Fremdlinge im eigenen Land: Zur Entstehung und Intention der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte 9783666535468, 9783525535462, 9783647535463

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Fremdlinge im eigenen Land: Zur Entstehung und Intention der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte
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Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments Herausgegeben von Jan Christian Gertz, Dietrich-Alex Koch, Matthias Köckert, Hermut Löhr, Joachim Schaper, David Andrew Teeter und Christopher Tuckett

Band 246

Vandenhoeck & Ruprecht

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Jakob Wöhrle

Fremdlinge im eigenen Land Zur Entstehung und Intention der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

Vandenhoeck & Ruprecht

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Meinem Lehrer Rainer Albertz

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-525-53546-2 ISBN 978-3-647-53546-3 (E-Book) © 2012, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen/ Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Druck und Bindung: CPI Buchbücher.de GmbH, Birkach Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

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Vorwort

Die vorliegende Studie ist im Rahmen des Projekts „Distinktion und Integration in der Gründungsurkunde Israels“ entstanden, das von Prof. Dr. Rainer Albertz und mir am Münsteraner Exzellenzcluster „Religion und Politik in den Kulturen der Vormoderne und Moderne“ in den Jahren 2008 bis 2012 geleitet und durchgeführt wurde. Mein Dank gilt den Angehörigen des Vorstands und der Geschäftsführung des Exzellenzclusters unter Prof. Dr. Gerd Althoff, Prof. Dr. Barbara Stollberg-Rilinger, Dr. Iris Fleßenkämper und Dr. Christian Schmidt für ihre wohlwollende und hilfreiche Unterstützung in den vergangenen Jahren. Sehr herzlich gedankt sei auch den Münsteraner Kolleginnen und Kollegen, insbesondere Prof. Dr. Reinhard Achenbach, der sich unserem Projekt angeschlossen und es in vielfacher Hinsicht bereichert hat, sowie Prof. Dr. Martin Leuenberger und Ruth Ebach, die unsere Arbeit interessiert und engagiert begleitet haben. Den Hilfskräften unseres Projekts, Katharina Stichling, Dagrun Pflüger und Corinna Pfannkuche, danke ich sehr herzlich für ihre vielfältige und stets zuverlässige Mitarbeit. Ein besonderer Dank gilt sodann Ruth Ebach und Corinna Pfannkuche für ihre wertvolle Hilfe bei den Korrekturarbeiten. Bei den Herausgebern der „Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments“, Prof. Dr. Jan Christian Gertz, Prof. Dr. Matthias Köckert, Prof. Dr. Joachim Schaper und Prof. Dr. David Andrew Teeter, bedanke ich mich sehr für die Aufnahme der Arbeit in ihre Reihe und bei Christoph Spill vom Verlag Vandenhoeck & Ruprecht für die freundliche und engagierte verlegerische Betreuung. Meiner Frau, Dr. Stefanie Wöhrle, danke ich ganz herzlich für all ihren Beistand und ihren Rat. Unserer im vergangenen Jahr geborenen Tochter Anneli sei für ihr Lachen, aber auch für ihren gesunden Schlaf gedankt. Beides hat die Arbeiten an dem Buch sehr erleichtert. Mein ganz besonderer Dank gilt schließlich meinem verehrten Lehrer, Prof. Dr. Rainer Albertz, für seine stets tatkräftige, ja selbstlose Unterstützung, sein interessiertes Mitgehen und Mitdenken und alle Freiheit, die er seinem Schüler in den vergangenen zehn Jahren gelassen hat. Ihm sei dies Buch als kleines Zeichen des großen Dankes gewidmet. Münster, im April 2012

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Jakob Wöhrle

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Inhalt

1. Einleitung ............................................................................................ 1.1 Die priesterlichen Passagen des Pentateuch ................................ 1.2 Probleme der Forschung .............................................................. 1.2.1 Der literarische Charakter der priesterlichen Passagen ..... 1.2.2 Das Ende der priesterlichen Passagen ............................... 1.2.3 Der historische Ort der priesterlichen Passagen................ 1.2.4 Die Intention der priesterlichen Passagen ......................... 1.3 Zur Anlage der Arbeit ..................................................................

11 11 12 12 16 18 21 23

2. Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte ......

25

2.1 Die priesterlichen Passagen in den Abrahamerzählungen ........... 2.1.1 Der Beginn der Abrahamerzählungen in Genesis 11,27–32 .............................................................. 2.1.2 Die Ankunft in Kanaan und die Trennung von Lot in Genesis 12–13 ................................................................... 2.1.3 Die Geburt Ismaels in Genesis 16 ..................................... 2.1.4 Der Bund mit Abraham in Genesis 17 .............................. 2.1.5 Die Rettung Lots in Genesis 19......................................... 2.1.6 Die Geburt Isaaks in Genesis 21,1–7 ................................ 2.1.7 Tod und Begräbnis Sarahs in Genesis 23 .......................... 2.1.8 Das Ende der Abrahamerzählungen in Genesis 25,1–18 ................................................................ 2.1.9 Fazit ................................................................................... 2.2 Die priesterlichen Passagen in den Jakoberzählungen ................ 2.2.1 Der Beginn der Jakoberzählungen in Genesis 25,19–26 .............................................................. 2.2.2 Jakob und Esau in Genesis 26,34–28,9 ............................. 2.2.3 Jakobs Aufenthalt bei Laban und seine Rückkehr in Genesis 29–33 ................................................................... 2.2.4 Das Ende der Jakoberzählungen in Genesis 35................. 2.2.5 Die Nachfahren Esaus in Genesis 36 ................................ 2.2.6 Fazit ...................................................................................

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25 30 38 45 50 54 58 64 69 71 71 74 79 85 95 99

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Inhalt

2.3 Die priesterlichen Passagen der Josefgeschichte ......................... 2.3.1 Der Beginn der Josefgeschichte in Genesis 37 ................. 2.3.2 Die weitere Josefgeschichte in Genesis 38–45 ................. 2.3.3 Jakobs Weg nach Ägypten in Genesis 46 ......................... 2.3.4 Jakob und seine Söhne in Ägypten in Genesis 47............. 2.3.5 Jakobs Segen für Ephraim und Manasse in Genesis 48 ......................................................................... 2.3.6 Der Jakob-Segen und der Tod des Jakob in Genesis 49 ......................................................................... 2.3.7 Das Ende der Josefgeschichte und die Überleitung zu den Exoduserzählungen in Genesis 50,1–Exodus 1,7 .................................................. 2.3.8 Fazit ...................................................................................

101 101 107 112 115 120 123 128 145

2.4 Ausblick: Die priesterlichen Passagen im Pentateuch ................. 147 2.5 Der historische Ort der priesterlichen Passagen .......................... 160 2.6 Zusammenfassung ....................................................................... 163 3. Zur Intention der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte.......... 165 3.1 Die Vätergeschichte in der priesterlichen Komposition des werdenden Pentateuch ........................................................... 165 3.2 Die Exilsgemeinde als das wahre Gottesvolk .............................. 3.2.1 Die exilische Diskussion um die Zugehörigkeit zum Volk ................................................... 3.2.2 Die Erzväter als exemplarische Exulanten ........................ 3.2.3 Die Konstituierung des Volkes im Ausland ...................... 3.2.4 Die exklusive Definition des Volkes................................. 3.2.5 Fazit ................................................................................... 3.3 Das Leben im Land ...................................................................... 3.3.1 Das Land Kanaan – ein Land in fremder Hand................. 3.3.2 Landverheißung und Landbesitz ....................................... 3.3.3 Das „Land der Fremdlingschaft“....................................... 3.3.4 Fazit ................................................................................... 3.4 Die Väter und ihre Nachbarn ....................................................... 3.4.1 Abraham und Lot – Jakob und Esau: Leben in verwandtschaftlicher Verbundenheit ................. 3.4.2 Isaak und Ismael: Segen für die Völker ......................................................... 3.4.3 Fazit ...................................................................................

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Inhalt

3.5 Die Väter und die Kanaanäer ....................................................... 3.5.1 Die fremden Bewohner des Landes .................................. 3.5.2 Friedliche Koexistenz ........................................................ 3.5.3 Fazit ...................................................................................

9 215 215 217 222

4. Rückblick: Die priesterlichen Passagen der Vätergeschichte............. 223 Anhang .................................................................................................... 227 Abkürzungen ....................................................................................... 227 Literatur .............................................................................................. 227 Register der Bibelstellen ..................................................................... 241

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1. Einleitung

1.1 Die priesterlichen Passagen des Pentateuch Die priesterlichen Passagen des Pentateuch gehören zu den Grundfesten der alttestamentlichen Forschung. Kaum eine redaktionsgeschichtliche These erfreut sich über die Zeiten und auch über die Schulgrenzen hinweg einer so großen Zustimmung wie die Annahme, dass sich im vorliegenden Pentateuch eine als priesterlich zu bezeichnende Schicht abheben lässt. Die Anfänge dieser These reichen zurück bis an den Beginn der kritischen Erforschung des Alten Testaments. Bereits im 18. Jahrhundert haben der Hildesheimer Pfarrer Henning Bernhard Witter und der französische Arzt Jean Astruc in der Genesis zwei voneinander zu unterscheidende literarische Stränge herausgearbeitet.1 In der folgenden Zeit wurde die literarische Scheidung auf den gesamten Pentateuch ausgeweitet. Die hieraus entwickelte Quellentheorie, nach der der Pentateuch aus vier Quellen – dem Jahwisten, dem Elohisten, der Priesterschrift und dem Deuteronomium – zusammengearbeitet wurde, bestimmte über viele Jahrzehnte hinweg die alttestamentliche Forschung. Anders als die anderen Pentateuchschichten hielten die priesterlichen Passagen dann auch sämtlichen Neuorientierungen der jüngeren Forschung stand.2 Mag der Elohist in weiten Teilen der alttestamentlichen Forschung zu Grabe getragen sein, und mag der vielbeschworene „Abschied vom Jahwisten“ längst vollzogen sein – die Existenz einer priesterlichen Schicht ist und bleibt eine der grundlegenden Annahmen der alttestamentlichen Wissenschaft. Ja, die priesterlichen Passagen sind geradezu der einzig verbliebene Fixpunkt der neueren Pentateuchforschung. Dies zeigt sich allein schon an der in jüngster Zeit üblich gewordenen, ganz elementaren Unterscheidung zwischen „priesterlichen“ und „nichtpriesterlichen“ Texten des Pentateuch. Als sicher gilt derzeit nur, was priesterlich ist. Bei allem anderen lässt sich lediglich mit Gewissheit sagen, dass es eben nicht priesterlich ist. —————

1 Zur Geschichte der Pentateuchforschung vgl. OTTO, Art. Pentateuch, 1091–1097; SCHMITT, Arbeitsbuch, 176–186; ZENGER, Einleitung, 88–92. 2 Zu neueren Tendenzen der Pentateuchforschung vgl. etwa ZENGER, Einleitung, 99–123, sowie die Sammelbände GERTZ/SCHMID/WITTE (Hg.), Abschied; DOZEMAN/SCHMID (Hg.), Farewell; SHECTMAN/BADEN (Hg.), Strata; DOZEMAN/SCHMID/SCHWARTZ (Hg.), Pentateuch.

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Einleitung

Der in der alttestamentlichen Forschung erkennbare Konsens über die priesterlichen Passagen des Pentateuch ist allerdings bei genauerem Hinsehen nur ein scheinbarer. Unstrittig ist nämlich nur die schlichte Existenz einer priesterlichen Schicht. Wie der folgende Forschungsüberblick zeigen wird, sind dagegen zahlreiche mit den priesterlichen Passagen verbundene Einzelfragen noch immer ungeklärt. Insbesondere sind der literarische Charakter der priesterlichen Schicht, das ursprüngliche Ende dieser Schicht, deren historischer Ort wie auch deren Intention Gegenstand umfassender Diskussion. So sind die priesterlichen Passagen zwar das einzig sichere Fundament der neueren Pentateuchforschung. Doch besteht auch bei diesen Texten noch einiger Klärungsbedarf. Eine weitere, über die bisherige Forschung hinausgehende Beschäftigung mit den priesterlichen Passagen erscheint daher notwendig.

1.2 Probleme der Forschung 1.2.1 Der literarische Charakter der priesterlichen Passagen Ein erstes Problemfeld, das die gegenwärtige Forschung zu den priesterlichen Passagen des Pentateuch bestimmt, ist die Frage nach dem literarischen Charakter dieser Texte.1 So ist umstritten, ob die priesterlichen Passagen als Teil einer ursprünglich unabhängig überlieferten Quelle – also einer Priesterschrift – zu verstehen sind, die dann erst sekundär mit den nichtpriesterlichen Überlieferungen zusammengearbeitet wurde, oder ob die priesterlichen Passagen als eine von vornherein für den Kontext der nichtpriesterlichen Texte verfasste Bearbeitungsschicht anzusehen sind. In den Anfängen der kritischen Erforschung des Pentateuch wurde die Alternative „Quelle oder Redaktion“ nicht gesehen. Dies mag vor allem damit zusammenhängen, dass die priesterlichen Passagen zunächst für die älteste Schicht des Pentateuch gehalten wurden.2 Diese Annahme war auch für Eduard Nöldeke leitend, der erstmals detailliert den Bestand der priesterlichen Texte bestimmte und dessen Abgrenzung die Forschung bis heute prägt.3 Nöldeke rekonstruierte „die Grundschrift“ des vorliegenden Pentateuch. Dass es sich bei den priesterlichen Passagen um eine Quelle handelt, war somit Prämisse und nicht Ergebnis seiner Arbeit. Sie war davon be————— 1 Vgl. zum Folgenden auch die Überblicksdarstellungen bei BLUM, Komposition, 425–426; ders., Studien, 229–232; CARR, Fractures, 43–47; GERTZ, Tora, 234–236; SCHMITT, Arbeitsbuch, 193–194; ZENGER, Einleitung, 160–161; WEIMAR, Art. Priesterschrift, 2.2. 2 Vgl. nur HUPFELD, Quellen, 1–38. 3 Vgl. NÖLDEKE, Untersuchungen.

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Probleme der Forschung

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stimmt, eine möglichst zusammenhängende, durchlaufende Quelle zu rekonstruieren. Doch auch als sich im Gefolge von Julius Wellhausen die Erkenntnis durchsetzte, dass die priesterliche Schicht nicht als die älteste, sondern als die jüngste der nach damaligen Stand im Pentateuch erkennbaren Schichten anzusehen ist,4 wurde meist unhinterfragt davon ausgegangen, dass es sich hierbei um eine zunächst unabhängig überlieferte Quelle handelt. Diese Sicht wurde nur selten kritisiert, und die wenigen doch aufkommenden Gegenpositionen blieben mehr oder weniger ungehört.5 Dies änderte sich in den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Mit Frank Moore Cross, John Van Seters, Rolf Rendtorff oder Erhard Blum bildete sich erstmals eine breitere Front, die gegen die gängige Quellen-Hypothese und für ein Verständnis der priesterlichen Passagen als Redaktionsschicht eintrat.6 Die Vertreter des Redaktionsmodells verweisen auf mehrere Beobachtungen. So ist der priesterliche Erzählfaden, gerade im Vergleich zu den nichtpriesterlichen Passagen des Pentateuch, teils ausgesprochen dünn. In den priesterlichen Partien der Urgeschichte wird etwa das Aufkommen der in Gen 6,11–12 als Anlass der Flut genannten Gewalt und Verderbnis nicht erklärt. Im Bereich der Vätergeschichte fehlt den priesterlichen Texten unter anderem eine volksgeschichtliche Einordnung von Lot. Er wird hier nicht wie in den nichtpriesterlichen Überlieferungen als Ahnherr der Moabiter und der Ammoniter vorgestellt. In den priesterlichen Passagen der Josefgeschichte finden sich sodann keinerlei Aussagen über Josefs Weg nach Ägypten und seinen Aufstieg an den Hof des Pharao. Am Beginn der Exodusüberlieferungen sind in der priesterlichen Schicht keine Erzählungen über die Kindheit und Jugend des Mose belegt. Ja, es fehlt überhaupt eine erzählerische Einführung der Person des Mose. Im weiteren Verlauf der priesterlichen Exodusüberlieferungen wird schließlich der Bundesschluss am Sinai nicht erwähnt. Aber mehr noch: Die priesterlichen Passagen ergeben häufig keinen soliden Zusammenhang. Zwischen den üblicherweise der priesterlichen Schicht zugewiesenen Textbereichen verbleiben zahlreiche erzählerische Lücken. Die aus diesen Texten rekonstruierte priesterliche Quelle hinterlässt daher ————— 4

S.u. 18–20. So sprachen sich in älterer Zeit insbesondere GRAF, Grundschrift; EERDMANS, Studien I; LÖHR, Untersuchungen I, und VOLZ, P, gegen das übliche Verständnis der priesterlichen Passagen als Teil einer ursprünglich unabhängig überlieferten Quelle aus. Eine – auch hier nur recht kurze – Diskussion löste allenfalls die Arbeit von Eerdmans aus; vgl. HOLZINGER, Nachprüfung; EICHRODT, Priesterschrift. 6 Vgl. hierzu CROSS, Priestly Work, 301–321; VAN SETERS, Abraham, 279–287; RENDTORFF, Problem, 112–146; BLUM, Komposition, 420–458; ders., Studien, 229–285. 5

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Einleitung

einen doch recht fragmentarischen Eindruck. So wird etwa in den priesterlichen Passagen der Jakoberzählungen dargestellt, dass der Ahnherr das Land verlässt und zu seinen östlichen Verwandten zieht (Gen 27,46–28,9). Es wird sodann seine Rückkehr in das Land vermerkt (Gen 31,18). Es findet sich aber nicht ein Satz über die zwischen Ausreise und Rückkehr liegenden Geschehnisse bei den Verwandten. Und auch an anderer Stelle, etwa im Bereich der Josefgeschichte, bleiben zwischen den priesterlichen Passagen teils erhebliche erzählerische Lücken. Schließlich wird von den Vertretern des Redaktionsmodells kritisiert, dass einige gemeinhin der priesterlichen Schicht zugeschriebenen Texte nur zu dieser Schicht gerechnet werden, um so eine möglichst durchlaufende Quelle zu rekonstruieren. So lassen sich etwa bei dem häufig als priesterlich angesehenen Teilvers Gen 16,1a, in dem die Unfruchtbarkeit der Sarah erwähnt wird, oder bei dem Vers Gen 16,15, in dem die Geburt des Ismael vermerkt wird, keine inhaltlichen oder terminologischen Argumente für eine Zuweisung zur priesterlichen Schicht benennen. Die so begründete Redaktions-These wurde in Teilen der neueren Forschung durchaus positiv rezipiert.7 Sie zog aber auch einigen – bisweilen sehr deutlich artikulierten – Widerspruch auf sich.8 So wird gegen die von den Vertretern des Redaktionsmodells vorgebrachten Argumente eingewandt, dass diese nicht zwingend gegen die Annahme einer priesterlichen Quelle sprechen müssen. Der gegenüber den nichtpriesterlichen Überlieferungen teils recht dünne priesterliche Erzählfaden lässt sich etwa auch damit erklären, dass die priesterlichen Autoren andere Schwerpunkte hatten. Zudem kann davon ausgegangen werden, dass die priesterlichen Passagen die Kenntnis eines älteren nichtpriesterlichen Werkes voraussetzen. Eben deshalb erübrigte sich etwa eine gesonderte Einführung der Person des Mose. Auch die zwischen den priesterlichen Passagen bestehenden Lücken werden nicht als hinreichendes Argument gegen die Quellen-Hypothese anerkannt. Denn wie bereits in der älteren Pentateuch-Forschung angenommen, lassen sich diese Lücken doch ohne weiteres so erklären, dass bei der Zusammenarbeitung der nichtpriesterlichen und der priesterlichen Quelle —————

7 Vgl. v.a. TENGSTRÖM, Toledotformel, 11–16; VERVENNE, P, 67–90; ALBERTZ, Religionsgeschichte II, 495–535; ders., Exilszeit, 195; ders., Beginn, 223–262; ZIEMER, Abram, bes. 283– 290.372–374; OSWALD, Staatstheorie, 185–203; BERNER, Exoduserzählung, bes. 435–438. 8 Vgl. zum Folgenden etwa LOHFINK, Priesterschrift, 199–200 Anm. 31; ZENGER, Gottes Bogen, 32–36; ders., Einleitung, 160–161; KOCH, P, 446–467; EMERTON, Priestly Writer, 392–398; CAMPBELL, Priestly Text, 32–46; L. SCHMIDT, Studien zur Priesterschrift, 1–34; CARR, Fractures, bes. 114–120; PROPP, Priestly Source, 458–478; FREVEL, Blick, 377; KRATZ, Komposition, 247; RÖMER, Hauptprobleme, 291–292; GERTZ, Tora, 234–236; SCHMITT, Arbeitsbuch, 193–194; WEIMAR, Art. Priesterschrift, 2.2.2.

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Probleme der Forschung

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nicht immer beide Schichten erhalten werden konnten und es so zu Textausfällen in der priesterlichen Schicht kam. Zudem wird von den Verteidigern der Quellen-Hypothese vorgebracht, dass sich einige Eigenheiten der priesterlichen Passagen des Pentateuch nur unter der Voraussetzung erklären lassen, dass es sich bei diesen Passagen um eine einst unabhängig überlieferte Quelle handelt. So ergibt ihrer Ansicht nach etwa das priesterliche Konzept der dreistufigen Offenbarung des Gottesnamens, nach dem in der Urgeschichte und am Beginn der Vätergeschichte nur die allgemeine Gottesbezeichnung Elohim, ab Gen 17 auch der Gottesname El Shadday und erst ab Ex 6 der Gottesname Jhwh verwandt wird, nur im Rahmen einer eigenständigen priesterlichen Quelle einen Sinn. Denn in den nichtpriesterlichen Texten wird doch schon vor Ex 6 der Gottesname Jhwh gebraucht. Schließlich verweisen die Vertreter der Quellen-Hypothese auf die im vorliegenden Pentateuch erkennbaren Doppelüberlieferungen. Das in der Urgeschichte belegte Nebeneinander eines priesterlichen und eines nichtpriesterlichen Schöpfungsberichts (Gen 1–2), das dort belegte Neben- und Ineinander zweier, nahezu vollständig rekonstruierbarer Fluterzählungen (Gen 6,5–9,17) wie auch die im Exodusbuch belegten Doppelüberlieferungen in den Plagenerzählungen (Ex 7–12) oder der Meerwundererzählung (Ex 14) lassen sich ihrer Einschätzung nach wesentlich einfacher unter der Voraussetzung erklären, dass hier zwei ursprünglich unabhängig voneinander überlieferte Quellenschriften zusammengearbeitet wurden. Die Frage nach dem literarischen Charakter der priesterlichen Passagen ist also trotz der in den vergangenen Jahrzehnten so intensiv geführten Diskussion noch immer ungeklärt. Beachtenswert ist dabei, dass in dieser Diskussion zumeist eher globale Beobachtungen leitend sind. Es wird über die Erzähldichte oder die Lückenhaftigkeit der priesterlichen Passagen argumentiert oder auf die Existenz von Doppelüberlieferungen verwiesen. Nur selten werden dagegen kleinräumige Analysen der priesterlichen Texte vorgelegt, in deren Rahmen die Einbindung dieser Texte in ihren vorliegenden nichtpriesterlichen Kontext untersucht wird. Zudem wurde bislang nur selten beachtet, dass die Vertreter der QuellenHypothese und die Vertreter des Redaktionsmodells die wesentlichen Argumente für ihre jeweilige Position aus unterschiedlichen Textbereichen gewinnen. Die für die Quellen-Hypothese bedeutenden Doppelüberlieferungen sind in der Urgeschichte und in den fortgeschrittenen Exoduserzählungen belegt. Die von den Vertretern des Redaktionsmodells hervorgehobene Lückenhaftigkeit des priesterlichen Texts gilt vor allem für den Bereich der Vätergeschichte und den Beginn der Exoduserzählungen. Dieser Befund erscheint doch aber erklärungsbedürftig.

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Einleitung

1.2.2 Das Ende der priesterlichen Passagen Neben dem literarischen Charakter ist auch das Ende der priesterlichen Passagen – oder genauer: das Ende der priesterlichen Erstausgabe des werdenden Pentateuch – umstritten. In der gegenwärtigen Forschung werden die verschiedensten Alternativen, vom Exodusbuch bis zum Josuabuch, diskutiert.9 So wurde vor allem in der älteren, teils aber auch noch in der neueren Forschung angenommen, dass das Ende von P im Josuabuch zu finden ist.10 Grundlegend hierfür war und ist die Annahme, dass die in den priesterlichen Texten belegte Landverheißung nach einer Landnahmeerzählung verlangt. In neuerer Zeit wird dabei zumeist vorgeschlagen, dass Jos 18,1 mit dem dort belegten Vermerk, dass das gesamte Land vor den Israeliten unterworfen war, und evtl. noch der Vers 19,51 mit der dort belegten Notiz über die Landverteilung als ursprünglicher Abschluss des priesterlichen Werks anzusehen ist.11 Gegen die Annahme, dass das Ende der priesterlichen Passagen im Josuabuch vorliegt, regte sich allerdings schon früh Widerstand. So meinte bereits Martin Noth, dass die vermeintlich priesterlichen Stücke in diesem Buch keinen soliden Zusammenhang ergeben.12 Seiner Ansicht nach handelt es sich um späte, von den priesterlichen Passagen des Pentateuch inspirierte Nachträge.13 Im Gefolge von Noth war daher über lange Zeit die These bestimmend, dass der Abschluss des priesterlichen Werks in Dtn 34,1a*.7–9 zu finden ist.14 Demnach reichen die priesterlichen Passagen bis zur Grenze zum Land. Sie enden mit dem Tod des Mose. —————

9 Vgl. zum Folgenden auch POLA, Priesterschrift, 19–25; FREVEL, Blick, bes. 6–210; RÖMER, Hauptprobleme, 292–295; GERTZ, Tora, 236; ZENGER, Einleitung, 161–166; BLUM, Issues, 39–41; WEIMAR, Art. Priesterschrift, 2.3. 10 Vgl. hierzu etwa NÖLDEKE, Untersuchungen, 94–108.144; WELLHAUSEN, Composition, 116–134; HOLZINGER, Einleitung, 336–337; BLENKINSOPP, Structure, 287–291; ders., Pentateuch, 237–238; LOHFINK, Priesterschrift, 198–199 Anm. 30; SEEBASS, Josua, 53–65; KNAUF, Priesterschrift, 113–116; OSWALD, Staatstheorie, 185–187. 11 Vgl. BLENKINSOPP, Structure, 290; LOHFINK, Priesterschrift, 199 Anm. 30; SEEBASS, Josua, 64; KNAUF, Priesterschrift, 115. 12 Vgl. NOTH, Josua, viii; ders., Überlieferungsgeschichtliche Studien, 182–190. 13 Vgl. hierzu auch FREVEL, Blick, 187–208; RÖMER, Hauptprobleme, 293; ALBERTZ, Anpassung, 199–216. 14 So auch schon WELLHAUSEN, Prolegomena, 373–374.408, in Abkehr seiner zuvor Anm. 10 genannten Position, nach der auch er das Ende von P im Josuabuch gesehen hatte; vgl. sodann etwa NOTH, Überlieferungsgeschichte, 16; ELLIGER, Sinn, 175; BRUEGGEMANN, Kerygma, 399; CROSS, Priestly Work, 320; KOHATA, Jahwist, 32; SCHMITT, Arbeitsbuch, 190–192; BLUM, Issues, 41; L. SCHMIDT, P, 475–494; WEIMAR, Art. Priesterschrift, 2.3.4, u.a. Eine modifizierte Form dieser These wurde von FREVEL, Blick, bes. 211–348, vorgelegt, der als Ende von P den Textbereich Dtn 34,1*.5*.7a.8 abgrenzt.

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Probleme der Forschung

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Dieser These hat nun aber Lothar Perlitt mit einigem Nachdruck widersprochen.15 Nach Perlitt ist Dtn 34,1a*.7–9 nicht von einer eindeutig als priesterlich zu bezeichnenden Sprache geprägt. Diese Verse weisen vielmehr eine späte priesterlich-deuteronomistische Mischsprache auf. Zudem wird der Tod des Mose nicht in Dtn 34,1a*.7–9, sondern in dem nichtpriesterlichen Vers 34,5 erwähnt. Die vermeintlich priesterlichen Verse setzen also ihren vorliegenden Kontext voraus und lassen sich daher zumindest nicht als vollständig erhaltener Abschluss einer eigenständigen priesterlichen Quelle verstehen. Auf Perlitts Kritik an der bis dahin üblichen Abgrenzung wurde das Ende des priesterlichen Werks immer weiter nach vorne verlagert. So hat etwa Jean-Louis Ska Num 27 als ursprünglichen Abschluss von P vorgeschlagen.16 Seiner Ansicht nach endet das Werk also mit den Wüstenerzählungen und der dort in Num 27 dargestellten Einsetzung des Josua zum Nachfolger des Mose. Nach Christophe Nihan reicht die priesterliche Erstausgabe bis zu der in Lev 16 belegten Einsetzung des großen Versöhnungstages.17 Demgegenüber meint Erich Zenger, dass Lev 9 mit der dort belegten Darstellung des ersten Opfers als solider Abschluss von P angesehen werden kann.18 Noch weiter zurück geht sodann Thomas Pola mit seinem in der neueren Forschung häufiger aufgenommenen Vorschlag, dass der ursprüngliche Abschluss von P in Ex 40,33 zu finden ist.19 Die priesterliche Erstausgabe hätte demnach mit dem Auftrag zum Bau der Stiftshütte und der Ausführung dieses Auftrags geendet. Für diese Annahme sprechen die stets gesehenen, hier am Ende des Exodusbuches belegten Rückbezüge auf den priesterlichen Schöpfungsbericht in Gen 1,1–2,4a. Zudem ist die Grundstruktur des so abgegrenzten priesterlichen Werks – von der Weltschöpfung bis zum Bau des Heiligtums – auch in altorientalischen Texten belegt. Und schließlich findet sich eine gewisse Entsprechung zu diesem Konzept auch in Ez 20, wo der Gottesdienst auf dem Zion als Ziel der Geschichte Gottes mit seinem Volk dargestellt wird. In Fortführung und noch weitergehender Radikalisierung der These von Pola nennt schließlich Eckart Otto Ex 29,46 als ursprünglichen Abschluss des priesterlichen Werks.20 Seiner Ansicht nach endet das Werk also bereits mit dem Auftrag zum Bau des Heiligtums. Dafür weist Otto auf Differen————— 15

Vgl. PERLITT, Priesterschrift, 65–88. Vgl. SKA, Introduction, 147–151. 17 Vgl. NIHAN, Priestly Torah, bes. 340–394.608–619. 18 Vgl. ZENGER, Art. Priesterschrift, 438–439; ders., Einleitung, 164. 19 Vgl. POLA, Priesterschrift, bes. 343–349, siehe hierzu auch, mit kleineren Unterschieden in der konkreten Abgrenzung, KRATZ, Komposition, 246; RÖMER/NIHAN, Débat, 166–168; DE PURY, PG, 107–108; GERTZ, Tora, 236. 20 Vgl. OTTO, Forschungen, 24–27. 16

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Einleitung

zen zwischen der Beauftragung und dem folgenden Baubericht, aufgrund derer der Baubericht als spätere Zufügung anzusehen ist. Zudem stehen gerade in Ex 29,45–46 gleich mehrere typisch priesterliche Formulierungen. Diese Stelle ist daher gut als ursprüngliches Ende von P vorstellbar. In der gegenwärtigen Forschung werden also sehr verschiedene Vorschläge zum ursprünglichen Ende des priesterlichen Werks diskutiert. Dabei fällt auf, dass auch in dieser Diskussion vor allem globale Beobachtungen und Überlegungen bestimmend sind. Es wird danach gefragt, an welcher Stelle ein sinnvoller Abschluss des priesterlichen Werks erreicht ist. Nur selten wird der Umfang der priesterlichen Erstausgabe auf Grundlage einer detaillierten Einzelanalyse der tatsächlich oder vermeintlich priesterlichen Texte bestimmt. Hinzu kommt, dass sich die verschiedenen Vorschläge nicht per se ausschließen müssen. So wurde schon lange gesehen, dass bei den priesterlichen Texten des Pentateuch zwischen einer priesterlichen Erstausgabe und darauf folgenden, gerne als spätpriesterlich bezeichneten Nachträgen zu unterscheiden ist.21 Es könnte also gut sein, dass zumindest einige der in der gegenwärtigen Forschung vertretenen Alternativen verschiedene Stadien eines sukzessiven Wachstums des werdenden Pentateuch beschreiben. 1.2.3 Der historische Ort der priesterlichen Passagen In der gegenwärtigen Forschung ist auch die Frage nach dem historischen Ort der priesterlichen Passagen umstritten.22 Die Datierungsvorschläge reichen von der frühen staatlichen über die exilische bis zur nachexilischen Zeit. In der älteren kritischen Forschung wurden die priesterlichen Passagen, die ja zunächst noch als „Grundschrift“ des vorliegenden Pentateuch angesehen wurden, zumeist in die frühe Königszeit datiert. So meinte etwa Eduard Nöldeke, dass die priesterlichen Passagen im 10. oder 9. Jahrhundert entstanden sind.23 Eine entscheidende Wende brachten dann aber die insbesondere von Julius Wellhausen vorgetragenen Erkenntnisse.24 Nach Wellhausen ist die Kultzentralisation, deren Durchsetzung im Deuteronomium gefordert wird, in den priesterlichen Passagen des Pentateuch bereits vorausgesetzt. Die ————— 21

Vgl. nur WELLHAUSEN, Composition, 134–135.207; KUENEN, Einleitung I,1, 84–85; HOLEinleitung, 332–334. 22 Vgl. zum Folgenden etwa POLA, Priesterschrift, 31–40; CARR, Fractures, 133–139; ZENGER, Einleitung, 166–167; BLUM, Issues, 31–33; WEIMAR, Art. Priesterschrift, 4. 23 Vgl. NÖLDEKE, Untersuchungen, 138–143. 24 Vgl. WELLHAUSEN, Prolegomena, bes. 34–52.363–391.401–409.

ZINGER,

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Probleme der Forschung

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Beschränkung des Kults auf ein einziges legitimes Heiligtum, den Jerusalemer Tempel, ist hier, wie sich vor allem an den Überlieferungen zur Stiftshütte (Ex 25–40) zeigt, bereits ein selbstverständliches Faktum. Die priesterlichen Texte sind daher später als das seit de Wette mit der josianischen Reform in Verbindung gebrachte Deuteronomium anzusetzen. Sie sind nach Wellhausen nicht schon in früher staatlicher Zeit, sondern erst in der Exilszeit entstanden. Die nachdeuteronomische Ansetzung der priesterlichen Passagen hat sich im Gefolge von Wellhausen weitgehend durchgesetzt. Ja, sie gehört geradezu zu den Grundfesten der weiteren Pentateuchforschung. Und doch blieb diese Annahme nicht unwidersprochen. So wird insbesondere unter jüdischen Gelehrten bis heute an einer Datierung der priesterlichen Passagen in der frühen bis mittleren Königszeit festgehalten.25 Sie betrachten die von Wellhausen vorgebrachte Überlegung als argumentum e silentio. Dass in den priesterlichen Passagen nur ein Heiligtum erwähnt wird, heißt ihrer Einschätzung nach nicht, dass in diesem Werk die Kultzentralisation vorausgesetzt ist. Dies kann auch schlicht mit dem besonderen Überlieferungsgegenstand von P zusammenhängen. Die priesterlichen Texte beschreiben den Bau des einen Wüstenheiligtums – der Stiftshütte –, das nicht einfach mit dem späteren Jerusalemer Tempel gleichgesetzt werden kann. Zudem sprechen nach Ansicht der Gegner der Wellhausen-These auch kult- und sprachgeschichtliche Überlegungen für eine frühe, vordeuteronomische Datierung. Doch trotz dieser Kritik am Wellhausen’schen Ansatz wird in weiten Teilen der Forschung an der nachdeuteronomischen Verortung des priesterlichen Werks festgehalten.26 Dabei wird gegen die Frühdatierung eingewandt, dass die priesterlichen Stücke des Pentateuch erst sehr spät in anderen Literaturwerken, etwa in der Chronik oder in den Büchern Esra und Nehemia, aufgenommen werden. Zudem wird darauf verwiesen, dass die in den P-Passagen belegten Datierungen mit Monatsname erst ab babylonischer Zeit gebräuchlich sind.27 Oder es wird damit argumentiert, dass die priesterlichen Texte, insbesondere in der Genesis, die nichtpriesterlichen Überlieferungen aufnehmen und somit voraussetzen. —————

25 Vgl. etwa KAUFMANN, Probleme, 23–43; ders., Kalender, 307–313; ders., Religion, 175– 200; HARAN, Shiloh, 14–24; ders., Scenes, 321–333; ders., Ezekiel, 211–218; HURVITZ, Dating, 88–100; ders., Once Again, 180–191; ZEVIT, Converging Lines, 481–511; KNOHL, Sanctuary, 199–224; MILGROM, Antiquity, 10–22. Siehe hierzu auch die Überblicksdarstellungen bei HILDEBRAND, Summary, 129–138; KRAPF, Priesterschrift, 210–278. 26 Vgl. zum Folgenden besonders CARR, Fractures, 136. Zur Kritik an der vorexilischen Datierung von P siehe sodann auch BLENKINSOPP, Assessment, 495–518; BLUM, Issues, 31–33. 27 Siehe hierzu schon AUERBACH, Datierung, 334–341.

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Einleitung

Unter den Ansätzen, die den Überlegungen von Wellhausen folgen, ist nun aber umstritten, ob die priesterlichen Passagen tatsächlich, wie Wellhausen meinte, noch in der Exilszeit anzusetzen sind oder ob sie erst in nachexilischer Zeit entstanden sind. So wird bei der noch immer mehrheitlich vertretenen Datierung in die (späte) Exilszeit angenommen, dass nach den priesterlichen Texten – wie insbesondere die hier belegten Landverheißungen zeigen – die Rückkehr in das Land noch aussteht.28 Das priesterliche Werk wird daher als Ausdruck der Erwartung, ja als Utopie des künftigen Lebens im Land und der dort aufzurichtenden kultischen Ordnungen gelesen. Die Vertreter der nachexilischen Datierung meinen demgegenüber, dass in den priesterlichen Passagen die Rückkehr in das Land wie auch der Bau des zweiten Tempels bereits vorausgesetzt ist.29 Sie verstehen das priesterliche Werk als Ätiologie des nachexilischen Israel und seiner kultischen Institutionen. Neben der zeitlichen ist schließlich auch, und damit zusammenhängend, die geographische Verortung der priesterlichen Passagen umstritten. Bei den Ansätzen, die das priesterliche Werk in die vorexilische oder in die nachexilische Zeit datieren, wird davon ausgegangen, dass dieses Werk im Land verfasst wurde. Bei den Ansätzen, die der klassischen Datierung in die Exilszeit folgen, wird eine Entstehung im Exil, also in Babylonien, angenommen. Wie schon der literarische Charakter und das Ende der priesterlichen Passagen ist also auch die historische Verortung dieser Passagen Gegenstand umfassender Diskussion. Beachtenswert ist dabei, dass die bislang vorgelegten Datierungen noch recht grobe Einordnungen in die staatliche, (spät-)exilische oder nachexilische Epoche darstellen. Konkretere Datierungsvorschläge werden nur recht selten vorgebracht. Vor allem werden die priesterlichen Passagen nur selten mit konkreten zeitgeschichtlichen Ereignissen oder konkreten gesellschaftlichen oder religiösen Diskursen in Verbindung gebracht.

————— 28

Zur gängigen Ansetzung der priesterlichen Passagen in die (spät-)exilische Zeit vgl. nur ELSinn, 196–198; ROST, Ort, 9; KILIAN, Priesterschrift, 226–243; BRUEGGEMANN, Kerygma, 397–398.409–410; LOHFINK, Priesterschrift, 201 Anm. 33; POLA, Priesterschrift, 349; CARR, Fractures, 133–140; FREVEL, Blick, 382–383; LUX, Geschichte, 171–180; SKA, Introduction, 161; WEIMAR, Art. Priesterschrift, 4. 29 Vgl. hierzu v.a. MOWINCKEL, Erwägungen, 43–46; BLUM, Studien, 357; L. SCHMIDT, Studien zur Priesterschrift, 259; KRATZ, Komposition, 248; GERTZ, Tora, 236–237. LIGER,

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Probleme der Forschung

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1.2.4 Die Intention der priesterlichen Passagen Ein letztes, hier zu benennendes Problemfeld der gegenwärtigen Forschung ist die Frage nach der Intention der priesterlichen Passagen. So wird insbesondere diskutiert, ob der am Sinai gestiftete Kult oder aber die Landverheißung als inhaltliches Zentrum des priesterlichen Werks anzusehen ist. In der älteren Forschung hat Julius Wellhausen die Priesterschrift als „Vierbundesbuch“ (liber quattuor foederum) bezeichnet.30 Seiner Ansicht nach ist das priesterliche Werk davon geprägt, dass hier vier aufeinander folgende Bundesschlüsse dargestellt werden – ein Bund mit Adam, ein Bund mit Noah, ein Bund mit Abraham und schließlich der Sinaibund. Dabei versteht Wellhausen die ersten drei Bundesschlüsse nur als Vorstufe des vierten, mit der Kultgesetzgebung verbundenen Sinaibundes.31 Schon Wellhausen ging also davon aus, dass der Höhe- und Zielpunkt der P-Texte gerade in der Sinaiüberlieferung und der dort belegten Gründung des Heiligtums wie auch der dort dargestellten Einrichtung des an diesem Heiligtum vollzogenen Kults zu finden ist. Wellhausens These vom „Vierbundesbuch“ ließ sich so allerdings nicht halten. Denn wie schon früh gesehen wurde, ist weder im priesterlichen Schöpfungsbericht noch in der priesterlichen Sinaiüberlieferung ein Bundesschluss belegt.32 Das priesterliche Werk umfasst nur zwei Bundesschlüsse, den in Gen 9,1–17 dargestellten Noahbund und den in Gen 17 geschilderten Abrahambund. Die von Wellhausen vertretene Sicht, dass das Zentrum der Priesterschrift gerade in der Sinaiüberlieferung zu finden ist, wurde aber auch weiterhin vertreten. So meinte etwa Martin Noth, dass am Sinai mit der Konstituierung der israelitischen Kultgemeinde und der Einrichtung des als Ort der Anwesenheit Gottes vorgestellten Heiligtums das Wesentliche der priesterlichen Theologie zur Darstellung kommt.33 Der gesamte in den vorangehenden priesterlichen Passagen gebotene Erzählstoff – Schöpfung und Flut, Väterzeit sowie der Beginn der Exoduserzählungen – ist daher auch für Noth nur Vorgeschichte der Sinaiüberlieferung. Ja, seiner Ansicht nach wurden all diese Erzählungen überhaupt nur deshalb in das priesterliche Werk aufgenommen, weil sich in der vorpriesterlichen Tradition bereits ein fester Zusammenhang der pentateuchischen Überlieferung herausgebildet hatte, an den sich die für P verantwortlichen Kreise gebunden fühlten. ————— 30

Vgl. WELLHAUSEN, Composition, 1, sowie ders., Prolegomena, 293–360. Vgl. WELLHAUSEN, Prolegomena, 338. 32 Vgl. schon STADE, Theologie I, 345, und sodann v.a. die kritische Auseinandersetzung mit Wellhausen bei ZIMMERLI, Sinaibund, 268–280. 33 Vgl. NOTH, Überlieferungsgeschichte, 259–267. 31

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Einleitung

Auch in der neueren Forschung wird die Sinaiüberlieferung häufig als inhaltliches Zentrum der priesterlichen Passagen des Pentateuch angesehen. Allerdings wird die priesterliche Sinaiüberlieferung nun mehr als in der älteren Forschung mit dem vorangehenden Werk in Verbindung gebracht.34 So wird insbesondere auf einige – teils recht markante – Rückbezüge zum priesterlichen Schöpfungsbericht in Gen 1,1–2,4a verwiesen. Beachtenswert ist etwa Ex 24,16, wo das für den priesterlichen Schöpfungsbericht charakteristische Sieben-Tage-Schema aufgenommen wird, oder auch Ex 39,43, wo der Bau des Heiligtums, wie in Gen 2,3 die Erschaffung der Welt, mit einem Segen abgeschlossen wird. Angesichts dieser und weiterer Verbindungen wird davon ausgegangen, dass die in der priesterlichen Sinaiüberlieferung dargestellte Gründung des Heiligtums sowie die damit verbundene Einrichtung des Kults als Ziel und Vollendung der Schöpfung zu verstehen ist. Neben der so beschriebenen, in neuerer Zeit mehrheitlich vertretenen Sicht auf die priesterlichen Passagen des Pentateuch wurde sodann – vor allem im Gefolge von Karl Elliger – schon häufiger vorgeschlagen, dass die Landverheißung als inhaltliches Zentrum von P anzusehen ist.35 So ist die Verheißung des Landes der zentrale Inhalt der priesterlichen Fassung des Abrahambundes in Gen 17 wie auch der weiteren, in 28,3–4; 35,11–12; 48,3–4 vorgebrachten Zusagen an die Väter. Zudem ist der Besitz des Landes allererst die Voraussetzung dafür, dass der am Sinai begründete Kult aufgerichtet und so auch das dort zugesagte Wohnen Gottes unter seinem Volk realisiert werden kann. Nach dieser alternativen Position ist das Land somit der eigentliche Gegenstand von P, auf dem alles weitere aufruht. Auch die inhaltliche Anlage der priesterlichen Passagen wird also recht unterschiedlich bestimmt. Dabei fällt auch hier wieder auf, dass die verschiedenen Entwürfe von einer doch recht globalen Sicht auf das priesterliche Werk geprägt sind. So werden bei den älteren Ansätzen, die die Sinaiüberlieferung und die dort dargestellte Einrichtung des Kults ins Zentrum stellen, die vor dem Sinai belegten Erzählungen zur bloßen Vorgeschichte. Bei der in neuerer Zeit üblichen Gegenüberstellung von Schöpfung und Sinai wird zumindest die zwischen diesen beiden Überlieferungskomplexen stehende Vätergeschichte zu einem schlichten Bindeglied ohne eigene inhaltliche Bedeutung. Und bei den Ansätzen, die das Land als das eigentliche Thema des priesterlichen Werks ansehen, werden dann gerade umge—————

34 Vgl. zum Folgenden, mit Unterschieden im Detail, etwa ZENGER, Bogen Gottes, 170–175; ders., Einleitung, 167–172; BLUM, Studien, 287–332; JANOWSKI, Tempel, 223–246; OTTO, Art. Pentateuch, 1098–1099; SKA, Introduction, 153–159; GERTZ, Tora, 237–238; WEIMAR, Art. Priesterschrift, 3.2. 35 Vgl. hierzu ELLIGER, Sinn, 174–198, sowie KILIAN, Hoffnung, 226–243; BRUEGGEMANN, Kerygma, 397–414; FREVEL, Blick, bes. 382–386.

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Probleme der Forschung

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kehrt die Urgeschichte und teils auch die Exodusüberlieferungen nur unzureichend berücksichtigt. Zudem wird die Bedeutung der Vätergeschichte auf die hier belegte Landverheißung reduziert.

1.3 Zur Anlage der Arbeit In der gegenwärtigen Forschung zeigen sich also gleich mehrere, die priesterlichen Passagen des Pentateuch betreffende Problemfelder. Ungeklärt ist, ob es sich bei den priesterlichen Passagen um eine Quelle oder eine Redaktion handelt, ob diese Passagen bis zum Sinai, bis zum Tod des Mose oder gar bis zur Landnahme reichen, ob sie in vorexilischer, exilischer oder nachexilischer Zeit entstanden sind und ob der Besitz des Landes oder der am Sinai aufgerichtete Kult als inhaltliches Zentrum der priesterlichen Schicht anzusehen ist. Bei all diesen Problemfeldern fällt auf, dass in der bisherigen Forschung eine doch eher globale Betrachtung der priesterlichen Texte vorherrscht. So wird etwa bei der Frage nach dem literarischen Charakter der priesterlichen Texte von recht allgemeinen Beobachtungen, die sich zudem nur an einem begrenzten Textbereich aufzeigen lassen, auf die Entstehung des gesamten Werks geschlossen. Es wird mit den in der Urgeschichte oder in den fortgeschrittenen Exodusüberlieferungen belegten Doppelüberlieferungen für die Quellen-Hypothese argumentiert; oder es wird aufgrund der in der Vätergeschichte und am Beginn des Exodusbuches erkennbaren Lückenhaftigkeit des priesterlichen Texts für das Redaktionsmodell votiert. Kleinräumige Analysen, bei denen die konkrete Einbindung der priesterlichen Passagen in ihren vorliegenden Kontext untersucht wird, werden dagegen nur selten vorgebracht. Und vergleichbares zeigt sich auch bei den anderen, die gegenwärtige Forschung bestimmenden Fragen. Auch hier beruhen die gängigen Thesen eher auf großflächig vorgenommenen Überlegungen. Um nun über die bisherige Forschung hinaus zu präziseren und tiefgehender abgesicherten Ergebnissen zu kommen, erscheint es angebracht, die Behandlung der priesterlichen Passagen zunächst auf einen Überlieferungskomplex zu beschränken und diesen einer detaillierten Einzelanalyse zu unterziehen. Dabei bieten sich aus mehreren Gründen die priesterlichen Passagen der Vätergeschichte an. So sind in den vergangenen Jahren gleich mehrere Arbeiten zur Entstehung der Urgeschichte und der Exoduserzählungen erschienen.1 Eine neuere Arbeit zur Entstehung der Vätergeschichte steht dagegen noch aus. —————

1 Zur Urgeschichte vgl. etwa WITTE, Urgeschichte; SCHÜLE, Prolog; ARNETH, Adams Fall; zu den Exodusüberlieferungen vgl. v.a. GERTZ, Tradition; BERNER, Exoduserzählung.

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Einleitung

Gerade die priesterlichen Passagen der Vätergeschichte weisen doch aber einige bedeutende literarische Eigenheiten auf, die stets gesehen, aber noch nicht en detail behandelt und erklärt worden sind. So ist der priesterliche Erzählfaden gerade hier teils ausgesprochen dünn. Gerade hier ist der priesterliche Text von der besagten Lückenhaftigkeit geprägt. Zudem ist gerade hier die konkrete Abgrenzung der priesterlichen Passagen noch nicht in allen Einzelheiten geklärt. Eine eingehende Behandlung der priesterlichen Vätergeschichte bietet sich schließlich auch deshalb an, weil dieser Textbereich auch auf inhaltlicher Ebene gerne vernachlässigt wird. So wird die priesterliche Vätergeschichte, wie zuvor gezeigt, entweder als schlichtes Bindeglied zwischen Urgeschichte und Exodusüberlieferungen betrachtet oder aber auf die Landverheißung reduziert. Im Folgenden wird also die Entstehung und die Intention der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte behandelt. Es wird der literarische Charakter, der historische Ort wie auch die inhaltliche Anlage dieser Passagen bestimmt. Von der Vätergeschichte herkommend wird sodann in einem kurzen Ausblick – mit aller gebotenen Zurückhaltung – auch die Entstehung der priesterlichen Passagen in der Urgeschichte und in den Exoduserzählungen und so der literarische Charakter wie auch der Umfang des gesamten priesterlichen Werks thematisiert.2

————— 2

S.u. 147–160.

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2. Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

2.1 Die priesterlichen Passagen in den Abrahamerzählungen 2.1.1 Der Beginn der Abrahamerzählungen in Genesis 11,27–32 In Gen 11,27–32 werden die ersten Begebenheiten aus dem Leben des Abraham dargestellt. So wird zunächst in Gen 11,27 die Geburt der drei Terach-Söhne Abraham, Nahor und Haran sowie die Geburt von Harans Sohn Lot erwähnt. In Gen 11,28–30 wird sodann ausgeführt, dass Haran noch in Ur-Kasdim stirbt, dass sich die beiden verbliebenen Söhne des Terach Frauen nehmen und dass Sarah, die Frau des Abraham, unfruchtbar ist. Schließlich wird in Gen 11,31–32 geschildert, dass Terach mit Abraham, Lot und Sarah aus Ur-Kasdim in Richtung Kanaan aufbricht, dass sie aber nur bis Harran kommen, wo Terach im Alter von 190 Jahren stirbt. Die in Gen 11,27–32 belegte Erzählung wird häufig auf zwei literarische Schichten aufgeteilt. Dabei werden die Verse 11,27.31–32, in denen die Geburt der drei Terach-Söhne und der Auszug aus Ur-Kasdim dargestellt wird, den priesterlichen Passagen der Genesis zugewiesen. Die Verse 11,28–30, in denen der Tod Harans und die Ehen von Abraham und Nahor erwähnt sind, werden dagegen der nichtpriesterlichen Schicht zugeschrieben.1 Zur Begründung der literarkritischen Aufteilung von Gen 11,27–32 auf zwei Schichten werden sowohl inhaltliche als auch terminologische Beobachtungen vorgebracht. Es wird etwa darauf verwiesen, dass Haran in Gen 11,27 als Vater von Lot, in Gen 11,29 aber als Vater von Milka, der Frau des Nahor, sowie als Vater der daraufhin nicht mehr erwähnten Jiska —————

1 Vgl. hierzu unter den älteren Ansätzen, die Gen 11,28–30 auf der Basis der klassischen Quellentheorie dem Jahwisten zuweisen und diese Verse somit als Teil der vorpriesterlichen Überleitung zwischen Ur- und Vätergeschichte verstehen, BUDDE, Urgeschichte, 414–432; HOLZINGER, KHC 1, 117; GUNKEL, HK 1,1, 162–163; NOTH, Überlieferungsgeschichte, 12; VON RAD, ATD 2– 4, 121; KILIAN, Abrahamsüberlieferungen, 279–280; SPEISER, AncB 1, 79; EMERTON, Source Analysis, 37–45, u.a. Unter den neueren Ansätzen erkennen etwa CARR, Fractures, 110–111, oder ZIEMER, Abram, 338–339, in Gen 11,28–30 einen vorpriesterlichen Grundbestand von Gen 11,27– 32. Nach FISCHER, Erzeltern, 340; KRATZ, Komposition, 240.266; RUPPERT, fzb 98, 81–82, handelt es sich bei Gen 11,28–30 um eine nachpriesterliche Ergänzung.

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

vorgestellt wird.2 Auf terminologischer Ebene wird darauf verwiesen, dass die Verse 11,27.31–32 mit den priesterlichen Passagen, die Verse 11,28–30 dagegen mit den nichtpriesterlichen Passagen der Genesis verbunden sind. So fällt bei Gen 11,27.31–32 zunächst die Toledot-Formel in 11,27 auf, die ja von ganz entscheidender Bedeutung für die Struktur der priesterlichen Passagen der Genesis ist.3 Zudem wird der Tod des Terach in 11,32 über die Angabe seines Lebensalters datiert, was sich ebenfalls als bestimmendes Merkmal der priesterlichen Schicht erweisen wird. Bei Gen 11,28–30 zeigt sich dagegen in 11,28 mit der dort zur Bezeichnung von Ur-Kasdim als Heimat des Terach gebrauchten Wendung wtdlwm #ra ein markanter Bezug zu den nichtpriesterlichen Passagen der Vätergeschichte, und dabei insbesondere zur unmittelbar folgenden Einheit Gen 12,1–3 ($cram $l-$l $tdlwmmw, 12,1).4 Die häufig vorgenommene Aufteilung von Gen 11,27–32 auf zwei literarische Schichten ist allerdings mit Problemen behaftet. So ist zunächst festzuhalten, dass sich diese Einheit durchaus als zusammenhängender und in sich schlüssiger Text verstehen lässt. Dass Haran in Gen 11,27 als Vater von Lot, in 11,29 aber als Vater von Milka und Jiska vorgestellt wird, kann kaum als markante inhaltliche Spannung aufgefasst werden.5 Es ist doch ohne weiteres nachvollziehbar, dass zunächst in Gen 11,27 – zusammen mit den männlichen Nachkommen des Terach – nur Harans Sohn Lot genannt wird und dass dann in Gen 11,29 – im Kontext der Ehen von Abraham und Nahor – nur noch die Töchter des Haran erwähnt werden. Aber mehr noch: Gen 11,27–32 ist überhaupt nur verständlich, wenn dieser Textbereich als Ganzes gelesen wird. Denn zum einen setzen die häufig der nichtpriesterlichen Schicht zugewiesenen Verse 11,28–30 die priesterlichen Verse 11,27.31–32 voraus. Ohne die in Gen 11,27 erwähnte Geburt von Abraham, Nahor und Haran fehlt der Erwähnung der drei Terach————— 2

So vor allem THOMPSON, Historicity, 309; EMERTON, Source Analysis, 45; siehe hierzu auch GÖRG, Abra(ha)m, 154. 3 Neben Gen 11,27 ist die Toledot-Formel in der Genesis auch in den priesterlichen Versen Gen 2,4a; 5,1; 6,9; 10,1; 11,10; 25,12.19; 36,1; 37,2 belegt. Zur Bedeutung dieser Formel, über die die priesterliche Fassung der Ur- und Vätergeschichte in einzelne Epochen gegliedert werden, vgl. nur SCHARBERT, Sinn, 45–56; WESTERMANN, BK 1,2, 156–157; WEIMAR, Toledot-Formel, 65–93; BLUM, Komposition, 432–438; CARR, Bi,bloj gene,sewj, 160–172; KOCH, Toledot-Formeln, 183– 191. Siehe hierzu auch unten 167–168. 4 Neben Gen 11,28 findet sich die Verbindung von #ra und tdlwm in der gesamten Genesis nur in den nichtpriesterlichen Versen 12,1; 24,4.7; 31,3.13; 32,10. In den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte ist der Begriff tdlwm allein zwar in Gen 48,6 belegt, dort aber im Sinne von „Nachkommen“ und nicht, wie in Gen 11,28 und den genannten nichtpriesterlichen Passagen, im Sinne von „Heimat“; vgl. hierzu insbesondere EMERTON, Source Analysis, 39. 5 So auch BLUM, Komposition, 440–441: „Daß Haran als Vater Lots (V.27.31) und Haran als Vater von Milka und Jiska (V.29) in Spannung stünden [...], überzieht m.E. die Bemerkung in V.29.“

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Die priesterlichen Passagen in den Abrahamerzählungen

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Söhne in Gen 11,28–30 eine Einführung. Ja, ohne 11,27 wird noch nicht einmal erkennbar, dass es sich bei diesen, in 11,28–30 nebeneinander genannten Personen um Brüder handelt.6 Zum anderen setzen die gemeinhin der priesterlichen Schicht zugewiesenen Verse 11,27.31–32 auch ihrerseits den Textbereich 11,28–30 voraus. Ohne die Verse 11,28–30, in denen der Tod des Haran mitgeteilt wird, wäre nämlich nicht erklärlich, warum nach 11,31 nur dessen Sohn Lot, nicht aber auch Haran selbst mit Terach, Abraham und Sarah auswandert.7 Und ohne die in 11,29 belegte Aussage, dass sich Abraham Sarah zur Frau genommen hat, wäre auch die Erwähnung Sarahs in Gen 11,31 nicht vorbereitet. Bei Gen 11,27–32 handelt es sich somit um einen literarisch einheitlichen Textbereich. Dabei ist dieser Textbereich aufgrund der genannten sprachlichen Beobachtungen, also aufgrund der Toledot-Formel in 11,27 und der Angabe des Lebensalters des Terach in 11,32, der priesterlichen Schicht zuzuweisen.8 Es bleibt dann aber ein Problem: In Gen 11,28 wird, wie zuvor erwähnt, zur Bezeichnung von Ur-Kasdim als Heimat des Terach die Wendung tdlwm #ra gebraucht, die ansonsten nur in den nichtpriesterlichen Passagen der Genesis belegt ist.9 Wie soeben gezeigt, ist Gen 11,28 aber aufgrund des hier dargestellten Todes des Haran für den Zusammenhang von 11,27–32 unentbehrlich und somit genuiner Bestandteil dieser, insgesamt der priesterlichen Schicht zuzuweisenden Einheit. Dass in dem der priesterlichen Schicht zuzuweisenden Vers Gen 11,28 die ansonsten nur in nichtpriesterlichen Passagen belegte Wendung #ra tdlwm belegt ist, lässt sich nun doch aber ohne weiteres so erklären, dass diese Wendung aus den nichtpriesterlichen Passagen, und hier wohl aus der —————

6 Nicht umsonst wird unter den Ansätzen, bei denen Gen 11,27–32 auf zwei literarische Schichten aufgeteilt wird, bisweilen zugegeben, dass die ursprüngliche Einleitung der nichtpriesterlichen Verse Gen 11,28–30 im vorliegenden Zusammenhang fehlt; vgl. nur HOLZINGER, KHC 1, 118; GUNKEL, HK 1,1, 162; NOTH, Überlieferungsgeschichte, 12; KILIAN, Abrahamsüberlieferungen, 280; EMERTON, Source Analysis, 38. 7 So auch schon VAN SETERS, Abraham, 225; ZAKOVITCH, Exodus, 430. Die bereits von BUDDE, Urgeschichte, 420, und in neuerer Zeit wieder von EMERTON, Source Analysis, 39, oder CARR, Fractures, 110 Anm. 66, vorgebrachte Überlegung, dass bei P eben nicht alles, was in diesem Werk vorausgesetzt ist, auch eigens dargestellt wird, ist doch – gerade angesichts der Tatsache, dass sich keine überzeugenden Gründe gegen die Einheitlichkeit von Gen 11,27–32 finden lassen – eher eine Verlegenheitsauskunft. 8 Unter den älteren Ansätzen wurde Gen 11,27–32 etwa von HUPFELD, Quellen, 17; NÖLDEKE, Untersuchungen, 17, als einheitlicher und somit insgesamt der priesterlichen Schicht zuzuweisender Text verstanden. Diese Position wird – trotz der zwischenzeitlich üblich gewordenen literarkritischen Aufteilung dieses Textbereichs – in neuerer Zeit wieder vermehrt vertreten; vgl. nur CASSUTO, Commentary II, 270; VAN SETERS, Abraham, 225; CRÜSEMANN, Eigenständigkeit, 16; BLUM, Komposition, 440–441; SPECHT, Gott, 397–400; KÖCKERT, Vätergott, 262 Anm. 485; ZAKOVITCH, Exodus, 430. 9 S.o. 26 Anm. 4.

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

unmittelbar auf Gen 11,27–32 folgenden Einheit 12,1–3 übernommen wurde. Das heißt dann aber, dass der priesterliche Textbereich Gen 11,27–32 von vornherein für den Kontext der folgenden nichtpriesterlichen Vätergeschichte verfasst wurde. Es zeigt sich an dieser Stelle somit ein erster Hinweis darauf, dass die priesterlichen Passagen der Vätergeschichte nicht als Teil einer ursprünglich für sich überlieferten Quelle verstanden werden können, sondern dass es sich bei diesen Passagen um eine Redaktionsschicht handelt, mit der eine vorgegebene nichtpriesterliche Vätergeschichte ergänzt wurde. Für diese Annahme lässt sich bei Gen 11,27–32 auch noch auf eine weitere Beobachtung verweisen. So führt die zuvor vorgestellte Einsicht, dass dieser Textbereich – inklusive der häufig als nichtpriesterlich angesehenen Verse 11,28–30 – als literarisch einheitlicher und dann insgesamt der priesterlichen Schicht zuzuweisender Text aufzufassen ist, zu einer bedeutenden Erkenntnis: Der hier in Gen 11,28.31 belegte Ort Ur-Kasdim wird erstmals auf der Ebene der priesterlichen Texte als Heimat von Terach und Abraham genannt.10 Denn neben Gen 11,28.31 wird Ur-Kasdim in der gesamten Vätergeschichte nur noch in Gen 15,7 erwähnt, wobei dieser Vers – wenn nicht das gesamte Kapitel – in neuerer Zeit häufig und wohl zurecht als nachpriesterliche Ergänzung aufgefasst wird.11 In den priesterlichen Versen Gen 11,28.31 wurde die Herkunft der Väter somit über die vorpriesterliche Tradition hinaus in das südmesopotamische Ur verlegt.12 Bemerkenswert ist dann aber der in Gen 11,31–32 beschriebene Weg, den Terach und die Seinen von dort her nehmen. Obgleich in Gen 11,31 das Land Kanaan als Ziel der Wanderung angegeben wird, gehen sie zunächst einen Umweg über das in Nordmesopotamien gelegene Harran und lassen ————— 10

So auch, trotz Unterschieden hinsichtlich der jeweils zugrundeliegenden Einschätzung der literarischen Verhältnisse in Gen 11,27–32, KILIAN, Abrahamsüberlieferungen, 280; WESTERMANN, BK 1,2, 153; BLUM, Komposition, 343–344 Anm. 11; LEVIN, Jahwist, 141; FISCHER, Erzeltern, 366–367; KRATZ, Komposition, 266, u.a. 11 So halten etwa KAISER, Untersuchung, 119; ZIMMERLI, ZBK.AT 1,2, 52–53; SEEBASS, Genesis II,1, 79–81, Gen 15,7(–8) für eine nachpriesterliche Ergänzung. Nach HA, Genesis 15, 215– 217; RÖMER, Genesis 15, 32–47; LEVIN, Jahwist, 151; SCHMID, Erzväter, 172–186; BLUM, Verbindung, 142–145; KÖCKERT, Geschichte, 127, u.a. geht das gesamte Kapitel Gen 15 auf eine nachpriesterliche Bearbeitung zurück. Letzteres dürfte wohl die wahrscheinlichere Alternative sein. 12 Dass mit der in Gen 11,28.31 belegten Ortsbezeichnung Ur-Kasdim tatsächlich das in SüdMesopotamien gelegene Ur (Tell el-Muqayyar) gemeint ist, wird nahezu allgemein anerkannt; vgl. nur VON RAD, ATD 2–4, 120; WESTERMANN, BK 1,2, 160; SCHARBERT, NEB.AT 5, 118–119; WENHAM, WBC 1, 272; MARGUERON, Art. Ur, 766; MILLER, Ur, 318–319. Bei den immer wieder, etwa von JACOB, Genesis, 326–327; GORDON, Abraham, 77–84, oder BERLYN, Journey, 78–80, vorgetragenen Versuchen, die Bezeichnung Ur-Kasdim mit einem anderen, dann nördlicher gelegenen Ort in Verbindung zu bringen, handelt es sich um unberechtigte Harmonisierungen mit dem im weiteren Verlauf genannten, in Nordmesopotamien gelegenen Ort Harran.

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Die priesterlichen Passagen in den Abrahamerzählungen

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sich dort in Harran nieder,13 von wo aus dann nach dem weiteren Verlauf der Erzählung nur Abraham, Sarah und Lot nach Kanaan weiterziehen. Bemerkenswert ist aber nicht nur die Tatsache, dass Terach und seine Nachkommen nach Gen 11,31–32 einen Umweg über Harran gehen und dort einen Zwischenstopp einlegen. Bemerkenswert ist auch, dass hier, in einem unumstritten der priesterlichen Schicht zuzuweisenden Kontext, überhaupt die geographische Bezeichnung Harran belegt ist. Denn außer Gen 11,31–32 und den unmittelbar hiermit zusammenhängenden, ebenfalls der priesterlichen Schicht zuzuweisenden Versen 12,4b.5 werden die östlichen Gebiete, in denen die Verwandten von Abraham und seinen Nachkommen wohnen, in den priesterlichen Passagen der Genesis nicht mit dem Ortsnamen Harran, sondern mit dem spezifisch priesterlichen Terminus Paddan-Aram (~ra !dp) bezeichnet.14 Der Ortsname Harran ist nach Gen 11,31–32; 12,4b.5 nur noch in den nichtpriesterlichen Versen Gen 27,43; 28,10; 29,4 belegt. Der doch recht erstaunliche Befund, dass in dem priesterlichen Textbereich Gen 11,27–32 geschildert wird, wie Terach und die Seinen auf ihrem Weg von Ur-Kasdim nach Kanaan einen Umweg über Harran einlegen, und dass dabei entgegen der sonstigen priesterlichen Texte der Ortsname Harran verwandt wird, lässt sich nun aber wiederum recht einfach unter der Voraussetzung erklären, dass es sich bei den priesterlichen Texten um eine Redaktionsschicht handelt, mit der eine vorgegebene nichtpriesterliche Vätergeschichte aufgenommen und ergänzt wurde. Denn unter dieser Voraussetzung kann die in 11,27–32 belegte Darstellung so erklärt werden, dass an dieser Stelle zunächst die Herkunft der Väter – aus noch näher zu erklärenden Gründen –15 nach Ur-Kasdim verlegt worden ist und dass dann in 11,31–32 ein Umweg über Harran und ein dort eingelegter Zwischenstopp dargestellt wird, um so die im Folgenden aufgenommene Darstellung der nichtpriesterlichen Vätergeschichte vorzubereiten, nach der die Heimat der östlichen Verwandten der Väter eben in Harran liegt.16 Im Rahmen einer als ————— 13

Zu Harran vgl. insbesondere VILLARD, Séjours, 41–50. Dass es sich bei dem von Terach eingeschlagenen Weg über Harran um einen Umweg handelt, wurde schon immer gesehen; vgl. nur VON RAD, ATD 2–4, 120; WESTERMANN, BK 1,2, 156; SARNA, Genesis, 88; SCHARBERT, NEB.AT 5, 120; MILLER, Ur, 313. Denn der naheliegende Weg vom südlichen Mesopotamien nach Kanaan würde über Mari und Aleppo führen; vgl. hierzu etwa SARNA, ebd.; SCHARBERT, ebd.; BERLYN, Journey, 78. In der bisherigen Forschung wurde allerdings noch nicht wirklich gefragt, warum Terach und seine Angehörigen nach den priesterlichen Versen Gen 11,31–32 einen solchen Umweg nehmen. 14 Die Bezeichnung ~ra !dp ist in Gen 25,20; 28,2.5.6.7; 31,18; 33,18; 35,9.26; 46,15 (vgl. auch Gen 48,7 [!dp]) und somit ausnahmslos in priesterlichen Textbereichen belegt. 15 S.u. 176–177. 16 Es bleibt bei Gen 11,27–32 dann lediglich das Problem, dass Gen 11,31 den Anschein erweckt, dass nur Abraham, Lot und Sarah mit Terach von Ur nach Harran ziehen. Es wird hier nicht explizit erwähnt, dass auch Nahor und Milka – auf die ja nach der folgenden Vätergeschichte die

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

Quelle verstandenen Priesterschrift lässt sich dagegen der Gen 11,31–32 dargestellte Umweg über Harran wie auch die hier erkennbare terminologische Differenz zu der sonst in den priesterlichen Passagen gebräuchlichen Bezeichnung Paddan-Aram nicht wirklich erklären. Die Betrachtung von Gen 11,27–32 ergibt also, dass es sich bei diesem Textbereich um einen literarisch einheitlichen Text handelt, der insgesamt der priesterlichen Schicht zuzuweisen ist. Dabei sind die an dieser Stelle erkennbaren Bezugnahmen auf die folgende nichtpriesterliche Vätergeschichte bereits ein erster Hinweis darauf, dass es sich bei den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte um eine Redaktionsschicht und nicht um eine ursprünglich selbständig überlieferte Quelle handelt. 2.1.2 Die Ankunft in Kanaan und die Trennung von Lot in Genesis 12–13 Am Beginn des Textbereichs Gen 12–13 steht die in Gen 12,1–3 belegte Aufforderung Jhwhs, dass Abraham in das Land, das Jhwh ihm zeigen wird, gehen soll. Nach Gen 12,4–9 macht sich Abraham mit Sarah, Lot und weiteren Angehörigen seines Hauses auf, geht nach Kanaan und durchwandert das Land von Nord nach Süd, von Sichem bis in den Negeb. Aufgrund einer Hungersnot verlässt er nach Gen 12,10–20 das Land und geht nach ————— im Osten lebenden Verwandten zurückgehen – mit nach Harran gezogen sind. Dabei ist aber zunächst zu betonen, dass dieses Problem völlig unabhängig davon besteht, ob man Gen 11,27–32 nun auf eine oder zwei Schichten verteilt und ob man diesen Text als Teil einer priesterlichen Redaktion oder aber als Teil einer priesterlichen Quelle versteht. Denn auch innerhalb einer nur die Verse 11,27.31–32 umfassenden priesterlichen Quelle bliebe das Problem, dass Nahor und Milka nicht explizit bei den nach Gen 11,31 von Ur-Kasdim nach Harran wandernden Personen erwähnt werden, obgleich deren Nachfahren doch nach den folgenden priesterlichen Passagen als im Osten, in Paddan-Aram, lebend vorausgesetzt werden. Die zuvor vorgestellten Überlegungen zur Einheitlichkeit und zum literarischen Charakter von Gen 11,27–32 sind von hier aus also nicht in Frage zu stellen. Eine mögliche Lösung des genannten Problems besteht nun aber darin, dass die in Gen 11,31 belegte Wendung ~ta wacyw („und sie zogen mit ihnen hinaus“) nicht, wie häufig vorgenommen, zu ~ta acyw („und er zog mit ihnen hinaus“) oder ~ta acwyw („und er führte sie hinaus“) geändert wird; vgl. hierzu etwa GUNKEL, HK 1,1, 158; VON RAD, ATD 2–4, 119; SPEISER, AncB 1, 79; SEEBASS, Genesis II,1, 3. Die hier belegte Formulierung könnte, wie bereits von CASSUTO, Commentary II, 281, oder DEURLOO, Way, 97, vorgeschlagen, vielmehr so verstanden werden, dass die pluralische Verbform wacyw auf die zuvor in Gen 11,31 nicht Genannten, also auf Nahor und Milka und evtl. weitere Familienmitglieder, und das pluralische Suffix bei ~ta dann auf Terach, Abraham, Lot und Sarah zu beziehen ist. So würde hier ausgesagt, dass sie, also die übrigen, hier nicht eigens beim Namen genannten Familienmitglieder, mit ihnen, also mit den zuvor in Gen 11,31 bereits genannten Terach, Abraham, Lot und Sarah, aus Ur-Kasdim auszogen. Auf diese Weise ließe sich jedenfalls ein textkritischer Eingriff vermeiden und zugleich der bemerkenswerte Sachverhalt erklären, dass Gen 11,31 zunächst den Anschein erweckt, dass Nahor und Milka bei der Wanderung von Ur nach Harran nicht dabei sind. Ansonsten ließe sich nur mit ZIMMERLI, ZBK.AT 1,2, 16, sagen: „So bleibt die Nicht-Nennung Nahors ein Rätsel.“

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Die priesterlichen Passagen in den Abrahamerzählungen

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Ägypten, wo Sarah in den Harem des Pharao gerät und erst auf göttliche Intervention hin freigelassen wird. Nach Gen 13,1–4 ziehen Abraham, Sarah und Lot, nun von Süd nach Nord, wieder in das Land ein. In Gen 13,5–13 wird sodann die Trennung von Abraham und Lot, der in die Jordanebene abwandert, geschildert. Es folgt in Gen 13,14–17 eine an Abraham gerichtete Landverheißung, und schließlich wird in Gen 13,18 vermerkt, dass sich Abraham im Hain Mamre bei Hebron niederlässt, womit zu den folgenden, in Mamre lokalisierten Abrahamerzählungen übergeleitet wird. Bei Gen 12–13 handelt es sich also um eine in sich geschlossene, am Thema Land orientierte Komposition. Sie beginnt mit der Aufforderung, in das Land zu ziehen, sie endet mit einer hierauf bezogenen Landverheißung und in der Mitte werden Wandernotizen sowie zwei kurze Episoden über die ersten Begebenheiten nach dem Einzug in das Land vorgebracht.17 In neuerer Zeit wurde nun mehrfach und wohl zurecht die Annahme vertreten, dass die so beschriebene Komposition in ihrem Kern auf eine Redaktion zurückgeht, die unter Aufnahme vorgegebenen Guts eine erste, zumindest die Abraham-, Isaak- und Jakob-Erzählungen umfassende Ausgabe der Vätergeschichte schuf.18 Es zeigen sich nämlich markante Querbezüge zwischen Gen 12–13 und den folgenden Isaak- und Jakob-Erzählungen. Beachtenswert sind zum einen die Gemeinsamkeiten zwischen den in Gen 12,1–3 und 13,14–17 belegten Verheißungen und den am Beginn der Isaakerzählungen in Gen 26,3aba sowie am Beginn der Jakoberzählungen in Gen 28,13b.14 belegten Verheißungen.19 Beachtenswert ist zum anderen, dass die in den Wandernotizen in Gen 12,6–9; 13,1–4 genannten Orte Sichem und Bethel nicht schon in den Abrahamerzählungen, sondern erst wieder in den Jakoberzählungen von Bedeutung sind.20 All dies spricht dafür, dass bei Gen 12–13* – unter Aufnahme der bereits vorgegebenen Ahnfrau-Erzählung in 12,10–20 und der vorgegebenen Abraham-Lot-Erzählung in 13,2– 13* – über die Verheißungen in 12,1–3; 13,14–17 und die Wandernotizen in 12,6–9; 13,1–4 ein erster großer Kompositionsbogen einer übergreifen————— 17

Vgl. auch WÖHRLE, Abraham, 29–31. Vgl. hierzu, mit Unterschieden in der konkreten Durchführung, KÖCKERT, Vätergott, 250– 255.264; BLUM, Komposition, 289–301, mit der von ihm vorgenommenen Korrektur seiner ursprünglichen Darstellung in ders., Studien, 214 Anm. 35, sowie ALBERTZ, Exilszeit, 193–197. 19 So wird in Gen 12,3 wie in Gen 28,14 verheißen, dass in Abraham bzw. Jakob alle Sippen des Erdbodens gesegnet sein sollen. In Gen 12,2 wie in Gen 26,3aba steht eine an den jeweiligen Ahnherrn gerichtete Segenszusage. In Gen 13,14 wie in Gen 28,14 werden die vier Himmelsrichtungen genannt. Sodann findet sich in Gen 13,15 wie in Gen 26,3aba; 28,13 eine an den jeweiligen Erzvater und seine Nachkommen ($[rzlw $l) gerichtete Landverheißung. Und schließlich ist in Gen 13,16 wie in Gen 28,14 eine Nachkommensverheißung belegt, bei der jeweils das Bild des Staubs der Erde (#rah rp[) zur Darstellung der großen Zahl der Nachkommen gebraucht wird. Dabei finden sich einige Einzelzüge wie der Verweis auf die Himmelsrichtungen oder den Staub der Erde unter den in der Genesis belegten Verheißungen überhaupt nur an den genannten Stellen. 20 Vgl. Sichem: Gen 12,6 // 33,18; 35,4; Bethel: Gen 12,8; 13,3 // 28,19; 31,13; 35,1.3.6.8. 18

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

den, zumindest bis zu den Jakoberzählungen reichenden Vätergeschichte geschaffen wurde.21 Von dieser auf die Redaktoren einer ersten übergreifenden Vätergeschichte zurückgehenden Komposition in Gen 12–13* sind aber – neben den im weiteren Sinne dtr. Versen Gen 12,6b.7a –22 die Verse 12,4b.5; 13,6. 11b.12aba abzuheben und, wie schon häufig gesehen wurde, der priesterlichen Schicht zuzuweisen.23 Zunächst zu Gen 12,4b.5: In diesen Versen wird in 12,4b eine Datierung des Auszugs vorgebracht und es wird sodann in 12,5 dargestellt, wie Abraham zusammen mit Sarah, Lot und weiteren Angehörigen seines Hauses nach Kanaan geht. Dabei fällt auf, dass in Gen 12,5 das Land Kanaan als Ziel der Wanderung angegeben wird (tkll wacyw ![nk hcra), während bei dem vorangehenden Auszugsbefehl in 12,1–3 ohne genauere Ortsangabe gesagt wird, dass Abraham in das Land, das Jhwh ihm zeigen wird, gehen soll ($ara rva #rah-la, 12,1).24 Zudem fällt auf, dass in Gen 12,5b pluralische, auf die gesamte mit Abraham wandernde Gruppe zu beziehende Verbformen belegt sind. In den folgenden Versen 12,6–9 sind dagegen ausnahmslos singularische, nur auf Abraham selbst zu beziehende Verbformen belegt. All dies spricht dafür, dass die Verse Gen 12,4b.5 einer von 12,1–4a.6–20* zu unterscheidenden Schicht zuzuweisen sind.25 Angesichts der in 12,4b belegten Datierung und angesichts der Tatsache, dass der Auszug des Abraham in 12,5 mit den hier belegten Verben xql, acy und awb exakt gleich formuliert ist wie der Auszug —————

21 Zur Frage, ob auch die Josefgeschichte Teil dieser ersten Ausgabe einer übergreifenden Vätergeschichte war, s.u. 103–106. 22 Dass die Teilverse Gen 12,6b.7a im vorliegenden Kontext sekundär sind, zeigt sich allein schon daran, dass sich das in Gen 12,7b belegte ~v auf die in 12,6a belegte Ortsangabe zurückbezieht, so dass die in 12,7b belegte Altarbaunotiz wohl ursprünglich, wie in Gen 12,8, direkt auf die Wandernotiz in 12,6a gefolgt sein dürfte. Zur Zuweisung von zumindest Gen 12,7a zu einer dtr. Bearbeitung des Pentateuch vgl. BLUM, Komposition, 383. 23 Vgl. nur NÖLDEKE, Untersuchungen, 18; HOLZINGER, KHC 1, 124; GUNKEL, HK 1,1, 262– 263; EICHRODT, Priesterschrift, 13–15; NOTH, Überlieferungsgeschichte, 13; VON RAD, ATD 2–4, 123.130; VAN SETERS, Abraham, 225; ZIMMERLI, ZBK.AT 1,2, 16.29–30; WESTERMANN, BK 1,2, 167.201; SPEISER, AncB 1, 86.96; LEVIN, Jahwist, 140.144; FISCHER, Erzeltern, 368; CARR, Fractures, 105–106; PROPP, Priestly Source, 462; KRATZ, Komposition, 240; RUPPERT, fzb 98, 118–119; ZIEMER, Abram, 372–373; DE PURY, PG, 123. 24 So auch schon GUNKEL, HK 1,1, 263; LÖHR, Untersuchungen I, 21–22; WESTERMANN, BK 1,2, 177; BLUM, Komposition, 333; RUPPERT, fzb 98, 119. 25 Demgegenüber meinen aber EERDMANS, Studien I, 9; VOLZ, P, 136, sowie RENDTORFF, Problem, 121–122, dass Gen 12,4b.5, oder zumindest Gen 12,5, nicht einer von Gen 12,1ff zu unterscheidenden Schicht zugeschrieben werden kann, da ohne Gen 12,5 nicht erwähnt würde, dass Abraham das Land, in das er nach Gen 12,1 gehen soll, auch wirklich erreicht hat. Doch kann die in Gen 12,4a belegte Aussage „Abraham ging, wie Jhwh ihm befohlen hatte“ ohne weiteres so verstanden werden, dass hiermit der Weg bis ins Land hinein dargestellt ist. So reicht der genannte Einwand angesichts der zuvor ausgeführten Argumente nicht aus, um die gängige Sicht zu widerlegen.

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Die priesterlichen Passagen in den Abrahamerzählungen

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des Terach in dem priesterlichen Vers 11,31,26 ist Gen 12,4b.5 den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte zuzurechnen. Vergleichbares zeigt sich auch bei Gen 13,6. In diesem Vers wird dargestellt, dass Abraham und Lot großen Besitz hatten und dass das Land sie deshalb nicht ertragen konnte. Der Besitz von Abraham und Lot wurde doch aber schon in den vorangehenden Versen, in Gen 13,2.5, erwähnt,27 wobei dort, wie dann auch in 13,7ff, vor allem die Herden der beiden im Blick sind (hnqm, 13,2.7; !ac, 13,5; rqb, 13,5), während in 13,6 ganz allgemein von Besitz (vwkr) die Rede ist. Auch Gen 13,6 ist daher von seinem Kontext abzuheben. Dabei spricht der in diesem Vers belegte Begriff vwkr, der insgesamt eher selten gebraucht wird, im vorangehenden Kontext aber gerade in dem priesterlichen Vers 12,5 belegt ist, dafür, dass auch Gen 13,6 der priesterlichen Schicht zuzuweisen ist.28 Dies gilt auch für Gen 13,11b.12aba. In diesen beiden Teilversen wird zunächst in Gen 13,11b die Trennung von Abraham und Lot erwähnt, und es wird dann in 13,12aba festgehalten, dass Abraham nun im Lande Kanaan, Lot aber in den Städten der Ebene wohnt. Dabei fällt zunächst auf, dass der Weggang Lots doch schon in Gen 13,11a dargestellt worden ist.29 Zudem fällt auf, dass in Gen 13,12ba die Wendung „Städte der Ebene“ (yr[ rkkh) als geographische Bezeichnung belegt ist, wohingegen das Gebiet, in dem sich Lot niederlässt, sonst in Gen 13,2–13 „die Ebene des Jordans“ —————

26 Die Verben xql, acy, awb sind im gesamten Alten Testament überhaupt nur in Gen 11,31; 12,5 in dieser Reihenfolge belegt. Die formale Nähe zwischen diesen beiden Versen wurde bereits von CASSUTO, Commentary II, 278; WESTERMANN, BK 1,2, 177; SARNA, Genesis, 90; VAUGHN, Lot, 120, erkannt. 27 Vgl. hierzu etwa WESTERMANN, BK 1,2, 201; KÖCKERT, Vätergott, 251 Anm. 442; RUPPERT, fzb 98, 155. 28 So auch HOLZINGER, KHC 1, 124; GUNKEL, HK 1,1, 263; WESTERMANN, BK 1,2, 201; LEVIN, Jahwist, 144; RUPPERT, fzb 98, 155. Gegen die Zuweisung von Gen 13,6 zu den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte haben sich aber – nach bereits früher vorgebrachten Einwänden von EERDMANS, Studien I, 11, oder VOLZ, P, 136 – vor allem RENDTORFF, Problem, 122, und BLUM, Komposition, 285, ausgesprochen. Ihrer Ansicht nach gibt es keinen Grund, diesen Vers aus dem vorliegenden Kontext herauszunehmen und einer anderen literarischen Schicht zuzuweisen. Zudem reicht ihnen das häufig zur Begründung herangezogene Argument, dass hier wie in anderen priesterlichen Passagen der Begriff vwkr verwandt wird, für eine solche Zuweisung nicht aus, da dieser Begriff auch in nichtpriesterlichen Passagen der Genesis belegt ist (Gen 14,11.12.16. 21; 15,14). Beachtenswert ist aber zunächst, dass Gen 13,6, wie zuvor dargestellt, angesichts der Tatsache, dass bereits in Gen 13,2.5 der Besitz von Abraham und Lot erwähnt wird, doch mit gutem Grund auf einer vom vorliegenden Kontext zu unterscheidenden literarischen Ebene einzuordnen ist. Und auch die Zuweisung zu den priesterlichen Passagen aufgrund des hier belegten Begriffs vwkr dürfte legitim sein, handelt es sich doch bei den genannten nichtpriesterlichen Belegen wohl insgesamt um nachpriesterliche Texte. 29 Vgl. nur HOLZINGER, Nachprüfung, 247; EICHRODT, Priesterschrift, 15; KÖCKERT, Vätergott, 251 Anm. 442; CARR, Fractures, 106.

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

(!dryh rkk, 13,10.11a) genannt wird.30 Auch Gen 13,11b.12aba ist somit einer von Gen 13,2–13* zu unterscheidenden Schicht zuzuweisen. Da das Land, in dem Abraham wohnt, in Gen 13,12a als „Land Kanaan“ (#ra ![nk) bezeichnet wird, was sich so in den Abraham- und Jakoberzählungen nur in priesterlichen Texten findet, ist auch Gen 13,11b.12aba den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte zuzurechnen.31 Die soeben ausgeführte Zuweisung von Gen 12,4b.5; 13,6.11b.12aba zur priesterlichen Schicht ist nun seit langer Zeit nahezu konsensfähig.32 Umstritten ist jedoch das literarische Verhältnis dieser Verse zu dem verbleibenden nichtpriesterlichen Textbereich in Gen 12–13*. So wird zumeist davon ausgegangen, dass es sich bei den priesterlichen und den nichtpriesterlichen Passagen um zwei ursprünglich unabhängig voneinander überlieferte Textbereiche handelt, die erst sekundär zusammengearbeitet worden sind.33 Es wurde aber auch schon häufiger die Annahme vertreten, dass die priesterlichen Verse als Redaktion der nichtpriesterlichen Schicht zu verstehen sind.34 Und bisweilen wird sogar davon ausgegangen, dass gerade umgekehrt die nichtpriesterlichen Textbereiche die priesterlichen Passagen voraussetzen und fortschreiben.35 Wie schon bei Gen 11,27–32 lässt sich aber auch bei Gen 12,4b.5; 13,6. 11b.12aba zeigen, dass diese, der priesterlichen Schicht der Vätergeschichte zuzuweisenden Verse die nichtpriesterlichen Textbereiche in Gen 12–13* voraussetzen und somit als Redaktion der vorgegebenen nichtpriesterlichen Vätergeschichte anzusehen sind. Dafür spricht schon eine genauere Betrachtung von Gen 12,4b. In diesem Teilvers wird, wie an zahlreichen weiteren Stellen der priesterlichen Texte ————— 30

Vgl. HOLZINGER, KHC 1, 124; GUNKEL, HK 1,1, 263; EICHRODT, Priesterschrift, 15; RUPPERT, fzb 98, 164. 31 Dass die Bezeichnung des Landes als ![nk #ra im Rahmen der Abraham- und Jakoberzählungen nur in priesterlichen Passagen belegt ist (vgl. Gen 11,31; 12,5; 13,12; 16,3; 17,8; 23,2.19; 31,18; 33,18; 35,6; 36,5–6), wurde schon häufig gesehen; vgl. nur HOLZINGER, KHC 1, 124; LEVIN, Jahwist, 144; ZIEMER, Abram, 373. So kann dies gegen RENDTORFF, Problem, 119.122, und BLUM, Komposition, 285, durchaus als Argument für die Zuweisung von Gen 13,11b.12aba zur priesterlichen Schicht herangezogen werden. 32 S.o. 32 Anm. 23. 33 Vgl. NÖLDEKE, Untersuchungen, 18; HOLZINGER, KHC 1, 124; GUNKEL, HK 1,1, 262–263; EICHRODT, Priesterschrift, 13–15; VON RAD, ATD 2–4, 123.130; ZIMMERLI, ZBK.AT 1,2, 16.29– 30; WESTERMANN, BK 1,2, 167.201; SPEISER, AncB 1, 86.96; FISCHER, Erzeltern, 368; CARR, Fractures, 105–106; PROPP, Priestly Source, 462; LEVIN, Jahwist, 140.144; KRATZ, Komposition, 240; RUPPERT, fzb 98, 118–119, u.a. 34 Vgl. VAN SETERS, Abraham, 225; ZIEMER, Abram, 372–373, für Gen 12,4b.5 auch BLUM, Komposition, 333. 35 So insbesondere DE PURY, PG, 123, der letztlich die gesamte nichtpriesterliche Abrahamerzählung als nachpriesterliche Erweiterung einer priesterlichen Grundschicht versteht. Zumindest mit Blick auf Gen 12,1–4a wird dies neuerdings auch von AWABDY, Babel, 11–12 mit Anm. 25, vertreten. Zur Kritik an dieser These s.u. 37 Anm. 41.

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Die priesterlichen Passagen in den Abrahamerzählungen

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auch, ein Ereignis – hier der Auszug Abrahams aus Harran – über die Angabe des Lebensalters des Ahnvaters datiert. Entscheidend ist nun, dass sich die in den priesterlichen Passagen der Genesis belegten Datierungen, wie schon häufiger gesehen, im Wesentlichen auf zwei Typen aufteilen lassen:36 Datierung – Typ 1

Datierung – Typ 2

Form

hyh + PN + Alter + Narrativ

w + PN + Alter + b + Inf.

Belege

Gen 11,32; 17,1; 26,34

Gen 12,4b; 16,16; 17,24–25; 21,5; 25,26b; 41,46

Der erste, mit leichten Unterschieden belegte Typ beginnt stets mit einem Narrativ von hyh. Es folgt der Name des Ahnherrn und sein Alter. Schließlich wird mit einem erneuten Narrativ das zu dieser Zeit geschehene Ereignis vorgebracht. Bei dem zweiten Typ folgt dagegen auf die Konjunktion w der Name des Ahnherrn, es wird sodann das Alter angegeben, und schließlich wird in einer präpositionalen Wendung mit b plus Infinitiv das Ereignis genannt, das zu eben dieser Zeit geschah. In der bisherigen Forschung wurde allerdings noch zu wenig darauf geachtet, dass den beiden beschriebenen Typen der in den priesterlichen Texten belegten Datierungen eine je unterschiedliche Funktion zukommt. So wird der Typ 1 stets zur Einführung eines neuen, zuvor noch nicht dargestellten Geschehens oder Sachverhalts verwandt. Dies gilt für den in Gen 11,32 genannten Tod des Terach ebenso wie für die in Gen 17,1 geschilderte Theophanie und die in Gen 26,34 erwähnten Ehen des Esau. Im Gegensatz hierzu wird der Typ 2 der in den priesterlichen Texten der Genesis belegten Datierungen stets und ausnahmslos zur Datierung eines zuvor bereits dargestellten Ereignisses verwandt. So wird in Gen 16,16 die zuvor in 16,15 genannte Geburt Ismaels, in Gen 17,24–25 die zuvor in 17,23 dargestellte Beschneidung von Abraham und Ismael,37 in Gen 21,5 ————— 36

Vgl. hierzu insbesondere RENDTORFF, Problem, 131–136; WEIMAR, Struktur, 106–107. Im Rahmen der folgenden Ausführungen werden dabei nur die in den eigentlichen Erzähltexten belegten Datierungen behandelt. Die in den Listen belegten Datierungen werden dagegen beiseite gelassen, da für die hier vorgetragenen Überlegungen vor allem die narrative Funktion der Datierungen von Bedeutung sein wird. 37 Allerdings wird in Gen 17,23 nur die Beschneidung Ismaels, nicht aber die Beschneidung Abrahams explizit erwähnt. Dies dürfte jedoch ganz einfach so zu erklären sein, dass die in Gen 17,23 dargestellte Beschneidung aller männlichen Angehörigen des Hauses die Beschneidung Abrahams mit umfasst. Dabei wird die Beschneidung Abrahams an dieser Stelle wohl deshalb nicht eigens genannt, weil die sonst naheliegende Frage, wer ihn beschnitten hat, außen vor gelassen werden sollte; vgl. hierzu RUPPERT, fzb 98, 360. Zur erst spätpriesterlichen Ansetzung von Gen 17,23–27 s.u. 50.

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

die zuvor in 21,3 erwähnte Geburt Isaaks, in Gen 25,26b die zuvor in 25,25.26a genannte Geburt von Jakob und Esau und schließlich in Gen 41,46 das zuvor in 41,14–45 geschilderte Auftreten des Josef vor dem Pharao datiert.38 Die Unterscheidung zweier Typen der in den priesterlichen Texten belegten Datierungen ist nun deshalb von Bedeutung, da in dem priesterlichen Teilvers Gen 12,4b eine Datierung vorliegt, die eindeutig Typ 2 entspricht. Es wird hier nach der Konjunktion w zunächst der Name Abrahams und dann sein Lebensalter vorgebracht, bevor schließlich mit b plus Infinitiv das zu datierende Ereignis, also der Auszug Abrahams aus Harran, genannt wird. Nach den vorangehenden Beobachtungen kann die in Gen 12,4b belegte Datierung dann aber keinesfalls so verstanden werden, dass mit dem hier erwähnten Auszug aus Harran ein neues, zuvor noch nicht genanntes Ereignis eingeführt wird.39 Vielmehr ist nach den genannten Parallelen vorausgesetzt, dass dieses Ereignis zuvor schon eingeführt wurde und hier nur nachträglich mit einer Datierung versehen wird. Das heißt doch aber, dass Gen 12,4b nicht, wie dies häufig geschieht, an den der priesterlichen Schicht zuzuweisenden Vers Gen 11,32 angeschlossen werden kann, in dem der Tod des Terach erwähnt wird. Gen 12,4b setzt vielmehr den vorangehenden, nichtpriesterlichen Teilvers Gen 12,4a voraus, da erst hier der Auszug Abrahams genannt wird, der dann in dem priesterlichen Teilvers 12,4b nachholend mit einer Datierung versehen wird.40 —————

38 Datierungen des Typs 2 finden sich sodann auch jenseits der Genesis, und auch dort wird mit diesem Typ stets ein zuvor bereits dargestelltes Ereignis datiert. So wird in Ex 7,7 die zuvor in 7,6 dargestellte Ausführung des an Mose und Aaron gerichteten Auftrags, zum Pharao zu gehen, datiert. In Num 33,39 wird der zuvor in 33,38 geschilderte Tod des Aaron mit einer Datierung versehen. In Dtn 34,7 wird schließlich der zuvor in 34,5 erwähnte Tod des Mose datiert. Unklar ist lediglich die in Gen 25,20 belegte, auf die Ehe von Isaak und Rebekka bezogene Datierung. An dieser Stelle liegt eine Mischform von Typ 1 und Typ 2 vor, wird hier doch zunächst, wie bei Typ 1, ein Narrativ von hyh vorgebracht, dann der Name des Ahnherrn und sein Alter genannt, woraufhin aber, wie bei Typ 2, mit b plus Infinitiv das zu datierende Ereignis erwähnt wird. Vermutlich ist aber auch dieser Vers, angesichts der Formulierung mit b plus Infinitiv, so zu verstehen, dass hier ein zuvor bereits dargestelltes Ereignis – also die im vorliegenden Text in Gen 24 dargestellte Ehe von Isaak und Rebekka – nachträglich mit einer Datierung versehen wird. Dabei wird Gen 25,20 wohl deshalb, entsprechend Typ 1, mit einem Narrativ von hyh eingeleitet, da hier zugleich auch in die folgenden Isaak-Erzählungen eingeführt wird. 39 Demgegenüber meint aber WEIMAR, Struktur, 107, dass die mit b plus Infinitiv gebildeten chronologischen Notizen „mit Ausnahme von Gen 12,4b“ am Ende eines Erzählabschnitts stehen. Dass unter den Datierungen dieses Typs ausgerechnet Gen 12,4b eine andere Funktion zukommen sollte, ist doch aber ausgesprochen unwahrscheinlich. 40 Dass der priesterliche Teilvers Gen 12,4b den nichtpriesterlichen Teilvers 12,4a voraussetzt, meinte auch schon, allerdings ohne genauere Erklärung, GRAF, Grundschrift, 471. Und auch in neuerer Zeit wird bisweilen, etwa von LEVIN, Jahwist, 140; PROPP, Priestly Source, 462 mit Anm.

