Folgen dadurch teilweise auf den Arbeitnehmer abwälzen. Eine solche Beteiligung an den Verlusten des Arbeitgebers ist nur gerechtfertigt, wenn dem Arbeitnehmer auch Gewinne zugutekommen müssen. Der Arbeitgeber muss deshalb in seiner Entscheidung an festgelegte Kriterien gebunden sein, damit er nicht in jedem Turnus erneut einseitig (zu seinen Gunsten) entscheiden kann, negative Entwicklungen zu berücksichtigen, positive hingegen nicht. d) Zum Einfluss der alternativen Gestaltungsmöglichkeit durch Freiwilligkeitsvorbehalt Keinen Einfluss auf die Angemessenheit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte hat entgegen der Meinung des BAG die alternative Möglichkeit, statt eines Bestimmungsvorbehalts einen Anspruch auf die Leistung durch Freiwilligkeitsvorbehalt gänzlich auszuschließen.125 Schließlich entscheidet sich der Arbeitgeber mit einem Bestimmungsvorbehalt gerade dafür, einen Anspruch einzuräumen und damit einen größeren Leistungsanreiz zu setzen. Die Ausgestaltung dieses Anspruchs kann nicht davon abhängen, dass die Möglichkeit bestanden hätte, ihn nicht einzuräumen. e) Verhältnis der Konkretisierungspflicht arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte zur Behandlung anderer Flexibilisierungsklauseln Ein Vergleich des hier gewonnenen Ergebnisses, dass Bestimmungsvorbehalte im Hinblick auf die Entscheidungskriterien zu konkretisieren sind, mit den regelmäßig an Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalte gestellten Anforderungen hat gezeigt, dass Bestimmungsvorbehalte bezüglich ihrer Konkretisierung dem Grunde nach genauso zu behandeln sind wie Widerrufsvorbehalte.126 Der gegenteiligen Rechtsprechung des BAG zu Bestimmungsvorbehalten ist insofern zu widersprechen.127 Gleichbehandlung bedeutet, dass in Anlehnung an die bei Wi124

S. dazu Kapitel 4 B. VII. 7. a). S. dazu Kapitel 4 B. VII. 7. c). 126 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 9. a)–c). 127 S. dazu insbesondere Kapitel 1 B. III. und 4.; Kapitel 2 B. II. 2. und F. III.; Kapitel 4 B. VII. 9. 125

518

Kap. 7: Zusammenfassung und Ergebnisse

derrufsvorbehalten regelmäßig geforderten Widerrufsgründe bei Bestimmungsvorbehalten vergleichbare Entscheidungskriterien geregelt werden müssen. Diese Gleichbehandlung ist geboten, da Bestimmungsvorbehalte den Widerrufsvorbehalten erheblich ähneln und beide Klauselarten denselben Flexibilisierungsinteressen entspringen. Darüber hinaus hat sich herausgestellt, dass bei der AGB-Kontrolle von Klauseln, die der Flexibilisierung arbeitgeberseitiger Zahlungen dienen, eine gewisse Harmonisierung der Kontrollmaßstäbe geboten ist.128 Es muss ein einheitliches Grundprinzip beachtet werden: Die Prüfung ist am zugrundeliegenden Flexibilisierungsinteresse des Arbeitgebers und dem Interesse des Arbeitnehmers an stabilen Erwerbsaussichten zu orientieren und diese Interessen müssen im Grundsatz bei allen Flexibilisierungsklauseln gleich gewichtet werden.129 Daraus ergibt sich unter anderem, dass der Arbeitgeber keine freie Entscheidungsgewalt über die Zahlung einer Geldleistung erhalten darf, wenn er einen Anspruch einräumt oder wenn Leistungen aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis betroffen sind. Diesem Grundprinzip folgend stimmt das hier gewonnene Ergebnis, bei Bestimmungsvorbehalten eine Konkretisierung der Entscheidungskriterien zu fordern, mit der Behandlung von Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalten in Rechtsprechung und Literatur überein.130 f) Die inhaltliche Ausgestaltung der Konkretisierung von Entscheidungskriterien bei arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalten Die Art und Qualität der Entscheidungskriterien, an die arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte gebunden werden müssen, damit sie angemessen sind, hängen maßgeblich davon ab, ob eine synallagmatische Leistung oder eine Sonderzahlung ohne Gegenleistungscharakter in Rede steht. aa) Konkretisierung der Entscheidungskriterien bei Bestimmungsvorbehalten über synallagmatische Leistungen Bestimmungsvorbehalte über synallagmatische Leistungen sind nur angemessen, wenn die Ausübung an Kriterien gebunden ist, die sich nach den Interessen des Arbeitgebers an der Einräumung richten (Motivationszweck oder/und die Anpassung des Arbeitsverhältnisses an unvorhergesehene Entwicklungen).131 Andernfalls ist der Bestimmungsvorbehalt unangemessen, weil er auch für Fälle gilt, 128 129 130 131

S. dazu Kapitel 4 B. VII. 9. d). S. Kapitel 4 B. VII. 9. d); s. zu dieser Abwägung auch Kapitel 4 B. VII. 3. S. dazu Kapitel 4 B. VII. 9. b) und B. VII. 9. d). S. dazu Kapitel 4 B. VII. 10. a) aa).

B. Die Ergebnisse im Einzelnen

519

in denen keine berechtigten Interessen des Arbeitgebers vorliegen, die die Benachteiligung des Arbeitnehmers rechtfertigen könnten. Zur Konkretisierung genügen allerdings allgemeine Kriterien wie „wirtschaftliche Entwicklung“ oder „Leistung des Arbeitnehmers“. Eine weitere Konkretisierung dieser Kriterien ist für die Angemessenheit nicht erforderlich.132 Zwingend ausgeschlossen werden muss jedoch eine Konstellation, in der der Arbeitgeber negative Entwicklungen berücksichtigen könnte, im Gegenzug aber nicht verpflichtet wäre, positive Entwicklungen zu berücksichtigen.133 Mit einem solchen Vorbehalt könnte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das Wirtschaftsrisiko zu weitreichend auferlegen134 und zu frei in das Äquivalenzverhältnis eingreifen135. Trotz der zwingenden Bindung der Entscheidung an die genannten Kriterien bleibt es möglich, zusätzlich weitere Kriterien zu regeln, solange diese in Bezug zur Leistung und dem Grund des Leistungsversprechens stehen.136 Denn dem Arbeitgeber muss es möglich sein, diejenigen Kriterien in die Entscheidung einfließen zu lassen, die bei Festlegung der Leistung im Vertrag die Höhe bestimmt hätten. Insofern sind Bestimmungsvorbehalte anders zu behandeln als Widerrufsvorbehalte. bb) Konkretisierung der Entscheidungskriterien bei Bestimmungsvorbehalten über Sonderzahlungen ohne Gegenleistungscharakter Betrifft das Bestimmungsrecht eine Sonderzahlung ohne Gegenleistungscharakter, gelten geringere Konkretisierungsanforderungen.137 Der Bestimmungsvorbehalt muss nicht zwingend an die Flexibilisierungsgründe des Arbeitgebers gebunden sein.138 Mangels Zugehörigkeit der Leistung zum Synallagma und zum Äquivalenzverhältnis entfällt der Vorwurf, das Synallagma könnte relativiert und in das Äquivalenzverhältnis einseitig eingegriffen werden.139 Ferner ist der Arbeitnehmer von Sonderzahlungen in geringerem Maße abhängig und diese üben einen schwächeren Leistungsanreiz aus. Die Pflicht zur Konkretisierung der Entscheidungskriterien entfällt aber nicht gänzlich.140 Schließlich setzen auch Sonderzahlungen einen gewissen Leistungsanreiz und Bestimmungsvorbehalte wei132 133 134 135 136 137 138 139 140

S. dazu Kapitel 4 B. VII. 10. a) aa) (1). S. dazu Kapitel 4 B. VII. 10. a) aa) (2). S. dazu Kapitel 4 B. VII. 7. a). S. dazu Kapitel 4 B. VI. 2. S. dazu Kapitel 4 B. VII. 10. a) bb). S. dazu Kapitel 4 B. VII. 10. b). S. dazu Kapitel 4 B. VII. 10. b) aa). S. dazu Kapitel 4 B. VI. S. dazu Kapitel 4 B. VII. 10. b) bb).

520

Kap. 7: Zusammenfassung und Ergebnisse

chen auch bei diesen von gewichtigen Rechtsgrundsätzen ab. Es genügt die Konkretisierung der Entscheidungskriterien auf willkürfreie, zweckdienliche Kriterien.141

VI. Ergebnisse zur Kompensation einer unangemessenen Benachteiligung bei Bestimmungsvorbehalten Die vorliegende Untersuchung hat auch gezeigt, dass die Unangemessenheit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte weder durch die Einräumung eines Kündigungsrechts noch dadurch kompensiert werden kann, dass dem Arbeitnehmer die Möglichkeit zusteht, die Leistungsbestimmung des Arbeitgebers gem. § 315 Abs. 3 BGB gerichtlich auf ihre Billigkeit überprüfen zu lassen.142 Die Einräumung eines Kündigungsrechts bietet dem Arbeitnehmer keinen Vorteil, da er regelmäßig auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses angewiesen ist.143 Eine Kompensation durch die Möglichkeit einer Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB scheidet aus, da eine Verlagerung der Prüfung auf die Ausübungskontrolle dem Charakter der AGB-Kontrolle zuwiderlaufen würde, das AGB-Recht dem § 315 BGB vorrangig ist und die Möglichkeit einer gerichtlichen Kontrolle den Arbeitnehmer nicht ausreichend schützt.144

VII. Ergebnisse zur transparenten Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte Arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte sind nicht von vornherein intransparent.145 Sie müssen jedoch aus Transparenzgründen stärker konkretisiert werden, als es bisher von der Rechtsprechung und Teilen der Literatur vertreten wird.146 Voraussetzung für die Transparenz des Großteils der arbeitgeberseitigen Bestimmungsvorbehalte ist, dass in der Klausel die Entscheidungskriterien dem Grunde nach konkretisiert werden, der Umfang jedenfalls grob beschrieben wird und der Entscheidungsmaßstab auf billiges Ermessen oder einen vergleichbaren Maßstab festgeschrieben wird. Diese Anforderungen sind kumulativ einzuhalten.147

141

S. dazu Kapitel 4 B. VII. 10. b) cc). S. dazu Kapitel 4 B. VIII. 143 S. dazu Kapitel 4 B. VIII. 3. 144 S. dazu Kapitel 4 B. VIII. 2.; zur Angemessenheitskontrolle unter Kapitel 4 B. VII. 7. f) und zur Transparenzkontrolle unter Kapitel 5 B. III. 6. 145 S. dazu Kapitel 5 B. II. 146 S. dazu Kapitel 5; zur Meinung in Rechtsprechung und Literatur s. Kapitel 2 B. II. 2. und E. 147 S. dazu Kapitel 5 B. VI. 142

