Freundschaftlicher Briefwechsel zwischen Gotthold Ephraim Lessing und seiner Frau: Teil 2 [[Briefe], Reprint 2022 ed.] 9783112660782, 9783112660775

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Freundschaftlicher Briefwechsel zwischen Gotthold Ephraim Lessing und seiner Frau: Teil 2 [[Briefe], Reprint 2022 ed.]
 9783112660782, 9783112660775

Table of contents :
1. Meine Liebe! - 71. Meine Liebe!
72. Mein liebster Freund! - 82. Gleim an Lessing.

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Freundschaftlicher

Briefwechsel zwischen

Gotthold Ephraim Lessing nut seiner Frau.

Zweyter Theil. Berlin, 1789. bey D« ß und Sohn.

^ae»e—

I. Wolftnbütkel, in 19. 5»L 1771,

Meine Lieb«! ^ch habe es seit vierzehn Tagen mehr alt

einmal versucht, an Sie zu schrelben: «iber vergebens. Und es wird ein großes Glück

seyn, wenn ich endlich doch diesen Brief zu Stande bringe. So sehr hat mich der Brun­

nen angegriffen, den ich gestern geendet, und von dein ich mir mehr gute Wirkungen verspreche, als ich noch zur Zeit empfinde. — Möchte es aber doch mit mir nur seyn, wie «s wollte: wenn es nur mit Ihnen so wäre,,

wie ich wünsche. Ihr letzter Brief verschweigt mir sicherlich mehr, als er mir sagt; und

ich muß mir alle Gewalt anthun, mir, vov« nemlich in Betrachtung Ihrer Gesundheit,

nicht das Allerschlimmste vorzustellen. In L-ff. ft. Brief». :.D. Ä dieser

dieser Furcht bestärkt mich,

daß ich keine

Briefe von Ihnen, sondern nur immer Ant­

worten erhalte. Ich weiß, daß Sie mir doch sonst ein paar Briefe geborgt haben, bis

ich Ihnen meine Schuld mit Interessen ab­ Und daß Sie es itzt nicht thun, daran ist gewiß nichtIhr bloßes Richt-wollen Schuld. Das verwünschte Wie»! Wenn es auch Ihnen leere Hoffnungen vor­ tragen konnte.

gespiegelt hat, so werde ich ihm aufZeit mei­

nes Lebens gram werden.

Könnte ich weuigstens doch nur itzt abkommen, um mich desto geschwinder in Ihrer Gesellschaft von der Nei­

gung zu kuriren, die noch dann Md wann für diesen betrügerischen Ort bei mir fhricht, Ich käme Ihnen, ehe Sie es sich versähen/ über den Hals, möchte doch der Herr von @ * * davon denken, was er wollte. Da

Sie mir nicht melden, daß er eben etwas Bn sonders für Sie thut, und da er hingegen so viel für den elenden R. thut: so ist er mir herzlich ekel, uird es wird mir die äußerste

Ueberwindung kosten, wieder an ihm z« schreiben. Heute thu' ich es schon gewiß

nicht; wenn ich gleich weiß, daß ich so nach

auch desto länger fein Kompliment über di« Auffüh-

Aufführung der Emilie werbt entbehren müs­

sen. Wie gern will ich es ihin ganz schenken t Und wie gern hätte ich auch die ganze Auffnh» rung dem Wicnertheatcr erlassen wollen. Nach

allem, was Sie mir davon schreiben, muß

Der abscheuliche Kerl, der Stephanie! Und daS alles lassen sich die Wiener so gefallen? Zwar die Wiener Zuschauer sind mir schon längst

sie ganz abscheulich ausgefallen seyn.

eben so verdächtig, als die Akteurs.

Daß sie indeß hier und da in meinem Stücke ge­

lacht habe», ob es gleich eine Tragödie seyn

soll, verdrießt mich nun wohl nicht: aber freilich, wenn die Akteurs alles Ihrige dazu beigetrage», daß die Zuschauer da lachen müst fen, wo sie sicherlich hier bei uns nicht ge­ lacht haben, so hat es der Kaiser wohl schwer» lich zum kobe des Stückes gesagt, daß er in keiner Tragödie mehr gelacht habe, als irt

dieser. O meine Liebe, ich fürchte, ich wür­ de ein noch weit ungebildeter und noch weit

undankbarer Publikum vor mir haben., wenn

das geschehe, was Sie zu wünschen scheinen! Und doch würde ich es darauf wagen, wenn — Sie wissen ja wohl. Mer welche uiig* wisse Aussichten! —

A 2

Was

Was Sie mkr von R * * schreiben, bä­ hen wir hier wirklich zum Theil schon gehört,

vnd zum Theil ist es sogar schon gedruckt. Es fehlte noch, wenn Sie glauben, daß (8 * * Sie leicht selbst in Verdacht haben

könnte, wenn er erfährt, daß man seine sau­

bere Kreatur auch hier kennet. Und doch glaube ich nicht, daß er es vonR * * weiß,

was Sie vermuthen ,

daß ec von unserer

Freundschaft wisse.

Wenn davon etwas nach Wien gekommen ist, so ist es ganz gewiß

allein durch Wagnern dahin gekommen.——Bald hatte ich Ihnen etwas nach Wien geschickt, was Sie als den Dank für daS

mir überschickte Portrait von Klotzen hatten anfehen mögen. Und vielleicht thue ich eS mit der nächsten Post doch noch. Sie wis­ sen ja, daß ich voriges Jahr in Berlin mich von Grafen mußte mahlen lassen. Dieses Por­

trait ist itzt von Bausen in Leipzig gestochen, sehr schön gestochen; ob aber auch ähnlich,

und so äußerst ähnlich, als mich die Leute bereden wollen, das werde ich am beste» von Ihnen,

nm» —

meine Liebe,

erfahren köri-

5 Gestern hat mich, rathen Sie wer? aus

Hamburg besucht.

Doktor Malscn; den ich

in einen Ihrer Briefe einmal für D- Mumsen las. Er ist in Angelegenheiten des Raths­ herr» Rickert hier, welcher ein ziemliches bei d. h. zu fordern hat.

Dieses Haus hat

schon seit einiger Zeit aufgehöret zu bezahlen,

und seine Gläubiger in Hamburg sind mit dem Moratorio, das man ihm hier gegeben, sehr übel zufrieden. Aber ich denke doch, daß es dabei bleiben wird, und daßD.Malsen wird vergebens hier gewesen seyn. NeueS hat er mir eben aus Hamburg nicht viel er­

zählet, was ich glauben könnte, was Sie

Aber was ihn selbst be­ trifft , haben Sie vielleicht noch nicht gehört: uichr schon wüßten.

ncmlich, daß man sagt, er werde die Mumsen heyrathcn. Und nach dem zu urtheilen, wie er sich über Sic äußert, möchte es wohl auch wahr werden.

Wenigstens hat er mich

versichert, daß B. die Mumstn gewiß nicht bekömmt; denn auch mit der Mumstn hatte man B. schon in Gedanke» verheirathct;

nicht allein mit dec Mamstll Alberti.

Sie

wissen doch, wen diese nun bekömmt? Nicht

den reichen Portugiesen, oder Spanier, den A 3 Sie

Sie ihr so gern gegönnt hätten; sondern ei­ nen jungen Doktor, Namens Häseler, in Al­ tona ; den Bruder des dortigen Stadtphysici. Ebert reiset mit Malsen in einigen Ta­

gen zurück nach Hamburg, und er hat mir sehr angelegen, von ihrer Gesellschaft zu seyn. Aber was soll ich in Hamburg? Sie, meine

Liebe, noch lebhafter vermissen? In jeder von unsern gewöhnliche» Gesellschaften würde mir eine Person fehlen; und mehr als eine würde mir zu viel seyn. — K. ist auch noch

in Hamburg; und sein Geschäfte geht sehr langsam; wenn cs anders gar geht. — Daß Wutford als Gesandter nach Koppenhagen

geht, wetden Sie wohl in den Zeitungen ge­ lesen haben? Unsere arme Z —! das geht hart über sie her! Wenn sie alles verloren

hat, wird sie endlich doch auch das verlieren,

was sie längst gern verloren hätte.

Zink ist

wirklich schon mehr tod, als lebendig. — Nun leben Sie wohl, meine Liebe. Gott beschere mir bald angenehme Nachrichten von

Ihnen.

Ich umarme Sie tausenmal; und

bi» Zeit Lebens ganz

»er J-ri,e L.

loo.

I Vie», he« liebster freund! 83enn Sie zugegen wären, könnte ich Ih­

nen vier weitläufige Briefe zeige», die ich eben ihrer Weitläuftigkeit wegen nicht abge­ schickt habe.

Denn wenn ich es recht be­

dachte, so fiel mir ein: was hilft es, daß Du Deinem Freunde Klagen vorbringst, de­ ren Ursache» Er nicht heben kann, so gerne Er es thäte, wenn es in seiner Macht stün­

Um nun nicht wieder in die Versuchung zu fallen auch diesen Brief liegen zu lassen, will ich Ihnen nur überhaupt sagen: meine Sachen gehen noch nicht wie ich wünsche; de.

gegenthcils verschlägt sich eine gute Aussicht nach der andern, und seit sechs Woche» her hat jeder Tag eine neue Plage für mich. Nur erst vor einigen Tagen bin ich wieder mit

700 fl. — in ein Falliment verwickelt wor­ den; wo ich mit dec größten Vorsichtigkeit mich eingelassen hatte. Hierzu kommt noch daß Schubach gerne die Sache aus einander gesetzt wissen will, was doch nicht möglich

A 4

>st,

ist, wenn nicht allein ich zur Bettlerinn weik-

den, sondern auch sogar meine Gläubiger zu

kurz kommen sollen.

Für mich wird ohnedieß keine Rettunseyn, wenn ich nicht zu Unterstützung dec Fabrik« vom Hofe Vorschuß erhalte, Wa­

ich bis jetzo noch nicht begehret, nun aber iu einigen Tagen, und zwar gerade von der Kai­ serinn, begehren werde. Ich habe bisher ge­ glaubt, meine Geschwister würden mir daIhrige lassen, es scheinet aber daß, beson­ ders der Professor keine Lust dazu hat. Sie dazu überreden mag ich nicht, weil ich sehe, daß alle mein Fleiß nicht beglückt ist. Wen»

demnach der Hof nicht die Hand bieten will, fi> werden vermuthlich zwei imFlor stehendeFabriteil, bei denen ich alle das Meinige einbüßeu werde, eingehcn müssen; und das just zur Feit, wo der Absatz anfangt ergiebig zu werden. Denn fett meinem Hierseyn hat er außeror­

dentlich jugcnommen. will sich engagiren,

Ei» Kaufmann allein mir monatlich für

looo Fl. Waare gegen baare Bezahlung ab­ zunehmen, wenn ich ihm dagegen Pässe für et» Quantum von 8000 Fl.

ausländische

Waare verschaffe, und das auf so viel Jahre

«ls

als es der Hof eingehen will. *-*

Wäre eS

nicht sonderbar, wenn dein ungeacht alles den Krebsgang ginge? Gewiß! nicht nur sonder­ bar sonder» sehr hart, und doch kann es

leicht so kommen.

Was ich aus G * * machen soll, weiß

Ich

nicht. Er bezeugt sich außerordentlich freundschaftlich; aber er scheint mir nicht

recht zu trauen, sondern vielmehr zu glauben, meine Verlegenheit sei bloße Verstellung; ich suchte die Hülfe nur, um mit guter Manier

von hier los zu kommen. Ich weiß, daß er sogar der Kaiserin erzehlet hat, ich sei hieher gekominen, um das Werk anzugeben. I» welcher Absicht? kann ich nicht errathen.

Sie mag aber gewesen seyn, welche sie wolle,

so hätte er mir iminer einen größern Gefalle» gethan, wenn er lieber ganz von mir geschwie­ gen hätte. Denn es ist nichts natürlicher, als daß man den sich selbst überläßt, von

rem man vermuthet, daß er nach erhaltener Hülfe ins Fäustchen lacht und davon geht. Demohngeachtet schreiben Sie ihm, thun Sie es mir zu Gefallen. Jetzt erst kann ec «nir nutzen, wen«« er will.. Bisher ist noch

8l 5

nichts

IO

nichts von meiner Sache in dem Staatsrach gekommen, weil ich die ersten Instanzen nicht habe vorbei gehen wollen. Was- ich aber htm direkt« an die Kaiserinn eingeben werde, das wird Sie, wie gewöhnlich, mit sich in den Staatsrach nehmen, wenn er danndaS Wort für mich redet, so wird mir gewiß bin­ nen kurzem geholfen. Wenn ich bei den vielen Verdrießlichkei­ ten nur noch den Trost hatte, Sie recht ge­ sund und vergnügt zu wissen; aber Sie scheinen mir nichts weniger, als das zu seyn. Wenn es nicht gar noch schlimmer mit Ihnen ist, als Sie sagen: Wenigstens wenn es noch Nicht schlimmer ist, so kann es leicht schlimmer tverde», wenn Sie nicht in Zeiten vorbeugen. Das beste Mittel wäre gewesen, Sie hatten mst Lberten die Reise nach Hamburg gemacht. Beides die Zerstreuung uiib Bewegung hät­ ten sie sicherlich kurirt. Folgen Sie meinem Rathe und thun Sie es noch. Oder mache» Sie eine andere Reise. Die auf Hier möch­ te ich Ihnen nicht rathen, wenn Sie anders noch einmal für den hiesige» Ort bestimmt sind. In meiner Gesellschaft müßte er Ih­ nen durchaus zum Ekel werden. Mir ist er «r

«s so, daff ich Gott auf den Knieen danken würde, wenn ich ihn diese Stunde verlassen könnte, um ihn auf nimmer wieder zu sehen. Aber fteilich mag es wohl weniger an dem Orte, als an den Umständen liegen, worinn ich jetzt bin. Ich erinnere mich noch wohl der Zeit, da ich lieber an jeden andern Ort

gegangen wäre als nach Hamburg, und wen«

es jetzt auf meinen Willen ankäme, so vertauschte ich Hamburg nur mit einen einzigen Ort in der Welt, den ich Ihnen wohl nicht zu nennen brauche. Don D * * höre und sehe ich nichts. Man sagt aber neuerdings W. werde auf hier berufen. So viel ist sicher: daß er mit Sonnenfels fleißig Briefe wechselt, doch glaube ich nicht, daß es diese Ursache zum

Grunde habe. Für die mir mitgetheilte Neuigkeiten von

Hamburg danke ich. —

Es war mir keine

angenehmer, als die, daß Albertis Tochter versorgt wird. Wie gehet es denn der Mut­ ter mit den übrigen Kindern? Haben sie auch

ihre Versorgung? —

An der Heirath mit

der Mumsen und Malsen habe ich nichts aus­ zusetzen, als -aß sie zu ungleich an Jahren

ist.

ist.

Sie muß wenigstens acht Jahre alter

seyn als er.

Sonst sind es beyde ein paar

rechtschaffene Leute,

die einander würdig

sind. Bei Gelegenheit erkundigen Sie sich doch genau, wie die Sache» von T. d. h. ste­ hen. Ich habe zwar keinen große» Posten an ihnen zu fordern, allein ich verliere so viel kleine Posten, daß am Ende nichts für mich über bleibt. Die gute Z. dauert mich um so mehr. Weil ich mich, wie ich glaube, nicht irre,

wenn ich in die Beständigkeit des Herrn SB** kein großes Vertrauen setze. Was

meinen Sie? Und was meinen Sie? hätte ich nicht

Ursache mit Ihnen zu zanken, über die Unschlüssigkeit, worinne Sie gewesen: ob Sie mir Ihr Portrait schicken oder nicht schicken wollten? Ich hoffe die Sache hat sich zu mci> nein Besten entschieden, und cs ist unter­ wegs, sonst wahrhaftig! bereden Sie Mich

nimmermehr, daß Ihnen das Meinige so an­ genehm gewesen. Vergesse» Sie nur auch nicht, daß mir das Original von Grafen

gehört.

Sie haben es uitr ausdrücklich zu­ gesagt.'

gesagt.

Nun, mein Freund, leben Sie wohl,

und da Sie überzeugt sind, daß ich Ihnen

sonst oft Briefe geborgt habe, so seyn Sie erkenntlich, und borgen mir auch wiederum eini­ ge, bis ich wieder im Stande bin, Vorschuß zu leisten. Ich wünsche Ihnen bald waS angenehmes sagen zu können; noch mehr aber

wünsche ich zu hören, daß Sie gesund und zufrieden sind.

Möchte diese Nachricht im»

terweges seyn! Ich bin auf immer

Ihre ergebene Freun-iyE. C. K. Herr Sternschütz ist vor einigen Tage» kegraben worden. Die Huberinu soll über seinen Tod untröstlich seyn.

3* Wolfenbüttel, - 26. Lktob. 1772,

Ä es möglich, meine Liebe, ist es in aller Welt möglich, daß ich Ihnen in so langer Zeit nicht geschrieben habe? daß ich es habe aushalten können, in so langer Zeit nicht-

von Ihnen zu sehen uud zu hören? — Wenn

Sie argwöhnisch waren! Wenn ich nicht glaubte, daß Sie mich zu wohl kennte»! — Besorgt mögen Sie immer um mich gewesen

seyn; aber wenn Sie je einen argen Gedan­

ken der meiner nnd Ihrer unwürdig wäre, von mir gehabt haben: wahrlich, so verdie­ ne ich, daß Sie mir es abbitten. — Richt

wahr, der Wendung hätten Sie sich nicht versehen? Ich verlange Abbitte, und sollte sie selbst thun. — Run ja, meine Liebe, ich Hilke Sie tausendmal uin Verzeihung, wenn ich Ihnen einen einzigen mißvergnügten und bekümmerten Augenblick gemacht habe. Gleich­

wohl würde ich untröstlich seyn,

wenn ich

Ihnen auch ganz und gar keinen gemacht hat­ Aber, werden Sie fragen, warait lag es denn nun? — An tausend und tausend

te. —

Dingen,

die all so klein sind,

gar nicht erzehlen lassen;

sammengenonimen so

eine

daß sie sich

die aber doch zuaußerordentliche

Würkung auf mich gehabt haben, daß ich, «« wenig zu sagen, die ganze Zeit über, die ich nichts von mir hören lassen, so gut als

gar nicht gelebt habe.

Richt, daß ich etwa

krank gewesen; ob ich mich schon auch nicht

gesund

gesund befunden.

Ich bin schlimmer alS

krank gewesen; mißvergnügt, ärgerlich, wild;

wieder mich, und wieder die ganze Welt auf­ gebracht; Sie allein ausgenommen. Dazu kam, daß ich mich in eine Arbeit verwickelt hatte, die mir weit mehr Zeit und Anstren­

als ich voraus sehen können. Seit ein Paar Tagen habe ich einen kleinen Stillestand mit dieser Arbeit machen müssen,

gung kostete,

und vielleicht kommt es eben daher, daß ich mich jetzt ein wenig ruhiger befinde. Ich will mir diese Augenblicke zu Nutzen machen,

die ohne Zweifel bald wieder verschwinden dürften; und will mich wenigstens gegen eine

Person in der Welt ganz ausschütten. Und wer könnte diese einzige Person anders seyn, als Sie? — Sie wissen, meine Liebe, was ich Ihnen oft gestanden habe: daß ich es auf

die Länge unmöglich hier aushalten kann. Ich werde in der Einsamkeit, in der ich hier leben

muß, von Tag zu Tag dümmer nnd schlim­

mer.

Ich muß wieder unter Menschen, von

denen ich hier so gut als gänzlich abgesondert bin. Den» was hilft es mir, daß ich hier und in Braunschweig diesen und jenen besu­ chen kann? Besuche find kein Umgang; und ich

ich fühle es,

-aß ich nothwendig Umgang,

rlnd Umgang mit Leuten haben muß, die mir nicht gleichgültig sind, wenn noch ein Fun-

fcn Gutes an mir bleiben soll.

Ohne Um­

gang schlafe ich ein, und erwache blos dann und wann, um eine Sottise zu begehen. —

Also hören Sie, meine Liebe, was ich mir Denn wie eS mit Ihnen gehen dürfte, sehe ich nun wohl.

sirr einen Plan gemacht habe.

Sie werden entweder nie, oder sobald nicht von Wen wegkommen. Wenn ich also hier­

bleiben und die Hände in den Schooß legen will, so wird aus allem nichts, was ich mir

in glücklichen Augenblicken manchmal so mög­ lich und so leicht vorgestellt habe. Dieses einzige folglich kann mich noch retten, oder nichts. — Sie erinnern sich, daß, als ich meine itzige Stelle annahm, ich mir ausdrück­ lich vorbehielt, in einigen Jahren eine Reise nach Italien thun zu dürfen. Nun bin ich beinahe drei Jahre hier;

und es darf nie­ manden befrcinden, wenn ich nun bald aus diese Reise dringe. Daß ich sodann den Weg

über Wien irehme, das versteht sich: theils

aus der Ursache, die niemand besser weiß, als Sie; theils um mit meine» eigenen Au­

gen

*7 gen da zu sehen, was für mich zu thun sey» dürfte.

Ich hal«e neuerlich, durch den Gra­

fen K., welcher mich hier in Wolftybüttel be­ suchte, sehr dringende Veranlassungen bekom­ men, diese Reise nach Wien doch ja einmal

zu thun; mit dec Versicherung, daß sie un­ möglich anders, als sehr zu meinem Glücke ausschlagc» könne. Das will ich sehen, um mir selbst nichts vorzuwerfen zu haben. Aber

ich will cs so sehen, daß ich nicht darauf

rechne. Ich bin versichert, daß unser Her­ zog, wenn ich ihm auf Jahr und Tag um Urlaub bitte,

mir ihn ohne Umstände ge­

ben, und mir nicht allein meine Pension fort­ sehen, sondern auch meine Stelle, so lauge

ich außenblcibe, offen lassen wird. Ja essollte mich ein Wort kosten, so wollte ich noch eine eigene Zulage zur Reise erhalten. Doch dieses würde mich zu sehr binden, und ich, will mich an jenem begnügen lassen.

Finde

ich cs nun in Wien so, daß ich Wolfenbüttek

darüber vergessen kann: desto besser. Finde ich

cs nicht, so habe ich mich doch wieder mit Ihnen, meine Liebe, besprochen, und ich weiß, woran ich bin. — Das Schlimmste Hierbei ist nur, daß ich nicht gleich morgen Lest. fr. Brief«, r. B.

Ä

auf-

aufiracken kann. Aber daß ich es je eher je lieber können möge, daß ist itzt mein einziges Bestreben. Jene ganze Arbeit, von der ich Ihnen gesagt habe, zielt dahin ab; weil ich doch nicht gern die Bibliothek in Unordnung und ohne ein Andenken von mir verlassen möchte. Der Winter wird wohl wenigstens darauf gehen; und ich werde mehr in diesem einen Winter arbeite» müssen, als ich sonst nicht in dreien gethan habe. Was schadet daS? Eine einzige gute Aussicht kann mich alles ertagen machen. —

Doch, meine Liebe, habe ich auch Recht gethan, Ihnen alles das zu schreiben? Sie sehen, wieviel ich von Ihrer Seite dabei voraus setze; wie sehr ich darauf rechne, daß Sie noch immer die neinliche sind. Möchte Ihnen dieser Brief nur nicht zu einer gar zu unruhigen Stunde zu komme». Möchten Sie wenigstens eine recht ruhige Stunde finden, mir darauf zu antworten. Das Herz bricht mir, wenn ich daran denke,

wie wenig Sie ruhige Stunden haben mögen. G,

Hierbey liegt ein Brief an den St. R. Ich traue dem Manne noch nicht recht, und

«9 und daß er -noch so wenig für Sie gethan hat,

macht mich noch mißtrauischer in ihm. Mel­ den Sie mir doch, ob Ihnen vielleicht seit­ dem seine Bekanntschaft etwas genutzt hat.

Neues

kann ich Ihnen nichts melde»;

außer daß vor einigen Wochen des Commifflonsrath Sohn wieder hierdurch nach Dres­

den ging, und mich versicherte, daß er von Dresden nach Wien gehen werde.

Ich höre aber, daß er schon wieder zurück nach Ham­

burg seyn soll. Er war so voller großer Pro­ jekte, daß, wen» aus keinem nichts gewor­ den, ich ihn bedaure. Leben S'e wohl, Liebe; und melden Sie mir cs bald, daß Sie wohl leben.

Ich bin

mit ganzer Seele »er Ihrige

Lessing.

4-

Wien, d. 26. Okto-. 1772.

Mein lieber Freund! ^ch habe es sehr oft vergeblich versucht, an Sie schreiben zu wollen; nie war ich dazu im

B r

Stande

Stande,

und bin es auch jeho noch nicht.

Allein wenn ich auch nicht weiter kommen folU te, so muß ich Sie wenigstens nur bitten, mir zu sagen: woran es liegt, daß ich auf zwei Briefe keine Antwort, ja seit dem 29. Zul. keine Zeile von Ihnen gesehen habe?

Ich kann mir Sie nicht anders als krank vor­ stellen. Unmöglich könnten Sie sonst eine unglückliche Freundinn so sehr vernachlässigen. Und wie sehr mich der Gedanke martert, brau­ che ich Ihnen hoffentlich nicht zu sagen. Gott gebe! daß meine Muthinaßungen ungegrün-

dct sey» mögen,

und daß bereits ein Brief

unterwegs seyn mag, der mich dessen versi­ chert. . Sonst versäumen Sie doch keinen

Augenblick, wenn es auch nur zwei Zeilen waren, mir Nachricht von Ihnen zu geben, oder geben z» lassen. Der Brief an G. mag immer zurück blei­ ben, wenn Sie ihm nicht schreiben wollen. Dieser Brief war eine Zeitlang ein Trost für

mich, weil ich Sie darum ersucht hatte, und

also glaubte, daß der die Ursache ftyn könn­ te, warum Sie das Schreiben so lange an

mich aussetzten; nunmehro aber will der Trost tncht mehr haften.

G.

31 G. hat neulich in meiner Sache im Staatsrath referirct, und zwar sehr zu mei­ nem Vortheil.

Den vorigen Schnickschnack

muß er also nur um etwas zu erzähle» ange­ bracht haben. S. hat nun auch das Einzige was ihn

hier noch einigermaßen in Ansehen erhalte», die Censur, verlohren. Er giebt G. * * die Schuld.

Ich glaube aber ehender, daß

er es sich selbst beizuiueffen hat. Nun leben Sie wohl! und erfüllen Sie

meine Bitte, damit ich nach so viel traurigen Stunden, wieder einmal eine freudige erlebe»

E.L.K.

5« Braunschweig, d. is. No«.

Meine Liebe! ^5ch bin seit drei Tagen in Braunschweig, wo ich allerlei zu thun habe, so daß ich Ih­

nen schwerlich von hieraus schreiben würde,

wem» mir nicht etwas auf dem Herzen brenn­

te, das ich unmöglich langer für mich behalB z ten

teil kann, und das ich Ihnen nothwendig mit

eilt Paar Worten melden muß. Man laßt sich, über Berkin, durch den Kanal des Pr. S. und des jungen B- von

Sch., welcher, wie Sie wissen, Kaiserlicher Gesandte in Berlin ist, bei mir erkundigen, ob ich wohl geneigt wäre, unter vortheilhafteii Bedingungen nach Wien zu kommen. Na­ her will man sich darüber nicht auslassen, bis ich mich vorlausig erkläret,

ob man über­

haupt auf mich rechnen könne oder nicht. Ich antworte mit heutiger Post, wenn der Vorschlag nicht das Theater beträfe, so könne man auf mich rechnen. Nur mit dem Theater möchte ich nichts zu thun haben, we­ nigstens so lange nicht, als es unter einein Jmpressario stehe, und nicht unmittelbar von

dem Hofe abhange.

Doch ich glaube auch

nicht, daß der Vorschlag das Theater betrifft, sonder» daß etwas ganz anders im Werke ist.

Habe ich recht geantwortet, meine Lie­ be? — Ich will es hoffen, und Sie begrei­ fen leicht, was meine liebste Aussicht dabei sein kann. Was geschehen soll, weiß die Vorsicht am allerbeste» zu lenken. -— We­

nigstens

93 nigstens sehe ich doch aus dieser Anfrage, daß

man in Wien an mich denkt — an dem Or­ te, von welchen Sie so gern los seyn möch­

ten, und von welchem Sie vielleicht nie los­

kommen sollen. — Wenn Sie doch dieser Ge­ danke nur im geringsten aufheitern könnte! Sie glauben nicht wieviel ich leide, wenn ich mir Sie niedergeschlagen denken muß!

