Formbedürftige Rechtsgeschäfte: Inhaltsermittlung, Umfang und Fassung der Urkundenerklärung [1 ed.] 9783428445134, 9783428045136

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Formbedürftige Rechtsgeschäfte: Inhaltsermittlung, Umfang und Fassung der Urkundenerklärung [1 ed.]
 9783428445134, 9783428045136

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KARL·HEINZ BERNARD

Formbedürftige Rechtsgeschäfte

Schriften zum Bürgerlichen Recht

Band 55

Formbedürftige Rechtsgeschäfte Inhaltsermittlung, Umfang und Fassung der Urkunden erklärung

Von

Karl- Heinz Bernard

DUNCKER & HUMBLOT / BERLIN

Alle Rechte vorbehalten

© 1979 Duncker & Humblot, Berl1n 41

Gedruckt 1979 bei Buchdruckerei Bruno Luck, Berl1n 65 Prlnted in Germany ISBN 3 428 04513 0

Vorwort Obwohl die Probleme keineswegs neu sind, hat sich die höchstrichterliche Rechtsprechung immer wieder mit Formfragen zu beschäftigen. Dabei ist gerade in letzter Zeit einiges in Bewegung geraten. So führt nach BGHZ 69, 266 (entgegen BGHZ 63, 359) eine Bezugnahme auf eine dem notariellen Grundstückskaufvertrag nicht beigefügte Baubeschreibung zur Formnichtigkeit. Weiter können nach BGH, NJW 1979, 1496 Pläne, Zeichnungen u. ä. in Abweichung von BGHZ 59, 11 Protokollanlagen i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 2 BeurkG sein. In BGH, NJW 1979, 1350 werden Bedenken an der bisherigen Rechtsprechung zur falsa demonstratio angedeutet. Nach BGH, NJW 1979, 1495 schließlich ist im Rahmen des § 313 BGB eine Bezugnahme auf eine nicht zwischen denselben Beteiligten errichtete nicht beigefügte öffentliche Urkunde unzulässig. Zur Klärung der vielfältigen Fragen möchte die vorliegende Arbeit beitragen. Sie wurde im April 1976 abgeschlossen und im Mai 1978 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main als Dissertation angenommen. Zum Druck wurden die fußnoten auf den Stand von Februar 1979 gebracht. Herrn Professor Dr. Alexander Lüderitz danke ich herzlich für die Anregung und Förderung der Arbeit. Frankfurt am Main, im September 1979 Karl-Heinz Bernard

Inhaltsverzeichnis Erstes Kapitel Form und Ermittlung des Geschäftsinhalts I. Relevanz von außerurkundlichem Material bei der Inhaltsermittlung 15 H. Wortlaut der Urkunde als Schranke der Inhaltsermittlung ........

17

111. Kritik ............................................................ 1. Formvorschriften als ausschließlich die Erklärung betreffende Normen ........................................................ 2. Inhaltsermittlung ohne Bindung an die Urkunde ................ a) Ermittlung des Auslegungsgegenstandes ...................... b) Auslegung der Geschäftserklärungen ........................

21 21 22 22 23

IV. Scheinbare Ausnahmestellung von Formvorschriften, die Beurkundung (auch) im Interesse am Geschäft Unbeteiligter anordnen ...... 26 V. Eindeutigkeits- und Andeutungsformel als Ausdruck der Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Urkunde.. . .. .. . . .. ... 27 VI. Zusammenfassung ................................................

30

Zweites Kapitel Zwecke von Formvorschriften 1. Einwände gegen eine Berücksichtigung der Formzwecke

31 31 2. Keine Prüfung der Zweckerreichung im Einzelfall ............. . 32 1. Meinung von Häsemeyer ......................... . . . . . . . . . . . . . ..

H. Vorgang und Ergebnis der Beurkundung als unterschiedliche Anknüpfungspunkte für die Formzwecke .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 35 1. Ergebnis der Beurkundung 35 2. Vorgang der Beurkundung...................................... 36 HI. Einflußnahme auf die Entstehung des Geschäfts .................. 1. Versuche, die bezweckte Einflußnahme nach verschiedenen inhaltlichen Gesichtspunkten zu differenzieren ........................ 2. Differenzierung nach der Intensität der bezweckten Einflußnahme a) Warnzweck .................................................. b) Hilfestellungszweck ..........................................

37 37 39 40 43

8

Inhaltsverzeichnis

IV. Sicherstellungszweck .............................................. 45 1. Formvorschriften mit Sicherstellungszweck ......... . . . . . . . . . . . .. 45 2. Keine weitere Differenzierung des Sicherstellungszwecks .... . ... 48 V. Zusammenfassung ................................................

48

Drittes Kapitel

Umfang des Formzwangs I. Bestimmung der zu beurkundenden Punkte eines formbedürftigen Geschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 50 50 1. Meinungsstand 2. Stellungnahme ................................................ 53 11. Umfang der zu einem formbedürftigen Rechtsgeschäft gehörenden Erklärungen ...................................................... 58 III. Zusammenfassung

60 Viertes Kapitel

Spracblidle Fassung der Urkundenerklärung I. Fragestellung

62

11. Die Andeutungsformel ............................................

62

111. Kritik .................... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1. Unsichere Andeutungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Mißachtung der Andeutungsformel in den Fällen unbewußter Falschbezeichnung .............................................. 3. Andeutungserfordernis und Formzwecke ........................ 4. Hintergrund der Andeutungsformel

66 66

IV. Zusammenfassung

78

68 71 73

Fünftes Kapitel

Scblu8folgerungen für typisdle Problemlagen

80

I. "Einfache" Unvollständigkeiten ....................................

83

11. Bezugnahmen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1. Begriff .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Abgrenzung von anderen Fällen ................................ a) Hinweis auf tatsächliche Merkmale .......................... b) Bezugnahme auf künftige Erklärungen ...................... c) Bezugnahme innerhalb einer einheitlichen Urkunde ..........

84 84 88 88 91 93

Inhaltsverzeichnis 111. Falschbezeichnungen .............................................. 1. Unbewußte Falschbezeichnungen 2. Bewußte Falschbezeichnungen ................................. . 3. Individueller Sprachgebrauch ................................. . 4. Keine Gleichsetzung der Absicht, die Form zu erfüllen, mit wirklicher Formwahrung ............................................

9

95 96 98 100 102

IV. Zusammenfassung ............ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 103

Sechstes Kapitel Kritik der Ansichten von Danz, Lüderitz und Häsemeyer I. Meinung von Danz ................................................ 106

1. Darstellung ................ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 106 2. Kritik .......................................................... 107

11. Meinung von Lüderitz ............................................ 1. Darstellung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Kritik .......................................................... a) Unmittelbare Durchsetzung der Formzwecke ................ b) Unzureichende Trennung von Inhaltsermittlung und Formfrage c) Unzureichende Bestimmung des Auslegungsgegenstandes

108 108 110 110 111 112

111. Meinung von Häsemeyer .......................................... 1. Darstellung .................................................... 2. Kritik .......................................................... a) Unzureichende Bestimmung des Formgebots .................. b) Kein generelles Absehen vom Formmangel bei versehentlicher Unvollständigkeit der förmlichen Erklärung .................. aal Warn- und Hilfestellungszweck .......................... bb) Sicherstellungszweck .......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

113 113 116 116 119 120 122

IV. Zusammenfassung ................................................ 124

Siebentes Kapitel Einschränkung des Grundsatzes vollständiger Beurkundung der Geschäftserklärungen für bestimmte Fälle unter Berücksichtigung der jeweiligen Formzwecke I. Besondere Fälle unvollständiger Beurkundung als Ausgangspunkt .. 127 11. Bewußte Falschbezeichnungen .................................... 128 111. Bezugnahmen

129

1. Warnzweck

129

Inhaltsverzeichnis

10

2. Hilfestellungszweck a) Notarielle Beurkundung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. aa) Bezugnahme auf notariell beurkundete Erklärungen derselben Beteiligten ......................... " ........... bb) Bezugnahme auf notariell beurkundete Erklärungen Dritter ce) Bezugnahme auf nicht notariell beurkundete Erklärungen b) Eigenhändiges Testament .................................... 3. Sicherstellungszweck ............................................ IV. Zusammenfassung Literaturverzeichnis

132 132 132 133 134 134 139 141

.................................................. 143

Ahkürzungsverzeichnis a.A.

Abs. AbzG AcP a.E. a.F. AGB AktG Anm. AT AufI. BAG BayObLG BayObLGZ BB Betr. BetrVerfG BeurkG BFH BGB BGBI. BGH BGHZ BNotO bzw. d.h. Diss. DJT DJZ DNotV DNotZ Einf. ErbbauVO f., ff. Festschr. FGG Fußn. GenG GmbH GmbHG

anderer Ansicht Absatz Gesetz betreffend die Abzahlungsgeschäfte vom 16.5.1894 Archiv für die civilistische Praxis am Ende alte Fassung Allgemeine Geschäftsbedingungen Aktiengesetz vom 6. 9. 1965 Anmerkung Allgemeiner Teil Auflage Bundesarbeitsgericht Bayerisches Oberstes Landesgericht Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen Der Betriebsberater Der Betrieb Betriebsverfassungsgesetz vom 15. 1. 1972 Beurkundungsgesetz vom 28. 8. 1969 Bundesfinanzhof Bürgerliches Gesetzbuch vom 18. 8. 1896 Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundesnotarordnung vom 24. 2. 1961 beziehungsweise das heißt Dissertation Deutscher Juristentag Deutsche Juristenzeitung Zeitschrift des Deutschen Notarvereins Deutsche Notar-Zeitschrift Einführung Verordnung über das Erbbaurecht vom 15. 1. 1919 folgende Festschrift Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17.5.1898 Fußnote Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften vom 1. 5. 1889 Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung vom 20. 4. 1892

12

Abkürzungsverzeichnis

Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts, begründet von Gruchot Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen i. d. F. vom GWB 4.4.1974 HGB Handelsgesetzbuch vom 10. 5. 1897 h.M. herrschende Meinung Höchstrichterliche Rechtsprechung HRR Jahrbuch für Entscheidungen in Angelegenheiten der FreiwilJFG ligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts Jherings Jahrbücher der Dogmatik des bürgerlichen Rechts JhJb JurA Juristische Analysen JuS Juristische Schulung JW Juristische Wochenschrift Juristenzeitung JZ i.d.F. in der Fassung i. d. R. in der Regel KG Kammergericht LG Landgericht Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, herausgegeben von LM Lindenmaier und Möhring LZ Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht m. mit MDR Monatsschrift für Deutsches Recht m. E. meines Erachtens Mot. Motive MünchKomm Münchener Kommentar m. w. N. mit weiteren Nachweisen NJW Neue Juristische Wochenschrift Nr. Nummer OGHBrZ Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes für die Britische Zone in Zivilsachen OLG Oberlandesgericht OLGE Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen Prot. Protokolle PStG Personenstandsgesetz i. d. F. vom 8. 8.1957 Rdnr(n). Randnummer(n) Recht Das Recht RG Reichsgericht RGRK. Reichsgerichtsrätekommentar RGZ Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen RPfleger Der Deutsche Rechtspfleger S. Seite SchG Scheckgesetz vom 14. 8. 1933 SeuffA Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten Sp. Spalte StudK Studienkommentar TVG Tarifvertragsgesetz i. d. F. vom 25. 8. 1969 u.U. unter Umständen v. vor vgl. vergleiche WährG Erstes Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens (Währungsgesetz) vom 20. 6. 1948 Gruchot

Abkür7JUngsverzeichnis Warn WEG

WG WM w.N. ZAkDR z.B. ZBlFG ZGB ZHR

zit.

ZPO ZRP zust. zutr. ZZP z.Zt.

13

Die Rechtsprechung des Reichsgerichts, herausgegeben von Warneyer Gesetz über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht vom 15. 3. 1951 Wechselgesetz vom 2l. 6.1933 Wertpapier-Mitteilungen weitere Nachweise Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht zum Beispiel Zentralblatt für die Freiwillige Gerichtsbarkeit und Notariat Schweizerisches Zivilgesetzbuch Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht zitiert Zivilprozeßordnung i. d. F. vom 12.9.1950 Zeitschrift für Rechtspolitik zustimmend zutreffend Zeitschrift für Zivilprozeß zur Zeit

Erstes Kapitel

Form und Ermittlung des Geschäftsinhalts I. Relevanz von außerurkundlichem Material bei der Inbaltsermittlung Liegt einem Unbeteiligten die Urkunde eines gesetzlich formbedürftigen Rechtsgeschäftes vor, wird er ihr allein das "wirklich Gewollte" häufig nicht richtig, nicht vollständig oder überhaupt nicht entnehmen können. Was Inhalt des Geschäfts sein soll, zeigt sich erst dann deutlich, wenn man den gesamten Kontext berücksichtigt, in dem die Urkunde steht. Hier sind z. B. besondere persönliche Verhältnisse oder Eigenarten des Erklärenden, besondere örtliche oder zeitliche Umstände der Erklärung, der Gang der Vorverhandlungen sowie nicht beurkundete ergänzende Erklärungen heranzuziehen1 • Dadurch kann sich ein vom ersten Anschein wesentlich abweichender Geschäftsinhalt ergeben. So läßt sich ein individueller Sprachgebrauch meistens aus der Urkunde allein weder erkennen noch zutreffend verstehen. Bezeichnet ein Vater von sieben Kindern im Testament seine Ehefrau wie üblich mit "Mutter"Z, kommt das Gewollte erst durch Berücksichtigung dieser Sprachgewohnheit zum Vorschein3 • Auch Falschbezeichnungen lassen sich nur unter Heranziehung außerurkundlicher Gegebenheiten berichtigen. In RG, SeuffA 70 Nr. 223 hatte der Erblasser die Stadt Berlin zur Erbin eingesetzt. Die Zuwendung war für eine unselbständige Stiftung bestimmt. Seinen bedürftigen Verwandten bis zur vierten Ordnung hatte der Erblasser ein Vermächtnis ausgesetzt. Die Grenze sollte jedoch in Wahrheit bereits bei Verwandten vierten Grades liegen4 • Dies ergab sich daraus, daß bei der erforderlichen Genehmigung der Stiftung auf die Versorgung bedürftiger Verwandter des Stifters bis zum vierten Grad Rücksicht genom1 Vgl. die zahlreichen Beispiele bei Lüderitz, S. 180 f., 325 ff.; ferner Larenz, AT, S. 298 (§ 19 II b). Z Beispiel von Lange I Kuchinke, S. 482 (§ 33 III 3 b); Lange I Köhler, S. 225 (§ 38 II 3); v. Lübtow, S. 269. 3 Vgl. ferner das vielzitierte Schulbeispiel des Erblassers, der seinen Weinkeller unter der Bezeichnung "Bibliothek" vermacht: Lüderitz, S.180, m. w. N. in Fußn. 15; Häsemeyer, Form, S. 279, unter a; v. Lübtow, S. 269. 4 Vgl. §§ 1928 Abs. 1 und 1589 Satz 3 BGB.

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1. Kap.:

Fonn und Ennittlung des Geschäftsinhalts

men wurde. Nur in diesem Umfang hatte der Erblasser zur Sicherstellung der Genehmigung seine Verwandten bedenken wollen. Der fehlerhafte Ausdruck im Testament beruhte auf der Auskunft eines Polizeibeamten. Dieser hatte dem Zeugen B., dem Berater des Erblassers, gesagt, bei derartigen Stiftungen würden die Verhältnisse der Verwandten bis zur vierten Ordnung berücksichtigt. Bei Bezugnahmen ist zwar ein Hinweis auf Erklärungen außerhalb der Urkunde vorhanden. Doch sind die Erklärungen, auf die verwiesen wird, gerade nicht Bestandteile der Urkunde. In BGHZ 26, 142 hatte sich der Beklagte für Forderungen der Rechtsvorgängerin der Westdeutschen Bank für Landwirtschaft gegen die Handelsgesellschaft XmbH verbürgt. Er wurde gebeten, durch Unterzeichnung folgender Erklärung zu bestätigen, daß die Bürgschaft auch für Forderungen der Rechtsnachfolgerin bestehe: "An die Westdeutsche Bank für Lw. Aktiengesellschaft. Betr.: Meine Bürgschaft für die Verpflichtungen der Firma Handelsges. X.mbH. Ich bestätige den Empfang des Schreibens der Bank für Lw. Aktiengesellschaft vom 19. 12. 50 sowie einer Ausfertigung des Rundschreibens vom 15. 12. 1950 und erkläre mich mit dem Inhalt in allen Punkten einverstanden." Diese vom Beklagten unterschriebene Urkunde offenbart, für sich allein betrachtet, weder dessen Verbürgungswillen noch die näheren Bürgschaftsbedingungen. Das Gewollte wird erst deutlich, wenn man die in der Erklärung genannten Schreiben und eine frühere Bürgschaftserklärung des Beklagten gegenüber der Rechtsvorgängerin der Westdeutschen Bank mit einbezieht. Nur ein vager Hinweis auf zur genauen Ermittlung des Vertragsgegenstandes wichtige Unterlagen existierte in BGH, NJW 1969, 131 Nr.2: Dort wurden u. a. noch nicht vermessene Teilstücke verschiedener Grundstücke "zum Zwecke des Straßenbaues" verkauft. Im Urkundentext waren nur die vollständigen Grundstücke und die Gesamtfläche der Teilstücke bezeichnet. Eine Angabe der Einzelflächen nach Größe und Lage fehlte. In den dem Straßenbauprojekt der Käuferin zugrunde liegenden Plänen und Verzeichnissen waren die Teilstücke jedoch eindeutig festgelegt. Oft ist aus der Urkunde überhaupt nicht zu ersehen, daß noch andere das Rechtsgeschäft ergänzende Erklärungen vorhanden sind. In RGZ 65, 46 (mit RGZ 71, 415) enthielt die Urkunde eine bedingungslose Bürgschaftserklärung. Die Bürgschaft sollte aber verabredungsgemäß nur für den Fall übernommen werden, daß ein Moratorium für den Hauptschuldner zustande komme. In allen diesen Fällen bringt die Berücksichtigung außerurkundlichen Materials unversehens einen Geschäftsinhalt zutage, der sich erheblich

II. Wortlaut der Urkunde als Schranke der Inhaltsermittlung

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von dem unterscheidet, der gegeben scheint, wenn man die Urkunde allein aus sich selbst, also nur nach allgemeinen Sprachregeln unter Berücksichtigung allgemeiner Erfahrungssätze, interpretiert. So entsteht der Eindruck, es werde aus der Urkunde mehr "herausgeholt" als in Wirklichkeit "in ihr steckt". Aus "Mutter" wird "Ehefrau"; Verwandte vierter Ordnung stellen sich als Verwandte vierten Grades heraus; eine Bürgschaftserklärung erhält ihre Konturen erst aus der Zusammenschau verschiedener anderer Schriftstücke; Größe und genaue Lage verkaufter Grundstücksteile entnimmt man nicht beurkundeten Straßenbauplänen; eine unbedingte Bürgschaft wird zur bedingten. Diese Art unbeschränkten Hinausgreifens über die Urkunde scheint mit der Formgebundenheit der rechtsgeschäftlichen Erklärung unvereinbar. Es ist deshalb zu fragen, ob der Inhaltsermittlung bei formbedürftigen Geschäften Grenzen durch den Wortlaut der Urkunde gezogen sind. 11. Wortlaut der Urkunde als Schranke der Inhaltsermittlung In der Tat scheinen alle Probleme dadurch gelöst, daß man der Ermittlung des Geschäftsinhalts durch den Wortlaut der förmlichen Erklärung eine Schranke setzt. Ergibt die Urkunde aus sich selbst verstanden einen klaren Sinn, gälte dieser. Für eine Heranziehung außerurkundlichen Materials wäre allenfalls bei Mehrdeutigkeit des Textes Raum. Jedoch wäre auch hier nur ein solches Auslegungsergebnis zulässig, das vom Wortlaut noch gedeckt erscheint. Ist das wirklich Gewollte in der Urkunde nicht einmal mehr angedeutet, könnte nur durch eine Anfechtung des Rechtsgeschäfts geholfen werden. Unzulässig wäre eine Umdeutung oder Ergänzung des Urkundenwortlauts. Die Richtigkeit dieser Ansicht scheint in der Rechtsprechung ihre Bestätigung zu finden. Gemeint sind solche Fälle, in denen als Geschäftsinhalt ein mehr oder weniger am Text orientierter Sinn angenommen und eine hiervon abweichende Bedeutung abgelehnt wurde. In RGZ 95, 125 hatte sich die Beklagte für eine Kaufpreisschuld aus einem Holzkauf verbürgt. Der Kauf war möglicherweise wegen Wuchers nichtig. Deshalb tauchte die Frage auf, ob die Bürgschaft sich auch auf die eventuelle Schuld aus ungerechtfertigter Bereicherung erstrecke. Das Reichsgericht verneinte dies. Eine solche Auslegung stünde im Widerspruch zum deutlichen Wortlaut der Bürgschaftserklärung. Die Hauptforderung sei in Bezug auf den Schuldgrund genau bezeichnet. Nirgends sei gesagt, daß die Bürgin auch für Ansprüche anderer Art haften solle. Zwar dürfe die Auslegung einer Urkunde nicht am Wortlaut haften bleiben, sondern solle nach § 133 BGB den wirklichen Wil2 Bemard

1. Kap.: Form und Ermittlung des Geschäftsinhalts

18

len erforschen. Diese Willenserforschung finde aber ihre Schranke in der tatsächlich vorliegenden ErklärungS. In RGZ 160, 109 hatten der Erblasser und seine Ehefrau gemäß dem Entwurf eines beratenden Notars testiert: "Wir setzen uns gegenseitig zu unseren Erben ein. Nach dem Tode des Längstlebenden von uns sollen unsere Kinder beziehentlich deren Nachkommen zu Nacherben berufen sein." Am gleichen Tag gab der Erblasser seiner Frau notariell beglaubigte Vollmacht "für sich und seine Erben". Nach Wiederheirat der Frau wurde darum gestritten, ob die Frau unbeschränkte Vollerbin oder nicht befreite Vorerbin sei. Das Reichsgericht nahm letzteres an. Der Testamentswortlaut sei von einem Rechtskundigen aufgesetzt. Die Anordnung sei völlig eindeutig. Jede Auslegung finde darin ihre Grenze, daß für sie die vorliegende Willenserklärung irgendeinen Anhalt bieten müsse. Aus der der Ehefrau erteilten Vollmacht könnten keine abweichenden Schlüsse gezogen werden. Sie sei zur Vermeidung zahlloser Schwierigkeiten wünschenswert gewesen, weil der Erblasser im Geschäftsleben gestanden habe und seine Tochter noch minderjährig gewesen sei. Hierdurch sei die Erteilung der Vollmacht vollständig erklärt8 • In BGH, LM § 2084 BGB Nr.7 hatte der Erblasser testamentarisch bestimmt: "Meine Frau hat als Vermächtnis an meine Tochter aus erster Ehe ein Drittel meines Gesamtvermögens in bar auszuzahlen." Der Bundesgerichtshof entschied, der Ausdruck "Gesamtvermögen" sei "nach dem allgemeinen Sprachgebrauch der Kreise, zu denen der Erblasser gehörte", klar und eindeutig. Darunter seien sämtliche Nachlaßwerte, auch der good will des zum Nachlaß gehörenden Unternehmens, zu verstehen. Dies lasse sich auch daraus folgern, daß der Erblasser eine Anrechnung seiner Möbel, Bücher und Haushaltsgegenstände ausdrücklich ausgeschlossen habe. Einer in einem Testament enthaltenen, nach dem allgemeinen Sprachgebrauch völlig klaren und unzweideutigen Erklärung dürfe durch Auslegung kein anderer Sinn beigelegt werden. Entspreche dieser klare und unzweideutig ausgedrückte Wille nicht dem wirklichen Willen des Erblassers, könne das Testament nur angefochten werden. In RGZ 70, 391 schließlich wollte die Erblasserin in ihrem zu Protokoll des Gemeindevorstehers errichteten Testament nur die Nachkommen ihrer vollbürtigen Geschwister, nicht die ihrer halbbürtigen zu Erben einsetzen. Dies glaubte der Gemeindevorsteher irrtümlich mit der Fassung zum Ausdruck zu bringen, es solle die gesetzliche Erbfolge in Kraft treten. Das Reichsgericht sah auch die Nachkommen der G 8

RGZ 95, 125, 126. RGZ 160, 109, 111.

II. Wortlaut der Urkunde als Schranke der Inhaltsermittlung

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halbbürtigen Geschwister als Erben an. Der wahre Wille könne nicht durch Auslegung zur Geltung gebracht werden, da sonst die Bestimmungen über die Irrtumsanfechtung letztwilliger Verfügungen gegenstandslos würden. Die Willenserklärung der Erblasserin sei völlig klar, sie lasse eine verschiedenartige Deutung nicht zu. Die Auslegung könne nicht dazu benutzt werden, um an die Stelle des vorhandenen und erklärten Willens einen anderen Willen unterzuschieben7• Auch in der Literatur finden sich vielfach Formulierungen, die jedenfalls den Anschein erwecken, Formvorschriften würden als Beschränkung der Ermittlung des wirklich Gewollten verstanden. Ausgehend von einer bei der Auslegung förmlicher Geschäfte angeblich bestehenden Antinomie zwischen Beschränkung des Auslegungsgegenstandes und Freiheit der Auslegungsmittel8 , einem in Formgebundenheit und Auslegungsfreiheit liegenden Gegensatze spricht man von einem Einfluß der Formvorschriften nicht nur auf die Gültigkeit des Geschäfts, sondern auch auf dessen InhaWo; von einer erheblichen Milderung des Formzwangs infolge einer sehr weiten Auslegung der Urkunde durch Heranziehung auch außerhalb der Urkunde gebliebener Umständeu, was ja nichts anderes heißen kann, als daß Formvorschriften Auslegung dem Grundsatz nach beschränkten. Häufig ist die Rede von Schranken oder Grenzen, die der Auslegung durch Formvorschriften gezogen würden12• Gegenstand der Auslegung sei allein die Urkunde13 ; sie bilde damit Ausgangspunkt und Grenze der Interpretation14• Die Berücksichtigung außerurkundlicher Umstände dürfe nicht zur Ergänzung der Urkunde führen 1G• Bei formgebundenen Geschäften könne es nicht allein auf das Verständnis der Parteien ankommen18• Auslegung dürfe sich nur so 7 RGZ 70, 391, 393. Allerdings wurde eine Teilanfechtung für möglich gehalten (S.394). - Vgl. ferner RG, JW 1905, 336 Nr.3; RG, Recht 1910 Nr. 3532; RG, JW 1937, 392 Nr.2; BGH, WM 1962,906,908; BGH, WM 1970, 221, 222, unter I; BGH, WM 1972, 313, 314. - Für nicht formbedürftige Geschäfte vgl. etwa RG, JW 1919, 102 Nr. 2, m. Anm. Heck; RG, JW 1936, 2857 Nr.2. 8 Lüderitz, S. 214. 8 Lüderitz, S. 181. 10 Leonhard I, S. 273 (§ 124). 11 Bockemühl, S. 103 f.; Erman I H. Westermann, § 125 Rdnr. 3. 12 Bockemühl, S.78; Henke, ZZP 81 (1968), 353; Johannsen, WM 1972, 62; Lüderitz, S.195, 206, 207, 212; Soergell Reimer Schmidt10, § 313 Rdnr.16; Staudinger I CoingU , § 125 Rdnr. 7; v. Tuhr, S. 507, Fußn. 84 (§ 63 III). 13 Larenz, AT, S.302 (§ 19 II d); Lüderitz, S. 179, 181; Oertmann, § 133 Anm. 2 a, 6 d; Siber in Reichsgerichtspraxis III, S.355; Staudinger I CoingU , § 125 Rdnr.7; wohl auch Leonhard, AcP 120 (1922), 21. Entsprechend für formfreie Geschäfte: Staudinger I CoingU , § 133 Rdnr. 24. 14 Kipp I Coing, S.139 (§ 21 III 1); Staudinger I CoingU , § 125 Rdnr.7. Entsprechend für formfreie Geschäfte: Enneccerus I Nipperdey, S.1249 (§ 205 I 2). 15 Krüger-Nieland in RGRKu, § 125 Anm. 21; Staudinger I CoingU , § 125 Rdnr.7. 18 Wieling, AcP 172 (1972), 309.

2"

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1. Kap.: Form und Ermittlung des Geschäftsinhalts

weit vom Text entfernen, daß sie wenigstens noch in einem, sei es auch ganz entfernten, Zusammenhang dazu stehe, in ihm noch einen Anhalt, eine Andeutung finde 17• Bei Eindeutigkeit des Urkundenwortlauts komme eine abweichende Auslegung gar nicht in Frage18. Sei hiernach das wirklich Gewollte nicht zum Ausdruck gebracht, gelte - wie sich aus § 119 Abs. 1 BGB "mit logischer Notwendigkeit"18 ergebe das Erklärte; es bleibe nur die Anfechtung20• Daß Formvorschriften Auslegung beschränken, scheint schließlich ganz deutlich zu sein in den Fällen, in welchen die Urkunde auch der Kundgabe der rechtsgeschäftlichen Regelung an Unbeteiligte dienen soll. So ist allgemein anerkannt, daß zum Umlauf bestimmte Urkunden (etwa Wechsel, Scheck, Schuldverschreibung auf den Inhaber) oder Satzungen von Körperschaften grundsätzlich "objektiv" auszulegen sind21 • 17 Bartholomeyczik 1Schlüter, S.118 (§ 22 I 2 a); Enneccerus 1Nipperdey, S.1250, Fußn. 15 (§ 205 I 3), S.1250/1251 (§ 205 I 4); Erman 1 H. Westermann, § 125 Rdnr. 3; Förschler in MünchKomm, § 125 Rdnr. 25 (unvollkommener Ausdruck), § 126 Rdnr. 9; Kipp 1Coing, S. 139 (§ 21 III 1); Lehmann 1Hübner, S.214 (§ 30 VI 4 a), S.215 (§ 30 VI 4 c); Soergell Hefermehl10, § 125 Rdnr. 9, § 133 Rdnr. 10 (anders: 11. Aufl., § 125 Rdnr. 9, § 133 Rdnr. 27). Die Formel wird auch für formfreie Geschäfte vertreten: vgl. Enneccerus 1Nipperdey, S.1249 (§ 205 I 1); Erman 1H. Westermann, § 133 Rdnr. 4; Krüger-Nieland in RGRKll, § 133 Anm.4; Planck 1Flad, § 133 Anm. 3 a; Staudinger 1Coingll , § 133 Rdnr. 24. 18 Krüger-Nieland in RGRK1!, § 125 Rdnr. 6; Staudinger 1Coingll , § 125 Rdnr. 7 (vgl. aber demgegenüber § 133 Rdnr. 25). Auch für formfreie Geschäfte: Erman 1H. Westermann, § 133 Rdnr. 8; Krüger-Nieland in RGRKll, § 133 Anm. 1; Palandt 1Heinrichs, § 133 Anm.3. 18 So Enneccerus 1Nipperdey, S. 1249, Fußn. 12 (§ 205 I 1). 20 Enneccerus 1 Nipperdey, S. 125011251 (§ 205 I 4); Krüger-Nieland in RGRKll, § 125 Anm. 35; Lehmann 1Hübner, S.215 (§ 30 VI 4 cl. Für formfreie Geschäfte: Enneccerus 1Nipperdey, S.1255 (§ 205 III); Lehmann 1Hübner, S.210/211 (§ 30 VI 2); Soergell HefermehPo, § 133 Rdnr. 10. Auch Larenz, AT, S. 304, § 19 II d, räumt in folgendem Beispiel der Form einen Einfluß auf die Auslegung ein: Habe ein Testator im Testament eine Bezeichnung gebraucht, die, auch unter Berücksichtigung seines eigenen Sprachgebrauchs, eindeutig nur auf eine andere Person oder Sache als die von ihm gemeinte bezogen werden könne, dann sei nicht für eine Auslegung, sondern nur für eine Anfechtung wegen Irrtums über den Inhalt seiner Erklärung gemäß § 2078 BGB Raum. Die Rechtsordnung könne dem Testator nicht jedes Risiko abnehmen, daß er seinen Willen in der vorgeschriebenen Form zum Ausdruck gebracht habe. - Vgl. auch die ausführliche Charakterisierung dieser Gedankengänge bei Häsemeyer (S.122 ff.), der aber nicht deutlich sieht, daß die Andeutungsformel ihren Ort vor allem bei der Frage richtiger Erklärung hat. (Dazu unten Kapitel 4.) 21 RGZ 119, 422, 423 f., RGZ 137, 305, 309; RGZ 159, 272, 278; RGZ 165, 68, 73; BGHZ 21, 155, 161f.; BGHZ 28, 259, 263 ff.; Danz, Auslegung, S.170 f.; Ebbecke, JhJb 69 (1920), 8 ff.; Enneccerus 1Nipperdey, S.1252 (§ 205 I 6), S. 1258 f. (§ 206 I 3), S. 1264, Fußn.50 (§ 206 VI); Erman 1H. Westermann, § 125 Rdnr. 3; Krüger-Nieland in RGRKll, § 133 Anm. 13; Lange 1Köhler, S.227 (§ 38 II 5 cl; Larenz, AT, S.299 (§ 19 II b), S. 301 f. (§ 19 II cl; Lüderitz, S.209, 211; Palandt 1Heinrichs, § 133 Anm. 3, 4 b; Soergell Hefermehlll, § 133 Rdnrn. 13, 27; Stathopoulos in Festschrift Larenz, S.371, unter d; Staudinger 1

III. Kritik

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Dies ist geradezu Voraussetzung für das Funktionieren des Rechtsverkehrs in diesen Bereichen!!.

nI.

