Gotthold Ephraim Lessings Sämmtliche Schriften: Teil 1 [Neue, unveränderte Auflage., Reprint 2021] 9783112437629, 9783112437612

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Gotthold Ephraim Lessings Sämmtliche Schriften: Teil 1 [Neue, unveränderte Auflage., Reprint 2021]
 9783112437629, 9783112437612

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Gotthold Ephraim Lessing-

sämmtliche Schriften

Erster Theil. Neue, unveränderte Auflage. Berlin, 1796. In der Dossischen Buchhandlun

Gotthold Ephraim Lessings

sämmtliche Schriften.

Erster Theil.

Berlin, 1771. In der Vossischen Buchhandlung.

- drum! so ward mir doch nichts

E n Pfaffe war«, der Berthold heißt.

aufgebunden. Denn fiel)! Pfass' oder böser Geist

Zst Maus wie Mutter, wie Urans heißt.

(«oi) Auf den Bav. Ein schlechter Dichter Bav? ein schlechter Dichter? nein! Denn der muß wenigstens ein guter Reimer, seyn.

6a r

Sinngedichte. ............... . —■}

(IOl)

Auf Dorinden. ©agt nicht, die ihr Dorinden kennt, Datz sie aus Eitelkeit nur in die Kirchen rennt; Aaß sie nicht betet, und nicht höret. Und andre nur im Deren störet. Sie bar, (mein eignes Ohr ist Zeuge; Denn ihre Schönheit geht allmahlig auf die Neige) Sie bat mit ernstlichen Geberdenr pLaß unser Angesicht, Herr, nicht zu Schanden werden!"

(i®3) Auf die Galathee. Ale gute Gaialhee! Man sagt, sie schwärz' ihr Haar; D» doch ihr Haar schon schwarz, als sie ti kaufte, war.

Sinngedichte.

6t

(l°4) Auf die Hütte des Ims. Vorbey verwegner Dieb! denn unter diesem

Dache, Zn jedem Winkel hier, hält Armuth treue Wache.

(IOS) Auf einen gewissen Leichenredner. O Redner! dein Gesicht zieht jämmerliche Falten, Zndem dein Maul erbärmlich spricht.

Eh du mir sollst die Leichenrede halten.

Wahrhaftig, lieber sterb' ich nicht!

6r

Sinngedichte.

(106)

Das schlimmste Thier. Ä3ie heißt da« schlimmste Thier mit Namen ? So fragt' ein König einen weisen Mann. Der Weise sprach: von wilden heißt« Tyran, And Schmeichler von den zahmen.

(J07) Auf die Magdali-. Die alte reiche Magdali« Wünscht mich zum Manne, wie ich höret Reich wäre sie genug, da« ist gewiß: Allein so alt! — Za, wenn sie älter wäre!

Sinngedichte.

6Z

(iog)

Auf Lorchen. §s-chen beißt noch eiueIunzfer. Wisset, die

ihrs noch nicht wißt:

So heißt Lucifer ein Engel, ob er gleich gefak, len ist.

(109)

Klimp Der alte fromme Klinips, bey jedem Bissen

Brsdt,

Den er genoß, sprach:

Segne Gott!

Den schönen Spruch nicht halb zu lassen, sprach

Und stirb! sein frommes Weib mit Hiobs

Weib' ihm nach.

64 *

Sinngedichte. -...... -■ ""



(iio)

Der spielsüchtige Deutsche. So äußerst war, nach TacituS Bericht, Der alte Deutsch' aufs Spiel erpicht.

Daß, wenn er ins Verlieren kam. Er endlich keinen Anstand nahm. Den letzten Schatz von allen Schätzen,

Sich selber, auf das Spiel zu setzen. Wie unbegreiflich rasch! wie wild! Ob dieses noch vom Deutschen gilt?

Vom Deutschen Manne schwerlich. — Doch, Dom Deutschen Weibe gilt es noch.

(ui)

(in)

Das Pferd Friedrich Wilhelms auf der Brücke zu Berlin.

2hr bleibet vor Derwundrung stehn. Und zweifelt doch an meinem Leben?, Laßt meinen Reiter mir die Ferse geben:

So sollt ihr sehn!