Nahestcns, sobald ich wieder in Wolfen­ büttel bin, ein mehreres.

Seyn Sie indeß

wenigstens gesund! Mit der Versicherung meiner innigsten Liebe brauche ich hoffentlich

keine Zeit zu verlieren. Ich schreibe Ihnen heute nur, um Ihnen etwas neues zu mel­ den; nicht aber, um Ihnen etwas altes zu wiederhohlen. Ich bin, meine liebste, beste Freundinn,

g»»t 6er Ihrige

________

L

6.

Wien,

iS. Novenrt. 1771.

Mein lieber Freund!

Sie haben wohl Ursache sich selbst zu wun­ dern, daß Sie mich unter denen Umständen, B 4 wor-

worin» ich mich jetzo befinde, vier Monate

lang haben vergessen können.

Denn gestehe»

Sie es nur 1 Sie haben mich entweder würklich vergessen, oder haben wenigstens ver­ sucht, mich zu vergessen. Aus Ihren eigene» Brief schließe ich das. Sie sind, sagen Sie, schlimmer als krank gewesen;

mißvergnügt,

ärgerlich, wild; wieder sich und wieder die ganze Welt aufgebracht; mich allein ausgenommen. Alles will ich Ihnen glauben, nur nicht das Letztere.

Ware dieß! wie wäre es möglich,

daß in der langen Zwischenzeit, auch nicht ein­ mal ein Funken von Mitleid Sie angefacht hätte, mir einige Nachricht von sich zu geben. Wenn Sie mein trauriges Naturel nicht kenn­ ten, so waren Sie noch zu entschuldigen. So wissen Sie aber, daß ich mir immer das Schlimmste vvrstellc.

Ich habe Sic mir

nicht weniger als auf den Tod krank, oder gar tod gedacht; nnd wie' mir bei dieser Vorstellung zu Muthe gewest», habe ich best

ser empfunden, als ich cs beschreiben kann. Dem ungeachtet verzeihe ich Ihnen von gan­ zen Herzen; allein bis zur Abbitte komme ich nicht, bis Sic mich besser überführen, daß Sic berechtiget sind, sie zu fordern. Wäre

35 Wäre Ihr Brief zu rechter Feit angekomtuen, wie er den Datum nach hätte kommen

sollen, so hätte ich ihn vor der Abreise meines Schwagers erhalten, was mir sehr lieb ge­ wesen wäre, weil ich mich alsden» nicht so gegen ihn verrathen hätte, wie ich in der letz­

ten Stunde seines Hierseyns gethan habe. Nachdem ich ihm alle mögliche Aufträge ge­ macht hatte, so fragte er mich: was er denn an Sie sage» solltet Die Frage überraschte

mich.

Mein Her; war ohnedem schon be­

klommen, denn die ganze Nacht hatte ich

schlaflos zugebracht, und mich init den Ge­ danken gequalet, daß er nun bald Sie und meine Kinder sehen würde, da ich hingegen in der traurigen Lage allein zurnckbleibeu müs­

se, ohne zu wissen, ob ich auch noch einmal das Glück zu geniessen hätte. Ich konnte ihm daher nicht antworten, bis ein Strom von Thränen dem Herzen Luft gemacht hatte.

Dann so sagte ich ihm: sagen Sie an Lessing in meinem Namen alles, wes Sie ihrem besten

Herzensfreunde sagen würden;

sage» Sie

ihm aber auch zugleich, daß er mir bald und

oft schreiben soll.

Ich weiß nicht, ob die

Art, wie ich das aussprach, oder ob er wück-

B 5

lich

3.6 lich in meiner Seele las, was drinnen vor­

ging,

ihm Thränen erpreßte; genug ich ha­

be in dem Augenblick die ei Jen Thränen in seinen Augen gesehen, und der Augenblick hat mich auch für vieles mit ihm ausgesöhnet. — Ich wünschte nur, daß ich ihm noch gesagt hätte: Sie wüßten alle meine Umstän­

de, und daher möchte er Ihnen die jetzige La­ Sie ist zwar noch immer dieselbe; außer daß der Absatz, der ge der Sachen erzählen.

seit

meinem Hierseyn

zugenommen,

mehr

und mehr zunimmt, und daß das Kommerzium auch anfängt mir Hülfe zu leisten, und daß ich überhaupt die '"ussicht habe, daß sie mich fernerhin auf das kräftigste unterstützen werden. Meine Freunde haben sich ebenfalls erkläret, mir zu Fortsetzung der Fabrike ihre Kapitalien lassen zu wollen.

Es wird nun

darauf ankoinmcn, zu was sich die übrigen

Gläubiger verstehe». Wollen sich diese den Verlust gefallen lassen, der ehender bei Verkaufung der Fabriken entstehen würde: so will ich das Werk fortsetzen, anders aber nicht. Den» meine Freunde lasse ich nicht

für den Rest sitzen, mag es mir den auch er­ Nicht wahr, mein lie­

gehe», wie es will.

ber

27 her Freund, ich habe Recht? In einigen Mo­

naten muß es nun entschieden werden. Ent­ weder ich bleibe ganz hier, oder wenn alles soll verkauft werden, so muß ich doch wenig­ stens »och sechs Monate hier zubringen; welche Zeit ich mir für eine Ewigkeit vorge-

stellt habe, bevor ich die glückliche Aussicht hatte, Sie hier zu sehen.

Ist eS denn aber auch gewiß? Haben Sie Ihren Plan auch in einer recht ruhigen Stunde entworfen? Wenn

daS auch nicht wäre, so dankte ich Ihne» schon dafür, weil er mir zu einem unendli­ chen Trost gereicht; vielmehr wenn Sie ihn vollführen, so werde ich Ihnen tausend und tausend Dank sagen. Die Reise nach Itali­ en muß ich mir freilich nicht dabei gedenken, sonst leidet die Freude einen ziemlichen Stoß.

Allein ich denke auch, daß eS dazu 'richt kom­ men wird. Wenn Sie eiiunal hier sind, wird man Sie schon fest halten. Der Graf K. muß ein recht braver Mann seyn, daß er Sie auf solche gute Gedanke» gebracht hat. Wenn

er nur in einigen Monaten wieder durch Wol­

fenbüttel käme, damit er Sie darin» befestig­ te : und wenn Sie nur nicht mehr Schwie­

rigkeiten beim Herzog finden,

als Sie sich

vorstellen.

verstellen.

Ich bi» gewiß, daß er Sie un­

gern verliert, und daß diese Reise den Weg

dazu bahnen könne, möchte U>m leicht einfal­ len. Ohne Ihre Stelle nicht ganz gewiß zu behalten, wollte ich Ihnen überhaupt nicht Wohl, wenn der Kai­ ser allein regierte, dann wollte ich garantie­ ren, daß Sie hier blieben. So lange aber

rathen, wegzugehen.

die Kaiserinn lebt, ist es vielen Schwierig­ keiten unterworfen, bis ein Protestant ange­ nommen wird. — Für R. hat G * * und

fein Anhang alles angewandt; die Kaiserin»

ist aber so gegen ihn eingenommen, daß Sie durchaus sich nicht hat bewegen lassen; und man sagt noch dazu für zuverlässig; er habe

umsatteln wollen. Mein Schwager wird Ihnen schon erzählet haben, daß R. tausend Dukaten für die Reise kriegt.

Er kann da­

mit zufrieden seyn, der elende Mensch! Ich hätte was drum gegeben, wenn man

an Sch. auch die Reise so hätte bezahle» wol­ len. Den hätte ich recht was ausgcfragt. Wenn ec in der Angstvollen Zeit gesagt hätte:

ich habe Lessing gesund gesehen; ich glaube, ich wäre ihin um den Hals gefallen. Aber nach

39 nach einer kleinen Pause — Nein! ich hätt« ihm nichts weiter gefragt. Sie gestehen ja so schon von sechsten,

daß Sie alle Tage schlimmer werden; das

glaube ich, den» davon habe ich Leider! die Probe; aber dümmer, das glaube ich nicht.

Die Einsamkeit macht eine ganz ent-

gegengesetzte Wirkung auf mich — ich werde alle Tage besser. Sie werden daher nicht die

nemliche an inir finden. Welch eine Frage! Sie hat mich nicht wenig beleidiget. — Je­ doch ich will über diese Frage sowohl, als wie über noch einige Stellen aus Ihrem Brief nicht weiter denken. Nur die Stelle, worin» Eie versprechen, kommen zu wollen, will ich recht oft überlesen. Sie hat einen solchen Eindruck auf mich gemacht, daß Personen, die mich für einigen Tagen gesehen, iitib eben

wieder besucht haben,

so eine Veränderung an mir gespürek, daß sie in mich drungcn, um die Ursache zu wissen. Geben Sie meinen

Freunden bald wieder Gelegenheit zu einer sol­ chen Neugierde. Richt wahr? Sie lasse»

tnich nun nicht wieder so la

Verlegen­

heit, sondern ersetzey vielmehr durch öfteres Schrei-

Schreiben die vielen Sorgen und Kummer, so Sw mir verursacht. Selbst war ich seit acht Tage» nicht in der Stadt.

Ich habe aber den Brief G.

gleich zugeschickt.

Ich kenne ihn nicht genug, @ * * hält

um ihn beurtheilen zu können.

ihn für falsch. Die Henlelinn ist schon vor einiger Feit von hier gereiset. Wenn Sie die einmal sprechen sollten, so würden Sie eine artige Schil­ derung von den Wienern bekommen. Mair hat ihr aber auch so unbillig begegnet, daß es ihr nicht übel zu nehmen ist, wenn Sie

ein wenig losziehet.

Keine einzige interessante

Rolle hat man sie spielen lassen, und so wie

sie erzählet, hat ihr S.und andere mehr, in die Augen gesagt: sie könne wohl in der Pro­ vinz gefallen, aber in der Hauptstadt unmög­ lich. Und wie Riedel sie das Erstemal sah, rief er aus: mein Gott! nun will ich doch

auch Wieland, Lessing, und allen denen Leuten ihren Geschmack nicht mehr trauen; denn so was abscheuliches habe ich nie gesehen. Dieser Brief blieb vorigen Posttag liegen,

weil ich verhindert wurde ihn zu schliessen. — Unterdessen habe ich einen Brref von Sch. erhal-

erhalten.

Der bleibt immer bei seiner alten

Meinung: ich sollte alles verkaufen, und mich nicht daran kehren, es möge heraus­

kommen, was da wolle.

Er ist bange, daß

ich eine gar zu große Last auf dem Halse be­ halte. So aber wenn nun alles zu Gelde gemacht würde, und er die Masse regulierte, denkt er so für mich sorgen zu können, daß

ich

zufrieden

deswegen

seyn würde.

von

allen

Er

hat sich

Gläubigern

Voll­

macht ausgebcten, die Masse nach seinem Gutdünken aus einauder setzen zu können. Von den meisten Fremden hat er sie auch

schon erhalten; allein meine Freunde werden sie ihm schwerlich geben, wie ich von meinem Frankfurter Bruder höre, von dem ich zu­ Meine Freunde wissen seine Absicht nicht, die ich Ihnen auch gleich einen Brief erhalten.

nicht schreiben mag, wie Sie leicht denken können. Was sagen Sie dazu? Ich gestehe

gerne, daß ich Sch. Rath gerne folgte, und mir die große Last vom Halst schaffte.

Wenn

ich aber auch bedenke, daß ich jetzo die Aus­

bei Fortsttzung des Werks die geben wollen, für Schade» bewahren zu können, so halte ich es für

sicht habe,

Gläubiger, so Geduld

für unverantwortlich,

thue. —

wenn ich

es nicht

Für beständig die Fabriken zu be­

halten, ist so meine Absicht nicht. Es wä­ re denn, daß Ihr Plan reussirtc. Sonst aber dächte ich, sie in einigem Jahren in ei­ nen solchen Stand zu setze», daß es mir als-, denn an Käufern nicht fehlen sollte. Ware' ich vom Anfang hier gewesen, so sollte es mir jetzo schon daran nicht fehlen. Die unbe­ dachtsame Art, wie hier gewirthfchaftet wor­ den, können Sie Sich gar nicht vorstellen. Ich habe auch von der Seite nicht wenig

Verdruß, weil man gewohnt ist, willkürlich zu agiren, und nur das zu thun was bequem fällt. Nun bitte ich «Sie inständig, schreiben Sie mir bald, und sagen Sie mir recht aufrich­ tig Ihre Meinung: ob ich Sch. Rath folgen soll oder nicht? Ls wird zwar nur zum Theil von mir abhangen; was denn nun aber von

mir abhängt, möchte ich gerne nach Ihrem Gutdünken einrichten. Seit gestern ist die betrübte Nachricht von A. I. Sohne hier.

Sie hat mich sehr alterie-

rct. Ich bedaure den braven Vater von gan­ zem Herzen. Nicht wahr? es ist sein einzi­

ger Sohn?

Mein

Mein ältester Sohn macht mir auch vie­

len Kummer.

Sein Schaden am Fuß hat

sich wieder aufgeworfen, und ich weiß nicht, unter welchen Händen er ist, und ob sie wohl gar in Heidelberg einen'geschickten Chirurgum haben? Ohne mich hierüber zu beruhi­ gen, hat man mir, doch in ganz besorglichen Ausdrücken, diese Nachricht von Frank­

furt ertheilt.

Gott gebe mir bald eine bes­

sere! Wo meine andern Kinder hinkommen

werden, wenn die Haushaltung nun aufge­ hoben wird? weiß ich auch noch nicht. Dee Professor besteht darauf, ich soll sie nicht hier­ her nehmen; sondern in der Pfalz in die Kost geben. Sobald ich aber dieß thun müßte,

so wünschte ich lieber heut als morgen auder Welt zu seyn. Ich weiß, was mich die Trennung setzt schon kostet, vielmehr, wenn

ich mich auf immer von ihnen trennen sollte.

Eben werde ich durch einen Besuch von

einem Herrn aus Prag unterbrochen, von dem ich gehört, daß dec Postwagen sich in Prag fünf Tage aufhalt. Sv käme also dieser Brief noch vor meinem Schwager zu Less. fr. Lnifw. i. 2).

E

Zh-

Ihnen. Dann machen Sie ihm viele Kom­ plimente; sagen Sie ihm aber nichts wei­ ter, als was er zu wissen nöthig hat. Ueberhaupt wollte ich Sie bitten, diesen Brief zu zerreißen, wegen dessen, waS von Sch. darinnen steht. Nun, mein Lieber, leben Sie wohl, und arbeiten Sie recht fleißig, damit ich Sie so bald als möglich hier sehe. Ich werde es mit dem lebhaftesten Dank erkennen, und Zeitlebens seyn ganz die Ihrige

E. C.K. 7« Wolftnbüttel, -ev 3. Dec. 1772.

Meine Liebe! Äm vorigen Freytage fiel Ihr Schwager, in doppeltem Verstände, für mich vom Him­ mel; weil er so unerwartet kam, und weil er von Ihnen kam. Meine erste Frage war: ob er allein sey? und meine zweyte: ob er keinen Brief habe? Allein, sagte er: und keinen Brief. Er wollte sogleich durchrei­ sen;

55 sen; aber ich bat ihn, die Post nach Braun­ schweig nur fahren zu lassen; ich wolle ihn gegen Abend selbst hinbringen. Das ge­ schah; und des Morgens darauf ging er mit der Hamburger Post wieder ab. Ich hörte die ganze Zeit unsers Beysaminenfeyns nicht auf, ihn zu fragen: aber warum denn kei­ nen Brief? Madame König muß meinen letzten Brief ja schon vor Ihrer Abreise em-' pfangen gehabt haben. — Das, sagte er, wisse ec so recht nicht; aber Sie wären die letzten Tage vor seiner Abreise außerordent­ lich beschäftiget gewesen, und vermuthlich würde ein Brief unterweges seyn. Mit die­ sem Troste kehrte ich, sobald er aus Braun­ schweig war, nach Wolfenbüttel zurück; und mit diesem Trost mußte ich mich ein, zwey/ drey Tage hinhalten. Denn erst den zwey­ ten dieses habe ich ihn endlich bekommen, Ihren Brief vvm 19. des vorigen. Auf dem Couverke war Nürnberg ausgestrichen, und von einer fremden Hand Prag dafür ge­

schrieben. Vielleicht ist dieses die Ursache, warum er so spät eingetroffen. Aber ich hät­ te ibn doch auch sonst schwerlich vor der An­ kunft Ihres Schwagers erhalten können;

C 2

da

36 da Sie meinen Brief vor feinet Abreise noch nicht in Händen halten. — Ich bebaut? es sehr, meine Liebe, wenn dieser Umstand Ursache gewesen, daß Sie etwas gegen ihn geäußert, welches Sie lieber gegen ihn nicht möchten geäußert haben. Ich kann Ihnen aber versichern, daß er von dieser Entde­ ckung, wenn es anders eine für ihn gewesen Ist, gegen mich keinen schlimmen Gebrauch gemacht hat. Denn er hat gar keinen da­ von gemacht, und sich durchaus nichts mer­ ken lassen. Sie werden am besten wissen, wie Sie dieses von ihm auslegen sollen. Ich wünschte sehr, daß Sie gut von ihm dach­ ten; noch mehr, daß Sie es von ihm;» denken Ursache hätten. Daü gestand er mir mit vieler Aufrichtigkeit, daß er Ihnen in Wien so viel als nichts geholfen; daß es aber nicht an seinen Willen, sondern an dec Sache selbst gelegen; und so wie er mir diese vorstellte, mag es auch wohl wahr seyn. Wie sehr habe ich Sie dabey beklagt! Und allerdings, es mag biege» oder breche», so müssen Sie ein Ende damit zu machen suchen. ' Auf die rechtschaffenste Art; das versteht Mr aber nicht auf die scrupulöseste. Frey­ lich

37 lich wäre «S am besten, wenn Sie das Werk zu erhalten suchten. Es wäre in einigen Jahren doch immer eine Art von Etablisse­ ments für Ihren ältesten Sohn, der es vol­ lends schon aufs Reine bringen könnte, wenn er arbeitsam sey» wollte.

Und ich sehe nicht, warum es Ihnen Ihre Creditores sauer ma­ chen sollten, es behalten zu können, wenn cs gegenwärtig doch nicht ohne den äußersten Verlust aufgegeben , oder verkauft werden

Legten sie es aber durch ihre Stren­ ge darauf an, so wäre cs auch nicht mehr, wie billig, als daß sie den Verlust mit Ih­ könnte.

nen theilten. Es geschehe indeß das eine, oder das andere: so hoffe ich, Sie doch noch gewiß in Wien zu sehen.

Sic fragen

mich, ob mein Plan auch in einer recht ru­ higen Stunde gemacht sey? Ruhig oder

nicht ruhig; genug, er ist gemacht, und ich bin noch in meinem Leben von keinem Plane abgegangen. Freylich werde» sich noch Schwierigkeiten dabey äußern; aber

diese Schwierigkeiten selbst werden mich de­ sto hartnäckiger machen, ihn durchzusetzen. Wenn sie nur erst schon vorbey wären, dieC 3 ft

SB Zwar die Zeit wird ge­ schwind genug vergehen. Ich meyne, wenn nur schon auch alles das geinacht und ge­ schehen wäre, was in der Zeit geschehen muß. Genug, daß ich es an meinem Fleiße nicht will ermangeln lassen. Die beständige Erin­ nerung der Absicht, die ich dabey habe, wird mich und kann mich allein gesund und mun­ ter erhalten — Und nun von etwas an­ dern. — Sie kommen doch noch von Zeit zu Zeit zu dem Hrn. von S>? Sagen Sie ihm doch, daß seine Correspondenz mit Kl. gedruckt worden; und daß ich es ihm mel­ ft sechs Monate!

den ließe, wenn er es nicht etwa bereits wüß­ te. Vielleicht versteht er, was ich damit sa­ gen will. Sie können noch hinzufügen, wenn Sie wollen; daß ich mir über eine gewisse Stelle eine öffentliche Erläuterung mit näch­ sten von ihm ausbikten würde. — Doch warum will ich Ihnen diesen Auftrag ma­ chen? Der falsche und niederträchtige Mann könnte leicht Ihnen selbst darüber feind wer­ den. Besser, daß ich mit nächsten selbst an ihn schreibe. Auch ist eine Stelle in seinen Briefen, wo er sehr nichtswürdig von G. spricht.

spricht. Ts soll mich wundern, was un­ ter den beyden saubern Herren daraus ent­ stehen wird. —

Riedel kömmt noch lange gut weg. Wenn er die tausend Ducaten nicht schon voraus verzehrt hat, so kann er sich an einem andern Orte ein besser Schicksal damit machen, als wahrscheinlicher Weise in Wien auf ihn ge­ wartet hatte. — Aber nun etwas recht Neues. Zwey von unsern Bekannten heyrathen. Rathen Sie, wer? Der eine ist Z. Und wen? das brauche ich Ihnen wohl nicht zu sagen. Bewundern Sie indeß seine Be­ ständigkeit. ;— Aber der andere?— da­ mit ich Sie nicht lange rathen lasse: E.! der göttliche T! Und wen? die göttliche Mademoiselle G. Hätten Sie sich so etwas träumen lassen? Z. ist noch eher zu entschul­ digen; oder vielmehr, Z. thut auf alle Wei­ se Recht, daß er einer alten eingewurzelten Neigung auf sein Alter mehr Bequemlich­ keit und mehr Anständigkeit verschaffen will. Aber C. I Ein Mann, der wenigstens zehn Jahr älter seyn muß, als ich! das uner­ träglichste, naseweiseste junge Ding! ManchC 4 mal

mal gönne ich es ihm, daß ihm kn dem Hau­ fe, wo er so lange Zeit schmarutzt hat, dec Strick über die Hörner geworfen wird. Abee manchmal denke ich doch auch, daß diese Strafe für ein fettes Maul zu arg ist. —Go gewiß indeß das eine sowol als daS andere wahr ist, wird es Ihnen nicht be­ fremden, wenn ich Ihnen sage, daß weder Z. noch E. mir zur Zeit das Geringste davon merken lassen?— Doch wieder auf Dinge zu kommen, die uns angchen. Wenn Sie in Wien bleiben, so müssen Sie wenigstens Matchen und meinen Pathcn schlechterdings zu sich nehmen. Ich würde cs Ihnen ver­ denken, wenn Sie ganz ohne Ihre Kinder seyn wollten. Und warum sollten Sie das? Cs ist unmöglich, daß es in Wien an Geletzenheit fehlen sollte, sie da so gut als irgend­ wo erziehen zu können. Wenn ich mich den Winter auf acht Tage abmüßigcn kann, so Möchte ich doch wohl noch nach Hainburg reisen. Und daß Ihre Kinder nicht daS klciuste Vergnügen sind, auf das ich mich allda freue, versteht sich. Mit der nächsten fahrenden Post will ich

Ihnen nun endlich schicken, was Sie, da Ihr

Ihr Schchwager nun weg kst, wenigstenohne neugierige Nachfrage erhalten können. Und alsdenn ein Mehreres! Heute muß ich hier schließen, damit ich nur die Post nicht versäume. —

Nun leben Sie recht wohl, meine Lie« he; und glauben Sie gewiß, daß es mir nicht möglich ist, anders zu sey», als auf Zeitlebens Ver Ihrige

Lessing, 8. Wien, den 5. Dee. 1778t

Liebster, bester Freund! Slun ist mein Schwager schon so glücklich

gewesen. Sie zu sehen, und das recht ge­ sund und vergnügt, oder aste meine Wünsche müssen vergebens seyn. Taufend und tau­ sendmal habe ich mich an seine Stelle ge­ wünscht. — Er wird Ihnen nicht viel An­ genehmes von Wien erzählt haben; denn ehat ihm hier höchst mißfallen. Nicht, daß er nicht ausgegangrn wäre; er ist alle Tage C 5 aus-

ausgewesen,

allein Sie wisse» schon,

muß eine Verplemperung haben,

er

und ich

weiß nicht, woran cs gelegen, daß ihm die­

se gefehlt. — Mir hat ec beym Abschied­ nehmen einen rechten Possen gespielt, indem er alle Bekannten ersucht,

mich fleißig zu

besuchen, und sie haben ihm zu meinem Ver­

druss: so treulich willfahrt, daß ich, seit sei­ ner Abreise, nichts als Besuche anzunehmen und Invitationen auszuschlagrn habe. Ich hoffe, das nun eingefallene üble Wetter

wird mir diese Last wieder vom Halse schas­ sen. Denn ich bin nun zu nichts weniger, als zu Gesellschaften aufgelegt. Ich bin an­ der» zur Last, und mir selbst.

Wenn ich

mir ja noch einige ruhige Stunden machen kann, so sind es die, wenn ich für mich al­ lein bin.

Was mir am beschwerlichsten

fällt, ist die Schwachheit meiner Augen, die

ich diesen Winter zum Erstenmal empfinde. Ich kann bey Licht nicht lange weder schrei­ ben noch lesen, und muß mich daher mit Stricken unterhalten; eine Arbeit, wobey sich gut Grillen machen lassen. Um den ver­ drießlichen Grillen auszuweichen,

habe ich

ein Paar seidene Strümpfe für Sie ange-

fan-

fange». Lachen Sie mich aber ja nicht ans! ich will esJbnen nicht ratken. Die Strüm­ pfe kosten mich mehr, als Sie glauben; ei­

ne Menge Lügen! Denn wer mich daran stricken sieht, will wissen, für wem sie sind.

Die Briefe, so kürzlich im Druck er­ schienen ; an Klotzen von unterschiedenen

Personen geschrieben,

haben Sie vermuth­

lich schon gelesen, und können also urtheilen,

ob sic verdienen, so viel Lärm zu machen, als sie würklich hier thun. Doch nur die Sonnenfelsischen, denn von den andern Briefen

ist wohl schwerlich noch einer gelesen worden, weil nur zwey Exemplare hier sind, davon eines die Kaiserinn hat, und um das andre ein solches Geschicke ist, daß es keiner län­ ger behalten kann, als bis er eben die Sonnenfelsischcn Briefe gelesen hat. Ich will hoffen, daß nicht alles darinnen steht, wie

man es erzählt, sonst könnte die Sache für

S. ernsthaft werden. Ich war gestern in der Stadt, habe aber nicht hingehen mögen, um nicht das traurige Gesicht von der Frau zu sehen. Hören Sie nur! auf welche Art

S. die Briefe erhalten hat. —

Die Teut­

sche-

scherinn ist in dein einen seiner Briefe sehr her­

unter gemacht. Wie also ihr Freund G * * das

liest, so laßt er sic gleich rufen, undsiemnßhingehen und S. zu Rede stellen, nur als ob sie es gehört Hütte, ohne des Buchs zu erwähnen.

Er laugnctc alles,

und sie,

die gute S.,

setzt sich mit ihr aufs Kanapee,

und sagt

ihr: sie sollte von ihrem Manne so was nicht glauben; sie selbst würde ihn verabscheuen,

wenn er fähig wäre,

was Uebels von ihr

zu schreiben. Die T. machte die Aktrice, und stellt sich, als wäre sie besänftigt; so wie sie aber zu Hause kömmt, schickt sie S.

die Briefe, als ein neu herausgekommenes Buch, zum Durchlesen. Was er hierauf für ei­ nen Schritt gethan hat, weiß ich noch nicht. — Den jungem St. soll er auch sehr schlecht

geschildert haben.

Der sagt: es würde ihm

nicht verdrießen, wenn er nicht in der Zeit so gut Freund mit ihm gewesen wäre. Einige hundert Exemplare sind mit der Post verschrieben, davon der Erzbischoff al­

lein dreyßig bestellt haben soll; vermuthlich, um sie zu verschenken. Eben auf den Erzbischoff soll auch eine

Stelle aus dem Briefe gehen.

Reinlich die­

se:—

se: —

Der grüne Hut habe ihm viel zu

schaffen gemacht, aber der rothe noch mehr. —

Welch eine Prahlerei) l weder der eine noch der andere Hut haben ihn viel zu schaffen ge­ macht» wohl aber sein unerträglicher Cha­ rakter und böses Herz.

le.

Seine Frau bedaure ich von ganzer See­ Um ihretwegen bin ich der KlotzlNN so

böse, wie möglich.