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Die priesterlichen Passagen in den Abrahamerzählungen

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Wie schon bei Gen 11,27–32 zeigt sich also auch bei Gen 12,4b, dass die priesterlichen Passagen der Vätergeschichte nie für sich bestanden haben, sondern als Redaktion einer vorgegebenen nichtpriesterlichen Version der Vätergeschichte zu verstehen sind. Denn dieser Vers setzt eben eindeutig den nichtpriesterlichen Teilvers Gen 12,4a – und mit diesem den gesamten Textbereich Gen 12,1–3.4a – voraus.41 Vergleichbares zeigt sich dann auch bei dem priesterlichen Vers Gen 13,6. Dieser Vers wird häufig als direkte Fortsetzung des priesterlichen Verses Gen 12,5 verstanden.42 Doch ist auch dies bei genauerem Hinsehen kaum möglich. So ist zu beachten, dass in Gen 13,6 kein Subjekt angegeben wird, das die hier belegten pluralischen Verb- und Suffixformen (~ta; ~vwkr; wlky) bestimmen würde. Aus Gen 13,6 allein geht nicht hervor, von wem hier ausgesagt wird, dass das Land sie nicht ertragen konnte, dass ihr Besitz groß war und dass sie nicht beieinander wohnen konnten. In dem priesterlichen Vers Gen 12,5, als dessen ursprüngliche Fortsetzung Gen 13,6 zumeist angesehen wird, heißt es nun aber, dass Abraham seine Frau Sarah, seinen Neffen Lot und weitere Personen, die zu seinem Haus gehörten, mit sich nahm und dass diese ausgingen und ins Land Kanaan kamen. Die am Ende von 12,5 belegten pluralischen Verbformen (wacyw; wabyw) beziehen sich also auf Abraham, Sarah, Lot sowie die weiteren, mit Abraham ausziehenden Personen. ————— 22; SEEBASS, Genesis II,1, 17, zugestanden, dass Gen 12,4b als ein für den vorliegenden Kontext verfasster Nachtrag erscheint. Erstaunlicherweise führt dies bei den genannten Ansätzen aber nicht zu weitergehenden Konsequenzen mit Blick auf die Frage nach dem literarischen Charakter der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte. 41 Dass der priesterliche Textbereich Gen 12,4b–5 den nichtpriesterlichen Textbereich Gen 12,1–3.4a voraussetzt, spricht dann natürlich nicht nur gegen die gängige Annahme, dass es sich bei den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte um eine ursprünglich unabhängig von den nichtpriesterlichen Passagen überlieferte Quelle handelt, sondern auch gegen die neuerdings von G DE PURY, P , 118–123, oder AWABDY, Babel, 11–12 mit Anm. 25, vorgetragene Überlegung, dass die nichtpriesterlichen Abrahamüberlieferungen als Redaktion einer priesterlichen Grundschicht zu verstehen sind. Dabei sei hier nur am Rande darauf hingewiesen, dass diese These auch aufgrund einer weiteren Beobachtung nicht wirklich überzeugen kann: So ist zu beachten, dass Abraham in dem am Beginn der nichtpriesterlichen Abrahamerzählung in 12,1–3 stehenden Aufbruchbefehl dazu aufgefordert wird, aus seinem Land und seiner Heimat ($tdlwmmw $cram, 12,1) zu ziehen. Nach der vorangehenden priesterlichen Einheit in Gen 11,27–32 ist Abraham doch aber längst aus der Heimat (tdlwm #ra, 11,28) in Richtung Kanaan aufgebrochen und befindet sich nun in Harran, was nach priesterlicher Darstellung lediglich eine Zwischenstation auf dem Weg ins Land ist. Es ist daher ausgesprochen unwahrscheinlich, dass Gen 12,1–3 als eine den vorangehenden priesterlichen Text 11,27–32 voraussetzende, nachpriesterliche Redaktion zu verstehen sein soll. 42 Siehe hierzu die oben 32 Anm. 23 genannten Ansätze. Dabei wird etwa von EICHRODT, Priesterschrift, 15; LEVIN, Jahwist, 144, oder PROPP, Priestly Source, 462, noch eigens betont, dass Gen 12,5; 13,6 nahtlos aneinander anschließen.

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

Im direkten Anschluss an Gen 12,5 wären die in Gen 13,6 belegten pluralischen Formen dann doch aber auch auf den dort genannten Personenkreis, also auf Abraham, Sarah, Lot und die übrigen Angehörigen des Hauses, zu beziehen. Dies kann schwerlich gemeint sein. Denn der in Gen 13,6 dargestellte Sachverhalt ist doch eindeutig, wie der weitere Verlauf auch der priesterlichen Texte (Gen 13,11b.12aba) zeigt, auf Abraham und Lot zu beziehen. Gen 13,6 kann also nicht als ursprüngliche Fortsetzung des zuletzt der priesterlichen Schicht zugewiesenen Verses Gen 12,5 angesehen werden. Auch dieser Vers setzt vielmehr den nichtpriesterlichen Kontext – hier den vorangehenden Vers Gen 13,5, in dem Abraham und Lot genannt werden, und damit wohl die gesamte nichtpriesterliche Abraham-Lot-Erzählung in 13,2–13* – voraus. Es zeigt sich somit auch an dieser Stelle, dass die priesterlichen Passagen der Vätergeschichte als Redaktion und nicht als Teil einer ursprünglich selbständig überlieferten Quelle zu verstehen sind. So ergibt die Betrachtung von Gen 12–13, dass diesem Textbereich eine von den Redaktoren der ersten übergreifenden Vätergeschichte geschaffene Komposition zugrunde liegt, die die Verse 12,1–3.4a.6a.7b.8–20; 13,1–5.7– 11a.12bb.13–18 umfasst. Die Verse 12,4b.5; 13,6.11b.12aba sind dagegen der priesterlichen Schicht zuzuschreiben, die sich auch hier als Redaktion der vorgegebenen Vätergeschichte erweist. Die Verse 12,6b.7a gehen schließlich auf eine im weiteren Sinne dtr. Bearbeitung zurück. 2.1.3 Die Geburt Ismaels in Genesis 16 Die in Gen 16 belegte Darstellung der Begebenheiten um die Geburt Ismaels beginnt in Gen 16,1–6 damit, dass Sarah, die selbst keine Kinder bekommen kann, Abraham ihre Magd Hagar gibt, um von ihr ein Kind zu erhalten. Als Hagar schwanger wird, missachtet sie ihre Herrin und wird von dieser gedemütigt. Nach Gen 16,7–14 flieht Hagar in die Wüste, wo ihr ein Bote Jhwhs erscheint, der sie zur Rückkehr auffordert und ihr die Geburt eines Sohnes verheißt. Nach Gen 16,15–16 bringt Hagar schließlich einen Sohn zur Welt, dem Abraham den Namen Ismael gibt. Bei Gen 16 werden häufig die Verse 16,1a.3.15–16 den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte zugewiesen.43 Demnach wäre in der priesterlichen Schicht zunächst in 16,1a die Unfruchtbarkeit Sarahs erwähnt wor—————

43 Vgl. NÖLDEKE, Untersuchungen, 19; DILLMANN, KEH 11, 252; HOLZINGER, KHC 1, 124; GUNKEL, HK 1,1, 264; NOTH, Überlieferungsgeschichte, 13; VON RAD, ATD 2–4, 147–148; ZIMMERLI, ZBK.AT 1,2, 60; WESTERMANN, BK 1,2, 282; SEEBASS, Genesis II,1, 91; RUPPERT, fzb 98, 298; KRATZ, Komposition, 241–242.

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den, es wäre sodann in 16,3 geschildert worden, wie Sarah dem Abraham ihre Magd zur Frau gibt, und es wäre schließlich in 16,15 die Geburt Ismaels dargestellt und in 16,16 mit einer Datierung über das Lebensalter des Abraham versehen worden. Die Zuweisung der genannten Textbereiche zu den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte überzeugt jedoch nicht in jedem Fall. So ist zunächst bei Gen 16,1a zu beachten, dass dieser Teilvers für den vorliegenden Zusammenhang unentbehrlich ist.44 Denn ohne Gen 16,1a fehlt der Erzählung eine Einleitung. Zudem weist dieser Teilvers keinerlei terminologische Verbindungen zu anderen priesterlichen Passagen auf. Das bisweilen vorgebrachte Argument, dass in Gen 16,1a Sarah eigens als „Frau des Abram“ (~rba tva) bezeichnet wird, was als Zeichen der Pedanterie des priesterlichen Autors aufgefasst werden könne,45 ist doch eher eine Verlegenheitsauskunft, die gerade zeigt, dass sich wirklich überzeugende Argumente für die Zuweisung dieses Teilverses zur priesterlichen Schicht nicht finden lassen.46 Man wird also den Eindruck nicht los, dass Gen 16,1a nur der priesterlichen Schicht zugeschrieben wird, um so eine durchlaufende priesterliche Quelle rekonstruieren zu können.47 Anders sieht es hingegen bei Gen 16,3 aus. Dieser Vers fällt tatsächlich aus dem vorliegenden Zusammenhang heraus. So wird ja in Gen 16,2a dargestellt, dass Sarah ihren Mann dazu auffordert, zu ihrer Magd zu gehen, und in Gen 16,2b heißt es, dass Abraham auf sie hörte. Hinter diese Darstellung fällt die in Gen 16,3 belegte Aussage, dass Sarah ihre Magd nahm und sie dem Abraham zur Frau gab, doch deutlich zurück.48 Demgegenüber schließt die in 16,4 belegte Darstellung, dass Abraham zu Hagar kam und sie dann schwanger wurde, gut an Gen 16,2 an. Zudem ist zu beachten, dass Abraham nach Gen 16,2 zu Hagar gehen soll, damit Sarah „durch sie erbaut wird“ (hnmm hnba). Nach diesem Vers soll Hagar also stellvertretend für Sarah ein Kind gebären. In Gen 16,3 wird aber ausgesagt, dass Sarah dem Abraham ihre Magd zur Frau gibt (!ttw hval wl hvya ~rbal hta). An dieser Stelle zielt die Verbindung von Abraham und Hagar also nicht wie in 16,2 auf eine stellvertretende, für Sa—————

44 Nicht umsonst meinte etwa NOTH, Überlieferungsgeschichte, 13, dass an dieser Stelle die nichtpriesterliche Einleitung der folgenden Erzählung durch die priesterliche verdrängt wurde, und WESTERMANN, BK 1,2, 283, ging davon aus, dass Gen 16,1a dem priesterlichen und dem nichtpriesterlichen Text gemeinsam war. 45 Vgl. HOLZINGER, KHC 1, 124; GUNKEL, HK 1,1, 264; ZIMMERLI, ZBK.AT 1,2, 60. 46 Gen 16,1a wird daher auch häufig zur Grundschicht des Kapitels gerechnet; vgl. nur EERDMANS, Studien I, 12; VOLZ, P, 136; VAN SETERS, Abraham, 193; RENDTORFF, Problem, 124; KNAUF, Ismael, 25 mit Anm. 108; IRSIGLER, Erhörungsmotiv, 108; BLUM, Komposition, 315–316; LEVIN, Jahwist, 151; FISCHER, Erzeltern, 260–261; WILLI-PLEIN, Power, 34. 47 So auch BLUM, Komposition, 315–316. 48 Vgl. etwa GUNKEL, HK 1,1, 264; FISCHER, Erzeltern, 261.

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

rah vorgenommene Geburt. Vielmehr erhält Hagar in Gen 16,3 den vollwertigen Status einer zweiten Frau des Abraham.49 Die genannten Beobachtungen sprechen somit dafür, dass Gen 16,3 erst sekundär in den vorliegenden Kontext eingetragen wurde.50 Dabei ist dieser Vers aufgrund der hier belegten Datierung, aber auch aufgrund der Bezeichnung des Landes als ![nk #ra tatsächlich den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte zuzuschreiben.51 Wie bereits erwähnt, wird nun häufig davon ausgegangen, dass auf den priesterlichen Vers Gen 16,3 ursprünglich der Vers Gen 16,15 folgte, in dem die Geburt und die Namensgebung Ismaels dargestellt wird. Als Argument für eine solche Zuweisung von Gen 16,15 zur priesterlichen Schicht wird darauf verwiesen, dass es nach diesem Vers Abraham ist, der seinem Sohn einen Namen gibt, während nach der vorangehenden Rede des Boten in Gen 16,11 Hagar selbst ihren Sohn benennen soll.52 Der offensichtliche Widerspruch zwischen Gen 16,11 und 16,15 besagt doch aber nur, dass diese beiden Verse nicht derselben Schicht zugewiesen werden können. Das heißt aber nicht, dass Gen 16,15 deshalb den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte zuzuschreiben ist. Markante terminologische Verbindungen zu anderen priesterlichen Texten lassen sich bei diesem Vers, wie schon bei 16,1a, jedenfalls keine finden. Zur literarischen Einordnung von Gen 16,15 ist auf die zuvor belegte Szene in der Wüste und dabei insbesondere auf die in 16,9–12 dargestellte Rede des Boten Jhwhs einzugehen. Es ist schon häufig aufgefallen, dass diese Rede aus drei, immer wieder aufs Neue mit hwhy $alm hl rmayw eingeleiteten Teilen besteht.53 So wird Hagar in Gen 16,9 aufgefordert, zu ihrer Herrin zurückzukehren. In Gen 16,10 sagt ihr der Bote eine große ————— 49

Vgl. hierzu GUNKEL, HK 1,1, 264; JACOB, Genesis, 408; SCHARBERT, NEB.AT 16, 141; FISCHER, Erzeltern, 261–262; SEEBASS, Genesis II,1, 87.91. 50 Gegen EERDMANS, Studien I, 12; VOLZ, P, 137; VAN SETERS, Abraham, 193–194; TSEVAT, Hagar, 53 Anm. 2; BERG, Sündenfall, 8–9; ALEXANDER, Hagar Traditions, 134–147; WENHAM, WBC 2, 5, die – teils unter Ausscheidung der Datierung – Gen 16,3 zur Grundschicht des vorliegenden Kapitels rechnen. Dabei wird zumeist als Argument vorgebracht, dass Gen 16,3 als Ausführung der in 16,2 belegten Rede der Sarah zu verstehen sei. Doch wird dabei übersehen, dass die Ausführung des von Sarah vorgeschlagenen Vorgehens bereits in 16,2b dargestellt und dann erst in 16,4 weitergeführt wird. 51 Vgl. nur DILLMANN, KEH 11, 254; HOLZINGER, KHC 1, 124; ZIMMERLI, ZBK.AT 1,2, 60; WESTERMANN, BK 1,2, 286. Zu den in den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte belegten Datierungen s.o. 35–36. Zu ![nk #ra als Kennzeichen priesterlicher Texte s.o. 34 Anm. 31. 52 Vgl. NÖLDEKE, Untersuchungen, 19; DILLMANN, KEH 11, 256; HOLZINGER, KHC 1, 124; GUNKEL, HK 1,1, 264; WESTERMANN, BK 1,2, 298; CARR, Fractures, 95; SEEBASS, Genesis II,1, 91; DOZEMANN, Wilderness, 34 Anm. 38. 53 Vgl. nur WELLHAUSEN, Composition, 20; HOLZINGER, KHC 1, 152; GUNKEL, HK 1,1, 184; ZIMMERLI, ZBK.AT 1,2, 61; WESTERMANN, BK 1,2, 292; BLUM, Komposition, 316; SEEBASS, Genesis II,1, 91; KÖCKERT, Messengers, 68.

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Nachkommenschaft an. Und in Gen 16,11–12 wird ihr schließlich ein Sohn verheißen. Bei der in Gen 16,9–12 vorgebrachten Rede des Boten ist nun zunächst beachtenswert, dass die in Gen 16,10 belegte Verheißung einer großen Nachkommenschaft noch vor der eigentlichen Sohnesverheißung in Gen 16,11 vorgebracht wird. Bei Gen 16,10 handelt es sich also um einen Nachtrag. Vermutlich geht dieser Nachtrag auf eine im weiteren Sinne als dtr. zu bezeichnende, wohl erst nachpriesterlich eingebrachte Bearbeitung zurück, die – unter Aufnahme der an Ismael gerichteten, priesterlichen Mehrungsverheißung in Gen 17,20 – bereits im Rahmen der Geburtserzählung eine solche Mehrungsverheißung für Ismael und seine Nachfahren ergänzt hat.54 Noch bedeutender ist jedoch, dass sich auch der vorangehende Vers Gen 16,9 als Nachtrag zu erkennen gibt. So sagt der Bote nach Gen 16,9, dass sich Hagar der Bedrückung durch ihre Herrin ergeben soll (txt yn[thw hydy). Die Sohnesverheißung in Gen 16,11 wird dann aber gerade damit begründet, dass Jhwh die Bedrückung Hagars erhört hat ($yn[-la hwhy [mv). Dies spricht dafür, dass auch Gen 16,9 erst sekundär in den vorliegenden Kontext integriert wurde.55 —————

54 Dass es sich bei Gen 16,10 um einen Nachtrag handelt, wurde schon oft gesehen; vgl. nur WELLHAUSEN, Composition, 20; HOLZINGER, KHC 1, 152; GUNKEL, HK 1,1, 184; ZIMMERLI, ZBK.AT 1,2, 64; WESTERMANN, BK 1,2, 292–293; BLUM, Komposition, 317; LEVIN, Jahwist, 152; RÖMER, Isaac, 165; KÖCKERT, Messengers, 68. Offen blieb dabei allerdings häufig die literarische Zuordnung dieses Verses. Unter den neueren Beiträgen schreibt RÖMER, ebd., Gen 16,10 den priesterlichen Passagen der Genesis zu. Da in diesem Vers aber der Gottesname Jhwh gebraucht wird und da sich bei Gen 16,10 keine markanten Verbindungen zu anderen, der priesterlichen Schicht zugewiesenen Texten erkennen lassen, dürfte dies eher unwahrscheinlich sein. Anders als Römer ordnet BLUM, a.a.O., 365, Gen 16,10 seiner dtr. Bearbeitung der Genesis zu. Da dieser Vers gewisse terminologische Gemeinsamkeiten zu anderen Texten aufzeigt, die Blum ebenfalls dieser Schicht zuweist ($[rz ta hbra hbrh, Gen 22,17; brm rpsy al, Gen 32,13), dürfte dies tatsächlich die wahrscheinlichere Alternative sein. Auf dieselbe Hand wie Gen 16,10 dürften sodann – nebenbei gesagt – auch noch zwei weitere Nachträge zu den in der Vätergeschichte belegten Erzählungen über Ismael zurückgehen. So wird in Gen 21,12b.13 wie auch in Gen 21,18 verheißen, dass Ismael zu einem großen Volk werden soll. Dabei wurde schon häufiger gesehen, dass diese beiden Worte erst sekundär in den vorliegenden Kontext integriert wurden; vgl. hierzu GUNKEL, HK 1,1, 229; FISCHER, Erzeltern, 302, die nur Gen 21,12b.13 als Nachtrag verstehen, sowie WESTERMANN, BK 1,2, 416.419; LEVIN, Jahwist, 177–179, die auch Gen 21,18 als sekundär ansehen. Da diese Worte wie der in Gen 16,10 belegte Nachtrag an der Mehrung des von Ismael herkommenden Volkes orientiert sind, erscheint es durchaus möglich, dass sie eben derselben, im weiteren Sinne als dtr. zu bezeichnenden Redaktion zuzuschreiben sind. 55 So auch WELLHAUSEN, Composition, 20; HOLZINGER, KHC 1, 152; GUNKEL, HK 1,1, 184; ZIMMERLI, ZBK.AT 1,2, 61.64; WESTERMANN, BK 1,2, 292; BLUM, Komposition, 316; SEEBASS, Genesis II,1, 91–92; ALBERTZ, Exilszeit, 196; KÖCKERT, Messengers, 68. Wenn also VAN SETERS, Abraham, 194; TSEVAT, Hagar, 57–60; ALEXANDER, Hagar Traditions, 138–139, Gen 16,9 zur Grundschicht des Kapitels rechnen, so wird der offensichtliche Widerspruch zwischen Gen 16,9 und 16,11 nicht wirklich beachtet.

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

Dass die in Gen 16,9 belegte, an Hagar gerichtete Aufforderung, zu ihrer Herrin zurückzukehren, erst sekundär eingebracht wurde, heißt dann doch aber, dass die in Gen 16 belegte Darstellung der Flucht Hagars in einer früheren, nicht mehr erhaltenen Fassung der Vätergeschichte nicht mit ihrer Rückkehr endete. Vielmehr blieb Hagar – und mit ihr auch Ismael – in dieser frühen Version der Vätergeschichte schon an dieser Stelle außerhalb des von Abraham und Sarah bewohnten Landes.56 Der in Gen 16,9 belegte Nachtrag wurde dann, wie zurecht schon häufig angenommen, an der vorliegenden Stelle notwendig, als der werdenden Vätergeschichte die in Gen 20–22* belegten Erzählungen zugefügt wurden. Denn im Rahmen dieser Erzählungen, die sich deutlich als Einschub in die vorliegende Vätergeschichte zu erkennen geben, wird ja in 21,9–21 erneut die Vertreibung von Hagar und Ismael geschildert. Zur Vorbereitung dieser Erzählung musste somit in Gen 16 zunächst die Rückkehr Hagars erwähnt werden.57 Neben der in Gen 16,9 nachgetragenen Aufforderung zur Rückkehr musste von dieser Redaktion dann doch aber auch das ursprüngliche Ende der in Gen 16 belegten Erzählung entsprechend angepasst werden. Während die vorangehende Fassung dieser Erzählung wohl damit endete, dass Ismael jenseits des Landes geboren wurde, musste nun im Anschluss an Gen 16,9 und zur weiteren Vorbereitung von Gen 20–22* ein Hinweis erfolgen, dass Hagar tatsächlich wieder zu Abraham und Sarah zurückkehrte und dort zusammen mit Ismael lebte. Und genau dies leistet in der vorliegenden Fassung der Erzählung Gen 16,15. In diesem Vers wird ja dargestellt, dass Hagar für Abraham einen Sohn gebiert und dass Abraham diesem Sohn einen Namen gibt. An dieser ————— 56

Siehe hierzu etwa WELLHAUSEN, Composition, 20; GUNKEL, HK 1,1, 190; ZIMMERLI, ZBK.AT 1,2, 64; BLUM, Komposition, 317. 57 Dass der Textbereich Gen 20–22 erst sekundär an der vorliegenden Stelle nachgetragen wurde, ist nahezu unumstritten. In früheren, an der klassischen Quellentheorie orientierten Ansätzen wurde dieser Textbereich zumeist dem Elohisten zugewiesen; vgl. etwa WELLHAUSEN, Composition, 15–20; HOLZINGER, KHC 1, 158–165; GUNKEL, HK 1,1, 220–240; ZIMMERLI, ZBK.AT 1,2, 95–115, und in neuerer Zeit etwa noch SEEBASS, Genesis II,1, 157–217; GRAUPNER, Elohist, 208–218. Demgegenüber wird in der jüngeren Forschung vermehrt die Annahme vertreten, dass Gen 20–22 nicht als Teil einer zuvor unabhängig überlieferten Quelle anzusehen ist, sondern als literarischer Nachtrag, der – wohl unter Aufnahme vorgegebenen Guts und vielleicht in mehreren Stufen – für den vorliegenden Kontext verfasst wurde; vgl. BLUM, Komposition, 339.405–419; ALBERTZ, Exilszeit, 196; KRATZ, Komposition, 264; JEREMIAS, Gen 20–22, 59–73. Bei beiden Ansätzen wurde sodann stets gesehen, dass Gen 16,9 zur Vorbereitung von Gen 20–22 an der vorliegenden Stelle nachgetragen wurde. So wurde dieser Vers entweder auf den für die Zusammenfügung der Quellen J und E verantwortlichen Redaktor RJE oder aber auf dieselbe Hand, die den Textbereich Gen 20–22 ergänzte, zurückgeführt; vgl. nur WELLHAUSEN, a.a.O., 20; HOLZINGER, a.a.O., 152; GUNKEL, a.a.O., 184; ZIMMERLI, a.a.O., 61; BLUM, a.a.O., 316; SEEBASS, a.a.O., 91–92; ALBERTZ, ebd.

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Die priesterlichen Passagen in den Abrahamerzählungen

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Stelle wird also klar, dass Hagar, wie in Gen 16,9 befohlen, wieder zu Abraham und Sarah zurückgekehrt ist. Diese Überlegung führt nun zu einer bedeutenden Konsequenz: Es ist durchaus denkbar, dass Gen 16,15 auf dieselbe Hand zurückgeht, die auch Gen 16,9 eingebracht hat, und somit wie Gen 16,9 zur Vorbereitung der in Gen 20–22* ergänzten Erzählungen eingefügt wurde.58 Dass Gen 16,15 gegenüber der vorangehenden Erzählung sekundär ist, heißt also tatsächlich nicht, dass dieser Vers den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte zuzuweisen ist. Denn dieser Vers erklärt sich mindestens ebenso gut auf derselben literarischen Ebene wie der in Gen 16,9 erkennbare Nachtrag. Für diese Annahme lässt sich sogar noch ein weiteres Argument vorbringen. So wurde in der bisherigen Forschung zwar schon häufig darauf verwiesen, dass in Gen 16,15, im Gegensatz zu der in 16,11 belegten Rede des Boten, Abraham selbst seinen Sohn Ismael benennt, was dann als Argument für die Zuweisung dieses Verses zur priesterlichen Schicht herangezogen wurde.59 Zu wenig wurde bislang allerdings auf die konkrete Form der hier belegten Namensgebung geachtet. Namensgebung – Typ 1

Namensgebung – Typ 2

Form

wnb ~v(-ta) (PN) arq

wmv(-ta) (PN) arq

Belege

Gen 16,15; 21,3

Gen 5,3.29; 17,19; 35,10 (P); vgl. Gen 4,25.26; 16,11; 19,37.38; 25,25.26.30; 27,36; 29,32.33.34.35; 30,6.8.11.13. 18.20.24; 35,10.18; 38,3.4.5. 29.30

In Gen 16,15 wird für die Namensgebung Ismaels die Formulierung arqyw wnb-~v ~rba verwandt. Bei den zweifellos den priesterlichen Passagen der Genesis zuzuweisenden Versen Gen 5,3.29; 17,19; 35,10 wird aber für Namensgebungen die auch sonst übliche Wendung wmv(-ta) (PN) arq gebraucht. Schon dies spricht also eher dagegen, dass Gen 16,15 den priesterlichen Passagen der Genesis zuzurechnen ist. Aber mehr noch: Die Formulierung wnb ~v(-ta) (PN) arq findet sich neben Gen 16,15 im gesamten Alten Testament überhaupt nur noch an einer weiteren Stelle, nämlich in Gen 21,3. Der einzige weitere Beleg dieser Form der Namensgebung steht also gerade in dem Textbereich Gen 20–22*, ————— 58

Vgl. RENDTORFF, Problem, 124–125; BLUM, Komposition, 316; KÖCKERT, Messengers, 68, die für diese These allerdings noch keine umfassenderen Argumente vorgebracht haben. 59 S.o. 40.

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

der erst sekundär in die werdende Vätergeschichte integriert wurde und der dabei, wie zuvor dargestellt, zumindest über den Nachtrag Gen 16,9 mit der dort belegten, an Hagar gerichteten Aufforderung zur Rückkehr vorbereitet wurde.60 Die Tatsache, dass die in Gen 16,15 belegte Form der Namensgebung nicht in eindeutig der priesterlichen Schicht zuzuweisenden Texten, wohl aber in Gen 21,3 eine Parallele hat, ist dann aber ein weiteres Indiz dafür, dass Gen 16,15 eben nicht der priesterlichen Schicht zuzuschreiben ist. Die in Gen 21,3 belegte Parallele spricht vielmehr dafür, dass Gen 16,15 auf dieselbe Redaktion wie Gen 16,9 zurückgeht und wie dieser Vers der Vorbereitung des sekundär eingebrachten Textbereichs Gen 20–22* dient. Im Gegensatz zu Gen 16,15 ist Gen 16,16 wieder den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte zuzuweisen.61 Denn die hier belegte Datierung der Geburt Ismaels über das Lebensalter des Abraham entspricht exakt der in dem priesterlichen Vers Gen 12,4b wie auch in zahlreichen weiteren priesterlichen Texten belegten Form von Datierungen.62 Von den bei Gen 16 gemeinhin der priesterlichen Schicht zugewiesenen Versen 16,1a.3.15.16 sind also nur die Verse 16,3.16 tatsächlich Teil dieser Schicht. Gen 16,1a gehört demgegenüber der Grundschicht dieses Kapitels an, während Gen 16,15 auf dieselbe Redaktion zurückgeht, die auch Gen 16,9 eingebracht hat und mit der die Einfügung des Textbereichs Gen 20– 22* in die werdende Vätergeschichte vorbereitet wurde. Wenn dies richtig sein sollte, dann zeigt sich an dieser Stelle aber erneut, dass die priesterlichen Passagen der Vätergeschichte als Redaktion einer vorgegebenen, nichtpriesterlichen Fassung der Vätergeschichte und nicht als Teil einer ursprünglich unabhängig überlieferten Quelle zu verstehen sind. Dafür spricht zunächst, dass Gen 16,3 – ohne den häufig zur Überleitung herangezogenen Vers 16,1a – nicht an den zuletzt der priesterlichen Schicht zugewiesenen Vers 13,12aba anschließt.63 Ohne den vorliegenden Zusammenhang in 16,1–4* fehlt diesem Vers der erzählerische Kontext, auf den die hier beschriebene Übergabe der Hagar an Abraham zu beziehen ist. Noch deutlicher zeigt sich sodann bei Gen 16,16, dass die priesterlichen Passagen der Vätergeschichte als Redaktion einer vorgegebenen, nichtpries—————

60 Allerdings wurde gerade Gen 21,3 schon häufig den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte zugewiesen. Doch wird sich dies als unbegründet erweisen; s.u. 55–56. 61 Dass Gen 16,16, anders als der vorangehende Vers 16,15, der priesterlichen Schicht zuzuweisen ist, meinte auch schon BLUM, Komposition, 315–316, sowie ZIEMER, Abram, 372. 62 S.o. 35–36. 63 Dies gilt, nebenbei gesagt, auch dann, wenn auf Gen 13,12aba, wie immer wieder vorgeschlagen, zunächst noch Gen 19,29 und erst dann die in Gen 16 erkennbaren priesterlichen Textbereiche gefolgt sein sollten; siehe hierzu unten 51 mit Anm. 83. Auch an diesen Vers schließt Gen 16,3 nicht an.

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Die priesterlichen Passagen in den Abrahamerzählungen

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terlichen Vätergeschichte zu verstehen sind. Denn wie im Rahmen der Überlegungen zu Gen 12,4b bereits ausgeführt, bezieht sich der hier belegte, mit b plus Infinitiv formulierte Typ von Datierungen stets auf ein zuvor dargestelltes Ereignis.64 Der priesterliche Vers Gen 16,16 setzt also den vorangehenden nichtpriesterlichen Vers Gen 16,15 mit der dort erwähnten Geburt Ismaels voraus und versieht dieses Ereignis nun nachholend mit einer Datierung. Insgesamt sind bei Gen 16 also die Verse 16,1–2.4–8.11–14 der Grundschicht dieses Kapitels zuzuweisen. Das ursprüngliche Ende dieser Erzählung, bei dem einst dargestellt wurde, dass Hagar außerhalb des von Abraham und Sarah bewohnten Landes ihren Sohn zur Welt gebracht hat, ist allerdings nicht mehr erhalten. Die Verse 16,9.15 gehen sodann auf eine erste Bearbeitung dieses Kapitels zurück. Über die hier erwähnte Rückkehr der Hagar und die Darstellung der dann bei Abraham und Sarah geschehenen Geburt Ismaels werden die in Gen 20–22* eingefügten Erzählungen vorbereitet, bei denen in 21,9–21 ja erneut die Vertreibung von Hagar und Ismael geschildert wird. Die Verse 16,3.16, mit denen zunächst in 16,3 die Verbindung von Abraham und Hagar als zweite Ehe dargestellt und dann in 16,16 die Geburt Ismaels mit einer Datierung versehen wird, sind der priesterlichen Schicht zuzuweisen. Dabei zeigt sich auch hier, dass es sich bei den priesterlichen Passagen um eine Redaktion der vorgegebenen, nichtpriesterlichen Vätergeschichte handelt. Auf eine erst nachpriesterlich eingebrachte, im weiteren Sinne als dtr. zu bezeichnende Bearbeitung geht schließlich die in Gen 16,10 belegte Mehrungsverheißung zurück. 2.1.4 Der Bund mit Abraham in Genesis 17 Bei dem in Gen 17 dargestellten Bund zwischen Gott und Abraham wird zunächst in Gen 17,1–8, dargestellt, wie Gott bei Abraham erscheint und einen Bund mit ihm schließt, der Fruchtbarkeit und Mehrung, die besondere Zuwendung Gottes sowie die Übereignung des Landes Kanaan umfasst. In Gen 17,9–14 wird sodann die Beschneidung als Zeichen des Bundes gefordert. In Gen 17,15–21 wird Abraham verheißen, dass ihm auch von Sarah ein Sohn geboren wird, der Isaak heißen soll. Während Abrahams erstem Sohn Ismael zugesagt wird, dass er fruchtbar sein und zu einem großen Volk werden soll, will Gott mit Isaak seinen Bund aufrichten. Die Szene endet schließlich in Gen 17,22–27 damit, dass Gott von Abraham auffährt und dass Abraham, Ismael und die Sklaven des Hauses beschnitten werden. ————— 64

S.o. 35–36.

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

Die Zuweisung von Gen 17 zu den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte ist unumstritten, ja, sie gehört geradezu zu den Grundfesten der älteren wie der neueren Pentateuchforschung.65 So sei etwa nur kurz darauf verwiesen, dass es sich bei Gen 17 um eine deutliche, bis in die Einzelformulierungen hinein gleich gestaltete Parallele zu der in Gen 9 belegten priesterlichen Darstellung des Noahbundes handelt.66 Zudem wird in Gen 17,2.6.20 die für die priesterlichen Texte so bedeutende Verheißung von Fruchtbarkeit und Mehrung (hrp; hbr) vorgebracht.67 Und schließlich fügt sich die in Gen 17,1 belegte Selbstvorstellung Gottes als El Shadday in die den priesterlichen Texten eigene Vorstellung der dreistufigen Offenbarung des Gottesnamens.68 Umstritten ist nun aber, ob es sich bei der in Gen 17 belegten Darstellung des Abrahambundes um eine literarische Einheit handelt oder ob bei diesem Text zwischen einer priesterlichen Grundschicht und späteren Erweiterungen zu unterscheiden ist. So wird Gen 17 zwar häufig als einheitlich betrachtet.69 Es wurde aber auch schon mehrfach die Annahme vertreten, dass insbesondere die in Gen 17,9–14 belegte Beschneidungsordnung erst sekundär eingebracht wurde.70 Und für diese Annahme lassen sich tatsächlich einige Argumente vorbringen. —————

65 Dies zeigt sich allein schon daran, dass die Zuordnung von Gen 17 zu P nur in älteren Ansätzen noch eigens begründet wird; vgl. NÖLDEKE, Untersuchungen, 19–21; HOLZINGER, KHC 1, 125; GUNKEL, HK 1,1, 264. In neueren Arbeiten wird zumeist auf umfassendere Darlegungen verzichtet und die Zuweisung dieses Kapitels zu den priesterlichen Texten schlicht vorausgesetzt; vgl. nur VAN SETERS, Abraham, 279; BLUM, Komposition, 420; KRATZ, Komposition, 240. 66 So wird etwa hier wie dort die eher seltene Wendung tyrb ~wq für das Aufrichten des Bundes gebraucht (Gen 9,9.11.17 // 17,7.19.21). Hier wie dort ist die Verheißung von Fruchtbarkeit und Mehrung belegt (hrp; hbr, Gen 9,1.7 // 17,2.6.20; siehe hierzu auch die unten Anm. 67 genannten Stellen). Hier wie dort wird betont, dass der Bund mit der gegenwärtigen Generation wie auch mit deren Nachkommen geschlossen wird ([rz, Gen 9,9 // 17,7.8.9.10.12.19). Und hier wie dort wird der Bund als „ewiger Bund“ bezeichnet (~lw[ tyrb, Gen 9,16 // 17,7.13.19). Zu dem an beiden Stellen belegten Bundeszeichen vgl. die unten 48–49 vorgebrachten Darlegungen. 67 Vgl. Gen 1,22.28; 8,17; 9,1.7; 28,3; 35,11; 47,27; 48,4; Ex 1,7. 68 Zu der die priesterlichen Texte bestimmenden Vorstellung der dreistufigen Offenbarung des Gottesnamens, nach der in der Urgeschichte nur die allgemeine Gottesbezeichnung ~yhla, ab Gen 17 die Bezeichnung ydv la und erst ab Ex 6 der Gottesname hwhy verwandt wird, siehe auch unten 147–149 und 182–183. 69 Vgl. nur NÖLDEKE, Untersuchungen, 19–21; WELLHAUSEN, Composition, 25; HOLZINGER, KHC 1, 125; GUNKEL, HK 1,1, 264; NOTH, Überlieferungsgeschichte, 17; MCEVENUE, Style, 145–160; VAN SETERS, Abraham, 280; WESTERMANN, BK 1,2, 306–308; BLUM, Komposition, 420–422; SPECHT, Gott, 406 Anm. 37; KRATZ, Komposition, 240; STIPP, Bund, 298–304; ZIEMER, Abram, 375–376. 70 So LÖHR, Untersuchungen I, 12–15; GRÜNWALDT, Exil, 42–46; LEVIN, Jahwist, 157; SEEBASS, Genesis II,1, 111–112. Zum sekundären Charakter der in Gen 17,9–14 belegten Beschneidungsordnung sowie zur Intention dieses Nachtrags vgl. auch die umfassenderen Darlegungen in WÖHRLE, Function, 74–84; ders., Isaak, 117–126. Mit Blick auf Gen 17,9–14 wurde nun zudem schon häufiger vermutet, dass bei diesem Textbereich nochmals zwei oder mehr literarische Schichten zu unterscheiden sind. Es fällt nämlich auf,

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Die priesterlichen Passagen in den Abrahamerzählungen

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So ist zunächst beachtenswert, dass der in Gen 17,2–8 dargestellte, mit Abraham und seinen Nachkommen geschlossene Bund ohne jegliche Bedingung vorgebracht wird.71 Es wird keinerlei Voraussetzung für die hier belegten Verheißungen der Mehrung, des Gott-Seins Gottes oder des Land————— dass hier nebeneinander singularische (Gen 17,9.10ab.12b.13a) und pluralische Formen (Gen 17,10aab.11.12a.13b) belegt sind. Und so wurde schon häufig angenommen, dass die von pluralischen Formen bestimmten Textbereiche die Grundschicht von Gen 17,9–14 darstellen und die von singularischen Formen bestimmten Textbereiche dann einer Überarbeitung der Beschneidungsordnung zuzuweisen sind; vgl. hierzu etwa STEUERNAGEL, Bemerkungen, 172–177 (erste Schicht: 17,9.10aab.11a; zweite Schicht: 17,11b.13b.14; dritte Schicht: 17,12a; vierte Schicht: 17,10ab.12b. 13a); WEIMAR, Gen 17, 28–31.37–38 (erste Schicht: 17,9aa.10aab.11; zweite Schicht: 17,9abb. 10ab.12a.13b.14; dritte Schicht: 17,12b.13a); GRÜNWALDT, Exil, 42–44 (erste Schicht: 17,9aa. 10aab.11.12a.13b.14aab; zweite Schicht: 17,9abb.10ab.12b.13a.14ab). Gerade umgekehrt geht sodann OLYAN, Rites, 154–155, davon aus, dass die von singularischen Formen bestimmten Textbereiche der Grundschicht zuzuweisen sind, wohingegen die von pluralischen Formen bestimmten Textbereiche sekundär sind. Doch können derartige literarkritische Differenzierungen bei Gen 17,9–14 weder in der einen noch in der anderen Richtung überzeugen. So ist zu beachten, dass die gesamte Einheit die von singularischen Formen bestimmte Einleitung in 17,9 – oder zumindest die Redeeinleitung ~hrba-la ~yhla rmayw in 17,9aa, in der Abraham, und somit eine Einzelperson, als Adressat der folgenden Gottesrede genannt wird – voraussetzt. Dies widerspricht doch aber der häufig vorgetragenen Annahme, dass bei Gen 17,10–14 gerade die von pluralischen Formen bestimmten Passagen der Grundschicht zugehören sollen. Aber auch die von singularischen Formen bestimmten Textbereiche in Gen 17,10–14 können kaum als zusammenhängende und in sich schlüssige Grundschicht angesehen werden. Denn gerade das eigentliche Beschneidungsgebot in Gen 17,10.11 ist pluralisch formuliert. Ohne dieses Gebot wäre doch aber die gesamte, in Gen 17,9–14 belegte Beschneidungsordnung nicht verständlich. Das in Gen 17,9–14 belegte Nebeneinander von singularischen und pluralischen Formen lässt sich damit weder auf die eine noch auf die andere Weise durch die Annahme einer redaktionellen Überarbeitung einer noch rekonstruierbaren Grundschicht erklären. Wie bereits von LÖHR, Untersuchungen I, 12–13; KUTSCH, Gott, 378; WESTERMANN, BK 1,2, 317–318; SARNA, Genesis, 125, u.a. angenommen, ist die vorliegende Gestalt der Beschneidungsordnung dann vielmehr so zu erklären, dass dieser Textbereich auf nur einen Verfasser zurückgeht, der bei der Gestaltung dieser Einheit auf vorgegebenes Gut zurückgegriffen hat. Die aufgenommene Vorlage könnte etwa die pluralisch formulierten Textbereiche 17,10*.11.12a.13b umfasst haben und wurde dann über die singularisch formulierten Textbereiche 17,9.10*.12b.13a.14 in die vorliegende Darstellung des Abrahambundes in Gen 17 integriert. Neben der soeben dargestellten Überlegung, dass bei Gen 17,9–14 anhand der hier belegten singularischen und pluralischen Formen zwei oder mehr Schichten zu unterscheiden sind, wurde sodann auch schon häufiger die Annahme vorgetragen, dass hier lediglich die Teilverse 17,12b.13a, in denen die Beschneidung der Sklaven gefordert wird, auf eine spätere Bearbeitung zurückgehen; vgl. hierzu, mit Unterschieden im Detail, SMEND SEN., Erzählung, 9; VON RAD, Priesterschrift, 22; KÖCKERT, Leben, 41; RUPPERT, fzb 98, 339. Für diese These wird darauf verwiesen, dass die Beschneidung der Sklaven der sonstigen, an Abraham und seine Nachkommen gerichteten Beschneidungsordnung widerspricht. Beachtenswert ist aber, dass es ja in Gen 17,10 heißt, dass „alle Männlichen bei euch“ (rkz-lk ~kl) beschnitten werden sollen. Diese Formulierung ist doch zumindest offen für ein weiter gefasstes Verständnis der Beschneidungsordnung, so dass hier gut ein über die Abrahamnachkommen hinausgehender Kreis von Personen im Blick sein könnte. Es ist also keinesfalls zwingend, dass die in Gen 17,12b.13a belegte Forderung, die Sklaven zu beschneiden, erst sekundär eingebracht wurde. 71 Vgl. hierzu LÖHR, Untersuchungen I, 12; GRÜNWALDT, Exil, 69.

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

besitzes genannt. Die in Gen 17,9–14 vorgebrachte Beschneidungsordnung gibt dann aber doch eine Bedingung für den mit Abraham und seinen Nachkommen geschlossenen Bund an. Nach diesen Versen werden sie des Bundes nur unter der Voraussetzung, dass sie sich beschneiden lassen, teilhaftig. Ansonsten, so Gen 17,14, werden sie aus ihrem Volk ausgeschlossen. Die in Gen 17,9–14 belegte Beschneidungsordnung kann somit gut als nachträgliche Konditionierung des zuvor unkonditioniert vorgebrachten Abrahambundes verstanden werden. Nun wurde aber gegen die Annahme, dass es sich bei der Beschneidungsordnung um eine nachträgliche Konditionierung einer zuvor unkonditioniert formulierten Fassung des Abrahambundes handelt, eingewandt, dass mit der Beschneidungsordnung in Gen 17,9–14 nicht der Abrahambund an sich, sondern nur die individuelle Aneignung dieses Bundes unter die Bedingung der Beschneidung gestellt wird.72 So führt ja auch die Weigerung, sich beschneiden zu lassen, nach 17,14 nicht zur Auflösung des Bundes selbst, sondern lediglich zum Ausschluss dessen, der sich eben nicht beschneiden lässt. Dieser Hinweis ist sicherlich richtig. Dennoch ist und bleibt beachtenswert, dass in Gen 17,9–14 überhaupt eine Bedingung für den zuvor noch ohne weitere Voraussetzungen vorgebrachten Bund genannt wird. Und dies spricht eben doch dafür, dass es sich bei der in Gen 17,9–14 belegten Beschneidungsordnung um eine nachträglich eingebrachte Konditionierung des Abrahambundes – oder genauer: um eine nachträglich eingebrachte Konditionierung der individuellen Zugehörigkeit zu diesem Bund – handelt. Für diese Annahme spricht dann auch ein Vergleich des Abrahambundes mit der in Gen 9 belegten priesterlichen Darstellung des Noahbundes. Beachtenswert ist hier vor allem, dass sowohl in Gen 9 als auch in Gen 17 ein Zeichen des Bundes genannt wird, dass diesem Zeichen aber in Gen 9,12– 17 und Gen 17 eine jeweils andere Funktion zukommt. So wird ja in Gen 9 der Bogen in den Wolken als Zeichen des zwischen Gott und Noah geschlossenen Bundes vorgestellt.73 Dieses Zeichen soll Gott an seinen Bund mit Noah und somit an die Tatsache, dass er die Erde nicht mehr vernichten wird, erinnern. Es handelt sich hier also um ein bestätigendes Zeichen von Gott her, an dem gerade die ewige Gültigkeit des zwischen Gott und Noah geschlossenen Bundes abgelesen werden kann.74 ————— 72

Dies wurde insbesondere von STIPP, Bund, 298–304, angemerkt. Zu den verschiedenen, in der bisherigen Forschung vorgebrachten Deutungen des in Gen 9 erwähnten Bogens vgl. insbesondere RÜTERSWÖRDEN, Bogen, 247–263. 74 So schreibt etwa VON RAD, ATD 2–4, 101: „An der Versichtbarung des Gnadenwillens Gottes soll die durch die chaotischen Elemente erschreckte Menschheit immer neue Zuversicht schöpfen, daß Gott diesen Äon doch tragen will und den Bestand seiner Ordnungen garantiert.“ Vgl. 73

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Die priesterlichen Passagen in den Abrahamerzählungen

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Die in Gen 17,9–14 geforderte Beschneidung ist aber kein Zeichen, das Gott und Mensch in vergleichbarer Weise gegenübersteht wie der in Gen 9 genannte Regenbogen. Die Beschneidung ist kein Zeichen, an dem die Unverbrüchlichkeit des Bundes abgelesen werden könnte. Sie ist vielmehr die Voraussetzung der Zugehörigkeit zu diesem Bund. Sie ist ein Zeichen, dass der Mensch den Bund für sich angenommen hat. Die unterschiedliche Funktion des in Gen 9 und Gen 17 belegten Bundeszeichens wird dann doch aber am ehesten so zu erklären sein, dass ursprünglich nur in Gen 9 ein solches Bundeszeichen belegt war und dies in Gen 17 sekundär aufgenommen und auf die hier eingebrachte Beschneidungsforderung bezogen wurde.75 Dass die in Gen 17,9–14 belegte Beschneidungsordnung erst sekundär in die vorliegende Darstellung des Abrahambundes eingebracht wurde, zeigt sich schließlich an einer letzten Beobachtung. So ist schon häufig aufgefallen, dass in Gen 17,9–14 nicht nur für Abraham und seine Nachkommen, also nicht nur für die im Rahmen des eigentlichen Bundesschlusses in Gen 17,2–8 genannten Personengruppen, sondern auch für die Sklaven des Hauses – die im Haus geborenen und die von Fremden gekauften Sklaven, die nicht zu den Nachkommen Abrahams gehören (lkm @sk-tnqmw tyb dyly awh $[rzm al rva rkn-!b, 17,12) – die Beschneidung gefordert wird.76 Da die Beschneidung nach Gen 17,11 als Zeichen des Bundes verstanden wird, den die Beschnittenen an ihrem Fleisch tragen, heißt dies doch aber, dass die Sklaven nach Gen 17,9–14 in den zwischen Gott und Abraham geschlossenen Bund aufgenommen werden.77 Nach Gen 17,9–14 ist der Abrahambund somit nicht mehr, wie in Gen 17,2–8, exklusiv auf Abraham und seine Nachkommen, sondern auf einen über diese hinausgehenden Perso————— hierzu auch SPEISER, AncB 1, 59; WESTERMANN, BK 1,1, 634–636; SARNA, Genesis, 62–63; SEEBASS, Genesis I, 227–228. 75 Dass den in Gen 9 und Gen 17 belegten Bundeszeichen eine je unterschiedliche Funktion zukommt, hat etwa schon WESTERMANN, BK 1,2, 320, erkannt: „Das Zeichen des Bundes [...] hat hier eine andere Bedeutung als in Gen 9,12–17. Dort ist es ein von Gott gesetztes Zeichen im Bereich seiner Schöpfung, das in seiner Unverfügbarkeit ganz allein Zeichen für das Bestehen der Verheißung Gottes ist. Hier in Kap. 17 dagegen ist die Beschneidung Zeichen des Wechselgeschehens zwischen Gott und seinem Volk, wobei Gottes Volk gewürdigt wird, im Befolgen des Gebotes der Beschneidung von Geschlecht zu Geschlecht ein Zeichen für seine Zugehörigkeit zu seinem Gott zu setzen.“ Schon GRÜNWALD, Exil, 58–59, meinte daher, dass die unterschiedliche Funktion des in Gen 9 erwähnten Bogens in den Wolken und der in Gen 17 geforderten Beschneidung dafür spricht, dass es sich bei der in Gen 17,9–14 belegten Beschneidungsordnung um einen Nachtrag handelt. 76 Zur Ablehnung der schon häufiger vorgebrachten Annahme, dass die in Gen 17,12b.13a belegte Forderung, die Sklaven des Hauses zu beschneiden, erst sekundär eingebracht wurde, s.o. 47 Anm. 70. 77 Vgl. hierzu die umfassenderen Darlegungen in WÖHRLE, Function, 78–81.

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

nenkreis bezogen. Auch dies spricht also dafür, dass es sich bei der Beschneidungsordnung in Gen 17,9–14 um einen Nachtrag handelt. Wenn aber Gen 17,9–14 sekundär ist, dann dürfte dies sicherlich auch für die in Gen 17,23–27 belegte Darstellung, dass Abraham, Ismael und die Sklaven des Hauses beschnitten werden, gelten. Denn diese Verse setzen eindeutig die in Gen 17,9–14 belegte Beschneidungsordnung voraus, handelt es sich hierbei doch um die erzählerische Ausführung der dort belegten Beschneidungsforderung.78 In Gen 17 lassen sich somit zwei literarische Schichten voneinander abheben. Im Grundbestand des Kapitels, der die Verse 17,1–8.15–22 umfasst, wird zunächst der Bund zwischen Gott und Abraham dargestellt, und es wird sodann die Geburt seines Sohnes Isaak angekündigt, mit dem dieser Bund weiter aufgerichtet werden soll. Der so beschriebene Grundbestand von Gen 17 ist aufgrund der zuvor genannten Verbindungen zu anderen priesterlichen Texten ebenfalls den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte zuzuschreiben. Die Verse Gen 17,9–14.23–27 wurden demgegenüber im Rahmen einer – wohl als spätpriesterlich zu bezeichnenden – Redaktion eingebracht.79 Durch diese Redaktion wird nun im Anschluss an die Darstellung des Abrahambundes die Beschneidung als Zeichen der individuellen Aneignung des Bundes gefordert, und es wird am Ende dargestellt, dass Abraham, Ismael und die Sklaven des Hauses beschnitten werden. 2.1.5 Die Rettung Lots in Genesis 19 In Gen 19 wird die Rettung von Lot und seinen Töchtern vor der Zerstörung von Sodom berichtet. So wird hier zunächst in Gen 19,1–14 der Besuch zweier Boten in Lots Haus und eine darauf folgende Auseinandersetzung zwischen Lot und den Männern von Sodom, die sich an seinen Gästen vergehen wollen, dargestellt. In Gen 19,15–29 wird sodann die Zerstörung Sodoms und die Rettung von Lot und seiner Familie geschildert. Und schließlich wird in Gen 19,30–38 ausgeführt, wie Lots Töchter von ihrem Vater —————

78 So auch LÖHR, Untersuchungen I, 14; VON RAD, Priesterschrift, 23. Demgegenüber meint aber GRÜNDWALDT, Exil, 37–38, der ja auch Gen 17,9–14 für einen literarischen Nachtrag hält, dass die Verse 17,26.24–25 (in dieser Reihenfolge) noch zur priesterlichen Grundschicht des Kapitels zu rechnen sind. Seiner Ansicht nach wurden hier nur die Verse 17,23.27, in denen die Beschneidung der Sklaven dargestellt wird, nachgetragen. Doch ohne die in Gen 17,9–14 belegte Beschneidungsordnung ist schlechterdings nicht erklärbar, warum in Gen 17,26.24–25 – und somit als direkte Konsequenz aus dem zuvor dargestellten Bundesschluss – die Beschneidung von Abraham und Ismael dargestellt worden sein sollte (vgl. hierzu auch die Kritik an Grünwaldt bei OTTO, Forschungen, 37–38). Es ist daher wesentlich wahrscheinlicher, dass nach Gen 17,9–14 der gesamte Textbereich 17,23–27 als Nachtrag aufzufassen ist. 79 Siehe hierzu im Einzelnen WÖHRLE, Function, 78–84.

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Kinder bekommen, von denen die Moabiter und die Ammoniter abstammen. Die in Gen 19 belegte Erzählung wird häufig, und wohl zurecht, als ein im Wesentlichen einheitlicher Text aufgefasst.80 Die Erzählung wurde vermutlich einst im Zusammenhang des nun in Gen 13*; 18–19* belegten Abraham-Lot-Erzählkranzes tradiert und dann zusammen mit weiteren Einzelüberlieferungen von den Herausgebern der ersten übergreifenden Vätergeschichte in ihr Werk integriert.81 Von dieser, aus dem Abraham-Lot-Erzählkranz aufgenommenen Erzählung wird dann aber zumeist Gen 19,29 mit der dort belegten Notiz, dass Gott bei der Zerstörung der Städte an Abraham gedachte und Lot rettete, abgehoben und der priesterlichen Schicht zugewiesen.82 Zudem wird häufig davon ausgegangen, dass dieser Vers seinen ursprünglichen Ort im Anschluss an die priesterliche Darstellung der Trennung von Abraham und Lot in Gen 13,11b.12aba hatte und dann erst im Rahmen der redaktionellen Vereinigung der priesterlichen und der nichtpriesterlichen Texte an seinen vorliegenden Ort gestellt wurde.83 Sicherlich richtig ist an diesen Überlegungen, dass Gen 19,29 sekundär in den vorliegenden Kontext eingefügt wurde. Denn die Rettung Lots aus Sodom war ja zuvor in den Versen 19,15–28 bereits dargestellt worden. Der in Gen 19,29 belegte erneute Verweis auf die Rettung Lots fällt somit hinter den bisherigen Erzählverlauf zurück. Zudem ist zu beachten, dass Lot nach Gen 19,15–28 aufgrund seiner eigenen Gerechtigkeit gerettet wird. In Gen —————

80 Vgl. etwa DILLMANN, KEH 11, 276; VON RAD, ATD 2–4, 169–176; VAN SETERS, Abraham, 216–221; BLUM, Komposition, 281–282; FISCHER, Erzeltern, 36–37; ALBERTZ, Exilszeit, 198. Bisweilen wird aber die Annahme vorgetragen, dass die in Gen 19,30–38 belegten Schilderungen über Lot und seine Töchter erst sekundär eingebracht wurden; vgl. hierzu REVENTLOW, Internationalismus, 366–367; KILIAN, Überlieferungsgeschichte, 28–29; RUPPERT, fzb 98, 409. Zu beachten ist doch aber, dass die gesamte Erzählung auf diese Szene zuläuft. Wie insbesondere BLUM, a.a.O., 281, richtig gesehen hat, sind die zuvor belegten Aussagen, dass die Töchter Lots noch keinen Mann hatten (19,8), dass sich die künftigen Schwiegersöhne weigern zu fliehen (19,12.14) und dass Lots Frau auf der Flucht stirbt (19,17.26) doch gut so zu verstehen, dass hiermit eine Notlage – nämlich der gefährdete Erhalt von Lots Familie – dargestellt wird, die dann mit der in Gen 19,30–38 belegten Darstellung der Geschehnisse um Lot und seine Töchter einer Lösung zugeführt wird. 81 Vgl. hierzu insbesondere BLUM, Komposition, 273–297; ALBERTZ, Exilszeit, 200. 82 Vgl. nur NÖLDEKE, Untersuchungen, 21; WELLHAUSEN, Composition, 15; DILLMANN, KEH 11, 276; HOLZINGER, KHC 1, 132; GUNKEL, HK 1,1, 263; EICHRODT, Priesterschrift, 16; NOTH, Überlieferungsgeschichte, 13; VON RAD, ATD 2–4, 175; ZIMMERLI, ZBK.AT 1,2, 93; WESTERMANN, BK 1,2, 364; SPEISER, AncB 1, 143; LEVIN, Jahwist, 168; CARR, Fractures, 115; SEEBASS, Genesis II,1, 149; RUPPERT, fzb 98, 426. 83 Vgl. NÖLDEKE, Untersuchungen, 22; WELLHAUSEN, Composition, 15; GUNKEL, HK 1,1, 263; EICHRODT, Priesterschrift, 16; NOTH, Überlieferungsgeschichte, 13; LEVIN, Jahwist, 168; CARR, Fractures, 115–116.

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

19,29 heißt es dann aber, dass Lot um Abrahams willen gerettet wird.84 Und schließlich fällt eine terminologische Differenz zwischen der vorangehenden Erzählung und Gen 19,29 auf: So wird in Gen 19,1–28 schlicht die „Ebene“ (rkk, 19,17.25.28) als Ort der Zerstörung genannt. In 19,29 ist hingegen von den „Städten der Ebene“ (rkkh yr[) die Rede.85 All dies spricht dafür, dass Gen 19,29 erst sekundär in die vorliegende Erzählung eingebracht wurde. Richtig ist sodann auch die gängige Sicht, dass dieser Vers den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte zuzuweisen ist. Denn bei Gen 19,29 zeigen sich gleich zwei markante terminologische Verbindungen zu anderen priesterlichen Texten.86 So ist die eben erwähnte geographische Bezeichnung „Städte der Ebene“ (rkkh yr[) neben Gen 19,29 überhaupt nur noch in dem priesterlichen Teilvers 13,12aba belegt. Zudem besteht zu der in Gen 19,29 belegten Aussage, dass Gott an Abraham gedachte (rkz) und Lot um seinetwillen rettete, eine bedeutende Parallele im Rahmen der priesterlichen Sintfluterzählung, wo es in Gen 8,1 heißt, dass Gott an Noah gedachte (rkz) und deshalb der Flut ein Ende bereitete. Gen 19,29 ist also tatsächlich der priesterlichen Schicht zuzuschreiben.87 Hochgradig spekulativ erscheint dagegen die übliche Annahme, dass dieser Vers seinen ursprünglichen Ort im direkten Anschluss an die priesterliche Darstellung der Trennung von Abraham und Lot in Gen 13,11b.12aba hatte. Diese Annahme dürfte doch vor allem dem Anliegen entspringen, aus den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte eine ursprünglich eigenständig überlieferte Quelle zu rekonstruieren. Es lässt sich aber gerade im Gegenteil zeigen, dass der priesterliche Vers Gen 19,29 – wie überhaupt die priesterliche Darstellung von Abraham und Lot in Gen 13,11b.12aba; 19,29 – den nichtpriesterlichen Kontext voraussetzt und somit als Redaktion der vorgegebenen nichtpriesterlichen Vätergeschichte anzusehen ist. So ist allein schon beachtenswert, dass nur im Rahmen der auf Gen 19,29 folgenden nichtpriesterlichen Verse 19,30–38 ausgeführt wird, dass Lot der Stammvater der Moabiter und der Ammoniter war. Da kaum davon auszugehen sein dürfte, dass ein solcher volksgeschichtlicher Bezug im Rahmen der priesterlichen Darstellung fehlte, spricht doch aber schon dies dafür, dass die priesterlichen Passagen Gen ————— 84

So auch schon HOLZINGER, KHC 1, 132; GUNKEL, HK 1,1, 263; VON RAD, ATD 2–4, 175. Vgl. DILLMANN, KEH 11, 276; HOLZINGER, KHC 1, 132; GUNKEL, HK 1,1, 263. 86 Vgl. hierzu etwa DILLMANN, KEH 11, 276; HOLZINGER, KHC 1, 132; GUNKEL, HK 1,1, 263; EICHRODT, Priesterschrift, 17; ZIMMERLI, ZBK.AT 1,2, 93; LEVIN, Jahwist, 168; RUPPERT, fzb 98, 426. 87 Gegen RENDTORFF, Problem, 125–126, und BLUM, Komposition, 283 Anm. 8, die sich gegen eine Zuweisung von Gen 19,29 zu den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte aussprechen. 85

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13,11b.12aba; 19,29 mit den dort belegten Ausführungen über Abraham und Lot die nichtpriesterliche Vätergeschichte voraussetzen und für diesen Kontext verfasst wurden.88 Für diese Annahme spricht auch noch eine weitere Überlegung: So wurde bislang noch zu wenig beachtet, dass die in Gen 19,29 für das göttliche Rettungshandeln gebrauchte Formulierung xlv + !m „herausschicken aus“ eigentlich die Angabe erfordert, wohin dies Herausschicken führte. Jedenfalls wird bei den sonstigen Belegen dieser Wendung in der überwiegenden Zahl der Fälle ein solches Ziel oder zumindest eine Konsequenz des Herausschickens angegeben.89 Gen 19,29 setzt somit den folgenden nichtpriesterlichen Vers 19,30 mit der dort belegten Aussage, dass Lot hinaufging und sich in den Bergen niederließ, voraus.90 Der priesterliche Vers Gen 19,29 ist daher nicht als ein von einem anderen Ort hierher versetzter Teil einer ursprünglich unabhängig überlieferten priesterlichen Quelle zu verstehen. Vielmehr handelt es sich bei diesem Vers um einen für den vorliegenden Kontext verfassten Nachtrag.91 Bei der in Gen 19 belegten Erzählung über die Rettung von Lot und seinen Töchtern aus der Zerstörung von Sodom ist somit Gen 19,29 der priesterlichen Schicht zuzuweisen. Dabei zeigt sich hier einmal mehr, dass die priesterlichen Passagen der Vätergeschichte als Redaktion der vorgegebenen nichtpriesterlichen Vätergeschichte zu verstehen sind. —————

88 In älteren Ansätzen wurde noch häufiger angenommen, dass die priesterlichen Ausführungen darüber, dass Lot der Stammvater der Moabiter und Ammoniter war, bei der redaktionellen Zusammenfügung der priesterlichen und der nichtpriesterlichen Texte weggefallen ist; vgl. hierzu schon NÖLDEKE, Untersuchungen, 22, sowie WELLHAUSEN, Composition, 15; GUNKEL, HK 1,1, 263. Das hieße doch aber, dass ein und derselbe Redaktor, der nach der üblichen These die kurze priesterliche Notiz über die Rettung Lots in Gen 19,29 eigens von ihrem ursprünglichen Kontext hinter 13,11b.12aba abgetrennt und an ihren vorliegenden Ort versetzt hat, um sie so in seinem neuen Werk erhalten zu können, dann aber die priesterlichen Darlegungen über die von Lot herkommenden Nachbarvölker einfach weggelassen hat. Dies erscheint alles andere als wahrscheinlich. So wies auch schon EERDMANS, Studien I, 7.11, darauf hin, dass die Existenz größerer Lücken, die innerhalb eines ursprünglichen P-Zusammenhangs angenommen werden müssen, doch eigentlich der These widerspricht, dass Gen 19,29 von seiner ursprünglichen Position hinter 13,11b.12aba an die vorliegende Stelle versetzt wurde, um diesen Vers so erhalten zu können. In neueren Ansätzen wird dieses Problem erstaunlicherweise nicht weiter diskutiert. 89 Vgl. etwa Gen 3,23; 8,8; 25,6; 37,14; Num 13,3; 20,14; 32,8; Dtn 2,26; 9,23; Jos 2,1; 7,2; 14,7; Ri 18,2; 1 Sam 9,16; 25,14; 30,26; Jes 16,1; 66,19; Jer 24,5; 29,1.20. 90 So meinte schon JACOB, Genesis, 463, dass der Vers Gen 19,29 „nur Vordersatz zum nächsten ist“. Und beachtenswerterweise wollte NÖLDEKE, Untersuchungen, 22, aus dem folgenden Vers Gen 19,30 zumindest die Wendung rhb bvyw, mit der ja gerade das Ziel der Rettung Lots angegeben wird, zu dem priesterlichen Vers Gen 19,29 hinzunehmen. 91 Dass es sich bei Gen 19,29 um einen für den vorliegenden Kontext verfassten Nachtrag handelt, meinten auch schon GRAF, Grundschicht, 471; VAN SETERS, Abraham, 285; ZIEMER, Abram, 363 Anm. 452, sowie KRATZ, Komposition, 240, der diesen Vers dann allerdings nicht der priesterlichen Schicht zuweist.

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2.1.6 Die Geburt Isaaks in Genesis 21,1–7 Bei der in Gen 21,1–7 dargestellten Geburt Isaaks wird zunächst in den Versen Gen 21,1–3 ausgeführt, wie Jhwh Sarah heimsucht, wie diese schwanger wird, einen Sohn zur Welt bringt und Abraham ihm den Namen Isaak gibt. In Gen 21,4 wird daraufhin die Beschneidung Isaaks erwähnt. In Gen 21,5 wird die Geburt Isaaks mit einer Datierung über das Lebensalter des Abraham versehen. Und in Gen 21,6–7 wird schließlich ein Freudenausruf Sarahs vorgebracht. In der bisherigen Forschung wird bei Gen 21,1–7 häufig der Textbereich Gen 21,1b.2–5 den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte zugeschrieben.92 Dabei wird insbesondere darauf verwiesen, dass nach Gen 21,2 die Geburt Isaaks zu der Zeit (d[wm) erfolgt, die Gott zuvor genannt hat, was zumeist als Rückbezug auf den priesterlichen Vers Gen 17,21 verstanden wird, nach dem Abraham „um diese Zeit (d[wm) im nächsten Jahr“ ein Sohn geboren werden soll. Zudem wird für die Zuweisung von Gen 21,1b.2–5 zur priesterlichen Schicht vorgebracht, dass in Gen 21,3 Abraham, also der Vater, und nicht wie in den nichtpriesterlichen Passagen üblich die Mutter das Kind benennt. Sodann wird die in Gen 21,4 erwähnte Beschneidung Isaaks in einer Linie mit der in Gen 17,9–14 belegten Beschneidungsforderung verstanden. Und schließlich wird die in Gen 21,5 belegte Datierung als Argument für die Zuweisung von Gen 21,1b.2–5 zu den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte herangezogen. Die literarische Zuordnung von Gen 21,1b.2–5 zu den priesterlichen Passagen ist jedoch mit Problemen verbunden. Dies gilt zunächst für Gen 21,1b. Bei diesem Teilvers lassen sich keinerlei terminologische Verbindungen zu den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte aufzeigen.93 Im Gegenteil: Dass in Gen 21,1b entgegen der sonstigen Anlage der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte der Gottesname Jhwh belegt ist, spricht doch gerade gegen die Annahme, dass dieser Teilvers der priesterlichen Schicht zuzuschreiben ist.94 ————— 92

Vgl. hierzu, mit Unterschieden im Detail, NÖLDEKE, Untersuchungen, 22; WELLHAUSEN, Composition, 15; DILLMANN, KEH 11, 283; HOLZINGER, KHC 1, 132; GUNKEL, HK 1,1, 272; NOTH, Überlieferungsgeschichte, 13; VON RAD, ATD 2–4, 182; ZIMMERLI, ZBK.AT 1,2, 99; WESTERMANN, BK 1,2, 405; SPEISER, AncB 1, 153–154; SCHARBERT, NEB.AT 16, 160; CARR, Fractures, 96–97; SEEBASS, Genesis II,1, 183; KRATZ, Komposition, 241–242; RUPPERT, fzb 98, 460. 93 So gehen unter den zuvor Anm. 92 genannten Ansätzen etwa NÖLDEKE, Untersuchungen, 22; WELLHAUSEN, Composition, 15; SEEBASS, Genesis II,1, 183; RUPPERT, fzb 98, 460, davon aus, dass die priesterliche Darstellung der Geburt Isaaks erst mit Gen 21,2 einsetzte. 94 Gerade in älteren Ansätzen wurde daher häufiger angenommen, dass bei Gen 21,1b ein ursprüngliches ~yhla sekundär durch den Gottesnamen hwhy ersetzt wurde; vgl. hierzu etwa DILLMANN, KEH 11, 283; HOLZINGER, KHC 1, 133; GUNKEL, HK 1,1, 272, und in neuerer Zeit noch ZIMMERLI, ZBK.AT 1,2, 99; SPEISER, AncB 1, 154.

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Die priesterlichen Passagen in den Abrahamerzählungen

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Auch die Zuweisung von Gen 21,2 zu den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte ist nicht wirklich überzeugend. So ist zunächst bemerkenswert, dass der nichtpriesterlichen Schicht ohne Gen 21,2 eine entsprechende Notiz über die Geburt des Isaak fehlen würde.95 Zudem ist zu beachten, dass auch Gen 21,2 keinerlei klare Bezüge zur priesterlichen Schicht erkennen lässt. Der häufig genannte Rückbezug zu Gen 17,21 über den Begriff d[wm könnte ebenso gut als Rückbezug auf den nichtpriesterlichen Vers Gen 18,14 verstanden werden, wo dieser Begriff ebenfalls im Rahmen der Ankündigung eines Nachkommen für Abraham und Sarah belegt ist.96 Aber mehr noch: Es zeigen sich bei Gen 21,2 gleich zwei deutliche terminologische Verbindungen zur nichtpriesterlichen Vätergeschichte. So ist zum einen die sonst nur in nichtpriesterlichen Passagen belegte Wendung dltw rhtw am Beginn dieses Verses beachtenswert.97 Zum anderen findet sich in Gen 21,2 der markante Ausdruck „in seinem Alter“ (wynqzl), der dann auch am Ende der vorliegenden Einheit, in dem sicherlich nichtpriesterlichen Vers Gen 21,7, belegt ist.98 Von besonderer Bedeutung ist der folgende Vers Gen 21,3. In diesem Vers wird erwähnt, dass Abraham seinem Sohn den Namen Isaak gibt. Dabei ist an dieser Stelle die Formulierung wnb-~v-ta ~hrba arqyw belegt. Unter den zuvor – im Zusammenhang der Überlegungen zur angeblich priesterlichen Herkunft von Gen 16,15 – vorgestellten Typen von Namensgebung folgt Gen 21,3 also dem Typ wnb ~v(-ta) (PN) arq, der so im gesamten Alten Testament überhaupt nur in Gen 16,15 und in Gen 21,3 belegt ist.99 Die unzweifelhaft den priesterlichen Passagen der Genesis zuzuweisenden Belege einer Namensgebung weisen dagegen die übliche Form wmv(-ta) (PN) arq auf. —————

95 Nicht umsonst meinten etwa VON RAD, Priesterschrift, 27; WESTERMANN, BK 1,2, 405; SCHARBERT, NEB.AT 16, 160; CARR, Fractures, 96–97, dass Gen 21,1–2 in beiden Quellen, der priesterlichen und der nichtpriesterlichen, enthalten war oder dass dieser Textbereich neben- und ineinander priesterliche und nichtpriesterliche Elemente enthält, die sich nicht mehr im Detail auseinanderhalten lassen. NOTH, Überlieferungsgeschichte, 13; COATS, Curse, 37, gingen sodann davon aus, dass an der vorliegenden Stelle der nichtpriesterliche Text bei der Zusammenarbeitung mit dem ursprünglich unabhängig überlieferten priesterlichen Text durch diesen ersetzt wurde. 96 So auch VOLZ, P, 137; VAN SETERS, Abraham, 206; KÖCKERT, Vätergott, 238; FISCHER, Erzeltern, 22; JERICKE, Geburt, 32. 97 Diese Wendung ist im gesamten Pentateuch nur in den nichtpriesterlichen Versen Gen 4,1.17; 16,11; 21,2; 29,32.33.34.35; 30,5.7.17.19.23; 38,3.4; Ex 2,2 belegt. 98 Es wurde allerdings schon häufiger angenommen, dass die Wendung wynqzl in Gen 21,2 erst sekundär aus 21,7 ergänzt wurde; vgl. etwa NÖLDEKE, Untersuchungen, 22; ZIMMERLI, ZBK.AT 1,2, 100; RUPPERT, fzb 98, 460. Diese literarkritische Operation dürfte aber allein auf den Willen zurückgehen, in Gen 21,2 einen Grundbestand herauszuarbeiten, der den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte zugewiesen werden kann und aus dem sich dann eine durchlaufende priesterliche Quelle rekonstruieren lässt. Anderweitige Argumente für die Ausscheidung von wynqzl in Gen 21,2 lassen sich jedenfalls keine finden. 99 Siehe hierzu oben 43–44.

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

Diese in der bisherigen Forschung noch nicht wirklich beachtete Erkenntnis ist nun von erheblicher Bedeutung für die literarische Einordnung von Gen 21,3. Denn der Vers Gen 16,15 mit der dort belegten Namensgebung Ismaels konnte ja mit guten Gründen einer Redaktion zugewiesen werden, über die der erst sekundär in die Vätergeschichte eingebrachte Textbereich Gen 20–22* vorbereitet wurde.100 Dass die in Gen 21,3 belegte Namensgebung Isaaks dieselbe, sonst aber an keiner weiteren Stelle belegte formale Gestalt wie Gen 16,15 aufweist, ist dann doch aber am einfachsten so zu erklären, dass auch dieser Vers auf die Redaktoren zurückgeht, die den Textbereich Gen 20–22* in die werdende Vätergeschichte eingearbeitet haben. Gen 21,3 und damit der gesamte, noch näher zu bestimmende Grundbestand von Gen 21,1–7 wurde also im Zuge der Ergänzung von Gen 20–22* in die werdende Vätergeschichte eingebracht. Vermutlich wurde dabei eine ältere Darstellung der Geburt Isaaks durch Gen 21,1–7* ersetzt,101 oder – wahrscheinlicher noch – es wurde eine solche ältere Darstellung in Gen 21,1–7* integriert, ohne dass diese Fassung noch im Einzelnen zu rekonstruieren wäre. Durch die Annahme, dass bei Gen 21,1–7* eine ältere, den Redaktoren von Gen 20–22* vorgegebene Darstellung der Geburt Isaaks aufgenommen wurde, ließen sich jedenfalls die kleineren Spannungen innerhalb dieses Textbereichs erklären, also etwa das Nebeneinander des Gottesnamens Jhwh in Gen 21,1 und der allgemeinen Gottesbezeichnung Elohim in Gen 21,2.6 oder die Tatsache, dass nach Gen 21,3 Abraham seinen Sohn Isaak benennt, dass dann aber nach Gen 21,6–7 seine Frau Sarah in ihrem Freudenausruf den Isaak-Namen durch das hier belegte Verbum qxc wortspielartig aufnimmt.102 Es bleibt nun noch eine Betrachtung der gemeinhin der priesterlichen Schicht zugewiesenen Verse Gen 21,4–5 mit der in 21,4 erwähnten Beschneidung Isaaks und der in 21,5 folgenden Datierung. Unzweifelhaft ist hier zunächst, dass die Datierung in Gen 21,5 den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte zuzuweisen ist. Denn dieser Vers entspricht formal den ————— 100

S.o. 40–44. So meint etwa ALBERTZ, Exilszeit, 205, dass der Redaktor, der den Textbereich Gen 20– 22* einbrachte – nach Albertz der „Vätergeschichtsredaktor 2“ (VGR2) –, die Darstellung der Geburt Isaaks aus der ihm vorgegebenen Fassung der Vätergeschichte („Vätergeschichte 1“) durch seine eigene Geburtserzählung in Gen 21,1–2.6–7 ersetzte. 102 Die wortspielhafte Aufnahme des Isaak-Namens bei der in Gen 21,6–7 belegten Rede der Sarah führte WESTERMANN, BK 1,2, 405–406, zu der durchaus naheliegenden Annahme, dass in einer nicht mehr erhaltenen Fassung der Geburtserzählung Sarah ihren Sohn benannt haben wird. Dass im vorliegenden Text nach Gen 21,3 nun Abraham seinen Sohn benennt, ist aber nicht, wie häufig und auch bei Westermann angenommen, Folge der Einarbeitung der priesterlichen Schicht, sondern geht, wie gezeigt, bereits auf die Redaktoren zurück, die den Textbereich Gen 20–22* in die werdende Vätergeschichte eingearbeitet haben. 101

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Die priesterlichen Passagen in den Abrahamerzählungen

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bereits in den priesterlichen Versen Gen 12,4b; 16,16, aber auch an zahlreichen weiteren, der priesterlichen Schicht zuzuweisenden Stellen belegten Datierungen. Dabei zeigt sich auch hier, dass die priesterlichen Passagen der Vätergeschichte als Redaktion einer vorgegebenen nichtpriesterlichen Fassung der Vätergeschichte anzusehen sind. Denn der an dieser Stelle belegte, mit b plus Infinitiv formulierte Typ von Datierung setzt doch eindeutig die vorangehende Erwähnung der Geburt Isaaks und somit den Vers Gen 21,3 voraus, der hier nachträglich mit einer Datierung versehen wird.103 Dass der priesterliche Vers Gen 21,5 gerade den Vers Gen 21,3 voraussetzt, der nach den vorangehenden Überlegungen auf diejenige Redaktion zurückgeht, die den Textbereich Gen 20–22 in die werdende Vätergeschichte eingebracht hat, zeigt dann, nebenbei gesagt, auch, dass der priesterlichen Bearbeitung eine bereits um Gen 20–22 – oder zumindest um einen Grundbestand dieses Textbereichs – ergänzte Fassung der Vätergeschichte vorlag und von dieser bearbeitet wurde. Bei Gen 20–22* handelt es sich also um eine vorpriesterliche Ergänzung zur werdenden Vätergeschichte.104 Anders als bei Gen 21,5 ist die Zuweisung von Gen 21,4 zu den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte fraglich. Die hier belegte Beschneidung Isaaks setzt ja eindeutig die in Gen 17,9–14 belegte Beschneidungsordnung voraus, die sich nach den zuvor vorgestellten Überlegungen zusammen mit der in 17,23–27 belegten Darstellung der Beschneidung Abrahams, Ismaels und der Sklaven des Hauses als Nachtrag zu der in Gen 17 belegten priesterlichen Fassung des Abrahambundes erwiesen hat.105 Schon dies spricht also dafür, dass die in Gen 21,4 belegte Erwähnung der Beschneidung Isaaks erst sekundär, und dann wohl von derselben Hand wie Gen 17,9–14.23–27, eingebracht wurde.106 Für diese Annahme spricht auch noch eine weitere Überlegung. So ist zu beachten, dass die Datierung in Gen 21,5 auf die in Gen 21,3 dargestellte Geburt und nicht auf die in Gen 21,4 erwähnte Beschneidung Isaaks bezo————— 103

Zu dem hier belegten Typ von Datierung, mit dem ein zuvor bereits genanntes Ereignis nachträglich mit einer Datierung versehen wird, s.o. 35–36. Dass die priesterliche Schicht in Gen 21 als Redaktion der nichtpriesterlichen Schicht anzusehen ist, meinten sodann auch schon VAN SETERS, Abraham, 285; BLUM, Komposition, 428 Anm. 60; JERICKE, Geburt, 36; ALBERTZ, Exilszeit, 195. Allerdings wird bei diesen Ansätzen der gesamte Textbereich Gen 21,3–5 (wenn nicht gar Gen 21,2–5) und nicht – wie hier vorgeschlagen – nur die in Gen 21,5 belegte Datierung den priesterlichen Passagen zugewiesen. Die hier vertretene Minimallösung wurde in der bisherigen Forschung lediglich von RENDTORFF, Problem, 127.132–133, erwogen. 104 So auch schon BLUM, Komposition, 297–361, oder ALBERTZ, Exilszeit, 193–197. 105 S.o. 46–50. 106 Dass es sich bei Gen 21,4, oder zumindest Gen 21,4a, um einen nachpriesterlichen Nachtrag handelt, meinten auch schon LEVIN, Jahwist, 172; GRÜNWALDT, Exil, 63; SEEBASS, Genesis II,1, 183; KRATZ, Komposition, 241.

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gen ist. Da die priesterlichen Datierungen, die dem mit b plus Infinitiv formulierten Typ folgen, ansonsten direkt im Anschluss an das Ereignis, das mit ihnen datiert wird, vorgebracht werden,107 ist es also gut denkbar, dass Gen 21,5 ursprünglich im direkten Anschluss an den Vers Gen 21,3 stand, in dem die Geburt Isaaks erwähnt wird, und die in Gen 21,4 belegte Darstellung der Beschneidung Isaaks dann erst sekundär zwischen diesen beiden Versen eingebracht wurde. Bei der in Gen 21,1–7 belegten Darstellung der Geburt Isaaks ist also eine Grundschicht erkennbar, die die Verse 21,1–3.6–7 umfasst und die – evtl. unter Aufnahme einer nicht mehr im Einzelnen rekonstruierbaren älteren Fassung – auf die Redaktoren zurückgeht, die den erst sekundär in die werdende Vätergeschichte eingebrachten Textbereich Gen 20–22* ergänzt haben. Den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte ist dann lediglich die Datierung in 21,5 zuzuweisen. Dabei zeigt sich erneut, dass die priesterlichen Passagen als Bearbeitung einer bereits vorgegebenen nichtpriesterlichen Fassung der Vätergeschichte zu verstehen sind. Zudem zeigt sich nun, dass die der priesterlichen Bearbeitung vorgegebene Fassung der Vätergeschichte bereits den erst sekundär eingebrachten Textbereich Gen 20–22*, oder zumindest eine Grundschicht dieses Textbereichs, enthielt. Bei der in Gen 21,4 belegten Erwähnung der Beschneidung Isaaks handelt es sich schließlich um eine nachpriesterliche Ergänzung, die derselben Hand zuzuweisen ist, die auch schon Gen 17,9–14.23–27 zugefügt hat. 2.1.7 Tod und Begräbnis Sarahs in Genesis 23 In Genesis 23 wird zunächst in Gen 23,1–2 erwähnt, dass Sarah im Alter von 127 Jahren in Hebron stirbt und Abraham um seine Frau trauert. In Gen 23,3–18 folgt sodann eine umfangreiche Schilderung, wie Abraham mit Ephron, dem Hetiter, um eine Grabhöhle verhandelt und diese schließlich erwirbt. Die Einheit endet in Gen 23,19–20 mit dem Begräbnis der Sarah. Bis in die neuere Zeit hinein wird Gen 23 häufig zu den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte gerechnet.108 Maßgebend sind dabei vor allem —————

107 So wird bei den mit b plus Infinitiv formulierten Datierungen in Gen 12,4b der direkt zuvor in 12,4a dargestellte Auszug aus Harran, in Gen 16,16 die direkt zuvor in 16,15 erwähnte Geburt Ismaels, in Gen 25,26b die direkt zuvor in 25,25–26a geschilderte Geburt von Esau und Jakob und in Gen 41,46 das direkt zuvor in 41,14–45 beschriebene Auftreten des Josef vor dem Pharao mit einer Datierung versehen. 108 Vgl. etwa NÖLDEKE, Untersuchungen, 23; WELLHAUSEN, Composition, 15; DILLMANN, KEH 11, 296; HOLZINGER, KHC 1, 133; GUNKEL, HK 1,1, 273; NOTH, Überlieferungsgeschichte, 10; VON RAD, ATD 2–4, 196; ZIMMERLI, ZBK.AT 1,2, 119; GOLKA, Erzählungen, 193; WESTERMANN, BK 1,2, 456; SCHARBERT, NEB.AT 16, 169; EMERTON, Priestly Writer, 388–390; GESE,

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terminologische Kriterien. Es fällt etwa die Angabe des Lebensalters der Sarah in Gen 23,1 auf, was so auch bei anderen Todesnotizen in der Genesis belegt ist, die sich ebenfalls als Teil der priesterlichen Schicht erweisen werden.109 Zudem findet sich in Gen 23,2.19 die bislang allein in den priesterlichen Passagen belegte Bezeichnung des Landes als ![nk #ra,110 und in Gen 23,2 wird für Hebron die Ortsbezeichnung [bra tyrq verwandt, die im gesamten Pentateuch nur noch in dem unumstritten der priesterlichen Schicht zuzuweisenden Vers 35,27 belegt ist. Für die Zuweisung von Gen 23 zu den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte wird sodann auf die Bezeichnung der Landbewohner als tx-ynb in Gen 23,3.5.7.10.16.18.20, auf die Selbstbeschreibung Abrahams als bvwtw-rg in Gen 23,4 sowie die Bezeichnung der Grabhöhle als rbq-tzxa in Gen 23,4.9.20 verwiesen.111 Und schließlich wird für eine solche Zuweisung geltend gemacht, dass bei den weiteren, gemeinhin der priesterlichen Schicht zugewiesenen Sterbenotizen in Gen 25,9–10; 49,29–32; 50,13 auf den in Gen 23 vorgestellten Kauf der Grabhöhle zurückverwiesen wird.112 Es wurden allerdings zurecht auch schon immer wieder Stimmen laut, die sich gegen eine Zuweisung von Gen 23 zu den priesterlichen Passagen der Genesis ausgesprochen haben.113 So fällt schon die Länge, ja Weitschweifigkeit der in Gen 23,3–18 dargestellten Kaufverhandlungen zwischen Abraham und Ephron auf, womit sich diese Einheit doch sehr deutlich von den sonstigen, eher knapp und präzise gestalteten priesterlichen Texten unterscheidet.114 Zudem und vor allem will es kaum gelingen, die hier belegte Erzählung auf inhaltlicher Ebene mit den sonstigen priesterlichen Passagen in Verbindung zu bringen. Gerade in der älteren, aber auch noch in Teilen der neueren Forschung wurde nämlich angenommen, dass mit Gen 23 die partielle Realisierung der im Rahmen des Abrahambundes in Gen 17,8 vorgebrachten priesterlichen ————— Komposition, 47–48 Anm. 52; POLA, Priesterschrift, 308–309; SEEBASS, Genesis II,2, 232–233; RUPPERT, fzb 98, 558. 109 Vgl. Gen 25,7–8.17; 35,28–29. 110 Zur Bezeichnung ![nk #ra als Kriterium für die Zuweisung eines Textes zu den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte s.o. 34 Anm. 31. 111 Vgl. DILLMANN, KEH 11, 296; HOLZINGER, KHC 1, 133; GUNKEL, HK 1,1, 273; EMERTON, Priestly Writer, 389; siehe hierzu im Einzelnen unten 62. 112 Vgl. DILLMANN, KEH 11, 296; GUNKEL, HK 1,1, 273; ZIMMERLI, ZBK.AT 1,2, 119; EMERTON, Priestly Writer, 389–390; POLA, Priesterschrift, 308; RUPPERT, fzb 98, 558; SAND, Dialogue Documents, 111–112. 113 Siehe hierzu etwa EERDMANS, Studien I, 20–21; SMEND SEN., Erzählung, 10–11; EICHRODT, Priesterschrift, 40–42; LÖHR, Untersuchungen I, 17–19; VOLZ, P, 139–140; RENDTORFF, Problem, 128–130; BLUM, Komposition, 441–446; CARR, Fractures, 111–112, sowie KRATZ, Komposition, 241. 114 Vgl. etwa EICHRODT, Priesterschrift, 41; VOLZ, P, 140; KRATZ, Komposition, 241.

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Landverheißung dargestellt wird.115 Der Kauf der Grabhöhle wird so gewissermaßen als Unterpfand für den künftigen Besitz des Landes Kanaan verstanden. Gegen diese Annahme wurde aber zurecht schon häufiger eingewandt, dass der in Gen 23 dargestellte Kauf einer kleinen Parzelle Land doch kaum als Vorwegnahme der von Gott her verheißenen Übereignung des Landes verstanden werden kann.116 Über die Landthematik lässt sich ein Zusammenhang zwischen Gen 23 und den sonstigen priesterlichen Passagen der Vätergeschichte somit nicht herstellen.117 Die Zuweisung des in Gen 23 dargestellten Kaufs der Grabhöhle zu den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte kann sodann auch nicht damit begründet werden, dass im Kontext der folgenden priesterlichen Sterbenotizen in Gen 25,9–10; 49,29–32; 50,13 auf diesen Kauf zurückverwiesen wird. Im Gegenteil: Es lässt sich gerade von diesen Texten her begründen, dass der Kauf der Grabhöhle in Gen 23 mitsamt diesen Rückverweisen erst nachpriesterlich in die werdende Vätergeschichte eingebracht wurde. —————

115 Vgl. hierzu, mit Unterschieden im Detail, NÖLDEKE, Untersuchungen, 23; WELLHAUSEN, Prolegomena, 337; DILLMANN, KEH 11, 296–297; HOLZINGER, KHC 1, 133; VON RAD, ATD 2–4, 199; ZIMMERLI, ZBK.AT 1,2, 123; GOLKA, Erzählungen, 193–195; R.W. KLEIN, Message, 62; SCHARBERT, NEB.AT 16, 172; POLA, Priesterschrift, 308–309; RUPPERT, fzb 98, 558; SKA, Essay, 30–31. 116 So schon GUNKEL, HK 1,1, 273; EICHRODT, Priesterschrift, 41, sowie RENDTORFF, Problem, 129; BLUM, Komposition, 443. 117 Mit Blick auf die Intention von Gen 23 wurden neben der soeben vorgestellten Annahme, dass der in diesem Kapitel dargestellte Kauf der Grabhöhle als partielle Realisierung des späteren Landbesitzes zu verstehen ist, noch zahlreiche weitere Thesen vorgebracht. Noch recht nahe an der gängigen These ist die von VINK, Priestly Code, 91, oder BLENKINSOPP, Abraham, 240, vorgetragene Überlegung, dass der in Gen 23 beschriebene Kauf der Grabhöhle als Exemplum für die Rückkehrer aus dem Exil zu verstehen sei, die ihr Land durch Rückkauf wieder in Besitz nehmen sollen. FREVEL, Blick, 363, versteht Gen 23 etwas weiter als einen an die Rückkehrwilligen gerichteten Appell, sich im Land begraben zu lassen. Andere Ansätze beziehen den hier dargestellten Kauf der Grabhöhle nicht auf das Land, sondern erklären die in Gen 23 geschilderten Vorgänge eher von der Bedeutung der Grabstätte her. So vermutet etwa SARNA, Genesis, 158–159, dass Gen 23 als Ätiologie eines mit dem Grab der Erzeltern verbundenen Kultortes zu verstehen sei. Nach JACOB, Genesis, 512–513, oder SEEBASS, Genesis II,2, 232–235, wird, etwas allgemeiner gefasst, mit der in Gen 23 belegten Erzählung die Bedeutung der Grabhöhle als Ort des Gedächtnisses an die Erzeltern hervorgehoben. Demgegenüber meinen aber GUNKEL, HK 1,1, 274; MOWINCKEL, Erwägungen, 30; VAN SETERS, Abraham, 295; BRAY, Genesis 23, 69–73, dass die doch recht profane Darstellung des Grabkaufes gerade gegen die an solchen Kultorten praktizierte Ahnenverehrung gerichtet sei. Eine gewisse politische Dimension bringen schließlich SMEND SEN., Erklärung, 10–11; SKINNER, Genesis, 339, sowie in neuerer Zeit BLUM, Komposition, 443–444; GUILLAUME, Foreskins, 73–74 Anm. 19, oder LEVIN, Abraham, 113, mit ein, die meinen, dass mit Gen 23 Ansprüche der nachexilischen Bevölkerung auf das zu dieser Zeit in edomitischen Besitz gekommene Gebiet der Grabstätte formuliert würden. Doch wie auch immer die Intention dieses Kapitels genau zu bestimmen sein mag (am wahrscheinlichsten dürfte tatsächlich die Deutung als Ätiologie einer Kult- oder Gedächtnisstätte sein): In den Kontext der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte fügt sich die Erzählung vom Kauf der Grabhöhle jedenfalls mit keiner der genannten Auslegungen.

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Zu beachten ist nämlich allein schon, dass im Kontext der priesterlichen Darstellung des Todes des Isaak in Gen 35,29 kein Verweis auf seinen Begräbnisort vorgebracht wird.118 Dies ist auch deshalb erstaunlich, da bei der in Gen 49,31 belegten, mit Gen 23 zusammenhängenden summarischen Notiz über die Beisetzung der Erzeltern in der Grabhöhle dann doch erwähnt wird, dass auch Isaak in der Grabhöhle beigesetzt wurde. Sollten die priesterlichen Autoren tatsächlich nicht nur für die Sterbenotizen, sondern auch für die im Zusammenhang der Sterbenotizen belegten Rückverweise auf die Grabhöhle verantwortlich sein, so wäre kaum zu erklären, warum ein solcher Rückverweis bei der Sterbenotiz über Isaak weggelassen wurde. Aber mehr noch: Die soeben erwähnte, in Gen 49,31 belegte summarische Notiz ist auch noch in einer anderen Hinsicht von Bedeutung. In diesem Vers sagt Jakob über die Grabhöhle: Gen 49,31 Dort haben sie Abraham und seine Frau Sarah begraben, dort haben sie Isaak und seine Frau Rebekka begraben, und dort habe ich Lea begraben.

Es wurde bislang noch zu wenig beachtet, dass nach diesem Vers „sie“ – also eine Gruppe nicht näher genannter, von Jakob aber zu unterscheidender Personen – Isaak in der Grabhöhle beigesetzt haben. Jakob selbst hat dort nach Gen 49,31 nur seine Frau Lea bestattet. Nach der unzweifelhaft den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte zuzuweisenden Begräbnisnotiz Gen 35,29 waren es aber gerade Jakob und Esau, die ihren Vater Isaak bestattet haben. Die Beisetzung Leas wird in den priesterlichen Texten, wie auch sonst, überhaupt nicht erwähnt. Die erkennbaren Differenzen zwischen Gen 49,31 und den priesterlichen Begräbnisnotizen sprechen dann doch aber gerade dagegen, dass dieser Vers – und mit ihm die gesamte, an der Grabhöhle orientierte Überlieferung – den priesterlichen Texten der Vätergeschichte zuzuweisen ist. Es handelt sich hierbei vielmehr um eine die priesterlichen Begräbnisnotizen voraussetzende, nachpriesterliche Redaktion. Erklärungsbedürftig bleibt dann aber, warum sich in Gen 23 zweifellos einige terminologische Verbindungen zu den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte erkennen lassen. Dabei ist zunächst zu beachten, dass sich priesterliche Terminologie vor allem in den Versen Gen 23,1–2 findet, in denen der Tod Sarahs geschildert wird. Es ist hier in 23,1 die Angabe des Lebensalters und in 23,2 die Bezeichnung des Landes als ![nk #ra sowie die Bezeichnung Hebrons als [bra tyrq belegt. —————

118 Dies ist auch für CARR, Fractures, 111–112, ein wichtiges Argument gegen die Zuweisung von Gen 23 zu den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte.