(ns) Auf die feige Mumma.

«8)te kömmt-, daß Mumma vor Gespen­

stern flieht. Sie, die doch täglich eins im Spiegel sieht?

Sinngiedichte,

66 ♦«

(”3) Eine Gesundheit auf die Gesundheiten« Weg,

weg

mit

Wünschen,

Reimen,

Schwänken!

Trinkt fleißig, aber trinket still! Wer wird an die Gesundheit denken,

Wenn man die Gläser leeren will?

(”4) Auf einen unnützen Bedientem Sm Essen bist du schnell, lm Gehen bist du

faul. Zß mit den Füßen, Freund, und nimm zum

Gehn das Maul.

Sinngedichte.

67

(”5) Der Schwur. ^ch schwöre Lalagen, daß sonder ihre Küsse, Kein königliche« Glück mein Leben mir versüße. Dieß schwör' ich ihr im Ernst, wofern ste sich rrgiebt; Und schwör' eS ihr im Scherz, wofern sie mich nicht liebt.

(n6) Themis über ihr Bildniß in dem Hause eines Richters. Äbomit, 0 Zevs, hab' ich de« Schimpf verschuldet, Daß man mein Bild in diesem Hause duldet?

6j

Sinngedichte.

I ...--------

tot

.. , »

(lt7) Der Furchtsame.

Kaum seh Ich den Donner die Himmel um?

ziehen, So flieh ich zum Keller hinein. Was meynt ihr? ich suchte den Donner zu fliehen? Zhr irrt euch; ich suche den Wein.

(ng) An den Herrn V. Du ladest zwanzig Schmauser ein.

Wovon ich keinen kenn' unv dann mich oben drein. Doch zürnst du, und erstaunst, warum ich nicht erscheine? Ich schmause, Freund, nicht gern alleine.

Sinngedichte.

6$>

(119)

Auf die Genesung einer Buhlerin«. Dem Tode wurde jüngst vom Pluto anbee fohlen.

Die Lats unsrer Sradk nach jener Welt zu holen.

Sie war so alt doch nicht, und reizte manchen

noch, Durch Willigkeit und Scherz in ihr gemächlich.

Zoch.

»Was?"sprach der schlaueTod, derikonomisch denket,

Und nicht, wie man wohl glaubt, den Wurspfeil blindlings schwenket:

»Die Lais brächt' ich her? das wäre dumm genung!

Mein! Aerzt' und Huren — nein! die hol' ich

nicht so jung!".

7*

Sinngedichte.

*= ( I 20 )

An zwei liebenswürdige Schwestern« 9td», Jugend, Unschuld, Freud' und Scherz Gewinnen Euch ein jedes Herz!

Und kurz: Ihr brauchet Eures gleichen. Den Grazien, in nichts, als an der Zahl, zn

weichen.

(I2l)

An den Silins.

Mein Urtheil, Silius, von deiner Ueber» schrift. Dieß Urtheil soll nichtö gelten, Weil es die Reime nur betrist? Was kann man sonst als Reim' an einem Reimes schelten?

Sittttgedichke. —

—-UÄ^_,e^gs_

7==♦

(r»r) Auf den D. Klystrll. Klystill, der Arzt — (der Mörder sollt' Ich sagen - ) Will niemandö frühern Tod mehr auf der Seele

tragen,

Und giebt, aus frommer Reu, sich zum Hu­ saren an; Um das nie mehr zu thun, was er so oft gethan.

(I2Z)

AufMuffeln.' Freund Muffel schwört bey Gott und Ehre,

Ich kost' ihn schon so manchs Zähre. — Nun? frommer Mann, wenn das auch wäre;

Was kostet dich denn deine Zähre?

Sinngedichte.

(i»4) An ein Paar arme verwaisete Mädchen, ^hr holden Kinder, daß ihr Waisen seyd, Dae ist mir herzlich, herzlich leid. Auch bin ich euch zu dienen gern erbötig Mit Gut und Blut; euch, die ihr, ohne Streit, Das beste Blut de« besten Blute« seyd. Nur, Kinder, daß ihr arme Waisen seyd. Das sey euch selber ja nicht leid! Nun habt ihr keines Vormunds nöthig.