B. Die Ergebnisse im Einzelnen

521

1. Die transparente Konkretisierung der Entscheidungskriterien Arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte müssen die für die Leistungsbestimmung relevanten Kriterien dem Grunde nach festlegen.148 Andernfalls ist die Klausel wegen Intransparenz gem. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam. Ein Bestimmungsvorbehalt, der keine Entscheidungskriterien enthält, verstößt gegen das Bestimmtheitsgebot: Weiß der Arbeitnehmer nicht, an welchen Kriterien der Arbeitgeber seine Entscheidung zu orientieren hat, ist es ihm nicht möglich, die erfolgte Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts anhand der Klausel selbst zu überprüfen.149 Ebenso wenig kann er erkennen, was auf ihn zukommt.150 Ohne Kenntnisse über die maßgeblichen Faktoren der Leistungsbestimmung kann er nicht einschätzen, ob es voraussichtlich zu einer Auszahlung kommen wird und welche Höhe diese einnehmen könnte. Außerdem wird dem Arbeitgeber ein Beurteilungsspielraum eingeräumt, der über das Maß hinausgeht, welches für Bestimmungsvorbehalte zwingend notwendig ist151. Denn sind die Kriterien nicht im Voraus festgelegt, obliegt dem Arbeitgeber neben der konkreten Beurteilung der Leistungshöhe auch die vorgelagerte Beurteilung, welche Kriterien maßgeblich sein sollen. Diese Unklarheiten werden nicht durch eine Bindung der Entscheidung an billiges Ermessen beseitigt, da die Billigkeit dem Arbeitgeber einen erheblichen Entscheidungsspielraum belässt.152 Die ohne Konkretisierung der Entscheidungskriterien bestehenden Unklarheiten benachteiligen den Arbeitnehmer sowohl bei der Vertragsabschlussentscheidung als auch bei der Vertragsdurchführung unangemessen und führen zur Unwirksamkeit des Bestimmungsvorbehalts wegen Intransparenz.153 Der Arbeitnehmer wird zum einen dadurch unangemessen benachteiligt, dass er keine informierte Vertragsabschlussentscheidung treffen kann.154 Da für ihn der Inhalt der Leistungszusage und des Bestimmungsvorbehalts nicht ausreichend erkennbar ist, kann er weder entscheiden, ob er sich an den Arbeitgeber und die gestellte Klausel binden will, noch sinnvoll Änderungsvorschläge einbringen. Diese Benachteiligung entfällt ausnahmsweise, wenn die betreffende Leistung keine (hypothetische) Relevanz für die Abschlussentscheidung hat.155 Beachtet der Arbeitnehmer eine Leistung ohnehin nicht, kann ihn auch eine Intransparenz des zugehörigen Bestimmungsvorbehalts nicht benachteiligen. Selbst bei derartigen Leistungen entfällt die Konkretisierungspflicht jedoch nicht. Denn entgegen der 148 149 150 151 152 153 154 155

S. dazu Kapitel 5 B. III. S. Kapitel 5 B. III. 2. b). S. Kapitel 5 B. III. 2. c). S. Kapitel 5 B. III. 2. d). S. Kapitel 5 B. III. 2. e). S. Kapitel 5 B. III. 9. S. Kapitel 5 B. III. 9. a) aa). S. Kapitel 5 B. III. 9. a) bb).

522

Kap. 7: Zusammenfassung und Ergebnisse

Meinung des BAG wird der Arbeitnehmer zum anderen durch die Gefahr unangemessen benachteiligt, er könnte von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten werden.156 Es besteht nämlich die Gefahr, dass er sein Recht, die Leistung (in rechtmäßiger Höhe) zu fordern, nicht wahrnimmt, weil er nicht erkennen kann, ob ein Anspruch besteht bzw. ob die ausgezahlte Summe angemessen hoch ist. Um die dargestellte Intransparenz zu beseitigen, genügt eine Konkretisierung der Kriterien dem Grunde nach.157 Eine derartige Konkretisierung verringert die Unklarheiten ausreichend158 und ist dem Arbeitgeber zumutbar, ohne dass der mit einem Bestimmungsvorbehalt verfolgte Flexibilisierungszweck gefährdet würde159. Dieses Ergebnis stimmt abermals mit der Behandlung von Widerrufsvorbehalten in Rechtsprechung und Literatur überein.160 Der Gleichlauf ist auch geboten, da Widerrufs- und Bestimmungsvorbehalte denselben Flexibilisierungsinteressen entspringen und sich in ihrer Wirkung sehr ähnlich sind.161 Es bleibt außerdem festzuhalten, dass weder die Möglichkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle noch die gesetzliche Konzeption einseitiger Leistungsbestimmungsrechte in § 315 Abs. 1 BGB oder die alternative Gestaltungsmöglichkeit durch Freiwilligkeitsvorbehalte etwas an der Konkretisierungspflicht ändern. Die gerichtliche Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB hat entgegen einiger Stimmen in der Literatur keinen Einfluss auf die Transparenzanforderungen, weil sie der Transparenzkontrolle nachrangig ist und nichts an der Vorhersehbarkeit der Leistungsbestimmung ändert.162 § 315 Abs. 1 BGB enthält keine Regelung zur Wirksamkeit von Leistungsbestimmungsrechten in AGB.163 Die alternative Gestaltungsmöglichkeit durch einen Freiwilligkeitsvorbehalt spielt keine Rolle, da bei Ausschluss eines Anspruchs durch Freiwilligkeitsvorbehalt eine völlig andere Situation vorgelegen hätte.164 Sie vermag eine fehlende Konkretisierung nicht zu rechtfertigen, wie das BAG jedoch argumentiert.165 Letztlich hat auch der (fehlende) Gegenleistungscharakter der jeweiligen Leistung keinen Einfluss auf die Konkretisierungspflicht der Entscheidungskrite156

S. Kapitel 5 B. III. 9. b). S. Kapitel 5 B. III. 3. und B. III. 10. a). 158 S. Kapitel 5 B. III. 10. a). 159 S. Kapitel 5 B. III. 3. 160 S. Kapitel 5 B. III. 10. b); zur Übereinstimmung des entsprechenden Ergebnisses in der Angemessenheitskontrolle mit der Behandlung von Widerrufsvorbehalten s. Kapitel 4 B. VII. 9. 161 S. Kapitel 5 B. III. 10. b); ausführlich dazu auch unter Kapitel 1 B. III. 4. und Kapitel 4 B. VII. 9. 162 S. dazu Kapitel 5 B. III. 6. 163 S. dazu Kapitel 5 B. III. 3. b). 164 S. dazu Kapitel 5 B. III. 7. 165 Zur Rechtsprechung des BAG s. Kapitel 2 B. II. 2. 157

B. Die Ergebnisse im Einzelnen

523

rien.166 Entscheidend ist, dass der Arbeitgeber bei Bestimmungsvorbehalten einen Anspruch einräumt. Dieser muss unabhängig von seinem Charakter den Anforderungen des Transparenzgebotes genügen. 2. Zur transparenten Konkretisierung des Leistungsumfangs Weitere Voraussetzung der Transparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte ist, dass sie Angaben über den Leistungsumfang enthalten, wenn die betreffende Leistung hypothetische Relevanz für die Vertragsabschlussentscheidung des Arbeitnehmers hat.167 Ohne Angaben zum Leistungsumfang entstehen beim Arbeitnehmer Unklarheiten über den Inhalt des Bestimmungsvorbehalts und des ihm eingeräumten Anspruchs.168 Die Zahlung könnte aus Sicht des Arbeitnehmers jede erdenkliche Höhe annehmen. Da die Leistung anspruchsbegründend versprochen ist, wird dem Arbeitnehmer dabei auch nicht deutlich, dass die Leistung durch Festlegung auf null gänzlich entfallen kann, was für ihn jedoch eine wesentliche Erkenntnis darstellt.169 Ein Bestimmungsvorbehalt ohne Konkretisierung des Leistungsumfangs ist aus diesen Gründen intransparent und benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen.170 Der Arbeitnehmer kann ohne Kenntnisse über den Umfang keine informierte Vertragsabschlussentscheidung treffen. Die Benachteiligung entfällt allerdings ausnahmsweise, wenn die betreffende Leistung keine (hypothetische) Relevanz für die Vertragsabschlussentscheidung hat.171 Eine fehlende Abschlussrelevanz kommt von vornherein nur bei Sonderzahlungen in Frage und ist lediglich bei solchen Leistungen anzunehmen, die in der Regel nicht ins Gewicht fallen, weil ihre Auszahlung unregelmäßig oder in großen Abständen erfolgt und sie einen geringen Umfang einnehmen (z. B. Zahlungen zum Geschäftsjubiläum oder ein Hochzeitsgeld). Bestimmungsvorbehalte über solche Leistungen müssen keine Angaben zum Leistungsumfang enthalten. Bei allen anderen Leistungen ist eine Konkretisierung des Umfangs geboten und dem Arbeitgeber zumutbar.172 Notwendig, aber auch ausreichend für die Transparenz ist eine irgendwie geartete Regelung zur voraussichtlichen oder angestrebten Höhe, die dem Arbeitnehmer eine realistische Einschätzung der voraussichtlichen Größenordnung der Zahlung ermöglicht, wie z. B. die Angabe eines

166 167 168 169 170 171 172

S. dazu Kapitel 5 B. III. 5. a). S. dazu Kapitel 5 B. IV. S. Kapitel 5 B. IV. 1. b). S. Kapitel 5 B. IV. 1. c). S. Kapitel 5 B. IV. 4. a). S. dazu Kapitel 5 B. IV. 4. b). S. Kapitel 5 B. IV. 2.