Kritik

1. Formvorschriften als ausschließlich die Erklärung betreffende Normen

Die Auffassung, Formvorschriften könnten irgendeinen Einfluß auf die Ermittlung des Inhalts der ihnen unterfallenden Rechtsgeschäfte haben, ist vom Ansatz her verfehlt. Gleich, was Formvorschriften bezwecken mögen: sie betreffen allein die Art und Weise der Erklärung, die das formbedürftige Geschäft in Geltung setzen soll. Es soll nur wirksam werden, wenn es richtig erklärt ist, was auch immer darunter zu verstehen ist!S. Ist dies nicht der Fall, so ist das Geschäft nach § 125 Satz 1 BGB nichtig. Selbst wenn man meint, mit bestimmten Wörtern seien bestimmte Bedeutungen fest, gleichsam von Natur aus, verbundenu, führt dies im Falle fehlerhafter Erklärung unter Formgesichtspunkten nicht zur Geltung des vermeintlich unzweideutig Erklärten, sondern nur zur Formnichtigkeit des Geschäfts. Auf die Ermittlung des Geschäftsinhalts nehmen Formvorschriften somit gar keinen Einfluß. Er ist unabhängig von ihnen festzustellen15• Die Formfrage kann überhaupt erst gestellt werden, wenn ermittelt ist, was Geschäftsinhalt sein so1l2e. Dies hat bei formbedürftigen Geschäften in der gleichen Weise zu geschehen wie bei formfreien!7. Coingl l , § 133 Rdnrn. 23, 53, 54; Titze, 8.135, Fußn. 47; M. Wolf in Grundlagen, 8. 85 f. (§ 3 II 1 b). 22 Aus denselben Gründen beschränkt das Gesetz auch in §§ 796 BGB, 364 Abs.2 HGB, Art. 17 WG, Art.22 8chG die Geltendmachung von Einwendungen. 23 Dazu unten Kapitel 4. u Dazu unten Kapitel 4 III 4. 25 Vgl. bereits Dernburg, DJZ 1904, 3: "Die Form der Errichtung hat mit der Frage, wie das in der gesetzlichen Form Erklärte auszulegen sei, nicht das mindeste zu tun." Ferner Häsemeyer, Form, S.155--158, und jetzt auch 80ergell Hefermehll l, § 125 Rdnr. 9, § 133 Rdnr. 27. Für eine durch die Formvorschrift nicht beschränkte Berücksichtigung der "Umstände" bei der Auslegung formbedürftiger Erklärungen auch Bickel, 8. 152. 2e Dies sagt schon Titze, 8.135: "Nur erhebt sich hier naturgemäß, wenn durch die für zulässig befundene individuelle Auslegung der Erklärungsinhalt ermittelt ist, die weitere Frage, ob für diesen Inhalt die von den Parteien beobachtete Form ausreicht, oder ob er etwa, weil er von ihr nicht mehr gedeckt wird, wegen Formmangels nach § 125 BGB nichtig ist. Diese Frage gehört aber nicht mehr der Geschäftsinterpretation, sondern der Gesetzesexegese an, denn sie betrifft die Tragweite des Formerfordernisses." Vgl. ferner Häsemeyer, Form, 8. 155-158; Palandt 1Heinrichs, Einf. vor § 116 Anm. 2 a, § 133 Anm. 4 a (a. E.). 27 Zutr. insofern Danz, Auslegung, 8.180/181: "Was nun die Auslegung des Rechtsgeschäfts selbst, welches in der vorgeschriebenen Form abgeschlos-

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1. Kap.: Form und Ermittlung des Geschäftsinhalts

2. Inhaltsermittlung ohne Bindung an die Urkunde a) Ermittlung des Auslegungsgegenstandes

Wie sich bei formfreien Geschäften im Verlauf der Inhaltsermittlung zeigen kann, daß über die Schlußformel28 hinaus auch noch weitere Erklärungen zu dem betreffenden Geschäft zu rechnen sind!D, der Auslegungsgegenstand also umfangreicher ist als es zunächst scheinen mochte, so kann sich auch bei formbedürftigen Geschäften herausstellen, daß noch andere Geschäftserklärungen neben der Urkunde existieren. Dies mag dann zwar möglicherweise zur Formnichtigkeit des Geschäfts führen, hindert aber eine Berücksichtigung dieser Erklärungen bei der Inhaltsermittlung nicht30• Auch diese zählen zum Auslegungsgegenstand, nicht etwa zu den AuslegungsmittelnSl • Als Beleg hierfür dürfte der Fall absichtlich falscher Angabe des Kaufpreises bei Grundstücksveräußerungen32 genügen. Hier wird selbstverständlich die von der Urkundenerklärung abweichende Abrede über den Kaufpreis berücksichtigt. Andernfalls käme man gar nicht zur Unbeachtlichkeit der Kaufpreisangabe in der Urkunde und zur Frage, ob die Form für den Vertrag in Anbetracht der außerurkundlichen wahren Kaufpreisabrede gewahrt ist33• Nicht zu billigen ist deshalb die Ansicht, bei formbedürftigen Geschäften sei Auslegungsgegenstand immer (nur) die Urkunde; sie bilde Ausgangspunkt und Grenze der Interpretation34• Diese Aussage setzt voraus, daß das Rechtsgeschäft überhaupt Gültigkeit erlangt hat. Dazu ist erforderlich, daß es formgerecht erklärt ist. Will man dies feststellen, kann man sich nicht auf eine Berücksichtigung der in der Urkunde enthaltenen Erklärungen beschränken. Vielmehr ist zu prüfen, ob außerhalb der Urkunde noch weitere zu dem betreffenden Geschäft gehörige Erklärungen vorhanden sind. Es gilt also nicht von vornsen ist, betrifft, so erfolgt diese nach eben den Vorschriften, die für formfreie Rechtsgeschäfte gelten." 28 Leonhard (AcP 120 [1922], 17 ff.) spricht auch von Abschlußformel, Schluß-, Abschlußerklärung, Schlußtenor oder Schlußakt. 2D Vgl. Lüderitz, S.25, 230, 330 f.; Leonhard, AcP 120 (1922),21 f. 30 Richtig Danz (Auslegung, S. 182), wenn er sich gegen die von ihm als herrschend bezeichnete (vgl. dagegen Enneccerus I Nipperdey, S. 1264, Fußn. 48, § 206 VI) Ansicht wendet, durch die Form würden alle Umstände, die außerhalb des formellen Vertrags geblieben seien, "wie mit einer Schere abgeschnitten". Allerdings - und das übersieht Danz - ist damit zum Formproblem noch gar nichts gesagt. Dazu unten Kapitel 6 I 2. 31 Vgl. aber etwa Lüderitz, S.181; Danz, Auslegung, S.183, 185; Staudinger I Coingl l , § 125 Rdnr.7. 32 Vgl. Z. B. RGZ 94, 147. 33 Zu den Falschbezeichnungsfällen ausführlich unten Kapitel 5 III. 34 Vgl. oben bei Fußn. 13, 14.

II!. Kritik

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herein das, was in der Urkunde steht, sondern was gelten soll, muß in die Urkunde aufgenommen werden. Bevor die Formfrage entschieden werden kann, ist somit zunächst zu ermitteln, was in der vorgeschriebenen Form zu erklären war. Hierbei kann die Formvorschrift keine Schranken setzen. Dagegen geht die abgelehnte Meinung in scheinbarer Formtreue von der in der Urkunde enthaltenen Erklärung als per se gültigem Auslegungsgegenstand aus und übersieht damit gerade die Form(=Geltungs)frage 35• Dadurch entstehen bei der "Auslegung" Schwierigkeiten, wenn es um die Berücksichtigung nicht beurkundeter Erklärungen geht, die man zu den Auslegungsmitteln zählt36. Es scheint dann eine "Antinomie zwischen Beschränkung des Auslegungsgegenstandes und Freiheit der Auslegungsmittel"37 zu bestehen. Das übergangene Formproblem kehrt als vermeintliches Auslegungsproblem wieder. Dessen Bewältigung besteht in dem Versuch, der bei der Geltungsfrage mißachteten Formvorschrift durch Beschränkung der Auslegung am Maßstab von Andeutungs- und Eindeutigkeitsformel Rechnung zu tragen38 • Damit wird jedoch der Form nicht gedient und Auslegung verfälscht3U• b) Auslegung der Geschäftserklärungen Was für die Ermittlung des Auslegungsgegenstandes gilt, ist auch für dessen Verständnis richtig: die Formulierung der Urkunde hat darauf keinen beherrschenden Einfluß 40 • Dies ist selbstverständlich für gar 35 Dies wird ganz deutlich an der sich auf § 119 Abs. 1 BGB stützenden Argumentation, es gelte "das Erklärte" (d. h. die Urkundenerklärung). Dabei wird nicht beachtet, daß es erst darum geht festzustellen, was wirklich erklärt ist und ob es formrichtig erklärt ist und daher gilt. § 119 Abs.l BGB betrifft die Fälle einer Divergenz zwischen der gemeinten und der rechtsmaßgeblichen Erklärungsbedeutung (Larenz, Methode, S. 68). Bei formbedürftigen Erklärungen kann eine nicht beurkundete Erklärung gar keinen Geltungssinn haben. Die Anwendung des § 119 Abs.l BGB setzt aber Geltung "des Erklärten" bereits voraus. - Vgl. allgemein zum Zusammenhang von Auslegungs- und Zurechnungsfrage Larenz, Methode, S. 82 ff. und Wieacker, JZ 1967, 386 (unter I! a. E.), 388 (unter IV 1), 389 (unter IV 4), 390 f. (unter V 2). 36 Vgl. etwa Danz, Auslegung, S.183, 185; Lüderitz, S.181; Staudinger I Coingll , § 125 Rdnr. 7. 37 Lüderitz, S. 214. 38 Bemerkenswert ist, daß es bei konsequentem Durchhalten dieser "Lösung" des Formproblems keine Formnichtigkeit mehr gibt. 3U Vgl. zu allem ausführlich auch Häsemeyer, Form, S. 122 f., 155-158. Wenn dieser zwischen Auslegungsgegenstand und Auslegungsmitteln überhaupt nicht mehr unterscheiden möchte (vgl. Form, S. 157), ist dagegen aus dem Blickwinkel der Inhaltsermittlung nichts einzuwenden. Wie sich später (unten Kapitel 5) zeigen wird, kommt es jedoch unter Formgesichtspunkten gerade auf eine klare Feststellung des wirklichen Auslegungsgegenstandes an. 40 Richtig insoweit Danz, Auslegung, S. 169, wenn er sagt, Formvorschriften

1. Kap.: Form und Ermittlung des Geschäftsinhalts

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nicht beurkundete Teile des Auslegungsgegenstandes, trifft aber auch für Erklärungen zu, die in der Urkunde enthalten sind. Formvorschriften regeln eben nicht, wie etwas zu verstehen, sondern nur, wie es zu erklären ist. Nicht zuzustimmen ist also Larenz, der aus der Formbedürjtigkeit des Testaments folgert, ein Ausdruck, der auch unter Berücksichtigung des Sprachgebrauchs des Erblassers das Gemeinte nicht bezeichne, könne nicht im Wege der Auslegung berichtigt werden; hier helfe nur die Anfechtung". Selbst wenn man mit Larenz eine - gemessen am Sprachgebrauch des Erklärenden - bedeutungsmäßig richtige Urkundenerklärung verlangte4!, änderte dies nichts daran, daß Folge unrichtiger Erklärung nur Formnichtigkeit sein kann4!. Die Frage richtiger Erklärung betrifft nicht das Auslegungs-, sondern das Formproblem. Letzteres stellt sich erst, wenn durch Auslegung ermittelt wurde, was formgerecht zu erklären war. Hierfür kann die Frage richtiger Erklärung noch gar nicht von Bedeutung sein·4 • Aus Formvorschriften können somit keine Schlüsse für Fragen des Vertrauensschutzes gezogen werden. Dieser folgt - wie bei formfreien Geschäften - eigenen Gesetzen46• Ebensowenig wie dort besteht bei formbedürftigen Geschäften Anlaß, ihn durch objektive Deutung der Erklärung zu generalisieren. Dies hieße, "ohne Not die Funktion des Rechtsgeschäfts beeinträchtigen, individuelle Entscheidungen durchzuführen,,·e. Soweit also auf die Verständnismöglichkeiten anderer geböten nur, daß die zum Rechtsgeschäft gehörenden Willenserklärungen in der vorgeschriebenen Form abgegeben werden müssen, nicht aber, daß die Bedeutung, in welcher die Parteien die Vertragsworte genommen, auch noch in derselben Form erklärt werden müsse. Vgl. zu Danz aber unten Kapitel 6 I 2.

Vgl. Larenz, AT, S.304 (§ 19 II d) und oben, Fußn.20 . Dazu unten Kapitel 4. 43 Zutreffend Flume (AT, S.331/332, § 16, 5 = Festschr. DJT I, S.191), das Formproblem betreffe nur die Frage, ob das Gewollte gelten könne oder nicht. .. Dies gilt übrigens entsprechend für formfreie Rechtsgeschäfte. Auch für diese wird behauptet, Auslegung dürfe nicht die Grenzen der Erklärung überschreiten (vgl. oben Fußn. 17). Selbst wenn dies zuträfe (vgl. dazu unten Kapitel 4), rechtfertigte dies in keinem Fall die Geltung des nicht Gemeinten, sondern nur die Nichtgeltung des fehlerhaft Erklärten. Dies ist auch Manigk (Irrtum, S. 212) entgegenzuhalten. 45 Mißverständlich daher, Auslegung suche innerhalb des durch Formzweck und Vertrauensschutz begrenzten Raumes empirischen Willen zu ermitteln (Lüderitz, S.320, unter 6; 395, vor 3). Formvorschriften beschränken das Gewollte nicht in gleicher Weise wie Vertrauensschutz. Vielmehr unterliegt das Rechtsgeschäft insgesamt dem Formerfordernis, sei es, daß die Willenserklärung den gemeinten Sinn, sei es, daß sie aus Gründen des Vertrauensschutzes einen normativen Sinn hat. Auch im letzteren Fall ist zu prüfen, ob die Form gewahrt ist. .e' Lüderitz, S. 231/232. U

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III. Kritik

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keine Rücksicht zu nehmen ist, hat die Erklärung ungeachtet ihres objektiven Sinns die gemeinte Bedeutung. Auch für formbedürftige Geschäfte ist die "Frage nach einer normativen Bedeutung ... erst dort zu stellen, wo angesichts von Interessenkonflikten ein Regelungsbedürfnis besteht"47. So können also ohne Rücksicht auf allgemeinen oder besonderen Sprachgebrauch unter "Verwandten bis zur vierten Ordnung" nur Verwandte bis zum vierten Grad zu verstehen sein48 ; "Mutter" kann Ehefrau bedeuten49 ; hat der Erblasser "gesetzliche Erbfolge" angeordnet, kann sich dies nur auf die Nachkommen seiner vollbürtigen Geschwister beziehen50. Auch dort, wo sich Vertrauensschutz als notwendig erweist, nehmen Formvorschriften darauf keinen Einfluß. Eine "objektive" Deutung der Urkunde muß sich nicht mit dem Verständnis bzw. den Verständnismöglichkeiten der Beteiligten decken51 • Entscheidend sind daher hier - wie auch bei formfreien Geschäften - andere konkretere Maßstäbe.

47 Lüderitz, S. 235. Daran ändern auch Irrtumsregeln nichts (vgl. aber z. B. den oben bei Fußn. 7 berichteten Fall RGZ 70, 391, 393; ferner Johannsen, WM 1972, 62). Irrtumsregeln geben ein Anfechtungsrecht, wenn aus Gründen des Vertrauensschutzes eine Erklärung einen anderen rechtsrnaßgeblichen Sinn hat als den vom Erklärenden gemeinten. Sie sagen aber nichts darüber, in welchen Fällen Vertrauensschutz erforderlich ist, setzen ihn also voraus, konstituieren ihn nicht (Lüderitz, S. 232). § 2078 Abs. 1 BGB dürfte daher überflüssig sein. Hierzu Siber in Reichsgerichtspraxis III, S.379: "Einer möglichst weiten Ausdehnung der erläuternden Auslegung könnte das bloße Vorhandensein des § 2078 I selbst dann nicht entgegenstehen wenn danach für eine Anfechtung wegen Irrtums über den Inhalt der Erklärung überhaupt kein Raum mehr bliebe." Ebenso Lange! Kuchinke, S.482 (§ 33 III 3 b); v. Lübtow, S. 266 f.; Soergel! Knoppl0, § 2084 Rdnr 9. Siber fährt jedoch fort: "Übrigens ist aber die Besorgnis, daß danach der arme Paragraph nichts mehr zu leben habe, unbegründet, denn es werden stets Fälle übrigbleiben, in denen der wirkliche Wille des Erblassers überhaupt nicht zu ermitteln ist." Auch Brox (Einschränkung, S.99, 141 f.; Erbrecht, Rdnr.196, S. 118), Flume (in Festschr. DJT I, S. 193; AT, S.335, § 16,5), Lüderitz (S.195, 232), Stathopoulos (in Festschr. Larenz, S. 371, Fußn.46) und Hack (S. 28, 88, 90) lassen in diesen Fällen den normativen Sinn der Erklärung gelten und geben ein Anfechtungsrecht. Hier scheint es aber richtiger, mangels erfolgreicher Auslegung Nichtigkeit des Geschäfts anzunehmen; so Larenz (AT, S.304 mit Fußn. 3, § 19 II d), der jedoch aus der Existenz des § 2078 Abs. 1 BGB eine generelle Begrenzung der Auslegungsmöglichkeit folgert. 48 Vgl. RG, SeuffA 70 Nr. 223 (oben bei Fußn. 4 berichtet). 48 Vgl. oben Fußn. 2. 50 Vgl. RGZ 70, 391, oben bei Fußn.7. Zur Testamentsauslegung ferner Stathopoulos in Festschr. Larenz, S. 371, unter c. 51 Zutr. Häsemeyer, Form, S.126.

1. Kap.: Form und Ermittlung des Geschäftsinhalts

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IV. Scheinbare Ausnahmestellung von Formvorschriften, die Beurkundung (auch) im Interesse am Geschäft Unbeteiligter anordnen Diese Erwägungen scheinen allerdings nicht zuzutreffen auf Formvorschriften, die (auch) Kundgabe der rechtsgeschäftlichen Regelung an nicht am Geschäftsabschluß Beteiligte bezwecken. Hier gilt in der Tat grundsätzlich die objektiv ausgelegte UrkundenerklärungSI. Dies ist jedoch nicht ein Gebot der jeweiligen Formvorschrift. Wie gezeigt, bestimmen Formvorschriften nur, wie etwas zu erklären ist. Über das Verständnis von Erklärungen sagen sie nichts. Zwar waren für den Erlaß der Formvorschrift in solchen Fällen Verkehrsinteressen mit maßgebend. Es ist sinnvoll, für rechtsgeschäftliche Erklärungen, die auch für (zunächst) Unbeteiligte wichtig werden können, dauerhafte Verkörperung vorzuschreiben. Im Idealfall vollständiger und - nach allgemeinem Sprachgebrauch - richtiger Abfassung der Urkunde werden Verkehrsinteressen auch allein mit Formmitteln gewahrt: jedermann kann der Urkunde den Geschäftsinhalt entnehmen. Im Falle mißlungener Urkundenerklärung gebietet die Formvorschrift jedoch Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts, während Verkehrsinteressen bei nicht allgemein erkennbarem Formmangel gerade Wirksamkeit des Geschäfts mit dem aus der Urkunde objektiv hervorgehenden Inhalt verlangen. Diese überwindung der Nichtigkeitsfolge des Formmangels kann nicht selbst als Formwirkung betrachtet werden. Verkehrsschutz knüpft somit zwar an die Urkundenerklärung an, diese schafft ihm eine sichere Grundlage. Er ist aber auch und gerade in den Fällen erforderlich, in welchen die Urkundenerklärung mißglückt ist und das Rechtsgeschäft daher eigentlich formnichtig wäre. Seine Begründung ist also nicht in der Formvorschrift zu suchen, sondern liegt im schutzwürdigen Vertrauen Dritter auf die Geltung der objektiv verstandenen Urkundenerklärung53 • Dieses Ergebnis wird einmal durch die Feststellung bestätigt, daß auch nicht formbedürftige Erklärungen, die an einen unbestimmten Personenkreis gerichtet sind (z. B. die Auslobung) so auszulegen sind, wie die Allgemeinheit sie verstehen konnte54• Andererseits entfällt Verkehrsschutz trotz Formbedürftigkeit der Erklärung dort, wo Vertrauen (noch) nicht in Anspruch genommen wurde. Vgl. oben Fußn. 21. Zutr. Danz, Auslegung, S. 171, Fußn.3, und S.181; vgl. ferner Säcker, JurA 1971, 530 f. 54 Vgl. etwa Enneccerus I Nipperdey, S.1252 (§ 205 I 6); Larenz, AT, S. 301 f. (§ 19 11 c); M. Wolf in Grundlagen, S.88 (§ 3 I1I 1); Stathopoulos in Festschr. Larenz, S. 372. 5! 53

V. Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Urkunde

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So hat der Bundesgerichtshof55 zur Auslegung einer Wechselbürgschaft gesagt: Sei zwischen dem Bürgen und dem Aussteller unstreitig, daß der Bürge sich zugunsten des Akzeptanten habe verbürgen wollen, so sei es sinnwidrig, im Verhältnis zwischen Bürgen, Aussteller und Akzeptanten die gesetzliche Auslegungsregel des Art. 31 Abs. 4 WG entgegen dem Willen der Beteiligten anzuwenden. Hier ist also anerkannt, daß auch eine Urkunde, die für unbestimmte Dritte wichtig werden kann, entgegen ihrer vom Gesetz (widerlegbar) vermuteten Bedeutung verstanden werden darf, wenn dadurch schützenswerte Interessen nicht berührt werden58. Festzuhalten ist somit, daß Formvorschriften - auch soweit sie Verkehrsschutzinteressen dienen - die Ermittlung des Geschäftsinhalts nicht beeinflussen. V. Eindeutigkeits- und Andeutungsformel als Ausdruck der Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Urkunde Allerdings ist die Urkunde für die Ermittlung des Geschäftsinhalts nicht bedeutungslos. Die Parteien werden sich bei einem formbedürftigen Geschäft i. d. R. darum bemühen, ihre Abmachungen in der Urkunde vollständig und klar, d. h. allgemeinverständlich niederzulegen. Auf dieser Erfahrung basiert der Satz von der Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Urkunde57. Die Urkunde ist also ein wichtiges Indiz für das als Geschäftsinhalt Gewollte. Ihr Wortlaut ist Ausgangspunkt der Inhaltsermittlung58. Wer einen besonderen Sinn des Beurkundeten oder weitere nicht in die Urkunde aufgenommene Geschäftserklärungen behauptet, hat dies zu beweisen58• In diesem BGHZ 22, 148, 152{153. In der Entscheidung ist allerdings auch ausgesprochen, der Umstand, daß die Bürgin ihren Namen unmittelbar unter die Unterschrift der Akzeptantin gesetzt habe, rechtfertige schon für sich allein, die Bürgschaftserklärung entgegen der Vorschrift des Art. 31 Abs.4 WG als für die Akzeptantin abgegeben zu werten. Das Gericht hielt also die Vermutung des Art. 31 Abs. 4 WG durch die Urkunde selbst für widerlegt. Fraglich ist jedoch, ob dies angesichts der Existenz des Art. 31 Abs. 4 WG für einen mit den Umständen nicht vertrauten Dritterwerber deutlich genug erkennbar war. 57 Vgl. RGZ 52, 23, 25-27; 65, 46, 49; 68, 15 f.; 77, 403, 405; RG, Warn 1913 Nr. 87; RGZ 85, 322, 326; 95, 125, 126; Mot. I, S.184 = Mugdan I, S.454; Enneccerus {Nipperdey, S.956 (§ 154 Irr 1 a), S. 1004 (§ 163 IV); Erman { H. Westermann, vor §§ 125-129 Rdnr.9; Flume, AT, S.263 (§ 15 Irr 1); FörschIer in MünchKomm, § 125 Rdnr.26; Krüger-Nieland in RGRK12, § 125 Anm. 33-37; Oertmann, Rechtsordnung, S.145{146; Palandt {Heinrichs, § 125 Anm. 5; Rosenberg, S.185; Soergel {Hefermehlu , § 125 Rdnr. 11; Staudinger { CoingU , § 125 Rdnrn. 12,8. Vgl. ferner Zweigert {Kötz, S. 92 ff. 58 Vgl. Enneccerus {Nipperdey, S.1256 (§ 206 I); Soergel {Hefermehlu , § 133 Rdnr. 22. 65

SI

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1. Kap.:

Form und Ermittlung des Geschäftsinhalts

Bereich der Ermittlung des Geschäftsinhalts haben Eindeutigkeits- und Andeutungsformel ihren guten Sinn. Beide suchen wahrscheinlichen Willen vor Verfälschungen zu bewahren80• Dies wird deutlich an den oben81 berichteten Entscheidungen. In RGZ 95, 125e! war in der Bürgschaftsurkunde nur von der Kaufpreisschuld die Rede. Mangels jeglichen Anhaltspunktes war es unwahrscheinlich, daß die Bürgschaftserklärung auch für eine eventuelle Schuld aus ungerechtfertigter Bereicherung gelten sollte. Vermutlich hatten die Parteien gar nicht daran gedacht, daß der Holzkauf möglicherweise nichtig war13 • "Eindeutigkeit" des Testamentswortlauts nahm der Bundesgerichtshof in BGH, LM § 2084 BGB Nr. 784 an. Dort hatte der Erblasser die Berücksichtigung seiner Möbel, Bücher und Haushaltsgegenstände für die Berechnung seines "Gesamtvermögens" ausdrücklich ausgeschlossen. Dies ließ sicher erscheinen, daß er den good will des zum Nachlaß gehörenden Unternehmens angerechnet wissen wollte. In RGZ 160, 10985 hatte der Erblasser seiner Frau Vollmacht für sich und seine Erben erteilt. Dies führte zu der Frage, ob die Ehefrau entgegen dem Wortlaut des Testaments unbeschränkte Vollerbin sein sollte. Die Vollmacht war jedoch auch für den Fall sinnvoll, daß die Frau nur nicht befreite Vorerbin sein sollte. Da die Formulierung des Testaments zudem auf dem Entwurf eines Notars beruhte, sah das Reichsgericht diese als "eindeutig" an. An diesen Fällen zeigt sich, daß Andeutungs- und Eindeutigkeitsformel in ihrer Funktion bei der Inhaltsermittlung zusammengehören88• Stellt man "Eindeutigkeit" einer Erklärung fest, heißt dies nichts anderes, als daß andere Verständnismöglichkeiten ausgeschlossen sind87 • 58 Soergel! Hefermehlll , § 125 Rdnr. 11; Zweigert! Kötz, S.94; vgl. zu allem auch Häsemeyer, Form, S. 265 ff. 88 Vgl. Lüderitz (S. 68 f.) zur Eindeutigkeitsformel: sie diene der Abwehr von Sinnverdrehungen; darin verstecke sich eine auf Erfahrungssätzen aufbauende Verteilung der Behauptungs- und Beweislast. Ferner Kipp! Coing, S.145 (§ 21 IV 1); Staudinger ! Coingll , § 133 Rdnr.25; auch Kramer, S.140 oben. - Johannsen (WM 1972, 62-64) möchte zwar den " Grundsatz, daß eindeutige und klare Begriffe nicht auslegungsfähig sind", aufgeben, hält aber am Andeutungserfordernis fest. 11 Bei Fußn. 5, 6. e! Oben bei Fußn. 5. es Die Frage ergänzender Vertragsauslegung läßt das Reichsgericht unge-

prüft.

Oben nach Fußn. 6. es Oben nach Fußn. 5. ee Dies betont zutr. Häsemeyer, Form, S. 127 ff. Verwandtschaft von Andeutungs- und Eindeutigkeitsformel stellt schon Leonhard (AcP 120 [1922], 27) fest. 14

V. Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Urkunde

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Dieser Ausschluß erfolgt unter Berücksichtigung der Andeutungsformel, die "auf die Unwahrscheinlichkeit eines nicht ausgedrückten Willens hinweist"8s. Irreführend sind Eindeutigkeits- und Andeutungsformel allerdings insofern, als sie den Wortlaut der Urkunde zur unüberwindbaren Schranke der Inhaltsermittlung machen möchten. Hierdurch wird die Funktion der Erklärung als eines zwar wichtigen, aber widerlegbaren Indizes für das Gewollte verkannt. Eine Frucht dieses Mißverständnisses ist RGZ 70, 391 68 • Dort hatte das Reichsgericht positiv einen vom objektiv verstandenen Urkundenwortlaut abweichenden Willen festgestellt. Damit war die Vermutung der "Richtigkeit" der Urkunde widerlegt. Mangels schützenswerter Vertrauensinteressen war daher - entgegen der Meinung des Reichsgerichts - für eine objektive Auslegung der Urkunde kein Raum70 • Zu entscheiden blieb nur die Formfrage, ob das Gewollte gelten konnte 71 • Zuzustimmen daher der Entscheidung RG, SeuffA 70 Nr. 22372 , in der das Reichsgericht es bei völlig gleichliegendem Sachverhalt angesichts feststehenden abweichenden Willens abgelehnt hatte, Geltung des "eindeutigen" Urkundenwortlauts anzunehmen73 • Der Hinweis, ein behaupteter Geschäftsinhalt sei in der Urkunde nicht einmal angedeutet, diese sei eindeutig, vermag also eine Beschränkung der Inhaltsermittlung nicht zu rechtfertigen. Er ist vielmehr nur legitim als Abkürzung für die Feststellung, daß die Urkunde sich nach Berücksichtigung des gesamten Materials als "richtig" erwiesen hat7'. Die Formfrage wird hierdurch noch gar nicht berührt. Allerdings ist sie in diesen Fällen unproblematisch: der festgestellte Geschäftsinhalt ist "in der Urkunde enthalten". 87 Vgl. Heck, JW 1919, 102: "Ob eine Erklärung klar und eindeutig ist, kann erst durch Auslegung festgestellt werden."; Lüderitz, S. 68 f.: die Eindeutigkeitsregel setze Auslegung voraus; Häsemeyer, Form, S.131, 150: Feststellung der Eindeutigkeit sei nicht mehr als eine Schlußformel der in Wahrheit schon abgeschlossenen Auslegung; auch Kramer, S.138; v. Lübtow, S.265; Mayer-Maly in MünchKomm, § 133 Rdnr. 46. - Deutlich zeigt sich das Gesagte an den Entscheidungen RG, JW 1936, 2857 Nr. 2 und RG, JW 1937, 392 Nr.2, in denen "Eindeutigkeit" der Erklärung unter Heranziehung außerurkundlicher Indizien dargetan wird. 88 Lüderitz, S. 194, auch S. 215. 88 Vgl. oben bei Fußn. 7. 70 Kritisch zu dieser Entscheidung auch Bang, JhJb 66 (1916), 389 f.; Kipp I Coing, S. 173, Fußn. 45 (§ 24 !II 4 b). 71 Dazu unten Kapitel 4. 71 Vgl. oben bei Fußn.4. 73 Vgl. zu beiden Entscheidungen Lüderitz (S. 201 ff.) und Häsemeyer (Form, S.136). 74 Vgl. Häsemeyer, Form, S.150; Stathopoulos in Festschr. Larenz, S.368 mit Fußn. 38.