Wenn auch die äußerste

Noth sie zu Herausgebuirg der Briefe ge­

bracht hat,

so verzeihe ich es ihr dennoch

nicht. Der jetzige Censor, Regimentsrath Ha-

geiin, hat Bedenken getragen,

sie frey zu

geben; allein der St**G** hat die Ver­ antwortung ganz auf sich genominen.

Gestern hörte ich Mamsel Jaquet erzäh­ Sie wären ein so großer Vertheidiger der Madam H., daß Sie hierher geschrieben hätten: Sie wüßten nicht, wie Sie daS len :

hiesige Theater beurtheilen sollten;

entweder

müßten die hiesigen Schauspielerinnen lau­ ter Göttinnen,

rinnen seyn,

oder auch Kreuzer-Spiele­ weil eine H. nicht unter th­

uen gefallen könne, —

Schreiben Sie nur fer-

46

ferner so was, so werden Sie von Madame

Huberinn schön ausgenommen werden. Seit­ dem ich in ihrer Gegenwart die Parthie der H. genommen,

sieht sie mich mit ganz an­

dern Augen an,

wie sonst,

mich auch sogar nicht mehr.

und besucht Das ist der

einzige Fehler, den ich bis jetzt an der Fran kenne, daß sie das Lob Anderer nicht vertra­

gen kann. Seit drey Wochen habe ich keine Briese

vom Hanse.

Ich weiß nicht, was ich da­

von denken soll. Don allen schönen Ham­ burger Frauen hat mich der neu angekomineite Englische Legations-Sekretair, Herr E., gestern über zwey Stunden unterhalten. Die Madam S. hat ihm ganz besonders gefallen. Er ist von meinem Geschmack; ich zöge sie

auch nach war den»

Ich hatte ibn gern der Gr. Schwangerschaft gefragt; er mir aber zu der Frage zu jung. Ist würklich was daran?

allen andern vor.

Ihre Correspondenz mit Hamburg muß

denselben Gang gehen, wie die mit mir, weil

Sie mir von daher nichts Neues mehr schrei­ ben. Was ma^t denn der Detter? Er wird wohl

47 wohl immer reicher.

Wenigstens sagt man

hier: daß das dortige Lotto sehr gewinnt. — Nun mein Schwager in Hamburg ist, werde

ich von daher mehrere Neuigkeiten höre». Wenn nur gute! Sie wissen, ich habe einen Ahndungsgeist, und seit acht Tagen prophezeiht er mir wieder nicht viel Gutes.

Viel­

leicht liegt es aber nur an meiner Gesundheit.

Ich sitze viel, und lebe ein bischen unordent­ lich — das heißt — ich verfalle wieder in

meine alte Gewohnheit, spät in der Nacht

aufzubleiben, ob ich mir gleich alle Tage vor­ nehme, es nicht zu thun.

Nun, mein Liebster,

leben Sie wohl,

und arbeiten Sie fleißig. Sie wissen, war­ um ich Sie dazu ermuntere. Wollte Gott! Sie hätten Ihre Arbeit schon geendiget! da­

mit ich mir das außerordentliche Vergnügen, Sie zu sehen, näher denken könnte. —

Schreiben Sie mir bald, und schreiben Sie verbinden dadurch das

Sie mir öfters.

erkenntlichste Herz, das auf immer seyn wird

ganz das Ihrige

E. C.K.

9« Wolfenbüttel, Otn 8. Ja». 1773,

Meine Liebe! Sie sehen wohl, daß ich in meinen ÜbiöN

Gewohnheiten unverbesserlich bin.

Wenn es

nicht etwa unter meine guten Gewohnheiten

gehört, daß ich schlechterdings an Personen, die ich nur einigermaßen liebe, nicht schrei­ ben kann, wenn ich den Kopf voller Grillen,

und das Herz voller Galle habe.

Daß ich

gegen meine beste Freundinn hierin» eine Aus­

nahme machen mußte, wird sie vielleicht ver­

langen. Aber sie wird es aus allzu großer Güte verlangen, die ich lieber nicht zu erken­ nen- als zu mißbrauchen scheinen will.

Ge­

nug , daß sie auch so schon mehr von meiner Unzufriedenheit erfahrt, als ich mir schmeich­ le» darf, daß zu ihrer eignen Zufriedenheit gut ist. — Wahrlich, meine Liebe, ich batte Ihnen mehr Kummer gemacht, als erspart, wenn

ich

Ihnen eher gefthrieben batte, als fetzt. Denn nun fange ich eben wieder an, mich aufzuheitern;

de

und noch vor acht Tagen wür­

Ihnen jedes Wort verrachen haben, in wel-

welcher unglücklichen Gemüthsverfassung ich

«»ich befunden.

Ich kann mir es leider nicht

länger bergen, daß ich hypochondrischer bin, als ich jemals zu werden geglaubt habe. Das Einzige, was mich noch tröstet, ist dieses, daß ich aus der Erfahrung erkenne,

daß meine Hypochondrie wenigstens noch nicht sehr eingewurzelt seyn kann. Denn so­ bald ich aus dem verwünschten Schlosse wie­ der unter Menschen komme: so, geht eö wie­ der eine Weile. Und dann sage ich mir: „SBarurn auch länger auf diesem verwünsch­ ten Schlosse bleiben? „ Wenn ich noch der alte Sperling auf dem Dache wäre, ich wä­ re schon hundertmal wieder fort. — Und seit acht Tagen habe ich wohl müs­

sen unter Menschen seyn.

Zum neuen Jahre

bin ich in Braunschweig bey Hofe gewesen, nnd habe mit andern gethan, was zwar nichts hilft, wenn man es thut, aber doch wohl schaden kann, wenn man es beständig unter­ läßt: ich habe Bücklinge gemacht, und das Maul bewegt. —

Der einzige Wunsch,

bey dem ich diese Zeit über an etwas dachte,

war---------- Ah, Sie wissen ihm ja wohl, Less. fr. Anrfw. 2. BD Met-

meine Liebe!

Sollte denn kein glückliches

Jahr mehr fürSie und für mich kommen? — Noch öfterer hatte ich diese Gedanken, als ich einige Tage darauf, den 6te« dieses,

auf Z. Hochzeit war.

Es hielt schwer, ehe

ich lustig werden konnte.

Aber endlich riß mich das Beyspiel fort; und ich ward es, weil es alle waren. Sie kennen Z.; aber

doch würden Sie sich schwerlich einbildeu können,

was das für eine angenehme und

in allem Betracht herrliche Hochzeit war. Es fehlte an nichts; und zwanzig Dinge wa­ ren da, an die kein Mensch gedacht hatte. Wer alles darauf gewesen, können Sie aus

den Bogen Verse sehen, den ich um das Be­ wußte gewickelt, und gestern auf die fahren­ de Post gegeben habe. Wir habe» bis an den ander» Tag geschwärmt; und niemand ist zu Bette gegangen, als Braut und Bräu­ tigam. Daß sie auf dem Weghause war,

die Hochzeit, versteht sich.

Es hat ganz

das Ansehen, daß auch die andern Schwe­ ster«» , ihre alte» getreuen Liebhaber bewegen werden, den nehmlichen Schritt zu thun.

Wenigstens ist es mit der einen, die seit vie--

len



kn Jahren bey einem gewissen OC. im Han­ se ist, schon so gut als gewiß. —

Ihr letzter Brief, meine Liebe, ist vom

5ten vorigen Monats;

wort auf meinem letzten.

aber es ist keine Ant­ In diesem, so viel

ich mich erinnere, ließ ich schon etwas von G. und seinen Briefen einfließen, noch ehe ich von Ihnen erfuhr, wie unglücklich er da­ durch zu werden Gefahr laufe. Ohne Zwei­ fel haben Sie diese Briefe nun auch selbst ge­

lesen > und Sie werden die Stellen hoffentUch nicht so ganz gleichgültig überhüpft ha­ ben , worinn der eitle Narr meiner gedenkt. Ich bin besonders über eine nicht wenig auf­ gebracht gewesen; nemlich über die, wo er sagt, daß ich den Ruhm eines guten Man­ nes weniger habe, als Kl., und nicht un­

deutlich zu verstehen gibt, daß ihm, ich weiß nicht, was für Schandflecke meines mo­ ralischen Charakters, bekannt wären. Ich war eben im Begriff, einen sehr empfindli­ chen Brief desfalls an ihn zu schreiben, ja

gar diesen Brief drucken zu lassen, als ich den Ihrigen erhielt. Sie haben mich mit­ leidig gegen ihn geinacht, ohne es zu wollen^ D r Auf

5» Arif wen alle zuschlagen, der hat vor mir Frie­ de. Wenn indeß die Sache doch noch besser für

ihn ausfallt, als es vor der Hand das An­ sehen hat: so wünschte ich doch, daß Sie gelegentlich einmal ihn auf gedachte Stelle brachten, und ihm zu verstehen geben woll­ ten, was verschoben sey, sey darum nicht ge­ schenkt. Denn das habe ich mir allerdings noch vorbehalten, sobald er den Kopf wieder

zu hoch trägt, und die Lehre vergißt, die ec

vielleicht von manchen andern jetzt erhalten wird, ihm sodann cs doppelt empfinden zu lassen, wen er auf eine so nichtswürdige Art beleidiget hat. —

Eben erhalte ich einen Brief von G., mit seinem neuen Stucke, die Versöhnung. Haben Sic es denn wohl gesehen, meine Liebe? Es ist elender als alles, was er noch geschrieben. Und solch Zeug findet in Wien Beyfall? Er meldet mir zugleich, daß ihm

der Borfall mit den Kl. Briefen veranlaßt habe, durch ei» Clrcularschreiben an alle sei­ ne Freunde, seine sämtlichen an sie erlassenen Briefe im Original zurück zu fordern. Da «r dieses nun auch von mir verlangt, so will ich

ich nächstens alle siinc Briefe zusammen ge­ ben, und sie ihm mit dein Anbeuten zuschicken,

daß es wohl das Beste seyn dürste,

wenn wir einander ganz und gar nickn ..lehr

schrieben. Mit meinen Briefen kann er niachen, was er will. Denn :ch bm m-r n-.chk

bewußt, an jemanden jemals eine Zeile geweiclre nicht die ganze Welt lestn könnte. Gleichwohl verdrießt cs mich indeß, daß, wie ich merke, er meine sthrieüen zu haben,

Briefe in Wien sogleich wieder auspiaudert.

Denn cs ist allerdings wahr, daß ,ch so et­ was, als Sie von der JüstUet gehört ha­ ben, wegen der H. an ihn geschrieben habe.

Und ich habe Recht, wenn sic mir auch alle einmal dafür die Augen auskratztcn. Wenn die H. »och auszunehmen ist, so kömmt es

weil sie als L. schon eine ziemlich gute Actrice in Sachsin war, und wenigstens also in Wien nicht geworden ist, was sie

daher,

ist. — Sie glaubten wohl gar,

meine Liebe,

weil ich so lange nicht geschrieben, ich sey in Hamburg l — Aber so fest ich es fast Wil­

lens war, auf ein Paar Wochen hinzureisen: so durfte nun doch wohl nichts daraus wer-

D 3

den.

den.

Die Feit geht mir so schon allzuschnell

vorbey: und ich habe noch so viel zu thun!

Neues von daher kann ich Ihnen nicht mel­ den. Der Vetter hat mir zwar wieder ein­ mal geschrieben; aber ich bin ihm nun we­ nigstens auf den achten Brief Antwort schul­

dig. Und so mache ich es mit allen Freun­ den, theils aus obengemeldetcr Ursache, theils aus Geiz mit meiner Zeit.

Ihnen allein darf

ich und will ich diese aufopfern. Weich ei» Opfer! werden Sie sagen. Größer, als Sie glauben. Ein Brief ist zwar bald ge­ schrieben ; aber noch habe ich keinen an Sie geschrieben,

der mich nicht auf acht Tage

unruhig, und mir alle Arbeit ekel gemacht hätte. —

Leben Sie recht wohl, meine Liebe; denn sonst behalte ich kaum Platz, Ihnen zu sagen, was ich Ihnen zwar nicht mehr sagen sollte: daß ich Sie über alles liebe, und in Gedan­ ken tausendmal des Tages umarme.

Der Ihrige auf immer

G. E. L.

io,

ro. Wren,

den 26. Zan. 177;.

Mein lieber, bester Freund! einem achttägigen Lager ist cs heute der andere Tag, daß ich wieder einige Stun­

den auf seyn kann. Ich schrieb Ihnen doch, so viel mir erinnerlich, daß ich wegen der Forderung deö Herrn von W. mich mit ibm ausgleichen wollte. Dieses that ich gleich des andern Tages, und es gelang mir auf das Beste. Aber eben, weil es so gelang — Sie verstehen es wohl? — so griff es mich

mehr an, als wenn der redliche Mann stür­ misch und hart gewesen wäre. In dem letztern Falle hätte ihm mein freyes Gewissen die Spitze geboten.

Allein er zeigte nichts als

Mitleid und Eifer, zur baldigen Endschast meiner Sache das Seinige beytragen zu wol­

len, und also könne» Sie leicht denken, daß ich trauriger von ihm ging, als ich zu ihm kam. Ich war so matt, wie ich zu Hause

kam, daß ich alle mögliche Anstrengung brauchte, um nur mit einigen Zeilen an Sch. den Ausgang dieses Geschäfts melden zu kön­ nen.

Nun glaubte ich mich, nach einigen

D 4

©tun--

56 Stunden Ruhe, erholetzu haben, und setzte inich

nieder, um an den Prof, zu schreiben; allein über de» Brief ward ich so elend, daß man

mich vom Schreibtisch ins Bett bringen muß-

tc.

Ich bekain ei» heftiges Fieber; und hatte meine eiserne Natur sich nicht durch verschiedene Wege geholfen, so inöchte ich wohl nicht so davon gekommen seyn, als ich Gottlob davon gekommen bin. Ich bin zwar

sehr geschwächt, und darf wohl nicht Rech­ nung machen, vor vierzehn Tagen ausgehen zu dürfen; aber zu besiirchte» habe ich wei­

ter nichts.

Eben erhalte ich Ihren Brief vom 8ten. Mit so viel Freude ich ihn erbrach, mit eben

so viel Berülnmerniß habe ich den Anfang davon gelost». Sie sind unzufrieden, und wenn Sic unzufrieden sind, so muß die Ur­ sache gewiß groß seyn. Daß Sic sie mir

isi nicht recht, glauben Sie mir, mein Freund! ob Sie cs gleich in den besten Absichten thun. Das Herz wird verschweigen,

leichter, wenn man cs gegen cmc Person aus­ schüttet , von der man weiß, daß sie aufrich­ tigen Antheil nimmt. Und das sind Sie Loch'

doch wohl überzeugt, daß Sie diese Person in mir staden3

Das. Einzige, was mich noch einiger« maßen beruhiget, ist, daß Sie Zugleich sa­ gen :

Sie seyn hypochondrisch,

indem, ich

aus Crfahrnng weiß, daß Hypochondristen

nur allzuoft nichtsbedeutcnder Dinge wegen

sich Gnllen in den Kopf setzen.

Ich will

hoffen, daß dieß auch Ihr Fall ist; Sie aber auch inständigst bitten, dieser höchst be­ schwerlichen Krankheit in Zeiten Einhalt zu thun, ehe sie zu tiefe Wurzeln faßt. Ver­ lassen Sie Ihr altes Schloß lieber auf cininige Zeit ganz, und gehen Sie nach Braun­ schweig , wo Sie denn doch mehr Gelegenheit sich zu zerstreuen finden, als auf dem ver­ wünschten Schlosse, und überhaupt in Wol­

fenbüttel.

Hören Sie, bester Freund, fol­

gen Sie mir, und sagen Sie mir es recht bald, daß Sie mir gefolgt,

und daß Sie die beste Wirkung davon spüren. Gott ge­

be, daß Sie mich dessen mit Wahrheit ver­

sichern könneil!

Wenn das aber nun auch

nicht wäre, so seyn Sic doch aufrichtiger ge­

gen mich.

Ich werde anfangen zu zweifeln, Dz ob

ob Sie mich lieben,

wenn Sie mich nicht

Ihres ganzen Vertrauens würdigen. Dein Herrn Prof. Zachariä und seiner

Frau machen Sie recht viele Koinplimcnte von mir, und sagen Sie ihm zugleich, daß es mich nicht wenig verdrösse, daß er mich nicht zu seiner Hochzeit gebeten. In dec

That, sie machen eine so angenehme Schil­ derung von dieser Hochzeit,

daß man sich

eben in dem Zustande befinden muß, worinn

ich mich befinde, um nicht alle Hochzcitgäste

beneiden z» müsse». Ich hoffe, daß ich das mir Ueberschicktc richtig erhalten werde, und sage Ihnen zum voraus taufend tausend Dank dafür; auch selbst für die Saumseligkeit, mit

der Sie es überschickt; denn es hatte zu kei­ ner bessern Zeit kommen können.

Von S ... habe ich seitdem keinen Men­ schen gesehen. Aber eben hat mich deS Do-

ctor Seip sein Sohn von Hamburg besucht, Und erzählt: die Kl. Briefe waren wieder frey

gegeben.

Dieß hatte dem holländischen Lega-

tionspredigec aufdieJdee gebracht, auf letzte­ rer Maequcrade einen Briefträger vorzustcllen.

Auf der. einen Tasche habe er einen Brief ge-

-

hef-

heftet gehabt, mit der Aufschrift: Briefe aus» markiger Gelehrten an Kl., und auf der an­ dern : Briefe vonS... an Kl. Wen S ... da gewesen ist, so wird er sich wohl ziemlich ge­ ärgert haben. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie die Sache für ihn abgelaufen ist, ob er

so ganz ohne Verweis davon gekommen oder nicht? Daß er aber einen von Ihnen ver­ diente, weiß ich gewiß, und daß er sich da­ vor fürchtet, ist auch gewiß. Ganz umsonst hat er der Stelle nicht

gleich gegen mich erwähnt, die ich nicht nur nicht ganz gleichgültig, sondern mit höchstem Aergcr gelesen habe.

Was die lateinische sa­

gen will, möchte ich wohl wissen. Wenn Sie bey kaltein Blute sind, wünschte ich, daß Sie ihm schrieben.

Es wird ihn wenige

seine heimliche tückische Kunstgriffe nicht weiter gegen Sie fortzusetzen. stens abschreckeit,

Ob Sie wohl thaten, wenn Sie den Brief drucken ließen? werden Sie besser beurthei-

lrn können als ich. Wenn es wahr ist, daß die Kaiserin» so übel zufrieden gewesen ist, daß die Kl. Briefe so viel Aufsehen gemacht: so möchte dieß unsrer Absicht schaden.

Und

ich

6o ich glaube es fast durch das, was Sie von

G ... schreiben;

denn der muß sicher einen

Verweis bekommen haben, wodurch er furcht­

sam geworden ist, und auf den lächerlichen Einfall kömmt, seine Briefe zurückzufodern.

Es ist eine Beleidigung für alle Weiber, an deren Manner er geschrieben. Ware ich, was ich einzig nnd allein in der Welt zu seyn wünschte, ich wurde mir die Erlaubniß aus­ bitten , seinen Brief beantworten zu dürfen.

Don S. habe ich noch die Neuigkeit gehört: bi er liefen Gcucrilische Briefe herum wider Sonnenfels, Riedel, Mestalier und noch ei­

nige andre. Wenn sie hier geschrieben sind, so bin ich eben nicht neugierig, sie zu lesen.

Allein das hiesige Publikum muß ich doch gegegcn Sie rechtfertigen, in Ansehung der G. Stücke. Kein einziges seiner Stücken

erhalt hier Beyfall,

und über das letztere

schreyen sie ganz erbärmlich. Ich habe es weder gelesen noch gesehen, so wie ich über­ haupt nur zweymal, und das Ihrer Aemilie Galotti zu Gefallen, wahrend meinem Hier­ seyn, im Theater gewesen bin. In der Ope­ rette war ich noch kein Einzigcsinal, obgleich

der süße Guardaroui schon seit sechs Mona-'

'■ •

ten

6r ftn dabey engagirt ist; der aber hier nicht so

glücklich ist, wie in Hamburg;

den» kein

Mensch goukirt ihn. Von meinen Umständen habe -ich Sie dießmal gar nicht unterhalte» wollen.

Denn

ich habe mir fest vorgenommen, Sie auf ei» nige Zeit so viel möglich zu vergesse», weil

ich sonst nicht wieder zu Kräften, kommen Allem eine» Brief vom Pr., den ich gestern erhalten habe, werde ich Ihnen in kann.

Abschrift schicken, barnU Sie diese:, redlichen Mann recht kennen lerne». Um Ihne» aber diesen Brief verständlich zu machen, must ich Ihnen vorher sagen: daß meine Verwahren mir schon vor einiger Zeit frey gegeben, durch

den Hamburger Fond — (denn das Waarenlagcr ist verkauft — aber wie?) — die Fremden zu befriedigen, nemlich durch eine»

Accord,

den sie auch nicht allein eingehen,

sondern mir auch nachher, wenn ich die Fabrike mit Nutzen fortsetzen könnte, ihr Geld

ferner lassen wollen. Hierauf machte ich ei» ne» Anschlag des Werks, den ich meinem Schwager mitgab, mit dem Bedeuten, auf

diestn Fuß, und auf keinen andern, die Fa­ brik zu übernehmen. Wenn die Fremde» das zu-

zufrieden wären, möchte man sie auszahlen,

außerdem aber mir schreiben, so würde ich 2liu stellt machen, alles zu verkaufen.

Er muß

aber alles dieses vergessen habe»; denn stakt den fremden Creditoren den Anschlag vorzu­ weisen , schickt er ihn ohne alle Erläuterun­ gen meinem Bruder, und schreibt ihm: an­

gelegt folgt der jüngst erwähnte Anschlag,

de» man im Genehmigungsfall den fremden Creditoren dergestalt vorzulege» gedenkt, daß

die Verwandte», wenn man mit 50 Procent quitkiren wollte, solches vermuthlich, ob­ gleich mit ihrem Risico, bewilligen würden. Und von diesem nichtswürdigen Brief hat er noch das Herz, mir die Abschrift zu schicken.

Wenn er sich nur noch die Mühe gegeben hätte, ihm zu sagen, was den Verwandten als Obligationisten zukäme, wenn die Buch­

schuldner so Procent erhalten.

Denn nach

der Klassifikation erhalten die alten Obliga­ tionen, davon der Bruder 10000 Gulden hat, ihre volle Bezahlung.

Statt dessen geht er

mich, im Namen des Hrn. Sch., an, ich sollte die Verwandten bewegen, den Fremdeir mehr als ihnen zukömmt,' zu geben: mit dec Bedrohung: Hr. Sch, würde mich verlassen,

wenn

6z wenn die Sache nicht bald zu Ende ginge. Ich war aber so schwach nicht, mich abschre­ cken zu lassen, sonder» bin bey meinem Satz geblieben, und habe Hrn. Sch. die Gründe

angegeben, warum ich darauf bestehen müß­ te. Was nun geschehen wird, muß ich ab­ warten. Ich fürchte sehr, meine Abwesen­ heit wird mir großen Schaden bringen; und

bi» nur froh, daß ich auf de» glücklichen Ein­ fall gekommen bin, ehe ich von dem Unterein­ ander was wußte, meine Geschwister von al­

lem zu unterrichten. Diese Information hat­ te der Pr. noch nicht, und schreibt mir doch so freundschaftlich. Ich dachte gewiß, er

würde mir in langer Zeit keine Zeile schreiben.

Derzeyhen Sie, daß Sie einen sowohl unleserlichen als unverständliche» Brief er­

Ich habe sechs Tage daran geschrie­

halten. ben.

Wenn ich aber auch noch mehr Zeit

brachte ich doch Schreiben Sie mir dießmal doch unverzüglich, um mich darauf verwenden wollte,

nichts Bessers zu Stande.

aus den Sorgen wegen Ihrer Gesundheit

zu setze».

Ich hoffe,

Ihnen auch näch­

stens

stens sagen zu können, daß ich wieder völlig wohl bin. Ihre ganz e rg e 6 e n e

E. C. K. ii.

Wie«, den 6. Febr, 1773» Mein lieber Lessing!

Die Sehnsucht nach Ihre» Briefe» ist die einzige Ursache, so mich verleitet hat, Ihne» die Unruhe nicht zu ersparen, in welcher mein letzter Brief sie gesetzt haben mag. Ich ha­

be,

dieses Eigennutzes wegen, mir seitdem

hundert Vorwürfe gemacht; und hoffe durch

dieses aufrichtige Geständniß wenigstens de­ nen auszuweichen, die nur Ihr Her; machen könnte. Und um diesen Fehler so viel mög­ lich gut ;u inachen, will ich eilend Ihnen sa­ gen, daß es sich Gottlob! mit meiner Ge­ sundheit bessert. Ein kleines, fast unmerk­ liches Fieber ist nur noch nach, bey dem sich aber Appetit und Schlaf einfinden. Ich hof­ fe, in acht Tagen so weit zu kommen, uni aus-

6s ausgehen zu können; obgleich der Doktor noch jetzt nichts davon hören will, weil ec zu wiss­

en glaubt, daß ich nicht Vergnügens, foit» dem Geschäfte halber auszugehcn verlange, die er mir noch einige Feit auszufttzen, ernst­ lich anratb. Ich will ihm folgen, nicht al­

lein weil er es anrath, sondern weil ich weiß, daß Sie mir es auch rathen würden.

Wie ich den letzten Brief in die Stadt schickte, brachte mir der Bediente einen von

meinem Schwager zurück,

in dem er mir

schreibt: Herr Lessing wird täglich hier er­ wartet. Man sagt, er gehe von hierüber Wien nach Italien, das wird Ihnen vermuthlich nicht unangenehm seyn? — Ich

kann Ihnen nicht sagen, wie sehr mich dieft Nachricht frappierte, ohne eigentlich zu wis­ sen, warum. Ich glaube aber, es kam da­ her, weil ich dem Bewußten, von dem Sie in einem Ihrer Briefe wünschen, daß ich Ur­ sache haben möchte, gut von ihm zu denken,

täglich weniger traue, indem er mir dazu fast

untrügliche Gründe iminer mehr und mehr darbietet. Dieses war mit die Ursache, war­ um ich Sie in meinem Letzten bat; Ihre Rei-

Leff. fr. »riefte, r.».

E



fe noch aufzuschieben.

Doch eine davon war

auch, weil ich einigen Anschein von Hofnung habe, die Tapetenfabrik gut zu verkaufen, wo ich alsdenn auch die Seidenfabrik angeben wür­ de , wen» sie mir so bliebe, wie ich den An­ schlag gemacht. Diese letzte Hofnung be­ nimmt mir aber derselbe Brief, der mir die

Nachricht von Ihnen gab.

Ich denke noch,

daß meine Vorstellun­

gen den Hrn. Sch. anfeuern sollen, auf mein Bestes mehr zu achten, als mein unwürdi­ ger S... thut, sonst kommen meine Ver­ wandten und ich schlecht weg. In dem letz­ tem Fall wäre ich nicht im Stande, das Werk vor der Hand anzugeben; denn ich würde es wenigstens dahin zu bringen suchen, meinen so rechtschaffnen Verwandten Genug­

thuung zu verschaffen, wenn ich auch bloß für sie arbeiten, und unterdessen Wasser und

Brod essen sollte.

Die Aussicht, die ich vor

mir habe, Sie bald zu sehen, Ihnen meine Leiden klagen zu können, ist der einzige Trost, den ich mir geben kann, und das erhält mich auch aufrecht. Ich wünsche nur, daß diese Zeit nicht so lange mehr hinausgesetzt seyn

mag.

mag. —

Es ist mir eingefallen,

ob Sie

nicht wohl thäten, Ihre Reise über Berlin

zu nehmen,

um die Bekanntschaft des v.

Sv .... zu machen. Ich höre, daß der beständig mit dein Kayser korrespondirt, und es versteht sich so, daß alles, was diesen Namen führt, bey der Kayserinn ebenfalls viel gilt. Heute wird ein neues Stück von St., dem jünger», aufgeführt— der Tadler nach der Mode, oder, ich weiß es besser— ei­ ne grobe Satyrs auf S., der unter dem Na­ men Hader auf die abscheulichste Art geschil­ dert wird. Die Geschichte des Stücks ist: ein bummer und reicher Kaufmann hat den Hader studiere» lassen, und ist so für ihn eingenommen, daß er ihn seine Tochter, so­ bald er eine Bedienung erhalten, geben will. Die Tochter sowohl, als alle seine Freunde,

suchen den Alten umsonst zu überrede», daß Hader ein schlechter Kerl sey, bis ihm zuletzt, durch Versehen eines Bedienten dieses letz­ ter», ein Papier in die Hände kömmt, wodurch

er überzeugt wird, daß er auch selbst an ihm, seinem Wohlthäter, seine boshafte Tadelsucht

ausübe.