524

Kap. 7: Zusammenfassung und Ergebnisse

Orientierungswertes oder des intendierten Zahlungsrahmens.173 Der Arbeitgeber ist hingegen nicht gehalten, einen starren Rahmen festzulegen.174 Unentbehrlich ist für den Arbeitnehmer aber die Erkenntnis, dass die Leistung auf null festgelegt werden kann oder welche Höhe sie mindestens einnimmt.175 Das muss entweder eindeutig aus der Regelung zur Höhe folgen oder bedarf eines ausdrücklichen Hinweises.176 3. Die transparente Konkretisierung des Entscheidungsmaßstabs Bestimmungsvorbehalte über Leistungen mit hypothetischer Abschlussrelevanz müssen aus Transparenzgründen außerdem den anwendbaren Entscheidungsmaßstab regeln.177 Notwendig ist die Bindung der Entscheidung an billiges Ermessen oder an einen vergleichbaren Maßstab.178 Andernfalls besteht ein zu weiter Entscheidungsspielraum bei der Ausübung des Bestimmungsrechts, aufgrund dessen der Arbeitnehmer nicht erkennen kann, ob seine Interessen berücksichtigt werden und wie der Arbeitgeber die Entwicklung der maßgeblichen Entscheidungsfaktoren bewerten wird.179 Das entwertet auch die übrigen notwendigen Konkretisierungen wie etwa die Festlegung von Entscheidungskriterien180. Dem Arbeitnehmer ist es bei einem weiten Entscheidungsmaßstab, wie z. B. dem freien Ermessen, praktisch unmöglich, die Chance auf eine Auszahlung der betreffenden Leistung sowie die mögliche Größenordnung einzuschätzen. Diese Unklarheiten verwehren dem Arbeitnehmer eine informierte Vertragsabschlussentscheidung und benachteiligen ihn deshalb unangemessen, sofern nicht ausnahmsweise die betreffende Leistung ohnehin keine (hypothetische) Relevanz für die Abschlussentscheidung hat.181 Betrifft ein Bestimmungsvorbehalt eine Leistung ohne hypothetische Abschlussrelevanz, entfällt die Pflicht zur Konkretisierung des Entscheidungsmaßstabs aus Transparenzgründen.182 Ein Hinweis auf § 315 Abs. 3 BGB ist in Bestimmungsvorbehalten nicht erforderlich, da den Verwender von AGB keine Pflicht zur Rechtsbelehrung trifft.183

173

S. Kapitel 5 B. IV. 5. b). S. Kapitel 5 B. IV. 5. a). 175 S. Kapitel 5 B. IV. 5. c) und B. IV. 1. c). 176 S. Kapitel 5 B. IV. 5. c). 177 S. Kapitel 5 B. V. 178 S. Kapitel 5 B. V. 2. 179 S. dazu Kapitel 5 B. V. 1. a). 180 S. zu dieser Anforderung Kapitel 5 B. III. und Kapitel 4 B. VII. 181 S. dazu Kapitel 5 B. V. 1. b). 182 Das ändert jedoch nichts an der Pflicht zur Bindung der Entscheidung an billiges Ermessen aus Gründen der materiellen Angemessenheit. S. dazu Kapitel 4 B. V. 183 S. Kapitel 5 B. V. 3. 174

B. Die Ergebnisse im Einzelnen

525

VIII. Ergebnisse zu den Rechtsfolgen der Unwirksamkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte Rechtsfolgen der Unangemessenheit bzw. Intransparenz arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte sind die Aufrechterhaltung des Leistungsversprechens und die Ersetzung des Vorbehalts durch eine Klausel, nach der sich die Leistung eigenständig und dynamisch anpasst.184 Unangemessene oder intransparente Bestimmungsvorbehalte können nicht im Wege der geltungserhaltenden Reduktion vor der Unwirksamkeit bewahrt werden.185 Eine geltungserhaltende Reduktion steht im Spannungsverhältnis zum Präventionszweck der AGB-Kontrolle und missachtet die Rechtsfolgenanordnung des § 306 Abs. 2 BGB, dass an die Stelle unwirksamer Klauseln das dispositive Recht tritt.186 Eine Anwendung des „Blue-Pencil-Tests“ ergibt allerdings, dass das mit einem unwirksamen Bestimmungsvorbehalt verbundene Leistungsversprechen aufrechterhalten bleibt.187 Das Leistungsversprechen ist im Gegensatz zum Bestimmungsvorbehalt als Festlegung einer Hauptleistungspflicht nicht kontrollfähig und stellt eine eigenständige Klausel dar, an deren Wirksamkeit keine Bedenken bestehen.188 Folge des isolierten Wegfalls des Bestimmungsvorbehalts ist die Unbestimmtheit des aufrechterhaltenen Leistungsversprechens.189 Diese Vertragslücke muss im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung geschlossen werden.190 Für die Anwendbarkeit der ergänzenden Vertragsauslegung ist vorliegend nicht relevant, ob die ersatzlose Streichung der Klausel für den Verwender eine unzumutbare Härte darstellt, wie es sonst teilweise gefordert wird.191 Denn der Ausschluss der ergänzenden Vertragsauslegung würde sich ausnahmsweise nicht zum Nachteil des Verwenders, sondern zum Nachteil des Vertragspartners auswirken. Die ergänzende Vertragsauslegung ist somit anwendbar, da der ohne sie bestehende Zustand eines unbestimmten Zahlungsversprechens keine angemessene, den typischen Interessen der Vertragsparteien Rechnung tragende Lösung darstellt.192 Die Vertragslücke kann nicht durch die §§ 315, 316 BGB gefüllt werden.193 184 185 186 187 188 189 190 191 192 193

S. dazu Kapitel 6. S. dazu Kapitel 6 C. S. dazu auch Kapitel 6 A. I. S. dazu Kapitel 6 D. S. Kapitel 6 D. II. S. dazu Kapitel 6 C., E. und F. S. dazu Kapitel 6 F. S. Kapitel 6 F. I. S. dazu Kapitel 6 F. I. S. dazu Kapitel 6 E. I.

526

Kap. 7: Zusammenfassung und Ergebnisse

Beide Normen sind lediglich Auslegungsregeln, die sich nicht zur Begründung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts eignen. Auch § 612 Abs. 2 BGB ist nicht geeignet, die entstandene Lücke zu füllen.194 Die Festlegung der unbestimmten Leistung auf die taxmäßige oder die übliche Vergütung stellt keine Lösung dar, die den typischen Interessen der Parteien gerecht wird. Das Flexibilisierungsinteresse des Arbeitgebers bliebe völlig unbeachtet. Die ergänzende Vertragsauslegung ergibt, dass an die Stelle des unwirksamen Bestimmungsvorbehalts eine Anpassungsklausel tritt, nach der sich die Leistungshöhe in jedem Turnus eigenständig anhand festgelegter Kriterien bestimmt (z. B. Festlegung der Leistungshöhe auf einen prozentualen Wert in Abhängigkeit vom Umsatz oder Gewinn des Unternehmens; Festlegung bestimmter Stufen oder Ziele der Arbeitsleistung, die an bestimmte Auszahlungswerte geknüpft werden).195 Dadurch wird sowohl den Interessen des Arbeitgebers an flexibler Gestaltung der Arbeitsvertragsbedingungen entsprochen als auch den Interessen des Arbeitnehmers an einem möglichst festen, vorhersehbaren Leistungsversprechen. Die alternativen Möglichkeiten zur Lückenfüllung, den unwirksamen Bestimmungsvorbehalt mit einem wirksamen Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers oder mit einer festen Leistungshöhe zu ersetzen, bieten keinen angemessenen Interessenausgleich. Eine feste Leistungshöhe widerspräche dem Flexibilisierungsinteresse des Arbeitgebers.196 Ein Bestimmungsrecht des Arbeitgebers ist wiederum zur Verwirklichung seiner Interessen nicht zwingend notwendig und deshalb auch nicht geboten.197

IX. Zusammenfassung und Beispiele Die aufgeführten Ergebnisse zeigen, dass die vorherrschende Auffassung zur wirksamen Gestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte im Entgeltbereich nicht mit den Regeln des AGB-Rechts übereinstimmt.198 Auch die mit dieser Auffassung einhergehende Abweichung von der Behandlung der vergleichbaren Widerrufsvorbehalte199 ist nicht gerechtfertigt.200 Stattdessen müssen entgegen dieser Meinung der Umfang des Bestimmungsvorbehalts, die relevanten Entscheidungskriterien sowie der Entscheidungsmaßstab in oben darge-

194

S. Kapitel 6 E. II. S. dazu Kapitel 6 F. II. 3. 196 S. dazu Kapitel 6 F. II. 1. 197 S. dazu Kapitel 6 F. II. 2. 198 S. zum Vorgehen in Rechtsprechung und Literatur unter Kapitel 2 B. II. 2. und E. 199 Zur Behandlung von Widerrufsvorbehalten s. Kapitel 2 D. II. 200 Zum Verhältnis von Bestimmungs- und Widerrufsvorbehalten unter Kapitel 1 B. III. und B. IV.; Kapitel 4 B. VII. 9.; Kapitel 5 B. III. 10. b). 195

B. Die Ergebnisse im Einzelnen

527

stellter Weise konkretisiert werden.201 Wie bei Widerrufsvorbehalten muss bei Bestimmungsvorbehalten der Kernbereich202 in vergleichbarer Weise geschützt werden und die Entscheidungskriterien müssen entsprechend den Widerrufsgründen in der Klausel festgelegt werden. Arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte über synallagmatische Leistungen sind in AGB im Ergebnis nur wirksam, wenn • sie die Entscheidungskriterien dem Grunde nach regeln, wobei – neben möglichen zusätzlichen Kriterien – zwingend Kriterien gelten müssen, die die Flexibilisierungsinteressen des Arbeitgebers betreffen (z. B. „wirtschaftliche Entwicklung“)203, • der Leistungsumfang so festgelegt ist, dass nicht in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses eingegriffen werden kann204 (etwa durch eine prozentuale Obergrenze von unter 25 bzw. 30 % der Gesamtvergütung oder die Angabe von Richtwerten für die Leistungsbemessung, die so niedrig sind, dass ein Kernbereichseingriff abwegig wäre), dass der Arbeitnehmer die voraussichtliche Größenordnung der Leistung realistisch einschätzen kann205 (z. B. Angabe eines Orientierungswertes) und dass der Arbeitnehmer erkennen kann, ob die Leistung auf null festgelegt werden kann bzw. welche Mindesthöhe sie einnehmen wird206, • der Arbeitgeber für den Fall, dass er negative wirtschaftliche Entwicklungen berücksichtigen darf, auch positive Entwicklungen berücksichtigen muss207 und • der Entscheidungsmaßstab auf billiges Ermessen, einen vergleichbaren oder einen strengeren Maßstab festgelegt ist208. Wirksame Bestimmungsvorbehalte über synallagmatische Leistungen könnten dementsprechend etwa wie folgt aussehen: Beispiel 1: Der Arbeitnehmer erhält einen jährlichen Bonus, dessen Höhe der Arbeitgeber nach billigem Ermessen in Abhängigkeit von der Länge der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers, der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers und in Abhängigkeit von den wirtschaftlichen Entwicklungen des Unterneh201 S. dazu Kapitel 7 B. V. und B. VII.; ausführlich zur Konkretisierung der Entscheidungskriterien unter Kapitel 4 B. VII. und Kapitel 5 B. III.; ausführlich zur Konkretisierung des Entscheidungsmaßstabs unter Kapitel 4 B. V. sowie Kapitel 5 B. V. 202 S. dazu Kapitel 4 B. IV. 203 S. Kapitel 4 B. VII. und Kapitel 5 B. III. 204 S. dazu Kapitel 4 B. IV. 205 S. dazu Kapitel 5 B. IV. 5. b). 206 S. dazu Kapitel 5 B. IV. 5. c). 207 S. dazu Kapitel 4 B. VI. 2., B. VII. 3. a) aa) und B. VII. 10. a) aa) (2). 208 S. Kapitel 4 B. V. und Kapitel 5 B. V.