30

1. Kap.: Form und Ermittlung des Geschäftsinhalts

VI. Zusammenfassung Formvorschriften setzen der Ermittlung des Geschäftsinhalts keinerlei Grenzen. Sie betreffen vielmehr allein die Frage, ob das Rechtsgeschäft gilt oder nicht. Die Ermittlung des Inhalts formbedürftiger Geschäfte hat in gleicher Weise wie die formfreier zu erfolgen. Dies bedeutet zweierlei. Erstens sind Auslegungsgegenstand nicht von vornherein nur die in der Urkunde enthaltenen Erklärungen; auch nicht beurkundete Erklärungen können dazu gehören. Eine Antinomie zwischen Beschränkung des Auslegungsgegenstandes und Freiheit der Auslegungsmittel besteht daher nicht. Zweitens ist auch bei der Auslegung der Geschäftserklärungen keine Rücksicht auf Formvorschriften zu nehmen: in den Grenzen des Vertrauensschutzes ist das Gewollte maßgebend. Unabhängigkeit von Form und Inhaltsermittlung heißt nicht, daß die Urkunde bei der Ermittlung des Geschäftsinhalts ohne Bedeutung sei. Für die Urkunde spricht eine Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit. In diesem Rahmen haben Andeutungs- und Eindeutigkeitsformel einen nicht zu unterschätzenden Wert. Sie verbieten jedoch nicht ein Hinausgehen über die Urkunde. Erst wenn Klarheit darüber geschaffen ist, was Geschäftsinhalt sein soll, kann die Formfrage gestellt werden. Sie lautet nicht: Was darf man aus der Urkunde "herausholen"?, sondern: Welche Anforderungen sind an die Urkundenerklärung zu stellen? Im folgenden wird daher zu erörtern sein, in welchem Umfang die Bestimmungen eines konkreten formbedürftigen Geschäfts in die Urkunde aufzunehmen sind75 und in welcher sprachlichen Fassung dies zu geschehen hat7'. Da hierbei eine Berücksichtigung der mit Formvorschriften verfolgten Zwecke unumgänglich sein wird, sei darauf zunächst eingegangen.

75 76

Unten Kapitel 3. Unten Kapitel 4.

Zweites Kapitel

Zwecke von Formvorschriften I. Einwände gegen eine Berücksichtigung der Formzwecke 1. Meinung von Häsemeyer

In einer Abhandlung über "Die gesetzliche Form der Rechtsgeschäfte" spricht Häsemeyer einer Berücksichtigung der unterschiedlichen Zwecke von Formvorschriften jegliche Relevanz für die Lösung einzelner Formprobleme abi. Formzwecke seien "in theoretisch nahezu unbegrenzter Zahl und mit vielfältigen Nuancierungen denkbar"2. Formvorschriften liege regelmäßig eine Kombination mehrerer Formzwecke zugrunde3 • Ob der eine oder andere Zweck den Ausschlag bei der Entscheidung des Gesetzgebers für die Form gegeben habe, sei nur eine sekundäre Frage4 • Da das Gesetz in § 125 Satz 1 BGB alle Formen zusammenfasse und gleich behandele, habe die Herausarbeitung einzelner Formzwecke keinen WertG• "In Wahrheit" seien " andere , grundsätzlichere Differenzierungen maßgebend". Nur diese seien im Wege teleologischer Auslegung der jeweiligen Formvorschriften zu berücksichtigen6 • Es sei nämlich zu unterscheiden, ob die Form die Privatautonomie aus übergeordnetem öffentlichem Interesse überwachen und steuern oder ob sie die Privatautonomie um ihrer selbst willen ordnen solle ("objektive Zielrichtungen der Formfunktionen")7. Im letzteren Fall komme es weiterhin darauf an, ob die Form dem Verkehrs-, Partei-, Einzel- oder Drittinteresse dienen solle ("subjektive Zielrichtungen der Formfunktionen")8. Nun trifft es gewiß zu, daß die Beantwortung bestimmter Formfragen mit davon abhängen kann, in wessen Interesse der Formzwang besteht. Erinnert sei hier nur an die - durch Änderung des § 313 Satz 1 Häsemeyer, Form, S. 164 ff., auch S. 154 f. Häsemeyer, Form, S.167. 3 Häsemeyer, Form, S. 154, 166. 4 Häsemeyer, Form, S. 166. G Häsemeyer, Form, S. 164, 166. - Vgl. auch E. Wolf, S. 243 f. 6 Häsemeyer, Form, S. 166. 7 Häsemeyer, Form, S. 167 ff. 8 Häsemeyer, Form, S. 167, 182 ff. 1

I

(§ 7

C I b 2).

32

2. Kap.: Zwecke von Formvorschriften

BGB erledigte' - vieldiskutierte Problematik der Formbedürftigkeit einseitiger Verpflichtungen zum Erwerb von Grundstücken10• Dies heißt aber nicht, daß die mit Formvorschrüten verfolgten Zwecke bedeutungslos seien. Zunächst setzt die Beantwortung der Frage, in wessen Interesse eine Form vorgeschrieben ist, Klarheit über deren mögliche Zwecke voraus. So kann es nicht verwundern, daß Häsemeyer bei Erörterung der "subjektiven Zielrichtungen der Formfunktionen" davon spricht, Formvorschriften sollten zur überlegung anhalten11 , dem Schutz von Beteiligten dienen12, fachkundige Beratung gewährleistenl~, den Beweis des Rechtsgeschäfts sichern14, Klarheit über bestimmte Rechtsverhältnisse schaffenu. Was ferner die hier zur Diskussion stehenden Probleme anbelangt, welche Punkte eines konkreten formbedürftigen Geschäfts in welcher sprachlichen Fassung in die Urkunde aufzunehmen sind, hilft die Feststellung, wessen Interessen der Beurkundungszwang dienen soll, überhaupt nicht weiter. Vielmehr kommt es für eine Beurteilung dieser Fragen entscheidend auf die mit Formvorschriften verfolgten Zwecke an. Dies gilt unabhängig davon, ob sich eine überzeugende Differenzierung der Formvorschriften anhand verschiedener Formzwecke und damit u. U. unterschiedliche Anforderungen an die Urkundenerklärung als möglich erweisen werden oder nicht18• Einer solchen Düferenzierung stünde § 125 Satz 1 BGB jedenfalls nicht entgegen. Er regelt nur die Folge eines Formmangels für alle Formvorschriften gleich, hat aber auf die Frage, was jeweils Formerfüllung bedeutet, keinen Einfluß. 2. Keine Prüfung der Zweckerreichung im Einzelfall

Klargestellt sei, daß es nicht darum geht, die Frage der Gültigkeit oder Ungültigkeit eines formbedürftigen Geschäfts ohne Rücksicht auf Gesetz v. 30. 5. 1973, BGBl. I, S. 50l. Hier war streitig, ob § 313 BGB nur dem Veräußererinteresse oder auch dem des Erwerbers dienen solle. Vgl. RGZ 81, 134; 95, 5, 7; OLG Stuttgart, MDR 1968, 411 Nr.60; OLG Stuttgart, NJW 1970, 566, m. Anm. von Grunsky, JuS 1971, 177 ff. und Schwark, NJW 1970, 1321 f.; OLG Hamm DNotZ 1971, 363; BGH, DNotZ 1972, 17; BGHZ 57, 394, m. Anm. von Löwe, NJW 1972, 715 ff.; Wünschmann, ZBlFG 10, 15 ff.; Schwark, ZRP 1970, 37; Hepp, ZRP 1970, 100 f.; M. Wolf, JZ 1971, 80 ff.; Löwe, ZRP 1971,73 ff.; Winkler, NJW 1971, 401 ff.; Löwe, NJW 1971, 729 ff.; Klingsporn, Betr. 1971, 369 ff.; Winkler, NJW 1971, 1166 f.; Wacke, JZ 1971, 684 f.; Löwe, JZ 1972, 157 f.; Hepp, NJW 1972,1695 ff.; Wagner, AcP 172 (1972), 452 ff. 11 Häsemeyer, Form, S. 166/167, 169. 12 Häsemeyer, Form, S. 186, 187 ff. 13 Häsemeyer, Form, S. 169. 14 Häsemeyer, Form, S. 167. 16 Häsemeyer, Form, S. 170, 183, 193. 11 Dazu unten Kapitel 7. g

10

I. Einwände gegen eine Berücksichtigung der Formzwecke

33

die förmliche Erklärung danach zu entscheiden, ob im Einzelfall die Formzwecke erfüllt sind oder nicht17• Mit Recht hat der Bundesgerichtshof wiederholt bemerkt, Formzwecke seien nur gesetzgeberisches Motiv für die Formvorschrift, nicht etwa deren Tatbestandsmerkmale18• Ein Rückgriff auf die hinter einer Formvorschrift stehenden Zwecke darf also nicht zu einem Beiseiteschieben des Formgebots selbst führen. Es ist unzulässig, die Zwecke vom Formgebot losgelöst unmittelbar zur Beurteilung der Gültigkeitsfrage heranzuziehen. Denn das Gesetz schreibt nicht unmittelbare Durchsetzung der Formzwecke vor, sondern verfolgt diese ausschließlich mit dem Mittel des Zwangs zur Beurkundung. Die Formgültigkeit eines Geschäfts hängt allein von korrekter förmlicher Erklärung ab. Beizupflichten ist den oft zitierten Worten Rudolph von Jherings1D : "Der Zweck, den das Gesetz im Auge hatte, kann ein mannigfaltiger sein ... Ob dieser Zweck durch die Form wirklich erreicht wird, ob ~r auch auf andere Weise erreichbar ist, und ob die Partei ihn auf andere Weise wirklich erreicht hat, relevirt nichts: der Gesetzgeber hat einmal die Sorge für die Erreichung dieses Zweckes nicht der Einsicht und dem freien Entschluß der Partei überlassen wollen, sondern er hat die Sache selber in die Hand genommen und den ihm gut scheinenden Weg zur Erreichung desselben zum ausschließlichen, nothwendigen erhoben." Für ein konkretes formbedürftiges Rechtsgeschäft ist es also unerheblich, ob die Zwecke der Formvorschrift erreicht sind oder nicht. Entscheidend ist immer nur, ob die Formvorschrift erfüllt ist. Ist dies der Fall, ist das Geschäft formgültig, selbst wenn die Formzwecke nicht gewahrt sind. Umgekehrt ist ein formbedürftiges Geschäft grundsätzlich auch dann ungültig, wenn zwar die Zwecke der betreffenden Formvorschrift voll erfüllt sind, die förmliche Erklärung aber nicht korrekt ist. Andernfalls wäre jedes eigentlich nach § 125 Satz 1 BGB nichtige Rechtsgeschäft potentiell Ausgangspunkt für einen - in seinem Ausgang weitgehend unvorhersehbaren - Streit um seine Wirksamkeit20• 17 So aber Danz, JhJb 54 (1909), 54-66 (56, 61 und öfter); Danz, DJZ 1909, 284, 286; Danz, Auslegung, S.302; Danz, Richterrecht, 210 ff., 215 f.; Danz, Recht 1913, 354; Esser I Schmidt I 1, S. 52 (§ 5 III 3); Henke, ZZP 81 (1968), 352; Lorenz, AcP 156 (1957), 385, 408, 413; Reinhart, S. 100 ff.; besonders S.124-132 (Verzicht auf Einhaltung der Form bei "Manifestierung der Zweckerreichung in einem zusätzlichen rechtsgeschäftlich relevanten Akt"); Serozan, S. 5 f., 144 f.; Wüstendörfer, AcP 110 (1913), 329-332; für die prozessuale Schriftform: Vollkommer, S. 385 ff. (bei "evidenter Zweckerreichung"). Vgl. auch die Erwägung von Coing, Deutscher Notartag 1965, S. 32 f., 35 f., 39, 46; BGH, MDR 1968, 42; BGHZ 29, 6, 11 f. (Berücksichtigung der Formzwecke, wenn auch nicht ausschlaggebend). 18 BGHZ 16, 334, 335; BGH, WM 1963, 1066, 1068; BGH, WM 1965, 480, 482; anders BGH, MDR 1968, 42; zwiespältig BGHZ 29, 6, 11 f. 18 Geist II 2, S. 475.

3 Bernard

34

2. Kap.: Zwecke von Formvorschrüten

Daraus ergibt sich jedoch nicht die Bedeutungslosigkeit der Formzwecke21 . Ebenso wie andere Bestimmungen bedürfen auch Formvorschriften in mancherlei Hinsicht der Auslegung22. Dabei kann es sich einmal darum handeln, welche Rechtsgeschäfte im einzelnen einer bestimmten Formvorschrift unterfallen23 • Zum anderen entscheidet Auslegung der jeweiligen Formvorschrift darüber, was Formerfüllung bedeutet. Hierbei geht es entweder um Fragen der äußeren Gestalt der Urkunde oder um die hier zur Diskussion stehenden Probleme des Umfangs und der sprachlichen Fassung der förmlichen Erklärung24• In allen diesen Fällen ist ohne eine Berücksichtigung der Zwecke der einzelnen Vorschriften nicht auszukommen25 •

20 Vgl. hierzu etwa Boehmer, S. 72 ff.; Coing, NJW 1949, 755 f.; Flume, AT, S. 284 ff. (§ 15 III 4 c, ee); Heck, AcP 112 (1914), 184-186; v. Hippel, Formalismus, S. 156 f.; Kipp I Coing, S. 129 ff. (§ 19 IV); Lüderitz, S. 195; Merz, AcP 163 (1963), 314 f., 342; Reinicke, Rechtsfolgen, s. 73; v. Tuhr, S. 501 m. Fußn. 34 (§ 63 II); Zweigert I Kötz, S. 49, 54. Ferner auch Häsemeyer, Form, S. 164 f., 226 ff., 295 f. 21 So aber anscheinend E. Wolf, S. 243 f. (§ 7 C I b 2). !2 Vgl. Titze, S.135; Danz, Auslegung, S. 176 ff.; v. Hippel, JW 1938, 631, Fußn. 5; Kipp Coing, S. 133 (§ 19 IV 4); Larenz, AT, S. 358 (§ 21 I, vor a). 28 Häsemeyer (Form, S. 211 ff., 233 ff.) spricht hier von "abstrakten Formgrenzen". - Aus einer Fülle von Fragen: § 311 BGB bei Verpflichtung zur übereignung bestimmter Gegenstände, die das gesamte Vermögen ausmachen? Dazu etwa RGZ 69, 416, 420; 94, 314. - § 313 BGB bei einseitigen Verpflichtungen zum Grundstückserwerb? Inzwischen erledigt; vgl. oben Kapitel 2, bei Fußn. 9, 10. - § 313 BGB bei in der Satzung enthaltener Verpflichtung einer Genossenschaft, Genossen Grundstücke zu veräußern? Dazu etwa Steindorff, ZHR 129 (1967), 21 ff. - § 313 BGB oder § 15 Abs. 4 GmbHG bei Gesellschaftsverträgen, die zur Veräußerung gesellschaftseigener Grundstücke oder GmbH-Geschäftsanteile mitzuwirken verpflichten? Dazu ebenfalls Steindorff, ZHR 129 (1967), 21 ff. - § 313 BGB oder § 15 Abs. 4 GmbHG bei Auftrag, Grundstück oder GmbH-Geschäfts anteile im eigenen Namen für den Auftraggeber zu erwerben? Dazu RGZ 54, 75; 77, 130; RG, JW 1925, 1760 m. Anm. Endemann, JW 1925, 1760 ff.; BGH, BB 1956, 1124 Nr. 2138; BGH, WM 1960, 1123, 1124; BGH, BB 1961, 1028 Nr. 2020; Gut, JW 1929, 710 ff.; Steindorff, ZHR 129 (1967), 21 ff.; Schlüter in Festschrift Bartholomeyczik, S. 370 ff. - § 313 BGB oder § 15 Abs.4 GmbHG bei Veräußerungsvollmacht? Dazu Schlüter in Festschr. Bartholomeyczik, S. 373 ff. - § 313 BGB bei Abtretung bzw. Verpflichtung zur Abtretung eines Grundstücksübereignungsanspruchs? Dazu RGZ 53, 268; RGZ 111, 298, 300; Donau, MDR 1956, 532 f. - § 766 BGB bei Schuldbeitritt und Garantieversprechen? Dazu Häsemeyer, Form, S. 213 f. - Formbedürftigkeit von Vorverträgen, Abänderungen, Aufhebungen? Dazu Heldrich, AcP 147 (1941), 108 ff.; Henrich, S. 147 ff.; Häsemeyer, Form, S. 112 ff., 182 ff., 237 ff. 24 Häsemeyer (Form, S. 216 ff., 264 ff.) spricht hier von "konkreten Formgrenzen". 2& Vgl. Titze, S.135; Danz, Auslegung, S. 174 f., 180; Kipp I Coing, S.133 (§ 19 IV 4); Larenz, AT, S. 358 (§ 21 I, vor a); Steindorff, ZHR 129 (1967), 26 ff. 29 f.; Schlüter in Festschr. Bartholomeyczik, S. 360. '

II. Vorgang und Ergebnis der Beurkundung als Anknüpfungspunkte

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II. Vorgang und Ergebnis der Beurkundung als unterschiedliche Anknüpfungspunkte für die Formzwecke Ist von Formzwecken die Rede, begnügt man sich in der Regel mit einer mehr oder weniger umfangreichen Aufzählung der Ziele, die mit Formvorschriften verfolgt werden können. So hat sich beispielsweise Karl Heldrich in einer Abhandlung über "Die Form des Vertrages" darum bemüht, eine vollständige Zusammenstellung möglicher Formzwecke zu geben26. Er unterscheidet Abschlußklarheit, Inhaltsklarheit, Beweissicherung, übereilungsschutz, Erkennbarkeit für Dritte, fachmännische Beratung, überwachung im Sinne des Gemeinschaftsinteresses und Erschwerung des Vertragsschlusses im Interesse der Gemeinschaft. Mehr oder minder gleichlautende Aufzählungen findet man allenthalben27 • Bei genauerer Betrachtung lassen sich zwei voneinander grundlegend verschiedene Wirkungen des Formzwanges unterscheidenl8• 1. Ergebnis der Beurkundung

Das Gesetz kann mit Formvorschriften das Resultat der Beurkundung, die Verkörperung der rechtsgeschäftlichen Willenserklärung, im Auge haben. Damit zwingt es einmal zur Schaffung eines zuverlässigen Anzeichens für die Perfektion des betreffenden Geschäfts2U • Zum anderen soll den Schwächen nur mündlich abgegebener Erklärungen entgegengewirkt werden. Durch die Beurkundung wird ihnen als dem entscheidenden rechtsgeschäftlichen Akt ihre bloß augenblickliche, später nur mühevoll und unsicher rekonstruierbare Erscheinung genommen. Sind sie schriftlich fixiert, können sie jederzeit - auch anderen als den unmittelbar daran Beteiligten - wieder gegenwärtig gemacht werden30• Im folgenden sei hierbei von einem SichersteHungszweck gesprochen. 26 Heldrich, AcP 147 (1941), 91-93. 27 Vgl. Z. B. Mot. I, S.179 = Mugdan I, S.451; Coing, Deutscher Notartag 1965,29,32; Collier, S. 9-11; Enneccerus! Nipperdey, S. 954 (§ 154 II); Erman! H. Westermann, vor §§ 125-129 Rdnr. 2; Flume, AT, S.245 (§ 15 I 1); FörschIer in MünchKomm, § 125 Rdnm. 3-5; Gemhuber in Festschr. Schmidt-Rimpler, S.174; Henrich, S. 152 f.; Jhering, S. 493 ff.; Krüger-Nieland in RGRK12, § 125 Anm. 1; Lange! Köhler, S. 281 f. (§ 45 I 3); Larenz, AT, S. 357 f. (§ 21 I); Larenz I, S. 56 (§ 5); Lehmann! Hübner, S. 221 (§ 31 II); Leonhard, AcP 120 (1922),24; Lorenz, AcP 156 (1957), 393-395; Palandt! Heinrichs, § 125 Anm. 1 a; Reinicke, Rechtsfolgen, S.32; Savigny, S. 238 f.; Serozan, S.6--8; Soergel! Hefermehll l , vor § 125 Rdnr. 2; Staudinger I Coingl l, § 125 Rdnr. 3; Thomas, S. 123 ff.; v. Tuhr, S.497 (§ 63 I); E. Wolf, S.243 (§ 7 C I b 2); M. Wolf in Grundlagen, S. 153 f. (§ 11 I). 28 Vgl. hierzu bereits v. Hippel, Privatautonomie, S. 159 ff., besonders S. 165 f., 168; auch Zweigert I Kötz, S. 43 ff. 2g Vgl. hierzu Savigny, S. 238 f.; Jhering, S. 494 ff.; Heldrich (AcP 147 (1941], 91) spricht von Abschlußklarheit. 3'

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2. Kap.: Zwecke von Formvorschrüten 2. Vorgang der Beurkundung

Mit Formvorschriften kann ferner eine heUende Einwirkung auf einen oder mehrere Beteiligte bei Entstehung des Geschäfts bezweckt seins1 • Anders als beim Sicherstellungszweck kommt es dem Gesetz hier nicht auf das Ergebnis der Beurkundung, eine die Willenserklärung verkörpernde Urkunde, an. Im Vordergrund steht vielmehr der Vorgang der Urkundenerrichtung: so hat bei der Schriftform der Erklärende seine schriftlich niedergelegte Willenserklärung eigenhändig zu unterschreiben; beim eigenhändigen Testament ist zusätzlich die Erklärung eigenhändig niederzuschreiben. Ist notarielle Beurkundung verlangt, erforscht der Notar den Willen der Beteiligten, klärt den Sachverhalt, belehrt und berät die Parteien und formuliert für sie in der Niederschrift ihre Erklärungen. Diese Niederschrift wird den Beteiligten vorgelesen, eventuell von ihnen durchgesehen, von ihnen genehmigt und unterschriebens2• Hiervon verspricht sich das Gesetz einen gewissen Einfluß auf Ob und Wie des Rechtsgeschäfts3s • Der Vorgang der Urkundenerrichtung wird als Mittel der Einwirkung auf die Parteien ausgenutzt. Möglicherweise unterbleibt auf Grund des Formzwangs das geplante Geschäft nach neuerlichem Durchdenken völlig. Die Notwendigkeit, die Willenserklärung schriftlich niederzulegen, kann zu einer Modifizierung des Geschäftsinhalts oder zur Regelung noch offener Punkte anregen. Schließlich werden sich die Beteiligten bei schriftlicher Erklärung in der Regel deutlicher ausdrücken, besonders wenn ein Notar zugezogen werden muß". Eine derartige heUende Einflußnahme wird bei solchen Geschäften erstrebt, bei denen das Gesetz die Beteiligten im Hinblick auf ihre Möglichkeiten und Fähigkeiten zu eigener rechtlicher Gestaltung für besonders beansprucht hält. Durch den Formzwang sollen also mögliche Schwächen privatautonomer Entscheidung ausgeglichen werden35• 30 Treffend v. Hippel, Privatautonomie, S.165: "Ebenso scheint heute eine schriftliche Festlegung am Platze, um die Erklärung wichtiger Entschlüsse, z. B. testamentarischer Verfügungen, deutlich zu sondern von allem zuvorgehenden Planen, um ihren Inhalt, der vielleicht erst nach Jahrzehnten praktische Bedeutung erlangt, der VergeBlichkeit und den Erinnerungstäuschungen der Miterlebenden zu entziehen, sie unabhängig zu machen von der Treue und dem persönlichen Schicksal jener Zeugen." 31 Zweigert I Kötz (S. 43 ff.) sprechen von Seriositätsfunktion. 81 Vgl. §§ 8 ff. BeurkG. S3 An der Effektivität solcher Einflußnahme jedenfalls bei einfacher Schriftform - zweifelt man zuweilen. Vgl. z. B. Lange, AcP 144 (1938), 149 f.; zur Megede, ZRP 1969, 200; Löwe, ZRP 1970,99. SI Vgl. § 17 BeurkG. Dazu Winkler. NJW 1972, 986 f. 35 Vgl. hierzu deutlich Häsemeyer, Form, S. 169 ff.; Bydlinski, S.130 f. Kritisch Zweigert I Kötz (S. 59 f.): Der "moderne Mensch" sei mündig, ein "staatsfürsorgerisches Gängelband" sei "heute im Vertragsrecht grundsätzlich fehl am Platze". Eine Formalisierung der Grundstücksgeschäfte sei jedoch deshalb

III. Einflußnahme auf die Entstehung des Geschäfts

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Schon hier sei aber darauf aufmerksam gemacht, daß die Einflußnahme des Gesetzes auf die Entstehung des Rechtsgeschäftes durch Formzwang eine nur mittelbare ist. Gute überlegung wird nicht unmittelbar durchgesetzt; es findet keine Prüfung statt, ob das Rechtsgeschäft - vom Geschützten aus betrachtet - wirtschaftlich sinnvoll, zweckmäßig, vorteilhaft usw. ist. Dieses Urteil ist ausschließlich den Beteiligten überlassen. Ferner findet keine Kontrolle statt, ob die Vorstellungen, die sich der Geschützte etwa über den Geschäftsgegenstand machte, zutrafen oder nicht38• Hierzu ist die Form vollends ungeeignet: der Zwang zu förmlicher Erklärung vermag Irrtümer nicht aufzuklären. Im übrigen sind hier - falls Vertrauensschutz geboten ist - die Irrtumsregeln mit ihrer Verpflichtung zum Ersatz des negativen Interesses durch den Anfechtenden einschlägig.

m.

Einflußnahme auf die Entstehung des Geschäfts

1. Versuche, die bezweckte Einflußnahme nach verschiedenen inhaltlichen Gesichtspunkten zu differenzieren

Es läßt sich daran denken, den mit dem Vorgang der Beurkundung verknüpften Zweck helfender Einwirkung auf die Beteiligten bei Entstehung des Geschäfts in der oben37 erwähnten Weise in verschiedene - sich vielfach überschneidende - Teilaspekte aufzugliedern. So kann eine Formvorschrift vor Vbereilung schützen wollen. Dieser Schutz kann sich auf das Ob des geplanten Rechtsgeschäftes auswirken: möglicherweise unterbleibt es nach einiger Überlegung. Er kann sich auch auf das Wie auswirken: die Angesprochenen kommen auf "bessere" Regelungen, berücksichtigen bisher noch offene Punkte, drücken sich klarer aus. Ist notarielle Beurkundung verlangt, bezweckt das Gesetz Belehrung und Beratung der Beteiligten durch einen Fachmann38• Dieser unentbehrlich, weil anders klare Grundlagen für die Eintragung im Grundbuch nicht geschaffen werden könnten. Auch die Bürgschaftsform sei "gesund, weil die der Bürgschaft innewohnenden Gefahren auch dem Mündigen nicht voll erkennbar sind". Deutlich voneinander abgesetzt werden die beiden Ansatzpunkte der Form bereits von v. Hippel (Privatautonomie, S. 168): "Trotz gleichen Inhalts gehören nicht hierher" (nämlich zur Regelung der zu benutzenden Zeichen zur Mitteilung der rechtsgeschäftlichen Gedankeninhalte) "Zeichenbestimmungen, soweit sie nicht dem Zwecke gesicherter Verständigung unter den Rechtsgenossen zu dienen bestimmt sind, sondern anderen Interessen, z. B. (nach Art der stipulatio) in Ermangelung hinreichender positiver Obersätze ein schematisches Rechtskriterium abzugeben für das Statthaben einer bestimmten rechtlichen Beurteilung, übereilten Entschlüssen vorzubeugen (z. B. §§ 518, 766 BGB), Übervorteilungen und asoziales Benehmen hintanzuhalten, fiskalische Belange zu wahren u. ä.". VgI. auch Jhering (S. 501): "So ersetzt die Form nicht selten materielle Rechtssätze". 38 So aber Lüderitz, S. 196 ft. 87 Kapitel 2 II, nach Fußn. 26. 3S VgI. §§ 17 ff. BeurkG. Dazu Winkler, NJW 1972, 986 f.; Brambring, NJW

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2. Kap.: Zwecke von Formvorschriften

Zweck ist jedoch nicht isoliert zu betrachten: oft werden die Beteiligten erst hierdurch das erforderliche Rüstzeug und die notwendige Unterstützung für ihre im Rahmen des übereilungsschutzes anzustellenden überlegungen erhalten. Einen weiteren mit dem Vorgang der förmlichen Erklärung verbundenen möglichen Formzweck sieht Heldrich39 in der Vberwachung des Geschäftsabschlusses im öffentlichen Interesse. Damit lassen sich jedoch notarielle Formvorschriften kaum rechtfertigen. Zwar soll der Notar die Beurkundung eines Geschäfts insbesondere dann ablehnen, "wenn seine Mitwirkung bei Handlungen verlangt wird, mit denen erkennbar unerlaubte oder unredliche Zwecke verfolgt werden" (§ 4 BeurkG)40. Doch werden notarielle Formen nicht gerade wegen dieser allgemeinen Amtspflicht des Notars vorgeschrieben. Für eine darüber hinausgehende Kontrolle eines Geschäfts im öffentlichen Interesse bieten Formvorschriften hingegen keinerlei Maßstäbe. Schließlich könnte mit Formvorschriften eine Erschwerung der Vornahme bestimmter Rechtsgeschäfte bezweckt sein41 • Soll eine solche Erschwerung einen oder mehrere Beteiligte zu guter überlegung - eventuell mit entsprechender notarieller Belehrung und Beratung - anhalten, ist sie als Mittel hierzu nicht zu beanstanden. Hält man aber bestimmte Geschäfte aus der Sicht öffentlicher oder Verkehrsinteressenf! für unerwünscht, ist der Griff zur die Vornahme derartiger Geschäfte behindernden Formvorschrift nicht billigenswert43 . Hierdurch würde nämlich die Wahrung solcher überindividueller Interessen allein von der Beharrlichkeit und den unterschiedlichen persönlichen (finan1975, 1258 f.; Rothoeft (in Dogmatik, S.123) spricht hier von der "Herbeiführung einer optimalen Verwirklichungschance für das Zweckstreben der Beteiligten als Folge der Rechtsbelehrung durch die Urkundsperson". 39 AcP 147 (1941),92 f. 40 Vgl. auch § 14 Abs. 2 BNotO. Bei Zweifeln, ob das geplante Geschäft dem Gesetz entspricht, gilt § 17 Abs. 2 BeurkG. 41 Vgl. Heldrich, AcP 147 (1941), 93; für § 15 Abs.3 und 4 GmbHG: Begründung zum Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, 8. Legislaturperiode, I. Session 1890/92, Fünfter Anlageband, S. 3724 ff., 3729; BGHZ 13, 49, 51 f.; BGH, NJW 1959, 1433, 1434; Baumbach / Hueck, § 15 Anm. 3 A, 4 B; Hachenburg / Schilling / Zutt, § 15 Rdnrn. 9, 73; Hadding in StudK, § 125 Anm. 2; Scholz, § 15 Rdnr. 15; Steindorff, ZHR 129 (1967), 26; Schlüter in Festschrift Bartholomeyczik, S. 361 f., 365; a. A. Häsemeyer, Form, S.189 f.; vgl. auch Lutter in Probleme, S.85. 42 Zur Unterscheidung von öffentlichem und Verkehrsinteresse vgl. Häsemeyer, Form, S. 168 ff., insbesondere S. 170 f., 173, 183. 43 Vgl. Larenz, AT, 1. Aufl. 1967, S.88/89 (§ 7 II): "Der Sinn der Form besteht nicht darin, die Vornahme derartiger Geschäfte zu verhindern oder dem Willen der Vertragspartner Fesseln anzulegen, sondern darin, diese zu nötigen, sich über den Inhalt und die Bedeutung des Rechtsgeschäfts klar zu werden und ihren Willen möglichst deutlich und unmißverständlich zum Ausdruck zu bringen."