Folglich bekommt er nun die TochE 2

ter

68 ter nicht, und auch der Herzog bekommt Be­

richt von seinem schlechten Charakter und we­ nigen Kenntnissen, und versagt ihn: also auch

den Dienst,

warum er angehalten.

Dieß

ist die Auflösung des Stuckes, das übrigens

voller Episoden ist, worinn fast alle Stände vorkommen, die der Herr Hader alle reformiren und verbessern will. Ich habe es noch nicht im Zusammenhang gelesen,

und werde es

auch schwerlich so weit bringen. Gestern brachten mir die Schwestern der

Fr. v. S. dieses Stück selbst, und erzählten zugleich: ihr Schwager habe St. vor den Statthalter foder» lassen, und ihn zur Rede gestellt; er habe aber behauptet, daß er bey

Abfassung des Stücks nicht an ihn gedacht, noch weniger seine Schriften gelesen, aus de­

nen er Stellen angeführt haben sollte, wie

S. ihn beschuldigt.

Der Statthalter hatte Schwagers ob das Stück unterdrückt

hierauf es dem Willen ihres

Preis gegeben,

oder aufgeführt werden sollte.

Er hätte das

Letztere gewählet, und es würde also heute aufgeführet, wenn die Kayserinn, die gestern Las Büchelchen hätten holen lassen, es nicht noch

6g noch untersagte. Er schmeichelt sich, in dieser

ibrer Gnade zu stehen, weil sie ihn nach den Kl. Briefe» zu sich fvdern lassen, und lhm angedeutet hat: ihr Wille sey, er sollte fer­ nerhin die Regierung frequentiren, nehmlich bey der Policeycommission sitzen. Vermuth­ lich hat sie es aber bloß darum gethan, um ihn zu beschäftigen, damit er sich nicht mit so viel unnützem Zeuge abgeben kann.

Mir scheint, daß ec sich vor Ihne» mehr fürchtet als vor allen übrigen. Nach dem, was ich neulich schrieb, kamen die Schwestern des andern Tages, und lenkten gleich den Dis­ cours auf Sie, um zu erfahren, ob Sie

nicht bereits was gegen ihren Schwager hat­ Um die guten Mädchen zu beruhigen, so versicherte ich sie, daß es »och nicht gesthehen sey; ob es aber nicht noch geschehen könnte, dafür wollte ich nicht ten drucken lassen.

bürgen. Für beute muß ich hier abbrechen, weil

ich noch einen Brief nach Hamburg zu schrei­ ben habe. Daß Sie wohl, daß Sie ver­ gnügt sind, wird mir hoffentlich ein Brief lagen, der bereits unterwcges ist, und dec nicht so unrichtig lauft, wie das Bewustc, E 3

um

um welches ich täglich vergebens nach der

und was mir alle Abende eine nachdem der Bediente leer zurückkömmt. Ich umarme Sie Post schicke,

mißvergnügte Stunde macht,

tausendmal, und bi» auf immer

gam die Ihrige

E. C. K. 12.

Braunschweig, den rs. Febr. i77Z-

Meine iiebe! 3« bin seit vierzehn Tagen in Braunschweig, auf ausdrückliches Verlangen des Erbprin­ zen,

und habe Ihnen von einem Tage zum

andern von einer Sache Nachricht geben wol­

len, die für mich, und also auch für Sie,

wie ich mir schmeichle, sehr interessant t|L Nur, weil ich Ihnen die volle Gewißheit gern sogleich davon melden wollte, habe ich es noch immer müssen ansiehen lasse». Da aber vor einigen Tagen der Erbprinz unvermuthet nach Potsdam verreisen müssen, und

indeß die Betreibung der Sache stille steht:



so denke ich, ist es doch besser, daß ich Ih­

nen nur vorläufig etwas davon melde, als daß ich Sic gänzlich ohne Briefe von mir ließe, welches Sic ohnedem schon länger sind, als es der Inhalt Ihres Letzter» sollte verstattet haben.

Also mit wenig Worten:

es ist hier vor

Kurzem ein Hofrath gestorben, den der Her­ zog vornehmlich in solchen Sachen brauchte,

welche die Geschichte und die Rechte des Hali­ ses betrafen. Der Erbprinz hat geglaubt,

daß, wenn ich wollte,

es mir nicht schwer

werden könnte, in wenig Zeit die hier­ zu nöthige Kenntniß und Geschicklichkeit zu

erlangen. Er trug mir also diese Stelle, mit Beybehaltung des Bibliothekariats, an, und versicherte mich, daß er mich so dabey fetzen wollte, daß ich mit möglichster Zufriedenheit mich hier firiren könnte.

Aber darauf,

sagte er,

kömint es so­

dann auch an! Sie müssen bey uns bleiben, und ihr Projekt, noch in der Welt viel herumznschwärmcn, aufgeben.

Ich ivciß iiicht,

ob cr Wind bekommen haben mußte, was mein gegenwärtiger Plan sey. Aber Sie E 4

kön-

können sich leicht einbilden, was ich ihm ant­ wortete.

Ich nahm seinen Antrag vorläufig

an, ohne ihm jedoch zu verschweigen, daß ich allerdings, ohne eine bessere Aussicht, nicht mehr sehr lange allhier dürfte ausgehal-

len haben. Durch diese Stelle, sagte er, bekomme» Sie bey uns einen Fuß auf alles, uni) es wird nur auf Sie ankommen, ob Sic in ihrer gegenwärtigen Carriere bleiben , oder eine andere einschlagen wollen. Kurz, die Sache ward unter uns so weit richtig, daß sie vielleicht schon völlig zu Stande wäre,

wenn, wie "gesagt, feine Reise nicht so unvermuthet dazwischen gekommen wäre. Er kömmt den 28wn dieses wieder zurück, und

sodann, denke ich, kann cs nicht lange mehr dauern, daß sich mein künftiges Schicksal nicht wahrscheinlicher Weise auf immer ent­ scheiden sollte. Ich brauche nicht hinzuzufügen, waruin ich Ihnen dieses schreibe. Ich fchnieichle

daß Sie dieses für die voll­ die ich Ihnen besonders auf die eine Stelle in dem Briefe Ihres Herrn Bruders geben könnte. Desto besser, wenn Sie es sodann so cinmir vielmehr,

ständigste Antwort halten werden,

rich-

richten können, daß Sie auch gar'nicht mehr an Wien zu denken brauchen.

Ich bin die-

feit ganzen Morgen von Besuche» belagert, und muß schließen, wen» ich die Post nicht versäume» ,will. Nächstens ein Mehreres. Ich umarme Sie tausendmal, meine Liebe, und bin ewig ganz- Der Ihrige .

L.

'3. Wolfcnbüttel, den 3. Aprik iVL

Meine Liebe!

£X> ^5ch möchte rasend werden!

Was werden

Sie von mir denken? Was müssen Sie von mir denken? Ich schrieb Ihnen vor länger

als acht Wochen, daß allhier etwas für mich im Werke sey, was mein künftiges Schicksal

auf einmal bestimmen werde, und hoffentlich so bestimmen werde, wie ich es wünsche. Wie ich es aber wünsche, weiß niemand bes­ Ich glaubte gewiß, daß keine acht, keine vierzehn Tage vergehen könnteir, ohne daß ich Ihne» die völligeGewißhett von

ser als Cie.

E 5

der

der Sache schreiben konnte.

Aber diese vier­

zehn Tage sind viermal vergangen, und Sie

Haben keine Feile von mir gesehen. Und wenn ich Ihnen nicht eher wieder schreiben wollte, als bis ich es so kann, wie ich gerne wollte: so könnten leicht noch einmal acht Wochen

darüber hingehen; und wer weiß, ob ich Ih­

nen am Ende doch nicht schreiben müßte, daß ich betrogen worden. Möchte ich nun nicht rasend werden! Ohne die geringste Veranlassung von meiner

Seite, laßt man mich ausdrücklich kommen,

thut, wer weiß wie schon mit mir, schmiert mit das Maul voll, und hernach thut man gar nicht, als ob jemals von etwas die Rede

gewesen wäre. Ich bin zweymal stitdem wie­ der in Braunschweig gewesen, habe mich se­ und verlangt zu wissen, woran ich wäre. Aber keine oder doch so gut wie keine Antwort! Nun bin ich wieder hier, und habe es verschworen, den Fuß nicht eher wieder nach Braunschweig zu fetze», bis man eben so von freyen Stücken die Sache zu En­ hen lassen,

de bringt, als man sie angefangen hat. Bringt man sie aber nicht bald zu Ende, und laßt

75 läßt man mich erst hier in der Bibliothek und

mit gewissen Arbeiten fertig werden, mit wel-

t chen ich nicht anders als in Wolfcnbüttel fer­

tig werden kann und muß, wenn ich nicht -alle meine daselbst zugebrachte Zeit verlohren

haben will: so soll mich sodann auch nichts in der Welt hier zu halten vermögend seyn» Ich denke überall soviel wieder zu finden, als ich hier verlasse. Und wenn ich cs auch nicht wieder fände. Lieber betteln gegangen, als

so mit sich handeln lassen! Darf ich Sie,

meine Liebe,

nun noch

so viel bitten, daß Sic Mitleiden mit mir ha­ ben, und alle schlechte Gedanken von mir,

von sich entfernen wollen? Aber nothwendig müssen Sie deren haben, denn sonst hätten

Sie mir längst mit ein paar Zeilen Nachricht von sich gegeben.

Gott weiß, ich bin schlechterdings unfä­ hig Ihnen mehr zu schreiben: so voll habe ich

den Kopf, uitb so voll von den verdrießlich­ sten Dingen.

Wenn Sie jemals, wie ich mir schmei­

cheln darf, Freundschaft für mich empfunden haben: so lassen Sie mich cs ja bald hören, daß

76 daß Sie deren noch empfinden,

und mich

bedauern.

Möchte es Ihnen doch nur wenigstens wohl

gehen!

das ist der uneigennützigste

Wunsch, schmeichle ich mir, den jemals ein Freund gethan hat. Es gehe mir, wie cs gehe: ich werde nie aufhören können, Sie hvchzuschatzen und zu lieben Dero ganz ergebenster

L.

14. Wren, d. 14. April. 1773.

Mein liebster, bester Freund! W ie sehr mich Ihr Brief vom ztcn, den

ich vor einer halben Stunde erhalte», frap­ pieret habe» müsse, können Sic sich vorstellen,

da ich Sie mir, Ihrem vorhcrgcgangcnen Briefe zufolge, in dec größte» Zufriedenheit dachte, und nun zu meinem höchsten Ver­ druß gerade das Gegentheil hörte. Ich hoffe aber doch, die Sache werde einen bessern

Ausgang nehmen, als Sie sich verstellen. Demi

Denn ich kann mir nicht einbilden, daß der E. P. fähig sty, einen Mann, wie Sie, so zu

behandeln. Und ich hoffeJhre Hitze werde vcrrauchen, und Sie werden, auch in dem schlim-

sten Falle, Wolfenbüttel oder vielmehr die Stel­ le, die Sie daselbst begleiten, nicht eher verlas­

sen,

bis Sie einer andern versichert sind.

Wenigstens muß ich mir zu meiner Beruhi­

gung schmeicheln, Sie durch meine Bitten'

dahin vermögen zu können. Las darf ich 3

Und nicht wahr,

Seit mehr als acht Wochen lebe ich in wie Sie, Ich habe Käufer zu meiner Seitenfabrik, einer eben solchen Ungewißheit,

die mich von einem Tage, von einer Woche zur andern herumziehen. Jetzt sind sie gar verreiset; kommen aber binnen einigen Wo­ chen zurück, wo es sich alsdann bald entschei­ den wird, ob etwas oder nichts aus dem Ver­ kaufe wird. Demungeachtet stand ich zeither immer auf dem Sprung, die Reise nach Ham­ burg anzutreten. Hatte mich mein alter recht­ schaffener de Haen, der mein Doktor ist, nicht so ernstlich davon abgehalten, so hätte

ich sicher alles liegen und stehen lassen, und wäre davon gereist» - Und das darum, weil ich

ich mir fest vorstellte, ich hätte die Auszeh­ rung. Ich wollte mir also durch die Reife meine Genesung , oder wenigstens einen ruhi­ gern Abschied verschaffen.

Nun ist es mir

lieb, daß ich es nicht gethan, weil cs schei­

net, daß ich mich ohne dieß wieder erholen

soll. Sehen Sie nun die Ursache, warum ich Ihnen nicht geschrieben, und warum ich Ihnen unmöglch schreiben konnte.

Seitdem

ich Ihnen das letztemal geschrieben, habe ich

an keinen Menschen, außer an Sch. geschrien den, und hierzu trieb mich die allergrößte

Nothwendigkeit. Der redliche Freund ist noch nicht mit meiner Sache zu Stande;

ich denke aber, daß er es bald seyn wird. Die besten Freunde machen die größten Schwierigkeiten: Doch nicht meine Ver­ wandten, diese bleiben immer auf ihrer recht­ schaffenen Denkungsart gegen mich, aber

auch zugleich in ihrer alten Meynung,

die

Sache eiiigehen zu lassen.

Und wenn ich in der Gemüihsverfassung bleibe, worinn ich bis jetzo gewesen, so wäre ich auch außer Stande, sie fortzusetzcn. Daher wünschte

ich um so mehr, daß aus dem vorseyenden Verkauf was würde. Denn wen» ste bey ihrer

ihrer anfänglichen Erklärung bleiben, so kä­ me ich auf diese Weise unendlich besser weg, als wenn ich die Sache so eingehen lassen

müßte.

Und so dächte ich noch nicht der

Hoffnung entsagen zu müssen, die mir so na­

he am Herzen liegt.

Sie wissen am besten,

was ich meyne. Da ich die heutige Post nicht versäumen

will, so kann ich Ihnen für dicßmal nicht

inehr sagen, als daß ich in der größten Un­ ruhe Jhrentwegen seyn werde, bis ich bessere und angenehmere Briefe von Ihne» erhalte.

Schreiben Sie mir daher um Gotteswillen ja bald, daß Sie gesund sind, und daß Sie

meine Bitte Statt finden lassen.

Ich bedaure Sie eben so sehr, als ich Sie liebe, und beständig lieben werde.

-_ _ _ _ _ _ _ _ E.L.K. 15» Wien, V. 2i. Jun. 177$,

Liebster, bester Freund! Äöarum vergessen Sie mich denn so ganz und gars diese Frage hätte ich schon zwanzigmal an Eie gethan, wenn ich Sie nicht

in

So in Hamburg vermuthet hatte, wo man Sie,

wie mir Madam Sch. schrieb,

schon vor

sechs Wochen erwartete; und zwar sollte» Sie in Gestllschafft von R. und B. dahin kommen. Diese beyden fand ich nun aber gestern in einem alten Addrcßblatt, worein mir jemand waS eingewickclt sandte, ohne

Sie,

als angekommene Fremde angemcrket,

und vermuthe Sie also zu Hause, und zwar

sehr ungern.

Ob ich gleich gestehen muß,

daß ich schon manche niedergeschlagene Stun­ de darüber gehabt, wenn ich mir Sie in Hamburg bey meinen Kindern, bey unsern Freunde» dachte, so hätte ich doch gewnnfchet, Sie möchten die Reise gethan haben, weil ich befürchte, daß Sie zuletzt das an­

haltende Sitzen unmöglich wieder werden aus­ halten könne». Wenigstens hoffe ich, daß Sie dem gefaßten Vorsatz nicht nachgekom-

men sind, Braunschweig nicht wieder zu be­

suchen, bis man Sie in der bewußten Sache dahin rufet. Daß dieses noch nicht gesche­ hen, urtheile ich schon aus Ihrem Still­

schweigen. Denn gewiß hatten Sie mich an Ihrem Vergnügen Antheil nehmen lassen, weil Sie hoffentlich überzeugt sind, daß kein Mensch

81 Mensch in der Welt ist, der das für Sie em­

pfindet,

was ich für Sie empfinde.

Es

vergehet keine Stunde, wo ich nicht an Sie

denke. Nur stelle ich Sic mir leider! gar zu oft vor, wie Sie mir Ihr letzter Brief schildert. Ich habe ihn zwar auf die Seite gelegt, und es nicht mit demselben so gehalten, wie mit denen vorhergehenden, die ich immer so lang

las, bis ich einen andern erhielt.

Oemun-

geachtet ist mir der Inhalt nur gar zu sehr im Gedächtniß geblieben.

Wenn ich nur das einzige wüßte, ob Sie gesund wären? Ich bitte Sie um Got­ teswillen l sagen Sie mir dieses bald, wenn Sie anders wollen, daß meine nun wieder zunehmende Gesundheit von Bestand seyn

soll. Alles Uebrige wird sich denn auch finden.

Ich komme meinem Ziel immer näher, das heißt, mein Lager zu räumen; und obschon

der Kauf, von dem ich neulich schrieb, zurnckgegangen, so habe ich doch alle Hoffnung, durch Unterstützung des Hofes, mich der

Fabrike zu cmschlagen.

Ich mag nur nicht

hieran eher arbeitenals bis ich mit den ' Liss. ft. Bnefw. 2. D.

F

feem-

fremden Gläubigern völlig zu Stande bin. Bis auf zwey bin ich so weit.

Diese zwey

aber sind just die älteste» Freunde R.... und

M....

Doch schreibt Herr Sch., daß er

auch bald mit ihnen fertig werden wurde. Dieser rechtschaffene Mann fahrt fort mit allem

Eifer für mich zu sorgen. Er hat nun so gar alle mein Gepäck in sein Haus genommen.

Denn, außer großen Stücken, Schreinwerk

und Betten, habe ich nichts verkaufen lassen.

Wenn Sie den Pyrmontec Brunnen trin­ ken, so wünsche ich, daß er Ihnen sowohl bekommen mag, wie mir.

Ich trinke ihn bereits vierzehn Tage, und finde daß er mich ungemein stärkt. Ich glaube aber, daß die

China, die ich drey Monate lang gebraucht habe, schon einen guten Grund gelegt hat. Madam Sch. schreibt mir nur glatt weg: baß der K. K.... mit einem Fräulein Z... oder Tur.... sich verheyrathe. Sagen Sie mir doch, ob die Wahl seiner würdig ist, oder

ob allein Interesse dieses Bündniß gestiftet

hat. Don hieraus wüßte ich Ihnen nichts

neues zu schreiben,

als -aß man durchge­ hends

8r hends über Wielands Mercur schmähst. War­ um? fragt sich nicht. Denn die Wiener schmälsten gemeiniglich, ohne zu wissen war­ um.

Muß ich Sie noch einmal bitten, mir bald zu antworten, so thue ich es auf das inständigste. Machen Sie es ja nicht mit dieser Antwort, wie mit Ihrem Kupferstich, «in den ich drey Monate lang vergebens nach der Post geschickt, und am Ende gar nichtS erhalten habe. Sie müssen ihn nicht abge­ schickt haben; und doch schreiben Sie mir, Sie hatten es gethan. Wenn Sie mir ihn noch schicken wollen; so addresslren Sie ihn gerade an mich, nicht an R... Leben Sie wohl, bester Freund. Ich umarme Sie unter taufend Wünschen, daß Sie wohl, daß Sie vergnügt seyn mögen; und bin auf im­ mer. Ihre aufrichtigste Freundinn

E.L.K.

F r

16,

i6. Wolfenbüttel, -en 27. Jun. 1773»

Meine Liebe! Wen» ich mich entschuldigen soll, daß ich Ihnen so lange nicht geschrieben habe: so

muß ich Ihnen eine Beschreibung von einem Le­ ben machen, daß gewiß trauriger und elender gewesen, als Sie es immer bey Ihren zeitherigcn Unruhen und Kränkungen können erfah­ ren haben. Aber ich bitte Sie, erlassen Sie mir diese Entschuldigung und diese Beschrei­ bung. Denn weMr ich damit anfangen muß:

so sehe ich voraus, kömmt auch dieser Brief nicht zu Stande, welches wenigstens der zwanzigste ist, den ich seit acht Wochen an Sie anfange.

Nachdem

ich

drey Monate zu keinein

Menschen gekommen, und die ganze Zeit auf

der Stube oder der Bibliothek zugebracht, wo

ich mehr fleißig seyn wollen, als fleißig gewe­ sen rhaben mich die Umstande vorige Woche

endlich wieder einmal nach Braunschweig genöthiget. Ich habe mich sechs Tage da auf­ halten müssen, und bin gestern wieder gekom­ men.

men.

Heitrer ein wenig: aber um nichts ge­

bessert. Können Sie glauben, daß ich »och immer-nicht weiß, woran ich bin? das Ver­ fahren ist mir unerträglich; und nichts gerin­

geres als Ihr ausdrückliches Verbot hat mich abhalte» können, einen unbesonnenen Schritt

zu thun, den ich demohngeachtet doch «och

alle Augenblicke in der Versuchung bin zu thun. Werde ich ihn auch nicht endlich thun

müssen? denn, bey Gott, ich kann cs nicht langer ausstehen.

Es muß brechen oder bie­

gen.

Ich kenne Sie, meine Liebe, und ich er­ rathe sehr wohl, warum auch Sie mir in so langer Feit nichts von sich wissen lassen, wel­ ches Sie ein andermal nicht würden gethan haben, wenn die Reihe zu schreiben auch schon eben so wenig an Ihnen gewesen wäre.

Erlauben Sie mir nur, daß ich mich mit ei­ nem einzigen dabey schmeichle: damit nehmlich, daß Sie mir wenigstens Ihre Abreise von Wie», und Ihr vermuthliches durchkommen dieser Gegend, würden gemeldet haben. Man schreibt mir aus Hamburg, daß man Sie

alle Tage daselbst erwarte. Aber das kann nicht seyn, und cs ist unmöglich, daß Sie F 3

dieser

dieser Brief nicht noch in Wien treffen soll­ te :

Oder wenn es möglich ist — Ich mag

mir den Gedanken nicht ausdenken. —

Sie

werden unter unsern Freunden allhier ei­ ne große Veränderung finden. Daß Z. verhcyrathet ist, habe ich Ihnen ja wohl schon geineldet. Nun ist es auch E. und K.

Don des letztem Heyrath werden Sie aus Hamburg ohne Zweifel schon mehr gehört ha­ lben. Nicht sowohl die Neugierde, seine Frau zu sehen, als vielmehr die Schuldig­

keit, mich als seinen Freund, von ihr sehen

zu lassen, war mit Ursache, warum ich nach Braunschweig mußte. Er ist ehegestern mit ihr nach Pyrmont gereiset, und ich denke, er wird glücklich mit ihr sey».

Noch will ich auch die Hofnung nicht

ganz aufgeben, es einmal zu werden. meynen Sie, meine Liebe?

Sie

Was glauben

Nicht, wie sehr ich mich nach ein Paar Zeilen von Ihnen sehne, und wie sehr ich sie bedarf. Leben Sie so glücklich, als ich es wünsche. Ich bin ganz der Ihrige

__________

L.

*7. Wit» / deu i?. Jul. 177;.

Mein lieber Freund! De» Ueberbringer dieses empfehle ich Ihnen

als einen rechtschaffenen Mairn.

Es ist dec

Herr von Herrman aus Straßburg,

der

nach Petersburg gehet, um den Prinzen Daschkow abzuholen, und ihn auf seinen Rei­ sen zu begleiten.

Seit drey Monaten hatten

wir verabredet, die Reise nach Hamburg zu-

sainmen zu machen. Noch bin ich aber lei­ der nicht so weit, und muß also zurückbleiben. Urtheilen Sie, wie sauer es mir ankommen muß, auch nur diese wenige Zeilen zu schrei­ ben, die ein Mann überbringt, den ich Ih­ nen so sicher selbst vorzustellen dachte. Ich hoffe, er trifft Sie gesund. Von Sch. und

meincir Kindern hat er mir versprochen Nach­

richt zu ertheilen.

Ich erwarte sie mit Un­

geduld und wünsche nur, daß sie zu meiner Zufriedenheit ausfallen möge l

Leben Sie wohl, bester Freund! Ich bin Ihre ganz ergebene

C.L.K.

F 4

i8.

iS. Wien, d. 4 Aug. l/7Z.

Mein liebster bester Freund! ^anz sonderbar muß es Ihnen vorkommen,

daß ich einen Ihrer Briefe vier Wochen un­ beantwortet lasse. Es hat aber keine andere Ursache, als diese, ich hoftc von einem Post­

tag znm andern, Ihnen die Nachricht initthcilen zu könne», daß ich meine Fabrik los

geworden sey.

Eine Nachricht,

die,

wie

ich mir schmeichle, Ihnen nicht ganz gleich­ gültig, und mir äußerst angenehm seyn wür­ de.

Allein gewisse Veränderungen, die der Hof im Kommerzialwesen vorzunchmen halb

im Sinuc hat,

haben in der Sache einen Halt gemacht, und ich muß nun auch so lan­ bis der Hof seine Entschlies­ sung genommen hat. Unterdessen ist das völ­ lig bey mir beschlossen, daß. ich mich der Fabriken entschlage, cs wäre denn, daß ein

ge stille scheu,

cinzigcrFall sich ereignete; nehmlich der, wo­ zu Sie voriges Jahr den Plan entworfen hat­

ten. Allein wie wenig Hofnuug ist hiezu! Und wie wcitigHofnung bleibt mir überhaupt übrig, wenn Sic den Schritt thaten, den

Sir

89 Sie immer noch in Willens sind zu chun 1

So fest ich Mir vorgenommcn hatte, Ihnen hierüber nicht weiter zu schreiben, so kann ich cs doch nicht lassen, Sie nochmals zu bitten, cs wohl zu überlegen, ob Sic Sich nicht da­ durch noch ein weit unangenehmeres Leben zu­ bereite» würden, als Sie jetztführen. Gewiß

würden Sie das;

und zwar in mancherley

Betrachtung, oder Sie müssen aufhörcn der

Mann zu seyn, der Sie stets gewesen sind. Liebster Freund! lassen Sie uns unser Schick­

sal so geduldig wie möglich abwarten, und

unserm Glücke ja keine neue Hindernisse in den Weg legen. Dann, werden Sie sehen, ge­

het alles gut. Nun genug von einer Materie, die mich, so oft ich darüber denke, auf den ganzen Tag unruhig und untüchtig zu al­

len Geschäften macht. Ich wäre neugierig zu wissen; wer Ih­

nen die Nachricht gegeben, man erwarte mich täglich in Hamburg. Ein Neugieriger oder eine Neugierige muß es seyn, die gerne hö­

ren wollte, ob Sie noch mit mir im Brief­ wechselständen. Denn ich wüßte nichtvonwas diese Nachricht hätte veranlaßt werden können.

F 5

Noch

Noch ist an diese Reise nicht gedacht.

Noch

unbegreiflicher ist mir, wie Sie sich vor­ stellen können, ich würde, ohne Sie zu be­ suchen, Ihre Gegend passieren können. Aus Ihrem Briefe schließe ich wenigstens, daß Sie es halb und halb geglaubt.

Nein,

liebster Freund , das wäre mir so unmöglich,

als es unmöglich ist, daß ich jemalen aufhüren könnte, Sie zu lieben. Wollte Gott es wäre erst nur so weit, daß ich reisen könnte,

mit tausend Freuden würde ich es Ihnen schreibe». MeineSache in Hamburg stehet noch auf

Die Kinder dorten sind allein Theodor ist nicht allein sehr

.demselben Fleck.

wohl,

krank gewesen, sondern leidet auch noch im­ mer an seinem Fuße. Dieses und daß mein ältester Bruder zwey Anfälle von Blutspeyc»

gehabt,

macht mir vielen Kummer.

Gott

wolle ihn erhalten! Er ist ein Vater von acht Kindern und mein sehr treuer Freund. Der

Professor ist' auch immer schwächlich.

Es

lbleibt bey Ihrem Sprüchwort, daß es ein Hundsföttisches Leben ist.

Stephanie, der jüngere, hat wieder ein

«eues Stück gemacht.— Den Titel davon ha­

be



6e ich vergessen, — welches er dem Fürsten K. L. zugceignet, der ihm ein Geschenk von zwey»

hundert Dukaten dafür gemacht.