528

Kap. 7: Zusammenfassung und Ergebnisse

mens festlegt. Nach dem Stand bei Vertragsschluss wird eine voraussichtliche Höhe von etwa . . . A angestrebt. Der Bonus muss stets unter 25 % des jährlichen Gesamtverdienstes (inklusive dieser Bonuszahlung) betragen.209 In Ausnahmefällen kann die Leistung in Abhängigkeit von der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers und in Abhängigkeit von den wirtschaftlichen Entwicklungen des Unternehmens auf null festgelegt werden. Beispiel 2: Der Arbeitnehmer erhält eine jährliche Weihnachtsgratifikation, deren Höhe der Arbeitgeber nach billigem Ermessen in Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens festlegt. Derzeit übersteigt die Höhe ein volles Monatsgehalt nicht. In Ausnahmefällen kann die Leistung in Abhängigkeit vom wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens auf null festgelegt werden.210 Beispiel 3: Der Arbeitnehmer erhält einen jährlichen Bonus, dessen Höhe der Arbeitgeber nach billigem Ermessen im Bereich von 0 bis 10.000 A in Abhängigkeit von der Leistung des Arbeitnehmers und der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens festlegt.211 Arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte über nicht synallagmatische Sonderzahlungen, die keine hypothetische Abschlussrelevanz haben212, sind in AGB hingegen bereits wirksam, wenn • sie die Entscheidungskriterien dem Grunde nach regeln, wobei willkürfreie Kriterien genügen213, • nicht in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses eingegriffen werden kann214, wovon regelmäßig auszugehen ist215, und • der Entscheidungsmaßstab auf billiges Ermessen, einen vergleichbaren oder einen strengeren Maßstab festgelegt ist216. Ein wirksamer Bestimmungsvorbehalt über eine nicht synallagmatische Sonderzahlung ohne hypothetische Abschlussrelevanz könnte etwa wie folgt aussehen: 209 Dieser Satz ist nur nötig, wenn die Höhe des angestrebten Wertes nicht bereits einen Kernbereichseingriff ausschließt. 210 Klausel angelehnt an BAG v. 23.08.2017 – 10 AZR 376/16, NZA 2017, 1595. 211 Der fiktive Arbeitnehmer in diesem Beispiel erhält 40.000 A jährliche Festvergütung. Selbst bei Zahlung des Höchstsatzes von 10.000 A beträgt die Gesamtvergütung 50.000 A und die Bonuszahlung nur 20 % des Gesamtverdienstes. Ein Kernbereichseingriff ist also in jedem Fall ausgeschlossen. 212 Zu den Auswirkungen der fehlenden Abschlussrelevanz s. Kapitel 5 B. III. 9. a) bb), B. IV. 4. b) und B. V. 1. b). 213 S. dazu Kapitel 4 B. VII. 10. b). 214 S. dazu Kapitel 5 B. IV. 5. b). 215 S. dazu Kapitel 4 B. IV. 7. a). 216 S. Kapitel 4 B. V.

C. Ausblick

529

Beispiel 1 (Jubiläumszahlung): Der Arbeitnehmer erhält jeweils zum 5., 10., 15. usw. Geschäftsjubiläum eine Bonuszahlung, deren Höhe der Arbeitgeber nach billigem Ermessen in Abhängigkeit von der Marktmacht des Unternehmens und der Betriebsgröße (Anzahl der Arbeitnehmer) im Auszahlungsjahr festlegt. Beispiel 2 (Hochzeitsgeld): Der Arbeitnehmer erhält im Hochzeitsfall eine Bonuszahlung, deren Höhe der Arbeitgeber nach billigem Ermessen in Abhängigkeit von den durchschnittlichen Kosten einer standesamtlichen Hochzeit am Betriebsstandort im Auszahlungsjahr festlegt. Für den – nach der hier vertretenen Auffassung zum Gegenleistungscharakter von Geldleistungen217 seltenen – Fall arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte über nicht synallagmatische Sonderzahlungen, die jedoch hypothetische Abschlussrelevanz haben, gilt im Prinzip das soeben zu Bestimmungsvorbehalten über eine Sonderzahlung ohne Abschlussrelevanz Gesagte. Zu beachten ist allerdings ein wesentlicher Unterschied: Der Leistungsumfang muss so konkretisiert werden, dass der Arbeitnehmer die voraussichtliche Größenordnung der Leistung realistisch einschätzen kann218 (z. B. Angabe eines Orientierungswertes) und dass der Arbeitnehmer erkennen kann, ob die Leistung auf null festgelegt werden kann bzw. welche Mindesthöhe sie einnehmen wird219.

C. Ausblick Diese Arbeit hat sich vorrangig mit der Frage beschäftigt, wie arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte im Entgeltbereich auszugestalten sind, damit sie den Anforderungen des AGB-Rechts genügen. Der Themenkomplex der flexiblen Gestaltung von Arbeitsbedingungen bietet darüber hinaus aber noch eine Vielzahl weiterer Fragen, die sich für eine wissenschaftliche Untersuchung anbieten. Die gegenständlichen entgeltrelevanten Bestimmungsvorbehalte stellen nur einen kleinen Teil der denkbaren Leistungsbestimmungsrechte in Arbeitsverträgen dar. Weiterführend bliebe deshalb zu untersuchen, inwieweit sich die hier aufgestellten Anforderungen auf andere Flexibilisierungsklauseln übertragen lassen. Von besonderem Interesse sind dabei Bestimmungsvorbehalte, die keine Entgeltleistungen betreffen, sowie andere Leistungsbestimmungsrechte im Entgeltbereich. Weitgehend außen vor bleiben musste hier auch die tatsächliche Ausübung der untersuchten Bestimmungsvorbehalte im Einzelfall und ihre gerichtliche Kontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB. Interessant wäre eine Untersuchung darüber, 217 218 219

S. dazu Kapitel 4 B. IV. 6. S. dazu Kapitel 5 B. IV. 5. b). S. dazu Kapitel 5 B. IV. 5. c).

530

Kap. 7: Zusammenfassung und Ergebnisse

wann eine Leistungsfestlegung der Billigkeit i. S. d. § 315 BGB entspricht. Dafür ist unter anderem von Bedeutung, inwiefern sich der Arbeitgeber durch vorherige Ausübungen oder durch Zahlungen an vergleichbare Arbeitnehmer selbst bindet. Erstrebenswert wäre es, allgemeingültige Aussagen herauszuarbeiten, anhand derer im Nachhinein die Billigkeit der Ausübung eines Bestimmungsvorbehalts überprüft werden kann. Ein solches Vorhaben begegnet jedoch erheblichen Schwierigkeiten, da der Begriff der Billigkeit naturgemäß Unklarheiten sowie einen Auslegungsspielraum birgt und die Überprüfung seiner Einhaltung einzelfallbezogen zu erfolgen hat.220 Darüber hinaus könnte der Frage nachgegangen werden, ob und wie Bestimmungsvorbehalte mit anderen Flexibilisierungsklauseln kombiniert werden können. Wäre es etwa möglich, einen Bestimmungsvorbehalt mit einem Widerrufsvorbehalt zu verbinden, oder würde das den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen? Die Flexibilität des Arbeitgebers ist bei Bestimmungsvorbehalten im jeweiligen Turnus verhältnismäßig hoch, so dass eine weitere Flexibilisierung das Gewicht zu sehr zu seinen Gunsten zu verlagern scheint. Allerdings bleibt dabei zu bedenken, dass der Arbeitgeber sich ohne Widerrufsvorbehalt auch von einer Leistung, die unter Bestimmungsvorbehalt versprochen wurde, nur unter den Voraussetzungen einer Änderungskündigung dauerhaft lösen könnte.221 In jedem Fall bleibt abzuwarten, ob Rechtsprechung und Literatur mit der Zeit von ihrer bisherigen großzügigen Handhabung222 der AGB-rechtlichen Wirksamkeit arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte abrücken und die Anforderungen womöglich im Sinne der gegenständlichen Ausführungen verschärfen. Problematisch an den hier erarbeiteten Ausgestaltungsanforderungen ist jedoch, dass durch sie ein Teil der Flexibilität verlorengeht, die der Arbeitgeber mit der Verwendung einseitiger Bestimmungsvorbehalte anstrebt. Es stellt sich deshalb die Frage, inwieweit Bestimmungsvorbehalte in der Praxis weiterhin Anwendung finden, wenn diese Maßstäbe einzuhalten sind. Allerdings haben derartige praktische Probleme das BAG auch in der Vergangenheit nicht davon abgehalten, strenge Anforderungen an die Wirksamkeit von Flexibilisierungsklauseln zu stellen.223 Die Handhabung von Freiwilligkeitsvorbehalten durch das BAG geht sogar so weit, dass diese Klauseln, wie eingangs beschrieben224, in der Literatur vereinzelt bereits als „tot“ 225 bezeichnet werden. Derart einschneidend sind die 220 S. zum Entscheidungsspielraum im Rahmen der Billigkeit insbesondere Kapitel 4 B. IV. 7. b); Kapitel 5 B. III. 2. e) und B. IV. 1; zur Billigkeitskontrolle s. etwa unter Kapitel 4 B. VII. 7. f), B. VIII. 2. und B. III. 6. 221 S. dazu auch unter Kapitel 4 B. IV. 1., B. IV. 2. a) aa) und B. VII. 3. a) aa). 222 Dazu ausführlich unter Kapitel 2 B. II. 2. und E. 223 S. zur Rechtsprechung bezüglich Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalten unter Kapitel 2 D. 224 S. Kapitel 1 A. 225 Preis, NZA 2009, 281, 289.

C. Ausblick

531

hier angelegten Maßstäbe an Bestimmungsvorbehalte bei weitem nicht. Insbesondere die angeführten Beispiele wirksamer Bestimmungsvorbehalte226 zeigen, dass die herausgearbeiteten Anforderungen ohne allzu große Schwierigkeiten umsetzbar sind und dass dem Arbeitgeber weder bei der Vertragsgestaltung zu viel abverlangt noch sein Handlungsspielraum bei der Leistungsfestlegung übermäßig stark beschränkt wird.

226 S. dazu soeben unter Kapitel 7 B. IX. Beispiele zur Umsetzung der einzelnen Konkretisierungsanforderungen finden sich auch unter Kapitel 4 B. IV. 7. und B. VII. 10.; Kapitel 5 B. III. 10. d) und B. IV. 5.