III. Einflußnahme auf die Entstehung des Geschäfts

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ziellen) Verhältnissen des einzelnen abhängig gemacht. Es trifft aber nicht zu, daß ein - wie auch immer motiviertes - Interesse am Unterbleiben eines Rechtsgeschäftes in der Regel dann als nachrangig gelten kann, wenn nur die Beteiligten die Mühen und Kosten des Formzwangs nicht gescheut haben4" In solchen Fällen bleibt daher nur der Weg, das Geschäft entweder ohne die Beschränkung des Formzwangs zuzulassen oder klare Grenzen für dessen Zulässigkeit aufzustellen, für deren Durchsetzung nötigenfalls durch ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt45 oder die Statuierung einer Anmeldepflicht zwecks überprüfung des Geschäfts gesorgt werden kann4e • Auch hierfür ist freilich schriftliche Niederlegung des Geschäfts erforderlich. Jedoch bedarf es dazu keiner Formvorschrift mit selbständiger Nichtigkeitssanktion47 • 2. Differenzierung nach der Intensität der bezweckten Einflußnahme

Sinnvoller als der Versuch, verschiedene Teilaspekte der beabsichtigten Einflußnahme bei der Entstehung eines Rechtsgeschäfts herauszuarbeiten, erscheint eine Unterscheidung nach der Intensität der bezweckten Einwirkung. In bestimmten Fällen ruft das Gesetz mit der Formvorschrift dem Betroffenen ein "Vorsicht" zu und fordert ihn damit auf, bereits das Ob der Vornahme des Geschäfts sorgfältig zu überdenken. In anderen Fällen hingegen ist eine derartige Warnung nicht beabsichtigt. Das Schwergewicht der intendierten Einflußnahme liegt hier auf einer Unterstützung bei der Ausgestaltung des Geschäfts. Der Unterschied sei am Beispiel von Bürgschaft und Testament verdeutlicht: Der Bürge soll es sich schon gut überlegen, ob er überhaupt 44 Vgl. dazu Häsemeyer, Form, S. 174 f. mit Fußn.62. Ein gutes Beispiel für das im Text Erörterte bildet die Vorschrift des § 15 Abs.4 GmbHG. Angeblich soll sie die Beteiligten (oder jedenfalls den Veräußerer) nicht vor übereilung schützen (vgl. die oben Kapitel 2 III 1, Fußn.41 Zitierten; für Veräußererschutz Häsemeyer, Form, S.190). Dem Schutz der Gesellschaft(er) vor mißliebigem Mitgliederwechsel trägt § 15 Abs. 5 GmbHG Rechnung. Die Interessen des Rechtsverkehrs an Klarheit der Rechtsverhältnisse sind durch § 15 Abs.3 GmbHG gewahrt. Das übrig bleibende - von der h. M. in den Vordergrund gestellte - Ziel, den spekulativen Handel mit Geschäftsanteilen zu verhindern, wird durch die Formvorschrift schwerlich erreicht (vgl. auch die Kritik Lutters in Probleme, S. 84 ff.). Mit einer Erschwerungsfunktion läßt sich auch nicht erklären, warum die VeTeinbaTung, durch welche die Abtretungsverpflichtung begründet wird, also auch die diesbezügliche Erklärung des Erwerbers, zu beurkunden ist. Eine Beurkundung der Erklärung des Veräußerers reichte aus. Ferner genügte unter dem Aspekt der Erschwerung die öffentliche Beglaubigung der Veräußererklärung. Die bei notarieller Beurkundung erfolgende Formulierung der Erklärung durch den Notar sowie dessen Prüfungs- und Belehrungspflichten gehen über das Ziel einer bloßen Erschwerung des Geschäfts hinaus. 45 Beispiel: § 3 WährG, für Wertsicherungsklauseln. 48 Vgl. bereits Heldrich, AcP 147 (1941), 92; ausführlich dazu Häsemeyer, Form, S.174 ff. 47 Vgl. hierzu Häsemeyer, Form, S.179 (zu § 34 GWB).

2. Kap.: Zwecke von Formvorschrüten

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eine Bürgschaftserklärung abgeben soll. Dagegen steht das Gesetz der Errichtung eines Testaments nicht in gleicher Weise skeptisch gegenüber; der Testator soll die geplante letztwillige Verfügung nicht am besten unterlassen, sondern er soll sie mit "Würde und Verantwortung" treffen'8, wobei ihm die Testamentsform behilflich sein möchte'8. Im folgenden sei daher zwischen einem Warnzweck und einem weniger weit gehenden Hilfestellungszweck unterschieden50• a) Warnzweck

Warnung und Schutz von Beteiligten bezwecken Formvorschriften aus verschiedenen sich teils überschneidenden Gründen. Dem Versprechen unentgeltlicher Zuwendungen steht das Gesetz generell mißtrauisch gegenüber. Im Regelfall wird eine Leistung nur gegen eine entsprechende Gegenleistung versprochen. Ist eine solche nicht vereinbart, soll das Versprechen nur bei Formwahrung verbindlich sein (§ 518 Abs.1 BGB)51. Hierdurch soll der Versprechende auf das Außergewöhnliche seines Vorhabens aufmerksam gemacht werden5!. Auf einem verwandten Gedanken beruht die Formvorschrift des § 3 Abs. 1 Satz 1 BRAGebO. Das Gesetz hält die in der Gebührenordnung vorgesehene Vergütung eines Rechtsanwalts für den Normalfall für angemessen. Verspricht der Auftraggeber eine höhere Vergütung, soll ihm durch den Zwang zu schriftlicher Erklärung das Abweichen vom gesetzlichen Regelsatz deutlich vor Augen gehalten werden53• Das Gesetz greift ferner dort mit Formvorschriften warnend und schützend ein, wo Geschäfte im Hinblick auf ihre Folgen oder auf den zu veräußernden Gegenstand schlecht überschaubar und deshalb riskant sind. 48

Flume in Festschr. DJT I, S.192

=

AT, S. 333 (§ 16,5).

'8 Vgl. Jhering, S. 471: "Die Form ist die geschworene Feindin der Willkür,

die Zwillingsschwester der Freiheit. Denn die Form hält der Verlockung der Freiheit zur Zügellosigkeit das Gegengewicht, sie lenkt die Freiheitssubstanz in feste Bahnen, daß sie sich nicht zerstreue, verlaufe, sie kräftigt sie nach innen, schützt sie nach außen. Feste Formen sind die Schule der Zucht und Ordnung und damit der Freiheit selber". 50 Vgl. bereits Lüderitz, S.196, 201: Warnung und Schutz, Hinweis und Klarstellung. 51 Zu dieser grundlegenden Alternative von Entgelt (bzw. - im angloamerikanischen Recht - consideration) und Formbedürftigkeit des Leistungsversprechens vgl. Rothoeft, S. 131 ff.; Zweigert I Kötz, S.71 ff. = Zweigert, JZ 1964, 349 ff.; Bydlinski, S. 130 f.; Lorenz in Festschr. Rheinstein H, S. 547 ff.; Pawlowski, JZ 1968,404 f.; auch Lorenz, AcP 156 (1957), 385 ff. 5! Vgl. Mot. H, S. 291 ff., 293 = Mugdan H, S. 161 ff., 162: "Verhütung übereilter Schenkungsversprechen"; Prot. H, S. 9 ff., 14 = Mugdan H, S. 740 ff., 743: "Schutz des Schenkers gegen übereilung und gegen Ausbeutung seines Leichtsinns und seiner Gutmütigkeit". 53 Vgl. hierzu BGHZ 57, 53, 57.

HI. Einflußnahme auf die Entstehung des Geschäfts

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Ersteres gilt vor allem für die Bürgschaft (§ 766 BGB). Der Bürge hofft, nicht in Anspruch genommen zu werdenS«, kann in dieser Hoffnung aber leicht enttäuscht werden55• Hierher ist auch die Formvorschrift für das Leibrentenversprechen (§ 761 BGB) zu zählen: das Ausmaß der Verpflichtung ist nicht abzusehen58• Zu nennen sind weiterhin die Formvorschriften für abstrakte Schuldversprechen und Schuldanerkenntnisse (§§ 780, 781 BGB). Durch den Formzwang soll der Versprechende klar vor Augen gestellt bekommen, daß er durch die abstrakte Verpflichtung die Position des Gläubigers verstärkt, obwohl er gegen den Anspruch eventuell bestehende Einwände im Zeitpunkt der Verpflichtung möglicherweise nur schwer zu überblicken vermag57• Vgl. Leonhard H, S. 315 (§ 160). Im ersten und zweiten Entwurf des BGB war allerdings für die Bürgschaft keine Form vorgesehen; vgl. Mot. H, S.659 = Mugdan H, S.368: "Der Bürgschaftsvertrag ist gemäß dem Prinzipe des § 91 formfrei"; Prot. H, S. 461 ff., 463 = Mugdan H, S. 1019 f., 1020: Eine Form habe eine unnötige Erschwerung der Bürgschaft zur Folge; die Vorteile einer Form würden von den Befürwortern überschätzt. Erst die Reichstagskommission empfahl die Schriftform (Mugdan H, S. 1295): "Zur Begründung wurde auf die große Bedeutung der Bürgschaft und namentlich auf die Gefahren hingewiesen, welche sie mit sich bringe. Wenn irgendwo empfehle es sich hier, durch eine Formvorschrift den sich Verpflichtenden zu größerer Vorsicht anzuspornen." Aber auch: "Gegen die Schriftlichkeit spreche allerdings, daß, wer sich schriftlich verbürge, dadurch tatsächlich nicht selten seine Einreden verliere, weil er nicht zu beweisen im Stande sei, daß die mündlichen Nebenberedungen neben dem schriftlichen Vertrage haben gelten sollen. Auch entwickele sich gerade bei schriftlichen Verbürgungen der Verzicht auf die Einrede der Vorausklage zu einer ganz gewöhnlichen Klausel, was gleichfalls dem Bürgen erhebliche Nachteile bringe." - Vgl. ferner den Hinweis in Prot. H, S. 461 ff., 462 = Mugdan H, S.1019: Die Schriftform werde "die häufig zu Prozessen Anlaß bietenden Zweüel beseitigen ... , ob der Erklärende nur eine unverbindliche Redensart gebraucht habe oder ob ein rechtsgeschäftlicher Wille vorliege." Treffend auch Leonhard H, S. 315 (§ 160): "Außerdem wird dadurch ein deutlicher Strich gezogen zwischen den Freunden, die nur dem Gläubiger zureden und den Schuldner empfehlen, und dem der sich wirklich dafür haftbar machen will." - Auch Zweigert / Kötz (S. 59 f.) halten - trotz ihrer Skepsis gegenüber Formvorschriften mit Warnzweck - die Form der Bürgschaft für "gesund". 58 Larenz H, S.436 (§ 65 HI); Mugdan H, S.1294: "Wichtigkeit des Leibrentenvertrages", "lange Dauer seiner Wirksamkeit"; hier sind auch Gründe der Rechtsklarheit im Spiel. Vgl. ferner Esser II, S.259 (§ 92 IV 1): "gewagte Verträge", "gewisses aleatorisches Element". 57 Anders ist die Situation in den Fällen des § 782 BGB: hier hat der sich Verpflichtende bereits durch die vorausgehende Abrechnung bzw. die Vergleichsverhandlungen Gelegenheit, sich möglicher Risiken bewußt zu werden. Die Gefahr einer Fehleinschätzung der in Frage stehenden Verpflichtung ist damit geringer. Ferner zeigen auch §§ 350, 351 HGB, daß Gesichtspunkte des Schuldnerschutzes im Spiel sind. Für Warn- und Schutzzweck auch Erman / Hense, § 781 Rdnr.4; Fikentscher, S.552 (§ 94, 4); Lange / Köhler, S.282 (§ 45 I 3); Larenz H, S.430 (§ 65 H); Medicus, JuS 1965, 214; Palandt / Thomas, Einf. v. § 780 Anm.1 b; Rothoeft in Dogmatik, S.124, Fußn. 43; Staudinger / Kober / Müllerl l , § 780 Rdnr. 19; Winkler, NJW 1972, 986. Dagegen Lindacher, JuS 1973, 81; Möschel, Betr. 1970, 916 f.; Reinicke, NJW 1970, 886 f.; Soergel/ Lippisch10, vor § 780 Rdnr. I, §§ 780-781 Rdnr.36; Steffen in RGRK12, § 781 54

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42

2. Kap.: Zwecke von Formvorschriften

Weitreichende Folgen, derer sich die Betroffenen häufig nicht bewußt sind, können ferner Gerichtsstandsvereinbarungen nach sich ziehen. Deshalb läßt sie das Gesetz neuerdings58 nur noch für bestimmte Ausnahmefälle zu und macht ihre Wirksamkeit von der Einhaltung der warnenden Schriftform abhängig (§ 38 Abs.3 ZPO)69. Aus den gleichen Gründen ist schließlich die Formvorschrift für Schiedsverträge (§ 1027 Abs.1 ZPO) aufgestellt6o. Aus Gründen schlechter überschaubarkeit der zu veräußernden Geschäftsgegenstände ist eine Form gefordert für den Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, sein gegenwärtiges Vermögen oder einen abstrakten Bruchteil davon zu übertragen oder mit einem Nießbrauch zu belasten (§ 311 BGB)61, für den Vertrag unter künftigen gesetzlichen Erben über den gesetzlichen Erbteil oder Pflichtteil (§ 312 Abs. 2 BGB)62 und für den Verkauf einer Erbschaft (§§ 2371, 2385 BGB)63. Ebenfalls Rdnr.15; OLG Düsseldorf, MDR 1961, 411 Nr. 72. Vgl. auch Wilckens, AcP 163 (1963), 143-146. S8 Seit dem Gesetz zur Änderung der Zivilprozeßordnung v. 21. 3.1974, BGBl. I, S. 753. 69 Vgl. hierzu KambIum, ZHR 138 (1974), 480 f.; Löwe, NJW 1974, 475; Zöller / Vollkommer, Beilage, § 38 Anm. 4 b, bb. Reinelt (NJW 1974, 2313) meint, § 126 BGB sei hier unanwendbar. - Die Form des § 38 Abs.2 Satz 2 ZPO dürfte keine Warnfunktion haben, da die schriftliche Bestätigung auch von der Partei ausgehen kann, die von der Gerichtsstandsvereinbarung profitiert. Dagegen allerdings Vollkommer, RPfleger 1974,134 f. 60 Vgl. etwa Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, § 1027 Anm. 1 A. 81 Vgl. Mot. Ir, S.187 f. = Mugdan Ir, S. 103 f.: "nicht unerhebliche Verwickelungen", "Befestigung der Rechtssicherheit", übereilungsschutz; auch BGHZ 25, 1, 5: "Dieser Schutz (des § 311 BGB) ist notwendig, da der Vertragschließende in solchen Fällen oft keine sichere Vorstellung über den Umfang der von ihm eingegangenen Verpflichtung hat." Richtig daher, auf den Schutz zu verzichten, wenn nicht das Vermögen schlechthin, in Bausch und Bogen, übertragen werden soll, sondern die einzelnen Vermögensgegenstände - auch wenn sie das gesamte Vermögen ausmachen - konkret bezeichnet sind (RGZ 69, 416, 420; RGZ 94, 314, 315-317; RGZ 137, 324, 349; BGHZ 25, 1, 4/5). Zweifelnd Esser, Schuldrecht, 2. Aufl., Karlsruhe 1960, S.27 (§ 8,7 unter b). 82 Der erste Entwurf des BGB (§ 349) lehnte derartige Verträge wegen ihrer "Gefährlichkeit und sittlichen Verwerflichkeit" generell ab. Sie seien auch "vom volkswirtschaftlichen Standpunkte aus bedenklich. In den meisten Fällen würde dadurch nur dem Leichtsinne ein weiterer Weg zur Vermögensverschleuderung und der unlauteren Spekulation Gelegenheit zur Ausbeutung des Leichtsinnes eröffnet." (Mot. Ir, S.182 ff., 184 = Mugdan Ir, S. 100 ff., 101.) Im zweiten Entwurf entschloß man sich zur Zulässigkeit solcher Verträge, weil ein Bedürfnis dafür bestehe; allerdings Hinweis auf den aleatorischen Charakter der Verträge (Prot. I, S.456 = Mugdan Ir, S.618). Die Gegner betonten, "daß der aleatorische Charakter solcher Verträge nicht nur auf der Ungewißheit des Erbfalls, sonders namentlich darauf beruhe, daß die Größe des Erbteils meist völlig ungewiß sei." (Prot. I, S. 457 = Mugdan Ir, S. 619.) 83 Die Form wurde erst von der zweiten Kommission eingeführt; vgl. Mot. Ir, S.354 = Mugdan Ir, S. 196 f.; Prot. Ir, S.114 = Mugdan Ir, S.802: Es gehe regelmäßig um einen Gegenstand von besonderem Wert: "auch abgesehen vom Werte sei ... der Gegenstand insofern ein besonderer, als stets ein Komplex von Rechten in Frage stehe. Ein Schutz des Verkäufers gegen über-

Hr. Einflußnahme auf die Entstehung des Geschäfts

43

hier einzuordnen sind die Formvorschriften für Abzahlungsgeschäfte (§§ 1 a, 1 c, 6 AbzG). Der Käufer soll dadurch die - sonst schwer einzuschätzende - tatsächliche Höhe der zusätzlichen Kosten eines Abzahlungskaufs deutlich vor Augen gehalten bekommen64.

b) Hilfestellungszweck Diesen Zweck verfolgen vornehmlich alle notariellen Formvorschriften, soweit sie nicht weitergehend Warnung und Schutz bezwecken. Hier geht es meistens um komplizierte rechtliche Gestaltung, die den Rechtsunkundigen überfordern würde. Die notarielle Unterstützung nützt einmal den Beteiligten, da sie eine optimale Verwirklichung ihrer Absichten sicherstellt66. Zum anderen liegt eine juristisch einwandfreie und klare Abfassung von Verfügungs- 68, familienrechtlichen 67 und erbrechtlichen Geschäften88 im Interesse des gesamten Rechtsverkehrs. Besonders eingegangen sei auf die Formvorschriften für Verpflichtungsverträge über Veräußerung oder Erwerb eines Grundstücks (§ 313 BGB), über Einräumung, Erwerb oder Aufhebung von Sondereigentum (§ 4 Abs. 3 WEG) und über Bestellung oder Erwerb eines Erbbaurechts (§ 11 Abs.2 ErbbauVO). Allenthalben spricht man diesen Vorschriften die Funktion zu, vor übereiltem Vertragsabschluß zu schützen69 . Bereits bei Entstehung des § 313 BGB70 stellte man den Gesichtspunkt des übereilungsschutzes in den Vordergrund 71 • Es wurde betont, wegen der groeilung sei hier mindestens ebenso erforderlich, zumal wenn man bedenke, daß Erbschaftskäufe oft von gewerbsmäßigen Käufern zum Zwecke der Spekulation geschlossen würden." Schutzgrund ist also der schlecht abzuschätzende Wert einer Erbschaft, die in Bausch und Bogen verkauft wird, weniger die Gefahren, die sich aus des Erben "Freude über den unentgeltlichen Vermögenszuwachs" ergeben können (so Bartholomeyczik I Schlüter, S. 424, § 57 IV 1 a; auch Erman I Bartholomeyczik I Schlüter, § 2371 Rdnr.2). 84 Vgl. Erman I Weitnauer I Klingsporn, § 1 a AbzG Rdnr. 2; Palandt I Putzo, § 1 a AbzG Anm.l b; Weidner, NJW 1970,1779. 86 Vgl. Rothoeft in Dogmatik, S.123. 68 §§ 2033 Abs. 1 Satz 2, 2037 BGB, 15 Abs. 3 GmbHG. Die Auflassung (§ 925 Abs. 1 BGB) und die Einigung über Einräumung oder Aufhebung von Sondereigentum (§ 4 Abs.2 Satz 1 WEG) bedürfen zu ihrer Wirksamkeit nicht der notariellen Beurkundung; vgl. BGHZ 22, 312, 315 f. 67 §§ 1410, 1600 e Abs. 1 Satz 1, 1730, 1746 Abs. 2 Satz 2, 1747 Abs. 2 Satz 4, 1750 Abs. 1 Satz 2, 1752 Abs. 2 Satz 2, 1762 Abs. 3 BGB. 68 §§ 2232 ff., 2276, 2282 Abs. 3, 2290 Abs. 4, 2291 Abs. 2, 2296 Abs. 2 Satz 2, 2348, 2351, 2352 BGB. 69 Vgl. nur Ballhaus in RGRK12, § 313 Rdnr. 1; Erman I Battes, § 313 Rdnr. 1; Palandt I Heinrichs, § 313 Anm. 1 b; Soergell R. Schmidt10, § 313 Rdnr. 1; Staudinger I Wufkal!, § 313 Rdnr. 3. 70 Vgl. Mot. H, S. 189 ff. = Mugdan H, S. 104; Prot. I, S. 458 ff. = Mugdan H, S. 619 ff.; Denkschrift, Mugdan H, S.1237; Kommissionsbericht, Mugdan H, S.1274ff. 71 Leitbild war der geschäftlich unerfahrene Bauer, der sich von geriebenen parzellierenden Güterschlächtern im Wirtshaus zum Verkauf überreden läßt;

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2. Kap.: Zwecke von Formvorschriften

ßen sozialen Bedeutung des Grundeigentums und seiner Wichtigkeit für die Lebensstellung und den Beruf des Eigentümers sei die Veräußerung nicht leicht zu nehmen. Sie könne, selbst wenn sie unter günstigen Bedingungen erfolge, mit dem Umtausch anderer Vermögensgegenstände nicht auf eine Stufe gestellt werden72 • Dieser Aspekt der Warnung des Grundeigentümers vor der Veräußerung ist aber in neuerer Zeit mehr und mehr zurückgetreten. In den Vordergrund geschoben hat sich dafür der auch den Materialien zum BGB schon bekannte73 Zweck einer Unterstützung beider Beteiligter im Hinblick auf die Ausgestaltung des Vertrags wegen der Kompliziertheit der dabei zu berücksichtigenden rechtlichen Gesichtspunkte 74 • Dementsprechend hat man durch Gesetz vom 30. 5. 197375 auch die bloße Erwerbsverpflichtung unter Formzwang gestellt. Dies läßt sich nicht mehr mit dem für den Warnzweck genannten Grund rechtfertigen, die Weggabe von Grund und Boden sei nicht leicht zu nehmen. Die verbleibende Tatsache, daß es bei Grundstücksgeschäften in der Regel um erhebliche Wertbewegungen geht, ist aber für das deutsche Recht weder Anlaß zu Warnung und Schutz der Beteiligten, noch überhaupt zum Formzwang7'. Hinweis auf die Bedeutung des Geschäfts und Hilfestellung bei dessen Entstehen bezwecken schließlich die Formvorschriften der §§ 2232 f., 2247 BGB. Der Testator trägt bei Errichtung des Testaments eine große Verantwortung, "schon weil ein ganzes Vermögen dessen (des Testaments) Gegenstand bildet oder bilden kann, vor allem aber, weil davgl. Prot. I, S. 460 ff. = Mugdan II, S. 620 ff.; besonders drastisch Prot. I, S.463 = Mugdan II, S. 622: "der Bauer werde nüchtern, er gewinne Frist zur überlegung, zur Rücksprache mit der Frau etc." 72 Mot. II, S. 190 = Mugdan II, S. 104. 71 Vgl. Mot. II, S. 190 = Mugdan II, S.104: "Es kommt hinzu, daß jedes Grundeigentum mit einer Reihe von Rechtsverhältnissen zusammenhängt, welche wegen der Unvergänglichkeit des Grundeigentums von weitaussehender Dauer sind, so daß also auch die Veräußerung und der Erwerb immer eine besondere Vorsicht erfordern, wenn nicht für die Vertragsschließenden erhebliche Schwierigkeiten zu befürchten sein sollen. ce Die einfache Schriftform habe den Nachteil, daß die in Frage kommenden Rechtsverhältnisse nicht vollständig geregelt würden. Ferner Prot. II, S. 460 f. = Mugdan II, S.621: Gerichtliche und notarielle Form gewährleisteten eine erschöpfendere und vollständigere Gestaltung des Vertragsinhalts. 74 Vgl. WengIer, NJW 1969, 2237: Sicherung des Käufers vor übereiltem Erwerb oder Sicherung des Verkäufers vor übereilter Veräußerung sei offenbar nicht der Zweck des § 313 BGB. Vielmehr gehe es um die Sicherung beider Parteien vor fehlerhafter Abfassung des Vertrages angesichts der Komplikationen des deutschen Grundstücksrechts. Vgl. auch Zweigert I Kötz, S. 59 f. 75 BGBl. I, S. 501. 78 Vgl. dagegen zum französischen und italienischen Recht Zweigert I Kötz, S.46: Beweisform für alle Geschäfte mit einem Wert von mehr als 50 NF (Art. 1341 Code civil) bzw. 5000 Lire (Art. 2721 Codice civile).

IV. Sicherstellungszweck

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durch die Familie des Verfügenden, das Interesse Dritter und der Verkehr im allgemeinen betroffen werden"77. IV. Sicherstellungszweck Bezweckt eine Formvorschrift Warnung oder Hilfestellung, gehen Form und Geschäftsinhalt eine kaum zu trennende Verbindung ein. Dem entspricht die Vorstellung der Form als eines konstituierenden Elements des Rechtsgeschäfts: zu dessen Entstehung gehört notwendig der prägende Einfluß der Form78• Betrachtet man dagegen den Sicherstellungszweck, erscheint die Form weit eher als eine Äußerlichkeit des Rechtsgeschäfts. Sie ist hier nicht untrennbar und unersetzbar mit dem Werden der rechtsgeschäftlichen Regelung verbunden, sondern kommt zum als inhaltlich fertig vorgestellten Geschäft als dessen besondere Verkörperung hinzu7v • Trotzdem ist sie in allen Fällen als Wirksamkeitsvoraussetzung ausgestaltet. 1. Formvorsdlriften mit SichersteIlungszweck

Den Sicherstellungszweck hat das Gesetz mit dem Zwang zur Verkörperung von Willenserklärungen bei sämtlichen Formvorschriften mehr oder weniger im Auge. Ein besonderes Interesse der an einem Rechtsgeschäft unmittelbar Beteiligten bzw. von ihm unmittelbar Betroffenen am Festhalten des Erklärten besteht bei solchen Rechtsgeschäften, bei denen die Ermittlung von Existenz und Inhalt ohne dauerhaften Ausdruck überdurchschnittlichen Schwierigkeiten unterläge. Hierunter fallen alle Geschäfte, bei denen ohne ein deutliches Seriositätsindiz oft Zweifel bestünden, ob wirklich ein bindend gemeintes Versprechen vorliegt. Dies ist z. B. bei Schenkungsversprechen der Fall (§ 518 Abs. 1 BGB). Zu 77 Mot. V, S.257 = Mugdan V, S. 135. Die zweite Kommission lehnte das eigenhändige Testament noch ab (Prot. V, S. 326 ff. = Mugdan V, S. 696 ff.). Erst die Reichstagskommission empfahl mit 12 gegen 8 Stimmen dessen Einführung (Komm.-Bericht, Mugdan V, S. 886 ff.). 78 Dies ist freilich nicht im Sinne magischer Wirkungen der Form gemeint: die Form ist auch hier "Schutzform" (vgl. Dulckeit in Festschr. Schulz I, S. 160 ff.). Der "Wirkform" (Dulckeit) kommt sie aber deshalb nahe, weil ihr möglicher Einfluß auf die Angesprochenen durch heteronome Beurteilung des Geschäfts nicht ersetzt werden kann. Vgl. zum Aspekt der "Einheit von Rechtsgeschäft und Form" auch Häsemeyer, Form, S. 227 ff., 287 f., 294 ff., 307; ferner Flume, AT, S. 244 ff. (§ 15 I 1). 78 Daher meint M. Wolf (in Grundlagen, S.153, § 11 I 2 a), der Zweck der Beweissicherung rechtfertige für sich allein "regelmäßig" den gesetzlichen Formzwang nicht. Vgl. auch den Hinweis von Zweigert I Kötz (S.43, 49), Formen mit bloßer Beweisfunktion führten im anglo-amerikanischen und französischen Recht nicht zur materiellen Ungültigkeit des Geschäfts, sondern nur zu prozessualen Sanktionen (Unklagbarkeit bzw. Ausschluß des Zeugenbeweises).