Die Fama

sagt zwar nicht des Stücks, sondern der Frau­ en wegen, und die mag es auch eher werth

seyn. Man sagt zwar, das Stück sey ziem­ lich artig. Ich komme so vom Theater ab, daß ich feit Ihrem Stück nicht darinn gewe­ sen bin. Riedel ist noch immer hier. Kein Mensch Noch habe ich ih» nicht einmal gesehen, und bin auch nicht sehr

weiß, was er macht»

neugierig ihn zu sehen; denn zu meiner Stra­ fe muß ich zuweilen mit einigen seiner Gesell-, schaftcr umgehen, aus deren Reden ich ihn

als einen sehr abgeschmackten Herrn beurthei­

le. Unter denen lst ein Magister S ... dec nicht zehn Worte spricht ohne Riedeln anzu-

sühren. Indem ich eben überlese, was ich ge­ schrieben, finde ich, daß ich den Brief billigst umschreiben sollte, so elend ist er geschrieben. Allein nicht wahr? Sie entlassen mich dessen, und bringen lieber eine Viertel Stunde langer dabey zu. Ich habe heute erschreckliche Kopf­ schmerzen, dte man bey der abscheulichen ver-

ander-

änderlichen Witterung hier wohl bekommen

muß.

Nur will ich Sie noch um etwas bit­

te», was Sie mir gar leicht gewähren kön­ nen; um das: daß Sie Ihren Bedienten

den Schnitt von Ihrer Weste nehmen lasse», und ihn niic einschicke». Ci» zwey Finger breites Papier ist hinreichend dazu, denn ich

brauche nur den Ausschnitt von den: Vorder­ theil.

Ich habe das Tamburnehen gelernt,

und da ich fürchte, daß ich diesen Winter noch hier bleibe» muß, so soll das mein Zeit­ vertreib seyn, Ihne» eine Weste zu stücken. Versagen Sie mir dieses Vergnügen nicht. Und schreiben Sie mir den doch bald wieder.

Sie glauben nicht, was ich leide, wenn ich

so lange nichts von ihnen höre. Ich umar­ me-Sie tausendmal in Gedanken, und bi« auf immer

Ihre

ergebenste

E. L. K.

19* Wien, d. 17. Sept. 177;^

Mein lieber Freund i Wie hart verfahren. Sie mit mir! daß Sie

mir nun auf zwey Briefe feine Zeile antwor­

ten. Was kaun ich mir anders vorstellen? als sie seyn krank oder Sie haben mich ver­ gessen.

Von

diesen

beyden Vorstellungen

quält mich eine um die andre, so sehr ich mich auch ihrer zu entschlagcn suche. Hatte

ich Sle vielleicht gar beleidiget? ich wüßte doch nicht; wenigstens mit. meinem Willen gewiß nicht. Ich bitte Sie nur um eine Fei­ le, worinn Sie mir aber die Ursache Ihres Stillschweigens aufrichtig sagen müssen. Möchte ich nur hören, daß Sie gesund

sind! Dieß ist mein einziger und eifrigster Wunsch. Ich bin unaufhörlich.

Ihre -an; ergeben-

E.L.K. Ebe» da ich diestn Brief

zusiegeln will, tritt ganz unvermuthet W.., ins Zim­ mer.

mer.

Wollte Gott! ich wür­

de so von Ihnen überrascht.

20. Wolfeubüttel, 6. 17. Sept. 1775.

Meine Liebe! Jii lauter Hofnung,

aus

lauter

leidiger

Hofnung, verschiebe ich es nun seit acht Wo­ chen von einem Tage zum andern, Ihnen zu

schreiben.

Warte noch morgen, denke ich

alle Abende: morgen kömmt es vielleicht, was

Du ihr so gerne melden möchtest.

Denn ich

weiß nicht, ob Sie cs gehört, oder von un­ gefehr in den Zeitungen gelesen haben, daß vor acht Wochen der einzige Mann in Braun­

schweig starb, durch de» alles und jedes was geschehen sollte geschah. Ec war der unglaub­

lichste Derzögrer und Trödler der je unter der Sonne gelebt, und ihm allein habe ich cs Schuld gegeben, daß meine Sache so auf die lange Bank geschoben, werde.

Dec E. P.

hatte sich gegen jemand auch wnrklich verlau­ ten lassen, daß es nur an ibm liege. Nu» also, da er todt war, glaubte ich um soviel

,

gewis-

95 gewisser, daß dieser alles beschleunigen wer­ de; wäre es auch nur, um mich von der

Wahrheit dieses Vorwandes zu überzeugen.

Allein, wie gesagt, jener ist nun schon seit acht Wochen todt, und dieser ist vorgestern auf

vier Wochen nach Potsdam gereiset, in wel­ chen sicherlich wieder nichts geschieht. Und ich sollte Ihne» auch in vier Wochen

noch nicht schreiben!

Unmöglich. Wenig­ stens sollen Sie wissen, wie es steht, und hören, daß ich gesund bin, bis auf die Ge­ fahr, für Bitterkeit und Unwillen toll zu wer­

den. Sie allein haben mich bisher abgehal­

ten, und halten mich noch ab,

einen über

ich die schlimmen Folgen alle voraussehe, den ich aber doch ganz unfehlbar schon langst würde eilten Schritt zu thun,

von welchem

gethan habe», wenn ich nicht auch zugleich

die einzige ernsthafte Hofnung dadurch zu verscherzen fürchten müßte, die ich noch Zeit meines Lebens gehabt.

Sie wissen, diest

Hofnung, meine Liebe,

und wenn Sic je­

mals daran Theil genommen haben: so be­ schwöre ich Sie, verbannen Sie jeden arg­ wöhnischen Gedanken, der sich Ihnen von

meiner

96 meiner Seite dagegen vorstelten will.

Ich

habe freylich höchst unrecht, Sie so oft und

so lange ohne Nachricht von mir zu lassen: aber schelten Sie lieber auf meine Nachlässig­

keit, und auf meine Kahlmällsercy, mit dec

ich mich würklich jetzt nur allzu sehr in Träumercycn und unnöthige Untersuchungen ver­

liere,. die mich um alle meine Zeit, um alle meine Heiterkeit bringen. ( Warum habe ich

auch keinen Menschen in der Welt, dessen freundschaftlicher Umgang mich davon abzöge?) Schelten Sie, sage ich, lieber darauf, als daß Sie sich die gcringjke quälende Ein­

bildung machen. Wollen Sie das wohl, meine Liebe. Doch ich verspreche Ihnen, daß

Sie cs auf die Zukunft nicht mehr nöthig ha­ ben sollen. So lange Sic noch in Wien sind, spre­ che ich noch immer so gerne mit jedem, der von daher könunt, oder dahin reiset. Bor einigen Wochen war der junge Graf von Mi-

gazzi, ein Neffe des dortige» Erzbischofs, mit einem Jesuiten, der es aber nicht seyn woll­

te, wohl einige Stunden bey mir. Sie daß das Ge­ spräch auch auf S. kam, und daß ich mir können sich leicht einbilden,

nicht

nicht den geringste» Zwang anthak, meine Empfindlichkeit nnd Verachtung gegen ihn zu

verbergen.

Ich wünschte nur, daß ihm ein

Theil von meinen Reden zu Ohren kommen möchte, damit er doch wüßte, wessen er sich

zu mir zu versehen hatte.

Der Herr v. Gebier hat auch wieder an mich geschrieben, und ich bin ihm nun wohl auf drey Briefe eine Antwort schuldig. Was rathen Sie mir: ob ich auch ihm lieber gar nicht antworte?, den» ich sehe doch, daß dem

Manne um nichts zu thu» ist, als um Bey­ fall und Schmeicheley, deren ich schon zu viel an ihm verschwendet habe. Ich hofte, daß seine Stücke besser werden sollten, aber sie werden immer schlechter und kälter. Wenn nichts als solcher Bettel in Wien gespielt wird, so haben Sie sehr recht, das Theater nicht zu besuchen. Was Sie mir von Ihren Angelegenhei­ ten melden, meine Liebe, davon weiß ich

nicht, ob es mich vergnügter oder mißver­ gnügter machen soll. Also noch den ganzen instehenden Winter besorgen Sic aufgchalten zu werde»? Wen» denn nun alles so ausfällt, r«ff. fr.Bnefw, r.P. G wie

98

wie Sic es wünschen! der Zeitvertreib aber, den Sie sich auf den Winter machen wollen, ist nicht weit her. Doch will ich Ihnen darin nicht hinderlich seyn; und Sie sollen das ver­ langte Maaß init der nächsten fahrenden Post haben. Ich will es um das wickeln, was ich Ihnen schon so lange zu schicken verspro­ chen, und nun ganz unfehlbar schicken will. .

Mit dem Theile von Ihnen, mit dem sie

noch in Hamburg sind, hoffe ich, steht alles

gut. Nächstens denke ich mehr davon zu hören. Denn K .. - welcher seinen Karl nach Cellerfeld auf die Schule bringen will, wird hier

durch kommen. Vielleicht laßt er ihn auch hier in Wolfenbüttel auf dec Schule. Es kommt mir vor, als ob er doch nicht Lust hat­ te, sich seine Söhne viel koste» zu lassen. Genug er sammelt ja für sie.

Lassen Sie sich das Format und die Zü­ ge dieses Briefes nicht befremden. Er ist

bey Lichte geschrieben, wo ich ganz wcitlauftig schreiben muß, um noch schreiben zu kön­ nen; und in so schmahlen Zeile», als »ur thunlich, um grade schreiben zu können. Denn

»leine Augen! meine Augen! Und nun leben Sie

Sie wohl, meine Liebe. Melden Sie mir j« bald, daff Sie gesund sind. Ich üinarme Sie tausendmal, und bin Zeitlebens ganz Oei- Jhng,

31. Wreu,

4. Oft 177z.

Mein lieber Freund! So sind Sie doch wohl? und haben noch immer Hofnung Ihren Entzweck zu erhalten?

Ich zweifelte an beyden.

Denn da Sie tu so

langer Zeit und auf drey Briefe nicht antwor­

teten, mußte ich wohl glauben, daß Sie außer Stand wären, die Federn zu führen. Nun

ich weiß, daß Sie wohl sind, wünsche ich nur auch nun bald zu hören, daß Ihre Aus­ sichten nach Wunsch ausgefallen, damit Sie

Ursache haben zufriedener und ruhiger zu seyn, als Sie jetzt sind. So viel Freude mir Ihr Brief gab, so machte er mich doch auch zu gleicher Zeit sehr traurig, indem ich Ihr Miß­ vergnügen daraus wahrnahm. Aber, lieb­ ster Freund! könnten Sie sich den» nicht ver-

G 2

gnüg-

IOO

gnügtere Tage machen? Mich däucht, es steht bloß bey Ihnen. Waruin entfernen Sie sich so ganz von Ihren Freunden? Haben oder wollen Sie deren keine m Wolfenbüttel haben, so ist Ihnen ja Braunschweig so na­ he, wo Sie sich wenigstens bey einigen man­ che angenehme Stunde machen könnten. Ich hoffe derD.K... wird Sic wieder ins Gleis

bringen.

Nach dessen Abreise erwarte ich ei­

nen Brief voller Neuigkeiten; denn wenn sie auch ziemlich alt waren, würden sie doch für

mich neu seyn, weil ich von Hamburg fast gar nichts sehe und höre, als was meine Ge­ schäfte betrift. Doch gestern hatte ich einen Besuch von des Lieutenant M.... Sohn, -er mir ein und anders erzählte, hauptsäch­ lich aber eine Nachricht brachte, die mich sehr rührte. Nehmlich diese: daß unser guter 3 .... verrückt sey, und nun in Scheffbeck lebe. Er dauert mich. Ob er zwar viel­ leicht jetzt glücklicher lebt, als er viele Jahre lang nicht gelebt hat, so ist es doch betrübt, daß ein so braver Mann ein solches Ende neh­ men muß. Bey unserer langsamen Korre­ spondenz veraltern die Geschichten und werden vergessen, sonst hatte ich längst einer gegen Sie

ioi Sie erwehnt, weil Sie den Mann kennen, dm Sie betrift.

Nu» muß ich Sie aber

gleichwohl nachholen, weil ich seit drey Ta­ gen entdecket, daß ich einen Theil dieser Ge­ schichte mit ausmache. Schon im vorigen Winter, während daß ich krank war, kam ein Bekannter zu mir, und fragte mich, ob

ich einen Namens Wagener in Hamburg ken­ ne? Mir fiel der Schurke, der sich mitB...» einmal ligierenwollte, garnicht ein, bis ec mir sagte; er habe eine Tapetenfabrik hier er­

richten wollen; nun kannte ich ihn. Ich muß­ te aber vorher beynahe einen Eid ablegen,

daß er mir ganz gleichgültig sey, ehe mein Freund mir folgendes erzählte. Ein gewis­ ser Kommerziensekretair Herr von T ... der dem W.... in seinem Gesuche dermalen gedienet, habe gestern einen Brief von ihm er­ halten, voller Schmähungen über B .... und T.... die ihn als Spitzbuben hinter­ gangen hatten, wofür er bey dem Hambur­ ger Magistrat Gerechtigkeit gesucht, die ihm aber auch versagt worden wäre. Er sey da­ durch in solche elende Umstände versetzet, daß er nicht einmal diesen Brief, noch viel weviger ein Paquet Schriften, so er ihm zu-

G Z

gleich

gleich sandte, frankiren könne.

Go wie die­

ser Brief versiegelt sey, wolle er seinem kum­ mervollen Leben ein Ende machen. Die Pistolen lagen bereits geladen auf dem Tische. Er bäte

sich von ihm diese letzte Gefälligkeit aus, die Schriften, so er ihm sende — (die lauter Kaluinnien über den Rath und viele Kaufleu­ te enthalten sollen) drucken zu lassen, und ihn soviel möglich an seinen Feinden zu rächen. Ich hörte diese Geschichte an, wie die Ge­ schichte eines von Bosheit rasenden Mensche».

Und sagte: dem ist es noch kein Ernst, sich zu erschiessen, und so war es auch. Acht Tage darauf kam wieder ein Brief, in wel­ chem er sagte. Die Ungewißheit, wie es in jenem Leben mit uns aussehcn möchte, wenn wir das gegenwärtige Leben durch Hülfsmit­ tel verkürzten, hatte ihn bisher abgehalten feinen Entschluß $u vollführen; nunmehro sey er aber entschlossen, und in weniger als eine viertel Stunde werde er nicht mehr seyn.

Gleich nach Empfang des ersten Briefes lief der Sckretair T. vom Präsidenten bis zum untersten Rath; ließ, den Brief lesen, und meynte, ob man nicht etwas zur Ret­ tung des Mannes thun könnte! Alle lachten G 4 ihn

■io; aus, wie Sie leicht denken können, weil für einen, der sich erschossen, wohl nicht mehr viel zu thun iss Unterdessen ist es mir ärgerlich, daß der Brief durch so viele Hande gegangen. Den­

ken Sie!

was

der boshafte darin sagte.

Indem er klagt, daß Verdienste nicht belohnt würden, kömmt er auf mich, die das Glück hatte, die Tapetenfabrike zu haben, das ich

nicht verdiente, weil ich sie dem Staate nicht erhalten haben würde, wenn Lessing mich ge-

heyrathet, wie er nach dem Tode meines Mannes Willens gewesen; was er aber nun nicht thun würde, weil er gefunden, daß meine Umstände nicht so wären, wie er sich vorgcstellt. Meinem Freunde habe ich es sehr verdacht, daß er mir diese Anekdote der­

malen nicht gleich crzehlte, weil ich alsdann die häufigen Fragen die an mich geschehe», besser hatte beantworte» können. Allein ec entschuldiget sich damit, daß er sie für wahr

gehalten, und ihr meine damalige Krankheit zugcschrieben habe. Es ist mir nur leid, daß ich diesen schlechten Menschen in Gedanken be­ halten muß, bis ich einige Herren, die den Brief gelesen, gesprochen; denen ich nothG 4 wendig

ie>4 wendig begreiflich machen muß, -aß Bosheit

dahinter steckt, weil es mir sonst an meinem in Werk seyenden Vorhaben, die Fabrik zu übertragen, schaden könnte.— Nun, lieber Freund, bin ich würklich im Begriff, alles zu verkaufen; es kommt nur darauf an, ob

ich mit dem Käufer eins werde.

Wie sehr ich es wünsche, kann lch Ihnen gar nicht sa­ gen. Wenn ich mir vorsiclle, daß ich de» Winter nur noch hier bleiben muß, so läuft mir der Angstschweiß vom Gesicht, will gcschweigen noch länger. Meine Kinder bedür­ fen meiner. Madam Mollinicr schreibt: En­ gelbert würde zu groß, um länger unter ihrer Aufsicht zu bleiben, und sie hat Recht. Was

soll ich aber für eine Veränderung mit ihm vornehmen? bis ich stibst weiß, wo mir ein Wohnplatz angewiesen ist. Theodors Fuß ist so schlimm, als er nie gewesen. Diese Nachricht hatte inich diese Tage beynahe auf -er Stelle gctödtet, so bestürtzt wurde ich. Ich schrieb auch gleich an den Professor, ob er ihn nicht wollte zu sich kommen lasse»? oder ob ich ihn nicht sollte auf hier kommen lassen ? damit er unter bessere Hande käme. Ich war­ te mit Ungeduld auf Antwort,

Nicht

los Nicht wahr? ich bin eine fatale Korrespondcntin? Nichts als unangenehmes. Was kann ich aber dafür, daß alle Arten von Un­ glück mich treffen.

Haben Sie Mitleiden

mit mir, und erleichtern Sie mein Unglück

durch gute und öftere Nachrichten von Ihnen» Das Format vcrzeyhe ich, .aber die Nachläs­ sigkeit nicht, die zu weit getrieben, der Gleich­ gültigkeit gar zu ähnlich sieht. Zur Stärkung der Allgen ist mir neulich ein Mittel gesagt, das außerordentlich gut seyn soll. Ueber die Blätter von blauen Korn­

blumen soll man kochendes Wasser giessen, und sie wie Thee anziehe» lassen, und stch

nachher, wenn das Wasser kalt ist, die Au­ gen öfters damit auswaschen. Ich glaube man kauft getrocknete Kornblumen in der Apotheke. Wenn das ist, so machen sie den Versuch. Noch besser wird es seyn, wenn Sie bey dem Gebrauch dieses Mittels zugleich Ihre Augen schonen, und statt des vielen Le­ sens und Schreibens, den vorstehenden Win­ ter bey guter Gesellschaft in Braunschweig passieren. Wenn Ihnen soviel daran gelegen, daß S. wissen soll, wie Sie über ihn denken, so

G 5

nehme

io6 nehine ich es über mich, es ihm wissend zu

machen.

Seine Frau allein ist Schuld, daß

ich es bisher nicht gethan habe; weil die al­

les Unangenehme, so er erfahrt, entgelten muß. Es ist der abscheulichste Mensch, der nur auf der Welt ist. Gestern hat mich die Frau besucht, die, nebst ihm und den Schwe­ stern zwey Monate in Mahre» bey ihren Freunden war. Sie sieht elend aus, und

das,

wie mir die Schwester erzählt,

aus

Die Eleonore hat sich auf dieser Reise mit dem einzigen Sohn des Baron N... verheyralauter Verdruß,

so ec ihr gemacht.

thet, elnem Majoratsherrn von 300,000 Gulden, der seit drey Jahren nichts ge­

wünscht, als sie zu besitzen. Ich glaube, sie wird glücklich seyn, und sie verdient es; sie ist ein artiges Mädchen, deren Gesellschaft

mir sehr abgehet, weil sie die einzige war, die mich hier unterhalten hat. Sie fragen mich; ob sie Geblern ant­

worten sollen? Sie werden mich verbinden, wenn Sie es thu», weil ec mir i» Kurzem

sehr nützlich wird seyn können. Ich sehe ihn wohl für so klein an, daß er mich ihre Sün­

den entgelten ließe. Sie

„io? Sie wissen vermuthlich schon, Winkelmanns Werke herauögibt s

daß R. Ci» hie­

siger Banquier, Baron Fricß, schießt das Geld vor, und zwar auf die genercuse Art, daß der Vortheil, so aus dem Werke fließt, dec hiesigen Akademie der Künste anheim

fallt.

Mit der Subscriptton werden sie nicht

weit kommen, weil sic keinen Preis des Werks bestimme».

Leben Sie wohl,

bester Freund,

und

wenn Sie sich meiner erinnern, so denken

Sie zugleich, daß Ihre Briefe zu meiner Ru­ Ich bin

he das Mehreste beytragen können. Zeitlebens

Ihre

ergebenste Freundinn

E. C. K. Run will ich doch sehen,

der Posttag mir das Dersprochne mitbringt. Ich ob

zweifle, ich zweifle!

22.

Wolftnt'ütttt, den i. Dee. 177z.

Meine Liebe! Was soll ich sagen,

daß ich Ihnen aber­

mals so lange nicht geschrieben habe? Noch

immer die alte Lcyer: Ich bin mißvergnügt,

ärgerlich, hypochondrisch, und in so einem Grade, daß mir noch nie das Leben jo zuwi­ der gewesen. Soll ich fortfahren, Ihnen das so recht zu beschreiben? Ich bin seit vier Monaten so gut, wie garnicht, aus Wol­ fenbüttel und aus meinem verwünschten

Schloße gekommen. Ich bin nur zweymal auf ein paar Stunden in Braunschweig ge­

wesen; denn ich habe cs vcrrcdct, in meiner gegenwärtigen Lage niemals wieder eine Nacht in dem Braunschweig zu bleiben, wo man sich gegen mich (Sie wissen wer) auf eine Art beträgt, die mir unerträglich fällt; auf eine Art, die ich zu anderer Zeit, unter andern

Umständen, um alles in dec Welt so lange nicht ertragen hätte. Ich will ihm daher

schlechterdings nicht in die Augen zu kommen Gefahr laufen. Wenn er mich bey der Naje geführt habe» will, so hab er cs! Aber ich wer-

log werde es ihm in meinem Leben nicht vergessen. Künftigen Januar wird es ein Jahr, daß er mir den ersten Antrag eigenhändig that. So lange warte ich nur noch, um ihm alsdenn meine Meynung so bitter zu schreiben, als sie gewiß noch keinem Prinzen geschrieben worden.

Was kann ich aber indeß thun, als mich

«nter meine Bücher vergraben, um unter ih­ nen, wo möglich, alle Aussicht in die Zu­ kunft zu vergessen? Ich habe auch nun weit länger als an Sie, meine Liebe, an keinen Menschen in der Welt geschrieben; weder an meine Brüder, noch an meine Mutter, noch an sonst jemanden. Ich antworte auch kei­ nem Menschen, der in irgend einer andern Sache an mich schreibt, als in Sachen der

Bibliothek. Daß meine Korrespondenz nach Hamburg also auch völlig abgebrochen ist. Versteht sich. Doch ist dießmal K. mir eine Antwort schuldig, nicht ich ihm. Er wollte Michaelis nach dem Harze reisen, und seinen Sohn nach Wolfenbüttel auf die Schule brin­ gen. Aber er ist nicht gekommen, und soll mir seit acht bis zehn Wochen auf meinen Brief antworte», in welchem ich ihm melde­

te?

te, daß ich bey dein hiesigen Rector alles ab­

geredet hätte.

Am besten würde ich thu»,

wenn ich an alle meine Bekannte, von deren

vielen ich auch nicht einmal einen Brief zu sehen verlange, ein Circulare ergehen ließe, mich für todt zu achten. Denn wahrlich,

meine Liebe, es ist mir fast unmöglich zu schreiben. Mehr als zehn Briefe habe ich selbst a» Sie angefangc», und sie wieder zcrrissen. Wer weiß, was diesem noch ge­ schieht, ehe ich die Seite herunter bin? Doch, es fallt niic auch länger unmöglich,

Nachricht von Ihne» zu seyn.

ohne

Und ein

Brief muß doch einmal fertig werden, inag er doch werden, wie er will. Die einzig« gute Nachricht kann ich Jhiieir schreiben, daß ich sehr gesund bin. Ich glaube, der Aerger hält mich gesund. Möchte ich ein Glei­

ches doch auch von Ihnen versichert seyn. Nicht zwar, was den Aerger anbelangt; denn der, weiß ich, bekömmt Ihnen nicht so gut, als mir. Dieses ärgerliche Wesen ver­ räth sich in jedem Worte, das ich spreche oder schreibe. Ich muß es also lieber darauf ankommen lassen, ob der Hr. von Gebier klein genug ist, es Ihnen empfinden zu lassen, daß

ich

ich Mir so wenig mit ihm zu thun mache: als daß ich an ihn schreibe,

und ihm Dinge

schreibe, die seiner Eitelkeit ganz gewiß nicht schmeichel» würden, und die er Ihne» wie­ der empfinden zu lassen, sich wohl noch mehr .berechtiget zu seyn glauben dürfte.

Daß der Baron v. B ... aus Wien fetzt in hiesigen Gegenden ist, werden Sie viel­

leicht wissen. Er war vor einiger Zeit in Braunschweig, und kam nach Wolfenbüttel, wo er auch mich spreche» wollte, aber ich ließ mich verläugncn. Endlich hat er sich

hinter den Hrn. von K.. gesteckt, daß wir

uns einander ein Rcndcsvous auf dem Weg­ hause gaben. Der Mann gefallt mir besser, als mir noch sonst ein Wiener gefallen hat.

Jetzt ist er in Hannover, wo er, wie ich hö­

re, den Winter bleiben wird. W., dessen lächerlich traurige Geschichte Sic mir in Ihrem Letzten schreiben, habe ich immer

für einen dummen Kerl gehalten.

Aber nun sehe ich, daß er auch ein boshaf­ ter Schurke ist. Ein einziger Umstand in

seiner Klatschercy ärgert mich;

aber indem

ich an diesem denke, werde ich so wild, daß

ich

ich meinen Brief gleich schließen muß. Sonst schreibe ich noch gewiß Dinge, die mich ihn zu zerreißen nöthigen.

Leben Sie recht wohl, meine Liebe; und seyn Sie lieber ein wenig gegen mich unwil­ lig, al6 daß Sie Mitleiden mit mir haben sollten, wenn Ihnen dieses Mitleid den ge­ ringsten Kummer machen sollte. Ich bin dennoch

ganz der Ihrige L.

2Z.

Wien, den 23. Dee. 177;. Mein liebster Freund! ^hne Ihre Antwort abzuwarten, hätte ich

gewiß den dritte» Brief nachgeschickt, wenn

ich nicht in gleicher Verfassung gewesen wäre, in der Sie sich mir schildern. Denn ich

inag mir für Vorstellungen machen, welche ich will, so beruhigen sie mich nicht, wenn Ihre Nachrichten so lange außen bleiben.

Zwar diestsmal machte ich mir halbe Hofuung, statt eines Briefes, Sie selbst zu st-

hm.

hen, indem der Jesuit, der den Graf Mi-

gazzi auf seinen Reisen begleitet hat, erzählet haben soll:

Sie wurden nächstens die Reise

nach Italien über hier machen. Ob schon — wie Sie leicht denken können — diese Hoff­ nung mir nicht viel Zufriedenheit geben konn­ te, so freuete ich mich doch, Sie einmal wie­ der zu sehen, und meinen Kummer in Ihren Schoß ausschütten zu können. Jetzt muß

ich auch diesem Gedanken entsagen, weil Sie in Ihrem Briefe nichts dapon erwähne,y

was Sie ohne Zweifel gethan haben würden,

wenn diese Reise so nahe wäre.

Nur wün­

sche ich, daß gar nichts daraus werden mö­ ge, sonst könnte es kommen, daß wir uns unterweges begegneten; denn ich habe seit

gestern eine fast gewisse Aussicht aufeine ziem­ lich gute Art, und bald, die Seydenfabrik an

Gott gebe, daß es doch Vor vier Wo­ che» war ich bereits in Unterhandlung, .und

Mann zu bringen.

einmal dazu kommen möge.

die Sache war so weit, daß gar nicht zu zweifeln stand, sie würde zu Stande kommen.

Doch hat sie em nichtswürdiger Anlaß zer­ nichtet. Diese zernichtete Hofnung brachte mich ganz um das Bischen Gesundheit, so ich

Leff. ft. Bnefw. 2, SB.

H

wie-

wieder gcsamittlet hatte.