(i*5) An den Vax. Du lobest Todte nur? Vax, deines Lobes

wegen Hab' ich blutwenig Lust, mich bald in« Grab zu legen.

Sinngedichte.

73

(116)

Auf den Cykharist. ^Zahr aus, Jahr ein reimt Cytharist

Zweyhundert Vers' in Einem Taqc;

Doch drucken läßt er nichts.

Encicheidet mit

die Frage, Ob er mehr klug, mehr unklug ist.

(ia7) Der beste Wurf.

An ein Paar Brettspieler. 3>vey Vierer wünschest du, und du verlangst zwey Einer:

Der beste Wurf im Brett bleibt darum den/ noch — keiner.

74

Sinngedichte.

(128) Auf den Maler Klecks. Mlch malte Simon Klecks so treu, so meisterlich,

Daß aller Welt, so gut als mir, das Bildniß

glich.

(129) Attf einen Zweykampf. Warum zog das erzürnte Paar,

Sistan, und wer sein Gegner war. Die Degen? Aller Welt zum Schrecken Sie — friedlich wieder einzustecken.

Sinngedichte.

75

(130)

Auf den Ursin. Urfin ist ärgerlich , und geht mir auf die Haue, Daß ich ihm jüngst mein Buch, den Phädon, weggenommen; Gelesen hab' er ihn, allein noch nicht verdaut. Za, ja! zu Stande war' er bald damit ge» kommen: Sein Windspiel, oder er, hat ihn schon brav gekaut.

(lZr)

Auf den Veit. Veit ist ein wih'ger Kopf, und zählet sech»

zig? — Mein! Er hat noch lange hin, ein kluger Kops zu seyn.

7 Rarus polt cineres habet poeta, Nec tu polt cineres habebis ipse*

Ad Gelliam, Vota tui breviterli, Gellia, noscere vatis,

Dignorum juvenum publica cura, cupis t Spernit opes regum, regum quoque Ipernit

honores;

Ede suus primum, tune petit elfe tuus>

Epigrammata.

86 $= ■■

=—------ —------- 1 -7—

»

In Aristum. Nescio > dum dicit, multum, mentitur Arifius. Qui nelcit multum, paucula scire potelt*

Ad Amicum, Leetus es et pauper, sciat hoc Fortuna caveto,

JNe te felicem jam putet eile nimis*

Ad Ponticum* Qua tua fronte legam, mi Pontice, cannina, quaeris ? Nurn, precor, lila legam, Pontice, quaere prius.

Epigramm ata.

87

Ad Pompilla nu Vir fovet arnplexu, nec tu probibebis? amicas,

„Hunc ego? qui nobis jura dedit paria.”

Alt velit arnplexu quis te, l’omptlla, Fove.re ?

Sic vir jura dedit, nec dedit ilia limuL

In Caecilianum» Garrula Fama refert te, Caeciliane, difertum,

Nec minus eile pium, garrula Fama reFert*

Nil video, cur lieec credamus , Caeciliane.

Credo tarnen: verum Fama referre lolet.

88

Epigr ammata. ÜJkjL.

Ad** Abs te cum laudor, tibi cur laudatur et Aldus? Dicam, te laudis pccnituiffe metc?

I n A 1 b a m* Alba mihi semper narrat Tua somnia mane J

Alba iibi dormit: somniat Alba mihi.

Ad Prise um* Commendare tuum dum vis mihi carmine

munus: Carmen commendas munere, Prisce, mihi*

E p i g r a m m a L a*

89

In P.aulu in*

Carmina tentemus: num quid tentare nocebit? Paulus ait. Teuta! nil, ruß fama perlt.

Ad Sofibianum.

Sollbiane, rogas, prodat Galathea quot annos ? Annos quod prodat nocte? diene rogas?

Ad Po Ith um um» Quis melos auditu redimat, die, Posthume,

so des, Qui famam redimit, Posthume, morteTua.



Ep i gramma ta.

»

Ad Neajram.