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2. Kap.: Zwecke von Formvorschrüten

nennen sind hier ferner die Formvorschriften über das abstrakte Schuldversprechen und das abstrakte Schuldanerkenntnis (§§ 780, 781 BGB). Sie zwingen zur Schaffung eines sicheren Anhaltspunkts für den abstrakten Verpflichtungswillen des Schuldners80. Weiterhin zählen hierher die Formvorschriften für die Verfügung von Todes wegen (§§ 2232 f., 2247, 2267, 2276 BGB). Ohne eine Verkörperung der Erklärungen bliebe häufig unklar, ob eine Verfügung von Todes wegen überhaupt existiert, und welchen Inhalt sie hat81 . Dasselbe gilt für Schenkungsversprechen von Todes wegen (§ 2301 BGB). Bei vielen Formvorschriften mit Sicherstellungszweck steht das Interesse Dritter im Vordergrund, sich Klarheit über bestimmte Rechtsverhältnisse verschaffen zu können. Dies ist immer dort der Fall, wo rechtsgeschäftliche Regelungen auch für andere als die unmittelbar an einem Rechtsgeschäft Beteiligten Bedeutung haben können. So ist es für den Erwerber eines Grundstücks im Hinblick auf § 571 BGB wichtig, sich über den genauen Inhalt eines bestehenden Miet- oder Pachtvertrages informieren zu können (§§ 566, 581 BGB)82. Haftet der Erbschaftskäufer den Nachlaßgläubigern nach Vertragsabschluß (§ 2382 BGB), so müssen sich diese über Abschluß und Inhalt des Vertrages informieren können (§ 2371 BGB; vgl. auch die Anzeigepflicht des § 2384 BGB)83. Die Formvorschrift für Kartellverträge und -beschlüsse 80 Vgl. Mot. H, S. 687 ff. == Mugdan H, S. 384 ff.; Prot. H, S. 499 ff., 505 == Mugdan H, S. 1039 ff., 1042 f.; Denkschrift, Mugdan H, S. 1263. 81 Vgl. Mot. V, S.257 == Mugdan V, S. 135/136: "Da in der Regel das Testament erst nach dem Tode des Erblassers bekannt wird und die Wirksamkeit des Testaments sich auf die Zeit nach dem Tode des Erblassers erstreckt, so ist es die Aufgabe des Entwurfes, solche Formen vorzuschreiben, welche geeignet sind, Formfehler zu verhüten und den Inhalt des Aktes sicher zu stellen. Denn etwaige Formfehler können nicht mehr verbessert werden und über den Inhalt des Aktes ist von demjenigen, welcher den Akt errichtete, kein Aufschluß mehr zu erlangen, weil zu der Zeit, auf welche die Wirksamkeit des Aktes sich erstreckt, der Mund des Verfügenden sich für immer geschlossen hat." 82 Vgl. Prot., Mugdan H, S.825; RGZ 86, 30, 32; RGZ 118, 105, 106; RG, HRR 1931 Nr.403; BGH, LM § 566 BGB Nr.1; BGH, NJW 1954, 425, 426; BGH, NJW 1958, 2062, 2064; BGHZ 40, 255, 261; BGH, MDR 1968, 42; BGHZ 50,39,43; BGHZ 52, 25, 28; BGH, MDR 1969,1002 Nr. 26; BGH, Betr.1974, 918; BGH, NJW 1975, 1653, 1654; LG Hamburg, MDR 1967, 496, 497; Gelhaar in RGRK12, § 566 Rdnr. 1; Enneccerus / Lehmann, S. 510 (§ 127 H 6); Enneccerus / Nipperdey, S. 998 f., Fußn. 32 (§ 162 IV 1); Erman / Schopp, § 566 Rdnr. 5; Esser H, S. 93 f. (§ 69 I 2); Henrich, S. 154 f.; Palandt / Putzo, § 566 Anm.1 a; Reinicke, Rechtsfolgen, S. 75 f.; Soergel/ Mezger10, § 566 Rdnr. 1; Staudinger / Emmerich12, § 566 Rdnrn. 1 ff. - Einige nehmen an, § 566 BGB bezwecke auch Warnung und Schutz: Bockemühl, S.71; Esser / Weyers H 1, S.l77 (§ 20, 2); Larenz H, S.170 (§ 48 I); Leonhard H, S.141, 143 (§ 68); Weimar MDR 1961, 290; Winkler, NJW 1972, 986; unklar BGHZ 42, 333, 339. - Held~ rich (AcP 147 [1941], 91 f., 111 f.) stellt Abschluß-, Inhaltsklarheit und Beweissicherung zugunsten des Mieters in den Vordergrund. 8S Vgl. Lange / Kuchinke, S.805, Fußn.31 (§ 47 H 1); Kipp / Coing, S.614

IV. Sicherstellungszweck

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sowie andere wettbewerbsbeschränkende Abreden (§ 34 GWB) soll eine sichere Grundlage für deren überwachung durch die Kartellbehörden und Gerichte schaffen8'. Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen haben für eine große Anzahl von Arbeitsverhältnissen Bedeutung, weshalb sie nach § 1 Abs.2 TVG bzw. § 77 Abs.2 BetrVerfG schriftlich festzuhalten sind85• Hierher gehören ferner die Formvorschriften für manche Verfügungsgeschäfte unter Lebenden88 , für personenrechtliche87 und vermögensrechtliche88 Geschäfte des Familienrechts und erbrechtliche Geschäfte 8D • Die hierdurch bezweckte Transparenz wichtiger Rechtsverhältnisse, die Voraussetzung für ein reibungsloses funktionieren des Rechtsverkehrs istDO, wird jedoch zuweilen nicht unmittelbar durch die Urkunde erstrebt. Diese dient vielmehr manchmal nur als Grundlage für Eintragungen in öffentliche Bücher91 • Körperschaftliche Regelungen müssen im Interesse ihrer Mitglieder, später eintretender Mitglieder sowie sonstiger Dritter deutlich erkennbar seine!. Dem dienen entsprechende FormvorschriftenD3 sowie Anmeldepflichten zum HandelsregisterD'. Offensichtlich ist der Sicherstellungszweck schließlich (§ 111 II); Prot. II, S.115 = Mugdan II, S. 802: Form sei auch "zur Klarstellung des Rechtsverhältnisses" wünschenswert. 8' Vgl. z. B. BGH, MDR 1968, 121 Nr.10; BGHZ 53, 304, 306 f.; BGH, NJW 1972, 1712 Nr.11, 1713; BGH, NJW 1975, 1170; Benisch in Müller-Henneberg I Schwartz, § 34 Rdnr.2; Wahl, JZ 1968, 739 ("eigentlicher Sinn"). Daneben nehmen eine Warnfunktion des § 34 GWB an z. B. Karstädt, NJW 1968, 1510; Tetzner, NJW 1968, 387; Wahl, JZ 1958, 149; wohl auch OLG Frankfurt, NJW 1962, 870, 871 f.; vgl. auch die Einwände von Häsemeyer (Form, S. 178 f.) gegen eine derartige Kontrollform im öffentlichen Interesse. 85 Vgl. etwa Hueck I Nipperdey II 1, S.453, Fußn. 14 a (§ 21 III 1 a), für Tarifvertrag; Hueck I Nipperdey II 2, S. 1278, Fußn. 1 c (§ 66 A I 1 a), für Betriebsvereinbarung; Bockemühl, S. 66; Winkler, NJW 1972, 986. 88 §§ 1154, 2033 Abs. 1 Satz 2, 2037 BGB, 15 Abs. 3 GmbHG. 87 §§ 13 EheG, 1600 e Abs. 1, 1618 Abs. 3, 1730, 1746 Abs.2 Satz 2, 1747 Abs.2 Satz 4, 1750 Abs. 1 Satz 2, 1752 Abs. 2 Satz 2, 1762 Abs. 3 BGB. 88 § 1410 BGB. 89 Vgl. die bereits oben genannten Vorschriften für Verfügungen von Todes wegen; ferner §§ 1945, 1955, 2282, 2290 Abs.4, 2291 Abs.2, 2296 Abs.2 Satz 2, 2348, 2351 BGB. 80 Vgl. hierzu Häsemeyer, Form, S.170 f. (auch zur Abgrenzung gegenüber öffentlichem Interesse), 183 f. 81 Grundbuch: vgl. etwa §§ 873 Abs.l und 892 BGB; zu § 1154 BGB vgl. § 1155 BGB; Personenstandsbücher: vgl. §§ 9 ff. PStG; Güterrechtsregister: vgl. §§ 1412, 1558 ff. BGB. Vgl. ferner den Hinweis von Häsemeyer (Form, S. 184) auf die Pflicht zur Ablieferung von Verfügungen von Todes wegen (§§ 2259, 2300 BGB). Nicht nur im Interesse der Erben, sondern ebenfalls im Verkehrsinteresse auch der Erbschein (§§ 2365, 2366 BGB); vgl. Lange I Kuchinke, S. 663 (§ 41 I 3 a). 82 Vgl. Reinicke, Rechtsfolgen, S.80. D3 §§ 23 AktG, 2 GmbHG, 5 GenG. 84 §§ 37 Abs. 3 Nr. I, Abs.5 AktG; 8 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG; 10, 11 Abs. 2 Nr. 1 GenG; vgl. dazu § 9 HGB.

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2. Kap.: Zwecke von Fonnvorschrüten

bei Wertpapieren95 : Zur Ausübung des verbrieften Rechts ist die Innehabung der Urkunde notwendigO'. 2. Keine weitere Dtlferenzierung des Sicherstellungszwecks

Der Sicherstellungszweck wird häufig in inhaltlich verschiedene Einzelzwecke aufgegliedert. So unterscheidet beispielsweise Heldrich° 7 Abschlußklarheit, Inhaltsklarheit und Beweissicherung voneinander08 • Diese Differenzierungen haben aber für unsere Fragestellung keinen praktischen Wert. Gewiß lassen sich Abschluß- und Inhaltsklarheit von der Beweissicherung gedanklich unterscheiden. Bei Formen, die immer schriftliche Niederlegung der Geschäftserklärungen verlangen, sind diese Zwecke jedoch untrennbar miteinander verknüpft und werden vom Gesetz immer zusammen verfolgt90. Das Gleiche gilt für die Trennung von Abschluß- und Inhaltsklarheit10o• Die Beurkundung der Willenserklärungen soll nicht nur den Abschluß des Geschäfts klarstellen, sondern zugleich auch immer schon über dessen Inhalt Aufschluß geben.

v.

Zusammenfassung

Geht es um die Formgültigkeit eines formbedürftigen Rechtsgeschäfts, ist es unerheblich, ob die Zwecke der Formvorschrift konkret erfüllt sind oder nicht. Die Formzwecke sind aber für die Auslegung der einzelnen Formvorschrift von Bedeutung. Hierzu gehört u. a. die Frage, in welchem Umfang und in welcher sprachlichen Fassung ein Rechtsgeschäft förmlich zu erklären ist. Die mit Formvorschriften verfolgten Zwecke sind entweder an den Vorgang oder an das Ergebnis der Beurkundung geknüpft. Mit dem Vorgang der Beurkundung bezweckt das Gesetz eine Einflußnahme auf die Entstehung des Rechtsgeschäfts. Diese Einflußnahme kann in verschiedener Intensität beabsichtigt sein. Soll der Betroffene Vgl. Reinicke, Rechtsfolgen, S. 81 f. Weiter Wertpapierbegriff; vgl. Baumbach I Hefennehl, Grundzüge des Wertpapierrechts Rdnr. 6; Rehfeldt I Zöllner, S. 14 ff. (§ 3 IV 4, V). 07 AcP 147 (1941), 91. 08 Der Zweck "Erkennbarkeit für Dritte" (Heldrich, AcP 147 [1941], 91 f.) betrüft nicht die inhaltliche Ebene, sondern die Frage, in wessen Interesse die Beurkundung erfolgt. et Deshalb muß Heldrich (AcP 147 [1941], 91) auch zur Verdeutlichung dieser Unterscheidung auf die Stipulation des römischen Rechts zurückgreifen. 100 Als Beispiel wird der Handschlag genannt (Henrich, S.152, Fußn. 23; Collier, S. 9, Fußn. 2), der zwar Abschlußklarheit, aber keine Inhaltsklarheit schafft. 05

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V. Zusammenfassung

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- wie z. B. durch die Formvorschrift für Bürgschaftserklärungen wegen der Risiken eines Geschäfts bereits zur überlegung angehalten werden, ob er es überhaupt abschließen soll, sei von einem Warnzweck die Rede. Liegt der Schwerpunkt der beabsichtigten Einflußnahme wie etwa bei den Formvorschriften für Testamente oder Grundstücksveräußerungsverträge - auf einer Unterstützung der Beteiligten bei der Ausgestaltung des Geschäfts wegen dessen großer Bedeutung oder Kompliziertheit, kann man von einem Hilfestellungszweck sprechen. Mit dem Ergebnis der Beurkundung, der dauerhaften Verkörperung der rechtsgeschäftlichen Erklärung, beabsichtigt das Gesetz eine Klarstellung des Geschäftsabschlusses und schafft die Möglichkeit, sich die abgegebenen Erklärungen sicher und mühelos zu vergegenwärtigen. Im folgenden ist hierbei von einem Sicherstellungszweck die Rede.

4 Bemard

Drittes Kapitel

Umfang des Formzwangs I. Bestimmung der zu beurkundenden Punkte eines formbedürftigen Geschäfts Zur Frage, in welchem Umfang die einzelnen Bestimmungen eines formbedürftigen Rechtsgeschäfts in die Urkunde aufzunehmen sind, heißt es im Gesetz lapidar, der Vertrag (z. B. §§ 310, 311, 313 Satz 1, 566 Satz 1, 2371 BGB), das Versprechen (z. B. §§ 518 Abs. 1, 761, 780 BGB), die Erklärung (z. B. §§ 766 Satz 1, 781 Satz 1 BGB) oder die Vereinbarung (§ 15 Abs. 4 Satz 1 GmbHG) sei zu beurkunden. Darüber, was dies bedeutet, herrscht jedoch keineswegs Einmütigkeit. 1. Meinungsstand Häufig heißt es, alle Abreden eines gesetzlich formbedürftigen Rechtsgeschäfts bedürften förmlicher ErklärungI, Nicht selten macht man aber die Einschränkung, die Urkunde müsse "mindestens" alle "wesentlichen" Teile des betreffenden Geschäfts enthalten!. Auch darüber, was 1 RGZ 51, 179, 181; RGZ 52, 1, 4; RGZ 64, 35, 40; RGZ 65, 390, 392; RGZ 80, 400, 402; RGZ 93, 219, 220; RGZ 97, 219, 220; RGZ 103, 295, 297; RG, Warn 1926 Nr.136, S.199; RGZ 118, 105, 108; RGZ 123, 171, 173; BGH, LM § 313 BGB Nr.3; BGH, NJW 1954, 425, 426; BGH, LM § 313 BGB Nr. 14; BGH, NJW 1958, 2062, 2063 f.; BGH, DNotZ 1961, 581, 582; BGH, NJW 1961, 1764; BGHZ 40, 255, 262; BGHZ 42, 333, 338; BGH, Warn 1966 Nr.30, S.55; BGH, DNotZ 1966, 736, 737; BGH, BB 1966, 720; BGHZ 50, 39, 41; BGHZ 63, 359, 361; OLG Hamm, HRR 1929 Nr. 1425; Erman! H. Westermann, § 125 Rdnr.1; Erman! Battes, § 313 Rdnr. 40; Esser! Weyers II 1, S.14 (§ 3, 2 c); Flume, AT, S. 267 f. (§ 15 III 3 a); Förschier in MünchKomm, § 125 Rdnr. 19, 20, § 126 Rdnr. 8; Heldrich, AcP 147 (1941), 105; Lange! Köhler, S.283 (§ 42 II 2); Larenz, AT, S.358 (§ 2II); Larenz I, S.59 (§ 5); Lehmann! Hübner, S.225 (§ 31 VII 3); Palandt! Heinrichs, § 125 Anm. 3; Soergel! HefermehPt, § 125 Rdnr. 5; Soergel! Reimer Schmidtl°, § 313 Rdnrn. 15, 19; Soergel! Ballerstedt10, § 518 Rdnr. 4; Soergel! Mezger10, § 566 Rdnr. 1; Staudinger ! Wufka1!, § 313 Rdnr. 135; v. Tuhr, S.509 (§ 63 III 1); M. Wolf in Grundlagen, S.156 (§ 11 III 1). ! RGZ 57, 258, 260 f.; RGZ 59, 217, 218 f.; RGZ 62, 379, 382; RGZ 67, 204, 214; RGZ 71, 113, 116; RGZ 76, 33, 34; RGZ 76, 303, 305 f.; RGZ 80, 400, 402; RGZ 97, 219, 220; RGZ 105, 289, 292; RG, Warn 1926 Nr. 136, S. 199; RG, HRR 1930 Nr. 278; RG, HRR 1931 Nr.403; RGZ 137, 305, 309; RGZ 145, 229, 231 f.; RGZ 154, 41, 44; BGH, NJW 1954, 425, 426; BGH, WM 1957. 1222; BGHZ 26, 142, 146; BGH, NJW 1958, 2062, 2063 f.; BGH, NJW 1962, 1102; BGH, NJW 1967,823; BFH, NJW 1967, 1391; BGH, NJW 1968, 987; BGH, LM § 313 BGB

I. Zu beurkundende Punkte eines formbedürftigen Geschäfts

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"wesentlich" ist, bestehen unterschiedliche Auffassungen. Teils rechnet man dazu nur die abstrakten, an den gesetzlichen Geschäftstypen ausgerichteten "essentialia negotii"3. Teils begreift man darunter zusätzlich die Abreden, welche die Parteien für wesentlich erachten4• Bei der Bürgschaft findet der Warnzweck der Form Beachtung. Abreden5 , welche die Verpflichtung des Bürgen einschränken, sollen auch ohne Einhaltung der Schriftform gültig sein, selbst wenn sie schon bei Abschluß des Bürgschaftsvertrages getroffen wurden. Zwei Beispiele seien angeführt. In RG, Warn 1908 Nr. 149 hatten sich die Beklagten schriftlich für eine Schuld aus Veruntreuungen verbürgt. Mündlich war die Bürgschaft erwiesenermaßen unter die Bedingung gestellt, daß der GläuNr. 33; BGH, NJW 1968, 2332; BGHZ 52, 25, 28; BGH, MDR 1969, 1002 Nr. 26; BGH, DNotZ 1971, 37, 39; OLG München, NJW 1967 1326, 1328; Enneccerus / Lehmann, S. 787 f. (§ 191 II 1); Enneccerus / Nipperdey, S. 961 (§ 155 I 1); Krüger-Nieland in RGRK12, § 125 Rdnr.14; Leonhard I, S.273 (§ 124); Leonhard II, S.315 (§ 160); Oertmann, Rechtsordnung, S.139 f.; Serozan, S. 14 f., 144; Staudinger / Coingl l , § 125 Rdnr.9; Weber, JuS 1971, 554; Ballhaus in RGRK12, § 313 Rdnr. 66; E. Wolf, S. 246 (§ 7 CI e 2 aa). 3 Oertmann, Rechtsordnung, S.139 f.; Serozan, S. 14 f., 144 (durch Aufnahme der essentialia negotii in die Urkunde sei "dem Formzweck schon Genüge getan"). - In diese Richtung scheinen auch die vor allem bei der Bürgschaft - im Zusammenhang mit Bezugnahmefragen - anzutreffenden Äußerungen zu gehen, die wesentlichen Bestandteile der Bürgschaftserklärung müßten in der Urkunde selbst wenigstens andeutungsweise enthalten sein. Dazu gehöre die Angabe des Verbürgungswillens, des Gläubigers, des Hauptschuldners und der Schuld. Vgl. RGZ 51, 110, 113; RGZ 57, 258, 260 f.; RGZ 59, 217, 218 f.; RGZ 62, 379, 382 f.; RGZ 7l, 113, 115 f.; RGZ 76, 303, 305 f.; RGZ 82, 70, 7l; RG, HRR 1930 Nr. 97l; RG, JW 1931, 1181 Nr. 2,1182 f., m. Anm. Reichei, JW 1931, 2228 f.; RG, JW 1934, 219, 220; RGZ 145, 229, 231 f.; BGH, WM 1957, 1222; BGHZ 26, 142, 146; BGH, NJW 1962, 1102; BGH, NJW 1967, 823; BGH, NJW 1968, 987; BGHZ 63, 359, 363 (neben der allgemeinen Richtung des rechtsgeschäftlichen Willens müsse auch der Hauptinhalt der Verpflichtungen wenigstens in hinlänglich klaren Umrissen im Text der formgerechten Urkunde selbst angegeben sein); Bockemühl, S. 69 f.; Enneccerus / Lehmann, S.788 (§ 191 II 1); Erman / H. H. Seiler, § 766 Rdnr.3; Esser / Weyers II 1, S.308 (§ 40 II 1); Förschier in MünchKomm, § 125 Rdnr. 21, § 126 Rdnr. 8; Larenz II, S.421 (§ 64 II); Mormann in RGRK12, § 766 Rdnrn. 3, 4; Palandt / Thomas, § 766 Anm. 3; Soergel/ Reimer Schmidt10, § 766 Rdnr. 2; Staudinger I BrändPl, § 766 Rdnm. 3, 4; Weber, JuS 1971, 554. Doch sollen daneben auch andere den Bürgen belastende Punkte formbedürftig sein: RG, JW 1911, 648 Nr.17; BGH, NJW 1968, 2332 (Verzicht auf die Einrede der Vorausklage); Mormann in RGRK12, § 766 Rdnrn. 1, 3; Palandt/ Thomas, § 766 Anm.3; Soergel/ Reimer Schmidtl°, § 766 Rdnr.19; Staudinger I Brändll l , § 766 Rdnr. 12. , RGZ 97, 219, 220; RGZ 103, 381, 382 f.; RG, JW 1925, 2237 Nr. 10; RG, Warn 1926 Nr. 136, S.199; BGH, LM § 313 BGB Nr. 33; BGH, DNotZ 1971, 37, 39; OLG München, NJW 1967, 1326, 1328; Erman / Battes, § 313 Rdnr. 40; Fikentscher, S.80 (§ 22, 7 g); Staudinger / Coingl l, § 125 Rdnm. 9-12; Ballhaus in RGRK1!, § 313 Rdnr. 66. 5 Meistens wird in diesem Zusammenhang von "Nebenabreden" gesprochen. Diesen Begriff hält BGH, NJW 1968, 393 zu Recht für irrelevant. Es komme darauf an, ob die Schriftform ihre Wamfunktion erfüllt habe.

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3. Kap.: Umfang des Formzwangs

biger keine Strafanzeige gegen den Hauptschuldner erstatten werde. Das Reichsgericht hielt diese Abrede für gültig. Da der Gläubiger eine Strafanzeige erstattet hatte, wurde seine Klage abgewiesen. In RG, Warn 1917 Nr. 288 wurden die Beklagten aus einer Bürgschaft in Anspruch genommen als Erbeserben der Frau Minna R. Diese hatte sich durch Urkunde vom 19. 10. 1904 dem Kläger für Hypothekenzinsen verbürgt und war am 7.9.1905 verstorben. Die Beklagten wandten ein, die Erblasserin habe die Bürgschaft nur für die Dauer eines ihr an dem belasteten Grundstück eingeräumten Nießbrauchs, also nur für ihre eigene Lebenszeit übernommen. Das Reichsgericht bejahte die Gültigkeit einer solchen nicht beurkundeten Vereinbarung. Falls sie bewiesen werde, hafteten die Beklagten also nur für die bis zum Tode der Erblasserin aufgelaufenen Zinsen'. Teilweise wird die Einschränkung des Formzwangs auf andere Rechtsgeschäfte erstreckt, bei denen die Formvorschrift ebenfalls dem Schutz nur eines der Beteiligten dient: so sollen Abreden, welche die Verpflichtung des Geschützten beschränken, auch beim Schenkungsversprechen7, beim Leibrentenversprechen8 und beim Schuldversprechen nach § 780 BGB8 formfrei gültig sein10 11. e Vgl. ferner RGZ 65, 46, 49 mit RGZ 71, 415 f.; RG, Warn 1909 Nr. 340, S. 309; RG, Warn 1910 Nr. 114, S.121; RG, JW 1911, 540 Nr. 15; RG, JW 1918, 367 Nr. 5, 368; RGZ 95, 9, 11; RG, HRR 1933 Nr. 1006; RG, JW 1934, 219, 220; RG, HRR 1935 Nr. 580; BGH, BB 1955, 298 Nr. 555; BGH, NJW 1968,393. In der Literatur findet diese Rechtsprechung fast ausnahmslos Zustimmung: Danz, Auslegung, S. 190, Fußn. 1; Enneccerus / Lehmann, S. 789 (§ 191 II 4); Enneccerus / Nipperdey, S.956 (§ 154 III 1 b); Erman / H. Westermann, § 125 Rdnr. 2; Erman / H. H. Seiler, § 766 Rdnr. 10; Flume, AT, S.268 (§ 15 III 3 a); Förschler in MünchKomm, § 125 Rdnrn. 20, 27; Heldrich, AcP 147 (1941), 106; Leonhard II, S. 318 f. (§ 160); Mormann in RGRKI2, § 766 Rdnr. 1; Palandt / Thomas, § 766 Anm. 3; Reiche!, JW 1931, 2228; Soergel/ Reimer Schmidt10, § 766 Rdnr. 19; Spiro, S. 22 (für die Schweiz); Staudinger / Coing11 , § 125 Rdnr. 12 a; Staudinger / Brändl11, § 766 Rdnrn. 3, 12; v. Tuhr, S.509 (§ 63 IV 1); ablehnend Häsemeyer, Form, S. 190 f. 7 Flume, AT, S.268 (§ 15 III 3 a); Heldrich, AcP 147 (1941), 107; Spiro, S.22 (für die Schweiz); Staudinger / Coing11, § 125 Rdnr. 12 a. 8 Heldrich, AcP 147 (1941), 107. 8 RG, Warn 1910 Nr. 277, S.287; RG, Recht 1925 Nr. 1271; Erman / Hense, § 780 Rdnr. 13; Palandt / Thomas, § 780 Anm. 3; Soergel/ Lippisch10, §§ 780-781 Rdnr. 36 (für "Nebenabreden jeder Art"); Staudinger I Kober / Müller11, § 780 Rdnrn. 23, 26; Steffen in RGRK12, § 780 Rdnr. 27. 10 In Weiterführung dieses Ansatzes hält Spiro (S. 22 ff., 28, 30) beim Grundstückskauf die Beurkundung eines geringeren Preises als vereinbart für unschädlich. Dabei geht er davon aus, Art. 657 ZGB diene nur dem Schutz des Verkäufers (S. 15 f.). Dieser auch für § 313 BGB bislang vorherrschende Ausgangspunkt (vgl. dazu oben Kapitel 2, Fußn. 10) ist durch die Änderung durch Gesetz vom 30. 5. 1973 (BGBl. I, S. 501) hinfällig geworden. - Gegen die Auffassung von Spiro bereits Heldrich, AcP 147 (1941), S.107 f.; ferner Flume, AT, S.268 (§ 15 III 3 a) sowie v. Tuhr, S.507 (§ 63 III), der es jedoch für zulässig hält, den Kaufpreis höher als vereinbart

I. Zu beurkundende Punkte eines formbedürftigen Geschäfts

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Als Begründung für die Formfreiheit erleichternder Abreden wird angeführt, durch solche Einschränkungen werde die Verpflichtung des Geschützten "unter das beurkundete Maß herabgedrückt"ll. Der Schutzzweck der Form sei hier erfüllt, weil der Geschützte "die Form für ein Mehr beachtet" habe, "in dem das Minder enthalten" seilS. Durch Beurkundung einer härteren Verpflichtung werde der Geschützte "in vollem Umfang auf das von ihm einzugehende Risiko hingewiesen"u, er werde also sozusagen über das nötige Maß hinaus gewarnt. Abreden, die den nicht geschützten Teil belasteten, unterfielen nicht der FormvorschriftlS • Dies folge auch daraus, daß zwar für den Abschluß des betreffenden Geschäfts die Form vorgeschrieben sei, nicht aber für dessen vollständige oder teilweise Aufhebung18• Vereinzelt hält man schließlich bei bestimmten Formvorschriften die Beurkundung gerade der Verpflichtung für ausreichend, an welche die Formvorschrift anknüpft. So wurde für § 313 BGB17 die Ansicht vertreten, allein die Verpflichtung zur Übertragung des Grundstückseigentums sei zu beurkunden; die Modalitäten der Veräußerung, insbesondere die Preisvereinbarung oder die Zusicherung von Eigenschaften, bedürften nicht förmlicher Erklärung18• Auch bei § 15 Abs.4 GmbHG soll die isolierte Beurkundung des Vertragsteils genügen, der die Abtretungsverpflichtung aussprichtlV. 2. Stellungnahme

Diese unterschiedlichen Ansichten müssen sich daran messen lassen, ob sie den mit Formvorschriften verfolgten Zwecken genügend Rechnung tragen. Zu fragen ist also, in welchem Umfang Warn-, Hilfestelzu beurkunden (v. Tuhr, S. 508, 509, Fußn. 102). VgI. auch die Erwägungen von Wilde in RGRKll, § 313 Anm. 30. U Vereinzelt behauptet man ohne jede Beschränkung auf bestimmte Formvorschriften die Formfreiheit "abschwächender" Abreden: v. Tuhr, S. 509 (§ 63 IV 1): "formlose Nebenabreden, die den Inhalt des Vertrages, die Rechte und Pflichten der Parteien, abschwächen"; Enneccerus 1Nipperdey. S.956 (§ 154 111 1 b): Nebenabreden, welche die Wirkung des Geschäfts nur einschränken. - Gegen eine derartige Verallgemeinerung schon Heldrich, AcP 147 (1941), S. 107 f.; Flume, AT, S. 268 (§ 151113 a). l! Heldrich, AcP 147 (1941), 106; auch Spiro, S. 21/22. 18 Spiro, S.24 mit Fußn. 137: "In der Erklärung, das Grundstück für 100 zu geben, steckt als Minus die Erklärung, es für 120 zu geben." 14 BGH, NJW 1968, 393. 1& RGZ 71, 415, 416. 11 Herriger, JW 1934, 219. 17 i. d. F. vor dem Gesetz vom 30. 5. 1973 (BGBl. I, S.501). 18 Danz, JhJb 54 (1909), 55; Danz, Auslegung, S. 183 ff., 191 ff.; Oertmann, Rechtsordnung, S. 145. - "Ähnliches" soll für §§ 518, 766 BGB gelten: Danz, Auslegung, S. 184. 18 Sehlüter in Festschr. Bartholomeyczik, S. 366 ff.

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3. Kap.: Umfang des Formzwangs

lungs- und Sicherstellungszweck die Aufnahme der einzelnen Bestimmungen eines formbedürftigen Geschäfts in die Urkunde verlangen. Für den Sicherstellungszweck kann die Antwort kurz ausfallen: er ist nur dann voll erfüllt, wenn die Urkunde alle Erklärungen enthält, aus denen sich das betreffende formbedürftige Geschäft zusammenr setzt20• Nur wenn alle Geschäftserklärungen schriftlich verkörpert sind, werden später Schwierigkeiten bei der Ermittlung des von den Beteiligten wirklich Erklärten vermieden. Der Warnung und Hilfestellung dient - neben der bloßen Existenz des Formgebots - vor allem der Vorgang der Urkundenerrichtung. Damit sollen die Angesprochenen im Zeitpunkt des entscheidenden Akts, der die rechtsgeschäftliche Regelung in Geltung setzt, deutlich darauf aufmerksam gemacht werden, was sie zu tun im Begriff sind. Dies geschieht dadurch, daß sie in Gestalt der Urkunde ihre Erklärungen vor Augen gehalten bekommen; bei notarieller Beurkundung kommt die fachkundige Unterstützung durch den Notar hinzu21 • Die Wirksamkeit der vom Gesetz bezweckten Einflußnahme auf die Entstehung des Geschäfts hängt also entscheidend davon ab, wie vollständig dessen Bestimmungen in der Urkunde enthalten sind. Von diesem Ausgangspunkt her wird deutlich, daß eine förmliche Erklärung nur der Verpflichtung, an die das Gesetz den Formzwang knüpft, nicht ausreicht. Steht die Verpflichtung zur übereignung eines Grundstücks oder zur Abtretung eines GmbH-Geschäftsanteils in Frage, ist die Beurkundung z. B. der Gegenleistungspflicht für eine wohlabgewogene Entscheidung über das geplante Geschäft nicht weniger wichtig als der Zwang zu förmlicher Erklärung der Leistungspflicht. Kein Einwand hiergegen ist, daß derartige Verpflichtungen auch schenkweise eingegangen werden können!!. Aus der Möglichkeit einer Verpflichtung zu unentgeltlicher Leistung folgt nicht, daß es für die überlegungen desjenigen, der sich nur entgeltlich verpflichten will, auf die Gegenleistung nicht ankommt. Zu Recht haben daher Rechtsprechung und Literatur bei § 313 a. F. BGB23 und § 15 Abs. 4 GmbHG!4 20 Ist nur die Erklärung eines der Beteiligten formbedürftig, bedeutet dies hier wie im folgenden, daß die der Form unterfallenden Punkte des Rechtsgeschäfts in dieser Erklärung niederzulegen sind. Den Parteien steht es nicht etwa frei, die gewollte Regelung in der nicht formbedürftigen Erklärung des anderen Teils zum Ausdruck zu bringen und die dem Formzwang unterliegende Erklärung auf die bloße Annahme dieser Bedingungen zu beschränken. !1 Vgl. dazu oben Kapitel 2 II 2. 2! So aber Danz, Auslegung, S. 184. 28 RGZ 72, 1, 2; RGZ 78, 115, 121; RGZ 93, 219, 220 f.; RGZ 103, 295, 297; RGZ 107, 357, 358; BGH, Warn 1966 Nr. 30; Enneccerus I Lehmann, S.124 (§ 28 II 3 b); Erman I Battes, § 313 Rdnr. 42; Fikentscher, S.80 (§ 22, 7 g); Larenz I, S.59 (§ 5); Leonhard, AcP 120 (1922), 25; Palandt I Heinrichs, § 313

I. Zu beurkundende Punkte eines formbedürftigen Geschäfts

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von jeher die Beurkundung auch der Verpflichtung zur Gegenleistung verlangt. Nicht zu billigen ist ferner die Ansicht, es genüge eine Beurkundung der essentialia negotii. Normalerweise besteht eine rechtsgeschäftliche Regelung nicht nur aus Bestimmungen, welche die Merkmale eines abstrakten gesetzlichen Geschäftstyps ausfüllen, sondern enthält noch andere Abreden, ohne die die Parteien das Geschäft nicht abgeschlossen hätten. Auch diese aus der Sicht der Beteiligten wesentlichen Geschäftsbestandteile sind bei der Entscheidung über Abschluß und Ausgestaltung eines Geschäfts von erheblicher Bedeutung. Nimmt man die hier in Frage stehende schützende und helfende Funktion der Form wirklich ernst, ist eine Aufnahme auch solcher Bestimmungen in die Urkunde unabdingbar5 • Hiergegen spricht nicht, daß Formvorschriften überwiegend an einen gesetzlichen Geschäftstyp anknüpfen. Dies geschieht allein zur Bestimmung, welche Rechtsgeschäfte formbedürftig sind28 • Ebensowenig aber, wie dies die Forderung beinhaltet, das konkrete Rechtsgeschäft müsse dem gesetzlkhen Geschäftstyp genau entsprechen17 , kann darin eine Beschränkung des Formgebots auf typische Geschäftsbestandteile gesehen werden. Abreden, die für die Beteiligten nicht wesentlich sind, spielen bei der Entscheidung über Ob und Wie eines Geschäfts per definitionem keine ausschlaggebende Rolle. Trotzdem scheint es nicht ratsam, sie von der Beurkundungspflicht auszunehmen. Durch eine derartige Ausnahme nähme man von den Beteiligten den Zwang, sich um eine vollständige Zusammenfassung ihrer Vereinbarung in der Urkunde zu bemühen; die Parteien wären nicht mehr genötigt, sich völlig klar zu werden, worüber man sich im einzelnen wirklich geeinigt hat und worüber nicht. Eröffnete man die Möglichkeit, bestimmte Abreden auch ohne Beachtung der gesetzlichen Form wirksam treffen zu können, begünstigte man bei den Beteiligten die Neigung, gewisse Vereinbarungen als angeblich unwesentlich nicht zu beurkunden oder in Wahrheit noch Anm. 8 b, bb; Ballhaus in RGRK12, § 313 Rdnr.74; Soergel! Reimer Schmidt10, 313 Rdnr. 18; Staudinger ! Wufkal l, § 313 Rdnr. 141. !4 RG, LZ 1920, 652 Nr. 15, 653; Hachenburg! Schilling! Zutt, § 15 Rdnr.48; a. A. Schlüter in Festschr. Bartholomeyczik, S. 366 ff., da § 15 Abs. 4 GmbHG lediglich Erschwerungsfunktion habe. 25 Im Ergebnis ebenso Häsemeyer, Form, S. 220. 2e Im Bereich der Typenfreiheit erfüllen am besten diese Funktion Formvorschriften, die ohne Rücksicht auf den Vertragstyp an die Vereinbarung bestimmter Leistungspflichten anknüpfen, wie es z. B. bei § 313 Satz 1 BGB oder § 15 Abs. 4 Satz 1 GmbHG der Fall ist. Dazu Häsemeyer, Form, S. 214. !7 Hierzu Häsemeyer, Form, S.219: Die konkreten Parteiabreden müssen sich mit dem gesetzlichen Geschäftstyp "wenigstens zu einem Teil überschneiden, wenn das Formgebot überhaupt aktuell werden soll. Doch wieweit der abstrakte Typus mit den konkreten Abreden übereinstimmt, hängt jeweils vom Willen der Parteien ab." §