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Die bisweilen mit Blick auf die folgenden Verse Gen 23,3–20 genannten, angeblich priesterlichen Formulierungen sind dagegen weit weniger markant.119 So ist die hier für die Landbevölkerung belegte Bezeichnung tx-ynb im gesamten Alten Testament überhaupt nur in Gen 23,3.5.7.10.16.18.20 und den damit zusammenhängenden Rückverweisen auf den Grabkauf in Gen 25,10; 49,32 belegt. In den zweifellos priesterlichen Passagen der Vätergeschichte findet sich lediglich die Bezeichnung ytx (26,34; 36,2) sowie die für die Töchter des Landes gebrauchte Wendung tx twnb (27,46). Die in Gen 23,4 belegte Selbstbezeichnung Abrahams als bvwtw-rg ist im Pentateuch nur in den wohl als spät- oder nachpriesterlich zu bezeichnenden Versen Lev 25,23.35.47; Num 35,15 belegt.120 Die Bezeichnung der Grabhöhle als rbq-tzxa in Gen 23,4.9.20 erinnert zwar an die in Gen 17,8 belegte Bezeichnung des verheißenen Landes als hzxa. Doch angesichts der zahlreichen Belege des Begriffs hzxa im Alten Testament121 und angesichts der jeweils doch sehr spezifischen Wendungen rbq-tzxa in Gen 23,4.9.20 einerseits und ~lw[-tzxa in Gen 17,8 andererseits dürfte dies wohl ebenfalls kein hinreichendes Argument für eine Zuweisung von Gen 23,3–20 zur priesterlichen Schicht sein. Die Beobachtung, dass Gen 23,1–2, nicht aber Gen 23,3–20 markante Verbindungen zu den sonstigen priesterlichen Passagen der Vätergeschichte aufweist, könnte dann doch aber für die Annahme sprechen, dass eben nur die in Gen 23,1–2 belegte Erwähnung von Sarahs Tod zu den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte zu rechnen ist, während die folgende Darstellung des Grabkaufs und der Bestattung Sarahs in 23,3–20 auf eine spätere Bearbeitung zurückgeht.122 Und genau für diese Annahme lässt sich noch eine weitere Beobachtung vorbringen. —————

119 Die einzig wirklich markante terminologische Verbindung zwischen Gen 23,3–20 und den sonstigen priesterlichen Passagen besteht in der abermaligen Bezeichnung des Landes als #ra ![nk in Gen 23,19. Doch lässt sich dies an der vorliegenden Stelle ohne weiteres als Aufnahme aus Gen 23,2 erklären. 120 Zu beachten ist auch, dass der Begriff bvwt im Rahmen der Vätergeschichte überhaupt nur in Gen 23,4 belegt ist. Die hier belegte Selbstbezeichnung Abrahams als bvwtw rg fällt daher aus der sonst lediglich am Begriff des Fremdling-Seins (rwg, Gen 35,27) und am Begriff der Fremdlingschaft (rwgm, Gen 17,8; 28,4; 36,7; 37,1; 47,9) orientierten Darstellung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte heraus. 121 Vgl. hierzu schon EERDMANS, Studien I, 21. Der Begriff hzxa ist im Alten Testament 66 Mal belegt und findet sich auch jenseits des Pentateuch an zahlreichen Stellen (Jos 21,12.41; 22,4.9.19; Ez 44,28; 45,5.6.7.8; 46,16.18; 48,20.21.22; Ps 2,8; Neh 11,3; 1 Chr 7,28; 9,2; 2 Chr 11,14; 31,1). 122 So auch LEVIN, Abraham, 98. Dass bei Gen 23 nur die anfängliche Notiz über den Tod der Sarah, nicht aber die folgende Darstellung des Grabkaufs der priesterlichen Schicht zuzuweisen ist, meinte sodann auch SPEISER, AncB 1, 173, allerdings ohne hierfür eine genauere Begründung vorzulegen.

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Beachtenswert sind nämlich die in Gen 23 belegten Ortsbezeichnungen und deren Parallelen im weiteren Verlauf der Vätergeschichte:

!wrbx awh [bra tyrq

armm !wrbx awh armm

Gen 23,1

Gen 35,27

Gen 23,17 Gen 25,9; 49,30; 50,13 Gen 23,19

In Gen 23,1 wird für den Ort, an dem Sarah stirbt, die seltene Bezeichnung Kirjat Arba verwandt und mit Hebron gleichgesetzt. Bei der folgenden Darstellung des Grabkaufs ist dagegen in 23,17 die Ortsbezeichnung Mamre belegt, die in 23,19 ihrerseits mit Hebron gleichgesetzt wird. Im weiteren Verlauf der Vätergeschichte wird dann in dem zweifellos priesterlichen Vers 35,27 (neben Mamre) wie in 23,1 Kirjat Arba erwähnt und mit Hebron gleichgesetzt, bei den in 25,9; 49,30; 50,13 belegten Rückverweisen auf den Kauf der Grabhöhle ist dagegen wie in 23,17 nur von Mamre die Rede. Es zeigt sich also eine markante Differenz zwischen den in Gen 23,1–2 und den in der folgenden Erzählung vom Kauf der Grabhöhle in Gen 23,3–20 belegten Ortsbezeichnungen, und diese Differenz spiegelt sich exakt in dem weiteren Gebrauch dieser Bezeichnungen in den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte einerseits und in den Rückverweisen auf den Kauf der Grabhöhle andererseits. Dies bestätigt dann doch aber die Annahme, dass bei Gen 23 die Todesnotiz in 23,1–2 der priesterlichen Schicht, die folgende Darstellung vom Grabkauf in 23,3–20 aber einer späteren Bearbeitung zuzuweisen ist. Von der in Gen 23,1–2 belegten Darstellung des Todes der Sarah herkommend lässt sich schließlich einmal mehr zeigen, dass die priesterlichen Passagen der Vätergeschichte als Redaktion einer vorgegebenen nichtpriesterlichen Fassung der Vätergeschichte zu verstehen sind. Denn der in Gen 23,1–2 als Ort des Begräbnisses genannte Ort Hebron wurde in den priesterlichen Passagen der Abrahamerzählungen bislang an keiner Stelle erwähnt. Nach den nichtpriesterlichen Passagen ist Hebron aber seit Gen 13,18 der Ort, an dem sich Abraham mit seiner Familie aufhält. Die Betrachtung von Gen 23 zeigt somit, dass dieses Kapitel nicht, wie häufig angenommen, insgesamt den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte zuzuschreiben ist. Es ist aber auch nicht, wie immer wieder vorgeschlagen, vollständig der priesterlichen Schicht abzusprechen. Vielmehr geht die in Gen 23,1–2 belegte Darstellung des Todes der Sarah noch auf die priesterliche Schicht zurück, die sich auch hier als Bearbeitung erweist. Die in Gen 23,3–20 folgende Erzählung vom Kauf der Grabhöhle wurde dagegen von einer nachpriesterlichen Redaktion eingebracht.

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2.1.8 Das Ende der Abrahamerzählungen in Genesis 25,1–18 Am Ende der Abrahamerzählungen wird zunächst in Gen 25,1–6 geschildert, wie Abraham eine weitere Frau mit Namen Ketura nimmt und mit ihr weitere Kinder zeugt, wobei er seinen Besitz aber nur seinem Sohn Isaak vermacht. In Gen 25,7–10 wird sodann dargestellt, dass Abraham im Alter von 175 Jahren stirbt und dass ihn Isaak und Ismael in der Grabhöhle bei Mamre beisetzen. In Gen 25,11 wird erwähnt, dass Gott nach Abrahams Tod dessen Sohn Isaak segnet und dass sich Isaak nun bei Beer Lachaj Roj niederlässt. In Gen 25,12–17 folgt schließlich ein Verzeichnis der Nachkommen Ismaels, das in Gen 25,18 mit einem kurzen Verweis auf deren Wohngebiete endet. Die in Gen 25,1–6 belegte Einheit über die weiteren Kinder des Abraham wurde in der älteren Forschung bisweilen – angesichts der Nähe des hier belegten Nachkommensverzeichnisses zu vergleichbaren priesterlichen Verzeichnissen – den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte zugeschrieben.123 Doch wurde diese Zuweisung schon früh wieder fallen gelassen.124 Denn in dem priesterlichen Vers Gen 10,7 wurden die in Gen 25,3 genannten Abraham-Enkel Saba und Dedan bereits als Nachfahren Hams vorgestellt. Zudem scheint der priesterliche Vers Gen 25,9, nach dem Isaak und Ismael ihren Vater bestatten, doch vorauszusetzen, dass Abraham nur diese beiden Söhne hat. Die in Gen 25,1–6 genannten weiteren Nachkommen des Abraham sind den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte also nicht bekannt. Bei Gen 25,1–6 handelt es sich daher vermutlich um eine nachpriesterliche Einfügung, mit der die bereits in den älteren Schichten betonte Sonderstellung des Isaak noch weiter hervorgehoben werden soll.125 Die in Gen 25,7–10 folgende Darstellung des Todes und der Beisetzung des Abraham wird demgegenüber zumeist und zumindest für einen noch näher zu bestimmenden Grundbestand auch zurecht den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte zugeschrieben.126 Dafür spricht allein schon die ————— 123

Vgl. NÖLDEKE, Untersuchungen, 25. Vgl. nur WELLHAUSEN, Composition, 28; DILLMANN, KEH 11, 308; HOLZINGER, KHC 1, 172; GUNKEL, HK 1,1, 260; VON RAD, ATD 2–4, 209; SPEISER, AncB 1, 186; SEEBASS, Genesis II,2, 258; KRATZ, Komposition, 275 mit Anm. 61; RUPPERT, fzb 98, 616–619; ZIEMER, Abram, 229–230, die Gen 25,1–6 allesamt zu den nichtpriesterlichen Passagen der Vätergeschichte rechnen. 125 Dass es sich bei Gen 25,1–6 um einen späten Nachtrag in die werdende Vätergeschichte handelt, meinten auch schon NOTH, Überlieferungsgeschichte, 210 Anm. 532; ZIMMERLI, ZBK.AT 1,2, 136; WESTERMANN, BK 1,2, 483–484; BLUM, Komposition, 446; SCHARBERT, NEB.AT 16, 180. 126 Vgl. etwa WELLHAUSEN, Composition, 15; DILLMANN, KEH 11, 307–308; HOLZINGER, KHC 1, 135; GUNKEL, HK 1,1, 277–278; NOTH, Überlieferungsgeschichte, 13; VON RAD, ATD 2– 4, 209; ZIMMERLI, ZBK.AT 1,2, 138; WESTERMANN, BK 1,2, 483; SPEISER, AncB 1, 186; 124

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Die priesterlichen Passagen in den Abrahamerzählungen

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Angabe des Alters des Ahnherrn in Gen 25,7. Dafür spricht zudem die folgende Todesnotiz, die bedeutende Gemeinsamkeiten mit anderen, ebenfalls den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte zuzuweisenden Todesnotizen aufweist.127 Bei Gen 25,7–10 dürfte allerdings – nach den zuvor ausgeführten Überlegungen zur nachpriesterlichen Entstehung des in Gen 23,3–20 dargestellten Kaufs der Grabhöhle –128 der in Gen 25,9*(ab tr[m-la).10 belegte Rückverweis auf den Grabkauf sekundär sein und auf dieselbe Bearbeitung wie Gen 23,3–20 zurückgehen.129 Der priesterlichen Schicht ist somit nur Gen 25,7–8.9*(bis wynb), also nur die eigentliche Todesnotiz und die daraufhin beschriebene Beisetzung des Abraham, zuzuweisen. Umstritten ist nun die literarische Zuordnung des folgenden Verses Gen 25,11, in dem zunächst in 25,11a vorgebracht wird, dass Gott nach Abrahams Tod dessen Sohn Isaak segnete, und in dem sodann in 25,11b erwähnt wird, dass sich Isaak bei Beer Lachaj Roj ansiedelte. Bei diesem Vers wird der in 25,11a belegte Verweis auf den göttlichen Segen häufig der priesterlichen Schicht zugewiesen,130 was angesichts der in den priesterlichen Versen Gen 9,1; 17,20; 48,3 belegten Segensworte, die ebenfalls das generationenübergreifende Segenshandeln Gottes betonen, durchaus wahrscheinlich sein dürfte. Die in 25,11b folgende Notiz über Isaaks Aufenthalt in Beer Lachaj Roj wird dagegen aufgrund der vergleichbaren Notiz in dem nichtpriesterlichen Vers Gen 24,62 zumeist den nichtpriesterlichen Passagen zugeschrieben.131 Für die literarische Einordnung der in Gen 25,11b belegten WohnortNotiz ist aber die folgende Überlegung bedeutsam: Der hier in Gen 25,7–20 belegte Übergang von den Abraham- zu den Jakoberzählungen ist exakt gleich gestaltet wie der in Gen 35,28–37,2 belegte Übergang von den Ja————— SCHARBERT, NEB.AT 16, 180–181; LEVIN, Jahwist, 193; SEEBASS, Genesis II,2, 258; KRATZ, Komposition, 242; RUPPERT, fzb 98, 628. 127 Vgl. hierzu vor allem die in Gen 25,17 belegte Notiz über den Tod des Ismael und die in Gen 35,28–29 belegte Notiz über den Tod des Jakob. 128 S.o. 58–63. 129 So auch, mit Unterschieden im Detail, SMEND SEN., Erzählung, 11 Anm. 1; EICHRODT, Priesterschrift, 42; LÖHR, Untersuchungen I, 20; BLUM, Komposition, 445; CARR, Fractures, 111; KRATZ, Komposition, 242; LEVIN, Abraham, 108. 130 Vgl. etwa WELLHAUSEN, Composition, 15; DILLMANN, KEH 11, 311; HOLZINGER, KHC 1, 172; GUNKEL, HK 1,1, 277–278; NOTH, Überlieferungsgeschichte, 13; ZIMMERLI, ZBK.AT 1,2, 138; SPEISER, AncB 1, 186; LEVIN, Jahwist, 193; SCHARBERT, NEB.AT 16, 181; RUPPERT, fzb 98, 628. 131 Vgl. WELLHAUSEN, Composition, 15; DILLMANN, KEH 11, 311; HOLZINGER, KHC 1, 172; GUNKEL, HK 1,1, 260; VON RAD, ATD 2–4, 208; ZIMMERLI, ZBK.AT 1,2, 138; SPEISER, AncB 1, 186; SCHARBERT, NEB.AT 16, 181; LEVIN, Jahwist, 196; SEEBASS, Genesis II,2, 258; KRATZ, Komposition, 275 Anm. 61; RUPPERT, fzb 98, 628.

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

kob- zu den Joseferzählungen, der, wie sich noch zeigen wird, insgesamt der priesterlichen Bearbeitung der Vätergeschichte zuzuschreiben ist:132 Genesis 25,7–20 Datierung

Tod

Beisetzung Wohnort

~hrba yyx-ynv ymy hlaw 25,7 hnv tam yx-rva `~ynv vmxw hnv ~y[bvw hbyfb ~hrba tmyw [wgyw 8 @sayw [bfw !qz hbwj `wym[-la la[mvyw qxcy wta wrbqyw 9 ... wynb ~hrba twm yrxa yhyw 11 wnb qxcy-ta ~yhla $rbyw yxl rab-~[ qxcy bvyw `yar

[Toledot Ismaels]

ToledotFormel Datierung

Genesis 35,28–37,2

qxcy ymy wyhyw 35,28 `hnv ~ynmvw hnv tam @sayw tmyw qxcy [wgyw 29 ~ymy [bfw !qz wym[-la bq[yw wf[ wta wrbqyw `wynb [Toledot Esaus]

yrwgm #rab bq[y bvyw 37,1 `![nk #rab wyba

qxcy tdlwt hlaw 19 dylwh ~hrba ~hrba-!b `qxcy-ta

bq[y twdlt hla 2

hnv ~y[bra-!b qxcy yhyw 20

hnv hrf[-[bv-!b @swy

Bei Gen 25,7–20 und Gen 35,28–37,2 steht zu Beginn jeweils eine Datierung über das Lebensalter des Ahnherrn. Es folgt eine analog gestaltete Todesnotiz. Daraufhin wird die Beisetzung durch die Söhne des jeweiligen Ahnherrn erwähnt. Es wird sodann der Wohnort desjenigen Sohnes, der die Hauptlinie vertritt, genannt. Und mit einer Toledot-Formel sowie einer erneuten Datierung werden schließlich die weiteren Erzählungen eingeleitet. Der in Gen 25,7–20 belegte Übergang von den Abraham- zu den Jakoberzählungen und der in Gen 35,28–37,2 belegte Übergang von den Jakobzu den Joseferzählungen zeichnen sich somit durch einen nahezu identischen Aufbau aus. Lediglich die mit Toledot-Formel eingeleiteten Nachkommensverzeichnisse für den Sohn der Nebenlinie, also das Verzeichnis der Nachkommen Ismaels in Gen 25,12–18 und das Verzeichnis der Nachkommen Esaus in Gen 36,1ff, sind an je unterschiedlichen Stellen untergebracht. ————— 132

Siehe hierzu unten 94–102.

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Die priesterlichen Passagen in den Abrahamerzählungen

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Der identische Aufbau der beiden Passagen und die Tatsache, dass die in Gen 37,1 belegte Wohnort-Notiz unumstritten den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte zugewiesen wird,133 spricht dann doch aber dafür, dass auch die in Gen 25,11b belegte Wohnort-Notiz der priesterlichen Schicht zuzuschreiben ist.134 Dafür spricht auch, dass im Rahmen der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte noch an zahlreichen weiteren Stellen vergleichbare Angaben über den Wohnort der Erzeltern und ihrer Kinder belegt sind.135 Bei Gen 25,11b handelt es sich also nicht, wie zumeist angenommen, um eine von Gen 24,62 her beeinflusste nichtpriesterliche Notiz. Die hier belegte Erwähnung des Ortes, an dem Isaak nach dem Tod seines Vaters wohnt, ist vielmehr den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte zuzuweisen. Die entsprechende Angabe des Wohnortes in dem nichtpriesterlichen Vers 24,62 dürfte dann – angesichts der Tatsache, dass die vorliegende Gestalt der in Gen 24 belegten Brautwerbung für Isaak in neuerer Zeit häufiger und wohl zurecht als Produkt einer nachpriesterlichen Bearbeitung angesehen wird –136 gerade umgekehrt von Gen 25,11b her beeinflusst sein. Wenn es aber richtig sein sollte, dass Gen 25,11b den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte zuzuweisen ist, dann zeigt sich an dieser Stelle erneut, dass die priesterliche Schicht als Redaktion einer vorgegebenen nichtpriesterlichen Fassung der Vätergeschichte und nicht als Teil einer ursprünglich unabhängig überlieferten Quelle anzusehen ist. Denn Lage und Bedeutung des in Gen 25,11b belegten Ortes Beer Lachaj Roj, der in den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte sonst nicht erwähnt ist, erschließen sich doch nur vom Kontext der nichtpriesterlichen Vätergeschichte her, wo Beer Lachaj Roj in Gen 16,14 als ein in der Wüste gelegener Ort vorgestellt wird, an den die schwangere Hagar vor der Bedrückung durch ihre Herrin flieht.137

————— 133

S.u. 101. Dass Gen 25,11b den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte zuzuweisen ist, wurde bislang vor allem von BLUM, Komposition, 437.440 Anm. 35, und CARR, Fractures, 108, erwogen. 135 Vgl. Gen 11,31; 13,12; 16,3; 19,29; 25,18; 36,8; 37,1; 47,11; siehe hierzu auch BLUM, Komposition, 436–437; CARR, Fractures, 108. 136 Zur nachpriesterlichen Entstehung von Gen 24 vgl. etwa ROFÉ, Enquiry, 27–39; KRATZ, Komposition, 278; BLUM, Verbindung, 142; KÖCKERT, Geschichte, 126. Die in Gen 24 erkennbare Bearbeitung wird insbesondere von BLUM, a.a.O., 154, wohl zurecht derselben, im weiteren Sinne als dtr. zu bezeichnenden Redaktion zugeschrieben, auf die auch die in Gen 15 belegte nichtpriesterliche Fassung des Abrahambundes zurückgeht. Diese Bearbeitung wird dann eine vorgegebene, nun nicht mehr erhaltene Gestalt der Erzählung über die Ehe von Isaak und Rebekka ersetzt haben. 137 Siehe hierzu auch unten 178–180. 134

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

Das in Gen 25,12–17 folgende Verzeichnis der Nachfahren Ismaels ist ebenfalls der priesterlichen Schicht zuzuweisen.138 Dafür spricht die am Beginn in 25,12 belegte Toledot-Formel,139 aber auch die den priesterlichen Versen Gen 23,1–2; 25,7–8 entsprechende Todesnotiz für Ismael in 25,17. Umstritten ist schließlich die literarische Zuordnung von Gen 25,18. Dabei wird wohl nicht, wie häufig angenommen, der gesamte Vers der priesterlichen Schicht abzusprechen sein.140 Vielmehr dürfte der in Gen 25,18a belegte Verweis auf die Wohnorte der Ismael-Nachfahren, angesichts der in den priesterlichen Passagen zahlreich belegten Wohnort-Notizen,141 der priesterlichen Schicht zuzuschreiben sein. Bei der in Gen 25,18b belegten Aussage, dass er, also Ismael, sich all seinen Brüdern vors Gesicht setzt, dürfte es sich dagegen um einen späteren Nachtrag handeln.142 Dafür spricht der in Gen 25,18 erkennbare Wechsel von einer pluralischen, an der Nachkommenschaft Ismaels orientierten Aussage in 25,18a hin zu einer singularischen, wieder auf Ismael ausgerichteten Aussage in 25,18b. Bei dem in Gen 25,1–18 belegten Abschluss der Abrahamerzählungen sind also die Verse 25,7–8.9*(bis wynb).11–17.18a, in denen der Tod und die Bestattung des Abraham, der Wohnort des Isaak und die Nachkommen des Ismael erwähnt werden, den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte zuzuweisen. Dabei zeigt sich auch hier wieder, dass die priesterlichen Passagen der Vätergeschichte als Redaktion einer bereits vorgegebenen Fassung der Vätergeschichte anzusehen sind. Der in Gen 25,9*(ab tr[m-la). 10 belegte Rückverweis auf den Kauf der Grabhöhle geht sodann auf dieselbe nachpriesterliche Redaktion zurück, die auch die in 23,3–20 belegte Darstellung des Grabkaufs eingebracht hat. Bei den in Gen 25,1–6 belegten Darlegungen über die weiteren Söhne des Abraham und der in Gen 25,18b belegten Notiz über das Verhalten des Ismael handelt es sich ebenfalls um erst nachpriesterlich eingebrachte Ergänzungen.

————— 138

Vgl. WELLHAUSEN, Composition, 15; DILLMANN, KEH 11, 311; HOLZINGER, KHC 1, 135; GUNKEL, HK 1,1, 278–279; NOTH, Überlieferungsgeschichte, 13; VON RAD, ATD 2–4, 210; SPEISER, AncB 1, 186; SCHARBERT, NEB.AT 16, 181–182; KRATZ, Komposition, 242; RUPPERT, fzb 98, 634–636. 139 Siehe hierzu oben 26 Anm. 3. 140 Gegen DILLMANN, KEH 11, 315; HOLZINGER, KHC 1, 173; GUNKEL, HK 1,1, 190; NOTH, Überlieferungsgeschichte, 13; SPEISER, AncB 1, 186; SCHARBERT, NEB.AT 16, 182; LEVIN, Jahwist, 193.196; CARR, Fractures, 108 Anm. 59; KRATZ, Komposition, 275 Anm. 61; RUPPERT, fzb 98, 634–636. 141 S.o. 67 Anm. 135. 142 Dass Gen 25,18a, nicht aber der darauf folgende Teilvers 25,18b der priesterlichen Schicht zuzuweisen ist, meinte auch schon WESTERMANN, BK 1,2, 488.

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Die priesterlichen Passagen in den Abrahamerzählungen

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2.1.9 Fazit Von den vorangehenden redaktionsgeschichtlichen Analysen herkommend lassen sich nun Grundlinien der Entstehung der Abrahamerzählungen und vor allem der priesterlichen Passagen in diesem Textbereich skizzieren. Am Beginn der Formierung der Abrahamerzählungen stehen verschiedene Einzelüberlieferungen wie die Ahnfrau-Erzählung in Gen 12,10–20, der Abraham-Lot-Erzählkranz in Gen 13*; 18–19* oder die Erzählung von der Geburt Ismaels in Gen 16*. Diese Einzelüberlieferungen wurden zunächst zu einer ersten übergreifenden Fassung der Vätergeschichte, die zumindest die Abraham-, Isaak- und Jakoberzählungen umfasst, verbunden. Für diesen Zusammenhang wurden etwa die in Gen 12,1–3; 13,14–17 belegten Landund Nachkommensverheißungen eingebracht, die markante Entsprechungen zu der am Beginn der Isaakerzählungen belegten Verheißung in 26,3aba sowie zu der am Beginn der Jakoberzählungen belegten Verheißung in 28,13b.14 aufweisen. Und es wurden die Wandernotizen in Gen 12,6a.7b. 8–9; 13,1–4, über die Querbezüge zu den in den Jakoberzählungen belegten Orten hergestellt werden, ergänzt. Im Rahmen einer ersten redaktionellen Erweiterung der werdenden Vätergeschichte wurden sodann die Textbereiche Gen 16,9.15; 20–22* zugefügt. Dabei wurde die in Gen 16 belegte Erzählung von der Vertreibung Hagars durch Zufügung der Verse 16,9.15 und unter Auslassung des ursprünglichen Endes so umgearbeitet, dass Hagar nun nicht mehr, wie in einer früheren Fassung, jenseits des Landes verbleibt und dort ihren Sohn zur Welt bringt, sondern zu Abraham und Sarah zurückkehrt. Auf diese Weise wurden die in Gen 20–22* eingebrachten Erzählungen, in deren Zusammenhang ja in 21,9–21 erneut die Vertreibung von Hagar und Ismael dargestellt wird, vorbereitet. In einem weiteren Schritt wurden die priesterlichen Passagen Gen 11,27– 32; 12,4b.5; 13,6.11b.12aba; 16,3.16; 17,1–8.15–22; 19,29; 21,5; 23,1–2; 25,7–8.9*(bis wynb).11–17.18a ergänzt. Mit den priesterlichen Passagen wurde also zunächst die in Gen 11,27–32 belegte Schilderung des Auszugs von Terach, Abraham, Sarah und Lot aus Ur-Kasdim eingebracht. Es wurde sodann in Gen 12,4b.5 der Einzug Abrahams in das verheißene Land mit einer Datierung und einem Hinweis auf die Güter und die Personen, die Abraham mitbringt, versehen. In Gen 13,6.11b.12aba wurde der Abraham-LotKonflikt um die Angabe, dass beide großen Besitz hatten, sowie um eine kurze Notiz über die Trennung von Abraham und Lot und ihre künftigen Wohnsitze ergänzt. Die in Gen 16 belegte Erzählung von der Vertreibung Hagars wurde in Gen 16,3.16 um den Hinweis, dass Sarah dem Abraham ihre Magd zur Frau gibt, sowie um eine Datierung der Geburt Ismaels erweitert. In Gen 17,1–8.15–22 wurde die Darstellung des zwischen Gott und

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

Abraham geschlossenen Bundes eingebracht. Der in Gen 19 belegten Erzählung von der Rettung Lots aus Sodom wurde in 19,29 ein kurzer Hinweis zugefügt, dass Lot um Abrahams willen gerettet wurde. In Gen 21,5 wurde sodann auch die Geburt Isaaks mit einer Datierung versehen. In Gen 23,1–2 wurde eine kleine Notiz über den Tod der Sarah ergänzt. Und schließlich wurde am Ende der Abrahamerzählungen in Gen 25,7–8.9*(bis wynb) ein Vermerk über den Tod und die Bestattung des Abraham, in 25,11 ein kurzer Verweis auf das göttliche Segenshandeln an Isaak und dessen Wohnort sowie in Gen 25,12–17.18a ein Verzeichnis der Nachkommen Ismaels ergänzt. Neben der anfänglichen Schilderung des Auszugs aus Ur-Kasdim in Gen 11,27–32 und der in Gen 17 belegten Darstellung des Abrahambundes handelt es sich bei den der priesterlichen Schicht zugewiesenen Passagen also stets um kleine erzählerische Notizen. Aus diesen Notizen lässt sich keine zusammenhängende Erzählung rekonstruieren. Zudem sind die priesterlichen Texte immer wieder und teils sehr deutlich auf ihren jeweiligen nichtpriesterlichen Kontext bezogen. Entgegen der häufig vorgetragenen Annahme sind die priesterlichen Passagen der Abrahamerzählungen somit nicht als Teil einer ursprünglich selbständig überlieferten Quelle anzusehen. Es handelt sich vielmehr um eine Bearbeitungsschicht. Im Anschluss an die priesterliche Bearbeitung wurden die Abrahamerzählungen noch um weitere Texte ergänzt. Dazu gehört zunächst eine im weiteren Sinne deuteronomistische Bearbeitung, der die in Gen 12,6b.7a belegte Notiz über die im Lande lebenden Kanaanäer mit der daran anschließenden Landverheißung, die nichtpriesterliche Darstellung des Abrahambundes in Gen 15, die Mehrungsverheißung an Ismael und seine Nachkommen in Gen 16,10 sowie die vorliegende Gestalt der Erzählung von der Brautwerbung für Isaak in Gen 24 zuzuweisen ist. Von einer als spätpriesterlich zu bezeichnenden Redaktion wurde die Beschneidungsordnung in Gen 17,9–14, die damit zusammenhängende Darstellung der Beschneidung Abrahams, Ismaels und der Sklaven des Hauses in Gen 17,23–27 sowie die Erwähnung der Beschneidung Isaaks in Gen 21,4 eingebracht. Eine weitere Bearbeitung hat die Überlieferung vom Kauf der Grabhöhle in Gen 23,3–20 sowie den in Gen 25,9*(ab tr[m-la).10 belegten Rückverweis auf den Grabkauf ergänzt. Ebenfalls auf nachpriesterliche Bearbeitungen gehen schließlich die in Gen 25,1–6 belegten Ausführungen über die weiteren Kinder des Abraham und die in Gen 25,18b belegte Notiz über das Verhalten Ismaels gegenüber seinen Brüdern zurück.

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Die priesterlichen Passagen in den Jakoberzählungen

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2.2 Die priesterlichen Passagen in den Jakoberzählungen 2.2.1 Der Beginn der Jakoberzählungen in Genesis 25,19–26 Die Jakoberzählungen werden in Gen 25,19 mit einer Toledot-Formel eingeleitet. In Gen 25,20 folgt ein kurzer Verweis auf die Heirat von Isaak und Rebekka. In Gen 25,21–26 wird die anfängliche Unfruchtbarkeit Rebekkas, ihre darauf folgende Schwangerschaft und schließlich die Geburt von Jakob und Esau dargestellt. Bei Gen 25,19–26 werden zumeist die Verse 25,19–20 mit der hier belegten Toledot-Formel und der darauf folgenden Erwähnung und Datierung der Heirat von Isaak und Rebekka sowie der Teilvers 25,26b mit der Datierung der Geburt von Jakob und Esau der priesterlichen Schicht zugeschrieben. Der dazwischenliegende Textbereich Gen 25,21–25.26a wird dagegen der nichtpriesterlichen Schicht zugewiesen.1 Für diese Schichtung spricht, dass die Verse 25,19–20 über die ToledotFormel in 25,19, aber auch über die Datierungen in 25,20.26b mit den sonst den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte zugewiesenen Textbereichen verbunden sind.2 Demgegenüber fällt die in 25,21–25.26a belegte Darstellung der Schwangerschaft Rebekkas sowie der Geburt von Jakob und Esau allein schon aufgrund der hier belegten Verwendung des Gottesnamens Jhwh aus den priesterlichen Texten der Vätergeschichte heraus.3 Die übliche Aufteilung von Gen 25,19–26 auf eine priesterliche und eine nichtpriesterliche Schicht führt nun allerdings zu einem Problem: Die priesterlichen Verse 25,19–20.26b setzen recht eindeutig ihren vorliegenden nichtpriesterlichen Zusammenhang voraus.4 Denn sowohl die in 25,19 belegte Datierung der Heirat von Isaak und Rebekka als auch die in 25,26b belegte Datierung der Geburt von Jakob und Esau folgen dem mit b plus Infinitiv formulierten Typ von Datierung, mit dem doch stets ein zuvor dargestelltes Ereignis nachträglich mit einer Datierung über das Lebensalter des ————— 1

Vgl. nur NÖLDEKE, Untersuchungen, 26; DILLMANN, KEH 11, 317.320; HOLZINGER, KHC 1, 173; GUNKEL, HK 1,1, 385; EICHRODT, Priesterschrift, 38; NOTH, Überlieferungsgeschichte, 17; VON RAD, ATD 2–4, 212; WESTERMANN, BK 1,2, 502; SPEISER, AncB 1, 193; BLUM, Komposition, 79; SCHARBERT, NEB.AT 16, 183; BOECKER, ZBK.AT 1,3, 16; LEVIN, Jahwist, 200; CARR, Fractures, 108; WAHL, Jakobserzählungen, 246; SEEBASS, Genesis II,2, 271; RUPPERT, fzb 106, 64. 2 Zur Toledot-Formel s.o. 26 Anm. 3; zu den in den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte belegten Datierungen s.o. 35–36. 3 Zum priesterlichen Konzept der dreistufigen Offenbarung des Gottesnamens, nach dem in der Vätergeschichte nur die allgemeine Gottesbezeichnung Elohim und (ab Gen 17) der Gottesname El Shadday verwandt wird, s.u. 147–149 und 182–183. 4 Vgl. hierzu auch die Ausführungen bei SKA, Genèse 25,19–34, 13–14.

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

jeweiligen Ahnherrn versehen wird.5 Somit setzt die in Gen 25,20 belegte Datierung die zuvor in Gen 24 dargestellte Heirat von Isaak und Rebekka – bzw. eine ältere Fassung dieser Erzählung – voraus.6 Die in Gen 25,26b belegte Datierung setzt die zuvor in Gen 25,24–25.26a geschilderte Geburt von Jakob und Esau voraus. Im letzteren Falle zeigt sich dies ja auch sehr deutlich daran, dass die beiden Neugeborenen in Gen 25,26b nicht beim Namen genannt werden, sondern nur mit dem pluralischen Suffix bei ~ta auf sie verwiesen wird. Dieser Teilvers kann somit keinesfalls als eigenständige Darstellung der Geburt von Jakob und Esau, sondern nur als abschließende Datierung der zuvor bereits erwähnten Geburt verstanden werden.7 Die Tatsache, dass die priesterlichen Textbereiche Gen 25,19–20.26b ganz eindeutig den vorliegenden nichtpriesterlichen Kontext voraussetzen, führt nun unter den Ansätzen, die die priesterlichen Passagen der Vätergeschichte als Teil einer ursprünglich unabhängig überlieferten Quelle verstehen, zumeist zu der Annahme, dass bei der Zusammenarbeitung der priesterlichen und der nichtpriesterlichen Quelle ein Teil der priesterlichen Überlieferung weggefallen ist.8 Demnach hätte der für diese Zusammenarbeitung verantwortliche Redaktor zumindest die in der priesterlichen Quelle enthaltene Erwähnung der Geburt von Jakob und Esau zugunsten der nichtpriesterlichen Darstellung ausgelassen. Gegen diese Annahme spricht aber die folgende Überlegung: So wurde bislang noch zu wenig beachtet, dass Isaak nach der priesterlichen Datierung in 25,20 bei seiner Heirat mit Rebekka 40 Jahre alt war, nach der priesterlichen Datierung in 25,26b bei der Geburt von Jakob und Esau aber ————— 5

S.o. 35–36. Zu Gen 24 s.o. 67 mit Anm. 136. 7 Dass Gen 25,26a, zumindest im vorliegenden Zusammenhang, angesichts des Suffix bei ~ta den vorangehenden Kontext voraussetzt, erkannten auch schon WESTERMANN, BK 1,2, 502, und SKA, Genèse 25,19–34, 14 Anm. 13. 8 Vgl. NÖLDEKE, Untersuchungen, 26; DILLMANN, KEH 11, 317–318; HOLZINGER, KHC 1, 173; GUNKEL, HK 1,1, 385; EICHRODT, Priesterschrift, 38; NOTH, Überlieferungsgeschichte, 13; VON RAD, ATD 2–4, 212; GROSS, Jakob, 321 Anm. 3; WESTERMANN, BK 1,2, 502; BOECKER, ZBK.AT 1,3, 16–17; LEVIN, Jahwist, 200; CARR, Fractures, 98. Demgegenüber weisen SMEND SEN., Erzählung, 67; FOHRER, Einleitung, 195; DE PURY, Umgang, 41; ders., Jacob Story, 64, nur Gen 25,19.20 oder gar nur Gen 25,20 der priesterlichen Schicht zu und umgehen so auf ihre Weise das Problem, dass der gemeinhin der priesterlichen Schicht zugeschriebene Teilvers Gen 25,26b die vorangehende nichtpriesterliche Geburtserzählung voraussetzt. Dagegen spricht aber, dass Gen 25,26b ganz analog zu den sonst der priesterlichen Schicht zugewiesenen Datierungen gestaltet ist und somit kaum der priesterlichen Schicht abgesprochen werden kann. KRATZ, Komposition, 241–242, weist sodann über die sonstige Forschung hinaus den gesamten Textbereich Gen 25,19–20.24–26, also auch die Darstellung der Geburt von Jakob und Esau, der priesterlichen Schicht zu und sieht dies als einen in sich schlüssigen und vollständig erhaltenen Text an; vgl. zu dieser Überlegung unten 73 Anm. 10. 6

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Die priesterlichen Passagen in den Jakoberzählungen

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60 Jahre alt war. Zwischen Heirat und Geburt liegt nach der priesterlichen Darstellung also ein Zeitraum von 20 Jahren. Das heißt doch aber, dass auch die priesterlichen Passagen voraussetzen, dass Isaak und Rebekka zunächst keine Kinder bekommen konnten.9 Zwischen den in 25,20 und 25,26 belegten priesterlichen Datierungen muss also nicht nur, wie zumeist angenommen, schon immer ein kurzer Hinweis auf die Geburt von Jakob und Esau gestanden haben. Es muss hier auch schon immer die anfängliche Kinderlosigkeit von Isaak und Rebekka sowie die Überwindung dieses Zustands erwähnt worden sein.10 Die gängige Annahme, dass bei der Zusammenarbeitung der priesterlichen und der nichtpriesterlichen Quelle zwischen Gen 25,19–20 und Gen 25,26b die priesterliche Geburtserzählung zugunsten der nichtpriesterlichen Version weggelassen wurde, krankt also daran, dass eine solche priesterliche Geburtserzählung doch ziemlich genau denselben Inhalt gehabt haben muss wie die in 25,21–25.26a überlieferte nichtpriesterliche Fassung, bei der ja zunächst die Unfruchtbarkeit Rebekkas erwähnt und dann ihre Schwangerschaft und die Geburt von Jakob und Esau dargestellt wird. Es lässt sich daher kaum erklären, warum ein Redaktor zwischen der priesterlichen Einleitung in 25,19–20 und der abschließenden priesterlichen Datierung in 25,26b auf die nichtpriesterliche Geburtserzählung zurückgegriffen haben sollte, hätte er doch einfach die gesamte, vergleichbar formulierte priesterliche Darstellung en bloc übernehmen können. Wahrscheinlicher als die Annahme, dass zwischen den priesterlichen Versen Gen 25,19–20 und Gen 25,26b eine priesterliche Darstellung der Geburt von Jakob und Esau zugunsten einer inhaltlich identischen nichtpriesterlichen Fassung ausgefallen ist, dürfte daher sein, dass diese Verse —————

9 Dass die zwischen 25,20 und 25,26b liegende Zeitspanne von 20 Jahren mit der Kinderlosigkeit von Isaak und Rebekka zu erklären ist und deshalb auch die priesterlichen Passagen eine vorübergehende Kinderlosigkeit der beiden Erzeltern voraussetzen, meinten auch schon VON RAD, ATD 2–4, 212; BOECKER, ZBK.AT 1,3, 17; SEEBASS, Genesis II,2, 269; RUPPERT, fzb 106, 66. Weitere Konsequenzen für die Entstehung von Gen 25,19–26 wurden hieraus allerdings noch nicht gezogen. 10 Gegen SCHARBERT, NEB.AT 16, 183, und BOECKER, ZBK.AT 1,3, 16–17, kann zwischen den priesterlichen Textbereichen 25,19–20 und 25,26b also nicht nur eine kurze Notiz mit dem Inhalt „Isaak zeugte Esau und Jakob“ ausgefallen sein. Die genannten Beobachtungen sprechen, nebenbei gesagt, auch gegen die oben 72 Anm. 8 bereits erwähnte, von KRATZ, Komposition, 241–242, vorgestellte These, nach der der priesterlichen Schicht der gesamte Textbereich 25,19–20.24–26 zuzuweisen und dann als vollständig erhaltene priesterliche Darstellung der Geburt von Jakob und Esau zu verstehen ist. Denn ohne den Vers 25,21 – den auch Kratz angesichts der Verwendung des Jhwh-Namens nicht der priesterlichen Schicht zuweisen kann – fehlt der vorliegenden Darstellung doch ein Hinweis auf die Unfruchtbarkeit Rebekkas. Ein solcher Hinweis wird mit der langen Zeitspanne zwischen den in 25,20 und 25,26 belegten Datierungen aber vorausgesetzt.

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

von vornherein für den nichtpriesterlichen Kontext verfasst wurden.11 Die priesterlichen Passagen Gen 25,19–20.26b setzen somit die in 25,21–25.26a belegte nichtpriesterliche Geburtserzählung voraus und schreiben diese fort. Auch hier am Beginn der Jakoberzählungen zeigt sich daher, dass die priesterlichen Passagen der Vätergeschichte als Redaktion einer vorgegebenen nichtpriesterlichen Fassung der Vätergeschichte und nicht als Teil einer ursprünglich unabhängig überlieferten Quelle zu verstehen sind. Bei der in Gen 25,19–26 belegten Einleitung in die Jakoberzählungen ist somit die in 25,21–25.26a belegte Geburtserzählung der nichtpriesterlichen Schicht zuzuweisen. Die einleitenden Verse 25,19–20 und die abschließende Datierung in 25,26b sind dagegen der priesterlichen Schicht zuzuschreiben, die sich auch hier als Redaktion der vorgegebenen nichtpriesterlichen Vätergeschichte erweist. 2.2.2 Jakob und Esau in Genesis 26,34–28,9 In Gen 26,34–28,9 wird zunächst in Gen 26,34–35 eine kurze Notiz über die Ehen des Esau mit hetitischen Frauen und die Missbilligung dieser Ehen durch Isaak und Rebekka vorgebracht. In Gen 27,1–45 wird daraufhin erzählt, wie Jakob seinen Bruder Esau um dessen Erstgeburtssegen betrügt, was schließlich damit endet, dass Jakob von seiner Mutter dazu gedrängt wird, zu ihrer Familie zu fliehen. In Gen 27,46–28,9 wird sodann ausgeführt, wie Jakob von Isaak dazu aufgefordert wird, zu Rebekkas Familie zu gehen, um sich dort eine Frau zu nehmen, und es wird dargestellt, wie Esau dies sieht und sich eine weitere Frau, nun von den Töchtern Ismaels, nimmt. Mit Blick auf Gen 26,34–28,9 herrscht weitgehende Einigkeit, dass bei diesem Textbereich die in 26,34–35 belegte Notiz über die Ehen des Esau sowie die in 27,46–28,9 belegte Erzählung über den Weggang Jakobs und die weitere Eheschließung des Esau den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte zuzuschreiben sind. Die Erzählung vom Betrug um den Erstgeburtssegen in 27,1–45 wird dagegen der nichtpriesterlichen Schicht zugewiesen.12 ————— 11

So insbesondere auch BLUM, Komposition, 447–448. Vgl. hierzu NÖLDEKE, Untersuchungen, 27; DILLMANN, KEH 11, 327; HOLZINGER, KHC 1, 173–174; GUNKEL, HK 1,1, 385; NOTH, Überlieferungsgeschichte, 18; VON RAD, ATD 2–4, 216.226; WESTERMANN, BK 1,2, 544–545; SPEISER, AncB 1, 202.215; BLUM, Komposition, 263– 265; SCHARBERT, NEB.AT 16, 189.195; BOECKER, ZBK.AT 1,3, 53–54; LEVIN, Jahwist, 214; CARR, Fractures, 85–88; NAUERTH, Untersuchungen, 27–30; SEEBASS, Genesis II,2, 306–307; DE PURY, Umgang, 41–42; KRATZ, Komposition, 242; RUPPERT, fzb 106, 138–139. Dabei wird bei einigen der genannten Ansätze nur Gen 26,34–35; 28,1–9 der priesterlichen Schicht zugewiesen, während der Vers Gen 27,46 auf einen späteren Redaktor zurückgeführt wird; siehe hierzu im Einzelnen unten 76–78 mit Anm. 23. 12

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Die priesterlichen Passagen in den Jakoberzählungen

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Dabei wird zumeist davon ausgegangen, dass die beiden priesterlichen Stücke Gen 26,34–35 und Gen 27,46–28,9 ursprünglich, im Rahmen einer selbständig überlieferten priesterlichen Quelle, direkt aneinander anschlossen und erst bei der Zusammenarbeitung der priesterlichen und der nichtpriesterlichen Texte um Gen 27,1–45 herumgelegt wurden. Denn zum einen sind die beiden priesterlichen Texte, im Gegensatz zu der dazwischenliegenden Erzählung, gleichermaßen an den Ehen der Isaak-Söhne orientiert. Zum anderen kann die priesterliche Einheit Gen 27,46–28,9 in gewisser Hinsicht als Dublette zu der vorangehenden Erzählung vom Betrug um den Erstgeburtssegen in Gen 27,1–45 verstanden werden, da hier wie dort, wenn auch mit ganz unterschiedlichen Motiven, der Weggang Jakobs zu den östlichen Verwandten der Rebekka erzählerisch begründet wird. Angesichts dieses Befunds wird der Textbereich Gen 26,34–28,9 häufig sogar als einer der entscheidenden Belege dafür betrachtet, dass es sich bei den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte um einen Teil einer ursprünglich unabhängig überlieferten Quelle und nicht um eine für den Kontext der vorgegebenen nichtpriesterlichen Vätergeschichte verfasste Redaktionsschicht handelt.13 Überzeugend an der so beschriebenen gängigen Sicht auf Gen 26,34– 28,9 ist nun sicherlich die schlichte Zuweisung von Gen 26,34–35; 27,46– 28,9 zu den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte. Denn in diesen beiden Textbereichen finden sich zahlreiche Bezüge zu anderen priesterlichen Texten.14 So fällt zunächst bei der Notiz über die Ehen des Esau in Gen 26,34–35 die in 26,34 belegte Datierung über das Lebensalter des Ahnherrn auf, die exakt dem Typ 1 der oben beschriebenen priesterlichen Datierungen entspricht.15 Die kurze Erzählung über den Weggang des Jakob in Gen 27,46–28,9 ist sodann über die geographische Bezeichnung „Paddan-Aram“ (~ra !dp, 28,2.5.6.7) für das Gebiet der östlichen Verwandten mit den sonstigen priesterlichen Passagen verbunden.16 Zudem weist das in 28,3–4 belegte Segenswort zahlreiche für die priesterlichen Texte charakteristische Formulierungen auf, so die Gottesbezeichnung El Shadday (la ydv),17 die Verbindung von Fruchtbarkeit und Mehrung (hrp; hbr),18 die Bezeichnung des Landes als „Land der Fremdlingschaft“ (~yrwgm #ra)19 —————

13 So insbesondere EMERTON, Priestly Writer, 397; CARR, Fractures, 85–99; PROPP, Priestly Source, 463. 14 Vgl. zum Folgenden etwa DILLMANN, KEH 11, 327; GUNKEL, HK 1,1, 385; VON RAD, ATD 2–4, 226; BOECKER, ZBK.AT 1,3, 53–54. 15 Siehe hierzu oben 35. 16 S.o. 29 Anm. 14. 17 Gen 17,1; 35,11; 48,3; Ex 6,3. 18 S.o. 46 Anm. 67. 19 Gen 17,8; 36,7; 37,1; Ex 6,4.

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

oder die mit Blick auf die Nachkommen der Ahnherrn gebrauchte Wendung „Schar von Völkern“ (~ym[ lhq).20 Problematisch ist dagegen die immer wieder vorgetragene Annahme, dass Gen 27,46–28,9 – im Rahmen einer selbständig überlieferten priesterlichen Quelle – einst direkt auf Gen 26,34–35 folgte. Denn die Verse Gen 26,34–35 und 27,46 schließen keinesfalls so glatt aneinander an, wie gerne behauptet wird. So wird in Gen 26,34–35 ausgesagt, dass die Ehen des Esau für Isaak und Rebekka schmerzlich sind. In Gen 27,46 wird geschildert, wie Rebekka den Isaak auf ihren Kummer wegen der Hetiterinnen anspricht. Beachtenswert ist also, dass nach Gen 26,34–35 beide Erzeltern, Isaak und Rebekka, Leid tragen, dass dann aber nach Gen 27,46 Rebekka ihren Mann einseitig auf die hetitischen Frauen und ihre damit verbundenen Sorgen hinweist. Gen 27,46 kann somit nicht als ursprüngliche Fortsetzung von 26,34–35 verstanden werden.21 Demgegenüber lässt sich Gen 27,46 recht gut im Anschluss an die Erzählung vom Betrug um den Erstgeburtssegen in 27,1–45 verstehen. Diese Erzählung endet ja in Gen 27,42–45 damit, dass Rebekka ihren Sohn Jakob dazu auffordert, vor seinem Bruder Esau zu fliehen und zu ihren Verwandten zu gehen. Dass sich Rebekka dann nach 27,46 an Isaak wendet und ihm unter Hinweis auf ihr Leid mit den Töchtern des Landes einen Anlass gibt, dass er Jakob auch seinerseits zu ihren Verwandten schickt, ergibt doch einen soliden Zusammenhang.22 Nun wurde in der bisherigen Forschung schon häufiger erkannt, dass Gen 27,46 entgegen der gängigen Sicht nur schlecht an den priesterlichen Textbereich 26,34–35 anschließt und viel eher als ursprüngliche Fortsetzung von 27,1–45 zu verstehen ist. Als Konsequenz hieraus wird Gen 27,46 aber zumeist der priesterlichen Schicht abgesprochen und dem für die Zusammenarbeitung der priesterlichen und der nichtpriesterlichen Texte verantwortlichen Redaktor zugewiesen.23 In der priesterlichen Quelle wäre demnach auf die in 26,34–35 belegte Notiz über die Ehen des Esau direkt der Vers 28,1 gefolgt, nach dem Isaak seinem Sohn Jakob verbietet, eine ————— 20

Gen 48,4; vgl. Gen 35,11 (~ywg lhq). So meinte schon BÖHMER, Buch, 219–220, zum Verhältnis von Gen 26,34–35 und Gen 27,46: „Es war also schon berichtet, daß sowohl der Vater als die Mutter Esaus unzufrieden waren mit der Wahl, die ihr Sohn getroffen. Hier dagegen gewinnt es den Anschein, als wenn nun erst Rebekka den Isak in ihre Unzufriedenheit mit hinein ziehen wolle.“ Vgl. auch DILLMANN, KEH 11, 333; HOLZINGER, KHC 1, 174; NAUERTH, Untersuchungen, 27–30. 22 Vgl. hierzu etwa FISHBANE, Composition, 25–26; BLUM, Komposition, 264–265. 23 Diese Position wurde vor allem in älteren Ansätzen häufig vertreten; vgl. etwa BÖHMER, Buch, 219–220; KUENEN, Einleitung I,1, 312; DILLMANN, KEH 11, 333; HOLZINGER, KHC 1, 174; GUNKEL, HK 1,1, 315; SKINNER, Genesis, 375. In neuerer Zeit folgen dieser These etwa noch LEVIN, Jahwist, 215; NAUERTH, Untersuchungen, 27–30. 21

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Die priesterlichen Passagen in den Jakoberzählungen

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Ehe mit den Töchtern des Landes einzugehen. Der Redaktor hätte dann zunächst an die in Gen 26,34–35 belegte Notiz über die Ehen des Esau die nichtpriesterliche Erzählung vom Betrug um den Erstgeburtssegen in 27,1– 45 angeschlossen und von hier aus mit dem selbst formulierten Vers 27,46 wieder zu der priesterlichen Einheit 28,1–9 und der sie bestimmenden Ehethematik übergeleitet. Die Annahme, dass Gen 27,46 der priesterlichen Schicht ab- und einem späteren Redaktor zuzusprechen ist und dass somit im Rahmen einer priesterlichen Quelle einst die Textbereiche 26,34–35 und 28,1–9 direkt aufeinander folgten, ist bei näherem Hinsehen aber ebenfalls mit Problemen behaftet. Es lässt sich nämlich zeigen, dass der Vers 27,46 zwischen 26,34–35 und 28,1–9 unentbehrlich ist. So ist die Abfolge der in Gen 26,34; 27,46; 28,1–9 belegten Bezeichnungen für die fremdstämmigen Frauen beachtenswert: Gen 26,34 Gen 27,46 Gen 28,1.6.8

ytxh PN tb tx twnb #rah twnb ![nk twnb

In Gen 26,34 werden die Frauen des Esau jeweils als Töchter eines Hetiters (ytxh PN tb) vorgestellt. In Gen 27,46 spricht Rebekka zunächst von den „Töchtern Hets“ (tx twnb) und sodann von den „Töchtern des Landes“ (#rah twnb). In dem darauf folgenden Textbereich Gen 28,1–9 ist bezeichnenderweise nur noch von den „Töchtern Kanaans“ (![nk twnb) die Rede. Zwischen Gen 26,34 und Gen 28,1–9 kommt Gen 27,46 also eine wichtige Funktion zu. In diesem Vers wird über die Gleichsetzung von „Töchtern Hets“ und „Töchtern des Landes“ der Übergang geschaffen von den in 26,34 genannten Töchtern eines Hetiters hin zu der Rede von den „Töchtern Kanaans“ in 28,1–9. Ohne die in Gen 27,46 vorgenommene Verallgemeinerung der nach 26,34 von Esau eingegangenen Ehen mit hetitischen Frauen wäre das in 28,1 ausgesprochene Verbot der Ehe mit den „Töchtern Kanaans“ nicht wirklich verständlich. Hintergrund der etwas komplizierten Abfolge der in Gen 26,34; 27,46; 28,1–9 belegten Bezeichnungen für die fremdstämmigen Frauen dürfte dann sein, dass die in 26,34 belegten Angaben über die Ehen des Esau mit den hetitischen Frauen aus der Tradition übernommen wurden.24 In Gen ————— 24 Vgl. den von den priesterlichen Autoren vermutlich unter Rückgriff auf vorgegebenes Gut formulierten Vers Gen 36,2, in dem ebenfalls eine Ehe Esaus mit der Tochter eines Hetiters er-

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

27,46; 28,1–9 wurde die Rede von hetitischen Töchtern dann vor dem Hintergrund der in den priesterlichen Passagen üblichen Bezeichnung des Landes als „Land Kanaan“ zur Bezeichnung „Töchter Kanaans“ abgewandelt und so auf die gesamte Vorlandbevölkerung hin verallgemeinert. Der Vers Gen 27,46 ist also für den Zusammenhang der Textbereiche 26,34–35 und 28,1–9 erforderlich. Dies spricht aber deutlich gegen die bisweilen vorgetragene Annahme, dass die priesterlichen Texte im Umfang Gen 26,34–35; 28,1–9 einst direkt aneinander anschlossen und dann sekundär unter Zufügung von 27,46 um die Erzählung vom Betrug um den Erstgeburtssegen in 27,1–45 herumgelegt wurden. Da die priesterlichen Texte also weder in der üblichen Abgrenzung Gen 26,34–35; 27,46–28,9 noch im Umfang Gen 26,34–35; 28,1–9 als ursprünglich zusammengehöriger, selbständig überlieferter Textbereich angesehen werden können, bleibt nur eine Konsequenz: Die priesterlichen Textbereiche Gen 26,34–35; 27,46–28,9 sind nicht als Teil einer ursprünglich unabhängig überlieferten priesterlichen Quelle zu verstehen, sondern wurden von vornherein für ihren vorliegenden Kontext und somit als sekundärer Rahmen um die nichtpriesterliche Erzählung vom Betrug um den Erstgeburtssegen Gen 27,1–45 verfasst.25 Für diese Annahme lässt sich noch ein weiteres Argument nennen: So steht in Gen 28,7, dass Jakob „auf seinen Vater und auf seine Mutter“ (wma-law wyba-la) hörte und nach Paddan-Aram ging. Nach dem priesterlichen Text Gen 27,46–28,9 wird Jakob doch aber nur von seinem Vater zum Weggang aufgefordert (Gen 28,1–2). Eine entsprechende Aufforderung von Seiten der Mutter findet sich nur am Ende der vorangehenden nichtpriesterlichen Erzählung vom Betrug um den Erstgeburtssegen in Gen 27,42–45. Die in Gen 28,7 belegte Aussage, dass Jakob auf Vater und Mutter hörte, setzt also den vorangehenden nichtpriesterlichen Kontext voraus.26 Es spricht daher einiges dafür, dass die priesterlichen Textbereiche Gen 26,34–35; 27,46–28,9 von vornherein für ihren vorliegenden Kontext ver————— wähnt wird; siehe hierzu und zu den Differenzen zwischen den in Gen 26,34 und den in Gen 36,2 genannten Frauen des Esau unten 96–97. 25 Diese Annahme wurde in der bisherigen Forschung vor allem von RENDTORFF, Problem, 136–139, und BLUM, Komposition, 263–265, vertreten. 26 Nicht umsonst wurde immer wieder angenommen, dass die in Gen 28,7 belegte Darstellung, dass Jakob auf seine Mutter hörte, erst sekundär eingebracht wurde. Dabei wurde in älteren Ansätzen meist nur die Wendung wma-law als sekundärer, harmonisierender Rückbezug auf den vorangehenden nichtpriesterlichen Kontext erklärt; so DILLMANN, KEH 11, 333; HOLZINGER, KHC 1, 174; GUNKEL, HK 1,1, 387. In neuerer Zeit wird häufig der gesamte, an der Reaktion Esaus orientierte Textbereich Gen 28,6–9 als Nachtrag verstanden; vgl. LEVIN, Jahwist, 214; NAUERTH, Untersuchungen, 29; KRATZ, Komposition, 242. Da sich hierfür aber kaum wirklich Gründe beibringen lassen, dürfte die wahrscheinlichere Alternative sein, dass der gesamte priesterliche Textbereich Gen 27,46–28,9 die vorangehende nichtpriesterliche Erzählung voraussetzt und fortschreibt.

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Die priesterlichen Passagen in den Jakoberzählungen

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fasst wurden und somit als Redaktion der vorgegebenen nichtpriesterlichen Vätergeschichte zu verstehen sind. Dabei wurden die priesterlichen Verse Gen 26,34–35 wohl deshalb vor der nichtpriesterlichen Erzählung vom Betrug um den Erstgeburtssegen ergänzt, um die dort dargestellte Zurücksetzung Esaus bereits vorab über seine Ehen mit hetitischen Frauen zu begründen.27 Gen 27,46–28,9 wurde sodann im Anschluss an die Erzählung vom Betrug um den Erstgeburtssegen zugefügt, um mit dem hier an Jakob gerichteten Verbot der Ehe mit einer Angehörigen der Landbevölkerung eine weitere, über die vorangehende Erzählung hinausgehende Begründung für dessen Weggang zu den östlichen Verwandten vorzubringen. Insgesamt ist bei Gen 26,34–28,9 also die Erzählung vom Betrug um den Erstgeburtssegen in 27,1–45 der nichtpriesterlichen Schicht zuzuweisen. Die in 26,34–35 belegte Notiz über die Ehen des Esau und die in 27,46– 28,9 belegte, wiederum an den Ehen der Isaak-Söhne orientierte Darstellung des Weggangs Jakobs zu den östlichen Verwandten ist der priesterlichen Schicht zuzuweisen. Dabei zeigt sich einmal mehr, dass es sich bei den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte um eine von vornherein für den Kontext der vorgegebenen nichtpriesterlichen Vätergeschichte verfasste Redaktionsschicht handelt. 2.2.3 Jakobs Aufenthalt bei Laban und seine Rückkehr in Genesis 29–33 Nach dem in Gen 28 geschilderten Weggang Jakobs zu den östlichen Verwandten wird in Gen 29–33 der dortige Aufenthalt bei seinem Onkel Laban und die darauf folgende Rückkehr in das Land Kanaan dargestellt. So wird zunächst in Gen 29,1–30 die Ankunft Jakobs bei Laban und die Heirat mit dessen Töchtern Lea und Rahel geschildert. In Gen 29,31–30,24 wird die Geburt seiner Kinder dargestellt. Es wird sodann in Gen 30,25–43 seine Tätigkeit als Hirt des Laban beschrieben. In Gen 31,1–54 wird erzählt, wie Jakob mit seinen Frauen und Kindern flieht, bevor schließlich in Gen 32,1– 33,20 die Rückkehr ins Land und in diesem Zusammenhang eine Begegnung mit Esau geschildert wird. Die in Gen 29–33 belegten Erzählungen sind, wie stets gesehen wurde, zu ihrem ganz überwiegenden Teil der nichtpriesterlichen Schicht der Vätergeschichte zuzuschreiben. Vermutlich handelt es sich bei diesem Textbereich, wie überhaupt bei den nichtpriesterlichen Jakoberzählungen, um ei—————

27 Schon JACOB, Genesis, 575; EISING, Untersuchung, 85–86; BLUM, Komposition, 264, meinten, dass mit Gen 26,34–35 und den dort erwähnten Ehen des Esau herausgestellt wird, dass Esau des Erstgeburtssegens, um den er nach der folgenden Erzählung 27,1–45 betrogen wird, ohnehin nicht würdig gewesen wäre.

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

nen auf literarischer Ebene weitgehend einheitlichen Text, der unter Aufnahme vorgegebener Einzelüberlieferungen – etwa eines Jakob-EsauErzählkranzes Gen 25–33*, eines Jakob-Laban-Erzählkranzes Gen 29–32* und weiterer Einzelüberlieferungen – gestaltet und zunächst für sich überliefert wurde.28 Die Jakoberzählungen wurden dann über die in Gen 28,13b. 14 hinzugefügte Verheißung, die ja den in Gen 12,1–3; 13,14–17; 26,3aba ergänzten Verheißungen entspricht, mit den Abraham- und den Isaakerzählungen verbunden.29 Entstanden ist so eine zumindest die Abraham-, Isaakund Jakoberzählungen umfassende erste Ausgabe der Vätergeschichte, die von den genannten, am Beginn der beiden großen Erzählblöcke stehenden Verheißungsworten her gelesen vor allem an den Themen Mehrung und Landbesitz orientiert ist. Nur einige wenige Verse der in Gen 29–33 belegten Darstellung von Jakobs Aufenthalt bei Laban und seiner Rückkehr in das Land Kanaan werden gemeinhin den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte zugewiesen. So wurde immer wieder und bis in die neuere Zeit hinein vermutet, dass die Verse 29,24.29, nach denen Laban seiner Tochter Lea die Magd Silpa und seiner Tochter Rahel die Magd Bilha gibt, der priesterlichen Schicht zugehören.30 Sodann wird der priesterlichen Schicht zumeist der Teilvers 31,18*(ab wvkr-lk-taw) zugewiesen, in dem der Besitz des Jakob erwähnt wird.31 Und schließlich wird häufig die in 33,18*(von rva bis ~ra !dp) belegte Notiz über die Rückkehr aus Paddan-Aram in das Land Kanaan den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte zugeschrieben.32 Mit Blick auf die zuerst genannten Verse Gen 29,24.29 ist zunächst sicher richtig, dass diese beiden Verse aus ihrem vorliegenden Kontext herausfallen. Gen 29,24 unterbricht doch ganz deutlich den Zusammenhang zwischen dem vorangehenden Vers 29,23, nach dem Laban dem Jakob statt seiner Tochter Rahel seine erstgeborene Tochter Lea zur Frau gibt, und dem folgenden Vers 29,25, nach dem Jakob dies am nächsten Morgen bemerkt. Ebenso unterbricht Gen 29,29 den Zusammenhang zwischen dem vorange————— 28

Zur Entstehung der Jakoberzählungen vgl. insbesondere die ausführlichen Darlegungen bei BLUM, Komposition, 66–203. 29 Siehe hierzu im Einzelnen oben 31–32. 30 Vgl. etwa WELLHAUSEN, Composition, 35; DILLMANN, KEH 11, 341; HOLZINGER, KHC 1, 183; GUNKEL, HK 1,1, 384; VON RAD, ATD 2–4, 235; WESTERMANN, BK 1,2, 569. 31 Vgl. nur NÖLDEKE, Untersuchungen, 27; DILLMANN, KEH 11, 351; HOLZINGER, KHC 1, 184; GUNKEL, HK 1,1, 384; NOTH, Überlieferungsgeschichte, 18; VON RAD, ATD 2–4, 245; WEIMAR, Aufbau, 183; WESTERMANN, BK 1,2, 601; SPEISER, AncB 1, 245; SCHARBERT, NEB.AT 16, 213; BOECKER, ZBK.AT 1,3, 84; LEVIN, Jahwist, 242; DE PURY, Umgang, 43; KRATZ, Komposition, 242. 32 Vgl. DILLMANN, KEH 11, 370; HOLZINGER, KHC 1, 184; GUNKEL, HK 1,1, 384; NOTH, Überlieferungsgeschichte, 18; VON RAD, ATD 2–4, 267; WESTERMANN, BK 1,2, 643; SPEISER, AncB 1, 261; SCHARBERT, NEB.AT 16, 225; BOECKER, ZBK.AT 1,3, 109; KRATZ, Komposition, 242.

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henden Vers 29,28, nach dem Laban seinem Schwiegersohn auch seine zweite Tochter Rahel gibt, und dem folgenden Vers 29,30, nach dem Jakob zu Rahel eingeht. Die Verse 29,24.29 wurden also tatsächlich erst sekundär in den vorliegenden Kontext eingebracht. Die gerade in älteren Ansätzen häufig vorgenommene Zuweisung dieser beiden Verse zu den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte überzeugt dagegen nicht.33 So lassen die Verse 29,24.29 keinerlei Verbindungen zu den sonst der priesterlichen Schicht zugewiesenen Textbereichen erkennen. Zudem scheint diesen beiden Versen nur eine Funktion für den näheren nichtpriesterlichen Kontext zuzukommen. Denn die hier genannten Mägde sind im weiteren Verlauf der Jakoberzählungen doch vor allem im Zusammenhang der in Gen 29,31–30,24 dargestellten Geburt von Jakobs Kindern, die dieser mit seinen beiden Frauen und deren Mägden gezeugt hat, von Bedeutung. Es ist also gut denkbar, dass der für die nichtpriesterlichen Jakoberzählungen verantwortliche Redaktor, der auf verschiedene vorgegebene Einzelüberlieferungen zurückgegriffen hat, die in Gen 29,24.29 belegten Hinweise auf die beiden Mägde an der vorliegenden Stelle zur Vorbereitung der dann in Gen 29,31–30,24 aufgenommenen Überlieferung über die Kinder des Jakob ergänzt hat.34 Die Verse Gen 29,24.29 geben also tatsächlich einen gewissen Einblick in die Entstehung der Jakoberzählungen. Sie gehören aber bereits dem vorpriesterlichen Wachstum der Jakoberzählungen an und können nicht den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte zugewiesen werden. Dies führt dann aber zu einer bedeutenden Konsequenz: In den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte wird zwar der Weggang Jakobs zu Laban (Gen 27,46–28,9) und, wie sich noch zeigen wird, seine Rückkehr in das Land Kanaan (Gen 31,18*; 33,18*; 35,6) dargestellt. Für den gesamten dazwischenliegenden Aufenthalt bei den östlichen Verwandten finden sich in der vorliegenden Vätergeschichte aber keine der priesterlichen Schicht zuzuweisenden Textbestandteile. Dieser doch etwas erstaunliche Befund wird unter den Ansätzen, die die priesterlichen Passagen der Vätergeschichte als Teil einer ursprünglich unabhängig überlieferten Quelle verstehen, zumeist schlicht damit erklärt, dass bei der Zusammenarbeitung der Quellen die priesterliche Erzählung —————

33 Vgl. hierzu etwa BLUM, Komposition, 104; SCHARBERT, NEB.AT 16, 203; BOECKER, ZBK.AT 1,3, 68; LEVIN, Jahwist, 229–230; SEEBASS, Genesis II,2, 332; RUPPERT, fzb 106, 218, die Gen 29,24.29 zwar als Nachträge verstehen, von einer Zuweisung dieser Verse zur priesterlichen Schicht aber absehen. 34 So auch BLUM, Komposition, 169–170. Vgl. zudem LEVIN, Jahwist, 229–230, der bei Gen 29–30 von einem mehrstufigen Textwachstum ausgeht und Gen 29,24.29 als sekundäre Vorbereitung der seiner Ansicht nach in Gen 30 erst sekundär eingebrachten Ausführungen über die von den Mägden geborenen Kinder Dan, Gad und Asser versteht.

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

vom Aufenthalt Jakobs bei den östlichen Verwandten zugunsten der nichtpriesterlichen Darstellung ausgelassen wurde.35 Das würde aber heißen, dass an dieser doch sehr bedeutenden Stelle, an der ja immerhin die Geburt der Ahnherrn der späteren Stämme dargestellt wird, in der priesterlichen Quelle keinerlei von der nichtpriesterlichen Überlieferung abweichende Ausführungen enthalten waren, die sich weiter zu tradieren gelohnt hätte. Dies ist doch ausgesprochen unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher ist daher erneut die Annahme, dass die priesterlichen Passagen der Vätergeschichte von vornherein für ihren vorgegebenen Kontext verfasst wurden und somit als Redaktion der nichtpriesterlichen Vätergeschichte zu verstehen sind. Von dieser priesterlichen Redaktion wurden dann nur die nichtpriesterlichen Darlegungen von Jakobs Weggang und Rückkehr überarbeitet, da für die priesterlichen Autoren – aus noch näher auszuführenden Gründen – gerade diese beiden Passagen von entscheidender Bedeutung waren.36 Anders als Gen 29,24.29 ist der Teilvers 31,18*(ab wvkr-lk-taw) nun tatsächlich den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte zuzuweisen. Bei Gen 31,18 fällt ja auf, dass am Beginn dieses Verses ausgesagt wird, dass Jakob sein Vieh (hnqm) weggetrieben hat. Im weiteren Verlauf ist dann aber zunächst ganz allgemein vom Besitz (vwkr) des Jakob die Rede, bevor schließlich erneut der Viehbesitz (hnqm) des Jakob genannt wird. Gen 31,18* kann somit als sekundäre Ausweitung der zu Beginn dieses Verses belegten Darstellung, dass Jakob sein Vieh weggetrieben hat, verstanden werden.37 Dabei weist Gen 31,18* gleich mehrere für die priesterliche Schicht charakteristische Formulierungen auf.38 So findet sich an dieser Stelle der nur selten gebrauchte, aber gerade in den priesterlichen Versen Gen 12,5; 13,6; 36,7; 46,6 belegte Begriff vwkr zur Bezeichnung von Jakobs Besitz.39 Zu————— 35

Vgl. NÖLDEKE, Untersuchungen, 27; NOTH, Überlieferungsgeschichte, 18; GROSS, Jakob, 321 Anm. 3; LEVIN, Jahwist, 242; PROPP, Priestly Source, 466; DE PURY, Umgang, 43; KRATZ, Komposition, 242. 36 Siehe hierzu unten 179. 37 Weniger überzeugend ist demgegenüber die von BLUM, Komposition, 130, und CARR, Fractures, 106, vorgenommene Abgrenzung, die den gesamten Textbereich Gen 31,17–18 der priesterlichen Schicht zuweisen. Dagegen spricht nicht nur, dass sich in Gen 31,18 mit der doppelten Erwähnung des Viehbesitzes (hnqm) doch sehr deutlich eine literarische Naht erkennen lässt. Dagegen spricht auch, dass Gen 31,17.18*(bis whnqm-lk-ta) keinerlei priesterliches Gepräge aufweist. Im Gegenteil: In den priesterlichen Passagen werden sonst an keiner Stelle die in 31,17 genannten Kamele (lmg) erwähnt, und auch das zu Beginn von 31,18 belegte Verb ghn wird in den priesterlichen Passagen sonst nicht verwandt. 38 Vgl. zum Folgenden etwa HOLZINGER, KHC 1, 184; GUNKEL, HK 1,1, 388; BOECKER, ZBK.AT 1,3, 84. 39 Zur Zuweisung von Gen 12,5; 13,6 zur priesterlichen Schicht s.o. 32–33 mit Anm. 28; zu Gen 36,7; 46,6 s.u. 95–96.112–114.

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Die priesterlichen Passagen in den Jakoberzählungen

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dem ist die hier belegte Wendung „Besitz, den er erworben hatte“ (vwkr vkr rva) im gesamten Alten Testament nur noch in den priesterlichen

Versen Gen 12,5; 46,6 belegt. Und schließlich werden in Gen 31,18* einmal mehr die in den priesterlichen Passagen üblichen geographischen Bezeichnungen „Paddan-Aram“ (~ra !dp) und „Land Kanaan“ (![nk #ra) verwandt.40 Es spricht also in der Tat alles dafür, dass Gen 31,18* den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte zuzuweisen ist.41 In der bisherigen Forschung wurde nun aber noch zu wenig die Einbettung des priesterlichen Teilverses Gen 31,18* in seinen nichtpriesterlichen Kontext beachtet. So steht in Gen 31,17–18: Gen 31,17 Jakob stand auf, setzte seine Kinder und seine Frauen auf die Kamele, 18 und er trieb all sein Vieh (hnqm) hinweg und all seinen Besitz (vwkr), den er erworben hatte, seinen Viehbesitz (hnqm), den er in Paddan-Aram erworben hatte, um zu seinem Vater Isaak ins Land Kanaan zu kommen.

Beachtenswert ist also, dass der priesterliche Teilvers 31,18* – zumindest im vorliegenden Zusammenhang – den vorangehenden nichtpriesterlichen Kontext voraussetzt. Der priesterliche Text schließt ohne neuerliche Verbalform an die nichtpriesterliche Darstellung, dass Jakob all sein Vieh hinwegtrieb, an und führt diese fort. Dies könnte nun sicherlich so erklärt werden, dass es sich bei dem priesterlichen Teilvers Gen 31,18* um ein Fragment aus einer umfangreicheren priesterlichen Quelle handelt, das von einem Redaktor an der vorliegenden Stelle eingearbeitet wurde. Dagegen spricht aber, dass in dem priesterlichen Teilvers Gen 31,18* der bereits am Beginn des Verses belegte Begriff hnqm verwandt wird. Der priesterliche Teilvers Gen 31,18* nimmt also eine Formulierung aus dem vorangehenden nichtpriesterlichen Kontext auf und wurde daher wohl von vornherein für diesen verfasst.42 Diese Annahme lässt sich noch durch eine weitere Beobachtung untermauern. So findet sich im Rahmen der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte ja gleich an mehreren Stellen ein Verweis auf den Besitz der jeweiligen Ahnherrn (Gen 12,5; 13,6; 31,18*; 36,7; 46,6). Beachtenswert ist dabei, dass an den ersten beiden Stellen lediglich der Begriff vwkr für deren ————— 40

Zu ~ra !dp s.o. 29 mit Anm. 14 und zu ![nk #ra s.o. 34 Anm. 31. Gegen RENDTORFF, Problem, 116–117, der die Zuweisung von Gen 31,18 zu den priesterlichen Passagen ablehnt. Seiner Ansicht nach reichen die genannten terminologischen Parallelen für eine solche Zuweisung nicht aus. Da hier aber ja gleich mehrere für die priesterlichen Passagen charakteristische Begriffe auf engstem Raum beieinander stehen, dürfte die gängige Sicht doch berechtigt sein. 42 So auch VOLZ, P, 138, sowie – allerdings mit Blick auf den gesamten Textbereich Gen 31,17–18 (s.o. 82 Anm. 37) – BLUM, Komposition, 441. 41

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

Besitz belegt ist, dass dann aber ab der hier behandelten Stelle Gen 31,18* neben vwkr auch der Begriff hnqm verwandt wird: Gen 12,5

Gen 13,6

Gen 31,18*

Gen 36,7

Gen 46,6

vwkr

vwkr

vwkr hnqm

vwkr hnqm

vwkr hnqm

Dieser doch recht erstaunliche Befund lässt sich wohl am ehesten so erklären, dass die priesterlichen Autoren in Gen 12,5; 13,6 zunächst nur den von ihnen bevorzugten Begriff vwkr verwandt haben, dass sie in Gen 31,18* in Anlehnung an den vorgegebenen nichtpriesterlichen Kontext auch den Begriff hnqm aufgenommen haben und eben diesen Begriff bei den folgenden, von ihnen eingebrachten Notizen über den Besitz der Väter weiter verwandt haben. Diese Überlegung spricht dann aber ganz deutlich dafür, dass Gen 31,18* – wie überhaupt die priesterlichen Passagen der Vätergeschichte – für den Kontext der vorgegebenen nichtpriesterlichen Vätergeschichte verfasst wurde. Es zeigt sich also auch hier, dass die priesterlichen Passagen der Vätergeschichte nicht als Teil einer ursprünglich unabhängig überlieferten Quelle, sondern als Redaktion zu verstehen sind. Zuletzt ist noch auf den gemeinhin der priesterlichen Schicht zugewiesenen Teilvers Gen 33,18*(von rva bis ~ra !dp) einzugehen. Im vorliegenden Zusammenhang wird mit dieser kurzen Notiz zum einen über den Hinweis ![nk #rab rva die Lage des zuvor genannten Sichem erklärt. Zum anderen wird mit der Wendung ~ra !dpm wabb auf Jakobs Aufenthalt in Paddan-Aram zurückverwiesen. Es wird hier also ein Übergang markiert von Jakobs Zeit bei den östlichen Verwandten hin zum nun wieder beginnenden Aufenthalt im Land. Gen 33,18* ist dabei angesichts der auch hier belegten geographischen Bezeichnungen „Land Kanaan“ (![nk #ra) und „Paddan-Aram“ (!dp ~ra) tatsächlich den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte zuzuschreiben. Dieser Teilvers setzt doch aber unverkennbar den vorliegenden nichtpriesterlichen Kontext voraus.43 Es handelt sich also auch bei diesem —————

43 Nicht umsonst sehen einige Vertreter der gängigen These, dass es sich bei P um eine Quelle handelt, von einer Zuweisung von Gen 33,18* zu den priesterlichen Passagen ab und verstehen diesen Vers als das Produkt eines sich an der priesterlichen Sprache orientierenden späten Redaktors; vgl. LEVIN, Jahwist, 263; CARR, Fractures, 107 Anm. 57; DE PURY, Umgang, 43 mit Anm. 47; RUPPERT, fzb 106, 410.412. Nach den bisherigen Erkenntnissen zur Entstehung der Vätergeschichte dürfte aber die einfachere und wahrscheinlichere Lösung sein, dass die priesterlichen Passagen der Vätergeschichte insgesamt als Redaktionsschicht zu erklären sind, der dann ohne weiteres auch Gen 33,18* zugewiesen werden kann; so auch VOLZ, P, 138; BLUM, Komposition, 62 Anm. 3.

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Die priesterlichen Passagen in den Jakoberzählungen

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priesterlichen Stück um einen von vornherein für seinen vorgegebenen nichtpriesterlichen Kontext verfassten Nachtrag. Insgesamt ist die in Gen 29–33 belegte Darstellung von Jakobs Aufenthalt bei Laban und seiner Rückkehr ins Land somit als ein auf literarischer Ebene im Wesentlichen einheitlicher, der nichtpriesterlichen Schicht zuzuweisender Textbereich zu verstehen. Der priesterlichen Schicht sind lediglich die beiden Teilverse Gen 31,18*(ab wvkr-lk-taw) und 33,18*(von rva bis ~ra !dp) zuzuschreiben, die sich erneut ganz deutlich als für den vorliegenden Kontext verfasste Nachträge erweisen. 2.2.4 Das Ende der Jakoberzählungen in Genesis 35 Am Ende der Jakoberzählungen werden in Gen 35 einige kleinere Episoden über die Geschehnisse bei Jakobs Rückkehr von den östlichen Verwandten vorgebracht. So wird zunächst in Gen 35,1–7 dargestellt, wie Jakob von Gott dazu aufgefordert wird, nach Bethel zu gehen und dort einen Altar zu bauen. In Gen 35,8 findet sich eine kurze Notiz über den Tod und das Begräbnis der Debora, der Amme von Jakobs Mutter Rebekka. In Gen 35,9– 13 wird ausgeführt, wie Gott bei Jakob erscheint, ihm den Namen Israel gibt und ihm Fruchtbarkeit und Mehrung sowie den Besitz des Landes Kanaan verheißt. Nach Gen 35,14–15 stellt Jakob daraufhin eine Mazzebe auf und benennt den Ort der Gotteserscheinung mit dem Namen Bethel. In Gen 35,16–20 wird die Geburt des letzten Jakobsohnes Benjamin und der Tod seiner Mutter Rahel geschildert. In Gen 35,21.22a wird erzählt, dass sich Jakob nun in Migdal-Eder niederlässt und dass sich Ruben zu Bilha, der Nebenfrau seines Vaters, legt. Es folgt in Gen 35,22b–26 ein Verzeichnis der Jakob-Söhne. In Gen 35,27 wird erwähnt, dass Jakob zu seinem Vater Isaak nach Hebron geht. Und das Kapitel endet schließlich in Gen 35,28–29 mit einer kurzen Notiz über den Tod des Isaak. Gen 35 erweckt – gerade im Vergleich mit den vorangehenden Jakoberzählungen – den Anschein einer losen Sammlung verschiedener kleiner Einzelüberlieferungen. Nicht umsonst wurde die vorliegende Gestalt dieses Kapitels als „Zusammenstellung von Fragmenten“44 oder gar als „Geröll“45 bezeichnet. Es ist also davon auszugehen, dass das vorliegende Kapitel das Produkt eines umfangreicheren literarischen Wachstumsprozesses ist. Dies zeigt sich schon bei der ersten, in Gen 35,1–7 belegten Einheit. In Gen 35,1–7 wird ja zunächst in 35,1 geschildert, wie Jakob von Gott dazu aufgefordert wird, nach Bethel zu gehen und dort einen Altar zu bauen. In ————— 44 45

SCHARBERT, NEB.AT 16, 230. VON RAD, ATD 2–4, 277.

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

Gen 35,2–5 wird dargestellt, dass Jakob die mit ihm Ziehenden dazu auffordert, ihre fremden Götter abzugeben und mit ihm nach Bethel zu ziehen. Er verbrennt die abgegebenen Götzen und bricht mit seinen Angehörigen auf. Nach 35,6–7 kommt Jakob in Bethel an und baut dort einen Altar. Gen 35,1–7 wird häufig als ein im Wesentlichen einheitlicher Textbereich verstanden.46 Zu beachten ist jedoch eine markante Differenz zwischen den in 35,1.6–7 belegten Rahmenpartien und den dazwischenliegenden Versen 35,2–5.47 In 35,1.6–7 wird Jakob als der allein Handelnde dargestellt. Im Mittelteil 35,2–5 sind Jakob und seine Angehörigen gemeinsam im Blick. Dementsprechend sind in 35,1.6–7 auch nur singularische Verbformen, in 35,2–5 dagegen vor allem pluralische Verbformen belegt. Besonders markant ist hierbei der Übergang von 35,5 zu 35,6. So heißt es in Gen 35,5, dass sie, also Jakob und seine Angehörigen, aufbrechen (w[syw). Der daran anschließende Vers Gen 35,6 beginnt aber mit der Aussage, dass er, Jakob, nach Bethel kommt (abyw). Diese Beobachtung spricht dafür, dass Gen 35,2–5 auf eine spätere Überarbeitung der vorliegenden Einheit zurückgeht.48 Aufgrund der in Jos 24,14–23; Ri 10,16; 1 Sam 7,3 belegten Parallelen zu der hier beschriebenen Abkehr von Götzenbildern, kann diese Redaktion im weiteren Sinne als deuteronomistisch bezeichnet werden.49 Innerhalb des verbleibenden Bestands Gen 35,1.6–7 ist nun schon häufig der folgende, doch etwas umständlich formulierte Satz Gen 35,6a aufgefallen: „Da kam Jakob nach Lus, das im Lande Kanaan liegt, das ist Bethel“ (la-tyb awh ![nk #rab rva hzwl bq[y abyw). Bemerkenswert ist an diesem Satz, dass die geographische Bezeichnung Lus zunächst mit einem Relativsatz als im Lande Kanaan gelegen bestimmt und erst dann mit Bethel gleichgesetzt wird. Hinzu kommt, dass sich in Gen 35,6a gleich zwei für die priesterliche Schicht charakteristische Termini finden.50 So ist der Ortsname Lus auch in dem Vers Gen 48,3 belegt, der sich als priesterlich erweisen wird und mit dem ja gerade auf die in Gen 35 geschilderten Ereignisse zurückgeblickt wird.51 Zudem wird hier erneut die im Rahmen der priester————— 46

Vgl. etwa WELLHAUSEN, Composition, 48; DILLMANN, KEH 11, 375; HOLZINGER, KHC 1, 216; GUNKEL, HK 1,1, 378; NOTH, Überlieferungsgeschichte, 38; WESTERMANN, BK 1,2, 668–669; SPEISER, AncB 1, 269; SCHARBERT, NEB.AT 16, 230–231; RUPPERT, fzb 106, 472. 47 Vgl. zum Folgenden BECKER, Jakob, 170. 48 So auch LEVIN, Jahwist, 261–264; KRATZ, Komposition, 280; BECKER, Jakob, 170–171. 49 Vgl. BECKER, Jakob, 170, sowie, mit Blick auf die gesamte Einheit Gen 35,1–7, BLUM, Komposition, 35–45, mit der Revision seiner ursprünglichen Zuordnung zu der als KD bezeichneten, vorpriesterlichen Komposition hin zur nachpriesterlichen, spät-dtr. Josua-24-Redaktion in ders., Studien, 363–364, und BOECKER, ZBK.AT 1,3, 123; SOGGIN, Jacob, 197–198; ALBERTZ, Exilszeit, 195; KÖHLMOOS, Bet-El, 257. 50 Vgl. nur DILLMANN, KEH 11, 377; HOLZINGER, KHC 1, 184; GUNKEL, HK 1,1, 387. 51 S.u. 121–123.

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lichen Passagen übliche Bezeichnung des Landes als „Land Kanaan“ (#ra

![nk) verwandt.

52

Aufgrund der in Gen 35,6 belegten priesterlichen Formulierungen wird häufig – vor dem Hintergrund der Quellentheorie – der gesamte Teilvers Gen 35,6a oder gar der gesamte Vers Gen 35,6 der priesterlichen Schicht zugewiesen.53 Das Problem an dieser Annahme ist aber zum einen, dass in dem verbleibenden nichtpriesterlichen Text ohne Gen 35,6(a) ein entsprechender Vermerk, dass Jakob in Bethel ankommt, fehlt. Zum anderen bleibt so die zuvor beschriebene, doch etwas sperrige Formulierung in Gen 35,6a unerklärt. Die vorliegende Gestalt von Gen 35,6a ist deshalb viel eher so zu erklären, dass nur die Wendung awh ![nk #rab rva hzwl sekundär eingebracht wurde, so dass sich der priesterliche Text auch an dieser Stelle als eine für seinen vorliegenden Zusammenhang formulierte Ergänzung erweist.54 Mit dieser Ergänzung wurde die vorgegebene Ortsbezeichnung Bethel mit der in den priesterlichen Passagen gebrauchten Bezeichnung Lus gleichgesetzt und nochmals explizit als ein im Lande Kanaan gelegener Ort bestimmt. Im Anschluss an Gen 35,1–7 steht in 35,8 eine kurze Notiz über den Tod und das Begräbnis der Debora, der Amme der Rebekka. Diese Notiz kann ohne weiteres als die ursprüngliche Fortsetzung von 35,1.6*.7 verstanden und somit der Grundschicht des Kapitels zugewiesen werden.55 Demgegenüber sind die folgenden Verse Gen 35,9–13, wie stets gesehen, den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte zuzuschreiben.56 In dieser Einheit wird dargestellt, wie Gott bei Jakob erscheint, ihm den Namen Israel gibt und ihm Fruchtbarkeit und Mehrung sowie den Besitz des Landes Kanaan verheißt. Die kurze Episode endet schließlich damit, dass Gott wieder von Jakob auffährt. ————— 52

S.o. 34 Anm. 31. Vgl. DILLMANN, KEH 11, 377; HOLZINGER, KHC 1, 184; GUNKEL, HK 1,1, 387; NOTH, Überlieferungsgeschichte, 18; VON RAD, ATD 2–4, 273; WESTERMANN, BK 1,2, 672; SPEISER, AncB 1, 270; SCHARBERT, NEB.AT 16, 231; BOECKER, ZBK.AT 1,3, 127; SEEBASS, Genesis II,2, 445; KRATZ, Komposition, 242; RUPPERT, fzb 106, 472; KÖHLMOOS, Bet-El, 251. 54 Vergleichbare Überlegungen finden sich schon bei LÖHR, Untersuchungen I, 26; BLUM, Komposition, 62 Anm. 3. 55 So auch WELLHAUSEN, Composition, 48; DILLMANN, KEH 11, 377; HOLZINGER, KHC 1, 216; GUNKEL, HK 1,1, 378; NOTH, Überlieferungsgeschichte, 38; SPEISER, AncB 1, 269; BOECKER, ZBK.AT 1,3, 126; KRATZ, Komposition, 280; KÖHLMOOS, Bet-El, 251. 56 Vgl. nur NÖLDEKE, Untersuchungen, 27; DILLMANN, KEH 11, 377; HOLZINGER, KHC 1, 184; NOTH, Überlieferungsgeschichte, 18; VON RAD, ATD 2–4, 275–276; WESTERMANN, BK 1,2, 673; SPEISER, AncB 1, 269; SCHARBERT, NEB.AT 16, 231; BOECKER, ZBK.AT 1,3, 127; LEVIN, Jahwist, 262; CARR, Fractures, 88–90; NAUERTH, Untersuchungen, 266; SEEBASS, Genesis II,2, 445; RUPPERT, fzb 106, 472; KRATZ, Komposition, 242. 53

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

Für die Zuweisung von Gen 35,9–13 zu den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte sprechen vor allem die deutlichen Parallelen zur priesterlichen Version des Abrahambundes in Gen 17.57 Denn hier wie dort wird zunächst eine Gotteserscheinung geschildert (17,1 // 35,9). Hier wie dort wird dem Patriarchen ein neuer Name verliehen (17,5 // 35,10). Hier wie dort wird eine Verheißung vorgebracht, die die Aspekte Mehrung und Landbesitz umfasst (17,2.6.8 // 35,11–12). Und hier wie dort wird abschließend dargestellt, dass Gott von dem jeweiligen Ahnherrn aufsteigt (17,22 // 35,13). Trotz der genannten, die gesamte Einheit Gen 35,9–13 durchziehenden Parallelen zu Gen 17 wurde nun aber schon häufiger angenommen, dass die in 35,10 belegte Umbenennung des Jakob zu Israel von der priesterlichen Schicht abzuheben ist und erst im Rahmen einer nachpriesterlichen Bearbeitung an der vorliegenden Stelle ergänzt wurde.58 Grundlage dieser redaktionsgeschichtlichen Überlegung ist vor allem die schlichte Tatsache, dass der Erzvater in den auf Gen 35 folgenden priesterlichen Passagen an keiner Stelle Israel, sondern auch weiterhin Jakob genannt wird.59 Die in 35,10 belegte Umbenennung wird im Rahmen der priesterlichen Passagen also nicht umgesetzt. Zu beachten ist aber, dass Gen 35,10 nicht nur sachlich, sondern auch formal exakt parallel zu der in 17,5 belegten Umbenennung des Abraham – wie auch zu der in 17,15 belegten Umbenennung der Sarah – gestaltet ist. Dies zeigt sich gerade im Vergleich zu der nichtpriesterlichen Version der Umbenennung des Jakob in Gen 32,29: Gen 32,29 Gen 17,5 Gen 17,15 Gen 35,10

$mv dw[ rmay bq[y al al – PN – Verb (rma) – ~v ~rba $mv-ta dw[ arqy-alw al – Verb (arq) – ~v – PN yrf hmv-ta arqt-al al – Verb (arq) – ~v – PN bq[y dw[ $mv arqy-al al – Verb (arq) – ~v – PN

Bei Gen 32,29 ist die Umbenennung des Ahnherrn mit dem Verb rma formuliert, und der Personenname steht hier vor dem Verb. In Gen 17,5.15 wie —————

57 Vgl. hierzu etwa DILLMANN, KEH 11, 377; HOLZINGER, KHC 1, 184–185; LÖHR, Untersuchungen I, 11; VON RAD, ATD 2–4, 276; WESTERMANN, BK 1,2, 673; BOECKER, ZBK.AT 1,3, 128; RUPPERT, fzb 106, 464. 58 So vor allem GUNKEL, HK 1,1, 387; STEUERNAGEL, Lehrbuch, 146; VON RAD, Priesterschrift, 26; HUMBERT, Zweiheit, 54; SEEBASS, Genesis II,2, 445; BECKER, Jakob, 173–175. 59 Zu weiteren Argumenten, die für die Ausscheidung von Gen 35,10 aus dem vorliegenden priesterlichen Zusammenhang vorgebracht wurden, vgl. die umfangreiche Auseinandersetzung mit dieser These bei GROSS, Jakob, 329–332.