Te

tarn deformem qui pinxit, pulchra Neaera,

Blanditus Venen, pulchra Neaera, fuit.

Ad Murlami Dehne, Murla monet, nunc dehne fcri* bere nugas.

Tu legere alt nugas dehne, Murla, prior.

I. Ueber das Epigramm.

(') N!an bat bas Won Epigramm verschledent« lid) über'e^r:

durch Ucoerschrlft, Aufschrift,

Znr'chnfr, Sinnschnft, Sinngedicht, u. s. m.

lkbeild)rift und Sinngedicht sind, dieses durch

den Gebrauch des Logau, und jenes durch den Gebrauch des wernike, das gewöhnlichste ge­

worden: aber vermuthlich wird Sinngedicht auch endlich das Ueberschrift verdrängen. Aufschrift und Inschrift müssen sich begnü­

gen, das tu bedeuten, was das Epigramm in fei,

nein Ursprünge war: das, woraus die so genann, te Dlchmnqeart nach und nach entstanden ist.

Wenn Theseus, in der Landenge von Ko­

rinth, eine Säule errichten, und aus die eine Seite derselben schreiben ließ: Hier ist nicht Peloponnesus, sondern Attika; so wie auf die

enrgegenstehende: Hier istpeloponnesus, und nicht Attika; so waren dieje Worte daö Epi,

Anmerkungen.

96

Stamm, d!e Auf-christ der Säule.

Aber wie

wett scheinet ein solches Epigramm von dem ent­

fernt zu seyn, was wir bey dem Mcrrtral also

nennen!

Wie wenig jd)einet eine solche Auf­

schrift mit einem Sinngedichte gemein zu haben!

Hat es nun ganz und gar keine Ursache, war­ um die Benennung einer bloßen einsaitigen An, zeige endlich dem witzigsten Svielwerke, der sinn­

reichsten SH näselt, anheiwgefallen? Oder lohnt es nicht der Muhe, siä) um diese Ursache zu be­

kümmern.

Für das eine, wie für das andere erklärte sich Navassor *). Es deuchte ihm sehr unnütz,

den Unterricht über das Epigramm mit dem an, zufangen, was das Wort seiner Ableitung nach bedeute, und ehedem nur bedeutet habe. Genug,

daß ein jeder von selbst sehe, daß es jetzt dieses nicht mehr bedeute.

Das Wort sey geblieben:

aber die Bedeutung des Wortes habe sich ver­ ändert.

Gleich,

*) De epigra.nmate cap. 3. Fruftra videntur sc? iptores hu jus artis tuifle, qui nos illud priuium admonitos eile voluerunt t epigramnia arquc ic Icripiionem nimm so na re« •— Facilc 1 vtclligiruus, manßlsc vocena,mulata fignilicaiioiie ct potelLate vocis.

über das Epigramnr.

97

Gleichwohl ist gewiß, baß der Sprachge,

brauch nur selten ganz ohne Grund lst. Das Ding, dem er einen gewissen Namen zu geben fortsährt, führet ohnstreitig auch fort, mit dem­ jenigen Dinge etwas gemein zu behalten, für welches dieser Name eigentlich erfunden war.

Und was ist dieses hier? Was hat das rott# zigste Sinngedicht eines Martial mit der tret#

kensten Aufschrift eines alten Denkmahle gemein, so daß beide bei einem Volke, dessen Sprache

wohl am wenigsten unter allen Sprache» dem Zusalle überlassen war, einerley Namen führen

konnten?

Diese Frage ist nicht die nehmliche, weiche Skaliger, zu Anfänge seines Hauptstücks über da« Epigramm, aufwirft'').