Literaturverzeichnis Adams, Michael: Ökonomische Analyse des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz), in: Neumann, Manfred (Hrsg.), Ansprüche, Eigentums- und Verfügungsrechte, Berlin 1984, S. 655–680 (zit. als Adams, in: Ansprüche, Eigentums- und Verfügungsrechte). Armbrüster, Christian: Das Transparenzgebot für Allgemeine Geschäftsbedingungen nach der Schuldrechtsmodernisierung, DNotZ 2004, 437–447. Arnold, Christian: Einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers bei Weihnachtsgratifikation hält AGB-Kontrolle stand, ArbRAktuell 2013, 180–181. Ascheid, Reiner/Preis, Ulrich/Schmidt, Ingrid (Hrsg.): Kündigungsrecht. Großkommentar zum gesamten Recht der Beendigung von Arbeitsverhältnissen, 5. Aufl., München 2017 (zit. als APS/Bearbeiter). Bader, Peter/Fischermeier, Ernst/Gallner, Inken u. a.: KR. Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und zu sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften, 12. Aufl., Köln 2019 (zit. als KR/Bearbeiter). Bähr, Peter: Grundzüge des Bürgerlichen Rechts, 12. Aufl., München 2013. Bamberger, Heinz Georg/Roth, Herbert (Hrsg.): Beck’scher Online-Kommentar BGB, 50. Edition, Stand: 01.05.2019, München 2019 (zit. als BeckOK-BGB/Bearbeiter). Bauer, Jobst-Hubertus/Heimann, Daniel: Flexibel, motivierend und „all-inclusive“ – Rechtssichere Vergütung von Führungskräften, NZA-Beilage 2014, 114–121. Bauer, Jobst-Hubertus/Lingemann, Stefan/Diller, Martin/Haußmann, Katrin: AnwaltsFormularbuch Arbeitsrecht, 6. Aufl., Köln 2017 (zit. als BLDH/Bearbeiter). Bayreuther, Frank: Widerrufs-, Freiwilligkeits- und Anrechnungsvorbehalte – geklärte und ungeklärte Fragen der aktuellen Rechtsprechung des BAG zu arbeitsvertraglichen Vorbehalten, ZiP 2007, 2009–2015. Bayreuther, Frank: Freiwilligkeitsvorbehalte: Zulässig, aber überflüssig?, BB 2009, 102–107. Becker, Thomas: Die Auslegung des § 9 Abs. 2 AGB-Gesetz. Eine systematische Darstellung der Grundlagen des Rechts der Inhaltskontrolle allgemeiner Geschäftsbedingungen, Heidelberg 1986 (zit. als Becker, Die Auslegung des § 9 Abs. 2 AGBGesetz). Benedict, Jörg: Beschränkte Privatautonomie bei Barterverträgen – oder zur „Intransparenz“ richterlicher Inhaltskontrolle, NJW 2000, 190–192. Bieder, Marcus: Arbeitsvertragliche Gestaltungsspielräume für die Entgeltflexibilisierung, NZA 2007, 1135–1139.

Literaturverzeichnis

533

Boecken, Winfried/Düwell, Franz Josef/Diller, Martin/Hanau, Hans (Hrsg.): Gesamtes Arbeitsrecht, Band 2, 1. Aufl., Baden-Baden 2016 (zit. als NK-ArbR/Bearbeiter). Boecken, Winfried/Düwell, Franz Josef/Diller, Martin/Hanau, Hans (Hrsg.): Gesamtes Arbeitsrecht, Band 3, 1. Aufl., Baden-Baden 2016 (zit. als NK-ArbR/Bearbeiter). Boemke-Albrecht, Burkhard: Rechtsfolgen unangemessener Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, München 1988. Boensch, Fabian: Arbeitsvertragliche Entgeltflexibilisierung und aufsichtsrechtliche Institutsvorgaben. Eine Untersuchung unter besonderer Beachtung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte, Hamburg 2018 (zit. als Boensch, Arbeitsvertragliche Entgeltflexibilisierung und aufsichtsrechtliche Institutsvorgaben). Brors, Christiane: Europäische Rahmenbedingungen für den neuen Mindestlohn und seine Ausnahmen, NZA 2014, 938–942. Bunte, Hermann-Josef: Ergänzende Vertragsauslegung bei Unwirksamkeit von AGBKlauseln, NJW 1984, 1145–1150. Clemenz, Susanne/Kreft, Burghart/Krause, Rüdiger (Hrsg.): AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl., Köln 2019 (zit. als Clemenz/Kreft/Krause/Bearbeiter). Daele, Wolfgang van den: Probleme des gegenseitigen Vertrages. Untersuchungen zur Äquivalenz gegenseitiger Leistungspflichten, Hamburg 1968 (zit. als van den Daele, Probleme des gegenseitigen Vertrages). Däubler, Wolfgang/Bonin, Birger/Deinert, Olaf (Hrsg.): AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 4. Aufl., München 2014 (zit. als Däubler/Bonin/Deinert/Bearbeiter). Däubler, Wolfgang/Hjort, Jens Peter/Schubert, Michael/Wolmerath, Martin (Hrsg.): Arbeitsrecht Handkommentar, 4. Aufl., Baden-Baden 2017 (zitiert: HK-ArbR/Bearbeiter). Dauner-Lieb, Barbara/Langen, Werner (Hrsg.): BGB. Schuldrecht, Band 2, 3. Aufl., Baden-Baden 2016 (zit. als NK-BGB/Bearbeiter). Diehn, Thomas: AGB-Kontrolle von arbeitsrechtlichen Verweisungsklauseln, NZA 2004, 129–135. Dornbusch, Gregor/Fischermeier, Ernst/Löwisch, Manfred (Hrsg.): AR. Kommentar zum gesamten Arbeitsrecht, 9. Aufl., Köln 2019 (zit. als AR/Bearbeiter). Dörner, Klemens/Luczak, Stefan/Wildschütz, Martin/Baeck, Ulrich/Hoß, Axel (Hrsg.): Handbuch des Arbeitsrechts, 14. Aufl., Köln 2018 (zit. als DLW/Bearbeiter). Düwell, Franz Josef/Schubert, Jens (Hrsg.): Mindestlohngesetz. Handkommentar, 2. Aufl., Baden-Baden 2017 (zit. als HK-MiLoG/Bearbeiter). Dylla-Krebs, Corinna: Schranken der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen. Eine systematische Abgrenzung kontrollfreier von kontrollunterworfenen Klauseln, Baden-Baden 1990 (zit. als Dylla-Krebs, Schranken der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen). Ekkenga, Jens/Schirrmacher, Carsten: Bonuszusagen für Arbeitnehmer: Eine Gratwanderung zwischen Arbeits- und Gesellschaftsrecht, BB 2017, 2549–2555.

534

Literaturverzeichnis

Ernst, Wolfgang: Die Einrede des nichterfüllten Vertrages. Zur historischen Entwicklung des synallagmatischen Vertragsvollzugs im Zivilprozeß, Berlin 2000 (zit. als Ernst, Die Einrede des nichterfüllten Vertrages). Evermann, Manja: Die Anforderungen des Transparenzgebots an die Gestaltung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen. Unter besonderer Berücksichtigung der Richtlinie 93/13/EWG, Karlsruhe 2002 (zit. als Evermann, Die Anforderungen des Transparenzgebots an die Gestaltung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen). Fastrich, Lorenz: Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, München 1992. Flume, Werner: Rechtsgeschäft und Privatautonomie, in: Hundert Jahre deutsches Rechtsleben. Festschrift zum hundertjährigen Bestehen des deutschen Juristentages, Band I, Karlsruhe 1960, S. 135–238 (zit. als Flume, in: Hundert Jahre deutsches Rechtsleben, FS zum hundertjährigen Bestehen des deutschen Juristentages). Forker, Hans-Joachim: Betriebsrisiken und Unternehmerrisiko, in: Der Betrieb in der Unternehmung, Festschrift für Wilhelm Rieger zu seinem 85. Geburtstag, Stuttgart 1963, S. 237–255 (zit. als Forker, in: FS Rieger). Fornasier, Matteo: Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht. Zugleich ein Beitrag zum Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, Berlin 2013 (zit. als Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht). Gallner, Inken/Mestwerdt, Wilhelm/Nägele, Stefan (Hrsg.): Kündigungsschutzrecht. Handkommentar, 6. Aufl., Baden-Baden 2018 (HaKo/Bearbeiter). Gast, Arendt: Die Schlechtleistung des Arbeitnehmers im Synallagma des Arbeitsvertrags. Eine Untersuchung des rechtlichen Verhältnisses von Arbeit und Lohn, Berlin 2015 (zit. als Gast, Die Schlechtleistung des Arbeitnehmers im Synallagma des Arbeitsvertrags). Gernhuber, Joachim: Das Schuldverhältnis. Begründung und Änderung, Pflichten und Strukturen, Drittwirkungen, Tübingen 1989 (zit. als Gernhuber, Das Schuldverhältnis). Götz, Heinrich: Rechtsfolgen des teilweisen Verstoßes einer Klausel gegen das AGBGesetz, NJW 1978, 2223–2227. Grobys, Marcel/Panzer-Heemeier, Andrea (Hrsg.): Stichwortkommentar Arbeitsrecht. Alphabetische Gesamtdarstellung, 3. Aufl., Baden-Baden 2019 (zit. als Grobys/Panzer-Heemeier/Bearbeiter). Gsell, Beate/Krüger, Wolfgang/Lorenz, Stephan/Reymann, Christoph (Gesamthrsg.): beck-online.Großkommentar BGB, Stand: 01.08.2018, München 2018 (zit. als BeckOGK/Bearbeiter). Günther, Jens: AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen. Analyse der deutschen Rechtslage nach der Schuldrechtsreform und vergleichende Betrachtung des österreichischen Kontrollsystems, Frankfurt a. M. 2007 (zit. als Günther, AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen). Hager, Günter: Der Gedanke der Solidarität in der Lehre vom Synallagma, in: Zum Deutschen und Internationalen Schuldrecht – Kolloquium aus Anlass des 75. Geburtstages von Ernst von Caemmerer, Tübingen 1983, S. 26–49 (zit. als Hager, in: Zum Deutschen und Internationalen Schuldrecht).