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3. Kap.: Umfang des Formzwangs

kontroverse Punkte durch vage, der gesetzlichen Form nicht entsprechende Erklärungen scheinbar zu erledigen. Abgesehen von dieser drohenden Beeinträchtigung der schützenden und helfenden Funktion der Form wäre hierdurch für jedes formbedürftige Geschäft eine zusätzliche Quelle der Unsicherheit und des Streits geschaffen, verbunden mit der Gefahr vollständiger Nichtigkeit. Dem läßt sich nur durch Einbeziehung sämtlicher, auch der unwesentlichen, Vereinbarungen eines Geschäfts in den gesetzlichen Formzwang begegnen". Dem dadurch bewirkten Vorteil klarer Verhältnisse stehen keine wesentlichen Nachteile gegenüber: es stellt für die Beteiligten keine große Belastung dar, auch unwesentliche Abreden förmlich zu erklären. Unterbleibt ihre Beurkundung und sind sie daher nichtig, werden die Interessen der Parteien dadurch nicht nennenswert beeinträchtigt. Übrig bleibt schließlich noch die Frage, ob Abreden, welche die Verpflichtung des durch die Form einseitig Geschützten abschwächen, formfrei zuzulassen sind. Der entscheidende Mangel der Begründung dieser These liegt in der Gleichsetzung von einschränkenden Abreden, die sofort als Bestandteil des formbedürftigen Geschäfts geschlossen, mit solchen, die erst nachträglich vereinbart werden. Bei letzteren geht der Geschützte die Verpflichtung zunächst wirklich in dem beurkundeten Umfang ein. Die Urkunde erfüllt dabei voll ihre Funktion, indem sie dem Geschützten die geplante Verpflichtung zutreffend vor Augen hält. Erst später, durch ein zweites Rechtsgeschäft, wird die bereits übernommene Verpflichtung gemindert. Hier spricht man mit Recht von schuldeinschränkenden Abreden, hinsichtlich derer Warnung und Schutz nicht erforderlich sind". Demgegenüber ist die Lage in den hier fraglichen Fällen grundsätzlich anders.· Die Aufspaltung des Rechtsgeschäfts in belastende und entlastende Teile entspricht nicht dem wirklichen Vorgang. Der Geschützte geht nicht zunächst eine weiterreichende Verpflichtung ein, 18 Ebenso Häsemeyer (Form, S. 220) mit der Begründung, die Ausnahme subjektiv unwesentlicher Abreden vom Formzwang räumte "den Parteien die Herrschaft über die Form im Widerspruch zu deren Zwangscharakter" ein. Demgegenüber will Heldrich (AcP 147 [1941], S. 105 f.) unwesentliche Punkte de lege ferenda vom Formzwang ausnehmen. " V~l. zur Formbeliebigkeit solcher die Verpflichtung des durch die Form einseitig Geschützten nachträglich abschwächenden Abreden RGZ 96, 133, 135; Enneccerus! Lehmann, S.187 (§ 42 II 3), S. 789 (§ 191 II 4); Erman! H. H. Seiler, § 518 Rdnr. 6; Erman! Hense. § 780 Rdnr. 13; Häsemeyer, Form, S. 191 f., 238 f.; Larenz II, S.421 (§ 6411); Mormann in RGRK11, § 766 Rdnr. 1; Palandt ! Putzo, § 518 Anm. 2 d; Palandt! Thomas, § 766 Anm.3; Soergel! Hefermehll l , § 125 Rdnr. 6; Soergel! Ballerstedt10, § 518 Rdnr. 4; Soergel! Reimer Schmidtlo, § 766 Rdnr. 20; Staudinger ! Reuss1!, § 518 Rdnr. 4; Staudinger! Brändll l , § 766 Rdnr. 12; v. Tuhr, S. 510 f. (§ 63 IV 2); M. Wolf in Grundlagen, S. 156 (§ 11 III 1). - Bei § 313 BGB sind jedenfalls seit der Neufassung durch Gesetz vom 30.5.1973 (BGBl. I, S.501) grundsätzlich alle Änderungen formbedürftig; vgl. dazu Palandt I Heinrichs, § 313 Anm. 10 a.

I. Zu beurkundende Punkte eines formbedürftigen Geschäfts

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die dann durch eine zweite Vereinbarung gemindert wird. In Wahrheit verpflichtet er sich von vornherein nur in geringerem Umfang. Er wird nur belastet, nicht auch entlastet. Im Unterschied zu den Fällen nachträglicher einschränkender Abreden, in denen sich der Geschützte zunächst wirklich im in der Urkunde bezeichneten Ausmaß verpflichtet hat, gibt die Urkunde hier den vereinbarten Verpflichtungsumfang nicht zutreffend wieder. Warnung und Schutz sind demzufolge gar nicht für den beurkundeten weitergehenden Verpflichtungsumfang gewährleistet, sondern bestenfalls hinsichtlich des wirklich Vereinbartenso• Darüber hinaus läßt sich fragen, ob der Formzwang hier überhaupt noch die ihm zugedachte Wirkung ausübt, da der Geschützte nicht für die Beurkundung des realen minderen Verpflichtungsumfangs Sorge trägt und dadurch zeigt, daß er die Urkunde insgesamt nicht recht ernst nimmt. Jedenfalls läuft er Gefahr, entsprechend der beurkundeten Erklärung schärfer zu haften als vereinbart. Ihm obliegt nämlich der Beweis der zusätzlichen nicht formgerechten Abrede, der meistens nicht leicht zu führen sein wird, zumal die Urkunde die Vermutung der Vollständigkeit für sich hatst• Hiergegen scheint der Einwand möglich, die Gefahr, daß der Geschützte eine behauptete erleichternde Abrede nicht beweisen könne, bestehe auch dann, wenn man bei Nichtbeurkundung solcher Abreden Formnichtigkeit des gesamten Geschäfts annehme. Könne der Schuldner die behauptete "Nebenabrede" im Streitfall nicht beweisen, müsse er ohnehin nach dem Inhalt der Urkunde haften. Gelinge ihm aber der Beweis, reiche es aus, daß das Geschäft mit dem festgestellten wahren Inhalt wirksam seisz• Es sei demnach nicht gerechtfertigt, ihn von seinem Versprechen völlig zu entbinden. Hat es also überhaupt Sinn, im Falle einer erwiesenen erleichternden Abrede deren Nichtigkeit anzunehmen und damit gemäß § 139 BGB zur Ungültigkeit des gesamten Rechtsgeschäfts zu kommen? Die Frage ist zu bejahen. Die h. M. wirkt sich einseitig zugunsten des nicht geschützten Teils auslS • Dies wird deutlich, wenn man die beiden obenu berichteten Entscheidungen betrachtet. Sieht man in RG, Warn 1908 Nr. 149 die erleichternde Abrede als wirksam an, entfällt eine Haftung des Beklagten wegen Eintritts der auflösenden BedinEbenso Häsemeyer, Form, S. 190 f. RGZ 65, 46, 49; RG, JW 1911, 540 Nr. 15; RG, Warn 1917 Nr. 288, S.453; RG, JW 1918, 367 Nr. 5, 368; RG, HRR 1933, Nr. 1006; RG, JW 1934, 219 Nr.8, 220 f.; RG, HRR 1935 Nr. 580; BGH, NJW 1968, 393, 394; Erman I H. H. Seiler, § 766 Rdnr. 19; Mormann in RGRK12, § 766 Rdnr. 7; Soergell Reimer Schmidt10, § 766 Rdnr. 21; Staudinger I Brändlll , § 766 Rdnr. 14. az Vgl. hierzu Spiro, S.26. 3S SO bereits Heldrich, AcP 147 (1941), 106; Häsemeyer, Form, S. 190. u Kapitel 3, nach FuBn. 5. so

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3. Kap.: Umfang des Formzwangs

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gung (Strafanzeige). Hält man die Abrede für unwirksam, entfällt die Haftung wegen Nichtigkeit der gesamten Bürgschaft, ohne daß es auf den Eintritt der Bedingung noch ankommt. In RG, Warn 1917 Nr. 288 bürgten die Erbeserben der Frau Minna R. nach h. M. für die bis zu deren Tod aufgelaufenen Zinsen. War die "Nebenabrede" und damit die gesamte Bürgschaft unwirksam, hafteten sie gar nicht. Dies zeigt: Bei der h. M. geht der durch die Formvorschrift nicht geschützte Teil durch Nichtbeurkundung für den Geschützten günstiger Abreden keinerlei Risiko ein. Im Gegenteil: er hat eine gute Chance, mehr zu erhalten als vereinbart. Im ungünstigsten Fall gilt das wirklich Verabredete. Dem läßt sich allein dadurch begegnen, daß man auch den Gläubiger dazu zwingt, für die Aufnahme sämtlicher Abreden in die Urkunde Sorge zu tragen. Dies wird er nur dann tun, wenn ihm andernfalls die Ungültigkeit des gesamten Geschäfts droht35• Nach allem ist die These von der Formfreiheit "einschränkender Nebenabreden" abzulehnen. 11. Umfang der zu einem formbedürftigen Rechtsgeschäft gehörenden Erklärungen Ist die gesamte das betreffende Rechtsgeschäft ausmachende Regelung zu beurkunden38, wird zuweilen fraglich sein, welche einzelnen Punkte jeweils noch dem formbedürftigen Geschäft zugehören37• Einfach liegen die Dinge, wo Typenzwang herrscht. In diesen Fällen schreibt das Gesetz die notwendigen und möglichen Vereinbarungen für den jeweiligen Geschäftstypus abschließend vor. Es läßt nur bestimmte Rechtswirkungen in bestimmten Ausgestaltungen zu. Der gesetzlich fest umrissene Typus muß in jedem einzelnen Fall durch die konkreten Erklärungen verwirklicht sein. Ist für ein solches Geschäft eine Form vorgeschrieben38, müssen alle Erklärungen, die das Gesetz verlangt oder erlaubt, in die Urkunde aufgenommen werdense. Im Bereich der Typenfreiheit sind die Parteien an gesetzliche Leitbilder nicht gebunden. Sie können atypische Abreden treffen oder mehrere Geschäftstypen miteinander kombinieren. Somit entfällt hier die Möglichkeit, den Umfang eines formbedürftigen Rechtsgeschäfts nach Ebenso Häsemeyer, Form, S. 190 f. die bei Formbedürftigkeit der Erklärung nur eines Beteiligten in dessen Erklärung ausgedrückt sein muß; vgl. oben Kapitel 3, Fußn. 20. 37 Diese Frage wird meistens von der zuvor behandelten, welche Punkte eines formbedürftigen Geschäfts zu beurkunden sind, nicht unterschieden (vgl. z. B. Häsemeyer, Form, S. 216 ff., 274 ff.). 38 Beispiel: Anerkennung der Vaterschaft, § 1600 e BGB. 39 Vgl. hierzu Häsemeyer, Form, S. 217 f. 35

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H. Umfang der Geschäftserklärungen

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den Grenzen eines gesetzlichen Geschäftstyps zu bestimmen. Was zu dem jeweiligen Geschäft gehört, hängt vielmehr allein vom Parteiwillen ab: zu der rechtsgeschäftlichen Einheit zählen alle Abreden, aus denen sich das Geschäft nach dem Willen der Beteiligten zusammensetzt40 • Unproblematisch sind hier die Fälle, in denen die "Nebenabrede" nur der näheren Ausgestaltung der formbedürftigen Vereinbarung dient. So unterliegen beispielsweise auch ergänzende Abreden zur Gegenleistung"l oder die Zusicherung von Eigenschaften des Kaufgegenstandes42 dem Formzwang. Komplizierter ist die Lage, wenn neben dem formbedürftigen "Hauptgeschäft" noch ein - auch selbständig mögliches - an sich nicht formbedürftiges "Nebengeschäft" abgeschlossen wird. In diesem Fall werden die beiden Vereinbarungen nicht schon dadurch zu einem einheitlichen insgesamt formbedürftigen Geschäft zusammengefaßt, daß sie wirtschaftlich zusammengehören und in geringem zeitlichen Abstand voneinander abgeschlossen sind48 • Es reicht auch für sich allein nicht aus, daß die Beteiligten das eine Geschäft nicht ohne das andere abgeschlossen hätten". Vielmehr bilden die beiden Geschäfte nur dann eine dem Formzwang insgesamt unterliegende Einheit, wenn nach den Parteivereinbarungen entweder der "Hauptvertrag" vom Bestand des "Nebenvertrags" oder letzterer vom Bestand des ersteren abhängig sein sollte45 • 40 RGZ 51, 179, 181; RGZ 52, 1, 4; RGZ 64, 35, 40; RGZ 93, 219, 220; RGZ 103, 295, 297; RG, JW 1925, 2236 Nr. 9, 2237; RGZ 118, 105, 108; RGZ 123, 171, 173; BGH, LM § 313 BGB Nr. 3; BGH, NJW 1954, 425, 426; BGH, LM § 313 BGB Nr.14; BGH, NJW 1958, 2062, 2063; BGH, NJW 1961, 1764; BGHZ 40, 255, 262; BGHZ 42, 333, 338; BGH, Warn 1966 Nr. 30; BGH, BB 1966, 720; BGH, DNotZ 1966, 737, 738; BGHZ 50, 39, 41; BGHZ 63, 359, 361; Erman / Battes, § 313 Rdnr. 40; Flume, AT, S.267 (§ 15 IH 3 a); FörschIer in MünchKomm § 125 Rdnr. 20; Häsemeyer, Form, S. 219 f., 274 ff.; Larenz, AT, S.358 (§ 21 I); Lüderitz, S. 205; Palandt / Heinrichs, § 313 Anm. 8 a; Soergel/Reimer Schmidt10, § 313 Rdnr. 15; Staudinger / Wufkau , § 313 Rdnr. 135. 41 RGZ 93, 219, 220 f.; BGH, NJW 1954, 425, 426. 4! RGZ 52, 1, 3; BGH, WM 1973, 612, 613. 43 RGZ 79, 434, 439; RGZ 103, 295, 297 f.; RG, JW 1925, 2236 Nr. 9, 2237; RG, JW 1934, 3265 Nr. 1; BGH, NJW 1961,1764,1765. 44 RGZ 103, 295, 298 f.; RG, JW 1925, 2236 Nr.9, 2237, m. zust. Anm. Otto Fischer; BGH, NJW 1961,1764,1765. 45 Vgl. hierzu Erman / Battes, § 313 Rdnrn. 40, 46, 47; Lüderitz, S. 205 f.; Palandt / Heinrichs, § 313 Anm. 8 c; Soergel/ Reimer Schmidt10, § 313 Rdnrn. 15, 19; Staudinger / KaduklO / 11 , § 313 Rdnrn. 47, 52-55; Ballhaus in RGRKlt, § 313 Rdnrn. 67 ff. - Gegen diese Formel Häsemeyer, Form, S. 275 f. Einheit bejaht in RGZ 64, 35; RGZ 103, 381; RG, JW 1934, 3265 Nr. 1; RG, ZAkDR 1940, 252; BGH, NJW 1969, 1628; BGH, DNotZ 1971, 410; BGHZ 63, 359. Einheit verneint in RG, JW 1925, 2236 Nr. 9; RGZ 123, 171; RG, JW 1932, 1358 Nr. 15; BGH, NJW 1961, 1764; BGH, DNotZ 1966, 736; BGH, Warn 1966 Nr.91.

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3. Kap.: Umfang des Formzwangs

Lassen sich über den wirklichen Willen keine sicheren Feststellungen treffen, bleibt nur die Möglichkeit, auf den im Einzelfall zu konkretisierenden Maßstab abzustellen, welche Bestimmungen ein "objektiver Dritter" aus der "Sicht der Parteien" dem formbedürftigen Geschäft zugerechnet hätte". HI. Zusammenfassung Bei Entscheidung der Frage, welche Punkte eines gesetzlich formbedürftigen Geschäfts in die Urkunde aufzunehmen sind, ist auf die mit Formvorschriften verfolgten Zwecke Rücksicht zu nehmen. Ist Sicherstellung des Erklärten bezweckt, ist die Beurkundung sämtlicher Bestimmungen erforderlich, aus denen sich das betreffende Rechtsgeschäft zusammensetzt. Warnzweck und Hilfestellungszweck sind mit dem Vorgang der Urkundenerrichtung verknüpft. Die Wirksamkeit der damit vom Gesetz beabsichtigten Einflußnahme auf die Entstehung des Geschäfts hängt davon ab, in welchem Umfang dessen Bestimmungen förmlich erklärt werden. Je vollständiger die Urkunde diese Bestimmungen enthält, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß die Form ihre warnende und helfende Funktion erfüllt. Deshalb verbietet sich eine Beschränkung des Formzwangs auf die Verpflichtung, an welche die Formvorschrift anknüpft. Unzureichend ist ferner eine Beurkundung nur der "wesentlichen" Teile eines formbedürftigen Geschäfts. Bestimmt man das, was wesentlich ist, anhand des jeweiligen Geschäftstyps, bleibt außer acht, daß für die Parteien auch Untypisches wesentlich sein kann. Vgl. ferner RGZ 97, 219; RGZ 103, 295; RGZ 145, 246; BGH, LM § 313 BGB Nr.3. Nur im ersten Fall (Abhängigkeit des Hauptvertrags vom Bestand des Nebenvertrags) ist bei Nichtbeurkundung der Nebenvereinbarung nach § 139 BGB immer auch das Hauptgeschäft nichtig. Ist nur der Nebenvertrag vom Bestand des Hauptvertrags abhängig gemacht, ist die Nebenabrede zwar bei Nichtbeurkundung nichtig, weil sie als Teil des insgesamt formbedürftigen Geschäfts ebenfalls dem Formzwang unterlag. Hier besteht aber die Möglichkeit, daß· das Hauptgeschäft auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde, so daß nicht in jedem Fall Nichtigkeit auch des Hauptvertrags gern. § 139 BGB anzunehmen ist. Zu pauschal daher z. B. Erman / Battes, § 313 Rdnr. 40; Staudinger I KaduklO/ 11, § 313 Rdnr. 47. 48 Die Notwendigkeit objektiver Wertung kleidet man oft in ein subjektives Gewand: der Abschluß des einen Geschäfts müsse - "gegebenenfalls stillschweigende" - Bedingung für den des anderen gewesen sein; so Erman I Battes, § 313 Rdnr. 46; Staudinger / KaduklO/ 11, § 313 Rdnr. 54. Vgl. demgegenüber Palandt / Heinrichs, § 313 Anm. 8 c: der Richter habe bei einer Würdigung alle Umstände zu berücksichtigen; auch Lüderitz, S. 206 mit Fußn. 161: neben dem wirklichen Willen sei auch ein "hypothetischer Wille" erheblich. Larenz, AT, S.358 (§ 21 I) will hier "jedenfalls solche ,Nebenabreden' zum Vertragsinhalt rechnen ..., die für das von den Parteien gesehene Aquivalenzverhältnis von Bedeutung sind". Zustimmend FörschIer in MünchKomm, § 125 Rdnr. 20.

III. Zusammenfassung

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Verlangt man nur Beurkundung dessen, was die Beteiligten für wesentlich halten, gibt man ihnen die Gelegenheit, Unbequemes im Widerspruch zur Funktion der Form beiseite zu schieben, und bereitet damit den Boden für späteren Streit. Auch hier muß man daher die Aufnahme sämtlicher Bestimmungen eines Rechtsgeschäfts in die Urkunde verlangen. Dabei gebührt Abreden, welche die Verpflichtung des durch die Form einseitig Geschützten abschwächen, keine Sonderstellung. Verzichtete man auf die Beurkundung solcher Vereinbarungen, wäre der Geschützte keineswegs über seinen wirklichen Verpflichtungswillen hinaus gewarnt, liefe aber Gefahr, nach Maßgabe der weitergehenden Unkunde in Anspruch genommen zu werden, falls er die erleichternde Nebenabrede nicht beweisen kann. Dieser Gefahr läßt sich nur dadurch begegnen, daß man den durch die Formvorschrift nicht geschützten Teil bei Nachweis einer nicht beurkundeten einschränkenden Abrede dem Risiko einer völligen Ungültigkeit des Geschäfts aussetzt. Von der Frage, welche Punkte eines Rechtsgeschäfts zu beurkunden sind, ist die Frage zu unterscheiden, welche konkreten Abreden jeweils dem betreffenden formbedürftigen Rechtsgeschäft zuzurechnen sind. Im Bereich des Typenzwangs werden die Grenzen des Rechtsgeschäfts durch das Gesetz bestimmt. Herrscht Typenfreiheit, zählen alle Abreden zu dem Geschäft, welche die Parteien als dessen. Bestandteil getroffen haben.

Viertes Kapitel

Sprachliche Fassung der Urkundenerklärung I. Fragestellung Sind nach den oben Kapitel 1 getroffenen Feststellungen Auslegung durch Formvorschriften keine Grenzen gesetzt, kann sie unversehens einen Geschäftsinhalt zutage fördern, der sich erheblich von dem unterscheidet, der bei unbefangenem Verständnis der Urkundenerklärung gegeben schien. Hier entsteht dann der Eindruck, eigentlich sei der ermittelte Geschäftsinhalt in der Urkunde gar nicht ausgedrückt. Daher fragt sich, ob nicht eine inhaltlich richtige Fassung der förmlichen Erklärung erforderlich ist derart, daß zwischen der Erklärung und dem Geschäftsinhalt eine mittels eines bestimmten Bedeutungsmaßstabs objektivierbare Beziehung bestehen mußt. 11. Die Andeutungsformel Durch die in Rechtsprechung und Literatur gängige Andeutungsformel wird diese Frage bejaht. In zahllosen Entscheidungen fordert man, der ermittelte Geschäftsinhalt müsse in der Erklärung einen, wenn auch noch so unvollkommenen, Ausdruck gefunden haben2 ; in der lTrkundenerklärung müsse sich wenigstens irgendein AnhaW, eine Andeutung4 des festgestellten Willens finden 5 • Die Literatur folgt dem überwiegend'. 1 Die gleiche Frage stellt Lüderitz (S. 226 f.) allerdings für forrnfreie Geschäfte. 2 RG, JW 1905, 336 Nr. 3; RG, JW 1913, 869 Nr. 14, 870; RG, Warn 1917 Nr. 288, S.452; RGZ 99, 82, 83; RGZ 114, 194, 196; OLG Hamm, HRR 1929 Nr. 1425; RG, HRR 1930 Nr. 971; RG, ZAkDR 1940, 252, 253; BGH, WM 1957, 1222; BGH, NJW 1967, 823; BFH, NJW 1967, 1391; BGH, NJW 1968, 987; BGH, WM 1968, 1350, 1351 = NJW 1969, 131 Nr. 1; BGH, NJW 1969, 131 Nr.2, 132; BGH, WM 1970, 221, 222; BGH, WM 1972, 313, 314; BGHZ 63, 359, 362. 3 RG, Warn 1917 Nr. 59, S.84; RG, JW 1925, 2237 Nr. 10; RG, HRR 1930 Nr. 971; RGZ 145, 229, 232; RGZ 160, 109, 111; RG, ZAkDR 1940, 252, 253; BGHZ 26, 142, 146; BGH, NJW 1962, 1102; BGH, NJW 1969, 131 Nr. 1; BGH, NJW 1969, 131 Nr. 2, 132. 4 RGZ 59, 217, 219; RG Warn 1917 Nr. 59, S. 83; RGZ 154,41,45. 5 Ähnliche Formeln: RGZ 62, 172, 175: In den gebrauchten Worten muß der Ausdruck dessen, was als Wille des Erklärenden ermittelt wird, überhaupt gefunden werden können; RGZ 62, 379, 382: Die wesentlichen Merk-

II. Die Andeutungsformel

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Mit der Andeutungsformel wird also eine inhaltlich "richtige" Erklärung des formbedürftigen Geschäfts verlangt. Der ermittelte Geschäftsinhalt muß in der Urkunde "objektiv" ausgedrückt sein, d. h. mittels Wörtern, die diese Bedeutung auch "wirklich" enthalten. Gefordert ist damit ein Gebrauch der bedeutungsmäßig richtigen Wörter, eine Urkundenerklärung nach einem bestimmten Maßstab 7• Richtigkeitsmaßstab soll nach dieser Ansicht - dies bleibt meistens unausgesprochen - das "allgemeine Sprachverständnis" , eine generell geltende "Verkehrssprache" seinS. In Anbetracht der Schwierigkeiten, male des Geschäfts müssen sich aus der Urkunde selbst überhaupt irgendwie ergeben; RGZ 67, 204, 214: Das durch Auslegung Ermittelte muß in der Urkunde - wiewohl nur unvollkommen - enthalten sein; RGZ 71, 113, 115: Unter Zuhilfenahme anderer Umstände muß der konkrete rechtsgeschäftliche Inhalt der Verpflichtung aus der Urkunde selbst erkennbar hervorgehen; RGZ 76, 303, 306: Die Erklärung selbst muß die wesentlichen Merkmale des Geschäfts noch irgendwie erkennen lassen; BGH, MDR 1964, 130 Nr. 39: Die Willenserklärung muß unter Anwendung der gesetzlichen Auslegungsregeln noch in der Urkunde gefunden werden können. - W. N. bei Lüderitz, S.183; Häsemeyer, Form, S.127 f. • Dabei wird das Andeutungserfordernis häufig auch für nicht formbedürftige Erklärungen aufgestellt: Bartholomeyczik / Schlüter, S. 118 (§ 22 I 2 a); Enneccerus / Nipperdey, S. 961 f. (§ 155 I 1), 1249 (§ 205 I 1, 2), 1251 (§ 205 I 4), 1264 (§ 206 VI); Erman / H. Westermann, § 133 Rdnr. 4; Erman / Hense, § 2084 Rdnr. 2; Förschier in MünchKomm, § 125 Rdnr. 23; Johannsen, WM 1972, 62; Kipp / Coing, S.139 (§ 21 III 1); Krüger-Nieland in RGRKll, § 133 Anm. 4, 12, 17; Lehmann / Hübner, S. 211 (§ 30 VI 3 c), 214 f. (§ 30 VI 4 a, c); Leonhard, AcP 120 (1922), 23 ff.; Leonhard I, S.273 (§ 124); Manigk, Irrtum, S.201, 202, 204 u. öfter; Mormann in RGRK12, § 765 Rdnr. 13; Oertmann, § 133 Anm. 3 b, p, 6 d; Rhode, S.62; Siber in Reichsgerichtspraxis III, S.356; Soergel/ HefermehPo, § 125 Rdnr. 9, § 133 Rdnrn. 8,21; Staudinger / Coingll, § 125 Rdnr. 6, § 133 Rdnr. 24; Staudinger / Seyboldll, vor § 2064 Rdnr. 11; Titze, S.96; v. Tuhr, S. 506 (§ 63 III); Wieling, AcP 172 (1972), 310; M. Wolf in Grundlagen, S.85 (§ 3 II 1 b). W. N. bei Lüderitz, S. 183. Ablehnend: Bang, JhJb 66 (1916), 385; Brox, Einschränkung, S.109, 111; Brox, Erbrecht, Rdnr. 197 (S. 118 f.); Danz Auslegung, S. 167 ff.; Flume, AT, S. 306 f. (§ 16, 2 c), 334 f. (§ 16, 5), 430 (§ 21, 10); Hack, S. 29 ff.; Häsemeyer, Form, S.132 ff., 144 ff.; v. Lübtow, S. 267 ff.; Lüderitz, S. 184 ff.; Oertmann, Rechtsordnung, S. 142 ff.; Säcker, JurA 1971, 510 f., 513; Soergel/ HefermehPl, § 125 Rdnr. 9, § 133 Rdnr. 27; Soergel/ Knoppl0, § 2084 Rdnr. 9; E. Wolf, S. 323, Fußn. 8 (§ 9 A II a); Zeiler, Gruchot 52 (1908), 236, 241 ff.; wohl auch Lange / Kuchinke, S. 483 (§ 33 III 3 c). 7 Vgl. die Charakterisierung bei Häsemeyer, Form, S.147: "Bei solchen Geschäften bezieht sich die Form nicht nur auf den äußerlichen Modus der Errichtung; es genügt nicht, daß die Beteiligten in der vorgeschriebenen Form mit ihren eigenen Worten und nach individuellen Absichten erklären, was zwischen ihnen rechtens sein solle. Die Form sichert vielmehr, daß der rechtliche Erfolg des Geschäfts in strikter Abhängigkeit von der Erklärung steht; den Beteiligten wird genau vorgeschrieben, was sie (formgerecht) zu erklären haben, ja sogar, welche Worte sie im einzelnen wählen müssen, um bestimmte rechtliche Wirkungen zu begründen." S So zutr. Häsemeyer, Form, S.146. - Vereinzelt legt man einen individuellen Maßstab an, was freilich von der Andeutungsformel nichts übrig läßt. So deutlich RGZ 80, 400, 403: Die Parteien "müssen nach Maß und Inhalt ihres beiderseitigen damaligen tatsächlichen Wissens einen bestimmten