Skaliger fragt:

»warum werden nur die kleinen Gedichte Epi­

grammen genennt?" — Das heißt annehmen, daß alle kleine Gedichte ohne Unterschied diesen

*) Poetices lib. III. cap 126---- Quam ob cau­ sam Epigrammatis vox brevibus tantum poemaliis propria facta ess? An propter ipTarn breviatem, quasi nihil esset praeter ip» sam infcriptionem ? An quae siatuis, trophaei«, imaginibus, pro elogiisinl'cribebantnr, ea primo veroquc signisicatu Epigramniata sunt appelata 7 G

98

Anmerkungen

Namen führen können, und daß er nicht bloß einer besondern Gattung kleiner Gedichte zue kömmt. — Daher können mich auch nicht die Ante Worten dee Skallger befriedigen, die er, aber auch nur fragweise, darauf ertheilet. Etwa sagt er, eben darum, weil sie klein, weil sie kaum mehr, ale die bloße Aufschrift sind? Oder etwa darum, weil wirklich die ersten kleinen Gedichte auf Denkmähler gefthet wurden, und also Im et# Amtlichen Verstände Aufschriften waren? Henes, wie gesagt, sehtetwasFallcheS daraus, und macht allen Unterricht über das Epigramm überflüßig. Denn wenn es wahr ist, daß bloß die Kürze dar Epigramm macht, daß jedes Paar einzelne Verse ein Epigramm sind: so gilt der kau, stiiche Einfall jenes Spaniers, von dem Epigram, me vornehmlich; „wer ist so dumm, daß er nicht »ein Epigramm machen könnte; aber wer ist so „ttn Narr, daß er sich die Mühe nehmen sollte, «deren zwey zu machen?" — Dieses abrrsagt im Grunde nichts mehr, als was ich bey moincr Frage als bekannt annehme. Zch nehme an, daß die ersten kleinen Gedichte, welche aufDenkmähler gefetzt wurden. Epigram,

über das Epigramm.

99

men hießen: aber darin liegt noch kein Grund,

warum jetzt auch solche kleine Gedichte Epigram» men heißen, die auf Denkmähler gesetzt zu wer­ den, weder bestimmt noch geschickt find.

Ober

höchstens würde wiederum aller Grund auf die, beiden gemeinschaftliche, Kürze hinaus taufen.

Ich finde nicht, daß die neueren Lehrer der Dichtkunst, bey ihren Erklärungen des Epi­ gramms, auf meine Frage mehr Rücksicht ge­

nommen hätten.

Wenigstens nicht Boileau,

von dem freylich ohnedies keine schuigerechre De­

finition an dem Orte*) zu verlangen war, wo er sagt, daß daS Epigramm oft wertet nichts sey,

als ein guter Einfall mit ein Paar Reimen ver,

zieret.

Aber auch Batteux nicht, der daS Epi­

gramm als einen interessanten Gedanken be^ schreibt, der glücklich und in wenig Worten vor­ getragen wird.

Denn weder hier noch dort sehe

ich die geringste Ursache, warum denn nun aber

bin guter gereimter Einfall, ein kurz und glück, G r

*) L* Art poetiq, Chant, II, v, J03. 17 Epigramme — — — — — -N’est fouyeut qu’un bon niot de deux Ti­ mes orne.

Anmerkungen

IOO

.... ------

lich vorgetragener interessanter Gedanke, eben eine Aufschrift ein Epigramm heißt.

Oder ich

werde mich auch bey ihnen beiden damit begnü« gen müssen, daß wenige Reime, Ein kurier Ge»

danke, wenig und kurz genug sind, um auf einem Denkmahle Platz zu finden, wenn sie sonst am

der« Platz daraus finden können.

Gewiß ist

t6,

daß e« nicht die Materie seyn

kann, welche das Sinngedicht noch jetzt berechn« get, den Namen Epigramm zu führen. Es hat

längst aufgehöret, in dir engen Grenzen einer Nachricht von dem Ursprünge und derBestlm,

mung irgend eines Denkmahls eingeschränkt zu seyn; und es fehlt nicht viel, so erstreckt es sich nun über aller, was ein Gegenstand der mensch«

sichen Wißbegierde werden kann.