Literaturverzeichnis

535

Hanau, Peter/Hromadka, Wolfgang: Richterliche Kontrolle flexibler Entgeltregelungen in Allgemeinen Arbeitsbedingungen, NZA 2005, 73–78. Hanau, Peter/Adomeit, Klaus: Arbeitsrecht, 14. Aufl., Neuwied 2007. Heiden, Ralph: Entgeltrelevante Zielvereinbarungen aus arbeitsrechtlicher Sicht, Baden-Baden 2007. Heinrichs, Helmut: Das Transparenzgebot und die EG-Richtlinie über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, in: Lebendiges Recht. Von den Sumerern bis zur Gegenwart, Festschrift für Reinhold Trinkner zum 65. Geburtstag, Heidelberg 1995, S. 157–177 (zit. als Heinrichs, in: FS Trinkner). Hellwege, Phillip: Allgemeine Geschäftsbedingungen, einseitig gestellte Vertragsbedingungen und die allgemeine Rechtsgeschäftslehre, Tübingen 2010. Henssler, Martin: Anmerkung zu BAG v. 13.5.1987 – 5 AZR 125/86, SAE 1988, 164– 166. Henssler, Martin/Moll, Wilhelm: AGB-Kontrolle vorformulierter Arbeitsbedingungen, München 2011. Henssler, Martin/Willemsen, Heinz Josef/Kalb, Heinz-Jürgen (Hrsg.): Arbeitsrecht Kommentar, 8. Aufl., Köln 2018 (HWK/Bearbeiter). Hofmann, Alexander: Entgeltflexibilisierung und AGB-Kontrolle, Würzburg 2014. Hoyningen-Huene, Gerrick Freiherr von: Unwirksamkeit von AGB bei bloßer Intransparenz?, in: Lebendiges Recht. Von den Sumerern bis zur Gegenwart, Festschrift für Reinhold Trinkner zum 65. Geburtstag, Heidelberg 1995, S. 179–191 (zit. als von Hoyningen-Huene, in: FS Trinkner). Hoyningen-Huene, Gerrick Freiherr von: Die Billigkeit im Arbeitsrecht. ein Beitrag zur rechtsdogmatischen Präzisierung der Billigkeit im Zivilrecht, dargestellt am Beispiel des Arbeitsrechts, Baden-Baden, München 1978 (zit. als von Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht). Hoyningen-Huene, Gerrick Freiherr von/Linck, Rüdiger/Krause, Rüdiger: Kündigungsschutzgesetz. Kommentar, 15. Aufl., München 2013 (zit. als vHH/L/Bearbeiter). Hromadka, Wolfgang: Schuldrechtsmodernisierung und Vertragskontrolle im Arbeitsrecht, NJW 2002, 2523–2530. Hromadka, Wolfgang/Schmitt-Rolfes, Günter: Die AGB-Rechtsprechung des BAG zu Tätigkeit, Entgelt und Arbeitszeit, NJW 2007, 1777–1783. Hümmerich, Klause/Lücke, Oliver/Mauer, Reinhold (Hrsg.): Arbeitsrecht, 9. Aufl., Baden-Baden 2018 (zit. als Hümmerich/Lücke/Mauer/Bearbeiter). Hümmerich, Klause/Reufels, Martin (Hrsg.): Gestaltung von Arbeitsverträgen und Dienstverträgen für Geschäftsführer und Vorstände. Kommentierte Klauseln und Musterverträge, 4. Aufl., Baden-Baden 2019 (zit. als Hümmerich/Reufels/Bearbeiter). Jesgarzewski, Tim: Die Grenzen formularmäßiger Vereinbarung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte. Unter besonderer Berücksichtigung des Bank- und Arbeitsvertragsrechts, Baden-Baden 2006 (zit. als Jesgarzewski, Die Grenzen formularmäßiger Vereinbarung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte).

536

Literaturverzeichnis

Joost, Detlef: Der Ausschluss der Inhaltskontrolle bei Entgeltregelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, ZIP 1996, 1685–1693. Junker, Markus/Beckmann, Roland Michael/Rüßmann, Helmut (Hrsg.): juris Praxiskommentar BGB, Band 2 – Schuldrecht, 8. Aufl., Saarbrücken 2017 (zit. als jurisPKBGB/Bearbeiter). Kiel, Heinrich/Lunck, Stefan/Oetker, Hartmut (Hrsg.): Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 1, 4. Aufl., München 2018 (zit. als MünchHdb ArbR/Bearbeiter). Kittner, Michael/Zwanziger, Bertram/Deinert, Olaf/Heuschmid, Johannes (Hrsg.): Arbeitsrecht. Handbuch für die Praxis, 9. Aufl., Frankfurt a. M. 2017 (zit. als Kittner/ Zwanziger/Deinert/Heuschmid/Bearbeiter). Klinke, Ulrich: Causa und genetisches Synallagma. Zur Struktur der Zuwendungsgeschäfte, Berlin 1983 (zit. als Klinke, Causa und genetisches Synallagma). Kluge, Henning: Widerrufsvorbehalte zur Absenkung des Arbeitsentgelts aus „wirtschaftlichen Gründen“ in vorformulierten Arbeitsverträgen. Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB, Hamburg 2012 (zit. als Kluge, Widerrufsvorbehalte zur Absenkung des Arbeitsentgelts aus „wirtschaftlichen Gründen“ in vorformulierten Arbeitsverträgen). Koller, Ingo: Das Transparenzgebot als Kontrollmaßstab Allgemeiner Geschäftsbedingungen, in: Festschrift für Ernst Steindorff zum 70. Geburtstag, Berlin 1990, S. 667–686 (zit. als Koller, in: FS Steindorff). Köndgen, Johannes: Grund und Grenzen des Transparenzgebots im AGB-Recht. Bemerkungen zum „Hypothekenzins-“ und zum „Wertstellungs-Urteil“ des BGH, NJW 1989, 943–952. Kössel, Andreas: Die Gestaltung der Vergütung in Formulararbeitsverträgen, DB 2016, 2963–2967. Kötz, Hein: Welche gesetzgeberischen Maßnahmen empfehlen sich zum Schutze des Endverbrauchers gegenüber Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Formularverträgen?. Verhandlungen des fünfzigsten deutschen Juristentages, Band I, Gutachten A, München 1974 (zit. als Kötz, Gutachten zum 50. DJT Band I). Kötz, Hein: Vertragsrecht, 2. Aufl., Tübingen 2012. Kreienbaum, Birgit: Transparenz und AGB-Gesetz. Eine Untersuchung des Inhalts und der Schranken des Transparenzgebotes, Berlin 1998 (zit. als Kreienbaum, Transparenz und AGB-Gesetz). Kroeschell, Karl/Cordes, Albrecht/Nehlsen-von Stryk, Karin: Deutsche Rechtsgeschichte. Band 2: 1250–1650, 9. Aufl., Köln/Weimar/Wien 2008 (zit. als Bearbeiter, Deutsche Rechtsgeschichte Band 2: 1250–1650). Küttner, Wolfdieter (Begr.): Personalbuch 2018. Arbeitsrecht, Lohnsteuerrecht, Sozialversicherungsrecht, 25. Aufl., München 2018 (zit. als Küttner/Bearbeiter, Personalbuch 2018). Lakies, Thomas: Neue Rechtsprechung zu Flexibilisierungsvarianten bei Sonderzuwendungen, ArbRAktuell 2013, 251–254.

Literaturverzeichnis

537

Lakies, Thomas: Mindestlohngesetz. Basiskommentar zum MiLoG, 3. Aufl., Frankfurt a. M. 2017 (zit. als Lakies, Mindestlohngesetz). Lange, Oliver: Auslegung, Unklarheitenregel und Transparenzklausel, ZGS 2004, 208– 213. Larenz, Karl: Lehrbuch des Schuldrechts. Band I. Allgemeiner Teil, 14. Aufl., München 1987 (zit. als Larenz). Lembke, Mark: Die Gestaltung von Vergütungsvereinbarungen, NJW 2010, 257–263. Leuschner, Lars: Gebotenheit und Grenzen der AGB-Kontrolle, AcP 207 (2007), 491– 529. Lieb, Manfred: Sonderprivatrecht für Ungleichgewichtslagen? Überlegungen zum Anwendungsbereich der sogenannten Inhaltskontrolle privatrechtlicher Verträge, AcP 178 (1978), 196–226. Linck, Rüdiger: Rechtsfolgen unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen in Arbeitsverträgen, in: Festschrift für Jobst-Hubertus Bauer zum 65. Geburtstag, München 2010, S. 645–659 (zit. als Linck, in: FS Bauer). Lindemann, Viola: Flexible Gestaltung von Arbeitsbedingungen, Köln 2003. Lingemann, Stefan/Otte, Jörn: Bonuszahlungen und Freiwilligkeitsvorbehalt – Die Gewichte verschieben sich, NJW 2014, 2400–2402. Lingemann, Stefan/Pfister, Sina/Otte, Jörn: Ermessen bei Gratifikation und Vergütung als Alternative zum Freiwilligkeitsvorbehalt, NZA 2015, 65–70. Lunk, Stefan/Leder, Tobias: Der Arbeitsvertrag – Einzelne Vertragsklauseln, NJW 2015, 3766–3769. Moll, Vera Ricarda: Die Änderung der Arbeitsbedingungen durch den Arbeitgeber – insbesondere in der Unternehmenskrise. Reichweite und Grenzen von Direktionsrecht und erweiterten Leistungsbestimmungsrechten, Frankfurt a. M. 2009 (zit. als Moll, Die Änderung der Arbeitsbedingungen durch den Arbeitgeber). Moll, Wilhelm (Hrsg.): Münchener Anwaltshandbuch Arbeitsrecht, 4. Aufl., München 2017 (zit. als MAH ArbR/Bearbeiter). Müller-Glöge, Rudi/Preis, Ulrich/Schmidt, Ingrid: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 18. Aufl., München 2018 (zit. als ErfK/Bearbeiter, 18. Aufl.). Müller-Glöge, Rudi/Preis, Ulrich/Schmidt, Ingrid: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 19. Aufl., München 2019 (zit. als ErfK/Bearbeiter). Niebling, Jürgen: Die Schranken der Inhaltskontrolle nach § 8 AGB-Gesetz, BB 1984, 1713–1718. Niklas, Thomas: Der Ermessensbonus. Ein optimales Flexibilisierungsinstrument oder mehr Schein als Sein?, ArbRB 2018, 353–355. Palandt, Otto: Bürgerliches Gesetzbuch, 78. Aufl., München 2019 (zit. als Palandt/Bearbeiter). Pelzer, Sebastian: Arbeitsrechtliche Zielvereinbarungen. Individualarbeitsrechtliche Grundlagen. Ein- und Durchführung von Zielvereinbarungssystemen, Hamburg 2008 (zit. als Pelzer, Arbeitsrechtliche Zielvereinbarungen).