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4. Kap.: Sprachliche Fassung der Urkundenerklärung

den richtigen Sprachgebrauch für den einzelnen Fall exakt zu bestimmen (und wohl auch zur Vermeidung allzu vieler formnichtiger Geschäfte), mildert man zwar die Anforderungen ab: ein wenn auch noch so unvollkommener Ausdruck, irgendein Anhalt, eine Andeutung soll genügen'. Das Problem bleibt jedoch dabei gleich: auch die Frage der Andeutung ist nur anhand eines bestimmten Maßstabs zu entscheiden10• Die Prüfung richtiger Erklärung hat danach folgendermaßen zu erfolgen: Zunächst ist der Geschäftsinhalt in der oben Kapitell beschriebenen Weise zu ermitteln. Danach muß festgestellt werden, ob er in der Urkunde "enthalten" ist. Hierzu ist diese nach allgemeinen Sprachund Erfahrungsregeln "aus sich selbst" auszulegen und zu prüfen, ob der so ermittelte "objektive" Urkundensinn nicht allzusehr vom tatsächlichen Geschäftsinhalt abweicht, das Geschäft also wenigstens "in etwa" von der Urkunde gedeckt ist. Ist dies nicht der Fall, so kann die rechtsgeschäftliche Regelung nicht gelten; das Geschäft ist formnichtigu • schriftlichen Ausdruck für eine ihnen genügende Bezeichnung des fraglichen Vertragspunktes erachtet und ihn darum in die Urkunde aufgenommen haben; sie müssen also Schriftlichkeit für den betreffenden Punkt gewollt und diesen ihren Willen durch einen ihnen verständlich und genügend erscheinenden Ausdruck vollzogen haben. Weder also genügt es, daß Dritte nach ihrem tatsächlichen Wissen oder auch nach späteren Ermittelungen über die den Parteien bekannt gewesene Sachlage einen bestimmten Ausdruck als eine genügende Bezeichnung erachten könnten und erachten; noch schadet es, daß Dritten nach diesem oder jenem Maße der Kenntnis ein bestimmter Ausdruck als eine ihnen fern liegende, ihnen unzureichende Bezeichnung erscheinen könnte und erscheint." Ferner RG, HRR 1930, Nr. 971; Larenz, AT, S.299 (§ 19 II b), S. 302 f. (§ 19 II d); M. Wolf in Grundlagen, S.85 (§ 3 II 1 b); wohl auch Erman I H.Westermann, § 125 Rdnr. 3; vgl. ferner Häsemeyer, Form, S. 137-140, m. w. N. 8 Wieling (AcP 172 [1972], 310 oben) spricht bezeichnenderweise von einem "Kompromiß". 10 Besonders in Entscheidungen zur Bürgschaft findet sich häufig die Formulierung, das zu beurkundende Rechtsgeschäft müsse mindestens in seinen wesentlichen Teilen in der Urkunde selbst enthalten sein, aus dieser unmittelbar hervorgehen (RGZ 57, 258, 260 ff.; RGZ 59, 217, 218 f.; RGZ 62, 379, 382; RGZ 67, 204, 214; RGZ 71, 113, 115; RGZ 131, 1, 5; RGZ 137, 305, 309). Aus dem Zusammenhang gerissen erzeugt dieser Satz den Schein, für "wesentliche" Geschäftsteile reiche ein unvollkommener Ausdruck in der Urkunde nicht aus. (In diesem Sinn möchte M. Wolf in Grundlagen, S.85, Fußn. 24, § 3 II 1 b, diese Entscheidungen verstehen.) Liest man weiter, wird man jedoch eines besseren belehrt: auch für wesentliche Teile soll eine Andeutung genügen (RGZ 59, 217, 219; RGZ 62, 379, 382: müssen sich "aus der Urkunde selbst überhaupt irgendwie ergeben"; RGZ 67, 204, 214; RGZ 71, 113, 115; RGZ 76, 303, 306; RGZ 145, 229, 232; BGH, WM 1957, 1222 f.; BGHZ 26, 142, 146; BGH, NJW 1962, 1102 f.; BGH, NJW 1967, 823; BGH, NJW 1968,987). 11 Vgl. die deutliche Beschreibung bei Rhode, S.62: Die Auslegung "kann bei formbedürftigen Erklärungen allerdings auch zu dem Ergebnis führen, daß die Willenserklärung zwar einen bestimmten Sinn erkennen läßt, daß dieser aber nicht wirken kann, weil er in dem objektiven Sinn der Urkunde nicht deutlich genug zum Ausdruck gekommen ist." - Ferner (auch für formfreie Geschäfte) Manigk, Irrtum, S.205: "Trat zunächst an den Richter die

II. Die Andeutungsformel

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Die Andeutungsformel hat also eine doppelte Funktion: Hinsichtlich der GeschäftsinhaZtsermittlung drückt sie die Erkenntnis aus, daß die in der Urkunde enthaltene Abschlußerklärung ein wichtiges Indiz für das Gemeinte darstelltl!. Hinsichtlich der Formfrage will sie Richtlinie dafür sein, wann ein bestimmter Geschäftsinhalt in der Urkunde richtig erklärt ist. Die Rechtsprechung ist sich dieser Doppelfunktion der Andeutungsformel kaum bewußt. Bald wird die Formel bei der Inhaltsermittlung verwendet, bald auf die Formfrage bezogen. Auch in der Literatur unterscheidet man die beiden Funktionen meistens nicht streng. Dies zeigen beispielhaft die Ausführungen von Häsemeyer13• In seiner Kritik an der AndeutungsformeP4 spricht er zwar davon, die Formel nötige dazu, formgebundene Erklärungen in der "Verkehrssprache" abzufassen15• Das hindert ihn aber nicht daran, die Andeutungsformel ausschließlich unter dem Stichwort "Auslegung formbedürftiger Rechtsgeschäfte" zu behandelnlI. Für ihn beschränkt sich die mit der Andeutungstheorie verbundene Problematik auf die Frage, "ob der Auslegung durch die Formgebundenheit einzelner Willenserklärungen besondere Aufgaben gestellt sind"17. Hierdurch wird jedoch der Blick dafür verFrage heran, was die Parteien wirklich gewollt haben, so ergibt sich in zweiter Linie die Frage, ob dies auch erkennbar kundgetan wurde."; S.209/210: "Die konkrete Feststellung des Willens ist in den Fällen der Zweifelhaftigkeit der Erklärung stets erforderlich. Ob sie freilich zur wirksamen Erheblichkeit des Willens führt, ist eine andere Frage, deren Beantwortung von einer zweiten Feststellung abhängt, nämlich derjenigen, was erklärt ist." Vgl. auch Manigk, Verhalten, S. 122 unten, 195. 12 Hierzu oben Kapitell V. 13 Form, S. 121 ff. 14 Form, S. 144 H. 15 Form, S.146. Vgl. auch Form, S.149: "Wenn man von den Formalgeschäften absieht, bezieht sich die gesetzliche Form nur auf die Errichtung, dagegen nicht auf die inhaltliche Abfassung eines Rechtsgeschäfts". 18 Form, S. 121 ff. 17 Form, S. 122, vor 1. Diese verkürzte Sicht der Andeutungsformel zeigt sich an vielen Stellen; vgl. ferner z. B. Form, S.121, vor I: bei der Auslegung formbedürftiger Geschäfte wolle man das Rechtsgeschäft der Form nachordnen und letzterer einen formalisierenden Einfluß auf den Inhalt des Rechtsgeschäfts einräumen; Form, S. 125, vor 1: nach der Andeutungstheorie solle die Auslegung einer formgerechten Willenserklärung nur soweit gehen dürfen, als das Auslegungsergebnis in der Erklärung noch angedeutet sei; Form, S.133: die Andeutungsformel diene als Auslegungsmaßstab; Form, S. 145: sie wolle eine besondere Auslegungsregel für formgebundene Willenserklärungen geben; Form, S. 146: sie mache den Wortlaut der formgerechten Erklärung zum entscheidenden AUSlegungsmaßstab; Form, S.147: sie laufe darauf hinaus, daß der Inhalt formgebundener Rechtsgeschäfte von deren Form her bestimmt und ihr unterworfen werde; Form, S.148: sie suche der Auslegung mit Hilfe des objektiven Wortlauts eine Grenze zu ziehen; Form, S. 150: sie belaste die Auslegung formgebundener Geschäfte mit einem schon im Ansatz verfehlten Scheinformalismus; Form, S.156: sie wolle die Andeutung im formgerechten Wortlaut als Auslegungsmaßstab nehmen. 5 Bemard

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4. Kap.: Sprachliche Fassung der Urkundenerklärung

stellt, daß die hauptsächliche Funktion der Andeutungsformel darin besteht, einen Maßstab für die richtige Fassung der Urkunde zu geben. Geht es um die Formgültigkeit eines bereits vorliegenden Geschäfts, so ermittelt man zwar die "objektive Bedeutung" der Urkundenerklärung. Diese bestimmt aber nicht den Inhalt des Geschäfts. Sie wird vielmehr nur zur Prüfung der Frage herangezogen, ob der unabhängig davon festgestellte Geschäftsinhalt vom Urkundentext gedeckt ist. In dieser Funktion bezeichnet die Andeutungsformel also keine Auslegungsschranke, sondern betrifft die Geltung des Geschäfts.

In. Kritik 1. Unsichere Andeutungskriterien

Bedenken gegen die auf die Formfrage bezogene Andeutungsformel ergeben sich zunächst daraus, daß es schwierig ist, den zur Beurteilung der Urkundenerklärung erforderlichen Maßstab in Form allgemeiner Wortbedeutungen zu ermittelnl8• Der Erklärende hat kaum die Möglichkeit, sich der Richtigkeit seines Sprachgebrauchs zu vergewissern. Nur in Ausnahmefällen, bei Wechsel (Art. 1 Nr. 1 WG) und Scheck (Art. 1 Nr. 1 ScheckG) schreibt das Gesetz ausdrücklich die Benutzung bestimmter Wörter vor'. Ansonsten bleibt der einzelne seinem Sprachgefühl überlassenlo• Dem Zwang, richtig zu erklären, wird dadurch etwas von seiner Schärfe genommen, daß die Andeutungsformel einen mehr oder weniger großen Spielraum läßt. In Zweifelsfällen ist dadurch das Problem freilich nur verschoben. Hier wird das Fehlen eines sicheren Maßstabs für die Grenzen möglichen Wortsinns offenbar. Dementsprechend muten die Ergebnisse oft willkürlich an21 • Aus einer Reihe deutlicher Beispiele gegensätzlicher Entscheidungen trotz gleicher Lage im urkundlichen Ausdruck22 seien hier zwei Fälle herausgegriffen. 18 Vgl. hierzu Heck, AcP 112 (1914), S. 40 ff., besonders 44-49; Bailas, S. 34 ff.; Häsemeyer, Form, S.146 ff. 11 Vgl. Lüderitz, S. 76 f.: "Wortformen"; Häsemeyer, Form, S. 200 f., 217: "Wortformalismus". 20 Hier bleibt im Grunde genommen nur der Weg, die Chance der Andeutung des Gemeinten durch Aufnahme möglichst vieler "Umstände" in die Urkunde zu erhöhen. Vgl. hierzu Oertmann, Rechtsordnung, S.141 f.; auch Danz, Auslegung, S. 169, 182 f. (der allerdings auch Geschäftserklärungen zu den Umständen zählt); Lange I Kuchinke, S.483 (§ 33 III 3 c): Bevorzugung des "schreibseligen und unklaren" Erblassers. 21 Dies soll nicht heißen, daß sie jeweils zu mißbilligen seien. Häufig ist es nur die auf der Andeutungsformel aufbauende Begründung, die nicht überzeugt. 12 Vgl. den ausführlichen Rechtsprechungsbericht bei Lüderitz, S. 184 ff.; ferner Häsemeyer, Form, S. 133 ff.

III. Kritik

67

In RG, JW 1913, 869 Nr. 14 hatte der Erblasser seinen Sohn August W. testamentarisch von der Erbfolge ausgeschlossen. Weiter war im Testament nichts bestimmt. Fallfrage war, ob die Abkömmlinge des August W. den Erblasser beerbt hatten oder ob die Ausschließung des August W. den ganzen Stamm treffe. Das Reichsgericht hielt eine Erforschung des Erblasserwillens für überflüssig. Da der Erblasser in klarer Weise lediglich bestimmt habe, sein Sohn solle von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen sein, sei für eine Auslegung des Testaments mit· dem Ergebnis der Ausschließung des ganzen Stammes kein Raum. Wörtlich heißt es: "Sollte selbst der Erblasser des Glaubens gewesen sein, daß er durch Ausschließung des August W. auch dessen Abkömmlinge ausgeschlossen habe, so hat er sich eben hierin geirrt. Seinem Willen, die Abkömmlinge seines Sohnes August W. auszuschließen, konnte er, wenn er einen solchen gehabt haben sollte, nur dadurch Geltung verschaffen, daß er ihn im Testamente, wenn auch in noch so unvollkommener Weise, zum Ausdruck brachte. Das ist hier nicht geschehen. "23 Bei - was den Ausdruck betrifft - völlig gleicher Lage kommt das Reichsgericht in RGZ 99, 82 zum entgegengesetzten Ergebnis. Hier ging es um die Frage, ob in der Erbeinsetzung eines Geschwisterkinds zugleich eine Ersatzberufung von Abkömmlingen des Eingesetzten gefunden werden könne. Während das Kammergericht die Frage verneinte, weil das Testament neben der ohne Erläuterung ausgesprochenen Erbeinsetzung des Geschwisterkinds keine Bestimmung enthalte, die einen Anhalt dafür gewähre, daß die Erblasserin eine Ersatzberufung der Kinder des Genannten beabsichtigt habe, führt das Reichsgericht aus, daß "die Einsetzung einer Person ein der ausdehnenden Auslegung in dem hier in Rede stehenden Sinne fähiger Ausdruck ist, daß also, wer den A zum Erben beruft, damit unter Umständen in der Tat zum Ausdruck bringt, daß bei Wegfall des A, mag dieser Wegfall vorausbedacht sein oder nicht, andere Personen, nämlich die zur gesetzlichen Erbfolge nach A berufenen Abkömmlinge, an dessen Stelle treten sollen. "24 Beide Entscheidungen betreffen die Frage, ob in der Bezeichnung einer Person zugleich ein "wenn auch unvollkommener Ausdruck" von deren Abkömmlingen liege. Zwar läßt sich möglicherweise - je nachdem, ob die Ausschließung oder die Ersatzberufung des ganzen Stammes in Frage steht - ein unterschiedlicher WiLle der Erblasser vermuten. Dies kann jedoch - nimmt man die Rechtsprechung beim Wort - voneinander abweichende Entscheidungen gerade nicht rechtfertigen. Denn dem Willen soll nur dadurch Geltung verschafft werden können, 23 24

5*

RG, JW 1913, 870. RGZ 99, 86.

68

4. Kap.: Sprachliche Fassung der Urkundenerklärung

daß er im Testament druck gebracht wird25•

wenn auch noch so unvollkommen -

zum Aus-

Neben den Mangel unsicherer Andeutungskriterien tritt das Unbehagen daran, daß es oft vom baren Zufall abhängt, ob sich für den wirklichen Geschäftsinhalt in der Urkunde wenigstens ein Anhaltspunkt findet oder nicht. Dies mag folgendes Beispiel verdeutlichen: In BGH, NJW 1969, 131 Nr. 2 waren "zum Zwecke des Straßenbaues" verkaufte, noch nicht vermessene Grundstücksteile im notariellen Vertrag nur durch Angabe der vollständigen Grundstücke (nach dem Grundbuch) und der Gesamtfläche der Teilstücke bezeichnet. Eine genaue Bezeichnung der den Parteien bekannten Teilstücke durch Angabe ihrer jeweiligen Lage und Größe fehlte. Diese ließen sich jedoch mit Hilfe der dem Bauprojekt zugrunde liegenden Pläne und Verzeichnisse zweifelsfrei bestimmen. Wären diese Unterlagen in der Urkunde irgendwo erwähnt gewesen, hätte dies dem Bundesgerichtshof anscheinend als "wenn auch unvollkommener Ausdruck des Parteiwillens" genügt2'. 2. Mißachtung der Andeutungsformel in den Fällen unbewußter Falschbezeichnung

Man könnte versucht sein, die aufgezeigte Konturenlosigkeit der Andeutungsformel als vermeintlich notwendiges übel hinzunehmen. Ein mehr ins Gewicht fallendes Bedenken ist jedoch, daß die Rechtsprechung bei einer ganzen Fallgruppe, nämlich den Fällen unbewußter Falschbezeichnung, sich in der Regel gezwungen sieht, die Andeutungsformel zu mißachtenZ7 • Hierfür ein Beispiel28 : In BGH, WM 1967, 701 sollte ein Buchenwaldgrundstück, bestehend aus den aneinander grenzenden Flurstücken 26 So sehr deutlich gerade die oben berichtete Entscheidung RG, JW 1913, 869, 870. - Zuweilen sagen gegensätzliche Ergebnisse zweier Entscheidungen allerdings nichts über den Wert der Andeutungsformel aus. So wird diese zwar z. B. in RGZ 154, 41, 45 zur Begründung herangezogen. In der Entscheidung RGZ 80, 400, in der es wie in der ersten darum geht, ob ein Vertretungsverhältnis in der Urkunde genügend zum Ausdruck gekommen ist, legt das Reichsgericht aber einen individuellen Maßstab an. Dort heißt es u. a. (S. 403): Die Parteien "müssen nach Maß und Inhalt ihres beiderseitigen damaligen tatsächlichen Wissens einen bestimmten schriftlichen Ausdruck für eine ihnen genügende Bezeichnung des fraglichen Vertragspunktes erachtet und ihn darum in die Urkunde aufgenommen haben". Vgl. dazu bereits oben Kapitel 4, Fußn. 8. 20 BGH, NJW 1969, 132. 17 Auf diese Unstimmigkeit wird oft hingewiesen; vgl. z. B. Brox, Einschränkung, S.lll; Brox, Erbrecht, Rdnr. 197 (S.1l8 f.); Danz, Auslegung, S. 181 f.; Häsemeyer, Form, S. 140 ff.; Lüderitz, S. 186 ff.; Oertmann, Rechtsordnung, S. 142; Säcker, JurA 1971, 510; E. Wolf, S. 323, Fußn. 8 (§ 9 A II a). 28 Vgl. ferner z. B. RGZ 46, 225, 227 f.; RG, JW 1904, 58 Nr.13; RGZ 60, 338, 340; RGZ 61, 264, 265; RGZ 66, 21, 23 f.; RG, JW 1907, 540, 541; RGZ 73, 154, 157; RG, Warn 1910 Nr. 270, S.282; RG, SeuffA 70 Nr.223; RG, Gruchot 59,

III. Kritik

69

Nr.829 und 830 verkauft und aufgelassen werden. Im notariellen Vertrag war jedoch versehentlich nur das Flurstück Nr.830 genannt. Das Gericht erachtete auch das Flurstück Nr. 829 als mitverkauft und aufgelassen. Eine unrichtige Bezeichnung des von den Beteiligten übereinstimmend Gewollten (falsa demonstratio) sei unschädlich. Auch bei Verträgen, deren Wirksamkeit an die Einhaltung der in § 313 BGB vorgeschriebenen Form geknüpft sei, mache eine unvollständige oder unrichtige Erklärung des Vertragswillens die tatsächlich getroffenen Vereinbarungen nicht ungültig, wenn die Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit nur die Beschreibung des Vertragsgegenstandes betreffe!t. Das Beispiel zeigt, was für die meisten Fälle unbewußter Falschbezeichnung giUSo: der Urkunde läßt sich auch bei bestem Willen kein wenn auch noch so unvollkommener Ausdruck des Gemeinten entnehmen, will man nicht das Andeutungserfordernis seines Sinns völlig entleerens1. Das Schrifttum billigt nahezu ausnahmslosS! die Entscheidungen der Rechtsprechung zu den Fällen unbewußter FalschbezeichnungBs. Der 1052, 1054 f.; RGZ 109, 334, 336; BayObLG, OLGE 40, 260 f.; BGH, MDR 1964, 130 Nr. 39; BGH, WM 1964, 911, 913; BGH, NJW 1969, 131 Nr. 2, 132; BGH, NJW 1969, 2043, 2045 (unter IV 1 b); BGH, WM 1971, 1084, 1085 (unter II 2 b); BGH, WM 1973, 869, 870; umfangreiche w. N. bei Zeiler, Gruchot 52 (1908), 227 ff.; Bang, JhJb 66 (1916), 378 ff.; Lüderitz, S.186 ff. - BFH, NJW 1967, 1391, 1392 macht die Einschränkung, der fragliche Punkt müsse "in der Urkunde selbst hinreichend bestimmbar bezeichnet sein". H BGH, WM 1967, 702 (unter 3). 10 Umfaßt der Ausdruck mehr, als damit gemeint ist (zum veräußerten Rittergut C. gehört eine Moorparzelle, die nach übereinstimmendem Parteiwillen nicht mitveräußert sein sollte; vgI. RGZ 66,21), liegt zwar die Argumentation nahe, das "Weniger" sei im "Mehr" enthalten (so z. B. Oertmann, Rechtsordnung, S. 147, unter cl. Richtigerweise kommt es aber auf eine Andeutung gerade der Einschränkung an. 31 VgI. Lehmann 1Hübner, S.214 (§ 30 VI 4 a): "In kaum einem der hier in Betracht kommenden Fälle der falsa demonstratio hat der wahre Wille auch nur den bescheidensten Ausdruck in der Urkunde gefunden." 8! Vom Ansatz der Andeutungsformel aus konsequent, aber praxisfern Serozan (S.19), der bei unbewußter Falschbezeichnung Formnichtigkeit annimmt; wer bei bewußter Diskrepanz zwischen Wille und Erklärung das Gewollte nicht gelten lasse, müsse bei unbewußter Diskrepanz das Gewollte vom Gesichtspunkt des Schutzzwecks der Formvorschrift aus erst recht als formnichtig behandeln. - Für eine strikte Anwendung der Andeutungsformel auch in Fällen unbewußter Falschbezeichnung ferner Wieling (AcP 172 [1972], 307 ff.), da andernfalls die Zwecke jeder Formvorschrift, einen klaren und vollständigen Willensausdruck zu garantieren, den Beweis des Vertragsinhalts zu sichern und eine Überwachungsmöglichkeit zum Schutz Dritter und der Allgemeinheit zu schaffen, verfehlt würden (S. 308/309). aa Vgl. Bang, JhJb 66 (1916), 309, 385; Bartholomeyczik I Schlüter, S.136 (§ 24 I 3 a); Danz, Auslegung, S. 167 f., 181; Enneccerus I Lehmann, S. 124 (§ 28 II 3 b); Enneccerus 1Nipperdey, S.1032, Fußn.13 (§ 166 IV), S.1264, Fußn.50 (§ 206 VI); Erman 1H. Westermann, vor § 116 Rdnr.8, § 125 Rdnr.4; Flurne, AT, S.301 (§ 16, 1 d), 306 f. (§ 16, 2 cl; Förschler in MünchKomm, § 125 Rdnr.24; Häsemeyer, Form, S. 281; Johannsen, WM 1972, 63 (bei falscher Be-

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4. Kap.: Sprachliche Fassung der Urkundenerklärung

Widerspruch zur Andeutungsformel wird dabei von deren Befürwortern - wenn man ihn überhaupt erwähnt - keiner großen Erörterung für wert gehaltenS4 • Hilflos begegnet die Andeutungsformel auch einem "bemerkenswerten Unterschied"85 in der Beurteilung der Fälle bewußter und unbewußter Falschbezeichnungen. Nur unbewußte Falschbezeichnungen sind unschädlich. Bei bewußten Falschbezeichnungen hingegen gilt nach nahezu unwidersprochener Ansicht weder das Erklärte noch das Gemeintes,. Diese Diskrepanz läßt sich vom Standpunkt der Andeutungsformel aus nicht verstehen. Unter dem Aspekt genügenden Ausdrucks liegen die Fälle bewußter und unbewußter Falschbezeichnung völlig gleich. zeichnun~ einer Person oder eines Gegenstands; allerdings müsse ein Anhaltspunkt für das wirklich Gewollte vorhanden sein, S. 64 oben); Kipp 1 Coin~, S. 173 (§ 24 III 4 b); Lange 1Köhler, S. 225 (§ 38 II 2 b) ; Lange 1 Kuchinke. S.482 (§ 33 III 3 b); Larenz, AT, S.295 (§ 19 II a); Lehmann 1 Hübner, S.214 (§ 30 VI 4 a); v. Lübtow, S. 268 ff.; Oertmann, Rechtsordnung, S. 142 ff.; Pa1:Indt 1Heinrichs, Einf. vor § 116 Anm. 2 a, § 313 Anm. 8 e; Palandt / Keidel. § 2078 Anm. 1 a; Säcker, JurA 1971, 510; Soergell Heferme>hJ11, § 119 Rdnr. 19. § 125 Rdnr. 10, § 133 Rdnrn. 15, 27; Soer~ell Knopplo, § 2084 Rdnr. 6; Stathopoulos in Festschr. Larenz, S. 370 f. (mit Einschränkun/ten bei der Ausle/tun/t anhand der Formzwecke); Staudinger 1Coin~I1, § 119 Rdnr. 57; E. Wolf, S. 322 f. (§ 9 A II a); M. Wolf in Grundlagen, S. 80 f. (§ 3 I 2), S.85 (§ 3 II 1 b); Zeiler, Gruchot 52 (1908), 236, 245. - Vgl. auch v. Tuhr, S. 507 f. (§ 63 III), der allerdings Einschränkungen auf Grund der Warnfunktion von Formvorschriften machen möchte. 14 Vgl. etwa Enneccerus 1Nipperdey, S. 1264, Fußn. 50 (§ 206 VI): "Bei falsa demonstratio dürfte die Form für das beiderseits Gewollte gewahrt sein, da trotz objektiv unrichtiger Bezeichnung das Gewollte im Verhältnis der Beteili/tten zueinander richtig in der Urkunde zum Ausdruck kommt"; Erman 1 H. Westermann, § 125 Rdnr.4: Bei falsa demonstratio liege "streng genommen" ein Beurkundungsmangel vor; Lehmann 1Hübner, S.214 (§ 30 VI 4 a): "Auf eine Erklärung des wahren Willens wird auch hier verzichtet, weil die formgerechte Fehlerklärung ihn den Beteiligten offenbart."; M. Wolf in Grundla/ten. S.85 (§ 3 II 1 b): "Das Gewollte muß irgendwie, wenn auch unvollständig oder mit einer unrichtigen Bezeichnung, in der Urkunde selbst angedeutet sein". 35 Flume, AT, S. 406 (§ 20, 2 a); auch Larenz, AT, S. 323 f. (§ 20 I cl. S8 Vgl. RGZ 78, 115, 119 ff.; RGZ 94, 147. 148; RGZ 104, 102, 104; RGZ 104, 296,298; RGZ 129, 150, 152; BGH, MDR 1958, 593; BGHZ 14, 25, 30; BGHZ 54, 56, 62 f. - Bang, JhJb 66 (1916), 371/372; Enneccerus 1Lehmann, S.124 (§ 28 II 3 b); Enneccerus 1Nipperdey, S.1026 (§ 165 II 2); Erman 1Battes, § 313 Rdnr.63; Flume, AT, S. 404 ff. (§ 20, 2 a); Förschier in MünchKomm, § 125 Rdnr.28; Kallimopoulos, S. 150 f.; Lange 1Köhler, S.369 (§ 58 III 3); Larenz, AT, S. 323 f. (§ 20 I cl; Lehmann 1Hübner, S.252 (§ 34 II 2 a); Palandt IHeinrichs, § 313 Anm. 8 d; Krüger-Nieland in RGRKII, § 117 Rdnr.22; Soergell Hefermehll1 , § 125 Rdnr.10; Staudinger 1Coingl1 , § 117 Rdnr. 19; E. Wolf, S.242 (§ 7 B IV cl; M. Wolf in Grundlagen, S. 92 f. (§ 4 12); Zeiler, Gruchot 52, (1908), S. 246 ff. - Anders Oertmann, Rechtsordnung, S. 144 f. (der allerdings daran zweifelt, daß § 313 BGB sich auf die Preisangabe erstreckt); ebenso anscheinend Danz, Auslegung, S. 181. Vgl, auch Lüderitz, S. 198, unter (b), 210. v. Tuhr (S. 507 f., § 63 III) möchte für den Fall, daß in der Urkunde über einen Grundstückskaufvertrag der Kaufpreis bewußt höher als vereinbart angegeben ist (vgl. RGZ 78, 115), das Vereinbarte gelten lassen.

II!. Kritik

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3. Andeutungserfordemis und Formzwecke

Die mit der Andeutungsformel verbundenen praktischen und theoretischen Schwierigkeiten geben Veranlassung zu der bisher vernachlässigten Frage, ob Formvorschriften das Andeutungserfordernis überhaupt begründen können, ob sie eine Urkundenerklärung nach einem bestimmten Maßstab verlangen. In einer Abhandlung über die falsa demonstratio hat Wieling37 diese sonst kaum erörterte Frage bejaht. Unter Bezugnahme auf die Materialien zum BGBI8 geht er davon aus, jede Formvorschrift habe auch den Zweck, einen klaren und vollständigen Willensausdruck zu garantieren, den Beweis des Geschäftsinhalts zu sichern und eine überwachungsmöglichkeit zum Schutz Dritter und der Allgemeinheit zu schaffen3G • Die Form solle verhindern, daß es zu Streitigkeiten über das Rechtsgeschäft komme. Geschehe dies dennoch, müsse eine Entscheidung des Streits "aus der Urkunde selbst heraus" möglich sein. Die Urkunde solle gerade die unsicheren Beweise durch Zeugenverhör, Parteivernahme usw. überflüssig machen. Das sei nur denkbar, wenn der Inhalt des Rechtsgeschäfts objektiv aus der Urkunde ersichtlich sei. Andernfalls sei der Formzweck verfehlt. Die Form könne in solchen Fällen nicht als gewahrt gelten40 • Da jedoch eine strenge Durchführung dieses Grundsatzes undurchführbar sei, müsse man sich mit dem Komprorniß der Andeutungstheorie begnügen41 • Mit diesen Ausführungen wird überschätzt, was eine Formvorschrift zu leisten vermag. Entsteht Streit über den Geschäftsinhalt, kann er in keinem Fall allein aus der Urkunde entschieden werden. Ihr Wortlaut ist zwar ein wichtiges Indiz für den Geschäftsinhalt, weil sich die Erklärenden darin in der Regel um möglichst vollständigen und unmißverständlichen Ausdruck bemühen werden4Z • Die Urkunde allein kann aber niemals Gewißheit hinsichtlich des Geschäftsinhalts schaffen. Auch wenn sie - für sich betrachtet - vollständig und völlig klar erscheint, kann sich bei Berücksichtigung außerurkundlichen Materials herausstellen, daß sie unvollständig und mißverständlich abgefaßt ist. An dieser Sachlage ändert sich nicht das geringste dadurch, daß man eine Urkundenerklärung nach einem bestimmten Maßstab vorschreibt. Auch AcP 172 (1972), S. 308 ff. Mot. I, S. 179; Prot. I, S. 460 f. 39 Wieling, AcP 172 (1972), S. 308/309. 40 Wieling, AcP 172 (1972), S. 309. 41 Wieling, AcP 172 (1972), S. 310. Ähnlich bereits Leonhard (AcP 120 [1922], 24f.): Andeutung in der Urkunde werde "durch die Zwecke der Formvorschriften gebieterisch gefordert." 42 Hierin liegt die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Urkunde begründet. Dazu oben Kapitell V. 37

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4. Kap.: Sprachliche Fassung der Urkundenerklärung

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in diesem Fall ist - außer bei Wortformen - der Urkunde selbst nicht zu entnehmen, ob die Erklärenden sich des richtigen Sprachgebrauchs bedient haben und die Urkunde daher den wirklichen Geschäftsinhalt "objektiv" offenbart. Dies läßt sich nur dadurch feststellen, daß man auch außerurkundliche Erklärungen und Umstände heranzieht. Die Argumentation von Wieling ist also nicht folgerichtig. Er meint, wenn man fordere, die Urkundenerklärung müsse nach einem bestimmten Maßstab abgefaßt sein, genüge es zur sicheren Feststellung des wirklichen Geschäftsinhalts, wenn man sie nach ebendiesem Maßstab auslege. übersehen ist dabei, daß zunächst immer erst festgestellt werden muß, ob die Urkunde die Erklärung vollständig enthält und der Erklärungsmaßstab eingehalten ist. Ist dies der Fall, kann man so tun, als entnähme man allein der Urkunde den wirklichen Geschäftsinhalt. In Wahrheit hat man aber die Frage der Inhaltsermittlung, innerhalb derer etwaige Beweisprobleme auftauchen, bereits zuvor entschieden. Der Beweiszweck läßt sich somit durch Formvorschriften in der Ausgestaltung als Konstitutivform43 überhaupt nur unvollkommen erfüllen". Die Urkundenerklärung kann immer nur ein Indiz für den wirklichen Geschäftsinhalt sein. Dies gilt auch für den Fall, daß man die Einhaltung eines Erklärungsmaßstabs verlangt. Eine derartige Forderung läßt sich daher aus dem Beweiszweck von Formvorschriften nicht zwingend begründen. Alle Beweisschwierigkeiten wären allerdings aus der Welt geschafft, wenn der Beweiszweck von Formvorschriften erforderte, daß außerurkundliche Beweismittel unzulässig seien45 • Das führte - außer in den Fällen, in denen eine Urkunde unverständlich ist - dazu, daß jeweils der "objektive" Urkundeninhalt gälte. Die Unzulässigkeit einer solchen Verfahrensweise wurde jedoch bereits oben41 ausführlich begründet: Formvorschriften regeln nur, wie zu erklären ist. Sie entscheiden damit allein über Gültigkeit oder Ungültigkeit des Rechtsgeschäfts. Niemals können sie die Geltung eines Geschäftsinhalts begründen, der Zur Tenninologie Häsemeyer, Form, S. 197 f. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Bemerkung von Zweigert I Kötz (S. 49, unter Ir!), die Tatsache, daß der Formmangel im deutschen Rechtskreis stets zur Ungültigkeit des Geschäfts führe, und dies selbst dann, wenn im Einzelfall die Abgabe der streitigen Erklärung oder die übereinstimmung des Vertragswillens der Parteien mit äußerster Sicherheit bewiesen werden könne, lasse sich letztlich nur damit erklären, daß der Gesetzgeber mit der Fonn in der Regel auch Seriositätsfunktionen anstrebe. - Der Beweiszweck allein kann - genau genommen - eine Konstitutivfonn nicht voll rechtfertigen. Vgl. auch M. Wolf in Grundlagen, S. 153 (§ 11 I 2 a). 45 Häsemeyer (Fonn, S. 197 f.) spricht hier von Beweisfonn. 48 Kapitell IrI. 43

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111. Kritik

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von dem wirklichen abweicht, wie er sich unter Berücksichtigung auch außerurkundlichen Materials ergibt. Auch mit dem Warn- und dem Hinweiszweck läßt sich das Andeutungserfordernis nicht rechtfertigen. Die Erreichung dieser Zwecke hängt nicht davon ab, ob bei der urkundlichen Erklärung ein bestimmter Bedeutungsmaßstab eingehalten ist. Den Beteiligten steht mit den von ihnen gewählten Ausdrücken - mögen sie auch dem "allgemeinen" Sprachgebrauch nicht entsprechen - jeweils das damit wirklich Gewollte deutlich vor Augen. 4. Hintergrund der Andeutungsformel

Der Schlüssel zum Verständnis der Hartnäckigkeit, mit der die Praxis an der Andeutungsformel festhält, scheint in folgendem zu liegen: Zweifellos führt nur der erklärte Wille zu Rechtsfolgen. Daher meint man, ein bestimmter Geschäftsinhalt müsse, um zu gelten, in der Erklärung objektiv ausgedrückt seinC7• Als Beispiel folgende Formulierung: "Was im Text nicht in irgendeiner Form noch Ausdruck gefunden hat, ist gar nicht erklärt und kann nicht Gegenstand der Auslegung sein. Insoweit gilt, daß Gedanken zollfrei sind, aber auch juristisch irrelevant. "48 Man möchte sich also nicht mit einer zuverlässigen Wiedergabe der Erklärung in der Urkunde begnügen, sondern hält eine richtige Wiedergabe des Willens für erforderlich4D • Dieses Erfordernis sieht man als erfüllt an, wenn der Erklärung das Gemeinte nach allgemeinem Sprachgebrauch (noch) zu entnehmen ist. Bemerkenswert ist, daß es hier um eine Problematik geht, die nicht auf formbedürftige Geschäfte beschränkt ist, sondern ebenso für nicht 47 Flume (in Festschr. DJT I, S.191 = AT, S.331/332, § 16, 5) qualifiziert dies ausdrücklich als Formproblem: "Die Problematik von Auslegung und Irrtum erschöpft sich beim Testament in der Überschneidung des Prinzips der Selbstbestimmung mit dem Formproblem. Während aus der Anerkennung der Selbstbestimmung folgt, daß nicht auf Grund einer objektiven Auslegung eine Regelung entgegen dem Willen des Testators in Geltung gesetzt werden darf, ist zu fragen, ob die vom Testator gemeinte Anordnung verwirklicht werden kann, wenn sie bei objektiver Auslegung durch die Testamentsform nicht gedeckt ist." 48 Staudinger {Coingll , § 133 Rdnr.24. Deutlich auch Manigk, Irrtum, S. 201 ff., z. B. S.204{205: "Denn der Richter hat gemäß dem richtig verstandenen § 133 den wirklichen inneren Willen, der der Erklärung zugrunde liegt, nur dann als erheblich festzustellen, wenn und sofern er in der Erklärung zum Ausdrucke kam. Der Wille kann ohne Erklärung nicht positiv wirken, und die Erklärung des Willens ist nicht nur formal Indiz desselben, sondern selbst materielle juristische Tatsache. Trat zunächst an den Richter die Frage heran, was die Parteien wirklich gewollt haben, so ergibt sich in zweiter Linie die Frage, ob dies auch erkennbar kundgetan wurde." " Dies wird z. B. in BGHZ 37, 79, 92 ausdrücklich als Alternative gegenübergestellt.