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Die priesterlichen Passagen in den Jakoberzählungen

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dann auch in Gen 35,10 wird hingegen das Verb arq verwandt und der Name des Ahnherrn wird erst nach dem Verb, am Ende der jeweiligen Formulierung, genannt. Hinzu kommt, dass die in Gen 17,5.15; 35,10 belegte Wendung – PN ~v arq al – im gesamten Alten Testament überhaupt nur an diesen drei Stellen belegt ist. Es spricht also alles dafür, dass Gen 35,10 wie Gen 17,5.15 der priesterlichen Schicht zuzuordnen ist. Die immer wieder vorgetragene Annahme, dass Gen 35,10 von der priesterlichen Einheit 35,9–13 abzuheben ist, bestätigt sich nicht.60 Die Frage bleibt dann aber, warum Jakob in dem priesterlichen Vers Gen 35,10 in Israel umbenannt wird, obgleich er in den folgenden priesterlichen Passagen doch weiterhin als Jakob bezeichnet wird. Hierfür ist kurz auf die nichtpriesterlichen Passagen der Vätergeschichte einzugehen. In den nichtpriesterlichen Passagen der Vätergeschichte wird bereits im Rahmen der in Gen 32,23–33 belegten Erzählung von Jakobs Kampf am Jabbok die Umbenennung des Erzvaters zu Israel dargestellt. Nach Gen 32,29 erhält Jakob den Namen Israel, da er mit Gott und Menschen gekämpft und gesiegt hat. Es lässt sich aber zeigen, dass die in Gen 32,28–29.30a belegte Umbenennung des Jakob erst sekundär in die vorliegende Erzählung integriert wurde.61 So wird bei der in 32,29 vorgebrachten Namenserklärung, dem Israel-Namen entsprechend, das Verb hrf verwandt. Bei dem zuvor in Gen 32,25–26 dargestellten Kampf zwischen Jakob und seinem zunächst noch unbekannten Gegner wird dagegen gleich zwei Mal das Verb qba gebraucht. Wenn die Erzählung schon immer auf die Umbenennung des Jakob zugelaufen wäre, so wäre doch aber sicher schon hier das Verb hrf verwandt worden.62 Die in Gen 32,28–29.30a belegte Umbenennung des Jakob ist der Erzählung somit erst sekundär – und vermutlich erst auf einer recht späten Entstehungsstufe – zugewachsen.63 Vermutlich wurde die Umbenen—————

60 Auch GROSS, Jakob, 329–332; BLUM, Komposition, 266; BOECKER, ZBK.AT 1,3, 127; NAUERTH, Untersuchungen, 256; RUPPERT, fzb 106, 471–472; KÖHLMOOS, Bet-El, 252 Anm. 104, sprechen sich dezidiert gegen die Zuweisung von Gen 35,10 zu einer nachpriesterlichen Redaktion aus. 61 So auch, allerdings meist ohne ausführliche Begründung, MCKENZIE, Jacob, 74; HERMISSON, Jakobs Kampf, 243–244; L. SCHMIDT, Kampf Jakobs, 127.130–133; DIEBNER, Interesse, 28.32–33; OTTO, Jakob, 42; WESTERMANN, BK 1,2, 629; WEIMAR, Beobachtungen, 73–75; LEVIN, Jahwist, 250; BOECKER, ZBK.AT 1,3, 99; KRATZ, Komposition, 280; RUPPERT, fzb 106, 373. 62 So bislang v.a. DIEBNER, Interesse, 33. 63 Bei den zuvor Anm. 61 genannten Ansätzen wird Gen 32,28–29.30a zumeist als frühe – eventuell sogar vom Jahwisten selbst in ein ihm vorgegebenes Überlieferungsstück eingetragene – Zufügung verstanden. Dies ist aber kaum wahrscheinlich. Denn die im Folgenden ausgeführte Tatsache, dass Jakob in den nichtpriesterlichen Passagen der Vätergeschichte erstmals in 35,21.22a als Israel bezeichnet wird, spricht doch deutlich gegen die Annahme, dass es sich bei Gen 32,28– 30* um eine bereits auf den Jahwisten bzw. den Herausgeber einer ersten übergreifenden Jakober-

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

nung deshalb an der vorliegenden Stelle nachgetragen, da von dem hier dargestellten Gotteskampf her eine ätiologische Erklärung des IsraelNamens ermöglicht wurde. Mit Blick auf die nichtpriesterlichen Passagen der Vätergeschichte ist aber noch eine weitere Beobachtung von Bedeutung: Nach der in Gen 32,29 belegten nichtpriesterlichen Version der Umbenennung des Ahnherrn, die sich soeben als Nachtrag erwiesen hat, wird der Israel-Name erstmals in 35,21 gebraucht. Zuvor wird der Erzvater ausnahmslos als Jakob bezeichnet.64 Von hier aus ist nun auf die priesterliche Fassung der Umbenennung des Jakob in Gen 35,10 zurückzukommen. Wie bereits erwähnt, wird der IsraelName in den auf Gen 35,10 folgenden priesterlichen Passagen nicht gebraucht. Wie sich soeben zeigte, findet sich in den nichtpriesterlichen Passagen – nach Ausschluss von Gen 32,28–29.30a – aber gerade in Gen 35,21, also in unmittelbarer Nähe zu dem priesterlichen Vers Gen 35,10, der erste Beleg des Israel-Namens. Das heißt doch aber, dass die in Gen 35,10 belegte priesterliche Darstellung der Umbenennung des Jakob gut als eine für den Kontext der nichtpriesterlichen Vätergeschichte verfasste Einführung des Israel-Namens zu verstehen ist, mit der die dort ab 35,21 belegte Verwendung dieses Namens einer erzählerischen Erklärung zugeführt wird. Dabei wird sich im weiteren Verlauf der hier vorgestellten Überlegungen noch genauer zeigen lassen, warum im Rahmen der priesterlichen Passagen an der vorliegenden Stelle eine solche Einführung des Israel-Namens angebracht wurde.65 Die in Gen 35,10 belegte Umbenennung des Jakob ist aber nicht der einzige Hinweis, dass die priesterliche Einheit 35,9–13 für den Kontext der vorgegebenen nichtpriesterlichen Vätergeschichte verfasst wurde. Für diese Annahme spricht auch die am Beginn der Einheit in 35,9 belegte Aussage, dass Gott dem Jakob „nochmals“ (dw[) erschien, als er aus Paddan-Aram kam. Denn zuvor war von einer Gotteserscheinung doch nur in dem nichtpriesterlichen Vers 35,1 die Rede. Auch dies zeigt, dass die priesterliche Einheit Gen 35,9–13 den vorgegebenen nichtpriesterlichen Zusammenhang voraussetzt und für diesen verfasst wurde.66 ————— zählung zurückgehende Einfügung handelt. Stattdessen wird dieser Nachtrag wohl erst nachpriesterlich anzusetzen sein. 64 Die drei zwischen Gen 32,29 und Gen 35,21 stehenden nichtpriesterlichen Belege des IsraelNamens in 32,33; 33,20; 34,7 sind eindeutig nicht auf die Person des Ahnherrn bezogen. Der Israel-Name wird hier vielmehr als nationale oder geographische Bezeichnung gebraucht. 65 S.u. 106. 66 Nicht umsonst wird von den Vertretern der Quellentheorie das Wörtchen dw[ in Gen 35,9 häufig als ausgleichender Nachtrag des für die Zusammenarbeitung der priesterlichen und nichtpriesterlichen Texte verantwortlichen Redaktors verstanden; vgl. nur NÖLDEKE, Untersuchungen, 28; WELLHAUSEN, Composition, 45; DILLMANN, KEH 11, 377; VON RAD, ATD 2–4, 276; LEVIN,

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Die priesterlichen Passagen in den Jakoberzählungen

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Im Anschluss an die in Gen 35,9–13 belegte Gotteserscheinung wird in 35,14–15 geschildert, wie Jakob an dem Ort der Gotteserscheinung eine Mazzebe aufstellt, Öl darauf gießt und diesem Ort den Namen Bethel gibt. Da Gen 35,14–15 an den vorangehenden priesterlichen Kontext anschließt und die dort in 35,13 belegte Formulierung „an dem Ort, an dem Gott zu ihm geredet hatte“ (wta rbd-rva ~wqmb) aufnimmt, wurde schon häufiger vermutet, dass auch diese beiden Verse der priesterlichen Schicht zuzurechnen sind.67 Dagegen spricht jedoch, dass Gen 35,14–15 keinerlei priesterliches Gepräge aufweist. In den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte ist sonst an keiner Stelle von einer Mazzebe oder einem Opfer die Rede.68 Zudem spricht die in 35,15 belegte Benennung des Ortes mit dem Namen Bethel gegen die Zuweisung dieser Verse zur priesterlichen Schicht. Denn in den priesterlichen Passagen wird der Ort, an dem Gott dem Ahnherrn auf seinem Weg von Paddan-Aram zurück ins Land erscheint, doch nicht Bethel, sondern Lus genannt (Gen 35,6*; 48,3). Gen 35,14–15 kann somit nicht den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte zugewiesen werden. Diese Verse gehen vielmehr auf eine nachpriesterliche Redaktion zurück, mit der die priesterliche Einheit 35,9–13 – wohl in Angleichung an die in 28,10–22 belegte Gottesoffenbarung in Bethel – fortgeschrieben wurde.69 In Gen 35,16–20 werden die Geburt von Jakobs jüngstem Sohn Benjamin sowie der Tod und das Begräbnis seiner Mutter Rahel, die bei der Geburt stirbt, geschildert. Diese Einheit zeigt deutliche Parallelen zu der in Gen 35,8 belegten Notiz über Tod und Begräbnis der Debora und kann so————— Jahwist, 262; KRATZ, Komposition, 242; RUPPERT, fzb 106, 472; KÖHLMOOS, Bet-El, 251 Anm. 90. Doch beruht diese literarkritische Operation eben allein auf der Voraussetzung, dass die priesterlichen Passagen der Vätergeschichte ursprünglich Teil einer unabhängig überlieferten Quelle waren; vgl. hierzu schon EERDMANS, Studien I, 15. 67 Vgl. etwa NÖLDEKE, Untersuchungen, 27; WELLHAUSEN, Composition, 45; BLUM, Komposition, 265–270; SCHARBERT, NEB.AT 16, 231–232; LEVIN, Jahwist, 262; TASCHNER, Verheißung, 227–231; ALBERTZ, Exilszeit, 195. 68 Vgl. DILLMANN, KEH 11, 378; HOLZINGER, KHC 1, 217; WESTERMANN, BK 1,2, 674; BOECKER, ZBK.AT 1,3, 122; NAUERTH, Untersuchungen, 256. 69 Zumindest Gen 35,14, wenn nicht der gesamte Textbereich Gen 35,14–15, wurde schon häufiger der priesterlichen Schicht abgesprochen. Dabei wurde in älteren Ansätzen häufig vermutet, dass es sich bei Gen 35,14(.15) um die ursprüngliche Fortsetzung des nichtpriesterlichen Textbereichs Gen 35,1–8* handelt; vgl. DILLMANN, KEH 11, 378; HOLZINGER, KHC 1, 217; NOTH, Überlieferungsgeschichte, 38; VON RAD, ATD 2–4, 275; SPEISER, AncB 1, 269; NAUERTH, Untersuchungen, 256–259; RUPPERT, fzb 106, 472. Da das in Gen 35,14 belegte Aufstellen der Mazzebe aber nur schlecht an das in Gen 35,8 dargestellte Begräbnis der Debora anschließt, wird Gen 35,14(.15) in neuerer Zeit eher und wohl zurecht als nachpriesterliche, an Gen 28 orientierte Bearbeitung aufgefasst; so WESTERMANN, BK 1,2, 674; BOECKER, ZBK.AT 1,3, 122.128; SEEBASS, Genesis II,2, 445; KRATZ, Komposition, 242 Anm. 22; KÖHLMOOS, Bet-El, 265–267; BECKER, Jakob, 175.

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

mit – als deren ursprüngliche Fortsetzung – ohne weiteres der Grundschicht des Kapitels zugeschrieben werden.70 Bemerkenswert sind die folgenden Verse Gen 35,21.22a. Es wird hier zunächst in 35,21 ausgeführt, dass Israel aufbricht und sich in Migdal Eder niederlässt. In 35,22a wird sodann berichtet, dass sich Ruben zu Bilha, der Nebenfrau seines Vaters, legt und dass Israel dies erfährt. Bei Gen 35,21.22a fällt also auf, dass der Erzvater nun erstmals im Rahmen der Vätergeschichte nicht Jakob, sondern Israel genannt wird. Zudem fällt auf, dass die in 35,22a geschilderte Episode über das Vergehen des Ruben doch sehr abrupt abbricht. Es wird zwar noch erwähnt, dass sein Vater von der Tat des Ruben hört. Es werden aber keine weiteren Konsequenzen genannt. Beide Phänomene, die unvermittelte Verwendung des Israel-Namens wie auch die an der vorliegenden Stelle nicht weiter ausgeführte Reaktion des Erzvaters auf das Vergehen des Ruben, konnten in der bisherigen Forschung kaum erklärt werden.71 Es erscheint aber denkbar, diese Phänomene einer gemeinsamen Erklärung zuzuführen. So wurde stets gesehen, dass das Vergehen des Ruben bei dem in Gen 49 belegten Jakob-Segen wieder aufgenommen wird.72 Denn am Beginn des Jakob-Segens wird ja erklärt, warum Ruben wie dann auch Simeon und Levi zugunsten ihres jüngeren Bruders Juda zurückgestellt werden: Ruben ist auf das Bett seines Vaters gestiegen (49,3–4); Simeon und Levi benutzten ihre Waffen als tödliche Instrumente (49,5). Dabei zielt der in 49,3–4 belegte, an Ruben gerichtete Vorwurf doch eindeutig auf den in 35,22a erwähnten Beischlaf mit der Nebenfrau seines Vaters. Die in 49,5 angedeutete Schuld von Simeon und Levi bezieht sich auf die in Gen 34 dargestellten gewalttätigen Übergriffe gegen die Sichemiter. —————

70 So auch, teils unter Ausscheidung kleinerer Nachträge, WELLHAUSEN, Composition, 48; HOLZINGER, KHC 1, 218; GUNKEL, HK 1,1, 382; NOTH, Überlieferungsgeschichte, 38; VON RAD, ATD 2–4, 277; SPEISER, AncB 1, 272; SCHARBERT, NEB.AT 16, 232; BOECKER, ZBK.AT 1,3, 128; NAUERTH, Untersuchungen, 259–266; KRATZ, Komposition, 280; RUPPERT, fzb 106, 498. 71 In der älteren Forschung wurde der plötzliche Wechsel vom Jakob- zum Israel-Namen häufig damit erklärt, dass die Verse 35,21.22a als ein auf den Jahwisten zurückgehendes Einsprengsel in das sonst überwiegend auf den Elohisten zurückgehende Kapitel Gen 35 zu verstehen sind; vgl. etwa WELLHAUSEN, Composition, 48; HOLZINGER, KHC 1, 218; GUNKEL, HK 1,1, 383; NOTH, Überlieferungsgeschichte, 31; WESTERMANN, BK 1,2, 668; SPEISER, AncB 1, 272. Doch auch im Zusammenhang des Jahwisten wäre erstaunlich, dass gerade hier die Verwendung des IsraelNamens einsetzt. Zudem bleibt auch bei Zuweisung von Gen 35,21.22a zu einer anderen literarischen Schicht als der vorangehende nichtpriesterliche Kontext noch unerklärt, warum der hier mit dem Vergehen Rubens einsetzende Erzählfaden so plötzlich abbricht. Nicht umsonst meinte VON RAD, ATD 2–4, 278, zu Gen 35,21.22a: „Alles Raten ist zwecklos.“ 72 Vgl. nur GUNKEL, HK 1,1, 479–480; VON RAD, ATD 2–4, 347–348; WESTERMANN, BK 1,3, 254–257; LEVIN, Jahwist, 311; CARR, Fractures, 251–252; SCHORN, Ruben, 259–260; EBACH, Genesis 37–50, 572.

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Die priesterlichen Passagen in den Jakoberzählungen

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Bei dem in Gen 49 belegten Jakob-Segen ist nun aber, wie ebenfalls schon häufiger gesehen wurde, beachtenswert, dass diese Worte kaum in ihren vorliegenden Kontext am Ende der Josefgeschichte eingebunden sind.73 Der Jakob-Segen scheint gleich an mehreren Stellen vorauszusetzen, dass sich die angesprochenen Söhne des Ahnherrn im eigenen Land und nicht, wie vom Kontext her naheliegend, in Ägypten befinden.74 Zudem ist erstaunlich, dass noch nicht einmal der Josef-Spruch Gen 49,22–26 deutliche Bezüge zur vorangehenden Josefgeschichte aufweist.75 Von hier aus ist eine schon häufiger vorgetragene Überlegung interessant: So wurde vermutet, dass der in Gen 49 belegte Jakob-Segen nicht schon immer am Ende der Josefgeschichte, sondern ursprünglich am Ende der Jakoberzählungen, also im Anschluss an Gen 35, stand und dann erst sekundär an seinen vorliegenden Ort versetzt wurde.76 Auf diese Weise könnte erklärt werden, warum die in Gen 34; 35,22a genannten Vergehen der drei ältesten Jakob-Söhne und die in Gen 49 vorgebrachten Sanktionen im vorliegenden Zusammenhang so weit auseinanderstehen. Zudem und damit zusammenhängend könnte auf diese Weise erklärt werden, warum die in Gen 35,22a belegte Erzählung über das Vergehen des Ruben so abrupt abbricht. Und schließlich könnte auf diese Weise erklärt werden, warum der Jakob-Segen nicht so recht zur Situation in Ägypten passt. Denn all dies ließe sich so als Folge der sekundären Umstellung des Jakob-Segens vom Ende der Jakoberzählungen an das Ende der Josefgeschichte verstehen. Aber mehr noch: Über die bisherige Forschung hinaus könnte so auch der unvermittelte Gebrauch des Israel-Namens in Gen 35,21.22a erklärt werden. Denn in Gen 49 werden mehrfach und teils nebeneinander die Namen Jakob und Israel gebraucht; so zunächst in der Einleitung Gen 49,2, wo die beiden Namen eindeutig auf den Erzvater selbst zu beziehen sind, und sodann in 49,7.16.24.28, wo die Bezeichnungen dann zumeist eher geographisch oder national zu verstehen sind. Der in Gen 35,21.22a belegte Gebrauch des Israel-Namens könnte somit ohne weiteres als Vorbereitung des – von den Redaktoren der Jakoberzählungen wohl aus vorgegebenem Gut aufgenommenen und weiter bearbeiteten – Jakob-Segens erklärt werden.77 —————

73 Vgl. etwa CARR, Fractures, 250; SEEBASS, Genesis III, 184; SCHMID, Josephsgeschichte, 115; LEUENBERGER, Segen, 274–275; EBACH, Genesis 37–50, 571–572. 74 Vgl. v.a. Gen 49,7.10.15.23–24; siehe hierzu SCHMID, Josephsgeschichte, 115; LEUENBERGER, Segen, 275. 75 Vgl. hierzu UEHLINGER, Fratrie, 305 Anm. 7; SCHMID, Josephsgeschichte, 115. 76 So schon BURROWS, Oracles, 61–63, sowie in neuerer Zeit DIETRICH, Josephserzählung, 49– 50; SCHMID, Josephsgeschichte, 114–116; LEUENBERGER, Segen, 275–277. 77 Zur Aufnahme des in Gen 49 belegten Jakob-Segens aus vorgegebenem Gut, evtl. unter Zusammenstellung verschiedener vorgegebener Einzelsprüche, vgl. nur HOLZINGER, KHC 1, 262;

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

Die mit Gen 35,21.22a verbundenen Probleme lassen sich somit tatsächlich einer gemeinsamen Erklärung zuführen. Sowohl der unvermittelte Gebrauch des Israel-Namens als auch der im vorliegenden Zusammenhang recht plötzliche Abbruch der Ruben-Episode hängen damit zusammen, dass der ursprünglich auf diese Verse folgende Jakob-Segen, in dem der IsraelName mehrfach verwandt und das Vergehen des Ruben mit einer Sanktion belegt wird, im weiteren Verlauf der Entstehung der Vätergeschichte an das Ende der Josefgeschichte versetzt wurde. In Gen 35,21.22a liegt also, zusammen mit dem nun in Gen 49 belegten Jakob-Segen, der ursprüngliche Abschluss der Jakoberzählungen vor.78 Die beiden Teilverse können daher ohne weiteres der Grundschicht des Kapitels zugerechnet werden. Die noch verbleibenden Verse, also das in 35,22b–26 belegte Verzeichnis der Jakob-Söhne, die in 35,27 geschilderte Rückkehr des Jakob zu Isaak und schließlich die in 35,28–29 belegte Notiz über den Tod des Isaak sind wieder der priesterlichen Schicht zuzuweisen.79 Dafür sprechen auch hier einige markante terminologische Verbindungen zu den sonst der priesterlichen Schicht zugewiesenen Textbereichen.80 So ist in 35,26 erneut die typisch priesterliche Bezeichnung „Paddan-Aram“ (~ra !dp) belegt.81 In 35,27 heißt es sodann, dass Abraham und Isaak „als Fremdling lebten“ (rwg), was ganz deutlich an die in den priesterlichen Passagen belegte Rede vom „Land der Fremdlingschaft“ (~yrwgm #ra) erinnert.82 Und schließlich entspricht die in Gen 35,28–29 belegte Todesnotiz mit Datierung, Todesmitteilung und abschließendem Verweis auf das Begräbnis exakt der in Gen 25,7–8.9* belegten priesterlichen Notiz über den Tod des Abraham. ————— GUNKEL, HK 1,1, 477–478; RUDOLPH, Josefsgeschichte, 172; VON RAD, ATD 2–4, 346; KITTEL, Stammessprüche, 65–105; WESTERMANN, BK 1,3, 250–251; CARR, Fractures, 250. 78 In der bisherigen Forschung wird der Abschluss einer ursprünglich selbständig überlieferten Jakoberzählung entweder, so BLUM, Komposition, 145–149; TASCHNER, Verheißung, 21.204–205, in Gen 33,17, oder aber, so KRATZ, Komposition, 273.280, in Gen 35,21 gesehen. Gegen die zuerst genannte Lösung Gen 33,17 spricht aber, dass die in Gen 28,10–22 belegte Erzählung von der Gotteserscheinung in Bethel einen erneuten Aufenthalt des Jakob an diesem Ort voraussetzt. Die alternative Lösung Gen 35,21 ist aufgrund der hier erstmals belegten, ohne weiteren Zusammenhang aber völlig unmotivierten Verwendung des Israel-Namens nur schlecht als ursprüngliches Ende der Jakoberzählungen zu verstehen. Zur Kritik an den genannten Ansätzen vgl. auch SCHMID, Josephsgeschichte, 114; LEUENBERGER, Segen, 275 Anm. 551. 79 So auch NÖLDEKE, Untersuchungen, 29; WELLHAUSEN, Composition, 45; DILLMANN, KEH 11, 380; HOLZINGER, KHC 1, 185; NOTH, Überlieferungsgeschichte, 18; VON RAD, ATD 2–4, 278– 279; WESTERMANN, BK 1,2, 668; SPEISER, AncB 1, 272; SCHARBERT, NEB.AT 16, 233; BOECKER, ZBK.AT 1,3, 122; LEVIN, Jahwist, 262; SEEBASS, Genesis II,2, 456.458; DE PURY, Umgang, 43; KRATZ, Komposition, 242–243; RUPPERT, fzb 106, 514.516. 80 Vgl. nur HOLZINGER, KHC 1, 185; BOECKER, ZBK.AT 1,3, 130–131. 81 S.o. 29 mit Anm. 14. 82 Vgl. Gen 17,8; 28,4; 36,7; 37,1; Ex 6,4.

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Die priesterlichen Passagen in den Jakoberzählungen

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In Gen 35 ist also eine Grundschicht erkennbar, die die Verse 35,1. 6*(ohne hzwl bis awh).7.8.16–21.22a umfasst. In diesem Textbereich werden einige kurze, wohl aus vorgegebenem Gut zusammengestellte Notizen über den erneuten Aufenthalt Jakobs in Bethel, den Tod der Debora, die Geburt von Benjamin, den Weggang nach Migdal-Eder und den Beischlaf des Ruben mit der Magd seines Vaters vorgebracht. Zusammen mit dem ursprünglich an 35,22a anschließenden, nun in Gen 49 belegten Jakob-Segen bildeten diese Verse einst den ursprünglichen Abschluss der nichtpriesterlichen Jakoberzählungen. Die Verse Gen 35,6*(hzwl bis awh).9–13.22b.23– 29 mit der hier belegten Verheißung an Jakob, dem Verzeichnis seiner Söhne, der Darstellung der Rückkehr zu Isaak und der Notiz über Isaaks Tod und Begräbnis sind der priesterlichen Schicht zuzuweisen. Dabei zeigt sich auch hier, dass die priesterlichen Passagen die vorgegebene nichtpriesterliche Vätergeschichte voraussetzen und für deren Kontext verfasst sind. Die Verse Gen 35,2–5, mit denen die Abkehr der Angehörigen des Jakob von fremden Göttern geschildert wird, gehen auf eine im weiteren Sinne dtr. Bearbeitung der Vätergeschichte zurück. Im Rahmen einer hiervon zu unterscheidenden nachpriesterlichen Redaktion wurden schließlich die Verse Gen 35,14–15 eingebracht, in denen das Aufstellen einer Mazzebe und die Benennung des Ortes mit dem Namen Bethel dargestellt wird. 2.2.5 Die Nachfahren Esaus in Genesis 36 In Gen 36 werden verschiedene, zumeist listenartige Überlieferungen über die Nachfahren des Esau vorgebracht. Es werden zunächst in Gen 36,1–8 die Ehen des Esau, seine aus diesen Ehen hervorgegangenen Kinder sowie sein Weggang nach Seir erwähnt. In Gen 36,9–14 wird ein Stammbaum der Nachfahren Esaus vorgebracht. Es folgt in Gen 36,15–19 eine Aufzählung der Fürsten Esaus. In Gen 36,20–30 finden sich weitere Listen mit Nachkommen des Esau. In Gen 36,31–39 werden von Esau herkommende Könige und in Gen 36,40–43 nochmals Fürsten genannt. Es ist zunächst weitgehend unumstritten, dass zumindest die erste Einheit Gen 36,1–8 mit den dort belegten Ausführungen über die Ehen des Esau, über seine Kinder und den Weggang ins Gebirge Seir den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte zuzurechnen ist.83 Dafür sprechen die —————

83 Vgl. nur NÖLDEKE, Untersuchungen, 30; DILLMANN, KEH 11, 381; HOLZINGER, KHC 1, 186–187; GUNKEL, HK 1,1, 389; NOTH, Überlieferungsgeschichte, 18; VON RAD, ATD 2–4, 280; WESTERMANN, BK 1,2, 684; SPEISER, AncB 1, 276; BOECKER, ZBK.AT 1,3, 134; SEEBASS, Genesis II,2, 470; KRATZ, Komposition, 243. Von diesem relativen Konsens abweichende Positionen finden sich etwa bei WEIPPERT, Edom, 438, oder DE PURY, Umgang, 44 Anm. 52, die die priesterliche Grundschicht auf Gen 36,(9).40–43 beschränken.

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

teils sehr deutlichen Parallelen zu anderen priesterlichen Texten. Die Einheit wird in 36,1 mit einer Toledot-Formel eingeleitet.84 In 36,2–3 werden die Ehen des Esau mit zwei kanaanäischen Frauen und einer Tochter Ismaels erwähnt, die ja bereits in den priesterlichen Textbereichen Gen 26,34–35; 27,46–28,9 thematisiert wurden.85 In Gen 36,7 wird einmal mehr ein Verweis auf den Besitz eines der Ahnherrn vorgebracht.86 Zudem enthält auch Gen 36,1–8 wieder einige für die priesterlichen Texte charakteristische Formulierungen, so die Wendungen „Töchter Kanaans“ (![nk twnb, 36,2), „Land Kanaan“ (![nk #ra, 36,5), „Land der Fremdlingschaft“ (~yrwgm #ra, 36,7) und den Begriff vwkr (36,7) als Bezeichnung für den Besitz des Ahnherrn.87 Es spricht also tatsächlich alles dafür, dass Gen 36,1–8 der priesterlichen Schicht zugehört. Und doch zeigt sich bei Gen 36,1–8 ein stets gesehenes Problem: Die Namen der hier belegten Frauen des Esau weichen von den in Gen 26,34; 28,9 genannten Frauen ab. Dort werden in Gen 26,34 Judit, die Tochter des Hetiters Beeri, und Basmat, die Tochter des Hetiters Elon, sowie in Gen 28,9 Mahalat, die Tochter Ismaels, genannt. In Gen 36,2–5 werden dagegen Ada, die Tochter des Hetiters Elon, Oholibama, die Tochter des Hiwwiters Ana, und Basmat, die Tochter Ismaels, als Frauen des Esau angegeben.88 Der doch sehr markante Widerspruch zwischen den beiden Stellen wurde in der bisherigen Forschung ganz unterschiedlich erklärt. In älteren Ansätzen wurde etwa häufig davon ausgegangen, dass zwar die gesamte Einheit Gen 36,1–8 der priesterlichen Schicht zuzuweisen ist, dass der Textbereich 36,2–5 aber im Rahmen einer späteren Redaktion nochmals überarbeitet und dabei an eine andere – evtl. aus dem jahwistischen Werk übernommene – Überlieferung angepasst wurde.89 Bei dieser Überlegung bleibt aber unerklärt, warum von einer solchen Redaktion, die ja sehr bewusst in Gen 36,1– 8 eingegriffen hat, nicht auch Gen 26,34; 28,9 an die alternative Überlieferung angepasst wurde. Neuere Ansätze gehen bisweilen davon aus, dass bei Gen 36,1–8 nur die Verse 36,1.6–8 der priesterlichen Schicht zuzuschreiben sind, während die Verse 36,2–5 erst im Rahmen einer nachpriesterlichen Redaktion eingebracht wurden.90 Diese Erklärung krankt nun aber daran, dass die Verse Gen ————— 84

S.o. 26 Anm. 3. S.o. 74–79. 86 Vgl. Gen 12,5; 13,6; 31,18*; 46,6; siehe hierzu oben 83–84. 87 Zu ![nk twnb vgl. Gen 28,1.6.8; zu ![nk #ra s.o. 34 Anm. 31; zu ~yrwgm #ra vgl. Gen 17,8; 28,4; 37,1; Ex 6,4, und zu vwkr vgl. Gen 12,5; 13,6; 31,18*; 46,6. 88 Für JACOB, Genesis, 671, sind die zwischen Gen 26,34; 28,9 und Gen 36,2–5 erkennbaren Differenzen der „flagranteste Widerspruch in der Genesis“. 89 Vgl. DILLMANN, KEH 11, 383; HOLZINGER, KHC 1, 186–187; GUNKEL, HK 1,1, 390. 90 Vgl. TENGSTRÖM, Toledotformel, 30; LEVIN, Jahwist, 263; KNAUF, Genesis 36,1–43, 293– 294. Noch radikaler ging einst WELLHAUSEN, Composition, 50, vor, der bei Gen 36,1–8 aus den 85

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Die priesterlichen Passagen in den Jakoberzählungen

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36,2–5 – wie die zuvor genannten terminologischen Gemeinsamkeiten mit anderen priesterlichen Texten zeigen – ganz deutlich ein priesterliches Gepräge aufweisen. Sie können deshalb nur schlecht aus dem priesterlichen Kontext 36,1–8 herausgelöst und einer späteren Redaktion zugewiesen werden. Der zwischen Gen 26,34; 28,9 und Gen 36,2–5 bestehende Widerspruch lässt sich somit nicht redaktionsgeschichtlich auflösen. Es bleibt daher nur die ebenfalls schon häufig vorgetragene Annahme, dass sowohl Gen 26,34; 28,9 als auch Gen 36,2–5 der priesterlichen Schicht zugehören. Der zwischen diesen beiden Textbereichen bestehende Widerspruch ist dann so zu erklären, dass die priesterlichen Autoren selbst – wohl eher versehentlich – an den beiden Stellen auf unterschiedliche Traditionen zurückgegriffen haben.91 Eine weitere, in der bisherigen Forschung umstrittene Frage ist sodann, ob nur Gen 36,1–8 oder auch noch ein oder mehrere der folgenden Einheiten den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte zuzuweisen sind. So werden teils noch einzelne Einheiten, etwa das in Gen 36,9–14 belegte Nachkommensverzeichnis oder die in Gen 36,40–43 belegte Liste der Fürsten, zum priesterlichen Grundbestand des Kapitels gerechnet.92 Häufig wird sogar der gesamte Textbereich Gen 36,1–43 der priesterlichen Schicht zugewiesen.93 Es spricht jedoch einiges dafür, dass nur Gen 36,1–8 den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte zugehört und die hierauf folgenden Textbereiche auf spätere Ergänzungen des Kapitels zurückgehen.94 So fällt zunächst bei dem in Gen 36,9–14 belegten Nachkommensverzeichnis auf, dass dieses Verzeichnis in 36,9 erneut mit einer Toledot-Formel eingeleitet wird. Dass bei ein und demselben Ahnherrn gleich zwei Einheiten mit To————— genannten Gründen nur den Vers 36,6 der priesterlichen Grundschicht zuschrieb. Und nach DE PURY, Umgang, 44 Anm. 52, ist sogar der gesamte Textbereich Gen 36,1–8 der priesterlichen Grundschicht abzusprechen. 91 Auch NÖLDEKE, Untersuchungen, 30; VON RAD, ATD 2–4, 281–282; WESTERMANN, BK 1,2, 684; SPEISER, AncB 1, 279; BOECKER, ZBK.AT 1,3, 134; BLUM, Komposition, 449–450, weisen sowohl Gen 26,34; 28,9 als auch Gen 36,2–5 der priesterlichen Schicht zu und erklären die zwischen diesen beiden Einheiten bestehenden Differenzen mit der Verwendung unterschiedlicher vorgegebener Überlieferungen. 92 Nach NÖLDEKE, Untersuchungen, 30; NOTH, Überlieferungsgeschichte, 18; WEIMAR, Aufbau, 186, gehört die Einheit Gen 36,9–14, und nach GUNKEL, HK 1,1, 389, und KNAUF, Genesis 36,1–43, 293–294, gehören die Verse Gen 36,40–43 noch zur priesterlichen Grundschicht des Kapitels. 93 Vgl. DILLMANN, KEH 11, 381–382; HOLZINGER, KHC 1, 186–187; VON RAD, ATD 2–4, 280–283; SPEISER, AncB 1, 276; SCHARBERT, NEB.AT 16, 234; BOECKER, ZBK.AT 1,3, 134; SEEBASS, Genesis II,2, 470. 94 So, wenngleich etwas zurückhaltend, schon WESTERMANN, BK 1,2, 684, und in neuerer Zeit KRATZ, Komposition, 243.

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

ledot-Formel eingeleitet werden, wäre unter den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte aber ein Unikum und ist somit wohl eher das Produkt einer späteren, von Gen 36,1–8 abhängigen Redaktion. Dass Gen 36,9–14 wie auch die folgenden, in 36,15–43 belegten Verzeichnisse erst im Rahmen nachpriesterlicher Ergänzungen eingebracht wurden, lässt sich zudem noch an einer weiteren Beobachtung zeigen. Die Einheit Gen 36,1–8 endet ja damit, dass sich Esau im Gebirge Seir niederlässt. Dem entspricht doch aber genau die in dem priesterlichen Vers 37,1 belegte Darstellung, dass Jakob im Land der Fremdlingschaft seines Vaters, im Land Kanaan, wohnt. Gen 36,8 und 37,1 schließen also ausgesprochen gut aneinander an. Aber mehr noch: Die Verse Gen 36,8; 37,1 schließen nicht nur gut aneinander an. Die mit diesen beiden Versen vorgebrachte Gegenüberstellung der Wohngebiete von Esau und Jakob hat zudem eine exakte Entsprechung im Rahmen der priesterlichen Passagen der Abrahamerzählungen. Dort werden in Gen 13,12 – in einer mit Gen 36,8; 37,1 vergleichbaren Formulierung – nebeneinander die Gebiete von Abraham und Lot genannt: Genesis 13,12

Genesis 36,8; 37,1

![nk-#rab bvy ~rba

ry[f rhb wf[ bvyw 36,8 ~wda awh wf[ rkkh yr[b bvy jwlw wyba yrwgm #rab bq[y bvyw 37,1 ![nk #rab

Die in Gen 13,12 belegte Parallele zu der in Gen 36,8; 37,1 vorgebrachten Angabe der Wohnorte von Esau und Jakob spricht dann doch aber deutlich dafür, dass diese beiden Verse einst direkt aufeinander folgten.95 Der zwischen diesen beiden Versen liegende Textbereich Gen 36,9–43 wurde somit erst nachpriesterlich eingebracht. Bei den in Gen 36 belegten Überlieferungen über die Nachkommen des Esau ist also die in Gen 36,1–8 belegte Einheit, in der die Ehen des Esau, seine Nachkommen und schließlich sein Weggang in das Gebirge Seir erwähnt werden, der priesterlichen Schicht zuzuweisen. Die in Gen 36,9–43 folgenden Verzeichnisse über die Nachfahren des Esau, deren Könige und Fürsten gehen auf spätere Bearbeitungen des Kapitels zurück.

————— 95

So auch schon KRATZ, Komposition, 243.

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Die priesterlichen Passagen in den Jakoberzählungen

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2.2.6 Fazit Auf Grundlage der vorangehenden redaktionsgeschichtlichen Überlegungen lassen sich nun auch zur Entstehung der Jakoberzählungen einige grundlegende Erkenntnisse zusammenfassen. Wie die Abrahamerzählungen sind auch die Jakoberzählungen aus vorgegebenen Einzelüberlieferungen entstanden. So dürften etwa die Erzählung über die Geburt von Jakob und Esau in Gen 25,21–26*, die JakobEsau-Erzählungen in Gen 25–33*, die Jakob-Laban-Erzählungen in Gen 29–32*, die in Gen 35* belegten Grabtraditionen oder der Jakob-Segen in Gen 49* einst je für sich überliefert worden sein. Anders als bei den Abrahamerzählungen wurden diese Einzelüberlieferungen aber nicht erst im Rahmen der Formierung einer ersten übergreifenden Vätergeschichte zusammengefasst. Sie wurden zunächst zu einer unabhängigen Sammlung von Jakoberzählungen zusammengestellt, die mit der Geburt von Jakob und Esau begann, die dann den Jakob-Esau-Konflikt und darin eingebettet die Jakob-Laban-Erzählungen vorbrachte und schließlich mit dem in Gen 49* belegten Jakob-Segen endete. Von den Redaktoren der ersten übergreifenden Vätergeschichte wurden die Jakoberzählungen dann mit den Abraham- und Isaaküberlieferungen zusammengestellt. Dabei wurden die einzelnen Erzählkomplexe jeweils an deren Beginn in Gen 12,1–3; 13,14–17; 26,3aba; 28,13b.14 mit kurzen Verheißungsworten versehen und so miteinander verbunden. Auf diese Weise wurde eine zusammenhängende, insbesondere an den Themen Mehrung und Landbesitz orientierte Sammlung von Vätererzählungen geschaffen. Nach der Integration der Jakoberzählungen in die werdende Vätergeschichte wurden die priesterlichen Passagen Gen 25,19–20.26b; 26,34–35; 27,46–28,9; 31,18*(ab wvkr-lk-taw); 33,18*(von rva bis ~ra !dp); 35,6*(von hzwl bis awh).9–13.22b.23–29; 36,1–8 ergänzt. Mit den priesterlichen Passagen wurde also zunächst in Gen 25,19–20 eine neue Einleitung in die Jakoberzählungen geschaffen, in deren Rahmen ein kurzer Rückblick auf die Heirat von Isaak und Rebekka vorgebracht wird. In Gen 25,26b wurde die vorangehende Geburtserzählung mit einer Datierung versehen. Es wurde sodann in Gen 26,34–35 eine kurze Notiz über die Ehen des Esau mit hetitischen Frauen und die damit einhergehenden Sorgen seiner Eltern angebracht. In Gen 27,46–28,9 wurde eine kleine Erzählung eingefügt, nach der Jakob zu den östlichen Verwandten geschickt wird, um sich dort eine Frau zu nehmen, woraufhin Esau eine Frau von den Töchtern Ismaels nimmt. In Gen 31,18* wurde ein kurzer Verweis auf den Besitz des Jakob und in 33,18* eine kleine Notiz, mit der seine Rückkehr aus Paddan-Aram in das Land Kanaan vermerkt wird, nachgetragen. Den in Gen 35 belegten Erzählungen über die Rückkehr ins Land wurde zunächst in Gen 35,6* eine

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

weitere geographische Notiz zugefügt, mit der der Ort Bethel mit Lus identifiziert und als im Lande Kanaan gelegen bestimmt wird. In Gen 35,9–13 wurde sodann eine kurze Episode ergänzt, nach der Gott bei Jakob erscheint, ihm den Namen Israel gibt und ihm Fruchtbarkeit und Mehrung verheißt. Am Ende der Jakoberzählungen, in Gen 35,22b.23–29, wurden ein Verzeichnis der Jakob-Söhne sowie zwei kurze Notizen über Jakobs Rückkehr zu Isaak und über Isaaks Tod und Begräbnis zugefügt. Schließlich wurde in Gen 36,1–8 eine kurze Abhandlung über die Ehen des Esau, seine aus diesen Ehen hervorgegangenen Kinder und seinen Weggang ins Gebirge Seir eingebracht. Wie bei den Abrahamerzählungen handelt es sich also auch bei den priesterlichen Passagen der Jakoberzählungen zumeist nur um kleine erzählerische Notizen. Es finden sich auch hier nur einige wenige umfassendere Einheiten, so die Darlegungen über die Ehen der beiden Isaak-Söhne Gen 26,34–35; 27,46–28,9; 36,1–8 oder die Schilderung der Gotteserscheinung in Lus Gen 35,9–13. Ansonsten wurden vor allem Datierungen, kurze geographische Hinweise oder kleinere Notizen über den Besitz der Erzväter eingebracht. Wie bei den priesterlichen Passagen der Abrahamerzählungen lässt sich auch aus den priesterlichen Passagen der Jakoberzählungen kein zusammenhängender Erzählfaden rekonstruieren. Die priesterlichen Texte schließen meist nur schlecht aneinander an, und zwischen den einzelnen Einheiten bestehen teils bemerkenswerte erzählerische Lücken. Zudem lässt sich auch bei den priesterlichen Passagen der Jakoberzählungen zeigen, dass diese Texte teils sehr deutlich auf ihren nichtpriesterlichen Kontext bezogen sind. Anders als zumeist angenommen, können somit auch die priesterlichen Passagen der Jakoberzählungen nicht als Teil einer ursprünglich unabhängig überlieferten Quelle, sondern nur als Redaktion der bereits vorgegebenen nichtpriesterlichen Jakoberzählungen verstanden werden. Im Rahmen der vorgestellten redaktionsgeschichtlichen Analysen zeigten sich sodann noch einige nachpriesterliche Ergänzungen der Jakoberzählungen. So wurde von einer im weiteren Sinne dtr. Redaktion die in Gen 35,2–5 dargestellte Vernichtung von Götzen eingebracht. Auf eine hiervon zu unterscheidende Bearbeitung geht die in Gen 35,14–15 ergänzte Bemerkung zurück, dass Jakob nach der Gotteserscheinung eine Mazzebe aufstellt, Öl darauf gießt und dem Ort den Namen Bethel gibt. Zudem wurden die in Gen 36,9–43 belegten Verzeichnisse über die Nachfahren Esaus im Rahmen ein oder mehrerer nachpriesterlicher Ergänzungen eingebracht.

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Die priesterlichen Passagen der Josefgeschichte

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2.3 Die priesterlichen Passagen der Josefgeschichte 2.3.1 Der Beginn der Josefgeschichte in Genesis 37 In Gen 37 wird nach einer kurzen, in Gen 37,1–2 belegten Überleitung von der Jakob- zur Josefgeschichte in Gen 37,3–4 dargestellt, dass Jakob seinen Sohn Josef gegenüber seinen anderen Söhnen bevorzugt. Es werden sodann in Gen 37,5–11 die Träume des Josef geschildert, mit denen die Vormachtstellung des Josef unter seinen Brüdern zum Ausdruck gebracht wird. In Gen 37,12–36 wird schließlich erzählt, wie Josef an ismaelitische Händler verkauft und nach Ägypten verbracht wird. Bei Gen 37 wird häufig die in Gen 37,1–2 belegte Überleitung von der Jakob- zur Josefgeschichte – oder zumindest ein Grundbestand hiervon – den priesterlichen Passagen der Genesis zugeschrieben.1 In diesen beiden Versen wird zunächst in Gen 37,1 ausgesagt, dass Jakob im Lande der Fremdlingschaft seines Vaters, im Lande Kanaan, wohnte. Im folgenden Vers Gen 37,2 wird nach einer Toledot-Formel das Alter des Josef genannt. Zudem wird vermerkt, dass Josef Hirte bei seinen Brüdern war, ja, dass er sich bei den Söhnen der beiden Mägde seines Vaters, Bilha und Silpa, aufhielt und deren üble Nachrede vor ihren Vater brachte. Zweifellos richtig an der gängigen literarischen Zuweisung ist nun sicherlich die priesterliche Einordnung von Gen 37,1. Denn in diesem kurzen Vers sind mit den Wendungen „Land der Fremdlingschaft“ (~yrwgm #ra) und „Land Kanaan“ (![nk #ra) gleich zwei charakteristisch priesterliche Formulierungen belegt.2 Richtig ist sodann auch, dass der folgende Teilvers Gen 37,2aa der priesterlichen Schicht zuzuschreiben ist. Mit der hier belegten Toledot-Formel und der darauf folgenden Angabe des Lebensalters des Josef weist auch dieser Teilvers gleich zwei die priesterlichen Texte bestimmende Eigenheiten auf.3 Umstritten ist aber die literarische Einordnung des noch verbleibenden Bestands von Gen 37,2. So wird die in 37,2abb belegte Aussage, dass sich Josef bei den Söhnen der beiden Mägde aufhielt und deren üble Nachrede —————

1 Vgl. nur NÖLDEKE, Untersuchungen, 32; DILLMANN, KEH 11, 390.392–393; GUNKEL, HK 1,1, 395.492; NOTH, Überlieferungsgeschichte, 18; VON RAD, ATD 2–4, 283–286; SCHMITT, Nichtpriesterliche Josephsgeschichte, 23 mit Anm. 74; WESTERMANN, BK 1,3, 25–26; L. SCHMIDT, Literarische Studien, 142–144; BOECKER, Überlegungen, 36–37; LEVIN, Jahwist, 263.271; KRATZ, Komposition, 243; SEEBASS, Genesis III, 27; WEIMAR, Erwägungen, 348–350; ders., Gen 37, 488–489; RUPPERT, fzb 118, 99. 2 Zu ~yrwgm #ra vgl. Gen 17,8; 28,4; 36,7; Ex 6,4; zu ![nk #ra s.o. 34 Anm. 31. 3 Zur Toledot-Formel s.o. 29 Anm. 14; zu den in den priesterlichen Texten belegten, über das Alter der jeweiligen Ahnherrn vorgenommenen Datierungen s.o. 35–36.

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

vor ihren Vater brachte, zwar häufig noch zur priesterlichen Schicht gerechnet.4 Es wurden aber auch immer wieder Bedenken an einer solchen Zuweisung vorgebracht.5 Und in der Tat dürfte Gen 37,2abb nicht derselben Schicht wie der vorangehende Kontext und somit nicht den priesterlichen Texten zuzuweisen sein. Denn in 37,2aa wird doch ganz allgemein ausgesagt, dass Josef Hirte bei seinen Brüdern (wyxa-ta) war. Der folgende Teilvers 37,2ab schränkt dann aber das Umfeld des Josef auf die Söhne der Mägde Bilha und Silpa (hplz ynb-taw hhlb ynb-ta) ein. Beachtet man zudem, dass in dem folgenden nichtpriesterlichen Vers Gen 37,3 wieder ganz allgemein davon die Rede ist, dass der Erzvater Jakob seinen Sohn Josef mehr liebte als all seine (anderen) Söhne, dann liegt doch die Annahme nahe, dass es sich bei Gen 37,2ab – und damit zusammenhängend auch bei dem hierauf folgenden Teilvers 37,2b – um eine späte, vereinzelte Bearbeitung der Josefgeschichte handelt. Mit dieser Bearbeitung wird der Konflikt zwischen Josef und seinen Brüdern auf die Söhne der Mägde beschränkt, und es werden so die übrigen Jakob-Söhne, darunter Juda und Benjamin, etwas entlastet.6 Dass Gen 37,1.2aa den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte zuzuweisen ist, führt nun aber zu einer bislang noch zu wenig beachteten Konsequenz: Mit Gen 37,1.2aa ist es eben ein priesterlicher Text, der im vorliegenden Zusammenhang den erzählerischen Übergang von den Jakoberzählungen zur Josefgeschichte herstellt. Ein vorpriesterlicher Übergang zwischen diesen beiden Textbereichen lässt sich nicht – oder zumindest nicht mehr – erkennen.7 —————

4 Vgl. etwa GUNKEL, HK 1,1, 492; VON RAD, ATD 2–4, 285–286; WESTERMANN, BK 1,3, 26; SCHARBERT, NEB.AT 16, 237–238; L. SCHMIDT, Literarische Studien, 142–144; ALBERTZ, Exilszeit, 195; RUPPERT, fzb 118, 99. 5 So insbesondere NÖLDEKE, Untersuchungen, 32; HOLZINGER, KHC 1, 219; BOECKER, Überlegungen, 37; SEEBASS, Genesis III, 27; WEIMAR, Erwägungen, 348–350; ders., Gen 37, 488–489, die Gen 37,2abb insgesamt einer von dem vorangehenden priesterlichen Text 37,1.2aa zu unterscheidenden Schicht zuschreiben. Nach DILLMANN, KEH 11, 392–393; HOLZINGER, KHC 1, 219; NOTH, Überlieferungsgeschichte, 18 mit Anm. 53; KRATZ, Komposition, 243; LEVIN, Jahwist, 272, ist lediglich der Teilvers 37,2ab von seinem priesterlichen Kontext abzuheben und einer nichtpriesterlichen Bearbeitung zuzuweisen. 6 So auch LEVIN, Jahwist, 272; WEIMAR, Erwägungen, 350 Anm. 83. 7 SCHMITT, Nichtpriesterliche Josephsgeschichte, 99 Anm. 26; KRATZ, Komposition, 283, oder WEIMAR, Gen 37, 503, meinen jedoch, dass auf vorpriesterlicher Ebene Gen 35,20(.21) und Gen 37,3 einst direkt aneinander anschlossen. Auf den in Gen 35,16–20 geschilderten Tod der Rahel und evtl. noch den darauf in Gen 35,21 vermerkten Umzug des Jakob nach Migdal Eder wäre demnach direkt Gen 37,3 mit der dort dargestellten Bevorzugung des Josef durch seinen Vater Jakob gefolgt. Dies wäre doch aber ein ausgesprochen abrupter Übergang, da so keinerlei Einschnitt zwischen den Jakoberzählungen und der Josefgeschichte markiert wäre und Josef ohne weitere Einführung in den Mittelpunkt des folgenden Geschehens gerückt würde. Beides, einen Einschnitt im Erzählablauf und eine Einführung der Person des Josef, leistet erst der priesterliche Teilvers Gen 37,2aa. Mit NOTH, Überlieferungsgeschichte, 13, wird man daher zugestehen müssen, dass

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Die priesterlichen Passagen der Josefgeschichte

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Von hier aus stellt sich die in neuerer Zeit vermehrt diskutierte Frage, auf welcher literarischen Ebene die Josefgeschichte in den werdenden Pentateuch integriert wurde. So wurde in älteren Ansätzen angenommen, dass die Josefgeschichte von vornherein integraler Bestandteil aller Quellen des Pentateuch – also des Jahwisten, des Elohisten und der Priesterschrift – war. Die Josefgeschichte wurde daher, wie bei den vorangehenden Abrahamund Jakoberzählungen auch, auf eben diese Quellen verteilt.8 In neuerer Zeit hat sich aber weitgehend die Erkenntnis durchgesetzt, dass es sich bei der Josefgeschichte um eine ursprünglich eigenständig überlieferte und zunächst auch für sich gewachsene Erzählung handelt, die erst sekundär an ihrem vorliegenden Ort am Ende der Vätergeschichte eingebracht wurde.9 Dabei wird zumeist davon ausgegangen, dass die Josefgeschichte noch vorpriesterlich in ihren jetzigen Zusammenhang integriert wurde.10 Die Frage ist aber, ob es wirklich ausreichende Indizien für die Annahme einer vorpriesterlichen Verbindung zwischen den Jakoberzählungen und der Josefgeschichte gibt. Denn die Texte, über die eine solch vorpriesterliche Verbindung hergestellt worden sein soll, können die Beweislast für diese Annahme kaum tragen. So hat etwa Erhard Blum vorgeschlagen, dass über die sekundär in die Josefgeschichte eingebrachten Texte Gen 41,50–52; 48,1–2.8–14.17–20, in denen die Geburt von Ephraim und Manasse sowie die von Jakob vorgenommene Segnung des zweitgeborenen Manasse geschildert wird, eine ers————— sich aus dem vorliegenden Bestand der Genesis kein vorpriesterlicher Übergang zwischen Jakoberzählungen und Josefgeschichte mehr herausarbeiten lässt. 8 Vgl. etwa WELLHAUSEN, Composition, 50–61; GUNKEL, HK 1,1, 394–401; NOTH, Überlieferungsgeschichte, 30–31.38–39; RUPPERT, Josephserzählung, 208–235; SEEBASS, Zeit, 64–93; L. SCHMIDT, Literarische Studien, 272–295; SCHARBERT, Josef, 31–106. 9 Vgl. nur DONNER, Gestalt, 79–94; REDFORD, Study, 245–248; SCHMITT, Nichtpriesterliche Josephsgeschichte, 127–129; DIETRICH, Josephserzählung, 45–46; BLUM, Komposition, 244–257; CARR, Fractures, 272–273; SCHMID, Josephsgeschichte, 93–94; WEIMAR, Josef, 13–15 mit Anm. 16; ALBERTZ, Josephsgeschichte, 19–23. Für die ursprüngliche Eigenständigkeit der Josefgeschichte sprechen dabei insbesondere einige markante inhaltliche Differenzen gegenüber den vorangehenden Jakoberzählungen; vgl. hierzu insbesondere DIETRICH, a.a.O., 45; CARR, ebd.; SCHMID, a.a.O., 94. So wird etwa am Ende der Jakoberzählungen in 35,16–20 der Tod der Rahel, der Mutter des Josef, vermerkt; am Beginn der Josefgeschichte in Gen 37,10 wird aber vorausgesetzt, dass die Mutter des Josef noch lebt. In den Jakoberzählungen wird sodann in Gen 30,21 nur eine Tochter des Jakob, Dina, erwähnt; in der Josefgeschichte ist aber in Gen 37,35 von mehreren Töchtern des Ahnherrn die Rede. Eine bedeutende Ausnahme zu dem beschriebenen Trend der neueren Forschung stellt der Ansatz von KRATZ, Komposition, 281–282, dar. Seiner Ansicht nach wurde die Josefgeschichte – in mehreren Stufen – von vornherein als Fortsetzung der vorangehenden Vätererzählungen verfasst. Doch gegen diese Annahme sprechen eben die zuvor genannten inhaltlichen Differenzen zwischen den Jakoberzählungen und der Josefgeschichte; zur Kritik an Kratz vgl. auch SCHMID, a.a.O., 94–95. 10 Vgl. etwa DONNER, Gestalt, 95; SCHMITT, Nichtpriesterliche Josephsgeschichte, 94–116; DIETRICH, Josephserzählung, 45–52; BLUM, Komposition, 244–270; CARR, Fractures, 208–211; SCHMID, Josephsgeschichte, 114–117; ALBERTZ, Josephsgeschichte, 25–29.

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

te literarische Verbindung zu den Jakoberzählungen hergestellt wurde.11 Denn in den Jakoberzählungen wird ja in Gen 27 der von Jakob an Esau begangene Betrug um den Erstgeburtssegen und somit ebenfalls ein Übergehen des Erstgeborenen geschildert. Die in Gen 48* belegte Segnung des zweitgeborenen Manasse wird von Blum daher als bewusste Wiederaufnahme des in Gen 27 belegten Motivs verstanden. Zu beachten ist aber, dass die Segnung des Zweitgeborenen weder in den Jakoberzählungen noch in der Josefgeschichte zu den diese Textbereiche als Ganze bestimmenden Motiven gehört. Dass also gerade über dieses Motiv eine literarische Verbindung zwischen den beiden Überlieferungskomplexen hergestellt worden sein soll, ist doch eher unwahrscheinlich. Hinzu kommt, dass sich zwischen Gen 27 und Gen 41,50–52; 48,1–2.8–14.17–20 keine markanten terminologischen Verbindungen aufzeigen lassen. Auch dies spricht gegen die These einer über Gen 41,50–52; 48,1–2.8–14.17–20 aufgerichteten literarischen Brücke zwischen den Jakoberzählungen und der Josefgeschichte. Vergleichbares gilt auch für die anderen vermeintlich vorpriesterlichen Verbindungstexte zwischen der Josefgeschichte und den vorangehenden Vätererzählungen: So wurde etwa schon häufiger angenommen, dass die in Gen 39 belegte Erzählung von den Geschehnissen in Potifars Haus erst sekundär eingebracht wurde und angesichts der in Gen 39,5 belegten Aussage, dass Jhwh den Herrn des Josef um seinetwillen segnete, als bewusster Rückbezug auf das in den Abraham- und Jakoberzählungen belegte Motiv des „Segens für andere“ (Gen 12,3; 28,14) zu verstehen ist.12 Doch handelt es sich auch dabei nur um eine allgemeine motivliche Parallele. Und angesichts des doch sehr differenzierten Bilds, das die Potifar-Episode vom Leben des Josef in einem fremden Land und unter den Bewohnern eines fremden Landes entwirft – wird Josef doch trotz seiner aus dem Segenshandeln Gottes resultierenden Verdienste um das Haus seines Herrn auf die ungerechtfertigte Anschuldigung von Potifars Frau hin ins Gefängnis geworfen –,13 scheint es sogar eher unwahrscheinlich, dass mit dieser Erzählung ein bewusster Rückbezug auf die vorangehenden Abraham- und Jakoberzählungen hergestellt wurde. Schließlich wurde schon mehrfach die These vertreten, dass der erst sekundär eingebrachte Textbereich Gen 46,1ab–5a mit der dort belegten Meh————— 11

Vgl. BLUM, Komposition, 250–260. Siehe hierzu auch ALBERTZ, Josephsgeschichte, 25. Vgl. hierzu SCHMITT, Nichtpriesterliche Josephsgeschichte, 100–116; ALBERTZ, Josephsgeschichte, 19–23, sowie CARR, Fractures, 209–210; SCHMID, Josephsgeschichte, 116–117, die allerdings nicht, wie die zuerst genannten, die gesamte Potifar-Episode Gen 39, sondern nur den Textbereich 39,2–3.5–6aa.21–23 als Nachtrag zur Josefgeschichte und somit als sekundär eingebrachte Verbindung zu den vorangehenden Vätererzählungen verstehen. Für die hier vorgetragenen Überlegungen ist diese Differenz jedoch ohne Belang. 13 Siehe hierzu im Einzelnen WÖHRLE, Joseph. 12

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Die priesterlichen Passagen der Josefgeschichte

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rungsverheißung als vorpriesterliche literarische Brücke zu den vorangehenden Vätererzählungen mit den dort belegten, sehr ähnlichen Verheißungen anzusehen ist.14 Anders als die zuvor genannten Texte ist Gen 46,1ab– 5a tatsächlich nicht nur allgemein-motivlich, sondern auch terminologisch mit den vorangehenden Vätererzählungen verbunden.15 Angesichts der Tatsache, dass hier in 46,3 aber die Mehrung, ja die Volkwerdung der JakobNachfahren im Lande Ägypten verheißen wird, geht der literarische Horizont dieses Wortes doch schon über die Vätergeschichte hinaus. Es setzt die literarische Verbindung mit den folgenden Exodusüberlieferungen voraus und kann daher – wie noch im Einzelnen zu zeigen sein wird –16 nur als später, nachpriesterlicher Eintrag in die Josefgeschichte verstanden werden.17 Keiner der genannten Texte kann somit als vorpriesterliche literarische Brücke zwischen den Abraham- und Jakoberzählungen einerseits und der Josefgeschichte andererseits angesehen werden. Das heißt doch aber, dass mit Gen 37,1.2aa nicht nur der vorliegende erzählerische Übergang zwischen den vorangehenden Vätererzählungen und der Josefgeschichte der priesterlichen Schicht zuzuweisen ist, sondern dass überhaupt die älteste erkennbare literarische Verbindung zwischen diesen beiden Textbereichen auf der Ebene der priesterlichen Texte liegt. Die einfachste Erklärung dieses Befunds dürfte sein, dass die zunächst eigenständig überlieferte Josefgeschichte erst auf der Ebene der priesterlichen Texte an die Abraham- und Jakoberzählungen angehängt und so in die werdende Vätergeschichte eingebunden wurde,18 was dann auch erneut dafür spricht, dass es sich bei den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte um eine Bearbeitungsschicht und nicht um eine ursprünglich selbständige literarische Quelle handelt. Die in der bisherigen Forschung nur sehr selten vertretene Annahme, dass die Josefgeschichte erst auf der Ebene der – als Bearbeitungsschicht zu verstehenden – priesterlichen Texte mit der vorangehenden Vätergeschichte verbunden wurde, lässt sich neben dem soeben ausgeführten Fehlen einer vorpriesterlichen Verbindung zwischen den beiden Textbereichen auch ————— 14

Vgl. BLUM, Komposition, 246–249.297–301; CARR, Fractures, 211–212; SCHMID, Josephsgeschichte, 116; ALBERTZ, Josephsgeschichte, 28. 15 So fällt vor allem die an nur zwei Stellen in der Genesis belegte doppelte Anrede des jeweiligen Ahnherrn mit folgendem ynnh rmayw (Gen 46,2 // 22,11) sowie die nur an zwei Stellen im gesamten Alten Testament belegte, mit ~yf + lwdg ywgl formulierte Mehrungsverheißung (Gen 46,3 // 21,18) auf. 16 Zu der erst auf priesterlicher Ebene geschaffenen Verbindung von Vätererzählungen und Exodusüberlieferungen s.u. 141–145. 17 So auch LEVIN, Jahwist, 305; RÖMER, Narration, 20 Anm. 15; GERTZ, Tradition, 273–277, gegen BLUM, Komposition, 297–301; SCHMID, Erzväter, 62–63; ders., Josephsgeschichte, 116; ALBERTZ, Josephsgeschichte, 28–29, die Gen 46,1ab–5a noch als vorpriesterlich eingebrachten Nachtrag zur Josefgeschichte verstehen. 18 Dies wurde bislang insbesondere von REDFORD, Study, 14–16.253, vertreten; vgl. sodann auch BECKING, They Hated him, 41–42.

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noch durch zwei weitere Überlegungen stützen. So ist zunächst nochmals auf die zuvor vorgestellte Erkenntnis zurückzukommen, dass die in Gen 35,10 belegte Umbenennung von Jakob zu Israel sicher den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte zuzuweisen ist und gegenüber der nichtpriesterlichen Parallele in Gen 32,29 die ältere Variante darstellt.19 Dabei wurde bislang aber noch nicht hinreichend erklärt, warum in den priesterlichen Passagen – und zwar erstmals – eine solche Umbenennung vorgebracht wird, obgleich der Ahnherr im weiteren Verlauf der priesterlichen Texte doch auch weiterhin konsequent als Jakob bezeichnet wird. Dieser erstaunliche Befund lässt sich nun recht einfach unter der Voraussetzung erklären, dass im Rahmen der priesterlichen Bearbeitung die zuvor unabhängig überlieferte Josefgeschichte in die werdende Vätergeschichte eingebunden wurde. Denn in der Josefgeschichte wird für den Ahnherrn ja zumeist der Israel- und nicht der Jakob-Name gebraucht.20 Es ist also gut denkbar, dass die priesterlichen Autoren mit der in Gen 35,10 ergänzten Umbenennung die von ihnen eingebrachte nichtpriesterliche Josefgeschichte vorbereitet haben. Dass die Josefgeschichte im Rahmen der priesterlichen Bearbeitung in die werdende Vätergeschichte eingebunden wurde, lässt sich aber auch noch von einer weiteren Überlegung her wahrscheinlich machen. So wurde ja zuvor der in neuerer Zeit häufiger vertretenen These gefolgt, dass am Ende der Jakoberzählungen und somit im direkten Anschluss an Gen 35,22a einst die nun in Gen 49* belegten Stammessprüche standen und den Abschluss der Jakoberzählungen bildeten.21 Wie noch zu zeigen sein wird, sind die Stammessprüche an ihrem vorliegenden Ort am Ende der Josefgeschichte durch die der priesterlichen Schicht zuzuweisenden Verse 49,1a.29–33* in ihren Kontext eingebunden.22 Dies lässt sich doch aber am einfachsten so erklären, dass es die für die priesterlichen Passagen verantwortlichen Kreise waren, die die Josefgeschichte an die Jakoberzählungen angeschlossen und in diesem Zusammenhang den Jakobsegen vom Ende der Jakoberzählungen an das Ende der Josefgeschichte umgestellt haben.23 ————— 19

S.o. 88–90. Während der Ahnherr in den gemeinhin der priesterlichen Schicht zugewiesenen Passagen der Josefgeschichte ausnahmslos als Jakob bezeichnet wird (Gen 37,1.2; 46,6; 47,7.8.9.10.28; 48,3; 49,1.33), ist in den zumeist als vorpriesterlich angesehenen Passagen 25 Mal der Name Israel (Gen 37,3.13; 42,5; 43,6.8.11; 45,21.28; 46,1.5.29.30; 47,27.29.31; 48,2.8.10.11.13.14.20.21; 50,2), der Name Jakob dagegen nur neun Mal (Gen 37,34; 42,1.4.29.36; 45,25.27; 48,2) belegt. 21 S.o. 92–94. 22 S.u. 124–127. 23 Auch SCHMID, Josephsgeschichte, 114–117, geht davon aus, dass am Ende der Jakoberzählungen einst auf Gen 35,22a die nun in Gen 49* belegten Stammessprüche folgten und dass die ursprünglich für sich überlieferte Josefgeschichte sekundär zwischen diesen beiden Texten „eingehängt“ wurde. Zudem sieht auch Schmid, dass die Stammessprüche durch priesterliche Texte in 20

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Am Beginn der Josefgeschichte in Gen 37 sind also die Verse Gen 37,1.2aa, in denen zunächst der Wohnsitz des Jakob vermerkt und in denen sodann mit Toledot-Formel und einem kurzen Verweis auf die Hirtentätigkeit des Josef der Beginn eines neuen Erzählabschnitts markiert wird, der priesterlichen Schicht zuzuweisen. Mit diesen beiden Versen wurde der erzählerische Übergang zwischen den ursprünglich getrennt überlieferten nichtpriesterlichen Abraham- und Jakoberzählungen Gen 12–35* und der nichtpriesterlichen Josefgeschichte Gen 37–50* geschaffen. Ja, die zunächst eigenständig überlieferte nichtpriesterliche Josefgeschichte wurde überhaupt erst auf der Ebene der priesterlichen Schicht und somit von den für die priesterlichen Texte verantwortlichen Kreisen mit den Jakoberzählungen verbunden und so in die werdende Vätergeschichte integriert. Der Teilvers Gen 37,2abb, mit dem der zwischen Josef und seinen Brüdern bestehende Konflikt auf die Söhne der beiden Mägde eingeschränkt wird, geht auf eine spätere, wohl vereinzelte Bearbeitung zurück. 2.3.2 Die weitere Josefgeschichte in Genesis 38–45 Im weiteren Verlauf der Josefgeschichte wird nun zunächst in Gen 38 die Erzählung von Juda und Tamar vorgebracht, und es werden sodann in Gen 39–45 die ersten Geschehnisse nach Josefs Ankunft in Ägypten dargestellt. Es werden in Gen 39 die Ereignisse im Haus des Potifar, dem Josef als Sklave verkauft worden war, geschildert. In Gen 40 folgt die Darstellung von Josefs Gefängnisaufenthalt. In Gen 41 wird geschildert, wie Josef die Träume des Pharao deutet und so dauerhaft an den Hof des Pharao kommt, wo er Vorkehrungen für die drohende Hungersnot im Land organisiert. In Gen 42–45 wird dargestellt, wie Josefs Brüder auf der Suche nach Nahrungsreserven nach Ägypten kommen, vor Josef auftreten und schließlich auf Josefs Geheiß ihren Vater Jakob nach Ägypten holen. Es ist nahezu unumstritten, dass der Textbereich Gen 38–45 mehrere literarische Bearbeitungen erfahren hat. So wurde insbesondere, wie stets gesehen, die aus dem Erzählverlauf der Josefgeschichte herausfallende Judaund-Tamar-Episode in Gen 38 erst sekundär eingebracht.24 Zudem wurde, ————— ihren vorliegenden Zusammenhang in Gen 49 eingebunden sind. Erstaunlich ist daher, dass Schmid dennoch davon ausgeht, dass die Josefgeschichte schon vorpriesterlich in die werdende Vätergeschichte integriert wurde, bleibt so doch die (erst) priesterliche Einbindung der Stammessprüche an ihrem jetzigen Ort in Gen 49 unerklärt. 24 Vgl. nur GUNKEL, HK 1,1, 410; NOTH, Überlieferungsgeschichte, 45; VON RAD, ATD 2–4, 291; REDFORD, Study, 16–18; WESTERMANN, BK 1,3, 42–43; BLUM, Komposition, 224–247.244– 245.250–254; LEVIN, Jahwist, 271; RÖMER, Joseph, 78; ders., Narration, 20; ALBERTZ, Josephsgeschichte, 21–26.

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wie schon häufiger erkannt, auch die hierauf folgende Erzählung von Josef in Potifars Haus in Gen 39 wohl erst nachträglich in die Josefgeschichte integriert.25 Dabei dürften diese beiden Erzählungen, angesichts fehlender literarischer Verbindungen zu den vorangehenden Abraham- und Jakoberzählungen, der Josefgeschichte noch vor deren Integration in die werdende Vätergeschichte zugefügt worden sein.26 Beachtenswert ist nun, dass der priesterlichen Schicht im gesamten Textbereich Gen 38–45 zumeist nur der Halbvers Gen 41,46a zugewiesen wird.27 An dieser Stelle findet sich eine kurze Datierung von Josefs Auftritt vor dem Pharao, die formal exakt dem oben beschriebenen, mit b plus Infinitiv formulierten Typ 2 der in der Genesis belegten Datierungen entspricht.28 Da sich solche Datierungen geradezu als Charakteristikum der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte erwiesen haben,29 dürfte die gängige Zuweisung von Gen 41,46a zu dieser Schicht durchaus gerechtfertigt sein. Die Tatsache, dass im Textbereich Gen 38–45 nur Gen 41,46a mit guten Gründen den priesterlichen Texten der Vätergeschichte zugewiesen werden kann, führt aber unter den Ansätzen, die die priesterlichen Texte als Teil einer ursprünglich selbständig überlieferten Quelle verstehen, zu einem Problem. Denn nach dieser üblichen Zuweisung wäre unter den Vorzeichen der Quellentheorie von den für die Zusammenarbeitung der Quellen verantwortlichen Redaktoren aus der priesterlichen Darstellung von Josefs Weg nach Ägypten und den ersten Geschehnissen in Ägypten eben einzig und allein die kurze Datierung in Gen 41,46a übernommen worden. Dieser doch recht erstaunliche Befund wird häufig schlicht damit erklärt, dass die priesterliche Darstellung am Beginn der Josefgeschichte wohl recht kurz war und es somit aus der priesterlichen Quelle nichts außer der besagten Datierung zu übernehmen gab.30 Diese Erklärung ist doch aber als Verlegenheitsauskunft zu bezeichnen. ————— 25 Vgl. hierzu etwa EERDMANS, Studien I, 66–67; REDFORD, Study, 129–130; SCHMITT, Nichtpriesterliche Josephsgeschichte, 81–89; DIETRICH, Josephserzählung, 26–30; WEIMAR, Jahwe, 61– 124; ALBERTZ, Josephsgeschichte, 26–27, sowie WÖHRLE, Joseph. 26 Zu der erst im Rahmen der priesterlichen Bearbeitung geschehenen Einbindung der Josefgeschichte in die werdende Vätergeschichte s.o. 103–106. 27 Vgl. nur WELLHAUSEN, Composition, 51; DILLMANN, KEH 11, 416; HOLZINGER, KHC 1, 219; GUNKEL, HK 1,1, 492; NOTH, Überlieferungsgeschichte, 18; VON RAD, ATD 2–4, 306; SPEISER, AncB 1, 314; WESTERMANN, BK 1,3, 100; SCHARBERT, NEB.AT 16, 258; LUX, Geschichte, 150; SEEBASS, Genesis III, 76; RUPPERT, fzb 118, 216; ALBERTZ, Josephsgeschichte, 16. 28 S.o. 35–36. 29 Vgl. Gen 12,4b; 16,16; 21,5; 25,26b; siehe hierzu im Einzelnen oben 35–36.44.56–57.71. 30 So meinte etwa GUNKEL, HK 1,1, 492, zu den nur wenigen und unzusammenhängenden priesterlichen Notizen in Gen 37–45: „[...] das wird sich daraus erklären, daß die Josephgeschichte bei P sehr dürftig war; Josephs Abenteuer in Ägypten hatten für P kein Interesse, und für den zarten Ton der Rührung, der in diesen Geschichten erklang, hatte P kein Ohr.“ Vgl. auch VON RAD,

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Nicht umsonst wird immer wieder versucht, aus der vorliegenden Josefgeschichte einen weniger lückenhaften priesterlichen Erzählfaden herauszuarbeiten. Dies geschieht entweder durch Ausweitung oder – gerade umgekehrt – durch Reduktion der für diesen Textbereich üblich gewordenen Zuweisungen zur priesterlichen Schicht. So hat etwa Ludwig Schmidt die These vorgebracht, dass im Textbereich Gen 37–45 nach der in 37,1.2* belegten Überleitung von den Jakoberzählungen zur Josefgeschichte nicht nur, wie zumeist angenommen, der Teilvers 41,46a, sondern auch die Verse 41,46ba.56abb.57; 42,5, 45,19b–21aa der priesterlichen Schicht zuzuschreiben sind.31 Auch Schmidt muss somit eine Lücke zwischen der priesterlichen Einleitung in 37,1.2* und dem in 41,46a bereits vorausgesetzten Aufenthalt in Ägypten annehmen. Doch im Anschluss an 41,46a ist seiner Ansicht nach aus P noch eine kurze Mitteilung über die Hungersnot in Ägypten und Josefs Verwaltungstätigkeit in dieser Zeit (41,46bb.56abb.57), ein Vermerk über die Ankunft der Brüder in Ägypten (42,5) und schließlich eine an die Brüder gerichtete Aufforderung des Josef, sich in Ägypten einzurichten (45,19b–21aa), erhalten. Aber mehr noch: Ab Gen 46 meint Schmidt sogar – durch weitere, über die gängige Quellenscheidung hinausgehende Zuweisungen zu P – einen vollständig erhaltenen Erzählfaden der priesterlichen Josefgeschichte rekonstruieren zu können.32 Das Problem an dieser These ist aber, dass bei den Texten, die über die gängige Scheidung hinaus den priesterlichen Passagen der Josefgeschichte zugewiesen werden, kaum stichhaltige Argumente für eine solche Zuweisung genannt werden können.33 So lassen die Verse 41,46ba.56abb.57; 42,5, 45,19b–21aa keinerlei für die priesterlichen Texte charakteristische Formulierungen oder sonstige markante inhaltliche oder terminologische Verbindungen zu den übrigen P-Passagen erkennen. Im Gegenteil: In den von Schmidt als priesterlich eingestuften Versen 42,5; 45,21aa werden die Jakob-Söhne als „Söhne Israels“ (larfy ynb) bezeichnet, was der schon häu————— Priesterschrift, 40; NOTH, Überlieferungsgeschichte, 13–14; CAMPBELL, Priestly Text, 33–34; PROPP, Priestly Source, 466. 31 Vgl. hierzu L. SCHMIDT, Literarische Studien, 287–289; ders., Priesterschrift, bes. 114–115. 120–121. Den Analysen von Schmidt hat sich insbesondere GRAUPNER, Elohist, 316–343, angeschlossen. Vergleichbare Ansätze, die durch Ausweitung der üblicherweise P zugerechneten Textbereiche einen weniger lückenhaften Text der priesterlichen Josefgeschichte zu rekonstruieren versuchen, wurden sodann auch von SEEBASS, Genesis III, 211, oder CARR, Fractures, 340, vorgelegt. 32 So ist nach Schmidt Gen 46,5b.6; 47,5(LXX).6a.7–11.27b.28; 48,3–6; 49,1a.28b*–33; 50,12–13 P zuzuweisen; vgl. L. SCHMIDT, Literarische Studien, 287–289; ders., Priesterschrift, 111–123. Siehe auch SEEBASS, Genesis III, 211; CARR, Fractures, 340; GRAUPNER, Elohist, 344– 377. Zur Kritik hieran s.u. 113 Anm. 43. 33 Zur Kritik an dem von Schmidt u.a. vertretenen Ansatz vgl. auch SCHMID, Josephsgeschichte, 92 Anm. 54.

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

fig vorgetragenen Beobachtung zuwiderläuft, dass der Ahnherr in den priesterlichen Passagen der Josefgeschichte – im Gegensatz zu den nichtpriesterlichen Passagen – nur als Jakob und nicht als Israel bezeichnet wird.34 Zu beachten ist schließlich, dass die Zuweisung der genannten Texte zur priesterlichen Josefgeschichte vor allem damit begründet wird, dass diese Texte von anderen, tatsächlich oder vermeintlich priesterlichen Texten vorausgesetzt werden. Damit wird doch aber von vorn herein und unhinterfragt davon ausgegangen, dass die priesterlichen Passagen der Josefgeschichte als Teil einer ursprünglich unabhängig überlieferten Quelle zu verstehen sind, die darüber hinaus im vorliegenden Bestand der Josefgeschichte auch noch weitgehend erhalten ist.35 Dies wäre doch aber allererst zu begründen. Ein alternativer Versuch, im Bereich der Josefgeschichte einen gegenüber den gängigen Ansätzen weniger lückenhaften P-Text zu rekonstruieren, verfolgt dieses Ziel durch Reduktion der priesterlichen Passagen. So hat insbesondere Thomas Römer vorgeschlagen, dass der auch von ihm als Quelle verstandenen Priesterschrift im gesamten Textbereich Gen 37–50 lediglich die Verse 37,1; 46,6–7; 47,27–28; 49,29–33; 50,12–13 zuzuweisen sind.36 In dem so abgegrenzten priesterlichen Text wäre demnach zunächst das Wohnen Jakobs in Kanaan (37,1), sodann die Übersiedlung von Jakob und seiner Familie nach Ägypten (46,6–7), deren Aufenthalt in Ägypten (47,27–28) und schließlich Jakobs Tod (49,29–33) und dessen Bestattung (50,12–13) dargestellt worden. Die von Römer und anderen vorgeschlagene Abgrenzung führt dann zu einem bemerkenswerten Ergebnis: In der so reduzierten priesterlichen Schicht wird Josef an keiner Stelle erwähnt. Es werden lediglich die letzten Begebenheiten aus dem Leben des Jakob vorgebracht. Die Priesterschrift hätte somit überhaupt keine Josefgeschichte, sondern nur eine bis zum Tod des Ahnherrn reichende Jakoberzählung enthalten, von der aus dann direkt zu den Exoduserzählungen übergeleitet wird. Doch auch diese Abgrenzung der priesterlichen Passagen – so interessant sie im Ergebnis auch sein mag – kann nicht wirklich überzeugen. Denn bei ————— 34

S.o. 106 mit Anm. 20. L. SCHMIDT, Priesterschrift, 122, meint allerdings, dass die Wendung

larfy ynb in Gen 42,5; 45,21aa nicht im Sinne „Söhne Israels = Söhne Jakobs“, sondern ganz

allgemein im Sinne von „Israeliten“ zu verstehen sei. Da an den genannten Stellen doch aber nur die Jakob-Söhne mit der Wendung larfy ynb bezeichnet werden, dürfte ein solch allgemeines Verständnis dieser Wendung eher nicht naheliegen. 35 So hat auch SCHMID, Josephsgeschichte, 92 Anm. 54, kritisch gegen den von Schmidt u.a. vertretenen Ansatz eingewandt: „Die Argumentation stützt sich vor allem auf theorieimmanente Plausibilitäten der Urkundenhypothese.“ 36 Vgl. RÖMER, Cycle, 8–9; ders., Joseph, 79–83; siehe hierzu, mit Unterschieden im Detail, auch DE PURY, Umgang, bes. 44–46; KRATZ, Komposition, 243; UEHLINGER, Fratrie, 310–311; SCHMID, Yahwist, 46–47.

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Die priesterlichen Passagen der Josefgeschichte

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diesem Ansatz werden einige Texte den priesterlichen Passagen abgesprochen, die sich eindeutig durch priesterliche Terminologie auszeichnen. Dies zeigt sich schon bei Gen 41,46a mit der hier belegten Datierung über das Lebensalter des Josef. Es ist schlechterdings nicht erklärlich, warum eine solche Datierung, die sonst als festes Kriterium für die Zuweisung zu den priesterlichen Texten gilt, an dieser Stelle nicht als ausreichendes Kriterium für eine solche Zuweisung gelten soll.37 Zudem wird sich an anderer Stelle sogar noch deutlicher zeigen, dass sich die vorgeschlagene Minimierung des priesterlichen Textbestands in Gen 37–50 nicht halten lässt.38 Die Ansätze, die durch Ausweitung der priesterlichen Schicht einen mit weniger Lücken behafteten Erzählverlauf der priesterlichen Josefgeschichte rekonstruieren wollen, und die Ansätze, die dies durch Reduktion der priesterlichen Schicht erreichen wollen, sind also gleichermaßen mit dem Problem behaftet, dass dies unter Aufgabe der üblichen und zurecht etablierten Kriterien für die Bestimmung der der priesterlichen Schicht zuzuweisenden Texte geschieht. Beide – an sich ja recht unterschiedlichen – Ansätze scheinen allzu sehr von dem Interesse geleitet zu sein, aus der vorliegenden Josefgeschichte einen zusammenhängenden priesterlichen Erzählverlauf herauszuarbeiten, und argumentieren hierfür gegen den sprachlichen Befund. Wenn nun aber die der priesterlichen Schicht zuzuweisenden Passagen der Josefgeschichte nach der gängigen Abgrenzung einen so geringen Umfang ausmachen, dass sich die Übernahme dieser Passagen aus einer ursprünglich selbständig überlieferten priesterlichen Quelle kaum nahelegt und wenn diesem Befund weder durch Ausweitung noch durch Reduktion der üblicherweise der priesterlichen Schicht zugeordneten Texte beizukommen ist, so dürfte die naheliegende Konsequenz doch wieder darin bestehen, dass es sich bei den priesterlichen Texten der Josefgeschichte – wie bei den vorangehenden Abraham- und Jakoberzählungen – überhaupt nicht um Teile einer solchen, ursprünglich selbständig überlieferten Quelle han—————

37 Römer geht auf die literarische Einordnung von Gen 41,46a nicht weiter ein. Beachtenswert ist aber, dass de Pury, der der These weitgehend folgt, die folgende Begründung für seine Ablehnung der üblichen Zuweisung dieses Teilverses zu P vorbringt (DE PURY, Umgang, 44 Anm. 53): „Auch Gen 41,46a [...] wird wegen der Altersangabe Pg zugeschrieben. Das ist möglich, würde aber besagen, dass P eine Josephsgeschichte gekannt – bzw. anerkannt – hat.“ Diese Begründung ist methodisch doch aber mindestens fragwürdig. Denn die literarische Zuordnung – also die nichtpriesterliche Einordnung von Gen 41,46a – ist hier bestimmt von einem vorausgesetzten Ergebnis – einer Priesterschrift ohne Josef. Dass dieses Ergebnis – also P ohne Josef – dann auch erreicht wird, ist so kaum verwunderlich. 38 Siehe hierzu die unten 117–118 mit Anm. 59 und 121–122 mit Anm. 79 vorgebrachten Ausführungen zur priesterlichen Einordnung der Textbereiche Gen 47,7–11; 48,3–7, die bei Römer und den von ihm beeinflussten Ansätzen ebenfalls – entgegen der üblichen Zuweisung – nicht zur priesterlichen Schicht gerechnet werden.

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

delt, sondern um eine Redaktionsschicht.39 Denn unter dieser Voraussetzung ist ohne weiteres erklärlich, dass sich im gesamten Textbereich Gen 38–45 nur in 41,46a eine kurze priesterliche Notiz findet. Es muss dann nämlich nicht mit Textverlusten bei der Einarbeitung der priesterlichen Quelle in die nichtpriesterliche Josefgeschichte gerechnet werden, sondern es kann schlicht davon ausgegangen werden, dass die priesterlichen Redaktoren eben nur an dieser Stelle einen Nachtrag eingebracht haben. Zu umfangreicheren Bearbeitungen sahen sie hier am Beginn der Josefgeschichte offenbar keine Notwendigkeit. Insgesamt ist also in Gen 38–45 nur der Teilvers Gen 41,46a, mit dem das Auftreten des Josef vor dem Pharao datiert wird, den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte zuzuweisen. Dabei ist die Tatsache, dass in diesem Textbereich nur diese kurze Notiz der priesterlichen Schicht zugeschrieben werden kann, wieder am besten unter der Voraussetzung zu erklären, dass es sich bei den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte um eine Bearbeitung handelt. 2.3.3 Jakobs Weg nach Ägypten in Genesis 46 In Gen 46 wird zunächst in Gen 46,1–7 dargestellt, wie Jakob und seine Söhne aus Kanaan aufbrechen. Es folgt in Gen 46,8–27 ein Verzeichnis über die Angehörigen der Jakob-Familie. In Gen 46,28–34 werden schließlich die Ankunft in Ägypten und die erste Begegnung zwischen Jakob und Josef geschildert. Bei Gen 46 ist relativ unumstritten, dass die in 46,1ab–5a belegte Verheißung, die Jakob auf seinem Weg nach Ägypten zuteil wird und mit der ihm die Mehrung und Volkwerdung in Ägypten zugesagt wird, erst sekundär in den vorliegenden Kontext eingebracht wurde.40 Wie bereits ausgeführt, handelt es sich bei Gen 46,1ab–5a wohl um einen späten, erst nachpriesterlich eingebrachten Zusatz zur Josefgeschichte.41 Unumstritten ist sodann auch, dass die auf Gen 46,1–5 folgenden Verse 46,6–7, in denen vermerkt wird, dass die Jakob-Familie ihren gesamten Besitz und all ihre Kinder und Enkel mit nach Ägypten nimmt, dem Kapitel —————

39 So auch GRAF, Grundschrift, 472; CROSS, Priestly Work, 307 mit Anm. 45; RENDTORFF, Problem, 113–115; TENGSTRÖM, Toledot-Formel, 13; BLUM, Komposition, 427; LUX, Geschichte, 151; ALBERTZ, Josephsgeschichte, 17. 40 Vgl. nur HOLZINGER, KHC 1, 248; GUNKEL, HK 1,1, 461; NOTH, Überlieferungsgeschichte, 38; BLUM, Komposition, 297–301; SCHARBERT, NEB.AT 16, 278; LEVIN, Jahwist, 305; GERTZ, Tradition, 273–277; RÖMER, Narration, 20; SEEBASS, Genesis III, 123–124; SCHMID, Josephsgeschichte, 116; WEIMAR, Gen 46,1–5, 5–21; ALBERTZ, Josephsgeschichte, 28–29. 41 Siehe hierzu oben 104–105 mit Anm. 17.

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Die priesterlichen Passagen der Josefgeschichte

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erst sekundär zugefügt wurden und den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte zuzurechnen sind.42 So wird in dem vorangehenden Teilvers 46,5b erwähnt, dass die Jakob-Söhne ihren Vater, ihre Kinder und ihre Frauen auf die Wagen setzen, die ihnen der Pharao mitgegeben hat. Hinter diese Darstellung fällt Gen 46,6–7 mit der hier belegten Erwähnung des Besitzes und insbesondere mit der hier belegten neuerlichen Aufzählung der nach Ägypten ziehenden Angehörigen der Jakob-Familie doch deutlich zurück.43 Für die Zuweisung von Gen 46,6–7 zu den priesterlichen Texten der Vätergeschichte sprechen sodann auch hier wieder terminologische Eigenheiten.44 So findet sich an dieser Stelle der vornehmlich in priesterlichen Texten belegte Begriff vwkr zur Bezeichnung des Besitzes der Jakob-Familie.45 Ja, dieser Begriff steht hier sogar in der ausschließlich in priesterlichen Texten belegten Wendung „Besitz, den sie erworben hatten“ (rva vwkr wvkr, Gen 12,5; 31,18*). Zudem erinnert doch die gesamte, an dieser Stelle vorgebrachte Darstellung des mitgenommenen Hab und Guts sehr deutlich an die priesterlichen Verse Gen 12,5; 31,18*; 36,6. Bei 46,6–7 ist nun aber bemerkenswert, dass in 46,6 kein Subjekt für das hier beschriebene Mitnehmen des Besitzes angegeben wird. Zumindest im vorliegenden Zusammenhang setzt dieser Vers also eindeutig den vorangehenden Teilvers 46,5b mit den dort genannten „Söhnen Israels“ voraus. Dies könnte sicherlich so erklärt werden, dass Gen 46,6–7 aus einer umfangreicheren priesterlichen Quelle entnommen wurde und dass dabei der ursprüngliche priesterliche Kontext und somit auch die ursprüngliche An—————

42 Vgl. NÖLDEKE, Untersuchungen, 33; WELLHAUSEN, Composition, 51; DILLMANN, KEH 11, 434; HOLZINGER, KHC 1, 219; GUNKEL, HK 1,1, 492; NOTH, Überlieferungsgeschichte, 18; VON RAD, ATD 2–4, 329; SPEISER, AncB 1, 346; WESTERMANN, BK 1,3, 174; BLUM, Komposition, 441; SCHARBERT, NEB.AT 16, 278; RÖMER, Joseph, 79; LEVIN, Jahwist, 305; DE PURY, Umgang, 44–45; KRATZ, Komposition, 243; LUX, Geschichte, 150; SEEBASS, Genesis III, 122; ALBERTZ, Josephsgeschichte, 16. 43 Die beschriebene Spannung zwischen Gen 46,5b und 46,6–7 spricht dann aber auch gegen die etwa von L. SCHMIDT, Literarische Studien, 175–177; ders., Priesterschrift, 113–114, vorgeschlagene Zuweisung von 46,5b zu P; vgl. auch CARR, Fractures, 106–108; GRAUPNER, Elohist, 345, die diesem Ansatz folgen. Gegen die priesterliche Einordnung von 46,5b spricht zudem die hier belegte Wendung „Söhne Israels“, ist der Israel-Name doch sonst in den priesterlichen Passagen der Josefgeschichte nicht belegt (s.o. 106 mit Anm. 20). Und schließlich spricht gegen diese Zuweisung, dass hier in 46,5b die Bezeichnung @j für „Kinder“ gebraucht wird, die sich gleich an mehreren Stellen der nichtpriesterlichen Josefgeschichte (Gen 43,8; 45,19; 47,12.24; 50,8.21), aber in keinem üblicherweise den priesterlichen Passagen zugewiesenen Text findet. Die Zuschreibung von Gen 46,5b zu P dürfte somit lediglich dem Willen entspringen, einen zusammenhängenden priesterlichen Text – konkret: einen Übergang von dem bei den genannten Ansätzen für priesterlich gehaltenen Text Gen 45,19b–21aa hin zu Gen 46,6 – zu rekonstruieren. 44 Vgl. DILLMANN, KEH 11, 434; HOLZINGER, KHC 1, 219; GUNKEL, HK 1,1, 492; WESTERMANN, BK 1,3, 174. 45 Vgl. Gen 12,5; 13,6; 31,18*; 36,7.

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

gabe des in 46,6 vorausgesetzten Subjekts verloren gegangen ist.46 Nach den vorangehenden Überlegungen, bei denen sich die priesterlichen Passagen der Vätergeschichte immer wieder und teils sehr deutlich als Bearbeitungsschicht erwiesen haben, dürfte doch aber wesentlich wahrscheinlicher sein, dass Gen 46,6–7 von vornherein für seinen vorliegenden Kontext verfasst wurde. Gen 46,6–7 ist dann als sekundäre Ausführung der vorangehenden Aufbruchsnotiz 46,5b zu verstehen, die von den priesterlichen Bearbeitern um einen Verweis auf den mitgenommenen Besitz sowie um einen noch über 46,5b hinausgehenden Verweis auf die nach Ägypten ziehenden Familienangehörigen ergänzt wurde. Eine vergleichbare priesterliche Bearbeitung, bei der ebenfalls eine vorgegebene Aufbruchsnotiz um weitergehende Angaben zum Besitz des Ahnherrn erweitert wurde, zeigte sich ja auch schon in Gen 31,18*.47 Der priesterliche Textbereich Gen 46,6– 7 ist somit ohne weiteres als für den Kontext der nichtpriesterlichen Josefgeschichte verfasster Nachtrag zu verstehen.48 Zuletzt ist noch auf die literarische Einordnung des in Gen 46,8–27 belegten Verzeichnisses der Jakob-Familie einzugehen. Deutlich ist zunächst, dass dieses Verzeichnis die vorangehenden priesterlichen Verse Gen 46,6–7 voraussetzt. Denn die in 46,8 belegte einleitende Formulierung „dies sind die Namen der Söhne Israels, die nach Ägypten kamen“ (twmv hlaw hmyrcm ~yabh larfy-ynb) nimmt die am Ende von 46,7 belegte Formulierung „die er mit sich nach Ägypten brachte“ (hmyrcm wta aybh) wieder auf. Gen 46,8–27 ist somit frühestens auf der Ebene der priesterlichen Schicht anzusetzen. Wie schon häufig gesehen, dürfte es sich bei Gen 46,8–27 aber wohl um eine erst nachpriesterlich anzusetzende Ergänzung handeln.49 Dafür spricht zunächst eine markante Differenz zwischen den priesterlichen Versen 46,6– 7 und dem in 46,8–27 belegten Verzeichnis: Während in 46,7 von Töchtern und Enkelinnen Jakobs im Plural die Rede ist, werden in 46,15.17 nur eine —————

46 Zu der immer wieder vorgetragenen Annahme, dass die (ursprünglich im Rahmen einer selbständigen Quelle überlieferte) priesterliche Darstellung der Josefgeschichte im vorliegenden Text von Gen 37–50 nur fragmentarisch erhalten ist, s.o. 108 mit Anm. 30. 47 S.o. 83–84. 48 So insbesondere BLUM, Komposition, 441; ALBERTZ, Josephsgeschichte, 17. 49 Vgl. hierzu WELLHAUSEN, Composition, 51; HOLZINGER, KHC 1, 219; GUNKEL, HK 1,1, 493; WESTERMANN, BK 1,3, 174; VON RAD, ATD 2–4, 329; BLUM, Komposition, 249–250; DE PURY, Umgang, 44–45 Anm. 54; LEVIN, Jahwist, 305; KRATZ, Komposition, 243; LUX, Geschichte, 150 Anm. 12. Demgegenüber wird eine priesterliche Einordnung dieser Verse nur sehr selten vertreten; so etwa von DILLMANN, KEH 11, 434; SPEISER, AncB 1, 346; SCHARBERT, NEB.AT 16, 278. Die neuerdings von ADDINAL, Genesis xlvi 8–27, 289–300, vorgebrachte Überlegung, dass Gen 46,8–27 gerade im Gegensatz zu den vorangehenden Versen 46,6–7 den priesterlichen Passagen zuzuweisen ist und einst direkt an die priesterliche Einleitung zur Josefgeschichte in 37,2* anschloss, ist – allein schon angesichts des im Gegensatz zu 46,8–27 eindeutig priesterlichen Charakters von 46,6–7 – ausgesprochen unwahrscheinlich.

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Die priesterlichen Passagen der Josefgeschichte

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Tochter und eine Enkelin erwähnt.50 Zudem besteht eine ebenso markante Differenz zwischen Gen 46,8–27 und dem zweifellos den priesterlichen Texten zuzuschreibenden Verzeichnis der Jakob-Söhne in Gen 35,22b–26:51 In 35,22b–26 werden zuerst die Söhne der beiden Hauptfrauen, Lea und Rahel, und dann die Söhne der beiden Mägde, Bilha und Silpa, aufgezählt. In 46,8–27 werden dagegen zuerst die Söhne von Lea und ihrer Magd Silpa und sodann die Söhne von Rahel und ihrer Magd Bilha genannt. Schließlich fällt auf, dass der Ahnherr in Gen 46,8 Israel genannt wird, während er sonst in den priesterlichen Passagen der Josefgeschichte ausnahmslos als Jakob bezeichnet wird.52 Es spricht also tatsächlich einiges dafür, dass das in Gen 46,8–27 belegte Verzeichnis der Jakob-Familie erst nachpriesterlich anzusetzen ist. Insgesamt sind somit bei Gen 46 die Verse 46,6–7, in denen der Besitz des Ahnherrn und die mit ihm nach Ägypten reisenden Angehörigen genannt werden, den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte zuzuschreiben. Dabei erweisen sich die priesterlichen Passagen auch an dieser Stelle als Bearbeitung der vorgegebenen nichtpriesterlichen Josefgeschichte. Bei der in Gen 46,1ab–5a belegten Verheißung und dem in 46,8–27 belegten Verzeichnis handelt es sich sodann um zwei späte, nachpriesterliche Erweiterungen des Kapitels. 2.3.4 Jakob und seine Söhne in Ägypten in Genesis 47 Am Beginn von Gen 47 wird in den Versen Gen 47,1–12 ausgeführt, wie der Pharao auf Josefs Fürsprache hin der nach Ägypten gekommenen Jakob-Familie einen Wohnsitz zuteilt. In Gen 47,13–26 wird sodann Josefs Verwaltungstätigkeit in der Zeit der Hungersnot beschrieben. In Gen 47,27– 31 wird schließlich dargestellt, wie Jakob seinem Sohn Josef das Versprechen abnimmt, ihn nicht in Ägypten zu begraben. Bei Gen 47 ist zunächst die erste, in 47,1–12 belegte Einheit zu betrachten. In dieser Einheit wird in 47,1–4 vermerkt, dass Josef dem Pharao die Ankunft seiner Familie mitteilt und dass er fünf seiner Brüder vor den Pharao stellt, die ihren Wunsch vorbringen, angesichts der Hungersnot in Ägypten wohnen zu dürfen. In 47,5–6 wird erwähnt, dass der Pharao Josef beauftragt, seine Familie am besten Ort des Landes, im Land Gosen, wohnen zu lassen. In den Versen 47,7–10 wird geschildert, wie Josef nun auch seinen Vater Jakob vor den Pharao bringt, der den Pharao segnet und ihm ————— 50

So schon HOLZINGER, KHC 1, 219–220; GUNKEL, HK 1,1, 493; VON RAD, ATD 2–4, 330. Zur priesterlichen Einordnung von Gen 35,22b–26 s.o. 94. 52 S.o. 106 mit Anm. 20. 51

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

von der langen Zeit seiner Fremdlingschaft berichtet. In 47,11–12 wird abschließend erwähnt, dass Josef seinem Vater und seinen Brüdern einen Wohnsitz zuweist und sie mit Nahrung versorgt. Bei Gen 47,1–12 werden häufig die Verse 47,5b.6a.7–11 der priesterlichen Schicht zugewiesen.53 Dabei werden die ersten beiden Teilverse Gen 47,5b.6a zumeist nach LXX gelesen, wo an dieser Stelle über MT hinaus zunächst nochmals die Ankunft von Jakob und seinen Söhnen in Ägypten vermerkt und sodann die Zusage des Pharao vorgebracht wird, dass Josef seine Angehörigen im Land ansiedeln soll.54 Die Annahme, dass Gen 47,5b.6a nach LXX zu lesen und so der priesterlichen Schicht zuzuweisen ist, erscheint allerdings problematisch. Es ist nämlich ausgesprochen unwahrscheinlich, dass LXX an dieser Stelle eine ältere Lesart als MT bewahrt hat, lässt sich LXX doch gut als sekundäre Weiterführung des MT verstehen, durch die die beiden in Gen 47,1–12 belegten Szenen, in denen Josef einmal mit fünf seiner Brüder und einmal mit seinem Vater vor dem Pharao erscheint, klarer strukturiert worden sind. Wie aus der LXX- die kürzere und etwas umständlicher gestaltete MTLesart entstanden sein soll, lässt sich demgegenüber nicht wirklich erklären.55 Beachtenswert ist sodann, dass die Teilverse Gen 47,5b.6a – in welcher Lesart auch immer – kein priesterliches Gepräge aufweisen. Es finden sich hier keinerlei für die priesterliche Schicht charakteristischen Termini oder sonstige Bezüge zu den priesterlichen Passagen. Die priesterliche Einordnung von Gen 47,5b.6a dürfte also erneut nur der Absicht geschuldet sein, einen möglichst vollständigen und zusammenhängenden Text einer als Quelle verstandenen Priesterschrift herauszuarbeiten.

————— 53

Vgl. etwa DILLMANN, KEH 11, 439; HOLZINGER, KHC 1, 222; GUNKEL, HK 1,1, 495; VON RAD, ATD 2–4, 333; SPEISER, AncB 1, 352; SCHMITT, Nichtpriesterliche Josephsgeschichte, 63; L. SCHMIDT, Literarische Studien, 193–198; ders., Priesterschrift, 112–113; CARR, Fractures, 112– 113; LUX, Geschichte, 150–151; SEEBASS, Genesis III, 134; GRAUPNER, Elohist, 345; RUPPERT, fzb 118, 375; ALBERTZ, Josephsgeschichte, 16. Demgegenüber sehen NÖLDEKE, Untersuchungen, 34; WESTERMANN, BK 1,3, 186; BLUM, Komposition, 252–253 Anm. 56; SCHARBERT, NEB.AT 16, 281–282, von einer priesterlichen Einordnung von 47,5b.6a ab und weisen, mit Unterschieden im Detail, nur die Verse 47,7–11 der priesterlichen Schicht zu. Siehe hierzu die weiteren Ausführungen. 54 So DILLMANN, KEH 11, 439; HOLZINGER, KHC 1, 222; GUNKEL, HK 1,1, 495; VON RAD, ATD 2–4, 333; SPEISER, AncB 1, 350–351; L. SCHMIDT, Literarische Studien, 193–194; ders., Priesterschrift, 112; SEEBASS, Genesis III, 134; GRAUPNER, Elohist, 344–345; RUPPERT, fzb 118, 375 55 Auch RUDOLPH, Josefsgeschichte, 165–166; SCHMITT, Nichtpriesterliche Josephsgeschichte, 63 Anm. 260; REDFORD, Study, 159–160; WESTERMANN, BK 1,3, 188, sprechen sich deutlich gegen die übliche Annahme aus, dass LXX die ursprüngliche Lesart erhalten hat.