538

Literaturverzeichnis

Pfrogner, Julia: Flexibilität und Risikominimierung durch Ermessensbonus, BB 2018, 757–761. Pilz, Knut: Missverständliche AGB. Ein Beitrag zum Verhältnis von Auslegung und Transparenzkontrolle untersucht am Beispiel Allgemeiner Versicherungsbedingungen, Karlsruhe 2010 (zit. als Pilz, Missverständliche AGB). Preis, Ulrich: Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, Neuwied 1993. Preis, Ulrich: Der langsame Tod der Freiwilligkeitsvorbehalte und die Grenzen betrieblicher Übung, NZA 2009, 281–289. Preis, Ulrich: Unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers durch Vereinbarung einer Durchschnittsarbeitszeit, RdA 2012, 101–108. Preis, Ulrich (Hrsg.): Der Arbeitsvertrag. Handbuch der Vertragsgestaltung, 5. Aufl., Köln 2015 (zit. als Preis/Bearbeiter). Preis, Ulrich/Deutzmann, Lukas: Entgeltgestaltung durch Arbeitsvertrag und Mitbestimmung, NZA-Beilage 2017, 101–108. Preis, Ulrich/Lindemann, Viola: Änderungsvorbehalte – Das BAG durchschlägt den gordischen Knoten, NZA 2006, 632–638. Preis, Ulrich/Roloff, Sebastian: Die neuste Entwicklung der Vertragsinhaltskontrolle im Arbeitsrecht – Zwischenbilanz und Ausblick –, ZfA 2007, 43–86. Preis, Ulrich/Ulber, Daniel: Ausschlussfristen und Mindestlohngesetz. Der Mindestlohn als unabdingbarer Sockelanspruch, Frankfurt a. M. 2014 (zit. als Preis/Ulber, Ausschlussfristen und Mindestlohngesetz). Preis, Ulrich/Ulber, Daniel: Die Verfassungsmäßigkeit des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns, Düsseldorf 2014. Quink, Daniela: Inhaltskontrolle von Freiwilligkeitsvorbehalten in Arbeitsverträgen, Frankfurt a. M. 2010. Raiser, Ludwig: Vertragsfunktion und Vertragsrecht, in: Hundert Jahre deutsches Rechtsleben. Festschrift zum hundertjährigen Bestehen des deutschen Juristentages, Band I, Karlsruhe 1960, S. 101–134 (zit. als Raiser, in: Hundert Jahre deutsches Rechtsleben, FS zum hundertjährigen Bestehen des deutschen Juristentages). Raiser, Ludwig: Das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen, Bad Homburg vor der Höhe 1961. Reichold, Hermann: Grundlagen und Grenzen der Flexibilisierung im Arbeitsvertrag, RdA 2002, 321–333. Reinecke, Gerhard: Flexibilisierung von Arbeitsentgelt und Arbeitsbedingungen nach dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, NZA 2005, 953–961. Reinfelder, Waldemar: Leistungsgerechtes Entgelt – Gestaltung und Umgestaltung, NZA-Beilage 2014, 10–16. Richardt, Winfried: Arbeitsvertragliche Flexibilisierung von Entgeltbedingungen, Köln 1998. Rieble, Volker: Flexible Gestaltung von Entgelt und Arbeitszeit im Arbeitsvertrag, NZA-Beil. 2000, 34–44.

Literaturverzeichnis

539

Rittner, Fritz: Über die Entbehrlichkeit des sog. genetischen Synallagmas, in: Rechtsbewahrung und Rechtsentwicklung. Festschrift für Heinrich Lange zum 70. Geburtstag, München 1970, S. 213–240 (zit. als Rittner, in: FS Lange 1970). Rolfs, Christian/Giesen, Richard/Kreikebohm, Ralf/Udsching, Peter: BeckOK Arbeitsrecht, 51. Edition, Stand: 01.03.2019, München 2019 (zit. als BeckOK-ArbR/Bearbeiter). Säcker, Franz Jürgen/Rixecker, Roland/Oetker, Hartmut/Limperg, Bettina: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 1, 8. Aufl., München 2018 (zit. als MüKo-BGB/Bearbeiter). Säcker, Franz Jürgen/Rixecker, Roland/Oetker, Hartmut/Limperg, Bettina: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 2, 8. Aufl., München 2019 (zit. als MüKo-BGB/Bearbeiter). Säcker, Franz Jürgen/Rixecker, Roland/Oetker, Hartmut/Limperg, Bettina: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 3, 7. Aufl., München 2016 (zit. als MüKo-BGB/Bearbeiter). Säcker, Franz Jürgen/Rixecker, Roland/Oetker, Hartmut/Limperg, Bettina: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 4, 7. Aufl., München 2016 (zit. als MüKo-BGB/Bearbeiter). Sagan, Adam: Mindestlohnwirksame Vergütung: Grundlohn- vs. Entgelttheorie, RdA 2018, 121–126. Salamon, Erwin: Einseitige Leistungsbestimmungsrechte bei variablen Entgelten, NZA 2014, 465–471. Salamon, Erwin: Entgeltgestaltung. Recht und Praxis maßgeschneiderter Vergütungsstrukturen, München 2019 (zit. als Salamon EntgG-HdB/Bearbeiter). Salamon, Erwin/Wessels, Nicolas: Variable Vergütung aufgrund einseitiger Leistungsbestimmung in der Praxis, BB 2017, 885–889. Schapp, Jan: Grundfragen der Rechtsgeschäftslehre, Tübingen 1986. Schaub, Günter (Begr.): Arbeitsrechts-Handbuch. Systematische Darstellung und Nachschlagewerk für die Praxis, 17. Aufl., München 2017 (zit. als Schaub ArbR-HdB/ Bearbeiter). Schimmelpfennig, Hans-Christoph: Inhaltskontrolle eines formularmäßigen Änderungsvorbehalts, NZA 2005, 603–610. Schlewing, Anja: Geltungserhaltende Reduktion und/oder ergänzende Vertragsauslegung im Rahmen der AGB-Kontrolle arbeitsvertraglicher Abreden?, RdA 2011, 92– 99. Schlosser, Peter/Coester-Waltjen, Dagmar/Graba, Hans-Ulrich (Hrsg.): Kommentar zum Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, Bielefeld 1977 (zit. als Schlosser/Coester-Waltjen/Graba/Bearbeiter). Schmidt, Eike: AGB-Gesetz und Schuldvertragsrecht des BGB. Ranggleiches Nebeneinander oder modifizierter status quo ante?, ZIP 1987, 1505–1509.

540

Literaturverzeichnis

Schmidt-Rimpler, Walter: Grundfragen einer Erneuerung des Vertragsrechts, AcP 147 (1941), 130–197. Schmidt-Rimpler, Walter: Zum Vertragsproblem, in: Funktionswandel der Privatrechtsinstitutionen. Festschrift für Ludwig Raiser zum 70. Geburtstag, Tübingen 1974, S. 3–26 (zit. als Schmidt-Rimpler, in: FS Raiser 1974). Schmoeckel, Mathias/Rückert, Joachim/Zimmermann, Reinhard (Hrsg.): Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, Band II, 2. Teilband, Tübingen 2007 (zit. als HKK/ Bearbeiter). Schrader, Peter/Müller, Jonas: Flexible Vergütungsvereinbarungen. Welche Spielräume lassen Gesetz und Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes?, RdA 2007, 145– 153. Schulze, Reiner (Schriftleitung): Bürgerliches Gesetzbuch. Handkommentar, 10. Aufl., Baden-Baden 2019 (zit. als HK-BGB/Bearbeiter). Schwab, Martin: AGB-Recht, 2. Aufl., Heidelberg 2014. Simon, Oliver/Hidalgo, Martina/Koschker, Maximilian: Flexibilisierung von Bonusregelungen – eine unlösbare Aufgabe?, NZA 2012, 1071–1077. Singer, Reinhard: Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen, Berlin 2007. Singer, Reinhard: Flexible Gestaltung von Arbeitsverträgen, RdA 2006, 362–374. Soergel, Hans-Theodor (Begr.): Bürgerliches Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen (BGB), Band 5/1a §§ 311, 311a–c, 313, 314, 13. Aufl., Stuttgart 2014 (Soergel/Bearbeiter). Soergel, Hans-Theodor (Begr.): Bürgerliches Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen (BGB), Band 5/2 §§ 320–327, 13. Aufl., Stuttgart 2005 (Soergel/Bearbeiter). Staudinger, Julius von (Begr.): Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Buch 1, Allgemeiner Teil, §§ 139–163 (Allgemeiner Teil 4b), Berlin 2015 (zit. als Staudinger/ Bearbeiter). Staudinger, Julius von (Begr.): Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Buch 2, Recht der Schuldverhältnisse, §§ 305–310; UKlaG (Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen), Berlin 2013 (zit. als Staudinger/Bearbeiter). Staudinger, Julius von (Begr.): Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Buch 2, Recht der Schuldverhältnisse, §§ 311, 311a, 312, 312a–i (Vertragsschluss), Berlin 2018 (zit. als Staudinger/Bearbeiter). Staudinger, Julius von (Begr.): Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Buch 2, Recht der Schuldverhältnisse, §§ 315–326 (Leistungsstörungsrecht 2), Berlin 2015 (zit. als Staudinger/Bearbeiter). Staudinger, Julius von (Begr.): Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Buch 2, Recht der Schuldverhältnisse, §§ 611–613 (Dienstvertragsrecht 1), Berlin 2016 (zit. als Staudinger/Bearbeiter). Stoffels, Markus: Grundfragen der Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen, ZfA 2009, 861–895.

Literaturverzeichnis

541

Stoffels, Markus: Arbeitsvertraglich verankerte, einseitige Leistungsbestimmungsrechte des Arbeitgebers – wo bleibt das Transparenzgebot?, RdA 2015, 276–280. Stoffels, Markus: AGB-Recht, 3. Aufl., München 2015. Stoffels, Markus: Neues zu Widerrufsvorbehalten in Arbeitsverträgen, NZA 2017, 1217–1224. Strick, Kerstin: Freiwilligkeitsvorbehalt und Widerrufsvorbehalt – Der Wille als Bedingung, NZA 2005, 723–726. Stürner, Rolf (Hrsg.): Jauernig Bürgerliches Gesetzbuch. Mit Rom-I-, Rom-II-VO, EuUnthVO/HUntProt und EuErbVO. Kommentar, 17. Aufl., München 2018 (zit. als Jauernig/Bearbeiter). Thüsing, Gregor: Was sind die Besonderheiten des Arbeitsrechts?, NZA 2002, 591–595. Thüsing, Gregor (Hrsg.): Mindestlohngesetz (MiLoG) und Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG), 2. Aufl., München 2016 (zit. als Thüsing/Bearbeiter). Tonner, Klaus/Willingmann, Armin/Tamm, Marina (Hrsg.): Vertragsrecht. Kommentar, Köln 2010 (zit. als Tonner/Willingmann/Tamm/Bearbeiter). Tschöpe, Ulrich (Hrsg.): Arbeitsrecht Handbuch, 10. Aufl., Köln 2017 (zit. als Tschöpe/Bearbeiter). Uffmann, Katharina: Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, Tübingen 2010. Uffmann, Katharina: Die Unzumutbarkeitsschwelle als neue Voraussetzung einer ergänzenden Vertragsauslegung?. Zur Abkehr des BAG von der grundsätzlichen Zulässigkeit richterlicher Vertragsergänzung, RdA 2011, 154–162. Ulber, Daniel: Die Erfüllung von Mindestlohnansprüchen, RdA 2014, 176–182. Ulmer, Peter: Teilunwirksamkeit von teilweise unangemessenen AGB-Klauseln?, NJW 1981, 2025–2033. Ulmer, Peter/Brandner, Hans Erich/Hensen, Horst-Diether: AGB-Recht. Kommentar zu den §§ 305–310 BGB und zum UKlaG, 12. Aufl., Köln 2016 (zit. als Ulmer/Brandner/Hensen/Bearbeiter). Ulrici, Bernhard: Zulässige Kürzungen von Bonuszahlungen für Bankmitarbeiter, jurisPR-ArbR 12/2011 Anm. 1. Voigt, Jana Anna/Steeger, Stefan: Weihnachtsgratifikation und billiges Ermessen bezüglich der Höhe der Sonderzahlung, DB 2018, 646. Weber, Max: Rechtssoziologie, 2. Aufl., Neuwied 1967. Weigert, Daniel-René: Die Anrechenbarkeit von Vergütungsbestandteilen auf den gesetzlichen Mindestlohn, NZA 2017, 745–751. Wensing, Hans-Hubert/Boensch, Fabian: § 315 BGB: Das Instrument zur Flexibilisierung arbeitsvertraglicher Sonderzahlungen, BB 2014, 2358–2363. Westermann, Harm Peter: Das Transparenzgebot – ein neuer Oberbegriff der AGB-Kontrolle?, in: Festschrift für Ernst Steindorff zum 70. Geburtstag, Berlin 1990, S. 817– 834 (zit. als Westermann, in: FS Steindorff).