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4. Kap.: Sprachliche Fassung der Urkundenerklärung

formbedürftige Willenserklärungen besteht50• Es überrascht daher nicht, daß die Geltung der Andeutungsformel auch für formfreie Geschäfte behauptet wird51 , wenn dies auch kaum zu Konsequenzen führt&!. Diesen Gedankengängen liegt (meist unausgesprochen) die Vorstellung zugrunde, zwischen Wort und Bedeutung bestehe ein gleichsam naturgegebener, generell feststehender, dinglicher Zusammenhang53• Folgerichtig kommt es dann bei Willenserklärungen darauf an, die bedeutungsmäßig "richtigen" Wörter zu gebrauchen; nur diese können die intendierten rechtsgeschäftlichen Wirkungen erzeugenM. Die Vorstellung, bestimmte Bedeutungen seien mit bestimmten Wörtern fest verbunden, steckten gleichsam in ihnen, und man könne daher 50 Zutreffend Häsemeyer (Form, S.200, unter b): "Wortformalismus ist nicht selbstverständlich an eine äußere Form, also an eine Form heutiger Terminologie gebunden; historisch ist er auch und gerade für mündliche Geschäfte nachweisbar - man denke nur an die römische Stipulation." Bei seinen Ausführungen zur Andeutungsformel (Form, S. 125 ff.) weist er allerdings auf die Identität der Fragestellung nicht besonders hin. 51 RGZ 59, 217, 219; RG, JW 1905, 336 Nr.3; Staudinger ! Coingll , § 133 Rdnr. 24; Enneccerus! Nipperdey, S. 1249 (§ 205 I 1 und 2); Lehmann 1Hübner, S. 211 (§ 30 VI 3 c), 215 (§ 30 VI 4 c); Krüger-Nieland in RGRKll, § 133 Anm. 4; Soergel! HefermehPo, § 133 Rdnr. 8; Erman! H. Westermann, § 133 Rdnrn. 4, 6; Manigk, Irrtum, S. 20lff.; Manigk, JhJb 75 (1925), 174 f., 221; Manigk. Handwörterbuch, Erster Band, Artikel "Auslegung", S.439, unter 5; Ebbecke, JhJb 69 (1920), 1. n Vgl. Häsemeyer, Form, S. 125 ff. (unter 1). 53 Deutlich Ernst Zitelmann (Irrtum und Rechtsgeschäft, 1879, S. 239, zitiert bei Bailas, S. 35): "Wie im Güterverkehr eine bestimmte Ware, und zwar das edle Metall, als allgemeingiltiges Aequivalent festgestellt und so das Geld geschaffen ist, so bildet auch im Gedankenverkehr die Sprache das Hauptverkehrsmittel; und zwar wie ferner an dem einzelnen Stück edlen Metalls selbst erkennbar gemacht ist, welchen Wert es repräsentieren soll, damit man der Mühe der jedesmaligen Wertbestimmung überhoben sei, wie also die Münzen geschaffen sind, so haben auch die einzelnen Worte eine ein für alle Mal bestimmte Bedeutung erhalten." - Ferner v. Hippel, Privatautonomie, S.161/162: "Ein solches Erraten" (nämlich des Innenlebens einer Person auf Grund nicht sprachlicher Indizien) "ist aber unbequem, und das Ergebnis häufig genug unsicher. Man kann diese Arbeit und Ungewißheit vermeiden, indem man eine Sprache begründet, d. h. äußere Zeichen einführt, deren jedes eine bestimmte Bedeutung haben soll, auf einen bestimmten inneren oder äußeren Zustand oder Vorgang hinweist. Wer dann dies verabredete Zeichen gebraucht, macht damit unmittelbar die Mitteilung, die jenes ,bezeichnet'. Man weiß jetzt, was ,gemeint' ist, ohne herumraten zu müssen." Vgl. aber auch den Hinweis v. Hippels (privatautonomie, S. 162, Fußn.6) auf die gleichwohl vom Hörer weiterhin zu fordernde Selbständigkeit. 54 Vgl. die treffende Charakterisierung bei Lüderitz, S.65: "Die Praxis sehnt sich nach des Juristen Paradies, in dem jedes Wort eine präzise Bedeutung hat. Hier können sich Rechtsfolgen automatisch an Worte knüpfen. Es geht zu wie im Märchen: nur wer das Zauberwort kennt, vermag den Geist zu rufen". Vgl. in diesem Zusammenhang zum Wortformalismus im römischen Recht Kaser I, S. 23 (§ 4 III), 34 f. (§ 8 II), 202 (§ 57 I), 571 (§ 161 II); Kaser II, S. 48 f. (§ 200 II 1); Jhering, S. 577 ff.; ferner Dulckeit in Festschr. Fritz Schulz I, S.161: Die Form ist nicht "Schutzform", sondern "Wirkform", also Geltungsgrund des Geschäfts; auch Flume, AT, S. 244 ff. (§ 15 I 1).

III. Kritik

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einen Gedanken nur mit genau festliegenden, ihn gegenständlich enthaltenden Wörtern ausdrücken, trifft jedoch nicht zu. Wörter sind immer nur Zeichen für einen gemeinten Sinn. Sie tragen das, was sie bedeuten, nicht unmittelbar in sich55 • Der Gedanke ist in den Wörtern, die ihn ausdrücken, nie unmittelbar gegeben58• Um ihn zu erfassen, ist immer die Anstrengung des Verstehens notwendig, die auch ein noch so guter Ausdruck nicht überflüssig machen kann. Treffend sagt bereits Wilhelm von Humboldt: "Die gemeinsame Rede ist nie mit dem übergeben eines Stoffes vergleichbar. In dem Verstehenden, wie im Sprechenden, muß derselbe aus der eignen, innren Kraft entwickelt werden; und was der erstere empfängt, ist nur die harmonisch stimmende Anregung. "57 55 V,gl. Lipps, S.72: "Die Worte sind nur ein Mittel, etwas zu sagen oder auszudrücken. Sie treten nicht als Träger einer autonomen Bedeutung auf." 58 Deutlich Betti in Festschr. Rabel 11, S.80: "Ganz all,gemein müssen wir uns wohl hüten, die wahrnehmbare Stütze oder das Werkzeug, welches, sei es von Dauer oder nicht, der Dimension der physischen Welt angehört, mit dem Sinngehalt zu verwechseln, der dieser Stütze anvertraut ist, anvertraut als einem Träger der ihn gewissermaßen mitführt, festhält und verkörpert: einen Gehalt, dessen gedanklicher Sinn einer Geistesebene angehört, die von der physischen Welt grundlegend verschieden ist." Vgl. ferner bereits Danz, Richterrecht, S. 183 ff. 57 Humboldt, S.56. Vgl. ferner Humboldt, S. 169 f.: "Ihr" (der Sprache) "Element, das Wort, bei dem wir der Vereinfachung wegen stehen bleiben können, theilt nicht, wie eine Substanz, etwas schon Hervorgebrachtes mit, enthält auch nicht einen schon geschlossenen Begriff, sondern regt bloss an, diesen mit selbständiger Kraft, nur auf bestimmte Weise zu bilden. Die Menschen verstehen einander nicht dadurch, dass sie sich Zeichen der Dinge wirklich hingeben, auch nicht dadurch, dass sie sich gegenseitig bestimmen, genau und vollständig denselben Begriff hervorzubringen, sondern dadurch, dass sie gegenseitig in einander dasselbe Glied der Kette ihrer sinnlichen Vorstellungen und inneren Begriffserzeugungen berühren, dieselbe Taste ihres geistigen Instruments anschlagen, worauf alsdann in jedem entsprechende, nicht aber dieselben Begriffe hervorspringen. Nur in diesen Schranken und mit diesen Divergenzen kommen sie auf dasselbe Wort zusammen." - Ebenso schon Jhering, S. 444-446: "Nur um den Preis also kann der Gedanke aus dem Schooß der subjectiven Innerlichkeit in die Außenwelt treten, daß er sein eigentliches Wesen einbüßt, d. h. daß er erstarrt; der ausgesprochene Gedanke ist, so zu sagen, gefrorenes Denken. Nur im uneigentlichen Sinn können wir daher von einer Mittheilung oder übertragung des Gedankens sprechen; übertragen wird nicht der Gedanke selbst, sondern das Wort gewährt nur den Anstoß und die Möglichkeit eines ähnlichen Denkvorganges, der Reproduction einer ähnlichen geistigen Bewegung in der Seele des Hörers, wie in der des Sprechenden." Das Wort sei "nicht der gefesselte Gedanke in seiner Objectivität". - Vgl. auch Betti in Festschr. Rabel II, S.82: "Man verfiele hingegen einem groben materialistischen Vorurteil, wollte man jene Formen, vor allem die Erklärungen, als eine Art Hülle oder Umhüllung verstehen, durch deren übermittlung man etwas wie eine übertragung oder Entgegennahme eines darin eingeschlossenen Gedachten zuwege brächte." Ferner Betti, S.92: Das Phänomen des Verstehens zeige, "daß die vom Mitmenschen gesprochene Rede von uns nicht gebrauchsfertig wie ein körperlicher Gegenstand entgegengenommen werden kann, sondern in Gestalt einer Anregung und Anrufung unserer Intelligenz, eines Ansinnens und einer Aufforderung an diese, das Wahrgenommene zurück-

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4. Kap.: Sprachliche Fassung der Urkundenerklärung

Aus der Tatsache, daß rechtsgeschäftliche Regelungen erklärt werden müssen um zu gelten, läßt sich somit nicht folgern, dazu seien nur bestimmte inhaltlich "richtige" Wörter und Sätze geeignetl8• Ein "von Natur aus" vorgegebener Zusammenhang zwischen Wort und Bedeutung besteht nicht. Es gibt keinen per se richtigen oder falschen Ausdruck für einen Gedanken5D• Freilich ließe sich vorstellen, daß das Gesetz für bestimmte oder alle Geschäfte die zu benutzenden Wörter - wie bei Wechsel und Scheckvorschriebe60• Dies hat es jedoch nicht getan. Es wäre widersprüchlich, zwar freie Auslegung zuzulassen (§ 133 BGB), aber für den Fall, daß sie einen vom Buchstaben abweichenden Sinn ans Licht bringt, die Gültigkeit des Geschäfts zu verneinen". Hieran ändert sich bei formbedürftigen Geschäften nichts; schon oben" wurde dargelegt, daß die Zwecke von Formvorschriften nicht die Einhaltung eines Bedeutungsmaßstabs verlangen. Ist also die Fassung der Erklärung allein Sache des Erklärenden, muß es unter dem Aspekt, daß eine Regelung förmlich erklärt werden muß um zu gelten, genügen, daß der Erklärende sich in der Urkunde solcher Wörter bedient, die für ihn im Augenblick der förmlichen Erklärung das Gemeinte bezeichnen. Mit einer Formulierung des Reichsgerichts": Die Parteien "müssen nach Maß und Inhalt ihres beiderseitigen damaligen tatsächlichen Wissens einen bestimmten schriftlichen Ausdruck für eine ihnen genügende Bezeichnung des fraglichen Vertragspunktes erachtet und ihn darum in die Urkunde aufgenommen haben ... Weder also genügt es, daß Dritte nach ihrem tatsächlichen Wissen oder auch nach späteren Ermittelungen über die den Parteien bekannt gewesene Sachlage einen bestimmten Ausdruck als eine genügende Bezeichnung erachten könnten und erachten; noch schadet es, zuübersetzen. von innen heraus nachzukonstruieren, in unserem Innern und mit unseren Denkkategorien den Gedanken, wie ihn das gesprochene Wort erweckt und darstellt, durch einen gestaltenden, formgebenden Vorgang erneut zum Ausdruck zu bringen." 18 Vgl. hierzu Frotz, S. 404 ff.; Wieling, AcP 172 (1972), 301, 306 (anders allerdings gerade für formbedürftige Geschäfte: S. 307 ff). SI Unrichtig also, wenn es BGHZ 37, 79. 93 für möglich hält, der Urkundeninhalt könne "nicht (nur) die Willenserklärung, sondern (auch) den inneren Willen des Erklärenden zuverlässig wiedergeben". 80 Eine pauschale Bindung an den "üblichen" Sprachgebrauch käme dabei allerdings kaum in Betracht. Wer könnte gewiß sein, ihn zu treffen? Wer traute sich zu, ihn zu ermitteln bzw. festzusetzen? Es bliebe also nur der Weg, die zu gebrauchenden Wörter im einzelnen vorzuschreiben, was eine Beseitigung der inhaltlichen Gestaltungsfreiheit durch Schaffung eines numerus clausus der Geschäftstypen voraussetzte. 81 VgI. auch Hack, S. 32. GI Kapitel 4 III 3. 83 RGZ 80, 400, 403.

III. Kritik

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daß Dritten nach diesem oder jenem Maße der Kenntnis ein bestimmter Ausdruck als eine ihnen fern liegende, ihnen unzureichende Bezeichnung erscheinen könnte und erscheint. "tU Hat demnach der Erklärende den für ihn im Zeitpunkt der förmlichen Erklärung "richtigen" Ausdruck in die Urkunde aufgenommen, ist formgerecht erklärt. Auch wenn er sich - gemessen an "allgemeinem" oder eigenem Sprachgebrauch - "falsch" ausgedrückt hat, ändert dies nichts daran, daß damit die fragliche Regelung in Geltung gesetzt ist. Zu beachten ist freilich, daß hiermit nur das Problem richtiger Erklä-

rung angesprochen ist. Die Ermittlung der rechtlichen Bedeutung der

formgerechten Erklärung erfolgt unabhängig hiervon nach den auch für nicht formbedürftige Erklärungen geltenden Grundsätzen. Die Erklärung hat also nicht notwendig den Sinn des vom Erklärenden damit Gemeinten, sondern kann aus Gründen des Vertrauensschutzes auch eine davon abweichende, durch normative Auslegung festzustellende Bedeutung haben. Diese Frage nach dem Sinn einer Erklärung hat aber mit der nach ihrer Formgültigkeit nichts zu tun. Festzuhalten bleibt: Es trifft zu, daß ein nicht erklärter Wille keine Rechtsfolgen hervorrufen kann; Gedanken allein sind juristisch irrelevant8S• Dies bedeutet jedoch lediglich, daß der "Wille", die rechtsgeschäftliche Regelung, erst durch den Akt der Erklärung in Geltung gesetzt werden muß. Nur diese Seite der Willenserklärung als Geltungsakt betrifft die Formvorschrift. Im Gegensatz zu formfreien Geschäften ist hier bei formbedürftigen eine bestimmte Form der Publikation vorgeschrieben. Zwar ist die Willenserklärung nicht nur Geltungsakt, sondern zugleich auch Ausdruck der Regelung, die in Geltung gesetzt werden solllS. Diesen Bedeutungsaspekt berühren Formvorschriften aber überhaupt nicht. Sie verlangen nicht, daß der Sinn der rechtsgeschäftlichen Regelung in der Erklärung bei "objektivem" Verständnis wenigstens noch angedeutet erscheinen, also ein bestimmter Erklärungsmaßstab - sei er generell oder individuell - eingehalten werden muß 87• Die Erklärung setzt somit die rechtsgeschäftliche Regelung erst in Geltung, ist 64 Dieser Formulierung zustimmend Flurne, AT, S. 307 (§ 16, 2 cl; ferner Larenz, AT, S.299 (§ 19 II b), der die Frage allerdings nicht genügend vom Aspekt der Auslegung trennt. Häsemeyer (Form, S. 138, Fußn. 98) bezeichnet das Urteil als "unklar". Ähnlich wie RGZ 80, 400, 403 auch RG, HRR 1930 Nr.971. u Staudinger / Coingl l , § 133 Rdnr.24; v. Lübtow, S.265; Lüderitz, S.226, unter I. eB Zu dieser Unterscheidung Flume, AT, S. 78 f. (§ 6, 1); über die Notwendigkeit der Trennung beider Aspekte vgl. auch Wieacker, JZ 1967, 386 (unter H, a. E.), 387 (unter HI 2), 388 (unter IV 1), 390 (unter V 2). 87 Ebenso allerdings nicht speziell für formbedürftige Geschäfte - Lüderitz, S. 226 ff.; auch Danz, Auslegung, S. 169.

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4. Kap.: Sprachliche Fassung der Urkundenerklärung

aber - bildlich gesprochen - nicht ein Gefäß, welches die Erklärungsbedeutung "objektiv" enthalten muß. Auch bei formbedürftigen Geschäften darf sich der Erklärende demnach seiner eigenen Worte bedienen, ohne befürchten zu müssen, deshalb die Form zu verfehlen8s• Die Form-( == Geltungs-)frage und die des Erklärungssinns lassen sich nicht miteinander koppeln. IV. Zusammenfassung Neben ihrer Rolle bei der Ermittlung des Inhalts formbedürftiger Rechtsgeschäfte wird die Andeutungsformel - was man meistens nicht deutlich genug auseinanderhält - auch zur Entscheidung der Formfrage herangezogen. Hier gebietet sie, die Urkunde unter Beachtung der Grenzen "allgemeinen Sprachgebrauchs" abzufassen. Dieses Gebot erweckt Bedenken, weil sich der Erklärende nirgends Gewißheit über die "Richtigkeit" seiner Sprache verschaffen kann. In Zweifelsfällen zeigt sich dementsprechend Orientierungslosigkeit bei Entscheidung der Andeutungsfrage, die an Willkür grenzt. Zudem hängt es vom Zufall ab, ob die Urkunde einen rettenden Anhaltspunkt für das Gewollte aufweist oder nicht. In den Fällen unbewußter Falschbezeichnung wird die Andeutungsmaxime offen mißachtet, ohne daß dies gerechtfertigt werden könnte. Unerklärlich bleibt auch, weshalb bewußte Falschbezeichnungen trotz - was den urkundlichen Ausdruck betrifft - gleicher Lage zur Formnichtigkeit führen. Der Beweiszweck von Formvorschriften ist kein ausreichender Grund, die Frage der Formerfüllung davon abhängig zu machen, ob die Urkundenerklärung am allgemeinen Sprachgebrauch gemessen richtig ist. Hierdurch würde angesichts der verschwommenen Konturen dieses Maßstabs die Gefahr der Formnichtigkeit erhöht, ohne daß eine Verbesserung der Beweislage einträte: man sieht es der Urkunde nicht an, ob der Erklärungsmaßstab eingehalten ist. Streit darüber, ob die Urkundenerklärung nach allgemeinem Sprachgebrauch zu verstehen und das Geschäft daher formgültig oder ob sie abweichend davon auszulegen und das Geschäft somit - falls der gewählte Ausdruck das Gemeinte nicht einmal mehr andeutet - formnichtig ist, läßt sich nie 8S Treffend Brox, Einschränkung, S.111, vor 5: "Abschließend können wir also sagen, daß die These, der Wille müsse seinen Ausdruck gefunden haben, gebilligt, aber auch abgelehnt werden kann, je nachdem, in welchem Sinne sie gemeint ist. Versteht man darunter, der innere Wille werde erst relevant, wenn das Gesetz erlassen, die Willenserklärung abgegeben ist, dann ist dem zuzustimmen. Meint man damit aber, jede einzelne Vorstellung müsse im Gesetz, in der Willenserklärung sichtbar gemacht werden, so kann dem nicht beigepflichtet werden."

IV. Zusammenfassung

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aus der Urkunde allein entscheiden. Auch der Warn- und der Hilfestellungszweck einer Fonnvorschrift verlangen keine an einem bestimmten Maßstab ausgerichtete Fassung der Urkundenerklärung. Auch wenn die Beteiligten sich ungewöhnlich ausdrücken, haben sie damit doch das Gewollte deutlich vor Augen. Der Andeutungsformel liegt die Vorstellung zugrunde, der Regelungsinhalt müsse in der Urkundenerklärung greifbar enthalten sein um gelten zu können. Eine Erklärung besteht jedoch immer nur aus Zeichen, die ihre Bedeutung niemals in sich selbst tragen. Es gibt keinen festen, unabänderlichen Zusammenhang zwischen bestimmten Wörtern und bestimmten Gedanken. Die Brücke zwischen Ausdruck und Sinn - und umgekehrt - muß jeweils neu geschlagen werden. Ein bestimmter Gedanke kann daher auch mit Wörtern erklärt sein, die ihn nach üblichem Verständnis nicht einmal unvollkommen ausdrücken. Die Andeutungsformel hat somit bei der Formfrage keinen Platz. Die Frage der Geltung und die des Inhalts eines Rechtsgeschäfts lassen sich nicht in einer Einheitslösung miteinander verbinden.

Fünftes Kapitel

SchluJifolgerungen für typische Problemlagen Zieht man die Konsequenz aus dem oben Kapitel 3 und 4 Gesagten, so ergibt sieb. als Formgebot, daß die Beteiligten alle einzelnen Punkte der rechtsgeschäftlichen Regelung in ihren eigenen Worten in der Urkunde ausdrücken müssen. Verlangt ist eine vollständige Integration der das formbedürftige Rechtsgeschäft konstituierenden aus der Sicht der Beteiligten im Zeitpunkt der Urkundenerrichtung "richtig" gefaßten Erklärung in die Urkunde. Für die Beurteilung eines bereits fertig vorliegenden formbedürftigen Geschäfts bedeutet dies unter dem Aspekt der Formwahrung: zur Auslegung einer förmlichen Erklärung kann (und muß erforderlichenfalls) auch außerurkundliches Material herangezogen werden1• Wie jede rechtsgeschäftliche Erklärung erfolgt auch die formbedürftige in einem bestimmten Zusammenhang, der ihren Sinn mehr oder weniger entscheidend mitprägt. Solche Erklärungsumstände gehören nicht etwa zur Erklärung und unterliegen daher nicht dem FormzwangZ. Stellt sich unter Berücksichtigung dieser Umstände eine vom "üblichen" Verständnis abweichende Erklärungsbedeutung heraus, ändert dies somit nichts an der Formgültigkeit der Erklärung. Ist der Auslegungsgegen1 Vgl. z. B. RGZ 59, 217, 219; RGZ 62, 379, 382; RGZ 67, 204, 214; RGZ 71, 113, 115; RGZ 80, 400, 403 f.; RG, Warn 1913 Nr.230; RGZ 95, 125, 126; RG, SeuffA 75 Nr. 107, S. 190; RGZ 99, 82, 85; OLG Hamm, HRR 1929 Nr. 1425; RG, HRR 1930 Nr.278; RG, HRR 1930 Nr.971; RGZ 145, 229, 232; RG, HRR 1935 Nr. 656; RGZ 159, 272, 278; RG, Warn 1939 Nr.46, S.112; BGHZ 21, 155, 161 f.; BGH, WM 1957, 1222; BGHZ 26, 142, 146; BGH, WM 1962, 906, 908; BGH, MDR 1964, 130 Nr.39; BFH, NJW 1967, 1391; BGH, NJW 1967, 823; BGH, NJW 1968, 987; BGH, NJW 1969, 131 Nr.2, 132; BGH, WM 1971, 1084, 1085; BGHZ 63, 359, 362; Danz, Auslegung, S.168 f., 180 ff.; Enneccerus! Nipperdey, S.961 (§ 155 I 1); Erman I H. Westermann, § 125 Rdnr.3; Flume, AT, S.263 (§ 15 111 1), S. 306 f. (§ 16, 2 cl; Krüger-Nieland in RGRKlI, § 125 Rdnr.7; Larenz, AT, S.298 (§ 19 11 b); Lehmann! Hübner, S.214 (§ 30 VI 4 a); v. Lübtow, S.271 (§ 6 AI); Lüderitz, S.179; Mayer-Maly in MünchKomm, § 133 Rdnr.30; Oertmann, Rechtsordnung, S. 137 ff.; Palandt! Heinrichs, § 133 Anm.2; Soergel! Hefermehll l , § 125 Rdnrn. 8, 9, § 133 Rdnr. 27; Soergel! Knopp10, § 2084 Rdnr. 8; Staudinger ! Coingl l, § 125 Rdnrn.6, 7, § 126 Rdnr.3, § 133 Rdnm.40, 56; v. Tuhr, S. 506 ff. (§ 63 111); E. Wolf, S.323, Fußn.8 (§ 9 A 11 a); M. Wolf in Grundlagen, S.85 (§ 3 11 1 b). - Allerdings schickt man diesen Aussagen fast ausnahmslos die Andeutungsformel hinterher. 2 Danz, Auslegung, S. 169; Larenz, AT, S.298 (§ 19 11 b); v. Lübtow, S.271 (§ 6 AI); Oertmann, Rechtsordnung, S.137 ff.; Soergel! Knopp10, § 2084 Rdnr.9.

5. Kap.: Schlußfolgerungen für typische Problemlagen

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stand vollständig in der Urkunde enthalten, ist der Formvorschrift genügt, selbst wenn sich der Erklärende - gemessen an "allgemeinem" oder eigenem Sprachgebrauch - ungewöhnlich ausgedrückt hat, die Urkunde also einem mit den näheren Umständen des Geschäfts nicht Vertrauten ihren wirklichen Sinn nicht "richtig" offenbare. Von der Auslegung der Urkundenerklärung unter Berücksichtigung der Erklärungsumstände ist aber eine Ergänzung der Urkunde durch außerurkundliche Erklärungen streng zu unterscheiden4• In diesen Fällen wird nicht der Sinn des förmlich Erklärten durch Auslegung ermittelt, sondern der Auslegungsgegenstand über die Urkunde hinaus durch der gesetzlichen Form nicht entsprechende Erklärungen (die ihrerseits ebenfalls der Auslegung bedürfen) erweitert. Hier enthält die Urkunde also nicht alle Erklärungen, aus denen sich das formbedürftige Geschäft zusammensetzt. Somit ist ein Teil des Auslegungsgegenstandes, nämlich der nur außerhalb der Urkunde erklärte, nicht in Geltung gesetzt. Das Schicksal des formgerecht erklärten Teils hängt dann gemäß § 139 BGB davon ab, ob er auch ohne den formnichtigen Teil vorgenommen worden wäre5 • Entscheidend ist also die Abgrenzung der jeweiligen Geschäftserklärung, des Auslegungsgegenstands, von den sie begleitenden Umständen, den Auslegungsmitteln8 • Zuweilen zählt man - freilich meist auf formfreie Geschäfte bezogen - auch die Umstände zur Erklärung. So wird unter "Willenserklärung im Sinne der §§ 116 ff. BGB" beispielsweise "über die Abschlußformel hinaus alles das" verstanden, "was der Empfänger auch ohne besondere Erklärung wissen, verstehen und berückS Von dem hier Erörterten ist die Frage zu unterscheiden, ob Formvorschriften der Auslegung formbedürftiger Erklärungen Schranken ziehen. Dies ist zu verneinen. Die Auslegung förmlicher Erklärungen hat nach denselben Grundsätzen zu erfolgen wie die nicht formbedürftiger. In den Grenzen erforderlichen Vertrauensschutzes gilt das mit der Erklärung Gemeinte. Das Nötige hierzu wurde bereits oben Kapitel 1 III 2 b gesagt. 4 Dies wird öfter betont; vgl. RGZ 67, 204, 214; RG, JW 1925, 2237 Nr.l0; RG, HRR 1935 Nr.656; OLG Hamm, HRR 1929 Nr.1425; Krüger-Nieland in BGB-RGRKll, § 125 Anm. 21; Mecke, § 9 Rdnr. 12; Staudinger / Coing ll , § 125 Rdnr. 7. Die Grenze zwischen Auslegung und Ergänzung wird aber jeweils durch die Andeutungsformel verwässert. 6 Vgl. RGZ 52, 1, 4; RGZ 64, 35, 40; BGH, DNotZ 1971, 37, 38; Enneccerus / Nipperdey, S.956 (§ 154 III 1 b); Erman / H. Westermann, § 125 Rdnr. 2; Flume, AT, S.268 (§ 15 III 3 a); Häsemeyer, Form, S. 276 f.; Heldrich, AcP 147 (1941), 105; Krüger-Nieland in RGRK12, § 125 Rdnr. 40; Larenz I, S.59 (§ 5); Lehmann / Hübner, S.225 (§ 31 VII 3); Palandt / Heinrichs, § 125 Anm.3; Soergel/ Hefermehll l , § 125 Rdnr. 12, § 139 Rdnr. 4; v. Tuhr, S.510 (§ 63 IV 1). Staudinger / Coingl l (§ 125 Rdnr. 11) meinen, einer Anwendung des § 139 BGB bedürfe es nicht. 8 Deutlich Larenz, AT, S. 297 ff. (§ 19 II b). Im Gegensatz hierzu hält Häsemeyer (Form, S. 157) die Unterscheidung zwischen Auslegungsgegenstand und Auslegungsmitteln für irrelevant.

6 Bernard

5. Kap.: Schlußfolgerungen für typische Problemlagen

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sichtigen mußte'