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Die priesterlichen Passagen der Josefgeschichte

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Gen 47,5b.6a ist somit nicht der priesterlichen Schicht zuzuschreiben.56 Da sich diese beiden Teilverse – in der als ursprünglich zu verstehenden MT-Lesart – problemlos in ihren vorliegenden Zusammenhang einfügen, dürften sie vielmehr dem Grundbestand des dann als einheitlich zu verstehenden Textbereichs 47,1–6 zuzurechnen sein. Anders sieht es hingegen mit den folgenden Versen 47,7–11 aus. Die an dieser Stelle belegte Szene, in der Josef seinen Vater Jakob vor den Pharao bringt, fällt schon dadurch als Nachtrag auf, dass Josef hier – nachdem ihm zuvor in 47,5–6 bereits aufgetragen worden ist, seinem Vater und seinen Brüdern einen Wohnsitz zuzuweisen – erneut mit einem Angehörigen vor dem Pharao erscheint. Dass es sich bei Gen 47,7–11 um einen Nachtrag handelt, zeigt sich zudem auch daran, dass in Gen 47,11 als Region, in der sich Jakob und seine Söhne ansiedeln, das Land Ramses genannt wird, während zuvor in 47,1.4.6 – wie auch sonst im Rahmen der nichtpriesterlichen Josefgeschichte (Gen 45,10; 46,28.29.34; 47,27; 50,8) – das Land Gosen als Wohnsitz der Jakob-Familie angegeben wird. Die Verse 47,7–11 weisen sodann tatsächlich einschlägige Verbindungen zu den bislang der priesterlichen Schicht zugewiesenen Passagen auf.57 So spricht schon die in 47,9 belegte Erwähnung des Alters des Ahnherrn für eine priesterliche Einordnung dieser Verse. In 47,9 findet sich zudem der bislang ausnahmslos in priesterlichen Zusammenhängen belegte Begriff der „Fremdlingschaft“ (rwgm).58 Und in 47,11 wird für den ägyptischen Wohnsitz der Jakob-Familie der Begriff „Erbbesitz“ (hzxa) verwandt, der im bisherigen Verlauf der Vätergeschichte nur in dem priesterlichen Vers Gen 17,8 – dort als Bezeichnung für den künftigen Besitz des Landes Kanaan – sowie in einigen eindeutig nachpriesterlichen Passagen (Gen 23,4.9.20; 36,43) belegt ist. Es spricht also alles dafür, dass Gen 47,7–11 der priesterlichen Schicht zuzuschreiben ist.59 Bei Gen 47,7–11 lässt sich sodann erneut nachweisen, dass dieser Text seinen nichtpriesterlichen Kontext voraussetzt.60 Dies zeigt sich vor allem an Gen 47,11. So findet sich in diesem Vers die zuvor nur in nichtpriesterli————— 56

Siehe hierzu die oben 116 Anm. 53 genannten Ansätze. Zum priesterlichen Charakter von Gen 47,7–11 vgl. etwa NÖLDEKE, Untersuchungen, 34; DILLMANN, KEH 11, 439; HOLZINGER, KHC 1, 222; SCHARBERT, NEB.AT 16, 281–282. 58 Vgl. Gen 17,8; 28,4; 36,7; 37,1, sowie Ex 6,4. 59 Wenn also in neuerer Zeit RÖMER, Joseph, 79; DE PURY, Umgang, 45; KRATZ, Komposition, 243, oder SCHMID, Yahwist, 46–47, Gen 47,7–11 nicht wie üblich den priesterlichen Passagen der Josefgeschichte zuschreiben, so geschieht dies gegen den doch recht eindeutigen terminologischen Befund und scheint vor allem von dem oben 110–111 bereits kritisierten Anliegen bestimmt zu sein, durch Reduktion des üblichen Bestands der priesterlichen Passagen eine möglichst lückenlos erhaltene priesterliche Quelle zu rekonstruieren. 60 So auch schon, allerdings ohne umfassendere Erklärungen, REDFORD, Study, 180; BLUM, Komposition, 252–252 Anm. 56; ALBERTZ, Josephsgeschichte, 17. 57

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

chen Texten belegte Wendung „am besten Ort des Landes“ (#rah bjymb [Gen 47,6]; vgl. #ra [lk] bwj [Gen 45,18.20]). Dies ist doch am ehesten so zu erklären, dass Gen 47,11 für den Kontext der nichtpriesterlichen Josefgeschichte verfasst und die genannte Formulierung aus eben diesem Kontext übernommen worden ist. Für diese Annahme lässt sich noch auf eine zweite Beobachtung verweisen. Wie zuvor erwähnt, fällt bei Gen 47,11 auf, dass hier als Wohnsitz der Jakob-Familie das Land Ramses und nicht wie sonst in der Josefgeschichte das Land Gosen angegeben wird. Bislang wurde allerdings noch zu wenig danach gefragt, warum die priesterlichen Autoren in diesem Vers gerade das Land Ramses erwähnen, ist diese Ortsbezeichnung doch sonst in den priesterlichen Passagen der Josefgeschichte – ja überhaupt in den weiteren priesterlichen Passagen des Pentateuch – nicht mehr belegt.61 Zu beachten ist aber, dass Ramses am Beginn der nichtpriesterlichen Exoduserzählung in Ex 1,11 als der Ort genannt wird, an dem die JakobNachfahren Frondienst leisten. Es ist dann doch aber gut möglich, dass die priesterlichen Autoren – die, wie sich noch zeigen wird, die Verbindung von Josefgeschichte und Exoduserzählung allererst geschaffen haben –62 in Gen 47,11 Ramses als Wohnsitz der Jakob-Familie angegeben haben, um so die folgenden nichtpriesterlichen Exodusüberlieferungen vorzubereiten.63 Bei Gen 47,7–11 zeigt sich also erneut, dass die priesterlichen Passagen der Vätergeschichte nicht als eine ursprünglich unabhängig überlieferte Quelle zu verstehen sind. Es handelt sich bei diesen Passagen vielmehr um eine von vornherein für den Kontext der nichtpriesterlichen Vätergeschichte verfasste Bearbeitungsschicht.

—————

61 Neben Gen 47,11 ist die Ortsbezeichnung Ramses im Pentateuch nur noch in den Versen Ex 1,11; 12,37; Num 33,3.5 belegt, die allesamt nicht- bzw. nachpriesterlich anzusetzen sind. 62 S.u. 141–145. 63 Schon DILLMANN, KEH 11, 441–442, meinte, dass der Aufenthaltsort der Jakob-Familie in dem priesterlichen Vers Gen 47,11 als Land Ramses bezeichnet wird „wahrscheinlich nach der Stadt Ra‫ދ‬mses (Ex. 1, 11), von welcher aus der Auszug unter Mose geschah (Ex. 12, 37. Num. 33, 3. 5).“ Vgl. hierzu auch L. SCHMIDT, Literarische Studien, 201; SEEBASS, Genesis III, 133. Wie sich diese Bezugnahme auf den sonst nur in den nichtpriesterlichen Überlieferungen belegten Ort Ramses mit der These einer ursprünglich selbständig überlieferten priesterlichen Quelle verträgt, wurde bislang erstaunlicherweise noch nicht weiter thematisiert. Wenn die priesterlichen Passagen der Vätergeschichte aber als Bearbeitung verstanden werden, so erklärt sich damit nicht nur die Tatsache, dass hier in einem priesterlichen Zusammenhang überhaupt die Ortsbezeichnung Ramses belegt ist. Es erklärt sich dann auch die schwierige Bezeichnung „Land Ramses“ (ssm[r #ra). Denn dann handelt es sich hierbei um eine von den priesterlichen Bearbeitern vorgenommene Harmonisierung der in der nichtpriesterlichen Josefgeschichte belegten Ortsbezeichnung „Land Gosen“ und der in der folgenden nichtpriesterlichen Exodusüberlieferung belegten Ortsbezeichnung „Ramses“.

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Die priesterlichen Passagen der Josefgeschichte

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In Gen 47 wird sodann noch ein weiterer kleiner Textbereich häufig der priesterlichen Schicht zugeschrieben, nämlich Gen 47,27b.28.64 An dieser Stelle wird zunächst in 47,27b erwähnt, dass die Angehörigen der JakobFamilie im Land einen Erbbesitz einnahmen und dass sie fruchtbar waren und sich vermehrten. Im folgenden Vers 47,28 wird nochmals das Alter des Jakob angegeben. Die Zuweisung von Gen 47,27b.28 zur priesterlichen Schicht erscheint dabei unzweifelhaft.65 Denn für die priesterliche Herkunft sprechen bei Gen 47,27b das hier belegte Verb zxa, das den in 47,11 belegten, für die priesterliche Schicht charakteristischen Begriff hzxa aufnimmt, sowie die ebenfalls typisch priesterliche Wendung „fruchtbar sein und mehren“ (hrp; hbr).66 Der folgende Vers Gen 47,28 erweist sich aufgrund der hier belegten Altersangabe – wenngleich diese nicht, wie zumeist in der Vätergeschichte, mit yhyw, sondern mit yxyw eingeführt wird – als Teil der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte.67 Wie schon bei Gen 47,7–11 lässt sich sodann auch bei Gen 47,27b.28 zeigen, dass dieser Textbereich für den vorliegenden Zusammenhang verfasst wurde. Zu beachten ist insbesondere die in Gen 47,28 belegte Altersangabe. In diesem Vers wird ja ausgeführt, dass Jakob 17 Jahre in Ägypten lebte und sein Lebensalter somit 147 Jahre war. Dass an dieser Stelle gleichermaßen die Zeit, die Jakob in Ägypten verbracht hat, wie auch sein gesamtes Lebensalter angegeben wird, lässt doch darauf schließen, dass hier zu einem ganz besonderen Ereignis im Leben des Jakob hingeführt wird. Nun wird in dem folgenden nichtpriesterlichen Vers 47,29 erstmals der nahende Tod des Ahnherrn erwähnt. An der nächsten gemeinhin den priesterlichen Passagen zugewiesenen Stelle Gen 48,3–7, die häufig als direkte —————

64 Vgl. hierzu etwa NÖLDEKE, Untersuchungen, 34; DILLMANN, KEH 11, 445; HOLZINGER, KHC 1, 222; GUNKEL, HK 1,1, 495; VON RAD, ATD 2–4, 333.339; SPEISER, AncB 1, 358; WESTERMANN, BK 1,3, 192; BLUM, Komposition, 252 Anm. 56; SCHARBERT, NEB.AT 16, 285; L. SCHMIDT, Literarische Studien, 201–202; RÖMER, Joseph, 79; CARR, Fractures, 112–113; DE PURY, Umgang, 45; KRATZ, Komposition, 243; LUX, Geschichte, 151; SEEBASS, Genesis III, 144; GRAUPNER, Elohist, 346; ALBERTZ, Josephsgeschichte, 16. Dabei weisen einige der Genannten den gesamten Teilvers 47,27 der priesterlichen Schicht zu. Gegen die Zuordnung von Gen 47,27a zur priesterlichen Schicht spricht aber sowohl der hier belegte, in den sonstigen P-Passagen der Josefgeschichte nicht gebrauchte Israel-Name, was, nebenbei gesagt, unabhängig davon gilt, ob sich der Israel-Name hier auf die Jakob-Nachfahren als Ganze oder nur auf den Ahnherrn selbst beziehen mag. Zudem spricht gegen die Zuordnung von 47,27a zur priesterlichen Schicht, dass hier als Wohnort der Jakob-Familie nicht wie in dem priesterlichen Vers 47,11 das Land Ramses, sondern wie in den nichtpriesterlichen Passagen das Land Gosen genannt wird. 65 Vgl. hierzu NÖLDEKE, Untersuchungen, 34; DILLMANN, KEH 11, 445; HOLZINGER, KHC 1, 222; GUNKEL, HK 1,1, 495; SCHARBERT, NEB.AT 16, 285. 66 Zu hzxa s.o. 117; zu hrp; hbr s.o. 46 mit Anm. 67. 67 Zu den in den priesterlichen Texten belegten Altersangaben siehe oben 35–36.

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

Fortsetzung von 47,28 verstanden wird,68 wird dagegen eine längere Rede vorgebracht, in der der Ahnherr zunächst auf eine göttliche Verheißung zurückblickt, in der er sodann Ephraim und Manasse als seine Söhne annimmt und in der er schließlich vom Tod seiner Frau Rahel berichtet. Vergleicht man also den auf 47,28 folgenden nichtpriesterlichen und priesterlichen Zusammenhang und beachtet dabei, dass im Rahmen der priesterlichen Schicht ja gleich an mehreren Stellen der Tod der jeweiligen Protagonisten mit einer Datierung versehen wird,69 so erscheint es doch wesentlich wahrscheinlicher, dass die in Gen 47,28 belegte Altersangabe schon immer die in dem nichtpriesterlichen Vers 47,29 belegte Erwähnung von Jakobs bevorstehendem Tod einführte und somit von vornherein für den Kontext der nichtpriesterlichen Josefgeschichte verfasst wurde.70 Insgesamt sind somit in Gen 47 die Verse 47,7–11 mit dem dort geschilderten Auftreten des Jakob vor dem Pharao sowie die Verse 47,27b.28 mit dem kurzen Vermerk, dass die Jakob-Familie in Ägypten einen Wohnsitz eingenommen hat, und der darauf folgenden Angabe des Lebensalters des Ahnherrn der priesterlichen Schicht zuzuweisen. Dabei zeigt sich auch hier wieder sehr deutlich, dass die priesterlichen Passagen als Bearbeitung einer vorgegebenen nichtpriesterlichen Fassung der Josefgeschichte anzusehen sind. 2.3.5 Jakobs Segen für Ephraim und Manasse in Genesis 48 Bei der in Gen 48 belegten Segnung von Ephraim und Mansse wird zunächst in Gen 48,1–2 dargestellt, wie Josef mit seinen beiden Söhnen vor Jakob erscheint. In Gen 48,3–7 wird eine kleine Rede des Jakob vorgebracht, mit der der Ahnherr auf eine Verheißung zurückblickt, Ephraim und Manasse als seine Söhne annimmt und den Tod seiner Frau Rahel erwähnt. In Gen 48,8–22 wird schließlich geschildert, wie Jakob seine beiden Enkel segnet und dabei den zweitgeborenen Ephraim dessen erstgeborenem Bruder Manasse vorzieht. Es wurde schon häufig gesehen, dass das gesamte Kapitel Gen 48 der Josefgeschichte erst sekundär zugefügt wurde.71 Dafür spricht, dass die hier —————

68 Vgl. HOLZINGER, KHC 1, 222; GUNKEL, HK 1,1, 495; L. SCHMIDT, Literarische Studien, 117; CARR, Fractures, 340; SEEBASS, Genesis III, 158; GRAUPNER, Elohist, 355. 69 Gen 9,28–29; 11,32; 23,1; 25,7–8; 35,28–29. 70 So auch BLUM, Komposition, 252 Anm. 56. 71 Gen 48 wurde in älteren Ansätzen häufig dem Elohisten zugewiesen und so von seinem vorliegenden, dem Jahwisten zugeschriebenen Kontext unterschieden; vgl. etwa WELLHAUSEN, Composition, 59; VON RAD, ATD 2–4, 339; SPEISER, AncB 1, 359; SCHARBERT, NEB.AT 16, 285. Demgegenüber wird Gen 48 in neueren Arbeiten zumeist – und angesichts fehlender, über die Jo-

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belegte Segnung von Ephraim und Manasse deutlich hinter den vorangehenden Erzählverlauf zurückfällt. So wurde am Ende von Gen 47, in den Versen 47,29–31, ja bereits dargestellt, dass der im Sterben liegende Jakob seinem Sohn Josef das Versprechen abnimmt, in Kanaan begraben zu werden. In Gen 48,1 wird dann aber nochmals eigens erwähnt, dass Josef vom nahenden Tod seines Vaters erfährt. Bei Gen 48 handelt es sich daher um einen Nachtrag zur Josefgeschichte, der, wie zuvor bereits ausgeführt, der Josefgeschichte wohl noch vor deren Integration in die werdende Vätergeschichte zugefügt wurde.72 Innerhalb dieses Kapitels werden häufig und zurecht die Verse 48,3–7 der priesterlichen Schicht zugeschrieben.73 Diese Verse erweisen sich deutlich als literarischer Nachtrag.74 Denn in der hier belegten Rede des Jakob werden bereits die Söhne des Josef, Ephraim und Manasse, erwähnt. Im Anschluss an die Rede wird dann aber in 48,8 vermerkt, dass Jakob die beiden Josef-Söhne allererst kennenlernt und sich nach ihnen erkundigt. Für die Zuweisung von Gen 48,3–7 zu den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte lassen sich gleich mehrere terminologische Verbindungen zu anderen priesterlichen Texten nennen.75 So findet sich in 48,3 die Gottesbezeichnung El Shadday (ydv la).76 Die in 48,4 belegte Verheißung entspricht den priesterlichen Verheißungen in 17,2–8; 28,3–4; 35,11–12 und weist angesichts der hier belegten Wendungen „fruchtbar sein und mehren“ (hrp; hbr), „Schar von Völkern“ (~ym[ lhq) und „ewiger Erbbesitz“ (~lw[ tzxa) gleich mehrere typisch priesterliche Formulierungen auf.77 In Gen 48,7 wird schließlich für das Gebiet, in dem die östlichen Verwandten der Erzeltern wohnen, die Bezeichnung „Paddan“ (!dp) verwandt, was als Kurzform der sonst in den priesterlichen Texten gebrauchten ————— sefgeschichte hinausgehender Verbindungen dieses Kapitels auch mit Recht – als ein für seinen jetzigen Ort verfasster Nachtrag aufgefasst; vgl. nur BLUM, Komposition, 250–254; LEVIN, Jahwist, 307–312; KRATZ, Komposition, 284; ALBERTZ, Josephsgeschichte, 25. 72 S.o. 103–104. 73 Vgl. nur NÖLDEKE, Untersuchungen, 34; WELLHAUSEN, Composition, 59; DILLMANN, KEH 11, 446; SPEISER, AncB 1, 358; BLUM, Komposition, 251–252; LUX, Geschichte, 151; ALBERTZ, Josephsgeschichte, 17. Dagegen weisen etwa HOLZINGER, KHC 1, 222; GUNKEL, HK 1,1, 496; VON RAD, ATD 2–4, 339; WESTERMANN, BK 1,3, 207–209; SCHARBERT, NEB.AT 16, 285; CARR, Fractures, 90–91; SEEBASS, Genesis III, 159; L. SCHMIDT, Priesterschrift, 117; RUPPERT, fzb 118, 424, nur Gen 48,3–6 den priesterlichen Passagen zu und verstehen Gen 48,7 als nachpriesterliche Ergänzung. 74 Vgl. hierzu insbesondere BLUM, Komposition, 251–252; CARR, Fractures, 90–91. 75 Vgl. DILLMANN, KEH 11, 446; HOLZINGER, KHC 1, 222; GUNKEL, HK 1,1, 496; SPEISER, AncB 1, 359; WESTERMANN, BK 1,3, 207. 76 Vgl. Gen 17,1; 28,3; 35,11; Ex 6,3. 77 Zu hrp; hbr s.o. 46 Anm. 67; zu ~ym[ lhq vgl. Gen 28,3 sowie 35,11 [~ywg hlq], und zu ~lw[ tzxa vgl. Gen 17,8; siehe hierzu auch oben 117.

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Bezeichnung „Paddan-Aram“ (~ra !dp) verstanden werden kann.78 All dies spricht dafür, dass Gen 48,3–7 tatsächlich den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte zuzuschreiben ist.79 Auch bei den priesterlichen Versen Gen 48,3–7 lässt sich nun zeigen, dass dieser Textbereich den vorliegenden nichtpriesterlichen Kontext wie überhaupt die nichtpriesterliche Vätergeschichte voraussetzt. So ist allein schon bemerkenswert, dass am Beginn dieser Einheit in 48,3 ohne weitere Einführung ausgesagt wird, dass Jakob zu Josef spricht. Denn in dem zuletzt der priesterlichen Schicht zugewiesenen Textbereich Gen 47,27b.28 wird ja zunächst in 47,27b dargestellt, dass die Jakob-Familie in Ägypten einen Erbbesitz einnahm und sich dort vermehrte, und in Gen 47,28 wird sodann noch das Alter des Jakob erwähnt. Das heißt doch aber, dass von Gen 47,27b.28 her die in Gen 48,3–7 vorausgesetzte Konstellation Jakob – Josef nicht vorbereitet ist. Ebensowenig ist von dort her vorbereitet, dass Jakob bei seiner in 48,3–7 vorgebrachten Rede ausgerechnet auf die beiden Josef-Söhne Ephraim und Manasse eingeht. Beides, die in Gen 48,3–7 vorausgesetzte Gesprächskonstellation Jakob – Josef wie auch die hier belegte Erwähnung von Ephraim und Manasse wird aber durch die nichtpriesterlichen Verse 48,1–2, in denen dargestellt wird, wie Josef mit seinen Söhnen vor Jakob erscheint, zureichend eingeführt. Dies spricht aber deutlich gegen die häufig vorgetragene Annahme, dass die priesterlichen Verse 48,3–7 – im Rahmen einer selbständigen priesterlichen Quelle – einst direkt auf 47,27b.28 folgten.80 Wahrscheinlicher ist vielmehr, dass die priesterlichen Verse 48,3–7 von vornherein im Anschluss an die nichtpriesterliche Einleitung 48,1–2 ergänzt und somit für ihren vorliegenden nichtpriesterlichen Kontext verfasst wurden.81 Für diese Annahme spricht auch noch eine weitere Beobachtung. Die in Gen 48,3–7 belegte Jakob-Rede nimmt in 48,3–4 auf die in Gen 35,9–12 belegte, den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte zugewiesene Verheißung in Lus Bezug. Der am Ende der Rede in 48,7 erwähnte Tod der Rahel wurde ebenfalls in Gen 35 geschildert, allerdings in den eindeutig der nichtpriesterlichen Schicht zuzuweisenden Versen 35,16–20. Dass sich die ————— 78

S.o. 29 mit Anm. 14. Wenn sich also RÖMER, Joseph, 79; DE PURY, Umgang 45 mit Anm. 55; KRATZ, Komposition, 243 Anm. 23; UEHLINGER, Fratrie, 310; SCHMID, Yahwist, 46–47, gegen die Zuweisung von Gen 48,3–7 zur priesterlichen Schicht aussprechen, so geschieht dies auch an dieser Stelle gegen den doch sehr eindeutigen sprachlichen Befund. Das bei den genannten Ansätzen verfolgte Unternehmen, durch Reduktion der priesterlichen Anteile einen kohärenten – und dann lediglich als Abschluss der Jakobgeschichte zu lesenden – priesterlichen Erzählverlauf in Gen 37–50 zu rekonstruieren, vermag auch an dieser Stelle nicht wirklich zu überzeugen. Zur Kritik an dieser These siehe auch oben 110–111. 80 Siehe hierzu die oben 121 Anm. 73 genannten Ansätze. 81 So auch BLUM, Komposition, 270; ALBERTZ, Josephsgeschichte, 17. 79

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in Gen 48,3–7 belegte Jakob-Rede somit gleichermaßen auf die priesterlichen und die nichtpriesterlichen Bestandteile von Gen 35 bezieht, lässt sich doch aber unter der Voraussetzung, dass es sich bei den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte um eine ursprünglich selbständig überlieferte Quelle handelt, nur schwer erklären.82 Sieht man jedoch von dieser Annahme ab und versteht die priesterlichen Passagen als für den Kontext der nichtpriesterlichen Vätergeschichte verfasste Bearbeitungsschicht, so ist dies problemlos erklärbar. Denn dann wurde von denselben priesterlichen Bearbeitern, die in Gen 35 eine nichtpriesterliche Vorlage um priesterliche Zusätze erweitert haben, in Gen 48,3–7 auf die von ihnen geschaffene, nun nichtpriesterliche und priesterliche Bestandteile umfassende Gestalt von Gen 35 zurückgegriffen. Bei der in Gen 48 belegten Erzählung über die Segnung von Ephraim und Manasse, die der werdenden Josefgeschichte insgesamt erst sekundär zugefügt wurde, ist also die in 48,3–7 belegte Jakob-Rede den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte zuzuweisen. Dabei zeigt sich hier einmal mehr, dass die priesterlichen Passagen der Josefgeschichte von vornherein für ihren nichtpriesterlichen Kontext verfasst wurden. 2.3.6 Der Jakob-Segen und der Tod des Jakob in Genesis 49 In Gen 49 wird zunächst in Gen 49,1–28 die gerne als Jakob-Segen bezeichnete Sammlung von Worten an die zwölf Söhne des Ahnherrn vorgebracht. In Gen 49,29–33 wird sodann erzählt, wie Jakob seine Söhne dazu auffordert, ihn bei seinen Vätern zu begraben, und es wird schließlich sein Tod vermerkt. Wie oben bereits erwähnt, wurde bei Gen 49 stets gesehen, dass der hier in 49,1–28 belegte Jakob-Segen nur schlecht in seinen vorliegenden Zusammenhang am Ende der Josefgeschichte passt.83 Denn die Worte des Ahnherrn lassen an keiner Stelle erkennen, dass sich die Jakob-Familie in Ägypten aufhält. Im Gegenteil: Der Jakob-Segen scheint vielmehr die Situation im Land vorauszusetzen. Hinzu kommt, dass gerade der an Josef gerichtete Spruch Gen 49,22–26 mit keinem Wort auf die in der Josefgeschichte dargestellten Begebenheiten eingeht. Es spricht also einiges dafür, —————

82 Nicht umsonst wird bei den Ansätzen, die die priesterlichen Passagen als Teil einer ursprünglich selbständig überlieferten Quelle verstehen, häufig Gen 48,7 (s.o. 121 Anm. 73) oder gar der gesamte Textbereich Gen 48,3–7 (s.o. 122 Anm. 79) der priesterlichen Schicht abgesprochen. Dies geschieht aber gegen den sprachlichen Befund, ist doch der gesamte Textbereich – inklusive Gen 48,7 (angesichts der Ortsbezeichnung Paddan) – von charakteristisch priesterlicher Terminologie bestimmt. 83 S.o. 93.

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dass der Jakob-Segen nicht für seinen vorliegenden Ort am Ende der Josefgeschichte verfasst wurde. Nun wurde zuvor der in neuerer Zeit mehrfach vertretenen These gefolgt, dass der ursprünglich für sich überlieferte Jakob-Segen zunächst am Ende der Jakoberzählungen – im Anschluss an Gen 35,22a – ergänzt und von dort her an seinen vorliegenden Ort versetzt wurde.84 Offen geblieben war bislang allerdings noch die Frage, auf welcher literarischen Ebene der JakobSegen an seinen vorliegenden Ort umgestellt wurde. Für diese Frage ist die literarische Einbindung des Jakob-Segens in seinem vorliegenden Kontext beachtenswert. So wird die in Gen 49,1b–27 belegte Rede des Jakob in 49,1a mit der Wendung wynb-la bq[y arqyw eingeleitet. Die hier belegte Verbindung des Verbs arq mit der Präposition la findet sich in der gesamten Genesis nur noch an einer weiteren Stelle, nämlich in dem der priesterlichen Schicht zugewiesenen Vers Gen 28,1. Wenngleich der Befund natürlich ausgesprochen schmal ist, könnte dies dafür sprechen, dass Gen 49,1a, wie häufig vermutet, den priesterlichen Passagen zuzusprechen ist.85 Abgeschlossen wird die in Gen 49,1b–27 belegte Rede des Jakob – bei der zumindest der Teilvers 49,1b*(ohne rmayw) wohl erst sekundär hinzugefügt wurde –86 in 49,28 mit zwei kurzen Notizen. So steht in 49,28a, dass dies die zwölf Stämme Israels sind. In 49,28b wird vermerkt, dass dies die Worte sind, die ihr Vater zu ihnen gesprochen hat, und er einen jeden mit einem besonderen Segen gesegnet hat. Zwischen den beiden Teilversen Gen 49,28a und 49,28b ist eine deutliche Spannung erkennbar. Denn in der ersten Vershälfte werden die zuvor angesprochenen Jakob-Söhne bereits als die (späteren) Stämme Israels vorgestellt. In der zweiten Vershälfte wird dann aber, wie die Bezeichnung des Jakob als „ihr Vater“ zeigt, wieder auf die familiäre Ebene gewechselt. Angesichts dieser Spannung wurde nun schon häufig und zurecht angenommen, dass die Teilverse Gen 49,28a und Gen 49,28b auf verschiedene Hände zurückgehen.87 Dabei wird zumeist davon ausgegangen, dass der ers————— 84

S.o. 92–94. Vgl. etwa DILLMANN, KEH 11, 456; HOLZINGER, KHC 1, 222; GUNKEL, HK 1,1, 496; VON RAD, ATD 2–4, 347; WESTERMANN, BK 1,3, 222; L. SCHMIDT, Literarische Studien, 287; ders., Priesterschrift, 118; SEEBASS, Genesis III, 183; DE PURY, Umgang, 45; LUX, Geschichte, 151; SCHMID, Josephsgeschichte, 115; ALBERTZ, Josephsgeschichte, 16. 86 In Gen 49,1b*(ohne rmayw) wird der folgende Jakob-Segen als Weissagung dessen, was „am Ende der Tage“ (~ymyh tyrxab) geschehen wird, dargestellt. Da dies den folgenden Worten kaum gerecht wird, dürfte es sich hierbei um eine späte Nachinterpretation des Jakob-Segens handeln; vgl. nur HOLZINGER, KHC 1, 256; GUNKEL, HK 1,1, 478; WESTERMANN, BK 1,3, 252–253; L. SCHMIDT, Literarische Studien, 287; ders., Priesterschrift, 118; RUPPERT, fzb 118, 474. 87 Vgl. DILLMANN, KEH 11, 473; HOLZINGER, KHC 1, 222.263; GUNKEL, HK 1,1, 487.496; RUDOLPH, Josefsgeschichte, 172; VON RAD, ATD 2–4, 353; WESTERMANN, BK 1,3, 223; 85

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te Teilvers 49,28a als Abschluss des ursprünglich selbständig überlieferten Jakob-Segens anzusehen ist. Der zweite Teilvers 49,28b – evtl. erst ab $rbyw – wird dagegen vielfach den priesterlichen Passagen zugewiesen.88 Die Zuweisung von Gen 49,28b zu den priesterlichen Passagen ist allerdings problematisch.89 Denn Gen 49,28b lässt keine markanten Bezüge zu den der priesterlichen Schicht zugewiesenen Texten erkennen. Insbesondere ist die hier belegte Verbindung des Verbs $rb mit dem Nomen hkrb sonst in den priesterlichen Passagen nicht belegt. Eine mit Gen 49,28b vergleichbare Formulierung, bei der ebenfalls das Verb $rb und das Nomen hkrb nebeneinanderstehen, ist dagegen in den nichtpriesterlichen Passagen in Gen 27,41, also im Rahmen der Jakoberzählungen, belegt (rva hkrbh wkrb). Dieser Befund lässt sich doch aber am einfachsten so erklären, dass der aus vorgegebener Tradition übernommene Jakob-Segen ursprünglich mit Gen 49,28a abgeschlossen wurde. Als der Jakob-Segen dann an das Ende der Jakoberzählungen gestellt wurde, wurde er – in Aufnahme einer Formulierung aus Gen 27,41 – um Gen 49,28b ergänzt. Die folgenden Verse Gen 49,29–33, in denen Jakob seine Söhne dazu auffordert, ihn bei seinen Vätern zu begraben, und in denen schließlich der Tod des Ahnherrn vermerkt wird, sind nun – in einem noch näher zu bestimmenden Grundbestand – tatsächlich den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte zuzuschreiben.90 Denn die hier in Gen 49,29a.33 belegte, zur Beschreibung des Todes des Ahnherrn gebrauchte Formulierung @sa ym[ la findet sich sonst nur in den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte.91 Auch das in Gen 49,33 belegte, ebenfalls zur Bezeichnung des Todes verwandte Verb [wg ist in der gesamten Genesis nur in eindeutig priesterlichen Zusammenhängen belegt.92 Es ergibt sich also, dass der ursprünglich für sich überlieferte JakobSegen Gen 49,1b*(rmayw).2–27.28a zunächst an das Ende der Jakoberzählungen angefügt und dort mit Gen 49,28b abgeschlossen wurde. In seinem vorliegenden Kontext am Ende der Josefgeschichte wird der Jakob-Segen ————— L. SCHMIDT, Literarische Studien, 287; ders., Priesterschrift, 118; LEVIN, Jahwist, 309.311; DE PURY, Umgang, 45; LUX, Geschichte, 151; RUPPERT, fzb 118, 474. 88 So sämtliche der zuvor Anm. 87 Genannten. 89 Auch SCHARBERT, NEB.AT 16, 297; SEEBASS, Genesis III, 183; ALBERTZ, Josephsgeschichte, 16, sehen von einer priesterlichen Einordnung dieses Teilverses ab. 90 Vgl. DILLMANN, KEH 11, 473; HOLZINGER, KHC 1, 223; GUNKEL, HK 1,1, 496; RUDOLPH, Josefsgeschichte, 172; VON RAD, ATD 2–4, 353; SPEISER, AncB 1, 375; WESTERMANN, BK 1,1, 222; SCHARBERT, NEB.AT 16, 297; L. SCHMIDT, Priesterschrift, 118; CARR, Fractures, 95–96; SEEBASS, Genesis III, 183; RUPPERT, fzb 118, 474; DE PURY, Umgang, 45; LUX, Geschichte, 151; SCHMID, Josephsgeschichte, 115; ALBERTZ, Josephsgeschichte, 16. 91 Gen 25,8.17; 35,29. 92 Gen 6,17; 7,21; 25,8.17; 35,29.

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über den priesterlichen Teilvers Gen 49,1a eingeleitet. Die auf den JakobSegen folgenden Verse Gen 49,29–33*, in denen die Bestattung des Jakob geregelt und sein Tod vermerkt wird und mit denen so zur folgenden Einheit Gen 50,1–14 und der dort dargestellten Überführung von Jakobs Leichnam übergeleitet wird, sind ebenfalls der priesterlichen Schicht zuzuweisen. An seinem vorliegenden Ort setzt der Jakob-Segen demnach eindeutig die priesterlichen Verse 49,1a.29–33* voraus. Ohne die priesterlichen Texte fehlt dem Jakob-Segen sowohl eine Einleitung als auch eine solide Überleitung zum folgenden Abschluss der Josefgeschichte. Die priesterliche Einbindung des Jakob-Segens führt dann aber zu einer bedeutenden, in der bisherigen Forschung noch nicht im ausreichenden Maße beachteten Konsequenz: Wenn an der vorliegenden Stelle keine Textausfälle angenommen werden sollen,93 kann der Jakob-Segen nicht schon vorpriesterlich in den Kontext der Josefgeschichte eingebaut worden sein.94 Von hier aus gibt es letztlich nur zwei Möglichkeiten, wie die Integration des Jakob-Segens am Ende der Josefgeschichte vorgestellt werden kann: Entweder wurde der Jakob-Segen auf der Ebene der dann als Bearbeitung zu verstehenden priesterlichen Passagen an der vorliegenden Stelle eingefügt. Oder der Jakob-Segen wurde erst nachpriesterlich zwischen die priesterlichen Verse 49,1a.29–33* gestellt – was angesichts der Tatsache, dass die Verse 49,1a und 49,29a einen soliden Zusammenhang ergeben, zunächst durchaus möglich erscheint. Wenn aber die auch hier vertretene These, dass der Jakob-Segen seinen ursprünglichen Ort am Ende der Jakoberzählungen hatte und erst sekundär an das Ende der Josefgeschichte gestellt wurde, richtig sein sollte, dann dürfte die zuletzt genannte Alternative, also die nachpriesterliche Einfügung des Jakob-Segens an der vorliegenden Stelle, ausgesprochen unwahrscheinlich sein. Da nämlich die Zusammenarbeitung von Jakoberzählungen und Josefgeschichte entweder, wie nahezu allgemein angenommen, schon vor————— 93

So HOLZINGER, KHC 1, 256; NOTH, Überlieferungsgeschichte, 13. Die literarische Einbindung des Jakob-Segens an seinem vorliegenden Ort wird in der bisherigen Forschung zumeist nur am Rande behandelt. Dabei wird die Einbindung des Jakob-Segens, trotz fehlender vorpriesterlicher Ein- und Überleitung, gerade in älteren Ansätzen häufig noch auf vorpriesterlicher (d.h. jahwistischer) Ebene angesetzt; so DILLMANN, KEH 11, 456; HOLZINGER, KHC 1, 256.264; GUNKEL, HK 1,1, 478, sowie in neuerer Zeit CARR, Fractures, 249 Anm. 46; SEEBASS, Genesis III, 184–185. Teils wird die Einbindung des Jakob-Segens aber auch einem der mit der Verbindung der Quellen betrauten Redaktoren zugeschrieben; vgl. etwa WESTERMANN, BK 1,3, 252; L. SCHMIDT, Literarische Studien, 127–128; LEVIN, Jahwist, 311; RUPPERT, fzb 118, 454–475. Letztlich wird aber auch immer wieder zugestanden, dass die literarische Einbindung des Jakob-Segens unklar bleibt; vgl. etwa NOTH, Überlieferungsgeschichte, 18 Anm. 54: „Er ist ein Sonderstück, von dem wir schlechterdings nicht wissen, in welchem Stadium des Werdeprozesses des Pentateuch es in den jetzigen Zusammenhang Aufnahme fand.“ Siehe hierzu auch RUDOLPH, Josefsgeschichte, 172; VON RAD, ATD 2–4, 347; SPEISER, AncB 1, 370–371. 94

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priesterlich oder, wie hier vertreten, auf der Ebene der priesterlichen Bearbeitung geschah,95 kann die Umstellung des Jakob-Segens vom Ende der Jakoberzählungen an das Ende der Josefgeschichte nicht erst auf nachpriesterlicher Ebene geschehen sein. Denn nach der Verbindung von Jakob- und Josefgeschichte konnte der als Vermächtnis des Ahnherrn gestaltete JakobSegen doch kaum am Ende von Gen 35 – weit vor dem nun in Gen 47,29ff dargestellten Tod des Ahnherrn – stehen bleiben. Der Jakob-Segen kann also weder vor- noch nachpriesterlich an der vorliegenden Stelle eingebaut worden sein. Es waren daher die priesterlichen Bearbeiter der Vätergeschichte, die im Zuge der von ihnen vorgenommenen Zusammenarbeitung von Jakoberzählungen und Josefgeschichte den zuvor am Ende der Jakoberzählungen überlieferten Jakob-Segen an seinen vorliegenden Ort gestellt und hier über die Verse 49,1a.29–33* eingebunden haben. Zuletzt ist noch auf das literarische Wachstum des Textbereichs Gen 49,29–33 einzugehen. In diesen Versen wird ja, nach der in 49,29a belegten Aufforderung des Ahnherrn, ihn bei seinen Vätern zu begraben, in 49,29b.30–32 auf die Grabhöhle bei Mamre verwiesen, in der die Vorfahren des Jakob wie auch seine Frau Lea begraben wurden und in der nun auch er begraben werden soll. Da sich die im bisherigen Verlauf der Vätergeschichte belegten Erwähnungen der Grabhöhle (23,3–20; 25,9*.10) – entgegen der häufig vorgenommenen Zuordnung zur priesterlichen Schicht – als das Produkt einer nachpriesterlichen Bearbeitung erwiesen haben,96 dürfte auch 49,29b.30–32 dieser nachpriesterlichen Redaktion zuzuschreiben sein.97 Dafür spricht, wie oben bereits ausgeführt,98 dass nach der in 49,31 belegten Jakob-Rede „sie“ – also eine nicht näher definierte, von Jakob aber zu unterscheidende Gruppe von Personen – Isaak in der Grabhöhle beigesetzt haben. Nach dem eindeutig der priesterlichen Schicht zuzuweisenden Vers Gen 35,29 hat doch aber Jakob selbst, zusammen mit seinem Bruder Esau, Isaak beerdigt. Bei Gen 49,29–33 lässt sich sodann noch eine weitere literarische Uneinheitlichkeit erkennen. Im Rahmen der Todesnotiz Gen 49,33 findet sich in 49,33ab die Formulierung „er legte seine Füße auf sein Bett“ (wylgr @sayw hjmh-la). Diese Formulierung ist in den priesterlichen Passagen ohne Analogie. Es finden sich aber vergleichbare Formulierungen, bei denen ebenfalls das Bett (hjm) des Jakob erwähnt wird, in den vorangehenden ————— 95

Zu literarischen Verbindung von Jakoberzählungen und Josefgeschichte s.o. 103–106. S.o. 58–63.65. 97 So auch SMEND SEN., Erzählung, 11 Anm. 1; EICHRODT, Priesterschrift, 42; LÖHR, Untersuchungen I, 20; RUDOLPH, Josefsgeschichte, 172; BLUM, Komposition, 445; CARR, Fractures, 111; KRATZ, Komposition, 243; LEVIN, Abraham, 105. 98 S.o. 61. 96

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

nichtpriesterlichen Passagen der Josefgeschichte (var-l[ larfy wxtvyw hjmh [Gen 47,31]; hjmh-l[ bvyw [Gen 48,2]). Es ist daher gut möglich,

dass die priesterlichen Bearbeiter mit Gen 49,33ab die nichtpriesterliche, ursprünglich wohl zunächst am Ende von Gen 47 und dann am Ende des sekundär eingebrachten Kapitels Gen 48 stehende Todesnotiz übernommen und an der vorliegenden Stelle in ihren eigenen Vermerk integriert haben.99 Es ergibt sich somit, dass der einst unabhängig überlieferte Jakob-Segen Gen 49,1b*(rmayw).2–27.28a zunächst an das Ende der Jakoberzählungen gestellt und dort über den sekundär angefügten Teilvers Gen 49,28b abgeschlossen wurde. Der Jakob-Segen wurde dann von den priesterlichen Bearbeitern der Vätergeschichte im Rahmen der von ihnen vorgenommenen Zusammenarbeitung von Jakoberzählungen und Josefgeschichte vom Ende der Jakoberzählungen abgetrennt und an seinem vorliegenden Ort am Ende der Josefgeschichte eingebracht. Dabei wurde der Jakob-Segen hier über die von den priesterlichen Bearbeitern verfasste Einleitung Gen 49,1a und die ebenfalls von ihnen geschaffene Überleitung zur folgenden Josefgeschichte Gen 49,29a.33aab in den vorliegenden Kontext integriert. In Gen 49,33ab ist sodann noch die alte, vorpriesterliche Notiz über den Tod des Jakob erhalten. Im Rahmen einer nachpriesterlichen Bearbeitung wurde der in Gen 49,29b.30–32 belegte Rückverweis auf den Kauf der Grabhöhle eingebracht. Auf eine nicht genauer einzuordnende Bearbeitung geht schließlich der vorliegende Beginn der Jakob-Rede in Gen 49,1b*(ohne rmayw) zurück, in der das Folgende als Aussage über das „Ende der Tage“ dargestellt wird. 2.3.7 Das Ende der Josefgeschichte und die Überleitung zu den Exoduserzählungen in Genesis 50,1–Exodus 1,7 Am Ende der Josefgeschichte wird in Gen 50,1–14 die Überführung von Jakobs Leichnam nach Kanaan geschildert. Es folgt in Gen 50,15–21 die Versöhnung zwischen Josef und seinen Brüdern. Nach zwei kurzen Notizen über das Lebensalter des Josef und über dessen Nachfahren in Gen 50,22– 23 wird in Gen 50,24–26 dargestellt, dass Josef seinen Brüdern die Rückkehr ins Land Kanaan verheißt, dass er sie damit beauftragt, seinen Leichnam mitzunehmen und dass er stirbt und einbalsamiert wird. Am Beginn des nun folgenden Exodusbuches wird in Ex 1,1–5 ein weiteres Verzeichnis —————

99 Dass Gen 49,33ab ein vorpriesterliches Stück Josefgeschichte bewahrt hat, das einst am Ende von Gen 47 oder Gen 48 stand, meinten auch schon DILLMANN, KEH 11, 474; HOLZINGER, KHC 1, 264; GUNKEL, HK 1,1, 475; RUDOLPH, Josefsgeschichte, 172; WESTERMANN, BK 1,3, 224; L. SCHMIDT, Literarische Studien, 287; ders., Priesterschrift, 118; LEVIN, Jahwist, 310; RUPPERT, fzb 118, 474.

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Die priesterlichen Passagen der Josefgeschichte

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der Jakob-Söhne vorgebracht. In Ex 1,6 wird der Tod von Josef und seinen Brüdern erwähnt. Und in Ex 1,7 wird vermerkt, dass die Israeliten zahlreich wurden und das Land von ihnen voll wurde. Bei Gen 50 liegt zunächst, wie schon häufig gesehen, in den Versen 50,1–21 das Ende der einst unabhängig überlieferten Josefgeschichte vor. Denn mit der hier in 50,15–21 dargestellten Versöhnung kommt doch der Konflikt zwischen Josef und seinen Brüdern, der die gesamte Josefgeschichte bestimmt, zu seinem Abschluss.100 Innerhalb von Gen 50,1–21 werden häufig die Verse 50,12–13, in denen die Beisetzung des Jakob in der Grabhöhle bei Mamre dargestellt wird, der priesterlichen Schicht zugeschrieben.101 Die eigentliche Begräbnisnotiz Gen —————

100 Es ist umstritten, wie weit die ursprüngliche Fassung der Josefgeschichte reichte. Angesichts der Tatsache, dass in der Josefgeschichte gleich zwei Mal die Versöhnung zwischen Josef und seinen Brüdern dargestellt und in diesem Zusammenhang jeweils eine theologische Deutung des vorangehenden Geschehens vorgebracht wird (Gen 45,1–5; 50,15–21), hat erstmals DIETRICH, Josephserzählung, 37–40, vorgeschlagen, dass die ursprüngliche Josefgeschichte nur bis Gen 45 reichte; vgl. sodann auch KEBEKUS, Joseferzählung, 149–152; LEVIN, Jahwist, 303; KRATZ, Komposition, 284. Doch wurde zurecht schon häufiger betont, dass die Josefgeschichte kaum in Gen 45 geendet haben kann, da an dieser Stelle etwa die Übersiedlung Jakobs nach Ägypten noch aussteht. COATS, Canaan, 52–53, und ALBERTZ, Josephsgeschichte, 21–23, gehen deshalb davon aus, dass das ursprüngliche Ende der Josefgeschichte in Gen 47,12.27a, also direkt nach der Ankunft Jakobs in Ägypten, vorliegt. Dies ist aber wiederum für den die Josefgeschichte bestimmenden Bruderkonflikt ein doch eher ungeeigneter Abschluss. Wahrscheinlicher ist daher, dass die ursprüngliche Josefgeschichte – oder zumindest die älteste erreichbare Fassung der Josefgeschichte – bereits bis Gen 50,21 reichte; so auch BLUM, Komposition, 241; RÖMER, Narration, 20; SCHMID, Josephsgeschichte, 95–106; EBACH, Genesis 37–50, 691. 101 Vgl. nur NÖLDEKE, Untersuchungen, 35; WELLHAUSEN, Composition, 52; DILLMANN, KEH 11, 477; HOLZINGER, KHC 1, 223; GUNKEL, HK 1,1, 497; NOTH, Überlieferungsgeschichte, 18; VON RAD, ATD 2–4, 354; SPEISER, AncB 1, 377; WESTERMANN, BK 1,3, 228; SCHARBERT, NEB.AT 16, 300; SEEBASS, Genesis III, 195; LUX, Geschichte, 151; DE PURY, Umgang, 45–46; ALBERTZ, Josephsgeschichte, 16. SCHMID, Josephsgeschichte, 103–104, und im Anschluss daran auch GERTZ, Transition, 77–78, sprechen neben Gen 50,12–13 auch den folgenden Vers 50,14, in dem die Rückkehr von Josef, seinen Brüdern und weiterer Personen in das Land Ägypten vermerkt wird, der Grundschicht von Gen 50 ab. Dabei schreibt Gertz diesen Vers sogar, zusammen mit 50,12–13, der priesterlichen Schicht zu. Als Argument für die Ausscheidung von Gen 50,14 verweisen Schmid und Gertz darauf, dass der folgende Vers 50,15, nach dem die Brüder sehen, dass ihr Vater gestorben ist, und sich deshalb beraten, wie sie sich nun vor Josef verhalten sollen, nicht so recht zu der zuvor in Gen 50,14 erwähnten gemeinsamen Rückkehr der Brüder passen will. Die Ausscheidung von Gen 50,14 führt dann bei Schmid und Gertz zu der durchaus interessanten These, dass die Josefgeschichte ursprünglich nicht in Ägypten, sondern im Land Kanaan endete. Das Problem an dieser These ist aber zum einen, wie insbesondere ALBERTZ, Josephsgeschichte, 24 Anm. 55, betont, dass Josef dem Pharao nach Gen 50,5 mitgeteilt hat, dass er für das Begräbnis in das Land Kanaan ziehen und dann zurückkehren will. Eine dauerhafte Übersiedlung ist hier also nicht im Blick. Zudem ist beachtenswert, dass die Jakob-Familie nach 50,8b ihre Kinder und ihr Vieh in Ägypten zurücklässt. Diesen Teilvers als sekundär zu betrachten, wie Schmid und Gertz dies tun, ist ohne Anhalt am vorliegenden Text. Hinzu kommt, wie BERNER, Exoduserzählung, 19, zurecht hervorhebt, dass der Vers Gen 50,15, nach dem die Brüder sehen, dass ihr Vater gestorben ist, auch ohne den vorangehenden Vers 50,14 aus dem vorliegenden Erzählverlauf herausfällt. Denn auch ohne Gen

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

50,12.13*(bis wta wrbqyw) ist allerdings im vorliegenden Zusammenhang unentbehrlich und kann, da sich an dieser Stelle keine charakteristisch priesterlichen Formulierungen finden, durchaus dem Grundbestand von Gen 50,1–21 belassen werden. Der in Gen 50,13*(ab hdf tr[mb) belegte Verweis auf die Grabhöhle bei Mamre ist ebenfalls nicht der priesterlichen Schicht zuzuweisen. Denn die vorangehenden Erwähnungen der Grabhöhle (Gen 23,3–20; 25,9*.10; 49,29b.30–32) haben sich doch allesamt als nachpriesterliche Ergänzungen erwiesen.102 Gen 50,13*(ab hdf tr[mb) ist somit derselben nachpriesterlichen Redaktion zuzuschreiben.103 Beachtenswert ist nun der folgende, in Gen 50,22–Ex 1,7 belegte Übergang von der Vätergeschichte zu den Exoduserzählungen. Die literarische Einordnung der in diesem Textbereich belegten Einheiten ist von großer Bedeutung für die Frage nach der Entstehung der priesterlichen Passagen wie überhaupt des vorliegenden Pentateuch, entscheidet sich doch gerade an dieser Stelle, auf welcher literarischen Ebene die werdende Vätergeschichte und die folgenden Exodusüberlieferungen miteinander verbunden wurden. Nicht umsonst wird gerade dieser Textbereich in der neueren Forschung intensiv diskutiert.104 Am Beginn von Gen 50,22–Ex 1,7 steht in Gen 50,22a ein kurzer Vermerk, dass Josef in Ägypten wohnte, und es wird sodann in 50,22b das Lebensalter des Josef angegeben. Dieser Vers wurde gerade in der älteren Forschung zumeist den nichtpriesterlichen Passagen der Vätergeschichte zugeschrieben.105 Wie in neuerer Zeit häufiger gesehen, spricht aber einiges dafür, dass Gen 50,22 der priesterlichen Schicht zuzuweisen ist.106 ————— 50,14 bleibt doch das Problem, dass die Brüder nach Gen 50,7.8a an der Bestattung des Jakob beteiligt waren, dessen Tod also schon zuvor wahrgenommen haben. Die einfachste Lösung wird also sein, dass die in 50,15 belegte Aussage über die Brüder etwas allgemeiner so zu verstehen ist, dass sie erst jetzt, nach ihrer Rückkehr, die mit dem Tod ihres Vaters verbundenen Konsequenzen erkennen. So deutet auch JACOB, Genesis, 938, das in 50,14 belegte „sie sahen“ als „es kam ihnen zu Bewußtsein und sie überlegten“. Zur literarkritischen Ausscheidung von Gen 50,14 besteht somit kein Anlass. 102 S.o. 58–63.65.127. 103 Vgl. hierzu, mit Unterschieden in der konkreten Abgrenzung, SMEND SEN., Erzählung, 11 Anm. 1; EICHRODT, Priesterschrift, 42; LÖHR, Untersuchungen I, 20; RUDOLPH, Josefsgeschichte, 173; CARR, Fractures, 111; KRATZ, Komposition, 243; LEVIN, Abraham, 107. 104 Vgl. nur CARR, Genesis; ders., Narrative Connections; AUSLOOS, Deuteronomist; BLUM, Verbindung; ders., Connection; LEVIN, Yahwist; ders., Cohesion, 143–146; GERTZ, Transition; SCHMID, Yahwist; SCHMITT, Erzvätergeschichte; BERNER, Exoduserzählung, 10–48; ALBERTZ, Beginn. 105 Vgl. WELLHAUSEN, Composition, 60; DILLMANN, KEH 11, 474; HOLZINGER, KHC 1, 264; GUNKEL, HK 1,1, 487; NOTH, Überlieferungsgeschichte, 38; SPEISER, AncB 1, 378; WESTERMANN, BK 1,3, 235; SCHARBERT, NEB.AT 16, 301; SEEBASS, Genesis III, 207; L. SCHMIDT, Priesterschrift, 119. 106 So schon HUPFELD, Quellen, 37, sowie in neuerer Zeit WILLI-PLEIN, Aspekte, 310; DIETRICH, Josephserzählung, 44; LEVIN, Jahwist, 315; CARR, Fractures, 109–110; GERTZ, Tradition,

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Die priesterlichen Passagen der Josefgeschichte

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So ist Gen 50,22 insbesondere über die in 50,22b belegte Angabe des Lebensalters mit den priesterlichen Passagen verbunden. Zwar wird die hier belegte Notiz nicht, wie zumeist in den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte, mit yhyw, sondern mit yxyw eingeleitet. Doch finden sich unter den priesterlichen Texten auch hierzu Parallelen, vor allem in der Urgeschichte, aber auch in Gen 47,28.107 Wenn aber Gen 50,22b der priesterlichen Schicht zuzuschreiben ist, so dürfte dies auch für den vorangehenden Teilvers 50,22a gelten.108 Denn vergleichbare Angaben über den Wohnsitz der Ahnherrn fanden sich auch zuvor schon in priesterlichen Textbereichen, und zwar ebenfalls gerade an den Nahtstellen größerer Überlieferungskomplexe (Gen 25,11; 36,8; 37,1).109 Anders als Gen 50,22 gehört der folgende Vers 50,23 eher nicht zu den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte.110 Die in diesem Vers belegten Ausführungen über die Nachfahren des Josef, die noch zu seinen Lebzeiten auf die Welt kamen, lassen keine für die priesterliche Schicht charakteristischen Formulierungen erkennen. Zudem werden die hier genannten Söhne des Machir im weiteren Verlauf der priesterlichen Passagen nicht mehr erwähnt.111 So dürfte es sich bei diesem Vers um eine vereinzelte und – da Gen 50,23 die vorangehende Altersangabe in 50,22 voraussetzt – erst nachpriesterlich anzusetzende Zufügung handeln. Am Ende der Genesis wird in Gen 50,24–26 dargestellt, dass Josef seinen Brüdern die Rückkehr ins Land verheißt, dass er ihnen das Versprechen abnimmt, seinen Leichnam mitzunehmen, und dass er stirbt und einbalsamiert in einen Sarg gelegt wird. Der Textbereich Gen 50,24–26 wird häufig auf mehrere literarische Schichten verteilt. So wird insbesondere zwischen der in 50,24 belegten Verheißung und den in 50,25–26 belegten Aussagen über den Leichnam des Josef unterschieden.112 Zudem wird bisweilen ver————— 360; LUX, Geschichte, 158–160; BLUM, Verbindung, 149; ALBERTZ, Josephsgeschichte, 16; ders., Beginn, 233–234. 107 In den priesterlichen Passagen der Urgeschichte sind mit yxyw formulierte Datierungen in Gen 5,3.6.7.9.10.12.13.15.16.18.19.21.25.26.28.30; 9,28; 11,11.13.15–26 belegt. Zu Gen 47,28 s.o. 119. Es ist also nicht richtig, wenn SEEBASS, Genesis III, 207, gegen die priesterliche Zuweisung von Gen 50,22 einwendet: „P formuliert ganz anders!“ 108 Gegen WILLI-PLEIN, Aspekte, 310; LEVIN, Jahwist, 315; ALBERTZ, Beginn, 233–234, die unter den oben Anm. 106 genannten Ansätzen lediglich 50,22b P zuweisen. 109 Zur priesterlichen Einordnung von Gen 25,11; 36,8; 37,1 s.o. 65–67.95–96.101. 110 So auch LEVIN, Jahwist, 316; GERTZ, Tradition, 360. Gegen CARR, Fractures, 109–110; BLUM, Verbindung, 149; ALBERTZ, Josephsgeschichte, 16; ders. Beginn, 233–234, die Gen 50,23 zusammen mit 50,22 der priesterlichen Schicht zuschreiben. 111 Der von Manasse abstammende Machir wird im gesamten Pentateuch nur noch in den wohl recht spät anzusetzenden Passagen Num 26,29; 27,1; 32,39.40; 36,1; Dtn 3,15 erwähnt. Der Nachtrag in Gen 50,23 könnte gut von diesen Stellen her beeinflusst sein. 112 Vgl. hierzu, mit Unterschieden im Detail, SCHMITT, Nichtpriesterliche Josephsgeschichte, 79–81; WEIMAR, Meerwundererzählung, 116–117 Anm. 18; BLUM, Studien, 363–364; KEBEKUS,

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

mutet, dass die Todesnotiz in 50,26a angesichts der hier belegten Altersangabe von ihrem vorliegenden Kontext abzuheben und den priesterlichen Passagen zuzuweisen ist.113 Doch weder die eine noch die andere These vermag wirklich zu überzeugen. So ist zwischen der in Gen 50,24 belegten Ankündigung der Rückkehr ins Land und dem in 50,25 erwähnten Versprechen, den Leichnam des Josef mitzunehmen, kein literarischer Bruch zu erkennen.114 Dass in Gen 50,24 von den Brüdern des Josef (wyxa), in Gen 50,25 aber von den Söhnen Israels (larfy ynb) die Rede ist, wie bisweilen angemerkt wird,115 lässt sich doch ohne weiteres als erzählerische Variation erklären.116 Zudem lässt sich zeigen, dass die in Gen 50,24 belegte Rückkehrverheißung überhaupt nur zusammen mit dem in 50,25 belegten Versprechen, den Leichnam des Josef mit in die Heimat zu nehmen, einen Sinn ergibt. Beachtenswert ist nämlich, dass Josef nach 50,24 zunächst seinen bevorstehenden Tod erwähnt (tm ykna) und erst dann den Brüdern die Rückkehr in das Land verheißt. Das heißt doch aber, dass die in 50,24 belegte Rede des Josef von vornherein auf das in 50,25 erwähnte Versprechen der Brüder, den toten Josef bei ihrer Rückkehr mit in das Land zu nehmen, abzielt. Aber mehr noch: Es ist ja schon immer aufgefallen, dass die in Gen 50,24 vorgebrachte Verheißung in den folgenden Exoduserzählungen nicht wirklich eingelöst wird. Die Brüder selbst kehren nicht in das Land zurück, sondern sterben noch in Ägypten.117 Erst die späteren Nachkommen der Jakob-Familie verlassen Ägypten und ziehen ins Land. Auch dies spricht dann aber dafür, dass Gen 50,24 von vornherein mit Gen 50,25–26 verbunden war. Denn ohne 50,25–26 wird mit 50,24 eben nur eine so nicht eingelöste Rückkehrverheißung vorgebracht. Zusammen mit 50,25–26 wird diese ————— Joseferzählung, 225; LEVIN, Jahwist, 316; SCHMID, Erzväter, 231; SEEBASS, Genesis III, 207; RÖMER, Fin, 286–287; BERNER, Exoduserzählung, 41. 113 Vgl. CARR, Fractures, 109–110; GERTZ, Transition, 79. 114 Vgl. LOHFINK, Landverheißung, 23 Anm. 43; VAN SETERS, Life, 20; CARR, Fractures, 166– 167; GERTZ, Tradition, 361–362; OTTO, Deuteronomium, 219–220; ALBERTZ, Josephsgeschichte, 31, sowie SCHMITT, Geschichtswerk, 392–393; BLUM, Verbindung, 151, die ihre Position gegenüber ihren Anm. 112 genannten Arbeiten korrigiert haben. 115 Vgl. KEBEKUS, Joseferzählung, 225; SEEBASS, Genesis III, 207. 116 Der genannte Wechsel von wyxa zu larfy ynb könnte sogar sehr bewusst vorgenommen worden sein, da die hier in Gen 50,24–25 angesprochene Rückkehr ins Land ja letztlich über die Brüder und Israel-Söhne hinausgehend auf die späteren Israeliten zielt; vgl. hierzu auch die weiteren Ausführungen. 117 Nicht umsonst wurde ja immer wieder angenommen, dass mit den in Gen 50,24 genannten Brüdern des Josef (wyxa) bereits die von den Jakob-Söhnen herkommenden Israeliten gemeint sind; vgl. nur DILLMANN, KEH 11, 478–479; HOLZINGER, KHC 1, 266, oder SCHMITT, Geschichtswerk, 393. Doch ist ein solch weites Verständnis der in Gen 50,24 genannten Brüder gerade im vorliegenden Zusammenhang, bei dem ja zuvor in 50,15–21 die Versöhnung zwischen Josef und seinen (leiblichen) Brüdern dargestellt worden ist, eher unwahrscheinlich.

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Die priesterlichen Passagen der Josefgeschichte

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Rückkehrverheißung dagegen dem dort belegten Versprechen, den Leichnam des Josef mitzunehmen, untergeordnet und kann so auch auf künftige Generationen bezogen werden. Aber nicht nur die literarkritische Scheidung von Gen 50,24 und 50,25– 26, auch die Ausgrenzung von 50,26a bewährt sich nicht.118 Denn die Zuweisung zur priesterlichen Schicht, mit der die Abtrennung dieses Teilverses begründet wird, ist nicht haltbar. An dieser Stelle wird zwar – wie vielfach in den priesterlichen Passagen – das Lebensalter des Josef angegeben. Doch geschieht dies hier mit einer sonst in den priesterlichen Passagen nicht belegten Formulierung. So folgen die priesterlichen Datierungen, wie oben gezeigt, entweder (am Beginn eines erzählerischen Zusammenhangs) dem Muster hyh (bzw. hyx) + PN + Alter + Narrativ oder (als Abschluss eines erzählerischen Zusammenhangs) dem Muster w + PN + Alter + b + Infinitiv.119 Die in Gen 50,26 belegte Datierung weist dagegen das Muster Narrativ + PN + !b + Alter auf. Zwischen den priesterlichen Datierungen und der in Gen 50,26 belegten Variante zeigt sich also ein entscheidender Unterschied: In den priesterlichen Datierungen ist das verbale Element, mit dem das datierte Geschehen ausgedrückt wird, stets – entweder mit einem Narrativ oder mit einem Infinitiv – nachgestellt. In Gen 50,26 steht das verbale Element, mit dem das datierte Geschehen ausgedrückt wird, – der Narrativ tmyw – dagegen voran. Mit Gen 50,26 vergleichbar formulierte Datierungen sind im gesamten Alten Testament überhaupt nur in Jos 24,29 und Ri 2,8 belegt. In Gen 50,24–26 liegt also ein einheitlicher Nachtrag zur werdenden Vätergeschichte vor. Angesichts der hier in 50,24 belegten Wendung „das Land, das er (den Vätern) zugeschworen hat“ ([bvn rva #rah), die sonst vor allem in Dtn und DtrG gebraucht wird,120 aber auch angesichts der hier in 50,26 belegten Form der Datierung, die sonst eben nur in Jos 24,29; Ri 2,8 vorkommt, kann dieser Nachtrag im weiteren Sinne als deuteronomistisch bezeichnet werden. Am Beginn des nun folgenden Exodusbuches steht in Ex 1,1–5 ein Verzeichnis der Jakob-Söhne. Bei diesem Verzeichnis werden, entsprechend der in 1,1a belegten Einleitung, zunächst in 1,1b–5a die elf mit Jakob nach —————

118 Auch LOHFINK, Landverheißung, 23 Anm. 43; VAN SETERS, Life, 20; SCHMITT, Geschichtswerk, 392–393; OTTO, Deuteronomium, 219–220; BLUM, Verbindung, 149, und ALBERTZ, Josephsgeschichte, 17 Anm. 24; ders., Beginn, 235, sehen von einer Zuweisung von Gen 50,26a zur priesterlichen Schicht ab und verstehen den gesamten Textbereich Gen 50,24–26 als literarisch einheitlichen Nachtrag. 119 S.o. 35–36. 120 Vgl. vor allem Dtn 1,8.35; 6,10.18.23; 8,1; 10,11; 26,3; 31,7.21.23; 34,4; Jos 1,6; 5,6; 21,43; Ri 2,1.

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Ägypten gekommenen Söhne aufgezählt. In 1,5b wird sodann erwähnt, dass Josef bereits in Ägypten gewesen ist. Das in Ex 1,1–5 belegte Verzeichnis wird vielfach der priesterlichen Schicht zugewiesen.121 Dafür spricht, dass in den priesterlichen Texten ja mehrfach vergleichbare Verzeichnisse belegt sind. Das Problem an dieser These ist aber, wie schon häufig gesehen, dass Ex 1,1 mit den Worten „dies sind die Namen der Söhne Israels“ (larfy ynb twmv hlaw) beginnt. In den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte wird der Ahnherr doch aber stets als Jakob und gerade nicht mit dem Israel-Namen bezeichnet.122 Hinzu kommt, dass in dem gemeinhin und, wie noch zu zeigen sein wird, auch zurecht den priesterlichen Passagen zugeschriebenen Vers Ex 1,7 erneut die Wendung larfy ynb belegt ist, die dort aber nicht, wie in Ex 1,1, als Bezeichnung der Jakob-Söhne, sondern als Bezeichnung des späteren, von Jakob und seinen Söhnen herkommenden Volkes verwandt wird. Da zwischen dem in Ex 1,1 und dem in Ex 1,7 belegten Gebrauch der Wendung larfy ynb nicht vermittelt wird, ist es doch ausgesprochen unwahrscheinlich, dass diese beiden Verse auf dieselbe Hand zurückgehen. Ex 1,1–5 ist also nicht der priesterlichen Schicht zuzuschreiben. Da das hier belegte Verzeichnis die Jakob-Söhne in exakt derselben Reihenfolge aufzählt wie die den priesterlichen Passagen zuzuschreibende Variante in Gen 35,22b.23–26 und da dieses Verzeichnis auch sonst Gemeinsamkeiten mit den priesterlichen Nachkommensverzeichnissen aufweist – etwa mit der einleitenden Formulierung twmv hlaw (Ex 1,1 // Gen 25,13.16) –, dürfte es sich bei Ex 1,1–5 um eine von den priesterlichen Passagen abhängige, als spätpriesterlich zu bezeichnende Ergänzung handeln.123 Auf das Verzeichnis der Jakob-Söhne folgt in Ex 1,6 ein kurzer Vermerk, dass Josef, seine Brüder und die ganze Generation starben. Zur literarischen Einordnung dieses Verses ist nun beachtenswert, dass zu den hier am erzählerischen Übergang von der Vätergeschichte zu den Exodusüberlieferungen belegten Versen Gen 50,26, Ex 1,6 und Ex 1,8, wie schon häufig gesehen, exakte Entsprechungen in Jos 24 und Ri 2, also gerade am Übergang von den Landnahme- zu den Richtererzählungen, bestehen:124 —————

121 Vgl. etwa NÖLDEKE, Untersuchungen, 35; WELLHAUSEN, Composition, 61; NOTH, Überlieferungsgeschichte, 18; ders., ATD 5, 10; W.H. SCHMIDT, BK 2,1, 11; SCHARBERT, NEB.AT 24, 13; BLUM, Studien, 239; ders. Verbindung, 149; ALBERTZ, Josephsgeschichte, 29; DOZEMAN, Exodus, 61. 122 S.o. 106 mit Anm. 20. 123 So auch EERDMANS, Studien III, 8; BEER, HAT 1,3, 14; FOHRER, Überlieferung, 9; LEVIN, Jahwist, 315; PROPP, AncB 2, 125; SCHMID, Erzväter, 30 Anm. 177; KRATZ, Komposition, 243; BERNER, Exoduserzählung, 14. 124 Auf die Verbindungen zwischen Gen 50,26; Ex 1,6.8 und Jos 24; Ri 2 hat schon NÖLDEKE, Untersuchungen, 105–106, aufmerksam gemacht; vgl. auch VRIEZEN, Exodusstudien, 335–344;

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Die priesterlichen Passagen der Josefgeschichte Genesis – Exodus

@swy tmyw

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Josua – Richter Gen 50,26

~ynv rf[w ham-!b ~fyyw wta wjnxyw `~yrcmb !wrab wyxa-lkw @swy tmyw Ex 1,6

`awhh rwdh lkw ~yrcm-l[ vdx-$lm ~qyw 8 `@swy-ta [dy-al rva

[vwhy tmyw ... Jos 24,29 hwhy db[ !wn-!b `~ynv rf[w ham-!b wtlxn lwbgb wta wrbqyw 30 ~yrpa-rhb rva xrs-tnmtb `v[g-rhl !wpcm [vwhy tmyw Ri 2,8 hwhy db[ !wn-!b `~ynv rf[w ham-!b lwbgb wtwa wrbqyw 9 rhb srx-tnmtb wtlxn `v[g-rhl !wpcm ~yrpa awhh rwdh-lk ~gw 10 wytwba-la wpsan ~hyrxa rxa rwd ~qyw hwhy-ta w[dy-al rva hf[ rva hf[mh-ta ~gw `larfyl

Wie in Gen 50,26 wird in Jos 24,29–30 zunächst der Tod des Protagonisten der vorangehenden Erzählung – also dort der Tod des Josef, hier der Tod des Josua – erwähnt. Es wird sodann das Alter der jeweiligen Person genannt. Dabei wird an beiden Stellen, wie bereits erwähnt, die nur selten belegte Formulierung Narrativ + PN + !b + Alter gebraucht.125 Zudem und erstaunlicherweise wird für beide Personen das exakt gleiche Todesalter, nämlich 110 Jahre, angegeben. Am Ende der beiden Todesnotizen wird schließlich hier wie dort der weitere Umgang mit dem Leichnam des Verstorbenen dargestellt. Beachtenswert ist sodann, dass in Ex 1,6 und Ri 2,8 – also am Beginn des jeweils folgenden Buches und somit am Beginn der Darstellung einer jeweils neuen Epoche – erneut auf den Tod des Josef bzw. des Josua verwiesen wird. Daraufhin wird in Ex 1,6 und Ri 2,10 der Tod der ganzen mit dem jeweiligen Protagonisten verbundenen Generation (rwdh lk [~g]w awhh) vermerkt. Und schließlich wird in Ex 1,8 und in Ri 2,10 – mit teils identischen Formulierungen – ausgeführt, dass es nach diesem Generationenwechsel zu einer entscheidenden Wendung kam. So wird in Ex 1,8 dargestellt, dass ein neuer König über Ägypten aufkam (~wq), der Josef nicht ————— BLUM, Studien, 102–103; ders., Connection, 104–105; PROPP, AncB 2, 126; GERTZ, Tradition, 358–365; DOZEMAN, Exodus, 65; ALBERTZ, Beginn, 232–233. 125 S.o. 133.

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

kannte ([dy). Dem entsprechend wird in Ri 2,10 geschildert, dass eine neue Generation aufkam (~wq), die Jhwh und dessen Tun für sein Volk nicht kannte ([dy). Die parallele Gestaltung zu Jos 24,29–30; Ri 2,8–10 spricht dann aber dafür, dass die Verse Gen 50,24–26; Ex 1,6.8 auf ein und dieselbe Redaktion zurückgehen, die den hier am Übergang von den Vätererzählungen zu den Exodusüberlieferungen dargestellten Epochenwechsel in Entsprechung zu dem in Jos 24; Ri 2 belegten Epochenwechsel von der Landnahme- zur Richterzeit gestaltet hat.126 Da zudem auch die in Gen 50,24–26 erwähnte Rückführung von Josefs Leichnam erst in Jos 24,32 eingelöst wird, zeigt sich in Gen 50,24–26; Ex 1,6.8 also eine Bearbeitung, deren literarischer Horizont über die Bücher Genesis und Exodus, ja noch über den vorliegenden Pentateuch hinausgeht und von einer zumindest hexateuchischen, wenn nicht gar enneateuchischen Perspektive geprägt ist. Mit Blick auf Gen 50,24–26; Ex 1,6.8 lässt sich nun aber, über die gängige Sicht der Forschung hinaus, zeigen, dass der Vers Ex 1,6 nicht einheitlich ist und somit nicht in Gänze der genannten dtr. Redaktion zuzuweisen ist.127 So besteht zwischen Ex 1,6a und Ex 1,6b eine gewisse Dopplung. Denn in 1,6a wird der Tod von „Josef und all seinen Brüdern“ notiert. In 1,6b wird dann noch „jene ganze Generation“ erwähnt. Die in 1,6b belegte Rede von der „ganzen Generation“ kann dabei zwar sicherlich auch so verstanden werden, dass dies über die Jakob-Söhne hinaus etwa noch deren Frauen und Kinder mit einschließt. Da der Begriff der Generation aber umgekehrt auch die Brüder des Josef umfasst, ist es eben doch bemerkenswert, dass an dieser Stelle sowohl die Brüder als auch die ganze Generation erwähnt werden. Zu beachten ist zudem, dass gerade an dieser Stelle eine gewisse Differenz zwischen Ex 1,6 und den parallelen Formulierungen in Ri 2,8–10a zu erkennen ist. In Ex 1,6 wird nur sehr kurz der Tod des Josef, all seiner Brüder und der ganzen Generation erwähnt. In Ri 2,8–9 wird dagegen zunächst —————

126 So, mit Unterschieden im Detail, vor allem BLUM, Verbindung, 145–151; ALBERTZ, Josephsgeschichte, 31. Vgl. auch GERTZ, Tradition, 357–370, der allerdings nur Gen 50,24–26 und Ex 1,8 derselben Hand zuschreibt, während er Ex 1,6 mit der – seiner Ansicht nach später als Gen 50,24–26; Ex 1,8 anzusetzenden – Einfügung von Ex 1,1–5 in Verbindung bringt. Die sich an dieser Stelle ergebende und bislang durchaus noch offene Frage, ob die in Gen 50,24– 26; Ex 1,6.8 erkennbare Bearbeitung einseitig von Jos 24,29–30; Ri 2,8–10 beeinflusst ist oder ob beide Epochenübergänge von ein und derselben Redaktion gestaltet wurden, kann und muss hier beiseite gelassen werden. 127 In der bisherigen Forschung wurde nur sehr selten erwogen, dass Ex 1,6 uneinheitlich sein könnte. So meint CARR, Narrative Connections, 174, dass in Ex 1,6 der Verweis auf die Brüder (wyxa-lkw) erst sekundär eingefügt wurde. BERNER, Exoduserzählung, 20, geht von einem Grundbestand aus, der lediglich die Notiz über den Tod des Josef in Ex 1,6aa (@swy tmyw) umfasst, wohingegen der Rest des Verses erst später, in zwei Stufen, ergänzt wurde.

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Die priesterlichen Passagen der Josefgeschichte

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der Tod des Josua genannt, es wird sodann, wie schon in Jos 24,29, nochmals eigens sein Alter angegeben, und es wird sogar, wie schon in Jos 24,30, nochmals seine Bestattung erwähnt. Erst in Ri 2,10 wird schließlich der Tod der ganzen Generation vermerkt. Angesichts der Tatsache, dass Gen 50,26; Ex 1,6.8 und Jos 24,29–30; Ri 2,8–10 sonst ausgesprochen parallel verlaufen, sind die Differenzen zwischen Ex 1,6 und Ri 2,8–10a doch bedeutsam. Eine gute Erklärung für die genannten Beobachtungen könnte nun sein, dass der Teilvers Ex 1,6a, in dem der Tod des Josef und seiner Brüder erwähnt wird, der in Gen 50,24–26; Ex 1,6.8 erkennbaren Redaktion, die den hier belegten Epochenwechsel parallel zu Jos 24; Ri 2 gestaltet hat, bereits vorgegeben war und dann lediglich – in Entsprechung zu Ri 2,10a – um Ex 1,6b, also um den Vermerk „und jene ganze Generation“, ergänzt wurde. Diese Annahme lässt sich sogar noch durch eine weitere Überlegung untermauern. So wurde ja Gen 50,22 den priesterlichen Passagen zugesprochen.128 In diesem Vers wird nach der kurzen Notiz, dass Josef in Ägypten wohnte, das Lebensalter des Josef angegeben. Beachtenswert ist dabei, dass die priesterlichen Altersangaben sonst nie für sich stehen, sondern stets mit weiteren Ausführungen darüber, was zu der genannten Lebenszeit geschehen ist, fortgeführt werden.129 Die Altersangabe in Gen 50,22 verlangt somit nach einer narrativen Fortsetzung. Hinzu kommt, dass unter den Textbereichen, die in Gen 50–Ex 1 gemeinhin der priesterlichen Schicht zugewiesen werden, an keiner Stelle der Tod des Josef erwähnt wird. Dies ist aber erstaunlich, da in der vorangehenden Vätergeschichte für jeden einzelnen Erzvater eine der priesterlichen Schicht zuzuschreibende Todesnotiz auszumachen war (Gen 25,8; 35,29; 49,33). Das heißt doch aber, dass auf die in Gen 50,22b belegte, der priesterlichen Schicht zuzuweisende Altersangabe ursprünglich gut die in Ex 1,6a belegte Todesnotiz gefolgt sein könnte.130 Dafür spricht neben den genann————— 128

S.o. 130–131. So wird nach den priesterlichen Altersangaben in Gen 5,3.4.6.7.9.10.12.13.15.16.18.19.21. 22.25.26.28.30.32; 11,10–26; 16,16; 21,5; 25,26 das Zeugen bzw. die Geburt von Kindern genannt, in Gen 5,5.8.11.14.17.20.27.31; 9,28–29; 11,32; 23,1–2; 25,7–8.17; 35,28–29 der Tod der jeweiligen Person, in Gen 5,23–24 die Entrückung des Henoch, in Gen 7,6.11 das Auftreten der Flut, in Gen 8,13 das Ende der Flut, in Gen 12,4 das Eintreten ins Land, in Gen 17,1 eine Gotteserscheinung, in Gen 25,20; 26,34 eine Heirat, in Gen 37,2 die Arbeit als Hirte, in Gen 41,46; Ex 7,7 das Auftreten vor dem Pharao und in Gen 47,28–29 der nahende Tod des Jakob. 130 Bislang hat allein BERNER, Exoduserzählung, 37–38, angenommen, dass auf die in Gen 50,22b belegte Altersangabe einst die in Ex 1,6a* belegte Todesnotiz folgte. Allerdings meint Berner, dass die Todesnotiz in Ex 1,6a* noch vor der auch von ihm als Bearbeitung verstandenen priesterlichen Schicht anzusetzen ist, so dass die priesterliche Altersangabe in Gen 50,22b seiner Ansicht nach sekundär vor die Todesnotiz in Ex 1,6a* gestellt wurde. Zu der dabei von Berner vo129

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

ten Überlegungen, dass in dem priesterlichen Vers Gen 11,32, in dem der Tod des Terach erwähnt wird, eine nahezu gleichlautend formulierte Verbindung von Altersangabe und Todesnotiz vorliegt: Genesis 11,32

xrt-ymy wyhyw Gen 11,32 hnv ~ytamw ~ynv vmx `!rxb xrt tmyw

Genesis 50,22b; Exodus 1,6a

@swy yxyw Gen 50,22b `~ynv rf[w ham wyxa-lkw @swy tmyw Ex 1,6a

Es spricht also einiges dafür, dass die in Ex 1,6a belegte Notiz über den Tod des Josef und seiner Brüder von der in Gen 50,24–26; Ex 1,6.8 erkennbaren Redaktion abzuheben und dann der priesterlichen Schicht – als ursprüngliche Fortsetzung der in Gen 50,22b belegten Altersangabe – zuzuschreiben ist. Auf die Todesnotiz Ex 1,6 folgt in Ex 1,7 ein kurzer Vermerk, dass sich die Israeliten vermehrten und das Land anfüllten. Dieser Vers weist gleich mehrere charakteristisch priesterliche Formulierungen auf, so die typisch priesterliche Verbindung „fruchtbar sein“ und „mehren“ (hrp; hbr), das vorwiegend in priesterlichen Texten belegte Verb „wimmeln“ (#rv) und die ebenfalls vor allem in priesterlichen Zusammenhängen belegte Wendung „das Land anfüllen“ (#rah alm).131 Ex 1,7 wird daher zumeist und auch zurecht den priesterlichen Passagen zugewiesen.132 Es ist allerdings schon immer aufgefallen, dass in Ex 1,7 das sonst in den priesterlichen Passagen nicht belegte Verb ~c[ gebraucht wird. Dabei ist beachtenswert, dass die hier in Ex 1,7 belegte Wendung wmc[yw wbryw im weiteren Verlauf des Kapitels gleich an zwei, zweifellos den nichtpriesterlichen Passagen zuzurechnenden Stellen wiederkehrt, so in Ex 1,9 (~wc[w br) und in Ex 1,20 (wmc[yw ... bryw). Die in Ex 1,7 belegte Verbindung von priesterlicher und nichtpriesterlicher Sprache hat die Forschung stets beschäftigt und zu zahlreichen Hypothesen geführt. So wurde in der älteren Forschung häufig angenommen, dass die Wendung wmc[yw wbryw – in Angleichung an den folgenden nicht————— rausgesetzten Annahme, dass Ex 1,6a* zusammen mit Ex 1,8 als vorpriesterlicher Übergang zwischen der Vätergeschichte und den Exoduserzählungen zu verstehen ist, siehe aber unten 142. 131 Zur Verbindung hrp; hbr s.o. 46 Anm. 67. Das Verb #rv ist im gesamten Pentateuch nur in priesterlichen bzw. spätpriesterlichen Texten belegt (Gen 1,20.21; 7,21; 8,17; 9,7; Ex 1,7; 7,28; Lev 11,29.41–43.46). Die Wendung #rah[-ta] alm ist im Pentateuch sonst nur in den priesterlichen Passagen der Urgeschichte belegt (Gen 1,28; 6,11.13; 9,1). 132 Vgl. nur NÖLDEKE, Untersuchungen, 35–36; WELLHAUSEN, Composition, 61; NOTH, Überlieferungsgeschichte, 18; W.H. SCHMIDT, BK 2,1, 11–12; SCHARBERT, NEB.AT 24, 13; BLUM, Studien, 239; ders., Verbindung, 148; GERTZ, Tradition, 366–368; DOZEMAN, Exodus, 61.

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Die priesterlichen Passagen der Josefgeschichte

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priesterlichen Kontext – erst sekundär zugefügt wurde.133 In der neueren Forschung wird bisweilen sogar der gesamte Vers Ex 1,7 den priesterlichen Passagen ab- und einer späteren, priesterliche und nichtpriesterliche Sprache verbindenden Redaktion zugesprochen.134 Oder es wird, gerade umgekehrt, Ex 1,7, und zwar in seinem vorliegenden Bestand, der priesterlichen Schicht zugeschrieben; es wird dann aber die folgende nichtpriesterliche Einleitung in die Exoduserzählungen Ex 1,8ff* angesichts der genannten Verbindungen als eine von Ex 1,7 abhängige und somit nachpriesterliche Einfügung verstanden.135 Doch keine dieser Lösungen vermag wirklich zu überzeugen. So führt bei Ex 1,7 die Ausscheidung von wmc[yw wbryw zu der sonst in den priesterlichen Passagen nicht belegten Formulierung dam damb wcrvyw.136 Dass der gesamte Vers der priesterlichen Schicht abzusprechen sein soll, ist angesichts der nur hier belegten Kombination typisch priesterlicher Begrifflichkeiten ebenfalls nicht wahrscheinlich.137 Wenn aber Ex 1,7 insgesamt der priesterlichen Schicht zugeschrieben, der folgende Textbereich Ex 1,8ff* dagegen als nachpriesterliche Ergänzung aufgefasst wird, so lässt sich wieder nicht erklären, warum in diesem Vers das sonst in priesterlichen Zusammenhängen nicht belegte Verb ~c[ verwandt wird.138 —————

133 So NÖLDEKE, Untersuchungen, 35–36; WELLHAUSEN, Composition, 61; DILLMANN, KEH 12, 3; GRESSMANN, Mose, 1 Anm. 1; BEER, HAT 1,3, 14; FOHRER, Überlieferung, 10; VRIEZEN, Exodusstudien, 346. 134 Vgl. LEVIN, Jahwist, 315; VAN SETERS, Life, 20; PROPP, AncB 2, 125; KRATZ, Komposition, 243; BERNER, Exoduserzählung, 15–16. 135 So versteht SCHMID, Erzväter, 71, angesichts der in Ex 1,9.20 belegten Wiederaufnahmen der Wendung wmc[yw wbryw den gesamten nichtpriesterlichen Textbereich Ex 1,8–20* als nachpriesterliche Ergänzung. Die vorpriesterliche Exoduserzählung begann daher nach Schmid erst mit Ex 2,1. Demgegenüber weist GERTZ, Tradition, 365–366.373, nur Ex 1,8–10 sowie den Teilvers 1,20b einer von Ex 1,7 abhängigen nachpriesterlichen Bearbeitung zu. Nach Gertz ist die vorpriesterliche Exoduserzählung – deren Beginn weggebrochen ist – noch ab Ex 1,11 erhalten. 136 Vgl. hierzu EERDMANS, Studien III, 7; GERTZ, Tradition, 366–367. Auch die von W.H. SCHMIDT, BK 2,1, 11–12, vertretene Annahme, dass nur wmc[yw auf eine nachpriesterliche Bearbeitung zurückgeht, vermag nicht zu überzeugen. Denn wie insbesondere GERTZ, ebd., betont, bliebe auch bei dieser Lösung noch auffällig, dass in Ex 1,7 das Verb #rv zwischen den beiden, sonst in den priesterlichen Texten stets direkt aufeinander folgenden Verben hrp und hbr stehen würde. Siehe hierzu im Einzelnen unten 140–141. Mit der literarkritischen Schere allein ist den Besonderheiten von Ex 1,7 also nicht beizukommen. 137 So werden die in zahlreichen priesterlichen Texten belegten Begriffe hrp, hbr, #rv und #rah alm nur in diesem einen Vers zusammen verwandt. Dies lässt sich doch aber viel eher so erklären, dass die für die priesterlichen Texte verantwortlichen Autoren diesen Vers selbst nach ihrem eigenen Sprachgebrauch verfasst haben, als dass ein nichtpriesterlicher Autor diesen Vers unter Kombination von an verschiedenen Stellen belegten priesterlichen Formulierungen und weiteren, aus dem folgenden nichtpriesterlichen Kontext aufgenommenen Formulierungen gestaltet haben sollte. 138 Zur Kritik an diesen Ansätzen vgl. auch ALBERTZ, Beginn, 231.

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

All diese Schwierigkeiten lassen sich jedoch umgehen, wenn nicht, wie in den genannten Ansätzen, davon ausgegangen wird, dass der priesterliche Vers Ex 1,7 aus einer einst unabhängig überlieferten Quelle entnommen und erst sekundär an der vorliegenden Stelle integriert wurde, sondern wenn dieser Vers als ein von vornherein für seinen vorliegenden Kontext, also für die nichtpriesterliche Einleitung in die Exoduserzählungen verfasster Nachtrag verstanden wird. Denn dann kann die in Ex 1,7 belegte Wendung wmc[yw wbryw ohne weiteres als von den nichtpriesterlichen Versen Ex 1,9. 20 her beeinflusst verstanden werden.139 Diese Annahme lässt sich anhand einer weiteren Überlegung stützen. In Ex 1,7 sind ja die Verben „fruchtbar sein“ (hrp) und „mehren“ (hbr) belegt, die auch sonst häufig in priesterlichen Zusammenhängen gebraucht werden. Die folgende Übersicht enthält sämtliche Stellen, an denen diese beiden Verben in den Büchern Genesis und Exodus nebeneinanderstehen: Gen 1,22 Gen 1,28 Gen 8,17 Gen 9,1 Gen 9,7 Gen 17,20 Gen 28,3 Gen 35,11 Gen 47,27 Gen 48,4 Ex 1,7

~ymh-ta walmw #rah-ta walmw #rah-l[ #rah-ta walmw #rab wcrv dam damb ~ym[ lhql tyyhw $mm hyhy ~ywg lhqw ywg dam ~ym[ lhql $yttnw dam damb wmc[yw ~ta #rah almtw

wbrw wrp wbrw wrp wbrw wrpw #rab wcrvw wbrw wrp wbrw wrp wta ytyrphw wta ytkrb wta ytybrhw $bryw $rpyw $ta $rby hbrw hrp wbryw wrpyw $tybrhw $rpm wbryw wcrvyw wrp

Die Verben hrp und hbr sind stets zusammen mit weiteren Formulierungen belegt. Im Zusammenhang der beiden Verben finden sich etwa häufig die Begriffe „segnen“ ($rb, Gen 17,20; 28,3), „die Erde/das Land anfüllen“ (#rah[-ta] alm, Gen 1,28; 9,1; Ex 1,7) oder auch „wimmeln“ (#rv, Gen 8,17; 9,7; Ex 1,7). Dabei ist aber beachtenswert, dass die Verben hrp und hbr in der gesamten Genesis stets direkt nebeneinanderstehen. So steht ————— 139

So auch BLUM, Verbindung, 148; ALBERTZ, Beginn, 230–231.

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Die priesterlichen Passagen der Josefgeschichte

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auch das Verb #rv in Gen 8,17 vor, in Gen 9,7 nach den beiden Verben hrp und hbr. Von diesem durchgängigen Befund in der Genesis weicht aber der priesterliche Vers Ex 1,7 ab: Dort – und nur dort – steht das Verb #rv zwischen den beiden Verben hrp und hbr. Diese erstaunliche Abweichung in Ex 1,7 lässt sich doch aber ohne weiteres so erklären, dass die übliche Paarung hrp + hbr an dieser Stelle durch das Verb #rv aufgesprengt wurde, um so die beiden neuen Paare hrp + #rv und hbr + ~c[ zu erhalten. Auf diese Weise wurde ein vorwegnehmender Bezug auf die folgende nichtpriesterliche Einleitung zur Exoduserzählung hergestellt, in der ja ebenfalls und gleich an zwei Stellen das Paar hbr + ~c[ belegt ist (Ex 1,9.20).140 Der priesterliche Vers Ex 1,7 ist somit als einheitlicher und von vornherein für seinen nichtpriesterlichen Kontext verfasster Nachtrag zu verstehen. Auch an dieser Stelle erweisen sich die priesterlichen Passagen daher als Bearbeitungsschicht. Der erzählerische Übergang von den Vätererzählungen zu den Exodusüberlieferungen in Gen 50,22–Ex 1,7 lässt sich also im Wesentlichen auf drei Schichten aufteilen: Gen 50,22; Ex 1,6a.7 gehört der priesterlichen Schicht an; Gen 50,24–26; Ex 1,6b(.8) ist einer im weiteren Sinne dtr. Bearbeitung zuzuweisen; Ex 1,1–5 geht auf eine spätpriesterliche Bearbeitung zurück. Ein vereinzelter Nachtrag, ohne größere Bedeutung für die Entstehung dieses Textbereichs, liegt schließlich in Gen 50,23 vor. Offengeblieben ist bislang noch das literarische Verhältnis der priesterlichen Bearbeitung in Gen 50,22; Ex 1,6a.7 und der dtr. Bearbeitung in Gen 50,24–26; Ex 1,6b.8. Dabei spricht einiges dafür, dass die priesterliche Bearbeitung als die ältere, die dtr. Bearbeitung dagegen als die jüngere und somit erst nachpriesterlich eingebrachte Schicht zu verstehen ist.141 Wenn nämlich die oben vorgestellte Überlegung, dass Ex 1,6a der priesterlichen Schicht zuzuweisen und als ursprüngliche Fortsetzung der priesterlichen Altersangabe in Gen 50,22b zu verstehen ist, richtig sein sollte, so spricht dies dafür, dass die dtr. Bearbeitung in Gen 50,24–26; Ex 1,6b.8 erst nachpriesterlich ergänzt wurde. Denn dann wurde Gen 50,24–26 sekundär zwischen die einst direkt aufeinander folgenden priesterlichen Teilverse Gen 50,22b; Ex 1,6a gestellt. Zudem ist dann der Teilvers Ex 1,6b mit dem dort belegten Verweis auf „jene ganze Generation“ als sekundäre Fortschreibung des vorangehenden priesterlichen Teilverses 1,6a und der dort belegten Notiz, dass Josef und seine Brüder starben, zu verstehen. ————— 140

So auch, allerdings ohne umfassende Erklärung, BLUM, Verbindung, 148. Vgl. hierzu v.a. GERTZ, Tradition, 357–370; ders., Transition, 78–82; BLUM, Verbindung, 145–151; ders., Connection, 96–106; ALBERTZ, Josephsgeschichte, 29; ders., Beginn, 227–236. 141

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

Aber selbst wenn sich diese Überlegung nicht bewähren sollte und doch der gesamte Vers Ex 1,6, wie zumeist angenommen, der dtr. Bearbeitung zuzuweisen sein sollte, lässt sich zeigen, dass die dtr. Bearbeitung später als die priesterliche anzusetzen ist. Zu beachten ist nämlich, dass ohne das in Ex 1,1–5 belegte, sicherlich erst nachpriesterlich eingebrachte Verzeichnis der Jakob-Söhne die dtr. Verse Gen 50,26 und Ex 1,6 direkt aneinander anschließen würden. Dies ist aber kaum möglich, da die in Gen 50,26 und Ex 1,6 belegten Todesnotizen so unmittelbar aufeinander folgen würden.142 Die dtr. Bearbeitung ist deshalb auch dann, wenn ihr der Teilvers Ex 1,6a noch zugerechnet wird, später als die nachpriesterliche Bearbeitung in Ex 1,1–5 und damit natürlich auch später als die priesterliche Bearbeitung in Gen 50,22; Ex 1,7 anzusetzen. Dass die priesterliche Bearbeitung in Gen 50,22; Ex 1,6a.7 der dtr. Bearbeitung in Gen 50,24–26; Ex 1,6b.8 vorangeht, führt dann aber zu einer – in der jüngeren Forschung schon häufiger gezogenen – Konsequenz: Es lässt sich zwischen den Büchern Genesis und Exodus kein vorpriesterlicher erzählerischer Übergang erkennen.143 Die auch in neuerer Zeit noch vorgetragenen Versuche, doch einen vorpriesterlichen Übergang zwischen Vätergeschichte und Exoduserzählung zu rekonstruieren – sei es über die Verse Gen 50,26aa; Ex 1,8,144 sei es über die Verse Gen 50,24–25; Ex 1,6aab.8,145 oder sei es über die Verse Ex 1,6aa.8146 –, kranken allesamt daran, dass hier zum einen die Verse Gen 50,24–26 grundlos auf mehrere Schichten aufgeteilt werden, und dass zum anderen die Verse Gen 50,26; Ex 1,6.8 – die sich doch über die durchgehenden Bezüge zu Jos 24,29–30; Ri 2,8–10 als zusammengehörig erweisen – nicht zur selben Schicht gerechnet werden. Bei diesen Ansätzen scheint der Wille, einen vorpriesterlichen Übergang zu rekonstruieren, doch allzu sehr die literarkritische Analyse bestimmt zu haben. Die älteste erkennbare literarische Brücke zwischen der Vätergeschichte und den Exodusüberlieferungen liegt also auf der Ebene der priesterlichen Texte. Aber mehr noch: In der neueren Forschung wurde zudem und zurecht schon mehrfach die These vertreten, dass die – ja ohnehin nur sehr wenigen – buchübergreifenden Verbindungen zwischen der Vätergeschichte und den Exodusüberlieferungen allesamt erst nachpriesterlich anzusetzen ————— 142

Vgl. GERTZ, Tradition, 358. Vgl. hierzu v.a. SCHMID, Erzväter, 69–71; ders., Yahwist, 41–47; GERTZ, Tradition, 357– 370; ders., Transition, 84–87; BLUM, Verbindung, 145–151; ders., Connection, 96–106; ALBERTZ, Beginn, 227–236. 144 Vgl. LEVIN, Jahwist, 313; ders., Yahwist, 135; KRATZ, Komposition, 287. 145 Vgl. CARR, Narrative Connections, 167–175. 146 So neuerdings BERNER, Exoduserzählung, 20–23. 143

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Die priesterlichen Passagen der Josefgeschichte

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sind.147 So ist in der Vätergeschichte etwa die in Gen 15 belegte nichtpriesterliche Version des Abrahambundes, die deutliche Vorverweise auf die Exodusüberlieferungen enthält (15,13–16), erst nachpriesterlich anzusetzen.148 Im Exodusbuch ist sodann die in Ex 3,1–4,18 belegte Berufung des Mose, in deren Rahmen mehrfach auf die Väter zurückverwiesen wird (3,13.15.16; 4,5), wohl insgesamt als nachpriesterliche Einfügung zu verstehen.149 Die in Ex 13,19 belegte Notiz über die Rückführung von Josefs Leichnam ist – im Anschluss an den erst nachpriesterlich eingebrachten Auftrag des Josef in Gen 50,24–26 – ebenfalls erst nachpriesterlich anzusetzen.150 Und dies gilt dann auch für die im Exodusbuch belegten Rückverweise auf den an die Väter gerichteten Schwur, ihnen das Land zu übereignen (Ex 13,5.11; 32,13; 33,1), zu dem sich wiederum gerade in dem nachpriesterlichen Text Gen 50,24–26 eine Parallele findet.151 Dass sich keinerlei vorpriesterliche Verbindungen zwischen der Vätergeschichte und den Exoduserzählungen finden lassen, führt dann zu der Konsequenz, dass nicht nur der älteste erkennbare literarische Übergang zwischen diesen beiden Überlieferungskomplexen auf der priesterlichen Ebene anzusetzen ist. Die beiden Überlieferungskomplexe wurden überhaupt erst auf der Ebene der priesterlichen Texte miteinander verbunden.152 Nun wird unter den neueren Ansätzen, die erkannt haben, dass die Verbindung zwischen der Vätergeschichte und den Exoduserzählungen auf der Ebene der priesterlichen Texte hergestellt wurde, zumeist davon ausgegangen, dass dies im Rahmen einer ursprünglich unabhängig überlieferten priesterlichen Quelle geschah, in die die nichtpriesterliche Vätergeschichte und die nichtpriesterliche Exoduserzählung dann erst in einem zweiten Schritt eingearbeitet wurden.153 Dagegen spricht aber, dass sich die priesterlichen Passagen der Vätergeschichte durchweg als für den Kontext der —————

147 Vgl. hierzu etwa SCHMID, Erzväter, 56–169; GERTZ, Tradition, 382–388; BLUM, Verbindung, 123–145. 148 S.o. 28 mit Anm. 11. 149 Vgl. OTTO, Pentateuchredaktion, 101–111; SCHMID, Erzväter, 186–209; KEGLER, Berufung, 162–185. Zur weitergehenden Diskussion um die Frage, ob Ex 3,1–4,18 insgesamt oder nur in Teilen als nachpriesterlicher Einschub zu verstehen ist, vgl. BLUM, Verbindung, 123–133; RÖMER, Exodus 3–4, 65–79. 150 Vgl. GERTZ, Tradition, 380; BLUM, Verbindung, 153; ALBERTZ, Josephsgeschichte, 31. 151 Vgl. SCHMID, Erzväter, 296–299; GERTZ, Tradition, 58–63; BLUM, Verbindung, 154. 152 So schon, allerdings ohne umfassendere Begründung, WINNETT, Foundations, 18, sowie SCHMID, Erzväter, 253–255; ders., Yahwist, 41–47; DE PURY, Umgang, 39; ders., Jacob Story, 71– 72; GERTZ, Tradition, 380–388; ders., Transition, 84–87; OTTO, Deuteronomium, 261–265; ders., Art. Pentateuch, 1098–1099; BLUM, Verbindung, 145–151; ders., Connection, 96–106; RÖMER, Yahwist, 26–27; ALBERTZ, Beginn, 227–236. 153 Vgl. SCHMID, Erzväter, 255; ders., Yahwist, 41–47; DE PURY, Umgang, 39; ders., Jacob Story, 71–72; GERTZ, Tradition, 380–388; ders., Transition, 84–87; OTTO, Deuteronomium, 261– 265; ders., Art. Pentateuch, 1098–1099.