Seitdem habe ich

die China wiederum gebrauchen müssen, von der ich denn doch seit einigen Tagen eine ziem­ lich gute Wirkung spüre. Alles mein Unglück

wollte ich gern ertragen, wenn nur Sie glück­ lich und zufrieden waren. Sie können nicht glauben, wie nahe es mir geht, daß ich mir Sie nicht anders, als in einer so traurigen Gemüthsverfassung vorstellen kann, die mich fast zweifeln macht, daß Sie so gesund sind,

als Sie es sich einbilden.

Es ist unartig, daß ich Ihnen dieses sage; allein die Furcht,

Sie inöchten sich verwahrlosen, bringt mich dazu.

Unmöglich können Sie gesund seyn,

sonst würden Sie Lust und Kräfte haben,

dein aufgebrachten Wesen (das in jeder Zeile Ihres Briefes sich äußert) zu widerstehen. Es ist wahr, man hat Ihnen übel mitge­ spielt , oder vielmehr in der Art verfehlet,

wie man einen Mann, wie Sie, behandeln So lange aber die Stelle, die man

sollte.

Ihnen angeboten, nicht vergeben ist, so lan­ ge haben Sie auch nicht Ursache, so entrüstet zu seyn, als Sie sind. Daß der Bewuste schon bey dem Anträge, Sie zu hintergehen gesucht haben sollte, kann ich nicht glauben,

ich

ich inüste mir denn ihn zugleich als den Nie­ derträchtigsten gedenken. Eber glaube ich, daß andere Geschäfte ihn die Sache vergessen lassen, und niemand ihn daran erinnert, weil

Sie es nicht thun. Und wenn es wahr ist, was mir kürzlich ein Fremder, dec diese Ge­

genden paßiert ist, erzählte: daß das Haus so sehr derangiret ist, daß es bald zu einer d .. C.. kommen könnte, so wundere ich mich nicht, wenn Angelegenheiten von der Art vergessen werden. Indessen ist es mir

leid, daß Sie es sind, die darunter leiden. Hundertmal habe ich schon gewünscht, daß von dec ganzen Sache nie die Rede gewesen wäre. Doch vielleicht nimmt sie noch eine bessere Wendung, als cs jetzt das Ansehen hat. Möchte es Hur bald seyn! damit ich Ihrem nächsten Briefe »richt wieder so lange

entgegen sehen darf. Mit einer angenehmen Nachricht, die Sie mir zu geben hätten, wür­ den Sie doch wohl eilen; nicht wahr? Mit dem Circulare verschonen Sie mich; das nehme ich nicht an. Auf alles in der Welt

thät ich eher Verzicht, als auf Ihre Briefe. Es ist auch wohl Ihr Ernst nicht, daß Sie es an mich'richten wollten? Sonst müßte ich

H 2

Sie

116 Sie für einen recht grausamen Mann halten,

und der sind Sie nicht. B. von B. ist ein ganz guter Mann, und

würde sich leicht zu einem der besten Manner bilden,

wenn er beständig in guter Gesell­

Vor seiner Reise nach England und Frankreich hat er mir besser gefallen, als jetzt. Sie wissen wohl schon die Absicht die­ ser Reise? daß er sich eine Frau sucht. Wenn K... eine schöne vernünftige Schwester hat­ schaft wäre.

te, so könnte er sie nicht besser versorgen. Auf Geld sieht er nicht, sonst würde er wohl

in Hamburg hängen bleiben. So aber glau­ be ich es nicht, denn ich kenne dorten keine Person, die die Vorzüge hat, die er fodert. Mir ist cs lieb, daß Sie ihm gesprochen, so hat er doch die Komplimente, so ich ihm beym

Abschiedsschmauß an Sie mitgegeben, aus­

richten können. Von meinen Kindern habe ich durch ei­

nen , der sie kürzlich gesehen, die beste» Nachrichten, und so auch von Madam Sch.; diese hat mir einen sehr muntern Brief ge­

schrieben, woraus ich urtheilen muß, daß Sie recht vergnügt ist, was mich ungemein freut,

freut.

Unter den Neuigkeiten, die. sie mir

meldet, ist auch diese: daß Madam Schl... Wittwe geworden. Möchten doch alle üble

Ehen sobald getrennt werden l Hierbey fallt mir unser guter Zink ein.

Von dem schreibt

sie mir, er sey schon so gut, als todt.

Leben Sie nun recht wohl, und lassen Sie mit diesem alten Jahre allen Ihren Ver­ druß fahren. Aber schreiben Sie mir auch, daß Sie es gethan, damit ich mich mit Ih­ nen freuen kann, so wie ich mich fetzt mit Ihnen betrübe. Ich bin auf immer Ihre aufrichtigste Freundin»

E. C. K. 24. Wien, Sen 26. Marz 17/4»

Mein lieber Freund! §8ald muß ich denken, daß Sie ganz und gar auch mich vergessen, sonst wäre es woht

,licht möglich, daß Sie ganze vier Monate verstreichen ließen, ohne eine Zeile an mich

Hz



ifr8 zu schreiben.

Schon längst hätte ich mich

ui» die Ursache dieses Stillschweigens erkundi­ get,

wenn nicht eben dieses Stillschweigen,

und eine gewisse Periode in Ihrem letzten Brief den Verdacht bey mir erweckt hatten, als waren Nachrichten von mir Ihnen viel­ leicht so unwillkommen, als willkommen mir die Ihrigen sind.

Und ungeachtet dieser

Argwohn noch nicht gehoben, so kann ich es

doch nicht länger anstehen lassen. Ich muß wissen: was Sie machen, und wie Sie sich befinden? ob Vergnügen oder Mißvergnügen Sie abgehalten, so lange nichts von sich hö­ ren zu lassen? Im erstem Fall will ich Ih­

nen gerne vergeben, allein nicht im letzter». Denn Sie müssen nicht mißvergnügt seyn —

wenigstens nicht auf so lange, als Sie es nun bereits find; und denn so glaube ich auch, einen gegründeten Anspruch auf Ihr Vertrauen machen zu dürfen, und fände mich darum beleidiget, wenn Sie mir deswegen

nicht schrieben, weil Sie mir nichts Ange­ nehmes zu schreiben hätten. Wie lange hät­ te ich denn von meiner Seite die Korrespon­

denz unterbrechen müssen.

Ich habe Ihne»

wenig oder gar nichts Angenehmes zu sage» ge-

ug gehabt, und bin auch noch jetzt in einer Lage,

daß ich nicht weiß, woran ich bin. Zwar habe ich dermale» einen Abnehmer für die Seydenfabrik, allein er fodert Begünstigung gen vom Hofe, von denen ich noch nicht weiß, ob ich sie erhalten werde? Ich bin bereits vor drey Wochen darum

eingekommen, es hat mich aber vor vierzehn Tage» ein Fieber befallen, das mich verhin­ dert, dec Sache nachzugehen. Jetzt bin ich Gottlob! wieder auf der Besserung, und

werde also, wo möglich, künftige Woche die fatale Beschäftigung vornehmen, Rcverenze

zu machen. Wenn diese ihren Endzweck er­ reichen, so bringe ich es wenigstens so weit,

daß meine Verwandten ohne Schaden blei­ ben, das ist das Einzige, wornach ich jetzt

strebe.

Wie es mir ergehen wird, darauf

Nicht aus Unbesonnenheit, sondcm weil ich rasend würde, wenn ich die­ sem Gedanken öfters nachhienge. Er kömmt mir auch nur selten, und ich danke Gott, daß ich es so weit gebracht habe. Mein Schwa­ denke ich nicht.

ger hat, seznem letzten Briefe nach, wohl ei»

Vergnügen gehabt, warum ich ihn beneide; H 4 nehm-

nehmlich dieses:

Sie zu sehen.

Ob er Ih­

nen gesagt, daß ihm mein Heydelberger Bru­

der die erste Stelle beym Mannheimer Lotto, die sehr einträglich seyn soll, verschaffen will,

und ob er Lust hat, sie anzunehmen, verlangt mich zu hören. Ich besorge, ich besorge, .daß sein Hang für Hamburg ihn abermal ei­ ne Sottise begehen macht. Apropos von Manheim, wissen Sie beim schon, daß der Churfürst verschiedene geschickte Gelehrte be­ ruft, um die Heydelberger Universität damit zu zieren? und zwar sieht er nicht auf die

Religion. Man hat mir keinen genennt, als meinem Bruder, dem man nun zum zweytenden er aber sicher nicht annehmen wird; es wäre denn, daß er glaubte, die Vaterlandsluft sey seiner Ge­ sundheit zuträglicher. Ich wünschte es zwar,

mal den Antrag macht,

weil es nun das Ansehen hat, als ob auch ich darinnen lebe» müsse. Hätten Sie nicht auch Lust, dorten eine Professur anzunehmen? Wenn das wäre, so müssen Sie mir nur sa­ gen, wie und auf was Art, so wollte ich die Anleitung dazu geben, und der Prof. M.,

Lessen Sie sich erinnern werden, würde mit

Vergnügen die Hand dazu bieten.

Würklich

habe

habe ich im Ernste darauf gedacht, wie ich

nur vom Bruder hörte, daß man aufgeschickte Manner sänne, die man berufen wol­

le , und habe ihn auch sogleich gefragt: von welcher Gattung man sie suchte? worüber er mir vermuthlich in einigen Tagen Antwort

geben wird.

Vielleicht lache» Sie über mei­

ne» Einfall; allein er wäre so uneben nicht, wenn Sie ihn genehmigten und er erfüllet

würde. — Es ist doch rühmlich vom Chur­ fürsten, daß er die Schatze der Jesuiten so nützlich zu verwenden sucht. Aus dein Ueberschuß von ihren Einkünften sollen die Sa-

laria bestritten werden.

Die hiesige Schaubühne wird den zwey­ ten Ostertag mit einer neuen Tragödie von Staatsrath Gebier eröfnct. Vermuthlich hat er sic Ihnen schon geschickt; ich weiß nicht eininal, wie sie betitelt ist, so wenig beküm­ mere ich mich um das Theater.

Weil es Schande gewesen wäre, so lange hier gewe­

sen zu seyn, und kein Noverrisches Ballet gesehen zu haben, habe ich das letzte, so er gegeben, die Horazier mit angesehen, und

muß gestehen, daß er mir gefallen hat; aber

H 5

noch

»och tveit mehr gefallen haben würde, wen»

alles harmoniert hatte.

Das Theater hatte

nicht Raum genug, und dann so stachen die Decorationen mit der Kleidung, die sehr prächtig war, so sehr ab, daß es anstößig war. Das spaßhafteste war der Lermen nach dem Beschlusse,

wo Parterre und Gallerie mit

Heller Stimme eine Viertelstunde lang No-

verre, Noverre! rief, bis er sich endlich zeigte, und einen Bückling machte. Ware er nicht erschienen, ich glaube, sie hätten das

Ich habe mich nicht we­

Theater gestürmt.

nig gewundert, daß in Gegenwart des Kai­

sers ein solches Getöse entstand.

Um nun von einem braven Mann auf ei­ nen Stümper zu kommen, auf S., so kann

ich Ihnen sagen,

daß der nun vollkommen

unterrichtet seyn wird, wie Sie von ihm den­ ken ;

denn Müller,

der Acteur,

mit dem

Sie von ihm gesprochen, hat getreulich dec ganzen Stadt erzählt, wie Sie sich über ihn ausgedrückt, und S. hat zu viel Ueberträgec an der Hand, als daß es ihm nicht zu Oh­

ren gekommen seyn sollte. Wiewohl er gegen mich sich noch nichts hat merken lassen.

WaS

Was machen die jungen Eheleute, Prof. 3-/ E., und Kammerherr K. Sind sie ver­ gnügt, und geben sie dem Prediger was zu verdienen? Machen Sie ihnen bey Gelegen­

heit meine Einpfehlung.

Um was ich Sie

nochmals aus das dringendste bitte, ist: daß Sie mich nicht langer auf Briefe warten lap sc», die mich Ihres Wohlseyns, Ihrer Zu­ friedenheit und Freundschaft versichern, sonst

werde ich nicht länger bleiben

Ihre beste Freundin»

E.C.K.

25. Wolfenbüttel,

den 8. April 1774»

Meine Liebe! Bey allem, was heilig ist! wenn ich die ganze» langen vier Monate, in denen ich nicht an Sie geschrieben, einen einzigen vergnüg­ ten oder nur ruhigen Tag gehabt hatte, so

könnte mir selbst mein Stillschweigen nicht anders als sehr schurkisch vorkommen. Das wäre der wahre Ausdruck dafür! Und nun,

wol-

wollen Sie mich noch für schuldig halten? Verwünscht sey jedes Wort, das Ihnen in

meinem letzten Briefe zu dem geringsten Ver­ dachte Anlaß gegeben l Aber daraus sehen Sie auch, wie dumm und unbesonnen ich in den Tag hinein schreibe und rede, wenn ich das Herz voll Verdruß und Galle habe. Was kann ich denn besser thun, als daß ich

meine Raserey nur in der Stille abwarte, und keinem Menschen damit beschwerlich fal­ le ? Aber Ihnen sollte ich es doch sagen. Sie?

Gerade Ihnen am wenigsten.

Und

wahrlich, ich schriebe Ihnen noch nicht, wä­

re nicht ein einziger Umstand in Ihrem Brie­ fe, auf den ich zu jeder andern Zeit gewiß nicht geachtet hätte. Nehmlich der mit Hey-

delberg. Was Sie mir davon melden, ist inir und ich wünschte allerdings, daß man mit auf mich einiges Absehen haben wollte. Denn hier ist cs langer nicht aus­ ganz neu;

zuhalten. Es wird von Tag zu Tag schlim­ mer, und die bereits seit anderthalb Jahren

verkümmerten Galaria werden es gewiß mit

nächsten noch mehr werden.

Von dem Erb-

xrinzen, wie ich ihn nunmehr kenne, wenn

er

ll, wie sehr ich mich freuen werde. Sie

wieder zu sehen. Wenn ich anders noch weiß, was sich freuen heißt! Gesund werden Sie

mich finden, und gesunder, als ich leider! vermuthen darf, Sie zu finden: ich scheine also auch meinen Bekannten so vergnügt, als man nur seyn kann. Aber Gott gebe, daß sie nicht einmal sagen mögen: wir habe» uns schrecklich mit ihm betrogen.

So weit bist

ich schon, daß ich sehe, alle mein Kummer,

alle meine Bemühung, mich aus Veit vevwünsch-

J2|O

wünschten Umständen zu fetzen, ist vergebens.

So geschehe denn, was geschehen soll! Ent­ ziehen Sie mir nur, meine Liebe, ihre gute

und wenn das nehmliche

Meynung nicht:

curch noch von einigen andern Personen, die

ich schätze und liebe, hoffen darf: so bin ich -zu allem sehr gefaßt. — Nun leben Sie von einem Tage zum an­

dern immer vergnügter und gesünder. schlimmste ist überstanden. cs mir doch noch,

Das

Aber Sie melden

wenn Sie hier durchzu­

kommen gedenken! sonst könnte cs leicht kom­ men,- daß ich abwesend wäre.

Ihr 9«i>» ergn Lzten zu beantworte». Herr Sch. war eben hey mir, wie ich ihn erhielt, und war

froh, daß Sie zu Ihrer Ankunft keinen spa« tern Tag als den 6teil bestimmt haben; der 5te wäre ihm aber noch lieber, weil dann den 6ten unsere Verbindung, und er am 7ten in

der Stadt seyn könnte. Wenn Sie es also so einrichten können, so thun Sie cs: Sii müssen es aber auch mit der Rückpost schrei­

ben , damit sich Sch. darnach einrichten kön­

nen.

Für einen viersitzigcn Wagen will ich

sorgen, und wir fahre» dan» mit der Post; kann ich meinen Wienerwagen gut anhringen, so verkaufe ich ihn. Dieß schreibe ich Ihnen mit nächster Post — und Sie

bringen dann eine Chaift mit, worin wir die Rückreise mache». — . Ihr Bedienter kann alsdenn bey den Kindern bleiben, wenn ich ja kein Mädchen mitbringe — denn wenn ich

«ine Unbekannte nehinen soll, so nehme ich sie lieber dorten, als daß ich sie von hier mit* ' neh*

35 nehme, nicht wahr? Ich will mich indeß recht ernstlich darum bemühen, weil Sie mir es

rathen: Heute habe ich Schuback noch recht ernst­

lich gebeten, niemanden mit nach dem Dock

zu nehmen, und las ihm zum Ueberfluß was Sie darüber geschrieben. Er war betroffen, weil er O ... gebeten hat. Dieser komint also auch, aber sonst auch niemand.

Und für diesen brauchen Sie auch keinen neuen Rock. Sie kennen ihn ja recht gut. Eine

neue Weste und Beinkleider finden Sie vor. Malchen hat zwar sthr gebeten es Ihnen nicht

zu schreiben. Ich thue es aber, wenn Sie allenfalls noch einen Rock wollte» machen, oder die Knöpfe müßten andern lassen. Denn

ich weiß nicht mehr ob Gold oder Silber dar­ auf war — ich sahe Ihnen, nicht nach dem Kleide.— Ich mag zwar kaum so unbeschei­ den ftyn, Sie darum zu bitten, weil Sie

schon die erste Bitte auf den 6te» zu kommen, willfahrt haben; aber wenn Sie wüßten,

wie Dankbar ich Ihnen dafür bin, so wür­ den Sie sich auch den zweyten Dank wo mög­

lich erwerben.

r-ff. fr. Brief». 2. B.

U

So

goG So wie Sie sich auf meine Geduld ver­ lassen wollen, so verlasse ich mich bey diefcm Briefe auf die Ihrige. Denn nothwendig müssen Sie ihn buchstabircn. Ich kann mir aber nicht helfen; mein Blut ist in solcher Wallung, daß mir die Hande wie ein Espen­ laub zittern. Ich bin jetzo eine fatale Krea­ tur die nicht viel ausrichten kann. Deswe­ gen wäre cs mir eben nicht angenehm, wenn die Köchinn sogar unwissend wäre.

Meine Kinder küssen Ihnen die Hand, und ich umarme Sie tausendmal in Gedan­ ken, und sehne mich recht sehr nach dem Ta­ ge, da ich es wirklich thun kann.

die Ihrig« K.

9a
»

Auf, Brüter/ Friedrich/ unser Held/ Der Feind von fauler Frist, Ist auf, und ruft uns in das Feld, W» Ruhm tu holen ist.

Was soll, 0 Tolpatsch und Pandur, Was soll die träge Rast? Auf, und erfahre, daß du nur Den Tod verspätet hast.

Aus deinem Schedel trinken «vir Bald deinen süßen Wein, Du Ungar! Merseburger Bier Soll dann verschmähet seyn.

Dein starkes Heer ist unser Spott, Ist unsrer Waffen Spiel; Denn was kann wider unsern Gott Theresia, und Brühl? Was helfen Waffen und Geschütz Im ungerechten Krieg? Gott donnerte bey Lowositz, Und unser war der Siegl Und bit' uns in der achten Schlacht Franzos und Rüste Trutz; So lachten wir doch ihrer Macht, Denn Gott ist unser Schutz!

14 G. E. Lessings Briefwechsel &

!

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r.'



Daß sich ein Mann, ein gemeiner Soldat/

der doch ohne Zweifel die Poesie weder hand­ werksmäßig gelernt hat, noch darauf gewandert

ist, solche vortreffliche Verse zu machen unter­ stehn darf! Das einzige Merseburger Bier

will mir nicht recht zu Halse!

Wenn

der

tapfre Dichter nicht seit der Zeit geblieben ist/ und ich ihn jemals kennen lerne, so soll er mir

diese Zeile andern müssen. Mit der alten Lesart soll das Lied alsdann im Lager, und

mit der neuen auf dem Parnasse gesungen werden.

Und wie dächten Sie wohl, mein

lieber Gleim, daß die letztere ungefähr heißen

könnte? O ich bitte Sie recht sehr, Sie einen Augenblick darauf.

denken

Die Sommer­

sprosse auf dem schönen Gesichte eines Land­ mädchens ist sehr natürlich;

aber dieses Na­

türlichen ungeachtet, wünsche ich die Sommer­ sprosse doch lieber weg. Oder wollen Sie ein Gleichniß

von

einem Stadtmädchen?

Zum

Exempel von der Mademoiselle XX)**9. — — Hören Sie nur, es ist unsers lieben Herrn

von Rleist wahrer Ernst,

und obendrein ist

es auch der meinige, daß Sie aus dieser Ma,

Mit Friedrich Wilhelm Gleim. 15

demoiselle eine Madame Gleim machen sollen. Nelsen Sie nur geschwind nach Langensalze,

und kommen Sie in acht Tagen mit ihr hier­

her nach Leipzig, unser Beyder poetischen Segen avzuholen. Und damit dieser desto besser anschlage, so können Sie zusammen auch den Brunnen hier rrlnken.

Wir haben bereits

einen Garten dazu für Sie ausgesucht.

Wenn

Sie gewiß kommen wollen, so bleibe ich so langein Leipzig, und mache auf Ihre Hochzeit etwas ganz Neues-------- ein anakreontisches Heldengedicht: die gedämpften Hagestolze^

nicht aber zur Nachahmung der gedampften Hunnen!

Leben Sie wohl, mein lieber Gleim; vor­

her aber empfangen Sie meinen Dank wegen der Muhe, die Sie sich meinetwegen bey Ih­ ren Freunden in Berlin gegeben haben. Ich bin ganz der Ihrige

Lessing.

>6

G. E. Lessings Briefwechsel

5. Gleim an Lessing. Halberstadt, den 8. August 175;. S^tir zwey Worte mit Ihnen, liebster Lessing,

ohne Gedanken, (bey der Brunnenkur soll ich nicht denken,) — aber desto mehr mit Empfin,

billig, die Frage: Was machen Sie? Sind

Sie hergestellr? Ich wünsch' es von ganzem Herzen; ich wünsche meinem Lessing die voll,

kommenste Gesundheit,

und

daß Sie noch

viele so vortreffliche Oden in Prosa machen

mögen (denn fingen kann man ja von Pros» wohl nicht sagen), als Sie mich in zwey lie#

Bett Briefen haben lesen

lassen. — Hätten

Sie nur eine derselben in Verse gebracht, so

würden Sie mir eine große Freude machen,

wenn Sie sie mich lesen ließen.

Ich sähe so

gern, wie Sie's angefangen hätten.

Dem Soldaten, der die Schlachtgesänge macht, hab' ich neulich geschrieben, daß er Jh< tcn Beyfall hätte, und er hat mir geantwor­

tet, daß er nun welche machen wollte, wenn gleich

Mit Friedrich Wilhelm Gleim. 17

gleich keine Schlachten vorfielen.

Das Sie-

geelied nach der Schlacht bey Prag ist, wie

Sie bald sehen werden, ebenfalls von ihm. Wenn

er

nur

in

dem letzten Scharmützel

nicht geblieben ist! Sein Regiment ist dabey gewesen.

Sein Siegeslled nach der Schlacht

bey Collm hab' ich noch nicht gesehen; ein gu­ ter Freund aber hat mir gemeldet, daß es zu Leitmeritz gedruckt wäre.

Sie sollen's haben,

so bald ich's erhalte; denn es scheint, als ob es

mit Ihrem

Beyfall

Ihnen

Ernst

sey.

Muntern Sie doch unsern lieben Rleist auf,

daß er noch mehr Elegieen, und mehr Gartner-

Idyllen macht. Ich soll auf Befehl des Arztes nichts le­ sen; was RleLst und Lessing zu lesen geben,

hab' ich mir ausbedungen. Wie gefälltIhnen denn der Tod Adams?

Meinen Sie nicht, daß er aufgeführt werden kann?

Vorgelesen

hab' ich ihn und mitge-

iveint.

G l e i nt;

iess. Schrift, xxix. Tb.

D

18

G. E. Lessings Briefwechsel

6. Lessing an Gleim. Leipzig, den 21. September 1757.

Liebster Herr Gleim, letzter Brief an unsern lieben Herrn Oberstwachmeister hat mich herzlich belustigt.

Schreiben Sie ja oft dergleichen, damit wir hier auch den Krieg auf der spaßhaften Seite kennen lernen. Zch habe aber vor vielen Zäh­

ren eine alte ehrliche Frau gekannt, die, wenn sie in ihrer Stube nicht» mehr zu thun fand, anfing die Fliegen auf der Gaffe tobt zu schla-

gen. Die Arbeit war leicht; nur daß es eine ewige Arbeit war. Ich glaube, .sie schlägt «och todt. — Wissen Sie schon, daß ich die beyden Ge­

sänge unsere begeisterten Grenadiere in dae zweyte Stück der Bibliothek habe einrücken lassen? Bald aber hätt' ich Händel darüber

bekommen, wenn sich nicht der Major dee ge­ meinen Soldaten und seines Herauegebers angenommen hätte. Auch Herr tlkoUi in Berlin hat sich von Herrn Lieberkühn —

mit Friedrich Wilhelm Gleim. 19

»venu Sie den Namen anders kennen — ei,

neu satirischen Brief darüber zngezogen *). Dieser Lieberkühn hat sich den Teufel blen,

den lassen, und gleichfalls Schlachtgesänge uu, ter dem Namen eines Oberofficiers heraus, gegeben. Wie hochmüthig die schlechten Poete»

sind! Zch kenne eine» guten, der sich, der poe« tischen Subordination zu Folge, zum Generale hätte machen müssen. — Weil ich der Bibliothek gedenke, so muß ich Ihnen einen Zrrthum benehmen, den ich Ihnen schon oft habe benehmen wollen. Sie

halten mich für einen von den Verfassern der, selben. Zch bin es, bei Gott! nicht. Und Sie sollen mich auch durchaus. nicht dafür ausgeben. Wo Sie es schon unterdessen dem Herrn Zachariä in'S Ohr gesagt haben, so

bringen Sie es ihm ja wieder aus den Ge, danken. Er würde sonst Ursache haben, auf mich verdrießlich zu werden.

Werden Sie denn nicht bald wieder ein, mal nach Leipzig kommen? Die Franzosen

D 2 •) M. «ergl. Th. XXVil.

S. 108 «. 480.

so ijl

G. E. Lessings Briefwechsel .............

,,

H

halten Sie doch wohl nicht davon, ab? Zch will hoffen, daß sie zu gesittet sind, als daß

sie einen Dichter Im geringsten verhindern soll,'

ten, zu singen und seine Freunde zu besuchen.— Leben Sie wohl, und ermuntern Sie, wo

möglich, den Husaren, der fünf Franzosen ge
7

—■■«All- fjQp,.. M

. ... us

daß es eben nicht unsre größten Geister sind, die nach Paris kommen. Aber ich bitte Sie inständigst, -eigen Sie sich ja als einen wah­ ren Deutschen!

den Sie haben;

Verbergen Sie allen Witz, lassen Sie nichts von sich

hören, als Verstand; wenden Sie diesen vor/ nehmlich an, jenen verächtlich zu machen. — Das ist die einzige Rache, die Sie jetzt an

Ihren Feinden nehmen können. Besonders lassen Sie sich ja nicht merken, als ob Sie einen von ihren jetzt lebenden Serlbenten kenn, teil. Wenn man Sie fragt, ob Ihnen

Gresset, piroit, Marivaux, Bernis, du Boccage gefallen; so werfen Sie fein ver­ ächtlich den Kopf zurück, und thun, anstatt

aller Antwort, die Gegenfrage: Ob man in Frankreich unsre Schönaichs, unsre Löwens,

unsre patzkens, unsere Unzerinnen auswen­ dig

wisse?

Von Fontenellen muß

Ihnen

weiter nichts bekannt zu seyn scheinen, als daß er fast hundert Zahr att geworden; und von

Voltaire selbst, müssen Sie thun, als ob Sie weiter nichts, als seine dummen Streiche und Betriegereyen gehört hätten. — Das soll iw

G. E. Lessings Briefwechsel $

.

-------------- WL-rfflj

nigstens meine Rolle seyn, die ich mit jedem

nicht ganz unwissenden Franzosen spielen will, der etwa nach Leipzig kommen sollte!

Sie wollen es also mit aller Gewalt, daß ich einer von den Verfassern der Bibliothek seyn soll?

Zch muß es Ihnen aber nochmals

auf meine Ehre versichern, daß ich nicht den

geringsten Antheil daran habe, und daß ich am allerwenigsten beti Artikel von theatralischen

Neuigkeiten eompiiirt haben möchte.

Demun-

geachtet muß ich nicht bergen, daß ich Ihnen von den Verfassern, für das mitgetheilte Por­

trait des Herrn Blopstock, tausend und aber tausend Danksagungen abzustatten habe. Lreberkühne Brief wegen der Schlacht­

gesänge unsers Grenadiers, ist kein gedruckter Brief, wofür Sie ihn vielleicht gehalten haben. Ich will mir aber von Herrn tlkolai eine

Abschrift davon schicken lassen.