Folglich aber muß es die Form seyn,in roet# cher die Beantwortung meiner Frage zu suchen. Es muß in den Theilen, in der Zahl, In der An,

ordnung dieser Theile, in dem unveränderlichen Eindrücke, welchen jolche und so geordnete The!«

le unfehlbar ein jedesmal machen; — In diesen

muß

16

liegen, warum ein Sinngedicht noch im,

mer eine Ueberschrist, oder Aufschrift heißen

über das Epigramm,

tonis ßogmata sic fequeris, salvus ut eile velis; Pectore nec nudo sirictos incimis in enfes Qiiod fecisse velim te, DecLine faci«. Nolo yinim, facili redimit qid sauguine famam t Hunc volo, laudari qui sine morte polest,

was fehlt den beiden letzten Zeilen- um nicht ein sehr interessanter Gedanke zu heißen? und wie hätte er kürzer und glücklicher ausgedrückt werden können? Würde es aber allein eben den Werth haben, den er in der Verbindung mit den vorhergehenden Zeilen hat? würde tr, *) J~ib, I, ep< 9.

I IO

Anmerkungen __

als eine bloße für sich bestehende allgemelni Maxime, eben den Reiz, eben das Feuer ha­ ben, eben bet Eindruckes fähig seyn, dessen er hier ist, wo wir ihn auf einen einzeln Fall ant gewendet finden, welcher ihm eben so viel Ue­ berzeugung mttthetlet, als er von ihm Glanz entlehnet? Oder wenn unser wernike, zur Empfeh­ lung einer milden Sparsamkeit, geschrieben hätte: Lieb' immer Geld und Gut; nur so, daß dein Erbarmen Der Arme fühl': und flieh die Armuth, njcht die Armen: wäre e6 nicht ebenfalls ein sehr interessanter, so kurz als glücklich ausgedrückter Gedanke? Aber wäre es wohl eben das, was er wirk­ lich an den sparsamen Lelidor schrieb? *) Du liebst zwar Geld und Gut; doch so, daß dein Erbarmen Der Arme fühlt. Du fliehst die Armuth, nicht die Armen. Der Unterschied ist klein: und doch ist jenes, *) Erstes Duch S. 14. der Schweizeris. Ausgabe vo» i-6z.

über -aS Epigramm,

m

----------..................................... —

tey vollkommen eben derselben Wendung, nichts als eine kalte allgemeine Lehre, und dieses ein Bild voller Leben und Seele; je­ nes ein gereimter Sittenspruch, und dieses ein wahres Sinngedicht. Gleichwohl ist eben dieser wernike, sd wie auch der ältere Logau, nur allju reich an sogenannten Überschriften, die nichts als allgemeine Lehrsätze enthalten; und ob sie schon beide, besonders aber N)ernike, an Vortheilen unerschöpflich sind, eine bloße kahle Moral aufzustutzen, die einzelnen De, griffe derselben so vortheilhaft gegen einander abzusetzen, daß oftmals ein ziemlich verfüh, rertsches Blendwerk von den wesentlichen Theilen des Sinngedichts daraus entstehet: so werden sie doch nur selten ein feines Ge­ fühl bekriegen, daß es nlch^ den großen Ab­ stand von einem wahren Sinngedichte bis zu einer solchen zum Sinngedichte auegefeilten Maxime bemerken sollte. Vielmehr ist einem Menschen von solchem Gefühle, wenn er ein oder mehrere Bücher von ihnen hinter ein­ ander liefet, ost nicht anders zu Muthe, als

Anmerkungen

112

einem, der sich mit einem feinen Wrltmaime

titib einem steifen Pedanten zugleich In Ge­ sellschaft

findet:

wenn

jener

Erfahrungen

spricht, die auf allgemeine Wahrheiten ten;

die

so

lei­

spricht dieser Sentenzen, zu denen

Erfahrungen

in

dieser

Welt wohl gar

noch erst sollen gemacht werden. Dey keinem Epigrammatisten aber ist, mir

wenigstens, die ähnliche Abwechselung von Em, pfindurrgen Owen.

lästiger geworden,

als

bet dem

Nur daß bey diesem der Pedant sich

unzählig ötter hören laßt, als der feine Mann

von Erfahrung; und daß der Pedant mit al­ ler Gewalt noch oben drein witzig seyn will. Ich halte den, in allem Ernste, für einen star­ ken Kopf, der ein ganzes Buch des Owen

in einem Zuge lesen kann, ohne drehend und

schwindlicht zu werden.