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

nichtpriesterlichen Vätergeschichte verfasste Bearbeitungsschicht erwiesen haben. Zudem hat sich auch der priesterliche Vers Ex 1,7 als ein für die folgende nichtpriesterliche Exoduserzählung verfasster Nachtrag erwiesen. Das heißt dann aber, dass die nichtpriesterliche Vätergeschichte und die zuvor unabhängig überlieferte nichtpriesterliche Exoduserzählung nicht erst sekundär in eine zuvor unabhängig überlieferte priesterliche Quelle eingetragen und so miteinander verbunden wurden. Es waren vielmehr die für die priesterlichen Texte verantwortlichen Autoren selbst, die über die von ihnen eingebrachte Brücke Gen 50,22; Ex 1,6a.7 einen erzählerischen Übergang zwischen der ihnen vorgegebenen, bis Gen 50,21 reichenden Josefgeschichte und der ihnen vorgegebenen, noch ab Ex 1,9 erhaltenen Exoduserzählung geschaffen und so die nichtpriesterliche Vätergeschichte und die – in ihrem Umfang noch genauer zu bestimmende –154 nichtpriesterliche Exoduserzählung erstmals zu einer durchlaufenden Großerzählung zusammengefügt haben.155 Der vorliegende Übergang zwischen der Vätergeschichte und den folgenden Exoduserzählungen ist also das Produkt eines komplexen Wachstumsprozesses. So liegt in Gen 50,1–12.13*(bis wta wrbqyw).14–21 der Abschluss der einst unabhängig überlieferten Josefgeschichte vor. Über die priesterlichen Verse Gen 50,22; Ex 1,6a.7, in denen der Tod des Josef und seiner Brüder sowie die Mehrung der Israeliten mitgeteilt wird, wurde die nichtpriesterliche Vätergeschichte – und zwar erstmals – mit der noch ab Ex 1,9 erhaltenen nichtpriesterlichen Exoduserzählung verbunden. Die in Gen 50,13*(ab hdf tr[mb) belegte Erwähnung der Grabhöhle und das in Ex 1,1–5 belegte Verzeichnis der Jakob-Söhne gehen sodann auf zwei nachbzw. spätpriesterliche Bearbeitungen zurück. Die Verse Gen 50,24–26; Ex 1,6b.8, in denen die Rückführung von Josefs Leichnam zugesagt und sodann das Auftreten eines neuen Pharao erwähnt wird, sind einer im weiteren Sinne als dtr. zu bezeichnenden, ebenfalls erst nachpriesterlich eingebrachten Bearbeitung zuzuschreiben. Diese Bearbeitung ist aufgrund der ————— 154

S.u. 153–158. So auch BLUM, Verbindung, 145–151; ders., Connection, 96–106; ALBERTZ, Josephsgeschichte, 29; ders., Beginn, 227–236. Dass die vorgegebene nichtpriesterliche Exoduserzählung ab Ex 1,9 erhalten ist, was kein Anfang einer eigenständig überlieferten Erzählung sein kann, heißt sodann, dass der ursprüngliche Beginn dieser Erzählung bei deren Einbau weggefallen ist; so auch BLUM, Verbindung, 147; ALBERTZ, Beginn, 236. Zudem dürfte das ursprüngliche Subjekt von Ex 1,9 – der ägyptische Pharao – aus diesem Vers entfallen sein, als Ex 1,8 vorangestellt wurde; so auch ALBERTZ, ebd. Die Annahme eines solchen Textausfalls spricht aber nicht gegen das hier vorgetragene Modell. Es ist doch mehr als naheliegend, dass sich die ursprüngliche Einleitung der Exoduserzählung nicht erhalten ließ, als die Josefgeschichte der Exoduserzählung als neue „Vorgeschichte“ vorangestellt wurde. Zudem lässt sich, wie insbesondere ALBERTZ, a.a.O., 227–238, gezeigt hat, ohnehin kein sinnvoller Einsatz einer unabhängig überlieferten Exoduserzählung rekonstruieren, weder in Ex 1 noch in Ex 2. An der Annahme eines Textausfalls führt an dieser Stelle also kein Weg vorbei. 155

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Die priesterlichen Passagen der Josefgeschichte

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erst in Jos 24,32 eingelösten Rückführung des Josef, aber auch aufgrund des in Gen 50–Ex 1 analog zu Jos 24–Ri 2 gestalteten Epochenübergangs von einer über den Pentateuch hinausgehenden, zumindest hexateuchischen Perspektive bestimmt. 2.3.8 Fazit Von den vorangehenden redaktionsgeschichtlichen Analysen herkommend ergeben sich einige grundlegende Einsichten in die Entstehung der Josefgeschichte und deren Integration in die werdende Vätergeschichte. So wurde die Josefgeschichte, die von vornherein den Textbereich Gen 37,3–50,21* umfasste, zunächst für sich überliefert und weiter bearbeitet. Der Josefgeschichte wurden etwa noch vor deren Integration in die werdende Vätergeschichte die Erzählung von Juda und Tamar in Gen 38, die Potiphar-Episode in Gen 39 oder die beiden zusammengehörigen Einheiten über die Geburt von Ephraim und Manasse in Gen 41,50–52 und die Segnung der beiden Josef-Söhne in Gen 48,1–20* hinzugefügt. Der priesterlichen Schicht sind die Textbereiche Gen 37,1.2aa; 41,46a; 46,6–7; 47,7–11.27b.28; 48,3–7; 49,1a.29a.33aab; 50,22 sowie – am Beginn der folgenden Exodusüberlieferungen – Ex 1,6a.7 zuzuweisen. Es wurde also zunächst in Gen 37,1.2aa mit der dort belegten Notiz über den Wohnsitz des Jakob, der darauf folgenden Toledot-Formel und dem kurzen Verweis auf die Hirtentätigkeit des Josef eine Überleitung von den Jakoberzählungen zur Josefgeschichte geschaffen. In Gen 41,46a wurde eine kleine Notiz über das Lebensalter des Josef bei seinem Auftreten vor dem Pharao angebracht. Es wurden in Gen 46,6–7 nähere Angaben zum Besitz des Jakob und seinen mit ihm nach Ägypten reisenden Angehörigen ergänzt. In Gen 47,7–11 wurde eine kurze Szene, in der das Auftreten des Jakob vor dem Pharao dargestellt wird, eingebracht. In Gen 47,27b.28 wurde eine Notiz über den neuen Wohnsitz der Jakob-Familie sowie ein neuerlicher Verweis auf das Lebensalter des Ahnherrn nachgetragen. Es wurde in Gen 48,3–7 eine kleine Rede des Jakob zugefügt, in der der Ahnherr zunächst auf eine frühere Gotteserscheinung zurückblickt, in der er sodann Ephraim und Manasse als seine Söhne annimmt und in der er schließlich den Tod seiner Frau Rahel erwähnt. Von den für die priesterlichen Texte verantwortlichen Kreisen wurde sodann der ursprünglich am Ende der Jakoberzählungen überlieferte Jakob-Segen Gen 49,1b*(rmayw).2–27.28a an seinen jetzigen Ort am Ende der Josefgeschichte umgestellt und über die neu geschaffene Einleitung in Gen 49,1a sowie die in Gen 49,29a.33aab ergänzte Todesnotiz in den vorliegenden Kontext integriert. Mit den ursprünglich direkt aufeinander folgenden Versen Gen 50,22; Ex 1,6a.7 wurde schließlich

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

ein erzählerischer Übergang zwischen den Vätererzählungen und den folgenden Exoduserzählungen geschaffen. Auch in der Josefgeschichte handelt es sich bei den priesterlichen Passagen also vor allem um kleinere Notizen und kürzere Erzähleinheiten. Aus diesen Passagen lässt sich auch hier kein durchlaufender Erzählfaden rekonstruieren. Zudem zeigt sich erneut, dass die priesterlichen Passagen teils sehr deutlich auf ihren vorgegebenen nichtpriesterlichen Kontext bezogen sind. Die priesterlichen Passagen der Vätergeschichte sind somit auch im Bereich der Josefgeschichte nicht als Teil einer einst unabhängig überlieferten Quelle, sondern als eine von vornherein für ihren vorgegebenen nichtpriesterlichen Kontext verfasste Bearbeitungsschicht zu verstehen. Aber mehr noch: Über die priesterlichen Passagen wurde die nichtpriesterliche Josefgeschichte überhaupt erst in die werdende Vätergeschichte, ja in den werdenden Pentateuch eingebunden. Es waren die für die priesterlichen Passagen verantwortlichen Kreise, die erstmals eine Verbindung zwischen den nichtpriesterlichen Abraham-/Isaak-/Jakob-Erzählungen und der nichtpriesterlichen Josefgeschichte hergestellt haben. Und im Rahmen dieser Bearbeitung wurde auch erstmals eine literarische Verbindung zwischen der so um die Josefgeschichte erweiterten Vätergeschichte und den folgenden nichtpriesterlichen Exoduserzählungen geschaffen. Im Rahmen der vorgestellten redaktionsgeschichtlichen Analysen zur Josefgeschichte zeigten sich sodann noch einige weitere, nachpriesterliche Bearbeitungen. So wurde die in Gen 46,1ab–5a belegte Verheißung erst nachpriesterlich zugefügt. Eine als spätpriesterlich zu bezeichnende Bearbeitung brachte das in Ex 1,1–5 belegte Verzeichnis der Jakob-Nachfahren ein. Auf eine im weiteren Sinne als dtr. zu bezeichnende Redaktion gehen die Verse Gen 50,24–26; Ex 1,6b.8 zurück, die hier am Übergang von der Vätergeschichte zu den Exodusüberlieferungen einen analog zu Jos 24–Ri 2 gestalteten Epocheneinschnitt geschaffen hat. Im Rahmen einer weiteren nachpriesterlichen Bearbeitung wurden die in Gen 49,29b.30–32; 50,13*(ab hdf tr[mb) belegten Rückverweise auf den Kauf der Grabhöhle ergänzt. Schließlich fanden sich in Gen 37,2abb und 49,1b*(ohne rmayw) noch zwei kleinere, vereinzelte Bearbeitungen.

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Ausblick: Die priesterlichen Passagen im Pentateuch

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2.4 Ausblick: Die priesterlichen Passagen im Pentateuch Die redaktionsgeschichtliche Analyse der Vätergeschichte ergibt, dass die in diesem Bereich identifizierbaren priesterlichen Passagen nicht als Teil einer ursprünglich unabhängig überlieferten Quelle zu verstehen sind, die dann erst sekundär mit den nichtpriesterlichen Väterüberlieferungen verbunden wurde. Die priesterlichen Passagen der Vätergeschichte sind vielmehr als eine für den Kontext der nichtpriesterlichen Väterüberlieferungen verfasste Bearbeitungsschicht aufzufassen. Ja mehr noch: Über die priesterlichen Passagen wurden erstmals zuvor unabhängige Überlieferungskomplexe miteinander verbunden, so die nichtpriesterlichen Abraham-/Isaak-/ Jakob-Erzählungen, die nichtpriesterliche Josefgeschichte und die nichtpriesterliche Exoduserzählung. Im Folgenden ist nun noch auf Argumente einzugehen, die gegen die Einschätzung der priesterlichen Passagen als Bearbeitungsschicht vorgebracht wurden, deren Argumentationsbasis aber über die Vätergeschichte hinausgeht, weshalb sie im Rahmen der zuvor vorgelegten isolierten Betrachtung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte nicht zur Sprache gebracht werden konnten. Es ist sodann – über die vorangehenden Darlegungen zur Vätergeschichte hinaus – der literarische Charakter wie auch der Umfang der priesterlichen Passagen im Pentateuch zu bestimmen. Gegen die These, dass es sich bei den priesterlichen Passagen um eine Bearbeitung handelt, wird häufig eingewandt, dass einige der priesterlichen Texte nur im Rahmen einer selbständig überlieferten Quelle verständlich sind, zusammen mit den nichtpriesterlichen Texten aber keinen Sinn mehr ergeben. Dabei wird insbesondere auf das priesterliche Konzept der dreistufigen Offenbarung des Gottesnamens verwiesen.1 Wie stets gesehen, wird in den priesterlichen Passagen des Pentateuch in der Urgeschichte und am Beginn der Vätergeschichte die allgemeine Gottesbezeichnung Elohim (~yhla), ab dem in Gen 17 belegten Abrahambund auch der Gottesname El Shadday (ydv la) und schließlich ab der in Ex 6 dargestellten Berufung des Mose der Gottesname Jhwh (hwhy) verwandt.2 Sollten die priesterlichen Passagen nun tatsächlich von vornherein für ihren vorgegebenen nichtpriesterlichen Kontext verfasst worden sein, so scheint dem priesterlichen Konzept der dreistufigen Offenbarung des Gottesnamens zu widersprechen, —————

1 Vgl. hierzu etwa MOWINCKEL, Erwägungen, 19–20; W.H. SCHMIDT, Nachwirkungen, 370– 371; Koch, P, 465–466; L. SCHMIDT, Studien zur Priesterschrift, 5–6; PROPP, Priestly Source, 469; SCHMITT, Arbeitsbuch, 194; RÖMER, Exodus Narrative, 58. 2 Zum priesterlichen Konzept der dreistufigen Offenbarung des Gottesnamens vgl. nur GUNKEL, HK 1,1, 264–267; ZIMMERLI, ZBK.AT 1,2, 67–69; WESTERMANN, BK 1,2, 309–311; GERTZ, Tora, 237–238; SCHMITT, Arbeitsbuch, 196; siehe hierzu auch unten 182–183.

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

dass in den nichtpriesterlichen Passagen doch schon vor Ex 6 der Gottesname Jhwh gebraucht wird. Dies ist jedoch – zumindest mit Blick auf die Vätergeschichte – nicht zwingend der Fall:3 Zu beachten ist nämlich, dass der Gottesname Jhwh in den nichtpriesterlichen Passagen der Vätergeschichte zwar häufig belegt ist. Er wird in narrativen Zusammenhängen wie auch in den wörtlichen Reden der Menschen gebraucht. Doch nur an zwei Stellen findet sich eine explizite Selbstvorstellung Gottes, in der Gott sich dem jeweils Angesprochenen als Jhwh offenbart (hwhy yna, Gen 15,7; 28,13). Gerade diese beiden Stellen erweisen sich aber als erst nachpriesterlich eingebrachte Zufügungen. So geht die in Gen 15 belegte nichtpriesterliche Version des Abrahambundes, wie bereits erwähnt, auf eine im weiteren Sinne als deuteronomistisch zu bezeichnende Bearbeitung zurück, die der Vätergeschichte erst nach den priesterlichen Passagen zugefügt wurde.4 Und von eben dieser Bearbeitung dürfte auch Gen 28,13a*(ab yna) mit der dort belegten Selbstvorstellung Gottes als Jhwh ergänzt worden sein.5 Hinzu kommt eine weitere Beobachtung: In den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte schlägt sich das Konzept der dreifachen Namensoffenbarung nur in den wörtlichen Reden nieder. Denn der Gottesname El Shadday wird in der Vätergeschichte nur in wörtlichen Reden gebraucht (Gen 17,1; 28,3; 35,11; 48,3). In narrativen Zusammenhängen wird in den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte dagegen die allgemeine Gottesbezeichnung Elohim verwandt (Gen 17,3.7.8.15.18.19.22; 19,29; 25,11; 35,9. 10.11.13).6 Aber mehr noch: Die Verwendung des Namens El Shadday ist —————

3 Zum Verhältnis der priesterlichen und der nichtpriesterlichen Passagen in der Urgeschichte und den Exoduserzählungen s.u. 150–158. 4 S.o. 28 mit Anm. 11. 5 So ist zu beachten, dass die in Gen 28,13–14 belegte Verheißung, wie oben 31 Anm. 19 gezeigt, in nahezu allen Details parallel zu den am Beginn der Abrahamerzählungen in Gen 12,1–3; 13,14–17 belegten Verheißungen formuliert ist. Es finden sich hier wie dort eine Segens-, eine Land- und eine Mehrungsverheißung, und an beiden Stellen werden die vier Himmelsrichtungen genannt. Doch für die in Gen 28,13a*(ab yna) belegte Selbstvorstellung Gottes findet sich in Gen 12,1–3; 13,14–17 keine Parallele. Beachtenswert ist aber, dass die hier in Gen 28,13a* gebrauchte Formulierung $yba PN yhla – also eine Vätergott-Formulierung mit charakteristisch nachgestelltem $yba – im gesamten Alten Testament nur ein weiteres Mal belegt ist, nämlich in Gen 26,24. Dieser Vers wird von BLUM, Komposition, 365, oder ALBERTZ, Exilszeit, 195, aber zurecht der dtr. Bearbeitung der Vätergeschichte zugerechnet. Es ist daher überaus wahrscheinlich, dass auch Gen 28,13a*(ab yna) auf eben diese Bearbeitung zurückgeht. 6 In dem priesterlichen Vers Gen 17,1 ist sogar der Gottesname hwhy belegt. Es ist allerdings höchst unwahrscheinlich, dass der Gottesname an dieser Stelle ursprünglich ist. Denn im weiteren Verlauf von Gen 17 wird konsequent die allgemeine Gottesbezeichnung ~yhla verwandt. So dürfte in Gen 17,1 ein ursprüngliches ~yhla – etwa durch einen Abschreiber – gegen das vorliegende hwhy ersetzt worden sein; vgl. HOLZINGER, KHC 1, 125; GUNKEL, HK 1,1, 267; L. SCHMIDT, Studien zur Priesterschrift, 5–6 Anm. 17; SEEBASS, Genesis II,1, 99, gegen WESTERMANN, BK 1,2, 309; LOHFINK, Priesterschrift, 206 Anm. 42; SCHARBERT, NEB.AT 16, 143.

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Ausblick: Die priesterlichen Passagen im Pentateuch

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in den priesterlichen Passagen ganz auf die Selbstvorstellung Gottes als dieser Gott begrenzt. So teilt sich Gott in Gen 17,1 und 35,11 als El Shadday mit, worauf dann in Gen 28,3–4 und 48,3–4 zurückgeblickt wird.7 Das heißt doch aber, dass das priesterliche Konzept der dreistufigen Namensoffenbarung nicht an einem einheitlichen Gebrauch der Gottesbezeichnungen in den einzelnen Teilbereichen hängt. Das priesterliche Konzept ist vielmehr ganz auf die von Gott her geschehende Mitteilung seines Namens beschränkt und wird in dieser Hinsicht auch dann, wenn die priesterlichen Passagen als Bearbeitung der nichtpriesterlichen Vätergeschichte verstanden werden, konsequent durchgeführt. Der in einer priesterlich bearbeiteten Vätergeschichte schon vor Ex 6 belegte Gebrauch des Gottesnamens Jhwh, sei es in narrativen Zusammenhängen oder auch im Munde von Menschen, lässt sich dann ohne weiteres so verstehen, dass damit von vornherein festgestellt und festgehalten wird, dass der Gott, der sich den Menschen erst als Elohim und dann als El Shadday offenbart, eben kein anderer ist als der Gott Jhwh. Das priesterliche Konzept der dreistufigen Offenbarung des Gottesnamens ist also sehr wohl auch unter der Voraussetzung, dass es sich bei den priesterlichen Passagen um eine Bearbeitungsschicht handelt, sinnvoll und verständlich. Gegen die Einschätzung der priesterlichen Passagen als Bearbeitungsschicht wird nun aber nicht nur das priesterliche Konzept der dreistufigen Namensoffenbarung angeführt. Gegen diese These werden auch die zwischen den priesterlichen und nichtpriesterlichen Texten bestehenden Dubletten und Doppelüberlieferungen vorgebracht.8 Insbesondere wird auf die Urgeschichte und das dort belegte Nebeneinander zweier Schöpfungsberichte, der priesterlichen Version in Gen 1,1–2,4a und der nichtpriesterlichen Version in Gen 2,4b–25, sowie das dort belegte Neben- und Ineinander zweier, nahezu vollständig rekonstruierbarer Versionen der Fluterzählung in Gen 6,5–9,17 verwiesen. Zudem wird auf den vergleichbaren Befund in den Exodusüberlieferungen aufmerksam gemacht, wo sich vor allem im Bereich der Plagenerzählungen Ex 7–12 sowie bei der Erzählung vom Durchzug durch das Schilfmeer Ex 14 erneut zwei nahezu vollständig rekonstruierbare Erzählfäden, ein priesterlicher und ein nichtpriesterlicher, voneinander abheben lassen. Nach der häufig vorgetragenen Sicht lassen sich derartige Doppelüberlieferungen eher als sekundäre Zusammenfassung zweier zuvor unabhängig überlieferter Quellen, also einer priesterlichen und ————— 7

Dies wurde bislang vor allem von LOHFINK, Priesterschrift, 206 Anm. 42, gesehen. Vgl. hierzu etwa MOWINCKEL, Erwägungen, 11–15; ZENGER, Gottes Bogen, 35; ders., Einleitung, 161; KOCH, P, 456–462; EMERTON, Priestly Writer, 396–397; CAMPBELL, Priestly Text, 42– 45; L. SCHMIDT, Studien zur Priesterschrift, 1–34; PROPP, Priestly Source, 460–461; SCHMITT, Arbeitsbuch, 194. 8

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

einer nichtpriesterlichen Quelle, denn als Produkt der sekundären priesterlichen Bearbeitung einer nichtpriesterlichen Vorlage erklären. Es ist nun nicht möglich, die Entstehung der Urgeschichte und des Exodusbuches umfassend zu diskutieren. Es sollen aber doch – in aller gebotenen Kürze und mit aller gebotenen Vorsicht – einige grundlegende Überlegungen zu diesen Textbereichen vorgebracht werden. So ist zunächst für den Bereich der Urgeschichte zuzugestehen, dass unter den in der Forschung vertretenen Alternativen – der Annahme einer priesterlichen und einer nichtpriesterlichen Quelle,9 der Annahme einer nichtpriesterlichen Grundschicht und einer priesterlichen Überarbeitung10 sowie, gerade umgekehrt, der Annahme einer priesterlichen Grundschicht und einer nichtpriesterlichen Überarbeitung11 – die zuerst genannte Alternative, also das Quellenmodell, durchaus am wahrscheinlichsten sein dürfte. Denn anders als in der Vätergeschichte zeigt sich hier tatsächlich die von den Bestreitern des Redaktionsmodells betonte, zumindest relative Vollständigkeit und Eigenständigkeit der beiden Erzählstränge. So lässt sich bei der Urgeschichte etwa im Bereich der Flutgeschichte ein kompletter und in sich verständlicher priesterlicher Erzählstrang rekonstruieren. Dass im Bereich der nichtpriesterlichen Flutgeschichte nach Abzug der priesterlichen Passagen Lücken verbleiben – es fehlen etwa die Bauanweisungen –, lässt sich hier ohne weiteres so erklären, dass sich bei der Zusammenarbeitung der beiden Quellen gewisse Dopplungen nicht ohne weiteres nebeneinanderstellen ließen und daher Teile der einen Quelle ausgelassen werden mussten.12 Die Tatsache, dass an anderer Stelle ganze Erzählzüge doppelt —————

9 Vgl. nur WELLHAUSEN, Composition, 2–14; GUNKEL, HK 1,1, 137–140; MOWINCKEL, Erwägungen, 11–12; WESTERMANN, BK 1,1, 532–535, sowie in neuerer Zeit etwa FRITZ, Erde, 600– 601; ZENGER, Gottes Bogen, 103–107; CARR, Fractures, 77; WITTE, Urgeschichte, 325–331; BAUMGART, Umkehr, 381–418; GERTZ, Beobachtungen, 42–53; ders., Source Criticism, 169–180. 10 So vor allem VOLZ, P, 140–142; CROSS, Priestly Work, 301–307; RENDTORFF, L‫ތ‬histoire biblique, 83–94; BLUM, Studien, 278–285; VAN SETERS, Prologue, 160–165. 11 Vgl. etwa BLENKINSOPP, Pentateuch, 93; ders., Lay source, 49–61; OTTO, Paradieserzählung, 173–189; ARNETH, Adams Fall, 227–236; SCHÜLE, Prolog, 425–430; ders., ZBK.AT, 15–19, sowie für den Bereich der Fluterzählung KRATZ, Komposition, 259–262; BOSSHARD-NEPUSTIL, Sintflut, 265; SCHMID, Literaturgeschichte, 153–157. 12 Dass der nichtpriesterliche Erzählfaden der Flutgeschichte Lücken aufweist, wird von den Vertretern der These, dass die nichtpriesterlichen Passagen der Urgeschichte als Redaktion einer priesterlichen Grundschicht zu verstehen sind, als gewichtiges, ja entscheidendes Argument zur Stützung ihrer These vorgebracht; vgl. BLENKINSOPP, Lay source, 56–57; ARNETH, Adams Fall, 173–174; SCHÜLE, Prolog, 259–260. Angesichts möglicher Textausfälle ist dieses Argument aber keinesfalls zwingend. Ja, wie GERTZ, Beobachtungen, 49; ders., Source Criticism, 175, gezeigt hat, lässt sich für den Fall der im nichtpriesterlichen Bereich fehlenden Bauanweisungen sogar nachweisen, dass dies mit einem Textausfall zu erklären ist. Denn in den nichtpriesterlichen Passagen der Flutgeschichte wird in Gen 8,6 dargestellt, dass Noah am Ende der Flut ein Fenster (!wlx) öffnet. Ein solches Fenster wird in den priesterlichen Bauanweisungen Gen 6,14–16 aber nicht erwähnt. Es ist somit durchaus wahrscheinlich, dass auch die nichtpriesterlichen Passagen

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Ausblick: Die priesterlichen Passagen im Pentateuch

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überliefert sind – so die Aufforderung zum Betreten der Arche in 6,18b.19– 21 (P) und 7,1–5 (nP) oder das Einsteigen in die Arche in 7,7 (nP) und 7,13 (P) –, spricht jedenfalls deutlich dafür, dass hier zwei zuvor unabhängig überlieferte Texte zusammengearbeitet wurden. Aber mehr noch: Gerade im Bereich der Flutgeschichte lassen sich, wie häufig gesehen, neben der priesterlichen und der nichtpriesterlichen Schicht einige auf eine dritte Hand zurückgehende redaktionelle Notizen erkennen, über die ein gewisser Ausgleich zwischen den priesterlichen und den nichtpriesterlichen Textbereichen geschaffen wird, etwa hinsichtlich der mit in die Arche genommenen Tiere.13 Das bedeutet doch, dass weder die priesterliche noch die nichtpriesterliche Schicht als redaktionelle Bearbeitung der jeweils anderen Schicht zu verstehen ist, sondern dass die redaktionelle Zusammenfassung dieser beiden Schichten eben erst durch diese dritte Hand, also einen späteren Redaktor, geschehen ist.14 Doch nicht nur im Bereich der Urgeschichte, auch im Bereich der zuvor genannten Exodusüberlieferungen, also bei den Plagenerzählungen oder der Erzählung vom Durchzug durch das Schilfmeer, scheint die vorliegende Gestalt des Textes eher durch ein Quellen- als durch ein Redaktionsmodell erklärbar zu sein. So ist etwa bei den Plagenerzählungen beachtenswert, dass auch hier die priesterlichen und die nichtpriesterlichen Passagen jeweils einen vollständigen und in sich verständlichen Erzählzusammenhang ergeben. Es lassen sich, um nur ein Beispiel zu nennen, bei der ersten Plage in Ex 7,9–25 zwei vollständig erhaltene Erzählstränge voneinander abheben, ein priesterlicher Erzählstrang, nach dem die Wasser Ägyptens auf ein Stabwunder des Aaron hin zu Blut verwandelt werden (7,19.20*[bis hwhy]. ————— der Fluterzählung einst Bauanweisungen – inklusive des besagten Fensters – umfasst haben, die dann bei der Zusammenarbeitung der priesterlichen und der nichtpriesterlichen Flutgeschichte ausgelassen wurden. Auf eine Lücke ganz anderer Art – nun gerade im priesterlichen Text – machen sodann CROSS, Priestly Work, 306–307, oder BLUM, Studien, 280, aufmerksam. Ihrer Ansicht nach fehlt im priesterlichen Text der Urgeschichte zwischen Schöpfungsbericht und Flutgeschichte eine Erklärung, wie es zu der in Gen 6,11–12 genannten Verderbnis der Menschheit gekommen ist. Nach Cross und Blum setzen die priesterlichen Passagen deshalb die nichtpriesterlichen Schuld-Strafe-Erzählungen in Gen 3ff voraus, so dass ihrer Ansicht nach – und im Gegensatz zu den zuvor genannten Ansätzen – die priesterlichen Passagen der Urgeschichte als Bearbeitung einer nichtpriesterlichen Grundschicht anzusehen sind. Dass die priesterliche Flutgeschichte eine Erklärung der menschlichen Verderbnis erfordert, ist doch aber, wie etwa CARR, Fractures, 77, zurecht betont, ein aus dem nichtpriesterlichen Text gewonnenes Postulat. 13 Der Redaktion sind wohl zumindest die Verse Gen 6,7ab; 7,3a.8–9.23aa* zuzuweisen; vgl. hierzu, mit Unterschieden im Detail, GUNKEL, HK 1,1, 137–152; WESTERMANN, BK 1,1, 546– 614; CARR, Fractures, 77; WITTE, Urgeschichte, 334; BAUMGART, Umkehr, 409–418. 14 Auch für MOWINCKEL, Erwägungen, 11–12, oder CARR, Fractures, 77, ist die in Gen 6–8 erkennbare Redaktion ein entscheidendes Argument dafür, dass die priesterlichen und die nichtpriesterlichen Passagen der Flutgeschichte als zunächst unabhängig überlieferte Erzählungen – und somit als quellenhaft – anzusehen sind.

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

21b.22), und ein nichtpriesterlicher Erzählstrang, nach dem das Wasser des Nils auf direkte Initiative Jhwhs hin ungenießbar wird (7,14.15a.16. 17ab*[ohne hjmb bis ydyb und ohne ~dl wkphnw].18.20a*[$yw bis rayb]. 21a.23–25).15 Zudem sind auch hier wieder einige redaktionelle Notizen erkennbar (7,15b.17b*[hjmb bis ydyb und ~dl wkphnw].20*[hjmb ~ryw und h[rp yny[l bis ~dl]), durch die die beiden Erzählstränge so aneinander angeglichen wurden, dass nun auch im nichtpriesterlichen Bereich ein Stabwunder durchgeführt wird und zur Verwandlung des Wassers zu Blut führt. Dabei gehen diese redaktionellen Notizen recht eindeutig auf eine dritte Hand zurück, die die priesterlichen und nichtpriesterlichen Überlieferungen aufgenommen und miteinander verbunden hat.16 Auch in den Pla—————

15 Zu dieser Schichtung der in Ex 7,9–25 belegten Plagenerzählung vgl., mit Unterschieden im Detail, KOHATA, Jahwist, 93–94; W.H. SCHMIDT, BK 2,2, 376–386; GERTZ, Tradition, 79.98–106. 16 Dass die redaktionellen Notizen auf eine dritte Hand zurückgehen, zeigt sich daran, dass diese Textbereiche gleichermaßen Differenzen zu den priesterlichen wie zu den nichtpriesterlichen Passagen aufweisen. Im Gegensatz zu den priesterlichen Passagen führt nach den redaktionellen Notizen Mose und nicht Aaron den Stab (7,17b*.20a*), und es wird nur der Nil, nicht das Wasser im ganzen Land zu Blut verwandelt (7,17b*.20b). Im Gegensatz zu den nichtpriesterlichen Passagen bewirkt nach den redaktionellen Notizen ein Stabwunder, nicht eine direkte göttliche Handlung die Plage (7,17b*.20a*). Die redaktionellen Notizen sind sodann für den vorliegenden Zusammenhang des priesterlichen und des nichtpriesterlichen Erzählfadens unverzichtbar. Sie können also nicht erst nach der Verbindung von priesterlichem und nichtpriesterlichem Text eingebracht worden sein, sondern wurden zur Verbindung der unabhängig überlieferten priesterlichen und nichtpriesterlichen Plagenerzählungen ergänzt. Beachtenswert ist etwa, dass der priesterliche Textbereich Ex 7,19.20a*, nach dem Mose und Aaron dazu aufgefordert werden, mit einem Stabwunder die Wasser Ägyptens zu Blut zu verwandeln, und der folgende nichtpriesterliche Textbereich 7,20a*.21a, nach dem auf einen Schlag ins Wasser die Fische sterben und das Wasser des Nils ungenießbar wird, nur schlecht aneinander anschließen. Denn die in Ex 7,20a*.21a beschriebene Plage – das Fischsterben – entspricht doch nicht der in 7,19.20a* belegten Ankündigung – der Verwandlung des Wassers zu Blut. Erst durch die redaktionelle Notiz in 7,20b, nach der das Wasser des Nils zu Blut verwandelt wird, entsteht ein solider Zusammenhang zwischen Ankündigung und Durchführung der Plage. Nun haben auch VAN SETERS, Plagues, 31–32 mit Anm. 3; ders., Life, 77, und BERNER, Exoduserzählung, 210, erkannt, dass die in Ex 7,20b belegte Aussage über die Verwandlung des Wassers zu Blut für den Zusammenhang der priesterlichen und der nichtpriesterlichen Passagen in Ex 7,19–20 unentbehrlich ist. Da sie aber davon ausgehen, dass die priesterlichen Passagen der Plagenerzählungen als Redaktion einer nichtpriesterlichen Vorlage anzusehen sind, setzen sie die in Ex 7,20b belegte Aussage über die Verwandlung des Wassers zu Blut (wie auch die entsprechende Notiz in Ex 7,17*) entweder, so Van Seters, auf der Ebene der vorpriesterlichen Grundschicht, oder, so Berner, auf der Ebene einer frühen priesterlichen, der in 7,19.20a* belegten priesterlichen Bearbeitung vorausgehenden Redaktion an. Bei diesen Ansätzen bleibt nun aber unerklärt, warum die für Ex 7,19 verantwortlichen priesterlichen Redaktoren an dieser Stelle überhaupt eine – und sogar nochmals eigens eingeleitete – Aufforderung zur Verwandlung des Wassers zu Blut in ihre Vorlage eingebracht haben sollten, wenn dieses Motiv in dem vorgegebenen Text bereits vorhanden war. Zudem bleibt unerklärt, warum die priesterlichen Passagen – auch und gerade angesichts der eigens eingeleiteten Aufforderung in Ex 7,19 – einen eigenständigen und in sich verständlichen Zusammenhang ergeben. Anders als Van Seters und Berner geht denn auch BLUM, Studien, 242–256, der die priesterlichen Passagen ebenfalls als für den Kontext der nichtpriesterlichen Passagen verfasste Bearbeitung ver-

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Ausblick: Die priesterlichen Passagen im Pentateuch

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generzählungen bietet sich daher zur Erklärung der vorliegenden Gestalt des Textes eher ein Quellen- als ein Redaktionsmodell an. In der Urgeschichte wie auch in den genannten Texten der Exodusüberlieferung ist das Neben- und Ineinander von priesterlichen und nichtpriesterlichen Textbereichen also tatsächlich so zu erklären, dass dort zwei ursprünglich unabhängig voneinander überlieferte Quellen erst sekundär zusammengearbeitet wurden. Diese Erkenntnis spricht nun aber nicht gegen die hier vertretene These, dass die priesterlichen Passagen der Vätergeschichte als für den Kontext der nichtpriesterlichen Vätergeschichte verfasste Bearbeitung zu verstehen sind. Sie spricht nur dagegen, die vorliegende Gestalt der einzelnen Überlieferungskomplexe des Pentateuch mit ein und demselben Entstehungsmodell zu erklären. So ist im Bereich der Urgeschichte davon auszugehen, dass die priesterlichen Autoren eine eigene und eigenständige Erzählung von Schöpfung und Flut formuliert und die folgende Vätergeschichte – nun unter Aufnahme vorgegebener nichtpriesterlicher Überlieferungen – hieran angeschlossen haben. Die ursprünglich selbständige nichtpriesterliche Urgeschichte, die zunächst, wie in neuerer Zeit häufiger gesehen, in keinem literarischen Zusammenhang mit der nichtpriesterlichen Vätergeschichte stand,17 wurde dann sekundär in den priesterlichen Text eingearbeitet. Etwas differenzierter sind die Verhältnisse am Beginn des Exodusbuches zu sehen. Hier führten die zuvor vorgestellten redaktionsgeschichtlichen Überlegungen ja zu dem Schluss, dass auf der Ebene der priesterlichen Passagen über die Verse Gen 50,22; Ex 1,6a.7 erstmals ein erzählerischer Zusammenhang zwischen der nichtpriesterlichen Josefgeschichte und den folgenden nichtpriesterlichen Exodusüberlieferungen hergestellt wurde.18 In den Plagenerzählungen wie auch in der Erzählung vom Durchzug durch das ————— steht, bei den Plagenerzählungen davon aus, dass die priesterlichen Redaktoren zunächst eine eigenständige Plagenkomposition verfasst und diese dann selbst in den vorgegebenen nichtpriesterlichen Text eingearbeitet haben. Auf diese Weise kann Blum – im Gegensatz zu Van Seters oder Berner – erklären, warum die priesterlichen Passagen einen vollständigen und in sich verständlichen Zusammenhang ergeben, und er kann zugleich an der Annahme einer priesterlichen Redaktion festhalten. Gegen diese These spricht aber wiederum die in den Plagenerzählungen erkennbare Redaktion. Da diese Redaktion zum einen, angesichts erkennbarer Differenzen zur priesterlichen wie zur nichtpriesterlichen Schicht, auf eine dritte Hand zurückgeht und da diese Redaktion zum anderen für den vorliegenden Zusammenhang der beiden Erzählfäden unverzichtbar ist, erscheint die Annahme, dass die priesterlichen Autoren selbst eine von ihnen verfasste Plagenkomposition in den nichtpriesterlichen Text eingearbeitet haben, eher unwahrscheinlich. Zur weiteren Kritik an den für die Plagenerzählungen vertretenen Redaktionsmodellen vgl. auch GERTZ, Tradition, 84–97. 17 Zur Eigenständigkeit der nichtpriesterlichen Urgeschichte vgl. vor allem CRÜSEMANN, Eigenständigkeit, 13–29, sowie BLUM, Komposition, 359–360; ders., Art. Urgeschichte, 438–439; WITTE, Urgeschichte, 192–205; GERTZ, Tora, 256–258; ders., Babel, 12–13. 18 S.o. 141–144.

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

Schilfmeer lassen sich dann aber, wie soeben ausgeführt, zwei ursprünglich getrennt überlieferte Erzählstränge, ein priesterlicher und ein nichtpriesterlicher, voneinander abheben. Dieser zunächst recht erstaunliche Befund lässt sich nun am ehesten so erklären, dass die priesterlichen Autoren am Beginn der Exoduserzählungen noch auf vorgegebene nichtpriesterliche Überlieferungen zurückgegriffen haben, dann aber ab einem bestimmten Punkt – wie zuvor in der Urgeschichte – weitgehend eigenständig formuliert haben. Und genau diese Annahme lässt sich sogar noch weiter begründen und präzisieren. So ist nochmals auf die schon mehrfach angesprochene These zurückzukommen, dass die nichtpriesterliche Fassung der Mose-Berufung in Ex 3,1– 4,18 erst sekundär in den vorliegenden Zusammenhang integriert wurde.19 Beachtenswert sind hier die an den Rändern dieses Textbereichs erkennbaren Nahtstellen in Ex 2,23–25 // Ex 3,1 und Ex 4,18 // Ex 4,19.20a: 2,23aa Im Verlauf jener langen Zeit starb der König von Ägypten. 23abb Und die Israeliten stöhnten über die Knechtschaft, sie schrien, und ihr Schreien über ihre Knechtschaft kam vor Gott. 24 Da hörte Gott ihr Seufzen, und Gott gedachte seines Bundes mit Abraham, Isaak und Jakob. 25 Gott sah die Israeliten an, und Gott ‫ދ‬offenbarte sich‫ތ‬.20 3,1

Mose aber hütete die Schafe Jitros, seines Schwiegervaters, des Priesters von Midian, und er trieb die Schafe über die Wüste hinaus, und er kam an den Berg Gottes, den Horeb. ...

4,18

4,19

20a

Mose kehrte zu seinem Schwiegervater Jitro zurück und sprach zu ihm: Ich will zu meinen Brüdern, die in Ägypten sind, zurückkehren, und sehen, ob sie noch leben. Da sprach Jitro zu Mose: Geh in Frieden.

Da sprach Jhwh zu Mose in Midian: Geh, kehr zurück nach Ägypten. Denn alle Männer, die dir nach dem Leben trachteten, sind gestorben. So nahm Mose seine Frau und seine Söhne, und er setzte sie auf den Esel und kehrte zurück in das Land Ägypten.

————— 19

S.o. 143 mit Anm. 149. Lies mit LXX [d;W"YIw:; vgl. nur NOTH, ATD 5, 17; W.H. SCHMIDT, BK 2,1, 79; PROPP, AncB 2, 178; RÖMER, Exodus 3–4, 69. 20

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Bei der in Ex 3,1–4,18 belegten Mose-Berufung ist zunächst die hintere Nahtstelle in Ex 4,18 // Ex 4,19.20a zu betrachten. So wird in Ex 4,18 dargestellt, dass Mose zu seinem Schwiegervater zurückkehrt, dass er ihn über sein Vorhaben, nach Ägypten zu gehen, informiert und dass er von seinem Schwiegervater verabschiedet wird. In Ex 4,19 wird dann erwähnt, dass Jhwh Mose dazu auffordert, nach Ägypten zurückzukehren, da seine dortigen Widersacher gestorben sind. Ex 4,19 fällt also deutlich hinter 4,18 zurück. Denn die Entscheidung zur Rückkehr nach Ägypten, zu der Mose in 4,19 aufgefordert wird, ist nach dem vorangehenden Vers 4,18 doch bereits gefallen.21 Wie häufig gesehen, schließt Ex 4,19 nun aber gut an Ex 2,23aa mit der dort belegten Aussage, dass der König von Ägypten starb, an.22 Die dazwischen liegende Berufung des Mose, die in 3,1 mit Moses Auszug in die Wüste beginnt und ganz entsprechend in 4,18 mit der Rückkehr zu seinem Schwiegervater endet, wurde dann erst sekundär in den vorliegenden – wohl bereits um die priesterlichen Verse 2,23ab–25 erweiterten –23 Zusammenhang eingebracht. Dabei dürfte, wie ebenfalls schon häufiger gesehen, die in Ex 3,1–4,18 belegte Mose-Berufung – oder zumindest der Grundbestand dieser Einheit – nicht für den vorliegenden Kontext verfasst, sondern aus vorgegebenem Gut übernommen und zwischen Ex 2,1–25 und 4,19.20a integriert worden sein.24 Für die Aufnahme von vorgegebenem Gut spricht etwa, dass der Schwiegervater des Mose in Ex 2,18 Reguel, in Ex 3,1; 4,18 aber Jitro genannt wird.25 Zudem spricht hierfür, dass in Ex 3,1–4,18* und Ex 4,19.20a, —————

21 Vgl. etwa RUDOLPH, Elohist, 6–7; PROPP, AncB 2, 215; W.H. SCHMIDT, BK 2,1, 209; BLUM, Studien, 20; GERTZ, Tradition, 255. 22 So auch RUDOLPH, Elohist, 6–7; NOTH, Überlieferungsgeschichte, 31–32 Anm. 103; BLUM, Studien, 20; RÖMER, Exodus 3–4, 77; GERTZ, Tradition, 256; ALBERTZ, Beginn, 238. 23 Zur nachpriesterlichen Einarbeitung von Ex 3,1–4,18* s.u. 156–157. 24 So schon RUDOLPH, Elohist, 6–7; NOTH, Überlieferungsgeschichte, 31–32 Anm. 103, sowie in neuerer Zeit GERTZ, Tradition, 256–257; ALBERTZ, Beginn, 245; vgl. sodann auch LEVIN, Jahwist, 329–330. 25 Vgl. RUDOLPH, Elohist, 7; BLUM, Studien, 20; GERTZ, Tradition, 254–255. Dass das in Ex 2,18 // 3,1; 4,18 belegte Nebeneinander der verschiedenen Namen des Schwiegervaters mit der Aufnahme vorgegebener Überlieferungen zu erklären ist, wird neuerdings von BERNER, Exoduserzählung, 124–126, bestritten. Nach Berner wurde der Reguel-Name in Ex 2,18 erst sekundär eingetragen, um so den in Ex 3,1; 4,18 Jitro genannten Schwiegervater des Mose mit dem in Num 10,29 als Vater des Hobab erwähnten Reguel in Verbindung zu bringen. Diese These ist aber kaum überzeugend und dient erkennbar dem Zweck, an dieser Stelle von einer überlieferungsgeschichtlichen Lösung – die Berner nach seinen methodischen Prämissen stets ausschließt – absehen zu können. Wenn nämlich der in Ex 3,1; 4,18 Jitro genannte Schwiegervater des Mose tatsächlich mit dem in Num 10,29 erwähnten Reguel hätte gleichgesetzt werden sollen, so wäre der Reguel-Name doch sicher direkt in Ex 3,1; 4,18 als Zweitname eingetragen worden. Zu beachten ist ja, dass das vorliegende Nebeneinander der in Ex 2,18 und Ex 3,1; 4,18 belegten Namen gerade nicht als Gleichsetzung, sondern als Widerspruch wahrgenommen wird. Die in Ex 2,18 // 3,1; 4,18

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

wie zuvor dargestellt, zwei konkurrierende Traditionen über den Anlass zur Rückkehr des Mose belegt sind. Am Beginn des Exodusbuches sind demnach zwei ursprünglich getrennt überlieferte nichtpriesterliche Erzählstränge rekonstruierbar. Der eine Erzählstrang umfasst die in Ex 1–2* belegte Darstellung der Bedrückung in Ägypten, der Geburt und Jugend des Mose sowie der Flucht nach Midian und wird dann in Ex 4,19.20a mit der Rückkehr des Mose nach Ägypten fortgeführt. Der zweite Erzählstrang umfasst die in Ex 3,1–4,18* belegte Berufung des Mose, an deren Ende ebenfalls die Rückkehr des Mose nach Ägypten steht. Beachtenswert ist nun, dass der in Ex 1–2*; 4,19.20a erkennbare Erzählstrang, wie schon häufiger erkannt, im weiteren Verlauf der nichtpriesterlichen Exoduserzählungen nicht mehr fortgeführt wird.26 Denn die in Ex 4,20bff belegten nichtpriesterlichen Überlieferungen setzen allesamt die in Ex 3,1–4,18* belegte Berufungserzählung voraus.27 Dieser Befund wird zumeist schlicht damit erklärt, dass der für die nichtpriesterliche Exoduserzählung verantwortliche Redaktor, der die beiden in Ex 1–2*; 4,19.20a und Ex 3,1–4,18* belegten Überlieferungen zusammengearbeitet hat, den in Ex 1–2*; 4,19.20a belegten Erzählstrang eben nur bis Ex 4,20a übernommen hat und von hier an ganz der zweiten, von ihm aufgenommenen Überlieferung gefolgt ist.28 Bei dieser Erklärung bleibt aber eine entscheidende Frage unbeantwortet: Warum wurden bei der Zusammenarbeitung der beiden in Ex 1–2*; 4,19.20a und Ex 3,1–4,18* erkennbaren Überlieferungen aus dem ersten Erzählstrang überhaupt noch die Verse 4,19.20a aufgenommen, obgleich diese, wie beschrieben, in deutlicher Spannung zu dem in 4,18 belegten Ende des zweiten Erzählstrangs stehen? Die vorgegebenen Überlieferungen möglichst vollständig zu erhalten, kann ja kaum das Anliegen des mit der Zusammenfassung der beiden Überlieferungen betrauten Redaktors gewesen sein, da die eine Überlieferung doch in 4,20a abbricht. Es wäre daher wesentlich naheliegender gewesen, auch die Verse 4,19.20a außen vor zu lassen. Eine Erklärung der vorliegenden Gestalt von Ex 1–2* // 3,1–4,18* // 4,19.20a könnte nun aber – nach einem bereits 1910 von Eerdmans vorgebrachten, in der weiteren Forschung aber nie wieder beachteten Vorschlag – wie folgt aussehen: Bei dem in Ex 1–2*; 4,19.20a erkennbaren Erzählstrang ————— belegten Namen des Schwiegervaters sind deshalb doch am besten mit der Aufnahme vorgegebener Überlieferungen zu erklären. 26 Vgl. LEVIN, Jahwist, 329; GERTZ, Tradition, 329, sowie ALBERTZ, Beginn, 259. 27 Siehe hierzu im Einzelnen GERTZ, Tradition, 328–334. 28 So meint LEVIN, Jahwist, 329, zu Ex 4,20a: „Wie es mit Mose weitergegangen ist, wissen wir nicht. Die Fortsetzung ist bei der Übernahme in das jahwistische Werk entfallen.“ Vgl. GERTZ, Tradition, 329; ALBERTZ, Beginn, 259.

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Ausblick: Die priesterlichen Passagen im Pentateuch

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folgten einst auf Ex 4,19.20a die in Ex 6,2–8 belegte priesterliche Fassung der Mose-Berufung und sodann die weiteren priesterlichen Passagen des Exodusbuches.29 Auf dieser Grundlage muss nicht davon ausgegangen werden, dass die mit der Zusammenarbeitung von Ex 1–2*; 4,19.20a und Ex 3,1–4,18* betrauten Redaktoren den ersten Erzählstrang in 4,19.20a abgebrochen haben. Die Zusammenarbeitung der beiden Erzählstränge kann vielmehr so vorgestellt werden, dass ein Ex 1–2*; 4,19.20a und die folgenden priesterlichen Passagen umfassender Erzählstrang mit einem Ex 3,1–4,18* und die folgenden nichtpriesterlichen Passagen umfassenden Erzählstrang vereinigt wurde und dabei beide Erzählstränge wohl nahezu vollständig erhalten blieben. Für die priesterlichen Passagen des Pentateuch bedeutet dies, dass die priesterlichen Autoren nach der von ihnen verfassten literarischen Brücke zwischen der Josefgeschichte und den folgenden Exoduserzählungen in Gen 50,22; Ex 1,6a.7 eben zunächst die in Ex 1–2*; 4,19.20a belegte nichtpriesterliche Erzählung von der Bedrückung in Ägypten, der Geburt und Jugend des Mose, seiner Flucht nach Midian und seiner Rückkehr nach Ägypten aufgenommen haben. Diese vorgegebene nichtpriesterliche Überlieferung haben sie dann nach 4,19.20a abgebrochen und ab dem hieran angeschlossenen Textbereich 6,2–8, also ab der priesterlichen Version der Mose-Berufung, eigenständig weiterformuliert. Der erstaunliche Befund, dass die priesterlichen Passagen am Beginn des Exodusbuches, in Ex 1,6a.7, als für den Kontext der folgenden nichtpriesterlichen Passagen verfasste Bearbeitungsschicht erscheinen, im weiteren Verlauf der Exoduserzählungen aber als zunächst unabhängig überlieferte Quelle, kann daher tatsächlich so erklärt werden, dass die priesterlichen Autoren am Beginn der Exoduserzählungen noch auf vorgegebenes Gut zurückgegriffen, dann aber ab einem bestimmten Punkt – wie sich nun zeigt: ab Ex 6 – eigenständig formuliert haben. Der literarische Charakter der priesterlichen Passagen des Pentateuch ist somit – wie bislang vor allem von Jan Christian Gertz vertreten – in den einzelnen Überlieferungskomplexen unterschiedlich zu beurteilen.30 Die —————

29 Vgl. EERDMANS, Studien III, 20–21. Eerdmans geht allerdings davon aus, dass zwischen Ex 4,19.20a und Ex 6,2–8 noch die kurze Episode über den „Blutbräutigam“ Ex 4,24–26 stand. Der inhaltliche Zusammenhang zwischen dieser – ohnehin recht dunklen – Erzählung und dem genannten Kontext ist allerdings unklar. Ex 4,24–26 ist daher wohl eher ein später Nachtrag unbekannter Herkunft. 30 Vgl. hierzu GERTZ, Tradition, 391. Allerdings bestimmt Gertz die priesterlichen Passagen im Exodusbuch, anders als hier vertreten, schon ab Ex 1 als quellenhaft. Vgl. sodann auch PFEIFFER, Source, 67, der bereits 1930 – beschränkt auf die Genesis – die These vertreten hat, dass der literarische Charakter der priesterlichen Passagen in der Urgeschichte und der Vätergeschichte unterschiedlich zu beurteilen ist.

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

priesterlichen Passagen des Pentateuch sind in der Urgeschichte sowie ab Ex 6 auch in der Exoduserzählung als von den priesterlichen Autoren selbst und eigenständig formulierte Textbereiche und somit nach üblichem Sprachgebrauch als Quelle anzusehen, die dann erst sekundär mit den zuvor unabhängig überlieferten nichtpriesterlichen Erzählungen verbunden wurde. In der Vätergeschichte und am Beginn der Exoduserzählung handelt es sich bei den priesterlichen Passagen dagegen um eine für den Kontext der vorgegebenen nichtpriesterlichen Überlieferungen verfasste Bearbeitungsschicht: Urgeschichte

Vätergeschichte

Exoduserzählung

Gen 1–11* (P)

Gen 11,27–50,22* (P/nP)

Ex 1,6–4,20a* (P/nP) Ex 6,2ff (P)

Ĺ

Ĺ

Gen 2–11* (nP)

Ex 3,1ff (nP)

Gegenüber den bislang üblichen Modellen zur Entstehung der priesterlichen Passagen wie überhaupt des vorliegenden Pentateuch dürfte ein solches, nach einzelnen Überlieferungskomplexen differenziertes Modell den stets gesehenen Unterschieden in den einzelnen Überlieferungskomplexen – etwa hinsichtlich der Erzähldichte oder der Vollständigkeit der priesterlichen Passagen – wohl eher gerecht werden. Es wird hier nicht von an einem Textbereich gemachten Beobachtungen auf die Entstehung des gesamten Pentateuch geschlossen, sondern möglichst flexibel dem in den einzelnen Textbereichen erkennbaren Befund entsprochen.31 Es ist nun noch – wiederum in aller gebotenen Kürze und mit aller gebotenen Vorsicht – auf die Frage nach dem ursprünglichen Ende der priesterlichen Passagen des Pentateuch, bzw. der priesterlichen Erstausgabe des ————— 31

Nun könnte gegen das hier vorgetragene Modell eingewandt werden, dass ein so umrissenes priesterliches Werk, bei dem die Urgeschichte und ab Ex 6 auch die Exoduserzählungen von den priesterlichen Autoren eigenständig formuliert, die Vätergeschichte und der Beginn der Exoduserzählungen aber unter Aufnahme vorgegebener Überlieferungen gestaltet wurden, ein recht disparates Werk wäre. Es ist doch aber schon immer aufgefallen, dass sich die priesterlichen Passagen selbst wie auch das Verhältnis der priesterlichen und der nichtpriesterlichen Passagen – und somit die vorliegende Gestalt des Pentateuch – in den einzelnen Überlieferungskomplexen unterscheiden. So lässt sich eben nur in der Urgeschichte und den fortgeschrittenen Exodusüberlieferungen ein vollständiger priesterlicher Erzählfaden rekonstruieren. Zudem ist nur hier eine die priesterlichen und die nichtpriesterlichen Texte aneinander angleichende Redaktion zu erkennen. Schließlich sind nur in der Urgeschichte und ab Ex 6 auch in den Exoduserzählungen größere Doppelüberlieferungen belegt. Der vorliegende Pentateuch ist also schlicht ein disparates Werk. Das hier vorgestellte Modell zur Entstehung der priesterlichen Passagen ermöglicht es dann gerade, eben diese Disparatheit des Pentateuch zu erklären.

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Ausblick: Die priesterlichen Passagen im Pentateuch

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werdenden Pentateuch, einzugehen.32 Für diese Frage ist zunächst die Beobachtung grundlegend, dass die priesterlichen Passagen der Vätergeschichte, wie überhaupt die priesterlichen Passagen der Bücher Genesis und Exodus, vor allem aus narrativen Texten und genealogischem Material bestehen. Unter den ohnehin nur sehr wenigen Gesetzesüberlieferungen in diesen Büchern hat sich die einzige Stelle im Bereich der Vätergeschichte, die in Gen 17,9–14 belegte Beschneidungsordnung, als Nachtrag erwiesen.33 Bei der priesterlichen Erstausgabe handelt es sich also, wie bereits von Martin Noth betont wurde, um eine Erzählung.34 Die priesterlichen Gesetzesüberlieferungen – insbesondere in den Büchern Leviticus und Numeri – wurden dann erst auf einer späteren Entstehungsstufe eingebracht. In den Büchern Leviticus und Numeri dürften nun aber nicht nur die priesterlichen Gesetzespartien, sondern auch die priesterlichen Erzähltexte auf eine erst spätpriesterlich anzusetzende Bearbeitung zurückgehen. Denn die in diesem Bereich belegten priesterlichen Texte unterscheiden sich angesichts ihrer vornehmlich an kultischen Fragen orientierten Anlage doch sehr deutlich von den priesterlichen Passagen der Bücher Genesis und Exodus. Es ist daher gut denkbar, dass die priesterlichen Passagen ursprünglich nicht über das Exodusbuch und somit nicht über die Sinaiüberlieferungen hinausreichten. Dabei könnte, wie im Anschluss an Thomas Pola häufiger vorgeschlagen, Ex 40,33 als Ende der priesterlichen Passagen angesehen werden.35 Wahrscheinlicher noch dürfte aber die neuerdings von Eckart Otto vertretene These sein, dass das ursprüngliche Ende der priesterlichen Passagen bereits in Ex 29,45–46 zu finden ist.36 Denn in diesen beiden Versen werden auf engstem Raum gleich mehrere in den vorangehenden priesterlichen Texten verwandte Formulierungen aufgenommen und miteinander verbunden: Die Zusage des Wohnens in der Mitte des Volkes ($wtb !kv larfy ynb, Ex 25,8); die Zusage des Gott-Seins Gottes (~yhlal hyh, Gen 17,7.8; Ex 6,7); die Zusage der Erkenntnis Gottes (hwhy yna yk [dy, Ex 6,7; 7,5; 14,4.18; 16,12) und die Herausführungsformel (#ram acy ~yrcm, Ex 6,13.26; 12,17.41.42; 16,1.6.32; 19,1). Ex 29,45–46 ist somit ohne weiteres als Höhe- und Zielpunkt der priesterlichen Erstausgabe vorstellbar. ————— 32

Siehe hierzu oben 16–18. S.o. 46–50. 34 Vgl. NOTH, Überlieferungsgeschichte, 7–9. 35 Vgl. POLA, Priesterschrift, 343–349; ihm folgen, mit Unterschieden im Detail, etwa KRATZ, Komposition, 246; RÖMER/NIHAN, Débat, 166–168; DE PURY, PG, 107–108; GERTZ, Tora, 236. 36 Vgl. OTTO, Forschungen, 24–27. Dabei ist zu beachten, dass sich die beiden, von Pola und Otto vorgelegten Ansätze – gegen den ersten Anschein – nur um einige wenige Verse unterscheiden, da Pola nach Ex 29,46 nur noch Ex 40,16.17a.33b der priesterlichen Grundschrift zuweist. 33

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

So ergibt sich für die priesterlichen Passagen des Pentateuch, dass diese nur im Bereich der Vätergeschichte und am Beginn der Exoduserzählungen als Bearbeitung vorgegebener nichtpriesterlicher Überlieferungen zu verstehen sind. In der Urgeschichte sowie ab Ex 6 auch in der Exoduserzählung sind die priesterlichen Passagen dagegen als eigenständig formulierte Textbereiche und somit als Quelle anzusehen, in die die nichtpriesterlichen Erzählungen erst sekundär eingearbeitet wurden. Die priesterliche Erstausgabe des werdenden Pentateuch reichte dabei vermutlich bis Ex 29,46. Mit diesem nun erstmals die Überlieferungen von Schöpfung und Flut, Väterzeit und Exodus vereinigenden Werk schufen die priesterlichen Autoren das erzählerische Gerüst, das den späteren Pentateuch bis hin zu seiner vorliegenden Gestalt auszeichnet. Der Pentateuch ist somit in seinem Kern ein priesterliches Konzept.

2.5 Der historische Ort der priesterlichen Passagen Die zeitliche Ansetzung der priesterlichen Passagen ist trotz der im Gefolge von Wellhausen zumeist vorgeschlagenen Datierung in die Exilszeit noch immer umstritten.1 Das Spektrum der in der gegenwärtigen Forschung vertretenen Positionen reicht von der frühen staatlichen bis in die persische Zeit. Umstritten ist aber nicht nur die zeitliche, sondern auch – und damit zusammenhängend – die geographische Verortung der priesterlichen Passagen. So wird häufig angenommen, dass die priesterlichen Passagen im babylonischen Exil verfasst wurden. Bisweilen wird aber davon ausgegangen, dass die priesterlichen Passagen – noch oder bereits wieder – im Land entstanden sind. Für die historische Verortung der priesterlichen Passagen ist nun zunächst die relative Chronologie der in der Vätergeschichte erkennbaren Bearbeitungen zu beachten. Es konnte ja gezeigt werden, dass die priesterlichen Passagen der Vätergeschichte für den Kontext einer vorgegebenen nichtpriesterlichen Version der Vätergeschichte verfasst wurden. Die priesterlichen Passagen setzen somit die literarische Verbindung der einst unabhängig überlieferten Abraham-, Isaak- und Jakoberzählungen voraus.2 Zudem setzten sie bereits die Erweiterung der nichtpriesterlichen Vätergeschichte um die in Gen 20–22* belegten Überlieferungen voraus.3

————— 1

S.o. 18–20. S.o. 31–32. 3 S.o. 57. 2

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Der historische Ort der priesterlichen Passagen

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Die Formierung der ersten übergreifenden Vätergeschichte dürfte recht sicher in der Exilszeit geschehen sein.4 Dafür spricht, dass in den Verheißungen Gen 12,1–3; 13,14–17; 26,3aba; 28,13b.14, die zur Verbindung der einzelnen Väterüberlieferungen ergänzt wurden,5 insbesondere die Mehrung des von den Vätern herkommenden Volkes sowie die künftige, also erst noch zu realisierende Inbesitznahme des Landes angesagt wird. Zudem ist die erste übergreifende Vätergeschichte von einer gewissen diasporakritischen Tendenz geprägt. So wird etwa mit der in Gen 12,10–20 eingebrachten Ahnfrau-Erzählung gezeigt, dass das Leben in einem fremden Land mit Gefahren verbunden ist und daher keine Alternative zum Leben im eigenen Land darstellen kann.6 Beides, die Verheißung von Mehrung und künftigem Landbesitz wie auch die diasporakritische Tendenz der ersten übergreifenden Vätergeschichte, lässt sich gut vor dem Hintergrund der Exilszeit verstehen, als sich Teile des Volkes fern der Heimat, in einem fremden Land aufhielten. Doch nicht nur die Formierung der ersten übergreifenden Vätergeschichte, auch die Erweiterung der Vätergeschichte um Gen 20–22* dürfte in der Exilszeit erfolgt sein.7 So wurde in Gen 20,1–18 eine zweite Fassung der Ahnfrau-Erzählung ergänzt, mit der im Gegensatz zu Gen 12,10–20 herausgestellt wird, dass ein Leben im Ausland doch möglich ist, da auch dort Gottesfurcht herrscht.8 Mit Gen 20–22* erhält die werdende Vätergeschichte also eine diasporafreundliche Wendung. Die Erweiterung der Vätergeschichte um diesen Textbereich ist somit ohne weiteres in der fortgeschrittenen Exilszeit anzusetzen, als sich die Exulanten mit ihrem Leben in einem fremden Land zu arrangieren begannen. Aufgrund der relativen Chronologie der in der Vätergeschichte erkennbaren Bearbeitungen sind die priesterlichen Passagen also frühestens in die spätexilische Zeit zu datieren. Dies lässt sich aufgrund der inhaltlichen Anlage der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte weiter präzisieren. So wurde bislang noch zu wenig beachtet, dass die priesterlichen Passagen vor allem an solchen Stellen der werdenden Vätergeschichte eingebracht wurden, die von der Einwanderung in das Land oder der Auswanderung aus dem Land handeln.9 Es wurde etwa am Beginn der Abrahamerzählungen in Gen 11,27–32 eine kurze Erzählung eingebracht, wie Terach, Abraham, Sarah und Lot aus Ur-Kasdim aufbrechen, und in Gen 12,4b.5 wird sodann die Ankunft von Abraham, Sarah und Lot in Kanaan vermerkt. ————— 4

So auch BLUM, Studien, 214 Anm. 35; ALBERTZ, Exilszeit, 191–204. S.o. 31 mit Anm. 19. 6 Vgl. hierzu WÖHRLE, Abraham, 24–33. 7 So bislang v.a. ALBERTZ, Exilszeit, 204–209. 8 Vgl. ALBERTZ, Exilszeit, 205; WÖHRLE, Abraham, 34–38. 9 Siehe hierzu auch unten 176–180. 5

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

In den Jakoberzählungen beschränken sich die priesterlichen Passagen nach einigen kleineren Notizen (Gen 25,19.20.26b; 26,34–35) sogar gänzlich auf die beiden Textbereiche, in denen der Weggang des Jakob nach PaddanAram (Gen 27,46–28,9) und seine Rückkehr in das Land Kanaan (Gen 31,18*; 33,18*; 35,6*.9–13) dargestellt werden. Und ganz entsprechend findet sich in der Josefgeschichte nach der kurzen Einleitung in Gen 37,1– 2* und einer vereinzelten Datierung in Gen 41,46 erst wieder in Gen 46,6– 7, also gerade an der Stelle, an der Jakob das Land verlässt und nach Ägypten zieht, ein priesterlicher Nachtrag. Die Themen Einwanderung und Auswanderung scheinen für die priesterlichen Bearbeiter also von zentraler Bedeutung zu sein. Dazu passt die in den priesterlichen Passagen gleich mehrfach belegte Landverheißung.10 So wird erstmals im Rahmen des Abrahambundes, in Gen 17,8, der ewige Besitz des Landes Kanaan zugesagt. Und diese Verheißung wird dann im Rahmen der Jakoberzählungen in Gen 28,4; 35,12 wie auch im Rahmen der Josefgeschichte in Gen 48,4 wieder aufgenommen. Hinzu kommt, dass in den priesterlichen Passagen umfassend das Verhältnis des von den Vätern herkommenden Volkes zu den anderen in und um das Land lebenden Völkern thematisiert wird.11 Die priesterlichen Passagen widmen sich dem Verhältnis zu Lot und so zu den von Lot herkommenden Moabitern und Ammonitern (Gen 13,6.11b.12aba; 19,29), zu Ismael und dem von ihm abstammenden Ismaelitern (Gen 16,3.16; 17,18–21; 25,9.12–17.18a), zu Esau und dem aus ihm hervorgegangenen Edomitern (Gen 35,29; 36,1–8) wie auch zu der im Lande lebenden Vorbevölkerung (Gen 27,46–28,9). Die priesterlichen Passagen der Vätergeschichte sind also an den Themen Einwanderung und Auswanderung, am Besitz des Landes Kanaan sowie am Verhältnis zu den in und um dieses Land lebenden Bevölkerungsgruppen orientiert. Die priesterlichen Passagen setzen dann doch aber eine Zeit voraus, als die Einwanderung in das Land möglich war und als sich die in das Land Eingewanderten dort mit den in und um das Land lebenden Bevölkerungsgruppen zu arrangieren hatten. Die priesterlichen Passagen sind demnach nicht schon in der exilischen, sondern erst in der frühnachexilischen Zeit entstanden. Sie wurden auch nicht in Babylon, sondern im Land verfasst. Die priesterlichen Passagen sind vielmehr in der Zeit kurz nach 520 anzusetzen, als den Exulanten unter Darius erstmals im größeren Stile die Rückkehr in das Land erlaubt wurde, als es so zu ersten Rückwanderungen kam und als sich die in das Land Zu————— 10 11

S.u. 192–198. S.u. 202–222.

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Der historische Ort der priesterlichen Passagen

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rückgekehrten mit ihrer neuen Situation im Land und unter den in und um dieses Land lebenden Bevölkerungsgruppen auseinanderzusetzen hatten.12 Sie sind in den Reihen eben dieser ersten Rückkehrer aus dem Exil entstanden.13

2.6 Zusammenfassung Anhand der vorangehenden redaktionsgeschichtlichen Analysen konnte der Umfang, der literarische Charakter wie auch der historische Ort der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte neu und präziser bestimmt werden. Zudem ergaben sich neue Erkenntnisse zum Verhältnis der priesterlichen und der nichtpriesterlichen Passagen in den einzelnen Überlieferungskomplexen des Pentateuch. Den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte sind die folgenden Textbereiche zuzuweisen: Gen 11,27–32; 12,4b.5; 13,6.11b.12aba; 16,3.16; 17,1–8.15–22; 19,29; 21,5; 23,1–2; 25,7–8.9*(bis wynb).11–17.18a.19–20. 26b; 26,34–35; 27,46–28,9; 31,18*(ab wvkr-lk-taw); 33,18*(von rva bis ~ra !dp); 35,6*(hzwl bis awh).9–13.22b.23–29; 36,1–8; 37,1.2aa; 41,46a; 46,6–7; 47,7–11.27b.28; 48,3–7; 49,1a.29a.33aab; 50,22 sowie, damit zusammenhängend, am Beginn der folgenden Exoduserzählungen Ex 1,6a.7. Die priesterlichen Passagen der Vätergeschichte umfassen also einige längere Erzähltexte, etwa über den Aufbruch von Terach und seiner Familie aus Ur-Kasdim (Gen 11,27–32), den Abrahambund (Gen 17,1–8.15–22), die Ehen von Jakob und Esau (Gen 26,34–35; 27,46–28,9; 36,1–8), eine Gotteserscheinung in Lus (Gen 35,9–13) oder das Auftreten des Jakob in Ägypten (Gen 47,7–11; 48,3–7). Zumeist handelt es sich bei den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte aber um kleinere erzählerische Notizen wie Datierungen, kurze Angaben zum Besitz der Väter, zu deren Wohnort oder deren Tod und Begräbnis. Hinzu kommen einige Nachkommensverzeichnisse. Aus den so abgegrenzten priesterlichen Passagen der Vätergeschichte lässt sich kein durchlaufender Erzählfaden rekonstruieren. Zudem sind die —————

12 Dass die priesterlichen Passagen in nachexilischer Zeit und dann bereits wieder im Land entstanden sind, wird, mit Unterschieden im Detail, auch von MOWINCKEL, Erwägungen, 43–46; BLUM, Studien, 357; L. SCHMIDT, Studien zur Priesterschrift, 259; KRATZ, Komposition, 248; GERTZ, Tora, 236–237, vertreten. Gegen ELLIGER, Sinn, 196–198; ROST, Ort, 9; KILIAN, Priesterschrift, 226–243; BRUEGGEMANN, Kerygma, 397–398.409–410; LOHFINK, Priesterschrift, 201 Anm. 33; POLA, Priesterschrift, 349; CARR, Fractures, 133–140; FREVEL, Blick, 382–383; LUX, Geschichte, 171–180; SKA, Introduction, 161, oder WEIMAR, Art. Priesterschrift, 4, die der seit Wellhausen gängigen Ansetzung in der Exilszeit und in Babylonien folgen. 13 Siehe hierzu auch unten 169–189.

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Zur Entstehung der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

priesterlichen Texte häufig und teils sehr deutlich auf ihren nichtpriesterlichen Kontext bezogen. Die priesterlichen Passagen der Vätergeschichte sind daher nicht, wie häufig angenommen, als Teil einer ursprünglich unabhängig überlieferten Quelle zu verstehen. Es handelt sich vielmehr um eine für den Kontext der nichtpriesterlichen Vätergeschichte verfasste Bearbeitungsschicht. Dabei wurden im Rahmen der priesterlichen Bearbeitung erstmals zuvor unabhängig überlieferte Erzählkomplexe zu einer zusammenhängenden Großerzählung verbunden. So wurden auf dieser literarischen Ebene die nichtpriesterlichen Abraham-/Isaak-/Jakoberzählungen, die nichtpriesterliche Josefgeschichte und die nichtpriesterliche Erzählung über die Bedrückung in Ägypten und die Geburt und Jugend des Mose aneinander angeschlossen. Die priesterlichen Bearbeiter der Vätergeschichte haben ihrem Werk sodann eine eigenständig formulierte Urgeschichte vorangestellt. Und sie haben an die Erzählung von der Geburt und Jugend des Mose eine ebenso eigenständig formulierte, zunächst wohl bis Ex 29,46 reichende Erzählung von der Befreiung aus Ägypten angeschlossen. Der literarische Charakter der priesterlichen Passagen ist also, wie bislang nur selten gesehen, in den verschiedenen Überlieferungskomplexen des Pentateuch unterschiedlich zu beurteilen. In der Vätergeschichte und am Beginn der Exodusüberlieferungen handelt es sich um eine für den Kontext der vorgegebenen nichtpriesterlichen Überlieferungen verfasste Bearbeitungsschicht. In der Urgeschichte und ab Ex 6 auch in der Exoduserzählung sind die priesterlichen Passagen dagegen als eigenständig formulierte Textbereiche und somit nach üblicher Sprachregelung als Quelle zu verstehen, in die die nichtpriesterlichen Erzählungen erst sekundär eingearbeitet wurden. Das so entstandene, erstmals von der Schöpfung über die Väterzeit bis zum Exodus reichende Werk ist am Beginn der persischen Zeit zu datieren und wurde im Land verfasst. Es gehört in die Zeit kurz nach 520, als erstmals die Möglichkeit zur Rückkehr aus dem Exil bestand und die ersten Exulanten zurück in das Land kamen. Es ist im Kreise eben dieser ersten Rückkehrer aus dem Exil entstanden.

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3. Zur Intention der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

3.1 Die Vätergeschichte in der priesterlichen Komposition des werdenden Pentateuch Die für die priesterlichen Passagen des Pentateuch verantwortlichen Kreise haben erstmals eine Urgeschichte, Vätergeschichte und Exoduserzählungen umfassende Großerzählung geschaffen. Für die priesterlichen Passagen der Vätergeschichte stellt sich somit zunächst die Frage, welche Bedeutung der Vätergeschichte in dieser Komposition – zwischen der vorangehenden Urgeschichte und den folgenden Exoduserzählungen – zukommt. In der bisherigen Forschung wird die Komposition der priesterlichen Fassung des werdenden Pentateuch ganz unterschiedlich bestimmt.1 Das priesterliche Werk wird in zwei, drei oder auch vier Teile gegliedert, wobei die konkrete Abgrenzung der einzelnen Teile nochmals von Ansatz zu Ansatz variiert. Für einen zweiteiligen Aufbau der priesterlichen Komposition treten etwa Peter Weimar oder Odil Hannes Steck ein. So unterscheidet Weimar einen ersten Kompositionsbogen, der Urgeschichte und Vätergeschichte umfasst, und einen zweiten Kompositionsbogen mit den folgenden Exoduserzählungen.2 Steck untergliedert das priesterliche Werk dagegen in einen Gen 1–11 umfassenden Weltkreis und einen mit Gen 12 beginnenden Israelkreis.3 Unter den Ansätzen, die die priesterliche Fassung des werdenden Pentateuch in drei Teile untergliedern, wird bisweilen, etwa beim frühen Gerhard von Rad, zwischen der Zeit vor der Flut und der Zeit nach der Flut unterschieden, und hiervon werden nochmals die folgenden Väter- und Exodusüberlieferungen abgegrenzt. Die priesterliche Komposition wird so in einen

—————

1 Vgl. hierzu die Forschungsüberblicke bei STECK, Aufbauprobleme, 305–306; SKA, Introduction, 154; SCHMID, Ökumene, 82–83. 2 Vgl. WEIMAR, Untersuchungen, 41–43; ders., Studien, 19–90; ders., Art. Priesterschrift, 3.1, ähnliche Ansätze finden sich etwa bei ZENGER, Bogen, 137–143; JANOWSKI, Tempel, 224– 225.237–244. 3 Vgl. STECK, Aufbauprobleme, 305–308; siehe hierzu auch BLUM, Studien, 287–332.

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Zur Intention der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

Weltkreis, einen Noahkreis und einen abrahamitischen Kreis unterteilt.4 Eine weitere, bereits vom späten von Rad favorisierte Dreiteilung orientiert sich dagegen an der klassischen Epochengliederung in Urgeschichte, Vätergeschichte und Exoduserzählungen und grenzt so einen Weltkreis, einen Abrahamkreis und einen Israelkreis voneinander ab.5 Bei den Ansätzen, die die priesterliche Komposition in vier Teile gliedern, werden schließlich sämtliche der genannten Nahtstellen berücksichtigt. So hat schon Wellhausen die priesterliche Fassung des werdenden Pentateuch in Schöpfung, Flut, Vätergeschichte und Exodusüberlieferungen unterteilt.6 Unter den verschiedenen Ansätzen zur priesterlichen Komposition des werdenden Pentateuch ist also umstritten, ob innerhalb der Urgeschichte – zwischen Schöpfung und Flut – ein Einschnitt zu sehen ist. Zudem und vor allem ist die Stellung der Vätergeschichte umstritten. Die Vätergeschichte wird nur in einigen wenigen Ansätzen als eigenständiger Textbereich abgegrenzt. Häufig wird die Vätergeschichte mit der vorangehenden Urgeschichte zusammengenommen und so zur Vorgeschichte der erst mit den Exodusüberlieferungen beginnenden Geschichte des eigenen Volkes gerechnet; oder die Vätergeschichte wird mit den folgenden Exoduserzählungen zusammengenommen und als Beginn der Geschichte des eigenen Volkes gelesen. Der Vätergeschichte kommt dann aber weder so noch so eine größere Bedeutung in der Komposition des priesterlichen Werks zu. Sie wird vor allem als Bindeglied zwischen der Urgeschichte und den Exodusüberlieferungen verstanden.7 Nun ist zunächst die in mehreren Ansätzen vorgenommene Unterscheidung zwischen der Zeit vor und der Zeit nach der Flut und somit eine Un————— 4

Vgl. VON RAD, Priesterschrift, 167; dabei versteht von Rad die einzelnen Teile der priesterlichen Komposition als „konzentrische Kreise [...], die von außen nach innen fortschreitend in das Heilsgeheimnis Gottes einführen“. Von Rads Gliederung der priesterlichen Fassung des Pentateuch in Schöpfung, Flut und Väter-/Exodusüberlieferungen folgt in neuerer Zeit noch GERTZ, Tora, 237. 5 Vgl. VON RAD, Theologie I, 253, sowie DE PURY, Abraham, 172–173; ders., PG, 109–111; SCHMID, Ökumene, 83–84. 6 Vgl. WELLHAUSEN, Prolegomena, 336–340, der dabei natürlich von seinem – als unhaltbar erwiesenen – Verständnis der Priesterschrift als „Vierbundesbuch“ bestimmt ist; siehe hierzu oben 21. Im Gefolge von Wellhausen vertreten etwa FOHRER, Art. Priesterschrift, 568–569; CROSS, Priestly Work, 295; W.H. SCHMIDT, Einführung, 104–112, oder SCHMITT, Arbeitsbuch, 200, eine vergleichbare Gliederung der priesterlichen Fassung des werdenden Pentateuch in vier Teile. 7 So wird bei den oben 165 Anm. 2–3 genannten Ansätzen, die die priesterliche Komposition in zwei Teile gliedern, die theologische Pointe des priesterlichen Werks zumeist darin gesehen, dass die zu Beginn dargestellte Schöpfung mit der in der Sinaiperikope ausgeführten Errichtung des Heiligtums zu ihrer Vollendung und ihrem Ziel kommt; vgl. hierzu auch oben 21–23. Der zwischen Schöpfung und Sinai stehenden Vätergeschichte wird bei diesen Ansätzen dann nur eine untergeordnete Bedeutung zugemessen.

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Die Vätergeschichte in der priesterlichen Komposition des Pentateuch

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tergliederung in einen Welt- und einen Noahkreis wenig überzeugend. Die priesterliche Urgeschichte ist zwar ohne Zweifel von der Abfolge Schöpfung und Flut geprägt. Es handelt sich dabei aber um eng miteinander verwobene, ja untrennbar miteinander verbundene Textbereiche, in denen zunächst die Erschaffung der Welt und sodann die dauerhafte Bewahrung der Welt dargestellt wird. In der Makrostruktur der priesterlichen Komposition ist somit nicht ein Welt- und ein Noahkreis gegeneinander abzugrenzen, sondern die gesamte Urgeschichte ist als zusammengehöriger, das priesterliche Werk einleitender Weltkreis zu bestimmen. Von diesem Weltkreis ist dann aber die folgende Vätergeschichte zu unterscheiden. Dies zeigt sich insbesondere an den beiden, in Ur- und Vätergeschichte belegten Bundesschlüssen. So wird in Gen 9,1–17 der mit der gesamten Menschheit, ja mit Mensch und Tier aufgerichtete Noahbund, in Gen 17 der mit Abraham und seinen Nachkommen geschlossene Abrahambund dargestellt.8 Das Nebeneinander dieser beiden, an unterschiedliche Adressaten gerichteten Bundesschlüsse spricht dafür, dass in der priesterlichen Komposition des werdenden Pentateuch die an der gesamten Welt orientierte Urgeschichte und die folgende, an Abraham und seinen Nachkommen orientierte Vätergeschichte gegeneinander abzugrenzen sind. Die Vätergeschichte lässt sich aber nicht nur nach vorne, sondern auch nach hinten, gegenüber den folgenden Exoduserzählungen abgrenzen. So fällt auf, dass die für die priesterlichen Texte charakteristische ToledotFormel in der Urgeschichte und in der Vätergeschichte, nicht aber in den Exoduserzählungen belegt ist. Die Toledot-Formel findet sich je fünf Mal in der Urgeschichte und in der Vätergeschichte. Sie steht zumeist am Beginn von größeren Erzählkomplexen sowie am Beginn von Geschlechtsregistern (Gen 2,4a; 5,1; 6,9; 10,1; 11,10.27; 25,12.19; 36,1; 37,2).9 Entsprechend der dem Wort twdlwt zugrundeliegenden Wurzel dly „gebären; zeugen“ werden mit dieser Formel „Erzeugnisse“ und somit einzelne Phasen der Entstehung der Welt, der Menschheit und der aus der Menschheit hervorgehenden Völker markiert.10 Dass die Toledot-Formel nur in Ur- und Vätergeschichte belegt ist, bedeutet dann aber, dass mit der Väterzeit eben diese Phase der Entstehung der Welt und der Konstituierung der in dieser Welt lebenden Völker abgeschlossen ist.11 Dazu passt, dass in den priesterlichen Passagen ————— 8

Zum Abrahambund siehe auch unten 208–210. Vgl. nur SCHARBERT, Sinn, 45–49; WEIMAR, Toledot-Formel, 66–80; TENGSTRÖM, Toledotformel, 17–18; KOCH, Toledot-Formel, 184–185. 10 Zur Bedeutung des Wortes twdlwt und seiner Verwendung in den priesterlichen Passagen der Genesis vgl. SCHREINER, Art. dly, 637, sowie TENGSTRÖM, Toledotformel, 17–18; CARR, Bi,bloj gene,sewj, 163–166; KOCH, Toledot-Formel, 186–187. 11 In der bisherigen Forschung wurde nur selten gefragt, warum die Toledot-Formel auf die Urgeschichte und die Vätergeschichte beschränkt ist. Vgl. aber WEIMAR, Toledot-Formel, 90, der 9

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Zur Intention der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

erstmals in Ex 1,7 der Begriff larfy ynb „Israeliten“ belegt ist und somit die nun geschehene Konstituierung des von den Vätern herkommenden Volkes Israel angezeigt wird. Hinzu kommt eine weitere Beobachtung. So wurde ja schon mehrfach auf das priesterliche Konzept der dreistufigen Offenbarung des Gottesnamens verwiesen, nach dem in den priesterlichen Passagen der Urgeschichte nur die allgemeine Gottesbezeichnung Elohim, ab Gen 17 der Gottesname El Shadday und ab Ex 6 der Gottesname Jhwh verwandt wird.12 Auch dies spricht dafür, dass in der priesterlichen Fassung des werdenden Pentateuch Urgeschichte, Vätergeschichte und Exoduserzählungen voneinander abzugrenzen sind. Die priesterliche Fassung des werdenden Pentateuch ist also von einem dreiteiligen Aufbau in Urgeschichte, Vätergeschichte und Exoduserzählungen bestimmt. Die Vätergeschichte ist somit weder zur vorangehenden Urgeschichte noch zu den folgenden Exoduserzählungen hinzuzurechnen. Sie ist nicht nur ein Bindeglied zwischen Schöpfung und Exodus. Sie ist vielmehr ein eigenständiger Teil der priesterlichen Komposition. Mit diesem dreiteiligen Aufbau in Urgeschichte, Vätergeschichte und Exodusüberlieferungen verfolgt das priesterliche Werk ein zuhöchst politisches Konzept. Die priesterliche Komposition führt von universalen, an der gesamten Welt und der gesamten Menschheit orientierten zu partikularen, exklusiv am Volk Israel orientierten Überlieferungen und setzt diese zueinander in Beziehung.13 Die Funktion der Vätergeschichte – zwischen der universal orientierten Urgeschichte und der partikular orientierten Exoduserzählung – besteht dann darin, dass hier die Entstehung des von Abraham herkommenden Volkes, also letztlich die Entstehung des Volkes Israel, im Gegenüber zu ande————— die Verwendung der Toledot-Formel mit dem in der Ur- und Vätergeschichte bedeutenden Thema des göttlichen Segens und der Verheißung von Fruchtbarkeit und Mehrung in Verbindung bringt und der so zu dem Schluss kommt: „Mit dem Ende der Jakobs-Geschichte ist die Mehrungsverheißung erfüllt und Israel zum Volk geworden. Die Toledotformel, die diesen Leitgedanken des ersten Teiles der Pg unterstreichen wollte und so als Gliederungsprinzip eingesetzt wurde, hat demnach im weiteren Verlauf der Darstellung ihre Funktion verloren.“ Über Weimar hinaus ist aber nicht nur die Volkwerdung Israels, sondern überhaupt die Entstehung der verschiedenen, aus der Menschheit hervorgehenden Völker, auf die die Toledot-Formeln der Genesis bezogen sind, am Ende der Vätergeschichte abgeschlossen. Die Bedeutung der Toledot-Formel ist somit noch etwas weiter zu fassen, als dies bei Weimar geschieht. 12 Siehe hierzu vor allem oben 147–149. 13 Vgl. DE PURY, PG, 111, der die priesterliche Fassung des werdenden Pentateuch ebenfalls in drei Teile – in Urgeschichte, Vätergeschichte und Exoduserzählung – gliedert und die priesterliche Komposition so als ein politisches Konzept versteht. Nach de Pury verfolgt das dreigliedrige priesterliche Werk „a philosophically ambitious, audacious and strongwilled interpretation of the origins and destiny of mankind and of Israel’s place in it“. Vgl. hierzu auch SCHMID, Ökumene, 83– 84.

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Die Vätergeschichte in der priesterlichen Komposition des Pentateuch

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ren, um dieses Volk herum entstehenden und lebenden Völkern beschrieben wird und so das Verhältnis zwischen dem von Abraham herkommenden Volk und diesen Völkern bestimmt wird. Der Vätergeschichte kommt somit nicht nur kompositorisch, sondern auch sachlich eine Mittelposition zwischen Urgeschichte und Exoduserzählung zu: Urgeschichte Welt

l

Vätergeschichte Israel und die Völker

l

Exoduserzählung Israel

In der priesterlichen Komposition des werdenden Pentateuch beschreibt die Vätergeschichte also die Entstehung des von Abraham herkommenden Volkes und dessen Verhältnis zu den um dieses Volk herum lebenden Völkern. Dies führt nun zunächst zu der Frage, wie in den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte eben dieses von Abraham herkommende Volk dargestellt wird.

3.2 Die Exilsgemeinde als das wahre Gottesvolk 3.2.1 Die exilische Diskussion um die Zugehörigkeit zum Volk Nach den vorangehenden Überlegungen sind die priesterlichen Passagen des Pentateuch am Beginn der persischen Zeit, wohl kurz nach 520, entstanden.1 Sie stammen aus der Zeit, als den Exulanten die Rückkehr aus dem Exil erlaubt wurde und es in größerem Umfang zu Rückwanderungen in das Land kam. Sie wurden in den Reihen der ersten Rückkehrer aus dem Exil verfasst. Die diesen Ereignissen vorangehende Exilszeit stellt nun in mehrfacher Hinsicht einen bedeutenden, wenn nicht gar den für die alttestamentliche Zeit entscheidenden Epocheneinschnitt dar. Denn mit der im Jahr 587/6 geschehenen Eroberung und Zerstörung Jerusalems durch die Babylonier und der darauf folgenden Exilierung von Teilen des Volkes nach Babylonien kam nicht nur die staatliche Eigenständigkeit Judas und die Herrschaft der Davidsdynastie zu ihrem Ende. Es geschah zugleich auch eine Aufspaltung des Volkes in mindestens zwei Gruppen – die Gruppe der im Lande verbliebenen Bevölkerung einerseits und die Gruppe der in das Exil geführten oder aber aus dem Land geflohenen Bevölkerung andererseits.2 ————— 1

S.o. 160–163. Vgl. hierzu etwa ALBERTZ, Religionsgeschichte II, 377–382; ders., Exilszeit, 81–97; DONNER, Geschichte II, 414–422; FREVEL, Grundriss, 670–672. 2

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Zur Intention der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

Angesichts der unterschiedlichen Sozialstruktur – exiliert wurden vor allem die Angehörigen der Oberschicht, im Lande verblieben sind vor allem die niederen Bevölkerungsschichten – entwickelten sich diese beiden Gruppen während des Exils zu relativ eigenständigen Größen. So lassen die alttestamentlichen Texte erkennen, dass auf beiden Seiten die Ansicht vertreten wurde, dass es sich bei der je eigenen Gruppe, und nur bei dieser, um den Rest des Volkes Israel handelt. Die im Lande Verbliebenen und die Exilierten verstanden sich also nicht als Teil eines zwar verstreuten, aber doch zusammengehörigen Volkes. Vielmehr reklamierten beide Gruppen je für sich, dass sie allein das Volk Israel sind.3 Zu einem Problem wurde das so beschriebene Selbstverständnis der im Lande Verbliebenen und der Exilierten, als die Perser im Jahr 539 die Herrschaft über das babylonische Großreich übernahmen und so erstmals wieder die Möglichkeit aufzukommen schien, dass die Exilierten aus Babylon zurückkehren können. Denn mit der Frage, wer zum Volk Israel gehört bzw. welche Gruppe das Volk Israel repräsentiert, verband sich nun die Frage, wem das Recht zukommt, das Land zu besitzen und in diesem zu wohnen. Ein erster wichtiger Beleg dieser Auseinandersetzung – zunächst aus der Perspektive der im Lande Verbliebenen – findet sich in Zef 3,11–13: Zef 3,11 An jenem Tag wirst du dich nicht mehr schämen wegen all deiner Taten, mit denen du an mir gesündigt hast. Denn dann werde ich deine hochmütigen Prahler ($twag yzyl[) aus deiner Mitte entfernen, und du wirst nicht mehr übermütig sein auf meinem heiligen Berg. 12 Ich lasse übrig in deiner Mitte ein armes und geringes Volk (ldw yn[ ~[), und sie werden sich bergen im Namen Jhwhs. 13 Der Rest Israels (larfy tyrav) wird kein Unrecht tun und keine Lüge reden, und in ihrem Munde wird keine trügerische Zunge gefunden. Ja, sie werden weiden und lagern ohne Furcht.

Zef 3,11–13 ist ein Nachtrag zum Zefanjabuch, der in spätexilischer Zeit, im Rahmen der Formierung eines die Bücher Hosea, Amos, Micha und Zefanja umfassenden Vierprophetenbuches, eingebracht wurde.4 Der Nachtrag —————

3 Vgl. etwa JAPHET, People, 103–118; siehe hierzu auch SMITH, Religion; ALBERTZ, Religionsgeschichte II, 382; ders., Exilszeit, 113–114. 4 Dass es sich bei Zef 3,11–13 um einen Nachtrag handelt, wurde schon häufig gesehen; vgl. nur SEYBOLD, ZBK.AT 24,2, 114–115; IRSIGLER, Zefanja, 399–400; PERLITT, ATD 25,1, 132.141. Dass dieser Nachtrag im Rahmen der Formierung eines die Bücher Hosea, Amos, Micha und Zefanja umfassenden Vierprophetenbuches eingebracht wurde und als Abschluss dieses Werks diente, wurde ebenfalls schon häufiger vertreten; vgl. etwa NOGALSKI, Precursors, 176–178; SCHART, Entstehung, 214.230–231; ALBERTZ, Exilszeit, 173; WÖHRLE, Sammlungen, 211.267.280–281.