Die eomponir-

ten Schlachtgesange des Offieiers (oder viel­

mehr Feldpredigers; denn das ist LieberküKn jetzt, utib zwar durch Vorsorge unsers lieben

Herrn von Bleist, der gütig genug glaubt, daß auch sogar die schlechten Poeten noch zu

mit Friedrich Wilhelm Gleim. 25 -........ -



etwas nütze sind) diese elenden SchlachtgesLnge,

sage ich, sind hier nicht zu haben. Wenn Sie durchaus begierig sind, zu sehen, wie unendlich

viel Grade man unter Ihrem Grenadier seyn kann, so will ich sie aus Berlin kommen lassen. Ein andres Werk von Lieberkühn könnte ich Ihnen mitschicken,

wenn es sich der Mühe

verlohnte; er hat nehmlich diese Messe Sitt,

liehe Gedichte zur Ermunterung des Ge, müths herausgegeben, und zwar, was mich ärgert, in Duodez.

Zn der That zwar sollte

ich mich nicht ärgern; denn, Gott sey Dank,

nun habe ich doch auch in diesem Formate ei­ nen unter mir *), und ich bin nicht mehr der

schlechte Deutsche Poet in Duodez x.a,T

Was sagen Sie zu Llopstocks geistlichen Liedern? Wenn Sie schlecht davon urtheilen, werde ich an Ihrem Christenthum zweifeln; und urtheilen Sie gut davon, an ihrem Ge«

schmacke.

Was wollen Sie lieber? —

D 4 *} Bekanntlich ist die erste Ausgabe vonLcssings Vermischten Schriften, Berlin 175261$ 175 i-, in Duodez.

24 ®- ®- Lessings Briefwechsel Ich empfehle mich Ihnen, liebster Freund, und bin

ganz der Ihrige Lessing,

8.

Lessing an Gleim. Leipzig, d:n 12. December 1757.

Liebster Freund!

0 was ist unser Grenadier für ein vortreff­ licher Mann! Zch kann Ihnen nicht sagen, wie gut er seine Sachen gemacht hat! Was haben

der Herr Major und ich, was haben wir uns nicht über seine Einfälle gefreuet! Und noch alle Tage lachen wir darüber. Zu einer sol­ chen unanstößigen Verbindung der erhabensten

und lächerlichsten Bilder war nur Er geschickt!

Nur Er konnte die Strophen: Gott aber wog bei Sternenklang rc. und dem Schwa­ ben der mit einem Sprung rc. machen, und

sie beyde in ein Ganzes bringen.

Was wollte

Mit Friedrich Wilhelm Gleim. 25

ich nicht darum geben, wenn man das ganze Lied ins Französische übersetzen könnte! Der witzigste Franzose würde sich darüber so schä­ men, als ob sie die Schlacht bey Roßbach -um zweitenmale verloren hatten. 2(ber hören Sie, wollen wir unsern Grenadier nicht nun bald avanciren lassen? Jetzt wäre gleich die rechte Zeit dazu, da er hier unter den Gene­ ralen und Prinzen ziemlich bekannt zu werden anfängt. — Der Herr von Rlerst wird Ih­ nen von einigen Veränderungen geschrieben haben, um die wir, seine zwey Bewunderer, den Grenadier recht höflich bitten. Die eine davon: — 0 da war er, der erste, welcher lief, ist einer gewissen Art Leute wegen un­ umgänglich nöthig. Die Zweydeutigkeit hat offenbar keinen Grund; aber giebt es nicht Leute, die ihr, auch ohne Grund, einen geben könnten? Die übrigen kleinen Veränderungen muß der Grenadier nach seinem eigenen Gut­ befinden machen oder nicht machen. So wie er uns melden wird, daß es gedruckt werdenkönne, wollen wir es auch drucken lassen. Denn gedruckt muß es werden! Wenn er auf

26 G. E. Lessings Briefwechsel

die Schlacht vom fünften dieses*), noch etwas wachen wollte, so könnte er nun schon ein

Autor von einem kleinen Bändchen werden.

Alsdann nehmlich ließe man alle vier sauber zusammendrucken, und Sie, mein lieber Gleim,

machten einen kleinen Vorbericht, um jeden Leser aus den rechten Gesichtspunkt zu stellen,

aus welchem er die Lieder betrachten müsse. —

Major hat Ihnen doch

bereits

Herrn Ewalds Siegeslied geschickt?

Es ist

Der Herr

so gut, als es ein nachahmender Witz machen

kann; erfunden hatte Herr Ewald diese Art Wenn sich Lieber­ kühn nun wieder einkommen laßt, ein Sie­

von Gedichten nicht! —

geslied zu machen, so soll er Spießruthen lau­ fen müssen, und wenn er es auch aus die Rech­ nung eines Feldmarschalls schriebe. Einen klei­ nen Tanz werde ich ihn jetzt ohnedies, wegen

seines Theokrit, thun lassen. Der Mensch überseht aus dem Griechischen, und versteht gewiß welliger Griechisch als Gottsched, oder irgend ein Tertianer ihres weit und breit be*) Bei Leutherr ober Liffa,

mit Friedrich Wilhelm Gleim. 27

Sie werden

rühmten Herrn Derlings *),

erstaunen, was er für lächerliche Fehler ge­ macht hat. Und gleichwohl hat sich der Elende

unterstanden, unserm lieben Ramler eine kleine

Nachlässigkeit

aufjumutzen. — Haben Sie,

mein lieber Herr Gleim, in Ihrer anakreontlschen Bibliothek

bereits Lrapps

Ausgabe

vom Anakreon, mit der lateinischen Ucberset-

zung in elegischen Versen?

Wenn sie Ihnen

noch fehlt, so will ich sie Ihnen schicken. — Ich empfehle mich Ihrer fernern Freundschaft,

und bin ganz der Ihrige

_______

Lessing.

Gleim an Lessing. Halberstadt, den 1. Februar 1758.

Sie sich denn gar nicht vor dem Zorne des Grenadiers, mein liebster Lessing?

Ungerächt läßt er sich nicht beleidigen; er ist in seiner Freundschaft so feurig, als im Hast

*) Damals Reetor an einer Stadtschule zu Halberstadt.

s8 G. E. Lessings Briefwechsel

o fcmer Feinde, und kann eS nicht ausstehn, daß man ihn vergißt.

Wollen Sie nicht Krieg mit

ihm haben, so schreiben Sie ihm bald.

Sie

sind ihm auf zwölf Briefe die Antwort schul­ dig, und Ihr Urtheil über halb so viel Sie-

geslieder!

Er hat es für Ernst genommen,

daß Sie

eine Sammlung derselben machen

wollen, und schickt Ihnen hierbey noch ein Lied,

das in der Ordnung das erste wird seyn müs­

sen.

Auch hat er in das Siegeslied nach der

Schlacht bey Roßbach noch den Cöllner und

Münstermann

gebracht, weil er von einem

Paderborner hörte, daß die Cöllner und Mün-

stermanner in diesem Lobgesange sich ungern

nicht gefunden hatten. Er meint also, daß nach der Strophe: Und als er hinter sich den

Tod rc. folgende für den Münstermann:

Dem Münstermann, der kriechend schlich In dicker Finsterniß, Doll Furcht und Hunger ritterlich

In Pumpernickel biß!

Und nach der Strophe: dem Wuvtemberger, der sein Pferd rc.

mit Friedrich Wilhelm Gleim. 19

Dem Cöllner, welcher rothes Blut Verglich mit weißem Wein, Und sprach: Wie gut war' es, wie gut. Bey meiner Braut am Rheni! für den Cöllner eingeschaltet werden könneit.

Herr von Reift hat mir gemeldet, der Verleger des Roßbachischen Siegevliedes wolle die andern auch erst besonders drucken lassen. Der Grenadier, glaub' ich/ würde nicht dawi­ der seyn; aber es wäre doch auch nicht übel, wenn seine Waffenbrüder eie Lieder in den Winterguartieren singen und zum künftigen Feldzuge wider Deutschlands Heuschrecken sich anfeuern könnten.

Nehmen Sie's nicht übel, liebster Freund/ daß ich Ihnen so geschwind schreibe. Wir haben wieder großen Kriegeelarm bey uns; jedoch nicht einen so schrecklichen, wie der vom 11. bis 16.: denn es machen ihn keine Feinde, sondern Freunde; Preußen rücken ein. Es scheint, als wenn .der Rächer Friedrich eilt Gewitter über den Köpfen der Feinde zufammenzieht, Ich umarme Sie, und meinen

50 G. E. Lessings Briefwechsel

theuren Freund, den ich nicht nennen darf, und bin beständig rc.

io»

Lessmg an Gleim. Lei'prig, den 6. Februar 1758.

Liebster Freund! Ä^ersöhne» Sie mich immer wieder mit um

serm Grenadier, wenn er wirklich auf mich zürne» sollte.

Sie wissen jawohl: wenn der

Poet nicht zugleich Soldat ist, so ist der Poet

eine sehr nachlässige Creatur.

Den Grenadier

hat nur sein Stand so thätig und pünktlich

gemacht; als Dichter würde er es gewiß nicht seyn. Wenn ich es. aber in Zukunft nicht etwas mehr werde, so machen Sie zur Strafe,

daß er mich anwirbt, und mich durch Hülfe seine« Corporals von meiner Faulheit curirt» Unterdessen versichern Sie ihn, daß ich ihn

von Tag zu Tag mehr bewundere, und daß er alle melne Erwartung s»

zu übertreffe»

mit Friedrich Wilhelm Gleim. 51 H

------H

weiß, daß ich das Neueste, was er gemacht hat, immer für das Beste halten muß. @iti Bekenntniß, zu dem mir noch fein einziger Dichter Gelegenheit gegeben hat! Das Lied auf den Sieg bei Lowosih, und dae auf den bey Llssa, ist wirklich schon unter der Presse, und beyde werden so, wie das auf den Roß, bacher Sieg, gedruckt. Dem ungeachtet bleibt eö gewiß dabey, daß alle seine Lieder znsammen gedruckt werden sollen, und zwar noch eher als der Feldzug wieder angehen wird. Ich hoffe gar, noch diesen Monat; denn einige Zeit muß der Verleger haben, die einzelnen zuvor unterzubringen. Hatten Sie nicht in Ihrem vorhergehenden Briefe ausdrücklich ver­ langt, daß sie zuvor einzeln sollten gedruckt werden, so könnte jetzt gleich mit der Samm­ lung angefangen werden. Lassen Sie sich da­ her diesen kleinen Verzug gefallen, dem auf keine Weise noch abzuhelfen ist. — Und der Grenadier erlaubt es doch noch, daß ich eine Vorrede dazu machen darf? Ich habe ver, schiedenes von den alten Kriegsliedern gesam­ melt; zwar ungleich mehr von den Kriegslie-

Z2 G. E. Lessings Briefwechsel

dern der Barden und Skalden, al6 der Grie­ chen.

Ich glaube aber auch, daß jene für uns

interessanter sind, und auch ein größeres Licht auf die Lieder unsers neuen Skalden werfen.

Was Sie unterdessen darüber angemerkt oder gesammelt haben, das theilen Sie mir ja mir; es könnte leicht etwas seyn, was mir entwischt wäre.

Der alten Siegeelieder wegen habe ich

sogar das alte Heldenbuch durchgelesen, und diese Leecüre hat mich hernach weiter auf die zwey so genannten Heldengedichte aus dem Schwäbischen Jahrhunderte gebracht, welche

die Schweizer jetzt herausgegeben haben.

Zch

habe verschiedene Züge daraus angemerkt, die

zu meiner Absicht dienen können, und wenig­ stens von dem kriegerischen Geiste zeugen, der unsere Vorfahren zu einer Nation von Helden Machte.

Beyläufig habe ich aber auch gesehen,

daß die Herren Schweizer eben nicht die ge­ schicktesten (mb r dergleichen Monumente der

alten Sprache und Denkungsart herauszugebenSie haben unverantwortliche Fehler gemacht, und es ist ihr Glück, daß sich wenige von den heutigen Leserm tn den Stand sehen werden.

sie

rint Friedrich Wilhetm Gleiisi. ZZ ■

.... .

.i,7 1

sie bemerken zu können. — Wie wollen Sie

nun, mein liebster Gleim, daß brr Titel zu den Liedern unsers Grenadiers

heißen soll?

Den müssen Sie selbst machen; aber machen Sie ihn so kurz als möglich.

Dasjenige, was

ich eben jetzt von Ihnen bekommen habe, wird also das erste, und die übrigen folgen nach der Zeitordnung.

Haben Sie wegen der Histon«

scheu Nichtigkeit derselben hin und wieder ei-

hige Anmerkungen zu machen, so unterlassen Sie es nicht. Die Trommel bleibt stehn;

der Oberstwachmcistcr hat es erlaubt. — Ha«

ben Sie das Schlachtlied gelesen, das Mor« Hof tu

seinem Unterricht zur

deutschen

Sprache und Poesie anführt? (S. 513 )

Es ist überhaupt schlecht; die letzte Strophe

aber hat Mir gefallen, ob sie gleich nichte mehö enthält,

als was Sie

in ben zwey Zeileli

sagen r Auch kommt man aus der Welt davon Geschwinder als der Blitz re.

Vielleicht haben Sie den Morhof nicht; hier ist dör Anfang der Strophe.

St'fh Schrst, xxrx Th.

E

34 G. E. Lessings Briefwechsel Kein seel'ger Tod ist in der Welt, Als wer für'm Feind erschlagen: Auf grüner Haid', im freyen Feld, Darf nicht hör'n groß Wehklagen, Sm engen Bett, da ein'r allein Muß an den Todesreyhn; Hier aber findt er Gesellschaft fein, Fallen mit, wie Krauter im Mayn — K, Sie haben doch mit den letzten Exemplaren von dem Roßbacher Siegeeliede auch den Christi, sehen Catalogus bekommen? Wenn Sie nicht schon Jemand haben, dem Sie Ihre Commis, sionen geben, so senden Sie sie nur mir. Wollen Sie denn noch Trappe Anakreon? Der Herr von Rleist sagt nur ja, daß Sie diese Ausgabe schon hatten. Sehen Sie doch vorher nach; denn was soll sie Ihnen zweymal? Ich umarme Sie, liebster Freund, und bin ganz der Ihrige oder mit Gottscheden zu sprechen: Und dein Bewundrer bleibt der deine*).

Lessing. *) Mit diesem Verse hatte Gottsched damals eilt Gedicht an Friedrich n. geendigt.

mit Friedrich Wilhelm Gleim. 1» "'

ii " ....... r

■■

ZZ

£

Alle unsere Freunde hier müssen mir bezeu, gen, wie sehr ich mit dem Gedichte des Grena­ diers, als einem Gedichte, gleich vom Anfan,

ge zufrieden gewesen bin.

Es ist mir nichts

darin anstößig gewesen — (auch nicht einmal tippeln rc) — als bloß die Verwünschungen, von

welchen ich überhaupt ein abgesagter Feind bin.

Und diese Verwünschungen haben noth­

wendig einen so starken Eindruck auf mich

machen müssen, da sie einen Prinzen betrafen, von dessen Charakter ich weit anders überzeugt bin, als daß ich das von ihm glauben sollte,

was ihm die Flüche des Grenadiers zugezo­ gen hat.

Er verdient sie ganz gewiß nicht;

und wenn er sie auch verdient hatte, so wäre

es doch besser, daß der Grenadier das Ver­ fluchen den Priestern überließe.

Als Priester

mag Herr Lange dieses unselige Vorrecht im, mer ausüben, und die nähere Erlaubniß dazu

von Friederich dem'Soldaten itzt

erschlei­

chen, die ihm Friederich der philosophische

König zu einer andern Zeit gewiß verweigert hätte. Der Grenadier thut sich selbst Unrecht, wenn er sich alles für erlaubt halten will, was

76

G. E. Lessings Briefwechsel

* . .

......... ,, 3,

einem Lange erlaubt ist, der sich damit be­ gnügt, wenn er nur itzt ein paar Monate hindurch gelesen wird,

und nichts darnach fragt, wenn man seine Gedichte über Zahr und Tag gar nicht mehr kennt. Der Grenadier

soll und muß auf die Nachwelt denken; oder

wenn er eö nicht thun will, seine Freunde für ihn thun.

so werden ti

Oeffnen Sie unterdessen, liebster Freund,

unserm Grenadier nur über zwey Stellen mei­

nes so anstößig befundenen Briefe das Ver­

ständniß! Wenn ich geschrieben habe, daß ich mich vor ihm zu fürchten anfinge, so bedaure

ich pur, daß ich den Ton und die Miene nicht habe mit schreiben können, mit welcher ich es ihm mündlich würde gesagt haben. Ich glaub­ te, als ich eö schrieb, mit keinem lächerlichern Einfalle meinen Brief beschließen zu können, mit dessen ernsthaftem Anfänge ich nicht zufrieden war. Was ich aber von dem übertriebenen Patriotismus

einfließen

lassen,

war weiter

nichts als eilte allgemeine Betrachtung, die nicht sowohl der Grenadier, als tausend aus­

schweifende Reden, die ich hier alle Tage HS-

mit Friedrich Wilhelm Gleim.

77

re» muß, bey mir rege gemacht hatten.

Ich

habe überhaupt pon der Liebe des Vaterlan, des (es thut mir leid, daß ich Ihnen vielleicht

meine Schande gestehen muß) keinen Begriff,

und sie scheint mir aufs höchste eine heroische Schwachheit, die ich recht gern entbehre. —

Doch lassen Sie mich schreiben.

davon nichts weiter

Ich rühme mich, daß ich von der

Freundschaft desto höhere Begriffe habe, und daß noch tausend solche kleine Uneinigkeiten meine Liebe und Hochachtung gegen meinen

lieben Gleim und wackern Grenadier nicht

im geringsten nachtheilig seyn können.

Und

wie könnten sie auch, da ich sehe, daß er

weit mehr nachgiebt, als ich selbst würde nach,

gegeben haben? Ich danke eö ihm zum Dey,

spiel nicht (als nur in so fern es ein Zeichen seiner Freundschaft gegen mich seyn soll), daß

er die Verwünschung der Selbstherrschertnn in Ruhm und Segen verwandelt hat.

So

viel habe ich niemals gefordert; und ich wünsch,

te, daß er es bloß so verändert hätte: „Aber

welch ein Loos soll ich dir wünschen. Selbst, Herrscherinn? wenn du" re.

78

G. E. Lessings Briefwechsel fr Unterdessen kann es um so viel eher ge­

druckt werden, und ich hoffe Ihnen nächstens Exemplare zu schicken. Aber was werden Sie sagen, daß ich schon im voraus Gebrauch da­

von gemacht habe?

Weil ich nicht glaubte,

daß e« sobald könne gedruckt werden, so ich dem Verfasser der Briefe über neueste Litteratur eine Abschrift von schönsten Stelle»; und wenn Sie das,

gab

die den

was

bey Gelegenheit der ausgelassenen anstößige!» Stellen gesagt worden ist, beleidigen sollte, ss

bitte ich im voraus um Verzeihung.

Ich sende Ihnen hierbcy diese Briefe, weil Sie sie verlangen. Aber wenn Sie glauben, daß ich der Verfasser davon bin, so

Es sind wohl einige Bolzen von mir darin; weiter aber auch nichts. Leben Sie wohl, liebster Freund. thun Sie mir keinen Gefallen.

Ich bin

2H r ergebenster

Lessing.

mit Friedrich Wilhelm Gleim. 79

26.

Gleim an Lessing. Halberstadt, den 23. Februar. 1759. 44nfer Streit (es kommt mir schwer an,

dies Wort zu brauchen) hat ein Ende.

Ich

werde dem Grenadier über die zwey Stellen

das Verständniß öffnen. Wie könnte er mit dem

Gebrauche, nem

den Sie in den Briefen von sei/

Gedichte

gemacht

haben,

unzufrieden

seyn? Zch stehe Ihnen dafür, daß die Zeile:

Minerva

hatte da

noch

einen

andern

Liebling zu schützen; ihm keinen geringern Kunstrichter, als den, dem er seinen ganzen Dichterruhm zu danken hat, verrathen wird;

folglich kann ihn von dem allen,

was bey

Gelegenheit der ausgelassenen anstößigen Stel, len gesagt worden, nichts beleidigen, und ich

habe ja auch nichts als Lob

darin gefunden.

Sie, liebster Freund, oder Herr Llicolai, mö, gen von den Briefen Verfasser seyn,

oder

nicht, so gefallen sie mir doch so sehr, daß ich nichts mehr als eine lange Fortsetzung

wüm

8o G. E. Lessings Briefivechsel

Je mehr Bolzen von meinem Lessing ich

sche.

darin finde, desto angenehmer werden sie mir seyn.

Denn wer ist ein gründlicherer Kenner

der schönen Wissenschaften al« er?

richtigern

Geschmack

lehrsamkeit?

wer hat

und allgemeinere

Ee thut mir nur leid,

Ge­

daß ich

sie, nach der Nachricht in dem ersten Bogen, auf dem hiesigen Postamte nicht alle Woche

haben kann; vielleicht aber kann die Nicolai, sche Buchhandlung sie mir durch das Berlin!, sche Postamt übersenden,

welches mir sehr

angenehm seyn sollte. Noch das letzte Wort wegen des Grena,

dier» Gedichts. Die Verwünschung der Selbst, Herrscherinn hat nichte weniger als in Segen verwandelt, sondern nur in der Zeile:

Den» du gabst nicht de» schrecklichen Befehl re. versteckt werden sollen.

Hat sie ihn gegeben,

so trifft sie da« Loos der Häupter über die

Kalmücken.

Wegen ihrer Menschenliebe ist sie

gerühmt, weil unser Manifest sie deshalb soll

gerühmt haben! Doch

mit Friedrich Wilhelm Gleim, ßi

Doch wird der Grenadier bey erster Muße

die Aenderung nach Ihrem Sinne machen; denn ich bin vollkommen Ihrer Meynung, daß die nach Ihrem Vorschläge die beste ist. In einem Ihrer vorigen Briefe verlang­ ten Sie eine Probe von meinen Uebersetzungen des Anakreon. Hier sind die drey ersten Oden. Billig sollt' ich mich vor Ihren Luchs­

augen fürchten.

Aber nein; Sie wissen, wie

schwer es ist, den leichtesten Dichter gut zu

übersetzen.

Hundertmal schrieb ich hin, und

strich aus; und immer war ich mit meinen Versuchen unzufrieden. Nur einen schönen

Maymonat bitt' ich von den Göttern ohne Ge­ schäfte; dann glaub' ich, sollten Sie sogar mit ihnen zufrieden seyn. Vielleicht trifft Sie mein Brief bey un­

serm lieben Rleist.

Nach Herrn Ramlers

Nachricht wollen Sie gegen den 2zsten abrei­ sen. Wenn Sie bey ihm sind, oder noch zu ihm reisen, so umarmen Sie ihn tausendmal

für mich.

Gleim. Less. Schr't, xxix Th.

§

8'2

G. E. Lessings Briefwechsel ' *«=*>

--2?.

Lessing an Gleim. Derlin, den itf. SWrh i?59*

Liebster Freund, ^ier ist endlich das so lange verzögerte Ge-

dicht unsere Grenadiere. Da er ee in dem Formate der Kriegelieder har wollen gedruckt

haben, so hat ee nicht besser können ausfallen. Ich habe einige Exemplare für Sie sogleich broschiren lassen, und ee sind davon so viele zu Ihrem Befehl, ale Sie verlangen.

Daß

Sie vor länger ale sechs Wochen noch drey

blau gebundene Exemplare von den Liedern, für die Prinzen von Braunschweig, verlang­ ten,

werden

vergessen haben.

Sie

vielleicht

schon

wieder

Rechnen Sie mir aber die

Saumseligkeit des Buchbinders nicht zu.

Ihre Oden des Anakreon haben mir sehr

viel Vergnügen gemacht.

Vergessen Sie ja

nicht, mir in jedem Briefe eine oder zwey zu schicken. Ich hoffe, wenn ich sie mit dem Griechischen vergleichen werde, noch mehr

mit Friedrich Wilhelm Gleim, äz s

uIhß-- .

■ ,

■ .

»

Schönheiten darin zu finden, die Ihnen tv

geiithüiulich gehören, als ich bey dem ersten Lesen wahrgenommen habe. Jouter contre rOriginal ist auch hier der einzige Weg, gut

zu übersehen. Es thut mir leid, daß ich nicht Ihre versprochene Verbesserung Stelle:

von der streitigen

Nicht deines Helden re. habe abwarten können.

Es

war mit dem

Drucke schon zu weit. Schicken Sie mit sie aber nur; gesetzt auch, sie wäre nicht mehr

für das Publicum zu brauchen.

Die zwey

Wörter tippeln, und unangepackt Hal Herr Ramler, weil sie Herrn Gartner anstößig gewesen, und es also auch noch mehreren seyn

töiiuten, mit gleichgültigen verwechselt. Noch folgt hierbei) ein Exemplar von ei­ nem kleinen Trauerspiele (philotae), wel­

ches Ihne» der Verfasser, der sich nicht ge­ nannt hat, mit ergebenster Empfehlung zu­ schickt. Er möchte gern durch mich erfahren,

was Sie davon halten. F -

84

G. E. Lessings Briefwechsel

Leben Sie wohl, liebster Freund, und er­

freuen Sie mich bald mit einem Briefe. bin

Ich

Ihr

ergebenster

Lessing.

28.

Lessing an Gleim. Berlin, den letzten März i?L9»

Liebster Freund, (X>

kann Ihnen nicht

beschreiben,

welch

eine Freude Sie dem Verfasser des Philotas

durch die angefangene

Uebersehung gemacht

haben. Er schließt daraus, daß er doch einiger­

maßen

Ihren

Beyfall

haben

müsse.

Ich

sehe hinzu, daß Ihre Uebersehung, wenn Sie

so sortsahren, vortrefflich und die beste Kri­ tik für den Verfasser werden wird.

Schenken

Sie ihm immer daü Muster, das ihm bis

jetzt noch mangelt;

da6 Muster,

meine ich,

einer edlen tragischen Sprache, ohne Schwulst

mit Friedrich Wilhelm Gleim. 85

und ohne die zierlichen kleinen Redensarten,

die meinem Bedünken nach das ganze Ver-

dienst der französischen tragischen Poesie ausDer Einfall, den Namen des Gre-

machen.

nadiers dazu zu borgen, ist vortrefflich; nur bc

sorge ich, daß das Publicum in einem etwas verdrießlichen Tone fragen möchte: aber war,

um macht uns denn der Grenadier nicht selbst

ein Trauerspiel? — Geduld; er wird es schon noch machen! Aber wissen Sie, liebster Freund, daß un­

ser Rleist in Leipzig ist? schon wieder fort seyn.

Itzt wird er wohl

Er hat Herrn Ram­

ler und mir von daher einen gemeinschaftli­

chen

Brief geschrieben,

der

lustig und aufgeräumt ist!

Laune

recht

lange bey ihm

außerordentlich

Wenn doch diese

dauern

wollte!

Gott weiß, ich wollte gern für ihn verdrieß­

lich seyn.

Ich würde dabey gewinnen; denn

wenn ich verdrießlich bin, bleibe ich fein an meinem Tische sitzen, schreibe an meine Freun­ de, oder arbeite etwas.

Hier folgen die rückständigen Stücke der Briefe rc.

Herr Sulzer hat mir gesagt, daß

F 3

85

G. E.' Lessings Vrieftvechsel

Bodmer ctn Epigramm auf das Gedicht an die Kriegeömnse gemacht habe.

aber noch nicht gelesen.

Zch habe es

Ihnen wird er es

doch schon geschickt haben? Darf man es al#

Unfalls in den Briefen brauchen? Unser Ramler hält zu dem Drucke Zh-

ter Lieder alles fertig.

Schicken Sie sie nur!

Und mir vergessen Sie auch nicht, mehr anakreontische Lieder zu schicken. zu

gern

eine

Anakrevn besorgen,

auf der Seite.

Zch möchte gar

recht prächtige

Ausgabe

des

mit Ihrer Uebersehung

Zch weiß zwar wohl, daß Sie

cs selbst vorgehabt haben, und cs freylich auch

am besten lm Staude wären; denn Sie haben

bereits so vielerley dazu gesammelt. besorge,

Aber ich

wenn Sie eö länger verschieben, so

vergeht Ihnen die Lust.