Ich werde eö unfehl­

bar, und habe immer dieses für die einzige Ursache gehalten, weil eine so große Menge bloß allgemeinem Begriffe, die unter sich keine

Verbindung haben, in so kurzer Zeit aufein­ ander folgen: die Einbildung möchte jeden gern, in eben der Geschwindigkeit, in ein individuel­ les

über das Epigramm-

iij

lt« Bild verwandeln, unb erliegt endlich M,

ter der «ergebnen Bemühung. Hingegen ist das Morallsiren gerade zu, des Martials Sache gar nicht. Ob schon die meisten seiner Gegenstände sittliche Gegen­ stände find: so wüßte ich doch von allen la­ teinischen Dichtern keinen, aus dem sich we, nigere Sittensprüche wörtlich ausziehen ließen,

als aus ihm.

Er hat nur wenig Sinngedich,

te von der Art, wie das angeführte an den Decianus, welche sich mit einer allgemeinen Moral schlössen; seine Moral ist ganz in Hand­

lung verwebt, und er moralisiret mehr durch Beyspiele, al« durch Worte. Vollend« von der Art, wie das dreyzehnte seines zwölften Buchs ist.

Ad Aue tum. Genu«, Anete, lucri di vite« liabent iram. Odill'e quam donaffe vilius 'conftat;

welches nichts al« eine feine Bemerkung ent, hält, mit gänzlicher Verschweigung des 93or# falls, von dem er fle abgezogen, oder der sich

daraus erklären lassen: von dieser Art, sage ich, wüßte ich, außer dem gegenwärtigen, nicht

H

114

Anmerkungen i--------------

,a»

noch drey bey ihm aufzusinden. Und auch bey den wenige» scheinet eS, daß er den veranlas, senden Vorfall mehr auS gewissen Bedenklich­ keiten mit Fleiß verschweigen wollen, als daß er,gar keinen dabey im Sinne gehabt. Auktu« mochte den Reichen wohl kennen, der so listig eine Ursache vom Zaune gebrochen, sich über jhn, oder über den Dichter zu erzürnen, um sich irgend ein kleines Geschenk zn ersparen, daS er ihnen sonst machen müssen. Wenig­ stens hat Martial dergleichen bloße sittliche Bemerkungen doch immer an eine gewisse Per­ son gerichtet, welche anscheinende Kleinigkeit Logau und Wcttitfe nicht hätten übersehen oder vernachlässigen sollen. Denn es ist gewiß, daß sie die Rede um ein großes mehr belebt, und wenn wir schon die angeredete Person, und die Ursache, warum nur diese, und keine andere angeredet worden, weder kennen noch wissen: so setzt uns doch die bloße Anrede geschwinder in Bewegung, unter unserm eignen Kirkel umzuschauen, ob da sich nicht jemand finde, ob da sich nicht etwas zugetragen, wor­ auf der Gedanke des Dichters anzuwenden sey.

über da« Epigramm.

115

Wenn nun aber bloße allgemeine Sitten»

spräche, sie mögen nun mit der Einfalt eines vermeinten «Lato, oder mit der Spitzfindigkeit

eines Baudius, oder mit dem Scharfsinne eb nes wernike vorgelraaen seyn, die Wirkung

nicht haben, di« sie allein zu dem Namen der Sinngedichte berechtigen könnte; wenn also ein

Verinus und pibrak, oder wie sonst die ehr, lichen Männer heißen,

die schöne erbauliche

Disticha geschrieben haben, aus dem Register der Epigrammatisten wegfallen: so werden die, jcnigen noch weniger darin aufzunehmen seyn,

welche andere setentifische Wahrheiten in die engen Schranken des Epigramme zu bringen versucht haben. Ihre Verse mögen gute Hülfe, Mittel des Gedächtnisses abgeben; aber Sinn,

gedichte sind sie gewiß nicht, wenn ihnen schon nach der Erklärung des Batteux diese Denen« nung nur schwer abzustreiren seyn dürfte. Denn

sind

z. E. die medicinlschen Vorschriften der

Schnie von Salerno nicht eines sehr lnteres,

sanken Inhalts?