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Die Exilsgemeinde als das wahre Gottesvolk

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geht auf die im Lande verbliebene Bevölkerung zurück und zeigt deren Interpretation der Geschehnisse um die Eroberung Jerusalems und die Exilierung von Teilen des Volkes.5 So wird in Zef 3,11 ein Reinigungsgericht angekündigt, das die Hochmütigen des Volkes ($twag yzyl[) trifft. Sie, die sich an Jhwh versündigt haben, sollen aus dem Volk entfernt werden. Aus diesem Gericht soll nach Zef 3,12–13 nur ein armes und geringes Volk (ldw yn[ ~[) verbleiben, das sich Jhwh zuwenden und kein Unrecht mehr tun wird. In Zef 3,11–13 wird also die Exilierung der Jerusalemer Oberschicht, der hochmütigen Prahler, als von diesen selbst verschuldetes Gericht Jhwhs gedeutet. Dieses Gericht wird als definitiv dargestellt. Eine Rückkehr der Exulanten und somit eine auch nur teilweise Restauration der vorexilischen Verhältnisse ist nicht vorgesehen. Dagegen wird das von der Exilierung verschonte arme und geringe Volk, also die im Lande verbliebene Bevölkerung, als der „Rest Israels“ (tyrav larfy) bezeichnet.6 Nur sie sind nach Zef 3,11–13 die durch das Gericht hindurch Geretteten. Nur sie gehören daher nach der Exilierung der Oberschicht noch zum Volk. Zef 3,11–13 zeigt somit, dass die im Lande verbliebene Bevölkerung den nach Babylon Exilierten die Zugehörigkeit zum Volk abgesprochen hat. Nach diesem Wort wurden die Exilierten ein für allemal aus dem Volk entfernt. Die im Lande Verbliebenen verstanden sich allein als den Rest Israels und somit allein als das wahre Volk Gottes. Ein weiterer Beleg der exilischen Diskussion um die Zugehörigkeit zum Volk – nun aus der Perspektive der Exilierten – steht in Ez 11,14–17: Ez 11,14 Da erging das Wort Jhwhs an mich folgendermaßen: 15 Menschenkind: deine Brüder, deine Brüder, deine Verwandten, das ganze Haus Israel (larfy tyb-lk) – zu ihnen sagen die Bewohner Jerusalems (~lvwry ybvy): Sie sind fern7 von Jhwh, uns ist das Land zum Besitz gegeben.

—————

5 Vgl. hierzu WÖHRLE, Sammlungen, 255–284; ders., Future, 608–627. Dort wird gezeigt, dass das exilische Vierprophetenbuch unter der im Lande verbliebenen Bevölkerung als bewusstes Gegenkonzept zu dem aus den Reihen der Exilierten stammenden DtrG gestaltet wurde. 6 Die in Zef 3,12 belegte Erwähnung eines armen und geringen Volkes wird allerdings häufig so verstanden, dass hier von einem im religiösen Sinne armen und somit demütigen Volk die Rede ist; vgl. nur RO, Armenfrömmigkeit, 101–102; PERLITT, ATD 25,1, 142. Wie an anderer Stelle gezeigt, bezieht sich die in Zef 3,12 belegte Formulierung ldw yn[ ~[ aber bewusst auf 2 Kön 24,14; 25,12 mit der dort belegten Erwähnung der „Geringen des Landes“ (#rah [~[] tld), also der armen, im Lande verbliebenen Bevölkerung; vgl. WÖHRLE, Sammlungen, 267. Mit dem in Zef 3,12 genannten armen und geringen Volk ist somit nichts anderes als eben diese, nach der Exilierung im Lande verbliebene Bevölkerung gemeint. 7 Der in Ez 11,15 belegte Imperativ Wqx]r: ist, wie häufig gesehen, vermutlich zum Perfekt Wqx]r" umzuvokalisieren; vgl. nur ZIMMERLI, BK 13,1, 200; POHLMANN, ATD 22,1, 127.

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Zur Intention der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte 16 Deswegen sprich: So spricht der Herr Jhwh: Ja, ich habe sie entfernt unter die Völker, und ja, ich habe sie zerstreut unter die Länder, und ich war ihnen ein wenig zum Heiligtum in den Ländern, in die sie gekommen sind. 17 Deswegen sprich: So spricht der Herr Jhwh: Ich sammle euch aus den Völkern, ich bringe euch aus den Ländern zusammen, in die ihr verstreut seid, und ich gebe euch das Land Israel.

Ez 11,14–17 ist ein Nachtrag zum Ezechielbuch, der ebenfalls in spätexilischer Zeit zugefügt wurde.8 In diesem Wort wird nun direkt eine Auseinandersetzung zwischen der im Lande verbliebenen Bevölkerung und den Exilierten erkennbar. So wird in Ez 11,15 ein Zitat der Bewohner Jerusalems vorgebracht. Ihrer Ansicht nach sind die Exilierten fern von Jhwh. Deshalb sind sie selbst die alleinigen Erben des Landes. Wie Zef 3,11–13 lässt also auch Ez 11,15 erkennen, dass die im Lande Verbliebenen die Exilierung als definitives Gericht, als ein für allemal geschehenes Entfernen der Exilierten aus dem Volk Gottes verstanden. Sie hielten daher nur sich selbst für das noch verbliebene Gottesvolk. Und sie sahen auch nur sich selbst als legitime Erben des Landes an. —————

8 Aus der in Ez 9–11 belegten Sammlung von Visionsberichten fällt der Textbereich Ez 11,14– 21 schon aufgrund seiner Gestaltung als Disputationswort heraus; vgl. nur ZIMMERLI, BK 13,1, 241; LIWAK, Probleme, 110–111; LEVIN, Verheißung, 205; KRÜGER, Geschichtskonzepte, 318– 323; POHLMANN, ATD 22,1, 157–158; PETRY, Entgrenzung, 246; A. KLEIN, Schriftauslegung, 90. Sodann wurde zurecht schon häufiger angenommen, dass der in Ez 11,14–21 belegte Nachtrag als Produkt eines mehrstufigen Wachstumsprozesses anzusehen ist. Der Grundbestand dieser Einheit wird allerdings ganz unterschiedlich bestimmt; vgl. hierzu etwa ZIMMERLI, a.a.O., 247–251 (11,14–16.19.20); LIWAK, a.a.O., 112–113, und KRÜGER, a.a.O., 319–322 (11,14–20); GRAFFY, Prophet, 47–49 (11,14–17); LEVIN, a.a.O., 206–207, und PETRY, a.a.O., 246–248 (11,14.15aab. 17.19aab.20); A. KLEIN, a.a.O., 91–93 (11,14–16). Dabei überzeugt die häufig vorgenommene literarkritische Scheidung zwischen den Versen 11,16 und 11,17, die mit dem Wechsel von der 3. Pers. pl. in 11,16 zur 2. Pers. pl. in 11,17 begründet wird, eher nicht. Denn in den Versen 11,16 und 11,17 werden doch exakt die beiden in 11,15, im Zitat der Landbevölkerung, vorgebrachten Themen – Gottferne und Landbesitz – wieder aufgenommen. Der zwischen 11,16 und 11,17 erkennbare Wechsel von der 3. Pers. zur 2. Pers. pl. ist daher so zu verstehen, dass 11,16 an die Landbevölkerung, 11,17 aber an die Exilierten gerichtet ist; vgl. hierzu auch LIWAK, a.a.O., 112; GRAFFY, a.a.O., 48; RUWE, Veränderung, 7–8. Als Grundbestand des in Ez 11,14–21 belegten Wortes dürften somit die Verse Ez 11,14–17 anzusehen sein. Die folgenden Verse 11,18–21, die nun tatsächlich allein schon aufgrund des neuerlichen Wechsels zur 3. Pers. pl. auffallen, wurden dagegen – in mehreren Schritten – erst sekundär hinzugefügt. Als Datierung des in 11,14–17 belegten Nachtrags bietet sich dann – angesichts der hier belegten, zwischen den Bewohnern des Landes und den Exilierten geführten Auseinandersetzung über den künftigen Besitz des Landes – am ehesten die spätexilische Zeit an; vgl. hierzu v.a. KRÜGER, a.a.O., 323.

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Bei der in Ez 11,14–17 vorgebrachten Entgegnung gegen die so beschriebene Haltung der im Lande Verbliebenen ist zunächst die in Ez 11,15 belegte Charakterisierung der beiden Gruppen beachtenswert. Die Exilierten werden hier nicht nur als Brüder und Verwandte Ezechiels, sondern auch als das „ganze Haus Israel“ (larfy tyb-lk) angesprochen. Die im Lande Verbliebenen werden dagegen lediglich als „Bewohner Jerusalems“ (~lvwry ybvy) bezeichnet. Nach Ez 11,15 vertraten also auch die Exilierten die Ansicht, dass sie allein das Volk Israel repräsentieren. Den im Lande Verbliebenen sprachen sie die Zugehörigkeit zu diesem Volk ab. In Ez 11,16–17 wird den im Lande Verbliebenen sodann entgegengehalten, dass Jhwh die Exilierten zwar entfernt hat, dass er aber auch in der Ferne unter ihnen anwesend ist.9 Und es wird verheißen, dass Jhwh die Exilierten wieder sammeln und dann gerade ihnen das Land geben wird. Die Exilierten betrachteten ihre Situation im Exil somit nicht als definitives Gericht, als dauerhaftes Ende der Zugehörigkeit zum Volk Gottes. Sie sahen sich vielmehr unter der bleibenden, ja exklusiven Zuwendung Gottes und erwarteten die Rückkehr aus dem Exil sowie die erneute – und alleinige – Inbesitznahme des Landes. Neben Ez 11,14–17 ist noch eine weitere Stelle im Ezechielbuch von Bedeutung. So steht in Ez 33,23–27: Ez 33,23 Da erging das Wort Jhwhs an mich folgendermaßen: 24 Menschenkind: Die Bewohner dieser Trümmer im Land Israel sagen: Abraham war einer, und er nahm das Land in Besitz. Wir aber sind viele, uns ist das Land zum Besitz gegeben. 25 Deswegen sprich zu ihnen: So spricht der Herr Jhwh: Über dem Blut esst ihr, eure Augen erhebt ihr zu euren Götzen, Blut vergießt ihr – und ihr wollt das Land besitzen? 26 Ihr verlasst euch auf euer Schwert, ihr tut Greuel, ein jeder verunreinigt die Frau seines Nächsten – und ihr wollt das Land besitzen? 27 So sprich zu ihnen: So spricht der Herr Jhwh: So wahr ich lebe! Die in den Trümmern sind, sollen durch das Schwert fallen, wer auf dem Feld ist, den gebe ich den wilden Tieren zum Fraß, und die in den Festungen und Höhlen sind, sollen an der Pest sterben.

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9 Zu der in Ez 11,17 belegten, nur schwer verständlichen Aussage, dass Jhwh den Exilierten im Ausland „ein wenig zu einem Heiligtum“ geworden ist, womit doch zweifellos die Präsenz Jhwhs unter den Exilierten zum Ausdruck gebracht wird, vgl. etwa ZIMMERLI, BK 13,1, 250; POHLMANN, ATD 22,1, 167; GREENBERG, Ezechiel 1–20, 220.

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Zur Intention der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

Auch bei Ez 33,23–27 handelt es sich um einen Nachtrag zum Ezechielbuch, der in spätexilischer Zeit ergänzt wurde.10 Wie schon in Ez 11,14–17 wird auch bei diesem Wort zunächst ein Zitat der im Lande Verbliebenen vorgebracht, die für sich beanspruchen, das Land zu besitzen. Dem folgt auch hier eine Entgegnung aus der Sicht der Exilierten. Bei Ez 33,23–27 ist nun bedeutsam, dass sich die im Lande Verbliebenen in 33,24, über die bislang besprochenen Stellen hinaus, auf Abraham berufen. Sie verweisen darauf, dass Abraham als einzelner das Land in Besitz genommen hat und dass deshalb ihnen, den Vielen, doch umso mehr das Land zum Besitz gegeben ist. Nach den im Lande Verbliebenen wurde die in der Abraham-Tradition belegte Mehrungsverheißung also gerade an ihrer Gruppe erfüllt.11 Sie verstanden sich daher im Gefolge ihres Ahnherrn als die alleinigen Erben des Landes.12 Diesem Anspruch werden in Ez 33,25–27 die Verfehlungen der im Lande Verbliebenen entgegengesetzt. Sie essen unreine Speisen, beten Götzen an, verlassen sich auf ihr Schwert und begehen Ehebruch. Sie sind also des Landes nicht würdig. Ja, sie werden von Jhwh für ihre Verfehlungen heimgesucht und vollständig vernichtet. Ez 33,23–27 zeigt somit, wie die im Lande Verbliebenen ihren Anspruch, dass sie allein das Volk Gottes repräsentieren und somit nur ihnen der Besitz des Landes zusteht, unter Rückgriff auf die Abraham-Tradition begründeten. Und die Stelle zeigt, wie sich die Exilierten mit deutlichen —————

10 Dass Ez 33,23–27 bzw. 33,23–29 an der vorliegenden Stelle erst sekundär eingefügt worden ist, wurde schon häufiger gesehen; vgl. hierzu, mit Unterschieden in der konkreten Argumentation, KRÜGER, Geschichtskonzepte, 323–324; POHLMANN, ATD 22,2, 456; A. KLEIN, Schriftauslegung, 355–356. Denn dieses Wort unterbricht den Zusammenhang zwischen den beiden am prophetischen Wort orientierten Einheiten Ez 33,21–22 und 33,30–33. Sodann wird bisweilen angenommen, dass bei Ez 33,23–27 die Verse 33,25abb.26.27aa mit den dort belegten Anschuldigungen gegen die im Lande Verbliebenen erst sekundär eingebracht wurden, da hier zum einen ein Anredewechsel von der 2. Pers. pl. in 33,25.26 zur 3. Pers. pl. in 33,27 erkennbar ist und da der genannte Textbereich zum anderen in der Septuaginta nicht belegt ist; vgl. hierzu etwa POHLMANN, a.a.O., 455 Anm. 36; PETRY, Entgrenzung, 331; A. KLEIN, a.a.O., 355. Das Problem an dieser These ist aber, dass ohne die in Ez 33,25–26 belegte Anschuldigung das in Ez 33,27 vorgebrachte Gerichtswort unmotiviert bleibt; vgl. hierzu schon ZIMMERLI, BK 13,2, 815. So wird es sich bei Ez 33,23–27 um ein literarisch einheitliches Wort handeln, das angesichts der hier erkennbaren Auseinandersetzung zwischen den im Lande Verbliebenen und den noch in Babylon befindlichen Exilierten in die spätexilische Zeit zu datieren ist. 11 Vgl. hierzu etwa JAPHET, People, 108; GREENBERG, Ezechiel 21–37, 384. 12 Häufig wird davon ausgegangen, dass das in Ez 33,24 belegte Zitat der im Lande Verbliebenen für sich genommen nicht explizit gegen die Exilierten gerichtet ist, sondern ganz allgemein den Besitzanspruch der im Lande Verbliebenen zum Ausdruck bringt; vgl. etwa POHLMANN, ATD 22,2, 454; KÖCKERT, Geschichte, 104–105; MÜHLING, Abraham, 85–86. Doch wie KEEL, Orte IV,1, 836, zurecht betont, ergibt der in Ez 33,24 belegte Verweis auf Abraham nur in Auseinandersetzung mit den Exilierten, nicht aber im Gegenüber zu Angehörigen fremder Völker einen Sinn; vgl. hierzu auch JAPHET, People, 106–108; ALBERTZ, Exilszeit, 135.

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Worten gegen derartige Ansprüche gewandt und sogar die vollständige Ausrottung der Landbevölkerung erhofft und befürwortet haben.13 Von Ez 33,23–27 herkommend ist nun noch eine letzte Stelle von Bedeutung. So findet sich bei Deuterojesaja, in Jes 41,8–9, das folgende, an die Exilierten gerichtete Wort: Jes 41,8 Aber du, Israel, mein Knecht, Jakob, den ich erwählt habe, Same Abrahams, meines Freundes, 9 der ich dich ergriffen habe von den Enden der Erde und von ihren Rändern gerufen habe, zu dir sprach ich: Mein Knecht bist du, dich habe ich erwählt und nicht verworfen.

Auch Jes 41,8–9 ist in spätexilischer Zeit entstanden.14 In diesem Wort werden die Exilierten als Israel und Jakob, aber auch als Same Abrahams bezeichnet. Ihnen wird sodann zugesprochen, dass Jhwh sie erwählt hat, dass er sie von den Enden der Erde ergriffen und berufen hat. Nach Jes 41,8–9 beziehen sich also auch die Exilierten auf die AbrahamTradition. Mit der in der Abraham-Tradition beheimateten Vorstellung der Berufung des Abraham in einem fernen Land, der Auswanderung aus diesem Land sowie der Inbesitznahme des von Gott gegebenen Landes begründen sie ihre Erwartung, dass Gott sich auch ihnen, den Nachkommen Abrahams, zuwenden wird und sie wie einst Abraham in das Land zurückführen wird.15 Nicht nur die im Lande Verbliebenen, sondern auch die Exilierten haben somit auf die Abraham-Tradition zurückgegriffen, um ihre Situation zu deuten und ihren Hoffnungen Ausdruck zu verleihen. In der AbrahamTradition sahen sie ihr eigenes Geschick, ihr Leben in der Fremde, wie auch ————— 13

Vgl. hierzu auch BLENKINSOPP, Ezekiel, 151: „In retrospect [...] we can detect here the seeds of sectarianism as it developed in the time of the Second Temple, with different groups within the restored community claiming to be the legitimate successors of the old Israel.“ 14 Jes 41,8–9 wird bisweilen als uneinheitlich betrachtet. So meint KRATZ, Abraham, 120, dass die Teilverse 41,8b.9a mit dem dort belegten Verweis auf Abraham und der damit zusammenhängenden Zusage, dass Jhwh die Angesprochenen von den Enden der Erde berufen hat, erst sekundär eingebracht wurden. Nach KÖCKERT, Geschichte, 111, ist sogar der gesamte Textbereich 41,8b.9 als Nachtrag anzusehen. Dies ist aber weder in der einen noch in der anderen Variante überzeugend. Denn ohne die Teilverse Jes 41,8b.9a würde in dem dann verbleibenden Text 41,8a.9b gleich zwei Mal hintereinander die Erwählung Israels genannt. Wenn aber der gesamte Vers 9 als sekundär betrachtet wird, fehlt dem in 41,10 vorgebrachten Ausruf aryt la „fürchte dich nicht“ die in 41,9b belegte Redeeinleitung; vgl. hierzu die weiteren Belege von aryt la in Jes 41,13– 14; 43,1–5; 44,2; 51,7; 54,1–4, wo vor diesem Ausruf stets eine mit 41,9b vergleichbare Redeeinleitung steht. Mit WESTERMANN, ATD 19, 59–60, oder BERGES, Jesaja 40–48, 170.187–191, handelt es sich bei Jes 41,8–9 somit um einen einheitlichen Textbereich, der dem Grundbestand des Deuterojesajabuches zuzuweisen und somit in die spätexilische Zeit zu datieren ist. 15 Vgl. hierzu etwa KÖCKERT, Geschichte, 111–113; KRATZ, Abraham, 120; MÜHLING, Abraham, 98–99.

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Zur Intention der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

die von ihnen erwartete Rückkehr und die erneute Inbesitznahme des Landes vorgezeichnet. Die behandelten Texte geben also Einblick in die zu spätexilischer Zeit zwischen der im Lande verbliebenen Bevölkerung und den Exilierten geführte Auseinandersetzung um die Zugehörigkeit zum Volk. So verstanden die im Lande Verbliebenen die Exilierung von Teilen des Volkes als gerechtes Gericht Jhwhs, hinter das es kein Zurück mehr gab. Sie sprachen den Exilierten daher die weitere Zugehörigkeit zum Volk ab und hielten sich selbst für den einzig legitimen Rest des Volkes sowie die einzig legitimen Erben des Landes. Dieser Anspruch der im Lande Verbliebenen wurde von den Exilierten schroff abgewehrt. Sie deuteten ihre Situation im Exil zwar auch als Gericht, aber als ein vorübergehendes. Sie beharrten darauf, dass Gott sich ihrer auch im Exil annimmt und dass er sie wieder in das Land zurückführen wird. Dabei hielten auch sie sich für das einzig wahre Volk Gottes, dem allein das Recht auf das Land zusteht, und sie sprachen nun ihrerseits den im Lande Verbliebenen die Zugehörigkeit zu diesem Volk ab. Ja, es wurde unter den Exilierten sogar die vollständige Vernichtung der im Lande verbliebenen Bevölkerung erwartet. Beachtenswert ist schließlich, dass beide Gruppen zur Begründung ihres jeweiligen Anspruchs gerade die Abraham-Tradition aufnahmen. Beide Gruppen bezogen die von Abraham überlieferte Zuwendung Gottes und insbesondere die von Abraham überlieferte Inbesitznahme des Landes auf ihre je eigene Situation und verstanden sich von Abraham her als das wahre Gottesvolk und die wahren Erben des Landes. Vor diesem Hintergrund ist nun auf die priesterlichen Passagen der Vätergeschichte zurückzukommen. 3.2.2 Die Erzväter als exemplarische Exulanten Die priesterliche Fassung der Vätergeschichte beginnt mit einem Auszug. In Gen 11,27–32 wird beschrieben, wie Terach mit Abraham, Sarah und Lot aufbricht, um in das Land Kanaan zu ziehen.16 Dabei steht in Gen 11,31 die folgende Aussage: Gen 11,31 Da nahm Terach Abram, seinen Sohn, und Lot, den Sohn des Haran, seinen Enkel, und Sarai, seine Schwiegertochter, die Frau seines Sohnes Abram, und sie zogen mit ihnen hinaus aus Ur-Kasdim, um in das Land Kanaan zu gehen. Und sie kamen bis Harran und wohnten dort.

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16 Zu Gen 11,27–32 siehe auch oben 25–30. Zum Folgenden vgl. auch WÖHRLE, Un-Empty Land, 190–193.

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Die Exilsgemeinde als das wahre Gottesvolk

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Bei Gen 11,31 ist vor allem der Ort, von dem her Terach mit Abraham, Sarah und Lot aufbricht, beachtenswert. Denn entgegen der vorpriesterlichen Tradition wird hier nicht Harran, sondern Ur-Kasdim als Heimat von Terach und Abraham angegeben.17 Harran ist in den priesterlichen Texten nur mehr ein Zwischenstopp auf dem Weg von Ur-Kasdim ins Land. Dass in den priesterlichen Passagen die Herkunft des Abraham von Harran nach Ur-Kasdim verlegt wurde, kann doch aber – gerade vor dem Hintergrund der zuvor begründeten Datierung der priesterlichen Passagen in die frühnachexilische Zeit – nur so verstanden werden, dass damit die Herkunft des Ahnherrn in die Nähe des Aufenthaltsortes der babylonischen Gola gelegt werden sollte.18 Dabei wurde wohl deshalb die alte babylonische Metropole Ur und nicht etwa Babylon, die Hauptstadt des neubabylonischen Reiches, als Heimat des Abraham angegeben, da den priesterlichen Autoren bekannt gewesen sein dürfte, dass dieser Ort im späten 3. Jahrtausend und in der ersten Hälfte des 2. Jahrtausends – also zur „Zeit der Väter“ – eines der bedeutendsten politischen und religiösen Zentren in Babylonien war.19 Aber wie dem auch sei: Die anachronistische Bezeichnung Ur-Kasdim „Ur der Chaldäer“ zeigt jedenfalls, dass es sich hierbei um eine späte Bildung handelt, mit der bewusst auf den Ort der von den Chaldäern deportierten Exulantenschaft angespielt werden soll. Das heißt dann aber, dass in der priesterlichen Version der Vätergeschichte an der Person des Abraham das Ergehen eines Rückkehrers aus dem babylonischen Exil dargestellt werden soll. Nach Gen 11,27–32 ist Abraham gewissermaßen ein exemplarischer, prototypischer Auswanderer aus Babylonien, der in das Land Kanaan kommt.20 Und die darauf folgende Vätergeschichte liest sich von hier aus als Geschichte einer aus Babylonien in das Land eingewanderten Familie. Im Rahmen der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte wird aber nicht nur Abraham als exemplarischer Exulant dargestellt. Vergleichbares zeigt sich bei sämtlichen Erzvätern. So wurde von den priesterlichen Bear————— 17

Siehe hierzu oben 28–30. So auch schon BLUM, Komposition, 344 Anm. 11: „Abraham wurde näher an die Zentren der jüdischen Exilsgemeinde herangeführt.“ Vgl. auch MARBÖCK, Menschen, 21; FISCHER, Erzeltern, 367; BLENKINSOPP, Abraham, 233. Diese Annahme dürfte jedenfalls wesentlich wahrscheinlicher sein als die von WESTERMANN, BK 1,2, 154–155; SPEISER, AncB 1, 81, oder SCHARBERT, NEB.AT 5, 119, vertretene Erklärung, dass Ur-Kasdim die heidnische Welt repräsentiere, aus der heraus Terach und Abraham nach Kanaan aufgebrochen sind. Eine solche These hat am vorliegenden Text keinerlei Anhalt. 19 Vgl. hierzu MATTHEWS, Art. Ur, 309–311. 20 So bislang v.a. BLENKINSOPP, Abraham, 225.233–235, der meint, dass Abraham in den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte als „paradigm“ und als „ideal immigrant“ dargestellt wird. 18

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Zur Intention der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

beitern am Beginn der Isaakerzählungen in Gen 25,11 die folgende Notiz eingebracht:21 Gen 25,11 Und es geschah, nachdem Abraham gestorben war, da segnete Gott seinen Sohn Isaak, und Isaak wohnte bei Beer Lachaj Roj.

Nach Gen 25,11 zieht Isaak nach dem Tod seines Vaters weg von dessen Wohn- und Begräbnisort und lässt sich bei Beer Lachaj Roj nieder.22 Beer Lachaj Roj ist nach Gen 16,7.14 im Süden, in der Wüste, auf dem Weg nach Schur gelegen. Es handelt sich um den Ort, an den Hagar nach Gen 16 flieht und an dem ihr die Geburt ihres Sohnes Ismael verheißen wird. In dieser Region haben sich dann nach Gen 25,18 die Nachkommen Ismaels niedergelassen. In der bisherigen Forschung konnte nun kaum erklärt werden, warum sich Isaak nach Gen 25,11 gerade an diesem Ort niederlässt.23 Es wurde allenfalls vermutet, dass hiermit die Vorrangstellung des eigenen Volkes gegenüber den Ismaelitern hervorgehoben werden soll.24 Oder es wurde angenommen, dass hiermit, gerade umgekehrt, die besondere Verbundenheit der beiden Brüder Isaak und Ismael und so der von ihnen herkommenden Völker zum Ausdruck gebracht werden soll.25 Doch gegen derartige Überlegungen spricht, dass in Gen 25 keinerlei Kontakt zwischen Isaak und einer in Beer Lachaj Roj lebenden ismaelitischen Bevölkerung erwähnt wird. Das Verhältnis von Isaak und Ismael wie auch das Verhältnis der von ihnen herkommenden Völker ist an dieser Stelle überhaupt nicht im Blick.26 Dass sich Isaak nach dem priesterlichen Vers Gen 25,11 bei Beer Lachaj Roj niederlässt und dann nach den folgenden, bereits vorpriesterlich eingebrachten Passagen der Vätergeschichte über Gerar (Gen 26,1) nach Beerscheba (Gen 26,23) und somit wieder zurück in das Land kommt, ist deshalb viel eher so zu erklären, dass auf diese Weise auch Isaak ein vorübergehender Aufenthalt im Ausland, also gewissermaßen eine temporäre Exilsexistenz, zugeschrieben werden soll. Nach den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte verbrachte auch Isaak eine Zeit seines Lebens im Aus—————

21 Zur priesterlichen Einordnung des gesamten Verses Gen 25,11, inklusive der häufig als Zusatz betrachteten Wohnortnotiz in 25,11b, s.o. 65–67. 22 Zu Beer Lachaj Roj vgl. etwa SEOW, Art. Beer-Lahai-Roi, 754–755. 23 So nennt etwa SEEBASS, Genesis II,2, 258, die in Gen 25,11 belegte Angabe des weit vom palästinischen Kulturland gelegenen Beer Lachaj Roj als Wohnsitz des Isaak „überraschend“ und schreibt hierzu: „Einen Grund für diese Entfernung gibt die Tradition hier nicht. [...] Man wird eine Begründung dafür nicht vermißt, sondern als selbstverständlich angenommen haben, daß Isaak sich ebenso wie Abraham noch weiträumig und ungezwungen bewegen konnte.“ 24 So SARNA, Genesis, 174. 25 So KNAUF, Ismael, 46 Anm. 210; DEURLOO, Way, 107. 26 Zur Bedeutung Ismaels in den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte s.u. 207–214.

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land und kehrte von dort in das Land zurück. Auch Isaak teilt somit das Schicksal eines aus der Fremde in das Land eingewanderten Exulanten. Vergleichbares zeigt sich auch bei den Jakoberzählungen. Schon in der vorpriesterlichen Fassung der Jakoberzählungen wird ja geschildert, dass der Ahnherr das Land verlässt, zu seinem Onkel Laban nach Harran zieht und dort eine längere Zeit seines Lebens verbringt (Gen 28–32*). Im Rahmen der priesterlichen Bearbeitung der Vätergeschichte wurde nun vor diesem Auslandsaufenthalt in Gen 27,46–28,9 eine neue Begründung für den Weggang des Jakob zugefügt. Und in den kurzen priesterlichen Nachträgen in Gen 31,18*; 33,18* und 35,6* wurde nochmals eigens die Rückkehr des Jakob in das Land Kanaan vermerkt. Mit diesen priesterlichen Nachträgen wurde der Aufenthalt des Jakob in einem fremden Land somit noch deutlicher als in der vorpriesterlichen Fassung als eine besondere und bedeutende Phase im Leben des Ahnherrn markiert.27 In der priesterlichen Version der Vätergeschichte wird also sämtlichen Vätern ein zeitweiser Aufenthalt in einem fremden Land zugeschrieben. Die Väter werden allesamt als exemplarische Exulanten dargestellt, die aus der Fremde nach Kanaan einwandern und dort eine neue Existenz suchen. Die so beschriebene Anlage der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte lässt sich dann doch aber ohne weiteres vor dem Hintergrund der zuvor ausgeführten, in der Exilszeit aufgekommenen Diskussion über die Zugehörigkeit zum Volk verstehen. Wie in Jes 41,8–9 und noch über den dort belegten, recht allgemeinen Verweis auf Abraham hinaus wird in den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte von Seiten der aus dem Exil Zurückgekehrten auf die Väter zurückgegriffen, um so ihre eigene Situation zu deuten und ihre Ansprüche zu begründen. Das Leben des Abraham, auf den sich nach Ez 33,24 auch die im Lande Verbliebenen zur Begründung ihrer Ansprüche auf das Land berufen, ja das Leben sämtlicher Väter wird hier geradezu als Präfiguration des Geschicks der späteren Exilsgemeinde dargestellt. Dabei wird mit der Darstellung der Väter als exemplarische Exulanten festgehalten, dass das Leben in einem fremden Land nicht, wie die im Lande Verbliebenen nach Ez 11,15 meinen, von der Zugehörigkeit zum Gottesvolk und vom Besitz des Landes Kanaan disqualifiziert. Es kann schon gar nicht, wie von den im Lande Verbliebenen nach Zef 3,11–13 und Ez 11,15 vertreten, als ein für allemal geschehener Ausschluss aus dem Volk und als definitiver Verlust des Landes gedeutet werden. Im Gegenteil: Nach den —————

27 Dass mit den in Gen 31,18* und 33,18* belegten priesterlichen Nachträgen noch über die vorpriesterliche Fassung der Vätergeschichte hinausgehend die Rückkehr des Jakob in das Land Kanaan hervorgehoben werden soll, meinten auch schon VOLZ, P, 138–139, und BLUM, Komposition, 441.

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Zur Intention der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

priesterlichen Passagen der Vätergeschichte gehört eine vorübergehende Exilsexistenz seit der Zeit der Väter gerade zum Wesen des von Abraham, Isaak und Jakob herkommenden Volkes hinzu. 3.2.3 Die Konstituierung des Volkes im Ausland Wie soeben gezeigt, werden die Väter in den priesterlichen Passagen als exemplarische Exulanten dargestellt, die eine Zeit ihres Lebens im Ausland verbracht haben und von dort her in das Land Kanaan eingewandert sind. Die priesterlichen Passagen gehen aber noch über diese Vorstellung hinaus. Sie zeigen, dass sich das von den Vätern herkommende Volk gerade dort im Ausland konstituiert hat. Beachtenswert ist zunächst, dass nach den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte, über die vorpriesterliche Tradition hinaus, sämtliche Väter im Ausland geboren werden. Dies trifft natürlich, wenn auch unausgesprochen, schon für Abraham zu, der nach Gen 11,27–32 aus Ur-Kasdim stammt. Dies trifft aber auch für alle weiteren, von Abraham herkommenden Väter des Volkes zu. So ist die in Gen 21,1–5* dargestellte Geburt des Isaak von ihrem vorgegebenen, bereits vorpriesterlich eingebrachten Kontext her in Gerar verortet, wo sich Abraham nach Gen 20,1 als Fremdling aufhält.28 Isaak wird also nicht im Land, sondern im benachbarten Ausland geboren. Vergleichbares zeigt sich auch bei der Geburt von Isaaks Sohn Jakob. Wie zuvor bereits ausgeführt, wurde im Rahmen der priesterlichen Bearbeitung der Vätergeschichte in Gen 25,11 eine kurze Notiz eingebracht, nach der Isaak das Land verlässt und sich im Ausland, bei Beer Lachaj Roj, ansiedelt.29 Nach dem folgenden, bereits vorpriesterlich anzusetzenden Erzählverlauf kommt Isaak dann über Gerar (Gen 26,1) und Beerscheba (Gen 26,23) wieder zurück in das Land. Bedeutend ist nun, dass die in Gen 25,11 ergänzte priesterliche Wohnortnotiz nicht nur, wie zuvor gezeigt, ganz allgemein dazu führt, dass Isaak ein zeitweiser Auslandaufenthalt zugeschrieben wird. Die in Gen 25,11 eingebrachte Wohnortnotiz führt auch dazu, dass die zwischen 25,11 und 26,1 geschilderten Ereignisse ins Ausland verlegt werden. Dies betrifft dann aber natürlich auch und vor allem die in Gen 25,19–26 dargestellte Geburt der beiden Isaak-Söhne Jakob und Esau. Durch die in Gen 25,11 eingefügte priesterliche Wohnortnotiz werden Jakob und Esau, über die vorpriesterliche Tradition hinaus, im Ausland geboren. ————— 28 29

Zur vorpriesterlichen Ansetzung des Textbereichs Gen 20–22* s.o. 57. Siehe hierzu oben 178–179.

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Dass im Rahmen der priesterlichen Bearbeitung der Vätergeschichte die Geburt der Väter ganz bewusst ins Ausland verlegt wird, zeigt sich sodann auch an der priesterlichen Darstellung der Geburt der zwölf Jakob-Söhne. So werden nach den vorpriesterlichen Passagen der Vätergeschichte die ersten elf Jakob-Söhne während Jakobs Aufenthalt bei seinem Onkel Laban in Harran geboren (Gen 29,31–30,24). Der zwölfte Sohn Benjamin wird dagegen auf dem Heimweg von Harran in das Land und zwar bereits im heimischen Bethlehem geboren (35,16–20). In den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte findet sich dann aber am Ende der in Gen 35,22b–26 belegten Aufzählung der Jakob-Söhne die folgende, doch recht erstaunliche Aussage: Gen 35,26b Dies sind die Söhne Jakobs, die ihm in Paddan-Aram geboren wurden.

Nach dem priesterlichen Vers Gen 35,26b wurden also sämtliche der zwölf Jakob-Söhne, inklusive Benjamin, in Paddan-Aram geboren. In den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte wird somit über die vorpriesterliche Darstellung hinaus betont, dass alle Jakob-Söhne im Ausland geboren wurden.30 Beachtenswert ist von hier aus noch eine weitere Stelle. So ist am Ende des in Gen 36,1–5 belegten, ebenfalls von den priesterlichen Bearbeitern der Vätergeschichte eingebrachten Verzeichnisses der Esau-Söhne die folgende Notiz belegt: Gen 36,5 Dies sind die Söhne Esaus, die ihm im Lande Kanaan geboren wurden.

In den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte wird also festgehalten, dass sämtliche Jakob-Söhne im Ausland geboren wurden, während sämtliche Esau-Söhne im Lande Kanaan geboren wurden. Dies kann doch aber nur so verstanden werden, dass am Gegenüber der Nachkommen von Jakob und Esau klargestellt wird, dass sich das von Jakob herkommende Volk gerade im Ausland konstituiert hat, wohingegen die Geburt im Land, wie bei ————— 30

In der bisherigen Forschung ist schon häufiger aufgefallen, dass nach dem priesterlichen Vers Gen 35,26b entgegen der vorpriesterlichen Tradition sämtliche Jakob-Söhne in Paddan-Aram geboren werden; vgl. nur HOLZINGER, KHC 1, 185; GUNKEL, HK 1,1, 388; JACOB, Genesis, 669; WESTERMANN, BK 1,2, 677; SCHARBERT, NEB.AT 16, 233; SARNA, Genesis, 245; SEEBASS, Genesis II,2, 455; BAUKS, Genesis 35,22b–29, 288. Doch wurde bislang nur selten danach gefragt, warum die priesterlichen Autoren an dieser Stelle von der vorpriesterlichen Tradition abweichen. Es wurde allenfalls, etwa von GUNKEL, ebd., vermutet, dass P „durch seine Ordnungsliebe“ dazu verführt wurde, die Geburt sämtlicher Jakob-Söhne nach Paddan-Aram zu verlegen; vgl. hierzu auch WESTERMANN, ebd. Angesichts der Tatsache, dass in den priesterlichen Passagen nicht nur die Geburt der Jakob-Söhne, sondern sämtlicher Väter ins Ausland verlegt wird, scheint doch aber nicht nur eine gewisse „Ordnungsliebe“, sondern auch ein echtes inhaltliches Anliegen hinter der in Gen 35,26b belegten Darstellung zu stehen.

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Zur Intention der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

den Nachkommen des Esau, die Zugehörigkeit zu diesem Volk nicht zu begründen vermag.31 Dass sich das von den Vätern herkommende Volk nach den priesterlichen Passagen im Ausland konstituiert hat, zeigt sich nun aber nicht nur an der in diesen Passagen beschriebenen Geburt der Väter im Ausland. Dies zeigt sich auch an der priesterlichen Darstellung der Mehrung und Volkwerdung des von den Vätern herkommenden Volkes. So wird im Rahmen der priesterlichen Passagen zunächst Abraham und dann auch Jakob verheißen, dass Gott sie fruchtbar machen und mehren wird (Gen 17,2.6; 28,3; 35,11). Die Erfüllung dieser Verheißung wird dann im Rahmen der priesterlichen Passagen der Josefgeschichte in Gen 47,27b vermerkt.32 An dieser Stelle wird ausgesagt, dass die Jakob-Familie, die sich soeben in Ägypten angesiedelt hat, fruchtbar war und sich mehrte. Dazu passt, dass am Beginn des Exodusbuches in dem priesterlichen Vers Ex 1,7, in dem erneut die Mehrung der Jakob-Nachkommen in Ägypten notiert wird, erstmals im Rahmen der priesterlichen Passagen die Volksbezeichnung „Israeliten“ (larfy ynb) verwandt und so die nun geschehene Formierung des Volkes Israel markiert wird.33 Nach priesterlicher Darstellung hat sich die Mehrung und Volkwerdung des von den Vätern herkommenden Volkes also gerade in Ägypten ereignet.34 Dort in Ägypten und somit im Ausland hat sich das Volk als solches konstituiert. Vergleichbares zeigt sich auch an dem priesterlichen Konzept der dreistufigen Offenbarung des Gottesnamens.35 Wie schon mehrfach erwähnt, wird im Rahmen der priesterlichen Passagen in der Urgeschichte und am Beginn der Vätergeschichte nur die allgemeine Gottesbezeichnung Elohim, ab Gen 17 auch der Gottesname El Shadday und ab Ex 6 der Gottesname Jhwh verwandt. So steht in Ex 6,3, im Rahmen der priesterlichen Darstellung der Mose-Berufung, die folgende Aussage: ————— 31

Dass nach den priesterlichen Passagen sämtliche Jakob-Söhne im Ausland, aber sämtliche Esau-Söhne im Land zur Welt kamen, wird in der bisherigen Forschung meist nicht beachtet, und schon gar nicht werden aus diesem doch recht erstaunlichen Befund weitergehende Konsequenzen gezogen. So ist etwa SCHARBERT, NEB.AT 16, 234; BOECKER, ZBK.AT 1,3, 135, oder ARNOLD, Genesis, 309, die in Gen 36,5 belegte Aussage, dass die Söhne des Esau in Kanaan geboren wurden, aufgefallen. Sie fragen aber nicht nach der Intention dieser Darstellung. 32 Vgl. etwa WESTERMANN, BK 1,3, 192; SARNA, Genesis, 323; WENHAM, WBC 2, 449. 33 Vgl. hierzu etwa CHILDS, Exodus, 2; BAUKS, Genesis 35,22b–29, 279; WEIMAR, Verheißung, 267–268. 34 Dieser Aspekt wird bei den Anm. 32–33 genannten Ansätzen stets übersehen. Doch hat etwa BRUEGGEMANN, Kerygma, 405–406, erkannt, dass sich die Mehrung des Volkes nach Gen 47,27 gerade in Ägypten vollzieht. Er bezieht dies aber sofort auf den in den priesterlichen Passagen angesagten Besitz des Landes und meint dann lediglich, dass mit der Mehrung in Ägypten zum Ausdruck komme, dass das Volk in der Lage sein wird, das Land zu kontrollieren. Die besondere Brisanz der priesterlichen Darstellung ist damit doch aber nur unzureichend erfasst. 35 Siehe hierzu v.a. oben 147–149.

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Ex 6,3 Ich erschien Abraham, Isaak und Jakob als El Shadday, doch meinen Namen Jhwh habe ich ihnen nicht offenbart.

Ex 6,3 ist, wie stets gesehen wurde, der Höhe- und Zielpunkt des priesterlichen Konzepts der dreistufigen Namensoffenbarung.36 Mit der Bekanntgabe des Jhwh-Namens gibt sich Gott noch über die den Vätern zuteil gewordene Offenbarung hinaus als der zu erkennen, der er wirklich ist, und als der er fortan für sein Volk und mit seinem Volk da sein wird. Zu wenig wurde bislang aber das schlichte Faktum beachtet, dass der Jhwh-Name nach Ex 6 in Ägypten eingeführt wird. Nach den vorangehenden Überlegungen zur Konstituierung des Volkes im Ausland kann dies doch ohne weiteres so verstanden werden, dass mit der erst in Ex 6 vorgebrachten Offenbarung des Jhwh-Namens klargestellt werden soll, dass die Selbstoffenbarung Gottes in ihrem vollen Sinne gerade im Ausland geschehen ist. Hierzu passt die folgende Überlegung. So wird im weiteren Verlauf der priesterlichen Version der Mose-Berufung in Ex 6,7 die sogenannte Bundesformel zitiert: Ex 6,7 Ich nehme mir euch zum Volk, und ich werde euch zum Gott ...

Beachtenswert ist, dass in den priesterlichen Passagen bereits in Gen 17,7– 8, im Rahmen des Abrahambundes, auf die Bundesformel Bezug genommen wird. Dort ist allerdings nur die Zusage belegt, dass Gott für Abraham und seine Nachkommen Gott sein will. Es fehlt dagegen die sonst im Rahmen der Bundesformel belegte Aussage, dass Gott sich die Angesprochenen zu seinem Volk nimmt. In Gen 17 wird also gewissermaßen nur die zweite Hälfte der Bundesformel zitiert.37 Dass im Rahmen der priesterlichen Passagen nicht schon in Gen 17, sondern erst in Ex 6 die vollständige Bundesformel belegt ist – inklusive der Zusage, dass Gott sich die Angesprochenen zum Volk nimmt –, heißt doch aber, dass nach den priesterlichen Passagen die Konstituierung des Gottes-

—————

36 Vgl. etwa WELLHAUSEN, Prolegomena, 337; VON RAD, Priesterschrift, 178; CHILDS, Exodus, 115; W.H. SCHMIDT, BK 2,1, 281–283; BLUM, Studien, 235–236; CROATTO, Relecture, 47–48; GARR, Grammar, 401–408; RÖMER, Exodus Narrative, 162–163. Die von LOHFINK, Abwertung, 1–8, vorgebrachte These, dass die nach priesterlicher Darstellung erst hier in Ex 6,3 geschehende Namensoffenbarung als Abwertung des Jhwh-Namens zu verstehen ist, da sie im Gegensatz zu der in Gen 17 belegten Offenbarung des El-Shadday-Namens nicht im Rahmen einer Theophanie vorgebracht wird, ist kaum überzeugend. Denn in Ex 6,3 wird die Mitteilung des Jhwh-Namens doch ganz deutlich als eine Offenbarung, wie sie den Vätern noch nicht zuteil wurde, und somit als Überbietung der den Vätern zugekommenen Offenbarung dargestellt. 37 Vgl. hierzu etwa SMEND, Bundesformel, 27; ZIMMERLI, ZBK.AT 1,2, 71; WESTERMANN, BK 1,2, 316; SEEBASS, Genesis II,1, 104.

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Zur Intention der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

volkes erst jetzt, also in Ägypten, vollzogen wird. Erst und gerade hier, in Ägypten, hat Gott die Jakob-Söhne als sein Volk angenommen.38 Mit den genannten Eigenheiten der priesterlichen Passagen könnte schließlich sogar die priesterliche Darstellung des Auftrags zum Bau der Stiftshütte in Ex 25–29* in Verbindung gebracht werden. In diesem Textbereich wird das aus Ägypten ausgezogene und nun am Sinai befindliche Volk von Jhwh zur Finanzierung und zum Bau eines mobilen Heiligtums sowie zur Einrichtung eines regelmäßigen, an diesem Heiligtum auszuführenden Kults aufgefordert. Das bedeutet doch, dass nach priesterlicher Darstellung auch der Kult des Volkes jenseits der Grenzen des Landes, im Ausland, eingerichtet wurde und dann von außen in das Land importiert wurde.39 Es zeigt sich also gleich an mehreren Beobachtungen, dass die priesterlichen Passagen von der Vorstellung geprägt sind, dass die Konstituierung des Volkes im Ausland geschah. Sämtliche Väter wurden im Ausland geboren. Im Ausland hat sich Jhwh im Vollsinne offenbart. Im Ausland hat er sich sein Volk erwählt. Und im Ausland wurde auch der Kult des von den Vätern herkommenden Volkes begründet. Die so beschriebene Darstellung des von den Vätern herkommenden Volkes als ein Volk, das sich im Ausland konstituiert hat, lässt sich dann aber wiederum recht gut vor dem Hintergrund der zuvor beschriebenen Auseinandersetzung zwischen den Exilierten und den im Lande Verbliebenen über die Zugehörigkeit zum Volk verstehen. Wie Ez 11,15 zeigt, haben die im Lande Verbliebenen den Exilierten ja vorgehalten, dass sie fern von Jhwh sind. Die im Lande Verbliebenen binden die Zugehörigkeit zum Gottesvolk also an das Leben im Land. —————

38 Dass im Rahmen der priesterlichen Passagen erst in Ex 6,7 die vollständige Bundesformel belegt ist, wurde zwar schon häufig gesehen; vgl. nur SMEND, Bundesformel, 27; WEIMAR, Untersuchungen, 136–137; KOHATA, Jahwist, 319; W.H. SCHMIDT, BK 2,1, 285; KÖCKERT, Leben, 35; GERTZ, Tradition, 246–247. Es wurde aber nur selten danach gefragt, warum dies so ist. Allenfalls wurde angemerkt, dass das Volk Israel eben gerade im nun folgenden Exodusgeschehen zum Volk Gottes wird; so WEIMAR, ebd.; KOHATA, ebd. Damit wird doch aber nur die in Ex 6 vorausgesetzte Situation, in der das Volk als Volk Gottes angenommen wird, genannt. Die Intention für die erst hier und nicht schon im Rahmen der Vätergeschichte zugesagte Annahme des Volkes bleibt dagegen offen. 39 Demgegenüber meint RÖMER, Hauptprobleme, 296: „Wenn man gerne spekuliert, kann man sogar überlegen, ob die Verlegung des Heiligtums in die Wüste, gewissermaßen in ein no manҲs land, nicht eine gewisse neutrale Haltung gegenüber anderen wichtigen Heiligtümern, wie z.B. Bethel oder Samaria, darstellt.“ Vgl. hierzu auch DE PURY, PG, 126. Gegen diese These spricht aber der die priesterlichen Passagen bestimmende Bezug auf das Land Kanaan, wohin der Weg des aus Ägypten ziehenden Volkes – und somit auch der von ihnen mitgenommenen Stiftshütte – führt. Dass nach priesterlicher Vorstellung neben diesem einen Heiligtum auch noch weitere legitime Heiligtümer denkbar sein sollen, lässt sich durch nichts erweisen.

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Die Exilsgemeinde als das wahre Gottesvolk

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Gegen diese Auffassung wird in den priesterlichen Passagen und somit von Seiten der Rückkehrer aus dem Exil festgehalten, dass sich das Volk Gottes von den Vätern her gerade im Ausland konstituiert hat. Von den Vätern her spricht somit die Herkunft aus dem Ausland nicht gegen die Zugehörigkeit zum Volk, wie umgekehrt die Geburt im Land die Zugehörigkeit zu diesem Volk nicht begründen kann. Und von den Vätern her bedeutet das Leben im Ausland auch keine Gottferne, hat sich Jhwh doch gerade im Ausland offenbart, dort hat er sein Volk erwählt und den Kult des Volkes begründet. 3.2.4 Die exklusive Definition des Volkes Nach den vorangehenden Überlegungen werden die Väter in den priesterlichen Passagen als exemplarische Exulanten präsentiert, und es wird gezeigt, dass sich das von den Vätern herkommende Volk gerade im Ausland als solches konstituiert hat. Beachtenswert ist nun, dass die priesterlichen Passagen dabei von einer exklusiven, also einer nach außen abgeschlossenen Definition des Volkes bestimmt sind. Interessant ist zunächst die folgende priesterliche Passage aus der Josefgeschichte, in der beschrieben wird, wie Jakob mit seinen Kindern und deren Angehörigen nach Ägypten aufbricht. So steht in Gen 46,6–7: Gen 46,6 Und sie nahmen ihr Vieh und ihren Besitz, den sie im Lande Kanaan erworben hatten, und Jakob und all seine Nachkommen (w[rz-lkw) mit ihm kamen nach Ägypten, 7 seine Söhne und seine Enkel, seine Töchter und seine Enkelinnen, und all seine Nachkommen (w[rz-lkw) brachte er mit sich nach Ägypten.

Bei Gen 46,6–7 ist beachtenswert, dass hier gleich mehrfach vermerkt wird, dass Jakob mit all seinen Familienangehörigen nach Ägypten geht. So wird am Beginn der Aufzählung in 46,6 wie auch am Ende der Aufzählung in 46,7 betont, dass er und „all seine Nachkommen“ (w[rz-lk) nach Ägypten ziehen. Zudem wird nochmals im Einzelnen hervorgehoben, dass all seine Söhne, Enkel, Töchter und Enkelinnen mit ihm kommen. Bemerkenswert ist dabei nicht zuletzt die Formulierung „seine Töchter“. Denn nach der in den priesterlichen Passagen vorausgesetzten vorpriesterlichen Tradition hatte Jakob doch nur eine Tochter, nämlich Dina (Gen 30,21).40 Das heißt doch aber, dass mit der hier belegten Aufzählung nicht —————

40 Lediglich am Beginn der Josefgeschichte, in Gen 37,35, ist noch von Töchtern des Jakob im Plural die Rede. Es ist aber ausgesprochen unwahrscheinlich, dass die priesterliche Darstellung in Gen 46,7 von der dortigen, doch eher beiläufigen Erwähnung mehrerer Töchter des Ahnherrn beeinflusst ist.

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Zur Intention der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

nur das schlichte Faktum zum Ausdruck gebracht werden soll, dass die Jakob-Familie nun nach Ägypten aufgebrochen ist.41 Die Stelle weist vielmehr über sich und den konkreten Zusammenhang der Josefgeschichte hinaus und stellt fest, dass die Gesamtheit der Nachkommen Jakobs nach Ägypten und somit ins Ausland gezogen ist, wo sich aus eben diesen Nachkommen Jakobs, wie zuvor dargestellt, das Volk Gottes konstituiert hat.42 Über diese Gruppe der ins Ausland Gezogenen hinaus gibt es nach priesterlicher Darstellung keine Zugehörigkeit zum Volk. Dass die priesterlichen Passagen an einer exklusiven Definition des Volkes orientiert sind, zeigt sich auch an dem priesterlichen Text Gen 48,5–6. Dort sagt Jakob zu seinem Sohn Josef: Gen 48,5 Aber jetzt, deine beiden Söhne, die dir im Lande Ägypten geboren wurden, bis ich zu dir nach Ägypten kam, gehören mir. Ephraim und Manasse sollen mir wie Ruben und Simeon sein. 6 Aber deine Nachkommen, die du nach ihnen zeugst, gehören dir. Unter dem Namen ihrer Brüder sollen sie genannt werden in deren Erbbesitz.

Die Auslegung von Gen 48,5–6 hat in der bisherigen Forschung gewisse Probleme bereitet. So wird die vorliegende Stelle meist schlicht so verstanden, dass die beiden Josef-Söhne Ephraim und Manasse als Söhne Jakobs adoptiert oder zumindest akzeptiert werden und dass so deren Aufnahme in den Kreis der Jakob-Söhne vermerkt wird.43 Dabei bleibt aber unerklärt, warum an der vorliegenden Stelle eigens betont wird, dass der Ahnherr nach Ephraim und Manasse keine weiteren Söhne des Josef mehr annehmen wird, zumal von solch weiteren Söhnen doch nirgends, weder in den priesterlichen noch in den nichtpriesterlichen Passagen des Pentateuch, die Rede ist. Nach den vorangehenden Überlegungen kann Gen 48,5–6 aber ohne weiteres so verstanden werden, dass an dieser Stelle festgehalten wird, dass sich das von Jakob herkommende Volk Israel in Ägypten abschließend formiert hat. Mit der Aufnahme der Josef-Söhne Ephraim und Manasse – bei denen interessanterweise wieder betont wird, dass sie in Ägypten geboren sind – wurde letztmalig eine Erweiterung des Kreises der Jakob-Söhne —————

41 So zumeist, etwa bei HOLZINGER, KHC 1, 219; GUNKEL, HK 1,1, 492; VON RAD, ATD 2–4, 330; SCHARBERT, NEB.AT 16, 278; SEEBASS, Genesis III, 122; EBACH, Genesis 37–50, 434. 42 Über die zuvor Anm. 41 genannten Ansätze hinaus meinte etwa schon JACOB, Genesis, 831, dass an der vorliegenden Stelle betont wird, dass die gesamte Jakob-Familie nach Ägypten gezogen ist; vgl. hierzu auch WESTERMANN, BK 1,3, 174; SARNA, Genesis, 313–314. Allerdings wurden aus dieser Erkenntnis bislang noch keine weitergehenden Konsequenzen gezogen. 43 Vgl. hierzu etwa GUNKEL, HK 1,1, 496; HOLZINGER, KHC 1, 222; WESTERMANN, BK 1,3, 207–208; SCHARBERT, NEB.AT 16, 287; SARNA, Genesis, 325; WENHAM, WBC 2, 463; SEEBASS, Genesis III, 152; EBACH, Genesis 37–50, 531–533; ARNOLD, Genesis, 375.

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und somit eine Erweiterung des von Jakob herkommenden Volkes vorgenommen. Schon eventuelle weitere Josef-Söhne hätten nur indirekt in die Gruppe der Jakob-Söhne integriert werden können. Eine darüber hinausgehende Erweiterung des von Jakob herkommenden Volkes ist überhaupt nicht vorgesehen. Von hier aus lässt sich dann auch die viel diskutierte, im direkten Anschluss vorgebrachte Aussage in Gen 48,7 erklären: Gen 48,7 Aber als ich aus Paddan kam, starb mir Rahel im Lande Kanaan, auf dem Weg, als es noch ein Stück bis Ephrat war. Da begrub ich sie am Wege nach Ephrat, das ist Bethlehem.

In der bisherigen Forschung konnte für den hier in Gen 48,7 belegten Rückverweis auf den Tod der Rahel keine zufriedenstellende Erklärung gefunden werden.44 So wurde in der älteren Forschung bisweilen vermutet, dass Jakob hier indirekt seinen Wunsch vorbringt, im Grab seiner Frau beigesetzt zu werden.45 Oder es wurde angenommen, dass das Rahel-Grab als eine besondere Gedenkstätte vorgestellt werden soll.46 Und schließlich wurde die These vertreten, dass in Gen 48,7 an der Person der Rahel vorgeführt wird, dass der Wille, in das Land Kanaan zu kommen, zielstrebig verfolgt werden muss, da es für die Rückkehr ins Land, wie bei Rahel geschehen, auch plötzlich zu spät sein kann.47 All diese Überlegungen kranken aber daran, dass sie die Stelle nicht in ihrem vorliegenden Kontext, im Anschluss an die zuvor erwähnte Aufnahme von Ephraim und Manasse in den Kreis der Jakob-Söhne, erklären können. Nicht umsonst wurde auch schon häufiger zugestanden, dass die Intention der hier belegten Aussage schlicht unklar ist.48 Wenn aber richtig sein sollte, dass mit der zuvor in Gen 48,5–6 dargestellten Annahme von Ephraim und Manasse eine letztmalige Erweiterung des von Jakob herkommenden Volkes zum Ausdruck gebracht werden soll, dann ergibt der hierauf folgende Verweis auf den Tod der Rahel doch einen guten Sinn. Denn mit dem in 48,7 erwähnten Tod der Rahel – der bevorzugten Frau des Jakob und Mutter seines zuletzt geborenen Sohnes Benjamin – wird dann klargestellt, dass aus Jakob keine weiteren Kinder mehr hervorgehen werden. Es wird hier also noch über Gen 48,5–6 hinaus betont, dass die Konstitution des von Jakob herkommenden Volkes mit der zuvor dargestellten Aufnahme von Ephraim und Manasse definitiv abgeschlossen ist. —————

44 Vgl. hierzu die Überblicke bei JACOB, Genesis, 869–870; WESTERMANN, BK 1,3, 208–209; SEEBASS, Genesis III, 153; EBACH, Genesis 37–50, 536–537. 45 Vgl. BRUSTON, Mort, 207–208; GUNKEL, HK 1,1, 471. 46 Vgl. JACOB, Genesis, 870–873; SEEBASS, Genesis III, 153. 47 Vgl. LUX, Geschichte, 174–175. 48 Vgl. SKINNER, Genesis, 505; VON RAD, ATD 2–4, 340; EBACH, Genesis 37–50, 537.

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Zur Intention der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

Die priesterlichen Passagen der Vätergeschichte präsentieren das von den Vätern herkommende Volk also nicht nur als ein Volk, das sich im Ausland konstituiert hat, sondern auch als ein Volk, das sich dort abschließend und somit als exklusive, nach außen abgeschlossene Gruppe konstituiert hat. Dies lässt sich doch aber erneut gut vor dem Hintergrund der zuvor beschriebenen Diskussion zwischen den im Lande Verbliebenen und den Exilierten über die Zugehörigkeit zum Volk verstehen. In den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte stellen sich die ins Land Zurückgekehrten von den Vätern her als das einzig wahre Volk Gottes dar. Einer Erweiterung der eigenen Gruppe, vor allem mit Blick auf die im Lande Verbliebenen, wird eine klare Absage erteilt. 3.2.5 Fazit In den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte wird von Seiten der Rückkehrer aus dem Exil auf die Väterüberlieferungen zurückgegriffen, um so von den Vätern her ihr Selbstverständnis als Volk Gottes zu begründen. So werden in den priesterlichen Passagen, über die vorpriesterliche Tradition hinaus, sämtliche Väter als exemplarische Exulanten dargestellt. Abraham wird sogar als ein aus Babylonien, aus Ur-Kasdim, kommender Einwanderer in das Land präsentiert. Und auch den weiteren Vätern, Isaak und Jakob, wird eine vorübergehende Exilsexistenz zugeschrieben. Aber mehr noch: In den priesterlichen Passagen wird herausgestellt, dass die Konstituierung des von den Vätern herkommenden Volkes gerade im Ausland geschah. Nach den priesterlichen Passagen werden sämtliche Väter im Ausland geboren. Im Ausland haben sich die Jakob-Nachkommen gemehrt und sind so zu einem Volk geworden. Ja, im Ausland hat Gott sich ihnen vollgültig offenbart, sie als sein Volk angenommen und ihren Kult begründet. Das von den Vätern herkommende Volk wird in den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte sodann als eine nach außen abgeschlossene Gruppe präsentiert. Nach den priesterlichen Passagen hat sich das Volk als Ganzes im Ausland konstituiert. Eine spätere Erweiterung dieser Gruppe ist nicht vorgesehen. Mit der so beschriebenen Darstellung der Väter und des von den Vätern herkommenden Volkes lassen sich die priesterlichen Passagen gut vor dem Hintergrund der in spätexilischer Zeit aufgekommenen Diskussion um die Zugehörigkeit zum Volk verstehen. So meinten die während des Exils im Lande Verbliebenen, dass die Exilierten ein für allemal aus dem Land entfernt und so aus dem Volk ausgeschlossen wurden. Gegen diese Sicht beschreiben die für die priesterlichen Passagen verantwortlichen Kreise, die

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Die Exilsgemeinde als das wahre Gottesvolk

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Rückkehrer aus dem Exil, das von den Vätern herkommende Volk als ein Volk, das sich im Ausland konstituiert hat, und zwar als exklusive, nach außen abgeschlossene Gruppe. Von den Vätern her stellen sich die ins Land Zurückgekehrten somit selbst als das einzig wahre Gottesvolk dar und sprechen nun ihrerseits den im Lande Verbliebenen die Zugehörigkeit zu diesem Volk ab. Von hier aus ist der Frage nachzugehen, wie in den priesterlichen Passagen das Leben im Land beschrieben wird.

3.3 Das Leben im Land 3.3.1 Das Land Kanaan – ein Land in fremder Hand In den priesterlichen Passagen wird dargestellt, wie die Väter aus der Fremde in das Land kommen und sich dort eine neue Existenz suchen. Bedeutend ist nun zunächst, dass das Land in den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte, über die vorpriesterliche Überlieferung hinaus, konsequent als „Land Kanaan“ (![nk #ra) bezeichnet wird.1 In der bisherigen Forschung wurde natürlich stets gesehen, dass in den priesterlichen Passagen, anders als in den nichtpriesterlichen Passagen, die Bezeichnung „Land Kanaan“ verwandt wird. Es wurde bislang allerdings nur selten danach gefragt, warum diese Bezeichnung verwandt wird. In außerbiblischen Texten ist der Name „Kanaan“ bereits in der ersten Hälfte des 2. Jahrtausends belegt.2 Es handelt sich hierbei zunächst um eine geographische Bezeichnung, mit der – in unterschiedlicher Abgrenzung – das Gebiet der Levante beschrieben wird, in dem sich später auch das Volk Israel angesiedelt hat. Von der geographischen Bezeichnung „Kanaan“ wurde sodann, ebenfalls schon in außerbiblischen Texten des 2. Jahrtausends, für die Bewohner dieses Gebiets die Volksbezeichnung „Kanaanäer“ abgeleitet. Vor diesem Hintergrund ist es kein Zufall, dass die Bezeichnung des Landes als „Kanaan“ wie auch die Bezeichnung der Bewohner dieses Landes als „Kanaanäer“ im Alten Testament vor allem in solchen Texten verwandt wird, die von der Zeit vor oder während der Einnahme des Landes durch die Israeliten handeln. So findet sich die Mehrzahl der Belege für „Kanaan“ und „Kanaanäer“ im Pentateuch sowie in den Büchern Josua und —————

1 Siehe hierzu oben 34 mit Anm. 31. Vgl. zum Folgenden auch WÖHRLE, Un-Empty Land, 193–202. 2 Zum Folgenden vgl. etwa ZOBEL, Art. ![nk, 226–243; STOLZ, Art. Kanaan, 539–554; GÖRG, Art. Kanaan, 438–439; SCHMITZ, Art. Canaan, 828–830.

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Zur Intention der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

Richter.3 In diesen Textbereichen wird mit „Kanaan“ also das Land in seinem vorisraelitischen Zustand und dementsprechend mit „Kanaanäern“ die vorisraelitische Bevölkerung dieses Landes bezeichnet.4 In Texten, die an späteren Epochen der Geschichte des Volkes, nach der Einnahme des Landes, orientiert sind, werden die Begriffe „Kanaan“ und „Kanaanäer“ dann vor allem für fremdstämmige Bevölkerungselemente und von hier aus zur Beschreibung von – tatsächlich oder vermeintlich – fremdstämmigen kulturellen und religiösen Praktiken verwandt.5 „Kanaan“ ist in diesen Texten gewissermaßen terminus technicus für das Nichtisraelitische, das Fremde.6 Schon von dieser allgemeinen Annäherung an die Bezeichnung „Kanaan“ herkommend liegt es dann nahe, dass der Begriff „Land Kanaan“ in den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte nicht nur eine neutrale Ortsbezeichnung darstellt. Mit dem Begriff „Land Kanaan“ kommt vielmehr zum Ausdruck, dass das Land, in das die Väter ziehen, für sie ein fremdes Land, ja mehr noch, ein von einer fremden Bevölkerung bewohntes und somit in fremder Hand befindliches Land ist.7 Und genau dies lässt sich aus den priesterlichen Passagen selbst noch weiter begründen. So wird in dem priesterlichen Vers Gen 28,1 der Weggang des Jakob zu seinem Onkel Laban, über die vorpriesterliche Tradition hinaus, damit begründet, dass er sich keine Frau von den „Töchtern Kanaans“ (![nk twnb) nehmen soll.8 Beachtenswert ist dabei, dass die hier als „Töchter Kanaans“ bezeichneten Frauen zuvor in Gen 27,46 auch „Töchter des Landes“ (twnb #rah) genannt werden. In den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte wird somit eine im Land lebende, als fremd angesehene Bevölkerungsschicht vorausgesetzt, und zur Bezeichnung eben dieser Bevölkerung wird gerade der Begriff „Kanaan“ gebraucht. Dies spricht dann aber dafür, dass auch die Bezeichnung des Landes als „Land Kanaan“ in den priesterlichen ————— 3

Auf die Bücher Genesis bis Richter entfallen 80 von insgesamt 94 Belegen der geographischen Bezeichnung ![nk und 62 von insgesamt 73 Belegen des Gentilicium yn[nk. 4 Vgl. hierzu v.a. NOTH, Welt, 46; ZOBEL, Art. ![nk, 229–230; STOLZ, Art. Kanaan, 541–542; SCHMITZ, Art. Canaan, 829. 5 Vgl. etwa Hos 12,8; Zef 1,11; 2,5; Sach 14,21; Ps 106,38; Esra 9,1, sowie Ez 16,3, wo als Kritik an religiösen Verfehlungen sogar dem eigenen Volk eine kanaanäische Herkunft unterstellt wird. 6 Vgl. STOLZ, Art. Kanaan, 539: „Schließlich findet sich im Alten Testament eine bestimmte theologische Wertung, welche mit dem Ausdruck ‚Kanaan‘ Assoziationen einer ethnischen und religiösen Größe verbindet, welche derjenigen Israels völlig entgegengesetzt ist.“ 7 In der bisherigen Forschung hat vor allem FREVEL, Blick, 369 Anm. 28, die Annahme vertreten, dass die in den priesterlichen Texten gebräuchliche Bezeichnung „Land Kanaan“ „auch die Konnotation ‚Land in fremder Hand‘ [...] aufweist“; vgl. hierzu auch a.a.O., 362–363, sowie STOLZ, Art. Kanaan, 542. Allerdings wurde diese Annahme bislang noch nicht umfassend begründet. 8 Siehe hierzu auch unten 217–219.

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Das Leben im Land

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Texten darauf abzielt, dass das Land, in das die Väter einwandern, von einer fremden Bevölkerung bewohnt wird. Dafür spricht auch noch eine weitere Überlegung: So findet sich im Rahmen der priesterlichen Passagen des Pentateuch ein erster Beleg des Namens „Kanaan“ in der sogenannten Völkertafel in Gen 10,1–32*.9 In der Völkertafel werden die Völker der Erde auf die drei Noah-Söhne Japhet, Ham und Sem zurückgeführt. Dabei wird unter den Söhnen des Ham neben Kusch, Mizraim und Put auch ein Sohn namens Kanaan genannt (Gen 10,6). Daneben wird in der Völkertafel und den weiteren priesterlichen Passagen eine Linie von Sem über dessen Sohn Arpachschad bis hin zu Terach, Abraham, Isaak, Jakob und so zum späteren, von den Vätern herkommenden Volk Israel gezogen. Nach priesterlicher Darstellung wird mit „Kanaan“ also eine Bevölkerungsgruppe bezeichnet, die unter den Völkern der Erde einem gänzlich anderen Zweig als das spätere, von den Vätern herkommende Volk zuzuordnen ist.10 Dies zeigt dann aber nochmals von einer anderen Seite, dass mit der für die priesterlichen Texte charakteristischen Bezeichnung des Landes als „Land Kanaan“ festgehalten wird, dass das Land, in das die Väter einziehen, von einer fremden Bevölkerung bewohnt wird. Nach priesterlicher Vorstellung ist das Land, in das die Väter einziehen, ein Land in fremder Hand. Die so beschriebene priesterliche Darstellung des Landes lässt sich dann aber wiederum gut vor dem Hintergrund der frühnachexilischen Zeit und der in dieser Zeit geschehenen Rückkehr der ersten Exilierten verstehen. Wie die Väter kamen auch die Rückkehrer in ein Land, das nicht mehr das ihre war. Sie trafen auf eine für sie fremde Bevölkerung, die bereits in diesem Land lebte. Und sie hatten sich mit eben dieser, für sie fremden Bevölkerung auseinanderzusetzen. —————

9 Der priesterlichen Schicht werden bei der in Gen 10,1–32 belegten Völkertafel meist die Verse 10,1–7.20.22–23.31–32 zugewiesen; vgl. hierzu, mit Unterschieden im Detail, WELLHAUSEN, Composition, 6; GUNKEL, HK 1,1, 152; NOTH, Überlieferungsgeschichte, 17; VON RAD, ATD 2–4, 105; SEEBASS, Genesis I, 265; WITTE, Urgeschichte, 333. 10 Dass Kanaan unter die Söhne des Ham gerechnet wird, obgleich die vorisraelitische Bevölkerung des Landes überwiegend semitischen Ursprungs gewesen sein dürfte, wird zumeist als alte Tradition verstanden und darauf zurückgeführt, dass das als Kanaan bezeichnete Land im 2. Jahrtausend zeitweise unter ägyptischer Vorherrschaft stand; vgl. nur GUNKEL, HK 1,1, 154; VON RAD, ATD 2–4, 107; WESTERMANN, BK 1,1, 682; SPEISER, AncB 1, 67; SEEBASS, Genesis I, 258. Gegenüber solch historisierenden Auslegungen betont aber SCHÜLE, ZBK.AT 1,1, 156, zurecht, dass mit der in Gen 10,6 belegten Darstellung, dass Kanaan zu den Söhnen des Ham gehört, eine bewusste Trennlinie zwischen der kanaanäischen Bevölkerung und dem späteren, von Sem abstammenden Volk Israel gezogen werden soll: „Auch wenn beide Völkergruppen schließlich im selben Gebiet siedeln, sind sie genealogisch nur über Noah miteinander verbunden und damit so entfernt miteinander verwandt wie überhaupt nur möglich.“

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Zur Intention der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

Während in anderen alttestamentlichen Schriften das Land für die Zeit des Exils als leer beschrieben wird und somit die Existenz einer auch während des Exils im Lande lebenden Bevölkerung schlicht übergangen, wenn nicht gar geleugnet wird,11 wird in den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte also dezidiert auf die Problematik eingegangen, dass das Land, in das die Rückkehrer aus dem Exil kamen, eben nicht leer war. Von den Vätern her thematisieren die priesterlichen Passagen das die Rückkehrer bestimmende Leben in einem bewohnten, einem in fremder Hand befindlichen Land. Nach diesen Überlegungen zur priesterlichen Darstellung des Landes als ein Land in fremder Hand ist nun die in den priesterlichen Texten belegte Landverheißung zu betrachten. 3.3.2 Landverheißung und Landbesitz In den priesterlichen Passagen findet sich gleich mehrfach die Verheißung, dass Gott den Vätern und dem von den Vätern herkommenden Volk das Land Kanaan zum Besitz geben wird. So wird zunächst im Kontext des in Gen 17 belegten Abrahambundes verheißen, dass Abraham und seinen Nachkommen das Land gegeben wird (Gen 17,8). Diese Verheißung wird dann im weiteren Verlauf der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte mehrmals aufgenommen (Gen 28,4; 35,12; 48,4), und sie wird schließlich am Beginn der Exoduserzählungen, im Rahmen der priesterlichen Darstellung der Mose-Berufung in Ex 6, auch dem von den Vätern herkommenden Volk in Ägypten zugesprochen (Ex 6,8). In der bisherigen Forschung ist umstritten, ob in den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte das Land nur verheißen wird und diese Verheißung auf eine noch ausstehende Erfüllung in der weiteren Geschichte des von den Vätern herkommenden Volkes angelegt ist oder ob nach priesterlicher Vorstellung schon die Väter selbst in den Besitz des Landes gekommen sind.12 Umstritten ist also das in den priesterlichen Texten belegte Verhältnis von Landverheißung und Landbesitz. —————

11 Vgl. hierzu etwa Jer 32,43; 43,5–6; Ez 37,1–14; 2 Chr 36,20. Zu dem in diesen und anderen alttestamentlichen Texten erkennbaren Konzept des „leeren Landes“ vgl. sodann BEN ZVI, Inclusion, 95–96; ders., Exile, 155–168; BARSTAD, Myth, 25–45, oder STIPP, Concept, 103–154. 12 So gehen etwa R.W. KLEIN, Message, 61–62; L. SCHMIDT, Studien zur Priesterschrift, 262; FREVEL, Blick, 361–371; ZIEMER, Abram, 334; BOORER, Envisioning, 113–125, davon aus, dass das Land nach den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte nur verheißen wird. Demgegenüber meinen aber MACHOLZ, Israel, 47–48; BLUM, Komposition, 443; KOHATA, Jahwist, 31–32; KÖCKERT, Land, 153; POLA, Priesterschrift, 305–309; SCHMID, Erzväter, 262 Anm. 522; LUX, Geschichte, 167, u.a., dass das Land nach den priesterlichen Passagen bereits von den Vätern in Besitz genommen wird.

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Das Leben im Land

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Es lässt sich nun aber zeigen, dass die in der bisherigen Forschung diskutierte Alternative zwischen erfüllter oder eben nicht erfüllter Landverheißung vereinfachend ist und den eigentlichen Kern der priesterlichen Darstellung nicht trifft. Die priesterlichen Texte zeichnen sich durch einen wesentlich differenzierteren Umgang mit der Landthematik aus. Wie erwähnt, findet sich in den priesterlichen Passagen eine erste Landverheißung im Rahmen des Abrahambundes in Gen 17. Dort steht in Gen 17,6–8: Gen 17,6 Ich will dich sehr, sehr fruchtbar machen und dich zu Völkern werden lassen, und Könige werden aus dir hervorgehen. 7 Und ich richte meinen Bund auf zwischen mir und dir und deinen Nachkommen nach dir nach ihren Geschlechtern zu einem ewigen Bund, dass ich dir und deinen Nachkommen nach dir Gott sei. 8 Und ich gebe dir und deinen Nachkommen nach dir das Land deiner Fremdlingschaft, das ganze Land Kanaan, zum ewigen Erbbesitz, und ich will ihnen Gott sein.

Nach Gen 17,6–8 wird Abraham also Fruchtbarkeit, das Gott-Sein Gottes und der Besitz des Landes Kanaan zugesagt.13 Beachtenswert ist dabei, dass die hier genannten Zusagen allesamt als Zusagen zu verstehen sind, deren Realisierung noch aussteht.14 Denn gerade die zuerst genannte, in Gen 17,6 belegte Zusage, dass Abraham fruchtbar sein und zu Völkern werden soll, ist doch deutlich auf eine zukünftige Erfüllung hin angelegt. Es handelt sich also eindeutig um eine futurisch zu lesende Aussage. Die hieran in Gen 17,7–8 mit Perfekt consecutiv angeschlossene Zusage, dass Gott mit Abraham und seinen Nachkommen einen ewigen Bund schließen will, der die besondere Zuwendung Gottes und den Besitz des Landes Kanaan umfasst, kann dann aber ebenfalls nur futurisch gelesen und somit als eine Zusage verstanden werden, die auf eine künftige Erfüllung hin angelegt ist. In Gen 17,8 wird das Land also noch nicht an Abraham gegeben. Es wird ihm und seinen Nachkommen lediglich die künftige Übereignung des Landes verheißen.15 Beachtenswert ist nun, dass die in Gen 17,8 belegte, an Abraham und seine Nachkommen gerichtete Landverheißung im weiteren Verlauf der priesterlichen Passagen der Abrahamerzählungen nicht mehr aufgenommen wird. In den Abrahamerzählungen selbst wird an keiner Stelle erwähnt, dass Abraham tatsächlich das Land in Besitz genommen hat und dass sich somit ————— 13

Siehe im Einzelnen unten 208–210. Vgl. hierzu v.a. FREVEL, Blick, 359. 15 Es lässt sich also nicht sagen, dass das Land bereits im Rahmen des in Gen 17 dargestellten Bundesschlusses an Abraham übergeben wird, wie MACHOLZ, Israel, 57–58; KOHATA, Jahwist, 31–32; POLA, Priesterschrift, 306, u.a. meinen. In Gen 17 wird die Übereignung des Landes nur verheißen, aber noch nicht vollzogen. 14

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Zur Intention der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

die in Gen 17,8 vorgebrachte Verheißung realisiert hat.16 Umso erstaunlicher ist dann aber das im Kontext der Jakoberzählungen in den priesterlichen Versen Gen 28,3–4 belegte Wort. Nach diesen Versen sagt Isaak zu seinem Sohn Jakob: Gen 28,3 El Shadday segne dich, er mache dich fruchtbar und mehre dich, dass du zu einer Schar von Völkern werdest. 4 Und er gebe dir ($l-!tyw) und deinen Nachkommen mit dir den Segen Abrahams, dass du das Land deiner Fremdlingschaft, das Gott dem Abraham gegeben hat (!tn), in Besitz nimmst ($tvrl).

Bei Gen 28,3–4 ist schon häufig aufgefallen, dass die hier erwähnte Übereignung des Landes an Abraham im Perfekt formuliert ist.17 Nach Gen 28,4 hat Gott dem Abraham das Land gegeben (!tn). Dieser Vers spricht dann aber ganz deutlich dafür, dass sich die in Gen 17,8 belegte Verheißung des Landes nicht erst bei den auf Abraham folgenden Nachkommen realisieren wird, sondern dass sich diese Verheißung schon für Abraham selbst realisiert hat. Die Inbesitznahme des Landes ist daher nach den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte, anders als bisweilen angenommen,18 doch nicht ein erst noch von der Zukunft zu erwartender Sachverhalt. Vielmehr wurde das Land nach Gen 28,4 bereits Abraham gegeben.19 —————

16 Zur Ablehnung der häufig vorgebrachten These, dass der in Gen 23 dargestellte Kauf einer Grabhöhle in Mamre als zumindest teilweise Erfüllung der priesterlichen Landverheißung zu verstehen sei, s.o. 59–60 mit Anm. 117. 17 Vgl. nur KOHATA, Jahwist, 32; KÖCKERT, Land, 154; SCHMID, Erzväter, 262 Anm. 522; LUX, Geschichte, 167; ZIEMER, Abram, 334. 18 S.o. 192 Anm. 12. 19 Demgegenüber meint aber FREVEL, Blick, 364, dass mit dem in Gen 28,4 belegten Rückverweis auf eine bereits geschehene Übereignung des Landes nur die Unverbrüchlichkeit der in 17,8 gegebenen Zusage an Abraham betont werden soll. Dagegen spricht aber, dass in Gen 28,4 nicht auf die Zusage der Landübereignung an Abraham, sondern auf die Einlösung dieser Zusage zurückgeblickt wird. Gänzlich unwahrscheinlich sind sodann die von ZIEMER, Abram, 334, vorgestellten Überlegungen zu dem in Gen 28,4 belegten Rückverweis auf die Abraham bereits zuteil gewordene Landübereignung. So meint Ziemer – auf Grundlage der auch von ihm vertretenen Annahme, dass es sich bei den priesterlichen Passagen der Genesis um eine Redaktion der vorpriesterlichen Textbereiche und nicht um eine ursprünglich eigenständig überlieferte Quelle handelt –, dass der priesterliche Vers 28,4 nicht auf die priesterliche Verheißung in Gen 17,8, sondern auf die seiner Ansicht vorpriesterlich anzusetzenden Zusagen des Landes in Gen 13,15.17; 15,7 zu beziehen sei. Nun spricht zwar, wie gezeigt, tatsächlich einiges, wenn nicht alles dafür, dass es sich bei den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte um eine Redaktionsschicht handelt. Doch ist die Annahme, dass sich innerhalb der priesterlichen Textbereiche Aussagen finden sollen, die nicht zumindest auch im Kontext der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte, sondern nur im Kontext der nichtpriesterlichen Vätergeschichte auszulegen sind, nicht haltbar. Denn dann müsste ja davon ausgegangen werden, dass ein und dieselben priesterlichen Redaktoren an verschiedenen Stellen verschiedene Konzeptionen des Landbesitzes vertraten, was doch alles andere als wahrscheinlich ist.

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Das Leben im Land

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In der bisherigen Forschung wurde allerdings noch zu wenig darauf geachtet, dass in Gen 28,3–4 nicht nur davon die Rede ist, dass Gott das Land an Abraham gegeben hat. Es wird hier auch verheißen, dass Gott dem Abraham-Enkel Jakob das Land zum Besitz geben wird. Die in 28,4 belegte Aussage, dass Jakob der Segen Abrahams zuteil werden möge ($l-!tyw) und er das Land in Besitz nehmen möge ($tvrl), kann nämlich wie die vergleichbare Zusage an Abraham in Gen 17,8 nur so verstanden werden, dass die Inbesitznahme des Landes für Jakob noch aussteht und sich somit erst in der Zukunft realisieren wird. Denn vergleichbar mit Gen 17,6–8 folgt die in 28,4 belegte Landverheißung auf eine zuvor in 28,3 belegte, sicherlich futurisch zu verstehende Mehrungsverheißung. Die daran in 28,4 mit Perfekt consecutiv angeschlossene Zusage des Landes ist daher auch als eine futurisch zu lesende Aussage und somit als eine erst noch zu realisierende Zusage zu verstehen. Nach Gen 28,4 wird Jakob also das Land in Besitz nehmen, das Gott dem Abraham gegeben hat. Das heißt doch aber, dass die in Gen 17,8 dargestellte Verheißung, dass Gott dem Abraham und seinen Nachkommen das Land Kanaan geben wird, nicht so zu verstehen ist, dass hier eine einmalige Übereignung des Landes angesagt wird und das einmal übereignete Land dann direkt über die folgenden Generationen hinweg weitervererbt wird. Vielmehr wird die im Rahmen des Abrahambundes in Gen 17,8 belegte Verheißung, dass Abraham und seine Nachkommen das Land in Besitz nehmen sollen, in jeder Generation aufs Neue realisiert. Der in Gen 28,3–4 aufgewiesene Befund bestätigt sich an den weiteren priesterlichen Landverheißungen, so zunächst bei dem in Gen 35,11–12 belegten, wiederum an Jakob gerichteten Gotteswort: Gen 35,11 Da sprach Gott zu ihm: Ich bin El Shadday. Sei fruchtbar und mehre dich. Ein Volk und eine Schar von Völkern soll von dir kommen, und Könige werden aus deinen Lenden hervorgehen. 12 Das Land, das ich Abraham und Isaak gegeben habe (yttn), werde ich dir geben (hnnta), und deinen Nachkommen nach dir werde ich das Land geben (!ta).

Wie schon in Gen 28,4 wird auch hier in Gen 35,12 auf die Übereignung des Landes an Abraham zurückgeblickt. Auch hier findet sich die im Perfekt formulierte Aussage, dass Gott dem Abraham das Land gegeben hat (yttn). Ja, es wird über Gen 28,4 hinaus sogar ausgesagt, dass Gott nicht nur Abraham, sondern auch Isaak das Land gegeben hat. Es wird also festgestellt, dass das Land, wie in Gen 17,8 verheißen, an Abraham und dann auch an seinen Nachkommen, an Isaak, gegeben worden ist.20 ————— 20 Vgl. hierzu etwa KOHATA, Jahwist, 32; KÖCKERT, Land, 154; POLA, Priesterschrift, 307; SCHMID, Erzväter, 262 Anm. 522; LUX, Geschichte, 167; ZIEMER, Abram, 334.

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Zur Intention der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

Wie in Gen 28,4 wird aber auch in Gen 35,12 die Übereignung des Landes an den hier angesprochenen Jakob als ein noch ausstehender, ein erst noch in der Zukunft zu realisierender Akt dargestellt. Denn im Gegensatz zu der im Perfekt formulierten Aussage, dass Gott das Land an Abraham und Isaak gegeben hat, ist die hier genannte Übereignung des Landes an Jakob im Imperfekt formuliert (hnnta) und damit eindeutig als ein noch ausstehender Sachverhalt beschrieben. Bei der in Gen 35,12 belegten Landverheißung ist aber noch ein weiterer Aspekt bemerkenswert. Über 28,4 hinaus werden die hier erwähnte künftige Übereignung des Landes an Jakob und die hier ebenfalls erwähnte künftige Übereignung des Landes an seine Nachkommen als zwei getrennte Sachverhalte dargestellt. Es wird nicht einfach angesagt, dass Gott das Land an Jakob und seine Nachkommen geben wird. Es wird zunächst nur die Übereignung des Landes an Jakob genannt, und es wird dann in einem eigenständigen invertierten Verbalsatz nochmals gesondert erwähnt, dass Gott den Nachkommen Jakobs das Land geben wird (!ta). Die Übereignung des Landes an Jakob führt also nicht direkt zur Übereignung des Landes an dessen Nachkommen. Es wird hier vielmehr angesagt, dass das Jakob zu gebende Land einst auch seinen Nachkommen gegeben werden soll.21 Auch in Gen 35,11–12 zeigt sich also ganz deutlich, dass die Inbesitznahme des verheißenen Landes nach den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte nicht ein einmaliger Akt ist, sondern dass das Land einer jeden Generation aufs Neue gegeben wird. Denn wie schon bei Gen 28,3–4 wird auch hier auf die bereits geschehene Übereignung des Landes an Abraham zurückgeblickt, und es wird auch hier auf die noch ausstehende Übereignung des Landes an Jakob sowie auf die – davon nochmals zu unterscheidende – Übereignung des Landes an dessen Nachkommen vorausgeblickt. Ein vergleichbarer Befund ergibt sich schließlich bei der priesterlichen Darstellung der Berufung des Mose in Ex 6,2–8. Beachtenswert sind dort vor allem die Verse 6,3–4.8: Ex 6,3 Ich erschien Abraham, Isaak und Jakob als El Shadday, doch meinen Namen Jhwh habe ich ihnen nicht offenbart. 4 Auch habe ich meinen Bund mit ihnen aufgerichtet, dass ich ihnen das Land Kanaan, das Land ihrer Fremdlingschaft, in dem sie als Fremdlinge wohnten, geben werde. ...

————— 21

Schon JACOB, Genesis, 665, meinte zu Gen 35,12: „Ungewöhnlich ist die Wiederholung von

!ta“. Er erklärte diesen Befund dann so, dass hier gleichermaßen die Übereignung des Landes an

Jakob als den letzten Erzvater wie auch die Übereignung des Landes an das von den Vätern herkommende Volk betont werden soll. Allerdings erkannte Jacob noch nicht, dass die Übereignung des Landes an Jakob und die Übereignung des Landes an das Volk dann auch als zwei getrennte Akte zu verstehen sind.

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Das Leben im Land

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8 Und ich bringe euch zu dem Land, für das ich meine Hand erhoben habe, es dem Abraham, Isaak und Jakob zu geben, und ich gebe es euch zum Besitz. Ich bin Jhwh.

Sowohl in Ex 6,4 als auch in Ex 6,8 wird auf eine an Abraham, Isaak und Jakob ergangene Zusage, dass Gott ihnen das Land geben wird, zurückgeblickt. Dies kann doch aber nur so verstanden werden, dass den Vätern das Land auch tatsächlich übereignet worden ist.22 Auch nach Ex 6,4.8 hat sich die Landverheißung somit bereits zur Zeit der Väter realisiert. Schon die Väter waren im Besitz des Landes. Doch wie schon bei Gen 28,4; 35,12 steht die Inbesitznahme des Landes durch das von den Vätern herkommende Volk nach Ex 6,8 noch aus. Denn die Übereignung des Landes wird hier ja ganz deutlich als Folge der Herausführung des Volkes aus Ägypten beschrieben und ist somit auch hier als ein erst noch zu realisierender Sachverhalt zu verstehen. Wie also in Gen 28,4; 35,12 die bereits geschehene Übereignung des Landes an Abraham und Isaak von der noch ausstehenden Übereignung des Landes an Jakob zu unterscheiden war, so ist in Ex 6,4.8 die bereits geschehene Übereignung des Landes an alle Väter von der künftigen Übereignung des Landes an das Volk zu unterscheiden. So zeigt sich auch bei Ex 6,4–8, dass die Landverheißung nach den priesterlichen Passagen nicht in einem einmaligen Akt realisiert und das Land dann über die folgenden Generationen hinweg weitervererbt wird. Das Land wird nach priesterlicher Vorstellung vielmehr einer jeden Generation aufs Neue übereignet. Für diese Annahme spricht auch noch eine weitere Überlegung. So wurde ja schon häufig gesehen, dass der in den priesterlichen Passagen gleich mehrfach im Zusammenhang der Übereignung des Landes gebrauchte Begriff hzxa (Gen 17,8; 48,4) nicht auf das Eigentumsrecht, sondern lediglich auf das Nutzungsrecht an einer Sache zielt.23 Das heißt doch aber, dass nach den priesterlichen Texten Gott der eigentliche Eigentümer des Landes ist ————— 22

So auch KOHATA, Jahwist, 32; KÖCKERT, Land, 154; LUX, Geschichte, 167 mit Anm. 64. Vgl. hierzu v.a. GERLEMANN, Nutzrecht, 315–318; KÖCKERT, Land, 155; SCHMID, Erzväter, 262; BAUKS, Begriffe, 171–188. Beachtenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Begriff hzxa in den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte nicht nur wie in Gen 17,8; 48,4 für das eigene Land, sondern im Rahmen der Josefgeschichte, in Gen 47,11, auch für den der JakobFamilie vom Pharao zugewiesenen Wohnsitz in Ägypten gebraucht wird. Dies zeigt doch aber ganz deutlich, dass mit hzxa nicht das Eigentumsrecht am Land – sei es das Land Kanaan, sei es der Wohnsitz in Ägypten – zugesagt wird, sondern dass mit diesem Begriff vielmehr ein Nutzungsrecht an dem jeweiligen Land zum Ausdruck gebracht wird. Dabei unterscheidet sich, nebenbei gesagt, das zur hzxa gegebene Land Kanaan von dem Wohnsitz in Ägypten nach priesterlicher Darstellung dadurch, dass das Land Kanaan nach Gen 17,8; 48,4 als ~lw[ tzxa, also ein auf ewig gegebenes bzw. immer wieder aufs Neue zur Nutzung übereignetes Land, dargestellt wird, während für den Wohnsitz in Ägypten nur der schlichte Begriff hzxa verwandt und somit ein nur temporäres Nutzungsrecht beschrieben wird; vgl. hierzu insbesondere LUX, Geschichte, 167–169. 23

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Zur Intention der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

und dass das Nutzungsrecht an diesem Land dann immer wieder aufs Neue von Gott zugeteilt wird.24 Nach den priesterlichen Passagen wird das verheißene Land also nicht in einem einmaligen Akt zum Besitz gegeben und dann über die folgenden Generationen hinweg weitervererbt. Das Land wird vielmehr einer jeden Generation aufs Neue übereignet. Die so beschriebene priesterliche Konzeption des Landbesitzes lässt sich dann ebenfalls gut vor dem Hintergrund der frühnachexilischen Zeit verstehen, als die Rückkehrer aus dem Exil in ein Land kamen, das von einer für sie fremden Bevölkerung bewohnt wurde. Denn die priesterliche Konzeption des Landbesitzes, nach der das Land einer jeden Generation aufs Neue von Gott übergeben wird, bedeutet doch, dass der einmalige Verlust des Landes, wie ihn die Exulanten erlebt hatten, eben nicht zum dauerhaften Verlust des Landes führen muss. Da das Land einer jeden Generation aufs Neue zur Nutzung übergeben wird, ist die erneute Übereignung des Landes auch nach dem Exil noch möglich. Und so sahen sich die Rückkehrer aus dem Exil unter der bleibenden Verheißung, dass auch ihnen das Nutzungsrecht an diesem Land wieder verliehen wird. 3.3.3 Das „Land der Fremdlingschaft“ Neben der Bezeichnung des Landes als „Land Kanaan“ und der soeben beschriebenen Vorstellung, dass das Land einer jeden Generation aufs Neue zugeteilt wird, zeichnet sich die priesterliche Darstellung des Landes, in das die Väter einwandern, noch durch eine weitere Eigenheit aus: Für die Väter ist es das „Land ihrer Fremdlingschaft“ (~yrwgm #ra; vgl. Gen 17,8; 28,4; 35,27; 36,7; 37,1; 47,9; Ex 6,4). —————

24 So auch schon KÖCKERT, Land, 155: „Gott hat schon Abraham ein bleibendes Nutzungsrecht am Lande Kanaan übereignet. Dieses Recht wird jeweils an das nächste Glied in der Generationenfolge übertragen (Gen 35,12 an Jakob, Gen 48,4 an Jakobs Söhne = Israel). Eigentümer des Landes aber bleibt der, der hier Nutzungsrechte vergibt: der Gott Israels, der als Schöpfergott Herr der ganzen Erde ist.“ Beachtenswert ist allerdings, dass in Ex 6,8 zur Bezeichnung des hier angesagten Landbesitzes nicht wie in Gen 17,8; 48,4 der Begriff hzxa, sondern hvrwm gebraucht wird. Dies könnte nun auf den ersten Blick zu der Annahme führen, dass die Väter nach Gen 17,8; 48,4 nur ein – mit dem Begriff hzxa ausgedrücktes – Nutzungsrecht am Land erhalten, während das spätere Volk Israel nach Ex 6,8 ein – mit dem Begriff hvrwm ausgedrücktes – dauerhaftes Eigentumsrecht erhält. Gegen eine derartige Annahme spricht aber, dass im Rahmen der priesterlichen Passagen bereits in Gen 28,4, im Rahmen der an Jakob gerichteten Landverheißung, das dem Begriff hvrwm zugrundeliegende Verb vry verwandt wird. Der in Ex 6,8 belegte Begriff hvrwm lässt sich daher nicht auf ein besonderes, nur dem Volk nach dem Exodus zukommendes Eigentumsrecht auf das Land beziehen. Dieser Begriff scheint in Ex 6,8 vielmehr genau denselben Sachverhalt zu bezeichnen wie der in Gen 17,8; 48,4 gebrauchte Begriff hzxa, also ein immer wieder aufs Neue zu verleihendes Nutzungsrecht am Land; vgl. hierzu auch BAUKS, Begriffe, 172–174.183–185.

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In der bisherigen Forschung wurde die Bezeichnung des Landes als „Land der Fremdlingschaft“ nun häufig so verstanden, dass damit der Status des noch nicht im Besitz der Väter befindlichen Landes beschrieben wird.25 Nur solange den Vätern das Land noch nicht gegeben ist, wäre es demnach das „Land ihrer Fremdlingschaft“. Wenn aber die zuvor dargestellten Überlegungen richtig sein sollten, dass das Land nach den priesterlichen Texten der Vätergeschichte schon Abraham übereignet wurde und dann von Abraham her auch dessen Nachkommen immer wieder aufs Neue zugeteilt wird, so erscheint auch die Bezeichnung des Landes als „Land der Fremdlingschaft“ nochmals in einem neuen Licht. Denn dann wird mit dieser Bezeichnung eben nicht nur das noch nicht in Besitz genommene Land beschrieben. Mit dieser Bezeichnung wird dann vielmehr eine prinzipielle Charakterisierung des Landes an sich vorgebracht.26 Die Bezeichnung des Landes als „Land der Fremdlingschaft“ ist erstmals im Kontext des Abrahambundes, bei der oben bereits besprochenen Stelle Gen 17,8, belegt. Dort wird Abraham zugesagt, dass Gott ihm das „Land seiner Fremdlingschaft“ geben wird. An dieser Stelle – wie auch bei den vergleichbaren Stellen Gen 28,4, wo Jakob zugesagt wird, dass Gott ihm das „Land seiner Fremdlingschaft“ geben wird, und bei Ex 6,4, wo auf die den Vätern zugesprochene Verheißung zurückgeblickt wird, dass Gott ihnen das „Land ihrer Fremdlingschaft“ geben wird – könnte die Formulierung „Land der Fremdlingschaft“ tatsächlich so verstanden werden, dass damit das noch nicht übereignete Land bezeichnet wird. Denn an all diesen Stellen wird ja die Übereignung des Landes erst noch für die Zukunft erwartet. An all diesen Stellen ist also tatsächlich nur das verheißene und somit das noch nicht in Besitz genommene Land im Blick. Beachtenswert ist aber die folgende, in dem priesterlichen Vers Gen 35,27 belegte Aussage: Gen 35,27 Da kam Jakob zu seinem Vater Isaak nach Mamre, nach Kirjat-Arba, das ist Hebron, wo Abraham und Isaak als Fremdlinge gewohnt hatten (qxcyw ~hrba ~v-rg-rva).