Mit der vorgeschlagnen Ausgabe des (Opin,

liebster Freund, möchte es wol nichts seyn.

Die

Schweizerische und Trillerische Ausgabe liegen

noch allzuhäufig in den Läden,

als daß sich

ein Buchhändler damit abgeben dürste.

So­

bald wir aber mit unserm Logan fertig sind, soll es mit vereinten Kräften über den Tscher#

mit Friedrich Wilhelm Gleim.

87

s---------- —■ --■-=>» ning hergehen.

Und Sie

werden

es sich'

schwerlich träumen lassen, was wir auch sonst noch für cm großes Project haben.

Wir wer­

den Sie auch mit auspannen.

Leben Sie wohl, erfreuen Sre Briefe.

mich

liebster Freund,

bald

wieder

und

mit einem

Ich bin Ähr­

ergebenster Freund Lcssiug.

29.

Gleim an Lessing. Halberstadt, den 15. April 1751»

erv

berg; rind als ich zu Hause kam, fand ich

Ihr Schreiben. O, mein lieber Lessing, ich empfinde etn Horazens: quid, morar altera? Herr Bachmann begleitete mich von Magde­

burg hierher: auö Mitleiden, meine Traurig­

keit zu mindern; aber umsonst. Ich kann mich

nicht zufrieden geben ; ich habe gar zu viel ver­ loren. Wie wär' es mir möglich, itzt in Ver­ Sie dürfen nicht sorgen, daß ich Herrn LTicolai — O, ich kann davon nichts

sen zu klagen!

weiter sagen. Entschuldigen Sie mich doch bey meinem lieben Krause, baß ich ihm nicht ant­

worte; und wenn es möglich ist, so schreiben Sie mir doch nur zwey Zeilen mit jeder Post.

Der arme Ramler!

wie wird er sich er­ schrecken, wenn er die Tobespost hört! Zst er

wieder gekommen?

Sagen Sie doch Herrn

Sulzer, daß HerrLachmann ein Paar Tage bey mir gewesen ist! Erkundigen Sie sich doch

mit Friedrich Wilhelm Gleim. ------- ,.

111

H nach dem Medailleur, der die Medaille auf Fallern gemacht hat. Wenn ich genug ge, weint habe, dann will ich das Andenken niei
ü Ins winshemius. Wenigstens giebt ihr die beobachtete Seansion großen Vorzug. Zu meiner großen Freude war ich in um ferm Halberstadt durch Sie der Erste, der die Toefies diverses hatte. Wen ich für größer halte: den Dichter, »der den König? Beyde für gleich groß, für gleich einzig, wenn ich so sagen darf. Helfe» kess, Schrift, xxix. Th, I

150 «e

G. E. Lessings Briefwechsel --------- .

..

Sie doch, Bester,

■'-=»»

den Dichter wider den

Schwarm Ucbersetzer beschühen, der, mit der Feder in der Hand, auf ihn losgeht, und ihm

schädlicher, als

der

Schwarm

holländischer

Priester, seyn wlrd! Mit drey Uebersetzun« gen schon hat uns der Meß-Cataloaus bedroht.

Schießen Sie doch aus Zhren krltiscben Brie,

fen Zhre tödtlichsten Pfeile baldmöglichst auf sie ab; vlellelcht wird einer doch gelödrek. Der

Grenadier wird an seines Königs Gedanken

sich nicht wagen; einen schüchternen Versuch Hal er doch gemacht.

Zch leg' ihn bey.

Was

sagen Sie dazu? Ein Paar Verse wenigsten» werden so gut gerathen seyn, daß Sie sie werden ansühren, und damit dem schlechtesten

Uebersetzer die Feder aus der Hand winde» können.

Zeigen Sie sie doch Herrn Ramler.

Zehnmal verbessert, kann aus ihnen etwa»

werden.

Wollen Sie mich denn nicht einmal 6e#

suchen? Machen Sie doch mit Herrn Ranu

ler ln diesem Sommer Gesellschaft.

Es war

nahe dabey, daß ich diese Pfingsten bey Zh-

mit Friedrich Wilhelm Gleim. 151

nen seyn sollte; leider aber ist eS zurückgegan, gen. Gleim

46.

Lessing an Gleim. Berlin, den 13. May 1766.

Liebster Freund,

bin so eitel, auch Ihnen meinen Laokoon zu übersenden; ob ich gleich voraus sehe, daß Sie alle Ihre Freundschaft gegen mich wer­ den nöthig haben, um diesen Mischmasch von Pedanterie und Grillen zu lesen und nur nicht ganz verwerflich zu finden. Wie leben Sie sonst, liebster Freund? 3(1 es wahr, daß Sie krank sind? Zch bedaure Sie herzlich. Aber ich hoffe, daß Ihre Krank­ heit weder anhaltend noch von Folgen seyn wird. Ich denke künftigen Monat «Ine Reise nach Pyrmont zu thun, und meinen Wez über Halberstadt zu nehmen. Ich verspreche mir, Sie gesund und vergnügt zu umarmen; 3 2

iZr G. E. Lessings Briefwechsel t

»

wenigstens wünsche ich Sie so gesund, daß Sie zu eiliger Wiederherstellung Ihrer Ger sundheit die nehmliche Reise mit thun könnten. Melden Sie mir, ob ich Hoffnung dazu haben kann? Außerdem verspreche ich mir wer nig Vergnügen an einem Orte, den ich weder der Gesundheit noch deö Vergnügens wegen, sondern bloß um mein Wort zu halten, besur che» werde. Ich bitte um die Fortdauer — wie ich wohl vielmehr nach so vielen Zähren sagen sollte, Erneuerung — Zhrer Freundschaft, und verharre

Dero

ergebenster und treuster Freund

Lessing. ' 47» Gleim an Lessing. Halberstadt, de» 18. May 1766. S 0 wie Sie, mein liebster Freund, verlangte, dm Apollo im Belvedere zu sehn, so verlangte «ich nach Ihrem Laokoon!

mit Friedrich Wilhelm Gleim. 155 ft---------- -------Umsonst bestellt' ich ihn bey den Buch, Händlern.

Endlich bekam ich ihn aus der

Hand des Künstlers.

Desto besser; nun war

ich mit meinem Lessing auegesöhnt. Ich las, verschlang ihn; nun geh' ich bey ihm in die Schule. Solch ein Mischmasch, wie Sie sagen, von Pedanterie und Grillen, ganz vortrefflich

zu finden, hat man keine Freundschaft nöthig. Vor diesem Lefsingischen Laokoon stände Gleim voll Verwunderung, wie Winkelmann

vor dem griechischen Meisterstücke der Kunst,

wenn gleich Lessing sein Freund nicht wäre. Was aber geb' ich Ihnen htrrbey zurück, Lieder nach dem Ana/ kreon, für leicht zufriedene Mädchen gesungen, mein liebster Freund!

nicht für Euch Kunstrichter.

Für die sang ich

einige von AnakreonS Liedern in Versen ohne Reime, und wies sie meinem Lessing; nachher

kam ich bis über die Hälfte. Sie sollen sie lesen, wenn Sie bey mir sind; und wenn Lessing, nicht der Freund, sondern der Runftrichtcr, sie billigt, dann will ich fort»

fahren. 3 3

E. Lessings Briefwechsel

134 ;fr—.

'■■■■

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m

. ....................... _

.

,



Wie so angenehm ist mir die Hoffnung, Die bey mir -u sehen! Kommen Sie, und bleiben Sie so lange Sie wollen und können. Wohnen Sie lieber

auf dem Lande, als in der Stadt, so geb' ich

Ihnen mein Gartenhaus ein;

ziemlich angenehme Lage,

es hat eine

hat Quellen und

Nachtigallen.

Ob ich Sie mit nach Pyrmont begleiten will?

Ich will, wenn ich kann; und viel/

leicht muß ich.

Ich bin leider noch krank.

Itzt trink' ich die Krautersafte.

Helfen die

nicht, und rathen die Aerzte mir, den Brun/

nen noch einmal zu trinken, so werd' ich Er/ laubntß zur Reise leicht erhalten.

Kurz, lieb/

ster Freund, kommen Sie nur erst zu mir.

Vor Johannis findet man zu Pyrmont zu wenig Gesellschaft; hernach ist es sehr ange/

nehm daselbst.

Man könnte schon Hinreisen,

ohne den Brunnen zu trinken, und durch das Vergnügen, das man in der schönen Gegend

findet, sich gesund machen. Aber schreiben Sie

mir, welchen Tag Sie hier seyn wollen, damit

mit Friedrich Wilhelm Gleim. 155 -QA

diese Stelle.

Gleim. 56.

Lessing an ©feint. Hamburg, den 8. Ianuir 1770'.

Liebsicr Freund, ^)hre

Geschichte

ist

die

meinige.

Seit

acht Monaten liegt ei» Brief an Sie ange­ fangen, und mehr als angefangen, fertig

die

zum Schluffe.

Ihn

völlig

zu schlie­

ßen.

mit Friedrich Wilhelm Gleim. 161 »■■■!---------

„ .

,

a

ßen wollte ich nur noch verschiedene Cenjnnc« turen abwarten, die mein künftiges s chick, sal bestimmen mußten. Ich weiß, daß Ihne» dies nicht gletckgültig ist; ich wollte Ihnen nichts eher davon schreiben, als bis ich Ihnen das Zuverlässigste schreiben könnte. Das Rad ist lange gedrehet worden; und siche, endlich kömmt eine Zahl heraus, von der ich mir etwas versprochen hatte. Aber die Freund, schäft hatte sie für mich beseht. — Kurz, mein lieber Gleim, es ist wahr, was Sie gehört und gelesen haben. Ich habe die Bibliothe­ kar i Stelle in Wvlfenbüttel angenommen, mit der Versicherung, daß meine Reise nach Ita­ lien dadurch nicht rückgängig, sondern nur so tauge verschoben werden soll, bis ich meinen Platz hinlänglich kennen lerne, um sie auch für diese» nützlich zu machen. Ich komme «Iso allerdings Ihnen für'« erste näher, als ich noch jemals gewesen bin, und es versteht sich, daß meine erste Ausflucht von Wolfen, büttel zu Ihnen seyn wird: wenn Sie nickt lieber mir -»Vorkommen, und mich mit dem Frühlinge daselbst besuchen wollen. Bis aus , 8tiT. Schrift, »hx, rh, 8

162 L

G. E. Lessings Briefwechsel ........ —-------

--------■»

diese unsere Zusammenkunft verspüre ich alles, was ich Ihnen in intern anqefanqenen Briefe sagen wollte. Es sind auch wirklich lauter Dmge, die sich gar wohl verspäten lassen, ja über die ich sicherlich weder Buchstaben noch Worte verlieren würde, wenn Gleim nicht ein allzugeflissentliches Stillschweigen in allen seinen Briefen darüber beobachtet hätte. Dieses Geflisientliche allein war mir ansti, ßig, schien mir einen stummen Dorwnrf zu enthalten, und daher einer Erklärung zu &e; dürfen. Auch wird eine Erklärung darüber immer noch gut seyn, nur ist sie nicht pressanr. Denn was das Wesentliche davon seyn kann, das weiß ich doch schon. Ich weiß, daß zu einem Manne wie Sie, sich täglich neue Freunde drängen müssen. Ich weiß aber auch, daß neue Freunde den. alten zwar abrogiren, niemals aber die alten abrogiren können. Wenn ich Ihre Freundschaft jemals gehabt habe, und ich bin überzeugt, daß ich sie ge­ habt habe: so habe ich sie noch. Und wenn ich Sie versichere, daß. Hochachtung bey mir Freundschaft W so kaM der meinigen Nin

mit Friedrich Wilhelm Gleim. 163

mand gewisser seyn, als Sie. — Das ist vorläufig genug, denke ich: genug, uns bey, den genug. Für das Geschenk Ihrer neuesten Ge, dichte, danke ich Ihnen recht sehr. Aber Sie glauben doch wohl nicht, daß ich sie itzt erst gelesen habe? An den (Dbeit nach dem Horaz gefällt mir fast alles, nur das nicht, was an so man, chen Werken uns öftere einzig und allein ge, fällt: der Titel. Die Ode an mich ist, außer ihrer poetischen Schönheit, ein vortreffliches freundschaftliches Compliment unter vier Au, gen; aber als ein solches hätten Sie es auch, ungeachtet jener Schönheit, besser unterdrückt. Das Lob ist so invidtös, daß ich alle die Spöttereyen voraussehe, die Man darüber machen wird. Unter Ihren Sinngedichten sind die meisten recht sehr schön; auch Ihr Gedicht an Jacobi ist voll von den naiven Schönheiten, in welchen Sie noch immer al, lein Meister sind. Aber wozu in diesem letz, tern verschiedene beißende Züge auf die ernst, haften Dichtungsarten, und andere gelehrt« 8 t

164 G. E. Lessings Briefwechsel

Deschästigungen? Die wenigsten verstehen in diesem Punkte Scherz; und die ihn verstehe», wollen ihn oft nicht verstehen. Daher die Repressalien gegen die Dichter der Freude: daher------Zch muß schließen. Leben Sie wohl, lieb, strr Freund, und sorgen Sie, daß ich Sie, wenn ich Sie nun bald umarme, gesund und vergnügt umarmen kann.

Dero ergebenster Lessin g


tem Orte nur eine geringe Versorgung; am liebsten aber wünschte er, mit einem reiche» Junker auf Reisen gehen zu können. Hier in Halberstadt war nichts für Ihn In Vorschlag zu bringen. Deswegen entschloß er sich, seinen Wanderstab bis zu den Braunschweigischen Mm sen fortzusehen. Können Sie, IleberFreund, diesen jungen, wie es scheint bescheid'nen Mann — der, weil er sich, wegen zahlreicher Familie seines Vaters, Nicht In den besten Umständen befinden mag, mit allem vorlieb nehmen wird, zu etwas ver# helfen, so thun Sie'« gern, das weiß ich» Zn der Eli, worin ich Ihnen schreiben tNUß, wie kann eö mir einfallen, von Ihrer ganz vortrefflichen Abhandlung vom Sinnge, dicht mit Ihnen zu reden? Unserm Jacob», ter von Düsseldorf zurückkommt, wollt' ich bis zu Ihnen entgegen reifen; aber daran werd' ich durch einen Familienbesuch, und durch im, mer fortdauernde mehr vermehrte, als ver# minderte Kankheit verhindert. Wollen Sie, bester Freund, Ihren Sleim in diesem Leben noch einmal sehen, so kommen 8tiT. Schrift. XXIX. Th, M

178 G. E. Lessings Briefwechsel f

---- ...-------------------------------- ,3,

Sie bald; denn mich dünkt, ich fühl' t«, daß ich bald seyn werde, wo mein Rleist mich er# wartet.

Gleim,

65. Gleim an Lessing. Halberstadt, den 1. Märr 1772.

'deinem liebsten Lessing sendet der preußische Grenadier, dessen warmer Freund mein lieber Lessing war, und ohne Zweifel noch immer ist, durch mich hterbey in der größten Eil ein Bänd# chen so genannter Lieder für'« Volk, und bittet, ihm zu sagen, ob sie neben den Liedern, von welchen sein Lessing der Pflegevater war, eine Stelle verdienen, und ob, wenn dieses ist, sie Lessing mit einer kleinen Borrede, die den Leser in den rechten Gesichtspunkt dieser Lieder setze, auf welche Art von Vorreden sein Les­ sing sich so gut versteht, sich bemühen will. Will dies sein Lessing, dann wird er, glaub' ich, seinem Freunde, dem Grenadier, es nicht

titit Friedrich Wilhelm Gleim. 179 fraim--------------^^-^7 M -- -----------------------

übel nehmen, wenn er auch noch bittet, eine solche kleine Vorrede (die längere steht ln fei« wem Belieben) aufs spätste in vierzehn Tagen mir zu überliefern, und zugleich das Bändchen der Lieder zurück,»senden, weil zum baldigen Druck derselben schon Anstalt gemacht ist. Gleim«

66.

Lessing an Gleim. Wolfeabüttel, d. 22. Marr 1772. Liebster Freund, (Sie haben mir mit Zhren Liedern für s

Volk eine wahre und große Freude ge­ macht. — Man hat oft gesagt, wie gut und noth­ wendig es sey, daß sich der Dichter zu dem Volke herablaffe. Auch hat es hier und da ein Dichter zu thun versucht. Aber noch kei­ nem ist es eingefallen, es auf die Art zu thun, wie Sie es gethan haben: und doch denke M 2

»Bo G. E. Lessings Briefwechsel »

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ich, daß diese Ihre Art die vorzüglichste, wo nicht die, einzig wahre ist. Sich zum Volke herablaffen, hat man geglaubt, heißer gewisse Wahrheiten (undmrt, stens Wahrheiten der Religion) so lelcht und faßlich vortragen, daß sie der Blödsinnigste aus dem Volke verstehe. Diese Herablassung also hat man lediglich auf den Verstand ge, zogen; und darüber an keine weitere Herab« lassung zu dem Stande gedacht, welche lh einer täuschenden Versetzung in die mancher« ley Umstände des Volkes besteht. Gleichwohl ist diese letztere Herablassung von der Beschaft fenheit, baß jene erstere von selbst daraus folgt; da hingegen jene erstere ohne diese letzter« nicht« als ein schales Gewäsch ist, dem alle Individuelle Application fehlt. Ihre Vorgänger, mein Freund, haben das Volk bloß, und allein für den schwachden, kendsten Theil des Geschlecht« genommen; und daher für da« vornehme und für das gemeine Volk gesungen. Hie nur haben da« Volk en gentiich verstanden, und den mit seinem Körper thätigern Thell im Auge gehabt, dem ti

mit Friedrich Wilhelm Gleim. 181 ------ -

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Nicht sowohl am Verstände, als an der Gele, genheit fehlt, ihn zu zeigen. Unter dieses Volk haben Sie sich gemengt: nicht, um es durch gewtnstlose Betrachtungen von seiner Arbeit abzuztrhen, sondern um es zu seiner Arbeit zu ermuntern, und seine Arbeit zur Quelle ihm angemessener Begriffe, und zu, gleich zur Quelle seiner vergnügens zu ma, chen. Besonders athmen in Ansehung des letzter» die meisten von diesen Zhren Lieber:» dar, was den alten Weisen ein so wünschens, werthes, ehrenvolles Ding war, und was tLg, ltch mehr und mehr aus der Welt sich zu ver, lieren scheint: ich meine, jene fröhliche Ar, MUth, laeta paupertas, die dem Epiknr, und' dem Seneea so sehr gefiel, und bey der es wenig darauf ankimmt, ob sie erzwungen­ öder freywtllig ist, wenn sie nur fröhlich ist. Sehen Sie, mein Freund, das wäre es ungefähr, was ich Ihren Liedern vorzusetze» wünschte, um den aufmerksamern Leser in den' eigentlichen Gesichtspunkt derselben zu stellen. Aber wo bin ich mit meinen Gedanken? und wie wenig geschickt, den geringsten Einfall so M $

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auszuarbeiten, als es die Stelle, die ich ihm geben wollte, verdiente? Zch häneZhnen auch schon eher geantwore tet, wenn ich nicht in der dringendsten und |U# gleich unangenehmsten Arbeit bl« über die Ohren steckte. Der alle verlegene Bettet meiner vere Mischten Schriften kostet mir viele Zeit: und «och mehr hat mir da« neue Stück wege genommen, da« ich Zhnen hierbei) schicke — oder vielmehr der Freundin meiner Minna schicke, -- Meynen Sie nicht, daß ich der MLdchen endlich zu viel mache? Sara! Mim na! Emilia! Leben Sle wohl, bester Freund, und em< pfehlen Sie mich dem Herrn Jacobi und Herrn Michaelis. Dee letztern beyde Briefe sind, im Ganzen genommen, vortrefflich. Nur einige kleine Dunkelheiten und Nachlässigkeit ten in dem ersten hätte er sich nicht erlauben sollen, hätten ihm seine Freunde in Halbere stadt, in deren Werken alles so ausgefeilt,. «Ke« so voller Licht ist, nicht sollen hingehen

lassen.

Dero gant ergebener

Lessing.

mit Friedrich Wilhelm Gleim. 185

67. Gleim an Lessing. Halberstadt, d. 24. März 1772. Ä?it krankem Arm, mein lieber Lessing, schreib' ich Ihnen, so sauer e< mir auf dem Bette wird. Ich habe durch einen unglückli, chen Fall den rechten Arm gequetscht, und kann heute zum erstenmal die Hand wieder gebrauchen; aber ich muß, ich muß 1) Ihnen für das Vergnügen danken, da« Ihre Galottx mir gemacht hat. Welch ein deutsch- Shake, spearischeö Meisterstück! Ich umarme Tie da, für, für mich und alle meine Halberstädter, die es mit dem ersten Beyfall, den man der hich, sten Vollkommenheit zu geben pflegt, aufgenom, men haben. Schande, daß unsre Kunstrichter davon so lange stillschweigen l denn in keiner Zeitung ist es angekündigt; und Schade für den Verleger und für die Ausbreitung des Gd» fchmacks an solchen Meisterstücken, daß hier nicht gleich Exemplare zu haben gewesen sind! Denn nun haben die meisten hiesigen Leser mir M4

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bas meinige abgellehen, bas Stück gelesen, be­ wundert, und mir zurückgegeben. Hätte jeder ein Exemplar gekauft, so hätte jedes Dewum derung mehr Leser nach sich gezogen. — Auch bin ich auf zwey Braunschweiger nicht gut z« sprechen, die mir pon diesem Meisterstück nicht eher Nachricht gaben. Ich wußt' es vom Herrn von Maffow zuerst «f fahren. e) muß ich Sie fragen: ob Sie meinen Brief, mit den Liedern für dqö Volk, empfan, gen haben; und wenn das ist, z) Sie bitten, mich nicht länger auf Anft wort warten zu lassen, weil ich nicht allein höchst ungeduldig bin, »eine« Lessings Urtheil Über diese Lieder armer Leute zu hören, sondern nuch, weil die Anstalten zum Druck keinen I4n# gern Aufschub leiden. — Zch habe das Herz so voll, so voll von solchen Liedern, baß, wenn ter Beyfall meinesLessings dazu kommt, ganze Ströme sich ergießen werden. So bald ich mich besser befinde, geh' ich mit meinem lieben Dom-Dechant nach Ber-

liv. Sagen Sie das unserm Zachariä. Birft

mit Friedrich Wilhelm Gleim. i85

leicht hat er Lust uns zu begleiten. Oder, wol­ len Sie nicht, mein liebster Lessing? Mich ver, langt so herzlich, in diesem Leben Ihres Um­ gangs zu genießen.

Gleim. 6g.

Gleim an Lessing. Halberstadt, d. 25. Märr 1772.

, mein liebster Freund, daß meine Dauerlieder Ihren Beyfall erhielten I Kaum war diese» Morgen mein BrtefanSie auf die Post ge­ schickt, als ich den Ihrigen erhielt, welcher, wenn Ich nicht in's Capitel gemußt hätte, zur Begeiste­ rung für eine Menge solcher Lieber genug gewesen wäre. Mit dem Tage des Empfanges, hoff' ich, soll dieseBegetsterung nlchtaufhören; so selten sie mit sonst wieder zu kommen pflegt. MeineLieder sing' ich immer nur für einen Freund; und dieses einen Freundes warmer Beyfall ist immer mein Apoll. Doch, zur Sache! Was Sie, lieber Freund, von meinen Liedern mir sagen, da- ist

186

G» E. Lesflngö Briefwechsel

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es alle«, wa« Ich den Lesern derselben so gern

gesagt wissen möchte; wie also, wenn Sie mir

erlaubten, Ihren Brief entweder ganz, oder nur so weit er die Lieder betrifft, anstatt eine« Vgrberichts, denselben vorzusetzen?

Za, oder Nein: bitt’ ich zur Antwort dan

aus, mit nächster Post. Meine Nichte macht ihrem Lessing eine

tiefe Verbeugung. Sie glauben nicht, wie stolz sie feit diesem Morgen geworden ist, al« sie merkte, daß unter der Freundin Ihrer Minsta sie gemeynt sey.

Solcher Mädchen, sagt sie,

können nicht genug werden.

immer die besten.

Die letzten sind

Emilia Galotti, so vor,

trefflich sie ist, soll immer nicht die beste blesi ben. Zch spreche noch immer meiner Nichte nach. Sie will, ich soll da« ihr geschenkte Exeme

plarZhnen zurück senden, «nd Sie bitten, Zh,

re» Namen mit eigner Hand hineinzuschreiben. Die Herren Michaeli» und Jacobi wer«

Mit dem Gruß von meinem Lessing werd' ich sie be< willkommen.

den diesen Abend bey mir seyn.

Gleim«

mit Friedrich Wilhelm Gleim. 187 fr—----------- •1‘AIL

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Gleim an Lessing. Halberstadt, den 13. April 1772. ♦deinem Lessing hat es nicht gefallen, oder

»S hat ihm an Zelt gefehlt, auf mein letztes

Briefchen in zwey Zeilen mir seinen Willen be, sannt zu machen, die Lieder sind also ohne sei­

nen Brief gedruckt, und ich sende, so frisch sie aus der Press« kommen, ihm hier ein Exem­

plar.

Zwey Stück, die er noch nicht gesehen

hat, sind hiuzugekommen, und hoffen seinen Beyfall; hingegen ist da« Lied eines Sterben,

den weggeblteden, weil man nicht gern einen Viertelbogen wollte drucken lasse».

Was sa­

gen Sie, mein lieber Freund, dazu, daß ich mit diesen Liedern Hausiren gehen lasse? Räch,

stenö wird ein armer Schweizer, der sein Brot mit ihnen verdienen soll, bey Zhnen sich ein,

finden, und Sie bitten, für einen guten Ero, schen ihm ein Exemplar abzuuehmen.

Er ist

mit seiner Waare, die in schönen Melusinen,

Eulenspiegeln und diesen Liedexn besteht, dies

188 G. E. Lessings Briefwechsel

fen Morgen den Weg nach Wolfenbüttel und Braunschweig gegangen. Ich send'Ihnen noch eine Kleinigkeit, und habe sie mit einigen Anmerkungen deswegen versehen, weil ich von verschiedenen Orten her gehört habe, daß man von dem Grandison, Prälaten, und Offiane Geschick, die wunderlich-! gen Auslegungen gemacht hat. Unser Jacobi wird hoffentlich Sie anger troffen haben. Wär' es möglich gewesen, mich von meinen Geschäften los zu machen, fe hätt' ich ihn begleitet; denn ich hörte von utu serm Domdechant, daß Emilia Galotti auf/ geführt werden sollte. Ich reise nach Berlin, vermuthlich in der vollen Woche nach Ostern, Sind nach meiner Zurückkunfl die Schauspie/ ler noch dort, so komm' ich dann, sie zu sehen.

Gleim. 70.

Gleim an Lessing. Halberstadt, den 10. Septbk. 1772.

war ich in Ilsenburg beym Herrn Grafen von Wernigerode, drey Meilen nur

Wit Friedrich Wilhelm Gleim. 189

von «mitten» geliebtesten Lessing entfernt. Von dort aus wollt' ich zu ihm flieqen, (denn ist es Nicht traurig > daß wir, nur sechs Meilen von einander, bisher uns so selten sahen). Zch wollte zu ihm fliegen; der Herr Gras hielt mich ab. Zch mußte zurück nach Hause, dachte, mit dem Herrn Domdechant, der seinen Sohn in Braun» schweig besuchen wollte, Gesellschaft zu machen; dieser aber war den Tag meiner Zuhausekunft schon abgeretst. Zweymal verfehlt' ich e« also, meinen gellebtenLessing zu sehen; das drittemal, hoff' ich, soll es mir besser gelingen. Zch will, wenn nicht alle Götter mir zuwider sind, noch in diesem oder künftigen Monat, wenn unser General-Capitel, wie ich vermuthe, acht Tage lang ausgesetzt werden wird, gerades Weges meinen geliebtesten Lessing überfallen, und ihn an sein fast verjährtes Versprechen, mich zu be­ suchen, mündlich erinnern. Für itzt, mein lieber Freund, empfehl' ich Ihnen meinen guten Benzler, der schon einmal Zhnen selbst geschrieben har. Er glaubt, bey tk ner armseligen Versorgung in Lemgo, wegen des an diesem Orte zu stiftenden größer» Nut»

igo G. E. Lessings Briefivechsel >



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