542

Literaturverzeichnis

Westermann, Harm Peter/Grunewald, Barbara/Maier-Reimer, Georg, Erman: Bürgerliches Gesetzbuch. Handkommentar mit AGG, EGBGB (Auszug), ErbbauRG, LPartG, ProdHaftG, VBVG, VersAusglG und WEG, Band I, 13. Aufl., Köln 2011 (zit. als Erman/Bearbeiter, 13. Aufl.). Westermann, Harm Peter/Grunewald, Barbara/Maier-Reimer, Georg, Erman: Bürgerliches Gesetzbuch. Handkommentar mit AGG, EGBGB (Auszug), ErbbauRG, LPartG, ProdHaftG, VBVG, VersAusglG und WEG, Band I, 15. Aufl., Köln 2017 (zit. als Erman/Bearbeiter). Westphalen, Friedrich Graf von: Das Dispositionsrecht des Prinzipals im Vertragshändlervertrag, NJW 1982, 2465–2473. Westphalen, Friedrich Graf von: AGB-Recht ins BGB – Eine erste „Bestandsaufnahme“, NJW 2002, 12–25. Westphalen, Friedrich Graf von/Thüsing, Gregor (Hrsg.): Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 42. EL, München 2018 (zit. als Graf v. Westphalen/Thüsing/Bearbeiter). Wiedemann, Herbert: Das Arbeitsverhältnis als Austausch- und Gemeinschaftsverhältnis, Karlsruhe 1966. Wiedemann, Herbert: Anmerkung zu BAG v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07, RdA 2009, 186–189. Willemsen, Heinz Josef/Jansen, Jan-Philip: Die Befristung von Entgeltbestandteilen als Alternative zu Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalten, RdA 2010, 1–10. Wolf, Manfred/Lindacher, Walter F./Pfeiffer, Thomas (Hrsg.): AGB-Recht. Kommentar, 6. Aufl., München 2013 (zit. als Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Bearbeiter). Zoller, Edgar: Vorleistungspflicht und AGB-Gesetz. Die formularmäßige Vorleistungspflicht und das funktionelle Synallagma im Lichte des AGB-Gesetzes, München 1986 (zit. als Zoller, Vorleistungspflicht und AGB-Gesetz). Zöllner, Wolfgang: Vorsorgende Flexibilisierung durch Vertragsklauseln, NZA 1997, 121–129. Zöllner, Wolfgang: Kritische Grundsatzüberlegungen zum AGB-Recht, ZfA 2010, 637– 656.

Sachwortverzeichnis Abhängigkeit, des Arbeitnehmers 104, 107, 301, 311, 316, 324, 327, 348, 353, 356, 408, 516, 519 Abschlussrelevanz, hypothetische – als Voraussetzung der Benachteiligung wegen Intransparenz 152, 416, 420 – bei Bestimmungsvorbehalten 152, 424, 432, 453, 455, 465, 523 – geldwerter Leistungen 409, 443 Angemessenheit, von Bestimmungsvorbehalten 59, 199 Angemessenheitskontrolle 157, 213, 217, 234, 237, 238 Arbeitsentgelt 245, s. auch Gegenleistungscharakter – Aufwendungsersatz 256 – Betriebstreueleistungen 253 – laufendes Entgelt 254 Auslegung – Verhältnis zur Transparenz 366, 368 – von AGB 251 – von Bestimmungsvorbehalten 66, 67, 206, 267, 270, 359, 370, 456, 509, 510 – von Leistungsbestimmungsrechten 83, 90, 91, 267, 270 Äquivalenzverhältnis 45, 60, 92, 207, 228, 230, 236, 263, 274, 288, 296, 340 Benachteiligung, durch Bestimmungsvorbehalte 219, 299 Berechtigtes Interesse, einseitige Leistungsbestimmungsrechte 79, 116, 203, 218, 222, 343 Bestimmtheitsgebot 79, 120, 121, 376, 387, 406, 431, 438, 452 Beurteilungsspielraum, des Arbeitgebers bei Bestimmungsvorbehalten 65, 398, 405

Billiges Ermessen – als Mindestinhalt von Bestimmungsvorbehalten 265, 450, 456 – Anwendbarkeit bei Bestimmungsvorbehalten 60, 83, 90, 270, 371 – Bedeutung 93, 98, 259, 269, 399, 423, 451 Billigkeitskontrolle – Einfluss auf die Angemessenheitskontrolle 59, 75, 82, 95, 118, 323, 350, 355 – Einfluss auf die Transparenzkontrolle 411, 457 Blue-Pencil-Test 469, 480 Ergänzende Vertragsauslegung 470 – bei unwirksamen Bestimmungsvorbehalten 490 Festlegung der Leistung auf null, Bestimmungsvorbehalte 32, 188, 230, 231, 318, 437, 446 Flexibilisierungsinteresse im Arbeitsverhältnis 222, 306, 310, 323, 338, 344, 351, 404, 415, 426, 489, 495 Freiwilligkeitsvorbehalt 32, 101, 284, 320, 330, 332, 413 Funktionaler Äquivalenzvergleich 246 Gegenleistungscharakter, arbeitgeberseitige Leistungen 64, 104, 245, 251, 344, 406 Geltungserhaltende Reduktion 164, 468, 476, 482 Harmonisierung, Maßstäbe der AGBKontrolle von Flexibilisierungsklauseln 105, 332

544

Sachwortverzeichnis

Kernbereichsschutz – bei Bestimmungsvorbehalten 227, 240, 257 – Herleitung 233 – Bedeutung 228, 240 Kompensation unangemessener Benachteiligung – bei Bestimmungsvorbehalten 353 – bei Leistungsbestimmungsrechten 95 Kontrollfähigkeit – Inhalt der Kontrollfähigkeit von AGB 167, 174 – von Bestimmungsvorbehalten 170, 174, 180, 188 – Verhältnis zur Kontrollfreiheit 169 Leistungsanreiz – bei Bestimmungsvorbehalten 60, 125, 315, 334 – bei Stichtagsklauseln 105 – durch Sonderzahlungen 305, 315, 344 Leistungsumfang, Festlegung bei Bestimmungsvorbehalten 257, 433, 443 Leitbildfähigkeit – allgemeiner Rechtsgrundsätze 214, 236 – des § 315 BGB 213, 268 Marktversagen, Verwendung von AGB 160, 164, 181 Motivationszweck, flexible Leistungen 253, 301, 310, 316, 338, 405 Preisanpassungsklausel 72, 289, 433 Privatautonomie 160, 181, 275, 278, 281, 289 Rechtfertigungsgrund – bei Widerrufsvorbehalten 110 – bei Bestimmungsvorbehalten 219, 221 Richtigkeitsgewähr, privatautonome Entscheidungen 160, 277, 280, 283, 289 Risikoverteilung, im Arbeitsverhältnis 318

Schutzzweck des AGB-Rechts 96, 160, 162, 182, 479 Sonderzahlungen – Abgrenzung zur laufenden Vergütung 254 – Bedeutung für den Kernbereichsschutz 243 – Einfluss auf die Angemessenheit von Bestimmungsvorbehalten 59, 258, 344 – Einfluss auf die Transparenz von Bestimmungsvorbehalten 59, 406 – Feststellung des Vorliegens 251 Stichtagsklausel 105, 315 Synallagma – Bedeutung 275 – und Bestimmungsvorbehalte 284, 285 – Verhältnis zur AGB-Kontrolle 278, 281 Täuschungsverbot 375 Transparenz – Inhalt des Transparenzgebotes 146, 151, 154, 368, 374 – unangemessene Benachteiligung durch Intransparenz – bei der Vertragsdurchführung 153 – bei Vertragsabschluss 151 – Vorliegen bei Bestimmungsvorbehalten 418, 442, 452 – von Bestimmungsvorbehalten 378, 383, 385, 392, 401, 425, 433, 443, 449, 456 – Ziel der Transparenzkontrolle 154 Unterlegenheit – situative des Vertragspartners bei AGB 160, 278, 435 – strukturelle des Arbeitnehmers 103, 319 Verhältnis Transparenz- und Angemessenheitskontrolle 154, 347 Versetzungsklausel 58 Verständlichkeitsgebot 375, 392

Sachwortverzeichnis Vertragsbindung (pacta sunt servanda) – Abweichung durch Bestimmungsvorbehalte 188, 190, 214, 219, 345 – Abweichung durch Freiwilligkeitsvorbehalte 103 – Bedeutung 190 – Leitbildfähigkeit in der AGB-Kontrolle 214 Vertragsprinzip – Abweichung durch Bestimmungsvorbehalte 190, 194, 219, 311 – Bedeutung 190, 194, 280, 281 – Leitbildfähigkeit in der AGB-Kontrolle 214 Vorhersehbarkeit, der Leistungsbestimmung 314, 395, 435, 450

545

Widerrufsvorbehalt – Abgrenzung zu Bestimmungsvorbehalten 32, 331, 332 – Konkretisierungspflicht der Widerrufsgründe 112, 330, 426 Wirtschaftsrisiko, Verlagerung durch Bestimmungsvorbehalte 229, 318 Zumutbarkeit – als tatbestandliche Einschränkung von Leistungsbestimmungsrechten 79 – der Konkretisierung von Bestimmungsvorbehalten 404, 425, 438, 443 – Kriterium der Transparenzkontrolle 79, 401