—————

25 Vgl. hierzu etwa GUNKEL, HK 1,1, 268; VON RAD, ATD 2–4, 199; WENHAM, WBC 2, 22; SEEBASS, Genesis II,1, 105; FREVEL, Blick, 362–363; ZIEMER, Abram, 337. 26 So meinten auch schon KÖCKERT, Land, 156, und LUX, Geschichte, 167, dass die Bezeichnung des Landes als ~yrwgm #ra nicht nur, wie häufig angenommen, auf einen vorläufigen Status der Väter im Land abzielt, sondern eine prinzipielle Aussage über das Leben im Land zum Ausdruck bringt. Nach Köckert und Lux wird mit der Bezeichnung ~yrwgm #ra festgehalten, dass Gott nach den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte der eigentliche Besitzer des Landes ist und die Angehörigen des Volkes deshalb Fremdlinge in diesem Land sind. Siehe hierzu aber auch unten 221 Anm. 12.

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Zur Intention der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

Nach Gen 35,27 lebten Abraham und Isaak als Fremdlinge im Land. Diese Aussage ist doch aber erstaunlich. Denn zuvor wurde in dem priesterlichen Vers Gen 28,4 bereits ausgesagt, dass Gott das Land an Abraham gegeben hat. Ja, nach dem priesterlichen Vers Gen 35,12 wurde das Land sogar an Abraham wie auch an Isaak gegeben. Wenn es daraufhin in Gen 35,27 heißt, dass Abraham und Isaak als Fremdlinge im Land lebten, so kann dies zwar theoretisch auch so verstanden werden, dass hier auf die Zeit zurückgeblickt wird, bevor den Vätern Abraham und Isaak das Land gegeben worden ist. Da in Gen 35,27 aber ganz allgemein ausgesagt wird, dass Abraham und Isaak in diesem Land als Fremdlinge lebten, scheint hier nicht nur ein Rückblick auf deren ursprünglichen Status im Land, sondern viel eher eine prinzipielle Aussage über das Leben der Väter im Land vorzuliegen. Obwohl ihnen das Land nach Gen 28,4; 35,12 gegeben wurde, war ihr Leben nach Gen 35,27 ein Leben als Fremdling. Sie waren Fremdlinge im eigenen Land. Ein vergleichbarer Befund zeigt sich sodann bei dem priesterlichen Vers Gen 37,1: Gen 37,1 Und Jakob wohnte im Land der Fremdlingschaft seines Vaters (#rab wyba yrwgm), im Land Kanaan.

In Gen 37,1 wird das Land als Land der Fremdlingschaft von Jakobs Vater Isaak bezeichnet, obgleich Isaak das Land doch nach Gen 35,12 von Gott gegeben worden ist. Dabei ist auch Gen 37,1 angesichts der doch sehr generellen Darstellung kaum so zu verstehen, dass hier nur auf die Zeit vor der Inbesitznahme des Landes durch Isaak zurückgeblickt wird. Auch diese Stelle ist viel eher so zu verstehen, dass Isaak Zeit seines Lebens als Fremdling im Land wohnte. So spricht auch Gen 37,1 für die Annahme, dass die Väter in den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte als Fremdlinge in ihrem eigenen Land dargestellt werden. Für diese Annahme spricht zuletzt auch der priesterliche Vers Gen 47,9. Auf die Frage des Pharao, wie alt Jakob sei, gibt der Ahnherr dort die folgende Antwort: Gen 47,9 Da sprach Jakob zum Pharao: Die Zahl der Jahre meiner Fremdlingschaft (yrwgm ynv ymy) ist 130 Jahre. Kurz und leidvoll ist die Zeit meiner Lebensjahre. Aber sie reicht nicht heran an die Zeit der Lebensjahre meiner Väter in der Zeit ihrer Fremdlingschaft (ymyb ~hyrwgm).

Nach Gen 47,9 bezeichnet Jakob sein gesamtes Leben, wie auch das Leben seiner Väter, als Zeit der Fremdlingschaft. Dieser Vers zeigt dann doch aber ganz deutlich, dass nach den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte eben nicht nur die Zeit vor der Übereignung des Landes an die Väter als

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Zeit der Fremdlingschaft verstanden wird, sondern dass hier das Leben der Väter insgesamt als Fremdlingsexistenz dargestellt wird.27 Obwohl den Vätern nach Gen 28,4; 35,12; Ex 6,4.8 das Land von Gott übereignet wurde, wird ihr Leben in Gen 47,9 als Zeit der Fremdlingschaft beschrieben. Die Übereignung des Landes und das Leben als Fremdlinge in diesem Land schließen sich nach den priesterlichen Texten also nicht aus. Im Gegenteil: Beides gehört in diesen Texten untrennbar zusammen. In den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte zeichnen die Rückkehrer aus dem Exil also ein ambivalentes Bild vom Leben im Land. Sie halten fest, dass das Land einer jeden Generation aufs Neue übereignet wird und dass es deshalb auch ihnen wieder gegeben werden kann und soll. Doch zugleich halten sie fest, dass das Leben unter einer fremden Bevölkerung, das Leben als Fremdlinge im eigenen Land, von den Vätern her zum Leben in diesem Land dazugehört.28 3.3.4 Fazit Die priesterliche Darstellung des Landes ist gleich von mehreren Besonderheiten geprägt. So wird das Land, über die vorpriesterlichen Passagen hinaus, konsequent als „Land Kanaan“ bezeichnet. Mit dieser Bezeichnung wird festgehalten, dass das Land, in das die Väter kommen, bereits von einer für sie fremden Bevölkerung bewohnt ist und somit als ein Land in fremder Hand anzusehen ist. Bedeutend ist sodann, dass die Inbesitznahme des Landes nach priesterlicher Vorstellung nicht als ein einmaliger Akt vorgestellt wird. So wird das Land nach den priesterlichen Passagen bereits Abraham gegeben. Es wird dann aber nicht einfach über die folgenden Generationen hinweg weitervererbt. Das Land wird vielmehr einer jeden Generation aufs Neue übereignet. Doch obgleich das Land bereits Abraham gegeben wurde und obgleich das Land den folgenden Generationen stets auf Neue übereignet wird, wird das Land in den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte als „Land der Fremdlingschaft“ dargestellt. Die Väter leben als Fremdlinge in ihrem eigenen Land. Mit dieser von den Vätern her entwickelten Darstellung des Lebens im Land deuten die für die priesterlichen Passagen verantwortlichen Kreise und somit die Rückkehrer aus dem Exil ihre Situation nach der Rückkehr ins Land. Sie erwarten, dass ihnen das Land, trotz des geschehenen Verlusts, wieder zueigen sein wird. Doch sie stellen auch dar, dass das Leben in ————— 27 28

So auch schon LUX, Geschichte, 168. Siehe hierzu auch unten 215–221.

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Zur Intention der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

diesem Land von den Vätern her – und auch bleibend – ein Leben in Fremdlingschaft ist. Das so beschriebene, in den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte belegte Bild vom Leben im Land ist nun durch eine genauere Betrachtung des in diesen Passagen dargestellten Verhältnisses zu den in und um das Land lebenden Völkern weiter auszuführen. Dabei ist zunächst auf das Verhältnis zu den Nachbarvölkern einzugehen.

3.4 Die Väter und ihre Nachbarn 3.4.1 Abraham und Lot – Jakob und Esau: Leben in verwandtschaftlicher Verbundenheit Die priesterlichen Passagen der Vätergeschichte beschreiben nicht nur die Einwanderung der Väter in das Land Kanaan und deren Leben in diesem Land. Sie erzählen auch von den Verwandten der Väter – von Abrahams Neffen Lot, von Isaaks Bruder Ismael und von Jakobs Bruder Esau. All diese Verwandten leben zunächst mit den Vätern im Land, sie verlassen dann aber das Land und siedeln sich in benachbarten Gebieten an. In den priesterlichen Passagen wird so anhand der Väter und ihrer Verwandten das Verhältnis des von den Vätern herkommenden Volkes zu den um dieses Volk herum lebenden Nachbarvölkern beschrieben. Es wird an Lot das Verhältnis zu den Moabitern und Ammonitern, an Ismael das Verhältnis zu den Ismaelitern und an Esau das Verhältnis zu den Edomitern bestimmt. Beachtenswert ist dabei, dass in den priesterlichen Passagen gegenüber der vorpriesterlichen Tradition, in der ja ebenfalls das Verhältnis der Väter zu ihren Verwandten und so das Verhältnis des eigenen Volkes zu den umliegenden Völkern beschrieben wird, neue und ganz eigene Akzente gesetzt werden. Dies soll zunächst anhand der Abraham-Lot-Erzählungen und der Jakob-Esau-Erzählungen gezeigt werden. In den vorpriesterlichen Abraham-Lot-Erzählungen wird in Gen 13,2– 12* eine Auseinandersetzung zwischen Abraham und seinem Neffen Lot geschildert. Es wird zunächst in Gen 13,2–5 erwähnt, dass sowohl Abraham als auch Lot Vieh besitzen. Und es wird sodann in 13,7–12* dargestellt, wie ein Streit zwischen den Hirten des Lot und den Hirten des Abraham aufkommt, wie Abraham seinen Neffen deshalb auffordert, sich von ihm zu trennen, und wie Lot schließlich das Land verlässt und sich in der Jordanebene ansiedelt.

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Im Rahmen der priesterlichen Bearbeitung der Vätergeschichte wurden dieser Erzählung nun in Gen 13,6 und Gen 13,11b.12aba zwei kurze Notizen zugefügt.1 So steht in dem priesterlichen Vers Gen 13,6: Gen 13,6 Aber das Land konnte es nicht ertragen, dass sie beieinander wohnten. Denn ihr Besitz war groß, und sie konnten nicht beieinander wohnen.

In Gen 13,6 wird also festgehalten, dass Abraham und Lot großen Besitz haben und dass ihnen deshalb das Land, in dem sie leben, nicht genügend Raum bieten kann. Mit dem in Gen 13,6 belegten priesterlichen Nachtrag wird somit für den darauf in 13,7 erwähnten Hirtenstreit und so auch für die folgende, in 13,8–12 dargestellte Trennung von Abraham und Lot ein objektiver Grund, ja, ein weder von Abraham noch von Lot zu verantwortender Sachzwang angegeben.2 Der große Besitz der beiden führt angesichts des begrenzten Raumes, den das Land bereitstellt, zur objektiven Notwendigkeit, dass sie sich auf getrennte Territorien verteilen. Bedeutsam ist von hier aus auch der zweite priesterliche Nachtrag zur Abraham-Lot-Erzählung in Gen 13,11b.12aba: Gen 13,11b Und sie trennten sich voneinander. 12aba Abraham wohnte im Lande Kanaan, und Lot wohnte in den Städten der Ebene.

Bei Gen 13,11b.12aba ist vor allem die Aussage bemerkenswert, dass sich Abraham und Lot „voneinander trennten“ (wyxa l[m vya wdrpyw). Denn nach der vorangehenden nichtpriesterlichen Erzählung fordert Abraham seinen Neffen Lot doch einseitig dazu auf, dass er sich von ihm trennen soll (yl[m an drph, Gen 13,9).3 Demgegenüber wird nun aber in Gen 13,11b. 12aba festgehalten, dass sich Abraham und Lot „voneinander“ und somit einvernehmlich getrennt haben. Mit den priesterlichen Nachträgen in Gen 13,6.11b.12aba erhält die Erzählung über die Trennung von Abraham und Lot also eine neue Ausrichtung. Während in der vorpriesterlichen Fassung ein Streit zwischen den Hirten des Lot und den Hirten des Abraham dazu führt, dass Abraham seinen Neffen zum Verlassen des Landes auffordert, wird auf der Ebene der pries————— 1

Siehe hierzu oben 32–38. In der bisherigen Forschung wird zu dem priesterlichen Vers Gen 13,6 – auf Grundlage der üblichen Annahme, dass es sich bei den priesterlichen Passagen um eine ursprünglich unabhängig überlieferte Quelle handelt – häufig vermerkt, dass hier im Gegensatz zur nichtpriesterlichen Abraham-Lot-Erzählung nicht von einem Streit die Rede ist und somit ein eher friedliches Verhältnis zwischen Abraham und Lot dargestellt wird; vgl. etwa HOLZINGER, KHC 1, 184; GUNKEL, HK 1,1, 263; ZIMMERLI, ZBK.AT 1,2, 29–30; WESTERMANN, BK 1,2, 201; SEEBASS, Genesis II,1, 34. Es wurde bislang allerdings noch nie wirklich gefragt, wie sich der priesterliche Vers 13,6 in seinem vorliegenden, nichtpriesterlichen Zusammenhang liest. 3 Vgl. hierzu etwa SEEBASS, Genesis II,1, 34. 2

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Zur Intention der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

terlichen Bearbeitung festgehalten, dass das Land zu klein für sie und ihren großen Besitz ist und dass sie sich deshalb voneinander trennen müssen. Im Rahmen der priesterlichen Bearbeitung wird somit das Verhältnis von Abraham und Lot und so das Verhältnis des eigenen Volkes zu den benachbarten Völkern der Moabiter und Ammoniter neu bestimmt. Anders als in der vorpriesterlichen Vätergeschichte wird die Aufteilung dieser Völker auf getrennte Territorien nicht mehr als Folge konflikthafter Auseinandersetzungen, sondern als einmütig vorgenommene, objektiven Sachzwängen folgende Entscheidung dargestellt. Vergleichbares zeigt sich auch bei den priesterlichen Passagen in den Jakob-Esau-Erzählungen. Die Jakob-Esau-Erzählungen enden ja bereits auf vorpriesterlicher Ebene in Gen 33,1–16 mit der Versöhnung der beiden Brüder. Darüber hinaus werden nun in den priesterlichen Versen Gen 36,6– 8 die folgenden, als Rückschau zu lesenden Ausführungen über die Trennung von Jakob und Esau vorgebracht:4 Gen 36,6 Da nahm Esau seine Frauen, seine Söhne, seine Töchter und alle Angehörigen seines Hauses wie auch seinen Besitz, sein Vieh und all seine Habe, die er im Lande Kanaan erworben hatte, und er zog in ein Land, weg von seinem Bruder Jakob. 7 Denn ihr Besitz war zu groß, als dass sie beieinander wohnen konnten. Das Land ihrer Fremdlingschaft konnte sie nicht tragen wegen ihres Besitzes. 8 So wohnte Esau im Gebirge Seir. Esau, das ist Edom.

Wie in den priesterlichen Nachträgen zu den Abraham-Lot-Erzählungen wird in Gen 36,6–8 dargestellt, dass sich Esau von seinem Bruder Jakob trennt, da sein Besitz groß ist und er deshalb nicht mit Jakob in ein und demselben Land wohnen kann. Auch hier wird also die objektive Notwendigkeit herausgestellt, dass die beiden Ahnherrn in getrennten Territorien leben. —————

4 Bei den Ansätzen, die die priesterlichen Passagen als Teil einer ursprünglich unabhängig überlieferten Quelle verstehen, wird Gen 36,6–8 meist so gelesen, dass an dieser Stelle die erst jetzt geschehende Trennung von Jakob und Esau dargestellt wird; vgl. nur HOLZINGER, KHC 1, 185; WESTERMANN, BK 1,2, 685; BOECKER, ZBK.AT 1,3, 135; WESTERMANN, BK 1,2, 685; SCHARBERT, NEB.AT 16, 234; SEEBASS, Genesis II,2, 465. Wenn es aber richtig sein sollte, dass es sich bei den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte um eine für den Zusammenhang der nichtpriesterlichen Vätergeschichte verfasste Redaktionsschicht handelt, dann ist Gen 36,6–8 eben als Rückschau auf den in den nichtpriesterlichen Passagen Gen 32,4; 33,14.16 bereits vorausgesetzten Wegzug des Esau nach Seir zu verstehen. Ein solches Verständnis von Gen 36,6–8 liegt dabei ohnehin nahe, da zuvor in Gen 36,2–3 ja die Ehen des Esau erwähnt werden, deren Vollzug im Rahmen der priesterlichen Passagen bereits in Gen 26,34; 28,6–9 dargestellt worden ist. Auch dies zeigt, dass der gesamte, als Toledot Esaus überschriebene Textbereich Gen 36,1–8 als Rückblick auf einige zuvor bereits dargestellte Begebenheiten aus dem Leben des Esau zu verstehen ist.

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Beachtenswert ist sodann, dass Esau, anders als Lot, nach Gen 36,6–7 sogar selbst erkennt, dass das Land zu klein ist. Er zieht daher aus eigenem Antrieb in ein anderes Gebiet und lässt sich dort nieder. Mehr noch als bei Abraham und Lot wird die Trennung von Jakob und Esau somit als einvernehmlich beschrieben.5 Zudem wird in Gen 36,6 noch über die Abraham-Lot-Erzählungen hinaus betont, dass Esau nicht nur all seine Angehörigen – seine Frauen, Söhne, Töchter und alle weiteren Personen seines Hauses –, sondern auch seinen gesamten Besitz mitnimmt. Das bedeutet doch, dass von Esau und seinen Nachkommen nach deren Weggang aus dem Land keinerlei Ansprüche erhoben werden, weder auf das Land noch auf sonstige Güter. In den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte wird somit auch das Verhältnis von Jakob und Esau und so das Verhältnis des späteren Volkes zu dem benachbarten Volk der Edomiter über die vorpriesterliche Überlieferung hinaus neu definiert. Es wird auch hier festgehalten, dass sich die beiden aufgrund objektiver Sachzwänge voneinander getrennt haben. Zudem wird hervorgehoben, dass die Trennung friedlich, einvernehmlich und dauerhaft geschehen ist. Unter den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte finden sich nun noch zwei weitere Stellen, in denen das Verhältnis von Abraham und Lot bzw. Jakob und Esau thematisiert wird. Beachtenswert ist zunächst die in Gen 19,29 ergänzte priesterliche Notiz, die der in Gen 19,1–28 belegten Erzählung über die Zerstörung von Sodom angefügt wurde:6 Gen 19,29 Und es geschah, als Gott die Städte der Ebene vernichtete, da gedachte Gott an Abraham, und er schickte Lot aus der Zerstörung, als er die Städte, in denen Lot gewohnt hatte, zerstörte.

In Gen 19,29 wird über die vorpriesterliche Erzählung hinaus festgestellt, dass Lot um Abrahams willen von Gott gerettet wurde. Aufgrund seiner verwandtschaftlichen Verbindung mit Abraham steht Lot also auch nach seinem Weggang aus dem Land noch unter der Zuwendung von dessen Gott.7 Nach priesterlicher Darstellung haben sich Abraham und Lot somit nicht nur einvernehmlich auf getrennte Territorien verteilt. Sie sind und bleiben auch nach ihrer Trennung miteinander verbunden, da sich der Gott Abra—————

5 Vgl. hierzu auch HOLZINGER, KHC 1, 185; GUNKEL, HK 1,1, 391; WESTERMANN, BK 1,2, 685; BOECKER, ZBK.AT 1,3, 135. 6 Siehe hierzu auch oben 51–53. 7 Demgegenüber meint aber TONSON, Mercy, 95–96, dass die in Gen 19,29 belegte Aussage, dass Lot um Abrahams willen gerettet wird, so zu verstehen sein soll, dass Lot der eigenen, um seiner selbst willen erfahrenen Gnade nicht würdig ist. Von mangelnder Würde ist im vorliegenden Text doch aber mit keinem Wort die Rede.

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Zur Intention der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

hams auch weiterhin und über die Grenzen des Landes hinaus der Verwandten des Ahnherrn annimmt. Das Verhältnis zwischen Abraham und Lot – und so auch das Verhältnis zwischen dem späteren, von Abraham herkommenden Volk und den benachbarten Völkern der Moabiter und Ammoniter – wird hier als ein anhaltend positives und sich heilvoll auswirkendes Verhältnis dargestellt. Hierzu passt die folgende priesterliche Notiz aus den Jakob-Esau-Erzählungen in Gen 35,29: Gen 35,29 Und Isaak verschied und starb, und er wurde versammelt zu seinen Verwandten, alt und lebenssatt. Und seine Söhne Esau und Jakob begruben ihn.

Nach Gen 35,29 begraben Esau und Jakob gemeinsam ihren Vater Isaak. Im vorliegenden Zusammenhang, im Anschluss an die nichtpriesterlichen Jakob-Esau-Erzählungen, nach denen Esau das Land ja bereits verlassen und sich im Gebirge Seir angesiedelt hat (Gen 32,4; 33,14.16), kann dies nur so verstanden werden, dass Esau zur Beisetzung seines Vaters wieder zurück in das Land kommt.8 Mit der in Gen 35,29 dargestellten, gemeinschaftlich von Jakob und Esau vorgenommenen Beisetzung des Ahnherrn wird daher erneut die bleibende Verbundenheit zwischen den Vätern und deren Verwandten und so zwischen dem von den Vätern herkommenden Volk und den benachbarten Völkern zum Ausdruck gebracht. In den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte wird also über die vorpriesterliche Tradition hinaus dargestellt, dass sich sowohl Lot als auch Esau aufgrund des begrenzten Raumes, den das Land zu bieten vermag, und so aufgrund objektiver Sachzwänge von den im Lande verbliebenen Vätern getrennt und in eigenen Territorien angesiedelt haben. Die Trennung von den Vätern wird sodann als einvernehmlich und dauerhaft beschrieben. Und es wird die bleibende Verbundenheit zwischen den Vätern und ihren Verwandten, ja sogar die bleibende Zuwendung Gottes zu den Verwandten herausgestellt. Das beschriebene, in den priesterlichen Passagen dargestellte Verhältnis der Väter zu ihren Verwandten lässt sich dann wiederum gut vor dem Hintergrund der frühnachexilischen Zeit und so vor dem Hintergrund der neuen politischen Gegebenheiten im persischen Vielvölkerstaat verstehen. Mit ih—————

8 Bei den Ansätzen, die die priesterlichen Passagen als Teil einer ursprünglich unabhängig überlieferten Quelle ansehen, wird Gen 35,29 häufig so verstanden, dass Esau zum Zeitpunkt von Isaaks Tod noch im Lande lebt und deshalb an der Beisetzung des Isaak beteiligt ist; vgl. nur HOLZINGER, KHC 1, 185; BOECKER, ZBK 1,3, 131–132; SCHARBERT, NEB.AT 16, 233. Wenn es sich bei den priesterlichen Passagen allerdings um eine Bearbeitung der vorpriesterlichen Vätergeschichte handelt, bei der in Gen 32,4; 33,14.16 der Weggang des Esau nach Seir bereits vorausgesetzt ist, dann kann die hier in Gen 35,29 erwähnte, gemeinschaftlich vorgenommene Beisetzung doch nur so verstanden werden, dass Esau aus diesem Anlass wieder zurück in das Land kommt.

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rem Werk beschreiben die für die priesterlichen Passagen verantwortlichen Kreise, die Rückkehrer aus dem Exil, ihre ganz eigene Vorstellung, ja geradezu ihre Utopie vom Zusammenleben der verschiedenen Völker im persischen Großreich. Von den Vätern her entwerfen sie ein Bild des friedlichen Nebeneinanders der Völker. Sie treten dafür ein, dass die Völker die Notwendigkeit eigener Territorien anerkennen, sich auf ihre je eigenen Territorien zurückziehen und die Grenzen der anderen Völker akzeptieren. Und sie treten dafür ein, dass die so getrennten Völker in verwandtschaftlicher Verbundenheit nebeneinanderleben und sogar den Vorteil des anderen suchen und unterstützen. 3.4.2 Isaak und Ismael: Segen für die Völker Mit den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte erhalten nicht nur die Abraham-Lot- und die Jakob-Esau-Erzählungen eine inhaltliche Neuausrichtung. Vergleichbares zeigt sich auch in den Erzählungen über die beiden Abraham-Söhne Isaak und Ismael. In der vorpriesterlichen Vätergeschichte wird ja geschildert, dass Abraham angesichts der Kinderlosigkeit seiner Frau Sarah mit deren Magd Hagar ein Kind zeugt (Gen 16,1–15*). Der aus dieser Verbindung hervorgegangene Sohn Ismael wurde nach vorpriesterlicher Darstellung also stellvertretend für eigene, von Abraham und Sarah gezeugte Kinder geboren. Als Sarah dann aber mit Isaak doch auch ein eigenes Kind bekommt (Gen 21,1–3), werden Hagar und Ismael vertrieben (Gen 21,9–21*).9 In den vorpriesterlichen Passagen der Vätergeschichte wird Abrahams erstgeborener Sohn Ismael also ganz deutlich gegenüber seinem zweitgeborenen Sohn Isaak abgewertet. Ismael ist lediglich ein vorläufiger Ersatz für eigene, von Abraham und Sarah gezeugte Kinder. Er verliert daher nach der Geburt des Isaak seinen Platz in der Abraham-Familie.10 —————

9 Bei der in Gen 21,9–21 belegten Erzählung über die Vertreibung des Ismael wurden zumindest die Verse 21,12b.13 und 21,18, in denen die Volkwerdung Ismaels verheißen wird, erst sekundär, im Rahmen einer wohl nachpriesterlich anzusetzenden Redaktion eingebracht; siehe hierzu oben 41 Anm. 54. 10 Dass Ismael in den nichtpriesterlichen Passagen der Vätergeschichte gegenüber seinem Bruder Isaak abgewertet wird, wurde schon häufig gesehen. So meint etwa VON RAD, ATD 2–4, 162, zu Gen 16,1–16*: „Ismael ist ja nicht der Verheißungserbe, sondern ein Seitentrieb, der aus der Verheißungslinie ausscheidet.“ Und nach KNAUF, Art. Ismael, 282, wird mit der in Gen 21,9–21* belegten Erzählung über die Vertreibung Ismaels dargestellt, „daß Ismael in die Wüste gehört und gegenüber seinem Bruder Isaak keine Ansprüche hat.“ Siehe hierzu auch VAN SETERS, Abraham, 196–197; LEVIN, Jahwist, 177–178.

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Zur Intention der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

Im Rahmen der priesterlichen Bearbeitung wurden den Abrahamerzählungen nun einige Nachträge zugefügt, in denen das Verhältnis von Isaak und Ismael über die vorpriesterliche Vätergeschichte hinaus neu bestimmt wird. Ein erster priesterlicher Nachtrag findet sich in Gen 16,3: Gen 16,3 Da nahm Sarai, die Frau des Abram, Hagar, ihre ägyptische Magd, nachdem Abram zehn Jahre im Lande Kanaan gewohnt hatte, und gab sie Abram, ihrem Mann, zur Frau.

In Gen 16,3 wird ausdrücklich betont, dass Abraham Hagar „zur Frau“ (hval) bekommt. Durch den hier belegten priesterlichen Nachtrag wird die Verbindung von Abraham und Hagar somit über die vorpriesterliche Überlieferung hinaus zu einer vollgültigen zweiten Ehe des Ahnherrn.11 Das heißt doch aber, dass die Stellung des Ismael in den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte schon von der in Gen 16 belegten Geburtserzählung her aufgewertet wird. Nach priesterlicher Darstellung ist Ismael nicht nur ein Ersatz für eigene, von Abraham und Sarah gezeugte Kinder. Ismael geht vielmehr, wie sein später geborener Bruder Isaak, aus einer vollwertigen Ehe des Ahnherrn hervor. Nach dem kurzen priesterlichen Nachtrag in Gen 16,3 ist das Verhältnis der beiden Abraham-Söhne auch – und nun sogar explizit – Gegenstand der in Gen 17 eingebrachten priesterlichen Darstellung des Abrahambundes.12 In der priesterlichen Grundschicht des Kapitels wird zunächst in den Versen 17,1–8 geschildert, dass Gott bei Abraham erscheint und einen Bund mit ihm schließt. Es wird sodann in 17,15–22 die Geburt Isaaks angekündigt, und es werden Verheißungen an Isaak und Ismael vorgebracht. Zum Verständnis der in Gen 17 belegten Verheißungen an Isaak und Ismael ist zunächst eine genauere Betrachtung des Bundesschlusses zwischen Gott und Abraham in Gen 17,1–8 notwendig: Gen 17,1 Als Abram 99 Jahre alt war, da erschien Jhwh dem Abram und sprach zu ihm: Ich bin El Shadday; wandle vor mir und sei vollkommen. 2 Ich will meinen Bund stiften zwischen mir und dir, und ich will dich sehr, sehr mehren. 3 Da fiel Abram auf sein Angesicht, und Gott redete mit ihm und sprach: 4 Siehe, das ist mein Bund mit dir: Du sollst zum Vater einer Menge von Völkern werden. 5 Du sollst auch nicht mehr Abram heißen, sondern Abraham soll dein Name sein. Denn ich mache dich zum Vater einer Menge von Völkern.

————— 11

Vgl. GUNKEL, HK 1,1, 264; JACOB, Genesis, 408; SCHARBERT, NEB.AT 16, 141; FISCHER, Erzeltern, 261–262; SEEBASS, Genesis II,1, 87.91. 12 Vgl. zum Folgenden auch WÖHRLE, Isaak, 117–126.

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6 Und ich will dich sehr, sehr fruchtbar machen und dich zu Völkern werden lassen, und Könige werden aus dir hervorgehen. 7 Und ich richte meinen Bund auf zwischen mir und dir und deinen Nachkommen nach dir nach ihren Geschlechtern zu einem ewigen Bund, dass ich dir und deinen Nachkommen nach dir Gott sei. 8 Und ich gebe dir und deinen Nachkommen nach dir das Land deiner Fremdlingschaft, das ganze Land Kanaan, zum ewigen Erbbesitz, und ich will ihnen Gott sein.

Mit dem in Gen 17,1–8 dargestellten Bund zwischen Gott und Abraham sind gleich mehrere Zusagen verbunden. In den Versen 17,2–6 wird Abraham verheißen, dass er sich mehren soll, dass er fruchtbar sein und so zum Vater einer Menge von Völkern werden soll. In den darauf folgenden Versen 17,7–8 wird Abraham zugesagt, dass Gott für ihn und seine Nachkommen Gott sein wird und dass er ihnen das ganze Land Kanaan geben wird. Beachtenswert ist dabei, wie schon häufiger gesehen wurde, dass die in Gen 17,2–6 belegten Zusagen von Fruchtbarkeit und Mehrung und die in Gen 17,7–8 belegten Zusagen des Gott-Seins und des Landbesitzes einem je unterschiedlichen Adressatenkreis gegeben werden.13 Die Verse 17,2–6 sind ausnahmslos an Abraham gerichtet. Nur Abraham wird hier verheißen, dass er fruchtbar sein, sich mehren und ein Vater vieler Völker werden soll. Die darauf folgenden Verse 17,7–8 sind dagegen an Abraham wie auch an seine Nachkommen gerichtet. Nicht nur Abraham, sondern auch seinen Nachkommen gilt die Zusage, dass Gott ihnen Gott sein will. Und auch der Besitz des Landes Kanaan wird nicht nur Abraham, sondern Abraham und seinen Nachkommen verheißen. Zu dieser Beobachtung passt, dass nur die in Gen 17,7–8 genannten Bundesinhalte eindeutig als zeitüberdauernde, generationenübergreifende Zusagen dargestellt werden. So findet sich nicht schon bei den allein an Abraham gerichteten Zusagen der Mehrung und der Fruchtbarkeit in 17,2–6, sondern erst bei den an Abraham und seine Nachkommen gerichteten Zusagen des Gott-Seins und des Landbesitzes in 17,7–8 der Hinweis, dass dieser Bund ein ewiger Bund (~lw[ tyrb) ist. Zudem wird der hier versprochene Landbesitz nach Gen 17,8 als ewiger Erbbesitz (~lw[ tzxa) beschrieben. Bei Gen 17,2–8 kann also geradezu von zwei Bundesschlüssen gesprochen werden.14 Es wird hier zunächst in den Versen 17,2–6 ein Bund vorgestellt, der nur an Abraham selbst gerichtet ist und ihm Fruchtbarkeit und Mehrung verheißt. Davon zu unterscheiden ist der in 17,7–8 beschriebene —————

13 Vgl. etwa JACOB, Genesis, 419; GROSS, Bundeszeichen, 111; BLUM, Komposition, 421–422; RUPPERT, fzb 98, 347; WEIMAR, Verheißung, 267–268. 14 Dies wurde bislang v.a. von GROSS, Bundeszeichen, 111, vertreten; vgl. aber auch JACOB, Genesis, 419; WEIMAR, Verheißung, 267–268.

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Zur Intention der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

ewige Bund mit Abraham und seinen Nachkommen, denen die Zuwendung Gottes und ewiger Landbesitz zugesagt wird. Bedeutend ist sodann, dass die nur Abraham geltenden Bundeszusagen in Gen 17,2–6 letztlich nichts anderes beinhalten als die in Gen 1,28 im Rahmen des priesterlichen Schöpfungsberichts belegten und dort an die gesamte Menschheit gerichteten Segensworte (vgl. Gen 9,1.7).15 Denn nach Gen 1,28 soll doch die ganze Menschheit fruchtbar sein und sich mehren. Genau diese Zusage wird nun in Gen 17,2–6 explizit auf Abraham bezogen und als förmliche Bundeszusage von Gott an Abraham dargestellt.16 Der in Gen 17,2–6 belegte Bund zwischen Gott und Abraham erneuert und bekräftigt also den nach Gen 1,28 der gesamten Menschheit geltenden Schöpfungssegen. Er bringt aber nicht eine exklusiv für Abraham geltende Zusage Gottes mit ein. Der eigentliche und zentrale Inhalt des priesterlichen Abrahambundes ist somit in Gen 17,7–8 mit den dort belegten Zusagen des Gott-Seins und des Landbesitzes zu sehen. Nur diese Zusagen sind an Abraham und seine Nachkommen gerichtet. Nur diese Zusagen werden als generationenübergreifende, ja ewige Zusagen dargestellt. Und nur bei diesen Zusagen handelt es sich um exklusive, nur für Abraham und seine Nachkommen geltende Bundesinhalte. Von hier aus ist nun der in Gen 17,18–21 belegte, für die Frage nach dem Verhältnis der beiden Abraham-Söhne entscheidende Dialog zwischen Abraham und Gott zu betrachten: Gen 17,18 Da sprach Abraham zu Gott: Wenn doch Ismael leben würde vor dir! 19 Und Gott sagte: Wahrlich,17 Sarah, deine Frau, wird dir einen Sohn gebären, und du sollst ihn Isaak nennen. Und ich richte meinen Bund mit ihm und seinen Nachkommen nach ihm auf als einen ewigen Bund. 20 Doch auch für Ismael habe ich dich erhört. Siehe, ich segne ihn, mache ihn fruchtbar und mehre ihn sehr. Zwölf Fürsten wird er zeugen, und ich mache ihn zu einem großen Volk. 21 Aber meinen Bund richte ich mit Isaak auf, den dir Sarah gebären wird um diese Zeit im nächsten Jahr.

————— 15

Vgl. hierzu etwa ZIMMERLI, ZBK.AT 1,2, 70; WESTERMANN, BK 1,2, 315; SPECHT, Gott,

406.

16 So meint auch SPECHT, Gott, 406: „Mit El Shaddajs Zusage, Abram zu mehren (hbr, V.2) und fruchtbar (hrp, V.6) zu machen, wird der Bezug zu den Segensworten Gen 1,28 und 9,1.7 ‚Seid fruchtbar und mehret euch!‘ hergestellt. Die dort ausgesprochenen Segenszusagen sind durch die erfahrbare Wirklichkeit in Abrams Leben so sehr in Frage gestellt worden, daß es eines expliziten, feierlichen Bundes bedarf.“ 17 Zur umstrittenen Übersetzung von lba siehe KBL3, 7, sowie KILWING, lba, 26; NAUMANN, Ismael, 81–82.

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In Gen 17,18–21 werden den beiden Abraham-Söhnen Isaak und Ismael unterschiedliche Verheißungen zuteil. Isaak wird zugesagt, dass Gott mit ihm und seinen Nachkommen einen ewigen Bund aufrichten will. Ismael wird dagegen verheißen, dass Gott ihn fruchtbar machen und mehren will, ja dass zwölf Fürsten aus ihm hervorgehen sollen und er zu einem großen Volk werden soll. An dieser Stelle wird also festgehalten, dass der zuvor mit Abraham und seinen Nachkommen geschlossene ewige Bund nur auf Isaak und dessen Nachkommen übergeht. Nach den vorangehenden Überlegungen zum Inhalt des priesterlichen Abrahambundes stehen daher nur Isaak und seine Nachkommen unter der Zusage, dass Gott ihnen Gott sein wird und dass Gott ihnen das Land Kanaan übereignen wird. Ismael hat nach Gen 17,18–21 keinen Anteil an diesem Bund. Er hat also kein Anrecht auf das besondere Gottesverhältnis der Abraham-Nachfahren, und er hat auch kein Anrecht auf den Besitz des Landes Kanaan.18 ————— 18

In neuerer Zeit mehren sich allerdings die Stimmen, die sich dafür aussprechen, dass der in Gen 17 dargestellte Abrahambund nicht nur Isaak, sondern auch Ismael gilt; vgl. etwa, mit Unterschieden im Detail, NAUMANN, Ismael, 79–85; FISCHER, Erzeltern, 369; BRETT, Reading the Bible, 72–73; DE PURY, Abraham, 170–174; ZIEMER, Abram, 309; SCHMID, Ökumene, 74–82. Dabei verweisen die Befürworter dieser These darauf, dass Ismael in Gen 17,20 Fruchtbarkeit und Mehrung verheißen wird und ihm somit eine Zusage zuteil wird, die zuvor im Rahmen des Bundesschlusses auch schon Abraham gegeben wurde. Zudem wird argumentiert, dass doch auch Ismael ein Nachkomme Abrahams ist und der mit Abraham und seinen Nachkommen geschlossene Bund deshalb auch ihm gelten muss. Und schließlich wird für diese These geltend gemacht, dass Ismael nach Gen 17,23 beschnitten wird und somit das Zeichen des Abrahambundes an seinem Fleisch trägt. Gegen die zuerst genannte Beobachtung, dass Ismael mit der Zusage von Fruchtbarkeit und Mehrung eine zuvor auch Abraham gegebene Verheißung erhält, ist nun aber zu sagen, dass diese Zusage doch nur im Rahmen des ersten Abrahambundes in 17,2–6 vorgebracht wird. Dieser Bund wird aber, wie zuvor gezeigt, nur mit Abraham selbst geschlossen, und er umfasst letztlich nichts anderes als der der gesamten Menschheit gegebene Schöpfungssegen aus Gen 1,28. Dass Ismael Fruchtbarkeit und Mehrung zugesagt wird, heißt daher nicht, dass der in Gen 17,7–8 belegte ewige Bund mit Abraham und seinen Nachkommen – und somit die besondere Zuwendung Gottes und der Besitz des Landes – auch für Ismael gilt. Dass der Abrahambund nach Gen 17,7–8 ganz allgemein an Abraham und seine Nachkommen gerichtet ist, zu denen doch auch Ismael gehört, kann sodann ebenfalls nicht als Argument dafür herangezogen werden, dass dieser Bund auch auf Ismael übergeht. Zu beachten ist etwa die Stelle Gen 21,12b.13. Dort wird der Begriff des Nachkommens ([rz) gleichermaßen für Ismael wie auch für Isaak verwandt, wobei Isaak in diesem Zusammenhang als einzig legitimer Erbe des Abraham dargestellt wird. Der Begriff des Nachkommens kann also durchaus auch bei mehreren Kindern auf nur eine bestimmte Linie, über die die Erbfolge geregelt wird, bezogen sein. Ein gewichtiges Argument für die These, dass auch Ismael zum Abrahambund gehört, ist dann aber tatsächlich die in Gen 17,23 dargestellte Beschneidung Ismaels. Denn nach Gen 17,11 ist die Beschneidung doch das Zeichen des Bundes, das die Beschnittenen an ihrem Leib tragen. Da Ismael nach den vorangehenden Überlegungen aber nicht per se, aufgrund seiner Herkunft von Abraham, zu diesem Bund gehört, ist die in 17,23 belegte Beschneidung Ismaels so zu verstehen, dass hiermit die Aufnahme eines zuvor Außenstehenden in den mit Abraham und seinen Nachkommen geschlossenen Bund dargestellt wird. Ismael wird in 17,23 geradezu als der exemplari-

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Zur Intention der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

Das heißt aber nicht, dass Ismael in Gen 17,18–21 einseitig negativ dargestellt wird. Im Gegenteil: Indem Ismael Fruchtbarkeit und Mehrung verheißen wird, wird ihm doch explizit zugesagt, dass der Schöpfungssegen auch für ihn gilt. Ja, mehr noch: Indem Ismael darüber hinaus sogar verheißen wird, dass zwölf Fürsten aus ihm hervorgehen sollen und dass er ein großes Volk werden soll, wird nicht nur die Existenz, sondern auch die politische Integrität und sogar das Wachstum des von Ismael herkommenden Volkes der Ismaeliter theologisch legitimiert. In der priesterlichen Fassung des Abrahambundes wird also noch deutlicher als in den priesterlichen Nachträgen zu den Abraham-Lot- und den Jakob-Esau-Erzählungen gerade am Besitz des Landes eine entscheidende Grenze im Verhältnis der Väter zu ihren Verwandten markiert. Es wird hier explizit festgehalten, dass nur den Vätern, nicht aber deren Verwandten ein Recht auf das Land zukommt. Zugleich und wiederum noch deutlicher als in den priesterlichen Nachträgen zu den Abraham-Lot- und den JakobEsau-Erzählungen wird aber auch hervorgehoben, dass die Verwandten, wenn sie das Recht der Väter auf deren Land anerkennen, bleibend unter der heilvollen Zuwendung Gottes stehen. Ja, auch ihnen wird der Segen Gottes zuteil, der sie wachsen und zu Völkern werden lässt. Im weiteren Verlauf der Vätergeschichte wird Ismael in den vorpriesterlichen Stücken nur noch im Rahmen der in Gen 21,9–21* geschilderten Vertreibung erwähnt. Das Ergehen des Ismael nach seinem Weggang aus dem Land ist in der vorpriesterlichen Überlieferung ohne jeden Belang. Im Rahmen der priesterlichen Bearbeitung der Vätergeschichte wurden nun aber zwei Nachträge eingebracht, in denen auch das weitere Geschick des Ismael dargestellt wird. So zunächst in Gen 25,8.9*: Gen 25,8 Und Abraham verschied und starb in gutem Alter, alt und lebenssatt, und er wurde versammelt zu seinen Verwandten. 9 Und seine Söhne Isaak und Ismael begruben ihn. ...

Vergleichbar mit dem zuvor bereits besprochenen Nachtrag zu den JakobEsau-Erzählungen in Gen 35,29 wird hier vermerkt, dass Isaak und Ismael ————— sche Fremde präsentiert, der von außen in den Abrahambund integriert wird. Dabei ist aber zu beachten, dass nach den zuvor 46–50 vorgestellten Überlegungen zur Entstehung von Gen 17 sowohl die in Gen 17,9–14 belegte Beschneidungsordnung als auch die in Gen 17,23–27 belegte Darstellung, dass Abraham, Ismael und die Sklaven des Hauses beschnitten werden, erst im Rahmen einer spätpriesterlichen Bearbeitung des Kapitels eingebracht wurden. Erst auf dieser literarischen Ebene wird somit an der Person des Ismael die Aufnahme eines Außenstehenden in den Abrahambund vorgestellt. Erst auf dieser Ebene kann daher gesagt werden, dass der Abrahambund auch auf Ismael übergeht. Zur Stellung Ismaels in der priesterlichen Darstellung des Abrahambundes und zur Bedeutung der in diesem Zusammenhang belegten Beschneidung Ismaels vgl. auch die umfassenderen Ausführungen in WÖHRLE, Isaak, 117–126; ders., Function, 71–87.

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gemeinsam ihren Vater bestatten.19 An der vorliegenden Stelle – nach der in Gen 21,9–21* dargestellten Vertreibung von Hagar und Ismael – kann dies aber erneut nur so verstanden werden, dass Ismael noch einmal in das Land zurückkehrt, um neben und mit seinem Bruder Isaak ihrem gemeinsamen Vater die letzte Ehre zu erweisen.20 In den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte wird also auch für Isaak und Ismael festgehalten, dass sie einander nach ihrer Trennung verbunden bleiben. Noch bedeutender ist schließlich der folgende priesterliche Nachtrag in Gen 25,12–17.18a: Gen 25,12 Dies ist das Geschlecht Ismaels, des Sohnes Abrahams, den die Ägypterin Hagar, die Magd Sarahs, dem Abraham geboren hat, 13 und dies sind die Namen der Söhne Ismaels, nach ihren Namen und nach ihrem Geschlecht: Nebajot, der erstgeborene Ismaels, Kedar, Adbeel, Mibsam, 14 Mischma, Duma, Massa, 15 Hadad, Tema, Jetur, Nafisch und Kedma. 16 Dies sind die Söhne Ismaels, und dies sind ihre Namen nach ihren Gehöften und nach ihren Zeltlagern; zwölf Fürsten nach ihren Stämmen. 17 Und dies sind die Lebensjahre Ismaels: 137 Jahre; und er verschied und starb, und er wurde versammelt zu seinen Verwandten. 18 Und sie wohnten von Hawila bis Schur, östlich von Ägypten, nach Assur hin. ...

In Gen 25,12–17.18a werden zunächst in 25,12–15 die zwölf Söhne Ismaels aufgezählt, und es wird sodann in 25,16 vermerkt, dass dies zwölf Fürsten sind. Nach dem in 25,17 erwähnten Tod des Ismael werden schließlich in 25,18a die Wohngebiete genannt, in denen sich die Nachfahren Ismaels niedergelassen haben. Mit dem priesterlichen Textbereich Gen 25,12–17.18a wird somit festgehalten, dass sich die Ismael nach Gen 17,20 zuteil gewordenen Verhei————— 19

Zu Gen 35,29 s.o. 206. Auf Grundlage der üblichen Annahme, dass es sich bei den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte um eine ursprünglich selbständig überlieferte Quelle handelt, wird die in Gen 25,9 dargestellte, von Isaak und Ismael gemeinsam vorgenommene Bestattung ihres Vaters zumeist so erklärt, dass Ismael nach priesterlicher Darstellung zu diesem Zeitpunkt noch im Land gelebt hat; vgl. nur HOLZINGER, KHC 1, 135; ZIMMERLI, ZBK.AT 1,2, 138; WESTERMANN, BK 1,2, 486; SCHARBERT, NEB.AT 16, 181. Wenn aber erkannt ist, dass die priesterlichen Passagen für den Kontext der nichtpriesterlichen Vätergeschichte verfasst wurden, dann kann Gen 25,9 doch nur so erklärt werden, dass Ismael aus Anlass der Bestattung in das Land zurückkehrt. Und dies ist am ehesten so zu verstehen, dass an der vorliegenden Stelle die bleibende Verbundenheit von Isaak und Ismael zum Ausdruck gebracht werden soll. Die darüber hinaus von DE PURY, Abraham, 177, vorgetragene Deutung, dass mit Gen 25,9 das Abrahamgrab als ein Ort gemeinsamer religiöser Verehrung für Israel und seine Nachbarn vorgestellt werden soll, dürfte dagegen zu weit greifen. Von religiöser Verehrung ist in Gen 25,9 mit keinem Wort die Rede. 20

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ßungen erfüllt haben.21 Ismael hat sich tatsächlich, wie zuvor angesagt, als fruchtbar erwiesen und vermehrt. Aus Ismael sind tatsächlich zwölf Fürsten hervorgegangen. Ja, aus ihm ist tatsächlich ein Volk mit eigener politischer Führung und eigenem Territorium geworden. In den priesterlichen Passagen wird Ismael und seinen Nachfahren die segensreiche Zuwendung Gottes also nicht nur verheißen. Es wird auch dargestellt, wie sich der Segen Gottes heilvoll auf ihn und seine Nachfahren auswirkt. Auch das Verhältnis von Isaak und Ismael wird in den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte somit über die vorpriesterliche Überlieferung hinaus neu bestimmt. Ismael ist hier nicht nur, wie in der vorpriesterlichen Vätergeschichte, ein vorläufiger Ersatz für eigene, von Abraham und Sarah gezeugte Kinder, der nach der Geburt des Isaak vertrieben wird. Er ist vielmehr ein vollwertiges Mitglied der Abraham-Familie. Als solches ist er bleibend mit Abraham und dessen Nachfahren verbunden und er steht bleibend unter dem Segen des Gottes Abrahams. Ein Anteil an dem nur über die Isaak-Linie weitervererbten Bund und so am besonderen Gottesverhältnis der von Isaak herkommenden Abraham-Nachfahren wie auch am Besitz des Landes Kanaan steht ihm allerdings nicht zu. Es zeigt sich hier also erneut – und sogar noch deutlicher als in den priesterlichen Passagen der Abraham-Lot- und der Jakob-Esau-Erzählungen – die spezifische, in den für die priesterlichen Passagen verantwortlichen Kreisen vertretene Vorstellung vom Zusammenleben der Völker. Ihrer Ansicht nach steht das Land Kanaan nur dem eigenen, von den Vätern herkommenden Volk zu. Die benachbarten Völker haben hierauf, wie auch auf das besondere Gottesverhältnis des von den Vätern herkommenden Volkes, kein Anrecht. Die Völker sollen sich nach priesterlicher Darstellung auf eigene Territorien verteilen und auf diese Territorien beschränken. Doch unter der Bedingung, dass sich die Völker so auf ihre eigenen Territorien beschränken, werden auch sie unter dem Segen Gottes gesehen, der ihnen ihre Existenz und ihr Wachstum garantiert. 3.4.3 Fazit In den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte wird das Verhältnis der Väter zu ihren Nachbarn und so das Verhältnis des von den Vätern herkommenden Volkes zu den um sie herum lebenden Völkern über die vorpriesterliche Überlieferung hinaus neu bestimmt. So wird in den priesterlichen Passagen explizit festgehalten, dass das Land, in dem die Väter leben, ————— 21

So auch JACOB, Genesis, 538; SARNA, Genesis, 176.

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nur ihnen und ihren Nachfahren zusteht. Die Verwandten der Väter haben keinen Anspruch auf dieses Land. In den priesterlichen Passagen wird sodann dargestellt, dass die Verwandten der Väter das Land nicht aufgrund konflikthafter Auseinandersetzungen, sondern aufgrund objektiver Sachzwänge verlassen. Die Verwandten der Väter erkennen an, dass sie angesichts ihres großen Besitzes eigene, getrennte Territorien benötigen, und ziehen sich daher aus dem Land zurück. Zudem wird in den priesterlichen Passagen hervorgehoben, dass die Väter und ihre Verwandten auch nach ihrer Trennung miteinander verbunden bleiben. Ja, es wird in den priesterlichen Passagen sogar betont, dass der Gott der Väter an den Verwandten auch und gerade nach deren Weggang aus dem Land segensreich handelt. Er schützt sie vor Gefahren und lässt sie und ihre Nachkommen wachsen und zu eigenständigen Völkern werden. Auf diese Weise präsentieren die für die priesterlichen Passagen verantwortlichen Kreise und somit die Rückkehrer aus dem Exil ihre Vorstellung des Zusammenlebens der verschiedenen Völker im persischen Vielvölkerstaat. Sie erwarten, dass die umliegenden Völker das Recht des von den Vätern herkommenden Volkes auf ihr eigenes Land anerkennen und sich deshalb auf ihre Gebiete zurückziehen. Und unter dieser Voraussetzung beschreiben sie das Verhältnis zu den benachbarten Völkern als Verhältnis freundschaftlicher, ja verwandtschaftlicher Verbundenheit, bei der die Existenz der Nachbarvölker nicht nur akzeptiert, sondern sogar von Gott her als legitimiert angesehen wird. Vor diesem Hintergrund ist nun noch auf das in den priesterlichen Passagen erkennbare Verhältnis der Väter zu der im Lande lebenden Bevölkerung einzugehen.

3.5 Die Väter und die Kanaanäer 3.5.1 Die fremden Bewohner des Landes In den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte wird nicht nur das Verhältnis der Väter zu den um sie herum lebenden Verwandten thematisiert. Es wird auch das Verhältnis der Väter zu der im Lande wohnenden Vorbevölkerung beschrieben. Beachtenswert ist dabei zunächst, dass in den priesterlichen Passagen zur Bezeichnung der im Lande wohnenden Bevölkerung der Begriff „Kanaan“ verwandt wird.1 So wird das Land, wie gezeigt, gerade in Anlehnung an die ————— 1

Siehe zum Folgenden auch oben 189–192.

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Zur Intention der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

hier lebende Vorbevölkerung „Land Kanaan“ (![nk #ra) genannt. Zudem werden die Töchter der im Lande lebenden Bevölkerung in Gen 28,1.6.8; 36,2 als „Töchter Kanaans“ (![nk twnb) bezeichnet.2 Mit dem Begriff „Kanaan“ wird doch aber, wie ebenfalls bereits gezeigt, gerade die Fremdheit der im Lande lebenden Vorbevölkerung zum Ausdruck gebracht. So wird Kanaan in den priesterlichen Passagen der Völkertafel Gen 10,1–32*, in der die Völker der Erde auf die drei Noah-Söhne Japhet, Ham und Sem zurückgeführt werden, unter den Söhnen Hams genannt. Die Väter und das spätere, von den Vätern herkommende Volk werden dagegen auf Sem zurückgeführt. „Kanaan“ wird in den priesterlichen Passagen somit zur Bezeichnung einer den Vätern und dem von den Vätern herkommenden Volk gänzlich fremd gegenüberstehenden Gruppe von Menschen verwandt. Dies ist nun aber gerade deshalb erstaunlich, weil ja sämtliche um die Väter herum lebenden Nachbarn und somit auch sämtliche um das spätere Volk herum lebenden Völker als nahe verwandt dargestellt werden. Lot, der Ahnherr der Moabiter und Ammoniter, ist der Neffe Abrahams, Ismael, der Ahnherr der Ismaeliter, der Bruder Isaaks, und Esau, der Ahnherr der Edomiter, der Bruder Jakobs. Aber mehr noch: Nach den vorangehenden Darlegungen zum Verhältnis der Väter zu ihren Nachbarn zeichnet sich dieses Verhältnis doch gerade dadurch aus, dass sie in dauerhafter verwandtschaftlicher Verbundenheit nebeneinanderleben.3 Ja, in den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte wird sogar dargestellt, dass der Gott der Väter heilvoll an den Verwandten der Väter handelt, sie wachsen und zu Völkern werden lässt. All dies gilt für die im Lande lebende Bevölkerung nicht. Sie wird nicht als mit den Vätern verwandt dargestellt, und sie wird auch nicht unter der segensreichen Zuwendung Gottes gesehen. Sie steht weder ethnisch noch theologisch in einer besonderen Beziehung zu den Vätern und dem von den Vätern herkommenden Volk. ————— 2

Für die Töchter der im Lande lebenden Bevölkerung wird in dem priesterlichen Textbereich Gen 27,46–28,9 neben der Bezeichnung „Töchter Kanaans“ (![nk twnb; Gen 28,1.6.8; 36,2) auch die Bezeichnung „Töchter Hets“ (tx twnb; Gen 27,46) gebraucht. Wie oben 77–78 gezeigt, dürfte die hier belegte, doch etwas uneinheitliche Begrifflichkeit darauf zurückgehen, dass zuvor in dem priesterlichen Vers Gen 26,34 eine vorgegebene Überlieferung aufgenommen wurde, nach der Esau zwei Frauen aus den Reihen der Hetiter (ytxh) heiratet. Eben deshalb wird in Gen 27,46– 28,1 zunächst die Bezeichnung „Töchter Hets“ gebraucht, die dann über die Bezeichnung „Töchter des Landes“ mit der dem priesterlichen Sprachgebrauch entsprechenden Bezeichnung „Töchter Kanaans“ gleichgesetzt wird. Die in Gen 27,46 genannten „Töchter Hets“ sind also nach priesterlichem Verständnis niemand anders als die in den folgenden Versen 28,1.6.8 erwähnten „Töchter Kanaans“. 3 S.o. 202–215.

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Die Väter und die Kanaanäer

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In den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte wird somit eine markante Trennlinie gezogen zwischen den jenseits des Landes und den im Lande lebenden Bevölkerungsgruppen. Nur die in umliegenden Gebieten lebenden Völker werden als Verwandte dargestellt. Die im Lande lebende Bevölkerung wird dagegen als fremd vorgestellt. Vor dem Hintergrund der für die priesterlichen Passagen angenommenen Entstehungssituation, der frühnachexilischen Zeit, als die ersten Rückkehrer in das Land kamen und auf die dort lebende Bevölkerung – also vor allem auf die während des Exils im Lande Verbliebenen – trafen, kann dies doch aber nur so verstanden werden, dass die für die priesterlichen Passagen verantwortlichen Kreise, die Rückkehrer aus dem Exil, mit dem von ihnen geschaffenen Werk eben diese im Lande lebende Bevölkerung bewusst und unterschiedslos als „Kanaanäer“ und somit als fremd disqualifizieren. Im Gegensatz zu den um das Land herum lebenden Nachbarvölkern, die sie als verwandtschaftlich verbundene Völker betrachten, erkennen sie ihre tatsächlich Verwandten nicht als solche an. Die Rückkehrer, die sich von den Vätern her als das wahre Gottesvolk verstehen, sprechen den im Lande Verbliebenen also nicht nur, wie zuvor dargestellt, die Zugehörigkeit zum eigenen Volk ab.4 Sie sprechen ihnen auch und sogar jegliche verwandtschaftliche Beziehung zum eigenen Volk ab. 3.5.2 Friedliche Koexistenz In den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte wird die im Lande lebenden Vorbevölkerung als eine den Vätern gänzlich fremd gegenüberstehende Gruppe dargestellt. Von hier aus stellt sich nun die Frage, wie sich die Väter nach priesterlicher Darstellung gegenüber dieser fremden Bevölkerung verhalten. Für diese Frage ist zunächst auf den priesterlichen Textbereich Gen 27,46–28,9 einzugehen, in dem der Weggang des Jakob zu seinem Onkel Laban geschildert wird. Beachtenswert sind hier besonders die Verse 27,46–28,2 und 28,6–9: Gen 27,46 Da sprach Rebekka zu Isaak: Mir ist das Leben leid wegen der Töchter Hets. Wenn Jakob eine Frau von den Töchtern Hets nimmt wie diese, eine von den Töchtern des Landes (#rah twnb), warum lebe ich dann noch? 28,1 Da rief Isaak den Jakob, er segnete ihn, er befahl ihm und sprach zu ihm: Nimm dir keine Frau von den Töchtern Kanaans (![nk twnb).

————— 4

S.o. 169–189.

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Zur Intention der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte 2 Auf, geh nach Paddan-Aram in das Haus Betuels, des Vaters deiner Mutter, und nimm dir von dort eine Frau von den Töchtern Labans, des Bruders deiner Mutter. ... 6 Da sah Esau, dass Isaak den Jakob gesegnet hatte und ihn nach Paddan-Aram geschickt hatte, um sich von dort eine Frau zu nehmen, indem er ihn gesegnet und ihm befohlen hatte: Nimm dir keine Frau von den Töchtern Kanaans, 7 und dass Jakob auf seinen Vater und auf seine Mutter hörte und nach Paddan-Aram ging, 8 da sah Esau, dass die Töchter Kanaans schlecht waren in den Augen Isaaks, seines Vaters, 9 und so ging Esau zu Ismael und nahm sich Machalat, die Tochter Ismaels, des Sohnes Abrahams, die Schwester Nebajots, zu seinen Frauen hinzu zur Frau.

Nach Gen 28,1–2 soll Jakob also zu seinem Onkel Laban nach Harran gehen, da er sich keine Frau von den Töchtern Kanaans (![nk twnb) nehmen soll, die zuvor in Gen 27,46 auch als Töchter des Landes (#rah twnb) bezeichnet werden. In der bisherigen Forschung wird die hier belegte Ablehnung einer Ehe zwischen Jakob und den Töchtern Kanaans meist so verstanden, dass dies gegen das Eingehen von Mischehen zwischen den Angehörigen des eigenen Volkes und den Angehörigen fremder Völker gerichtet ist.5 Diese Annahme trifft die Intention des Textes aber nicht wirklich. Zu beachten ist nämlich, dass Jakob nach Gen 28,1 nicht ganz allgemein die Ehe mit einer Frau von fremder Herkunft verboten wird, sondern dass ihm dezidiert die Ehe mit einer Frau aus den Reihen der Töchter des Landes untersagt wird.6 Es geht hier also nicht um die generelle Ablehnung von Mischehen, sondern nur um die Ablehnung einer Ehe mit den Angehörigen der im Lande lebenden Vorbevölkerung. Dies zeigt sich auch an der in Gen 28,6–9 belegten Reaktion Esaus. Nach Gen 28,6–9 sieht Esau, dass Jakob nach Harran geschickt wird und sich von dort eine Frau nehmen soll. Daraus zieht Esau, der sich nach Gen 26,34 ja ————— 5

So meinte schon GUNKEL, HK 1,1, 386, dass die in Gen 27,46–28,9 belegte Darstellung, dass sich Jakob bei seinem Onkel Laban eine Frau nehmen soll, auf die Verhältnisse einer Zeit zurückgeht, „wo die Mischehen die Reinheit der Gemeinde und der Religion bedrohten, wo die Weltkinder nach den Gesichtspunkten des Standes, Reichtums und Ansehens die Ehe mit den Töchtern von fremden Völkern schlossen, mit denen zusammen sie lebten und verkehrten, und wo es als erstes Erfordernis galt, nur eine Tochter Israels zu heiraten.“ Dieser Sicht schlossen sich etwa VON RAD, ATD 2–4, 227; SPEISER, AncB 1, 216; WESTERMANN, BK 1,2, 546; BLUM, Komposition, 263; SCHARBERT, NEB.AT 16, 196; FISCHER, Erzeltern, 79; RUPPERT, fzb 106, 158, an. 6 Dies wurde bislang vor allem von JACOB, Genesis, 575, gesehen. Entgegen der üblichen Deutung, dass Gen 27,46–28,9 auf ein allgemeines Verbot von Mischehen zielt, meint Jacob: „die Erzväter dürfen mit dem Volke des Landes, das ihre Nachkommen besitzen sollen, nicht verwandt werden, sondern sollen abgesondert und frei leben.“

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Die Väter und die Kanaanäer

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bereits zwei Frauen von den Töchtern des Landes genommen hat, die Konsequenz, dass die Frauen der Vorbevölkerung für seinen Vater Isaak schlecht sind. Er geht deshalb zu Ismael und nimmt sich von dort eine Frau. Dass sich Esau, der Stammvater der Edomiter, keine weitere Frau von den Töchtern Kanaans nimmt, sondern bei Ismael, dem Stammvater der Ismaeliter, eine Frau nimmt, kann doch aber nur so verstanden werden, dass sich auch Esau an das Verbot der Ehe mit der Vorlandbevölkerung gebunden weiß und sich deshalb keine weitere Frau von den Töchtern des Landes nimmt.7 Dies spricht dann aber ganz deutlich dafür, dass Gen 27,46–28,9 nicht auf eine generelle Ablehnung von Mischehen zielt, sondern dass hier nur die Ehe mit Angehörigen der im Lande lebenden Vorbevölkerung untersagt wird. In den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte werden also eheliche Verbindungen zwischen den Vätern bzw. deren Nachfahren und der im Lande lebenden Bevölkerung abgelehnt. Nach priesterlicher Darstellung sollen die Bewohner des Landes nicht durch Verschwägerung in die Familie der Väter und so in das von den Vätern herkommende Volk integriert werden. Sie sind Fremde und sollen es auch bleiben. Beachtenswert ist nun aber eine weitere Beobachtung. In dem priesterlichen Vers Gen 12,5 wird Abrahams Auszug aus Mesopotamien und sein Einzug in das Land mit den folgenden Worten beschrieben: Gen 12,5 Abram nahm Sarai, seine Frau, und Lot, den Sohn seines Bruders, und all ihren Besitz, den sie erworben hatten, und alle Leute, die sie in Harran gewonnen hatten, und sie zogen aus, um in das Land Kanaan zu gehen. Und sie kamen in das Land Kanaan.

Bei Gen 12,5 ist beachtenswert, dass hier nicht nur die Ankunft von Abraham und seinen Angehörigen im Lande Kanaan vermerkt wird. Es wird auch festgehalten, dass sie ihren Besitz, den sie erworben haben, mit in das Land bringen. —————

7 Demgegenüber meint aber DE PURY, Umgang, 55, und im Anschluss daran auch SCHMID, Ökumene, 75–76, dass in Gen 27,46–28,9 eine besondere „Heiratspolitik“ der Priesterschrift zum Ausdruck komme. So wären nach P Heiraten mit Edomiterinnen und Ismaeliterinnen erlaubt, während Ehen mit Hetiterinnen und Kanaanäerinnen verboten wären. Doch wird in Gen 27,46–28,9 gar nicht im Einzelnen thematisiert, mit welchen Völkern Eheschließungen legitim sind. Die Tatsache, dass Esau eine Ismaeliterin heiratet, sagt weder positiv noch negativ etwas darüber aus, mit welchen Völkern Angehörige des eigenen Volkes Ehen schließen dürfen. Das verbindende Element zwischen der Entsendung von Jakob zu Laban in Gen 27,46–28,2 und der in 28,6–9 folgenden Darstellung des Weggangs von Esau zu Ismael liegt vielmehr darin, dass beide Male die Heirat mit einer der Töchter Kanaans, also mit einer Angehörigen der im Lande lebenden Bevölkerung, vermieden wird. Und so dürfte die Intention von Gen 27,46–28,9 eben genau darin bestehen, dass hier die eheliche Verbindung der Väter und deren Nachkommen mit den Angehörigen der im Lande lebenden Bevölkerung als illegitim dargestellt werden soll.

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Zur Intention der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

Eine vergleichbare Aussage findet sich im Rahmen der Jakoberzählungen. Dort wird in dem priesterlichen Vers Gen 31,18* erwähnt, dass Jakob, als er seinen Onkel Laban verlässt und in das Land Kanaan zurückkehrt, „all seinen Besitz, den er erworben hatte“, mitnimmt. Eine weitere Notiz über den Besitz der Väter findet sich schließlich in dem priesterlichen Vers Gen 46,6. Nach diesem Vers nehmen Jakob und seine Söhne, als sie nach Ägypten aufbrechen, „ihr Vieh und ihren Besitz, den sie im Lande Kanaan erworben hatten“, mit auf ihre Reise. In den priesterlichen Passagen wird also gleich mehrfach herausgestellt, dass die Väter bei ihrer Einwanderung in das Land wie auch bei ihrer Auswanderung aus dem Land ihren Besitz mit sich geführt haben. Und es wird stets betont, dass es sich hierbei um Besitz handelt, den die Väter selbst erworben hatten (vkr rva). In der bisherigen Forschung konnte nun kaum erklärt werden, warum in den priesterlichen Passagen gleich mehrfach auf den Besitz verwiesen wird, den die Väter auf ihrem Weg in das Land bzw. auf ihrem Weg aus dem Land mit sich nehmen.8 Beachtet man aber, dass das Land, in das die Väter kommen, nach priesterlicher Darstellung von einer für sie fremden Bevölkerungsschicht bewohnt ist, dann kann dies doch ohne weiteres so verstanden werden, dass hiermit die wirtschaftliche Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Väter gegenüber den fremden Bewohnern des Landes hervorgehoben wird. Es wird festgehalten, dass die Väter, da sie ihren eigenen, selbst erworbenen Besitz haben, keinerlei Anspruch auf den Besitz der in diesem Land befindlichen Bevölkerung erheben.9 Aber mehr noch: Nicht nur der Besitz der im Lande lebenden Bevölkerung, auch deren Status als Bewohner des Landes bleibt nach den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte unangetastet. Anders als in einigen nachpriesterlichen Passagen des Pentateuch, in denen die Vertreibung, wenn nicht gar die Ausrottung der im Lande wohnenden Vorbevölkerung ————— 8

So bleibt die in Gen 12,5; 31,18*; 46,6 belegte Darstellung, dass die Väter auf ihrem Weg in das Land bzw. auf ihrem Weg aus dem Land ihren Besitz mit sich nehmen, häufig unkommentiert. Unter den wenigen, die sich überhaupt zu diesen Stellen äußern, meint etwa SCHARBERT, NEB.AT 16, 213, dass hier ganz allgemein der Reichtum der Väter hervorgehoben werden soll. Nach SEEBASS, Genesis II,1, 17, sollen die Väter „milieugerecht als versorgt“ dargestellt werden. Und schließlich versteht CARR, Fractures, 107–108, die an den genannten Stellen belegte Erwähnung des Besitzes als Zeichen des göttlichen Segens, der den Vätern zuteil wird. Bei all diesen Überlegungen bleibt doch aber unerklärt, warum der Besitz der Väter stets im Zusammenhang von deren Einwanderung in das Land bzw. von deren Auswanderung aus dem Land erwähnt wird. 9 Vgl. hierzu auch Gen 36,6, wonach Esau bei seinem Weggang aus dem Land „seinen Besitz, sein Vieh und all seine Habe, die er im Lande Kanaan erworben hatte“, mit sich nimmt. Auch der hier belegte Verweis auf den Besitz des Esau kann doch nur so verstanden werden, dass Esau, nach seinem Weggang aus dem Land, keinerlei Ansprüche gegenüber seinem im Lande verbliebenen Bruder Jakob hegt; siehe hierzu oben 205.

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verheißen wird,10 wird in den priesterlichen Passagen die Existenz der Vorbevölkerung wie auch deren Aufenthalt im Land an keiner Stelle in Frage gestellt. Dazu passt die eigentümliche priesterliche Darstellung, dass die Väter, obgleich ihnen das Land von Gott gegeben ist, als Fremdlinge in diesem, ihnen gegebenen Land leben.11 Das bedeutet doch, dass nach den priesterlichen Passagen die Existenz der im Lande befindlichen Vorbevölkerung nicht als ein vorübergehender, ein erst noch zu überwindender Umstand anzusehen ist. Das Land wird den Vätern nicht anstelle, sondern neben der Vorbevölkerung gegeben. Eben deshalb sind und bleiben die Väter Fremdlinge in dem ihnen gegebenen Land.12 In den priesterlichen Passagen wird also die eheliche Verbindung der Väter und des von den Vätern herkommenden Volkes mit der im Lande lebenden Bevölkerung und so die Vermischung der beiden Gruppen abgelehnt. Zugleich wird aber der Besitz und vor allem die Existenz der im Lande lebenden Bevölkerung nicht in Frage gestellt. Die priesterlichen Passagen beschreiben das Verhältnis der Väter zu der im Lande lebenden Vorbevölkerung somit als friedliche Koexistenz. Der Umgang der Väter mit den Bewohnern des Landes ist von Abgrenzung, nicht aber von wirtschaftlicher Übervorteilung, Vertreibung oder gar Vernichtung bestimmt. Auch das in den priesterlichen Passagen belegte Verhältnis der Väter zu der im Lande lebenden Vorbevölkerung lässt sich dann gut vor dem Hintergrund der frühnachexilischen Zeit und der Situation der ersten Rückkehrer in das Land verstehen. Am Gegenüber der Väter und der im Lande lebenden Vorbevölkerung zeigen die für die priesterlichen Passagen verantwortlichen, aus den Reihen der Rückkehrer stammenden Kreise ihre ganz eigene Vorstellung vom Zusammenleben der eigenen Gruppe mit den während des Exils im Lande Verbliebenen. Sie treten für eine strikte Trennung der beiden Gruppen ein. Doch anders als die hinter dem zuvor besprochenen Text Ez 33,23–27 stehenden Kreise befürworten sie keinerlei gewaltsames Vorgehen gegen die im Lande verbliebene Bevölkerung.13 Ihrer Ansicht nach sollen die Rückkehrer und die im Lande Verbliebenen geschieden, aber doch konfliktfrei nebeneinanderleben. ————— 10

Vgl. etwa Gen 15,18–21; Ex 23,23.28; 33,2; 34,11; Dtn 7,1; 20,17. S.o. 198–201. 12 Das Land wird in den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte also nicht deshalb als „Land der Fremdlingschaft“ (~yrwgm #ra) bezeichnet, weil Gott der eigentliche Besitzer des Landes ist, wie KÖCKERT, Land, 156, und LUX, Geschichte, 167, meinen (siehe hierzu oben 199 Anm. 26). Die Bezeichnung „Land der Fremdlingschaft“ geht vielmehr darauf zurück, dass das Land den Vätern neben der im Lande lebenden Vorbevölkerung gegeben wird. 13 Zu Ez 33,23–27 s.o. 173–175. 11

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Zur Intention der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

3.5.3 Fazit Nach den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte kommen die Väter in ein Land, das bereits bewohnt ist. Anders als die Nachbarn der Väter, die als deren Verwandte dargestellt werden, werden die Bewohner des Landes als „Kanaanäer“ und somit als eine den Vätern gänzlich fremd gegenüberstehende Gruppe von Menschen beschrieben. Mit diesen fremden Bewohnern des Landes sind den Vätern und deren Nachkommen Eheschließungen untersagt. Die Väter und deren Nachkommen sollen sich also nicht mit der im Lande lebenden Bevölkerung verbinden. Weitergehende Restriktionen finden sich in den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte aber nicht. Der Besitz der im Lande lebenden Bevölkerung und deren Aufenthalt im Land werden nicht in Frage gestellt. Nach den priesterlichen Passagen leben die Väter und die im Lande wohnende Bevölkerung somit in friedlicher Koexistenz. Die Väter und die fremde Vorbevölkerung sind einander nicht wie die Väter und deren Nachbarn verwandtschaftlich verbunden, aber sie wohnen doch friedlich getrennt nebeneinander. In den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte zeigt sich damit eine doch sehr spezifische, unter den Rückkehrern aus dem Exil vertretene Vorstellung vom Zusammenleben mit der während des Exils im Lande verbliebenen Bevölkerung. Die Rückkehrer verstehen sich zwar als das einzig wahre Gottesvolk und sprechen den im Lande Verbliebenen die Zugehörigkeit zu diesem Volk ab. Sie sehen sich unter der Verheißung, dass ihnen das Land nach ihrer Rückkehr wieder zum Besitz gegeben wird. Ja, sie fordern von denen, die nicht zur eigenen, als das wahre Volk Gottes verstandenen Gruppe gehören, dass sie sich auf getrennte Territorien zurückziehen. Doch erwarten sie nicht, dass dies gewaltsam durchgesetzt und die im Lande verbliebene Bevölkerung aus dem Land vertrieben oder gar ausgerottet wird. Sie sprechen sich lediglich gegen eheliche Verbindungen und so gegen die Vermischung mit den im Lande Verbliebenen aus. Nicht Gewalt, sondern Trennung, nicht Vertreibung oder Vernichtung, sondern ein Leben in friedlicher Koexistenz ist für sie die angebrachte Reaktion auf die Gegebenheiten nach ihrer Rückkehr aus dem Exil.

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4. Rückblick: Die priesterlichen Passagen der Vätergeschichte

Die vorgestellten Erkenntnisse zu den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte ergeben neue Einblicke in die Entstehung und Intention dieser Texte wie überhaupt in die Entstehung und Intention des vorliegenden Pentateuch. So konnte gezeigt werden, dass die priesterlichen Passagen der Vätergeschichte nicht, wie zumeist angenommen, als Teil einer ursprünglich unabhängig überlieferten Quelle zu verstehen sind. Die priesterlichen Passagen der Vätergeschichte sind vielmehr als eine für den Kontext der vorgegebenen nichtpriesterlichen Vätergeschichte verfasste Redaktionsschicht anzusehen. Dabei wurden im Rahmen der priesterlichen Bearbeitung erstmals einige zuvor selbständig überlieferte Erzählkomplexe miteinander verbunden. Die priesterlichen Bearbeiter haben die nichtpriesterlichen Abraham-/Isaak-/ Jakoberzählungen (Gen 12–35*; 49*), die nichtpriesterliche Josefgeschichte (Gen 37–50*) und die nichtpriesterliche Erzählung über die Bedrückung in Ägypten und die Geburt und Jugend des Mose (Ex 1–4*) aufgenommen und in einen zusammenhängenden Erzählverlauf gebracht. Die priesterlichen Bearbeiter haben ihrem Werk sodann eine eigenständig formulierte Urgeschichte vorangestellt (Gen 1–11*). Und sie haben an die Erzählung von der Geburt und Jugend des Mose die ebenso eigenständig formulierten Erzählungen von der Berufung des Mose, dem Auszug aus Ägypten, dem Aufenthalt des Volkes am Sinai und dem dort mitgeteilten Auftrag zum Bau des Heiligtums angeschlossen (Ex 6,2–29,46*). Der literarische Charakter der priesterlichen Passagen ist somit in den einzelnen Überlieferungskomplexen unterschiedlich zu beurteilen. In der Vätergeschichte und am Beginn der Exoduserzählungen sind die priesterlichen Passagen als Redaktion zu verstehen. In der Urgeschichte und ab Ex 6 auch in den Exoduserzählungen können sie dagegen als Quelle angesehen werden. Die in der bisherigen Forschung zu den priesterlichen Passagen diskutierte Alternative „Quelle oder Redaktion“ ist demnach vereinfachend. Sie wird dem an sich stets gesehenen, doch sehr unterschiedlichen Befund in den verschiedenen Überlieferungskomplexen, etwa hinsichtlich der Erzähl-

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Rückblick

dichte oder hinsichtlich der Kontextbezogenheit der priesterlichen Passagen, nicht gerecht. Entstanden sind die priesterlichen Passagen am Beginn der nachexilischen Zeit, wohl kurz nach 520, als den Exilierten erstmals die Möglichkeit zur Rückkehr gegeben wurde und es zu umfassenderen Rückwanderungen in das Land kam. Sie wurden in den Reihen der Rückkehrer aus dem Exil verfasst. Mit den hier behandelten priesterlichen Bearbeitungen der Vätergeschichte erhält die werdende Vätergeschichte über ihren vorpriesterlichen Bestand hinaus ein neues inhaltliches Gepräge. Dies zeigt sich besonders an der Darstellung der Väter und des von den Vätern herkommenden Volkes, an der Beschreibung des Lebens im Land wie auch an den Ausführungen über das Verhältnis der Väter zu ihren Verwandten und zu der im Lande lebenden Bevölkerung. So werden die Väter infolge der priesterlichen Bearbeitungen als exemplarische Exulanten dargestellt. Alle Väter haben eine Zeit ihres Lebens im Ausland verbracht und sind von dort her in das Land eingewandert. Zudem hat sich das von den Vätern herkommende Volk nach den priesterlichen Passagen gerade dort im Ausland konstituiert. Sämtliche Väter wurden im Ausland geboren, im Ausland hat Jhwh sich den Nachkommen der Väter vollgültig offenbart, sie zu seinem Volk genommen und ihren Kult begründet. Schließlich wird das so im Ausland entstandene, von den Vätern herkommende Volk als eine exklusive, nach außen abgeschlossene Gruppe vorgestellt. Das Land, in das die Väter kommen, wird in den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte, über die vorpriesterliche Überlieferung hinaus, als ein von einer fremden Bevölkerung bewohntes Land beschrieben. Das so in fremder Hand befindliche Land wird nach priesterlicher Darstellung bereits Abraham gegeben. Es wird dann aber nicht direkt von Abraham über die folgenden Generationen hinweg weitervererbt, sondern es wird einer jeden Generation aufs Neue übereignet. Doch obwohl das Land bereits Abraham gegeben wurde und obwohl das Land den auf Abraham folgenden Nachkommen stets aufs Neue übereignet wird, ist das Land nach priesterlicher Darstellung ein „Land der Fremdlingschaft“. Die Väter sind Fremdlinge in ihrem eigenen Land. In den priesterlichen Passagen der Vätergeschichte wird sodann festgehalten, dass die Verwandten der Väter keinen Anspruch auf das Land haben. Anders als in den vorpriesterlichen Passagen verlassen die Verwandten das Land aber nicht aufgrund konflikthafter Auseinandersetzungen. Die Verwandten erkennen vielmehr die objektive Notwendigkeit, dass sie und die Väter in getrennten Territorien leben, und ziehen sich deshalb in eigene Gebiete zurück. So von den Vätern getrennt und in eigenen Gebieten lebend

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sind die Verwandten nach priesterlicher Darstellung bleibend mit den Vätern verbunden, und sie stehen bleibend unter der segensreichen Zuwendung Gottes, der sie wachsen und zu Völkern werden lässt. Die Angehörigen der im Lande lebenden Vorbevölkerung werden in den priesterlichen Passagen als „Kanaanäer“ vorgestellt. Sie werden daher als eine den Vätern und dem von den Vätern herkommenden Volk gänzlich fremd gegenüberstehende Bevölkerungsgruppe beschrieben. Mit dieser fremden Bevölkerungsschicht sind den Vätern und deren Nachkommen Eheschließungen verboten. Deren Besitz wie auch deren Aufenthalt im Land werden allerdings nicht in Frage gestellt. Es wird an keiner Stelle deren Vertreibung oder gar deren Vernichtung gefordert. Die so beschriebene inhaltliche Anlage der priesterlichen Vätergeschichte lässt sich gut vor dem Hintergrund der frühnachexilischen Zeit und der in dieser Zeit geschehenen Rückkehr der ersten Exulanten in das Land verstehen. Mit ihrem Werk deuten die für die priesterlichen Passagen verantwortlichen, aus den Reihen der Rückkehrer stammenden Kreise von den Vätern her ihre neue Situation nach der Rückkehr in das Land, und sie entwickeln eine doch sehr besondere Vorstellung vom Zusammenleben der eigenen Gruppe mit den anderen, in und um das Land lebenden Bevölkerungsgruppen. Von den Vätern her, die allesamt eine Zeit ihres Lebens im Ausland verbracht und sich dort als ein nach außen abgeschlossenes Volk konstituiert haben, stellen sich die Rückkehrer als das wahre Gottesvolk dar. Den im Lande Verbliebenen sprechen sie die Zugehörigkeit zu diesem Volk wie auch die Möglichkeit der Integration in dieses Volk ab. Die Rückkehrer halten sodann daran fest, dass der ihnen geschehene Verlust des Landes nicht zum dauerhaften Verlust führen muss. Da das Land seit den Vätern einer jeden Generation aufs Neue übereignet wird, sehen sie sich unter der Verheißung, dass auch ihnen das Land wieder gegeben wird. Ja, von den Vätern her verstehen sich die Rückkehrer als die einzig legitimen Erben des Landes. Sie erwarten, dass die Völker sie und ihr Recht auf dieses Land anerkennen, sich auf getrennte Territorien verteilen und auf diese Territorien beschränken. Doch unter der Voraussetzung, dass sich die Völker so auf ihre eigenen Gebiete beschränken, akzeptieren die Rückkehrer auch ihrerseits die Existenz dieser Völker. Mehr noch: Sie erkennen sie als Verwandte an, und sie verstehen sogar deren politische Integrität und deren Wachstum als von Gott legitimiert. Demgegenüber werden die während des Exils im Lande Verbliebenen – die tatsächlich Verwandten – von den Rückkehrern als Fremde stigmatisiert. Die Rückkehrer wenden sich gegen eheliche Verbindungen und treten

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so gegen die Vermischung der eigenen Gruppe mit den im Lande Verbliebenen ein. Sie fordern aber nicht deren Vertreibung oder gar deren Ausrottung. Sie befürworten vielmehr ein Zusammenleben der beiden Gruppen in friedlicher Koexistenz. Die Rückkehrer beschreiben somit ihre Situation im Land, ihr Leben unter einer fremden Bevölkerung, als einen Umstand, der das Leben in diesem Land von jeher bestimmt und der auch künftig nicht überwunden werden soll. Das Land ist und bleibt ein von einer fremden Bevölkerung bewohntes Land. Die Rückkehrer sind und bleiben Fremdlinge im eigenen Land.

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Anhang

Abkürzungen Die Abkürzungen folgen SCHWERTNER, S.M., Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete, Berlin/New York 21992. Darüber hinaus wurden die folgenden Abkürzungen verwandt: ABD BE BZAR dtr. DtrG EBR HBS HCOT HThKAT KBL3 NSK.AT PN WBC WiBiLex ZAR

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Literatur ADDINAL, P., Genesis xlvi 8–27, VT 54, 2004, 289–300. ALBERTZ, R., Religionsgeschichte Israels in alttestamentlicher Zeit, 2 Bd., GAT 8,1–2, Göttingen 2 1996–1997. –, Die Exilszeit. 6. Jahrhundert v. Chr., BE 7, Stuttgart u.a. 2001. –, Die kanonische Anpassung des Josuabuches. Eine Neubewertung seiner sogenannten „priesterschriftlichen Texte“, in: T. Römer/K. Schmid (Hg.), Les dernières rédactions du Pentateuque, de l‫ތ‬Hexateuque et de l‫ތ‬Ennéateuque, BEThL 203, Leuven u.a. 2007, 199–216. –, Die Josephsgeschichte im Pentateuch, in: T. Naumann/R. Hunziker-Rodewald (Hg.), Diasynchron. Beiträge zur Exegese, Theologie und Rezeption der Hebräischen Bibel (FS W. Dietrich), Stuttgart u.a. 2009, 11–36. –, Der Beginn der vorpriesterlichen Exoduskomposition (KEX). Eine Kompositions- und Redaktionsgeschichte von Ex 1–5, ThZ 67, 2011, 223–262. ALEXANDER, T.D., The Hagar Traditions in Genesis xvi and xxi, in: J.A. Emerton (Hg.), Studies in the Pentateuch, VT.S 41, Leiden u.a. 1990, 131–148. ARNETH, M., Durch Adams Fall ist ganz verderbt ... Studien zur Entstehung der alttestamentlichen Urgeschichte, FRLANT 217, Göttingen 2007. ARNOLD, B.T., Genesis, New Cambridge Bible Commentary, New York 2009.

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Anhang

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Anhang

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Register der Bibelstellen

Register der Bibelstellen (in Auswahl) Genesis 1–11 1–2 1,1–2,4 1,22 1,28 2,3 2,4–25 2,4 5,1 5,3 5,29 6,5–9,17 6,7 6,9 6,11–12 6,14–16 6,18–21 7,1–5 7,3 7,7 7,8–9 7,13 7,23 8,1 8,6 8,17 9 9,1–17 9,1 9,7 10,1–32 10,1 10,6 10,7 11,10 11,27–32 11,27 11,28–30 11,31–32 11,31 11,32 12–35 12–13 12,1–3 12,3 12,4–5

223 15 17, 22, 149 140 140, 210, 211 A18 22 149 26 A3, 167 26 A3, 167 43 43 15, 149 151 A13 26 A3, 167 13, 151 A12 150 A12 151 151 151 A13 151 151 A13 151 151 A13 52 150 A12 140–141 46, 48–49 167 65, 140, 210 140–141, 210 191, 216 26 A3, 167 191 64 26 A3, 167 25–30, 37 A41, 69, 161, 163, 176–177, 180 25–27, 167 25–27 25–30 33, 176–177 35, 138 223 30–38 26, 28, 31–32, 37, 69, 80, 99, 148 A5, 161 104 29, 32–38, 69, 161, 163

12,5 12,6–9 12,6–7 12,10–20 13 13,1–4 13,2–13 13,6 13,11–12 13,12 13,14–17 13,15 13,17 15 15,7 15,18–21 16 16,1–15 16,1 16,2 16,3 16,4 16,7 16,9–12 16,9 16,10 16,11 16,14 16,15 16,16 17

17,1–8 17,1 17,2–8 17,2–6 17,2 17,5 17,6–8 17,6 17,7–8 17,8 17,9–14 17,11 17,15–22 17,15

83–84, 113, 219, 220 A8 31–32, 69 32, 38, 70 31, 69, 161 51, 69 31, 69 31, 33–34, 38, 202–203 32–34, 37–38, 69, 83–84, 162– 163, 203 32–34, 38, 51–53, 69, 162–163, 203 98 31, 69, 80, 99, 148 A5, 161 194 A19 194 A19 28 A11, 70, 143, 148 28, 148, 194 A19 221 A10 38–45, 69 207 14, 38–40, 44 39, 40 A50 38–40, 44–45, 69, 162–163, 208 39, 40 A50 178 40–41 41–45, 69 41, 45, 70 41, 43 67, 178 14, 38–40, 42–45, 55–56, 69 35, 38–39, 44–45, 69, 162–163 15, 22, 45–50, 88, 147, 167– 168, 182, 192–193, 208, 211 A18 50, 69–70, 163, 208–210 35, 148–149 47, 49, 121 211 A18 182 88–89 193, 195 182 183, 211 A18 59, 62, 162, 192–195, 197–199 46–50, 54, 57, 70, 159, 212 A18 211 A18 50, 69–70, 163 88–89

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242 17,18–21 17,19 17,20 17,21 17,23–27 17,23 17,24–25 18–19 18,14 19 19,1–28 19,15–28 19,29 19,30–38 20–22 20,1 21,1–7 21,1–5 21,1–3 21,1 21,2 21,3 21,4 21,5 21,6–7 21,9–21 21,12–13 21,18 22,11 23 23,1–2 23,3–20 24 24,62 25–33 25,1–18 25,1–6 25,7–20 25,7–10 25,7–9 25,8–9 25,8 25,9–10 25,9 25,10 25,11–18 25,11 25,12–18 25,12–17 25,12 25,18 25,19–26 25,19–20

Anhang 162, 210–212 43 65, 140, 211 A18, 213 54–55 50, 57, 70, 212 A18 211 A18 35 51, 69 55 50–53 205 51 51–53, 69–70, 162–163, 205 51 A80, 52 42–45, 56–58, 69, 160 180 54–58 54, 180 207 54 55–56 43–44, 55–58 57–58, 70 35, 56–58, 69–70, 163 56 42, 69, 207, 212 41 A54, 207 A9, 211 A18 41 A54, 105 A15, 207 A9 105 A15 58–63 61–63, 68–70, 163 62–63, 65, 68, 70, 127, 130 67, 70, 72 65, 67 80, 99 64–68 64, 68, 70 65–66 64–65 68–70, 163 212 137 59–60, 65, 68, 70, 127, 130 63–64, 162, 213 A20 62 68–70, 163 65–67, 131, 178, 180 162, 213 68 26 A3, 167 68, 70, 178 71–74, 180 71–74, 99, 162–163

25,19 25,20 25,21–26 25,26 26,1 26,3 26,23 26,24 26,34–28,9 26,34–35 26,34 27,1–45 27,41 27,43 27,46–28,9

26 A3, 167 36 A38 71–74, 99 35–36, 71–74, 99, 162–163 178, 180 31, 69, 80, 99, 161 178, 180 148 A5 74–79 74–79, 96, 99–100, 162–163 35, 62, 96–97, 204 A4, 216 A2 74–79, 104 125 29 14, 74–79, 81, 96, 99–100, 162– 163, 179, 216 A2, 217–219 27,46 62, 76–78, 190 28–32 179 28,1 76–77, 124, 190, 216 28,3–4 22, 121, 149, 194–197 28,3 140, 148, 182 28,4 162, 192, 198–201 28,6–9 204 A4 28,6 77, 216 28,7 78 28,8 77, 216 28,9 96–97 28,10–22 91, 94 A78 28,10 29 28,13–14 31, 69, 80, 99, 148 A5, 161 28,13 148 28,14 104 29–33 79–85 29–32 80, 99 29,4 29 29,23 80 29,24 80–81 29,25 80 29,28 81 29,29 80–81 29,30 81 29,31–30,24 81, 181 30,21 103 A9, 185 31,17–18 82 A37, 83 31,18 14, 80–85, 99, 113–114, 162– 163, 179, 220 32,4 204 A4, 206 32,23–33 89 32,28–30 89 32,29 88–90, 106 32,33 90 A64 33,1–16 204 33,14 204 A4, 206

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Register der Bibelstellen 33,16 33,17 33,18 33,20 34 34,7 35 35,1–7 35,1 35,2–5 35,6–7 35,6 35,8 35,9–13 35,9–12 35,9 35,10 35,11–12 35,11 35,12 35,14–15 35,16–22 35,16–20 35,20 35,21–22 35,21 35,22–29 35,22–26 35,22 35,26 35,27 35,28–29 35,28–37,2 35,29 36 36,1–8 36,1–5 36,1 36,2–5 36,2 36,5 36,6–8 36,6 36,7 36,8 36,9–43 36,9–14 36,9 36,40–43 37–50 37

204 A4, 206 94 A78 80–81, 84–85, 99, 162–163, 179 90 A64 92–93 90 A64 85–95, 99 85–86 86–87, 90, 95 86, 95, 100 86–87, 95 81, 86–87, 91, 95, 99, 162–163, 179 87, 91, 95 87–91, 95, 99–100, 162–163 122 90 43, 88–90, 106 22, 121, 195–197 140, 148–149, 182 162, 192, 200–201 91, 95, 100 95 91, 102 A7, 103 A9, 122, 181 102 A7 92–94 90, 94 A78, 102 A7 95, 99–100, 163 94, 115, 134, 181 106, 124 181 63, 94, 198–200 94 65–66 61, 127, 137, 162, 206 95–98 95–100, 162–163, 204 A4 181 26 A3, 167 96–97 62, 216 181, 182 A31 204–205 113, 220 A9 83–84, 198 98, 131 98, 100 97 95 A83 95 A83, 97 145, 223 101–107

37,1–2 37,1 37,2 37,3 37,10 37,35 38–45 38 39 39,5 41,46 41,50–52 41,56–57 42,5 45,1–5 45,19–21 45,21 46 46,1–5 46,2 46,3 46,5–6 46,5 46,6–7 46,6 46,8–27 46,15 46,17 47 47,1–12 47,5–6 47,7–11 47,9 47,11 47,12 47,27–28 47,27 47,28 47,29–31 47,29 47,31 48 48,1–20 48,1–2 48,1 48,2 48,3–7 48,3–6 48,3–4

101–102, 105, 107, 109, 145, 162–163 98, 110, 131, 198, 200 26 A3, 146, 167 102 103 A9 103 A9, 185 A40 107–112 107, 145 104, 108, 145 104 35–36, 108–109, 111–112, 145, 162–163 103–104, 145 109 109, 110 A34 129 A100 109 110 A34 112–115 104–105, 112, 115, 146 105 A15 105 109 A32 113–114 110, 112–115, 145, 162–163, 185 83–84, 220 114–115 114 114 115–120, 128 115–118 109 A32, 116–117 109 A32, 116–119, 145, 163 198, 200–201 117–118, 197 A23 129 A100 109 A32, 110, 119–120, 122, 145, 163 129 A100, 140, 182 131 121 119 128 120–123, 128 145 103–104, 122 121 128 119, 121–123, 145, 163 109 A32 22, 149

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244 48,3 48,4 48,5–6 48,6 48,7 48,8–14 48,8 48,17–20 49 49,1–28 49,1–27 49,1 49,3–5 49,22–26 49,28–33 49,28 49,29–33 49,29–32 49,29 49,30 49,31 49,32 49,33 50 50,1–21 50,1–14 50,5 50,7–8 50,12–13 50,13 50,14 50,15–21 50,15 50,21 50,22 50,23 50,24–26 50,26 Exodus 1–4 1–2 1,1–7 1,1–5 1,6 1,7 1,8–20 1,8–10 1,8

Anhang 65, 86, 91, 148 140, 192, 197, 198 A24 186–187 26 A4 122, 123 A82, 187 103–104 121 103–104 92–94, 99, 106, 123–128, 223 123, 125, 128, 145 124 106, 109 A32, 124, 126–128, 145–146, 163 92 93, 123 109 A32 124–125 106, 110, 125–128 59–60, 127–128, 130, 146 145, 163 63 61, 127 62 127–128, 137, 145, 163 128–145 129, 144 126 129 A101 129–130 A101 109 A32, 110, 129–130 59–60, 63, 130, 146 129–130 A101 129 129–130 A101 129 A100, 144 130–131, 137, 141–142, 144– 145, 153, 157, 163 131, 141 131–133, 141–144, 146 133–138

223 156–157 128–145 133–134, 141–142, 146 134–138, 141–142, 144–146, 153, 157, 163 134, 138–142, 144–145, 153, 157, 163, 168, 182 139 A135 139 A135 134–138, 141–142, 144, 146

1,9 1,11 1,20 2,18 2,23–25 3,1–4,18 3,1 4,18 4,19–20 4,24–26 6 6,2–29,46 6,2–8 6,3 6,4 6,7 6,8 7–12 7,6–7 7,9–25 12,37 13,5 13,11 13,19 14 23,23 23,28 24,16 25–40 25–29 29,45–46 29,46 32,13 33,1 33,2 34,11 39,43 40,33

138–141, 144 118, 139 A135 138–141 155 154–155 143, 154–157 154–155 154–156 154–157 157 A29 15, 147–149, 160, 168, 182– 183, 192 223 157–158, 196–197 182–183 198–199, 201 183, 184 A38 192, 198 A24, 201 15, 149 36 A38 151–152 118 A61 143 143 143 15, 149 221 A10 221 A10 22 19 184 18, 159 17, 160, 164 143 143 221 A10 221 A10 22 17, 159

Leviticus 9 16 25,23 25,35 25,47

17 17 62 62 62

Numeri 10,29 26,29 27 27,1 32,39–40

155 A25 131 A111 17 131 A111 131 A111

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245

Register der Bibelstellen 33,3 33,5 33,38–39 35,15 36,1

118 A61 118 A61 36 A38 62 131 A111

Deuteronomium 3,15 131 A111 7,1 221 A10 20,17 221 A10 34,1–9 16–17 34,5–7 36 A38 Josua 18,1 19,51 24,14–23 24,29–30 24,29 24,32 Richter 2,8–10 2,8 10,16 1 Samuel 7,3 2 Könige 24,14 25,12 Jesaja 41,8–9 41,10

16 16 86 134–137, 142 133 136, 145

134–137, 142 133 86

Jeremia 32,43 43,5–6

192 A11 192 A11

Ezechiel 9–11 11,14–21 11,14–17 11,15 16,3 20 33,21–22 33,23–27 33,24 33,30–33 37,1–14

172 A8 172 A8 171–173 179, 184 190 A5 17 174 A10 173–175, 221 179 174 A10 192 A11

Hosea 12,8

190 A5

Zefanja 1,11 2,5 3,11–13

190 A5 190 A5 170–171, 179

Sacharja 14,21

190 A5

Psalmen 106,38

190 A5

Esra 9,1

190 A5

2 Chronik 36,20

192 A11

86

171 A6 171 A6

175, 179 175 A14

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