und könnten sie nlcht gar

wohl mir eben so vieler Präcision und Zier, lichkeit vorgerragen seyn, als sie es mit rotnb

g«p sind? Hub dennoch, wenn sie auch Lukrez

H -

ii6

Anmerkungen

t

'



-—--»

selbst abgefaßt hätte, würden sie nichts als ein

Beispiel mehr seyn, daß die Erklärung des Vatteup viel zu weltläuftig Ist, und gerade das vornehmste Kennzelchen darin fehlet, wel­ ches das Sinngedicht von allen andern kleinen Gedichten unterscheidet.

a. Die zweyte Aftergattung des Epigramms war die, welche Erwartung erregt, ohne einen Aufschluß darüber zu gewähren. Dergleichen

sind vornehmlich alle kleine Gedichte, die nichts als ein bloßes seltsames Faktum enthalten, ohne im geringsten anzuzeigen, aus welchem Gesichtspunkte wir dasselbe betrachten sollen;

die uns also welker nichts lehren, als daß ein­ mal etwa« geschehen ist, was eben nicht alle Tage zu geschehen pflegt. Derjenigen kleinen

Stücke gar nicht einmal hier zu gedenken, die,

wie die Raiser des Aussnius, die ganze Geschichte, den ganzen Charakter eines Man­

nes in wenige Züge zusammenfassen, und de­ ren unter den Titeln, Icones, Heroes u. s. m. so unzählige geschrieben worden.

Denn diese

möchte man schon deswegen nicht für Sinnge­ dichte wollen gelten lassen, weil ihnen die Ein­

heit fehlet, die nicht in der Einheit der nehm-

über das Epigramm.

117

lichen Person, sondern In der Einheit der nehm­ lichen Handlung bestehen muß, wenn sie der Einheit des Gegenstandes in der eigentlichen Aufschrift entsprechen soll. Aber auch alsdann, wenn das Gedicht nur eine einzige völlig zuge­ rundete Handlung enthält, ist es noch kein Sinngedicht, Falls man uns nicht etwas dar­ aus schließen, oder durch irgend eine feine Be­ merkung in das Innere derselben tiefer ein­ dringen läßt. Wenn z. E. Martial sich begnügt hätte, die bekannte Geschichte des Mucins Skawola in folgende vier Verse zu fassen *): Dum peteret regem, decepta fatellite dextra, Injecit facris se peritura foci«. Sed tarn saeva piua miracula non lullt holtis. Et raptum flammis juffit abire virum.

würden wir wohl sage» können, daß er ein Sinngedicht auf diese Geschichte gemacht ha­ be? Kaum wäre es noch «ins, wenn er bloß hinzugeseht hätte: Urere quam potuit contemto Mucius igne. Hane fpectare man um Porsena non potuit.

Denn auch das ist noch nicht vielmehr als Ge' •) Ltb. I. cp. 11,

ii8

Anmerkungen

schichte;' und wodurch eS ein völliges ©hinge# dicht wird/ sind lediglich die endlichen letzten Zeilen: Major deceptae fatna eß, et gloria dextrae; Si non erraffet, fecerat lila minus.

Denn nun erst wissen wir, warum der Dich# ter unsere Aufmerksamkeit mit jener Begeben# hett beschäftigen wollen; um das Vergnügen über eine so feine Betrachtung, «daß oft der «Zrrthum uns geschwinder und sichrer unsre «Absicht erreichen hilft, als der wohlüberlegte, «kühnste Anschlag," verbunden mit dem Ver# gnügen, welches der einzelne Fall gewahret, macht das gesammte Vergnügen des Sinn# gedichts. Ohnstreitig hingegen müssen wir uns nur yiit der Hälfte diese« Vergnügen« bey einigen Stücken der griechischen Anthologie, und bey noch mehrern verschiedner neuern Dich# ter behelfen, die sich eingebildet, daß sie nur das erste das beste abgeschmackte Histörchen zu# sammen reimen dürfen, um ein Epigramm gemacht zu haben. Ein Beispiel aus der Anthologie sey dieses *) r •) XÄb. I, Cap. 45.

über -aS Epigramm. +*■

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